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Full text of "Zeitschrift für Bücherfreunde 18.1926"

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ZEITSCHRIFT 
BUCHERFREUNDE 


ORGAN DER GESELLSCHAFT DER BIBLIOPHILEN E. V.) 
DES VEREINS DEUTSCHER BUCHGEWERBEKUNSTLER E. V.) 
UND DER WIENER BIBLIOPHILENGESELLSCHART 


BEGRÜNDET VON FEDOR VON ZOBELTITZ 


NEUE FOLGE 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


GEORG WITKOWSKI 


ACHTZEHNTER JAHRGANG 


VERLAG VON E. A. SEEMANN IN LEIPZIG 
1926 


1 


VW 


Inhaltsverzeichnis. 


I. Hauptblatt. 


Arthur Bechtold: Eine bildliche Darstellung des studentischen Landesvaters . 

Hermann Beenken: Zur Kritik farbiger Gemäldereproduktionen 

Werner Deetjen: Spenden aus der Weimarer Landesbibliothek 

Viktor Heydemann: Der Name „Merkur“ zur Bezeichnung von Zeitschriften und Zötungen 

Johannes Hofmann: Die Bibliothek des Nikolaus von Ebeleben. Mit einem Bilde 

Max Joseph Husung: Derome der Jüngere, Madame de Montesson und Prinz Heinrich 
von Preußen. Mit drei Bildern . 

Heinz Jansen: Der Streit um Kutschke und das Kutschkelied . 

Stephan Kekule von Stradonitz: Ein seltenes Buch mit einem noch seiteneren Vor 
kupfer. Mit einem Bilde 


Heinrich Klenz: Literarische Fälschungen uid NEE (Forsen SE Schluß) 62, 92 


Paul Krasnopolski: Die geplante Verlosung der Kehler Voltaire-Ausgaben 85 8 

Leipzig im Jahre 1649. Beilage in 12 farbigem Offsetdruck . . . . . . . . nach 

Vita von Lieres: Kalender und Almanache. Mit sechs Bildern . SEN 

Arthur Lotz: Die Entstehung der Modelbiicher. Mit vierzehn Bildern 

Harry Maync: Eduard Morike und Friedrich Wilhelm IV. 

Hans von Miiller: Die neueren Sammlungen von E. T. A. Hoffmanns Werken ind Privat- 
aufzeichnungen nach Inhalt und Anordnung untersucht. Mit zwei Tafeln 

Ignaz Reinwald: Zwei weitere Einbände von Jakob Krauße in der Gymnasialbibliothek 
zu Zweibrücken. Mit zwei Bildern . E ee 

Adolf Schmidt: Lederschnittbände des 14. ja andete. Mit vier Bildern . 

Alfred Schneider: Die John Rylands-Bibliothek in Manchester . 

Max Speter: Grimmelshausens Simplizissimus-,,Flugblatter“ na 

— Ein unbekannter Nachdruck der Erstausgabe des ,,Fliegenden ee nach 
dem Mond“. Mit zwei Bildern 

Ludwig Volkmann: Von der Bilderschrift zum Bilderrätsel, Mit Ee Bildern 

Max Zobel von Zabeltitz: Figurengedichte 


14348 eal 


Be 7. ‘he e 


Seite 


28 
29 


114 


34 
82 


25 
37 


92 


95 
100 


IOI 
45 
43 


IN 


Inhaltsverzeichnis. 


II. Beiblatt. 
Briefe. 


Amerikanischer Brief . 
Englischer Brief 
Holländischer Brief 
Pariser Brief 
Schwedischer Brief 
Wiener Brief 


11, 113, 185, 


Neue Biicher und Bilder. 


Paul Adam: Lebenscrinnerungen eines alten Kunst- 
buchbinders 

Adrvfibuch der Gester Deutschlands nd des ge- 
samten Auslandes 

Der heilige Alltag. Deutsche bürperliche Dichlünr 
1770—1870. Gesammelt von Ernst Lissauer 

Peter Altenberg: Der Nachlaß 

Amalthea-Almanach 1917 —1927 9 

Des Antiquars und Bücherfreundes Palmen-Gärtlein 

Des Apulejus sogenannter Goldener Esel. Deutsch 
von Albrecht Schäffer . . 

Michael Arlens: Der grüne Hut. 

M. Arnac: Im Tollhaus der Freude 

Berthold Auerbach: Diethelm von Buchen berg. 

Arnim: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonncau 
(Juniperuspresse) . 

Julius Aufsesser: Aus meinem Sammilerleben. 
32 Bildern. 

Außenseiter der Gese ee : 

Julius Bab: Die Chronik des deutschen Dramas, 
Fünfter Teil 

— Richard Dehmel. 
Werkes . a ae de 

A. Baberadt: Das Haus zum Lanzknecht 

C. Balcke: Bibliographie zur Geschichte der Preu- 
gischen Staatsbibliothek 8 35 : 

Vickt Baum: Der Weg. 

Frits Behrend: Aus Theodor Fontanes Werkstatt. 

Der hetlige Benedikt. Sein Leben in Bildern von 
Signorelli und Sodoma mit Text von St. Gregor 
dem Großen herausgegeben von Dietrich v. Hilde- 
brand 

Richard Benz: Märchen- Dichtung det Romanike, 

Eduard Berend: Jean-Paul- ER Mit einem 
Bilde 

Martha Berger: Das Leben einer Frau 

Hans Bethge: Die armenische Nachtigall . 

Friedrich Bethge: Novellen 

Bidpar: Das Buch der Beispiele alter Weisen, bor: 
gegeben von Hans Wegener . e 

Oscar Bre: Das deutsche Lied. Mit 8 Bildern, einer 
Titelvignette und Einbandzeichnung von Hans Meid 

Flodoard Freiherr von Biedermann: Goethe als 
Rätseldichter 

Bienstock: Neue Ufer . 

Rudolf G. Binding: Reitvorschrift für eine e Geliebte 

F. V. Bischoff: Alter 

William Warner Bishop: The Backs of Books and 
other essays f : 

Zoom Block und Georg Ge une: Die Prostitution. 
Zweiter Band erste Hälfte 


Mit 


Die Geschichte eines Lebens- 


Spalte 


205 
276 


283 

21 
277 
133 


286 
270 
202 

21 


141 


206 
64 


291 


280 
202 


66 
211 
206 


73 
128 


206 
207 

22 
271 
273 
292 

22 
202 


290 
202 


274 


135 


Hans Friedrich Blunck: Kampf der Gestirne 

Boll- Bezold. Sternglaube und Sterndeutung. 3. Aufl., 
herausgegeben von W. Gundel. Mit 48 Bildern 
und einer Sternkarte 

Rudolf Borchardt: Ausgewählte Werke Ee 1918 

— Ewiger Vorrat deutscher Poesie . 

Borchardt- Wustmann: Die sprichwörtlichen Redens- 
arten im deutschen Volksmund. 6. Aufl. Neu 
bearbeitet von Georg Schoppe. Mit 35 Bildern 

Hans Heinrich Borcherdt: Geschichte des Romans 
und der Novelle in Deutschland. I. Teil 

Leonaert Bramers Zeichnungen zum Ty! Ulenspiegel. 
Herausgegeben von E. W. Bredt 

Hans Brandenburg: Pankraz der Hirtenbub . 

Georg Brandes: Die Jesussage . . 

Paul Brandt: Schaffende Arbeit und bildende Kunst 
im Altertum und im Mittelalter. Mit 460 Bildern 
und 2 Farbentafeln . a a ee 

— Sehen und Erkennen. Eine Anleitung zur ver- 
gleich. Kunstbetrachtung. 6. Aufl. Mit 784 Bil- 
dern ; 

Frank EEN der e 
nach Radierungen mit EE 
A. S. Levetus. 

J. G. J. Breitkopf: Nachricht von der Siempelachiner: 
derey und Schriftgießerey. Mit Erläuterungen 
herausgegeben von Wilhelm En und Hein- 
rich Schwarz . 

Max Brod: Réubeni, First der oder 

Arnold Bronnen: Katalaunische Schlacht . 

Alfred Brust: Die verlorene Erde . 

Das buch der geschicht des großen dander. 

Bücher des Mittelalters. Band lil: Friedrich Ranke, 
Tristan und Isolde. — Band IV: Ernst Tegethoff, 
Märchen, Schwänke und Fabeln. 

Das Buchgewerbe in den Traktaten Etwas für Alle 
des P, Abraham a Santa Clara. Mit den Kup- 
fern von Christoph Weigel. Eingeleitet von 
Alois Jesinger ae 

Konrad Burdach: EC Renaicesuce: Hums- 
nismus A Si es re 

— Vorspiel. 2. Band: Goethe op sein Zeitalter. 
Anbang: Kunst und Wissenschaft der Gegenwart 

Hans Carossa: Rumänisches Tagebuch 

Ernst Cassirer: Sprache und Mythos . 

Eduard Castle: In Goethes Geist 

Benvenuto Cellini: Lebensgeschichte, von hin selbst 
erzählt. Deutsch von Alfred Semerau. Mit 
48 Tafeln . 

Chesterton: Der Mann, der zuviel wüßte : 

Ulrich Christoffel: Hans Holbein d. J. 


17 Kunstdrucke 
Einleitung von 


137 


68 


135 
207 

68 
286 


27 


208 


273 
279 


279 

23 
138 
279 


26 
64 
284 


Inhaltsverzeichnis. V 
Spalte Spalte 
William Cohn: Buddha in der Kunst des Ostens. 16 Hans Frank: Septakkord . soa e a 203 
Joseph Conrad: Der Geheimagent. — Die Schatten- Leonhard Frank: Die Schicksalsbrücke, — An der 
linie. — Spiel des Zufalls. — Jugend 285 Landstraße. — Im letzten Wagen . ‘ 213 
Lovis Corinth: Selbstbiographie. Mit 22 schwarzen Wilhelm Frels: Der Katalog des Biicherliebhabers 214 
und 4 farbigen Bildnissen 284 Max Freyhan: Georg Kaisers Werk 131 
Briefe an Cotta: Das Zeitalter Goethes ind Napoleons Richard Friedenthal: Der Heuschober 211 
1794—1815. Herausgegeben von Max Fehling 26 Nax J. Friedländer: Max Liebermann : 139 
Benedetto Croce: Der Begriff des Barock — Die Leo Frobenius und Hugo Obermaier: Hádschra Mäk- 
Gegenreformation e Ga OQ tuba. Urzeitliche Felsbilder Kleinafrikas. Mit 
Ernst Crous: Die Campe-Piaktür, „Der Einsiedler 55 mehrfarbigen und 105 einfarbigen Bildern und 
von Warkworth". Ein Beitrag zur Geschichte ıı Karten . en cdi, et Bc en SEE a ct dei E oe 29 
der Schriftreform 134 Eduard Fuchs: Tang-Plastik, Chinesische Grab- 
Ernst Robert Curttus: Französischer Geist i im neuen keramik. — Dachreiter und verwandte chine- 
Europa . cas ee BE er ie a de A OG sische Keramik. Band I u. II 16 
Herbert Cysarz: Literaturgeschichte als Geistes- René Fulép-Miller: Geist und Gesicht des Balsche: 
wissenschaft : 126 wismus. Mit 500 Abbildungen . Së . 214 
Deutsches Dante-Jahrbuch. Neunte Band 132 Victor Gardthausen: Das alte Monogramm. Mit 
Richard Dehmel: Bekenntnisse 269 5 Tafeln © <.. (276 
Joseph Delmont: In Ketten 266 Theophil Gautier: Gees Werke. Mit Zeich- 
Robert Diehl: Beaumarchais als Nachfolger Backer nungen von Karl M. Schultheiß . 30 
villes woe a >. . 275 Ce- Hagenbach: Album von Handschriften Br 
Alfred Döblin: Reise durch Polen 62 rühmter Persönlichkeiten vom Mittelalter bis zur 
Peter Dörfler: Regine und Mang . 211 Neuzeit . . 218 
Else Dosenheimer: Das zentrale Problem in der Germanistische . ; S A Gat. yy ot SEO 
Tragödie Friedrich Hebbels 130 Germanisches Wesen in der Frühzeit. Eine Aus- 
Hermann Drahn: Das Werk Stefan Georges 26 wahl aus Thule mit Einführungen bearbeitet von 
Annette von Droste-Hülshoff: Ungedrucktes, Heraus- G. Neckel . ; 217 
gegeben von Karl Schulte-Kemminghausen . 27 Heinrich Glück und Ernst Dies: Die Kunst de SEN 
Frans Diilberg: Deutsche Malerei. Mit 32 Bildern. Mit 600 Bildern und 39 z. T. farbigen Tafeln . 218 
2. Aufl. á . 28 Otto Gmelin: Temudschin, der Herr der Erde. 63 
Dürer-Kalender, Herausgeber. Karl Mag e 278 Gogol: Die toten Seelen, erläutert von Rudolf Kaßner 70 
Heinrich Ehrler: Die Reise in die Heimat . 268 Goethe, Faust. Mit einer Einleitung: Faust und die 
Walther Eidlitz: Die Gewaltigen 204 Kunst von Max v. Bochn . 219 
Eishers und Edeljaspis. Aus dem Chinesischen über- — Die CC erläutert von a Thomas 
tragen von Franz Kuhn .. . e 286 Mann 70 
Paul Englisch: Geschichte der erotischen Literatur 127, 281 Hermann Goetz und Rose Vise Maa: Gedichte aus 
Epikon. Fünfzig auserlesene N erzählender der indischen Liebesmystik des Mittelalters. Mit 
Prosa 69 12 Tafeln 70 
"arl Otto EE Die Kunst recht zu behalten Oscar und Cácilie Graf: jananivches Gespensterbuch. 
2. Aufl. 210 142 Tafeln nach japanischen Malereien und Holz- 
Emil Ermatinger: Barock und Rokoko i in der deut- schnitten 220 
schen Dichtung 279 Erna Grautoff: Jahreszeiten ger Seele 140 
— Weltdeutung in EE ‘Simplicius Sim- Otto Grautoff: Das gegenwärtige Frankreich 290 
plicissimus. Mit 3 Lichtdrucktafeln 211 Joseph Gregor: Wiener szenische Kunst. Band I: 
Paul Ernst: Der Schatz im Morgenbrotstal . 287 Die Theaterdekoration. Mit 60 Bildern. Band II: 
Karl su Eulenburg: Die Brunnen der großen Tiefe 266 Das Bühnenkostüm. Mit 4 farbigen Lichtdrucken, 
Der Falke. Bücherei zeitgenössischer Novellen . 211 21 bunten und 254 schwarzen Bildern 285 
Konrad Falke: Marienlegenden, nach alten Vorlagen Adolf v. Grolman: Adalbert Stifters Romane 130 
erzählt. Mit 6 Originalradierungen von Gertrud Rudolf Grossmann: Drei Märchen von Andersen, 
Escher 272 Mit 31 Lithographien 220 
Lion Feuchtwanger: Die häßliche Herzogin Margarete Paul Gurk: Meister Eckehart 221 
Maultasch . 199 Gutenberg- Jahrbuch 1926. Herausgegeben: von EN 
Fielding: Tom Jones, erläutert von Paul Ernst . 70 Ruppel . : 276 
Otto Flake: Villa U.S, A. 269 Konrad Haebler: Handbuch det Tnkünabelliinde 274 
Gustave Flaubert: Die Erziehung de Hessens. übe Paul Hambruch: Faraulip. Liebeslegenden aus der 
tragen von E, L. Rheinhardt . e 289 Siidsee. Mit 32 farb. Original-Lithographien von 
The Fleuron: A Journal of Typography edited by Georg Alexander Mathéy SA e SEH 
Oliver Simon. Number 1—4 . e 138 — Oceanische Rindenstoffe. Mit 34 Textbildern 
Svend Fleuron: Sigurd Torleifsons Pferde 290 und 33 Tafeln Sts Sa 8. 2285 
— Waldkäuze. Übertragen von H. Kiy 205 Knut Hamsun: Gesammelte Werke. 9. Band: Die 
— Die Wildschwäne 63 Weiber am Brunnen ; > + 222 
Fraktur oder Antigua? Zwei ‘Berliner Beiträge aus Handbuch des Kunstmarktes . 276 
dem 18. Jahrhundert ; 134 Handbuch der Literaturwissenschaft, Dee 
Hans Franck: Eberhard Viegener 213 von Oskar Walzel 125, 222, 281 
Hans Frank: Meta Roggenpoord 63 Andreas Haukland: Die Normen spinnen 199 


VI Inhaltsverzeichnis. 
Spalte Spalte 
Gerhart Hauptmann: Fasching. 31 Alte und neue Lieder mit Bildern und Weisen. Mit 
— Veland . 7 223 vielen Bildern SE At ee e 
Julius Havemann: Pilger durch die Nacht 268  Unbegreiflich Herz. Detlev von Liliencrons Liebes- 
Aforitz Heimann: Nachgelassene Schriften 269 briefe an Helene von Bodenhausen. Herausge- 
Henderson: Tischgespräche mit Bernhard Shaw 20I geben von Heinrich Spiero. Mit 8 Bildern und 
O. Henry: Bluff . ee. a a e a a eo 20 4 Faksimiles Be Men ee EE 
Georg Hermann: Der kleine Gast. . . . . 71 Rudolf Lochner: Cimmelshausen u Gee ae 75 
Hermann Hesse: Piktors Verwandlungen . 218 Jack London: Der Seewolf oa 266 
Alfred Hessel: Geschichte der Bibliotheken . 223 Oskar Loerke: Zeitgenossen aus vielen Zeiten 229 
Franz Hessel: Teigwaren, leicht gefärbt . 204 Hans Loubrer: Der Bucheinband von seinen Anfängen 
Arthur Holitscher: Der Narrenbaedeker . . . 71 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. 2. Aufl. Mit 
— Das unruhige Asien. Mit 84 Bildern 292 232 Bildern 275 
O. Af. Hiüfer: Als Vagabund in New Vork. 266 Axel Lübbe: Der Flüchtling; Ein Preußischer Offizier 211 
A. S. Al, Hutchinson: Das Kartenhaus 199 Maarten Alaartens: Auf tiefer Hohe E 230 
Oskar und Anita lden-Zeller: Der Weg der Tränen. — Gottes Narr. Deutsch von Eva Schumann . 230 
Herausgegeben von Karl Blank. Mit 4 farbigen Otto Afallon: Brentano-Bibliographie . . 275 
und 32 einfarbigen Tafeln 288 — Heinrich Mann: Der Kopf . . . . 2 2.2. 76 


Jhering Herbert: Aktuelle Dramaturgie. . . 71 
Insel- Almanach für das Jahr 1927 . 278 
Panait Istrati; Kyra Kyralina i 270 
Niels Lyhne, erläutert von Stefan Dubie 70 


Jacobsen: 
Jahrbuch der asiatischen Kunst. Bandl. . . . 16 
Francis Jammes: Der baskische Himmel. — Marie 


oder die Geschichte eines GE Mädchens vom 


Land 287 
Johannes V. Jensen: Nome SEN 289 
Hanns Johst: Consuela . 224 
— Die fröhliche Stadt . E A A 
Decimus Junius Juvenalis: Der Weiberspiegel, in 

neuer Übertragung von Hans Bogner. 73 
Rudolf Kafiner: Die Nee ae 

Studien . B 225 
Margaret Kennedy: Die treue Nymphe, deutsch, von 

E. L. Schiffer. . . . ; . 64 
Hermann Kesser: Lukas aar kolc — Schwelter , 225 
Kiepenheuers Liebhaberbibliothek 288 


Die Kindheit Jesu. Mit Text aus der Heiligen Schrift 
nach der Übersetzung von Allioli. Herausgegeben 
von Dietrich v. Hildebrand . . . . . . . 73 
Rudyard Kipling: Dunkles Indien. Ubertragen von 
Gustav Meyrink. — Das Licht erlosch. Uber- 


tragen von Walter C. Osborne 288 
Victor Klemperer: Die französische Enter von 

Napoleon bis zur Gegenwart. I. und II. Teil 278 
Paul Kluckhohn: Persönlichkeit und Gemeinschaft 226 
Gerhard Ouckama Knoop: Prinz Hamlets Briefe 226 
Margarete Kober: Das deutsche Märchendrama 128 
Annette Kolb: Spitzbögen. Mit 11 Zeichnungen von 

Rudolf Großmann 226 
Alexandra Kollontay: Wege der Liebe 202 


Het eerste nederlandsche gedrukte Kookboek s 31 


Mario Kramer: Die Wiedergeburt durch Lagarde . 227 
Ernst Kühnel: Die Kunst des Ostens’. ‘ 227 
Kunst und Leben. 19. Jahrgang 1927 278 
Kurse aber notwendige Erinnerungen tiber die Leiden 

des jungen Werthers (1775) . 133 
D. H. Lawrence: Söhne und Liebhaber 228 


Stephan Leacock: Humor und Humbug. Deutsch 
von E. L. Schiffer-Williams . . . . . . . 74 


Hans Leip: Tinser 289 
Leonid Leonow: Die Bauern von Wory 205 
Karl Lerbs: Die Wette gegen Unbekannt 291 


Sinclair Lewis: Dr. med. Arrowsmith . . . . 64 
Max Liebermann: Zweiundzwanzig Pastelle in Fake 
similedrucken der Reichsdruckerei . 


— Liliane und Paul A d 200 
Thomas Mann: Bekenntnisse des Hochstaplers Felix 

Krull 211 
— Kino 135 
— Pariser Rechenschaft: 268 
— Unordnung und frühes Leid . 289 


— Der Zauberberg . . . 76 
Die schönsten Märchen der Weit für Ge E I 7 ag. 


I. Band. Herausgegeben von Lisa Tetzner. Mit 

Bildern von Maria Braun . . 283 
Die Märchen der Weltliteratur. eebe von 

Fr. v. d. Leyen und P. Zaunert. Lettisch-litauische 

Volksmärchen, Herausgegeben von M. Boehm 

und F. Specht. — Türkische Märchen. Heraus- 

gegeben von Fr. Giese. — Indianermärchen aus 

Nordamerika, Herausgegeben von W. Krickeberg 231 
Erich Marcks: Geschichten und Gegenwart . 232 
Herbert Marcuse: Schiller-Bibliographie . . . . 77 
Percy Marks: Studentenjahre. . . .. 65 
Bruno Markwardt: Herders kritische Wälder 233 
Otto Afarschalek: Die Tiefen von Mangalore 266 
Franz Masercel: Mein Studentenbuch, 165 Holz- 

schnitte mit Einleitung von Thomas Mann. — 

Die Sonne. 63 Holzschnitte mit Einleitung von 

Carl Georg Heise 285 
Wilhelm Matthießen: Télenbueh: 203 
Anton Mayer: Peregrinus Windesprang 287 
Gustav Alayer: Ferdinand Lassalle. Die Schriften 

des Nachlasses und der Briefwechsel mit Karl 

Rodbertus. . . vr ën, ta ee DEE 
Harry Maync: Eduard Mörike, ES und 4. Aufl. 280 
Menschen, Völker, Zeiten. Eine Kulturgeschichte 


in Einzeldarstellungen, nen von Max 
Kemmerich . . 31 


G. Menz: Der deutsche Buchhandel in Selbstdar- 
stellungen ee ae . . Ią42 
Meyers Lexikon in 12 Bänden, 7. Aufl. 233, 277 
Conrad Ferdinand Meyer: Huttens letzte Tage (Juni- 
peruspresse) EE . . 142 
Karin Michaelis: Die kleine Liignerin ye. 2JI 
— Mette Trap . . 78 
Georg Minde-Pouet: Kleists jede Ständen. Teil 1: 
Das Akten-Material . . . . . 129 
Mittelalterliche Miniaturen aus der Staatl. Bibliothek 
Bambergs. Heft 1, herausgegeben von Hans Fischer 283 
Walter von Molo: Im ewigen Licht 203 


George Moore: Liebesleute im Orelay. Deutsch. , von 
Max Meyerfeld . . . 2 . nn LA? 


Inhaltsverzeichnis. 


Spalte 

George Moore: Pariser Geschichten 200 
Curt Moreck: Das weibliche Schönheits- Ideal im 

Wandel der Zeiten. Mit 215 Bildern . . . 32 


Briefwechsel zwischen Eduard Mörike und Friedrich 
Theodor Vischer. Herausgegeben von Robert 
Vischer. Mit 5 Bildern und Faksimiles 280 

Birger Morner: Tinara. Die Vorstellung der Natur- 
völker vom Jenseits. Ubersetzt und eingeleitet 
von P. Hambruch . . . . 2 22324 

Hans Albrecht Moser: Die Komödie des Lebens . 202 

Hans Joachim Moser: Geschichte der deutschen Musik 
von den Anfängen bis zum Beginn des DreiBig- 
jährigen Krieges. 4. Aufl. 281 

Adam Miiller: Schriften zur Staa philosophie: Aue: 
gewählt und herausgegeben von Rudolf Kohler 235 

— Vorlesungen über die deutsche Wissenschaft und 
Literatur. Herausgegeben von Arthur Salz. 235 

Gg. Herm. Miller: Von Bibliotheken und Archiven 236 

Guenther Mueller: Geschichte des deutschen Liedes 
vom Zeitalter des Barock bis zur Gegenwart . 234 

München sur Kurfürstenzit . - - . . 78 

Börries Freiherr von Münchhausen: Meine Saus 
balladen. Mit 7 Radierungen von Rolf Schott 79 


Hanns Otto Münsterer: Das Passional . . 272 
R. C. Muschler: Der Weg ohne Ziel . . 204 
Johann Nestroy: Sämtliche Werke, herausgegeben 

von Fritz Brukner und Otto Rommel . 79, 279 
Alfred Neumann: Der Patriot . . . . 2211 


Charles Nodier: Der Büchernarr. Mit Vorwort und 
Erläuterungen von Ejnar Munksgaard, übersetzt 


von Inga Junghanns . . . . 2 2 2274 
A. de Nora: Tal des Willens 65 
Nordafrika. Aufnahmen von Lehnert and Fandel 

Einleitung von Ernst Kühnel! 80 


Oskar Ollendorf: Liebe in der Malerei. Neue Bei- 
träge zur Psychologie der großen Meister. Mit 


33 Lichtdrucktafeln . . . . . 204 
artha Ostenso: Der Ruf der Wildgänse ay 268 
Neue Österreichische Biographie 1815—1918, geleitet 

von Anton Bettelheim. I. Abt. 3. Band . 282 
In memoriam Oskar Panizza . . 274 
Pantheon, herausgegeben von Hanns Martin Elster 62 
Alfons Paquet: Lusikas Stimme . . . 211 
Pestalozzi: Lienhard und Gertrud. Heiäusgegebin 

von Jakob Weidenmann . . . . . 2090 
Robert Petsch: Gehalt und Form . . . . . 80 
Erich Peukert: Schlesische Rübenzahlsagen ee i 200 


August Graf von Platen-Hallermünde: RER 237 
Franz Pocci (Enkel): Das Werk des Künstlers Franz 


Pocc i es e e eee 
Alfred Fol gar: Ja und Nein eB Os 2085 
— „Orchester von oben“ . . 270 
Josef Ponten: Der Urwald; Der Gletscher; Die Uhr 

von Gold . . . . 2 
E. O. Püttmann: Anna Carolina Pe 202 


Jakob Rabus: Rom. Eine Münchner Pilgerfahrt im 
Jubeljahr 1575. Nach einer ungedruckten Hand- 
schrift mit 74 gleichzeitigen Holzschnitten heraus- 


gegeben von Karl Schottenloher . . . . . 237 
Eduard Reinacher: Flock . . . . . 2211 
Barbara Ring: Der Kreis.. . . 268 


Thomas Roffler: Ferdinand Hodler. Mit 124 Bildern 284 

Erwin Rohde: Der griechische Roman und seine 
Vorläufer. 3. Auflage . . . . 3126 

Hans Roselieb: Rot-Gelb-Rot . . . . . Dë 


Gerhard Salomon: E. T. A. Hoffmann-Bibliographie 

Max Sander: Die illustrierten franzdsischen Biicher 
des 18. Jahrhunderts 

Moritz Schäfer: Die Sphinx von | Ulea 

Wilhelm Schäfer: Die Badener Kur 

— Der Gottesfreund . a 

Jakob Schaffner: Die Glücksfischer > 

— Die letzte Synode (Juniperuspresse) 

Karl Scheffler: Zeit und Stunde. Neue Essays 

René Schickele: Ein Erbe am Rhein » 

August Wilhelm und Friedrich Schlegel im Brief- 
wechsel mit Schiller und Goethe. Herausgegeben 
von Josef Körner und Ernst Wienke . . 

Friedrich Schlegel: Gespräch über die Poesie (Kölner 
Presse) . DEN 

Briefe von und an Friedrich E 8 Schle gen 
Gesammelt und erläutert von Josef Körner . 

Schlesier des 18. und Ig. Jahrhunderts. Herausge- 
geben von Friedrich Andreae, Max Hippe, Paul 
Knötel, Otfried Schwarzer SE 

Julius Schlosser: Die Kunstliteratur 

— Die Kunst des Mittelalters pan 

August Schmarsow: Sandro del Botticello. Mit 
60 Abbildungen . . do rar is 

Iwan Schmeljow. Die Soane. der Toten. Deutsch 
von Käthe Rosenberg . a 

Ernst Schmitt: Leberecht Kitt. 

Friedrich Schnack: Sebastian im Wald 

Albert Schnetder: Der Einsiedler und sein Schicksal 

Arthur Schnitzler: Traumnovelle 

Wilhelm von Scholz: Perpetua 

Friedrich Schönemann: Die Kuust der Massénbe: 
einflussung in den Vercinigten Staaten von Amerika 

Friedrich Schott: Der Augsburger Kupferstecher und 
Kunstverleger Martin Engelbrecht und seine Nach- 
folger, fas em ee A E ën Be de eh 

Karl Schottenloher: Der Münchner Buchdrucker 
Hans Schobser 1500— 1530. Mit einem Anhang: 
Wer ist Jobann Locher von München? Mit 
35 Abbildungen ; 

Friedrich First von Schwarzenberg: E dem Wan 
derbuche eines verabschiedeten Lanzknechtes. 
Herausgegeben von Eduard Castle . 

Marcel Schwob: Die Gabe an die Unterwelt 

Gabriel Scott: Die Quelle des Glücks . . E 

Waldemar Sensburg: Die bayerischen Bibliotheken 

Shakespeare: Hamlet (Juniperuspresse) . 8 

— Die Komödie der Irrungen — Der Widerspenstigen 
Zähmung. Englisch und deutsch von Ludwig 
Tieck š 

— Der Sturm. Deutsch: von BEE Schaukal: Mit 
Originallithographien von Oskar Laske . 

— Sämtliche Werke. Nach der Schlegel-Tieckschen 
Übersetzung neu bearbeitet von Julius Bab und 
E. Levy 

Heinrich Siemer: Maja RE a 

Hans Wolfgang Singer: Von Unsterblichen. Ein 
Künstlerkalender mit 54 Kupferdrucktafeln 

Max Slevogt: Das blaue Licht. Ein Märchen mit 
15 Federlithographien . d b “er f 

Moriz Sondheim: Richard de Bory: 

Ein hübsch Spiel, gehalten zu Ury von Wilhelm 
Thellen, mit 13 handkolorierten Holzschnitten 
von Willi Harwerth . . . 

Carl Spitteler: Prometheus der Dulder 


VII 


Spalte 
81 


275 
143 
211 
218 
198 
141 
281 
198 


280 


143 


129 


290 
81 
283 


83 


143 
63 
288 
84 
203 
287 


238 


240 


240 
202 


85 


86 
132 


273 
32 


Inhaltsverzeichnis. 


VIII 

Ein Stammbuch aus vier Jahrhunderten. Heraus- 
gegeben von Johannes Hofmann T 

Hermann Stehr: Gesammelte Werke. g Bände 


— Der Heiligenhof. — Der Geigenmacher . 

Kurt Sternberg: Die Geburt der Kultur aus dem 
Geiste der Religion . a E 

Carl Sternheim: Oskar Wilde. Sein Drama 

Stifter: Der Nachsommer, erläutert von Hugo von 
Hofmannsthal . i 

Otto Stoessl: Adalbert Stifter 

Emil Strauß: Freund Hein — Der ne Mann 
— Kreuzungen f : 

Ludwig Strauß: Das Antlitz im Geh ; 

Lulu v. Strauß Torney: Das Fenster ; 

» Struwwelpeter-Hoffmann™ erzählt aus seinem Libers 
Lebenserinnerungen Dr. Heinr. Hoffmanns, heraus- 
gegeben von Eduard Hessenberg . ; 

Franz Stuckert: Das Drama Zacharias Werners 

Suezkint, der Jude von Trimberg: Minnelieder 

Symbolum apostolicum. Blockbuch, wiedergegeben 
nach dem Unicum der Wiener Nationalbibliothek. 
Mit Geleitwort von Ottokar Smital 

Otto Freiherr von Taube: Das Opferfest . ! 

Tausend und eine Nacht. Aus dem Arabischen über- 
tragen von Max Henning. 8 Bände ; 

Kurt Tautz: Die Räume der Churfürstlichen Biblio- 
thek zu Cölln an der Spree . 

Frank Thief: Narren. N 

Henry Thode: Der Ring des irane páni 

Ernst Toller: Die Rache des verhöhnten Liebhaber 
oder Frauenlist und Männerlist. Mit 9 Original- 
radierungen von Hans Meid . i 


Spalte 


241 
86 
286 


88 
242 


70 
32 


243 
218 
211 


291 
129 
272 


33 
201 

33 
243 


267 
289 


243 


Valerian Tornius: Zeitgemäßer Osterspaziergang, 
äußerst frei nach Goethe one und gebildert 
von Erich Gruner 

Träume von Gottfried Keller. 
nungen von Torsten Hecht 

Heinrich Trueb: Beatus Wiederkehrs ee 

Otto Trübe: Das Hoftheater in Ballenstedt . 

Johannes AM. Verweyen: Betrachtungen über Mystik 

Berthold Viertel: Das Gnadenbrot 

Das vierzigste Jahr 1886 — 1926 

Alfred de Vigny: Sklaventum und Größe des Soldaten 

Ambrotse Vollard: Renoir. — Degas 

Edgar Wallace: Der Frosch mit der Maske . 

Die Vorzüge der Stadt Franckfurt am Mayn, besungen 
von Friedrich Andreas Walther. Eingeleitet von 
Moriz Sondheim . 

Jakob Wassermann: 
Ernst i 

Curt Wesse: Die Himinels? Tie iere 

Albert Wesselski: Dante-Novellen. Mit E 
von Wolfgang Born 

Wilhelm Widmann: Wilhelm Tells Aramak iani: 
bahn und politische Sendung. Mit 76 Bildern 

Adolf Winds: Geschichte der Regie. Mit 6 Skizzen 
im Text und 145 Bildern auf oo Tafeln . 

Friedrich Wolf: Der Sprung durch den Tod 

J. Y. Zelizko: Felsgravierungen der südafrikanischen 
Buschmänner. Mit 20 Lichtdruck- und 8 Offset- 
tafeln . . . . 

Hans Zimmer: Dichterweisheit in Briefen 


Mit sechs Steinzeich- 


Der Aufruhr um den Junker 


Kleine Mitteilungen. 
Spalte 35, 91, 146. 


Bibliographie des Buchwesens. 
Spalte 35, 92, 148, 244, 293. 


Spalte 41, 


Kataloge. 
Spalte 39, 96, 152, 248, 296. 


Anzeigen. 


97, 153, 249, 297. 


Spalte 


274 


33 
211 
243 
244 
287 
277 

34 

89 
266 


133 


290 
145 


90 
145 
145 


211 


90 
35 


ZEITSCHRIFT 


HERAUSGEGEBEN 


N 


VON 


BUCHERFREUNDE 


GEORG WITKOWSKI 


1926 HEFT 1 
NEUE FOLGE 18.JAHRGANG 


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VERLAG E.A.SSEEMANN. LEIPZIG. 
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DIE NEUEREN SAMMLUNGEN VON E.T.A.HOFFMANNS 
WERKEN UND PRIVATAUFZEICHNUNGEN 
NACH INHALT UND ANORDNUNG UNTERSUCHT 


VON HANS VON MÜLLERIN BERLIN 


Vorbemerkung 


as Folgende ist keine Bzdlzographie, denn es werden darin keine Titelblätter repro- 
D duziert. Aber ebensowenig wird man darin erschöpfende Besprechungen finden; denn ich 

gehe auf die Art der Textwiedergabe nur gelegentlich und flüchtig, auf die biographischen 
Beigaben und die Ausstattung der behandelten Ausgaben gar nicht ein: das würde ein kleines 
Buch erfordern. Noch weniger handelt es sich um eine vom Herzen kommende und zum Herzen 
gehende Empfehlung einer bestimmten Ausgabe; denn ich kann weder eine z. Z. abgeschlossene 
Gesamtausgabe der Schriften empfehlen noch eine solche der Zeichnungen oder der Briefe. 

Was ich bringe, sind Analysen des Inhalts der Ausgaben: ich gebe also im Gegensatz 
zum Bibliographen gerade das, was die Titelblátter verschwezgen, nämlich die leitenden Ideen 
der Herausgeber. Stillen Gelehrten werden meine Ausführungen vielleicht nicht trocken 
genug, schönen Seelen nicht gemütvoll genug sein. Für diesen Fall übernehme ich persönlich 
hiermit ausdrücklich wissenschaftlich, moralisch und juristisch die volle Verantwortung für 
das, was ich geschrieben habe. 


Berlin, Ende Mai 1925. 
A. Die Schriften. 


Wir besprechen im folgenden unter I ganz kurz die älteren Gesamtausgaben bis zur 
Hempelschen einschließlich, unter II etwas ausführlicher die im Aufbau fast identischen von 
Grisebach, Maassen und Ellinger, unter II—VII dann eingehend (als das eigentliche Thema 
dieses Abschnittes) die neuen Versuche, Anläufe und Anregungen zu Gesamtausgaben und 
zu solchen Auswahlausgaben, die das künstlerisch Beste aus Hoffmanns dichterischem Werk 
geben wollen. Dagegen sind Sammlungen von séofflech verwandten Schriften Hoffmanns 
(musikalische Schriften, Kreisleriana, Künstler-Erzählungen, Berlinische Geschichten) zicht 
Gegenstand dieses Aufsatzes. 

Etwaige Beigaben zu Sammlungen von Hoffmanns Schriften sind nicht hier (unter A) 
besprochen, sondern weiter unten: Bilder unter C, Tagebücher und Briefe unter D. 


I. Die älteren Gesamtausgaben bis zur Hempelschen. ' 


Buchhändler-Unternehmungen; die Texte nach rein äußerlichen Gesichtspunkten angeord- 
net, alle beginnend mit den 'Serapions-Briidern'. (Nr. I—3 genau beschrieben in Bw = meiner 
Ausgabe von Hoffmanns Briefwechsel: s. u. D I 1). 

1. von Reimer sr. Vorbereitet seit 1826, erschienen 1827/28. Inhalt: 

a) Bd. 1—5: die beiden Buchpublikationen Hoffmanns aus Reimers Verlag, nach dem Um- 
fang geordnet: die 4 starken Bände der Serapions-Brüder in 4 Bänden, die zweibändigen 
Nachtstücke in ı Bd. 

b) Bd. 6—10: Buchpublikationen aus anderen Verlagen, ebenso geordnet: erst drei zwei- 
bändige in je 1 Bd., dann vier einbändige zusammen in 2 Bdn. (S. Bw 563/90, bes. 589f.) 

c) 1839 als Supplement dazu Bd. 11—15 bei Brodhag in Stuttgart: kleine Texte und Bio- 
graphisches. (S. Bw 636/67, bes. 665/67.) 

2. von Baudry in Paris. Gedruckt 1840, erschienen mit dem Titeljahr 1841. ı Bd. Lex.-8°, 
der in zweispaltigem Druck den Inhalt der 15 Bde. unserer Nr. 1 wiederholt. Die Texte geordnet 
wie dort, die biographischen Beigaben besser. (S. Bw 668/71.) 

3. von Retmer jr. Vorbereitet seit Herbst 1842, erschienen Ende 1844 bis Ende 1845. 
(S. Bw 671/73.) 12 Bde., jeder mit 2 Steindrucktafeln nach Federzeichnungen von Theodor 
Hosemann. Inhalt: 

a) Bd. 1— 10 wie in Nr. 1; 
b) Bd. 11. 12: Auswahl von Texten aus Brodhags Supplement; nichts Biographisches. 
XVIII, 1 


2 Hans von Müller: Die neueren Sammlungen. von E. T. A. Hoffmanns Werken 


Wiederholt 1856f und 1871/73 mit wachsender Verschlechterung der Texte und der 
Illustration (nämlich ohne die unentbehrlichen 8 Callotschen Bilder, die das Thema des 
‘Brambilla’ bilden und demgemäß in den drei älteren Gesamtausgaben wiederholt waren). — 
Eine neuere Wiederholung s. u. sub III. 


4. von Hempel. Erschienen 1879/83. 15 Bände, mit subalternen Erläuterungen unter dem 
Text, in folgender elenden Disposition: 


a) 1—8: die drei Sammelpublikationen Hoffmanns, nach dem Umfang geordnet, also Sera- 
pionsbrüder, Phantasiestücke, Nachtstücke; 


b) 9—ı2: die beiden Romane 
[bis hierher also immer 1 Bd. Hoffmann = 1 Bd. Hempel]; 


c) 13—15 alles übrige, also die 4 einbändigen Buchpublikationen und die kleinen Schriften 
etwa in demselben Umfange wie in Nr. 3; dazu noch ein Lebensbild Hoffmanns von 
Boxberger (fast Wort für Wort aus den beiden Büchern von Hitzig und Kunz kompiliert). 


II. Neuere Gesamtausgaben in bibliographischer Folge der Texte. 


1. von Grisebach. Vorbereitet seit 1898, erschienen 1899 bei Max Hesse in Leipzig. 15 Bande: 


a) 1—12: Hoffmanns Buchpublikationen ix der Folge des ersten Erscheinens — seitdem selbst- 
verständlich, damals eine Tat; 


b) 13—15: die kleineren Schriften, darunter 6 musikalische Aufsätze. 


Der Text infolge der eiligen Herstellung (in drei Vierteljahren!) teilweise ziemlich fehlerhaft 
(s. meine Ausg. von Hoffmanns Märchen der Serapionsbrüder, 1. Aufl. von 1906, S. 362/63 
Note). Sehr dankenswert die Beigabe eines Registers, des ersten zu einer Hoffmann-Ausgabe 
und bis 1922 des letzten. 


2. von demselben. Bearbeitet 1904, erschienen 1905. Unter Benutzung der Stereotyp- 
platten von Nr. ı hergestellt. Die kleineren Schriften sind jedoch auf Edgar Istels wieder- 
holtes Drängen um 14 musikalische Schriften vermehrt, von denen allerdings nur 9 von 
Hoffmann stammen; die neue Ausgabe enthält also deren 20, von denen 15 echt sind. (Vgl. 
meinen Aufsatz ‘Hoffmann als Musikschriftsteller’ in den Süddeutschen Monatsheften, speziell 
im Heft vom März 1908 auf S. 289 unten bis S. 292 Mitte; diese Stelle wiederholt in dem 
Privatdruck ‘Hoffmann und Hartel’ auf S. 56 unten bis S. 59 Mitte.) 


3. von Maassen. Vorbereitet für 1906, erschienen seit Ende 1907 (u.d. J. 1908 ff) bei 
Georg Müller in München. Bisher Bd. 1—4 und 6—8; Folge der Texte bis jetzt genau wie 
bei Grisebach. Textwiedergabe sehr sorgfältig; die Lesarten sind vollständig aufgeführt, aber 
dieser Apparat ist infolge seiner mechanischen Anordnung und der Unterbringung im gleichen 
Bande, hinter dem Text, äußerst unbequem zu benutzen. Zahlreiche Erläuterungen, vielfach 
dankenswert, aber nicht selten über das Notwendige hinausgehend. 


a) Zu Bd. 1—3 (1908/09) Einleitungen von 23—28 (zusammen 79) Seiten. Grund dieser 
Beschränkung Bd. ı S. IX/X angegeben: 


[Erstens]: Quellennachweise, Festlegungen literarischer Vorbilder in stofflicher und 
sprachlicher Beziehung, werden hier (in den Anmerkungen) wie desonders in der Einleitung 
nur in sehr prägnanten Fällen gegeben, um so mehr als ich eine eingehende Untersuchung 
dieser Materie seit Jahren vorbereite... [Zweitens]: Anführung und Besprechung alter 
und neuer Rezensionen der Hoffmannschen Schriften wie [drittens] ezgene ästhetische 
Untersuchungen über diese sind hier [in den Einleitungen] im Prinzip ausgeschieden; 
beides behält sich der Herausgeber für desondere umfassende Publikationen vor. 


b) Von Bd. 4 an völlig neues Programm. Vor dem dritten Programmpunkt, den „eigenen 
ästhetischen Untersuchungen“, scheut Maassen besonders bezüglich der Märchen, also der kürst- 
lerisch ausschlaggebenden Kategorie von Hoffmanns Dichtung, in einer damenhaften Empfind- 
samkeit zurück. In Band 4 heißt es S. CI: „über den Grundgedanken, die Idee des Märchens 
[Klein Zaches'),... über Charakter und Struktur des Ganzen sollen hier keine Worte verloren 
werden. Jedem, der Hoffmanns Geist und Phantasie in gleicher Weise gerecht werden kann, wären 
es überflüssige Redensarten. Und für die anderen?“ In Band 7 S.IX: „An die Anatomie von 
Hoffmanns märchenhaften Gebilden wird jeder, ist er neben seinem Interesse an der Lösung 
einer wissenschaftlichen Aufgabe auch ein aufrichtiger Verehrer des Dichters, nur mit Vorsicht, 
mit einer gewissen Angstlichkeit herantreten: muß er doch durch gar zu herzhafte Schnitte 
des analytischen Seziermessers befürchten, die Schönheit der Neugierde aufzuopfern, um dabei 


Hans von Müller: Die neueren Sammlungen von E. T. A. Hoffmanns Werken 3 


sich und andern, die seine Bemühungen verfolgen, den Genuß des Werkes selbst gründlich zu 
verderben.“ Und in Bd. 8 S. XCVIII unter Berufung auf diese Stelle: „Ich muß gestehen, daß 
meine Sckeu vor der Zergliederung von Hoffmanns Märchen... noch zugenommen hat.“ Der 
erste der drei Pläne aber, das Quellenduch, und der zweite, die Sammlung der Rezensionen, 
sind nur als einheitliche Publicationen aufgegeben; ihr Inhalt wird nunmehr auf die Einleitungen 
und Anmerkungen der einzelnen Bände verteilt. Jedem Bande werden möglichst abschließende 
Monographien über die darin enthaltenen Texte vorangestellt mit ausführlicher Besprechung 
(in der Regel wörtlicher Wiedergabe) der Quellen und der älteren Beurteilungen; ist eine Quelle 
nicht zu ermitteln, so wird wenigstens nach Möglichkeit ein älteres Seitenstück aus der Literatur 
abgedruckt, auf Grund einer jahrzehntelang daraufhin betriebenen Durchmusterung von Tausen- 
den meist verschollener Unterhaltungsschriften des 18. Jahrhunderts, die niemals wieder jemand 
dem Herausgeber nachtun wird. Die Einleitungen der Bände 4 und 6—8 (1910/25) sind daher 
im Durchschnitt genau so lang wie die zu Bd. 1—3 zusammengenommen, und dementsprechend 
sind auch die Erläuterungen erweitert (die nur zu häufig seitenlang das in der Einleitung Gesagte 
wiederholen). Dieses neue Vorgehen gibt den Bänden, in denen es angewandt wird, einen 
Wert, von dem die ganze zukünftige Hoffmann-Forschung dankbar zehren wird wie von dem 
Virgil-Kommentar des Servius, dem Bibelkommentar des Nicolaus de Lyra und den ältesten 
Dante-Kommentaren; zugleich verschuldet es aber die oft beklagte Langsamkeit des Erscheinens 
(in sechzehn Jahren vier Bande!) und damit die Ungewißheit der Vollendung. Bei einer Bear- 
beitung wie in Bd. 1—3 wäre die kritische Ausgabe mit allen Lesarten langst fertig. 

4. von Ellinger. Vorbereitet seit 1905, erschienen 1912 bei Bong in Berlin. 15 Bande; 
Folge der Texte genau wie bei Grisebach. Die musikalischen Schriften sind nach meinen 
zu Nr. 2 zitierten Ermittlungen von Apokryphen gesäubert und vermehrt: während sich, wie 
oben dargelegt, in Grisebachs 2. Ausg. im ganzen 15 musikalische Aufsätze Hoffmanns finden, 
bringt Ellinger 38, die zwei Bände (13 und 14) füllen. Die Texte sind mit höchster Sorgfalt 
wiedergegeben, die Notenzitate in Bd. 13 und 14 durchweg mit den Ausgaben der besprochenen 
Kompositionen verglichen, die Einleitungen und Anmerkungen bringen in knappster Form 
alles Wesentliche. Wegen des Näheren verweise ich auf meine Besprechung in den Grenz- 
boten vom 26. Februar 1913. Dem dort Gesagten füge ich nur zweierlei hinzu: ı. der Les- 
artenapparat ist zu dürftig; er beschränkt sich in der Regel auf das Stoffliche (s. meine Aus- 
gabe von zwölf Berlinischen Geschichten Hoffmanns [München 1920] S. 369 unten bis 374 
oben, wo ich — auch gegen Maassen — zeige, wie ich mir die Form eines textgeschichtlich 
fruchtbaren Lesarten-Apparates denke). 2. Der Verlag hatte, wie ich bereits 1913 a. a. O. 
getadelt habe, in übel angebrachter Sparsamkeit es abgelehnt, der Ausgabe ein Register bei- 
zugeben. Diesem schweren Mangel der Ausgabe wird jetzt bei einem vermehrten Neudruck 
durch Felix Hasselbergs Sorgfalt abgeholfen; die Ausgabe wird dann neben der noch nicht 
halb fertigen Maassens die einzige sein, die für wissenschaftliche Zwecke brauchbar ist. 


Ill. Hirschbergs Nachlese. 


Walter de Gruyter ließ 1922 die vom jüngeren Reimer auf ihn überkommenen Stereotyp- 
platten von dessen dritter und schlechtester Ausgabe neu abziehn und beauftragte den Musik- 
historiker Dr. med. Leopold Hirschberg mit der Zusammenstellung zweier Supplementbände. 

1. Der Inhalt. Hirschberg unterzog sich der Arbeit mit großem Eifer und unter dem 
Hauptgesichtspunkt, keinen Satz fortzulassen, der möglicherweise von Hoffmann herrührt. 
(„Sollte ich mich irren,“ heißt es einmal bei dem Abdruck einer belanglosen Anekdote un- 
sicherer Herkunft, „so ist die Serapions-Ausgabe [wie er die von ihm betreute Ausgabe nennt] 
nicht entstellt, während sie im gegenteiligen Fall“ — man male sich das Unglück aus — 
„unvollständig wäre.“) So bringt er in der Tat einige in den bisherigen Gesamtausgaben 
fehlende, wenn auch meist bibliographisch schon bekannte Publikationen Hoffmanns, nament- 
lich Übersetzungen (Rodes Violinschule, Canzonetten, die ‘Olympia’), die Rezension von zwei 
Werken J. Fröhlichs (die, wie ich mit Vergnügen zugebe, sehr wohl von Hoffmann stammen 
kann) und kleine Beiträge zu Zeitungen. Ein Teil von diesen kann nicht mit Sicherheit 
Hoffmann zugeschrieben werden, doch ist z. B. Hoffmanns (leider nicht zur Ausführung ge- 
langter) Plan eines „Singe-Instituts“, den Hirschberg aus dem Bamberger Intelligenzblatt vom 
6. Mai 1809 mitteilt, biographisch sehr interessant. 

Ein ganz erhebliches Manko gegen Ellingers Ausgabe bedeutet es freilich, wenn Hirschberg 
in den Rezensionen alle Notenzitate durch die Sigle (M ersetzt, auch solche, die unmittelbar 
Teile eines Hoffmannschens Satzes sind. Man liest also, um von Hunderten von Beispielen 
nur drei von eszem Blatte (Bd. 13 S. 215/16) zu nennen: 


A Hans von Müller: Die neueren Sammlungen von E. T. A. Hoffmanns Werken 


Der Komponist wird selbst wohl nicht Stellen, wie die folgende, für wirkliche 
Imitationen im kontrapunktischen Sinn halten: ON) 
und: 
und dann sind Sätze, wie z. B. (N) wohl schon zu sehr verbraucht. 
und: 
Phrasen wie (N) sind wohl in den ernst gehaltenen Symphonien zu vermeiden... 

Ob einem Musikfreunde mit einem derartigen Abdruck gedient ist, ist mir sehr zweifelhaft; 
er erscheint mir wie eine Ausgabe der ‘Brambilla’ ohne die thematischen Bilder nach Callot. 

In seinem Eifer bringt aber Hirschberg auch Texte, die schon darum nicht Hoffmann 
zugeschrieben werden sollten, weil sie keine Faser von dessen unverkennbarer Art zeigen. 
Er verschont uns zwar zum Glück mit der idiotischen ‘Monica’, mit der andere krebsen gehn 
(s. u. sub VII; Hirschberg dagegen Bd. 1 S. XII Mitte), mutet uns aber das alberne Szenar 
von Maccos Ballet ‘Arlequins Reise über den Blocksberg’ zu, das Hoffmann Ende 1808 
komponiert hatte, um schnell ein paar Gulden zu verdienen. 

Das ist viel schädlicher (da es das Bild des Schriftstellers positiv entstellt), als wenn 
ein paar minder wichtige oder zweifelhafte Aufsätze, Anekdoten und Gedichte wegbleiben; 
denn natürlich schlummern in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung so gut wie in Berliner 
Zeitschriften und Zeitungen Dutzende, wenn nicht Hunderte von nicht identifizierten und 
vielleicht niemals identifizierbaren Beiträgen Hoffmanns. (Einige ebenso lange wie wichtige hat 
mir kürzlich Felix Hasselberg in einer Berliner Zeitschrift vorgelegt) Der Herausgeber 
meint in seiner Vorrede („im Lenz 1922“), daß selbst noch Ellingers Ausgabe „immer nur 
als eine „Auswahl“ zu bezeichnen“ sei, daß aber in den zwölf Reimerbänden mit seiner 
Nachlese „nunmehr eine absolut vollständige Ausgabe von Hoffmanns schriftstellerischem 
Lebenswerk vorliegt, zu dem auch nichts mehr hinzukommen Faun“. O si tacuisses! Ein 
halbes Jahr darauf hatte Friedrich Schnapp die dreiaktige „Maske“ aus dem Winterhalbjahr 
1798/99 in der von Hoffmann durchkorrigierten und auf den Deckeln eigenhändig bemalten 
Pracht-Abschrift gefunden, und nicht viel später fand Oskar Krenzer Hoffmanns ersten Musik- 
aufsatz (über das Melodram, März/April 1808) in einem eigenhändigen Auszuge Hoffmanns. 

Wahre Orgien feiert Hirschbergs Vollständigkeitsfimmel in dem dritten Anhange zu 
seiner Nachlese, der sämtliche „Unter- und Inschriften eigner Zeichnungen“ in Buchdruck 
wiedergibt. Ein Beispiel: Hoffmann bezeichnet auf dem großen Grundriß seiner Wohnung 
und des Gensdarmenmarktes vom Juli 1815 bei der Darstellung der Taubenstraße die Tür 
seines Hauses (Nr. 31) und, durch Abkürzungen, jedes der 5 Fenster seiner Wohnung, die auf 
diese Straße hinausgingen; durch die Straße fährt in einem Zweispänner Fouqué. Hirschberg 
reproduziert diese Beschriftung in Typensatz (ohne jede Erläuterung) wie folgt: 


Fen: F. F. F. F. — Thür Tauben Straße No 31 — Baron Fouqué aus Nennhausen 


Kurzum, der Herausgeber erweist sich als typischer Dilettant sowohl in seiner Angst 
davor, daß jemand ihm eine Auslassung nachweisen könne, wie in der Überwindung dieser 
Angst durch die stolze Zuversicht, nunmehr jeden von Hoffmann herrührenden Satz und 
somit als erster eine unwiderruflich vollständige Gesamtausgabe gebracht zu haben. Der 
Fachmann weiß, daß man unter einer Gresamtausgabe nicht eine vollständige Ausgabe — so 
etwas gibt es nicht —, sondern eine in verständigem Rahmen zach Vollständigkeit strebende 
versteht; und deren hat uns Hirschberg für Hoffmanns Schriften die elfte vorgelegt. Aber 
es soll ihm gern bezeugt werden, daß seine Nachlese die letzte Edition ist, auf die einige 
eigene Sammelarbeit verwendet ist. 

2. Die Anordnung ist chronologisch, was hier, wo es sich nur um kleinere Texte handelte, 
das Gegebene war. Mein Vorschlag (s. u., IV 1a), die Texte aus der vorromantischen Zeit 
durch geeignete Brief- und Tagebuchstellen zu ergänzen, ist befolgt und auch auf die spätere 
Zeit ausgedehnt — soweit ich sehe, durchweg in verständiger Auswahl. Auch die Beifügung 
eines Registers zu allen vierzehn Bänden sei lobend erwähnt. 


IV. Meine beiden Programme für eine Gesamtausgabe nach Perioden und Gattungen. Vorschlag, 
Hoffmanns Sammelpublikationen wieder aufzulösen; dessen Ausführung durch Harich. 


I. 1912 handelte ich (Briefwechsel 677/85) „über die zweckmäßigste Anordnung einer 
Gesamtausgabe von Hoffmanns Schriften“. Ich führte etwa folgendes aus: 
a) Eine Gesamtausgabe hat zu degennen mit den vorromantischen Produkten. Diese sind 
unbedingt chronologisch zu ordnen; da ihre Reihe außerordentlich lückenhaft erhalten ist, so 
ist sie eventuell durch Tagebuch- und Briefstellen literarischen Charakters aufzufüllen. 


— — — 


H 


re 


Kä 
N 


E. T. A. Hoffmann: Hitzigs Sohn Fritz (geb. g. IV. 1811). Aquarell 


Aus W. Steffen und H. v. Müller, Handzeichnungen E. T. A. Hoffmanns 
(Propyläen-Verlag, Berlin) 


Zeitschrift für Bücherfreunde XVII, 1 


Verlag E. A, Seemann, Leipzig 


— —— — — — ee ee’ 


Hans von Müller: Die neueren Sammlungen von E. T. A. Hoffmanns Werken 5 


b) „Wie man in den weiteren Bänden die Texte der Kreislerperiode ordnet, also die 
Produkte der letzten 13*/, Jahre von 1809—1822, ist minder wichtig, und hier sind ganz ver- 
schiedene Methoden gleich berechtigt.“ Eine chronologische Anordnung (wie in der Propyläen- 
Ausgabe von Goethes Werken und in der Horen-Ausgabe der Schillerschen) ist m. E. für die 
Werke eines reifen Dichters nicht angebracht, vielmehr empfiehlt sich hier eine Anordnung 
nach Gattungen. (Um so nötiger ist natürlich die Beigabe einer chronologischen Tabelle.) 


Was die von Hoffmann herausgegebenen Sammelwerke betrifft, so sind in einer Gesamt- 
ausgabe die nach Entstehung, Motiven und Gestaltung zusammengehörigen ‘Nachtstiicke’ ebenso 
als ein einheitliches Werk zu behandeln wie das Murr-Kreisler-Werk. Dagegen läßt sich 
(wie S. 679 Mitte bis 680 unten eingehend dargelegt wird) darüber streiten, ob man die von 
1809—1815 entstandenen Texte, die aus mehr oder weniger äußeren Gründen als "Phantasie: 
stiicke’ (und z. T. innerhalb dieser als ‘Kreisleriana’) zusammengestellt sind, und die von 
1813—1821 geschriebenen, noch weniger homogenen Texte, die Reimern zuliebe nachträglich 
den Serapions-Brüdern in den Mund gelegt wurden, zusammenstehn läßt. 


c) Will man diese Sammlungen von Märchen, Erzählungen, Gesprächen und Abhand- 
lungen konservieren, so muß man auf sie eine drzite folgen lassen, die Hoffmanns sonstige 
kleine Schriften aus den Jahren 1808—1822 nach Gattungen geordnet zusammenstellt. Diese 
drei Sammlungen würden dann zusammen die erste (größere) Abteilung der Schriften aus 
der romantischen Periode bilden. Als zweite und letzte Abteilung würden die sieben in den 
Jahren 1815—1822 einzeln erschienenen größeren Schriften folgen, von den 'Elixieren' bis 
zum ‘Meister Floh’. 


d) Will man die beiden Sammlungen auflösen (das Für und Wider wird noch einmal 
S. 682 unten bis 683 oben erörtert), so ist der ganze Ertrag der romantischen Periode nach 
Gattungen zu ordnen; etwa: 


I. Erzählende Schriften (u. z. ı. Märchen, 2. Romane, 3. Erzählungen mittleren Umfangs, 
4. Anekdoten); 


II. Dramatisches und Gedichte; 

III. Gespräche; 

IV. Rein-Theoretisches (u.z. 1. Abhandlungen, 2. Aphorismen, 3. Rezensionen); 
V. Memoirenartiges. 


Innerhalb dieser zehn Kategorien sind alle Texte streng chronologisch nach der Zeit 
des Beginnes der Niederschrift zu ordnen. 


2. In befriedigender Weise ausgeführt ist dieser Plan bis jetzt weder in der einen noch in 
der anderen Form. Aber die unter (b und) d erörterte Idee, die ‘Phantasiestücke’ und die 
‘Serapionsbriider’ aufzulösen und aus der sich dann ergebenden Masse erzählender Schriften 
neben den Romanen auch die Märchen auszusondern und in besondere Bände zu stellen, hat 
inzwischen ein anderer, okne mich zu nennen, als einen eigenen epochemachenden Gedanken 
in einer Gesamtausgabe durchgeführt. Walther Harich schreibt im Nachwort zu Bd. 1 seiner 
unter VI zu besprechenden Ausgabe auf S. II / III und VII, indem er meine Ausführungen in seinen 
anspruchsvollen Stil — den Stil des Propheten, des Helden und des Märtyrers — überträgt: 


Sammlungen wie die ‘Phantasiestiicke in Callots Manier’ und die Erzählungen [|] 
der Serapionsbrüder’... sind als Einheiten in die Weltliteratur eingegangen, und 
diese Einheiten zu zerschlagen, mochte in der Tat fast frevelnde Vermessenhett 
genannt werden können. Und dennoch: es standen andre Werte auf dem Spiel.... 
Wer ein Hoffmann-entwöhntes Publikum wieder zum unmittelbaren künstlerischen 
Erleben dieses eigenartigsten Dichters hinführen will, der muß das Odium auf sich 
nehmen, auch ein Jahrhundert alte Kurswerte [I] zu ignorieren und das echte Gold 
aus den Schachten II] wieder ans Licht zu fördern 


Diese Ausgabe wird — als ein Novum in der Geschichte von E.T. A. Hoffmanns 
Auswirkung — die figsten Anfeindungen von den verschiedensten Seiten erfahren. 
Ein andrer als der gewohnte Hoffmann tritt uns hier entgegen, und gegen Gewohn- 
heiten — mögen sie noch so verkehrt sein — ist noch niemand ungestraft angegangen. 
Dennoch wird diese Ausgabe sich durchsetzen, weil der Schöpfer der Musik- 
Dichtungen, der vier großen Märchen... stärker ist als der Redaktor der ‘Phantasie- 
stücke oder der ‘Serapionsbriider’. 


6 Hans von Müller: Die neueren Sammlungen von E. T. A. Hoffmanns Werken 


V. Auswahlausgaben nach ästhetischen Gesichtspunkten. 


1. Inhalt einer engsten Auswahl. 1902 führte ich in der Insel’ aus, eine Gesamtausgabe 
von Hoffmanns Dichtungen (wie Grisebach sie unlängst vorgelegt hatte) sei nicht das einzige 
und vielleicht nicht einmal das beste Mittel, ihn kennen zu lernen. „Was von seinen fertig 
gewordenen Sachen den Kunstfreund interessiert, sind — abgesehen von seinen tiefsinnigen 
musikalischen Aufsätzen — zwei kleine Gruppen von Dichtungen, bei denen Hoffmann nicht 
an das Publikum der Leihbibliotheken gedacht hat: einerseits die musikalischen Phantasien 
seiner Frühzeit, der Ritter Gluck, der Don Juan; andererseits drei erstaunlich freie, kühne 
Märchen: der Goldene Topf, Klein Zaches, Prinzessin Brambilla. Aber selbst diese Dichtungen 
wären, soweit wir vermuten können, in den Schatten gestellt von den beiden Bekenntnis- 
romanen, mit denen er sich in den letzten Jahren trug: der Fragmentarischen Biographie 
des Kapellmeisters Johannes Kreisler — einer Selbstdarstellung, wie sie nur wenigen großen 
Dichtern einmal im Leben gelungen ist — und Jacobus Schnellpfeffers Flitterwochen vor der 
Hochzeit.“ Da für diese aber nur einzelne Notizen niedergeschrieben seien, so sei zunächst 
die Biographie Kreislers in lesbarer Form herauszugeben, unter Beifügung verwandter kleinerer 
Texte und Kompositionen. 

Das geschah dann im Kreislerbuch, das Rudolf von Poellnitz als Leiter des Insel- 
Verlages noch im Laufe des Jahres 1902 drucken ließ. 

1905 zeigte ich dann auf dem Umschlag eines für ein Bibliophilenfest hergestellten 
Privatdruckes, Gewiinschtes keck für Sicheres nehmend, als zweibändige Sammlung an: 
„Hoffmanns Meisterwerke in zwei Banden: 1. Das Kreislerbuch, oder: Johannes Kreisler in 
Wort, Ton und Bild. Enthält alle Kreisler-Texte aus dem Murr-Kreisler-Werk, den ‘Fantasie- 
stücken’ und dem Nachlaß, sowie vier Kreisler-Kompositionen und fünf Kreisler-Zeichnungen, 
von denen zwei als Umschlag benutzt sind. II. Dret Märchen: Der goldene Topf, Klein Zaches, 
Prinzessin Brambilla. Mit den acht Kupfern zur ‘Brambilla’, im Einband des ‘Klein Zaches'.“ 


Aber Poellnitz war tot, und die neue Leitung des Insel-Verlages war für derartige 
Extravaganzen nicht zu haben. Sie bog vielmehr die Idee des II. Bandes ins Bürgerliche 
um, indem sie dem ‘Goldenen Topf’ und dem ‘Klein Zaches’ als Nr. 3 — den Meister Martin’ 
anfügte und dieses seltsame Dreigespann (zwei Hengste und eine Kuh) dann nicht in 
‘Hoffmanns Meisterwerken’ sondern in einer ‘Bibliothek der Romane’ produzierte, in die von 
Hoffmann doch offenkundig nur die ‘Elixiere’ und der ‘Kreisler’ hineingehören. 


2. Möglichkeiten einer weiteren Auswahl. Diese Pläne von 1902/05 legten an Hoffmanns 
Produktion den denkbar strengsten Maßstab. Eine etwas weitherzigere Auffassung mußte 
neben die Kreislerbiographie die ‘Elixiere des Teufels’ stellen, neben die drei großen 
Märchen die anderen, neben ‘Ritter Gluck’ und ‘Don Juan’ die besten der späteren Erzäh- 
lungen. In allen drei Richtungen ist teils von mir, teils von meinem ausgezeichneten Freunde 
Richard von Schaukal weitergearbeitet, wie unter 3—5 kurz gezeigt werden soll. 


3. Die Märchen. 


a) Die drei Märchen der Serapionsbrüder (Nubkracker und Mausekontg, Das fremde Kind, 
Die Königsbraut) gab ich 1906 bei Bard heraus. Die von Hoffmann gleichfalls den ‘Serapions- 
brüdern’ zugeteilte ‘Brautwahl’, die nur zur Hälfte märchenhaften Charakters ist (die ‘Abenteuer 
der Silvesternacht’ könnte man entschieden mit größerem Recht als Märchen bezeichnen) und 
die ich auch künstlerisch weniger hoch stelle, habe ich später (1910) gesondert erscheinen lassen, 
desgleichen (1908) den ‘Meister Floh’, der ja seiner Anlage nach selbstverständlich zu den großen 
Märchen gehört, in der Ausführung aber aus den bekannten äußeren Gründen mißlungen ist. 


b) Die drei großen Märchen, deren Ausgabe ich 1905 leider nur ankündigen konnte, und die 
fünf anderen, die ich dann 1906/10 herausgegeben habe, hat Richard von Schaukal von 1920—1924 
in zwei Bänden für den Volks-Verlag der Bücherfreunde sehr sorgfältig herausgegeben. 


4. Die Elixiere. Bards früherer Mitarbeiter Wolfgang Julius Mörlins bat mich am 
23. Februar 1924 um meinen Rat bezüglich einer hübsch ausgestatteten Hoffmann-Auswahl 
zunächst in drei Bänden. Ich empfahl ihm unterm 28. Februar in Erweiterung meines Planes 
von 1905, die Kreisleriana, die drei großen Märchen und die Elixiere zu bringen. Für später 
schlug ich einen Band Gespräche vor (vom ‘Gluck’ 1809 bis zum ‘Eckfenster’ 1822), um diese 
von Hoffmann mit besonderem Glück gepflegte Form einmal im Zusammenhang vorzuführen. 

Die Textwiedergabe vorzubereiten und Nachworte beizufügen hatte ich keine Zeit; diese 
Arbeiten hat Paul Alfred Merbach übernommen, und insofern hafte ich nicht für die Aus- 
führung meines Planes. In einen vierten Band mit Erzählungen, den der Verleger nach- 


Hans von Müller: Die neueren Sammlungen von E. T. A. Hoffmanns Werken 7 


träglich wünschte, sind auf meine Empfehlung ‘Ritter Gluck’ und ‘Don Juan’ hineingenommen; 
sieben weitere hat Herr Merbach nach seinem persönlichen Ermessen hinzugefügt. 

Der Verleger hat mich, wie ich mit Dank bezeugen möchte, im Gegensatz zu den Verlegern 
der beiden unter VI und VII (und sodann unter D II und III) zu nennenden Ausgaben mit 
einem Exemplar der vier Bände, u. z. einem in schönen biegsamen Ganzlederbänden, erfreut. 

5. Die schönsten Erzählungen neben dem ‘Ritter Gluck’ und dem ‘Don Juan’ hat Schaukal 
öfters (u. a. 1908 in der schönen Einleitung zu Max Hesses schlechter Auswahl) auf Grund 
sorgfältiger Erwägung verzeichnet und charakterisiert, aber bisher zu ihrer Herausgabe leider 
nicht Gelegenheit gefunden. 


VI. Harichs Gesamtausgabe, geordnet nach Qualität und Stoff der Texte. 


Walther Harich, dessen Biographie Hoffmanns 1921 für das Mai/Juni-Heft dieser Zeit- 
schrift gewürdigt worden ist, hat 1924 Hoffmanns Schriften in 13 Bänden bei Lichtenstein 
in Weimar herausgegeben; der Prospekt erschien um den 1. April. 

Was die Konstitution des Textes betrifft, so ist Harich im schwierigsten Teil der Arbeit, 
nämlich der Wiedergabe der Rezensionen Hoffmanns, sklavisch von Ellinger abhängig; er hat 
dessen mühsam hergestellte zweibändige Ausgabe (s. o., II 4) einfach zum Nachdrucken in die 
Setzerei gegeben. Die beiden Abweichungen von der chronologischen Reihenfolge, die Ellinger 
aus inneren Gründen getroffen und Bd. 15 S. 142 unten motiviert hat, übernimmt er stillschweigend, 
namentlich aber die sorgfältige Revision der Notenzitate. Selbstverständlich erwähnt Harich in 
dem sechzehn Seiten langen Nachwort meine und Ellingers kritische Arbeit, deren Ergebnisse 
er mit dem geistigen Aufwande einer photographischen Platte kopiert, mit keiner Silbe. 

Bei einer Stichprobe bezüglich der Sorgfalt der Textwiedergabe fand Schaukal, dem 
die bisher eingehendste Besprechung der Ausgabe (im Literar. Handweiser vom Mai 1925) 
zu verdanken ist, in Bd. 5 auf den Seiten 23—96, also in noch nicht fünf Bogen, an gröberen 
Fehlern u. a. ‘lustige’ st. luftige, ‘Zunder’ st. Zünder, ein gefährliches’ st. “eine gefahrvolle’, 
‘unharmonischen’ st. ‘enharmonischen’, ‘Emboucheur’ st. ‘Embouchoir’, ‘mich’ st. ‘mir’, ‘diese’ 
st. ‘jene’, ‘zum anderen Beruf’ st. ‘zu anderm Behuf’, ‘unter’ st. ‘aus’. 

Im folgenden beschränke ich mich darauf, den Aufbau der dreizehn Bande zu besprechen; 
im tibrigen, z. B. beziiglich der Nachworte Harichs, verweise ich auf Schaukals eben zitierte 
Rezension (der ich ein paar Einzelbemerkungen beziiglich der Anordnung der Texte ohne 
besondere Kennzeichnung entnehme). 


1. Harichs Vermischung der Prinzipien. Harich lehnt sich, wie sub IV 2 ausgeführt, 
an meine in IV ı (b und) d kurz wiedergegebenen Vorschläge für eine Gesamtausgabe an. 
Er vermengt diese Prinzipien aber in dilettantischer Weise mit den in V besprochenen 
Vorschlägen für eine Auswahl von Hoffmanns besten Dichtungen. Dadurch erzeugt er ein 
in sich haltloses Mischprodukt von Auswahl und Gesamtausgabe. 

2. Harichs vier Abteilungen: 


a) Bd. 1—6: Auswahl der künstlerisch besten Dichtungen. — Die Gesichtspunkte für 
eine solche waren, wie gesagt, von mir und dann von Schaukal wiederholt dargelegt, im 
bewußten Gegensatz sowohl zu der quasi-rationalistischen Beurteilung von Hitzig-Ellinger wie 
zu der indifferenten von Grisebach-Maassen. Ein Band war den großen Märchen einzuräumen 
(zu denen Harich, mit Schaukal, auch den ‘Meister Floh’ gestellt hat) und je ein Band den 
beiden Romanen. Das übrige Papier war (genau wie gleichzeitig von Mörlins-Merbach) für 
die besten Erzählungen zu verwenden, von denen ich für die engste Auswahl 1902 nur den 
‘Ritter Gluck’ und den ‘Don Juan’ empfohlen hatte, so daß der individuelle Geschmack des 
Herausgebers noch weiten Spielraum hatte. 

Harich entschied sich für eine recht reichliche Auswahl: außer den beiden von mir 
genannten Texten nahm er noch 30 andere Erzählungen auf. Er ordnete — um das vor- 
wegzunehmen — diese 32 Texte reiz stofflich in drei Gruppen, deren jede einen Band füllt: 
er gibt nämlich 19 musikalische (, Musikdichtungen“), 8 unheimliche (,Spukdichtungen“) und 
5 sonstige, die er, da das Wort „sonstige“ in einem Bandtitel nicht möglich ist, mit der 
Verlegenheitsbezeichnung „Meistererzählungen“ versieht. — Unter den Musikadschtungen finden 
wir einerseits die Theatersatire ‘Der vollkommene Maschinist’, die nichts mit Musik zu tun 
hat, andrerseits Kreislers ‘Hochst zerstreute Gedanken’ und den ‘Gruß an Spontini, die beide 
nicht Dichtungen sind. Unter den weiteren 16 Texten sind mehrere, die entschieden nicht 
in eine Auswahl des Besten gehören, wie der Brief des Affen Milo und der Briefwechsel 
zwischen Wallborn und Kreisler. (Höher als diese steht immerhin noch das ‘Sanctus’, das 


8 Hans von Müller: Die neueren Sammlungen von E. T. A. Hoffmanns Werken 


in der Auswahl fehlt.) — Unter den Spukdichtungen befremdet die Würdigung des Radierers 
Callot, die weder eine Dichtung noch spukhaft ist und bei einer Auflösung der "Phantasie: 
stücke’ natürlich ebenso in die Abhandlungen gehört wie der Gruß an Spontini. Auf den 
‘Sandmann’ folgt nicht dessen befreiendes Gegenstück, das meisterhaft aufgebaute ‘Öde Haus’ 
[vgl. meine Analyse in den oben zitierten Berlinischen Geschichten’, S. 271—315 und 407—413), 
sondern drei schwache Serapiontica (der Unheimliche Gast, die Vampyr- und die Teller- 
Geschichte). — In der Restabtetlung, also den „Meistererzählungen“ ohne Musik und Spuk, 
finden wir neben den beiden Paradepferden ‘Majorat’ und ‘Scuderi’ erstens die Dresdner ‘Er- 
scheinungen' — jene illegitime Fortsetzung des ‘Goldenen Topfes', eine „milde Gabe“ für 
Gubitzens wohltätigen Zweck, von der Maassen aus guten Gründen argwöhnt, daß sie in der 
Betrunkenheit konzipiert ist —, zweitens das der ‘Marquise von O**** schlecht nachgeahmte 
‘Geliibde’ und drittens das Fragment ‘Der Feind’. „Durfte man“, fragt Harich emphatisch 
(Bd. ı S. V) bei Erwähnung dieses Fünfbuches, „durfte man den Meistererzählungen auch nur 
ein einziges Stück noch hinzufügen?“ Er will damit den geringen Umfang des Bandes ent- 
schuldigen; der Leser wird eher von dessen geringem Gewicht enttäuscht sein. 

b) Bd. 7—10: Die Dichtungen zweiten Ranges. Diese Abteilung ist genau so eingeteilt 
wie die erste (mit Ausnahme der beiden Romane): nämlich in einen Band Märchen und drei 
Bande Erzählungen. Die Erzählungen zerfallen wie dort in sechs Aürstlergeschichten (darunter 
das Fragment aus dem Leben dreier Freunde’!!), sechs unheimliche Geschichten und sechs 
sonstige (diesmal als „Erzählungen“ schlechtweg bezeichnet). 

© c) Bd. 11: Die Dichtungen dritten und letzten Ranges, darunter die beiden Pamphlete 
gegen Napoleon, die ‘Irrungen’ nebst den ‘Geheimnissen’, die ‘Marquise de la Pivardiére’ und 
anderes, was Harich diesen gleichachtet. 

d) Bd. 12 und 13: die vorwiegend Zheoretischen Schriften, zu denen Harich auch die 
größeren Gespräche rechnet. Bd. 12 enthält vier längere Aufsätze über Musik und die 
Rezensionen; Bd. 13 vereinigt die vier größeren Gespräche ohne Rücksicht auf den Inhalt 
(‘Berganza’, ‘Dichter und Komponist’, den ‘Theaterdirektor’ und die Gespräche der Serapions- 
Brüder) mit 5 kleineren Schriften oder Zyklen über Literatur und Theater (ohne die oben 
genannte Satire ‘Der vollkommene Maschinist!) in heilloser Verfilzung von formalen und 
stofflichen Kriterien. Will man die Gespräche Hoffmanns zusammenstellen, so gehören außer 
den beiden oben sub V 4 genannten notwendigen Eckpfeilern der Sammlung vielleicht auch 
einige halbdramatische Stücke hinein, wie Kreislers Klub (den ich Bw S. 675f Note 2 als 
Vorform des Serapions-Klubs erwiesen habe) und das ‘Fragment aus dem Leben dreier 
Freunde’; aber jene theoretischen Aufsätze haben nichts damit zu tun. 

3. Not-Unterbringung obdachloser Texte. — Zwei (allerdings geringfügige) Kategorien 
Hoffmannscher Schriften waren in diesem Schema nicht unterzubringen: 

a) seine dramatischen Versuche. Die höfischen Lohnarbeiten dieser Art (‘Pilgerin’ und 
“Wiedersehen!”) wie die Stammtisch-Spielerei (Moderne Welt — moderne Leute), die Bear- 
beitungen (‘Liebe und Eifersucht’ und ‘Undine’) wie die Übersetzung (‘Olympia’) läßt Harich 
mit Recht weg — wahrscheinlich allerdings nur darum, weil sie bei Ellinger nicht stehen 
und er nicht auch noch zwei Exemplare von Hirschbergs Ausgabe dem nachdruckenden 
Setzer opfern wollte. [Das besorgte dann Harichs Kollege Frank: s.u. sub VIL] Die übrigen 
hängt er stofflich verwandten Gruppen von Schriften an: die ‘Blandina’ den Märchen der 
zweiten Garnitur und die Singspieltexte den Schriften über Musik. 


b) Die einzige rein autobiographische Schrift Hoffmanns, die für die Bamberger Freunde 
Ende 1813 begonnene Darstellung der „Drei verhängnisvollen Monate“, stellt Harich in dem- 
selben Sinne hinter die daraus hervorgegangene ‘Vision auf dem Schlachtfelde bei Dresden’. 


4. Die Unklarheit des Aufbaues und ihre innere Ursache. Die sub 2 dargelegte Haupt- 
einteilung der Gesamtausgabe in vier Abteilungen ist nun aber weder aus den Bandtiteln 
noch aus dem Gesamt-Inhaltsverzeichnis am Schluß der Ausgabe zu ersehen, sondern läßt 
sich nur bei eingehendem, liebevollem Studium der Ausgabe aus gelegentlichen Bemerkungen 
in den Nachworten erschließen. So heißt es Bd. ı S.V: 

Die Gruppierung sollte zugleich eine gewisse Wertung in sich bergen. So sind die 
„Spukdchtungen“ (wobei die Betonung auf „Dichtungen“ liegt) den Aúnstlerisch weniger 
wertvollen „Unheimlichen Geschichten“ entgegengesetzt, die „Hezster-Erzählungen“ den 
zwei Bänden jezer Erzählungen [der zweiten und dritten Garnitur], die mehr durch 
ihre Fülle und den Reichtum des Sfoffes und ihre Spannung Interesse erwecken. 
(Schonender konnte man sich über die Produkte des „Vizekopfes“ nicht auslassen.) 


EA: . e 


Të W 


E. T. A. Hoffmann: Dekorationsentwurf zum „Käthchen von Heilbronn“, Bamberg ıgıı 


Aus W. Steffen und H. v. Müller, Handzeichnungen E. T. A. Hoffmanns 
(Propyläen-Verlag, Berlin) 


Ceitzchrift für Bücher freunde XVII, 1 Verlag E, A. Seemann, Leipzig 


Hans von Moller: Die neueren Sammlungen von E. T. A. Hoffmanns Werken 9 


Dieselbe geheime Abstufung waltet zwischen den großen Märchen, die bei Harich als 
„Der kosmische Mythos“ erscheinen, und den gewöhnlichen „Märchen“, ebenso zwischen den 
„Musikdichtungen“ und den „Künstlergeschichten“ mit dem ‘Sanctus’. 

Der Leser aber, der unvorbereitet die Bandtitel oder das Gesamt-Inhaltsverzeichnis auf sich 
wirken läßt, steht ratlos vor einem Haufen von Synonymen; er begreift nicht, warum unter 
den „Musikdichtungen“ das ‘Sanctus’ und unter den „Märchen“ der ‘Goldene Topf’ fehlt. 

Diese äußere Unklarheit ist nichts weniger als zufällig; sie ist die notwendige Folge 
des für eine Gesamtausgabe unmöglichen Prinzips, die herauszugebenden Dichtungen in gute, 
leidliche und miserable zu scheiden. Wenn ein Herausgeber das trotzdem tut, so darf er 
es, wie Figura lehrt, nicht sinnfällig zugeben, um die späteren Bände seiner Edition nicht 
unmöglich zu machen. Eine Gesamtausgabe von Dichtungen kann selbstverständlich nur 
nach deren Gattung und Alter geordnet werden. 


VII. Franks Gesamtausgabe. 


Ist also das (Qualitats-)Prinzip von Harichs Anordnung der erzählenden Schriften Hoffmanns 
schwer erkennbar, ungenügend durchgeführt und vor allen Dingen durchaus verfehlt, so ist doch 
immerhin für Bd. 1—12 ein Prinzip vorhanden. Eine Ausgabe one jedes Anordnungsprinzip 
durchzuführen, die noch weit hinter den anspruchslosen Conglomeraten der vor-Grisebachschen 
Zeit zurückbleibt, war der Firma Rösl & Cie. in München vorbehalten. 

Dieser Verlag beschloß, in die von ihm produzierte Reihe der „Rösl-Klassiker“ auch 
Hoffmann aufzunehmen, u. z. dessen Schriften, Tagebücher und Briefe. Für die Tagebücher 
und Briefe glaubte die Firma keinen Vermittler zu brauchen; sie nahm sie vergnügt, wo sie 
sie fand (s. u., D III). Bezüglich der Schriften gab sie dem Theatermann Dr. jur. Rudolf Frank 
in München den Auftrag, die Texte zu beschaffen, anzuordnen und ein Geleitwort voran- 
zustellen; und dieser unerschrockene Mann, der Heine und Lessing bereits in ähnlicher Weise 
erledigt hatte, fühlte sich auch Hoffmann durchaus gewachsen. 


1. Als Vorlage nahm er irgendeine Gesamtausgabe, die Hoffmanns Sammelpublikationen 
zusammenläßt — vielleicht die Hirschberg-de Gruytersche, der er jedenfalls bezüglich der 
kleineren Texte blindlings folgt (auch bezüglich des (N) für jedes Notenzitat). 


2. Was die Anordnung der Texte und die Einteilung des gesamten vorzulegenden 
Materials in Bände betrifft, so ist es für den Außenstehenden nicht voll erkennbar, wer das 
bereits kurz charakterisierte Ergebnis tatsächlich verschuldet hat. 


a) Frank selöst hatte noch im Sommer 1924 die Absicht, Hoffmanns Schriften und 
Privataufzeichnungen auf 29 Bände zu verteilen (s. Kürschners Deutschen Literatur-Kalender 
auf 1925, Sp. 220). Ich nehme zu seiner Ehre an, daß dabei den Hoffmannschen Buch- 
publikationen 20 Bände zugedacht waren (nämlich jedem „Abschnitt“ der Serapions-Brüder und 
jedem Bande der anderen Werke einer), den kleinen Schriften (nach Gattungen und Stoffen 
geordnet) 6 (freilich recht wenig!) und den Tagebüchern, den Briefen an Hippel und den 
übrigen Briefen je ein Band. Die Bände wären dann in der Regel halb so umfangreich ge- 
worden wie die der bisherigen Gesamtausgaben, und der Leser hätte sich schon auf Grund 
der Bandtitel zurechtfinden können. Frank hätte damit die Arbeit eines durchschnittlichen 
Buchdruckerei-Faktors geleistet, und mehr hätte sein Publikum nicht begehrt. 

b) Der Verlag aber scheint dem Herausgeber in letzter Stunde einen Strich durch die 
Rechnung gemacht zu haben. Vielleicht haben die „Rösl-Klassiker“, die mir im übrigen nicht 
bekannt sind, eine andere Normal-Band-Dicke; jedenfalls beschloß der Verlag, das Ganze ohne 
irgendwelche Rücksicht auf den Inhalt in ef Bände hineinzupressen. Man kann sich denken, 
wie dabei die Fetzen geflogen sind. Die Tagebücher, die sich den Rezensionen anschließen, 
füllen jetzt die Seiten 411— 533 des zehnten und die Seiten 5—82 des elften Bandes; die 
Serapionsbrüder werden in zwei und einem halben Bande angesiedelt, die als erster, 
zweiter und dritter Band der Serapionsbrüder bezeichnet werden; ihnen sowohl wie der 
Brambilla, den Phantasiestücken, dem Murr-Kreisler-Werk werden beliebige, irgendwo auf- 
gegriffene kleine Schriften aufgepackt, um den Rösl-Klassiker-Normalband vollzubekommen. 
So sind der Brambilla (von 1820), die — Gott weiß warum — in den ersten Band gestellt 
ist, aus Hirschbergs Nachlese Maccos Ballet Arlequin, die ‘Pilgerin’ von 1808 u. dgl. beigegeben, 
so daß der Band wirkt wie eine Gánseleberpastete, die mit Pferdefleisch garniert ist. 

c) Und doch läßt sich nicht alle Schuld auf den Verlag schieben. Die großen Schriften 
sowohl wie die kleinen sind auch zuter sich mit einer Willkür angeordnet, die etwas Em- 
pörendes hat, da sie mit dem Leser Schindluder treibt. Als Beispiele dafür nenne ich außer 
XVIII, 2 


10 Hans von Müller: Die neueren Sammlungen von E. T. A. Hoffmanns Werken 


dem eben skizzierten ersten Band noch den achten und neunten. Bd. 8 beginnt mit dem 
‘Meister Flok (1821/22). Auf diesen folgt ‘Klein Zaches’ (1818/19), auf diesen die beiden 1815 
von Chamisso angeregten Stücke (Datura und Haimatochare). Dem schließen sich Schriften 
an, die der Verlag oder der Herausgeber als „autobiographisch“ empfindet, darunter die apho- 
ristischen Aufzeichnungen aus dem Notatenbuch von 1819/22, ‘Des Vetters Eckfenster und der 
Schnellpfeffer-Entwurf. Auf diese späten Sachen folgen zur Abwechslung „zeitgeschichtliche“ 
aus den Befreiungskriegen, nämlich die ‘Vision’ von 1814 u. dgl. — Bd. 9 aber beginnt, um 
zum Schluß etwas ganz Uberraschendes zu bringen, mit den ‘Nachtstücken’ (1816/17); ihnen 
folgen aus dem Schatze der Almanachfabrikate die ‘Rauber’ und der ‘Elementargeist’ (beide 
um die Jahreswende 1820/21 hergestellt, also vier Jahre später als die Nachtstücke'); diesen 
schließen sich Fragmente aus allen Lebensaltern Hoffmanns und Anekdoten an. 

3. Auf derselben Höhe wie die Anordnung der von dem „Herausgeber“ fertig vor- 
gefundenen Texte steht seine 20 Seiten lange Vorbemerkung. Sie wäre köstlich zu nennen, wenn 
sie als Bierzeitung aufträte, wenn nämlich nicht nur der Anfang und der Schluß, sondern das 
Ganze zum Spaß geschrieben wäre: wenn m. a. W. das Temperament und der Witz des Ver- 
fassers sich mit Gewissenhaftigkeit und Urteilsfähigkeit verbänden. Aber, um mit Kleinig- 
keiten zu beginnen: die in der Vorbemerkung genannten Namen sind meist falsch (Gemaheh, 
Coppela, Holberg, Tousserel) und die Zitate nicht minder („Cacatum non est scriptum‘). 
Mängel mittleren Formats übergehen wir, da die biographischen Beigaben hier nicht zur 
Besprechung stehen. Um so nachdrücklicher ist auf den schwersten Irrtum hinzuweisen, 
zumal er Frank auch als Herausgeber charakterisiert. 

Franks größter Kummer ist nämlich, daß der Verlag aus geschäftlichen Gründen (s. S. XX 
Note) es abgelehnt hat, dem Rösl-Klassiker Hoffmann die stupide Schwarte ‘Schwester Monica 
erzählt und erfährt” anzuhängen. Über dieses Buch ist hier im Juni 1911 von Margis, Maassen 
und mir gehandelt worden. Es kam 1815 heraus, also zu einer Zeit, wo der Schriftsteller 
Hoffmann vollkommen fertig dastand: in diesem seinen vierzigsten Lebensjahre erschienen 
der vierte Band der ‘Phantasiestiicke’ mit den Abenteuern der Stlvesternach? und der erste 
Band der Elixiere des Teufels. Aber nicht diese Werke, sondern das impotente Gestotter 
von den Taten und Meinungen der Schwester Monica ist nach Franks Urteil „für die Er- 
kenntnis seines Wesens von einer kaum abzuschenden Bedeutung... Denn hier... ist der 
Herd aller geheimen Brände, die in diesem unschönen, unruhigen Körper schwelten. Hier 
setzt die Analyse der irrlichter[|]lierenden Psyche E. T. A. Hoffmanns ein. Aus dem hier 
ungezügelt und maßlos schwelgenden Sadism verstehen wir Hoffmanns kalte Grausamkeit, die 
sein ganzes Leben und Schaffen durchzieht, und sein häufig wiederkehrender Traum von ver- 
stümmelten und zerrissenen Menschen findet Erklärung und Deutung.“ Wie gewissenlos diese 
„Deutung“ ist, ersieht man, wenn man Hoffmanns eigene Worte daneben setzt. Hoffmann 
schreibt am 29. August 1813 nach der Schlacht bei Dresden ins Tagebuch: „Vormittags 
war ich bei Hopfgarten auf dem Schlachtgefilde. Scheußlicher Anblick! Leichen mit zer- 
schmetterten Köpfen und Leibern. Ein Russe war nicht schwer verwundet und rauchte sein 
Pfeifchen auf dem Boden liegend; wir gaben thm Schnaps und Brot, und er war ganz zu- 
frieden.“ Die zweite Fassung lautet: „Schlachtfeld gesehn. Entsetzlicher Anblick! Zerschmetterte 
Köpfe. Der lebende Russe, welcher leicht verwundet sein Pfeichen rauchte und Schnaps 
trank. Unvergeßliche Eindriicke! Was ich so oft im Traume gesehn, ist mir erfüllt worden 
auf furchtbare Weise: verstümmelte, zerrissene Menschen!!“ Es handelt sich also um Azgst- 
träume Hoffmanns, deren Bilder er nun uit Entsetzen in der Wirklichkeit wiederfindet. Herr 
Frank macht Wollustträume daraus, um die ihm so sympathische Hypothese des Gugitz zu 
stützen; er fährt mit unverkennbarer Befriedigung in seiner Analyse der ‘Monica’ fort: „Der 
geheime [II] Kammergerichtsrat, „ausgezeichnet im Amte“, schwingt heimlich die Peitsche über 
dem ganzen rabiaten Rudel seiner Kreaturen“ usw. 

Man sieht, Monica-Dulcinea, für jeden unbefangenen Leser die Heldin eines Schundromanes 
der niedrigsten Gattung, hat zum dritten Male einen irrenden Ritter entflammt; und ich muß 
hier schon deshalb auf diese sonderbare Tendenz kurz zurückkommen, als ich vielleicht 
selbst, sehr gegen meine Absicht, durch eine beilaufige Bemerkung Herrn Frank darin be- 
stärkt habe. Ich habe nämlich Bw 701/02 Note erwähnt, daß der sonst sehr verdienstvolle 
Musikerbiograph Fetis in einer fast nur aus Mißverständnissen zusammengesetzten Darstellung 
von Hoffmanns Leben erzählt, dieser habe 22 Königsberg nach Beendigung seiner Universitäts- 
studien [also 7795] den Versuch gemacht, durch Musikunterricht sowie durch die Anfertigung 
großer Gemälde und schlüpfriger (licencieux) Romane seinen Lebensunterhalt zu verdienen. 
Jeder Leser von einigem kritischen Vermögen sieht sofort, daß dies eine Ausschmückung von 


rm 


Hans von Müller: Die neueren Sammlungen von E. T. A. Hoffmanns Werken 11 


Hitzigs Bericht über die Nedenaröeiten Hoffmanns in der Zeit von Mitte 1794 bis Mitte 1796 
ist: Hitzig berichtet Teil I, S. 23—26 seiner Biographie Hoffmanns von dem Musikunterricht 
der Geliebten [Frau Hatt], den beiden Romanen ‘Cornaro’ und ‘Der Geheimnisvolle’ [die 
freilich mehr mystérieux als licencieux waren] sowie den beiden Gemälder aus der französischen 
Geschichte, die Hoffmann dem Geheimrat v. Hippel zu verkaufen versuchte. Ich bemerkte 
nun a. a. O. von dem Wort des Herrn Fétis von den romans licencieux, es sei „ein Vorspuk 
von Gugitsens Phantasien, nur suwangig Jahre früher spielend“. Der unselige Frank scheint 
diese scherzhafte Zusammenstellung der beiden „Forscher“ ernst genommen zu haben; er 
zitiert S. XIX den Unsinn des Fetis und fügt hinzu, daß Gugitz’ Entdeckung über den Roman 
von 1815 diese Angaben bestätige! 


4. Um es kurz zu sagen: die dreizehnte Gesamtausgabe von Hoffmanns Schriften ist bei 
weitem die erbärmlichste und lüderlichste von allen. | 


B. Die Kompositionen. 


Seit dem Sommer 1922 kommt mit Gustav Beckings sorgfältiger Ausgabe von “E. Th. [I] 
A. Hoffmanns musikalischen Werken’ (bei Siegel in Leipzig) auch dieser wichtige Teil von 
Hoffmanns Produktion aus dem mittelalterlichen Stadium des Abschriftenhandels in das des 
Druckes, der zu Hoffmanns Lebzeiten anscheinend nur zwei kleinen Sammlungen von Gesang- 
stücken zuteil geworden ist. 


Bisher sind Bd. ı (Vier Sonaten für Pianoforte) und von Bd. 2 die Nr. ı (Quintett in C- 
moll) erschienen, beide mit ausgezeichneten Einleitungen; weiteres ist in Vorbereitung. (Am 
meisten zu wünschen wären die Partituren der Lustigen Musikanten’ und der “Aurora'!) 


C. Die Zeichnungen. 


I. Maassen. 


a) Art der Publikation. Während Maassen, wie wir unter AII3a gesehen haben, wenig- 
stens anfangs die Untersuchungen über Hoffmanns Quellen und die Anführung der älteren 
Rezensionen desonderen Publikationen vorbehalten wollte, hat er von Anfang an die Absicht 
verfolgt, alle ihm erreichbaren Zeichnungen und Gemälde Hoffmanns über sämtliche Bände 
von dessen Schriften zu verstreuen. Wenn etwas Derartiges bei dem Wiederabdruck der Reimer- 
schen Platten von 1871/73, die der Verlag mit Hirschbergs Hilfe als „Serapions-Ausgabe“ 
aufgefrischt hat, geschieht, so ist das gewiß kein Unglück. Aber bei einer Ausgabe wie der 
Maassenschen habe ich dieses Verfahren vom ersten Tage an als barbarisch empfunden“, da 
es die Texte zerreißt und die Bilder zu Dekorationen herabwürdigt. Man stelle sich eine 
kritische Gesamtausgabe von Goethes oder Stifters oder Kellers Schriften vor, die bei jedem 
dritten oder fünften Bogen von irgendeiner Zeichnung des Verfassers unterbrochen würde — 
einer Zeichnung, die vielleicht zehn Jahre älter ist als der Text, den sie „schmückt“! 


b) Inhalt. In den sieben bisher erschienenen Bänden seiner Ausgabe bringt Maassen 29 
von Hoffmann herrührende Bilder. Davon sind 7 nach Originalen angefertigt; 9 gehen auf 
Drucke zurück, die Hoffmann selbst veröffentlicht hat, und 13 auf postume, z. T. fast wert- 
lose Wiedergaben. Von den 7 Originalen, die Maassen wiedergiebt, sind nur vier (farbige) 
beglaubigt als von Hoffmann herrührend: Itzig und Frau 1807, Bamberger Bürgermilitär 1809, 
Hoffmann und Marcus [wohl 1810] und Familie Kunz 1812/13. Die Bilder sind z. T. stark 
verkleinert: farbig wiedergegeben ist nur eins. 


11. Hirschberg. 


1. Leopold Hirschberg reproduzierte 1921 unter dem Titel Die Zeichnungen E.T. A. Hoff- 
manns bei Kiepenheuer in Potsdam 62 Reproduktionen von Bildern Hoffmanns, also 62 ältere 
und neuere Stiche, Lithographien und dgl. 


ı In den Beigaben zu meiner eigenen Ausgabe des Briefwechsels habe ich mich streng beschränkt auf solche 
Bilder, die Hoffmann entweder in einzelne Briefe hineingezeichnet hatte (wie Selbstportrits und die Karikatur der 
Madame Bader) oder doch für einen einzelnen Bekannten gleichsam als persönliche Mitteilung skizziert hatte (wie den 
Gensdarmenmarkt für Kunz, Schlemihls Nordpolfahrt für Hitzig, den Brand des Schauspielhauses für Wagner). Und 
im Kreislerbuch bringe ich ausschließlich Zeichnungen, die zum Text in Beziehung stehen. 


E Hans von Müller: Die neueren Sammlungen von E. T. A. Hoffmanns Werken 


a) Inhalt. Hirschberg reproduziert 28 Drucke, die Hoffmann selbst veröffentlicht hat, 
27 Drucke, die in den Jahren 1823/86 von anderen veröffentlicht sind, und 7, die ich in den 
Jahren 1902/12 zuerst publiziert habe. War eine Originalzeichnung nach Hoffmanns Tode an 
zwei verschiedenen Stellen reproduziert (etwa einmal in Steindruck und einmal in Radierung), 
so gibt Hirschberg desde Reproduktionen wieder; die 34 postumen Drucke, die er reproduziert, 
entsprechen infolgedessen nur 29 Originalbildern Hoffmanns. Hirschbergs Mappe gibt mithin, 
um es zusammenzufassen, 28 + 29 = 57 Originalbilder Hoffmanns in Reproduktionen aach 
Reproduktionen wieder; sie gibt von Hoffmanns „Strich“, von seiner künstlerischen „Hand- 
schrift“ also nur in besonders günstigen Ausnahmefällen eine verschwommene Vorstellung. 
Die Größe der Hirschbergschen Reproduktions- Reproduktionen beträgt mit einer Ausnahme in 
der Höhe bis zu 14½ cm, in der Breite bis zu 9½ , ist also noch geringer als bei Maassen. 


b) Anordnung. Geordnet sind diese 62 Bilder in 1) Selbstportraits, 2) Zeichnungen „zu 
eigenen und fremden Werken“, 3) Portraits anderer und 4) sonstige Bilder. Die vierte Abteilung 
hat den Verlegenheitstitel Fantasien; sie enthält aber auch das Kostümbild Polnische Uniformen), 
das mit Phantasie nicht das allergeringste zu tun hat, die in Bamberg erlebte Szene Sterben müssen 
wir alle’, die Zeichnung zu Chamisso Schlemihl' (Der graue Mann’), die man unter 2 sucht, 
und die drei politisch-allegorischen Blätter. Besser waren die Gruppen I und 3 zusammengestellt, 
zumal auf zwei Blattern der 1. Gruppe auch andere Personen erscheinen und auf einem Blatt 
der 3. Gruppe umgekehrt auch Hoffmann — allerdings nur von hinten — zu sehen ist. 


Doch kommen diese stofflichen Erwägungen erst in zweiter, dritter Reihe. Vor allen 
Dingen wären diejenigen Zeichnungen Hoffmanns, die er für den Soch, also für die Offent- 
lichkeit bestimmt hatte, zu trennen gewesen von den schnell hingeworfenen Produkten 
augenblicklicher Laune: jene entsprechen seinen literarischen Werken, diese den Tagebuch- 
Aufzeichnungen und Briefen. 


2. 1922 wiederholte Hirschberg in der von ihm vervollständigten Ausgabe von Hoffmanns 
Schriften (s. o., A III) von den 57 in der Mappe wiedergegebenen Zeichnungen 23 (davon 2 
nach besseren Vorlagen); neu reproduziert er 10 Reproduktionen des 20. Jahrhunderts, nämlich 
4 von Maassen, 4 von mir und 2 von Arthur Sakheim erstmalig publizierte Zeichnungen. 
Dabei gibt er seinem oben charakterisierten Grundsatz getreu Blätter wieder, an deren 
Hofſmannschen Ursprung er selbst nicht glaubt, „um uns, falls einmal ihre Echtheit bewiesen 
wird, keiner Unvollständigkeit schuldig zu machen“ (so Bd. 14, S. 256 oben). 


3. Hirschberg bringt also in seinen beiden Sammlungen zusammen 57 + 10 = 67 verschie- 
dene Zeichnungen Hoffmanns aus zweiter Hand. (Übersehen hat er mindestens 7, von denen 
je zwei 1910 und 1918, je eine 1806, 1902, 1921 erschienen ist.) 


III. Steffen-Müller. 


Franz Kugler hat (fast ausschließlich aus Hoffmanns Nachlaß, den sein Schwiegervater 
Hitzig verwahrte) eine Sammlung Hoffmannscher Bilder zu einem Album vereinigt, das 
51 Blätter von Hoffmanns Hand und außerdem je einen — meist vorzüglichen — Abzug von 
fast allen damals bekannten Reproduktionen enthält. Von den 51 von Hoffmann eigenhändig 
hergestellten Blättern ist eines eine geometrische Hilfszeichnung von rein technischem Charakter; 
2 sind Schablonen aus starkem Karton, 12 sind Ubungskopien nach Hamilton-Tischbeins Vasen- 
werk, das Hoffmann bekanntlich 1803 in Plock aus freier Hand mit der Feder nachzeichnete. 


Die 36 künstlerischen Originalzeichnungen, 3 der Vasenbildkopien und die eine Schablonen- 
zeichnung läßt der Besitzer des Albums, Herr Rechtsanwalt Walter Steffen zu Brandenburg 
an der Havel, gegen Ende dieses Jahres (1925) unter meiner Mitwirkung im Propyläen-Verlag zu 
Berlin erscheinen. Er hat mir gestattet, diesem Grundstock 10 Zeichnungen Hoffmanns aus 
anderem Besitz hinzuzufügen, für die Hoffmanns Autorschaft nicht nur durch ihre Provenienz, 
sondern in jedem einzelnen Falle auch durch schriftliche Zusätze von Hoffmanns Hand objektiv 
gesichert ist. Das Format (45 & 35 cm) erlaubt es, alle Blatter in Originalgröße zu bringen; 
die (wenigen) farbigen oder farbig getönten werden in der Färbung des Originals wieder- 
gegeben. Alle 50 Blatter sind einheitlich systematisch geordnet: 8 Querfolioblätter mit Zeich- 
nungen zu Bamberger Theaterdekorationen machen den Anfang; ihnen folgen 5 Vorlagen zu 
Buchillustrationen; darauf kommen als das Gros 33 private Originalzeichnungen (in 5 Gruppen, 
vom seriösen Porträt bis zum reinen Phantasiespiel); die 3 Plocker Kopien und die Schablone 
machen den Schluß. Ein größerer Aufsatz über Hoffmann als bildenden Künstler leitet die 
Sammlung ein. 


Hans von Müller: Die neueren Sammlungen von E. T. A. Hoffmanns Werken 13 


D. Privataufzeichnungen. 
I. Meine Ausgaben mit Maassens Ergänzung. 


1. Hoffmann im Verkehr, gedruckt 1903—1912. 1903 begann ich den Druck einer durch 
eigene Sammeltätigkeit seit 1895 vorbereiteten Gesamtausgabe der Dokumente zu Hoffmanns 
Leben, insbesondere — da die sechs späteren Tagebücher damals verloren schienen — seines 
Briefwechsels und der Aufzeichnungen seiner Bekannten über ihn. Als Quellen für Hoffmanns 
Leben in der Zeit dis 7803 kannte ich damals fast nur die Briefe an Hippel und dessen 
Erinnerungen an Hoffmann (die in ihrer sehr anziehenden Originalform noch nicht gedruckt 
waren). Ich entschloß mich daher nach längerem Schwanken, für die erste Ausgabe der 
Dokumentensammlung diese Aufzeichnungen in einem Bande ‘Hoffmann und Hippel’ zu ver- 
einigen; in einem zweiten Bande wollte ich den übrigen Briefwechsel, in einem dritten die 
Erinnerungen der übrigen Bekannten bringen. (Ich zitiere im folgenden den ersten Band als 
den „Hippelband“, den zweiten als „Briefwechsel‘“.) 

Der in sich abgeschlossene Hippelband, der u. a. 71 Briefe Hoffmanns an Hippel bringt 
und neben genauen Quellennachweisen ein eingehendes Register enthält, war im März 1904 
im wesentlichen ausgedruckt; der damalige Verleger wünschte ihn aber erst nach Beendigung 
des zweiten Bandes auszugeben, um wenigsten alle Briefe auf einmal vorzulegen. 

Der Druck des Briefwechsels (mit den übrigen Bekannten) begann im Juli 1904 und war 
im Mai 1906 bis zum Jahre 1819 gediehen. Fünf fingierte Briefe Hoffmanns, die in Grisebachs 
Ausgabe der Schriften fehlten (1 an Fouqué, 3 „aus den Bergen” Schlesiens, 1 an Symanski) 
wurden mit aufgenommen, zumal ihr Inhalt stellenweise sehr persönlicher Art, fast autobio- 
graphisch zu nennen ist. 

Darauf trat ohne mein Verschulden eine fast zweijährige Pause im Druck ein; erst 1908 
konnte ich die Arbeit allmählich wiederaufnehmen. Ich ließ dann bis zum Sommer 1912 
beide Bände mit Einschluß der Umschläge auf eigene Kosten zu Ende drucken und gab die 
fertige Auflage, die nur noch zu heften bzw. zu binden war, den Gebrüdern Paetel in Verlag. 
Der ‘Briefwechsel’ (im engeren Sinne) bringt im Wortlaut 178 Briefe etc. von Hoffmann und 
2ı an ihn. Der dritte Band — die Erinnerungen von Hoffmanns Bekannten außer Hippel samt 
dem Register und den Quellennachweisen für den zweiten und den dritten Band — ge? dis 
heute nicht erschienen. 

2. Die beiden 1907/08 publizierten Briefreihen. In der langen Zeit, die der Druck des 
Briefwechsels in Anspruch nahm, fanden sich natürlich hie und da noch Briefe, die dort nicht 
mehr an den entsprechenden Stellen untergebracht werden konnten, sondern für eine künftige 
Nachtragspublikation (sei es im 3. Bande, sei es in einem besonderen Hefte) zurückbleiben 
mußten. Zwei Reihen der Art wurden schon vor Erscheinen der Hauptsammlung ver- 
öffentlicht: 30 Briefe (seit 1799!) an Verlag und Redaktion der Allgemeinen Musikalischen 
Zeitung durch mich (in den Süddeutschen Monatsheften, wiederholt in dem Privatdruck 
‘Hoffmann und Hartel’) und 7 sehr interessante Billets an Chamisso durch Herrn von Maassen. 
— Als ich im Sommer 1912 den Druck des ‘Briefwechsels’ beendete, gab ich dem Bande 
eine chronologische Liste aller mir damals bekannten Briefe von und an Hoffmann bei, die 
die eben erwähnten 30 + 7 sowie 8 weitere mit aufführte. 

3. Auffindung, Entsifferung und Herausgabe der Tagebücher: 1903—1915. Hitzig hatte 
1823 in seinem Buche ‘Aus Hoffmanns Leben und Nachlaß’ 18 Einträge des Plocker Tage- 
buches aus dem Winterhalbjahr 1803/04 (mit Kürzungen) gebracht und eine Reihe ganz 
kurzer Stellen aus den sechs Schreibkalendern von 1809 und 1811—1815. Joseph Kürschner 
hatte 1889 zwei der von Hitzig bereits gebrachten Plocker Einträge in Faksimile wiederholt. 
Sonst war keine Zeile aus den Tagebüchern bekannt. 

1903 erwarb ich von Kürschners Witwe für den Taxpreis, den diese dafür hatte fest- 
setzen lassen, Hoffmanns Miscellaneen-Buch, das u. a. das Plocker Tagebuch enthält. 1904 
verifizierte ich in einer von Hitzigs Enkel, dem gleichnamigen Geheimen Medizinalrat und 
Universitätsprofessor zu Halle, an das Märkische Museum zu Berlin gesandten Kiste unter 
Hunderten von Manuskripten verschiedenster Herkunft Hoffmanns (nicht mit dessen Namen 
versehene) Schreibkalender von 1812, 1813 und 1815; ich erhielt die Erlaubnis zu deren 
ausschließlicher Veröffentlichung. 1909 fand ich in Halle die noch fehlenden Schreibkalender 
von 1809, 1811 und 1814 und erwarb sie von der Witwe des inzwischen verstorbenen Geheim- 
rats Hitzig für den von dieser festgesetzten Preis. 

Diese sieben Tagebücher habe ich in jahrelanger Arbeit bis auf wenige einzelne Worte 
entziffert und im November 1915 bei den Gebriidern Paetel hierselbst publiziert. Abgesehen 


14 Hans von Müller: Die neueren Sammlungen von E. T. A. Hoffmanns Werken 


von dem moralischen Anspruch auf eine Schutzfrist, den wohl jeder Leser dieser Zeitschrift 
mir als dem Entdecker und Entsifferer der sechs Schreibkalender zubilligen wird, habe ich 
also, um auch die zivil- und strafrechtliche Seite der Sache nicht ganz unerwahnt zu lassen, 
nach § 29 des Gesetzes betr. das Urheberrecht vom 19. Juni 1901 bis Ende 1925 das alleinige 
Recht der Vervielfältigung: denn ich habe von den sieben Tagebüchern vier als deren 
Eigentümer und drei als der einzige von der Eigentümerin (nämlich der Stadt Berlin, ver- 
treten durch den Custos des Märkischen Museums) dazu Autorisierte drucken lassen. Da 
Hoffmann unbeerbt gestorben ist, hat der Eigentümer einer ungedruckten Handschrift von 
ihm das Recht, das sonst dem Erben zusteht. 

4. Drei weitere Briefe in meinem Aufsatz ‘Drei Arbeiten Hoffmanns’: 1915—1918. Zu 
Neujahr 1916 veröffentlichte ich in der Deutschen Rundschau einen Aufsatz ‘Drei Arbeiten 
Hoffmanns aus den ersten Regierungsjahren Friedrich Wilhelms III., aus dem sich u.a. ergab, 
daß Hippel nur für die Zeit bis 1797 als eigentlicher Vertrauter Hoffmanns gelten kann. An 
neuen Texten brachte der Artikel je einen Brief an Iffland (von 1800, also — nach dem unter 2 
erwähnten ersten Schreiben an Breitkopf & Härtel — schon einen zweiten Brief aus dem 18. Jahr- 
hundert, der zicht an Hippel gerichtet war) und an Hampe (von 1819); in einem vermehrten 
Sonderabdruck der Arbeit, der 1918 bei Georg Müller in München erschien, kam ein älterer 
Brief an Hampe (von 1809) dazu, der bereits 1830 an versteckter Stelle erschienen war. Von 
da an stand es vollends bei mir fest, daß eine neue Auflage des Briefwechsels meiner ursprüng- 
lichen Absicht gemäß und der chronologischen Liste von 1912 entsprechend ale Briefe, auch 
die an Hippel, in Einer Folge bringen müsse. Die Briefe an Hippel aus der Zeit des voll. 
kommenen Vertrauens, bis 1797, würden ja auch dann ohne Unterbrechung aufeinander folgen. 


II. Harich-Lichtensteins Nachdruck. 


Die im Vorstehenden unter 3 genannte Ausgabe der Tagebücher und die sämtlichen 
Briefe Hoffmanns aus den fünf unter ı, 2 und 4 genannten Publikationen hat Harich resp. Lichten- 
stein, ohne eine einzige Briefzetle Hoffmanns aus eigener Wissenschaft hinzufügen zu können, in 
den Bänden 14 und 15 der sub A VI besprochenen Gesamtausgabe machgedruckf. Ich werde 
nicht, wie es das Korrekte gewesen wäre, auf dem Titelblatt, sondern lediglich im Nachwort 
als Gewáhrsmann genannt (daß ich an dem vermutlich bedeutenden materiellen Gewinn, den 
der Nachdruck meiner Arbeit für die beiden Unternehmer abwirft, mit keinem Pfennig beteiligt 
werde, versteht sich danach von selbst). 


1. An Briefen Hoffmanns bringt Harich, wie jeder sich aus dem Vorstehenden berechnen 
kann, 


a) aus meinem Bande ‘Hoffmann und Hippel’ ....... 71 
b) aus meiner Ausgabe von ‘Hoffmanns Briefwechsel . . . . 178 
c) aus meiner Schrift ‘Hoffmann und Härtel. 30 
d) aus Maassens Abdruck der Briefe an Chamisso oo 7 
e) aus meinem Aufsatz Drei Arbeiten Hoffmanns .... . 3 


zusammen 289 


Aber mehr noch: er bringt unter den Briefen sogar die drei ‘Briefe aus den Bergen’ und 
den fingierten Brief an Symanskt, die ich, wie bereits berichtet, darum (mit sinnfälliger 
Unterscheidung) vorläufig unter die Privatbriefe gestellt hatte, weil sie bei Grisebach fehlten. 
Selbstverständlich gehören sie aber in Hoffmanns Schriften (wie Heinses Düsseldorfer Gemälde- 
briefe und Heines ‘Briefe aus Berlin' in deren Werke gehören), u. z. zum mindesten, die Briefe 
aus den Bergen’ in die Dichtungen, denn bekanntlich treten Rübezahl und andere poetische 
Personen darin auf. 


Auch die Zechnische Einrichtung meiner Briefausgabe übernimmt Harich unbesehen: er 
nennt nämlich die Gegenstände, die Hoffmann seinerzeit mit den Briefen zusammen abgeschickt 
hat (wie Manuskripte, Bücher, andere Briefe u. dgl.) nach der von mir m. W. zuerst ange- 
wandten Methode unmittelbar in der Überschrift unter dem Namen des Adressaten, u. z. fast 
immer genau mit meinen Worten. Besonders auffällig ist das erstens dann, wenn es sich 
nicht um Titelzitate handelt, wie in Band 14 S. 288 „Mit rezensierten Musikalien und zwei 
Rezensionen“, S. 371 „Mit dem Aufsatz über die Bamberger Calderon-Aufſührungen“, S. 374 
„Mit einer Wurst, einer Hymne und einer Zeichnung“, S. 422 „Mit der Rodeschen Violinschule 
und der alten Übersetzung derselben“ usw., und zweitens in solchen Fällen, wo meine 


Hans von Müller: Die neueren Sammlungen von E. T. A. Hoffmanns Werken 15 


Bezeichnung eines Hoffmannschen Werkes von der iiblichen, also auch der des Harich, abweicht, 
wie Band 15 S. 303 „Mit dem zweiten Bande der Serapions-Briider und dem ersten Bande 
des Murr-Kreisler“, S. 319 „Mit dem Anfang des zweiten Murr-Kreisler-Bandes“, S. 333 „Mit 
dem zweiten Teile des Murr-Kreisler- Werks! — alles Sz/e für Silbe mir nachgedruckt. Eben 
weil Harich meine Arbeit direkt in die Setzerei gegeben, nicht etwa nur als Teil-Unterlage 
für eine selbständige Arbeit benutzt hat, nenne ich seine Ausgabe einen Nachdruck. 


Diesen Charakter verliert sie auch nicht dadurch, daß die 289 nachgedruckten Briefe 
von Harich-Lichtenstein in Einer chronologischen Folge gegeben werden: denn auf Grund 
meiner dem Briefwechsel beigegebenen Liste hätte jeder Setzer ohne Hilfe eines Literaten 
das einwandfrei selbst besorgen können. Aber selbst bei der rein mechanischen Arbeit des 
Zusammenordnens der fünf Reihen ist es nicht ohne Unfälle abgegangen; so hat Harich es 
fertiggebracht, Hoffmanns ausführlichen Bericht an Hippel vom 30. August 1816 über die 
ersten Aufführungen der ‘Undine’ und über seine Tatigkeit als stellvertretender Vorsitzender 
des Kriminalsenats (in Band 15, S. 190/93 und ebenso im Inhaltsverzeichnis) unter das Jahr 
1815 zu setzen, also in eine Zeit, da sowohl die Aufführung der ‘Undine’ wie auch Hoffmanns 
feste Anstellung noch in weiter Ferne lag. Harich läßt also auf S. 189 drucken: „Brühl hat... 
sich meinen Rat bei der Szenerie erbeten... Wegen den Undine-Dekorationen ziehe ich 
Schinkel ins Interesse“; auf der folgenden Seite: „Mein Undinchen wurde in einem Zeitraum 
von vierthalb Wochen gestern zum sechsten Mal bei überfülltem Hause gegeben ... alle rühmen... 
die Dekorationen“ und S. 192 im selben Brief: „Dein gehorsamer Diener führte im Kriminalsenat 
als ältester Rat mit Würde und Energie der Rotstift Aber auf S.194 heißt es dann: „Meine 
Undine kommt im Lauf des Winters auf das Theater; sie werd bereits studiert“ und auf S. 197: 
„Noch immer bin ich zicht definitiv fixiert [d. h. fest angestellt am Kammergericht. Die 
Vorstellung der ‘Undine’ ist durch meine Schuld verzögert‘; am Schluß des selben Briefes 
S. 198/99: „Früher, als die ‘Undine’ hier auf das Theater gekommen, kann ich sie nicht [an 
andere Bühnen] versenden... Schinkel ordnet hier die Dekorationen... an; sie sollen 
8—10 Tausend Thaler kosten“. Wenn irgend etwas, so beweist diese Folge, daß der sog. 
Herausgeber seine Druckvorlage mit Schere und Kleister zusammengestellt und den so 
gewonnenen Text weder vor noch nach dem Satze durchgelesen hat. 


Harichs Zrläuterungen zu den Briefen sind durchweg Auszüge aus den meinigen. Soweit 
ich sehe, hat er nur Ein Wort aus eigener Wissenschaft hinzugetan, indem er nämlich Rahels 
Bruder Ludwig Robert (den ich, als meinen Lesern bekannt, nicht weiter charakterisiert 
hatte) seiner Lesern als Schauspieler vorstellt (Band 15, vorletztes Blatt des Inhaltsverzeichnisses, 
sub 20. Dezember 1819). 


2. Die Tagebücher Hoffmanns, die nach meinem Urteil das Außerordentlichste sind, was 
wir an menschlichen Aufzeichnungen Hoffmanns und vielleicht der deutschen Romantik über- 
haupt besitzen, habe ich absichtlich ohne einen Einschub, ja ohne jede Einzelerläuterung 
(die erst im 2. Band geliefert werden sollte) so abgedruckt, wze Hoffmann sie geführt hat und 
wie ich sie in jahrelanger Arbeit entziffert habe. Die Satzordnung, die ich nach langer Über- 
legung dafür eingeführt habe, ist von Sachkennern (auch im Auslande) als besonders zweck- 
mäßig und diskret anerkannt worden. Wenn also Harich 1922 in einem Pamphlet mir bezüglich 
der Tagebücher Hoffmanns hohnisch zuruft, es sei mir „gelungen, sie so ungeschickt, so umstánd- 
lich, in einem derartigen Durcheinander herauszugeben, daß die Leser, geschweige denn die 
Käufer entsetzt flohen.... Sie haben das Kunststück fertig gebracht, daß eines der von Ihnen 
edierten interessantesten Menschheitsdokumente: Hoffmanns intime Tagebuchaufzeichnungen, 
kaum einen Leser gefunden hat“ — so kann diese Behauptung, die sogar bei ihm noch auf- 
fällt, nur ihm selber schaden. Was hat aber nun Harick mit diesem von mir pietätvoll vor- 
gelegten Vermächtnis Hoffmanns gemacht? Er hat meinen Text (von dem er auch alle von 
mir als zweifelhaft gekennzeichneten Lesungen als sichere Worte Hoffmanns abdruckt) 2% einige 
sechzig Feizen zerrissen und diese Makulaturblätter wie ein zweiter Kater Murr zwischen die 
bis 1918 zufällig bekannt gewordenen Briefe hineingestreut. Diese „redaktionelle“ Arbeit ist 
die einzige Leistung, deren er als Herausgeber der Tagebücher sich rühmen kann. 


III. Frank-Rósis Nachdruck. 


1. /nhalt und Anordnung. Noch bequemer als Harich und Lichtenstein haben Frank und 
Rósl sich die „Herausgabe“ oder besser Hereinnahme von Hoffmanns Privataufzeichnungen 
gemacht. Sie drucken nicht abwechselnd, sondern Aintereinander ab: 


16 Hans von Müller: Die neueren Sammlungen von E. T. A. Hoffmanns Werken 


a) die Tagebücher 
b) aus dem Hippelbande die Briefe an Hippel 71 
c) aus der ‘Deutschen Rundschau’ den Brief an Iffland. . I 
d) aus dem ‘Briefwechsel’ die 178 Briefe Hoffmanns, denen sie 
lediglich die 7 von Maassen dargebotenen Billets an Chamisso 
einfügen, also . a e 2 2 1 2 ee ww Nai Wer, tee do Te? , 185 
zusammen 257 


Briefe. Von dem, was Harich mir nachgedruckt hat, sind Frank also die 30 Briefe an Härtel 
entgangen (obwohl meine chronologische Liste im Briefwechsel sie mit aufführt!), desgleichen 
die beiden an Hampe. Deadsichtigt war diese Zurückhaltung nicht, denn Frank & Rösl nehmen 
noch ungenierter als Harich & Lichtenstein, was ihnen vor die Hände kommt. Was ich in 
Klammern] ergänzt habe, respektieren diese wenigstens als mein Eigentum; Frank & Rösl drucken 
alles mit, u. z. ohne Kennzeichnung, als Hoffmannschen Originaltext. Und Harich & Lichten- 
stein nennen mich wenigstens Amer schamhaft als Quelle; Frank & Rösl, die mir gleichfalls 
die sieben heute noch urheberrechtlich geschützten Tagebücher und 250 Briefe nachgedruckt 
haben, nennen mich, um zum Schaden den Spott zu fügen, für einen einzigen Brief (den aus 
der ‘Deutschen Rundschau’ abgedruckten an Iffland) als Gewährsmann (Band 11, S. 266 Note) 
sonst kommt mein Name in allen elf Bänden nicht vor. 

2. Technische Schluderei. Die Tagebücher sind in der von mir gefundenen Satzanordnung 
gedruckt (Harich & Lichtenstein waren vor diesem intimsten Eingriff zurückgescheut). Der 
Druck der Briefe dagegen ist äußerst lüderlich; folgen zwei, drei Briefe an denselben Adressaten 
aufeinander, so erhält der zweite und dritte keine Überschrift, so daß der Leser nicht ohne 
weiteres erkennen kann, ob eine Nachschrift zum alten Brief oder ein neuer Brief vorliegt. 
Was bei mir faksimiliert ist, wird entweder fortgelassen oder in großer fetter Kursiv gebracht, 
ohne jeden Sinn, nur um meine vom Roslschen Setzer anscheinend für kanonisch angesehene 
Ausgabe tunlichst zu faksimilieren. 

Man verzeihe, wenn ich ein Kompliment variiere, das ich an dieser Stelle bereits Herm 
Harich als Biographen Hoffmanns gemacht habe; es ist in dem heutigen Zusammenhange 
besser am Platze. Die in schöner Schrift auf schönem Papier gedruckte Ausgabe des Herm 
Dr. Lichtenstein darf man, ohne dem alten Herrn Himbusg zu nahe zu treten, mit dessen 
hübscher Goethe-Ausgabe vergleichen, die ja trotz ihrer philologischen Unzulänglichkeit auch 
heute noch Liebhaber findet. Neben den „Rosl. Klassiker“ Hoffmann aber kann man nur die 
Erzeugnisse der Firma Fleischhauer in Reutlingen stellen. 


IV. Eine vermehrte neue Ausgabe des Briefwechsels? 


Band ı und 2 der Sammlung ‘Hoffmann im Verkehr’ ist vergriffen. Die (ich darf wohl sagen: 
rechtmäßige, wenn auch hier nur im moralischen Sinne berechtigte) swezte Auflage von Hoffmanns 
Briefwechsel, zu der ich hiermit die ehrliebenden Verleger des deutschen Sprachgebiets auf- 
fordere, würde an (ganz oder teilweise) wörtlich wiedergegebenen Briefen von Hoffmann enthalten: 

a) den von Harich nachgedruckten Bestand . . . . . . . 289 
(davon wiirden aber einige besonders wichtige und lange Briefe 
nach den inzwischen aufgefundenen Originalen berichtigt und 
ergánzt werden) 
b) an weiteren seit 1910 an verschiedenen Orten gedruckten nach 
meiner heutigen Kenntnis . . 2 . ........... 25 
c) an bisher ungedruckten mindestens . . » 2 2 2 20 .... 24 
zusammen 338 
also 49 mehr als Harich-Lichtensteins Nachdruck und 81 mehr 
als Frank-Rösls Nachdruck. 
Dazu kämen noch die erhaltenen (wenigen, aber durchweg interessanten) 
Briefe an Hoffmann : . e s s s e s e 8 e e ] « 3 22 
so daß die neue Ausgabe mindestens „360 
Nummern zählen würde — 161 mehr als der alte Band ‘Hoffmanns Briefwechsel’. 

Das Material würde sich dementsprechend verteilen auf zwei Bände Text und einen Band 
Beigaben (Erläuterung und Verzeichnisse), die fingierten Briefe, die Briefstellen ib r Hoffmann 
und die beiden Anhange (= Heft 3 der alten Ausgabe) würden wegfallen. 


—— AA, ER GI. ye, eee, — . 


17 


LEDERSCHNITTBANDE DES XIV. JAHRHUNDERTS 


VON LANDESBIBLIOTHEKDIREKTOR I. R. 
DR. ADOLF SCHMIDT IN DARMSTADT 


Einbänden hat eine verhältnismäßig kleine Gruppe, die sogenannten „Lederschnitt- 

bände“ für uns einen ganz besonderen Reiz, weil ihre Herstellung, mehr als es bei den 
mit Stempeln verzierten Bänden nötig ist, eine gewisse künstlerische Begabung und eine sehr 
geschickte Hand voraussetzt. Man verfáhrt dabei auf folgende Weise. Verzierungen und 
Bilder werden auf dem angefeuchteten Leder leicht vorgezeichnet und dann mit dem Messer 
eingeschnitten. Wenn dabei die ausführende Hand nicht ganz sicher ist, kann es leicht vor- 
kommen, daß die Vorzeichnung noch neben den Schnittlinien sichtbar bleibt, wie es z. B. 
bei einem in L. Bickells „Bucheinbänden aus hessischen Bibliotheken“ Leipzig 1892 auf 
Tafel VIII abgebildeten Marburger Einband der Fall ist. Die scharfen und dünnen Schnitt- 
linien werden durch Nachziehen mit einem stumpferen Werkzeug etwas verbreitert, und der 
Grund wird, um die Zeichnung noch mehr hervorzuheben, vielfach gepunzt oder kreuzweise 
gestrichelt. Später hat man die Zeichnung noch mehr plastisch herausgearbeitet, indem 
man das Leder ein wenig unterschnitten und die unterschnittenen Teile mit dem Messer 
etwas emporgehoben hat. Auch von der Rückseite aus hat man die Zeichnung plastisch 
emporgetrieben. 

Die Technik, mit dem Messer oder einem anderen spitzen Werkzeug Verzierungen in 
das Leder einzuschneiden oder einzuritzen, ist uralt. Sie findet sich, wie Loubier in seinem 
grundlegenden Werke „Der Bucheinband in alter und neuer Zeit“, Berlin-Leipzig 1904 aus- 
geführt hat, in Deutschland schon bei einem der ältesten erhaltenen Ledereinbände ange- 
wandt, der eine Ende des achten oder Anfang des neunten Jahrhunderts in der Fuldaer 
Schreiberschule entstandene Evangelienhandschrift umschließt, die sich noch heute in der 
Landesbibliothek zu Fulda befindet. Die 


Ue den mittelalterlichen mit Leder tiberzogenen und mit Zieraten geschmiickten 


einfachen Linien der Verzierung sind in das ur a TEE a EEE en E O 

. . * d bw, Ak A ` o a - 2 EA bës A 

hellrotbraune Leder eingeschnitten. Der F Ss We 8 | 
Einband diirfte eine fuldische Arbeit aus Co Y 8 (ës & = Gegen na: * 
b Nr (adr: Make PN, 2 1 


der gleichen Zeit sein. Ein anderer frü-. KR (0 
mittelalterlicher Lederschnittband, über E e tt ER AN 

dessen Alter die Meinungen allerdings noch | e Stee eee Nor Gë 
auseinandergehen, befindet sich in Stony- 
hurst College in England. Auch hier 
haben wir einfache geometrische Verzie- 
rungen, die in das Leder eingeritzt sind. 
Im späteren Mittelalter und bis in die Neu- 
zeit hinein hat man in Deutschland, Frank- 
reich, Italien und anderen Ländern den 
Lederschnitt in Verbindung mit Punzung 
und Treibarbeit zur Verzierung der ver- 
schiedenartigsten Gegenstande angewandt. 
Kästchen, Schachteln, Futterale, Schwert- 
scheiden, Pulverhörner und anderes mehr 
mit Lederschnitt sind zahlreich in unseren 
Sammlungen vertreten. Seine Verwendung 
zur Verzierung von Bucheinbänden scheint 
sich dagegen auf die Länder des ehemali- 
gen deutschen Reiches zu beschränken, und 
Beispiele sind nur aus der Zeit vom 14. bis 
zum Ende des 15. Jahrhunderts erhalten. 
Auch auf diesem begrenzten Gebiete tritt 
diese umstándlichere und darum kost- 
spieligere Kunstübung der einfacheren und 
billigeren der Blindpressung mit Stempeln 
gegenüber sehr in den Hintergrund. Loubier Vorderdeckel der Darmstädter Haggadah 


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18 Schmidt: Lederschnittbande des 14. Jahrhunderts 


zählte in seinem Werke nur sieben Stücke 
aus dem 14. und etwa fünfundzwanzig aus 
dem 15. Jahrhundert auf, und wenn ihm 
auch nach Bollerts Mitteilung! S. 5 jetzt 
über 160 bekannt sind, und sich vielleicht 
in weniger durchforschten Bibliotheken noch 
andere seither unbekannte Stücke finden 
werden, so will diese Zahl doch nichts be- 
deuten gegenüber den vielen Tausenden mit 
Stempeln verzierter Bände, die aus dem 
späten Mittelalter allenthalben erhalten sind. 
Lederschnittbände gehören daher unter allen 
Umständen zu den Kostbarkeiten einer 
Bibliothek. 

Was bis jetzt über derartige Bände ver- 
öffentlicht worden ist, waren zum größten 
Teile Beschreibungen einzelner Stücke oder 
der Bestände einzelner Bibliotheken. Diese 
Literatur ist jetzt bequem in Wolfgang Mejers 
brauchbarer „Bibliographie der Buchbin- 
derei-Literatur“ Leipzig: Karl W. Hierse- 
mann 1925, zusammengestellt. Die einzi- 
gen Arbeiten, die sich ein weiteres Ziel 
gesteckt haben, indem sie die in einer 
bestimmten Landschaft entstandenen Bände 
behandeln, waren Otto Mitius: „Fränkische 
Lederschnittbände des XV. Jahrhunderts“ 
Leipzig 1909 (Sammlung bibliothekswissen- 
schaftlicher Arbeiten. 28. Heft) und Ferdi- 

Hinterdeckel der Darmstädter Haggadah nand Eichler: „Lederschnittbände des 15. 
Jahrhunderts in der Steiermark“. (Beiträge 

zum Bibliotheks- und Buchwesen Paul Schwenke zum 20. März 1913 gewidmet. Berlin 1913, 
S. 77— 102.) Martin Bollert schlägt nun in dem vorliegendem Werke einen anderen Weg ein, 
indem er die frühesten der im späteren Mittelalter, nämlich im 14. Jahrhundert hergestellten 
Lederschnittbände in Abbildungen und Beschreibungen zusammenfaßt, wozu ihn die Hoffnung 
veranlaßt hat, dadurch in die noch ziemlich dunkle Geschichte des Lederschnitts einigermaßen 
Licht zu bringen. Den Hauptteil des glänzend ausgestatteten Werkes nehmen auf den 
Seiten 13—66 und den Tafeln 1—36 die vorzüglichen Lichtdruckabbildungen der dem Ver- 
fasser bekannten Lederschnittbände jener Zeit und deren Beschreibung ein, die der größeren 
Übersichtlichkeit halber schematisch gehalten ist. Es werden zuerst allgemeine Bemerkungen 
über den Inhalt des Lederschnittbandes gemacht, wobei auch etwaige frühere literarische 
Erwähnungen und Abbildungen angegeben werden, sodann werden die Einbände nach fol- 
genden Gesichtspunkten genau beschrieben: Größe, Leder, Heftung, Rücken, Schnitt, Beschläge, 
Schließen, Lederschnitt auf Vorder- und Hinterdeckel, Schnittechnik. Das ist für den Be- 
nutzer bequem und erleichtert ein Vergleichen verschiedener Bande. Am Schlusse des 
Werkes folgen auf den Seiten 67—77 einige zusammenfassende Bemerkungen, wie sie sich 
aus den einzelnen Beobachtungen ergeben haben. Es wird festgestellt, daß die Veranlassung, 
die einundzwanzig beschriebenen Handschriften gerade in Lederschnittbände zu binden, weder 
im Inhalt noch in der inneren Ausstattung der Handschriften zu suchen ist, die der 
theologischen Gelehrsamkeit oder Erbauung oder praktischen Zwecken als Urkunden- 
sammlungen dienten und nur zum kleineren Teile malerischen oder zeichnerischen Schmuck 
im Inneren tragen. Dem Alter nach fallen die Handschriften in die Zeit vom 12. Jahrhundert 
bis etwa zum Jahre 1400, die Einbände der älteren Handschriften sind aber offenbar nicht 
gleichaltrig, sondern erst später hergestellt. Der eine oder der andere Einband dürfte sogar 
eher dem 15. als dem 14. Jahrhundert angehören. Man darf nie vergessen, daß vor der 
Erfindung der Buchdruckerkunst bei der Seltenheit der Bücher die Einbände einer viel stärkeren 


ı Lederschnittbände des XIV. Jahrhunderts. Gesammelt und herausgegeben von Martin Bollert, Leipzig 1925. 
Karl W. Hiersemann. 


Schmidt: Lederschnittbande des 14. Jahrhunderts 19 


Abnutzung ausgesetzt waren und daher 
öfter erneuert werden mußten, was zur 
Folge hatte, daß Werke des frühen Mittel- 
alters uns heute meistens in Einbänden 
des späteren Mittelalters vorliegen. Daß 
uns erst aus dem 14. Jahrhundert wieder 
Lederschnittbände erhalten sind, ist des- 
halb kein sicherer Beweis dafür, daß 
diese schon im frühen Mittelalter aus- 
geübte Technik später ganz in Ver- 
gessenheit geraten war und gewisser- 
maßen neu gefunden werden mußte, wie 
es ja tatsächlich nach langer Unter- 
brechung im 19. Jahrhundert der Fall 
gewesen ist. 

Wichtig ist die Frage nach dem 
Entstehungsort dieser Einbände. Sie 
gehören sämtlich dem Gebiete des alten 
deutschen Reiches an und zwar dessen 
verschiedensten Ländern. Die meisten, 
nämlich fünf, stammen aus Böhmen, fünf 
aus Österreich, vier aus dem Rheinland, 
einer aus Kloster Georgenthal in Thürin- 
gen, einer aus Erfurt, einer aus Hildes- 
heim und einer vermutlich aus Branden- 
burg. Nicht genauer zu bestimmen ist 
die Heimat von drei Bänden. Man er- 
sieht daraus, daß man bei diesen Leder- 
schnittbänden nicht von einer Eigentüm- 
lichkeit einer einzelnen Gegend reden Einzeldeckel im Kestnermuseum in Hannover 
kann, sondern daß diese Technik überall 
ausgeübt worden ist. Wenn die Zahl der erhaltenen Bände nicht so klein wäre, würden 
vermutlich auch noch andere Ursprungsorte nachzuweisen sein. Es wäre daher müßig, zu 
fragen, wo nun im 14. Jahrhundert die Urheimat der Lederschnittbände zu suchen ist. 

Die übrigen Punkte, die Bollert in seinem Nachwort behandelt, das Format der Bücher, 
die Art und die Farbe des Leders, die Verzierung des Rückens und des Schnittes scheinen 
mir weniger wichtig, da sie keine Eigentümlichkeiten der Lederschnittbände bilden. Von 
größerer Bedeutung sind dagegen die Beobachtungen über die Art der Deckelverzierung 
durch den mehr oder weniger reichen Rahmen und das Mittelfeld, das meist durch Streifen 
und Bänder in kleinere geometrisch gestaltete Teilflächen zerlegt wird, die dann die Träger 
der eigentlichen Schmuckformen sind. Bei der Wahl der Gegenstände für die einzuschneidenden 
Verzierungen hatte die Phantasie des Künstlers den weitesten Spielraum. Wir finden am 
häufigsten pflanzliche Zieraten, Tiere, teils in natürlicher Gestalt, teils in phantastischer Um- 
formung, die menschliche Gestalt. Neben geometrischen Formen dient auch manchmal die 
Schrift zur Verzierung. 

In bezug auf die Technik ist zu sagen, daß bei diesen Bänden ausnahmslos der Flach- 
schnitt angewendet worden ist. Es scheint demnach, daß die plastische Hervorhebung durch 
Unterschneiden der Linien und Hochheben oder durch Treiben von der Rückseite her erst 
den Arbeiten des 15. Jahrhunderts eigen ist. Die Punzung des Untergrundes ist dagegen 
schon bei Bänden des 14. Jahrhunderts üblich. 

Wenn unter den einundzwanzig Lederschnittbänden, die Bollert abgebildet hat, von 
denen aber mindestens drei vermuthlich erst im 15. Jahrhundert angefertigt sind, nicht 
weniger als sechs hebräische Handschriften bergen, und zwei lose Deckel wahrscheinlich 
früher ebenfalls einen hebräischen Inhalt hatten, so spricht das für eine besondere Beliebtheit 
dieser Art der Einbandverzierung in jüdischen Kreisen. Diese Beliebtheit hat sich auch nicht 
auf eine einzelne Gegend beschränkt, wir finden jüdische Lederschnittbände im österreichischen 
wie im rheinischen Herstellungsgebiet, während unter den böhmischen Bänden sich kein 
jüdischer befindet. In der Art ihrer Verzierung sind diese Bände unter sich nahe verwandt, 
mit Vorliebe wurden sie mit in zwei senkrechten Reihen angeordneten Rundbildern, die phan- 


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20 Schmidt: Lederschnittbande des 14. Jahrhunderts 


tastische Tiere enthalten und mit geometri- 
schen Zieraten geschmiickt. Dabei zeigen 
wieder die einzelnen abgelösten Deckel im 
Kestnermuseum in Hannover und im Kunst- 
gewerbemuseum in Köln die größte Ähn- 
lichkeit mit dem Einband der Darmstädter 
Haggadah, bei dem ja neben den geome- 
trisch verzierten Randleisten die phantasti- 
schen Tierfiguren in den Kreisen des Vorder- 
deckels und den Dreiecken des Hinter- 
deckels besonders schön und geschmack- 
voll gebildet sind. Auf dem Kölner Deckel 
fehlt auch die kauernde männliche Gestalt 
des Darmstädter Vorderdeckels nicht. Ich 
habe immer die Ansicht vertreten, daß diese 
Fabeltiere auf hebräischen Einbänden irgend 
einen Zusammenhang mit jüdischen religi- 
ösen Vorstellungen und Überlieferungen 
haben, und daß sie erst von jüdischen 
Bänden auf christliche übernommen worden 
sind. Alle meine Bemühungen aber, von 
jüdischen Theologen irgend eine Deutung 
dieser Gestalten zu erlangen, sind vergeb- 
lich gewesen, und auch Bollert scheint es 
nicht gelungen zu sein, eine Lösung der 
Frage zu finden, da er diesen Punkt mit 
Stillschweigen übergeht. 
Der Verfasser sagt selbst in seinem Vor- 
wort, daß die von ihm vorgeführten Leder- 
Einzeldeckel im Kunstgewerbemuseum in Köln schnittbände nicht hinreichen, ein deutliches 
Bild einer Entwickelung des Lederschnittes 
im 14. Jahrhundert zu geben. Vor allem muß man sich hüten, aus der mehr künstlerischen Aus- 
gestaltung einzelner Bände auf spätere Entstehung zu schließen, da, wie Bollert bemerkt, die 
mehr oder minder große Kunstfertigkeit eines Buchbinders gerade in dieser Verzierungsweise 
größere Unterschiede zwischen den Kunsterzeugnissen schaften kann als der zeitliche Abstand. 
Man kann sich das besonders klar und deutlich vor Augen führen, wenn man den technisch 
und künstlerisch vollendeten Einband der Darmstädter Haggadah, der sicher noch in das 
14. Jahrhundert gehört, mit den um 1430 für zwei Grafen von Wertheim in ganz kunstlosem 
Linienschnitt hergestellten Einbänden vergleicht, die ich in meinem Werke „Bucheinbände 
aus dem XIV.—XIX. Jahrhundert in der Landesbibliothek zu Darmstadt. Leipzig 1921 auf 
den Tafeln IV, V und der Texttafel zu S. 8 nachgebildet habe. (Vgl. auch diese „Zeitschrift“ 
1901. V, 2. S. 330—331 und 1910 Neue Folge II, 1. S. 70—72.) 
Wenn er auch der doch immerhin nur wenig zahlreichen Denkmäler wegen, die aus dem 
14. Jahrhundert auf unsere Zeit gekommen sind, noch manches im Dunklen lassen mußte, so 
muß man doch dem Verfasser wie dem Verleger dankbar sein, daß sie die verstreuten und 
wenig bekannten Ersterzeugnisse dieser ganz persönlichen und lebensvollen Schmucktechnik 
in ihrem Werke vereinigt und der weiteren Forschung in vortrefflichen Abbildungen zu- 
gänglich gemacht haben. Niemand, der sich mit dem mittelalterlichen Bucheinband beschäftigt, 
wird künftighin das schöne Werk entbehren können. 


21 


FIGUREN GEDICHTE 
VON MAX ZOBEL VON ZABELTITZ IN MARBURG 


dem Reize abgewinnen zu wollen, was nicht in ihrem Wesen liegt — Reize der äußer- 

lichen Form etwa auf Kosten des Inhalts. Daraus erklären sich Gartenspielereien ver- 
gangener Zeiten, die aus Bäumen und Büschen menschliche und tierische Gestalten oder 
geometrische Figuren machten; daraus erklärt sich auch die Freude gewisser Dichter aus der 
Alexandrinerzeit (Simias, Theokrit u. a.) an Gedichten, die durch geschickte Verteilung der 
Zeilenlängen Bilder von Altären, Flügeln, Eiern, Axten usw. ergaben. In künstlerisch unproduk- 
tiver Zeit wie der Kaiser Konstantins, konnte ein Dichter, Publil. Optatianus Porphyrius, durch 
seine Bildverse die Gnade des Kaisers und Zurückrufung aus der Verbannung erlangen. 


Wenn unter Karl dem Großen und seinen Nachfolgern — in einer Zeit der versuchten 
Neubelebung antiker Kultur — diese Technik des Dichters wieder Vertreter und Beifall! 
findet, so ist es die Nachwirkung der konstantinischen Epoche, die für das ungeschärfte Urteil 
der Karolingerzeit eben auch schon „klassisch“ war. 


In die Renaissancepoetik, und damit auch in die Poesie, werden die Figurengedichte 
wieder eingeführt mit Berufung auf antike Vorbilder (Scaliger) In Deutschland, das unter 
dem Druck der Religionskämpfe und des Dreißigjährigen Krieges kulturell zu keiner inneren 
Freiheit gelangte, war die Abhängigkeit von dieser äußerlichsten Form dichterischer Virtuosität 
am stárksten?; in allen Sprachgesellschaften, in vielen Poetiken bis auf Gottsched, der die 
„malerischen Sinngedichte“ als „Tändeleien“ ablehnte, finden sie Vertreter und Verteidiger. 


E ist ein Zeichen iiberreizter Zivilisation, in Kunst und Natur den Dingen gerade in 


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Aber auch im Auslande fehlen solche nicht; das ergibt sich schon aus dem grofen 
Interesse, das bedeutende Philologen (darunter Namen wie Heinsius, Gruterus, Salmasius) und 
künstlerisch hochstehende Verlage den Bildversen widmeten®. 


1 Josephus Scottus, Milo von St.-Amand, Hrabanus Maurus, Abbo von Fleury. 
2 Vgl. Zabeltitz, Uber Figurengedichte, in der „Gutenbergfestschrift‘‘, herausg. von Ruppel, 1925. 
3 Vgl. u. a. Haeberlin, Carmina figurata Graeca, 2. ed. 1887. 


22 Zobel von Zabeltitz: Figurengedichte 


In Italien brachte es zwischen 1630 und 1640 Fortunius Lieatus zu sechs „Zrcyclopaediae“ 
über verschiedene antike Bildgedichte, Bücher, die allerdings nicht so dick sind, wie der Titel 
den heutigen Leser vermuten läßt. — Hiernach zu urteilen, wird die italienische Poesie nicht 
ohne Bildverse sein, wenn ich auch eben keine Probe vorlegen kann und italienische Poetiker 
wie Minturno, Tolomei u. a. über diese Dichtungsgattung schweigen!. 

Im Spanischen können wir auf Juan Diaz Rengifos „Arte poetica espanola“ verweisen, die 
1592 zuerst herauskam und noch 1703 die „altıma ımpresion“ erlebte. Diese Ausgabe bringt 
auf S. 180ff., Cap. 116 „De las poestas mudas“, definiert als „una composicion metrica de 
figuras en su propria significacion“. Wie die Beispiele zeigen, rechnet der Verfasser auch 
Bilderrätsel in diese Gruppe; als Figurengedichttyp wollen wir den ,,Retrogrado espherico zu 
Ehren der verschiedenen Doña Mariana de Austria bringen (siehe S. 21). Zur Grabschrift 
bestimmt, haben die von links nach rechts zu lesenden Zeilen ihre Gestalt weniger durch 
die Kunst ihres Dichters als durch die des Steinmetzen. 

Ahnlich steht es mit dem ersten Figurengedichte, das aus der französischen Literatur angefuhrt 
werden soll, der selbstverfaßten Grabschrift” des Mitglieds der Plejade, J. A. de Baif (f 1589): 


De deux arbres divers De la mort et la vie 


sado SNOU ZA 39 S4anuag D yal shou ua 


Die französische Figurendichtung hat ihren Geschichtschreiber in A. Canel® gefunden. Im 
Anschluß an ihn sei zunächst die Flaschenform genannt, in der sich Panurgs gereimtes Gebet 
an die Dive Bouteille darbietet (Pantagruel, V, 44, zuerst 1564 erschienen). Dann die Flasche 
und das Weinglas in Reimen Panards, des trinkfesten Vaudevilledichters aus der Zeit Ludwigs XV. 
Ein Liebesgedicht Panards in Rautenform mag hier folgen: 


Tes 
A ttvaits 
Pour jamais 
Belle Elmire 
M’ont su réduire 
Sous ton doux empire : 
Content quand je te vot, 
Mon ardeur pour tor 
Est extréme 
De méme 
aime 
moi. 


1 Vgl. Muratori, Della perfetta poesia ital., herausg. von Salvini, II, 1821, S. 342. 
2 Baif: Oeuvres, T. 5. Paris: Lemerre 1890, S. 383. 
3 „Recherches sur les jeux d'esprit“, T. 2, 1867, S. 81 fl. 


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Zobel von Zabeltitz: Figurengedichte 23 


Noch um 1840 findet sich bei einem französischen Dichter eine gewisse Neigung für 
Figurengedichte. Für Paul de la Salle war das Kreuz Je symbole sublime De cet amour 
divin que n'aigrit aucun fiel“; so ist ihm denn auch ein außer durch den Reiz der Kreuzes- 
form durch Sprache und Gehalt wertvolles Figurengedicht gelungen. 

In der französischen Poetik hat die Bildverskunst kein Echo gefunden, und wenn wir 
von der Geschichte Entwicklungen und Zusammenhänge fordern, so dürfen wir nach den ver- 
schiedenen zufälligen Dichterlaunen entstammenden Gedichten nicht von einer Geschichte 
dieser Dichtart in Frankreich sprechen, wie man es für Deutschland tun kann. 


Auch in England sind die Beispiele für Bildverse vereinzelt, doch haben sie dort ein 
wiederholt — wenn auch nur mit Ablehnung — aufgegriffenes Problem gebildet. Vielleicht 
war es die tüchtige philologische Bildung, die an den alten Universitäten gepflegt wurde, 
welche gerade die Theoretiker der Dichtkunst zwang, sich mit den Altären, Schwingen, Eiern 
(gerade diese Formen der Alexandrinerzeit werden gern genannt) abzugeben, wenn auch die 
zeitgenössische Literatur zu solchen Auseinandersetzungen weniger herausforderte. Zwar nannte 
George Puttenhams „Arte of english poesie“ 1589 für seine Beispiele der Figurenpoesie nur 
orientalische Vorbilder, von „Anacreons egge“ abgesehn — Rhomben und Dreiecke angeblich 
als Übersetzungen aus dem Briefwechsel eines Tatarenkhans und eines persischen Sultans 
mit ihren Geliebten; aus Eigenem gibt er Pyramiden- und Pfeilerverse hinzu (Lib. II, vr. 
Dann aber kämpft Dryden (1631—1700) in seinem „Mac Fleckno gegen die Altáre und 
Flügel als Typen der Bildverse; und bei George Herbert finden wir in seinem formgewandten 
religiösen Gedichtzyklus „Z%e Temple“, der von 1632—1709 dreizehn Ausgaben erlebte, im 
vierten Buch als erstes Gedicht den Altar, als elftes die Flügel: 


EASTER WINGS 


Lord, Who createdst man in wealth and store, 
Though foolishly he lost the same, 
Decaying more and more, 
Till he became 


O let me rise, 
As larks, harmoniously, 
And sing this day Thy victories: 
Then shall the fall further the flight in me. 


My tender age in sorrow did beginne; 
And still with sicknesses and shame 
Thou didst so punish sinne, 
That I became 
Most thinne. 


With Thee 
Let me combine, 
And feel this day Thy victorie; 
For, if I imp my wing on Thine, 
Affliction shall advance the flight in me. 


Im 58. Spectator-Brief vom 7. Mai 1711 greift Addison die Frage der Figurendichtung 
wieder auf. Außer Herbert nennt er als Vertreter dieses „fashion of false wit“ eine dem 
König Jakob I. von Schottland und England (f 1625) gewidmete Übersetzung des Du Bartas, 
deren Vorrede sechs Seiten mit Figurengedichten (Säulenbasen und Kapitäle) zu Ehren des 


1 Nach Schipper (Engl. Metrik, 2, . 1888. S. 585, Anm.), der die oben genannten für die einzigen englischen 
Bildverse hält, ist alles von P. selbst gedichtet. 


24 Zobel von Zabeltitz: Figurengedichte 


Königs füllte. Hier wird man an eine Nachwirkung Puttenhams denken können, während 
Herberts Bildverse wohl unmittelbar auf antiken Einfluß zurückführbar sind, denn er war ein guter 
Kenner des Lateinischen und Griechischen, dem geläufige Verse in beiden Sprachen gelangen. 
Als Parallelen erwähnt Addison das Buch der Psalmen, dessen Zeilenverteilung Gesicht 
und Bart Karls I., des Nachfolgers von Jakob I., wiedergibt; in Oxford?, erzählt der Verfasser, 
hatte er gerade die eine Seite des Backenbarts durchgelesen, als ihn die Ungeduld seiner 
Mitreisenden zwang, auf die Lesung der andern zu verzichten. Und so berichtet er auch nicht 
ohne Humor von dem Schreibkünstler, der das Alte Testament in Perrückenform schrieb, bereit, 
wenn sich die Haarmode ändere, noch ein paar Locken anzufügen für die Apokryphen. 
Jedenfalls muß die Bildversmode, wenn auch nicht mehr im allgemeinen Schrifttum, so 
doch bei Dilettanten und in engeren Kreisen bräuchlich gewesen sein; aus seiner persönlichen 
Bekanntschaft erwähnt Addison „a young poetical lover“, der seiner Geliebten ein Gedicht in Form 
ihres Fächers machte, und schließt mit der Befürchtung, die Stadt bald überfüllt zu sehen mit 
gereimten Halskrausen, Schnupfdöschen, Taschentüchern u. dergl. weiblichen Schmuckdingen. 
Ob Addisons Zeitkritik in diesem Punkte gewirkt hat? Fast möchte man es bezweifeln, 
wenn man die Übersicht über alle Literaturspielereien liest, die 1751 Richard Owen Cambridge 
in „The Scribleriad“ zusammenbringt. Held Scriblerus, die von Pope geschaffene Literatur 
gestalt, trifft in einem Wunderland auf ein Heer, gebildet aus tiberwundenen Dichtungsarten: 
Akrosticha, Bouts-Rimés, Chronogramme, Anagramme, Lipogramme und viele andere. 


„On their fair standards, by the wind display’d 
Eggs, altars, wings, pipes, axes were pourtrayd.“ “ 


Doch macht Cambridges satirisches Epos bei allem Geist den Eindruck, daß es mehr 
aus der Literatur als aus dem Leben gewachsen sei. Aus seinem Seitenhieb auf die Figuren- 
gedichte spricht wohl nicht mehr unmittelbare Zeitkritik wie bei Addison. 

Hiermit am Ende unserer Betrachtung, haben wir vor Schluß noch eine ganze Fille 
anderer „jeux d’esprit“ nennen hören. Und so gewiß heute kein Poet und kein Poetiker noch 
Kraft und Zeit auf solche Künste verwenden wird, so sicher kann die Betrachtung der „aus- 
gestorbenen“ Dichtungsgattungen kulturhistorisches Interesse haben. Eine Geschichte der Dicht- 
kunst könnte auch den Abwegen ein Kapitel widmen, und die Erkenntnis, wie diese nach 
Verschiedenheit der Völker und Zeiten wechseln, wäre nicht ohne Wert. 


1 Vgl. Spectator, with introd. by G. A. Aitken, Vol. ı [1905], S. 248, Anm. 2. 
2 Vgl. Spectator, a. a. O., Anmerk, 3. Das Manuskript ist in der Bibliothek des St, John’s College. 
3 In The Works of the English poets... Addit. lives by A, Chalmers. Vol. 18. 1810, S. 258 f. 


SE 
Alle Rechte vorbehalten — Nachdruck verboten 
Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Georg Witkowski, Leipzig-G., Ehrensteinstr. 20. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 112 
Druck von Ernst Hedrich Nachf., G. m.b. H., Leipzig, Hospitalstr 11a 


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ZEITSCHRIFT 
BUCHERFREUNDE 


HERAUSGEGEBEN 


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1926 HEFT 2 
NEUE FOLGE 18.JAHRGANG 
VERLAG E.A.SEEMANN. LEIPZIG. 


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25 


DEROME DER JUNGERE, 
MADAME DE MONTESSON UND PRINZ HEINRICH 
VON PREUSSEN 


NACH EINEM FUNDE IN DER PREUSSISCHEN STAATSBIBLIOTHEK 
VON MAX JOSEPH HUSUNG IN BERLIN 


des großen Friedrichs nicht unwürdiger Bruder, Madame de Montesson, die das Theater 
liebende Stiefmutter des Philippe Egalité, und Derome der Jüngere, der Bucheinband- 
künstler von Paris. Und diese drei sind an den sechs Bänden beteiligt, die jetzt im Besitze 
der Preußischen Staatsbibliothek sich finden, 
und die den Anlaß geben zu unseren Zeilen. 


F sind hier drei Personen vereint, in ihrer Art drei Größen: Prinz Heinrich von Preußen, 


* 

Die Vorliebe des Prinzen Heinrich für ` | 
das Französische ist bekannt. Soll er doch OO UVRES | 
sogar, in seinem späteren Leben verärgert, | ‘ 0 
die Neigung gehabt haben, ganz nach Paris ANONYMES. 


zu übersiedeln. Wie der französischen Lite- 
ratur überhaupt, so galt vor allem dem fran- ` SES Ke | 
zösischen Theater seine Liebe. Selbst im | THEAT R E, | 
Felde, in den Winterquartieren, vergnügte | 
er sich an Een Ce in PA TETS e wt Me | 
französischer Sprache, eine Leidenschaft, der | Y | 
er dann in seiner Zuriickgezogenheit in | 
Rheinsberg um so ungestörter frönen konnte. | 
Und als er im März 1789 von seiner zweiten 
französischen Reise zurückkehrte, brachte er | 
für sein Rheinsberger Theater drei neue, in 
Paris angeworbene Mitglieder mit, die ihn | 
auf der ganzen Rückfahrt begleitet hatten, | 
eine Schauspielerin und zwei Schauspieler. 
Überhaupt besuchte der Prinz während | 
seines zweimaligen Aufenthaltes in Paris 1784 | 
und 1788/89 gern die Theater der Haupt | , 
stadt. Es geschah dabei sogar, daß man ihm, | | 
dem Bruder des großen Preußenkönigs, eine | | 
Ovation brachte, als nämlich im Théatre | A PARIS, | 
| | 

| 

| 

| 


frangais in der Bearbeitung des deutschen 
Stückes „Der Edelknabe“ von Johann Jakob 
Engel Friedrich der Große von dem Schau- 
spieler Fleury lebensgetreu kopiert wurde?. 
Und da zudem die französische Gesellschaft 
jener Zeit ihre eigenen, privaten Theater | — ees cds La | 
hatte, und da SE den illustren Gast aus 
PreuBen auch hierzu einlud, genoß Prinz Bild r. Titelblatt zum 6. Bande der Werke der Madame de Montesson 
Heinrich diese seine Freuden ausgiebig. 

Eine begeisterte Freundin des Theaters war zu jener Zeit auch Madame de Montesson’. 
Als Charlotte-Jeanne Béraud de la Haie de Rioux zu Paris am 5. Oktober 1738 geboren, ward 


DE LIMPRIMERIE DE DIDOT LAINE. 


M. DCC. LXXXIL 


I Vgl. hierüber R, Krauel: Prinz Heinrich von Preußen in Paris während der Jahre 1784 und 1788 bis 1789. 
Berlin 1901. 

2 Vgl. ebenda. S. 59. 

3 Über diese Frau vgl. Joseph Turquan: Madame de Montesson, douairière d'Orléans. 1738—1806. Paris 
(1904). In der Sammlung: Souveraines et grandes dames. — Jean Harmand: L’automne d’un prince. Le duc Philippe 
d'Orléans et la marquise de Montesson 1773. (Lettres inédites.) Paris 1910. — Vgl. auch Journal et mémoires de 
Charles Collé... Nouv. éd. Tome trois. Paris 1868. — Souvenirs de Félicie. Par Mme de Genlis. Suivies des Sou- 
venirs et portraits par M. le duc de Levis. Paris 1882. — In der Bibliothèque des mémoires. 


XVII, 4 


26 Max Joseph Husung: Derome d. J., Madame de Montesson und Prinz Heinrich von Preußen 
m 1 —Z—Z—Z— Ss a>w>oa>o—om 
nungen sie am II. Oktober 1757 die Frau 
z : ji hr 
ara des siebenzigjährigen Herrn von 
PRA Montesson. Bald spielte die junge 
Schönheit in der Pariser Gesellschaft 
eine nicht unwichtige Rolle, bald 
spielte sie auch auf dem Theater 
des Fiirsten Conti in dessen be- 
rühmten Schlosse Isle-Adam, und 
bald hatte sie ihr eigenes Theater. 
Louis-Philippe aber, der Herzog 
von Orléans, der Vater von Phi- 
lippe Egalité, verehrte die Frau von 
Montesson, um sich dann, als der 
Herr von Montesson gestorben war, 
am 23. August 1773 mit ihr trauen 
zu lassen. 

Als Gattin des Herzogs lernte 
auch Prinz Heinrich die fiir das 
Theater so begeisterte Frau kennen. 
Wir wissen!, daß er in des Her- 
zogs Landhause zu St. Assisse be- 
reits auf seiner ersten französischen 
Reise, 1784, zu Gast weilte, und 
daß er von dort aus sogar die 
Rückreise nach Deutschland an- 
treten wollte. Auf diesem Schlöß- 
chen aber machte die Louis-Philippe 
im geheimen angetraute Frau von 
Montesson die Honneurs, und sie 


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Mi ei reren rr K KN zen wohlbekannt. Und damals, d. h. 
im Jahre 1784, muß es denn auch 
gewesen sein, daß des Herzogs 

Bild 2. Einband von Derome d. J., Paris 1784 Gattin, nicht nur Schauspielerin, 


sondern auch Schauspieldichterin, 
dem Gaste aus Preußen die ersten sechs Bände ihrer Oeuvres anonymes? verehrt hat, die 


jetzt unter der Signatur Xv 1912 sich in der Preußischen Staatsbibliothek befinden. 


Die Werke der Madame de Montesson sind, obwohl ihr literarischer Wert nicht allzu 
hoch bemessen wird, sehr selten. Sollen sie doch überhaupt nur in zwölf Exemplaren ge- 
druckt sein®, die natürlich nur als Geschenke in die Welt gingen. Daß aber Prinz Heinrich 
die Bücher wirklich im Jahre 1784 erhalten hat, möchte ich daraus erschließen, daß nur die 
ersten sechs, im Jahre 1782 zu Paris bei Didot d. A. gedruckten Bande sich in seinem Be- 
sitze befunden haben. Wäre er erst später, etwa während seines zweiten Aufenthaltes in 
Frankreich, also 1788/89 damit beschenkt worden, so hätte die Verfasserin ihm wohl sicher 
auch noch die beiden letzten Bände, die im Jahre 1785 gedruckten Bände 7 und 8, mit- 
verehrt. Dazu kommt der Umstand, daß die ersten fünf Bände auf Vorder- und Hinterdeckel 
das Monogramm H des Prinzen zeigen, während der letzte, hier der sechste Band, das Mono- 
gramm der Stifterin, das M aufweist. 


Madame de Montesson, wie sie also wohl auch als Gattin des Orléans noch weiter hieß, 
hat nämlich die Bände dem Prinzen Heinrich gebunden geschenkt, und der Künstler, der mit 
dem Binden beauftragt gewesen, war Nicolas-Denis Derome der Jüngere. Der ward am 
ı. Oktober 1731 geboren, und mit ihm erreichte der Ruhm der bekannten Pariser Buch- 
binderfamilie ihren Höhepunkt. Der Buchdeckel-Dekorationsstil à la dentelle, das Spitzen- 


1 Vgl. Krauel a. o. O. S. 17 und S. 31. 

2 Der mir vorliegende sechste Band hat, wie die fünf vorhergehenden Bände, gleichfalls den Titel Oeuvres 
anonymes, Brunet erwähnt nämlich, daß in einigen Exemplaren des sechsten Bandes auch Oeuvres cheries zu lesen sei. 

3 Vgl. Duc de Levis a. o. O. S. 404. — Vgl. auch Jacques-Charles Brunet: Manuel du libraire. 5, éd. Tome 
quatr, Paris 1863. S. 163f. 


Max Joseph Husung: Derome d J, Madame de Montesson und Prinz Heinrich von Preußen 27 


muster, feierte, nach Padeloup, unter ihm die größten Triumphe; der Stempel mit dem Vögel- 
chen (fer a l’oiseau) spielt hierbei eine nicht unwichtige, jedoch immer noch nicht geklarte Rolle. 
Des Auftrages der Madame de Montesson entledigte sich Derome in der Weise, daß er 
die sechs Bande in rotgefarbtes Ziegenleder band. Innen schlug er die Bande mit hellblauer 
Seide aus. Eigentümlich ist der Schmuck der Deckel. Zeichnen sonst die sogenannten 
Derome-Bände sich durch reiche Spitzenmuster aus, die fast den ganzen Deckel überziehen, 
um nur in der Mitte, etwa für ein Wappen, Platz zu lassen, so haben wir hier eine wohl 
von englischer Manier beeinflußte schlichte Deckelzierweise. Nur der Rand des Deckels ist 
geschmückt, und alles ist Linie, und alles hat geradlinige Proportion. Und zwar sind alle sechs 
Bände gleich verziert. Nur die innerste Leiste des sechsten Bandes weicht von jener der fünf 
ersten Bände ab, ebenso wie im Monogramm. In die Mitte von Vorder- und Hinterdeckel 
setzte nämlich Derome, sicherlich auf spezielle, sinnvolle Anordnung seiner Auftraggeberin, 
bei den fünf ersten Bänden das H des Prinzen Heinrich, beim sechsten, dem letzten Bande 
das M der Madame de Montesson. Der schlichte Rücken der Einbände aber, ebenfalls die 
Innenkanten, ordnen sich in diesen ebenso schlichten wie schönen Dekor passend ein. 
Octave Uzanne! bemerkt, daß von den mit dem Vögelchen- 
Stempel verzierten Einbänden nur jene als Originalarbeiten von Derome 
d. J. zu gelten haben, die auch sein Etikett eingeklebt tragen. Unsere 
Bände entbehren ja, weil in ganz anderem Stile geschmückt, dieses Stem- 
pels. Daß sie gleichwohl von unserem Derome gebunden sind, be- 


weist das Etikett, das — nur im ersten Bande — oben in der linken 
Ecke der Verso-Seite des Schmutztitels sich findet. Wir lesen darauf: 
Relié par DEROME le jeune, rue St Jaque audessus de St Benoist’. l Bild 3 
A Etikett „ d. J., 
aris 1784 


Solches erzählen uns die sechs Bände der Preußischen Staatsbibliothek von der Reise 
des Prinzen Heinrich von Preußen nach Paris, im Jahre 1784, von dem Geschenke der Madame 
de Montesson an ihn und von der Arbeit des berühmten Pariser Bucheinbandkünstlers Nicolas - 
Denis Derome des Jüngeren. Als Prinz Heinrich dann im Jahre 1788 zum zweiten Male nach 
Paris kam, war der Gatte der Montesson, der alte Herzog von Orléans, bereits drei Jahre 
tot®. Und Derome, den seine Zeitgenossen den Phönix unter den Buchbindern genannt 
hatten, legte im gleichen Jahre, 1788, sein Werkzeug ſür immer aus der Hand; sein Nach- 
folger, sein Neffe Alexis-Pierre Bradel der Altere, vermochte, obwohl man ihn wohl auch 
Bradel-Derome nannte, gleichwohl des Onkels ererbte Werkstatt nicht auf der alten Höhe 
zu erhalten. Prinz Heinrich aber, der schon während der Wehen der großen französischen 
Revolution im ersten Drittel des Jahres 1789 aus Frankreich nach Rheinsberg zurückgekehrt 
war, erlebte den Siegeszug der Revolutionsarmeen und begrüßte in seiner nicht zu erschüt- 
ternden Vorliebe für Frankreich sogar den Frieden von Basel im Jahre 17955; sein Tod am 
3. August 1802 bewahrte ihn davor, sein Vaterland durch dasselbe Frankreich besiegt am 
Boden zu sehen. Schließlich überlebte Madame de Montesson, nicht zuletzt wegen ihrer 
Mildtätigkeit, die Gefahren der Revolution, obwohl auch sie bereits im Kerker gesessen. 
Napoleon gab ihr sogar eine nicht unbeträchtliche Rente, und noch einmal hatte die Mon- 
tesson ihren Salon; am 5. Februar 1806 ist auch sie dann gestorben. 


1 The french bookbinders of the eighteenth century. Chicago 1904. S. 37. 

2 Dieses Etikett scheint auch Emil Hannover (: Kunstfaerdige gamle Bogbind indtil 1850 det Danske Kunst- 
industrimuseums udstilling 1906. Kebenhavn 1907.) bei dem Bande der Abbildung 109, auf S. 128, gesehen zu haben, 
wenn er dasselbe auch nicht ganz exakt wiedergibt. — Vgl. auch Uzanne a. o. O. S. 37, wo zwar ein anderes Etikett 
abgebildet wird. 

3 Er starb am 18, November 1785. 


4 Vgl. Krauel a. o. O. S. 71. 


„Landesvater“ in Jena 1772 


EINE BILDLICHE DARSTELLUNG 
DES STUDENTISCHEN LANDESVATERS 


VON DR. ARTHUR BECHTOLD IN MUNCHEN 


Liederprogramm vom Ende des 18. Jahrhunderts mit einer bis dahin unbekannten Fassung 

des „Landesvater“ veröffentlicht; ich habe dazu bemerkt, daß der Text vermutlich von 
Jena nach Würzburg gebracht worden sei, wie die teilweise Übereinstimmung mit den schon 
bekannten Jenaischen Landesvaterfassungen beweise. Zur Vervollständigung meines damaligen 
Aufsatzes gebe ich hier eine noch nicht veröffentlichte, ebenfalls aus Jena stammende bild- 
liche Darstellung einer Landesvaterszene aus dem Jahre 1772 wieder. Das in Gouachemalerei 
ausgeführte, in der Wiedergabe nur wenig verkleinerte Blatt ist dem Stammbuch des Studenten 
der Rechte Johann Christian Engelhardt aus Schweinfurt entnommen; es enthält Einträge 
Jenenser Studierender aus den Jahren 1772/73 und zeichnet sich durch besonders reichen 
Bilderschmuck aus. Da die Matrikeln der Universität Jena noch nicht im Druck heraus- 
gegeben sind, konnte ich über die Persönlichkeit des Besitzers nichts erfahren; sie ist für 
uns auch ohne Bedeutung’. 

Das Bildchen führt uns ein studentisches „Hospiz“, einen „Commers“, vor, wie sie, der 
Reihe nach herumgehend, gewöhnlich auf der Stube eines Studenten abgehalten wurden. 
Während die Stammbuchmaler sonst das Innere einer „Studentenbude“ mit ihren charak- 
teristischen Einrichtungsgegenständen mit großer Treue in allen Einzelheiten schildern — das 
gleiche Stammbuch enthält auch eine derartige Abbildung mit zwei am Schreibtisch sitzenden 
Studenten —, hat der Künstler diesmal von solchem Beiwerk abgesehen, vielleicht um Platz 
für die hinzugefügten Inschriften zu gewinnen. Wahrscheinlich aber hat die Leere des Raumes 
einen triftigeren Grund: in weiser Voraussicht der kommenden Dinge hat der Bewohner des 


Mu einigen Jahren habe ich in dieser Zeitschrift (N. F. XIII) ein gedrucktes Wiirzburger 


1 Während des Drucks geht mir eine Mitteilung der Universitätsbibliothek Jena zu, daß Joh. Christian Engelhardt 
aus Schweinfurt am 19. Oktober 1770 als Studierender in die Matrikel eingetragen ist. 


Beenken: Zur Kritik farbiger Gemaldereproduktion 29 


Zimmers alle zerbrechlichen Gegenstände entfernt. Es sind nur die für die Feier unbedingt 
notwendigen Gegenstände übrig geblieben: eine lange, mit einer geblümten Decke gedeckte 
Tafel mit Lichtern, Tabak, Trinkgläsern, Tonpfeifen, Spielkarten und dem in der Mitte stehenden 
„Großvater“, einem damals bei Gelagen unentbehrlichen, keineswegs zum Trinken bestimmten 
großen, irdenen Gefäße. Rechts zur Seite steht ein kleinerer Tisch, auf dem eine Teekanne, 
ein Schenkkrug, Gläser und Pfeifen stehen und liegen. Der Boden ist mit Spielkarten und 
Trümmern von Trinkgefäßen, Pfeifen und zerbrochenen Stoßrappieren bedeckt. 


Der „Landesvater“ ist in vollem Gange: bei drei, mit dem Rücken gegen den Beschauer 
sitzenden Burschen ist das Haupt entblößt, ihre Hüte sind bereits an dem Degen aufgespießt. 
Der Schläger ist bei dem rechts an der Schmalseite des Tisches sitzenden Studenten angelangt. 
Dieser hat sich vom Stuhle erhoben und hält in der rechten Hand den Schläger mit den 
Hüten seiner Vorgänger. Während die anderen Teilnehmer an dem Hospiz in Straßenkleidung, 
in blauen, grünen, weißen Röcken mit roten Aufschlägen und rotbetreßter Weste erschienen sind, 
trägt er das bequeme Hauskleid, einen blau und weiß gestreiften und geblümten Schlafrock, 
ein Kleidungsstück, das freilich in Jena noch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein auch Straßen- 
und Kollegienfähigkeit behauptete. Schlafrock und Schenkkanne, die er mit der linken Hand 
ergreift, kennzeichnen ihn als den Gastgeber, den „Hospes“, auf dessen Stube das Trinkgelage 
stattfindet. Der Hospes hat die Kosten des Schmauses zu tragen und genießt dafür die Ehre 
des Präsidiums. Nur er hat das Recht, aus der Kanne einzuschenken, falls er nicht einen 
andern mit diesem wichtigen Amte betraut. Das gewöhnliche Abzeichen seiner Würde, der 
Hausschlüssel, mit dem er das Kommando zum Singen und zum „Pro poena-Trinken“ gibt, 
fehlt ihm diesmal. Auf seine doppelte Aufgabe, den Landesvater auszuüben, und seine 
Gräste „naß zuzudecken“, weisen die über ihm stehenden Worte: 


„Landes Vater Schuz und Rather 
allon, frisch gesoffen 

heute müßt ihr alle untern Tisch 
6 pro poena wer stehen laßt.“ 


Auch über den Figuren der übrigen Teilnehmer stehen die Anfänge gleichzeitiger, zum 
Teil heute verschollener Kommerslieder: ,,fidel fidel nur den Con Rector nicht geruffen“; 
„Trincket Brüder trincket — bis ihr niedersincket — zu des Bachus Ruhm ...“; „Pro Salute 
Amicorum“; „Herr E. trinckt, macht ein Runda, weil er das Glaß zum munde führt...“ 


Die Überlassung des Stammbuchs und die Erlaubnis zur Nachbildung des Blattes verdanke 
ich dem derzeitigen Eigentümer, Antiquariat Th. Ackermann in München, das von der Hand 
des gleichen Malers auch noch ein einzelnes Stammbuchblatt mit der sehr ähnlichen Dar- 
stellung eines Hospizes, aber ohne Landesvater, besitzt. Der Verfertiger der Blätter, ohne 
Zweifel ein berufsmäßiger Stammbuchmaler, von dem auch sonst Malereien in Jenaischen 
Stammbüchern nicht selten sind, wäre jedenfalls aus Jenaischen Akten leicht festzustellen. 


ZUR KRITIK 
FARBIGER GEMÄLDEREPRODUKTION 


VON HERMANN BEENKEN IN LEIPZIG 


schon höhere Geltung. Es erscheint als ein Mehr, wenn die bunte Fülle der Erschei- 

nungen, als wenn ihr bloß farbloses Abbild wiedergegeben ist, ein Mehr sowohl an 
Ergebnis wie an aufgewendeter Leistung. Primitivstes Zeugnis dafür: die Bemalung der farb- 
losen Photographie, jenes Mehr wird noch nachträglich aufgetragen, manuelle Leistung der 
technischen zugefügt. An diesem Punkte aber wird am klarsten die Problematik aller Farb- 
wiedergabe deutlich: jenes quantitative Mehr kann qualitativ sehr wohl ein Weniger sein. 
Kann nicht nur sein, sondern ist es auch meistens. Die Verfärbung des Bildes ist zugleich 
eine Fälschung. Die primitiven Mittel der Färbung reichen nicht aus, um den Reichtum der 


D: farbige Bild hat im allgemeinen Bewußtsein gegenüber dem unfarbigen die an sich 


30 Beenken: Zur Kritik farbiger Gemäldereproduktion 


farbigen Erscheinung, dessen sich jedes empfindliche Auge bewußt ist, einzufangen. Und es 
ist hier gleich, ob cs sich um die farbige Erscheinung der Natur oder eines Kunstwerkes 
handelt. Beides ist durch nachträgliche Färbung des ursprünglich farblosen Abbildes gleich 
unreproduzierbar. Und zugleich wirkt die Kombination von manueller Kolorierung (die isoliert 
sehr wohl künstlerische Werte, freilich nicht ein „getreues Abbild“ vermitteln könnte) und 
mechanischer Photographie ästhetisch recht peinlich. 

Nun aber besitzen wir seit einiger Zeit die mechanische Farbphotographie und die ihr 
gemäßen Reproduktionstechniken, vor allem die des farbigen Lichtdruckes. Ist auf diesem 
Wege nicht treue Farbwiedergabe erreichbar? Leistet die präzis funktionierende Maschine 
nicht wie so oft, so auch hier alles das, was den menschlichen Organen für sich unerreichbar ist? 
Und wenn die Ergebnisse der mechanischen Farbwiedergabe zu den Eindrücken, die unser Auge 
empfängt, nicht stimmen, wer hat dann recht, ist es das Auge, das den Apparat, oder ist es der 
Apparat, der das Auge zu kontrollieren hat? Ist das Auge nicht durch subjektive Vorbedingungen 
behindert, ist es die Maschine nicht allein, die objektiv „richtige“ Ergebnisse gewährleistet? 

Dies sind sehr laienhafte Gedankengänge. Der Fachmann und jeder Photographierende 
weiß, daß Photographie an sich, ganz gleich, ob farbige oder farblose, schon durch die Regu- 
lierung der Belichtung, des Entwicklungsprozesses, durch die Auswahl von Platten und Papieren 
an allen Orten einer Kontrolle durch den sehenden Menschen unterworfen ist, und daß diese 
Kontrolle auch da, wo sie scheinbar ganz hinter dem rein mechanischen Vorgange zurücktritt, 
dennoch im Spiele ist, wenn auch blind, nämlich als Summe alter und langer Erfahrungen. 

So ist der Gedanke einer mechanisch getreuen Wiedergabe von Gesehenem nichts als 
eine trügerische und gedankenlose Illusion, und das lebendige Auge bleibt für die Welt des 
Sichtbaren die einzige Instanz. Und so ist auch jede Farbwiedergabe nicht nur als vollendetes 
Ergebnis, sondern schon in der Entstehung seinem Urteil unterworfen, ohne seine Kontrolle 
wären nur sinnlose Fügungen möglich. Mechanisch ist allein der Vorgang der Projektion einer 
stereometrischen Wirklichkeit auf die Fläche. Und heute sehen wir immer mehr, daß auch 
diese Projektion eine wahrhaft augengemäße nicht ist, daß die lebendigen sich bewegenden 
Sehorgane des Menschen etwas völlig Anderes sind wie die tote photographische Linse. 

Die ganze Problematik, die in der photographischen Wiedergabe der räumlichen Welt 
beschlossen liegt, scheint nun fortzufallen, wenn die Aufgabe bloß die ist, eine rein flächige 
Erscheinung, wie eben die eines Bildes, adäquat wiederzugeben. Und die Aufhebung der 
dritten Dimension paralysiert nun in gewisser Weise auch die Problematik der Farbwiedergabe. 
Die rein flächige Erscheinung kann sich mit ihrer Wiedergabe wenigstens der Idee nach voll- 
kommen decken, und die Kontrolle der Übereinstimmung von Original und Reproduktion, auch 
in den Farben, kann bis zu einer letzten Vollkommenheit durchgeführt werden, wenigstens bis 
zu jener Vollkommenheit, die alles menschlichen Sinnen Erfaßbare und daher auch das vom 
sinnenhaften Menschen künstlerisch Gestaltbare umfaßt. In der Tat existieren heute wohl 
bereits Wiedergaben von Zeichnungen und auch von farbigen Aquarellen, die sich vom Original 
in allem künstlerisch Wesentlichen nicht mehr unterscheiden, sondern nur noch in Außerwesent- 
lichem, Struktur des Papiers, mikroskopischer Struktur der materiellen Farbsubstanz usw. 

Anders aber liegt der Fall beim Gemälde. Vor allem das Ölbild ist durchaus nicht rein 
zweidimensional. Die Farbwerte sind hier in höchstem Grade durch Substanzen bedingt, deren 
materielle Dichtigkeit, Durchsichtigkeit, Porosität, Glanz- und Reflexkraft integrierender Bestand- 
teil der Farberscheinung sind. Dies alles ist durch jede Art von Druck, und sei er der aller- 
vollkommenste, unreproduzierbar. Man kann hier freilich nun nachhelfen, indem man auf 
einen dem originalen ähnlichen Malgrund, Holz oder Leinwand, druckt, bzw. auf ein ganz 
dünnes Papierhäutchen das man nachträglich aufzieht, und indem man das gedruckte Bild 
schließlich noch firnißt (z.B. Wiener Belvedere-Drucke). Dann aber ist ja auch nur die 
oberste und die unterste Haut des Bildes einigermaßen stoffgetreu, die entscheidende, die der 
Malmaterie selbst, der Farbe, ist es noch immer nicht. Ja, ist die Farbigkeit des Druckes 
selber mißglückt, dann ist die Verfälschung eine nur noch um so ärgere. 

Denn je mehr die Bildreproduktion sich äußerlich dem Originale angleicht (auch durch 
Format, durch Rahmen und Glasüberhüllung), um so höher steigen die Ansprüche, die wir 
an sie zu stellen geneigt sind, um so peinlicher ist die Enttäuschung, wenn diese Ansprüche 
unbefriedigt gelassen werden. Dann ergeht es uns mit der Reproduktion wie mit einem 
falschen Freunde. Sie wird unerträglich, wir mögen sie nicht mehr um uns dulden. Wir 
greifen nach der einfachen Photographie, und seis eine schlechte, bloß weil sie uns weniger 
vorspiegelt, weil sie, indem sie weniger sein will, auch weniger falsch ist. Die schlechteste 
Photographie kann nie den Charakter des Originals derart verfälschen wie eine farbige Re- 


Beenken: Zur Kritik farbiger Gemäldereproduktion 31 


produktion, die zicht zu den allerbesten gehört. Die schlechte Farbwiedergabe kann vielleicht 
dem Kunsthistoriker noch Mitteilungen über die farbige Komposition eines Bildes im großen 
geben, was die Photographie nicht kann; darin liegt noch eine leise Existenzberechtigung; 
aber dieser Wert, den sie allenfalls haben kann, wird weit überwogen durch den Unwert, 
den sie als Verfälschung der künstlerischen Intentionen eines Malers, als Übersetzung von 
künstlerischen Werten in schlechthin widerkünstlerische besitzt. Daher ist zu raten! Hände 
weg von allen minderwertigen oder auch nur mittelmäßigen Farbreproduktionen! 

Was aber ist hier nun das Kriterium der Qualität, wenn eine treue und letzte Wiedergabe 
des originalen Gemäldes unerreichbar ist (dessen Wert daher — und freuen wir uns dessen! 
— ein unersetzlicher ist)? Was für eine Versicherung gibt es denn überhaupt gegen die minder- 
wertige Reproduktion, etwa für den Käufer? Hierauf ist zu antworten, daß das einzige Kri- 
terium und die einzige Versicherung das geschulte Urteil des Einzelnen ist. Denn selbst ein 
Vergleichen der Reproduktion mit dem Original an Ort und Stelle gestattet nur Stichproben, 
gestattet nur die Feststellung von Gleichheit und Ungleichheit im einzelnen. Darauf aber 
kommt es nicht an, sondern allein darauf, ob der Gesamteindruck dem des Originals (oder, 
da das ja unmöglich, dem unserer verblaßten Erinnerung an das Original) adäquat ist. Bei 
größter Annäherung der Farbwerte im einzelnen kann doch ein sehr falscher Gresamteindruck 
möglich sein, und der Gesamteindruck einer Reproduktion kann den des Originals gut über- 
setzen, auch wenn wesentliche Farbwerte, für sich gesehen, unrichtig sind. Nicht auf die 
Richtigkeit im einzelnen, sondern auf die Richtigkeit der Relationen kommt es an. Ist diese 
Richtigkeit nicht vorhanden, so gerät der künstlerische Sinn und Zusammenhang des Bildes 
aus seinen Fugen. Hierüber entscheidet aber allein das geschulte Auge. Eine Schwächung 
des Originals in der Reproduktion werden wir hinnehmen dürfen, aber nieht eine Fälschung. 

Und ebenso wie Stichproben am Original, so geben auch bestimmte Reproduktionsver- 
fahren oder rühmliche Verlegernamen noch keine Gewähr, auch der hohe Preis nicht. Es ist 
lehrreich, das gleiche Bild in verschiedenen Reproduktionen verschiedener Verlage sehen und 
vergleichen zu können. Mit einem Male sieht man, was für Unterschiede, und daher, was für 
Abweichungen vom Originale überhaupt möglich sind. Man erschrickt, wenn man etwa auf 
den Bruckmannschen Reproduktionen des Holbeinschen Gisze-Porträts oder der Raffaelschen 
Madonna della Tenda in den Schatten des Inkarnates gewisse grünliche Töne entdeckt, die 
bei den entsprechenden Hanfstaenglschen völlig fehlen. Was ist richtiger? Richtiger natürlich 
in bezug auf die Relationen! Man befragt eine Reihe von Kunsthistorikern, die sich des Ein- 
drucks der Originale bewußt sind. Die einen ziehen Bruckmann, die anderen Hanfstaengl vor. 
Man ahnt, daß auch bei solchen Urteilen die Neigung des persönlichen Temperaments eine 
Rolle spielt. Für den einen wirken Hanfstaengls Drucke zu giftig, für den anderen die Bruck- 
manns zu neutral. Und das Original steht jenseits solcher Urteile über die Surrogate in 
seiner anerkannten Schönheit für sich. Ja, auch die Qualität der Drucke eines einzigen 
Verlages, von einem und demselben Bilde mit den gleichen Platten hergestellt, kann ver- 
schieden ausfallen. Ich konnte zwei Frischsche Lichtdrucke des Berliner Hendrikje von 
Rembrandt (Photograph. Gesellschaft) nebeneinanderhalten, die voneinander auf das aller- 
stärkste abwichen. Dasselbe Bild hat Piper reproduziert. Auch als Lichtdruck. Wenn ich 
sagen würde, die Reproduktion des einen Verlages sei besser als die des anderen, wie hätte 
ich Gewähr, daß diese Aussage nicht nur für jene Drucke galt, die mir zufällig nebeneinander 
vor die Augen kamen? 

Dieser selbe herrliche Rembrandt ist als Photogravüre bei Hanfstaengl herausgekommen, 
und zwar in einem Verfahren, bei dem nach jedem Abdruck die Farben wieder manuell ein- 
tamponiert werden müssen. Hier sind die Abweichungsmöglichkeiten und Fehlerquellen na- 
türlich unübersehbar. Die Farbqualitäten des Originals sind auf diese Weise auch nicht an- 
nähernd erreichbar, da der farblose Kupfertiefdruck im Eindruck hinter aller Färbung vor- 
herrscht. Gute Drucke (ich sah zwei in der Qualität höchst ungleichwertige) haben freilich 
vor den Lichtdrucken von Piper und Frisch die stärkere Leuchtkraft voraus, worauf es bei 
Rembrandt natürlich sehr ankommt. Sie werden daher unter Glas und Rahmen an der Wand 
eines dunklen Zimmers bessere Dienste tun, während die in der Differenzierung der Farbwerte 
unendlich viel feiner und richtiger durchgearbeiteten Lichtdrucke, bei einer klaren Tages- 
beleuchtung, die alle Farben entschleiert, unbedingt vorzuziehen sind. In der Kraft seiner 
tief aufleuchtenden Farbe, in der Einheit seiner Hell-Dunkel- und Farbharmonien ist aber Rem- 
brandt wohl überhaupt unreproduzierbar, jeder Druck ist nur ein dürftiger Abglanz. Der 
sympathischeste — wahrscheinlich weil zugleich anspruchsloseste — Rembrandt-Druck, der mir 
vor die Augen gekommen, ist die Bruckmannsche Wiedergabe der kleinen Amsterdamer 


32 Beenken: Zur Kritik farbiger Gemäldereproduktion 


ow 


„steinernen Brücke“ (Medici-Druck). Es wäre gut, wenn die Verleger sich an den glanzvollen 
Hauptwerken des Meisters gar nicht versuchen würden. 

Aber sie werden es doch tun, aus Rücksicht aufs Publikum. Sie werden stets versuchen, 
auch das heute noch Unreproduzierbare wiederzugeben, und wenn sich erst während der Durch- 
führung herausstellt, daß ein wirklich einwandfreies Ergebnis unerreichbar ist, dann wird das 
Bild, nachdem einmal die Kosten hereingesteckt sind, doch herausgebracht. Deshalb eben 
gibt keines Verlegers Name Gewähr dafür, daß eine Reproduktion gut ist. Auch der Name 
R. Piper nicht, obgleich dem Piper-Verlage wenigstens das nachzurühmen ist, daß er nicht 
einfach wahllos an alle beliebten Hauptwerke, an alle glanzvollen Museumsstücke und Publi- 
kumslieblinge herangegangen ist, sondern eine im ganzen doch sehr kritische Auswahl ge- 
troffen hat. Und die Publikumslieblinge sind anscheinend gerade der wundeste Punkt auf 
dem Gebiete der Farbwiedergabe. Verleger von Weltruf scheuen sich nicht, die Sixtinische 
Madonna und die Madonna della Sedia in einer geradezu beschämenden Weise zu edieren, 
das Florentiner Stück anscheinend sogar statt nach dem Original nach einer Kopie. Besser 
sind schon die Madonnen Tempi und della Tenda in der Münchener Pinakothek gelungen 
(Hanfstaengl und Bruckmann). Hier ist genaue Kontrolle der Abdrücke und Korrektur neben 
den Originalen möglich gewesen. Darauf kommt es an. Auch haben teuere Druckverfahren 
wie das des farbigen Handpressen-Kupferdruckes sehr häufig in viel höherem Grade die 
Absicht, eine angenehme, salongemäße, als eine dem Original möglichst nahekommende Bild- 
wirkung hervorzurufen. In ihren matten, schummrigen Farben wirken solche Kupferdrucke 
(von Hanfstaengl) etwa nach englischen Bildern des 18. und des beginnenden 19. Jahrhunderts 
oft sehr bestechend. Aber auch originalgetreu? Kann nicht auch eine geschmackvoll- 
geschickte Verfälschung angenehm sein? Originaltreue ist ja nicht das einzige Kriterium 
ästhetischen Wertes. 

Bei Bildern welcher Art gelingt denn nun die gute Reproduktion? Im allgemeinen wird 
man wohl sagen dürfen: bei solchen mit einer möglichst unkomplizierten Farbmaterie. Tem- 
pera- und Leimfarbenbilder geraten im ganzen besser als Olbilder alter Meister. Die Medici- 
Drucke (jetzt bei F. Bruckmann) haben einige Bildnisse Florentiner Quattrocentisten recht gut 
herausgebracht, auch R. Piper etwa das kleine Dresdener Pinturicchio-Porträt, während Bilder 
auch des 15. Jahrhunderts mit leuchtkräftigen Hell-Dunkelgegensätzen (wie der Dresdener 
Altar Jan van Eycks) häufig mißglücken. Bilder Dürers kommen oft gut heraus, weil die 
Dürersche Farbe etwas Kaltes und Undurchwachsenes hat: die Berliner betende Maria (bei 
Hanfstaengl) und — nahezu vollkommen — das in Leimfarben gemalte Dresdener Triptychon 
(bei Piper, dies war eine höchst glückliche Wahl). Auch die Wiener Dürer, das neu entdeckte 
Frauenbildnis (Piper) und die Madonna in Blau (Medici) erscheinen fast einwandfrei, dagegen 
ist ebenfalls unter den Medici-Drucken die große Florentiner Anbetung völlig mißraten. Ein 
heikles Problem ist natürlich der Goldgrund. Hier muß das gedruckte Gold mit Notwendigkeit 
hinter dem aufgetragenen Blattgold zurückbleiben. Trotzdem gehört eine Wiedergabe wie 
die der Kölner Madonna im Rosenhag vom frühen Lochner (Frisch-Druck der Photographi- 
schen Gesellschaft) noch zu den besten. 

Die im großen und ganzen auf tiefere Tonigkeit ausgehende Malerei des 16. und 17. Jahr- 
hunderts ist für die Farbreproduktion kein günstiges Feld. Unter den Piper-Drucken gehören 
etwa die Wiedergaben nach Cranach und Rembrandt bezeichnenderweise zu den, wie wenig- 
stens mir scheint, am wenigsten glücklichen. Selten nur pflegt die Harmonie der Farben und 
die Harmonie des Helldunkels — das sind zwei sich kreuzende Komponenten — gleich glücklich 
getroffen zu werden. Von den ganz wenigen holländischen Bildern des 17. Jahrhunderts, die 
erfreulich wirken — und das erscheint daher fast wie ein Zufall —, nenne ich das Dresdener 
lesende Mädchen Vermeers (Medici-Druck) und eine Münchener Landschaft Salomon Ruis- 
daels (Hanfstaengl). Sobald die Farbe dagegen von klassischer Kühle ist wie bei dem von 
Piper reproduzierten Dresdener Poussin, ist ein gutes Ergebnis sehr viel eher zu erwarten. 

Das Vortrefflichste leistet schließlich die Farbreproduktion auf dem Gebiete der ganz 
neuen Malerei, vor allem bei nachimpressionistischen, aber auch schon bei impressionistischen 
Bildern. Hier erreicht sie oft eine Vollkommenheit wie sonst nirgends. Das hat seine tieferen 
Gründe im Stil der Dinge. Die Beseitigung des Tiefendunkels, die Übersetzung aller Schatten- 
werte in Farbwerte — auch Schwarz wird jetzt ja zu ganz reiner Farbe —, der Farbauftrag 
alla prima, alles das erleichtert der Reproduktion und der Kontrolle die Aufgabe. Und vor 
allem, auch dann, wenn die Farbnuance nicht völlig getroffen ist, beruht der farbige Bild- 
aufbau doch auf so starken Kontrasten, daß der Fehler keineswegs derart störend ist wie 
bei den meisten „Altmeister“-Bildern. So reiht sich hier eine Meisterleistung moderner 


Beenken: Zur Kritik farbiger Gemäldereproduktion 33 


Reproduktionstechnik an die andere, und es ist nicht unberechtigt, wenn ein Unternehmen 
(der Photographischen Gesellschaft), das sich ganz auf die moderne Malerei konzentriert, sich 
den Namen: „Sieg der Farbe“ beigelegt hat. 

Schon Menzels Theätre Gymnase (bei Piper) übertrifft fast alle Altmeister-Drucke. Von 
einem Manetschen Bildnispastell (Piper) sah ich vollkommene Abdrücke. Sisley und Lieber- 
mann sind im „Sieg der Farbe“ auf das vorzüglichste repräsentiert. Zwei der Münchener van 
Goghs, die Sonnenblumen und der Blick auf Arles (bei Hanfstaengl) sind von solcher Kraft, 
daß man fast vergißt, daß es sich um Reproduktionen handelt, und der von Piper heraus- 
gebrachte Irrenhausgarten aus Schweizer Privatbesitz kommt ihnen ganz nahe. Cézannes Junge 
mit der roten Weste und die Dorfstraße (Piper) werden an Schönheit nur von einer im „Sieg 
der Farbe“ erschienenen Cezanne-Landschaft noch übertroffen, die dafür leider wie fast alle 
Bilder, die dieses Unternehmen bringt, nicht in der Größe des Originals reproduziert ist, was 
bei geeigneter Wahl leicht möglich wäre. Der Herausgeber ist freilich der Ansicht, daß die Farb- 
wiedergabe durch eine leichte Verkleinerung gewinnt, und die Vorzüglichkeit seiner Ergebnisse 
scheint diesen Standpunkt wirklich zu rechtfertigen. Bezeichnend ist, daß in den Wiedergaben 
dieser Reihe die Resultate um so schöner sind, je kräftiger und ungebrochener die Farbe durch- 
schlägt. Ein Troyon, ein Gauguin, ein Manet, ein Courbet und ein Renoir gehören noch nicht 
zum Besten, während etwa Cézanne, Munch, Mattisse, Marc, Léger usw. unübertrefflich sind. 

Unendlich viel hängt auch von einer glücklichen Wahl der zu reproduzierenden Bilder 
ab. Im „Sieg der Farbe“ sind die führenden Meister in der „entscheidenden Zeit unserer 
Malerei“ mit je einem Bilde vertreten, und man wird daher verlangen dürfen, daß dies eine 
Bild — allen entgegenstehenden Schwierigkeiten zum Trotz — zugleich für die höchste Qualität, 
die der Meister erreicht hat, charakteristisch und zur Reproduktion auf das beste geeignet ist. 
Vor allem auch, daß die Meister selber glücklich gewählt sind. Hier wird man einige Einwände 
machen dürfen. Van Gogh, Klee, Nolde und Picasso sind in der Serie nicht sonderlich würdig 
vertreten. Morgner gehört kaum zu den Führenden, und auch des Italieners Chirico Ruhm ist 
wohl nur ein ephemerer. Problematisch sind die Konstruktivisten: Rosdschenko, der Architekt 
Doesberg und zumal Mondrian. Als Vertreter dieser Richtung hätte man m. E. besser Moholy 
Nagy gewählt. Von bedeutenden lebenden Meistern wünschte man dagegen — das wird hoffent- 
lich, wenn Künstler und Besitzer die Bildwiedergabe gestatten, nachgeholt — noch Corinth, 
Slevogt, Kokoschka, Chagall, Grosz vertreten zu sehen, auch Campendonk, Hofer und Heckel 
dürften nicht fehlen. Von den Futuristen hätte ich statt des schwachen Severini den eigen- 
willigeren und kräftigeren Boccioni lieber gesehen. Sonst aber ist die Auswahl (die noch nicht 
abgeschlossen ist) vortrefflich, und man bewundert nicht minder die Urteilsfahigkeit wie den 
Mut des Herausgebers. Wieviel sympathischer ist dieser kühne Vorstoß in die Gefilde einer 
sehr heutigen und sehr umstrittenen Kunst als das Auf-den-Markt-Bringen aller möglichen 
gefälligen Mittelmäßigkeiten des 19. und 20. Jahrhunderts, wie es die freilich wohl wirtschaft- 
licher rechnende Anstalt Hanfstaengl betreibt! Wir wünschten, daß auch die Münchener Anstalt 
gleich dem Berliner Verlage sich einmal vorwagte. Ihre zwei van Goghs haben uns einen Vor- 
geschmack dessen gegeben, was wir dann zu erwarten hätten. 

Es gibt heute schon Bilder, bei denen eine vortreffliche Reproduktion der Qualität des 
Originals nicht viel nachgeben würde, und es gibt Meisterwerke darunter. Das mag gegen 
diese Malerei einiges sagen; die Reproduktionsverlage aber haben allen Anlaß, sich, wie es 
die Photographische Gesellschaft tut, dieser Kunst zu bemächtigen. Dies wäre ihr gegebenes 
Arbeitsfeld. Eine relativ vollkommene Reproduktion guter moderner Bilder, wie sie heute bereits 
möglich ist, sollte man den unvollkommenen Surrogaten auch der höchsten Meisterwerke alter 
Kunst unbedingt vorziehen. Denn diese Surrogate sind nur in seltenen Fällen keine Verfälschungen. 
Sie verletzen fast stets das für feinere Farbwerte empfindliche Auge. Und eine schlechte Repro- 
duktion verträgt auch das größte Meisterwerk nicht. Wer Reproduktionen zu seiner eigenen 
Freude erwirbt, wird gut tun, zuerst nach der Qualität der Wiedergabe und dann erst nach der 
Qualität des Originales zu fragen. Nur so ist eine Sicherung vor Enttäuschungen möglich. 


XVIII, 5 


34 


DER NAME „MERKUR“ ZUR BEZEICHNUNG 
VON ZEITSCHRIFTEN UND ZEITUNGEN 


VON PROF. DR. VIKTOR HEYDEMANN IN BERLIN-LANKWITZ 


ersten Male in Frankreich unter der Regierung Ludwigs XIV. auf. Wenigstens behauptet 

die noch heute zu Paris erscheinende Monatsschrift „Mercure de France“ im Jahre 1672 
begründet zu scin. In Wahrheit gibt es einen solchen erst seit 1724, während sein Vor- 
läufer, der „Mercure galant“, allerdings in dem genannten Jahre entstanden ist. Es ist nun von 
Interesse und verdient durch die Jahrhunderte verfolgt zu werden, wie der Einfall, den ein- 
mal ein einzelner Herausgeber — er hieß de Visé — gehabt hat, sein Blatt einen „Merkur“ 
zu nennen, weniger im eigenen als in den Nachbarländern, namentlich bei uns, fortwirkte. 

Sehr früh, schon 1686, benutzte den Namen für eine Zeitschrift der gewissenlose Kom- 
pilator und Memoirenfälscher Courtilz de Sandras, dem es hauptsächlich darauf ankam, mit 
seiner gewandten Feder Geld zu verdienen. Er stellte dem angeblich allzu parteiischen „Pariser 
Journal“ einen „Mercure historique et politique“ entgegen. Doch ließ er ihn im Haag erscheinen, 
da er in Frankreich übel beleumdet war und gegen den „Mercure galant“ nicht hatte durch- 
dringen können. In drei Jahren gelang es ihm, sein Blatt zu einer gewissen Bedeutung zu 
erheben. Dann aber gebot ihm die holländische Regierung Schweigen, weil er ein allzu eif- 
riger französischer Parteigänger war. Erst einer seiner Nachfolger, der Protestant Rousset, 
hat dem Haager Merkur allgemeines Ansehen verschafft, besonders durch die Betrachtungen, 
die er seiner Erzählung der Tatsachen folgen ließ. Rousset hatte seinem Vaterlande entsagt, 
weil ihm dort in früher Jugend durch die nach der Aufhebung des Edikts von Nantes ein- 
setzende Verfolgungssucht die Eltern entrissen waren. Bei Malplaquet trug er in holländischen 
Diensten die Waffen gegen Frankreich und bekämpfte es auch in Schriften Zeit seines Lebens. 
Daher erklärt sich sein Verhalten gegen Friedrich den Großen. Bei dessen erstem Auftreten 
unterstützte er sehr warm die preußischen Forderungen gegen die Unnachgiebigkeit des Wiener 
Hofes. Als aber die Verbindung Friedrichs mit Frankreich erkennbar wurde, verwandelte er 
sich in einen heftigen Feind des Königs. Erst nach dem Dresdner Frieden stellte er seine 
Angriffe gegen ihn wieder ein!. Bestanden hat das Blatt bis 1782. 

Der Merkure in Deutschland gibt es eine ganze Anzahl. Sie alle gehen, bewußt oder 
unbewußt, auf den „Mercure de France“ zurück; wenigstens was den Namen anbetrifft, aber 
gewiß auch vielfach dem Inhalte nach. Als Leipziger Student bittet Goethe einmal seine 
Schwester, ihm eine Nummer der „Neuen Auszüge“ zu schicken, einer Frankfurter Zeitschrift, 
deren Anordnung nach dem Herausgeber Schwan „dieselbe sein sollte wie im ‚Mercure de 
France‘, nämlich 1. Wissenschaften, 2. Schöne und freie Künste“ (Goethe-Jahrbuch VII, S. 131). 

Diese „Auszüge“ also wollten sich ausgesprochenermaßen nach dem französischen Mer- 
kur richten. Im Gegensatze dazu spricht sich Wieland, der 1773 den „Deutschen Merkur“ 
gründete (erst vom 4. Monat an heißt er der ,,teutsche“), in seiner Vorrede dahin aus, er 
könne von den etwa einlaufenden Beiträgen nicht ohne Prüfung und Auswahl Gebrauch machen, 
während dem Pariser Blatte alles willkommen sei, was man ihm zuwerfe. 

Wegen der Wahl des Titels entschuldigt er sich in derselben Vorrede bei seinen Lesern, 
wenn er einigen Patrioten bei der Ankündigung der Monatsschrift ein wenig anstößig gewesen 
sei. Er habe aber geglaubt, die Benennung würde dem Publikum, wenn man ihrer einmal 
gewohnt wäre, die bequemste sein — eine Bemerkung, welche keineswegs geeignet war, die 
Leser von der Notwendigkeit der Nachahmung des französischen Titels zu überzeugen. 

Der „Teutsche Merkur“ ist 37 Jahre erschienen, freilich seit langem nicht mehr von Wie- 
land redigiert; er trat die Leitung 1796 an Böttiger ab, den von Goethe und Schiller wegen 
seiner Vielgeschäftigkeit verspotteten „Magister Ubique”. Böttiger nannte ihn weiter „Neuen 
Teutschen Merkur“, wie er seit 1790 heißt und hatte die Dreistigkeit, auf dem Titelblatte 
Wieland als Herausgeber zu bezeichnen, was Goethes Zorn erregte, so daß er in einer „In- 
vektive auf das Septemberheft 1802“, in welchem drei Gedichte von Gleim standen, ausrief: 


D: Name des Götterboten an der Spitze einer Zeitschrift taucht, wie es scheint, zum 


In’s Teufels Namen ! Von Vater Wieland, 

Was sind denn eure Namen! Der steht auf dem blauen Einband, 
Im deutschen Merkur Und unter dem verfluchtesten Reim 
Ist keine Spur Der Name Gleim. 


1 Koser, Preußische Staatsschriften I, S. XLV. 


Heydemann: Der Name „Merkur“ zur Bezeichnung von Zeitschriften und Zeitungen 35 


Schon eins der Xenien vom Jahre 1796 beschäftigt sich damit, daß Wieland kaum noch 
etwas mit dem Merkur zu tun hatte. Es lautet unter der Überschrift „Merkur“: 


Wieland zeigt sich nur selten, doch sucht man gern die Gesellschaft, 
Wo sich Wieland nur selten der Seltene zeigt. 


Auch der junge Goethe hatte kurz vor seiner Übersiedelung nach Weimar eine Fehde 
mit dem Merkur gehabt. Wieland hatte nämlich über sein eigenes „Deutsches Singspiel“ 
Alceste, eine schwächliche Nachahmung des Euripides, in den Merkur „Briefe an einen Freund“ 
eingerückt, die den Dichter des eben erst veröffentlichten „Götz“ zu einer übermütigen Posse 
„Götter, Helden und Wieland“ veranlaßten. Der Verhóhnte benahm sich klug und „geistreich 
abschließend“, indem er in seinem Blatte selbst das Stück mit den Worten anzeigte: „Wir 
empfehlen diese kleine Schrift als ein Meisterstück von Persiflage und sophistischem Witze“ 
(Dichtung und Wahrheit III, 15. Buch). 

Abgesehen von weitblickenden politischen Beiträgen Wielands bewegte sich sein Merkur 
auf rein literarischem Gebiete. Aber bald nach seinem Verschwinden begegnet uns der Name 
wieder auf dem politischem. Nur wenige Wochen, nachdem Blücher in der Neujahrsnacht 1813 
auf 1814 den Rhein überschritten hatte und damit ein großer Teil des linken Rheinufers von 
Frankreich losgerissen war, erschien in Koblenz die 1. Nummer des „Rheinischen Merkurs“, 
der bald in weiten Kreisen des deutschen Volkes sich Gehör verschaffen sollte. Der Grün- 
der war Josef Görres, einer der besten Männer seiner Zeit. Den Namen des neuen Blattes hat 
er nicht selbst gewählt, sondern von einem „Mercure du departement de la Roér“ übernommen, 
der unter französischer Verwaltung bestanden hatte und nichts weiter gewesen war als ein 
Widerhall schlechter Pariser Blätter. „Auf Anregung der höheren Behörde“, sagt er im Anfang 
der 1. Nummer, lasse er nach einer Unterbrechung von wenigen Tagen die Zeitung als die 
Fortsetzung jener anderen erscheinen. Der echt deutsch oder, wie auch er immer sagt, teutsch 
empfindende Mann hätte ihr von selbst schwerlich die Benennung gegeben. Geht er doch 
in einer späteren Nummer so weit, zu fordern, daß die deutschen Regierungen in diplomatischen 
Verhandlungen nicht mehr der französischen, sondern der deutschen Zunge sich bedienen 
sollen. Er beruft sich dabei auf eins der Venetianischen Epigramme Goethes vom Jahre 1790: 


Lange haben die Großen der Franzen Sprache gesprochen, 
Halb nur geachtet den Mann, dem sie vom Munde nicht floB. 
Nun lallt alles Volk entzückt die Sprache der Franken. 
Zürnet, Mächtige, nicht! Was ihr verlangtet, geschieht. 


Doch der Name ist unwichtig neben dem Geiste, den die Zeitung atmete. Und der war 
gut, ja vortrefflich im Sinne des Deutschtums. Aber Görres verstand auch, den Leser durch 
seine kraftvolle, bilderreiche Sprache zu fesseln. Von leidenschaftlichem Hasse gegen Napoleon 
erfüllt, erfand er, als dieser gestürzt und nach Elba verbannt war, eine „Proklamation des 
Kaisers an die Völker Europas“, die ihm beim Schreiben zu einer Abhandlung von nicht 
geringem Umfange anschwoll, so daß er sie auf eine ganze Anzahl von Nummern verteilen 
mußte. Sie war so völlig im Charakter Napoleons gehalten, daß manche Franzosen die Ironie 
nicht merkten und sie für echt hielten. „Darum habe ich immerdar“, läßt er ihn sagen, „den 
Krieg gesucht, und der Friede hat zu allen Zeiten mir ein albern Ding gedeucht. Die Schlaffheit 
und Erbärmlichkeit mochten gern miteinander sich gütlich tun und gemächlich sich zur Ruhe 
strecken; aber ich habe mit der Skorpionengeißel sie aufgepeitscht. Für das läppische Volk habe 
ich den Frieden im Munde wohl geführt; aber nie ernstlich meinen Sinn zu ihm gewendet, der 
Friede ist der Tod, der Krieg allein das Leben.“ Schwer aber mußten Görres Landsleute sich ge- 
troffen fühlen, wenn sie weiter lasen: „Gegen Deutschland habe ich vor allen Dingen zuerst den 
Blick gewendet. Ein Volk ohne Vaterland, eine Verfassung ohne Einheit, Fürsten ohne Cha- 
rakter und Gesinnung, ein Adel ohne Stolz und Kraft, das alles mußte leichte Beute mir ver- 
sprechen. Seit Jahrhunderten nicht verteidigt und doch in Anspruch nicht genommen, voll Soldaten 
und ohne Heer, Untertanen und kein Regiment, so lag es von alter Trägheit nur erhalten. Zwie- 
spalt durfte ich nicht stiften unter ihnen, denn die Einigkeit war aus ihrer Mitte längst gewichen. 
Nur meine Netze durfte ich stellen, und sie liefen mir wie scheues Wild von selbst hinein.“ 

Aber als er nun in den inneren deutschen Angelegenheiten einen gleich freimütigen Ton 
anzuschlagen wagte, mußte er die Erfahrung machen, daß dafür die Zeit noch nicht gekommen 
war. Zuerst — schon im Sommer 1814 — verboten die Regierungen von Bayern, Württem- 
berg und Baden sein Blatt. Dann erhielt er im Mai 1815 vom Staatskanzler Hardenberg eine 
Verwarnung und, da er diese nicht beachtete, Anfang 1816 eine Kabinettsordre, durch welche 
das Erscheinen des Merkurs verboten wurde, weil er ganz „gesetzwidrig und ungeachtet der 
ergangenen Warnungen die Zwietracht der Völker erregende Aufsätze verbreite und durch 


36 Heydemann: Der Name „Merkur“ zur Bezeichnung von Zeitschriften und Zeitungen 


zügellosen Tadel die Gemüter beunruhige“ (Görres’ gesammelte polit. Schriften III, 374). Die 
letzte Nummer erschien am 10. Januar; fast genau zwei Jahre nur hat die Zeitung bestanden!. 

Als Görres später vom Rhein nach München übersiedelte, trat in seinen Veröffentlichungen 
die Hinneigung zum Ultramontanismus immer mehr hervor, weshalb er noch heute im ultra- 
montanen Lager besondere Verchrung genießt. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn ein 
guter Katholik, Fridolin Hoffmann, im Anfange des Jahres 1870 nach Eröffnung des Vatika- 
nischen Konzils den Namen des „Rheinischen Merkurs“ zu Köln wieder aufleben ließ, der „ein 
echter Sohn oder Enkel jenes geflügelten Boten Görresscher Gedanken oder wenigstens echt- 
katholischer Görresscher Anschauung“ zu scin bestimmt war. Gleich vielen anderen seiner 
deutschen Glaubensgenossen war Hoffmann ein Gegner des Unfehlbarkeitsdogmas und riet 
eifrig von seiner Verkündigung ab. Je länger das Konzil dauerte, desto papstfeindlicher wurde 
die Haltung des Blattes, und so machten die Altkatholiken, die im September 1871 ihren 
ersten Kongreß zu München veranstalteten, wo jetzt auch der „Rheinische Merkur“ erschien, 
die Zeitung zu ihrem Organe. Den nunmehr irreführenden Namen trug sie bis zum 3. Jahrgang. 
Vom Juli 1872 an hieß sie „Deutscher Merkur“, wie der Wiclandsche seiner Zeit. Doch im 
Jahre 1922 ist der Name zum zweiten Male verschwunden. Das Blatt hörte auf zu erscheinen, 
um mit dem „Altkatholischen Volksblatte“ vereinigt zu werden. Der Ort des Erscheinens 
war seit 1899 Bonn, zuletzt Freiburg im Breisgau. Der letzte Redakteur hieß Erwin Kreuzer. 

Eine Zeitung von ausgesprochen ultramontaner Richtung ist der „Westphälische Merkur: 
in Münster, der 1822 gegründet wurde. 

Dagegen vertritt den nationalen Standpunkt der „Schwäbische Merkur“ in Stuttgart, den 
im Jahre 1785 der Magister Elben gründete, weil ein Vorläufer, „der über See und Land 
dahereilende Mercurius,* der 1729 zum ersten Male erschienen war, aufgehört hatte. Es steht 
im deutschen Zeitungswesen gewiß einzig da, daß cin so altes Blatt ununterbrochen im Be- 
sitze derselben Familie geblieben ist. Als es hundert Jahre alt war, schrieb Dr. Otto Elben, 
ein Nachkomme des Magisters, eine Greschichte der Zeitung, die von ihrem immer kräftigeren 
Gedeihen lesenswerten Aufschluß gibt; und noch heute genießt sie unter der Leitung Dr. Arnold 
Elbens vornehmlich in ganz Süddeutschland hohes Ansehen. 

Ein um so kürzeres Dasein ist einem norddeutschen Merkur beschieden gewesen. Doch 
sei er der Vollständigkeit wegen auch erwähnt. Als der junge Friedrich II. 1740 zur Re- 
gierung kam, verlieh er dem Buchhändler Ambrosius Haude, der dem Kronprinzen die vom 
Vater verbotenen französischen Bücher geliefert hatte, das Privileg für eine neue Zeitung „Ber- 
linische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen“. Da aber ein anderer Buchhändler 
Rüdiger kraft feierlichen Privilegs „einzig und allein“ befugt war, die Berlinischen Zeitungen 
zu drucken, so lautete für Haude die Erlaubnis dahin, daß es ihm nur gestattet sei, den 
„Potsdammischen Mercurius”, ein kleines Blättchen, das er einmal vor drei Jahren kurze Zeit 
herausgegeben hatte, in Berlin unter anderem Titel fortzusetzen. Es hat also einmal auch 
einen solchen Merkur gegeben, und zwar vom I. Dezember 1735 bis zum 29. Dezember 1736. 
Er erschien wöchentlich dreimal in kleinem Format, das Stück zu 6 Pfennig. Da er, wenn auch 
in Berlin herauskommend nach Potsdam heißt, beginnt die erste Nummer mit einem Artikel 
über Potsdams Geschichte. Sonst berichtet er nur meist Belangloses aus dem Auslande, und 
im Anhang, dem „gelehrten“ Teile, über neuerschienene Bücher. Eine eigene politische Meinung 
durfte er unter der Regierung Friedrichs Wilhelms I., wie sich von selbst versteht, nicht haben. 

Noch kurz vor dem Weltkriege, im April 1914, ist eine „Monatsschrift für geistiges Leben“ 
entstanden, die der Begründer Efraim Frisch in München den „Neuen Merkur“ nennt und durch 
die Stürme der Zeit bis jetzt hat am Leben erhalten können, ein Blatt, das ohne mit der Über- 
lieferung zu brechen oder die Vergangenheit zu verleugnen, seinen Mitarbeitern die Möglichkeit 
gewähren wollte, „den sich ihnen bietenden Lebensstoff aus tiefster Notwendigkeit von neuem zu 
formen“ und so „lebendigen Geist“ zu betätigen. Viclleicht deutet schon der Name auf diese Ab- 
sicht hin, durch den an Wieland erinnert und zugleich betont wird, daß man mit der neuen Zeit 
mitzugehen sich vorgesetzt habe. Dementsprechend liefert die Zeitschrift Übersetzungen von 
Schöpfungen Flauberts und Strindbergs so gut wie Arbeiten eben aufkommender Schriftsteller. 

Hiermit dürften die meisten und wichtigsten Journale des Namens Merkur aufgezählt sein. 
Doch sei noch erwähnt, daß Andrews in seiner „Geschichte des britischen Journalismus“ vom 
Jahre 1859 (I 40) eine große Anzahl Mercuries anführt, nicht bloß englische und schottische, 
wie den „Mercurius Britannicus, Pragmaticus, Caledonius, Scoticus usw., sondern auch einen 
in Paris veröffentlichen „Mercure Suisse“ und einen Genfer „Mercure d’Etat.“ 


1 Die Berliner Staatsbibliothek besitzt unter ihren „seltenen Büchern“ cin Exemplar, das ihr von dem bekannten 
Goctheforscher Gustav von Loeper als „langjährigem, dankbarem Leser“ geschenkt worden ist. 


— Ak ` 


37 


DER STREIT UM KUTSCHKE UND 


DAS KUTSCHKELIED 
VON BIBLIOTHEKSRAT DR. HEINZ JANSEN IN MUNSTER I. W. 


egen Ausgang des Jahres 1924 verstarb in hohem Alter zu Breslau der Verfasser des 
€ berühmten und auch über Deutschlands Grenzen hinaus bekanntgewordenen humoristi- 
schen Kriegsliedes vom Füsilier Kutschke des Krieges 1870/71 „Was kraucht dort in dem 
Busch herum? / Ich glaub’, es ist Napolium“ namens Gotthelf Hoffmann-Kutschke. Unter den 
Soldatenliedern humoristisch-satirischen Charakters und Inhalts, die die Zeit des Krieges von 
1870/71 gebar, hat zweifellos das Kutschkelied, wie es kurzerhand bezeichnet zu werden pflegt, die 
größte Berühmtheit und die weiteste Verbreitung sowohl im damaligen Feldheere wie in der 
Heimat gefunden. Es hat sogar seine Beliebtheit im Volke bis auf unsere Gegenwart und 
auf den Weltkrieg hinüber retten können und ist, zumal in den siebziger Kriegsjahren, ein echtes 
soldatisches Volkslied geworden. Der Tod des Autors ruft die heftige literarische und journa- 
listische Fehde wach, die während der damaligen Zeit um die Urheberschaft des Liedes und 
um die Person des Verfassers mit allen ihren Ungereimtheiten und Sonderbarkeiten ausgefochten 
wurde. Diese nochmals aufzurollen, ist natürlich nicht die Absicht dieser Zeilen. Das Kutschke- 
Problem ist eine kleine, interessante literarische Feinkost, die ihren Reiz hat. Ein echtes 
Volkslied weiß ja häufig nicht den Namen seines Urhebers zu verkünden, der verschollen, 
untergegangen, ja öfter nicht einmal je bekannt geworden ist. Dem Liedchen vom Clown- 
Füsilier Kutschke wäre es beinahe ähnlich ergangen, wenn nicht Untersuchungen und For- 
schungen nach seinem wahren Verfasser eingesetzt hätten. Und selbst diese sind schwankend 
in ihrer Feststellung gewesen, ja sind es zum Teil bis in die Gegenwart hinein geblieben, 
und das verleiht der Kutschke-Frage — es ist nicht übertrieben, von einer solchen zu reden — 
besondere Reize. Dem unlängst verschiedenen Gotthelf Hoffmann-Kutschke wird die Vater- 
schaft des Liedchens auch jetzt noch strittig gemacht, darunter auch von neueren Militär- 
schriftstellern, wie z. B. Hoppenstedt in seiner populären, für die Soldaten der ehemaligen 
deutschen Wehrmacht bestimmten und 1913 herausgegebenen Geschichte des preußischen 
Infanteristen, betitelt „Wir von der Infanterie“, das Lied einem mecklenburgischen Superinten- 
denten, von dem gleich zu reden sein wird, zuschreibt. Auch z. B. in Brockhaus’ neuem 
„Handbuch des Wissens“ wird die Frage nach der Urheberschaft nicht klar und eindeutig 
entschieden. Die Uneinigkeit und die Unsicherheit in dem Kutschke-Streit rührt hauptsäch- 
lich daher, daß man nicht scharf genug zwischen der ersten und ursprünglichen Fassung des 
Liedes und seiner Nachahmung oder, wenn man will, Überarbeitung unterschieden hat. Die 
Person des dumm-drolligen und dabei doch tapferen Füsiliers Kutschke ist in der deutschen 
Literaturgeschichte hoffähig und der oder vielmehr die Verfasser dieses markantesten Volks- 
und Soldatenliedchens der siebziger Jahre sind der Ehre kleiner literarischer Untersuchungen 
und literarischer Streit- und Streifzüge gewürdigt worden unter der Feldparole: pro oder 
contra Hoffmann. Ja sogar ehemalige allerhöchste Stellen, Kaiser und Bundesfürsten, Alt- 
reichskanzler und Minister spielen mit in die Affäre hinein und stellten sich auch pro oder 
contra Hoffmann. So ist um das Liedchen ein Kranz von Legenden und von Unrichtigkeiten 
entstanden, was hinwiederum für seine große Volkstümlichkeit spricht. Der viel nüchternere, 
schrecklichere und grausigere Weltkrieg hat kein solch humoristisches Lied hervorgebracht, 
das sich im entferntesten der Beliebtheit nnd Verbreitung des Kutschkeliedes von 1870 
erfreuen könnte. Alle Ansätze dazu fielen ins Wasser und blieben engbegrenzte oder schnell- 
lebige Ansätze, Eintagsfliegen. Wie dem Weltkrieg auch das neue, erhabene und erhebende 
Lied gefehlt hat; Lissauers stark anzufechtender Haßgesang, den sogar deutsche geographische 
Kriegskarten auf ihrem Umschlag abdruckten, hat vielleicht zeitweilig die größte Verbreitung 
von allen gefunden, aber ein Volks- und Soldatenlied ist auch er nicht geworden. Der Welt- 
krieg peitschte und zerrüttete die Nerven zu sehr, als daß noch Raum blieb für einen 
gemächlichen Humor eines Kutschkeliedes von 1870. 
Verwickelt wie die Frage nach der Verfasserschaft ist auch die Entstehung des Liedes. 
In dem Familienblatt „Daheim“ Nr. 46 vom 13. August 1870 schilderte der zum Kriegsschau- 
platze entsandte, anonyme Berichterstatter, der der bekannte Geograph Richard Andree war, 
mit welcher Freude das Hohenzollernsche Füsilier-Regiment Nr. 40 die Kriegsstrapazen in 
dem Gelände um Saarbrücken ertrige. Besonders der Eulenspiegel des Regiments, der 
Füsilier Kutschke, erhalte durch seine Schnurrpfeifereien und durch die Spottverse: „Was kriecht 
denn da im Busch herum? / Ich glaub’ es ist Napoleum“ das Regiment bei fröhlicher Laune. 
Mehr als diese zwei Verse teilte der „Daheim“-Kriegsberichterstatter nicht mit. Um es gleich 


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38 Jansen: Der Streit um Kutschke und das Kutschkelied 


vorweg zu nehmen: sie sind keine Erfindung des angeblichen Kutschke und auch nicht 
Andrees, sondern sie stammen, wie wir aus mehreren zuverlässigen Quellen wissen, aus der 
Zeit der Befreiungskriege, und zwar aus studentischen Kreisen, die sie z. B. schon 1814 in 
Jena sangen. Sie bezogen sich natürlich auf Napoleon I, der nach seinem Sturz in vielen 
kurzen Volksliedern verspottet wurde, die sich zum Teil sogar bis auf unsere Tage erhalten 
haben. Diese Notiz des „Daheim“ ging in die „Neue Preußische (Kreuz-) Zeitung“ vom 
14. August 1870 über, wo der Füsilier Kutschke gar zum Dichter des besten Heldengesangs 
gestempelt wird. Mit glücklicher Hand und unter Erhöhung der Spottwirkung änderte der 
Feuilletonredakteur die Worte „kriecht“ und ,,Napoleum in die heute feststehende und 
gebräuchlichste Form „kraucht“ und „Napolium“ um, er trägt somit auch seinen Anteil an der 
IEnststehung und Formung des Kutschkeliedes. Die Einsicht und Kenntnis aber, daß diese 
beiden Verse überhaupt kein Erzeugnis des Krieges von 1870, sondern der Befreiungszeit 
seien, war den Beteiligten verborgen. Der Bericht über Kutschke in der „Kreuzzeitung“ 
gab den Anlaß, daß in den zu Schwerin erscheinenden „Mecklenburgischen Anzeigen“ Nr. 194 
vom 22. August 1870 ein alter Sechsundzwanziger, wie er sich nannte, ein „Kutschkelied“ 
in „erweiterter“ Form erscheinen ließ, unter ausdrücklicher Angabe, die aus der Kreuzzcitung 
übernommen war, daß der Fusilier Kutschke die ersten beiden Zeilen auf Vorposten bei 
Saarbrücken gedichtet habe, als er die Franzosen am Waldrande hin- und herlaufen sah. Dies 
Kutschkelied, dessen Verfasser sich nicht nannte, umfaßte vier Strophen in folgendem Wortlaut: 


Was kraucht dort in dem Busch herum? Mit den Kanonen und Mamsell’n, 
Ich glaub’, es ist Napolıum. Da knall'n sie, daß die Ohren gell'n. 
Was hat der rum zu krauchen dort! Was haben die da rumzuknall’n? 
Drauf, Kameraden, jagt ihn fort. Drauf Kameraden, bis sie fall’n. 

Da haben sich im offnen Feld Napolium, Napolium, 

Noch rothe Hosen aufgestellt. Mit deiner Sache geht es krumm. 
Was haben die da rumzustehn? Mit Gott drauf los, dann ist’s vorbei 
Drauf los, die müssen wir besehn. Mit seiner ganzen Kaiserci. 


Wie ein Jahr später in der letzten Lieferung der von dem Berliner Buchhändler Lipper- 
heide herausgegebenen Sammlung „Lieder zu Schutz und Trutz“ S. 168 mitgeteilt wurde, 
hatte das obige Kutschkelied mit diesem heutzutage weitverbreiteten und weitbekannten 
Wortlaut zum Verfasser den 1811 im Mansfeldischen Gebirgskreise bei Eisleben geborenen, 
damals auf Schloß Basedow bei Malchin in Mecklenburg wohnenden und amtierenden Super- 
intendenten Hermann Alexander Pistorius, der durch die in der „Kreuzzeitung“ gebrachte 
Notiz über Kutschke zu dem Gedicht veranlaßt wurde. Er hatte seinerzeit als Einjáhriger 
im Magdeburgischen Infanterie-Regiment Nr. 26 gedient, den Feldzug von 1870 jedoch nicht 
als Feldprediger, wie man manchmal wohl lesen kann, mitgemacht. Er starb im Jahre 1377: 
nachdem er 1871 auch ,,Des wahrhaftigen Kutschke Lieder“ zu Leipzig hatte im Druck 
erscheinen lassen. Er ist lange Zeit und, wie schon angedeutet, auch heute noch für den 
ersten und eigentlichen Schöpfer der Kutschke-Figur und des Kutschke-Liedes gehalten 
worden, ja, er erhielt 1871 auch vom Großherzog von Mecklenburg-Schwerin die goldene 
Verdienstmedaille als ausdrückliche landesherrliche Anerkennung dafür, daß er der Autor des 
populärsten aller Kriegslieder, des Kutschkeliedes, sei. Letzteres ist nun, um es gleich fest- 
zustellen, richtig und wieder nicht richtig. Richtig ist, daß Pistorius der Verfasser des er- 
wähnten, schr wirkungsvollen und weit verbreiteten Kutschkeliedes in der angeführten Fassung 
ist. Aber das Original-Kutschkelied ist das Gedicht von Pistorius nicht, mithin ist er auch 
nicht der eigentliche und ursprünglichste Urheber. — Das Kutschke-Lied des Pistorius ist heut- 
zutage im Umfange von fünf Strophen bekannt, während Pistorius nur vier dichtete. Woher 
stammt die fünfte? Am 25. August 1870 druckte der zu Wiesbaden erscheinende „Rheinische 
Kurier“ das Pistoriussche Lied ab und fügte eine fünfte, die jetzige letzte Strophe aus der 
Feder des Biihnenschriftstellers Adolpf Bahn hinzu, die folgendermaßen lautet: 


Und die franzö’sche GroBmaulschaft, 
Auf ewig wird sie abgeschafft! 

Auf nach Paris! Den richt'gen Lohn, 
Dort geben wir'n der grrrrande nation! 


Über das Kutschkelied von Pistorius ist also hinsichtlich des Textes folgendes festzuhalten: 
Vier Hände sind an ihm tätig gewesen; erstens: die beiden Eingangsverse stammen aus der 
Zeit der Befreiungskriege von einem unbekannten Verfasser; zweitens: sie sind wirkungsvoll 
umgemodelt worden durch den Feuilletonredakteur der „Kreuzzeitung“; drittens: die ersten 


—— — — —2— re — — EEE — 


Jansen: Der Streit um Kutschke und das Kutschkelied 39 


vier Strophen mit Ausnahme dieser Eingangsverse sind von Pistorius gedichtet; viertens: die 
letzte, fiinfte Strophe stammt von Adolf Bahn. 

In der Heimat loste das Kutschkelied groBe Begeisterung als launige Parodie auf Napo- 
leon III. und als forsches Kriegslied aus. Es ging durch die gesamte Presse aller deutschen 
Gaue, große Zeitungen wie die „Kölnische Zeitung“ veranstalteten davon Extrablatter zur 
unentgeltlichen Verteilung, es wurde gesungen und komponiert, die in Frankreich kämpfenden 
Truppen lernten es aus den von der Heimat zugesandten Blättern oder durch nachrückende 
Ersatztruppen kennen, große Presseorgane wie das „Berliner Fremdenblatt“, der damals ein- 
flußreiche „Kladderadatsch“ und andere brachten versifizierte Fortsetzungen und Ergänzungen 
zu dem Kutschkelied, das Publikum wollte immer wieder Neues, immer wieder Weiteres über 
seinen drolligen Lieblingshelden und tapferen Reimschmied Kutschke und über sein Schicksal 
und Leben im Felde hören. Kutschke wurde der Typ, das Ideal des deutschen Musketiers. 
Liebesgaben wurden allerorts in Menge für den Füsilier Kutschke vom Regiment Nr. 40 ge- 
sammelt und ins Feld geschickt. Aber die große Enttäuschung kam: Der Kommandeur des 
Hohenzollernschen Füsilier-Regiments Nr. 40, Oberstleutnant v. Reinicke, schrieb im Oktober 
1870 an die sächsische Stadt Frankenberg, die Liebesgaben an Kutschke abgesandt hatte, 
daß Recherchen nach der Person Kutschkes das Resultat ergeben hätten, daß er im Regi- 
ment Nr. 40 — nicht existierel Und am 4. März 1871 erklärte das „Daheim“ endlich, daß 
Name und Figur Kutschkes von seinem Berichterstatter frei geschaffen und erfunden sei, und 
am 18. März 1871 ließ sich der Berichterstatter Andree in dem Aufsatz „Kutschkes Genesis 
und Lebenslauf“ dahin vernehmen, einen Füsilier namens Kutschke habe er beim Regiment 
Nr. 40 nicht gekannt, sein Kutschke sei vielmehr das Ergebnis des Gesamteindrucks der 
tüchtigen, kampfesmutigen und allezeit wohlgelaunten Füsiliere vom Hohenzollern-Regiment 
gewesen und für diesen Typus habe er den wie Honigseim über die Zunge fließenden Namen 
Kutschke erfunden. Die beiden Verse hat Andree aus studentischer Erinnerung mitgeteilt. 
Gleichwohl suchte man weiter nach der Person des volkstümlichen und geliebten Kutschke, an 
dessen wirkliche Existenz man fest glaubte. Aber viele Personen, die man dafür in Anspruch nehmen 
wollte, erklärten, nicht mit dem Füsilier Kutschke identisch zu sein. Auch falsche Kutschkes 
traten auf und wollten sich unverdiente Lorbeeren billig und leicht pflücken, aber sie konnten 
bald entlarvt werden. Wer sich über alles dies näher orientieren will, findet interessante Zu- 
sammenstellungen in dem 50 Seiten umfassenden und 1872 zu Berlin bei Lipperheide erschienenen 
Schriftchen des Kölner Redakteurs Hermann Grieben, betitelt: „Das Kutschkelied vor dem 
Untersuchungsrichter, literarisches Protokoll“, das auch über die Pistoriusfrage gut unterrichtet. 

Inzwischen mehrten sich von Schlesien her die Stimmen, daß dort der echte Kutschke 
und ursprüngliche Verfasser des Kutschkeliedes entdeckt sei. Diese Fährte war nun in der 
Tat die richtige und wies auf Gotthelf Hoffmann hin. Dieser hatte sich mit seinem Gedicht 
und weiteren „poetischen“ Ergüssen auch an Berliner Zeitungen wie die „Berliner Volks- 
zeitung“ (vgl. 28. Sept. 1870), „Berliner Fremdenblatt“ (vgl. 21. Oktober 1870 und 8. Marz 
1871) und das „Daheim“ (vgl. 4. März 1871) gewandt, war aber von ihnen abgewiesen und 
nicht anerkannt worden, da die Presse nach dem häufigen Hereinfall mit der fast schon 
mystisch und legendarisch gewordenen Person Kutschkes und bei dem Auftreten von Pseudo- 
kutschkes sich nunmehr eine gewisse Reserve auferlegte oder wie das „Daheim“ an der 
ursprünglichen Fiktion, daß sein Berichterstatter Andree Figur und Namen frei erfunden habe, 
festhielt. Wichtig war nun die für die Öffentlichkeit berechnete, unter Beifügung von Hoff- 
manns Photographie in dem Leipziger „Neuen Blatte“ Nr. 11 vom Februar 1871 abgedruckte 
Mitteilung des Görlitzer Journalisten und Redakteurs der dortigen „Niederschlesischen Zeitung“ 
Kreither, der Träger des Namens Kutschke und der Dichter des Kutschkeliedes sei ein 
jetzt invalider Grenadier im 1. Westpreußischen Grenadier-Regiment Nr. 6 namens Hoffmann 
aus See bei Niesky in der Oberlausitz (Niesky liegt etwa 20 km nordwestlich von Görlitz). 
Dieser habe sich durch Vorlegung seiner Manuskripte und — was für die Prioritätsfrage sehr 
wichtig ist — seines Kriegstagebuches legitimiert, auch lasse die kritische Vergleichung des 
ersten, von Hoffmann verfaßten Kutschkeliedes mit späteren Produktionen keinen Zweifel 
über die Identität. Darnach müßte Hoffmann als allein berechtigter Träger des populär 
gewordenen Dichternamens gelten und habe suerst in schlichter populärer Dichtung dem 
Ausdruck gegeben, was die große Armee empfand. Genaue und richtige biographische Daten 
und Angaben ergänzten Kreithers Feststellung. Ihm sekundierte unter anderen der „Dresdner 
Anzeiger“ vom 4. November 1872 mit der Nachricht, Hoffmann habe am 3. August 1870 
vor Weißenburg auf Divisionsposten gestanden, als ihm beim Bemerken französischer Posten 
der schon lange bekannte Refrain eines Liedes aus den preußischen Befreiungskriegen „Was 
kraucht dort in dem Busch herum usw.“ einfiel und er darauf sein Lied vom Füsilier Kutschke 


A0 Jansen: Der Streit um Kutschke und das Kutschkelied 


mit Benutzung dieses Refrains als Eingangsversen dichtete. Man muß nun festhalten, daß 
Pistorius sein Kutschkelied erst zwischen dem 14. August 1870, dem Zeitpunkt der Mitteilung 
der „Kreuzzeitung“ über den dichtenden Füsilier Kutschke, und dem 22. August 1870, dem 
Zeitpunkt des Erscheinens von Pistorius’, durch die Kreuzzeitung angeregtem Kutschkelied in 
den „Mecklenburgischen Anzeigen“, gedichtet haben kann, während Hoffmann nach dem Aus: 
weis seines, auch späteren Zeitgenossen vorgelegten, im Felde niedergeschriebenen Kriegs- 
tagebuches bereits am 4. August 1870, also ungefähr zwei Wochen vor Pistorius, sein Kutschke- 
lied abfaßte. Damit ist die Priorität Hoffmanns vor Pistorius eruiert. Ist nun das Kutschkelied 
von Pistorius eine nachahmende Schöpfung, so ist Hoffmann die Person Kutschke und Ver- 
fasser des ursprünglichen, ebenfalls schr verbreiteten Kutschkeliedes, dessen fünf Strophen 
einen von Pistorius abweichenden Text haben und folgendermaßen lauten: 


Was kriecht dort in dem Busch herum ? Er will mit seinen dummen Pfoten 

Ich glaub’ es ist Napoleum! Noch orgeln und mit Chassepoten 

Was hat der alte Louis dort? Uns niedermahen auf dem Fleck. 

Drauf, Kameraden, jagt ihn fort. O Louis, Louis, scher dich weg! 

Er hat ja nichts dort rum zu steh'n, Du mit den ganzen Herren Franken? 

Er hat nichts auf uns herzuseh'n, Wir kennen dich und deine Gedanken. 
Was kriecht er hier und allerort? Jetzt aber machen wir dir klar, 

Hurra! man druff und jagt ihn fort. Wie wacklich doch dein Standpunkt war. 


Das Schwert in unsern mark'gen Händen, 
Woll'n wir die Sache nun mal enden. 
Hurra! man druff und gebt den Lohn 
Der úbermút'gen grande nation! 


Wer war nun dieser gegen Schluß des Jahres 1924 verstorbene Gotthelf Hoffmann? 
Wir können uns über ihn kürzer fassen, da außer dem, öfter scheel angesehenen literarischen 
Auskunftsbureau, dem Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten des 19. Jahrhunderts 
von Fr. Brümmer (6. Aufl) H. Unbescheid in seiner Abhandlung, „Die Kriegspoesie von 
1870/71 und das Kutschkelied“ (Zeitschr. f. d deutschen Unterricht, Jg. 9, 1895. S. 309 bis 
324) eingehendes und reichhaltiges biographisches und für Hoffmanns Urheberschaft wichtiges 
Material aus persönlichem Umgange und persönlicher Kenntnis Hoffmanns veröffentlicht hat. 
Seinen Feststellungen ist durchaus Glauben zu schenken. — Hoffmann ist 1844 in dem cr- 
wähnten Ortchen See im Bezirk Liegnitz als Sohn eines Volksschullehrers geboren und erlernte 
infolge der Armut seines Vaters zuerst das Bäckerhandwerk. Nach seiner Wanderschaft 
diente er zu Posen im Regiment Nr. 46, machte 1866 den Feldzug gegen Österreich mit und 
wurde leicht verwundet. Hiernach lernte er in einem Buchhändlergeschäft in Görlitz, wo er 
durch fleißige Lektüre und emsige Benutzung der Gräfl. Lippeschen Bibliothek geistige Inter- 
essen und Bestrebungen zeigte. In diese Zeit fielen auch seine ersten dichterischen Versuche. 
Den Feldzug von 1870 machte er mit der 4. Kompanie des zu Posen garnisonierten Grenadier- 
Regiments Nr. 6 mit und dichtete Soldaten- und Kriegslieder. Für seine Tapferkeit erhielt er 
das Eiserne Kreuz, und nach leichten Verwundungen bei Wörth wurde er durch drei Kiefer- 
schiisse bei Sedan schwer verletzt. Nach seiner Entlassung aus dem Heimatlazarett zu 
Wolmirstedt fand er Anstellung als Wirtschaftsschreiber auf dem seinem Geburtsort See 
benachbarten Gute des Eisenbahnkönigs Stroußberg in Moholz. Als Stroußberg bankerott 
machte, zog Hoffmann als Deklamator und Rhapsode seiner Soldatenlieder durch die schle- 
sischen und sächsischen Lande, zuletzt von bitterer Not und Verzweiflung bedrängt, bis er 
endlich eine gesicherte Anstellung als Stationsassistent bei der Niederschlesisch-Märkischen 
Eisenbahn in Breslau fand. Im Jahre 1904 trat er mit Pension in den Ruhestand und übte 
noch das Amt eines Kirchenkassenrendanten in Breslau aus. Als er 1924 starb, hatte er das 
hohe Alter von 80 Jahren erreicht. Hoffmanns poetische Erzeugnisse sind durchweg Kriegs- 
und Soldatenlieder, und als solche haben sie, obwohl ohne sonstigen höheren dichterischen 
Gehalt, immerhin einige Bedeutung und patriotischen Wert. Er verfaßte und veröffentlichte 
folgende Dichtungen: Ausgewählte Gedichte, ein patriotisches Liederbuch für alte und junge 
Krieger (Breslau 1895), Allerlei aus Krieg und Frieden, ernste und humoristische patriotische 
Erzählungen und Gedichte für jedermann (Breslau, 2. Aufl. 1905), Lebensskizzen, Erzählungen 
und Dichtungen (Breslau, 2. Auflage 1914), Trompetenklange, neue eigene gesammelte vater- 
ländische Dichtungen (Breslau, 3, Aufl. 1914), Heil und Sieg, neueste Kriegslieder 1914/16 
(Breslau, 3. Aufl. 1916), davon den zweiten Teil: Neueste Kriegslieder 1917 (Breslau 1917), 
außerdem schrieb er das historische Drama: Bürgertreue und Soldatentugend (1909). Für 


Jansen: Der Streit um Kutschke und das Kutschkelied 41 
SE 


sein Kutschkelied fand er lobende Anerkennung von seiten Kaiser Wilhelms I., Bismarcks und 
preußischer Minister, und der Kommandeur seines Korps, Exzellenz von Kirchbach, ließ eine 
Untersuchung über die Autorschaft des Kutschkeliedes anstellen, die zu seinen Gunsten ausfiel. 
Gegeniiber den Stimmen, die den Superintendenten Pistorius für den ursprünglichen Schöpfer 
des Liedes hielten, wurde von den amtlichen Stellen Hoffmann mit Recht als der eigentliche 
Autor eingeschätzt. Das zeigte sich auch darin, daß ihm 1898 von der preußischen Regierung 
als Anerkennung das Recht verliehen wurde, von nun an erblich den Namen Hoffmann- 
Kutschke zu führen, wie sich auch sein Sohn, der in Halle a. S. lebende Privatgelehrte der 
vergleichenden Sprachwissenschaft und Schriftsteller Arthur Hoffmann-Kutschke so nennt. 
Hoffmanns im Felde geführtes Tagebuch enthält den Beweis, daß er früher als Pistorius 
und unabhängig von diesem sein Kutschkelied verfaßte, und zwar auf Grund eines Vorposten- 
erlebnisses. Das Tagebuch hat H. Unbescheid vorgelegen, und dieser berichtet a. a. O. S. 320 
darüber Folgendes und weitere folgende Argumente, die ich ihrer Wichtigkeit wegen für die 
Kutschkefrage hierher setze: „Am 3. August 1870, nachts zwischen 11 bis I Uhr, stand er 
[Hoflmann] vor dem Feinde auf Vorposten. Auf ein Geräusch in der Nähe deutend, rief ihm 
sein Kamerad Breiter die Worte zu: ‚Wer mag dort rumkriechen” und ‚Was kriecht dort 
rum? Napoleum!‘ meinte Hoffmann, dem wohl in jenem Augenblick der bekannte Refrain aus 
dem Napoleonsliede 1813 durch den Kopf fuhr. Abgelöst dichtete er in einer Scheune vor 
Weißenburg, hinter Queichheim bei Landau, morgens das Lied fertig, das alsbald den Kame- 
raden und durch diese den in der Heimat Zurückgebliebenen mitgeteilt wurde. Den Spitz- 
namen Kutschke führte Hoffmann längst bei seiner Kompagnie; bald aber war sein Lied und 
der Name Kutschke — in Hoffmanns (uns vorliegendem Reisepaß steht zu seiner Legitimation 
ausdrücklich vermerkt: ‚Füsilier August Kutschke als Dichter genannt‘ — in aller Munde“. 
Wie ist nun das Verhältnis von Hoffmanns Kutschkelied und Pistorius’ Kutschkelied zu- 
einander? Welches ist das ältere und das urspriinglichste? Nach obigen authentischen Mit- 
teilungen kann die Wagschale sich nur zugunsten Hoffmanns neigen. Er führte den solda- 
tischen Spitznamen Kutschke, Beweis: sein Reisepaß; er dichtete am 4. August 1870, also 
etwa zwei Wochen vor Pistorius, sein Kutschkelied, Beweis: sein im Felde nach dem Vor- 
postenerlebnis niedergeschriebenes Tagebuch, das das Lied enthält und einem durchaus 
zuverlässigen Manne (H. Unbescheid aus Dresden) vorgelegen hat. Nun bestehen sowohl im 
Gedankengang wie in der äußeren Ausdrucksform und in einzelnen Wortprägungen zwischen 
dem Lied von Hoffmann und Pistorius Übereinstimmungen, mithin liegt ein Abhängigkeits- 
verhältnis vor, das leicht zu erklären ist: Pistorius hat durch heimkehrende oder in die Heimat 
zurückgeschickte verwundete Kämpfer, denen das Lied Hoffmanns bereits bekannt war, oder 
durch Feldbriefe etwa Kenntnis von Hoffmanns Lied erhalten und nach dieser Vorlage und 
veranlaßt durch die „Kreuzzeitungs‘-Notiz sein Kutschkelied abgefaßt. Da die Aufforderung, 
der grande nation den Lohn zu geben, in den beiden letzten Versen der fünften Strophen der 
beiden Lieder sich gleicht, so muß auch der damals in Wiesbaden weilende und dem Kriegs- 
schauplatze sich noch näher als Pistorius befindliche Dichter der fünften Strophe des Pisto- 
riusschen Textes Adolf Bahn das Kutschkelied Hoffmanns gekannt und benutzt haben. Trotz 
alledem und obwohl ihm die authentischen Mitteilungen Unbescheids bekannt waren, hat im 
Gegensatz zu der seitdem sich bahnbrechenden Überzeugung — auch bei Gelegenheit des 
Todes Hoffmanns 1924 haben große Tageszeitungen und Zeitschriften diesen als den ursprüng- 
lichsten und ersten Dichter des Kutschkeliedes hingestellt — Johannes Bolte ein Jahrzehnt 
danach in seinem kurzen Artikel „Das Kutschkelied“ (Zeitschr. d. Vereins f. Volkskunde, Jg. 15, 
1905. S. 173— 176) wieder die Priorität Hoffmann ab- und Pistorius zusprechen zu müssen 
geglaubt und Hoffmanns Glaubwürdigkeit als verdächtig angezweifelt. Dabei läßt er das 
wichtige Tagebuch Hoffmanns ganz beiseite, das Unbescheid vorgelegen hat. Wenn Bolte 
behauptet, daß eine Vergleichung des Hoffmannschen Textes mit seinem Monolog in teils 
plumper, teils gezierter Sprache und des von Pistorius und Bahn gelieferten Textes mit seinem 
Zwiegespräch in einfachem, volksmäßigem Tone zu Hoffmanns Ungunsten ausfalle, so ist diese 
Charakterisierung der beiden Texte sehr subjektiv und voreingenommen. Und Julius Elias 
sagt dagegen bei der Besprechung von Hoffmanns Ausgewählten Gedichten im sechsten Bande 
der Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte (1895), daß die Soldatenlieder 
Hoffmanns eine weit entschiedenere Begabung zeigten als die Poesien des Pastors Pistorius. 
Für seine apodiktische Behauptung, der Hoffmannsche Text sei während des ganzen Feld- 
zuges unbekannt, ungesungen und ungedruckt geblieben, tritt Bolte den Beweis nicht an. 
Dagegen berichtet Unbescheid a. a. O. S. 319, daß Hoffmanns Lied schnell die Runde von 
Mann zu Mann, von Kompanie zu Kompanie, von Regiment zu Regiment gemacht und in 
kürzester Frist Aufnahme in viele Blätter Deutschlands gefunden habe. Und weiter: der 


XVII, 6 


42 Jansen: Der Streit um Kutschke und das Kutschkelied 
EE 


Text von Pistorius bringt die beiden Eingangsverse der Befreiungskriege in der von dem 
Redakteur der ,,Kreuzzeitung“ so gliicklich und wirkungsvoll-humoristisch umgewandelten Form 
der Worte „kraucht“ und „Napolium“, der Text von Hoffmann dagegen in der ursprüng- 
lichen, alten Form „kriecht“ und „Napoleum“. Hätte Hoffmann den Text von Pistorius gekannt 
und benützt, so würde er sicherlich für den seinigen die wirkungsvolleren, derberen und 
glücklicher gewählten Worte „kraucht“ und „Napolium“ herübergenommen haben. Und weshalb 
sollte Hoffmann ebenfalls nicht die zweifellos ironischer wirkende Form der Bahnschen Strophe 
„grrrande nation“ statt seiner einfacheren: „grande nation“ eingesetzt haben, da doch sonst 
mehrere Ausdrücke und Worte in beiden Texten übereinstimmen? Bolte sagt weiter, daß 
Pistorius und Bahn unmöglich zu Hoffmanns Versen gelangt sein könnten; dies Gregenargument 
ist keines. Wie bereits angeführt, gab es dazu verschiedene Wege, wie mündliche Erzählung 
heimkehrender Krieger, briefliche Mitteilung. Bolte sei auf ein Analogon aus dem Weltkrieg 
hingewiesen, auf das Gedicht vom Etappenschwein, das nie gedruckt wurde und doch in 
kürzester Zeit im ganzen Heer bekannt war, trotz seiner Unterdrückung von seiten der 
leitenden Stellen. Bereits im Winter 1914/15 erhielt ich als Frontoffizier in vorderster Stellung 
an der Aisne Kenntnis davon, und die meisten machten sich Abschriften oder lernten die 
Parodie auswendig, da die Etappe bei den Frontsoldaten aufs äußerste unbeliebt war. Ver- 
fasser war unbekannt, die Gerüchte wollten von einem Hauptmann wissen, der dafür bestraft, 
ja degradiert sei usw. Anfangs 1915 im Heimatlazarett, hörte ich zu meinem Erstaunen das 
Etappengedicht bereits von pflegenden Damen, also hatte die Heimat es fast ebenso schnell 
kennen gelernt, wie etwa die Front. Das Gedicht vom Etappenschwein hat brieflich und 
mündlich überaus schnell die Runde beim Feldheer wie in der Heimat gemacht. Boltes Argu- 
mente sind zu wenig begründet, um überzeugend zu sein. | 

Als Endergebnis muß in der Kutschkeliedfrage heute die feststehende Tatsache gelten: 
Die beiden verbreitetsten und im Volke bekanntesten Eingangsverse stammen aus der Zeit 
der Befreiungskriege, ein Füsilier Kutschke beim Regiment Nr. 40 hat nie existiert, vielmehr 
hat diesen volkstümlichen, humoristischen Namen als den eines kriegerischen, dichtenden 
Witzboldes der Berichterstatter des „Daheim“, Andree, frei erfunden; Namen und Eingangs- 
verse übernahm aus der „Kreuzzeitung“ der mecklenburgische Superintendent Pistorius und 
dichtete dazu sein Kutschkelied, das sehr weite Verbreitung fand und durch Adolf Bahn um 
die fünfte Strophe vermehrt wurde. Das Original- und erste Kutschkelied wurde im Felde 
von Gotthelf Hoffmann verfaßt, er führte auch den soldatischen Spitznamen Kutschke. Beide, 
Hoffmann und Pistorius, haben ein Kutschkelied gedichtet, die Priorität gebührt Hoffmann, 
nach dessen Text schuf Pistorius eine freie Nachdichtung. 

Zum Schluß sei ein literarisches Kuriosum erwähnt, das zugleich in seiner Art eine 
bibliophile Seltenheit und ein bibliophiles Kabinettstückchen ist. Im Jahre 1871 ließ zu 
Leipzig der aus Köslin gebürtige und in Marienwerder wohnende Regierungsrat Wilhelm 
Ehrenthal, der auch als Homerübersetzer und als Sprachenkenner sich einen Namen gemacht 
hat, ein seltsames und eigenartiges Büchlein zum Besten der deutschen Invalidenstiftung 
erscheinen, das im selbigen Jahre nicht weniger als sieben Auflagen erlebte und das sich 
betitelt: „Das Kutschkelied auf der Seelenwanderung, Forschungen über die Quellen des 
Kutschkeliedes im grauen Alterthume nebst alten Texten und Übersetzungen in neuere Sprachen.“ 
In diesem Schriftchen führte Ehrenthal mit eleganter Gewandtheit den humoristisch-satirischen 
Nachweis, daß bereits die alten Griechen, Römer, Babylonier, Agypter, Juden die Kutschke 
Gestalt und ein Kutschke-Lied gekannt hätten. Außerdem — und darin liegt der Hauptwert 
dieses amüsanten Schriftchens für den Bücherfreund — brachte Ehrenthal sehr gewandte, 
glatte und vollendete Übersetzungen des Kutschkeliedes, und zwar nach dem deutschen Text 
des Pistorius in alle möglichen neueren Sprachen, in Plattdeutsch und Mittelhochdeutsch, 
Holländisch, Dänisch, Isländisch, Englisch, Italienisch, Altlateinisch und Altgriechisch, Spanisch, 
Altfranzösisch, Provengalisch, Neufranzösisch; ja sogar das Wendische, Polnische, Litauische, 
Russische und last not least das Sanskrit und Arabische und die ägyptischen Hieroglyphen 
im Verein mit babylonischer Keilschrift fehlten nicht unter diesen ungleichen Kindern der 
Sprachkunst Ehrenthals. Ganz vortrefflich und sinn- und wortgemäß beginnt seine Über- 
setzung ins Griechische: Tt xpavyetar reel Spupdv; "He por Soxet, NanwAlov. 

Im Weltkrieg bewiesen die beiden Bummelverse aus der Zeit der Befreiungskriege ihre 
volkstümliche Kraft und lebten in umgemodelter Form wieder auf. In Berlin z. B. konnte 
man die Parodie hören: „Wat kiekt da aus dem Busch heraus? Ick jloob, et is der Nikolaus.“ 
Auch Poincaré bekam das Seinige ab: „Was kraucht dort in dem Busch, o weh? Ich glaub, 


das ist Poincaré“. 


ET, — S — T 


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EDUARD MORIKE UND FRIEDRICH WILHELM IV. 
VON PROF. DR. HARRY MAYNC IN BERN 


ls im Jahre 1840 der geistreiche und kunstliebende Friedrich Wilhelm IV. seinem steifen 
und musenfremden Vater Friedrich Wilhelm III. auf den preußischen Königsthron 
folgte, begrüßten ihn jubelnde Freude und hohe Erwartungen. Das Zeitalter der 
Reaktion und der Biedermeierei war zu Ende, Erfüllte auch der Romantiker auf dem Throne 
der Cäsaren, wie ihn D. Fr. Strauß genannt hat, als Politiker die Sehnsucht und Hoffnung 
seines Volkes mitnichten, als Schirmherr der Künste und Wissenschaften betätigte er sich 
mehr als irgendeiner seiner Vorgänger und Nachfolger. Er ließ den Tieck, Fouque, Eichen- 
dorff, Rückert, Freiligrath die Sonne seiner Huld und Gunst leuchten und bewirkte damit, 
daß auch viele andere Dichter einen Strahl dieser Gnadensonne auf sich zu lenken bemüht 
waren, und daß er selbst sich vor Bücherwidmungen und Unterstützungsgesuchen schließlich 
kaum noch retten konnte und die meisten der ihn mehr oder weniger deutlich anharfenden 
Bittsteller enttäuschen mußte. 

Es berührt nicht angenehm, auch den scheuen, weltfremden Eduard Mörike, den größten 
der damals lebenden Dichter, in dieser weihräuchernden Prozession anzutreffen. Indessen 
nicht Ehrgeiz und Ordenssehnsucht veranlaßten ihn dazu, sondern allein die bittere Not. 
Andauernder Krankheit wegen hatte der erst Neununddreißigjährige im Jahre 1843 als Pfarrer 
von Cleversulzbach seinen Abschied nehmen müssen und sah sich nun auf ein Ruhegehalt 
von ganzen 280 Gulden angewiesen, mit denen er weder leben noch sterben konnte. Ferner 
war der Gedanke, sich dem fernen Preußenkönig zu empfehlen, nicht ihm selbst gekommen, 
sondern seinen um ihn bekümmerten treuen Freunden. Der Weinsberger Nachbar Justinus 
Kerner hatte Ludwig Tieck, dem damaligen representative man deutscher Literatur, der 
Mörikes „Maler Nolten“ die verdiente hohe Anerkennung hatte widerfahren lassen, des Dichters 
traurige Lage dargestellt und der Sorge Ausdruck gegeben, daß diesem „nach und nach 
alle Saiten von der Leier springen müssen“: Tieck möge doch seinen Einfluß bei Friedrich 
Wilhelm IV. für den zu jener Zeit in weiteren Kreisen noch so gut wie Unbekannten geltend 
machen und damit dessen weiteren Lebensweg ebnen helfen. 

1838 waren Mörikes „Gedichte“ zum erstenmal erschienen, doch die Periode der jung- 
deutschen Tendenzschriftstellerei und der politischen Lyrik war für solche Schätze reinster 
und höchster Kunst unempfänglich und eine zweite Auflage nicht abzusehen. Da stellte der 
beschäftigungslose und wenig produktive Dichter wenigstens handschriftlich eine solche her: 
„Gredichte von Eduard Mörike, Revidierte und mit Neuem vermehrte Sammlung. Manuskript 
des Verfassers. 1844.“ Sie war für den Hohenzollernfürsten bestimmt und auf der Hoffnung 
aufgebaut, diesen für den Dichter zu gewinnen. Mörike, ein Meister in der Führung von 
Schreib- und Zeichenfeder, tat in monatelanger Arbeit sein Bestes, und so kam eine Dichter- 
handschrift zustande, die ihresgleichen sucht. Er füllte mit kalligraphischer, freilich eben 
darum auch uncharakteristischer Schrift einen stattlichen Großquartband von 185 Seiten feinsten 
Schreibpapiers mit seinen lyrischen Meisterstücken und stellte ihnen ein persönliches Wid- 
mungsgedicht, ein förmliches Widmungsblatt „tiefster Ehrfurcht‘ und ein mit Zierleisten an- 
mutig umrahmtes Titelblatt voran. Für schweres, mit Mühe aufgebrachtes Geld schuf der 
Buchbinder dem Werk einen geschmackvollen Einband von rotem Maroquin mit Goldpressung 
und Goldschnitt, und so trat es am 18. April 1844 seine Reise gen Norden an, begleitet von 
einem Schreiben des Dichters und „zwei gedruckten Bändchen als Proben einer anderen Art 
poetischer Darstellung“ (wohl dem „Nolten“, der sich heute noch in der Königlichen Haus- 
bibliothek befindet). Gleichzeitig ließ Freund Hartlaub einen Brief an Alexander v. Humboldt 
abgehen mit der Bitte, dem Geschenk — das wirklich in jeder Hinsicht eines Königs würdig 
war — zu einer guten Aufnahme zu verhelfen. Leider war ein großer Aufwand schmählich 
vertan, Mühe und Hoffnung blieben unbelohnt: nach vorsichtig beim Preußischen Gesandten 
in Stuttgart eingezogenen Erkundigungen bestätigte ein Kabinettschreiben im Dutzendstil 
unter dem 8. Mai kühl dankend den Empfang; das war alles, was erfolgte. Vermutlich hat 
der König die Sendung gar nicht oder doch nur obenhin angeschaut, sie vielmehr mit äußer- 
lich ähnlichen der Vielzuzvielen unbesehen zu dem übrigen legen lassen. 

Begreiflicherweise war Mörike, dem der Schritt schwer genug geworden war, sehr ent- 
täuscht, und als er zwei Jahre später Geschenkexemplare seiner „Idylle vom Bodensee‘ ver- 
sandte, strich er die zuerst vorgesehenen Namen des Preußenkönigs und Humboldts „nach 
besserer Überlegung“: „es hieße sich“, schrieb er an Hartlaub, „doch wirklich weggeworfen, 
nebst dem Geld“. Im Jahre 1855 schickte er dann doch die „Idylle“ mit dem „Mozart“ nach 


A4 Maync: Eduard Mörike und Friedrich Wilhelm IV. 

A l! ˙ —˙5ꝗ ZZ 7j7ç7½ —ꝗꝗꝗ— ü. 
Berlin, und der Dank fiel diesmal ein klein wenig wärmer aus, indessen kam es nicht dazu, 
daß der Sänger mit dem König ging. 

Fast siebzig Jahre verstaubte die Prachthandschrift unbeachtet und unbekannt. Die im 
Jahre 1914 erschienene zweite Auflage meiner Mörike-Ausgabe war im Druck so gut wie ab- 
geschlossen, als mir Herr cand. phil. Bernhard Linz in Berlin die Mitteilung machte, er habe 
das Manuskript zufällig in der Königlichen Hausbibliothek zu Charlottenburg entdeckt, und 
‘ch konnte es auf Seite 452 des ersten Bandes eben nur noch kurz beschreiben und seine 
biographische und literarhistorische Bedeutung umreißen. 

Heute nun wird uns das kostbare Buch in einem ebenfalls kostbaren Faksimiledruck be- 
schert und zwar als ı. Band der von Julius Petersen herausgegebenen Sammlung „Faksimile- 
drucke literarischer Seltenheiten“: Klinkhardt & Biermann, Leipzig 1925, 300 Verkaufsexemplare 
in Ganzleder zum Preise von je 55 M. (was in Anbetracht der Herstellungskosten mehr als 
wohlfeil ist). Der bewährte Verlag hat mit dieser schönen Veröffentlichung ein neues Zeug- 
nis seiner kunsttechnischen Leistungsfähigkeit abgelegt; das Werk muß das Entzücken jedes 
Bücherliebhabers erregen. 

Doch hier wird uns noch mehr geboten als ein bloßes Kuriosum für den Feinschmecker: 
die Ausgabe hat auch einen wissenschaftlichen, einen philologisch-ästhetischen Wert, und 
durch diesen erst wird sie voll gerechtfertigt. 

Wie ich schon vor zwölf Jahren betonte, ist die Handschrift für eine abschließende historisch- 
kritische Ausgabe der „Gedichte“ Mörikes von erheblicher Wichtigkeit. Sie bereichert den 
Lesartenapparat und erweitert damit unseren Einblick in Mörikes poetische Werkstatt. Und 
zwar steht sie besonders nahe der im Weimarer Goethe- und Schiller-Archiv befindlichen 
Handschrift, welche ebenfalls die Jahreszahl 1844 und die Aufschrift trägt: „Neuere und ältere 
revidirte Gedichte, welche mit einiger Auswahl für eine zweite Auflage meiner gedruckten 
Sammlung zu benutzen sind“ (vgl. Bd. 1, S. 453 meiner Ausgabe). 

Fritz Behrend hat dem Faksimiledruck ein erläuterndes Nachwort von 14 Seiten bet 
gegeben, in dem er seine Aufmerksamkeit namentlich der in den verschiedenen Auflagen 
von einander abweichenden Anordnung der Mörikeschen Gedichte zuwendet. Zu bequemeren 
Vergleich bietet er eine Zusammenstellung der einzelnen Gedichte in der ı. Auflage von 1838, 
in der vorliegenden Prachthandschrift von 1844 und in der 2. Auflage von 1847. 

Die ı. Auflage zusammenzustellen, erbot sich Hermann Kurz, und Mörike dankte dem 
Freunde dafür mit den Worten: „Das Arrangement meiner Gedichte durch eine Hand wie 
die Ihrige ist höchst erwünscht und im voraus von mir unbedingt approbiert“. In der 
2. Auflage meiner Mörike-Biographie (1913, S. 269) habe ich erklärt: „Im übrigen ist Kurzens 
Verdienst um die Anordnung gering; man vermißt leider einen rechten Plan der Reihenfolge, 
wodurch sich Goethes oder Uhlands Gedichte so vorteilhaft auszeichnen“. Und in der 2. Auf- 
lage meiner Mörike-Ausgabe (1914, Bd. 1, S. 12) habe ich festgestellt, daß Mörike doch nicht 
ohne Anteil an der Zusammenstellung sei. Seither hat Max Reuschle in einer ungedruckten 
(und damit so gut wie nicht vorhandenen) Tübinger Doktordissertation von 1922, aus der 
Behrend dankenswerte Mitteilungen macht, die Thesen verfochten, die Anordnung der „Ge- 
dichte“ sei von der ı. Auflage bis zur Ausgabe letzter Hand Mörikes Eigentum und er sei 
dabei durchaus nicht willkürlich, sondern bedacht vorgegangen. Behrend schränkt die erste 
These mit Recht ein, ist aber m. E. zu sehr geneigt, der zweiten beizustimmen. Ich habe 
mich nicht veranlaßt gesehen, meine Auffassung für die demnächst erscheinende 3. und 
4. Auflage meiner Mörike-Biographie wesentlich zu ändern. Wohl möchte auch ich Mörikes 
Arbeit an der Zusammenstellung jetzt noch etwas höher anschlagen und gebe zu, daß er 
bei der Anordnung hier und da nach inneren Gesichtspunkten vorgegangen ist, aber einen 
durchgeführten Gesamtplan, wie ihn Reuschle darlegt, vermag ich nicht zu erkennen. Ich 
finde diese Anordnung, die ich in meiner kleinen Auswahlausgabe der Inselbücherei (1913) 
darum ganz verlassen habe, noch immer „wenig verbindlich und wenig glücklich“. Die 
„Gedichte“ Mörikes stellen nicht entfernt einen so kunstvoll organisierten Kosmos dar, wie 


etwa die Conrad Ferdinand Meyers. 


Alle Rechte vorbehalten — Nachdruck verboten 
Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Georg Witkowski, Leipzig-G., Ehrensteinstr. 20. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 111 
Druck von Ernst Hedrich Aacht, G. m.b. H., Leipzig, Hospitalstr 112 


Es 


en 


ZEITSCHRIFT 
BUCHERFREUNDE 
DE EENEG : * 


VON 


GEORG WITKOWSKI | 


1926 HEFT3 | 
NEUE FOLGE 18.JAHRGANG 
VERLAG E.A.SEEMANN. LEIPZIG. 


DIE SCHRIFT 


ZU’ VERDEUTSCHEN UNTERNOMMEN VON 
MARTIN BUBER 
GEMEINSAM MIT 
FRANZ ROSENZWEIG 


Erster Band 
DAS BUCH „IM ANFANG“ 


Zweiter Band 
DAS BUCH „NAMEN“ 


In Pappband Rm. 4.— 
In Ganzleinen Rm. 6.— 
In Ganzpergament Rm. 10.— 


Der Kenner der hebräischen Bibel wird entrückt sein, hier einer Übersetzung zu begegnen, 
die allen Ansprüchen gewachsen ist, die die Gegenwart stellt. Das Unternehmen ist für Juden 
wie für Christen von genau dem gleichen Interesse, denn alle bisher vorhandenen Über 
setzungen erscheinen an dem Geiste des Originals gemessen heute völlig unzulinglich. 
(Hamburger Echo) 
So schreiben nun also diese zwei Männer eine Bibel, die vom Atem des Wortes beiebt und 
durchzogen ist. Aber wie müssen sie auf das innerste Leben, auf die Seele der „, Schrift 
gelauschf haben, um sie so in Zeichen auszudrücken und uns verständlich machen zu können! 
Nicht weniger bekommen wir so zu hören als die Ursprache der Menschheit, jene alleinheit⸗ 
liche, in der einmal, vor Babel, die Seele aus jedem Menschen sprach. 
(Kurt Münzer in „Die Literatar“) 


Demnächst erscheint: 


FRANZ ROSENZWEIG 


JEHUDA HALEVI 


92 Hymnen und Gedichte. Deutsch 
Mit einem Nachwort und mit Anmerkungen 


Ausführliche Prospekte in allen Buchhandlungen 


VERLAG LAMBERT SCHNEIDER 
BERLIN 


Ea = — SE — — —— 


r — — Se, 


45 


DIE ENTSTEHUNG DER MODELBUCHER 
VON ARTHUR LOTZ IN BERLIN 


Mit vierzehn Bildern 


hauptsachlich fiir weibliche Handarbeiten wie Stickereien, Spitzen, Gewebe, bisweilen 

aber auch für andere kunstgewerbliche Arbeiten. Da diese Bücher gemäß ihrer 
Zweckbestimmung nicht wie die meisten übrigen Druckwerke in die Bücherschränke wan- 
derten und dort die Jahrhunderte überdauerten, sondern in den Gremächern der Frauen oder 
den Werkstätten der Sticker und Bortenwirker im wahren Sinne des Wortes verarbeitet wurden, 
sind nur wenige, oft nicht vollständige Exemplare ihrem Schicksale entgangen, und deshalb 
gehören die Modelbücher heute zu den größten Seltenheiten. Bis zum Jahre 1800 mögen 
etwa zweihundert solcher Mustersammlungen in Deutschland und im Auslande erschienen sein. 

Als erstes Buch dieser Gattung gilt das im Jahre 1525 von Jorg Gastel in Zwickau ge- 
druckte (Bild 1). Auf der Rückseite des ersten Blattes befindet sich ein zweiter Titel: Eyn 
Model Buchleyn || darauß || leycht || lich das gewurck dises nach angezeyg || ten Formen 
erlernet werden mag. Gedruck - yn der Fürstlichen Stadt Zwickau dur || ch Jorg Gastel 
1525. | In der Bibliothek des Kunstgewerbe-Museums in Dresden wird der einzig noch er- 
haltene Abdruck verwahrt, der von E. Kumsch im Jahrgang 1903 der Zeitschrift „Kunst und 
Kunsthandwerk“ eine sorgfältige Beschreibung erfahren hat. Auf dem Titel erblickt man 
eine Frau an der Bandwirkerlade arbeitend, eine andere an dem sogenannten langen Gestell. 
Heinrich Röttinger (in Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst 1906) weist 
die Zeichnung zu diesem Holzschnitt dem Georg Lemberger aus Landshut in Bayern zu, der 
damals in Leipzig ansässig war und für eine ganze Anzahl Wittenberger Drucke Titelbilder 
geliefert hat. 

Das Dresdener Exemplar ist zwar nicht vollständig, aber aus der Vergleichung mit 
späteren Ausgaben geht hervor, daß es ebenso wie diese einschließlich Titel aus 24 Blatt in 
Kleinquartformat bestanden haben muß. Aus folgenden Mustern setzt sich das Werk zusammen: 
27 Seiten Webvorlagen, 3 Seiten Alphabete, ebenso wie die vorigen auf einem Grundnetz 
von senkrecht sich schnei- für Stickerei in Linienstich 
denden Linien gezeichnet, te Aii i oder Holbeintechnik zur 
7 Seiten Muster für Hol- Ausschmückung der Leib- 
beinstich und 8 Seiten or- wäsche bestimmt (Bild 2). 
namentale Querfüllungen. Das künstlerisch Wert- 

Die Webvorlagen, teils vollste sind die acht breiten 
Muster mit nach allen Sei- Füllungen,Blatt-undBlüten- 
ten fortlaufenden Rapport, gerank, aus dem bei der 


M. dem Namen „Modelbuch“ bezeichnete man in früherer Zeit eine Vorbildersammlung 


je zwei Vorlagen auf einer S 1357 den vnd borten wir: | FEW) einen üppige Halbfiguren 
Blattseite, teils schmalere E cken yn der Laden vit hervorquellen (Bild 3). Sie 
Borten, mehrere auf einer = langen geft E A heben sich in ihrem siche- 
Seite zusammengedrängt, 4 "ee ee ren, leichten Fluß sehr we- 
sind geometrisch gezeich- JoAN 105. ASA sentlich von der schwäch- 
nete Flachornamente, die andern Modeln. Zz lichen Titeleinfassung mit 
auf den vorher genannten . . ihrer unrichtigen Perspek- 
Geräten gewebt, aber amo bann, 15 25. NN tive und den steifen Frauen- 
auch, da auf Grundnetz 2 ws figuren ab und sind Witten- 
angelegt, mit jeder Stickart En: E berger Buchornament nahe 
auf abgezählten Fäden, verwandt, z. B. den Ver- 
also Kreuzstich, Netz- ae KEE * SC) (x zierungen der Initialen in 
stickerei usw., gearbeitet Gomm Gi ar Ze 725 = „Das allte Testament 


Deutzsch. Gedruckt zu 
Wittemberg, Melchior Lot- 
ter der junger. 1524“. Und 
so wird man die Zeichnun- 
gen zu diesen letzten acht 
Schriftzüge aussehen — Holzschnitten der Witten- 
deshalb in Italien die Be- berger Werkstatt, die unter 
nennung „punto scritto“ — Bud 1. Eyn new Modelbuch. Zwickau 1525, Jorg Gastel der überragenden Leitung 
XVII, 7 


werden konnten. Dagegen 
waren die in kurzen und 
winkelig gebrochenen,trep- 
penartigen Linien gegebe- 
nen Vorlagen, die wie 


46 Lotz: Die Entstehung der Modelbücher 


des Lukas Cranach stand, 
wenn nicht diesem selbst, 
zusprechen miissen. Da 
sich die Ornamente in 
einem Musterbuche „auff 
aulsnehen vnd borten 
wirken“ finden, waren auch 
sie als Vorlagen für weib- en 
liche textile Handarbeiten 5 
gedacht. A 

Die Ausführung konnte 
in Stickarten, die von der 
Fadenzählung unabhängig 
sind, wie Stilstich, Platt- 
stich u. a., oder als Wirk- 
arbeit geschehen. Solche 
Borten fanden an der rei- 
cheren Kleidung der Frau 
Verwendung als Schmuck 
an der Brust, den Armeln 
und dem Saum des Rockes, 
und gerade bei den Cra- 
nachschen Frauenbildnis- 
sen begegnen wir häufig 


worden, das eine frühere 
Jahreszahl trüge, als dieses 
‚soeben beschriebene Ga- 
stelsche. Der in Dresden 
befindliche Abdruck ist 
vermutlich nicht die erste, 
sondern die zweite Aus- 
gabe. Das folgt aus der 
Angabe auf dem Titel 


„Gemert vnd gebessert 

EE RP mitt. 105. andern Modeln“, 
nn AA in paras auch wird dies bestátigt 

i durch einige Stellen in den 
Briefen an den Stadtschrei- 
ber Stephan Roth von 
Zwickau, der sich damals 
in Wittenberg aufhielt (ver- 
öffentlicht von Buchwald 
in Archiv für die Geschichte 
des deutschen Buchhandels 
1893, Brief 68 und 69). Es 
geht also eine frühere Aus- 
gabe der obigen voraus, 
die aber, wie man dem Brief- 


Stickerein ahnlicher Art. ech wechsel entnehmen kann, 
Tatsächlich ist bisher Een newSModelbuch. Zwickau 1525, Jorg Gastel auch aus dem Jahre 1525 
kein Modelbuch entdeckt stammen muß. 


Nun erscheint es aber verwunderlich, daß diese neue und in Zukunft so viel Erfolg 
bringende Gattung kunstgewerblicher Vorlagenwerke ihren Ursprung nicht in einem der 
Mittelpunkte des Kunstlebens und Buchdruckgewerbes genommen haben sollte, wenn man 
auch in Betracht zieht, daß die Stadt Zwickau zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine verhältnis- 
mäßig größere Rolle im geistigen Leben wie auch in Gewerbe und Handel spielte als heut- 
zutage. Jedoch erst im Jahre 1523 hatte man dort zu drucken begonnen (E. Fabian. Die 
Einführung des Buchdruckes in Zwickau 1523 in: Mitteilungen des Altertums-Vereins für 
Zwickau 1899). Aus dieser von Jorg Gastel geleiteten Presse waren aber bisher beinahe nur 
theologische Schriften hervorgegangen. Wie kam nun Gastel dazu, ein so ganz andere Ziele 
verfolgendes Buch herzustellen? Bevor wir diese Frage zu beantworten unternehmen, ist es 


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Bild 3. Eyn new Modelbuch. Zwickau 1525, Jorg Gastel 


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Lotz: Die Entstehung der Modelbiicher 47 


nötig, noch ein anderes, bisher wenig e s 
adhe se, e Kee Em Oder MODEL büchleit 
Es handelt sich um das „Furm dar in zuͤ lernen vnnd gang, Ceüchclich Sub 


oder modelbuchlein“ (Bild 4), ein greyffen die recht ond war kunſt auch die auß teps 


Exemplar in der Ornamentstich- Samm- una / . A 
lung des Städtischen Kunstgewerbe- lung, aller Hand gewirckin der ram in der ladẽ 


Museums in Leipzig, die zwar nur vnd mie der Hand auß ap Nehen ganntz 
wenige Modelbücher enthält, darunter Ney gemacht 

aber einige Unika von besonderer ER | 
Wichtigkeit, ein anderes, dem jedoch 
zwei Bogen fehlen, in der Ornament- 
stich-Sammlung des Österreichischen 
Museums für Kunst und Industrie 
zu Wien. 

Im 1889 gedruckten Katalog der 
Leipziger Ornamentstich- Sammlung 
ist dieses Buch unter Heinrich Steyner 
verzeichnet. Diese Deutung der Buch- 
staben HS dürfte sich aber als ein 
Irrtum erweisen. Der Titel ist aus 
drei verschiedenen Schriſtarten ge- 
setzt, die sämlich in dem 1523 und 
1524 von Hans Schönsperger dem 
Jiingeren gedruckten Neuen Testa- 
ment vorkommen. Zunächst sind hier 
die Typen verwendet worden, mit 
denen das im Jahre 1514 für den 
Kaiser Maximilian gedruckte Gebet- 
buch gesetzt worden ist. Dann folgt A hig 
die allbekannte, für den Teuerdank | - 
geschaffene Schrift und schließlich Sedruckt Fa Augſpurg © D 
eine der letzteren verwandte. Die > ; 
Gebetbuchtype ist wohl auch in Bild 4. Furm- oder modelbuchlein. Augsburg 
Steynerschen Drucken anzutreffen, 
aber erst in späterer Zeit, etwa von 1528 an, als das Geschäft Schönspergers seinem Ende 
zuneigte und wenig gebrauchtes Schriftgerät der befreundeten, sehr tätigen Druckerei wohl 
leihweise überließ. 

Aus alledem geht hervor, daß die letzte Titelzeile des „Furm oder modelbuchleins“ nicht 
anders gelesen werden kann als: Gedruckt zu Augfpurg D(urch) H(ans) S(chönsperger). 

Auch dieses Buch setzt sich mit Einschlu8 des Titels aus 24 Blatt in dem üblichen 
Kleinquartformat zusammen, von denen die ersten vier Bogen 30 Seiten Webvorlagen bzw. 
Muster für Stickerei auf abgezählten Fäden, gezeichnet auf ein Grundnetz, enthalten. In über- 
wiegendem Maße sind es auch hier geometrische Flachmuster, infolge der Trennung durch 
die Netzlinien aus kleinen schwarzen Quadraten mosaikartig zusammengesetzt. Ausgenommen 
drei über die ganze Höhe der Seite gehende Vorlagen, die auch im Gegensatz zu den anderen 
Rankenornament bringen, werden auf jeder Seite zwei bis drei schmale durch Zwischenräume 
getrennte Muster gegeben, die aber nur bis zur Mitte der Seitenbreite führen, während die 
andere Hälfte nur das leere Grundnetz zeigt (Bild und 6). Diese anspruchslosen Muster 
waren für Borten und Kanten bestimmt. Der nächste Bogen weist nur leere Grundnetze auf, 
die wie die unbesetzten Hälften der vorhergehenden Bogen zum Einzeichnen eigener Entwürfe 
oder ausgeführten Arbeiten dienen sollten, wozu sie, wie aus dem Leipziger Exemplar zu er- 
sehen ist, auch wirklich benutzt wurden (Bild 6). 

Der Inhalt des letzten Bogens ist ganz anderer Art. Hier erscheinen schmale Friese in 
Schattenrissen, Aneinanderreihungen von Bäumen und Blumen, belebt von kleinen Figuren: 
Jägern mit Speer und Horn, Männern mit Narrenkappe, jagdbarem Getier u. a., weniger orna- 
mental gestaltet als in natürlicher Darstellung (Bild 7). Auch einige ganz schmale Borten mit 
Knotenschlingungen und mit Blatt- und Blütenornament, ferner zwei Granatapfelmuster kommen 
vor. Alle diese soeben gekennzeichneten Muster waren wie die ornamentalen Füllungen des 


l 


S 
— 
— 


48 Lotz: Die Entstehung der Modelbiicher 


Gastelschen Buches fiir Arbeiten gedacht, bei denen 
eine Fadenzahlung nicht nötig war. 

— Wie wir aus Bild 4 ersehen, zeigt der Titel unter 
up 4 4 ët air vi m dem Schriftsatz noch einen zwei Drittel der Seite ein- 


nehmenden Holzschnitt: vier Frauen in einem Gemach 
an der Lade, am Rahmen, am langen Gestell und aus 
HE freier Hand wirkend und stickend. Der Holzschnitt 
oe ëss ist nicht bezeichnet und man darf ihn wohl auch nicht 

a gl et E mit einem der bekannten großen Künstler in Verbin- 

21 Ae dung bringen. Für die Modelbücher arbeiteten nur 
ausnahmsweise Holzschnittzeichner von Ruf. Die 
Ornamente waren zum Teil so einfach, daß sie auch 
von bescheideneren Kräften gezeichnet werden konn- 
ten, denen wohl bisweilen die Aufgabe zufiel, ein Titel- 
bild zu entwerfen, in dem wie hier Anklänge an die 
Art eines größeren Meisters erkennbar sind, in dessen 
Werkstatt der Zeichner tätig gewesen sein mag. 

Es fragt sich nun, wann dieses „Furm oder model- 
buchlein“ erschienen ist. Der letzte datierte Druck 
Johannes Schönspergers des Jüngeren dürfte das Neue 
ar HE Testament von 1524 sein, aber die Druckerei in Augs- 
IER +t: burg hat, wie weiterhin gezeigt werden wird, sicher bis 
d + zum Jahre 1530 noch fortbestanden. Für die Datierung 
unseres Buches ist es von Wichtigkeit zu sehen, daß 

Bas Yale weder. Aan die halbseitigen Muster wie die unter Nr.6 abgebildete 

Blütenranke und auch noch einige Borten des letzten 
Bogens als Nachschnitte in dem Quentelschen Modelbuche von 1527 wiederkehren. Das 
Schönspergersche Buch muß demnach spätestens im Jahre 1527 vorgelegen haben. 

Mu diesem also auch recht frühen Musterbuch stimmt in Anlage und Inhalt ein anderes 
vielfach überein. Es ist betitelt: MOdel Biechlein/ || darinn zulernen || vá gantz leicht zu be- 
greiffen || die recht vnnd ware kunst | || auch die außteilung aller hand ge- || würck / in der 
Ram inn der la- || den / vnd mit der hand auf || zuneen/ gantz new || gemacht. || Getruckt zu 

Augfpurg durch Heinrich Steyner. || Anno M. D XXXIII. 
Hy wwe Unikum in der Bibliothek des Germanischen Museums 
0 E METAS in Nürnberg und noch nicht beschrieben). 
to ; + + Auch in diesem Modelbuche enthalten die ersten 
vier Bogen meist schmale Borten, durch Zwischenráume 
Lä getrennt, aber hier laufen die Muster über die ganze 
1 wf 1 Hr Bere Seitenbreite, bis auf geringfügige Ausnahmen dieselben 
Gate kon 425217: wie in dem Schönspergerschen Buch, dessen Seiten 
E ipsis von je zwei dicht aneinander schließenden Holzstócken 
gedruckt wurden, dem mit der Vorlage und dem mit 
dem leeren Grundnetz. Nun ist nicht etwa ein neuer 
Holzstock mit der Verdoppelung des Musters hinzu- 
gefügt worden, sondern die Ornamente wurden neu 
gezeichnet und geschnitten. Auch zwei der halbseitigen 
Rankenmuster erscheinen hier als ganzseitige wieder 
(Bild 8). An Stelle des fünften Bogens mit den leeren 
Grundnetzen sind mit Ausnahme einer Seite neue Muster 
ähnlicher Art wie das soeben gezeigte getreten. Und 
der letzte Bogen entspricht genau dem gleichen Bogen 
des Schönspergerschen Buches, gedruckt von densel- 
ben Stöcken. 

Nun hat die Staatliche Kunstbibliothek in Berlin 
kürzlich das Bruchstück eines Modelbuches erworben, 
dem zwar der Titel fehlt, das sich aber als Bindeglied 
zwischen dem Schönspergerschen und dem Steyner- 
schen Buch erweist. Die ersten vier Bogen der Muster 
Bild 6. Furm- oder modelbuchlein. Augsburg stimmen, abgesehen von der Anordnung der Seiten 


Sen eee 23 Pes 
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C—O EL TT 


Lotz: Die Entstehung der Modelbiicher 49 


untereinander, mit dem ,,Modelbiechlein“ von 
Steyner vollkommen iiberein, es sind die er- 
weiterten Muster des „Furm oder modelbuch- 
leins“. Der nächste Bogen enthält wieder nur 
leere Grundnetze wie an derselben Stelle in 
letzterem, und der sechste Bogen bringt die 
ganzseitigen Muster vom fünften Bogen des 
Steynerschen Buches. Dieses Bruchstück stellt 
sich also dar als eine verbesserte Ausgabe des 
Modelbuches von Schönsperger, und, da die 
Buchstaben der Bogensignaturen in derselben 
Schrift wie die der ersten Ausgabe gesetzt sind, 
nämlich in Teuerdanktypen, im Gegensatz zur 
dritten Ausgabe von 1533 bei Steyner, wird 
diese zweite Ausgabe auch von Johannes 
Schönsperger gedruckt worden sein. Erst nach 
dem Ende dieser Druckerei im Jahre 1530 
werden die Formen an Steyner gelangt sein. 
Die zweite Ausgabe ist auf einem Papier ge- 
druckt, das als Wasserzeichen ein gotisches p 
mit Vierpaß darüber trägt, und auch einige 
Bogen der ersten Ausgabe haben dieses 
Wasserzeichen. 

Wieder stellt sich heraus, daß der Drucker 
Peter Quentel in Köln Schönspergersche Muster IS 
hat nachschneiden lassen, diesmal in erheb- 
licher Anzahl nach der zweiten Ausgabe fiir 
sein im Jahre 1529 erschienenes „kunstlich 
moetdelboech“. Es ist hierbei besonders wich- 


a aa - 


Bild 7. Furm- oder modelbuchlein. Augsburg 


tig, daß Quentel die Rankenmuster, die er 1527 schon den halbseitigen Schönspergerschen 
nachgemacht hatte, jetzt in der Verdoppelung darbietet, aber ebenso das eine, das Schön- 
sperger in seiner zweiten Ausgabe ausgelassen hatte, in seinem Buch nicht berücksichtigt. 


Es handelt sich also um eine recht sklavische Nach- 
ahmung und beweist, daß Quentel im Jahre 1527 die 
zweite Ausgabe des Schönspergerschen Buches noch 
nicht kannte, die folglich zwischen 1527 und 1529 
erschienen sein muß. 

Wir können nun zu dem Zwickauer Modelbuch 
des Jorg Gastel zurückkehren, der sich in verschiedenen 
von 1525 erschienenen Drucken „des Schönfpergers 
diener (bzw. Factor) von Augſpurg“ nennt. Und in der 
Tat war die Zwickauer Druckerei von Schönsperger 
gegründet worden, der durch seinen hier ansässig ge- 
wesenen, 1520 verstorbenen Schwager Beziehungen zu 
dieser Stadt hatte, wie aus zahlreichen Urkunden her- 
vorgeht. Am 25. Juni 1523 wird ein Vertrag zwischen 
dem Zwickauer Rat und Schönsperger geschlossen, in 
dem sich letzterer erbietet „ayn Buch-, Zwillich-, Leyn- 
wandt-, Wullener tucher- vnd Seydengewandt-Drucke- 
reyen, dozu ayn Papir Mulhe vffzurichten, wie ehr zu 
Augfsburgk auch in gebrauch hette“. Es wurden also 
in Zwickau wie auch in Augsburg nicht nur Bücher 
gedruckt, sondern mit der Buchdruckpresse war auch 
eine Zeugdruckerei verbunden, in der Kleiderstoffe 
mittels Modeln bedruckt wurden. Dann war es aber 
auch für einen in diesem Betriebe tätigen Mann ein 
nicht allzu fern liegender Gredanke, Muster, die für den 
Zeugdruck vielleicht schon mehrfach Verwendung ge- 
funden hatten, oder solche ähnlicher Art als Vorlagen 


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Sec), Irma AUT 


Bild 8 
Model-Biechlein. Augsburg 1533, Heinrich Steyner 


50 Lotz: Die Entstehung der Modelbiicher 


presse zu vervielfaltigen und als handliches 
( if ftm Buch auf den Markt zu bringen. 

new ge t ( (e Während auf dem Zwickauer Buch, wie 

D . wir sahen, das Druckjahr verzeichnet ist, 

del Blichli auff auß fehlt diese Angabe auf dem von Schön- 

à sperger in Augsburg gedruckten „Furm oder 

modelbuchlein“. Aus diesem Grunde und 

ne yer vnnd ortten auch weil Alfred Lichtwark in seinem 


für Stickereien usw. zeichnen und in Holz 
\ : ] S 2 9 schneiden zu lassen, dann auf der Buchdruck- 


„Ornamentstich der deutschen Frührenais- 
sance nach seinem sachlichen Inhalt“, Berlin 
wire en vnn er 1888, die Muster des Augsburger Buches fiir 
CH Nachschnitte von Ornamenten der Quentel- 
| aden / vnnd schen Modelbücher erklärt hatte, wurde die- 
ses Schonspergersche Buch als unbedeutend 
außer acht gelassen, und seine Wichtigkeit 
lanngenn als Frühwerk auf unserem Gebiet ist bis- 
A her nicht erkannt worden. 
Richtig ist wohl, daß in dem Quentel- 
D 4 schen Buch von 1527 Muster Schönspergers 


vorkommen, aber sie sind eben, wie bereits 
gesagt wurde, Nachahmungen. Ob nun Jorg 


Gamo, ger echt nach Gastel, der ja bis zur Anderung der Besitz- 

FO verháltnisse der Zwickauer Druckerei nur 

abteilung der feden cal. ein Angestellter Schönspergers war und den 

letzterer wahrscheinlich schon in seinem 

Augsburger Geschaft als würdig für eine 

solche Vertrauensstellung erprobt hatte, oder 

aber Schönsperger selbst, den Anstoß zum 

Druck eines Buches mit Textilmustern ge- 

geben hat, wird sich heute kaum mehr ent- 

` scheiden lassen. Man kann nach unserer 

Bild 9. Model-Büchli. 1529 jetzigen Kenntnis der Dinge nur sagen, daß 

die Schönspergerschen Betriebe die Geburts- 

stätte des Modelbuches als Gattung und Begriff gewesen sind. Sowohl das Schönspergersche 

wie das Gastelsche Buch gehen in verschiedenen Auflagen selbständig nebeneinander her, 

ohne daß sich aus dem einem etwas in dem anderen wiederholte, wie es umgekehrt bei den 

nachfolgenden Modelbüchern so oft der Fall ist. Hier bildet vielmehr das eine Buch die 

Ergänzung des anderen, und zwar erscheint das Gastelsche Werk in den Webmustern die 

Fortentwicklung des Schönspergerschen mit seinen schmalen Borten zu sein. Auch in der 

Hinzufügung von Mustern einer neuen Sticktechnik (Holbeinstich) und in der Bereicherung 

durch prächtige Borten, wie sie das Zwickauer Buch bringt, könnte man eine Fortsetzung und 

Erweiterung des früher Erdachten sehen. Die erste Ausgabe des Augsburger Modelbuches 

mit den halbseitigen Ornamenten, den von Mustern freien Grundnetzen und den altertümlichen 

Friesen in Schattenrissen mutet wie ein erster zaghafter Versuch an, der ja auch bald in der 
neuen Ausgabe eine durchgehende Umgestaltung und Verbesserung erfuhr. 

Es mögen hier noch einige Worte über die auf dem Titel des Zwickauer Modelbuches 
vor der Jahreszahl stehenden Buchstaben N. H. folgen. Kumsch hielt sie für ein Monogramm 
und verfiel auf den Pastor Nicolaus Hausmann in Zwickau, da dieser unter den Gastelschen 
Drucken mit einer Reformationsschrift vertreten ist. Kumsch vermutete in ihm den Heraus- 
geber der Mustersammlung. 

Aber bedurfte es denn zum Herbeischaffen der Vorlagen für das Modelbuch wirklich 
der Hilfe des Pastors in einer Werkstätte, die wahrscheinlich großenteils auf dem Druck von 
Modeln, wenn auch für Kleiderstoffe, beruhte? Die beiden Buchstaben haben jedenfalls eine 
harmlosere Bedeutung. Vielleicht sind sie zu lesen „New Hergericht“ oder sie sind, da sie 
unmittelbar vor Anno domini 1525 stehen, eine nähere Zeitangabe, etwa „Nach Himmelfahrt“. 
Die Buchstaben N. H. fehlen denn auch in den späteren Ausgaben, so in der von 1526, von 
der die Berliner Kunstbibliothek das einzig bekannte Exemplar besitzt. Im nächsten Jahre 


Lotz: Die Entstehung der Modelbiicher 51 


wird das Buch nochmals gedruckt. Die Ratsbibliothek 


in Zwickau barg früher einen Abdruck dieser Ausgabe, 4 
auch in Rudolph-Weigels Kunstlager-Katalog, Abtei- 
lung 25, Leipzig 1853, ist sie erwähnt. Es läßt sich 
aber jetzt von ihr kein Exemplar mehr nachweisen. 
Während alle bisherigen Ausgaben mit ziemlich 


gleichem Titel und derselben Holzschnitteinfassung ge- 
druckt worden waren, erscheint im Jahre 1529 eine 


neue Auflage mit demselben Inhalt, aber ohne Titel- _ 
holzschnitt und mit verändertem Titelsatz (Bild 9). Bis- 
lang war von dieser Ausgabe nur ein Abdruck bekannt, 
früher im Besitze des Architekten Hippolyte Destailleur 


in Paris, dann in der Sammlung C. Fairfax Murray in 


London. Jetzt kann sich auch die Staatliche Kunst- 4 
bibliothek in Berlin riihmen, ein Exemplar ihr eigen 
zu nennen. | 
Die Ausgabe von 1529 ist ohne Angabe von Ort 7 
und Drucker erschienen wie schon die von 1526 und, 1 
nach dem Weigelschen Katalog zu schließen, wahr- 


scheinlich auch die von 1527. Die Worte des Titels 
sind, abgesehen von dem Initial-E gesetzt mit Schón- 
spergerschen Typen, der Schrift des Grebetbuches 


Kaiser Maximilians und der Teuerdankschrift, die aller- 
dings beide auch in der Zwickauer Druckerei benutzt 
wurden. Die Buchstaben der Bogensignaturen sind 
ebenfalls der Teuerdankschrift entnommen wie auch 


die Signaturen der ersten und zweiten Ausgabe des 

Augsburger „Furm oder modelbuchleins“, während die Bild 10. Ein ney Furmbiichlein 
Signaturen des Grastelschen Buches von 1525 und 1526 

andere Typen zeigen. Auch das Papier des „Model Büchli“ von 1529 ist verschieden von 
den früheren Ausgaben, dagegen weist es das gleiche Wasserzeichen, ein gotisches p mit 
Vierpaß darüber, auf, wie die beiden ersten Ausgaben des Ausgsburger Modelbuches und des 
im Jahre 1524 von Schönsperger in Augsburg gedruckten Neuen Testaments. 

Daher werden die Ausgaben von 1526 und 1527 mit der alten Holzschnitteinfassung 
wie die von 1525 auch in Zwickau erschienen sein, aber die neue Ausgabe von 1529 mit 
der geschlossenen Form des Titelsatzes, die hierin dem ersten Schönspergerschen Modelbuch 
ähnelt, und mit dem Teuerdankschnörkel wird von Johannes Schönsperger in Augsburg ge- 
druckt worden sein. Dafür spricht auch die süddeutsche Wortform „Büchli“ und der Fort- 
fall der Titeleinfassung mit dem Zwickauer Wappen, das eben für einen Augsburger Druck 
nicht mehr angebracht war. Auch stimmt damit überein, was wir ferner von der Geschichte 
der Zwickauer Druckerei wissen, die Schönsperger bald wieder verkaufte, wahrscheinlich im 
Jahre 1527, nachdem sich bereits vom ı. Januar bis 30. Mai das Geschäft vorübergehend in 
anderem Besitze befand, also gerade zu der Zeit, als Grastel das Modelbuch herausbrachte, 
dessen Vorbereitung aber doch wahrscheinlich schon Monate zurückgelegen hat. Nach der 
abermaligen Geschäftsübernahme Schönspergers am 30. Mai 1525 scheint Gastel die Druckerei 
sofort verlassen zu haben. 

Für Schönsperger war die Gründung der Zwickauer Druckerei und besonders die Er- 
richtung der Papiermühle der Anlaß zur Zerrüttung seiner Vermögensverhältnisse. Schon 
aus dem Jahre 1525 hören wir, daß ihn einer seiner Gläubiger beim Rate der Stadt Leipzig 
verklagt, der Mittwoch nach Trinitatis 1526 gegen ihn auf die Acht erkennt, d.h., es wird 
ihm das Betreten der Stadt Leipzig verboten. Diese jahrelang dauernden Geldverlegenheiten 
waren vielleicht auch die Ursache, daß Schönsperger auf den seit etwa 1525 aus seinen 
Pressen hervorgehenden Büchern seinen Namen unterdrückte oder versteckte, um sie bei der 
Versendung der Beschlagnahme seiner Gläubiger zu entziehen. Nach dem „Model Büchli“ 
von 1529 ist ein Druck Schönspergers nicht mehr bekannt. Um diese Zeit mag sein Sohn 
Hans, also der dritte dieses Namens, gestorben sein, denn von 1530 an ist letzterer im Augs- 
burger Steuerregister nicht mehr verzeichnet. Und der Vater, d. h. unser Schönsperger II., 
dessen Name hier bisher noch zu finden war, allerdings ohne Steuerbetrag, hält sich von 
1532 bis 1549 in Schwabmünchen bei Augsburg auf, wie dasselbe Steuerbuch meldet. Aber 


52 Lotz: Die Entstehung der Modelbücher 


er „darff fur ſchulden nicht ynn die Statt“ (Augs 
burg), lesen wir in einem Briefe an den oben schon 
erwähnten Stadtschreiber Roth in Zwickau. Es ist 
anzunehmen, daß Johannes Schönsperger IL im 
Jahre 1549 gestorben ist. 

Wie wir schon gesehen haben, befinden sich 
die Holzstöcke des Schönspergerschen „Furm oder 
modelbuchleins“ später im Besitze des Druckers 
Heinrichs Steyner in Augsburg, der wohl auch die 
gesamten Schriften und die anderen Holzformen 
der Druckerei Schönspergers übernommen hatte. 
Nach Steyners Tode gelangt das meiste von dessen 
Schriftgerát und Druckformen an Christian Egenolff 
in Frankfurt a. M., anderes an Nicolaus Bassaeus 
ebendaselbst, einen aus Valenciennes gebürtigen 
Buchdrucker. Dieser veranstaltet im Jahre 1571 
eine neue Ausgabe des Zwickauer Modelbuches: 
„New Modelbüch. Von allerhandt Art Nehens und 
Stickens, jetzt mit viellerley Welscher Arbeyt, 
Mödel und Stahlen, allen Steinmetzen, Seiden- 
stickern und Neterin, sehr nützlich und kunstlich, 
von newem zugericht“. Im Jahre 1588 mischt 
Bassaeus Holzschnitte aus diesem Buch und aus 
einem 1534 bei Steyner herausgekommenen zu 
einem neuen Werkchen zusammen. Und endlich 
gibt er im Jahre 1599 noch ein Modelbuch heraus, 
in dem zum letzten Male Abzüge von einzelnen 

Bild 21. Ein ney Furmbüchlein der alten, jetzt schon recht abgenutzten Holz- 
stöcke erscheinen. 

Zeitlich und örtlich schließt sich den vorher beschriebenen Modelbüchern ein ebenso 
seltenes Holzschnittwerk an. Bekannt ist von ihm je ein Abdruck in der Bibliothèque Na- 
tionale in Paris und in der Sammlung C. Fairfax Murray in London, letzterer ebenfalls aus 
der Bibliothek Destailleur stammend, aber beide lückenhaft. Jedoch ist es der Staatlichen 
Kunstbibliothek in Berlin jetzt gelungen, ein ganz vollständiges Exemplar in ihren Besitz zu 
bekommen. Das Buch trägt den kurzen Titel „Ein ney || Furm || büch- || lein ||“ (Bild 10) und 
besteht aus 20 Blatt Kleinquart, von denen das letzte leer ist. Wenn auch in der Benennung 
an die oben beschriebenen Modelbücher, in denen es sich nach Titel und Vorlagen um Textil- 
muster handelt, anklingend, zeigt sein Inhalt doch einen anderen Charakter, denn als Vor- 
lagen für Stickerei könnten hier zunächst nur 16 Seiten mit Aufschriften angesprochen werden. 
Die Buchstaben haben die gleiche Form wie die des Titels, denn letzterer ist nicht aus 
Drucktypen gesetzt worden, sondern gleichwie das ganze Buch in Holz geschnitten. Es ist 
eine breite, wirkungsvolle Bruchschrift, auf Grundnetz gezeichnet, drei Zeilen auf jeder Seite. 
Der Text dieser Aufschriften ist einigen Stellen des Evangeliums Johannis entnommen, wird 
aber merkwürdigerweise mitten im Satze von einer Seite einzelner Großbuchstaben unter- 
brochen und hört dann auch auf, ohne den letzten Satz zu Ende zu führen. Es liegt die 
Übersetzung Luthers vor, doch zeigt sich, daß Wortformen und Schreibweise weniger der 
ursprünglichen Wittenberger Ausgabe von 1522 als vielmehr ziemlich genau dem Nachdruck 
des Neuen Testaments vom Jahre 1523 bzw. 1524 entsprechen, den Johannes Schönsperger 
der Jüngere in Ausgsburg veranstaltete. Aber den Hauptteil des Buches, 20 Seiten mit un- 
gefähr 75 Einzelmustern, bildet im Gegensatz zu den meist geometrischen Webvorlagen der 
früheren Modelbücher, die sich keinem der architektonisch-plastischen Zeitstile einfügen wollen, 
Frührenaissance-Ornament, gelegentlich mit Überbleibseln aus gotischer Zeit: Friese und 
grotteskenartige Bildungen. Gewöhnlich symmetrisch gestellte Vasen, Füllhörner, Tierschädel, 
Masken, Adler, Delphine und Mischgestalten sind die Bestandteile, aus denen sich in Ver- 
bindung mit Blatt- und Rankenwerk die Zierformen zusammensetzen. Sie sind in Anlage 
und Einzelheiten oberitalienischen graphischen Vorbildern abgelauscht, sofern sie nicht auf 
Zeichnungen nach ausgeführten italienischen Ornamenten zurückgehen. 

Der deutsche Meister, der sich in unserem Musterbuch vorstellt, scheint die fremden 
Formen immerhin selbständig und mit eigenem Stilgefühl für Flächenschmuck zu verarbeiten. 


Lotz: Die Entstehung der Modelbiicher 53 


Die Ornamente sind als Schattenrisse auf ge- 
punktetem oder gestricheltem Grund gegeben, 
dessen Linien nicht wie die Grundnetzfäden senk- 
recht zur Umrahmung, sondern schräg zu ihr ver- DR || 
laufen und wohl auch kein Gewebe abbilden sollen. U 


Ae Ce IS 
So sieht der Grund, von dem sich die Ornamente S Eyn new Kim ‘= 
lch doich / dar yn. C. vnd. rrreg fis EE 


n 


A N 


schwarz abheben, wie genarbt aus (Bild 11). | euren / monſter a ftalen befonden, | 
Sollten wir es hier vielleicht mit Abbildungen PAV AS F wiemanna der rechter art / Lauffer 
S E g y 2 mer / Spanſche ſtiche / mitder ná: 
nach Hochätzungen auf Eisen zu tun haben, wie F/ 2 nent vp der Ramen / vnd vp der 
sie an Waffen, Kassetten u. a. ausgeführt wurden, 3 Y laden/borden wircfenn ſalf / wildye 
e gd alen all Go famen verbeffert ſynt / 
etwa aus der Werkstatt der Hopfer in Augsburg? EYA ondo! kunſtlicher gemacht / d dpe 
Denn die Grottesken und Friese stammen aus Je doen a Serenughd dag apen 
- y ` Kä ſucker / frauwen. ionfferen/vnd met] El 
dem gleichen Formenschatz, aus dem Daniel 5 J ger / dar of ſolch kunſt lichtuch zu E 
Hopfer schöpft, dessen ornamentales Schaffen i | ge ASI 
. D i ` : en 
uns aus Buchschmuck und Einzelblättern bekannt JÄ Soemboff seid Dar amd 5 


ist, wenn auch in diesem ,,Furmbiichlein“ die 3 Anm. m. ©. FEI? 
Ornamente vergröbert erscheinen, wahrscheinlich i e 
durch die Hand des Nachzeichners. So kommen 
z. B. zwei Ausschnitte aus der Titeleinfassung 
Hopfers fiir Peutingers Chronik des Abts von 
Ursberg vom Jahre 1516 als Schwarzornamente 
hier wieder vor. Aber auch eine Tartsche, auf- 
bewahrt in der Armeria Real in Madrid, bezeich- 
net als Werk Daniel Hopfers vom Jahre 1536, 
zeigt in ihren Ätzmalereien ganz ähnliche Ge- 
staltungen wie die Ornamente unseres „Furm- 
biichleins“. Wir sehen also, daß die Zweckbe- 
stimmung dieses Modelbuches nicht so eng be- Bid 12. Eyn new kunstlich boich. Köln 1527, Peter Quentel 
grenzt war wie bei den vorhergehenden; es bringt S 

Vorlagen für kunstgewerbliche Arbeiten verschiedener Art wie Atzmalereien, Holzschnitzereien 
usw., die natürlich auch als Muster für Stickereien zu gebrauchen waren. 

Nachdem wir für die Schriftvorlagen und die Ornamente Beziehungen zu Augsburg fest- 
gestellt haben, gilt es, Drucker und Erscheinungsjahr ausfindig zu machen. Die Typen des 
Titels können keinen Aufschluß geben über die Presse, aus der das Buch hervorging, da sie 
ja in Holz geschnitten sind, und so können nur die Buchstaben der Bogensignaturen zur 
Untersuchung herangezogen werden, da sie das einzige mit Lettern gesetzte in dem Buche 
sind. Und es zeigt sich, daß auch hier die Teuerdankschrift verwendet wurde wie in den 
von Johannes Schönsperger gedruckten Modelbüchern. Außerdem ist das Buch auch wieder 
auf Papier mit dem gotischen p und dem Vierpaß darüber gedruckt, das wir bereits bei 
verschiedenen Werken Schönspergers gefunden haben. Wir werden demnach auch dieses 
„Furmbüchlein“ unbedenklich als Erzeugnis der Augsburger Druckerei des Johannes Schöns- 
perger des Jüngeren bezeichnen können. 

Die unterste Füllung der vorletzten Seite durchschlingt ein Band, auf dem dreimal je 
zwei Buchstaben, weiß auf schwarz, hervortreten: V. M. oder A., H. M. und J. S., die wohl 
als Monogramme aufzufassen sind (Bild 11). In dem ersten und zweiten sind vermutlich die 
Namen von Formschneider und Zeichner verborgen, und dann könnte das letzte Monogramm 
Johannes Schönsperger bedeuten, der, wie wir sahen, nach 1524 auf den von ihm gedruckten 
Werken seinen vollen Namen verschwinden läßt. 

Wahrscheinlich hat Schönsperger dieses Buch zum Unterschiede von seinem „Furm oder 
modelbuchlein“, das spätenstens 1527 erschienen sein kann, ein „ney“ Furmbüchlein genannt. 
Und da sich herausstellt, daß ein Teil seiner Ornamente und die Schrift als Vorbild für das 
Quentelsche Modelbuch von 1529 benutzt wurde, müßte das Erscheinungsjahr zwischen 1527 
und 1529 liegen. 

So sind wir bei der Betrachtung des Entstehens und der weiteren Entwicklung des 
Modelbuches im dritten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts fortdauernd der Persönlichkeit des 
Johannes Schönsperger des Jüngeren begegnet, dessen Verdienste auf diesem Gebiete bisher 
noch nie gewürdigt worden sind. Auch hat er Gewinn aus seiner Rührigkeit anscheinend 
nicht gezogen. Dagegen haben andere Herausgeber von Modelbüchern seine Gedanken und 
Arbeiten fleißig zu verwerten gewußt. Sein stärkster Nutznießer war der schon mehrfach 


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54 Lotz: Die Entstehung der Modelbiicher 


erwahnte Kolner Drucker 
Peter Quentel. Sein erstes 
Werk dieser Art (Bild 12), 
das noch von Lichtwark in 
seinem ,,Ornamentstich der 
deutschen Frührenaissance“, 
Berlin 1888, als das erste 
Modelbuch geriihmt wurde, 
ist im ganzen eine Nach- 
ahmung des Zwickauer Bu- 
ches. Es bringt die näm- 
lichen 7 Seiten Muster fiir 
S Y e Holbeinstich, 27 Seiten Web- 
SS muster und 3 Seiten Alpha- 
Lé d BEST Zë bete auf Netzgrund, natür- 
<A E: Ta~ "Ad lich in Nachschnitten. Auch 
PBS SF SANG AN wa Ze einige Muster der ersten 
ER NS 2 — 0 Ausgabe des Augsburger 
Bild 13. Eyn newe kunstlich moetdelboech. Köln 1529, Peter Quentel a 585 D 
wurde, nachgeschnitten worden. Zu diesen Kopien tritt nun allerdings noch etwas Neues von 
Bedeutung hinzu, nämlich 5 Seiten mit 11 Füllungen als Ersatz der Cranachschen Borten des 
Zwickauer Buches. Sie bestehen meist aus Rankenwerk von Laub, Blüten und Früchten, 
naturalistisch gefaßt und ganz aus gotischem Kunstempfinden geschaffen, eine auffällige Er- 
scheinung im Ornamentstich der deutschen Frührenaissance, die aus dem in jener Zeit zu Köln 
betriebenen Kunstgewerbe zu erklären ist. Dort wurden seit dem Ausgange des 15. Jahrhunderts 
Steinzeugkrüge, geschmückt mit ähnlichem Rankenwerk, hergestellt, und gerade gegen Ende 
der zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts stand ihre Fabrikation in höchster Blüte (Otto von 
Falke. Das rheinische Steinzeug. Berlin-Schöneberg 1908). Es ist also das Ornament dieser 
Füllungen des Quentelschen Modelbuches im Motiv der Kölner Krugbäckerei entlehnt. Schon 
Lichtwark schrieb diese Rankenfriese dem Anton Woensam von Worms zu, der für Quentelsche 
Drucke als Holzschnittzeichner tätig war. Von seiner Hand rührt auch die Titeleinfassung her, 
die nach dem Vorbilde der des Zwickauer Buches entstanden ist, ebenso das Kölner Wappen 
auf der Rückseite des Titels bzw. das Bildnis Karls V. in einer anderen Auflage. 

Auch das von Quentel im Jahre 1529 gedruckte Buch in kleinem Querformat, betitelt: 
„Eyn newe kunftlich moetdelboech .: .“, holt, abgesehen von einer Anzahl Rankenborten der- 
selben Art wie die soeben beschriebenen (Bild 13), seine Muster aus anderen Werken her. 
Das trifft vor allen Dingen zu bei den 19 Seiten Webmustern, die bis auf zwei Vorlagen der 
zweiten Ausgabe des Schonspergerschen „Furm oder modelbuchleins“ nachgeschnitten sind. 
Die dritte umfangreiche Gruppe von Mustern besteht aus Schwarzornamenten, die zwar nicht 
alle, jedenfalls aber eine ganze Reihe recht charakteristischer auf Motive des „Neyen Furm- 
büchleins“ zurückzuführen sind. Es handelt sich hierbei allerdings keineswegs um gedanken- 
lose Nachschnitte eines unbedeutenden Formschneiders, vielmehr hat ein Künstler eigenen 
Geprages die dort empfangenen Anregungen auf seine Weise verarbeitet. Aber diese Neu- 
schöpfungen stehen durch bisweilen stilwidrige Hinzufügungen oder durch Verzerrungen in 
die Breite — wegen des anderen Formats — den ursprünglichen Ornamenten an derber 
Frische und Straffheit des Ausdrucks nach (Bild 14). Die Schwarzornamente des Quentel- 
schen Buches, die hier ohne schraffierten Grund erscheinen, sind wahrscheinlich als Muster 
für Holzeinlegearbeiten gedacht. Das besagen wohl auch die Worte des Titels „zo brauchen 
fur Inytzeller“. Verschiedene Eigentümlichkeiten im Stil dieser Ornamente lassen auch bei 
ihnen auf Anton Woensam als deren Urheber schließen. Und so wird das Titelbild, auf dem 
man drei Frauen webend und stickend und einen Mann mit dem Schnitzmesser an einer Holz- 
platte arbeitend, ferner ein paar den obigen ähnliche Zierleisten erblickt, ebenfalls von Anton 
Woensam stammen. Den Schluß dieses zweiten Musterbuches von Peter Quentel bilden vier 
Seiten Alphabete, von denen drei der Schrift des Schönspergerschen ,neyen Furmbüchleins“ 
nachgemacht sind, aber ihre Züge erscheinen gegenüber der schwungvollen Vorlage lang- 
weilig und trocken. l 9 l 

Die zwei Kölner Bücher müssen eine weite Verbreitung erlangt haben: sie sind beide 
in mehreren Auflagen gedruckt worden, das erste Buch sogar in einer Ausgabe mit franzö- 


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Lotz: Die Entstehung der Modelbiicher 55 


sischem Titel, auf dem sich 
Quentel „Pierre Quinty“nennt, 
bestimmt für den Vertrieb in 
Frankreich, wo damals Stick- 
musterbücher noch unbekannt 
waren. Und wohl meist durch 
ihre Vermittlung gingen die 
ursprünglichen Muster, beson- 
ders die des Zwickauer Werks, 
auf dem Wege des Nach- 
schnittes in weitere Model- 
bücher über. So sehen wir 
sie in beträchtlicher Anzahl 
in dem 1545 in Augsburg 
herausgekommenen Buch 
„Ain New Formbuech'len der 
Weyſſen Arbeyt“ des Brief- 
malers Hans Hofer, das im 
Jahre 1562 bei Weygand Han 
und Georg Rab in Frankfurt a. M. eine Neuauflage erlebt. Auch Willem Vorsterman in Ant- 
werpen greift in seinem wohl zwischen 1530 und 1540 ausgegebenen Modelbuch, das in zwei 
Ausgaben mit französischem und englischem Titel erschien, auf die alten Muster zurück. Sein 
Buch ahmt in Titelsatz, Titeleinfassung und Inhalt das Quentelsche Werk von 1527 nach. 

In Italien bringen die beiden ersten dort erschienenen Modelbücher u. a. Zwickauer 
Muster: Giovanni Antonio Tagliente in seinem „Esemplario nuovo che insegna a le donne 
a cufcire, a raccamare, et a difegnare a cialcuno“, Venedig 1527, mindestens in der Auflage 
von 1531, und in stärkerem Maße Nicolo Zoppino in seinem „Esemplario di lavori“, Venedig 
1529. Etwa um 1532 gibt der Drucker Alessandro Paganino in Toscolano, einem kleinen 
Orte am Gardasee, ein merkwürdiges Heft heraus als Beigabe zu den vier Teilen seines Stick- 
musterbuches, welch letzteres mit der wenig veränderten Titeleinfassung des Quentelschen 
Werkes von 1527 erschien und u. a. auch die allbekannten deutschen Webmuster brachte. 
Diese Beilage ist betitelt „Burato“, womit ein lockeres, zum Sticken geeignetes Gewebe be- 
zeichnet wurde, und bildet unter einer längeren Erklärung auf dem Titel das Gemach mit 
den vier stickenden und webenden Frauen ab, das wir schon von der ersten Ausgabe des 
Schönspergerschen „Furm oder modelbuchleins“ her kennen. Durch dieses Werkchen mit 
den halbleeren Seiten ist Paganino auf den Gedanken gekommen, nun seinerseits ein solches 
Skizzenbuch herzustellen, denn nach dem Titel bringt er in diesem Buch auf 37 Seiten nur 
Grundnetze mit weiteren oder engeren Maschen ohne jedes Muster. Noch im Jahre 1564 
tauchen die Webmuster des Zwickauer Buches in einigen Modelbüchern auf, die Domenico 
de Franceschi in Venedig mittels alter Formstöcke des Zoppinoschen Verlages zusammen- 
stellte. Selbst ein paar Nachschnitte nach der zweiten Ausgabe des Schönspergerschen Buches 
finden sich hier. 

Auch in Frankreich werden die deutschen Muster kopiert. Der Lyoner Drucker Claude 
Nourry bemächtigt sich ihrer und macht um 1530 zwei Bücher aus ihnen, das eine mit der 
Quentelschen Titeleinfassung von 1527, das andere mit der des Gastelschen Buches. Letzteres 
bringt auch einige Seiten nach der ersten Ausgabe des Augsburger Buches. Die Muster 
fanden auch im fremden Lande Gefallen, denn beide Teile wurden von Pierre de Saincte 
Lucie, dem Nachfolger Nourrys, im Laufe der nächsten Jahre neu gedruckt. 

Wir sahen, daß auf dem Gebiete des Modelbuchdruckes die Führung seit Beginn bis 
gegen das Jahr 1530-in den Händen Johannes Schönspergers des Jüngeren lag. Hierauf geht 
sie in Deutschland an Christian Egenolff, den ersten ständigen Drucker zu Frankfurt a. M., 
über, der bis zu seinem 1555 erfolgten Tode, wie aus den erhalten gebliebenen Abdrucken 
oder aus Spuren zu schließen ist, mindestens fünf verschiedene Modelbücher veröffentlichte, 
die dann von seinen Erben zum Teil wieder gedruckt wurden. Die Stickmuster, die mit 
sehr wenig Ausnahmen stets den Hauptbestandteil der deutschen Modelbücher ausmachten, 
wurden in Italien bald durch Vorlagen für andere Techniken abgelöst. Zunächst wendet 
sich das Interesse von den aus Deutschland eingeführten geometrischen Webmustern ab, 
freiere Ornamentbilduugen werden bevorzugt, hierbei auch die Maureske, die bereits in dem 
ersten italienischen Modelbuch von Tagliente eine Rolle spielt. Seit 1542 erscheinen Muster 


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Bild 14. Een newe kunstlich moetdelboech. Köln 1529, Peter Quentel 


56 Reinwald: Zwei weitere Einbände von Jakob Krauße zu Zweibrücken 


für Durchbrucharbeiten, die Vorläufer der echten Spitze, und im Jahre 1550 zeigt der Drucker 
Matthio Pagano zu Venedig in seinem „L’honesto essempio“ die ersten Spitzenmuster. Andere 
Bücher folgen. Venetianische Musterzeichner und Verleger wetteifern in der Herstellung 
dieser kostbaren Ornamentwerke, die gegen Ende des Jahrzehnts zu höchster Blüte gelangt. 
Aber erst später, im Jahre 1591, ersche.nt das am weitesten in vielen Auflagen verbreitete 
und bekannteste Werk, die „Corona delle nobili et virtuose donne“ des Cesare Wecellio in 
Venedig. Auch in anderen Stätten werden jetzt Spitzenmusterbücher gedruckt, so in Florenz, 
Siena, Rom usw., doch gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts versickert der Strom infolge 
der veränderten Geschmacksrichtung. 

Anders in Deutschland, wo die Spitze in den Modelbüchern nie zu großer Bedeutung 
gelangt ist. Erst um das Jahr 1600 erscheinen in Nürnberg die beiden vielgenannten Bücher 
des Johann Sibmacher, die neben anderen Vorlagen auch einige Spitzen bringen, die aber 
nichts Neues bieten. Es sind die ersten Modelbúcher, die nicht, wie bisher, von Holzstöcken 
gedruckt wurden, sondern von Kupferplatten, auf die Sibmacher die Muster radiert hatte. Das 
ganze 17. und 18. Jahrhundert hindurch werden in Deutschland immer wieder neue Vorlagenwerke 
geschaffen, aber fast nur mit Stick- oder Strickmustern. Das Format wird größer, und am Ende 
des 18. Jahrhunderts beginnt man, Bücher auch mit farbigen Mustern herauszugeben. Und im 
19. Jahrhundert führt die Entwicklung schließlich zu unseren zeitgenössischen Handarbeitsbüchern. 

Gegenüber diesen beiden für die Herstellung der Modelbücher hauptsächlich in Betracht 
kommenden Landern ist in Frankreich nebst dem heutigen Belgien und in England verhält- 
nismäßig wenig geschaffen worden, und aus den anderen Ländern ist auf diesem Gebiete 
überhaupt nichts bekannt. In Frankreich erreichte den größten Erfolg, der auch wohlverdient 
war, das 1587 in erster Auflage zu Paris erschienene Buch des Federico Vinciolo, „Les 
singuliers et nouveaux pourtraicts pour toutes sortes d’ouvrages de lingerie“, Filet- und 
Spitzenmuster enthaltend, aber der Zeichner dieser kunstvollen Ornamente ist kein Franzose, 
sondern ein Venetianer. 


ZWEI WEITERE EINBÄNDE VON JAKOB KRAUSSE 
IN DER GYMNASIALBIBLIOTHEK 
ZU ZWEIBRÜCKEN 


VON IGNAZ REINWALD IN ZWEIBRÜCKEN 


Mit zwei Bildern 


auch elf Einbände des sächsischen Hofbuchbinders Jakob Krauße zu ihren Einband- 

schätzen. Neuerdings gelang es mir, zwei weitere Einbände aus der Werkstatt Jakob 
Kraußes festzustellen. Diese gehörten, wie die anderen elf Bände, zur Bibliothek des Pfalz- 
grafen Karl, dessen Namenszug sie auf dem Titelblatt tragen. 

Da für die Bestimmung der Einbände einige Daten aus dem Leben des Pfalzgrafen 
erforderlich sind, so sei darüber folgendes gesagt: 

Pfalzgraf Karl — geboren 1560 zu Neuburg a. D. — war der jüngste Sohn des Pfalz- 
grafen Wolfgang von Zweibrücken-Veldenz, dessen Name in der Geschichte bekannt ist durch 
seinen zur Unterstützung der Hugenotten unternommenen Feldzug nach Frankreich, bei dem 
er 1569 den Tod fand. Im Jahre 1573, also im Alter von dreizehn Jahren, wurde Pfalzgraf 
Karl an den sächsischen Hof nach Dresden geschickt, wo er mit dem Sohne des Kurfürsten 
August von Sachsen, Herzog Christian, in freundschaftlichen Verkehr treten sollte“. Der Prinz 
hielt sich einige Jahre am sächsischen Hof auf. Dann begab er sich an den Hof des Kur- 
fürsten Ludwig VI. von der Pfalz und schrieb sich am 27. November 1579 in das Matrikel- 
buch der Heidelberger Universität ein. 1584 überließ ihm sein Bruder Johann I. die halbe 
hintere Grafschaft Sponheim mit Birkenfeld. Dort befand sich auch die von ihm angelegte 


D: Bibliothek des Gymnasiums zu Zweibrücken zählt, wie ich jüngst feststellen konnte), 


1 Archiv für Buchbinderei 25. Jg. 1925. S. 57—59. (Heft 8.) 

2 Vgl. dazu und zum folg.: Friedrich Schmidt, Geschichte der Erziehung der Pfälzischen Wittelsbacber. Berlin 
1899 = Monumenta Germaniae Paedagogica Bd. XIX, S. XCV f. Den Hinweis auf dieses Buch verdanke ich der 
Liebenswürdigkeit von Herrn Prof. Dr. Albert Becker, Zweibrücken. 


Reinwald: Zwei weitere Einbände von Jakob Krauße zu Zweibrücken 57 


Bibliothek, die von sei- 
nen Nachfolgern ver- 
größert wurde. Nach 
dem Aussterben der äl- 
teren Birkenfelder Linie 
fiel die Bibliothek (wie 
das Land) an die jün- 
gere Linie, die in Bisch- 
weiler im Elsaß ihre 
Residenz hatte. Sie 
wurde mit der dortigen 
Bibliothek vereinigt?. Im 
Jahre 1752 kam sie dann 
durch Herzog Christian 
IV. in seine Residenz 
nach Zweibrücken als 
fürstliche Bibliothek. Im 
Jahre 1806 wurde sie 
mit der Gymnasialbibli- 
othek raumlich vereinigt 
und im Jahre 1816 end- | 

gültig der Gymnasialbi- Bild ı 

bliothekzuZweibrücken 

einverleibt? So kommt es, daß die Zweibrücker Gymnasialbibliothek etwa 20000 Bände 
ihr eigen nennt, darunter eine im Verhältnis ansehnliche Zahl von Inkunabeln. 

Nun zu den beiden Einbänden. Während der eine von ihnen mit der Sig. 3103 (Bild ı) 
auf dem Hinterdeckel den Namen des Kurfürsten August von Sachsen trägt und so auf seine 
sächsiche Herkunft hinweist, fehlt dieses Kennzeichen dem anderen Bande mit der Sig. 3401 
(Bild 2). Der Hinterdeckel trägt nämlich den Namen des Pfalzgrafen Karl und die Jahres- 
zahl [15]78. Daß wir aber trotzdem einen sächsischen Einband vor uns haben, das ergibt 
— schon rein äußerlich betrachtet, ohne Berücksichtigung der anderen dafür sprechenden 
Momente — ein Vergleich der beiden Bände. Sie zeigen eine so auffallend ähnliche Kom- 
position, namentlich im Mittelfeld, daß man sie als aus einer Werkstatt stammend ansehen 
muß, zumal die Einbände fast zur gleichen Zeit (1577 bzw. 1578) hergestellt wurden. Die 
sichere Feststellung der naheliegenden Vermutung, daß es sich um Einbände des sächsischen 
Hofbuchbinders Jakob Krauße handelt, ergibt sich allerdings erst aus einer genauen Ver- 
gleichung der einzelnen Stempel mit dem gesicherten Stempelmaterial, das Christel Schmidt 
in ihrem Werk: Jakob Krauße. Ein kursächsischer Hofbuchbinder. Leipzig 1923, gesammelt hat. 

Der Band Sig. 3103 ist ein Buch mit dem Titel: Evangeliorum Dominicalium Expositio 
pia, diligens et ingeniosa, in qua... von Paul Eber, auf dem Einband kurz mit „Postilla“ 
bezeichnet, gedruckt zu Frankfurt a. M. 1576. Er ist in braunes Kalbleder gebunden und hat 
eine Größe von 173X100 mm. 

Die Deckel zeigen zwischen zwei Goldlinien eine aus einem Einzelstempel (schraffierte 
Rosette mit stilisiertem Blattwerk) zusammengesetzte breite Bordüre und in den Ecken des 
Mittelfeldes Eckornamente mit Bandwerk und Mauresken. 

In der Mitte des Vorderdeckels stehen in einem Kreis, der von einem Kranz von kleinen 
V-Stempeln, die mit der Spitze nach außen weisen, umgeben ist, die Worte: POSTILLA. 
D. PAVLI. EBERI. 1577. Oberhalb und unterhalb des Kreises ist ein großer schraffierter 
Stempel eingepreßt. Das Ganze ist zusammengefaßt durch eine Bogenkartusche, deren Grund 
durch feine Punkte ausgefüllt ist. In den vier nach außen offenen Rundungen der Kartusche 
befindet sich je ein Sechsringstempel und an ihrer Spitze oben und unten ein kelchartiger Stempel. 

Entsprechend ist der Hinterdeckel in seiner Verzierung. Er trägt in einem Kreis die 
Inschrift: AVGVSTVS. D. G. DVX. SAXO: ET ELECTOR. Die Inschrift und die zusammen- 


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1 Vgl. zum folg.: Rudolf Buttmann, Geschichte der Gymnasialbibliothek zu Zweibrücken. Zweibrücken 1898. S. 31. 

2 Über den Bestand der Fürstlich Pfalz-Birkenfeldischen Bibliothek zu Bischweiler unterrichtet uns ein in der 
Gymnasialbibliothek zu Zweibrücken unter Kat. Nr. 23 aufbewahrter handschriftlicher alphabetischer Katalog aus dem 
Jahre 1722, der durch den Fürstlich Pfalz-Birkenfeldischen „Archivarium und Bibliothecarium“ Hermann Bernhard 
Patrick begonnen wurde. 

3 Das Nähere bei Buttmann a. a. O., S. 34 ff. 


58 Reinwald: Zwei weitere Einbände von Jakob Krauße zu Zweibrücken 


hängende äußere Bordüre 
findet sich auch auf ande- 
ren Einbänden Kraußes, 
siehe z. B. Bogeng, Die 
großenBibliophilen.Leip- 
zig 1922. Band II, Abb.1 53. 
Das Buch ist auf vier 
echte Bünde geheftet. 
Die durch sie bedingten 
fünf Rückenfelder zeigen 
verschiedeneVergoldung: 
einfache Linien, Ranken- 
linien und den Decken- 
bordürenstempel (schraf- 
fierte Rosette mit stili- 
siertem Blattwerk). Die 
Deckel haben Stehkan- 
tenvergoldung und zwar 
sind die Stehkanten mit 
einem breiten S-förmigen 
Bild 2 Rankenstempel (wahr- 
scheinlich E 45 auf Taf. 56 
bei Schmidt a. a. O.) verziert, so daß der Stempel nur teilweise wiedergegeben ist, da er 
breiter als die Kante ist, während sonst die Kanten mit einer schmalen S-förmigen Ranke 
geschmückt sind!. Das Kapital ist schwarzgelb umstochen, wie bei fast sämtlichen Krauße- 
bänden?. Hervorragend schön ist der Goldschnitt mit einem eingepunzten Blütenrankenmotiv, 
ähnlich dem auf Taf. 32 bei Schmidt a. a. O. abgebildeten Schnitt. Auf dem Vorderschnitt 
befindet sich das kleine sächsische Wappen in den Farben Gold, Schwarz, Rot. 

Sämtliche Einzelstempel (E) und die Platten (P) sind bei Schmidt a. a. O. abgebildet. Im 
einzelnen sind es ES, 24, 32, 35, 40, 45 (1), 63, 90, 102, 114 und P 19. 

Der zweite Band mit der Sig. 3401 ist ein Sammelband mit Schriften. Er ist ebenfalls 
in braunes Kalbleder gebunden und hat eine Größe von 165 X 100 mm. 

Der Einband ist, wie schon oben erwähnt, dem des ersten Bandes sehr ähnlich. Die 
Deckel zeigen zwischen je zwei Goldlinien eine breite S-formige Rankenrolle und in den 
Ecken des Mittelfeldes Eckornamente mit Bandwerk und Mauresken. In der Mitte des Vorder- 
deckels stehen in einem Kreis, der von einem Kranz von kleinen V-Stempeln, die mit der 
Spitze nach außen weisen, umgeben ist, die Worte: FVRSTLICH: TROSTSPIG:. Oberhalb 
und unterhalb des Kreises befindet sich ein schalenartiger Einzelstempel (bei Schmidt a. a. O. 
nicht abgebildet), über dem eine Lilie steht. Das Ganze ist zusammengefaßt durch eine 
Bogenkartusche, deren Grund mit feinen Punkten übersät ist. An der Spitze oben und unten 
schließt sich ein kelchartiger Stempel an wie beim ersten Band. Auch der Sechsringstempel 
in den Rundungen der Kartusche kehrt wieder. 

Der Hinterdeckel ist entsprechend verziert. Er trägt die Inschrift: V. G. G. CARL. 
PFALZ 7 G: 8. Die Typen der Schrift sind die gleichen wie die bei Schmidt a. a. O. Taf. 61 
abgebildeten. 

Das Buch ist auf vier echte Bünde geheftet. Die fünf Rückenfelder sind in verschiedener 
Weise verziert: mit einfachen Linien, Halbbogen, Querschraffen und Schrägschraffen, mit 
Rankenstempeln, einem Blattstempel und einem H-förmigen Stempel. Die Stehkanten sind 
mit abwechselnd einer Goldlinie bezw. Querschraffen und einem schmalen S-förmigen Ranken- 
stempel geschmückt. (Siehe Taf. 18 bei Schmidt a. a. O.) Das Kapital ist auch bei diesem 
Band schwarz-gelb umstochen. Der Goldschnitt ist mit einem eingepunzten Maureskenmotiv 
verziert. Der Band war ursprünglich mit vier Bändern versehen, mit zwei schwarzen und 
zwei gelben und zwar in der Weise, daß je ein schwarzes und ein gelbes zusammengeschlungen 
wurden. Ein gelbes Band ist noch vollkommen vorhanden. 

Auch die Stempel (einschließlich Rolle und Platte) dieses Einbandes sind bei Schmidt 
a. a. O. abgebildet und zwar sind es: R 11 — Pıg — E11, 24, 36, 38, 41, 42(?), 44, 50, 
63, 90. Nicht abgebildet sind dagegen ein S-förmiger Stempel und der erwähnte schalen- 


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I Christel Schmidt a. a. O., S. 45 und Taf. 18. 2 Christel Schmidt a. a. O., S. 40 und 44. 


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Speter: Ein unbekannter Nachdruck des „Fliegenden Wandersmanns nach dem Mond" 59 


artige Einzelstempel. Da Christel Schmidt nicht sämtliche überhaupt erhaltene Einbände 
Jakob Kraußes berücksichtigt hat, ist nicht ausgeschlossen, daß diese Stempel auch auf anderen 
noch nicht bearbeiteten Kraußebänden wiederkehren. Aber auch abgesehen davon bietet 
die große Zahl der verwendeten Stempel, die mit den bei Schmidt a. a. O. abgebildeten 
übereinstimmen, einen sicheren Beweis dafür, daß wir echte Kraußebände vor uns haben!. 


EIN UNBEKANNTER NACHDRUCK 
DER ERSTAUSGABE 
DES „FLIEGENDEN WANDERSMANNS 
NACH DEM MOND“ 


VON DR. MAX SPETER IN WEHLEN (SÄCHSISCHE SCHWEIZ) 


Mit zwei Bildern 


der aus dem Französischen ins Deutsche erfolgten Übersetzung des „Fliegenden Wanders- 
mann nach den Mond“ (vgl. hierzu diese Zeitschrift, XIV, S. 80 u. ff, Bechtold und Nach- 
wort von Scholte ibid. S. 87 u. fl.). 

Schon ein Jahr später bemächtigt sich ein Nachdrucker dieses Werkchens. Er ist bieder 
genug, um auf dem Titelblatt vor der Jahreszahl des Druckers anzugeben, daß dieses Werk 
„Erstlich gedruckt zu Wolffenbüttel“ wurde. Und der Nachstecher des Titelkupfers steht dem 
in der Biederkeit nicht nach; er signiert den Titelkupfer-Nachstich mit vollem Namen und 
Anfangsbuchstaben seines Domizils: „M. Bülck. H: fc.“. (Siehe Bild 1 und 2.) 

Aus dem Wohnorte des Nachstechers kann man mit einem hohen Grade der Wahr- 
scheinlichkeit schließen, daß der Nachdruck in Hamburg erschienen ist. Das Titelblatt ist 
in Typen gedruckt. Das Vorbild der Ausgabe A (vgl. die Abb. in Bechtold l. c. S. 81) ist 
unverkennbar. Das große Majuskel-E in Zeile 5 (nach der Leiste) ist nicht vollständig vor- 
bildgetreu, die Verzierungen an der oberen Links-Ecke fehlen. Die Leiste ist in der Mitte, 
im Gegensatz zu A, aus der Reihe verschoben. Das Titelkupfer ist nicht vorne, sondern 
auf der Rückseite des Titelblattes eingeklebt. Der Druck selbst entspricht der von Bechtold 
(l. c. S. 81) mitgeteilten Kollationierung von A. Das Papier hat an einigen Blättern ein nicht 
leicht zu charakterisierendes Wasserzeichen, das besonders deutlich auf Blatt S. 129 zu sehen 
ist. Der Kolumnen-Titel ist: Der fliegende (linke Seite) | Wandersmann (rechte Seite). Ein 
— vor Wandersmann, also „— Wandersmann“ ist nur auf Seite 7 als Kolumnentitel abgedruckt. 
Die Bogensignatur geht von A, = Titelblatt, nur bis Fu (statt bis F,). S. 129 ist wie in 
A, hinter: „Zum Glück außgeschlagen. ENDE“, eine Vignette. 

Auch bei diesem Erst-Nachdrucke ist die merkwürdige, von Bechtold (l. c. S. 84) ge- 
machte Beobachtung zutreffend, daß die in dem Exemplar A von 1659 (in der Bibliothek 
zu Wolfenbüttel), an zwei Stellen (möglicherweise von der Hand des berühmten Begründers 
der Wolfenbütteler Bibliothek, Herzog August des Fiingeren von Braunschweig-Liineburg selbst) 
vorgenommenen handschriftlichen Korrekturen, in dem letzten Vers der ,,Vorrede“ und auf 
S.6, Zeile 6 (v. u.), richtig berücksichtigt sind, wie dies auch bei den übrigen Ausgaben 
von B ab, der Fall ist. Man müßte vielleicht aus diesem Umstande schließen, daß dieser 
Nachdruck aus einem der anderen Nachdrucke geschöpft hätte, besonders, weil der Druck- 
vermerk auf dem Titelblatt: „Erstlich gedruckt zu Wolffenbüttel / Im Jahr 1660“ den An- 
schein zuerst erweckt, daß hier gesagt wird, das Original wäre im Jahre 1660 zu Wolfen- 
büttel gedruckt worden und nicht dieser Nachdruck selbst. Dem ist aber nicht so. Der 
Komma-Strich vor dem „Im Jahr 1660“ zeigt erstlich, daß zwischen dem Vorhergehenden 
und dem Druckjahre keine unmittelbare Beziehung bestehen muß. Dann weisen die Druck- 
details des Titelblattes in gerader Linie auf die Ausgabe A von 1659. Keine andere Aus- 
gabe hat den Druckort Wolfenbüttel angegeben. Die Bogensignaturen A,—F, und der Seiten- 


E Jahre 1659 erschien in Wolfenbüttel, „Gedruckt bey den Sternen“, die editio princeps 


I Weitere nach Abschluß dieser Arbeit vorgenommene Nachforschungen ergaben, daß sich außer den zu Anfang 
erwähnten Lederbänden mit Handvergoldung in der Gymnasialbibliothek noch 51 Schweinslederbände mit Blinddruck 
befinden, die alle durch die IK signierten Rollen (R 1—4 nach Christel Schmidt, Taf. 45) und die Jahreszahl auf 
dem Einband als Kraußebände festgestellt werden können. 


Go Speter: Ein unbekannter Nachdruck des „Fliegenden Wandersmanns nach dem Mond“ 


schluß p. 129 sind — abgesehen von F, bei A — bei 
A und bei diesem Nachdruck identisch, während bei 
B Bogensignaturen A,—E,, Seitenschluß p. 108 und 
bei C bzw. E,—K,, p. 117 zu verzeichnen sind. Diese 
Indizien sprechen unabweisbar dafür, daß dieser neu- 
aufgefundene Nachdruck sich zeitlich unmittelbar an 
A anschließt. Zur Unterscheidung von den anderen 
Ausgaben, die von Bechtold mit A—D bezeichnet 
worden sind, glaube ich die Bezeichnung AB für 
diesen Nachdruck vorschlagen zu dürfen, worin zum 
Ausdruck gelangen soll, daß es sich um eine zwischen 
A und B stehende Ausgabe handelt. 

Wie aus einem Vergleiche der Titelkupfer von 
A (bei Bechtold l. c. S. 81) und AB (Bild 1) hervor- 
geht, ist der Nachstecher Bälck in der Zeichnung der 
Baume, der Häuser und des Gesichtsausdruckes des 
Helden, von der Auffassung des Originals abgewichen, 
aber nicht zum Vorteile des Nachstiches. Der Original- 
stich, wenn auch an und für sich kein Kunstwerk, 
wirkt ansprechender. 

* 

Das Exemplar dieses Nachdruckes AB, das in 
einem Sammelbande der Jenaer Universitatsbibliothek 
enthalten ist — dessen vertrauensvolle Zusendung ich 
der Direktion der Universitatsbibliothek verdanke, 
wofür auch an dieser Stelle mein Dank zum Ausdruck 
gelangen möge — enthält u. a. auch vorgebunden die 
„Traum Geschicht von Dir und Mir“ samt dem An- 
hang auf S. 84 u. ff.: „Traumsverantwortlicher Anhang 

Bild ı (zusammen 103 SS. A2—E z) und anschließend die 
„Kurtze und kurtzweilige Beschreibung der Zuvorn 
Unerhörten Reise, welche H. Bilgram von Hohenwandern ohnlängsten in die Newe Ober- 
welt desz Monts gethan“ (71 SS., A—C vij). Daran ist dann AB angefügt. Die „Traum 
Geschicht“ und die „Kurtzweilige Beschreibung“ haben kein Titelblatt in Typen-, sondern — 
wie Bechtold (l. c. S. 82) bei Ausgabe B beschreibt — Kupfertiteldruck, die sich an dem An- 
fang der „Traum Geschicht“ befinden, aber nicht etwa getrennt, sondern auf einem unver- 
kennbar zusammenhángenden Doppelblatt, dessen rechte und linke Seite unter Verlust des 
Plattenrandes beschnitten sind. Diese Plattenränderverluste rechts und links sind aber nicht 
darauf zurückzuführen, wie Schulte-Strathaus, Bechtold (l. c. S. 82) informierte, daß der Abdruck 
wohl von einer Kupferplatte herrührt, daß aber der Abdruck dann in zwei Teile zugeschnitten 
worden ist, „wie der fehlende Plattenrand auf der rechten und linken Seite beweist.“ Diese 
Erklärung ist mit den tatsächlichen Verhältnissen im Widerspruch und darum irrig. Der Ab- 
druck ist wohl von einer Kupferplatte, aber auf einem integrierend zusammenhängenden Doppel- 
blatt erfolgt, das in der Heft-(Kneif-)Mitte einen deutlichen, schwarzen Trennungsstich in der 
Breitenhöhe der Kupfertafel zeigt. Die Kupferplatte war aber vom Stecher zu groß abge- 
messen worden, so daß die Plattenrander beim Beschneiden des Buches mit abgeschnitten 
wurden. Die beiden, so zusammenhängenden Titelkupfer sind identisch mit denen der anderen 
Ausgaben. Das linke Kupfer ist, wie das der anderen bekannten Ausgaben, von A. Frölich 
signiert. Wenn Exemplare dieser Schriften, wie die in der Münchener Staatsbibliothek, jede 
mit dem ihr zukommenden Kupfertitel gesondert gebunden sind, so ist das auf (unzulässige) 
Buchbindermaßnahmen zurückzuführen. 

Herr Dr. Bechtold, dem ich ursprünglich von meinem Funde dieses Nachdruckexemplares 
Mitteilung gemacht und anheimgestellt hatte, darüber zu berichten, überließ es mir, damit 
vor die Öffentlichkeit zu treten und machte mich nach Kenntnis der Korrektur darauf auf- 
merksam, daß er 1923 in der Z. f. B. (N. F. XV, Seite 51—53) über eine Ausgabe E des 
Fliegenden Wandersmanns aus dem Jahre 1667 berichtet hat, die ebenfalls das vom Stecher 
Bülck signierte Titelkupfer aufweise. Dieser Bechtoldsche Nachtrag war mir völlig entgangen. 
Die Vermutung Bechtolds, daß diese E-Ausgabe von 1667 „entweder ein Nachdruck, oder, 
was wahrscheinlicher ist, eine Neuauflage (keine Titelauflage!) von C“, der Ausgabe von 1660 


Speter: Ein unbekannter Nachdruck des „Fliegenden Wandersmanns nach dem Mond“ 61 


(l. c. Seite 52 bezw. Z. f. B. XIV, Seite 83) wäre, Der fliegende Wanders⸗ (7 ) 


wird durch meine Auffindung der oben beschrie- 


benen Ausgabe AB vóllig geklárt. E ist eine Neu- mann nach den 
auflage von C, aber mit C und AB gemeinsam ein Mond: 
Nachdruck von A! Denn mit C hat E den Text Oder 


und mit AB das von Dälck signierte Titelkupfer 
gemeinsam. Und daß AB effektiv ein Nachdruck 


— 

Sire 
von A aus 1659 ist, steht fest. Die Ausgaben AB, KS ne ay kur s 
C und E sind Nachdrucke von A aus den Jahren 6 Lee, : 


1660 bezw. 1660 und 1666, und zwar in dreifacher weilige und ſeltzame Bes 


neugesetzter Auflage von demselben Nachdrucker 


herausgebracht. Daß das Titelkupfer von E mit ſchreibung der Newen Welt de 56 


dem von AB in allen Details völlig identisch ist, Cou N A 
bestätigte mir auf Aufrage Herr Reichsbibliothekar Monds / wie ſolche von einem ge 


FJ. Collijn von der Kgl. Bibliothek in Stockholm bornen Spanier mit Nahmen Dominico 
liebenswiirdigerweise. E ist bekanntlich in Stock-. Gonſales beſchrieben: Und der Nach ⸗ 
holm auf bewahrt. Weitere Ermittlungen darüber, ob welt bekant gemacht worden 
Titelkupfer anderer Exemplare ebenfalls mit Bilck iff. 

signiert sind, bei der Landesbibliothek in Stutt- 

gart (Ausgabe 1660) und der Universitätsbibliothek Aus den Frantzoſiſchen ins Teutſche 
Halle (1660, Ausgabe C), waren leider resultatlos, uͤbergeſetzet. 

weil gemäß den freundlichen Auskünften jener 


Bibliotheksleitungen die dortigen Exemplare gar Ins gemein luſtig zu leſen / und 


keine Titelkupfer aufweisen. 


Wenn dieses Machwerk der Übersetzung des wird die Sach an ſich ſelbſten den 


in Ausstattung und Umfang (117 Seiten bei C und E) ¿UN eu 


Fliegenden Wandersmanns auch kein besonderes Gelahrten zu fernern Nachden⸗ 
Interesse der Forschung erwecken kann — die cken heimgeſtellet. 
Autorschaft Grimmelshausens daran ist ja so gut 
wie erledigt! — so sind diese Nachdrucke jedoch 
von großer Wichtigkeit für die Druck- und Nach- Erſtlich gedruckt zu Wolffenbuͤt⸗ 
druckverhältnisse jener Zeit. Sie sind u. a. bewei- dë 660 
send für meine Ansicht, daß solche anonymen Drucke el Im Jahr was 
druckvogelfrei waren. Bild 2 

* 


Nachwort. Dieser oben beschriebene Nachdruck und Nachstich ist überdies ein typisches 
Beispiel für die Nonchalance jener Zeit, wofür Scholfe in seinem Nachwort zu meinem Beitrage 
über „Die Nachdruckfrage von Grimmelshausens »Simplicissimuse und „Courage?“ (diese 
Zeitschrift N. F. XVII, Seite 41) Exempel erbracht haben wollte. Zu der Nachdruckfrage der 
Ausgabe III des Simplicissimus und der Courage Cg B, sowie über ihren inneren Zusammen— 
hang mögen noch einige weitere Daten Platz finden. Genau so wie III, als einzige Ausgabe 
in der Serie der Simplicissimusreihe, das Wort „Einhalt“ statt „Inhalt“ fiir die Inhaltsiiber- 
sichten gebraucht, hat auch die Courage Cg B diesen Ausdruck (S. 3) benutzt. Vergleicht 
man die Titelkupfer von III und Cg B, so fällt die Ubereinstimmung der Arbeitsweise und 
der Manier beider Kupfer unverkennbar auf. Beide Kupfer müssen aus der Hand desselben 
Stechers hervorgegangen sein. Sogar die Höhe der beiden Kupferplatten mit 118,5 und 119 mm 
spricht deutlich dafür. Die Plattenhöhe bei den rechtmäßigen Simplicissimuskupfern beträgt 
demgegenüber 125,5 mm (Simplicissimus-Familie und Phönix-Bild), bei den Courasche-Kupfern 
ca. 1I0—113,5 mm. Die Vignette auf Titelblatt der Ausgabe III kommt bei einem Werke 
der Felseckerschen Verlages, im Simplicissimus I vor, ja die Vignette von III auf S.608 zum 
Schlusse des 5. Buches ist ebenso nach einer Vignette der rechtmäßigen Ausgabe II, die sich 
am Ende des 6. Buches, also in E, vor dem „Beschluß“ befindet, unvollständig nachgeschnitten, 
einige Details rechts und links unten fehlen an der nachgestochenen Vignette von III gegen- 
über dem Vorbild aus III. Hierüber u. a. Belege werde ich in einem ausführlichen Beitrag 
berichten. Also auch aus diesen nachträglich angeführten Indizien geht der innere Zusammen- 
hang der beiden Ausgaben, III des Simplicissimus und der Courage Cg B, ihre exzeptionelle 
Stellung in der Reihe der rechtmäßigen Grimmelshausendrucke und endlich ihre unrecht- 
mäßige Nachdruckeigenschaft hervor. 


XVII, 9 


62 


LITERARISCHE FALSCHUNGEN UND 
MYSTIFIKATIONEN 


VON DR. HEINRICH KLENZ IN BERLIN-STEGLITZ 


(Fortsetzung) 


Alexandria) bot in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts angeblich aus einem 

Kloster vom Berge Athos stammende griechische Handschriften in Athen und Kon- 
stantinopel zum Kaufe an, erwarb später einige echte Codices, unter die er geschickt Fälschungen 
zu mengen verstand, und suchte dann durch die Vermittlung Wilh. Dindorfs (1802—-83), der 
sich unter anderen Gelehrten hatte täuschen lassen, 71 Blätter eines angeblichen Palim- 
psestes über die ägyptische Königsgeschichte des Uranios an die Kgl. Bibliothek in Berlin zu 
verkaufen. Als man hier seinen Betrügereien auf die Spur kam und er ausgewiesen wurde, 
rächte er sich durch die Behauptung, daß von seiner Hand auch der Codex Sinaiticus des 
Neuen Testaments, welchen Tischendorf entdeckt hatte, geschrieben sei. In London betrieb 
er den Handel mit alten Manuskripten weiter. Alexander Lykurgos veröffentlichte zuerst 
1854 „Enthüllungen über den Simonides-Dindorf'schen Uranios. Unter Beifügung eines Be- 
richts von Hrn. Prof. Dr. Tischendorf“. Darauf schrieb Simonides „Archäologische Abhand- 
lungen. I. Über die Echtheit des Uranius“ (1856). Lykurgos gab nunmehr seine „Ent- 
hüllungen“ in einer „zweiten, zu einem Geschichtsabri8 über Simonides, den Hermas und 
das Leipzig-Berliner Palimpsest erweiterten, sowie mit Berichten und paläographischen Er- 
láuterungen Prof. Tischendorfs und anderer vermehrten Auflage“ (1856) heraus. Dindorf 
machte „Nachträgliche Bemerkungen zu Hermas“ (1. Heft, mit Rud. Anger, 1856 [Abdruck 
aus Gersdorfs Leipziger Repertorium der deutsch. u. ausländ. Lit.]; 2. Heft 1857). Vgl. 
„Simonides und sein Prozeß“ (Berlin 1856, mit Porträt u. 1 Tafel). 


Der Schriftsteller August Schrader (1815—78, urspr. Simmel, aus Wegeleben) machte 
sein Glück durch den Roman „Das Testament des Grafen Hamilton“ (1848, 3 Bde.), den er 
zuerst auf Verlangen des Leipziger Verlegers unter dem Namen Alexandre Dumas’ erscheinen 
ließ. (Brümmers Dichterlexikon.) 


Die von Friedrich Bodenstedt (1819—92) veröffentlichten „Lieder des Mirsa Schaffy“ 
(zuerst 1851) sowie „Aus dem Nachlaß Mirza Schaffys“ (zuerst 1874) sind keine Übersetzungen, 
sondern von ihm selbst gedichtet; der untergeschobene Verfasser, an den viele glaubten, 
war sein Lehrer im Persischen zu Tiflis gewesen. 


Von sieben unter dem Namen des Dichters Alfred Aleiſiner ausgegebenen Romanen be- 
kannte sich 1890 dessen einstiger Freund Franz Hedrich (1825—95, aus Podskul bei Prag, 
gest. in Edinburg) als Verfasser. Gemeint sind: „Der Pfarrer von Grafenried“ (1855; seit 
1861 unter dem Titel: „Zwischen Fürst und Volk“), „Die Sansara“ (1858), „Neuer Adel“ 
(1861), ,Schwarzgelb“ (1862—64), „Die Kinder Roms“ (1870), „Die Prinzessin von Portugal“ 
(1882) und „Norbert Norson“ (1883). Hedrich hatte es 1854 durchzusetzen gewußt, daß 
seinen Arbeiten fortan Meißners berühmter Name geliehen wurde, ebenso anderen, von beiden 
gemeinsam verfaßten Schriften, darunter „Heinrich Heine, Erinnerungen“ (1856). Später war 
von dem verschwenderischen, zuletzt dem Spiel ergebenen Hedrich mit der Bekanntgabe 
des literarischen Betruges, wenn ihm sein Schweigen nicht bezahlt werde, gedroht worden, 
und schließlich hatte Meißner in Verzweiflung über die Erpressungen einen Selbstmordver- 
such begangen, an dessen Folgen er acht Tage danach am 29. Mai 1885 in Bregenz starb. 
Siehe: Alfred Meißner — Franz Hedrich: Geschichte ihres literarischen Verhältnisses auf 
Grundlage der Briefe, die A. M. seit dem Jahre 1854 bis zu seinem Tod 1885 an F. H. ge- 
schrieben (1890); Robert Byr (d. i. Karl v. Bayer, Meißners Schwager), Die Antwort Alfred 
MeiBner's (1890); Franz Hedrich, Replik (1890). Vgl. das literarische Echo vom 1. Juli 1915. 


Dr. Karl Schöpfer versuchte einen literarischen Betrug, indem er behauptete, neue Frag- 
mente der Schrift de figuris sententiarum et elocutionis des Kutilius Lupus (z. Z. des Kaisers 
Tiberius) aufgefunden zu haben. Aber Prof. Friedrich Haase entdeckte die Fälschung bald 
und wies sie nach in seiner dem Lektionsverzeichnis der Breslauer Universität für den 
Sommer 1856 beigegebenen Disputatio de fragmentis Rutilio Lupo a Schoepfero suppositis. 
(Bursian a. a. O. S. 809.) 


D: Grieche Konstantinos Stmontdes (von der Insel Symi bei Rhodos, gest. 1867 in 


Klenz: Literarische Falschungen und Mystifikationen 63 


Vrain Lucas, der in seiner Jugend Diener, dann Gehilfe in Antiquariatsbuchhandlungen 
und einem Bureau fiir Vermittlung genealogischer Urkunden gewesen war und sich alle 
möglichen mechanischen und geistigen Fertigkeiten angeeignet hatte, falschte nach und nach 
27472 Briefe und Schriftstücke, bzw. Randbemerkungen und Exlibrisangaben in alten Büchern 
und verkaufte sie seit dem Jahre 1861 an den Pariser Mathematik-Professor Michel Chasles 
(1793—1880) für ca. 150000 Frank. Jene Sachen waren 660 verschiedenen Persönlichkeiten 
untergeschoben und zum Teil an Hunderte von anderen geschichtlichen Personen aus dem 
6., 17. und 18. Jahrhundert gerichtet. Es befanden sich darunter nicht nur Briefe des be- 
rühmten Pascal an Robert Boyle, aus denen hervorzugehen schien, daß ersterer schon 20 Jahre 
vor Newton das Gesetz der Schwerkraft entdeckt habe, sondern auch ein Brief von Karl 
dem Großen an Alkuin, Briefe von Julius Cäsar, Vercingetorix und Kleopatra, von Alexander 
dem Großen an Aristoteles, von Sappho, ja sogar von Maria Magdalena und Lazarus nach 
seiner Auferweckung: sämtlich allerdings in altfranzösischer Sprache. Chasles hatte geglaubt, 
daß diese Sammlung zum Teil Alkuin gehört habe, dann in den Besitz der Abtei Tours 
gekommen und später von Rabelais aufgefunden worden sei, von dem die Übertragung ins 
Französische herrühre. Lucas täuschte die gesamte französische Akademie der Wissenschaften, 
die einen großen Teil der Handschriften zwei Jahre lang in ihren Sitzungen alles Ernstes 
besprach, bis den Gelehrten endlich der Verdacht einer Fälschung aufstieg. So wurde denn 
Lucas im Februar 1870 vor Gericht gestellt und nach einer sehr erheiternden Verhandlung 
zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, obwohl er sich rühmte, die Briefe Pascals aus Patrio- 
tismus angefertigt zu haben. (Revue contemporaine vom 28. Febr. 1870 und Magazin für die 
Literatur des Auslandes 1870 Nr. 15.) 

Der bei der Jugend noch immer beliebte Schriftsteller Karl May (1842—1912, aus 
Hohenstein-Ernstthal, gest. in Dresden-Radebeul) wollte die von ihm seit 1880 veröffentlichten 
Reisegeschichten teils aus orientalischen Sprachen übersetzt, teils selbst erlebt haben. In 
Wahrheit hatte er sie alle erfunden, da er kein Chinesisch, Arabisch, Indianisch usw. verstand 
und erst im Jahre 1900 aus Deutschland herauskam. Dies wurde, nachdem er schon in der 
(1908 von P. Expeditus Schmidt begründeten) Zeitschrift „Über den Wassern“ als „literarischer 
Dieb“ gekennzeichnet war, in dem von May gegen den Redakteur Rudolf Lebius angestrengten, 
am 12. April 1910 mit dessen Freisprechung endigenden Prozesse festgestellt. Er selbst gab 
seine angefochtenen Schriften zuletzt für „figürliche Reiseerzählungen als Vorstudien für seine 
eigenen [seit 1906 erschienenen) Werke“ aus (so im Literatur-Kalender 1906—10). 

Unter dem Titel: „Reinhold Lenz. Lyrisches aus seinem Nachlasse, herausgegeben von 
Karl Ludwig“ veröffentlichte der Berliner Schriftsteller W7/helm Arendt (geb. 1864) im Jahre 
1884 Gedichte, die er nach Brümmers Dichterlexikon, selbst verfaßt hatte. 

Im Jahre 1890 wurde eine die Sage vom Rattenfänger von Hameln als geschichtliches 
Ereignis darstellende Handschrift von einem „höheren königlichen Beamten“ unter der Hand 
(ohne in den Handel zu gelangen) verbreitet, jedoch 1895 von dem damaligen Freiburger 
(in der Schweiz) Professor Franz Jostes in einer besonderen Schrift als Fälschung nachge- 
wiesen. Bekanntlich sollte im Juni 1234 ein Pfeifer nach Hameln gekommen sein und mit 
der Bürgerschaft vereinbart haben, alle Ratten gegen eine bestimmte Zahlung aus der Stadt 
zu vertreiben, worauf er auch die Tiere, die seiner Pfeife nachgelaufen seien, in die Weser 
geführt habe. Als ihm aber das Geld vorenthalten worden sei, habe er am nächsten Sonn- 
tag während des Gottesdienstes durch sein Pfeifen sämtliche Kinder der Bürger in den nahen 
Koppenberg gelockt, der sich plötzlich geöffnet und hinter ihnen wieder geschlossen habe; 
zwei Kinder, die sich verspätet, hätten davon erzählt, mit den übrigen sei der Rattenfänger 
in Siebenbürgen zum Vorschein gekommen und habe dort die sächsische Kolonie gegründet. 
Nach Jöchers Gelehrten-Lexikon schrieb schon Samuel Erich (1643—51 Rektor zu Hameln, 
dann Pastor zu Wallensen) darüber [Exodus Hamelensis d. i. der Hámelischen Kinder Auß- 
gang oder philolog- und historischer Bericht, wie vor vierdtehalbhundert Jahren 130 Bürger- 
kinder durch einen abentheuerlichen Spielmann entführet worden“ usw., Hannover 1655; 
später auch lateinisch] und „gab darin diese Fabel für eine wahrhafte Geschichte aus“. 
Die Sage ist dann von Julius Wolff 1875 in einem epischen Gedicht und danach von 
Friedr. Hofmann 1877 in einem Opernlibretto (Musik von Viktor Neßler) bearbeitet. Ihre 
Entstehung wurde von einigen auf einen Kinderkreuzzug zurückgeführt, von anderen auf den 
Untergang der jungen Mannschaft Hamelns in der Schlacht bei Sedemünde (1259). Nach 
Jostes hat das letztere Ereignis, das in der Stiftskirche St. Bonifaz durch ein Glasbild fest- 
gehalten ist, auf dem der Hauptmann in buntem Kriegsgewande mit der Zeit zu einem 
Zauberer und die hinter ihm zurücktretende Kriegerschar zu einer Kinderschar sich verdunkel- 


64 Klenz: Literarische Falschungen und Mystifikationen 


ten, sich mit der im Mittelalter oft geiibten Beschwörung schädlicher Tiere vermengt, wozu 
noch die von Otto Meinardus (Der historische Kern der Hamelner Rattenfangersage, 1882) 
angenommene Erinnerung an einen Fall von Tanzwut getreten sein könne. 

Uber Demetrios Rhodokanakts, der sich „Demetrios 11. Dukas Angelos Komnenos Palaio- 
logos Rhodokanakis, 15. Titularkaiser von Konstantinopel“ zu nennen pflegte, aber nur Kauf- 
mann auf der Insel Syra war, und der als Fälscher einer ganzen dyzantinischen Bibliographie 
durch den Pariser Professor Emile Legrand entlarvt wurde, siehe Näheres in der Byzantinischen 
Zeitschrift V, 1896, S. 377 fl. 

Eine ähnliche Irreführung wie Daumer und Bodenstedt beging der Redakteur Dr. Oskar 
Linke (geb. 1854 in Berlin) im Jahre 1898 mit den „Liedern des Agasti“, die nicht indischer 
Herkunft sind. (Siehe das Litterarische Echo, Jahrg. I, 1898, Sp. 108.) 

Der mit philologischem Talent begabte Hermann Kyrieleis, der die Handschrift Luthers 
aufs täuschendste nachzuahmen verstand, brachte am Ende des vorigen Jahrhunderts eine 
Anzahl von Zutherfälschungen in den Handel, darunter den Text von „Ein’ feste Burg ist 
unser Gott“. Ihm wurde in Berlin der Prozeß gemacht. (Siehe Max Herrmann's Schrift, 1905 
und Farrer.) 

Endlich sei noch Rougemont erwähnt, der mit einer gefälschten Beschreibung des Lebens 
der australischen Ureinwohner die British Association zu hintergehen suchte, und der Fälscher 
Cortest, der, nachdem er 20 Jahre lang die Historiker der römischen Literatur irregeführt 
hatte, 1904 von dem Münchner Professor Ludwig Traube entlarvt wurde. 


* 


Dem aktiven Begriff der literarischen Fälschung entspricht in meist passivem Sinne die 
My stiftkation, die sich jedoch nicht auf Literatur beschränkt. Als ,,mystifiziert werden be- 
sonders leichtglaubige Gelehrte bezeichnet, die in wissenschaftlicher Beziehung hinters Licht 
geführt worden sind. Der halb griechische, halb lateinische Ausdruck drang aus dem Neu- 
lateinischen in die modernen Sprachen. Im Französischen bedeutet mystiſier nach dem Dic- 
tionnaire de l’Académie: abuser quelqu'un en se jouant de sa crédulité, d. h. einen täuschen, 
indem man sich über seine Leichtgläubigkeit lustig macht. P. L. Jacob, d. i. Paul Lacroix, 
schrieb über „Mystiſicateurs et mystiſiés, histoires comiques“, Paris 1875. Es gibt auch eine 
anonyme Schrift unter dem Titel „Le Livre fait par force, ou le mystificateur mystifie par 
un persifleur persiflé” mit dem fingierten Druckort „Mystificatopolis“ vom Jahre 1784. — 
Unter dem Pseudonym „Mystifizinsky“ gab der Asthetiker Friedrich Theodor Vischer 1862 
„Faust, der Tragödie dritter Teil“ heraus. 

Die Leichiiglaubigkeit (credulitas) ist nach Plancus (in einem Briefe an Cicero, ad fami- 
liares X 23) „mehr ein Irrtum als eine Schuld, und zwar schleicht sie sich gerade in des 
Besten Denken am ehesten ein“. 


(Schluß folgt) 


Alle Rechte vorbehalten — Nachdruck verboten 
Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Georg Witkowski, Leipzig-G., Ehrensteinstr. 20. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 111 
Druck von Ernst Hedrich Nachf., G.m.b. H., Leipzig, Hospitalstr 11 a 


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ZEITSCHRIFT 


FÜR 


BÜCHERFREUNDE 


HERAUSGEGEBEN 
VON 


GEORG WITKOWSKI 


1926 HEFT 4/5 
NEUE FOLGE 18.JAHRGANG 


VERLAG E. A. S ETL MANN. LEIPZIG. 
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VON DER BILDERSCHRIFT 
ZUM BILDERRATSEL 


VON LUDWIG VOLKMANN 


NACH EINEM VORTRAG ZUR HAUPTVERSAMMLUNG DES DEUTSCHEN 
VEREINS FUR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM AM 12. DEZEMBER 10925 
IN DER LEIPZIGER UNIVERSITAT 


Mit siebenundzwanzig Bildern 


man etwa kurz mit den Worten „Bild und Schrift“ umschreiben könnte, gehört von 

jeher zu den besonderen Arbeitsgebieten des Deutschen Vereins für Buchwesen und 
Schrifttum. Geht doch die Geschichte der Schrift vielfach in so hohem Maße den Weg über 
die bildlich-gegenständliche Darstellung, daß man mit einer gewissen Berechtigung sagen 
könnte „Im Anfang war das Bild“. 

Karl Weules prächtiges Buch „Vom Kerbstock zum Alphabet“, R. Szübes Beiträge zur 
Entwicklungsgeschichte der Schrift, neuerdings Hans Fersens zusammenfassende Geschichte 
der Schrift u. a. m. geben diesen Werdegang eingehend wieder, der ja auch von der Bugra 
her in unserem Schriftmuseum an einem reichen Material zu verfolgen ist. Und umgekehrt 
wissen wir, daß schöne Schrift geradezu als Ornament wirken kann, ja wir sprechen, als 
Gegenpol der Bilderschrift, gern von einem guten „Schriftbild“. — Es wäre unendlich ver- 
lockend, alle diese Beziehungen und Wechselwirkungen bis in ihre letzten Ausstrahlungen 
hinein systematisch zu verfolgen. Hier kann nur ein kleiner Ausschnitt daraus gegeben werden, 
der gleichsam symptomatisch zeigen soll, in wie mancherlei reizvolle Fragen das große Thema 
„Bild und Schrift“ hineinzuführen vermag, ohne daß alle Zusammenhänge und Anschlüsse nach 
verschiedenen Seiten auch nur angedeutet werden könnten. 

Ich gehe dabei aus von meinen an Karl Giehlow anknüpfenden Studien über die Bilder- 
schriften der Renaissance‘, die vor zwei Jahren als Veröffentlichung unseres Vereins erschienen 
sind und ein wunderliches, wenig bekanntes Sonderkapitel aus der Geschichte der Renais- 
sance und des Humanismus behandelten: jene merkwürdige sogenannte „Hieroglyphik“ des 
15. und 16. Jahrhunderts, die aus halbverstandenen Nachrichten antiker Schriftsteller, nament- 
lich des Alexandriners Horapollo in jugendfrischer Entdecker- und Schöpferfreude ein gleich- 
artiges bildliches Ausdrucksmittel gestalten wollte und damit gleichsam atavistisch auf den 
Zustand der Bilderschrift zuriickgriff. Und ich möchte nun zeigen, wie auch hier, gleich den 
Bilderschriften der alten oder der primitiven Völker, die ursprüngliche Gedanken- oder Vor- 
stellungsschrift sich dadurch zur Sprachschrift wandelte, daß allmählich für gleichklingende, 
aber nicht gleichbedeutende Silben oder Worte dasselbe Bildzeichen homonymisch gesetzt 
wurde, woraus sich denn innerhalb einer Kultur, die ja ausgebildete phonetische Buchstaben- 
schriften schon besaß, notwendig das spielerisch-geistreichelnde Bilderrätsel, das heute noch 
beliebte Rebus, entwickeln mußte, ein Vorgang, den wir tatsächlich bis in alle Einzelheiten 
verfolgen können. 

Es sei nur kurz daran erinnert, daß schon die Azteken in Mexiko neben reinen Wort- 
bildzeichen oder Pictogrammen Ansätze zu einer phonetischen „Rebusschriſt“ besaßen, die 
eben in der Verwendung des gleichen Zeichens für gleich oder ähnlich klingende Worte von 
verschiedener Bedeutung bestanden. Es ist aber bei diesen Ansätzen geblieben, und die 
weitere Entwicklung zu eigentlicher Silben- oder gar Buchstabenschrift hat sich nicht voll- 
zogen. Weit ausgebildeter erscheint das Prinzip des ,,Lautrebus“ bei den Chinesen, die sich 
in der Fülle ihrer homonymen Silben nur dadurch zurechtfinden konnten, daß sie ihnen erstens 
verschiedene musikalische Betonungen gaben, sodann aber noch besondere Determinativzeichen 
beifügten, nämlich das Schriftzeichen eines Oberbegriffes, unter den das betreffende Wort im 
vorliegenden Falle unterzuordnen war, wodurch seine jeweilige Bedeutung genau erkennbar 
wurde. Das Lautrebus der Chinesen ist seinerseits hervorgegangen aus dem Szzrrebus, das 
sich in den sogenannten „Gegenstandschriſten“ ihrer Ritualsymbolik kundgibt. Auch dort 
spielte die Homonymie eine bedeutsame Rolle, so wenn einem Verbannten als Aufforderung 
zur Rückkehr (chin. huan) ein Ring (huan) übersandt wurde, wenn der Graf ein gekrümmtes (kung) 


1 Leipzig, Hiersemann. 
XVII, ro 


D: schier unerschöpfliche und jedenfalls noch längst nicht ausgeschöpfte Thema, das 


66 Volkmann: Von der Bilderschrift zum Bilderratsel 


Zepter als Zeichen des 
ihm zukommenden Re- 
spektes (kung) trug, 
oder wenn um 1100 
v. Chr. am Altar der 
Erde Kastanien (lih) 
gepflanzt wurden, um 
dem Volke ehrfürchtige 
Scheu (lih) einzuflößen. 
— Am bekanntesten 
ist die Verbindung von 
reinen Wortösldseichen 
oder eigentlichen Hiero- 
glyphen mit phoneti- 
schen, bei Gleichklang 
wiederum durch Deter- 
minative näher bestimm- 
ten Szlbenzetchen oder 
Lautrebus in der ägyf- 
tischen Schrift: ja in 
dieser hat sich sogar 
ein auf phonetischer 
Grundlage beruhendes 
Alphabet ausgebildet, 
das freilich noch mit 
derälterenSchreibweise 
kombiniert erscheint. 
Wir wollen hier so- 
gleich den sehr wich- 
tigen grundsätzlichen 
Unterschied zwischen 
reiner Bildschrift und 
Rebusschrift oder Bild- 
rätsel feststellen, der 
darin besteht, daß die 
Bildschrift eine Stun- 
schrift ist, d. h. daß 
ihre Zeichen denselben 
Gegenstand oder Be- 
i griff darstellen, gleich- 
Bild 1. Rebus auf die Liebe. Kupferstich von Stefano della Bella viel wie dessen Bezeich- 
nung in der einen oder 
anderen Sprache lautet, während die Rebusschrift eine Zautschrift darstellt, deren richtige 
Bedeutung nur von dem verstanden werden kann, der die Sprache kennt, in welcher sie 
gedacht und geschrieben wurde. Jensen wählt als Beispiel hierfür den Namen Zizstein, den 
wir rebusartig durch eine 1 und einen Stein darstellen könnten, aber eben nur für Deutsche, 
denn der Engländer würde lesen „Orestone“, usw. Anders die wirkliche Bildschrift. Dort 
bedeutet das Bildzeichen eines Berges für uns eben Berg, auf englisch mountain, auf französisch 
mont usw., und nur so ist es auch möglich, daß z. B. Chinesen und Japaner dieselbe Schrift 
für die gleiche Bedeutung, aber ganz verschiedene Lautbezeichnung gebrauchen. Es ist daher 
kürzlich sogar allen Ernstes der Vorschlag gemacht worden, diese Bildschrift als internationale 
Weltschrift anzuwenden, was freilich wohl aussichtslos sein dürfte. Wir streifen damit wenig- 
stens kurz das alte Problem einer Sinnschrift, die von jedem Volke in seiner Sprache gelesen 
werden kann, einer sogenannten Pasigraphie. Schon Raimundus Lullus im 14. und der bekannte 
Polyhistor Abt Johannes Tritheim im 15. Jahrhundert haben sich damit beschäftigt, später 
Athanasius Kircher und Leibniz, Solbrig u. a.; neuerdings hat sich Wilh. Ostwald der Frage 
wieder angenommen. 
Eine solche allgemein verständliche Bildschrift wollten nun auch die vermeintlichen „Hliero- 
glyphen“ sein, welche von den italienischen Gelehrten der Renaissance ersonnen und von den 


Volkmann: Von der Bilderschrift zum Bilderratsel 67 


Kiinstlern eifrig geformt wurden. Systematische Ausbildung und ge- 
naue Erklärung fanden sie zuerst in jenem köstlichen Holzschnittwerk 
der Frührenaissance, das auch in dieser Hinsicht weithin befruchtend 
und vorbildlich gewirkt hat, in der Hypnerotomachia Poliphili des 
Francesco Colonna, die 1467 vollendet wurde, aber erst 1499 bei 
Aldus Manutius in Venedig erschien. Da erblickt der Held des Romans 
in seinem Liebestraum ausführliche hieroglyphische Inschriften, die 
nicht nur genau beschrieben und erklärt, sondern auch abgebildet 
werden, und wir erkennen daraus, wie der Autor zwar nach Möglich- 
keit solche Gegenstände wählte, die wirklich in ägyptischen Hiero- 
glyphen vorkamen, wie er dann aber ganz allgemein aus antiken Vor- 
bildern schópfte und endlich zu eier Erfindung griff, um das aus- 
zudrücken, was er wollte. Die Zeichnungen selbst, von denen erst unten 
einige Beispiele zum Vergleich gegeben werden sollen, sind im Stil 
völlig unägyptisch. Es waren eben keine ägyptischen Hieroglyphen, 
sondern eigene phantasievolle Bilderschriften der Renaissance. 

Um die Mitte des 16. Jahrhunderts erschien dann ein großes 
Sammelwerk des gelehrten rerio Valeriano unter dem Titel „Hiero- 
glyphica“, das alle bisherigen Bestrebungen auf diesem Gebiete zu- 
sammenfaßte und durch seine zahlreichen Bilder die Quelle und Fundgrube der gesamten 
späteren Hieroglyphik wurde. Valeriano nun bezog in noch weit höherem Maße alle Sym- 
bolik, auch die biblische und kirchliche, in den Begriff des Hieroglyphischen ein, und gerade 
diese Mischung heterogenster Elemente, diese ungeheure Vielseitigkeit, mag stark zu der 
großen Popularität seines Buches beigetragen haben, das zahlreiche Ausgaben erlebte und 
viele Fortsetzer und Nachahmer fand. Damit gingen u. a. viele mittelalterliche Elemente in 
den Bilderschatz der Renaissance-Hieroglyphik über, so die weitverbreitete Tiersymbolik 
des sogenannten Physiologus u. a. m. Es bleibt darin jedoch stets bei der reinen Szzz- 
bedeutung der Gegenstände, und Lautrebus kommen nicht vor. — Daß indessen solche auf 
Wortgleichheit beruhende Bildrätselsprache auch dem Mittelalter nicht völlig fremd war, 
geht aus einem bekannten Beispiel hervor, auf dessen Zusammenhang mit dem vorliegenden 
Thema mich Herr Prof. Heinrich Brockhaus freundlich hinwies; es sind die schwarz und wezf 
gefleckten Hunde auf der großen trecentistischen Allegorie der spanischen Kapelle in S. M. No- 
vella zu Florenz, die als ,domini canes“ die Dominikaner, die Wächter der Kirche, bedeuten. 
— Aus Valeriano schöpften nun insbesondere auch alle jene Autoren von Werken über Zm- 
bleme und Impresen, die nach dem Vorgange von Andrea Alciati in Italien und anderwárts 
hervortraten und die eine ganze Literaturgattung dar- 
stellen, von deren bis zum 18. Jahrhundert immer mehr 
anschwellender und zugleich verflachender Massenhaftig- 
keit man sich erst bei näherer Kenntnis den rechten 
Begriff machen kann. — Die Sitte und Bedeutung der 
Impresen bedarf vielleicht einer kurzen Erläuterung. Das 
Wort Impresa kommt von imprendere, etwas unter- 
nehmen, bedeutet also Unternehmung oder Vorhaben. 
Nun trug man zu besonderen Unternehmungen, für die 
man Glück erhoffte, gern sichtbare Adzezchen, welche 
die Empfindungen oder Wünsche des Trägers mehr oder 
weniger verhüllt zur Schau stellen sollten, und so über- 
trug sich der Name Impresa auf diese Abzeichen. Vor 
allem spielten sie eine Rolle bei Kriegs- und Liebes- 
abenteuern, weshalb auch die Imprese d’armi und die 
Imprese d’amore die häufigsten sind. Die Greheimsprache 
der Hieroglyphen mußte für diese Zwecke besonders 
geeignet erscheinen, und wurde alsbald dafür heran- 
gezogen. Aber ganz im allgemeinen wählte man sich 
dann gern ein solches Abzeichen, das neben dem Familien- 
wappen geführt wurde und in Verbindung mit einem 
Wahlspruch (Devise) der persönlichen Eigenart des 
Trägers Ausdruck verleihen sollte, Man brachte es an 
Haus und Gerät, an Wänden, Möbeln, Waffen usw. an, Bild 3. Signet des Christoph Froschauer 


Bild 2 
Signet des Geoffroy Tory 


68 Volkmann: Von der Bilderschrift zum Bilderratsel 


trug es auf der Kleidung gestickt oder als 
Medaille am Hut, und auch als Biicher- 
zeichen fand es schon Verwendung. 

Paolo Giovio (1483—1552) mit seinem 
Dialog über die Impresen darf als der eigent- 
liche Schöpfer dieser Art von Werken gel- 
ten, und er hat nicht nur die auch in Frank- 
reich sehr beliebte Mode historisch und 
theoretisch geistreich begründet, sondern 
auch im Bilde zahlreiche Beispiele von 
solchen Impresen berühmter Männer über- 
liefert, aus denen der Einfluß der Hiero- 
glyphik unzweideutig erkennbar ist. Es 
finden sich Motive, die zweifellos dem Poli- 
philo entlehnt sind, andere wieder stimmen 
mit Pierio Valeriano genau überein. 

Eine Fortsetzung zu Giovios Werk gab 
sein Freund Lodovico Domenichi 1574 in 
Lyon heraus, und hier finden wir zum 
ersten Male gewisse spielerische Aus- 
artungen der Bilderschrift der Impresen 
kritisch erwähnt, die gerade darauf be- 

Bild 4. Signet des Johann Schöffer ruhen, daß man sich nicht mit der hiero- 
glyphisch-symbolischen Siunschriſt begnii- 

gen wollte, sondern zu einer bildrätselartigen, homonymischen Lautschriſt überging. Da wollte 
ein Bolognese versteckt an seine Geliebte namens Caterina erinnern, und trug daher als 
Impresa eine geteilte Kette, cate-na, in der Mitte aber einen Kartenkönig, re, auf bolognesisch ri. 
Ein Lombarde wählte ein Joch (giogo, lombardisch giovo) und zwei Ringe, annella, um damit 
seine Giovanella zu feiern. Den Gipfelpunkt der Geschmacklosigkeit bildet ein Bart (barba) und 
ein halber Frosch, die Hälfte von rana, für Barbara; Domenichi spottet darüber, man hätte 
doch auch „una barba mezza rasa“, einen halb rasierten Bart, wählen können, das wäre noch 
kürzer gewesen. Nach den Novellen des Masuccio wird auch die oft wiederkehrende Geschichte 
von einer verlassenen Geliebten erzählt, die dem Treulosen einen Ring mit falschem Diaman- 
ten und der Inschrift „Lama asabthani“ schickte, was den Satz bedeutete: „Di, amante falso, 
perchè m'hai abbandonato?”, „Sage, treuloser Liebhaber, warum hast Du mich verlassen?“ 

Diese Wunderlichkeiten, die hier als Albernheiten ausdrück- 
lich abgelehnt werden, bilden aber gerade einen sehr charak- 
teristischen neuen Zug der Zeit; und wenn die Gebildeten sich 
gern unter gelehrter Beratung an die geheimnisvollen Sinnbilder 
der Hieroglyphik hielten, so gewann das Bilderrätsel in den 
Kreisen des Volkes mehr und mehr an Verbreitung, namentlich 
— wie wir noch sehen werden — in Frankreich, wo ohnedies 
Wortspiel und Wortwitz von jeher an der Tagesordnung war. 
Scipion Bargaglı, der gegen Ende des 16. Jahrhunderts in Venedig 
ein Werk über Impresen herausgab, bespricht darin auch beson- 
ders die chiffrierten Briefe (cifre figurate), die zur Zeit nur vom 
gewöhnlichen Volk gebraucht würden, bei der vorigen Gene- 
ration aber in hohen Ehren standen und oft sehr elegant aus- 
geführt wurden. Er nennt schon Beispiele der heute noch ge- 
bräuchlichen Mischung aus Figuren und Worten oder Buch- 
staben, ja sogar Musiknoten; so zeichnete jemand in Toskana 
ein K, die Noten mi und la, das Gesicht einer Mohrin, endlich 
ein Herz, von einer Hündin (cagna) und einer Wolfin (lupa) Bild 5. Signet des Philippe le Noir 
zerrissen, was bedeutete: ,,Camilla Sarazina, cagna, lupa, squarcia 
cuori“. Auch das Wortspiel vom falschen Diamanten kommt, etwas verändert, bei ihm vor, und 
von leichteren Scherzen sei das Bilderrätsel eines Lombarden genannt, der einen trockenen 
Parmesankäse (cacio) mit einem o darauf zeichnete, das hieß: „O caso duro!“, „O harter Fall“. — 
Man sieht, das Interesse an solchen Spielereien war im Anschluß an die Emblematik immerhin im 
Wachsen, und von hier bis zum Bilderrätsel als Selbstzweck war nur noch ein kleiner Schritt. 


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Volkmann: Von der Bilderschrift zum Bilderrätsel 69 


Von dem Florentiner Stecher Stefano della Bella (1610 
bis 1664), der sonst durch Blätter in Callots Art bekannt ist, 
gibt es einen ziemlich großen Kupferstich, der nur ein Rebus 
auf die Liebe enthält (Bild 1). Die Auflösung lautet: 


Ov’ è amor é fedelta 

Amor vuole sollicito e segreto 

Dov’ è amor é gelosia 

Amor é cieco e guarda da lontano 

Amor passa il guanto! e l'acqua li stivali. 
Amor, Amore, tu sei a mia ruina. — 


Auf Deutsch: 


Wo Liebe ist, ist Treue 

Die Liebe will einen Eifrigen und Verschwiegenen 

Wo Liebe ist, ist Eifersucht 

Die Liebe ist blind und sieht von Weitem 

Die Liebe geht durch den Handschuh! 
und das Wasser durch die Stiefel Bild 6. Signet des Jean Charron 

Liebe, o Liebe, du bist zu meinem Verderben. 


Ohne das ganze Bilderrätsel analysieren zu wollen, sei nur auf einige bezeichnende 
Einzelheiten hingewiesen. Gleich zu Anfang beruht es auf dem Gleichklang der Bezeichnung 
für verschiedene Dinge: für ove, wo, sind ova, Eier gezeichnet. Die Treue ist symbolisch 
durch den Ring dargestellt; dann aber wieder „Amor will“ durch „Amor fliegt“ gegeben, 
wobei die Verben volere und volare homonymisch verwendet sind, was eben nur im Ita- 
lienischen möglich ist und in der Übersetzung sinnlos wird. Auch der Fensterladen (Jalousie!) 
für Eifersucht (gelosia) ist ein solches Wortspiel. Tätigkeitsworte werden unmittelbar durch 
die betreffende Tätigkeit illustriert, so „guarda“ und „passa“. In der letzten Zeile ist die 
pathetische Wiederholung Amore durch einen Amor und einen König, rè, verbildlicht, und 
die Worte a mia durch zwei Angelhaken (ami) und den Buchstaben a. Bedeutsam ist es, 

daß unten eine Landschaft mit ägyptischen Gegenständen 


Cy kiniſſẽt pluliencs deuotes ozatläg angedeutet ist, über der sich der geheimnisvolle Vorhang 
Dont les (amt æ ſaĩctes requere Deuös des Bilderratsels liiftet; der geistige Zusammenhang mit der 


Renaissance-Hieroglyphik wird dadurch ausdriicklich an- 
gedeutet. 

Ein zweites Rebusbild des Kiinstlers, auf die Fortuna, 
findet sich noch erwahnt. 

Nordlich der Alpen hatte sich die Hieroglyphik der 
Renaissance besonders bald in Frankreich verbreitet, wo 
schon 1515 in einem für Luise von Savoyen, die Mutter 
Franz’ I. gefertigten illuminierten Buche Kopien nach den 
Bildern zum Poliphilo zu erkennen sind und 1543 der 
Horapollo, 1546 der Poliphilo in illustrierten Ausgaben er- 
schienen, später auch die Hieroglyphica des Pierio Valeriano. 
Daß die Sitte der Impresen den Franzosen überaus geläufig 
war, ja daß sie seit der Besetzung Mailands 1499 ihrerseits 
darin die Italiener beeinflußten, bezeugt ausdrücklich Paolo 
Giovio in seinem oben erwähnten Dialog, wo er sagt: „Zu 
diesen unseren Zeiten nach der Ankunft König Karls VII. 
und Ludwigs XII. in Italien suchte ein jeder, der zum Militär 
gehörte, in Nachahmung der französischen Offiziere sich mit 
schönen und prächtigen Impresen zu schmücken“, 

Der gelehrte Drucker, Verleger und Holzschneider Geoff- 

Bild 7. Signet des Frangois Regnault roy Tory hat sich in seinem 1529 erschienenen reizvollen Werk- 
chen „Champ fleury“, das eigentlich den Proportionen der 

Antiquabuchstaben gewidmet ist, nebenher sehr interessant über Hieroglyphik und Impresen 
geäußert, und dabei auch den von ihm übersetzten Horapollo und den Poliphilo als Quellen 
genannt. Sehr charakteristisch für den Franzosen ist es nun, daß er die Devisen und Impresen 


ı Sprichwort; man sagte es, wenn man sich die behandschuhte Hand gab. 


70 Volkmann: Von der Bilderschrift zum Bilderrätsel 


geradezu den Bilderratseln gleich- 
stellt, indem er sagt: „Die De- 
visen, die nicht aus lesbaren 
Worten bestehen, sind aus Bil- 
dern gebildet, die den Einfall 
ihres Schöpfers darstellen, und 
das wird ein Rebus genannt, das 
man aufgelöst hat oder die an- 
deren lösen läßt. Solche Bilder 
sind Männer oder Frauen, Tiere, 
Vögel, Fische und andere körper- 
liche oder stoffliche Dinge“. Die 
Beispiele, die er dann bringt, 
greifen in der Tat in das Gebiet 
des homonymischen Bilderrätsels 
über, ja in die bloße Wort- und 
Buchstabenspielerei, wie die mit 
Bild 8. Signet des Galliot du Pré griechischen Buchstaben ausge- Bild 9. Signet des Michel Moules 
drückten italienischen Worte: 
MAMA, „Mi fideltà mi lauda“, u. dgl. m. Was uns aber noch ganz besonders berührt, ist der 
Umstand, daß er bei dieser Gelegenheit sein eigenes Signet (Bild 2) bildrätselartig erklärt und 
uns damit Veranlassung gibt, diesem buchkundlich und buchgewerblich so wichtigen Sondergebiet 
auch hier einen kurzen Exkurs zu widmen. — Die zerbrochene Vase, die einem Holzschnitt im 
Poliphilo nachgebildet ist, bedeutet den Körper, und ebenso werden die Blumen, die Kette, 
das Buch usw. symbolisch erklärt; der schräg hindurchgesteckte Gegenstand aber ist, mit 
Bezug auf den Namen Jory, ein „Zoret“, gleichbedeutend mit treuil, also ein Wellbaum oder 
eine Seilwinde, und bedeutet das sich unwendbar abwickelnde Schicksal. Das ist also ein 
richtiges, auf Homo- einerseits, mit der sym- 
nymie beruhendes bolischen, indirekten 
Bilderrätsel und zeigt Sprache der Hiero- 
deutlich den Zusam- glyphik und Emble- 
menhang dieser Art matik andererseits. 
von unmittelbar „re— Es sei nur kurz an 
denden Signeten“ mit einige bekannte Bei- 


TZ — — 
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den bekannten, zum spiele solcher denden 
Teil schon früherer Mappen erinnert, zu— 
Zeit entstammenden Bild 10. Bildrätsel des Autornamens G. Rosemondt nächst aus Deutsch- 
„redenden Wappen“ land und Osterreich. 


Da führen die Grafen Eberstein einen Eber auf einem Hügel, die Falkenstein einen Falken auf 
einem Felsen, die Grafen von Henneberg eine Henne auf einem Berg, die Hohenlohe unter 
anderem Feuerflammen, die Auersperg einen Auerochsen, die Bülow als Helmzier den Pirol 
(Vogel Bülow), die Salm drei Salme, die Thurn und Taxis einen Turm und einen Dachs, die 
v. d. Gabelentz eine Heugabel, die Kirchbach eine Kirche und einen Bach. Von bürgerlichen 
Familien haben die Gensel eine Gans im Wappen, die Hases einen Hasen, die Hupp einen 
Wiedehopf, und wir Volkmanns einen wilden Mann. Albrecht Dürer führte eine Tür im 
Wappen; auch das Signum des Malers Hans Schäuffelein, eine kleine Schaufel, gehört hierher. 

Besonders interessant ist das Wappen der auch in Leipzig 


ae heimischen Emigrantenfamilie 
H ec t+ Ne e: Gontard; es zeigt eine Tiir- 

GA mee fin JARA a| angel, gon, und eine unter- 
X Y gehende Sonne, was „spät“, 


tard, bedeutet, also ein schon 
komplizierteres Bilderrätsel. 
Und hier bietet sich nun eine 
ganz merkwürdige Parallele zur 
chinesischen Bilderschrift, in- 
dem dort eine aufgehende 
Sonne das ursprüngliche Zei- Bild 12. Rebus-Signet 


Bild 11. Signet des Guy Marchant 8 okee 
(Mercatos) chen für „früh“ ist — also ganz aus den Heures de Paris (Jean de Brie) 


Volkmann: Von der Bilderschrift zum Bilderratsel 71 


der entsprechende geistige Vorgang! — Bekannt ist die Jungfrau im Stadtwappen von Magde- 
burg oder der Bar als redendes Wappentier von Berlin, Bern und Bernburg, in Italien der Fiirsten 
Orsini. Die Colonna haben eine Säule, die Trivulzio einen Kopf mit drei Gesichtern (tre volti), 
die Medici (,,Arzte“) als Pillen erklarte Kugeln, die Capponi einen Kapaun, die Crescimbene 
einen Halbmond mit dem erläuternden Motto: Cresce in bene, und die Paravicini eine Gans 
mit dem Spruch: Par avis cygno, ein Vogel, dem Schwane gleich. — Aus Frankreich nennt 
Etienne Tabourot, von dem noch zu reden sein wird, besonders amüsante Fälle aus dem Ende 
des 16. Jahrhunderts. Die von Mailly führten einen hölzernen Schlägel (maillet), ein Wortspiel, 
das uns in einem Verlegersignet des Estienne Maillet in Lyon um 1530 bereits begegnet. Die 
Familie Clergant hat einen Schlüssel (cle) und einen Handschuh (gant), die Chotier drei Kohl- 
köpfe (chou tiers), die Chinard einen Hund (chien) und einen Bogen (arc), die Beufarant ein 
Rind (boeuf) und einen 


aA mains toict, 
+ (roig fois ié lot 


¿La trinice trefee 
ll ceilenite 


ai he hic Me 

EIN VW Ce Noble tourönc 

Se eames CIMpcricre des ci: 
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Atkopnedesang:s 

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CG 


8 eg 


> (concoꝛde 
Gu Garde le monde 
* des enueis 
ed > 
(d: E] Za miene ame a 
d'al foit Amen. 


Häring (hareng), die Cha- 
querant einen Mann, der 
eine halbversteckte Katze 
hinter der Tür sucht, (chat 
querant), die Bichot eine 
Hirschkuh (biche) und ei- 
nen Kohlkopf (chou), lauter 
etwas an den Haaren her- 
beigezogene Wortspiele, 
die auf ähnlichem Klang 
bei oft ganz abweichender 
Schreibweise beruhen und 
über die sich Tabourot 
auch entsprechend lustig 
macht. 

Daß in den /mpresen 
diese Spielerei eine beson- 
dere Rolle spielte, wurde 
schon erwähnt. Ein beson- 
ders drastisches Beispiel 


C Saluons Marie pri 
ant Jeſus en croix 


| bot noch Andrea Ferma- 
Dar, Re ndrea Ferma 


der ein Vorlege- 
hay A 1 7 Sa A schloß dafür wählte, ital. 
gun SI E Es E lucchetto, mit Bezug auf 
| | ae 7 seine Geliebte Lucchetta; |Jelpereparadis 


dazu das sinnige Motto: 

— „Uni patet‘, nur einem er- 
Bild 13. Rebus aus den Heures de Rome schließt sich’s; und ferner 

(Jean de Brie) Wilhelm von Oranien, der 

wegen seiner kurzen Nase 

den Spitznamen cort nes besaß und daraufhin ein corzez, ein Hörnchen, in seine Devise aufnahm. 


Und nun im Anschluß hieran einige Verleger- und Druckersignete, die ganz dem gleichen 
Geist entsprungen sind? Da ist etwa der Züricher Drucker Christoph Froschauer, der seinen 
Namen von Frosch und auf ableitete und daraus seit 1520 das bekannte Signet des Knaben 
auf dem Frosch bildete (Bild 3). Ferner Johann Schöffer, der Sohn Peter Schöffers, der den 
Namen als Schäfer deutete und daher die alte Druckermarke in eine Hirtenszene stellte 
(Bild 4), wozu seine Nachfolger dann zahlreiche Varianten schufen, z. T. kombiniert mit der 
Verkündigung an die Hirten. Auch Mathias und Samuel Apiarius (Biener) gehören hierher, 
mit dem Bären, der Honig nascht und von dem am Baumstamm hängenden Holzblock 
getroffen werden soll, Johann Knobloch in Straßburg mit Knoblauchzwiebeln oder Adam 
Fetri in Basel, auf dessen Signeten ein Felsen, d. h. die alte Kirche, durch Hammer und 
Feuer, d. h. die neue Lehre, zertrümmert wird. Das alles geht neben den symbolischen, 
der alten Hieroglyphik und Emblematik entstammenden Signeten her, über die in meinen 
„Bilderschriften der Renaissance“ nähere Angaben zu finden sind; so liegen auch hier die 
Übergänge und Zusammenhänge offen zutage. — Besonders ausgeprägt ist diese Erscheinung 


Pouenaeadieufoit 


Bild 14. Rebus aus den Heures de Paris 
(Guillaume Godard) 


ı Vgl. auch A. Meiner, Das deutsche Signet, in der Zeitschrift des Vereins für Buchwesen und Schrifttum 1922. 


72 Volkmann: Von der Bilderschrift zum Bilderrätsel 


nun wiederum in Frankreich“. Da hat schon der in Paris von 1492—1530 tätige Get 
Couteau ein Messer im Signet, und n de la Porte seit 1508 ein Stadttor. Michel und 
Philippe le Noir und ihre Nachfolger führen einen Mohrenkopf als Helmzier und zwei 
„Schwarze“ als Schildhalter. Bild 5 zeigt das schöne Signet in der prachtvollen Ausführung 
durch Geoffroy Tory. Bei Zoussains Dents finden wir den hl. Dionys, St. Denis, der seinen 
abgeschlagenen Kopf hält, bei Jehan Lecog in Troyes einen Hahn im Wappenschild, das 
von Füchsen gehalten wird, und bei Jean Temporal in Lyon den Chronos auf der Weltkugel, 
mit dem Motto: „Fugit irreparabile tempus". 

Jean Mareschal, zu deutsch Schmidt, in Lyon 1587, bildet eine ganze Schmiedewerkstatt 
ab, während ein früheres Signet von 1531 nur einen Ambos mit Hammer in einem Lorbeer- 


ruosin fuam ſaucta gratiã teincercené 

te vſq; in Find ſeculi cegeve atq; protege; 

re dignetur. Aue maria. 

Nui cum patre t ſpiritu ſancto viuit g 

regnat per oninia fecula ſeculoꝛũ Amë. 
Pacer nofter. Aue maria, 


e "e Saluons ma; 
A rie pride iefus 
Gei, ag en CN COIL 
| AME tt noz conf 
ictices efperds 
fa paix 
Jap adieu mó 
ſcucur mps 


Jeſpoirc para 


kranz, von einem Adler gehalten, zeigte. Germain 
Rose in Lyon hat einen Rosenstrauch mit Schlange, 
Jehan Du Moulin in Rouen eine Windmühle mit zwei 
Einhörnern, Claude Chevallon in Paris sein Monogramm- 
schild von Pferden gehalten, und Jean Charron, zu 
deutsch Stellmacher oder Wagenbauer, einen Stell- 
macher, der auf einem Rade steht und dessen Achse 
bohrt (Bild 6). Jean Calvez in Trégnier, Bretagne, hat 
Winkelmaß und Beil (Calvez bedeutet im Bretonischen 
Zimmermann), Martin Morin in Rouen neben seiner 
Hausmarke einen Mohrenkopf, Simon Pourcelet (Ferkel) 
gar ein sitzendes Ferkelchen, das auf die vom Baum 
fallende Eichel wartet; gemeinsam geben zwei Drucker 
in Poitiers ihre Namen wieder, Jean Bouyer und Pierre 
Bellescullee, durch einen Ochsen (Bouyer = bouvier, 
Ochsenhirt) und drei schöne Schalen (belles ecuelles!), 


dis später derselbe Bouyer mit Guillaume Bouchet durch 
einen Ochsen und einen Bock (bouc). Da sind ferner 


Louégea dicu Guillaume und Jacques Du Puits in Paris seit 1 504, 

fort. Amen. mit schönen Darstellungen von Christus und der Sa- 

mariterin am Brunnen (puits), oder Peerre Le Chandelier 

Uenance france verain in Caen mit einem siebenarmigen Leuchter (chandelle 


= Licht), Zhzbauld Payen (Heide) in Bordeaux mit 
einem stehenden oder reitenden Türken, Michel Fove 
in Lyon mit einem vom Adler getragenen Jupiter; 
ferner César Farine (Mehl) in Lyon mit einem von 
Gottes Hand gefüllten Mehlgefäße und dem Spruch 
„Hydria farinae non deficiet“ aus der Geschichte des 
Elias im L Buch der Könige, Kap, 17. — Lustig ist 
das Signet des Nicolas Eve in Paris von 1578—1610, 
das einen Sündenfall darstellt und nur die Eva darin 
meint, und Rezé Trotsmailles in La Flèche illustriert um dieselbe Zeit gar das Sprichwort „La 
maille sauve le denier“, (etwa „wer den Pfennig nicht ehrt, ist den Taler nicht wert“), indem 
er drei Kupfermiinzen, „trois mailles“ mit der französischen Lilie darauf abbildet. So wären 
noch zahlreiche einfach den Namen umschreibende Signete zu nennen; besonders bemerkens- 
wert ist noch das von Antoine Tardif in Lyon um 1580, der getrost die berühmte, der Hiero- 
glyphik entstammende Marke des Aldus Manutius in Venedig, den Anker mit Delphin, über- 
nimmt und nur das Motto „festina lente“ nach seinem Namen in „festina tarde wandelt, oder 
das von Francois Regnault in Paris, der einen Triton mit Panzer, Helm und Schwert im Wasser 
darstellt (règne eau!) (Bild 7), während Ferre Regnault einfach die Poliphilo-Hieroglyphe der 
Elefanten und Ameisen kopierte (vgl. meine „Bilderschriſten“ Abb. 97). So ist auch hier 
wieder der Weg von der Bilderschrift zum homonymischen Bilderrätsel klar erkennbar. 
Manche Signete enthalten auch nur den Vornamen ihres Trägers, andere wieder in ge- 
schickter Zusammenstellung den Vor- und den Vatersnamen. Berühmt ist das schöne Zeichen des 
Pariser Verlegers Galliot du Pre, eine Galiote (Segelschiff) mit der Beischrift „Vogue la guallée“ 
(Bild 8); es kommt in verschiedenen Varianten vor und erinnert uns etwa an das heute mit Recht 


Apes delagrane du roy 


Bild 15. Rebus aus den Heures de Poitiers 
(Guilliaume Godard) 


1 Vgl. Z. C. Silvestre, Marques typographiques. Paris 1853—67. — A. Claudin, Histoire de l'Imprimerie en France. 
Paris und Lyon 1900—1924. — W.J. Meyer, Die französischen Drucker- und Verlegerzeichen des 15. Jahrhunderts. 


München 1926. — M.-Louis Polaín, Marques des imprimeurs et libraires en France au XVe siècle. Paris 1926. 


Volkmann: Von der Bilderschrift zum Bilderratsel 73 


so beliebte Inselschiff! Ad- 
raham d Auvel stellt den 
Abraham bei Isaaks Opfe- 
rung dar, Jacques Boyer in 
Lyon 1560 den Hl. Jacobus 
mit der Beischrift:,,Pellegri- 
nus sum a juventute mea“; 
Michel Ang ier in Rouen und 
Caen hat schon 1502 ein 
Schild mit seinen Initialen 
M. A., gehalten von zwei 
Engeln, dahinter St. Michael 
auf dem Drachen, und 
Michel Moules, Paris 15 15, 
bringt noch deutlicher den- 
selben Erzengel auf einer 
Felseninsel, an deren Steil- 
ufern Muscheln (moules) 
; sitzen (Bild 9)! 

Noch andere geben 
` van Toner. e OE RT ihren Namen schon Sch 
| ein zusammengesetztes Re- 
Bild 16. Rebus aus den Heures de Rome bus wieder, so Gilles Cor- Bild 17. Rebus-Signet aus den Heures de Soissons 


(Guillaume Godard) rozet in Paris, Mitte des (Pierre Ricoart) 
16. Jahrhunderts, der ein 
Herz mit einer Rose darauf zeigt, coeur und rose. — Ein seltener Fall ist es, wenn auch der 


Autorname bildrätselhaft dargestellt wird, wie in dem Werke Confessionale sive libellus modum 
confitendi, editus a Mag. Godescalco Rosemondo, Antwerpen, Michael Hillonius Hoochstratanus 
1519; da ist als Vignette eine Rose gezeichnet, und die Silbe „mondt“ in Buchstaben beigefügt 
(Bild 10). Der Verleger Vas Cavallıs in Aix en Provence bringt eine Vase mit zwei Pferden als 
Halter, mit dem Bibelspruch: „Vas pretiosum labia scientiae“ usw.*. Und schließlich verwendet man 
wiederum die Bezeichnungen der Musiknoten zu solchem Wortspiel: Jehan und Anthoine Lagache 
in Arras 1517 führen ein Signet, das erst die Buchstaben J et A. zeigt, dann die Note la, und end- 
lich wieder in Buchstaben die Silbe gache. Guy Marchant (Mercator) in Paris 1483—1502 gibt nur 
seinen Wahlspruch Sola fides sufficit als Bildrätsel unter Verwendung von Noten wieder, auf den 
auch die beiden vereinigten Hände deuten (Bild 11). Die Noten sol und la sind von dem Wort 
„Fides“ und darunter (sous) „ficit“ gefolgt. Andere Verleger haben dies später übernommen. 

Wortspielhafte Notenrätsel sind ja gleichfalls noch heute im Brauch; die gewaltige Fuge 
B—a—c—h ist allbekannt, und von Gade besitzen wir Unterschriften aus den Noten G—a—d—e. 
Humoristisch hat Christian Morgenstern einmal das Niesen durch h—cis umschrieben, aber 
ganz unfreundlich war es, wenn Max Reger unter schlechte Schülerarbeiten wirklich die Noten 
A-f-f-e geschrieben haben sollte! Das Thema der Notenbildrätsel wird vielleicht demnächst 
einmal gesondert behandelt werden; es zeigt, nach wie vielen Seiten sich diese Dinge verästeln. 

Von den redenden Signeten aus gelangen wir nun zu einer besonders merkwürdigen 
französischen Gruppe von richtigen Bilderrätseln, die zugleich die Stelle eines Signetes ver- 
treten und sich in Werken finden, in denen wir sie am wenigsten erwarten sollten, nämlich 
in den gedruckten Gebetbiichern, den Livres d heures, des frühen 16. Jahrhunderts?. Bild 12 
zeigt ein solches Rebus-Signet aus den Heures à lusaige de Farts, Paris, bei Jean de Brie, 
mit Kalender von 1512—23. Die Auflösung ist: „In vico sancti Jacobi a la limace cy me 
vend et achate“, (In der St. Jacobstraße im Haus zur Schnecke verkauft und kauft man mich). 
Im einzelnen ist dies dargestellt durch ein i mit Abbreviaturzeichen darüber, also in; eine 
Schraube (vis) und ein Hahn (coq) ergibt vico; St. Jacob ist in Person dargestellt, dann der 
Buchstabe A, die Note la und eine Schnecke. In der zweiten Zeile dann eine Sage (scie), 
die Silbe me in Buchstaben, ein Futterkorb (van), die Buchstaben E und A, endlich eine 
Katze (chatte). Hier sind also schon die verschiedenartigsten und kompliziertesten Mittel in 
den Dienst der homonymischen Spielerei gestellt, auf der das Bilderrätsel beruht. 


1 Ein hübsches modernes Rebus-Signet der Art ist der hornblasende Engel von J. Engelhorn Nachf. in Stuttgart. 
2 Vgl. Z. Bohatta, Livres d'heures, in der Zeitschrift des Vereins für Buchwesen und Schrifttum 1923, Nr. 1, S. 12 ff. 


XVIII, 11 


74 Volkmann: Von der Bilderschrift zum Bilderrätsel 


Die Heures de Rome desselben Verlegers und fiir die 
gleichen Jahre enthalten ein noch viel ausführlicheres 
Rebus, das jedoch kein eigentliches Signet darstellt, son- 
dern eine Art frommer Anrufung der Dreifaltigkeit und 
der Himmelskönigin. An der Hand unserer Abbildung 13 
(nach einem Exemplar der Pariser Arsenal-Bibliothek) läßt 
sich die Entzifferung im einzelnen verfolgen, die gar nicht 
so einfach ist, obwohl die Auflösung daneben steht. Aber 
es ist oft schwer, die dargestellten Gregenstände so zu 
deuten, daß sich die richtige Silbe ergibt, zumal da es 
sich öfters um alte Wortformen dabei handelt, und so 
muß ich besonders dankbar der freundlichen Hilfe ge- 
denken, die mir Herr Professor Philipp August Becker 
bei dieser amüsanten Arbeit gewährt hat. — Die erste 
Zeile lautet: A mains joinctes trois fois je loue (mit ge- 
falteten Händen lobe ich dreimal). Das ist dargestellt 
durch: Buchstabe A, gefaltete Hände, drei Geißeln (fouets), 
Buchstabe G, einen Wolf (loup), Buchstabe E. — Zweite 
Zeile: La trinité trés-excellente (die hoch erhabene Drei 
einigkeit). Die Note La ist uns schon bekannt; die Drei- 


Bild 18. Signet des Durand Gerlier einigkeit ist bildlich dargestellt; dann folgen Pfeile (traits) 
für tres = sehr, die Silbe Ex, ein Sessel (selle) und Pfropf- 
reiser (entes). — Dritte Zeile: Salut a notre dame, fontaine de liesse (Heil unsrer Frau, dem 


Brunnen der Freude), dargestellt durch: Eine Gold münze „salut“, Buchstabe A, die Madonna, 
einen Brunnen, einen Fingerhut (dé), eine Lilie (lis), und ein S. — Vierte Zeile: Noble couronne 
emperière des cieulx (Edle Krone, Kaiserin der Himmel): Ein anderes Goldstück, „noble“ 
genannt, eine Krone, eine Kaiserin, Würfel (dés), und sägende Männer (scieurs!) Fünfte Zeile: 
Royne des anges au monde charitable (Königin der Engel in der Welt der Liebe): Eine 
Königin, Finger (doigts, sprich des) ein Engel, Buchstaben AU, eine Weltkugel, eine Katze 
(chat), Silbe Ri, ein Tisch (table). Sechste Zeile: Rose de paix et de concorde (Rose des 
Friedens und der Eintracht): Eine Rose, ein Fingerhut (dé), ein sogenanntes paxvobiscum 
(paix) oder Kußtäfelchen, dann die Abbreviaturen für et de und con, endlich ein Strick (corde). 
Siebente Zeile: Garde le monde des ennemis (schütze die Welt vor den Feinden), eine Woll- 
kratze oder Kardätsche (carde, auch garde), Silbe le, Weltkugel, Finger wie oben, Esel (äne), 
Note mi zweimal. — Letzte Zeile: La miene ame a dieu soit (sprich set). Amen. (Meine 
Seele gehöre Gott. Amen.) Wieder die Noten la und mi, die Buchstaben N und M in der 
alten Aussprache enne und amme, Buchstabe A, Darstellung Gottes, Buchstabe C. Das „Amen“ 
ist nicht dargestellt. 

Ein ähnliches Bilderrätsel findet sich in den Heures de Paris bei Guillaume Godard in 
Paris, auf die Jahre 1513—23 (Bild 14). Auch hier steht der Text dabei, und in der Bildersprache 
finden wir schon gute Bekannte, so gleich zu Anfang der ersten Zeile: Saluons Marie priant 
Jesus en croix (sprich craix), (grüßen wir Maria, die Jesus am Kreuz bittet), das Goldstück 
Salut. Hierauf ein Knochen (os), die Buchstaben NS, und die am Kreuz betende Maria. 
Zweite Zeile: En nos consciences espérons sa paix (in unseren 
Gewissen erhoffen wir ihren Frieden) — Ein N, wieder ein 
Knochen (os), die Abbreviatur für con, eine Säge (scie), ein 
Henkel oder eine Ose (anse), Sporen (éperons), ein Sack (sac) 
und wieder das Pax vobiscum. Dritte Zeile: Jay a dieu mon 
coeur mis, (ich habe auf Gott mein Herz gesetzt) — Buch- 
staben G und A, Bild Gottes, ein Berg (mont), ein Herz und 
zweimal die Note mi. Vierte Zeile: J'espère Paradis, (ich 
erhoffe das Paradies) — Buchstabe G, eine Birne (poire oder 
pere), wobei das s allerdings fehlt, eine Hürde (parc), Buch- 
stabe A und Ziffer X (dix); endlich letzte Zeile: Louange a 
Dieu soit (sprich set) (Lob sei Gott) — Ein Wolf (loup), ein 
Engel (ange), Buchstabe A, Gott, und Buchstabe C. 

Guillaume Godard hat dasselbe Bild noch für die Heures 
de Poitiers für 1514—30 und für die Heures de Chartes der o 
gleichen Jahre verwendet. Das erstere ist in Bild 15, gleich- von E Tabourot 


2 


Fi u 


Volkmann: Von der Bilderschrift zum Bilderrätsel 75 


falls nach einem Exemplar der Pariser 
Arsenal-Bibliothek, hier auch wiederge- 
geben; es zeigt neben einer etwas abwei- 
chenden Textanordnung noch ein darunter 
zugefiigtes bedeutungsvolles Worträtsel: 
Ayez souvenance de la grande souffrance du 
roy souverain! 

Etwas verändert und noch um vier 
Zeilen vermehrt erscheint dieses Rebus dann 
in den Heures de Rome für 1521—33 aus 
dem gleichen Verlage (Bild 16). Zu Beginn 
der vierten Zeile: „Jespere paradis“ ist zu- 
nächst das fehlende s dadurch ersetzt, das 
an Stelle des G zwei Elstern (geais) ge- 
setzt sind, die mit der Birne dann richtig 
Jespere ergeben. Am Ende der fünften 
Zeile „Louange a Dieu soit“, (sprich set), 
steht an Stelle des Buchstaben C ein Gegen- 
stand, der nicht leicht zu erraten war; es 
ist das unter dem Namen „Stock“ bekannte 
Strafinstrument, in das die Füße und Hände 
des Delinquenten eingespannt wurden, und 
heißt französisch cep, ergibt also denselben 
Laut wie C. Die sechste Zeile, die wir 
selbständig auflösen müssen, weil die Lö- 
sung nicht dabei steht, bedeutet zweifellos 
Coeurs endurcis, verhärtete Herzen (zwei 
Herzen, endur in Buchstaben und Ziffer VI, 
six). Schwierig ist der Anfang der sieben- 
ten Zeile, der vielleicht ein Gehege (clos) 


VV A keen NVNQYAM GENEROSO IN PECTORE VIRTVS. 
(námlich die Herzen). Die achte Zeile ist 
wieder ganz klar: Pensez a la mort, denket Bild 20. Rätselpyramide des Jan van der Noot 

an den Tod, námlich ein Pfau (paon), zwei 

C's, ein A, die Note la und ein Totenkopf. Schließlich die letzte Zeile: Morir faut, quel 
déconfort, man muß sterben, welch niederdrückender Gedanke! — ein M, ein Knochen (os), 
Buchstaben R I R, eine Sense (faux), quel geschrieben, ein Würfel (dé), Abbreviatur für con, 
F, Knochen (os), R und T. 

Ein letztes Beispiel dieser Art gibt wieder signetartig die Firma und Verkaufsstelle des 
Verlegers an und ist in dieser Beziehung doppelt interessant: die Heures de Sotssons, die 1545 
bei Fzerre Ricoart in Paris erschienen (Bild 17). Ohne die Auflösung, die darunter steht, würde 
man freilich dieses Bilderrätsel wohl kaum völlig herausbekommen. Es bedeutet: On vend ces 
présentes heures sur le pont Notre Dame a limage de St. Pierre et St. Paul par Pierre 
Ricoart libraire juré a Paris, (Man verkauft dieses vorliegende Gebetbuch auf der Notre Dame- 
Briicke zum Bilde von S. Peter und Paul bei Pierre Ricoart, vereidigter Buchhandler zu Paris). 
Im einzelnen: Knochen (os), Buchstabe N, Futterkorb (van), Stock fiir Delinquenten, hier deut- 
licher (cep), Wiesen (prés), Pfropfreiser (entes), Gebetbiicher (heures). In der dritten Zeile 
dann sehr kühn die Madonna auf einer Brücke für „sur le pont Notre Dame“, Buchstabe A, 
das Bild der Heiligen Peter und Paul, eine Hiirde (parc). Die vierte und fiinfte Zeile geben 
den Namen des Verlegers: ein Stein bedeutet Pierre, Ri und ein brennender Hahn (coq 
art!) = Ricoart. Die Lilie (lis) mit den folgenden Buchstaben ergibt libraire, die Silbe Ju mit 
der Note re = juré, und a, eine Hürde (parc) nebst zwei i 's: a Paris. 

In der französischen Literatur der Zeit sehen wir zunächst die Neigung zu Wortspielereien 
in den Impresen und Devisen scharf kritisiert bei dem großen Satiriker Francois Rabelais, 
dessen Gargantua und Pantagruel um 1530 entstand. Im achten und neunten Kapitel des 
I. Buches „Von des Gargantua Kleidung“ und „Von des Gargantua Farben und Leibtracht“ 
gießt er die ganze Lauge seines Spottes über diese weitverbreitete Modenarrheit aus. Da sagt 
er einmal, nach der trefflich sinngemäßen Verdeutschung von G. Regis: „In gleicher Finster- 


2 


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76 Volkmann: Von der Bilderschrift zum Bilderratsel 


Bild 21. „Hieroglyphen“ aus der Hypnerotomachia Poliphili 


nis stecken auch die prunkischen Höflinge und Namenverriicker, die in ihren Devisen, um 
Hoffnung auszudrücken, eine runde Öffnung oder eine Hopfenstange machen lassen (franzö- 
sisch lautet das Wortspiel une sphère für j'espère), ein Bein für Pein, das Kraut Ancholi (die 
Akelei) für Melancholie, den zweigehörnten Mond für ein zunehmend Glück, eine zerbrochene 
Bank für einen Bankerottierer, das Wort ‚nicht‘ und ein Panzerhemd für ein nicht hartes 
Kleid noch Wesen, Litzelsalat für Lizentiat: welches so alberne, fade, bäurisch-barbarische 
Homonymien sind, daß man einem jeden sollte einen Fuchsschwanz an das Koller hängen 
und eine Larve von Kühdreck fürtun, der sich hinfüro noch in Frankreich nach Wiederein- 
setzung der guten Künste und Wissenschaften ihrer gebrauchen und bedienen möchte.“ Er 
meint dann, mit gleichem Fug oder besser Unfug könnte er einen Schmachtriemen malen 
lassen zum Zeichen, daß man ihn schmachten ließ und einen Senftopf für sein Herz, das 


Bild 22. „Hieroglyphen“ aus der Hypnerotomachia Poliphili 


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Volkmann: Von der Bilderschrift zum Bilderrätsel 77 


man eben nicht sänftiglich stopfe, und dann 
folgen noch einige Beispiele, die wir wegen ihrer 
echt Rabelais’schen Derbheit hier nicht wieder- 
geben können. — In alledem geht noch sym- 
bolisch-hieroglyphische Bsldschrift mit rebus- 
artiger Lautschrift bunt durcheinander, und 
Rabelais selbst, der Geoffroy Tory's Champ 
fleury offenbar gekannt hat, nimmt die eigent- 
liche Hieroglyphik, wie die Renaissance sie 
verstand, durchaus ernst, wie er im weiteren 
mit ausdrücklichem Bezug auf Horapollo und 
Poliphilo klar zu erkennen gibt. 

Tiefer in die Entwicklung des eigentlichen 
Bilderrätsels führt dann ein anderes Werk, das 
seit 1582 in zahlreichen Ausgaben erschien, und 
das oben schon gelegentlich gestreift wurde: 
Les Bigarrures et Touches du Seigneur des Accords, 
dessen Verfasser, Elienne Tabourot aus Dijon, 
ein großer Sonderling und Spaßvogel war. 
(Bigarrures bedeutet etwa Buntscheckigkeiten, 
Allerlei; Touches sind Streiche, Spöttereien). 
Er gibt darin eine Abhandlung über Erfindung 
und Nutzen der Schrift, über Bilderrätsel, Wort- 
spiele, Akrosticha, Chiffreschriften u. dgl. Be- 
sonders interessant ist für uns natürlich der 
Abschnitt über die Rebus. Diese waren nament- 
lich in der Picardie gebräuchlich, und das zweite 
Kapitel „Des rébus de Picardie“ beschäftigt sich 
ausführlich mit ihnen, wobei der Name Rebus [TI = 
richtig mit „des choses“ erklärt wird, während FC zes S 
ihn noch G. Tory von réver herleitete. Wichtig = 
ist die Bemerkung, sie seien schon seit 3—400 Pf 
Jahren gebräuchlich; die Franzosen aber hätten 
solchen Gefallen daran gefunden, daß, wer sie 
sammeln wollte, so viel Papier dazu brauchen würde, um zehn Maultiere damit zu beladen. 
Ihr Hauptgebiet habe bereits Marot in seinem „Coq à l’asne“ bezeichnet, in den Versen: 


Car en Rebus de Picardie 
Une faulx, une estrille, un veau 
Cela faict, estrille Fauveau. 


Bild 23. Zacharias Heyns, Albumblatt für Abraham Ortelius 


(in den Rebus der Picardie bedeutet eine Striegel, étrille, eine Sense, faulx, und ein Kalb, 
veau, das „Striegeln des Falben“ [Fauveau])*. — Er bringt dann spöttisch dieselben Beispiele 
von wortspielenden Impresen, die wir schon von Rabelais und Paolo Giovio kennen, und fügt 
eine ganze Reihe von französischen Rebus mit Abbildungen bei, die zum Teil überaus grotesk, 
ja albern auf uns wirken, aber in ihrer ganzen Auffassung und bildlichen Wiedergabe ihre 


1 Die Stelle steht in Clement Marots zweitem „Coq en l'asne“ (1536). Das unübersetzbare Wortspiel „estrille 
Fauveau‘‘ bezieht sich auf eine französische Tierdichtung aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts, den Roman vom 
„Pferde Fauvel" (also ein Falber), das — im Anklang an das Wort faux — als Sinnbild der Falschheit galt. 
„Das Pferd Fauvel striegeln“ war sprichwörtlich = der Falschheit huldigen, und die von Marot bezw. Tabourot 
erwähnte rebusartige Darstellung dazu war anscheinend sehr verbreitet. Der Pariser Verleger Durand Gerlier (um 
1489 bis 1529) benutzte sie als Signet, das neben seinem Monogramm und Namen eine Striegel, eine Sense und ein 
Kalb zeigt (Bild 18). Sein Laden befand sich nämlich im Hause „de l’Estrille Faulxveau, sub strigili equi gilvi“. Näheres 
darüber findet sich in der großen Marot-Ausgabe von G. Guiffrey, Bd. III, S. 365 ff. und 721 ff., mit Abbildung. Rabelais 
hat die Redensart in zweideutigem Sinne verwendet (Pantagruel IV, 9). Ein früheres Signet Gerliers gibt das 
Rebus durch eine Striegel, ein Gerbermesser (faux des tanneurs) und eine Kornblume wieder, die wohl als Sinnbild 
der leeren Stellen im Acker (veau!) gelten soll, daneben in einem Band die Beischrift „L'Estrille‘. W. J. Meyer bildet 
beide in seinem oben zitierten Buche unter Nr. 95 und 96 ab, ohne jedoch, ebenso wie Polaín, den literarischen Zu- 
sammenhang zu kennen, weshalb er einfach tibersetzt „Zum Striegel des gelben Pferdes". Im übrigen gibt er dort mehrere 
gute Beispiele von Signeten nach der Bezeichnung der Wohnstätte des Verlegers oder Druckers: Zum Esel, Pelikan, 
Einhorn, weißen und goldenen Kreuz, Priester Johannes, grünen Pfeiler, zur Flasche, zu den zwei gekrönten Delphinen, 
zur goldenen Sonne, zum Hirschhorn u. dgl. — Solche nicht eigentlich zum Bilderrätsel zählende Beziehungen finden 
sich ja auch in Deutschland, vgl. A. Meiner a. a. O. Allbekannt ist noch heute Breitkopfs „Goldener Bär“. 


78 Volkmann: Von der Bilderschrift zum Bilderratsel 


Herkunft von den Impresen und dadurch von der Hieroglyphik nicht verleugnen konnen. — 
Als Probe diene der junge Mann, den drei Geier (vautours) umfliegen, welche ihre Federn (pennes) 
auf ihn streuen (Bild 19). Die Umschrift sagt den Sinn: Vos tours me donnent peines, Deine 
Streiche schaffen mir Kummer, der Wahlspruch eines ungliicklich Liebenden. — Ahnlich sind 
die schon erwähnten Beispiele von redenden Wappen, von Wortwitzen, Buchstaben- und 
Notenrätseln, wobei er erwähnt, daß er viele Rebus an den Wänden der Gasthöfe ange- 
schrieben gefunden habe. Der heute noch beliebte Scherz: großes & kleines a = J'ai grand 
appetit und ähnliches findet sich schon bei ihm! Im Kloster S. Mammes zu Langres fand 
er das plastische Bilderrätsel von zwei Totenköpfen und dazwischen die Noten la und mi, 
was bedeutete: la mort, lami la mort, Der Tod, der Freund Tod. Und ganz grotesk war 
das auch abgebildete Rebus an einem anderen Kloster: ein toter Abt in einer Wiese liegend, 
aus dessen entblößter Rückseite Lilien wuchsen; das hieß, lateinisch in französischer Aus- 
sprache, Habe mortem prae oculis (Abbé mort en pre, au cul lis)!! Wer weiß, wie viele 
solche Spielereien sich noch in unerklärbaren Darstellungen versteckt halten! 

Auch Tabourot nennt noch besonders die Pariser 
Ladenschilder (enseignes), die ja in gewisser Weise 
mit den Signeten zusammenhängen und häufig Rebus 
enthielten. Da hieß ein Laden „Au bout du monde“, 
Zum Ende der Welt, was bildlich wiedergegeben 
war durch einen Knochen (os), einen Bock (bouc), 
einen Herzog (duc) und eine Weltkugel; und ein 
anderer „Au chassieux“, Zum Triefauge, zeigte auf 
dem Aushängeschild Katzen, die einen Holzblock 
sägten — Katzen als Säger, Chats scieurs. — Damit 
genug von diesen Scherzen, von denen Tabourot 
zuletzt selber sagt: „Noch heutzutage ergötzen sich 
große Herren an derlei schönen Rebus, und danach 
mag man ermessen, wie sehr die Unwissenheit in 
Frankreich eingewurzelt ist.“ 

Im Gegensatz hierzu war in Deutschland die 
Bilderrätselmode etwas weniger verbreitet und spielt 
keine so wesentliche Rolle, während die Hierogly- 
phik ja u. a. in Kaiser Maximilians Humanistenkreis 
Eingang fand und durch Pirkheimer auch auf Dürer 
einwirkte. 

In Rabelais Bahnen wandelt der schnörkelreiche 

ge 6 Satiriker Johann Fischart, dessen „Affentheurlich 

ee se ee ease Zem i Naupengeheurliche Geschichtklitterung von Thaten 
und Rhaten der Helden und Herrn Grandgroschier, 
Gorgellantua und des Eiteldürstlichen, Durchdurstlechtigen Fürsten Pantagruel“ 1575 aber 
keineswegs eine bloße Ubersetzung, sondern eine selbständige Umarbeitung seines Vorbildes 
ist. So bringt er auch zu den Rabelais’schen Beispielen für spottwürdige Impresen und Wahl- 
sprüche noch zahlreiche eigene Zusätze, so eine Perle und ein Clavicord für: die Margarit 
ist meines Herzens Schlüssel (clavis cordis;), oder ein A und ein Mohr für Amor, ein Leib 
Brot und eine Ziege für Leipzig usw. 

Der eigentliche deutsche Vertreter dieser Richtung gehört jedoch erst dem 17. Jahr- 
hundert an: Georg Philipp Harsdörffer in Nürnberg, ein Mitbegründer des Blumenordens an 
der Pegnitz, dessen 1642—49 erschienene ,,Gesprachssptele“ sich größter Beliebtheit und Ver- 
breitung erfreuten. Sie beschäftigen sich u. a. eingehend mit den Rebus, die hier Bildschrift 
oder Schriftbild genannt werden, und dabei werden auch die Sinnbilder der Hieroglyphen 
und die Impresen der Italiener herangezogen. Er fährt dann fort: „Insbesondere sind unter 
Bilderschriften Figuren zu verstehen, deren Namen ungeschrieben das zu Lesende enthalten... 
Von Italienern, Spaniern und Franzosen sind dieser Dinge viel erfunden worden, aber es tsi 
nicht tunlich, dieselben deutsch zu fassen, weil sie in der Mehrdeutigkeit fremder Ausdrucks- 
formen ihren Grund haben.“ Der Unterschied zwischen hieroglyphischer, in jeder Sprache 
verständlicher Szzzschrift und rebusartiger, an die verschiedenen Sprachen gebundener Laut- 
Bildschrift ist hier durchaus klar erkannt und betont. Natürlich kennt er Fischart, und er- 
klärt sogar dessen eigene Titelvignette, die bildrätselhaft den Namen des Autors anzeige, 
nämlich eine rechte Hand, die einen Krebs und eine linke die einen Aal hält, mit der Beischrift: 


Volkmann: Von der Bilderschrift zum Bilderratsel 79 


Zu luck entkriechts, 
Ein Druck entziechts. 


Er sagt dazu: Der sinnreiche Dolmetscher, Fischer genannt, hat die Figur von seinem Namen 
abgesehen... Diesem Sinnbild setzt er noch bey: im Fischen gilts mischen, erstbesagtes 
vernemlicher zu bemerken.“ 

Auch er bringt im übrigen viele bekannte Beispiele, so das vom diamante falso, ferner 
Notenrebus usw., und bemerkt dazu, daß die auf Wortgleichheit beruhenden Sinnbilder von 
Rabelais mit Recht verspottet wurden. Ahnlich äußert er sich in seinem anderen Werk, 
„Der mathematischen und philosophischen Erquickstunden zweyter Theil“, Nürnberg 1651, wo er 
noch weitere solche Wortspiele anführt, die meist dem Auslande entstammen. Dabei ist 
auch das früher erwähnte Motto „O caso duro“ und die Impresa mit einem weißen Wachs- 
licht, candela bianca = can della Bianca, der 
Bianca getreuer Hund. Er sagt dazu: „Also 
werden die Bilderschrifften genennet die zwey- 
deutigen Wörter... Die Frantzosen nennen es 
rebus de Picardie, und hat derselben der Herr 
von Accords in seinen Bigarrures viel gesamlet.“ 
Dann folgen auch die bekannten Beispiele aus 
Gargantua, mit der Bemerkung: „Hierüber lachet 


der kluge Schalk Rabalais.“ So haben die 
Deutschen auf diesem Gebiet, das ja auch den 
romanischen Sprachen viel gemäßer ist, wenig 


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eigenes hervorgebracht. 

Eine sehr selbstandige und eigenartige Ent- 
wicklung fand dagegen das Bilderrätsel in den 
Niederlanden, und gerade hier läßt sich der 
Entwicklungsgang von der Bilderschrift zum 
Bilderrätsel, von der Hieroglyphe zum Rebus, 
geradezu anschaulich vor Augen führen!. 

Um das Jahr 1571 verfaßte der Antwer- 
pener Patrizier Jonker Jan van der Noot, den 
man als den ersten niederländischen Renais- 
sance-Poeten bezeichnet hat, ein Traumgedicht, 
das von italienischen Vorbildern beeinflußt war 
und den Titel Olympiade führte. Das Original 
ist verloren, eine deutsche Bearbeitung erschien 
1576 in Köln, ein französisch-niederländischer 
Auszug daraus erst 1579 in Antwerpen. Er- 
innert nun schon die gesamte Anlage an die 
Hypnerotomachia Poliphili, so ergibt sich eine 
unmittelbare Beziehung zu den bekannten Hiero- 
glyphen dieses Buches in einer merkwürdigen „Rätselpyramide“, die auf besonderem Blatt 
beigefügt und in der Vorrede genau erklärt ist (Bild 20). Da wird nun direkt ausgesprochen, 
daß dies Hieroglyphen oder ägyptische Buchstaben seien, deren Bedeutung ist: „Semper festinans 
tarde, temporansque te tempori, labore et industria, amore et prudentia paulatim deduc animum 
Deo subjectum, qui per suam benevolentiam et omnipotentiam erit firma custodia, protectio 
et gubernatio vitae tuae, dabitque post mortem vitam aeternam.“ Zu deutsch: „Allezeit zu 
eilen mit Stetigkeit, und sich nach der Zeit fügen mit Arbeit und Vernunft, mit Liebe und 
Fürsichtigkeit, leitet und bringt dein Gemüt mit der Zeit in die Untertänigkeit Gottes, welcher 
durch seine Barmherzigkeit und Allmächtigkeit wird sein ein feste Wacht, zu Beschirmung 
und Regierung eures Lebens, und wird euch nach dem Tod geben das ewige Leben.“ Es 
erübrigt sich an dieser Stelle, diese symbolischen Zeichen im einzelnen durchzugehen; es seien 
nur einige hervorgehoben, so gleich oben der vom Delphin umwundene Anker, der festina 
tarde, eile mit Weile, bedeutete und zum Signet des großen Druckers Aldus Manutius wurde. 
Ferner die Schnabelkanne, die wegen des langsamen Ausgießens „allmälig“ bedeutete, oder 


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Bild 25. Rebus aus den Spelen van Sinne 


1 Vgl. C. P. Burger jr., Het Hieroglyphenschrift van de Renaissance und De Rebus van onze oude Rederykers, 
in „Het Boek“ 1924 und 1925, sowie derselbe, De Nederlandsche Rebus in vorige eeuwen, in „Graficus“ Weihnachts- 
nummer 1924. 


80 Volkmann: Von der Bilderschrift zum Bilderratsel 


der Garnknäuel, der zurückführen be- 
deutete, weil er Theseus aus dem 
Labyrinth herausleitete. Die Schuh- 
sohle mit einem Auge darunter zeigt 
die Unterwerfung unter Gott an, der 
Anker mit der Gans feste Bewahrung 
(der Anker hält fest, und die Gänse 
bewahrten das Kapitol!!) usw. — Alle 
die genannten Symbole nun entstam- 
men wörtlich der Hypnerotomachia 
Poliphili des Francesco Colonna, die 
oben nur gestreift wurde, und aus der 
nun erst zum Vergleich einige der 
Hieroglyphenbilder abgebildet sind 
(Bild 2ı und 22). Da findet sich zu- 
nächst der Anker mit Delphin in der 
Bedeutung festina tarde, nebst anderen 
Gegenständen, die bei van der Noot 
auch vorkommen. Dann aber gleich 
eine ganze Reihe von Zeichen, die über- 
einstimmen: die Schnabelkanne, der 
Garnknáuel, die Schuhsohle mit Auge, 
der Anker mit der Grans usw., und alles 
dies in derselben Bedeutung wie in 
der Rätselpyramide. Es liegt hier in 
der Tat eine besonders deutliche Ein- 
% wirkung der italienischen Hieroglyphik 
NW vor, die seltsamerweise sowohl in den 
Monographien über die Hypneroto- 
machia als in einem großen Werk 
über van der Noot unbemerkt blieb, 
und erst kürzlich durch den Amster- 
damer Bibliothekar C. P. Burger jr. 
Bild 26. Peter Heyns, Wappen-Rebus aus dem Landjuweel von Antwerpen auf Grund meines Buches über die 
Bilderschriften der Renaissance fest- 
gestellt wurde. Andere Zeichen, wie Schnecke und Bienenkorb, hat der Autor selbständig 
zugefügt oder der gebräuchlichen Symbolik entlehnt, so z. B. Tauben und Schlange, die sich 
schon im Signet des Verlegers Froben in gleicher Bedeutung finden. 

Diese gelehrte symbolische Bzldersprache blieb aber auch in den Niederlanden auf enge, 
humanistisch geschulte Kreise beschränkt, während die breite Masse sich lieber dem auf Zaut- 
klang beruhenden Rebus zuwandte. Zacharias Heyns in Antwerpen, der später in der Emblem- 
Literatur als Autor und Verleger eine große Rolle spielen sollte, hat als junger Mann im 
Jahre 1590 dem berühmten Geographen Abraham Ortelius ein Albumblatt in Bilderschrift ge- 
zeichnet, das auf den ersten Blick stark an die Rätselpyramide des Jan van der Noot er- 
innert, zumal die Form der Pyramide beibehalten ist (Bild 23). Sehen wir aber näher zu, so 
stellt sich das Ganze als ein ausgesprochenes, nur in niederländischer Sprache verstandliches 
Lautrebus dar. Wir lösen nur die obersten Reihen auf, welche zu lesen sind: „Hoogelijk salmen 
prijzen, kroonen ende vereeren;“ dies ist bildlich so dargestellt: zu oberst ein griechischer 
Spiritus asper für h, darunter ein Auge, oog, und ein Sarg (lijk), also hoogelijk. Zwei Lachse 
(salmen) und einige Pokale als Ehrenpreise bedeuten dann „salmen prijzen“ (soll man preisen); zwei 
Kronen bedeuten hier das Verbum kroonen = krönen, die Ente (eende) das gleichlautende Wort 
ende = und; der Stier (ver) ergibt mit zwei Gefäßen (eeren), das Wort vereeren, usw. 

Ganz ähnliche Bilderrätsel hatte schon Peter Heyns, der Vater des Zacharias, geschaffen, 
und wir finden einige derselben in dem Werk „Selen van Sinne“ wiedergegeben, das 1561 
in Antwerpen erschien. Es führt dies in die Kreise der sogenannten „rederijkers“ oder Rhe- 
toriker, jener niederländischen poetischen Gesellschaften des 16. und 17. Jahrhunderts, die sich 
örtlich in verschiedene „Kammern“ gliederten und große, mit dichterischen Wettspielen und 
Aufzügen verbundene Festlichkeiten veranstalteten. Die einzelnen Kammern erschienen dabei 
mit gemalten Wappenschildern, die Sinnsprüche in Rebusschrift enthielten, und die besten 


Volkmann: Von der Bilderschrift zum Bilderrätsel 81 


wurden sogar prämiiert. Da war z. B. 
das von Peter Heyns entworfene 
Wappen der Kammer „Zum blühen- 
den Weingarten“ von Berchem mit 
einem Fries umgeben, dessen Figuren 
deren Devise darstellen (Bild 24). Sie 
beginnt in der linken Ecke mit den Wor- 
ten „Niet sonder Grot es des menschen 
versinnen“, und dies ist folgender- 
maßen wiedergegeben: ein Band mit 
einer Null darauf, d. h. niet, nichts; 
dann eine Sonne und em D. son—der, 
ohne; Gott ist selbst bildlich darge- 
stellt, es = ist durch ein S; eine Bank 
= des bedeutet den gleichlautenden 
Artikel, zwei Gestalten sind Menschen, 
und das Schlußwort der Zeile, „ver- 
sinnen“, ist zusammengesetzt aus einem 
Stier (ver) und zwei tanzenden Fi- 
guren, in denen wir sogenannte Sinnen 
oder Sinnekens zu erkennen haben, 
die typische Gestalten dieser „Spelen 
van Sinne“ waren. Später steht dann 
wieder eine Ente für das Wort ende 
= und, oder eine märchenhafte Hexe 
(maar) fiir das gleichlautende „maar“ 
= aber, u. dgl. m. 

Ein da nebenstehendes Bilderrätsel 
größeren Mabstabes bedient sich ähn- 
licher Mittel und z. T. derselben Zei- 
chen (Bild 25). Es enthält ein Lob des 
Ackerbaues als nützlichstes (oorboor- 


lijkste) Handwerk, und der Anfang Bild 27. Wappen-Rebus der Goubloem van Antwerpen, 
bedeutet: Oor- (ein Ohr), boor- (ein aus der Mechelner Schadt-Kiste 

Bohrer), lijk (Sarg — Leiche), waert 

= wird (waard, ein Wirt!) — veel = viel (eine Violine!) — eeren = Ehren (Gefäße, wie vor- 


hin) usw. Diese Dinge sind aber vielfach so übertrieben und gekünstelt, daß selbst ein hol- 
ländischer Kenner wie Burger die Lösung nicht immer zu finden vermochte. 

Über dasselbe Festspiel, das den „Spelen van Sinne“ zugrunde lag, berichtet eine aus- 
führliche Handschrift in der Kgl. Bibliothek zu Brüssel, der 25 Abbildungen (alte Holzschnitte 
und Zeichnungen von Frans Floris und anderen Meistern des 16. Jahrhunderts) beigegeben 
sind. Unter dem Titel „Het Landjuweel van Antwerpen in 1561“ hat Vaz Even sie 300 Jahre 
danach herausgegeben, und es finden sich darin nicht nur die schon bekannten Rebus, sondern 
auch mehrere neue, darunter wieder eins von Peter Heyns (Bild 26), dessen Auflösung lautet: 


Die Bacchus ende Ceres met maet eeren, 
Halen welvaart, want sij mes-prijzen dronckaerts-leeren. 
Wel hem die in Godt betrouwt. 


Bemerkenswert ist dabei, daß die älteren Wappenschilde der Kammern, die zum Teil bis 1520 
zurückreichen, noch keine Bilderrätsel enthalten; es handelte sich da offenbar um eine neuere 
Entwicklung. Auf die oft sehr schwülstigen und schwer zu verstehenden Bilder selbst kann hier 
nicht im besonderen eingegangen werden; eine neue Ausgabe der Handschrift ist in Vorbereitung. 

Indessen nahm im 17. Jahrhundert die Beliebtheit der Gattung bei den rederijkers nur 
noch zu, und ein glänzendes Beispiel hierfür bildet ein 1621 in Mecheln erschienenes Pracht- 
werk mit dem Titel: „De Schadt-Kiste der Philosophen ende Poeten“, worin Teile des Fest- 
zuges sowie die Wappenrebus der verschiedenen Kammern in schönen Kupferstichen abge- 
bildet sind. Bild 27 zeigt eins derselben, dasjenige der ,,Goubloem (Goldblume) van Ant- 
werpen“, deren Wahlspruch beginnt: „Poeten sullen Rhetorica trou-lijk minnen.“ Das ist dar- 
gestellt durch zwei Leute, die Dichter bedeuten(!), auch die Rhetorica ist in Person abgebildet, 
XVIII, 12 


82 Hofmann: Die Bibliothek des Nikolaus von Ebeleben 


treu wird durch zwei ineinandergelegte Hande, lijk (= lich) durch den uns schon gelaufigen 
Sarg wiedergegeben, minnen = lieben durch zwei minnen = Kätzchen, usw. 

In diesen Bilderrätseln kehren schon gewisse stereotype Zeichen fiir gleichlautende Worte 
ständig wieder, so daß das Werk eine Art Lexikon der Bildersprache der Zeit genannt werden 
kann, und Burger hat in seinem zweiten Aufsatz in „Het Boek“ wirklich ein solches zusammer- 
gestellt. Die gleiche Darstellungsweise hat sich in niederländischen Bilderrätseln des 18. und 
19. Jahrhunderts fast unverändert erhalten, und die Gattung als solche blüht dort heute noch 
ebenso wie bei uns. An die Entstehung aus der alten Hieroglyphik aber erinnert es, wenn 
auch unsere Rebus in den Zeitschriften und Zeitungen gern als Hieroglyphen, rátselhafte In- 
schrift oder dgl. bezeichnet werden. 

So entfaltet sich auch in diesen unscheinbaren Dingen ein ganz anregendes Stückchen 
Kultur- und Geistesgeschichte, und sie dürfen vielleicht ihren bescheidenen Platz beanspruchen 
in dem großen Gesamtrahmen des unerschöpflichen Themas Schrift und Bild! 


DIE BIBLIOTHEK 
DES NIKOLAUS VON EBELEBEN 


VON BIBLIOTHEKDIREKTOR DR. JOHANNES HOFMANN IN LEIPZIG 


Mit einem Bilde 


gehörte zu den deutschen Bücherliebhabern, die in der ersten Hälfte des 16. Jahr- 

hunderts von ihren in Italien oder Frankreich verbrachten Studienjahren edle Erzeug- 
nisse der neuen, vom Orient stark beeinflußten italienischen oder französischen Buchbindekunst 
mit in die Heimat brachten und dadurch zur Einführung und Verbreitung des neuen Ein 
bandstiles und seiner Technik beitrugen. Die ı2 bisher bekanntgewordenen Einbände aus 
Ebelebens Besitz sind für den Einbandforscher besonders auch wegen ihrer genauen Datierung 
und der Angabe ihres Entstehungsortes wichtig. Ein Pariser Einband ist 1541, die übrigen 
Einbände sind in Bologna in den Jahren 1543—1548 ausgeführt worden. 

In der Einbandforschung spielt der Pariser Einband eine ganz besonders bedeutsame 
Rolle. Da er in seiner Dekoration den Grolier-Einbänden geradezu verblüffend ähnelt, mehrere 
seiner Stempel sogar auf Einbänden Groliers der angeblich frühen italienischen Epoche (vor 
1530) vorkommen und auch die Technik der Bünde mit Grolier-Bänden übereinstimmt, konnte 
der schwedische Bucheinbandforscher Freiherr Johannes Rudbeck mit Hilfe dieses Pariser 
Einbandes Ebelebens und eines ähnlichen Pariser Einbandes aus dem Jahre 1542 von Ebe 
lebens Studienfreund Damian Pflug, der sich auch in Bologna 1543—1545 Prachtbände an: 
fertigen ließ, durch Kombinierung mit anderen Forschungsergebnissen einen überzeugenden 
Beweis für die französische Provenienz der Grolier-Bande im Charakter der Aldineneinbande 
nach 1530 liefern?. 

Rudbeck versucht sogar in seinem Beitrag zur Festschrift fiir Isak Collijn: „Nägra 
italienska bokband fran 1 500—talet““ an der Hand der in der Zeit von 1543—1548 für 
Ebeleben und Pflug in Bologna jedenfalls in derselben Werkstatt ausgeführten Einbände, 
deren Band- und Flechtwerk Dekoration trotz ihrer weniger geschickten Ausführung ebenfalls 
Ahnlichkeit mit zahlreichen französischen Grolier-Bänden hat, den kühnen, aber vermutlich 


Nb von Ebeleben’, aus einem der ältesten thüringischen Geschlechter stammend. 


1 Siehe J. Loubier: „Der Bucheinband in alter und neuer Zeit“. Berlin und Leipzig, 1904, S. 112; G. A. E. 
Bogeng: „Die großen Bibliophilen“. Leipzig, E. A. Seemann, 1922, S. 242; J. Hofmann: „Ein venezianischer Buch- 
einband für Georg von Logau, einen unbekannten deutschen Bücherfreund des XVI. Jahrhunderts.“ (Zeitschr. f. Büchen. 
1925, H. 3, S. 68) und M. J. Husung: „Bucheinbände aus der Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin.“ Leipzig, K. V. 
Hiersemann 1925, S. 17 u. 30. 


2 „Zur Entstehungsgeschichte der Grolier-Einbände“. (Zeitschr. f. Bücherfr. N. F. IV, 12. Bd. [1913], S. 31924 
„Om Grolierband i Sverige.“ (Pro novitate. Pars 2, Stockholm 1914); „Über die Herkunft der Grolier-Einbände. 
(Loubier-Festschrift 1923, S. 183—190). — Vergleiche auch: Hans Loubier, „Versuch einer Klassifizierung der Ei 
bände für Jean Grolier.“ (Bok- och Bibliotekshistoriska Studier tillägnade Isak Collijn, Uppsala 1925, S. 427 f. 


3 Bok- och Bibliotekshistoriska Studier tillägnade Isak Collijn. Uppsala 1925. S. 411— 420, 


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Hofmann: Die Bibliothek des Nikolaus von Ebeleben 83 


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Einband fiir Nikolaus von Ebeleben aus Bologna 1543 
Besitzer: Leipziger Universitätsbibliothek 


nicht zu widerlegenden Nachweis, daß dieses Einbandmuster erst von Paris aus, wo Ebeleben 
und Pflug den Grolierstil kennen und schätzen gelernt hatten, in Bologna und überhaupt in 
Italien wahrscheinlich durch diese deutschen Bücherfreunde eingeführt wurde, und dieses 
„arabeskmönster“, wie Rudbeck dieses Dekor nennt, erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahr- 
hunderts in Italien üblich geworden ist, während man bisher im allgemeinen den umgekehrten 
Weg annahm. Da das vorliegende Einbandmaterial Rudbecks neue Auffassung rechtfertigt, 
scheint in der Tat bisher die italienische Einbandkunst in den ersten Jahrzehnten des 
16. Jahrhunderts auf Kosten der französischen überschätzt worden zu sein. 

Eine genaue Beschreibung von sechs Ebeleben-Einbänden hat Hermann Herbst in seinem 
Aufsatz „Nikolaus von Ebeleben, ein deutscher Bücherfreund des 16. Jahrhunderts“ (Zeitschr. 
f. Buchkunde. Herausgeg. von Albert Schramm, Jhrg. 1, 1924, Nr. 3, S. 125—130) gegeben. 
Weitere drei Ebeleben-Bände werden als Ergänzung zu diesem Aufsatz von Frhr. Joh. Rudbeck 
und Herbst in Jhrg. 2, 1925 derselben Zeitschrift, H. 1, S. 33 mitgeteilt, und Rudbecks oben- 
genannter Aufsatz in der Collijn-Festschrift macht uns Seite 416 mit noch drei weiteren 
Einbänden für Ebeleben bekannt. 

Herbst berichtet auch kurz biographisch über Ebeleben. Geboren um 1520 ist Nikolaus 
nach den Studienjahren in Paris und Bologna 1549 als Mitglied des Domstiftes in Meißen 
nachweisbar. 1552 war er als Gesandter des Herzogs August bei König Ferdinand tätig. 
Das Rittergut Ballstädt besaß Ebeleben als Familienbesitz. 1574 schwebten Verhandlungen 
mit dem damaligen Kurfürsten August über den Verkauf dieses Gutes, die sich aber wegen 
des geforderten zu hohen Preises zerschlugen. Bei dieser Gelegenheit gab der Kurfürst dem 
Besitzer den guten Rat, sein Gut besser zu bewirtschaften. Also ein besonders tüchtiger Land- 
wirt scheint Ebeleben nicht gewesen zu sein. Weiter erfahren wir über das Leben Ebelebens 
nichts. Herbst schließt seine biographischen Angaben mit folgenden Sätzen: „Danach ver- 
stummen die Nachrichten über Ebeleben. Er ist ohne Nachkommen gestorben. Sein Todes- 
jahr ist unbekannt. Auch bleibt ungewiß, was aus seiner Bibliothek (Herbst kann über die- 
selbe keine bestimmten Angaben machen) geworden ist.“ 


84 Hofmann: Die Bibliothek des Nikolaus von Ebeleben 


Diese Ungewißheit kann mit Hilfe einiger Aktenstücke des Leipziger Ratsarchivs!, die 
den Nachlaß Nikolaus von Ebelebens betreffen, beseitigt werden. 

Das Protokoll, das bei dem Beginn der Inventarisierung des gesamten Ebelebenschen Nach- 
lasses am 7. September 1579 aufgenommen wurde, beginnt: „Nachdeme der Gestrenge Edle und 
Ernveste Nickell von Ebeleben seliger alhier auf der Freyheit” zu Merseburg uz/engst verstorben“. 
Der Tod wird 1579 als Freund zu Ebeleben gekommen sein, denn er erlöste ihn, den einst 
sehr vermögenden Mann, aus einer nahezu verzweifelten Wirtschaftslage. Er starb ungeheuer 
verschuldet. Zu seinen zahlreichen Gläubigern zählten sogar seine Arbeiter, Schreiber, Diener 
und sein Leibarzt. Ebeleben war nicht nur ein schlechter Landwirt, sondern auch ein leicht- 
sinniger Spekulant, der sich wenig glücklich an den so verlockenden, aber auch ebenso ge- 
wagten Bergwerksunternehmungen, dem damaligen Börsenspiel, beteiligte. So betrug bei 
seinem Tode allein die von den Grafen zu Mansfeld — Ebeleben war unter anderen an dem 
mittelortischen Bergwerksfünftel der silberhaltigen Kupferschiefergruben, das der Graf Christoph 
zu Mansfeld dem Nürnberger Christoph Albrecht Gugel in Verlag gegeben hatte, beteiligt — 
geschuldete Summe rund 126584 Gulden. Auch die Außenstände Ebelebens aus dem Alaun- 
bergwerk in Düben und von den Grafen zu Stolberg im Harz betrugen rund 27 300 Gulden. 
Die Höhe dieser Summen wird einem recht klar, wenn man erfährt, daß das Rittergut Ball- 
städt auf 28000 Gulden taxiert wurde. 

Um die große Zahl der Gläubiger aus dem Nachlaß des Verstorbenen zu befriedigen, 
wurde am 22. Oktober 1579 auf Antrag der Ebelebischen Agnaten vom Kurfürsten von 
Sachsen ein Kuratorium eingesetzt und zu Kommissaren das Domkapitel zu Merseburg und 
der Rat der Stadt Leipzig bestimmt. Zur Durchführung dieser schwierigen Aufgabe diente 
ein sorgfältig aufgenommenes „Inventarium“, Darin findet sich auch ein genaues Bücher- 
verzeichnis der Bibliothek Ebelebens, das aus verschiedenen Gründen unser Interesse erfordert. 

Dieser reichhaltige Katalog der Bibliothek, der fast 400 Werke umfaßt, zeigt, daß Ebe- 
lebens große Bücherliebhaberei, der er auch nach seinen Studienjahren treu blieb, verhältnis- 
mäßig nur sehr wenige Überreste bezeugen, und daß seine vielseitige Bildung weit über dem 
Durchschnitt seiner Zeitgenossen stand. Vielleicht war sogar seine mehr geistige, weniger 
praktische Veranlagung mit eine der Hauptursachen für seine materiellen Mißerfolge. 

Den Grundstock seiner Bibliothek bildeten die aus Frankreich und Italien mitgebrachten 
Bücher, besonders zahlreiche griechische und lateinische Klassikerausgaben, meist Aldus- 
drucke. Aber auch französische Bücher, darunter eine französische Ausgabe von Sebastian 
Brants Narrenschiff und ein französisches Lautenbuch, und italienische Schriftsteller wie Pe- 
trarca und Ariost fehlen nicht. Daß außer dem Humanismus auch die andere große geistige 
Bewegung des 16. Jahrhunderts, die Reformation, Ebeleben in ihren Bann zog, sehen wir 
aus der großen Zahl geistlicher Bücher, griechischen und lateinischen Bibeln, Werken Luthers 
und Melanchthons“, Katechismen, Psalm- und Gesangbüchern, und ferner aus den Büchern 
aktuellen Inhalts, über die Augsburgische Konfession, den Schmalkaldischen Krieg, die Grum- 
bachschen Händel und ähnliches. Der Unterhaltung und Bildung dienten unter anderem 
auch Reisebücher, Chroniken, Bodins „Methodus historica“, die Werke von Hans Sachs und 
die heute höchst seltene und wertvolle Sammlung von über 100 Pasquillen, die Pasquillorum 
Tomi duo® (Basel, 1544), die Coelius Secundus Curio herausgab, praktischen Zwecken ein 
koloriertes Kräuterbuch, Arzneibücher, medizinische Bücher, auch von Theophrastus Para- 
celsus, ein Münz- und Talerbuch, juristische Bücher und Schriften über Ackerbau, Vieh- 
zucht und Bergbau. 

Bücherverzeichnisse aus dem 16. Jahrhundert, in denen nur die Buchtitel genannt werden, 
sind keine große Seltenheit. Darauf beschränkt sich aber das Verzeichnis von Ebelebens 
Bibliothek nicht. In der richtigen Einschätzung ihres Wertes hat man die Bücher am 23. Fe- 


1 Tit. XXXIII, IL E. 1b: „Nickel von Ebelebens Nachlaß betr. 1579“ und Akten des ehemaligen Stadtgerichtes 
Nr. 543: „Akta Nickels von Ebelebens Hinterlassenschaft betr. 1580 ff. und Nr. 272 ,,Churf. Befehle und Schreiben 
Albrecht Gugeln, Georgen Hüttern, Consorten belangende Zu Nicoll von Ebelebens Schuldenwergk gehörigk.“ 


2 Die Domfreiheit umfaßt alle Häuser in der Nähe der Domkirche, die unmittelbar unter der Gerichtsbarkeit 
des Kapitels stehen und von mehreren allgemeinen Lasten und Abgaben befreit sind. 

3 Tit. XXXII, ILE. rb. 

4 Ebeleben scheint ein besonderer Anhänger Melanchthons gewesen zu sein, denn seine Wohnstube schmückte 
außer einem Bild des hl. Hieronymus nur noch ein Brustbild Melanchthons, wie aus dem Inventarium zu ersehen ist. 


5 Von dieser Sammlung, die, infolge der zahlreichen gegen die Kirche gerichteten Angriffe eifrig verfolgt und 
vernichtet, so selten wurde, daß ein Exemplar vor etwa 200 Jahren mit 100 Dukaten bezahlt worden sein soll, be- 
sitzt die Leipziger Stadtbibliothek ein schönes Exemplar. 


— 


— —— 


-4 ma. 


Hofmann: Die Bibliothek des Nikolaus von Ebeleben 85 


bruar 1580 von dem Leipziger Buchführer Jacob Apel! und dem Merseburger Buchbinder 
Marcus Bachmann? taxieren lassen, und zwar das ungebundene, „rohe“ Buch und den Ein- 
band oder den Binderlohn voneinander getrennt. Aus diesem Grunde ist dieses Bücher- 
verzeichnis besonders interessant und aufschlußreich, und es verdient, ungekürzt veröffentlicht 
zu werden, vor allem wegen der Bucheinbandtaxen. Darin kommt Ebelebens Einbandlieb- 
haberei deutlich zum Ausdruck, denn die Einbände sind oft verhältnismäßig hoch geschätzt, 
teilweise sogar höher als die darin eingebundenen Bücher. 

Von den ı2 bisher festgestellten Einbänden sind nur von dreien die Taxpreise, die 
gleichzeitig einen Maßstab für die ganze Abschätzung der Bucheinbände geben, mit ziem- 
licher Bestimmtheit durch die Buchtitel zu ersehen. Der Pariser Einband von 1541 [Inhalt: 
Testamentum graece et latine], im jetzigen Besitz des Deutschen Buchmuseums in Leipzig, 
wurde auf 5 Groschen und der Einband aus Bologna von 1543 [Inhalt: Rhetorica Ciceronis], 
im jetzigen Besitz der Leipziger Universitätsbibliothek, auf 9 Groschen taxiert. Von dem 
dritten Einband, enthaltend „Opus Merlini“, wird später die Rede sein. Die beiden jetzt in 
der Landesbibliothek zu Weimar befindlichen Bände und der Ebeleben-Einband der Dresdner 
Landesbibliothek gehören zweifellos ihrem italienischen Inhalt nach zu den 37 italienischen 
Büchern „in Leder mit Seydenbentern, mit Farben ufm Schnidt, und vorgult gebunden“, von 
denen jedes Buch mit dem Einband rund auf % Gulden, also auf 10% Groschen, geschätzt 
wurde, da diese drei Einbände nach Herbsts Beschreibung von ganz gleicher Ausführung 
sind und auch die angegebenen technischen Eigentümlichkeiten haben. Ob mit dem „Salustius 
Aldimanutii Rohe 4 Groschen, einzubinden 3 Groschen“ und dem ,,Pindarus graece Venedisch 
Rohe 5 Groschen, der Bundt 2 Groschen 6 Pfennige“, die den Weimarer und Dresdner Ein- 
bänden eng verwandten Bände, von denen einer in der Königlichen Bibliothek zu Kopenhagen 
ist und der andere von Rudbeck als 7. Einband? genannt wird, gemeint sind, kann bei der 
ungenauen Titelangabe nur vermutet werden. Der Einband der Argonautica des Apollonius 
von Rhodos (im Schloßmuseum zu Berlin) und der inhaltlich unbekannte, von Rudbeck als 
8. Einband* genannte, waren nicht zu identifizieren. Von den drei durch Rudbeck in der 
Collijn-Festschrift unter Nr. 2, 5 und 6 neu mitgeteilten Einbänden gehört Nr. 2 (Inhalt: 
Cicero, Opera philosophica, Venedig 1541) [jetziger Besitzer: E. P. Goldschmidt & Co., London] 
vermutlich zu den „sieben Stück aus den operibus Ciceronis Venedisch“, deren Einbände 
zusammen auf ı Gulden 3 Groschen, also ein Band auf etwa 3% Groschen abgeschätzt 
wurden; Nr. 5 (Inhalt: Opus Merlini Cocaii macaronicorum, Tusculnaum 1521) ist in dem 
Verzeichnis sicherlich „Opus Merlini poetae Montuani Rohe 5 Groschen, Bundt 3 Groschen“ 
und Nr. 6 (Inhalt: Sophoclis tragoediae septem cum commentariis, Venedig 1502) ist wahr- 
scheinlich identisch mit „Sophocles graece Aldimanutii Rohe 8 Groschen, einzubinden 
4 Groschen“®. Die letzten beiden jetzt in der Königlichen Bibliothek zu Kopenhagen be- 
findlichen Bände stammen wie die beiden Weimarer, der Dresdner und der schon genannte 
Kopenhagener Band aus dem Jahre 1548 und ihre Dekoration ist ziemlich die gleiche. 

Die ganze Bibliothek, die ihrem ehemaligen Besitzer das Zeugnis eines weltmännischen 
Humanisten und eines kultivierten Genießers ausstellt, wurde auf 307 Gulden 10 Groschen 
6 Pfennige abgeschätzt, ein für damalige Verhältnisse sehr hoher Preis. Dabei ist ein Buch 
noch gar nicht mit taxiert worden, wie am Ende des Verzeichnisses ausdrücklich bemerkt 
wird. Vermutlich war dies die „gemalte Biblia“, die der Ebelebensche Kurator als Pfand 
für ein Darlehen von nicht weniger als 200 Gulden gegeben hatte*, also wahrscheinlich eine 
äußerst kostbare Handschrift mit Miniaturen. 

Über das weitere Schicksal der Bibliothek Ebelebens erfahren wir auch noch einiges 
aus den Nachlaßakten im Leipziger Ratsarchiv. Die in dem Bücherverzeichnis besonders 


I Jacob Apel der Ältere, Buchführer und bedeutender Verleger in Leipzig, wurde am 26. April 1559 Bürger 
in Leipzig (nach dem Bürgerbuch im Ratsarchiv). Schon im Jahre 1571 war Apel mit dem Leipziger Buchbinder 
Christoph Birck bei der Schätzung einer Bibliothek als Taxator tätig. (Archiv f. Geschichte des Deutschen Buch- 
handels XV, S. 26). 

2 Marcus Bachmann beteiligte sich wie auch andere Buchbinder damals am Buchhandel. Als solcher kleiner 
Buchhändler kommt er als Schuldner in dem Register der Außenstände Jacob Apels des Jüngeren im Jahre 1610 vor, 
nämlich: Marcus Bachmann buchbinder zu Merscburgk fl. 5. 5.9. (Archiv f. Gesch. d. Deutschen Buchh. XIII, S. 195.) 

3 Nikolaus von Ebeleben. (Zeitschr. f. Buchkunde 1925 a. a. O.) 

4 Ebenda. 


B Da in dem Bücherverzeichnis der Einband von „Sophoclis tragediae“ nur auf 1 Groschen geschätzt ist, kann 
dieses Werk nicht so wertvoll gebunden gewesen sein. 


6 Nach einer Quittung vom 28. Juli 1587 über Einlösung des Pfandes (Stadtgerichtsakten des Ratsarchivs Nr. 543). 


86 Hofmann: Die Bibliothek des Nikolaus von Ebeleben 


aufgeführten im „bunten, roten Kasten“ gefundenen Bucher wurden mit Genehmigung der 
Gläubiger und des Kurators dem Sohne! Nikolaus von Ebelebens, dem Junker Georg, der 
die Furstenschule zu St. Afra in Meiven besuchte, zur Fortsetzung seiner Studien überlassen. 
Nach dessen ſrühzcitigem Tode nahm diese Bucher Apel von Ebeleben in Torgau, einer der 
sechs Brüder von Nikolaus, im Februar 1581 zu sich in Verwahrung. Die übrigen Bücher 
Ebelebens wurden mit dem ganzen Nachlaß von Merseburg nach Leipzig in das Haus des 
Juristen Dr. Johann Stromer aus Auerbach, wahrscheinlich eines Verwandten des bekannten 
Besitzers von „Auerbachs Hof" in Leipzig, überführt. Johann Stromer besaß seit 1573? das 
Grundstück Hainstraße Nr. 340, die jetzize Nr. 4, in unmittelbarer Nähe des Marktes. In dem 
für den Handel so günstig gelezenen Gebäude sollte jedenfalls der Nachlaß Ebelebens be- 
sonders vorteilhaft „zu Gelde gemacht“ werden. Am 18. August 1585 wurde in Stromers 
Haus das Inventarverzeichnis nachgeprüft und dabei die unangenehme Entdeckung gemacht, 
daß unter anderem rund 30 Bücher der Bibliothek fehlten. Uber diese vermißten Stücke 
wurde ein besonderes Verzeichnis“ angelegt. 

Obwohl sich die schwierige Regelung des Ebelebenschen Nachlasses bis in das 17. Jahr- 
hundert hinzog, horen wir über den Verbleib der Bibliothek nichts mehr. Nur in einer 
Zusammenstellung der im Laufe der Jahre an die Gläubiger gezahlten Summen, vermutlich 
aus dem Jahre 1611, findet sich der Erlös aus dem „Inventarium“ mit rund 5653 Gulden 
angegeben. Wie der übrige Hausrat Ebelebens wurden also auch höchstwahrscheinlich die 
schönen, kostbaren Bucher verkauft und von der Handels- und Messestadt Leipzig aus durch 
die fremden Kaufleute in alle Winde zerstreut. 

Möge das ſolgende Verzeichnis der Bibliothek Nikolaus von Ebelebens ihren sehr kleinen, 
noch erhaltenen Torso vervollständigen helfen und zu recht zahlreichen, heute noch ver- 
schollenen Ebeleben-Einbänden die richtige Spur zeigen, damit diese oſt nur vergrabenen 
Schätze geborgen werden können. Solche Funde würden vermutlich auch der Grolier- 
forschung zugute kommen. 


Den 23. Februartt anno [15]80 seindt Nicoll vonn Ebelebens seligenn Bücher vonn Jacob Affelr 
Buchführern zu Leipzigk und Marcus Bachmann Buchbindern zu Merseburgk taxiret und an- 
geschlagen wordenn wie volgt: 


(fl. = Gulden, Gr. = Groschen, Pf. = Pfennige) 


hog | Gr. ' pt. I n. | Gr. | Pe. 
Zwollf Thomi Lutheri Rohe, ......... 15 Pauli Jouii illustrium virorum Florentiis 
und davonn zu binden 118 | NVC ( | a 
Sechs Lateinische Thomi Rohe....... 872 | Binderlohen ................. 72 
davann zu binndenn .......... 19 | Cammergerichts Ordnung Rohe....... pvi 
Corpus Doctrinae Philippi Teutzsch Rohe | 1 6 | Binderlohen ................. 9 
der Bundt................... "ul: Kirchen Postill in Zwei Teill Rohe... | 1% 
Graecae Orationes Aldimanutii Zwei Teil! und Binderlohen.............. I 18 
zusammen Rohe ................ | 4 Ein Lustgarten der Gesundheit Rohe.. 1 
der Bunde 14 und Binderlohne ............. | 9 
Eusebii graecae Evangelicae proparationes Biblia Graece Rohe ................ ı 1 15 
libri 15 Parisiis. Roher 2 der Bundt ... ns aa | Io 
der Bundt................... 16 Cronica Regum Pauli Constautini Rohe | I 
Luciani opera graece Aldimanutii Rohe || ı und Binderlohn .............. | 10 
Binderlohen ................. 16 Sleudanus latine Rohe.............. I 6 
Isocrates graece Aldimanutii Rohe..... 15 und Binderlohne ............. | Io 
das Binderlohen .............. 9 Summaria Veit Dieterichs Rohe ...... | 12 
Xenophontis opera graece Aldimanutii und zu binden............... 8 
RONG): Hua I Minsingerus super instituta Rohe ..... 1% 
der: Bund, 8 und der Bundt............... 10 
Petrus Victorius in Aristotelem de arte Schneidewein super instituta Rohe. 3 
dicendi in folio Rohe ........... 14 und zu binden............... 6 
der Bundt). e ce 8 Hortorum libri triginta Rohe ........ 2 6 
Kreuterbuch Reselii gemalet Rohe..... I und der Bundt............... pl 12 
und der Bundt............... 5 Tischreden Lutheri Rohe............ | I 
Philippi Commenei res gestae französisch und der Bundt............... OH 
in folio Rohe................... I5 Sachsen Spigell, allt, Rohe .......... | 18 
Binderlohen ................. Y und der Bundt............... | 8 


1 Ebeleben starb nicht kinderlos. Außer einem Sohne hinterließ er einige unmündige Töchter, von denen 
nur eine, Katharina von Ebeleben, mit Namen in den Nachlaßakten genannt wird. 


3 Nach dem Schöffenbuch von 1573 im Leipziger Ratsarchiv. 
3 Stadtgerichtsakten des Ratsarchivs Nr. 543. 


Ai 


Hofmann: Die Bibliothek des Nikolaus von Ebeleben 87 
fl. | Gr. De 13612 
Opera Julii Clarii Rohe ............ 1% Muscowitterische Cronica Rohe....... % 
und zu binden 6 einzubinden. E ee 3 
Sechsisch Weichbildt Rohe .......... 18 Meckelburgische Kirchenordnung Rohe 3 
"TS" RR: ee 9 der: Bundt gab beech oe’. ders 4 
Altenburgisch Colloquium Teutzsch Rohe || 1 Ein erster Teil der Merterer Rohe .... 4 
0 % der Bunde 4 
Laien Spigell und Process Golleri Rohe 18 Ander Teill der Merterer Rohe....... 4 
A rr eee 9 _ der Bund. 4 
Prosopographia Panthaleonis Drei Teil Dritte Teill der Merterer Rohe....... 4 
err ı | 15 der Bund. 4 
und der Bundt............... Y Vierte Teill der Merterer Rohe....... 4 
Francisci Connani [Verbessert aus: Com- der Bunde... 4 
moni] opera Rohe .............. 2 15 Fünfte Teill der Merterer Rohe ...... 4 
und zu binden % der Bund.... 4 
Nicephorus latine Rohe............. I 15 Grammatica Urbani graece Rohe ..... 5 
a ne ne en Y einzubinden 3 
Francisci Guiciardini historiae Rohe... || 2 Rudolphi agricolae dialectica. Parisiis in 
A A % quarto Rohe... 7 
Formular Bücher in folio Rohe 26 Binderlohn ...........++++++5 5 
CN ERR Nee Y Plutarchi de placitis philosophorum 
Vom ehestandt Sarcerii.............. 16 Graece et Latine 
E rs Y, Aristophanes graece Parisiis Zusammen- 
Haussbuch Sarcerii Rohe ............ 16 EP rege ya id 7 
der Band 7 
n ‘ Hippocrates de morbis Pilandri Rohe 4 
Reichs Abschiedt anno — 64 Rohe... || 2 Ze 
WC Bel e AAT A waer % St e so] 5 J ie ne (fa 4 
Hanns Sachsen Opus drei Teill Teutzsch Ge Ze S 155 „ 
D 3% ENEE 
NI A Et Philippicae Orationes Parisiis Rohe 8 
CC 1% BEACHTEN 4 
Matheus de Afflictis super feudum in zwei i q e ges er ea ae 
a i Ethica Aristotelis graece Parisiis 
Teill gebunden in Regal Rohe .... || 3 bag 
der Bundt 36 Apostolorum et conciliorum decreta 
Praepositus super feudis Aluarothus Be * e 
Ahn 38 4 
[Verbessert aus: Alpharothus] Rhetorica Ciceronis cum reliquis 
Jacobus de Isernea ist alles zusammen e SC 
Aldimanntii in quarto. Rohe 7 
0 ² A3 2 13 : : 
8 PIDERDINGENE << 2 9 
und der Bunde. I Osada tees. Rohe be 
Prozess Konigk in folio Rohe ....... $ einzubinden 16 
der Pondt . 6 Orlando in Nomerato [innamorato] Rohe 16 
Vom Ackerbau Columellae in folio Rohe % ; RER RE T T AC CR 16 
der Bundt......... is Libri de re Rustica Aldimanutii Rohe . 16 
Alexander ab Alexandro latine Rohe.. 12 . ĩ ˙ ! 7 
/ der Bundt. RE AA 7 Ein Register in quarto mit Reinem Papier 
Franciscus Marculini Venedischer Druck. Zur Alaun Rechnung gehorigk .... 
Rohe ungefebr............... I 3 Ein Register in folio umb ........... 6 
der Bundt............... Sade a AK Ein Register in quarto umb ......... 5 
Elogia ner Tieres Rohe | de Hermolai Barbari castigationes in Plinium 
„ 7 : PP 
Passio Breneii Roher % > ed erg RE RER e 9 
einzubinden. 7 Vom Feldtmessen. D. Reinhollt Rohe. 7 
Opera Xenophontis grae. et lat. Basileae nl 24 
Rohe MARIA A I Auslegung des 20. Psalms. Misenii ge- 
einzubinden 9 schrieben err 4 
Homerus cum Commentariis de Mycilii Christliche Auslegung des 128, Psalms 
[Verbessert aus: Myttibii] et Com- Fiirst Georg von Anhalts, und vom 
lS a NER I 6 Sacrament, Rone 4 3 
8 und einzubinden 6 Ger EA ee 18 
Bibliotheca Gesneri secundus Thomus in Lutheri etliche Tractetlein von Kay. 
zwei Teill gebunden Rohe vlt E 6 Edielen:- Nahe dao dg 3 
und einzubinden 18 ger Bad ye a rear 18 
TertiusetquartusThomusin Genesin [ Verb. Ein wellischer Vocabollarius Rohe.... 8 
aus: Gesneri] NiirnbergischTruck Rohe || 1 6 elncubinden „ua da EN 2 
und einzubinden 16 Petri Alcioni de exilio Rohe......... 4 
In zwei Teill gebunden. einzubinden «00.7 san 18 
Practica Rissen und Processus Mauserii Rohe...... ..... 4 
Chirurgia Rissen Rohe .............. 18 nne 18 
und einzubinden. 6 Hieronymi Guidae opera Rohe ...... 8 
Vom Feldbaw Rohe 3 A u cess Ca T. 18 
wo Pere ee 4 Fiirst Georgen vonn Anhalt Vom falschen 
Vom Schmelzbergk Lazari Eckers Rohe || 1 3 Propheten; Rehe ss ja. 3% 
| We E KEE 4 Get BOM TA 3 


88 


Der Tage-Teuffel Spangenbergi umb... 
Francisci Petrarchi Italienisch Rohe. 
einzubinden 
Bekantniss und Erclerung uf das Interim i 
der Stadt Lübeckh Hamburgk und | 
Lüneburgk Rohe................ 
einzubinden 
Joviani Pontbani opera in quarto Drei 
teill Rohe 
der Bundt nc 02, war ee Bed ee 
Theodorus Siculus graec. in quarto Rohe 
der: Bundt EE 


ee © eo we ee 2... »+ „„ «o. e 


Homeri Ilias cum Commentariis Cam- 
merarii Rohe................ 
einzubinden 

Secreta Alexii Pedemontanii Rohe... 
einzubinden 

Grammatica graece et latine. 
einzubinden .. 

Vonn Adiaphoris Westphali Rohe..... 
der Bundle... 

Grammatica Urbani 
einzubinden 

Cammerarius in tusculanas questiones Ci- 

ceronis in quarto Rohe 
einzubindenn 

De Agricultura Wellisch. Rohe....... 
einzubindenn 

Widerlegung der Mess illirici Rohe... 
einzubinden 


e se» © © © „%% „„ „ „ „„ . |’ 
ee ons. +. +++. „„ „„ 


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e ee ere es see eea se 
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RAe ee 
einzubinden 

Von der Meisschner Ankunft Rohe... 
einzubinden 
Bekenntniss der Kirche zu Magdeburg Rohe 
einzubinden 
Promptuarium de peste Rohe........ 
einzubinden 

Ein Munz oder Talerbuch Rohe...... 
einzubinden 
Lucubrationes Laurentii Vallae in lin- 
guam latinam Rohe............. 
einzubinden 
Budaeus in Pandectas Lugduni Kobe. 
einzubinden 
Officina Rauisii in Octavo Rohe 
einzubinden 

Petri Victorii castigationes in Ciceronem 
Rohe 

der Dundt. en 

In Epistolas ad Atticum Commentarii Ma- 
nutii Roabhe en 
der Bundit 
Baptista Fulgosius Rohe............. 
der Bundt 
Sarcerius von d. Autferstehung Chri. Kohe 
der Bundle. 
Agrippa de vanitate scietiarum cum 
reliquis Robe . . 
der Bundt................... 
Literae Italicae Delthoni Rohe 
einzubinden 
Franciscus de Alum: de lingua ltalica 
Rohe 


‚ — 2 
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Rohe 
einzubinden 
Thomae Magistri dictionum atticarum 
collectio et aliorum, Parisiis Rohe . 
einzubinden 


seet on %% % „„ „% % „ „% %% „%% % % „ „6 


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18 


18 


Hofmann: Die Bibliothek des Nikolaus von Ebeleben 


fl, | Gr. | PL 


Octavo Rohe................... 
der Bundt................... 
Kunstbuch Alexii 
eintubinden 
Methodus Juris Lagii Rohe.......... I 
einzubinden 


Ss ees we we we ss „„ „ e ew 


Ss e e ees ses es e sp es e e 


in 8° Rohe 
der Bunde 3 
Der Heidelbergische Cathechismus umb I 
Landtordnunge und Constitutiones des 
Churfürsten zu Sachsen. Robe..... 9 
einzubinden 2 
Corpus Civile Parisiis. Acht Teill in 
Sonderheit gebundenn Rohe 
einzubinden 
Bembi Epistolae Rohe 
einzubinden 


oee ee ees eee ee „„ „ ew e 


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- „„ „„ „„ se a sw 


einzubinden 
Ein Psallter Buchanani Rohe 
einzubinden 
Epistolae Longolii Rohe 
einzubinden 
Lilii Gregorii de Annis et Mensibus Rohe 
einzubinden 
Hesiodi opera graece et latine Rohe.. | 5 
einzubinden 
Praecationes Leisentritii Rohe 
einzubinden 
Fenestella Rohe.................... 


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De peregrinatione Turleri umb 
Marsilius Ficinus de vita Rohe....... hi 
einzubinden 


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Rahe 


Ponthani Carmina Rohe 
einzubinden 
Hadriani Barlandi de rebus gestis ducum 
cum Cronica Carionis Rohe....... 
der Bundle... 


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Rohe en nase 
einzubinden | 
Sophocles graece Aldimanutii Rohe... |! 
einzubinden 


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einzubinden. 
Catullus Tibullus Aldimanutii Rohe 
einzubinden 
Imperatorum Vita Aldimanutii Rohe .. Y 
einzubinden ................. 
Herodianus grae. et latine Rohe...... 
einzubinden 


Homerus graece in Octavo Zwei Teill Rohe I 
einzubinden 


La 
na Aa OU a bh 904 un 


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der Bund, egies 
Sanazarii opera Aldimantii Rohe 
einzubinden 
Sleudanus deguator summis imperiis Rohe 
Binderlohne ................. 
Confessio Augustana latine Rohe..... 
einzubinden 


HAW MM NUUN 


bundt 


. E % %%% 


18 
18 


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Hofmann: Die Bibliothek des Nikolaus von Ebeleben 89 
. 10% 1 PE H tte, | FE 
Demostenis orationes duae latine Rohe 2 Moralia Plutarchi graece Rohe....... 2% 
"TTT ER RER 2 Pele ae nen 5 
Hutheni opera poetica Rohe ......... 2 Opera Xenophontis latine Rohe ...... Y 
TI aaa 2 C E E EE 3 6 
Vallerius Flaccus Aldimanntii Rohe... 3 Moralia Plutarchi latine Rohe........ 18 
re ee 3 der BUM aaa icnn tee nea ae 5 
Enarratio symboli Niceni philippi Rohe 2 Gellius in folio — Rohe............ 5 
VINO K a6 rd dd I Punat GA ²˙· MUS Sue we Gs 8 

Chathalogus generalium Caroli quinti cum Adagla Erasmi Robe 1% 

CE MO is rar 18 A AAA ˙ 3 6 
Ti TN caters ada sins 6 Griindlicher Bericht uf das Interim Witten- 

Magia naturalis in 16° umb.......... 5 Bere KORE ests) EE SE 4 

Johannes Vultei inscriptionum libri duo Bundt A ture views I 
umb — 2 233322222212 E 5 Evangelium von den zehen Aussetzigen 

Agapeti Paraneses in quarto ad politicum und vom Haubtmann zu Capernaum 
magistratum umd 3 Suergen Rohe... increase sun 3 

Angeli politiani opera Rohe......... A Binderlohn, AAA 2 

binderlohn .................- 3 Acta der Handlung Kay Ferdinandi Rohe 5 
z Lë? ? : BUG Sav nu db area Fares 18 
Di etliche Italianische Bücher. Ausslegung des 16. Psalms Fürst Georg etc. 

Sieben und dreißig Stücke in 8° in Leder E 26 
mit Seydenbentern, mit Farben ufm Bund? x i2.¢sa0) sacar san an 2 
P Auslegung des Vaterunsers Lutheri von 

enen d. Stillmesse BONE ˙ ²˙² ²o¹A˙ aida 2 
dern a 9 we hater hartes 18 
angeschlagen. Thut die Summa der- 1 Chart Consittution. Robe 3 
K TETT 18 shoei re Pa tre. ee 

Sechs Stücke in 16° taxirt uf A 2 um 5 S as GN Sie Shae ea d I 

Acht Stück Wellische Bücher in weißes ea ²˙ »A 5 
ent zibunden angeschlagen uf | 2 Bundt Ian DE ER 2 

Schmalkaldische Acten zusammen...... 2 

In einem hohen weißen Schlahefaß ann Lemnii oceulta naturae Teutzsch Rohe. 7 

Büchern befunden: Binderlohn — * *2ũ*2ã* 2 
reden Rohe...... 12 en deprovidentia lat. Rohe 18 
0 ˙ ES aie aise 2 Bun VVV 
Arzneibuch Nurschinges Rohe 1% Churf. eg Rohe. s 
O: e rar ir ade 18 à e Ee SE 
Macrobius in folio Rohe............ 15 JC ; 
b 5 EN RE „„ 
Agricula de fossilibus Rohe Y Schmalkaldische Acta Zusammen ...... 2 
. > ; Lemnii occulta naturae Teutzsch Rohe. 7 
Rethorica Ciceronis cum Commentariis i Binderlobn .. FFF x 
e í Theodoretus de providentia lat. Rohe. 18 
AO . 5 f Bundt RI ee er ae $ 
Cetius Rodoginus in Zwei Teil] gebunden. Churf. Constitution Rohe 3 
Rohe P 6 Ger: Bundt: n I 
ee be Ein Linierbuch unbeschrieben umb.... 4 
r 2 Der Gottischen Echter Aussschreiben (?) 
r 9 Rohe. 6 
r 36 Bundt .......oommooo.o.o cesis 1% 
FE P 9 Aristeas deutzsch Rohe.............. I 
Bibliotheca Gesneri opus Rohe ....... 1% der Bundt................... 2 
a Seibel E EE A 8 Brencius Philippi ad Collossenses Rohe 2 
Ethica Aristotelis in folio Rohe ...... % einzubinden. I 
D 5 De libero arbitrio Wigandi Rohe 2 
Petrus Martir de rebus Mechanicis Rohe 5 PC 2 
D 3 6 || Ponthani carmina secunda pars Rohe.. 2 
Försterus de successionibus Rohe..... Y der Bundls mr irradia 18 
AS ee 3 | 6 || Cronica Florentina Italice Rohe ...... 12 
Demostenes in folio Rohe........... 2 Bundt RE eg 3 
o o 8 Narrenschiff Französisch Rohe 6 
Vita Plutarchi grae. Kohe..........- 1% Bundtꝶ·ꝶ. 2 
e Bundt ELETE DEER Buzz 7 Horae in laudem Virginis Mariae graece 
ittichindus de rebus gestis Ottonis et l 16° RONG: are 5 
ET EE I einzubinden 0: 2 isc wee oe 88 18 
re eee 5 Orationes Tuciditis Beuceri Rohe 3 
Polybius graece Rohe 12 e 2 
e Bundt . 2 | 6 || Panthagruel [Text: Pantha Grull] Ita- 
et Nac veteris "Testament Rohe || 1 Dear VU ie ee a's cas 2 
AAA 5 A A EE ICO 6 
Vita Plutarchi latine Rohe .......... D 3 Der grosse Catechismus Lutheri Rohe. 2 
cc 6 PPC 1 


XVIII, 13 


90 Hofmann: Die Bibliothek des Nikolaus von Ebeleben 


Quintus Curtius Rohe............... 


der Bunde 
Laurentius Valla Rohe.............. 
Binderlohn .................. 
Sophocles tragediae Rohe ........... 
Bundt EE 
Ephemerides Steffleri Rohe .......... 
der Büne dnn! ees ess 
Fracastorius de simpartia Rohe....... 
der Rune E EC Ce 
Quintilianus in 4° Aldimanutii Rohe.. 
Büñdi EE 


Tusculanae quaestiones Erasmi Roterdami 
annotationes Rohe .............. 


f Zeus era 
Cornelius Tacitus Aldimanutii Rohe... 
Bun... 8 
Epicedion latronis cum christo crucifixi 
UmDo. rta ara aa 
Ein franzesisch Lauttenbuch geschrieben 
Rohe iia ³ AA 
der Bundt................... 
Dialogus Urbani Regii Kohe.... 
, ehe 
Vonn der Schulenn Elisae Rohe...... 
das Binderlohn............... 
Hutteni Orationes in 4% Rohe....... 
der Bunde 
Jacobianus de feudis Rohe .......... 
, As 
Calendarium Eberi in 8° Rohe.. 
Bundt inicias Baer 
Commentaria Caesaris in 8% Rohe.... 
Bunk * raa 
Theodoretus de providentia graec. Rohe 
A cakes nutes 


Schwarzburgische Bergkfreiheit umb 
Pauli Jovii Historiae in drei Tell ge- 
bunden. Rohe .................. 
Bunge ara 


Martialis Epigrammata et Juvenalis bei- 
sammen Rohe .................. 
Bundt iia ads ee 


Sadoletus de laudibus Philosophiae Rohe 
Binderlobn ... .............. 


Bundt cds ds 


Bund,. ease Oa 


Opera Xenophontis graece in Zwey Teill 
gebunden — Rohner 
Bund?) “ll “ 


Bundi Age sisas 


Bundt 2222522. 2.0 EE 
Vegetius de re militari Rohe. 
der Bunde. rn 
r 
Sermones Bernhardi Joachimi Italice Rohe 
Bunt ug hd eae ess ae vee ai 
Sanuasarius de partu Virginis Rohe ... 
,, eset aes 
Dioniusius Libicus de situ orbis habita- 
bilis Rohe..................... 
Buhl ⁵ 88 

Zwei Bücher de bello Germanica Caroli 
Quinti Ludovici ab Auela Rohe... 
der Bundt................... 


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18 


18 


Ascanius Adianus in aliquot orationes 


Ciceronis Rohe ................ 
Bundt susi AA 
Apología der Augspurgischen Confession 
Justi Jovii Rohe............-... 
Bundt) 524.22. 02 42H eee ee ane 
Theocrita Idilia graece Rohe......... 
Bundt. E EE asec 
Leichenpredigt uber Heinrich vonn Witz- 
leben umb 3 gr. zusammen........ 
Sibillinae Oracula graece Rohe 
Bundt oos rarei eea e er 
Refutatio Missae Georgii Maioris Rohe 
, ia 
Orationes Ciceronis ein Teil Rohe .... 
Bundles 

Opus Merlini poetae [Text: poeta Mon- 
tuani] Montuani Rohe ........... 
Bundt cercas A pens 


Vier Stück in weiß Pergament ltalicae 
auf Schnidt verguldet mit werf ser- 


denen bendern, Roe. 
Bun”, 
Cordusann französisch in 8° Rohe 
A aa 
Literae vulgares diversae italice Rohe. 
TEE 
Boccatius Italice in AN Roabhe 
TT EE sr 
Orlando furioso in 4° Italice Rohe 
EE 
Mergante Italienisch in 4° Robe 
Bundt: „u... 
Dialogi franzosisch Rohe............ 
der Bundt econ ia 


Grammatica gallica geschrieben vor alles 
Ein Lautenbuch Regall Papier liniert. 


Folgende Bücher seindt 

im Buntten Roten [Text: Radt] Kasten mit 
sweyen underschiedlichen beschlossenen Fa- 
chern befunden und angeschlagen worden 
PostillaSimonis PauliTeutzsch in folio Rohe 
Bundt) 2 (4c 5ceu gue eek mri ota 
Thesaurus latinae linguae Roberti Stephani 
in drei Teill gebunden, ufm Schnidt 
verguldet Rokr. 
Die Propheten Medinii (?) Teutzsch. Rohe 
der Bundt... e Ser eee cece at 
Josephus Deutzsch, allt, Rohe ........ 
Der Bungee pda EN 

Ein Buch in folio mit vier Buch Papier umb 
Lexicon graece Rohe............... 
EE 

Ein Register mit einem halben Reif Papier 
in weiß Pergament gebunden Rohe 


f Far 
Loci communes geschrieben umb ..... 
Calopinus Venedisch Rohe 
BUD Liar 
Ein Lexicon gar allt Rohe 
Bündt u. san 
Ein Hauß postill Lutheri Rohe 
Der Budista a 
Horatius in folio Rohe ............. 
Bundt 5,0244. ii E 
Ein ander Teill Lutheri Jenischer Druck. 
Roberta aaa 
Bungee 


Synonima Eusebii Manii Teutzsch und 
Lateinisch Rohe ................ 
Der Bundt Age rs 


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Hofmann: Die Bibliothek des Nikolaus von Ebeleben 91 
fl. | Gr. | Pf. A. | Gr. | PR 
Ren 1 Methodus Juris Lagii Rohe % 
O A A AR 4 der: Bundt d Eug ewe Veale. s 2 
Ein Dritteill Lutheri Jenischer Druck Rohe || 1 Officia Ciceronis: Rohe 2 
o wine E TT 10 BUnGt RA sted „3 I 6 
EinVierd Teil LutheriJenischerDruck Rohe || 1 15 Psalterium Eobani Rohe............. 2 
DODDS a ˙ EE Cas aden es Y O A vv I 
eee anes I Testamentum Teutzsch. Rohe 3 
E » 4 Bundle 2 
Plautus Lugtunisch, Rohe............ 9 Grammatica Linacri Rohe........... 2 
BERGE sia etarra 2 6 der Hundt atras ati et I 
Ausonius Venedisch Rohe 3 Peanes Fabricii Rohke gg 3 6 
c ˙²˙ Ä 3 der Brandt How en 6 
Loci communes Philippi Rohe 5 Appellationes filii dei umb........... 2 
En e AER SR ën ae A Examen Philippi udo 3 | 18 
Lucianus Venedisch Rohe 7 Dialogus Erasmi de pronunciatione Rohe 4 
MA: DIGO Zeg ZER EE A 6 C ²˙ are E E 2 
Commentaria Caesaris Venedisch Rohe 8 Augspurgische Confession umb ....... 2 
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Psalter Flamminii Venedisch ......... 5 OBOE an ee scarp Ten oi I 
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Postilla simonis Pauli latine in 8° Rohe 8 Ovidii Metamorphosis in 4° Rohe .... 8 
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Theophrasti tractatus Teutzsch Rohe... 4 Dialectica Caesaris et Trapezuntii Rohe 3 
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De ratione studii, opuscula varia Rohe 6 Dialogus Cammerarii Rohe 
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Pindari olimpia, Aristoteles de virtutibus 6 Feen Raben ñ a ei 2 6 
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Polidorus Virgilius et Oratius pomponius 5 Ein Italienisch Biichlein in 16° umb .. 3 
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Grammatica Philippi Maior Rohe..... I Ein Compa ist nicht taxiret worden 
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EIN SELTENES BUCH MIT EINEM 
NOCH SELTENEREN VORSATZKUPFER 


VON DR. STEPHAN KEKULE VON STRADONITZ IN BERLIN 


Mit einem Bilde 


worden war, erschien 1723 zu London deren erstes Gesetz- oder Verfassungsbuch unte: 

dem Namen „The Constitutions of the Free-Masons. Containing the History, Charges, 
Regulations, etc. of that most Ancient and Right Worshipful Fraternity. For the Use of the 
Lodges“, verfaßt von dem Geistlichen Dr. James Anderson, mit einer Widmung aus der Fede: 
des gelehrten Dr. John Theophilus Desaguliers. 

Dieses berühmte sogenannte „Konstitutionenbuch“ („Book of Constitutions’) hat viele 
Ausgaben erlebt, von denen die ältesten, in 4°, vorzüglich gedruckt, jede mit einem blatt- 
großen Vorsatzkupfer geschmückt, zu den größten Seltenheiten unter den an und fur sich 
seltenen, alten freimaurerischen Büchern gehören. Der englische Forscher Him Fames 
Hughan hat alle diese Ausgaben in einem Sonderwerk (London 1899) eingehend beschrieben. 
Leider bringt Hughan zwar die Titelblätter der verschiedenen alten Ausgaben in getreuer 
Nachbildung, aber nur wenige der Vorsatzkupfer. Dadurch wurde es wohl veranlasst, daf 
das unten beschriebene Vorsatzkupfer der Aufmerksamkeit bisher entgangen ist. 

Nun bildete das „Grand Lodge Bulletin“ der Freimaurer-Großloge von Jowa (Vereinigte 
Staaten), deren Bücherei zu Cedar-Rapids zu den größten freimaurerischen Büchereien der 
Welt zählt und die erstaunlichsten freimaurerischen Bücherseltenheiten birgt, in seinem Hefte 5 
vom August 1925 die vier Vorsatzkupfer aus den ältesten sechs Ausgaben des „Konstitutionen- 


Nr im Sommer 1717 der Grund zur Freimaurer-Großloge von England gelegt 


Buches“, nämlich von 1723 und 1738, von 1756 und 1767, von 1784 und von 1813, aller- 


dings verkleinert, ab, so daß man sie zum erstenmal im Bilde nebeneinander hatte. Das 
darstellerisch und inhaltlich bedeutendste dieser vier Vorsatzkupfer ist das der sogenannten 
Noorthouck-Ausgabe von 1784. Nur in fünf deutschen Büchersammlungen, und zwar in solchen 
von Großlogen oder Logen, konnte ich bisher je ein Stück dieser Noorthouck-Ausgabe nach- 
weisen. Dem Stück einer Berliner Großloge ist das hier beigegebene Bild entnommen. 

Uber diese Noorthouck- Ausgabe selbst sagt Huglian a. a. O., S. XXII ff.: „Der Band 
wurde nicht vor Anfang 1785 veröffentlicht, obwohl er die vorhergehende Jahreszahl trägt, 
und Abdrücke wurden, geheftet, zum Preise von je 12 sh verkauft, aber ohne das Vorsatz 
kupfer, das erst erheblich später fertig wurde, und dann wurde es zur allgemeinen Bequem- 
lichkeit fiir nützlich gehalten, diesen tüchtigen und wertvollen Stich, gesondert von dem Buche, 
das Stück zu 7½½ sh zu verkaufen. Das Blatt ist gezeichnet von den Brüdern Sardör und 
Cipriani und gestochen von Br. Parlolosgi und bildet ein sehr schönes Vorsatzkupfer. Einige 
Stücke tragen die Jahreszahl 1786. Ich bin geneigt, zu glauben, daß es nicht vor diesem 
Jahr ausgegeben worden ist. Eine Erläuterung zu dem Stiche geht der Widmung voraus.“ 

In dem getrennten Verkauf von Buch und Vorsatzkupfer liegt der Grund zu dessen 
besonderer Seltenheit. Die Abzüge mit der Jahreszahl 1786 scheinen die späteren zu sein. 

Die schon erwähnte „Erläuterung“ (siehe Bild) lautet in wörtlicher Ubersetzung: „Der 
bauliche Teil stellt das Innere von Free-Masons-Hall! vor. Die oberste Gestalt ist die Wahr- 
heit, einen Spiegel in der Hand haltend, der seine Strahlen wirft auf verschiedene Verzierun- 
gen in der Halle und ebenso auf die Globen (»the Globes e) und andere freimaurerische Ein- 
richtungsgegenstände und Werkzeuge (Furniture and Implements«) der Loge. Die Wahrheit 
ist begleitet von den drei theologischen Tugenden, dem Glauben, der Hoffnung und der 
Barmherzigkeit: unter diesen schwebt der Genius der Freimaurerei, beauftragt von der Wahr- 
heit und ihren Begleiterinnen, in die Halle hinab, eine brennende Fackel tragend. Die Frei- 
maurerei ist geschmückt mit einigen freimaurerischen Abzeichen, und an einem ihrer Arme 
hängt ein Band mit einer Schaumünze daran, mit dem sie den Großmeister schmücken soll, 
zum Zeichen des göttlichen Beifalls zu einem Gebäude, das der Barmherzigkeit und der Mild- 
tätigkeit geweiht ist.“ 

Soweit also die Beschreibung in der Ausgabe selbst. 

1 Free-Masons-Hall ist das Gebäude der Großloge in London. Der auf dem Kupfer dargestellte große Saal ist 


der Festsaal, der 1775 fertig wurde (eingeweiht am 23. Mai 1776). Das Gebäude steht noch heute in der „Großen 
Königin- Straße“ mit dem wohlerhaltenen Saale. 


Stradonitz: Ein seltenes Buch mit einem noch selteneren Vorsatzkupfer 93 


Man betrachte nun die fünf Gestalten, die Einrichtungsgegenstände und Werkzeuge auf 
dem Bilde näher. Die Wahrheit mit ihrem Spiegel ist schon in der „Erläuterung“ gekenn- 
zeichnet. Der Glaube hält die Gesetzestafeln des Moses (für das „Alte Testament“) in der 
Linken, während die Gestalt einen Kelch, über dem das Kreuz strahlt (für das „Neue 
Testament"), in der Rechten erhebt. Die Hoffnung hält einen grünenden Zweig in der Rechten 


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und einen nur teilweise sichtbaren Anker in der Linken, die Barmherzigkeit zahlreiche Kinder 
in den Armen und auf dem Schoße. Die „Freimaurerei“ ist als solche ganz unverkennbar 
durch den halbgeöffneten Zirkel mit Winkeleinteilung (in Gestalt eines » Triangels”) am Band 
um den Hals. Am linken Arme trágt sie zwei Bánder mit Anhángern: der eine Anhánger 
ist die in den „Erläuterung“ erwähnte Schaumünze, das Abzeichen des Großmeisters. Ihre 
rechte Hand hält neben der Fackel noch ein Blatt mit einem darauf geschriebenen Worte. 
Der Anhänger des zweiten Bandes ist nicht mit voller Sicherheit erkennbar. Es dürfte ein 
Senkblei sein. 

Auf dem Tisch erblickt man zunächst zwei Globen, einen Erdglobus und einen Himmels- 
globus. Vorn auf dem Tische liegen: ein aufgeschlagenes Buch, ein halb geöffneter Zirkel 
und eine Maurerkelle. Auf dem Tische steht ferner noch ein sogenannter Dreibock, ein schon 


94 Stradonitz: Ein seltenes Buch mit einem noch selteneren Vorsatzkupfer 


seit der Römerzeit bekanntes Hebezeug für Bausteine. In dem Dreibock ist ein Flaschenzug 
mit einer Klaue, die in einem Bausteine steckt. Das Endseil des Flaschenzuges geht nach 
der Seite hin zu einem sogenannten Spill, um das Seil durch Drehung des Spills anzuziehen 
und nachzulassen. Zwischen dem Buch und dem einen Globus erblickt man noch einen 
sogenannten ,,Proportionalzirkel“ in Form eines Doppellineals. Links von dem Tisch auf dem 
Boden steht eine Armillarsphäre, rechts, dicht neben dem Tisch, eine Luftpumpe. Man erkennt 
an ihr oben die Glocke, in der Mitte, senkrecht unten, den Zylinder, ganz unten den Kolben. 
Der Hebel zur Bewegung des Kolbens ist nicht gezeichnet. 

Einige dieser Geräte und Werkzeuge hängen unzweifelhaft mit dem Bauen und Messen 
zusammen, so der halbgeöffnete Zirkel mit Winkeleinteilung, das Senkblei, der gewöhnliche 
halbgeöffnete Zirkel, der Proportionalzirkel, die Maurerkelle, der Dreibock mit Flaschenzuz 
und Spill. Das halbgeöffnete Buch dürfte die Bibel, vielleicht auch ein Konstitutionenbuch, 
sein. Für die Luftpumpe einerseits, für die „drei Globen“ andererseits fehlt die unmittel- 
bare Deutung. Die Luftpumpe könnte wohl die Naturlehre (Physik) versinnbildlichen, die 
„drei Globen“, der Erdglobus, der Himmelsglobus und die Armillarsphäre, häufig auf alten 
Stichen zu finden, die Arbeitsráume von Himmelskundigen (Astronomen) darstellen, eine Ver- 
sinnbildlichung der Himmelskunde sein. Besonders aufmerksam zu machen ist darauf, daß von 
den Strahlenbündeln aus dem Spiegel der Wahrheit, die nach verschiedenen Richtungen den 
Raum erhellen, drei auf „the globes“ fallen, auf den Erdglobus, den Himmelsglobus und auf 
die Armillarsphäre, so daß diese hierdurch besonders hervorgehoben werden. 

Unter dieser ganzen Darstellung steht: 


G. B. Cipriani & P. Sundby Delin. F. Bartolomi & T. Fitler Sculp. 
Published as the Act directs 
By the SOCIETY of FREE MASONS 
at thir HALL in GREAT QUEEN STREET LINCOLNS INN FIELDS 1756. 


Nun noch wenige Worte über die beiden Künstler Bartoloszi und Cipriani. Francesco 
Bartolozst, geb. 1728 in Florenz, gest. 1815 in Lissabon, hier Direktor der Maler- und Kupfer- 
stecherakademie und geadelt, war einer der berühmtesten und fruchtbarsten Kupferstecher 
und Radierer seiner Zeit. Er war 40 Jahre in England tätig. Daß er hier Freimaurer ge- 
worden ist, ist sicher. Es gibt ein umfangreiches, zweibändiges Sonderwerk über ihn: „Bartolozzi 
and his works“ by Andrew W. Tuer, London 1881/82, 2. Aufl. 1885, in dem auch ein aus- 
führliches, rund 2000 Nummern umfassendes Verzeichnis seiner Arbeiten enthalten ist. Das 
hier behandelte Vorsatzkupfer der Noorthouck-Ausgabe von 1784—1786 fehlt wenigstens 
in der 1. Auflage von Tuer, die ich einsehen konnte, ein Beweis für die Seltenheit und all- 
gemeine Unbekanntheit des Kunstblatts. 

Giovanni Battista Cipriani, geb. 1727, gest. 1785 zu Hammersmith, offenbar ebenfalls Frei- 
maurer, war als Künstler ungleich weniger berühmt als Bartolozzi. Beide haben vielfach 
zusammen gearbeitet. 

Bartolozzi hat übrigens 1802 noch ein anderes, sehr umfängliches und reizvolles frei- 
maurerisches Kupfer hergestellt, das die werktätige Nächstenliebe der Großloge von England 
verherrlicht. Nach einem Gemälde von Stothard zeigt es den großen Festsaal in „Free-Masons- 
Hall“ und einen Zug von kindlichen Zöglingen einer Armensohule, nämlich der am 25. März 
1788 gestifteten „Royal Masonic Institution of Girls“ (Stiftung für freimaurerische Waisen- 
mädchen; abgekürzt: „R. M. I. G.“), darin, die vor den Würdenträgern und Mitgliedern der 
Großloge vorüberziehen. Dem Zuge schreitet, je mit einem Kind an der Hand, der Cavaliere 
Bartolomeo Ruspini (1730—1813) in London, einer der Würdenträger der Großloge, voran, 
der die R. M. I. G. in das Leben gerufen hat. 


1 Bei der Deutung der Einzelbilder des Stichs war mir der bekannte „Historiker der Technik“: Dr.-Ing. h. e. 
Franz Feldhaus, Eberswalde, in dankenswerter Weise behilflich. 


95 


DIE GEPLANTE VERLOSUNG 
DER KEHLER VOLTAIRE-AUSGABEN 


VON DR. PAUL KRASNOPOLSKIIN PRAG 


littéraire typographique, eine Griindung Pierre Augustin Beaumarchais’, veranstaltete 

auf fünf verschiedenen Papiersorten zwei Ausgaben der ,Oeuvres completes de Voltaire“, 
von denen die eine 70 Oktav-, die zweite 92 Duodezbände umfaßte. Von der ersteren in 
einer Höhe von 28000 Exemplaren sind 25 Abzüge auf blauem Papier hergestellt worden’. 
Die Illustrationen wurden nach Moreau durch eine ganze Reihe von Stechern ausgeführt; es 
gibt zwei Folgen der Bilder, und auch Abdrücke vor der Schrift. 

Über die ursprünglichen Pläne Beaumarchais’ erzählt ein in Leipzig? 1788 anonym er- 
schienenes Werk, „Beobachtungen und Anmerkungen auf Reisen durch Deutschland. In Frag- 
menten und Briefen“, in einem Berichte aus Straßburg (S. 395— 397) vom Jahre 1780 folgendes: 

„Es war dem berühmtesten Schriftsteller, und dem außerordentlichsten Manne seines Zeit- 
alters, der Vorzug aufbehalten, daß auch die Ausgabe seiner Werke, sich nach seinem Tode 
vor allen typographischen Unternehmungen dieser Art auszeichnen, und schon durch sich zur 
Merkwürdigkeit werden sollte. Eine Gesellschaft, an deren Spitze sich Beaumarchais befindet, 
hat für 100000 Thaler von Madame Denis? das Eigentum von allen Voltaireschen Schriften, 
gedruckten und handschriftlichen, an sich gekauft. Sie veranstaltet eine Ausgabe davon, bey 
welcher sie ein und dreyßig von Voltaire nach der letzten Edition eigenhändig korrigirte 
Bände zum Grunde legt, und diesen eine Menge Varianten, Noten und Fragmente aus seinen 
Portefeuillen gezogen beygefügt; ferner seine nachgelassenen Arbeiten; eine Auswahl von 
seinen Briefen, mit historischen Erläuterungen; sein Leben, und eine Table générale et raisonnée 
des Inhaltes beyfügen will; so, daß das ungedruckte und hier zum ersten Male aus Hand- 
schriften bekanntgemachte, zwanzig Bände von sechzigen anfüllen wird. Zu dem Drucke selbst 
werden die berühmten von der Gesellschaft für 100000 Livers erhandelten Baskervilleschen 
Typen genommen, und der Druck ganz nach der Art dieses großen Künstlers, und mit der 
allergrößten Korrektheit und Sorgfalt geführt. Jedes Exemplar, das numerirt ist und zugleich 
auf das Risico der Gesellschaft, dem Subscribenten zugestellet wird, zieren drey Bildnisse des 
Voltaire, von den größten Künstlern gestochen: das erste als Jüngling, nach Argiliere; das 
zweyte als Mann von 45 Jahren, nach dem Gemälde des la Tour, und das dritte als Greis, 
nach der Büste des Houdon. Die Ablieferung geschieht im Jahr 1782. Die Auflage selbst 
besteht aus 1000 Exemplaren in 4 von 40 Bänden, und 4000 in groß 8 und 60 Bänden. 
Die Exemplare in Quart teilen sich in die erste und zweyte Klasse. Die 400 von der ersten 
Klasse, sind auf geglättetes Papier royal Anglois superfin, von einer ganz neuen dem Perga- 
mente gleichen Art gedruckt, und der Subscriptionspreiß ist vierzig Louisd’or wovon zehn 
beym Subscribiren, und die übrigen dreyßig beym Empfang des Exemplars erlegt werden. 
Die Exemplare werden von ı bis 400 numerirt seyn. Die 600 von der zweyten Klasse, sind 
auf schönes Median d’Annonay gedruckt; der Subscriptions-preiß ist fünf und zwanzig Louis- 
d'or; fünf beym Unterzeichnen, und zwanzig beym Empfang. Die Exemplare sind von 401 
bis 1000 numerirt. Unter dieser Quart Ausgabe befinden sich auch zwey Exemplare auf 
Kalbs-Pergament, mit vergoldeten Anfangsbuchstaben, für zwey große Bibliotheken. Die Octav- 
Ausgabe ist auf grand Raisin fin gedruckt, und man bezahlt fünfzehn Louisd’or, nemlich drey 
beym Subscribiren und zwölf beym Empfang. Die Numern laufen von ı bis 4000 und dienen 
den Subscribenten dieser Oktav Ausgabe zugleich zu Loosen, wodurch sie, ohne weitere Ein- 
lage, an einer Lotterie von 200000 Livers Theil nehmen, die 400 Treffer von 24000 Livers 
bis 288 Livers hat, so daß von zehn Loosen nothwendig eins gewinnen muß. Diese richtet 
sich nach den vier Ziehungen der Lotterie Royale de France, und die weitere Einrichtung so 


E ist bekannt, daß die Werke Voltaires in Kehl 1784—1789 erschienen sind. Die Société 


1 Henry Cohen: Guide de l'amateur de livres... 3. édition ... par Charles Mehl. Paris (1876) S. 518 fl. Vgl. 
Friedr. Adolf Ebert: Allgemeines bibliographisches Lexicon, II. Band, Leipzig (1830) S, 1064/5. Jacques-Charles Brunet: 
Manuel du libraire, V, 1353—1355. Jean George Théodore Graesse: Tresor de livres. .., VI 2 (Dresden 1867), S. 390. 


2 Der wirkliche Druckort war Ulm: Johann Georg Meusel, Das gelehrte Teutschland, 5. A., Lemgo (1796—1831), 
Band 9 (1801), S. 549. Christian Gottlob Kayser: Index locupletissimus librorum, Leipzig, 1. Theil (1833), S. 213. 
Nicht bei Emil Weller: Die falschen und fingirten Druckorte, 1. Band (Leipzig (1864), S. 137. 


3 Der Nichte Voltaires. 


96 Klenz: Literarische Falschungen und Mystifikationen 


wohl, als die Ziehungen und herausgekommenen Zahlen werden in den öffentlichen Blätter, 
zu seiner Zeit, zu jedermanns Kundschaft treulich bekannt gemacht werden. Herr von Beau 
marchais und seine Gesellschaft, bestimmen überdieß noch aus dem Ueberschuß eine goldene 
Münze von fünfzig Louisd’or an Gewicht, mit Voltairens Bild, zu einer jährlichen Preißaus 
theilung an Gelehrte, wovon der Plan aber noch nicht entworfen ist.“ 

Der Verfasser der „Beobachtungen und Anmerkungen“ war, laut Holzmann-Bohatta, 
Johann Georg Heinzmann, geboren zu Ulm am 17. November 1757, in Bern als „bedeutendster 
Buchhändler seiner Zeit“ und rühriger Schriftsteller tätig, gestorben in Basel den 23. No- 
vember 1802. 

Von der ursprünglich geplanten Gesamtausgabe der Werke Voltaires in vierzig Quart- 
bänden? erschien nur im Jahre 1789 die Henriade und die Pucelle d'Orléans, beide von der 
Société littéraire typographique veröffentlicht. Während des Druckes der Pucelle aber gab 
Beaumarchais das Unternehmen auf, so daß es über die zwei genannten Bände nicht heraus- 
gekommen ist, und so auch die Lotterie unterblieb. Aber mit den Ausgaben in-8° und 12° 
schuf Beaumarchais eine, wenigstens typographisch bedeutsame Leistung. 


LITERARISCHE FÄLSCHUNGEN UND 
MYSTIFIKATIONEN 


VON DR. HEINRICH KLENZ IN BERLIN-STEGLITZ 


(Schluß) 


hielten sagenhafte Vorstellungen von auffälligen Erscheinungen für wahr. Im Altertum nahm 

noch Flinius (23—79 n. Chr.) „alle Fabeln der griechischen Reisebeschreiber über Menschen 
ohne Kopf, ohne Mund oder mit einem Fuße mit der größten Zuversicht auf und hielt diese 
Phantasiegebilde für Spiele der erfinderischen Natur; man kann daraus leicht schließen, 
welchen Unsinn er erst über fremde und wenig bekannte Tiere beibringt“ (Plinius, Naturge: 
schichte übs. u. erläut. v. Ph. H. Külb I, 1840 S. 48). Zwei bezeichnende Beispiele aus dem 
Anfang der neuen Zeit finden sich in der Acerra philologica (1640 S. 488ff.) des Rostocker 
Poesie-Professors Peter Lauremberg. Das erste Beispiel ist überschrieben: „Lämmer wachsen 
wie Kräuter aus der Erde“ und lautet folgendermaßen: „Der Freiherr v. Herberstein Sieg: 
mund, 1486—1566] in seiner Moskowitischen Historie [zuerst lateinisch 1549], wie dann auch 
Scaliger [Julius Cäsar, 1484—1558] in seinen Übungen, Cardanus [1501—76] und andere 
mehr erzählen eine seltsame Art von Lämmern, welche nicht, wie sonst in der Natur ge 
bräuchlich, von Schafen geboren werden, sondern aus der Erde wachsen wie die Kräuter, 
und zwar in Tatarien oder Szythenland. Allda säet man einen Samen, den Melonen oder 
Kukumersamen gleich, in die Erde, daraus kommt ein Grewächs, welches sie Boranets [Baranetz, 
Barametz, Barometz] nennen, einem Lamm ähnlich; der Stiel wächst gerade aus der Erde und 
geht dem Lamme in den Nabel. Das Lamm, nachgerade es wächst, frißt alle Kräuter, so 
ihm nahe und herumstehen, ab und nimmt also zu. Wenn’s keine Weide mehr hat oder 
abreichen kann (weil's fest am Stiele angewachsen), so verdorret es und stirbt*; welches 
es auch tut, wenn man ihm sonst mit Fleiße die Kräuter umher ausrauft. Es hat recht Fleisch 
vom Geschmack wie Krebsenfleisch, hat ein Fell, Wolle, Füße, Kopf, Ohren, ist ungefähr 
3 Fuß oder 1*/, Ellen hoch. Die Haut gebrauchen die Einwohner und machen Mützen oder 
Hüte daraus.“ Hierzu macht Lauremberg, der Mediziner und Naturwissenschaftler von Fach 


Mi groBer Leichtglaubigkeit zeigten sich Gelehrte in naturgeschichtlichen Dingen und 


I Goedeke, Grundriß: XII., 100, 155. Das genannte Werk ist hier nicht angeführt. 
2 Cohen, a. a. O., 508. 512. 


3 Bis hierher ist der Beschreibung Lichtwer in seiner Fabel „Das aus der Erde wachsende Lamm“ (I Nr. 14, 
zuerst 1748) gefolgt. 


Klenz: Literarische Falschungen und Mystifikationen 97 


war, die Bemerkung: „Ich lasse hiervon andere disputieren und erforschen, ob's möglich sei 
und auf was Art ein Tier könne auch eine Pflanze sein. Dies bekenne ich frei heraus, daß 
viel in der Naturgeschichte, welches uns Menschen seltsam vorkommt. Die Natur regiert 
oder schickt sich nicht nach unserm Kopf oder Begreiflichkeit, sondern was wir in der Na- 
tur finden, davon müssen wir unsere Spekulationen machen.“ Das nach asiatischer Sage 
aus einer Pflanze hervorgehende Lamm, Agnus scythicus, „Szythisches Lamm“, genannt, ist 
nichts weiter als der mit Spreuhaaren besetzte Stamm eines Schildfarnes. Man stutzte ihn 
auch wohl so zu, daß er einem Lamm ähnlich sah. — Als zweites Beispiel führt Lauremberg 
an: „Entvögel wachsen auf Bäumen ... Es wird nicht allein in Schottland und den Orknischen 
Inseln, sondern auch in England an der Themse eine sonderliche Art kleine Muscheln ge- 
funden, welche (wie Pena Tel, Lobel Matthias, 1538—1616] und viele andere bezeugen, die 
solches augenscheinlich erfahren) ganz rund und auswendig weiß, wachsen[d] und hängend 
an die Schiffe, an alte Bretter, insonderheit an die Bäume, so am Ufer mit den Asten ins 
Wasser reichen. Die Muscheln, wenn sie ins Wasser fallen (geschieht sofort sie ihre Voll- 
kommenheit erreicht), so kriechen daraus junge Vögele, welche hernach den Enten gleich 
werden an Größe, Art und Federn, und auf dem Wasser schwimmend sich von Fischen er- 
nähren, und oftmals bei 100, ja 1000 sich zusammenrotten und weit hinfliegen. Die Eng- 
länder nennen sie bernacles, die Schotten clackish. Sie haben zwar die Art wie Enten- 
fleisch, doch der Geschmack ist sehr fischartig; vielleicht sind diese ebendieselben, welche 
man zu Winterzeit bei uns auf dem Eise fängt und Klagshuhn nennt. Also schreibt Lobel, 
daß sie in Schottland auf den Seen, wenn’s hart gefroren, häufig gefangen werden.“ Nach 
Hübners Natur- usw. Lexikon 1755 s. v. Conchae anatiferae gaben die gekrümmten Fäslein, 
die sch an dem Wurm der Muschel finden und wie Federn aussehen, der Meinung, die 
„Bernikelgänse“ würden aus diesen Muscheln erzeugt, „einen gewaltigen Schein, so gar, daß 
auch viele Gelehrte solches geglaubt, bis dieser Fabel Deusing [Anton, 1612—69, Professor 
in Groningen] vollkommen abgeholfen“. In demselben Lexikon wird s. v. Gans gesagt, daß 
die Gelehrten über den Ursprung jener Gänse nicht einig seien, sondern bald meinten, „daß 
solche aus den Würmern entstehen, welche aus den im Wasser liegenden verfaulten Balken 
wachsen, bald, daß sie gar von den an dem Meerufer in Schottland stehenden Bäumen als 
eine ordentliche Frucht solcher Bäume hervorgebracht würden.“ Der holsteinische Mediziner 
Michael Maier (17. Jahrh.) schrieb einen ,,Tractatus de volucri arborea absque patre et matre 
in insulis Orcadum forma anserulorum proveniente“ (d. i. Abhandlung von dem Baumvogel, 
der ohne Vater und Mutter auf den Orkneyinseln in der Gestalt kleiner Gänse entsteht). 
Die Bernikelgänse galten wegen dieser Ansichten von ihrer Entstehung als Fastenspeise. 
Davon hat auch der betreffende Krebs aus der Ordnung der Rankenfüßer den Namen „Enten- 
muschel“, lateinisch Anatifera, erhalten. 

Aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts wird in Ratzebergers Literarischem Almanach 
für 1831 S. 210 nach Bayle folgender Fall von Mystifikation mitgeteilt: „Paris de Grassis 
[Magister ceremoniarum in Rom, seit 1513 Bischof von Pesaro] machte eine ,Grabschrift auf 
seinen Maulesel', ließ sie in einen Marmorstein graben und diesen in seinem Weinberg unter 
der Erde verbergen. Nach einiger Zeit befahl er, an ebendiesen Platz Weinstöcke zu pflanzen, 
und als man ihm die Entdeckung dieser Grabschrift meldete, gab er sie für eine Vorher- 
sage auf seinen Maulesel aus, die schon im grauen Altertum gemacht worden sein müsse. 
Er äffte die Leute damit dergestalt, daß Thomas Porcacchi sogar ein eigenes Buch über 
diesen Stein schrieb und die Betrügerei für unleugbar wahr annahm.“ 

Der „Fürst der Philologen des 16. Jahrhunderts“ Josephus Justus Scaliger (1540—1609) 
ließ sich zweimal von Marcus Antonius Muretus mystifizieren. Uber das erste Mal heißt es 
in Jóchers Gelehrten-Lexikon s. v. Trabea, gleichfalls nach Bayle: „Als Scaliger in dem 18. Jahre 
seines Alters sich vermaß, daß er aller Zeiten Skribenten aus ihrer Schreibart erkennen wollte, 
verfertigte Muretus etliche Verse und gab gegen Scaliger vor, sie waren ein altes Fragment, 
welches man ihm erst vor kurzer Zeit aus Deutschland zugeschickt habe. Scaliger glaubte 
solches, und als man den Autor von ihm wissen wollte, gab er den Ausspruch, sie waren 
aus des Trabea Komödie, die Harpace hieße, und setzte sie unter diesem Namen in seinen 
Kommentar iiber des Varro Biicher vom Landwesen. Allein Muretus machte den Betrug nach- 
gehends offenbar und lachte Scaliger aus, der sich aber mit einem sehr bittern Distichon 
rächte.“ (Vgl. oben.) In Menckes Charlatanerie 1716 wird außer dieser Mystifikation S. 81 
Anm. auch der zweiten gedacht, unter Berufung auf Vossius' Catullausgabe S. 46, wonach 
Muretus einen Vers des Pacuvius erdichtete, um eine Verbesserung im Catull zu erhärten, 
und Scaliger jenen Vers als echt hinnahm. 

XVII, 14 


98 Klenz: Literarische Falschungen und Mystifikationen 


Der Historiker und Geograph Alartin Zeiller (1588—1661, aus der Steiermark, Schul- 
inspektor zu Ulm), der „sich durch seine Gelehrsamkeit in ganz Europa berühmt machte“, 
war nach Jöcher „dabei sehr leichtgläubig“. 

Der Genfer Rechtsprofessor und Publizist TAlipp Andreas Oldenburger (aus dem Cellischen, 
gest. 1678), dessen auch unter den Plagiatoren zu gedenken sein wird, soll „alles, was er 
von den alten Weibern gehört, für wahr angenommen haben“ (Bernhard, Curieuse Historie 
derer Gelehrten 1718 S. 590). 

Alle Gelehrten übertraf aber wohl an Leichtgläubigkeit der als Altertums- und Natur- 
forscher sich eines Weltrufs erfreuende, im Museo Kircheriano zu Rom fortlebende Jesuit 
Athanasius Kircher (1602—80, aus Geisa im Eisenachischen; siehe Brischar, Würzburg 1878 
und Behlau, Heiligenstadt 1880). In Menckes Charlatanerie S. 83 werden folgende Stückchen, 
die man ihm gespielt, erzählt. In Rom ließen einige mutwillige Jünglinge einen alten ver- 
moderten Stein vergraben, auf dem sie allerhand wunderliche Züge und phantastische Figuren 
angebracht hatten, und zogen nun Kircher zur Ausgrabung und Erklärung des angeblichen 
Fundes herbei. Der sprang, sobald er den Stein gesehen hatte, vor Freuden in die Hohe 
und wußte sofort alle Kreise und Kreuze auf die künstlichste Weise zu deuten. Ein ander- 
mal bekam er von einem Freunde ein Stück Seidenpapier, wie es die Chinesen gebrauchen, 
das mit vielen seltsamen Zeichen bedeckt war. Kircher zerbrach sich vergeblich den Kopf 
darüber. Da hielt der Freund das Papier vor den Spiegel, und jetzt konnte man lesen: 
Noli vana sectari et tempus perdere nugis nihil proficientibus!, d. h.: Jage nicht Eitlem nach 
und verliere keine Zeit mit Kleinigkeiten, die zu nichts nütze sind! Ferner berichtet Jöcher: 
„Weil er sehr leichtgläubig war, so wurde er von Andreas Müller aus Greifenhagen [siehe 
oben unter den Fälschern] einst artig betrogen. Denn als Kircher statuierte, die ägyptische 
Sprache sei noch vorhanden, so war dieser her und fingierte eine Schrift mit besonderen 
Buchstaben, schickte selbige Kircher zu und schrieb in seinem Briefe, es käme ihm vor, als 
wenn dieses eine ägyptische Schrift wäre, doch wollte er’s auf sein Urteil lassen ankommen. 
Kircher gab ihm alsobald Beifall und schickte ihm darüber eine lange Erklärung zu, worüber 
Müller herzlich lachte. In seinem Oedipus aegyptiacus hat er griechische Inschriften mit 
gedoppelt gezogenen Buchstaben für ägyptisch angesehen, bloß weil sie in Agypten gefunden 
worden.“ Bernhard urteilt in der „Historie derer Gelehrten“ 1718 S. 636 über ihn folgen- 
dermaßen: „Man muß ihm das Lob lassen, daß er ein fleißiger Mann gewesen; er hätte aber 
weit mehr ausrichten können, wenn er sich in nötigen Dingen Mühe gegeben. In seinem 
Oedipus und Obeliscus [aegyptiacus] will er lauter Geheimnisse verkaufen, ungeachtet er oft- 
mals selbst nicht weiß, wo er zu Hause ist. Stillingfleet nennt in den Origines sacrae p. 166 
seinen Oedipus einen eitlen und ehrsüchtigen Oedipus.“ Dunkel (Hist.-Crit. Nachrichten III, 4) 
1760 S. 792) teilt noch aus Just. Gottfr. Rabener's Amoenitates historico-philologicae etwas 
schier Unglaubliches mit: „Als Kircher einsmals ein Hut aus der Luft auf den Kopf fiel, 
meinte er, es regne Hüte; es mochte aber der Wind einem Reisenden den Hut auf einem 
hohen Gebirge genommen haben.“ 

Der Leipziger Magister Johannes Prätorius (eigtl. Hans Schultze, 1630—80, aus der Alt- 
mark) war nach Jöcher „sehr leichtgläubig, dahero man ihm allerhand Abenteuer aufgeheftet, 
die er hernach seinen Schriften einverleibet“. Durch seine „Daemonologia Rubinzalii Silesii“ 
beeinflußte er die Entwicklung der Rübezahlsage. Immerhin enthalten seine Sammelschriften 
wichtige Beiträge zur Kenntnis des Volksglaubens, 

Sogar der Altertumsforscher Jacob Gronovius (1645—1716), Professor zu Leiden, ließ 
sich mystifizieren. Ihm zeigte Robert de Neufville, nach Mencke S. 84 (vgl. Jöcher), ein aus 
Holz geschnitztes Männchen, dergleichen Gronovius nie erblickt hatte. Nach einigem Nach- 
denken erklärte er es für einen heidnischen deutschen Priester, der das Schiff der Göttin 
Isis trage, und verleibte es in Kupferstich seinem Thesaurus antiquitatum graecarum ein. In 
Wirklichkeit war es aber ein sächsisches Bergmännchen, womit die Kinder in Sachsen zu 
spielen pflegten; trug es doch Bergmannsmütze, Erzmulde und Arschleder. 

Fälschungen nahm als Naturgebilde hin der Doktor der Medizin Joh. Bartholomäus 
Adam Beringer, Hofmedikus und Rat des Fürstbischofs von Würzburg sowie Professor der 
Physik und Senior der dortigen Universitat. Dieser Fall, den Weber in seinem Deutsch, 
land“ II, 1827, S. 84 und im Demokrit XI, Kap. 7 erwähnt, ist von dem Humoristen Mor. 
Aug. v. Thümmel (sämtl. Werke II, 1811, S. 331f.; in der Ausg. v. 1853 I, S. 197 fl.) aus- 
führlich behandelt. Beringer war ein eifriger Naturaliensammler und wurde deshalb auf das 
freudigste überrascht, als er einst in einer Sandgrube mehrere seltsame Versteinerungen ent: 
deckte. Fürs erste nahm er so viele mit, wie er tragen konnte, und kehrte dann oftmals 


Klenz: Literarische Falschungen und Mystifikationen 99 


an den Ort zuriick, von dem er stets beladen heimging. Als die Quelle endlich versiegt 
war und er alles einer eingehenden Musterung unterzog, fand er, daß er in Stein verwandelte 
menschliche Glieder, Fledermäuse, Vögel, Frösche, Eidechsen usw. vor sich hätte und zwar 
in einer solchen Anzahl (200), wie sie bisher noch keinem beschieden gewesen. Er beschloß 
daher, diesen Schatz nicht bei sich aufs neue zu vergraben, sondern der Menschheit die auf- 
fallendsten Stücke in einem Werke bekanntzugeben. Dieses erschien im Jahre 1726 in Folio 
unter dem Titel: Lithographiae Wirceburgensis, ducentis lapidum figuratorum, a potiori in- 
sectiformium, prodiggiosis imagnibus exornatae specimen; der Beschreibung der einzelnen 
Versteinerungen, die der Verfasser „in den glücklichsten Stunden seines Lebens“ aufgefunden 
hatte, fügte er Kupferstiche auf 2ı Tafeln bei, die von ihm selbst mit der größten Sorg- 
falt ausgeführt waren. Eben war jedoch der letzte Bogen unter der Presse, als dem Autor 
die Mitteilung gemacht wurde, daß einer seiner Kollegen (nach anderen einer seiner Zuhörer) 
die angeblichen Naturerzeugnisse hätte anfertigen lassen und da vergraben, wo er gewußt, 
daß der Sammler nach derlei Gregenstánden suchen würde. Statt nun das Werk zurück- 
zuziehen, hängte ihm Beringer ein Nachwort an, in dem er dem Leser zu dessen Erstaunen 
sein Mißgeschick erzählt, mit der Ermahnung, die Liebhaberei nicht wie er bis zur Ver- 
blendung zu treiben; auch setzte er den Ladenpreis des Buches auf die Hälfte herab. Er 
soll bald nachher aus Verdruß über diese Mystifikation und die sich daran schließenden 
Neckereien gestorben sein. — Max Kemmerich spricht in seinen Kultur-Kuriosa 1910 II, 
S. 30 fl. von einer Dissertation unter obigem Titel, über die der Mediziner Georg Ludwig 
Hueber disputiert habe, und zwar unter dem Präsidium Beringers, der, wie damals üblich, 
jene verfaßt. Nach Kemmerich soll Behringer alle erreichbaren Exemplare der Schrift haben 
vernichten lassen; eins finde sich noch auf der Staatsbibliothek in München. 


Auch der Rostocker Orientalist Oluf Gerhard Tychsen (1734—1815) war von einer 
großen Leichtgläubigkeit. So ließ er sich z. B. durch den Malteser Joseph Vella täuschen, 
der wichtige arabische Handschriften entdeckt zu haben vorgab und auf solche seine Ver- 
öffentlichungen zur Geschichte Siziliens zurückführte. (Näheres über ihn siehe oben unter 
den Fälschern. Bezüglich Tychsens siehe den „Mecklenburgisch -Sizilianischen Briefwechsel“ 
in der „Monatsschrift von und für Mecklenburg“ 1788, S. 453 ff, 1789, S. 1167, 1790, S. 431, 
1791, S. 807, 1794, S. 37 ff. und 1795, S. 17 fl.) „Wie sich deutsche Orientalisten schon 
früher von einem Schwindler düpieren ließen“, hat 1919 Wolfram Suchier in seiner Mono- 
graphie über C. R. Dadichi gezeigt. Dieser Pseudosyrer, der richtig d’Atichy hieß und aus 
Marseille stammte, trieb sein Wesen in Paris, Rom, Straßburg, Marburg, Gotha, Frankfurt a. M., 
Halle, wo er am Collegium orientale lehrte, Leipzig, Basel und starb, nicht viel über 40 Jahre 
alt, 1734 als königlicher Dolmetscher in London. 


P. Joseph Fuchs, Benediktiner der Abtei der heiligen Märtyrer Marcellinus und Petrus 
zu Seligenstadt, schrieb 1772 die „Alte Geschichte von Maynz“ und brachte darin Ab- 
bildungen von Götzen, die er als Altertümer von einem Mainzer Metallarbeiter gekauft 
hatte. Als er diesen wieder einmal sprechen wollte und sich in dessen Wohnung begab, 
verleugnete man dort anfangs den Gesuchten, gestand dann jedoch zu, daß er, in seinem 
Zimmer verschlossen, „Götzenbilder für den Pater Fuchs mache“. (Dorow im Tübinger 
Kunstblatt 1826 Nr. 96.) 


Als zu Anfang der zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts der jüngere Herschel mit seinem 
Riesenfernrohr Aufsehen erregende Entdeckungen machte, verbreitete sich das Gerücht, er 
habe menschenähnliche Bewohner auf dem Monde wahrgenommen. Dies machte sich der 
humorvolle Physiker Gustav Theodor Fechner, der damals noch in Leipzig studierte, zunutze 
und ließ unter dem Pseudonym Dr. Mises eine Broschüre erscheinen, in der er mitteilte, 
Herschel habe die Seleniten entdeckt; das seien 14 Fuß hohe menschenartige Wesen mit 
Fledermausflügeln, die, um sich vor den starken Witterungswechseln des Mondes zu schützen, 
in unterirdischen Gängen lebten, Beweise von angeborener Schlauheit lieferten usw. Hierauf 
fiel nun der Münchner Professor Franz Gruithuisen (1774—1852), der sich vom österreichischen 
Lazarettgehilfen emporgearbeitet hatte, hinein und gab sich Mühe, die sozialen und moralischen 
Verhältnisse der Mondbewohner zu ergründen. Er schrieb über die „Entdeckung vieler deut- 
licher Spuren der Mondbewohner, besonders eines kolossalen Kunstgebäudes derselben“ in 
Kastners Archiv, veröffentlichte auch „Selenognostische Fragmente“ in den Akten der Leopol- 
dinischen Akademie 1821. Seine Schriften erfuhren u. a. Börnes scharfe Kritik in der „Frank- 
furter Laterne“ und eine „Beleuchtung“ durch den Rostocker Professor Heinr. Floerke, den 
Fortsetzer von Kriinitz’ Enzyklopädie, im Schweriner Freimütigen Abendblatt Nr. 308, Beilage 


100 Klenz: Literarische Fälschungen und Mystifikationen 


(1824). Im Jahre 1834 gab dann noch F. Nork'“ (1803—50, aus Prag, jüdischer Herkunft) 
„Die Seleniten, oder die Mondbewohner wie sie sind, aus den Papieren eines Luftseglers, 
nebst dem Alphabet der Seleniten“ heraus (Leipzig mit der Jahreszahl 1834; im Jahre 1835 
erschien eine zweite, vermehrte und verbesserte Auflage mit einem Vorwort von Dr. J. Nürn- 
berger). (Vgl. E. Budde, Naturwissenschaftliche Plaudereien, 4. Aufl. 1914 S. 273 f.) 

Der französische Zoolog Zrrguel kaufte von einem früheren Zuaven zwei Mäuse mit 
riesigem Rüssel, die dieser in Afrika gefangen haben wollte, und hielt sie für eine bisher 
unbekannte Tierart. Als aber die von dem Paare stammenden Mäuschen nicht einmal eine 
Andeutung von einem Rüssel aufwiesen, strengte er einen Prozeß gegen den Verkäufer an 
und erfuhr, daß die mit Arrest bestraften Soldaten in Afrika sich die Zeit zu vertreiben pflegten, 
indem sie von einer Maus den Schwanz auf die Schnauze einer anderen künstlich überpflanzten 
(transplantierten). Diese Geschichte frischte die Libre Parole aus dem Jahrgang 1857 der 
Französischen Gerichtszeitung auf. 

In der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ging aus der kaiser- 
lichen Druckerei zu Paris ein merkwürdiges Werk hervor, das eine rätselhafte Bilderschrift 
bekanntmachte, die der französische Missionar Domenech in Kanada aufgefunden hatte und 
für indianische Hieroglyphen hielt. Das Buch wurde an alle Bibliotheken versandt, und die 
Pariser Zeitschriften brachten rühmende Besprechungen, die in Europa und Amerika gläubig 
nachgedruckt wurden, bis es eines Tages auf der Münchener Universität einem Studenten in 
die Hände geriet, der gar bald erkannte, daß er nichts anderes als das Schmierbuch eines 
deutschen Kolonistenbuben vor sich hatte. Er schrieb nun über seine Entdeckung ein 
Feuilleton und schickte es an die Augsburger Postzeitung, aus der es in sämtliche größere 
Zeitungen überging, um allgemeine Schadenfreude zu erregen. Das war das erste schrift- 
stellerische Auftreten des wegen seiner Reisebeschreibungen geschätzten Heinrich August Noé 
(1835—96), bei dessen Tode ein Freund die Geschichte in der „Presse“ erzählte. 

Die katholische Geistlichkeit wurde von dem Freidenker Leo Taxil (eigtl. Gabriel Jogand, 
1854—1907, aus Marseille), der seit 1885 den Bekehrten spielte, in unerhörter Weise mysti- 
fiziert. Seine Enthüllungen über die Freimaurerei und den Teufelskultus (besonders in dem 
Lieferungswerk „Mis Diana Vaughan“ 1895 f.) erklärte er am 19. April 1897 in der Sitzung 
der Gesellschaft für Erdkunde zu Paris für einen mit vollem Bewußtsein von ihm begonnenen 
und fortgesetzten Schwindel. (Siehe die Schriften von Findel 1897 und J. Lanz v. Liebenfels 
1906 sowie Kemmerich a. a. O. I, S. 236 ff.) 

Von einem Jenaer Professor Alofpffleisch weiß O. Neumann in seinen „Kulturscherzen“ 
1911 S. 65 f. zu erzählen, daß dem eifrigen Altertumsforscher einst Studenten gemeldet, sie 
hätten ein Hünengrab entdeckt, und daß aus der von ihm für prähistorisch gehaltenen Grab- 
stätte schließlich ein neuer Deckelschoppen zum Vorschein gekommen sei mit der Widmung: 
„Julius Cäsar seinem lieben Klopffleisch.“ 


* Nach der Angabe seines Neffen Josef Popper in „Wer ist's?“ hieß er eigtl. Selig Kohn, während man sonst, 
auch bei Brümmer, „Korn“ als Familiennamen findet. 


Alle Rechte vorbehalten — Nachdruck verboten 
Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Georg Witkowski, Leipzig-G., Ehrensteinstr. 20. Verlag von £. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11a 
Druck von Ernst Hedrich Nachf., G. m.b. H., Leipzig, Hospitalstr 11a 


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NEUE FOLGE 18.JAHRGANG 


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Mit sechs Bildern 


ie Frankfurter Bibliophilen-Gesellschaft, die jüngste ihrer deutschen Schwestern, tut sich 
DES jáhrliche Ausstellungen aus dem Besitz ihrer Mitglieder hervor. So brachte sie 

1923 „Moderne Luxusdrucke“, 1924 ,Meisteroffizinen von Aldus Manutius bis Bodoni“, 
1925 „Frankfurter Drucke der Renaissance- und Barockzeit“. Dieses Jahr fanden sich unter 
dem Titel „Kalender und Almanache vom 15. bis 20. Jahrh.“ gegen 1000 Bande zusammen. 
Die Fiille des Materials wurde in Gruppen geteilt wie: Heiligen- und Kirchenkalender, ge- 
schichtliche und astronomische Kalender, Praktiken und Volkskalender, weiter genealogische, 
Hof- und Staatskalender, literarische Almanache, musikalische und solche verschiedenster 
Stände, zum Schluß moderne Geschäftskalender. Chronologisch ergaben sich dabei zwar 
mancherlei Überschneidungen im einzelnen, im großen bleibt die Linie aber gewahrt durch 
die tiefe kulturelle Einwurzelung der Gruppen in bestimmte Zeitabschnitte. 

An erster und frühester Stelle stehen die Heiligenkalender. Meist als Beigabe zu Stunden- 
buch, Bibel, Psalterium oder Missale, seltener als Selbstzweck in der inhaltlich stark verbrei- 
terten Form des Martyrologiums. — Die unmittelbare Frische, mit der gerade Kalender das 
Geistesleben ihrer Zeit vermitteln, ist schon oft betont worden. Sie beweist sich auch hier 
wieder allein schon in dieser Zusammenstellung von Kalender und Gebetbuch, die heute 
sinnlos wäre, da Kalender und Uhren jeder Art und für jedermann exakte allgemein gültige 
Tagesdatierung und Zeitangabe vermitteln und die kirchlichen Bücher, abseits vom praktischen 
Leben, bestenfalls Feiertagsgerät sind. Die einzigen Stundenuhren des Mittelalters aber waren 
die Gebetglocken der Klöster, und auch der Tag trug als wichtigste Bezeichnung den Namen 
seines Heiligen, oft als alleinige Datierung gesetzt. — So zeigen auch die Heiligenkalender 
der auf Pergament geschriebenen mittelalterlichen Gebetbücher vor der Reihe der Heiligen- 
namen keine durchlaufende Datierung, sondern nur die Angabe der Wochentage in kleinen 
Buchstaben @ bis g — das a als Sonntagsbezeichnung oft herausgehoben — und davor die 
Kolonne der Epakten, des Mondzeigers oder des Aureus numerus, der güldenen Zahl, danach 
die Neumonde des Jahres zu berechnen sind und damit die Einteilung des Kirchenjahres. 
Diese an sich eintönige Reihung von Namen, Buchstaben und Zahlen wird durch die leben- 
dige Kraft und spröde Schönheit der Schrift, die außerdem noch nach liturgischen Forderungen 
in Schwarz und Rot, oft mit Zugabe von Blau oder Gold wechselt, und durch die sichere 
Abwägung von Schriftspiegel zu Rand jedesmal neu zu einem rhythmisch gegliederten in 
sich geschlossenen Seitenbild gestaltet. Das edle Material des Pergaments — in einer nord- 
französischen Vulgata vom letzten Drittel des 13. Jahrh. von blumenblattgleicher Feinheit — 
und der Schmuck an Initialen und Randleisten bereichern noch den Eindruck. So trägt der 
Kalender eines südfranzösischen Psalteriums von der Mitte des 13. Jahrh. langgeschwänzte 
menschliche Figuren mit Tierklauen oder den Wasserspeiern verwandte, langgezogene Fabel- 
tiere am Rand, Stundenbücher des 15. Jahrh. feingesponnene gotische Ranken langspitziger 
goldener Dornblätter oder tiefgespaltenes, distelblattähnliches Rankenwerk in frischesten 
Farben, durchsetzt mit naturalistischen Blumen. 

Dazu treten oft noch Bildbeigaben in der Darstellung des dem Monat zugehörenden 
Sternkreisbildes und einer für denselben Monat typischen menschlichen Tätigkeit. Meist sind 
eslandwirtschaftliche, gärtnerische oder häusliche Verrichtungen als graben, säen, kornschneiden, 
keltern, schlachten usw., manchmal aber auch vergnüglichere Dinge wie Falkenjagd, Fest- 
schmaus und Liebespaare. Diese Monatsbilder geben in ihrer Gesamtheit reiche Aufschliisse 
über Arbeitsgerät und Mobiliar ihrer Zeit, auch über Trachten gerade des arbeitenden Volkes, 
außerdem sind sie oft in sehr reizvollen landschaftlichen Zusammenhang gestellt (Bild ı). 

Dieser in den geschriebenen mittelalterlichen Gebetbüchern fest ausgebildete Typ des 
Heiligenkalenders wird in der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. unverändert in die gedruckten 
kirchlichen Bücher übernommen. Auch die Typen schließen sich wie allgemein in den In- 
kunabeldrucken den Formen der handschriftlichen Buchstaben eng an. Kraftvoll in der 
Einzelführung, lebendig und gelockert in den Zeilen, klar und fest zusammengehalten im 
Satzspiegel, der sich durch den Wechsel von Schwarz- und Rotdruck dekorativ belebt. Nir- 
gends noch ist maschinelle Gleichgültigkeit zu fühlen, jedes einzelne Stück trägt die Frische 
einmaliger künstlerischer Gestaltung, monumental nicht nur in den großen Meßbüchern wie 


XVIII, 15 


102 Von Lieres: Kalender und Almanache 


dem Basler Missale Wormatiense von ca. 1488, sondern auch in den kleinen Formaten wie 
dem Nürnberger Missale Romanum von 1484 und dem Giunta-Missale von 1499. Unver 
ändert geht dieser Typus des Heiligenkalenders auch ins 16. Jahrh. hinüber und bietet noct 
lange Zeit typographische Höchstleistungen wie in dem großen Venezianer Missale Praedi- 
catorum von 1579, das in Holzschnitten als Kopfleiste Monatsbilder meist ländlicher Titig. 
keiten trägt. 

Aus den Acta Sanctorum bilden sich die Martyrologien, die in kalendermäßigem Aufbau 
mit Wochentagsbuchstaben und Littera lunaris zu jedem Tag des Jahres die kurze Geschichte 
des betreffenden von der Kirche anerkannten Märtyrers oder Heiligen setzen. Ein Giunta 
Druck von 1517 gehört hierher, in kleinem Format mit schönen Monats-Initialen, die Uber. 
schriften und Zahlenreihen in Rotdruck, — und ein großer Plantin-Druck von 1589, dem 
noch Tabellen des Aureus numerus für 70 Jahre beigefügt sind. 

Neben diesen lateinischen und in der Ausstattung für hohe Ansprüche gedruckten 
Martyrologien steht ihre Umsetzung ins Volkstümliche, die sehr viel einfacher herausgebrachten 
Kirchenkalender in deutscher Sprache. Christian Egenolft in Frankfurt a. M. druckt z. B. den 
des Caspar Goldtwurm in verschiedenen Auflagen, ohne die immerhin einige astronomische 
Kenntnisse erfordernden Mondtabellen, nur mit kurzem Heiligen-Kalender und Register zum 
Anfang und dann den kleinen einfachen Erzählungen. In der Vorrede ist gesagt, daß der Ver: 
fasser „denen fürnemlich wil gedienet haben, welche solche Historien inn frembden Sprachen 
nicht verstehen noch in anderen weitleufftigen Schriften lesen können.“ Weiter gibt die 
Vorrede Einblicke in die Religionsgegensätze der Zeit (1559) durch die strengste Ermahnung, 
Märtyrer und Heilige nur als Vorbilder der Bekenntnistreue zur Stärkung des eigenen Glaubens 
anzusehen, denn so „beweisen wir den lieben Heiligen viel höhere ehr, dann wann wir inen 
große Tempel, Closter, Clausen und andere Abgöttische, Teufflische Dienst auffrichten“ oder 
sie gar anbeten, nachdem durch sie selbst verboten sei, „daß wir keine Creatur auf Erde, 
lebendig oder tot, ja auch die Engel im Himmel nicht anbeten.“ 

Wie neben dem genannten engen typographischen Anschluß auch die reiche Ausschmückung 
der illuminierten mittelalterlichen Manuskripte übernommen und ins Drucktechnische umgesetzt 
wird, zeigen die Heiligenkalender einer Gruppe französischer Pergamentdrucke vom Anfang 
des 16. Jahrhunderts, meist in Paris bei Vostre, Kerver und Hardouin erschienen. Die breiten 
fest begrenzten Rahmungen der Seiten sind teils in Einzelfelder mit biblischen Erzählungen, 
Sternkreis- und Monatsbildern zerlegt, teils rein dekorativ gefüllt. Im schönen Glanz de 
Metallschnittes entrollt sich der ganze Reichtum der Frührenaissance-Ornamentik. Konsolen 
tragen vielgegliederte vasenförmige Balusterfüllungen, Akanthusrankenfriese sind von must 
zierenden Putten durchsetzt, Pilaster, Säulen und halbe Rosetten bilden schmale Stege. Da 
zwischen fügen sich an architektonischem Kleinwerk, phantastischen Mischfiguren, Dornenstaben, 
Distelgerank und Profanfiguren in modisch-burgundischer Tracht noch spätgotische Ziermotwe, 
alles in überreicher Fülle, doch raumsicher zusammengefügt. Als eine Bereicherung steht in 
diesen gedruckten Stundenbüchern vor dem Heiligenkalender noch ein „Almanach pour |} 
ans“ mit den nötigen Monddaten für die kirchlichen Feste. Außerdem regelmäßig noch en 
Blatt, das in diesem Zusammenhang überraschend wirkt und eine uns fremde enge Nach- 
barschaft seelischer und leiblicher Angelegenheiten zeigt. Es ist der Aderlaßmann, eine nackte 
menschliche Figur mit aufgeschnittenem Körper (oder ein Knochenmann), von dessen einzelnen 
Teilen Linien zu Sonne, Mond und fünf Sternen weisen, so daß der Sonne das Herz, dem Mond 
das Gehirn, dem Saturn die Milz, dem Jupiter die Leber, dem Mars die Gallenblase, der 
Venus die Nieren, dem Merkur die Lungen zugeordnet werden. In den Ecken des Bildes 
stehen die Figuren der vier die Humores oder Temperamente regierenden Planeten, Satum für 
die Melancholiker, Jupiter für die Sanguiniker, Mars für die Choleriker, Merkur für die Phleg: 
matiker, — mit Anmerkungen, unter welcher Konstellation von Mond und Sternkreisbildern 
das Aderlassen für die dem betreffenden Planeten zugehörigen Menschen von gutem Ausgang 
sei. Dies ist nur ein System von vielen und deutet nur die Grundlagen der astrologischen 
Medizin an, die ihre an sich einfachen Hauptverrichtungen des Aderlassens und Tränklei 
mischens durch solche sterndeuterischen Kombinationen ins Unendliche komplizierte. 

War hier die medizinische Astrologie bis in die Gebetbücher hinein vorgedrungen, 50 
fehlt sie natürlich nicht in den profanen Kalendern des 15. und 16. Jahrh., bildet oft soga! 
ihren Hauptinhalt wie in den meisten der volkstümlichen Zindlati-Wandkalender. Viele trage“ 


die Figur des Aderlaß mannes, dessen Organe und Glieder hier aber, wie z. B. auf einem i 


Augsburger Blatt von 1545 statt den sieben Planeten den zwolf Sternkreisbildern unterstellt sind. 


Öfter noch ist nur die „Lastabel“ gegeben, die Liste der für Aderlaß und Medizinieren 5 


Von Lieres: Kalender und Almanache 103 
ww nn a m 
instigen Tage. Dazu kommen die hauptsächlichsten Daten des Kirchenjahres und die Tabelle 
der Neu- und Vollmonde. Diese üblichste Form des Einblattkalenders zeigt in der verschiedenen, 
für einzelne Städte und Offizinen typischen Ausstattung auch vielerlei künstlerischen Schmuck. 
So trägt ein Regensburger Druck von 1491 (Bild 2), eine reiche Winkelranke aus breitlappigem 
und saftig gerolltem Laub mit schweren Passionsblüten dazwischen, aus einem ihrer Kelche 
aufsteigend die Halbfigur des Christuskindes mit dem Spruchband „Ein gut selig jar“ — ein 
Ulmer Almanach von 1491 eine Kopfleiste mit üppigem Rankenwerk auf schwarzem Grund 
und eine große Bandinitiale in Rotdruck. 

Auch in mancherlei anderer Beziehung sind diese Volks-Wandkalender, besonders soweit 
sie noch ins 15. Jahrh. fallen, von großem Interesse. Sprachlich und typographisch geben 
sie allerhand Aufschlüsse, inhaltlich finden sich zu dem Grundschema verschiedene Variationen 
und Bereicherungen. Es treten oft kurze Wetterprophezeiungen für die Jahreszeiten oder 
einzelnen Monate hinzu, ganz vereinzelt kommt auch die uns geläufige durchgehende Nu- 
merierung der Monatstage vor, die dann im 16. Jahrh. immer wieder häufiger wird. Selten 
ist auch die Jahresreihe der Heiligennamen gegeben (hier auf einem Mainzer Druck von 1482), 
die in dem xylographischen Kalender des Jörg Glockendon von 1493 (Haebler Nr. 80) durch 
die friesartig gereihten Brustbilder sämtlicher Heiligen noch sinnfälliger gemacht wird. 

Dies scheint Anregung gegeben zu haben zu einer Art von Bilderschrift-Kalender, viel- 
leicht besonders für solche bestimmt, denen das Lesen Schwierigkeiten machte. Die Aus- 
stellung zeigt den Typus in einem allerdings späten Exemplar, einem Straßburger Einblatt- 
druck von 1602 (Bild 3), reich in Rot- und Schwarzdruck mit Aderlaßmann, Badestuben- 
szenen und Monatsbildern geschmückt, auf dem die Wochentage an schwarzen, die Sonntage 
an roten Dreiecken abzuzählen sind, darunter die Sternkreisbilder, darüber die Halbfiguren 
der Heiligen oder ihre Symbole. In einer Zwischenzone allerhand kleine Zeichen, deren 
Sinn im einzigen Text des Blattes gedeutet ist als Mondphasen, Wetterprognosen wie: warm, 
kalt, Regen, Schnee, Wind, Tonder, medizinische Regeln wie: gut Aderlassen, mittel lassen, 
gut Schröpffen, Artzney im gemein, Artzney mit tranck, Artzney mit pill, Artzney mit latwer, 
gut Kind entwön, Haar abschneiden, Negel abschneiden, und schließlich noch als landwirt- 
schaftliche Anweisungen wie: Ackeren, mist anlegen, pflantzen und säjen. Genau die gleiche 
Art und Zusammenstellung dieses „Pauren-Kalenders“ geht in Form kleiner Heftchen in un- 
unterbrochener Reihe bis in die neueste Zeit, die Ausstellung zeigt Exemplare von 1628, 
1826, 1923 und 1924. 

Noch ein anderer später weit verbreiteter Typus kleiner kalendarischer Schriften be- 
reitet sich in den Einblattdrucken des ı5. Jahrh. vor. Schon früh wird in diesen der das 
Jahr regierende Planet angeführt und aus seinen Konstellationen werden Schlüsse gezogen für 
die Geschicke der Menschheit, manchmal auch spezialisiert für einzelne Stände. Solche Prophe- 
lungen zusammengenommen mit Wetteransagen, gesundheitlichen und allgemein praktischen 
Astrologieregeln aller Art bilden das Thema der Practica oder des Progrosticons, das in Form 
Kleiner Traktate den knappen Inhalt der Wandblátter erweitert und dabei das Hauptgewicht, 
je nachdem der Verfasser Astrologe oder Arzt ist, auf die eine oder andere Seite verlegt. 
Mindestens das Titelblatt, meist aber auch die Textseiten, tragen sehr reizvolle Holzschnittdar- 
stellungen, genrehaft gehalten wie die zwei disputierenden Bauern in dem Schriftchen „Von 
Wéis erkanntnus des Wetters“, Nürnberg 1510 und die unter dem Einfluß ihrer Gestirne in 
elsiger Landschaft aufsteigenden und abstürzenden Menschen der „Practica Tütsch“ von 1532, 
de ornamental gestaltet wie die Figuren der Himmelszeichen des „Poeticon astronomicon“ 
880 . 5 2 des „Kalenders mit allen astronomischen Haltungen“ Frankfurt a. M. bei 
ve Ge ganze geistige Einstellung, sich der Macht der Gestirne hinzugeben, die gefürchtet 
7 5 lebt werden als ein „Instrument des allmechtigen Gottes“, der sie „mit kreſſten und 
ee negabpt‘ (Mainzer Einblattdruck 1482), ist für unser verarmtes Naturgefühl und 
Sinn liebe ochmut unseres besseren Wissens unverständlich geworden, aber doch in manchem 
me enswert. Andererseits ergibt sich aber durch die Unbildung der meisten Kalender- 
sönliche A Häufung blöden kleinlichsten Aberglaubens und eine Übertreibung, die jede per- 
1 ee lähmt. Dagegen meldet sich auch schon zeitgenössischer Widerspruch in 
Regeln oh orm. Einmal von der Seite der Arzte, die vor Anwendung astro-medizinischer 
von der Gë Bestätigung durch einen Arzt warnen (z. B. Basel 1478 und Wien 1497), dann 
schnitts- Sterna der ernsthaften Astronomen, die Satiren auf die Phantastereien der Durch- 
eite der Kir Suter veröffentlichen (z. B. Nürnberg 1480 und 1492), und schließlich von der 
Che. So schreibt 1615 ein Pastor Schothusius aus Thüringen seinen „Calender- 


104 Von Lieres: Kalender und Almanache 


butzer, das ist was von den Calender Schreiber prognosticis zu halten und wieweit ein Gottes- 
fürchtiger Christ ihre Practica mit guten in acht nehmen könne“ und 1699 Christian Herber, 
Pastor in Locknitz seine „Christliche Erinnerung wegen des großen árgerlichen Unfugs der 
gemeinen Kalendermacher“. Beide Male stellen die Verfasser die auch von ihnen hochge- 
achtete edle Astronomie gegen die ihnen verhaßte Astrologie, die den Planet zum Tyrann, 
Gott aber ohnmachtig mache, den Menschen für alles Unglück und alle schändlichen Laster 
Ausreden gäbe und sie feige die Verantwortung auf die Sterne abschieben lasse. 

Die mit wissenschaftlichem Anspruch gearbeiteten Werke unterscheiden sich von den 
volkstümlichen Massenflugschriften wohl durch Vermeidung kleinlich-abergläubischer Über 
treibung und durch den Ernst größerer Gründlichkeit, nicht aber in der Grundanschauung. 
Vor allem ist dem Mond, für uns nur noch ein Stimmungsfaktor, bestimmende Gewalt über 
alle Verrichtungen des menschlichen Lebens gegeben. Seine Stellung zu den zwölf Sternkreis- 
zeichen wird für viele Jahre in Tabellen errechnet, seine Finsternisse ebenso auf großen 
Tafeln festgelegt. Zusammen mit einem ganzseitigen Holzschnitt von der „bildung des menschen 
cörpers mit anzaigung der adern‘ und ausführlichen Textanweisungen ist so die Möglichkeit 
gegeben, vielerlei Dinge im Leben zu „guter Stunde“ zu beginnen. Neben solchem praktischen 
Teil versuchen diese astrologischen Kalenderwerke aber auch mit größtem Ernst, durch aus- 
führliche Tabellen und Zirkel aller Art in die geheimnisvollen Bahnen der Himmelskörpe: 
Klarheit zu bringen und die Unstimmigkeiten der Kalenderrechnung zu ordnen (Bild 4, 
Meist fehlen auch nicht die Kirchenfeste und ein Heiligenkalender. 

Liegt die geistige Struktur der Zeit in ihrem unlósbaren Ineinandergreifen von Religion. 
Medizin und Naturwissenschaften hier so klar zutage wie kaum an anderer Stelle, so geben 
diese Kalenderdrucke auch rein äußerlich betrachtet für das buchtechnische Können ihre 
Zeit die besten Proben. An Buchschmuck trägt das Calendar des Joannes de Monte Rego, 
Venedig 1482, seinem Entstehungsdatum entsprechend noch kein Titelblatt, dafür aber auf 
der ersten Textseite eine Einfassung reich verschlungenen auf schwarzen Grund gesetzten 
Knotenwerks, die Initiale auf rotgrundigem Quadrat in feinstes symmetrisches Rankenwerk 
gestellt, ein besonders schönes Beispiel leicht spielender und doch straff gefaßter Frührenaissance- 
Ornamentik. Die Titel- und Dedikationsrahmungen des Calendarium Romanum, Oppenheim 
1518 und seiner deutschen Übertragung von 1522 zeigen dagegen in breit und fest gefügten 
Architekturmotiven oder phantastisch aufgebauten mit Wappenschilden dicht besetzten Pils 
stern schon ein schweres und volles Formgefúhl. Die vielen Tafeln und Tabellen aller diese: 
astronomischen Werke aber sind rein typographisch Glanzbeispiele rhythmischer Anordnung. 
Endlose Reihen von Zahlen sind durch den Wechsel von Rot- und Schwarzdruck und durch 
die Proportionen der einzelnen Felder nicht nur klar, sondern auch schön gestaltet, die Ta 
bellen der Mondphasen trotz der monoton wiederkehrenden Scheibenform (in dem Calendanum 
hebraicum des Sebastian Münster, Basel 1527, sehr amüsant durch eingezeichnete menschliche 
Gesichter belebt) und den sich wiederholenden Zahlen und Namen nur durch Breitenabwäguns 
der Streifen und Größenverhältnisse der Schrift zu einem kraftvollen und lebendigen Seiten- 
bild zusammengebracht. 

Wie dieses unbeirrbar sichere Gefühl, aus einer Druckseite ein bildmäßig geschlossene 
Ganze zu machen, zum Allgemeingut geworden war, zeigt eine Reihe kleiner Strestschrft 
für oder gegen die gregorianische Kalenderreform. Inhaltlich geben die Heftchen unmittel 
baren Einblick in die leidenschaftliche Erregung, mit der die päpstliche Neuordnung des 
Kalenders von 1582 umkämpft wurde. Um 1700 kam dann in dem von Leibniz bearbeitete 
„Neu verbesserten Kalender“ eine teilweise Übereinstimmung zustande, die letzten Differenzen 
hoben sich aber erst 1775 in dem „Allgemeinen verbesserten Reichskalender” auf. 

Die endlich erreichte Einigung war schon 100 Jahre früher vorgeschlagen und ausge 
arbeitet, ohne doch durchzudringen. 1668 gibt J. H. Voigt, Kgl. schwedischer Mathematikus 
zu Staden ,,Vergleich und Vereinigung des alten julianischen und neuen gregorianischen 
Calenders in einem Leopoldischen korrigierten Reichskalender“ heraus, nachdem von der papst 
lichen Kirche schon in wissenschaftlichen Monumentalwerken Erklärungen und Verteidigungen 
versucht waren, wie 1603 in der „Explicatio“ des Bamberger Jesuiten Christophorus Clavius. 

Aus der Fiille vielgestaltiger Kalenderwerke des 16. Jahrh. sei nur noch der Typ des 
Calendarium historicum genannt, eine in kalendarischen Aufbau gebrachte Zusammenziehung 
des mittelalterlichen Martyrologiums mit der immer weiter verbreiteten Chronika. So nen! 
sich das 1594 bei Nic. Basse in Frankfurt a. M. erschienene Exemplar des M. Abraham Saur 
im Untertitel „Ein besondere tägliche Haus- und Kirchenchronika“. Zu den üblichen Kalender- 
vermerken wird zu jedem Tag das Martyrium des Namensheiligen erzählt und weit zufüc® 


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Bild 1. Manuskript. Stundenbuch, nordfranzösisch um 1500 (17,5X 12 cm) 


Bild 2. Einblattkalender auf das Jahr 1491 
Gedruckt von Marcus Aerer, Regensburg (37 X 28 cm) 


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Bild 3. Der New Pauren-Kalender auf das 1602. Jahr Bild 4. Besondere Newe Kalender-Taffel, darinnen der Lauff der 7 Planeten durch die Signa 
Gedruckt zu Straßburg bei Jost Martin am Kornmarkt La kx cm) stellata auf ein jeden Monatstag des 1610. Jahres aufs schlechtste und einfaltigste vorgebildet 
wird, durch Christophorum Sarcephalum Vratislaviensem (18X 14 cm) 


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2. Ëprennes Mignoanes, Curienses et Utiles 1765. Paris chez Durand 
ay zg spirituel deent par la Piétá 1766. Paris cher de Haney 
7 Almanach des Marchés de Paris 1782. Paris chez Boulanger 
— der Liebe und Freundschaft gewidmet 18 20. Frankfurt au Mais bel Wümamn 
Musenalmanarh für 1799, berausgegeben von Schiller. Tübingen bei Cette 
7 11 der Liebe -und Frenndachaft gewidmet 1825. Frachten um Mae dei e eee 
Ais Glorie delt atti belle 1828, Milano preso Vallardi 
. Hessischer Hofkalender 1821. Darmstadt bei Za & 10 


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herausgegeben von Schiller. 


Hofkalender 1818. 


Curieuses et Utiles 1764 


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5. Taschenbuch der Liebe und Freundschaft gewidmet 1820. 


3. Présent spirituel donné par la Piété 1766. Paris 

6. Musenalmanach fiir 1799, 

7. Taschenbuch der Licbe und Freundschaft gewidmet 1825. 
8. Le Glorie dell'arti belle 1828. Milano presso Vallardi 

9. Großherzogl. Hessischer Hofkalender 1821. 


1. Le Double Almanach de Liège 1831. 
4. Almanach des Marchés de Paris 1782. 


2. Etrennes Mignonnes, 
10. Großherzogl. Hessischer 


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1. Göttinger Taschenkalender 1778. Göttingen bei Dieterich 


Göttingen bei Dieterich 


5. Taschenkalender der neusten Englisch- und Deutschen Moden 1795. Frankfurt am Main bei Berndt 


6. Göttinger Taschenkalender 1797. Göttingen bei Dieterich 


Stade, im Erbrichschen Verlag 


Schreibkalender 1752. 
Almanach für 1844. Wien bei Riedl’s Witwe & Sohn 


7. Neuer Taschenkalender zum geselligen Vergnügen 1808. Augsburg bei Brinhauser 


3. Taschenbuch zum Nutzen und Vergnügen 1782. 
8. Göttinger Taschenkalender 1800. Göttingen bei Dieterich 


4. Göttinger Taschenkalender 1792. Göttingen bei 


2. Brem- und Verdischer 


9. Iduna, 


Von Lieres: Kalender und Almanache 109 


greifend eine Fiille historischer Angaben zusammengetragen. Neben Schlachten, Fiirsten- 
genealogien und Reichstagen stehen Hexenprozesse, Naturereignisse, Hungersnot, Seuchen, 
Brände und Missgeburten. Ähnlich in der Zusammensetzung ist der „Kalender des aben- 
teuerlichen Simplizissimi“ Nürnberg 1674, der zum „Verzeichnus der unzehlbar vielen Heiligen- 
tage viel seltzame jedoch wahrhaffte Wundergeschichten“ gibt. Solche aus geistlichen und 
weltlichen Geschichtsbiichern zusammengestellten Auszüge, die hier noch in großem Format und 
oft mit dem Anspruch angestrebter Vollständigkeit auftreten, gehen allmählich stark gekürzt 
und mehr auf aktuelle Ereignisse eingestellt in den Typ des Volkskalenders über. 

Im 16. und 17. Jahrh. als „Schreib- oder Landkalender“, vom Ende des 18. Jahrh. an meist 
als „Hinkender Bote“ versorgt er Stadt und Land bis in die abgelegensten Winkel mit Lesestoff 
und stellt gerade für die ländlichen Gegenden oft den einzigen Zusammenhang mit den Ereig- 
nissen der weiteren Welt dar. Zuerst nur Kalender mit freien Notizseiten, dazu den üblichsten 
astro-medizinischen Angaben und reichlichen Wetterprophezeiungen, finden sich schon bald 
nach 1600 allerhand „gedenkwürdige Historien“ hinzu, vorläufig noch in knapper Tabellenform. 

Bald kommen aber ausführlichere Beschreibungen einzelner Kriegsereignisse dazu, auch 
genealogische Angaben wie 1660 in der Frankfurter „Calender Seule“ die phantastisch-pro- 
photische „Erklerung aller Potentaten der Welt Wappen.“ Gegen Ende des Jahrh. erweitert 
sich der Kreis um allgemeinere Betrachtungen und Anekdoten mehr aus dem Lebenskreis 
der Leser. So führt der „Nürnberger Tiirckenkalender“ von 1689 eine Kolonne „Menschliche 
Weltgedanken“ mit wahrsagenden schwülstig unklaren Lebensregeln, und der Frankfurter 
„Hoher Standspersonen Zeit-Geburt- und Vermählungs, wie auch Kriegs-Mord- und Tods- 
Calender“ von 1693 eine ganze Reihe moralisierender Erzählungen. Fügt man noch die im 
Lauf des 18. Jahrh. hinzutretenden Mitteilungen über fremdländische Gebräuche und wichtige 
Erfindungen hinzu wie im Appenzeller Hinkenden Boten von 1785 die „Vorstellung der 
Luftkugeln mit welchen die Leute fliegen können“ so ist der Vorstellungskreis dieses Typus, 
wie er noch heute gültig ist, geschlossen. 

Inhaltlich bietet die lange nie unterbrochene Reihe der Volkskalender ausgiebigste Auf- 
schlüsse über viele Fragen der praktischen Lebensführung und geistigen Einstellung zur Welt. 
Das Aderlaßmännchen wandert z. B. noch mit bis zum Ende des ı8. Jahrh. nebst den 
alten Mondregeln, in der Überschrift allerdings schon manchmal mit dem Zusatz „nach der 
alten Einbildung“, und der Volkswitz findet seinen Niederschlag in der Schilderung manches 
meist allerdings ziemlich läppischen Schabernacks. Auch ganze Hefte werden mit der „Kurtz- 
weil“ gefüllt, arg treiben es die „Haselier-Sauss-Schmaus- und Courtesier-Kalender“ des 
18. Jahrh., die über die Freude an gröbsten Ausdrücken eigentlich nicht hinauskommen und 
deren Witz uns wenig sagt. 

Da trotz bescheidenster Ausstattung der Hefte nur selten auf allen Schmuck verzichtet 
ist, bieten sie auch äußerlich reiche stilistische Vergleichsmöglichkeiten. Allein die Folge 
der Titelblätter führt von architektonischen Renaissancemotiven über barocke Kartuschen- 
rahmungen zum Muschel- und Rankenwerk des Rokoko und wieder in die strengen Fügungen 
des Klassizismus. Dazu kommen als treuer Spiegel des Zeitgeschmacks die Holzschnitte der 
fürstlichen Feste, bürgerlichen Ereignisse und Stadtansichten. Bis in die zweite Hälfte des 
19. Jahrh. hält man in den einfachen Heftchen am Holzschnitt als einziger Illustrationstechnik 
fest, erst in den letzten Jahrzehnten mengen sich Buntdruck und andere neue Reproduktions- 
verfahren, in der billigen Ausführung recht unerfreulich, immer mehr dazwischen. 

Wird der Schreib- und Landkalender dem Bauern, überhaupt dem einfachen Mann not- 
wendiger Jahresbedarf, so entwickelt sich für differenziertere Ansprüche aus dem ursprünglich 
auch recht einfachen kleinen „Sack- Kalender“ im Lauf des 18. Jahrhunderts die fast unüber- 
sehbare Fülle der illustrierten Almanache. Reich mit kleinmeisterlichen Stichen ausgestattet, 
im äußeren Gewand alle Möglichkeiten luxuriösen Materials erschöpfend, inhaltlich immer 
weiter von der Urbestimmung des praktischen Taschenkalenders entfernt und immer mehr 
zum literarisch und künstlerisch hochgestimmten Geschenkbüchlein ausgebaut, wird die Hoch- 
flut der Almanache, Taschen- und Jahrbücher zwischen den Mitten des 18. und 19. Jahrhunderts 
Träger und Spiegel aller Geschmacksfragen. 

Nur auszugsweise gibt die Ausstellung ein Bild des vielgestaltigen Reichtums und wieder 
nur in Beschränkung auf einzelne Vertreter der Haupttypen kann das gebotene Material genannt 
werden. Von den Anfängen der Entwicklung zeugt der Nürnberger „Aug und Gemiit ergetzende 
Sack-Kalender“ von 1708, der den einfachen Kalenderblättern mit halber leerer Seite und 
nachfolgenden Post- und Jahrmarktsnotizen reiche emblematische Monatsstiche beigibt. Illu- 
strativ noch reicher ausgestattet und inhaltlich schon in einer bestimmten Richtung orientiert 


110 Von Lieres: Kalender und Almanache 


ist dann ein Augsburger „Schreib- und Sack- Kalender“ von 1756, der eine „Genealogia Hoher 
Welt- Häupter“ beifügt und so einen der breitesten Wege zeigt, in die sich die Kalender. 
industrie des 18. Jahrhunderts zerlegt. Denn die genealogtschen, historisch- genealogischen und 
Hofkalender bilden ihren Typus am frühesten aus. Im Text noch lange Zeit streng sachlich 
ihrem Titel entsprechend geschlossen, lockert sich in den Bildbeigaben der Kreis schon bald über 
Fürstenporträte und historische Szenen hinaus zu leichteren und allgemeiner erfreuenden Dar- 
stellungen. So enthält der „Kgl.Großbrit. und Churf. Braunschweig. Liineb. genealogische Kalender 
(Lauenburg) von 1772 eine Folge satirischer Stiche gewisser Zeittypen wie 2. B. einen junger 
Stutzer vor dem Spiegel, im Hintergrund eine Reiterin im Herrensitz, dazu die Unterschrift: 


Ihr leiht uns Eure Toilette, 

Wir Euch dagegen Hut und Pferd: 
So bleibt die männliche Coquette 
des weiblichen Dragoners werth. 


Diese Erweiterung der Ilustrationsmöglichkeiten wird dann häufig von den Verlegem 
literarischer Werke klug ausgenützt, um den großen Kreis der Kalenderkäufer in reizendster Weise 
auf Neuerscheinungen aufmerksam zu machen. So werden 1770 dem Berliner „genealogischen 
Kalender“ Chodowieckis Kupfer zu Minna von Barnhelm beigegeben, 1772 die zum Orlando 
furioso, 1777 zum Vicar of Wakefield, 1782 zu Voltaires Schriften, 1790 zur Neuen Heloise usí. 

Neben die als früheste schon 1764 beginnende Reihe des „Gothaischen Hofkalenders zu 
Nutzen und Vergnügen eingerichtet“ tritt dann bald der eine schon genannte, von der Kgl. 
Akademie der Wissenschaften herausgegebene Berliner Kalender und ein zweiter, bei Unger 
gedruckter „Historisch-genealogische Kalender“, dann der in Braunschweig erscheinende 
„Historisch-genealogische Almanach“, der Leipziger „Historisch-genealogische Calender oder 
Jahrbuch der merkwürdigsten neuen Weltbegebenheiten“, der „Hochfürstlich Hessen-Hombır 
gische genealogische und ökonomische Kalender“, dem später der „Großh. hessische Hof- 
kalender“ folgt, und manche andere mehr. 

Ohne die genealogischen Tabellen, dafür mit längeren, oft in Folgen sich fortsetzenden 
geschichtlichen Abhandlungen, erscheinen die h2storischen Kalender. Von besonderer Wichtigkeit 
der von Schiller bei Cotta herausgegebene „Historische Calender für Damen“, in dem 1791—93 
Schillers Geschichte des 30jahrigen Krieges im Erstdruck erscheint, 1791 in zwei Ausgaben 
gedruckt mit verschiedenen Titelkupfern von Lips, 1792 mit einem Titelstich von Ramberg, 1793 
wieder von Lips, der auch sonst noch einige historische Portráte beisteuert, während die illustra- 
tiven Stiche 1791 von Chodowiecki, in den beiden folgenden Jahrgängen von Penzel sind. 

Daneben wären noch als Beispiele zu nennen das Nürnberger „Taschenbuch für die neueste 
Geschichte‘, der Leipziger „Almanach für die Geschichte der Menschheit“, und in Frankfurt 
am Main der „Historische Almanach für den deutschen Adel“, der 1792 die Geschichte Franz 
von Sikkingens bringt, 1793 die des Götz von Berlichingen, beide Male mit reicher Beigabe 
an Kupfern von Küffner. Die längste Jahresreihe weist der von L. Westenrieder in München 
herausgebrachte „Historische Kalender“ auf mit sehr ereignisreichen Stichen ausgestattet, meist 
von J. M. Mettenleiter. Hauptillustrator dieser ganzen Gruppe bleibt Chodowiecki, der Jahr- 
zehnte hindurch ungezählte der kleinen Blätter stach. 

Ohne Bildbeigaben außer einem Wappen oder Fürstenporträt sind die Staatskalensr, 
die von Ländern, Städten, Domkapiteln und Ritterorden herausgegeben wurden. Von amt 
licher Trockenheit aber auch Gründlichkeit, geben sie biographischen, lokalhistorischen und 
kommunal-wirtschaftlichen Fragen ausgiebige Antwort. 

In breiterem Sinn inhaltlich heute noch von lebendigstem Interesse sind die Revolutions- 
kalender, die teils den Freiheitsgewinn der Revolution begeistert feiern und alle Reaktion 
bitter schmähen, teils revolutionäre Greuel voll Abscheu schildern. Der Chemnitzer „Alma 
nach der Revolutionsopfer“ 1794 bringt die Geschichte Ludwigs XVI., mit Kupfern von 
Schubert verdeutlicht, nicht immer zum Vorteil des Helden. Im nächsten Jahr beklagt der 
Göttinger „Revolutionsalmanach“ Trenk und Lemonnier und bringt eine Beigabe „goldener 
Sprüche“ wie z. B.: „Regenten in allen ruhigen Ländern, habt doch ein scharfes Aug auf alle 
und jede Vorsteher der unbeschränkten Preßfreyheit“. Von der Gegenseite gesehen, in dem 
in Paris gedruckten, sehr revolutionär und höchst scharfsinnig zusammengestellten „Obscu- 
ranten- Almanach“ von 1800 sieht der gleiche Gedanke so aus: „Il y a une guerre éternelle - 
et sans relache entre l'artillerie et l'imprimerie“. (Mirabeau). — Vorgreifend ins 19. Jahr 
hundert sei hier gleich das Hamburger „politische Taschenbuch“ von 1830 und 1831 genannt 
mit scharf satirischen Einbandlithographien von J. P. T. Lyser, und der Mainzer „Demokra: 


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Von Lieres: Kalender und Almanache III 


tische Kalender“ von 1849, der in einem politischen Katechismus, Gedichten und Erzählungen 
: einen Auszug der Stimmung von 1848 gibt. — Läßt sich dieser Typus des historisch-genea- 


logischen Almanachs vom Ende des 18. Jahrhunderts als stark zeitliche Umsetzung und letzter 


we Ausläufer alten Kalendertypen noch lose anschließen, so gehen andere Gruppen, äußerlich 


der von ihm ausgebildeten Form eng verwandt, inhaltlich ganz neue und vielseitig ausein- 


anderzweigende Wege. 
Die größte Wichtigkeit und Kostbarkeit liegt dabei auf den rein literarischen Musen- 


. almanachen. Name und Idee sind französischer Import, denn 1765 erscheint in Paris bei De- 


lalain der erste Jahrgang des „Almanach des Muses (— 1829), gedacht als „Receuil fait avec 
soins des meilleures poésies fugitives publiées dans Je cours de l'année, soit dans les differens 
Journauæ, sott séparément“. 1770 aber heißt es in der Vorrede „Maintenant dest une collec- 
tion de jolts vers dont le plus grand nombre na jamais paru — jai cru devoir faire usage 
de quelques vers d'ancienne date, mais qui wont jamais été imprimés“. Die ersten Jahrgänge 
sind ohne Kalender, 1784 ist aber wieder ein Kalender mit Kirchenfesten und Mondzahlen 
beigegeben. In allen Jahrgängen steht zum Schluß eine „Notice de tous les ouvrages de poéste 
gui ont paru“, eine Aufzählung mit jedesmal angefügter kurzer Kritik. 

Der Typus wird in Deutschland ohne Abänderung übernommen, auch die Entwicklung 


Si von der Anthologie zur Sammlung von Erstdrucken wiederholt sich hier. 1770 erscheint der 


„Almanach der deutschen Musen“ mit Gedichten von Kästner, Klopstock, Michaelis u. a. dazu 
ein Kalender mit Literaten- statt Heiligennamen. Die glanzvolle Reihe literarischer Erst- 
drucke in Almanachform beginnt gleichzeitig mit dem „Göttinger Musenalmanach“, der z. B. 
1774 Bürgers Leonore, 1775 Goethes Gleichnis vom Gast (unterzeichnet H. D.) bringt. Schnell 
folgt der von Joh. Heinr. Voß redigierte Musenalmanach mit einer glänzenden Reihe von 


„Mitarbeitern: Bürger, Claudius, Herder, Gleim, Goethe, Klopstock, Stolberg usw. Bei Vieweg 


in Berlin erscheint 1798 das „Taschenbuch“ mit Hermann und Dorothea, noch mit ausführ- 


—— — 


lichem Kalender, dem sechs landschaftliche Kupferstiche beigegeben sind. 1804 bringt das 


7 Cottasche Taschenbuch für Damen Goethes „Natürliche Tochter“, diesmal ist der stark redu- 
„= zierte Kalender auf die Papphülse abgeschoben, um weiterhin nach Belieben ganz zu ver- 
schwinden. Dieselbe Umstellung zeigt sich in den Titeln. Bei der zweiten Reihe von Taschen- 


büchern, die Cotta gleichzeitig herausgibt, lautet der Haupttitel „Taschenbuch für 1804“, 
darunter als Inhaltsangabe „Menander und Glycerion von C. M. Wieland“. Beim nächsten 


Jahrgang aber steht zu oberst „Krates und Hipparchia von C. M. Wieland“, und nur als bei- 


gegebener kleiner Untertitel „Zum Neujahrsgeschenk auf 1805“. 


Nachdem sich also die innere Ablösung vom Kalenderbuch vollendet hat, ist auch der 


- äußere Vorwand des Namens nicht mehr notwendig, und die Einhaltung eines bestimmten 
` Erscheinungstermines hat lediglich noch die geschäftliche Bedeutung, die Sitte gerade dieser 
Art kleiner Jahresgeschenke für die Publikation neuester Literatur auszunutzen. Daß das Publi- 
~ kum dabei noch mancher recht unsachlichen Anregung bedarf, um in gewünschter Weise 
den Blüten seiner zeitgenössischen Dichtung gerecht zu werden, beweisen die Beigaben an 


Spiegeln, kleinen Scheren, Modekupfern (auch Herrenmoden) usw. und die auch inhaltlich 


manchmal erstaunlichen Zusammenstellungen. So erscheint z. B. 1798 im Leipziger „Frauen- 


"= zimmer-Almanach‘“ Schillers „Mädchen aus der Fremde“ (durch einen Druckfehler ist Goethe 


_ als Verfasser gesetzt) in nicht ganz melodischem Zusammenklang mit Butter- und Fleisch- 
preisen und Ratschlägen über Zahnpflege. 


Weiter geht in reicher Fülle die Folge der Erstdrucke in dieser etwas spielerischen Form. 


— Den Höhepunkt bildet der 1796—1800 von Schiller herausgegebene Musenalmanach. In 


reizenden Umschlägen, auf gutem Papier sorgsamst gedruckt, inhaltlich von allererster Wichtig- ' 


keit. Der Jahrgang von 1796 entsteht unter Mitarbeit von Schiller, Goethe, Herder, Hölder- 


lin u. a., 1797 erscheint der Xenien-Almanach, 1798 der Balladen-Almanach. Der Jahrgang 1799 
bringt Goethes Metamorphose der Pflanzen, Hölderlins „Sokrates und Alcibiades“, Schillers 
- Bürgschaft, Kampf mit dem Drachen, Prolog zu Wallensteins Lager, Schlegels „Pygmalion“, 
1800 erscheint als Erstdruck das Lied von der Glocke. — Als „Berliner Taschenbuch“ für 


:2 1802 (Druck von Unger) erscheint erstmalig die Jungfrau von Orléans, 1805 als „Neujahrs- 
+ geschenk“ bei Cotta der Wilhelm Tell. Im „Musenalmanach“ von 1802, von A. W. Schlegel 
x und W. Tieck bei Cotta herausgegeben, tritt die romantische Schule geschlossen auf: Schelling 
©? unter dem Pseudonym Bonaventura, die beiden Schlegel, Novalis, Tieck, Schütze, Sophie 
— Bernhardi usw. Über dieses Bändchen schreibt 1836 Schlegel an Tieck: „Unser gemeinsamer 
Almanach ist eine große Seltenheit geworden, mein wiederergattertes Exemplar halte ich 
unter Schloß und Riegel“. Das „Tübinger Taschenbuch für Damen“ ab 1801 bringt Beiträge 


wars ` ee Ef: Tr ci "e 


112 Von Lieres: Kalender und Almanache 


von Goethe, Lafontaine, Jean Paul Richter, Schiller, von 1818 ab die „Urania, Taschenbuch 
für Damen“ solche von Mörike, Rückert und Johanna Schopenhauer (deren reizendes Scheren 
schnitt-Alphabet das 1820 von Kind herausgegebene Taschenbuch schmückt). Endlich wird das 
von 1815 ab in langer Reihe erscheinende „Frauentaschenbuch“ durch die Mitarbeit vor 
Fouqué, Uhland, Kerner, Rückert, Willibald Alexis u. a. der wesentliche Romantiker-Almanach, 
Weiter ins 19. Jahrhundert führt dann noch der „Deutsche Musenalmanach“ von 1833 an 
von A. von Chamisso herausgegeben, der mit Beiträgen von Chamisso, Rückert, Heine, Eicher 
dorff schöne Titelbildnisse dieser Dichter bringt (1837 Heine von Toni Johannot). Endlich 
ist als Ausläufer der Glanzzeit noch der 1835 und 36 erschienene „Frühlingsalmanach“ Lenau 
zu nennen mit seinem Faust-Fragment als Erstdruck. 

Zu den literarischen Almanachen finden sich als unausbleibliches Gegenspiel die knit- 


schen. Im friedlichen Sinn gibt der von J. C. F. Schulz geleitete „Almanach der Belletristen | 


und Belletristinnen“ 1782 kurze Besprechungen der einzelnen lebenden Schriftsteller. Recht 
kriegerisch dagegen wendet sich 1777 Fr. Nicolai in: „Eyn feyner kleyner Almanach vo 
schönerr echterr Liblicherr Volkslieder‘ gegen die Wiederentdeckung volkstümlicher Lieder, 
besonders gegen Bürger. Und ganz bösartig ist sein „Anhang zu Fr. Schillers Musenalmanach von 
1797", eine der vielen almanachartigen Gegenschriften, die an den Xenien Rache nehmen wollten. 

Liegt inhaltlich der Schwerpunkt der Ausstellung auf diesen literarischen Almanachen. 
so bleibt es doch auch bei den anderen Gruppen keineswegs bei eleganter Spielerei. Maler 
und Stecher ersten Ranges arbeiten an der Ausstattung mit und geben den kleinen Biichem 
in mehr als einem Sinn künstlerische Bedeutung. Und die Vielgestaltigkeit lokaler Färbung 
und der Einstellung auf verschiedenste Einzelinteressen ergibt auch wieder reiche Aus 
beute. Denn zum Ende des 18. Jahrhunderts gibt es kaum einen Stand, dem nicht sen 
eigener Almanach gedruckt wurde. Es gibt militärische Kalender mit interessanten kolonerten 
Uniformstichen und Kasernen-Satiren, es gibt Bühnenalmanache mit manchem ernsten ud 
lustigen Zeiteinblick und stilistisch wertvollen Kostümblättern, es gibt Taschenbücher tir 
Jagdliebhaber mit schönen farbigen Einzeldarstellungen verschiedener Wildarten, zugleich sac 
lich genau und künstlerisch hochstehend (von Nahl u. a.). Es gibt Kalender für Künstler, 
Kaufleute, Juristen, Apotheker, für Naturfreunde, Pferdeliebhaber, Gärtner, für Reisende und 
Badegäste, für edle Weiber, sensible Seelen, für den gesunden Menschenverstand, denkende 
Gottesverehrer, Freunde des Scherzes und der Satire, es gibt auch einen „Almanach pour 
chacun". Die vielen Frauenzimmer- und Damenalmanache tragen fein und liebenswürdig ab 
schattierte Untertitel, bilden aber kaum einen von den anderen differenzierten und in sich 
geschlossenen Typus. 

Im Anfang des 19. Jahrhunderts entsteht dann noch die lange Reihe der schóngeistigen 
Allgemeintitel wie Iduna, Aglaja, Penelope, Cornelia, Selam, dazu Rosen, Vergißmeinnicht unc 
Alpenrose, und man könnte allein schon durch eine Reihung von Titeln und Namen einen amúsan: 
ten Querschnitt durch die Phasen geistiger Einstellung der verschiedenen Generationen gewinnen. 

Von besonderem Reiz sind die Yugendkalender, leider selten geworden wie alles, wa 
durch Kinderhände ging. Aus dem 18. Jahrhundert ist nichts erhalten, aus dem frühen 1% 
wenige, aber um so schönere Stücke. Das „Berliner Taschenbuch auserlesener Märchen“ von 1838 
zeigt sehr feine anmutige Lithographien eines noch anonymen Künstlers in der Art Runges 
das „Taschenbuch der Sagen und Legenden“ hat auf kartonniertem Umschlag in Sepiaton 
großfigurige Darstellungen von Cornelius, der von Hauff herausgegebene „Märchenkalender 
(nur zwei Jahrgänge) bringt 1827 den Erstdruck von „Zwerg Nase“ mit Stichen von Fohr. 

Auch die musikalischen Neujahrsgeschenke enthalten vieles, was ihnen über die Sonder: 
interessen hinaus Wert gibt. Die Züricher Drucke bringen manche Erstausgabe und ent: 
ziickend ornamentierte Titelblatter, in der Leipziger „Orphea“ von 1825 erscheinen die Ram- 
bergschen Kupferstiche zur Zauberflöte, 1826 die zum Don Juan. In einfacherer Ausstattung 
zeigt sich der „Musikalische Hausfreund“, amüsant durch manches satirische Blatt. 

Obgleich es nur wenige eigentliche A/odealmanache gibt, — die Ausstellung führt nur 
den einen 1795 in Frankfurt a. M. erschienenen „Taschenkalender der neuesten englischen und 
deutschen Moden“, erscheinen doch einzeln oder in Serien Modekupfer in einem großen Teil 
der Kalender (Bild 6). 1752 schon bringt einer der früher erwähnten eleganter ausgestatteten 
Schreibkalender (Brem — und Verdischer) eine Reihe galanter Kostüm-Röteldrucke, der Got 
tinger Taschenkalender führt als regelmäßige Beilage Modekupfer, — in Musenalmanachen 
Hofkalendern und natürlich den Damenalmanachen tauchen sie auf, größtenteils von Chodowieck! 


mit der ihm eigenen reizenden künstlerischen Zuspitzung gestochen. So ergibt das reichhaltige 


Material eine Entwicklungslinie von der Mitte des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. 


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— 21 


A4 


Von Lieres: Kalender und Almanache 113 


Wie sehr Mode nur eine von vielen Formäußerungen des gleichen Stilgefühls ist, zeigt 


. sich deutlich in dieser hier zufällig gegebenen Zusammenstellung mit den gleichzeitigen Ent- 
wicklungsreihen des inneren und äußeren Buchschmucks. Allein ein Überblick über die Gruppe 


der Einbdnde (Bild 5) sichert reiche Ausbeute. Schon die Vielgestaltigkeit des Materials führt 
vom einfachen mit Lithographien geschmückten Kartonband über Leder und Seide, Gold- 
pressung, Grouache-Malerei, Pailletten- und Seidenstickerei bis zum Luxus unter Glas gesetzter 


Miniaturen. Das Format wechselt vom stattlichen Quartband bis zu Spielereien von 2 cm 


im Geviert mit gemalten Emaildeckeln oder als Uhrkettenanhänger gedacht in goldenen Hülsen, 
der mikroskopisch kleine Druck oft noch mit winzigen Illustrationen geschmückt. Zusammen 


_ mit Titelrahmungen und Vignetten ergibt sich so ein Querschnitt vom reichen Barockschnörkel 
_ zu Proben besten Rokokoornamentes, zum Ende des 18. Jahrhunderts wieder abgelöst von 


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"LN 


der großen Abkühlung des nach der Antike rückschauenden Zopfstils. Immerhin bleiben 
noch vom Rokoko her allerhand liebenswürdige Einschläge, und zu Akanthus, Mäander und 
Säule gesellen sich noch Blumenketten, Schleifen und Füllhörner und bewahren dem neuen 
Stil eine heitere Eleganz. Im strengen Empire dann mit seiner Forderung einer regelgerechten 
Wiederholung der Antike wird das Ornament karger und asketischer, bis wieder allerhand 
romantische, das deutsche Mittelalter heraufbeschwörende Stimmungen Auflockerung bringen, 


später noch durchsetzt mit naturalistischen Elementen, meist nicht zum Vorteil der stilistischen 


Geschlossenheit. — Wie bei diesen kleinen, von Jahr zu Jahr die Auswirkungen des Stilgefühls 
=- registrierenden Bänden Ausstattung und Inhalt zusammenklingen und dieselben künstlerischen 
- Fragen von verschiedenen Seiten bespiegeln, wäre gewiß nicht undankbar zu verfolgen. 


Zum Schluß nur noch ein kurzer Hinweis auf das, was die Ausstellung zu einer Frazk- 


“ furter Ausstellung im besonderen Sinne macht. Als lustiger Auftakt ein Aktenbündel vom 


te 


von ds 


Anfang des 17. Jahrhunderts, Beschwerden aller Drucker der Stadt an den Hohen Rat wegen 


der unerhört unordentlichen Kalenderdruckerei ihres Kollegen Conrad Corthoys und dessen 


Erwiderungen, die saftige Deutlichkeit in barock verschnörkelten Ausdruck gepackt. An- 
gesichts der zwei beigefügten Exemplare eines „Schreibkalenders“ von 1609 aber, der von 


Fehlern jeden Formates wimmelt, hat die Verteidigung des Angegriffenen, sonst der ange- 
= sehenste Drucker der Stadt in seiner Zeit, schweren Stand. 


Die stattliche Folge der Frankfurter Ratskalender dann ist eine so schöne Repräsen- 


tation stolzen Gemeinwesens, wie nur wenige Städte sie besitzen. Blätter von ca. 


— 1 
* ` 


95X40 cm, tragen sie am Kopf Stadtansichten oder Gruppen allegorischer Figuren, an den 
Längsseiten gereiht die Wappenschilde der Ratsmitglieder des Jahres. Die frühesten ausge- 
stellten Stücke von 1666 und 1687 führen noch in einer nur von laubumwundenem Stab ein- 


_ gefaßten Randleiste in einfachen Quadraten die Wappen lose gereiht. 1705 rücken sie in 


Quer-Rechtecken eng zusammen, einzeln von festgeschichteten Kranzstücken mit dicken Blatt- 


. voluten gerahmt. 1716 ist das Druckfeld in architektonischen Rahmen gestellt mit hohem 
- Bogen und breiten Pfeilern, an denen die Wappen auf schweren Barockkartuschen hängen. 
Dies bleibt von jetzt an die typische Form, und das Ornament findet an den Kartuschen ein 


reiches Feld. 1720 ist ein ausgebildetes Schweif- und Rollwerk erreicht mit Beschlägen, 


Bügeln, Durchzügen und Hermen. 1744 wird die Umrißlinie der Kartusche bewegter, das 
- Rollwerk kleinteiliger und mit durchgesteckten Zweigen aufgelockert. 1750 ist das erste 


Le 
ONE 


Muschelwerk da, doch noch mit ruhigem Rand und schweren Einzelformen. Auch 1763 
mischen sich noch zu den schon recht bewegten Rocaillerändern Rollwerk und Barockgiebel- 
chen, erst 1764 kann man von reinem Rokoko sprechen. Dessen ganzer Erfindungsreichtum 
gibt nun den Blättern von Jahr zu Jahr eine Fülle neuer Formen, die immer leichter, sprit- 
ziger, asymmetrischer werden. Die Muschelränder der Kartuschen sind bald flatternd um- 
geschlagen, bald gezackt wie Hahnenkämme, gefiedert oder ungleichmäßig durchbrochen. 


. Das Spiel ist oft so toll, daß man im französischen Rokoko umsonst Parallelen suchen würde. 

Eine so festgelegte Reihe wie diese Kalenderfolge zeigt wieder deutlich, wie das deutsche 
Rokoko direkt aus der schon sehr erregten Formensprache des Barock kommt und sich un- 
. gehinderter allen phantastischen Einfällen hingibt als das französische, dem die klassizistischen 


Tendenzen des vorangehenden Régence-Stils gewisse Hemmungen auferlegen. — Um die Jahr- 


. hundertwende versiegt dann der ganze Reichtum, einige Ratskalender aus der ersten Hälfte 
des 19. Jahrhunderts zeigen trostlose maschinelle Verödung. 


Noch ein Prachtbeispiel deutschen Rokoko-Ornamentes ist der Immerwährende Kalender 


des Frankfurter Zeichners Joh. Mich. Schirmer, mit aller Delikatesse des 18. Jahrhunderts 


in zarten Tönen koloriert. Und von prunkvoller repräsentativer Geste das Monumentalblatt 
des rheinischen Ritterschaftskalenders von 1770, in Mainz gestochen von H. H. Cöntgen, dem 


XVIII, 16 


114 Deetjen: Spenden aus der Weimarer Landesbibliothek 


Vater des Frankfurter Portrátstechers G. J. Cóntgen. Mit großem Aufgebot an antiken Got. $ 22% d 


heiten und Trophäen, christlichen Heiligen und glänzend theatralisch verteilten Bühnengründen, | l. 
treibt er die Auflockerung der Einzelform fast bis zur Formzerstórung, ohne doch die groß f ©” ee 
gesehene Gesamtwirkung zu verletzen. ze aus. 

Eine der hübschesten Reihen kleiner Almanache ist das von 1800 an bei Wilmans in | “+ vl 
Frankfurt erschienene „Taschenbuch der Liebe und Freundschaft gewidmet“. Inhaltlich nicht | +" 
ohne Bedeutung — 1802 erscheint darin z. B. als Erstdruck „der Zauberflöte zweiter Tei J : 
von Goethe“ — beruht der Gesamtwert der langen Folge doch hauptsächlich in der Aw I 
schmückung durch Ramberg, der jetzt die Kalender-Illustration ebenso beherrscht, wie Chodo- J “** 
wiecki in den vorhergehenden Jahrzehnten. Reizend die ganzseitigen Kupferstiche, reizender I= * 
noch die kleinen Monatsbilder, am schönsten die feinen Federlithographien der Pappbändchen § ==" 


Aus Rafael-Grotesken, Louis XVL- und Empire-Ornament, aus klassizistischen und bieder- 
meierlich-naturalistischen Puttengruppen ist durch graziöseste Erfindung und echt künstlerisches | *. 
Gefühl in der glücklichen Zusammenstellung von Ornament und Figürlichem eine imme f == 
wieder höchst reizvolle Gesamtwirkung voll Grazie und Innigkeit erreicht. SSES 
In unsere Zeit führen einige kolossale Kalenderbilder Fritz Boehles mit großen Bier. ER 
pferden für die Brauerei Binding, aus neuesten Tagen zeigt eine Auswahl modernster Ge [. 
schäfts-Wandkalender Frankfurter und Offenbacher Firmen, wie aus Zusammenarbeit nam = der 
hafter Künstlerentwürfe (es seien nur Cissarz und Fuß genannt) und bester Drucktechnik | 7574 
künstlerisch wertvolle Stücke entstehen können, die über ihr vergängliches Reklame- und | ~= 2 
Abreißkalenderdasein hinaus Bedeutung behalten. an 
Den Typus des alten Kalenderbüchleins lassen die Schriftgießereien von Frankfurt und MER 
Offenbach (Flinsch, Stempel, Klingspor, Gerstung) in ihren kleinen Neujahrsgeschenken wieder ER 
aufleben. Durch Hinzuziehen und straffe buchtechnische Schulung junger begabter Kinstler SÉ 
(1910 H. Vogeler, 1921 H. Bohn, 1922—25 W. Harwerth, 1926 H. Holz) gibt Klingspor sam | * “eps 
Gaben im Bildschmuck noch ein besonders festliches Geprage. Die schönsten Schriften von eae 
Walter Tiemann und Rudolf Koch aber, die bald anmutig und schwebend, bald kräftig wi | 7 B 
streng aus der Druckseite wieder ein klares geschlossenes Bild fügen, legen Zeugnis ab vn | e 
den Erfolgen jahrzehntelanger Arbeit am Wiederaufbau deutscher Buchkunst. ER 


SPENDEN AUS DER oh 
WEIMARER LANDESBIBLIOTHEK a 


au al 

MITGETEILT VON DEREN DIREKTOR "me: 
PROFESSOR DR. WERNER DEETJEN eae, 

Eo 

XIVa. Emilie von Berlepsch und Friedrich Hildebrand von Einsiedel. 


Schriftstellerin Emilie von Berlepsch, geb. v. Oppel, zu dem Göttinger Asthetiker bei: E, 

rich Bouterweck. Als Ergänzung dazu sei auf Grund des Briefmaterials unserer Bol Fir ger 

thek Emilies Verhältnis zu Friedrich Hildebrand v. Einsiedel beleuchtet. Daß Einsiedel m f te T 

den zahlreichen Verehrern Emilies gehörte, wußten wir bisher nur aus einem Tiefurter Schen | g 

Wielands (vgl. Goethe-Jahrbuch IX, S. 3). .. 

Emilie von Oppel wurde 1755 (nicht 1757 oder gar 1758, wie einige Quellen berichten | + die 

in Gotha geboren als Tochter von Johann Sigmund von Oppel und Louise Friederike, ge .: 

v. Stangen. Ihr Vater bekleidete zur Zeit der Regentschaft der Herzogin Anna Amalia in 

Weimar das Amt eines Geheimen Regierungsrates und Landschaftskassendirektors und wurd | f F 
1775 nach der Thronbesteigung Karl Augusts zum Wirklichen Geheimen Rat mit dem Pradika | .: 


Es Ebstein berichtet in dieser Zeitschrift 1923 S. 129—135 über die Beziehungen de f tat. 


Exzellenz ernannt. Das bildschöne Mädchen fand am Weimarer Hofe viele Bewerber. Eine “ 
leidenschaftliche Liebe für sie empfand besonders der damalige Regierungsassessor Fricdrit St 
Hildebrand von Einsiedel, der, bekannt unter dem Spitznamen „l'ami“, später eine so bedeutend > 
Rolle im Kreise Anna Amalias spielen sollte. Aber es gelang ihm zu seinem tiefen Schmet a 
nicht, die Geliebte, obwohl diese seine Neigung erwidert zu haben scheint, zu gewinnen. Sn a 


In einem ungedruckten Brief des Fähnrichs Georg Lebrecht v. Luck an seinen gerad ieee 
von Weimar abwesenden Freund Einsiedel (Weimar d. open Sep. [1771]) erfahren wir, daß sich . f. 
unter den vielen Fremden, die damals die Weimarer Hoffeste besuchten, auch ein Commer Jk, ` 


Deetjen: Spenden aus der Weimarer Landesbibliothek 115 


. datai e v. Berlepsch befand, der von Luck in wenig liebenswiirdiger Weise charakterisiert wird. 
Wir —Hören unter anderem: Seine „Beretsamkeit“... „war dießmals auf das äuserste gestiegen, 
‚ weil er auf das stärckste verliebt war, die arme Emilie muste dadurch einen starcken Grad der 


tortu —e aushalten.“ Sein Nebenbuhler war ein anderer Herr v. Berlepsch, der nach den Schilde- 
rungen v. Lucks auch nicht gerade als eine anziehende Persönlichkeit gelten konnte: „wenn er 
lachte, machte er allezeit so ein Gesicht wie ein Hamster, wenn der seinen Raub ausspuckt; 
von «diesem wurde die arme Emilie auf allen Schritten verfolgt, er danzte immer mit Ihr, er 
sprac= h immer mit Ihr, er ging Ihr auf allen Schritten nach, und dennoch erhielt er kein Gehör.“ 

In seinem Antwortschreiben scheint Einsiedel dem Freunde angedeutet zu haben, daß 


ihm «etwas sehr Schmerzliches begegnet sei; wahrscheinlich hatte er schriftlich um Emilie 


E angel alten und war von den Eltern abgewiesen worden. Luck erwiderte am 8. Oktober 1771: 


„Der grose Antheil, so ich an allem nehme, so Dir begegnet, hat mich in eine grose Un- 
ruhe versezt, und ich habe mich den ganzen Nachmittag fast mit nichts anders beschäftigen 
könm En, als die Uhrsache Deines traurigen Geheimnißes zu erforschen, und ich halte dafür, 
das Emilie Dir solche veruhrsachet hat, doch kann ich mir noch nicht vorstellen, auf was 
Art s geschehen seyn mag, wollte doch der Himmel, ich könnte Dir Deinen Kummer er- 


. dragen helfen, wie gerne wollte ich nicht den grösten Theil auf mich nehmen, so klein als 
„ich Gm in, wenn es mir auch noch so schwehr würden werde, so würde doch allezeit das An- 
denk n Deiner mir so schätzbaren Freundschaft mir es um ein groses erleichtern. Ich bitte 
Dich also auf das freundschaftlichste, reise mich bald aus der Unruhe, in welcher ich so 


lange verharren werde, bis ich das traurige Geheimnis weiß, um alsdann auch Antheil daran 


nehm en zu können. Ich bitte Dich aber inständig, nim es Dir nicht zu sehr zu hertzen, das 


— 
y 


. es Di & nur nicht wieder an Deiner Gesundheit schadet, sondern dröste Dich fleißig mit Deinen 
Philo Sophen.“ Anscheinend ahnungslos, teilt v. Luck am Schluß des Briefes dem Freunde 
“ mit: „Perlepsch, der Hannoverische, ist wieder hier, in der Stadt sagen sie gar, das er die 


Oppe= In heyratete, der Kehrl siehet eben so aus wie der Page Wangenheim, nur ist er noch 
ärger” von Blattern marquiret.“ 
~~. Luck glaubte nicht an die Wahrheit des Geriichts, aber bald darauf mußte er dem 


`^ Freurm de berichten, von dem er inzwischen vernommen hatte, daß dieser sich vergeblich um 


Emilie beworben: „Zu meinem grósten Leidwesen von der Welt habe ich gestern erfahren, 
daß Tie Versprechung mit der Emilie und den H. v. Perlepsch seine Richtigkeit hat. Daraus 
siehet man wie leichtlich das Menschliche Hertz zur Unbeständigkeit fähig ist. Diese traurige 
Cerenrmonie für Dich und des Antheils, so ich daran nehme, auch für mich ist den Montag 
für si Oh gegangen, vielleicht zu eben der Stunde, als ich Deinen Brief erhielt, deßen Inhalt 
mich g=antz aus meiner Fassung brachte. Wie hätte ich das glauben sollen, da ich Dir solches 
schon in meinem lezten Briefe als eine Stadtneuigkeit beyläufig schrieb, ohne daß ich da- 
mals glaubte, daß Dir dieses eben Deinen Kummer veruhrsachte. Ich hörte in der Comédie, 
das e= keine Neuigkeit mehr sey, nur für mich war es wirklich eine.“ 

Friedrich Ludwig Freiherr von Berlepsch war 1749 geboren, hatte in Göttingen Rechts- 


- wisserm schaften studiert und früh das Amt eines hannoverischen Hofrichters sowie Land- 


o ent Za Ber, "7 


und S «—hatzrats der Fürstentümer Calenberg und Göttingen erlangt. Da er sehr begütert war, 
hatten Emiliens Eltern ihm offenbar den Vorzug vor weniger bemittelten Bewerbern gegeben. 
Immem— hin werden seine ausgesprochene geistige Begabung, sein Ideenreichtum und sein leiden- 
schaft Sches Temperament nicht ohne Eindruck auf das junge Mädchen geblieben sein. Die 
Verm? hlung wurde 1773 vollzogen. Aus dem Bunde gingen 1774 eine Tochter, 1775 ein Sohn 


und 1 277 wieder eine Tochter hervor. 


Och die Ehe war nicht glücklich. Berlepsch, der später in schwere Konflikte mit der 


hanno Derschen Regierung geriet und seines Amtes entsetzt wurde, teilte die literarischen In- 
teresse m seiner Frau nicht und wußte ihr auch sonst nicht gerecht zu werden. Die Scheidung 
erfolg e auf den Antrag Emilies. 


Da diese später häufig wieder, und zwar für längere Zeit, in Weimar einkehrte, konnte 


Einsie A el seine Beziehungen zu ihr erneuern, und es entwickelte sich eine Freundschaft zwischen 
beiden die bis zum Tode währte. Von ihren Briefen an den Freund sind hier zwei erhalten: 
aus den Jahren 1797 und 1810. Der letztere beginnt mit den Worten: „Lieber ältester Freund 
: der alt en Freundin!“ und fährt nach der Einleitung fort: „von Menschen, wie wir, die einst 
die be Sten und reinsten Gefühle der blühenden Jugend zu einander neigte, die nie eine Colli- 
sion h =atten, nie Pfade gingen, die zwischen ihren Geistern eine Kluft gebracht hatten, wenn 
` solche Menschen die Hände ganz aus einanderreißen und sich fremd werden sollten!“ In 
ihren wirtschaftlichen Nöten bittet sie Einsiedel um Rat und Hilfe. 


116 Deetjen: Spenden aus der Weimarer Landesbibliothek 


XIV b. Emilie von Berlepsch und Jean Paul. 


In der monumentalen Ausgabe der Briefe Jean Pauls von Eduard Berend vermisse ich 
zwei Briefe des Dichters, die ich neben andern schon bekannten in der seltenen Zeitschrift 
„Der Salon, Wochenschrift für Heimat und Fremde“ (Kassel 1841) abgedruckt fand. 

Emilie von Berlepsch hatte Jean Paul im Sommer 1797 in Hof besucht und mit ihrer 
Liebe „bestürmt“. In der zweiten Hälfte des Dezember folgte sie ihm nach Leipzig. 


1) [Nr. 13. S. 117] Leipzig, den 25 Dec. 1797. 
Den Nachklang Ihrer gestrigen schönen Stimmung, brachte ich den ganzen Abend nicht au 


meiner Seele; und ich wäre darum so gerne gekommen, wenn nicht das Essen und Bescheeren gerad: 
| 


in die abgercdete Stunde gefallen ware. — 

Hicr lesen Sie aus mcinen Teufels Papieren, was ich auf dem Zettel! angemerkt. 

Guten Morgen, liebe Emilie! Noch immer schwebet Ihre gestrige Gestalt und Ihr leiser Ton der 
Lippen und des Herzens magisch und schmerzerregend vor mir. Richter, 


Wenig später versprach der Dichter der leidenschaftlichen Emilie die Ehe, erklarte ihr 
aber ein Jahr darauf, das Versprechen nicht halten zu können, und so wurde auch diese Liebe 
Emilies allmählich zur Freundschaft. Nachdem die Berlepsch noch eine weitere Enttäuschung 
mit dem Schotten James Macdonald erlebt hatte, heiratete sie in zweiter Ehe den Domänenrat 
und Rittergutsbesitzer August Harmes, dem sie nach Mecklenburg folgte. Jean Paul hatte sich 
1801 mit der Berlinerin Caroline Mayer vermählt und lebte mit ihr seit dem Sommer 180; 
in Koburg, von wo er den folgenden Brief an Emilie richtete: 


2) [Nr. 59. S. 346.f.] Coburg, 2 Man zw 

Ausser der Gewißheit Ihrer Erscheinung konnte mir nichts so überraschend erfreulich sir, ds 
Ihr Brief voll alter schöner Zeit, vortreffliche Freundin; und er hat mir die reichste Nachfeier menes 
Geburtstages gegeben. Mit alter und neuer Entzückung zugleich werd’ ich Sie wiedersehen; und ich 
glaube schöner und besser als je. So zerflattert wie in Leipzig bin ich nicht mehr; manche Verande- 
rungen sind hoffentlich zu Achnlichkeiten mit Ihnen geworden; z. B. über die Mine unter Europa, übe 
Frankreich streit’ ich jetzt nicht mehr wie sonst gegen, sondern für Sie. Ganze Bucher, ein ganze 
Leben haben wir uns zu sagen; und ich freue mich unsäglich auf unsern Zusammenklang. Meine Frau 
wird durch die moralische Idealität ihres Sinns gewiß Ihre Liebe gewinnen, und dadurch einen Himmd 
der Sympathie welcher die hiesige platte matte Weiberwelt ihr versperrt. Bei meinem Mädchen? v. 
Knaben? werden Sie wie der Vater — (der ein kleiner Kinder u. Erziehungs Narr geworden und in 
schwersten Arbeiten die Lina um sich hat) — nicht wissen, welches das schönere oder gesundere ist: 
u. ich hoffe daß ich Ihnen Beweise der strengen Kunst zu einer reinmenschlichen Erziehung dor? 
meine Emma geben kann. 

Unsere himmlische Gegend wird Sie zumal nach der kalten leeren Tenne Ihrer Gegend, wie mi: 
Eden-Blüthengarten umfangen. Das Hauß Ihrer Frau Tochter ist das schönste der Gegend. 

Über den Titan wollen wir viel reden. Linda mußte fallen; und Sie schmeicheln nicht sic 
sondern ihr mit zu vieler Aehnlichkeit. Zu Ostern kommen von mir Flegeljahre — zu Michaelis ästbe 
tische Programme, welche mehr für Ihre Seele geben werden. Ihren Gemahl wünsch’ ich unbeschreib 
lich gern zu sehen, schon weil er der erste Mann ist der sie glücklich gemacht; denn die andern haben 
immer den Himmel in einige Hölle gegossen und so eingegeben. Und alle Schilderungen legen ihm den 
Ehren-Namen Mann im höheren Sinne bei. 

Mit meinem Herder‘ starb mir Weimar und fast die ganze idealische Zukunft. Sein Grab wirt 
nun einen langen Schatten, der mich und meine Freuden überall erreicht. Mein einziger Trost ist, da) 
ich ihn recht innig und unaussprechlich geliebt habe. Leben und reisen Sie glücklich, geliebtest 
Freundin. Und entziehen Sie mir nicht um Eine Stunde Ihrer Ankunft! (In Leipzig können Sie Mad. 
Mahlmann’, die liebende Schwester meiner liebenden Frau besuchen.) Ihr J. P. F. Richter. 


In Bayreuth, wohin der Dichter inzwischen iibergesiedelt war, fand die von Emilie lang 
ersehnte Zusammenkunft der beiden statt. 


I Der Zettel fehlt. Er enthielt ein Zitat aus dem Buche „Auswahl aus den Papieren des Teufels“. (Gera 1789. 


2 Emma, geb. 1802. 3 Max, geb. 1803. 4 Herder, zu dem auch Emilie seit 1777 enge freundschaftliche Beziebun - 


gen hatte, war am 18. Dezember 1803 gestorben. 5 Ernestine, Gattin des Dichters August Mahlmann. 


— — ẽ ST — ͤ — 


117 


DIE JOHN RYLANDS-BIBLIOTHEK 
IN MANCHESTER 


N BIBLIOTHEKSRAT DR. ALFRED SCHNEIDER IN BRESLAU 


darf fiir sich den Ruhm in Anspruch nehmen, auch eine Bildungsstätte ersten Ranges 

zu sein. Sie besitzt eine Universität, Schulen für Kunst und Technik, eine altberühmte 

litera wrisch-philosophische Gesellschaft und in dem liberalen „Manchester Guardian“ eine Zeitung, 

die zw den besten des Landes gehört. Bedeutend ist vor allem die Reichhaltigkeit und der 

- Wert der öffentlichen Bibliotheken; in ihnen steht weit über eine Million Bände den Bildung 

Such nden zur Verfügung, und unter den großen Bibliothekszentren der Welt hat Manchester 
einem hervorragenden Platz. 

_Mie jüngste und wertvollste dieser Sammlungen ist die erst im Jahr 1899 eröffnete John 
` Rylas=ads-Bibliothek. Der Mann, dessen Namen sie trägt, ein reicher Großindustrieller Manchesters, 
hat urch viele wohltätige Stiftungen um seine Vaterstadt sich verdient gemacht. Von puri- 
"= tanis—hem Geist erfüllt, ließ er Bibelausgaben und andere religiöse Werke herstellen und frei 
z. verte A len und spendete armen Studenten der Theologie teure fürs Studium nötige Bücher. Als er 
im Ja Ihre 1888 starb, beschloß seine Witwe mit dem von ihm hinterlassenen Riesen vermögen 
eine Lach ihm benannte öffentliche Bibliothek zu begründen. Im Laufe weniger Jahrzehnte hat 

man Haier eine hervorragende Stätte wissenschaftlicher Forschung geschaffen, die selbst einen Ver- 

oleicháa mit hochberühmten, Jahrhunderte alten Büchersammlungen nicht zu scheuen braucht. 
SE (leich im Anfang glückte Frau Rylands die Erwerbung der schönsten und reichsten 
7. Prvatcbibliothek ihrer Zeit. Es war dies die sog. Althorp-Sammlung, die alte Familien- 
= Biblic>thek der Grafen Spencer, die, an 40000 Bände stark, besonders viele Inkunabeln und 
=<: wertw olle ältere Drucke enthielt. Infolge der Bedingung Lord Spencers, daß seine Bibliothek 
zx unget eilt verkauft werden sollte, schied das Britische Museum als Mitbewerber aus, da man 
dort waur die Caxton-Drucke hatte kaufen wollen. Schon befürchtete man in England, daß 
: dieser” einzigartige Bücherschatz nach Amerika seinen Weg nehmen würde, da erfuhr Frau 
+ Rylam ce davon und erwarb rasch entschlossen die gesamte Bibliothek für eine Viertelmillion 
Pfund Sterling. Nach Beendigung des Baues wurde die „John Rylands-Bibliothek“ am 6. Oktober 
1899 An feierlicher Form ihrer Bestimmung übergeben. 
= N och einmal gelang Frau Rylands ein glücklicher Griff, mit dem im Jahr 1901 erfolgten An- 
kauf eã mer dem altschottischen Hause Lindsay gehörenden Sammlung, der „Lindesiana“ des Grafen 
Crawf Ord und Balcarres, die u. a. mehr als 6000 Bände illuminierter Handschriften enthielt. 

I Sie Stifterin, die im Jahre 1908 starb, hat dafür gesorgt, daß ihre Schöpfung sich weiter 
auf ei nner Höhe halten kann, die ihren glänzenden Anfängen entspricht; sie hat der Bibliothek 
- Summa en zur Verfügung gestellt, die eine Kaufkraft von jährlich 250000 Mark bedeuten. 
Mit A wisnahme der Preußischen Staatsbibliothek und der Deutschen Bücherei zu Leipzig ver- 
fügt E eine der großen Biichersammlungen in Deutschland über so hohe feste Beträge. 
><> hat denn das neue Institut eine beispiellos rasche Entwicklung genommen: im Jahre 
1899 T nit einem Bestand von 70000 Drucken und einer Handvoll Handschriften eröffnet, 
zählt «==s nun über 300000 Druckwerke und 10000 Handschriften. 

Ir» der Abteilung der Druckwerke ist das Glanzstück die genannte Sammlung Spencer, 
deren _Anfänge ins 18. Jahrhundert zurückgehen. Sie enthält eine solche Fülle alter Drucke, 
daß d ï «e Rylands-Bibliothek mit ihnen die Ausbreitung des Buchdrucks in seinen ersten Jahr- 

zehnte u darstellen kann. Zunächst nicht weniger als 15 Blockbücher; darunter als große 
Selten aeit das älteste datierte Druckerzeugnis, der berühmte „Christophorus“, ein handkolorierter 
: Holzsc= Ihnitt des Heiligen mit zwei Zeilen Text und dem Datum 1423, das einzige bekannte 
Exemg>lar. Die Reihe der 3000 Inkunabeln wird eröffnet mit 50 Werken der großen Mainzer 
¿2 Offizin en von Gutenberg, Fust und Schóffer. Konrad Sweynheym und Arnold Pannartz, die 
ersten deutschen Drucker in Italien, sind fast vollstándig hier vertreten. Sehr reichhaltig ist 
auch c er Bestand an Frühdrucken Venedigs. Als besonders selten sei aus diesen hervor- 
gehoben ein Druck von Boccaccios Decamerone, eine Arbeit Valdarfers von 1471, das ein- 
. zuge VES Ilstandig erhaltene Exemplar dieser Ausgabe, die infolge von Savonarolas Bußpredigten 
fast g mzlich den Flammen geopfert wurde. 
=s Aldinen-Zimmer übertrifft mit seinen 800 Bänden um ein Bedeutendes die náchst- 
große Aldinen- Sammlung der Pierpont Morgan-Bibliothek in New-York, die deren nur 500 zählt. 


g D: als Mittelpunkt der englischen Baumwoll-Industrie bekannte Fabrikstadt Manchester 


118 Schneider: Die John Rylands-Bibliothek in Manchester 


Die Bibel ist ın Ursprache und Übersetzunzen so zahlreich vorhanden, daß man in dem Bibel. 
Zimmer der Rylands-Bibliothek die Geschichte der Bibelubersetzung von 1455 bis zur Gegenwan 
verfolgen kann. Auch das wertvollste Einzeldokument der englischen Sprache sucht man hier 
nicht vergebens; denn die erste Shakespeare-(resamtauspabe von 1623 ebenso wie die anderen 
drei ,Folios* von 1632, 1664 und 1685 besitzt die Bibliothek sogar in je zwei Exemplaren 

Eine bibliographische Seltenheit ist ein Druck vom Jahr 1605, betitelt „Ratseis ghost. 
Die nur in diesem einen Exemplar erhaltene Schrift behandelt die Abenteuer eines Stragen 
räubers Gamaliel Ratsey, der zuletzt von seinen Genossen verraten und im März 1605 ir 
Bedford gehängt wurde; von Interesse ist in dem Buch eine Schauspielergeschichte, worn 
man glaubte, Anspielungen auf den kurz zuvor erfolgten Grundstückskauf Shakespeares im 
Kirchspiel Alt-Stratford finden zu können. 

Dem Historiker bietet die Rylands-Bibliothek reiche Spezialliteratur für das Studium de 
Geschichte von Amerika und Indien. Mit Unterstützung des Staatssekretärs für Indien is 
es gelungen, wichtiges Material an Aktenstücken und Verwaltungsberichten, handschriftlic 
und gedruckt, auch aus entlegenen Teilen des Landes zu sammeln. Besonders für die Ge 
schichte der Ostindischen Kompagnie und für die Zeit des scharfen (reneralgouverneurs 
Warren Hastings sind hier neue Quellen erschlossen. 

Unschatzbare Werte besitzt die Bibliothek in ihren Handschriften, die überwiegend der e- 
wahnten Sammlung Crawford entstammen. — Etwa 2000 Bände beträgt der Bestand an pers: 
schen, arabischen und türkischen Manuskripten. Darunter eine bisher unbekannte Verteidigung 
des Islam, von Ali Tabari um 850 am Hof des Kalifen von Bagdad verfaßt. Drei Handschnſten 
sind durchweg in goldenen Lettern geschrieben. Ein Koran aus dem Jahre 1500, auf 467 Blättern 
von dickem Seidenpapier, wird als größtes und schwerstes Manuskript der Welt bezzchnet 

Von den Handschriften der westlichen Länder ist eine der frühesten eine Schexunz 
urkunde für die Kirche von Ravenna, von 580. Ein Evangelienbuch für den Kaiser Quo 
den Großen wohl um 970 in Köln hergestellt, zeigt auf einer seiner illuminierten Seiten des 
Kaisers Porträt in vier kleinen Medaillonbildern. Berühmt ist das sechs große Folio-Bande 
umfassende Colonna-Missale, um 1517 für den Kardinal Pompeo Calonna geschrieben; sen 
Bilderschmuck wurde wahrscheinlich von Schülern Raftaels unter des Meisters Leitung ge 
schaffen. Ein kleines Stundenbuch gehörte einst der Maria Stuart; „Mon Dieu, confonde: 
mes ennemys“ hat ihre Hand hineingeschrieben. Aus dem Besitz ihrer Todfeindin stammt 
ein etwa 1410 nach Wiclifs und Purveys Übersetzung verfaßtes Evangelien-Manuskript; dieses 
Buch wurde der Königin Elisabeth bei ihrem Einzug in London im Jahre 1559 durch Francs 
Newport überreicht, der noch eben unter der Regierung der blutigen Maria nur mit genauer 
Not der Hinrichtung entgangen war. 

Aus der Fülle der Schätze sei noch einer wichtigen italienischen Handschrift gedacht, 
die Petrarcas Rime und die Canzonen von Dante enthält und wohl bald nach Petrarcas Tod: 
für den Sprossen einer der vornehmsten Florentiner Adelsfamilien, Lorenzo degli Strozzi, ge. 
schrieben worden ist. Eine besondere Zierde der Handschriften-Abteilung bilden dreißig m: 
Elfenbein und Edelsteinen geschmückte Prachtbände, Kostbarkeiten wie sie in größerer Za 
nur noch die Nationalbibliothek in Paris und die Münchener Staatsbibliothek aufweisen können 

Mehr als 40000 Bände sind der Rylands-Bibliothek seit ihrem Bestehen von Instituten un: 
Einzelpersonen geschenkweise überwiesen worden. Die großartigste Zuwendung erhielt di 
Bibliothek am 6. Oktober 1924, bei der Feier des 25. Jahrestages ihrer Eröffnung. Damals 
hat der Kanzler der Universität Manchester, Lord Crawford, der Sohn des genannten Besitzer 
der von Frau Rylands erworbenen Handschriften, den Namen seines Hauses mit der Rylancs 
Bibliothek aufs neue verbunden, indem er dem Institut eine Sammlung seltener historischer 
Dokumente zum Geschenk machte. Darunter befinden sich zahlreiche Proklamationen aus det 
Niederlanden, Toskana, der Venetischen Republik und mehr als 20000 Dokumente aller Art aus 
der neueren Geschichte Frankreichs seit der großen Revolution, mit etwa 5000 Gesetzen und 
Dekreten der Nationalversammlung und einem Exemplar vom Bulletin des Konvents, von 1792—95. 
Selbst der Pariser Nationalbibliothek fehlen manche Stücke, die diese Crawford-Sammlung bietet 

Die Verwaltung der Rylands-Bibliothek ist dauernd bemüht, ihre Schätze den Interessenten 
zu erschließen, durch Drucklegung von Katalogen, durch Vorträge und Spezialausstellungen. 
Ein herrliches Gebäude im Stil einer spätgotischen College-Bibliothek bildet das würdige 
- Heim für Frau Rylands Stiftung. Die Stadt Manchester aber, im geistigen Leben Englands 
rühmlichst bekannt als Begründerin der ersten Public Library, besitzt nun auch ein unvergleich- 
liches Werkzeug wissenschaftlicher Forschung, ihre John Rylands-Bibliothek. 


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119 


GRIMMELSHAUSENS 
SIM PLICISSIMUS.-,FLUGBLATTER“ 


VON DR. MAX SPETER IN WEHLEN (SACHSISCHE SCHWEIZ) 


bekanntgemachten Flugblattes „Simplicissimus als Arzt“ befinden sich im Kupferstich- 


EN D: einzigen noch nachweisbaren Exemplare des 1862 zuerst von Adelbert von Keller 


kabinett der Staatlichen Museen in Berlin bzw. in der Marienbibliothek zu Halle a. S. 


=> Scholte verdanken wir, von beiden, Faksimile-Vollreproduktionen, die in der „Zeitschrift für 


Bücherfreunde“ (N. F. IV, Heft 2) zu finden sind. Während das Hallenser Blatt den die Kupferstich- 


` abbildungen erläuternden Drucktext aufweist, von Randleisten umrahmt ist und (auch in der 


Reproduktion sichtbar) 5 X 3-mal gefaltet ist, zeigt das nichtgefaltete Berliner Blatt nur Kupfer- 


a titel und die Kupferabbildung. Der Text und die Randleisten fehlen hier. Dafür erkennt 
man — wie mir Herr Prof. Dr. ZE. Bock vom Berliner Kupferstichkabinett in einem Briefe vom 
März 1925 mitzuteilen die Freundlichkeit hatte — „am rechten Rand entlang, die Ansätze 


weiterer Druckschrift“. „Irgendwelche Spuren, daß das Blatt einmal in ein Buch eingebunden 


gewesen wäre, sind nicht zu erkennen“... „Das Blatt scheint beschnitten zu sein.“ 


Über die Entstehung des Stiches ist, wie Scholte konstatiert (l. c. S. 21) weiter nichts 


bekannt; sicher ist jedoch, daß der Text von Grimmelshausen selbst herrühren muß, weil er 


als Nachtrag zu den „Continuationen“ in der Ausgabe D des Simplicissimus vom Jahre 1671 
abgedruckt ist. Hertha von Ziegesar (Euphorion, 17. Ergänzungsheft 1924, S. 73) hält es nicht 
für ausgeschlossen, daß diese „Zugab des Arztes Simplicissimi“ ursprünglich für den „Wunder- 
=i! Geschichten-Kalender” (der neuerdings von mehreren Seiten entdeckt, jedoch von Fräulein 
von Ziege car l. c. zuerst bekanntgemacht worden ist) geschrieben wurde, etwa als „Zugab“ 
"2 zu dem Kalenderjahrgang 1670 Oder 1671, analog den „Simplex-Zugaben“ in den vor- 
J- handenen Jahrgängen 1672 und 1675 besagten Kalenders, und läßt es dahingestellt sein 
„ob der Verwendung desselben Textes als Kalender- oder als Flugblattstoff die Priorität 
zukommt“. Die Fragen über die Entstehung des Flugblattes, über die Priorität der Verwen- 
— dung als Kalender- oder als Flugblattstoff, lassen sich entscheiden, wenn man die Blätter oder 
auch ihre Faksimile- Reproduktionen aufmerksam betrachtet. Beide Blatter haben am rechten, 
oberen Rande der Kupferplatte den gestochenen Vermerk: „NB! Zum Letzden anhang“. Das 
ist nichts weiter als ein Avis für den Buchbinder, das Kupferblatt als „Letzden anhang“ 
anzubinden. Auf den Illustrationsblättchen zu der Ausgabe D des Simplicissimus sind überall 


die „lib.“ und „Cap.“ und die „Cont.“ (i. e. Continuationen), zu denen die betr. Kupferstiche 


gehören, vermerkt i. Der Buchbinderhinweis „Zum Letzden anhang“ bezieht sich aber nicht 

. auf die Ausgabe D des Simplicissimus, weil in dieser der Titel und Text des Blattes besonders 

abgedruckt ist. Der Titel dieses Textes als „Zugab“ weist eindeutig auf den Wundergeschichts- 
~ kalender hin. Diesem Kalender sollte dieses Kupferblatt angebunden werden. 


1 


Abgesehen von der Bedeutung dieses Simplicissimusblattes fiir die Grimmelshausen- 


ha Forschung hat es auch allgemein kulturhistorischen Wert. U. a. erkennt man in dem Kupfer, 


rechts oben, die Abbildung eines Schachbrettkastens und eines Múhle-Spiels in den noch 
heute gebräuchlichen Formen und — last not least — eines Tennis-Rackets und Balls. Das 
=; Schriftband „Grobianus“ an der linken Ecke oben bezieht sich natürlich auf F. Dedekinds 
Grobianus et Grobiana, De morum simplicitate usw. (erstmalig 1549 gedruckt). 


H. v. Ziegesar hat im Berliner Kupferstichkabinett auch ein zweites „Simplicianisches 


= Flugblatt“ (l. c. S. 73, Fußnote 2): „Metzger- und Becker-Streit usw.“ ausfindig gemacht. Dieses 
Blatt hat mit Grimmelshausen nichts zu tun. Es ist in der Manier des Hallenser Blattes mit 
... Randleistenverzierung und Trennungsleiste zwischen den beiden Hälften des unteren Text- 


teiles gedruckt. Aus dem Eingangssatz: „Es ist noch lang nicht 99 viel weniger ein völlig 


hundert Jahr, daß Simplicissimus von seiner weiten Reise übers Meer her wiederumb in 


-~ Europam kommen...‘ und der Vergleichung der Jahrgänge 1682—1684 vom Wundergeschichts- 
kalender (seit 1682 im Verlage Joh. Jonathan Felseckers), worin der alte Simplicissimus als 


noch lebend bzw. als hundertjährig aufgeführt wird, kann man ungefähr annehmen, daß dieses 


1 In der Bobertagschen Ausgabe ist der zur 2. Continuatio gehörige Kupferstich fälschlicherweise dem 1. Kapitel 


des 6. Buches zugesellt. Dies rührt, wie ich nach langem Suchen finden konnte, daher, daß im Meininger Exemplar 


der Ausgabe J des Simplicissimus, dieses Kupfer an jener falschen Stelle eingebunden ist. Bobertag hielt das Mei- 
ninger Exemplar für die Ausgabe D (es ist aber J-Ausgabe) und druckte darnach seine Edition ab. Das Frankfurter 
Exemplar von D, das ich auffand, hat das betr. Kupfer richtig bei der 2. Continuation. 


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120 Speter: Grimmelshausens Simplizissimus- „Flugblätter“ 


zweite Simplicianische Kunckel-Brief-Blatt anfangs der 80er Jahre des 17. Jahrhunderts aus. 
gegeben worden ist, diesmal nicht als Kalenderbeilage sondern lediglich als Kunckel-Bref. 
Blatt. Weder Text noch Abbildung dieses Blattes sind interessant genug um eine Repro 
duktion hier wünschenswert erscheinen zu lassen. Dem Herrn Generaldirektor der Staat 
lichen Museen in Berlin habe ich für die Überlassung einer photographischen Aufnahme des 
zweiten Simplicianischen Blattes auch an dieser Stelle zu danken, ebenso Herm Prof. Bock 
vom Berliner Kupferstichkabinett für die Auskünfte über den Stich „Simplicissimus als Arer: 

Es erschien von Belang, nach etwa vorhandenen textlichen oder illustrativen Vorbilden 
des „Simplicissimus-Arzt“-Blattes von Grimmelshausen zu fahnden. Ein Hinweis in dieser Richtung 
durfte in dem Fingangssatz des Textes erblickt werden: „Obzwar allbereit zu Hansz Sachse: 
Zeiten ein Wurmschneider sich gefunden! Wann schon bey nahe vor 30 Jahren Doctc: 
Wurmbrand Sich eingestellt!...“ Die Vermutung, daß der als satyrisch aufzufassende Typ 
des „Doctor Wurmbrand“ hier zur Verarbeitung gelangt sein müsse, erhielt eine volle Be 
stätigung. Im Germanischen Museum zu Nürnberg wird ein sogenanntes Flugblatt, aus den 
Jahre 1648 stammend, aufbewahrt, das die Verhohnung der Jatrochemiker jener Zeit, in Bi: 
und Wort zum Gegenstande hat. Das Blatt ist 1900 von dem pharmazeutisch-chemischen 
Historiker Hermann Peters („Arzt und Heilkunst in der deutschen Vergangenheit“, Moro 
graphien zur deutschen Kulturgeschichte, Bd. 3, Jena, Verlag Eugen Diederichs, Seite 11. 
ebenso Chemiker-Zeitung, Cöthen, Jahrgang XXVI, 1902, Seite 497, Fig. 3) verkleinert repro 
duziert worden. Der Gedichttext dieses Blattes lautet (Chemiker-Zeitung, XXVI, 1902, 5.1191) 


„Habt ihr vor Würmern keine Ruh, 

Lauft mir dem Doctor Wurmbrand zu. 

Ich schneid’ den Wurm, heil’ artig wieder, 
Das wurmig Hirn und alle Glieder... 

Doch komm, wir wollen es versuchen, 

In meiner Alchimisten Kuchen (NB! Küche!) 
Da ich den Brennhelm aufgericht, 

Komm biet den Kopf und fürcht dich nicht! ls 


Nach Schelenz spielte die Figur des Doctor Wurmbrand im 17. Jahrhundert etwa dieselbe 
Rolle, wie die des Doctor Eisenbart vom 18. Jahrhundert ab. Die Chemiker (Alchemisten) 
befaßten sich damals mit der Ausübung der Heilkunst, indem sie zur Behebung von Krank 
heiten vorwiegend chemische Mittel in Anwendung brachten. Es war die Zeitperiode der 
sog. Jatrochemie. Als Auswuchs dieser Richtung traten die chemiatrischen Quacksalber i 
Erscheinung, denen nachgespottet wurde, daß sie „die vielen Krankheiten, welche früher aul 
oft nur in der Einbildung existierende Würmer zurückgeführt wurden, mittels Destillierun 
des Kranken heilten“. 

Daß dieses Blatt tatsächlich als Vorbildquelle des Grimmelshausenschen zu gelten hal 
ersieht man sofort aus der Vergleichung der beiden Stiche. In dem Doctor Wurmbrar 
Blatt sehen wir die Originale des Destillierbrennofens, des ofenschürenden Alten, mit Brit 
und gebogenem Schüreisen, des aus dem Destillierhelme oben entweichenden Rauchs 
der „Mücken“, „Grillen“ usw. Hier, im Vorbilde, sehen wir auch deutlicher die Funktion der 
Figur, die im Blatte von Grimmelshausen beide Hände um den Brennofen legt und den kop 
an diesen, wie eine Litfaßsäule aussehenden Ofen anzuschmiegen oder die Aufschriften x 
lesen scheint. Im Vorbild steckt der Kopf dieser Figur in einer Öffnung des Brennoles 
zu dem Zwecke, die „Grillen“ usw. herauszudestillieren! Dieser Vorgang ist in dem Blatt 
Grimmelhausens undeutlich nachgemacht. In dem ,,Rauche“ des Vorbild-Blattes können # 
ohne weiteres Schiff, Kutsche, Spielkarten, Mücken, Schlange usw. erkennen, die der Steche 
des Grimmelshausen-Blattes fast formgetreu nachgebildet, aber mit einer Reihe anderer Ding 


erweitert hat. Der — man könnte fast sagen — „Nachstecher“ jenes Blattes hat sauberer 
Arbeit geliefert, wie der Stecher des Vorbildes; er hat aber die Motive nicht „erlebt“ sor 
dern „nachempfunden“. Und dasselbe gilt — mutatis mutandis — auch für den Text 


Grimmelhausens. Allem Anscheine nach hat die Figur dieses Doctor Wurmbrand auch Fate 
gestanden zu dem Quacksalbertyp im „Simplicissimus“ Gremmelshausens. 


SEET 
Alle Rechte vorbchalten — Nachdruck verboten 
Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Georg Witkowski, Leipzig-G., Ehrensteinstr. 20. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalst.11? 
Druck von Ernst Hedrich Nachf., G. m.b. H., Leipzig, Hospitalstr 11a 


BEIBLATT DER 
ZEITSCHRIFT FÜR BÜCHERFREUNDE 


NEUE FOLGE * 


Herausgegeben von Prof. Dr. GEORG WITKOWSKI 
LEIPZIG-GOHLIS / Ehrensteinstraße 20 


XVIII. Jahrgang 


Januar-Februar 1926 


Heft I 


Amerikanischer Brief 


Sherwood Anderson, von dem soeben das erste 
Werk in deutscher Übersetzung erscheint, nämlich 
„Der arme Weiße“ (Poor White) im Insel-Verlag, 
hat vor einiger Zeit eine Art Autobiographie ver- 
öffentlicht: „A Story Teller’s Story“ (bei B. W. 
Huebsch, Inc., in New York). Der Untertitel hilft 
das Buch erklären: „Die Erzählung von eines 
amerikanischen Schriftstellers Fahrt durch seine 
eigene phantastische Welt und durch die Welt der 
Tatsachen, mit vielen seiner Erfahrungen und Ein- 
drücke unter anderen Schriftstellern, erzählt in 
vielen Notizen, in 4 Büchern und einem Epilog.“ 
Damit ist bereits das Sonderbare an dem ganzen 
Schriftsteller bezeichnet: eine Mischung von scharf- 
stem Realismus und vagster Phantastik, von Be- 
obachtung und ,,zweitem Gesicht“. Alle seine 
Werke verraten Stücke seiner eigenen Lebensge- 
schichte, literarische Unabhängigkeit bis zur 


Schrullenhaftigkeit, einen ausgesprochenen Sinn’ 


für die groteske Idyllik des Kleinlebens und eine 
Leidenschaft zur Lebensdeutung, insbesondere zur 
Kritik des neuesten Amerika. Außer seinem ersten 
Roman „Windy McPherson’s Son“ (1916) sind 
noch besonders bemerkenswert die Sammlung 
kurzer Geschichten ,,Winesburg, Ohio. Tales of 
Ohio Small Town Life“ (1919), eine Art novel- 
listische Vorstudie zu Sinclair Lewis’ Roman ,,Main 
Street‘‘ (1920), und „Ihe Triumph of the Egg. A 
Book of Impressions from American Life in Tales 
and Poems (1921). Ein Kommentar zu allen diesen 
Büchern ist die Autobiographie. Sie erklärt den 
Träumer, den Amerikaner Anderson, den Kritiker 
wie den Poeten, die beide an einem „America 
alive‘, an einem wirklichen Kultur- Amerika 
schaffen. 

Sinclair Lewis krönte seine beiden Sensations- 
romane: „Main Street“ (auch deutsch als „Die 
Hauptstraße“ im Wegweiser- Verlag) und ,,Bab- 
bitt“ (1922, deutsch bei Kurt Wolff) mit „Martin 
Arrowsmith“ (1925, ebenfalls bei Kurt Wolff), dem 
zroß und gründlich angelegten Roman eines Wahr- 
heitsuchers. Er kam gerade, als der ,,AffenprozeB‘‘ 
n Tennessee tobte, und konnte als die denkbar beste 


Zeibl. XVIII, I 1 


Kritik dieser Art Amerikanertum dienen, das sich 
anmaBt, wissenschaftliche Ergebnisse durch Mehr- 
heitswillen und Gerichtsbeschluß zu bestimmen. 
Martin will nicht nur Lügen zerstören, und seien 
sie noch so groß und echtamerikanisch, er will der 
Wahrheit dienen als „Forscher“. Wäre er ein 
Babbitt, so bliebe er in seinem Nest als Arzt und 
arbeitete sich zum Gesundheitsbeamten herauf 
wie der unvergeBlich „amerikanisch“ geschilderte 
Dr. Pickerbaugh. Aber er ist kein Babbitt, son- 
dern ein Schüler des echten Wissenschafters Gott- 
lieb, eines deutschen Juden, von dem die „Religion 
der Wissenschaft‘ in ihn überfließt. Er erfährt 
nicht nur die Nöte dessen, der in Amerika „anders“ 
sein will, sondern auch die noch größeren Gefahren 
des wissenschaftlichen Dilettantismus, der mit einer 
Viertels-Wahrheit zufrieden ist und nur ein Inter- 
esse hat, seine Entdeckung möglichst rasch zu ver- 
werten. Um der Wissenschaft willen opfert er seine 
erste Frau (Leora) und verläßt seine zweite Frau 
(Joyce), aber ob er bei seinem Charakter überhaupt 
ans Ziel kommen kann, bleibt die letzte Frage 
dieses kühnen Romans. 

Vom Kritiker Henry L. Mencken kommt eine 
neue Schrift zur amerikanischen Kulturgeschichte 
„Americana 1925 (bei Alfred A. Knopf, New 
York). Es ist eine einfach atemraubende Zu- 
sammenstellung von Momentaufnahmen des ame- 
rikanischen Lebens, von Zeitungsausschnitten, Do- 
kumenten, Reden, Berichten, Anzeigen, die alle 
einen tiefen Einblick in das tägliche Denken der 
Amcrikaner gewähren. Manches ist humoristisch, 
das meiste jedoch pathetisch, alles soll die er- 
leuchtete amerikanische Minderheitin die Schatten- 
welt der herdenhaften Mehrheit einführen. Der 
Stoff ist nach Staaten geordnet. Der Herausgeber 
Mencken gibt am Schluß Anmerkungen zum Text 
„für Ausländer“, die seine Kritik und sein ganzes 
köstliches Schriftstellertalent verraten. Das Buch 
ist die eigenartigste Kulturkritik, die man sich 
denken kann. — Eine Würdigung Menckens er- 
schien fast gleichzeitig aus Ernest Boyds Feder 
(bei Robert M. Mc Bride & Co. in New York), in 


Januar-Februar 1926 


drei Kapiteln (Der Amerikaner, Der Philosoph, 
Der Kritiker) auf 89 Seiten in sehr würdiger Aus- 
stattung und mit einer Bibliographie. Es ist ein 
Denkmal nicht nur für Menckens intellektuelle Ehr— 
lichkeit, sondern auch für seinen Schriftstellermut. 

Von Biographien der letzten Zeit sei das zwei- 
bandige Werk „Life and Letters of John Muir“ von 
W. F. Bode erwähnt (Houghton Mifthn Company, 
Boston und New York). John Muir (1838—1914) 
setzte mit John Burroughs (1839—1921) fort, was 
Thoreau begonnen hatte: einen neuen Naturkult 
tür Amerika; er entdeckte die herrlichen Schon- 
heiten des Yosemite Tales, der Sierras. Scin Buch 
„My First Summer in the Sierra“ (1911) ist viel- 
leicht sein persönlichstes, „Our National Parks“ 
(1901) sein bekanntestes. Er hat wenig geschrieben, 
ist aber einer der bedeutendsten amerikanischen 
Naturschriftsteller. Daneben war er ein Mystiker 
(Schotte) und ein lebendiger und graziöser Brief- 
schreiber. Sein Biograph wird seiner Menschlich— 
keit ebenso gerecht wie seiner schriftstellerischen 
Bedeutung, nur am Ende wünschte man eıne 
bessere Zusammenfassung; das Schlußkapitel mit 
dem letzten Kampf des großen Naturfreundes 
gegen amerikanische politische Korruption hinter- 
läßt so einen schlechten Geschmack. Besonders 
prächtige Episoden des Werkes sind John Muirs Zu- 
sammenkünfte mit Emerson und Roosevelt. Man 
erhält einen Delen Eindruck von der amerikanischen 
Naturbegeisterung. Nicht unerwähnt darf schließ- 
lich bleiben, daß diese Biographie erstklassig ausge- 
stattet ist und im Einband eine glücklich schöne 
Abweichung vom „soliden“ amerikanischen Ge- 
schmack darstellt. 

Seit Juli 1925 erscheint eine Zeitschrift, die 
jedes Bibliophilen Herz erfreuen muß: Ars Typo- 
graphica, als deren Herausgeber und Verleger 
Douglas C. Mc Murtrie in New York (240 West 40 th 
Street) zeichnet. Wie es in der redaktionellen Notiz 
heißt: „The contents of Ars Typographica will 
appcal not only to printers seriously interested in 
typograplıy, but also to bibliographers, artists and 
designers, advertising men, students of cultural 
history, and lovers of fine bookmaking in general.“ 
Ursprünglich war die Idee zu einer solchen Zeit- 
schrift von dem bekannten Frederic W. Goudy 
ausgegangen, der denn auch in der Marchbanks 
Press drei Nummern in ungleichen Abständen, 
also als Gelegenheitsschrift herausbrachte. Die 
vierte Nummer zum Abschluß des ersten Bandes 
soll gelegentlich gedruckt werden. Mit der alten 
Idee und dem alten Namen erscheint nun das neue 
Unternehmen als regelrechte Vierteljahrsschrift, 
deren Redaktion von Elmer Adler (von den Pynson 
Printers) und Goudy geführt wird. Besondere Auf- 
merksamkeit soll auch der Bibliographie der ge- 
samten typographischen Fächer gegeben werden.! 


I Der Jahresband kostet im Abonnement zehn Dollar. 


3 


Amerikanischer Brief 


Zeitschrift für Bticherfreuri 


Papier und Druck sind ausgezeichnet und mit dea 
Text zusammen eine glänzende Empfehlung ce 
amerikanischen Typographie. Die erste Numre 
des neuen Bandes, die leider kein Inhaltsverzeich:: 
hat, enthält u. a. einen gediegenen Aufsatz w: 
Professor Thomas F. Carter (Columbia) über d 
chinesischen Ursprünge beweglicher Typen, eige- 
andern von Howard M. Chapin über die frühest: 
Schiftsdruckereien und vorzügliche Kritiken ure 
Anzeigen. 

Das „American Institute of Graphic Arts“ ver. 
öffentlichte „The fifty books of 1925 (325) 
Es ist ein Katalog der (3.) Jahresausstellung ci 
Instituts und zeigt die ausgewählten 50 besten 
Stücke der amerikanischen Buchkunst. Die Ita. 
blätter sind zur Illustration abgedruckt. Dem Ar: 
schuh waren etwa 300 Bücher vorgelegt word:z. 
Unter den ausgezeichneten Büchern befinden sit 
unter andern „Original Letters, Etc., of Sir Jets 
Falstaff and his friends“, eine Neuausgabe eri 
Werkes von Lamb und James White (London 1;:f. 
und von Interesse für alle Shakespeare- und Lant- 
Freunde. Die Duyckinck- Sammlung der ,New Urs 
Public Library‘ hat ein Exemplar, aber ohne Tite- 
bild, ein anderes findet sich im ‚Britischen Museum. 
Das fehlende Titelbild des amerikanischen Exer- 
plars ist nach dem britischen ersetzt worden. Der 
Neudruck erschien in einer beschränkten Au'lage 
von 700 Stück bei Harper & Brothers, New York 
($ 7.50). — Ein anderes Stück der Auswahl war 
noch die Veröffentlichung des Grolier Clubs in New 
York: „Augustine Birrells Three Essays: I. Bock- 
Buying, 11. Book-Binding, III. The Oftice ot Lite- 
rature“. 

In neuer 8. Auflage liegt ein volkstiimliches Hard 
buch des typographischen Stils vor: „ University >: 
Chicago Press. A Manual of style, containing typo 
graphical rules governing the publications of th 
University of Chicago, together with specimens o 
type used at the University Press“ (391 S.). Iz 
Gegensatz zu früheren Auflagen wird von der Krit 
ein beinahe revolutionsartiger Fortschritt an Ge 
schmack festgestellt. Ein anderes anspruchslosetes. 
aber um so reizvolleres Büchlein erscheint in 2. Ar: 
lage: ,,Bartlett Orr Press. Printers’ Marks“ (Nes 
York). 

Im Mai 1925 fand eine ebenso merkwürdige we 
seltene Ausstellung von Zeitungsausschnitten in 
der „New York Public Library“ statt, die eine voll- 
ständige „Zeitungsgeschichte“ des New Yorker 
Theaters der letzten sechzig Jahre gab und harp- 
sachlich die Berichte über Erst- und Uraufführungen 
umfaßte. Sie stammte im wesentlichen aus den 
Besitz des Zeitungsmannes Robinson Locke vom 
„Toledo Blade“. Das Sammeln von Zeitungen und 
Zeitschriften ist noch keine Liebhaberei geworden, 
aber es würde sich auch innerlich und äußerlich 
lohnen. Man denke nur an die Zeitschrift der Tran- 
szendentalisten „The Dial“ (1840) oder an die 


4 


cd Januar- Februar 1926 Holländischer Brief Zeitschrift fir Biicherfreunde 
Seltenheit erzielte 1858 in Edinburgh etwa 3 Pfund, 
1858 in London bereits 111, was damals als ,,ab- 
surd“ bezeichnet wurde! Ein anderer Amerikaner 
kaufte in London die „Lyrical Ballads“ (Ausgabe 
von 1798 zusammengebunden mit der von 1802) 
zu mäßigem Preise; nachher stellte sich heraus, 


daß es das letzte von vier übriggebliebenen Büchern 


= „Seven Arts“, die kurze Zeit während des Welt- 
“- krieges in New York erschienen, eine der wert- 
vollsten und vielversprechendsten Zeitschriften der 
— Union, die heute selbst durch Menckens „American 
Mercury“ nur teilweise ersetzt ist; natürlich hat 
-. Menckens Zeitschrift auch manche großen Auf- 
gaben, die „Seven Arts“ nicht leisten konnte. Bei 


einem Verkauf von Americana aus der Bibliothek 
von Edwin O. Wood (Anderson Galleries 12. Mai) 
brachte eine frühe Wochenzeitung aus dem Staate 
Michigan, „The Genesee Whig“, später , Wolverine 
Citizen“ (1850—93) in 17 Foliobänden $ 205. 
Über die letzten wichtigen Verkäufe der alten 


war, und es holte einen hohen Preis. Als vor einem 
Jahr die Bibliothek der Baroness Burdett-Coutts 
versteigert wurde, erstand jemand ein Bündel alte 
Noten, zwischen denen später ein Exemplar von 
Shelleys „Posthumous Fragment of Margaret 
Nicholson“ (Privatdruck, Oxford 1810, von 29 S.) 


aufgefunden wurde. Dieser kleine Druck brachte 

$ 6750 beim Buxton-Forman-Verkauf und 1923 

bei Sothebys £ 1210! 
Münster i. W. 


Saison noch ein paar Angaben. Die ausgezeichnete 
. Bibliothek eines Bücherfreundes O. A. Mogner 
(Brooklyn) wurde 4./5. März bei Andersons mit 
- guten Preisen verkauft, was ein wachsendes Inter- 
esse für alle bibliophilen Dinge in Amerika beweist. 
Die seltenste Nummer Joan Stradanus’ „Nova 
. Reperta“, ein Glanzband des 16. Jahrhunderts, 
brachte $ 500, eine andere Nummer mit $ 425 war 


Friedrich Schönemann. 


Jacob Christian Schaffers „Versuche und Muster 
. ohne alle Lumpen oder doch mit einem geringen 
_Zusatze derselben Papier zu machen“, 4 Bde. in 2, 
. Kleinquart in Schweinsleder, Regensburg 1765. 
Insgesamt war der Erlös dieser Versteigerung 
S 6019.75 für 461 Nummern. Der Verkauf von 
. Handschriften des verstorbenen O. K. Brooks 
(Cleveland) zusammen mit einigen anderen Biblio- 
. theksresten erzielte in den American Art Galleries 
(18./19. März) $ 18097 für 806 Nummern. Die 
Erstausgabe von Cooper's „Spy“ (New York 1821) 
brachte $ 330, ein Autograph E A. Poes (1. Marz 
1844) $ ı65. Bei einer Auktion in den Anderson 
Galleries vom 4./5. Mai wurde der höchste Preis 
für eine Stevenson-Nummer bezahlt: $ 3750 für 
ein unterzeichnetes Manuskript „My First Book: 
Treasure Island“, das im „Idler“ vom August 1894 
gedruckt erschien. Bei Henkel (Philadelphia) 
brachten am 20. Mai einige Washington-Briefe sehr 
hohe Preise, u. a. einer vom 20. November 1791 
über die Hauptstadt Washington, D. C., $ 3200. 
Als Gesamtergebnis verdient noch der Verkauf der 
Mc Alenny-Bibliothek (der Sammler war ein Geist- 
licher in Hartford, Conn.) in den „American Art 
Galleries“ (14./15. April) Erwähnung: 616 Num- 
mern mit $ 57777. Der höchste Preis ging an eine 
herrliche illuminierte Handschrift des 14. Jahr- 
hunderts ,,Missale Romanorum, cum Calendario“, 
Venedig ca. 1370, $ 4100; ein anderes Manuskript 
der französischen Schule, 15. Jahrhundert, ,,Hi- 
storiaux de la Bible“ brachte $ 3100. 

Über Bücherpreise und Sammlerglück kam ver- 
schiedenes ans Licht. So kaufte Dr. Rosenbach im 
April auf einer Londoner Versteigerung Robert 
Burns’ „Poems“ (Kilmarnock 1750), die Erst- 
ausgabe seines ersten Buchs, für £ 1786. Das 
Carysfort - Exemplar derselben Ausgabe kaufte 
Rosenbach vor zwei Jahren für £ 1600. Diese 


5 


Holländischer Brief 


Die holländischen Kunstzeitschriften bilden in der 
holländischen Zeitschriftenliteratur ein ganz eigenes 
Kapitel. Wenn man von Oud-Holland absieht, das 
sich aber, wie schon aus dem Titel hervorgeht, mit 
der altholländischen Kultur im allgemeinen (nicht 
ausschließlich mit der bildenden Kunst) beschäf- 
tigt und dasschon sein 40. Lebensjahr erreicht hat, 
sind alle anderen in den letzten 40 Jahren gegrün- 
deten Kunstzeitschriften bisher nur kurzlebige Er- 
scheinungen gewesen, die in vielen Fällen von 
einer einzelnen Persönlichkeitgetragen wurden, aber 
eingingen, weil dieser einzelne auf die Dauer der 
Arbeit nicht gewachsen war und er es nicht ver- 
stand, sich eines festen Stabes von Mitarbeitern 
zu versichern. Wie auf dem Gebiete des Theater- 
wesens, wo es so viele, in ihrer Zusammensetzung 
jährlich wechselnde Gesellschaften mit in der Regel 
nur einer wirklich hervorragenden Kraft gibt, so 
war es auch bisher auf dem der Kunstzeitschriften. 
Holland besitzt eine ganze Reihe tüchtiger und 
selbstständiger Köpfe unter den Kunstkritikern 
und Kunstschriftstellern, aber es fehlt der Re- 
gisseur, der sie alle für ein gemeinsames höheres 
Ziel zu gewinnen und festzuhalten verstünde (ganz 
abgesehen von dem kapitalkräftigen Verleger, der 
seine Ehre darein setzt, eine vornehm ausgestattete, 
führende holländische Kunstzeitschrift zu finan- 
zieren). So herrscht Zersplitterung und Verzettelung, 
und die Kunstschriftsteller, die etwas zu sagen 
haben, mússen sich in journalistischer Kleinarbeit 
für die Tageszeitungen, Wochenzeitschriften oder 
literarische Monatshefte verausgaben, wo ihre 
Worte, ohne das Beweismaterial der Abbildungen, 
eben bloBe Worte bleiben und schnell verhallen. 
So schreibt Plasschaert für das Wochenblatt „De 
Amsterdamer“, Professor Vogelsang für „De Tele- 
graf“, Steenhoff ist der Haager Mitarbeiter des 


6 


Januar-Februar 1926 


„Nieuwe Rotterdamsche Courant“, Cornelis Veth 
der Haager Mitarbeiter des „Telegraf“ und Just 
Havelaerder Kunstredakteurdes,, Vaderland“, vieler 
anderer Kritiker mit selbstandigem Urteil nicht 
zu gedenken, deren oft wertvolle Beitrage in den 
Tageszeitungen vergraben werden. Diese vielen zer- 
streuten Krafte zu vereinen und eine alle Provinzen 
des modernen Kunstschaffens gleichmäßig berück- 
sichtigende Zeitschrift zuschaffen, war das Ziel, das 
der Amsterdamer Firma de Bussy vorschwebte, als 
sie vor nunmehr zwei Jahren das erste Heft 
ihres „Maandblad voor Beeldende Kunsten“ in die 
Welt schickte (Jahresabonnement 16.50 fl. franko). 
Wer sich über das, was auf dem Kunstgebiet in Hol- 
land vorgeht, orientieren will, muß die Zeitschrift 
lesen. Natürlich nimmt in einem Malerland wie Hol- 
land die Malerei auch hier den ersten Platz ein, über 
alle Ausstellungen werden illustrierte Berichte oder 
Notizen, undüberverschiedene hervorragende Maler 
größere Aufsätze gebracht, aber Kunstgewerbe, Bild- 
haukunst und Baukunst, von denen besonders die 
letztere heutzutage in Holland solch eine vorherr- 
schende Stellung errungen hat und auch für andere 
Länderals vorbildlich gilt, kommen in gleicher Weise 
zu Worte. Eine für diespäteren Geschichtsschreiber 
der holländischen Kunst wichtige Rubrik bilden 
die kurzen Mitteilungen über zeitgenössische hol- 
ländische Künstler mit den wichtigsten Daten ihres 
Lebens, ihren Bildnissen, einer charakteristischen 
Probe ihrer Kunst und ihren Bezeichnungen und 
Unterschriften. Auch über wichtige Vertreter nicht- 
holländischer Kunst wird der holländische Leser 
hier von sachverständigen ausländischen Korre- 
spondenten unterrichtet; so verdienen vor allen 
Erwähnung die Beiträge des in Frankreich an- 
säßigen Jonkheer Roéll, der auch Mitarbeiter von 
Elseviers’s Maandschrift ist. Der zweite Jahrgang, 
der jetzt auch abgeschlossen vorliegt, hat eine 
dankenswerte Erweiterung des ursprünglichen Pro- 
grammes gebracht. Man schenkt jetzt auch der 
alten Kunst sein Interesse, bespricht die Neuerwer- 
bungen der holländischen Museen, weist auf weniger 
bekannte kleinere holländische Öffentliche Samm- 
lungen hin und bringt kleinere Aufsätze über alte 
holländische Malerei, so u. a. von dem jungen hollan- 
dischen Kunsthistoriker van Regteren Altena, der 
in zwei Artikeln das delikate Problem der Zuteilung 
von Rembrandtschen Handzeichnungen an Schüler- 
hände angeschnitten und dabei interessante Zeich- 
nungen publiziert hat, in der Form einer Buch- 
besprechung von Valentiners Rembrandtzeich- 
nungenband aus den „Klassikern der Kunst“. 
Die Prognose, die wir der neuen Zeitschrift vor- 
läufig stellen müssen, ist eine günstige, wenn sie 
auf dem eingeschlagenen Wege fortschreitet, die 
Rubrik Kunstausstellungen vielleicht etwas be- 
schränkt und die Museumsbeamten noch mehr zur 
Mitarbeit heranzieht, da diese doch am ersten dazu 
berufen sind über Veränderungen und Erwerbungen 


7 


Holländischer Brief 


Zeitschrift für Búcherfreund: 


ihrer Sammlungen zu berichten. Die ganze Auf. 
machung des „Maandblad“ macht einen wohltnen. 
den Eindruck, Papier und Druck sind anständig 
das Abbildungsmaterial ist reichhaltig und gut. 
Von älteren Kunstzeitschriften bestehen noc} 
stets die von Bremmer herausgegebene und ge- 
schriebene „Beeldende Kunsten“, eigentlich nu 
eine monatlich erscheinende Sammlung von Lich. 
drucken nach neuer und alter Kunst, z. T. ats 


der Privatsammlung von Frau Kröller im Hazy, | 


z. T. aus holländischen Museen oder dem hollir- 
dischen Kunsthandel, mit dazugehörigen ,,Wird- 
gungen“ der reproduzierten Werke, in einem tz, 
haften, sich an jedermann wendenden Tone verfab:, 
die vielleicht Effekt machen, wenn sie vor der 
Kunstwerke selbst mit Wärme vorgetragen werden, 
aber in ihrer Allgemeinheit bei der Lektüre, aci 
die Dauer jedenfalls, ihre Wirkung verfehlen. Auch 
die ultramoderne Zeitschrift „Wendingen“, deren 
Ausstattung ihre Herkunft von modernen Archi- 
tekten, die von Druckkunst und Buchausstattung 
nur eine unklare Vorstellung haben, nicht verleuz- 
nen kann (wir haben darauf schon früher hinge 
wiesen, siehe Marzheft 1919) ist noch am Leber, 
obwohl dies Leben mehr und mehr ein Vegetieren 
geworden ist, da die Hefte, an sich zwar noch von 
gleicher Qualität, mit gleich interessanten Ba- 
trägen und zahlreichen Abbildungen, in ihrem Er- 
scheinen immer unbeständiger und unregelmäßiger 
geworden sind; im abgelaufenem Jahre sind nur 
zwei Hefte herausgekommen, von denen das eine 
ausschließlich dem Bildhauer Hildo Krop und das 
andere dem Zeichner und Graphiker Jessurun de 
Mesquita gewidmet ist, der sich hier als ein ho- 
ländischer Ensor präsentiert. Das letztere Heft ist 
besonders verdienstlich, da dieser merkwürdige jù- 
disch-holländische Künstler noch wenig bekanntist. 

Für Freunde der Graphik bringt die jetzt avd 
schon am Ende des zweiten Jahrganges stehende 
kleine und billige Monatschrift ,,Boek en Kuss 
(1.50 fl im Jahr) öfters einige wertvolle Beiträge 
und Illustrationsproben; in vielen Fällen sind die 
Artikel nur kurze Auszüge aus Neuerscheinungen, 
auch deutscher, französischer und englischer Werk: 
in der Originalsprache, für die auf diese Wes 
eine wirksame Reklame gemacht wird. Die lv- 
strationsproben sind z. T. ursprüngliche Hol: 
schnitte jüngerer holländischer Künstler. Vos 
einem der bedeutendsten holländischen Graphiker, 
dem in Paris lebenden Eekman veröffentlicht: 
„Boek en Kunst“ eine Paraphrase zu einem groben 
siebenteiligen Holzschnitte „„Dood-dans“, die für 
die Psychologie des künstlerischen Schaffens ud 
die Entstehungsgeschichte dieses Blattes im be- 
sonderen von großem Interesse ist (Septemberheit 
1924). In einer ständigen Rubrik werden moder 
niederländische Exlibris besprochen und abgebildet. 
und man findet hier auch Adressen von Exlibris 
sammlern, die gerne mit anderen Sammlern 1. 


8 


O LEM 


Se Januar-Februar 1926 


* Tauschverkehr treten wollen. Der Bearbeiter dieser 
=. Exlibrisecke, G. H. Pannekoek jr., hat kürzlich ein 
“> kleines Buch über moderne holländische Buchillu- 
= stration (De verluchting van het boek) herausgegeben, 
= das in der Serie „De toegepaste Kunsten in Ne- 
“= derland“ bei W. L. & J. Brusse in Rotterdam er- 
schienen ist (Preis 1,50 fl); in dem beschränkten 
xz Raum, den er in diesem Reihenbuch zur Verfügung 
hat, versucht er einen Abriß der Geschichte des 
.. modernen illustrierten holländischen Buches zu 
z: geben von Derkinderens Ausgabe von Vondels 
x Gysbrecht van Amstel, die mit ihrem farbigen 
= Randschmuck und ihren stilisierten Lithographien 
— noch das Gepräge einer illuminierten Handschrift 
= trägt (1893 bei Bohn in Haarlem erschienen) bis 
~ zu den modernen in Holz geschnittenen Titeln und 
Illustrationen von Fokko Mees, Frans Nackaerts, 
Joan Collete, B. Essers en H. Jonas, die sich 
a wirklich dem Charakter eines gedruckten Buches 
.. anpassen. Den Beschluß des Buches bildet eine 
Sammlung moderner holländischer Exlibris. 
„„ Als eine Art Ergänzung zu Pannekoeks Büch- 
.- lein, wenigstens was die graphische Kunst betrifft, 
- kann das gut ausgestattete, sorgfältig gedruckte 
— »Jaarboekje voor grafische Kunst“ betrachtet werden, 
das die „Vereeniging tot bevordering der grafische 
Kunst“ bei Brusse in Rotterdam herausgibt und 
„ wovon mir als jüngstes das über 1924 vorliegt. 
Natürlich macht man hier nur mit einem kleinen 
-~ Kreis moderner Graphiker Bekanntschaft, mit 
denen, die nämlich Mitglieder des Vereins sind; 
aber dazu gehören doch verschiedene der wichtig- 
sten und eigenartigsten modernen Künstler, die 
” selbstgewählte Proben ihres Talents sehen lassen; 
wie die Holzschneider Peter Alma, der schon oben 
` erwähnte N. Eekman, ein Meister des Ausdrucks, 
„ der durch stilisierende Übertreibung wirkt (mit den 
i bekannten gezackten Rändern) und S. Jessurun de 
i Mesquita, ebenfalls ein Meister des Ausdrucks, der 
Seine Wirkung aber gerade durch größte Ausführlich- 
keit, eine fast photographische Treue und beinahe 
pedantische Regel mäßigkeit der Strichführung er- 
zielt, so daß seine Holzschnitte wie Schwarzweiß- 
zeichnungen auseehen, und Dirk Nyland, der 
wiederum durch Vereinfachung und Beschränkung 
auf das Notwendigste wirkt. Von den Litho- 
„ Eraphen sei Georg Rueter hervorgehoben, von dem 
ein hibsches Kalenderblatt mit feiner Zeichnung, 
das seinen Hauptreiz der zarten Farbengebung 
_ verdankt, und ein Bildnis des Architekten de Bazel 
abgebildet sind; außerdem finden wir Radierungen 
_ von Fr. H. Broeksmié, D. Harting, Lod.Schelfhoutu.a. 
Das J abrbuch bringt ferner einige kleinere Aufsätze 
19 0 am letzten Jahre ¢ 1924) verstorbene hollandische 
1 so schrieb Jan Veth, der nun auch zu 
Dijsselh n gehört, Ger die Holzschnitte von G. W. 
de e und Lauwercks über die Holzschnitte 
e 5 K. P. C. de Bazel, der auch auf 
f biete Beachtenswertes geleistet hat. 


9 


Holländischer Brief 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


Eine sehr wertvolle Ergänzung zu Pannekoeks 
Studie in einer anderen Richtung bietet der Kata- 
log der Ausstellung moderner niederländischer Buch- 
kunst die im Sommer des abgelaufenen Jahres im 
Museum Plantyn-Moretus in Antwerpen abgehalten 
wurde. Hier handelt es sich nicht um das illustrierte » 
Buch, sondern um das typographisch gut ausge- 
stattete Buch, das nur der Vortrefflichkeit des 
verwandten Materials, in erster Linie der Schön- 
heit der Druckletter und der Druckanordnung seine 
Wirkung verdankt. Der Katalog selbst war in 
dieser Hinsicht wirklich vorbildlich und machte 
der Druckerei von Leiter-Nijpels in Maastricht, 
einer der jüngsten bibliophilen holländischen 
Druckereien, alle Ehre. Als eine Störung konnte 
man nur zuweilen den schnellen und häufigen 
Wechsel zwischen holländischem und französischem 
Text in den Buchbeschreibungen empfinden, der 
in keiner Weise von einander abgetrennt war; 
aber dies war nur störend für den Leser, der hinter 
jedem holländischen Satz statt der fortlaufenden 
Beschreibung nur auf französisch wiedergekäut 
fand, was er eben holländisch gelesen hatte. Man 
fragt sich, war für eine in dem vlämischen Ant- 
werpen veranstaltete Ausstellung wirklich eine 
solche französische Übersetzung nötig, die den 
Umfang des Katalogs beinahe verdoppelte? Wollte 
man aber durchaus aus internationaler Höflichkeit 
an einem zweisprachigen Katalog festhalten, dann 
hätte man die beiden Texte völlig getrennt von 
einander abdrucken sollen. Der Katalog gibt in 
alphabetischer Anordnung der Verleger eine Über- 
sicht über das Beste, was im Laufe der letzten 
30 Jahre auf dem Gebiete des „schönen Buches“ 
in Holland geleistet ist, mit genauen Angaben über 
die verschiedenen Künstler, die an jedem Buche 
mitgearbeitet haben (Zeichner der Type, Illustrator 
und Entwerfer des Einbandes). 

Zeigte Niederland in Antwerpen, was es heute 
auf bibliophilem Gebiet vermag, in Amsterdam 
konnte man auf der zum 6sojährigen Jubiläum 
der Stadt veranstalteten Ausstellung bewundern, 
was Holland, speziell Amsterdam, in früheren 
Jahrhunderten auf dem Gebiete der Buchausstat- 
tung, des Einbandes, der Kartographie und der 
graphischen Kunst hervorgebracht hatte. Sein 
besonderes Interesse hatte man hier dem 16. Jahr- 
hundert bis 1575 entgegengebracht, über dessen 
typographische Produkte man dank den Bemühun- 
gen des Bibliographen dieser Periode, Dr. C. P. Bur- 
ger, einen guten Überblick gewinnen konnte. Am- 
sterdam tritt bekanntlich als Druckstätte sehr 
spät auf den Schauplatz; Wiegedrucke fehlen völ- 
lig, und die Buchdruckkunst entwickelt sich im 
16. Jahrhunderts sehr langsam und allmählich, und 
ist, bis 1575, eng verbunden mit der Holzschnitt- 
produktion, auf welchem Gebiet überhaupt die 
Hauptleistungen liegen. Jacob Cornelisz und später 
Cornelis Anthonisz sind hier die großen Namen; 


IO 


Januar-Februar 1926 


Pariser Brief 


Zeitschrift für Bücherfreund: 


der letztere hat außer figürlichen Darstellungen 
und allegorischen Vorstellungen verschiedene Kar- 
ten in Holz geschnitten, außer dem bekannten 
Plan von Amsterdam in 12 Blättern solche von 
der Ostsee und dert Zuidersee. Cornelis Anthonisz 
ist so der Vorläufe auf einem Gebiete geworden, 
auf dem Amsterdam später so Großes geschaffen 
hat, der Kartographie; einige der kostbarsten und 
seltensten Proben dieser spezifisch Amsterdamer 
Produktion hatte Dr. F. C. Wieder der hollän- 
dische Spezialist der alten Karten und Reisebe- 
schreibungen, in einem besonderen Saale der er- 
wähnten Amsterdamer Ausstellung vereinigt. Hier 
sah man die große Weltkarte von Henricus a 
Laneren von 1602, die Karten der vier Weltteile 
von Willem Jansz Blaeuro, von 1603 und 1624, 
alles Unica, von der Stadt Breslau eingeschickt, 
und die große Weltkarte von Joannes Blaeu, die 
bei Gelegenheit des westfälischen Friedens heraus- 
gegeben war (1648), ebenfalls das einzig bekannte 
Exemplar, Eigentum der Royal Geographical So- 
ciety in London. Von großem Interesse war auch 
die Weltkarte von Jodocus Hondius von 1608, von 
der gleichen Gesellschaft eingeschickt, die erste 
holländische Weltkarte in Mercators Projektion. 
Für Bücherfreunde übten ferner eine besondere 
Anziehungskraft die prachtvollen, reich, ja für 
unseren Geschmack zu reich verzierten, von einem 
goldenen Liniennetz übersponnenen Bucheinbände 
aus der zweiten Hälfte des ı7. Jahrhunderts aus, 
die in dem Atelier der Familie Magnus angefertigt 
worden sind. — Alle im Rijksmuseum ausgestellt 
gewesenen Schätze sind in dem zweibändigen Ka- 
talog verzeichnet, deren erster Teil wichtige kleine 
Aufsätze über die verschiedensten Gebiete enthält; 
uns interessieren in diesem Zusammenhange nur 
die Artikel von Burger über das Amsterdamer 
Buch und von Wicder über die Kartographie. Es 
gibt zwei Ausgaben dieses Kataloges; nur in der 
zweiten verbesserten Auflage, daran allein kennt- 
lich, daß auf dem Titel die Namen der Mitglieder 
der verschiedenen Ausstellungsausschüsse folgen, 
werden die seltenen, oben erwähnten Landkarten 
beschrieben. M. D. Henkel. 


Pariser Brief 


Wer zum erstenmal Paris sieht, diealten Schlösser 
besichtigt und eine Rundfahrt durch die histo- 
rischen Stätten macht, wird von der Größe, der 
Pracht, der Schönheit und der Grazie des 18. Jahr- 
hunderts gefesselt. Er wird von der großen Ver- 
gangenheit der französischen Hauptstadt in Atem 
gehalten und zeugt daheim, an Versailles, Fontaine- 
bleau, an Watteau und Fragonard denkend, von 
dem Glanz der französischen Tradition. Die wenig- 
sten werden sich darüber klar, daß das Pariser 
Stadtbild in seiner heutigen Gestalt cine Schöpfung 


II 


des 19. Jahrhunderts ist. „Le seul Paris que now 
connaissions vraiment, c'est le Paris d'Haussmara*, 
schreibt Henri Clouzot. Die GroBartigkeit de | 
Stadtbauanlage ist eine Schöpfung Napoleons III. 
Sie ist nicht aus ästhetischen Prinzipien sonden 
überwiegend nach strategischen Gründen gesctir- 
fen. Es hatte sich während der verschiederer 
Revolutionen im 19. Jahrhundert erwiesen, da! 
die schmalen, gewundenen Straßen Herde ce: 
Volkserhebung waren, gegen die die Armee nur m 
Bajonettkampf vorgehen konnte. Um rings tn 
das kaiserliche Schloß SchuBlinien zu schafter. 
wurden Louvre und Rathaus durch eine bre:e, 
gradlinige Straße — die rue de Rivoli — verbun- 
den, wurden Schloß, Rathaus, Notre Dame frei- 
gelegt und, um auch rasch ins Innere der Stad: 
dringen zu können, die Avenue de l'Opéra ge- 
zogen. Innerhalb der kurzen Zeit von 16 Jahren, 
von 1853—1869, hat Haussmann ganz Pans un- 
geformt; dabei wurden Hunderte von historische 
Bauten geopfert. Niemals wieder ist so gegen Bau- 
denkmäler gewütet worden. „La maison du secsri 
empire est la seule que nous connaissions“, schreibt 
Henri Clouzot. Wenn Symmetrie und gerade Linien 
das oberste Gesetz der neuen Pariser Stadtbar- 
kunst wurden, so ist dadurch nicht etwas grurd- 
sätzlich Neues eingeführt worden; schon Philippe 
de l'Orme und alle im lateinischen Geiste schaften 
den Architekten hatten das Quadrat, das Rect: 
eck, die gerade Linie gefordert, nur ihre geome: 
trischen Grundgedanken nicht stádtebaulich durch- 
zusetzen vermocht. Haussmann knüpfte also au 
den Louvrehof, die Place des Vosges und das Palas 
Royal an, so daß sich ein kausaler Zusammenhang 
zwischen Bauten des 16. und 17. Jahrhunderts urd 
denen des 19. ergab. Henri Clouzot hat in einen 
soeben erschienenen, reich illustrierten Werk: ,,D& 
Tuileries A Saint-Cloud, l’art décoratif du second 
empire“ (Payot, Paris) die Geschichte der Aube 
und Innenarchitektur unter Napoleon III. erza:lt 
Ausführlich spricht er über Haussmann, den er., 
wie alle Historiker, scharf verurteilt. Mag er abe 
noch so viele Vandalismen begangen haben, ma! 
Napoleon III. noch so verständnislos für die E: 
haltung historischer Baudenkmäler gewesen seir. 
so erscheint mir Haussmann doch als der grout 
Stadtbaumeister des 19. Jahrhunderts. Ohne Bru: 
talitát und Entschiedenheit hat selbst verständlich 
sich ein Stadtplan wie derjenige von Haussma£3 
nicht durchsetzen lassen können; seine Leistur 
ist aber nicht nur gut, sie ist einzigartig. Darn 
allein beruht der positive Wert der Architektur 
unter Napoleon III. Was Clouzot in seiner reicht 
Dokumentensammlung sonst von Innenarchitektur 
und Kunstgewerbe berichtet, ist nicht sehr erfrev- 
lich. Er hat sich der Mühe unterzogen, aus Balzacs 
und Zolas Romanen ein Gesamtbild der Inner: 
räume zwischen 1840 und 1870 zu gewinnen. Darat 
ergibt sich, daß die damalige Zeit unschöpfersc“ 


12 


=> Januar-Februar 1926 


- war, Die Kaiserin Eugenie nahm sich Marie Antoi- 
nette zum Vorbild und der Kaiser mengte alle Stile 
durcheinander. Das Bürgertum folgte ihm darin 
und die damaligen „nouveau-riches‘‘ haben mit 
Hilfe der sich entfaltenden neuen Industrien Talmi- 
waren mit Stilimitationen gemischt und in ihren 
Innenräumen jene Maskerade entfaltet, die Goethe 
.. bereits am 17. Januar 1827 in immer noch zu- 
treffenden Worten zu Eckermann gebrandmarkt 
hat, die jedes Möbelgeschäft in großen Lettern als 
= Innenplakat aufhängen sollte. Eklektische Mi- 
schungen herrschten damals in ganz Europa. In 
Paris wurde Sainte - Clotilde im gotischen, Saint 
Augustin im byzantinischen, Notre Dame de Lorette 
im altrömischen Stil erbaut, nur die Oper stellt 
wenigstens einen neuen Stilversuch dar. Um 1860 
kreierte Théophile Gautier den neugriechischen Stil. 
Und wenn Clouzot darauf hinweist, daß das zweite 
Kaiserreich im Schmuck das Brillantendiadem wie- 
der zu Ehren brachte und in der Frauenkleidung 
Eigenes geleistet hat, so ist das etwas wenig — abge- 
sehen von der überragenden Leistung Haussmanns. 
Auch heute steht Frankreich immer noch stark 
unter dem Druck seiner alten Königsstile. Das bat 
die internationale Kunstgewerbeausstellung wie— 
derum gelehrt. Ein Mann wie Le Corbusier steht 
einsam da und sieht sich den schärfsten Ab— 
lehnungen gegenüber; es ist sogar zu fürchten, daß 
- seine Stimme verhallen wird. Ich wage aber zu 
behaupten, daß seine Intentionen so stark, so klar 
- und so gesund sind wie diejenigen Haussmanns vor 
75 Jahren. Auch er ist ein entschiedener Mensch, 
und nur solche haben etwas zu sagen und können 
uns vorwärtsbringen. Leider steht er auf einem 
unsichtbaren Posten und verliert seine Zeit mit 
Bücherschreiben. Damit soll nicht etwa gesagt wer- 
den, daß sein Buch „L'art décoratif d’aujourdhui‘ 
nicht gut ist; im Gegenteil, diesem klugen Buch ist 
die weiteste Verbreitung zu wiinschen. Es bringt 
in gelstreichen Gegenüberstellungen Kitsch und 
Kunst, Talmiarchitektur, Talmimöbel und Zweck- 
baukunst, griechisc he Tempel und Motore und 
d lugzeuge. Dieses bei Crès et Cie. erschienene, reich 
Illustrierte Buch mul alle Schlafmitzen aufrütteln, 
damit sie erkennen, was nottut. Von gleicher Be- 
| deutung ist das im selben Verlag erschienene Buch: 
La peinture moderne von Ozenfant und Jeanneret, 
das Grundsätzliches über die moderne Malerei zum 
Ausdruck bringt. Es zeigt, daß wir vor einer 
| a bildenden Künste stehen, die sich noch 
bs e wird. Denn konstruktiven Element in 
GE een steht zweifellos noch eine bedeu- 
ukunft bevor. 
de nn Er der bi bliophile Sonderling in Lyon, 
Ee 5 dex heutigen Wirtschaftskrise 
eben Sr » Seinen bz bliophilen Liebhabereien zu 
SEN les e m Verlage von Crés et Cie. einen Essai 
Ee 5 : on de bois en France au dix-huitieme 
usgegeben. Alle Bibliophilen müssen 


13 


Pariser Brief 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


dem verdienstvollen Autor, auf den ich an dieser 
Stelle schon mehrfach hingewiesen habe, für die 
Bearbeitung dieses Themas sehr verbunden sein; 
denn es ist das erste Mal, daß dieses Gebiet zu- 
sammenfassend dargestellt wird. In der Einleitung 
merkt Audin an, daß weder Portalis noch Cohen, 
noch Seymour de Ricci, noch Guilmard, noch Du- 
portal und endlich auch Louis Réau nicht, der im 
Anschluß an die Pariser Buchausstellung von 1923 
bei von Oest ein Werk herausgegeben hat, die 
Kleinkunst berücksichtigte, deren Meister Audin 
nun der Vergessenhcit entrissen hat. Audin gibt 
in der launigsten Weise sciner Verwunderung dar- 
uber Ausdruck, daB so viele hochgelehrte Herren 
dieses Gebiet überschen haben; es sei ihnen offen- 
bar zu klein gewesen. Darauf pflanzt er „un jalon 
sur la route solitaire de l’histoire de la gravure sur 
bois** und gibt einen kurzen Abriß der Künstler- 
und Verlegergeschichte. Den Hauptteil des Buches 
bildet ein räsonierender Katalog der Meister, der 
Lebensdaten, Stammbäume und eine Nomenklatur 
der Werke enthält. Manches ist unvollständig ge- 
blieben, da das ganze Gebiet allzulange vernach- 
lässigt wurde. Weit über 60 Künstler sind in dem 
Buch ans Licht gezogen, darunter einige Holz- 
schneiderdynastien. Das schöne Werk ist mit über 
200 Abbildungen alten Buchschmucks reich illu- 
striert und auch dadurch in der Tat eine Leistung, 
an der kein Historiker der Buchkunst vorüber- 
gehen kann. Gleichzeitig versandte Marius Audin 
als neue Folge seiner buchgeschichtlichen Plau- 
dereien eine kleine Broschüre über J. Baudrier, 
l’imprimeur de la ville de Lyon, die in keiner Bi- 
bliothek fehlen dürfte, wie überhaupt die Deut- 
schen die Beziehungen zu diesem ausgezeichneten 
Manne pflegen sollten. 

Der Verlag Payot hat eine neue Klassikerreihe 
geschaffen. Als erster Band erschien: „Les médi- 
tations poétiques“ von Lamartine, ein Nachdruck 
der Originalausgabe von 1820 mit alten Holz- 
schnitten von Johannot, Célestin, Nanteuil und 
Henry Monnier. Von jedem Band werden 25 Exem- 
plare auf van Geldern und 220 auf Velinpapier 
abgezogen. Als zweiter Band beginnt eine Moliére- 
ausgabe zu erscheinen, der die Ausgabe von 1682 
zugrunde liegt. Der erste Band enthalt: ,,La 
Jalousiedu Barbouillé, Le médecin volant, L’étourdi, 
Dépit amoureux, sowie einen philologischen An- 
hang von Bertrand Guégan, der die ganze Ausgabe 
leitet. Eine Studie von André Schaeffner über 
Moliere und die Musik ist angefügt. Zahlreiche 
alte Stiche illustrieren den Band. Da die alte Aus- 
gabe nur gelegentlich im Antiquariat zu hohen 
Preisen vorkommt, so ist dieser Neudruck auf 
wissenschaftlicher Grundlage sehr zu begrüßen. 
Die Editions Selection in Antwerpen gaben von 
René Becken einen Band Verse heraus, von dem 
25 Exemplare auf van Geldern und 50 auf feather- 
weight erschienen, in besonders tiefem Schwarz, 


14 


Januar-Februar 1926 


schön gedruckt. Le jeu de cartes et le versant 
poétique ist ein spielerisches, leichtfertiges Ge- 
dichtbuch. Ebenso über die Oberfläche dahin- 
plätschernd ist der Briefroman von Roux-Severine 
„Les jeux de l'amour et du voyage“, den Bernard 
Grasset verlegte und dessen Rhythmus im Tempo 
der Eisenbahnen und Dampfschiffe dahinfliegt. Ein 
jüngerer Autor, Henry Poulaille, gab im gleichen 
Verlag unter dem Titel: „Ames neuves“ einen 
reizenden Band Kindergeschichten heraus, die von 
tiefem Eindringen in die Seele kleiner Knaben und 
Mädchen zeugen. Die kurzen, anspruchslos vor- 
getragenen Erzählungen sind von Dickensscher 
Schlichtbeit. Derselbe Verlag hat die erste, direkt 
aus der Ursprache besorgte Übersetzung des älte- 
sten chinesischen Romans veröffentlicht, der unter 
der Juann-Dynastie (1277-1348) geschrieben und 
im Beginn der Mingdynastie (1348—1662) über- 
arbeitet wurde. Der Autor ist nicht bekannt. Als 
Verfasser zeichnete ,,der Vermittler der berühmten 
Lehre“; der Titel lautet in den älteren Ausgaben 
verschieden. Einmalheißter: „Fong-jue tschoann“, 
ein anderes Mal: „Rao Asion tschoann; gelegent- 
lich wird im Titel mehr das Erotische, dann wieder 
mehr das Sittengeschichtliche oder Abenteuer- 
reiche betont. Das Buch hat einen zeitlosen Cha- 
rakter. Daraus erklärt sich auch sein seit Jahr- 
hunderten anhaltender Erfolg; man schätzt, daß 
er seit seiner Entstehung in über 100 Millionen 
Exemplaren verbreitet worden ist. George Soulier 
de Morant, der schon als Zwanzigjähriger die 
chinesische Sprache erlernte und jahrzehntelang 
im Lande lebte, hat dies Buch übersetzt und der 
Verlag hat die erste französische Ausgabe mit zahl- 
reichen chinesischen Holzschnitten illustriert, die 
wenigstens in den 120 Exemplaren der Luxusaus- 
gabe gut gedruckt sind. Es sind Zeichnungen des 
berühmten Malers Tsion Yng aus der Mingdynastie. 
Das französische Buch trägt den Titel: „La brise 
au clair de lune“. 

Obwohl die Bücherproduktion in Frankreich 
eine sehr lebhafte ist, so werden dauernd Klagen 
über die schlechte Wirtschaftslage der Geistes- 
arbeiter laut. Die Bezahlung der Beamten — in 
Frankreich sind viele Schriftsteller Beamte — er- 
reicht teilweise das Existenzminimum nicht. Das 
Verhältnis zwischen Verleger und Schriftsteller 
ist in Frankreich in wirtschaftlicher Beziehung er- 
heblich unerfreulicher als in Deutschland. In einem 
Klageruf hieß es kürzlich, es gibt kaum noch ein 
paar Dutzend Schriftsteller, die von ihrer Feder 
leben können. Viele müssen in anderen Berufen 
Unterschlupf suchen und können nur noch in späten 
Nachtstunden unter Aufopferung ihrer Gesundheit 
ihre literarische Mission erfüllen. Genau wie bei uns 
sind die Bücher für die jetzige Inflationsperiode zu 
billig. Hinzu kommt, daß im Auslande der Absatz 
französischer Bücher im Sinken begriffen ist. 

Berlin. Otto Grautoff. 


15 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücherfreund: 


Neue Bücher und Bilder 


Bücher über asıatische Kunst 


William Cohn, Buddha in der Kunst des Osters. 
Mit 7 Textbildern und 123 Tafeln. Leipzig, Klink- 
hardt & Biermann, 1925. 


Jahrbuch der asiatischen Kunst. Herausgegeben 
von Georg Biermann. Band I. 1924. Lens, 
Klinkhardt & Biermann. 


Eduard Fuchs, Tang-Plastik, Chinesische Grab 
keramik des VII. bis X. Jahrhunderts. — Dach- 
reiter und verwandte chinesische Keramik de: 
XV. bis XVIII. Jahrhunderts. Beide Bücher mit 
6 farbigen und 53 bzw. 52 schwarzen Tafeln. (Bd.! 
u. II der Kultur- und Kunstdokumente.) Munchen, 
Albert Langen. 4°. 


Asien ist der Götze, vor dem das geistige Europa 
jetzt kniet. Es hat schon seine tieferen Gründe in 
der geistesgeschichtlichen Struktur unserer Zeit 
überhaupt, wenn der in sich ruhende Geist der 
Kulturen des Ostens gerade heute das expansive 
Interesse des wachen und beweglichen Abend- 
landes so anzieht. Wir haben in unserer histo- 
rischen Entwicklung einen Punkt erreicht, voz 
dem aus eine Durchdringung des Ostens, eine gti- 
stige, nicht bloß wie bisher eine politische, wir- 
schaftliche und zivilisatorische, möglich erscheint 
Wir sind in dieser zum großen Teil noch bevo:- 
stehenden Auseinandersetzung natürlich durch- 
aus die aktive Seite, im Geben sowohl wie in 
Nehmen, im Ausbreiten unserer sehr zweifelhatien 
Zivilisationswerte wie im Unszueigenmachen Ger: 
lichen Geistesgutes. 

Noch sind wir von einem tieferen Ergreifer 
der asiatischen Kulturen sehr weit entfernt. Nob 
ist uns Asien, überhaupt alles Östliche — auch 
Rußland — ein Götze, den wir uns selber gemacht 
haben. Was dem 18. Jahrhundert der Mensch des 
Naturstandes, was dem Klassizisten der Grieche 
war, das ist uns der Asiate: eine Projektion unserer 
eigensten Sehnsüchte, eine Schöpfung unseres 2: 
vilisationsüberdrusses, ein Idealbild unserer sic! 
immer mehr zum Exotischen wendenden Phantasie. 
ein Idealbild auch dann, wenn eine wirkliche Ver- 
färbung mit echt asiatischen Zügen eintritt. Dies: 
Verfärbung ist unausbleiblich, da seit 1800 d 
abendländische Phantasie sich immer stärker von 
Anschaulichen nährt. Die spezifische Physiognomie 
eines angeschauten Fremden ist uns ein geistiger 
Wert geworden, wir verstehen sie einmal als Aus 
druck, genau wie im Osten selber schon seit vie! 
älterer Zeit Japaner und Chinesen ihre Malerei ass 
Emanation von Seelischem deuten, und wir werten 
sie zweitens als Gefäß uns unbekannter, gehein: 
nisvoller Kräfte und zugleich einer Zumutung 31 
uns, diesem Unbekannten Reverenz zu erweisen. 
In diesem zweiten Sinne vermochte, ein höchst 


16 


` Januar-Februar 1926 


— 


seltsamer geistes geschichtlicher Vorgang, etwa das 
.. Buddhabild dem Europäer, und gerade dem 
sehr beweglichen zum Götzen zu werden, zum 
` Gëtzen nicht in primiivt-kultlicher Bedeutung 
natürlich, wohl aber als bildliche Verkörperung 
- alles dessen, was wir — und man spotte dieser 
seltsamen, vielleicht letzten Ehrfurcht der Spätge- 
borenen nicht — jenseits unserer eigenen geistigen 
“ Horizonte noch zu ahnen glauben. 
Diesem sehr tief wurzelnden Bedürfnisse unserer 
Zeit kommt das vom Verlag Klinkhardt & Bier- 
~ mann herausgegebene und mustergültig ausge- 
- stattete Bilderbuch von William Cohn: Buddha in 
- der Kunst des Ostens entgegen. Eine Fülle von 
plastischen und malerischen Darstellungen des — 
nunmehr auch europäischen — Gottes aus dem 
indischen und aus dem ostasiatischen Kunstkreis 
ist hier zusammengestellt. Den 123 Bildtafeln 
stehen die sachlichen und erklärenden Angaben in 
vollendeter Übersichtlichkeit gegenüber. Vorlagen 
wie Reproduktion sind unübertrefflich, so daß das 
Buch wirklich ein Schatz und ein Labsal ist. Die 
Einleitung Cohns zeichnet in knappen Zügen die 
- Geschichte des Buddhabildes. Auch einige alte 
Texte sind in Übersetzung wiedergegeben. 
Unseren neueuropäischen Asienschwärmern will 
die Tatsache schwer eingehen, daß ,,die ältesten 
heute bekannten Darstellungen des Erleuchteten“ 
aus der in höchstem Grade von hellenistischen 
Einflüssen durchsetzten Gandharakunst stammen. 
Wie eine Profanation erscheint es, daß wissen- 
schaftlich die Möglichkeit, ja die Wahrschein- 
lichkeit besteht und immer wieder diskutiert 
werden muß, die indische Kunst, und zumal die 
Schaffung des Buddhabildes, „eine der denkwürdig- 
sten, folgereichsten, erhabensten Taten der in- 
dischen, ja der Weltkunst“, sei nicht rein asia- 
tischen Geistes und Ursprungs, sei von unserem 
„barbarischen‘“ Westen her mit beeinflußt. 

Es ist für die Wandlung des europäischen 
Geistes in den letzten Jahrzehnten symptomatisch, 
wie das spate 19. Jahrhundert und eine noch heute 
lebende ältere Ethnologengeneration den Ehrgeiz 
hatte, die Schöpfungen fremder Kulturen an Eu- 
ropa zu messen und sie möglichst durch europä- 
ischen Einfluß zu „erklären“, wie hingegen unser 
zwanzigstes und die jüngeren Forscher danach 
trachten, alles Fremde von unserer westlichen 
Kultur abzuspreizen, die Reinheit (auch im 
ethischen Sinne) seiner Ursprünge zu erweisen. So 
ist es kein Wunder, wenn heute gerade die — 
höchst interessante und gleichsam als mögliches 
Einfallstor europäischer Stilforschung in die asia- 
tische Kunstgeschichte unschätzbare — Gandhara- 
kunst einer nun wirklich unverdienten MiBachtung 
verfällt. Nun aber läßt diese Kunst sich als Tat- 

sache einmal nicht totschweigen, und die Antike 
der Mittelmeerländer scheint wirklich für die Kunst- 
geschichte des Ostens keineswegs ohne Bedeutung 


id 


* F 


21 


Beibl. XVII, 2 17 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücher freunde 


gewesen zu sein. Ob aber die asiatische Kunst darum 
weniger asiatisch sein dürfte ? 

Cohns Standpunkt zu diesem wichtigen Pro- 
blem ist ein sehr vorsichtiger und besonnener. 
Mitten in die Diskussion aber geraten wir, wenn 
wir eine andere Publikation des Verlages Klink- 
hardt & Biermann aufschlagen, den ersten Band 
des in Verbindung mit vier namhaften Gelehrten, 
Grosse, Sarre, Cohn und Glück, von Georg Bier- 
mann herausgegebenen Jahrbuches der asiatischen 
Kunst. Die zwei entgegengesetzten Standpunkte 
zu dem genannten Problem sind am schärfsten 
vertreten in einem Aufsatz von L. Schermann über 
„Dickbauch-Typen in der indisch -ostasiatischen 
Götterwelt!“ und in Hans Berstls Arbeit über 
„Indo-koptische Kunst“. Berstl, der Jüngere, aus 
der Wiener Schule Strzygowskys sucht u.a. nach- 
zuweisen, daß die sog. Yogistellung des sitzenden 
indischen Buddha, obgleich (was freilich nur Zu- 
fall sein könnte) Gandhara gerade die ältesten Bei- 
spiele bietet, nicht etwa von Westen gekommen, 
sondern im Gegenteil nach dem Westen, vor allem 
nach Ägypten und Gallien vorgedrungen sei. Mit 
der räumlichen Entfernung vom Osten sei dann eine 
fortschreitende Veräußerlichung und Entfremdung 
eingetreten. Eine recht fleiBige Literaturbenutzung 
gestattet Berstl in der Tat, eine Anzahl westlicher 
Denkmäler beizubringen, die den östlichen moti- 
visch mehr oder weniger verwandt sind. Allerdings 
muß dabei die von Reinach mit Recht in das 
5. vorchristliche Jahrhundert datierte, wenn nicht 
gar noch etwas ältere Steinfigur eines nach Art 
eines Buddha Hockenden in dem provengalischen 
Velaux (T. 99, Abb. 4), aller unserer Kenntnis antiker 
Skulpturentwicklung entgegen in das 1. Jahr- 
hundert n. Chr. gesetzt werden, sonst wäre ja die 
Theorie des indischen Ursprungs nicht haltbar. 
Der naheliegende Gedanke, daß etwa das Schema 
der ägyptischen Schreiberstatue hier und bei 
anderen Stücken eingewirkt haben könnte, wird 
von Berstl scharf abgelehnt. In ähnlicher Weise 
spurt nun auch der Aufsatz von Schermann gewissen 
Motivwanderungen nach. Der verdiente ältere For- 
scher glaubt nachweisen zu können, daß die sicht- 
lich hellenistisch- römisch beeinflußten bacchischen 
Darstellungen in Mathura und Nordwestindien den 
Ausgangspunkt für die Entwicklung der dickbäu- 
chigen asiatischen Göttertypen, etwa des bekann- 
ten japanischen Glücksgottes Hotei, darstellten, 
und man wird ihm zugeben müssen, daß er eine 
wesentlich geschlossenere und auch in der chrono- 
logischen Folge einwandfreiere Denkmälerkette auf- 
zustellen vermag als Berstl. Die Gandharakunst, 
deren Denkmäler nach Berstl „von hellenistischem 
Formelkram überzogen sind“ und „gar nichts von 
indischem Geist“ verraten, spielt in Schermanns 
Darstellung einc wichtige Rolle. Hier sind auch 
einige Bildwerke abgebildet, die uns zu allerhöchster 
Achtung vor dieser „Mischkunst“ nötigen können. 


18 


Januar-Februar 192% 


Ein „Jahrbuch der asiatischen Kunst“ muß 
heute die verschiedensten Gattungen von Mit- 
arbeitern und Beitragen unter e: ren Hut brizgen. 
Der symptomatische Gugensatz Schermann-Berstl 
ist gar nicht der einzige, der hier klafft. Der 
ältere noch europazentrisch eingestellte Völker- 
kundler tritt neben Kunsthistoriker der verschie- 
densten Kichtungen, Kunsthistoriker, die z. T. 
als Muscumsdirektoren oder Erforscher europä- 
ischer Kunst einen Namen besitzen oder solche, 
die sich gleich zu Beginn ihrer Laufbahn schon 
dem Neulande Asien zugewendct haben! Da ist 
auch Ernst Grosse, der schon vor 20 Jahren in 
Asien einen neuen sozial-ethischen und asthetischen 
Glauben gefunden hat, der die Reize der naturge- 
wachsenen Lasuren an Werken Japanischer Töpfer- 
kunst dem Eindruck Rembrandtscher Bi.dober- 
flächen gleichstellt (worüber freilich nicht mehr zu 
diskutieren ist), da ist Strzygowsky mit seinen oft 
recht merkwurdig anmutenden Versuchen, ein 
kunstgeographisches Weltbild zu begründen und 
als Grundlage aller historischen Entwicklungen zu 
nehmen, Strzygowsky und seine Schule, da sind 
auch indische Namen, dann ein kurzer Artikel in 
englischer Sprache, und schließlich darf auch der 
mehr literaten- als gelehrtenhafte Verfassertypus 
nicht fehlen. 

Wissenschaftliche Arbeit von einem bisher nur 
recht engen und streng fachlich begrenzten Wir- 
kungskreis tritt jetzt mit einem Male in die blen- 
dende Helle modischer Aktualität hinaus. Dieser 
Situation verdankt das Jahrbuch seine Entstehung, 
es Schafft sie mit, und es ist gewiß eine Situation 
von keineswegs organischer Folgerichtigkeit. Man 
soll nicht die Augen davor verschließen, daß ein 
Mißverhältnis besteht zwischen dem, was das so- 
genannte Zeitbedürfnis erwartet, und dem, was die 
meisten dieser Gelehrten zu sagen haben. Der um- 
fangreichste Artikel hat beispielsweise zum Gegen- 
stande: „Kostüm und Mode an den indischen 
Fürstenhöfen in der Großmogul-Zeit.“ Und wir 
wollen dem Herausgeber dankbar sein, wenn er 
durch die Aufnahme solcher Beiträge bezeugt, daß 
er nicht gewillt ist, die strenge und von den Stre- 
bungen des Tages abgeschiedene Tätigkeit des 
Spezialforschers dem Interesse am Aktuellen in 
irgendeiner Weise hintanzusetzen. 

So gibt das Jahrbuch auch dem Fernstehenden 
scheinbar einen guten Einblick in den Stand und 
in die verschiedenen Arten des wissenschaftlichen 
Vorgehens auf dem Gebiete der asiatischen Kunst- 
geschichte. Man empfängt überall den Eindruck, 
daß wir uns hier auf wissenschaftlichem Neuland 
befinden. Noch kommt der an der antiken Denk- 
mälerwelt geschulten archäologischen Methode 
keine andere an wissenschaftlicher Exaktheit 
gleich. Die entscheidenden und brennenden Auf- 
gaben kann freilich diese Methode nicht lösen. Sie 
schafft nur Voraussetzungen, notwendige Voraus- 


19 


Neue Bucher und B: der 


Zeitschrift fur Bucher freunde 


setzungen, uber die sich Andere, die gleich dzs 
Wesen der fremden Kunst erfassen und durci- 
dringen möchten, nur allzu leicht hınwegsetzen. 
Es fehlt der Asien Forschung die Tradition und ùs 
Einheit des Uberblicks, die wir auf Europa E. 
schrankten besitzen. Man denke nur an die kauz 
zu bewaltigenden Schwierigkeiten des Sprachez- 
verstandnisses! So wird man sich nicht wunder 
durfen, wenn die fundamentale aber zugleich arc} 
letzte Aufgabe der Kunstgeschichte, die des stl- 
geschichtlichen Begreifens der Einzelphanomese 
aus einem Gesamtverlauf auf diesem Gebiete so 
gut wie noch gar nicht in Angriff genommen is. 
Kurt Glaser, der in einem kurzen Artikel die Pro 
bleme der Forschungsauigaben und Forschurgs- 
methoden berührt, scheint die hier vorhandenes 
Schwierigkeiten noch wesentlich zu untersclätzen. 
Freilich kann man — es kommt ja nur auf cea 
Einzelnen an — das Verständnis östlicher Kunst 
auch sehr billig haben. Es ist erstaunlich, mi: 
welcher Fixigkeit „Deutschlands angesehenster 
Kulturhistoriker großen Stils“, „der berühmte Ver- 
fasser der Sittengeschichte“ und ähnlicher Bücker, 
Eduard Fuchs, sich aller dieser Probleme entledigt: 
„Die volle Klarheit über das Wesen der Kuas: 
einer bestimmten Epoche — warum sie so uLc 
nicht anders ist — bekommt man einzig durch 
die Entschleierung der historisch - ökonomischen 
Grundlagen und Tendenzen des betreffenden Ze::- 
alters.“ „In diesen verschiedenen Tatsachen haben 
wir den Schlüssel zum Verständnis der chinesischer 
Kultur in den Händen. Denn einzig durch de 
Kenntnis der aus einer solchen Wirklichkeit ect- 
springenden Gesetze des individuellen Handelns, 
und nicht durch Spintisieren über die tiefe Geist:g- 
keit des Taoismus und des Buddhismus erschlieber 
sich uns tatsächlich die wichtigsten der sogenanntet 
chinesischen Rätsel.“ Also auf zu Herrn Fuchs: 
Wir erfahren in seinen Büchern von Geldwescı. 
Kapitalismus, Ahnenkult, Gartenbau, Patriarchat, 
von Grabbeigaben als Instrumenten der Kredit- 
steigerung, von der Zweckmäßigkeit des chinesi- 
schen Daches, von der Schutzfunktion der pla- 
stischen Dachreiter und vom baktrischen Kamel 
als Verkehrsmittel. Das ist der Schlũssel! Ein et- 
was plumpes Werkzeug wird uns geboten: die 
materialistische Geschichtsauffassung als Erklä- 
rung, warum die Kunst „so und nicht anders ist"! 
Vielleicht gibt es wirklich solche, denen diese Er- 
klärung genügt! Aber ich fürchte, sehr viele Geng 
same werden kaum mehr zu finden sein. Es bleibt 
nach dem Gesagten noch übrig, zu erwähnen, dad 
die in den zwei Büchern publizierten Werke der 
sepulchralen und dachschmückenden Tang- und Min; 
keramik fast sämtlich Fuchs persönlich gehören, 
daß er diese bisher angeblich in unberechtigter 
Weise zurückgesetzte Kunst beweglich zu preisen 
und auch als Sammlungsobjekt zu empfehlen ver- 
steht, daß er schließlich der bisherigen Ostasien- 


20 


< Januar-Februar 1926 


~ Literatur vorwirft, sie sei von einem Verständnis 
“der „wirklichen Zusammenhänge und Untergründe 
der chinesischen Kunst und Kultur“ noch sehr weit 
entfernt. Wenn er mit dieser letzten Bemerkung 
“~ Recht haben solle, so hat er freilich Recht in einem 
sehr viel anderen Sinne, als er selber sicb's denkt. 
S Beenken. 


— 


l Peter Altenberg, Der Nachlaß. Berlin, S. Fischer, 
1925. 
Peter Altenberg war eine Persönlichkeit, deren 
starke Eigenart ihn im Leben und im Dichten zu 
etwas Besonderem, jeder Vergleichs möglichkeit 
Entrücktem gemacht hat, Seine Bücher sind die 
subjektivsten, die es gibt: Subjektivität indessen, 
die stark und vielartig genug war, die kleinen und 
~ groBen Dinge der Welt zu erfassen, zur klingenden 
‘= Membrane jeder seelischen Regung zu werden. 
‘= Dieser scheinbar einsiedlerische und wirklichkeits- 
abgewandte Dichter war dem Kosmos innigst ver- 
— bunden, der sich in ihm neu und besonders ge- 
- staltete. Altenberg war im guten Sinne des Wortes 
-- ein „origineller“ Mensch. Und all seine Originalität 
in ihrer oft bissig anmutenden Güte, seine Klug- 
=- heit des Herzens, seine aufreibende Kämpferisch- 
keit gegen alles Inferiore und Mesquine in Ge, 
"= schehnissen und Denken, sein barocker Witz, jenes 
= „Ecce poeta“ — wie es sein Biograph Friedell 
a heißt — das wir in seinen früheren Büchern ein 
:. wenig wehmütig zu lieben lernte, glänzt auch aus 
diesem Nachlaß in um so reinerem Metall vielleicht, 
- als Todesahnung, die gespürte Nähe der Ewigkeit 
der dichterischen Glockenpreise die letzte Läute- 
rung gab. E. E.S. 


Berthold Auerbach, Diethelm von Buchenberg. 
Mit Einführung von Otto Schumann. Reichenberg. 
`" Gebrüder Stiepel. 

4 Von einer Neu-Ausgabe der (allerdings besten) 
St Auerbachschen Erzählung Kenntnis zu nehmen, läge, 
bei aller Freude über ihre erneute Beachtung, doch 
an sich kein besonderer Grund vor. In diesem Falle 
aber verdient das ernste Bemühen des böhmischen 
* Verlags alle Anerkennung, in der Reihe „Bücher 
der Deutschen“ wertvolle deutsche Literaturdenk- 
> male in einfacher, aber sehr schöner Herstellung 
> vorzulegen. Vor allem aber ist diese Diethelm- 
Ausgabe, was man ihr nicht gleich ansieht, die 
Ausgabe eines Philologen, der sich die Mühe einer 
genauen Textrevision gemacht hat. Bisher haben 
die Neudrucke, die nach dem Freiwerden Auer- 
= bachs herauskamen, einfach den Text der Cotta- 
schen Ausgabe übernommen. Der Herausgeber 
Schumann hat den Text nach den älteren Aus- 
+- gaben revidiert und die eingeschlichenen Fehler 
ausgemerzt. Ein paar besonders charakteristische 
« Beispiele: S. 27 dieser Ausgabe: „ daß er alles ver- 
r kaufe, weil er kein Glück in der Schafhalterei habe“ ; 


2I 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


der verderbte Text hat, ganz sinnlos, dafür: Geld. 
S. 30 „bald lächelte er jedem und sein Antlitz war 
hochgerötet, bald wurde es schlaff und verdrossen 
und alles Blut wich daraus zurück.“ Verderbter 
Text: er. S. 52 „Zu seinem Schreck erkannte Diet- 
helm den Kastenverwalter, doch fat er rasch freund- 
lich zu ihm.“ Sonst dafür: trai; und damit ginge 
die beabsichtigte Kennzeichnung der Heuchelei 
Diethelms ganz verloren. — Daß diese mühevolle 
Philologen-Arbeit gerade an eine volkstümlich ge- 
dachte Neuausgabe gewandt worden ist, verdient 
besondere Anerkennung und — Nacheiferung, da- 
mit die Forderungen, die Witkowski an die Heraus- 
gabe neuerer Literaturwerke gestellt hat, allmählich 
Selbstverständlichkeiten werden. 
Hans Knudsen. 


Hans Bethge, Die armenische Nachtigall. Berlin, 
Gyldendalscher Verlag. Quer-8°. 

Das schön gedruckte, mit einem farbenprächtigen 
Umschlag Georg Mathéys geschmückte Buch ent- 
hält Lieder des Nahabed Kutschak, von dem bis- 
her niemand den Deutschen kündete. Er hat, wie 
Bethge im Geleitwort sagt, vermutlich im re Jahr- 
hundert als fahrender Sänger gelebt, zumeist in 
der persischen Form des Vierzeilers gedichtet, aber 
leidenschaftlicher, strömender als Omar Khayam 
und seinesgleichen. Aus französischer Prosa hat 
Bethge hundert dieser Lieder neu geschaffen, mit 
jener immer wieder bewährten Gabe des Erfühlens 
orientalischer Art, die bei uns heute keinem so wie 
ihm gegeben ist. Die einfache Gegebenheit einer 
Situation wird durch leise zwischen den Zeilen 
webende Laute der Sehnsucht, der Klage, des Jubels 
zum Ausdruck tiefsten Fühlens, verstärkt durch 
den Schmuck der Vergleiche und die oft zauber- 
hafte Naturbeseelung. Bethge hat uns mit diesen 
Gedichten reich beschenkt und seinen früheren, 
so dankbar aufgenommenen Nachdichtungen eine 
neue, gleichwertige hinzugefügt. G.W. 


Flodoard Freiherr von Biedermann, Goethe als 
Rátseldichter. Mit einem bisher unbekannten 
Goethebild von Jagemann (X. Berthold-Druck). 
Berlin, H. Berthold, 1924. 4°. 

Man sollte nicht glauben, es gäbe noch ein 
Schaffensgebiet Goethes, das nicht irgendwie be- 
handelt worden wäre. Biedermann hat wirklich 
ein solches Gebiet, und noch dazu ein keineswegs 
reizloses, entdeckt. Seine Darstellung geht von 
dem Rätselhaften in Goethes Leben und Dichten 
aus, kommt dann auf den verborgenen Sinn seiner 
Märchen, dann auf das nach Schützes Angabe 
Sylvester 1806 bei Frau Schopenhauer erwähnte 
große Rätsel Goethes, das den Verfasser zum Auf- 
suchen aller verwandten Stücke in Goethes Werken 
veranlaBte. Er fand deren 19, auf Schützes An- 
gabe paßte keins von ihnen, aber nun lag doch 


22 


Januar-Februar 16426 


einmal dieses ganze Feld often da, und im zweiten 
Teile wird es mit mannigfachem Gewinn abze- 
schritten, weit über die bloBe Tatsachenmehrung 
hinaus. Selten ist ein so ansprechender neuer 
Stoff für einen Privatdruck gefunden worden, der 
auch durch die Walbaum-Schriften ur.d das schöne 
Papier die Reize des Inhalts um so heller auf- 
leuchten laßt. G.W. 


Borchardt-Wustmann, Die sprichwörtlichen Re- 
densarten im deutschen Volksmund, nach Sinn und 
Ursprung erläutert. Sechste Auflage. Vollständig 
neu bearbeitet von Georg Schoppe. Mit 35 Bildern. 
Leipeig, F. 4 Brockhaus, 1925. 

Wustmann hat sein Verständnis deutschen 
Sprachgeistes durch die Erneuerung des trefflichen 
Borchardtschen Buches im Jahre 1894 besser er- 
wiesen als durch seine berufenen „Sprachdumm- 
heiten.“ Dem Werke waren in dieser Form noch 
vier Auflagen beschieden; aber im Laufe eines 
Menschenalters schritt die Forschung weiter. So 
erwies sich eine zweite Verjungung als notwendig, 
und diese nahm der Breslauer Stadtbibliothekar 
Schoppe vor. Auf Schritt und Tritt bemerkt man 
beim Vergleich die Besserungen in Gestalt von ge- 
änderten, vermehrten und fortgelassenen Stücken; 
vielleicht hätte noch so manches ohne Mühe Ver- 
ständliche ebenfalls gestrichen werden können, 
wie z.B. „in die Schranken treten“. Für die nied- 
rigste Bildungsstufe, der solche Redensarten viel- 
leicht nicht ohne weiteres verständlich sind, ist 
ein solches Buch nicht bestimmt. Die Höhergebil- 
deten und dicjenigen, die ihre deutsche Sprache 
lieben, können an dem überreichen und meist 
gesicherten Wissen, das ihnen hier geboten wird, 
ihre Freude haben, um so mehr, da auch die Buch- 
gestalt durch die gutgewählten Bilder sehr ge- 
wonnen hat. Das Satzbild ließe sich freilich noch 
gefälliger, weniger schulbuchartig gestalten. 

A—S, 


Hans Carossa, Rumanisches Tagebuch. Leipzig, 
Insel-Verlag, 1924. 

Hans Carossa, der bayrische Dichterarzt, erlebt 
hier drei Monate Feldzug durch Rumänien von 
Oktober bis Dezember 1916. Erlebt sie im Außen 
und Innen in der Natur und im Geist, mit sachlich 
inniger Besinnlichkeit, welche die immerwache 
Blickschärfe mit einer halb traumhaft erfühlten 
Weltvernunft auf eine so glückliche Art paart, wie 
wir sie selten bei andern zeitgenössischen Dichtern 
finden dürften. Immer gegenwärtig und doch immer 
entrückt, auf dem physischen Plan der Tat wie 
dem geistigen des Gott- und Weltgefühls gleicher- 
maßen zu Hause, strömt diese Dichtung ein eigen- 
artiges seelisches Aroma aus, das treiben läßt auf 
rauschenden Wellen eines breiten Daseinsstromes 
wer sich von ihm mitziehen lassen will und die im 
Erdentraum Befangenen der Unendlichkeit zurollt, 


23 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücherfreund: 


ohne doch den festen Boden des Lebens unter de- 
Füßen verlieren zu lassen. Gleich zu Anfang hzi: 
ein munteres Traumwort: „Es ist nichts Ell:ges, na- 
eine Botschaft vom Heiligen Geist‘“. Man mætt: 
das als Überschrift oder Kennwort des Bucis 
lesen und seinen leicht dahınschwebenden Rhv::- 
mus, sein geistdurchsichtetes Farben- urd Tio 
spenden als solch weihevoll-selige Kurdgebtr: 
ewiger Mächte auffassen. Dazu ein anderes. ebers: 
nachhaltig angeschlagenes Thema: . Opfern wir urs 
bewußt und freudig dem unbekannten Geist ce 
Zukunft, bevor uns ein armseliger Zufall ereilt uni 
sinnlos zerfleischt.“ Wie ein sakrales Ahnen 15:: 
es aus den Aufzeichnungen des Leutnants Glavina: 
„O Freund, ich selber würbe gern ein Heer 23 
wunderbarem, nie gewagtem Feldzug; aber es is: 
noch zu früh. Der Feind, den wir úberall spüren, 
hütet sich zu erscheinen ..“ Der Gegensatz zw- 
schen dem bunt Beweglichen, Episodenhaften dir 
Begebenheiten und solchen durchgebenden üb:r- 
sinnlichen Melodien macht den Hauptreiz dicser 
Tagebuchblätter aus, die sich lesen wie ein Stück 
felsgegründeter Wahrheit umsponnen von segrelir.der 
Bläue der Dichtung, durchzogen von sattem Lech, 
ten malerischer Naturgesichte und umspieit voz 
silbernen Harfenklängen andächtiger Gottessch:u. 
In den Schilderungen der beschwerlichen Märsche 
und ihrer kriegerischen Schrecken, der wechselnder. 
Ortschaften und immer neuen Menschen ist Cas 
kernhaft Urtümliche mit fein abgewogener Kuast 
festgehalten, das allgemein Sinngebende entkull: 
sich im Erfahrenen wie im Gedachten, im Vorfai 
selbst wie in seiner praktischen Nutzanwendung ati 
so anmutig- ernste und gelassen-tiefsinnige Weise. 
daß auch die Verstümmelungen und Schmerzen. 
die Entbehrungen und Leiden des Wegs sich mit 
hellen Lichtbändern durchziehen und der Atmo- 
sphäre des Sonnenhaft-Weltanschaulichen sch 
schmiegen. Uber die nachtdunkelsten Schlünd:, 
über Schrapnellfeuer und Granaten verheerung, den 
ZerreiBen menschlicher Glieder und menschlicte: 
Hoffnungen laBt der göttliche Festgesang de: 
Lebens seine rosa Wölkchen tanzen. Wiederhol: 
erfährt der Mensch hier die leben weckende Kraft 
des Sinnbilds, wie das aus Natur wirklichkeit und 
Phantasie seltsam zusammengeschlossene Gleichnis 
der Schlange, die am reichgeschmückten Hofto: 
des siebenbürgischen Hauses sich an den blauen 
Leuchter mit gelbrot brennender Kerze aufringel: 
und, sich entschleiernd, nach der geistigen Ord- 
nung des Kunstwerks gewandelt wird, bis sie ., den 
Flammenkern von der Kerze gebissen hat und iha 
zwischen den Zähnen fortträgt“. Dadurch ver- 
stärkt, greift bedeutsam in das Gefühlszentrum 
der Aufhorchenden die wiederholte Mahnung ein: 
„Raube das Licht aus dem Rachen der Schlange“ 
Bis dann das Tagebuch in einem gewaltigen 
orphisch-rhapsodischen Gesang ausklingt und da: 
Vermachtnis des gefallenen Glavina lichtblitzend 


24 


~ Januar-Februar 1926 


und geheimnisvoll zugleich in die mühsam er- 
- rungene Kampfruhe schallt, aufrüttelnd und mah- 
nend an die Wiederaufrichtung des zerbrochenen 
l _Menschenbildes, dem, nach den Worten des Dichters 
„das Mal der Toten auf bereiften Felsen und Wa- 
cholderflur errichtet ist.“ Und dem furchtbaren 
Abgrund der Verwesung entringt sich ein letzter 
gottweissagender Freiheits- und Erlösungsschrei: 
„Vermorscht sind schon die Leichen am Berge 
EKisharas, verrostet unsere Schwerter, vergessen 
unser Kranz, da freuen sich Menschen wieder un- 
schuldig des Brotes und Weines, die uns verbittert 
sind... Aus erschittertem Blut steigen kühne 
Beginner, und die Satzungen sind Gesang“. 
Magda Janssen. 


Benvenuto Cellini, Lebensgeschichte, von ihm 
selbst erzählt. Deutsch von Alfred Semerau. Mit 
- 48 Tafeln. Berlin, Propylden- Verlag. 

Kurz nach der schönen Ausgabe der Goetheschen 
Cellini-Übersetzung, die bei der Frankfurter Ver- 
lags-Anstalt herauskam, erhalten wir die Selbst- 
biographie des Florentiners von neuem in einem 
ähnlich vornehmen Druck. Sein Daseinsrecht neben 
dem Vorgänger will er dadurch begründen, daß 
Semerau hier eine völlig neue Verdeutschung liefert. 

- Goethe war der ersten italienischen Veröffentlichung 
der Selbstbiographie gefolgt (nicht, wie Semerau 
unbegründet behauptet, der englischen Übersetzung 
von Nugent). Erst lange nachher wurde die wesent- 
lich bessere Originalhandschrift Cellinis entdeckt, 
und zuerst 1829 von Tassi gedruckt. Bereichert 
durch die Ergebnisse der ausgedehnten jüngsten 
Cellini-Forschung wurde sie 1890 von Guasti muster- 
haft herausgegeben, diesen Text wiederholt auch 
die Ausgabe Orazio Baccis, der Semerau folgt, 
und diese Ausgabe ist folglich keineswegs ,,die ein- 
zige auf der ursprünglichen Handschrift fuBende.“ 
Auf diese kleinen Ungenauigkeiten der Einleitung 
kommt nicht viel an; wohl aber muß es als er- 
heblicher Mangel gelten, daß Semerau absichtlich 
Goethes Übersetzung überall aus dem Wege geht, 
auch an den vielen Stellen, wo er nichts besseres 
zu bieten hat. Damit soll nicht etwa Mangel an 
Ehrfurcht gegen den großen Vorgänger gerügt wer- 
den; jeder neue Verdeutscher eines fremden Werkes 
darf und soll auf eignen Wegen dem nie völlig er- 
reichbaren Ziele zustreben. Aber auf Goethes Wort- 
laut, auf seinen Satzfügungen liegt eine Anmut, 
eine Patina, welche die künstlerische Überlegenheit 
an allen den Stellen sichert, wo nicht die bessere 
Vorlage Änderungen und Zusätze bedingt. Der 
Erneuerer sollte demgemäß, um berechtigte For- 
derungen zu erfüllen, nur dort bessernd eingreifen, 
wo Goethe wegen seiner ungenügenden Vorlage 
1icht den Sinn und den vollständigen Inhalt der 
Niederschrift Cellinis geben konnte. Dieses Ver- 
ahren hätte zwar hier und da — die Stellen 
ind nicht zahlreich — eine gewisse Ungleichheit 


25 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücher freunde 


des Stils der Übersetzung bewirken können; doch 
scheint es mir trotzdem das künstlerisch bei weitem 
bessere. Vielleicht hindert mich die langjährige Ver- 
trautheit mit Goethes Wortlaut, dem neuen nach 
Gebühr gerecht zu werden. Immerhin dürften 
auch objektive Gründe dagegen sprechen, einen 
fremden Autor, von dem einmal eine klassische 
deutsche Prägung geschaffen worden ist, von Grund 
aus neu zu formen. Daß ein solcher Versuch ge- 
ringe Aussicht auf allgemeine Anerkennung habe, 
lehren ja auch die Schicksale der Übersetzungen 
Homers nach Voß und Shakespeares nach Schlegel- 
Tieck. Ich fürchte, es werde dem , Cellini“ Semeraus 
trotz der gediegenen Ausstattung des Propyläen- 
Verlags nicht besser ergehen. G. W. 


Briefe an Cotta, Das Zeitalter Goethes und Na- 
poleons 1794—1815. Herausgegeben von Maria 
Fehling. Stuttgart und Berlin, J.G. Cottasche Buch- 
handlung Nachf., 1925. 

Der königliche Buchhändler Cotta, dem großen 
zeitgenössischen Corsen vergleichbar, richtete ein 
mächtiges Reich des Geistes auf, das freilich kein 
Moskau und Leipzig erlebte, aber doch nach 
dem glänzenden Aufstieg keine neuen Provinzen 
mehr hinzu eroberte. Von dieser ersten großen 
Zeit berichtet der vorliegende Band in den an 
Cotta gerichteten Schreiben seiner größten und 
wichtigsten Autoren. Neben den schon bekannten 
Briefen Goethes, Schillers, Fichtes, Jean Pauls, 
Kleists fällt der breiteste Raum zeitbedingten 
Persönlichkeiten zu: Johannes von Müller und 
seinem Bruder Johann Georg und Posselt, dem 
Herausgeber der „Europäischen Annalen“, des 
ersten deutschen politischen Organs großen Stils. 
Mit allen seinen Autoren hat Cotta auf bestem 
Fuße gestanden, dank seinem klugen, großgearteten 
Verhalten und einer Diplomatie, die jeden einzelnen 
richtig zu nehmen wußte. Man lese nur z.B. die 
drei Briefe Lichtenbergs, die so deutlich die kluge, 
menschlich warme Art Cottas im Echo erkennen 
lassen. Neben diesem Hauptgewinn bringt der Band 
zahlreiche Beiträge zur Einzelcharakteristik der 
31 Korrespondenten. Er ist in der Tat ein wert- 
volles Dokument zur deutschen Geistesgeschichte, 
wie der gegenwärtige Inhaber der Firma Cotta in 
seiner Vorbemerkung sagt. Die kundige Heraus- 
geberin hat ihre Aufgabe mit gutem Wissen und 
taktvoll zurückhaltend erfüllt. G. W. 


Hermann Drahn (). Das Werk Stefan Georges. 
Seine Religiositát und sein Ethos, Leipzig, Ferdinand 
Hirt & Sohn, 1925. 

Neben die Bücher von Wolters, Gundolf, die 
anonymen „Georgika“ und die sonstige zahlreiche 
George-Literatur tritt die Schrift Drahns in be- 
wundernder Aufschau, um eignes Sehnen bei 


26 


Januar-Februar 1926 


dem großen Dichter und Seher erfüllt zu finden. 
Aus dieser Absicht fließt die unbedingt bejahende 
Haltung (., Kritisieren, besser wissen, besser machen 
wollen ist schamlos“) und die damit vereinte, oft 
etwas gewaltsame Auswahl und Auslegung der 
Worte Georges. Aber daraus gerade erwächst die 
Einheit einer hohen religiös-ethischen Anschauung. 
P—e. 


Das buch der geschicht des grossen allexanders. 
(Die deutschen Volksbicher, herausgegeben von 
Richard Benz) Jena, Eugen Diederichs, 1924. 

Der Alexander-Roman in jener Redaktion, die 
bald einem Eusebius, bald einem Pseudokallis- 
thenes zugeschrieben wurde, ist von dem gelchrten 
Arzte Johannes Hartlieb im Jahre 1444 ins Deutsche 
übertragen worden, vornehmlich seiner Gönnerin 
der Herzogin von Bayern zu Gefallen. Ein „Volks- 
buch“ sollte das Werk gewiß nicht sein und ist es 
auch nie geworden. Uns freilich mutet die wunder- 
sam ausgeschmückte Geschichte wie ein Erzeugnis 
phantasiestarker Zeit an, die ihre Mären an Stelle 
der echten Überlieferung des Geschehenen setzte, 
und so tritt das Buch in die Reihe derer, die von 
der zeugekräftigen Volksseele geboren worden sind. 
Dieser Eindruck wird verstärkt durch die treu- 
herzige von Benz geschaffene Fassung und durch 
die altertümliche Druckform, zwei Eigenschaften, 
die der ganzen Reihe der Volksbücher des Verlags 
Diederichs ihren Wert und Reiz sichern. 

G. W. 


Annette von Droste- Hülshoff. Ungedrucktes. 
Herausgegeben von Dr. Karl Schulte- Kemming- 
hausen. Münster i. W., Regensberg, 1925. 

Der junge Forscher Schulte-Kemminghausen, 
der sich mit der 1925 in Verbindung mit Frau 
Dr. Bertha Badt-StrauB und Kurt Pinthus heraus- 
gegebenen großen textkritischen Gesamtausgabe 
Annettens gut eingeführt hat, veröffentlicht in 
dem obigen Bändchen im Auftrage der Droste- 
Hülshoffschen Familienstiftung eine Reihe von 
33 ungedruckten Gedichten aus bisher noch nicht 
publizierten Manuskripten der Dichterin und gibt 
ihnen Erläuterungen im Anhange bei wie auch 
Proben von Annettens Zeichenkunst. Neben Reime- 
reien aus frühester Jugend, auf der Schiefertafel 
aufgezeichnet und von der Mutter sauber abge- 
schrieben, enthält das Auswahl-Bändchen Gelegen- 
heitsgedichte aus späterer und aus der Reifezeit 
und einige von Annette aus dem Druck ausge- 
schiedene Dichtproben. Darunter zeigen uns die 
Gedichte „Der Spekulant“ und ,,Verfehlter fran- 
zösischer Roman‘ eine bisher weniger gekannte 
satirisch-karikierende Ader der Verfasserin, ,,Bal- 
lade“ mit dem Lenore-Motiv steht unter Bürger- 
schem Einfluß, der „Abschied von der Schweiz‘, 
dem „Land, wo ich keine Nachtigall und keine 
Liebe fand“, beweist, daß Annette auch dort nicht 


27 


Neue Bücher und Bilder 


das innere Glück gefunden hat, daß sie ruhelos i= 


— das Gedicht ist 1836 verfaßt. Die beigeftct-- 
ganzseitigen Zeichenproben ergeben, daß das Urt- 
des Droste- Biographen Huffer, Annette habe f:i: 
die Malerei eine ausgesprochene Begabung beses>:. 
zu optimistisch ist und dahin korrigiert we-d-" 
muß, daß ihr Talent auf rein künstlerischem Get: 
sehr bescheiden war. Das wird sich noch grir?. 
licher erkennen lassen, wenn die von Schele- 
Kemminghausen vorbereitete Abhandlung Che 
sämtliche Zeichnungen und Bilder der Dichte: 
vorliegt, über die die bisherigen Nachrichten bh&is 
lückenhaft waren. Die Bedeutung des drucktec>- 
nisch vorzüglicb ausgeführten Schriftchens li: 
meines Erachtens auch darin, daß die freiherrlict: 
Familie Droste-Hülshoff als Haupterbin des Na::- 
lasses und der Manuskriptenmasse Annettens ur 

immer weiter darin geht, bisher unbekannte ur 

von der Veröffentlichung ausgeschlossene Gedichte. 

wie sie ganz besonders der wichtige Meersbur:«: 

Nachlaß noch in sich birgt, zugänglich zu macher. 

In einem Nachlaß- und Ergänzungsband zu ce: 

neuen textkritischen Gesamtausgabe wird Schulte. 

Kemminghausen weiteres ungedrucktes Mater: 

mit beigefügtem kritischen Apparat vorlegen. 

H. J. 


Franz Dülberg, Deutsche Malerei. Mit 32 Bi 
dern. Dritte Auflage, Berlin, Wolksverband ia 
Bücherfreunde, 1924. 

Die Notwendigkeit einer dritten Auflage diss: 
erstaunlich kenntnisreichen Buches spricht für di: 
Erfüllung des Vorsatzes seines Autors: in zweiund- 
dreißig gedrängten Lebensbildern deutscher Maler 
die Entwicklung aufzuzeigen auf diesem Kuns:::- 
biete, das im wesentlichen freilich und im Gegensa:: 
zu Dichtung und Musik viel Anregung und Nabrır: 
von früher gefestigten Malkulturen unserer võit- 
schen Nachbarn erfahren mußte, trotzdem aber in 
nicht wenigen Erscheinungen zu internationale: 
Bedeutung gelangt ist. Es ist durchaus kein aus 
der Kunstgeschichte zusammengetragenes Kor- 
pendium ; die Werturteile sind überall aus eigenster 
Anschauung geschöpft, und mit sicherem Instisk: 
für das Originelle und Kernhafte deutscher Inner- 
lichkeit. Gerade darum möchte man wünschen, da! 
in künftigen Auflagen vielleicht doch die Charakte- 
ristik geschlossener um eins oder nur einige der it 
Betracht gezogenen Werke konzentriert würde: 
für den Leser ist es ohne unterstützende Anschau- 
ung schwer, eine über das Begriffliche hinausgehen: 
Vorstellung der Objekte aus den periodisch zv- 
sammengefaßten Werturteilen über dieselben her- 
auszulösen. Die Aufzählung des Gesamtwerk 
würde besser den verdienstlichen Literaturnach- 
weisen hinzugefügt. M.M. 


28 


Zeitschrift für Bücher freun. 


Januar · Februar 1926 


Leo Frobenius und Hugo Obermaier, Hadschra 
_4aktuba. Urzeitliche Felsbilder Kleinafrikas. Mit 
5 mehrfarbigen und 105 einfarbigen Bildtafeln 
ind 11 Karten. München, Kurt Wolff, 1925. 

? Die Ergebnisse der Expedition, die Frobenius, 
“egleitet von einem großen Stab von Mitarbeitern 
910 und 1913, das zweite Mal dank einer groß- 
zügigen Spende von Wilhelm II., nach Kleinafrika 
“remacht hat, liegen in einem wundervollen Ab- 
_ildungswerk vor. Die Kultur- und Vorgeschichte 
Xieinafrikas, die in den Felsbildern einen groß- 
“artigen Niederschlag gefunden hat, bildet den In- 
"alt des Buches, während die Untersuchungen über 
-aráhistorischen Grabbau und Märchen an anderer 
‚stelle veröffentlicht wurden. 
= Frobenius beschränkt sich auf einen eingehen- 
-len Fundbericht. Das Hauptfundgebiet der Fels- 
-alder erstreckt sich von Südwest nach Nordost, 
von der Taghit-Oase bis Enfouss. Es ist Bergland, 
-weder im Schottgebiet noch im Ergsand wurden 
kFelsbilder gefunden. Zwischen vorzeitlichen Grä- 
dern und Felsbildern sind Beziehungen vorhanden, 
an der Stätte des Todes ziehen Elefanten im Bilde 
vorbei, Löwen blicken majestätisch auf die Gräber 
‘zu ihren Füßen. Heute noch bringen die Einge- 
dorenen, die oft nichts mehr vom Vorhandensein 
ler Felsbilder wissen, ihre Opfer an dieser Stelle 
lar. Beweis genug, daß sich hier uraltes Kult- 
Zebiet ausbreitet, das einst über üppigem Jagd- 
zelände lag. Die Tierdarstellungen sind von über- 
„taschender GroBartigkeit, Menschendarstellungen 
können sich in künstlerischer Beziehung nicht im 
entferntesten mit ihnen vergleichen. Die Felsbilder 
zehören verschiedensten Perioden an. Auf eine 
Epoche von verblüffend kühnem Verismus, die 
große Kompositionen kennt — ein Leopard verfolgt 
ein Antilopenrudel, ein Elefantenweibchen vertei- 
digt sein Junges gegen den angreifenden Leoparden 
_— folgt eine geometrisch-schematische Epoche, die 
die Fläche nicht mehr in geschlossener Reihe zu 
beleben vermag, sondern sie mit einem Durch- 
-einander von Schriftzeichen und Hakenkreuzen 
füllt. Die jüngste Periode mit Darstellungen von 
Kamelen, in der man selbst einen Mann mit an- 
legender Flinte erkannt hat, ist in ihrer künst- 
lerischen Ausbeute wenig ergiebig. 
Hugo Obermaier, der verdiente Prähistoriker, 
vergleicht die afrikanischen Felsbilder mit den be- 
kannten französischen und spanischen Funden, 
Wieder erweist sich, daß das Mittelmeergebiet einst 
-eine Kultureinheit gebildet hat und daß der Mensch 
des ausgehenden Eiszeitalters, des Diluviums oder 
Quartär, schaffender Künstler gewesen ist. Seine 
Farbenskala war beschränkt, durch Unterschnei- 
‘dung, Einritzung, Punktierung hat er die Wirkung 
erhöht. Wenn die Felsbilder schon in der Repro- 
duktion so stark wirken, wie gewaltig muß ihre 
Wirkung in der Natur sein. 
Eine endgültige Lösung der Altersfrage der 


29 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


afrikanischen Felsbilder ist nach dem heutigen 
Stand der Forschung nicht möglich. Die An- 
sichten von Frobenius und Flamand gehen aus- 
einander, Obermaier bringt die Bilder „trotz ge- 
wissen Bedenken mit dem Quartär in Zusammen- 
hang.“ Ihr religiöser Charakter unterliegt keinem 
Zweifel. Der scheibengekrönte Widder spricht da- 
für so gut wie die Darstellungen wilder Tiere. Die 
erhoffte Beute wurde vor Beginn der Jagd im 
Bilde „gebannt“, gefährliche Raubtiere durch ihr 
Abbild versöhnt, um sich vor ihrer Rache zu 
schützen. Rosa Schapire. 


TheophilGautier, Gesammelte Werke. Mit Zeich- 
nungen von Karl M. Schultheiß. Hellerau, Avalun- 
Verlag. 

Diese auf zehn Bande berechnete Ausgabe be- 
sticht auf den ersten Blick durch ihr höchst an- 
mutiges Gewand. Die rotgelben Leinwanddecken 
umschließen einen typographisch schönen Inhult, 
an dem Jakob Hegner von neuem sein allbekanntes 
Können bewährt. Fast erscheinen die zahlreichen 
Bildchen von Schultheiß als entbehrliche Zutat, 
die das reine Satzbild um so mehr stört, da die 
Strichätzung für diese subtile Manier kein genügen- 
des Reproduktionsmittel ist. Wozu überhaupt 
Gautier illustrieren? Bei diesem Maler-Poeten wird 
ja alles durch das musterhaft gehandhabte Wort 
zum auschaulichen Bilde; liegt ja gerade in dieser 
Fähigkeit die Hauptursache seines Erfolgs, seiner 
starken Wirkung auf die dichtenden Zeitgenossen 
und seiner historischen Bedeutung. Gautiers Ge- 
dichtsammlung ,,Emaux et Camées‘‘, leider in den 
Plan der neuen Ausgabe nicht einbegriffen, bleibt 
der Grundpfeiler seines Ruhms, weil an diesen 
Versen die Parnassiens und ihre Nachfolger sich 
schulten. Der Erzähler Gautier stand im Schatten 
der Größeren seiner Zeit: Mérimée, Victor Hugo, 
Balzac, Georges Sand. Trotzdem ist es verdienst- 
lich, seine fast vergessenen Romane und Novellen 
zu neuem Leben zu erwecken; sie wirken durch 
ihre subtile Zeichnung, durch leichte Erfindung, 
durch gute Psychologie und vor allem auch durch 
die spannenden und erregenden Zutaten auch auf 
den heutigen Leser so stark, daß man die meisten 
nicht vor dem Schlusse aus der Hand legen mag. 
Wie gut sind in den „ vertauschten Liebespaaren“ 
die geheimnisvollen, die rührenden und die hero- 
ischen Züge gemischt! Wie fein löst sich in,, Ata var“ 
der scheinbar unlösliche Knoten des okkultistischen 
Seelentauschs! Wie zart malt „Jettatura“ und 
„Arria Marcella“ süditalienisches Dasein der Ge- 
genwart und der Römerzeit! Allenthalben be- 
wundert man Können und archäologisches, ethno- 
graphisches, kunstgeschichtliches Wissen, aufs ge- 
schickteste in den Dienst der jeweiligen Erzählung 
gestellt. Wer die bisher erschienenen drei Bände 
genossen hat, muß auf den Besitz der folgenden 


30 


Januar-Februar 1925 


gespannt sein. Sie werden die Hauptwerke bringen: 
Mademoiselle de Maupin, Das Geheimnis der Mumie, 
Capitan Fracassa, hofientlich in ebenso guter Ver- 
deutschung, wie die ersten Bande durch Alastair 
und Gabriele Betz erfuhren. G. W. 


Gerhart Hauptmann, Fasching. Berlin, S. Fischer, 
1925. 

Diese Jugendarbzit Hauptmanns, die in der 
illustrierten Fischerschen Romanbibliothck mit 
kongenialen Zeichnungen Alfred Kubins erschienen 
ist (eine Vorzugsausgabe soll folgen), vervollstān- 
digt das Werk des Dichters. Indessen hat die 
Novelle andere stärkere als lediglich literarisch- 
historische Reize. Sie enthält die Geschichte eines 
vergnügungsfreudigen Segelmachers, der zum 
Schluß eines fröhlıch durchschwärmten Faschings 
bei der Heimfahrt über den gefrorenen See mit 
Frau und Kind verunglückt. In knapper Schilde- 
rung werden ein Lebensschicksal, ein Stückchen 
Welt geformt. Es war die Hand des Meisters 
schon, die die Feder zu dieser Arbeit ansetzte. 

LG ES. 


Het eerste nederlandsche gedrukte Kookboek 
(Brussel, Thomas van der Noot, ca. 1510). Fac- 
simile-uitgave naar het eenig bekende exemplaar 
in de Bayerische Staatsbibliothek, Munchen. 
’s-Gravenhage, Martinus Nijhoff, 1925. 

Das 30 Blatt 8° (A 1—6, B 1—G 4) zählende 
Büchlein verdiente die Wiedergabe des Münchener 
Unikums. Drei große Holzschnitte (der Titel, eine 
Küche darstellend, am Schlusse vor dem Drucker, 
wappen wiederholt) zieren den Druck. Leider kann 
die Reproduktion nicht als wohlgelungen gelten; 
die Schrift ist auf manchen Seiten so unscharf, daß 
das Lesen über Gebühr erschwert wird. Indessen 
wird auch in dieser Gestalt das wohlfeile Heft den 
Sammlern zur Ergänzung einer anders nicht aus- 
füllbaren Lücke willkommen sein. G. W. 


Menschen, Völker, Zeiten. Eine Kulturgeschichte 
in Einzeldarstellungen, herausgegeben von Max 
Kemmerich. Wien, Karl König. 

Die ersten fünf Bände einer neuen, vielver- 
sprechenden Büchersammlung. Nennt man die 
Namen der Verfasser, so ist damit schon gesagt, 
daß hier Ergebnisse reifer Forschung und hohen 
Darstellungsvermögens dargeboten werden sollen: 
Homer und seine Zeit von Thassilo von Scheffer, 
Freiherr von Stein von Rıcarda Huch, Macchiavelli 
von Max Kemmer:ch, Robespierre von Carry Brach- 
vogel, Abraham Lincoln vom Grafen Albrecht 
Mongelas. Der treffliche Spamersche Druck, die 
zahlreichen guten Bilder, das schöne Papier und 
der gefällige grüne Leinenband wecken auch durch 
das Äußere der stattlichen, dabei wohlfcilen Bände 
den günstigsten Eindruck. A—s. 


3I 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für B uc her freun ii 


Curt Moreck, Das weibliche Schonheits-1d::: 
im Wandel der Zeiten. Mit 215 Bildern. Mürcı: 
Franz Hanfsiaengl, 1925. 

Was die Zeiten und die Volker in die weiblich 
Gestalt hineinlegten, ist ihre Sehnsucht nach eg 
Seinsollenden, einer das sinnlich erfaBbare, rasse. 
mäaßıg bestimmte Körperbild umformenden Vir 
stellung von Schönheit, d. h. greifbar geworde:: 
Idee. Nicht Vereinigung von Einzelreizen ward: 
Schonheitsgottin jeder Epoche, — sie eruti 
schaumgeboren aus dem flutenden Meere de: 
Künstlerseele und kúndete von ihres Schöpfer 
Welt, innerer und äußerer. So wird das Themi 
dieses Buches Weltgeschichte, erfaßt an ihren ge- 
heimsten Wurzeln. Wir schreiten die Reibe de: 
Gestaltungsarten in 26 Kapiteln ab, von Agw- 
tern und Hebraern bis zu unseren Miutlebcace: 
Moreck ist ein kundiger Führer und Deuter, Ze: 
zur bildenden Kunst die dichtende gesellt, um 
dort, wo die eine versagt, die andere eintreten z: 
lassen. Dem Leser und dem Beschauer erötiz«: 
sich cin geweihter Hain, aufs reichste geschmis: 
mit edlen Gestalten und überall in mannigfackste: 
Abwandlung den Spruch bewáhrend „beltà vince’. 
Solchen Schónheitssieg kündet auch die Form Ze, 
Werkes. Es ist in Druck und Illustration, Pape 


und Einband (von Steiner-Prag) ein Erzeugt 
hohen Qualitätsgefühls und edlen Geschmacks. 
A—Ss. 


Carl Spitteler, Prometheus der Dulder. Jens. 
Eugen Diederichs, 1924. 

Ehe Carl Spitteler ins Jenseits hinüberz':: 
spendete er uns noch sein großes Erstlingswerk :: 
völlig erneuter Gestalt. Die äußere Form bkat € 
dem „Olympischen Frühling“ angeglichen, d: 
Komposition straffer gerundet, den Geist und Sir: 
der ersten Fassung erhalten. Dankbar empfar ge- 
wir diese letzte große Gabe des einzigen cht: 
Epikers unserer Zeit, des alleinstehenden grc«: 
Schweizers, der Gedankendichter und Wirkl:- 
keitsformer im höchsten Sinne des Wortes ua. 
Seine Werke werden bleiben, wenn all die kleire: 
Leistungen seiner Tage dem Untergang verfalict. 

G. W. 


Olto Stoessl, Adalbert Stifter. Eine Studie. Siu: 
gart, Deutsche Verlagsanstalt, 1925. 


Otto Stocssl hat die Gestalt Adalbert Stifter: | 
mit der Empfindsamkeit eigenen Dichtertun: | 


erfaßt. So macht er sein Buch zu mehr als 23 
einer Studie nur: zu einem plastischen Bildwer: 
des österreichischen Poeten, dessen bezwingend: 
Schöpferkraft, dessen „Dämonie der Einfachhet 


heute eine neue und wohlberechtigte Auferstehu:: | 


erlebt. E. E.S. 


32 


Januar-Februar 1926 Neue Bücher und Bilder Zeitschrift für Bücherfreunde 


Symbolum apostolicum. Blockbuch, wiederge- 
"eben nach dem Unicum der Wiener National- 
bibliothek. Mit Geleitwort von Ottokar Smital. 
München, Kurt Wolf. 

Der Holzschnitt des 15. Jahrhunderts gehört 
zu den Gebieten, denen sich die deutsche Kunst- 
"wissenschaft in den letzten Jahrzehnten mit er- 
_1úhtem Interesse zugewendet hat, was schon äußer- 
-ich in einer großzügigen Publikationstatigkeit er- 
-sennbar wird. Diese erstreckte sich zunächst vor- 
wiegend auf diebesondershochgeschätzten Einblatt- 
lrucke, wendete sich dann aber auch der Buchillu- 
stration und dem Blockbuchholzschnitte zu. In der 
vorliegenden Ausgabe des Symbolum apostolicum 
ler Wiener Nationalbibliothek wird ein Blockbuch 
zugänglich gemacht, dessen Illustrationen für die 
leutsche Holzschneidekunst um die Mitte des 15. 
Jahrhunderts charakteristisch sind. Das Geleitwort 
von Ottokar Smital enthält alles Wissenswerte über 
das Verhältnis dieses Symbolum apostolicum zu 
den beiden anderen Blockbüchern gleichen Gegen- 
standes. Die Meinung Schreibers jedoch, die Smi- 
tal anscheinend auch zu der seinigen macht, daß 
Jas Wiener Blockbuch das älteste auf uns ge- 
kommene sei, kann heute in keiner Weise mehr 
aufrecht erhalten werden. Wir kennen mehrere, die 
- erheblich älter sind. Die farbigen Lichtdrucke haben 
gegenüber der sonst vielfach üblichen handkolorier- 
ten Zinkätzung den Vorteil der Ausschaltung des 
subjektiven Momentes, den Nachteil nicht ganz 
scharfer Konturen und der Verwendung eines all- 
zu glatten Kartons, der von dem rauhen und po- 
rösen, ganz anders reflektierenden Druckpapier des 
15. Jahrhunderts erheblich abweicht. 
` Johannes Jahn. 


Tausend und eine Nacht. Aus dem Arabischen 
übertragen von Max Henning. Acht Bande. Leipzig, 
Philipp Reclam jun. 
E s war ein ehrenvolles Wagnis der Reclamschen 
Universal Bibliothek, als sie ihrem damals noch 
vornehmlich auf Volksbelehrung gerichteten Unter- 
nehmen eine vollständige Ausgabe der ,,Tausend 
und eine Nacht“ nach dem Bulaker Text ein- 
reihte, ergänzt durch alle anderwärts verstreuten, 
in diesen Kreis gehörigen Stücke. Daß jetzt ein 
neuer, hübscher ausgestatteter Druck erscheinen 
kann, beweist das Gelingen und erfüllt denen, die 
eine gewissenhafte Verdeutschung des großen ara- 
bischen Märchenschatzes zu besitzen wünschen, 
dieses Verlangen auf billige und zugleich wissen- 
schaftlich ausreichende Weise. B.R. 


Träume von Gottfried Keller. Zum Jahresfest 
der Eisenacher Bibliophilen-Vereinigung herausge- 
geben von Conrad Höfer, Mit sechs Steinzeich- 
nungen von Torsten Hecht. 

' Es ist ein erfreuliches Zeichen von Idealismus, 
daß die kleine und junge Eisenacher Bibliophilen- 
Vereinigung diese sehr kostbare Gabe ihren Mit- 


Beibl. XVIII, 3 33 


gliedern bieten kann. Conrad Höfer, der als fein- 
sinniger Kellerherausgeber sich einen Namen mach- 
te, wand aus den Traumdichtungen des Meisters 
einen Strauß, der nicht nur in das Wesen der schóp- 
ferischen Phantasie und ihre Zusammenhänge mit 
äußeren realen Anlässen einen tiefen Blick tun läßt, 
sondern auch das innerste Sein des Dichters vor uns 
enthüllt, der am rúckhaltlosesten sich in seinen 
Träumen offenbarte, aus ihnen das Beste für seine 
Schöpfungen gewann. Daß die Traumdichtungen 
aus dem „Grünen Heinrich‘ überwiegen, ergibt 
sich aus der Bedeutung dieser Lebensbeichte von 
selbst. Glücklich vermeidet der Herausgeber den 
Charakter von zusammenhanglosen Bruchstücken. 
Das Nachwort ist ein neues Zeichen der Seelen- 
kunde Höfers, die sich aber von psychoanalytischen 
Akrobatenstücken fernhalt. Sein Wunsch, der 
Band möge erneut zum Dichter hinführen, wird 
sich gewiß erfüllen. Torsten Hechts sechs Stein- 
zeichnungen deuten den Charakter der Traumdich- 
tungen überraschend fein, und so mag der Biblio- 
phile seineFreude an diesem bereichernden Schmuck 
haben. Torsten Hecht überwachte auch die Her- 
stellung der Einbandpapiere, die in ihren zarten Far- 
ben sich mit dem pergamentenen Rücken zum fest- 
lichen Ganzen einen. Den Druck besorgte sauber und 
klar in der schlichten Fraktur auf handgeschöpftem 
Zerkall-Bütten die Buch- und Kunstdruckerei 
Philipp Kühner, die damit erneut einen Beweis ihrer 
hohen Leistungsfähigkeit erbrachte. 
Martin Platzer. 


Aljred de Vigny, Sklaventum und Größe des 
Soldaten. Freiburg, Pontosverlag. 

Mußte diese 1834 erschienene Memoirenschrift 
des Grafen von Vigny gerade jetzt verdeutscht und 
veröffentlicht werden ? Wollen gerade jetzt Heraus- 
geber und Verleger den Soldatenstand, Berufs- 
soldatenstand, durch den Mund eines Dichters und 
Offiziers verteidigen, sein Sklaventum in der Re- 
ligion der Ehre und seine Größe in Tapferkeit und 
Entsagung preisen helfen? Aber die Zeiten, die 
Kriege und die Krieger sind andere geworden. Es 
gibt eine deutsche Schulausgabe des französischen 
Textes, und gewiß kann man Knaben nicht Besseres 
in die Hand geben, als eine Dichtung, die in klarer 
und schöner Sprache die verborgene Seite des aben- 
teuerlichen Heldenideals schildert: Resignation, 
unbemerkte und unbelohnte Pflichterfüllung, die 
völlige Unterordnung unter diese Pflicht, die so 
zur Soldatenehre wird. Den Erwachsenen wird 
manches in Vignys Buch, seine Kunst, einfache 
Schicksale erhaben zu schildern, tiefer rühren. Und 
trotzdem klingt die anfängliche Frage nach. Es 
ist, als bedrücke uns beim Lesen ein irgendwie 
schlechtes Gewissen : Dies Buch eines Toten nimmt 
einem Lebendigen die Möglichkeit der Rede. Und 
das Lebendige ist wichtiger als die Erinnerung. 

E. E.S. 


34 


Januar-Februar 1926 


Hans Zimmer, Dichterweisheit in Briefen. Nach 
den Tagen des Jahres zusammengestellt. Stuttgart, 
Greiner & Pfeiffer. 

Ein neuer, vortrefflicher Gedanke ist in diesem 
stattlichen Buche musterhaft verwirklicht worden. 
Zimmer hat 143 Briefsammlungen durchforscht 
und aus ihnen Stellen von allgemeinem Weisheits- 
und Erfahrungsgehalt herausgehoben, sie nach den 
Tagen des Jahres geordnet und durch ein reich- 
haltiges Sachregister auch systematische Verwer- 
tung ermoglicht. Wer vor oder nach der Tages- 
arbeit alltaglich die Spruchreihe des Datums in 
sich aufnimmt, wird dadurch vielfaltigen Stoff zum 
Nachdenken und seelische Bereicherung empfangen. 
Freilich gilt auch hier das Wort Körners an Schiller: 
„Das Lesen ist nicht so leicht, als man denkt.“ 
Die herausgehobenen Sätze wollen meist im Lichte 
der Persönlichkeit, der Zeit der bedingenden Welt- 
anschauung und Stimmung aufgefaßt werden, um 
sie ihrer eigentlichen Absicht gemäß zu ver- 
stehen. Aber umgekehrt gibt das wieder ein vor- 
teilhaftes Geistesexerzitium, und aus den leicht 
erkannten Bedingtheiten entsteht ein Gegengift 
gegen blinde Gläubigkeit. Auf jeden Fall bedeutet 
der schöne Band eine Ergänzung der Spruchwörter- 
bücher und Zitatenlexika, die um ihres ganz neuen 
Inhalts willen freudig zu begrüßen ist. A—s. 


Kleine Mitteilungen. 


Neue Reichsdrucke. Durch Zuschriften wissen 
wir, daß so manche unserer Leser es uns gedankt 
haben, wenn wir von Zeit zu Zeit auf neue Bild- 
wiedergaben der Reichsdruckerei hinwiesen. Heute 
können wir vier solche Erscheinungen nennen, die 
sich den besten ihrer Vorgänger anreihen: Max 
Liebermanns Pastellgemälde seiner Enkelin, in 
täuschend genauer Heliogravüre völliger Ersatz 
des Originals, und als solcher vom Künstler selbst 
durch die Signierung der dreißig Vorzugsdrucke an- 
erkannt; daneben vier weitere große Zeichnungen 
Hans Thomas, eine aus dem heimatlichen Bernau, 
die beiden andern römische Erinnerungen an die 
Villa Doria-Pamfili und den Ponte Nomentano, 
ausgezeichnet durch die liebevolle Eindringlichkeit 
der Landschaftsschau, die solchen sorgsamst aus- 
geführten Skizzen Thomas den doppelten Wert der 
absoluten Wahrheit und des Persönlichkeitsdoku- 
ments verleiht. G. W. 


Bibliographie des Buchwesens 
In Auswahl fir den Bibliophilen zusammengestellt von 
Dr. O. E. Ebert, Oberbibliothekar an der Deutschen Bücherei 

Bei dieser Zusammenstellung bedeutender oder inter- 
essanter Neuerscheinungen auf dem Gebiete des Buch- 
wesens handelt es sich, wie aus dem Untertitel bereits 
hervorgeht, nur um eine Auswahl, die auch durch den 


35 


Mitteilungen — Bibliographie des Buchwesens 


Zeitschrift für Bücherfrewmi: 


zur Verfügung stehenden Raum bedingt ist. Anderersis 
wird aber diese Liste keinen „Einlauf“ darstellen, wie i: 
der Alltag zuträgt, sondern sie soll zum Nutzen des Bes. 
forschers und des Liebhabers den Weg in die weit ve- 
streuten Gebiete weisen, die der Erkenntnis des Bure 
und seiner Förderung dienen. Bücher und Aufsätze e, 
den als bibliographische Einheit behandelt. 

Zur Ergänzung sei auf meine im „Literarischen Zenta!- 
blatt“ regelmäßig erscheinenden Referate über Buch, wi 
Schriſtwesen“ hingewiesen. 


ALLGEMEINES UND BIBLIOGRAPHIE 


Birt, Th.: Der Mensch mit dem Buch. Verlagswesen in 
Altertum, In: Birt, Aus dem Leben der Antike. 4., verb. 
Aufl. Leipzig, Quelle & Meyer (1925). S. 99—133. 

Das Buch als Freund. Hrsg. von E. Heimeran. Leicnz 
Börsenverein d. Deutschen Buchhändler [1925). (628.1. 

Ehmcke, F. H.: 160 Kennbilder. Eine Sammlung to: 
Warenzeichen, Geschäfts-, Verlags- und Biichersienes. 
München, C. H. Beck 1925. (VIII, 3215.) 16°. Lw. 15.—. 

Lemcke, Johannes: Vincent Placcius und seine Beder- 
tung für die Anonymen- u. Pseudonymenbibliographie, 
Hamburg, Staats- u. Universitäts-Bibliothek 1923. ll. 
84 S.) 4° = Mitteilungen aus der Hamburger Sus 
u. Universitáts-Bibliothek, Bd. 1. 

Maaßen, C. G. v.: Der Druckfehlerteufel im Buchztd. 
In: Die Bücherstube 4, 252—253. 

Menn, W.: Zur Geschichte des Buchwesens im 16. Ji 
In: Zentralbl. f. Bibliothekswesen 42, 377—383. 

* 

Dante. — Daffner, Hugo: Zur deutschen Dante-Biblio- 
graphie. In: Deutsches Dante-JB. 9, 121-157. 
Pückler. — Drangosch, W.: Versuch einer Pücke- 
Bibliographie. In: Die Bücherstube 4, 221—230. 
Schiller. — Marcuse, Herbert: Schiller- Bibliographie 
Unter Benutzung der Trömelschen Schiller- Bibliothek 
[1865]. Berlin, S. Martin Fraenkel 1925. (VI, 138 8 

Gr.-8°, Hlw. 9.—. 


SCHRIFT UND SCHREIBSTOFF 


Bibliotheca medii aevi manuscripta. P. 1. Manche 
Jacques Rosenthal [1925]. 4. 1. 100 Handschriften 
des abendländ. Mittelalters vom 9. bis sum 15. Jaht 
Katalog 83. (Vorw.: Ernst Schulz. (VII, 1068. 
Lw. 15.—. 

Hößle, F. v.: Bayerische Papiergeschichte. 
Papier-Fabrikant 23, 816—824. ’ 

Neue deutsche Druckschriften. (H. 1—3/4. Berts. 
Lambert Schneider 1925. Gr-8°%. (I.) Ehmcke-Antqú 
(19 S.) 1.50. (2.) Ehmcke- Kursiv. (14 S) 13 
(3/4.) Ebmcke - Fraktur. Ehmcke - Schwabacher. (48 8, 
2.25. 

N P.: Die Zukunft unserer Druckschrift h: 
Typograph. Mn. 22, 86—87. 

Wetzig, E.: Aus deutschen Schriftgießereien- In: Arch 
f. Buchgewerbe u. Gebrauchsgraphik 62, 248249 

Winkler, F.: Die flämische Buchmalerei des XV. ur 
XVI. Jahrhunderts. Künstler u. Werke von d. Brides 
van Eyck bis zu Simon Bening. Mit 91 Taf. Gë 
E. A. Seemann 1925. (VIII, 210 S.) 4% LY 70.— 


BUCHDRUCKERKUNST 


, ach 
Defensorium immaculatae virginitatis (Wiedergabe 5 
dem in d. Bayr. Staatsbibliothek zu München Dt 


1 
Orig. Begleitw. [von] Kurt Pfister. Leip lg be 


In: De 


Verlag 1925.) (17 faks. Bl. mit farb. Abb. 4 = $ 
u. Gr.-8° = Blockbücher. Bd. 2, In 500 MU 
Hperg. u. geh. 70.—. Scien i 


Das puch von dem entkrist. (Wiedergabe ™ dl. Org 
d. Bayer. Staatsbibliothek zu München ben, 1h 
Begleitw. [von] Kurt Pfister. Leipzig, Insel- TO ach 
(38 faks. Bl. mit farb. Abb.; 4 S. 40 u. 3 un: 
bücher. Bd. 1. In 500 num. Ex., Hperg: u. £% 


* 
36 


yo rs E Ar. 


': Januar-Februar 1926 Bibliographie des Buchwesens Zeitschrift für Bücherfreunde 
ee 


X Fleischmann, F.: Der Buchdruck im alten und neuen 
München. In: Typograph. JBr. 46, 301—305. 

> Gutenberg-Festschrift zur Feier des 25 jährigen Be- 

+ gtehens des Gutenbergmuseums in Mainz. Hrsg. von 
A. Ruppel. Mainz, Gutenberg-Gesellschaft 1925. (XVI, 
448 S., 50 Taf.) 4°. Lw. 60.—. [Enthält 80 Aufsitze.] 

Locher, Paul: Ein Buchdruckerleben. Erinnerungen e. 
alten Buchdruckers. Berlin, F. Zillessen 1925. (175 S.) 
80. Lw. 4.—. 

Martell, P.: Zur Geschichte der Staatsdruckerei zu Wien. 
In: Archiv f. Buchgewerbe u. Gebrauchsgraphik 62, 
245—247- 

: Morison, S.: Über die typographischen Ornamente von 
Granjon, Fournier und Weiß. In: Monatsh. f. Bücher- 
freunde u. Graphiksammler I, 415—430. 

Rath, E. v.: Aufgaben der Wiegendruck-Forschung. Mainz, 

: Gutenberg- Gesellschaft 1925. 21. S. 80. (Beil. zum 

> 22.—24. Jahresbericht.) 

„ Ruppel, A.: Wer ist als Erfinder der Buchdruckerkunst 
anzusehen, Coster oder Gutenberg? In: Typograph. Mn. 

22, 96—101. 

- Schottenloher, K.: Von den typographischen Schätzen 
der Münchener Staatsbibliothek. In: Typograph, Mn. 
22, 85—86. 


MIND 


AR Ae 


BUCHEINBAND 


Adam, P.: Die Frankfurter Buchbinder um die Wende 
des 15. Jahrhunderts. In: Monatsbl. f. Bucheinbände 
u. Handbindekunst 2, H. 6/7. 

— Hamburger Buchkunst. In: Archiv f. Buchbinderei 

25, 68—69, 81—82. 

Bogeng, G. A. E.: Über das Auffrischen und Ausbessern 

von Druckwerken und Einbänden. In: Monatsbl. f. 
Bucheinbände u. Handbindekunst 2, H. 4/5. 

: Cockerell, Douglas: Der Bucheinband und die Pflege 

des Buches. Ein Handb. f. Buchbinder u. Bibliothekare. 

* Aus d. Engl. übertr. von Felix Hübel. Für d. 2. Aufl. 

durchges. von Maria Lühr. Leipzig, Klinkhardt & Bier- 
mann 1925. (VI, 316 S.) 8%. LW. 8.—. 

Collin, E.: Asthetik des Bucheinbandes. In: Monatsbl. 
f. Bucheinbände u. Handbindekunst 2, H. 6/7. 

Fröde, O.: Bund Meister der Einbandkunst, E. V., Sitz 

Leipzig. In: Archiv f. Buchgewerbe u. Gebrauchs- 
graphik 62, 325—375. 

Glauning, O.: Einbände aus Jakob Krauß es Frühzeit 
und ihre Vorgeschichte. In: Archiv f. Buchgewerbe u. 
Gebrauchsgraphik 62, 259—282. 

Herbst, H.: Ein Vierteljahrhundert Bucheinbandforschung. 
In: Archiv f. Buchgewerbe u. Gebrauchsgraphik 62, 
283— 302. 

Jericke, A.: Das Künstlerische im Buchbinderhandwerk. 
In: Journal f. Buchbinderei 47, 467—468 

Kersten, P.: Der Jakob Krauße-Bund. In: Archiv f. 
Buchgewerbe u. Gebrauchsgraphik 62, 303 —323. 

Loubier, Hans: Versuch einer Klassifizierung der Ein- 
binde für Jean Grolier, In: Bok- och biblioteks- 
historiska Studier tillägnade Isak Collijn. Uppsala 1925, 
421—434. 

Martell, P.: Alte Bucheinbände des Germanischen Mu- 
seums zu Nürnberg. In: Buchhändlergilde-Blatt 9, 144 
bis 146. 

Rhein, A.: Die Buchbinderei des Erfurter Petersklosters 
von 1500—1530. In: Monatsh. f. Bücherfreunde u. 
Graphiksammler I, 394 - 403. 

Schmidt, Adolf: Kölnische Einbände des 14. Jh. in der 
Amploniana zu Erfurt. In: Bok- och bibliotekshistoriska 
studier tillägnade Isak Collijn, Uppsala 1925, 401—409. 


SAMMELWESEN 
Allgemeines 


Aufseesser, Julius: Aus meinem Sammlerleben. Mit 
32 Abb. Berlin, Bruno Cassirer 1926. (97 S.) Gr.-80, 
Lw. 7.— 


37 


Ettinger, P.: Die Bibliophilen-Gesellschaften Rußlands. 
In: Monatsh. f. Bücherfr. u. Graphiksammler 1, 443. 
Lange, Karl: Kostbare und seltene Bücher. In: Anti- 

quitáten-Ztg. 33, 205—210. 

Ruest, A.: Die verschollene unterirdische Kreml-Biblio- 
thek Iwans IV. An: Zs. f. Bücherfreunde N. F. 17, 138 
bis 143. 

Sillib, Rudolf: Die Pfalzgrafen bei Rhein als Bücher- 
freunde. In: Kurpfälzer Jahrbuch [2], 34—41. 

Steiner, G.: Eine Basler Biichersammlung aus dem 
18. Jh. In: Basler Zs. f. Gesch. u. Altertumskunde 23, 
179—224. 

Tornius, V.: Die Sammlung Kippenberg. In: Monatsh, 
f. Bücherfreunde u. Graphiksammler 1, §23—526. 
Zobeltitz, F. v.: Der Seltenheitswert der Bücher. In: 

Monatsh. f. Bücherfreundeu. Graphiksammler I, 435—438. 


Künstlerische Drucke 


Calderon de la Barca: Der wundertätige Magier. Ein 
Drama in 3 Aufz. München: Verlag d. Münchner Drucke 
[1925.] (163 S.) 4° = Münchner Druck. 6. 

Goethe: Das Hohelied Salomons. Eine Nachdichtung. 
(Stuttgart, Wiirtt. Staatl. Kunstgewerbeschule 1925.) 
4°. 75S. 500 Ex. Nicht im Handel. 

Gregorovius, Ferdinand: Die Insel Capri. (München, 
H. Beck 1925.) (60 S.) 4% = Buch d. Rupprechtpresse. 
33. In 150 num. Ex., Pp. 45.—. 

Hölderlin, Fricdrich: Der Tod des Empedokles. Ein 
Trauerspiel. Offenbach, Ernst Engel 1925. (ror S.) 
gr. 8° = Handpressendruck. 8. In 110 Ex. Hperg. 45.— 

Hofmannsthal, Hugo von: Gedichte. (Titel-Lith. von 
Hugo Steiner-Prag.) Wien, [I, Griinangergasse 1: Neue 
Galerie] 1925. (8 S.) 8° = Druck d. Johannes-Presse. 
3. In 33 num. Ex., je 25.—. 

Kestner, Franz Friedrich: Martyrium der Seele. Theo- 
log. Novellen. Berlin: Hoffmann & Campe 1925. 
(29 S.) 4° = Handpressendruck d. Officina Serpentis. 
In 300 Ex., Pp. 10.—. 

Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Miinchen, H. Beck 
1925. (70 S.) 4° = Buch d. Rupprechtspresse. 32. 
In 150 num. Ex., Pp. 40.—. 

— Gedichte. (Luxusausg In Lien Lfg. 1.) (39 S.) 
Zürich: Orell Füssli 1925. 4° = Druck d. Johannes- 
presse. In 300 num, Ex., Pp. 15.—. 

Nadel, Arno: Tänze und Beschwörungen des weissagen- 
den Dionysos. Berlin, F. Stóssinger 1925. (41 S.) 
Kl. 8% Pp. 6.—. | 

Schaffner, Jakob: Die letzte Synode. Stuttgart, Union 
1925. (88 S.) 4° = Juniperuspresse. Der neuen Reihe 
Druck. 3. 

Stäger, Robert: Über den Dingen. Das Bilderbuch e. 
Naturfreundes, Zürich, Orell Fiissli 1925. (109 S.) 
8° = Froschauerdruck. 3. Pp. 4.80. 

Zindel, Christ. Siegm.: Der Eislauf oder das Schlitt- 
schuhfabren, ein Taschenbuch für Jung und Alt. Nürn- 
berg 1825. Berlin, Freundeskreis d. Staatl. Kuustbiblio- 
thek 1925. 35S. Kl. 8°, (Jahresgabe [4:] 1925.) 


Illustrierte Biicher 


Heyne, Hildegard: Otto Weigel als Illustrator u. freier 
Künstler. In: Besinnung [1]. 146—148. 

Oehler, R.: Adam Friedrich Oesers Biicherillustrationen, 
In: JB. d. Sammlung Kippenberg 5, 73— 100. 

Schellenberg, C.: Die Illustrationsprinzipien der Dürer- 
Apokalypse. In: Der Kunstwanderer 7, 176—178. 

Wegener, H.: Deutsche Illustration im XV. Jahrhundert. 
In: Der Kunstwanderer 7, 391— 393. 

* 

Grosz, George. — Mann, Heinrich: Kobes. Mit zehn 
Lithogr. Berlin, Propyläen-Verlag 1925. (72S.) 4°. 
Lw. 12.—. 

Harwerth, Willi. — Groth, Klaus: Lieder aus dem 
Quickborn, Offenbach a. M., Druck Gebr. Klingspor 
1925. 43S. KI, 8°. 600 Ex. Nicht im Handel, 


38 


Januar-Februar 1926 


Kataloge 


Zeitschrift für Bücherfreunu 


Kobbe, Georg. — Shaw, Bernard: Die heilige Johanna. 
Dramat. Chronik in 6 Szenen und ı Epilog. (Deutsch 
von Siegfried Trebitsch, 1. u, 2. Aufl. d. ill. Ausg. 
mit 8 Steinrad. Berlin, S. Fischer 1925. (247 S.) 8°. 
Lw. 12.50. 

Kubin, Alfred. — Hauptmann, Gerhart: Fasching. Mit 
(12) Orig. Lith, Berlin, S. Fischer 1925. (41 S.) 4“. 
Hldr. 25.—. 

— Der Guckkasten. Bilder u. Texte. Wien, Verlag d. 
Johannes-Presse (I, Grünangergasse 1: Neue Galerie) 
1925. (77 S.) 8% Lw. 3.—; 33 num. Ex. 150. —. 

Müller, Hans Alexander, — Stevenson, R. L.: Das 
Flaschenteufelchen. Eine Erzahlung. Mit Holzschn. 
Leipzig, Insel-Verlag 1925. (61 S.) Kl. 8° = Insel- 
Bücherei. Nr. 302. Pp. 1.—. 

— Kabinettstiicke des Humors. Hrsg. von G. A. E. Bo- 
geng. Mit Originallithographien. Leipzig, P. List 1925. 
8°, Bd. 1—5. 

Pinner, Erna. — Edschmid, Kasimir: Der Russen-Zoo, 
Mit 8 Orig-Rad. Darmstadt, Die Dachstube 1926. 
(17 S.) 8% 100 Ex., Hperg. 17.50. 

Schlichter, Rudolf. — Geist, Rudolf: Nijin, der Sibire. 
Roman. Berlin, Malik-Verlag 1925. (211 S.) 8°, 
Lw. 5.—. 

Schultheiß, Karl Max. — Gautier, Theophil: Made- 
moiselle de Maupin. Mit 64 Zeichnungen. Hellerau bei 
Dresden, Avalum-Verlag 1925. (519 S.) Kl, 8, 
Kart, 4.50. 

Slevogt, Max. — Goethes Faust. 2. Teil. Buchausg. (In 
4 Lfgn.) Lfg. 1. I. Akt. Mit 135 Lith. u. 2. Rad, 
(119 S.) Berlin, Bruno Cassirer 1926. 46X36 cm, 
In 250 num. Ex., Subskr.-Pr. 350.—. 

Worringer, Marta. — Dostojewski, Fjodor: Die Sanfte. 
Eine phantastische Erzlg. Mit 15 Federzeichn. (Deutsche 
Übertr. von Alexander Eliasberg.) Köln, J. F. Marcan 


1925. (55 S.) 4% Pp. 7.—. 

Zeller, Magnus. — Zschokke, Heinrich: Das blaue 
Wunder. (Mit 12 Kupfern im Text. Berlin, F. Plen- 
zat 1925. (36 S.) 8% = Druck d. Friedrich-Plenzat- 
Presse. 9. In 500 num. Ex., Pp. 10.— 

Exlibris 


Braungart, R.: Hermann Bauer. In: Exlibris, Buch- 
kunst und angewandte Graphik 35, 59— 66. 

— Kurt Siebert. In: Exlibris, Buchkunst und angewandte 
Graphik 35, 53—58. 

Rothbarth, W.: Das Exlibris-Plagiat. In: Exlibris, 
Buchkunst und angewandte Graphik 35, 77—87. 

Zülch, W. K.: Das älteste städtische Exlibris von 1511. 
In: Der Kunstwanderer 7, III. 

Zur Westen, W. v.: Erwin Hetzsch. In: Exlibris, 
Buchkunst uud angewandte Graphik 35, 90—96. 


Kataloge 


Zur Vermeidung von Verspätungen werden alle Kataloge an die Adresse 
des Herausgebers erbeten 


Theodor Ackermann in München. Nr. 592. Studententum und 
Universitätsweren. 1097 Nrn. 

Hermann Aupperle in Schwab.-Gmiind, Nr. 11. Praktische Theo- 
logie, darunter eine Anzahl Reformationsdrucke. 1193 Nrn. 
Martin Breslauer in Berlin W 8. Nr. 86. Vermischtes. 1419 Nrn. 
Friedrich Cohen in Bonn. Nr. 150. Deutsche Literatur, 640 Nrn, 
Dr. phil. Franz Cohn in Berlin- Wilmersdorf. Nr. 17. Pressen- 

und Reihendrucke. 345 Nrn. 

Ernst Dannappel in Dresden- Blasercits, Nr. 34. Vermischtes. 1287 Nrn. 
— Nr. 35. Kunst. 816 Nrn. 

Georg Ecke in Berlin W 85, Nr. 4. Vermischtes. 285 Nrn. — 
Nr. 5. Kunst. 62 Nrn. — Nr. 6. Kuriose und galante Literatur, 
Satiren, Fazetion, Schmähschriften. 974 Nro. — Nr. 7. Ver- 
mischtes. 69 Nrn. 

H. Edelmann in Nürnberg. Vermischtes. 255 Nrn. 

Gustav Fock in Leipzig. Nr. 494. Romanisch. 6851 Nn. — Nr. 552. 
Rechtswissenschaft. 3796 Nrn. — Nr. 553. Medizinische und 
naturwissenschaftliche Zeitschriften, Sammelwerke, Bibliotheken, 
Monographlensammlungen. — Nr. 554. Chemie: Zeitschriften, 
Bibliotheken, Monograpbiensammlungon. — Nr. 555. Geschichte 


39 


Teil I. 4090 Nrn. — Nr. 557. Germanistik Tell L 8“ Jr. 
— Nr. 560. Germanistik Teil II: Deutsche Literatur vom 14 J. 
bis zu den Romantikern. 3685 Nrn. 

Rudolf Geering in Basel. Basler Bücherfreund I, 5: Cor 
Frankreich, Autographen, Dante. Nr. 1738—2250. — Nr: 
Vermischtes. 1510 Nrn. 

Oskar Gerschel in Stuttgart. Bibliothek Robert Seitschick Ka: J 
Sechs Jahrhunderte Buchkunst. 1195 Nrn. mit Vorwort, Berse 
20 Tafeln und zahlreichen Textbildern (ohne Preise). — NI. I. 
Vermischtes. 1253 Nrn. — Der Bücherkasten XI. 5. 1613 Nu 
— Graphik-Katalog 6, Deutsche Ansichten, 381 Nm 

Githofer & Ranschburg in Wien I. Nr. 183. Frühe Zeitz: 
Mit 4 Tafeln, 35 Textbiliern und Registern, sowie einem Ni 
trag. 1399 Nm. — Nr. 184. Inkunabeln. Mit 24 Tafeio, 22 ia- 
bildern und Registern. 456 Nrn. — Nr. 185. Illustrierte Fius 
des 19. und 20. Jahrhunderts. 741 Nrn. 

J. St. Goar in Frankfurt a. M. Nr. 113, 
für Bibliophilen und Kunstfreunde. 

Hans Golte in Munchen. Nr. 15. Kunst. 358 Nm. 

Paul Gottschulck ia Berlin HS Nr. 8. Alte Bücher, Manustrru 
Frühe englische Literatur, Americana. 170 Nrn. mit 7 Jae 
Textbildern und Register. 

Walter de Gruyter & Co. in Berlin NW 7. 
Schiller. 521 Nrn. 

Hahn & Seifarth in Leipzig. Nr. 8. Folklore. 550 Nm. 

Hannemann in Berlin SW 68. Nr. 69. Deutsche Literasar ad 
Übersetzungen. 1001 Nro. 

Otto Harrassowits in Leipzig. Nr. 403, Kunst und Archiolcge - 
Orientalische Kunst. 2003 Nrn. 

F. W. Haschke in Leipsig. Nr. 38, Vermischtes. 206 Nm. 

Heinr. Hauser in Munchen. Nr. 10. Weltliteratur in moderna 
schönen und seltenen Ausgaben. 1183 Nrn. 

Leopold Heidrich In Wien J. Nr. 4. Vermischtes. 34 Nm 
Nr. 5. Vermischtes. 390 Nrn. 

Rolf Heise in Berlin W. 10. Vermischtes, 

Dr. Hellersberg in Charlottenburg. Nr. 8. 
1050 Nrn. 

Karl W. Hiersemann in Leipeig. Nr. 557. Illustrierte Bücker ds 
16. Jahrhunderts, 671 Nrn. mit zahlreichen Textbiidern ux: 


200 ausgewählte Wek 


Nr. 5. Goethe ari 


1137 Nm. 
Deutsche Literatur I. 


Register, — Nr, 558. Genealogie, Numismatik, Chroro::7*. 
1245 Nrn. — Nr. 559. Graphische Kunst des 17. bis W. Ju: 
bunderts. 1009 Nrn. mit Kegister. 


Rudolf Honisch in Leipzig. Nr. 20. Deutsche Literatar de — 
bis 19. Jahrhunderts in Uriginalausgaben. 555 Nm. 

Wilhelm Jacobsohn in Breslau 5. Nr. 260. Schöne Lena: 
Kunst, Silesiaca. 

Karl & Faber in München. 

K. F. Koehler in Leipzig. 


Nr. 20. Graphik. 555 Nm. 
Nr. 25. Geographie, 1981 Nra. - 
Nr. 26. Technik. 2386 Nro. — Nr, 27. Kulturgeschichte u: 
Folklore. 2800 Nrn. 
Bernh. Liebisch in Leipzig. Nr. 256. Literatur, Litersturgesc- it 
2651 Nrn. — Nr. 260 und 261. Vermischtes. 4174 und . I. 
Leo Liepmannssohn in Berlin SW 11. Nr. 215. Autogap-ec 
Musiker, Schauspieler und Tänzer. 1091 Nrn, 
Lipsius & Tischer in Kiel. Nr. 64. Vermischtes. 2406 Am, ` 
Meyer & Mittier in Berlin W 9. Nr. 9. Geschichte. 62 An. 
Martinus Nijhof im Haag. Nr. 516. Vermischtes. 44 Nre. 
Waldemar Poseck in Berlin W 50. Nr. 17. Vermischtes, 9032 
G. Kugocey in Freiburg i. B. Nr. 34. Kunst, Literatur, Geschichte. 
Hispanica, 426 Nrn. 
Oscar koder in Leipsig-R. Nr. 30. Kultur- und Sittengeschic:t. 
1056 Nrn, 
F. Rohracher in Liens. Nr. 83. Vermischtes. 1007 Nro. 
Ludwig Rosenthal io München. Nr. 163. Geographie, Rest 
Karten. 1250 Nrn. ci 
David Salomon in Berlin-Halensee. Nr. 19. Autograpben, Bib? 
graphie, Illustrierte Bücher, Deutsche Literatur, Wiin: 
exemplare. 842 Nrn. 
Anton Schroll & Co. in Wien I. Nr, 1. 
Erstausgaben, Kinbände. 697 Nm. E 
Dr. Ignas Schwarz in Wien I. Nr. 13. Kulturgeschichte, Sites 
geschichte. 1158 Nrn. — Nr. 14. Vermischtes. 187 NE | 
Sieg / ried Seemann in Berlin NW 6. Nr. 16. Vermischtes. BENG 
B. Seligsberg in Bayreuth, Nr. 819. Kultur- und Sittengeseh © 
Teil III. 680 Nrn. by 
Seuffer & Willi in München. Nr. 6. Seltene Bücher des 15. 
19. Jahrhunderts, Alte Graphik. 1064 Nm. mit 4 Taten. 
J. M. Spaeth in Berlin C 7. Nr. 19. vermischtes. 855 GE 
Horst Stobbe in München. Nr. 72. St&dteansichten. Topographie” 
Werke. 1895 Nrn. — Nr. 74 Deutsche Buchkunst. HI" 
Agnes Straub in Berlin W 35. Nr. 26 und 27. Vermischtes. 
und 377 Nrn. 1777111 
Heinrich Tiedemann in Berlin W 8. Nr. 3. Deutsche LH 
Illustrierte Bücher des 18. und 19. Jahrhunderts. 36 Sue 
Utopia in Berlin W 16. Nr. 13. Manuskripte, Inkunabeln,“ 
Drucke, Judaica: 836 S. mit Tafeln und Textbildem. per we 
Adolf Weigel in Leipzig. Nr. 181, Das Kinderbuch, Bache 
farbigen Bildern und Verwandtes. 548 Nrn. — N. 15 Dea. 
mischtes. 559 Nrn. — Mitteilungen VI, 67. Dramaturgie, 
sche dramatische Literatur, Nr. 720—1140. 
A. Wiedemann in Bremen. Nr. 10. Ältere deutsche 
695 Selten. Literatur I. 
v. Zahn & Jaensch in Dresden-A. Nr. 320. Deutsche brdunden 
1117 Nrn. — Nr. 321. Buch und Bild im 17.—19. J. 
1683 Nrn. 


Kunst, Pressendracit. 


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40 


| Januar-Februar 1926 Anzeigen | Zeitschrift für Bücherfreunde 


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Im Jahre 1925 
erschienene Antiquariatskataloge 


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546: Kunstgewerbe 553: Archäologie. Klass. Philologie 
547: Espafia y Portugal 554: Rußland 

548: Militaria 555: Afrika. Aegyptologie 

549: Kunstgeschichte 556: Osteuropa 

550: Inkunabeln 557: Illustrierte Bücher des XVI. 
551: Musik Jahrhunderts 

552: Keramik. Glas 558: Genealogie und Numismatik 


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Verſchlagenheit, Gonesſehnſucht und Naturgewalt ihren ewigen wechſelvollen Kampf. 

Kinds intuirives Erfühlen des Innenlebens läßt feiner Dichtung Szenen von Menſch 
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Von Dr. H. H. Kritzinger und Dr. C. W. Schmidt 

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Abbildungsmaterial, wird in dem vorliegenden Werke von berufenſten Fachleuten ein 
Überblick über die geſamten Naturwiſſenſchaſten und ihre Anwendungen geboten. 
Die Beziehung zwiſchen Umwelt und Menſch, die Eingliederung des Menſchen in 
das Naturganze, die Eingliederung des Naturganzen in das menſchliche Leben: das iſt 
die leitende Idee für dieſes neue Sammelwerk. 


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JULIUS BAB 


Rihard Dehmel 


Die Geschichte eines Lebenswerkes 
(432 Seiten, 7 Bildnisse, 1 Faksimile) Broschiert M. 8.-, Leinen M. 11.— 
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Mit diesem Buche erfüllt Julius Bab cinen Wunsch des toten Dichters und gibt damit zugleich den ersten großen 
versuch, das Leben des Menschen Dehmel auf breiter Basis nachzuschaffen. In der Grenzenlosigkeit seines 
Werdewillens erscheint er so wirklich schlechthin als „das, wozu wir Mensch sagen”. Ein vollkommen befreite 
und ein vollkommen geordnetes Leben hat er erstrebt, hat sich vor dem wildesten Getümmel der Triebe 
nicht gescheut und hat doch „gut werden wollen, weil das das Größte ist”. Und er ist es geworden. Er ist 
kein Heiliger geworden, aber mehr als das, well er ein ganzer, rastlos strebender Mensch war mit dem 
Willen zu allen starken und guten Wirklichkeiten des Leibes und der Seele. Grenzenlose Empfänglichkeit, 
unendlicher Wille zu nehmen alles, was das Leben an Lust und Leid bietet, war in ihm — und grenzenlose 
Tätigkeit, unendlicher Wille alles der Menschheit zu geben, was in ihm war. Und so bleibt er uns ein un- 
vergleichlich erschütterndes Bild des Menschenmöglichen — im Sinne jenes herrlichen Wortes, das er in sein 
letztes Gedichtbuch einzeichnete, als er es Julius Bab zusandte: 


Können wir uns je vollenden ? 
Wenn wir uns nur gern verschwenden! 


Meisterhaft gebaut und bescelt ist Julius Babs Dehmel-Monographie. Knapp, leidenschaftlich und mitreißend 
führt er die Darstellungslinie. 


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= Januar-Februar 1926 Anzeigen Zeitschrift fur Bucher freunde 
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Mit einem Bildnis des Dichters. 1.— 10. Tauſend. 1029 Seiten 8% Zwei 
ſtattliche Ganzleinenbände in Kaſſette zuſammen M. 16.— 


Der Barde / Die ſchönſten hiſtoriſchen Gedichte. Von den Anfängen 
deutſcher Geſchichte bis zur Gegenwart. Herausgegeben von Walther Eggert 
Windegg. 350 Seiten gr. 8°. Zweite Auflage. In Ganzleinen M. 7.—. 


Karl Berger / Schiller. Sein Leben und ſeine Werke. Mit zwei Bildniſſen. 
46.48. Tauſend. Zwei Bände mit 1473 Seiten gr. 8°. Ganzleinen zuf. M. 20.— 


Alfred Bieſe / Deutſche Literaturgeſchichte. Drei Bände mit insgeſamt 
2142 Seiten Text u. 157 Abbild. 93.-97. Tauſend. In Ganzleinen guj. M. 28.— 


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Im Anfang war die Liebe. Briefe Malwida von Meyſenbugs an ihre 

Pflegetochter Olga Monod. 343 Seiten 8°, Mit neun meiſt unveröffentlichten 
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Agnes Sapper / Frau Pauline Brater. Lebensbild einer deutſchen Frau. 
f Mit zwei Bildniffen. 48. Tauſend. 320 Seiten 8°. In Gangleinen M. 5.50 


| Anna Schieber / Zur Geneſung. Novellen. 5.-10. Tauſend. 221 S. 8°. 
In Ganzleinen M. 4.— 


Albert Schweitzer / Zwiſchen Waſſer und Arwald. Erlebniſſe und 
Beobachtungen eines Arztes im Urwald Aquatorialafrikas. Mit 16 Abbild. 
und einer Karte. 31.—36. Tauſend. 154 Seiten 8°. In Ganzleinen M. 5.— 


Auguft Sperl / Burſchen heraus! Noman aus der Zeit unſerer tiefſten 
Erniedrigung. 25.—26. Tauſend. 559 Seiten 8°. In Ganzleinen M. 8.—. 7 
Die Söhne des Herrn Budiwoj. Noman. 31.—34. Tauſend. 594 S. 8°. 
In Ganzleinen M. 7.50. 7 Die Fahrt nach der alten Arkunde. Geſchich⸗ 
ten und Bilder aus dem Leben eines Emigrantengeſchlechts. 30.— 33. Tauſend. 
268 Seiten 8°. In Ganzleinen M. 4.50 


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Januar-Februar 1926 Anzeigen Zeitschrift für Bichon frei 


Neue Veröffentlichung des Deutschen 
Kunsthistorischen Instituts in Florenz 


* 


ITALIENISCHE FORSCHUNGEN / NEUE FOLGE / BANDI 


HANS POSSE 
DER ROMISCHE MALER 
ANDREA SACCHI 


EIN BEITRAG ZUR GESCHICHTE DER KLASSIZISTISCHEN 
BEWEGUNG IM BAROCK 


Ein Band von 155 Seiten mit zahlreichen Abbildungen im Tert und 
24 Lichtdrucktafeln. Geschmackvoll in Halbleder gebunden M. 24.— 


— — T —ñ— ͤ ( ſ[— 


ei seinen Zeitgenossen im 17. Jahrhundert hochberühmt, war Andrea 

Sacchi, von zwei oder drei seiner Hauptwerke abgesehen, fast in 
Vergessenheit geraten, bis die neuerwachte Liebe zu der Kunst des 
Barock in den letzten Jahren einige Forscher anregte, sich mit Sacchis 
Werken zu beschäftigen und das Problem seiner Persönlichkeit aufzu- 
hellen. Außer solchen einzelnen Aufsätzen und Mitteilungen war aber ein 
zusammenfassendes Bild Sacchis und seiner Stellung in der Geschichte 
der Barockmalerei noch nicht geschaffen. Diese Aufgabe hat nun Hans 
Posse, der Direktor der Staatlichen Gemäldegalerie in Dresden, gelöst. 


Belehrend und anregend für jeden Kunstfreund, 
jeden Kunstsammler und jeden Kunstforsche! 


— . — .... 


VERLAG E. A. S E E MANN/V/ LEIPZIG 


= Januar-Februar 1926 Anzeigen 


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Deutiches Volkstum 


Monatsichrift für das deutſche Geiſtesleben 
Herausgegeben von Wilhelm Stapel 


Eine unſerer aufrechteſten Zeitſchriſten von einer gut 
deuiſchen Haltung, überparteilich deutſch und damit ohne 
die verletzende Ungerechtigkeit gegen Andersdenkende, vor 
nehm im Ton bei aller Schärfe. 
Mannheimer General Anzeiger 


Aus der Fülle der Zeitſchriftenliteratur unſerer Tage hebt 
fich das „Deutſche Volkstum“ durch feinen klaren, ſtraffen 
Charakter und durch feine beftimmte 
Zielſetzung vorteilhaſt ab. 

Greifewalder Zeitung 
In allen Beiträgen waltet derſelbe Geiſt, ein Beſtreben. 


Ein Beweis, wie die Mitarbeiter der Zeitſchriſt einem 
innerlich verbundenen Kreis angehören. 


Mugeburger Neueſte Nachrichten 
Man fiebt fo recht an der raſchen Entwickelung der ands 
gezeichneien Zeitſchriſt, wie ſtark das Geiſtesleben der 


Gegenwart nach Niederſchlag in ſolchen 
periodiſchen Nevuen drängt. 


Magdeburger Tageszeitung 
Nan geht wohl nicht zu weit, wenn man hier die fchlecht- 
hin befte und geiſtig höchſtſtehende nationale Monats: 
ſchrift Deutſchlands feftſtellt. 
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Jährlich 12 Hefte. Umfang jedes H etwa 80 Seiten mit vier 
Kunftdrudbildern und aner abalone Preis viertel]. Nm. 3.50, 
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Zeitschrift für Bücherfreunde 


Januar-Februar 1926 Anzeigen Zeitschrift für Bücherfreund: 


Soeben erschien das für jeden, der sich mit Handschriften und Miniaturen 
beschäftigt, grundlegende und unentbehrliche Werk: 


DIE 
FLAMISCHE 
BUCHMALEREI | 


DES XV. UND XVI. JAHRHUNDERTS 
Von Prof. Dr. FRIEDRICH WINKLER 


Bibliothekar der Berliner Staatlichen Museen 
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dern van Eyck bis zu Simon Bening 
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Ä Das Werk gliedert sich in folgende Teile: A) Geschichtlicher 
| Überblick über das ganze Gebiet; B) Chronologisches Ver- 
| zeichnis aller Künstler mit Lebensgeschichte und Kritik der 
| ihnen zuzuweisenden Buchmalereien, sowie Lichtdruckwieder- 
| gaben bedeutendster Stücke (nach Aufnahmen in öffentlichen und 
| privaten Sammlungen des In- und Auslandes), im ganzen 191 
| Lichtdrucke; C) Alphabetisches Standortverzeichnis aller wich- 
tigen flämischen Miniaturen des XV. und XVI. Jahrh. mit genauen 
beschreibenden Angaben und bibliographischen Hinweisen. 
| 


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w/e 


lt mw 7 


BEIBLATT DER 
_ZEITSCHRIFT FÜR BUCHERFREUNDE 


NEUE FOLGE 


Herausgegeben von Prof. Dr. GEORG WITKOWSKI 
LEIPZIG-GOHLIS / Ehrensteinstraße 20 


XVIII. Jahrgang 


März-April 1926 


Heft 2 


Englischer Brief 


Ein neues Verlagsunternehmen verdient nach- 
drückliche Erwähnung: Die „Gregynog Press“, 
die in einem ziemlich entlegenen Orte bei Newton 
in Montgomeryshire gegründet worden ist und der 
Förderung der Kunst und Literatur in Mittel- 
Wales dienen soll. Da das Ziel national ist, stam- 
men die drei ersten Bücher von walisischen Autoren: 
„Canemon Ceiriog“, der größte und letzte der drei 
Bände, ist in walisischer Sprache geschrieben ; auch 
Nichtkennern des Walisischen werden die Gregynog- 
Ausgaben der Gedichte von George Herbert und 
Henry Vaughan willkommen sein ; das Anziehendste 
an den Büchern sind die Holzschnitte von R. A. 
Maynard und H. W. Bray. 

Die alt- und allbekannte Oxford University Press 


| hat die beiden ersten Bände von „Ben Jonson, 
edited by C. H. Herford and Percy Simpson“ heraus- 


gegeben, sie betiteln sich „The Man and his Work“ 
und geben ein Bild von Jonsons Leben und Cha- 
rakter nebst Neudrucken aller urkundlichen Quel- 
len; das Leben wird sympathisch beschrieben und 
sogar mit einem Humor, welchen man in umfang- 
reichen Standard-Ausgaben von dieser Bedeutung 
oft vermiBt. 

Ein den Bibliophilen besonders interessierendes 
Bichlein haben Messrs. Dulau erscheinen lassen: 
Strickland Gibson „English Printing, 1700—1925, 
A Note“; leider sagt Gibson zu wenig über den 
Anfang seiner Periode, zu Unrecht übergeht er 
schöne Bücher von Verlegern wie Tonson und 
Dodsley. Ein wertvoller Beitrag zur Literatur über 
Samuel Johnson sind die von C. B. Tinker ge- 
sammelten und von der Oxford University Press 
gedruckten „Letters of James Boswell.‘ 

Von Tobias Smollett, dem klassischen englischen 
Romanschreiber, der, abgesehen von Richardson, 
jetzt vielleicht am wenigsten gelesen wird, hat 
George Saintsbury eine Gesamtausgabe veröffent- 
licht (Navarre Society). H. J. C. Grierson hat die 
Gedichte Miltons herausgegeben, möglichst in 
chronologischer Reihenfolge ; die Orthographie der 
Originalausgabe ist vereinheitlicht, Miltons Eigen- 
heiten sind möglichst beibehalten, aber keine 
Archaismen. 


Beibl. XVIII, 5 57 


Die letzte Zeit brachte eine Reihe guter Biblio- 
graphien. Eine schr feine bibliographische Arbeit 
ist Percy L. Babingtons „Bibliography of the 
Writings of John Addington Symonds“, die John 
Castle zum Preise von 25 £ herausgebracht und 
deren Zusammenstellung tber achtzehn Jahre ge- 
dauert hat. Harold Lockes ,, Bibliographical Cata- 
logue of the published novels and ballads of Wil- 
liam Harrison Ainsworth“ (Elkin Mathews), ein 
fesselndes Büchlein, ist ein Führer zu den haupt- 
sachlichen Ausgaben von Ainsworth’s Romanen 
und Balladen. Anläßlich des hundertsten Geburts- 
tages von George Mac Donald (1824—1905) hat 
J.M. Bullock „A Centennial Bibliography of George 
Mac Donald“ herausgegeben ; leider ist die Anord- 
nung in dem recht nützlichen Büchlein alphabetisch 
und nicht chronologisch. Leslie Chaundy hat mit 
„A Bibliography of the First Editions of the Works 
of Maurice Baring, with Poems by Maurice Baring 
and an Introductory Note by Desmond Mac Carthy“ 
(Dulau) eine wertvolle Arbeit geliefert, die überdies 
einige vom Dichter selbst nicht in seine ,,Collected 
Poems“ aufgenommene Gedichte enthält. 

Die bibliographische Gesellschaft hat soeben 
an ihre Mitglieder „A Bibliography of English 
Character-Books, 1608 — 1700 (herausgegeben von 
Gwendoline Murphy) gesandt, die jedem zu emp- 
fehlen ist, der sich mit der Literatur und der so- 
zialen und politischen Geschichte Englands im 
17. Jahrhundert zu befassen hat. 

C. A. und H. W. Stonehill behandeln in der 
zweiten Folge der „Bibliographies of Modern Au- 
thors‘ (John Castle), John Davidson, Ernest 
Dowson, Katherine Mansfield, Alice Meynell, 
Walter Pater und Francis Thompson, also keine 
ganz Modernen, denn keiner weilt mehr unter den 
Lebenden; die Bibliographien sind sehr gründlich 
und zuverlässig. 

Am 11., 12. und 13. November hielten Messrs. 
Hodgson & Co. einen Verkauf interessanter 
Bücher ab. Eine Anzahl von Büchern aus W. H. 
Davies’ Bibliothek, alles Dedikationsexemplare 
von hervorragenden modernen Autoren, wurden 
insgesamt für E 105 verkauft. Fünfzehn W. H. 


58 


Mar2-April 1926 


Hudson-Erstausgaben, ebenfalls samtlich Dedika- 
tionsexemplare, hauptsachlich Hannah Poland zu- 
geeignet, brachten zusammen £ 161 15 s. ein, und 
zwar betrugen die höchsten Einzelpreise £ 21 für 
„Idle Days in Patagonia“ (1893), £ 23 für „The 
Land’s End“ (1908) und £ 21 10 8. für „Adventures 
among birds“ (1913). Andere außerordentliche 
Preise für moderne Bücher waren £ 29 für W. de 
la Mare’s „Songs of Childhood“ (1902) und £ 25 
10 8. für eine vom Autor und Kunstler (E. H. 
Shephard) signierte „Limited edition“ von A. A. 
Milne „When we where young“ (1924). 

Am 2. und 3. Tage wurden einige kostbare Bucher 
aus einer alten Bibliothek verkauft, die bis auf 
das 17. Jahrhundert zurückgeht, u. a. Henry 
Vaughan „Olor Iscanus“ (1651, £ 42), T. Heywood 
„Exemplary Lives and Memorable Acts of Nine 
of the most worthy Women of the World" (1640, 
£ 20 10 s.), E. Waller „A Panegyrik to My Lord 
Protector“ (1655, £ 18 10 s.), M. Stevenson „The 
Twelve Months“ (1661, £ 102), A. Pope „The 
Dunciad“ (1728, Erstausgabe, £ 61), E. Spenser 
„Ihe Faerie Queen“ (1596) zusammen mit „Colin 
Clouts come home again“ (1595, £ 106), Dr. John- 
son ,,Journey to the Western Islands of Scotland‘ 
(1775, £ 14). 

Fir den 16. und 17. November 1925 sagten 
Messrs. Sctheby einen interessanten Verkauf von 
Büchern und Manuskripten aus den Büchereien 
des verstorbenen Lord Northwick an. Das An- 
ziehendste in dem sorgsamen Kataloge sind die 
autographischen Briefe und Handschriften. Es 
befinden sich darunter Briefe oder Manuskripte 
von Benjamin Franklin, George Washington, John 
Wesley, König Karl II., William Pitt dem Jüngeren, 
Murat, Beaumarchais, Napoleon, Walter Scott, 
Leigh Hunt, Thackeray, Tennyson, den Brownings, 
Captain Marryat, Beethoven, Dickens, dem Herzog 
von Wellington, Samuel Johnson, Samuel Richard- 
son, Robert Burns. Man kann sich kaum eine 
größere Reihe von Berühmtheiten vorstellen. 

Messrs. Dulau & Co. bieten in ihrem 133. Katalog 
für £ 160 eines der seltensten poetischen Pamphlete 
des ı8. Jahrhunderts an, die erste Folio-Ausgabe 
von John Gays erster Veröffentlichung „Wine“; 
ein einziges Exemplar ist vor mehr als 25 Jahren 
versteigert worden; das Britische Museum enthält 
kein Exemplar. Ein nicht sehr seltenes Buch, aber 
eins, das in den letzten Jahren bedeutend an 
Wert gestiegen ist, die Erstausgabe von Johnsons 
„Dictionary“ (1755), soll £ 15 kosten. Die Liste 
enthält vierzehn Erstausgaben von John Davidson, 
die teuersten sind die „Plays“ (1914), die £ 2 
kosten. „In a Music-Hall and other Poems“ (1891) 
wurden auf £1 15 s. taxiert. 

Pickering & Chatto haben ihren 224. Katalog 
herausgegeben, der Ergänzungen, 1502—1674, zu 
der letzten chronologischen Bücherliste enthält; 
darin befindet sich ein großes Exemplar der Aus- 


59 


Englischer Brief 


Zeitschrift für Bücherfreud 


gabe von 1640 von Shakespeares „Poems“, da 
£ 850 kosten soll; zu erwähnen ist ferner Clemen 
Barksiales „Nyınphia Libethris, or the Cotswold 
Muse“, einin London gedruckter Duodezband vor 
Jahre 1651; das äußerst seltene Buch soll om 
£ 32 kosten, ein sehr niedriger Preis, wenn ma 
bedenkt, daßes in der,, Bibliotheca Anglo- Poetica 
von 1815 bereits auf E 20 geschätzt wurde; i 
demselben Kataloge werden Exemplare der erte 
fünf Ausgaben von „The Compleat Angler“ ang- 
boten, die erste (1653) kostet £ 550, die zwei 
(1655) £ 225. 

James Tregaskis offeriert in seinem 912. Kataloz 
eine groBe Anzahl englischer Schauspiele, Gedichte, 
Essays, Romane und Chroniken des 16. und 17. 
Jahrhunderts, darunter befinden sich die erste 
Quarto des pseudoshakespearischen Dramas „Tte 
two Noble Kinsmen“ (1634) und die 6. Ausgabe 
des „Pericles“ (1653); die Preise belaufen sich au 
£ 220 und £ 26s. 

Die Firma Haslewood, die stets schöne Nev- 
drucke von seltenen und vergriffenen Büchen 
herausgibt, bietet in ihrem Katalog von 1926 ar 
„Songs by Beaumont and Fletcher“ mit der zeit- 
genössischen Musik und zwei Anthologien „Ti 
Phoenix Nest“, eineSammlung von elisabethanischet 
Gedichten, und „Parnassus Biceps“ mit Gedichten 
von Donne, Carew, Herrick und Jonson. 

Die erst kürzlich in Bristol eröffnete Buchband 
lung von Douglas Cleverdon, einem jungen „uti: 
versity man“, hat ihren ersten Katalog heraus 
gegeben in kleinem Umfange, aber schönem Drucke: 
die meisten Bücher darin handeln über Kurt 
und sind illustrierte Ausgaben, u. a. Sacheverel 
Sitwells „Southern Baroque Art“ (1924, Ën 
außerdem zwei Werke von Stanley Morison , For 
Centuries of Fine Printing“ (1924, £ 14 148) und 
„Modern Fine Printing“ (1925, £ 15), beide sind 
Folios und sonst nicht mehr im Buchhandel 4 
haben. Frühdrucke enthält der Katalog von Dav 
& Orioli, u. a. ein Exemplar der Übersetzung des 
„Vicar of Wakefield“ ins Französische (1768, f; 
und Faitfull Teates ., Ter Tria (1669, £ 2105) 
auch Erstausgaben von Chesterton befinden sich 
darunter: „The Ballad of the White Horse“ (191% 
£ 1), „Magic“ (£ I IS.), „The Defendant“ (% 
£ 1), „Gray Beards at Play“ (1900, £1), AR 
Wild Knight and other Poems“ (1900, £ ô); 19% 
sind Moore, Beerbohm, Masefield darin use 
In dem 138. Katalog von Frank Hollings wird E 
das wenig umfangreiche Werk eines noch Wem 
Autors ein verhältnismäßig hoher Preis geforder“ 
nämlich für Walter de la Mares „Songs d g 
hood (1902, £ 18), die noch vor wenigen e 
im Buchhandel zum Originalpreise käuflich as 

Messrs. Benn künden eine neue Reihe ' 
„limited editions an, die sogenannte » 
edition“; die Veröffentlichung begann m tog 
mit Miltons „Comus“ der nach dem ° 


60 


x März-April 1926 


” phischen Manuskript vom Trinity College, Cam- 
bridge herausgegeben worden ist; der Band ent- 
~ hält auch Blakes Illustrationen, die noch nie zu- 
~ vor mit dem Text zusammen erschienen sind. Die 
zweite Folge der „Julian Edition“ soll eine „The 
Miracle of Love“ betitelte Sammlung von Gedichten 
2 des verstorbenen Arthur Clutton-Brock sein; nur 
z eins von den Gedichten ist bisher veröffentlicht 
= worden. Die Gedichtsammlung soll wie der ,,Co- 
mus“ nur in 450 Exemplaren herauskommen, von 
denen jedes E 3 kosten soll. Das wichtigste der 
Julian-Bücher aber soll eine in nur 800 Exem- 
x plaren verkäufliche zehnbändige Gesamtausgabe 
x der Werke Shelleys sein; die Herausgeber sind 
z Roger Ingpen und der Amerikaner Dr. Peck, die 
= beide zeitlebens Material für die Ausgabe gesammelt 
- haben; da die Buxton Formansche Ausgabe von 
- 1800 im Buchhandel vergriffen ist, wird diese neue 
¿ vollständige Ausgabe sehr willkommen sein. Ein 
Buch, das schon lange von allen für die Entwick- 
lung des englischen Dramas Interessierten erwartet 
~- wurde, sind die von J. Q. Adams neu herausge- 
- gebenen „Chief Pre-Shakespearean Dramas“ (Har- 
.. rap); es führt uns von dem berühmten „Quem 
-. Quaeritis Trope“ über die Mirakel und Moralitäten 
bis zum „Gorboduc“. 
Das Britische Museum hat das Manuskript von 
` zwei Kapiteln von „Persuasion“, einem Roman 
2 von Jane Austen, erworben; diese Kapitel waren 
ursprünglich die beiden letzten des Buches; aber 
Jane Austen schrieb zwei neue Kapitel an Stelle 
` des ursprünglichen vorletzten, außerdem schrieb 
sie das letzte Kapitel zum zweiten Male nieder, 
daher ging das erste Manuskript der beiden Schluß- 
kapitel nicht in Druck, es soll voller Korrekturen 
sein und viel Licht auf die Arbeitsweise der Dich- 
` terin werfen; eine Veröffentlichung der zwei Kapitel 
von „Persuasion“ steht bevor. 
Dank den Bemühungen Edmund Gosses in 
seinem „Life and Letters of John Donne“ (1899) 
- und Mrs. Simpsons in ihrer Studie über Donnes 
- Prosawerke (1924) sind eine große Anzahl von 
* Donnes Briefen der Öffentlichkeit zugänglich ge- 
macht worden; bislang erschien es sogut wie aus- 
geschlossen, daß es noch irgendwelche unbekannte 
Manuskripte Donnes gäbe; doch sind kürzlich zwei 
Manuskripte Donnes entdeckt worden, die ange- 
- sichts des heutigen lebhaften Interesses für den 
Dichter von M. de Havillard im „London Mercury“ 
- (Dezember 1925) mitgeteilt werden; sie wurden 
> wie so viele andere in Loseley House gefunden, 
dem Heim des Schwiegervaters Donnes. Das erste 
- Manuskript ist ein Brief mit einem vollkommenen 
> Adruck von Donnes Siegel, das zweite Stück be- 
* steht aus frommen Betrachtungen, worin mehrere 
» Worte ausgelassen sind, die der Autor vielleicht 
z bei einer späteren Revision nachtragen wollte. 
+ Briefe von John Davidson, Robert Walpole, Wil- 
- liam Cowper und Robert Southey werden im 


61 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bucher freunde 


48. Kataloge von P. J. und A. E. Dobell angeboten. 
Der ıı. Katalog von Birrell& Garnett enthält außer 
einer Anzahl von Büchern aus der Restaurations- 
zeit und außer der ersten Gesamtausgabe von 
Miltons „Works“ (1697) zwei sehr interessante 
Briefe, einen Brief vom 12. August 1725 von Sir 
John Vanbrugh an Jacob Tomson und ,,A Letter 
to Dr. Burnet, from the Right Honorable, the Earl 
of Rochester, as he lay on his Death- Bed“ vom 
Jahre 1680. 


Bochum. Karl Arns. 


Neue Bücher und Bilder 


Erzählende Prosa 


Versucht man es bei der Sichtung des übervollen 
Büchertisches in den Neuerscheinungen der deut- 
schen erzählenden Literatur die gemeinsame Stil- 
linie festzustellen, mißlingt dies immer wieder im 
Gegensatz zu den nordischen, englischen und fran- 
zösischen Büchern, in deren jedem auf Grund tief- 
wurzelnder Tradition die für das Land klassische 
Ausdrucksform lebendig ist, innerhalb welcher die 
Autoren genügend Raum für die volle Wirkung 
ihrer Eigenart finden. Im heutigen Deutschland 
hingegen sind die Schriftsteller, jeder für sich, auf 
der Suche nach neuen und, wie sie meinen, origi- 
nellen Ausdrucksformen; ihre Furcht, als Epigonen 
oder Nachahmer bezeichnet zu werden, verzögert 
den Neuaufbau eines einheitlichen traditionellen 
Stils. Darum vielleicht manch schöpferische Kraft 
sich an Äußerlichkeiten zerreibt. Dies wird be- 
sonders fühlbar, durchblättert man eine Antholo- 
gie wie das „Pantheon“, die Hanns Martin Elster 
für die deutsche Buchgemeinschaft zusammenge- 
stellt hat. Obschon Elster eine mittlere Linie zu 
wahren sich müht und unter den Autoren, die er 
in diesem Bande vereinigt, sich wenige „Stürmer 
und Dränger“ finden, fehlt auch dieser gut zu- 
sammengestellten Anthologie die letzte Einheit- 
lichkeit, — ein undurchführbares Verlangen viel- 
leicht: wie denn Anthologien immer als Notbehelf 
für diejenigen gelten werden, denen es an Muße 
fehlt, tiefer in die zeitgenössische Literatur einzu- 
dringen. — Andem Tage aber, wo aus dem augen- 
blicklichen Chaos der neue Stil sich entwickelt 
haben wird, wird der Literaturhistoriker unter den 
ersten Alfred Döblin mit seinem großen historischen 
und phantastischen Roman zu den starken Stil- 
bildnern zählen. Liegt dieses Mal zwar (im 
S. Fischer-Verlag) nurein Reisebuch: „Reise durch 
Polen“ vor, so ist auch dieses in seiner höchst per- 
sönlichen, reizvollen, witzigen und unvoreinge- 
nommenen Art geschrieben, in der er dem neuen 
Staatsgebilde gerecht zu werden versucht und in- 
sonderheit viel Nachdenkliches über die polnischen 
Juden zu berichten weiß. — Döblins plastische 


62 


Márz-A pril 1926 


Stilkunst hat ihren Schüler in Otto Gmelin gefun- 
den. Sein Roman: „Temudsckin, der Herr der Erde“ 
(Verlag Diederichs, Jena) ist ein Buch von äußer- 
ster Begabung. Ohne Nachahmer zu sein, hat 
Gmelin neuschöpfend von Döblin die bildhafte, ja 
zeichnerische Ausdrucksform für seine Gescheh- 
nisse und Figuren, den Reichtum pragnantester 
Adjektiva, den Sinn für tragende Kontrastwirkung 
erlernt. Das Buch behandelt das Leben des 
Dschingischan und die Geschichte seiner kriege- 
rischen Eroberungszúge. Nur da, wo er seines 
Helden dämonische Gestalt mit faustischen Grü- 
beleien belastet, die dem Zeitalter des Mongolen- 
fürsten fremd waren, verliert das Buch an Inten- 
sität, und es ist vielleicht bezeichnend, daß der 
Dichter gerade an diesen Stellen am stärksten von 
der Historie abzuweichen gezwungen ist. — Von 
weit geringerer Bedeutung als das Buch Gmelins, 
— welchen Namen man sich wird merken müssen 
— ist der ebenfalls bei Diederichs erschienene Ro- 
man von Ernst Schmitt „Leberecht Kıtt“‘, der im 
hessischen Walde und in Paris zur Zeit der fran- 
zösischen Revolution spielt und zu deren blutigen 
Ereignissen wenig Neues zu sagen hat. Es wäre 
freilich ungerecht, zu verschweigen, daß die Figur 
des reitenden Försters im Dachsloch an sich ein- 
heitlich und sicher gestaltet, der historische Hinter- 
grund gut und farbig komponiert sind. — Weder 
von Stilwillen noch von Gestaltungskraft über- 
haupt ist viel in dem Künstlerroman von Hans 
Frank „Meta Roggenpoord“ (W. Seifert, Stuttgart) 
zu merken. In diesem Buch ist alles Literatur, 
von der Landschaft bis zu den Gefühlen, und der 
Autor redet darum so viel von „Scholle und Erd- 
geruch“, weil er sie nicht an sich einfangen kann. 
— Kein Wort steht davon in Svend Fleurons: „Die 
Wildschwäne‘‘ (Diederichs, Jena), und nichtsdesto 
weniger atmet das ganze Buch reinste und schönste 
Natur. In diesem Schwanenroman sind die nor- 
dischen Jahreszeiten, Binnenseen, Fjorde, Meere 
in all ihren Phasen als Umgebung der stolzen Vögel, 
ihres Lebens, ihrer Brunst, ihres Brutgeschäftes 
und ihres gefahrvollen Wanderzuges von einem 
Tier- und Pflanzenbeobachter geschildert, wie es 
einen besseren nicht gibt. — Ebenfalls ein Buch 
voll phrasenloser, selbstverständlicher Natur ist 
das von Geheimrat Miethe entdeckte (aber leider 
nicht sehr vollkommen übertragene) Buch des Nor- 
wegers Gabriel Scott: ,, Die Quelle des Glücks“ (Lintz, 
Trier) das, an Hamsuns Schlichtheit geschult, das 
Leben und Sterben eines armen Fischers und seiner 
Fische umfaßt. — Als ein wenig aufgeputzt schon 
gegen diesen Norden, ein wenig salontirolerisch, 
für Erwachsene ein wenig kindlich, für Kinder ein 
wenig erwachsen, aber doch noch voll reinem Ge- 
fühl für Sennen und Vieh bleibt: „Pankras der 
Hirtenbub“ von Hans Brandenburg, (Haessel, Leip- 
zig) anzuzeigen. Das Idyll ist in Quarto sehr schön 
auf gutem Papier gedruckt und von Dora Branden- 


63 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Buche fem: 


burg-Polster mit hübschen Zeichnungen versehe. 
— Ferner sei für kriminalistisch interessiere 
Leser erwähnt, daß sechs weitere Bande de 
„Außenseiter der Gesellschaft (Verlag die Schmied 
erschienen sind, dieser ausgezeichneten Pitaval · 
schen Sammlung moderner Rechtsfälle, die zumes. 
an Objektivität gewinnen, aber vielleicht a: 
Lebendigkeit verlieren würden, wenn ihre Ver- 
fasser eine weniger einseitige gesellschaftsfeirdlic: 
Stellung einnähmen. In den vorliegenden Báni- 
chen werden die Fälle des Hochstaplers Egloffstein. 
Murri-Bonmartini, Hanika und Eißler, sowie de- 
Hitler-, Ludendorff- und der Prozeß gegen dit 
Moskauer Sozialrevolutionáre durch Th. Schramek 
K. Federn, H. Ungar, Th. Czokor, L. Lama, und 
K. Kersten erörtert. — Ein ungeheures Vergnügen 
aber wird der Freund von Detektivgeschichten au 
Chestertons: „Der Mann der zuviel wußte‘ (Muse 
rion-Verlag, München) finden. Hier paaren sii 
die Erfindungsgabe eines Doyle und der Witzeins 
Shaw und machen diese Geschichten unibertreti- 
lich an spannenden Situationen und verblüffenden 
Lösungen im Rahmen einer hinreißenden Gesell 
schaftssatire. 

Im Verlage Kurt Wolff, München, erschien el 
Roman der Engländerin Margaret Kennedy: „Die 
treue Nymphe“, deutsch von E. L. Schiffer, der 
überaus unterhaltend zu lesen ist. Der Erfolg des 
Buches in den Englisch sprechenden Ländern war 
sensationell und dies nicht un verdientermaben. 
Die Bohemewirtschaft des in Tirol lebenden und 
sterbenden Komponisten Sanger, die Entwicklung 
seiner Kinder, der Zusammenprall dieser etwas 
schlampigen mit der englisch- bürgerlichen Welt 
ergibt eine Geschichte voll der konaischsten — und 
auch traurigsten — Situationen, um die sich Geh 
dies eine Fülle klügster Bemerkungen rankt. Nein. 
das Buch ist ganz gewiß kein Kunstwerk vo 
Ewigkeitswert. Aber es hat auch diese Pratentic 
nicht und erfüllt die Aufgabe, die es sich et 
uns eine Weile lang so gut zu unterhalten, wie Wi 
unterhalten sein wollen, ohne in uns das bel? 
vertaner Zeit zu erwecken. 

Wesentlich wertvoller, aber darum nicht mud 
spannend zu lesen ist der im gleichen Verlage © 
schienene amerikanische Roman von Sinclair U 
wis: „Dr. med. Arrowsmith“. Lewis ist der Ver 
fasser des hier schon gewũrdigten Romans able 
welcher Babitt in Amerika auf Grund dis e 
mans zur allgemeinen Bezeichnung eine Spiele 
geworden ist. Wie in diesem Babitt das y 
amerikanischer Provinzkreise lebendig wird, e 
in diesem Buch die amerikanische ebe de 
liche Welt vor uns. Arrowsmith 8e Ge 
Figur, die zwischen dem smarten wisse de 
der seinen Beruf als business sieht wie Ser 
deren, und dem in dem Deutschameril# ye 
fessor Gottlieb verkörperten ernsten» welta i 
wandten Wissenschaftler hin und her hre 


64 


"re, 


—Máre- April 1926 


Dum schlieBlich ernster Wissenschaftler zu werden. 
Die Lektüre dieses Buches ist zur Kenntnis Ame- 
">" ikas ebenso unerläßlich wie die Babitts. (Und 
KN ‘am Ende wird man sich schaudernd fragen, ob es 
m dieser Beziehung bei uns so ganz anders ist.) 
Darüber hinaus aber wird man in diesem zwei- 
bändigen Roman viel allgemein Menschliches neben 
dem Ethnologischen finden, eine reizende Liebes- 
und Ehegeschichte und das erregende Abenteuer 
einer Pestexpedition. 
2". In der gleichen Reihe der amerikanischen Ro- 
mane bringt Wolff dann noch „Studenten jahre“ 
— yon Percy Marks. Dieser Roman wird diejenigen 
interessieren, die sich uber das amerikanische Stu- 
E dentenleben und seine Gemeinschaftsformen infor- 
tres mieren wollen. Der Leser wird auch wertvolle 
ec Aufschlüsse darüber erhalten, in welchen Formen 
= sich die Beziehungen zwischen den Geschlechtern 
. in Jung-Amerika abspielen. Abgesehen von diesem 
+|: informatorischen Wert indessen erhebt sich dieser 
z =z überdies ein wenig tendenziöse Roman nicht über 
er das Niveau der besseren das deutsche Studenten- 
::: leben schildernden Bücher. 

Von deutschen Neuerscheinungen seien noch die 
zwei Novellenbände Hans Roseliebs ,,Rot-Gelb-Rot* 
‘yy erwähnt, die der Orplidverlag herausbringt. Auch 
: diese Novellen haben ihren ethnographischen Wert 
~; zum Studium des heutigen Spanien. Geschickt 
e werden in einigen dieser Erzählungen deutsche 
Einwanderer den Spaniern entgegengestellt, um 
<- an dieser Gegenúberstellung die Antagonien der 
Charaktere zu zeigen. Am gelungensten in der 
Schilderung. im Einfangen der spanischen Land- 
.. - schaft erscheint die Geschichte eines spanischen 
`.» Kampfstiers: Barbar. Sonst hätte es diesen Ar- 
beiten zum Vorteil gereicht, wenn sie auf einen 
a Band zusammengedrängt worden wären. So bleiben 
e die meisten der Novellen zu langatmig, zu, wenn 
auch liebevoll, detailliert. Der Leser unserer Tage 
aber verträgt, zumal in der Novelle, die Breite 
nicht mehr. 

s Als letztes sei ein (bei Staackmann erschienener) 
Novellenband A. de Noras erwähnt; „Tal des 
_.. Willens“, in dem eine sehr feine Geschichte: „Die 
Witwe“ enthalten ist, darin sich das Leben eines 
alten Mädchens abspielt, das dem geliebten Manne 
= auf dessen Totenbett angetraut worden ist. Hier 
hat der Dichter in Andeutungen fast nur, aber um 
"` so lebendiger ein kleines Schicksal auf wenigen 
Seiten dennoch erschöpfend geschildert. In dieser 
- Novelle liegt die Empfehlung des Buches, das vom 
`" bibliophilen Standpunkt aus das bestgelungene 
der diesmal besprochenen ist. Aber erstaunlicher- 
weise sind seit Bestehen der Buchdruckkunst die 
bestgedruckten Werke (ich spreche von Erstaus- 
gaben natürlich) nie die bestgeschriebenen gewesen. 
Erik-Ernst Schwabach. 


65 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


C. Balcke, Bibliographie zur Geschichte der 
Preußischen Staatsbibliothek. Leipzig, Hiersemann, 
1925. 

Die vorliegende Arbeit hat nur ein kleines 
Publikum, und es steckt daher etwas von Selbst- 
vergessenheit und kontemplativer Hingabe in der 
Arbeit. Dem oberflachlichen Vorwurfe, eine Frucht 
des MuBigganges, eine Beschäftigung sonst verlo- 
rener Stunden zu sein, begegnet sie mit einem fei- 
nen, kleinen Zitate, das ich hier nicht wiederholen 
mag. Nein, es ist wahrlich keine unnütze, spielende, 
müßige Sache, eine Bibliographie zu verfassen. 
Dazu gehört schon ein Ziel, ein ernster Wille, 
Konzentration und auch Umsicht, Auswahl, Kennt- 
nisse, Geschmack, Takt und Fleiß ohne Ermatten. 
Ich sagte, ein kleines Publikum habe die vorliegen- 
de Arbeit. Gewiß, zunächst werden vielleicht die 
meisten nicht recht wissen, was sie damit anfangen 
sollen. Besonders Fernbleibende. Besonders solche, 
die sich gar keine Gedanken darüber machen, was 
eine Bibliothek bedeutet. Wieviel Zeitgeschichte 
eine Bibliothek beleuchtet und wieviel inkorpo- 
rierte Zeitgeschichte sie am Ende selbst doch dar- 
stellt. — Ein Kenner des Lebens, der Kultur, der 
Geschichte, der Ideen, wird dagegen hier schon 
auf seine Kosten kommen, ja viel Nahrung finden. 
Es wird ihm diese objektive Zusammmenstellung, 
wenn wir nicht sehr irren, sogar weit besser mun- 
den als irgend ein subjektiver Schmaus, an dem 
nicht viel Substanz und desto reichlicher Schaum 
und Tunke ist. Anatole France pflegte das Stu- 
dium von einfachen Buchhändlerkatalogen der Lek- 
türe von vielen anderen Büchern vorzuziehen. 
Waren das nicht nur geistlose Titel? Nein und ja. 
Der geistvolle Mensch hat gelernt, die Musik in 
den Dingen selbst zu vernehmen; sie sich vorspie- 
len zu lassen, lockt und reizt ihn stärker als der 
Zwang allen unfrei machenden Aufgebots seitens 
einer fremden Phantasie. — Ich glaube daher, daß 
kein Leser, der selbst geistvollen Blick hat, diese 
Veröffentlichung so leicht vollständig unbefriedigt 
aus der Hand legen wird. Schon die beiden Vor- 
worte, von denen das zweite der Bearbeiter selbst 
geschrieben hat, zeigen, wie hoch die Leistung ge- 
wertet werden darf. Die Eróffnungszeilen schrieb 
Fritz Milkau. H.L. 


Leonaert Bramers Zeichnungen zum Tyl Ulen- 
spiegel. Herausgegeben von E. W. Bredt. Leipzig, 
Karl W. Hiersemann, 1924. 

Die 72 Illustrationen Bramers zum Eulenspiegel, 
jetzt im Besitz der Bremer Kunsthalle, sind, wie 
Bredt annimmt, um 1640 entstanden, zeitlich den 
verwandten Bildern Bramers zu Mendozas ,,La- 
zarillo de Tormes“ benachbart. Aber eher berührt 
sich ihr Stil mit der späteren Folge zu den , Suenos“ 
des Quevedo y Villegas und sie mögen deshalb wohl 
gleichzeitig mit diesen, Mitte der fünfziger Jahre, 


66 


Maärz-April 1926 


anzusetzen sein. Zunächst meint man, es hier 
überall mit Vorlagen fur Bũcherillustration zu tun 
zu haben; aber nirgends findet sich ein Beleg, daß 
Bramers genannte Folgen vervielfältigt worden 
wären. Auch die Vermuturg seines Biographen 
Wichmann, der Delfter habe sie für Kachelbilder 
bestimmt, muß wegen der reichen Detailzeichnung 
angezweifelt werden, der das Können und die 
Technik der plateelbaker kaum gewachsen gewesen 
ware, So wenig wie die Frage des Zweckes kann 
die nach der von Bramer benutzten Eulenspiegel- 
ausgabe sicher beantwortet werden. Warum sollte 
er gerade einen Druck mit nur 46 Erzahlungen 
benutzt haben? Könnte er nicht die in den 
umfangreicheren Ausgaben enthaltenen weiteren 
Schwanke mit Absicht ubergangen haben? Immer- 
hin tut Bredt recht, wenn er nur die von Bramer 
illustrierten Geschichten als Text bringt. Die Sorg- 
falt der Einleitung und die gute Wiedergabe der 
Bilder machen das Buch zu einem erfreulichen 
Besitz. A—s. 


Georg Brandes, Die Jesussage. Berlin, Erich 
Reiß, 1925. 

Wer, wie Referent, angesichts eines anzuzeigen- 
den neuen Werkes immer zunächst zusieht, was 
an ihm doch zu loben sein möchte und was aus 
ihm zu holen ist, der ist diesem Buche gegenüber 
baB in Verlegenheit. Wär’s fünf oder sechs Jahr- 
zehnte früher geschrieben — zu dieser Zeit schrieb 
sein Autor allbereits Bucher —, könnt’ man am 
End’ sich helfen, indem man es, eines Dänen Ver- 
lautbarung, wenigstens eine mutige Leistung nennte, 
Und hätten wirin Deutschland Arthur Drews nicht, 
der in Bestreitung der Geschichtlichkeit Jesu und 
in Attackierung professoraler Vorurteile der Fach- 
theologen das Menschenmögliche leistet, manch- 
mal noch etwas drüber, so ließe sich sagen: Der 
nordische Literaturhistoriker hat dafür gesorgt, 
daß wir einem J.M. Robertson in England, einem 
Alfred Loisy und Paul Louis Couchoud in Frank- 
reich u. a. unserseits ein Ähnliches an die Seite zu 
stellen hätten. Ob aber Drews des Sukkurses eines 
Ausländers bedürftig ist? Besonders wenn dieser 
Eigenes, Neues zur Sache nirgends zu sagen hat? 
Einen Autor von den Verdiensten eines Brandes 
möchte ich am Abend seines Lebens, wenn er’s 
denn doch nicht lassen kann, in theologicis zu 
machen, lieber in der Rolle Nathans des Weisen 
sehen als in der Rolle des Thersites. Das Buch ist 
ernst gemeint, nicht ernst zu nehmen. Das ist hier 
nicht eines Theologen Verdikt, sondern des Reli- 
gionshistorikers. Aber: G. Brandes hat auch viel 
sehr Tüchtiges, ja Ausgezeichnetes geschrieben, 
und danach soll er weiterhin bei uns geschätzt, 
gewürdigt werden. Nicht nach der Extratour, die 
er in seinem letzten Buche tanzt. Auch in ihm 
steht jedenfalls ein Satz, den man sich kann ge- 


67 


Neue Bücher und Bılder 


Zeitschrift für Bucher fremd 


fallen lassen, sein allerletzter: „Es ficht pottlict: 

Wesen nicht an, daß sie ihr wahres Leben, E 

einziges Leben im Gemüt des Menschen haber" 
H. Haas. 


Frank Brangu yn, der Radierer. Siebzehn Kuzit- 
drucke nach Radierungen mit biographischer Ex 
leitung von A. S. Levetus. Wien, RiRola-Ver.s;, 
1924. 

Kulturgefühl und sichere Wirkungsbeher- 
schung, zu glatter Meisterschaft im impressioni: 
schen Erfassen der Erscheinungen erhoben, charai- 
terisiert diesen international anerkannten Meista 
der Nadel und der Ätzung, der, in Brügge gebote. 
in England aufgewachsen und künstlerisch e 
zogen, als der erfolgreichste Fortsetzer der Sun: 
mungskunst eines Legros, eines De Groux in die Ge- 
genwart hereinragt. Das verkleinerte Format ce: 
hier gebotenen vortrefflichen Kunstdrucke era 
ihnen zwar kaum mehr zu sein als Merkblatter fir 
den Hausgebrauch, um die Erinnerung wachzi- 
halten an die weitbekannten NMeisterschöpfragen 
der „London Bridge“, der „Hagia Sophia“ und der 
„Santa Maria della Salute“, aber auch als sol: 
sind sie eine dankenswerte Gabe. AL M. 


Arnolt Bronnen, Katalaunische Schlacht. Be- 
lin, Ernst Rowohlt, 1924. 

Um Arnolt Bronnen ist eine Literaturfebce 
von seltener Schärfe entbrannt, das pro und con- 
tra Bronnen führt zu einem förmlichen Schism 
der literarischen Kritik, deren Päpste Bannbullea 
gegeneinander schleudern. Der Dichter selbst aber 
leidet am meisten unter diesem Kampf, der vi 
beiden Seiten mit der gleichen Ungerechtigkeit 
uneingeschrankter Verhimmelung und wengs 
schränkter Verdammung seiner Arbeiten geführt 
wird. Diese diametral entgegengesetzte Bo?" 
lung einer dichterischen Persönlichkeit freilich 
findet in Bronnens Dramen leichte Erklärung. In 
ihnen allen: „Vatermord“, „Anarchie in Sillian“ de 
der hier vorliegenden ,,Katalaunischen Schlacht 
halten sich die Szenen, die Zeugnis für das stur: 
mische Talent des Dichters ablegen und die ei 
fast hilflosen Verkrampfung die Wage. Bronne? 
hat vor allen Dingen — und dies als unwich 
hinzustellen ist eine verhältnismäßig junge Erin: 
dung — dramatischen Geist und den Griff für de 
Bühnensituation. Eine Szene wie die des Bas 
zusammenbruchs im Unterstand des ersten A? 
der Katalaunischen Schlacht ist stark, lebendig 
temperamentvoll und dramatisch packend, más e 
tausendmal das Grand - Guignolhafte m 
Ebenso sind es spätere der Todesangst Y” e S 
Aufeinanderstürzens sinnlichen Begehrens. 
ist „Sturm und Drang“ im besten Sinne. d = 
blättere in „Kabale und Liebe‘ und man . 
staunt sein, wie toll und expressionistisch 


68 


— April 1926 Neue Bücher und Bilder Zeitschrift für Bucher freunde 
E 


a - -Klassiker Schiller seine Figuren schreien läßt. — | von 1300 Seiten den Gedanken an den „Wälzer“ 
Jer hemmungslose Drang in Bronnen, das For- | nicht aufkommen und scheint doch nicht durch, 
issimo aller Einsätze aber treibt ihn zu weit | der Einband Hußmanns wirkt reich und zu- 

` ort; ihm fehlt bislang die letzte und viel- | gleich diskret. Der Wortlaut wird mit ungewöhn- 

«eicht notwendigste Begabung und Kraft des sich | licher Sorgfalt geregelt, so daß z. B. für Stifters 

. urückhaltens, der Umkehr in stillere Gewässer, | „Nachsommer“ selbst die besten früheren Aus- 

ind so schwankt er solange steuerlos im Sturm, | gaben der neuen nicht gleichkommen, und ebenso 

len er selbst entfachte, bis ihn endlich wieder ein | sind für die in fremden Sprachen geschriebenen 
„euer und stärkerer Stoß vorwärtstreibt. Ohne | Werke die bewährtesten Übersetzer herangezogen 

` ap er indessen jemals wieder den Hafen erreichte. | worden. Endlich die Nachworte — ein fast un- 
zein Drama, nicht dessen Personen erleiden den | entbehrliches Mittel, um den Leser in die Geistig- 

. ragischen Schiffbruch. — Bronnen ist bislang | keit vergangener Zeiten und fremdartiger Gestalten 
veder das Genie noch der Stümper, zu denen man | einzuführen (wozu man freilich durch Daten und 
hn machen will. Er ist ein mit dem Ausdruck biographische Angaben nicht gelangt). Die Auf- 

“” .Zingender, die Entscheidung in diesem Ringkampf | záhlung der jüngst erschienenen Bände wird durch 

` och offen. Und es bleibt nur Goethe zu zitieren, | die Namen der Erläuterer genug sagen: Gogol, Die 

i „der, wie es in der,, Katalaunischen Schlacht“ beißt, | toten Seelen (Rudolf Kaßner) ; Fielding, Tom Jones 

u jeder Situation des Lebens ein Aufsatzthema | (Paul Ernst) ; Jacobsen, Niels Lyhne (Stefun Zweig) ; 

Se SE hat: „Wenn sich der Most noch so ab- | Stifter, Der Nachsommer (Hugo von Ho/mannsthal) ; 

i urd gebardet .. .“ E. E. S. Goethe, Die Wahl verwandtschaften (Thomas Mann). 

SE — — Ich weiß sehr wohl, was ich hier geschrieben 

= habe, ist keine Kritik und will doch eine vorstellen. 

“=> Benedetto Croce, Der Begriff des Barock — Die | Aber ich finde nichts, was ich an und in diesen 


- “Segenreformation. Zwei Essays. Zürich, Rascher | Büchern anders wünschte, — ein Fall, der dem 
“= & Cie, Herzen um seiner Seltenheit willen um so mehr 
— Was der berühmte italienische Gelehrte in diesen | wohltut. G.W. 


zeiden Aufsätzen sagt, leuchtet in kunst- und kul- 
== nurgeschichtliche Zusammenhänge hinein, die ge- 
‘ade jetzt in Deutschland sehr lebhaft erörtert wer- 
den. Erinnert sei nur an Werner Weißbachs Buch 
, Der Barock als Kunst der Gegenreformation“ 
“Berlin 1921). Damit und mit der übrigen Literatur 
x” jetzt Croce sich hier auseinander, so selbständig, 
gründlich und anregend, wie in allen seinen erstaun- 
dich zahlreichen Werken. Der Barock wird von ihm 
nicht verherrlicht. Er sieht in ihm mit Recht ein 
Zeitalter tief gesunkenen Geschmacks, lehnt jede 
z ursächliche Begründung ab, erkennt Italien als Ur- 
=prangaland und findet die Kennzeichen nur nega- 
«Atv, d. h. „als eine Verneinung oder Grenze dessen, 
Was eigentlich Kunst und Poesie ist“. Das wird 
hoffentlich etwas Wasser in den Wein einer tat- 
Sachen verachtenden Begrifflichkeit schütten, deren 
Anhänger sich jetzt an dem Vorstellungsgebilde 
„Barock“ berauschen. Ebenso gute Wirkung kann 
der Essay „ Die Gegenreformation“ üben, und beide 
seien zum ernsthaften Lesen empfohlen, obwohl der 
Obdersetzer dem reichen Inhalt ein etwas steifes 
Pe Gewand umgelegt hat. G. W. 


Hermann Goetz und Rose Ilse-Munk, Gedichte 
aus der indischen Liebesmystik des Mittelalters 
(Krishna und Rá1há). Mit 12 Tafeln. Leipzig, Asia 
Major, 1925. 100 numerierte Exemplare auf Bitten 
in Halbpergament. 

Ahnlich wie in Deutschland ist auch im Indien 
des 14. und 15. Jahrhunderts aus dem Streben nach 
religiöser Vertiefung eine mystische Richtung er- 
wachsen, die den Liebesbund Krishnas mit Rā ihá 
zum Symbol der erlösenden Gottesliebe gestaltete. 
Große Dichter, wie Vidyäpati Tbäkur, Chandidäs, 
Harivans, Kesavadäs haben die einzelnen Stadien 
dieses großen Herzenserlebnisses der Gläubigen ge- 
schildert, in zarten und glühenden Liedern, die sich 
der großen Lyrik aller Zeiten einreihen. Die beiden 
Herausgeber des vorliegenden Werkes erwerben sich 
das Verdienst, diese wundersamen Gebilde orienta- 
lischer Lyrik in trefflichen Verdeutschungen darzu- 
bieten, begleitet mit einer gründlichen, geschmack- 
vollen Einleitung, Angaben über die Dichter, An- 
merkungen, einem Literaturverzeichnisund Bildern, 
durch die der Vorstellungskreis dieser Dichtungen 
aufs beste versinnlicht wird. Dem ungewöhnlich 
wertvollen Inhalt entspricht die vornehme Aus- 
stattung: Druck der Offizin Drugulin, edles Bütten 
für die hundert Vorzugsexemplare, schöner Halb- 
pergamentband. Das Buch ist für Kenner und 
Liebhaber ein höchst begehrenswerter Besitz. 

G.W. 


Die Sammlung Epikon (Leipzig, Paul List) gibt 
„fünfzig auserlesene Hauptwerke erzählender Prosa 
= in 80 vornehmer Gestalt wie sonst nur Luxus- 
ausgaben in kleiner Auflage. Das schlanke Taschen- 
` format erfreut das Auge, der Satzspiegel ist mit 
a sicherem Gefúhl abgewogen, Satz und Druck von 
mehreren Offizinen in gleicher Güte hergestellt, 
das Dünndruckpapier läßt selbst bei einem Umfang 


69 70 


Marz-A pril 1926 

Georg Hermann, Der kleine Gast, Roman. 
Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt, 1925 

In diesem Roman sagt jemand zu dem Helden: 
„Ich habe Ihre Bücher immer gern gehabt, weil 
sie nie mehr sein wollten als sie waren. Sie waren 
irgendwie keusch, und das ist nicht allzu häufig.“ 
Man könnte nichts Zutreffenderes über die bis- 
herigen Werke Hermanns und diesen seinen neue- 
sten Roman sagen. Sie haben in dieser ihrer Be- 
scheidenheit und Keuschheit eine innere Verwandt- 
schaft mit den Büchern Theodor Fontanes. Ohne 
das große Format weltliterarischer Romane zu er- 
streben, beschränken sie sich auf einen kleinen, en- 
genKreis im Grunde durchschnittlicher Menschen. 
Aber sie fangen diesen Kreis voll ein und geben 
— darum vielleicht ein überdauernder Beitrag zur 
Kulturgeschichte — das festumrissene Bild der 
Berliner Bourgeoisie. Der „kleine Gast‘ schildert 
das vorkriegerische Berlin, einen Kreis mittleren 
Bürgertums, ein wenig von Bohéme und Journa- 
lismus durchsetzt. Es geschieht in ihm nicht mehr 
und nicht weniger, als was in solchen Kreisen ge- 
schieht, es wird von den Menschen so wichtig ge- 
nommen, wie sie es zu nehmen pflegen, und von 
dem Dichter so wichtig, wie es ist. Little Dorrits, 
der Hauptfigur, des Schriftstellers Fritz Eisner 
Kind, des kleinen Gastes kurzes Erdenwallen und 
Tod ist der Orgelpunkt, auf dem die Komposition 
des Romans aufgebaut ist. Es könnte jemand 
sagen, daß sich in dem Roman manche Bana- 
lität findet. Dies aber wäre ein Irrtum des flüchti- 
gen Lesers; denn in diesen scheinbaren Banalitäten 
gerade erweist sich Hermanns Keuschheit, der einen 
witzigen und originellen Einfall lieber in einen all- 
täglich anmutenden Satz bringt, als daß er wie 
manch anderer eine Alltäglichkeit originell heraus- 
zuputzen sich müht. Man liest diesen Roman gern 
und ist ein wenig betrübt, wenn er zu Ende gegan- 
gen ist, E. E.S. 


Arthur Holitscher, Der Narrenbaedeker. Auf- 
zeichnungen aus Paris und London. Mit ı5 Holz- 
schnitten von Franz Masereel. Berlin, S. Fischer, 
1925. 

Eine „sentimental journey“ durch das nach- 
kriegerische Paris und London; gereist von einem, 
der den unbestechlichen Kamerablick für die Luft, 
des Leben, das Tempo der Städte hat; dessen Herz 
und Geist revolutionär sind, ohne Ungerechtig- 
keiten zu begehen. Ein spannendes und erfrischen- 
des Buch, in dem Masereels immer unvergleich- 
liche Holzschnitte den Europa überflutenden Ame- 
rikanismus spüren und zeichnen. E. E.S. 


Herbert Ihering, Aktuelle Dramaturgie. Berlin, 
Die Schmiede, 1924. 

Selbst für einen so ernsthaft bemühten Kritiker 
des aktuellen Theaters, wie Ihering es ist, scheint 


71 


Neue Bücher und Bilder 


es doch nicht ganz leicht zu sein, aus der ver- 


wirrenden Fülle schwankender Erscheinungen us: 
Strebungen unserer heutigen Bühne etwas wie Ge 
setze abzuleiten, die durch mehr und anderes als En: 
zundungen für modische Sensationen erkenntnis 
mäßig zu begründen waren. „Entfesseltes“ oder ze- 
sunde Tradition im Einklang mit den Schwester. 
künsten wieder aufnehmendes und fortentwickel:- 
des Theater — um diese Entscheidung ist wohl nich: 
herumzukommen, wenn Klarheit den Wirwar 
verdrängen soll zuweilen schöpferischer, allermeis: 
aber trostlos schlecht fundamentierter Experimer- 
tatoren. 

Den geschlossenen Bekenntnissen gegenüber. 
die Ihering seinen eigentlichen Kritiken i: 
Zwischensprüche einreiht, um programmatisch: 
Merkzeichen aufzurichten, und die reifstes ans 
sagen über die unzerstörbare Harmonie von Seeler- 
analyse und Form — so wenn er vom Tas: 
Goethes, vom Cymbeline Shakespeares die the- 
matische Synthese zieht — steht ein wenig erſoig- 
reiches Bestreben, aus den Darbietungen ekstatisc: 
befangener Dramatiker und denen ehrgeizig tii- 
telnder Regisseure richtungweisende Prinzipien 
abzuleiten, Gar manches, wenn nicht das aller- 
meiste, klingt da doch wie nachlallendes Ech: 
jener auf anderen Kunstgebieten Gott sei Dank 
längst verklungenen Orakelsprüche expressions- 
tischer Verstiegenheiten. Aber es ist ja nicht in Ab- 
rede zu stellen: in der geheimnisvollen Maschinerie 
des Theaters hat sich dieser Spuk verfangen ur! 
larmt dort weiter. Ein Totentanz blutleere: 
Schatten und zu Grotesken aufgeputzter Gerippe 
ist da noch immer Hauptprogrammnummer, ob- 
wohl die Glocke längst Zwölf vom Turme geschlazer 
hat. Die alles duldenden Bretter, die immer noch 
die Welt zu bedeuten vorgeben möchten, sind der 
diesem Totentanz sich willig darbietende Schau- 
platz. Von der auf allen anderen Kunstgebieter 
eingetretenen Besinnung auf die notwendige Iden- 
titat von Erlebnis und Gestalt, auf organisch be- 
dingten Ausdruck, davon, wie Seele sich den 
Körper schafft, ohne aus den geheiligten Grenze: 
vergeistigter Natur herauszutreten, ist auf unsert 
Theatern und unter dem süßen Pöbel vor unseren 
Bühnen immer noch nichts zu spüren. Vielleicht 
muß darum gerade der um Gesetzmässigkeit Be- 
sorgte zum vorschnellen Gesetzgeber werden, s0 
daß seine Diktate der Ähnlichkeit mit pythischer 
Orakelsprüchen oft nicht entbehren. Man kan 
sich ja allenfalls etwas dabei oder drum herun 
denken, wenn es heißt, man solle die Sprache raun- 
haft und die Bewegung akustisch empfinden — 
aber ein grundlegendes Gesetz aktueller Drama- 
turgie ist daraus schwerlich abzuleiten. 

Max Martersteig. 


72 


Zeitschrift für Bücher freurc: 


a ̃ Q—— ̃ͤ ̃ ͤ—ñ: ana kann ren nn EES 


KE 


ET a Së Aë ed, e 


~ März- April 1936 Neue Bücher und Bilder Zeitschrift für Bücherfreunde 


de, 


Die Kindheit Jesu. Mit Text aus der Heiligen 
“Schrift nach der Übersetzung von Allioli. Heraus- 
“gegeben von Dietrich v. Hildebrand. — Der heilige 
"Benedikt. Sein Leben in Bildern von Signorelli und 
“ Sodoma, mit Text aus dem Leben des heiligen 
Benedikt von St. Gregor dem Großen nach einer 
“alten Übersetzung. Herausgegeben von Dietrich 
v. Hildebrand. München-Rom, Theatiner-Verlag, 


~ 1925. 


scharfe Feder entworfen hat, sind von Bogner eben- 
so elegant, ebenso bissig, ebenso lebensvoll natür- 
lich nachgeformt worden. Mit vollem Rechte wur- 
den statt des Hexameters die freien gereimten 
Verse gewählt; sie entsprechen weit besser dem 
Inhalt. Die Druckgestalt erfüllt in dem Satzbild 
der Walbaum-Kursiv, in Klarheit und Anmut jeden 
Wunsch und der Druck Hegners steht auf dem 
schönen Bütten prächtig schwarz und weich. 


— Wiederum zwei illustrierte Bändchen in Mi- 
niaturformat, die der Theatiner-Verlag seinen 
“schönen Ausgaben des Rosenkranzes, Kreuzwegs 
und des Büchleins vom hl. Johannes dem Täufer hat 
folgen lassen. Wiederum farbige Reproduktionen 
nach italienischen Meistern im einen und Tief- 
"druckbilder von nicht geringeren Reizen im zweiten 
Falle. Beidemal eine erlesene künstlerische Wir- 
kung, die einem wundervollen zyklischen Kunst- 
gesetze entspringt; zart und lieblich, sinnig und 
„andachts-innig, wohler wogen im Dienste der Reli- 
gion. — Den kleinen Bildtafeln entsprechen, in 
saubern Lettern, die Textworte, aus denen die 
Phantasie der Künstler schöpfte, und aus denen 
nach eigner Melodie unendlich weiter zu schöpfen 
- allen, die sich in jene Geheimnisse betrachtend 
versenken wollen, unbenommen bleibt... Aber 
- die Hand der großen Italiener, eines Filippo Lippi, 
. Pinturicchio, Fra Angelico, Mantegna, und Nieder- 
länder, die wir hier bewundern dürfen, gibt der 
. schweifenden Einbildungskraft doch auch wohl- 
‚tuende Rast und Bestimmtheit. Wie schön sind 
- diese frommen Kompositionen in ihrer schlichten 
. Wahrheit! Wieviel Poesie umwebt Landschaft, 
Figuren und die süße Einheit und Harmonie jedes 
. Bildchens! Ich möchte noch nachträglich hinzu- 
fügen: auch ein Marienleben, voller Gnaden und 
Anmut, in Wort und Bild hat der genannte Verlag 
in derselben kunstsinnig reizvollen Ausstattung 
den oben angeführten Werken angereiht. Giotto, 
Fra Angelico, Filippo Lippi und andere liehen 
dazu desgleichen ihre schönsten Gmälde. Daß die 
schwarze Kunst, der ja die Vervielfältigung man- 
ches Guten schon verdankt wird, nun in solcher ent- 
zückend künstlerischen Feinheit derartige Gaben 
der Gottesliebe hervorbringt, läßt uns erfreut der 
großen Entwicklungswunder gedenken, die Wil- 
helm Wundt dereinst unter „Heterogenie der 
Zwecke“ buchte. H.L. 


Decimus Junius Juvenalis, Der Weiberspiegel. 
Die sechste Satire, in neuer Übertragung von Hans 
Bogner (7. Münchener Druck). München, Verlag 
der Münchener Drucke, 1924. 111 gezählte Exem- 
plare. 

Die Subskribenten der Münchener Drucke emp- 
fingen in Gestalt dieses kostbaren Buches eine 
Gabe von innerem und äußerem Wert. Die Bil- 
der aus dem Rom der Kaiserzeit, die Juvenals 


Beibl. XVII, 6 73 


G. W. 


Stephen Leacock, Humor und Humbug, Deutsch 
von E. L. Schiffer-Williams. Charlottenburg, Wil- 
liams & Co., 1925. 

Als Heilmittel gegen Anmaßung, Selbstbetrug, 
nationale und persönliche Unart, lächerliche und 
traurige Irrtümer, Unter- und Überschätzung der 
Tagesmeinungen und Tagesgrößen und gegen noch 
so manche andere Seelenleiden hat Mark Twain 
der Welt die Sorte humoristischer Schriftstellerei 
geschenkt, die seitdem als spezifisch amerikanisches 
Erzeugnis geschätzt wird. Leacock wandelt ähn- 
liche Wege, ohne zum Nachahmer zu werden. Der 
kanadische Universitätsprofessor denkt tiefer und 
feiner, sein Spott bleibt deshalb nicht so auf der 
Oberfläche und trifft mit den komischen und schäd- 
lichen Erscheinungen auch deren Ursachen in 
Menschennatur, Zeitgeist und Volkstum, alles 
ohne die leichte Anmut irgendwie in grobes Höhnen 
oder bittere Satire umschlagen zu lassen. Man liest 
den stattlichen Band mit einer reinen Heiterkeit, 
freut sich an der Fülle guter Beobachtung und 
überraschender Einfälle und dankt die Vermittlung 
dem ausgezeichneten Übersetzer, der in der Ein- 
deutschung — hier wahrlich keiner leichten Aufgabe 
— mit ungewöhnlichem Takt und Geschick das 
Mögliche geleistet hat. Wenige humoristische 
Bücher dürfen mit so gutem Gewissen Lesern jeder 
Art und jeden Alters empfohlen werden. 

A—s. 


Die Literarische Vereinigung Winterthur, ge- 
gründet 1917, hat unter der zielsicheren Leitung 
Rudolf Hunzikers, des verdientenLiterarhistorikers, 
in ihren ersten acht Jahren für ihre Mitglieder 
eine lange Reihe von Publikationen herausgebracht. 
Seit 1918 erscheint regelmäßig ein Jahrbuch, das 
den Kreis schweizerischen Schrifttums der Ver- 
gangenheit und der Gegenwart nach den mannig- 
fachsten Richtungen ausschreitet, immer den Blick 
auf die Beziehung zu Winterthur gerichtet und so 
der festen Einheit nicht entbehrend. Dabei kommen 
regelmäßig die heimischen Poeten kräftig zu Wort, 
und man kann sich der guten lyrischen Ernte in 
der Regel ohne Einschränkung freuen. Hans Rein- 
hart, Hans Kägi, Konrad Fisler sind ja im ganzen 
deutschen Sprachbereich geschätzte Namen. Auch 
die Prosadichtung, der Essay und die literar- 


74 


Marz-A pril 1926 


historische Untersuchung sind durch so manche 
treffliche Gabe vertreten, Bilderschmuck ziert die 
stattlichen Bande, zumal das besonders reich 
ausgestattete Jahrbuch 1925. Daneben sind noch 
drei größere, selbständige Publikationen erschie- 
nen: ausgewählte Schriften Theodor Reinharts 
(von mehr ortsgeschichtlichem Belang), eine 
Sammlung der Geschichten für die Jugend von 
August Corrodi, ausgewählt durch Otto von Greyerz, 
und als neuestes Henrik Ibsen von Thomas Roffler, 
eine anschauliche, trefflich geschriebene Würdigung 
des großen Norwegers. Es wiid wenige deutsche 
literarische Gesellschaften geben, die so ausdauernd 
und vielseitig für ihre Mitglieder durch wertvolle 
literarische Spenden sorgen, wie diese schweize- 
rische. B. R. 


Rudolf Lochner, Grimmelshausen. Ein deut- 
scher Mensch im 17. Jahrhundert. Versuch einer 
psychologischen Persönlichkeitsanalyse unter Be- 
rucksichtigung literaturgeschichtlicher und kultur- 
geschichtlicher Gesichtspunkte. Mit Unterstitzung 
der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissen- 
schaft, Kunst und Literatur in Böhmen. (Prager 
Deutsche Studien, herausgegeben von E. Gierach, 
A. Hauffen und A. Sauer, 29. Heft.) Reichenberg i. B., 
Sudetendeutscher Verlag Franz Kraus, 1924. Gr.-8°. 
206 Seiten. Brosch. 7.50 M. 

Der Verfasser hat vor drei Jahren fur das 
Jungvolk Sudetendeutschlands eine Neuausgabe 
des „Stolzen Melcher“ von Grimmelshausen ver- 
anstaltet, sich vorher „auf psychologisch-pädago- 
gischem Gebiete mit differentiellen Problemen 
befaßt‘. Jetzt unternimmt er es, Grimmelshausen 
psychographisch gründlich zu durchleuchten. Nach 
einer längeren Übersicht der psychographischen 
Untersuchungsmethodik im allgemeinen und ein- 
gehender Betrachtung der Werke und des Lebens 
von Grimmelshausen betrachtet er die sogenannten 
psychographischenVoraussetzungen (Abstammung, 
Vererbung, natürliche und gesellschaftliche Um- 
gebung, Selbstbeeinflussung und Selbsterziehung 
und Reisefrage), um, davon ausgehend, die so- 
genannten Verhaltungsweisen (Natur, Mensch- 
heit, Kindheit und Jugend, Weib und Ge- 
schlechtsleben, Familie, Volksgruppen, Deutsches 
Volkstum usw. usw.) bei Grimmelshausen deuten 
zu können. Grimmelshausen wird von allen mög- 
lichen Seiten einer Wertungsbeleuchtung unter- 
zogen, nur in einer Hinsicht nicht, nämlich als 
großzügiger Entlehner ganzer Buchtexte. Die 
psychographische Methodik, die an und für sich 
schon etwas an die graphologische Bewertungs- 
weise erinnert, erweist sich hier darum, zum Teil, 
gewissermaßen als Versuch am untauglichen Ob- 
jekt, als graphologische Deutung einer fremden 
Handschrift. Das gilt auch für die Grimmels- 
hausen bisher zugeschriebenen drei Erstlings- 
schriften, deren Verfasser aber Grimmelshausen 


75 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücher freunc: 


fast sicher nicht war. Die Klage des Veriasse: 
(S. 22), daß sich die erste Ausgabe des Joseph vox 
1657 nicht erhalten habe, ist nicht berechtigt; die 
Universitätsbibliotheken in Leipzig und in Bresiay 
besitzen davon je ein Exemplar. Die Titelangabe ces 
Teutschen Michel, mit „Des Weltberissenen usw.", 
ist ein Irrtum, den der Verfasser von Bober::2 
(Bd. III, S. XIII) übernommen hat. Es muß heiden 
„Des Weltberuffenen usw.“ . Den Verdiensten des 
Bechtoldschen Werkes über Grimmelshausen vzd 
dem Werte der Borcherdtschen Grimmelshausez- 
edition wird der Verfasser nicht ganz gerecht 
Sieht man von diesen Einwendungen ab, = 
finden wir ein durchaus nachdenkliches, aber auci 
sehr zum Nachdenken anregendes Werk vor. Wezi 
der Verfasser in dem Vorwort hervorhebt, daß ibn 
diese zweijährige Arbeit „durch trübe Stunden 
seines Lebens begleitet und ihm dabei zu einem 
gewissen Halt geworden ist“, und daß ihm „dar- 
über hinaus, die Gestalt jenes Mannes teuer“ ge- 
worden ist, so wird mancher, der sich (wie auch 
Rez.) aus der Schwere der Zeitnöte zu Grimmei:- 
hausen „hinübergerettet‘ hat, diese Empfindungei 
vollauf teilen. Auch die kritische Gesamtausgab: 
der Grimmelshausenschen Schriften wird an dem 
Lochnerschen Werke nicht vorbeigehen können 
Max Speter. 


Heinrich Mann, Der Kopf. Roman. Wien- Berl, 
Paul Zsolnay, 1925. 

Es ist kaum möglich, wie hier erforderlich, diesen 
Roman, der in der Trilogie „Das Kaiserreich“ (De: 
Untertan, Die Armen, Der Kopf), den Roman de: 
Führer darstellen soll, rein literarisch zu werter. 
ohne zu seiner hochpoli tischen Note Stellung z: 
nehmen. Denn dieselbe Verzerrung, in der die 
Figuren des Werkes sich widerspiegeln, verzerr: 
auch den eigentlich historischen Hintergrund. Dies 
„Führer“ bat es nie gegeben, zumindest nie in 
solcher Anzahl und von solchem Einfluß, daß mar 
sie, wie es hier geschieht, zu Exponenten einer 
Zeit machen könnte. Und darum bleiben auch die 
Gestalten des Romanes notwendigerweise eritt- 
dene, nicht gesehene Figurinen, die wohl eines 
bürgerlichen Konflikt, nie aber die Geschichte einer 
Epoche zu tragen imstande sind. So enttausch: 
das Buch den Leser — sofern es ihn nicht ver- 
ärgert — trotz aller Feinheiten und des stets hohen 
Niveaus Heinrich Mannscher Kunst. EES 


Thomas Mann, Der Zauberberg. Roman. Zwei 
Bände. Berlin, S. Fischer, 1925. 

Wie Jakobsieben Jahre um Rahel, diente Thomas 
Mann sieben Jahre um dieses Werk. Nur der vielleicht. 
der sich selbst im Schreiben versuchte, wird es 
richtig ermessen können, was es bedeutet, sieben 
Jahre an einem Roman zu arbeiten, sieben Jahr 
in eine selbe Welt sich einzuspannen, durch sieben 


76 


= Mars-April 1926 


2 ` Sr immer wieder sich in die gleiche Stimmung 
zu zwingen. Denn es bedeutet mehr als ein noch 
~ so ungewöhnlicher Fleiß; es ist jener Fleiß, den 

S ~ Goethe Genialität heißt. So entstand ein Werk, 

: x das einen unerhörten und unerwarteten Höhepunkt 

im Schaffen Thomas Manns darstellt und das die 

Buddenbrooks meilenweit hinter sich läßt. Wir 

= erfahren die Geschichte Hans Castorps, der zu Be- 

such nach Davos fährt, ein wenig Fieber bekommt, 
== bleibt, eingesponnen in den Zauber dieses Berg- 
oe platzes, seiner Zeitaufgehobenheit, die Tage, Wo- 

— chen, Monate und Jahre ungespürt dahingleiten 

“x läßt, und der man unrettbar verfällt als einer er- 

= sehnten Unwirklichkeit, endlich gelungener Flucht 

x aus der kampf- und widerstandserfüllten Lebens- 

r wirklichkeit des Flachlandes. Diese seltsame un- 

z erhörte Atmosphäre, die den Alltag aufhebt, nimmt 

-z auch den alltäglichen Menschen ihre Alltäglichkeit. 

9. Sie wachsen irgendwie über sich hinaus, werden zu 

zı: Verzauberten: ob es Hans Castorp selbst ist, der 

sterbende Soldat Joachim, sein Vetter, die schöne 
lässige Russin, der italienische Demokrat Settem- 
și brini in seinen klugen und tollen Kontroversen 
mit dem fanatischen Jesuitenschúler Naphta, der 
gewaltige Holländer Peperkorn mit den „Kultur- 

.— gesten“, die Ärzte, Pfleger, die anderen Kurgäste. 

Jedes Wort dieses Romans ist geschliffen, jede 
der in ihm auftretenden zahllosen Figuren plastisch 

„ in die Perspektive gebracht; Gespräche und Re- 

~ flexionen sind wesentlich gestaltet. Dieses Buch 

L nimmt man die Wahlverwandtschaften aus — 

a ist vielleicht der erste groBe deutsche Roman, der 

einmal ebenbürtig neben den großen Romanen der 
Weltliteratur stehen wird: Madame Bovary, die 
Bruder Karamasoff, der Jahrmarkt der Eitelkeit. 

E. E. S. 


- Herbert Marcuse, Schiller. Bibliographie. Unter 
F Benutzung der Trómelschen Schiller- Bibliothek 
* (1865). Berlin, S. Martin Fränkel, 1925. 
Trómels Schiller- Bibliothek gilt mit Recht als 
eine für ihre Zeit (1865) musterhafte Leistung. 
Aber sie ist allgemach veraltet; allzuviele ihrer 
Angaben sind von der Forschung berichtigt und 
durch neue Funde ergänzt worden. Deshalb ver- 
dient der Gedanke einer gründlichen Erneuerung 
Beifall und Dank; aber freilich hätte ein größeres 
Maß von Sachkenntnis und Akribie, der unent- 
behrlichsten Eigenschaft des Bibliographen, auf- 
gewendet werden müssen, um einen brauchbaren 
Ersatz zu schaffen. Hätte der Verfasser nur die 
neueren zuverlässigen Schiller- Ausgaben und die 
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturge- 
schichte zu Rate gezogen, so wäre der Bestand an 
Erstdrucken weit vollständiger zu verzeichnen ge- 
wesen, und hätte er sich in die Schiller-Literatur 
vertieft, so wäre ihm bewußt geworden, daß es 
heute mit dem einfachen Abdruck der Angaben 


77 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


Trömels, ergänzt durch die der nun ebenfalls längst 
veralteten historisch-kritischen Ausgabe Goedekes, 
nicht getan war. G.W. 


Gustav Mayer, Ferdinand Lassalle. Die Schriften 
des Nachlasses und der Briefwechsel mit Karl Rod- 
bertus. (Band VI der Nachgelassenen Briefe und 
Schriften.) DeutscheVerlags-Anstalt, Stuttgart; Julius 
Springer, Berlin. 

Immer wieder haben wir uns beim Erscheinen 
neuer Bande der glücklichen Fügung freuen können, 
die den Nachlaß Lassalles vor dem Untergang 
bewahrte, ihn unerwartet sozusagen im letzten 
Augenblick aus dem von den Franzosen besetzten 
Gebiet in Sicherheit brachte und ihn gerade in die 
Hände Gustav Mayers, des berufensten Heraus- 
gebers, gelangen ließ. Auch der Schlußband bringt 
wieder überzeugende Beweise der Geistigkeit und 
der früh entwickelten Formgewalt Lassalles. Neben 
mannigfachen einzelnen, höchst anziehenden Doku- 
menten steht der Briefwechsel mit dem pommer- 
schen Sozialpolitiker Karl Rodbertus, reich an Ge- 
danken und Kontroversen über Fragen, die auch 
der Gegenwart noch zu den wichtigsten zählen. 
Herausgeber und Verlag haben mit dieser großen, 
soschnell zu Ende geführten Publikation eine kost- 
bare, dauernd wertvolle Gabe von hohem mensch- 
lichen, politischen und geistesgeschichtlichen Werte 
dargeboten. A—s. 


Karin Michaelis, Mette Trap. Roman. Pots- 
dam, G. Kiepenheuer, 1925. 

Mette Trap, die nur für ihre drei von drei Män- 
nern empfangenen Töchter lebt und keinen der sie 
noch immer umwerbenden drei Freunde um der Kin- 
der willen heiraten will, sieht sich doch von diesen 
Kindern verlassen, als sie eine Wechselfälschung 
im Gefängnis büßt, und die drei Mädchen in dieser 
Zeit erfahren, wer ihr Vater ist. Diese Geschichte 
ist ein wenig weit hergeholt, unwahrscheinlich in 
manchen Einzelheiten, — obschon das Leben 
selbst oft unwahrscheinlichere Dinge in Scene 
setzt, als es je ein Roman tut — ist nicht durch- 
aus zwingend gebaut. Aber ebenso wie in den 
hier angezeigten „Sieben Schwestern‘ erweist sich 
Karin Michaelis auch in diesem Roman als Vir- 
tuosin nuancierter Charakterschilderungen und 
schuf so ein lesenswertes Buch. E. E. S. 


München zur Kurfürstenzeit. Tegernsee, Dr. Julius 
Schröder, 1924. Folio. 

Der lakonische Titel deckt eine wahrhaft monu- 
mentale Publikation des Verlags Dr. jur. Julius 
Schröder in Tegernsee, bekannt durch die stolze 
Reihe seiner „Meisterwerke der Weltliteratur in 
Originalgraphik ““. Ihnen soll nun eine zweite Folge 
ähnlicher künstlerisch- literarischer Art zur Seite 
treten, benannt Deutsche Stádte zur Zeit ihrer Blüte, 


78 


Märꝛ-A pril 1926 


und der Beginn weckt auch für dieses Unternehmen 
beste Hoffnung. Nach einer trefflichen Umschrei- 
bung des Wesens des Münchener Barocks, verfaßt 
von Hermann Schultz, enthält der schöne Leinen- 
band mit dem bayrischen Kurfürstenwappen 24 
große Radierungen von Johannes Thiel. Die malc- 
rischen Reize der Schlösser und Kirchen Münchens 
treten in ihnen höchst liebenswürdig zutage, zum 
Teil mit sehr reizvoller zeitgenössischer Staffage, 
so, daß die Architekturbilder zu lebhaft bewegten, 
vom Geiste des 17. Jahrhunderts erfüllten Szenen 
werden. Wie wenig kann daneben das Lichtbild 
von heute besagen! Die schöne, im Verhältnis zu 
ihrem Werte wohlfeile Gabe wird schwerlich von 
irgendeinem andern Abbild der Schönheit Münchens 
erreicht oder gar übertroffen werden. G.W. 


. 


Börries Freiherr von Münchhausen, Meine Pagen- 
balladen. Mit 7 Radierungen von Rolf Schott. Wien- 
München, Rikola- Verlag. 4°. 

Die sieben Pagen-Balladen zählen mit Recht 
zu den am häufigsten gelesenen und rezitierten 
neueren Gedichten ihrer Gattung. Hochgemute, 
knabenhafte Sinnlichkeit durchwärmt sie, die leicht 
gefügte Form gibt ihnen eine eigne Anmut. Diese 
guten Eigenschaften spiegeln sich in den UmriB- 
radierungen Schotts und kommen durch den kost- 
baren Schmuck des schönen Schwabacher Druckes 
zu erhöhter Wirkung. Papier und Einband ent- 
sprechen heutiger Forderung an gute Qualität. 

B.R. 


Johann Nestroy, Sämtliche Werke. Historisch- 
kritische Ausgabe in zwölf Bänden. Herausgegeben 
von Fritz Brukner und Otto Rommel. Dritter und 
vierter Band: Die Parodien. Wien, Anton Schroll 
& Co. 

Im Zerrspiegel der Parodien Nestroys erblicken 
wir das ernste, auf der Wiener Bühne erfolgreiche 
Drama von einem verschollenen Ballett des Jahres 
1832 bis zu Wagners „Tannhäuser“ und „Lohen- 
grin.** Dazwischen stehen von heute noch bekannten 
Stoffen ,,Zampa“*, „Robert der Teufel“, „Lorbeer- 
baum und Bettelstab“, „Martha“, „Judith“ und 
als Zugabe folgen die knappen, witzigen Einlagen 
in Louis Angelys Posse „Zwölf Mädchen in Uni- 
form.“ Die Parodie, der Krieg des Witzes mit dem 
Schönen (aber auch mit dem Sentimentalen, dem 
äußeren Effekt, dem Widersinnigen und dem leeren 
Pathos), ist in Nestroys Schaffen eines der wich- 
tigsten Felder und hat ihm allenthalben, nicht 
etwa nur in der Heimat, stürmischen Beifall ein- 
getragen. So haben diese beiden, mit gewohnter 
Sorgfalt bearbeiteten Bände als Dokument ihres 
Verfassers und als Zeugnis des Geschmacks seiner 
Zeitgenossen besondere Bedeutung. Zwei Porträts 
Nestroys und vierzehn Bühnen- und Rollenbilder 
schmücken den Text. G. W. 


79 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für ZGGcherkeui 


Nordafrika. Aufnahmen von Lehnert und Land. 
rock. Einleitung von Ernst Kühnel. Berlin, En: 
Wasmuth. 

Dieser schöne Band erscheint in der groß a 
gelegten, bereits populär gewordenen Sammi; 
„Orbis terrarum“ und bietet 240 zum Teil meiste: 
liche Aufnahmen aus Tripolis, Tunis, Algier ui 
Marokko dar. Die deutschen Photographen Lehnen 
und Landrock, die in Kairo ansässig sind, babe 
die genannten Lander sehr sorgsam auf der Such: 
nach wichtigen landschaftlichen und archt«- 
tonischen Motiven durchstreift und haben ihr: 
Aufnahmen immer etwas Malerisches, Bildmil:zs 
zu geben gewußt. Die Wiedergabe in Kupferti- 
druck ist ausgezeichnet. Ein ganzes Panorama d: 
maurischen Welt gleitet an uns vorüber, bei einer 
Reihe der Aufnahmen meint man sich in die Win 
der von Tausendundeiner Nacht versetzt. Ens: 
Kühnel, der Kustos fur die islamische Abtelex 
am Kaiser-Friedrich-Museum zu Berlin, hat dez 
Buche eine Einleitung mit auf den Weg gegeben. 
in der das Wesen der nordafrikanischen Welt klug 
und anschaulich geschildert wird und auch die 
Unterschiede der einzelnen Länder kenntnisreic 
charakterisiert werden. Kühnel versteht es, umr) 
haft das Wichtigste hervorzuheben ; seine Schilde- 
rungen, die er für diesen Zweck absichtlich popula: 
gestaltete, sind so klar und sicher, da er diese Ge- 
biete aus eigener Anschauung gut kennt. Soi 
ein prachtvolles Buch zustande gekommen, Pan 
tasicanregend für jeden, der Sehnsucht nach der 
Welt des vorderen Orients hat, ein Buch der Er- 
innerung für die, denen es vergönnt war, dies 
sonnigen Gebiete zu durchstreifen. 

Hans Bethge. 


Robert Peisch, Gehalt und Form. Gesammelte 
Abhandlungen zur Literaturwissenschaft und zu 
allgemeinen Geistesgeschichte (Hamburgische Tex- 
te und Untersuchungen zur Deutschen Philologie 
II, 1). Dortmund, Fr. Wilh, Ruhjus, 1925. 

Petsch zählt zu den Schülern Erich Schmidt 
und hat von ihm die leuchtenden Vorzüge de: 
Methode überkommen: klares und scharfes Den- 
ken, gewissenhafte, auf Einfühlung in die Einzel- 
persönlichkeit gegründete Interpretation, elegante 
Form, die selbst subtile Untersuchungen über den 
Kreis der Fachleute hinaus anziehend gestaltet. 
Zu diesen heute zu gering geschätzten Eigenschaften, 
brachte Petsch aus Eignem so manche wertvol: 
andere. Er machte sich in weiteren Literaturbe 
zirken als sein Lehrer heimisch, namentlich auf den 
weiten Felde der klassischen Philologie; er drar£ 
energisch in wichtige ästhetische und philoso 
phische Probleme ein, er erfaßte die Einwirkunger 
der großen geistesgeschichtlichen Voraussetzungen 
und der Bedingtheiten der einzelnen poetischen 
Gattungen auf die Dichter und ihr Schaffen. Unab- 
lássiges, von einer seltenen Arbeitskraft getragene 


80 


| März-April 1926 


a 


=y 1 


Forschen konnte durch widrige Lebens wendungen, 


durch lange verzögerte äußere Anerkennung nicht 
gehemmt werden. Die Ergebnisse wurden zum gro- 


- Ben Teil in umfangreichen Zeitschriften- Aufsätzen 


- niedergelegt und waren so in ihrem Zusammenhang, 


BE ER 


“ihrer durch die Persönlichkeit gegebenen Einheit 


nicht leicht zu überblicken. So muß es mit Freude 
begrüßt werden, daß nun diese Ernte in einem um- 


4 


d 


Sa 


fangreichen Buche geborgen erscheint, eingeleitet 
durch die äußeren und inneren Voraussetzungen, 
den von einem bewußten Erkenntniswillen gelei- 


teten Werdegang des Verfassers. Das Drama steht 


GI 1 


im Mittelpunkt und die hellsten Strahlen fallen 
auf das größte deutsche Werk dramatischer Art: 
Goethes Faust und seine Vorgeschichte. Ein Dutzend 


der Aufsätze gilt der Faustsage und der Faust- 


+37 


vs 


dichtung, Vorarbeiten jenes großen Kommentars, 


der wir nach der Abschlagszahlung der knapp er- 
läuterten Ausgabe von Petsch erhoffen. Was sonst 


noch über das Drama im allgemeinen, über die 
: Theorie des Tragischen, über Klopstock, Heinse, 


1 1 nt 


Hölderlin dargeboten wird, gesellt sich den besten 
Leistungen unserer Literaturwissenschaft zu. 


Sicher konnte das neue Unternehmen der „Ham- 


11 


Sch: P 


Kai WA * oe 


. —. 


burgischen Texte und Untersuchungen“ nicht wür- 
diger eröffnet werden als mit diesem an Umfang 
und Gehalt ungewöhnlichen Bande. G. W. 


Gerhard Salomon, E. T. A. Hoffmann - Biblio- 
graphie. Weimar, Erich Lichtenstein, 1924. 

Leider ist der Verfasser auf halbem Wege stehen 
geblieben. Weshalb das Verzeichnis beim Jahre 187 1 
endet, wird durch das Vorwort in keiner irgendwie 
zulássigen Art begrúndet, um so weniger, da fúr 
den Bibliographen die álteren Zeiten die bei weitem 
múhseligeren und fur den Benutzer die júngeren 
und júngsten Erzeugnisse der Hofímann-Literatur 
ebenso wichtig sind. Mit dieser Einschránkung 
kann der Schrift das Lob gespendet werden, daß 
sie úber die bisher vorhandenen Verzeichnisse an 
Exaktheit und Vollstándigkeit hinausreicht und 


‘ so fir Hoffmann - Sammler und alle, die sonst 
nach Aufschluß über die ältere Hoffmann-Literatur 
suchen, ein brauchbares Hilfsmittel darstellt. 


B. R. 


Julius Schlosser, Die Kunstliteratur. Ein Hand- 
buch zur Quellenkunde der neuerenKunstgeschichte. 
1924. Wien, Kunstverlag Anton Schroll & Co. 

In den Jahren 1914—1920 lieB Julius Schlosser 


[der sich hier des Adelsprádikates unnötigerweise 
entäußert) in den Sitzungsberichten der Wiener 


Akademie der Wissenschaften 10 Hefte: Materialien 
zur Quellenkunde der Kunstgeschichte erscheinen; 


| gesammelt, erweitert und bereichert bilden sie nun 


das Handbuch der „Kunstliteratur“, und es ist 
darin der Kunstgeschichte ein so kapitales Rüst- 
zeug geliefert, wie sie es noch nicht besessen hat. 


81 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bucher freunde 


Heidrich bleibt als Erforscher der Kunstgeschicht- 
schreibung verehrenswert, aber er ist von Schlosser 
weit überholt; im Persönlich- Biographischen ist 
Waetzoldt (,,Deutsche Kunsthistoriker‘) für Teile 
des 18., aber besonders für das 19. Jahrhundert 
eine willkommene Ergänzung, zumal Schlosser mit 
1800 abschließt. Als weitgespannte Überschau aber 
ist Schlossers Werk einzigartig. Dieser Band von 
610 Seiten Text und 60 Spalten Register mit seinem 
fundamentalen, gedrängten, reichen Inhalt konnte 
nur aus einer jahrzehntelangen Arbeit hervorgehen; 
er erzählt selbst, wie eine ,,groBe Sammlerliebe, 
die ihn eine fir einen Privatmann nicht ganz un- 
erhebliche, nahezu vollstandige Bibliothek kunst- 
theoretischer und kunstgeschichtlicher Literatur, 
meist auf italienischem Boden, zusammenbringen 
ließ“, daran mit geholfen hat. Das Werk umfaßt 
die gesamte Kunstliteratur vom Beginn des Mittel- 
alters bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts. Die 
Ergebnisse des Altertums sind sehr ausgiebig mit 
dargestellt. Italien steht natürlich im Mittelpunkt, 
aber auch von der Kunstliteratur der übrigen Län- 
der, besonders Deutschlands gibt Schlosser aus- 
führlich Bericht. Den Abhandlungen, die die ein- 
zelnen Phasen zusammenschließen, folgen die bi- 
bliographischen Noten, die in ihrer Konzentration 
erstaunlich Mannigfaltiges geben. Nur auf Wich- 
tigstes läßt sich hinweisen. So wird über den alten 
Theophilus und den sagenhaften Künstlermönch 
Rogkerus von Helmershausen ebenso Authentisches 
gegeben, wie über den Gotiker Villard de Honne- 
court. AbtSuger, der Bauherr von St. Denis, taucht 
auf. Von Dante wird der berühmte Begriff des 
dolce stil nuovo klargelegt. Der Werkstattraktat 
des Cennini wird erläutert. Mit Ghiberti, Landini, 
Facius beginnen die Viten, neben Alberti und 
Filarete steht Franzesco Colonna, dessen Hypnero- 
tomachia leider noch keine deutsche Ausgabe fand. 
Zur Hieroglyphik wäre hier Volkmann, Bilder- 
schriften der Renaissance, nachzutragen. Die Per- 
spektiviker und Proportionstheoretiker beginnen 
mit Piero della Francesca und Luca Pacioli, der 
mit zum Dürerproblem gehört, ebenso wie Pélerin 
Viator. Eine profunde Würdigung erfährt der 
Universalmensch Lionardo. Traktate des Lanci- 
lotti, Pomponius Gauricus, Cesariano führen das 
Thema weiter bis zu dem stark komplizierten 
Vasari. Das Grundbuch des nordischen Manieris- 
mus lieferte Karel van Mander. Der klassische 
Säulenordnungskultus heftet sich an die Namen 
Serlio, Palladio, Vignola, Scamozzi, in zahllosen 
Ausgaben überschwemmten ihre Regeln die Welt. 
Hübsch und amüsant ist die Genealogie des Feigen- 
blatts, überhaupt ist manches witzige Wort einge- 
sprengt, so das von der Eunuchenkunst der Beu- 
roner, oder das von der ,,Kaste schriftstellernder 
Medikaster“. Die Kunstliteratur im Zeitalter des 
Barock und Rokoko sei mit den Namen Passeri, 
Pascoli, Bellori (dem Freund Poussins) und Baldi- 


82 


Maárz-A pril 1926 Neue Bücher und Bilder Zeitschrift für Bücher freund 
be 


nucci illustriert. Zu Sandrart wird zur Ergänzung 
Waetzoldt heranzuziehen sein. d’Argenville, Lanzi, 
Cicognora, d’Agincourt werden die Erzväter der 
Kunstgeschichtschreibung, Meusel, Murr sind 
Vorläufer des alten Nagler. Die Herausbildung 
der Kunstkritik und Kennerschaft der Klassiker- 
zeit wird überragend geschildert. Überhaupt gibt 
Schlosser weit mehr als eine bloße Bibliographie, 
er unterrichtet auch über die jeweilige Kunst- 
theorie, über die Stilkritik, über die Traktate, 
über die Probleme der Schönheit, des Genies, des 
Dekorum, der Convenienza, des Parangone, über 
die Entwicklung der Proportions- und der Per- 
spektivenlehre usw. Überhaupt erschöpft sich 
Schlossers geistreiches Werk mit seiner Masse gründ- 
lichen und geordneten Wissens längst nicht im 
Bibliographischen, es ist im ästhetischen Bereich 
von nicht geringerer Wichtigkeit. Das Gerüst ist 
die Quellenkunde, dazu aber erhalten wir eine 
vollkommene Darlegung der europäischen Kunst- 
lehren und eine Geschichte der europäischen Kunst- 
geschichtschreibung überhaupt. J. Z. 


August Schmarsow, Sandro del Botticello. Mit 
60 Abbildungen. 2.— 6. Aufl. Dresden, Carl Reif- 
ner, 1925. 

Der Sinn der ganzen Darstellung, die hier dem 
Künstlerleben des Sandro del Botticello gewidmet 
worden, ist (so lesen wir S. 108 zusammenfassend 
und rückblickend) auf Grund einer Einsicht ge- 
wonnen, die sich ohne Voreingenommenheit der 
beiden Kulturperioden der Gotik und der Re- 
naissance gegenüberstellt und auf langen liebevol- 
len Studien über beide beruht. Schmarsow fährt 
fort: Es galt nur die Einrenkung des richtigen 
und geschichtlich notwendigen Verhältnisses zwi- 
schen ihnen auch für den besonderen Fall zu 
vollziehen, den das Verständnis dieser Persönlich- 
keit und ihrer Bedeutung im fortlaufenden Gange 
des Ganzen uns aufgibt. Es ist nur der unentbehr- 
liche Zusammenhang auch zwischen beiden auf- 
einander folgenden Stilperioden, dem wir damit ge- 
recht werden. 

Und zu solchem Ergebnis konnte nur, wie der 
Verfasser selbst gesteht, ein Anlauf, eine Vorberei- 
tung, eine Untersuchung gelangen, wie wir sie in 
Schmarsows „ Kompositionsgesetzen in der Kunst 
des Mittelalters“ (1915—22) besitzen. Seiner Über- 
zeugung hat der Forscher dann 1920 nochmals 
Ausdruck gegeben, als er das Büchlein „Gotik in 
Renaissance" schrieb, dessen Gesichtspunkte na- 
türlich seit langen Jahren schon in scinen Vorle- 
sungen bestimmend gewesen sind. 

Soweit die Stellungnahme des Autors. Der 
wundervolle Meister Sandro findet eine sorgfältige 
Monographie. Wir aber wünschen allen Werken 
Schmarsows aufgeschlossene und der reichhaltigen 
Orientierung und Umsicht empfänglich wachsame 


83 


Augen. Wir wünschen dem Wegekundigen, vi- 
ermüdlich Spendenden selbst, in weiterer Zukunft, 
eine fruchtbare Gemeinschaft des Erkennens. 

H. L. 


Albert Schneider, Der Einsiedler und sez. 
Schicksal. Konstanz, Oskar Wöhrle, 1924. 12: 
Seiten. 

Idylle, Märchen, Legende: zu allen Zeiten zer- 
störter Harmonie im Wesen der Welt hat die Phar- 
tasie des Dichters, der nicht Politiker, nicht Ag. 
tator sein will, zu ihnen Zuflucht genommen, tm 
mit ihren bunten Schleiern symbolhaft zu umll:- 
den, was geeignet und notwendig ist, die Menscken 
stark zu machen, damit durch sie die aus den 
Fugen geratene Zeit wieder eingerenkt werde. In 
Lärm der Tagesfragen kommen wir nicht zur Seltst- 
besinnung, hören wir unser Gewissen nicht; darın 
führt der Dichter uns abseits in seine Welt der 
Gleichnisse, die bald schreckhaft, bald heiter-ir- 
nisch unser geheimstes Bewußtsein von Selbster- 
lebtem zu erwecken versuchen. Man dankt den 
Dichter stillbewegte Stunden der Einkehr irs 
Ewigbeständige und Notwendige und erstarkt da- 
raus für die Forderung der Stunde. M. M. 


Friedrich Fúrst von Schwarzenberg, Aus den 
Wanderbuche eines verabschiedeten Lanzknechtes. 
Mit fünfzehn Bildern und einer biographischen 
Skizze herausgegeben von Eduard Castle. Wien, 
Rikola-Verlag, 1925. 

Die Schriften des „Lanzknechtes““ sind zum 
größten Teile nur als Privatdrucke erschienen urd 
heute noch kaum zugänglich. So hat sich um itn 
der Mythus gesponnen, als sei er, der tapfere Hau- 
degen, der typische Vertreter der Partei, die sich 
stiernackig allem Neuen solange entgegenstemmt. 
bis sie schließlich von der Gewalt des Zeitgeistes 
überrannt wird. In Wahrheit gehörte Fürst Schwar- 
zenberg zu jenen innerlich freien Aristokraten, die 
mit romantischem Empfinden der Vergangenheit 
zugekehrt sind, nicht zum wenigsten deshalb, weil 
sie die Sklaverei des Zeitgeistes hassen, der die 
Eigenart am schlimmsten knechtet. Romantisch 
ist auch die Freude an Kämpfen, Abenteuern, 
exotischen Ländern. Der alte Lanzknecht hat in 
Süditalien, in Algier, in Spanien gefochten, stets 
unter seinem Leitwort „Auf Gott vertraut, brav 
zugehaut!'* und so frisch erzählt er von diesen 
Kriegszügen, daß wir heute noch seine Schilde- 
rungen mit Vergnügen lesen und Castle von Herzen 
für ihre Erneuerung, die er mit einem guten Lebens- 
bild begleitet, danken. G. W. 


84 


N März-April 1926 


-. Shakespeare, Der Sturm. Deutsch von Richard 
- Schaukal. Mit Originallithographien von Oskar 
Laske. Wien, Österreichische Staatsdruckerei. 4°. 
Der „Sturm“ zählt nicht zu den großen Lei- 
stungen der Übersetzungskunst Wilhelm Schlegels. 
~ Die groBe Phantastik und der Tiefsinn verblassen 
-in seiner Wiedergabe, und oft folgt sein Deutsch nur 
schwerfällig der zu letzter Meisterschaft gediehenen 
Sprache Shakespeares. Der gewandte, verstandes- 
klare Schlegel reichte als Kunstler und Denker nicht 
.zu dieser Höhe hinauf. Deutlich ergibt sich beim 
Vergleich Richard Schaukals mit dem altberühmten 
Vorgänger, was einem Dichter hier zu leisten nötig 
und möglich war, und schon weil wir so den „Sturm“ 
~ noch nicht besaßen, gebührt dem Buche, das ihn 
- zum ersten Male befriedigend verdeutscht, hohe Be- 
:- wunderung. Zu Schaukal gesellte sich der Graphi- 
— ker Laske, um mit einem seltenen farbenfreudigen 
-- Können die Wunder die Dichtung zu versinnlichen, 
bald mit großen Bildern, bald mit leicht hingestreu- 
„ten Gestalten, Tieren, Gruppen das Satzbild auf- 
- heiternd. Für die Herstellung des Druckes und des 
. eigenartigen, glänzend gelungenen Einbandes hat 
die Österreichische Staatsdruckerei ihr altbewährtes 
`. künstlerisches und technisches Vermögen eingesetzt. 
So ist eines der schönsten Liebhaberbücher entstan- 
den, als literarisches, künstlerisches und typogra- 


_phisches Denkmal gleich kostbar. A—S. 


Shakespeare, Die Komödie der Irrungen — Der 
Widerspenstigen Zähmung. Englisch und deutsch 


von Ludwig Tieck (!). Leipzig, Tempel-V erlag. 


_ Der neue Band des handlichen zweisprachigen 
‘Shakespeare reiht sich durch die Sorgfalt der 
Texte, bearbeitet von L. Schücking und Else von 
` Schaubert, seinen Nachfolgern ebenso würdig an, 
wie sein Äußeres und Inneres allen guten Normen 
eines geschmackreifen Buches genügt, was unter 
der Obhut von E. R. Weiß ja selbstverständlich 


erscheint. B. R. 


£ Hans Wolfgang Singer, Von Unsterblichen. Ein 
., Künstlerkalender mit 54 Kupferdrucktafeln. Rudol- 


— stadt, Múllersche Verlagshandlung, 1925. 


Wenn es in der Welt gerecht zuginge, müßte 
diesem Buche das schönste Los beschieden sein. 
Ein ungewöhnlich kunstverstándiger, ungewc¿hnlich 
selbständiger Mann gibt für jede Woche des Jah- 
res genießenden und besinnlichen Kunstfreunden 
Stoff, um aus der Alltagshast eine Weile in den 
stillen Bezirk der Schönheit zu flüchten, jedesmal 
. von dem Gedenktag irgendeines Großen ausgehend, 
an dessen Schaffen ein bezeichnendes, meist aufs 
beste wiedergegebenes Bild mahnt, Vielleicht hätte 
noch häufiger Bild und Wort in Bezug zueinander 
treten, die Betrachtung weniger ins Allgemeine 
hinausschweifen sollen ; aber freilich wird so besser 


85 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücher freunde 


das Einzelne zur allgemeinen Weihe gerufen. Es gibt 
unter den Linien der Windrose der Kunst keine, die 
hier nicht gestreift oder in ihrem Verlauf verfolgt 
würde; eine Geschichte der neueren Malerei und 
Graphik in nuce schließt sich zwanglos zusammen, 
in der nur die Neusten, die sich fürchterlich er- 
dreusten, fehlen. Was hätten sie auch unter „Un- 
sterblichen“ zu suchen? Überhaupt ist es ja mit 
diese Ehrennamen ein eigenes Ding. Gebührt er 
Valentine Green, Jakob Christoffel Le Blon, Antoine 
Wiertz? Und gerade dort, wo von den Größten der 
Kunst so viele fehlen? Auch darin zeigt sich das 
Eigenwillige dieses Buches, einer seiner Hauptreize 
neben dem trefflichen Äußeren und der inneren Ge- 
diegenheit. G. W. 


Max Slevogt, Das blaue Licht. Ein Märchen mit 
fünfzehn Federlithographien. Berlin, Bruno Cassi- 
rer, 1925. 4°. 400 Exemplare. 

Drei Grimmsche Märchen — König Drosselbart, 
Von dem Königssohn, der sich vor nichts fürchtet, 
und Fitchers Vogel — hat Slevogt bereits mit seinen 
unvergleichlichen Federlithographien geschmückt. 
Ihnen reiht sich das „Blaue Licht“ gleichwertig an. 
Was das Märchen erzählt, gewinnt in diesen spie- 
lenden, leichten Gebilden der Künstlerphantasie 
erhöhtes Leben, sinnlich greifbares und doch phan- 
tastisches Leben, dank kongenialer Erfindung und 
einer jedem leisesten Seelenregen gehorsamen Fe- 
der. Das Auge schwelgt in den reichen, zartkräf- 
tigen Gebilden, deren vollendeter Handpressendruck 
durch M. W. Lassally sich mit dem guten Satzbild, 
dem trefflichen Papier, dem von Slevogt entworfe- 
nen Halbpergamentband zu einer musterhaften 
Gesamtwirkung eint. G. W. 


Hermann Stehr, Gesammelte Werke. 9 Bande. 
Trier, Friedrich Lintz, 1924. 

Vor Jahresfrist, als wir Stehrs 60. Geburtstag 
feierten, ist sein Name dem deutschen Publikum 
durch eine bemerkenswert erhebliche Zahl von 
Wirdigungen seiner dichterischen und mensch- 
lichen Persönlichkeit erneut eingepragt worden; 
bald danach erschien sein neuer Roman ‚Peter 
Brindeisener‘‘, und in dem vergangenen Jahr hat 
man sich in Deutschland, nun endlich, auf die 
Verpflichtung besonnen, die man einem Dichter 
vom Range Stehrs gegenüber hat. Und so kommt 
die „Festausgabe“, die zum 60. Geburtstag vor- 
bereitet war, aber gerade in den allerbösesten Geld- 
zeiten im Satz stand, etwas verspätet, aber ganz 
gewiß in einem guten und glücklichen Augenblick. 
Max Tau, mitedler und schöner Begeisterung immer 
wieder für Stehr sich einsetzend, hat den Plan der 
Ausgabe festgelegt und sie überwacht. Der erste 
Band enthält „die Anfänge“, das also, was Stehr 
damals auf dem Altar des Naturalismus darbrachte, 
und es ist erstaunlich, wie man immer erneut von 


86 


Marz-April 1926 Neue Bücher und Bilder 
EA EEE SE A SSA A ADA A 


Erzahlungen wie ,,Meicke, der Teufel'* oder ,,Der 
Schindelmacher“ gepackt wird, obwohl doch Stehr 
eine ganz andere Entwicklung genommen hat. 
Diesem Bande ist auch der erste bedeutende Roman 
Stehrs „Leonore Griebel“ mitgegeben. Unter der 
Bezeichnung ,,Der Dichter und die Zeit“ ist (neben 
dem einzigen und dramatisch nicht sehr starken 
Bühnenwerk „Meta Konegen“) eine Zusammen- 
fassung der Erzählungen gegeben, unter denen wir 
sehr bekannte wie das „Abendrot“, „Die Krähen“, 
„Gudnatz“ treffen, aber auch unbekannte und 
neue wie „Die Großmutter“ oder „Der Feuer- 
samen“, Übergänge teilweise zu dem 4. Band: 
„Die Mythen und Mären“, einem vollen Kernstück 
des Gesamtwerkes; denn hier steht, verbunden mit 
dem „Wendelin Heinelt“ und den „Geschichten 
aus dem Mandelhause‘“, das Reifste und Schönste 
von Stehrs kleineren Prosa-Arbeiten: „Das letzte 
Kind‘ und „Das entlautene Herz“ — Dichtungen 
also, in denen Stehr mit beiden Armen in die meta- 
physischen Regionen greift, in die Welt zwischen 
Himmel und Erde oder noch darüber. So gipfelt 
der Herausgeber, sinn voll dem Dichter nachfüh- 
lend, das Werk empor zu den eigentlichen Lebens- 
schöpfungen Stehrs: „Der begrabene Gott“, „Drei 
Nächte“, , Heiligenhof** mit „Peter Brindeisener“ ; 
denn das sind doch die entscheidenden Schöpfungen, 
in denen Stehr seine Religion, die verantwortungs- 
bewuBte Diesseits-Seligkeit, in schwerem Ringen 
erworben und gestaltet hat. So offenbart sich die 
Entwicklung Stehrs; wer sie, mit ernstem Bemühen 
und starker Lebenssteigerung, nacherlebt hat, dem 
ist es wesentlich, im 9. Bande „Die Geschichte des 
Menschen“ kennen zu lernen: sie wird ihm gezeigt 
in den Gedichten Stehrs und in seinen Tagebuch- 
Aufzeichnungen. Aus dem ,,Lebensbuch‘‘-Gedicht- 
band ist vieles (und mit Recht, weil allzusehr ,,an- 
laBlicher*‘ Natur) weggeblieben, die Gedichte sind 
planvoll angeordnet, und so manches wird einem 
beim erneuten Lesen zum merkwürdig starken Ge- 
nuß. Und wenn man die nachdenklich-besinnliche 
Tagebuch-Auswahl liest, so bestärkt sich die Be- 
wunderung vor dem großen, weisen, führerhaften 
Hermann Stehr und der Weite und Tiefe und Ver- 
antwortung, die uns immer an ihm beglückt hat. — 
Der Verlag Friedrich Lintz hat diesem reichen 
Werke ein würdiges Äußere gegeben, so daß diese 
erste Gesamtausgabe ein wirklich schöner Besitz 
ist. Geziert wird sie mit einer Radierung des 
Dichterkopfes von Emil Orlik und einer Wieder- 
gabe der Stehr-Plakette, die ein viel zu wenig be- 
kannter Künstler Professor dell’ Antonio, Leiter der 
Holzschneideschule in Warmbrunn, hergestellt hat. 
Hans Knudsen. 


87 


Zeitschrift für Bücherreu@ 

Kurt Sternberg, Die Geburt der Kultur aus den 
Geiste der Religion. Entwickelt an Gerhart Haas: 
manns Roman ,,Die Insel der GroGen Mutter ode: 
das Wunder von Ile des Dames”, Berlin- Cu. 
wald, Dr.Walter Ro:hschild, 1925. 

Gegen das vorliegende Bichlein Sternberg 
über Gerhart Hauptmann hätte ich viel Bederle- 
auszukramen, und ich weiß nur nicht, wo begint- 
und enden, was ein Rezensent allerdings PI: 
sollte. Aber der Fall ist verteufelt schwierig, cem 
Zartes und Reines, das nicht gefährdet werte: 
darf, liegt in so schmerzhafter Nähe zu dem, es 
meines Erachtens gewissenhafte Kritik als abw*n: 
zu sezieren hätte, daß ich die Angelegenheit 27 
liebsten geschickteren Händen übergeben weht. 
Indes möge einstweilen dies beigebracht werden. 
Gerhart Hauptmann hat sich gelegentlich utes 
Religionsphilosophisches geäußert, und e ist er 
Eckermann zugegen gewesen, um es der Nacawe. 
zu bewahren. Davon ist nun allerdings in dieset 
Buche Sternbergs hier gar nicht die Rede; ab 
wer jene Äußerungen kennt, der wird, wenn ihe 
sonst Religion etwas wert ist, von einer spent: 
religionsphilosophischen oder auch nur religi02* 
psychologischen Sendung Gerhart Havuptmact: 
vielleicht nicht allzuviel halten und sogar WC 
noch dem alten Goethe-Eckermann, einem besch" 
denen Echo bedeutend hallender Worte, den So 
zug vor den zeitgenössischen Ergüssen gebes 
wenn es auch wohl dem einen oder andere? me 
dúnken mag, daß ein bedauerlic her Mang? e 
echter Konzentration im klassischen Wie 1 
tigen Falle obwalten dürfte. Die Unzulänglih pa 
ten der Gegenwart haben aber nicht deg 5 
Edelrost des Alters, nicht die duftige ni 
der Distanz (von einem Pathos wollen SI S e 
nicht sprechen). Sehr übel sieht es ven i al 
dem aus, was Sternberg als Unter las? SE 
gionspsychologischen Studie von E 
manns Dichtungen heranzieht. Wenn gr renner" 
wort: „An ihren Früchten sollt ihr sie er feiner 
hierauf Anwendung findet, würde ™*" SE 
Baum zu schließen haben, der in dies“ ae 
wirklich nichts taugt. Es ist nur ZU De ste 
gen, daß die religionsphilosophise DÉI = de 
keine gúnstige fúr diese Persónlic BLE e 
in einem weitaus höheren Sein ste Hen: her Orie 
anscheinend möglich ist in philosc PP g de Kiss" 
tierung selbst zu erkennen. Das alte" Bi 
ler, rede nicht! gilt auch fúr die 
tiefe, lebens volle, herzliche Synthesen | Cer 
Menschen. Daß ein Goethe, da” ne Wes 
Hauptmann in irgendeiner geheim Bi, dat: 
uns ganz unbeschreiblich wertvolle We wenn u lz 
len, bleibt tatsächlich unangefoch te? ntssagetdé 
auch über nichts- oder weniger als mic ;egelunge? 
über falsche und unklare theoretis cht sch ei 
uns entsetzen mögen. — Nun aber schon einig 
Philosoph von Amts wegen, dem man 


88 


eflexion übe 
des relig 


 Märs-4 pril 1926 


Klare und Reinliche verdankt, daran, die Sprüche 
ler Hauptmannschen Muse im hellen Sonnenlichte 
les philosophischen Verstandes zu deuten. Haupt- 
“mann kommt nicht so schlecht dabei weg, wie er 
eigentlich verdiente. Es ist wohl ein Wärter da, 
ier die Stunden anzeigt, aber seine Uhr scheint 
nachzugehen; er läßt den Widersinn erst ruhig zu 


Worte kommen, ehe er, was man doch längst 


"wünschte, ansagt, daß die Sache auch einen an- 
leren Aspekt hat. Zudem hat Sternberg eine ver- 


-.Jängnisvolle Definition des Glaubens aus der 


- Sphäre des Unglaubens heraus geprägt. Er nimmt 
“an, so fordert es die intellektuelle Redlichkeit! Als 
. ob die nur den Unglauben gepachtet hatte! Seine auf 
-: Jas Subjekt rekurrierende Beschreibung des reli- 


= ziésen Ergebnisses hat eine fatale Ahnlichkeit mit 


`. {llusions-Lokalisierungen. Damit kommt man aus 


: -dem echten Erlebnis schönstens hinaus und könnte 


«-mit gutem Gewissen religiös erst wieder werden 


durch Abstreifung der tödlichen Begriffsbestim- 


mung. H. L. 


..- Ambroise Vollard, Renoir. — Degas. Berlin, 
„Bruno Cassirer, 1925. 


Der Pariser Kunsthändler Vollard ist eine Art 


~ Dauerinterviewer der großen impressionistischen 
Meister. Ein geschickter Anekdotenerzáhler, dessen 
„flüssiges Plaudern auch da nicht ermüdet, wo, was 
vorkommt, das Erzählte weder besonders witzig 
noch sonstwie belangvoll ist. Man kennt Abschnitte 
und einzelne Geschichten bereits aus „Kunst und 
“ Künstler,“ für deren Rubrik „Künstler-Anekdo- 


ten“ Vollards Aufzeichnungen eine unerschöpfliche 


Fundgrube darstellten. Die Bücher zeigen, wie geist- 


j voll der Berichtende diese vielen Sächelchen und 
a die größeren Interviews, in denen er die Meister 
selbst sprechen läßt, zu verbinden vermag. Kanapee- — 


.. Lektüre ist das, die man vor sich selber mit dem 


"` Bewußtsein rechtfertigen mag, Authentisches über 


große Meister zu erfahren. Man erwarte nur nicht, 


dab das, was man erfährt, in die Tiefe führt! Fast 


- immer ist es nichts als ein munteres Plätschern an 


R der Oberfläche, an den AuBenseiten. Was dahinter 
- ist, die künstlerische Persönlichkeit, das bleibt so 


` gut wie unberührt. Das Menschliche verläuft harm- 
~ los, gewöhnlich, sehr im Alltag; Degas ist etwas 
- schrulliger Sonderling, bei dem alleine das Alter 
~ mit seiner Taubheit tragisch berührt. Diese Künst- 
ler sagen uns Wesentliches allein in ihren Werken. 
Solche sind in leidlichen Reproduktionen zwischen 
- dieTextseiten verstreut. Leider fehlen alle Angaben 
7 uber Aufbewahrungsort und Entstehungsjahr, in 
- dem Degas-Buche sogar die Bildtitel. Bei „histo- 
risch“ werdenden Meistern sollten Verleger und 


- Herausgeber sich diese leicht zu beschaffenden An- 


gaben allmählich doch wohl zur Pflicht machen. 
> Die Titel „Degas“ und , Renoir“ versprechen zu 


: viel. Der nicht schon eingeweihte Leser empfängt 


Anderes, als er erwartet. Beenken. 


` Beibl. XVIII, 7 89 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


Albert Wesselski, Dante-Novellen. Mit Zeich- 
nungen von Wolfgang Born. Wien, Rikola-Verlag, 
1924. 

Charles Lamb ist durch seine Shakespeare-Er- 
zählungen unsterblich geworden, und wenn es in 
der literarischen Welt gerecht zuginge, müßte 
Wesselski für seine Dante-Novellen ähnlichen Dank 
der Mit- und Nachlebenden ernten. Denn hier wie 
dort füllt ein ausgesprochenes Erzählertalent die 
von einem der Größten gezogenen Umrisse mit 
frischen und starken Farben und schafft auf diese 
Weise ein Buch voll echten Lebens, wie eine Folge 
von Bildern aus dem wirklichen Geschehen an- 
mutend und doch Erzeugnis der Sage und der Dich- 
tung. Wesselski stützt sich auf Dante- Kommen- 
tatoren, Troubadours, Chronisten, Novellisten, und 
errichtet aus den bei ihnen gefundenen Steinen 
der Überlieferung ein Gebäude von einheitlicher 
Struktur, so daB man meint, alle diese grausigen, 
unterhaltsamen, rührenden Geschichten stammten 
aus dem gleichen Munde. Sie lesen sich vortrefflich, 
zumal da der schöne Druck und das besonders gute 
Papier der Stimmung zu Hilfe kommt. So bedürfte 
es der Zeichnungen Wolfgang Borns in keiner Hin- 
sicht, um dem Buche ausreichenden Reiz zu ver- 
leihen. Muß denn alles bebildert werden? 

A—s. 


J. F. Zeliꝛko, Felsgravierungen der südafrika- 
nischen Buschmanner. Mit 20 Lichtdruck- und 
8 Offsettafeln. Leipzig, Brockhaus, 1925. 

Der tschechische Afrikaforscher E. Holub (gest. 
1902) hatte von seinen Reisen in den 70er und 
8oer Jahren in Nachzeichnungen und Originalen 
ein ziemlich umfangreiches Material an Fels- 
gravierungen mitgebracht, das, in verschiedene 
Museen verstreut, noch immer der Veröffentlichung 
harrte. Erst jetzt hat sich ein Freund und Fach- 
genosse des Verstorbenen der Aufgabe unterzogen, 
es mitsamt den Notizen Holubs und ohne um- 
fassendere eigene wissenschaftliche Verarbeitung 
an die Öffentlichkeit zu bringen. Eine rätselhafte 
Kunst, die von den meisten Forschern in eine ver- 
hältnismäßig junge Zeit gesetzt wird, obgleich sie 
allein mit der prähistorischen Kunst Europas und 
Nordafrikas stilistisch verknüpfbar ist, dagegen 
durchaus nicht mit dem, was wir „Negerkunst“ 
nennen! Es fehlen ihr wie allem, was kunstge- 
schichtlich wirklich ein Anfang ist, die Merkmale 
des Stils, und es ist höchst zweifelhaft, ob man 
gewisse Unterschiede im Technischen (Umriß ge- 
hackt oder geritzt, Fläche gefüllt oder ungefüllt) 
zu einer Altersbestimmung verwerten kann. Vor 
allem ist ja die Altersbestimmung im Großen noch 
nicht einmal vor jedem Zweifel gesichert. Die 
Meinung v. Luschans, diese Arbeiten (und dann 
wohl auch die in diesem Werk nicht publizierten 
„Buschmann-Malereien“) seien gar nicht von den 


90 


Marz-April 1926 


heute im Aussterben befindlichen Buschmännern, 
sondern schon in prähistorischer Zeit geschaffen, 
verdient sicher ernsthafte Beachtung. Die Aus- 
stattung des vorliegenden Buches entspricht allen 
wissenschaftlichen Anforderungen, wenn sie auch 
buchkünstlerisch — vor allem der Umschlag — 
nicht auf der Höhe ist, die die Kunstbücher an- 
derer Verlage in den letzten Jahren erreicht haben. 
Beenken. 


Kleine Mitteilungen 


Der Verlegereinband hatte nach dem Kriege unter 
Materialnot und Streben nach augenblendendem 
Prunk arg gelitten, von der technischen Güte ganz 
zu schweigen. Nun ist doch für ihn die Zeit eines 
neuen Aufstiegs gekommen. Der Halbleinenband 
verschwindet wieder, und mit ihm tritt der litho- 
graphische Überzug in die bescheidenere Funktion 
des Schutzumschlags zurück. Regel wird das Ganz- 
leinen, mit Vorliebe in sehr grobfädigen oder seiden- 
artigen (,,Ballonleinen**) Geweben, für Geschenk- 
zwecke wohl auch der einst beliebte, aber nicht 
gerade erfreuliche Satin. Überwiegend diente einem 
kaufkräftigen Luxusgeschmack der Halblederband, 
umwoben mit dem Zauberklang des Wortes Leder, 
das in der Inflationszeit auf Raffke und Genossen 
so magisch wirkte. Ganzleder und Ganzpergament 
werden wohl die beherrschende Stellung der Vor- 
kriegsjahre nicht wieder erlangen ; die Herstellungs- 
preise schränken diese vornehmste Einbandart auf 
die engen Kreise ein, die dem Verlegerband über- 
haupt abhold sind und ihre Schätze in hand- 
gearbeitete Hüllen eigner Wahl kleiden lassen. 

Beschriftung und Verzierung kehren sichtlich 
zum einfach gediegenen Geschmack zurück. Die 
von Weiß, Tiemann, Ehmcke, Steiner-Prag und 
ihren Gesinnungsgenossen ausgestreute Saat drohte 
wohl vom Unkraut überwuchert zu werden; nun 
aber kann sie wieder in erneuter Kraft erblühen. 
Beweis ist die Tatsache, daß so manche große, von 
ernstem Kunstwillen erfüllten Verlage die in den 
schlimmen Jahren geschaffenen Bände eingehen 
lassen und durch neue ersetzen. Statt aller hierfür an- 
zuführenden Beispiele sei auf die Reihe der neuen 
Bände verwiesen, die von der Literarischen Anstalt 
Rütten & Loening in Frankfurt a. M. ihren beiden 
beliebten Autoren, Bonsels und Binding, jüngst 
gegeben worden sind: für Bonsels ein sehr gut ge- 
schriebener Goldtitel auf der sonst völlig leeren 
Vorderflache des kräftig grünen Leinens, der Rücken 
rhombisch gut aufgeteilt, die einzelnen Felder mit 
zierlichen Stempeln belebt und auf blauem Leinen- 
schildchen die Verkleinerung des Vordertitels, wäh- 
rend zu Bindings Novellen und Legenden Titel und 
Namen an den beiden Rändern und ein trefflich 
gezeichneter aufsteigender Kranich die Fläche 
musterhaft füllen. Dem oberflächlichen Betrachter 


91 


Mitteilungen — Bibliographie des Buchwesens Zeitschrift für Bücherfreunde 


mag nur dieneuegesunde AnmutsolcherLeistungen 
erfreulich sein, der tiefer Blickende schöpft auch 
aus solchen kleinen Zeichen die Hoffnung fort- 
schreitender Gesundung deutschen Wesens. 

A—s. 


Bibliographie des Buchwesens 


In Auswahl fiir den Bibliophilen zusammengestellt von 
Dr. O. E. Ebert, Oberbibliothekar an der Deutschen Bücherei 


ALLGEMEINES UND BIBLIOGRAPHIE 


Bogeng, G. A. E.: Uber den Begriff einer Bibliotechnik. 
In: Gutenberg-Festschrift z. Feier d. 25 jähr. Bestehens 
d. Gutenberg -Museums in Mainz. Mainz, Gutenberg - 
Gesellschaft 1925, S. 227—236. 

Die besten Bücher des Jahres. Eine Rundfrage. In: Das 
Tagebuch. Ig. 6, S. 1816—1820. 

Copinger, WIalter] Artur]: Supplement to Hain's Re- 
pertorium bibliographicum or collections towards a new 
edition of that work. In 2 parts. [Helioplandr. 1895. 
1902.] Berlin, J. Altmann 1926, Gr.-8°, 105.—. 

Eschle, M.: Signete und Schutzmarken. In: Gebrauchs- 
graphik 3, 30 m. Abb. (S. 31—36). 

In: Die 


Eule, W.: Sachsen in der graphischen Industrie. 
Reklame 19, 191—193. 
Giesecke, A.: Johannes, der Bücherfresser, In: Der 


blaue Montag I, 34—36. 

Grempe, P. M.: Künstlerische Musikalien. In: Hellweg 6, 
140— 141. 

Huebner, F. M.: Das schöne Buch in Holland. In: 
Archiv f. Buchgewerbe u. Gebrauchsgraphik 62, 529 
bis 533. 

Meyer, Wilhelm Jos.: Die französischen Drucker- und Ver- 
legerzcichen des XV. Jahrhunderts. München, Münchner 
Drucke 1926. 171 S. mit Abb. 40 = Die Drucker- 
und Buchhändlermarken d. XV. Jahrhunderts. Bd. 2. 
Pp. 12.50. 

Schopenhauer: Zwei Auſsätze. Uber Lesen und Bücher. 
Selbstdenken. (Festgabe.) Breslau, Graß, Barth & Comp. 
W. Friedrich 1925. 39 S. Kl.-80. soo Ex. 

Wegener, H.: Schreiber, Drucker, Buchhändler im späten 
Mittelalter. In: Offset-, Buch- u. Werbekunst 2, 695— 700. 

Zeitler, J.: Historizismus und Konstruktivismus im Buch- 
gewerbe. In: Archiv f. Buchgewerbe u. Gebrauchs- 
graphik 63, 100—108. 

* 

Ernst. — Paul Ernst. 1. Biographisches. 2. Literatur. 

Zsgest. von Wilhelm Frels. In: Die schöne Literatur 27, 


101-105. 
Schmidtbonn, — Wilhelm Schmidtbonn. 1. Bio- 
graphisches. 2. Literatur. Zsgest. von E. Metelmann. 


In: Die schöne Literatur 27, 58—61. 

Strauß. — Emil Strauß. 1. Biographisches. 2. Literatur. 
Zsgest. von Wilhelm Frels. In: Die schöne Literatur 
27, 7—8. 

Volkmann, — Verzeichnis der Werke und wichtigeren 
Zeitschriftenaufsätze Ludwig Volkmanns 1892—1925. 
In: Archiv fir Buchgewerbe und Gebrauchsgraphik 63, 
23—27. 

SCHRIFT UND SCHREIBSTOFF 


Bauer, Friedrich: Ursprung und Geschichte der Schrift- 
gießerei J. D. Trennert & Sohn in Altona 1634—1925. 
Altona 1925, J. D. Trennert & Sohn. [VI,] 51 S. 
7 Taf. 4% 500 Ex. Privatdr. 

Day, Lewis F.: Alte und neue Alphabete. 4. Aufl. 
Leipzig, K. W. Hiersemann 1926, (23, 127 S.) de. 
Hlw. 5.—. 

Neue deutsche Druckschriften. (H. 6.) Berlin, L. 
Schneider 1925. Gr.-8°. (6.) Ehmcke-Mediaeval und 
Mediaeval-Kursiv. (22, 6 S.) 1.50. 


92 


M arz-April 1926 


Die Manessesche Handschrift. Faks.-Ausg. (6 Lfgn. 
u. I Suppl.H.) Lfg. r. (140 faks. farb. S.) Leipzig, 
Insel-Verlag [1926]. 2°. Hlw.Mappe 500.—. 

Hößle, F. v.: Bayerische Papiergeschichte. In: 
Papier-Fabrikant 24, 117—119. 

Kautzsch, R.: Diebolt Lauber und seine Werkstatt. 
In: Archiv f. Buchgewerbe u. Gebrauchsgraphik 63, 
42—45. 

Löffler, Karl: Romanische Zierbuchstaben und ihre Vor- 
läufer. Mit einführ. Text u. Handschriftenbeschreibung. 
[In 6 Lígn.] Lfg. 1. (9 farb. Taf.) Stuttgart, H. 
Matthaes 1926. 2°. 9.60. 

Loubier, H.: Die vorbildliche Bedeutung der Inkunabel- 
typen. In: Gutenberg -Festschrift z. Feier d. 25 jähr. 
Bestehens d. Gutenberg - Museums in Mainz. Mainz, 
Gutenberg - Gesellschaft 1925, S. 210—213. 

Lucke, Chr.: Ein Rückblick auf die alte Papiermacher- 
kunst im Kurfürstentum Sachsen. In: Der Papier- 
Fabrikant 24, 36—37. 

(Ludwig, Richard:) 1875 - 1925. [Erinnerungsschrift 
hrsg. anläßl. d. 50 jähr. Bestehens d. Schriftgießerei 
Ludwig & Mayer, Frankfurt a. M.] (Zeichnungen von 
Willi Harwerth, Frankfurt a. M. 1925: Hausdr. d. Schrift- 
gießerei Ludwig & Mayer.) [22 S.] Gr.-80, 

Morison, S.: The type of the Hypnerotomachia Poli- 
phili. In: Gutenberg-Festschrift. Mainz, Gutenberg- 
Gesellschaft 1925, S. 254—258. 

Renker, A.: Wasserzeichen in alter und neuer Zeit. In: 
Offset-, Buch- u. Werbekunst 2, §49—553 m. Abb. 
Renner, P.: Revolution der Buchschrift. In: Gutenberg- 
Festschrift. Mainz, Gutenberg-Gesellschaft 1925, S. 279 

bis 282, 

Schreiber, H.: Schrift- und Buchgestaltung. 
brauchsgraphik 3, 66 m. Abb. 

Schwann, M.: Zur Entwicklung der rheinischen Papier- 
industrie. In: Der Papier-Fabrikant 24, 24—26. 

Strobach, C.: Briefe eines Papiermachers an seinen Sohn. 
(2. Aufl.) Biberach, Giintter-Staib [1925]. (116 S. mit 
18 Fig.) 4% LW. 5.—. 

Wetzig, E(mil]: Ausgewählte Druckschriften nebst e. 
Einführg. in d. geschicht, Entwicklg. d. Schrift u. in 
d. ältere Buchkunst. 2., veränd. Aufl, Leipzig, Verein 
Leipziger Buchdruckerei-Besitzer (1925). XVI, 210 S. 
mit Abb. Gr.-8% Lw. 7.—. 


BUCHDRUCK 


Bömer, A.: Coster und Gutenberg oder nur Gutenberg? 
In: Zbl. f. Bibliothekswesen 43, 57—73. 

Bogeng,G. A. E.: Druckvorlage u. Druckwerk. Betrach- 
tungen Ober typograph. Ubertragungskunst. In: Archiv 
f. Buchgewerbe u. Gebrauchsgraphik 62, 507—516. 

Cornell, Henrik: Biblia Pauperum. Stockholm 1925 
(: Thule-Tryck [; Uppsala, Universität: Selbstverlag]). 
(XV, 372 S. mit 37 Fig. 8, 72 Taf.) 4°. In 300 num. 
Ex. 90.—. 

Haebler, K.: Aus der Geschichte des italienischen Früh- 
drucks. In: Archiv f. Buchgewerbe u. Gebrauchs- 
graphik 63, 45—62. 

Kruitwagen, fr. Bonaventura: Die Ansprüche Hollands 
auf die Erfindung der Buchdruckerkunst. In: Gutenberg- 
Festschrift, Mainz, Gutenberg-Gesellschaft 1925, S. 353 
bis 370. 

Naumann, G.: Offset und neue Typographie. In: Offset-, 
Buch- u. Werbekunst 2, 687—692. 

Typographie als Kunst: Übersicht über Proben aus 
Sonderdrucken deutscher Schriftgießereien u, biblio- 
philen Dracken. In: Archiv f, Buchgewerbe u. Ge- 
brauchsgraphik 62, 517 ff. 


Der 


In: Ge- 


BUCHILLUSTRATION 


Oehler, R.: Adam Friedrich Oeser, Goethes Lehrer, als 
Buchillustrator. In: Gutenberg - Festschrift. Mainz, 
Gutenberg-Gesellschaft 1925, S. 214—223. 


93 


Bibliographie des Buchwesens 


Zeitschrift für Bücher freunde 


BUCHEINBAND 


Adam, Paul: Die Frankfurter Buchbinder um die Wende 
des 15. Jh. In: Monatsbl. f. Bucheinbände u. Hand- 
bindekunst 2, H. 7/8. 

Bollert, M.: Mittelalterliche Einbände mit Lederschnitt. 
In: Wiss, Beil. des Dresdner Anz. 2, 146—147. 

Brade, L{udwig]: Illustriertes Buchbinderbuch. Gänzlich 
umgearb. von Paul Kersten. 8., verm. u. verb. Aufl. 
Mit 185 Textill. Halle, W. Knapp 1926. (VIII, 276 S. 
8, 10 Taf.) Gr.-8% 8.80, 

Collin, E.: Buntpapiere. In: Offset-, Buch- u. Werbe- 
kunst 2, 562—566. 

— Die deutsche Kunstbuchbinderei der Gegenwart. In: 
Gutenberg - Festschrift. Mainz, Gutenberg - Gesellschaft 
1925, S. 79—84. 

Glauning, O.: Der Buchbeutel in der bildenden Kunst, 
In: Archiv f. Buchgewerbe und Gebrauchsgraphik 63, 
124—152. 

(Hasselmann, F.:) Buchbinder Gerbers, Hamburg. (Ham- 
burg 1925, Staatl. Kunstgewerbeschule.) [18 S. m. ı Bildn. 
u. 10 Abb.] 8% 450 Ex. Nicht im Handel. 

Kersten, P.: Bucheinbände auf der Internationalen Kunst- 
gewerbe-Ausstellung Paris 1925 und deutscher Kunst- 
buchbinder. In: Deutscher Buch- u. Steindrucker 32, 
458—462 m. Abb. 

— Das Goldschnittmachen. Lehrbuch f. Buchbinder. Halle, 
W. Knapp 1925. (II, 22 S. m. Abb.) Gr.- 80. 1. 50. 
Martell, P.: Der Bucheinband im Mittelalter. In: Archiv 

f. Buchbinderei 25, 89—92. 

Theele, J.: Einbandkunst und Einbandforschung. In: 

Monatsbl. f. Bucheinbände u. Handbindekunst 2, H. 8/9. 


l SAMMELWESEN 

Allgemeines 

(Frenzel, Chr. O., u. P. Herzogenrath:) Das schöne Buch 
in Deutschland 1900— 1925. Ausstellung im Bilderraum 
d. Städt. Museums Bielefeld vom 10.—17.Januar 1926, 
veranstaltet von d. Bielefelder Bibliophilen- Vereinigung 
E. V. (Bielefeld 1926, E. Gundlach.) 21 S. Kl.-8%, 250 Ex. 

Junk, Wilhelm. — Des Antiquars und Biicherfreundes 
Palmen-Gärtlein (benebst einigen Disteln und fast stache- 
lichten Kaktussen), allwo einen geneigten Leser spatzieren 
führet der Doctor Guilelmus Juncus. (Gewidmet d. Teil- 
nehmern am Stiftungsfest, 19. Febr. 1926, d. Vereinigung 
„Berliner Bibliophilen-Abend“, A. D. 1726, [Berlin, 
W. Junk 1926.] 38S, 8% In 500 Ex., 3.—. 

Meyer, Wilh. J.: Der Freiburger Schultheiß Peter Falck 
( 1519) als Bibliophile und Humanist. In: Schweiz, 
Rundsch. 25, 53—56. 

Sondheim, M.: Richard de Bury, ein Bibliophile des 
XIV. Jahrhunderts. In: JB. d. Maximilian-Ges. 1314, 
29—52. 

— Richard de Bury. Ein Beitrag zur Psychologie des 
Büchersammelns. (Frankfurt a. M. 1926, Hausdr. d. 
Bauerschen Gießerei.) 45 S. 4°. 310 Ex. 

Steiner, Gustav: Eine Basler Büchersammlung aus dem 
18. Jh. In: Basl. Zs. f. Gesch. u. Altertumskunde 23, 
179—224. 

Wagner, Adalbert: Peter Falcks Bibliothek und huma- 
nistische Bildung. Bern, P. Haupt 1926. (XVI, 221 S. 
mit 1 Abb.) Gr.-8% = Bibliothek d. Schweizer Biblio- 
philen. Serie 2, Bd. 2. 8.—. 

Wiener, O.: Alte Groschendrucke. In: Monatsh. f. 
Bücherfr. u. Graphiksammler 1, 482—488 m. 6 Abb. 

Zobeltitz, F. v.: Bibliopbilie als Wissenschaft. In: 
Gutenberg - Festschrift. Mainz, Gutenberg - Gesellschaft 
1925, S. 398—401. 


Künstlerische Drucke 


Borchardt, Rudolf: Gartenphantasie. (München, Bremer 
Presse 1925.) 36S. 4° Auf d. Handpresse in 300 
num. Ex. gedr., Pp. 24.—. 


94 


Marz-A pril 1926 


Dante: La divina commedia coi disegni di Sandro Bot- 
ticelli. (Titel, Untertitel u. Initialen entw. H. Th. Hoyer. 
Die gesamten Holzschn. sind von Bruno Rollitz.) Cantica 
I. 2. (Berlin) 1925: Officina Serpentis (; Auslieferg: 
E. Rowohlt). 2% Ausg. C: 200 Expl., Pp. 80.—. 

Goethe, Johann Wolfgang. — Goethes Meister - Prosa. 
(Auswahl u. Nachw.: A[nton] K[ippenberg] u. Georg! 
Witkowski]. Für die Teilnehmer d Leipziger Biblio- 
philen-Abends am 11. Febr. 1926 hergest. Leipzig 1926, 
Janus-Presse.) 30 S. Gr.-8°. 

Hofmannsthal, Hugo von: Ein Brief (des Philipp Lord 
Chandos an Francis Bacon). (Darmstadt 1925: Ernst 
Ludwig Presse.) 22 S. 4°. 120 Ex. (Privatdr., der 
Maximilian-Gesellschaft gewidmet.) 

— Der Turm. Ein Trauerspiel in 5 Aufz. (München, 
Bremer Presse 1925.) 157 S. 4°. 1. Buchausg. in 260 
num. Ex. auf d. Handpresse gedr., Pp. 45.—. 

Much, Ricarda: Graf Mark und die Prinzessin von Nassau- 
Usingen. Eine tragische Biographie. Leipzig (‚Gesellschaft 
d. Freunde d.) Deutsche(n) Bücherei 1925. (34 S.) Gr.-8° 
= Gesellschaft d. Freunde d. Deutschen Bücherei. Jahres- 
gabe 7. 1925. Hperg., nur f. Mitgl., 20.—. 

Keller, Gottfried: Wegelied. (Aarau, Kantonale Buch- 
druckerfachschule [1925].) 6 S. 4% = Druck d. Presse d. 
Kantonalen Buchdruckerfachschule zu Aarau. I. Fr. 5.—. 

Köppen, Edlef: Der Bericht. [Erzäblg.] Potsdam, Presse 
Oda Weitbrecht 1925.) (12 S.) 4° = Druck d. Presse 
Oda Weitbrecht Potsdam. 3. In 75 Ex. 

Eyn artig Liedlein von den Frauen und den Büchern, 
von Nutzen zu lesen für Buchführer u. andere Leute. 
(Wien,) Druck d. Gerold'schen Offizin 1926. 4 S. 8°. 
100 Ex. Nicht im Handel. 

Meyer, Conrad Ferdinand: Huttens letzte Tage. Eine 
Dichtg. Stuttgart, Union 1925. (VII, 154 S.) 4% = 
Juniperuspresse. Der neuen Reihe Druck 4. In 204 
num. Ex., Pp. 45.— 

Schiller, Friedrich v.: Über das Erhabene. (Offenbach a.M., 
Technische Lehranstalten 1925.) 39S. 8°, 

Shakespeare, William. — König Heinrich der Achte. 
Ein Schausp. aus Shakespeares Kreis Nach d. Übers. von 
Wolf Graf Baudissin. Bearb. von Elisabeth Levy. Mit 
e. Vorw. von Julius Bab u. 16 farb. [eingedr.) Beil. nach 
Bildern von Hans Holbein dem Jüngeren, Stuttgart, 
Union 1925. (IX, 184 S.) 4° = Juniperuspresse, Neue 
Reihe, Druck 5. Interims-Ppbd 50.—. 

Volkmann, Ludwig: Zwei Reden. (Zum 25 jähr. Jubi- 
läum als 1. Vorsteher d. Deutschen Buchgewerbevereins 
(2. Febr. 1926) gedr.) Leipzig (, Deutscher Buchgewerbe- 
verein) 1926. 22S. 2°, sı Ex. 


Lllustrierte Bücher 


Busoni, Rafaello. — Gide, André: Isabelle. (19 Textill. 
von Rafaello Busoni.) Berlin, J. M. Spaeth 1926. 
(165 S.) 8°, 

Domizlaff, Hans. — Cüppers, Adam Josef: Rheinische 
Legenden. (Buchschm. bes. H. Domizlaff.) Essen, Frede- 
beul & Koenen 1926. (113 S.) 4% Lw. 8.— 

Goldschmitt, Bruno. — Zobeltitz, Fedor von: Die Ge- 
schichte von der schónen Melusine, die eine Meerfei 
gewesen ist. Nach d. ältesten deutschen Druckausg. von 
1774 f. Jung u. Alt neu hrsg. Mit schónen Bildern 
verziert von Bruno Goldschmitt. Hamburg, Alster- 
Verlag 1925. (169 S.) Gr.-8° = Die alten Volksbiicher. 
2. Hperg. 10.—. 

Klee-Pályi, Flora, — Thackeray, W(illiam] M[akepeace]: 
Die verhängnisvollen Stiefel. (Ubertr. von Clarisse Meitner.) 
Mit 28 Gelatineradierungen von FloraKlee-Pályi. München, 
Musarion-Verlag 1925. (99 S.) 8% = Musarion-Bücher. 
Lw. 6.—. 

Róssing, Karl. — Tolstoi, Leo N.: Legenden. Ubertr. 
von Fega Frisch. Mit 18 Holzschn. von Karl Róssing. 
München, Musarion-Verlag 1925. (107 S.) 8° = Mu- 
sarion-Biicher. Lw. 6.— 


95 


Kataloge 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


Schultheiß, Karl Max. — Gautier, Theophil: Fortunio. 
Mit 65 Zeichn. von Karl M, Schultheiß. (Ins Deutsche 
übertr. von Gabrielle Betz.) Hellerau b. Dresden, Avalun- 
Verlag (1926). (279 S.) Kl.-8% = Gautier, Gesammelte 
Werke. Kart. 4.50; Le 6.50; Ldr. 12.—. 

Wrage, Claus: Dante-Block-Buch. 99 Bild- u. Text- 
Holzschnitte zur Divina Commedia. Handgedruckt. Berlin, 
Martin Breslauer in Komm.) 1925. (201 Bl.) 45,5 * 32 cm. 
Perg. 550.— 


Exlibris 


Preetorius, E.: Über das Exlibris. In: Gutenberg - Fest- 
schrift. Mainz, Gutenberg- Gesellschaft 1925. S. 335 — 337. 


Kataloge 


Zur Vermeidung von Verspätungen werden alle Kataloge an die Adresse 
des Herausgebers erbeten 


K. André in Prag. Nr. 39. Bohemica. 1355 Nrn. 

Joseph Baer de Co. in Frankfurt a. M. Nr. 717. Asien, Afrika 
Australien. 1516 Nrn. — Nr. 720. Periodica. — Nr. 725. In- 
cunabula Typographica Pars secunda. GroB-8°. 409 Nrn. mit 
zahlreichen Tafeln und Textbildern sowie fünf Registern. 

Hermann Bennewits in Chemntts. Nr. 1. Auserlesene Werke für 
Bücherfreunde und Graphiksammler. 304 Nrn. 

Ernst Curlebach in Heidelberg. Nr. 341. Joseph Victor von 
Scheflel. Erstausgaben — Scheffel-Literatur. 177 Nrn. — Nr. 342. 
Baden und Pfalz, Hessen und Württemberg IL: Genealogie, 
Heraldik, Numismatik, Nr. 1921--8206. 

Friedrich Cohen in Bonn, Nr, 152. Geschichte, Biographien, Volks- 
kunde, Kulturgeschichte, Musik, Buchwesen, Rbeinliteratur, 
1095 Nrn. — Kheinischer Buch-Anzelger I, A 300 Nrn. 

Ernst Dunappel in Dresden - Blasewits. Nr. 36. Vermischtes. 
1233 Nrn. 

P. Diencmann Nachf. in Dresden. A. Nr. 1. Deutsche Literatar 
des 18. und 19. Jahrhunderts, 943 Nrn. 

Gustav Fock in Leipsig. Nr. 568. Deutsche Literatur des 19. und 
20. Jahrhunderts und Bibliophile Bücher (Germanistik Teil III). 
Nr. 3562—7131. 

Oskar Gerschel in Stuttgart. Der Büoherkasten XII, 1. 1877 Nro. 

Gilhofer & Ranschburg in Wien I. Nr. 190. Inkunabeln und 
Bücher des 16. Jahrhunderts. 227 Nrn. Mit zwei Farbentafeln, 
18 schwarzen Tafeln, 67 Textbildern, vier Registern und Haupt- 
verzeichnis. Groß-8°, 

F. W. Huschke in Leipzig. Nr. 39. Buch und Illustration. 364 Nm. 
— Nr, 40. Literatur und Kunst, 375 Nro. 

Leopold Heidrich in Wien I. Anzeiger. Nr. 1. 887 Nrn. 

Karl W. Hiersemunn in Leipzig. Nr. 560. Präbistorie. 179 Nrn. 
Nr. 561. Kostüme und Uniformen. 858 Nrn. 

Hoffmann & Campe in Berlin W 69. Nr. 25. Schrift und Buch- 
wesen, Alte Drucke, Deutsche Literatur, Graphik der Dúrer-Zeit. 
836 Nrn. 

Rudolf Hönisch in Leiprig S. 8. Nr. $2, Memoiren und Bio- 
graphien deutscher Männer. 481 Nrn. 

Paul Koehler in Leipsig. Nr. 28—29. Vermischtes. 2010 Nrn. 

Bernh. Liebisch In Leiprig. Nr. 262. Geschichte des Mittelalters. 
3765 Nrn. 

Lipsius & Tischer in Kiel. Anzeiger Nr. 18. 764 Nm. 

Alfred Lorents in Leipzig. Nr. 301. Historische Hilfswissen- 
schaften. 1277 Nrn. — Nr. 802. Geographie, Ethnographie, 
Handels- und Wirtschaftsgeschichte, Orientalia, Indologie, 
Slavica, Reisewerke. 9022 Nrn. 

E. Lucius in Letpsig. Nr. 57. Romane. 

J. Mongenet in Genf. Nr. 188. Vermischtes. Nr. 11981 — 13009. 

Martinus Nijhoff im Haag. Nr. 519. Spanische und portugiesische 
Bücher. 1950 Nrn. — 1936. Nr. 3. Vermischtes. 1177 Nm. 

Waldemar Poseck in Berlin W 50. Nr. 18. Vermischtes. 1467 Nrn. 

Preuß & Jünger in Breslau 1. Nr. 8, Medizin. 861 Nrn. 

G. Ragocry in Freiburg i. B. Nr. 84. Kunst, Literatur, Geschichte. 
Hispanica. 426 Nrn. 

Wilhelm Rahn in Stettin. Nr. 66. Vermischtes, 

Gustav Ranschburg in Budapest IV. Nr. 112. 
636 Nrn. 

C. E. Rappaport in Rom. Nr. 49. Kunst. 749 Nrn. 

N. L. Schlapp in Darmstadt. Nr. 8. Deutsche Literatur und Cher, 
setzungen. 201 Nrn. 

B. Seligberg in Bayreuth. Nr. 820. Kultar- und Sittengeschichte IV. 
1022 Nrn. 

J. M. Spaeth in Berlin C 9. Nr. 20. Vermischtes. 805 Nrn. 

Emil Strassberg in Berlin- Wilmersdorf. Nr. 11. Vermischtes. 
476 Nrn. 

Agnes Straub in Berlin W 35, Nr. 28. Deutsche Literatur, Illu- 


strierte Bücher. 923 Nrn. 
Gerhard Tondeur in Leipsig. Nr. 1. Geschichte, Geographie, 
Reisen, Java. 279 Nrn, 
Tondeur ck Säuberlich in Leipsig. Nr. 31. Buchwesen und Schrift- 
tum, Bibliographie, 706 Nrn. 


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fur jeden Gebildeten (Essener Allg. Zig.) — „Das wich- 
tigste Werk der Zeit (Liter. Jahresbericht d. Durerbundes). 
„Ein gewaltiger Dienst am Volksganzen wird geleistet“ 
(Deutsche Allg. Zig.). — „Ein großer Plan, frisch, leben- 
dig und verheiBungsvoll'* (Königsberger Allg. Zei — 


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248 Seiten 3% Geheftet M. 4.—, in Gansleinen M. 6.— 


„Beſſer hießen dieſe Novellen, bäuerliche Novellen“, weil ſie mit Kraft und 
Wahrheit die Menſchen des Bauernſtandes in dem ganzen Ablauf ihres 
erdgebundenen Weſens vor uns lebendig werden laſſen. Wir ſtehen nicht 
an, dieſes „Dorf am Ader’ nicht nur für das Vollendetſte, was Perkonig 
geſchaffen, ſondern überhaupt eine der wertvollſten Darſtellungen aus dieſem 
Stoffbereiche zu erklären.“ Wiener Neueſte Nachrichten. 


| 
| „Perkonig ift ein ficherer Erzähler und mannigfacher Erfinder, er verftebt 
| ſich auf die bildhafte Anſchaulichkeit des Geſchehens, die innige Derbunden: 
| heit von Menſch und Natur. Aus Sprache und Aufbau ſchwingt ein Rhyth⸗ 
mus, deſſen man erſt offenbar wird, wenn man dieſe Geſchichten anderen 
vorlieſt. Das iſt das beſte Kriterium für eine gewachſene Sprache.“ 
| Weſtfäliſche Zeitung. 


Nikolai Lefftotu 


Ein nbfterbendes Geſchlecht 


320 Seiten Haat Geheftet M. 3.50, in Banzleinen M. 6.— 


Die innige Verknüpfung von Herrſchaft und Bauerntum ift der Orgelpunkt | 
in dieſer Samilienchronit der Sürften Protoſanow. „Um die hehre und 
wunderbar geſunde Geftalt der Sürftin Warwara“, fo ſchreibt Johannes 
Alt in der „Feitwende“, „ſammelt Leſſkow eine Schar von eigenartigen 
Menſchen, Helden in ihrer Art, wenn auch äußerlich oſt nicht mehr als 
treue Seelen. Liebe und Strenge, Selbſtbehauptung und Selbſtaufgabe, 
Herrſchaft und Dienſt find hier, wie Adel und Volk, Glaube an Gott und 
Erdenwerk mit geſundem Inſtinkt umgrenzt. Der Dichter iſt zugleich 
Hüter des Göttlichen und des echt Menſchlichen auf Erden.“ 


€. 5. Beck ſche Verlags buchhandlung München 


101 102 


Mars-April 1926 Anseigen Zeitschrift für Bücher freunde 


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WERNER JAEGER 


Die Zeitschrift erscheint vierteljahrlich in Heften von 4 bis 5 Bogen Umfang. 
Sie ist künstlerisch ausgestattet und enthält ein reiches Abbildungsmaterial 
(Textabbildungen und Tafeln, darunter auch farbige). / Preis des ganzen Jahr- 
gangs für Nichtmitglieder der „Gesellschaft für antike Kultur“ M. 40.—, des 
Einzelheftes M. 10.—. / Mitglieder der „Gesellschaft für antike Kultur“ er- 
halten die Zeitschrift nach Zahlung des Mitgliedsbeitrags (M. 30.—, zahlbar 


auch in vierteljährlichen Teilbeträgen) umsonst. 


Eine neue Zeitschrift — und wirklich etwas Neues; das will nicht wenig besagen. Aber noch so kluge 
und feine Gedanken würden dem neuen Unternehmen kein Lebensrecht gewähren; auf die Ausführung 
kommt es an. Und die erste Probe, das darf man bekennen, hat „Die Antike“ bestanden. Eine solche 
Folge guter, z. T. ausgezeichneter Arbeiten in geschmackvoller Sprache wird man nicht so leicht wieder 
finden. Jeder Beitrag bleibt auf einer bemerkenswerten Höhe des Inhalts und der Darstellung. Bilder, 
Ausstattung und Druck sind so gut, wie man vom Herausgeber und vom Verleger mit Recht erwartet. 
Alles in allem: ich freue mich auf das nächste Heft. W. Schubart in „Orientalische Literatmrzeltung”. 


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und abbildungstechnisch sorgfältig ausgestattet. Der Abonnementspreis für 
den Jahrgang von 6 Heften beträgt 40 Mark 


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Die Zeitschrift unterrichtet regelmäßig über den Stand der kunstwissenschaftlichen Forschung, in erster 

Linie durch Aufsätze, Miszellen und Buchbesprechungen, die nach Inhalt und Form repräsentativen Chas 

rakter haben. Neben der Tatsachenforschung wird die Begriffsforschung gepflegt. Aufsätze zur Methodik 
und Gelehrtenkunde ergänzen die form» und stilgeschichtlichen Untersuchungen. 


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Inhalt: 
Die Himmelskönigin und die Frauen Wal- 
halls - Nordishe Frauen - Sappho - Maria 
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der Geduld Frau Claudine. 


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60. Jahrgang / Heft 1 


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Das mit Bildern reich geschmückte Heft 
bringt folgende Aufsátze: 


WILHELM PINDER 
Zum sechzigsten Jahrgang 


OTTO VON FALKE 


Romanische Drachenleuchter 


RUDOLF WITTKOWER 


Die vier Apostelstatuen des Camillo Rusconi 
im Mittelschiff von S. Giovanni in Laterano 
in Rom 


HERMANN FISCHER 


Ein Prototyp des mittelalterlichen Lust- 
gartens nach Albertus Magnus 


GEORG GRONAU 
Ein Bildentwurf von Filippino Lippi 


Das inhaltlich erweiterte Beiblatt bespricht 
Neuerscheinungen der Kunstliteratur, weist 
auf bevorstehende Versteigerungen, Aus- 
stellungen usw. hin und berichtet im 
übrigen über alle wissenschaftlich 
bedeutsamen Vorgänge im 
Kunstleben 


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buchgeschichtlichen 
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Die Literarifche Welt 


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die Sie über alles Wissenswerte der Literatur, 
Bühne und Film rasch und zuver- 
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Die Literarifche Welt 


ist keine langweilige Literatur-Zeitschrift. Sie 
finden hier Witz und Geist in großen und kleinen 
Aufsätzen aus der Feder erster Autoren aller Län- 
der, deren Betrachtungen und Einfälle 
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rN 


wurde mit Beginn dieses Jahrhunderts als etwas damals ganz Neues, 
Überraschendes und Bahnbrechendes gegründet. Es galt, ein unges 
mein aussichtsreiches Verfahren, das an die Fahigkeit der Techniker 
die hochsten Anforderungen stellte, dabei aber eine wirklich wohlfeile 
Popularisierung farbengetreuer Vervielfältigungen ermöglichte, auszur 
bilden und planmäßig in großem Stil unter den wichtigsten Stücken 
aller Galerien Europas so zu wählen: daß eine Vertretung der ges 
samten Geschichte der Tafel-Malerei nach und nach zusammenkommt. 
Was dabei im Laufe von 25 Jahren für Schwierigkeiten jeder Art zu 
überwinden waren, kann nur der ermessen, der das Werden und 
Wachsen der Sammlung aus eigener Mitarbeit kennt. Es genüge zu 
wissen, daß (ein zweifellos einzig dastehender Vorgang!) zur Erzies 
lung dieser billigen, in großen Auflagen hergestellten Farbendrucke 
nicht nur der eigene Photograph des Hauses E. A. Seemann mit Spes 
zialapparaten ausgerüstet nach Rom, nach Petersburg, nach Madrid, 
nach Paris — von den näher gelegenen Galerien ganz zu schweigen — 
zu Aufnahmen gereist ist und dort Wochen und Monate gearbeitet 
hat: sondern daß auch zur Vornahme immer wieder neuer Korreks 
turen der leitende Techniker des Hauses und die Inhaber selbst oft 
dreiz oder viermal wegen derselben Bilder solche Reisen gemacht haben. 
Heute ist nun die Sammlung im wesentlichen fertig abgeschlossen, 
wenn auch fortlaufend Ergänzungen, Vermehrungen und Verbesse- 
rungen angebracht werden. Was nun dasteht, gestattet jedem, der 
sich für wenig Geld seine Wand mit der Nachbildung eines Werkes 
von Rembrandt oder Leibl, Manet oder Domenico Veneziano, van 
Eyck oder Böcklin, oder Degas, oder Knaus, oder Defregger, oder 
Carpaccio, oder Feuerbach, oder Guardi, oder van Gogh, oder Schuch, 
oder Grünewald, oder Piero della Francesca, oder Corinth, oder wel: 
chen berühmten Meisters alter und neuer Zeit auch immer, schmücken 
will: die Hand auszustrecken und zu wählen, sich private Sammlungen 
und Reihen zusammenzustellen, die nach und nach ergänzt werden 
können. Welchen Nutzen diese wohlfeile, aber darum nicht gering- 
wertige UniversalsPinakothek für Studien- und Unterrichtszwecke bes 
deutet: das bedarf wohl kaum des empfehlenden Wortes. 
Der Verlag E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße lla, ist gern 
bereit, Interessenten mit Verzeichnissen und Katalogen zu dienen. 


Marz-April 1926 A Marz- Ari 1926 Ani Zeitsclriſt für Bücherfreund Zeitschrift für Bucher freund- 
Die Sammlung 
E. A. Seemanns Farbendrucke 


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BEIBLATT DER 
ZEITSCHRIFT FÜR BUCHERFREUNDE 


NEUE FOLGE 


Herausgegeben von Prof. Dr. GEORG WITKOWSKI 
LEIPZIG-GOHLIS / Ehrensteinstraße 20 


XVIII. Jahrgang 


Mai-Juni 1926 


Heft 3 


Parıser Brief 


Da es in Frankreich nicht üblich ist, den 50., 
60. oder 70. Geburtstag lebender Dichterund Künst- 
ler zu feiern, so ist Romain Rollands 60. Geburts- 
tag unbeachtet vorübergegangen. Nur die ihm 
nahestehende Zeitschrift Europe, die von seinem 
jüngeren Freundeskreis herausgegeben wird, hat 
den Ehrentag des Dichters durch eine Sonder- 
nummer ihrer Zeitschrift gefeiert, in der u. a. Hcnri 
Barbusse, A. de Chateaubriant, Georges Duhamel, 
Havelock Ellis, G. Prezzolini, Upton Sinclair, Ernst 
Toller ihre Verehrung für Rolland zum Ausdruck 
brachten. Besonders amüsant ist in diesem Heft 
die ,,Anthologie de la sottise“, in der Aussprüche 
führender Franzosen gegen Rolland zusammenge- 
stellt sind. Der Berliner Korrespondentdes „Temps“ 
berichtete über die vielfachen Ehrungen Rollands 
in der deutschen Presse, bemerkte aber dazu, daß 
man bei uns weniger den Dichter als den Pazifisten 
und den Verfasser von ,,Au-dessus de la melee“ 
gefeiert hätte. Das Buch wäre aber in Deutschland 
nirgends aufzutreiben, weil die Deutschen es nicht 
vertragen könnten, daß in diesem Buch ihre Fehler 
bloßgestellt seien. So hat der nationalistische 
„Temps“ unsere Rolland-Feiern umzudeuten ver- 
standen. 

Anders verhalten sich die Franzosen bei Jubiläen 
historischer Größen. Am 5. Februar jährte sich 
der Geburtstag der Mme. de Sévigné zum drei- 
hundertsten Male und gleichzeitig waren 200 Jahre 
vergangen nach dem ersten Erscheinen ihrer Briefe. 
Dieses doppelte Jubiläum wurde durch eine Ge- 
dächtnisausstellung für Frau von Sévigné im Musée 
Carnavalet gefeiert. Von Jean Lemoine und Hen- 
riette Celarié erschienen je ein Buch über die be- 
rühmte Frau, in denen neu aufgefundene Doku- 
mente verarbeitet sind. Eine Flut von Artikeln 
und Aufsätzen war an diesen Tagen in der peri- 
odischen Literatur Frankreichs zu verzeichnen. 
Ohne Jubiläumsanlaß ist in den letzten Monaten 
viel uber Charles Péguy geschrieben worden, weil 
die Gebrider Tharaud bei Plon Nourrit ein zwei- 
bandiges Werk uber das Leben Péguys herausge- 
geben haben, das die erste umfassende Biographie 


Beibl. XVIII, 9 113 


dieses heroischen Menschen und bedeutenden Dich- 
ters darstellt. | 

Zwei große religionsgeschichtliche Bücherreihen 
erscheinen gegenwärtig. ImVerlag von Rieder & Co. 
gibt Pierre Morhange unter dem Titel Philosophie 
mehrere umfassende Sammlungen heraus, deren 
erste mit Schellings Untersuchungen über das 
Wesen der menschlichen Freiheit eingeleitet wird. 
Es folgen dann Werke von Jean Wahl, William 
Blake, Norbert Gutermann und in der Reihe Chri- 
stentum die Epistel St. Pauli, Felix Satiaux: Glau- 
ben und Wissenschaft im Mittelalter usw. In den 
Editions du siècle gibt L. Rougier in einer Bücher- 
reihe, die bereits 15 Bände umfaßt, Les maitres 
de la pensée antichretienne heraus. Band 1 vom 
Herausgeber bchandelt Celsus oder den Konflikt 
der antiken Zivilisation und des ersten Christen- 
tums. Band 2 Porphyrius oder der Konflikt des 
Neuplatonismus und Christentums von Professor 
Bidez in Gent. Derselbe behandelt im 3. Band den 
Konflikt des Hellenismus und Christentums. Pro- 
fessor L. Homo, der hier schon bei anderer Ge- 
legenheit als einer der bedeutendsten jüngeren 
Gelehrten Frankreichs genannt wurde, wird drei 
Bände dem Paganismus widmen. Monographien 
über Spinoza, Voltaire, Holbach und Nictzsche 
sind vorgesehen. Beide Bücherreihen und manche 
andere Publikationen bezeugen, daß auch das 
Frankreich der Nachkriegszeit sich vielseitig mit 
religiösen Problemen beschäftigt. Ernest Seilliere 
hat im Verlag von Felix Alcan eine neue Schrift 
„Vom Quietismus zum romantischen Sozialismus‘ 
herausgegeben, die sich organisch in sein bisheriges 
Lebenswerk einfügt, das hier bei früherer Gelegen- 
heit charakterisiert wurde. In der Nouvelle revue 
frangaise gibt Léon Treich in kleinen Bändchen 
Anekdotensammlungen heraus, die für die franzö- 
sische Psyche charakteristisch sind. Es erschienen 
bis jetzt Histoires enfantines, — de vacances, — 
théátrales, — gauloises usw.; Pesprit de Tristan 
Bernard, Sacha Guitry, Clémenceau, Aurélien 
Scholl. 

Der hier schon häufig genannte Pierre Audin in 


114 


Mai-Juni 1926 


Lyon gab neuerdings als Privatdruck für seine 
Freunde heraus: Le caractère de labeur de l'im- 
primerie Audin A Lyon. Wenn jetzt verschiedene 
deutsche Verleger in Frankreich drucken lassen, 
so sollte diese Lyonaiser Druckerei mit am ersten 
berücksichtigt werden. Der Inhaber ist ein ge- 
schmackvoller Buchkünstler, der die Geschichte 
und Technik des Buchdrucks beherrscht und neben- 
bei für das deutsche Buchgewerbe eine große Be- 
wunderung hegt. Der Bibliophile Bertrand Guégan 
hat schon manche verschollenen Schätze der fanzö- 
sischen Literatur ausgegraben, die auch hier ange- 
zeigt wurden. Neuerdings hat er bei Payotin Paris 
„Le Grand Kalendrier et Compost des Bergiers“ 
herausgegeben, ein schwer auffindbares Buch, auf 
dessen Neudruck die französischen Bibliophilen seit 
langem warteten. Dieser merkwürdige Almanach 
ist 1480 von dem „Berger de la Grande Montagne“ 
zusammengestellt und umfaßt ungefähr die Ge- 
samtheit der wissenschaftlichen Erkenntnisse des 
15. Jahrhunderts über Astrologie, Astronomie, 
Kosmographie, Hellsehen, Medizin, Psychologie, 
Ackerbau Küche usw. Er enthält außerdem Ge- 
bete, reizende Gedichte und Lieder und stellt so- 
zusagen eine Volksbibel des Mittelalters dar. Die 
Hirten galten als Gelehrte und Weise. Sie wurden 
von Fürsten geehrt wie der berühmte Jehan de 
Brie, der am Hofe und auf Befehl Karls V. seine 
„Arts de Bergeries“ schrieb. Dieser Kalender ent- 
hält den größten Teil des Werkes von Jehan de 
Brie. Die Holzschnitte des Buches, die sicher von 
einem Künstler von Rang stammen, deuten auf 
Fouquet hin. Guégan hat sich mit der Herausgabe 
dieses Buches ein Verdienst erworben; er wird, 
wie der Verlag mitteilt, noch weitere Seltenheiten 
ähnlicher Art herausgeben. „Les cahiers du mois“ 
haben in einem Doppelheft Meinungsäußerungen 
von führenden Künstlern, Schriftstellern und Ge- 
lehrten über den Film zu einer Anthologie zu- 
sammengestellt, die in Text und Illustration einen 
Überblick über die Kinogeschichte in Frankreich 
geben. Als eine weitere Publikation dieser Bücher- 
reihe erschien hier eine schöne Novelle „Entré du 
désordre“ von André Beucler. 

Dauernd werden in Frankreich neue Zeitschriften 
gegrundet. Die vornehmste, exklusivste und am 
schönsten gedruckte Tribüne ist die unter dem Pro- 
tektorat einer auslandischen Prinzessin stehende 
Monatsschrift Commerce, die Paul Valéry, Léon- 
Paul Fargue und Valéry Larbaud redigieren. Hier 
findet sich die französische Elite der Gegenwart 
zusammen. Auch Ausländer wie Rudolf Kassner, 
Rainer Maria Rilke, Bernhard Groethuysen treten 
in dieser Zeitschrift auf, die, aller Politik fern- 
stehend übernational eingestellt ist. Groethuysen 
veröffentlichte hier in französischer Übersetzung 
Fragmente von Meister Eckhart und eine Studie 
über Hölderlin. Von Sir Thomas Wyat erschienen 
Gedichte, von Giuseppe Ungaretti: Appunti per 


115 


Pariser Brief 


Zeitschrift für Bücher freund: 


una poesia. Die Franzosen Claudel, Jammes, Max 
Jacob, Roger Vitrac u.a. finden sich hier. 

Ein anderer Kreis gibt seit kurzem unter der 
Leitung von Adrienne Monnier ın La maison des 
livres „Le navire d'argent' als Monatsschrift fur 
Literatur und allgemeine Kultur heraus. Der Ver- 
lag selbst ist schon zehn Jahre alt und hat sich 
durch bibliophile Verdffentlichungen seit langem 
einen Namen gemacht. Er war daher pradestiniert, 
eine literarische Zeitschrift herauszugeben. Auch 
diese Monatsblätter sind unpolitisch und über- 
national eingestellt; sie tendieren stark nach der 
angelsächsischen Welt. Die Septembernummer 192; 
war William Blake gewidmet. In verschiedenen 
Heften wird uber die ins Französische übersetzte 
amerikanische Literatur berichtet. Von Richardson, 
Fielding, Joyce, Yeats, Gissing, Irwing und anderen 
Angelsachsen sind hier Ubersetzungen erschienen. 
Auch in dieser Monatsschrift tritt Bernhard Groet- 
huysen auf. Im allgemeinen soll auch hier Gie 
literarische Elite Frankreichs auftreten: Der M:t- 
arbeiterkreis ist nur ein wenig erweitert. Man be- 
gegnet Paul Claudel, Pierre Bost, Joseph Deiteil, 
Valéry Larbaud, Jean Schlumberger, Georges 
Duhamel u. a.m. Eine Parallele zu diesen euro- 
paischen Zeitschriften bildet in Genf die Revue de 
Genéve, die seit kurzem mit der alten Bibliothéque 
universelle vereinigt ist. Wenn auch hier politische 
Probleme behandelt werden, so geschieht es doch 
stets von hoher Warte aus. Die Monatsschrift hat 
aus allen Ländern der Welt führende Persönlich- 
keiten zu Mitarbeitern, die aktuelle Probleme des 
Geisteslebens behandeln. In engerem Rahmen halt 
sich die Pariser Monatsschrift „Le monde nouveau”, 
obwohl sie dort von einem Holländer herausgegeben 
wird. Wertvoll ist sie vornehmlich dadurch, dab 
sie häufig literarische, künstlerische und allgemein 
kulturelle Probleme aus dem französischen Regio- 
nalismus aufgreift, z. B. hat C.M. Benesch kürzlich 
über den Dichter der Auvergne Henri Pourrat ge- 
schrieben. Sie ist auch eine der wenigen Zeit- 
schriften, die regelmäßig über die occitanische Be- 
wegung berichtet. 

In Frankreich hat sich eine neue Sammelleiden- 
schaft entwickelt, die, wie der „Temps“ im März 
berichtete, fieberhaft die ganze Sammlerwelt er- 
griff. Es werden Manuskripte gesammelt. Es ist 
bei Blaizot eine Halbmonatsschrift „Le manuscrit 
orthographe“ gegründet worden, die Manuskripte 
faksimiliert. Es sind bereits Werke berühmter 
Dichter, besonders von Verlaine faksimiliert wor- 
worden. Im ersten Heft dieser Zeitschrift wurden 
Gedichte von Victor Hugo, Alfred de Vigny, Charles 
Baudelaire, Stéphane Mallarmé, Arthur Rimbaud, 
Honoré Balzac, Barbey d’Aurevilly, Elémir Bourges 
und Jean Giraudoux veröffentlicht. In späteren 
Heften wurden Manuskriptproben von Jean Royére, 
Paul Claudel, Francis Jammes, André Suares urd 
Paul Valéry faksimiliert. Da auch in Frankreich 


116 


Mat- Juni 1926 


das Interesse fúr Graphologie und Astrologie im 
Wachsen begriffen ist, so hat diese Zeitschrift so- 
gleich eine starke Resonanz gefunden. Bei einer 
Versteigerung von Manuskripten wurde u. a. ge- 
zahlt: La Vie de Maupassant 68000 Fr.; 221 Briefe 
von Baudelaire 62000 Fr.; Manuskripte von André 
Gide, Paul Valéry, Courteline, Huysmans, France 
erzielten zwischen 19 und 30000 Fr. 42 Manuskript- 
blátter des Eupalinos von Paul Valéry brachten 
21000 Fr. 

Im Januar fand in der Bibliothéque nationale 
cine Ausstellung der mittelalterlichen Schatze der 
Bibliothek statt, für die ein reich illustrierter 
Katalog hergestellt wurde. 

Im Februar wurde in Paris der erste Teil der 
Bibliothek Backer versteigert, der Bücher der fran- 
zösischen Literatur des 15. und 16. Jahrhunderts 
umfaßte. Es wurden 2125000 Fr. erzielt. Backer 
besaß 30 alte Rabelais-Ausgaben. La vie treshori- 
ficque du grand Gargantua mit Pantagruel, Roy 
des Dipsodes, restitu& & son naturel, diese erste 
Gesamtausgabe der beiden Bücher von Rabelais 
brachte 21000 Fr. Dieser Preis wurde weit über- 
troffen von einem Exemplar in altem Maroquin 
der ersten Gesamtausgabe der drei ersten Bücher 
(1547) mit 47500 Fr. Ein Exemplar der Original- 
ausgabe der Marguerites de la Marguerite des 
princesses, tresillustre Royne de Navarre (1547) in 
Maroquin von Trautz wurde mit 14200 Fr. bezahlt. 
Les CEuvres de Clement Marot de Cahors, Valet 
de chambre du Roy (1543) im Einband der Zeit 
brachte 15000 Fr. Ladolescence Clementine, Autre- 
ment, Les (Euvres de Clement Marot de Cahors en 
Quercy (Pariser Ausgabe von 1533) 7500 Fr.; 6800 
Fr. die von 1536; 5800Fr. die von 1538. Les Œuvres 
de Maistre Frangoys Villon (Paris 1532) wurden 
mit 22100 Fr. bezahlt; Les Essais de Montaigne 
(Erstausgabe 1595) 5700 Fr.; die wenig gesuchte 
Amsterdamer Ausgabe, aber ein Exemplar mit dem 
Wappen des Bruders von Ludwig XIV. mit 7000 Fr. ; 
Les vies de hommes illustres, Grecs et Romains 
(Paris 1567) und les ceuvres morales et meslees de 
Plutarque (1547) übersetzt von Amyot, 13 Bande 
in blauem Maroquin von Deréme 9200 Fr.; Les 
(Euvres de Cornelius Tacitus, chevalier romain, 
übersetzt von Fauchet, in-folio in einem wunder- 
vollen Maroquin-Einband mit den Wappen Hein- 
rich III. 7300 br: Les Œuvres de P. de Ronsard, 
Gentilhomme Vandommois, redigées en six tomes, 
ein Exemplar in weichen Vélin gebunden 61000Fr. 
Die erste Gesamtausgabe (Paris 1560) vier Bände 
in-16 in modernem Maroquin 31000 Fr.; Les (Euvres 
poétiques de Mellin de S. Gelais (1574, Lyon) in 
altem Maroquin wurden mit 5000 Fr. bezahlt; Les 
Amours Dolivier de Magny Quercinois (Original- 
ausgabe 1553) 8100 Fr.; Quinze poémes de Joachim 
du Bellay, davon sechs in Originalausgaben mit 
10000 Fr.; Les (Euvres frangoises de Joachim du 
Bellay (1573) zweite Gesamtausgabe in altem Vélin 


117 


Schwedischer Brief 


Zeitschrift für Bücher freunde 


7500 Fr.; Les (Euvres et Meslanges poétiques 
d’Estienne Jodelle in Maroquin von Padeloup 
brachte 8000 Fr.; Les (Œuvres poétiques de 
Remy Belleau erste Gesamtausgabe in altem Vélin 
14000 Fr.; Euvres en rime de Jan Antoine de Baif 
mit les Amours et les Passetems (1573) in altem 
Vélin 19200 Fr. 


Berlin. Olio Grautoff. 


Schwedischer Brief 


In Schweden gilt Weihnachten den Verlegern 
als die günstigste Zeit, um ihre Publikationen auf 
den Markt zu werfen; Kritik und Publikum steht 
im November und Dezember vor einer unabsch- 
baren Sintflut von Büchern. Oft schon wurde vor- 
geschlagen, von dieser Sitte oder Unsitte abzugehen, 
aber die Tradition bleibt, so viele Nachteile auch 
mit ihr verbunden sind. 

Darum macht es viel Mühe, einen wirklichen 
Überblick über die wichtigsten Erscheinungen zu 
gewinnen. Vielleicht ist es das beste, diesen mit 
ein paar orientierenden Worten über das schwe- 
dische Verlagswesen zu verbinden. 

An erster Stelle muß die Firma P. A. Norstedt 
och Söner genannt werden, die sich rühmen darf, 
die schönsten Bücher im Reiche der drei Kronen 
zu drucken und herauszugeben. Das Äußere ihrer 
Publikationen ist stets in jeder Beziehung muster- 
haft und kann ruhig mit den besten Erzeugnissen 
der Buchindustrie aller europäischen Länder kon- 
kurrieren. Erst kürzlich wurden ihre geschmack- 
vollen Halblederbände auf der Pariser Ausstellung 
mit einem hohen Preis gekrönt. 1925 war ihre 
bibliophil beste Leistung ein stattlicher Pracht- 
band über Stockholm, den Hans Wahlin und Julia 
Svedelius herausgaben, das Buch, das alle Schön- 
heiten der Mälarkönigin vor das körperliche und 
geistige Auge zaubert. Neu herausgegeben wurde 
das jedem Skandinavisten bekannte, kulturhisto- 
risch interessante und unterhaltsame Anekdoten- 
werk J. C. Barfods Märkvärdigheter rörande 
skänska adeln. Die Arbeiten des geistreichen 
Theaterkenners, klugen Kunsthistorikers und 
witzigen Kulturkritikers Carl G. Laurin wurden 
nun in zehn Bänden zu „Samlade Arbeten“ zu- 
sammengefaßt (ein elfter Band erscheint im Früh- 
ling); 395 Kronen ist der Preis; aber man kann 
dem Käufer dafür versichern, daß er sich auf 
keiner Seite aller Bände langweilen wird. Als 
Einzelpublikation erschien auch soeben der dritte 
Band von „Nordisk konst‘, die erste überhaupt 
existierende Darstellung der bildenden Kunst 
Dänemarks und Norwegens und deshalb besonderer 
Betonung wert. Ein neues schönes Vogelbuch legt 
der bekannte Bengt Berg vor: Tavlor av svenska 
fäglar; man kann die Geduld, Ausdauer und auch 


118 


Mai-Juni 1926 


das Jagergluck dieses Weidmanns mit der Kamera 
nicht genug bewundern. Von seiner Fahrt ins 
Heilige Land berichtet klug und scharfsichtig Pro- 
fessor Fredrik Book, der Literarhistoriker; Gun- 
nar Lindvall zeichnete zur Resa till Jerusalem stil- 
sichere Illustrationen. Böök kam auch in diesem 
Jahre mit seiner gemeinsam mit Ewert Wrangel 
edierten Ausgabe von Esaias Tegners Samlade 
Skrifter zu Ende, die zchn Bände umfaßt und die 
— chronologisch angelegt — die vollständigste 
aller vorhandenen ist; sie liegt auch in einer „bi- 
bliofilupplaga“ vor, die 230 Kr. kostet. John 
Landquist konnte seine Geyer-Edition fördern, von 
der bisher vier Bände vorliegen und die dreizchn 
Teile umfassen soll. Claes Lagergren, päpstlicher 
Marquis, vollendete den vierten Band seiner 
„NMinnen“, in denen er die reichen Erinnerungen 
aus seinem bunten Leben, das ihn zu vieler Men- 
schen Städte und endlich auch nach Rom führte, 
niederlegte. Aus der Belletristik des Verlages 
wären das in jeder Hinsicht elegante Versbuch 
Evert Taubes Bröllopsballader och rosenrim, Gurli 
Herteman-Ericsons Roman Resan ut, Novellen- 
bände von Ragnar Holmström, Eva Arads, E.W.Ol- 
son und Gunnar Hedes dramatisches Debut Konung 
Ingjald hervorzuheben. Bei Norstedt erscheint 
auch viel Cbersetzungsliteratur — mit den Büchern 
der Undset war der Verlag besonders erfolgreich — ; 
aus dem Deutschen ließ er Paul Ernsts Roman 
Der schmale Weg zum Gluck und Immermanns 
Oberhof übertragen; die Wahl ist charakteristisch 
für die konservativ-seriöse Haltung dieser Firma. 
Auch ein Verlagsalmanach liegt vor mit dem fin- 
digen Titel P. A. N., der neben Arbeiten der Haus- 
autoren auch Beiträge von Prinz Wilhelm von 
Schweden und Sigrid Undset enthält. 

Der große Konkurrent von Norstedt ist Albert 
Bonnier und seine Leistungen sind qualitativ und 
quantitativ höchst respektabel. Von seinen belle- 
tristischen Neuerscheinungen ist Selma Lagerlöfs 
jüngster Roman Charlotte Löwensköld — ein mit 
„Der Ring des Generals“ in innerem Zusammen- 
hang stehendes Buch —, Gustaf Hellströms Sex 
veckor i Arkadien — der dritte Band eines großen, 
ziemlich autobiographisch gehaltenen Entwick- 
lungsromanes — und eine Menge sonstiger erzäh- 
lender Arbeiten zu nennen. Dazu kommen noch 
fünfzehn Versbände. Fleißig wird bei Bonnier das 
Gebiet der Illustrationsbücher gepflegt, deren 
Preise sich zwischen 6 und ı5 Kr. bewegen, Yngve 
Berg illustrierte Ovids Konsten att älska, Kurt 
Jungstedt Voltaires Candide und C. J. L. Almquists 
Folklivsberattelser, Arvid Fougstedt Strindbergs 
Röda rummet, Bertil Lybeck den neuen Novellen- 
band Sigfrid Siwertes — einer der feinsten jün- 
geren Erzāhler — Den trolska vattenvarlden und 
Albert Engström, der berühmte Humorist, sein 
neues Geschichtenbuch Agnarna och vetet. Auch 
an illustrierten Reise- und ethnographischen Wer- 


119 


Schwedischer Brief 


Zeitschrift für Bücher freurde 


ken ist kein Mangel: Professor Anton Karlgren te- 
richtet über Bolsjevikernas Ryssland, Dozent Jar: 
Charpentier über Indien, Per Hallstsdm, der Dict- 
ter und Shakespeare-Übersetzer, über seine Mittel- 
meerreise (Våren tillmötes), Oberst P. Nystrom., 
der frühere Gendarmerie-Kommandant in Teheran, 
über seine Erlebnisse im Lande des Schahs (Fen 
år i Persien), Graf C. A. C. Lewenhaupt über seire 
Reisen auf Sizilien, Malta och Stromboli heiter 
und kenntnisreich wie immer —, Konservator 
Gunnar Sandberg ùber seine Jagdabenteuer (Fran 
Lappland till Afrika) und endlich Sven Hedin uber 
„Grand Canyon“ Auch die Memoirenliteratur 
kann nicht über Vernachlässigung klagen: Alaur:t: 
Hellberg kommt mit interessanten Frodingsminner 
und Karin Smirnoff — Strindbergs und Siri von 
Essens Tochter — schreibt ehrlich und taktvci 
uber ihre Mutter, wobei sehr bezeichnende Lichter 
auf Strindberg fallen; Graf Birger Mörner — ın 
Deutschland nicht unbekannt — erzählt von den 
Irrfahrten seines Lebens (Ur mitt irrande liv); 
ebenso der Maler Georg Pauli und der Dichter Ax: 
Lundegárd. Von Pauli liegt auch eine großange- 
legte und prächtig ausgestattete Monographie über 
Prinz Eugen von Schweden vor; Georg Nordensvan 
behandelt die schwedische Kunst jener Epoche, 
die durch die Herrschernamen Gustav III. und 
Carl XV. begrenzt wird. — Ein Dichter — P. Hall- 
str6m — und zwei bekannte Literarhistoriker — 
Fr. Böök und M. Lamm — fanden sich, um eine 
auf fünfzig Bände berechnete Sammlung der Mei- 
sterwerke der Weltliteratur zusammenzustellen, in 
der das deutsche Schriftum vorläufig durch einen 
Band Goethe und einen Band Schiller repräsen- 
tiert ist. Von neuen großen Sammelwerken des 
Verlags ist vor allem die dreizehnbändige Ausgabe 
der Zeichnungen und Erzählungen Albert Engströms 
hervorzuheben, eine Goldgrube echt schwedischen 
Humors, aus der sich auch der Ethnograph und 
Völkerpsychologe reiche und unterhaltsame Beleh- 
rung holen kann; mit gebührender Achtung muB 
man auf die sechsbandige Sammlung des lyrischen 
Schaffens Anders Österlings — „Einer der Acht- 
zchn‘ der schwedischen Akademie — hinweisen; 
erfreulich ist die Tatsache, daß das für alle Biblio- 
theken unentbehrliche Svenskt biografiskt Lexikon 
wieder Fortschritte machte, so daß er jetzt fünf 
Bände umfaßt, die (gebunden) 277 Kr. kosten. — 
Professor Es. Tegnér, der berühmte Träger eines be- 
rühmten Namens, vermochte trotz seines hohen 
Alters seine gesammelten sprachwissenschaftlichen 
Aufsätze neu redigiert, glänzend in der Form und 
reich an tiefen Erkenntnissen, herauszugeben: man 
kann sicher sein, daß die beiden Bande Ur spri- 
kens värld dauernd zu den klassischen Leistungen 
schwedischer Wissenschaft gerechnet werden. — 
Die deutsche Literatur ist repräsentiert durch die 
von Anders Österling besorgte und mit Anmer- 
kungen versehene Übersetzung von Goethes Dich- 


120 


_Mai-Juni 1926 


- tung und Wahrheit, die vier Bände umfaßt, durch 
eine schwedische Ausgabe von Paul Bussons Mel- 
chior Dronte und durch eine aphoristisches Jean 
. Paul-Buch Vilhelm Ekelunds, des einsamen und 
"stolzen Dichters, eines echten Nietzsche-Schülers. 


Eine energisch aufstrebende Firma ist der Verlag 


` A hlen och Akerlund, der sich vor kurzem am Svea- 


väg in Stockholm in einem mächtigen Neubau 


heimisch machte und dessen Organisationsmethode 
- als ultramodern und ohne Gegenstück in Schweden 
-© gerühmt wird. Für bibliophile Ausgaben hat er 
- wenig Interesse, Massenabsatz ist das Ziel seiner 
- Tätigkeit, den er mit Hilfe seiner Zeitschriften 


ha 


ho 


- rakterisieren kann. 


H 


> durch ein Bücherprämien-System fördert. In der 


Hauptsache verlegt er Belletristik, die man sehr 
oft mit dem Wort „Unterhaltungsliteratur“ cha- 
Aus der Fülle der Erschei- 
nungen möchte ich die starke Novelle Synderskan 


von Hildur Dixelius — wenn ich nicht irre, die 


Frau eines sehr bekannten deutschen Gelehrten — 
herausheben, neue erzáblende Bücher von bei uns 


nicht unbekannten Autoren wie Ernst Didring, 
Brita von Horn, S. A, Duse und ferner den jüng- 
sten Roman des populären und frischen Erzählers 


Eynar Smith. 
Ganz anders ist die Einstellung der alten Firma 
Hugo Geber, die mit besonderer Liebe die Kultur- 


- geschichte pflegt, aber auch mit wachen Augen 


den Veränderungen in der modernen Dichtung 
folgt. Was erstere angeht, so ist der unermüdliche 
Carl Forsstrand mit einem — wie immer — sehr 
interessanten Buch über eine zentrale Gestalt im 
letzten Drittel des 18. Jahrhunderts, über G. A. Reu- 
terholm, dessen Tagebuch hiermit zum ersten Male 
veröffentlicht wird, vertreten, Waldemar Swahn 
mit einer Gründlichkeit und Eleganz vereinigen- 
den Arbeit über Beylon, „Schwedens großen Un- 
bekannten“, Nils Forsell mit einem Band über 
Fouché, Claes Lindskog mit einer umfangreichen 
populär geschriebenen Studie über Grekiska hjäl- 
tar och ideal und Tobias Norlind mit einem Beet- 
hoven-Buch. Von Professor Henrik Schücks Lite- 
raturgeschichte, die sich über das Schrifttum der 
ganzen Welt erstreckt, liegt nun der sechste Band 
vor, der die Romantik behandelt. Man kann von 
diesem Riesenwerk nicht anders als mit der größten 
Hochachtung sprechen, selbst wenn man der An- 
sicht ist, daß Schück die deutsche Literatur gern 
ein wenig in den Hintergrund rückt. Über Ola 
Hansson, den vor kurzem gestorbenen einsamen 
Dichter, sagt Emi Ek einige gut informierende 
Worte der Erinnerung. An Schönliteratur bietet 
uns Hugo Geber den fesselnden Skizzenband Jo- 
hansson frán Smäland, dessen Verfasser, Harald 
Hansen, der Berliner Korrespondent von „Svenska 
Dagbladet“ ist. Mila Hallman kommt mit einem 
Künstlerroman aus der Zeit Karl XII, Hovmälaren 
och hans hustru. Die deutsche Literatur ist durch 
Georg Kaisers Drama Gas vertreten. 


121 


Schwedischer Brie} 


Zeitschrift für Bücher freunde 


Die Verleger Wahlström och Widstrand haben 
ähnliche Neigungen wie die oben genannte Firma. 
Diesmal kommen sie auch mit einer prachtvollen 
und kostbaren Neuausgabe von Eric Dahlbergs be- 
ruhmtem Kupferstichwerk Suecia antiqua et ho- 
dierna, die in Ganzleinen 250 Kr. kostet. Die Re- 
produktionen sind nach den modernsten Methoden 
ausgeführt und nicht leicht von den Originalen zu 
unterscheiden, der kunsthistorische Text wurde 
von Ebbe Wennberg geschrieben. Lotten Dahlgrens 
gesammelte Werke über wichtige repräsentative 
Eisenwerks- und Großgrundbesitzers-Familien des 
nördlichen Schwedens geben in zchn Bänden eine 
ausgezeichnete Übersicht und charakteristischen 
Durchschnitt durch die leider immer mehr in den 
Abgrund der Vergangenheit sinkende ,,herrgárds- 
kultur“, deren wunderbare poetische Verklärung 
bekanntlich Selma Lagerlöfs Gösta Berlings saga 
ist. Ihre fleiBige Feder gab uns wieder eine neue 
Arbeit über ihr Spezial-Gebiet: Excellensen pa 
Gustafsvik. Außerdem wären zwei Bücher Nils 
Erdmanns, des Strindberg-Biographen, zu nennen: 
Ur rokokons liv und Hemma och borta pä 1700- 
talet, die sich mit der immer interessierenden Zeit 
des elegantesten aller schwedischen Könige, mit 
der Gustaf III. beschäftigen. Aus den Erscheinun- 
gen der Schönliteratur könnte man C. A. Bolan- 
ders stürmischen Roman Mannen frän Nasaret 
herausheben, und die in vier Bänden gesammelten 
Gedichte E. A. Karlfeldts, des stärksten lebenden 
schwedischen Lyrikers, dessen Naturnähe und Un- 
mittelbarkeit in der zeitgenössischen deutschen 
Literatur ohne Gegenstück ist. 

Auch Almqvist och Wiksell sind mit neuen 
Werken vertreten. Bibliothekar Samuel E. Bring 
übersetzte, bearbeitete und gab unter Mitwirkung 
schwedischer Fachmänner Svend Dahls Bibliotheks- 
handbuch heraus; bisher sind Teil II und I 2 fer- 
tig geworden. Ernst Ericson und Erik Vennberg 
schrieben eine monumentale Minnesteckning über 
Erik Dahlberg, aus Anlaß des 300jahrigen Geburts- 
tages des Künstlers, eine willkommene Vermehrung 
der Kunstliteratur. Gustaf Iverus kommt mit einer 
rein historischen Arbeit, Hertig Carl av Söderman- 
land, deren Diktion sehr gerühmt wird. Julius 
Rabe läßt eine Georges Bizet-Biographie erscheinen, 
die bei den Sachverständigen Anklang findet. Aus 
dem Deutschen wurde auf Veranlassung des Ver- 
lages Baron v. Trencks Selbstbiographie übersetzt, 
was ganz begreiflich ist; aber daß man A. Schweg- 
lers Geschichte der Philosophie im UmriB, ein 
vollkommen veraltetes Buch, der Übertragung 
wert fand, erweckt Verwunderung. 

Von den jüngeren Verlagsunternehmungen ist 
Tidens förlag sicher der in literarischer Hinsicht 
strebsamste und bei seinem Suchen nach neuen 
starken Begabungen konnte er manchen Erfolg 
buchen. Sein stärkster Hausautor ist Ivan Olje- 
lund; wann endlich wird man die Werke dieses 


122 


Mai-Juni 1026 


tiefen Dichters, der als erster die zeitcharakteristi- 
sche Umbicgung geradliniger sozialistischer Welt- 
auffassung zu gedanklich anspruchsvollerer Innen- 
schau christlichen Fühlens durchführte, und der 
nun mit aller Kraft seines starken Temperamentes 
gegen das „revolutionäre Dogma“ kämpft, ins 
Deutsche übersetzen ? — Er trat diesmal mit einem 
polemischen Buch Nya svenska brev hervor. Sonst 
waren Maj Hirdmans ergreifendcs Proletarier-Buch 
(bei uns bereits bekannt unter dem Titel „Anna 
Holberg“), Unionstrilogien (eine Serie historischer 
Szenen in dramatischer Form) von Axel Lunde- 
gürd und Sigrid Gillners Erzählung Bland mánnis- 
kor als besonders wichtig anzuführen. 

Auch Svenska Andelsförlaget hat ernsthafte lite- 
rarische Bestrebungen. Das beweisen am besten 
seine anschnlichen Ausgaben der Romandichtungen 
Hamsuns, Galswortys und Turgenieffs. In früheren 
Jahren setzte er sich auch stark für Jakob Wasser- 
mann ein. Diesmal bietet er keine Übersetzung 
aus dem Deutschen, sondern beschränkt sich auf 
einheimische Autoren; zu nennen wäre ein neuer 
Novellenband des talentierten C. Olof Alexander- 
son, ein munterer und gut illustrierter Bericht 
über die Abenteuer eines Landstreichers in Ame- 
rika von Gustaf Ericsson, eine temperamentvolle 
Licbesgeschichte von Nils Wilhelm Lund, ein Ro- 
man des bekannten Artur Möller, der sich mit 
einem rätselhaften, seinerzeit viel besprochenen 
Ereignis in Stockholm beschäftigt u. a. m. 

Der Verlag J. 4, Lindblad in Uppsala gibt neben 
religiöser Literatur und Populärwissenschaft auch 
Belletristik und Biographik heraus. Von ersterer 
möchte ich besonders Eira Hellbergs — in Deutsch- 
land nicht unbekannt — umfangreiche Skizze Den 
hemliga sången anführen, die ein merkwürdiges 
Thema behandelt: der Übertritt einer Schwedin, 
die sich in Palästina aufhält, zum Judentum, ver- 
anlaßt durch ihre Liebe zu einem mächtigen Zio- 
nisten, der aber in der Wahl seiner Mittel zur Er- 
reichung großer Zwecke nicht gerade wählerisch 
ist und der dadurch seine Geliebte verliert, die 
zum Christentum zurückkehrt. Sonst wären noch 
populäre, aber doch nicht ohne selbständige For- 
schungen gearbeitete Biographien Fredrika Bre- 
mers und F. M. Franzéns zu nennen, deren Autoren 
Ellen Kleman, bzw. Einar Spjut sind. Eine Lücke 
schließt Elis Malmeströms gründliche Studie Linné 
som kulturpersonlighet, die des Botanikers Be- 
deutung im Geistesleben seiner Zeit beleuchtet. 
Wichtig für Prae- und Kunsthistoriker ist das 
reich illustrierte Büchlein des Dozenten Nils Aberg 
über Förhistorisk nordisk ornamentik. In Über- 
tragung wurde herausgegeben Erni Behaim und 
Uraltes Lied von Ernst Zahn und Ferien vom Ich 
von Paul Keller. 

Populärwissenschaft ist die besondere Speziali- 
tät des rührigen Verlages Natur och Kultur. Auch 
für 1925 gab er das reichhaltige, sehr vornehm 


123 


Schwedischer Brief 


Zeilschrift für Bücher freunde 


ausgestattete und erstaunlich billige „Årsbok“ 
Var Tid, der Gesellschaft „Die Neun“ heraus, der 
u. a. auch Ellen Key, Erik Hedén und John Land- 
quist angehören. Von weiteren Erscheinungen 
möchte ich nur die Übersetzung der Gespräche 
mit Goethe von Eckermann nennen. 

C. W. K. Gleerup in Lund veranstaltet eine 
achtbändige Neuausgabe der Hagbergschen Sna- 
kespeare-Überseizung, die von Nils Molin revidiert 
wird, und von der bis jetzt vier Teile vorliegen. 
Außer teilweise belangreicher Belletristik ware 
das folkloristische Buch Professor Ewert Wrangels 
Smilandskakulturbilder im Umkreis der Tätigkeit 
dieses Verlages besonders zu akzentuieren. 

Es braucht wohl kaum versichert werden, dal 
mit dieser Aufzählung weder das schwedische Ver- 
lagswesen noch die Neuerscheinungen erschöpit 
sind, daß es sich nur darum handelte, einige Pro- 
ben aus dem überschwemmten Büchermarkt her- 
auszuheben, vor allem solche, dieauch für weitere 
Kreise Interesse haben können. 

In „Svenska Dagbladet“ erschien an leitender 
Stelle am ı5. Dezember ein interessanter Artikel 
— offenbar von einem informierten Fachmann — 
der die Frage behandelte, wie die Aufgabe der nın 
entstehenden Stadtbibliothek von Stockholm sein 
würde. Mit Recht wurde darauf hingewiesen, das 
sie — im Gegensatz zur Königlichen Bibliothek, 
die vor allem Druckwerke für bie Zukunft zu be- 
wahren hätte — nur aktuelle Literatur anschaften 
dürfe, die von einem weiten Leserkreis begehrt 
würde. Denn nur auf diese Weise könnte dem 
bisher allzu großen Gebrauch und der damit ver- 
bundenen allzu starken Abnutzung der Vorräte 
der Königlichen Bibliothek, die ja den Interessen 
des Gesamtstaates zu dienen hat, gesteuert werden. 
Die neue Stadtbibliothek täte gut daran, wenn 
sie ihre nicht unbegrenzten finanziellen Mittel auf 
richtige Weise anwenden und nicht versuchen 
würde, mit einer Institution zu konkurrieren, die 
zu entlasten, ja eine ihrer Hauptaufgaben sein 
müßte. — Den Anlaß zur Behandlung dieser auch 
vielleicht an anderen Orten aktuellen Frage gab 
die lebhafte Diskussion über die Büchereinkäufe 
der neuen Stadtbibliothek, die sowohl in Hinsicht 
auf bezahlte Preise wie auch auf Auswahl scharf 
kritisiert wurden. 

Im Januar starb ein treuer Freund der Bücher 
und dieser Zeitschrift — in der er auch ab und 
zu genannt wurde — Direktor Carl Martin Collin 
in Lund. Der Hingegangene, der ein Alter vcn 
68 Jahren erreichte, war eine stadtbekannte Per- 
sönlichkeit, die sowohl in der Gesellschaft wie in 
den akademischen Kreisen eine bedeutende Stel- 
lung einnahm. Seine Bibliothek war in bezug auf 
modernes Buchhandwerk eine der hervorragend- 
sten in Schweden, enthielt aber auch ältere Rari- 
täten von Weltruf; so war Collin Besitzer des 
Goetheschen Handexemplars von ,,Werthers Lei- 


124 


— Mai- Juni 1926 


den“, Der Hingegangene war besonders für schwe- 


TE dische, dänische und deutsche Literatur interessiert. 


Wer — wie Schreiber dieser Zeilen — das Glück 
und Vergnügen hatte, unter Collins kundiger Lei- 
tung diese Büchersammlung besichtigen zu dürfen, 
bestaunte, was Fleiß und Verständnis im Laufe der 
Jahrzehnte zusammengebracht hatte. Mit ihm hat 
die Stadt Lund nicht nur einen ihrer treuesten 
Söhne und eine feine und originelle Persönlichkeit, 
mit ihm haben auch Schweden einen ausgezeichneten 
Kenner und Dänemark und Deutschland einen auf- 
richtigen und warmherzigen Freund verloren, einen 
wirklichen Patrizier des Geistes, einen wahrhaften 
Humanisten. Dr. Ernst Alker. 


N EE Bücher und Bilder 


Schriften zur Literaturwissenschaft 


Mehrmals ist versucht worden, die Weltliteratur 
als ein zusammenhängendes Ganzes, als Schau eines 


einzigen darzustellen. Herder hatte das Ziel ge- 


zeigt; aber selbst für den damals in den deutschen 
Gesichtskreis fallenden zeitlichen und geogra- 
phischen Umkreis konnte höchstens er selbst mit 
genialer Intuition der Forderung gerecht werden 


— und die gemeinsame Seele der Völker in Liedern 
ertönen lassen. Immer neue Gebiete mit eignem 


geistigen Leben, immer weiter zurückliegende Zeit- 
räume traten nachher aus dem Dunkel hervor; an 
Stelle intuitiven Erfassens forderte die Wissen- 
schaft sorgsame Einzelforschung. So konnte eine 
Geschichte der Weltliteratur nur unternommen 
werden, wo von der Erfüllung strenger Bedingungen 
abgesehen worden war, im Bereiche populärer 
Schriftstellerei, oder die Aufgabe mußte auf eine 
große Zahl von Spezialisten einzelner Literaturge- 
biete verteilt werden. Nie zuvor ist dies in so weit- 
gespanntem Rahmen und mit solcher Gründlichkeit 
unternommen worden wie in dem 
Handbuch der Literaturwissenschaft, herausge- 
geben von Oskar Walzel. Wildpark- Potsdam, 
Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion. 
Die neuen Lieferungen 50—57 führen die hier 
bereits gewürdigte Geschichte der romanischen 
Literaturen von der Renaissance bis zur franzö- 
sischen Revolution, verfaßt von Klemperer, Hatz- 
feld und Neubert, ein gutes Stück weiter. Nach 
dem Schluß des Abschnitts über die Spanier be- 
ginnt Neubert seine Darstellung des großen Zeit- 
alters der französischen Dichtung und gelangt in 
überall fesselnder und selbständiger Darstellung 
bis zur beginnenden Aufklärung. Zu Bethes ,,Grie- 
chischer Dichtung“, die jetzt die großen Tragiker 
glänzend in ihrer Eigenart zeichnet, gesellt sich 
der Anfang von Alfred Kappelmachers „Literatur 
der Römer bis zur Karolingerzeit“, wie der Titel 


125 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücher freunde 


zeigt, eine ungewöhnlich weit erstreckte Darstellung 
des lateinischen Schrifttums. Die vorliegende Lie- 
ferung ı setzt bei den Oskern und Umbrern ein, 
behandelt die keltischen und griechisch - unter- 
italienischen Einflüsse und geht gebührend gründ- 
lich auf Etrusker und die gemeinitalischen Ele- 
mente ältester römischer Überlieferung ein. Zum 
fernen Osten führt der Beginn von Wilhelms 
„Chinesischer Literatur.‘ Der beste Kenner wird 
uns ohne Zweifelein in jeder Hinsicht zuverlässiges 
und farbiges Gemälde dieses riesigen Schrifttums 
zu geben vermögen. Der überreiche Bildschmuck 
des „Handbuchs“, darunter zahlreiche gute Farben- 
drucke, unterstützt die im Worte gebotene Be- 
lehrung aufs beste. 

Allenthalben zeigt das „Handbuch“ von dem 
groBen Umschwung, der sich in der Literaturge- 
schichte vollzogen hat. An die Stelle analytischer 
Verfahren und philologischer Methoden tritt ein 
Streben mit erkenntnistheoretischen und meta- 
physischen Mitteln das Wesen der Dichtung und 
ihrer Einzelerscheinungen zu ergründen. Von der 
neuen Denk- und Sehart zeugt ein Satz wie der 
folgende: „Wer das Tiefste geformt hat, ist ihr 
Meister, nicht wer das meiste bekrabbelt hat.** So 
steht es auf Seite 151 bei 

Herbert Cysarz, Literaturgeschichte als Geistes- 

wissenschaft. Kritik und System. Halle a. S., 
Max Niemeyer, 1926 (V, 304 S.). Geh. 10 M., 
geb. 12 M. 

Das Werk ist eine Methodenlehre, aufgebaut auf 
einem Denken, das aprioristische und phänome- 
nologische Verfahren auf Grund ausgebreiteter 
Belesenheit vereint. Die Ergebnisse sind höchst er- 
freulich. In viele dunkle Zusammenhänge wird Licht 
geworfen, so manche scheinbaren Widersprüche 
verschwinden, eine schöne, nicht nur erdachte, 
sondern durch die Erfahrung bestätigte Einheit 
tut sich auf. Das ist an dieser Stelle nicht im ein- 
zelnen zu erweisen; nur soll jedem, der diesen 
Fragen Teilnahme schenkt, das sorgsame Studium 
warm empfohlen werden. Kostet es auch nicht 
geringe Selbsttätigkeit, so wird der Lohn nicht 
ausbleiben. 

Leistung im Sinne der von Cysarz vertretenen 
Auffassung war schon das vor gerade fünfzig Jahren 
erschienene momentale Buch 

Erwin Rohde, Der griechische Roman und seine 

Vorläufer. Dritte, durch einen zweiten An- 
hang vermehrte Auflage. Leipzig, Breitkop] & 
Hartel, 1914 (XXI, 636 S.), 
auf dessen unvergänglichen Wert bei diesem Anlaß 
wieder einmal hingewiesen werde. 

Immer noch erharrten wir vergebens ein ver- 
wandtes Gesamtbild der deutschen erzählenden 
Prosadichtung. Nun wird es uns zuteil durch 

Hans Heinrich Borcherdt, Geschichte des Romans 

und der Novellein Deutschland. I. Teil: Vom 
frühen Mittelalter bis zu Wieland. Leipzig, 


126 


Mai-Juni 1926 


J. J. Weber, 1926 (XV, 3315.) Geh. 12.50M., 
in Leinen 14.50 M. 

Vergleicht man solche Vorgänger wie etwa 
Dunlop-Liebrecht oder Bobertag, so sticht von 
ihnen Borcherdts Art vorteilhaft ab. Dunlop gab 
etwas für seine Zeit Ausgezcichnetes; aber es bleibt 
bei dem Aufzählen und nach einer ziemlich will- 
kürlichen Periodenfolge Ordnen des statistisch auf- 
genommenen Stoffes. Borcherdt erklärt die lite- 
rarıschen Formweisen aus den seclischen Wand- 
lungen, und wenn es ihm auch nicht gelingt, z. B. 
für ein so kompliziertes Phänomen wie den Roman 
des 16./17. Jahrhunderts eine völlig befriedigende 
Grundlage zu schaffen, so steht doch das Geleistete 
hoch über allen früheren Versuchen. Man achte 
etwa auf die ebenso gründliche wie geistvolle Be- 
trachtung des „Don Quijode“ (die freilich richtiger 
nach als vor dem „Amadis“ eingeordnet sein sollte) 
oder auf die Schilderung des englischen Familien- 
romans und seiner deutschen Nachahmer, wo wie- 
der die Anordnung — Musäus, Müller von Itzchoe, 
Nicolai vor Wieland — auffällt. Mit Wieland 
schließt die Darstellung vorläufig ab. Sie liest sich 
so gut, sie bringt so viel Selbstgedachtes und Selbst- 
erforschtes, daB wir mit freudiger Erwartung dem 
zweiten Bande, der bis zur Gegenwart leiten soll, 
entgegensehen. 

Ein Hauptelement des Romans ist das erotische. 
Aber keineswegs ist es auf diese Form beschränkt, 
noch kann jede Liebesgeschichte im spezifischen 
Sinne erotisch heißen. Erst wo die Sexualität in 
ihren unterseelischen Erscheinungen überwiegend 
erscheint, ist dieses Kennwort berechtigt. Und eine 
gewaltige Provinz des gesamten Schrifttums steht 
unter diesem Zeichen. Sie zu schildern unternimmt 

Paul Englisch, Geschichte der erotischen Lite- 

ratur. Lieferung 1. Stuttgart, Julius Pütlmann 
(4, 64 S.). 

Der bisher vorliegende Anfang des auf zehn 
Lieferungen berechneten Werkes handelt nach ein- 
leitenden Betrachtungen úber Begriffsbestimmung 
und Geschichte der Zensur über den erotischen 
Einschlag in der griechischen und römischen Dich- 
tung. Sollte das Thema dem Standpunkt heutiger 
Wissenschaft gemäß, wenn auch in populärer Form 
behandelt werden, so hätte die Bedeutung der 
Männerliebe und die von heutigem Fühlen völlig 
verschiedene griechische Geschlechtsmoral in den 
Vordergrund gestellt werden müssen. Statt dessen 
erhalten wir eine Kompilation aus zum großen 
Teil veralteten Literaturgeschichten und kultur- 
historischen Büchern, mit der sichtbaren Absicht, 
den Leser zu den „pikanten“ Titeln und Inhalten 
hinzuleiten. Auch die Auswahl der eingefügten 
Proben entspricht dieser Tendenz. 

Die einst so verachtete Romantik steht jetzt in 
höchster Gunst. Dafür spricht auch die überwie- 
gende Zahl der Schriften, die hier zu nennen sind. 
Von neuem erschien das 1908 zuerst gedruckte Buch 


127 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücher freunde 


Richard Benz, Marchen-Dichtung der Roman- 
tiker. Mit einer Vorgeschichte. Zweite Aus- 
gabe. Jena, Eugen Diederichs, 1926 (V, 2635, 
Geh. 3.50 M., geb. 5.50 M. | 

Beim ersten Auftreten wurde diese Gesant- 

schilderung der deutschen Märchendichtung des 
18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 
freudig begrüßt, und sie verdient noch heute Dark 
für die sorgsame Stoffsammlung. Aber als villic 
genügende Behandlung des Themas kann solche 
aufzahlende und oberflächlich verbindende An 
nicht mehr gelten, ganz abgesehen von den ver- 
alteten Literaturangaben und den bösen Drock, 
fehlern, die im Verzeichnis am Schlusse bei weitem 
nicht vollstandig verbessert sind. 


Der Dissertation alten Stils steht ebenfalls nabe 


Margarete Kober, Das deutsche Marchendrama 
(Deutsche Forschungen Heft 11), Frari- 
furt a. M., Morits Diesterweg 1925 (XIV, 
148 S.). 

Auch diese Verfasserin plagt sich vergebens un 
die Definition des Märchens, behauptet z. B. „Ds 
Märchen ist durchaus sittlich“, was höchstens im 
Sinne konventioneller Moral gelten könnte, urd 
weiß über das Kunstmärchen gar nichts Annehn- 
bares zu sagen. Ihre Frage „Darf das Märchen 
dramatisiert werden?“ wird am Schlusse auf Grund 
der ungenügenden Lösungen in den allein bespro- 
chenen eigentlichen Dramen verneint. Aber Ope, 
Puppen- und Schattenspiel haben nicht nur einen 
beträchtlichen Teil ihrer besten Stoffe dem Mär- 
chen abgewonnen, sie können ihm auch véi"? 
gerecht werden. Somit wäre, um für die Drama: 
tisierung von Marchenhandlungen die Bedingung?” 
aufzufinden, nötig gewesen, auch diese Gattunce 
heranzuziehen (wie es S. 30, 135 versucht wurde) 
Indessen erscheint die Aufgabe ohnehin als zu weit 
gespannt, wenn vom Fastnachtsspiel des ausgeben: 
den Mittelalters bis zu Hauptmann und Basse" 
die deutschen Dramatiker auf die Verwendung ven 
Märchenmotiven hin geprüft werden. In der älter A 
Zeit bleibt die Ausbeute sehr spärlich. Sie kön“ 
reicher sein, wenn auf Märchentöne, auf Einzel 
motive, auf Stilanalogien geachtet worden En 
Aber von allem, was die Gestaltung betrifft, P 
bei der älteren Zeit keine Rede, oder € kommt 7 
konventionellen und zum Teil falschen A 1 
Der breiteste Raum gehört den Romai 
Tieck, Fouqué, Eichendorff, Chamisso, dane Die 
bel, den Wienern Bäuerle, Raimund, N ec ch 
Späteren werden schnell abgemacht; aM nn 
testen Görner, für dessen unaustilgbare W st 
durch eingehendere Behandlung die Orar 5 eine 
gezeigt werden müßten. Aber dazu gehörte 


e deren 
dramaturgische und ästhetische Vo eng 
Fehlen sich am Schlusse bei der „Ver deut: 


Glocke“ und der ,, Pippa‘ Hauptmanns am 
lichsten offenbart. 


128 


ge iin or 


Mai-Juni 1926 


Diese notwendige Fähigkeit bewährt eine andere 
Untersuchung des gleichen Umkreises 

Franz Stuckert, Das Drama Zacharias Werners. 

Entwicklung und literargeschichtliche Stel- 
lung (Deutsche Forschungen Heft ı5), Frank- 
furt a. M. 1926 (XII, 193 S.). 

GewiB war es jetzt, nach der ausgezeichneten 
Biographie Hankamers, leichter als frúher, dem 
. "Dramatiker gerecht zu werden. Der Dichter, dem 
Frau von Stael, wie Stuckert zeigt mit Recht, den 
verlassenen Herrschersitz Schillers zusprach, kann 
nicht der haltlose und unfähige Schwarmgeist ge- 
wesen sein, den die Konvention in ihm sah. Ein 
angeborenes dramatisches Können und ein mit 
dessen Hilfe gestaltetes Seelenringen läßt die Werke 
Werners bis zum „Vierundzwanzigsten Februar‘ 
als ernstzunehmende Kunstwerke bewerten, und 
Stuckert wird ihnen als solchen zum ersten Male 
gerecht. Wer sehen kann, mußte freilich schon 
früher in dem am häufigsten genannten Einakter 
erkennen, was dieses innerliche, realistisch moti- 
vierte Werk von den kalten Machwerken der Müll- 
ner und Houwald schied. Die Verbindungslinien 
des Erlebens und des Schaffens, inneres Werden 
und Gestalt der acht Dramen, Wert und Wirkung 
zeigen sich in klarem Lichte; am Schlusse wird 
richtig die isolierte Stelle bestimmt, wo Werner 
in seiner Zeit steht. So kann die Arbeit als förder- 
liche, in vielem abschließende Behandlung des 
Themas gelten. 

Der nächste, aber durch eine tiefe Kluft ge- 
trennte Nachbar Werners ist Heinrich von Kleist. 
Sein Ende besiegelt den schicksalhaften Gegensatz, 
Was wir über den Selbstmord Kleists aus den Do- 
kumenten erfahren können, ergänzt 

Georg Minde- Pouet, Kleists letzte Stunden. 

Teil I: Das Akten-Material (Schriften der 
Kleist-Gesellschaft Band 5). Berlin, Weid- 
mann 1925 (62 S.). Geh. 4 M. 

Es ist ein wichtiges Aktenfaszikel, das Minde- 
Pouets unermüdlicher Eifer aufgespürt hat und 
hier zum ersten Male darbietet, erschütternd in 
der Trockenheit seiner Beamtensprache, die alles 
schmückende rhetorische Beiwerk verschmäht, 
noch mehr in den beigehefteten letzten schrift- 
lichen Worten des Dichters und seiner Todesge- 
fährtin. 

Neben dieser äußerlich geringfügigen Mehrung 
der Zeugnisse aus dem Zeitalter der Romantik 
steht als Riese die große Spende 

Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schle- 

gel. Gesammelt und erläutert von Josef 
Körner. (Die Brüder Schlegel. Briefe aus 
frühen und späten Tagen der deutschen Ro- 
mantik, herausgegeben von Josef Körner.) 
Berlin, Askanischer Verlag Carl Albert Kindle 
1926 (VII, 723 S.). 

Der Herausgeber geht darauf aus, die Lücken 
zwischen den bisher gedruckten Korrespondenzen 


Beibl. XVIII, 10 129 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


der Brüder Schlegel durch die dazu geeigneten 
Stücke ihres Briefnachlasses zu füllen; demgemäß 
soll diesem Band ein zweiter, noch umfangreicherer 
mit den Briefen von und an Wilhelm Schlegel 
folgen. Was dieser erste bietet, bedeutet einen 
willkommenen Zuwachs unserer Kenntnis der per- 
sönlichen und der literarischen Verhältnisse jenes 
langen Zeitraums, der mit dem Auftreten Friedrich 
Schlegels beginnt und mit dem Tode seiner Witwe 
schließt. Zumal die Epoche der Frühromantik 
empfängt eine Fülle von neuem Licht. Der Vater 
Körner in seiner milden, vermittelnden Stellung 
zu den Weimarern und der aufstrebenden neuen 
Generation, Novalis, Rahel, die Verleger der Ro- 
mantiker Fröhlich, Reimer, Wilmans, erstehen 
durch Briefe von reichem Gehalt zu einem inten- 
siveren Erkennen. Später, als das Ehepaar Schle- 
gel in Paris, Köln, Wien haust, klingt mehr die 
biographische Note an, und vollends nach dem 
Tode Friedrichs, seit 1829, erlischt in der völligen 
Hingabe an das katholische Dogma bei Doro- 
thea jeder Persönlichkeitsausdruck. Hier, aber 
auch nur hier, hätte eine kleinere Zahl von Be- 
legen genügt. In dem übrigen, bei weitem größten 
Teil der Briefauswahl stößt man kaum auf Stellen, 
die nicht menschlich oder als Zeitdokumente an- 
ziehend wären. Körner hat diese 234 Briefe an 
den verschiedensten, oft nur mühsam auffindbaren 
Stellen gesammelt und dieses Verdienst durch eine 
Kommentierung erhöht, die dem Leser auf fast 
alle, auch die verzwicktesten Fragen Antwort gibt. 
Hier und da versagt auch dieses in seiner Region 
wohl einzige Wissen. Was die Bezeichung Goethes 
als „Kaiser Lothar“ besagen solle, kann auch er 
nicht verraten (vielleicht vermag einer der Leser 
Auskunft zu geben); aber was will das Fehlen eines 
so winzigen Steinchens in diesem gewaltigen Mo- 
saik bedeuten? Ergänzung und Schmuck des 
Textes sind die zum Teil neuen Bilder, darunter 
ein prachtvolles Porträt der Henriette Herz von 
Johannes Veit. Die Tabelle aller gedruckten Briefe 
von und an Friedrich und Dorothea, das überaus 
sorgsame Register, tragen dazu bei, diese Publi- 
kation als eine ungewöhnliche Erscheinung aus 
der Menge des literarhistorischen Schriftums her- 
vorleuchten zu lassen, ungewöhnlich vor allem 
auch durch die Andacht zum Kleinen, die der 
heutigen Moderichtung so wenig entspricht. Des- 
halb verdient die Hingabe des Herausgebers, der 
Mut des Verlegers doppelten Dank. 
Tiefer in das 19. Jahrhundert hinein führen 
zwei Schriften 
Else Dosenheimer, Das zentrale Problem in der 
Tragödie Friedrich Hebbels, (VII, 131 S.) 
geh. 6 M., in Leinen 7.50 M. und 
Adolf o Grolman, Adalbert Stifters Romane 
(XI, 112 S.), geh. 6 M., in Leinen 7.50 M. 
Es mutet stets bedenklich an, wenn im Schaffen 
eines großen Dichters ein Problem als das zentrale 


130 


Mai-Juni 1926 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücherfreund: 


bezeichnet wird. So bequem hat es keiner seinen 
Auslegern gemacht, nicht einmal Schiller, wenn 
auch Goethe mit Recht von ihm sagt, die Idee 
der Freiheit gehe durch alle seine Werke. Das ist 
eben etwas anderes; eine Grundeinstellung, kein 
Problem. Sicher war für Hebbels eigenartig ge- 
mischte, die eigene Sinnlichkeit zergrübelnde Na- 
tur der Kampf der Geschlechter im Liebesleben 
ein tragisches Zentrum; doch mindestens gleich 
stark trat daneben, mit den Jahren immer mehr, 
die Tragik der Menschheitsgeschichte, der Zwie- 
spalt der Weltzeitalter in den Mittelpunkt seines 
dramatischen Schaffens. Else Dosenheimer muß, 
um ihre These zu erweisen, z. B. in den ,,Nibe- 
lungen“ die Schuld Siegfrieds an der Frau als den 
Kern sehen, als dessen Ausstrahlungen sich letzten 
Endes alle Ereignisse vollzichen. Dagegen sei nur, 
um das andere Extrem anzudcuten, auf Volkelts 
Auffassung in seiner „Ästhetik des Tragischen“ 
hingewiesen, wo Siegfried als Typus des schuld- 
losen Helden hingestellt wird, freilich auch nicht 
berechtigt, wieich bewiesen zu haben glaube; aber 
was durch Hagens Speer an Siegfried gestraft wird, 
ist keine Liebesschuld, sondern ein soziales Unrecht. 
Im übrigen zählt diese Schrift, gleich der früheren 
der Verfasserin über Hebbels Staatsauffassung, zu 
den gewinnrcichen der großen Hebbel-Literatur. 

Grolman bahnt an der Hand der beiden Ro- 
mane Stifters, ,Nachsommer** und ‚„Witiko‘‘, den 
Weg zur Erkenntnis der eigentlichen Größe des 
Dichters, zum literarhistorischen „Anschauen“ 
undeinerdadurchgewonnenen phänomenologischen 
Erkenntnis. Wie das im einzelnen geschieht, kann 
leider nicht gezeigt werden, nur sei jedem, der zur 
Wesenheit Stifters vordringen will, die Schrift 
Grolmans vor anderen empfohlen. Sie wird ihm 
nicht nur durch das, was gesagt wird, sondern 
auch durch die natürliche Anmut der Gesamthal- 
tung genugtun. 

In das undurchsichtige Element der Gegenwart 
taucht 

Max Freyhan, Georg Kaisers Werk. Berlin, Die 

Schmiede (372 S.). 

Das Buch wendet sich gegen die These von dem 
Denkspieler Kaiser, der konstruiere, statt zu dich- 
ten. Es will dem Problem dieses widerspruchs- 
vollen Schaffens zuleibe: Vielwendigkeit oder 
Fülle? Technik, Artistik oder Dichtung? Literaten- 
tum oder Schöpfertum ? Ist er Gestalt? Schwingt 
er um ein Zentrum? Die Lösung ergibt sich aus 
der Feststellung des Typus, der in erster Linie 
dynamisch aus Spannungen eine Auseinander- 
setzung von Kräften erwachsen läßt, dabei aber 
zugleich Tendenzen auf Gleichgewicht und Aus- 
gleich, statische Momente, in sich enthält, daneben 
die endgültigere Form der Entspannung: Leichtig- 
keit, Spiel in der Gestalt der Komödie. Die 
Sprache Kaisers wird als Ausdruck dieser Wesen- 
heit erwiesen, bereichert durch Züge schwingender, 


131 


schwebender, sehnender Musikalität. Freyhar 
schreitet die lange Reihe der Dramen Kaisers ab. 
geordnet nach einer aufsteigenden Kategorienfolge. 
überall bis in die letzten Untergründe jedes ein- 
zelnen Werkes dringend. Aber wir müssen fragen, 
ob der Gegenstand den Aufwand verdiente. Für 
Freyhan gilt Kaiser als ein ganz Großer; andere 
nennen ihn den, Sudermann des Expressionismus“, 
und diese anderen dürften dem Gesamturteil näher 
kommen. Und läßt man das beiseite — ist es 
angebracht, über einen Dichter, der morgen alles 
heute Gesagte über den Haufen werfen kanı, ein 
Buch von 372 Seiten zu schreiben ? Gibt es nicht 
für einen Ästhetiker des Gegenwartsdramas be- 
deutsamere, ergicbigere Themata? 

Zum Schlusse sei noch kurz hingewiesen auf 

Deutsches Dante- Jahrbuch. Neunter Band. 

Herausgegeben von Hugo Daffner. Weimar, 
R. Wagner & Sohn 1925 (IV, 163 S.). 

Der gegen früher etwas schmälere Band ent- 
halt doch wieder sehr beträchtliche Beiträge zur 
Dante Forschung, darunter den wertvollen Vortrag 
„Die Weg von Thomas von Aquin zu Dante“ von 
Martin Grabmann, außerdem die Bücherschau urd 
die deutsche Dante-Bibliographie. G. W. 


Bibliophilendrucke. Es ist nicht zu leugnen: die 
reinste Freude haben wir Egoisten doch an den 
Gaben, die außer uns womöglich niemand, oder 
höchstens ein paar andere Auserwählte empfangen, 
und die für den gemeinen Mammon in den öffent- 
lichen Ausschänken des Schrifttums nicht zu haber 
sind. Nur diese rarae aves gelten uns als echte 
Bibliophilendrucke, wobei auch das Gefúhl ćes 
Affek tionswertes und der durch die kleine Auflage 
ermöglichten höchsten Qualität mitspricht. D: 
Kritik solcher Liebhabererzeugnisse kann freilich 
nicht ihrem sonstigen Nebenzweck dienen, ent 
Entscheidung über die Kaufwürdigkeit des be 
sprochenen Buches Handhaben zu gewähren; aber 
ihrer Hauptaufgabe, das Gute vom Minderwertig®? 
zu sondern, soll sie auch in diesem intimen Bereich 
gerecht zu werden suchen. Demgemäß verzeichne? 
wir hier eine Anzahl jüngster, besonders preise, 
werter bibliophiler Gaben, und an gebührender 
erster Stelle = 

Moriz Sondheim, Richard de Bury. Ein 2 

zur Psychologie des Büchersammelns. A 

erster Druck in der Bodoni-Kursiv der BW” 
schen Gießerei Frankfurt a. M. hergestellt N 
einer Auflage von 310 Stücken. Druckleiturė 
Heinrich Jost. (Groß-8°, 46 S.). 

Aus dem trefflichen Aufsatz über 17 
Bury, den Sondheim im ersten J abrgang Y”, 
Zeitschrift 1897 veröffentlichte, ist 1D 1 
einem Vierteljahrhundert diese weit it 
Studie erwachsen, durchtrankt mi det Bee nit 
des gelehrten Antiquars und y orgetrag” 


Richard de 


132 


Mai-Juni 1926 


seltener Anmut, fesselnd wie ein Roman und doch 
vom ersten bis zum letzten Satz dokumentarisch 
belegt und auf ebenso vorsichtige wie scharfsinnige 
Deutung der Urkunden gegriindet. Der Druck 
Josts, anhebend mit dem musterhaften Titel und 
der prachtigen Initiale, ist eine seltene Augenweide. 

Aus derselben gebefreudigen Hand empfingen 
die Frankfurter Bibliophilen 

Die Vorzuge der Stadt Franckfurt am Mayn be- 
sungen von Friedrich Andreas Walther. Ein- 
geleitet von Moriz Sondheim (15 und 15 Seiten, 
100 Exemplare für den Handel bei Joseph 
Baer & Co. Geh. 4 M.) 

Ein Jahr vor Goethes Geburt hat ein junger 
Theologe die Stadt besungen, der er bereits ein 
Stipendium dankte und von der er, freilich ver- 
gebens, weitere Gunst durch Anstellung in ihren 
Diensten erhoffte. Aber es blieb bei den zwölf 
Thalern, die der Poet vom Magistrat empfing, 
wahrlich genügender Lohn für die Laudatio, wenn 
sie auch unter ihresgleichen in dieser Zeit der 
Prunkoden keine üble Figur macht. Nicht nur den 
Frankfurtern wird durch die Beziehung auf ihre 
vielgeliebte Stadt der Faksimiledruck mit der 
gründlichen Einführung Sondheims willkommen 
sein. Liegt doch auf allem, was diesem Erdreich 
damals entkeimte, ein leichter Vorglanz des auf- 
gehenden Gestirns Goethes, ganz abgesehen von 
dem Reiz solcher Streifzüge in die vergessenen 
Winkel des früheren literarischen Lebens. 

Die Hamburger Gesellschaft der Bücherfreunde 
empfing: 

Kurze aber notwendige Erinnerungen über die 
Leiden des jungen Werthers, über eine Rezen- 
sion derselben, und über verschiedene nachher 
erfolgte dazu gehörige Aufsätze... Hamburg... 
1775. (Klein-8°, 17 S. 200 Stücke.) 

Das ist die, nur in zwei Exemplaren erhaltene 
Schrift des Hauptpastors Johann Melchior Goeze, 
ein Sonderdruck der wütenden Zeitungsangriffe, 
die der spätere Gegner Lessings mehr noch gegen 
seine weniger rechtgläubigen Kollegen als gegen den 
Roman Goethes schleuderte. Man hat allen Grund, 
dem Anreger Prof. Wahl für die sehr gelungene 
Wiedergabe dieses Rarissimums dankbar zu sein. 

Der Berliner Bibliophilenabend durfte sich bei 
seinem Stiftungsfeste am 19. Februar 1926 einer 
Gabe von seltenem Reiz erfreuen: 

Des Antiquars und Bücherfreundes Palmen- 
Gärtlein (benebst einigen Disteln und stache- 
lichten Kaktussen) allwo einen geneigten Leser 
spatzieren führet der Doctor Guilelmus Juncus. 
A. D. 1726. (40 S., 500 Exemplare). 

Der künstlich patinierte Titel birgt keinen Neu- 
druck, sondern ein Erzeugnis heutigen, erstaun- 
lich fruchtbaren und treffenden Witzes, der hundert 
Schwächen und Mängel unserer mit Büchern ver- 
kehrenden und handelnden Zeitgenossen aufs Korn 
nimmt und, manchmal nicht ohne Bosheit, aber 


133 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücher freunde 


nie verletzend, den teuren Genossen den Spiegel 
vorhält. Der Herausgeber der Z. f. B. bedauert 
nur, daß ihm dieses Wild nicht ins Gehege gelaufen 
ist und daßer, wegen des bekannten Raummangels, 
nicht wenigstens hier einige Proben geben darf. 
Noch eine zweite wertvolle Gabe wurde den Ber- 
linern am gleichen Tage zuteil: 

Fraktur oder Antiqua? Zwei Berliner Beiträge 
zur Schriftfrage aus dem 18. Jahrhundert. 
Eine Besprechung von Friedrich Nicolai und 
eine Denkschrift des PreuBischen Staats- 
ministers Philipp Graf Alvensleben. Heraus- 
gegeben von Ernst Crous, Berlin, 19. Februar 
1926 (56S. mit zwei Tafeln, 222 Sticke). 

Die Spender, Reinhold und Erich Scholem, haben 
den in gutem Maschinensatz hergestellten Neudruck 
zweier wichtiger Beitrage zur Schriftfrage mit einer 
Einleitung von Crous schmücken können, die sach- 
kundig die Entwicklung bis zum Ende des 18. Jahr- 
hunderts umreißt. Die Absicht, die Fraktur zu 
beseitigen, ging, wie Crous feststellt, von dem 
Kreise Gleims, Geßners, Bodmers, Ramlers und 
Ewald von Kleists aus. Ob der Gedanke an Fried- 
rich den Großen dabei mitsprach, erscheint mir 
fraglich, mehr gewiß der bestechende Eindruck der 
französischen Luxusbücher und vor allem wohl die 
Erkenntnis, daß die Radierungen, die den Holz- 
schnitt als Buchschmuck damals verdrängten, mit 
der Fraktur nicht zusammenstimmten. Gleichzeitig 
begannen die Versuche, die Fraktur zu erneuern. 
Campe war der erste, der mit dem Versuch neuer 
deutscher Lettern hervortrat (1790), Unger und 
Breitkopf folgten. Zu dieser interessanten typo- 
graphischen Bewegung hat auch Nicolai das Wort 
genommen, wozu er ja alserfolgreicher Buchhänd- 
ler und Schriftsteller besonders berufen war, maB- 
voll die Vorteile beider Schriftarten abwägend, und 
schließlich auf die Seite der Fraktur tretend, 
während die an zweiter Stelle hier wiedergegebene 
Denkschrift des preußischen Ministers Alvensleben 
drei Jahre später unbedingt der Antiqua fürSchreib- 
und Druckschrift den Vorzug gibt. 

Sehr eng berührt sich mit der eben erwähnten 
Schrift der dreizehnte der rühmlich bekannten 
Bertholddrucke 

Die Campe-Fraktur. „Der Einsiedler von Wark- 
worth.“ Ein Beitrag zur Geschichte der 
Schriftreform und Literatur von Ernst Crous. 
Mit Campes Bildnis. - Berlin, SchriftgieBerei 
H. Berthold, Abt. Privatdrucke 1925 (GroB-8°, 
42 S. und 11 Tafeln). 

Hier wird von der literarhistorischen Seite aus- 
gegangen, fiir die der Campesche Druck auch durch 
seinen Gegenstand, eine von Campe übersetzte Bal- 
lade Percys, nicht geringe Ausbeute gewährt. Dann 
folgt die Besprechung der Druckgestalt, die sich 
als erster Versuch einer Neugestalung der deutschen 
Schrift darstellt. Die Aufnahme war, wie die mit- 
abgedruckten Urteile der Zeitgenossen beweisen, 


134 


Mat- Juni 1926 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Biicherfreunde 


durchweg ungünstig, und wir müssen schon sagen: 
mit Recht. Proben der schnell folgenden Versuche 
Breitkopfs und Ungers zeigen, wie von hier aus im 
letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts der Weg 
aufwarts ging. 

Einer der Bahnbrecher war der jüngere Breit- 
kopf. Als der bekannte Christoph Gottlieb von Murr 
über die Schriftproben Enschedés begeistert be- 
richtet hatte, schricb Breitkopf dagegen mit zum 
Teil durchaus berechtigter, von ebenso berech- 
tigtem Selbstgefühl durchwehter Kritik. Diese 
seltene und für jeden Freund der Geschichte der 
Druckschrift anzichende Replik wird jetzt als elfter 
Bertholddruck erneut, begleitet von einer kurzen 
Biographie Breitkopfs und dem Aufsatz Murrs. 
Der Titel lautet: 

Nachricht von der Stempelscheiderey und Schrift- 
giesserey. ZurErläuterung der Endschedischen 
Schriftprobe. Von J. G. J. Breitkopf. Mit Er- 
gänzungen herausgegeben von Dr. Wilhelm 
Hitzig und Heinrich Schwarz. Mit Breitkopfs 
Bildnis. Berlin, H. Berthold A.-G., Abt. Privat- 
drucke 1925 (4°, 44 S., 300 gezählte Stücke). 

Dieser Druck verdientgleich den zuvor genannten 
hohe Anerkennung, auch wegen des bei der Güte 
der Ausstattung ungemein niedrigen Preises von 
8 Mark. 

Aber daneben gibt es auch jetzt noch sogenannte 
Bibliophilendrucke, deren Dasein und Preis durch 
nichts gerechtfertigt wird als durch den Wunsch, 
bei irgendeinem Anlaß unter den Gebern nicht zu 
fehlen, oder durch das bedenklichere Motiv, mit 
einem falschen, weil unbegründeten und geschmack- 
widrigen Luxus auf Urteilslose anreizend zu wirken. 
Als warnendes Beispiel sei aus einer größeren Zahl 
verwandter neuer Erscheinungen nur eine heraus- 
gehoben: 

Thomas Mann, Kino. Gera, Friedrich Blau& Co. 

1926 (GroB-80, 16 S.). 

In einer riesigen Schwabacher mit noch riesigerer 
Kanzlei-Initiale wird ein winziges Bruchstück des 
„Zauberbergs“ als Sonderdruck dargeboten. Der 
protzige Druck, als dessen Urheber in gewaltigen 
Lettern Dietsch & Brückner gepriesen werden, hat 
zum Inhalt keine stilistische Beziehung, verletzt 
jedes feinere Empfinden, bietet etwas völlig unge- 
nügendes. Wozu der Lärm? muß man fragen. 

G. W. 


Iwan Bloch und Georg Loewenstein, Die Pro- 
stitution. Zweiter Band erste Halfte. Mit einem 
Namen-, Lander-, Orts- und Sachregister (Hand- 
buch der gesamten Sexualwissenschaft in Einzel- 
darstellungen II, 1). Berlin, Louis Marcus, 1925. 

Uber ein Jahrzehnt ist vergangen, seit der 
erste Band dieses groBen Werkes hier (IV, 291 f.) 
durch Fedor v. Zobeltitz mit gebührendem hohen 
Lobe angezeigt wurde. Seitdem ist Bloch, der beste 
Kenner der Geschichte der Prostitution, allzufrüh 


135 


mit 50 Jahren dahingeschieden. Wer den besche, 
denen, liebenswürdigen Gelehrten gekannt hat. 
wird ihm ein warmes Andenken bewahren; in 
weitem Kreise lebt er für lange Zeit durch seine 
Forschungen uber den Ursprung der Syphilis, uber 
den Marquis de Sade und Rétif de la Bretonne, 
durch seine Englische Sittengeschichte und eine 
Anzahl kleinerer Arbeiten fort, alle bestrebt, dıe 
meist so dilettantisch und höchstens aus einem 
Kuriositatsinteresse behandelte Sexualgeschichte 
zur Hohe wissenschaftlicher Erkenntnis empcrzu- 
heben. Die Krönung dieses Bestrebens ist „Die 
Prostitution“, nach dem eingehend begründete 
Urteil von Zobeltitz „eine literarische Leistung 
ersten Ranges“. Was über den ersten, mit dem 
Mittelalter abschließenden Band gesagt ist, gilt 
auch von der nun vorliegenden ersten Halfte des 
zweiten Bandes, die bis zum Anfang des 19. Jahr- 
hunderts führt. Wieder diese schier unübersehbare 
Menge des Materials wohlgeordnet, in angenehme 
Darstellung vorgetragen und, namentlich durch 
die Literaturzusammenstellungen und Einzelnach- 
weise, auch demjenigen höchst hilfreich, ja unent- 
behrlich, dessen Forschen sich nicht auf das Son- 
dergebiet richtet. Denn Kultur-, Literatur-, So- 
zialwissenschaft finden hier gerade diejenigen 
Matcrialien verzeichnet und besprochen, die an 
schwersten aufzufinden sind, weil es sich meist um 
insgeheim oder nur in ganz kleinen Auflagen er- 
schienene Drucke handelt. Selbst die großen Bi- 
bliographien wie Gay oder Hayn-Gotendorf müsse? 
vor diesem Reichtum die Segel streichen; mat 
vergleiche nur etwa, was über jede der grober 
Kurtisanen der Renaissance und des 18. Jahrhun- 
derts geboten wird. (Wobei freilich der Einward 
eines gewissen Mangels an Kritik der Quellen nich: 
unterdrückt werden kann, auch die zahlreichen 
Fehler in französischen Titeln, Namen, Zitaten er- 
wähnt werden müssen.) Wäre das Werk nur durch 
Fülle des Stoffs und gute Form ausgezeichnet, 5 
bedeutete das schon Verdienst genug, aber det 
Wert wird dadurch noch wesentlich gesteigert, 
daß Bloch und sein Fortsetzer Loewenstein vol 
einem festen geschichtsphilosophischen und sozio- 
logischen Standpunkt zu Erkenntnissen höhere 
Art fortschreiten, dienlich, die Prostitution als 
Folgeerscheinung des Denkens, der religiösen unc 
gefühlsmäßigen Einstellung der europäischen Väl- 
ker seit dem Altertum zu erweisen, sowohl als Ge 
samterscheinung als auch in ihren Wandlungen. Erst 
so wird der aufgewandten ausdauernden Forscher- 
arbeit ihr voller Lohn und zugleich dem Leser des 
Werkes der gewichtigste Ertrag zuteil. Wir sehen 
erwartungsvoll dem für Herbst 192 5 angekündigten 
Schlußteil entgegen, der als Schilderung der Pro- 
stitution der jüngsten Zeit und der Gegenwat 
noch höhere Teilnahme als seine’ Vorgänger © 


hoffen darf, gemäß dem Worte „ ua res a 


136 


Mai-Juni 1926 


Rudolf Borchardt, Ausgewählte Werke 1900 bis 
1918. Berlin, Ernst Rowohlt, 1925, 

Lyrik muß stets die Angelegenheit weniger blei- 
ben. Davon bildet nicht einmal Goethe die Aus- 
nahme, dessen wenigste und nicht immer besten 
Verse nur Allgemeingut geworden sind. Lyrik ist — 
darin der Musik vergleichbar, deren Tongebilde 
freilich in einem anderen zugänglicheren Raume 
schweben, als der eindeutige Aufbau des Wortes 
— die überaus subjektive Ausdrucksform, das 
durchaus kompromißlose Bekenntnis, der reinste 
Spiegel der inneren Gestalt des Dichters, der durch 
sie nur zu dem einzelnen Mitfühlenden, zu einem 
kleinen Kreis Verstehender spricht. Rudolf Bor- 
chardt, wie Stefan George eklektisch durch die 
nervöse Empfindsamkeit seiner dichterischen Per- 
sönlichkeit, wird diesen Kreis, dem die Vierteltöne 
seiner Schöpfungen nicht entgehen, schwer er- 
weitern können — wobei freilich der leidtragende 
Teil die anderen sein werden, die sich fern halten 
und sich um die Werke dieses Dichters zu wenig 
muhen. Denn Borchardt ist gewiß einer der 
starksten, wenn nicht der starkste Lyriker seiner 
Zeit, daneben deren unzweifelhaft starkster Sprach- 
künstler. Er hat — und hierin steht seine Prosa 
seinen Versen in nichts nach, hierdurch werden 
seine Übersetzungen endgültig — die Kunst, die 
Worte in ihrem ureigensten Sinn, der letzten 
Nüance ihrer Bedeutung, Farbe und Gewichtigkeit 
zu erfassen und die Kunst, die „Schrift zu stellen‘ 
zu gleicher Meisterschaft entwickelt. Ohne Sucht 
nach unnötigen Neubildungen prägt er die vor- 
handenenen Worte neu, indem er ihnen alles Ver- 
worrene nimmt. Seine Sprachformung wird ihren 
notwendigen Einfluß auf die deutsche Sprachent- 
wicklung nehmen. Da Borchardts Schriften vor- 
wiegend nur in beschränkter Auflage erschienen 
sind, wird diese Auswahl zur Notwendigkeit, da- 
mit die bislang Fernstehenden um die Erfassung 
seiner schönsten Verse und Prosastellen werben 
können. Denn nicht soll der Dichter um die Menge 
werben, die Menge werbe um den Dichter. 

E. E.S. 


Paul Brandt, Sehen und Erkennen. Eine Anlei- 
tung zur vergleichenden Kunstbetrachtung. Sechste 
erweiterte Auflage 41.—50.Tausend. Mit 784 Bildern 
und 16 Farbentafeln. Leipzig, Alfred Kröner, 1925. 
(XVII, 464 S.) 

Das weitverbreitete, wegen seiner maßvoll pād- 
agogischen Haltung geschätzte Buch bedarf keiner 
neuen Wertung. Nur soll erwähnt werden, daß 
zum ersten Male der auch sonst reich vermehrte 
Bilderschmuck durch wohlgelungene Farbdrucke 
ergänzt wurde. B. R. 


137 


Neue Bucher und Bilder 


Zeitschrift für Bücher freunde 


Ernst Cassirer, Sprache und Mythos. Studien der 
Bibliothek Warburg. Leipzig, B. G. Teubner, 1925. 
87 Seiten Großquart. 

Diese Studie stellt einen höchst wichtigen er- 
gänzenden Exkurs dar zur „Philosophie der sym- 
bolischen Formen“ des Verfassers und scheint be- 
stimmt, zwischen dem erschienenen ersten und 
dem erwarteten zweiten Band eine Brücke zu 
schlagen. Der Kantianer Cassirer biegt zudem hier 
ein gutes Stück Wegs in die Straße phänomeno- 
logischer Empirik ein, nämlich bis zu dem Punkte, 
wo die Sprache noch nicht in den Prozeß der Be- 
griffsbildung eingetreten ist, was aller Wahrschein- 
lichkeit nach erst in späten Geschlechterfolgen 
geschehen sein dürfte. Vorerst mag der Mensch sich 
damit begnügt haben, den Phänomenen der Innen- 
und Außenwelt Namen zu geben. Cassirer greift 
dabei auf Useners vor dreißig Jahren schon ver- 
öffentlichte Lehre von der ,,Religiósen Begriffs- 
bildung“ in der Publikation „Götternamen“ zu- 
rück, wonach alle Ur- und Quellworte der Sprache 
Namen gewesen wären für göttliche — oder dämo- 
nische — Wesenheiten. Damit träte dann das Pro- 
blem des „Bemerkens“, eben als phänomeno- 
logischer Vorgang, noch eindringlicher vor das der 
„Benennung“. Primäre Sprachformen haben noch 
nichts von logischen Begriffen an sich; sie sind 
Namen für mythologisch bedeutsame Wahrneh- 
mungen — oder selbst bloß für Gefühle aus solchen 
Wahrnehmungen, die man deshalb noch nicht 
„Gedanken“ nennen sollte. Die Zuneigung zu dieser 
sprachgenetischen Theorie läßt fast erwarten, daß 
der weitere Ausbau der ‚Philosophie der symbo- 
lischen Formen“ wirklich besagte Brücke darstellen 
werde, die zum psychologisch-funktionalen Stand- 
punkt neuerer Sprachforschung hinüberführt, wel- 
cher das Mehrgewicht legt auf die Entwicklung der 
frühesten Potentiale der Sprachkraft im Gegen- 
satz zu dem in seinen Ursprüngen kaum je auf 
eine Quelle zurückzuführenden Sprachguf. 

Max Marterstetg. 


The Fleuron, A Journal of Typography editcd 
by Oliver Simon. Number 1—4. London, At the 
Office of The Fleuron, 1923—1925. 4°. 

Die vier bisher erschienenen Nummern des 
„Fleuron“ stellen diese in unregelmäßigen Ab- 
ständen erscheinende Zeitschrift in die erste Reihe 
derjenigen Organe, welche sich Geschichte und 
Förderung des künstlerischen Buchdrucks zur Auf- 
gabe gesetzt haben. Wir nennen große, mit reich- 
lichen Proben erläuterte Aufsätze über Blüten und 
Arabesken (Meynell und Morison), Fraser als Illu- 
strator (Jackson), Druckermarken (Herbert Simon), 
die Chancery-Typen in Italien und Frankreich 
(Johnson und Morison), Moderne Stofformen im 
englischen Musikaliendruck (Foss), Geschriebene 
Typen (Morison), Tendenzen im deutschen Buch- 
druck seit 1914 (Hanna Kiel), ferner über einzelne 


138 


Mai- Juni 1926 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Biicherfreunde 


Buchkünstler wie Cobden-Sanderson ( Rothenstein), 
E. R. Weiss (Meier-Graefe), Pelletan (Gusman), John 
Hornbys Ashendene-Press (Newdigate), D. B. Updike 
und die Merrymount- Press (Dwiggins), Stanley 
Morison und Percy Smith (Sidgwick), Emery Walker 
(Newdigate), Bruce Rogers (Warde). Dazu kommen 
Buchbesprechungen und kleinere Mitteilungen, um 
den Inhalt für jeden ernsthaften Buchfreund sehr 
anziehend zu gestalten. Schon jetzt ist in The 
Fleuron eine Fülle von Belehrung zu finden, in 
der besten Form so dargestellt, daB auch das Auge 
diese geschmacksicheren Bände mit Freude genießt. 
A—S. 


Max J. Friedlander, Max Liebermann. 
Propylaenverlag. 

Die samtlich technisch vortrefflichen Abbil- 
dungen, 104 an der Zahl, sind gut eingeordnet. In 
den im wesentlichen biographischen Kapiteln be- 
gleiten sie verstándnisvoll den Text. Es kann sich 
úberhaupt wohl keine zweite Liebermann - Bio- 
graphie ruhmen, so geschmackvoll zu sein. Lang- 
atmig sind die Aufsatze nicht, die Friedlander 
schreibt, aber sie sind voluminös im geistigen Sinne. 
Selbst nach Hancke, Elias und Scheffler sind diese 
Studien weit mehr als eine „kursorische Zeichnung, 
die vielleicht den UmriB deutlich und das Wesent- 
liche konzentriert hervorruft“. Es geht Lebens- 
wärme von ihnen aus, das sympathicgesattigte 
Grundgefühl eincs Mannes, der seit 30 Jahren mit 
persönlicher Aufmerksamkeit dem Schaffen Lieber- 
manns folgt, und, wie er die alten Meister deutet und 
ordnet, nun die Arbeiten dieses ewig Jungen geistig 
ordnet. Mit geschmeidigster Feder, in biegsamen 
Gedankengängen, wird er dem Werk Liebermanns 
gerecht, das Glück des étre de son temps, nämlich 
Liebermanns, strahlte aus jeder von unbewußter 
Grazie hingeworfenen Zeile, und ganz ungezwungen, 
geradezu unvermerkt führte er die Betrachtung 
ins Metaphysische, ganz im Gegensatz zu der 
aktuellen Methode, dem Palettenkrampf eines eben 
verschiedenen Zeitgenossen, mit noch krampfhaf- 
teren, gewaltsameren Mitteln die Weihe des 
Mystischen anzudeuten. So ist die ganze Kette 
der Kapitel schönste Natur, und es gehört zum Er- 
greifendsten und Beglückendsten, wie Friedländer 
in seinem Meister ein Reich der Schönheit ent- 
deckt. Das mit der Armeleutmalerei war ja nie 
wahr und auch mit der sozialen Tendenz stimmte 
es nicht, wo vielmehr Naturalismus, Naturfreude, 
Aufsuchen des noch ganz unverbildeten natürlichen 
Menschen am Werke war. Friedländer geht dabei 
durchaus nicht mit durch dick und dünn, das be- 
weisen die Ausführungen über den Porträtisten 
Liebermann, dem er das Vermerken des Nichtge- 
lungenen nicht erläßt. Ästhetiker werden sich 
merken müssen, was Friedländer über den Lieber- 
mannschen Phantasiebegriff schreibt, eine so rein- 
liche subtile Feinwägerei ästhetischer Auffassungen 


139 


Berlin, 


und Standpunkte ist selten. Esspricht auch fürden 
ordnenden Sinn Friedländers, daß er der Mono- 
graphie eine Zeittafel zugesellte, die das Verständnis 
bereichert und das Erfassen der Entwicklung unter- 
stützt. Solche Zeittafeln sollten Brauch werden, in 
so mancher verworrenen modernen Kunstlerbio- 
graphie könnten sie nützliches Gegengift sein. So 
pessimistisch sich Friedlander über die gegenwar- 
tige („Götter und Götzen verkündende“) Kunst aus- 
spricht, so unbedingt wird zu Recht bestehen, dab 
man immer wieder zur Kunst eines Liebermann 
wird zurückkehren müssen, ebenso wird man e 
aber zur Kunst einer solchen Biographie tun 
müssen, zu der es heute vielleicht überhaupt noch 
kein Seitenstück gibt. J. 2. 


Germanistische Forschungen. Festschrift aclas- 
lich des 60 semestrigen Stiftungsfestes des Wiener 
Akademischen Germanistenvereins. Wien, Oster- 
reichischer Bundesverlag, 1925. 

„Des echten Mannes Feier ist die Tat.“ Eince- 
denk dieses Goethe-Wortes haben die Wiener Ger- 
manisten ihr vollendctes erstes Menschenalter durch 
eine höchst würdige Festschrift gefeiert. Sie vereint 
zehn Aufsätze von Much, Sievers, Kralik,C. v. Kraus, 
Kindermann, Cysarz, Brecht, Pfalz, Kretschmer, 
Edward Schröder. Schwerlich ist eine andere Gabe 
ähnlicher Art im Bereich der germanistischen 
Wissenschaft vorhanden, die so viele Namen von 
bestem Klang, so ausschließlich vollwichtige Bei- 
träge vereinte. Siegehören unbedingt indie Bücherei 
jedes Seminars und jedes Fachgenossen. G. W. 


Erna Grautoff, Jahreszeiten der Seele. Roman. 
Berlin, Eigenbrodler Verlag, 1925. 

Mit der bedeutenden weiblichen Fähigkeit, in 
die Irrungen und Wirrungen gesteigerter Liebes- 
verhältnisse sich einzufühlen, stellt Erna Grautoli 
Menschen in Beziehungen, die in ihrer Problematik 
sehr anziehend gestaltet sind. Der Herrenmensch 
aus der Großindustrie und seine dieser Lebens- 
brutalität nicht gewachsene Frau, der Sohn in der 
Mischung von künstlerischer Anlage, geistreicheln- 
der Geschwätzigkeit und den Anzeichen des inneren 
Verfalls, der gelehrte Philosoph und seine Gattin, 
die, aus ungestilltem Sinnenhunger, dem über- 
legenen Industrie-Fürsten zum Opfer fällt, abet. 
nach der eingetretenen Enttäuschung, von dem 
sittlich Wertlosen zu ihrem höher organisierte! 
Manne zurückfindet — aus solchen menschlichen 
Positionen entwickelt E. Grautoff ein grofangt 
legtes Zeitbild, eine Fülle von Bildungselementen 
bezwingt sie in dem Roman, die Welt der groben 
Finanz, der Industrie, der Kunst und die Zett- 
politik ist ihr vertraut und spielt von allen seiten 
her hinein in die menschlichen Ereignisse. Nicht 
immer glückt ihr die künstlerische und did: 


140 


E Mat-Juni 1926 


t 


terische Formung, aber ihre unterhaltende Schil- 
derung hat lebendige Farben, die stark erotischen 
Angelegenheiten sind mit delikatester Feinheit, 
und doch beschwingt, behandelt, und schlieBlich 
und endlich geht es ihr darum, zur Nachdenk- 
lichkeit uber diese Welt zu zwingen und den Leser 
auf die Seite des Sittlichen und Geistigen zu ziehen. 
Hans Knudsen. 


Die Juniperuspresse führt ihren Namen nach 
der lateinischen Bezeichnung des Wacholders, weil 
ihr Gründer und Leiter den Plan im Berliner 
Grunewald zwischen Wacholderstráuchen faBte. 
So berichtet Rodenberg, Deutsche Pressen S. 97, 
und an der gleichen Stelle ist auch alles nötige über 
das erste Stadium dieser, im Jahre 1921 begrün- 
deten Presse zu finden. 

Nunmehr hat eine zweite Epoche in ihrem Da- 
sein begonnen, von jenen Anfängen wesentlich 
verschieden. Damals fast nur Drucke geringen 
Umfangs in sehr kleinen Auflagen, hergestellt in 
den Werkstätten der Württembergischen Staat- 
lichen Kunstgewerbeschule, der auch noch die 
zwei ersten Drucke der neuen Folge ihr Dasein 
danken; — nunmcehr Herstellung und Vertrieb ein- 
gegliedert in das mächtige Gefüge der Union 
Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart, von dritten 
Druck sogar neben den 204 numerierten Stücken 
noch 1000 auf Werkdruckpapier. Ob da die Be- 
zeichnung „Presse“ noch berechtigt sei, erscheint 
fraglich. Indessen hat Schneidler die Leitung be- 
halten, und so blieb der Geist der gleiche, einer 
persönlichen, auf gute Qualität in jeder Hinsicht 
gerichteten Eigenart. An der Spitze steht Shake- 
speares „Hamlet“ in englischer Sprache (Groß 8°, 
VIII, 202 S., 225 Stücke). Die neue Schneidler- 
Mediaeval, hier zum ersten Male verwendet, wirkt 
an sich sehr schön und harmonisch. Aber auf den- 
jenigen Seiten, wo der Text durch zahlreiche 
Sprechernamen zerrissen wird (siehe z. B. S. 96 
und 97) kommt kein befriedigender Eindruck zu- 
stande. Die Zeilen mit den Namen in Petit-Ver- 
salien wiegen gegen die anderen zu leicht, und 
durch die vielen weißen Stellen erscheint das Bild 
zerrissen und unruhig. Warum stehen die Namen 
nicht in Versalien der Textschrift vor den ge- 
sprochenen Worten? Ohne Zweifel wäre die Wir- 
kung weit geschlossener. Auch die szenischen Be- 
merkungen, die außerhalb der Textzeilen stehen, 
würden besser diesen angehängt. Im übrigen ge- 
bührt diesem „Hamlet“ eine Stelle neben den 
besten neueren Shakespearedrucken Deutschlands 
und Englands. Auch der Pergamentband verdient 
das Lob solider, geschmacksicherer Arbeit. 

Als Nr. 2 erschien Arnims Novelle „Der tolle 
Invalide auf dem Fort Ratonneau‘“. (8, 36 S., mit 
radiertem Titel und sechs eingedruckten Radie- 
rungen von Herman Leitenstorfer. 54 Stücke), in 
jeder Hinsicht eine erfreuliche Gabe, als Nr. 3 Ja- 


141 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücher freunde 


Rob Schaffners Erzählung „Die letzte Synode“ (IV, 
90 S., 204 und 1000 Stücke, siehe oben), ebenfalls 
typographisch sehr erfreulich, wenn auch der breite 
Durchschuß nicht günstig wirkt, zumal dort, wo 
Absätze und die Doppelspatien der Kapitelaus- 
gänge allzu breite weiße Räume offen lassen. Der 
jüngste mir vorliegende Band der Reihe enthält 
„Huitens letzte Tage“ von Conrad Ferdinand Meyer 
(Groß-8°, VIII, 156 S., 204 numerierte Stücke). 
Hier können wir von einerin jeder Hinsicht muster- 
haften Lösung sprechen, Die Zweizeiler wirken so 
rein und edel wie nur möglich, die aufs korrekteste 
eingedruckten roten Überschriften beleben das 
Bild angenehm, ohne grell hervorzustechen, das 
Verhältnis von Format und Satzspiegel tut dem 
Auge wohl. Und so scheidet man von diesen vier 
Juniperusdrucken mit dem Bewußtsein, daß hier 
Können und Wollen auf selbständigen Wegen er- 
folgreich hohen Zielen zustreben und, wenn die 
Gunst des Schicksals es gestattet, noch manche 
wertvolle Frucht zeitigen werden. G. W. 


G. Menz, Der deutsche Buchhandel in Selbst- 
darstellungen. Leipzig, Felix Meiner, 1925. 

Der Sammlung: Die Wissenschaft der Gegen- 
wart in Selbstdarstellungen, die bislang die Gebiete 
der Philosophie, Medizin, Rechts-, Kunst-, Ge- 
schichts-, Religionswissenschaft, Pädagogik und 
Nationalökonomie umfaßt, läßt der Verlag den 
deutschen Buchhandel in Selbstdarstellungen fol- 
gen. Die Notwendigkeit dieses Beginnens scheint 
problematisch. Ist auch zweifelsohne der deutsche 
Buchhandel der Träger und Verbreiter wissen- 
schaftlicher und kultureller Werte, so bleibt seine 
Rolle (selbst im Vergleich zu den Weltwirtschaft 
und Politik bestimmenden Unternehmungen der 
Industrie und Finanz) eine rein dienende und ver- 
mittelnde. In diesem Bande (dem weitere folgen 
sollen und in denen wir wichtige Namen wie 
S. Fischer, Kippenberg, Reclam, Brockhaus und 
vornehmlich die der Preßgewaltigen nicht ver- 
missen möchten) erweist es sich außerdem, daß 
wir viel zu viel Biographie und viel zu wenig von 
der eigentlichen verlegerischen Tätigkeit ver- 
nehmen: der Aufbau eines Verlages unter bestimm- 
ten Gesichtspunkten, die psychologischen Erfah- 
rungen mit dem Publikum, die Entstehung eines 
Buches, seines Schmuckes usw. ist einzig das, was 
über nahe Berufskollegen und Familienmitglieder 
der Autobiographen hinaus die Allgemeinheit in- 
teressieren kann. (Die Gebrüder Langewiesche 
kommen in diesem Bande genanntem Ziele am 
nächsten.) Selbstdarstellungen, aus welchem Ge- 
biete sie immer kommen, müssen das Selbst aufs 
äußerste beschränken, wenn sie mehr sein wollen 
als lediglich ein Ausrufer mehr auf dem Jahrmarkt 
der Eitelkeit. E.E.S. 


142 


Mat-Junt 1926 


George Moore, Licbesleute in Orelay. Deutsch 
von Max Meyerfeld. Berlin, S. Fischer, 1925. 

Diese zartliche Licbesgeschichte des Iren Mcore 
zahlt zu jenen geplauderten Büchern, deren uner- 
reichter Meister Hamsum bleibt. Eine verliebte 
Episode wird mit vielen hübschen Betrachtungen 
und weltmännischen Schörkeln erzählt, ganz un- 
englisch letzten Endes, in der graziösen Art Frank- 
reichs, an dessen mittaglicher Küste sie spielt. 
Jeder Liebende wird seine Liebe in ihr beschrieben 
finden, und jeder, der einmal liebte, das Bild süßer 
Erinnerung neu hervorgezaubert sehen. E. E.S. 


Moritz Schäfer, Die Sphinx von llea. Roman 
eines Tiefseeforschers. Berlin, Bild und Buch-Verlag, 
1925. 

Einer der besten Unterhaltungsromane. Die im 
Mittelpunkt stehenden Gestalten des Professors 
Guido Spranger und der verführerischen, heiß- 
blütigen Südsee-Insulanerin Tarissa, die Neben- 
rollen — Schwester, Freund, großherziger Musiker 
— haben sicheren Umriß und genug innere Kon- 
sistenz, um auf die Daucr glaubhaft zu bleiben, nur 
der wütige Vater Tarissas gemahnt an den In- 
dianerroman alten Datums. Was bei einem solchen 
Buche am schwersten ins Gewicht fällt: die Hand- 
lung ist von A bis Z spannend erfunden und ge- 
wandt erzählt. Auf dem letzten Druckbogen ist 
die Aufmerksamkeit des Korrektors ermüdet; im 
übrigen läßt sich dem Äußeren des Buches nur 
Gutes nachsagen. B.R. 


Friedrich Schlegel, Gespräch über die Poesie. 
Zweiter Druck der Kölner Presse. Köln, F. J. 
Marcan. 

Das ,,Gesprach über die Poesie“ aus dem dritten 
Bande des ,,Athenáums* vereinigt alle Mitglieder 
des Jenaer Romantikerkreises zu einem Bekenntnis, 
abgelegt in dem Augenblick, da dieser Kreis im 
Begriff war sich aufzulösen. So darf der große aus 
Abhandlung, Rede, Dialog gemischte Aufsatz das 
Testament der romantischen Schule heißen. Er ist 
um dieser Bedeutung willen der vornehmen Gestalt 
wert, die ihm die Kölner Presse in ihrem zweiten 
Druck verliehen hat. Aufs beste abgewogenes Satz- 
bild, guter Registerstand, gleichmäßige samtige 
Schwärze der Seiten lassen keinen Wunsch an gute 
typographische Leistung unerfüllt. G.W. 


Iwan Schmeljow, Die Sonne der Toten. Deutsch 
von Käthe Rosenberg. Berlin, S. Fischer, 1925. 

Erstmalig wird der fünfzigjährige, im Exil 
lebende Russe Schmeljow hier in Deutschland mit 
diesem Buche veröffentlicht, das, erschütternder 
Beitrag zur Zeitgeschichte, eine ungewöhnliche 
dichterische Kraft offenbart. Der Schauplatz der 
Handlung ist die bolschewisierte Krim, die Hand- 


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Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Buchertreuni 


lung: der Hungertod einer ausgeraubten teror- 
sierten Bevölkerung. Es ist kaum erträglich, dies 
Tragödie zu lesen, in das Erlebnis jener russischen 
Hungersnot gezwungen zu werden, die in Zeitungs 
berichten uns zwar gemeldet aber niemals ın so 
unmittelbare Nähe gerückt wurde. Und wir wur- 
den uns schaudernd und verzweifelt über die 
Möglichkeit so grauenhaften Geschehens abwei- 
den, wenn nicht eben höchste Dichterischkeit über 
diesem Sterben noch versöhnend die Sonne scheinen 
ließe. Ist dieser Roman antibolschewistisch? Er 
ist nicht aus Haß und Ressentiment und ohne jede 
tendenziöse Färbung geschrieben. Der Dichter 
schildert nur, was er sieht, weil er es sieht und 
mit seinen Nächsten leidet. Er empört sich nicht 
gegen das Regime, sein Kampf und seine Auch, 
nung gelten dem Schicksal. Trotzdem ist diese: 
haBlose Bild anklagerischer als es die heftigsten 
Schmahschriften sein kënnten, und sollte voa 
denen gelesen werden, die sich in Moskau von po- 
temkinschen Dörfern blenden ließen; mögen es 
nun Kommunisten sein, die die Idee, oder Natio 
nalisten, die die Gewalt bewunderten; denn diese 
Sonne der Toten rötet sich nicht nur über den 
Leichen der „Burschoas“, sondern auch über dem 
unfaBlichen Leiden und Sterben der Werktätigen. 
LE 


Waldemar Sensburg, Die bayerischen Biblio- 
theken. Ein geschichtlicher Überblick mit besos- 
derer Berücksichtigung der öffentlichen wissen 
schaftlichen Bibliotheken. München: Bayeriand- 
Verlag 1926. VIII, 172 S. mit 37 Abb. Ganz 
leinenbd. 6 60 M. 

Wem es je vergönnt war, einen Blick in die 
prächtigen Bibliotheksräume der bayerischen Klè- 
ster zu werfen und die unvergleichlichen Schätze 
an kostbaren Handschriften und Wiegendrucker 
der jetzigen Bibliotheken des Landes zu bewundert. 
dem wird dieses Buch liebevolle Erinnerungen 
wachrufen. Ist es doch trotz seiner Woblfeilhe!t 
glānzend ausgestattet und durch zahlreiche Bild- 
beigaben von Bibliotheksgebäuden und -rāume', 
Porträts verdienter Bibliothekare und Wiedergabe 
seltener Buchillustrationen geschmückt. Fast er 
halbes Hundert der gegenwartig bestehenden öffent- 
lichen wissenschaftlichen Bibliotheken und gelehr- 
ten Privatsammlungen Bayerns werden unter ei 
gehender Würdigung ihrer geschichtlichen Entwick 
lung behandelt und wertvolle Literaturnachwelse 
beigegeben. Als Vorarbeit für das neu zu bearbei- 
tende Schwenke’sche Adreßbuch der deutschen 
Bibliotheken bedeutet dieses Werk auf seinem ce 
biete einen Markstein in der rüstig fortschreitenden 


Arbeit an der deutschen le 
Basckt. 


144 


_ Mai-Juni 1926 


Curt Wesse, Die Himmels-Tiere. Vorgeschichte 
` eines Bildhauers. Roman. Berlin, Deutsche Buch- 
gemeinschaft, 1925. 

In dem Buche kommen zwei, höchstens drei 
kurze Gespräche vor; alles andere ist Bericht und 
Wiedergabe des Dichters. Was als künstlerische 
Schwäche erscheinen mag, ist offenbar Absicht. 
Denn die Bemühung, den erwachenden schöpferi- 
schen Menschen glaubhaft zu machen, ist für das 
: früheste Vorstadium auf Abhorchen angewiesen. 
Und noch niemals ist wohl in einem Entwicklungs- 
roman die Kindheitsdarstellung so mit der Früh- 
zeit erster Regungen begonnen worden wie hier. 
Sonst wurde die Entwicklung bis zum Erwachen 
und Bewußtwerden geführt, d.h. bis zudem Augen- 
blick, da die Trennung von Ich und Du, von innerer 
eigener Welt und der außerhalb existierenden Welt 
eintritt, bis zu dem Augenblick, da also das Tor 
geöffnet wird oder ein Bruch eintritt. Hier aber 
bleibt auf jeder erreichten neuen Stufe die Bindung 
bestehen und muß bestehen bleiben, weil es sich 
um einen werdenden Künstler handelt. Ist nun 
von Wesse die früheste Zeit gerade mit besonderen 
Feinheiten gestaltet, so springt hernach eine deut- 
liche Schwäche fühlbar heraus: die ganze Ange- 
legenheit mit den Ratten; denn hier merkt man 
das Konstruierte um der Formel willen, daß Gott 
für den Künstler in jeder Kreatur lebt. Irgendwie 
spürt man natürlich auch, wie sehr das Ganze ein 
Auftakt, ein Anfangskapitel ist. Daß man dem 
stark erfühlten Buche mit ganzem Interesse folgt, 
soll gern und dankbar ausgesprochen sein. 

Hans Knudsen. 


Wilhelm Widmann, Wilhelm Tells dramatische 
Laufbahn und politische Sendung. Mit 76 Bildern. 
Berlin, F. Fontane & Co., 1925. 

Der bewährte Theaterchronist Widmann gibt 
einen zutreffenden, auch dem Kundigen Neues 
bietenden Überblick der Stoff- und Bühnenge- 
schichte des Telldramas. Im Mittelpunkte steht 
selbstverständlich Schillers unsterbliches Werk, 
sein Werden, die ersten und die späteren Auf- 
führungen, sowie alles, was sich aus der Kritik der 
Zeitgenossen darüber auffinden ließ, die Travestien 
und die ihnen oft nahekommenden Bearbeitungen. 
Die Theatergeschichte Deutschlands im 19. und 
20. Jahrhundert zieht an uns vorüber, erläutert 
durch viele, zum Teil früher nicht veröffentlichte 
Bilder. P—e. 


Adolf Winds, Geschichte der Regie. Mit 6 Skizzen 
im Text und 145 Bildern auf 90 Tafeln. Stuttgart, 
Deutsche Verlags-Anstalt, 1925. 

„Entschwundenes, wie die transitorische Kunst 
des Theaters, ist in jedem Falle schwer anschaulich 
zu machen.“ Mit diesem Satze hat Winds die 
Hauptschwierigkeit seines Unternehmens richtig 
bezeichnet, nicht nur für die Darstellung der antiken 


Beibl. XVIII, 11 I45 


Kleine Mitteilungen 


Zeitschrift für Búcherfreunde 


Zeit, der die Worte gelten, auch für alle folgenden 
Zeiten einschließlich der Gegenwart. Forschung 
kann äußere Gestalt und Rahmen vielfach genau 
feststellen; alles, was unter den Begriff ,,Innen- 
regie“ fällt, bleibt meist im Dunkeln, in jedem 
Falle schwer umschreibbar. Winds hat die wich- 
tige Aufgabe für das rezitierende Drama zum ersten 
Male behandelt und so weit gelöst, wie es mit Hilfe 
von Wort und Bild möglich ist. Reichstes Wissen 
und reichste Bühnenerfahrung, Schriftstellergabe 
und sichere Methode standen ihm dafür zu Ge- 
bote. So entstand ein höchst lesenswertes, reich 
geschmücktes Buch, dem Geschichtsfreunde, dem 
Kunsthistoriker, dem Theaterliebhaber mit ern- 
sterem Interesse zu gleichem Gewinn. Mit Recht 
fällt das Schwergewicht auf die jüngste Epoche, 
deren verschiedene dramatische Gestaltungsarten 
hier in einem lebensvollen Spiegelbilde erscheinen. 
G. W. 


Kleine Mitteilungen 


Die Auflösung der dänischen Adelsbibliotheken. 
Seit der gesetzlichen Aufhebung der dänischen 
Lehnsherrschaften hat in wachsendem Maße der 
Vorgang der Liquidation der Kunst- und Bücher- 
schätze eingesetzt, die sich seit Jahrhunderten in 
Dänemarks zahlreichen schönen Herrenhöfen ange- 
sammelt haben. Die bedeutenden Lasten, die die 
neue Gesetzgebung den bisherigen Lehnsbesitzern 
auferlegt, setzen diese außerstand, den überkom- 
menen Familienbesitz zu erhalten und zu pflegen, 
und nötigen sie zum Verkaufe wertvoller Bestand- 
teile ihres Erbes. Schon ist das Kunstgut der 
Herrenhöfe zu erheblichem Teile aus seinen alten 
Stätten abgewandert; das Nationalmuseum in 
Schloß Frederiksborg hat in geschickter Ausnut- 
zung der Konjunktur eine stattliche Anzahl kunst- 
und kulturgeschichtlich wertvoller Bildnisse aus 
Adelsbesitz erworben. Nun kommen auch die Bi- 
bliotheken an die Reihe. Die Versteigerung eines 
Teiles der Büchersammlung auf Holsteinborg, so- 
wie die der Bibliothek des Grafen Bille-Brahe- 
Selby auf Hvedholm ist in Kopenhagen angesagt; 
unzweifelhaft werden früher oder später andere 
folgen. Ohne eben in die Reihe der Großbiblio- 
theken zu gehören, enthalten die Búchersammlun- 
gen des dänischen Adels doch Wertvolles und In- 
teressantes in reicher Fülle. So finden sich in 
ihnen, wie wir einem Aufsatze von Dr. Lauritz 
Nielsen entnehmen, zahlreiche kostbare englische, 
französische und holländische Kupferwerke, meist 
über Geographie, Reisen und Architektur. Für 
die dänische Geschichte sind die umfassenden Be- 
stände an ortsgeschichtlicher Literatur und an 
Leichenpredigten von Wert. Holsteinborg besitzt 
eine große Seltenheit, die nicht mit zur Verstei- 
gerung gebracht wird: eine Lutherbibel von 1543 


146 


Mai-Juni 1926 


mit eigenhandigen Eintragungen von Luther, Me- 
lanchthon, Bugenhagen und anderen deutschen Re- 
formatoren. Die Bestände an schöner Literatur 
pflegen mit den französischen Klassikern des 17. 
und 18. Jahrhunderts einzusetzen, unter denen 
Voltaire besonders reich vertreten ist, und ent- 
halten dann große Serien der deutschen Literatur 
bis auf Schiller und Goethe. Auf diesen Gebieten 
dürften zahlreiche wertvolle Erstausgaben zum 
Vorscheine kommen. Luxusexemplare und kost- 
bare Einbände finden sich in beträchtlicher Anzahl. 
Von den Handschriftensammlungen ist eine der 
bedeutendsten durch Schenkung an die kgl. Bi- 
bliothek in Kopenhagen übergegangen: die etwa 
1000 Nummern umfassende aus Schloß Ledreborg, 
die besonders für die Geschichte der Hansastädte 
und Schleswig-Holsteins von Bedeutung ist; übri- 
gens stammt aus dem schon vor einem Jahrhun- 
dert erfolgten Verkaufe der älteren Ledreborger 
Bibliothek die etwa 2000 Nummern umfassende 
Luthersammlung der Kgl. Bibliothek zu Kopen- 
hagen. 

Schon jetzt kann man bei den Kopenhagener 
Antiquaren nicht selten prachtige alte Werke in 
kostbaren, mit Adelswappen geschmückten Ein- 
bänden finden, die aus alten Herrenhofsbeständen 
auf den Markt gelangt sind. Hoffentlich kommen 
bei ihrer weiteren Auflösung die Wertstücke in die 
rechten Hände. r. 


Ein Kuriosum. In den „Historicttes‘ des Tal- 
lemant Des Réaux, die 1833 erstmalig erschienen 
und deren Manuskript auf etwa 1657 zurúckgeht, 
findet sich die folgende sehr unterhaltsame und 
jeden Bibliophilen und Freund von Kuriosis ge- 
wiB interessierende Anmerkung: 

„Bezüglich der Spanier“, heißt es da, „möchte 
ich von einem Buch sprechen, das unauffindbar 
geworden ist, Es wurde 1554 in Antwerpen bei 
Martin Xucio gedruckt; Verfasser ist ein gewisser 
Hieronymo San-Pedro Valentiano, der, um die 
Freude an der Lektüre der Heiligen Schrift zu 
steigern, das Alte Testament zunáchst in einen 
Ritterroman umgedichtet und es betitelt hatte: 
Libro de cavalleria celestial de pie de Rosa fra- 
gante cuyo spave ensena la marevigliosa fabrica 
de las tablas redondas del Cielo y suelo, y la crea- 
cion de los cavalleros celestiales y terrenales che 
las gezaron. — Tam bien muestrala esperitual ca- 
valleria de los esclarecidos Patriarcas, Profetas y 
Sacerdotes, Juezes, Capitanes y Reyes del pueblo 
hebreo y las maravillas che hizieron en armas spi- 
rituales en la venturosa demanda de Christo, ca- 
vallero del Leon. — Van encheridos en la litteral 
historia muchos sentimientos allegoricos y morales. 

Sein Buch ist anstatt in Kapitel in zwólf Aben- 
teuer aufgeteilt. Zum Beispiel berichtet das erste 
Abenteuer: como el Emperador Dios omnipotente 
crio las doz tablas redondas del cielo y de la tierra, 


147 


Bibliographie des Buchwesens 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


y las admirables maravillas que obro en ellas. — 
Die Schlange heißt er: elcavallero della Sierpe, — 
die Engel: los cavalleros esperituales delia tabla 
redonda del cielo; — die Menschen: los cavalleros 
terrenales; — el principe Adam y la hermosa prin- 
cipessa Eva. — Das siebente Abenteuer besagt: 
Como se combatio el padre Adam contra el caval- 
lero della Sierpe, y quedo vincido Adam en la 
batalla.‘ . 

Tallemant gibt noch einige weitere Beispiele. 
Hier mögen diese genügen, um den Bibliophilen 
anzuspornen, dieses amüsante Buch zu finden, das, 
wie man hört, im 17. Jahrhundert schon vergriffen 
war. Schwabach. 


Die Jahresberichte des Literarischen Zentralblatts 
erscheinen für 1925 in Form eines großen, sachlich 
gegliederten Titelregisters. Der Teil, der die Bi- 
bliographie des Buch- und Schriftwesens für 1925 
enthält, ist für unsere Leser von besonderem Werte, 
und wir begrüßen es daher mit herzlichem Danke, 
daß der Verfasser, Herr Oberbibliothekar Dr. Eber? 
von der Deutschen Bücherei in Leipzig, sich gütigst 
bereit erklärt hat, Sonderdrucke auf an ihn ge- 
richteten Wunsch kostenlos zur Verfügung zu 
stellen. 


Bibliographie des Buchwesens 


In Auswahl für den Bibliophilen zusammengestellt von 
Dr. O. E. Ebert, Oberbibliothekar an der Deutschen Bücherei 


ALLGEMEINES UND BIBLIOGRAPHIE 


Adreßbuch der Antiquare Deutschlands und des gesamten 
Auslandes. Mit selbstbiogr. Beitr. bedeutender Antiquare. 
Dg. 1.] 1926. Weimar, Straubing & Müller (1926). 
200 S. Gr.- 80. Lw. 6.75. 

Archiv für Bibliographie, Buch- und Bibliothekswesen. 
Revue de bibliographie, des livres et des bibliotheques. 
Review of bibliography, book-love and libraries. Hrsg. 
von Moriz Grolig. Jg. 1. 1926. (4 Hefte) Linz a. D., 
F. Winkler 1926. Gr.-8%, Jährl. 12.—, dst. Sch. 20.—. 

Blaser, F.: Bibliographie 1925 zur Geschichte des Buch- 
drucks und der Presse in der Schweiz. In: Schweiz. 
Gutenbergmuseum 12, 15—18, 

Ebert, O. E.: Allgemeines. Buch- und Schriftwesen. 
In: Jahresberichte d. Literar. Zbl. 2, I—14. 

Horn, E.: Was ist Bibliographie? In: Archiv f. Biblio- 
graphie, Buch- u. Bibliothekswesen I, 1— 10. 

Kozma, Ludwig: Das Signetbuch. Mit e. Einleitung 
von Emerich Kner, Gyoma, Isidor Kner; Wien, W. 
Braumüller & Sohn 1925. XX S. u. so Taf. Ki.-$". 
Hlw. 6.—. 

Kummer, M.: Bücherverluste durch Brände oder wider- 
liche Naturereignisse aus dem letzten halben Säkulum. 
In: Mn. aus d Antiquariat 1, Nr. 1 (Bbl. f. d, dtsch. 
Buchh. 93, Nr. 34). 

Theele, Josef: Die Buchkunst auf der Jahrtausendaus- 
stellung der Rheinlande. In: Der Feuerreiter 2, 41 — 43. 

Wangart, S.: Von der neuen Buchkunst im Rhein- 
Maingebiet. In: Gebrauchsgraphik 3, H. 3. 

* 

Baader. — Bibliographie der Schriften Franz v. Baaders. 
Mit kurzem Lebensabriß. Von J. Jost. In: Rhein. 
Buch-Anzeiger I, 133—155. 


148 


Mai- ſuni 1926 
Bay ros. — Brettschneider, Rudolf: Franz von Bayros. 
Bibliographie s. Werke u. beschr. Verz. s. Exlibris. Mit 
e. biogr. Einleitg. Leipzig, Adolf Weigel 1926. XVII, 

83 S., mehr. Taf. 80. Pp. 8.—; Hldr. 12.50. 

Ernst. — Paul Ernst. I. Biographisches. 2. Literatur. 
Zsgest. von W. Frels. In: Die schöne Literatur 27, 
101-105. 

Lessing. — Lessing - Bibliographie fiir 1916-1920. 
Zsgest. von Rudolf Borch. In: Lessing-Buch, Berlin, 
E. S. Mittler & Sohn 1926. S. 67—85. 

Luther. — Bibliographia Lutherana. Zum 50. Geburts- 
tag von Arthur Luther. Leipzig 1926 (: Radelli & Hille). 
42 S. Gr.-8% 100 Ex. Privatdr. 

Mann. — Das Werk Thomas Manns. Bibliographie 
(„ umfass. d. Veröffentlichungen bis z. 31. Dez. 1925) 
von Gerhard Jacob. Berlin, S. Fischer 1926. 54 8. 
80. 3.50. 


SCHRIFT UND HANDSCHRIFTENKUNDE 


Ausstellung. — Österreichisches Museum f, Kunst u. 
Industrie. Internationale Ausstellung moderner künst- 
lerischer Schrift, Wien, vom 1. April bis 31. Mai 1926. 
Wien, Krystall-Verlag 1926. 53 S. [, 29 Taf.] 8". 

Conrad, R.: Frankfurt-Offenbach und die deutsche 
Schriftentwicklung seit der Jahrhundertwende. In: Ge- 
brauchsgraphik 3, H. 3. 

Crous, Ernst: Die Campe-Fraktur. „Der Einsiedler von 
Warkworth", Ein Beitr. zur Geschichte d. Schriftreform 
u. Literatur d. 18. Jh. Berlin, H. Berthold, Abt. Privat- 
drucke 1925. 43, XI S. 4% = Bertholddruck. 13. 
In 350 num. Ex. 3.—. 

Fischer, G.: Joan Michael Fleischmann. In: Das Schiff, 
Beibl. d. Typograph. Mn. 22, 31. 

Fraktur oder Antiqua? Zwei Berliner Beiträge z. Schrift- 
frage aus d. 18. Jh. Eine Besprechg. von Friedrich 
Nicolai u. e. Denkschrift d. Preuß. Staatsministers Philipp 
Karl Graf v. Alvensleben. Hrsg. von Ernst Crous. 
Berlin 1926 (: Arthur Scholem). 53 S. Gr.-8% 222 Ex. 
Nicht im Handel. 

Frank, Rafael: Über hebräische Typen und Schriftarten. 
Mit e. Nachw. von Jacques Adler hrsg. von der Schrift- 
gießerei H. Berthold. Berlin, H. Berthold, Abt. Privat- 
drucke 1926. 39 S. 4° (Bertholddruck. 16.) 

Heinrichsen, F.: Schriftschreiben in unseren Tagen. 
In: Gebrauchsgraphik 3, H. 3 mit Abb. 

Hilliger, B.: Die Manesse-Handschrift. Beobachtungen 
bei ihrer Auseinandernahme, In: Zbl. f. Bibliotheks- 
wesen 43, 157—172. 

K ünstlerschriften der Gießereien. In: Dt. Buchdrucker- 
Kalender 23, 101—122. 


(Unger, Jobann Friedrich:) Denkmahl eines berlinischen 
Künstlers und braven Mannes von seinem Sohne, (Nache: 
Flodoard Frhr. von Biedermann. Berlin 1926, Otto 
v. Holten.) 19 S. 8% 250 Ex, Nicht im Handel. 


BUCHDRUCK 


Dietrich, E. V.: Der Buchdruckerkunst erster Märtyrer. 
In: Rhein. Schatzkästlein 3, 54—68. 

Fluri, Ad.: Fragment eines Donat-Holztafeldruckes. In: 
Schweiz, Gutenbergmuseum 12, 3—8. N 

H ilberer, J.-E.: Une famille d'imprimeurs. In: Schweiz. 
Gutenbergmuseum II, 151— 153. 

200 Jahre Druckerei G. Hunckel, Bremen, 1826—1926. 
Hrsg. aus Anl. d. Hundertjabrfeier. (Bremen 1926, 
G. Hunckel) XX, 52 S. 4°. Nicht im Handel. 

Lüthi, K. J.: Der Buchdruck im Laufe der Zeit. In: 
Schweiz. Gutenbergmuseum 12, II—I5. 

Rodenberg, J.: Über neuere englische Typographie. 
In: Monatsbl. f. Bucheinbände u. Handbindekunst 2, 


(Schulte-Strathaus, Ernst:) Wiegendrucke. Mit_150 
Abb. von Typen, Holzschn., Miniaturen u. Einbänden. 
Katalog 59 von J. Halle, Antiquariat, München. 1926. 

VIII, 154 S., 131 S. Abb. AN, 10—. 


149 


Bibliographie des Buchwesens 


Zeitschrift für Bücher freunde 


Stolik, K.: Was ist „Elementare Typographie“? In: 
Graph. Revue 27, 135—137. 

Tschichold, J.: Elementare Typographie. 
graph. Mn. 22, 198—200. 

Wiegand, F.: Die Entstehung und Entwicklung des 
Steindrucks in Bremen. In: 100 Jahre Druckerei G. 


In: Typo- 


Hunckel, Bremen. Bremen 1926. S. I—50. 
BUCHILLUSTRATION 
Braungart, R.: Alois Kolb als Buchkünstler. In: Die 
Kunst 27, 224—232 m. Abb. 
Mente, O.: Hlustration im Offsetdruck. In: Deutscher 


Buch- u. Steindrucker 31, 913—919. 


BUCHEINBAND 


Endres, H.: Programmatisches zur deutschen Einband- 
forschung des 15. Jahrhunderts. In: Zbl. f. Bibliotheks- 
wesen 43, 172—174. 

(Eule[, W.]:) Wertarbeit des Buchbinders. Den deutschen 
Buchhändlern gewidm. zur Kantate 1926. Leipzig, Groß- 
buchbind. Gebr. Hoffmann 1926. [15 S.] 16°, 

Gottlieb, Th.: Englische Einbände des XII. Jahrhunderts 
in französischem Stil. In: Belvedere 9/10, 15—23 m. 
6 Abb. 

Husung, M. J.: Bucheinband und Graphik (Der Meister 
IB). In: Archiv f. Buchbinderei 26, 17—20 m. Abb. 

Loubier, Hans: Der Bucheinband von seinen Anfängen 
bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. 2., umgearb. u. 
verm. Aufl. Mit 232 Abb. Leipzig, Klinkhardt & Bier- 
mann 1926, VII, 272 S. 4% = Monographien d. Kunst- 
gewerbes. Bd. 21/22. 12.—; Hlw. 15.—. 

Reinecke, W.: Lüneburger Bucheinbinde. In: Monatsbl. 
f. Bucheinbände u. Handbindekunst 2, H. 10/11. 

Schmidt, A.: Lederschnittbände des XIV. Jahrhunderts. 
In: Zs, f. Bücherfreunde N. F. 18, 17—20 m. Abb. 

Theele, J.: Meisterwerke der Einbandkunst in der Preu- 
ßischen Staatsbibliothek. In: Journal f. Buchbinderei 

Weiße, Franz: Buchbinder und Bücherfreund. In: Allg. 
Anz. f. Buchbindereien 4I, 265— 266. 


SAMMELWESEN 
Allgemeines 
Bernus, H.: Le plus grand bibliophile anglais du 
XVIIIe siècle. In: Schweiz. Gutenbergmuseum 12,9—II. 
Hirschberg, L.: Salomon Geßner als Selbst-Illustrator. 
Aus d. Sphären d. höheren Bibliophilie. In: Der Kunst- 
wanderer 8, 281 — 282. 
Müller, H. v.: Der Vater der deutschen Bibliophilie 
Eduard Grisebach. In: Die literar. Welt 2, Nr. 12. 
Noväk, A.: Alte tschechische Bibliophilen. In: Dichtung 
u. Welt (Beil. z. „Prager Presse“) 10. 1. 26. 

Seymour de Ricei: Die moderne Bibliophilie in Frank- 
reich 1900 - 1925. In: Dichtung u. Welt (Beil. z. 
„Prager Presse) 1926, Nr. 15. 


ünstlerische Drucke 


Abraham a Santa Clara. — Die Buchgewerbe in den 
Traktaten Etwas für Alle des P. Abraham a Santa Clara. 
Mit d. Kupfern von Christoph Weigel. Eingeleit. von 
Alois Jesinger. Wien u, Berlin, H. Berthold Schrift- 
gießerei, Abt. Privatdrucke 1926. XIV, (2,] 89 S. 80, 
400 Ex. (Bertholddruck. 15.) 

Dehmel, Richard. — Fünfzig Sprüche Richard Dehmels. 
Für Walter Tiemann z. 50. Geburtstag gesammelt von 
Gustav Kirstein, Karl Klingspor, Carl Ernst Poeschel. 
[Leipzig, Poeschel & Trepte 1926.] 52 S. 8°, Nicht 
im Handel. 

Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung. Die von 
Johann Philipp Palm, Buchhändler zu Nürnberg, (1806) 
verlegte anonyme Kampfschrift, Nach d.ursprüngl. Fassg. 
neu gesetzt u. gedr. Stuttgart, Union 1926. V, 101 8. 
Gr,-8° = Juniperuspresse. Neue Reihe, Druck 6. 
Lw. 12.—. 


150 


Mai- Juni 1926 


Drei Alt-Berliner Drucke und ein Blatt von J. G. J. 
Breitkopf in Leipzig. Neu gedr. (Geleitw.:] F. Helm- 
berger.) Berlin 1926: Reichsdruckerei. [4 S., 4 Bl.] 4°. 
200 Ex. (Dem Berliner Bibliophilen-Abend zum 19. Febr. 
1926 gewidm. von d. Direktion d. Reichsdruckerei.) 

[Gleim, Johann Wilhelm Ludwig:] Keisegespräch des 
Königs im Jahr 1779... Vom Verf. d. preuß. Kriegs- 
lieder, i. J. 1784. Halberstadt. (Neudr. Berlin, Berliner 
Bibliophilen- Abend 1926.) 56 5. Kl.-35% 300 Ex. 
(Vereinsgabe f. d. Mitgl.) 

Kleist, Heinrich von: Ode an Friedrich Wilhelm den 
Dritten. (Hrsg.] von Paul Hoffmann. Faks.-Ausg. d. 
1. Druckes d. Berliner Bibliophilen-Abends zu s. Stiftungs- 
feste 1926 gewidm. von Ewald v. Kleist u. Richard 
v. Kehler. Berlin 1926. 8 S. 4°. 

Müller, Hans v.: Das künstlerische Schaffen E.T. A. Hoff- 
manns, in Umrissen angedeutet. Mit e. Steinzeichn. von 
Hugo Steiner-Prag. Leipzig, Gesellschaft d. Freunde d. 
Deutschen Bücherei 1926. 39 S. Gr.-5% 1000 Ex, Nicht 
im Handel. 

Plato. — Die Schöpfungsgeschichte in Platons Timaios. 
Übertr. von Kurt Hildebrandt. (Halle a. d. S., Werk- 
stätten Burg Giebichenstein 1925.) [15 S.] 4% 100 Ex. 
Hpergbd. 13.50. 

Roetherdruck- Kalender 1926. (Mit prophetischen 
Worten großer Deutscher um die Wende d. 18. Jh. u. 
Sprüchen d. chines. Weisen Lao-tse.) Darmstadt, Roether- 
druck G. m. b. H. (1925.) [42 S.] 8% Nicht im Handel. 

Schäfer, Wilhelm: Jakob Imgrund, Chemnitz, Gesell- 
schaft d. Bücherfreunde zu Chemnitz 1925. 130 S. Gr.-8°, 
500 Ex. (Veröffentlichung 20 = Ord. Veröffentlichung 7 
== 2. Jahresgabe 1925.) 

Strauß, Ludwig: Das Antlitz im Gestirn. Chemnitz, Ge- 
sellschaft der Bücherfreunde zu Chemnitz 1925. 33 8. 
4°. 550 Ex. (Ord. Veröffentlichung 6 I, Jahres- 
gabe 1925.) 

Suezkint der jude von trimberg: minnclieder. (Der text, 
nach d. einzigen niederschrift in d. manessischen lieder- 
handschrift zu heidelberg, folgt d. Ausg. friedrich hein- 
rich von der hagens, Berlin, Soncino-Gesellschaft 1926.) 
6S. 4°. Boots Nicht im Handel. (Publikation der 
Soncino-Gesellschaft d. Freunde d. jüdischen Buches. 4.) 

Tornius, Valerian: Der Eroberer. Eine Szene aus d. 
Zeit d. Renaissance. (Leipzig [1926], Poeschel & Trepte.) 
19 S. 4°. 150 Ex. (Aus Anlaß d. 7. Jahresfeier d. Leip- 
ziger Volksakademie gestiftet.) 

Die Stadt Zwickau, (Hergest. nach e. Handschrift von 
Hildebrand Gurlitt u. mit e. Beitr. vers. über die Zwickauer 
Ratsschulbibliothek von Otto Clemen. Bilder von Walter 
Geßner. Zwickau [1926], Förster & Borries.) 24 S. 8°. 


400 Ex. Nicht im Handel. 


Illustrierte Bücher 


Brumof, Therese. — Ludwig, Erna: Lothar Quadrat. 
Erzählg. Ill. von Therese Brumof. Berlin, Reuß & 
Pollack 1926. 78S. 8% Hlw. 3.50. 

Caspar, Karl. — Weiß, Konrad, u. Karl Caspar: Die 
kleine Schöpfung. (Die Federzeichn. Karl Caspars wurden 
von Albert Fallscheer in Holz geschn.) München, Georg 
Müller 1926. 72 S. 4°. In 300 num. Ex., Hperg. 45.—. 

Ebers, Hermann. — Mörike, Eduard: Mozart auf der 
Reise nach Prag. Mit 4 farb. u. vielen schwarzen Bil- 
dern von Hermann Ebers, Leipzig, Abel & Miiller 
[1926]. 105 S. 8°. 

Gruner, Erich. — Eichendorff [, Josef Frh. von]: Aus 
dem Leben eines Taugenichts. Novelle. Mit 9 Ill, von 
Erich Gruner. Leipzig, Fikentscher 1926. 96S. 8° = 
Raben-Bücherei. [1.] 1.—; Lw. 2.50, 

Lorenz, Karl. — Die Gesänge am Meer. Dichtg. u. 
Holzschn. von Karl Lorenz. Gesang 1. 2. M{[alente]- 
Gr[emsmiihlen, Ost-Holstein] 1926: Turmpresse. (50; 
50 Bl.) 53,5X38 cm [= Werke d. Turmpresse. 9.) 
25 num, Ex., in losen Bogen je 920.—. 


151 


Kataloge 


Zeitschrift für Bücherfreurd: 


Richter, Erik. — Büchner, Georg: Woyzeck. ti: 
Tragödie. (Die Zeichnungen sind von Erik Richter 
Berlin 1925, Gebr. Mann.) 38 S. 2% 250 Ex. Privatc. 

Walser, Karl. — Goethe: Gedichte. (Abt Ill. von gra-. 
Künstlern d. Gegenwart.] Bd. 4. Berlin, Paul Cast: 
1926.) 40 S., 29 Bl. unt. Passepartout. 2°. In Hperg- 
Mappe 300.—. 


Exlibris 

Hoffschulte, K.: Alte Ärzte- und Apotbeker El 
In: Hellweg 6, 105—107 m. Abb. 

Scheiner, O.: Ex-Libris-Kunst. In: Rhein, Sebatzk:st- 
lein 3, 28—35 m. Abb. 


Kataloge 


Zur Vermeidung von Verspätungen werden alle Kataloge an die Aires 
des Herausgebers er beten 


Theodor Ackermann In München, Nr. 593. Vermischtes. 1126 Nz. 

Joseph Altmann in Berlin W 10. Nr. 31. Philosophie, Soz. 
mus, 724 Nro. 

Joseph Baer 4 Co. in Frankfurt a. H. Nr. 719. Autocrajten. 
II. Teil: Briefe und Handschriften von Dichtern, Schriftew.ern 
und Gelehrten, bildenden Künstlern, Musikern, Komponiste: 
und Schauspielern. 3010 Nro. — Nr. 721. Bibliotheca biogra;\!: 
Teil III P—Z und Nachtrag, nebst Register zur BibliotLeca ba: 
graphica. Nr. 3864—5861. — Nr. 723. Kunstgeschichte. 2301 A. 

Friedrich Cohen in Bonn. Rheinischer Buch- Anzeiger IV, I. 
Philosophie, Literatur, Kunst. 300 Nrn. 

Dr. phil. Franz Cohn in Berlin- Wilmersdorf. Nr. 19. Moderne 
Drucke. 417 Nro. 

Rudolf Geering in Basel. Basler Bücherfreund II, 1-3. Mars · 
skripte, Inkunabeln, Berühmte Pressen (Bodoni-Drucke), Blue 
graphie, Faksimile-Ausgaben usw, 705 Nrn. mit 14 Tafeln aod 
zahlreichen Textbildern. 

H. Gilhofer & H. Ranschburg in Lusern. Nr. 6. Stiche und Re 
dierungen alter und moderner Meister. 629 Nrn. mit zahlreiches 
Textbildern und 33 Tafeln. 

Gilhofer + Ranschburg in Wien I. Nr, 186. Bibliotheca suctoroz 
graecorum et latinorum, 1475 Nrn. — Nr. 187. Porträts ccd 
Autographen. 1988 Nr. — Nr. 189. Vermischtes. 164 Nro. 

Walter de Gruyter in Berlin NW 7. Nr. 6. Shakespeare, 442 Nro 
— Nr. 7. Kulturgeschichte. 1067 Nrn. . 

J. Halle in München. Nr. 59. Wiegendrucke. 319 Nm. mi 
150 Bildern von Typen, Holzschnitten, Miniaturen und Hr, 
binden, eingehendsten bibliographischen Angaben, sowie sech 
Registern. 

F. W. Huschke in Leipzig. Nr. 41. Biographien und Memoiren, 
Kultur- und Sittengeschichte, Autographen. 457 Nrn. 

Leopold Heidrich in Wien I. Anzeigen. Nr. 9. 398 Nrn. 

Dr. Hellersberg in Charlottenburg. Nr. 10. Germanische Tex 
des Mittelalters. 529 Nrn. — Nr, 11. Germanische und inte 
germanische Sprachwissenschaft, 830 Nrn. 

Kurl W. Hiersemann in Leiprig. Nr. 562. Incunabula, darunter 
ein Druck von Johann Gutenberg: Mattheus de Cracovis, Main! 
1459, drei Drucke von Fust und Schöffer, darunter der erst? 
Cicero, Mainz 1465, schöne Holsschnittbücher eto. 155 Nm. Mi 
Textbildern, 2 Tafeln und 8 Registern. — Nr. 563. Geogrsphit 
Kartographie, Reisen. 1150 Nm. — Nr. 564. Orientalische boo 
818 Nrn. 

Emil Hirsch in München. Nr. 58. Incunabula ram ot cori 
saeculi XVI. 839 Nrn. mit einer farbigen und zwölf nn 
Tafeln, zahlreichen Textbildern, sorgsamen bibllogrephik rer 
Angaben und fünf Registern. 

Rudolf Honisch in Leipzig S 3. Nr. $1. 

Joseph Jolowica in Berlin W 15. Nr. 187. Deutsche Li 
Germanlsche Philologie, Folklore. 148 Nrn. Musik 

Karl 4 Faber in München. Nr. 22. Goethes Zeit in der Ss 
Originalausgaben deutscher Liederkompositionen, Au, 
und deutsche Literatur in Erstausgaben. 1064 Nrn. — Klasi 
und Romantiker. 174 Nrn. Arsch. 

Franz Leuwer in Bremen. Graphik, Vorzugs- und Pres "m 

G. Ragocry in Freiburg i. Br. Nr. 89. Vermischtes. 

Gustav Ranschburg in Budapest IV. Nr. 113. Bibliotbecs 
rica I: Geschichte Ungarns bis 1526, 849 Nrn. atus, 

Werner Schateki in Frankfurt a. M. Nr. 6. Deutsche Liter 
148 Nrn. 

H. L. Schlapp in Darmstadt. Nr. 4, Hassiaca. 232 Nm. hrifteo 

Ferdinand Schóningh in Osnabrück. Nr. 231. Hand und 
Inkunabeln, Geographie, Geschichte, Philosophie, Deuts 
fremde Literatur, 2091 Nrn. des XV. 

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und XVI. Jahrhunderts, Manuskripte, Stádteansichto2: 
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Breslau 
Von Arthur Landsberger. Mit 155 Abbild. M. 7.— (Bd. 75) 


München 


Von Artur Weese. Mit 264 Abbildungen M. 12.— (Bd. 69/70) 


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Von Hermann Schmitz. Mit 190 Abbildungen M. 7.— (Bd. 45) 


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Naumburg und Klerſeburg 
Von Heinrich Bergner. Mit 190 Abbildungen M. 7.— (Bd. 47) 
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Von Oscar Doering. Mit 167 Abbildungen M. 7.— (Bd. 71) 


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rsetzung von Wolf Graf Baudissin bearbeitet von Dr. Elisabeth Levy. Mit einem Vorwort 
von Julius Bab und mit sechzehn farbigen Beilagen in Offsetdruck nach Bildern von Hans Hol- 
bein dem Jüngeren. Luxusausgabe: 200 numerierte Exemplare auf Bütten, in Maroquin oder 
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545: Autographen und Urkunden. 992 Nummern. 

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: Rußland, Ukraine, Krim. 1176 Nummern. 

: Afrika, Ägyptologie. 802 Nummern. 

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Amerika. 184 Nummern. 

: Kostüme und Uniformen. 858 Nummern. 

: Inkunabeln. 155 Nummern. Mit 22 Abbild. 

: Geographie. Kartographie. Reisen. 1150 Nrn. 

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reichen Führer durch die Straßen und Plätze geleitet. 

Um sıch in Rom empfangene Eindrücke wieder wach- 

zurufen, kann man sich keine bequemere und übersicht- 

lichere Darstellung wünschen. Das ist Rom. Das ist das 

schéne, gliickliche, begliickende Buch, das ein Dichter 
und Kenner seinem Volke geschenkt hat.“ 


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des Autors in den Hintergrund vor dem geschilderten Erleben, vor 
den düstersschönen Landschaften, den anders Menschen 
und seltsamen Tieren, von denen uns der Verfasser mit einer Sprache 
von ganz einzigartiger Plastik und voll von Rhythmus erzählt. 


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Welt zu Beginn des technischen Zeitalters. Seine Briefe go 
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XVIII. Jahrgang Juli-Oktober 1926 Heft 4/5 


Verein „Deutsche Buchkünstler“ 


Hauptversammlung: Der Verein „Deutsche Buchkünstler“ hat in seiner letzten Vollversamm- 
lung, die in der Staatlichen Akademie zu Leipzig stattfand, C. O. Czeschka (Hamburg), 
F. H. Ehmcke (München), Erich Gruner (Leipzig), Rudolf Koch (Offenbach), Georg 
A. Mathey (Leipzig), Emil Orlik (Berlin), Paul Renner (München), Ernst Schneidler 
(Stuttgart), Hugo Steiner-Prag (Leipzig), Walter Tiemann (Leipzig), E. R. Weiß (Berlin) 
und Heinrich Wieynck (Dresden) in den Vorstand gewählt. Der langjährige Vorsitzende 
des Vereins, Prof. Dr. h. c. Walter Tiemann, legte sein Amt wegen Arbeitsüberbürdung 
nieder. An seine Stelle wurde Prof. Hugo Steiner-Prag in Leipzig zum ersten Vor- 
sitzenden gewählt. 


Heinz König. Der verdienstvolle Altmeister der Schriftkunst, Schöpfer vieler weitverbreiteter 
Druckschriften, Heinz König in Lüneburg, feierte am 29. Februar 1926 seinen 
70. Geburtstag, 


Rudolf von Larisch. Anläßlich des 70. Geburtstages seines korrespondierenden Mitgliedes, 
Professor Rudolf von Larisch in Wien, hat der Verein gemeinsam mit der Staatlichen 
Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig eine von F. H. Ehmcke 
in München verfaßte Monographie über die Persönlichkeit und das Werk heraus- 
gegeben. Die Herstellung des Werkes erfolgte auf den Pressen der Staatlichen Akademie 
zu Leipzig in einer einmaligen Auflage von 150 Stück. 


Neue Mitglieder. Prof. Ignaz Wiemeler in Leipzig, Prof. O. H. W. Hadank, Prof. Tobias 
Schwab in Berlin und Anna Simons in München wurden zu ordentlichen Mitgliedern 
ernannt. 


nternationale Buchkunst-Ausstellung Leipzig 1927. Der Verein veranstaltet in der Zeit vom 
15. Januar bis 15. März 1927 in sämtlichen Räumen des Kunstvereins im Museum der 
bildenden Künste eine Internationale Ausstellung von Werken seiner deutschen und 
ausländischen Mitglieder. Anfragen, die die Ausstellung betreffen, sind zu richten an 
Prof. Hugo Steiner-Prag, Leipzig C 1, Staatliche Akademie, Wächterstr. 11. 


\ußerordentliche Hauptversammlung. Am 24. Oktober d. J. findet in Leipzig (Sitzungssaal 
der Deutschen Bücherei) eine außerordentliche Hauptversammlung statt. Gleichzeitig 
(am 23. und 24.) hält die Gesellschaft der Bibliophilen ihre Jahresversammlung in 
Leipzig ab und lädt die Mitglieder des Vereins „Deutsche Buchkünstler“ zu den 
zahlreichen und interessanten Veranstaltungen dieser Tagung ein. Das Programm 
unserer Hauptversammlung und das des Jahrestages der Gesellschaft der Bibliophilen 
wird den Mitgliedern rechtzeitig zugesandt werden. 


Der Vorstand 
Hugo Steiner-Prag 
I. Vorsitzender. 


ibl. XVIII, 13 169 170 


Juli-Oktober 1926 


Amerikanischer Brief 


Anfang des Jahres erschien bei Alfred A. Knopf 
in New York ein ebenso interessantes wie wichtiges 
Werk: Edgar Allan Poe. A Study in Genius. By 
Joseph Wood Krutch. Poes Leben hat verschiedene 
leere Strecken, mit denen seine Biographen schon 
aus Mangel an zuverlassigem Material nichts an- 
zufangen wußten. Noch schwieriger lag der „Fall 
Poe“ psychologisch. Die bisherige amerikanische 
Kritik machte den Menschen seinem Werk zuliebe 
so rein, wie es nur eben möglich war, und ging 
seiner „Abnormität“ als etwas Unamerikanischem 
vorsichtig aus dem Wege. Damit redete sie aber 
am eigentlichen Poe vorbei. Krutch nun nennt 
Poe ganz mutig und schlicht abnorm, nervenkrank, 
am Ende wahnsinnig; sein Leben wird „die Ge- 
schichte eines Mannes, der allmählich unter dem 
Einfluß einer Nervenkrankheit verfällt‘, und ge- 
nau wie sein Leben so ist sein Werk, das so er- 
schütternd schreckliche und groteske „Zustände“ 
schildern konnte, weil sie sein Urheber so er- 
schütternd allerpersónlichst durchmachte. Poes 
Kunst wird auf seine eigensten abnormen Nerven- 
zustände zurückgeführt, und seine Kritik, soweit 
sie Lehre ist, auf „eine rationalisierte Verteidigung 
der Grenzen seines eigenen Geschmacks“. Poes 
Eigenart war demnach, in einer unwirklichen Welt 
zu leben, die er sich selber schuf, weil er der Wirk- 
lichkeit in jedem Sinn impotent gegenüberstand. 
Krutch betont die unbedingte Einheit von Mensch 
und Werk und lüftet dabei auch den Schleier über 
den Zusammenhängen von Psychologie und Ästhe- 
tik. Seine neun Kapitel, die sich fesselnd und be- 
klemmend zugleich lesen, bilden den Anfang zu 
einer neuen und besseren Erklärung und Aus- 
deutung Poeschen Lebens und Schaffens, wofür 
ihm die Poe-Forschung aufrichtigen Dank schuldet. 

Das Buch ist auch noch von besonderem Wert 
für Bücherfreunde. Der Druck ist in der Scotch- 
Letter auf schottischem Papier. Über die Type 
gibt ein kurzes Nachwort des Verlegers AufschluB. 
Ihr Wesen ist in den besonders kräftigen, fast 
derben Anfangsbuchstaben zu suchen, in der vollen 
Rundheit der unteren Letter und in ihrer allge- 
meinen krausen Lebendigkeit. 

Von einem anderen tragischen Dichterleben 
handelt Al. Jennings Selbstbiographie „Through 
The Shadows with O. Henry“, das kürzlich in 
deutscher Übersetzung unter dem Titel erschien 
„Räuber und Poet. Menschenschicksale im Schatten 
des Gesetzes“ (in Toni Harten-Hoenckes Über- 
setzung bei Dieck & Co in Stuttgart). Es ist ein 
seltenes Buch und hatte schon als Lebensdoku- 
ment seinen bleibenden Wert. Es liest sich teil- 
weise wie ein amerikanisches Räubermärchen, das 
seine Krönung in seinem Poeten-Prinzen erhält, 
und teilweise wie ein düsteres Kapitel aus der 
amerikanischen Kulturgeschichte mit unvergeB- 


171 


Amerikanischer Brief 


Zeitschrift für Bücherfreund: 


lichen Lebenstragödien hinter Gefangnismater. 
Sein Poet ist ,,O. Henry“, einer der interessantesten 
und auch umstrittensten Novellenschreiber der 
Union, den ein seltsames Schicksal zu Al. Jennings, 
dem Räuber, ins Leben und nachher ins Gefärg- 
nis führte und schließlich als berühmten „O. Henry“ 
erst 48 jahrig 1910 sterben ließ. Während die Welt 
nur „O. Henry“ kannte, war er Al. Jennings ak 
der Justizflüchtling und Gefangene William Sid- 
ney oder Bill Porter bekannt. Beider Zusammer- 
treffen istrein amerikanische Romantik. Schon ces 
Dichters wegen verdiente dieses ergreifende Buch 
volle Beachtung in Deutschland, das O. Henry noch 
so gut wie gar nicht kennt. Ein einziges Werk. 
nicht sein bestes, ist in der „Tauchnitz Edition“. 
Er besitzt aber allein schon wegen seiner Novellen- 
sammlung „The Four Million“ (d. i. Die Vier 
Millionen New Yorker!), 1906 erschienen, seinen 
Platz in der amerikanischen Literatur. 

Von einer bestimmten Art amerikanischer Bt- 
cher freunde meldet „F kein Lied, kein Heldenbuch", 
und zwar von den amerikanischen Germanisten, die 
doch zwischen zwei Kulturen stehen und die ge- 
gebenen Vermittler von deutschem und amenka- 
nischem Schrifttum sind. Auch an dieser Stelle 
möchte ich sagen, daß wir in Deutschland da 
manches versäumt haben und immer noch ver- 
saumen. Hier handelt es sich um mehr als persön- 
liche Beziehung zwischen den Fachgelehrten, nām- 
lich um die volle Anerkennung weiterer deutscher 
Kreise für die Leistungen der Germanistik in 
Amerika. Freilich nur nach großen und an Um- 
fang mächtigen Werken darf man dabei nicht 
gehen, zumal ja die englisch- amerikanische Tradi- 
tion des wissenschaftlichen Essays vorliegt. Liebe - 
volles Verständnis und ein wenig Sinn für wahre 
Literatur vermittlung würden uns aber manchen 
feinen Charakter, manche außerordentliche Per- 
sönlichkeit, ja manchen wirklichen Helden de 
Geistes entdecken lassen. Gerade das Werk einiger 
kürzlich Verstorbener würde in solchem Sinne noch 
weit übers Grab hinaus zu einer Mission werden 
können. 

Am 20. August 1925 starb Professor Henry 
Wood, einer der ersten Professoren an der Jobas 
Hopkins Universität, der Verfasser von ,,Faust- 
Studien“ (1912), der als Anglist begann und be- 
sonders durch seine Vertrautheit mit der gesamten 
englischen Literatur auf seine Schúlergemeinde 
einwirkte und so eine umfassende „Germanistik“ 
betrieb. Ein großer Universitätslehrer und geistiger 
Anreger. Am 2ı. Januar 1926 starb Professor H. 
C. G. von Jagemann, einer der ersten germanisti- 
schen Doktoranden der Johns Hopkins Universi- 
tät. Er war von 1889 bis 1925 Professor an der 
Harvard Universitát, wo er als Lehrer der ger- 
manischen Philologie unvergeBlich bleiben wird. 
Jahrzehntelange schwere Leiden verhinderten vor 
allem, daß er sein tiefgriindiges Wissen in bleibenden 


172 


7 uli- Oktober 1926 


` Schriften niederlegte. Seine Lebenskraft reichte 
nur zur gewissenhaften und großzügigen Erfüllung 
- seines Lehrerberufs. So muß seine Größe und Be- 
deutung stiller, innerlicher bleiben, als die so 
manches vor der Welt Anerkannten. Aber eine 

Sammlung seiner kleineren Arbeiten dürfte sich 
lohnen. Er war auch ein besonders feiner Kenner 
der amerikanischen Literatur, und seiner großen 
Belesenheit sowie seiner klaren Einsicht verdanke 
ich in siebenjährigem Zusammenwirken (1913 bis 
1920) zahllose Anregungen. Was mir seine treue 
Freundschaft persönlich bedeutet hat, kann ich 
hier nicht sagen. 

Ein dritter bedeutender amerikanischer Ger- 
manist Calvin Thomas, Professor an der Columbia 
Universität von 1896 bis 1919, einer der besten 
Goethephilologen und Verfasser einer bemerkens- 
werten „History of German Literature‘ (1909), 
erhielt vor einiger Zeit ein würdiges Denkmal in 
Gestalt eines Buches:, Scholarship and Other Essays 
By Calvin Thomas“ (New York bei Henry Holt 
& Co). Nach einem kurzen Vorwort von Professor 
Robert H. Fife, dem Nachfolger Thomas’, und 
einem Lebensbericht von Professor W. A. Braun 
geben dreizehn Aufsätze und Reden von der Per- 
sönlichkeit des Menschen und Gelehrten schönen 
Aufschluß ; sie umfassen Betrachtungen über Poesie, 
den Teufel, die englische Rechtschreibung, über 
Weimar, über Wissenschaft und Religion in Goethes 
Faust, über den Realisten Schiller. Von allge- 
meinerem Interesse sind die Essays über Gelehr- 
samkeit und über „Lesen und Kultur““. Dreierlei 
Lieben brauche der Gelehrte, sagt Thomas: die 
Liebe zur Literatur, zur Wahrheit und zur Arbeit. 
Er begann seine Lebensarbeit als klassischer Phi- 
ologe, er blieb auch als Literarhistoriker Philo- 
oge im strengen Sinn. Charakteristisch ist sein 
Wort: „Wenn es zur Wahl kommt zwischen inter- 
:ssant, aber verkehrt sein und langweilig, aber 
ichtig sein, dann muß der Gelehrte tapfer das 
weite Horn des Dilemmas erfassen“. Diese Er- 
tenntnis bewahrte ihn selber vor Pedanterie, aber 
:benso auch vor Dilettantismus. Er war eine selb- 
tändige, urwüchsige Persönlichkeit aus mittel- 
vestlichem Pionier-Milieu und im Geiste eines 
ationalistischen Amerikanertums, ein echter ame- 
ikanischer „Angelsachse“ auch darin, daß er für 
Jeutschland über das 18. Jahrhundert hinaus nur 
erhältnismäßig geringes Interesse besaß. Darin 
ıg seine Schwäche oder Grenze, die auch sein 
uch über Schiller (1901) in anderer Weise 
ꝛigt. 

Von neuen Zeitschriften ist zu berichten. Im 
anuar 1926 erschien das erste Heft der Viertel- 
ıhrsschrift „The Germanic Review. Devoted to 
‘searches dealing with the Germanic languages 
1d literatures“ herausgegeben von den Professoren 
ife, Heuser und Remy (sämtlich von Columbia) 
nd veröffentlicht von der Columbia University 


173 


Amerikanischer Brief 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


Press in New York. Sie soll ein Organ für das 
einheitliche Gebiet aller germanischen Sprachen 
und Literaturen sein und entspringt der Auf- 
fassung, die Deutsche gern vernehmen werden, 
daß die germanistischen Forschungen in Amerika 
in eine kräftige Wachstumspcriode eingetreten sind. 
Schade, daß diese neue Zeitschrift nicht auch 
gleich die kulturkundliche Seite der modernen 
Forschung umfaßt. So fehlt für Amerika immer 
noch eine englische Zeitschrift über die gesamte 
deutsche Kultur ähnlich der „American-Scandina- 
vian Review“, was den äußeren Rahmen betrifft, 
aber so gediegen wissenschaftlich und voll feinen 
Kultursinns wie etwa Kuno Franckes Werk. — 
Seit Oktober 1925 erscheint „American Speech“ 
mit Louise Pound, Kemp Malone, Arthur Kenne- 
dy als Schriftleitern (im Verlag von Williams & 
Wilkins Co. in Baltimore). Der Titel spricht für 
das Ziel der Monatsschrift. — Das Frühjahr 1926 
brachte gleich zwei gelehrt aufgezogene Veröffent- 
lichungen: „Thought“, eine von Jesuiten geleitete 
„Vierteljahrsschrift der Wissenschaft und Litera- 
tur“ mit propagandistischem Einschlag, und ,,Spe- 
culum: a Journal of Mediaeval Studies“ mit Dr. 
Ralph Adams Cram als Hauptschriftleiter und 
dem Ziel, in Amerika ein tieferes Interesse für das 
Mittelalter zu erwecken. Schon, daß solche Zeit- 
schrift möglich wird, bedeutet manchen Um- 
schwung in der amerikanischen Kultur. 

Auf dem Gebiete der Tagespresse vollziehen 
sich gleicherweise gewisse Wandlungen. Etwa sie- 
ben Jahre alt sind die neuen Bilderzeitungen, meist 
nur ihrem Format nach „tabloids‘“ genannt. Sie 
wurden im Krieg nach einer fixen Idee Northcliffes 
von Patterson, einem der Besitzer der ,,Chicago 
Tribune“, durch die „Daily News“ in New York 
eingeführt. Die diesjährige Januar-Durchschnitts- 
Zirkulation der „Daily News‘ betrug Werktags 
978948 und Sonntags 1223929! Diese erste ame- 
rikanische Bilderzeitung ist führend geblieben, 
allem Wettbewerb von Hearst, Macfadden u. a. 
zum Trotz. Der unerhörte Erfolg der neuen Zei- 
tungsart hat die „Bildernachrichten“ in der ge- 
samten Presse vermehrt, sonst aber hat sie eher 
zur Entartung des Journalismus besonders nach 
der Seite der Masseninstinkte hin beigetragen. Die 
Revolution und Inspiration zugleich der Bilder- 
zeitung liegt im Format, das so handlich wie das 
der deutschen Zeitungen ist. Ob sich dieser 
„Amerikanismus“ auf die Tagespresse allgemein 
ausdehnen wird, läßt sich nicht voraussagen. 

Eine Neuerung anderer Art bedeutet das „Uni- 
ted States Daily“, das seit dem 4. Marz in Washing- 
ton herauskommt, von David Lawrence geleitet 
wird und 25 Republikaner und 25 Demokraten 
zu Gründern hat. Es will eine „nationale Zeitung“ 
sein und alle Tätigkeiten der Bundesregierung von 
Tag zu Tag verfolgen. Sein Motto heißt: „Alle 
Tatsachen — keine Meinung“. Damit wird es eine 


174 


Juli-Oktober 1926 


Art Staatsanzeiger, aber keine eigentliche Zei- 
tung im modernen Sinn. 

Anfang des Jahres fand in der Offentlichen Bi- 
bliothek New Yorks eine interessante Ausstellung 
statt, die das gesamte Leben der Negerbevölke- 
rung von Harlem veranschaulichte, dem Neger- 
Stadtviertel von New York und damit zugleich 
der größten Negerstadt der Welt. Besondere Auf- 
merksamkeit verdiente natürlich die Sonderabtei- 
lung für Neger-Literatur und -Geschichte, für 
Neger-Musik und Neger-Kunst. 

RandolphG. Adams druckte eine wertvolle kleine 
Broschüre über „The Whys and Wherefores of the 
William L. Clements Library" der Americana der 
Universität von Michigan. Diese Bücherei ist in 
der Hauptsache eine Sammlung von Quellenbüchern 
zur amerikanischen Geschichte. Adams bringt 
u. a. Faksimiles gewisser einzigartiger Americana, 
z. B. der „Decades“ von Richard Eden (1555), 
eines Columbusbriefes (1493 in Rom von Stephan 
Planck gedruckt) und Hariots „Briefe and True 
Report of the new found land of Virginia“, 1588, 
der ersten englischen Schrift über die englische 
Siedlung in Amerika. — Im Anschluß hieran sei 
ein Gedicht in Pamphletform erwähnt, das zwölf 
Seiten in billigem Einband enthält und im No- 
vember v. J. bei Sotheby in London über $ 12000 
erzielte. Es wurde im Triumph nach Amerika ge- 
bracht und von der „New York Times“ als „das 
höchstbezahlte Buch über Virginien“ bezeichnet, 
„das je(!) nach Amerika kam“. Hinter der Freude 
am Superlativ steckt aber ein Nationalstolz sonder- 
gleichen, der alle die unverbesserlichen Europäer, 
Deutsche nicht zu vergessen, Lügen straft, wenn 
sie meinen, Amerika habe keinen Geschichtssinn. 
Gerade die Bücherauktionen der letzten Jahre 
verraten ein immer noch wachsendes, geradezu 
leidenschaftliches Interesse für alle Americana, 
was auch schon ein beträchtliches englisches Inter- 
esse nachgezogen hat, wie die Frühjahrskataloge 
zeigen können, z. B. Quaritsch Nr. 397. Das deut- 
sche Angebot auf diesem Feld muß dem gegen- 
über kläglich genannt werden, auch ein Zeichen 
für das geringe Interesse deutscher Bibliophilen 
und überhaupt weiter deutscher Kreise an Ame- 
rika. Es sind eben bis kurz vorm Weltkrieg keiner- 
lei nennenswerte Americana nach Deutschland ge- 
langt. 

Der ganze erste Teilderamerikanischen Auktions- 
saison brachte keine großen Überraschungen wie 
die beiden Jahre vorher. Die allgemeinen Tendenzen 
waren nach wie vor eine stete Nachfrage nach 
Erstdrucken der englischen und amerikanischen 
Literatur, wobei keine neuen Lieblinge aufgetreten 
sind, nach Americana aller Art, vor allem aber 
wieder nach autographischem Material. Wieder 
brachten Autogramme von Unterzeichnern der Un- 
abhängigkeitserklärung die höchsten Preise. Bei- 
spielsweise bei der Versteigerung der Sammlung 


175 


Englischer Brief 


Zeitschrift für Bücher freund: 


des Obersten James H. Manning von Albany (be: 
Andersons am 19. und 20. Januar) kam von cen 
$ 6897.50 für 1019 Nrn. fast die Hälfte, nämlich 
1eichlich $ 46000 allein auf solche Autographen. Da- 
mit vergleiche man (F. M. Hopkins in der ,,Satur- 
day Review of Literature“ vom 6. Februar 1924) 
den Danforth-Verkauf 1912 mit etwa $ 14000. der 
Emmet-Verkauf 1922 für fast $ 20000 und der 
Thomas-Satz 1924 für $ 26502. Am seltensten ist 
die Unterschrift von Button Gwinnett, die jetzt 
$ 26502 brachte (vor 12 Jahren bei Danforth noch 
$ 4600, 1924 bei Thomas bereits $ 14000). Gwin- 
uetts zweiseitiger Brief datiert vom 29. Mai 1770. 
Von anderen Nummern sei noch genannt: ein Ben- 
jamin Franklin-Brief vom 27. Mai 1777 aus Pans. 
$ 1050; ein Kriegsbrief Thomas Jeffersons vem 
6. März 1781, $ 260; ein Autogramm von Thoma: 
Lynch jr. $ 2000; ein Vierseitenbrief von Thomas 
MacKean vom 22. August 1813 mit einer Ge- 
schichte der Unabhängigkeitserklärung, $ 3000; 
Caesar Rodneys Brief vom 4. Juli 1776 $ 1800. 
Berlin. Friedrich Schönemann. 


Englischer Brief 


Am 5. März d. J. starb der bekannte Shakespeare- 
Forscher Sir Sidney Lee, der von 1913 bis 1924 als 
Professor der englischen Sprache und Literatur am 
East London College gewirkt hat. Er gilt vielen al: 
der hervorragendste Shakespeare- Biograph ; diese 
Wertung ist insofern berechtigt, als er in seinem 
1898 zum ersten Male erschienenen „Life of William 
Shakespeare“ so vollständig und gewissenhaft wie 
kein zweiter alle Haupttatsachen und Hypothesen 
über des Dichters Leben und Werke zusammen- 
getragen hat; wir vermögen uns für diese Art von 
Biographie, die auf eine trockene Tatsachenkomp:- 
lation hinausläuft und das Seelische und Kunst- 
lerische vernachlässigt, kaum zu erwärmen. Sidney 
Lee ist in Deutschland weiteren Kreisen bekannt- 
geworden, da sein Werk auch ins Deutsche über- 
tragen worden ist. Weit weniger bekannt, auch in 
deutschen Anglistenkreisen, sind die beiden anderen 
Toten dieses Jahres: Everard Meynell und Walter 
Herries Pollock. Meynell, der Sohn der nicht un- 
bedeutenden Dichterin Alice Meynell, wird in der 
Literaturwissenschaft durch das literarische Denk- 
mal weiter leben, welches er einem seiner Mutter 
wesensverwandten Dichter setzte: „Life of Francis 
Thompson“. Pollock war ein tüchtiger Journalist, 
er leitete von 1883 bis 1894 die Saturday Review: 
mit seinen Dramen errang er nicht gewöhnliche 
Erfolge; von seinen Gedichten ist besonders „The 
Devout Lover‘ mit Recht beliebt geworden. 

Von den in den letzten Monaten aufgeführten 
Dramen sind zwei zu erwähnen, nicht weil sie be- 
sondere dramatische Qualitäten besitzen, sondern 
wegen der Namen der sonst als Dichter hervor- 


176 


Juli-Oktober 1926 


ragenden Verfasser. Die Stage Society, die Theater- 
gesellschaft, die es sich zur Aufgabe gemacht, den 
durch die Zensur verbotenen englischen und aus- 
ländischen Dramen zum Bühnendasein zu ver- 
helfen, brachte James Joyces „Exiles“ heraus; 
Joyce, die verblüffendste Erscheinung unter den 
modernen Romanciers, dessen „Ulysses“ vielen als 
der größte Roman der Gegenwart gilt, entpuppt 
sich mit diesem vor einem Jahrzehnt geschriebenen 
Stück jedoch als ein recht schwacher Dramatiker; 
das Stück ist zwar voller Gedanken und Gefühle, 
aber ohne Handlung und Leben. Ein Fehlschlag 
war auch die Aufführung des „ Don Juan“ von 
dem 1915 gestorbenen formvollendeten Neu-Par- 
nassier James Elroy Flecker; wie sein vor einigen 
Jahren mitriesigem Erfolgeaufgeführterund maBlos 
überschätzter „Hassan“ enthält auch dieser „Don 
Juan“ viele Stellen von unvergleichlicher Schön- 
heit; aber der Dramatiker Flecker ist schwächer 
als der lyrische Sänger, der auch hier den bunten 
Schleier der Romantik über unsere geblendeten 
Sinne wirft. Die englische Dramatik der Gegen- 
wart ist reich genug, um eine Ausgrabung der- 
artiger zwar literarisch interessanter Buchdramen 
entbehrlich zu machen. Wir erwähnen nur Dra- 
matiker wie Galsworthy, Sutton Vane, A. Monk- 
house, S. Maugham, C. K. Munro, H. Glover, die 
z. T. auch bei uns zur Aufführung gekommen sind. 
Es wäre z. B. zu wünschen, daß die englische 
Bühne sich des jüngst in Buchform erschienenen 
Dramas , David“ (Secker, London 1926) von David 
Herbert Lawrence annähme, der nächst Joyce der 
umstrittenste, subjektivste, revolutionärste, ein- 
seitigste Romancier der Moderne ist und mit seinen 
aller puritanischen und viktorianischen Tradition 
und Konvention widerstreitenden Romanen, be- 
sonders mit seinem auch ins Deutsche übertragenen 
„Regenbogen“, ein literarisches Phänomen ist; 
sein Drama ist voller Poesie und doch weit davon 
entfernt, ein ,,poetisches Drama“ zu sein. Man 
findet darin auch nicht die Spur von dem persön- 
ichen Mystizismus, den man seinen Romanen zum 
Vorwurf macht; es ist eine wahrhaft bühnenwirk- 
same Arbeit. 

Von der lyrischen Produktion der letzten Monate 
erwähnen wir nur, um bei dem beschränkten Raum 
ncht in eine katalogmäßige Aufzählung zu ver- 
‘allen, die beiden Gedichtbände von Thomas Hardy, 
lem Altmeister der englischen Literatur der Gegen- 
wart, und von Robert Bridges, dem jetzt zweiund- 
ıchtzigjährigen, Hardy im Alter also nur um vier 
Jahrenachstehenden poeta laureatus. Bridges nennt 
sein Buch „New Verse“; es sind z. T. Gedichte in 
‚the writer’s latest manner, and still peculiar to 
rimself**; z. T. finden wir hier die verstechnischen 
<xperimente der jüngsten Lyriker wieder. Und 
loch ist der poeta laureatus seiner früheren streng 
dassischen Haltung getreu geblieben, wenn er auch 
uicht davor zurückschreckt, stellenweise sogar vom 


177 


Englischer Brie} 


Zeitschrift für Bücher freunde 


Slang Gebrauch zu machen; es sind alles wirklich 
dichterische Gebildeund keine bloß metrischen Spie- 
lereien. Auch Hardy zeigt trotz seines hohen Alters 
noch Vorliebe für poetische Experimente; mit 
spielend leichter Hand schafft er neue Stanzen- 
formen und neue metrische Kombinationen; auch 
diese neuen Gedichte mit dem bescheidenen Titel 
„Human Shows, Far Phantasies“ beweisen, daß der 
immer wieder gegen den Dichter erhobene Vorwurf 
des „Pessimismus“ keine Berechtigung hat, seine 
Weltanschauung ist ein klarer schlichter Agnostizis- 
mus miteinem humanitären Anstrich ;das, was man 
Herz nennt, hat Anteil an allen seinen Gedichten. 

Die Produktion im Roman, der immer noch, 
trotz der nicht nachlassenden Konkurrenz der 
„kurzen Geschichte‘ der Lesestoff der breiten 
Masse ist, ist fast unübersehbar. Es genüge, hier 
auf drei sogenannte „best sellers“ hinzuweisen: 
John Masefields ,,Odtaa‘‘, Christopher Morleys 
„Thunder on the Left“ und Lord Dunsanys „The 
Charwoman’s Shadow“. Morley ist der homo novus 
unter den dreien und auch unter den jüngsten 
Novellisten; sein Thema ist nicht neu, es ist das 
brennende Problem der Ehe und Liebe, aber es ist 
in ganz origineller Weise behandelt, wir sehen mit 
den Augen des Kindes das Liebesleben der Er- 
wachsenen, zwei Welten stoBen hier zusammen, 
Schönheit und Schmerz werden seltsam gebunden. 
Das Ganze ist jedoch mehr als eine ,,witty phan- 
tasy“; man darf von dem jungen Autor noch Gutes 
erwarten. Ein Abenteuerroman bester Qualität ist 
Masefields ,,Odtaa‘‘; er spielt irgendwo in Süd- 
amerika um das Jahr 1887; er ist bis an den Rand 
voll von Spannungen; wundervoll sind die Natur- 
schilderungen; die Sprache ist rein und anschau- 
lich, die Charakterzeichnung scharf und eindrucks- 
voll. Inein Land uneingeschränkter Romantik führt 
uns wieder Lord Dunsany mit „The Charwoman’s 
Shadow“; wir haben es wieder mit Magiern, Zau- 
bereien, Herzögen, Träumereien zu tun; der Schau- 
platz ist, wie in den ,,Chronicles of Shadow Valley“ 
das romantische Spanien; Dunsanys Fabulierkunst 
scheint geradezu unerschöpflich zu sein. Von dem 
1924 gestorbenen Joseph Conrad, den man neben 
Bennett, Galsworthy, Wells zu den Vertretern des 
„großen Romans“ der Gegenwart zählt, liegen 
jetzt die „Last Essays“ vor; wir tun hier einen 
letzten Blick in die Psyche, in den „exotischen 
Genius“ eines seltenen Mannes, der, Pole von Ge- 
burt, Slave in seinem Temperament, Franzose in 
seinem Bildungsgange, Engländer in seiner Lebens- 
kultur, einer der unbestrittenen Meister des eng- 
lischen Romans wurde, 

Ein noch beliebterer Lesestoff als der Roman 
war in England von jeher die Biographie und 
Autobiographie. Der Krieg und die Nachkriegszeit 
hat die Nachfrage danach noch gesteigert. Ein 
Blick in die Verlegerlisten zeigt, daß die Beliebt- 
heit der Biographien auch in der jüngsten Zeit um 


178 


Jult-Oktober 1026 


nichts nachgelassen hat, im Gegenteil! Dabei ent- 
spricht die Quantitat keineswegs der Qualitat. Die 
meisten sind literarisch wertlos und spekulieren 
auf die niedrigsten Instinkte. Von fünf Biographien, 
die im April herauskamen: ,,Diary of a Country 
Parson“ von James Woodforde, edited by John 
Beresford, „Seventy Jears a Showman‘ von Lord 
George Sanger, „Recollected in Tranquillity“ von 
Jane E. Courtney, , Naphtali“ von C. Lewis Hind, 
„Hubert Parry“ von Charles L. Graves sind die 
beiden ersten recht annehmbar, wenn auch ohne 
großen literarischen Wert; das dritte Buch ist 
mittelmäßig, die beiden letzten sind schlecht und 
wertlos. Diese Beispiele mögen genügen! 
Dankenswerter, als solche sensationelle Novi- 
täten sind die Neudrucke älterer wertoller Werke: 
Bei Constable ist ein „Library edition“ des ,,Robin- 
son Crusoe“ mit Reproduktionen von Stothards 
Illustrationen und einer ausgezeichneten Vorrede 
von Charles Whibley erschienen; Defoes ,, Roxana‘ 
und John Donnes ,,Devotions and Death’s Duell“ 
sind jetzt als handliche und schöne „Abbey Classics“ 
zu haben; die Oxford University Press setzt ihre 
sehr preiswerten Faksimilepublikationen fort und 
hat jüngst Jane Anstens „Plan of a Novel“ und 
„Letters from William Blake to Thomas Butts“ 
herausgebracht; bei der „Golden Cockerel Press“ 
erschien unlängst Henry Fieldings ‚Mrs. Shamela 
Andrews“ als erster moderner Neudruck einer 
literarischen Kuriosität; ebenso zu begrüßen ist 
das feine dünne Quartobändchen „Ihe Shelley 
Correspondence in the Bodleian“ (Bodleian Library, 
Oxford); eine philologisch sehr schatzenswerte 
Leistung ist die von de Selincourt besorgte, auf 
einer Prufung samtlicher Manuskripte beruhende 
große Ausgabe von Wordworths ,, Prelude‘‘ (Oxford 
Press); tadellos ausgestattet ist die von C. H. Wil- 
kinson getatigte Neuausgabe der Gedichte von 
Richard Lovelace (Oxford University Press); in 
einer Auflage von nur 570 Exemplaren ist eine 
Episode aus Smolletts ,,Peregrine Pickle“ bei Peter 
Davies (London) erschienen; ganz wundervoll an 
diesen „Memoirs of a Lady of a Quality‘ (Lady 
Vane) sind die Illustrationen Vera Willoughbys. 
Jeder, der sich fur die Buchdruckerkunst in 
ihrer Fruhzeit interessiert, wird die kleinen Serien 
von Monographien begrüßen, welche Messrs. Benn 
unter der Leitung Stanley Morisons herausgeben ; 
zu seinen Mitarbeitern zählen ausgezeichnete Bi- 
bliographen vom britischen Museum; jeder von 
ihnen bringt 50 Stereotypplatten, welche Seiten aus 
repräsentativen Büchern des Landes und der Zeit 
reproduzieren, wovon sie handeln; außer diesen 
drei Werken, die sich mit dem Frühdruck in Basel 
sowie mit der italienischen und spanischen Buch- 
druckerkunst des 16. Jahrhunderts befassen (A. F. 
Johnson „The First Century of Printing at Basle‘, 
Henry Thomas „Spanish Sixteenth-Century Print- 
ing“, A. F. Johnson „The Italian Sixteenth Cen- 


179 


Englischer Brief 


Zeitschrift für Bücher freund: 


tury“) sind zu erwarten ein Band über Inkunabeln 
von Victor Scholderer, einer über englische Buch- 
druckerkunst des 18. Jahrhunderts von Dr. Thomas 
und ein dritter über die französische Buchdrucker- 
kunst des 18. Jahrhunderts von Stanley Morison 
selbst. Ein den Bibliophilen interessierendes Werk 
ist auch „A History of Durham Cathedral Library“ 
von H. O. Hughes mit einer Einleitung und einem 
Anhang über „Some Later Durham Bibliophiles“ 
von J. Meade Faulkner (Durham County Advertiser, 
Durham); hier lernt man in großen Zügen die Ge- 
schichte der Bibliothek kennen und wird gleich- 
zeitig eingeführt in ihre Einrichtung und in ihren 
Inhalt; ein Sonderkapitel ist einer Beschreibung 
der verschiedenen Kataloge gewidmet. Ein ganz 
eigenartiges Büchlein ist „The Birth of Christ from 
the Gospel according to St. Luke“, leider nur in 
einer „limited edition“ von 370 Exemplaren zu- 
gänglich; den Druck in römischen schlichten Ma- 
juskeln hat Noel Rooke selbst angeordnet, von dem 
auch die geschmackvollen Holzschnitte stammen: 
der Text ist derder Quarto-Ausgabeder,, Authorised 
Version“, die Barker im Jahre 1612 druckte. 

Eine Bibliographie der Werke der Autoren und 
Maler der Bewegung, die als „The Nineties“ be- 
kannt sind, bereitet der „First Edition Club“ vor; 
der Herausgeber ist A. J. A. Symons, selbst ein 
Mitglied und der Historiker der Bewegung; das 
Werk soll korrekt sein bis in alle Einzelheiten und 
genau unterrichten über die Zahl und die Art der 
äußeren Ausstattung jeder Erstausgabe; der Preis 
beträgt für Subskribenten 5 £. Eine staunenswerte 
Leistung ist „The Works of H. G. Wells: A Bi- 
bliography, Dictionary, and Subject-Index, 1837 
bis 1925“ von Geoffrey H. Wells, wenn man be- 
denkt, daß die riesige Produktion des Autors kaum 
übersehbar ist für den einzelnen; was hier auf 250 
enggedruckten Seiten zusammengetragen ist, ist 
geradezu unglaublich als die Leistung eines Men- 
schen; in den Jahren 1893 bis 1925 schrieb Wells 
nicht weniger als 89 Bücher! 

Das „Times Literary Supplement“ brachte in 
seinen , Notes on Sales“ vom 11. Februar d. J. einen 
Bericht uber große Sammlungen historischer eng- 
lischer Dokumente, welche kürzlich von amerika- 
nischen Büchereien aufgekauft worden sind, und 
am nächsten Tage brachte die „Times“ einen Leit- 
artikel darüber und erörterte die ganze Frage 
grundsätzlich. Es handelt sich um die frũheren 
Archive von Stowe, welche nun die „Huntingdon 
Library“ erworben hat, und um das Archiv in 
Redgrave Hall, das nun im Besitze der Chicagoer 
Universitatsbibliothek ist; die erste Sammlung be- 
steht aus mehr als 2000 Dokumenten, die letzte 
aus mehr als 1000000! So wünschenswert es ist 
vom englischen Standpunkte aus, daß solche Doku- 
mente, wenn sie schon den Besitzer wechseln, nicht 
in den Besitz einer nicht englischsprechenden 
Nation gelangen, so bedauerlich ist es prinzipiell, 


180 


` Juli-Oktober 1926 


daf sie in Privathanden und nicht Staatseigentum 
sind. Es sei nur erwähnt, daß ein Dokument die 
offizielle Abschrift des Vertrages zwischen Frank- 
reich und England bezüglich der Abtretung Kana- 
das an England ist. Im März veranstaltete die 
„Britwell Court Library“ einen Bücherverkauf, der 
vier Tage dauerte und insgesamt nahezu 16000 £ 
einbrachte ; verkauft wurden einige wichtige Bücher 
des ausgehenden 17. Jahrhunderts und des 18. Jahr- 
hunderts, darunter ein Dedikationsexemplar von 
Wycherleys ,,Miscellany Poems (1704, £ 195), 
Steeles „The Procession“ (1695, £ 82), Swifts „The 
Fable of Midas“ (1712, E 45), Allan Ramsays ,,Tea- 
Table Miscellany“ (vol. I, 1724, £ 280), Popes „Rape 
of the Locke“ (1714, E 50), Murrels „Miscellaneous 
Poems“ (1681, £ 61), Gays „Wine“ (1708, £ 130) 
und Gays „Molly Mog“ (1726, £ 42). Angesagt 
haben Messrs. Hodgson einen Verkauf von Büchern 
und Manuskripten aus dem Bücherbestande des 
verstorbenen Lord Loreburn, von Mrs. John Lane 
und Lane; in Betracht kommen besonders die sehr 
seltene Erstausgabe von „Alice in Wonderland‘ 
(1865), zwei autographische Manuskripte Anthony 
Throllopes „Rachel Ray“ und „The Vicar of Bull- 
hampton“, sowie einige Kapitel aus Hardys Roman 
„A Pair of Blue Eyes“. 

In ihrem 397. Kataloge bieten Messrs. Bernard 
Quaritch an eine Erstausgabe von Richardsons 
„Pamela, or Virtue Rewarded“ (1741—1742, £ 150), 
von Boswells ,,Liefe of Samuel Johnson (1791, £ 60), 
Goldsmiths ,,Vicar of Wakefield“ (1766, £ 200), 
Erstausgaben von John Gay: ,,Trivia, or the Art 
of Walking the Streets of London“ (1716, £ 10), 
„Fables“ (1726 und 1738, £ 26), „The Wife of Bath“ 
(1730, £ 1), „Achilles“ (1733, £6 6s.), „The 
Distressed Wife“ (1743, £ 1 ı5s.), Keats’ „Endy- 
mion“ (1818, £ 35), Shelleys „Cenci“ (1819, £ 65). 
Messrs. Dulau offerieren u. a. in ihrem 137. Kata- 
loge ein Dedikationsexemplar von Hannah Mores 
„Garrick’s House dog at Hampton“ (£1 10 s.). 
In ihrem 12. Katalog offerieren Messrs. Edgar H. 
Wells & Co. eine Ausgabe von Michael Draytons 
„Ihe Owle“ (1604, $ 900); der 13. Katalog enthält 
zumeist moderne Bücher und viele aus Joseph 
Conrads Bibliothek, u. a. Masefields ,,John M. 

Synge, a few Personal Recollections‘ (1915, $ 30), 
mehrere interessante autographische Briefe von 
Walter Savage Landor (das Stück von $ Io bis 
$ 17.50), eine Erstausgabe von Milnes ,,When we 
were Young** (1924, $ 35). Interessant ist der 
14. Katalog von William H. Robinson; das Ange- 
bot umfaßt die ganze Bücherei von Elizabeth 
Vesey, „the first of the Blue Stockings“, der 
Freundin Samuel Johnsons, Goldsmiths, Reynolds” 
Sternes, Thomas Grays, Horace Walpoles; es han- 
delt sich um 574 Bücher, darunter Erstausgaben 
von Johnsons „Dictionary“ und Grays „Odes“, 
James Howell „A Survey of the Signorie of Venice“. 
Bochum. Karl Arns. 


181 


Holländischer Brief 


Zeitschrift für Bücher freunde 


Holländischer Brief 


Das Zusammenstellen wissenschaftlicher Kata- 
loge erfreut sich in Holland großer Beliebtheit. 
Kein Land ist auch, relativ genommen, so reich an 
bibliographischen und ikonographischen Werken, 
sowie an Katalogen lokalgeschichtlicher Abbil- 
dungensammlungen. Das liegt zum Teil an dem 
Charakter des holländischen Gelehrten, der mehr 
zur Analyse, zu kompilatorischer Arbeit als zur 
Synthese geneigt ist; es liegt aber natürlich auch 
an dem geringeren Umfang des Kulturgebietes, 
das cher einen Überblick gestattet und Voll- 
ständigkeit möglich macht, als ein Land. wie 
Frankreich z. B. — Deshalb konnten Fred. Muller 
und im Anschluß an ihn van Someren einen Katalog 
von gestochenen niederländischen Bildnissen zu- 
sammenstellen und auch zum Abschluß bringen, 
ein unschätzbares Hilfsmittel für den Ikonographen 
und den Kupferstichsammler, während der 1896 
von Duplessis begonnene französische Porträt- 
katalog bis heute noch ein Torso geblicben und 
nicht weiterals bis zum Buchstaben Ma gediehen ist. 

Welches Land kann sich solcher vorzüglich ge- 
arbeiteter Kataloge von lokalgeschichtlichen Archi- 
ven rühmen wie Holland? Was Utrecht und Rotter- 
dam, besonders aber Zaanland, Leiden, Dordrecht, 
auf diesem Gebiete geleistet haben, ist vorbildlich; 
die Kataloge der topographischen und Porträt- 
sammlungen der letzten zwei Städte sind durch 
ihre zahlreichen, sorgfältig redigierten Register 
auch für den Kunsthistoriker sehr wichtige Nach- 
schlagewerke. — Auf dem Gebiete der Ikono- 
graphie hat Holland eines der umfangreichsten 
und in der ganzen Welt bekannten Werke zu ver- 
zeichnen: Hofstede de Groots Beschreibendes Ver- 
zeichnis der Werke holländischer Meister des 
17. Jahrhunderts, das nur der zähe Fleiß und die 
einzigartigen Kenntnisse dieses unermüdlichen 
holländischen Forschers möglich gemacht haben. 
Von eigentlichen Bibliographien kann Holland, 
außer den so nützlichen älteren Werken über 
niederländische Topographie (von W. Nijhoff), nie- 
derländische Reisebeschreibungen (von P. A. Tiele), 
niederländische Emblematabücher (von R. W. P. 
de Vries), verbotene Bücher (von Knuttel), Reise- 
beschreibungen von Amsterdam (von Jacobsen- 

Jenssen), mit Stolz auf die Beschreibung der nieder- 
ländischen Postinkunabeln von Nyhoff-Kronen- 
berg weisen. Aber auch einige sehr empfindliche 
Lücken hat die niederländische Bibliographie noch 
aufzuweisen; es gibt keinen niederländischen 
Goedeke; es fehlt ferner auch an einem nieder- 
ländischen Cohen, einem Führer durch die illu- 
strierten Bücher. Mit einem wissenschaftlichen 

Verzeichnis der Werke über niederländische Kunst- 

geschichte, einer Neubearbeitung des heute ganz 

veralteten van Someren ist schon seit länger als 
einem Jahrzehnt ein Amsterdamer Bibliograph be- 


182 


Juli-Oktober 1026 


Holländischer Brief 


Zeitschrift für Bücher freund: 


schäftigt, das aber leider ins Stocken geraten zu 
sein scheint. Kürzlich ist nun die Reihe spezieller 
Bibliographien wieder um ein schr verdienstliches 
Werk bereichert worden, ein Verzeichnis der ge- 
druckten niederländischen Übersetzungen gricchi- 
scher und römischer Schriftsteller, dic wir dem 
Brüsscler Pater A. Geerebaert! zu verdanken haben. 
Wichtig ist diese Arbeit vor allem aus kultur- 
historischem Gesichtspunkt, weil sic uns die Kanäle 
aufzeigt, durch die die antike Literatur in den 
letzten drei Jahrhunderten in die breiten Schichten 
der nicht akademisch Gebildeten eingedrungen ist 
und ıhr Denken und Fühlen auf diese Weise hat 
beeinflussen können; also ein Beitrag zu dem 
wieder so aktuell gewordenen Kapitel: die Rezep- 
tion der Antike, — Geerebacrt hat nicht bei einer 
bestimmten Jahreszahl haltgemacht; seine Arbeit 
umfaßt das gesamte Gebict, von der Erfindung der 
Buchdruckkunst bis auf den heutigen Tag, und er 
hat sich dabei nicht auf die in Buchform erschiene- 
nen Übersetzungen beschränkt, sondern auch die 
in Zeitschriften versteckten mit aufgenommen. — 
Was die Anordnung des großen Stoffes betrifft, 
so zerfällt das Buch in ungefähr zwei gleiche Teile; 
im ersten werden die griechischen, im ganzen go, 
im zweiten die lateinischen Schriftsteller, die nur 
54 zählen, behandelt. Von den ersteren wurden 
Aesop und Homer am meisten übersetzt, Aesop 
hauptsächlich im 17. und 18. Jahrhundert, während 
von Homer auch verschiedene Übertragungen aus 
dem 19. Jahrhundert vorlicgen. Zu den beliebten 
Schriftstellern, die zu allen Zeiten häufiger über- 
setzt wurden, gehören auch Plutarch und Lucian, 
sowie die Tragiker Sophokles und Euripides; da- 
gegen ist Acschylus erst im 19. Jahrhundert ins 
Niederländische übertragen worden. — Von den 
lateinischen Schriftstellern erfreuten sich die Mora- 
listen Dionysius, Cato und Seneca früher großer 
Beliebtheit, der letztere auch als Dramatiker. 
Von den Dichtern steht natürlich Ovid obenan, 
dessen Metamorphosen bekanntlich als Kompen- 
dium der antiken Mythologie den Künstlern fast 
alle Motive aus diesem ausgedehnten Gebicte ver- 
mittelt haben; auch gehörte Ovid mit Acsopus zu 
den am häufigsten illustrierten Büchern, und 
gerade durch diese Illustrationen ist sein Einfluß 
schr groß gewesen. Leider ist Gcerebaert erst im 
Laufe seiner Arbeit dazu übergegangen, in seinen 
Beschreibungen auch zu erwähnen, ob sich in 
einem Buch auch Illustrationen befinden, so daß 
das Fehlen dieser Angaben nicht besagt, daß die 
betreffende Ausgabe keine Illustrationen enthält. 
Einen großen Raum unter den lateinischen Dich- 
tern nimmt auch Horaz ein, da von ihm so vicle 
einzelne Gedichte, in Zeitschriften oder Sammel- 


A. Geerebaert S.-J., Lyst van de gedrukte Neder- 
landsche vertalingen der oude Grieksche en Latynsche 
Schryvers. Gent, 1925, 8% (XXIV + 199 pag.) 


183 


werken, erschienen sind, die alle aufgenommen 
wurden, wie denn überhaupt auch vereinzelte 
Bruchstücke von Übersetzungen, die zerstreut 
veröffentlicht worden sind, alle sorgfältig regi- 
striert sind, so daß man sich wirklich eine deutliche 
Vorstellung von der Einwirkung des klassischen 
Altertums durch diese Hunderte von Kanälen auf 
breite Volksschichten bilden kann. Geerebaert kat 
sich seine Arbeit nicht leicht gemacht. Im Gegea- 
satz zu Finley Melville Kendall Foster, dem Zv- 
sammensteller einer verwandten Bibliographie für 
die englische Literatur (English Translations trom 
Greek, New York, Columbia University Press, 1919), 
der nur Kataloge oder andere Bibliographien 
exzerpiert hat, beruhen Gecrebaerts Beschrei- 
bungen fast alle auf Autopsie; wenn er eine Aus- 
gabe nicht zu Gesicht bekommen hat, so ist dies 
stets durch einen Stern bei der betreffenden 
Nummer bezeichnet; und dieser Sterne sind nich: 
viel. 

Nach längerer Pause sind wieder einmal dre 
Lieferungen des großen Nyhoffschen Tafelwerkes 
L'art typographique dans les Pays-Bas (1500—154C) 
erschienen; über diese groß angelegte Publikation, 
die in vortrefflichen Faksimile-Lichtdrucken eine 
Übersicht der in den verschiedenen niederländi- 
schen Offizinen in der ersten Hälfte des 15. Jahr- 
hunderts gebrauchten Typen, Druckerzeichen und 
Bildstöcke gibt, haben wir an dieser Stelle scho 
verschiedentlich berichtet. Nicht nur für die Ge 
schichte der Buchdruckkunst, auch für die des 
Holzschnittes bringt diese Publikation ein auber- 
ordentlich reiches und sonst nur schwer zugang- 
liches Material zusammen; sie bildet dadurch zu 
der vom gleichen Verlage herausgegebenen Biblo- 
graphie der niederländischen Postinkunabeln (Nv- 
hoff-Kronenberg), die keine Illustrationen besitzt. 
die unentbchrliche Ergänzung. Die neuen Hefte, 
Nr. 22—25, bringen den ersten Band des Werke 
nunmehr zum Abschluß, der auf 140 Tafeln mit 
737 Einzelabbildungen die Produktion in den 
nördlichen Niederlanden behandelt. Zugleich ist 
auch der dazugehörige Text erschienen, der eine 
alphabetisch angeordnete kurze Geschichte der 
Buchdruckkunst in den verschiedenen Orten ent- 
hält, mit Literaturangaben und einem chrono- 
logischen Verzeichnis der Ausgaben, von denen das 
Tafelwerk Abbildungen bringt. Man kann sich a 
leicht über jeden Drucker, die von ihm gepflegte 
Art der Literatur, die von ihm verwendeten Typen- 
sorten und die für ihn tätigen Holzschneider usw. 
orientieren. Interessante Beispiele enthält ds 
Werk wieder für die lange Verwendung von alten 
Holzschnittblöcken; sie wandern von einem Ort 
zum andern, oft zusammen mit dem Drucker, abe! 
auch ebenso oft ohne ihn. Haarlemer bzw. Antwerpt- 
ner Blöcke kommen so nach Alkmaar und Zwolle, 
wie der mit der im Bett liegenden „Seele“, al 
dessen Kopfende Caritas und Sapientia stehen, aus 


184 


— — 


— — man un 


a Juli-Ohtober 1926 


~ den „Dochteren van Sion“ (Antwerpen 1492), die 
in einem Zwoller Druck von Terentius’ Eunuchus, 
mit dem er nicht das geringste zu tun hat, vor- 
` kommt; in dem Alkmaarer Erbauungsbiichlein 
„De gloriosa virgine Maria carmen panegyricum“ 
(1518) hatte diese Illustration doch noch einen 
Sinn. Dann sehen wir Delfter und Goudaer Blöcke, 
schon ziemlich abgenutzt, von Pieter Os in Zwolle 
verwendet, der bekanntlich auch die Blöcke der 
„Biblia Pauperum“ abgedruckt hat. Blöcke von 
- Haarlemer Inkunabeln treffen wir wieder in De- 
- venter, im Besitze von Jacobus de Breda an; und 
den zuerst in Leiden tätigen Drucker Hugo Jansz 
- van Woerden begleiten die Holzschnittblöcke seiner 
Offizin auf seiner Wanderschaft nach Amsterdam, 
- dem Haag und Leiden. Andere Holzschnitte wer- 
- den kopiert, wie die aus der bekannten Folge der 
Delbecq-Schreiberschen Passion, Antwerpener Pro- 
dukten; eine sehr sorgfältige Kopie aus dieser Folge 
kommt in einem Drucke von Herzogenbusch, 
„Iractaet van den loflyken maeghdelyken leven“ 
(ca. 1510), vor. Sehr wichtiges Material enthalten 
die neuen Lieferungen ferner für Schretlens Jacob- 
Cornelisz-Theorie ; in seinem großen Werke: „Dutch 
and flemish Woodcuts of the XV‘ century“ 
schreibt Schretlen dem Amsterdamer Meister, von 
dem bisher vor 1507 entstandene Holzschnitte 
nicht bekannt waren, zahlreiche und zum Teil recht 
verschiedenartige Holzschnittillustrationen in Schie- 
damer und anderen Inkunabeln zu. Mit diesen 
Produkten nahe verwandte Proben finden wir in 
Postinkunabeln, die in Gouda, Schoonhoven und 
Leiden erschienen sind (siehe die auf diese Orte 
bezüglichen Tafeln 5—7 bzw. 12, & bzw. 3). Von 
dem spateren, sicheren Jacob Cornelisz sind ferner 
auch wieder verschiedene Holzschnitte aus Amster- 
damer Drucken abgebildet. Von groBem Interesse 
ist sodann die Teilwiedergabe der ältesten hollan- 
dischen Weltkarte, die sich in der ,,Cronycke van 
Hollandt“ von Cornelius Aurelius (Leiden 1517) 
findet und die Dr. Burger seinerzeit in „Het 
Boek“ 1916 publiziert hat. Sehr bemerkenswerte 
Holzschnitte, sowohl wegen ihrer Vorstellungen 
als auch wegen der technischen Reife, enthält die 
„Chyromantia‘‘ von Johannes de Indagine, ein 
Druck des Utrechter Jan Berntsz, dem drei Tafeln 
gewidmet sind. Für die Geschichte des frühen 
niederländischen Holzschnittes bildet daher das 
Nyhoffsche Werk ein unentbehrliches Repertorium. 
M. D. Henkel. 


Pariser Brief 


Im Verlag von E. Roz in Paris erschien: 
„Marques des imprimeurs et libraires en France 
au XV* siècle, publiées par M. Louis Polain‘, worin 
endlich einmal die französischen Buchdrucker- 
zeichen, wenigstens eines Jahrhunderts, zusammen- 


Beibl. XVIII, 14 185 


Pariser Brief 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


gefaßt sind. Der älteste Versuch dieser Art geht 
auf das Jahr 1853 zurück. Er wurde von Silvestre 
unternommen, der aber den Rahmen seiner Arbeit 
zu weit spannte, so daß er ihn beim damaligen 
Stande der Wissenschaft nicht zu füllen vermochte; 
und außerdem hat er ohne Hinweis für den Leser 
die Reproduktionen willkürlich verkleinert. Immer- 
hin ist hier ein wertvolles Material zusammen- 
getragen, das Polain mit den handschriftlichen 
Notizen Silvestres für seine eigene Arbeit in der 
Zeit ausgewertet hat, als er Bibliothekar des Cercle 
de la librairie war. Nach Silvestre, der ganz Europa 
in einer Monographie zusammenfassen wollte, hat 
Heitz in Straßburg einzelnen Ländern Sammel- 
bände gewidmet — mit Ausnahme von Frank- 
reich. Dort hat eine Frau, Marie Pellechet f, im 
parallelen Sinne gearbeitet, ist aber über eine wert- 
volle Materialsammlung nicht herausgekommen. 
Ihre zahlreichen Photographien und Quellen- 
forschungen hat Polain ebenfalls verarbeitet, 
ebenso wie die Arbeit über Lyon von Baudrier. 
Ferner sicherte sich der Verfasser die Mitarbeiter- 
schaft von Buchhistorikern aus der französischen 
Provinz und aus England, so daB seine Monographie 
über das 15. Jahrhundert recht vollständig ge- 
worden ist. Auch in diesem wertvollen Beitrag zur 
Buchdruckergeschichte Frankreichs fallen die zahl- 
reichen deutschen Namen in Lyon auf: Jean Klein 
alias Schwab, Nikolas Wolf, Jean Frechsel, Engel- 
hardt Schultiss, Jean Siber, Huss usw., wodurch 
sich wieder einmal die alten guten Beziehungen 
Deutschlands zu Lyon belegen lassen. Auch in 
Burgund treten deutsche Namen auf, wie z. B. in 
Cluny: Michel, Wenssler, während in Paris unter 
den Eingewanderten das flämische Element über- 
wiegt. Polains aufschlußreiches Werk sollte in 
keiner öffentlichen Bibliothek Deutschlands fehlen. 

In dem Verlag Occitania erschien von Lysimaque 
Oeconomos ein ,,Essai sur la vie du Conte Capo- 
distrias depuis son départ de Russie en aoüt 1822 
jusqu’à son arrivée en Grèce en janvier 1828“ auf 
Grund neuer Quellenforschungen. In Deutschland 
hat zuletzt Karl Mendelssohn-Bartholdy 1864 über 
den Grafen Kapodistrias und seine philhellenischen 
Ziele gearbeitet. Im gleichen Verlage gab C. Bar- 
riere-Flavy „La chronique criminelle d'une grande 
province sous Louis XIV“ nach den Parlaments- 
archiven in Toulouse heraus, ein interessanter Bei- 
trag nach bisher unerschlossenen Quellen zur fran- 
zösischen Kulturgeschichte des 17. Jahrhunderts. 
Funck-Brentano rühmt in der Einleitung mit 
vollem Recht, daß erst die hier vereinigten und 
interpretierten Dokumente das Privatleben in der 
Auvergne, in der Provence und im Languedoc klar- 
stellen. Hinzukommt, daß aus den aufgereihten 
Tatsachen manche Gedanken der französischen 
Klassiker als Anspielungen auf ihre eigene Zeit 
einen neuen Sinn erhalten. In der hier schon mehr- 
fach rühmend erwähnten „Bibliothèque de syn- 


186 


Juli-Oktober 1926 


these historique“, die Henri Berr in úbernationalem 
Geiste leitet, gab neuerdings A. Moret ,,Le nil et 
la civilisation égyptienne“ (Renaissance du livre) 
heraus. Das Werk stitzt sich auf die Chronologie 
Eduard Meyers, weist mehrfach auf Borchardt, 
Steindorff und andere deutsche Agyptologen hin, 
ist in seinem ganzen Aufbau, in der straffen und 
klaren Ausbreitung des Stoffes eine zusammen- 
fassende Darstellung von hohem Wert und wird 
der brauchbaren Sammlung der menschlichen 
Geistesgeschichte neue Freunde werben. 

Im Verlag Ricder & Cie. erschien „Ein marok- 
kanisches 1001 Nacht“. Die Legenden und Mär- 
chen Marokkos sind bisher noch nicht gesammelt 
worden. Mahommed EI Fasi, der auf der musel- 
manischen Hochschule in Fez studierte, ließ sie 
sich von Großvätern mit langem Gedächtnis er- 
zählen und Emile Dermengheim brachte sie in 
französische Fassung. Sie erschienen als eine Fund- 
grube der Volkskunde unter dem Titel „Contes 
Fasis“. Weinberge und Felder, Architektur und 
Innenräume, Sitten und Gebräuche, vor allem aber 
die schwärmende Phantasie der Araber werden in 
dem Buche lebendig. 

Wie zur Zeit der deutschen Inflation bei uns, so 
blüht jetzt in Frankreich die Kunstliteratur. 
Reihenweise erscheinen Sammelwerke mit schön 
gedruckten Abbildungen und einleitenden Worten 
führender Kunstschriftsteller. Eine neue Serie 
dieses Typus hat der junge Verlag „Editions des 
quatres chemins“ (18, rue Godot de Mauroy) mit 
einer Monographie über den jung verstorbenen 
italienischen Maler Amadeo Modigliani eröffnet, 
der in Paris zum Kreise der Dadaisten gehörte und 
als einer der ersten durch reine und sensible Linien- 
kunst die Schwenkung zum Klassizismus einleitete. 
Gut, daß ein neuer Kunstverlag nicht immer die- 
selben Künstler noch einmal monographiert, 
sondern aus den Kreisen der jüngeren Generation 
sich führende Persönlichkeiten holt. Modiglianis 
Lebenswerk ist infolge seines frühen Todes Frag- 
ment geblieben, aber das Fragmentarische, ge- 
schaffen in einer schmerzvollen Übergangszeit, in 
einer jubelnden Verehrung italienischer und fran- 
zösischer Klassiker, ist von süßer Zartheit, von 
linearer Sensibilität, mit zärtlichen Farben über- 
zogen. Seine Kunst hat auf Derain, Vlaminck, 
Utrillo starken Einfluß ausgeübt, darum wurde 
dieser in der Stille schaffende Neulandsucher ge- 
liebt, darum bleibt er für die heutige Gencration 
unvergeBlich. André Salmon hat in der Einleitung 
das Leben des Frühverstorbenen liebevoll ge- 
zeichnet. 

„Les écrivains réunis“ (11, rue de l'ancien 
Comédie) geben kleinere Künstlermonongraphien 
heraus. Hier erschien ein Bändchen Georges Crosz, 
den Leon Bazalgette in Frankreich einführt, von 
dem Filmtheoretiker Jean Epstein eine amüsante 
Studie: „Le Cinéma-Topographie, vue de l'Etna“, 


187 


Pariser Brief 


Zeitschrift für Bücherfreund: 


von Claude Aveline ein Heft über Steinlen. Das 
letztere ist für Deutsche zweifellos das Wert- 
vollste. Eine größere, in rascher Folge erscheinende 
Serie von Künstlermonographien geben Rieder 
& Cie. unter dem Titel „Maîtres de l'art moderne“ 
heraus. Hier erschienen außer Manet, Monet, 
Renoir, Cézanne endlich auch Künstlerbiographien 
über die zum Teil gar nicht, zum Teil in den letzten 
Jahren keine der modernen Forschung und Repro- 
duktionstechnik entsprechende Bücher verlegt 
sind, wie der Bildhauer Barye, der Meister des 
Impressionismus Pissarro und Berthe Morisct. 
Die Monographien über diese allzu lange vernach- 
lässigten Maler werden auch vom Ausland freudig 
aufgenommen werden. Als neuesten Band dieser 
Reihe gab Raymond Degamey eine Arbeit übe 
Géricault heraus, in der er einige bisher nicht ver- 
öffentlichte Werke in guten Abbildungen der 
Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Der Text 
ist von einem Manne geschrieben, der das Material 
beherrscht; diese Stoffbeherrschung ergibt sich 
aus einer verständnisvollen Liebe zu dem groben 
romantischen Maler. Man spürt sie in jeder Zeile. 
Dadurch wirkt das schöne Buch sympathisch, In 
gleichen Verlag erschien zum erstenmal in franzö- 
sischer Sprache ,,Les Lettres de Michelangelo“ in 
zwei Banden nach der italienischen Zentenar- 
ausgabe. Marie Dormoy hat die Briefe gut uber- 
tragen und verstandig kommentiert. Es wurde 
wirklich Zeit, daß in Frankreich einmal eine solch? 
Ausgabe erschien. Im Verlage der „Marges gab 
Adolphe Basler eine hübsche Plauderei über „La 
peinture... religion nouvelle“ heraus, die über 
Freundschaften und Cliquen unter den jüngeren 
Malern Frankreichs unterrichtet und eine Bilanz 
der augenblicklichen Situation gibt. 


Als sechster Band der hier schon mehrfach er- 
wähnten, bei Payot verlegten Sammlung „Vers 
et Prose“ gab Roger Gaucheron den „F Recueil des 
Dames“ von Pierre de Boudeille, Seigneur de 
Brantóme, heraus. Dieses amoureuse Werk ist 
bereits mehrfach veröffentlicht. Zuerst 1665-66 
in Holland, dann 1740 von Prosper Marchand 
Lancelot et Le Duchat, 1882 von Mommersqué. 
1858/59 von Mérimée und Lacour, endlich 1864 
bis 1882 von Ludovic Lalanne. Die vorliegende Aus- 
wahl, die das Leben der Anne de Bretagne und 
Maria Stuarts, sowie die drei Reden über galante 
Damen enthalt, geht zum erstenmal auf das in 
Bourdeille verwahrte Originalmanuskript zurück. 
Darin liegt der besondere Wert dieser Ausgabe. 
In der Einleitung erzählt Gaucheron das Leben des 
Verfassers auf Grund neuer Quellenforschung. Als 
Band 7 der gleichen Sammlung erschien eine Neu- 
ausgabe von Manon Lescaut nach dem endgültigen 
Text von 1753 und den Varianten der Ausgabe von 
1731. Eine vollständige Bibliographie berichtet 
über die Geschichte des berühmten Romans, den 
André Thérive für Payot herausgab. Die Illustra- 


188 


Juli-Oktober 1926 


tionen von Lefévre aus der Ausgabe von 1797 sind 

beigefügt. In der gleichen Kollektion hat der be- 

kannte, hier oft erwähnte Bibliophile Bertrand 

Guégan die Phantasien in der Art von Callot und 

Rembrandt von Aloysius Bertrand ,,Gaspard de 

la nuit“ herausgegeben, die Baudelaire und Mall- 
armé oft angeregt haben. Den reizenden Prosa- 
stücken ist eine Einleitung von Saint-Beuve voran- 
gestellt. Schriftproben und Illustrationen verleihen 
auch dieser Ausgabe bibliophilen Wert. Eine andere 
für Bibliophile bestimmte „Collection des chefs 
d'œuvre méconnus“ gibt seit kurzem Gonzague 
Truc bei Bossard heraus. In ihnen erschienen 
jüngst die Memoiren von La Rochefaucault, die 
sein Nachkomme, Comte Gabriel de La Roche- 
faucault, mit einer Einleitung versah. Er weist 
darauf hin, daß diese Memoiren ohne eine Indis- 
kretion, ohne einen Mangel an Takt, man könnte 
fast sagen, ohne Verrat, der Öffentlichkeit niemals 
bekannt geworden wären. Sie erregten bei ihrem 
Erscheinen, 1662 in Köln, das peinlichste Aufsehen, 
da viele der darin behandelten Personen damals 
noch lebten. Als der Herzog von Saint-Simon ein 
Exemplar des Buches seines Sohnes fand, schrieb 
er darauf: „Der Verfasser hat alles gelogen.“ Der 
sensationelle Reiz der Memoiren hat sich ver- 
flüchtigt, aber ihre Lebendigkeit für die Kultur- 
geschichte des 17. Jahrhunderts haben sie bewahrt. 

Im Verlage der Images de Paris veröffentlichte 
der durch Bücher und Vorträge auch in Deutsch- 
land bekannte Genfer Dichter und Psychoanalyti- 
ker Charles Baudouin einen neuen Band Gedichte 
unter dem Titel: „Les feux des hommes“, eine 
neue Talentprobe des Schweizers, teils in freien 
Rhythmen, teils in klangvollen Reimen gehalten. 
H. R. Lenormand, hier schon mehrfach erwähnt, 
gab in der Nouvelle revue frangaise einen Novellen- 
band ,,L’armée secrete‘‘ heraus. Der Verfasser, 
der als Theaterdichter in Frankreich große Erfolge 
erzielt hat, stellt in der Titelnovelle die Armee der 
Schweizer Spionage während des Krieges dar. Diese 
Kreise, mit ihrem gegenseitigen Mißtrauen, ihren 
Betrügereien und ihrer Auflösung jeder Moral sind 
packend geschildert. 

Auf einer Autographenversteigerung von Simon 
Kra wurden im Juni folgende Preise erzielt: Noti- 
zen Baudelaires über den Prozeß der Fleurs du mal 
23000 Fr.; ı5 Gedichte von Jules Telliers 4200 Fr.; 
das Manuskript zu „L’enfant prodigue“ von De- 
bussy 5800 Fr.; ein Fragment der Jeune Parque 
von Paul Valéry 7430 Fr. Auf der Auktion der 
Bibliothek des Comte Foy wurden u. a. folgende 
Preise bezahlt: ,,Aventures de Tel&maque‘ (1785), 
2 Bände in 4° auf Velinpapier, illustriert von 
Monnet, in Maroquin, 65000 Fr.; Les Baisers de 
Dorat, 1 Band in 8°, Erstdruck auf van-Geldern- 
Maroquin von Bezirion 13800 Fr.; Contes von 
La Fontaine, 4 Bände in Folio, illustriert von 
Audry, Maroquin, 47000 Fr.; Les amours de 


189 


Wiener Brief 


Zeitschrift für Búcherfreunde 


Daphnis et de Chloé, Edition du Régent, Maroquin 
mit dem Wappen des Herzogs von Joyeuse, 
24500 Fr.; Les Oeuvres de Rabelais (1741), illu- 
striert von Bernard Picart, 3 Bände in 4°, alt- 
blauer Maroquin, 18000 Fr. ; die Werke von Racine, 
illustriert von Le Sévre, 3 Bände in 4°, alter Maro- 
quin, 13 100 Fr.; Le monument du costume (1789), 
moderner Maroquin, 16700 Fr.; Les liaisons 
dangereuses, auf Velinpapier, 2. Abzug mit mehre- 
ren Andrucken vor der Schrift und Radierungen, 
Maroquin, 12000 Fr.; Oeuvres de Boileau (1747), 
5 Bände in 8°, Maroquin von Deromé, 17000 Fr.; 
Memoires de Sully, 3 Bände in 4°, Maroquin mit 
dem Wappen der Pompadour, 15800 Fr.; Les vies 
des hommes illustres de Plutarque, 14 Bände in 12°, 
Maroquin mit dem Wappen von Coiseul, Erz- 
bischof von Cambrai, 18000 Fr. Otto Grautoff. 


Wiener Brief 


Drei Jubiläen liegen hinter uns: hundertfünfzig 
Jahre Burgtheater, zweihundert Jahre Hofbiblio- 
thek und einhundertfünfundzwanzig Jahre Theater 
an der Wien. 

Eine wohlberatene Theaterbehörde hätte bei 
dieser Gelegenheit Weilens unübertroffene, wahr- 
haft monumentale Burgtheatergeschichte, etwa 
auf den Tag erneuert und ergänzt, wofür gewiß 
eine wissenschaftliche Kraft nahe genug zu finden 
gewesen wäre, in einer Volksausgabe erscheinen 
lassen und damit dem Institut und diesem Werk 
den schönsten Dienst erwiesen. Statt dessen hat 
die Direktion des Burgtheaters eine „Festschrift“ 
herausgegeben (in Kommission des Krystall- 
verlags, Wien), die schon dem Umfang nach 
— 85 Seiten — sehr bescheiden ausgefallen ist und 
deren Inhalt noch weniger monumental wirkt: 
einige Feuilletons von Glossy (Aus der Gründungs- 
zeit des Burgtheaters), Bahr (Direktion des Burg- 
theaters), Salten (Schauspieler), Herterich (Die 
szenische Entwicklung des neuen Burgtheaters); 
das von Raoul Auernheimer beigesteuerte Gelegen- 
heitsstück „An der Wiege des Burgtheaters“, teil- 
weise außerordentlich kahle „autobiographische 
Notizen der Mitglieder des Burgtheaters“ und nur 
um weniges gehaltvollere Glückwünsche von 
Autoren. Den Beschluß bildet ein Verzeichnis der 
Uraufführungen im neuen Haus vom 14. Oktober 
1888 bis 8. April 1926. Das Erfreulichste an dem 
Band sind die beigegebenen Bilder der gegen- 
wärtig engagierten Mitglieder und einiger neuerer 
Inszenierungen. 

Außerdem sind noch zu dieser Gelegenheit er- 
schienen: ein nett ausgestattetes Büchlein von 
Karl Glossy „Das Burgtheater unter seinem 
Gründer Kaiser Joseph II.“ (A. Hartlebens Ver- 
lag, Wien) mit allerlei schätzenswerten Mittei- 


190 


Juli-Oktober 1026 


lungen aus Archivalien; „Das Burgtheater im 
Wandel der Zeiten. Kleine Bausteine zur Geschichte 
dieser Kunststätte“ von Siegfried Lowy mit einem 
Vorwort von Hermann Bahr (Verlag Paul Knepler, 
Wien), „Das Burgtheater in Wien“ von Rolf Wolkan 
(Eligins-Verlag, Wien-Budapest) mit gutem Bilder- 
material zu einem die bekannten Tatsachen zu- 
sammenfassenden Text, sowie cine etwas summa- 
rische Überschau über das „Theater in Osterreich“ 
von Friedrich Rosenthal (A. Hartlebens Verlag). Die 
zweifellos wertvollste Jubiláumsgabe stellt eine 
äußerlich wie innerlich gediegene Monographie des 
Deutschen Verlages für Jugend und Volk dar: ,, Jo- 
seph Lewinsky. Fünfzig Jahre Wiener Kunst und 
Kultur”, mit Unterstützung der Stadt Wien und 
Verwertung von Lewinskys handschriftlichem 
Nachlaß von Helene Richter, einer genauen Ken- 
nerin des alten und neuen Burgtheaters, liebevoll 
und doch nicht panegyrisch geschildert, eines der 
besten und fraglos eines der würdigsten literari- 
schen Schauspiclerbildnisse, das wir in der theater- 
geschichtlichen Literatur besitzen, und vielleicht 
noch wichtiger als Beitrag zur inneren Geschichte 
des Burgtheaters. 

Läßt die magere Festschrift des Burgtheaters 
den krisenhaften Zustand ahnen, in dem sich das 
Institut seit mehr als einem Jahrzehnt befindet 
(es steht seit 1917 unter dem sechsten Dircktor!), 
so spricht die stattliche „Festschrift der National- 
bibliothek in Wien" von 870 Seiten in Lexikonoktav, 
mit 45 Textabbildungen, 34 Tafeln, ı8 Seiten 
Musiknoten und ı Karte, hergestellt in der noch 
immer jedem Wettbewerb gewachsenen Öster- 
reichischen Staatsdruckerei, eine beredte Sprache, 
daß die altehrwürdige Bibliotheca Palatina unter 
einer sachverständigen Leitung und mit einem auf 
der Höhe seiner bibliothekarischen und wissen- 
schaftlichen Aufgabe stehenden Personal, die ge- 
fährliche Krise des Umsturzes bereits überwunden 
hat. Allerdings drohen ihr noch immer die maß- 
losen und juristisch ganz haltlosen Ansprüche der 
Nachfolgestaaten, das mangelnde Interesse und 
Verständnis der führenden Parlamentarier, denen 
auch die aus Anlaß des 22. Deutschen Bibliothekars- 
tages ausgestellten unikalen Schätze nicht die 
Augen Öffnen werden, weil sie sie erst gar nicht in 
Augenschein nehmen! 

Die Feier, welche am 26. Maiin Anwesenheit des 
Bundespräsidenten und zahlreicher Festgäste aus 
dem Deutschen Reich und Österreich begangen 
wurde, galt eigentlich dem Prachtbau des Johann 
Bernhard Fischer von Erlach, den sein Sohn Joseph 
Emanuel 1726 fertiggestellt hat. Die Grundlinien 
für die Geschichte der Büchersammlung hat erst 
vor kurzem einer ihrer Beamten (O. Smital: „Die 
Hofbibliothek“ in dem Sammelwerk „Die beiden 
Hofmuseen und die Hofbibliothek“ von H. Zim- 
mermann, A. Handlirsch und O. Smital, Wien 1922) 
wieder gezogen. Die alte Hofbibliothek beherbergt 


191 


Wiener Brief 


Zeitschrift für Bücherfreund: 


keine nach moderner Art mechanisch zusammen- 
gebrachte Büchermasse, sondern sie ist ein orga- 
nisch gewachsenes Gebilde, hervorgegangen aus der 
ganz persönlichen Liebhaberei fürstlicher Biblio- 
philen. Ihre Anlage reicht bis in die Tage Fried- 
richs 111. und Maximilians I. zurück, denen Ancas 
Sylvius und Konrad Celtis beratend zur Seite 
standen. Ferdinand I. und Maximilian II. haben 
trotz inneren Wirren, äußeren Kriegen, ständige: 
Geldnot immer wieder ansehnliche Summen aui 
ihre Bücher- und Handschriftenschätze aufgewen- 
det, deren Vermehrung sich die Hofgelehrten Cus- 
pinianus, Lazius, Nydbruck, Busbeck angeleger 
sein licBen. Maximilian II. besoldete schon einen 
gelehrten Bibliothekar, Hugo Blotius, dessen Kata- 
log von 1576 in Kopie heute noch vorhanden ist. 
Blotius brachte die Einlieferung von Pflicht- 
exemplaren der gegen den Nachdruck privilegierten 
Bücher in Anregung, die zwar wiederholt cır- 
geschärft, aber selbst bis in die jüngste Zeit nich: 
immer tatkräftig durchgeführt worden ist. Einem 
der erfolgreichsten Handschriftensammler jener 
Zeit, dem Wiener Arzt und Hofhistoriographen 
Johannes Sambucus, widmet Hans Gerstinger in de: 
Festschrift einen ausgezeichnet unterrichtenden 
Artikel. Fuhrte das humanistische Interesse au! 
die Werke in den altklassischen Sprachen, so 
brachte es die Weltstellung des Hauses Habsburg 
mit sich, daß fortgesetzt aus West und Ost reiche 
Schätze zuflossen. In immer größerem Umfang 
werden ganze Bibliotheken der kaiserlichen Samm- 
lung einverleibt: unter Matthias Mauchter (1651 bis 
1663) die Fuggersche, unter Lambeck (1663 —1682 
die Ambraser, unter Nessel (1680—1700) die 
Kinskysche, unter Gentilotti (1700—1723) die des 
Freiherrn von Hohendorf, unter Garelli (1723 bis 
1739) die Bücher- und Kupferstichsammlung des 
Prinzen Eugen von Savoyen, unter Gerhard van 
Swieten (1745 — 1772) die Handschriften der Schatz- 
kammer und die alte Universitätsbibliothek, unter 
Gottfried van Swieten (1777—1803) die alte Wiener 
Stadtbibliothek. Neue Zuwächse kamen aus den 
unter Joseph II. aufgehobenen Jesuitenklöstern, 
dem Dorotheerkloster in Wien, den Damenstiftern 
in Innsbruck und Hall, später aus dem Salzburger 
und Brixener Domkapitel. Moritz Graf Dietrich- 
stein (1826—1845) begründete durch Ubernahme 
des Hofmusikarchivs die Musikaliensammlung, eine 
Autographensammlung und eine reichhaltigeSamm- 
lung Napoleonica. Nebenher gehen Katalog- 

arbeiten, Erschließung der Bücherschätze für das 

wissensdurstige Publikum und die gelehrte Welt. 

Selbst aus den übelberüchtigten Direktionszeiten 

von Münch-Bellinghausen (1845—1871) und Bir 

(1871—1891) liegt eine ersprieBliche große Arbeit 

vor, der noch heute in Gebrauch stehende alpha" 

betische Zettelkatalog der Druckschriftensamn- 

lung. Was im letzten Vierteljahrundert unter den 

Direktionen Hartel (1891—1896), Zeißberg (159 


192 


—— 


Juli. Oktober 1926 


bis 1899) und Karabacek (1899—1917) geleistet 
worden ist, um den auBeren und inneren Dienst 
zu modernisieren, die vergrabenen Schätze aus 
den Depots zu heben, in lehrreichen Ausstellungen 
dem großen Publikum bekanntzumachen, dieses 
von den Ahnen überkommene reiche Kulturgut, 
rechtlich noch immer Privatbesitz des Kaiser- 
hauses, zu einem Allgemeinbesitz zu machen, 
schildert in einem auBerordentlich lesenswerten 
Aufsatz der Festschrift Othmar Doublier. 

Von bibliophilen Artikeln seien noch her vor- 
gehoben: Karl Außerer, Die heraldischen Hand- 
schriften; Wilhelm Beetz, Zur Gesichte der Porträt- 
sammlung (ehemals FamilienfideikommiB-Biblio- 
thek); Joseph Bick, Der unveröffentlichte zweite 
Teil der Dilucida Repraesentatio Bibliothecae 
Caesareae des S. Kleiner und J. J. Sedelmayr (mit 
16 Tafeln); Rudolf Brotanek und Rudolf Hitimaır, 
Die englischen State-Poems (von denen die Natio- 
nalbibliothek im Cod. 14090, Suppl. 1776 eine 
wertvolle Handschrift besitzt); Joseph Gregor. 
Die Handzeichnungen der Sammlung Perera 
(500 Handzeichnungen und Szenenskizzen des 
17. bis 19. Jahrhunderts, 200 graphische Blatter 
des 18. und 19. Jahrhunderts); Edmund Groag, 
Zur Geschichte des Bücherankaufs; Adolf Groh- 
mann, Bibliotheken und Bibliophilen im islami- 
schen Orient; Robert Lach, Aus dem Handschriften- 
schatze der Musikaliensammlung; Max Pirker, 
Die Komödie von dem zum Edelmann gemachten 
Besenbinder und ihre Vorlage (im Zusammenhang 
mit der vorbereiteten Ausgabe der Teutschen 
Arien, Cod. ms. 12706—12709); Kurt Rathe, Ein 
Architektur-Musterbuch der Spätgotik mit gra- 
phischen Einklebungen; O. Smital, Miszellen zur 
Geschichte der Wiener Palatina; Robert Teichl, 
Der Wiegendruck im Kartenbild; Emil Winkler, 
Die textliche Stellung der Handschrift 2597 (René 
von Anjou, Livre du cuer d’amours espris). Die 
anderen, durchaus gediegenen Beiträge von ehe- 
maligen und gegenwärtigen Beamten der National- 
Jibliothek bieten Untersuchungen über wissen- 
schaftliche Einzelfragen. 

Unter den Festgaben, die den Teilnehmern des 
Zibliothekarstages dargebracht wurden, verdienen 
‘inige ihrer Ausstattung oder ihres Inhaltes wegen 
lie Aufmerksamkeit der Bücherfreunde: so der von 
robert Teichl herausgegebene Führer und Plan „Die 
Viener Bibliotheken“ als Vordruck aus dem Ge- 
amtverzeichnis der in österreichischen Biblio- 
heken, Instituten usw. laufend gehaltenen Zeit- 
chriften (Wien, Verlag des Instituts für wissen- 
chaftliche Hilfsarbeit); der in 750 Stück als 
7. Berthold-Druck hergestellte Prachtband „Kata- 
ge und Aufstellung der Wiener Universitäts- 
ibliothek in ihrer geschichtlichen Entwicklung“ 
on Alots Jesinger (Berlin und Wien, SchriftgieBerei 
I. Berthold) in Walbaum-Antiqua mit Licht- 
rucken von Max Jaffe, Buchausstattung von Ru- 


193 


Wiener Brief 


Zeitschrift für Bücher freunde 


dolf Geyer, Druck der Waldheim-Eberle A.-G., 
gebunden von Lysakowski; der unterrichtende Ab- 
schnitt „Die Wiener Stadtbibliothek“ von Oskar 
Katann aus dem Städtewerk „Das neue Wien“ 
(herausgegeben unter offizieller Mitwirkung der 
Gemeinde Wien); die Widmung des Wiener Stadt- 
archivs „Die Kuenringer und die Wachau“ von 
Prof. Dr. C. H. Stowasser. 

Direktor Hubert Marischka- Karczag ließ zum 
Jubiláum seines Theaters eine Denkschrift er- 
scheinen ,,125 Jahre Theater an der Wien 1801 bis 
1926“, Text von Bibliotheksrat Dr. Raoul Biber- 
hofer (Wien, Verlag W. Karczag) mit zahlreichen 
gutreproduzierten Ansichten und Bildnissen, wieder 
eine Gelegenheitsschrift, in letzter Minute bestellt, 
fiir die der Verfasser so viel zusammentrug, als er 
eben in kurzer Zeit herbeizuschaffen vermochte. 

Aus Anlaß des hundertfünfzigjährigen Bestandes 
haben die jetzigen Inhaber der Buchdruckerei und 
Verlagsanstalt Carl Gerold’s Sohn in Wien, Robert 
und Hugo Hitschmann, eine auf gründlichen For- 
schungen beruhende, von dem rühmlich bekannten 
Fachmann Carl Junker geschriebene Geschichte 
ihres um die literarische Kultur Wiens hochver- 
dienten Hauses erscheinen lassen (,,Das Haus 
Gerold in Wien 1775—1925‘), die mit drei farbigen 
Tafeln, 35 Illustrationen und Faksimilia einen 
außerordentlich wertvollen Beitrag zur Geschichte 
des Wiener und des deutschen Buchhandels über- 
haupt darstellt. Junker verfolgt die Vorgänger der 
Familie Gerold zurück bis auf Michael Thurn- 
mayer (1670—1675), dem sich P. P. Vivian 
(1675—1683), Johann G. Schlegel (1681—1721), 
Wolfgang Schwendimann (1721—1738), Leopold 


. Kaliwoda (1738—1775) anschließen. Von 1775 bis 


1895 waren Träger der Firma Mitglieder der 
Familie Gerold, von denen Carl (1813—1854) den 
Zug in sich spürte, so etwas wie eine Art öster- 
reichischer Cotta zu werden, sein jüngerer Sohn 
Moritz und dessen Gattin Rosa geb. Henneberg im 
gesellschaftlichen Leben Wiens eine hervorragende 
Rolle spielten, wahrend sein Enkel Friedrich sich 
mehr und mehr von dem Geschaft, zu dem ihm 
die Neigung fehlte, zuriickzog, das nach einer wenig 
erfolgreichen Führung durch Hermann Manz und- 
dessen Witwe Anna 1905 auf die Brüder Hitsch- 
mann überging, die den Verlag, gestützt auf einen 
wertvollen Bestand an land- und forstwissenschaft- 
lichen Zeitschriften und Werken, allmählich wieder 
aufbauen wollen. Als ein erstes Unternehmen 
dieser Art liegt ein vorzüglich ausgestatteter Band 
vor: „Ferdinand Sauter. Sein Leben und Dichten. 
Auf Grund einer Dissertation von Dr. Hans 
Deißinger herausgegeben, ergänzt und mit Ab- 
bildungen versehen von Otto Pfeiffer“ (Wien 1926). 
Deißinger hat das Verdienst, neue Quellen für 
Sauters Lebensgeschichte erschlossen zu haben, 
Pfeiffer macht wertvolle Stücke aus seinem Sauter- 
Museum der Öffentlichkeit zugänglich, in die 


194 


Juli-Oktober 1926 


Sammlung der Gedichte ist alles erwiesenermaßen 
Echte und Sicherbezeugte aufgenommen worden. 
Zu den 94 Gedichten der ersten Sammlung von 
Julius von der Traun (1855) sind von Karl v. Thaler 
(1895) noch 35, von \W. Börner (1918) weitere 48, 
von Deißinger abermals ı8 Stück hinzugefügt 
worden, so daß jetzt im ganzen 195 Gedichte vor- 
liegen, nach Deißingers eigenem Urteil „vielfach 
Gehaltvollstes und Formschönes unmittelbar neben 
und zwischen Belanglosem und Unausgefeiltem“. 

Bei dieser Gelegenheit sei auch auf Junkers 
illustrierte Festschrift „Ein Vierteljahrtausend‘ 
(Linz 1925) hingewiesen, die die Geschichte der 
seit 1674 durch Hans Jakob Mayr aus Kempten 
gegründeten jetzigen „Druck- und Verlagsanstalt 
Jos. Feichtingers Erben (Hans Drouot) in Linz“ 
behandelt. Mayr ist auch der Begründer der 
„Linzer Zeitung”, deren älteste Exemplare seit 
1677, allerdings nur auf Buchdeckeln, Konrad 
Schiffmann neuerdings nachgewiesen hat. Eine 
von Junker vorbereitete Schrift: „Die ältesten 
Buchhandlungen Österreichs. Ein Beitrag zur Fir- 
mengeschichte des österreichischen Buchhandels“ 
wird auch Bibliophilen zahlreiche neue Einzel- 
kenntnisse vermitteln. „Als Festgabe den Teil- 
nehmern der 22. Versammlung Deutscher Biblio- 
thekare gewidmet von der Hölder-Pichler-Tempsky 
A. G.“ erschien eine Broschüre von Junker „Vom 
Buchführer zur Aktiengesellschaft: Zweihundert 
Jahre Wiener Buchhändlergeschichte“, die die 
Geschichte der Verlagsbuchhandlung Alfred Hölder 
(Friedrich Becksche Universitätsbuchhandlung) 
einerseits bis auf Johann Gottfried Bößkraut (gest. 
13. Dezember 1698) zurückführt, anderseits die 
Geschichte der seit 1921 mit ihr vereinigten Firmen 
Tempsky (ursprünglich Johann Gottfried Calvesche 
Universitätsbuchhandlung in Prag) und A. Pichlers 
Witwe & Sohn (zurückgehend auf die Buchhand- 
lung des Johann Martin Weimar in Wien 1784) 
erzählt. 

Der wirtschaftliche Niedergang des Wiener 
Bürgertums zeitigt die wenig erfreuliche Folge, 
daß abermals einer unserer hervorragendsten 
Sammler, Georg Eckl, gezwungen ist, seine Schätze 
unter den Hammer zu bringen. Mit einem Reclam- 
büchel hatte der Zwölfjährige 1875 den Grundstock 
zu seiner Bücherei gelegt, seit 1888, namentlich 
aber zwischen 1893 und 1904, erwarb er auf Auk- 
tionen allmählich mehr als 10000 Bände, 8000 
Kunstblätter, 1500 Bildnisse usw., hauptsächlich 
Austriaca und Viennensia, die schlicBlich in einem 
eigenen Stockwerk seines Hauses in der Burggasse 
nach Art eines Museums aufgestellt waren und 
gleichgestimmten Sammlergemütern mit Liebe und 
Stolz vorgewiesen wurden. Von dem allen wird in 
Kürze nichts mehr beisammen sein. Am 17. Mai 
hat im Auktionsinstitut Dr. Ignaz Schwarz die 
Versteigerung der Theatralia und Musikalien be- 
gonnen, denen am 14. Juni die Abteilungen Litera- 


195 


Wiener Brief 


Zeitschrift für Bücherfreund: 


tur und Kunst folgten. Im Herbst werden danı 
die Austriaca und Viennensia an die Reihe kommen. 
Aus der ersten Abteilung erzielten hauptsächlich 
kolorierte Kunstblätter und daneben nur wenige 
Buchseltenheiten Höchstpreise: Bäuerles Theater- 
zeitung 1823/24, 1826/1858 2000 Schill.; Gallerie 
drolliger und interessanter Szenen der Wiener 
Bühnen, 116 statt 154 Blatt, 1800 Schill. ; von den 
kolorierten Bildbeigaben zur Theaterzeitung die 
vollständigen Reihen „Scenen aus Wien“, ,,Satv- 
rische Blätter“, „Kostümbilder“, „Modebilder“ 
(876 statt 979 Blatt) zusammen 1450 Schill; 
Szenen klassischer Darstellungen auf den k. k. Hoi- 
theatern in Wien, gestochenes Titelblatt, 10 hand- 
kolorierte Lithographien 900 Schill.; Neueste 
Sammlung komischer Theatergesange, 107 Num- 
mern, 760 Schill.; Das deutsche Theater in Bildern. 
177 Kupfer, Unikum, 500 Schill.; Theatralische 
Bildergalerie, 28 statt 72 Blatt, 380 Schill.; Fanny 
ElBler, Cerrito, Taglioni, „Die drei Grazien“, kolo- 
rierte Lithographie von Dewerth 300 Schill. ; Taglioni 
als „Thea“, Lithographie von H. Eichens nach 
P. Bürde, 290 Schill. ; M. v. Schwind, sechs Blätter 
zu Raimunds „Bauer als Millionár*, kolorierte 
Lithographien von Kriehuber, 280 Schill.; Schu- 
bert, Lithographie von J. Teltscher, 1828, 20 
Schill.; Perinet, Wiener Theateralmanach auf das 
Jahr 1803 (Unikum) — Vaterländischer Künstler- 
verein. Veränderungen für das Piano-Forte übe: 
ein vorgelegtes Thema (Diabelli 1822), darin 
Beethoven Op. 120 — Schubert, Op. 2 Gretcher 
am Spinnrade, je 250 Schill. ; „Der Wurstwagen”. 
kolorierte Lithographie mit Bildnissen bekannter 
Wiener Künstler, 240 Schill.; Valtiner, Wiener 
Theateralmanach auf das Jahr 1815, 210 Schill; 
Wiennrischer Opernkalender auf das Jahr 1796 — 
J. F. Schink, Marionettentheater, je 190 Schill; 
Die Theater Wiens — Fanny Elgler, beim Schmink- 
tisch sitzend, Lithographie von H. Köhler naca 
H. Inmann — Raimund als „Gespenst auf der 
Bastei“, gezeichnet und lithographiert von Lud- 
wig Krones, je 150 Schill. ; Gallerie von Teutschen 
Schauspielern mit Schinks Zusátzen 145 Schill. 
Raimund als Aschenmann, kolorierte Lithographie 
von Kriehuber 140 Schill.; J. H. F. Müller, „Der 
Ball oder der versetzte Schmuck“ mit fünf seltenen 
Allegaten, 115 Schill. ; Taschenbuch vom k. k. priv. 
Theater in der Leopoldstadt 1828, mit Raimund 
als Quecksilber, Lithographie von Kummer, 120 
Schill. ; Schiller, „Wallenstein“, Erstausgabe 130 
auf Velinpapier, 120 Schill. ; einige hundert Theater- 
zettel des Burgtheaters 1782, 1812—1919 — de 
Theaterzettel der Eröffnungsvorstellung des Thea- 

ters an der Wien vom 13. Juni 1801 — ein Auto- 

gramm der Therese Krones — ein Wechsel mit der 

Unterschrift Nestroys — Carl Carl als Tanzmeiste! 

Pauxel, kolorierte Lithographie von Anton Schlo 

— eine Ansicht des k. k. Schauspielhauses an det 

Wien, kolorierte Radierung, je 100 Schill. Alle 


196 


i Juli-Ohtober 1926 


anderen Nummern, darunter sehr seltene Bücher, 
„mußten unter 100 Schill. losgeschlagen werden — 
-~ auch ein Zeichen der schweren Wirtschaftskrise, 
= die wir noch immer nicht überwunden haben. 
Noch ein weiterer, ganz unersetzlicher Verlust 
- droht uns: auch Max v. Portheim ist gesonnen, 
seine einzig dastehende Sammlung über die josephi- 
- nische Periode 1740—1792 in nächster Zeit zu 
= verkaufen. Da sie mit einem Realkatalog, dem 

Lebenswerk Portheims, ausgestattet ist, wäre es 
- dringend zu wünschen, daß die Sammlung als 
Ganzes erworben würde und, wenn nur immer 
~ tunlich, in Wien als ihrer eigentlichen Heimat 
- bliebe. In alter Zeit gab es Mäzene, die gelehrten 
- Sammlern ihre Bibliotheken abkauften und sie 
- selbst mit Pensionen auf Lebenszeit zu Hütern 
ihrer Schätze bestellten: wo ist heute noch der- 
gleichen zu finden? 

Auch einen persónlichen Verlust haben die 

: Wiener Búcherfreunde zu beklagen: Ende des 
Jahres 1925 ist Dr. Ignaz Schwarz gestorben, der 
- von 1906 bis 1917 in der Firma Gilhofer & Ransch- 
. burg, seither in der eigenen Firma hervorragend 
; tätig gewesen ist, kein gewöhnlicher „Bücher- 
. händler“, sondern von Haus aus Mediziner, auch 
: als Kaufmann ein Gelehrter, der sich lebenslang 
mit der Geschichte des Arzte-, Apotheker- und 
: Alchimistenwesens befaßte, von hier auf die mittel- 
- alterliche Geschichte der Juden in Wien geführt 

ward, die medizinischen Handschriften der Uni- 
' versitätsbibliothek in Würzburg beschrieb, den 
- Anfängen der Luftschiffahrt in Ungarn und Wien 
; nachging, die Wiener Straßenbilder aus dem Zeit- 
- alter des Rokoko sammelte, die Entwicklung der 

Wiener Schabkunst verfolgte und noch ein Dutzend 
_ ungedruckter Arbeiten hinterließ (darunter ein 

Verzeichnis der in den Donauländern gedruckten 
Inkunabeln, J. H. Löschenkohl und sein Verlag, 
_ Neuverbesserter Oeuvrekatalog zu J. Kriehuber, 
Namenbuch der Wiener Juden 1150—1421 u. a.). 
‘Wie er an jeder gelehrten Arbeit Anteil nahm und 
sie mit seinen reichen Kenntnissen gefallig unter- 
stützte, bleibe ihm unvergessen. 

Wien, Anfang Juni 1926. 
Prof. Dr. Eduard Castle. 


7. 


po 


44 


Neue Biicher und Bilder 
Neue erzihlende Schriften 


Ein Autor, der heute fir seine Novellen Verleger 
und Drucker sucht, wird fast ausnahmslos das un- 
frohe Ergebnis des zurückgesandten Manuskript- 
paketes erleben und dazu die Mitteilung erfahren, 
daß das Publikum keine Novellen mehr kaufe. Es 
wäre wichtig, einmal den psychologischen Gründen 
dieser plötzlichen Abneigung gegen die Novellen 
in aller Ausführlichkeit nachzugehen. Vermutlich 


197 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücher freunde 


würde es sich dann an Hand dieser Untersuchung 
ergeben, daß eine von außen her schwer erschüt- 
terte Zeit in jeder Hinsicht und somit auch in 
literarisch-künstlerischer nach Verankerung strebt, 
nach Werten also verlangt, die, fern allem Spiele- 
rischen, Gewicht genug besitzen (oder doch ver- 
sprechen), dem Ansturm des Alltags standzuhalten. 
Nur der Roman aber ist fähig, ein Zeitbild (sei es 
das heutige oder eines, aus dem wir die notwen- 
digen Vergleiche zu dem heutigen zu ziehen ver- 
mögen) einzufangen, prinzipiell und klärend zu 
gestalten. 

Ein solcher Roman ist René Schickeles, Ein 
Erbe am Rhein (in zwei Bänden bei Kurt Wolff in 
Müchen). Schickele, der im Kriege mit seinem 
Drama „Hans im Schnakenloch“ die tragische 
Zwiespältigkeit der elsässischen Seele uns nahe ge- 
bracht hatte, wendet sich hier demselben Problem 
zu, zu dessen Träger der Herr von Breuschheim 
wird. Neben den politischen Konflikten, die diese 
Grenzlandseele beunruhigen (und mancher kann 
aus diesem Roman lernen, wie ein großes Bekennt- 
nis zum Deutschtum meilenfern jedem chauvi- 
nistischen Nationalismus aussieht), erregen sie die 
ewigen Konflikte der Liebe, einer Liebe, die sich 
traumhaft in Venedig, in der roten Rivieraland- 
schaft abspielt. Schickele, dessen frühere Bücher 
sich nie völlig vom Journalistischen freimachten, 
hat sich in diesem Roman ganz in das rein Dich- 
terische zurückgefunden: dieser Zeitroman ist zeit- 
los. Weil seine Inhalte zeitlos sind einschließlich 
des elsássischen Problems, das durch keine An- 
nexion sich lösen läßt. Die außerordentliche Qua- 
lität des Werkes sollte seinen Erfolg verbürgen. 

Einen sechshundert Seiten langen Roman legt 
Jakob Schaffner durch die Union in Stuttgart vor: 
Die Glücksfischer, ein Buch für behagliche Leute 
oder für solche, die, kommen wir zu dem einleitend 
Gesagten zurück, aus den Wirren des Heute in ein 
neutrales Land sich flüchten wollen, nicht anders 
als träten sie eine wirkliche Reise in die Schweiz 
an. Denn die Kriegsnöte, die wir durchlebten, die 
Wirren der Inflation, die wirtschaftlichen und poli- 
tischen Kämpfe sind weder recht eigentlich über 
die Grenze noch somit in das Herz des schweizer 
Dichters gedrungen. Man sah sich dort diese Dinge 
mit an, man fand sie interessant, manche vielleicht 
sogar tadelnswert und traurig, aber einen selbst 
berührten sie nicht eigentlich. Und es ist erholsam 
und wahrscheinlich sogar heilsam, zu erfahren, daß 
alles das, dem wir soviel Wichtigkeit beimessen, 
diese Wichtigkeit an sich nicht hat, daß es neben 
wirtschaftlicher Krise, Valuten, Effekten und Lohn- 
kämpfen noch die vergessenen Dinge der scheinbar 
verlorenen Welt gibt, jene kleinen, heiteren, idyl- 
lischen, braven, Jean Paulischen, Kellerschen (mit- 
unter fast etwas spieBigen) Dinge; und daß man 
mit ihnen und gutem Humor einen so dicken Band 
füllen kann, der uns, lesen wir ihn, etwas bedeutet 


198 


Juli-Oktober 1926 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bucher freunde 


und wäre es auch das nur: uns ein wenig zu er- 
heitern. Dafür man dankbar sein muß! 

Ganz unidyllisch, von Waffen klirrend, voll 
bitterböser Intriguen, voll Mord und Empörung 
dagegen ist Lion Feuchtivangers historischer Roman 
Die häßliche Herzogin Margarete Maultasch (bei 
Kiepenheuer in Potsdam). Diese Geschichte des 
Kampfes zwischen Wittelsbach und Österreich um 
das Land Tirol ist nicht so sehr der politischen 
Malerei wegen aufregsam zu lesen, als wegen des 
Bildes der Margarete selbst, die auf unerhörtem 
Leidensweg ihre unwahrscheinliche Häßlichkeit 
zum Schicksalhaften steigert, deren Kampf um 
Tirol zum symbolischen Geschehen des Kampfes 
gegen das eigene durch ihre körperliche Verunstal- 
tung geborene Minderwertigkeitsgefühl wird, und 
die zuletzt doch tragisch unterliegt: in beiden 
Kämpfen. 

Einen weiteren historischen Roman, wenn anders 
man ein in sagenhafter Vorzeit spielendes Buch 
noch als historisch bezeichnen darf, bringt der 
Münchener Drei-Masken-Verlag in des Norwegers 
Andreas Haukland: Die Nornen spinnen (deutsch 
von S. Angermann). Es ist sogar ein Fehler des 
Romans, daß man im unklaren bleibt, wann genau 
man seine Geschehnisse anzusetzen hat. Jedenfalls 
ist es die wilde Zeit der Bardengesänge, die Zeit, 
da die Menschen mit ihren Sippen auf weitent- 
fernten Höfen sitzen, Wildnis zwischen sich, da 
die Fehden noch im Kampf von Mann zu Mann 
ausgetragen werden, Blutrache ganze Familien aus- 
rottet. Solcher Blutrache entflicht der Held des 
Buches, nachdem man sein Anwesen mit all den 
Seinen vernichtet hat, mit seinem Sohn in die 
Wildnis, um schließlich auch dort in das von den 
Nornen gewobene Schicksal verstrickt zu werden. 
Die Schilderung dieser Wildnis mit ihren unbarm- 
herzigen nordischen Wintern, der mühsamen 
Fischer- und Schmiedearbeit, den Kämpfen mit 
Bären und Wölfen, der Jagd auf Renntiere, denen 
Vater und Sohn auf Schneeschuhen nachjagen, 
sind Begebenheiten, die uns als schöne dichterische 
Gestaltung am stärksten fesseln, stärker als das 
eigentliche blutige Geschehen, obschon auch dieses 
nicht minder kunstvoll zusammengefügt ist. 

In einer weit graueren Vorzeit scheint uns der 
im gleichen Verlage erschienene Roman des Eng- 
länders A. S. M. Hutchinson: Das Kartenhaus 
(deutsch von Hanns von Gumppenberg) zu spielen, 
obschon sich dieser in unseren Tagen begibt. Aber 
er behandelt ein Problem von gestern. und diese 
liegen uns immer am weitesten. Es geht darum, 
daß ein junges Mädchen sich ihr selbständiges 
Leben aufbaut, daß sie auch in der Ehe noch ihren 
großen kaufmännischen Interessen ihr Bestes wid- 
met und daß darüber die Kinder zugrunde gehen. 
Dies alles ist sehr gut geschrieben, ein wenig lang- 
atmig zuweilen. aber doch mit viel Blick für Men- 
schen und Situationen. Der Streit indessen darüber, 


199 


ob eine Frau das Recht auf Emanzipation hat oder 
nicht, ist durch die wirtschaftliche Not in Deutsch- 
land zumindest schneller ausgetragen worden, als 
man es vor zehn Jahren vielleicht noch ange. 
nommen hat, und positiv entschieden worden. Das 
Hutchinsonsche Buch nun will tendenziös einen 
Sonderfall als prinzipiellen behandeln. Ohne dies 
tendenziöse Einstellung zu dem behandelten Thema, 
die somit offene Turen einrennt, würde das Buch 
auf Grund seiner feinen Beobachtungen wertvoller 
sein. 

Die Freunde Heinrich Mannscher Kunst seien 
auf seinim Verlage Zsolnay, Wien, erschienene Er- 
zählung Liliane und Paul hingewiesen. In dieser 
Novelle führt Manns Weg in die sehr dichterischen 
Gefilde seiner Anfänge, in die Atmosphäre seiner 
„Flöten und Dolche“ zurück. Eine passionell. 
Liebesgeschichte (auch diese spielt an der Riviera. 
dem Traumland aller Liebenden) geschieht im 
merkwürdigen Dunstkreis einer mystisch-phanta- 
stischen Realität, in der Umgebung und Personen 
sich aus der Leidenschaft der Liebenden heraus 
zu Symbolen formen. Der russische Großfürst, der 
sein erkaltetes Leben an der Glut der jungen Men- 
schen erwärmen möchte (eine Figur, die in man- 
chem an den Alten im Vorspiel zu Bruno Franks: 
Die Schwestern und der Fremde erinnert), ist ele 
mentar gestaltet. Trotz alles Unheimlichen aber 
bleibt diese von der südlichen Sonne beschwingt, 
beschwingt von der jugendlichen und darum auch 
obsiegenden Kraft wirklicher Liebe. 

Ein weiteres Buch, das in der ganzen Sonne 
von Liebe und Leidenschaft liegt, sind des unerg- 
lischen Englanders George Moore: Pariser Ge- 
schichten (bei S. Fischer, Berlin, deutsch von Max 
Meverfeld). Wer das vorkriegerische Paris, das 
Paris der Kunst und des charmanten unbeschwer- 
ten Lebens liebte, wird dieses Buch lieben, in dem 
es wieder ersteht, baudelairisch in der Diktion und 
Vision. aber heiterer, ohne dessen „Spleen“. 

Ganz außerhalb der Reihe des bisher b- 
sprochenen, aber nicht weniger empfehlenswer 
darum sind die bei Diederichs in Jena durch Wii 
Erich Peukert herausgegebenen Schlesischen Rübe- 
zahlsagen. Peukert hat mit großer Sorgfalt die 
Volkssagen von den literarischen geschieden und 
in gefälliger Form wiedererzählt. Auch Nicht- 
schlesier werden Freude an dem Bändchen haben. 
das überdies mit zweiundzwanzig Holzschnitten 
nach alten Vorbildern von 1763 geschmückt ist. 

Eines Menschen intensive Zielstrebigkeit zu 
einem wie immer gearteten Ideal äußert sich in 
drei psychologischen Formen: Fanatismus, Bege:- 
sterung oder Borniertheit. Während die von Fana- 
tismus und Begeisterung Entflammten als über- 
durchschnittliche Charaktere jene Figurinen der 
Welt komödie ergeben, deren die nachgestaltende 
Dichtung bedarf, um diese Welt zu zeichnen, ist 
der bornierte Mensch als mesquiner. enger, sta- 


200 


Juli-Oktober 1926 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


gnierender Charakter, in dem Ideale sich grotesk 
verzerren, die Gestalt, zu der der Dichter greift, 
wenn er, satirisch, falsche Ideale in eben jener 
lächerlichen Verzerrung zeigen und so bekämpfen 
will. Otto Freiherr von Taube indessen nimmt in 
seinem Roman „Das Opferfest‘‘ (Insel- Verlag, 
Leipzig 1926) Borniertheit zum Problem eines 
finfhundertachtzig Seiten starken Buches. Es 
schildert die Entwicklung eines vom Schreibtisch 
aus in völkisches Germanentum, Wald und Wotan- 
kunst sich verbeiBenden Jünglings, der schlicBlich 
eine Gemeinde gleichgesinnter zusammenbringt 
und in der alten Heimat das heidnische Opferfest 
durch Opfer von Papp-Pferden feiert. Daß diese 
Pferde beim jüdischen Kaufmann gekauft werden, 
daß es vor allen Dingen ein vom Helden uner- 
kannter Jude ist, der die Gemeinde halb aus Spaß, 
halb späterer Terrainspekulationen wegen finan- 
ziert — das und anderes indem Buche sind freilich 
satirische Momente. Und vielleicht ist Taube der 
Meinung überhaupt, eine Satire geschrieben zu 
haben. Dann aber ist sein Buch „im Scherz ge- 
sagt und im Ernst gemeint“. Die Art und Weise, 
in der der Autor seinen Helden, einen ekclhaften, 
aufgeblasenen Minderwertigkeitspsychopathen in 
jeder Phase seiner Entwicklung schildert, die Art, 
in der die jüdischen Gegenspieler gezeichnet sind, 
verraten, daß Taube (unbewußt vielleicht) mit 
seinem Herzen irgendwo auf seiten seines Kandi- 
daten Dippels und seiner germanischen Ideale 
steht. Ist dem aber nicht so, so fehlt Taube zu- 
mindest gänzlich jenes befreiende Lachen, das als 
Dominante jeder wahren Satire ertönen muß. Ich 
verweile darum nur so lange bei diesem herzlich 
langweiligen und in einem übergefeilten Stil ge- 
schriebenen Buch, weil Taube, von beachtens- 
werten Gedichten abgesehen, sich im „Verborgenen 
Herbst“ als selten feiner Schriftsteller vorstellte, 
von dem man Bestes nur erhoffte... und noch er- 
hofft. Wie denn schließlich auch hier manche 
Kunst und Gestaltungskraft zu spüren, aber am 
untauglichen Objekt verschwendet ist. — Das be- 
freiende Lachen, das Taube fehlt, strömt hell aus 
Hendersons ,, Tischgesprachen mit Bernhard Shaw“ 
(Berlin, S. Fischer, 1926). Daß alles was Shaw, 
neben Chesterton der klügste, witzigste und un- 
voreingenommenste Mann Europas, über Theater, 
Film, Literatur, Wissenschaft, die Welt, den Krieg 
und seine Nachwehen zu sagen hat, von ,,gesun- 
destem Menschenverstand“ ist und die Dinge von 
der Patina der Phrase und des Herkömmlichen 
blank putzt, bedarf der Ausführung nicht. — Viel 
befreiendes Lachen auch in O. Henrys Kurzge- 
schichten „Bluff“ (Potsdam, Kiepenheuer, 1926). 
Ein ebenbürtiger Nachfolger Mark Twains. Das 
Lösegeld des roten Häuptlings ist das Komischste, 
was man lesen kann. Aber aus diesem Buche zieht 
man die traurige Lehre (insofern man sie noch 
nicht aus Londons herrlichen Geschichten zog), 


Beibl. XVIII, 15 201 


daß gute Kurzgeschichten nie von Deutschen ge- 
schrieben werden. Daß dazu die „unbegrenzten“ 
Möglichkeiten des anderen Kontinents als Hinter- 
grund notwendig sind. Zu dessen Wolkenkratzern 
die grotesken Ubertreibungen passen, die in Europa 
nur albern wären. — Noch ein lachendes Buch: 
M. Arnac „Im Tollhaus der Freude“ (Allgemeine 
Verlagsanstalt München), das uns sehr derb rabe- 
laiisch in dieser Geschichte von den drei Wein- 
süffeln und ihrer Aventüren kommt. Aber ich finde, 
daß der, der das Gargantuelische liebt (und wie es 
nicht lieben!) es schließlich doch besser beim Ori- 
ginal findet. 

Ein völlig neuer Geist weht durch die Bücher, 
die aus dem roten Rußland zu uns kommen, und 
von denen eins von Dr. Bienstock in der Laube- 
schen Verlags-N ovellensammlung „Neue Ufer“ und 
drei Novellen Alexandra Kollontay „Wege der 
Liebe“ (Malikverlag) vorliegen. Es geht weniger dar- 
um, daß in diesen Büchern neue revolutionär-aben- 
teuerliche Geschehnisse geschildert werden (auch 
dies geschieht), daß sie in die uns fremde, mystische 
unheimliche Atmosphäre Sowjetrußlands getaucht 
sind, — das, was ihnen das Neue gibt, ist die Art 
und Weise, wie die Dichter sich mit den alten 
menschlichen Problemen aus ihrer neuen Gemein- 
schaftsideologie heraus primitiv, mit blutigem 
Ernst wie erste Menschen auseinandersetzen. Davor 
kritische Betrachtung zurücktritt und die, im üb- 
rigen zum Teil hohe Form — zur Nebensache wird. 

„Ferner liefen“: K. Baberadt „Das Haus zum 
Lanzknecht“ (Frankfurt, Engler & Schlosser) eine 
von einem geschmackvollen Dilettanten verfaßte 
Familiengeschichte mit Lokalkolorit und histo- 
rischen Fußnoten, sowie E. O. Püttmann: „Anna 
Carolina“ (Berlin, Concordia),daskleineren Provinz- 
leihbibliotheken empfohlen sei. 

Einen jungen Autor stellt uns Langen, München, 
vor: Heinrich Siemer mit einem Roman: Maja 
Orbinska und der „Waschzettel‘“ verspricht Zo- 
laisches. In Wirklichkeit ist es ein sehr dürftiges 
Buch, das allerdings in Hamburg, wo es spielt, 
vielleicht Aufsehen machen wird, weil es sich hier 
um einen sogar sehr durchsichtigen Schlüsselroman 
zu handeln scheint, der aber in nichts ein allgemein 
bellestristisches Niveau überragt. — Hans Albrecht 
Moser schließlich füllt in,, Die Komödie des Lebens“ 
(Amalthea-Verlag) vierhundert Seiten aphoristisch 
mit allen bisher auf der Welt geprägten Gemein- 
platzen. Grandios und darum erwähnenswert ist 
die Eitelkeit des Verfassers, davon die Zeilen förm- 
lich dampfen. — Soviel über neue Autoren. Kein 
neuer, aber in der Allgemeinheit zu wenig bekannter 
Dichter dagegen ist F. W. Bischoff, von dem im 
Verlage Lintz, Trier, ein Roman: „Alter“ erschien. 
Bischoff hält seine in dem Jugendroman: „Ohne- 
gesicht“ und zwei sehr beachtenswerten Vers- 
büchern gegebenen Versprechungen. In diesem 
Roman vollzieht sich die stille Tragödie eines 


202 


Juli-Oktober 1926 


kleinstädtischen Ehepaars, das alt wird, ohne daß 
es ein der Erinnerung wertes Leben gelebt hatte, 
und dessen einziges Kind verwahrlost in der Fremde 
untergeht. Bischoff ist groß in der Kunst des Aus- 
lassens. Das grausame und unerbittliche Schicksal 
eines weil alltäglichen, so doch nicht weniger er- 
schütternden Geschehens steht in seltener Eindring- 
lichkeit zwischen den Zeilen, die in klarer, sach- 
licher Sprache, frei von allen Firlefanzereien ge- 
schrieben sind. — Die weiteren uns vorliegenden 
Bücher haben bekannte Schriftsteller zu Autoren. 
Walter von Molo beendet in: „Im ewigen Licht‘ 
(Langen, München) eine Romantrilogie, die den 
modernen Apostel Bobenmatz zum Helden hat. 
Ohne damit den Wert Moloscher Erzahlerkunst 
irgendwie verkleinern zu wollen, muß ich als ganz 
subjektives Urteil feststellen, daß mir dieser Boben- 
matz nichts sagt. Und daß ich darum auch nicht 
verstehe, warum er auf dieihn im Roman umgeben- 
den Menschen solch ungeheuren Eindruck macht. 
Gewiß verträgt das Motiv: „Der Ermordete, nicht 
der Mörder ist schuldig“ vielerlei Variationen. 
Wenn man aber wie Bobenmatz die Berechtigung 
zur Ermordung eines Menschen aus der Tatsache 
herleitet, daß dieser durch sein Wesen die Seele 
einer edlen Frau zum Verkümmern bringt und in 
Wirklichkeit Richter und Geschworene von dieser 
Berechtigung überzeugte, wie die seines Romans, 
so möchte sich bald die Hälfte der Menschheit im 
Blute wälzen. Welche Art der Weltverbesserung 
denn doch ein wenig gewaltsam erscheint. — In 
„Septakkord“ (H. Haessel Verlag) zwingt sich Hans 
Frank diesmal zu novellistischer Kürze. Darum in 
diesem Akkord keine falschen Töne schwingen, 
wie in seinem an gleicher Stelle besprochenen 
Roman „Koggenpoord‘“. Die erste der vier No- 
vellen des Bandes: „Südseeinsel“, ein Geschehen 
aus Friderizianischer Zeit kann in ihrer nahezu 
anekdotischen Prägung als durchaus gelungenes 
Kunstwerk gelten. Aber auch die anderen Ge- 
schichten sind, wenn auch ohne besondere Er- 
schütterung, so doch auch ohne Ärgernis zu lesen. — 
Nicht so die geheimnisvollen Geschichten ,,Toten- 
buch‘ von Wilhelm MatthieBen (Bachem, Köln), 
darin es von Revenants, Huldren und Spuk 
wimmelt, ohne daß es uns dabei irgendwie schau- 
dernd und unheimlich überliefe oder eine irgendwie 
witzige Auflösung uns entschädigte. Mag sein, daß 
einige spiritistische Tanten sich an diesen Novellen 
ergötzen, in denen ich nichts weiteres als das Leer- 
laufen-lassen einer phantasielosen Phantasie er- 
kenne. — Wie anders bewährt der große Künstler 
Arthur Schnitzler sich im Phantastischen. In seiner 
„Traumnovelle“ (S. Fischer, Berlin), verquicken 
sich wundervoll wirkliches und traumhaftes Ge- 
schehen, eine Nachtvision von außerordentlicher 
Qualität ersteht, darin in merkwürdigen Ereig- 
nissen dem Helden zwischen einem Abend und 
einem Morgen gleichsam die fleischgewordenen 


203 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücherfreund: 


Allegorien aller verpaßten Liebesgelegenheiten 
seines bisherigen Lebens vorüberziehen, um wieder 
unwiederbringlich zu verschwinden. Dies ein 
Meisterwerk! — Es fehlt nicht an Stimmen, die 
Bruno Frank seiner „Tage des Königs“ und nun 
seines „Trenck“ wegen der Konjunkturausnutzuns 
bezichtigen. Selbst aber, wenn es an dem wäre: 
wer es versteht, wie Frank die Gestalt Friedrich 
des Großen in seinen Novellen und nun in dem 
Roman seines abenteuerlichen Günstlings mensch- 
lich zu erfassen, ohne ihn darum jenes mystisch- 
legendären zu entkleiden, das wie eine Aureole die 
wenigen Großen der Welt umstrahlt, darf, ja soll 
die Konjunktur ausnutzen. Weil das wirklich Gute 
(und der Franksche Roman ist gut und überaus 
lesenswert) jenes so notwendige Gegengewicht zu 
jenen miserabeln wirklichen ,, Konjunkturbúchern* 
bildet, die die Kleinstadtlesekranzchen verwirren 
und verbilden. — Endlich sei Franz Hessel: „Teig- 
waren, leicht gefärbt“ (ebenfals bei Rowohlt), 
Lesern und Leserinnen besonders empfohlen. Diese 
reizenden und anspruchsvollen Histörchen, die beı 
aller Leichtigkeit sehr nachdenklich sind, gleichen 
in der Tat dem zierlichen Teegebäck, daß man 
freilich nicht ißt, um satt zu werden, aber voll 
Freude am Knabbern aus feinstem Mehl gebackener 
Süßigkeiten. Und davon einen köstlichen Ge- 
schmack auf der Zunge behält. 

In seinen drei Novellen: Die Gewaltigen, die am 
Hofe Davids, Philipps und Alexanders, im bolsche- 
wistischen Rußland spielen, versucht Walther Eid- 
litz das tiefe Geheimnis der Macht zu ergründen, 
die die Umwelt im Bann hält, legendenbildend ist 
und dabei doch von einfachen Menschen ausgeht, 
die hinter ihrer gewaltigen Maske von allen Schwa- 
chen und Zweifeln des Herzens erschüttert werden. 
Diese Novellen (verlegt bei Zsolnay, Wien 1926) 
erscheinen (hierin denen des Spaniers Unamuno 
vergleichbar) wie mathematische Konstruktionen 
zum Beweise eines Lehrsatzes, daran indessen 
nichts zu tadeln bleibt, wenn der Beweis gelungen 
und überzeugend ist. — Eine hohe Auflagenzifier 
macht in Deutschland einen literarischen Autor 
von vornherein verdächtig. Zu solchem Vorurteil 
tragen Bücher wie R. C. Muschlers: Der Weg ohne 
Ziel, ein Nachtbuch, dessen erstes bis zehntes Tau- 
send Grunow in Leipzig vorlegt, in hohem Mak 
bei. Es findet sich in diesem Roman aber auch 
alles, was jeden Bildungsphilister begeistert: Das 
Ringen um eine Weltanschauung, Ästhetizismus 
mit einem Schuß von Zynismus, Leidenschaft, 
irdische und himmlische Liebe, moralische Aus- 
einandersetzungen mit einem kleinen Zusatz Un- 
moral, die tiefen Geheimnisse und Sehnsüchte einer 
„Künstlerseele“ und dazu herrlich viel allgemeine 
Bildung: Kunst-, Literatur-, Naturgeschichte, 
Philosophie, Medizin, Astronomie, von jedem etwas 
und überdies ein wenig Ausgefalleneres. Dazu die 
Hauptsache kommt; daß solche Bücher nicht etwa 


204 


Juli-Oktober 1926 


„Mache“ sondern in ehrlicher Begeisterung ge- 
schrieben sind, von Herz zu Herzen sprechen. 
Welches das letzte Geheimnis des Erfolges, auch 
dessen zum Beispiel der Courths-Mahler, ist. — 
Durchaus wohlgetan ist es, wenn der Verlag Ro- 
wohlt die kritischen Arbeiten Alfred Polgars unter 
dem Gesamttitel Ja und Nein ediert. Es gibt 
wenig Amüsanteres und Interessanteres als heute 
noch zum Beispiel in Fontanes Causerien über das 
Theater zu blättern, weil das, was ein überragender 
Geist über den Geist seiner Zeitgenossen urteilt, 
die beste Historie darstellt, die es gibt; zumal 
wenn darüber hinaus die künstlerische Form des 
kritischen Essais vollendet ist. Polgars Schriften 
sind von feinstem Schliff und reihen sich eben- 
bürtig neben den Werken der großen Kritiker auf. 
— An ausländischen Büchern in deutscher Sprache 
erschien der Anzeige wert als erstes ein neuer 
Roman von Svend Fleuron: Waldkäuze (Jena, 
Diederichs, 1926, übertragen von H. Kiy), Diese 
Waldkäuze sind nun freilich leider Menschen: 
Förster, Axtleute, Waldbauern, und Fleuron schil- 
dert Menschen nicht ganz so vollkommen wie Tier 
und Natur. Aber es ist daneben der Wald in das 
Buch eingefangen und lebendig gemacht. Das 
macht diesen ,,Geschichtenkranz‘‘ ebenso reizvoll 
wie seine übrigen Werke; ohne damit freilich sagen 
zu wollen, daß es sich nicht auch verlohnte, seine 
Menschen kennenzulernen. — Als zweites aus- 
ländisches Buch ist Leonid Leonows Roman: Die 
Bauern von Wory (Wien, Zsolnay, 1926) als Buch 
ganz großen Formates besonderer Empfehlung 
wert. Nach einer ein wenig breiten ın der Mos- 
kauer Vorstadt spielenden Einleitung wird in die- 
sem Buch das Leben der Sowjetbauern geschildert, 
insonderheit aber jener „Grünen“, der „Dachse‘“, 
die aufständig gegen den Ispolkom sich in die 
Wälder zurückgezogen und vergraben haben; unter 
Semjon, ihrem Führer, einem neuen Robin Hood. 
Dieser große Roman (nicht das vorerwähnte 
Siemersche Buch) ist im besten Sinne zolaisch und 
verdient einen Platz neben den Polnischen Bauern 
von Reymondt. Erik Ernst Schwabach. 


Paul Adam, Lebenserinnerungen eines alten 
Kunstbuchbinders. Leipzig: Verlag Meister der Ein- 
bandkunst, 1925. (237 S.) 

Die erste Veröffentlichung des Bundes Meister 
der Einbandkunst, Sitz Leipzig, deren Druck in 
der Jean-Paul-Fraktur aus dem Jahre 1798 Jakob 
Hegner in Hellerau ausführte, liegt vor uns. Der 
Senior des deutschen Kunstbuchbinderhandwerks 
erzählt darin aus seinem Leben, Heiteres neben 
manchem Ernsten, und teilt noch immer aus dem 
reichen Schatze seiner Erfahrungen mit. Jeder, 
nicht nur der Bucheinbandkenner, wird sich von 
dieser schlichten Erzählung eines Lebens angezogen 


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Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


fühlen, die in ihrer klaren, einfachen Art des Be- 
richtens mehr zu geben vermag, als mancher wohl 
erwartet. Das Bild des alten Meisters, dessen Lob 
als Kunstbuchbinder, Fachlehrer und Fachschrift- 
steller hier zu singen unnötig ist, wächst aus diesen 
Erinnerungen vor unserm Auge hervor. Es ist das 
eines kerndeutschen Mannes. Der Abglanz eines 
reichen Gemüts leuchtet daraus hervor, das sich 
weniger in Worten, wohl aber in seinem Wesen und 
Verhalten kundtut, — sei es nun zu den Seinen, 
sei es zu seinen Lehrlingen und späterhin zu seinen 
Schülern. Von Anfang bis zu Ende malen diese 
Erinnerungen ohne Aufdringlichkeit oder gewollte 
Kunst ein Leben, auf das man wohl die von Paul 
Adam selbst angeführten Worte anwenden darf: 


Bericht es wol viel guete Taten, 
Sollt seyn es übel nit geraten. 


Worte Loubiers geben dem Buch das Geleit: 
Senior Seniori. H. Herbst. 


Julius Aufseesser, Aus meinem Sammlerleben. 
Mit 32 Bildern. Berlin, Bruno Cassirer, 1926. (97 S.) 
In Leinen 7 M. 

In dem Buche des erfahrenen, liebenswürdig 
plaudernden Sammlers steigt das alte Berlin auf 
mit seinen Händler- und Käufer-Originalen, seinen 
Künstlern und ihren Gefolgsleuten bis zum noch 
heute wohlbekannten Menzel-Pächter, alles zu- 
sammengehalten durch die immer unterhaltenden 
persönlichen Erlebnisse des Erzahlers und be- 
gleitet von stimmunggebenden, meist erheitern- 
den künstlerischen Funden. Seit langem habe ich 
keinen so amüsanten Leseabend verlebt wie im 
Genuß dieses auch äußerlich höchst anmutigen 
Bandes. G.W. 


Fritz Behrend, Aus Theodor Fontanes Werkstatt 
(zu Effi Briest). Mit einer Handschriftnachbildung 
in Lichtdruck. (Neunter Berthold-Druck.) Berlin, 
H. Berthold A.-G. Abt. Privaldrucke, 1924. 

Die typographisch musterhafte Schrift birgt 
einen ebenso musterhaften Inhalt. An einer Episode 
der „Effi Briest'* wird die Arbeitsweise Fontanes 
dargelegt, und ein Blatt der Handschrift, aufs ge- 
treueste nachgebildet, dient als Grundlage. Das 
heißt wahrhaft fruchtbare, nicht nur dem Fach- 
mann erfreuliche Philologie! G.W. 


Eduard Berend, Jean Paul-Bibliographie. Mit 
einem Bilde. Berlin, Josef Alimann, 1925. (VIII, 
153 S.) 

Der Name des besten Jean Paul-Kenners auf 
dem Titel verbürgt letzte mögliche Vollständigkeit 
und Genauigkeit der Angaben. Fragt sich also nur, 
ob Anordnung und typographische Form den Be- 
nutzern und ihren verschiedenartigen Absichten 


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Juli-Oktober 1926 


genügen. Auch in dieser Hinsicht erscheint die 
Leistung durch zahlreiche Abteilungen und Para- 
graphen, durch klaren Satz und leichte Unter- 
scheidbarkeit der Zusätze meisterhaft. Kurz, ein 
Hilfsmittel, das keinen berechtigten Wunsch un- 
erfüllt läßt. G. W. 


Martha Berger, Das Leben ciner Frau. Wien, 
Iikola- Verlag. 

Das Buch gehört in die Familie von Bilses „Aus 
einer kleinen Garnison“ und Margarethe Böhmes 
„Tagebuch einer Verlorenen“. Auch hier wird das 
Erlebnis nicht zum Kunstwerk gewandelt, auch 
hier soll warnend und aufrüttelnd in die Welt 
hinausgeschrien werden, nur daß nicht Sensations- 
begier, nicht grobe Erotik zum beherrschenden 
Motiv wird, sondern ein Bedürfnis nach Entlastung 
der eigenen Seele und das Verlangen nach einer 
edlen Rache an dem ungetreuen Manne. Dabei 
tritt ein starkes Naturtalent zutage, das die Auf- 
merksamkeit des Lesers auf den 600 engbedruckten 
Seiten kaum je erlahmen läßt, obwohl eigentlich 
nichts geschildert ist als das Zusammenleben zweier 
junger sinnlicher Menschen. Er ein erbarmlicher 
Schwächling, der sich nicht zu dem Mädchen seiner 
Liebe zu bekennen wagt, während sie trotz allen 
seinen Treubrüchen an ihm festhält, überwältigt 
von einer Leidenschaft, die sechs furchtbare An- 
griffe auf das keimende Leben nicht zum Erlöschen 
bringen, bis die Kraft des jugendlichen, starken 
Körpers völlig gebrochen und die vorzeitig Gealterte 
dahinsiecht. Hermann Bahr vergleicht in dem Vor- 
wort die Wirkung des Buches mit denen Eugen 
Sues, Balzacs und sogar Dostojewskis, und es gibt 
Leser, die bei den großen Erzahlern nicht mehr 
suchen, als sie bei Martha Berger finden können. 
Doch soll man sich hüten, solches Dilettantentum 
zu ermutigen; wehe unserer Literatur, wenn un- 
gezüchtete Naturtalente mit der unverhüllten 
Schilderung ihres Liebeslebens das ohnehin so ge- 
ringe Formgefühl immer mehr abstumpften! 

G.W. 


Max Brod, Réubeni, Fürst der Juden. Ein Re- 
naissanceroman. München, Kurt Wolff, 1925. 

Bezeichnet die Verlagsankundigung Brods Dich- 
tung „éubeni“ als das jüdische Heldenepos in 
Prosa, ist damit nicht zuviel gesagt. Denn weit 
uber die Aufgabe der historischen Romane, eine 
Zeit und ihre kulturelle Bewegung einzufangen, 
hinaus, kristallisiert sich in diesem Buche das meta- 
physische Problem der Judenfrage uberhaupt: die 
Sehnsucht nach dem jiidischen Nationalreich und 
die chiliastische Erwartung des Messias, Sie findet 
ihren Exponenten in der mytischen Figur Réubenis, 
eines Abenteurers, der sich als Fürst und Gesandter 
des semitischen Reiches Chabor ausgibt, der, von 


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Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


Papst und König empfangen und geehrt, den Ver- 
such unternimmt mit Hilfe Roms und Portugals 
die Türken zu bekriegen und ein wehrhaftes judi- 
sches Volk in die Heimat zurückzuführen. Réubeni 
ist der fanatische, makkabäisch-heroische Geist, 
dessen Pläne weit mehr durch die passive Schick- 
salsergebenheit der Majorität seiner Glaubensge- 
nossen zusammenbrechen als durch die politischen 
Konstellationen seiner Zeit. Die historischen 
Quellen dieser Geschehnisse sind, wie Brod an 
anderer Stelle ausführt, wenig zuverlässig: Legende, 
Schwärmerei, tendenziöse Berichterstattung, aber 
auch Schilderungen, deren Naivität für ihre Echt- 
heit spricht, wechseln miteinander ab. (Die Haupt- 
quelle: Réubenis Selbstbiographie wurde in Aus- 
zugen von E. Biberfeld 1892 in einer Dissertation 
ediert. Eine vollständige Neuherausgabe dieser 
Biographie erschiene Referenten ein verdienstvolles 
Unternehmen.) Unter diesen Umständen durfte 
Brod unbedenklich zum Vorteil der Dichtung dem 
Mythos die eigenen Visionen hinzufügen. So ist 
Réubenis Prager Jugendzeit des Dichters freie 
Erfindung und die darin geschilderte Liebesge- 
schichte zwischen ihm und der Schmiedetochter 
eine der schönsten in deutscher Sprache. Aber 
seine Erlebnisse in Venedig, Rom und Lissabon, 
sein Kampf um die Macht und die Seelen der Juden, 
sein inbrünstiger Glaube an seine Mission werden 
zum Monument geformt, das überragend und ge- 
waltig wie Michelangelos Moses sich aufbaut, zu 
dem ihm Réubeni Modell gestanden haben soll. 
E. E. S. 


Bücher des Mittelalters. Band III: Friedrich 
Ranke, Tristan und Isolde (284 S. und 30 Bilder 
auf 17 Tafeln). — Band IV: Ernst Tegethof, 
Märchen, Schwänke und Fabeln (388 S. und 22 
Bilder auf 16 Tafeln). München, F. Bruckmann, 
1925. Geh. 8.50 und 9. 50 M., in Leinen 10 und 
11 Mark. 

Der ungewöhnliche Eindruck der ersten beiden 
Bände (siehe XVII, 282) wird von den beiden 
neuen zum mindesten erreicht. Die bisher recht 
stiefmütterlich behandelte Geschichte der Tristan- 
sage wird von dem Königsberger Germanisten 
Ranke mit kühnem, aber einleuchtendem Er- 
schließen der ältesten Gestalten vollständig vor- 
geführt, unterstützt durch reichliche Proben, die 
neben dem Wandel der Grundanschauungen und 
der Motive auch die Formbeziehungen überblicken 
lassen. Schade, daß die mannigfachen Tristan- 
Dichtungen der Neuzeit unberücksichtigt bleiben. 
— Köstlichen Lesestoff bietet Tegethoff aus den 
reichen internationalen Schätzen der Märchen- und 
Schwankpoesie, wie aus den für jedes einzelne 
Volk bezeichnenden Stücken. Belesenheit und ge- 
schmackvolle Verdeutschung lassen diese Samm- 
lung allen verwandten Vorgängern überlegen er- 


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Juli-Okiober 1926 Neue Bücher und Bilder Zeitschrift für Bücherfreunde 


scheinen. Der reiche, aufs trefflichste wiederge- 

gebene Bilderschmuck beider Bände und die Güte 

der sonstigen Buchform sind besonders zu rühmen. 
G. W. 


Ernst Robert Curtius, Französischer Geist im 
neuen Europa. Stutigart, Deutsche Verlagsanstalt, 
1925. 367 Seiten. 

Wenn die ersten, in die Zeit noch wundweher 
Empfindlichkeit auf deutscher Seite fallenden von 
Curtius unternommenen Vorstöße, zwischen den 
literarisch und philosophisch gerichteten Geistern 
diesseits und jenseits des Rheines, also zunächst 
zwischen der führenden Intelligenz der beiden Län- 
der, wieder Verständigung anzubahnen, manche 
unwirsche Ablehnung bei uns erfuhren, darf heute 
wohl festgestellt werden, daß sein Bemühen er- 
mutigenden Erfolg gefunden hat. Auch auf fran- 
zösischer Seite, wo von den Besten ihm ein leb- 
haftes Echo geantwortet hat, obwohl — vielleicht 
auch weil — er nicht die bequeme Methode des 
Verwischens, sondern die der klaren und formbe- 
dingenden Abgrenzungen der beiderseitigen kul- 
turellen Zielsetzungen bevorzugt. Seit seinem Bar- 
res und dem Balzac, sowie zahlreichen Abhand- 
lungen wissen wir, welche seltene Umfänglichkeit 
intimster Kenntnis des künstlerischen und philo- 
sophischen Schrifttums im modernen Frankreich, 
welche vorurteilslose, allein vom objektiven Wert 
bewirkte Einfühlungskraft ihn zu einer Mission 
befähigt, die, um sie durchzuführen, außerdem noch 

ein gutes Teil jener intellektuellen Tapferkeit vor- 
aussetzt, an welcher Nietzsche den „Guten Euro- 
páer** erkennen wollte. 

Es ist auch in diesem Buche wieder die bei uns 
immer noch seltene Gabe der „schöpferischen“ 
Kritik — die, kein Einsichtiger zweifelt daran, in 
Frankreich ihre Jugend und ihre Entfaltung ge- 
habt hat — die Curtius befähigt, die eingeschlagene 
Bahn immer erfolgreicher weiterzuschreiten. Er 

erprobt sie hier an drei Namen von schon inter- 
nationalem Klange und an dem durch sie repräsen- 
tierten Werke: Marcel Proust, Paul Valéry und 
Valéry Larbaud. 

Nur auf den Erstgenannten sei hier besonders 
verwiesen, da er auch in Deutschland jetzt in 
vieler Leute Mund ist, und da just zu diesem Zeit- 
punkt von zwei deutschen Verlagen die umfang- 
liche Romanreihe ,Ala Recherche du Temps perdu 
in unserer Sprache dargeboten wird. Freilich wúrde 
es auch in gedrángtesten Umrissen nicht móglich 
sein, hier auf die Einzelheiten der komplizierten 
Charakteristik dieser Erscheinung einzugehen, die 
in Frankreich und in England schon eine umfang- 

reiche Literatur hervorgerufen hat; es mag genigen, 
der Überzeugung von Curtius hier Raum zu geben, 
daß er den Namen Marcel Proust in der Zukunft 
mit denen der drei großen französischen Roman- 
ciers, mit Stendhal, Balzac und Flaubert, in einer 


209 


Reihe genannt sicht, aber in der Bedeutung einer 
Steigerung der Leistung, nicht nur eine Gleich- 
stellung. In der Tat ist das der einstimmige Tenor 
sonst weit auseinanderstrebender kritischen Rich- 
tungen in Frankreich. Bei der hohen Wertung des 
traditionellen Geistes, der retrospektiven Ver- 
klärung gelebten Lebens, habe Proust ein ent- 
wickelndes Element hinzugefügt von so vertiefen- 
der und beschwingender Kraft, daß dem Bilde 
europäischer Kultur durch ihre Perspektiven in 
eine äußerste seelische Verfeinerung der Empfind- 
samkeit und einer Vertiefung psychologischer und 
ästhetischer Erkenntnis eröffnet wären. Wie Cur- 
tius es ausdrückt: der bisher gekannte Relationis- 
mus oder Relativismus würde von einem neuen 
Geist des 20. Jahrhunderts in einem — wenn die 
Wortbildung erlaubt ware — schöpferischen ,,Per- 
spektivismus‘ gewandelt. Sein Werk verscheuche 
die entnervende Resignation aus der ermatteten 
Seele Europas, es gäbe den Dingen unserer Welt 
eine neue und unendliche Schönheit bewirkende 
Heiligkeit: in allem der Natur Entsprossenen, in 
allem vom Geist je Gestalteten und weiter zu Ge- 
staltenden. Trifft das zu, so wird auch dem deut- 
schen Menschen ein Problem der Lösung entgegen- 
geführt, das wahrlich ihn mehr als jeden anderen 
Bürger eines anderen Kulturzentrums aufs tiefste 
bedrückt. Dem deutschen Leser Prousts freilich 
wird aus seinem Temperamente heraus die Ent- 
problematisierung seiner Welt so leicht nicht fallen. 
Er wird sich vor allem die Ausschaltung aller 
Willenselemente aus dem hier entworfenen Welt- 
bild nicht ohne weiteres zu eigen machen können; 
wird sich fragen, ob die „Bevorzugung der Seins- 
werte“ gegenüber den „Leistungswerten“, die 
Proust vertritt und durch die Sublimierung äs- 
thetischer Erlebenskraft als das Wesenhafte neu- 
europäischer Kultur verlockend hinstellt, ein aus- 
reichender und wünschenswerter Ersatz und eine 
neue Kraft für schöpferische Entwicklung sein 
kann. Wie jedoch hierüber bei uns die Entschei- 
dung auch fallen möge, jedenfalls ist das Werk 
Prousts an Werten so reich, daß jeglicher Ent- 
scheidung ein restloses Verständnis verausgehen 
muß. Und dieses in musterhafter Weise angebahnt 
zu haben, ist ein nicht genug zu dankendes Ver- 
dienst seines Interpreten; ein Verdienst, das üb- 
rigens auch den anderen Darbietungen des Buches 
zugesprochen werden muß. Max Martersteig. 


Karl Otto Erdmann, Die Kunst recht zu behalten. 
Methoden und Kunstgriffe des Streitens und andere 
Aufsätze, Zweite Auflage. Leipzig, H. Haessel, 1924. 

Wer nur die Kunst recht zu behalten lernen 
wollte, fände wirklich hier einige hundert Kniffe 
zusammengetragen, wie man bei hinreichendem 
Mangel an Charakter und ebensolchem Überschuß 
an Suada die Immervielzuvielen betölpeln und sich 


210 


Juli-Oktober 1926 


zur Betriebstüchtigkeit, auf die allein ja künftig 
unsere Welt eingestellt zu sein scheint, erziehen 
könne, um ein Mann von Gewicht zu werden. 
Schon Shakespeare meinte ja, der Teufel selbst 
könne sich auf die Schrift berufen. Aber so will 
der Verfasser nicht verstanden sein, und insofern 
ist die Aufschrift seines Buches doppeldeutig und 
verfänglich, während sein Inhalt doch nichts an- 
deres meint als Selbsterziehung zum Charakter, 
zur Persönlichkeit: die notwendigsten Tugenden 
in einer Demokratie, wenn sie nicht zur Demagogie 
entarten soll. M.M. 


Emil Ermatinger, Weltdeutung in Grimmels- 
hausens Simplicius Simplicissimus. Mit drei Licht- 
drucktafeln. Leipzig und Berlin, B.G. Teubner, 
1925. (VII, 123 S.) 

Von höherer Warte als die neuerdings so zahl- 
reiche Grimmelshausen-Forschung betrachtet Er- 
matinger das Hauptwerk und gelangt dadurch zu 
breiter und tiefer Gesamtschau. Die ungewöhnlich 
gut lesbare und prächtig gedruckte Schrift kann 
aufs wärmste empfohlen werden. P—e. 


Der Falke, Bücherei zeitgenössischer Novellen. 
Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt. 

1. Vicki Baum, Der Weg. 2. Richard Frieden- 
thal, Der Heuschober. 3. Peter Dorfler, Regine 
und Mang. 4., 5. Axel Lübbe, Der Flüchtling; 
Ein preußischer Offizier. 6. Th. Mann, Bekennt- 
nisse des Hochstaplers Felix Krull. 7. Alfred Neu- 
mann, Der Patriot. 8. Alfons Paquet, Lusikas 
Stimme. 9., 10., 11. Josef Ponten, Der Urwald; 
Der Gletscher; Die Uhr von Gold. 12. Eduard 
Reinacher, Flock. 13. Wilh. Schäfer, Die Badener 
Kur. 14. Lulu v. Strauß Torney, Das Fenster. 
15. Heinrich Trueb, Beatus Wiederkehrs Ferien- 
reise. 16. Friedrich Wolff, Der Sprung durch den 
Tod. 

Die Deutsche Verlagsanstalt in Stuttgart erwirbt 
sich mit der hier anzuzeigenden Falkenbücherei 
zeitgenössischer Novellen nicht darum nur ein be- 
sonderes Verdienst, weil sie in diesen gut ausge- 
statteten und gut gedruckten billigen Bändchen 
dem gedrosselten deutschen Schrifttum ein neues 
Forum bereitet, — sie schafft zu gleicher Zeit 
einen bedeutsamen Querschnitt durch die moderne 
erzählende Literatur: Aus der Gesamtheit der 
Bände wird sich ein System der modernen Novelle 
und das der Erzählung entwickeln lassen, wobei 
es wenig oder nichts darauf ankommt, ob der ein- 
zelne Schriftsteller seine Prosadichtung selbst mit 
Novelle oder Erzählung betitelt. Während man 
bis etwa zur Jahrhundertwende nur zwischen Ro- 
man und Novelle zu unterscheiden hatte und No- 
velle und Erzählung als Synonyma gebrauchen 
konnte, wird heute eine Unterscheidung auch die- 


air 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücherfreund: 


ser beiden Begriffe sich als notwendig erweisen. 
Während der Erzählung die Schilderung eines Ein- 
zelfalles obliegt (ihre äußerste Form ist die short 
story), versucht die moderne Novelle im Gegensaiz 
zu dem eine Epoche spiegelnden großen modernen 
Roman den Einzelfall über das Anekdotische der 
Erzählung hinaus als typisches und notwendiges 
Geschehen zu begründen und es der Welt- und 
Naturordnung einzuordnen. So erweckt Vicki 
Baums (1) Novelle vom Sterben der kleinbürger- 
lichen Frau Zienkann darum die Anteilnahme des 
Lesers, weil es sich dabei nicht um ein einzelnes 
Geschick handelt, sondern weil eben die Verfasserin 
darüber hinaus die Tragik begrabener Sehnsucht 
im täglichen, mühseligen, unbeachteten Leben der 
armen Kreatur als das Schicksal einer ganzen 
Klasse sonst in der Dichtung nur verspotteter 
Frauen empfindet und schildert, es ihr um Frau 
Zienkann als Type geht. Ebenso begnügt sich 
Axel Lübbe (4, 5) nicht in „Ein preußischer Offi- 
zier“ damit, den Kampf eines Mannes (dessen 
Name bezeichnenderweise nicht genannt wird) 
gegen die ihn im Krieg überfallende Angst und 
Feigheit zu schildern, er, wählt diese Anekdote nur, 
um an ihr das Erbübel der Minderwertigkeits- 
psychose und des „männlichen Protestes“ als an 
einem Beispiel für alle endgültig zu gestalten. Wie 
die Geschichte der durch russische Steppen fliehen- 
den Kriegsgefangenen (obschon Erzählung betitelt) 
in ihrer tieferen Bedeutung die Novelle der Ver- 
lassenheit und des Heimwehs ist. Während Alfons 
Paquet (8) das Erlebnis mit der Sängerin Lusika 
in einen besonderen nach Weltwahrheit strebenden 
Kreis von Menschen stellt, um auch in einem 
abenteuerlichen Geschehen der Umwelt verknüpit 
zu bleiben, tritt in Friedrich Wolffs Schützen- 
grabennovelle (16), die Handlung bewußt gegen 
die leidenschaftliche Erörterung über die Unsterb- 
lichkeit der Seele zurück. Wie Vicki Baum im 
„Weg“ gestaltet Josef Ponten (9, 10, 11) in „Die 
Uhr von Gold“ die typische Tragik eines unbe- 
achteten und ereignislosen Daseins, in diesem Falle 
die eines dem Ehrgeiz seiner Frau nicht gewachsenen 
und an ihm zerschellenden Lebens eines Laden- 
besitzers. In „Der Gletscher“ wie in dem wunder- 
vollen ,,Urwald“* legt er aus der Fabel heraus die 
Wurzeln bloß, die mystisch und schicksalhaft alle 
Menschheit mit der Natur verknüpfen, in ihrer 
Zusammenfassung eine großartige Brücke zwischen 
der kalten Unerbittlichkeit der Alpen, des ,,Ober- 
menschlandes“, und der heißen üppigen Erdver- 
bundenheit tropischer Blüt- und Tierhaftigkeit. 
Auch Peter Dörfler (8) dessen an Otto Ludwig 
prachtvoll geschulte Bauerngeschichte jenen un- 
vermeidlichen Grenzfall zwischen Erzählung und 
Novelle darstellt, läßt die Landschaft des Algäu 
noch stark mitspielen. Die anderen Bände sind 
rein erzahlender Natur. Richard Friedenthal (2) 
schildert eine Episode aus der Franzosenzeit in 


212 


` Juli-Oktober 1926 


~ 


~ starker Bildhaftigkeit. Alfred Neumanns (7) Pa- 


IK? 


pe 


triot ist eine vorzügliche Miniatur aus der russischen 
Zarengeschichte. Reinachers (12) Idylle ist ein 
hübscher Beitrag zur Psychologie des Hundes. 
Wilhelm Schäfers (13) „Badener Kur“, eine lustig 
zu lesende Schelmengeschichte. Lulu von Strauß 
Torney (14) erhebt sich in ihrer tragischen Klein- 


: stadterzählung nicht über ein gutes Durchschnitts- 


niveau und Heinrich Truebs (15) Geschichte der 


ersten Liebe eines überaus schlafstichtigenPrimaners 
z ist ebenso lang wie langweilig. Sie stört mit ihrer 
: Gartenlaubenhaftigkeit das Geschlossene der Samm- 


lung. Thomas Manns (6) Jugendgeschichte kann 


: freilich als Romanfragment weder als Novelle noch 


als Erzählung gelten, ist aber ein meisterhaftes 


Stück Prosa, das zu vermissen schmerzlich wäre. 


— Das gedrangtere Leben der Jetztzeit hat nicht 


S minder als das die Welt erobernde Gemeinschafts- 


gefühl notwendigerweise die Novelle vor Aufgaben 


. gestellt, die früher dem längeren Roman gestellt 
- waren, und ebenso notwendigerweise werden diese 


A 


Novellen den Leser tiefer angehen, als die reine 


. Erzählung. Trotzdem hieBe es eine Ungerechtig- 
keit begehen, Wertunterschiede zwischen den bei- 
. den Kunstformen zu schaffen. Beide können voll- 


H 


. lenden die Höhepunkte. 


kommen sein, In der Falkensammlung, soweit sie 
hier vorliegt, bilden die Dichtungen Pontens im 
Novellistischen, die Alfred Neumanns im Erzäh- 
Man erwartet gespannt 


die Fortsetzung der Sammlung. E. E.S. 


Hans Franck, Eberhard Viegener. Dritter Band 
der Reihe ,,Charakterbilder der neuen Kunst“. 
Essen, Baedeker, 1925. 

Der Erde gehöre Viegener vorbehaltslos mit 
seinem ganzen leidenschaftlichen Sein und Tun, 
versichert uns sein Biograph und belegt diese Fest- 


- stellung durch 26 technisch einwandsfreie Bild- 


tafeln des malerischen Werkes dieses Westfalen. 
Danach zu urteilen scheint es aber doch recht 
wenig ,,Paradiesisches rund um Soest herum“ zu 
geben, wo Viegener schafft. Wir empfangen jeden- 
falls nur Proben eines vielleicht ehrlich gewollten, 
aber kaum gekonnten Allerweltsexpressionismus, 
der kaum irgendwo eine geistige Note oder auch 
nur eine technische Eigenart aufweist. — Wann 
wird das Gerede von der „Neuen Kunst“ endlich 
verstummen und die schlichte Frage wieder gestellt 
werden, was als Kunst zu gelten hat? M.M. 


Leonhard Frank, Die Schicksalsbrücke. Drei 
Erzählungen. — An der Landstraße. Erzählung. 
— Im letzten Wagen. Novelle, Berlin, Ernst 
Rowohlt, 1925. 

In diesen drei schmalen Novellenbändchen ver- 
sucht Frank, Menschenschicksale und soziale Ge- 
schehnisse eng verwoben in einer stark aussparen- 
den, zusammendrängenden Technik zu gestalten. 


213 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


Diese Technik beruht — wohlverstanden — keines- 
wegs auf Verstümmlung der Sprache und der 
Grammatik, sondern auf der ausschließlichen Auf- 
zeichnung der zur Handlung, ihrem Hintergrund 
und ihren Farbwerten unentbehrlichen Worte und 
Sätze. In der Novelle: Im letzten Wagen, darin 
die wichtigsten Vertreter der menschlichen Gesell- 
schaft (Offizier, Geistlicher, Bankier, Korpsstudent, 
Reisender, Arbeiter, Bauer, Staatsanwalt, Revo- 
lutionär und Schwangere) in Augenblicken höchster 
Lebensgefahr und der Errettung aus solcher Ge- 
fahr in einem losgekoppelten, talwärts sausenden 
Eisenbahnwagen gezeichnet werden, ist diese Tech- 
nik zur Meisterschaft entwickelt. Die Vorwürfe 
der drei Erzählungen im Bande: Die Schicksals- 
brücke — Die Flucht der jungen Mädchen in die 
Welt, das durch ein verspätetes Ins-Amt-kommen 
umgeworfene Lebensschicksal eines Beamten, die 
stille Tragödie eines abtreibenden Mädchens — 
sind nicht neu. Um so mehr beweisen sie, daß die 
Erfindung unwichtig ist gegen die Form, in der 
der Dichter sie bringt. ,,An der Landstraße“ gibt 
den Querschnitt einer kleinen Industriestadt an 
Hand des Schicksals eines von der Polizei ver- 
folgten Revolutionärs. Drei lesenswerte Bändchen 
für den, zu dessen Herzen Kunst und Menschen- 
schicksale sprechen. E.E.S. 


Wilhelm Frels, Der Katalog des Bücherlieb- 
habers. Eine Einrichtung und Fortführung. Leip- 
zig, H. Haessel, 1925. 

Ein Büchlein, das jedem angehenden Biblio- 
philen empfohlen werden kann. Wenn es auch 
letzten Endes nichts enthält, worauf der Sammler 
mit der Zeit nicht selbst kommen dürfte, so wird 
es ihm doch viele kostspielige, weil zeitraubende 
Versuche ersparen. An verschiedenen Stellen sollte 
statt des Hinweises auf andere Veröffentlichungen 
der entsprechende Punkt vielleicht ein wenig aus- 
führlicher behandelt werden. Indessen ist gerade 
die sachliche und vereinfachende Kürze der große 
Vorzug des witzigen Bändchens, das nicht mit 
eigenen, dem Privatmann überflüssigen bibliothe- 
karischen Kenntnissen prangt, sondern das wirk- 
lich Notwendige anregt. E.E.S. 


René Fülöp-M dier, Geist und Gesicht des Bolsche- 
wismus. Darstellung und Kritik des kulturellen 
Lebens in Sowjetrußland. Mit 500 Abbildungen, 
darunter vielen Farbendrucken. Wien, Amalthea- 
Verlag, 1926. (III, 490 S.) 

Ein prachtvoll ausgestattetes Werk, dessen buch- 
technische Ausführung dem Verlag alle Ehre macht. 
Die Abbildungen, auf 282 Tafeln und vielfach im 
Text verstreut, sind vom Verfasser mit viel Ver- 
ständnis und Geschmack gewählt; sie bieten in 
ihrer Gesamtheit ein anschauliches Bild vom heu- 
tigen Rußland, dem Leben und Treiben auf seinen 


214 


Juli-Oktober 1926 


StraBen und Platzen, der gespannten Propaganda- 
tätigkeit des Kommunismus in Umzügen, Bildern 
und Plakaten, dem Suchen nach neuen Kunst- 
formen auf allen Gebieten künstlerischer Betä- 
tigung. Kurz, ein überreiches Material für den 
lebendigsten Anschauungsunterricht. 

Leider aber steht der Text des Buches nicht 
auf gleicher Höhe. Zweifellos kennt der Verfasser 
das heutige Rußland aus eigener Anschauung: 
davon legen einige lebendig geschilderten Szenen 
Zeugnis ab. Doch ebenso zweifellos ist es, daB 
diese Anschauung nur eine flüchtige und ober- 
flächliche war, und er hat es nicht für nötig be- 
funden, sie durch ernstes Studium zu ergänzen und 
zu vertiefen. Die Landessprache kennt er nicht — 
Beweise hierfür bietet fast jede Seite des Buches. 
Er tritt an die fremde Welt so gut wie unvorbe- 
reitet heran, miBt sie an fertigen westeuropäischen 
Gedankenschablonen und wird daher den zu schil- 
dernden Erscheinungen weder im positiven, noch 
im negativen Sinne gerecht. Schon die Fragestellung 
an sich ist in dieser Form kaum zu rechtfertigen: 
sie faBt den Bolschewismus lediglich als kulturelles, 
nicht auch als politisches Problem, — was er doch 
im eminentesten Sinne ist. Das eine ist aber ohne 
das andere weder zu verstehen, noch zu erklären. 
Das macht sich denn auch auf der ganzen Linie 
der Darstellung schmerzlich geltend. Den „Geist“ 
des Bolschewismus destilliert der Verfasser nicht 
aus eigenem lebendigen Verständnis, sondern aus 
den Schriften seiner Parteigänger und Gegner. Was 
dabei herauskommt, ist zum geringsten Teile neu, 
und was er hie und da von sich aus dazugibt, be- 
ruht nur zu oft auf MiBverstehen des Wesens der 
Erscheinung. Ein charakteristisches Beispiel hier- 
für bildet das Kapitel über den Bolschewismus im 
Lichte des Sektierertums (vgl. besonders S. 117). 
Und was das „Gesicht“ des Bolschewismus anbe- 
trifft, so ist es damit nicht viel besser bestellt. Das, 
was der Verfasser schildert, ist ein Bolschewismus, 
der in sehr wesentlichen Zügen höchstens als Wunsch- 
bild in den Köpfen seiner Anhänger bestanden hat, 
jetzt aber schon längst durch den harten Kampf 
um das staatliche und wirtschaftliche Dasein in 
Leben und Kunst überwunden ist. Von jenem 
Wunschbild ist im Leben manches überhaupt nie 
verwirklicht worden, und anderes ist wieder ver- 
schwunden. So ist das Buch in einem gewissen 
Sinne bereits im Moment seines Erscheinens ver- 
altet, und der heutige Bolschewismus bleibt in 
sehr vielen Punkten unbeleuchtet und unerklärt. 

Doch der schwerste Vorwurf, den man dem Buche 
machen muß, ist das Fehlen jeder historischen 
Perspektive. Ein solcher Komplex verwickeltster 
Erscheinungen, wie ihn der Bolschewismus bietet, 
läßt sich rein phänomenologisch überhaupt nicht 
verstehen, ja nicht einmal halbwegs klar schildern. 
Nur historische Erkenntnis weist den Weg zu ihm. 
Hierin aber versagt der Verfasser vollständig. 


215 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücherfreund: 


Wenn er hie und da dennoch einen kurzen Anlauf 
dazu nimmt, so wird die Lektüre zwar oftmals recht 
amüsant, man muß es aber im Interesse des Buche 
trotzdem immer wieder bedauern, daß der Ver- 
fasser solch Wagnis unternahm. Wenige Beispiele 
müssen hier genügen. Den Einbruch der Tataren 
verlegt der Verfasser (S. 116) in das 15, Jahrhun- 
dert, d. h. um zwei Jahrhunderte zu spat; den ,,Ur- 
adel“ des Landes leitet er von Peter dem Großen 
her (!), d.h. er kürzt sein Alter um nahezu 9 Jahr- 
hunderte (S. 318). Er spricht auf S. 365 von der 
„Aufhebung des Zölibats“, das Rußland nie ge- 
kannt hat. Heillose Verwirrung herrscht im ganzen 
Buche über die Begriffe Adel, Aristokratie, Bürger- 
tum, auf die er kurzweg die westeuropäische Au- 
fassung überträgt. Die Wiedergabe historischer 
Namen ist von einer überraschenden Ungenavig- 
keit. Es ließen sich noch manche Kuriosa aufzäbler. 

Darf man mit solch leichtem wissenschaftlichen 
Rüstzeug an die Deutung des Bolschewismus heran- 
treten? Ich möchte diese Frage mit einem ganz 
entschiedenen „Nein!“ beantworten. 

F. Braun. 


Victor Gardthausen, Das alte Monogramm. Mi 
5 Tafeln. Leipzig, Karl W. Hiersemann. 

Da die Darstellung der Monogramme von ca. $00 
vor Chr. bis ca. 1500 reicht, so umfaBt sie die Ge- 
schichte und Entwicklung des Monogrammwesens 
überhaupt. Es ist nicht allein die bisherige For- 
schung durchaus verarbeitet und vor allen Dingen 
richtiggestellt, es wird vielmehr der Kenner durch- 
aus spüren, wieviel Neues, in erstaunlichem Um- 
fang Neues hier mitgeteilt und behandelt ist. Es 
gehörten aber auch die außerordentlichen palac- 
graphischen, numismatischen und Siegelkenntniss¢ 
eines Gardthausen dazu, um eine solche tiefe und 
weitgespannte Aufgabe erfüllen zu können. Zu: 
gleich ist er im Besitz der historischen Intuition, 
die ihn die Lösung finden ließ, wo andere mit 
vielem Kopfzerbrechen gescheitert waren. In dieser 
Gardthausenschen Monogrammkunde hat man die 
erwünschte Entwicklung vom griechisch -helleni- 
stischen zum römischen, zum byzantinischen. 
christlichen und lateinisch-abendländischen Mono- 
gramm. Interessantes findet sich allerorten. So 
gleich, wenn er das Monogramm streng definiert 
und vielleicht von andersartigen Buchstabenzu- 
sammensetzungen unterscheidet, wie vom Bild- 
symbol bzw. dem Beizeichen, wie er es nennt. Al; 
Arten des Monogramms unterscheidet Gardthau- 
sen das Ini tial-, Wappen-, Garantie- (Punzierungs- 
stempel), Eigentums-, Kunst-, Figuren-, das reli- 
giöse, Heroen- und Zauber- Monogramm, das Penta- 
gramm, eine Verbindung von 5 Alpha, ſindet sich 
aus den Zauberformeln der Babylonier abgeleitet 
Die Deutung der Zeichen der antiken Graveufe 
und Stempelschneider, der Münzkünstler, Münz- 


216 


— 


Juli-Oktober 1926 


meister, Münzstätten usw. erscheint noch wesent- 
lich komplizierter als die der Buchbindermono- 
gramme des 16. Jahrhunderts. Von besonderem 
Interesse ist die Analyse des Chris tusmonogramms. 
Schon das Kreuz, das stehende wie das liegende 
(zwar noch kein Monogramm). weist in die ältesten 
Zeiten des Orients zurück. Aber auch in seiner 
monogrammatischen Verbindung gehört es dem 
Orient an, als Zeichen des Sonnenkultus, als alt- 
heidnisches Zeichen, das dann, um 312 in Adap- 
tation und Rezeption christlich wurde. Auch das 
konstantinische Labarum, gleichfalls ein Sonnen- 
symbol, wird untersucht mit Heranziehung perse- 
politanischer und baktrianischer Münzen, wie auch 
Konstantins Monogrammbildung gleichfalls von 
seinem Mithraskult inspiriert ist. Hier leuchtet 
Gardthausen tief in die Psychologie der konstan- 
tinischen Zeit hinein. Auch die kunstvolle Mono- 
gramm-Elephantiasis von Byzanz („ein Volk von 
Schreibern“) wird glänzend zerlegt, derSigillographie 
gehört hier ein besonders wichtiges Kapitel, in 
diesem Exkurs wird auch das Monogramm Ulfilas 
gedeutet. Kunsthandwerklich von höchstem Wert 
sind ferner die Analysen der Beschau- und Pun- 
zierungsmarken, der Stempel der Silberschätze, der 
Töpfereien byzantinischer Zeit. Das Architektur- 
monogramm leitet über in die Steinmetzzeichen 
des Mittelalters. Schließlich wird von Gardthausen 
auch der Wichtigkeit der Notariats-, Königs- und 
Papstmonogramme bis ca. 1500 entsprochen. Die 
Monogramme spielen aber auch in die Filigranes 
des Papiers hinein. Hier knüpft dann die spezielle 
neuere Signet- (und Fabrikzeichen- und Geschäfts- 
marken-)Kunde an. Dies sei Veranlassung, noch 
darauf hinzuweisen, welche große Bedeutung Gardt- 
hausens so verdienstvolles Werk für die Zeichen 
des historischen Kunstgewerbes (jeder Epoche) hat. 
J- Z. 


Germanisches Wesen in der Frühzeit. Eine Aus- 
wahl aus Thule mit Einführungen bearbeitet von 
G. Neckel. IV u. 278 S. 8% Jena, E. Diederichs, 
1924. 

Ein Reklameband für die Sammlung Thule, der 
Abdruck größerer oder kleinerer Teile islandischer 
Sagas enthält, die in Thule erschienen sind. Jedem 
geht eine orientierende Einleitung voraus, geschickt 
abgefaßt, mit Hinweis auf Parallelzüge, in einer 
Mischung von Feuilleton- und wissenschaftlichem 
Stile. Der Marotte des Herausgebers der Samm- 
lung, die isländischen Ortsnamen zu übersetzen, 
ist Neckel treu geblieben. Die Auswahl der Stücke 

ist seinem persönlichen Geschmacke zuzuschreiben, 
und über den Geschmack läßt sich bekanntlich 
nicht streiten. Gleichwohl gestatte ich mir einige 
Randglossen. Wo steckt in der kleinen Erzählung 
von Gudmund dem Mächtigen germanisches Wesen ? 
Mu Bte denn fast die ganze Gislasaga abgedruckt 
werden, von der wir doch schon mehrere gute 


Beibl. XVIII, 16 217 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


deutsche Übersetzungen besitzen? Dagegen ver- 
mißt man Episoden aus der Sagaliteratur, die auf 
jeden, der sic liest, den tiefsten Eindruck machen. 
So die Njälsbrenna in der Njälssaga mit der er- 
greifenden Szene, wie sich Njäll mit Frau und 
Pflegesohn zum Tode bereiten. Oder die Episode 
aus der Egilssaga, wo der alte Egil um den Tod 
seines Sohnes Bödvar trauert und es nur der List 
seiner Tochter Thorgerd gelingt, den Lebensmut 
des Vaters wieder wachzurufen. Hier zeigt sich in 
dem Sippschaftsgefühl echt germanisches Wesen, 
jedenfalls mehr als in den Anhängseln aus der 
Snorra-Edda. E.M. 


Geigy-Hagenbach, Album von Handschriften be- 
rühmter Persönlichkeiten vom Mittelalter bis zur 
Neuzeit. Basel, Rudolf Geering, 1925. 4°. (XI, 
287 S.) Geh. 20 M., auf besserem Papier 32M. 

Die 1398 Handschriftproben, herstammend von 
1336 namhaften Persönlichkeiten, geordnet nach 
Ständen, bedeuten ein fortan unentbehrliches Hilfs- 
mittel aller, deren Teilnahme in irgendeiner Weise 
dem Gebiet der Autographen zugewandt ist. Und 
welcher geistig geartete Mensch schenkte der Hand- 
schrift, diesem unwillkürlichen, unverfälschten 
Charakterabbild nicht Aufmerksamkeit? 

A—s. 


Die Gesellschaft der Bücherfreunde in Chemnitz 
kämpft erfolgreich gegen die schlimme Zeit. Drei 
Gaben spendet sie für 1925 ihren Mitgliedern, und 
sie verraten nichts von dem deutschen Geldjammer. 
Am prächtigsten wirkt der Gedichtband „Das 
Antlitz im Gestirn* von Ludwig Strauß. Auf 
schwerem Bütten in einer wundervollen Didot mit 
farbigen Initialen gedruckt, empfingen die edlen 
Verse das ihnen gemäße Gewand. Wilhelm Schäfer 
gibt den ersten, in sich abgeschlossenen Teil seines 
noch unveröffentlichten Romans „Der Gottes- 
freund“, ebenfalls eine typographische Leistung 
von tadelloser Schönheit, und als nicht so umfang- 
reiches aber nicht weniger wertvolles Geschenk 
tritt hinzu Hermann Hesses Märchen ,,Piktors Ver- 
wandlungen“ in der Frühlingsschrift Rudolf Kochs, 
für solche zarte Dichtergebilde besonders geeignet. 
Die Wahl der besten lebenden Autoren an Stelle 
der sonst mit Unrecht bevorzugten Neudrucke 
bezeugt die verständnisvolle, tatkräftige Leitung 
Albert Soergels, und die Chemnitzer Buchdruckerei 
Adam (Leitung Jean Hoppe) legt mit jedem dieser 
Erzeugnisse Ehre ein. G.W. 


Heinrich Glück und Ernst Diez, Die Kunst des 
Islam. (Propyläen - Kunstgeschichte Band V). 
Berlin, Propylden-Verlag, 1925. Groß-8°. (617 S. 
mit etwa 600 Bildern und 39 zum Teil farbigen 
Tafeln.) 

Ein räumlich und zeitlich sehr ausgedehntes 
Feld wird in diesem Bande der ungewöhnlichen 


218 


Juli-Oktober 1926 


Kunstgeschichte des Propylaen-Verlags durch- 
schritten. Zwei kundige Fuhrer zeigen zuerst, im 
zusammenhangenden Texte, Richtungen und Zu- 
sammenhänge, dann geben sie zu jedem der über- 
zahlreichen Bilder ihre Erläuterungen und ver- 
weisen auf die Spezialliteratur. Menge, Wahl, 
Ausführung der Bilder steht auf gewohnter Höhe; 
sie besiegt alle Vorgänger und Nebenbuhler. 


G.W. 


Goethe, Faust. Mit einer Einleitung: Faust und 
die Kunst von Max v. Bochn. Berlin, Askanischer 
Verlag. 

Der mächtige Quartant enthält dies Weltgedicht 
in ciner typographischen Form, die technisch von 
neuem die Meisterschaft Otto von Holtens in ar- 
chaisierender Druckgestaltung bezeugt: Text in 
einer alten Schwabacher, szenische Bemerkungen 
und Personennamen in Antiqua, die letzteren rot 
gedruckt, ebenso die Szenentitel, was dort, wo 
die Rede häufig wechselt, dem Seitenbild ein schr 
lebhaftes Kolorit leiht. Am wichtigsten für den 
optischen Eindruck ist die Anwendung des Grund- 
satzes, jeden Vers und Versbruchteil genau auf die 
Mittelachse der Seite zu stellen. Ohne Zweifel wirkt 
das ästhetisch schr angenehm, und deshalb soll dem 
leisen philologischen Bedenken Schweigen geboten 
werden. Neben den mannigfachen früheren Ver- 
suchen, das Problem des völlig befriedigenden 
Faustdrucks zu lösen, darf dieser neueste, mit 
hohem Ernst und Aufgebot großer Mittel unter- 
nommene sich mit allen Ehren behaupten. Das 
schöne Papier kommt der Wirkung des Satzes sehr 
zustatten; weniger können wir uns mit dem Ein- 
band, der Nachbildung eines süddeutschen Originals 
des 15. Jahrhunderts, einverstanden erklären: denn 
einmal liegt sein Stil zeitlich vor aller Faustsage, 
dann aber wirkt er unccht, vor allem durch das 
eingezeichnete Pentagramm, das auf der uns un- 
bekannten Vorlage schwerlich vorhanden war. Vor 
der Dichtung steht Max von Boehns große Ab- 
handlung (221 Sciten) über „Faust und die bildende 
Kunst“, geschmückt mit einer Fülle von Bildern 
zur Sage, Dichtung, Bühnengeschichte, zum größten 
Teil ausreichend, vielfach vortrefflich in Kupfer- 
tiefdruck und Strichätzung wiedergegeben. Haupt- 
serien wie die von Cornelius (nach den Handzeich- 
nungen), Delacroix, Ramberg sind fast vollständig 
wiedergegeben, besonders dankenswert die zahl- 
reichen, zum großen Teil unbekannten Bühnen- 
bilder. Es ist die reichste Faustgalerie ur.d Max 
von Boehn ihr kundiger Sammler und Erläuterer. 
Nach welchem Grundsatz er die Bilder geordnet 
habe, ist mir freilich nicht aufgegangen, und ich 
muß zu manchen seiner historischen Angaben über 
das Werden der Faustsage, sowie zu seinem er- 
staunlichen Urteil über den zweiten Teil der 
Goetheschen Dichtung den Kopf schütteln. Aber 
auf dem Gebiet der Faustillustration weiß er Bc- 


219 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


scheid und läßt die Sonne seines Wissens über 
Große und Kleine — diese weitaus in der Mehr- 
zahl — leuchten. Der ganze Jammer der ernüch- 
terten, im technischen Können gesunkenen Illu- 
strationskunst seit Kaulbachs Tagen packt einen, 
wenn man an Boehns Hand die schier endlose Reihe 
derer abschreitet, die an dem großen Werk ihren 
Griffel versuchten. Man bewundert die Milde des 
Urteils und die Geduld, mit der alle diese dii 
minimorum gentium gemustert werden. Als Be:- 
ragen einer monumentalen Faustausgabe ist diese 
große Einleitung etwas Neues; ob sie gegenüber 
den üblichen literarhistorisch-ásthetischen Ein- 
führungen das Bessere bedeute, mag der Leser 
entscheiden. G. W. 


Oscar und Cacilie Graf, Japanisches Gespenster- 
buch. 142 teils mehrfarbige Tafeln nach japani- 
schen Malereien und Holzschnitten mit Text vor 
Cacilie Graf-Pfaff. Stuttgart, Union. 4°. 

Wir kennen kaum ein Volk, das nicht den 
Glauben an naturdamonische und aus dem Jenseits 
zurúckkehrende Schreckgestalten in Dichtung und 
bildender Kunst ausgeprägt hatte. Einen be- 
sonderen Reichtum solcher Denkmäler besitzt die 
japanische Malerei und Graphik, und aus ihm 
haben die beiden Herausgeber dieses schónen Wer- 
kes geschópft. Mit Recht sagt die Verfasserin des 
Textes, daB die Gespensterbilder der Japaner dem 
europäischen Kunstschaffen wertvolle Anregungen 
bieten könnten. Handhaben dazu gewährt die gute 
Einführung. Sie schildert die Herkunft und die 
künstlerische Entwicklung der Gespenstermalerei 
seit dem 11. Jahrhundert, erzählt die den Bil- 
dern zugrundeliegenden Sagen und leitet so zum 
richtigen Verständnis des Stofflichen an. Aber 
kaum bedarf es dessen für die Mehrzahl der Tafeln. 
Sie sprechen so deutlich, wissen das Phantastisch- 
Grausige so überzeugend zu versinnlichen, dal 
auch der Europäer erschaudert. Von den 142 Bil- 
dern geht ein starker Eindruck aus, vermittelt 
durch die treue Wiedergabe der schwarzen und 
farbigen Holzschnitte und der Malereien, deren 
zarte Übergänge oft zum Staunen getroffen sind. 
Die Druckerei der Union hat mit dieser großen 
Leistung ihrem Können das beste Zeugnis ausge- 
stellt und dem Kunstfreund eine Quelle dauern- 
den eigenartig hohen Genusses erschlossen. Auch 
die Ausstattung, Papier und Einband sind hohen 
Lobes wert. P—e. 


Rudolf Grossmann, Drei Marchen von Andersen. 
Mit 31 Lithographien. Berlin, Bruno Cassirer. 4°. 
300 Exemplare. 

Drei der bekanntesten Marchen Andersens — 
Der tapfere Zinnsoldat, Das Feuerzeug, Der kleine 
Klaus und der große Klaus — erscheinen hier mit 
handkolorierten Federlithographien Grossmanns, 


220 


Juli-Oktober 1926 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Biicherfreunde 


die das ironische Element steigern, die Sentimen- 
talität unterdrücken und so die Märchen unserer 
Fühlweise annähern. Vor dem Phantastischen 
schreckt er nicht zurück (siche den prachtvollen 
großen Hund im , Feuerzeug“), aber es ist ihm 
doch weniger willkommen als das heiter-satirische, 
reale Element. M. W. Lassally (für die Bilder) und 
Jakob Hegner (für den Text) haben zusammen ein 
restlos gutes Buch geschaffen, die Freude jedes 
verständigen Bibliophilen. G. W. 


Paul Gurk, Meister Eckehart. 
Lintz, 1925. 

Fast ist es so, als hätte man auf ein Buch dieser 
geistigen Art bei Gurk gewartet. Denn hier, wo 
der Mensch Eckehart, trotz der biographischen 
Forschung, nicht gerade im Hellen steht, konnte 
Gurk zu einer dichterischen Vision gelangen, und 
ihm ist aus der Schau heraus eine Gestaltung, eine 
Mythos-Bildung gelungen. Darüber hinaus aber ist 
es bedeutsam, daß Gurk den mittelalterlichen Re- 
formator zur Gestaltung seiner Art gewählt und 
ihn, ganz prall, mit seinem eigenen Lebensgefühl 
erfüllt hat. Wenn Meister Eckehart den ,,bitter- 
süßen Wein“ der Einsamkeit preist und ihn „dem 
kreisenden Gefäß des gemeinsamen Umtrunks“ 
vorzieht, oder wenn er sich „einen Wandernden — 
zu mir““ nennt, „dem das Werden die Heraus- 
wicklung seines unveränderlichen Urgrundes ist“, 
so vernimmt der Hellhörige einen Ton der Gurk- 
schen Seele. Meister Eckehart hat einen harten, 
strengen Feind, den Franziskaner Guardian, der 
ihn haßt, weil er in Eckehart und seinen Predigten 
die Erfüllung eigener Sehnsucht sieht; Guardian 
ist „der Kämpfer für das Bestehende, der Feind 
des Werdenden“, also Eckcharts. Der einzelne, 
der „auf den einzelnen Menschen“ geht, der „ein 
einzelner Sucher“ ist, ist als Werdender, Wandern- 
der hingestellt, der im Innersten seines Wesens 
zwar immer der gleiche ist, aber je nach den Men- 
schen, zu denen er spricht, ein anderes Gesicht 
zeigt, so daB seine Art nicht auf eine Formel ge- 
bracht werden kann. Der starke Persönlichkeits- 
wert des Buches, das im letzten religiöse Gefühl, 
die Verbindung von Realität und Metaphysik, die 
Bindung von Zeitgesetztheit und Zeitlosigkeit, die 
Gurksche Blickrichtung, die hinter die Dinge dringt 
— das alles macht das Wesen des Buches aus und 
erhebt es so wesentlich ins Epochale für Gurk, daß 
offenbar einer der ihm möglichen Gipfelpunkte in 
seinem Schaffen erreicht ist. Hans Knudsen. 


Trier, Friedrich 


Paul Hambruch, Faraulip. Liebeslegenden aus 
der Südsee. Mit 32 farbigen Original-Lithographien 
von Georg Alexander Mathey. Hamburg, Johannes 
Asmus, 1924. 

Der Staatsanwalt hat dieses liebenswürdige Kind 
reiner Forscherliebe mit dem Tode bedroht. Wenn 


221 


je sein Angriff auf das Leben eines Literatur- und 
Kunstwerks unberechtigt war, so hier. Was die 
Eingeborenen im Männerhause zu Faraulip, auf 
dem melanesischen Schiffe und in Polynesien ein- 
ander erzählen, ist echte gute Volkskunst, naiv 
gefühlte Geschichten, die um das Zentrum des Ge- 
schlechtslebens kreisen, aber weder lüstern, noch 
durch absichtsvolle Spaßhaftigkeit verletzend. 
Schamlos sind diese Naturkinder, aber in dem 
durchaus berechtigten, sehr guten Sinne des Wortes, 
ernst und heiter, je nachdem natürlich Fühlenden 
die Fortpflanzung als ein Heiliges oder ein Irdisches 
die ganze Skala vom religiösen Empfinden bis zum 
Versinken im Tierischen der bloßen Lust durch- 
läuft. Die Bilder Mathéys bleiben in der über- 
sinnlich-sinnlichen Region. Die Körper, die Farbig- 
keit, die Aktionen heben die Vorgänge aus aller 
realistischen Einmaligkeit heraus; sie schweben im 
Element einer vergeistigten Anmut, die auch der 
gesamten Gestalt des mit blauer Seidenschnur zu- 
sammengehaltenen Blockbuchs ihren Stempel auf- 
gedrückt hat. G.W. 


Knut Hamsun, Gesammelte Werke. Neunter 
Band: Die Weiber am Brunnen. Deutsche Original- 
ausgabe. Besorgt und herausgegeben von J. Sand- 
meier. München, Albert Langen. 

Es ist mir noch im Gedächtnis, wie die „Weiber 
am Brunnen“ mich beim ersten Lesen erschütterten. 
Beim nachträglichen Bedenken dieses tiefen Erleb- 
nisses kam es mir erst zum Bewußtsein, aus wie 
winzigem Stoff hier der größte lebende Erzähler 
ein mächtiges Werk geformt hat, voll Weisheit und 
Torheit, voll Bitterkeit und Süße, alles überglänzt 
von einer geheimen Ironie, die von den guten alten 
Werten den Kredit fortlächelt, so daß sie nackt 
und häßlich werden. Nun fehlen nur noch die 
Novellen und die Dramen, um die Ausgabe nach 
dem ursprünglichen Plane abzuschließen. Aber in- 
zwischen hat uns Hamsun wieder eines seiner 
Wunderbücher geschenkt: „Das letzte Kapitel“ — 
hoffentlich nicht das letzte! G. W. 


Handbuch der Literaturwissenschaft, herausge- 
geben von Oskar Walzel. Lieferung 43—47. Wild- 
park- Potsdam, Akademische Verlagsgeselischaft Athe- 
naion. Je 2.20 M. 

In diesen Lieferungen des groBen Sammelwerkes 
empfangen die Leser zunachst den AbschluB von 
Klemperers Anteil an dem Bande, der die ro- 
manischen Literaturen von der Renaissance bis zur 
Französischen Revolution behandelt: die großen 
Italiener von Petrarca bis Tasso, dann die kleinen 
Leute des Barock und des Rokoko bis zu Alfieri, 
alles in schöner, klarer Schilderung und unterstützt 
von zahlreichen guten Bildern. — Als ein für die 
Literatur wissenschaft bedeutsames Ereignis muß 


222 


Jult-Oktober 1926 


die Vollendung von Walzels großem Einführungs- 
werk „Gehalt und Gestalt“ gelten. Auf 400 Quart- 
seiten ist der Ertrag von Jahrzehnten literatur- 
ästhetischen Forschens und Denkens niedergelegt. 
Keiner, der sich ernsthaft mit Wesen und Form 
der Poesie befaßt, wird künftig an dieser großen 
Leistung, einem Meilenstein der Wissenschaft, 
vorübergehen dürfen. — Bethe führt seine Dar- 
stellung der gricchischen Literatur mit der Lyrik 
bis zu Pindar fort, begleitet von einer Fülle aus- 
erlesener bildhafter Beigaben. B.R. 


Gerhart Hauptinann, Veland. Tragödie. Berlin, 
S. Fischer, 1925. 

In der Sage des verstummelten, zur Fronarbeit 
für den Jarl geknechteten Schmiedes, der nach 
blutiger Rache an seinem Peiniger in die Freiheit 
auffliegt, findet Hauptmann das Symbol der Revo- 
lution in all ihrer aus furchterlichem Ressentiment 
geborenen Grausamkeit: einzig diese Deutung auch 
kann der moderne Dichter dem alten Stoff und 
und scinen Figuren unterlegen, deren heidnisches 
Auge um Auge unserer christlichen Ethik fremd 
und abstoßend geworden ist. Daß Hauptmann 
seinem Wieland Augenblicke der Weichheit gibt, 
seine dämonische Rachsucht zögern läßt, ist es 
denn auch, was dem Bilde des Schmiedes das ganz 
Grauenhafte aber ebenso das ganz Titanenhafte 
nimmt. Des ungeachtet bedeutet der „Veland“ 
einen besonderen und unerwarteten Höhepunkt im 
Werke des Dichters. Wie im Ketzer von Soana 
reichen die Wurzeln der Tragödie in das tiefste, 
erdgeborene, dämonische Wesen seiner Dichterisch- 
keit und das Geniale in diesem Werk läßt alle 
fühlbaren Mängel, alles Konstruktive und Thea- 
tralische des Dramas vergessen. Es gibt nicht 
wenige Stellen, in denen die Trimeter Hauptmanns 
sich zur ergreifenden Lapidarität antiker Strophen 
steigern. Das Werk glüht in jenem seherischen 
Feuer, in dem Gedanken zur Dichtung geschmiedet 
werden. EES 


Alfred Hessel, Geschichte der Bibliotheken. Ein 
Überblick von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. 
Göttingen, Dr. H. Th. Pellens & Co. 1925. VII, 147S. 
u. 15 Abb. 

Vor fast 70 Jahren hat Edward Edwards in seinen 
weitausholenden Memoirs of Libraries die Biblio- 
theken in ihrer Gesamtheit behandelt. In dieser 
Zeit hat das Bibliothekswesen in allen Kultur- 
ländern gewaltige Fortschritte zu verzeichnen, und 
wer den Wagemut besäße, diesen Veränderungen 
in allen ihren Einzelheiten nachzugehen, würde 
kaum aufso beschränktem Raume wie der Verfasser 
zu seinem Zicle gelangen. Die vorliegende Arbeit, 
ein Überblick, wie der Titel besagt, wendet sich 
in erster Linie an die Benutzer von Büchersamm- 


223 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Biicherfreund: 


lungen. Darüber hinaus aber — und dafür werden 
ihm die Kollegen besonders dankbar sein — will 
sie dem Forscher auf dem Gebiete der Bibliothek- 
geschichte durch das Aufzeigen der noch vorhan- 
denen Lücken ein Wegweiser sein. 

Ein vorausgeschicktes ausführliches Inhaltsver- 


zeichnis orientiert über den Reichtum des behan- 


delten Stoffes. Ausgehend von der „ bibliothek- 
geschichtlichen Groß tat des Altertums“, der Bücher- 
sammlung von Alexandria und ihren Vorläufern 
in Agypten und Assyrien, werden im Rahmen der 
allgemeinen Kulturgeschichte die großen Entwick- 
lungslinien, die das Bibliothekwesen im griechisch- 
römischen Altertum, im Mittelalter, in der Renais- 
sance, im Zeitalter des Barock und der Aufklärung 
und im 19. Jahrhundert kennzeichnen, zur Dar- 
stellung gebracht und moderne Probleme, besonders 
die Volksbibliotheken, besprochen. Alle Kulturla:- 
der, mit Ausnahme von Indien und Ostasien, 
die nach des Verfassers Ansicht hinsichtlich der 
Bibliotheken keinen nachhaltigen EinfluB auf das 
Abendland ausgeübt haben, werden mit beson- 
derem Hinweis auf die deutschen Verhaltnisse in 
den Kreis der Betrachtung gezogen und die recht 
verschlungenen und zum Teil noch nicht erforschten 
Pfade, die zum Werden und Wirken der betreffenden 
Anstalten geführt haben, beleuchtet. Ein rund 
500 Titel umfassender Literaturnachweis, Register 
der behandelten Bibliotheken und Personen und 
Abbildungen charakteristischer alter und neuer 
Bibliothekssäle beschließen die Arbeit. Balcke. 


Hanns Johst, Consuela. Aus dem Tagebuch einer 
Spitzbergenfahrt. München, Albert Langen, 1925. 

Lange schon hat Johst es seinen Freunden nicht 
so zu Dank getan, wie mit diesem kleinen Buche. 
Soll man das Wesentliche in einem Satze sagen. 
so lautet er: Geformtes Erlebnis läßt Bilder far- 
bigster, gefühlsgesättigter Landschaft aufsteigen, 
durchwoben mit zarter, in der Knospe dahinduften- 
der Neigung. Zurück bleibt Bewunderung des 
Könnens und Sehnen nach gleichem Glück des 
Schauens und Schilderns. G. W. 


Hanns Johst, Die fröhliche Stadt. Schauspiel. 
Miinchen, Albert Langen, 1925. 

Acht Bilder dramatisierter Revolution, in denen 
der Dichter den Versuch unternimmt, den erschut- 
terten Gottesglauben als das sich enthillende Ur 
motiv der ekstatischen Auswüchse im sozialen Zu- 
sammenbruch zu gestalten. Den Versuch also, das 
differenzierteste Problem der seelischen Entwick- 
lung der letzten Jahrhunderte als die Keimzelle 
auch der deutschen Revolutionsanlässe darzu- 
stellen. Liegt in der Verwendung nur ekstatische! 
Motive für den Dramatiker immer die Gefahr, den 
Boden des realen Weltbildes unter sich zu vt" 


224 


j 


| 


Juli-Oktober 1926 


lieren, so entzieht er seiner Idee völlig jede be- 
wegende Kraft, wenn er ausgesprochene Hysteriker 


zu deren Trägern macht. Johst bestärkt dadurch 
nicht gerade die Hoffnung, die man auf den Dich- 
ter des „Einsamen‘“ und des „Königs“ stellen 
durfte, dessen unser Theater so sehr bedarf. Aber 
er nennt diese Ekstasen, in denen ein Hysteriker 
die Hysterika findet und gerechterweise mit ihr 
zugrunde geht, da sie den fraglich gewordenen 
Gott in der Kirche zu einem Beweis seines Dasein 
herausfordern, „Die fröhliche Stadt‘; er meint 
also wohl, eine ironisch-paradoxale Einstellung zu 
der Pervertierung aller Werte, an der die Zeit 
leidet, wäre schon eine Staffel zur hellsichtigen 
Objektivität des Dramatikers. Diese Ironie genügt 
jedoch kaum, auch wenn sie, wie hier geschehen, 
durch noch einige revolutionäre Karikaturen gut 
illustriert ist. M.M. 


Rudolf Kaßner, Die Verwandlung. Physiogno- 


| mische Studien. Leipzig, Insel-Verlag, 1925. 


Gern würde man diese Studien durch die ent- 


sprechenden Porträts ergänzt sehen, um durch 
- anschauliche Vergleichung nachspüren und be- 


festigen zu können, was der Verfasser an der Hand 


seiner Theorie bald ernsthafter Beweisführung 


unterzieht, bald mit Humor satirisch glossiert. 


— 


Für praktische Einfühlung in die neue von ihm 
aufgebaute Charakterologie würde der Gewinn be- 


trãchtlich sein. Das war wohl nicht angängig, denn 


da es lebende Gestalten seines gegenwärtigen Be- 
obachtungskreises sind, die Objekte seiner Analyse 


werden, würde ihr „gezeichneter“ Steckbrief ihm 


dl 
x 


- 


vermutlich eine solche Fülle von Beleidigungs- 
prozessen eingetragen haben, daß ihm keine Zeit 


. geblieben wäre, das Feld dieser neuen Wissenschaft 


= 


weiter zu bebauen. Wohl oder übel muß man sich 


an seiner nicht geringen Kunst begnügen lassen 


Wi 


der dialektischen oder monologischen Portratierung 


seiner — Opfer. Übrigens entschädigt das umfang- 
reiche Nachwort „Der Sinn und die Eigenschaft“ 


mit seiner philosophischen Begründung reichlich 
für jene notwendige Unterlassung. M.M. 


Hermann Kesser, Lukas Langkofler (103 S.) — 
Schwester (73 S.) Frankfurt a. M., Rütten & Loening, 
1926. Geb. 4 und 3 M. 

Die Novelle „Lukas Langkofler“ bedeutete den 
ersten Höhepunkt im Schaffen des Erzählers 
Kesser. Die farbige, an die großen Schweizer Re- 
alisten mahnende Technik verlieh dem Stoff stärkste 
Eindruckskraft; die Neubearbeitung hat sie noch 
gesteigert, da nun das innere Erleben die glänzen- 
den Schilderungen der Außendinge überragt. Ganz 
nach innen gewandt ist „Schwester‘‘, geschrieben 
in der Form des Monologs. Die Qualen einer 
Krankenschwester, die über den Tod des heimlich 


225 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücher freunde 


geliebten Mannes vor Gericht auszusagen hat, wer- 
den mit außerordentlichem Überzeugungsvermögen 
in geschlossener Zeitfolge lebendig, bis zum er- 
lösenden (und kaum innerlich glaubhaften) Ende. 
Tempo und visionäre Deutlichkeit stellen dieses 
Werk in die erste Reihe. A—s. 


Paul Kluckhohn, Persönlichkeit und Gemein- 
schaft. Studien zur Staatsauffassung der deutschen 
Romantik. Halle, Max Niemeyer, 1925. (V, 1118.) 

Die Schrift zeigt klar das Werden und die Aus- 
wirkung der neuen Gedanken vom Staat als orga- 
nisiertem Ganzen, die Novalis, Schleiermacher, 
Schlegel, Schelling zuerst aussprachen, und die 
dann von Adam Muller und den anderen Roman- 
tikern ausgebaut wurden. P—e. 


Gerhard Ouckama Knoop, Prinz Hamlets Briefe. 
München, Delphin-Verlag. 

Erörterung wichtiger Lebensfragenin Briefform: 
Liebe und Ehe, Staat — Nation — Volk, Kirche 
und Glaube, Republik und Monarchie, Besitz und 
Arbeit, Kultur und Zivilisation. Alle diese Pro- 
bleme sind skizzenhaft behandelt, jeder Brief ein in 
sich abgeschlossenes Ganzes, aber doch zusammen- 
gchalten durch die Handlung und die wundervolle 
Persönlichkeit des Prinzen, der, ein überempfind- 
licher Mensch, das Getriebe der groben Umwelt ab- 
lehnt, weil sein Wesen in der Geisteswelt fest ver- 
wurzelt ist. Eine durchaus romantische Gestalt. 
Und romantisch ist auch der Ton des ganzen Bu- 
ches, romantisch-anheimelnd der Stil, und roman- 
tisch besonders die Handlung: Liebe und Natur, 
Flucht in die Einsamkeit, Vergeistigung und schließ- 
liche Selbstauflösung in einem Meer des Lichts und 
der Harmonie. v.M. 


Annette Kolb, Spitzbögen. Mit 11 Zeichnungen 
von Rudolf Großmann. Berlin, S. Fischer, 1925. 

Aus diesen Anfängen eines ,,unitalienischen“ 
italienischen Romans wäre nie ein Roman im Sinne 
der Literaturwissenschaft geworden ; er wäre immer 
das geblieben, was sein Fragment schon ist: die 
höchst charmante, lebendige und espritvolle Schil- 
derung sehr persönlicher Erlebnisse in und um 
Florenz, die nur darum uns etwas angehen, weil 
Annette Kolb sie schildert ; die wir lesen, wie wenn 
sie sie uns beim Tee erzählte. Und wir haben 
eine ganz ungeheure Freude daran, wie diese emi- 
nent kluge Frau einen Menschen, eine Landschaft 
nachbildet, mit wenigen Strichen das Wichtige und 
Endgültige festhaltend. Großmanns Zeichnungen 
haben die gleiche Eleganz wie das Buch, das sie 
illustrieren. E.E.S. 


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Jult-Oktober 1926 


Mario Kramer, Die Wiedergeburt durch Lagarde. 
Eine Auswahl und Würdigung. Gotha-Stutigart, 
F. A. Perthes, 1925. 223 Seiten. 

Unwillkirlich steigt beim Lesen dieses Buches 
die Vision auf der einmaligen Unterredung Lagardes 
mit Bismarck: die hofliche Entgegennahme der 
immer zu letzten sittlichen Forderungen gegipfelten 
Darlegungen des Göttinger Professors erstarrt 
schrittweise zu unverkennbarem Unbehagen in die- 
ser Atmosphäre der Unbedingtheit, mit welcher 
jener jeden Einwurf realpolitischer Notwendigkeit 
als irrelevant gegenüber der Idce entkräftigt, zu 
fast verletzendem Schweigen. Und so gehen sie 
auseinander, ohne sich jemals wicderzubegegnen. 
Auch die von gerechter Verehrung getragene Wur- 
digung des großen Herzens, das in Lagarde ge- 
schlagen, auch die umsichtige Auswahl der kernig- 
sten Seiten aus den „Deutschen Schriften“, die 
der Verfasser unterbreitet, vermag die schmerz- 
liche Einsicht nicht zu beheben, daß in jener Be- 
gegnung des ethisch-religiösen Idealisten mit dem 
Exponenten der Zwangsläufigkeiten geschichtlich 
gewordener Entwicklung schon die Unlösbarkeit 
und die Unüberbrückbarkeit der tragischen Pro- 
blematik zutage getreten ist, an der, nur noch ge- 
steigert bis zur fast hoffnungslosen Resignation, 
unsere Welt leidet. Wir können nicht rückwärts 
korrigieren, was in tausend Jahren deutscher Ge- 
schichte fehlerhaft aber schicksalbedingend gelebt 
worden ist, können nicht, wie Lagarde es wollte, 
als Zentralvolk Europas heute die Aufgabe wieder 
aufgreifen, die um 978 uns zugefallen war. Und 
gänzlich zweifelhaft will uns die Erfüllung der 
Voraussetzung Lagardes erscheinen: daß der Geist 
des christlichen Evangeliums jemals zum wirk- 
lichen — nicht nur vorgegebenen — Gesetz wer- 
den könne für die politische Rüstung der Völker 
und ihrer regierenden Repräsentanten. Dennoch 
schließt dieser Zweifel keine Verminderung der 
Ehrfurcht ein vor diesem deutschen Manne, der, 
allen zum Muster, gelebt hat, „Gott in sich wahr 
zu machen“. Max Martersterg. 


Ernst Kúhnel, Die Kunst des Ostens. Akade- 
mische Verlagsgesellschaft Athenaion, Wildpark- 
Potsdam. (Die 6 Bücher der Kunst, Buch 2). 

Die 6 Bücher der Kunst, von denen das vor- 
liegende Werk einen Band bildet, sind eine kurz- 
gefaßte Weltgeschichte der Kunst in der gleichen 
äußeren Ausstattung wie das große Handbuch der 
Kunstwissenschaft des Athenaion-Verlages, jedoch 
mit völlig neuer Bearbeitung der cinzelnen Teil- 
gebiete und vielfach neuem Bildmaterial. Seit 
kurzem beginnt es alserfreuliches Zeichen der Über- 
windung europäischer Einseitigkeit üblich zu wer- 
den, innerhalb der mehrbändigen Weltgeschichten 
der Kunst einen Band der Kunst des Ostens zu 
reservieren. Wenn man freilich bedenkt, daß der 


227 


Neue Bicher und Bilder 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


Darstellung der Kunst dieses ungeheuer ausgedehn- 
ten Gebietes nur der gleiche Raum gegönnt ist wie 
der Darstellung etwa der Renaissancekunst, so will 
das erst ein kleiner Anfang scheinen; aber es ist 
doch immerhin ein Anfang. 

In der Einführung spricht der Verfasser von den 
Beziehungen zwischen Osten und Westen in Alter- 
tum, Mittelalter und Neuzeit, Beziehungen, deren 
Erkenntnis sich ja heute erst ganz allmählich an- 
zubahnen beginnt, nachdem die vergleichende 
Sprachwissenschaft die Wege dafür geebnet hat. 
Der Stoff ist aufgeteilt in islamische Länder, Indien 
und Ostasien, wobei Indien, wohl weil es weniger 
in der Forschungsrichtung desVerfassers liegt, etwas 
knapp weggekommen ist. Die Bewältigung des 
Stoffes erfolgte, entsprechend dem für alle 6 Bänce 
vorgeschriebenen Schema, so, daß zunächst di 
kulturgeschichtlichen Bedingungen (Religion, Pri- 
vatleben, allgemeine Stellung und Bedeutung der 
Kunst, Stellung des Künstlers usw.) und der Anteil 
der Nationen erörtert wird, worauf die Darstellung 
dereigentlichen Entwicklung der Baukunst, Malerei, 
Plastik und Kleinkunst folgt. Die Illustrierung des 
Bandes ist sehr reichlich, man möchte beinahe sagen 
im Verhältnis zum Text zu reichlich, denn auf 
127 Seiten kommen 172 Abbildungen ohne die Ta- 
feln. Der braungelbe Ton von Papier und Abbil- 
dungen übertreibt entschieden die an sich löbliche 
Absicht,einen Einheitstonder Buchseite zuschaffen. 
Es war keine leichte Aufgabe, auf so engem Raum 
ein verständliches Bild der Kunst des Ostens, wie 
es sich uns heute darstellt, in seinen Grundzügen 
zu entwerfen. Jedenfalls hat der Verfasser ver- 
standen, mit wenigen Worten viel zu sagen und 
dieses in geschickter und klarer Disposition vor- 
zuführen. Johannes Jahn. 


D. H. Lawrence, Söhne und Liebhaber. Roman. 
Übertragen von F. Franzius. Leipzig, Insel-Verlaz, 
1925. 

Lawrence steht auf der Linie des englischen 
Romans, die mit den groBen Humoristen des 
18. Jahrhunderts begonnen hat und in Dickens 
gipfelte: scharfer UmriB auf Grund eigenen Er- 
lebens, Sozialkritik, heiter-sentimentale Aquarell- 
bildchen, zu einem Gesamtgemälde mehr zufälliger 
als organischer Fügung vereint. Die lange, ge- 
festete literarische Tradition verhütet jedes Ent- 
gleisen ; aber zugleich fehlt es auch, wie so oft bei 
späten Nachkömmlingen, an Kraft der Leiden- 
schaft und der Phantasie. Die autobiographische 
Grundlage gibt allem die überzeugende Wahrheit 
unmittelbarer Wirklichkeitsnähe, gesteigert durch 
die Menge kleiner Einzelheiten und dialektische 
Färbung, die der Übersetzer gut durch berlinische 
Töne ersetzt. Mutter und Sohn, dieser zwischen 
der stilliebenden und der koketten Frau, stehen 
im Mittelpunkt der Erzählung, die in den 


228 


— 


ki 


Juli-Oktober 1926 


Kohlendistrikten Northumberlands und der be- 
nachbarten Spinnerstadt Nottingham sanft ver- 
läuft. Im Seelischen und Landschaftlichen bewährt 
sich das hohe Können des Dichters Lawrence am 
meisten, und in unserer Zeit der Stifter-Erkenntnis 
darf er deshalb auf viele dankbare Leser zählen. 
B.R. 


Unbegreiflich Herz. Detlev von Liliencrons Liebes- 
briefe an Helene von Bodenhausen. Herausgegeben 
und eingeleitet von Heinrich Spiero. Mit 8 Bildern 
und 4 Faksimiles. Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt, 
1925. 

Wir danken Heinrich Spiero schon zahlreiche 
Beitráge zum Leben und Schaffen Liliencrons, an 
der Spitze die umfangreichste Biographie des Dich- 
ters. Nun empfangen wir als willkommene Er- 
ganzung die Briefe an die erste Gattin, zum groBten 
Teil den langen Jahren entstammend, die dem 
kurzen Zusammenleben vorausgingen. Erfreulich 
ist das Bild dieses ausdauernden Werbens nicht. 
Der Dichter ringt mit den zum Teil nur zu be- 
rechtigten Bedenken der Angehörigen des Mäd- 
chens, stellt sich selbst immer in möglichst gün- 
stigem Lichte dar und muß doch so manchen 
Schritt vom Wege eingestehen. Der Frau, deren 
Wesen nur im Spiegelbilde seiner Briefe unscharf 
umrissen erscheint, kann ausdauernde Treue, musi- 
kalische Begabung, verständiges Eingehen auf die 
mancherlei Seltsamkeiten des eigenwilligen Mannes 

nachgerühmt werden. Der Reichtum des Tatsäch- 
lichen dieser Briefsammlung wird weit übertroffen 
durch die neu erschlossenen Einblicke in das Wer- 
den des Menschen und des Dichters, jedem seiner 
Freunde und jedem an den Anfängen unserer 
neueren Dichtung Teilnehmenden zum Gewinn. 
G. W. 


Oskar Loerke, Zeitgenossen aus vielen Zeiten. 
Berlin, S. Fischer, 1925. 

Adrien Turel hat entwickelt, wie auf das Gefühl 
jedes Kunstempfangenden gewisse Kunstäußerun- 
gen und -werke verschiedenartigster Epochen un- 
abhängig von allem kritischen Denken unmittelbar 
und absolut wirken: indem sie sein „Spannungs- 
feld‘‘ treffen. In diesem Sinne sind nicht Haupt- 
mann, Stehr, Mombert, Heimann, Lohmann und 
Dauthendey nur, sondern auch Johann Seb. Bach, 
Jean Paul, der Goethe des west-östlichen Diwans, 
Buddho und die Geistesbesessenen aller Zeiten 
Loerkes Zeitgenossen, dessen Spannungsfeld sie 
wie Lebendige, Mitlebende treffen. Und er dient 
in seinem Buche diesen Fürsten im Reiche des 
Geistes, wie ein Edelmann, Pair unter Pairs, seinem 
König diente. Er erkennt die Quintessenz ihrer 
künstlerischen Wesenheiten und, selbst schöpfe- 
risch, das die Schöpfungen überragende Schöpfe- 
rische. So formt sich aus der Gesamtheit der Auf- 


sätze eine Philosophie der Schöpferkraft und so- 


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Zeitschrift für Bücherfreunde 


mit des Lebens überhaupt. — Es ist ein bedeu- 
tendes Buch und das Essay: Bach oder: Wand- 
lungen eines Gedankens über die Musik und ihren 
Gegenstand darf ohne Übertreibung als klassisch 
angezeigt werden. E. E. S. 


Eine Ge- 
Albert 


Maarten Maartens, Auf tiefer Höhe. 
schichte aus hohen Kreisen. München, 
Langen, 1925. 

Dieser Roman bildet nicht anders als der an 
gleicher Stelle besprochene „Preis der Lis Doris“ 
desselben Autors jene merkwürdige Maartenssche 
Mischung aus Kolportage und bester Kunst. Wie 
der Graf Rexelaer, ein Emporkömmling, und seine 
aus übelster Familie stammende schwerreiche Frau 
die echten Rexelaers van Deynum von ihrem 
Stammsitz verdrängen und sie in Not bringen, wie 
der Sohn des Grafen, Dichter und Sozialist, sich 
vom Vater trennt und schließlich die echte Rexe- 
laertochter heiratet — auch diese Handlung ist 
wieder ganz Kino. Und wie im Kino sind die Per- 
sonen eindeutig gut und böse, weiß und schwarz, 
es gibt die tiefe Niedertracht, den höchsten Edel- 
mut und eine ganz zuckersüße Sentimentalität. 
Aber all dies wird dennoch nie komisch oder 
schlecht, weil der Stoff sich der Souveränität eines 
Dichters beugt. Wie Maartens eine Landschaft 
sieht, eine Nebenfigur schildert, die Impondera- 
bilien des Geschehnisse, die kleinen menschlichen 
Züge einfängt, ist unerreichbar. Die Handlung 
und ihre Figuren werden zum nebensächlichen Ge- 
rüst, das er unter kostbaren Broderien verbirgt, 
um deren willen man Buch und Dichter lieben 
lernt. E. E.S. 


Maarten-M aartens, Gottes Narr. Roman. Deutsch 
von Eva Schumann. München, Albert Langen, 1924. 

Die Romane dieses Hollanders wurden vor 
zwanzig Jahren schon in Deutschland, England, 
Frankreich und Amerika als Schöpfungen eines 
gereiften Weltschauens, psychologischen Feinsinnes 
und religiöser Haltung des Geistes mit hoher An- 
erkennung begrüßt. In die Reihe aber der Mode- 
autoren ist trotzdem dieser im besten Sinne konser- 
vative Gestalter nicht aufgenommen worden. Es 
ist darum kein geringes Verdienst des rührigen 
Verlags, das umfangreiche Werk in neuer Über- 
setzung wieder auf den Markt zu bringen. Hier 
ist ein Dichter, der von keinerlei „Ismus“, der um 
ihn her aufgekommen, jemals beirrt, aus Eigenem 
genug zu geben hatte, sich wertvoll zu wissen auch 
über ein paar Jahrzehnte Wartezeit hinweg, weil 
er Erschöpfendes zu sagen hatte über Dinge und 
Menschen und es zu sagen wußte aus tiefer Ge- 
fühlskultur heraus und vermöge eines scharfen 
Durchschauens der geglätteten Außenseite und 
geruhigen Wohlgestaltetheit seines heimatlichen 


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Juli-Oktober 1926 


Milieus und seiner Landsleute. — Diese Geschichte 
eines in jungen Jahren durch einen Unfall des Ge- 
sichts- und Gehörssinnes beraubten reichen Erben 
eines Welthandelshauses, eines ganz an Gott und 
gottgebotene Liebe hingegeben gebliebenen und 
alt gewordenen Kindes, schlingt sich durch die 
trüben Machenschaften um die Aufrechterhaltung 
eines auf trügerischem Grunde aufgebauten kauf- 
männischen Patriziates wie eine Heiligenlegende. 
M.M. 


Die Märchender Weltliteratur. Herausgegeben von 
Fr. v.d. Leyen und P. Zaunert. Jena, E. Diederichs. 
Lettisch-litauische Volksmarchen. Herausgegeben 
von M. Bochm und F. Specht. 334 S. 8%, Türkische 
Marchen. Herausgegeben von Fr. Giese. 307 S. 8°. 
Indianermärchen aus Nordamerika. Herausgegeben 
von W. Krickeberg. VII u. 419 S. 8°. 

Die vorliegenden Märchensammlungen repräsen- 
tieren gewissermaßen drei verschiedene Märchen- 
strömungen: die lettisch-litauischen die mittel- 
europäische, die türkische die südosteuropäisch- 
asiatische und die Indianermärchen die ganz fern 
liegende nordamerikanische. Daher trifft man auch 
in der ersten Sammlung zahlreich bekannte Märchen 
und Märchenmotive, sowohl in den lettischen wie 
in den litauischen. Nur die mythischen Gestalten 
trennen beide: dort der Gewittergott Pehrkons 
und die Glückgöttin Laima, hier vor allem die 
Laumen, die auch in der Sammlung von Capeller 
begegnen. In den lettischen Märchen treffen wir 
das Motiv von der fliegenden Mühle, die sich in 
die Tasche stecken läßt (S. 64), vom sprechenden 
Totenkopfe (S. 93), das Polyphemmärchen von dem 
Märchenhelden, der dem Riesen unter dem Bauche 
des Schafes entkommt (S. 137), von dem Knaben, 
der die Prinzessin zum Lachen bringt (S. 139), das 
Märchen von den Ziegen und dem Wolfe (Nr. 24), 
von den Bremer Stadtmusikanten (Nr. 27) u. a. 
In den litauischen Märchen haben wir die Parallele 
von den in Schwäne verwandelten Königstöchtern 
(Nr. 21), von der Traumseele, die das Geld unter der 
Brücke findet (Nr. 49), vom klugen und dummen 
Bruder, der in seiner Dummheit sein Glück macht 
(Nr. 33), eine Parallele zum Gang nach dem Eisen- 
hammer (Nr. 45), eine Werwolfssage (Nr. 40). Auch 
das Pfählen Toter, um Gespensterspuk zu ver- 
hindern, begegnet (S. 210). 

Das Pfählen begegnet auch in den türkischen 
Märchen (S. 98). Sonst weichen diese aber nicht 
unwesentlich von den lettisch-litauischen ab. Ein 
Drittel der vorliegenden Sammlung sind freilich 
nur Volksmärchen, während die andern zwei 
Drittel vom Übersetzer selbst als Kunstmärchen 
bezeichnet werden, die aus dem Orient eingeführt 
sind. Hier herrscht das Tiermärchen vor mit den 
eingeschobenen Erzählungen, den Koransprüchen, 
den ethisch-moralischen Belehrungen. Von den im 
Abendlande bekannten Stoffen sei auf das Märchen 


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von den Räubern und den Kranichen (Nr. 60) hin- 
gewiesen, eine Parallele zu Schillers Kranichen des 
Jbykus. Aber auch die volkstümlichen Märchen 
lassen den orientalischen Charakter erkennen. Da 
begegnet Allah, der dämonische Dev, sehr oft der 
Padischah, der Hodscha, der durch Anblasen 
Krankheiten heilt, der Müezzin, der Gebetsrufer, 
und andere mohammedanische Wesen und Ge- 
nüsse. Besonders häufig trifft man die hilfreichen 
Tiere, die Schönheit eines Jünglings oder Mädchens 
gleich fast immer dem Mond am 14., feierliche 
Feste, wie Hochzeiten dauern vierzig Tage und 
Nächte. Der Genuß eines Apfels bringt die längst 
ersehnte Schwangerschaft (S. 102; 116), oder der 
starke Geruch an einer Rose (S. 65). So fehlen auch 
in dieser Sammlung Motive nicht, die sie mit dem 
abendländischen Märchen verbindet. 

Ganz anders sind die Märchen der nordamerika- 
nischen Indianer. Es sind eigentlich mehr Mytben 
als Märchen in der landläufigen Auffassung des 
Wortes. So liest man hier von der Entstehung der 
Welt (Nr.24) und dem Ursprung der Sterne (Nr. 25). 
In vertiefterer Form begegnet dann die Schöpfungs- 
sage in Nr. 44, die Vermählung zwischen Himmel 
und Erde, der dann die Lebewesen entsprossen, 
oder in Nr. 16, wonach die Menschen ursprünglich 
aus Stein geschaffen waren. Wiederholt begegnet 
auch die Sintflutsage in mannigfacher Form (S. 551. 
1235 193; 305: 310). Auch der Weltuntergang durch 
Feuer wird berührt (S. 78). Eine interessante Va- 
riante zum Heilbringer bietet Nr. 19b II; zum 
Wasser des Lebens (S. 242). Auch jene geheimnis- 
volle Macht in Menschen und Dingen, das Orenda, 
findet man vertreten (S. 95; 120). Der Abgrund 
von furchtbarer Tiefe, der das Unbekannte von der 
Erde scheidet (S. 79f.), erinnert an das Ginnun- 
gagap der nordischen Mythologie. Viel inniger als 
im europäischen Märchen wird das Verbáltnis 
zwischen Mensch und Tier aufgefaßt, und oft ist 
das Tier der Held der Erzählung. Das hängt mit 
dem Totemismus dieser Indianer zusammen, de! 
hier fester wurzelt als bei andern Naturvölkern. 
Auch in den Zauberglauben gewährt die Sammlung 
Einblicke (S. 31; 337; Nr. 45; 46). So enthält die 
Ausgabe Krickebergs treffliche Beiträge zur ver- 
gleichenden Religionsgeschichte verschiedener In- 
dianerstämme Nordamerikas, für die vergleichende 
Märchenforschung freilich bietet sie ungemein 
wenig. Auch die beigegebenen Bildertafeln geben 
uns wohl einen Einblick in das Leben, in Sitte 
und Brauch des Volkes, aber mit der Märchen- 
dichtung haben sie nichts zu tun. E.M. 


Erich Marcks, Geschichte und Gegenwart, Fünf 
historisch-politische Reden. Stuttgart, Deutsche Ver- 
lagsanstalt, 1925. 170 Seiten. 

„Man wird von dem Historiker fordern, dab 
gerade er den großen zwangsmäßigen Zusammen- 
hang der Dinge erkenne und predige und seine 


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Zeitgenossen davor warne, das Nahe und Einzelne 
zu überschätzen‘. In welchem Sinne dieser zwangs- 
mäßige Zusammenhang der Kräfte und Ereignisse, 
deren Auswirkung die kritische Zuspitzung der 
europäischen Lage geschaffen und die Weiter- 
existenz abendländischer Kultur ernstlich in Frage 
gestellt hat, von dem eindringlichsten Historio- 
graphen der Aufgabe Preußens und seines großen 
Kanzlers innerhalb der kontinentalen Politik dar- 
gelegt wird, braucht durch Umschreibungen der in 
diese fünf Reden eingeflossenen geschichtsphiloso- 
phischen Resultate nicht betont zu werden. Und 
da nur zu viele Anzeigen dafür sprechen, daß es 


dieselben treibenden Kräfte sein werden, die bis- 


her Weltgeschichte gemacht haben — auch wenn 
es gelingen sollte, ein „Paneuropa“ herzustellen, 
wodurch das zwischen engeren Grenzen bisher 
gültig gewesene Prinzip nur ausgedehnt sein würde 
auf einen die Weltwirtschaft umfassenden Kampf- 
platz — wird man auch als Lektüre der Rede dieses 
Meisters geschichtlicher Forschung gerne lauschen. 
M.M. 


Bruno Markwardt, Herders kritische Wälder. 
Leipzig, Quelle & Meyer, 1925. (XII, 326 S.) 

Der stattliche Band eröffnet verheißungsvoll eine 
neue Reihe „Forschungen zur deutschen Geistes- 
geschichte des Mittelalters und der Neuzeit“, her- 
ausgegeben von den Greifswalder Germanisten 
Merker und Stammler. Unter den Jugendwerken 
Herders sind die „Kritischen Wälder“ noch nicht 
ihrer Bedeutung gemäß gewürdigt worden. Die 
. Auseinandersetzung mit Lessings „Laokoon“ und 
. so manche andere Partie der „Zeit- und Streit- 
schrift“ hätte jedoch längst die liebevolle,’ nach 
allen Seiten ausgreifende Würdigung verdient, die 
ihr nun zuteil wird. Die Arbeit vereint ältere, aus 
philologischem Können erwachsene Ergebnisse mit 
geistesgeschichtlicher Sehart und stellt sich so auch 
methodisch sehr vorteilhaft dar. P—e. 


Meyers Lexikon in 12 Banden. Siebente, völlig neu- 
bearbeitete Auflage. Band 2 (Bechtel bis Conthey.) 
Leipzig, Bibliographisches Institut. 

Was hier vor kurzem von dem ersten Bande 
des erneuten „Meyer“ gesagt wurde, gilt auch 
von dem schnell nachgefolgten zweiten: er ist 
seines alten Namens würdig, von erstaunlicher 
Sicherheit und Fülle der Angaben bis zur jüngsten 
Gegenwart, in seinem Karten- und Bildermaterial 
ebenfalls völlig auf der Höhe der Zeit. Für unsere 
Leser bietet dieser Band durch die reich illustrierten 
Artikel über Buchbinderei, Bucheinband, Buch- 
kunst, Buchdruck, Bücherzeichen, Buchhandel, be- 
sonders viel, was zu schneller Orientierung dienen 
kann. Durch den fast prunkhaften Einbandrücken 
Steiner-Prags wird das unentbehrliche Handbuch 
zugleich ein Zimmerschmuck. A—s. 


Beibl. XVII, 17 233 


Birger Mörner, Tinara. Die Vorstellung der 
Naturvölker vom Jenseits. Übersetzt aus dem 
Schwedischen, eingeleitet, und herausgegeben von 
P. Hambruch. 194S. 8°. Jena, E. Diederichs, 1924. 

Das vorliegende Buch bietet jedem, der sich mit 
vergleichender Religionsgeschichte und Volkskunde 
beschäftigt, reiches Material. Aus ethnographischen 
Werken, Schriften der Alten, heimischen Mittei- 
lungen von Sitte und Brauch hat Mörner alles zu- 
sammengetragen, was sich auf die Vorstellung von 
der Seele, von dem Totenreich, auf die Verwandel- 
barkeit der Toten, auf die Pflichten und das Ver- 
halten der Nachlebenden gegen die Toten bezieht, 
und dieses Material hier und da durch eigene Be- 
obachtungen vermehrt. Dabei stellt sich heraus, 
wie viele dieser Vorstellungen über die ganze Erde 
verbreitet, also rein menschlich sind, und daß sie 
in verblaßter Sitte noch unter den Kulturvölkern . 
der Gegenwart fortleben. Aber der Verfasser stellt 
nicht allein die Tatsachen fest, sondern sucht sie 
auch psychologisch zu erklären. Neu dabei ist u. a., 
daß er verschiedene Bräuche beim Todesfalle nicht 
nur aus der Furcht vor dem Toten erklärt, son- 
dern auch aus der Furcht vor dem Tode (Ver- 
nichtung des Sterbegemachs, Reinigen des Sterbe- 
hauses u. dgl). Auch die allgemein verbreitete 
Frauentracht, das Abschneiden der Haare u. dgl. 
wird wohl richtig als Büßerhandlung aufgefaBt, 
durch die man sich von dem Tabu reinigt, das 
der Tod der Umgebung des Sterbenden gebracht 
hat. Das SchluGkapitel behandelt das weitver- 
breitete Jahresfest der Toten, worunter M. auch 
mit Recht den heidnischen Kern des christlichen 
Weihnachtsfestes rechnet. Nur geht diese Auf- 
fassung nicht von Feilberg aus, wie M. aus Feil- 
bergs Jul II, S. VIf. hatte sehen können. Noch 
ein Wort über den Titel. „Tinara“ nennt Mörner 
sein Buch und zwar nach dem unterirdischen, 
strahlenden Reiche, wie die Eingeborenen der 
Koralleninsel Wuwulu den Aufenthaltsort der Ab- 
geschiedenen nannten (S. 157). Hier hat der Ver- 
fasser die Schilderung dieses Landes aus dem 
Munde der Eingeborenen geschöpft. E. M. 


Guenther Mueller, Geschichte des deutschen Liedes 
vom Zeitalter des Barock bis zur Gegenwart (Ge- 
schichte der deutschen Literatur nach Gattungen, 
Band 3). München, Drei Masken-Verlag, 1925. (XI. 
335, 48 S.) 

Dem ersten, allgemein als vortrefflich anerkann- 
ten Bande dieser neuen Gattungsgeschichte der 
deutschen Dichtung gleicht dieser zweite an Wich- 
tigkeit und Wert. Nach der Stoffsammlung Wit- 
kops, der formzergliedernden Behandlung Erma- 
tingers empfangen wir nun wieder eine andere 
Beleuchtung der neueren Lyrik, diesmal genetisch- 
ideengeschichtlich unterbaut, und so zu den letzten 
erreichbaren Wurzeln der Schaffensarten und ihrer 


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Juli-Oktober 1926 


Zeitbedingtheit vordringend. Dabei handelt es sich 
aber nicht um die jetzt so beliebten Konstruk- 
tionen,sondern überall werden aus dem in Stoffwahl, 
Sprache und Rhythmus gegebenen Tatsächlichen 
die darin wirksamen seelischen Spannungen er- 
wiesen. So ergeben sich z. B. für Klopstock noch 
nicht gesehene Bestimmungen des mit ihm ins 
Leben tretenden neuen Typus des Dichters, er- 
läutert an den mittelalterlichen und barocken Vor- 
gängern; wir sehen etwa, wie Goethe sich von der 
Anakreontik fortbewegt bis zu dem „humanen 
Seelenlied‘‘ und wie George einen grundlegenden 
Neubeginn bedeutet (bei aller Verwandtschaft der 
Haltung mit französischer Artistik, mit Platen und 
C. F. Meyer), nicht liedhaft, wobei freilich die 
jüngste Stufe seiner Lyrik nicht beachtet wird. 
Der Zusammenhang mit der Musik ist überall ge- 
bührend betont und durch den Melodienanhang 
noch sichtbarer gemacht. G. W. 


Adam Müller. Vorlesungen über die deutsche 
Wissenschaft und Literatur. Mit einem Vorwort 
herausgegeben von Arthur Salz. München, Drei 
Masken-Verlag, 1920. XXVI u. 232 Seiten. 

Adam Miiller. Schriften zur Staatsphilosophie. 
Ausgewahlt und herausgegeben von Rudolf Kohler. 
Mit einem Vorwort von P. Erich Przywara S. J. 
München, Theatiner-Verlag, o J. (Vorwort datiert 
vom Juli 1923.) XII u. 325 Seiten. 

Vor kaum zehn Jahren noch ein halbvergessener 
romantischer Skribent, ist Adam Müller heute einer 
der meistgenannten, meistgelesenen und meist- 
zitierten unter den älteren deutschen Autoren ge- 
worden. Die Schriften des geist- und temperament- 
vollen Aphoristen enthalten auch wirklich viel von 
der Art Gedankengut, nach dem gerade das heutige 
Deutschland verlangt. Da ist eine organische, stark 
religiös gefärbte und doch niemals streng dog- 
matische Weltanschaung; da ist ferner (vor allem 
in den älteren Werken) ein entschieden „dynami- 
scher“ Zug; da sind unverkennbare morphologische 
Neigungen; da ist endlich eine dialektische Philo- 
sophie, die den zwischen einer Unzahl kühner Anti- 
nomien einhergeschaukelten Geist in beständiger 
Schwebe halt und auch die den späteren Schriften 
eigentümliche Ruhe in Gott allemal erst nach vielem 
dialektisch - morphologischem Bewegungsspiel zu 
verkúndigen willens ist. Selbst ein leidenschaft- 
licher Anti-Industrialismus vor der Schrift fehlt 
nicht in Müllers Farbenkastlein. 

Zwei Münchener Verlage sind denn diesem neu- 
erwachten Interesse an dem Manne durch Wieder- 
abdruck von Müllerschen Werken entgegenge- 
kommen, in nicht allzu großem Zeitabstand, aber 
in reinlichster Scheidung der Aufgabe: während der 
Drei Masken -Verlag sein literarwissenschaftlich- 
kulturphilosophisches Schaffensgebiet zur Bearbei- 
tung wählte (außer den oben angeführten Dresdner 


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Vorlesungen von 1806 brachte er auch die Wiener | ` 


„Reden über die Beredsamkeit“ neu heraus), ver. 
anstaltete der Theatiner-Verlag eine Auswahl aus 


den staatsphilosophischen Schriften, der eine von : 


Müller selbst im Jahre 1817 veranstaltete Samn- 
lung älterer Essays und größere Publikationen ans 
der Zeit von 1809—1823 zugrunde liegen. 

Den Dresdner Vorlesungen, die viel Schönes über 
das Wesen deutschen und französischen Geists, 
eine Menge kühner geschichtsphilosophischer Kor- 
struktionen und bedeutsame Auseinandersetzunge 
mit dem deutschen Schrifttum der Jahrhundert- 
wende enthalten, hat Prof. Salz eine Vorrede von 
sehr nobler Diktion und geistiger Haltung voraus- 
geschickt, die nur ein wenig allzusehr ins Welt- 
anschaulich-Programmatische abschweift. 

Die Auswahl der einzelnen Stücke für die 
Theatiner-Ausgabe ist von Rudolf Kohler (der 
auch eine gute knappe Biographie als Nachwort 
beisteuerte) mit Glück besorgt: nur die letzte der 
aufgenommenen Schriften (,,die innere Staatshaus- 
haltung; systematisch dargestellt auf theologischer 
Grundlage“) hat doch etwas gar zu viel Gemein- 
samkeiten mit der unmittelbar vorher abgedruckten 
Schrift (, Von der Notwendigkeit einer theologischen 
Grundlage der gesamten Staatswissenschaften‘) 
als daß sie die ungeteilte Aufmerksamkeit des Lesers 
noch sicher zu fesseln vermóchte. P. Przywars 
scharfsinnige Einleitung fixiert den Standpunkt 
des katholischen Theologen zu Müllers Werken, 
der bei aller Anerkennung doch — und das ist 
wohl charakteristisch für die gesamte Einstellung 
des modernen Katholizismus zur Romantik — 
nicht unbeträchtliche Vorbehalte einschließt. In 
diesem (wie übrigens alle Publikationen des Thea- 
tiner-Verlags) musterhaft ausgestatteten Band 
wird auch derjenige, der nicht an allen dialektisc- 
morphologischen Versuchen Adam Müllers Gefale 
findet, zumindest an einer Reihe wundervolle 
Stellen über den Unterschied von „Dienst“ und 
„Geldsklaverei‘ seine Freude haben können. Set! 
beachtenswert erscheint mir auch die scharfe Wen: 
dung des Romantikers gegen diejenigen, welche, 
die Hände im Schoß, sich damit begnügen, den 
Notruf nach „großen Männern“ auszustoßen. 

Frans Arens. 


Dr. Gg. Herm. Müller, Von Bibliotheken und 
Archiven. Leipzig, Heling, 1925. 

Den wissenschaftlich stark interessierten Laien 
kreis, von dem der Verfassser in der Vorrede 
spricht, dürfte ausschließlich die in diesen Vor- 
trägen enthaltene historische Entwicklung des Ar 
chiv- und Bibliothekswesen etwas angehen. Die 
übrigen Ausführungen wenden sich ausschließlich 
an reine Bibliothekar- und Archivarkreise, denen 
Würdigung und Kritik derselben in ihren Fach 
blättern vorbehalten bleiben muß. E. E. S. 


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— 


Juli-Oktober 1926 


Mystische Dichtungen aus sieben Jahrhunderien, 
Gesammelt, übertragen und eingeleitet von Fried- 
rich Schulze-Maizier. Leipzig, Insel-Verlag, 1925. 

Ein Füllhorn hoher Dichtung wird vor uns aus- 
geschüttet, nicht der geschichtlichen Betrachtung 
zuliebe, sondern um Sehnen nach Einigung mit 
dem Göttlichen in den Worten alter und neuer 

Zeugen solcher Einheit zu stillen. Einleitung und 
Auswahl verdienen die Anerkennung einer von Ge- 
fühl und Wissen getragenen Herrschaft über das 
Gebiet, dessen poetischer Ertrag noch nie so gut 
an einer Stelle vereinigt wurde. A—s. 


August Graf von Platen-Hallermünde, Lebens- 
regeln. Nach einer Handschrift von Hans Thaddáus 
Hoyer vervielfältigt. Berlin, Werk- Verlag, 1925. 

In Leinen 6 M. 

Die Leitsätze des Grafen Platen verdienen es, 
in der vollendet schönen Schrift Hoyers dem Auge 
persönlicher, lebensnäher dargeboten zu werden 
als die Druckschrift es vermóchte. Da auch die 
sonstige Ausstattung jedem Anspruch genügt, be- 
deutet diese kleine Publikation ein edles Gelegen- 
_ heitsgeschenk, geeignet namentlich für jugendliche 
Menschen beim Antritt des selbständigen Lebens- 
weges. A—s. 


Dr. Jakob Rabus, Rom. Eine Múnchner Pilger- 
fahrt im Jubeljahr 1575. Nach einer ungedruckten 
Handschrift mit 74 gleichzeitigen Holzschnitten 
herausgegeben von Dr. Karl Schottenloher. XXIX 
u. 192 8. München, Verlag der Münchner Drucke, 
1925. 

Rabus, 1545 als Sohn eines evangelischen Prä- 
dikanten zu Straßburg geboren, ist, kaum 40 Jahre 
alt, als resignierter katholischer Stadtpfarrer im 
niederbayrischen Straubing gestorben. Schon dieser 
Kontrast der Geburts- und Todesumstände deutet 
darauf hin, daß das Leben des Mannes kein so 
ganz ruhiges gewesen sein muß: und in der Tat 
hat der früh Verstorbene, der in rascher Folge 
Zögling der Wittenberger Hochschule und des 
Collegium Romanum gewesen ist, ein gut Teil seines 
kurzen Lebens in der wenig sicheren Stellung eines 
Münchener „Hofpredigers“ (in der er hauptsächlich 
auf unregelmäßige „Unterstützungen“ angewiesen 
war) zugebracht, erfüllt von einem nie rastenden 
Drang, „ultra montes“ zu wandern. Von einer 
seiner Italienreisen erstattet er Bericht in dem nun 
von Schottenloher nach der Münchener Original- 
handschrift auszugsweise edierten Wallfahrtsbüch- 

lein, das wunderlicherweise dreieinhalb Jahrhun- 
derte warten mußte, bis es im Zeichen des Jubel- 
jahrs 1925 seinen Verleger fand. Wunderlich genug, 
` wenn man bedenkt, daß Rabus’ Schrift die erste 
deutsche Beschreibung einer solchen Jubeljahrs- 
pilgerschaft gewesen und mehr als vier Jabrzehnte 


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vor dem Erscheinen des ältesten gedruckten deut- 
schen Pilgerhandbuches abgefaßt worden ist. Aber 
man gewinnt den Eindruck, daß der temperament- 
volle Konvertit auch sonst so manchen seiner lite- 
rarischen Pläne nicht zu verwirklichen imstande 
gewesen war. Nun wird ihm eben wenigstens 
posthum sein Recht: denn zumindest in gelehrten 
und bibliophilen Kreisen wird man die Initiative 
des Münchener Forschers sicherlich mit ungeteilter 
Freude begrüßen. Besonders lebendig und ab- 
wechslungsreich ist Rabus die eigentliche Reise- 
schilderung, vor allem die der Rückreise durch das 
östliche Italien, geraten ; etwas eintöniger wirkt die 
(nach einem Romführer des Serranus gearbeitete) 
Beschreibung der vielen ,,andachtigen gottshäuser“ 
in der ewigen Stadt selbst: es war daher ein über- 
aus glücklicher Einfall des Editors, diesen Teil des 
Buches durch Beigabe von Holzschnittreproduk- 
tionen nach Francinis Romführer von 1588 zu be- 
leben. Wird durch diese Beigaben das Interesse 
aller Kunsthistoriker und Kunstfreunde an der 
Publikation rege gehalten, so ist im übrigen Rabus’ 
Text an und für sich ja vielfach auch kulturge- 
schichtlich sehr interessant: vor allem das ent- 
schiedene deutsche Selbstbewußtsein dieses Rom- 
fahrers von 1575 und seine starke Betonung der 
innerlichen Andacht (gegenüber allem Glanz reich- 
geschmückter Kirchen) werden ihm auch unter 
heutigen Lesern Freunde werben. Schade, daß das 
Titelblatt der typographisch sehr sorgfältig ausge- 
statteten Edition nicht den Originaltitel bewahrt 
hat: dieser Obertitel ‚Rom‘ und das durch die 
drei Buchstaben hindurchgeflochtene Pflanzen- 
ornament waren mir das einzig Störende an dem 
feinen Büchlein. Franz Arens, 


Friedrich Schönemann, Die Kunst der Massen- 
beeinflussung in den Vereinigten Staaten von 
Amerika. Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt, 1924. 
205 Seiten. 

Es ist wohl nicht nur ein Schónheitsfehler, daß 
der gute Kenner amerikanischer Zivilisation und 
Politik den eklen Mischmasch von Heuchelei, Lüge, 
Geschaftsinteresse und Pharisäermoral in der 
Kriegspropaganda des Wilsonschen Amerika eine 
„Kunst“ nennt, denn nicht ganz selten geschieht 
der Hinweis, wie wir davon hätten lernen können 
— und lernen sollten für die Zukunft. Auch dem, 
der die Zeit ferne, unendlich ferne, wähnt, wo 
Lamm und Tiger friedlich nebeneinander ruhen, 
läuft ein Schauder über Seele und Leib, daß es 
nochmals nötig werden könnte, in solchen ,,Kún- 
sten“ sich zu üben. Es sind andere, die er dem 
Charakter wirksamer Propaganda zugefügt sehen 
möchte: die Kraft, mehr zu Vernunft und Mensch- 
lichkeit zu sprechen als zu dem, was man Massen- 
psychose nennt. Doch hindert dieses Urteil des 
Gefühles, des Wunsches, nicht, den Wert dieses 


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Juli-Oktober 1926 


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Buches sehr anzupreisen für jeden, der die poli- 
tische und sittliche Mentalität der eigentlichen 
Kriegsgewinner drüben über dem großen Wasser 
richtig einschätzen will. Die Abhängigkeit, in die 
wir zu ihnen geraten sind, läßt es ja in mancher 
Beziehung nützlich erscheinen, im Notfall nach 
dem homöopathischen Rezept zu verfahren: similia 
similibus. Einstweilen versucht es Europa auf ver- 
gnüglicherem Gebiete, indem es seine rückständigen 
Sitten und seine Art sich zu amüsieren mit wür- 
zigem negroiden Einschlag so viel wie möglich 
amerikanisiert. Max Martersteig. 


Karl Schottenloher, Der Münchner Buchdrucker 
Hans Schobser 1500—1530. Mit einem Anhang: 
Wer ist Johann Locher von München? Mit 35 Ab- 
bildungen. München, Verlag der Münchner Drucke, 
1925. Geb. 24M. 

Es istein Genuß, zu sehen, wie gut dieser statt- 
liche Band in klein-2° gedruckt ist. Die Zahl der 
abgedruckten Titel, denen Anfang und Ende des 
Textes beigefügt sind, ist 236, und nur ganz wenige 
Fragezeichen sind nötig an Stellen, wo ein [!] fehlt 
oder wirklich ein neuer Druckfehler vorliegt. Die 
Tafeln, Wiedergaben von Titelblättern, sind gut 
ausgeführt und geben in ihrer Folge wechsclreichen 
Stoff der Anschauung und mancherlei Anlaß zu 
allerlei Betrachtungen. Das ganze Buch ist schon 
äußerlich ein Zeugnis überlegter Sorgfalt, und so 
darfesdem verdientenVorsitzenden der Notgemein- 
schaft der deutschen Wissenschaft und Betreuer 
des Bibliothekswesens Exzellenz Schmidt-Ott ge- 
widmet sein. Sein Held ist keine Größe unter den 
Buchdruckern, aber er ist der erste bodenständige 
Drucker Münchens und hat genau durch drei Jahr- 
zehnte zumeist im Auftrage der Herzöge Wilhelm 
und Ludwig gearbeitet. Von ihm rühren die großen 
bayerischen Rechtsbücher jener Tage her, und die 
so außerordentlich verfeinerte Methode der Er- 
forschung von Druckwerken hat es ermöglicht, in 
ihm den Drucker vieler amtlicher Verordnungen 
zu erkennen. Die Bibliotheken und Archive Mun- 
chens boten das meiste, Berlia und London einiges, 
ein glücklicher Fund im Vatikan hat zwei Unika 
ans Licht gebracht. Schottenloher hat mit diesem 
Buche einen neuen Beweis seiner unermüdlichen 
Arbeit, seiner tief ins einzelne gehenden Kennt- 
nisse und seiner Fähigkeit gegeben, auch im Kleinen 
der großen Zusammenhänge eingedenk zu sein und 
ihnen zu dienen. 

Wichtiger noch als der Hauptteil des Buches, 
in dem eine Aufgabe gelöst und erledigt ist, dürfte 
der Anhang sein. War schon unter Schobsers 
Drucken der Kampf zwischen alter und neuer Lehre 
sichtbar geworden, so werden wir jetzt in die 
Stimmungen geführt, die den Bauernkrieg herauf- 
beschworen haben. DaB die Bezeichnung ,,Gedruckt 
durch Johann Locher von München“ nicht einen 


239 


Münchner Drucker nannte, wußte man bereits, dies 
Drucke stammen aus der Druckerei Jörg Gastels 
in Zwickau. Der Verfasser berichtet eingehender 
als je bisher geschehen über die Flugschriften von 
Johann Locher, mit Wiedergabe der Titelseiten, 
und weist auf Grund eines glücklichen Aktenfundes 
nach, daß sich unter diesem Namen ein ehemal:z 
Franziskanermönch aus Ulm, Rott, verborgen iz, 
der schließlich gefangen und in München wa. 
scheinlich hingerichtet worden ist. Man muß nacı- 
lesen, was Sch. über seine Schicksale ermittelt hat, 
und welche offenen Fragen sich aus der neuen Kennt- 
nis ergeben. Wahrscheinlich ist der sogenannte 
Heinrich von Kettenbach derselbe Mann. Es zeiger 
sich auch Beziehungen zum badischen Karsthans, 
Neue Funde und Schlüsse müssen noch mehr Licht 
schaffen. — ,,Nur mehr“ statt ,,nur noch“ dring: 
immer mehr in die Schriftsprache ein. H.S, 


Friedrich Schott, Der Augsburger Kupferstecher 
und Kunstverleger Martin Engelbrecht und seine 
Nachfolger. Ein Beitrag zur Geschichte des Augs- 
burger Kunst- und Buchhandels von 1719—18%. 
Augsburg, J. A. Schlosser, 1924. 

In der Geschichte der deutschen Buchkunst ge 
bührt Augsburg ein Ehrenplatz. Durch eine Rele 
von Geschlechtern schufen hier die Kilian eine Un: 
zahl von selbständigen Stichen und IIlustrationer, 
daneben die Wolfgang, die Bernigeroth usw. Sie 
arbeiteten zumeist für Augsburger Verleger, und 
unter ihnen finden wir seit 1711 als Teilhaber seines 
künstlerisch tätigen Bruders Christian den Helden 
dieses Buches, Martin Engelbrecht, den Begründer 
der Firma Schlosser. Deren gegenwärtiges Haupt 
setzte den ersten Vorgängern ein würdiges Denk- 
mal. Die Geschichte des Hauses wird ergänz 
durch den umfangreichen Oeuvre- und Verlags 
katalog Martin Engelbrecht, der, mit großer Sorg- 
falt hergestellt, 5734 Nummern, nach den Rust: 
lernamen geordnet, aufzählt und beschreibt, den 
Kunst- und Kulturhistoriker eine sehr dankens 
werte Hilfe. G. Y. 


William Shakespeares Sámtliche Werke. Nach 
der Schlegel-Tieckschen Übersetzung neu bearbeitet 
von Julius Bab und Dr. E. Levy. Neun Bande. 
Stuttgart, Union. 

Ein Unterschied dieser neuen Ausgabe des ka- 
nonischen deutschen Shakespeares gegeniiber allen 
früheren fällt sogleich ins Auge: die Werke sind 
nicht in die drei Gruppen geordnet, die seit der 
ersten Folio von 1623 überall gebildet wurden, 
die Historien, Tragödien, Komödien. Die Reibe 
der Dramen beginnt hier mit „Titus Andronicus" 
und schließt mit dem ,F Sturm“, d. h. der werdende, 
der vom derben play writer zum dichterischen 
Weltdeuter aufsteigende Shakespeare wird sche? 


240 


Juli-Oklober 1926 


erfaßbar, indem der Leser sich der Führung Babs 
und seiner Helferin Frau Dr. Levy anvertraut. So 
manches läßt sich gegen die Neuerung einwenden, 
aber da ich die Ausgabe nun schon längere Zeit 
benutzt habe, kann ich sagen, daß die Vorteile über- 
wiegen, also die Vorgänger übertroffen worden sind. 
Nicht nur in dieser Hinsicht. Babs große Charakte- 
ristik Shakespeares in seiner zeitlichen und ewigen 
Bedeutung sowie die Einzeleinleitungen dienen 
besser als die trockenen Stoffanhäufungen anderer 
dem wichtigsten Zweck, der Einfühlung in den 
Dichter. Das nie völlig lösbare Problem, wie die 
Mängel des unerreichbaren, unersetzlichen Schlegel- 
Tieckschen Textes zu bessern seien, lösen die 
beiden verbündeten Bearbeiter so, daß sie dem 
Ideal näherzukommen suchen, indem sie an etwa 
viertausend Stellen Mängel und Härten besei- 
tigen, dabei die früheren Versuche ähnlicher Art 
mit Recht nützend. Das Ergebnis ist, daß die Form 
durchwegs an Schmiegsamkeit gewonnen hat, der 
richtige Sinn klarer als zuvor ans Licht tritt und 
vielfach das Verständnis erleichtert wird. Die An- 
merkungen üben erfreuliche Zurückhaltung (wie 
billig ist die Weisheit, die in der Regel von den 
Shakespeare-Kommentatoren ausgebreitet wird, 
und wie unfruchtbar!). Sie wollen den Leser vor 
unnützem Grübeln wahren, sind deshalb gleich 
unter den Text gestellt und bieten in knappster 
Form etwa das, wessen sogenannte Gebildete ohne 
humanistische Bildung bedürfen, also Uber- 
setzungen der lateinischen Stellen, Erklärung der 
mythologischen Anspielungen usw., ferner die un- 
übersetzbaren Wortspiele, die vielen für uns dunk- 
len Bezüge zu Shakespeares Umwelt, hier und da 
auch Belege für die gewählte Übertragung. Als 
willkommene Zugabe, die Bezeichnung ‚Sämtliche 
Werke“ im eigentlichen Sinne bewährend, bringt 
der Schlußband die nichtdramatischen Dichtungen, 
darunter die Sonette in der neuen, allgemein an- 
erkannten Verdeutschung Emil Ludwigs, die in 
der Tatan Treue, Wohlklang, rhythmischer Schön- 
heit schwerlich zu übertreffen ist. Der Vergleich 
mit Bodenstedt oder einem anderen älteren Nach- 
dichter zeigt, was die jüngste Epoche unserer Lyrik 
an Kunstmitteln hinzugewonnen hat. Das Äußere 
der neuen Ausgabe ist einfach würdig, die Schrift 
trefflich lesbar, wenn auch nicht gerade elegant zu 
nennen, der Einband bis auf die ungünstigen Wort- 
teilungen des Rückentitels gefällig, der Preis mäßig. 
Mit besonderem Recht darf man hier von einem 
Shakespeare für das deutsche Haus sprechen. 
A—s. 


Ein Stammbuch aus vier Jahrhunderten. Heraus- 
gegeben von Dr. Johannes Hofmann. Leipzig, J. 
J. Weber, 1926. Quer-8°. (90 Tafeln, 65 Sextseiten.) 
425 numerierte Stücke. Nr. 1—100in Leder 200 M., 


Nr. 101—425 in Leinen 160 M., in Interimsband 
150 M. 


241 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücher freunde 


Dieses Stammbuch unterscheidet sich, wie schon 
der Titel besagt, von den früheren prächtigen 
Stammbuch-Publikationen des Insel-Verlags. Hier 
wurde von dem kenntnisreichen Direktor der 
Leipziger Stadtbibliothek aus den verschiedensten 
Sammelbüchern dieser Art eine chronologische 
Folge hergestellt und so ein Überblick der Ge- 
schichte der Gattung vom 16. Jahrhundert bis in 
die Biedermeierzeit gewährt, erläutert durch ein 
kundiges, mit zahlreichen Nachweisen und Beleg- 
stellen ausgestattetes Nachwort. Das Material 
stammt zum größten Teile aus Leipzig, und so 
wird der Vorteil gewonnen, daß die Entwicklung 
an einer bestimmten Stelle unter den wechselnden 
lokalen Bedingungen sich verfolgen läßt. Den 
Hauptwert des schönen beleibten Bandes bedeuten 
die 90 Blätter, wiedergegeben mit allen Hilfen des 
Offsetdrucks, so vollkommen im Charakter der 
Vorlagen, daß der Vergleich kaum einen Unter- 
schied erkennen läßt. Selbst die Alterspatina der 
Farben kommt hier zur Geltung, besser als die 
höhere Leuchtkraft des Farbenlichtdrucks es ver- 
möchte. Solche Tafeln wie das Bild Leipzigs, das 
diesem Hefte unserer Zeitschrift als Schmuck bei- 
gefügt ist, werden schwerlich zu übertreffen sein, 
und auf gleicher Höhe steht das Zwillingsbild 
Dresdens, die Wappen, und die Porträts eines 
Lutherenkels, des Veit Ludewig von Seckendorf, 
Benedict Carpzow, Johannes Rist, Hofmanswal- 
dau, das mit unerhörter Feinheit wiedergegebene 
allegorische Gemälde des Klaghauses und des 
Trinkhauses (nach Prediger Salom. VII, 3). Sind 
doch für einzelne dieser Tafeln bis zu ı4 Platten 
verwendet worden! Auch die Autogramme und 
Silhouetten lassen auf dem trefflichen Bütten an 
Schärfe und Weichheit des Drucks nicht zu wün- 
schen übrig. Man durchblättert die go Tafeln mit 
ungestörtem Behagen, freut sich, so vielen künst- 
lerisch und geistig bedeutenden Persönlichkeiten 
zu begegnen, sieht in ihren Sinnsprüchen und 
Handschriften ihr Wesen und ihre Zeit abgespiegelt. 
Der schöne Handeinband von Hübel & Denck mit 
seinen alten Handstempeln vollendet den erfreu- 
lichen, vornehmen Gesamteindruck. G. W. 


Carl Sternheim, Oskar Wilde. Sein Drama. 
Potsdam, Gustav Kiepenheuer, 1925. 

Sternheim hält sich in diesem Drama, das den 
Passionsweg Wildes von seiner Zuchthausstrafe bis 
zu seinem Tode darstellt, an die ausgezeichnete 
Biographie von Frank Harris. Indessen macht er 
den Wilde seines Dramas aus einem wenn auch 
schlaffen, so doch charmanten, geistvollen und 
liebenswürdigen Menschen zu einem Poseur, dem 
all die genannten Eigenschaften völlig abgehen. 
Es werden diesem Stück nicht viele Aufführungen 
beschieden sein, und dieses wird nicht, wie Stern- 
heim irgendwo ausführt, am Theater sondern 


242 


Juli-Oktober 1926 


durchaus an dem Stück selbst liegen. Ein bissiger 
Besucher der Berliner Erstaufführung sagte hinter- 
her: „Ich hätte nichts dagegen, wenn man den 
Verfasser eingesperrt und Wilde ein Stück darüber 
geschrieben hätte.“ Das ist gewiß gehässig, aber 
es trifft die Sachlage nicht übel. E. E. S. 


Emil Strauß, Freund Hein — Der nackte Mann 
— Kreuzungen. Berlin, S. Fischer. 

Nicht besser konnte der Verlag S. Fischer den 
so. Geburtstag des Dichters Ernst Strauß schmücken 
als durch die neuen Ausgaben der drei Romane. 
Sie zählen zu den dauernden Schätzen unseres 
Schrifttums, und die anmutige neue Gestalt be- 
deutet die würdige Fassung solchen Edelgesteins. 

A—s. 


Kurt Tautz, Die Räume der Churfürstlichen Bi- 
bliothek zu Cölln an der Spree. Burgb. Magdeburg, 
August Hopfer, 1924. 

Es war bekannt, daß der Stamm der Königlichen 
Bibliothek in Berlin seit 1661 durch den Großen 
Kurfürsten der öffentlichen Benutzung geöffnet 
wurde. Tautz weist nach, daß die Bücher damalsin 
dem Apothekenflügel am Lustgarten untergebracht 
wurden, wo nach einem falschen Gerücht einst 
Thurneisser gehaust haben sollte. So eingehend, 
wie es die Urkunden gestatten, schildert Tautz 
nun die Räume, die offenbar prächtig gewirkt 
haben müssen. Die Ausstattung auf Bütten in zwei- 
farbigem Druck verdient besondere Anerkennung. 

A—s. 


Ernst Toller, Die Rache des verhöhnten Lieb- 
habers oder Frauenlist und Männerlist. Ein ga- 
lantes Puppenspiel in zwei Akten, frei nach einer 
Geschichte des Bandelli. Mit 9 Originalradierungen 
von Hans Meid. Berlin, Paul Cassirer, 1925. 

Das leichte, fließend gereimte Scherzspiel, auf 
der Bühne mit lebenden Komödianten schwerlich 
aufführbar, bedeutet in dem ernsten Lebenswerk 
Tollers einen Augenblick heitern Vergessens. So 
wird es auch von willigen Lesern gern genossen 
werden, um so mehr, da die Meisterradierungen 
Meids dem Auge erlesene Genüsse spenden. Die 
vornehme Ausstattung des kleinen Drucks paßt 
zu dem anmutigen Inhalt. G. W. 


Otto Triibe, Das Hoftheater in Ballenstedt. Seine 
Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart. 
Dessau, C. Diinnhauft. 

Die Geschichte der kleinen Hofbühnen bedeutet 
einen wichtigen Teil der deutschen Theaterge- 
schichte. Ein betrāchtliches Maß von Kunstbildung 
ist durch sie ausgesat worden, das höhere Drama 
hat an diesen Stätten, unabhängig vom Massen- 
geschmack, in der Hut hochgesinnter fürstlicher 
Pfleger geblüht. In Ballenstedt ist von 1787 bis 


243 


Bibliographie des Buchwesens 


Zeitschrift für Bicherfreunde 


1863 Theater gespielt worden. Trübe hat fleiBig 
alles erlangbare Material zusammengetragen und 
es in runder Darstellung verwertet. B.R. 


Johannes M. Verweyen, Betrachtung über Mystik. 
Leipzig, Wolkenwanderer-Verlag, 1926. (150 S.) 
Der Bonner Philosoph gibt eine klare Umriß- 
zeichnung alles Erkenntnisstrebens, das seine Ziele 
über die der anerkannten Wissenschaft hinaus- 
steckt, also neben der eigentlichen Mystik auch 
Okkultismus, Mediumismus, Spiritismus, Charak- 
terologie, Astrologie, Theosophie und Anthro- 
posophie. Er stellt sich zu allen diesen Spielarten 
der Beziehung zum Übersinnlichen wohlwollend, 
ausgenommen die Anthroposophie. Als erste Ein- 
führung wie als zusammenfassende Ergänzung wird 
jedem, der diese dunklen Gefilde betritt, das kleine 
Buch besten Dienst leisten. Das Äußere bezeugt 
wieder den guten Geschmack des Verlags. 
B. R. 


Bibliographie des Buchwesens 


In Auswahl für den Bibliophilen zusammengestellt von 
Dr.O.E. Ebert, Oberbibliothekar an der Deutschen Bücherei 


ALLGEMEINES UND BIBLIOGRAPHIE 


Bibliographie des Bibliotheks- und Buchwesens. Vo2 
R. Hoecker. Jg. 1924. Leipzig, Harrassowitz 1920. 
VII, 2395. Gr.-S% = Zentralblatt f. Bibliothekswesen. 
Beiheft 56. 18.—. 

Das Buchwesen des Auslandes. (Zusammenstellung jener 
Veröffentlichungen des Auslandes, die buchgeschichtlich 
von Bedeutung sind.) In: Die Bücherstube 5, 55—56. 

Ehmeke, F. II.: Buchgestaltung. Ebda. 1— 7. 

Jahrbuch der Bücherpreise. Ergebnisse d. Versteigerungen 
in Deutschland, Deutsch- Osterreich, Holland, Skandi- 
navien u. d. Schweiz, bearb. von G. Hebbeler. Ig. 10. 


1924. Leipzig, Harrassowitz 1926. XII, 569 S. de. 
Lw. 17.—. 

Loubier, H.: Peter Jessen f. In: Die Bücherstube 5, 
14—17. 


Pollin, Fr. W.: Deutsche Museen in ihrer Bedeutung für 
Buch- und Druckgewerbe. I. Das Landesgewerbemuseum 
in Stuttgagt; 2. Kaiser-Friedrich-Museum in Magdeburg: 
3. Das German, Museum in Niirnberg; 4. Das Deutsche 
Buchmuseum in Leipzig; 5. Das Techn. Museum f. In- 
dustrie u. Gewerbe in Wien, In: Zs. f. Deutschl. Buch- 
drucker. Jg. 38, Nr. 25, 36, 38, 43, 49. 

Renker, Armin: Spruch und Ausspruch über Papier urd 
Buch, In: Monatsbl. f. Bucheinbände u. Handbindekunst 
2, H. 12. 

Schacht, R.: Ein Gespräch mit E. R. Weiß über Buch- 
kunst. In: Typograph. Mn. 23, 174—176. 

Schneider, Georg: Handbuch der Bibliographie. 3., un- 
veränd. Aufl. Manuldr. [1924]. Leipzig, Hiersemann 1926. 
XVI, 544 S. Gr.-8% Lw. 16.—. 

Schreiber, Wilhelm] L[udwig]: Handbuch der Holz- 
und Metallschnitte des 15. Jahrhunderts. Stark verm. u. 
bis zu d. neuesten Funden erg. Umarbeitung d. Manuel 
de l'amateur de la gravure sur bois et sur metal au 
ı5e siècle. Bd. r. Holzschnitte. Leipzig, Hiersemana 
1926. X, 240 S. 4% Lw. 50.—. 

Siebeck, Werner: Der Heidelberger Verlag von Jacob 
Christian Benjamin Mohr. Ein Rückblick. Tübingen, 
Mohr 1926, VIII, 114 S. 8%, 4.—. 

* 


244 


Juli-Oktober 1926 


Blunck. — Hans Friedrich Blunck. ı. Biographisches. 
2. Bibliographie. Zsgest. von W. Frels. In: Die schöne 
Literatur 27, 248—251. 

George. — Stefan George. 1. Biographisches. 2, Literatur. 
Zsgest. von E. Frels. Ebda. 202—207. 


SCHRIFT UND HANDSCHRIFTENKUNDE 


Ausserer, K.: Die heraldischen Handschriften der Wiener 
Nationalbibliothek. In: Festschrift der N.-B. in Wien. 
Wien 1926. S. 7—36. 

Ebmcke, F[ritz] H[elmut]: Rudolf von Larisch. Leipzig 
1926 (:Staatl. Akademie f. graph. Kiinste u, Buchge- 
werbe). 23S. 4% 150 Ex. Nicht im Handel. 

Fischer, K.: Spätgotische Buchmalerei in Nürnberg. In: 
Fränk. Heimat $, 213—217. 

Gerstinger, H.: Johannes Sambucus als Handschriften- 
sammler. In: Festschrift der Nationalbibliothek in Wien. 
Wien 1926. S. 251—400. 

Hermann, Hermann Julius: Die deutschen romanischen 
Handschriften. Leipzig, Hiersemann 1926. VIII, 467 S. 
2° = Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Hand- 
schriften in Österreich. Bd. 8. Lw. 180.—. 

Hoffmann, H.: Die Entstehung einer Schrift. 
Buch- u. Steindrucker 32, 353—364. 

Koch, Rudolf: Das Schriftschreiben. In: Typograph. Mn. 
23, 43—44, 82, 106—107, 173 m. Beispielen. 

Löffler, K.: Ottonische Buchmalerei in der Landes- 
bibliothek [Stuttgart]. In: Bes. Beil. d. Staats-Anz. f. 
Württemberg 1926, 4, S. 72—77. 

Moses, E.: Über eine Kölner Hs. der Mischneh Thora 
des Maimonides. In: Zs. f. bildende Kunst 60, 71—76 
mit Abb. 

Pelka, Otto: Die mittelalterliche Miniaturmalerei und die 
Reproduktionsverfahren der Gegenwart. In: Archiv f. 
Buchgewerbe u. Gebrauchsgraphik 63, 213— 231. 

Rolle, J.: Geschichte und Ziele der Schriftrenaissance. 
In: Jubiläumsfestschrift der II. städt. Realschule zu 
Leipzig 1876—1926. Leipzig 1926. S. 178—189. 

Ruprecht, Gustav: Fordert die Verbreitung des deutschen 
Buches im Auslande lateinischen Druck? Berlin, Schrift- 
bund deutscher Hochschullehrer (1926). 20 S. 8% = 
Flugblätter d. Schriftbundes deutscher Hochschullehrer. 
Nr. 4. —. 25. Aus: Börsenblatt f. d. Deutschen Buch- 
handel 1926, Nr. 23 u. 25. 

Schulze, Friedrich: Leipziger Schreibmeister und Schriften- 
maler. In: Archiv f. Buchgewerbe u. Gebrauchsgraphik 
63, 153—171 mit rr Abb. . 

Simons, Anna: Titel und Initialen für die Bremer Presse. 
(München, Bremer Presse 1926.) (III, 20 BL) 46,5 X 36,5 cm. 
Gedr. auf d. Handpr. in 220 Ex., in Hlw. Mappe 50.—. 

Wetzig, E.: Das Schriftschaffen des Schriftgießereige- 
werbes im Jahre 1925. Mit zahlreichen Schriftproben. 
In: Archiv f. Buchgewerbe u. Gebrauchsgraphik 63, 194 
bis 199. 


In: Dt. 


BUCHDRUCK 


Kunstmuseum an der Musegg, Luzern. Ausstellung. 
400 Jahre stadtluzernischer Buchdruckerkunst 1525—1925. 
(Luzern, Kunstgesellschaft 1925.) 8 S. 8% Fr. —. 50. 

225 Jahre Buchdruckerei des Waisenhauses Halle a. S. 
28. Juni 1701—1926. (Halle, Buchdr. d. Waisenhauses 
1926.) 43 S. Nicht im Handel. 

Alte Wiener Drucker- und Verlegerzeichen. (Den Teil- 
nehmern am Deutschen Bibliothekarstag in Wien ge- 
widmet. Wien 1926: Carl Gerold's Sohn.) 27 S. Gr. -80. 
600 Ex. Nicht im Handel. 

Engel-Hardt, R.: Die Typographie von gestern u. heute. 
In: Zs. f. Deutschl. Buchdrucker 38, Nr. 43, 44, 46. 
Kleukens, Ch[(ristian] H[einrich]: Die Handpresse. (Her- 
gestellt im März 1926 als Frühlingsgeschenk f. d. Kreis 
d. Freunde der Ernst Ludwig Presse. Darmstadt 1926: 
Ernst Ludwig Presse.) 9 S. 4°. 125 Ex. Nicht im Handel, 

Leonhardt, H. H.: Ornamentale und elementare Typo- 
graphie. In: Typograph. Mn. 23, 39—42, 73—76. 


245 


Bibliographie des Buchwesens 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


Lüthi, Karl J.: Hebräisch in der Schweiz. Bern 1926: 
Büchler. IV, 48 S., mehr. Taf. Gr.-8%, Erw. aus: Guten- 
bergmuseum. 1919/20. In 300 Ex, Fr. 5.—. 

Meyer, Wilhelm Jos.: Die französischen Drucker- und 
Verlegerzeichen des XV. Jahrhunderts. München: Verlag 
d. Münchner Drucke 1926. 171 S. 4° = Die Drucker- 
u. Buchhändlermarken d. XV. Jahrhunderts. Bd. 2. 
Pp. 12.50. 

Potthast, August: Geschichte der Buchdruckerkunst zu 
Berlin im Umriß. Für den Verein Berliner Buchdruckerei- 
Besitzer hrsg. von E. Crous. Berlin (, Verein Berliner 
Buchdruckerei-Besitzer) 1926. XII, 113 S., S. XII— LV, 
[III S.,] 16 Taf. Gr.-8°. 1000 Ex. 

Symons, A. J. A.: Englische Druckkunst der Gegenwart. 
In: Dichtung u. Welt (Beil. z. Prager Presse) 23. Mai 1926. 

Teichl, R.: Der Wiegendruck im Kartenbild. In: Fest- 
schrift der Nationalbibliothek in Wien. Wien 1926. 
S. 805—806. 


BUCHILLUSTRATION 


Hahnloser-Bühler, H.: Felix Valloton. In: Das graph. 
Kabinett 11, 23—35. 

Heyne, H.: Karl Mahr als Buchillustrator. (29 S.) In: 
Archiv f. Buchgewerbe u. Gebrauchsgraphik 63, 2. [Er- 
scheint auch als Sonderdruck.] 

Molsdorf, W.: Zu den Anfängen des Holzschnitts in 
Schlesien. In: Schlesische Mhe. 3, 231—237 m. Abb. 

Rohde, A.: Die Gestaltung des illustrierten Buches. In: 
Probleme der angewandten Kunst, [I.] Jahresgabe d. 
Kunstgewerbever. zu Hamburg. (Hamburg) 1926. S. 25 
bis 30. 

Ruß, R.: Holzschnitt und Buchdruck in ihren Wechsel- 
beziehungen. In: Schweiz. graph. Mn. 44, 97— 104. 
Teupser, W.: Dresdener Illustratoren. (Rückschau auf 
die Ausstellung in der Gutenberghalle des Dt. Buch- 
gewerbehauses.) In: Archiv f. Buchgewerbe u. Gebrauchs- 

graphik 63, 174—ı82 m. 3 Abb. 

Zabel, L.: Das Problem der Buchillustration. 
brauchsgraphik 3, 76—78. 


In: Ge- 


BUCHEINBAND 


Buch und Bucheinband. Eine Werbeschrift. Zur Ausstellg. 
Künstlerische Bucheinbinde d. Werkstätten Burg Gie- 
bichenstein Halle/Saale, Kunstgewerbeschule. Hrsg. von 
Otto Pfaff. Halle/Saale (, W. Knapp) 1926. 55 S., 
XII Taf. 4% Hlw. 13.—. 

Herbst, H.: Zur Bucheinbandforschung: Wiinsche und 
Anregungen. In: Archiv f. Buchbinderei 26, 1—6. 
Kaibel, F.: Der Buchkünstler Otto Dorfner in Weimar. 

Ebda. 33—35 mit Abb. 

K[ersten], P.: Die Buchbinder-Aussteller auf der int. 
Kunstgewerbeausstellung in Paris 1925. Ebda. 36—37. 

Pfaff, O.: Allgemein-kritische Betrachtungen zur Meißner 
Bucheinband-Ausstellung. Ebda. 48—50. 

Rhein, A.: Ulrich Frenckel-Einbände in Erfurter Biblio- 
theken. In: Zbl. f. Bibliothekswesen 43, 267—270. 


SAMMELWESEN 
Allgemeines 


Bogeng, G. A. E.: Der Begriff der Seltenheit beim 
Buche. In: Monatsbl. f. Bucheinbände u. Handbinde- 
kunst 2, H. 12. 

Breslauer, Martin: Antiquariat u. Bücherversteigerungen. 
In: Int. Sammler-Ztg. 18, 2. S. 11— 13; 3. S. 19— 20. 

Die größte Bücherauktion seit 50 Jahren. Ebda. I. S. 6 
bis 7; 2. S. 15—16; 3. S. 21—22. 

Hansen, C. E.: Die dänische Bibliophilie 1926. In: 
Dichtung u. Welt (Beil. z. Prager Presse) 16. Mai 1926. 

Hekter, M.: Die Bibliophilie in Rußland. Ebda. 20. Juni 
1926. 

Hof, H.: Zur Pflege wertvoller Drucke. 
Buchbinderei 26, 9—13. 


In: Archiv f. 


246 


Juli-Oktober 1926 


Kataloge 


Zeitschrift für Bücherfreund: 


Juli-Oktober 255 Sm oo 


Huebner, F. M.: Die Kultur des Buches in Holland. 
In: Dichtung u. Welt (Beil. z. Prager Presse) 30. Mai 1926. 

Liebrecht, H.: Das künstlerische Buch in Belgien. Ebda. 
9. Mai 1926. 

Lüthi, Karl J.: Die 
1. Mai 1926. 

Römer, E.: Die Knoblauch-Bibliothek bei Martin Bres- 
lauer. In: Mn. aus d. Antiquariat 1, 14—15 (Börsenbl. 
f. d. Dt. Buchh. 93, Nr. 88). 

Schürer, O.: Von Buchgewerbe und Buchkunst der 
Tschechen. In: Archiv f. Buchgewerbe u. Gebrauchs- 
graphik 63, 183—189. 

Stelzmüller, L. F.: Die Bibliothek eines Landpfarrers 
am Ende des 16. Jh. In: Heimatgaue (Linz) 6, 203 
bis 206. 

Waagenbrauck, C. C,: Briefe eines alten Bücherfreundes 
an einen Novizen. Über das Sammeln von Wiegen- 
drucken. L In: Die Bücherstube 5, 7—14. 


Bibliophilie in der Schweiz. Ebda. 


Aünstlerische Drucke 


(Hartmann von Aue:) Der arme Heinrich. (Leipzig, Insel- 
Verlag 1925.) (92 S.) 8% 35.—. 

Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte, [Luxusausg. Lfg.6/7.] 
(S. 225— 328.) [Zürich, Orell Füssli 1926.] 4° = [Druck 
d. Johannespresse ] 300 Ex. Pp. 30.—. 

Scheck, Hanns: Niobide. (München 1926: Staatl. Kunst- 
gewerbeschule.) 10S. 16°. Privatdr. 

(Wallich, Moses:) Die Fabeln des Kuhbuches. Mit e. 
Vorw. von Aron Freimann. Berlin (, Soncino - Gesell- 
schaft) 1926. XVI, 97 S. 4° = Publikation d. Soncino- 
Gesellschaft d. Freunde d. jüdischen Buches. ı, Beih. 
Nicht im Handel. 


Illustrierte Bücher 


Behmer, Marcus. — Littmann, Enno: Vom morgenlän- 
dischen Floh. Dichtg. u. Wahrheit über d. Floh bei 
Hebriern, Syriern, Arabern, Abessiniern u. Türken. Mit 
Rad. von Marcus Behmer. Leipzig, Insel-Verlag 1925 
[Ausg. 1926). 68S. 8°. 40.—. 

Harwerth, Willi. — Scheffel, [Joseph] Viktor von: Das 
Hildebrandlied. (Gezeichn. u. in Holz geschn. von Willi 
Harwerth. 3. u. 4. Aufl. Offenbach a. M., W. Gerstung 
1926.) (6 Bl.) 8°. 1.50. 

Hofmann, Ludwig v. — Aschylus. — Aıoyv)ov Tpour ters 
deguwrrs (Cur. ab Alberto Rehm. Imagines del. L. de 
Hofmann. München 1026: Officina Bremensis.) 72 S. 4° 
(<= Drucke d. Bremer Presse. 20.) 250 Ex. Pp. 100.—. 

Hufrert, Hermann. — Sachs, Hans: Der Rofdieb zu 
Fünsing. Ein Fastnachtsspiel von 1553. (Mit Holzschnitten 
versehen von Hermann Huffert. München 1925: Staatl, 
Kunstgewerbeschule.) 30 S. Kl.-Se. 40 Ex. Privatdr. 

Lorenz, Karl. — Die Sonne-Mittag-Stunden. Dichtg. u. 
Holzschn. von Karl Lorenz. Mlalente]-Gr[emsmühlen] 
1926: Turmpresse. (56; 48 Bl.) 59,5 X40 cm (= Werke 
d Turmpresse. 10.] 25 num. Ex., in losen Bogen 1040.—. 

Renyi, Hugo. — Die Jungfernprobe oder Merkwiirdige 
Begebenheit von der Jungfrau Barbara Siizel und dem 
Henker Giek in Meckmühl, ans Licht gebracht durch 
Emil Lucka u. mit Holzschn. verziert von Hugo Renyi. 
Wien, A. Wolf 1926. 60 S. 8% Lw. 3.—. 

Seewald, Richard. — Windthorst, Margarete: Höhenwind. 
(Mit 57 Bildern von Richard Seewald.) M. Gladbach, 
Führer-Verlag 1926. 66 S. Gr.-5%. Lw. 4.—. 

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schaften I. 877 Nrn. 

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724 Nrn. 

Joseph Baer & Co. in Frankfurt a. M. Nr. 722. Staatewise- 
schaften Teil UI: Engländer-Peter. Nr. 3751—6225. — Nr. ii 
Mathematik und Astronomie. 793 Nrn. — Nr. 726 State 
wissenschaften Teil IV: Petermann-Zwiedinek. Nr. 6236—*iil. 

Martin Breslauer in Berlin W 8. Nr. 88. Allgemeine Lands 
und Ortsgeschichte, Genealogie, Heraldik, Numismatik. ap: 
gistik. 2536 Nrn. mit Register. 

Friedrich Cohen in Bonn. Nr. 153 und 154. Deutsche Literatur | 
und II. 2591 Nro. — Nr. 155. Kunstgeschichte. $46 Nra. 
Dr. Frans Cohn in Berlin- Wilmersdorf. Neuerwerbunger dun 

und Juli 1926. 76 und 83 Nrn. 

Georg Ecke in Berlin W 35. Theater. 95 Nrn. 

Gustav Fock in Leipzig. Nr. 569. Bibliophilie. Schöne und seltene 
Bücher, Manuskripte, Alte Drucke, Illustrierte Bücher, Em- 
ausgaben. 1116 Nrn. 

Rudoif Geering in Basel. Nr. 406. Kulturgeschichte. 3146 An. 

Gilhofer & Runschburg in Wien I. Nr. 191. Vermischtes. 171 Nr. 
— Xr. 192. Incunabula typographica 1459—1500. 229 Nm. mi 
32 Tafeln und 6 Registern. 

William Glaisher in London W.C. 1. 
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Hans Gots in Hamburg 36. Nr. 22. Herabgesetzte Bücher. 

Gsellius in Berlin W 8. Nr. 382. Das Zeitalter der franzyrischen 
Revolution. 1347 Nrn. 

Hahiweg & Stöcker in München 3 NW 1. Nr. 1.  Bitliothecs 
librorum rarorum. 159 Nrn. mit zahlreichen Bilder 

Hahn 4 Seifarth in Leipzig. Nr. 9. Geschichte, Kuitargeschichte. 
‘10 Nrn. 

F. W. Haschke in Leipzig. Nr. 44 und 45. Vermischtes. 372 00% 
296 Nro. 

Karl W. Hiersemann in Leipzig. Nr. 565. Asien. 1339 Am, - 
Nr. 566. Periodica. 1884 Nru. mit Register. 

Hoffmann & Campe in Berlin W 62. Nr. 36. Alte Druck, 
Graphik, Handzeichnungen, Moderne Drucke. 2349 Nrn. 
Hollstein & Puppel in Berlin W 15. Nr. 9. Bildoisse: Raabe - 
Szankovics. Nr. 11933—16362 mit Register. — Nr. 12. Kunstland- 

hücher, Kupferstichwerke, Dekorative Bildnisse. 

Robert Jahn in Leipsig C 1. Nr. 15. Klassische Philologie une 
Altertumskunde. 659 Nrn. . 
Willy Janke in Dresden-N. 6. Nr. 3. Deutsche Literatur. 101 Nm. 
Ludwig Lararus to Wursburg. Nr. 104. Geschichte, Kolm und 

Kunsthistorisches. 611 Nrn. ; 

Leo Liepmansschn in Berlin SW 11. Nr. 216. Opern, Oratorien. 
Gesangewerke in Orchester-Partituren. 1232 Nm — Neils. 
Instrumental-Musik in Orchester-Partituren, 688 Nm. 

Lipus 4 Tischer in Riel. Nr. 65. Vermischtes. 2615 Nm. 

Alfred Lorent in Leiprig. Nr. 300. Universal- und EKulturze 
schichte. 3111 Nrn. 

Edmund Meyer in Berlin W 35. Nr. 67.68. Alte Drucke 16. bi 
18. Jahrhundert, Französische Literatur. 245 Nro. 

Martinus Niihoff im Haag. Nr. 523. Vermischtes 488 Mm 

Leo S. Olschki in Florem. Seltene Bücher. Nr. 5729—6126 mi 
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Vermischtes. 292 Nrn. mit Register. 

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Geſchichte des Sports 
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Von den zwei Bänden dieſer reichilluftrierten Geſchichte des Sports aller Völker und Zeiten 
{ft ſoeben der ſtarke erſte Band mit 408 Abbildungen im Text und 9 Tafeln fertiggeſtellt. 
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kulturgeſchichtlichen Inſtitute und öffentlichen Bibltotheken. 

Der zweite, das ganze Unternehmen abſchließende ebenfo ſtarke Band erſcheint noch vor Weib: 
nachten, das Ganze wird alfo noch in dieſem Jahre vollſtändig. Das Erſcheinen in zwei auf- 
einanderfolgenden Bänden erleichtert die Anſchaffung. Der Bezug des erſten Bandes ver⸗ 
pflichtet zur Abnahme des zweiten zum gleichen Preiſe. Preiserhöhung nach Erſcheinen des 
zweiten Bandes beabſichtigt. 


Inhalt des erſten Bandes: 
Herausgeber Dr. G. A. E. Bogeng 


Einführung Geſchichte der Touriſtik und Alpiniftit 
von Staatsſetretãr Dr. AF Ge Praͤſtdent des von Dr. A. Dreper u. Prof. E. enzenſperger, Münden 
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Der Sport E Naturvsller Dr. €. „ er nn 
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Die Eörperliche Erziehung and bungen e p. e, S lg,, een Hate ex be 
SEH 5 eg Vase Deutihen Hod{Gale für Leibesübungen, Berlin 
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Der Sport im Altertum von Georg B. Blaf Re Gekhifsf. Dorfigender 
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251 252 


Juli-Oktober 1926 Anseigen Zeitschrift für Bücher freunde 


Briefwechſel 


zwiſchen Eduard Moͤrike 
und Friedrich Theodor Viſcher 


Her ausgegeben von A. Viſcher 
Mit zwei Abbildungen und drei Salfimiles 
VIII, 356 Seiten $°. Geheftet M 6.50, in Ganzleinen M 9.— 
Dieſer ſeit langem erwartete Briefwechſel wird hiermit endlich der literariſchen Welt 
dargeboten. Er bringt ganz neues Material und beſchert uns eine Fülle ſchlicht 
menſchlicher Züge und Situationen aus der wechſelſeitigen Teilnahme am Schaffen 


und Leben der beiden Dichter. Das geiſt⸗ und humorvolle Buch iſt eine freudige 
Uberraſchung für alle Mörike⸗ und Viſcher freunde. 


Der Troll⸗Elch 


Roman von Mikkjel Sónbus 
Aus dem Norwegiſchen übertragen von J. Sandmeier 
210 Seiten $°. Geheftet M 4.—, in Ganzleinen gebunden M 5.50 
Dieſer Roman iſt eine Tier⸗ und Jagdgeſchichte, erzählt von einem Bauernburſchen aus 
dem norwegiſchen Hochgebirge, der aus der Fülle einer reichen Seele und einer von 
Geſchlechtern vererbten Jagderfabrung ſchöpft. Wer jemals ſelbſt in einem engen Zus 
ſammenhang mit der Natur gelebt hat, die dem Jäger jenes beſeligende Gefühl der 
Rúdtebr in die Urbeimat der Menſchheit verleiht, wird fofort das Verwandte wie 
einen Luſtſtoß aus Wald und Gebirge fidh entgegenftrömen fühlen, gefteigert durch 
die unendliche Unberuͤhrtheit und Grenzenloſigkeit der nor wegiſchen Landſchaſt. 


Der Mann 
mit den Masken 


Roman von Johan Bojer 
Aus dem Norwegiſchen übertragen von J. Sandmeier 
219 Seiten $°. Geheftet M 4.—, in Ganzleinen gebunden M 5.50 
Dieſes „pbantaſiereichſte Buch Bojers bietet den Roman des Lebenslügners aus Ur: 
veranlagung, des Hochſtaplers aus Luſt zur Unendlichkeit, begabt zu allem. nur 


nicht zur Dauer, unendlich febnfidtig nach dem Menſchen, ein Dieb der Seele. 
Aus dem Reichtum ſchleicht er in das Elend, aus dem Nichts in die Fülle. 


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253 254 


Juli-Oktober 1926 Anzeigen Zeitschrift für Bücherfreund 


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Bd. 75 Breslau Bd. 75 


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Prof. Dr. Franz Landsberger 
206 Seiten, 156 Abbildungen, in Leinen M. 7.— 


Die erste Kunstgeschichte, die iber Breslau geschrieben wurde. Welche uner- 
warteten Schätze diese Stadt beherbergt, war manchem Kunstfreund bisher 
wenig oder gar nicht bekannt 


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beitet. Das Buch enthält einen kunstgeschichtlichen Straßenführer | $ 


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388 Seiten mit 260 Abbildungen, in Leinen M. 10.— 


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lagen verbreiteten Bande ein vollkommen neues Buch gemacht, 


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Di 
—— NW 
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VERLAG VON E.A.SEEMANN IN LEIPZIG | 


— 


255 | 256 


| BEIBLATT DER 


| ZEITSCHRIFT 


FUR BUCHERFREUNDE 


NEUE FOLGE 


Herausgegeben von Prof. Dr. GEORG WITKOWSKI 
LEIPZIG-GOHLIS / Ehrensteinstraße 20 


XVIII. Jahrgang 


November-Dezember 1926 


Heft 6 


Englischer Brief 


Die englischen Verleger haben 1926 eine stärkere 
Nachfrage nach Romanen und Novellen zu ver- 
zeichnen als je zuvor. Im Laufe des Jahres sind 
über 3000 erschienen. Erotische Stoffe sind nicht 
mehr so beliebt. Bemerkenswerterweise hat die 
Stimme der Frau in der letzten Zeit zu dem Thema 
des Sexuellen als des elementarsten Lebenstriebes 
geschwiegen. May Sinclair und Rose Macamlay 
haben jüngst die geschlechtstolle Zeit weder an- 
geklagt noch gepriesen. Es scheint tatsächlich, als 
ob der Feminismus in der englischen Romandich- 
tung der Gegenwart abzuwirtschaften beginnt. So 
sind die Gestalten etwa in Netta Syretts „As the 
stars come out** modern, ja sogar sehr modern, aber 
nie krankhaft und exzentrisch. Am beliebtesten 
sind immer noch Detektiv- und Abenteuergeschich- 
ten mit okkultem Einschlag. Die Angelsachsen 
waren seit jeher die produktivsten Lieferanten der 
guten wie der schlechten Kriminal- und Detektiv- 
geschichten; der fruchtbarste der Modernen auf 
diesem Gebiete ist Edgar Wallace, von dem man 
sogar einen von den unglaublichsten Abenteuern 
wimmelnden und in einer ausschweifenden Hinter- 
treppenromantik schwelgenden Reißer dem deut- 
schen Publikum in einer nicht einmal ganz ein- 
wandfreien Übersetzung zugänglich machen zu 
müssen glaubte (, Der Frosch mit der Maske“, 
396 S., Rikola-Verlag, Wien). Literarischen Wert 
hingegen darf E. M. Wrongs Sammlung „Crime and 
Detection“ beanspruchen, worin u.a. E. A. Poe, 
Conan Doyle, Ernest Bramah, S. K. Chesterton, 
Barry Pain vertreten sind. Die beiden „großen“ 
Romanciers John Galsworthy und H. G. Wells 
warten wieder mit Neuerscheinungen auf: Gals- 
worthys „The Silver Spoon“, der zweite Band der 
mit „The White Monkey“ begonnenen Trilogie, die 
die berühmte „Forsyte Saga'* endlich zum Ab- 
schluß bringen soll, läßt die soziologische Tendenz 
dieser Romane immer deutlicher erkennen, es ist 
aber „die Soziologie einer angenehmen Behäbig- 
keit“, H. G. Wells’ „The World of William Clissold“ 
wird von der englischen Kritik gepriesen als ,,Sha- 
ian discussion“, „Encyclopaedia“, „Outline of 
everything“, „Cosmic Survey“, „Astounding life- 


Beibl. XVII, 19 257 


voyage“, „Outline of mankind“, als der englische 
„Babbit“. Diese Kritiker scheinen den Mund 
ebenso voll zu nehmen wie der redselige Held des 
Romans. Erfreulicher sind die Leistungen zweier 
„jüngerer“ Romanautoren: Paul Selver läßt uns 
mit „One, Two, Three“ ebenso intime Einblicke in 
das Londoner Literatengetriebe tun, wie er mit 
seinen „Schooling“ Schulmeister und Schulmeisterei 
ergötzlich satirisch beleuchtete. Der ungemein in- 
teressante, originelle, „bittere“ Dichter T. F. Powys 
führt uns in seinen „Innocent Birds“ wieder eine 
Reihe seiner wunderlichen Menschenkinder vor, 
die entweder harmlose Narren oder ausgemachte 
Lumpen sind und in ihrer seltsamen Mischung von 
Mystik und Erotik wohl die Dammerseite alles 
menschlichen Daseins symbolisieren sollen. 

Sehr groB ist die Nachfrage des lesenden Pu- 
blikums nach gedruckten Theaterstücken. Im all- 
gemeinen zeichnet sich das modernste englische 
Drama nicht durch großen Gedankenreichtum oder 
hinreißendes Ethos aus, aber, wie die jüngst bei 
unsvielfach aufgeführten Autoren beweisen, kommt 
der englische Bühnenschriftsteller viel mehr den 
Anforderungen der lebenden Bühne entgegen als 
unsere Autoren, die mehr mit Ideen und Refle- 
xionen alsmitdramaturgischemWissen und bühnen- 
technischem Können belastet sind. Um so ver- 
wunderlicher ist die Beliebtheit der gedruckten 
Schauspiele beim britischen Leser. Die Ausbeute 
auf dramatischem Gebiete ist qualitativ in letzter 
Zeit recht mager. John Drinkwater z. B., der be- 
kannte Verfasser der sogenannten biographischen 
Dramen, hat Thomas Hardys Roman „The Mayor 
of Castlebridge'* dramatisiert, ohne die wunder- 
volle architektonische Kunst des Altmeisters der 
englischen Dichter zu erreichen. Einer der hoff- 
nungsvollsten jüngeren Dramatiker, allerdings iri- 
scher Abkunft, ist Sean O’Casey; auch in seinem 
letzten Stück „The Plough and the Stars‘ erweist 
er sich als der stärkste Humorist der englischen 
Bühne; die Wirkung beruht wie bei jedem irischen 
Stücke auf dem Kontrast zwischen derromantischen 
Welt, welche die Charaktere im eigenen Innern 
aufrichten, und der schmutzigen Außenwelt. 


258 


November-Dezember 1926 


Das Beste der neuesten englischen Lyrik ist uns 
jetzt leicht und billig zugänglich in „The Augustan 
Books of Modern Verse“ (E. Benn, London, 6 d). 
Jedes der Buchlein umfaBt 30 Seiten oder gar 
weniger; bequemer kann man es nicht haben. Ver- 
treten sind hier erstklassige Lyriker wie Robert 
Bridges, Edmund Blunden, G. K. Chesterton, 
Robert Graves, W. H. Davies, F. W. Harvey und 
last not least der prachtvolle Siegfried Sassoon. 
Von Sassoon finden wir manche seiner unvergáng- 
lichen Kriegs- oder vielmehr Antikriegsgedichte 
wieder, sowie einige wenige der Gedichte, die er 
kurzlich nach siebenjahrigem Schweigen gesammelt 
als angeblich ,,Satirical Poems“ veröffentlichte. 
Diesen satirischen Versen möchte ich eine geradezu 
epochale Bedeutung zumessen. Der Dichter hat 
sich hier eine ganz eigenartige Diktion geschaffen, 
die von den kühnsten Neubildungen, den fremd- 
artigsten Wendungen, den verwegensten Wort- 
ungeheuern strotz. Es sind melancholisch ange- 
hauchte Impressionen, Tor die nicht der reine 
Satiriker, sondern nur der zartbesaitete Dichter 
empfanglich sein kann. Nachdenkliche Aufzeich- 
nungen von Dingen, die der sensible Impressionist 
geschaut hat und die dem rückschauenden Skep- 
tiker noch hassenswert erscheinen. Der Dichter 
ist hier viel starker als der Ironiker, der in den 
das fieberhafte englische Kriegserlebnis widerspie- 
gelnden, in der Diktion so schlichten, klaren, pra- 
gnanten „War Poems“ die Oberhand hatte. Seiner 
fruheren Art ziemlich getreu geblieben ist Wilfred 
Rowland Childe mit seinen „Ivory Palaces‘; wie 
in seiner ,,Gothic Rose“ ist er auch hier der Schiler 
des Präraffaeliten Dante Gabriel Rossetti. Aller- 
dings neigt er auch hier dazu, nach Präraffaeliten- 
manier alles mit Goldstaub zu übersäen, allzu 
verschwenderisch zu malen mit himmelblauen, 
marmorweißen, scharlachroten Farben, und die 
ornamentale Überladung bedingt gelegentlich eine 
schwierige Symbolik; aber selbst wo diese Sym- 
bolik nicht zu enträtseln ist, hört man die zauber- 
hafte Melodie, berauscht man sich an der Glut und 
Süßigkeit der Verse. Seine Gedichte sind von einer 
solchen Verinnerlichung, einer solchen visionären 
Kraft und magischen Wirkung, wie man sie bei 
kaum einem zweiten der jüngsten Lyriker findet. 

Die wissenschaftliche Kritik und die Herausgeber 
haben sich jüngst wieder mancher älteren Lyriker 
angenommen. H. W. Garrod hat mit seinem Buche 
über „Keats“ bewiesen, daß er sich in eine kom- 
plizierte Dichterpsyche einzufühlen und diese auch 
unserem Verständnis näherzubringen vermag. Hol- 
brock Jackson hat seine vor achtzehn erschienene 
Morris-Monographie revidiert und erweitert, das 
Buch hat dadurch erheblich an Wert gewonnen; 
Morris war damals altmodisch, jetzt ist er historisch. 
Von dem Mystiker Blake, der in dem heutigen der 
Mystik jeder Art so zugeneigten England eine 
glänzende Auferstehung erlebt, sind die „Prophetic 


259 


Enelischer Brief 


Zeitschrift für Bücher freund: 


Writings“ neu herausgegeben von D. J. Sloss und 
J. P. R. Walls (Oxford 2 vols). Auch der in de: 
zünftigen Literaturgeschichte nicht selten unter- 
schätzte Wordsworth kommt wieder zuEhren. John 
Hawke hat einen „Grasmere Wordsworth“ (Selsw yn 
and Blount), Ernest de Selincourt ,,Wordsworth's 
Prelude“ (Oxford, Clarendon Press) ediert. Die 
Golden Cockerel Press brachte als den bislang 
besten ihrer Neudrucke Chaucers „Troilus ard 
Criseyede“ mit reizvollen Illustrationen von Eric 
Gill heraus. Die Neuausgabe der ,,Satirical Poems 
of the Reverend William Mason, with Notes written 
by Mr. Horace Walpole in 1779. Edited by Page: 
Toynbee“ (Oxford, Clarendon Press), worin die 
Walpoleschen Erlauterungen zum ersten Male ab- 
gedruckt sind, ist unentbehrlich fir jeden, der die 
Literatur des 18. Jahrhunderts ernsthaft studieren 
will. DaB das 18. Jahrhundert heute in England 
geradezu Mode geworden ist, beweisen ferner die 
neuen Publikationen: „Gray, Poetry and Prose." 
With Essays by Johnson, Goldsmith and others, 
Introduction and Notes by J. Crofts (Oxford Uni- 
versity Press), die „Poems on Several Occasions: 
Written in the Eighteenth Century“. Edited by 
Katharine W. Campbell (Oxford, Blackwell), die 
Neuausgabe von Goldsmith’s ,, Vicar of Wakefield" 
mit einer Einleitung von George Saintsbury, ferner 
von „Ihe Life of Mr. Jonathan Wild the Great“. 
by Henry Fielding (Oxford, Blackwell), von Danie: 
Defoes „Memoirs of a Cavalier“ (Constable), urd 
endlich von „Robinson Crusoe“ (Constable) mit 
Reproduktionen von Stothards Illustrationen urd 
einer ausgezeichneten Vorrede von Charles Whibley. 
Ein Romanautor der viktorianischen Zeit begeg- 
net neuerdings wieder großem Interesse: Benjamin 
Disraeli; Peter Davies plant die erste vollständige 
Gesamtausgabe seiner Werke; als Herausgeber 
dieser zwölf Bände ist Philip Guedalla vorgeseben; 
in seinen Einleitungen will dieser die Umstände 
beschreiben, unter denen jeder dieser (für uns 
übrigens nur noch zeitgeschichtlich wertvollen) 
Romane geschrieben wurde. Von Robert Lou:s 
Stevenson, den Englands ,.Júngste** gern als „, un- 
originellen Poseur“ abzufertigen belieben und um 
den sich unsere deutschen Übersetzer in letzter Zeit 
mit Recht bemüht haben, ist kürzlich eine Ausgabe 
erschienen „The Works of Robert Louis Stevenson“. 
Skerryvore Edition, ferner,,Edinburgh: Picturesque 
Notes“, „Letters“ (Heinemann in association with 
Chatto and Windus, Cassell and Longmans). Cecil 
Palmer brachte eine ,,Complete Edition“ von einem 
noch Lebenden heraus: G. K. Chesterton; diese 
Gesamtausgabe enthalt manche in Zeitschriften ver- 
streute und viele neue Gedichte dieses dichterischen 
Herolds des Katholizismus in England, dessen wun- 
dervolle Poesie turmhoch über seiner paradoxen 
Prosa steht. Wichtige Bücher über zwei repräsen- 
tative Romanautoren sind „Joseph Conrad as 
I know him“. By Jessie Conrad (Heinemann). 


260 


November- Dezember 1926 


Englischer Brief 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


„Joseph Conrad in the Congo.“ By G. Jean Aubry 
(Bookman's Journal Office), „George Meredith“. 
By J. B. Priestley (Macmillan); S. Jean-Aubry be- 
absichtigt außerdem, „Life and Letters“ des vor 
zwei Jahren verstorbenen Meisters des modernen 
Abenteurerromans herauszugeben; die beiden vor- 
liegenden Bücher haben dokumentarischen Wert. 
Das Buch Priestleys, dieses geradezu unheimlich 
produktiven Kritikers und Essayisten, ist in einem 
zu sehr journalistischen Stile geschrieben und ist 
trotz der fesselnden Analysen nicht kritisch genug. 

Die Fleuron Press hat einen entzückenden preis- 
werten ,,Bibliophile’s Almanack“ herausgebracht, 
der u. a. einen Beitrag von Frank Lidgwick über 
die moderne Buchdruckerausstellung im britischen 
Museum enthält. Daß England jetzt eine Art 
typographischer Renaissance erlebt, erweist u. a. 
der Neudruck der Ausgabe von 1623 von „The 
World Encompassed by Sir Francis Drake durch 
Halton und Truscott Smith mit einer bedeutsamen 
Einführung von Sir Richard Carnac Temple. Für 
Buchhändler, Sammler und Bibliophilen von 

größtem Interesse ist das vierbändige Werk „An- 
- onyma and Pseudonyma“ (C. A. Stonehill); es gibt 
erschöpfende Auskunft über alle englisch geschrie- 
benen Bücher, deren Autoren ihre Identität ver- 
borgen haben oder ohne Namen geblieben sind; 
dies gewaltige Stück Arbeit haben drei erfahrene 
Bibliographen geleistet: C. A. Stonehill, Andrew 
Block, H. W. Stonehill. Das Werk enthält über 
35000 Eintragungen in gedrängter, aber klarer 
Anordnung, sonst wäre es nicht möglich gewesen, 
es in nur vier Bänden und zu dem verhältnismäßig 
niedrigen Preise von £ 5 zu veröffentlichen. Es 
darf natürlich in keiner englich-amerikanischen 
Bücherei fehlen und macht das bisher auf diesem 
Gebiete maßgebende Buch von Halkett und Lang 
"Dictionary of Anonymous and Pseudonymous 
Literature“ überflüssig, das recht teuer und zum 
großen Teil veraltet ist. Ein eigenartiges, aber 
ebenso bedeutsames Buch ist G. P. Winship ,,Guten- 
berg to Plantin“ (Milford, London 12s 6d net). 
Schon der Titel deutet an, daB far den Verfasser 
_ Gutenberg zweifellos der Erfinder der Buchdrucker- 
kunst ist; er erwähnt nicht einmal Coster oder 
Haarlem; er ignoriert gänzlich den frühen hol- 
ländischen Buchdruck. Bemerkenswert sind seine 

Ausführungen über Caxton zu Colard Mansion, mit 
dem dieser zuerst in Brügge arbeitete; entgegen 
früheren Theorien, die die Frage zu beantworten 
suchten, ob Caxton oder Mansion der Schüler war, 
wer von ihnen der Eigentümer der Druckerpresse 
war, sagt er einfach: „Mansion . . may have been 
the workman employed by Caxton“; Caxton rangiert 
mit Heynlin und Fichet von der Sorbonne unter 
den Eigentümern der „Ersten Privatpressen“ ; 
Winships Interesse an den Büchern, über die er 
schreibt, ist nicht nur bibliographisch; er wertet 
sie auch als Dokumente der sozialen, geistigen und 


261 


religiösen Zeitbewegungen in den verschiedenen 
Ländern Europas; mitunter freilich scheint sein 
Urteil durch eigene Vorurteile gefärbt zu sein. 
Henry Stevens, Son and Stiles haben kürzlich den 
zweiten Teil des 23. Bandes der „Book Auction 
Records“ herausgebracht; zu Anfang steht ein 
Artikel von Sidney Hodgson über „John Dunton 
and The Dublin Scuffle‘; dieses war ein Buch, 
welches Dunton im Jahre 1699 veröffentlichte und 
in dem ereinen Bericht gab über seinen Streit mit 
dem Dubliner Buchhändler Patrick Campbell; vor 
allem ist das Register von 46000 Büchern er- 
wähnenswert, die zu Anfang dieses Jahres in Edin- 
burg, Glasgow und London versteigert wurden. In 
ihrem 801. Kataloge bieten Henry Sotheran & Co. 
zum Preise von £ 2ı einen sehr interessanten Brief 
an, den Edmund Burke an Edmund Sexton Perry 
schrieb, den späteren Viscount Pery, der von 1771 
bis 1785 Sprecher im irischen Unterhause war; 
darunter befinden sich auch viele andere an Pery 
gerichtete Briefe (nahezu 350 an der Zahl und in 
drei Bänden gebunden); die Schriftsteller, die er- 
wähnt werden, spielten eine große politische Rolle 
zu Perys Zeit, u. a. Henry Grattan; der Preis der 
Sammlung beträgt £ 150. Francis Edwards hat 
seinen 483. Katalog erscheinen lassen; er enthált 
Bücher, Kupferstiche und Karten, die sich auf die 
Vereinigten Staaten beziehen: ,,An Historical 
Account of the Expedition against the Ohio In- 
dians in the year MDCCLXIV under the Command 
of Henry Bouquet (1766) soll £ 40 kosten, George 
Catlins ,,North American Indian Portfolio“ mit 
25 farbigen Lithographien (1844) £ 45, Cotton 
Mathers ,,Magnalia Christi Americana, or the Ec- 
clesiastical History of New York“ (1702) £ 40, 
Gabriel Thomas’ ,,An Historical and Geographical 
Account of the Province and Country of Pensyl- 
vania“ (1698) £ 150. 

Zum SchluB sei dreier Toten gedacht, die das 
englische Schrifttum zu beklagen hat: Mit Eva 
Gore Booth schied eine der größten Begabungen 
der sogenannten keltischen Renaissance ; ihre Poesie 
ist vager mystischer Natur, gefärbt mit irischer 
Mythologie; ihre besten Gedichtbande sind ,, Unseen 
Kings“ und „The Perilous Nights‘, ihr bestbe- 
kanntes Gedicht „The Little Waves of Dreffny“. 
Perceval Gibbon, der im Alter von 46 Jahren starb, 
war ein short story writer, der nicht immer erfüllte, 
was er versprach: er steuerte wie die meisten Kurz- 
geschichtenschreiber sehr viel zu literarischen Ma- 
gazinen bei, die besten sind „The Second Class 
Passenger“ und die südafrikanischen Geschichten ; 
Gibbon war übrigens ein Freund Joseph Conrads 
und versuchte sogar zeitweise es ihm gleichzutun. 
J. P. Postgate starb in Cambridge im Alter von 
72 Jahren, er war einer der besten klassischen 
Philologen, der Hauptherausgeber des „Corpus of 
the Latin Poets“. 


Bochum. Karl Arns. 


262 


November- Dezember 1926 


Pariser Brief 


Zeitschrift für Bücherfreund: 


Parıser Brief 


Im Verlag E. Droz hat J. Bouissounoux unter 
dem Titel „Jeux et Travaux“ das Stundenbuch des 
15. Jahrhunderts herausgegeben, das im Museum 
von Chantilly die Nummer 1362 und den Titel 
„Livre d’Heures de la Duchesse de Bougogne, Ade- 
laide de Savoi“ trägt. Es stammt aus dem Besitz 
des Duc d’Aumale, der es 1858 in London für 5 E 
gekauft hat, Der Verfasser beschreibt das Stunden- 
buch, dessen besonderer Wert in dem reichen 
Kalendarium liegt, und kommt auf Grund kultur- 
und literarhistorischer Tatsachen, sowie durch 
formalästhetische Vergleiche zu der Überzeugung, 
daß die Miniaturen zwischen 1450 und 1460 von 
drei verschiedenen Illuminatoren geschaffen sind. 
Der erste, meint Bouissounoux, hat das Kalen- 
darium und die großen Blätter ausgeführt, der 
zweite das Dekor, der dritte Maria in der Gloria 
und die Sibyllen, die sich stilistisch von den üb- 
rigen stark abheben. Diese These wird mit lite- 
rarischen Quellen und aus der Modengeschichte so 
ausführlich belegt, daß sie überzeugt. Mehrere 
Miniaturen lassen erkennen, daß dieses Stunden- 
buch in der Zeit entstanden ist, in der die Arbeits- 
teilung eingeführt, Schreib-, Dekor- und Bildaus- 
führung in verschiedene Hände gelegt wurde. Daß 
der Figuren- und Landschaftsmaler nicht die Orna- 
mentik geschaffen hat, sieht man auf den ersten 
Blick. Es zeigt sich ferner, daß das ganze Werk 
in einer Übergangszeit entstanden ist. Die Illu- 
minationen schwanken zwischen dem älteren, 
flächenhaften und dem neueren, malerischen Stil, 
der in dem zeitlich letzten Stil entschieden ob- 
siegt. Der Verlag hat das Werk mit 38 schön ge- 
druckten Photographien glänzend ausgestattet und 
sich ein Verdienst um dieses bisher noch nicht 
veröffentlichte Stundenbuch erworben. Weniger 
sauber und scharf sind die hundert Tafeln gedruckt, 
mit denen der nachträglich erschienene Katalog 
der vorjährigen Pariser Ausstellung „Le paysage 
français de Poussin à Corot“ ausgestattet worden 
ist. Schade, daB dieses Prachtwerk, das die Gazette 
des Beaux-Arts herausgegeben hat, so schlecht 
gedruckt ist; denn der Katalog und die kunst- 
historischen Einleitungen haben hohen, dokumen- 
tarischen Wert. So bald wird man einen so bedeu- 
tenden Überblick über die französische Landschafts- 
malerei nicht wieder gewinnen können, so bald 
wird die Forschung nicht wieder so bedeutungs- 
volle Anregungen erhalten, so daß man mit schmerz- 
lichem Bedauern die mangelnde Sorgfalt bei der 
Herstellung dieses Werkes empfindet. Der Louvre- 
konservator Paul Jamot hat im gleichen Verlag 
eine reich illustrierte Schrift „Nouvelles études sur 
Poussin“ herausgegeben, die die neuesten Poussin- 
Forschungsergebnisse zusammenfaßt, die die oben 
erwähnte Ausstellung und die letzten Louvrean- 
käufe gezeitigt haben. Jamot, der sich seit Jahren 


263 


als Poussin-Spezialität im Louvre bewährt hat, 
stützt sich auf den von mir zusammengestellten 
Katalog und setzt sich mit der ganzen neueren 
Poussin-Literatur kritisch auseinander. Ihm sind 
die neuesten Entdeckungen und die letzten Louvre- 
erwerbungen zu danken; er ist auch selbst der 
glückliche Besitzer einiger Originale. 

Die Exposition internationale des arts decoratii; 
et industriels modernes vom Jahre 1925 soll it 
einem großen „rapport général“ festgehalten wer- 
den, den Senator Fernand David, der General- 
kommissar der Ausstellung und Paul Léon, directeur 
des Beaux-Arts überwachen. Achtzehn Bande sird 


vorgesehen, von denen jeder hundert Textseiten 


und 96 schwarze und farbige Abbildungen ent- 
halten soll. Es wird behandelt: Die Geschichte 


und Beschreibung der Ausstellung, in einem be- 
sonderen Band die fremden Lander, die Architektur, ` 
die Innendekoration, das Buchgewerbe, Theater, . . 


StraBen- und Gartenanlagen, endlich eine Ge- 
schichte des modernen Kunstgewerbes und die 
Ergebnisse der Ausstellung. Die Publikation wird 
im Laufe dieses und des nächsten Jahres be 
Larousse erscheinen. Jeder Band soll 3.20 Dolls: 
kosten. 

Im Verlag von Henri Laurens hat Rene Schoe 
der, Professor an der Faculté des Lettres zu Pans 
eine Geschichte ,,de l'art frangais au dixhuitiéne 
siècle“ herausgegeben als Fortsetzung seines früher 
erschienenen Buches über das gleiche Thema im 
17. Jahrhundert. Der neueste Band ist eine echt 
französische Arbeit; leicht und prickelnd geschrie- 
ben, ohne Beziehung zu der englischen, hollän- 
dischen und deutschen Kunstliteratur, Frankreich 


als das Herz der Welt nehmend, unterrichtet das E 


Buch vom franzósischen Standpunkt aus úber den 


Verlauf der ganzen Kunstgeschichte im 18. Jahr- E 
hundert; in einer umfassenden Bibliographie ist 
die französische Literatur über die Epoche aufge- 


reiht. Die zahlreichen Abbildungen sind gut aus- 
gewählt und bieten viele Kunstwerke, die in anderen 
Publikationen fehlen, so daß das Buch schon da- 
durch eine willkommene Ergänzung darstellt. Ir 
gleichen Verlag hat Alexander Masseron zum Jt- 


biläum des Heiligen Franz eine Monographie von 


Assisi herausgegeben, die mit 115 Illustrationen 
ausgestattet ist. Im Mittelpunkt der Darstellung 
steht der Heilige Franz, dessen Gestalt mit großer 
Liebe und eindringendem Verständnis herausge- 
arbeitet ist. Anläßlich des 700 jährigen Todestages 
des Franz von Assisi ist eine Flut von Büchen, 
Flugschriften und Zeitschriftenartikeln erschienen. 
Isabelle Rivière übersetzte Chestertons Biographie 
(Plon), Henri Ghéon schrieb ein Buchdrama seines 
begnadeten Lebens, Edouard Schneider verher- 
lichte die Ethik des Heiligen (Grasset) und Gabriel 
Faure vereinigte in einem Buch Stimmungen ats 


Assisi. In einigen Aufsätzen wurde darauf hinge- 


wiesen, daß in Frankreich Renan der moderne 


264 


ÉS November- Dezember 1926 


Wegbereiter eines profanen Franziskanismus war 
und in Deutschland Henri Thode für das franziska- 
nische Weltgefuhl werbend aufgetreten sei. 

L'art vivant, in der der Heilige Franz auch ge- 
feiert wurde, veröffentlichte in seiner neuesten 
Nummer Erinnerungen an die erste Impressionisten- 
ausstellung von 1874. In der Comoedia wurde die 
Sammlung von Toulouse Lautrec im Museum zu 
Albi gewürdigt. Im Verlag von Louis Conard ist 
endlich der dritte Band der gesammelten Werke von 
Charles Baudelaire erschienen, der L'art roman- 
tique enthält. Auch dieser Band ist von Jules 
Crépet mit großer Sorgfalt herausgegeben und mit 
philologischer Akribie kommentiert, so daß die 
Entstehung auch dieses Werkes schicksalsmaBig 

und philosophisch restlos gedeutet erscheint. Be- 
dauernswert bleibt, daß die schöne Ausgabe so 
langsam fortschreitet. Vier Jahre sind seit Er- 
scheinen des ersten Bandes vergangen, und es ist 
noch nicht abzusehen, wann die weiteren veröffent- 
licht werden. Der einzige Trost ist, daß man in 
dieser Ausgabe Endgültiges erhält. Mit der gleichen 
Langsamkeit schreitet die Publikation seiner in 
demselben Verlag erscheinenden Briefsammlung 
fort, deren Ende erst in einigen Jahren zu er- 

warten ist. 

Die Inflation in Frankreich wirkt sich ähnlich 
aus wie einst bei uns. Eine Flut von Luxusaus- 
gaben erscheint und ist in Vorbereitung. Da die 
Gesamtauflage der Bücher in Papier, Druck und 
Ausstattung sich noch verschlechtert hat, so ist 
die früher schon geübte Sitte, einige hundert Exem- 
plare auf besserem Papier und in sorgfältigerer 
Ausstattung voranzudrucken, allgemein geworden. 
Jeder Verleger druckt gleichzeitig mit der Gesamt- 
auflage solche Vorzugshundert, die meistens schon 
vor Erscheinen vergriffen sind. Daneben erscheinen 
von allen Büchern, auf deren Gangbarkeit der Ver- 
leger rechnen zu können glaubt, einige hundert 
oder tausend Exemplare auf hollandischem Papier, 
die — bei Romanen — zum Preise von 200—250 
Frank verkauft werden. Da Frankreich seit dem 
Kriege für schöne Literatur eine erstaunliche Auf- 
nahmefahigkeit zeigt, so werden auch diese avant 
la lettre-Drucke schnell abgesetzt. Sobald ein Ro- 
man Erfolg gehabt hat, wird eine illustrierte Aus- 
gabe veranstaltet, die trotz der Preise von Tausen- 
den von Franks ebenfalls schnell Liebhaber findet. 
Wenn Verleger und Sortimenter trotzdem klagen, 
So liegt das nicht an mangelnder Kauflust des Pu- 
blikums, sondern vielmehr an der allgemeinen 
Wirtschaftslage Frankreichs. Das Lesebedürfnis 
der Franzosen illustrieren am besten die gewaltig 
hohen Auflagen, die französische Autoren erleben: 
Louis Hémons Maria Chapdelaine hat in etwa fúnf 
Jahren einem Absatz von ı Million Exemplaren er- 
zielt; Pierre Benoits Romane haben Auflagen 
zwischen 100 und 700000, Maurice Dekobras Bücher 
zwischen 200 und 500000. Claude Anet, Paul Mo- 


265 


Neue Búcher und Bildey 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


rand und Henri Berauds Romane sind auch in je 
über 100000 Exemplaren verbreitet. Der junge 
Bernanos hat in einem halben Jahr mit seinem 
ersten Roman „Sous le soleil du Satan“ 150000 
Käufer gefunden. Es ließen sich noch eine ganze 
Reihe älterer und junger Autoren aufzählen, die 
Auflagen erleben, wie sie in Deutschland ganz 
selten sind. Daraus ergibt sich, daß heute wie 
immer in Frankreich die Literatur eine ganz andere 
Rolle spielt als bei uns, in höherem Ansehen steht 
als in Deutsehland. 

Auf dem letzten Buchhändlerkongreß in Mont- 
pellier haben sich viele Stimmen dafür eingesetzt, 
den französischen Provinzen eine größere Selb- 
ständigkeit zuzuerkennen. Durch die Zentralisation 
des Buchhandels in Paris ist bisher die Bücher- 
produktion der Provinz völlig erdrückt worden. 
Gleichzeitig mit dem Wiedererwachen des Regio- 
nalismus in allen Teilen Frankreichs hebt sich auch 
der Unternehmergeist der Verleger nicht nur in 
großen Städten wie Bordeaux, Marseille, Lyon und 
Rouen, sondern auch in kleineren Städten wie 
Aix, Reims, Nancy, Lille u.a. Um diesen Ver- 
öffentlichungen ein Publikum zu verschaffen, sollen 
in den einzelnen Provinzstädten Ausstellungen der 
regionalistischen Literatur veranstaltet und in 
Paris eine Zentrale der gesamten Provinzliteratur 
geschaffen werden. Da Paris in jeder Weise heute 
mehr Interesse für das geistige Leben im Lande 
zu nehmen beginnt, so ist zu hoffen, daß die De- 
zentralisationsbestrebungen auch dem Bücher- 
markt zugute kommen. 


Berlin. Otto Grautoff. 


Neue Biicher und Bilder 


Neue erzählende Prosa 


I 


Ein neuer Drang zur Aktivität erfüllt die Welt; 
Sport und Rekorde sind die Losung. Darum 
diese Menschheit von Schnelläufern, Schwimmern, 
Rennfahrern und Fliegern im Buch das Tempo 
und die Spannung ihres Lebens wiederfinden will. 
Die psychologischen Romane weichen den aben- 
teuerlichen und phantastischen, den Büchern voller 
Handlung. Deren mir diesmal sechs vorliegen: 
Jack London: Der Seewolf (Universitas). O. M. Hüf- 
fer: Als Vagabund in New York (Saturn-Verlag, 
Wien). Edgar Wallace: Der Frosch mit der Maske. 
Otto Marschalek: Die Tiefen von Mangalore 
(beide Rikola, Wien). Joseph Delmont: In Ketten 
— und Karl zu Eulenburg: Die Brunnen der großen 
Tiefe (beide W. Grunow, Leipzig). Uber London 
ist Neues nichts zu sagen. Er ist und bleibt Meister 
des modernen Abenteuerromans, darin erim Schnitt- 
punkt bes ter Literatur und bester Kolportage kühne 
Erlebnisse und kühne Einfälle erregend verflicht. 
Hier brüllt die See um den Robbenfanger mit 


266 


November- Dezember 1926 


seiner wilden Mannschaft und ihrem wilderen Ka- 
pitan, den riesenstarken Wolf, der seine Raubtier- 
haftigkeit in einer genialen weltverachtlichen Phi- 
losophie verankert. — Auch der Englander Hutfer 
durfte in den Bericht seines New Yorker Vaga- 
bundenlebens Dichtung und Wahrheit mischen. 
Gleichviel; was herauskommt, ist außerordentlich 
amüsant. Hüffer verliert im Hunger selbst nicht 
seinen Humor. Und um seine Erlebnisse als Bar- 
keeper, Zirkusmensch, indischer Fakir, politischer 
Schlepper (um einige nur zu nennen) rankt er ein 
Muster ebenso boshafter wıe witzig-treffender Be- 
merkungen über Amerika und die Amerikaner. 
Ein wirklich empfehlenswertes Buch. — Wallace 
verfaßt einen Detektivroman, der sich von andern 
vorteilhaft durch wirklich geistreiche Verwicklun- 
gen, wenig Unwahrscheinlichkeiten und eine ver- 
blüffende Lösung auszeichnet, die hier nicht ver- 
raten sci. — Einigermaßen unverständlich dagegen 
istes, wasein Buch wiedas Marschaleksche indemso 
gewählten Rikolaverlag zu suchen hat. Seine phan- 
tastischen Novellen sind von erstaunlicher Phan- 
tasielosigkeit. Er gehört zu jenen Autoren, welche 
meinen, daß die Erfindung eines ungewöhnlichen 
oder geheimnisvollen Geschehens genüge, um phan- 
tastisch zu wirken, anstatt an Poe, Hoffmann und 
nicht zuletzt Maupassant zu lernen, daß erst die 
Gestaltung das Ungewöhnliche zum Phantastischen 
wandelt. — Nun weiß ich freilich nicht, ob Delmont 
damit einverstanden sein wird, wenn ich seinen 
Roman unter die abenteuerlichen rechne, er selbst 
ihn nicht viel mehr als Sittenschilderung einer 
russisch-judischen Gemeinde der Zarenzeit gelesen 
haben will. Denn freilich stünde es nicht dafür. 
Aber die ein gut Teil des Bandes füllende Schil- 
derung der Flucht des Helden aus der sibirischen 
Hölle liest sich, einigen groben Unwahrscheinlich- 
keiten zum Trotz, spannend und wirklich aben- 
teuerlich wie ein Karl May unserer Jugend. — 
Eulenburgs Buch führt gen Atlantıs. Nach ge- 
schicktem, vielversprechendem Anfang, darin in 
Sturm, Seebeben, kosmischer Katastrophe der Lu- 
xusdampfer von dem auftauchenden Weltteil ge- 
packt wird, zerfällt das Buch in poetisch-mystische 
Verschwommenheit. Wie es denn allerdings nach 
Döblins Berge, Meere und Giganten auf lange Zeit 
hinaus unmöglich sein wird, einen Zukunftsroman 
zu erfinden. 

Ein Novellenband von Frank Thieß: Narren 
(Engelhorns Nachf. Stuttgart) hält die treffliche 
Mitte zwischen der psychologischen und phanta- 
stischen Erzählung. ThieB schildert jene Menschen, 
die durch ein Erlebnis, ein Wort aus der Bahn ge- 
drängt in einen schiefen Blickwinkel zum Weltge- 
triebe kommen. In „Das Ehepaar Boßt‘‘ (neben 
„Ein Besuch‘ der hervorragendsten Novelle des 
Buches) kommt der Dichter in der subtilen Schil- 
derung des kleinen stellungslosen Beamten den 
großen Russen sehr nahe. 


267 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücher freund: 


Martha Ostenso ist in Amerika durch ihren Ro- 
man: Der Ruf der Wildganse (Rikola, Wien) übe: 
Nacht berühmt geworden; und dies verdienter- 
maßen. Ihre Erzählung führt ın den Norden der 
Staaten, wo die Ansiedler in ewigem Kampf mit 
dem dürftigen Boden und unerbittlichen Klimz 
hart und spröde werden wie das Land, das sie be- 
stellen. Man muß von der süßen Liebesgeschichte 
mit dem happy end absehen, die in keinem ame- 
rikanischen Roman fehlen darf. Was darüber ist, 
gibt ein herbes, erlebtes und sehr starkes Buch. 

Warum der Amaltheaverlag den Roman: Der 
Kreis, der schwedischen Dichterin Barbara R:rg 
übersetzen ließ, ist nicht recht einzusehen, Es soil 
beileibe nichts gegen das Buch gesagt werden, das 
die Geschichte eines jungen Madchens aus der 
Mitte des 19. Jahrhunderts nach Hamsunschem 
Rezept sehr hubsch, sauber, ehrlich gearbeitet und 
sicher in eine belebte Umgebung stellt. Aber urs 
gehen 1m Grunde weder das landliche Schweden 
des vergangenen Jahrhunderts nochdie Psychologie 
eines Mädchens dieses Landstriches und deer 
Epoche etwas an (es sei denn, daß eine úberdaverale 
Gestaltung des Geschehens — und hier tut sie e 
nicht — Zeit und Ort zur nebensachlichen Staffaze 
machte). 

Ebensowenig glaube ich, daß die Zeit der Schmal- 
kaldischen Kriege uns geistig außerordentlich nabe 
lage. Julius Havemann hat sie in einem über 700 
Seiten langen Roman: Pilger durch die Nacht, 
wieder lebendig zu machen versucht. Eine ebenso 
fleiBige, ordentliche wie (fur mich jedenfalls) un- 
aufregsame Arbeit (bei Grunow, Leipzig). 

Hans Heinrich Ehrler schildert in: Die Reise in 
die Heimat (Kosel und Pustet, München) zu Ehren 
der Hundertjahrfeierseiner Vaterstadt Mergentheim 
diese und ihre Umgebung mit sehr viel Sinn ftr 
idyllische Natur, — 

Das bedeutendste aller bisher in diesem Referat 
angezeigten Bucher bleibt indessen ein Bandchen 
des alten „geistigen Genres“: Thomas Manns 
Pariser Rechenschaft. (S. Fischer, Berlin), darin 
er uber seine Pariser Vortragsreise berichtet. Mag 
man schon daran zweifeln, daß ein Gedanken- 
austausch führender Geister viel zur Völker ver- 
söhnung beitrage; genug, wenn er das Geistesleben 
selbst neu erfrischt. Und es dürfte kaum einen 
besseren Vertreter des deutschen in Tradition er- 
zogenen Geistes geben als Thomas Mann. So glau- 
ben wir, daß die Schmeicheleien, die man ihm sagte 
und die er bescheiden zurückweist, sehr ehrlich ge- 
meint und sehr zutreffend waren. Außer daß Mann 
uns in dieser seiner Schrift das geistige Frankreich 
plastisch vorstellt, füllt er sie zwischen den Erleb- 
nissen mit Reflexionen, deren Klugheit uns immer 
wieder entzückt. 

II 

Diesem Referat sei ein Glückwunsch an den 

Verlag S. Fischer vorangeschickt, der das Jubiläum 


268 


November-Dezember 1926 


seines vierzigjährigen Bestehens feiert. In Fischer 
haben wir einen der wenigen deutschen Verleger, 
die noch die alte Verleger-Tradition aufrechthalten, 
Kunstwarte nicht Bücherfabrikanten sind, nicht 
ein Werk wie eine Zigarettenmarke auf den Markt 
werfen, und es zur Makulatur verstauben lassen, 
wenn es die erste „Zugkraft“ verloren hat.. Durch- 
blättert man das 86 Seiten starke Verlagsverzeichnis 
des zum Jubiläum erschienenen Almanaches „Das 
40. Jahr‘‘ wird man zwar erkennen, daß auch in 
ihm vergessene Bücher figurieren; aber die Mehr- 
zahl der angezeigten Werke sind solche, deren 
hundertste Auflage gekauft wird wie deren erste. 
Gewiß hat Fischer nahezu alle bedeutenden Dichter 
und Denker seiner Zeit um sich zu sammeln ge- 
wußt. Aber sein Verdienst ist es, daß ihre Bedeu- 
tung von der Menge erkannt und somit in der 
Geschichte der Literatur verankert wurde. Der 
genannte Almanach, der lesenswerte Inedita ent- 
hält, sei allen jenen empfohlen, die sich ein Bild 
von der Werkstatt dieses Verlages machen wollen. 
— Von den Neuerscheinungen Fischers seien drei 
Werke zunächst angezeigt: Richard Dehmel: Be- 
kenntnisse ; Moritz Heimann: Nachgelassene Schrif- 
ten und Otto Flake: Villa U.S.A. Das Erstgenannte 
wird in mir freilich keinen gerechten Beurteiler 
finden. Ich kann die Abneigung gegen Tagebücher 
nicht überwinden, die von vornherein für die Ver- 
öffentlichung gedacht und geschrieben wurden. 
Dabei sind esweniger die unerbetenen Konfidenzen, 
die ich als peinlich empfinde, als es jene seelische 
Bereitschaft des Schreibenden ist, alles persönlich- 
menschliche Erleben & tempo literarisch umzu- 
werten. Des ungeachtet ist das Buch unerläßlich 
zur Kenntnis Dehmels und seines Schaffens. — Hei- 
manns nachgelassene Essays haben allen Charme 
der Schriften, die er uns als Lebender gab. Bean- 
standet man die Bezeichnung: Charme? Sie soll 
die Steigerung dessen bedeuten, was man über 
Heimann gesagt hat; seine stille, zurückhaltende, 
feine Klugheit ist genugsam gerühmt worden. Denn 
er ist in seinen Essays ein Dichter. — Wie Heimann 
Dichter im Essay ist Flake Essayist in der Dichtung. 
In seiner Villa U.S. A. erstrebt er eine Synopse der 
Zeit und ihrer geistigen Unterströmungen, gesehen 
durch das Temperament seiner Helden und Hel- 
dinnen. Von denen der Schweizer Neuhöven ge- 
mäßigt zwischen ihnen und den Lesern vermittelt. 
Es ist von Kommunismus die Rede und von 
Faszismus, vom neuen Typ der Frau und des 
bürgerlichen jungen Mädchen. Und sehr viel von 
Liebe, Es fällt heutzutage nicht ganz leicht in 
einer Gesellschaft zu verkehren, die reich und be- 
ruflos keine anderen Sorgen kennt als die Entwick- 
lung ihres geistigen Selbst und der geistigen Ge- 
schehnisse ihrer Umwelt. Hier kann man es eher, 
weil diese Menschen nicht durch die Phantasie er- 
zeugt, sondern mittels des Intellektes als Träger 
ihrer Ideen konstruiert sind. Es sind außerordent- 


269 


Neue Bücher und Bilder 


Zeitschrift für Bücher freunde 


lich subtil gearbeitete Mechaniken und lange steht 
man ihnen wie Hoffmann Ophelien gegenüber. 
Aber zum Schluß wird man des künstlichen doch 
gewahr. Trotzdem ist das Buch so fein und klug 
komponiert, daß es zu lesen einen geistigen Gewinn, 
wenn auch einen geistigen nur, bedeutet. — Ähn- 
lich ergeht es einem mit Michael Arlens: Der grüne 
Hut (Berlin, Ullstein). Der Verfasser nennt es ein 
Buch für wenige und das ist es, obschon es als 
Publikation des Verlages Ullstein von Tausenden 
wird gelesen werden. Es erscheint überdies frag- 
lich, ob diese wenigen überhaupt in Deutschland 
leben. Weil dieses Werk so englisch ist, wie es nur 
sein kann. Hält es die reizende Donna Juanna 
seines Buches, die unberechenbar leidenschaftlich- 
kapriziöse Iris auch in England nicht aus — sie 
selbst nimmt England nach dem Kontinent mit. 
Mir ist Arlen zu geistreich; er ermüdet Sätze zu 
lesen, deren jeder einzige eine Pointe hat. (Man 
atmet auf, zündet sich irgendwann jemand eine 
Zigarette an und weiter nichts!) Aber das Wunder 
dieses Buches ist es, daß wir entgegen Arlens über- 
spitzter Geistigkeit in seine Iris verliebt bleiben 
bis zu ihrem Tode unter dem zerschellten Hispano- 
Suiza. — Mit Aljred Polgar lohnte es, darüber zu 
streiten, ob es wirklich eineHerabsetzung bedeutet, 
seine Bücher als Lektüre für lässige, bequeme, ent- 
spannte Stunden zu empfehlen. Denn im Vorwort 
seines „Orchesters von oben“ (bei Rowohlt, Berlin) 
beschwert er sich über die Kritiker die solches 
wagten. Tatsächlich hat er in der „kleinen Form“, 
wie er sie nennt, etwas Neues geschaffen: die, wenn 
ich so sagen darf, psychologische shortest story. 
Es ist eine Essenz von Geschichten. Und sie sind 
virtuos geschrieben. Sie glauben Polgar, daß, 
hätten Sie anstatt hundert Zeilen zu zehn zu 
machen sie zu tausend zerrieben, Sie davon mehr 
Ruhm geerntet hätten. Das ist Ihr Irrtum. Auch 
im großen Roman, der den großen Ruhm zum Ge- 
folge hat (denken wir an den Zauberberg etwa), 
sind hundert Zeilen in zehn gepreBt worden und 
wenn der Roman deren tausend hat, so kommt es 
daher, daß sein Stoff doch gewichtiger ist als Ihre 
— wer bestreitet es — reizenden Histörchen. Wenn 
wir indessen die kleine Form nicht mißachten, 
warum mißachten dann Sie unsere entspannten 
Stunden? (Und im übrigen, Hand aufs Herz, wann 
hat ein Mensch im Beruf schon Zeit zu lesen, wenn 
er nicht aus Beruf liest?) — Romain Rolland be- 
richtet in seinem Vorwort zu Panait Istrati: Kyra 
Kyralina (bei Rütten & Löning, Frankfurt), wie 
Anfang 1921 bei ihm der Brief eines Lebensmüden, 
der sich die Gurgel durchschnitten hatte, einge- 
troffen sei. „Ich las ihn und war von dem Aus- 
bruch des Genies erschüttert. Ein sengender Wind, 
der über die Steppe fährt“. Istrati, dessen Leben 
gerettet worden war, trat unter Romains Einfluß 
in die Literatur, nachdem er zwanzig Jahre in 
hundert Berufen ein Wanderleben voll Strapazen 


270 


November- Dezember 1926 


und Müßiggang durch Ägypten, Syrien, Palästina, 
Griechenland, Italien, den Orient geführt hat. Aus 
diesem ,,von Leidenschaften besessenen, von Not 
zermürbten‘‘ Leben entsteht der grandiose Roman 
seines Geschicks. (Dessen erster Band der ange- 
zeigte ist.) Einen neuen Gorki des Orients, nennt 
ihn Rolland. Er ist mehr. Diese glühende Seele 
öffnet uns eine neue Welt, ein neues Denken, 
Leben, Empfinden. In diesem Buch erblüht die 
geheimnisvolle Genialität der Geschichten der 
1001 Nacht. Die Romane Istratis (ein weiterer 
Band wurde vom Verlag angezeigt) werden solche 
sein, von denen eine späte Nachwelt behauptet, 
sie seien nicht eines Mannes Werk, sondern das 
eines Volkes. — Ein anderes, stilles, fast resigniertes 
Leben, dessen Leidenschaften in viel tieferen 
Schichten glühen, spielt sich in Karin Michaelis: 
Die kleine Lügnerin ab (bei Kiepenheuer, Potsdam). 
Kleine Lügnerin ist ein zu hartes Wort für die 
kleine Gunhild. Kleine Phantastin sollte es heißen. 
Gleichviel ob sie verliebt, Backfisch — verlobt, ob 
sie auf einer einsamen Insel, auf einem verlotterten 
Rittergut die Lehrerin spielt, ihre Phantasie um- 
zaubert alles mit unerhört Phantastischem und 
Vornehmem. Esistder Pubertätsroman eines jungen 
Mädchen (jene Pubertät, die sich so grundlegend 
von der der Knaben unterscheidet), vielleicht der 
erste nicht den es gibt, aber der entzúckendste ge- 
wiß. Ein Kritiker stellte ihn der „Madame Bovary“ 
an die Seite. Das ist ein wenig viel. Aber gewiß 
hat ein Typ das Mädchen von vierzehn bis acht- 
zehn in diesem Buch ebenso seine feste Form ge- 
funden wie ein Typ der bürgerlichen Frau in der 
Bovary endgültig gestaltet wurde. — Nicht ohne 
Zögern zeige ich in der Reihe dieser bedeutsamen 
Bücher Friedrich Bethges Novellen: Pierre und 
Jeannette an (Nationaler Verlag Schlawe); zumal 
dieser Autor einen verteufelten Stil sich zurecht 
gemacht hat. (Etwa: „Anna stand vor Robert, 
den die Erde, nein, Himmel verschlingen mochte, 
und vor ihrem Richter, ein zweiter salomonischer“.) 
Aber in diesen Geschichten aus dem Nachkriege, 
die der Autor einmal wird einstampfen lassen, steckt 
eine deutlich spürbare Begabung, ein Versprechen, 
dessen Einlösung freilich bei Bethge, nicht bei mir 
liegt, der ich nur auf ihn, nicht auf sein Buch auf- 
merksam mache, Erik-Ernst Schwabach. 


Schnelle Weihnachtsschau 


Um unseren Lesern für Wünschen und Schenken 
Hilfe zu bieten, geben wir im folgenden knappe 
Hinweise auf eine Anzahl neuer Erscheinungen, 
eingehendere Besprechung vorbehaltend. 

I. Bibliophiliaka 

Max Liebermann, Zweiundzwanzig Pastelle in 

Faksimiledrucken der Reichsdruckerei. Berlin, 


Reichsdruckerei. Groß-Folio. 
Das künstlerisch schönste Geschenk dieses Jahres, 


271 


Schnelle Wethnachtsschau 


Zeitschrift für Bücher freund: 


das dem Freunde unvergänglicher Kunst darge- 
bracht werden kann. Der Altmeister des Bildnisses, 
der Landschaft, der unmittelbar erfaßten Bewegung 
und der von innen beseelten Ausdruckskunst, — 
hier tritt er uns in einer stattlichen Reihe von 
Schöpfungen entgegen, von der Reichsdruckerei 
ohne Einbuße so wiedergegeben, daß wir staunend 
vor dieser Höhe der Technik stehen und immer 
wieder jedes der Blätter wie eine erlesene Kost- 
barkeit genießen. 


Suezkint, der Jude von Trimberg, Minnelieder. 
Vierte Publikation der Soncino-Gesellschaft. Ge- 
druckt bei Gebr. Mann in Berlin in 800 Exemplaren. 

Aus der großen Heidelberger Liederhandschrift 
sind die schwerblütigen Verse des einzigen jüdi- 
schen Minnesingers in vollendeter Druckgestalt 
herausgehoben. Er preist als beste Latwerge, um 
Lasterwunden und Schandensüchte zu heilen, eine 
aus den fünf Pimenten Treue und Zucht, Milde 
und Mannheit, dazu die Maze, die edle Selbstbe- 
herrschung, völlig gleich den ritterlichen Sängern, 
und er beklagt das Schicksal des Wolfes, der um 
seiner Nahrung willen, rauben muß, während so 
viele andere gut Gemach haben. Ewige Tragik, 
gekleidet in formschöne Verse, heute so leberdig 
wie einst. 


Hanns Otto Münsterer, Das Passional. Augs- 
burg, Lampart & Co. 250 Exemplare. 

Mittelalterlichen Meistern nachstrebend, hat 
Münsterer in leichtflüssigen Versen die Geschichte 
vom Leben und Leiden des Heilands neu gedichtet, 
voll Glaubensinnigkeit und hohem poetischem Ver- 
mögen. Die Anordnung der alten Schwabacher 
Type, das derbe Bütten, der Halbpergamentband 
zeugten für die künstlerische Reife Karl Maria 
Heckels, die Güte von Satz und Druck für das 
Können Georg Britzelmaiers. Eine Gabe neuer 
Dichtung und Buchtechnik, die sich den besten 
alten würdig anreiht. 


Konrad Falke, Marienlegenden, nach alten Vor- 
lagen erzählt. Mit 6 Originalradierungen von Ger- 
trud Escher. Zürich, Rascher & Cie. Luxusausgabe 
in 25 Exemplaren, Vorzugsausgabe in Halbperga- 
ment. 

Hier wird nicht, wie es einst Gottfried Kellers 
Weltlichkeit tat, den alten frommen Geschichten 
das Gesicht nach einer anderen Seite gewendet; 
aber sie sind aus der katholischen Tonart ins 
Menschliche transponiert und haben dadurch neues, 
frisches Leben empfangen, als hatte ein begnadeter 
Dichter unserer Tage sie erst erfunden. Die Künst- 
lerin gesellt sich mit ihrer zarten und doch nicht 
weichlichen Erfindung kongenial dem Stile des Er- 
zahlers und die zwischen Altem und Neuem schwe- 
bende Druckgestalt, das schöne Bitten, der reiz- 
volle Halbpergamentband lassen das Buch ,,dem 
frommen Manne wie dem bösen“ teuer werden. 


272 


November Dezember 1926 


Bidpat, Das Buch der Beispiele alter Weisen. 
Eine altindische Fabel- und Novellensammlung, 
mach der deutschen Übersetzung einer Handschrift 
des ı5. Jahrhunderts bearbeitet und mit einem 
Teil ihrer Bilder in farbigen Faksimiledruck heraus- 
gegeben von Hans Wegener. Volksverband der 
Bücherfreunde, Wegweiser-Verlag G. m. b. H. Berlin. 

Unter den mannigfachen literarischen Erzeug- 
nissen Indiens, die im Mittelalter nach Europa 
hinuberwanderten, gewann das Bidpai wohl die 
größte Verbreitung, mannigfach durch andere weis- 
heitsvolle Geschichten ergänzt und in seinem alten 
Bestand verändert, zumal als der Kaplan Antonius 
von Pforre in den siebziger Jahren des 15. Jahr- 
hunderts das Buch bearbeitete, In dieser Gestalt, 
nach der schönen Heidelberger Handschrift pal. 
germ. 84, vielleicht für Eberhart im Bart ge- 
schrieben, hat Wegener das Buch der sieben Meister 
sehr glücklich erneut, auch zahlreiche Bilder in 
ihrer bei allem mangelnden Können reizvollen 
Farbigkeit eingefügt. Es ist ein heiteres, nach- 
denkliches, kulturhistorisch anmutendes Geles und 
neben dem inneren Sinn empfängt auch der äußere 
treffliche Atzung durch die Buchform. Sie ist der 
gewählten Bezeichnung „Meisterdruck“ würdig, — 
und der Halbpergamentband von 156 Seiten in 
Klein-4° kostet 10.50 M.! 


Ein hübsch Spiel, gehalten zu Ury in der Eyd- 
gnoßschafft von Wilhelm Thellen, ihrem Landmann 
und ersten Eydgnossen, geschmückt mit 13 hand- 
kolorierten Holzschnitten von Willi Harwerth. 
Zürich, Gebr. Fretz. 

Nach der geschickt kontaminierten Fassung der 
Insel-Bücherei erscheint hier das älteste Tell-Spiel, 
in alter Schwabacher von Walter Cyliax ausge- 
zeichnet gesetzt und gedruckt und mit sehr stil- 
echten Bildern des Offenbachers Harwerth reich 
geschmückt und in Ganzpergament gebunden. 
Eines der harmonischsten, liebenswürdigsten 
Bücher, nicht nur dieses Jahres, Liebhaberdruck 
ohne Liebhaberpreis (10 Mark). 


Das Buchgewerbe in den Traktaten Etwas für 
Alle des P. Abraham a Santa Clara. Mit den Kupfern 
vonChristoph Weigel. Eingeleitet von Alois Jesinger 
(15. Bertholddruck). Wien und Berlin, H. Berthold 
Schriftgießerei, Abt. Privatdrucke. 400 gezählte 
Stücke. 

Der alte Ulrich Megerle wußte in der Welt Be- 
scheid. Und so konnte er von allen Standen, ihren 
besonderen Lastern und Tugenden, ihrem Tun 
und Treiben mit der ihm eignen, heiter zeternden 
Anschaulichkeit reden. Was er von den Buchge- 
werbler zu sagen hatte, wird hier zum guten Teil 
erneuert, mit jener Güte der Form, die den Bert- 
holddrucken zu eigen ist. Wie aber die Kupfer 
Weigels ausgefallen sind, kann ich nicht sagen, 
weil sie in meinem Exemplar — ausgefallen sind. 


Beibl. XVIII, 20 273 


Schnelle Weihnachtsschau 


Zeitschrift für Bücher freunde 


Charles Nodier, Der Büchernarr. Mit Vorwort 
und Erläuterungen von Ejnar Munksgaard, über- 
setzt von Inga Junghanns. Leipzig, Helingsche 
Verlagsanstalt. 

Der wiederholt in neuerer Zeit herausgegebene 
„Bibliomane“ Nodiers erscheint hier in neuer guter 
Übersetzung, mit sorgsamer Einleitung (nur daß 
der treffliche G. A. E. Bogeng zum G. A. S. Bogenz 
entstellt wird, ist nicht hübsch) und gründlichem 
aber auch nicht fehlerfreiem Kommentar. Der 
normale Bücherfreund wird sich an den netten 
Druck und die feine Schilderung des Bibliophilen 
von 1830 halten. 


In memoriam Oskar Panizza. München, Horst 
Siobbe. 500 Stück. 

Die Selbstbiographie des unglücklichen, hoch- 
begabten Schriftstellers bis zur Uberführung in 
die Irrenstation des Münchner Krankenhauses 
(November 1904), die Aussagen der Arzte, die 
sehr wertvollen Mitteilungen des treuen Freundes 
Dekan Lippert, die ausgezeichnete, von Stobbe 
verfaßte Bibliographie — alles macht dieses Ge- 
dachtnisbuch zu einem erstrebens werten, auch 
durch sein AuBeres jede Bücherei zierenden Besitz. 


Valerian Tornius, ZeitgemaBer Osterspaziergang, 
auBerst frei nach Goethe geschildert und gebildert 
von Erich Gruner. Privatdruck in 400 Exemplaren, 
Nr. 1— 10 handkoloriert, Nr. 1—6o0 auf van Gelder 
Bitten und signiert. 

Der Goethe-Biograph naht sich hier seinem 
Heros als nicht unwürdiger Parodist. Im Hohl- 
spiegel seiner Laune ziehen die Spaziergänger an 
uns vorüber, sicher erfaßte Typen unsrer Tage, und 
Gruner hat sie mit den in jedem Felde treff- 
sicheren Stift lebensvoll aufs Papier gebannt. Ein 
Werkchen zweier verbündeter Künstlermenschen, 
das dank Poeschel nicht nur um der übermütigen 
Verse und Bilder willen, auch als Druckdenkmal 
der Liebhaberbibliothek würdig ist. 


II. Bibliographie, Buch- und Bibliothekkunde, 
Hilfsbücher 

William Warner Bishop, The Backs of Books 
anth other essays. Baltimore, The Williams & 
Wilkins Company. 

Ein hervorragender amerikanischer Bibliothekar 
plaudert über die mannigfachsten Anliegen seines 
Berufs und beweist, daß auf ihn Mark Pattisons 
Dictum „The librarian who reads is lost“ nicht 
zutrifft. 


Konrad Haebler, Handbuch der Inkunabelkunde. 
Leipzig, Karl W. Hiersemann. 

Der Sammler von Frühdrucken wird dieses Werk 
künftig unter seinen Handbüchern nicht mehr 
missen können, Es gibt neben der Elementar- 
grammatik eine fast unzählige Menge von Einzel- 


274 


November- Dezember 1926 


nachweisen feiner und feinster Art, wie sie nur 
von dem langjährigen Verwalter der Berliner In- 
kunabelschatze gesammelt werden konnten. 


Hans Loubier, Der Bucheinband von seinen An- 
fangen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Zweite, 
umgearbeitete und vermehrte Auflage. Mit 232 
Bildern (Monographien des Kunstgewerbes, Band 
21/22), Leipzig, Klinkhardt & Biermann. 

Als vor 2ı Jahren diese Geschichte des Einbands 
zum ersten Male erschien, war sie eine kühne Tat; 
denn fast überall mußte Loubier Neuland anbauen. 
Was die eifrige Forschung inzwischen gejätet und 
gerodet hat, das ist nun der zweiten Auflage zu- 
gute gekommen, hat sie äußerlich und innerlich 
sehr bereichert. So wird auch der Besitzer der 
ersten Gestalt diese zweite besitzen müssen, voll- 
ends jeder Bücherfreund, der jene noch nicht sein 
eigen nennt. 


Max Sander, Dieillustrierten französischen Bücher 
des 18. Jahrhunderts (Taschenbibliographien für 
Büchersammler III). Stuttgart, Julius Hofjmann. 

Dieses Taschenbuch von 400 Seiten will die 
Cohen, Delteil, Portalis und Beraldi nicht aus- 
stechen. Aber indem es nur diejenigen 2065 Bücher 
seines Gebiets aufzählt,die durch ihren Bildschmuck 
den Sammler reizen, leistet es in gewissem Sinne 
besseres, und dazu kommt der Vorzug der neuen 
Preise, die von 1919—1925 auf Auktionen und in 
Katalogen festzustellen waren. So bietet sich ein 
gleichwertiges, sehr praktisches Seitenstück zu 
des Verfassers früherer Zusammenstellung der illu- 
strierten Bücher des 19. Jahrhunderts. Preis in 
Leinen 20.50 M., in Leder 32 M. 


Robert Diehl, Beaumarchais als Nachfolger Basker- 
villes. Entstehungsgeschichte der Kehler Voltaire- 
Ausgabe in Baskerville-Typen. Frankfurt a. M., 
Privatdruck der BauerschenGießerei. 450 Exemplare. 

An der Hand der Akten des Badischen Archivs 
wird hier in eingehender Darstellung zum ersten 
Male vollstándig die Geschichte des groBartigen 
Unternehmens des Figaro-Dichters erzáhlt. Muster- 
hafte Sorgfalt der Forschung eint sich mit ebenso 
musterhafter Druckgestalt. 


Otto Mallon, Brentano-Bibliographie (Clemens 
Brentano, 1778—1842). Berlin, S. Mariin Frankel, 
1926. 

Mit seiner Arnim-Bibliographie hat der Verfasser 
der Wissenschaft und den Sammlern einen großen 
Dienst erwiesen. Nicht mindern Dank wird Mallon 
für diese Brentano-Bibliographie ernten; denn sie 
ist ihrer Vorgängerin in jeder Hinsicht ebenbürtig, 
ebenso vollständig, ebenso weit ausgreifend bis 
hin zu der Nachahmung des „Wunderhorns“, allen 
erfaBbaren Vertonungen der Gedichte, der ge- 
samten Literatur über jedes der Werke, dem Brief- 


275 


Schnelle Weihnachtsschau 


Zeitschrift für Bücher freunde 


wechsel und einem sorgsamen Namenverzeichnis, 
290 Seiten klar durch Schriftgattungen gegliederten 
Druckes füllend. 


Franz Pocci (Enkel), Das Werk des Künstlers 
Franz Pocci. Ein Verzeichnis seiner Schriften, 
Kompositionen und graphischen Arbeiten (Einzel- 
schriften zur Bücher- und Handschriftenkunde, 
herausgegeben von Georg Leidinger und Ernst 
Schulte-Strathaus Fünfter Band). München, Horsi 
Stobbe. 

Hyazinth Hollands bekanntes Werk úber den 
Grafen Pocci gilt mit Recht als verdienstvole, 
nützliche Leistung. Wie sehr dieses vielgebrauchte 
Handbuch gebessert und ergänzt werden konnte, 
lehrt die neue liebe- und entsagungsreiche Arbe:: 
des Enkels, eingeleitet durch lebensfrische Er- 
innerungsblätter. 


Gutenberg- Jahrbuch 1926. Herausgegeben von 
A. Ruppel. Mainz, Gutenberg-Gesellschaft. 

Dem mächtigen Jubiläumswerk des Gutenberg- 
Museums folgt schnell dieses Jahrbuch und zeugt 
von dem erfolgreichen Eifer Ruppels. Der Buch- 
forschung ersteht damit eine neue Stätte, an der 
sich schon jetzt eine Anzahl der besten Namer 
(Collyn, Schorbach, Lüthi, der Spanier Artigas, der 
Ukrainer Masslow, der Pole Muszkowsky usw.) ver- 
sammeln, zum großen Teil mit sehr stattlichen, 
gehaltvollen Beiträgen. Treffliche Tafeln ergänzen 
den Text von 202 Seiten in Klein-4°. 


Handbuch des Kunstmarktes. Kunstadreßbuch 
für das Deutsche Reich, Danzig und Deutsch- 
Österreich. Geleitwort von Max Osborn. Berlin- 
AntiquaV erlagsgesellschaft Hermann Kalkofj.(7925.) 

Nie zuvor war es möglich, die äußeren Daten 
des gegenwärtigen deutschen Kunstlebens so schnell. 
vollständig und — wie Stichproben zeigen — zu- 
verlässig zu überblicken. Wer von Museen, Biblio- 
theken, Vereinen, Händlern und Sammlern jedes 
Ortes, von Zeitschriften seines Gebiets, von Be- 
zugsquellen für Materialien Kunde erlangen will, — 
hier findet er sie in erwünschter Fülle. 


Adreßbuch der Antiquare Deutschlands und des 
gesamten Auslandes, Mit selbstbiographischen Bei- 
trägen bedeutender Antiquare. Weimar, Straubing 
& Müller. 

In drei Reihen — nach dem Alphabet, nach 
Ländern, nach Spezialitäten geordnet — mar- 
schieren hier die teuern Nährväter unsrer Büche- 
reien auf. Wer hätte nicht oftmals gewünscht, zu 
erfahren, woeiner von diesen Sosiern haust, welche 
von ihnen er beim Besuch einer fremden Stadt 
heimsuchen könnte, wo er für sein Steckenpferd 
den besten Häcksel fände? Auf alles das antworten 
die 200 Seiten schnell und sicher. 


276 


November- Dezember 1926 


Meyers Lexikon. Siebente Auflage. In vollständig 
neuer Bearbeitung. Mit etwa 5000 Textabbildungen 
und über 1000 Tafeln, Karten und Textbeilagen. 
Vierter Band: Engobe-Germanität. Leipzig, Biblio- 
graphisches Institut. 

Was ist ,,Engobe‘‘? AnguB, in der Keramik eine 
dünne Schicht aus feiner Farbe, namentlich auf 
türkischen Fayencefliesen und den italienischen 
Sgrafittoarbeiten angewandt. Und was ist „Ger- 
manität“? Das Verwandtschaftsverhältnis unter 
Geschwistern, denen beide Eltern gemeinsam sind. 
— So zeugen schon die beiden Stichworte auf dem 
Titel des neuen Bandes dafür, wie dieser allwissende 
Ratgeber die Lücken unserer Begriffskunde aus- 
füllt, und auf Schritt und Tritt liefert er beim 
Blättern den Beweis, daß jedem Leser nur ein 
geringer Bruchteil des geschichtlichen, geogra- 
phischen, technischen Besitzes unserer Zeit ge- 
läufig ist. Hier tritt das Lexikon in seiner ursprüng- 
lichen Funktion immer wieder als kaum je ver- 
sagender Helfer auf; aber darüber hinaus liefert 
er in seinen zusammenfassenden Artikeln das Ma- 
terial zu schneller Orientierung und zum Erfassen 
der weiter führenden Literatur. Als Musterbeispiel 
sei aus diesem Bande nur der Artikel ,,Expressio- 
nismus“ genannt, unterstützt durch zwei der Tafeln, 
die im Verein mit den noch weit zahlreicheren 
Textbildern die Anschauung musterhaft dem Worte 
zugesellen. 


III. Almanache und Kalender 


Das vierzigste Jahr 1886— 1926. Berlin, S. Fischer. 

Es ist lehrreich, diesen Almanach mit dem des 
25. Jahrs zu vergleichen. Man sicht: der Verlag 
hat nicht gerastet, mit klugem und kraftigem Zu- 
greifen die neuen hoffnungsvollen Talente zu er- 
fassen und so seine ursprüngliche Mission festzu- 
halten: dem deutschen Schrifttum der Gegenwart 
Helfer und Führer zu sein. Die Geschichte des 
Hauses Fischer, in Aufsätzen von Eloesser, Loerke, 
Elias geschildert, umfaßt den wichtigsten Teil des 
Werdens seit den Anfängen der achtziger Jahre. 
Was als jüngstes hervorgetreten ist, erscheint da- 
neben in einer stattlichen Auswahl lesenswerter, 
anregender Proben. Der Einband von E. R. Weiß 
verdient ein Extralob. 


Amalthea-Almanach 1917—1927. Wien, Amal- 
thea Verlag. 

Von zehn Jahren einer unermüdeten Tätigkeit 
kann Dr. Studer, der Leiter des Amalthea-Verlags 
berichten. Unter schwierigen Verhältnissen ent- 
stand eine große Zahl hervorragender Publikationen, 
wissenschaftlicher und dichterischer Werke, die 
von ernstem Wollen, von hohem Verantwortungs- 
gefühl zeugen. Die Wiener Note klingt vor, auch 
in diesem wieder sehr reizvollen, sehr unterhalt- 
samen Almanach. 


277 


Schnelle Wethnachtsschau 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


Insel- Almanach auf das Jahr 1927. Leipzig, 
Insel-Verlag. 

Wieder älteste Bruder, den jüngeren Geschwistern 
Vorbild und Lehrer, steht der Insel- Almanach 
unter seinen Gefährten. Auch diesmal wieder be- 
währt er die Kunst: das Mannigfaltige seines In- 
halts an Worten und Bildern zur Einheit zusam- 
menzuschließen. Das Geheimnis dieses Vermögens 
liegt klar zutage: es wurzelt in der Vornehmheit 
einer künstlerisch-ethischen Gesinnung, die alles 
Niedere stolz abwehrt, ohne doch ästhetisierendem 
Snobbismus zu erliegen. Könnte man doch von der 
wundervollen Volkstümlichkeit des Insel- Verlags 
auf unser Volkstum zurückschließen ! Aber wenig- 
stens die Besten ohne Unterschied des Standes 
wissen sich mit ihm eins und danken ihm für sein 
Dasein. 


Kunst und Leben. Ein Kalender mit 55 Original- 
Zeichnungen und -Holzschnitten deutscher Künst- 
ler und mit Versen und Sprüchen deutscher Dichter 
und Denker. 19. Jahrgang 1927. Berlin-Zehlendorf, 
Fritz Heyder. (3 M.) 

Lebendige Kunst als Stärkung für eine Woche, 
als dauernden Besitz bietet jedes Blatt dieses Ka- 
lenders, zu schade zum Abreißen, wert in der 
Mappe und im Herzen bewahrt zu werden. 


Dürer- Kalender, Herausgeber Karl Maussner. 
Berlin-Zehlendorf, Dürer-Verlag. (3 M.) 

Herzensfrómmigkeit ist seit 1913 die Losung 
von Maussners Direr-Kalender. An alter deutscher 
Kunst, an einer neuen im alten Geiste will er zu 
einer Gemeinschaft erziehen ; zu jenem verborgenen 
Deutschland, von dem Paul de Lagarde gekündet 
hat. Mit weiter Umschau sammelt er die Zeugnisse 
aus vergangener und gegenwärtiger Zeit, die davon 
künden, und bietet sie zu Genuß und seelischer 
Vertiefung frei von jedem beengenden Parteidogma 
musterhaft in seinen Dürer-Kalendern dar. 


IV. Literatur-, Musik- und Kunstgeschichte 


Victor Klemperer, Die französische Literatur von 
Napoleon bis zur Gegenwart. Erster Teil: Die 
Romantik. — Zweiter Teil: Der Positivismus 
(Geschichte der französischen Literatur in fünf 
Bänden, Band V, 1 und 2). Leipzig, B. G. Teubner. 
(Geh. ro M.) 

Im Geiste Vosslers beginnt hier eine neue groBe 
Darstellung der reichsten, farbigsten aller neueren 
Nationalliteraturen. Klemperer erweist sich durch 
seine gründliche und doch elegante Darstellung 
als dazu berufen, besser als alle früheren die Zu- 
sammenhänge, die seelischen Wandlungen und die 
Einzelpersönlichkeiten zu zeichnen. Wie weit ragt 
er über die Vereinzelung der von Petit de Julleville 
versammelten Darsteller oder über den Feuilletonis- 
mus von Brandes empor! 


278 


November- Dezember 1926 


Emil Ermatinger, Barock und Rokoko in der 
deutschen Dichtung. Leipzig und Berlin, B.G. 
Teubner. 

Ein vortrefflicher geistes- und formgeschicht- 
licher Überblick der Wandlungen des deutschen 
Stilgefühls in der Dichtung jenes Zeitraums, der 
zuerst von der Theologie, dann von der Philosophie 
aus dem großen Zeitalter der Klassiker den Boden 
bereitet. 


Konrad Burdach, Reformation, Renaissance, 
Humanismus. Zwei Abhandlungen über die Grund- 
lage moderner Bildung und Sprachkunst. 2. Auflage. 
Berlin, Gebrüder Paetel. (Geh. 4 M., in Leinen 6 M.) 

Zwei Aufsätze, die jedem Gebildeten zur Orien- 
tierung über die Ausgangsstellen des geistigen Wer- 
dens der Neuzeit von hohen Nutzen sind. 


Konrad Burdach, Vorspiel. GesammelteSchriften 
zur Geschichte des deutschen Geistes. Zweiter 
Band: Goethe und sein Zeitalter. Anhang: Kunst 
und Wissenschaft der Gegenwart. Halle a. S., Max 
Niemeyer. (Geh. 22.50 M., geb. 25 M.) 

Mehr als vierzig Jahre hat Burdach Beiträge zur 
Goethe-Forschung geliefert, beginnend mit jenem 
aufsehenerregenden Vortrag ‚Die Sprache des 
jungen Goethe“ auf der Dessauer Philologenver- 
sammlung von 1884 und gipfelnd in seinen unüber- 
troffenen Betrachtungen des Westöstlichen Divans. 
Nur wenige Miscellen geringeren Umfangs sind 
darunter; das meiste weitet sich zum großen Essay 
und dient durch Inhalt und Form einer würdigen 
Sache aufs würdigste. 


Eduard Castle, In Goethes Geist. Vorträge und 
Aufsätze. Wien, Österreichischer Bundesverlag. (Geh. 
13 M., in Halbleinen 15 M.) 

Was Castle, dieser feine und selbstandige For- 
scher, ein Menschenalter hindurch zu größeren 
Kreisen über Goethe gesprochen hat, ist hier ver- 
eint und gewährt, wo man auch das Buch auf- 
schlägt, reiche, anregende Belehrung. Solches auf 
solide Forschung gebaute und doch nicht im Philo- 
logischen verharrende Verfahren bringt uns dem 
großen Dichter weit näher als konstruktive, zum 
innersten Wesen ohne solche Hilfen hintastende 
Versuche. 


Johann Nestroy, Sämtliche Werke, herausgegeben 
von F. Brukner und O. Rommel. 6—8. Band: Die 
Volksstücke. 

Hier erscheinen in der wissenschaftlich und tech- 
nisch ausgezeichneten Ausgabe diejenigen Stücke 
Nestroys, die sich am dauerndsten behaupteten: 
Mit „Zu ebner Erde und im ersten Stock“ begrün- 
dete Nestroy 1885 seinen Ruf außerhalb Wiens und 
erhielt ihn fast unvermindert bis zu „Kampl‘‘, dem 
größten Erfolg seines Alters (1852), der sich noch 
1925 in Graz mit über fünfzig Aufführungen des 


279 


Schnelle Wethnachtsschau 


Zeitschrift für Bücher freunde 


Stückes erneuerte. Die Herausgeber bieten auch 
hier wieder alles, was zu Entstehung, Quellen- 
und Textgeschichte, Aufnahme und Bühnenschick- 
salen jedes Stückes zu sagen ist und zahlreiche 
Bilder geben von ihren zeitgenössischen Darstel- 
lungen Kunde. 


Harry Maync, Eduard Mörike. Sein Leben und 
Dichten. Mit einem Lichtdruckbilde. Dritte und 
vierte überarbeitete und vermehrte Auflage. Stutt- 
gart, J. G. Cotta’sche Buchhandlung. 

Mit fünfundzwanzig Jahren hat Maync dieses 
jugendfrische Buch geschricben und dafür verdiente 
Anerkennung geerntet. Nun läßt er es als Fünfziger 
wieder herausgeben, durchgefeilt mit dem selbst- 
verständlichen Verantwortungsgefühl des bewähr- 
ten Forschers. So wird es seine Stelle als beste 
Schilderung des großen Schwaben weiterhin be- 
haupten. 


Briefwechsel zwischen Eduard Mörike und Fried- 
rich Theodor Vischer. Herausgegeben von Robert 
Vischer. Mit fünf Bildern und Faksimiles. Mün- 
chen, C. H. Bech. 

Die beiden Ludwigsburger Möricke und Vischer 
sind erst nach den Studienjahren Freunde geworden, 
dann aber bis zum Tode verbunden geblieben, zwei 
Dichter und der eine von ihnen im Hauptamt 
Asthetiker. So handelt es sich hier um gegensei- 
tige Mitteilung und Kritik werdender Werke, da- 
neben im warmen menschlichen Austausch, wie 
alles was von diesen zwei Eigenbrödlern stammt, 
von hohem, künstlerischem Reiz. Keiner hat Mörike 
zu seiner Zeit besser verstanden als Vischer, Zeugnis 
dessen der herrliche, hier wieder abgedruckte Nach- 
ruf an Mörikes Grab. 


August Wilhelm und Friedrich Schlegel im Brief- 
wechsel mit Schiller und Goethe. Herausgegeben 
von Josef Körner und Ernst Wienke. Leipzig, Insel- 
Verlag, 

Das persönliche Verhältnis der beiden Väter der 
Romantischen Schule zu Schiller und Goethe ist 
so eigenartig und geistesgeschichtlich so bedeutsam, 
daß die Sammlung der brieflichen, sorgsam erläu- 
terten Zeugnisse zu den wichtigen Dokumenten der 
deutschen Literaturgeschichte gezählt werden muB. 
Sie ist die Ergänzung zu Körners großer Darstellung 
dieser Beziehungen. 


Julius Bab, Richard Dehmel. Die Geschichte 
eines Lebens-Werkes. Leipzig, H. Haessel. 

Der Nebentitel hat seinen besonderen Sinn: es 
war Dehmels mit eiserner Energie erfaßte und 
durchgeführte Aufgabe, sich selbst zum Künstler 
zu züchten, und so hat der innig vertraute Bic- 
graph zu schildern, wie der Dichter sein doppeltes 
Lebens-Werk schuf. Das tat er mit Liebe, Ver- 
stehen, Ehrlichkeit und einer Kunst, die den Leser 


280 


IN ovember-Dezember 1926 


bis zum Schlusse nicht ermatten läßt. Mit dem 
Helden erlebt er erschütternde Kämpfe und Siege, 
den Aufstieg aus leidenschaftlichem dunklem Ver- 
langen zu schóner Klarheit. 


Handbuch der Literatur-Wissenschaft, herausge- 
geben von Oskar Walzel. Lieferung 58—60. Wild- 
Park - Potsdam, Akademische Verlagsgesellschaft Athe- 
naion. 

Nun ist wieder ein Band, der vierte, dieses 
großen Unternehmens vollendet: die von Klem- 
perer, Hatzfeld und Neubert besorgten Romani- 
schen Literaturen von der Renaissance bis zur fran- 
zösischen Revolution. Wen es nach einer modernen 
Geschichte dieses Zeitraums in überallzuverlässiger, 
zum Teil glänzender Schilderung verlangt, der greife 
zu diesem Bande. Er reiht sich der Englischen Lite- 
ratur des 19. Jahrhunderts von Heiß, der Altger- 
manischen Dichtung von Heusler und den bereits 
vorliegenden Teilen von Bethes Antiker und Wil- 
helms Chinesicher Dichtung gleichwertig an. 


Paul Englisch, Geschichte der erotischen Lite- 
ratur. Lieferung 3—6. Stuligart, Julius Putimann. 

Was hier über den Anfang gesagt wurde, gilt 
auch von der Fortsetzung: eifrige, aber leider 
kritiklose Kompilation, die allzusehr das Streben 
erkennen läßt, den Leser dorthin zu weisen, wo er 
für unterhaltsame Absicht bessere Befriedigung 
findet als er für sein Streben nach Belehrung. Zum 
Beweis sei nur die Behandlung der Moraltheologie 
des Alfons von Liguori (S. 146ff.) genannt oder 
die aus den Werken der deutschen Klassiker her- 
ausgehobenen Stellen. Was Englisch unter ,,ero- 
tisch“ versteht, ist in Wahrheit „lüstern““ und 
„schmutzig“. 


Karl Scheffler, Zeit und Stunde. Neue Essays. 
Leipzig, Insel-Verlag. 

Scheffler zahlt zu den Wenigen, die den Sinn 
unserer Epoche mit ernstem Muhen zu deuten 
suchen. Er sieht den Zeitgenossen ins Antlitz, er 
deutet ihre Handschrift in Kunst und Schrifttum, 
er vergleicht deutsches Wesen mit fremdem. Und 
darüberhinausschweiftsein Blick zum Ewigmensch- 
lichen, zum Natugegebenen. So wird er zu einem 
Führer allen denen, die den Sinn dieses Lebens und 
die Fäden auffinden möchten, die aus dieser Wirr- 
nis zu einer lichten Höhe leiten, 


Hans Joachim Moser, Geschichte der deutschen 
Musik von den Anfängen bis zum Beginn des DreiBig- 
jährigen Krieges. Vierte, völlig neugestaltete Auf- 
lage, Stutigart und Berlin, J. G. Cotta'sche Buch- 
handlung Nachfolger. (Geh. 15 M., in Leinen 19M., 
in Halbleder 20 M.) 

Der umgestaltete erste Band zeigt, daß Moser 
auf den Lorbeern des großen, verdienten Erfolgs 
seiner Geschichte der deutschen Musik nicht aus- 


281 


Schnelle Weihnachtsschau 


Zeitschrift für Bücher freunde 


ruht. Dies neues Kapitel über die dramatische Mu- 
sik vor der Reformation und reichere Notenbei- 
spiele treten als die erwúnschtesten unter den vielen 
Vermehrungen hervor. Kein anderes Werk über 
deutsche Musikgeschichte verdient es so sehr wie 
dieses, dem Fachmann und dem Liebhaber emp- 
fohlen zu werden. 


Neue Österreichische Biographie 1815—1918, ge- 
leitet von Anton Bettelheim. Erste Abteilung: Bio- 
graphien III. Band. Wien, Amalthea-V erlag. 

Wurzbachsgroßes Biographisches Lexikondes al- 
ten Kaiserstaats Österreich wird in dem von Bettel- 
heim geleiteten Unternehmen nicht nur fortgesetzt, 
auch auf die höhere Fläche wissenschaftlicher 
Lebens- und Wesensschilderung erhoben. Dazu war 
der einzelne Bearbeiter nicht fähig. Nur durch die 
Wahl des in jedem Falle zuständigen Fachgelehrten 
wurde das schöne Ergebnis gewonnen, daß in allem 
zuverlässige, oft musterhafte Bildnisse entstanden, 
wie in diesen Bande die des Erzherzogs Franz Fer- 
dinand, der Fürstin Pauline Metternich, Gustav 
Klimts, Alexander von Villers’, Alfons Petzolds 
und Ludo Hartmanns. Gute Lichtdruckbildnisse 
ergänzen das Werk. 


Alte und neue Lieder mit Bildern und Weisen. 
Mit vielen Bildern von Ludwig Richter, Otto Ubbe- 
lohde, Graf Leopold v. Kalckreuth, Max Slevogt, 
Cecile Loo, Hans Meid, Menzel, Schwind u.a. Leip- 
zig, Insel-Verlag. 

Im Kriege begann der Insel-Verlag, unterstützt 
von ersten Volksliedkennern, diese Sammlung 
billiger, höchst reizvoller Hefte. Sie sind nun bis 
zum achten gediehen und in einem schmucken 
Bande zusammengefaßt, immer noch so handlich, 
daß sie im Rucksack oder der Rocktasche auf der 
Wanderung mitgeführt werden können. Dem jungen 
deutschen Menschen wirdschwerlich ein anderer Be- 
gleiter solcher Art mehr an Schönheit und Freude zu 
geben vermögen. 


Rudolf Borchardt, Ewiger Verrat deutscher Poe- 
sie. München, Verlag der Bremer Presse. (In Papp- 
band ı2 M., in Ganzleinen 14 M., in Leder 36 M.). 

Ein Mann von dem Formgefühl und dem künst- 
lerischen Verantwortungsbewußtsein Rudolf Bor- 
chardt gibt uns etwas anderes als die übliche Antho- 
logie der „beliebtesten“ und irgendeinem alten 
oder neuen ästhetischen Dogma gemäßen Gedichte. 
Hier ist wirklich Ewigkeitswert, Ausdruck der 
deutschen Seele in ihren lyrischen Lauten, vom 
frühen Mittelalter biszudenihm gemäßen Heutigen: 
Hofmannsthal und Rudolf Alexander Schröder. 
(Stefan George muß, wie in allen Blütenlesen, auch 
hier feblen). Ein in die Tiefe bohrendes Nachwort 
gibt geistvolle Begründungen der Wahl und Stel- 
lung. Die Druckform ist untadelig. 


282 


November- Dezember 1926 


Schnelle Weihnachtsschau 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


Der heilige Alltag. Deutsche bürgerliche Dich- 
tung 1770—1870. Gesammelt und eingeleitet von 
Ernst Lissauer. Berlin, Prophylaen-V erlag. 

Die Dichtung des „ jus te milieu“ erfreut sich bei 
der literarischen Kritik keiner hohen Achtung. Um 
so verdienstvoller, daß Lissauer sich ihrer annimmt 
und denen, die bürgerlich fühlen, das ihnen Ge- 
mäße in reicher Fülle und liebenswürdiger Gestalt 
darbietet. Gute, stimmungsverwandte Bilder be- 
gleiten und schmücken den Text. 


Die schönsten Märchen der Welt für 365 und 
I Tag. Erster Band. Herausgegeben von Lisa Tetz- 
ner. Mit 14 farbigen Tafeln und 123 Textbildern 
von Maria Braun. Jena, Eugen Diederichs. In 
Leinen ı5 M. 

Die Märchenerzählerin Lisa Tetzner, in deut- 
schen Landen weit gereist, wählt aus der unver- 
gleichlichen Sammlung der „Märchen der Weltlite- 
ratur“ neue, kostbare Stucke fur unsere Jugend, 
für jeden Tag des Jahres eins. So kann die Mutter 
ihren Kindern immer mit anderer, gesunder Seelen- 
kost dienen, und zugleich geben die Bilder Maria 
Brauns mit ihrem kräftigen schwäbischen Humor 
die beste Zuspeise. Ein Buch von seltenstem Wert 
für alle, die reinen Herzens sind, Gedanke und 
Ausführung gleich lobenswert. 


Julius von Schlosser. Die Kunst des Mittelalters 
(Die sechs Bücher der Kunst, Drittes Buch). Ber- 
lin-Neubabelsberg, Akademische Verlagsgesellschaft 
Athenaion. 

Erste Einführung in die Kunstsprache des Mittel- 
alters wird von dem Verfasser als Zweck des schönen 
Buches bezeichnet, also etwa ein Seitenstück zu 
den Elementargrammatiken irgendeines fremden 
Idioms. Wie nötig solche Pädagogik auf diesem 
Gebiete ist, weiß jeder, der die Ungeübten vor 
irgendeinem Denkmal des Mittelalters ratlos stehen 
sah. Schlosser ist der rechte Lehrer und er unter- 
stützt seine Worte mit einem reichen, wohlgewähl- 
ten Anschauungsstoff. Wir wußten kein besseres, 
eindringlicheres Mittel, sich dieser großen Kunst- 
welt zu nähern. 


Mittelalterliche Miniaturen aus der Staatlichen 
Bibliothek Bambergs, herausgegeben von der Biblio- 
theksverwaltung. Heft I, herausgegeben von Hans 
Fischer. Bamberg, Kommisionsverlag C. B. Buchner. 

Mittelalterliche Miniaturmalerei hat in neuerer 
Zeit dank Voge, Wolfflin, Leidinger zahlreiche 
Freunde und Bewunderer gewonnen, Ihnen wird 
dieses neue, verdienstliche Unternehmen höchst 
willkommen sein. Bringt es doch aus zwei Pracht- 
handschriften der Reichenauer Schule den gesamten 
Bildschmuck und Schriftproben auf sieben statt- 
lichen, technisch gelungenen Tafeln mit den gründ- 
lichen Begleitworten des früheren Leiters der Bam- 
berger Sammlung. 


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Ulrich Christoffel, Hans Holbein d. J. Berlin, 
Prop ylaen- Verlag. 

Am Schlusse des Werkes, das Holbeins ganzes 
Leben und Schaffen vorfúhrt, stellt Christoffel den 
Maler mit Goethe und Mozart in eine Reihe. Wir 
atmen die gleiche freie, heitere Luft eines Menschen, 
der die Kraft hatte, sich ein tüchtiges Leben zu 
zimmern, den zugleich die Fahigkeit gegeben war, 
schón und klar sein Wesen durch seine Kunst 
auszusprechen. Wie er es tat, lehren nicht nur die 
117 Bilder, — der ganze Inhalt des Bandes zeigt 
die Fáhigkeit, eine solche starke Natur durch das 
Wort wahrhaft „lebig“ zu machen. 


Oskar Ollendorf, Liebe in der Malerei. Neue Bei- 
träge zur Psychologie der großen Meister. Mit 
33 Lichtdrucktafeln. Leipzig, Dieterichsche Ver- 
lagsbuchhandlung. 

Ein Werk der Belehrung und des Genusses, fast 
möchte man sagen: ein Unterricht im Genießen. 
Wie von Dürer bis zu Velasquez die Großen ihr Lie- 
besfühlen auf die Leinwand gebannt haben, welche 
Art des Fühlens von Welt und Überwelt in ihnen 
lebte, das legt uns der höchst gebildete, höchst 
feinfühlige Verfasser dar. Die guten Lichtbilder 
geben so viel an Belege, als sich ohne die Farbe und 
in der Verkleinerung zeigen läßt. Das Buch wird 
den damit Beschenkten auf lange Zeit hinaus An- 
regung zu vertieftem Schauen gewähren. 


Thomas Roffler, Ferdinand Hodler. Mit 124 Bil- 
dern. Frauenfeld, Huber & Co. 

Neben der vorhandenen umfangreichen Hodler- 
Literatur wird diese kirzere Darstellung sich be- 
haupten. Sie halt sich von einseitigem Preisen ebenso 
fern wie von dem Jargon heutiger Kunstschriit- 
stellerei, faBt namentlich die Stellung Deutsch- 
lands zu dem groBen Schweizer scharf ins Auge, 
setzt sich mit den Angriffen Hausensteins und 
anderer auseinander. ö 


Lovis Corinth, Selbstbiographie. Mit 22 schwarzen 
und vier farbigen Bild nissen. Leipzig, S. Hirzel. 
4° Geheftet 25 M., in Leinen 30 M., numerierte 
Vorzugsausgabe in Leder 150 M. 

Außer Rembrandt hat schwerlich ein anderer 
Maler mit den Hilfen seiner Kunst sich selbst so 
häufig dargestellt wie Corintb. Daß er es auch 
mit der Feder getan hat, und in Form einer ein- 
gehenden Selbstbiographie, dies erfahren wir nun 
durch dies außen und innen prächtige Buch. Er 
atmet in der Schilderung der naturnahen Jugend- 
jahre, die dem Sohne des Gerbers und Landwirts 
in dem ostpreußischen Städtchen Tapiau Kontakt 
mit allem Natürlichen, mit einer Fülle mensch- 
licher Originale brachten. Bis zur Übersiedelung 
nach Berlin geht die Erzählung geschlossen fort, 
dann folgen Fragmente, alles voll von der gleichen, 


284 


November-Dezember 1926 


starken, durch und durch ehrlichen Männlichkeit 
und geschrieben in einem natürlichen, keineswegs 
dilettantischen Stil. 


Paul Hambruch, Oceanische Rindenstoffe. Mit 
34 Textbilder und 33 Tafeln, darunter 5 farbige. 
Oldenburg, Gerhard Stalling. Groß-8°. Karton 16M., 
in Leinen 17,50 M. 

Eine kulturgeschichtliche und kunstgewerbliche 
gleich anziehende, sehr gut ausgestattete Monogra- 
phie über die sogenannten Tapastoffe. 


Franz Masereel. Mein Stundenbuch. 165 Holz- 
schnitte mit Einleitung von Thomas Mann. — Die 
Sonne. 63 Holzschnitte mit Einleitung von Carl 
Georg Heise. München, Kurt Wolf. (In Pappband 
3.50 und 2.50 M.) 

Wie schön, daß diese von Menschenliebe und 
volkstümlicher Kunst erfüllten Bücher nun auch 
dem Arbeiter, dem jungen Chauffeur, der kleinen 
Telephonbeamtin (wie Thomas Mann in seiner 
warmherzigen, klugen Einleitung sagt) zugänglich 
werden. Namentlich unserer reifen Jugend sollten 
diese kleinen, großen Kunstwerke in die Hand ge- 
geben werden, von jedem Gift, auch dem Moralin, 
freie Filme, die vom Leben mebr aussagen als 
bändereiche Romane und Lebrbücher. Es schadet 
den urkräftigen Holzschnitten Masereels nichts, 
daß sie jetzt auf einem billigeren — übrigens immer 
noch sehr guten — Papier gedruckt sind, nichts 
geht verloren und Unmeßbares wird gewonnen, 
wenn die erhoffte Wirkung dieser Bilderromane 
nicht ausbleibt. 


Joseph Gregor, Wiener szenische Kunst. Band I: 
Die Theaterdekoration der letzten Jahrhunderte, 
nach Stilprinzipien dargestellt. Mit 60 Bildern. 
Band II: Das Bühnenkostüm in historischer, äs- 
thetischer und psychologischer Analyse. Mit 4 far- 
bigen Lichtdrucken, 2ı bunten und 254 schwarzen 
Bildern. Wien, Amalthea-Verlag. 4°. 

Gregor zählt zu den denkenden Künstlern, die 
(nach Lessing) noch eins so viel wert sind, zu 
jener modernen Gruppe von Theaterhistorikern, 
die nicht nur das Werden sondern vor allem seine 
Ursachen und Grundsätze zu erkennen suchen. Da 
er das an den Gegenständen dieser beiden Bände 
anstrebt und in hohem Maße erreicht, bedeuten 
sie einen sehr wichtigen Beitrag zur Bühnenge- 
schichte, einen noch wichtigeren für die Theorie 
und Psychologie des neuen Dramas. Die úberreiche, 
technisch vollendete Illustration und die sonstige 
Ausstattung verleihen dem Werke auch den Wert 
einer Augenweide für den Theater- und Bücher- 
freund. 


V. Erzählende Prosa 
Joseph Conrad, Der Geheimagent. Roman. Mit 
einer Einleitung von Thomas Mann. (Geh. 5 M., 


285 


Schnelle Weihnachtsschau 


Zeitschrift für Búcherfreunde 


in Leinen y M.). — Die Schattenlinie. Roman. Mit 
einer Einleitung von Jakob Wassermann. (Geh. 
3M., in Leinen 4.50). — Spiel des Zufalls. Roman. 
(Geh. 5 M., in Leinen 7 M.). — Jugend. Drei Er- 
zählungen. (Geh. 4 M., in Leinen 6 M.). Berlin, 
S. Fischer. 

Zwei Jahre, nachdem er aus dem Leben schied, 
kommt der zum Engländer gewordene Pole auch 
bei uns zu der gebührenden Kennung und Aner- 
kennung. Längst habe ich ihn als einen der besten 
Erzähler dieser Zeit gepriesen und freue mich nun, 
daß die deutschen Leser dieses starke Können ge- 
nie gen dürfen, zumal die Übersetzungen kaum et- 
was von dem Reiz der Vorlagen missen lassen. 


Eisberg und Edeljaspis oder die Geschichte einer 
glücklichen Gattenwahl. Ein Roman aus der Ming- 
Zeit. Aus dem Chinesischen übertragen von Franz 
Kuhn. Gestaltung der eingestreuten Verse von 
Albrecht Schaeffer. Leipzig, Insel- Verlag. 

Dieses Stück edler chinesischer Dichtung, mit 
seiner Phantastik an Tausend und eine Nacht ge- 
mahnend, wird durch zarte Empfindung und vor- 
nehme Form den Feinschmeckern einen seltenen 
Genuß gewähren. Die große Masse aber kommt an 
dem bunten Geschehen nicht minder auf ihre Rech- 
nung. 


Des Apulejus sogenannter Goldener Esel (Meta- 
mor phosen). Deutsch von Albrecht Schaeffer. Leip- 
zig, Insel-Verlag. 

Auch hier ein seltener Leckerbissen, freilich 
langst bekannt, nicht nur den Liebhabern des klas- 
sischen Altertums, auch anderen — Liebhabern. 
Doch hier erst empfängt dieser kostbare, wenn auch 
nicht ganz reine antike Diamant die seiner wür- 
dige deutsche Fassung. Deutsch, auch in dem 
Sinne, daß dem barocken Latein der Meisterüber- 
setzer gerade so weit folgt, wie es ihm seine Frau 
Muttersprache noch eben erlaubt. Auch das köst- 
liche eingelegte Märchen von Amor und Psyche 
kommt so erst zu seinem ganzen Reiz. 


Hermann Stehr, Der Heiligenhof. Roman. Zwei 
Bande. (In Leinen 15 M., in Leder 20 M.) Der 
Geigenmacher. Eine Geschichte. (In Leinen 5 M.) 
Berlin-Grunewald, Horen-Verlag. 

Schön, daß wir die Werke des großen schlesi- 
schen Erzählers nun endlich in einer äußerlich an- 
gemessenen, sehranmutenden äußeren Gestaltemp- 
fangen. 


Alfred Brust, Die verlorene Erde. Roman. Ber- 
lin-Grunewald, Horen-Verlag. (In Leinen 7.50 M.) 
Brusts Dramen danken ihr Bestes der mütter- 
lichen ostpreußischen Erde, dem Memellande mit 
seinen Menschen voll Himmelssehnsucht und Er- 
denbrunst. Hier nur konnte die Mär vom singen- 


286 


November- Dezember 1926 


den Fisch ersonnen und erlebt werden. Als Er- 
zahler zum ersten Male mit einem groBen Roman 
auftretend, beweist er die gleiche starke, heimatliche 
Kraft. 


Wilhelm von Scholz, Perpetua. Der Roman der 
Schwestern Breitenschnitt. Berlin- Grunewald, 
Horen-Verlag. (In Leinen 8 M., in Halbleder 12 M.) 

Um die Wende des 15. und 16. Jahrhunderts 
leben die Zwillingsschwestern Breitenschnitt. Die 
eine stirbt hochbetagt als Abtissin des Klosters 
Friedenspforte, die andere endet in verhältnis- 
mäßig jungen Jahren als Hexe auf dem Scheiter- 
haufen. Beider Schicksal erzählt Scholz in diesem 
seinem ersten Roman auf dem Hintergrunde der 
reichen Stadt Augsburg und des Reformations- 
zeitalters. 


Paul Ernst, Der Schatz im Morgenbrotstal. 
Roman. Berlin-Grunewald, Horen- Verlag. (In 
Leinen 6 M.) 

An den großen Erzählern der Renaissance hat 
Ernst sein Können geübt, und ihrer chronikhaften, 
von aufregendem Geschehen erfüllten Art ist auch 
dieser Roman aus dem 17. Jahrhundert verwandt, 
der von neuem Werden nach der Verwüstung des 
großen Krieges kündet. 


Anton Mayer, Peregrinus Windesprang. Roman. 
Berlin-Grunewald, Horen-Verlag. (In Leinen 8M.) 

Aus der Schweiz stammt das Geschlecht des 
Helden und dem größten Schweizer Erzähler er- 
weist Mayer sich nach Art und Können verwandt, 
indem er auf 539 Seiten die Geschichte eines Ham- 
burgers unserer Tage erzählt. Auch von dem Lu- 
dolf Ursleu, dem glänzenden Aufgang Ricarda 
Huchs, fällt ein Strahl auf diesen verheiBungsvollen 
Erstlingsroman eines Künstlermenschen. 


Marcel Schwob, Die Gabe an die Unterwelt. 
Hellerau, Jakob Hegner. (In Leinen 6.50 M.) 

Neben dem berühmten „Kinderkreuzzug“ bietet 
dieser feine Sammelband aus den Schriften des vor 
mehr als zwanzig Jahren Dahingegangenen antike 
Gestalten, Verwandte der Kleinkunst der Herondas- 
Mimen und andere durchziselierte Gebilde, deren 
zarte Linien in der Nachbildung Jakob Hegners 
nichts an Schärfe und Grazie verloren haben. 


Berthold Viertel, Das Gnadenbrot. Hellerau, Jakob 
Hegner. (In Leinen 5 M.) 

Ein Wissender schreibt die Geschichte des altern- 
den großen Mimen, wie so viele Leute vom Bau 
sie vor ihm geschrieben haben. Und mit allen 
kleinen gesehenen Linien wird darauskein Künstler- 
bild, nur die nach der Photographie gezeichnete 
Porträtskizze für die illustrierte Sonntagsbeilage. 


Francis Jammes, Der baskische Himmel. Ein 
kleiner Roman. (In Leinen 5.50 M.) — Marie oder 


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Schnelle Weihnachtsschau 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


die Geschichte eines jungen Mädchens vom Land. 
Hellerau, Jakob Hegner. (In Leinen 4.50 M.) 

„Denen, die reinen Herzens sind!“ Das Motto 
aller Bücher von Jammes kann auch über diesen 
beiden stehen. Hegner hat ihnen mit gewohnter 
Liebe das still-vornehme deutsche Gewand um- 
gelegt. 


Friedrich Schnack, Sebastian im Wald. Ein 
Roman. Hellerau, Jakob Hegner. (In Leinen 7 M.) 

Wie Jean Pauls, Raabes, Stifters Prosa kost- 
bare Lyrik war, so gilt das auch von Schnack. 
„aldeinsamkeit“, das schaurig-süße Wort aus 
dem „Blonden Eckbert“ Ludwig Tiecks gibt 
auch dieser neuen, gesünderen Romantik die 
Tonart. 


Rudyard Kipling, Dunkles Indien. Ins Deutsche 
übertragen von Gustav Meyrink. — Das Licht er- 
losch. Ins Deutsche übertragen von Walter C. 
Osborne. Leipzig, Paul List. 

Die neuen Bände der mit Recht gerühmten 
Kipling-Ausgabe gleichen den Vorgängern an Wert 
des Inhalts und Reiz der Gesamterscheinung. 


Kiepenheuers bändereiche Liebhaberbibliothek, 
lange vergriffen, erscheint von neuem, gemehrt um 
beträchtlichen Zuwachs. Da sind, um nur Bei- 
spiele zu nennen, die Chronik der Gifimischerin, 
das Leben der berüchtigten Madeleine von Brin- 
villiers, durch Eckart von Naso nacherzáblt, da 
sind Novellen von den Landstreichern Amerikas, 
„Trampleben“ betitelt, von dem seelenverwandten 
Knut Hamsuns, Olai Aslagsson, da sind andere, 
lustigere amerikanische „Geschichten aus den fuúnj 
Städten‘ von Arnold Bennett oder das Meister- 
lustspiel des Nebenbuhlers Shakespeares, Ben Jon- 
son, die lieblose Komödie „Volpone‘“, von Stefan 
Zweig frei bearbeitet und mit den sechs Bildern 
Aubray Beardsleys geschmückt. Wer nach ge- 
fälligen und gehaltvollen Erzählungen Ausschau 
hält, durchmustere die ganze Reihe. 


Oskar und Anita Iden-Zeller, Der Weg der Tränen. 
Elf Jahre verschollen in Sibirien. Herausgegeben 
von Karl Blank. Mit 4 farbigen und 32 einfarbigen 
Tafeln. Leipzig, Philipp Reclam jun. (Geh. 5. 50 M., 
geb. 8.50 M.) 

Ein deutscher Forscher zieht mit der mutigen 
Gattin kurz vor Kriegsbeginn in die fernsten Ge- 
genden Sibiriens. Ein Jahrzehnt müssen sie dort 
verweilen, unter unsäglichen Leiden, und die Kraft 
des Mannes versagt, als er endlich in die Heimat 
zurückkehren darf. Seine Gefährtin schildert das 
Erlebte mit einer Anschaulichkeit, einer persön- 
lichen Form, daß dieser große Band uns so stark 
fesselt, so innerlich ergreift, wie keine erfundenen 
Menschenschicksale es vermöchten. Die gute Aus- 
stattung verdient ihr eigenes Lob. 


288 


November- Dezember 1926 


Gustave Flaubert, Die Erziehung des Herzens. 
Der Roman eines jungen Mannes. Ubertragen und 
mit einem Nachwort von E. L. Rheinhardt. Leip- 
zig, Paul List, (In Leinen 7.50 M.) 

Flauberts „Education sentimentale“ braucht 
nicht gepriesen zu werden. Sie zählt als Bild der 
französischen Welt um 1850 zu den großen kultur- 
geschichtlichen Denkmälern, mag das Dichtertum 
sich auch weniger stark erweisen als in „Madame 
Bovary“ und „Salammbo“. Die unvergleichliche 
Romanreihe „Epikon“ erfährt in diesem von dem 
Herausgeber Rheinhardt selbst verdeutschten und 
mit einem hochwertigen Nachwort geschmückten 
Bande einen sehr erfreulichen Zuwachs. 


Henry Thode, Der Ring des Frangepani. Berlin, 
Frankfurter Verlags-Anstalt. (In Leinen 5.50 M.) 

In unserer Jugend erregte diese anmutige No- 
velle des Kunsthistorikers das Entzücken der an 
Riehl, Dahn und Freytag geschulten reifen Leser. 
Heute wird ihre sehr gefällige Erneuerung nament- 
lich junge Herzen schneller schlagen lassen. 


Johannes V. Jensen, Norne-Gast. Berlin, S. Fi- 
scher. (Geh. 3 M., in Leinen 5 M.) 


Das nordische Epos vom Werden der Menschheit | 


setzt sich in dem neuen Buche Jensens fort. Die 
Jugend des sagenhaften Sängers eines langen Zeit- 
alters wird geschildert, wie er sein Volk vom Natur- 
dasein zur Beherrschung der gefürchteten Gewalten 
aufsteigen sieht, von der Urzeit, da sie den Baum 
mit den Eichhörnchen teilten, bis zur Völker- 
wanderung. 


Hans Leip, Tinser. Roman einer Heimkehr. 
Leipzig, Grethlein & Co. (In Leinen 7 M.) 

Leip gelangte von seinem ersten Roman ,,Der 
Pfuhl“, wo er noch in zeitbedingter Formung be- 
fangen war, in gewaltigem Aufstieg zu dem groBen 
epischen Ton in „Godekes Knecht“ und erreicht 
nun wieder eine höhere Stufe in der erschütternden 
Gestaltung eines Schicksals unserer Tage: Wirk- 
lichkeitsschau, aber erhoben ins Bereich großer 
Kunst. 


Hans Friedrich Blunck, Kampf der Gestirne, Jena, 
Eugen Diederichs. (Geh. 5.50 M., in Leinen 3 M.) 

Ähnlich wie Jensen taucht Blunck in frühe Vor- 
zeit des Menschentums zurück, um im Mythos das 
Werden der Seele zu schildern. So schon in seinem 
„Streit mit den Göttern“, so wieder in diesem kraft- 
erfüllten Buche, das den Sieg des Lichts über die 
Nacht verherrlicht. 


Thomas Mann, Unordnung und frühes Leid. 
Novelle. Berlin, S. Fischer. (Geh. 3 M., geb. 4.50 M.) 
In kleinem Spiegel einer deutschen Häuslichkeit, 
eines Tanznachmittags junger Leute fängt der 
Dichter das Bild unserer Zeit auf. Hinter der Milde 


Beibl. XVIII, 21 289 


Schnelle Wethnachtsschau 


Zeitschrift für Búcherfreunde 


birgt sich Leid, hinter der leisen Ironie tiefer Grimm. 
Novelle? Erst am Schluß kommt es zur Begeben- 
heit: hinter dem Verzerrten, Verbogenen tritt in 
einer Kinderseele plötzlich das Urmenschliche zu- 
tage. Diese kleine Kostbarkeit ist vom Verlag mit 
Hilfe Karl Walzers reizvoll gefaBt worden. 


Rudolf G. Binding, Reitvorschrift für eine Ge- 
liebte. Frankfurt a. M. Rútten & Loening. (In 
Leinen 4 M.) 

So leicht und anmutig wie das goldene Pferd- 
chen von Renée Sintenis auf dem Einband ist der 
Geist dieser Blätter. Der Sportsmann und der 
Dichter sind zu eins geworden. Was der Reiter 
erlebt, wird dem Dichter zum Symbol seines 
Herzens. 


Svend Fleuron, Sigurd Torleifsons Pferde. Roman 
aus Island. Jena, Eugen Diederichs. (Geh. 5 M., 
in Leinen 8 M.) 

Ein neuer Tierroman Fleurons, diesmal einge- 
bettet in das Erdreich Island. ,,Hier mag das 
stärkste in dir, das niemals untergeht, das Natur- 
gefühl, dir Stunden des Entzückens bereiten, du 
wirst dich groß und stolz fühlen, ein Mensch zu 
sein auf dieser sonst so argen Erde.“ 


OttoGrautoff, Das gegenwärtige Frankreich. Deu- 
tungen und Materalien. Halberstadt, H. Meyer. 
(Geb. 4.20 M.) 

Ein guter Kenner französischen Seelenlebens und 
französischer Kunst und Literatur wie Grautoff 
hat unsimmer Neuesundimmer Wertvolles zu sagen 
über das Land, dem wie keinem anderen unsere 
Aufmerksamkeit gebührt. Daß auch solch um- 
fassendes Wissen nicht überall ganz ausreicht, 
zeigt das Kapitel über die Germanistik in Frank- 
reich. 


Jakob Wassermann, Der Aufruhr um den Junker 
Ernst. Erzählung. Berlin, S. Fischer. (Geh. 3.50M., 
in Leinen 5 M.) 

Die Leiden eines Knaben, — der Name der 
Novelle C. F. Meyers könnte auch über dieser sehr 
schönen Geschichte aus dem 17. Jahrhundert stehen. 


Pestalozzi, Lienhard und Gertrud. Herausge- 
geben von Jakob Weidenmann. Zürich, Rascher 
& Cie. (In Leinen 4.80 M.) 

Die berühmte Erzählung wird in dieser geschickt 
gekürzten, sehr gefälligen Form viele Leser finden. 
Sie dient als Einleitung von Pestalozzis Werk, das 
in drei solchen hübschen Bänden erneuert wird. 


Schlesier des 18. und 19. Jahrhunderts. Namens 
der Historischen Kommission für Schlesien heraus- 
gegeben von Friedrich Andreae, Max Hippe, Paul 
Knötel, Otfried Schwarzer. Breslau, Wilh. Gott. 
Korn. 


290 


November- Dezember 1926 


Von dem Philosophen Christian Wolff bis zu 
den jüngst erst Verstorbenen, wie Gothein, Rach- 
fahl, Partsch führt die lange Reihe dieser Lebens- 
beschreibungen verdienter Schlesier, allezuverlässig 
und so manche Zeugnisse biographischer Kunst, 
unterstützt durch treffliche Bildnisse. 


„Struwwelbeter-Hoffmann‘‘ erzählt aus seinem 
Leben, Lebenserinnerungen Dr. Heinrich Hoff- 
manns herausgegeben von Eduard Hessenberg. 
Frankfurt a. M., Englert & Schlosser. (In Leinen 
7.50 M.) 

Der verdiente Arzt, der weltbekannte Struwwel- 
peter-Hoffmann, hat in der MuBe seines hohen 
Alters sein Leben geschildert, für Enkel und Ur- 
enkel. Nun gibt einer von ihnen der Allgemeinheit 
köstliche Stücke dieses Erbes preis, und damit zu- 
gleich eine lebendige Schilderung aus dem Frank- 
furt des 19. Jahrhunderts und von der Wesenheit 
einestüchtigen, auch des gesprochenen und geschrie- 
benen Wortes ungewöhnlich mächtigen Mannes. 


Julius Bab, Die Chronik des deutschen Dramas 
Fünfter Teil. Deutschlands dramatische Produktion 
1919—1920. Berlin, Oesterheld & Co. (Geh. 6.50 M.) 

Der treue Eckart des deutschen Dramas kann 
aus den letzten acht Jahren unseres Mißvergnügens 
wenig verzeichnen, wasauf der Búhnelángeres Leben 
erhoffen lieBe oder dessen wert ware. Babs einheit- 
liche, von reichster Erfahrung gestütztes Urteil muß 
allem, was in diesem Zeitraum unter der Marke 
Expressionismus auf dem Markte erschien, das Le- 
bensrecht absprechen, — und was sonst an neuen 
Leuten allzubereitwillig auf den Brettern Heimat- 
recht erhielt, wird schwerlich lange dort verweilen. 
Selbst die am Schluß aufleuchtende fröhliche Hoff- 
nung weiterer Weinberge ist doch sehr ungewiB. 
Wie es auch damit stehe, dieser Band reiht sich den 
früheren würdig an und wird jedem dienlich sein, 
der durch die Dickichte des jüngsten Dramas einen 
Weg sucht. 


Boll-Bezold, Sternglaube und Sterndeutung, Die 
Geschichte und das Wesen der Astrologie. Dritte 
Auflage, hersg. von W. Gundel. Mit 48 Bildern und 
einer Sternkarte. Leipzig und Berlin, B.G. Teubner. 
(Geh. ıı M., in Leinen 13.60 M.) 

Schon in seinerursprünglichen, weitbescheidene- 
ren Gestalt war dieses Buch das empfehlenswerteste 
für jeden, der sich auf dem schwierigen Felde der 
Astrologieorientieren wollte. Das gilt nunerstrecht, 
da Gundel die Hinterlassenschaft der beiden aus- 
gezeichneten Verfasser so pietätvoll wie kenntnis- 
reich hütet und mehrt. Eines der anregendsten Ge- 
schenke für besinnliche Menschen. 


Karl Lerbs, Die Wette gegen Unbekannt. Anek- 
doten und kurze Geschichten. Berlin, Bühnenvolks- 
bund. (In Silberpappband 1.80 M.) 


291 


Schnelle Weihnachisschau 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


Diese „Läuschen“ haben gute Haltung, und was 
sie erzählen, ist nur scheinbar einmalig, kurios und 
— wenigstens zum Teil — „lögenhaft“. Dahinter 
regt sich das Ewigmenschliche in seinenSchwächen, 
niederdeutsche Art in ihrer Tüchtigkeit, der Sieg 
desSchlaumeiers über die Dummen, manchmal auch 
umgekehrt. Aber mehr bedeutet die dem Erzähler 
stetsgelingendelllusion eines wirklichenGeschehens, 
so daß man an ihm kaum je zweifelt, so toll es 
auch manchmal in dieser kleinen Welt zugehen 
mag. 


Oscar Bie, Das deutsche Lied. Mit 8 Bildern, 
einer Titelvignette und mehrfarbiger Einbandzeich- 
nung von Hans Meid. Berlin,S.Fischer.(Geh.7.50M., 
in Leinen 10 M.) 

Diesem Buche kapn die kurze Anzeige unmög- 
lich gerecht werdeh. Um die Namen Schubert, 
Schumann, Brahms, Hugo Wolf (und die kleineren 
Meister) ranken sich Betrachtungen, Erinnerungen, 
Gefühle, traumhafte Gesichte und gestalten zu 
Bildern, was die Töne in der Seele des musikalischen 
Menschen weckten. Und neben dem Wort verhilft 
die Bilderreihe Meids dem Lesenden zur Vision 


* vom Leben des Liedes und vom Wesen seiner 


deutschen Schöpfer. 


Paul Brandt, Schaffende Arbeit und bildende 
Kunst im Altertum und im Mittelalter. Mit 460 
Bildern und 2 Farbentafeln. Leipzig. Alfred Kröner. 
Groß-8°. (In Leinen ı8 M.) 

Ein guter Gedanke, die menschliche Arbeit an 
der Hand ihrer künstlerischen Spiegelbilder in Pla- 
stik und Malerei zu verfolgen, wie sie der Spureifer 
des Verfassers von „Sehen und Erkennen“ aus 
ägyptischen Gräbern, aus griechisch-römischen 
Denkmälern, aus dem Schmuck gotischer Dome und 
mittelalterlicher Handschriften ans Licht gestellt 
hat. Nicht nur das deutsche Volk, auch alle an- 
deren, zeigen sich (nach dem bekannten Motto von 
Freytags „Soll und Haben“) bei der Arbeit in ihrer 
Tüchtigkeit, und so wird die anschauliche Schil- 
derung dieses reichen Bildermaterials zur Verherr- 
lichung des Guten, des Menschlichen in seiner so- 
zialen Bewahrung. 


Arthur Holitscher, Das unrubige Asien. Reise 
durch Indien, China, Japan. Mit 84 Bildern. Berlin, 
S. Fischer. (Geh. 7.50 M., in Leinen 10 M.) 

Ein Reisebuch, das von den gegenwärtigen Zu- 
ständen des fernen Ostens, von seinen ewigen 
Schönheiten die anschaulichsten Schilderungen 
entwirft. 


292 


November-Desember 1926 


Bibliographie des Buchwesens 


In Auswahl für den Bibliophilen zusammengestellt von 
Dr. O.E. Ebert, Oberbibliothekar an der Deutschen Bücherei 


ALLGEMEINES UND BIBLIOGRAPHIE 


Behne, A.: Buchläden. In: Die literar. Welt 2, Nr. 27. 

Blaser, F.: Bibliographie 1925 zur Geschichte des Buch- 
drucks und der Presse in der Schweiz. In: Schweiz, 
Gutenbergmuseum 12, 64—70. 

Brunius, A.: Die Buchkunst in Schweden. In: Dich- 
tung u. Welt (Beil. z. Prager Presse) 13. Juni 1926. 

Gervais, O. R.: Nach welchen Grundsätzen und Zufällen 
das Publikum Bücher kauft. Ergebnis e, Umfrage. In: 
Der Verlag 2, H. 4. 

Hermann, Georg: Das deutsche Buch in Holland. In: 
Der Schriftsteller 13, 6, S. 39—40. 

Hohlfeld, Johannes: Das Bibliographische Institut. Fest- 
schrift z. s. Jahrhundertfeier. Leipzig, Bibliogr. Institut 
1926. [VI,] 323 S. 4%. Lw. 40.—. 

— Hundert Jahre Bibliographisches Institut. Gotha-Hild- 
burghausen - Leipzig 1826—1926. Leipzig (: Biblio- 
graphisches Institut) 1926. 53 S. 80. 2.—. 

Hünich, F. A.: Büchertitel einst und jetzt. In: Leipziger 
Neueste Nachr. 2. 9. 1926. 

Klinckowstroem, Graf C. v.: Nachträge zum Deutschen 
Anonymen-Lexikon. In: Die Bücherstube 5, 93—95. 
Lotz, A.: Die Entstehung der Modelbiicher. In: Zs. f. 

Bücherfreunde N. F. 18, 45 — 56. 

Meyer, Joseph. — Aus Joseph Meyers Wanderjahren. 
Eine Lebensepisode in Briefen. London 1817—1820. 
Zur Hundertjahrfeier d. Bibliographischen Instituts hrsg. 
von J. Hohlfeld. Leipzig, Bibliogr. Institut 1926. XIV, 
276 S. 80. Hidr. 30.—. 

Ruepprecht, Chr.: Bücher und Bibliotheken. Was können 
sie dem Menschen sein u. geben? Langensalza, Beyer 
& Söhne 1926. 29 S. 8° = Fr. Mann's pädag. Magazin. 
H. 1097. —. 60. 

Sander, Max: Die illustrierten französischen Bücher des 
18. Jh. Stuttgart, J. Hoffmann (1926). XXXII, 376 8. 
80 = Taschenbibliographien f. Büchersammler. Bd. 3. 
Lw. 20. 50. a 


Burte. — Hermann Burte. 1. Biographisches, 2. Literatur. 
Zsgest. von W. Frels. In: Die schöne Literatur 27, 
292—293. 

Panizza. — Stobbe, H.: Oskar Panizzas literarische 
Tätigkeit. In: In Memoriam Oskar Panizza. München, 
H. Stobbe 1926. S. 55—72. 

Pocci. — Pocci, Franz (Enkel): Das Werk des Künstlers 
Franz Pocci. Ein Verz. s. Schriften, Kompositionen u. 
graph. Arbeiten. München, H. Stobbe 1926. 176 S. 
4° = Einzelschriften zur Bücher- u. Handschriftenkunde. 
Bd. 5. 14.—. 

Retzsch.— Hirschberg, Leopold: MoritzRetzsch. Chronolog. 
Verz. s. graph. Werke. Zum ersten Mal zsgest. Berlin, 
H. Tiedemann 1925. 134 S., 1 Titelb. 4%. Lw. 12.—. 


SCHRIFT UND HANDSCHRIFTENKUNDE 


Bauer, K. F.: Die Antiquaversalien, In: Klimschs JB. 
Bd. 19, 1926. S. 11—24. 

Neue deutsche Druckschriften. (I.) Ehmcke-Antiqua. 
(2.) Ehmcke-Kursiv. (3./4.) Ehmcke-Fraktur. Ehmcke- 
Schwabacher. (5.) Ehmcke-Rustica. (6.) Ehmcke-Medi- 
aeval u. Mediaeval-Kursiv, Berlin, Schneider 1925 ff. 
19; 14; 48; 16; 22, 6S. Gr.-8%, 1, 2, 5, 6 je 1.50; 
3/4: 2.25. 

Handbuch der Schriftarten. Eine Zusammenstellg. d. 
Schriften d. Schriftgießereien deutscher Zunge nach 
Gattungen geordnet. Leipzig, Albrecht Seemann (1926). 
XLVIII, 296 S. 8% Lw. 6.—. 

Hoffmeister, Heinrich: Die Entstehung einer Schrift. 
2. Abdr. Leipzig, Deutscher Buchgewerbe-Verein [1926]. 
58 S. K1.-8° = Monographien d. Buchgewerbes. Bd. 8. 


2.—. 


293 


Bibliographie des Buchwesens 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


Lehmann, Rudolf: Von unseren deutschen Schriftgießereien. 
In: Dt. Buch- u. Steindrucker 32, 259— 264. 

Löffler, Karl: Romanische Zierbuchstaben und ihre Vor- 
läufer. Mit einführ. Text u. Handschriftenbeschreibung. 
Lfg. 3. Stuttgart, Matthaes 1926. 2°. 14.40. 

Die Antiqua Lutetia von Joh. Enschedé en Zonen. In: 
Offset-, Buch- u. Werbekunst 3, 211—214. 

Mittelalterliche Miniaturen aus der Staatlichen Bibliothek 
Bamberg. Hrsg. von d. Bibliotheksverwaltung. H. 1. Mit 
e. Einl. von H. Fischer, Bamberg, C. C. Buchner 1926. 
VIII, 15 S., 7 Taf. 4% 9.20. 

S[chulte]-S[trathaus], E.: Ein mittelalterlicher Schrei- 
ber. In: Die Bücherstube 5, 44—45. 

Sethe, Kurt: Der Ursprung des Alphabets. Die neuent- 
deckte Sinaischrift. Berlin, Weidmann 1926. (S. 88—161, 
437-475.) Gr.-8%. S.-A. aus Nachrichten von d. Ge- 
sellschaft d. Wissenschaften zu Gottingen 1916/17. 5.40. 

Volkmann, L.: Von der Bilderschrift zum Bilderrätsel, 
In: Zs, f. Bücherfreunde N. F. 18, 65—82. 


BUCHDRUCK 


Behne, A.: Anfänge des modernen Buches. In: Deutscher 
Buch- u. Steindrucker 32, 565—568. 

Biller, Ernst Th.: Das Gesamtgebiet des Offsetdruckes. 
3., verb. Aufl. Leipzig, Deutscher Buchgewerbe-Verein 
[1926]. 112, 16 S. 8%. 3.—. 

Brünner, M.A.R.: Anfänge der Buchdruckerkunst in 
der Türkei. In: Typograph. Jbr. 47, 227—230. 

Girnatis, K.: Joachim Löw, ein alter Hamburger Buch- 
drucker um 1550. In: Buch- u. Kunstdruck 26, 168 
bis 169. 

Kehrli, J. O.: Eugen Jordi als Graphiker und Typograph. 
In: Schweiz. Gutenbergmuseum 12, 55—57. 

Kuhn, G.: Die Buchdruckerarbeit Froschauers in der 
Fastenzeit 1522. In: Zwingliana Bd. 4, 1925, S. 300 
bis 302. 

Mussial, P.: Aus der Geschichte der Berliner Buch- 
drucker. In: Korrespondent für Deutschlands Buch- 
drucker 64, 262— 264. 

Pollin, Fr. W.: Gutenberg im Lichte der neuesten Schul- 
bücher. In: Graph. Nachr. 5, 82—84. 


BUCHILLUSTRATION 


Dussler, Luitpold: Die Incunabeln der deutschen Litho- 
graphie. «(1796—ı821.) Berlin, Tiedemann 1925. 
315 S. Gr.-80. Lw. 24.—. 

Friedländer, Max J.: Der Holzschnitt. 3. Aufl. Mit 
94 Abb. im Text u. 2 farb.] Taf. Berlin, W. de 
Gruyter & Co. [in Komm.] 1926. VII. 230 S. 8% = 
Handbücher der Staatlichen Museen zu Berlin. Lw. 5.—. 

Mollier, H.: Zur deutschen Buchillustration des acht- 
zehnten Jahrhunderts. [I.] Adam Friedrich Oeser. In: 
Die Bücherstube 5, 57 — 72. 


BUCHEINBAND 


Gudenberg, V.: Otto Pfaff und die Ausstellung der 
Wferkstätten] B[urg] G[iebichenstein], In: Archiv f. 
Buchbinderei 26, 58—6r. 

Herbst, H.: Erfurter Buchbinder des 15. Jahrhunderts. 
In: Archiv f. Buchbinderei 26, 27—29, 39—44. 

— Alte deutsche Bucheinbände (des 15. bis 18. Jh.) Hrsg. 
von d. Landesbibliothek in Wolfenbüttel mit Einl. von 
H. Schneider. Braunschweig, E. Appelhans & Comp. 
1926. 23 S., 17 Taf. Gr.-8% 4.—. 

Kersten, P.: Über Buntpapiere. In: Deutscher Buch- u. 
Steindrucker 32, 629—631. 

Loubier, H.: Die Corvina-Einbände. In: Archiv f. Buch- 
binderei 26, 51—55. 

Reinwald, J.: Zwei weitere Einbände von Jakob Krauße 
in der Gymnasialbibliothek zu Zweibrücken. In: Zs. f. 
Bücherfreunde N. F. 18, 56—59. 

Theele, J.: Kleinodien der Einbandkunst in Wien. In: 
Archiv f. Buchbinderei 26, 63—66. 


294 


November-Dezember 1926 


SAMMELWESEN 
Allgemeines 


Bernus, H.: Le plus grand bibliophile anglais du XVIIIe 
siècle. In: Schweiz. Gutenbergmuseum 12, 60—62. 
Dumas, Alexander: Nodier als Bibliophile. In: Mitt. aus 

d. Antiquariat 1, 30—31 (Bbl. f.d. Dt. Buchh. 93, Nr. 137). 

Hofmann, J.: Die Bibliothek des Nikolaus von Ebeleben. 
In: Zs. f. Bücherfreunde N. F. 18, 82—91. 

Kekule von Stradonitz, S.: Ein seltenes Buch mit 
einem noch selteneren Vorsatzkupfer. In: Zs. f. Bücher- 
freunde N. F. 18, 92—94. 

Krasnopolski, P.: Die geplante Verlosung der Kehler 
Voltaire-Ausgaben. In: Zs. f. Bücherfreunde N. F. 18, 
95—96. 

Pförtner, H.: Neuland für Bücherfreunde und Sammler. 
In: Zeitwende 2, 214—216. 

Theele, J.: Die Buchkunst auf der Jahrtausendausstellung 
der Rheinlande. In: Der Feuerreiter 2, 41—43. 

Waagenbrauck, C. C.: Briefe eines alten Bücherfreundes 
an einen Novizen. Über das Sammeln von Wiegen- 
drucken II. In: Die Bücherstube 5, 73—78. 


Künstlerische Drucke 


Bidpai: Das Buch der Beispiele alter Weisen. Eine altind. 
Fabel- u. Novellensammlg. nach d. deutschen Übers. e. 
Hs. d. 15. Jh. bearb. von H. Wegener. Berlin, Volks- 
verband d. Bücherfreunde [1926]. 156 S. 4°. Hperg. 
Nur f. Mitgl. 

Böhm, Gustav: Zwanzig Gedichte. (Augsburg, Lampart 
& Comp. 1926.) 22 Bl. 8% 150 Ex. Hidr. 8.—. 
Labe, Louize: Huit Sonnets. (Leipzig 1926, Henri Fried- 
laender in d. Meisterklasse Prof. Belwe der Staatl. 

Akademie.) [10 S.] 8°. Privatdr. 

Richter, Erik: Sinngedichte. Mit 15 Vign. 
Euphorion Verlag 1926. 30 S. Gr.-8% Pp. 2.50. 

Samogon: Rendez-vous der Leidenschaften. Heidelberg, 
Merlin-Verlag 1926. 144 S. 16%, Pp. 2.—. 

Ein Stammbuch aus vier Jahrhunderten. (Hrsg. u. mit e. 
Nachw. vers, von J. Hofmann, Leipzig, J. J, Weber 1926.) 
go Bl. mit eingedr. Faks. u. Abb., 64 S. 17 X23,5 cm. 
Auf handgeschopftem Bütten. Pp. 150.—. 

Vossler, Karl: Die romanischen Kulturen und der deut- 
sche Geist. (Nachw. von B. Croce. Miinchen, Verlag 
d. Bremer Presse 1926.) 70S. Gr.-8% LW. 5.—. 


Berlin, 


Illustrierte Bücher 


Busoni, Raffaelo. — Ebrhart, Robert von: Das Erlebnis 
des Onkels Ladislaus. (Den Einband u. den Buch- 
schmuck entwarf R. Busoni.) Berlin, Volksverband d. 
Bücherfreunde (1926). 284 S. Kl.-8“. 

Gruner, Erich. — Tornius, Valerian: Zeitgemäßer Oster- 
spaziergang... gebildert von Erich Gruner. (Leipzig 1926, 
Poeschel & Trepte.) 39 S. Quer-8°. 400 Ex. Privatdr. 

Herzing, Minni. — Lieder und Gedichte. Orig.-Radiergn. 
[Anthologie.] (Leipzig [1926], Felsing.) [18 BL] 2° 
200 Ex. Lw. 30.—. 

Kampf, Arthur. — Shakespeare. Werke. Übertr. nach 
Schlegel-Tieck von M. J. Wolff. Mit Bildern nach Ra- 
derungen von Arthur Kampf. Bd. 1ff. Berlin, Volks- 
verband d. Bücherfreunde [1926]. 8° Nur f. Mitgl. 

Leskoschek, Axel v, — Gesta Romanorum. — Märchen 
und Legenden aus den Gesta Romanorum. Mit Holzschn. 
von Axel v. Leskoschek. Leipzig, Insel-Verlag [1926]. 
71 S. Kl. 8e. (Insel-Bücherei. Nr. 358.) Pp. 1.—. 

Müller, Hans Alexander. — Wilde, Oscar: Das Gespenst 
von Canterville. Mit Bildern von H. A. Müller. Leipzig, 
Insel-Verlag [1926]. 50 S. Kl.-S8. (Insel- Bücherei Nr. 390.) 
Pp. 1.—. 


Exlibris 


Theele, J.: Rheinische Exlibris. In: Exlibris, Buchkunst 
u. angewandte Graphik 36, 11— 15. 

[Zur Westen, W. von]: Allerlei Exlibris. In: Exlibris, 
Buchkunst u. angewandte Graphik 36, 39 — 56. 


295 


Kataloge 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


Kataloge 


Zur Vermeidung von Verspätungen werden alle Kataloge an die Adresse 
des Herausgebers erbeten 


Theodor Ackermann in München. Nr. 595. 
schaften II. 841 Nrn. 

Paul Alicke in Dresden. Nr. 161. Letzte Erwerbungen. 252 Nra. 

Hermann Aupperle in Schwabisch-Gmund. Angebot und Nach- 
frage. Nr. 8. 

Joseph Baer & Co. in Frankfurt a. M. Nr. 738. Osteuropa. 
1645 Nrn, 

Ernst Carlebach in Heidelberg. Nr. 343. Kulturgeschichte. Nr. 3201 
bis 5039. 

Walther Christiansen in Altona. Anzeiger. Nr. 8. 148 Nrn. 

Friedrich Cohen in Bonn. Nr. 156. Philosophie. 1347 Nrn. 

Dr. Franz Cohn in Berlin- Wilmersdorf. Nr. 20. Pressen- und 
Reihendrucke, Illustrierte Bücher, Kunstgeschichte. 473 Nrn. 
Ernst Dannappel in Dresden- Blusewits, Nr. 39. Daniel Chodo- 

wiecki. 101 Nrn. 

M. Edelmann in Nürnberg. Nr. 45. Perlodica. 346 Nrn. 

J. Frank (Ludwig Lazarus) in Würsburg. Nr. 109. Kulturge- 
schichte. 488 Nro. — Nr. 110. Literarisches und Philosophisches. 
491 Nrn. 

S. Martin Fraenkel in Berlin W 63. Nr. 51. Judaica. 252 Nrn. — 
Nr. 58. Philosophie. 1304 Nrn. — Nr, 59. Schrift, Buchwesen, 
Buchdruck, Bibliographie. 559 Nrn. — Angebot. Nr. 13, Theater. 
167 Nrn. — Nr. 15 Folklore, Volkslied und Verwandtes. 109 Nrn. 

Rudolf Geering in Basel. Basler Bücherfreund II, 4. Nr. 706—1126. 

Gilhofer & Runschburg in Wien I. Nr. 153. Frühe Zeitungen. 
1429 Nrn. mit 25 Textbildern und 4 Tafeln, Personen-, Orts- uni 
Sachregistern. — Nr. 188. America. 84 Nrn. — Nr. 13. 
16. Jahrhundert I. Teil. 633 Nrn mit 8 Tafeln, 23 Textbildern, 
Autoren- und Stádte-Register. — Nr. 194. Neue Erwerbungen. 
277 Nrn. 

Hans Götz in Hamburg 36. Nr. 24. Graphik des 19. und 20. Jahr- 
hunderts. 280 Nrn. 

Walter de Gruyter & Co. in Berlin NW 7, Nr. 9. Deutsche Sprache 
und Dichtung, Volkskunde. 1653 Nrn. 

Gsellius in Berlin W 8 Nr. 384. Orts- und Familiengeschichte, 
Geschichte der Länder, Genealogie und Heraldik. 1102 Nrn. 
Hahn & Setfarth in Leipzig. Nr. 10. Länder- und Völkerkunde, 

1640 Nrn. 

F. W. Haschke in Leipsig. Nr. 46. Schöne Bücher. 338 Nrn. 

Heinrich Hauser in München. Nr. 11. Kunstgeschichte, Illustrierte 
Bücher. 928 Nrn. 

Leopold Heidrich in Wien I. Anzeiger. Nr. A 600 Nrn. 

Hugo Helbing in München. Nr. 73. Ansichten aus vier Jahr- 


Geheime Wissen- 


hunderten. 835 Nro. 
Karl W. Hiersemann in Leipzig. Nr. 567. Kunstgeschichte. 
1380 Nrn. — Nr. 568. Bibliographie, Buch- und Schriftwesen. 


1120 Nrn. 

Hoffmann Campe in Berlin W 69. Nr. 36. Alte Drucke, Graphik, 
llandzeichnungen, Moderne Drucke. Nr. 837—2349. 

Rudolf Honisch in Leiprig S 3. Nr. 61. Deutsche Literatur. 
925 Irn. 

Willy Janke In Dresden-N. Nr. 2. Kulturgeschichte. 782 Nrn. 

E. F. Koehler in Leipzig. Nr. 33. Alte Drucke von 1500—1750. 
1148 Nrn. — Auswahl. Nr. 5. 1767 Nrn. 

Dr. Edgar Krebsin Berlin W 50, Nr. 3. Kunstgeschichte, Original- 
Graphik. 132 Nrn. 

Kurfurst- Buchhandlung in Berlin W 63. Konvolut Heft 5. Kanst- 
geschichte. 457 Nrn. 

Clura Landau in Berlin W 35. Nr. 16. Illustrierte Bücher, Almanache, 


Deutsche Literatur, Kinderbücher. 217 Nm. 
R. Levi in Stuttgart. Nr. 236. Vermischtes. 1280 Nrn. 
Bernh. Liebisch in Leipzig. Nr. 259. Geschichte der Neuzeit. 


Teil IV: R—Z. Nr. 6957—11345. — Nr. 263. Deutsche Literatur. 
I. Teil: A—K. 

Lipsius & Tischer in Kiel. Nr. 135. Interessante und seltene 
Bücher, Das illustrierte Buch des 18, und 19. Jahrhunderts. 
974 Nrn. 

Martinus Nijhof im Haag. Nr. 525. Neue Erwerbungen. 545 Nro. 

Leo S. Olschki in Florens. Nr. 83. Vermischtes. 225 Nrn. 

Preuß & Junger in Breslau. Nr. 6. Silesiaca 1945 Nrn. 

Gustav Ranschburg in Budapest. Nr. 114. Bibliotheca Hun- 
garica II: Geschichte Ungarns von 1526-1548. Nr. 850—1709. 

C. E. Rappaport in Rom. Nr. 53. Architektur. 577 Nrn. 

A. Raunecker in Klagenfurt. Nr. 210. Vermischtes, 1052 Nrn. 

Ludwig Rosenthal in Munchen. Nr. 166. Americana. 1647 Nm. 

H. L. Schlapp in Darmstadt, Nr. 56. Kulturgeschichte. 811 Nro. 

B. Seligsberg in Bayreuth. Nr. 322. Kultur- und Sittengeschichte, 
6. Abteilung. 1289 Irn. 

J. A. Stargardt in Berlin W 85. Nr. 260 und 262. 
Familiengeschichte IV und V. 468 und 536 Nrn. 
Paul Stern & Co. in Wien I. Nr. 9. Deutsche Literatur. 351 Nra. 
Horst Stobbe in München. Nr. 76. Deutsche Literatur, Illustrierte 

Bücher. 1086 Nrn. 

Agnes Straub in Berlin W 35. Nr. 31. Almanache, Deutsche 
Literatur, Kunst, Philosophie. 404 Nro. 

Straubing e Muller in Weimar. Nr. 4. Vermischtes. 237 Nrn. 
Heinrich Tiedemann in Berlin W8 Nr. 3. Deutsche Literatur, 
Illustrierte Bücher des 18. und 19. Jahrhunderts. 365 Nro. 
Utopia in Berlin W 15. Nr. 23. Deutsche Literatur. 245 Nra. 

Paul Voirol in Bern. Nr. 1. Vermischtes. 265 Nro. 

Adolf Weigel in Leiprip. VII, 4,5 Nr, 561—187, einige geschlossene 
Sammlungen, Desiderata, 


Stadt- und 


296 


November- Dezember 1926 Anzeigen Zeitschrift für Bücherfreunde 


REICHSDRUCKEREI - ABT. VERLAG. BERLIN SW68 - ORANIENSTR. 91 
Das 


Weihnachtsgeschenk für kultivierte Menschen: 


MAX LIEBERMANN 


ZWEIUNDZWANZIG PASTELLE 
IN FAKSIMILELICHTDRUCKEN 
DER REICHSDRUCKEREI 


Format: 61'/,x47 cm . Auflage 300 Stück . Preis AM 150.— 


Berlin NW7, 16. Februar 1926 
Pariser Plat; 


An die Reichsdruckerei, Abteilung Verlag 


Die Mappe mitzweiundzwanzig farbigen Reproduktionennach Pastellen 
meiner Hand ist ausgezeichnet; mit den jetzigen Mitteln der farbigen 
Wiedergabe wird ein besseres Resultat kaum erzielt werden können..... 
Alles verlangt heutzutage nach Farbe. Wie man sich auch der farbigen 
Reproduktion gegenüber verhalten möge, eines steht fest, daß das von der 
Reichsdruckerei in der vorliegenden Mappe erzielte Resultat erstaunlich ist. 

Die Blätter fordern geradezu zur Fälschung heraus. 

Dr. h. c. Max Liebermann 


Präsident der Staatlichen Akademie der Künste 
qu Berlin 


Zur Anpreisung des vorliegenden gewichtigen Mappenwerkes nach dem Urteil Liebermanns 
noch etwas hinzuzufügen, erübrigt sich. Max Liebermann ist heute der unumstrittene Reprä- 
sentant der modernen deutschen Kunst, trotz der ganz anders gearteten künstlerischen Strömungen 
und Richtungen, die mehr oder wenigerlaut unser künstlerisches Leben durchfluten. Liebermann 
gehört eben nicht nur einer bestimmten Richtung an, sondern er ist auch eine starke, ausgeprägte 
Persönlichkeit, die seinem Werke einen dauernden Wert über die Kämpfe der Gegenwart 
hinaus sichert. Ein besonders reizvolles Kapitel in dem Schaffen unseres Meisters bildet die 
delikate Weichheit seiner Pastelle, in denen sich gewissermaßen der Graphiker und der Maler 
begegnen. Die Reichsdruckerei hat zweiundzwanzig dieser mit unvergleichlicher Meisterschaft 
behandelten Arbeiten Liebermanns in originalgetreuen Faksimilelichtdrucken in einer geschmack- 
vollen Ganzleinenmappe vereinigt und damit dem genialen Meister, der sich nunmehr dem Eintritt 
in das neunte Jahrzehnt seines Lebens nähert, ein ebenso würdiges wie intimes Denkmal gesetzt. 

Das schöne Werk, in einer verhältnismäßig kleinen Auflage hergestellt, die bald vergriffen 
sein dürfte, kann durch jede ernsthafte Buch- und Kunsthandlung bezogen werden. Wo der 
Bezug auf Schwierigkeiten stößt, wende man sich an die Verlagsabteilung der Reichsdruckerei, 
Berlin SW 68, Alte Jakobstraße 106, I. Stock, die bereit ist, Bezugsquellen nachzuweisen oder 

unter Umständen unmittelbar zu liefern. 


297 298 


November-Dezember 1926 Anzeigen Zeitschrift für Bücherfreunde 


NEUE BÜCHER FÜR DIE REISEZEIT! 
EE, 
LEON FREIHERR 
v CAMPENHAUSEN 


Nordische Bilder 


In vornehmer Ausstattung. 214 Seiten 8° 
In Ganzleinen M. 5.— 


Mit meisterlicher Beschränkung tritt hier die Persönlichkeit 
des Autors in den Hintergrund vor dem geschilderten Erleben, vor 
den düster-schönen Landschaften, den anders gearteten Menschen 
und seltsamen Tieren, von denen uns der Verfasser mit einer Sprache 
von ganz einzigartiger Plastik und voll von Rhythmus erzählt. 


C. G. CARUS 
Reisen und Briefe über 
Landschaftsmalerei 


OBOR, 1859 


in zwei Teilen GROSSBUCHB INDEREI 
¡pira Bal EE 
Teil 1: 223 Seiten 8°; Teil 2: 285 Seiten 8° N 

EE VORNEHMSTEN AUSF OHRUNG 

In Ganzleinen M. 3.50; in Ganzleder M. 7.50 ABTEILUNG FUR HANOG Ee 

Die Reisen geben ein anschauliches Bild der europäischen a 71 Gi F e 
Welt Beginn des technischen Zeitalters. Seine Briefe ges 

währen Ka tiefen Einblick in Carus’ künstlerische Auffassung. YON PROS ERAN TER, 


NA AMMMMMXA 
VERLAG E.HABERLAND/ LEIPZIG 


e MN. Lengfeld’sche Buchhandlung 
Antiquariats- | Köln, Zeppelinstraße 9 
Anzeiger 29 | 


Deutsche u. französische Literatur 
des 18. u. 19. Jahrhunderts 


Bucher und Graphik Topographie 


Alte und moderne 


Französische und englische 


FRIEDR. MOLLER, MÜNCHEN | } Kupferstiche 
ANTIQUARIAT, AMALIENSTR. Nr. 61 : 8 


Hollstein & Puppel, Kunstantiquariat, Berlin W 15 | 


MeinekestraBe 19 / Telephon Bismarck 1105 
ERSTKLASSIGE 


KUPFERSTICHE uno HANDZEICHNUNGEN 


alter Meister 


KUPFERSTICH-VERSTEIGERUNGEN 


Interessenten werden um Angabe ihres Sammelgebietes gebeten 


299 300 


November-Dezember 1926 Anseigen Zeitschrift für Bücherfreunde 


Beachtenswerte Gelegenheit! 


Wir können nur noch wenige Exemplare abgeben 
von dem berühmten 


der 
Kunstwissenschaft 


begründet von Universitäts-Professor Dr. Fritz 
Burger, Münden, fortgesetzt von Universitäts» 
Professor Dr. A. E. Brinkmann, Köln, und 
in geistvoller Weise bearbeitet von namhaften 
Universitäts-Professoren u. Museumsdirektoren. 


(Beim Verlag nicht mehr zu haben) 


Kein Sammler kann an diesem durch riesigen 
Bilderreihbtum. und wissenschaftlihe Bedeutung 
hervorragenden Monumentalwerk vorübergehen. 


Auf Wunsch Ansichtssendung. 
SehrgtinstigeSubskriptionsbedingungen! 


ARTIBUS ET LITERIS 


Gesellschaft far Kunst, u. Literaturwissenschaft 
Abteilung 45 


POTSDAM 


Nachbenanntes Werk 
ging mit allen Rechten und vor- 
handenen Beständen in meinen 

Verlag über: 


H. H. HOUBEN 


VERBOTENE 
LITERATUR 


von der klassischen Zeit 
bis zur Gegenwart 


Ein kritischshistorisches Lexikon über ver; 
botene Bücher, Zeitschriften und Theater: 
stücke, Schriftsteller und Verleger 


Band I: Zweite, verbesserte Auflage / 
624 Seiten / Oktavformat / Numerierte 
Exemplare801—1500 / Geh. RM. 18.— / 
In Ganzleinen gebunden RM. 25.—. 


Band II: Von gleichem Umfange wie 
Band I und in gleicher Ausstattung ist 
in Vorbereitung / Erscheinungstermin: 
Herbst 1927 / Subskriptionspreis für 
Besitzer des I. Bandes oder bei gleich, 
zeitiger Bestellung mit Band I: ge 
heftet etwa RM. 18.—, in Ganzleinen 
gebunden etwa RM. 25.—. 


(Die Subskription wird 14 Tage vor 
Erscheinen des Bandes geschlossen.) 


Das Zeichen der Firma 


HÜBEL & DENCK 


Buchbinde - Werkstätten * 


Leipzig, bürgt für 
Qualitäts - Arbeit 
* 


Das Werk ist durch jede gute Buchhandlung 
zu beziehen oder direkt von 


CARL SCHUNEMANN 
VERLAG / BREMEN 


301 


November-Dezember 1926 Anzeigen Zeitschrift für Bücher freunde 


SPENGLER 


DER UNTERGANG DES ABENDLANDES 


100. TAUSEND 


JUBILAUMSAUSGABE MIT DEM BILDNIS OSWALD SPENGLERS 


ZWEI BÄNDE in weißem Ganzleinen mit Goldaufdruk und Goldschnitt in Kassette 
zusammen M. 36.— 


Moeller van den Bruck: „Das Spenglershe Buch ist das Schicksalsbuch unseres 
ganzen Zeitalters. Wir werden uns immer mit ihm auseinanderzusetzen haben. Und 
wir werden es niht wie mit einem Buche tun, das auch ungeschrieben hätte bleiben 
können, sondern wie mit einem Ereignis, das wir nicht zu umgehen vermögen.“ 


ACHOFEN 


DER MYTHUS VON ORIENT UND OCCIDENT 


EINE METAPHYSIK DER ALTEN WELT AUS DEN WERKEN VON J. J. BACHOFEN 


Mit einer Einleitung von Alfred Baeumler. Herausgegeb. von Manfred Schroeter. 


922 Seiten Lex.-8% Geheftet Mark 32.—, in Ganzleinen Mark 38.—, in Halbleder hand- 
gebunden Mark 45.— 


Otto Flake in der Neuen Rundschau: „Die Wiederentdekung Bachofens dürfte eine 
Revision der Grundlagen zur Folge haben, auf denen die Geisteswissenschaften beruhen.“ 
©. E. Hesse in der Vossishen Zeitung: „Die Herausgeber haben kürzend und ver- 
schiebend die Einzelschriften zu einem großen Ganzen aufgelöst und neu zusammen- 
gefügt. Die Baeumlersche Einleitung und Deutung Bachofens ist ein geschichts- 
philosophisches Ereignis von kaum zu übershätender Bedeutung.“ 

Thomas Mann in der Pariser Rechenschaft: „Man kann nichts Interessanteres lesen, 
die Arbeit Baeumlers ist tief und prächtig und wer sich auf den Gegenstand versteht, 
ist bis in den Grund gefesselt.“ 

Hugo von Hofmannsthal in den Minchener Neuesten Nachrichten: „Die dunkeln 
ältesten Mythen, eingemauert in die Grundfeste des Werkes der Tragiker, haben in 
dem wunderbaren Schweizer Bachofen, dem lange verkannten, ihren Vater gefunden; 
noch einmal breitet sick in seinen Werken, wie einst im antiken Lebensbereich, das 
Ganze dieser Geisteswelt.“ 


E 
C. N. BECK VERLAG MUNCHEN 


303 304 


November-Dezember 1926 Anzeigen Zeitschrift tür Bucher freunde 


Soeben erschien: 


WALTHER BIEHL 
TOSKANISCHE PLASTIK 


DES FRUHEN UND HOHEN 
MITTELALTERS 


(Italienische Forschungen, herausgegeben vom Kunsthistorischen 
Institut in Florenz. Neue Folge. Zweiter Band) 
150 Seiten Text 
mit 168 Lichtdrucktafeln 


In solidem Flalblederband gebunden M. 80.- 


* 


D; Werk behandelt ein Gebiet, dessen stilgeschichtlihe Zusammenhänge 
bisher noch nicht aufgehellt und dessen Denkmäler nur zum geringen Teil 
photographiert waren. Der Verfasser hat auf Studienreisen, die schon vor dem 
Kriegsausbrud) begonnen wurden, nicht nur ganz Toskana bis in die entlegensten 
Gebirgswinkel durchsucht, sondern seine Fahrten zur Feststellung der vorhandenen 
Denkmäler auch auf Sardinien, Frankreich, Schweiz und die deutschen Grenz- 
gebiete erstreckt. Die Ergebnisse dieser ausgedehnten und kostspieligen Studien 
sind in einer Untersuchung festgelegt, die zunächst die Ursprünge der mittelalter- 
lichen Plastik Toskanas eingehend behandelt, sodann die Entwicklungsgeschichte 
und künstlerische Bedeutung der frühtoskanischen Skulptur innerhalb der euro- 
päischen Plastik festlegt und schließlich den Beziehungen zu Frankreich, Spanien, 
der Schweiz und Deutschland möglichst genau nachgeht. Dieser textlihe Teil 
des Werkes umfaßt 150 Druckseiten; und nun folgen 168 Lichtdrucktafeln, z.T. 
mit einer ganzen Reihe von Einzelaufnahmen besetzt, die die Denkmäler im Gesamt 
und im Detailwiedergeben. Es sind dazu rund 400 Neuaufnahmen gemacht worden. 


VERLAG VON E.A.SEEMANN IN LEIPZIG 


305 306 


November-Dezember 1926 


NEUERSCHEINUNGEN: 


BERUHMTE KUNSTSTATTEN 


Breslau 


Von Franz Landsberger. Mit 156 Abbild. 
M. 7.— (Bd. 75) 


Strafburg 
Von Ernst Polaczek. Mit 147 Abbildungen 
M. 7.— (Bd. 76) 
Denedig 
Von Gustav Pauli. Mit 185 Abbildungen 
M. 8.— (Bd. 72) 
Florenz 


Von A. Philippi. Mit 258 Abbildungen 
M. 10.— (Bd. 73/74) 


Alle Bände in handlichem Taschenformat 
In biegsames Leinen gebunden 


VERLAG VON E. A. SEEMANN 
IN LEIPZIG 


Anzeigen 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


SOEBEN ERSCHIENEN: 
TASCHENBUCH FÜR 
BUCHERSAMMLER 1927 | 


ZWEITER JAHRGANG 
DESTASCHENBUCHS 
FOR BACHERFREUNDE 


Herausgegeben von 
Prof. Dr. Albert Schramm / Leipzig 


250 Seiten kl. Oktav, 46 Tafeln und zahlreiche 
Abbild. im Text, in Ganzleinen gebd. Mk. 7. — 


Inhalt: Vorwort | Kalendarium 1927128 | Vom Biber | 
freund: Großherzog Ernst Ludwig von Hessen, Hans Lou» 
bier, Die Musikbibliothek P. Hirsh in Frankfurt a M, 


Bücerschätze aus fünf Jahrhunderten | Vom Buchkunstier: 
Walter Tiemann, Otto Hupp. Preetorius | Vom Budge» 
werbler: F. Bruckmann A.G., Georg Friedrich Giesecke. 
Manuldruk | Vom Buchbinder. Fritzsche A. G., Franz 


Weiße | Pom Papiermader: Alte japanische Papierkunst, 


50 Jahre Bebe, | Dom Verleger: Linnemann, Rec» 
lam, Bibliographisches Institut | Dom Antiguar: Emil Hirsch, 
Martin Breslauer, Die Antiquariate, Antiquariats- Kataloge 
Von den Pflegstätten des Buches: 40 Jahre Deutsches Buch- 
museum in Leipzig, Deutsches Museum in München, Buch» 
handels-Professur in Leipzig | Von den Vereinen und Ler- 
Bänden: Verbände und Vereinigungen von Bacherfreunden, 
Eine Bibliographie amerikanischer und englischer Veröffent- 
lichungen über Typographie | Wertvofle Bucher 
der Jahre 1925120. 


Gedruckt in den Janson - Schriften von 
der Officina Salesiana in München 


MANCHEN 
— uv — eege 
VERLAG DER MONCHNER DRUCKE 


Geschichte des Sports 


aller Volker und Zeiten 


Unter Mitarbeit von 20 der ersten Fachleute. 
Herausgegeben von Dr. G. A. E. Bogeng. 
Eingeleitet von Staatssekretär a D Th. Lewald, 


Zwei prachtvoll ausgestattete Leinen-Bände mit etwa 
800 Abbildungen und 18 Tafeln. 

SubskriptionssPreis jedes Bandes Mark 35.—. Band I 
ist soeben erschienen, Band II erscheint im Dezember. 


Ein Monumentalwerk des Sports 
das seinesgleichen nicht hat 


307 | 308 


W 


A 


Adam, Paul 205. 
Alexander d. Gr. 27. 
Altenberg, Peter 21. 


Alvensleben, Philipp Graf 134. 
Andersen, Hans Christian 220. 


Anderson, James 92. 
Andreae, Friedrich 290. 
Apulejus 286. 

Arlens, Michael 270. 
Arnac, M. 202. 

Arnim, Achim von 141. 
Auerbach, Berthold 2r. 
Aufsesser, Julius 206, 


B 


Bab, Julius 240, 280, 291 

Baberadt, K. 202. 

Balcke, C. 66. 

Bandello, Matteo 243. 

Baskerville 275. 

Baum, Vicki 271. 

Beaumarchais 275. 

Bechtold, Arthur 28, 

Beenken, Hermann 29. 

Bebrend, Fritz 206, 

Benedikt von Nursia 73. 

Benz, Richard 27, 128, 

Berend, Eduard 206, 

Berger, Martha 207. 

Berlepsch, Emilie von, geb. 
von Oppel 114. 

Bethge, Friedrich 277. 

Bethge, Hans 22. 

Bettelheim, Anton 282, 

Bie, Oscar 292, 

Biedermann, Flodoard Freiherr 
von 23. 

Bienstock 203. 

Binding, Rudolf G. 290. 

Bischof, F. W. 202. 

Bishop, William Warner 274. 

Blank, Karl 288. 

Bloch, Iwan 135. 

Bluock, Hans Friedrich 289. 

Bodenhausen, Helene von 229. 

Bogner, Hans 23. 

Boehm, M. 23. 

Boehn, Max v. 219, 

Boll-Bezold 29x. 

Borchardt, Rudolf 137, 282. 

Borcherdt, Hans Heinrich 126. 

Born, Wolfgang go, 

Botticello, Sandro del 83. 

Bramer, Leonaert 66. 

Brandenburg, Hans 63. 

Brandes, Georg 67. 

Brandt, Paul 137, 292. 

Brangwyn, Frank 68. 

Braun, Maria 28 3, 

Bredt, E, W, 66. 


Namen-Register 


zur 


Zeitschrift fir Biicherfreunde 


Neue Folge. 


Achtzehnter Jahrgang. 


1926 


Die kursiv gedruckten Zahlen verweisen auf das Beiblatt. 


Breitkopf, J. G. J. 135. 
Brentano, Clemens 275. 
Brod, Max 207. 
Bronnen, Arnolt 68, 
Brukner, Fritz 79, 279. 
Brust Alfred 286. 
Burdach, Konrad 279. 
Bury, Richard de 733. 


C 


Carossa, Hans 23. 

Cassirer, Ernst 138, 

Castle, Eduard 84, 279. 

Cellini, Benvenuto 25. 

Chesterton 64. 

Christoffel, Ulrich 284. 

Cohn, William 16. 

Conrad, Joseph 285. 

Corinth, Lovis 284. 

Cotta, Johann Friedrich Frei- 
herr von 26. 

Croce, Benedetto 69. 

Crous, Ernst 739. 

Curtius, Ernst Robert 209. 

Cysarz, Herbert 126, 


D 


Daftner, Hugo 132. 

Dante 132 

Dcetjen, Werner 114. 

Degas, Edgar 89. 

Deh mel, Richard 269, 280. 

Delmont, Joseph 266. 

Derome der Jüngere, Nicolas- 
Denis 25. 

Desaguliers, John Theophilus 92, 

Diehl, Robert 275. 

Diez, Ernst 218, 

Döblin, Alfred 62. 

Dörfler, Peter arr. 

Dosenheimer, Else 130. 

Drahn, Hermann 26. 

Droste-Hülshoff, Annette v. 27. 

Dülberg, Franz 28. 


E 


Ebcleben, Nikolaus von 82, 
Ebrler, Heinrich 268, 
Eidlitz, Walther 204. 
Einsiedel, Hildebrand von 114. 
Ellinger, Georg 3. 

Elster, Hanns Martin 62. 
Engelbrecht, Martin 240. 
Englisch, Paul 137, 28r. 
Erdmann, Karl Otto 210. 
Ermatinger, Emil 2rr. 279. 
Ernst, Paul 70, 287. 
Escher, Gertrud 272. 
Eulenburg, Karl zu 266, 


F 


Falke, Konrad 272, 
Feuchtwanger, Lion 199. 
Fielding, Henry 70. 
Fischer, S. 268, 277. 
Flake, Otto 269. 
Flaubert, Gustave 289. 
Fleuron, Svend 63, 205, 290. 
Fontane, Theodor 206. 
Franck, Hans 373. 
Frank, Hans 67, 203. 
Frank, Leonhard 273. 
Frank, Rudolf 9. 
Franzius, F. 228, 
Frels, Wilhelm 278. 
Freyhan, Max 731. 
Friedenthal, Richard arr, 
Friedlander, Max J. 139. 
Friedrich Wilhelm IV., König 
von Preußen 43. 
Frobenius, Leo 29. 
Fuchs, Eduard re, 
Fülöp-Miller, Rene 214. 


G 


Gardthausen, Victor 216. 
Gautier, Theophil 30. 
Geigy-Hagenbach 218. 
George, Stefan 26. 

Giese, Fr. 231. 

Glick, Heinrich 278, 
Gmelin, Otto 63. 

Gogol, Nikolaj Wassiljewitschyo. 
Goethe 22, 26, 70, 219, 279. 
Goetz, Hermann 70. 

Goeze, Johann Melchior 733. 
Graf, Cäcilie 220, 

Graf, Oscar 220, 

Grautoff, Erna 140. 
Grautoff, Otto 290. 

Gregor d. Gr, 73. 

Gregor, Joseph 285. 
Grimmelshausen, 75, 119, 211. 
Grisebach, Eduard 2. 
Grolman, Adolf v. r30. 
Großmann, Rudolf 220, 226, 
Gruner, Erich 274, 

Gundel, W. agr. 

Gurk, Paul 231, 

Gutenberg 276. 


H 


Häbler, Konrad 274. 
Hambruch, Otto 285. 
Hambruch, Paul 221, 234. 
Hamsun, Knut 222. 
Harich, Walther 7, 
Harwerth, Willi 273. 
Haukland, Andreas 199. 


Hauptmann, Gerhart 31,88,223 
Hebbel, Friedrich 130. 
Hecht, Torsten 33. 
Heimann, Moritz 269. 
Heinrich, Prinz von Preußen 25. 
Heise, Carl Georg 285. 
Henderson z207. 

Henning, Max 33. 

Henry, O. zor. 

Herder 233 

Hermann, Georg 71. 
Hesse, Hermann 218, 
Hessel, Franz 204. 
Hessenberg, Eduard 291. 
Heydemann, Viktor 34. 
Hildebrand, Dietrich v. 73. 
Hippe, Max 290. 
Hirschberg, Leopold 3, 11. 
Hitzig, Wilhelm 135. 
Hodler, Ferdinand 284. 
Hofer, Conrad 33. 

Hoffmann, E. T. A. I. 
Hoffmann, Heinrich (,,Struw- 
welpeter-Hoffmann‘‘) 297. 
Hoffmann-Kutschke, Gotthelf 


Hofmann, Johannes 241. 
Hofmannsthal, Hugo von 7o, 
Holbein, Hans d. J. 284. 
Holitscher, Arthur 77, 292. 
Hoyer, Thaddäus 237. 
Hüffer, O. M. 266. 
Hunziker, Rudolf 74. 
Husung, Max Joseph 25. 
Hutchinson, A, S. M. 199. 


I 


Iden-Zeller, Anita 288. 
Iden-Zeller, Oskar 288, 
Ihering, Herbert 7r. 
Ilse-Munk, Rosa 70, 
Istrati, Panait 270. 


J 


Jacobsen, Jens Peter 70. 
Jammes, Francis 287. 
Jansen, Heinz 37. 
Jensen, Johannes V. 289. 
Jesinger, Alois 273. 
Jobst, Hanns 224. 
Junghanns, Inga 274. 
Juvenal 73. 


K 


Kaiser, Georg 131. 

KaBner, Rudolf 70, 225. 

Kekule von Stradonitz, Stephan 
92, 


II 


Namen- Register 1925. 


Keller, Gottfried 33. 
Kemmerich, Max jr. 
Kennedy, Margaret 64. 
Kesser, Hermann 225. 
Kipling, Rudyard 288. 
Kiy, H. 205. 

Kleist, Heinrich von r29. 
Klemperer, Victor 278. 
Klenz, Heinrich 63. 96. 
Kluckbohn, Paul 226, 
Knoop, Gerhard Ouckama 226. 
Knótel, Paul 290. 

Kober, Margarete 128. 
Kohler, Rudolf 275. 
Kolb, Annette 226. 
Kollontay, Alexandra 202. 
Korner, Josef r29, 280. 
Kramer, Mario 227, 
Krasnopolski, Paul 95. 
Krausse, Jakob 56. 
Kugler, Franz 12, 

Kuhn, Franz 286. 
Kühnel, Ernst 80, 227. 


L 


Lagarde, Paul Anton de 227. 
Landrock 30, 

Laske, Oskar 85, 

Lassalle, Ferdinand 78, 
Lawrence, D. H. 228. 
Leacock, Stephen 74. 
Lehnert 80. 

Leidinger, Georg 276, 
Leip, Hans 289, 
Leitenstorfer, Hermann 147. 
Leonow, Leonid 205. 
Lerbs, Karl 291. 

Levetus, A. S. 68. 

Levy, E. 240. 

Lewis, Sinclair 64. 

Leyen, Fr, v. d. 237. 
Liebermann, Max 139, 271. 
Lieres, Vita von ror, 
Liliencron, Detlev von 229. 
Lissauer, Ernst 283. 
Locher, Johann 239. 
Lochner, Rudolf 75. 
London, Jack 266, 

Loerke, Oskar 229, 

Lotz, Arthur 45. 

Loubier, Hans 275. 
Loewenstein, Georg 135. 
Lübbe, Axel arr, 


M 


Maartens, Maarten 230. 

Maassen, Carl Georg von 2, 11. 

Mallon, Otto 275. 

Mann, Heinrich 76, 200. 

Mann, Thomas 70, 76, 135, 
arr, 268, 285, 289. 

Marcks, Erich 232. 

Marcuse, Herbert 77. 

Marks, Percy 65. 

Markwardt, Bruno 233. 

Marschalek, Otto 266. 

Masereel, Franz 285. 

Matbéy, Georg Alexander 221. 

Matthiessen, Wilhelm 203. 


Maussner, Karl 278. 

Maver, Anton 287. 

Mayer, Gustav 78. 

Maync, Harry 43, 280. 

Megerle, Ulrich (Abraham a 
Santa Clara) 253. 

Meid, Hans 243, 292. 

Menz, G. 142. 

Meyer, Conrad Ferdinand 142. 

Meyerfeld, Max 143. 

Mevrink, Gustav 288, 

Michaelis, Karin 78, 271. 

Minde-Pouet, Georg 129. 

Molo, Walter von 203. 

Montesson, Madame de 25. 

Moore, George 143, 200, 

Moreck, Curt 32. 

Morike, Eduard 43, 280, 

Morner, Birger 234. 

Moser, Hans Albrecht 202. 

Moser, Hans Joachim 281, 

Muller, Adam 235. 

Mueller, Guenther 234. 

Miller, Gg. Herm. 236. 

Müller, Hans von 1. 

Münchhausen, Börries Freiherr 
von 79. 

Munksgaard, Ejnar 274. 

Münsterer, Hanns Otto 272. 

Muschler, R. C. 204. 


N 


Nahabed Kutschak 22. 
Napoleon 26, 

Neckel, G. 217. 

Nestroy, Johann 79, 279. 
Neumann, Alfred arr. 
Nicolai, Friedrich 134. 
Nodier, Charles 274. 
Nora, A, de 65, 


O 


Obermaier, Hugo 29, 
Ollendorf, Oskar 284. 
Osborn, Max 276. 
Osborne, Walter C. 288. 
Ostenso, Martha 268. 


P 


Panizza, Oskar 274. 
Paquet, Alfons 272. 
Pestalozzi 290. 
Petsch, Robert 80. 
Peukert, Erich 200, 
Platen - Hallermünde, 
Graf von 237. 
Pocci, Franz 276. 
Polgar, Altred 205, 270. 
Ponten, Josef 271. 
Przywara, Erich 235. 
Púttmann, E. O. 202. 


R 


Rabus, Jakob 237. 
Ranke, Friedrich 208, 
Reinacher, Eduard 211. 


August 


Reinwald, Ignaz 56. 
Renoir, Auguste 69. 
Rheinhardt, E. L. 289. 
Richter, Jean Paul Friedrich 
116, 206. 

Ring, Barbara 268, 
Rodbertus, Karl 78, 
Roffler, Thomas 284, 
Rohde, Erwin 126, 
Rommel, Otto 79, 279. 
Roselieb, Hans 65. 
Rosenberg, Kathe 143. 
Ruppel, A. 276. 

S 
Salomon, Gerhard Sr. 
Salz, Arthur 275, 
Sander, Max 275. 
Sandmeier, J. 222. 
Schafer, Moritz 143. 
Schafer, Wilhelm 211, 278, 
Schaeffer, Albrecht 286, 
Schaffer, Jakob 198. 
Schaffner, Jakob 1741. 
Schaukal, Oskar 65. 
Scheffler, Karl 287, 
Schickele, René 198, 
Schiffer, E. L, 64. 
Schiffer-Williams, E. L. 74. 
Schlegel, August Wilhelm 280. 
Schlegel, Dorothea 729. 
Schlegel, Friedrich 129,143,280. 
Schlosser, Julius 81, 283. 
Schmarsow, August 83. 
Schmeljow, Iwan 143. 
Schmidt, Adolf 17. 
Schmidt, Ernst 67. 
Schnack, Friedrich 288. 
Schneider, Albert 84. 
Schneider, Alfred 113. 
Schnitzler, Arthur 203. 
Schobser, Hans 239. 
Scholz, Wilhelm von 287. 
Schónemann, Friedrich 238, 
Schott, Friedrich 230. 
Schott, Rolf 79. 
Schottenloher, Karl 237. 
Schulte-Kemminghausen, Karl 


27. 
Schulte-Strathaus, Ernst 276. 
Schulthei Karl M. 30. 
Schumann, Otto ar. 
Schwarz, Heinrich 735. 
Schwarzenberg, Friedrich Fürst 
84. 
Schwarzer, Otfried 290, 
Schwob, Marcel 287, 
Scott, Gabriel, 
Semeran, Alfred 25. 
Sensburg, Waldemar 144. 
Shaw, Bernhard 2or, 
Shakes; eare 85, 240. 
Siemer, Heinrich 202. 
Signorelli, Luca 73. 
Simon, Oliver 138, 
Singer, Hans Wolfgang 85. 
Slevogt, Max 86, 
Smital, Ottokar 33, 
Sodoma 73, 
Sondheim, Moriz 132, 133. 
Specht, F. 23r. 


Speter, Max 59, 119. 

Spiero, Heinrich 229. 

Spitteler, Carl 3a. 

Steffen, Walter 12. 

Stehr, Hermann 86, 286. 

Sternberg, Kurt 88, 

Sternheim, Carl 242. 

Stifter, Adalbert 32, 70, 130. 

Stoel, Otto 32. 

StrauB, Emil 243. 

Strauß, Ludwig 278. 

Strauß Torney, Lulu v. 511. 

Stuckert, Franz 129. 

Suezkint, der Jude von Trim- 
berg 272. 


T 
Taube, Otto Freiherr von 301. 
Tautz, Kurt 243. 
Tegethoff, Ernst 208. 
Tetzner, Lisa 283. 
Thiess, Frank 267. 
Thode, Henry 289. 
Tieck, Ludwig 85. 
Toller, Ernst 243. 
Torvius, Valerian 274. 
Trueb, Heinrich 271. 
Trúbe, Otto 243. 


V 


Verweyen, Jobannes M. 244. 
Viegener, Eberhard 213. 
Viertel, Berthold 287. 

Vigny, Alfred de 34. 

Vischer, Friedrich Theodor 28c. 
Vischer Robert 280. 
Volkmann, Ludwig 65. 
Vollard, Ambroise $9. 
Voltaire, 95, 275. 


W 


Wallace, Edgar 206. 
Walther, Friedrich Andreas 133. 
Walzel, Oskar 281, 222. 
Wassermann, Jakob 286, 293. 
Wegener, Hans 273. 
Weidenmann, Jakob 390, 
Weigel, Christoph 273. 
Werner, Zacharias 129. 
Wesse, Curt 145. 

Wesselski, Albert go, 
Widmann, Wilbelm 145. 
Wienke, Ernst 250, 

Wilde, Oskar 242. 

Winds, Adolf 145. 

Wolff, Friedrich 2rr. 
Wustmann, Gustav 23. 


Z 


Zaunert, P. 237. 

Zelizko, J. V. 90. 

Zimmer, Hans 35. 

Zobel von Zabeltitz, Max 21, 
Zweig, Stefan 70. 


A 


Adelsbibliotheken, 
146. 

Almanache 277. 

Antiquare, Adreßbuch der 276, 

Arbeit, Schaffende, und bil- 
dende Kunst im Altertum und 
im Mittelalter 292, 

Asiatische Kunst 16. 

Asien 292. 

Astrologie 291. 

Augsburg 240. 


Dinische 


B 


Barock 69. 

Barock und Rokoko in der 
deutschen Dichtung 279. 

Bibliophilendrucke 132. 

Bibliophilie 274. 

Bibliothek, Churfürstliche, zu 
Cölln an der Spree 247. 

Bibliothek, Die, des Nikolaus 
von Ebeleben 82, 

Bibliotheken, Die bayerischen 
144. 

Bibliothekswesen 223, 236. 

Bilderschrift und Bilderrätsel 
65. 

Bolschewismus 274 

Brentano-Bibliographie 275. 

Buchdruckerkunst 239. 

Bucheinband 25, 56, 205, 275. 

Bücher, Die illustrierten fran- 
zösischen, des 18, Jahrhun- 
derts 275. 

Bücher des Mittelalters 208. 

Buchgewerbe, Das, in den Trak- 
taten Etwas für Alle des P. 
Abraham a Santa Clara 273. 

Buchhandel, Der deutsche 742. 

Buddha in der Kunst des Ostens 
16. 

Bühnenkostüm, Das 285. 

Campe-Fraktur 134. 


C 


Constitutions of the Free-Ma- 
sons 92. 


D 


Dachreiter und verwandte chi- 
nesische Keramik 16. 


Schlagwort-Register 


zur 


Zeitschrift für Bücherfreunde 


Neue Folge. 


Achtzehnter Jahrgang. 


1926 


Die kursiv gedruckten Zahlen verweisen auf das Beiblatt. 


Dichtung, Deutsche bürger— 
liche, 1770—1870 287. 

Drama, Das deutsche 2gr. 

Dramaturgie, Aktuelle 7r. 


E 


Einband 25, 56, 205, 275. 
Erotische Literatur 127, 281. 


F 
Fälschungen, Literarische, und 
Mystifikationen 62, 96. 
Faust und die Kunst 219. 
Felsbilder, Urzeitliche, Klcin- 
afrikas 29, 
Felsgravierungen der afrikani- 
schen Buschmänner 90, 
Figurengedichte 21. 
Fraktur oder Antiqua? 134. 
Frankfurt a. M. 133. 
Frankreich, Das gegenwirtige 
290, 
Franzósischer Geist im neuen 
Europa 209. 
Freimaurerei 92. 


G 


Gegenreformation 69. 
Gemäldereproduktionen, far- 
bige 29. 
Germanisches Wesen 
Frühzeit 217. 
Germanistik r40. 
Geschichte und Gegenwart 232. 
Geschichte, Die, des deutschen 
Liedes vom Zeitalter des 
Barock bis zur Gegenwart 234. 
Gesellschaft der Bücherfreunde 
in Chemnitz 278. 
Gespensterbuch , 
220, 
Grabkeramik, Chinesische 16, 
Gutenberg-Jahrbuch 276. 


in der 


Japanisches 


H 


Handschriftproben 278. 

E. T. A. Hoffmann - Bibliogra- 
phie 8r. 

Hoftheater, Das, in Ballenstedt 
243. 

Humanismus 279. 

Humor und Humbug 74. 


I 


Inkunabelkunde 2734. 

Jean-Paul-Biographie 206. 

Jesussage 67. 

John Rylands-Bibliothek, Die, 
in Manchester 117, 

Juniperuspresse 141. 


K 


Kalender und Almanache 101, 
277. 

Kebler Voltaire-Ausgabe 275, 

Keramik, Chinesische 16. 

Kochbuch, Das erste hollän- 
dische gedruckte 3r. 

Kultur, Geburt der 88. 

Kulturgeschichte in 
darstellungen 3r. 

Kunst des Islam 278. 

Kunst,Die, des Mittelalters 283. 

Kunst, Die, des Osten 227, 

Kunst, Die, recht zu behalten 
210. 

Kunst und Wissenschaft der 
Gegenwart 279. 

Kunstbetrachtung, Verglei- 
chende 137. 

Kunstmarktes, Handbuch des 
276. 

Kunst- und Buchhandel in 
Augsburg 240. 

Kutschkelied 37. 


Einzel- 


L 


„Landesvater“ 28, 

Lederschnittbände des 14. Jahr- 
hunderts 17, 

Leipzig nach 100. 

Liebe in der Malerei 284. 

Liebeslegenden aus der Südsee 
227, 

Liebesmystik, Indische, des 
Mittelalters 70. 

Lied, Das deutsche 292. 
Lieder, Alte und neue, mit 
Bildern und Weisen 282, 
Literar, Vereinigung Winter- 

thur 74. 

Literatur, Die französische, von 
Napoleon bis zur Gegenwart 
278. 

Literaturwissenschaft 125. 

Literaturwissenschaft, Hand- 
buch der 222, 281, 


M 


Malcrei, Deutsche 28. 
Marchen 231, 283. 

Märchen der Indianer 231. 
Märchen, Lettisch - litauische 


23T. 

Märchen, Türkische 23r. 

Märchen-Dichtung der Roman- 
tiker 128. 

Märchendrama, Das deutsche 
128. 

Marienlegenden 272. 

Massenbeeinflussung in den 
Vereinigten Staaten von 
Amerika 238. 

„Merkur“ als Bezeichnung von 
Zeitschriften und Zeitungen 


34. 
Miniaturen, Mittelalterliche28 3, 
Modelbücher 45. 
Monogramm, Das alte 276, 
München 239. 
München zur Kurfürstenzeit 78. 
Musik, Geschichte der deut- 
schen 287, 
Mystik 244. 


N 


New York 266. 

Nordafrika 8o. 

Novelle, Geschichte der, in 
Deutschland 126. 


O 


Osterreichische Biographic 282. 


P 


Persönlichkeit und Gemein- 
schaft 236. 

Phys iognomis che Studien 225. 

Pilgerfahrt, Eine Münchner, 
im Jubeljahr 1575 237. 

Polen 62. 

Prostitution 735. 


R 


Rechtsfälle, Moderne 63. 
Reformation 279. 
Regie, Geschichte der 145. 


IV 


Schlagwort-Register 1925. 


Renaissance 279. 

Rindenstoffe, Oceanische 285. 

Rom 237. 

Roman, Der griechische 126, 

Romans, Geschichte des, in 
Deutschland 126, 

Romantik 128, 226, 

Rübezahlsagen 200, 

Rumanien 23, 

Rußland arg, 


S 


Schiller-Biographie 77. 
Schonheits-Ideal, Das weibliche 
32. 


Spenden aus der Weimarer 
Landesbibliothek 114. 


Sibirien 288, 

Simplizissimus-,, Flugblatter“ 
119. 

Schlesier des 18, und 19, Jahr- 
hunderts 290. 

Sprache und Mythos 738. 

Sprichwörtliche Redensarten 
23. 

Staatsauffassung der deutschen 
Romantik 226, 

Staatsbibliothek, 
66. 

Staatsphilosophie 275. 


Preußische 


Stammbuch, Ein, aus vier 
Jahrbunderten 241. 

Struwwelpeter 29r, 

Symbolum apostolicum. Block- 
buch 33. 

Szenische Kunst, Wiener 285. 


T 


Tell-Sage 145, 273. 
Tang-Plastik r6. 

Tausend und eine Nacht 33. 
Theaterdekoration, Die, der 
letzten Jahrhunderte 285. 

Tyl Ulenspiegel 66. 
Typographie 134, 138. 


V 


Verein „ Deutsche Buchkünst- 
ler“ 169. 


Vorstellung, Die, der Natur- 
volker vom Jenseits 234. 


W 


Weltdeutung in Grimmelshau- 
sens Simplicius Simplicissi- 
mus r. 

Werthers Leiden 733. 


UNIVERSITY OF CALIFORNIA LIBRARY - 


Los Angeles 
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JAN 2 8 1985 


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