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Full text of "Zeitschrift für deutsche Mundarten 6.1911"

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Inhalt. 


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Lautschrift . j 

Das Rätsel von Eiszapfen in den ‘piederdeutschen Mundarten. Von ‘Oskar Weise 

Erhaltung und Abwerfung des auslautenden -e im Altenburgischen. Derselbe 

Ordonnantie der Muir- en Timmer- Luiden van Embden 1745. Von Heinrich Deiter 

Die mundartliche Aussprache der Ortsnamen im alten Harzgau. Von R. Block 

Mundartliches aus Hohegeiß. Von Colmar Schumann 

Die Eigennamen des Dorfes Laubach, Kr. Cochem. Von Peter Wimmert . 

Mundartliches aus dem Hunsrück. Von Edmund Protsch 

Pfälzer Appellativnamen (Nachtrag). Von Philipp en 

Sprachproben aus Zipsen. Von Emrich Kövi. . 

Aus badischen Mundarten. Von Otto Heilig 

Lexikalische Beiträge. Von Othmar Meisinger.. . 

Lautlehre der rheinfränkischen Mundart der Sprachinsel Verbäsz in Südungarn. Von 
Heinrich F. Schmidt. 

Über nichtdeutsche Elemente in bayerischen Ortsnamen. Von Christoph Beck 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). Von Edmund Protsch 140. 


Die Tiroler Bauernbibel und Sebastian Sailer. Von A. Fuckel . 

Statuten der Clementiner Brüderschaft zu Emden aus dem Jahre 1698. Von Hein- 
rich Deiter . è ; 

Einige Statuta, Gesette vnd ‘Ordnungen “der Stadt Emden 1616. Derselbe. . . 

Die Mundart von Eilsdorf. Von R. Block . . s 

Pbonetische Beobachtungen an der Mundart des Marchfoldes in Nieder- Österreich. 
Von Anton Pfalz . 

Zur Lehre von der Betonung im Fgerländischen. Von J. ‚Schiepok 

»Sehen«e. Von August Gebhardt. En 

Der Ortsname Tissen. Von Remigius Vollmann 

Eine niederdeutsche Begribuisordnung aus Hildesheim vom Jahre 1; DC 3. Von Hein- 
rich Deiter ; 

Kleino Beiträge zur Geographie ‘der deutschen Mundarten. Von Emil Maurmann 

Über die schlesische Sprache Karl von Holteis. Von Friedrich Graebisch . 

Eine nn feststehender mundartlicher Redewendungen. Von Peter 
Wimmert . dee nt e 

Schwälmer Vornamen. “Von Wilhelm Schoof e 

Hessische Ortsnamen in mundartlicher Gestalt. Derselbo. : 

Die Kopjunktion »und« im Gebrauche der Mundarten. Von Oskar Weise 

Zum Wortschatz von Oberdorf. Von Oskar Philipp 

Die alpinen Ortsnamen mit Gund. Von Julius Miedel 


Bücherbesprechungen: 


Arno Schlothauer, Die Damenschnieder, bespr. von A. Fuckel 

Karl Heinz Hill, Pastille gege Grille, bespr. von Jakob Erdmann . 

Otto von Greyerz, Bärnerlüt, bespr. von E. Marti . 

C. A. Loosli, Use Drätti, bespr. von E. Marti . 

Simon Gfeller, Heimisbach, bespr. von E. Marti. . 

Karl Otto Erdmann, Die Bedeutung des Wortes, bespr. von Othmar Mei- 
singer . ; e 

StrauB, Der Brickegickel, bespr. von Othmar Meisinger 

Lohmeyer, Bearbeitung von Birkenfelder Kirchenbüchern, bespr. von Othmar 
Meisinger 

Friedrich Schön, Dehemm in \ Saarbrigge, bespr. ‘von Othmar ‘Meisingor 


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78 


IV Inhalt. 


Rudolf Kleinpaul, Die deutschen Personennamen, bespr. von Julius Miedel 

Joh. Nep. Schwäbl, Über Herkunft und Bedeutung der Regensburger Lokal- 
namen Prebrunn, Zur schönen Gelegenheit, Am Römling, Am EE 
Hunnenplatz, Sterzenbach, bespr. von Julius Miedel . . 

Christoph Beck, Die Ortsnamen des nun und des Gräfenberg- Erlanger 
Landes, bespr. von Julius Miedel . . 

August Kübler, Die deutschen Berg-, Flur- “und Ortsnamen des alpinen 
lller-, Lech- und Sannengebietes, bespr. von Julius Miedol g 

Oskar Weise, Unsere Mundarten, ihr Werden und ihr Wesen, bespr. von 
Philipp Lenz 

J. Tockert, Romanische Lehnwörter in der luxemburgischen Mundart, bespr. 
von O. Weise i 

René Engelmann, Der Vokalismus der Viandener Mundart, bespr. von O. Weise 

O. Heilig, Gedichte von Schiller in leicht faBlicher Lautschrift mit einleitender 
Aussprachelehre, bespr. von O. Weise . 

R. Wossidlo, Aus dem Lande Fritz Reuters, bespr. von 0. Weise. . 

Max Kutzscho, Übungen im ae und gofälligon Gedankenausdrucke, 
bespr. von O. Weise e e 

Lud. Grootaers, Het Dialect van Tongeren, bospr. von O. Weise . e 

W. Schoof. Schwälmer Ansiedelungen und Ortsnamen, bespr. von O, Weise 

Ludwig Sütterlin, Die deutsche “Sprache der Gegenwart, ein Handbuch für 
Lehrer, Studierende und Lehrerbildungsanstalten, bespr. von O. Weise 

Hans Schulz, Deutsches Wörterbuch, bespr. von O. Weise . ; 

Ludwig Anian Biró, Lautlehre der heanzischen Mundart von Neokenmarkt, 
bespr. von A. Pfalz 

Gorch Fock, Schullengrieper und Tungenknieper, bespr. von H. Teuchert . 

J. L. Gemarker, Wicheikus’ Käpp, bespr. von H. Teuchert . =. 

August Seemann, Hänn’n, bespr. von H. Teuchert . . 

Wörterbuch der Elberfelder Mundart nebst Abriß der Formenlehre und Sprach- 
proben, bespr. von J. Müller . 

A. Kaiser, Lautlehre der Mundart von Todtmoos- Schwarzenbach, bespr. von 
Othmar Meisinger . 

Lasch, Geschichte der Schriftsprache in Berlin bis zur Mitte des 16. Jahr- 
hunderts, bespr. von Othmar Meisinger . i 

R. Vollmann, Wortkunde in der Schuie, bespr. von Othmar Meisinger 

Scheiner, Die Schenker Herrenmundart, bespr. von Othmar Meisinger . 

Emanuel Friedli, Bärndütsch als Spiegel bernischen Volkstums, bespr. von 
O. Meisinger 

Fr. Veit, Die “Ortsnamen des Oberamts Balingen, bespr. von Julius Miedel 

Wilhelm Sturmfels, Die Ortsnamen Hessens, bespr. von Julius Miedel. 

nn ers Zur liechtonateinischen Ortsnamenkunde, me von Julius 

iede e 

Otto Kürsten und Otto Bremer, ‘Lautlehre doer Mundart von Buttelstedt 
bei Weimar, bespr. von O. W cise 

Carl Múller-Fraur eutb, Wörterbuch der obersächsischen und eragebirgischen 
Mundarten, bespr. von O. Weise . 

H. Loiseau, Contribution à l'étude de la langue da jeune Goethe d'après sa 
correspondance de 1764 à 1775, bespr. von O. Weise 

F. J. Bronner, Bayerisches Schelmenbüchlein, bespr. von Othmar Meisinger 

Theodor Rabeler, Niederdeutscher Lautstand im Kreise Bleckede, BDE von 


H. Teuchert. 
Mitteilangen s o vor i ac a e i a a a o a 7: 
Sprechsaal . De on en BNP en A nn ee kn A E ee 
Neue Bücher . . Lo nn... … 93. 188. 287. 
Zeitschriftenschau e, 94. 188. 288. 


Probe aus »Schriften in vogtländischer Mundarte 


Seite 
81 


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287 


Lautschrift 


der 


Zeitschrift für deutsche Mundarten. 


Um der Einheitlichkeit willen und zur Erleichterung des Satzes 
empfehlen die Herausgeber den Gebrauch der nachfolgenden einfachen 
Lautschrift. Es bleibt jedoch den Herren Mitarbeitern unbenommen, wenn 
sie triftige Gründe dazu haben, von der hier gegebenen Richtschnur im 
einzelnen abzuweichen und andere Zeichen zu gebrauchen. Über einige 
Punkte wird sich überhaupt nicht so leicht eine Einigung erzielen lassen, 
so über die Bezeichnung der süddeutschen stimmlosen Verschlußlaute b, d, g. 
Bei beabsichtigter Verwendung von weiteren Lautzeichen wolle man sich 
an die Herausgeber wenden. 

Große Anfangsbuchstaben bitten wir bei mundartlichen Wörtern 
und in mundartlichen Texten, sofern sie in unserer Lautschrift abgefaßt 
sind, nicht zu verwenden, auch nicht bei Eigennamen und im Satzanfang. 


Vokale. 


Kürze bleibt unbezeichnet. Länge ist durch Doppelschreibung 
zu bezeichnen: aa, ee, %, oo, uu; ebenso auch aat, eet usw. 


2 geschlossenes 2. å dunkles a. 

{ offenes 2. o geschlossenes o. 
e geschlossenes e. ọ offenes o. 

e offenes e. u geschlossenes u. 
æ sehr offenes e. % offenes u. 

a gewöhnliches, reines a. 

Mischvokale. 

ü geschlossenes ü. ö geschlossenes ö. 
ü offenes ü. ğ offenes ö. 


Überkurze Vokale. 
1, 9, ©, V (d. h. die Umkehrung von 2, e, ce, a). Man vermeide die An- 
wendung von kleinen Vokalzeichen, sei es auf, unter oder über der Linie. 
Zeitschrift für Deutsche Mundarten. VI. 1 


2 Lautschrift der Zeitschrift fúr deutsche Mundarten. 


Doppelvokale 
sind nicht durch Bindestriche auseinanderzureißen, man schreibe also nicht 
etwa kle-i — Klee (rheinfr.) oder gar kle-', sondern klei. 


Genäselte Vokale 


werden vor erhaltenem n, ng, m nicht als solche bezeichnet, andern- 
falls durch beigesetztes kleines *, z. B. vrat” = Wein (rheinfränkisch), klaa” 
== klein. 

Bei Doppelvokalen und langen Vokalen wird die Nasalierung nur 
einmal bezeichnet, also wat”, nicht war", klaa”, nicht klara”. 


Konsonanten. 
p, t, k stimmlose ungehauchte Verschlußlaute. 
ph, th, kh stimmlose gehauchte Verschlublaute. 
b, d, g stimmhafte Verschlublaute. 
m, w (Lippenlaute), f (Zabn- u. Lippenlaut, stimmlos), + (Zahn- u. Lippen- 
laut, stimmhaft); s (stimmlos), = (stimmhaftes s), 5 (stimmloses sch), 
z (stimmhaftes sch), j, n, is (= nhd. x); # (Kehlnasenlaut), z (ach - Laut), 
3 (stimmhafter Kehlreibelaut), e (¿ch-Laut); Zungen- und Zápfchen-"7 kónnen 
unterschiedslos durch r wiedergegeben werden, nötigenfalls wäre zwischen 
r (Zungen-r) und x (Zäpfchen-r) zu unterscheiden; l (dunkles / kann durch 
t bezeichnet werden); A. 

Tonzeichen. 

Haupttonzeichen *, Nebentonzeichen *. Weitere Abstufungen bleiben 

unbezeichnet. Bei Lángen kommt das Tonzeichen auf den ersten Vokal, 
also da, &e usw.; ebenso bei Doppelvokalen: di, du, dai, Out usw. 


Silbenbildende Konsonanten 


werden als solche in der Regel nicht gekennzeichnet. 


Das Rätsel vom Eiszapfen in den niederdeutschen 
Mundarten. 


Von Oskar Weise. 


Zu den Gegenständen, die im Niederdeutschen am häufigsten für 
Rätsel verwendet werden, gehört der Eiszapfen. Wegen seiner sonder- 
baren Gestalt und wegen des schillernden Glanzes fordert er die kind- 
liche Phantasie geradezu heraus. Daher finden wir auch eine ganze 
Reihe verschiedener Aufgaben, die sich mit ihm beschäftigen. So heißt 
es in manchen Gegenden: 

1. Dor keem en Mann ut Ruhrland!, de hadd en Ding as en Arm 
lang; dor keem dat lütt Mäten ut de Wisch (= die Sonne), de stött em 
an, dat he pißt (tropft). 

2. Hinner uns’ Kamer hängt en blanken Hamer?, Wer domit tim- 
mern kan, dat is en kloken Timmermann. 

3. Hinner unsern Hus hängt Peter Krus, Hedd nich Hut oder 
Hoor, so hängt he dor. 

4. Binnen blank, buten blank hängt de ganze Wand entlang. 

5. Blitzblank, Spannelang, sitt an’n Dak, hängt an de Wand, Die 
Sonne scheint, Blitzblank weint, Kind hält die Hand unter Blitzblank, 
die wird naß, Rat emal, was ist denn das? 

6. Was wächst im Winter und dorrt im Sommer? 

Vor allen Dingen aber gibt es eine Rätselform mit verschiedenen 
Variationen, die sich insofern mit der obengenannten dritten berührt, als 
das Wort krus (nhd. kraus), die Grundlage des Eigennamens Peter Krus, 
onomatopoetisch ausgestaltet wird. Da heißt es in der Osnabrücker 
Gegend: Achter usen Huse Sitt 'ne Krikrakruse. Je düller dat de Sünne 
schient, Je düller Krikrakruse grient. Offenbar hat hier das krause 
ÄuBere der vielzackigen Eiszapfen, die nebeneinander an der Wand 
hängen, die Veranlassung zu der sich an das Wort kraus anlehnenden 
Lautmalerei gegeben. In gleicher Weise wird derselbe Ausdruck bei 


1 Fúr Ruhrland findet sich auch Rohland oder Morgenland. 

? Dafür auch: Vör min Vadder sin Kamerdör hängt en blanken Hamer vör. 

3 Vgl. Achter usen Huse Stönd 'ne Ruckerukuse. Je düller as de Sünne schient, 
Je lüttker Ruckerukuse wörd: vom Schneemann. A. Brunk, Osnabrücker Rätselbüchlein, 
Beilage zum Osterprogramm des Ratsgymnasiums zu Osnabrück, 1910, S. 20. 


1* 


4 Oskar Weise. 


anderen Dingen verwendet, die auf die Phantasie einen ähnlichen Ein- 
druck hervorrufen; ich nenne z. B. die Brennessel, die Flachsknollen, den 
Krauskohl, den Bienenstock mit den durcheinander summenden Bienen, 
den Maulwurf mit seinen zackigen Bahnen, den durcheinander wirbeln- 
den Schnee und den Kothaufen. So sagt man im Braunschweigischen !: 
Hinner usen Huse Steit ne Krickelkruse, Je duller as de Wind weiht, 
Sik use Krickelkruse ? dreiht (Brauner Kohl), Hinner usen Huse Do steiht 
ne Krickekrackelkruse: Se mijet herin, Se schitet herin, Un wi stippet 
use Brot herin (Bienenkorb), Hinner usen Huse Ploiget Vadder Kruse 
Ohne Plaug un ohne Rad. Rat mal tau, wat is dat? (Maulwurf), und im 
Mecklenburgischen® vernimmt man folgende Rätselaufgaben: Achter 
unsern Hus steit Peter Krus, Hedd nich Hut oder Hoor, Liker steit he 
dor (Kothaufe)t und Achtern Hus steiht Peter Krus, Wenn man em an- 
fött, dann bitt he (Brennessel), endlich im Osnabrückischen: Kribbel- 
krabbelkruse Liggt achter usen Huse, Je düller dat de Sünne schient, 
Je düller Kribbelkrabbel grient (der Schnee); Achter usen Huse Liggt 
Krispelkraspelkruse, Je düller as de Sünne schient, Je düller Krispel- 
kraspelkruse® grient (Flachsknollen auf der Knollenbahn) und Achter 
usen Huse Steiht ne Krukukuse, Sei brennt ’n ganzen Dag Un sticket 
dat Hus nich an (Brennessel). 

Wunderbarer erscheint eine andere Form des Rätsels vom Eiszapfen. 
Sie lautet: Hinner unsern Hus Hängt ’ne Pimpampus, Wenn die liebe Sonne 
scheint, Dann die Pimpampuse weint, hat aber zahlreiche Varianten, die uns 
R. Wossidlo a. a. O. Nr. 45 verzeichnet, z. B. Pimpelpampelpuse oder 
-pause, Pammelpuse (-pause), Tinktanktuse (-tause). Sie zeigt, daß die 
Gesichtsempfindungen und Schallwahrnehmungen auf onomatopoetischem 
Gebiete eng zusammenhängen. Wie das Wort Bimmelbammelbummel 
von den läutenden Glocken auf die herabbammelnden, in beständiger 
Bewegung befindlichen Kinderbeine übertragen wird (vgl. umherbummeln), 
so werden hier die gleich solchen Beinen herabhängenden Eiszapfen mit 
lautmalenden Wörtern bezeichnet, eine Spracherscheinung, über die sich 
Wilh. Wundt in seiner Völkerpsychologie I, S. 323 ff. ausführlicher aus- 
gesprochen hat. Häufiger als Pimpampuse begegnet aber der Ausdruck 


1 Vgl. R. Andree , Braunschweiger Volkskunde, 2. Aufl. Braunschweig 1901, S. 492. 

? Dazu bemerkt Arthur Bonus, Rätsel II. Bd. (Zur Biologie des Rätsels, München 
1907, S. 222): »Hier ist die Form selbst zum Sprechen gebracht. Wie, indem sie wach- 
sen, die Blätter des Grünkohls sich kräuseln, so scheinen sie eine krause Sprache zu 
sprechen. Die wunderliche Form übersetzt sich in Ton.« 

3 Vgl. R. Wossidlo, Mecklenburgische Volksüberlieferungen I. Wismar 1897, S. 33. 

* Fast dieselbe Fassung begegnet uns für den Eiszapfen; vgl. oben Nr. 3. 

5 Beachtenswert erscheint die verschiedenartige Gestaltung des mit krus zusammen- 
gesetzten Wortes, das bald Ärikelkrakel heißt (an die Krikelkrakel des Kindes auf der 
Schiefertafel erinnernd), bald Aribbelkrabbel (das Durcheinanderkrabbeln malend), bald 
Krispelkraspel usw. 

€ Vgl. auch das Rätsel von der am Baum hin und her schwankenden Kirsche: 
Hinner usen Huse Hängt en roter Swippswapp usw. (vgl. Andree a. a. 0). 


Das Rätsel vom Eiszapfen in den niederdeutschen Mundarten. 5 


Perlepuse oder Perlepause mit den in verschiedenen Gegenden vorhande- 
nen Abweichungen Forlifuse (z. B. bei Holthausen, Soester Mundart, 
S. 108), Perlepule, Perlekruse (z. B. bei Wossidlo a. a. O.). Holthausen 
erklärt den ersten Bestandteil als gleich mit dem ersten von Firlefanz 
und hält den zweiten für den Namen der Spindel, der aus lateinisch 
fusus stamme (vgl. franz. fuseau), wohl mit Unrecht. Jedenfalls erinnert 
das Wort Perlepause lebhaft an litauisch blerbalas, das 1. den vom bren- 
nenden Talg- oder Stearinlicht herabhängenden Zapfen und 2. den Eis- 
zapfen bezeichnet. Aber unmöglich ist das deutsche Wort litauischen 
Ursprungs, sondern vielmehr umgekehrt das litauische aus dem Deut- 
schen übernommen und angelehnt an lit. blerbt, ein lautmalendes Zeit- 
wort (vgl. Leskien, Indogermanische Forschungen, Bd. XIII, S. 186). Das 
deutsche Wort hat vermutlich onomatopoetischen Charakter, wie auch 
schon O. Streicher in der Zeitschrift d. Allgem. Deutsch. Sprachvereins 
XVII, S. 112 ausgesprochen hat, wo er sagt: »Die Pirlepause, die hinter 
unserm Hause hängt und weint, wenn die liebe Sonne scheint, ein selt- 
sames Wortgebilde, das den Eiszapfen, den es bedeutet, auch versinn- 
bildlichen möchte, wenn ihn der warme Sonnenschein flimmernd und 
flirrend durchstrahlt und in perlenden Tropfen schmelzen läBt.« Ob 
freilich der erste Bestandteil von Perlepause von Haus aus etwas mit 
perlen zu tun hat, mag dahingestellt bleiben. Sicher ist, daß die beiden 
Teile des Wortes durch den Stabreim verbunden sind, wie dies so häufig 
bei lautmalenden Gebilden geschieht. Für den onomatopoetischen Ur- 
sprung spricht auch der Umstand, daß sich ganz ähnliche Zusammen- 
setzungen zur Bezeichnung eines Schallgeräusches finden: Purlepaus 
heißt ein berühmtes Geschütz Kaiser Maximilians I., Burlabaus erscheint 
als Name von Büchsen bei Uhland und Körner (vgl. Deutsches Wörterb. II, 
S. 544), Hurlibaus wird eine Kanone in Joh. Peter Hebels alemannischen 
Gedichten genannt (vgl. Ausgabe von O. Heilig S. 135). Im Mittelhochd. 
ist hurlebüs soviel als Lärm, Tumult (vgl. Deutsches Wörterb. IV, 2, 
S. 1967), im Neuhochd. erscheint das Wort Aurlepaus in verschiedenen 
Bedeutungen, z. B. im Alemannischen und Hessischen zur Bezeichnung 
der Kanone, des grollenden Donners, des Brummkreisels (vgl. Schweize- 
risches Idiot. IV, S. 1747, 1774).! Im Niederd. finden wir ein ähnlich 
klingendes Hurliputz, Schlag, Stoß bei Lauremberg (Scherzgedichte I, 384). 
Auch preußisch Barabaus (bei Frischbier) für ein Gespenst und einen 
lärmenden Großsprecher scheinen verwandt zu sein. Vermutlich ist diese 
ganze Wortgruppe ausgegangen von einem Verbalstamme kurren, der die 
schnelle Bewegung (vgl. Biirgers Lenore: Und hurre, hurre, hopp, hopp, 
hopp ging’s fort in sausendem Galopp), aber auch die lärmende Kund- 
gebung (vgl. hurra, Imperativbildung von hurren mit angefügtem ä) be- 
zeichnet und noch in verschiedenen Mundarten, wie der hessischen und 


1 Der Brummkreisel wird auch Hurlibus oder bloß Hurli genannt. Vgl. auch 
mhd. hurlahei Lärm, Tumult. 


6 Oskar Weise. Das Rätsel vom Eiszapfen in den niederdeutschen Mundarten. 


moselfränkischen, in lebendigem Gebrauche ist. Dafür ist dann burren 
eingetreten, das besonders vom Surren der Insekten gebraucht wird. Die 
zweite Worthälfte von Perlepause kann mit mhd. büz, Schlag, Stoß 
zusammenhängen. 

Aber nicht bloß von Schallgeräuschen werden die in Frage stehen- 
den Wortstämme verwendet, sondern auch von schnellen Bewegungen 
und hastigen, sich überstürzenden, leidenschaftlichen Menschen, auch 
außerhalb Deutschlands im Englischen und Französchen. So heißt an 
der oberen Nahe ein Kind, das unüberlegt und unbeständig, schnell in 
Entschlüssen und Handlungen ist, Hurlibaus!, in Berlin ein leichtsinniger 
Mensch ein Hurlibusch (oder Houridou), im Moselfränkischen ein ober- 
flächlich darüberhinarbeitender Mensch Hurledurle, im Nösnischen ein 
oberflächlich und rasch arbeitendes Frauenzimmer Hurredurre?; im Eng- 
lischen bedeutet hurlyburly aufrúhrerisch, im Französischen hurluberlu 
überstürzt, hastig, im Holsteinischen hurl überstürzt, aufgebracht, und 
in verschiedenen Gegenden Mitteldeutschlands, z. B. im Altenburgischen, 
hurlepurle übereilt, Hals über Kopf.* 

Aus alledem ergibt sich, daß die Stämme perle, pörle, purle und 
pause nicht selten im lautmalenden Sinne gebraucht werden. Doch bleibt 
es immer noch auffällig, daß sie gerade zur Bildung eines Begriffes wie 
Eiszapfen verwendet worden sind. Möglich ist es, daß dieser ursprüng- 
lich nicht von seinem schillernden Glanze so benannt worden ist, son- 
dern von dem Geräusch, mit dem er zu Boden stürzt, wenn er infolge 
der warmen Sonnenstrahlen erweicht, und daß erst später Anklang an 
perlen stattgefunden hat. 

Und nun noch ein Wort über das Verbreitungsgebiet des Rätsels'! 
Es ist in Niederdeutschland überall heimisch von Westfalen bis nach 
Ostpreußen, südwärts aber findet man es nur vereinzelt außerhalb des 
altsächsischen Bodens. Der südlichste Punkt, bis zu dem ich es verfolgen 
kann, ist die Stadt Werdau im Königreich Sachsen, für die es von 
Dähnhardt, Volkstümliches aus dem Königreich Sachsen I, S. 61, bezeugt 
wird in der Form: Hinter unserm Hause Hängt ne Bimbambause, Wenn 
die liebe Sonne scheint, Unsere Bimbambause weint. Doch da Dähn- 
hardt seinen volkstümlichen Stoff lediglich aus dem Munde der Leipziger 
Thomasschüler gesammelt hat und er dieses Rätsel nur von einem Wer- 
dauer Schüler vernommen hat, so ist sehr leicht möglich, daß dieser 
einer aus Niederdeutschland nach Sachsen gezogenen Familie entstammt. 


! Vgl. Zeitschrift des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde II. 
(1905), S. 307. 

? Vgl. Kisch, Vergleichendes Wörterbuch der nösnischen und der moselfránkischen 
Mundart, S. 113. 

® Vgl. Schütze, Holst. Idiot. II, 75. 

* So findet es sich auch in der Bedeutung einer die überstürzende Eile malenden 
Interjektion bei Goethe, Bürger und Immermann. 





Oskar Weise. Erhaltung und Abwerfung des auslautenden -e im Altenburgischen. 7 


Erhaltung und Abwerfung des auslautenden -e 
im Altenburgischen. 


Von Oskar Weise. 


Wenn man eine Linie von Ostfriesland an Aurich und Oldenburg 
vorbei über Verden, Celle und Tangermünde, an der Südgrenze der 
Priegnitz und Uckermark entlang nach Posen zieht und eine zweite vom 
Siegerlande über Dillenburg, Marburg, Schmalkalden längs des Thüringer- 
waldes und Erzgebirges nach dem Riesengebirge, so erhält man ein 
Ländergebiet, in dem von altersher das auslautende -e gewahrt worden 
und bis auf den heutigen Tag im ganzen und großen fest geblieben ist.! 
Innerhalb dieses Bezirkes, im östlichen Mitteldeutschland, hat auch Luthers 
neuhochdeutsche Schriftsprache ihre Heimat. Daher ist es begreiflich, 
daß sich in dieser das End-e in weit größerem Umfange erhalten hat 
als in den nördlich und südlich von den angegebenen Linien gelegenen 
Landschaften Nieder- und Oberdeutschlands. Wenn dies aber nicht in 
. dem gleichen Maße der Fall ist wie in den ostthüringischen, obersächsi- 
schen und schlesischen Mundarten, so erklärt sich das hauptsächlich aus 
den Einwirkungen der Analogie und des Akzents, zweier Mächte, die in 
der Schriftsprache auf dem in Rede stehenden Felde viel wirksamer 
gewesen sind als in den lebenden Dialekten. 


So ist -e schriftsprachlich geschwunden: 


1. In den auf nebentonige Silben folgenden unbetonten Endungen, 
z. B. in Wörtern wie Schultheiß (mhd. schultheize), Mundschenk (mhd. 
schenke), Steinmetz (mhd. steinmetze), Truchseß (mhd. truhsaeze), Herzog 
(mhd. herzoge), Armut (mhd. armuote), Königin (mhd. küniginne) und 
anderen Wörtern auf -in, Lehrer (mhd. léraere) u. a. Wörtern auf -er, 
Finsternis (mhd. vinsternisse) u. a. Wörtern auf -nis, Forderung (mhd. vor- 
derunge) u. a. Wörtern auf -ung, lebend (mhd. lebende) u. a. Partizipien 
des Präsens. 


2. Bei einfachen Wörtern, die ziemlich oft in Zusammensetzungen 
nach Art von Nr.1 vorkommen, z.B. Schenk (Mundschenk), Bär (Eisbär). 


t Es gibt aber auch anderswo noch einzelne Stellen, an denen sich -e behauptet 
hat, z. B. im östlichen Tirol, wo man unter anderem sagt: Hitte (Hütte), Sehaire (Scheuer), 
Priefunge (Prüfung), schwäre (schwer). Vgl. P. Lessiak, Zeitschr. f. d. Mundarten I 
(1906), S. 314 und H. Schatz, Zeitschr. d. Ferdinandeums zu Innsbruck 1903, S. 49 ff. 
Im Königreich Sachsen dringt der Gebrauch dieses -e weiter nach Süd(westjen ins 
Erzgebirge und Vogtland vor, also in Gegenden, die von Franken besiedelt sind und das 
auslautende -e sonst wie das Mainland abwerfen; vgl. O. Brenner, Beiträge z. Geogr. d. 
deutsch. Mundarten III, S. 72. O. Philipp, Die Zwickauer Mundart, 8. 41. 

? Das ostmitteldeutsche und schriftsprachliche -e wurde von den süddeutschen 
Katholiken besonders deshalb so verabscheut, weil es der Sprache Luthers eigentümlich 
war., Man nannte es geradezu das lutherische -e. 


8 Oskar Weise. 


3. In den als Titel gebrauchten Wörtern, die deshalb keinen Nach- 
druck haben, weil der Ton auf den folgenden Namen gerückt wird, z. B. 
Fürst Bismarck (mhd. vürste), Graf Moltke (mhd. grâve), Prinz Eugen 
(mhd. prinze = frz. prince). 

4. In Schimpf- und Kosewörtern, bei denen die Endung dadurch 
beeinträchtigt ist, daß die Stammsilbe nachdrucksvoll hervorgehoben wird, 
z. B. Narr, Lump, Geck, Tor; Kunz, Fritz, Heinz u. a. 

Ferner steht fest, daB die schwach biegenden Namen lebender 
Wesen ihr -e gern festhalten, schwach biegende Sachbezeichnungen aber 
häufig verlieren. Daher heißt es: Bürge, Neffe, Knabe, Bube, Heide, 
Götze, Hase, Drache, Löwe, Affe, Rabe usf., aber Fels, Ball, März, 
Mai, Stern, Mond, Halm, Reif (pruina) usw., Ausdrücke, die nach Ver- 
lust des -e in die starke Biegung übergetreten sind. 

Außerdem gilt das Gesetz, daß nach stimmhafter Muta oder Spirans 
-e zäher festgehalten wird, als nach anderen Konsonanten, vermutlich 
nur deshalb, weil die betreffenden Laute ihren Stimmton nicht verlieren 
und nicht stimmlos werden sollen. Daher finden sich nebeneinander 
Formen wie Gewölbe. Gebäude, Gehege, Getöse und Gewächs, Gewicht, 
Gesetx, Gebüsch, Gemäuer, ebenso neben märbe, müde, träge Formen ' 
wie fest, dick, süß, leer.‘ 

Wesentlich anders liegt die Sache in den ostmitteldeutschen Mund- 
arten der Gegenwart. Denn hier sind die oben genannten Regeln für die 
Behandlung des Wortausgangs entweder gar nicht oder nur mit Ein- 
schränkung maßgebend gewesen. Wir können daher unterlassen, von diesen 
Regeln auszugehen, und die hier in Frage kommenden Wörter nach ihrem 
Charakter und ihrer Geltung als Substantiva, Adjektiva usw. betrachten. 
Dabei läßt sich erkennen, daß die ostmitteldeutschen Länder zwar im 
einzelnen voneinander abweichen, in der Hauptsache aber übereinstimmen. 
Jedenfalls ist dies die Gegend, von der O. Brenner in seiner Schrift über 
die Mundarten Bayerns S. 58 sagt: »Während der Abfall des Endungs-e 
im Nordwesten weit über Bayern und die Pfalz rheinabwärts geht, beginnt 
im Nordosten nicht allzuweit von der bayrischen Grenze die redselige 
Gegend, wo man Bette, schöne, dicke sagt, wo der Mensche einen Kopp 
hat und der Suldade zu Färe (Pferde) sitzt. Da dürfte es sich denn 
der Mühe lohnen, einmal alle Abweichungen von der nhd. Schriftsprache 
zu prüfen und im einzelnen festzustellen, bei welchen Wörtern -e bleibt 
oder gar hinzutritt. Dabei beschränke ich mich auf die altenburgische 
Mundart, d. h. den Sprachgebrauch des altenburgischen Ost- und West- 
kreises mit Ausnahme der an der Südgrenze gelegenen kleinen fränki- 
schen Bezirke. 


1 Genaueres darüber bei O. Bebaghel, Germania XXIII, S. 265 ff., K. v. Bahder 
(Die E-abstoBung beim deutschen Nomen), Indogerm. Forschungen IV, S. 352 ff., Bo- 
junga, Die Entwickelung der nhd. Substantivflexion, S. 155—160, O. Wilmanns, Deutsche 
Gramm. I, S. 259 ff., H. Molz, Beiträge von Paul und Braune, XXVII, S. 326 ff. 





Erhaltung und Abwerfung des auslautenden -e im Altenburgisehen. H 


I. Substantivum. 


1. Maskulinum. 

Das -e hat sich erhalten bei einer Anzahl schwach biegender Wörter 
im Nominativ des Singulars, nämlich: Hirte, Herre (auBer in Titeln), 
Narre, Schulze (= Schultheiß), Schütze (auch Flurschütze), Bäcke (mhd. 
becke, Bäcker), Höke (mhd. hucke, Höker), Pfarre (mhd. pfarre, Neben- 
form zu pfarraere), Ochse, Gecke; Mensche wird nur als Neutrum in der 
Bedeutung eines liederlichen, schlechten Frauenzimmers mit -e gebraucht, 
als Maskulin (= homo) ohne e. In dem Ausruf Gottegott! oder Gittegstt! 
ist das e Abschwächung der Interjektion o (o Gott) Zahlreiche andere 
Wörter wie Graf, Fürst, Lump, Mohr, Prinz, Schelm, Pfau, Star, Hahn, 
Schwan, Käfer haben nie ein -e. 

Von Kurz- und Koseformen der Eigennamen sind hier zu nennen 
Fritze (von Friedrich), das auch als Vorname sein -e behält, während 
dies bei Heinze, Hinze, Kunze, Götze, Dietze u.a. nur dann der Fall 
ist, wenn sie als Familiennamen gebraucht werden. Eine besondere Art 
von Kurzformen sind Lude (Ludwig), Ede (Eduard), Nande (Ferdinand), 
Friede (Friedrich) und darnach auch Görge (Georg).? 

Ursprüngliche Adjektiva, die zu Personennamen geworden sind, 
haben -e wie die attributiven Eigenschaftswörter, z.B. Kleine (= der 
kleine Mensch), Große, Rote, Schwarze, Kurze, Lange, Weise, Kluge u. a. 

Nach dem Muster von Fremdwörtern, die ihr -e behalten haben, 
wie Ede (frz. aide, Partner im Spiele), Eleve (frz. élève), Barbare (frz. bar- 
bare), Kamerade (frz. camarade), Invalide (frz. invalide), sind dann auch 
französische, lateinische, griechische u. a. Fremdwörter behandelt worden, 
denen eigentlich kein -e zukommt. So haben diese Endung angenommen 
Advokate, Soldate, Renommiste, Kopiste, Infanteriste, Artilleriste, Juriste, 
Studente, Lieferante, Elefante, Komödiante, Demokrate, Prophete, Patriote, 
Konfirmande, Vagabunde, Leoparde, Theologe, Kannibale, Ulane, Husare, 
Tyranne, Katholike, Polacke, Halunke, Kosacke.® 


2. Neutrum. 

Von sächlichen Hauptwörtern zeigen eine besondere Vorliebe für 
die Endung -e die mit der Vorsilbe -ge gebildeten, von denen es zwei 
verschiedene Arten gibt: a) solche, die eine sich häufig wiederholende 
und darum meist unliebsame Handlung bezeichnen, wie das (relaufe, 
Gerenne, Gespringe, Gexerre, Geschimpfe, Geschreie, Geschmeiße, Gerede, 


t Irrtümlich nimmt K. Franke in Bayerns Mundarten I, 267 an, das stark biegende 
Wort Gott (mhd. got) habe sich hier an schwach biegende angelehnt. 

?® Ähnliche Koseformen finden sich auch beim weiblichen Geschlecht: Trude (Ger- 
trud), Hedde (Hedwig), Hilde (Mechthilde), Nesse (Agnes), Lise (Liesbeth), Suse (Susanne), 
Fränze (Franziska) u. a. 

® Ebenso gebildot sind zahlreiche andere wie: Protestante, Musikante, Assistente, 
Abonnente, Kandidate, Petiste (Pietist) usw. Die meisten gehen also auf einen T-Laut 
aus; dagegen erhalten nie ein epenthetisches -e die Fremdwörter auf -er (-or), wie 
Rekter (rector), Professer (professor). 


10 Oskar Weise. 


Gebármele, Gesteche, Gereife, Gefitze, Gesuche, Gealbere, Geschreibe, 
Gelache usw. usw. b) Nicht so zahlreich wie diese, aber immerhin noch 
in großer Menge, treten uns die Substantiva der anderen Gruppe ent- 
gegen, die Sammelbegriffe (Kollektiva) zu Appellativen bilden, z. B. 
Gedärme (von Darm), Geschühche (von Schuh), Gemätsche (von Matsch), 
Getränke (von Trank), Gemüte (von Mut), Gewürze (von Wurz, Würze), 
Gefälle (von Fall), ferner Gelenke, Gesichte, Geschirre, Genicke, Genaste, 
Gesteche, Gewüchse neben Gewächse, Gewichte, Gerüste u. a.! 

Von anderen Neutris sind hier zu nennen: das Öle (mhd. öle), das 
Ohre (mhd. öre), das Herxe (mhd herze) im eigentlichen und übertrage- 
nen Sinne (= Mut), das Stücke (mhd. stücke)?, das Bette (mhd. bette), das 
Hemde (mhd. hemede). Bei Kreuz wird ein Unterschied gemacht: es 
behält -e, wenn es den Rücken des Menschen bezeichnet (z. B. mir tut 
mein Kreuze weh), es verliert aber die Endung, wenn ein hölzernes, 
steinernes oder metallenes Kreuz gemeint ist. 


3. Femininum. 


Aus der Zahl der weiblichen Wörter, die ihr -e abweichend von 
der Schriftsprache erhalten haben, erscheinen zunächst beachtenswert 
die auf -ung, die mehrfach diese Endung so umgestaltet haben, daß aus 
ahd. -unga, mhd. -unge mit Unterdrückung des n bloßes -ge (che, je) ge- 
worden ist. Das geschieht z.B. bei Dämmerje (mhd. demerunge), Benehmje 
(Benehmung, Benehmen), Menje (Meinung) u. a. Ab und zu ist das n 
noch bewahrt, z. B. in Beschernje neben Bescherje (Bescherung), öfter ist 
aus -je ein -chen geworden unter Einwirkung der Verkleinerungswörter 
auf -chen, so regelmäßig bei Achtchen (Achtung), z. B. in der Verbindung 
gib Achtchen (paB auf!). In größerem Umfange läßt sich die in Rede 
stehende Erscheinung im Obersächsischen und Schlesischen nachweisen. 
So zählt K. Müller in der Zeitschr. f. d. Mundarten 1907, S. 29 als ober- 
sächsisch auf: Bedeutche (Bedeutung), Beerdche (Beerdigung), Besichtche 
(Besichtigung), Verlobtche (Verlobung), Sammiche (Versammlung), Nah- 
riche (Nahrung), Sättiche (Sättigung), Warntche (Warnung), und K. Wein- 
hold, Deutsche Dialektforschung, S. 101, verzeichnet als schlesisch 
Ladche (Ladung), Simriche (Sömmerung, Sommersaat), Verzähliche (Erzäh- 
lung), Vorstelliche (Vorstellung), Witziche (Witzung), Zahliche (Zahlung) u. a. 
Vgl. auch Albrecht, Leipziger Mundart, S. 23. 

Von anderen weiblichen Wörtern nenne ich Bahne, Weg zum Gehen 
oder Fahren (mhd. bane) neben Eisenbahn, Kegelbahn, Türe (ahd. turi, 
mhd. tür), Hemde (mhd. heimuote, Heimat), Sterne (mhd. stirne), Mittc- 
woche (mhd. mittewoche), Äirmse (mhd. kirmesse = Kirchmesse); dagegen 


4 Hierher gehören auch Glücke und Unglücke. 

? Doch verliert das Wort Stück sein -e in Verbindungen wie e Stücker zwanzig 
= ein Stück oder zwanzig, wo oder zu er zusammengeschrumpft und mit Stück zu einem 
Worte verwachsen ist. 


Erhaltung und Abwerfung des auslautenden -e im Altenburgischen. 11 


haben die weiblichen Wörter auf mhd. -inne wie vürstinne (Fürstin), 
vinsternisse (Finsternis) ihr -e eingebüßt, ebenso das Wort Herde in 
bestimmten Verbindungen wie eine ganze Herd Leute = eine große Zahl 
von Menschen.! 

Häufiger hat sich das -e in Fremdwörtern behauptet wie in Mustke 
(frz. musique), Fabrike (frz. fabrique), Butike (frz. boutique), Kondewitte 
(frz. conduite), Forsche (frz. force, mecklenburg. Forsch), Schwite (frz. suite, 
mecklenburg. Swit), /abete (frz. la bête, Spielerausdruck aus dem Karten- 
spiel), Föße (Fehle beim Kartenspiel = frz. fausse), und in zahlreichen 
Wörtern auf -age, wie Blamasche, Renommasche, Visasche, Kledasche 
(Kleidung), Fressasche (Gesicht = Fresse). 

So bekommen auch ab und zu Wörter die Endung -e, die in der 
Mundart ihr Geschlecht gewechselt und aus männlichen oder sächlichen 
zu weiblichen geworden sind, wie die Federkiele, die Wagenteere (der 
Teer), die Biere (Gerät zum Breitschlagen des Lehmes usw. = mhd. ber, m., 
Bär von bern, schlagen), die Alaune (das Alaun, lat. alumen, n.); die 
Bachsterze = Wackstert, Wackelschwanz ist eine Mischform von Bach- 
stelze und Wackstert (vgl. ndd. stert, Sterz, Schwanz). Wermte, der 
Wermut, entspricht der mhd. weiblichen Form wermüete.? 

Wie in der Schriftsprache hat das -e einen festen Stand in den 
Abstrakten auf -e (ahd. -î), wie Güte (ahd. guoti), Liebe (ahd. liubi), 
Breite (ahd. breitî) u. a., sowie in den Abstrakten auf -de (ahd. -ida), wie 
Längde (ahd. lengida), Diekde (ahd. dickida), Höchde (ahd. hôhida), Seigde 
(Seige, Urin), Teefde (= Täufde, ahd. toufât neben toufâ und toufi, Taufe). 
Ebenso bleibt -e in Ortsnamen, wo es aus -a, -au und anderen Lauten 
hervorgegangen ist, z. B. in Jene (Jena), Gere (Gera), Rode (Roda), Kahle 
(Kahla), Werde (Werdau), Zwicke (Zwickau), Zwenke (Zwenkau) u. a. 

Hatten wir es bisher mit Wortformen im Nominativ (bez. bei Neutris 
im Nominativ und im Akkusativ) zu tun, so gilt es nun auch der anderen 
Biegungsfälle zu gedenken, in denen die Altenburger Mundart abweichend 
von der Schriftsprache das -e festhält. Das ist zunächst der Fall beim 
Dativ des Singulars männlicher und sächlicher Wörter. Hier finden wir 
es bei ein- und mehrsilbigen Stämmen, bei einfachen und zusammen- 
gesetzten Substantiven, bei heimischen und Fremdwörtern, gleichviel ob 
die betreffenden Ausdrücke auf einen Konsonanten oder auf einen Vokal 


1 Auch in Ortnamen hat sich das e ursprünglich weiblicher Wörter öfter zu er- 
halten vermocht, wo die offiziello Schreibung kein -e kennt, z. B. bei den beiden in der 
Nähe von Eisenberg gelegenen Ortschaften Tannecke (= Friedrichstanneck, an der Ecke 
des Tannenwaldes gelegen) und Hainspitxe (Hainspitz, an der Spitze des Hains gelegen). 
Im Neumärkischen werden Substantiva mit auslautendem ü oder i häufig um dieses -e 
bereichert, z. B. Kúe, Súe, Frúe, Slie; dasselbe gilt von anderen Wörtern wie wite 
(wo), hie (hier); vgl. H. Teuchert, Zeitschr. f. d. Mundarten, 1908, S. 47. 

* 2.B. in dem Spruche: Mag’s Glück auch noch so süße sei, ein Tröpfchen 
Wermte fällt doch nei. Doppelformen mit verschiedenem Geschlecht liegen nebenein- 
ander bei der Ritz und die Rıtze, der Zacken und die Zacke; für das Haar heißt es 
die Haare, für das Huhn die Hühne. 


12 Oskar Weise. 


endigen, gleichviel ob der in Frage kommende Konsonant eine Muta oder 
Liquida! ist. Sogar Personennamen sind nicht von dieser Regel aus- 
genommen. Daher heißt es: im Schneee, vom Kie, beim Pfaue, aus dem 
Teee, in dem Strohe, im Mate, im Märze, im Aprile, am Abende, mit 
jemande, mit niemande, am Bahnhofe, zum Zwiebacke, dem Madwolfe 
(Maulwurfe), Zaunkönige, Kaufmanne, Rucksacke, mit dem Backtroge, 
Schafskopfe, Feuerzeuge, Frühstücke. 

Ebenso werden Fremdwörter behandelt, z.B. dem Kanapée, dem 
Kakadue, Etuie, Logie, Büröe, Filue, Fidibusse, Spiritusse, Ballonge, 
Balkonge, Billette, Bangenette (Bajonett), desgleichen die Buchstaben- 
namen, z. B. mit einem Ae, Bêe, Effe, Hae usw. und Familiennamen wie 
Schmidte, Lehmanne, Wielande, Neumanne, oder Vornamen wie Franze, 
Emile, Roberte, Heinriche, Maxe, Kurte, Gottliebe, Melchere (Melchior), 
Ottoe.? 

Besonders zu beachten sind Formen wie Vormittge = vor Mittage, 
am Vormittage, Nachmittge — nach Mittage, am Nachmittage, am Montge 
(Montage), Dorschtge (Donnerstage), Dinstge (Dienstage), Freitge (Freitage), 
Suntge (Sonntage), derhéme (daheim, im Heime), Großensteine (Ortsname 
- Grofenstein = zum großen Steine), Schmölle (Ortsname Schmólln, urkund- 
lich Smulne); ferner mit Neschte = mit nichts, mit dem Schiebekarrne 
= mit dem Schubkarren, im Grame = im Graben (gesprochen Grám), 
uín Bunne (auf dem Boden = Bunn), im Weene (im Wagen = Ween), 
bei dem Reene (bei diesem Regen = Reen), mit dem Neele (mit diesem 
Nagel = Neel). Ob die Form Punkte in Verbindungen wie Punkte dreie 
als Dativ zu erklären ist (= mit dem Punkte; vgl. mit dem Schlage) oder 
aus der schwachen mhd. Nebenform punkte, mag dahingestellt bleiben. 

Dagegen sind dem Altenburgischen Formen fremd, wie sie im 
Osterländischen zwischen Zeitz und Weißenfels vernommen werden, näm- 
lich Dative auf -e von Wörtern auf -en, z. B. dem Kisene (Eisen), 
Kissene (Kissen), Anliegene, Vermögene, Töpfchene, Stückchene.® 

Im Nominativ, Genetiv und Akkusativ des Plurals erscheint mehr- 
fach -e abweichend vom Neuhochdeutschen in heimischen und Fremd- 
wörtern, jenes in Zre=Eiere, Eier*, Neele= Nägel, Weene= Wagen und 


ı Eine Ausnahme bilden nur die Wörter auf -er, -el und zum Teil -en, z.B. 
dem Meister, dem Hammel, dem Morgen. 

2 In der Umgangssprache tritt bei Eigennamen immer die schwache Biegungsform 
auf -en ein, z. B. ich habe es Schmidten, Emiln, Maxen usw. gegeben. 

8 Vgl. E. Trebs, Zeitschr. f. hd. Mundarten, 1901, S. 357. Nach Michel u. Stephan, 
Methodisches Handbuch zu Sprachübungen, S. 76, soll sich ein solches -e in sächsisch- 
thüringischen Mundarten auch bei Wörtern auf -er finden, z. B. dem Wassere, im Alten- 
burgischen ist dies aber nicht üblich. 

4 Dieses -e findet sich nicht selten bei volkstümlichen Schriftstellern des 16. und 
17. Jahrhunderts in männlichen und sächlichen Wörtern wie Meistere, Kleidere nach 
Analogie von anderen Ausdrücken, die nach der mhd. Regel -e haben. Es begegnet auch 
in nd. Mundarten wie der von Besten im Kreise Teltow: epele (Äpfel), biekere (Bücher); 
vgl. Jahrbuch des Vereins f. nd. Sprachf. XXXIII, S. 23. 


Erhaltung und Abwerfung des auslautenden -e im Altenburgischen. 13 


bei den Buchstabenbezeichnungen die Ae, Bée, Effe usw., dieses bei Aus- 
drücken wie Omnibusse, Optikusse, Logie, Billette u. a. 


II. Adjektivum. 


In Betracht kommt hier nur das prädikative Eigenschaftswort, da 
das attributive selten ohne Endung erscheint und in diesem Falle, wie 
öfter beim Neutrum geschieht, kein -e aufweist. Denn man sagt e schê 
Haus (ein schónes Haus), e klé Haus (ein kleines Haus), dagegen nicht 
dünne Papier, grüne Gras, feste Holz, auch nicht dünn Papier, grün . 
Gras, fest Holz, sondern immer dünnes Papier, grünes Gras, festes Holz. 
In prädikativem Gebrauche findet sich -e bei böse (ahd. bösi), dürre 
(ahd. durri), süße (ahd. suozi), dünne (ahd. dunni), enge (ahd. angi), strenge 
(ahd. strangi), träge (ahd. trâgi), blöde (ahd. blôdi), schöne (ahd. scôni), öde 
(ahd. ôdi), zähe (ahd. zähi) neben zack (im Sinne von geizig), grüne (ahd. 
gruoni), Zrübe (ahd. truobi), bequeme (ahd. biquâmi), müde (ahd. muodi), 
schnöde (mhd. snoede), leichte (ahd. lîhti), bange (mhd. bange, Adv), stäte 
(ahd. stâti), sanfte (ahd. senfti) neben sachte (mfr., nd. sachte), seichte - 
(ahd. sîhti), feste (ahd. festi), wiste (ahd. wuosti), werse (ahd. wisi), feige 
(ahd. feigi), feuchte (ahd. fûhti), geringe (ahd. giringi), wilde (ahd. wildi), 
kühle (ahd. kuoli), dicke (ahd. dicki), gemeine (ahd. gimeini), geschwinde 
(mhd. geswinde), alleine (mhd. aleine), harte (ahd. harti), gelinde (ahd. gilindi), 
fremde (ahd. framadi, fremedi), späte (ahd. spâti), reine (ahd. hreini, reini), 
kleine (ahd. kleini), kürre (mhd. kürre), stille (mhd., mnd. stille), elende 
(mhd. ellende), rre (ahd. irri), nütze (ahd. nuzzi), gescheite (mhd. geschîde), 
gedeesche (demütig, niedergedrückt), gelenke neben gelenkt (mhd. gelenke), 
dreuge (trocken). 

Nach solchen Analogien haben -e angenommen schwüle (nd. swûl, 
ndl. zwoel), kelle (ahd., mhd. hel), tolle (ahd., mhd. tol), gewohne (ahd. 
giwon, mhd. gewon, gewöhnt), lose (wertlos, nichtsnutzig — ahd, mhd. lôs), 
alle = zu Ende (ahd., mhd. al), echte (ndl. echt = hochd. êhaft), etepetete 
(= öde, zimperlich und petit in gleicher Bedeutung; vgl. Zeitschr. d. Allg. 
D. Sprachvereins, 1908, S. 169 ff.); heesche ist eine Mischform aus heiser 
und as. hös (nhd. heisch im 17./18. Jahrh.); der Komparativ merre (mehr) 
steht für mörer und wird bei starker Betonung gebraucht; sonst nimmt 
man mee, z. B. in Verbindungen wie nich mee = nicht mehr. 

Die französischen Fremdlinge auf -e haben diese Endung gewöhn- 
lich beibehalten, z. B. kommode, perfide, rüde = commode, perfide, rude, 
marode (frz. maraud) angenommen. 

Ohne -e bleiben viele Eigenschaftswörter, auch manche, die es noch 
im Mhd. hatten, z. B. billig (mhd. billiche), reich (mhd. riche), reif (mhd. 
rife), ungeheur (mhd. ungehiure), schwer (mhd. swaere), leer (mhd. laere), 
teuer (mhd. tiure), feil (mhd. veile), neu (mhd. niuwe), getreu (mhd. ge- 
triuwe), spitx (mhd. spitze), bleich, weich, gleich, heiß, weiß, gewiß, blaß, 
alt, laut, breit, fett, satt, gelb, blau, grau, rot, schwarz, krumm, lahm, 
schmal, warm, steif, stolz, schnell, stumpf, schräg, schlecht, faul, jung, 


14 Oskar Weise. 


groß, blind, taub, matt, scharf, fromm, stramm, wahr, tief, voll, weit, 
derb, hohl u. a., desgleichen die Lehnwörter klar, kahl, bunt, platt, quitt, 
blond, rund, nett, fix u.a., ferner alle Eigenschaftswörter, die mit den 
Endungen -er (heiter), -lich (ehrlich), -kaft (spaßBhaft), -tg (gehörig), 
-isch (schnippisch), -bar (furchtbar), -en (irden), -ern (eisern) u. a. ab- 
geleitet sind; ebenso die Partizipien des Präsens!, soweit sie vorkommen. ? 

Von den Zahlwörtern werden prädikativ oder alleinstehend immer 
mit -e versehen: zweie, dreie, viere, fünfe, sechse, siebene, achte, neune, 
‚ zehne, elfe, zwölfe, eine Erscheinung, die sehr weit in Mittel- und Nieder- 
deutschland, ja sogar in Oberdeutschland verbreitet ist.8 Aber hier haben 
wir es nicht mit einer Ableitungssilbe, sondern mit einer Biegungsform 
zu tun. Denn offenbar ist dieses -e aus der ahd. Endung des Neutrums 
(-iu) oder des Maskulinums (-i) hervorgegangen, z. B. ahd. fioriu, n., vier 
und fiori, m. und f., vier. 


HI. Adverbium. 


Die Adverbien, die von Adjektiven abgeleitet sind, werden gleich 
diesen behandelt. In ihnen ist das -e aus ahd. -o hervorgegangen, wie 
z. B. bei späte (ahd. spâto, die regelmäßige, umlautlose Form spat findet 
sich noch im älteren Nhd., namentlich in Verbindungen wie früh und 
spat), schone (nhd. schon, Adv. mit abweichender Bedeutung zu schön, 
ahd. scöno : scöni); sehre (ahd. sero), gerne (ahd. gerno), balde (ahd. baldo), 
ofte (ahd. ofto), ande (z. B. ande tun, ahd. anado, ando, Kränkung, 
Schmerz). 

Daneben finden wir verschiedene Wörter, deren -e aus anderen 
Vokalen hervorgegangen ist, z. B. txe = iezuo, keuere = hiu jâru, in 
diesem Jahre (vgl. heute = hiu taku, an diesem Tage), darnach auch 
hinte = ahd. hinaht, in dieser Nacht; ferner vorne (ahd. forna, mhd. vorne, 
vorn), ongne, unten (ahd. untanän, mhd. unden), hengne, hinten (ahd. hintana, 
mhd. hindene), vhmne, oben (ahd. obana, mhd. obene), himne, hüben, auf 
dieser Seite, drimne, drúben, auf jener Seite, neuere Bildungen für hie 
über, darüber, drüber. 

Nach solchen Mustern formte man auch “une, nun (ahd, mhd. nu, 
nú), mite (als Adverbium in Verbindungen wie: Gehst du mite?, nicht 
als Práposition), niche (verstárktes nicht), jue und née = ja und nein mit 
starkem Nachdruck, nore, nur (mhd. newaere), denne, denn in Fragen, 
z. B. was denne?, ehre = eher.t 


t Diese haben in der Niederlausitz noch die im älteren Nhd. übliche Endung -e 
(vgl. Gößgen, Die Mundart von Dubraucke, S. 29). 

? Sie sind sehr selten in prädikativem Gebrauche; als Adverbien haben sie die 
Endung -s, z. B. etwas stehends, liegends, sttzends machen. 

® Dagegen heißt es eins, zwanzig, dreißig, hundert, tausend, dreizehn, vier- 
zehn usw. 

t Diese Erscheinung findet sich häufig im Mnd., besonders bei einsilbigen Par- 
tikeln wie ute, ane, bette (bis), dore (dar), vore (zuvor), bovene (oben), butene (außen), 


Erhaltung und Abwerfung des auslautenden -e im Altenburgischen. 15 


Eigentlich Dative von Substantiven sind zurücke (= zu Rücke, zum 
Rücken), zurechte (= zu Rechte, zum Rechte), heime (= nach dem Heime, 
z. B. gehn). Aus dem Französischen à part stammt aparte (z. B. aparte 
legen, für sich legen, sondern und aparte tun, etwas Besonderes sein 
wollen). 

Auffällig ist das -e in Partizipien der Vergangenheit oder ähnlichen 
Bildungen, die adverbial gebraucht und mit Wörtern wie voll verbunden 
werden, z. B. altenburgisch-obersächsisch: gehaufte voll, gepfropfte voll, 
gerammelte voll, gerappelte voll, gedrückte voll, geschwepperte voll, ge- 
stopfte voll, denen auch ähnliche Formen in anderen, namentlich md. und 
nd. Mundarten entsprechen, z. B. oberhessisch! gewackte voll (von wagen, 
schütteln), gerackte voll, thüringisch gewämmerte voll? (= rheinisch 
gewimmelte voll), gekeille voll, yepommerte voll, geknackte voll, posnisch 
geschwippelte voll.® Etwas andere Bildungen, die wie Partizipien des ` 
Präsens aussehen, begegnen uns im Soestischen: stöpende voll, kupende 
voll, stickende voll: dafür sagt man in Westfalen hüpendige voll, swickede 
voll, seerekenige voll, swicke voll, swrppe voll.> 


IV. Pronomen. 


Pronomina behalten selten ihren unbetonten Schlußvokal, ebenso 
selten nehmen sie zur Verstärkung ein -e als Endung an. Das besitz- 
anzeigende Fürwort bekomnit stets diesen Auslaut, wenn es prädikativ 
gebraucht wird; z. B. das Buch ist meine, deine, seine, ihre, das Haus 
ist unsere eure, ihre; doch sagt man für das Haus ist unsere und eure 
lieber das Haus gehört uns (euch) oder das ist unser, euer Haus. Das 
persönliche Fürwort der ersten Person nimmt schon im Ahd. ein ver- 
stärkendes Suffix (-Ââ) zu sich, wenn es den Nachdruck hat; aus diesem 
ihhâ = egomet ist dann mundartlich cke (nd. icke) hervorgegangen. Dar- 


hire u.a. Vgl. A. Lübben, Mnd. Grammatik, S. 20. Über das Mansfeldische vgl. Zeit- 
schrift f. hd. Mundarten, 1901, S. 182, über das Obersächsische K. Franke, Programm der 
Realschule zu Leisnig, 1884, S. 40. 

1 Vgl. Crecelius, Oberhessisches Wörterbuch, S. 414, 673. Auch gerackte steif, 
von ragen, starr sein, steif sein. 

? Vgl. Hertel, Thüringer Sprachschatz, S. 253. Kehrein, Volkssprache und Volks- 
sitte in Nassau, S. 169. 

3 Vgl. Bernd S. 281, D. W. unter schwippern, und Schmidt, Westerwäldisches Idio- 
tikon, S. 215. 

4 Vgl. Holthausen, Die Soester Mundart, S. 40. 

5 Vel. Wöste, Wörterbuch d. wostf. Mundart, S. 266 u. 109. In Zusammen- 
setzungen hat sich am Schlusse des ersten Bestandteils -e erhalten oder ist angetreten 
an Stämme, in denen es von Haus aus nicht steht, bei grasegrün (grasgrún), ezsekalt, 
Klenzegarten (Kleinetsgarten, d. h. Garten, in dem Gemüse, Blumen, überhaupt kleine 
Pflanzen gezogen werden, nicht hole Obstbäume), Mittewoche, Großemutter, Kleinemagd, 
Leinewand, Leineweber, Branntewein, Trageband, Strickenadel, Stopfenadel, Singe- 
stunde, Blasebalg, Schreibebuch, Lausejunge, Hahnekamm, hahnebüchen (hainbuchen). 


16 Oskar Weise. 


nach bildet man nun auch die verstärkten Formen miche, diche, siche, 
due, ja im Schlesischen findet sich daneben ¿hme, mire*, im Obersäch- 
sischen erhält auch das Fragewort was ein solches -e. Endlich hat der 
Genetiv des Plurals vom Pronomen der dritten Person in partitivem 
Sinne (= franz. en) neben er (= mhd. ir) die längeren Formen ere und 
ihre, die sich aus Verdoppelung des Wortes er (ir) erklären = erer und 
irer, z. B. ich hab ere oder er dreie, mer sin dhre dreie. 


V. Verbum. 


Im Indikativ des Präsens wird bei der ersten Person des Singulars 
die Endung häufig abgeworfen, mag das Verbum nun stark oder schwach 
abgewandelt werden; besonders geschieht dies im Zusammenhange der 
Rede, wenn noch ein Objekt, Adverb usw. darauf folgt. Daher sagt man 
gewöhnlich: ich schreib en Brief, ich les in en Buche, ich kab’s gesehen, 
ich lob mir meine Ruhe; aber ich les nich, ich schreibe und ich lauf nich, 
ich fahre. Stets fällt -e ab, wenn Fragestellung eintritt und ich nach- 
folgt, z. B. das glaub ich, ebenso wenn die Verbalform kontrahiert oder 
assimiliert ist, wie ich saa = sage, ich fraa = frage, ich traa = trage, 
ich schlaa = schlage, ich lee = lege, ich weer = werde. 

Im Imperativ wird gleichfalls -e gewöhnlich nicht gesetzt, auch 
nicht bei schwachen Zeitwörtern, z. B. mach mir's, glaub’s uns. Statt 
nimm, gib, tritt usw. steht gewöhnlich die der ersten Person des Indi- 
kativs angeglichene Form nehm, geb, tret; für sieh heißt es sich, für sieh, 
sieh! sich, sich! Aber nachdrucksvoll kann es lauten: köre! gucke! 
warte!? 

Im Konjunktiv bleibt das -e meist erhalten, z. B. galle = gelte! 
(=es gelte!), er lebe hoch!, Gott streiche (mich = strafe mich). ? 

Der Indikativ des Imperfekts behált bei schwachen Zeitwórtern in 
der Regel sein -e, z. B. da saate (sagte) ich. Nur wenn es mit einem 
Pronomen verschmilzt, fállt es weg, z. B. ich saat’en = ich sagte ihm, 
ich fraat’en= ich fragte ihn. Im Indikativ des Imperfekts starker Zeit- 
wörter erhält die erste und dritte Person kein -e, wie so häufig in früh- 
neuhochdeutscher Zeit. Im Konjunktiv des Imperfekts wird das -e 
schwacher Zeitwörter regelmäßig gesetzt, z. B. ich möchte, könnte, brächte, 
lobte, dagegen bei starken Zeitwörtern fällt es häufig ab, z. B. ich wär’ 
schon zufrieden, ich läg’, käm’, sëng, gáb.. 

Der Infinitiv erhält zuweilen ein -e in Verbindung mit zu, also 
als Gerundium, z. B. zu tune, zu sehne. Nach Abfall des Infinitiv-n 
bleibt -e stets erhalten, z. B. ich will schreibe, ich muß lache. 


1 Vgl. P. Drechsler, Mitteilungen der schlesischen Gesellschaft für Volkskunde 
XVII (1907), S. 103. 

? Dagegen: hör einmal! guck einmal! wart ein bißchen! 

* Aber Stramichgott = Straf mich Gott! 


Erhaltung und Abwerfung des auslautenden -e im Altenburgischen. 17 


VI Einige Bemerkungen über auslautendes -e 
bei ostdeutschen Schriftstellern. 


Im früheren Nhd. finden sich viel häufiger die mit -e versehenen 
Formen als in der späteren Zeit. Bei volkstümlich schreibenden Autoren 
sind sie beliebter als bei solchen, die sich in ihrer Darstellung von der 
Sprache der großen Masse entfernen. Doch werden mitunter die in Rede 
stehenden Bildungen als altertümlich sogar in hochpoetischer Ausdrucks- 
weise verwendet, z. B. in Goethes Dichtungen balde (warte nur, balde 
ruhest du auch), Bette (stets für Bett in der Iphigenie, in der Braut 
von Korinth u. a.). 

Luther schreibt Herre, Fürste (z. B. im Reformationsliede: der 
Fürste dieser Welt, wie sauer er sich stellt), Hahne (vgl. Franke, Grund- 
züge der Schriftsprache Luthers, S.175), Wundere (= die Wunder), Zeichene, 
Jüngere, Meistere (vgl. Franke ebenda S. 155). Kindere steht im Alten 
Testament von 1524, Rindere im alten Testament von 1523 und 1524. 
Ebenso lesen wir bei Luther häufig ofte, balde, ich sahe, lase, ware, 
truge, schluge, flohe (vgl. Virgil Moser, Einführung in die frühneuhoch- 
deutschen Schriftdialekte, S. 203). 

Lessing gebraucht nicht selten Formen wie der Narre, Eremite, 
Christe, Soldate, Poete, Gedichte, Gerichte, Geschichte, Glücke, heute 
vormittage, xweie, dreie, brache, dünne, alleine, nütze, ich sahe, flohe 
(vgl. Erich Schmidt, Lessing, I, S. 705). Punkte drei steht ursprünglich 
in der Minna von Barnhelm 3, 10 statt um drei Uhr. Vergebens hat 
Gottsched! sein Anathema: »So spricht und schreibt kein Mensch« oder 
die Rüge: »welches in guten Ohren sehr häßlich klingt« gegen Lessings 
Schreibart ausgesprochen; vergebens hat Schönaich in seinem Neologischen 
Wörterbuche dieses -e gegeißelt mit den Worten: »Die deutschen Dichter 
sind gelehrte, sowie der Dichter Schnitzer schöne; ja wär’ auch gleich 
ein -e zu viel, so nenn’ ich dies das Dichterspiel.« 

M. Opitz schreibt leichte, geschwinde, Fürste, Grafe, Monde, Narre, 
Ochse, Bäre (vgl. Weinhold, Deutsche Dialektforschung, S. 132, und 
P. Drechsler, Mitteil. d. schles. Gesellsch. f. Volkskunde XVII, S. 95 £.). 

Herder hat anfangs meist die Formen mit -e, meidet sie aber 
später (vgl. Längin, Die Sprache des jungen Herder, 1891, 8. 37).? 


1 Vel. Gottscheds Sprachkunst, 3. Aufl., S. 460f. So schreibt Lessing: die Namen 
sind sehr schóne; bald ist die Sprach des Leids zu ausgekünstelt schöne. Vgl. Köster 
in E Neologischem Wörterbuche, S. 564. 

? Über Grimmelshausens Sprachgebrauch ist zu vergleichen Joh. Wiesner, Über 
suffixales -e in Grimmelshausens Simplizissimus, Jahresbericht des Leopoldstälter Kom- 
munal- und Realgymnasiums zu Wien, 1889, und Jellinek, Zeitschrift f. österreich. 
Gymnasien, 1893, S. 1096. 


Zeitschrift für Deutsche Mundarten. VI, 2 


18 Heinrich Deiter. 


Ordonnantie der Muir- en Timmer-Luiden 
van Embden 1745.' 


Von Heinrich Deiter. 


Ordonnantie van Heeren Burgermeesteren en Raaden der Stadt 
Embden, Waarna de Muir- en Timmer- Luiden aldaar Sig hebben te regu- 
leren. Embden. Gedrukt by de Wed. H. van Senden en A. van Senden, 
Boek- Drukkers dezer Stadt. 1745. 


Wy, Borgemeesteren en Raaden der Stadt Embden, doen te weeten 
mits deesen: Nadien Ons van Onse Borgeren en Inwoonderen wegen der 
Meesteren Timmer- en Muirlieden en Derselven Knegten tragen Arbeid 
en nemenden Overloon zedert eene geruime Tyd sterke Klagten zyn aen- 
gebracht, en op allerhande Aart en Wyse, die daartegen van Ons geë- 
maneerde Placaten en aan Haar gegevene Rollen infringeren, waar door 
de goede Borgerschap niet alleene zeer word gepraejudiceert, maar ook 
dusdanig afgeschrickt, dat selfs de nodige Timmer- en Bauw-age (van 
de min nodige niet te gedencken) te bestellen veelmalen agterlaten, en 
het van Onse Pligt is, hyrin zoo veel mogelyk te voorzien, Zoo is't, 
dat Wy mits deesen statueren en verordnen. 


Cap. 1. Wegen de tyd van het Arbeiden. 


L Dat alle Meesteren, Timmer- en Muirlieden, Knegten en Leer- 
Jongens by het Werk komen en blyven zullen, a. Van den 20. Martii 
tot den laasten April des morgens van Ses tot des avonds an Ses Uyren. 
b. Van den 1. May tot den 23. Aug. des Morgens om Vyf tot des Avonds 
om Ses Uyren. c. Van den 23. Aug. tot den laasten September des 
Morgens met het opgaan van de Sonne tot des Avonds om Ses Uyren. 
d. Van den 1. October tot den 20. Martii met het opgaan van de Sonne 
tot den Ondergang. 

2. Die na de gestipuleerde Tyd by het Werk verschynt, dien zal 

de Borger berechtiget syn, een Schoff-Tyd van Zyn daaglyks te ver- 
dienende Loon aftetrecken offte in Rekening te mogen korten. 
3. Zullen Deselve met scherp Gereedschap an’t Werk komen, ander- 
sins de Borger bevoegt zyn, den Meester of Knecht tot het schlypen off 
gereedmaken van Zyn Gereedschap antewysen, alvorens an't Werk gaat, 
dat dan niet eerder als op die daaran volgende Schof-Tyd zal mogen 
geschieden. 

4. Zullen Deselve altoos by Sig hebben een Slyp-Steen, waarop 
of waarmeede het Gereedschap door de getrouwe Arbeid stomp of on- 
bruikbaer geworden, anstonds zoo verre kan herstellen, dat het wederom 
bruikbaar is, poena 2 Gel, 


1 Nach dem Einzeldrucke in 4156 der Bibliothek des hist. Vereins für Niedersachsen. 


Ordonnantie der Muir- en Timmer- Luiden van Embden 1745. 19 


5. Is het Gereedschap in den Arbeid dusdanig ontramponeert, dat 
het by den Smid offte op eene grove Steene moet gebragt worden, zoo 
zal sulks in de Schofftyd daarop volgende geschieden moeten, en tot 
daeran toe de Arbeider Sig aan ander Werk begeven, off van ander 
daartoe bekwaam Geredschap sig bedienen moeten, maar zulks niet doen- 
lyk zynde, zoo zullen Deselve, om Haar Gereedschap te verbeeteren, na 
den Smid wel mogen gaan, edoch ten spoedigsten weederom an’t Werk 
komen by Verlies van een Schoftyd-Loon ten bestan van Dien, in Wiens 
Arbeid zyn. 

6. Een Borger, an het Werken van den Meester off den Knegt in 
het eene offte het andere Zyn Genoegen niet hebbende, zal zonder de 
minste Reeden te geven, Hem uit het werk mogen gaan laten mits be- 
taalende Hem Zyn Loon voor de Schofftyd, waarin Hem gaan laat. 

7. Die door Achteloosheyd offte Onkunde het Werk verderft, zal 
an den Borger de Schade betalen, offte Deesen het in't verdienende Loon, 
zoo verre het toereikende is Selfs mogen aftrecken, staande de Meester 
voor den Knegt, met Voorbehoud van Zyn Regres tegens Deesen. 

8. Zullen Deselve onder geenerley Praetext uit het Werk mogen 
gaan, het zy dan wegen Kranckheyd, offte dat de Borger imand Per- 
missie offte Zyne Dimissie gegeven. 

9. Die om eene natuirlyke Oorsake uit het Werk moet gaan, zal 
alvorens an den Borger, indien Die te Huis ofte an't Werk is, daarvan 
Kennisse geven, by Verboerte van een Schofftyd Loon, en te lange uyt- 
blyvende zal de Borger bevoegt zyn, Deesen Arbeider te mogen di- 
mitteren. 

10. Daer ook onder Praetext van Hout, Kalck offte Steen te haalen 
veele Abuisen geschieden, zoo zullen tot Voorkominge van dien de Mee- 
steren off de Knegten, die by’t Werk te komen bestelt zyn, alvorens by 
den Borger vernemen offte met Denselven overleggen, wat Zy op den 
aanstaanden Dag an Materialen nodig hebben, en des Avonds, alvorens 
dat het Werk zal angaan, by de Leverantziers bestellen off uitsetten, 
op dat des Morgens het moetende afhalen, anstonds zonder Versuim meede 
nemen konnen. 

11. Is het Kalck offte Steen, dat de Kalck-Koperen ant Werk te 
brengen gewoont zyn, Zoo zal de Meester off de Knegt, als voren ge- 
meldet, zulks by den Kalck-Koper bestellen, om hetselve vroegtydig an’t 
Werk te brengen. 

12. In't Werk zynde, zullen Zy allemalen des Avonds, alvorens 
uit het Werkgaan, den Borger te kennen geven, welke Materialen tegens 
den anderen Dag nodig hebben, en met derselven Approbatie bestellen, 
als art. 10 en 11 is gestatueert. 

13. Wat niet door den Kalck-Koper nog andersins an't Werk ge- 
bragt, maer affgehaalt moet worden, dat zal de Meester off de knegt 
affhalen en binnen een quartier Uyr van die art. 1 stipuleerde Tyd daar- 
meede an’t Werk zyn en onder de Poenaliteit als in Art. 2. 


2% 


20 Heinrich Deiter. 


Cap. 2. Wegen het Schofften. 


1. Zullen Deselve om Elff Uiren het gantze Jaer door na Huis 
mogen gaan, om te eeten, edoch voor, langstens met den laasten Kloeken- 
slag twalff Uyren wederom aan’t Werk zyn by Verlies van een Schofftyd- 
Loon, die de Borger zal mogen aftrecken. 


2. Verder zullen deselve niet anders mogen schofften als a. Van 
den 1. Martii tot den laasten April des Namiddages om 3 Uyren. b. Van 
den 1. May tot den laasten Aug. des Morgens om acht en des Namid- 
dages om drie Uyren. c. Van den 1. Sept. tot den 20. October des 
Namiddags om drie Uyren. d. Van den 20. October tot den laasten 
February geheel niet. 


3. Welke geconcedeerde Schofftyden niet langer als hoogstens een 
half Uir zyn zullen. 


4. In welke Schofftyden, om een Pyp-Toback te mogen roken off 
Sig uit te rusten, zullen Zy zoo na by't Werk blyven, dat Zy Haar 
Werk en Gereedschap onder't Oog houden, het zy dan om een natuir- 
lyke Oorsaake, of dat de Borger Haar Permissie geeft, om van't Werk 
te mogen afgaan. 

5. En is het, dat in den Arbeid Hout, Steen off ander Materialen 
ontbreeken, die tot het Schofftyden konnen agter blyven, Zoo zullen 
Deselve deese Materialen ter plaatze daar't behoort, in den Schofftyd 
bestellen off affhaalen en binnen een half Uyr van de Tyd, dat het 
Schofften begint, wederom an't werk komen onder de poenaliteit als in 
art. 1 van het 2de Capittel. 


Cap. 3. Wegen het Loon. 
En daar het billyk, dat eenen getrouwen Arbeider zyn Loon niet 
onthouden, maar wel betaald word. 
1. Zoo zullen Deselve hebben te genieten, als volgt: 
a. Van Ligtmis tot Paaschen 


Een Meester — — — 16 stuiver. 
Een Meester-Knegt — 14 , 
Een Pleegsman! — — 12 , 

b. Van Paaschen tot St. Michaelis 
Een Meester — — — 18 stuiver. 
Een Meester-Knegt — 16 , 
Een Pleegsman — — 14 „ 

c. Van St. Michaelis tot St. Marten 
Een Meester — — — 16 stuiver. 
Een Meester-Knegt — 14 , 
Een Pleegsman — — 12 , 


1 Gehilfe. 


Ordonnantie der Muir- en Timmer- Luiden van Embden 1745. 21 


d. Van St. Marten tot Ligtmis 


Een Meester — — — 14 stuiver. 
Een Meester-Knegt — 12 „ 
Een Pleegsman — — 10 


2. Daerenboven zal voor Bier van den Borger betaald worden. 

a. An den Meester des Daags 1 stuiver. 

b. An ider Knegt des Daags 1 stuiver, die dit Bier-Geld voor Zig 
zal behouden. In overigen zal Niemand den Borger een Soopje of Sterke 
dranck, onder wat Voorgeven het ook mag zyn, afeyschen by Verlies 
van't verdiende Loon. 

8. Boven deesen sal de Borger an den Meester voor ider Knegt 
des Daags twee Stuiveren te betaalen schuldig zyn; daartegen sal de 
Meester Zyne Knegten van Haar Loon niets mogen aftrecken. 

4. Angaande het te verdienende Loon voor de Knegten, Zoo zal 
de Meester daarvoor des Daags sqo veel in Rekening brengen, als Deselve 
verdienen, en zulks den Borger, alvorens de Knegt an't Werk gaat, be- 
kent maken poena 2 Ggl. 

5. Is het, dat de Meester overtuigt mogte worden, dat Hy den 
Borger meerder in Rekening gebragt heeft, als wesentlyk an den Knegt 
betaald, off dat Hy den Knegt dat des Daags toegeleide Bier-Geld ont- 
trocken heeft, Zoo zal Hy van nu an en mits deesen Zyn Amts Gerech- 
tigheid voor altoos verlustig verklaart zyn en den Borger ofte Knegt het 
affgenomene restitueren. 

6. En daar ook sommige Meesteren Haare Knegten in't jaar aen- 
nemen en dan voor Dessen Werk de Dag-Gelderen of Loon na Haar 
Welbehagen den Borger in Rekening brengen, waardoor de Borger en 
Knegt seer benadeelt worden, Zoo willen Wy hiermeede alle Meesteren 
verboden hebben, geen Knegt in't Jaer te huiren, onder welke Praetext 
het ook zyn mag, ook niet in de Kost of Slaep-Steede houden by Ver- 
lies van Haare Amts Gerechtygheeden. 

t. Indien ook een Knecht Zyn Meesters Bevel niet opvolgen wil 
ofte in den Arbeid Sig dusdanig gedraget, dat de Meester Hem uyt het 
Werk moet gaan laaten, Zoo zal Zyn Meester op Kosten van den Knecht 
an de overyge Meesteren dor een Stads Dienaar bekent maken laten, dat 
niemand Hem als met Onse Speciale Consent wederom in't Werk zal 
mogen annemen. 


Cap. 4. Wegen de Vrie-Knegten. 

En daer volgens die van Ons gegevene Rolle in deese Stad ook 
Vrie-Knegten zyn, die Haar eigen Werk doen, waar onder Sig veele 
begeven, die een weinyg meer geleert hebben, als die uit de Leerjaeren 
syn gegaen, waardoor de Borgeren meede niet min besettet worden, 

1. Zoo zal tot Voorkoming van dien in’t Vervolg Niemand onder 
de Vrie-Knegten Gilde mogen op- en angenomen worden, Hy hebbe dan 


22 R. Block. 


voor eerst onder een Meester twee Jaeren geleert en drie Jaeren by een 
of diverse Meesteren gedient. 

2. Zullen deese Vrie-Knegten geene andere Pleegs- Mannen by Sig 
mogen nemen, als Die Zy van Haar Meester versogt hebben en van Deese 
an Haar gegeven word by Verlies van Haare vrye Arbeid; en zoo zyn 
Meester of de Meesters Weduwe onder Wien Hy staat an Hem geen 
Pleegsman geven kan, Zoo zal Hy poena 1 Ggl. de Pleegsman van een 
ander Meester versoeken en by Verweigering berechtyget zyn, Selfs een 
Pleegsman antestellen. | 

3. Van welken Pleegs Man de Vrie Knecht ook geen Voordeel zal 
trecken, maar de twee Stuiveren, die de Borger voor een Pleegsman 
betalen moet, zal de Meester ontfangen en daarvoor het te verdeenende 
Loon an Denselven ook opschieten moeten. 

4. In overygen sullen deese Vrie-Knegten en Haare Pleegsmannen 
Sig in allen deelen, zoo veel't Haar kan angaen, na den Inhoud van 
deese Verordeninge meede gedragen, onder de Poenaliteiten daarin ge- 
meldet. 

5. Daarentegen zullen de Vrie-Knegten en Haare Pleegs- Mannen 
ook hebben te genieten an Arbeids-Loon en voor Bier, als Cap. 3 Art.1 
an de Meester-Knechten en Pleegs Mannen belooft is. 

Waerna Sig dan alle de Meesteren Timmer- en Muirlieden en Der- 
selver Knegten Sig hebben te reguleeren en voor Schaden te wagten, 
Zullend ehet in overigen, zoo verre deese geene Veranderinge maakt, by 
de Amts-Rollen en Voorheen van Ons geëmaneerde Placaten en Ver- 
ordeningen verblyven, die Wy hiermeede in zoo verre confirmeren. 

Ita Resolutum Embdae in Curia den 6. April et Publicatum den 
15. November 1745. 

Ad Mandatum Senatus Speciale 
M. Haykens Dr. Secretarius. 


Die mundartliche Aussprache der Ortsnamen 
im alten Harzgan. 
Von R. Block. 


Das Gebiet, aus dem die folgenden Ortsnamen stammen, deckt sich 
ungefähr mit dem alten Harzgau. Doch ist einige Male über dessen 
Grenzen hinausgegangen. Der Harzgau ist niederdeutsches Gebiet; die 
Aussprache der Ortsnamen ist in der Eilsdorfer Mundart wiedergegeben, 
deren Laute ich in dieser Zeitschrift, im 4. Heft des Jahrgangs 1910, dar- 
gestellt habe. Auf diese Arbeit beziehen sich die einigen Aussprache- 
bezeichnungen zugefügten Paragraphennummern. 


Die mundartliche Aussprache der Ortsnamen im alten Harzgau. 23 


Die Anordnung ist so, daß auf die amtliche Form des O.-N. die 
mundartliche Aussprache angegeben wird. Darauf folgt meist die älteste 
belegte Form nach Förstemanns Namenbuch oder nach Osterleys hist.- 
geogr. Wörterbuch des Mittelalters. 

Abbenrode, abmrooa 88 99. 185, Abbenrothe 1086. 

Aderstedt, äädarsteea $8 27. 185. Die Endung -stedt wird in diesem und 
andern Namen im südlichen Teile unseres Gebietes -siid> gesprochen. 

Anderbeck, andarbek, Anderbiche 1086. 

Aspenstedt, asanstees, Aspenstide 1084. 

Athenstedt, ádtnsteeo. 

Badersleben, bäärslewa, Badesleva 1084. Inlautendes d wird sonst vor r 
erhalten oder neu gebildet ($ 185). Neben -lewa hört man auch -le, 
das in der Ableitung immer auftritt: ? bäärsle”a (< lewasa) früsaitn, 
da psorslesan. 

Berbel, beeasal. 

Braunschweig, brönswiük $ 43, Brunswic. 

Dannstedt, danstees, Dannenstedi 1004. 

Dardesheim, darson $ 185, Derdessem 1387. 

Darlingerode, dalajaroos 8 102. 

Dedeleben, dedlewo, Dedenleve 1056, Dedeleve 1057. 

Deesdorf, deeasdörp. 

Deersheim, deeoson $ 93. 

Derenburg, deernborc, Darniburg 993, Derniborg 1008. Statt -borc Ban 
immer mehr die hd. Aussprache -bure vor. 

Dingelstedt, d¿yalstees, Dingelstede 993, Dingelstidde 1084. 

Drübeck, drüüpko, Drubiki 877. 

Eilenstedt, azlnsiees, Eylenstidde 1084. 

Eilsdorf, aslsdörp, Eilikistorp 1040. Förstemann führt als älteste Form 
Achelhardestorp 1084 an. Doch ist das wohl eine irrtümliche Deutung 
auf Eilsdorf. Vielleicht ist damit ein wüstes Dorf gemeint. Denn so 
leicht die Herleitung von ailsdörp < Eilikistorp ist, so unwahrschein- 
lich ist sie aus Achelhardestorp. In einer lateinischen Pergament- 
handschrift aus dem Jahre 1225, die ich im vorigen Jahre im Eils- 
dorfer Schulzenamt fand, findet. sich eventale die Form eillikestorp 
und auf der Rückseite Egilichkestorf. 

Emersleben, eemarslewa, Emerisleve 1044. 

Gröningen, roant 88 64. 102, Groninga 934, Gronigge. 

Gunsleben, zunslews, Gundolfesleba. 

Halberstadt, halawarstat, Halberstat 769. 

Hamersleben, käämarslewa, Hamersleve, Ammersleve 1020. 

Harsleben, harslewa. 

Harzburg, häärtsaborc, Hartesborg 1025. 

Hasselfelde, hasolfelo, Haselfelt 1046. 

Hedeper, heepar $ 144, Hedebere 1378. 

Hessen, heson, Haessinheim 970. 


24 R. Block. Die mundartliche Aussprache der Ortsnamen im alten Harzgau. 


Heudeber, koiwar 8 144, Hadeburun 11. Jahrhundert. 

Hoppenstedt, hopnstees. 

Hordorf, hordgrp, Horthorp. 

Hornburg, hooarnbere, Horneborch 1031. 

Hornhausen, hornhuuzan. 

Hötensleben, koitnslewa $ 64, Hokinasluuu 10. Jahrh., Hotzenleve 1289 
(vgl. Seelmann, Zetacismus, Niederdeutsches Jahrbuch XII; siehe auch 
Zilly). 

Huysburg, hütüxabpre, Huiesburg 1036. 

Hüttenrode, Aijt»rooa. 

Jerxheim, jerksan, Jereksem 1373. 

Krottorf, krodörp, Crottorp 1349. 

Lüttgenrode, lütjanrooa. 

Magdeburg, máádobgrc $ 187, Magathaburg 936. 

Mahndorf, määndörp, Mandorf 1084. 

Minsleben, minslewa, Minisleua 1084. 

Huy-Neinstedt, nainsteea. 

Nienburg, niünborc, noch weiblich gebraucht. 

Nienhagen, niinháán $ 187. 

Obrsleben, ooarslewo. 

Oschersleben, psorslewo, Oskerslevo 1010. 

Osterode, ooastarooo. 

Osterwieck, ooastarwiik, Asterwic 781. 

Ottleben, ooatlewa, Ottleve. 

Pabstorf, páupsdgrp, Papestorp 1084. 

Quedlinburg, kwelnbore, Quidilingaburg 922. 

Quenstedt (GroB- und Klein-), kwensteea (zroostn und lijtjan). 

Rhoden, rooon § 144. 

Róderhof, róvarhof. Wird noch als männlich empfunden und gebeugt: 
vai zäät non röögrhows,; hai arbait opm róverhowo. 

Rohrsheim, rooason $ 93, Rorsheim 944. 

Sargstedt, zarkstees $ 23, Serkstidde 1084. 

Schlanstedt, slanstees, Slanstidde 1084. 

Schöningen, $aínic $ 102, Scahiningi 8. Jahrh., Scainigge, Scheningen 
1081, Scieninge 995 u. a. Diese Formen und die heutige mundart- 
liche Aussprache sprechen gegen die Deutung »schöner Ort«, die Weise 
GRM II, 435 anführt. 

Schöppenstedt, Süpmsteea, Sciphingstete 1051. 

Schwanebeck, swanobel:, Svanebach 1062. 

Seinstedt, zainsteea, Sinstide. 

Silstedt, x¿/steeo, Silzesteti 995. 

Söllingen, xöllie, Solinge 1380. 

Suderode, zuuarooo, Sutherrode 1018. 

Stapelburg, stâäpalbure, stââpalnbuyre, Stapelborch 1388. 

Ströbeck, strööapka, Strobeke 1084. 


Colmar Schumann. Mundartliches aus HohegeiB. 25 


Veltheim, feltn, Veltheim 966, Velthem 1087. Vgl. Velten bei Winter- 
thur < Feldhaim 774. 

Veckenstedt, feekonsteeo, Vedekenstidde. 

Vogelsdorf, fogolsdörp, Voghelstorpe 1377. 

Wackersleben, vrakorslewo, Wachereslebe 11. Jahrhundert. 

Wasserleben, váátarlewo. 

Watenstedt, váútnstees, Wethnenstete 1051. 

Wefensleben, veesbmslewo 8 182, Wifilasluuu 10. Jahrhundert. 

Wegeleben, veejalewo, Wigelevo 1132. 

Wegersleben, veesrslewa $ 187, Wagrasluuu, Weghersleve. 

Wehrstedt, veearstees, Werstidde 1084. 

Westerhausen, vestarhuuzan. 

Wernigerode, vantjarooa 88 23. 102, Wernigherode. 

Wetzleben, veislews, Wideslebe 1062. 

Wockenstedt (jetzt nur noch eine Wassermiihle), vokonstees, Wockenstede. 
Schon im 17. Jahrh. begegnet die Form Wockenste (vgl. Hans unter 
den Soldaten v. Rist, Nd. Jb. XII). 

Wulferstedt, vulforstees. 

Ührde, üürs. | 

Zilly, tsilie S 102, Kiulinga 944, Czilien 1292. Vgl. Seelmann, Zetacismus, 
Nd. Jb. XII). 


Mundartliches aus Hohegeils. 


Von Colmar Schumann. 
(Vgl. Jahrg. 10, Heft 2, S. 140 und Heft 3, S. 237.) 


Vorbemerkungen zur Aussprache und Berichtigungen. 


Bei ai, ei, au, ou überwiegt der erste Laut. Kurze Selbstlaute vor r in Stamm- 
silben dehnen sich etwas. Anlautendes g klingt härter, mitunter wie k; d und t lassen 
sich oft kaum scheiden; b im Inlaute ist meist recht weich. Diesen Laut bezeichne ich 
mit v, mit d und r nur schwach hörbare Laute und mit aa, aaa ein nach ä hinüber- 
gezogenes a. 

Zu den Hilfszeitwörtern auf S. 240 habe ich berichtigend zu bemerken: ist heißt 
es, sind heißt zin, hast hat heißt hest het. Die Nennform sämtlicher Zeitwörter ver- 
liert ohne Verhältniswort das Schluß-r; also zu sein heißt tsuu xiin, aber sein heißt zti. 


Das Gleichnis vom verlorenen Sohne. 


aan mens hato tswat xeeno. un daar jiyasto zaarta fer xiin fååtər: 
gip mic, fååtər, miin tail fon daən gaələ, das miina heert. un haar 
gaap een das gaəlt. un nie laga dorngp xamolta daar jiņyəstə xoon aləs 
tswuxaman un trook fuyrt ebar lant. un doo broozto haar zin gaolt ijma 
met prüäzan. dop haar nuu alas fartseert hata, wäir aane groosa türunk 


26 Colmar Schumann. 


dere das gansa lant. un haar fuyk dán tsuu huyaran. un guyk hen un 
huyk zic aanan berjar daaszaalbıjan landos. daaar Sikotana uf zin akar, 
dii xozon tsuu hüten. un haar bogeerto zin bux tsuu filan met opfelon, 
dii dii xogan frååsan, davar kaamoar gädp zo een. dop guyk haar in zic un 
xaauta: wii feela tádzoleenars het mun fáátar, die broot dit maase hään, 
un ic fordaarbo fer huyar. ie wil mie ufmaxa un bi min fååtər gee 
un ferna xaaja: fáátar, 1c had goxinajot im daən himal un fer die un bin 
nie meer waaart, das ic diin zoona haiso. maxa mic tsuu aman diindra 
tääzaleenars. un haar marta zie uf un kääm bü zin fååtər. dop haar 
âávar nor wiit fon daar haima waak wâûr, zädkana xiin füäter. un 
Jamartana un luuf hen un fulana üman hals un kustana. daar xoona 
dávar xaaito: fáátar, ic håå gəxinyət vn daan himal un fer dic un bin 
nie meer waaort, das ic diin xoon hatisa. dâvar daar fádtar zaarta fer 
zing knaaaxto: brigat das besta Hait haasr un tsiitsənə ån, un gaitənə 
au am finarriyken dän za hant un Suus dan xina fiise, un briyat 
aan gomestas kaalp haaar un Slaxtats. lopt uns aasa un lustic xt. dasn 
dizor min zoon wåår toot un es wedar lasbéndic gaworn, haar wäär 
forloorn un es weder gofugan. un fuyan dán lustic isuu waoron. 

àâvar daar eltsto xoona wäär ufəmə faala. un wit haar nog aans 
huus käâm, heerto haor das gaxtya un das gatanso. un ruuftə fon zin 
knaasxtan ainen un fraarto, was dop loos weer daaar ddrar zaarta 
ferna: diin bruudar es haima gəkomən, un diin fääter het aan gamestos 
kaalp gaslaat, das haana gaoxunt weder het. doodruf wäär haar beexa un 
wola nic rin gee. dop guyk zun fáátar ruus un gååpənən guut wort. 
haar zaaıla dävar fer ziin fååtər: gukə måål, zoo feela jopra diina ie die 
un hád dun wilon ¿mar gofolyjot, un duu hest mic kain mopl aan bok 
gagaanan, das ic met miin friyan lustic zit kuna. nuu dâvor dizar dun 
xoona gekoman es, daaar zm gaəlt met huuran ferswurtjt het, hest duu 
een aan gamestes kaalp gaoslaxt. haar åávər xaaılə fernəa: miin zoons, 
duu bist vmarhen bit mic, un alos, was mina es, das es au dino. duu 
:ölst ädvar lustie zii un die freija, daan dixər diin bruudar waâr toot 
un es laabendice gaworn, haar wäär farloorn un es wedar gafuyan. 


Weitere Sammlung von Ausdrücken. 
1. Himmel, Wetter, Zeiten, Feste. 


Abend (pporant). Fierabend (fir), Feierabend. Hellig A. (helic), 
heiliger A. — Anhang (dánhayk), Rauhreif. — Blitz (blits). Es blitzt. 
— Bródeme (bredama), Briten (britton) = Dunst. — Dämmerung 
(daamoruyk). Dimmerstunde (daamarstuna). Es dämmert (daomrst). 
— Dankfest, Eruted. (aaorntodasykfaost). — Donner (dondra). Es 
donnert (dondrat). — Dörre (dera), Dürre. — Drógnisse (dreecniso), 
Trockenheit. dröge (dreeja), trocken, trocknen. — Dunkel (duyhal), 
Hauptw. u. Beiw. — düster (döüstro). — Erntezit (aaərntətsiit), Ernte- 
zeit. — Fastnachten (fasinaüzxton), Fastnacht. Fastenzit (fastantsitt). 


Mundartliches aus HohegeiB. 27 


— Fest (fasst). Festessen (faastaason) — Festschmaus (Smaus). 
Richtefest (ricto). Schiitzenf. (S2tson). — Frost (frost). friere (fritra), 
frieren. — Frühjahr (frijopor), Friúbling. früh (frii). früher (fritar), 
einst. — gestern (gestarn). ehrgestern (eer-), vorgestern. — Grün- 
donnerstag (grizndondrastak). — Gruppen (grupen), Graupeln. — 
Hagel (hääzsal). -korn (korn). Es hagelt. Hagelfier, Erntebittag 
am 2. Montag im Juli. — Heilige drei Könige (hatlıga drai keenija), 
Dreikönigstag, Epiphanias. — Hummel (aal Himmelfahrt (foert). 
— Hochzit (hoatsiit), Hochzeit. — Höhenrauch (heeanraux), Höh- 
rauch. — hür (hitar), heuer. hüte (kiita), heut. — Jahr (jogar). Vertelj. 
(feertal), Halfj. (half). Jahrmarcht (marxt), -markt. — Johannistag 
(gohanıstak), Johannis. — itzund (itsunt), veraltet = jetzt (getst). — 
Kirmisse (kermisa) Kirmes, im September. — Kolle (kal, Kälte. kolt 
(kolt), kalt. — Küsel, Küselwind (kuzalwint), Windküsel = Wirbel- 
wind (werbal). — Luft (luft). — Martinsabend (marttinsopvant), mit 
Lichtern gefeiert. — Micheel (miceel), Michaelis. — Minuten (minúutam), 
Minute. — Mittag (mitak). Vörm. (fer), Vorm. Nam. (nee), Nachm. — 
Mon /(moen), Mond. -schin ($in), -schein. -wessel (waasal) -wechsel. 
Abnehmensm. (ppnaasmans), abnehmender M. Zunehmensm. (tsuu- 
naaamans), zunehmender M. — Monet (mpenat), Monat. Lenzm. (lents). 
— Morgen (morjan), Morgen; morgen. öberm. (ebar), übermorgen. — 
Nacht (nááxt). Mittern. (mitra). — Nebel (neval). nebelig. — Nei- 
jahr (neerjopar), Neujahr. Neijahrsabend, Abend des 1. Jan. — Ostern 
(oostarn). Osterabend. — Palmsünntag (palmzüntak), Palmsonntag. — 
Peterstap (peetorstap), Oriongúrtel. — Pfingesten (fiyasten), Pfingsten. 
— Regen (raagən). Regenbogen (raazmboozan). -schuer (-Suuar), 
-schauer. regene (raana), regnen. — Rif (ruf), Reif. Ruhrif (ruuruf), 
Rauhr. — Säber (zaaəvər), Säberregen, feiner Regen. säbere. — 
schatterich (sataric), dämmerig, dunkel. — Schäfchen (Seefcan), 
Himmelsschäfchen, weiße Wölkchen. — Schloßen ($loosan), Schloße. 
— Schnee (nee). -flocken (flokan), -flocke. Es schneget (Snejat), 
schneit. — Schwüle (&wiila), Schwüle; schwül. — Silvester (xilvestra), 
Sylvester. — Sommer (zomra). Olewibers. (oolewuvar), Altweibers. 
— spöte (&pööta), spät. — Stern (Staaorn). Abendst. Morgenst. 
Säbenst. (zevan), Plejaden. — stockrabenschwarz (Stokráâvansworts), 
stockfinster. — Storm (torm), Sturm. — Strahl (sirogal). Sünnenst. 
(zünan), Sonnenstrahl. strahle ($irogala). — Stunde (Stun). — Sünn 
(zün), Sonne. Sünnenschin, Sonnenschein. Wißen Siinntag (wisan), 
weißer Sonntag, S. nach Ostern. — Tag (tak). Alltag Fiertag. aonon 


heldran lictən tak, am hellerlichten Tage. — Tau (tau). taue. — 
Troppen (tropən), Tropfen. — Wagen (wääzan), Himmelsw., großer 
Bär. — Wärme (wasrma), Hptw. u. Zw. warm (warm). — Wetter 


(waatra). Unw. Schlackerw. ($lakra), Schnee und Regen zusammen. 
Wedelw. (wedal), Schneegestöber. wedele, stöbern. Wettergalle (gaola), 
Regengalle; Stückchen Regenbogen. wetterlüchte (-lizcta), wetterleuchten. 


28 Colmar Schumann. 


— Wihnachten (wináázton), Weihnachten. Wihnachtsabend, Abend 
des 1. Festtages. — Wind (wint). Nordw. (nort), Ostw. (ost) = Morgen w., 
Südw. (zit) = Mittagesw. (mitaagos), Westw. (west) = Abendw. — 
Witterung (witoruyk). Witterungswessel (-+wassal), -wechsel. — 
Woche (woxa). — Wolken (wolkən), Wolke. — Zit (tsiit), Zeit. Früh- 
stücksz. (früstiks), Vesperz. (fasspra). — Zug (tsuk), Zugwind. — 
Wochentage: xzúntak, moontak, dinstak, mitawoxan, dondrastak, freertal. 
zünogvant. Monate: janawáúar, fevarwádr, maarts, april, mai, juunii, 
juulü, augúst, xeptembra, oktoobra, noofembra, deetsembro. 


2. Erdoberfläche. 


Acker (akar). — Ähren, Kornähren (korneeran), Roggen- und 
Gerstenähre. — Ast (ast). — Bach (bar). — Bahne (baána), Bahn. 
Fahrb. (fáur). Isenb. (iixən), Eisenb. Schurb. (suur), Rutschb. bahne, 
B. machen. — Bast (bast). — Baum (baum). — Berg (baərk). — 
Blatt (blaat, Mz. bleetor). — BlöBe (bleesa), Lichtung. — Blumen 
(blumən), Blume. — Blüte (bliitə). blühe (bliiə), blühen. — Borken 
(borkan), Borke, Rinde. abborke (ppborka), entrinden. — Brink (briyk), 
Anhöhe. — Bruch (bruux), Sumpfland.. — Busch (bus). Dornb. 
(doorn). Grasb. (graas), Grasbüschel. — Damm (dam), Staudamm. 
dämme, abd. (opdema), aufstauen. — Delle (telo), Vertiefung. — Dich 
(diie), Deich. — Dickung (dikuyk), Dickicht. — Dreck (drek), Schmutz, 
Unrat. — Erden (aaardan), Erde. Erdboden (bodan). — Feld (faalt). 
— Fluß (flus). FlüBehen (fliscon). — Flut (fluut). — Forcht (forct), 
Furche. -— Frucht (fruxt). — Gippel (gipal), Wipfel. — Gleis (glais), 
Geleise. Bahng. (bäin). — Graben (gräavon), Hptw. u. Zw. — Grant 
(grant), Kies. — Gruse (gruuxa), Saft und Wachskraft der Pflanzen. — 
Halde (halə), geneigte Wiese. — Halm (halm). — Harz (häärtis), 
Baumharz. — Heidekrut (haidakruut), 1. jedes Kraut auf Ödland, 
2. Erika. — Holz (hols) 1. Holz, 2. Wald, 3. Stock. — Is (iis), Eis. — 
Iwer (iiwər), Anhöhe. — Kern (kaasrn), Obstkern, Pflanzenmark. — 


Kes (kees) = Kies (kiis). — Kim (kim), Keim. kime, keimen. — 
Klotz (klots). Holzkl. — Klump (klump), Klumpen. Erdkl. (aaart). 
Iskl. (čis) Eiskl. — Knie (knii), Krümmung am Baume. — Knorren 
(knoran), Baumauswuchs. — Krone (kroona), Baumkrone. — Krümme 
(krimə), Wegkrümmung. aənən waak in daər krimə, daa geet man nic 
dime. — Krut (kruut), kraut Unkrut. — Kulen (kuulən), Grube, 
Vertiefung. In der Kulen gehn, hinken. — Land (lant). Fettes 


(faətəs) L. Hungriges (huyryos) L., magerer Boden. Verwischtes 
(forwistos) L., Stück, welches durch einen Strohwisch als zum Weiden 
verboten bezeichnet ist. — Laub (laup). — Leimen (latman), Lehm. 
Leimboden. — Loh (loo), Lohe. Eichenl. (aicən), Eichenrinde, heil- 
sam für Quetschungen. — Luppe (lupə), zasammengeschmolzene Eisen- 
masse. — Milm (mįlm), Staub. — Moder (moodər), Schlammasse. — 
Molthucken (molthukən), Erdhaufen. — Morast (morást), Sumpf, 


Mundartliches aus Hohegeiß. 29 


Schmutz. — Moosch (moo8), Moos. mooschig (moo&c). — Pflanzen 
(flansan), Pflanze. pflanze Zw. — Pfützen (fitsen), Pfütze. — Quell 
(kwaal), Quelle. — Rand (rant), Bachufer. — Rasen (rååzən). -stück 
(Stik), -scholle. — Rinden (riyan), Baumrinde. — Ris (riis), Schößling. 
— Rispen (rispan), Rispe, Haferáhre. — Ruten (ruutan), Rute, Gerte. 
— Sand (zant). — Schacht (Saxt), Bergwerk, Eingang dazu. — 
Schalen (šáəln), Schale. — Schißen (šiisən), Scheiße. Kuhsch., 
Kuhdreck. — Schlamm (Slam). — Schmant ($mant), Schmutz. — 
Schoten (šootən), Hülse. — Schum (šuum), Schaum. — Sinke (ziyka), 
Bodensenkung. — Spannrick (španrik), gekrümmte Oberfläche eines 
Baumes oder Astes, hart und rötlich gefärbt. — Stamm (štam). — 
Staub (staup). — Steg (štek), Holzsteg über einen Bach. — Stein 
(štain). — Stengel (Steyal). — Stieg (štiik), Steig bergan. Dohnenst. 
(doonan). — Strifen (štriifən), Streifen Landes. — Strom (Stroom), 
Strömung. — Strunk (Struyk). Stuken (Stuukan), Baumstumpf. — 
Sump (zump), Sumpf. — Tal (fääl). — Tich (tiic), Teich. — Tränken 
(treykan), Viehtränkestelle. — Trift (trift), Weideland. — Trump (trump, 
Mz. trimpa), Baumstumpf. — Wald (walt). — Wasser (wasar). — Weg 
(waak). Kriizw. (kriits), Kreuzw. Wegwiser (wiizər), Wegweiser. — 
Wesen (weexan), Wiese. — Wirbel (werbal), Wasserwirbel. — Worzel 
(wortsal), Wurzel. — Zacken (tsakon), Zweig. — Zwehlen (tsweelan), 
Gabelast. — Metalle: blee, blasx, golt, 11xan, kupar, maasiyk, kwaskxtlvar, 
xtlvar, tsen, tsiyk. 
3. Feld- und Waldwirtschaft. 
a) Landbau und Viehzucht. 


Anger (ayar) = Brachland (braaklant). — Bläsz (bles), heller 
Stirnfleck des Rindes. — Brustketten (brustkeetan), Kette der Zugtiere, 


die kein Kummet tragen. — Buchgorten (burgorten), Bauchriemen der 
Zugtiere. — Drescheflegel (tresoflejol), Dreschflegel. — Eggen (ejan), 
Eggen. -zinken (tsiykaon). — Ernte (aaornta). — Fuhre (fuura). 


Führechen (fürscan). — Futter (futro). — Gabel (gával). — Haug. 
(hou), Heug. Mistg. (mist). — Geschirre (gasera), Riemenzeug der 
Zugtiere. Kummtg. und Selg. — Grabeschit (grdavasit), Spaten. — 
Grenze (grensa), Feldscheide. — Grummet (grumot), Nachmahd. — 
Hacken (hakan), Hacke. hacke, hacken. anh. (üän) = beh., Kartoffeln 
häufeln. — Häckering (hekariyk), Häckerling, Häcksel. — Harken 
(harkan), Harke, Rechen. — Hau (hou), Heu. Haubaum, Wiesbaum. 
— Herkel (haarkal), dreizinkige Hacke zum Ausmachen der Kartoffeln, 
usmache (uusmaxa). — Hert (haaart), Herde. — Hirte (haarta), Kuh- 
hirt. — Hucken (hukon), Haufen. Hauh. (hou), Heuh. — Jauche 
(jauxa). Jauchenkulen, -loch. — Kaff, Haberkaff (havrskaf), Hafer- 
spreu. — Kleien (klejon), Kleie. — kloppe (klopa), klopfen mit dem 
Klopphammer (hamar) auf die Sense, um sie gerade und scharf zu 
machen. — Korn (korn), Roggen und Gerste. — Kummt (kumt), Hals- 


30 Colmar Schumann. 


leder des Zugviehes. — Kuhklacke (kuuklako), Kuhdreck. — mähe 
(mees), mähen. Mähder (maaadar), Schnitter. Mäderriemen (maaader- 
riiman), Leibgürtel desselben. — Mandel (mandal), 15 Stück Garben u. a. 
— Mast (mast), Mästung. -schwin (Swiin), -schwein. mäste (mesto). 
mästen. — melke (melko), melken. Melkemmer (emar), Melkeimer. 
— Mist (mist). -kulen, Dunggrube. — Pflug (fluul). -arm (orm): 
-sterz ($terts); -isen (ixan); -schar (Saar); -sohle (xoola). pflüge (flitja), 
pflügen. — R’smen (rímon), Riemenzeug des Zugviehes. Schwanzr. 
($wans). Ziehr. (ts). — säe (zeea), säen, Samen (zddman). — Schaper 
(Sääpar), Schäfer. -haken (háákon), Schäferstock. — Scheten (setan), 
Schütte Langstroh. Schetegabel, Strohgabel. — Scholle (sola), nur 


s. v. a. Grundbesitz. — Schwippe ($wipa), Peitsche. — Schwarzmehl 
(Swortsmaaal), Futtermehl. — Seil (zail), Strick. — Sel (zel), Sel- 
geschirre, Brustriemenzeug. — Sesen (xeesan), Sense. -baum, -griff. 


kurzer, -kricken (krikon), langer Griff. — Sichel (xtcal). — Spreh 
(Spree), Spreu von Roggen und Gerste. — Stangen (Stayan), Stange. 
Bohnenst. (bonan). — Stapel (Staapol), Eisenstab, auf dessen Stahl- 
spitze die Sense geklopft wird. — Stock (stok). Handst. (hant), Gehst. 
— Strau ($frou), Streu. — Stroh (Stroo). Langstroh (layk), Glatt- 
stroh. Wirres (weras) St., Kurzstroh, welches in Strohbündel (-biyal, 
Mz. biyals) zusammengefaßt wird. — Tilten (tilten), am Gürtel hängen- 


der Behälter des Wetzstein. — Treck (trek), Unkraut. Treck us- 
hebe (uusheeva), jiten. — immewende (ümsawena), umwerfen, Heu u.a. 
— Ussaat (uusxoot), Aussaat. — Viehweide /fiiwaida). — wetze 


(wetsa), schärfen. Wetzestein. — Winkel (winkal), spitzes Landstück. 
— Zech (tsec), Sech, Pflugmesser. 


b) Waldarbeit. 


abmache/ppmaxo), absage (ppxd4z9), abschnide (ppsnitta), fállen. — 
Banse (banza), ungeordneter Haufen Holz. — Bil (biil), Beil, Holzaxt ` 
Kleebil (klee), großes Beil zum Eintreiben der Keile in den Stamm. 
Schrotbil (Sroot), Holzaxt. — bolzen (bolsan), holpernd sich bewegen, 
von der Säge gebraucht. — Filen (fiilon) — Sagef. (24439), z. Schärfen 
der Säge. — Förster (ferstra). Öberf. (ebar), Oberf. — Hai (hai), Fläche, 
wo die Bäume gefällt u. junge angepflanzt sind. — Hauung (howuyk). 
Fläche, auf der die gefällten Stämme noch liegen, auch Abtrieb (ọptriip) 
genannt. — Hecke (heko), dünnes Gezweig, das zu Bündeln, Hecke- 
wellen (hekawelan), zusammengebunden wird. — Holz. Abgelängtes 
H. (epgalenatas), in bestimmter Höhe der Spitze beraubte Stämme. An- 
bruchh. (aänbrux), angefaultes H. Balkenh. (balkon), stärkere Bäume. 
Brennh. (braan), Gegent. Nutzh. (nuts). — Knorrh. (kror), knorriges 
H Knüppelh. (kripol), dünnere Stämme, die nicht im Walde abgeschält 
werden. Langes H. (layəs), Balkenh. Plenterh. (plaantra), aus den 
jungen Beständen entfernte Stämme. Usplenterung (uusplasntoruy). 
Rundh. (runt), kürzere, zu Brettern taugliche Hölzer. Sparrenlh. 


Xx 


Mundartliches aus Hohegeiß. 31 


(Spaaran), dünne Stämme. Stockh. (Stok) Astwerk, Reisig. Holzhauer 
(holshguar), Waldarbeiter. Holzhauermeister, Holzaufseher. — Ku 
(kiil), Keil. Sagenk. (zädzen), dünner K., welcher in den Stamm ge- 
trieben wird, um ihm eine bestimmte Fallrichtung zu geben. Spellek. 
(Spela), Spaltk., der mit dem Kleebil eingeschlagen wird. — Kluppe 
(klupa), zusammenlegbares Meßgerät für Inhalt u. Umfang der Bäume. 
— Malter (maltra), Raummaß für Holzstapel. — Miler (mitlar), Kohlen- 
meiler. — Quendel (kwaandal), der hohle Raum, der in der Mitte des 
Meilers entsteht, wenn der Mittel- und Stützpfahl, Quendelpfahl (faal), 
herausgezogen wird. — rücke (riko, Mw. gorukat), die gefällten Bäume 
an eine andere Stelle schaffen, entweder anweg (aanwaak), an den 
Holzweg, oder inschwad (inswäät), s. Schwade. — Sagen (zdäzen), 
Säge. sage, sägen. Sagenrißer (zddganrüser), Gerät, um die abgenutzten 
Zähne wieder gleichlang zu machen. Sagenscheiden (Saidan), ge- 
rieftes Holzstück, welches über die Zähne geschoben wird, wenn die 
Säge auf dem Rücken getragen werden soll. — Schalen (sádoln), Rinde. 
schále, abschile (opseela), entrinden. — Sehit (St), Scheit. Schit- 
chen (&tcon), Holzstückchen. — Schneise (Snaixa). Schrank (Srayk), 
regelrecht aufgesetzter HolzstoB. Dubensch. (duuven), aufgeschichtetes 
Daubenholz. schränke ($reyka), 1. aufschichten, 2. die Zähne der Säge 
mit dem Schränkeisen schärfen und gerade, in Srayk und gayk, richten. 
— Schwade ($wädia), Gesamtheit der am Hauptplatze nach Einer Rich- 
tung hingelegten Bäume. — Stiefel ($tüfal), Bohnenstangenholz. — 
Triber (triivar), grober Keil zum Spalten der Klötze — ümmedrehe 
(umadreea), einen Stamm umwenden mit dem Wendehaken (wepa- 
häâkon). — usäste (uusesto), der Äste berauben. — Weg (waak). Forstw. 
(forst). — Holzw. (hols). 


c) Der Kuhwagen und seine Teile. 


Arm (orm), Stützholz zu beiden Seiten der Deichsel. — Asse 
(ass), Achse. Vör- (feer) u. Hinter- (hiņər) A., Vorder- u. Hinter- A. 
Assenfutter (asonfutra), Achsengehäuse, darüber das Assenfutterbrett 
(braaot). — Bremese (bremoxa), Bremsvorrichtung. — Bichse (biksa), 
Nabenróhre. — Dunkorten (duykortan), Dunghorde, Seitenbrett des 
Mistwagens. — Kapsel (kapsal), Aufsatz der Achsenspitze vor der Nabe. 
Kriúckschit (kriksit), Querholz auf den beiden Deichselarmen, auf dem 
die Spitze des Hinterwagens hin und her gleitet, krückt. — Lenn 
(len, Mz. lenan), Lünse, Vorstecknagel der Kapsel. — Letter (letra), 
Wagenleiter. -baum, Leiterbaum. — Lüsse (lisa), Holz- oder Eisen- 
stab, verbindet Achsenspitze u. Leiterbaum, damit die Leitern sich nicht 
senken. — Nagel (nääzal). Rungenschemeln. Stangenn. Wagenn., 
woran die Wage hängt. — Rad (rat), besteht aus: Felgen (felyan), 
Felge, Naben (naäman), Nabe, Speichen ($paicon). — Rungen (ruyan), 
Arm des Rungenschemels (seemal), Wagenschemels, an dessen beiden 
Rungen die Leitern lehnen. — Schubholz ($uphols), Querholz oben 


32 Colmar Schumann. 


zwischen den zwei Leiterbäumen, das sie auseinanderhält — Splitt 
($plit), Durchsteckeisen durch den Kopf des Wagennagels. — Spor 
(Spor), Stützholz der Spitze des Hinterwagens, welche diesen in der Spur 
des Vorderwagens hält. — Stangen (Stayen), Deichsel. — Tracht 
(traxt), Querbrett in der Mitte des Langwagens zur Stütze der Leitern 
und ebenso am Ende des Hinterwagens. — Wagen (wádzen), 1. Wage, 
Gleicher, mit den zwei Schwengeln (Swegol). 2. Wagen, Kuhwagen. 
Vórw. (feer) u. Hinterw. (hiyar). Vorder- u. Hinterteil des zusammen- 
stellbaren Wagens. Langwagen (layk), der auf beiden Teilen ruhende 
und sie vereinigende Langbaum samt Wagenbrettern und Leiter- 
wänden. 


4. Wohnort. 
Abschlag (opslaz), Verschlag am Hause. — Abtritt (pptrit), Abort 
— Alkoven (alkoowon), Bettverschlag in der Stubenwand. — Aschen 


(usan), Asche. Kolaschen (kool), kalte A. Glonige (gloonya) A. 
heiße A. — Balken (balkon). Hahneb. (hääns) = Kehlb. (kaaal) = 
Stechb. ($tec), Einlagebalken zwischen den Dachsparren. Haar geet uf 
daan häänabalken rüm, er tut sich groß, brüstet sich. — Bethus (baaat- 
huus), Kapelle. — Boden (boden). Fußb. (fuus). Haub. (hou), Heub. 
Bodenrum (ruum), Dachboden. bode (bods), mit Dielen belegen. — 
Bohlen (boooln), Fubbodenbrett. — Born (born), Schöpfbrunnen. 
Pumpenb. (pumpan), Ziehbrunnen, Pumpe. — Brett (braast). Wetterb. 
(waator), Giebelbrett. — Bucht (buxt), Bretterverschlag auf dem Felde, 
verächtlich: kleines Wohnhaus. — Buden (buudan), Bude. — Burg 
(burc). — Dach (daz). Abwalmd. (opwalm), das kleine Giebeldach. — 
Decke (deka), Zimmerdecke. — Dielen (dilan), Diele, 1. FuBbodenbrett, 
2. Hausflur. — Dorf (dorf). — Draht (droet), Binded. (biya), Binde- 
draht zu den Strohbündeln des Daches. — Drücker (driker), Türgriff. 
— Dubenschlag (duuvanslak), Taubenhaus. — Fahne (füana). Wetterf. 
(waater). — Fenster (faanstra). -brett (braaat). -loch (lor), -lucht. — 
Ferstech (forstec), Raum unter dem Dache, wo Heu aufbewahrt wird. 
fersteche, einen Teil des Gebälks niedriger, sider (zitər), legen. — 
Fliesen (fliixon), Steinfliesen. — Forst (forst), First. — Gang (gak). 
— Garten (goorton). — Gasse (gasa), Straße. — Gebel (gevlo), Giebel. 
-stuben. — Geländer (golentra). — Gereke (gareeka), Dorng., leben- 
dige Hecke. — Gitter (gitra). — Grab (grap). — Grund (grunt), 
Grundlage der Gebäude. Grund usmache (uusmazxa), den Baugrund 
ausheben. — Gruben (gruuven), Grube. — Hecken (hekon), Hecke. — 
Herd (haaart). Kesselh. (kesal), H. mit Hängekessel. Kochh. (kur), 
Feuerh. — Hoffrum (hofruum), Hof. — Hus (huus, Mz. hizor), Haus. 
Armenh. (orman). Krankenh. (krayken). Wirtsh. (werts). — Kamin 
(kamtin), geschlossener Schornstein. — Kammer (kamar). Rumpelk. 
(rumpal). Schlafk. (Sloof). Speisek. (Spiizo). Vörratsk. (feerrpots). 
Keller (kaalro). — Kirchen (kasrcan), Kirche. Kirchhoff, Friedhof. 
— Kittchen (kitcən), Gefängnis. — Klinke (kliyko), Ziehverschluß der 


Mundartliches aus Hohegeiß. : 33 


Tür. — Krippen (kripən), Krippe. — Küchen (kicən), Küche — 
Laden (laatən), Kauf- und Fensterladen. — Lauben (lauban), Laube. 
— Letter (letra), Leiter. — Luken (luukən), Luke. — Marcht (marzt, 
mart), Markt. — Müllen (melon), Mühle. — Mur (muur), Mauer. -stein. 
— Ofen (oovon). — Ort (ort), Stelle, Siedelung. — Paneel (panéel), 
Brettverkleidung der Wand. — Pfahl (fääl), Zunpf. (fsuun), Zaunpf. — 
Pflaster (fläästar). — Pforten (fortan), Gartentür. — Pfosten (foston). 
— Planke (playka), hoher Bretterzaun. — Platz (plats), freie Stelle 
im Orte. Plätzchen. — Qualm (kwalm) = Rauch (raur). — Rahmen 
(raaman). Fensterr. (faanster). — Raufe (raufs). — Rick, Zunr. 
(tsuunrik), Querlatte des Lattenzaunes. — Riege (rija), Reihe der 
Häuser. — Riegel (rijal). — Röhren, Ofenr. (oovonreeran). Ofenröhre. 
Röhrenlet (leet), Tür derselben. — Rónne (rena), Rinne. Dachr. mit 
Abfallrohr (opfalroor). — Roste (roosta), Ofenroste. — Rust (ruust), 
Ruß. Ofenr. — Saal (zaal). Spises. (3piixo). Tanzs. (tans) — 
Schiben ($%van), Scheibe. Fenstersch. — Schlagbaum (Slakbaum). 
— Schloß (Slos). Törsch. (teer), TürschloB. Schlüssel ($%sal). 
Schlüsselloch (Slisallor). SchlieBhaken (3ltishádkon), Túrkrampe. — 
Schornstein (Sorn3tain). — Schule (Suula). Dorfsch. Hohe Sch. 
Schüler ($%ldro). — Schüne (%ina), Scheune, Tenne. — Schwell 
(3wel), sächl., Schwelle. Hustörsch. (huusteer), Hausschwelle samt Stufen. 
— Schwinskobent (Swinskuyvant), Schweinestall. — Sparren (Sparon). 
Dachsp. (dak). — Spritzen ($Spritsan), Spritze. -hus, Spritzenhaus. 
— Stall (gal). Zegenst. (tsain), Ziegenst. Kuhst — Stadt (Stat). 
— Ständerwerk (Staandrowaark), Fachbau. — Stein (Stain). Taufst. 
{tauf). Branntstein = Murstein. — Stockwerk (Stokwaark), Geschob. 
— Straße ($rppsa). StraBendamm. — Stuben (Stuuvan) — Wohn- 
stuben. Kinderst. (kiyar). Krankenst. (kraykan). — Stufen (Stuufoen), 
Stufe. — Stützen (štitsən), Stütze, Ständer. — Tapeten (tapéetan), 
Tapete. — Tor (toor). Torweg (toorwaak), Hoftor. — Tör (teer), Tür. 
Hintert. (hiyar). Hust. (huus), Vordertür. Kammert. Stubent. — 
Torm (torm), Turm. Kirchent. (kasrcon). Tormuhr (uur). — Treppen 
(trepan), Treppe. — Usguß (uusgus), Ausguß in der Küche. — Wand 
(want). Husw., Hausw. — Zelt (fsaalt). — Ziegel (tstijal), Dachstein. 
Forstz. (forst), Hohlziegel. — Zun (fsuun), Zaun. Bretterz. (braaatar). 
Staketz. (Stakét). Gartenz. 


5. Hausrat. 

Axt (úkst). — Bahre (bogro), Trage. — Bank (bayk). — Becher 
(becor). Becken (bekan), Schüssel. — Besen (baaaxon). Birkenb. 
(baarkon), Reisb. — Bette (beta), Bett. Bettpfosten (foston). — Bil 
(biil), Beil. — Bild (bilt). — Bock (bok), Gestell. Sageb. (x4dz0), 
Sägeb. Schnideb. (Snita), Schneideb. — Bórsten (baorston), Bürste. 
Zügb. (tsk), Kleiderb. Schuhb. (Suu). — Brett, Bórtbr. (beertbraast), 
Wandbrett. Beckenbr., Schüsselbr. — Bruse (bruuxə), Aufsatz der 

Zeitschrift fúr Deutsche Mundarten. VI. 3 


34 Colmar Schumann. 


Gieskanne, Brause. — Bütel (bital), Beutel. Geldb. (gaalt). Tabaksb. 
(tabáks). — Buch (buux). Leseb. (laaaa). Rechenb. (raaxon). 
Schribb. (3rib), Schreibeb. — Büchsen (biksen), Büchse. Botterb. 
(botar), Butterb. Pfefferb. (faafro). Salzb. (xpplts). — Bur, Vogelb. 
(fogalbuur), Vogelbauer. — Deckel (dekol). — Decken (dekon), Decke, 
Strohd. (&troo). Bettd. — Dietrich (deitrie), Nachschlüssel. — Dippen 
(dipan), Topf. Dreibeiniges (treibaensos) D. Irdenes (aaardanas) D. 
Isern (iizərn) D., eiserner T. Limd. (lim), Leimt. — Docht (dort). 
Dreckbrett (drekbraaet), Müllschüppe. — Emmer (emer), Eimer. Wasser- 
emmer. — Faß (fas), Faß, Tonne. Büchef. (bziico), Laugegefäß beim 
Waschen. — Feder (fedra, d fast = t). -fittig (-fitic), Flederwisch. -— 
Fensterhang (fasmstorhayk), Gardine. — Ficke (fika), Kleidertasche. 
Fickenmesser, Taschenmesser. — Flaschen (flason), Flasche. Berf. 
(beer), Bierf. — Fliegenklatschen (fliijonklatson). — Firzig (fitr- 
tsik), Feuerzeug mit Zunder usw. — Gabel (güvlb). — Geld (gaalt). 
-katze (hkatso). — Gelten (gelton), Wanne. Gültchen (geltcon), kleinere 
W. — Geschirre (gasera), Kichengeschirr. Nachtg. (nádxt). — Glas 
(glas). Tinteg. (tinta), TintenfaB. — Glocken (klokan), Glocke. — 
Haspel (haspel). — Holster (holstrə), Tragetasche. — Hotzen (hotsan), 
Wiege. — Hütschen (kitsan), Hutsche, Fußbänkchen. — Ingebrachtes 
(ingabrooxias), Heiratsgut, Mitgift. — Kaffebrenner (kafabrendra), 


Kaffeetrommel. -müllen (milan), -múhle. — Kamm (kam). Lusek. 
(luuxa), Lausek. — Kanapee (káanapee), Sofa. — Kanne (kano). 
GieBg. (güs). — Karbatsche (karbátse), Zeugklopfer. — Kasten 


(kastan). — Kastroll (kastról), Kasserolle. — Kehrborst (keerborst), 
Handbesen. — Kessel (kesal). Teek. (tee). — Kiepen (kiipən), EB- 
kober. — Klammer (klamar), Zeugklammer. — Klingel (klyal). — 
Knift (knift), schlechtes altes Messer. — Knüttsticken (knitstikon), 
Stricknadel. — Korb (korp). Handk. (hant). — Kram (kraam), Menge 
_ geringwertiger Dinge. Krämichen (kreemican), allerlei Kleinkram, ge- 
ringe Habe. — Krug (kruuxr). Holzk., Holzkanne. — Kuffert (kufort), 
Koffer. — Külen (kilan), Keule. — Laden (ladton), Truhe, Kommode. 
Schub]. (sup), Schublade. — Laken (laakon). Bettl. Tischl. — Lappen 
(lapan). Schürl. (&ir), Scheuerl. Wischl. (wis) = Ufwaschl. (ufwas). — 
Licht (let), Licht, Leuchte, Lampe. Öllicht (eel), Öllampe. Taligl. (talik), 
Talglicht. Wachsl. (waaks). Lichtstummel ($tumal), -stumpf. — 
Listen (lüsten), Leiste. — Löffel (lefal). Holzl. Kochl. (kox). Ufgebel. 
(ufgaao), Kelle EBI. (ass). — Lüchter (lictar), Leuchter. — Maße 
(maaqsa), Maß. Fußm. (fuus). Meterm. (meetar.) — Messer (maosor), 
-klingen (kliyan), -klinge. — Miste, Salzm. (zooltsmisto), Salzmeste. 
großes Holzgefäß. — Möser (mecxor), Mórser. -külen, Stößel. — 
Napp (map), Napf. EBn. (aas). Spuckn. (Spuk). — Nasenwärmer 
(naäxonwermor), kurze Pfeife. — Pfanne (fans). Bratpf. (braut). — 
Pfifen (fifon), Rauchpfeife. -purrel (pursl), Pfeifenreiniger zum Aus- 
kratzen, uspurrele “uuspurala). — Pflock (flok). — Pinsel (pin:ol) 


Mundartliches aus Hohegeiß. 35 


Plunder (plundra), wertloser, alter Kram. — Pritschen (prit3an), Schlaf- 
bank am Ofen. — Quirl (kvarl), Rührholz. — Ränzel (rensal), sack- 
artige Hirtentasche. — Rebester, Melchrebester (melerebastra) = Melch- 
satte (-xata), Milchschüssel. — Ribeisen (rivaiizon), Reibeisen. — 
Rumpelkram = -krempel (krempal), Geriimpel. — Sack (zak). — Sarg 
(xark). — Schachtel (Saxtol). — Schanne (Sana), steifes Trageholz für 
die Wassereimer. — Schemel (Seemel), niedriger Sessel. — Scherben 
(Saarban), Scherbe, Bruchstück. — Schnappen ($napan), Kannenschnabel. 
Schrank ($rayk). Brotsch. (broot). Eßsch. (aas). Küchensch. (kecan). 
Kleidersch. (klaidər). — Schufel ($uufal), Schaufel. — Schwumm 
(Swum), Schwamm. — Sieb (zip). Haars. (hoor). Drahts. (dropt). — 
Simen (ziman), Bindfaden. — Spelzüg Speeltsik), Spielzeug. — Spell- 
klotz (Spelklots), Hackeblock. — Spiegel (spajal). — Spieß, Bratsp. 
(brootspüis). — Spunigen ($punyan), Bettgestell, Sponde. — Steel (Steel), 
Stiel. — Stock (stok). Gehst. (gee), Wanderstab. Krückst. (krik). 
Ladest. (lääto). — Strichholz ($irichols), Schwefelholz. -— Strick 
($trik), Leine. — Stuhl (Stuul). Armst. (prm), Lehnst. Drehst. (dree), 
Drehsessel. — Stunzen (Stunsan), Wanne mit Griff. — Tassen (lasan), 
Tasse. -kopp (kop), Obertasse. -schalen (Sádalan), Untertasse. — Teller 
(taalro). — Tisch (tij). kasten Nähtisch (nee). — Topp (top), Topf. 
Kocht. — Tragholz (trääkholts), biegsame Trageleiste für den 
Wassereimer. — Trebest (trebast), Eisengestell für den Kochtopf. — 
Tresen (traaoxon), Laden-, Schenktisch. — Trichter (trictra). — 
Trog (trok). Backt. (bak). — Tuten (tuuton), Düte. — Uhr (wur). 
-schrank, -gehäuse. — Ule (uula), Eule, Stubenbesen. — Wagen 
(wádzon), Wage. Balkenw. (balkon) —= Schnellw. (Snel). — Wagen- 
winden (wädzonwiyon), Handwinde, Daumkraft. — Zappen (tsapan), 
Zapfen. 
| Die Teile des Spinnrades. 

Arm (ọrm). Bein (bain), Ständer. Flass (flas), Flachs. Garn- 
winden (goornwigon). Hede (heedə) = Wickelhede, Flachsabfall. 
Hedenkamm, Flachskamm. Knecht (knaaəxt), Glied, das den Tritt 
in Bewegung setzt. Öberwickels (ebarwikals), Wocken mit Flachs. 
Rad (rat). Schruben (Sruuvan), Schraube. Spindel ($pündal). Spulen 
(Spuulan), Spule. Tritt, Fußtritt (fuustrit). Wirtel (wertal), Wocken 
(2cokan), Spinnrad. Wockenbrief (-drüf), Papierhülle des Wockens. 


Tonwerkzeuge. 


Bab (bas). Flöte (fleeto). Hackebrett (hakobraast). Horn 
(horn). Klapper (klapro). Klarnette (klarnete), Klarinette. Orgel 
(orjal). Drehorgel, Leierkasten. Pauken (paukon), Pauke. Pfifen 
(füfen), Pfeife. Posaune (pozauna). Präper (preepar), 1. Schalmei 
(Salmai), 2. in der Kindersprache jedes Musikgerät. "Trommel (trymol), 
Trommel. Trumpeten (trumpeeten), Trompete. Vigeline (fijoléina), 
Geige. 


39 


36 Peter Wimmert. 


Waffen. 


Büchsen (bikson), Büchse. Standb. (stant), früher Ziehb. (tse), 
alte Scheibenbüchse. — Flinten (flintən), Flinte. Büchsfl, mit zwei 
Rohren für Schrot und für Kugeln. Gewehr (geweer). Helm (helm). 
Sabel (xaabal), Säbel. Schild (šilt). Schwert (Swaaart). Spieß (Spiis). 


Die Eigennamen des Dorfes Laubach, Kr. Cochem. 


Ein Beitrag zur Kenntnis der Eifeler Mundart. 


Von Peter Wimmert. 


I. Vornamen. 


Ein recht zähes Festhalten am Alten macht sich unter den Eifel- 
bewohnern beim Benennen ihrer Kinder bemerkbar, denn aus der großen 
Zahl der Vornamen sind verhältnismäßig nur sehr wenige im Gebrauch. 
Die schönen Namen der alten deutschen Helden: Walter, Siegfried, Sieg- 
bert, Günther, oder Hermann, Gottlieb, Konrad, Rudolf u.a. wird man 
ebenso vergebens suchen wie: Hedwig, Kunigunde, Sieglinde, Irmgard, 
Hildegard. Außer den folgenden Vornamen sind in Laubach wohl keine 
mehr vertreten, uad nur durch das Bestreben einzelner Pfarrer, die for- 
dern, daß dem Täufling als zweiter Name der gegeben wird, den der 
Kalender am Geburtstage des Kindes zeigt, dringen andere Namen ins 
Volk, jedoch immer noch sehr selten als Rufname. 


Hier folgen die vorkommenden Vornamen in ihrer ortsüblichen 

mundartlichen Aussprache: 
a) Männliche. 
Adam = asdem, auch adəm. Verkl. aadamco. 
Andreas = ándres. Verkl. úndresjon und ándoresjon. 
Anton = dnthun, thun, dun, duna, dinas. Verkl. dinasjan. 
Bernhard = bernad, bernadca, bernadjan. 
Bartholomäus = bpardalamiis, mits, boardel. Verkl. müsjan. 
Christian == kresdian, kresdoan, Abk. krest. Verkl. kresdienco, krestmenea. 
Franz = frants; bei Kindern ist gebräuchlich frents. Verkl. frentsjon, 
frentsalcon. 

Georg = jeeric, jerac, jeehs. 
Heinrich == khainaric, hain, henarac, rikos. 
Hubert = hüubert, hubo, hubas, berdas. Verkl berdjan, hubosja. 
Johann = jovn, hanas, henos, hant, häns (selten). Verkl. henasjon. 
Jakob == jokom, jokab, jakob. Verkl jekomco. 
Joseph = joosab, jusab, jibos, jub, jib. Verkl, jubasjon, jibasjon. 


Die Eigennamen des Dorfes Laubach, Kr. Cochem. 37 


Karl = koadal. 

Lambert = lambas, lambot, labanas. 

Matthias = mados, mathos, medas, medi, theeis. Verkl. medasjan. 
Martin = mathin, meerthan. Verkl. meerthasjon. 

Michel = mecal, mical, mecalca, micalca. 

Nikolaus = nigəla, negəlææœs, klææs, kloos. Verkl. klææsjən. 
Peter = pheetər, phidər, phit, phitjon. 

Paul = phoqul, phutsal. Verkl phopulcan, phutsaleon. 
Theodor = teedor, dooros, deets, dit3. Verkl. doorosjon. 
Thomas = tomos, lomoos. 

Wilhelm = welam, wilt, wil. Verkl. rwelamco. 

Vorherrschend sind unter diesen Namen bei älteren Leuten: Adam, 
Anton, Bartholomäus, Hubert, Jakob, Johann, Joseph, Matthias und Ni- 
kolaus, während die übrigen meist von jüngeren Personen getragen werden, 
und nur bei der jüngsten Generation sind Franz, Theodor, Karl und 
Andreas zu finden. 


Häufig sind noch Zusammenziehungen zweier Namen wie: 


hansnekol = Johann Nikolaus. 

hanjusab oder hanjub — Johann Joseph. 
hamphit oder hamphiter = Johann Peter. 
hansphitcon = Johann Peter. 

madsjusab oder madasjusab = Matthias Joseph. 


b) Weibliche. 


Noch geringer als bei den männlichen ist die Auswahl bei den weib- 
lichen Vornamen: 
Agnes = ayanis, ayanas, niis. Verkl. niisjə. 
Anna = ana, amet, ami, en. Verkl. ameica, encan. 
Barbara = beb, bebjan, bal. 
Christine = diina, diin. 
Elisabeth = lis, lisjon, Usbet, liso. 
Gertrud = tropud. Verkl. trogudjən. 
Katharina = kadərin, kat, ket, katca, keetco, treein, triin, kadarein, threeinca. 
Klara = kleer. 
Luzia = luisei, lutsi, luts, lutsan. 
Magdalena = liin. 
Margarete = miigrat, magrit, greet, grit, grit, gritco. 
Maria — maart, mart, mai, manco, 
Rosalie = roosa, roos. Verkl rósaco. 
Regina = región, giin, giinca. 
Sophia — sufei, suf. Verkl. sufrica. 
Therese = trees, treesjan. 
Ursula = ursal, orsal. Verkl. oršəlcə. 
Veronika = frun. 


38 Peter Wimmert. 


Daneben gibt es noch zusammengesetzte weibliche Vornamen, wie: 
maregikat — Maria Katharina, mareineef — Maria Eva, anomare? — Anna 
Maria, anaket = Anna Katharina, analis = Anna Elisabeth, marei- 
malin = Maria Magdalena, anamagrit — Anna Margarete. 

Die häufigsten Namen sind: ame, beb, ls, lutsei, lin, mai, sufei 

und Zrooud. 
II. Familiennamen. 


Die richtigen Familiennamen werden von den Dorfbewohnern unter 
sich überhaupt nicht gebraucht; ja oft kommt es vor, daß einer des 
andern Familiennamen nicht einmal kennt, obgleich sie gute Bekannte sind. 

Statt dessen sind die ortsüblichen im Gebrauche, die herrühren können: 


l. von den Vornamen der Eltern oder Großeltern, 
wie boardals, fritso, haanso, Senyals, jekomcas, pidas, Saya, thuna, anthuno, 
milsjas, simons 
als Nachkommen eines gewissen Bartholomäus, Friedrich, Johann, Jakob, 
Peter usw. 
Demgemäß hört man bpardals treein, fritsa dits, Saya filob, thuna ana, 
múiisjos beb, Seyols phitor u. a. 

Hierher gehóren auch die durch Zusammenziehung zweier Vornamen 
gebildeten Familiennamen, die gewöhnlich auf zwei Generationen, Eltern 
und Großeltern, zurückweisen, so 

mareikceta (Maria hieß die Großmutter und Katharina deren Tochter, die 
jetzige Frau), mar£imalins (Maria-Magdalena), mareineefs (Maria-Eva), 
hanasjusabs (Johann-Joseph), madasjusabs (Matthias-Joseph), hansnekals 
(Johann-Nikolaus) und phidarjusabs (Peter- Joseph). 


2. von dem eigenen Gewerbe oder dem der Vorfahren. 


pinan heißen die Nachkommen des Nagel- oder Pinnenschmiedes, den 
man früher als pinonklopudean bezeichnete. 

g$mids wird die Familie des Schmiedes genannt. 

weenas die Familie des Wagners. 

kopulo die Familie eines Grubenbesitzers (kopul — Schiefergrube). 

aiars. Früher trug der Vater Eier zur Stadt, hat jedoch heute mit Eier- 
handel nichts mehr zu schaffen. 

$oostar! nennt man die Schuhmacherfamilienglieder. 

Sind mehrere desselben Standes da, so wird landläufig durch Zu- 
setzung des richtigen oder ortsüblichen Familiennamens unterschieden: 
stolo Soostars (Stoll), jenda Soostars, Suwaraks Soostar (Familienname: 
__Schuwerack). 
klogyjo$ = Glockengießers, auch glogagiisaë. 

Ein Sohn des Glockengießers ist Bäcker, daher genannt glogab«rkar. 

Häufig steht als Familiennamen auch eine Verbindung von Stand 
und Vorname der Person, z. B. 


Die Eigennamen des Dorfes Laubach, Kreis Cochem. 39 


Sewaklppso = Familie des Schäfers namens Nikolaus. 

kostarmadoso == Küsterfamilie im Dorfe. Matthias heißt der Mann. 

sanstainsmadas heißt die Familie eines Schwemmsteinfabrikanten. 

seithun heißt der Schweinehirt Anton. 

milajusabs wird die Familie eines Müllers mit Namen Joseph genannt. 
So kann man hören: 

seuwokloosa welam, kostarmadasa eefjon, milajusobs jokom usw. 


3. von der Lage des Wohnhauses. 


baanofs Sammelname fiir sámtliche Familien von Bahnbeamten, die meist 
am Bahnhofe wohnen. 

hüweecs heißt die Familie in dem ältesten Hause am Hochweg. 

keer werden die Bewohner eines Hauses genannt, das an einer keer 
= Krümmung der Straße steht. 

moaadandealar$ = Leute, im sogen. Martental wohnend. 

boors = Familie in einem Hause am Brunnen. 

pesdinas. Das Wohnhaus der Familie lag in einem pes — Wiese. Die 
Leute schreiben sich Wagner. 


4. von ursprünglichen Schimpfnamen. 


hotsals, Seimlefals, humans (allgemeine Bezeichnung für einen filzigen 
Bauern). 

flubs, fluukoadal u. a. 

Noch andere gebräuchliche Familiennamen sind: 

kliimadas, so genannt, weil die Leute in dem Anwesen eines längst ver- 
storbenen gewissen Klee wohnen; das Familienhaupt heißt Anton 
Kreuser. 

kreitsmadas, ähnlich wie mit kliimadas. Die Leute schreiben sich Pörling. 

sowaklposo. 

Sinsewac, von Sinschöffen! herkommend, welches Amt der Vorfahre 
einstmals bekleidete. 

álapidas oder auch kurz dla wird eine Familie genannt, wahrscheinlich 

- von »Alter Peter« herkommend. Die Träger dieses Namens heißen Toll, 

und der Name Peter kommt in der Familie heute nicht vor. 


Auch in den geschriebenen Namen herrscht keine große Mannig- 
faltigkeit: 
Arenz, — Göbel, Gräfen, — Kerben, Klotz, Kreuser, Kronz, Kratz, 
Kreuz, Klasen, — Lanser, — Peters, Pörling, — May, Mayer, Mertes, 
Miesen, Münk, — Schmitt, Schmitz, Scheider, Schneider, Stoll, Steffes, 
— Tholl, Thönnes, Theisen, — Valerius, — Wagner, Watzling, Wöl- 
werscheid 
kommen mit sehr häufiger Wiederholung vor. 


1 = Sendschöffe, »Kirchenältester«. 


40 Edmund Protsch. 


Sehr verbreitet ist der Name »Steffes«. In Laubach sowohl als 
auch in Müllenbach, dem Pfarrdorfe, 10 Minuten von der Filiale gelegen, 
tragen die Betreffenden zur Unterscheidung Beinamen, die geschrieben 
und im tagtäglichen Verkehr der Leute unter sich als selbständige 
Familiennamen gebraucht werden. So findet man: | 
Steffes-lai, Steffes-mies (von miis = Bartholomäus herkommend), Steffes- 

tun (tun = Anton), Steffes-ollig, Steffes-enn, Steffes-hoff und Steffes- 
Holländer. 
Die Dorfbewohner reden von: 
»mitsjas«, von »tuna«, von »gplies« und vom »hokenar«. 

Die vorkommenden Namen: »Bourgois oder Buschwa!, Gorges, 
Lefev oder Lefèvre, Regnier, Schuwerack und Valerius« sind französischen 
Ursprungs und weisen auf die Emigranten zurück, die in der Revolutions- 
zeit ihre Heimat verließen, sich in und bei Laubach ansiedelten und 
dort den Untertageschieferbau begründet haben. 


Mundartliches aus dem Hunsrück. 
Von Edmund Protsch. 


Einleitung: Der Hunsrück war lange Zeit ein weltabgeschiedenes 
Gebiet, da ihm die bequemen Verkehrswege fehlten und das rauhe Höhen- 
klima für Fremde nicht einladend war. Die Bevölkerung blieb daher 
von fremden Einflüssen meist unberührt. So konnte sich der Väter Art 
und Sitte ungehindert von Geschlecht zu Geschlecht vererben und erfuhr 
nur allmählich Umgestaltungen. Erst in den letzten 30 Jahren hat sich 
ein schnellerer Umschwung vollzogen, nachdem das (sebiet durch den 
Bau mehrerer Bahnlinien den großen Verkehrswegen angeschlossen war. 
Die Berührung mit der Fremde hat den Hunsrückern wohl manches Gute, 
aber auch genug Nachteile gebracht. Es ist hier nicht der Ort, darüber 
eine ausführliche Untersuchung anzustellen und die Ursachen im einzel- 
nen zu ergründen. Jedenfalls ist es Tatsache, daß in den letzten Jahr- 
zehnten alte Sitte und Zucht, altes Herkommen und alte Anschauung 
einer raschen Änderung, Umwandlung, ja oft Zersetzung unterworfen 
wurde, wenn auch häufig nicht unmittelbar in die Erscheinung tretend. 
Gleichzeitig droht auch der Mundart des Hunsrückers das gleiche Ge- 
schick; denn wo sich das Ding und der Begriff ändern, da wandelt sich 
auch der Ausdruck. Jeder Einsichtige sollte aber in der Erkenntnis, 
welcher Verlust hier für Volk und Volkstum bevorsteht, bemüht sein, zu 


1 Die Verdeutschung in der Schreibweise des französischen Namens Bourgois 
wurde jüngst von der Behörde als unstatthbaft zurückgewiesen. 


Mundartliches aus dem Hunsrück. 41 


erhalten und zu retten, was noch zu retten ist. . Diesem Zweck móge 
auch die nachstehende Arbeit dienen. 

Auf einem Gebiet freilich hált der Hunsrücker am zähesten an der 
alten Eigenart fest, das ist bei seiner Hauptbeschäftigung, dem Acker- 
bau. Diese Tatsache findet ihre. Erklärung in der Bodenbeschaffenheit 
und den Witterungsverhältnissen, die eine wesentliche Änderung der 
Bodenbewirtschaftung nicht gestatten. Der Grundstöck des Gebirges be- 
steht aus Tonschiefer, über den in der Regel mehr oder minder tiefe 
Tonschichten, die Erzeugnisse gewaltiger Zersetzungsprozesse, gelagert 
sind. Wird doch der Hunsrück (gleich den Nachbargebirgen) als der 
Rest eines Hochgebirges betrachtet, dessen Gipfel und Kämme durch 
Erosion während langer Zeiträume meist abgetragen wurden, so daß in 
den Höhenzügen des Soon-, Idar- und Hochwaldes und in den Gipfeln 
der Zwei Steine, des Idar- und Erbeskopfs die Überbleibsel jener Kämme 
und Gipfel zu erblicken wären. Das übrige Gebiet bildet eine Hoch- 
fläche, die jedoch durchaus nicht eben, sondern durch wellenförmige 
Erhebungen und Senkungen sehr abwechslungsreich gestaltet ist. Über 
das Gestein und die darüber lagernden Tonschichten ist nur eine 30 bis 
höchstens 60 cm tiefe Ackerkrume gebreitet. Durch die Bodenwellen 
und den verschiedenartigen Untergrund ist auch die Ackerkrume so ver- 
schiedenartig in ihrer Beschaffenheit und Ertragsfähigkeit, daß selbst die 
Gemarkungen zweier benachbarten Dörfer in dieser Beziehung ganz ver- 
schieden sein können; ja selbst der Grund und Boden ein und derselben 
Gemarkung ist so unterschiedlich, daß dieser Zustand bisher das un- 
überwindliche Hindernis für die seit Jahren von der Behörde vergeblich 
erstrebte Zusammenlegung des Feldes ist. Im Durchschnitt ist aber die 
Ackerkrume mager, und nur durch seinen eisernen Fleiß und die gründ- 
liche Bearbeitung des Bodens vermag der Hunsrücker seinen Lebens- 
unterhalt zu erwerben. Wie aber die Bodenbewirtschaftung im ganzen 
die alte geblieben ist, so gilt das Gleiche von den Geräten und Werk- 
zeugen zur Bodenbearbeitung, von denen nun die Rede sein soll. Dabei 
will ich mich, einem Wunsche der Schriftleitung entsprechend, auf die 
Mundart eines Ortes und zwar die des Dorfes Laubach (Hunsrück) be- 
schränken, mit dessen Bewohnern, ihrer Lebensweise und Sprache ich 
vertraut geworden bin. Gelegentlich möchte ich mir aber doch erlauben, 
einzelne Ausdrücke von Nachbarorten der Wichtigkeit wegen heran- 
zuziehen. 


Die Ackergerätschaften in der Mundart von Laubach. 
1. Der Pflug. 
Namen: da pluux, Mehrzahl di plüe. 
Hauptteile: Der Pflug gliedert sich zunächst in de feero- pluu.r 
(= Vorderpflug) und in da hinar-pluux (Hinterpflug), die beide durch 
da grinal (Grindel, Längsbaum) verbunden sind. Statt feera- pluux hört 
man neuerdings schon vielfach fops-pluux sagen. 


42 Edmund Protsch. 


Der Hinterpflug: Am hinteren Ende fum grinal führen schräg nach 
oben zwei gebogene Holzgriffe, de handháawa (Handhaben), weil an ihnen 
der Fuhrmann den Pflug anfaßt und lenkt. Nach unten schließt sich da 
$dog (der Stock) an, ein dickes, kräftiges Holzstück. Der Stock ragt oben 
zwischen den Handhaben ein Stück über den Grindel empor. Dieses 
Stück des Stocks mid da handháawo führt den Namen ree- kob (Rehkopf). 
Am untern Ende trágt der Stock da pluuxs-kob (Pflugkopf), ein plattes, 
hochkant stehendes Holz, das am vorderen Ende durch di foor3al (Forschel) 
am grinal befestigt ist. Am vorderen Ende des Pflugkopfs, dort, woo ar 
fun da foorsol gahal weerd, ist dad pluux-Saar oder kurz dad Saar be- 
festigt, das zum Aufreißen des Bodens dient. Daneben befindet sich auf 
jeder Seite des Pflugkopfs an riyk, richtiger gesagt an haft, die soweit 
eingetrieben ist, daß nur noch der äußere, gebogene Teil als halber Ring 
vorsteht, in den da rtisdar eingesetzt wird. Dieser wird an seinem hintern 
Ende mit einem hölzernen Querstab, dem riisdar-$daab (Riesterstab), in 
ein Loch des Pflugkopfs festgesteckt. də riisdər kommt bald rechts, bald 
links, je nachdem vor- oder rückwärts gepflügt wird. In der Mitte fum 
grinal (= des Grindels) befinden sich 2—3 Löcher, die von oben nach 
unten hindurchgebohrt sind. In einem dieser Löcher wird dad zec (Sech) 
oder da wesal (d.h. Wechsel) befestigt, der mit dem zec-&breygal oder 
dar Sber (Sperre) an zwei Widerhaken, sber-hopga (Sperrhaken) genannt, 
festgedrückt wird. Das zer schneidet die Ackerkrume furchenbreit von 
der Seite ab und das 3aar unten, während da rüisdar die abgeschnittene 
Erde zur Seite wirft und zugleich umwendet. Befindet sich da rüsder 
auf der rechten Seite des Pflugkopfs, so muß das zec mit seiner unteren 
Spitze nach links eingestellt sein — und umgekehrt. bei da núumoori32 
pliic (neumodischen Pflügen) zin nopra di handhäaws un da grinal fun 
holts; al dad anar ix fun eisa; Saar, zee un riisdar zin dus cenam Sig 
gaaarwot. 

Der Vorderpflug: da feera-pluux hod tswoo rürs (Räder), di doorze 
9 ags (Achse) forbun zin. kweer iiwər di ags gehen zwei nach vorn ge- 
schweift zulaufende Hölzer, di feergəl (Ferkel), die sich nach vorn noch 
ein Stück parallel laufend fortsetzen. Zwischen diesem vorderen parallelen 
Stück ist ein kurzes Holz von gleicher Dicke eingeschoben und dieses 
mit den feergal-Hölzern durch ən eisənə riyk zusammengebunden. In 
dem Mittelklötzchen ist dad Selblec (Schellblech) drehbar befestigt. dad 
selblec ist ein kräftiges, flaches Eisen, das am vorderen freien Ende in 
am hooga endigt. In den Haken wird dad x11l - sert (Sielscheit) eingehängt, 
an welches das Zugvieh angespannt wird. Das hintere Ende der feergal- 
Hölzer ist durch ein Querholz verbunden, das den Namen reiseit führt. 
Quer über die Mitte der feergal, parallel zur Achse der Vorderpflug- 
räder, liegt dad bed (Bett). Wo ags un bed di feergal kreuzen, gehen 
durch diese drei Teile zwei Eisenstäbe parallel nach oben, de Sdpra 
(Storren), die über dem bed nochmals durch ein Querholz, di brig (Brücke) 
verbunden sind. «f dor brig leit da grinal mid dom feerarsda en (V order- 


Mundartliches aus dem Hunsrück. 43 


ende) uf und wird durch eine Kette, di !soo-kiira (Zugkette) festgehalten, 
wodurch Vorder- und Hinterpflug zusammenhängen. Am oberen Ende 
sind die $dora durch ein Quereisen, da galjo (Galgen) verbunden, der 
über di šdọrə beiderseits hinausragt und je zu einem riyk umgebogen 
ist. Durch diese Ringe wird di lein (Leine) vom Joch der Zugtiere zu 
den handháawo am Hinterpflug geleitet. doprıc da galja geht senkrecht 
zur brig di 3räu, um die Brücke auf- und ablassen zu können. 

Zuweilen wird auf den Riester noch ein zweiter, kleiner Riester 
(aus Holz) aufgesetzt, der den bezeichnenden Namen $bits-buu (Spitz- 
bube) trägt. Wenn nämlich ein Acker zu Ende gepflügt ist, wird er 
nochmals rund um die Grenzen gepflügt; damit nun die Endfurchen 
recht tief ausgehoben werden und der Acker selbst hoch aufgebettet ist, 
tritt der Sbits-buu in Anwendung. Vom Nachbaracker rollt dann oft 
Ackerkrume nach, die beim nächsten Umpflügen mit herübergewendet 
wird. Sie wird also dem Nachbarn gestohlen; daher der Name $bzts-buu. 

Soll der Pflug aus dem Felde nach Hause gefahren werden, so 
wird der Hinterpflug auf die Seite und dann auf ein Untergestell mit 
zwei Rädern aufgelegt. Dieses Gestell wird pluus- slæb genannt 
($leba = schleppen). 


2. Der Wagen. 


Namen: da waan, on waan; Mehrz. di waan. Dim.: ded weenco, 
Mehrz. di weencar. 

Hauptteile: Der Wagen besteht (ähnlich den Pflug) aus feero-waan 
und hinər- waan (Vorder- und Hinterwagen), wozu noch das Obergestell 
und die Anspann-Einrichtung treten. 

Der Vorderwagen: br hat zwei ra: will man sie besonders be- 
zeichnen (in Gegensatz zu den Hinterrädern), so werden sie di riirə fum 
feera- waan genannt. Ein Ausdruck für „Vorderräder‘“ ist nicht ge- 
bräuchlich. Jedes Rad besteht aus dar naab (Nabe), de $beica (Speichen) 
und da felja (Felgen); letztere bilden zusammen do (raad-)krants. Um 
den Radkranz befindet sich der eiserne Reifen: dod raad weerd midam 
ref gobun. Die Räder sind durch ə ags (Achse, Mehrz. agsa) mitein- 
ander verbunden. (Das alte, im Aussterben begriffene Geschlecht sagte 
für Achse: di aas, Mehrz. aasa). di ags ist bei dem jetzigen Wagen aus 
Eisen gefertigt: eisona agsa. Der mittlere Teil der Achse ist flach und 
kantig, während nur die beiden Enden rund sind und nach außen all- 
mählich etwas abnehmen. Über dem mittleren Teil ist ein dickes, 
kräftiges Holz mit vier eisona benar (eisernen Bändern), auf jeder Seite 
mit zwei, so straff befestigt, daß es mit der Achse ein Ganzes bildet: 
Das ist da agsa-sdog (Achsenstock). Bei den alten Wagen, deren Achsen 
aus Holz hergestellt waren, waren Achse und Achsenstock aus einem 
Stück angefertigt. Vor den Enden ist die Achse mit je einem Loch ver- 
sehen, in das ein eiserner Zapfen gesteckt wird, damit das Rad nicht 
herausrutschen kann. Dieser Zapfen heißt lauwuns (Lunen, Mehrz. di luuns). 


44 Edmund Protsch. 


Über den Achsenstock. laufen wie beim Vorderpflug schräg nach vorn 
zwei flache Querhölzer, die aber hier daga (Backen) heißen; sie sind am 
hintern Ende durch dad reiseit verbunden. Nach vorn laufen di baga in 
einem spitzen Winkel aufeinander zu, bleiben aber mit den Endstücken, 
die parallel sind, so weit auseinander, als di deisdal (Deichsel) dick ist, 
die mit ihrem hintern Ende zwischen jene Endstücke der Backen ein- 
gesetzt ist. Durch einen eisernen Querzapfen, der von der Seite durch 
die Endstücke der Backen und der Deichsel geht, ist letztere befestigt 
und zwar entweder steif, so daß sie stets nach vorn steht, oder beweg- 
lich, so daß sie um den Zapfen drehbar ist und aufgerichtet werden 
kann. Über dem Achsenstock liegt sodann ein zweites flaches Holz, das 
sog. bed (Bett), das also die Backen in ihrer Mitte kreuzt. Das Bett 
dient lediglich zur Erhöhung des Vorderwagens. Da die Vorderräder 
niedriger als die Hinterräder sind, die Vorderachse also tiefer als die 
Hinterachse liegt, so würde der obere Teil des Wagens, das Obergestell, 
das die Ladung aufnimmt, nach vorn geneigt sein, wenn nicht der Höhen- 
unterschied der beiden Wagenachsen durch das Bett am Vorderwagen 
ausgeglichen würde. Über dem Bett liegt schließlich ein drittes flaches, 
aber schmäleres Brett, das in der Mitte mit einem eisernen Zapfen in 
seiner Unterlage, Achsenstock mit Bett, drehbar befestigt ist: der Seemal. 
In diesen ist auf jeder Seite etwa eine Handlang vom Ende entfernt, 
ein vierkantiger, etwas flacher Holzstab eingefügt und zwar so, daß er 
schräg nach außen steht. Diese Stäbe heißen $dora (Storren). Der Hinter- 
wagen, hinar-waan, ist ähnlich wie da feera-waan gebaut. di tswoo 
rüra sind in allen ihren Teilen größer; di ags liegt daher höher. Dafür 
fehlt dad bed, so daß da Seemal unmittelbar über agsa-Sdog und baga liegt. 
Letztere laufen vorn vollständig zu und sind dort doorıc an riyk (fest-)gabun. 
Am hinteren Ende tragen die Backen statt dam reiseit die rem = Ramme, 
ein kräftiges Querholz, das auf jeder Seite on remkluts (Rammklotz) trägt. 
Das ist ein kurzes, dickes, vierkantiges und nach vorn gerichtetes Holz- 
stück, das auf der Innenseite, mit der es am Rad anliegt, durch die 
Reibung mit diesem allmählich ausgeschweift wird. Das An- und Ab- 
ziehen der rem erfolgt durch di ráu (Schraube). Die Schraubenspindel 
hat nur an dem dem Achsenstock zugekehrten Ende Windungen und 
bewegt sich in der Schraubenmutter, die mit zwei schrägen Eisenstangen 
am Achsenstock befestigt ist, vor- und rückwärts. Mit dem windungs- 
freien Teil geht sie durch den Mittelpunkt der Ramme, ist in dieser fest 
eingekeilt, ragt noch ein Stück darüber hinaus und endigt mit einer ring- 
förmigen Verdickung, in welcher ein eiserner Zapfen steckt, der (als 
einarmiger Hebel wirkend) zum Auf- und Zudrehen dient. Beim Rechts- 
winden schraubt sich die Aron in der Mutter nach dem Achsenstock zu 
und zieht die mit ihr festverbundene rem mit, so daß sich die remklitsar 
stetig fester an die Räder anlegen und dadurch hemmen. Durch Links- 
winden der Schraube rückt diese vom Achsenstock ab und damit di rem 
fun da riira. Hier sei bemerkt, daß im Städtchen Kirchberg i. Hunsrück 


Mundartliches aus dem Hunsrück. 45 


und Umgegend statt rem der Ausdruck miganig im Gebrauch ist; es ist 
dies die mundartliche Umformung des Wortes „Mechanik“. 

Vorder- und Hinterwagen werden durch die lay-foort (Langfurt) 
verbunden, eine runde, kräftige Stange von guter Oberarmdicke. Sie ist 
am Vorderwagen zwischen Achsenstock und Bett eingelassen und geht 
durch einen Ausschnitt des Achsenstocks am Hinterwagen hindurch; mit 
dem hinteren Ende ragt sie bis fast an die rem oder noch über diese 
hinaus, indem sie unter ihr hindurchfúhrt. de layfoort geht über am 
reiseit des Vorderwagens (das also quer unter ihr durchläuft), aber unter 
dem Vorderende der hinar-baga hindurch. Wo diese mit ihrem Vorder- 
ende uf dar layfoort uflei>, ist letztere von mehreren senkrechten Löchern 
durchbohrt. Durch einen eisernen Zapfen, der durch Backenspitze und 
eins der Langfurtlöcher gesteckt wird, ist der Hinterwagen an der Lang- 
furt befestigt und dadurch mit dem Vorderwagen verbunden. 

Das Obergestell: Hierbei ist zu unterscheiden zwischen dem mist- 
heera- waan (eigentl. mestheerda- waan, d. h. Misthürdenwagen) und dem 
eera-waan (Erntewagen). Bei ersterem sind Vorder- und Hinterwagen 
ziemlich nahe zusammengeschoben. uf da Seemal fum feero- un hinar- 
waan leidad waan-diil (Wagendiel) und bildet den Boden des Wagens. 
Es reicht beiderseits nicht ganz bis an di sdora, sondern läßt eine Lücke, 
in welcher di hoorda (Hürden) an den Storren schräg aufgestellt werden. 
a hoord besteht aus tswee baam (zwei Bäumen, Längsbäumen), die durch 
Bretter dicht verbunden sind und so eine geschlossene Wand bilden. Nur 
an jedem Ende ist, von den Brettern durch eine kleine Lücke getrennt, 
eine eiserne oder hölzerne $bay (Spange oder Sprosse) eingefügt, durch 
die di baam zusammengehalten werden. di baam ragen aber noch ein 
kurzes Stück darüber hinaus. Vorn und hinten wird der Wagen durch 
di kob-breera (Kopfbretter) abgeschlossen. Diese werden unten, wo sie 
zwei entsprechende Ausschnitte haben, in di unara baam der Hürden 
eingesetzt, in di uuərə baam (oberen Bäume) dagegen mit einer zweck- 
dienlich angebrachten Öse eingeschoben und durch Zapfen festgesteckt. 
Will man den Wagenraum nach oben vergrößern, so wird auf jede Hürde 
noch ein schmales, langes Brett, ufsdelaor (Aufsteller) genannt, aufgesetzt. 

Beim eera-waan wird der Hinterwagen an der /ayfoort weiter nach 
hinten geschoben. Als Boden kommt ein längerer, aber schmälerer und 
leichterer diil zur Verwendung. Da dieser sich aber von der aufgeladenen 
Last in der Mitte derartig biegen würde, daß er brechen könnte, so wird 
als Stütze auf die Langfurt ein Querholz, auf der Hochkante stehend, 
aufgesetzt, das dı rau (Ruhe) genannt wird, weil da eera-diil darauf ruht. 
Statt der hoorda werden an den Storren die wesentlich breiteren eer3- 
lædərə (Ernteleitern) ufgasdalt. Bei ihnen sind di baam nicht durch Bretter 
dicht verbunden, sondern durch eine Reihe &brosa (Sprossen). In früheren 
Zeiten traten an die Stelle der kob-breera die sog. laabreisar (Laubreiser). 
Sie bestanden aus Holzstäben, die fächerförmig an zwei Querstäben 
befestigt waren. Entsprechend den Leitern waren sie viel höher als die 


46 Edmund Protsch. 


kob-breera. Ihren Namen hatten sie dadurch erhalten, daß sie haupt- 
sächlich beim Einfahren von Laub (als Streusel) aus dem Walde dienten; 
sie wurden auch bei der Grumternte gebraucht, nicht aber bei der Heu- 
ernte. Bei reb (Raps) und überreifem Korn wird da eera-waan innen 
mit dam waan-duux (Wagentuch) ausgekleidet, damit die leicht ausfallen- 
den Körner nicht verloren gehen. 

Da die eera-ledara über di 3dpra hinausragen, hätten sie keinen 
Halt, wenn nicht dafür eine besondere Einrichtung getroffen wäre. Eine 
kräftige hölzerne Stange, die unten einen scheibenförmigen, eisernen 
Ring trägt, wird mit diesem über die Achse geschoben. Dann wird um 
das Ende der Achse noch eine Kapsel geschoben, um das Heraustropfen 
der waansmeer zu verhindern. Die Kapsel ist mit einem Einschnitt ver- 
sehen, der genau über das Loch des Lunens paßt, so daß durch letzteren 
die Kapsel und zugleich jene ringförmige Scheibe festgehalten wird. 
Letztere heißt di liis und die oben daran befestigte Stange ds lisa - Sdan. 
Das obere Ende der liisə-šdaņ bildet einen nach innen gebogenen Ab- 
satz. Dort wird di liisə-kaan eingesetzt, die aus drei Teilen besteht, 
aus zwei länglichen Ringen, zwischen denen sich die eigentliche kaan, 
ein flaches, breites, aber nach unten gewölbtes Eisen befindet. Von den 
beiden Ringen wird der eine in di lisa-Sday, der andere in da Sdora 
eingehängt. di kaan greift dann von unten her halb om den oberen 
ledor-baam fun da eero-ledaro, so dab der ledar-baam und damit die 
ganze lædər darin aufgehängt ist und darin ruht. An den alten Wagen 
trägt di liisə-šdaņ unten keine Scheibe, sondern eine eiserne Spitze, mit 
der sie ins Lunenloch gesteckt wurde, wodurch der Lunen überflüssig war. 

Die Anspannvorrichtung: Sie besteht aus deisdal, wọọ, xiilə, 
jecar mit kira oder Sdrey und do ufhelar. di deisdal wurde schon er- 
wähnt. Dort, wo sie zwischen den Enden der Vorderbacken eingefügt 
ist, ist quer darüber di wọọ (Wage) befestigt. Es ist dies ein etwa 1 m 
langes, kräftiges, flaches Holz, das in der Mitte am breitesten ist und 
sich nach den Enden zu etwas verjüngt. An der Mitte der vorderen 
Kante sind drei Ösen angebracht. Sind die beiden Zugtiere gleich stark, 
so wird di wọọ mit einem durch die mittlere Öse gesteckten hammer- 
förmigen Zapfen, dem wọgə-hamər, in der Unterlage befestigt, Die Wage 
bildet dann einen einarmigen Hebel. Sind die Zugtiere ungleich stark, 
so wird da wepa-hamar durch eine der beiden seitlichen Ösen gesteckt 
und zwar so, daß das schwächere Tier an den längeren Arm kommt. Der 
Bauer sagt alsdann: 2c hon am foordal (Vorteil) ggmax. An jedem Ende 
trägt di wọọ einen Eisenring mit Haken (kopga), in welche di ziilə oder 
zilseit eingehängt werden. An jedem zīilə sind tswoo kiira (Ketten) oder 
sdren (Stränge) befestigt, die mit dem vorderen Ende in zwei Haken am 
Joch des Zugtieres eingehängt werden. Damit di kiirə nicht zu tief 
herabhängen und über die Erde schleifen (wodurch das Tier am Gehen 
behindert wäre), werden sie in der Mitte durch einen Querriemen, der 
dem Tier über dem Rücken liegt und deshalb rigrr7ma (Rückriemen) heißt, 


Mundartliches aus dem Hunsrück. 47 


in der richtigen Höhe gehalten. Das Joch: jor, Mehrz. jecor, hat im Laufe 
der letzten 30 Jahre mehrfache Umänderungen erfahren. Ursprünglich 
wurden beide Zugtiere in ein aus einem Holzstück gefertigtes Doppel- 
joch, genannt əd Sdeif jox, gespannt, das jedem Tier hinter den Hórnern 
aufgesetzt wurde. In dem Verbindungsstück zwischen den beiden Joch- 
bogen war ein rundes Loch ausgeschnitten, durch das die deisdal ge- 
schoben wurde, die alsdann durch je einen Zapfen, luunsan, vor und 
hinter dem Joch zu befestigen war. Das 3deifa jux war eine große Qual 
für die Tiere, weshalb von der Verwaltungsbehörde und einsichtigen Per- 
sonen mit allen Kräften auf die Einführung der losə jecor hingewirkt 
wurde. Die Bauern sträubten sich lange dagegen in der Befürchtung, 
daß das Vieh im losa ga$er (Geschirr) viel schwerer zu leiten sei und 
oft zöwerdreera (übertreten, nämlich über die Ketten) deed. di losa jecar 
waren anfangs aus Holz gefertigt und wurden auch hinter den Hörnern 
aufgesetzt, jedoch nicht unmittelbar auf die Kopfhaut. Über den Kopf 
des. Tieres wurde vielmehr zunächst an belts (Pelz aus Hundefell) auf- 
gelegt, darauf das jox aufgesetzt und dieses mit Lederriemen kunstvoll 
an den Hörnern festgeschnürt. Neuerdings sind die sog. Sdeera-jecor 
(Stirnjoch) in Gebrauch. Sie sind aus dünnem Eisen hergestellt und auf 
der Unterseite gepolstert, so daß ein Pelz überflüssig ist. Sie werden 
dem Tier auf die Stirn (daher der Name), d. h. vor den Hörnern auf- 
gesetzt und an diesen durch eine einfache Einrichtung befestigt. Die 
Vorzüge dieses Jochs sind in die Augen springend. 

di ufhelər sind zwei kürzere Ketten, die vorn an der deisdəl an- 
geschraubt sind. Mit dem freien Ende wird jeder ufhelor am halsband 
der Zugtiere angeschnallt. Wenn der Fuhrmann halten läßt und die 
Tiere stemmen sich zurück, so halten sie mit diesen Ketten die deisdal 
und damit den Wagen im Laufe auf; daher die Benennung ufhelar = 
Aufhalter. 

3. Die Egge. 

Namen: di ee, Mehrz. eco (tswoo ego). -eggen: eco; da agar weerd gacet. 

di ee besteht aus 4 baam — Bäumen (die dickeren Längshölzer) und 
+ $baya = Spangen (die etwas dünneren Querhölzer). Die vorderste Spange 
hat an der Hinterkante einen Eisenbeschlag und heiBt led-baam (Leit- 
baum). Dieser led-baam dient zum Anspannen des Viehes mittels des 
frei beweglichen wen-riyks — Wendering. Zwischen den 2 midəl- baam 
(Mittelbäumen) sind 2 kleine Spangen eingefügt, um die Egge nach Er- 
fordernis mit Steinen beschweren zu können. In da 4 boom sind 30” 
eiserne Zähne, di eeatsiin, auch isiyga (Zinken) genannt, befestigt und 
zwar in den beiden äußern je 8 und in den beiden mittleren je 7. eeo- 
Sliirə = Eggenschlitten heißt das Gestell zum Weiterschleifen der Egge. 


4. Die Walze. 


Namen: de walts, Mehrz. dt waltsa. walzen: waltsa; da agar mus 
gawaltst weers. 


An Edmund Protsch. 


Man unterscheidet holtsa waltsa und eisa waltsa (hölzerne und eiserne 
Walzen). Jede Walze besteht aus dem waltsa-kluts (Walzenklotz), da ags 
(Achse) und da deisdal (Deichsel). Oft haben mehrere Bauern eine Walze 
gemeinsam in Besitz. | 

Es ist erklärlich, daß die Ackergerätschaften bei ihrer tiefgreifen- 
den Bedeutung für den Bauernstand auch öfters Anwendung in Sprich- 
wörtern und sprichwörtlichen Redensarten finden... Wer bei irgend einer 
Sache ein überflüssiges Glied ist, der ist dad finaft raad aam waan. 
Wer bei einer Arbeit oder sonst einer Gelegenheit der letzte ist, der ist 
da hinarst uf dar layfoort. Ein Kind, das von einer Sache nicht genug 
bekommen kann und davon »viel« verlangt, wird abgewiesen mit den 
Worten: fiil feert mar uf am waan. Daß es leichter ist, Vermögen zu 
verschwenden, als zu erarbeiten, wird veranschaulicht in dem Sprich- 
wort: di fraa kan mee in dar Seerts fortdraan, as da man mir əm eera- 
waan infeert. Daß der Bauer ganz genau den Wert der richtigen Behand- 
lung und Instandhaltung der Sachen kennt, zeigt der Spruch: weer guut 
$meert, deer guut feert; darum zieht er auch weiter den Schluß: wii dər 
her, xoo ad gaser. Er weiß aber auch, daß ein Zuviel stets Schaden und 
Nachteil bringt, weshalb er zu ersterem Satz noch hinzufügt: weer tsuu 
guut Smeert, dam deiwal int aars-lor feerl. Wer schnell fährt und das 
Vieh scharf antreibt, fährt wei de zicdıwsa deiwal (= sichtbare Teufel) oder 
feert Salgıe und ist an Salgecor oder Saarabar foorman. Wer hingegen 
nicht vom Fleck kommt, der kimt gəkrọx; auch wird über ihn gespöttelt: 
dee feert, dad mar nid xiit, dad di riirə rund geen. Wer unwohl ist, 
so daß man es ihm an den Augen ansieht, weil diese dann größer er- 
scheinen pls im normalen Zustand, kod aua xoo groos wii an pluuxs- 
raad. Ein steifes Frauenzimmer ist an pluux-sleb, eine Frauensperson, 
die schlecht zu Fuß ist und mit einwärts gekehrten Fußspitzen überein- 
ander tritt, ist 9 Arum walts; auch von Männern und Kindern, die in 
dieser Weise gehen, wird gesagt: de waltss. Schließlich sei noch erwähnt, 
daß derjenige, der eine etwas lang vorstehende Nase sein eigen nennt, 
an eeo-tsiygo im gaxuct hed. 


Die Namen der Pflanzen in der Mundart von Laubach. 


In dem folgenden Verzeichnis sind die Pflanzen nach dem »Natürlichen Pflanzen- 
system« des Botanikers Alexander Braun angeorduet; nur die Nummern 202 — 215 
stehen außerhalb der Reihenfolge. 


Buschwindröschen, Anemone nemorosa: gugugs - bluum. 
HahnenfuBarten, Ranunculus: budor - bluumo. 
Kriechender Hahnenfub, Ranunculus repens: wets. 
Gemeine Ackelei, Aquilegia vulgaris: glogs - bluum. 
Eisenhut, Aconitum Stoerckianum: r/dorhelom. 
Pfingstrose, Paeonia officinalis: halsrooso. 

Gebauter Lein, Flachs, Linum usitatissimum: flags. 


A IT 


Mundartliches aus dem Hunsrück. 49 


Klatschrose, Mohn, Papaver Rhoeas: klabar-rooso, bei alten Leuten 
auch fáuar - roosa. 

Der Samen des gebauten Mohnes, Papaver somniferum: maa -xppma. 
Erdraucharten, Fumaria: d@us- kreidea (Taubenkräutchen). 


. Goldlack, Cheiranthus Cheiri: geelo fajoola (d. h. gelbe Veilchen). 


Wiesenschaumkraut, Cardamine pratensis: kees - bluuma. 


. Ackersenf, Sinapis arvensis: zenaf. 
. Meerrettich, Cochlearia Armoracia: meer -reedic. 


Wohlriechendes Veilchen, Viola odorata: fajoola. 
Hundsveilchen, Viola canina: kuns- fajoola. 


. Stiefmútterchen, Viola tricolor: gaygiygalcar; die wildwachsenden 


Pflanzen heißen Alena, die im Garten gezogenen groos2 gayginygalcar. 
Reseda, Reseda odorata: roosédcar. 


. Seifenkraut, Saponaria officinalis: xegfa - kráut. 

. Federnelke, Dianthus plumarius: feera-reesja. 

. Bärtige Nelke, Dianthus barbatus: put3s - bluumo. 

. Kuckucks-Lichtnelke, Coronaria flos cuculi: flaz3bluumo. 

. Kornrade, Agrostemma Githago: raad und auch roora kppra - bluuma. 
. Mittlere Sternmiere, Stellaria media: genskráut. 

. Malvenarten, Malva Alcea usw.: kees- babalcar. 

. Stockrose, Althaea rosea: huutroosa. 

. Linde, Tilia: na, lina- holts. 


Ahornbäume, Acer: dahoora. 


. Feldahorn, Acer campestre: maasholar. 

. RoBkastanie, Aesculus Hippocastanum: kasdanjo. 

. Hartheuarten, Hypericum: krisd: - bluut. 

2. Sauerklee, Oxalis Acetosella: gugugs - brood. 

. Faulbaum, Frangula Alnus: fåul- baam. 

. Besenpfriemen, Sarothamnus scoparius: ginsdərə. 

. Hauhechel; Ononis spinosa: hee -dopra. 

. Gemeiner Hornklee, Lotus corniculatus: haana-3tgolcoar (Hahnen- 


schuhchen), s2igalcas - bluumo. 


. Luzerne, Medicago sativa: eeww - klee. 

. Kleearten, Trifolium: klee. 

. Acker- oder Mäuseklee, Trifolium arvense: meis- klee. 

. Kriechender Klee, Trifolium repens: šweedıšər klee. 

. Wicken-, Platterbsen- und Ervenarten, Vicia, Lathyrus und 


Ervum: wigs. 


, Vogelwicke, Vicia Cracca: fopls-wiga. 

. Buffbohne, Vicia Faba: 24u-boona. 

. Linse, Lens esculenta: linsa. 

. Erbse, Pisum sativum: eerwas. 

. Bohne, Phaseolus: boona, mat-boona. 

. Buschbohne, Phaseolus nanus: $demcas - hoono. 

. Pflaume, Prunus domestica: bráumoa, ros- bráumo. 


Zeitschrift für Deutsche Mundarten. VI. 4 


63. 


64. 


65. 
66. 


67. 
68. 


Edmund Protsch. 


. Zwetsche, Prunus domestica: hwedso. 

. Schlehe, Prunus spinosa: Slee-dpora; die Früchte: $leea. 

. Haferschlehe, Prunus insititia: bilsə. 

. Reineclaude, Prunus insititia: rei2nglopo. 

. Süßkirsche, Prunus avium: keerso. — Veredelte Kirschen: gaposda 


keerso. — Kirschenarten: knub- keer3a = Knappkirschen, glaas-keerse 
und herts - keerso = Herzkirschen. 


. Sauerkirsche, Prunus Cerasus: sáuar-keerso. 

. Traubenkirsche, Prunus Padus: sdiyk - holar. 

. Mädesüß, Ulmaria pentapetala: bax-holar. 

. Brombeerarten, Rubus: breemara. 

. Himbeere, Rubus idaeus: embar. 

. Erdbeere, Fragaria: eebara; veredelte: gaposda eebara. 

. Frauenmantel, Alchemilla vulgaris: sunə-3eerəmšər (= Sonnen- 


schirmchen). 


. Rose, Rosa: roosa. — Rosen mit dunkelroten Blüten: xamad - roos3. 


Hagebutten: aar$- kratsala. 


. Weibdorn, Mespilus Oxyacantha: weis - dporo. — Die Früchte: haan- 


ebalcor (— Hainäpfelchen). 

Birnbaum, Pirus communis: beera-baam. — Die Birnen: beers. — 
Sorten: faarts-beera, ogso-beera, Smalts-beera, masdar$-beera, vixals- 
knudala, meesbar-beera, bagos- beers. — Die wilden, unveredelten 
Birnen: hutsolo (Hutzeln). Der wilde Birnbaum: hutsala - baam. 
Apfelbaum, Pirus Malus: ebal-baam. — Die Äpfel: ebəl. Sorten: 
rood-ebal (rote Äpfel), Sbits-ebol, xáuar-ebal, wein-ebəl, grün- 
ebal, griskincas -ebal, xiis-ebəl, ruunıc-ebal (= Calville), bam- 
berjar, rabau (graue Reinette), Soof-naaso, lay-sSdúlcar. — Die 
wilden, unveredelten Äpfel: holts-ebol. — Der wilde Apfelbaum: 
holts - ebal - baam. 

Eberesche, Pirus aucuparia: fppls-keerso. 

Schmalblättriges Weidenröschen, Epilobium angustifolium: dewals- 
gersala (Teufelsgeißeln); zuweilen auch Sykuuls-bluuma (Siykaul 
= Schindergrube). 

Kürbis, Cucurbito Pepo: keerwas. 

Gurke, Cucumis sativus: kumərə und gumaro. — Die männlichen 
Blüten werden „falsa bliis‘ genannt. 


. Fetthennearten, Sedum: Anaawa-kräaut (= Knabenkraut). 
. Rote Johannisbeere, Ribes rubrum: gahans-drau(w)a, gahans- 


gadráu (w)a. 


. Schwarze Johannisbeere, Ribes nigrum: $wartso gahans - dráu (w)o. 
. Stachelbeere, Ribes Grossularia: greensala oder greengala. 

. Petersilie, Petroselinum sativum: peerəzilc. 

. Sellerie, Apium graveolens: tselərei. 

. Gemeiner Kimmel, Carum Carvi: hi2mol. 


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102. 
103. 
104. 


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106. 
. Glockenblume, Campanula: blopar fiyarhuud. 
108. 
109. 


110. 


Mundartliches aus dem Hunsrück. 51 


. Die auf Wiesen wachsenden Doldengewächse mit hohlem Stengel, 


besonders Wiesenkerbel, Anthriscus silvestris, und Gemeiner Bären- 
klau, Heracleum Sphondylium, werden brubala genannt. 


. Mohrrübe, Daucus Carota: moorda; die wilde Pflanze: wila moorda. 


Gemeiner Epheu, Hedera Helix: eebö. 
Schwarzer Holunder, Sambucus nigra: holor. 


. Gemeine Schlinge, Viburnum Opulus: Sneebala. 

. Deutsches Geisblatt, Lonicera Periclymenum: peifo-reera. 

‚ Waldmeister, Asperula odorata: met-kreideo. 

. Kletterndes Labkraut, Galium Aparine: klada. 

. Gemeine Rapunzel, Valerianella olitoria, wobei nur die gebaute 


Pflanze in Betracht kommt: maus-oor, depra-xaláad, uryart-xaláad. 


. Aeckerknautie, Knautia arvensis: grind-bluuma. 
. Teufelsabbiß, Succisa praemorsa: kisa-bluum. 
. Gemeiner Huflattich, Tussilago Farfara. Die Blüten: bropax-bluuma; 


die Blätter: brand-laadesa. 


. MaBliebchen, Bellis perennis: matsaleemcor. 
. Einjährige Sonnenblume, Helianthus annuus: slppf-bluuma; die 


groBblumige Abart: zuna-bluum. 


. Wermut, Artemisia Absinthium: elts. 

. Schafgarbe, Achillea Millefolium: šọọf- ribə. 

. Echte Kamille, Matricaria Chamomilla: kamélo. 

. Ackerhundskamille, Anthemis arvensis: huns-kamélo. 

. Gemeiner Rainfarn, Tanacetum vulgare: 20ppram-kráut. 

. Rómische Kamille, Anthemis nobilis: reem23 kamela. 

. Gemeine Wucherblume, Chrysanthemum Leucanthemum: groosə und 


wils matssleemcor. 


. Saatenwucherblume, Chrysanthemum segetum: liyər- bluuma. 
. Bergwohlverleih, Arnica montana: tuaksbluuma. 

. Kreuzkraut, Baldgreis, Senecio vulgaris: krestswoortsol. 

. Distelarten, Carduus 


Kratzdistel, Cirsium | disdala. 
Färberscharte, Serratula tinctoria 

Kornblume, Centaurea Cyanus: blopa koprabluumo. 

Endivie, Cichorium Endivia: windar - handifdea. 

Bocksbartarten, Tragopogon: bugs - baard. 

Gebräuchl. Löwenzahn, Taraxacum officinale: &ar- pudsa; in Bubach 
und Raversbeuren: e3”-podsa; in Kirchberg: $dirs-bluum. 
Gänsedistelarten, Sonchus: dáu - disdal. 

Rundköpfiger Teufelskrallen, Phytheuma orbiculare: deiwals - grala. 


Heidelbeere, Vaccinium Myrtillus: zweela. 
Gemeines Heidekraut, Calluna vulgaris: heed; die blühenden Pflan- 
zen (in Kirchberg): raam - heed. 
Gemeine Stechpalme, Ilex aquifolium: wald-disdal. 
4* 


52 


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Edmund Protsch. 


Gemeiner Flieder, Syringa vulgaris: neclcos- bluumo. 

Gemeine Esche, Fraxinus excelsior: es. 

Kleines Singrün, Vinca minor: imargriin. 

Gemeines Tausendguldenkraut, Erythraea Centaurium: dáuxand - 
gula - kráut. 

Ackerwinde, Convolvulus arvensis: wins. 

Gebráuchl. Boretsch, Borago officinalis: púras. 

Gemeiner Natternkopf, Echiun vulgare: guura henaric. 
Vergißmeinnicht, Myosotis: forgasmeentct. 

Kartoffel, Solanum tuberosum: grumbeera. 

Minzenart, bes. Mentha aquatica und Mentha Pulegium: die alten 
Leute sagten $ngpga-paltsam = Schnakenbalsam; das junge Geschlecht, 
das den Namen paltsom = Balsam nicht mehr kennt, hat aus jenem 
Ausdruck $nopga-palem gemacht. 

Pfefferminze, Mentha piperita: pefarmints-kräut. 

Gebräuchl. Salbei, Salvia officinalis: ¿malxelab. 

Feldquendel, Thymus Serpyllum: htwalcas - kráut. 
Gartenbohnenkraut, Satureja hortensis: woorsd-kreidea. 

Majoran, Origanum Majorana: meiroon. 

Gebräuchl. Ysop, Hyssopus officinalis: ezsab. 

Taubnessel. bes. Lamium album: ¿saama brennésolo. 

Ackerhohlzahn, Galeopsis Ladanum daa 

Hanfnessel, Geleopsis Tetrahit RN 

Kriechender Günsel, Ajuga reptans: Seefcas-bluwma. 

Gemeiner Frauenflachs, Linaria vulgaris: leewə - meilər. 
Wiesenwachtelweizen, Melampyrum pratense: hay. 

Gebräuchl. Schlüsselblume, Primula officinalis: Slisəlbluumə. 

Hohe Schlüsselblume, Primula elatior: baxr - $lsolbluuma. 
Wegericharten, Plantago: weec-dreeb. 

Guter Heinrich, Chenopodium Bonus Henricus: sSdoltsar henaric. 
Runkelrübe, Beta vulgaris: rumolo. 

Sauerampfer, Rumex Acetosa; zuuar-hambarie. 

Wiesenknöterich, Polygonum Bistorta: lemor-Swants. 

Gemeiner Kellerhals, Seidelbast, Daphne Mezereum: wilo neelcar 
(= wilde Nägelchen). 

Wolfsmilcharten, Titlymalus oder Euphorbia: kuns -milc. 
Buchsbaum, Buxus sempervirens: palam. 

Nesselarten, Urtica urens und dioica: brennésələ (in Kirchberg: 
zaņnesələ = sengende Nesseln). 

Gemeiner Hopfen, Humulus Lupulus: kob. 

Gemeine Walnuß, Juglans regia: nusbaam; die Früchte: baamnis, 
welša nis. 

Rotbuche, Fagus silvatica: buu.rs, buuxra-holts; die Früchte: buux-egor. 
Sommer- und Wintereiche, Quercus pedunculata und sessiliflora : 
eice, etce-holts; die Früchte: eicala. 


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Mundartliches aus dem Hunsrück. 53 


Gemeine Birke, Betula alba: beerga. 

Schwarzerle, Alnus glutinosa: elora. 

Gemeiner Haselstrauch, Corylus Avellana: keisala. 

Gemeine Weifbuche, Carpinus Betulus: kaam - buu.xs. 
Weidenarten, Salix: wetro. 

Pyramidenpappel, Populus pyramidalis: bela. 

Espe, Zitterpappel, Populus tremula: asba. 

Gemeiner Froschlöffel, Alisma Plantago: fresa-keel (— Froschkohl). 
Wasserlinse, Lemna: endamoos und endamuus. 
Schmalblättriges Kolbenrohr, Typha angustifolia ) ee 
Breitblättriges Kolbenrohr, Typha latifolia ae Bon: 
kolben mit Stengel (in Kirchberg): para-Swents und pafa- Swents. 
Gefleckter Aron, Arum maculatum: aaron. 

Knabenkrautarten, Orchis: weinbluuma. 

Kueckueksblume, Platanthera bifolia: heedbluuma. 

Deutsche Schwertlilie, Iris germanica: $waardabluum. 

Gemeine Narzisse, Narcissus Pseudo-Narcissus: meerts-bluuma 
(= Märzblumen). 

Weiße Narzisse, Narcissus poeticus: šderə-bluumə (= Sternblumen). 
Gemeines Schneeglöckchen, Galanthus nivalis: foorwitsjər. 

Tulpe, Tulipa Gesneriana: dolobeem (= Tulipan). 

Kaiserkrone, Fritillaria imperialis: keisarkroons. 

Weiße Lilie, Lilium candidum: weisa nilja. 

Feuerlilie, Lilium bulbiferum: roora ntljo. 

Knoblauch, Allium sativum: knuuwəlor. 

Porree, Allium Porrum: laaz. 

Schnittlauch, Allium Schoenoprasum: kuuxa-kreidca und pana-kı eide. 
Schalotte, Allium ascalonicum: $láuda. 

Zwiebel, Allium Cepa: tswiiwola. 

Gemeine Maiblume, Convallaria majalis: meiglekcar. 

Hyazinthe, Hyacinthus orientalis: eerd - neelcar. 

Herbstzeitlose, Colchicum autumnale: windərhåuxə; die Früchte in 
den Blättern: molas - beirəl. 

Binsenarten; Juncus: 1222ma. 

Schmal- und breitblättriges Wollgras, Eriophorum polystachum und 
latifolium: husaara - helam. 

Seggenarten, Carex: Sneidgraas. 

Gemeiner Mais, Zea Mays: meis. 

Hirse, Panicum miliaceum: heers. 

Gemeiner Hafer, Avena sativa: haawor. 

Gemeines Zittergras, Briza media: rasalco». 

Roggentrespe, Bromus secalinus: doord. 

Gemeiner Weizen, Titricum vulgare: +ceets. 

Spelz, Titricum Spelta; sbelts. 

Quecke, Titrieum repens: kwek 


` 


202. 
. Gartensilberblatt, Lunaria annua (in Kirchberg): juudas zilwarlina. 
204. 
205. 
206. 
. Georgine, Dahlia variabilis: georsitno. 
208. 
209. 


210. 
211. 
212. 
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214. 
215. 


Philipp Keiper. 


. Roggen, Secale cereale: kọọrə. 

. Gemeine Gerste, Hordeum vulgare: geersd. 

. Buchweizen, Fagopyrum esculentum: heens. 

. Gemeiner Wachholder, Juniperus communis: wakholar. 

. Gebräuchlicher Sadebaum, Sabina officinalis: 122109 - baam. 

. Gemeine Kiefer, Pinus silvestris: fiicdə. 

. Edeltanne, Abies alba: weis- dana. 

. Gemeine Fichte: Picea excelsa: dano. 

. Gemeine Lärche, Larix decidua: lẹrcə. 

. Ackerschachtelhalm, Equisetum arvense: tsiin-kråut (= Zinnkraut). 
. Farnarten, Asplenium, Aspidium und Polystichum: wolfs-kràut. 

. Pilze (im allgemeinen): šwamb (Schwamm), M. šwęm. 

. Gelber und roter Hahnenkamm, Clavaria flava und aurea: oorlebcar 


(= Ohrláppchen). 


. Echter Feuerschwamm, Polyporus fomentarius: tsunər (= Zunder). 
. Roter Fliegenpilz, Agaricus muscarius: miga - $wamb. 


Nachtrag. 
Türkischer Schwarzkümmel, Nigella damascena: greetca im griina. 


Levkoje, Matthiola annua: lefgoja. 
Kapuzinerkresse, Trapaeolum majus: pafəgọdə (= Pfaffenkutte). 
Steinnelke, Dianthus deltoides: ¿deen - reesja. 


Immortelle, Helichrysum arenarium: $droo -bluumo. 

Geknäuelte Ampfer und krauser Ampfer, Rumex conglomeratus 
und crispus: laadco. 

Ampferbláttriger Knóterich, Polygonum lapathifolium: wetra-kráut. 
Gänsefu und Meldearten, Chenopodium und Atriplex: sismel. 
Moose und Flechten: muus. 

Die Halme der Gräser: ¿mitlom, Mehrz. Jmiiləm2ə. 

Rhabarber, Rheum Rhaponticum: barbara. 

Weiß- und Rotkohl, Brassica oleracea: kabəs, rood- kabəs. 


Pfälzer Appellativnamen (Nachtrag). 
Von Philipp Keiper. 


Die nachfolgenden Ergänzungen zu dem von mir und Theodor Zink 


in Heft 2, 1910, dieser Zeitschrift veröffentlichten Aufsatz über »Pfälzer 
Appellativnamen« verdanke ich fast alle der Güte meines hochgeschätzten 
Amtsgenossen, des um die Forschung auf dem Gebiete der Geschichte 


NW 


Pfälzer Appellativnamen (Nachtrag). 55 


und Volkskunde der Rheinpfalz sehr verdienten Kgl. Gymnasialprofessors 
Herrn Dr. Lucas Grünenwald in Speyer. Für die mir bereitwilligst 
gewährte Erlaubnis, seine brieflichen Mitteilungen veröffentlichen zu 
dürfen, spreche ich ihm hier meinen verbindlichsten Dank aus. 

1. Der »Saubartel« bedarf nach Dr. G.’s Ansicht noch besonderer 
Untersuchung. Er ist altpfälzisch. Der » Barthelmee-Mark(t)« um den 
24. August ist als Zeitbestimmung für die Beerenreife in den Waldgegenden 
der Westpfalz sprichwörtlich: »Wenn Barthelmee sei’ — nun folgt das 
derbe deutsche Wort für podex — drüber gestreckt hat«. 

2. Zu Blasius bemerkt G.: »Die volksüblichen Ausdrücke ‘bläseln’ 
usw. haben mit ‘die Bläss’ (Kuh) und ‘der Bläss’ (Stier und männliches 
Geschlechtsglied) gewiß nichts gemein. ‘Ein Bläss’ ist kein dummer, 
sondern ein ‘scheckiger‘, d.h. ein sinnlich erregter Mensch, der oft tolle 
Einfälle hate. Mit dieser bildlichen Bedeutung von »scheckig« möchte 
ich vergleichen »gespritzt<«: so nennt das Pfälzer Volk gern einen 
Menschen, der in seinem Denken, Reden und Tun häufig den Eindruck 
macht, als sei er geistig nicht ganz normal, aber nur so weit, daß er das 
Grenzgebiet, um mich so auszudrücken, zwischen absonderlichem Wesen 
und wirklicher, wenn auch nur teilweiser, Geistesgestörtheit noch nicht 
überschreitet. 

3. » Fritz« ist stehender Pferdename. 

4. Der Dumme heißt in der Pfalz » Hanjerg« und » Hanjokele«, auch 
. »Dummrian« (d. i. dummer Jan = Johann). Über die schon um 1525 
vorkommende sprichwörtliche Redensart »dem Herr Jergel singen« 
= schlagen hat Dr. Grünenwald näheres beigebracht in einem Aufsatz 
im »Pfälzischen Museum«, Jahrgang 1895, S. 22. Der Lahmselige heißt 
» Bambelschorsch«, vgl. » Hannebambel«. 

5. Neben Hamballe sagt man nach G. auch Hambes, um einen 
dummen, »überzwerchen« Menschen zu bezeichnen. So ziemlich gleichen 
Sinn hat die Benennung »Babbsack«: im ersten Bestandteil, »babb«, will 
G. eine Verstümmelung von Baptist erkennen. Allerdings ist Schambe- 
disch, mundgerecht gemacht aus Jean (== Johannes) Baptist, in der Pfalz 
und sonst am Mittelrhein ein häufiger Vorname, aber es scheint mir 
nicht unmöglich, daß »babb« von »pappen« herkommt. Ein » Babbsack« 
wäre dann ein »Pappsack«, d. h. ein Mensch so steif, unbehilflich und 
blöde, wie ein gleichsam »angepappter« Sack oder auch ein mit Pappen- 
deckel angefüllter Sack. Kommt dieses Wort auch anderswo vor? 

6. Zu dem von mir als Bezeichnung eines bequemen Hausrocks 
(in der Moselgegend) beigebrachten Ausdruck »Johannes, behelf dich!« 
stellt G. den nur hinsichtlich der Form des Namens etwas abweichenden 
pfälzischen Befehlsatz: » Hannesel (Vklf. von Hannes), behelf dich!« und 
als Seitenstück hierzu: » Michele, behelf dich!«, jedoch meinen diese beiden 
echtem Volkshumor entsprungenen Benennungen nicht ein Kleidungsstück, 
sondern — das Gefängnis, den »kaschä« oder »gaschö«, wie das Volk 
das entlehnte französische Wort cachot« ausspricht. 





56 | Philipp Keiper. 


7. Der »gebrannte« oder »gebräunte Henrich« kommt in der Pfalz 
seit den Hungerjahren nicht mehr vor, da seitdem kein Sommerweizen 
mehr gepflanzt wurde. Der »Buchwee(i)ze(n)henrich«k (= Pfannkuchen 
aus Buchweizen) ist als Mehlspeise in Westfalen noch weit verbreitet: 
desgleichen der »gebrannte Henrich«, ein Kornschnaps. 

8. Der Rufname der Katze ist nach Dr. Gr. bei uns nicht »Hinx < 
— das sei gelehrt —, sondern » Minx« und » Minett«. Hierzu bemerke ich, 
daß mein Mitarbeiter, Herr Zink, seiner Sache sicher ist. Warum sollen 
denn nicht in verschiedenen Gegenden der Pfalz verschiedene Rufnamen 
für die Katze gebraucht werden können? Minett, d. i. franz. (minet m.) 
minette fém., ist mir auch wohl bekannt. Man sagt auch kosend »das 
Minnekätsja« = Minnekätzchen, desgleichen » Minz«. Nebenbei bemerkt: 
ist Ming vielleicht aus einer Kreuzung von »Hinz« und »Minne« (in 
Minnekätzchen) hervorgegangen? — Herr Pfarrer Risch in Breitenbach 
bei Waldmohr teilte mir mit, daß man daselbst die Katze locke mit dem 
Ruf: >Komm, Heimtsja!’« — »mit klarem m«. Das m in Heimtsja für 
Heinzchen ist doch wohl nur als örtliche Eigenheit der Aussprache an- 
zusehen und mag hervorgerufen sein durch volksetymologische Anlehnung 
an »Heimchen« = Grille. 

9. Jodel, Vklf. von Jodocus, kam früher auch bei uns oft neben 
Jost u. ä. vor, ist jetzt aber nicht mehr gebräuchlich. Jockel und Hanjockel 
= »dummer Mensch« ist háufig.! 

10. Zu Konrad trägt G. als in der Pfalz vorkommend nach die 
Verbindung dieses in appellativem Sinn gebrauchten Personennamens 
mit »arm«: »der aaram Kunrad« und fügt noch die sprichwörtliche 
Redensart bei: »dem die Hühner das Brot weggefressen haben«. Recht 
ansprechend erscheint mir die Vermutung Dr. Grünenwalds, daß sich 
hierin eine, wenn auch verdunkelte, Erinnerung an den unter dem Namen 
»Der arme Konrad« bekannten Bauernbund in Württemberg beim Volke 
erhalten habe. 

11. Lachmichel nennt man einen Knaben oder ein Mädchen, das 
stets lacht, und zwar mit und ohne Grund. Der Lachmichelskragen ist 
ein Kragen, wie ihn solche junge Leute tragen: große umgeschlagene 
Kinderkragen, die bei älteren Burschen und Mädchen auffallen. 

12. Die Trierer usw. » Petermännchen«s waren als Münze bis in die 
neueste Zeit herein im Umlauf. 

13. »Der Steffe (= Stephan) versetzt seiner Gluck (seinem Mutter- 
huhn) eös (einen Schlag) mit dem Strohhalm« — diese sprichwörtliche 
Redensart bedeutet: er schlägt »ohne Schmerzgefühl zu erregen«, ohne 


1 Jock = Oyriak (Cyriacus), nach Dr. Grünenwald in der Pfalz gebräuchlich, war 
mir neu, obwohl mir manche andere Kurzformen dieses Namens bekannt sind. Immerhin 
kann recht wohl aus Cyriak, gesprochen Cyrjak, mit Wegfall der ersten Hälfte des 
Namens Jack und daraus Jock geworden sein. — Für Jakob sagt man in der Vorderpfalz 
Schäkob unter Einfluß des Anlauts von franz. Jacques und sogar geradezu Schaak — Jacques. 
Hingegen lautet Jakob in Rheinhessen zusammengezogen: Jaab, bei Waldmohr: Jeeb. 





Pfälzer Appellativnamen (Nachtrag). 57 


Wirkung. Denn ein Strohhalm ist kein Stock! Weniger deutlich heißt 
es nach Herrn Zink in der Nordpfalz dafür: »Der gibt wie der Steffe 
seim hinkelche(n)«. Der Name Stephan lautet auch am Donnersberg Sdejfo 
und Sdeff; in der Form Sdeffss kennt ihn Zink als Bezeichnung eines 
Tölpels (in Würzweiler am Donnersberg). — In Rheinhessen bedeutet 
»Sdeffa«: ein unbeholfener Mensch. 


Nach Einsendung dieses Beitrags an die Schriftleitung gingen mir 
von dem rühmlich bekannten Pfälzer Mundartdichter Herrn Rechnungs- 
kommissär Daniel Kühn in Speyer folgende Ergänzungen zu, welche 
ich mit dem Ausdruck meines besten Dankes für seine Bereitwilligkeit 
mich dieselben hier veröffentlichen zu lassen nunmehr anreihe. 

1. »Du hoscht’s’m gebb wie dr Sdeffo seiner gluck« = du hast es 
ihm gegeben wie der Steffe seiner Gluck, d. h. du hast nicht viel aus- 
gerichtet. 

2. „Ihre Ausführungen über » Kukbläsi« und » Bläss« dürften richtig 
sein. Ich glaube nicht, daß »Bläss« mit > Blasius« oder »blasen« etwas 
gemein hat“, Auch » Schoodabläss« ! ist gebräuchlich und bedeutet närrisch 
und dumm zugleich. 

3. »Daawar Hannjerg« wird auch der benannt, der zwar nicht 
schwerhörig ist, aber einen Auftrag »überhört« oder ihn nicht richtig 
erfaßt. 

4. Der »wahre Jakob« ist auch auf der Messe zu treffen: der Mann 
„mit dem billig Saches«, der seine Waren mit lauter Stimme anbietet, 
hoch bewertet und billig abgibt. »Du bischt mar aax (= auch) noch a 
wahrer Jakob« sagt man zu dem, der etwas leichtsinnig angelegt ist, 
überhaupt Sonderlingseigenschaften zeigt — wird auch auf Erwachsene 
angewendet. — »Dummer Jockel« ist: tölpelhafter Mensch. 

5. Ein kräftiges Mädchen nennt man »ə fešdər Hannes<, ein gut- 
mütiges Mädchen »ə guudər Hannes«. » Dummerjann« = dummer Mensch. 
Einen dicken Buben nennt man » Speckhannes«. 

6. »Hannickel« ist soviel als »grober Mensch«. 

1. Dreckfilp (filp für Philipp) s. v. a. unsauberer Bursche. 

8. » Guekart« oder » Guckas« dürften vom Zeitwort »gucken« abzuleiten 
sein; vgl. »Guck nat so scheel!« — Man kann hierüber auch anderer 
Ansicht sein. 

9. Man sagt auch: »Stolx wie's Löbche« — recht bezeichnend: das 
sarme Lóbchen< kann unter Umständen auch stolz tun. 

10. Nicht selten hört man: »Er iss Mooscha (Mauscha) owwa« 
(= oben), d. h.: er ist gut daran, er hat den besten Platz, er ist der 
erste oder gilt viel. — |Mooscha = Moses]. 


t Sauts oder Soota == einfältiger, tölpelhafter Mensch, am Mittelrhein allgemein 
gebräuchlich, stammt aus dem Judendeutsch. 


58 Emrich Kövi. 


11. »Schmuul« ist Bezeichnung eines Juden überhaupt. »Der 
Schmuul! kummt« hört man sehr oft sagen, auch wenn der Betreffende 
einen andern Namen führt. In gleichem Sinn sagt man: »Dar Itzig 
kummt« — und wenn zwei Juden miteinander kommen, heißt es: » Dar 
Itzig und dar Schmuul«. 

12. »Der Toobas« ist auch in der Gegend von Winnweiler (Nord- 
pfalz) gebräuchlich. Anderswo sagt man herumdoobela = ungeschickt 
nach etwas suchen. 

13. Desgleichen: »dicker Baches« (= Bacchus). 

14. »Gollo« ist meines Wissens als Schimpfname in der Pfalz nicht 
gebräuchlich. Der Name ist nur als die in der Genovefasage vorkommende 
Figur bekannt und genannt. Beim Spiel sagt oft der, welcher gerade 
an der Reihe ist: »Jetzt kumm’ ich! sagt der Gollo«.? 


Sprachproben aus Zipsen. 
Von Emrich Kövi. 


Probe in der sogenannten Niederländer Mundart. 


dr  praktiso  luudo. 
Der praktische Ludwig. 
its vets oobr ganuk xaaimm?! took baaz took, fân frii birt en 
Jetzt wird es aber genug sein! Tag bei Tag von früh bis in 
di xeykndija nooxt en ziln and aos dr gantsn kaaisraai Saat nist nec 
die sinkende Nacht in Sillen und aus der ganzen Plackerei schaut nichts 
raos. vaar vet dan-kzxaain laabtor en taaibl vw  gonkreis oob- 
heraus. Wer wird denn seine Lebetage dem Teufel eine Gangreise ab- 
gaan?5 de polookn sekn ein  galdbraf  tibrn ondyn aox 
geben? Die Polaken schicken einen Geldbrief über den andern aus 
amerika and baai unzrein geif joor ren joor raos nula fán nula of. 
Amerika und bei Unsereinem geht jahrein jahraus Null von Null auf. 
konst eur nec mn reudn gron of di xaatt leegn.5 di gruln 
Kannst auch nicht einen roten Groschen bei Seite legen. Die Kartoffeln 


1 Auch die Verkleinerungsform »’s Schmuulche(n)«, aber ohne verächtlichen Bei- 
geschmack, habe ich schon oft vernommen. 

® In ungefähr demselben Sinn sagt man, wie ich mich aus meiner Kinderzeit 
erinnere, scherzend: »Jetzt kumm’ ich! sagt der Hanswurst«. 

3 Diese Mundart ist sehr nahe verwandt dem sogen. Garschtvogel - Dialekt. 

+ s erweicht vor Vokalen zu z. ° Unnütze Arbeit verrichten. * Ersparen. 


Sprachproben aus Zipsen. 59 


hoon kein praais, di gaarst had eum kein praais and fars fii 
haben keinen Preis, die Gerste bat auch keinen Preis und fürs Vieh 
krikst eux nit om mork. ic get ent amerika. 
kriegst auch nichts auf dem Markte. Ich gehe nach Amerika. 
eux dr footr zoogt ja en einfart: luudi! nunt praktiš. dəs- 
Auch der Vater sagt ja in einemfort: Ludwig! nur praktisch. Des- 
tolbn hoo ic dic eur ludvie galost teifn and nec jako, mis 
halb habe ich dich auch Ludwig lassen taufen und nicht Jakob, Michel 
odr tinə, dost ’x eur vaattr breng xolst, als vi zeta. 
oder Martin, damit du es weiter bringen sollst, als wie solche. 
und dr luuda voor eur nec mee lisu hold.  eygaventrt voor 
Und Ludwig war auch nicht mehr zu halten. Eingewintert war 
olst; tsulatst hotr nox en rosn di huubaaizn oobgaresn and — 
alles; zuletzt hat er noch den Pferden die Hufeisen abgerissen und — 
oona vvaan vvoos tsu zoogn — hotr zic of de reis garict. ven- 
ohne jemandem etwas zu sagen — hater sich zur Reise gerüstet. Wenn 
dr mar kein pos nec velt gaan, vaa ic aaic Sunt durjn 
ihr mir keinen Paß wollet geben, werde ich euch schon durch den 
zen foorn; mic vet kein Zundoar nec driopn; ven mic vaar 
Sinn fahren; mich wird ein Gendarm nicht ertappen; wenn mich jemand 
freugt, vuhin ic reis, xoog ie gants einfor: tsun oykl ins. laaiptsic. 
fragt, wohin ich reise, sage ich ganz einfach: Zum Onkel nach Leipzig. 
its hotr nunt ov vp Slaaict vaalr gahort, das nan nec 
Jetzt hat er nur auf ein schlechtes Wetter geharret, damit ihn nicht 
xofl laait zaan zoln, vanr vakfeert. rictic, baain erstn 
soviele Leute sehen sollen, wenn er wegfährt. Richtig, beim ersten 
Sneigssteibr er ens daaitšųdrof of di baan gafoorn. wii 
Schneegestöber ist er nach Deutschendorf auf die Bahn gefahren. Als 
ar oonkimt, Sprent eur Sunt dr misa, dr hordar!, tsun voogn: 
er ankommt, springt auch schon der Michel, der Packträger, zum Wagen: 
ich bitte zweiter klasse? freugtr en luudo. jaa — tsvaartr klas — 
ich bitte zweiter Klasse? fragt er den Ludwig. Ja — zweiter Klasse — 
snenktr stolts “br di ooksl. dr voor obr eur, maainr vart, nec 
nickt er stolz über die Achsel. Er war aber auch, meiner Wort, nicht 
tsu dykan:n, en daaitsn heuzn and kalmasn and Zvartsa okaloorn 
zu erkennen, in deutschen Hosen und Gamaschen und schwarze Brillen 
hot zic daar haloyk of di noos ofgaxotst. — vit ar di 
hat sich dieser Halunke auf die Nase aufgesetzt. — Nachdem er die 
koort gakeuft hot, kimtr en zaal tsurek, tseykt xtc a 
Karte gekauft hatte, kommt er in den Saal zurück, zündet sich eine 
tsigaar oon and bleest, víz di gruusn heern, en reux durx di 
Zigarre an und bläst, wie die großen Herren, den Rauch durch die 


1 Ungar. hordár. 


60 Emrich Kóvi. 


nooxnlecr. endlie kliyln xa: »einsteigen«! ven enStaaign, zo en- 
Nasenlöcher. Endlich klingelt es: Einsteigen! Wenn einsteigen, so ein- 
staaign, dy liiba got vet ja nar ovt halfn. engostugn er 
steigen, der liebe Gott wird ja irgendwie helfen. Eingestiegen ist er 
obr nunt dretr klas. bold tit dr tsuug an tfef — and kaaict 
aber nur dritter Klasse. Bald macht der Zug einen Pfiff — und keucht 
keegn di lept! tsuu. blaaib gaxont, maain lbo tseps! ə besen boy 
gegen Liptau zu. Bleibe gesund, meine liebe Zips! Ein wenig bange 
voors nan obr dér ov axeu loyk vektsufoorn. oobr ic kum ja 
war es ihm aber doch auf so lange wegzufahren. Aber ich komme ja 
bold tsurek —  treistr zie — and doos nox als gruusr har. po, 
bald zurück — tröstet er sich — und dazu noch als grofer Herr. Pah, 
dan kon ie mie ov eur faarst-emdreen?! di haoptzar es, 
dann kann ich mich auf einer Ferse umdrehen! Die Hauptsache ist, 
itst on harn tsu Spilp, das di laait rospekt får mar kritgn. 
jetzt einen Herrn zu spielen, damit die Leute Respekt vor mir kriegen. 
drom leintr zic eux Stolls on di reklaan oon, fleit® zic en Stelm 
Drum lehnt er sich auch stolz an die Rücklehne an, flötet sich im stillen 
bold v polka bold vn daaitsn and sleet medn fus en 
bald eine Polka, bald einen Deutschen und schlägt mit dem Fuße den 
takt drneu, vi halt di boon garolt es. bold tsutr eur s naats 
Takt darnach, wie halt die Bahn gerollt ist. Bald zieht er auch ’s neue 
faadrmasr aoxn tesen and Spüglt ziet drmet fürn  laaidn 
Federmesser aus dem Täschchen und spiegelt sich damit vor den Leuten 
and ez en gadaykn nåx imr drheim. 
und ist in Gedanken noch immer zuhause. 
voox eur dr footr and di mutr üsnd tit? vaar eux baaın 
Was auch der Vater und die Mutter jetzt machen? Wer auch beim 
tonts en raain oonfürn vet? voox eur di maadren übr nan zoogn? 
Tanz den Reigen anführen wird? Was auch die Mädchen von ihm sagen? 
voos? di maadren? voos kumm mic di maadren? ex eur nunt etna 
Was? die Mädchen? was kümmern mich die Mädchen? ist auch nur eine 
fan daan 3ein? — bapreepltr zic en steln. di anamrien, di 
von diesen schön? — bebrummt er sich im stillen. Die Annamarie, der 
vitso di vetso? es di ament Sein? di xuuscen? voox es oon daan 
Unruhgeist? ist die am Ende schön? Die Susanne? was ist an diesen 
gameid| droon? and voox es oondr katus, dr mataleuxn? voox oon 
Gewedel? Und was ist an Katharinen, der Herbstzeitlosen? was an 
dr anin, dr faoln krek? med en vart, dr had ala maadren 
Ännchen, der faulen Kracke? mit einem Wort, er hat alle Mädchen 


1 Nachbarkomitat von Zipsen. ? Wird mir das Leben leicht sein. 
8 Pfeift. 1 Brüstet, prahlt sich. 


Sprachproben aus Zipsen. 61 


gasand,  oby nar destolbp, dazes nan em drheim nec zeu leid xol 
geschändet, aber nur deshalb, damit es ihm ums Heim nicht so leid soll 
xaain. en dr virklickaait voor jo doos gants ondyst. dan hatr lwudi 
sein. In der Wirklichkeit war ja das ganz anders. Dann hat der Ludwig 
vitdr  neugadooxt, vi eur doos vet Sein zaain, vanr tsurek vet 
wieder nachgedacht, wie auch das wird schön sein, wenn er zurück wird 
kum. vi di laait får naaid froen vaarn, van xe zaan, 
kommen. Wie die Leute vor Neid vergehen werden, wenn sie sehen, 
vor für a kampl es. and erst oon zontor en dr kiiric! vuu 
was er für ein Kämpe ist. Und erst am Sonntag in der Kirche! wohin 
ər xic eur Zeien vet? ep nåx tsu di kraait, odr Sunt tsu 
er sich auch setzen wird? ob noch zu den Knechten, oder schon zu 
de frhaairootp? baai daan gəgriib} kimmtr vi of ja and nein 
den Verheirateten? bei diesem Gegrübel kommt er wie auf ja und nein 
en nikoleu! oon. hit volir eur aos-Staaign and zie ə poor knuprn? 
in Nikolau an. Hier wollte er auch aussteigen und sich ein paar Würste 
keifn; obr dr kint zie metr Spreux näx wii  frreudn, 
kaufen; aber er könnte sich mit der Sprache noch irgendwie verraten, 
drom er lübr en kupee gablübn. 
drum ist er lieber im Kupee geblieben. 
ao! doos geid ent prectic! fraaitr zie, vi or keegn reuanbaric® 
Ach! das geht auch prächtig! freut er sich, als er gegen Rosenberg 
flikt. vs náx a poor tundn — and ic xaat en oodrbeerg; dan 
fliegt. Jetzt noch ein paar Stunden — und ich bin in Oderberg; dann 
kon mie di Zandaarn gaarn hoon! ei, ei, luudo! nee meul 
können mich die Gendarmen gern haben! Ei, ei, Ludwig! nicht male 
en taarb} on di vond! riete! en reuxnbarie Staaign tsvaar žandaarņ 
den Teufel an die Wand! Richtig! in Rosenberg steigen zwei Gendarmen 
ens kupee. en luudi hots nunt on zeln res gaan.  tsvaal 
ins Kupee. Dem Ludwig hat es nur einen solchen Riß gegeben. Zwei 
plets voorn grood für nən leidic. als heim za doos met flaais* goteun, 
Plätze waren gerade vor ihm leer. Als hätten sie dies mit Fleiß getan, 
zaisn zie di Zandaarn deuhin. — aos voors metr gomutlickaait! 
setzen sich die Gendarmen dahin. — Aus war es mit der Gemütlichkeit! 
eur dr tsuug ex itsnd en luuda oxeu loykın gofoorn, als veern 
Auch der Zug ist jetzt dem Ludwig so langsam gefahren, als wären 


nunt oksn oongaspont and di Zandaarn  šaan halt enein 
nur Ochsen angespannt und die Gendarmen schauen halt in einemfort 
ovnan. no, dasdr’s fürn eugn krügn x0lt8!  knurtr en 


auf ihn. Na, daß ihr es vor den Augen kriegen sollet! knurrt er im 








' Stadt in Liptau. ? Knackwürste. 3 Stadt in Liptau. 
* Absichtlich. 6 Eine Verwünschung. 


62 Emrich Küst 


Steln, voos ylotstr mi goor sunt xof] oon+ or einmeul kraaist 
stillen, was glotzt ibr mich gar schon soviel an? Auf einmal schreit 
dr kondukteer: rutka! nə got zaaws gadaylt — zaaiftst dr luuda — 
der Kondukteur: Ruttka! Na. Gott sei es gedankt — seufzt Ludwig — 
hii vaan dor di “andaarw aos-¿taawqu? di Stein eur of. obr 
hier werden doch die Gendarmen aussteigen? Sie stehen auch auf, aber 
oustots aostsustaaign, foorn ala tsraal non oon: » wo reisen Sie hin«? als 
anstatt auszusteigen, fahren alle zwei ihn an: »wo reisen Sie hin«? als 
rer dr dounr en luuds gefvoru; daar kon melr reid nec 
wäre der Donner in Ludwig gefahren; der kann mit der Rede nicht 
raaiet raos. »wo reisen Sie hen<? tuun di vidr an trompl. 
recht heraus. »Wo reisen Sie hin«? machen diese wieder einen Trampel 


in's laai-, in’s laai-bils tsun oyll — Stokrtr endlie. dr moog zic 
Ins Lei-, ins Lei-bitz zum Onkel — stottert er endlich. Er mag sich 
virg vi ar vel, daar krikt dos laaiptsic nee raos. >Was? nach 


wiirgen, wie er will, er kriegt das Leipzig nicht heraus. »Was? nach 
Leibitz?« lorn non di Zandaarn en's gozict. »Leibitz ist ja in 
Leibitz?« lachen ihm die Gendarmen ins Gesicht. »Leibitz ist ja in 
Zipsen! wie heißt der Onkel?< kraaisu za vaaitr of nan. of doos hot 
Zipsen! wie heiBt der Onkel?« schreien sie weiter auf ihn. Darauf hat 
obr dr luudi Zunt goor kein noom gakint zoogn; of doos hotr 

aber der Ludwig schon gar keinen Namen können sagen; darauf hatte er 
zie nec foorbareit. »Wo ist der Pafi?« — vak voor dr luuda. »Aha! 
sich nicht vorbereitet. »Wo ist der Paß?« — weg war Ludwig. > Aha! 
Sie wollen nach Amerika durchgehn? Aussteigen!« voos zol unzy 
Sie wollen nach Amerika durchgehen? Aussteigen!« Was soll unser 
luuda tuun? daar es fan den galiml als vi bademlt. di 
Ludwig tun? Dieser ist von diesem Getümmel als wie betäubt. Die 
sandaarn fürn nan of di Statsteun, vezitiern non and fendn eux’s 
Gendarmen führen ihn auf die Station, visitieren ihn und finden auch's 
gald, voos di mutr en (ef zuun en hemp3peed] hot 
Geld, welches die Mutter dem pfiffigen Sohne in den Hemdespeidel hat 


frueet. en  luuda  exos gonts geel and grün fárn  eugn  ga- 
vernáhet. Dem Ludwig ist es ganz gelb und griin vor den Augen ge- 
vurn. gənum obr hoon xə nən ’s gald nec, obr hoon 


worden. Genommen aber haben sie ihm das Geld nicht, sondern haben 
Lie orn erstu tsuugen di tseps medn luudə Sein ofgəxotst. 
sich auf den ersten Zug nach Zipsen mit dem Ludwig schön aufgesetzt. 
obr losbr ist en Inuda  luuda zaain and Saabr, 
Aber lassen wir jetzt den Ludwig Ludwig sein und schauen wir, 
zoos dyranil  dyheim es  gosaan. 
` unterdessen daheim ist geschehen. 


\ 





Sprachproben aus Zipsen. 63 


cur en footr, eur dr mutr hot ’s jo em zuun 9- 

Auch dem Vater, auch der Mutter hatte es ja um den Sohn ge- 
boykt. kein es nec di oorpt axeu vi zonst fån handy goy. 
bangt. Keinem ist die Arbeit so wie sonst von den Händen gegangen. 
baain klibrent-hokp exen olln di aks en einfârt  oopgayletst, 
Beim Kleinholzhacken ist dem Alten die Axt in einemfort abgeschlüpft, 
and baain füfr-rietn hotr bold dits bold doos forgasn. — 
und beim Versorgen des Viehes hat er bald dies bald jenes vergessen. — 
di olla hot ze own rokn gaxolst and hot govolt flaaisic 
Die Alte hat sich auf den Rocken gesetzt und hatte wollen fleißig 
gpen:n, obr dr foodun ear übrovaail garesn; eur di Spel hat 
spinnen, aber der Faden ist ihr alleweil gerissen; auch die Spille hat 
za nec vi zonst Ifiirnd|n? gakint. di zatst eur en virg} of, obr 
sie nicht wie sonst wirbeln können. Sie setzt auch den Wirtel auf, aber 
ttst hot holt viidr di Spel gatromplt3. med em  vart, doos gaspen 
jetzt hat halt wieder die Spille getrampelt. Mit einem Wort, das Spinnen 
es holt nec glot goy. is’ eubnds hot za xupa med ən t3us* 
ist halt nicht glatt gegangen. Zu Abend hat sie Suppe mit Tschusch 
gavolt moan — rictie! hot oa di enbren® forbrüt. of doos zaain 
gewollt machen — richtig! hat sie die Bräune verbrennt. Darauf sind 
ceux de Svastrn gakum medn rokn, zatsn xic niidr and 
auch die Schwestern gekommen mit dem Rocken, setzen sich nieder und 
Spen:n. di reidn übr dus and doos, obr emgein luudis reis, 
spinnen. Sie reden über dieses und jenes, aber umgehen Ludwigs Reise, 
vi di kots en braai. di lakn and lakų oon foodn imr argr 
wie die Katze den Brei. Sie lecken und lecken am Faden immer stärker 


and argr — s hot nunten non axeu gaoorpt — endlic obr pletst 
und stärker — es hat nur in ihnen so gearbeitet — endlich aber platzt 
luudis gęudə raos: ao svastr! van's šund aac nitmand 


Ludwigs Gotte heraus: Ach Schwester! wenn es schon euch niemand 
nee zoogn vel, voos zie di laait ts’ unx en metl® drtseiln, muz tc 
sagen will, was sich die Leute bei uns im Mittel erzählen, muß ich 
s aaic Sunt xoogn. ana, hoodr eur god en hertsn, dasdr en 
es euch schon sagen. Nun, habt ihr auch Gott im Herzen, daß ihr den 
eintsin xuun hood vakgalosn? van xeto laaid aosvondrn, voos xə 
einzigen Sohn habt weggelassen? wenn solche Leute auswandern, die 
ništ tsu braaien and tsu baaisn hoon, doxes pvpvoos ondrs, obr ur 
nichts zu brechen und zu beifen haben, das ist etwas anderes, aber ihr 


1 Klieben = spalten. ? Vgl. mhd. twirl. 

9 Eine Spille mit schiefer Längenachse dreht sich nicht ruhig, sondern tromplt. 
* Tonwort, vom Eingießen des geschmolzenen Fettes ins Wasser. 

° In Butter gebräuntes Mehl. 

€ Der mittlere Teil des Dorfes, dann das Dorf selbst. 


64 Emrich Kövi. 


hood’s ja goor nec neitie, dos dr xuun of frdünst geit; ür kant 
habt es ja gar nicht nötig, daß der Sohn auf Verdienst gehe; ihr könnt 
dër nox en daom riürn!. vaar hot dan-k vp zet haos, vt 
doch noch den Daumen rühren. Wer hat denn ein solches Haus, wie 
tr — maldt zie de ondro astir  — hentn kint jo nor vraar 
ihr — meldet sich die andre Schwester — hinten könnte noch irgendwer 
haozen  veun! and vizeu hol dr luunvie (di vel non Sein rufn, 
zu Miete wohnen! und wieso hat der Lunwig (sie will ihn schón rufen, 
vaail oa Dv  toxtr hot, kan obr ludvie nec x00qn), vizgu hot dy 
weil sie eine Tochter hat, kann aber Ludwig nicht sagen), wieso hat der 
luunvic — tit di dreto  Svastr — liibr nec gahaarroot? (s voor 
Ludwig — sagt die dritte Schwester — lieber nicht geheiratet? (es war 
p venk  medn  Saatartoor), and zes jo eur (end zeer veer 
ein Wink mit dem Scheuertor), und es ist ja auch jetzt sehr schwer 
durxtsukum. 
durchzukommen. 
cent! liibn laait, veert xic endlic di mutr, voos zol ic 
Je nun! lieben Leute, wehrt sich endlich die Mutter, was soll ich 
eux nunt Sunt zoogn? tir veist, unxr luudi es zeer praktiS: dr 
auch nur schon sagen? ihr wisset, unser Ludwig ist sehr praktisch: er 
vel Dv gruusr har vaarn. and dr hot ja eux raast. vaar vel 
will ein groBer Herr werden. Und er hat ja auch recht. Wer wird 
ate dan-k eivic ov unarn Senhübln? zudin? em unzxyn zuun 
sich denn ewig auf unsern Schindhügeln plagen? Um unsern Sohn 
braoxbr xic nec on grim}? tsu xorgn. nec voor mec}? dreet 
brauchen wir uns nicht ein wenig zu sorgen. Nicht wahr Michel? dreht 
xə zie tsun man. no jaa! tit dr meel of dr eubnbayk Stolts. 
sie sich zum Manne. Nun ja! sagt der Michel auf der Ofenbank stolz. 
and voos dankt ər $vastrn, bleet za zic vaaitr and apt en 
Und was denket ihr Schwestern, bläht sie sich weiter und schöpft den 
eudn durx di noos — biir vaarn jo eur nec hü bagreun. 
Atem durch die Nase — wir werden ja auch nicht hier grau werden. 
bixas voorm vird,  foorbr eux ens amerika. no jaa! Smontsit 
Bis es warm wird, fahren wir auch nach Amerika. Nun ja! schmunzelt 
dr meed} vüdr and di mutr leegt tsufriide s maol Sen en 
der Michel wieder und die Mutter legt zufrieden den Mund schön in 
li faldn‘. 
Falten. 
obr hürxt dáx, hárxt! voos kimt dan-k undyn fanstyn?: 
Aber horchet doch, horcht! was kommt denn unter den Fenstern?: 


' Ihr seid doch wohlhabend, den Daumen rührt, bewegt man beim Geldzählen. 
* Schlechte Acker. 3 Ein Stückchen Krume. 
* Den Mund in Falten legen = stolz tun. 


Sprachproben aus Zipsen. 65 


trap — trap. di härım — üst knurt de fornaosytir — doos kon 
trapp — trapp. Sie horchen — jetzt knarrt die Gassentür — das kann 
dáx nec vo klankņdrekr! xaain —! of doos tit zie di Stuubntür 
doch nicht ein Klinkedrúcker sein —! hierauf öffnet sich die Stubentür 


of — di kalt kuult zic ren — vaar drsaaint en dr govolk?? 

— die Kälte kugelt sich herein — wer erscheint in der Wolke? 
dy praktiso luudə aox amerika met tsvaar Zandaary. — ao! voor 
Der praktische Ludwig aus Amerika mit zwei Gendarmen. — Ach! war 


eux doox ə fraaid! di mutr ver fån Ben gofoln, van 
auch das eine Freude! Die Mutter wäre von den Füßen gefallen, wenn 
za nec ovn Stuul goxasn het. ao voor eur doox v fraaid, 
sie nicht auf dem Stuhl gesessen hätte. Ach war auch das eine Freude, 
dos di olin en zuun vüdr hoon. ao voor ęux doox v fraaid 
daß die Alten den Sohn wieder haben. Ach war auch das eine Freude 
en gantsn metl?, dos 29 em m praktisn mon raaicr zaain. 
im ganzen Mittel, daß sie um einen praktischen Mann reicher sind. 
and dr luudi ex eur üst en aarnst o gutr viirt vurn. 
Und der Ludwig ist auch jetzt im Ernst ein guter Wirt geworden. 
får daan 3topm* gold, vooxar hot govolt en’x amerika nem, hotr 
Für diesen Stopfen Geld, den er hat wollen nach Amerika nehmen, hat er 
zic glaaic vn basrn zeum and basr fii oongasofn. geit 
sich gleich einen besseren Samen und besseres Vieh angeschafft. Gehet 
raos of's fald; on  gontsy hotrt5 es nec zet Sein gatraaid 
hinaus aufs Feld; auf dem ganzen Gebiete ist kein so schönes Getreide 
tsu zaan, and van di hirtn traaibm, xaain fiù drkant mon aos dr 
zu sehen, und wenn die Hirten treiben, sein Vieh erkennt man aus der 
gontsp haard. and doos sena  gafliigl en heub! and di maadren — 
ganzen Herde. Und das schöne Geflügel im Hofe! und die Mädchen — 
freugtr — xaain di maadren nor graailic? jaa vp  mstenS! de 
fragt er — sind die Mädchen noch abscheulich? ja ein Nichtschen! Die 
anamrüen, de vitsa di vetso, de es luudt's vaaib and ex eux 
Annamariechen, der Unruhgeist, die ist Ludwigs Weib und ist auch 
Sunt Sveer orn Beni vaars nec glaobt, dr x0l tsun luudi 
schon schwer auf den Füßen. Wer es nicht glaubt, der soll zum Ludwig 
of bar gein, dr vat nən gut ofnam. 
auf Besuch gehen, er wird ihn gut aufnehmen. 


Sprachproben aus den Zipser „Gründen“. 


Vorbemerkungen. Die Einwohner von Wagendrüssel (Mereny), 
Schwedler (Svedler), Einsiedel (Remete), Göllnitz (Gölnicbánya), Schmöll- 


1 Bettler. ? Die ins warme Zimmer dringende Kälte verdichtet sich zu sicht- 
barem Nebel. ® Siehe Note 2 Seite 6. * Haufe. 5 Slaw. chötar, ungar. hatär. 
6 Keineswegs. 7 Ist in gesegneten Umstánden. 


Zeitschrift für Deutsche Mundarten. VI, I 


66 Emrich Kóvi. Sprachproben aus Zipsen. 


nitz (Szomolnok), Schmöllnitzhütte (Szomolnokhutta) und Altwasser (Óvíz) 
heißt man die Gründler; zu ihnen gehören noch die Einwohner von 
Stoósz (in Abaúj); alle diese sprechen den Gründler Dialekt. Auch in Ober- 
und Unter-Metzenseifen (Mecenzéf) (Komitat Abaúj) wird dieser Dialekt 
gesprochen; doch heiBen die Einwohner Mantáken. Ein deutsches Wort 
mit ungarischem Plaral. Der Singular lautet maantv = meint er. Auch 
die Einwohner von Dopschau (Dobsina) (Komitat Gömör) sprechen diesen 
Dialekt mit kleinen Abänderungen; sie heißen Buleener, weil sie das 
Pronomen »welcher« (buleen) aussprechen. 

Die Haupteigenschaften des Gründler Dialektes sind folgende: 

1. Der Konsonant r wird vokalisiert und zwar entweder in v oder 2, 
einmal in x: (duut) dort; z. B. (footo) Vater, (pita) Bier (bei letzterem 
Worte hört man zwischen ? und > einen leisen 7-Laut). Zuweilen fällt 
er ganz aus, z. B. (hats) Herz. 

2. r verschiebt sich in einigen Verben auf ¿ren in z, z. B. frieren 
(früzn). 

3. Der Semivokal w wird in 5 verschoben, z. B. Wasser (bos»), auch 
im Inlaute, z. B. schwer ($beev). Die Dopschauer jedoch sagen $teen. 
| 4, b wird im Anlaut wie p gesprochen, z. B. Bein (paan). 

5. Die Verkleinerungssilbe lautet: al, z. B. Häuschen (haizal). 

Andere Eigentümlichkeiten hat diese Mundart mit den übrigen Zipser 
Dialekten gemein, z. B. den häufigen Ausfall des e; das nasale ng (n); 
die Verschmelzung des bn in m usw. 

Slavische und ungarische Fremdwörter kommen auch hier vor. 


Ein Brief im Gründler Dialekt. 


Smelents im sept. 


EE . Schmöllnitz im Sept. 
maai liibə maali! 


Meine liebe Amalie! 

boos ilsan di diinstmaad} med uns traibm, doxes Sont nec 

Was jetzt die Dienstmädchen mit uns treiben, das ist schon nicht 
mee Seen, doos hob ic maai lebtic nec garen. bit man xə 
mehr schön, das habe ich meine Lebtage nicht gesehen. Wie man sie 
nont šeel oonšaot, glaaic kukņ xə bi vw top fol  ratn. — du 
nur scheel anschaut, gleich gucken sie wie ein Topf voll Ratten. — Du 
kenst dor as mantšal? as boov nor v Suulmaad, bi ezas 
kennst doch das Mariechen? es war noch ein Schulmädchen, als es ist 
en onzo haial kooman. boos boow doos faro  prectic maadal! 
in unser Häuschen gekommen. Was war das für ein prächtig Mädchen! 
ten! hop? x9 geeon gahot, bi ma aagana loxiv. naailie zoog ic 
ich habe sie gerne gehabt, wie meine eigene Tochter. Neulich sage ich 


! Eine Eigentümlichkeit des Dialektes, »ichen« statt »ich« zu sagen. 
3 b erhärtet sich vor einem Konsonanten zu p. 


Otto Heilig. Aus badischen Mundarten. 67 


isuu xp: mantsal, mantsal! nee gec oobns of di gos, de 
zu ihr: Mariechen, Mariechen! Nicht gehe abends auf die Gasse, die 
juga heenn beeon da nor as hats  fodreen. 

jungen Herren werden dir noch das Herz verdrehen. 

»boos  bely zə ma zoogn? ven kindij! tinon en diünst« — 

»Was wollen Sie mir sagen? ich kündige Ihnen den Dienste — 
hot zə gexoogt ont rictic en Biaten toogn es zo tsigaroëka? gaboovn. 
hat sie gesagt und richtig in vierzehn Tagen ist sie Zigaroschke geworden. 
ben baas, fpboos? 

Wer weiß, (fürwas) warum? 

en v poop born bov di mantíal gants fodreet. 

In ein paar Wochen war das Mariechen ganz verdreht (umgeändert). 
zə es v Slapsuxfraailo® boovn. va moto es tsuu ma kooman 
Sie ist ein Pantoffelfräulein geworden. Ihre Mutter ist zu mir gekommen 
ont hat imo gagriinan; te hop xp oobp nec helfn gakint. haait 
und hat immer geweint; ich habe ihr aber nicht helfen können. Heute 
hob ic goheevt, das xə en di beel gay es. been baas, fpboos? 
habe ich gehört, daß sie nach Bela gegangen ist. Wer weiß, warum? 

büsa kan hiis en da Smelents ka guts maadal krügn, os 

Wir können hier in Schmöllnitz kein gutes Mädchen kriegen, es 
is kaano vboos beevt; drom pit ic die, Sek ma aans aoxn naain drof. 
ist keine etwas wert; drum bitte ich dich, schicke mir eine aus Neudorf. 

ien beei da ooftan aax m» gofelickaait dobaaizn. 

Ich werde dir nachher auch eine Gefälligkeit erweisen. 

dar alto komorotin bot 
Deine alte Kameradin Lieschen. 


i 


Aus badischen Mundarten. 
Von Otto Heilig. 


Ackersalat. 


akərtsəlaat in Zeutern, Rettigheim, lemrkröpfli in Steinbach, Amt 
Wertheim, Kirrlach. Dafür sofmäulistsulâát in Tauberbischofsheim, Hard- 
heim u. Dienstadt; dauwskröpfli in Neudenau; sunewimlasalaat (Sonnen- 
wirbels.) in Malsch*, sunswirwol in Ettlingen u. Ottersweier; reewasaloot 


1 e = ch erweicht vor einem Vokal zu j. 

? Eine slavische Bildung: Zigarrenmacherin. 

3 Spottname der prostituierten Mádchen. 

* Im folgenden, wenn nichts bemerkt, Malsch bei Ettlingen. 


5* 


68 Otto Heilig. 


(Rebensalat) in Gausbach u. Reichental; rit3arla in Neusatz, Lautenbach! 
u. Seelbach?; retsorlz in Búblertal, hier auch reewasaloot; nüslosalaat in 
Horheim. 


Asche. 


Die umgelautete Form es in Zeutern, Elsenz, Kirrlach, Käfertal, 
Ettlingen, Malsch, Gausbach, Bühlertal, Neusatz, Ottersweier, Lauten- 
bach, Seelbach; ¿$ in Rettigheim; dagegen as» in Tauberbischofsheim, 
Dittwar. 

Biene. 

bin bezw. bina in Langenzell, Zeutern, Ettlingen; 22m in Rettig- 
heim, Kirrlach; 2m9 in Malsch, Biblertal, Lautenbach. 

mə = Schwarm, tmafögala — einzelne Biene in Reichental; 2mofogl 
in Ottersweier, Neusatz, Zunsweier b. Offenburg, Oberkirch; ¿mə in Seel- 
bach u. Horheim. 


Brombeere. 


brumldr in Dienstadt u. Ballenberg; brombr in Zeutern; broomldr 
in Langenzell; brumbeero Káfertal; pflomba Rettigheim: glumbeer Malsch 
bei Wiesloch; glimbeer Mühlhausen bei Wiesloch; blambeer Kirrlach; 
brumbərn Karlsruhe; truubeer Reichental; pfrubeer Gausbach; brumbar 
Biihlertal; bruumr Ottersweier, Neusatz; brumr im Renchtal; bromr 
Offenburg; bru*beer Meersburg. 


Brosam. 


brösələ in Dienstadt; brootbrusm Steinbach bei Wertheim u. Neudenau; 
brosm in Käfertal; brosl in Zeutern u. Kirrlach; broosm in Elsenz; brosl 
Bulach; brosm in Rettigheim u. Malsch bei Wiesloch; brosla in Ettlingen; 
bros! Malsch; brosáma Reichental; brosuma in Neusatz; broodsla und brood- 
grumsla in Bühlertal; brootbresala in Lautenbach; breesala in Renchen, 
Zunsweier bei Offenburg; brosoma in Seelbach; brootbrosma in Horheim. 


Bursche. 
bors in Dienstadt; borst in Langenzell, Käfertal, Zeutern, Rettigheim, 
Kirrlach, Ettlingen. burs in Malsch, Reichental (dazu biršl, verkleinert), 
Lautenbach; burst (verkleinert bürstlə u. birštl) in Bühlertal, Ottersweier, 
Neusatz. 
darum, deswegen. 


doorum und desdrum Zeutern; drum in Kirrlach; desweek Langen- 
zell; desweeja Ettlingen; deswera Gausbach; desweeja, desdrum und weeja- 
dem in Bühlertal, desdrum in Ottersweier, Neusatz; desweeja in Reichen- 
tal u. Lautenbach; desdrum in Seelbach, doorum in Horheim. 


1 Im folgenden Lautenbach bei Oberkirch. 
? Im folgenden Seelbach bei Lahr. 


Aus badischen Mundarten. 69 


einzeln. 


oi*tsl Neckargemünd; aantsl Zeutern; aa”sect in Rettigheim; aa”tsect 
in Kirrlach; oo"tsol Káfertal; aaintsoln Ettlingen; aaintsect Gausbach; 
eintsect in ¡Búhlertal; eznts! Ottersweier u. Neusatz; attsect Reichental, 
daneben aitsik; ointsẹct u. oimtsoln in Lautenbach; azntsect in Seelbach. 


Erdbeere. 


erblo Bretzingen; erbl Dienstadt, Elsenz; erz01 (dr) Ballenberg; Langen- 
zell; erbl Zeutern, Kirrlach; erbeer Käfertal; erbr erbeer Reichental; 
erobeer Gausbach; erbr Ottersweier, Bühlertal, Lautenbach, Seelbach; 
berjo Ötigheim enjobeer Sinzheim u. Kartung. erbeero, Horheim, ébeero 
Itznang bei Radolfzell. 
Friedhof. 


gotsakr in Dienstadt, Zeutern, Ettlingen, Malsch, Biihlertal, Iffez- 
heim, Ottersweier, Neusatz. kerchof in Elsenz; kershouf in Langenzell 
u. Rettigheim. Airc-hof (o kurz!) in Ottersdorf; kirc-hoof Reichental u. 
Seelbach. 
Halskette. 
pödərlə (zu pater [noster] gehörig) in Dienstadt; poodarn in Langen- 
zell; halspodr in Malsch; halsket in Ettlingen; ketla in Karlsruhe. 


Hausgang. 
eera Dienstadt; eern Langenzell, Malsch; hauseern Kirrlach; haus- 
hern Zeutern; ern Reichental; evn Gausbach; husgay Ottersweier, Lauten- 
bach; huuscerla Biihlertal; gdy Seelbach. 


Heidelbeere. 


haadlbeer Dienstadt, Bretzingen; hadlbeer Steinbach b. Wertheim; 
haidlber Elsenz, Bruchsal; kaatdlbeev Rettigheim; heedlbeer Langenzell; 
haadlbeer Zeutern; haaidlbeer Ettlingen; haibr bei Rastatt; haidlbeer 
Malsch, Ottersdorf, Reichental: keidlbevja Sinzheim; ber Ottersweier, 
Bühlertal, Neusatz; hevwr Lautenbach; haiwr Gengenbach, Seelbach; 
haibeera Rohrbach bei Triberg; haiwara Offenburg u. Zunsweier. 


Himbeere. 


hembitr Steinbach bei Wertheim; himbrn u. hembldrn Ballenberg; 
hiibrda Neudenau; himbero Káfertal; hömbor Zeutern; hiimldr Langenzell, 
himbeer Ettlingen, Ötigheim; heebr Bulach; imbeer Malsch; (h)imbr Bühler- 
tal; hindalbeer Reichental, Gausbach: kimbar Ottersweier, Neusatz, Lauten- 
bach; kimbərə Seelbach; imbara Horheim; hintala Oberglashütte; himbalo 
bei Radolfzell. 

hinken. 

Snapa Steinbach b. Wertheim; hryka Käfertal; knapə u. Siigo Kirr- 

lach; hikla Reilingen b. Schwetzingen: knapa in Langenzell, Neudenan, 


‚70 Otto Heilig. 


Zeutern, Rettigheim, Elsenz, Ettlingen; Malsch, Bulach, knepfa Rastatt, 
‚Reichental, Ottersweier, Neusatz; kiņykə Gausbach, Lautenbach, Seelbach 
(hier auch knapə), Horheim. 


(jäh) durcheinander regnen und schneien. 
3. Pers. goowedlt Dienstadt; wetərt Kirrlach; hornigalt Malsch; 


hornuslt Neusatz; hurniglt Horheim; sout Rettigheim, Ettlingen, Reichen- 
tal, Rastatt, Gausbach; hornigalt neben sauət Seelbach. 


klettern. 
glewara Dienstadt; glewbon Elsenz; yrawla Neudenau; gledara Langen- 
zell, Käfertal; grawla Mühlhausen bei Wiesloch; gletara Zeutern, Kirr- 
lach; gradla Malsch, Reichental, Bühlertal (hier auch kletrn), glewvn 
Gausbach; kleedara Ottersweier und Neusatz; klętrn und graplə Lauten- 
bach; grepsla und grapla Seelbach; xletarn und xrapsoln Horheim. 


Knäul. 
klumbaknibal Käfertal; glau(w)a Rettigheim, Elsenz; gnaul Ettlingen; 
gloul und knzbl Malsch; glóuol Gausbach; knpqul Reichental; gnául Otters- 
weier, Neusatz; in Bühlertal daneben knıpl; gnouli in Lautenbach. 


Kröte 
bietet die umgelautete Form grgut in Dienstadt, Tauberbischofsheim ; 
dagegen grot in Zeutern, Käfertal, Rettigheim, Kirrlach, Ettlingen, Malsch, 
Gausbach, Reichental, Bühlertal, Lautenbach, Seelbach, Horheim. 


Mistbrühe. 
pfuul Dienstadt; mistsuto Elsenz, Langenzell; mist-tsudl Rettigheim; 
mistsudl Kirrlach, Bruchsal; meêtlax Malsch, Ottersdorf, Gausbach, Reichen- 
tal (hier auch mistbr2*), Lautenbach, Seelbach; mislax oder bri Bühlertal. 


Nachen. 
sele Dienstadt; naxs Káfertal, Kirrlach, Ottersweier, Neusatz; a.rarla 
Rettigheim, Malsch; axarlo und kádn Reichental; Loan in Gausbach; 
waidliy Horheim. 
Pappel. 
mukabaam Dienstadt: belabaam Elsenz, Kirrlach, Zeutern; böl Rettig- 
heim; babl Käfertal, Ettlingen, Gausbach, Reichental, Bühlertal, Otters- 
weier, Neusatz, Horheim. 
Petersilie. 
pedrla Dienstadt; peetorsilja Zeutern; peedarla Käfertal, Rettigheim, 
Kirrlach; petarliy Elsenz, Ettlingen, Malsch, Reichental, Gausbach; petorli 
Biihlertal, Neusatz, Ottersweier; petarlik Seelbach; peedarla Lautenbach. 


Aus badischen Mundarten. 71 


Pfeife (Huppe, Schalmei). 

hüpla Dienstadt; paif Käfertal, Kirrlach; hup(s) Tangenzell, Zeutern, 
Rettigheim, Elsenz; huup Ettlingen; hebal Malsch; pfif und peep Reichen- 
tal und Lautenbach; pfif Gausbach, Ottersweier, Neusatz; pfifs und heebr 
Bühlertal; pfif und pep Seelbach; pfiifə und püüpə Horheim, hier auch 
Salmei für groBe Pfeifen. 

Sauerampfer. 

sausrampl Káfertal; sausrhampfl Langenzell, Zeutern; sausrhampf 
Bruchsal; sauohompfl Rettigheim; rämpsr Ottersdorf; suurdmpfo Gaus- 
bach; suurompf Reichental; suurdmpfr Bühlertal, Ottersweier, Neusatz; 
suurhompfl Seelbach. 

Schnellkügelchen. 

glikr Dienstadt, Käfertal; döpflsdai* Langenzell; glikr und hepfr 
Zeutern; hepfr Rettigheim, Kirrlach; glekrla Elsenz; marfla Sinsheim 
a. Els.; erdkúgolo Reichental; beinmorkirolo Gausbach; buulkugla Seelbach; 
kuugali Horheim. 

Tolpatsch. 

dölwl und dap in Steinbach, Amt Wertheim; dakl Neudenau; dapl 
Langenbrücken; dolbats! Hambrücken; dapas in Malsch und Mühlhausen, 
beide Amt Wiesloch; dalakr Waibstadt; dolbas und draliwats in Malsch 
und Ettlingen; dumbas Rastatt; dalwatsor Neusatz; dalwatsi Kartung; 
dabi Zunsweier; dumas Schutterwald: dolbatsar Oberkirch. 


Tulpe. 


dulwa Dienstadt; dulo Káfertal; dúlibaano Rettigheim; dulbo Malsch, 
Neusatz, Bühlertal; dulp Reichental, Ottersweier, Lautenbach. 


vespern. 

fiirt esa Dienstadt; s Gira esa Zeutern, Malsch; figro maza Kirrlach; 
fesbara Rettigheim, Ettlingen; dsundrn eso Elsenz; tsowa tseern Reichental, 
Gausbach; dsowo esa bezw. triyga, auch dsniuna, dsfizro eso Biihlertal, 
Ottersweier, Neusatz, Lautenbach (hier auch dsundrbroot), Seelbach, Horheim. 


Zwetschge. 
gwetsic Taubergrund, Dienstadt; gweg3da Zeutern, Rettigheim, Elsenz; 
gawets Käfertal; gwedst Kirrlach; iswesa Bretten; tswedsk Ettlingen; 
tswek$da Malsch, Ebersteinburg, Reichental, Gausbach, Bühl; tswetso 
Reichental, dswedsga Seelbach; dswegsga Horheim. 


72 Othmar Meisinger. 


Lexikalische Beiträge. 


Von Othmar Meisinger. 
Nachträge zu meinem Rappenauer Wörterbuch. 


In meinem Wörterbuch der Rappenauer Mundart, erschienen bei 
Fr. Wilh. Ruhfus, Dortmund 1906, wollte ich ein möglichst vollständiges 
Bild einer Dorfmundart geben. In fast zehnjähriger Sammelarbeit habe 
ich gegen 7000 Wörter zusammengetragen. Ich konnte bei der Heraus- 
gabe der Meinung Ausdruck geben, daß mir nicht viele Wortstämme 
entgangen seien. Hatte ich doch auch aus Kluges und Pauls Wörter- 
büchern die Wörter aufgenommen, die der Mundart bekannt sind. 

In den Besprechungen meines Buches wurde da und dort hervor- 
gehoben, daß das Bild doch nicht ganz vollständig sei. Nachdem ich seit 
dem Abschluß meines Wörterbuchs im Jahre 1905 unablässig meiner 
Heimatmundart nachgegangen bin, glaube ich heute meine frühere Mei- 
nung genau festhalten zu können. Denn in den Jahren 1905 bis 1910 
konnte ich nur eine geringe Nachlese halten. Es finden sich natürlich 
eine große Menge von Wortzusammensetzungen, die mein Wörterbuch 
nicht anführt, aber deutsche Stämme habe ich nur wenige nachzutragen. 

Man hat vielfach die Frage erörtert, wie groß der Wortschatz einer 
Dorfmundart sein wird; ich glaube, daß wir nicht mehr als 10000 bis 
11000 Wörter (einschließlich der Zusammensetzungen) annehmen dürfen. 

Ich gebe die Nachträge in der A-B-C-Folge. 

Aff. Redensart: aam ta af maxa einem den Aff machen, den Narren machen, 
Wb. d. Rapp. Ma. 6a. 

Anflug, aa"fluuk m. nennt man niederes Gesträuch im Walde, nament- 
lich an Stellen, in denen abgeholzt ist. 

Angerse, ayoso = Dickrübe stellte ich Wb. d. Rapp. Ma. zum Namen der 
franz. Stadt Angers. Fischer in seinem Schwäbischen Wb. wendet 
gegen eine solche Erklärung ein, daß hier die Aussprache nach der 
Schreibung durchgedrungen wäre, und daß dies unwahrscheinlich sei. 
Es fehlt jedoch nicht an Beispielen für diese Erscheinung. In Frank- 
furt heißt eine Sorte Schnupftabak Stomer nach der Aufschrift St. Omer. 
Askenasy, Die Frankfurter Mundart, S. 156. Die Sunlightseife heißt 
im Südfränkischen durchaus Sunlichtseife. 

Ängstjud nennt man einen ängstlichen Menschen, Wb. d. Rapp. Ma. S. 19b. 

anrühren, aa"riira bedeutet nie soviel wie berühren, sondern kommt nur 
in Verbindung mit Teig, Brei, Mehl usw. vor. In der Bedeutung von 
berühren verwendet man aa*laya. 

Arfl, arafl Armvoll, wie kampfl Handvoll, mimpftla Mundvoll. 

ausdreschen, austresa heißt die letzten Garben dreschen, Es folgte dann 
früher das Fest der Flegelhenket, Wb. d. Rapp. Ma. S. 29a. 

Auskommen. Redensart: v hot sai” auskhumas er hat sein Auskommen. 
Hier liegt alte Genitivform vor. 


Lexikalische Beiträge. 73 


Ausstoßet, a ausstousst putv ist soviel als man auf einmal ausstößt. Ähn- 
liche Bildung koche! was man auf einmal kocht. Das Alemannische 
besonders ist an solchen Bildungen sehr reich. 

Bachgaul, paxkaul m., Bast aus Schilf, wie ihn der Küfer verwendet. 

bauftich, pauftic ist ein Ausruf, wenn etwas fällt; pauftic ¿$ vr im trek 
klega b. ist er im Dreck gelegen, eine ähnliche Bildung ist das rhei- 
nisch-pfälzische, lautmalende wuptich. 

bauchen, pauxo von der Wäsche gesagt, im Alemannischen puuxs, puux- 
huus Waschhaus, vgl. meine Volkswörter und Volkslieder a. d. Wiesen- 
tale, S. 14. 

Belel, pelel nennt man einen tölpelhaften Kerl, wie olol, Wb. d. Rapp. 
Ma. S. 113b. | 

Bergle, periklo = junges Schwein, gehört zu bare, das bei Hans Sachs 
und sonst vorkommt. 

blecken, pleko. Von einer Stahlfeder kann man, wie sonst von Menschen 
und Tieren, sagen s? plekt isee* sie bleckt die Zähne. 

Brabanterpflug, prówontvpfluuk m.…, eine Pflugform, die in den 70er 
Jahren aufkam. 

Briesle, prüsla n. Milchdrüse des Kalbes, im Wiesentale milchlig genannt. 

Butzebär habe ich in meinem Wb. S. 136 zu mbd. butzeberht gestellt. 
Ich finde eine Stelle bei Panzer, bayer. Sagen, II S. 118, die dafür 
spricht: in Oberhausen bei Augsburg hieß es sonst: heut kommt de 
Klas, morge” de Buxebereht. 

dippeln, tipla gehn, wandern. Dies Wort stammt aus der Kundensprache, 
vgl. Ostwald, Rinnsteinsprache, S. 154: Tippelschickse Frauenzimmer 
auf Wanderschaft. 

einschnurren, at”$nora einschrumpfen vor allem von Kleidungsstücken, 
aber auch sonst vielfach verwendet. 

Fais jüdischer Eigenname. Er kam früher in dem benachbarten Bonfeld 
als faiwis vor. In ihm birgt sich, was man nicht vermuten sollte, 
Phöbus, der altgriechische Name des Sonnengottes, vgl. Sainéan, Essai 
sur le Judéo- Allemand, S. 67. 

Fleiner, flainv ist Bezeichnung einer heute seltenen Apfelsorte, die nach 
dem Dorfe Flein bei Heilbronn genannt ist. Fischer, Schwäbisches 
Wörterbuch, I 1558. 

Gaigel, kaaikl m. nennt der Küfer die Vertiefung am Faßboden. 

Ganswusl, kantsawusl f. nennt die Kindersprache die Gans nach dem 
Lockrufe wusl, wus, Wb. der Rapp. Ma. S. 235b. 

Gräusel, kraisl m. Bei einem schrecklichen Anblick sagt man: too keet 
aam to khalt kraisl aus da geht einem der kalte Gräusel aus. Eine 
Weiterbildung zu Graus, vgl. Lenz, Der Handschuhsheimer Dialekt, 
S. 25, mhd. gräwesal. 

Grastuch, kraastuux n., großes, viereckiges Tuch zum Grasholen. 

Griwilefiz m. nennt man einen leicht erregbaren, krittlichen Menschen. 


74 Othmar Meisinger. 


gescheidt, eine Redensart lautet: too hosch a wor 2 ksaiti naasa khat da 
hast du aber eine gescheite Nase gehabt. 

Häsin, heesi f. kommt vor neben haassewv und haasaheyët. Wb. d. Rapp. 
Ma. S. 35b. 

heiligen, hailica, will man jemand los sein, so sagt man wohl: kee haam 
un los ti hailica geh heim und laß dich heiligen. 

hinter, hintvrananto khuma heißt in Streit geraten, © khum hintoran ich 
komme an ihn; vor (8 neewa hintvri khuma er ist ins Gefängnis ge- 
kommen. 

Holxschlegel, holts$legl; hat jemand großes Glück, so sagt man: tem khalpt 
nox to holtsslegl dem kalbt noch der Holzschlegel. 

Klepperapfel, kleporapfl m. ein Apfel, dessen Kerne man kleppern húrt, 
wenn man ihn hin- und herschüttelt, Wb. d. Rapp. Ma. S. 73a. 

Klotxer, klotso m.; wenn jemand starr vor sich hin sieht, sagt man: » 
hot ta klotso; zu klotso, Wb. d. Rapp. Ma. S. 73a. 

knotieln, knotla langsam arbeiten ohne Erfolg, Subst. dazu knotlv, s. auch 
Wb. d. Rapp. Ma. unter knotorv. 

Letzenzeichen, letsotsaaico n. Lesezeichen. Wie mir Lenz sagte, gehört 
es zu mhd. lecze Lektion, Wb. d. Rapp. Ma. S. 90b. 

Liest, liišt m., Bast der Küfer, gehört zu DW. kesch n. und hesche f. 
Riedgras, ahd. lisca, filix carex Graff, II 281, nd. lüsch Schwertlilie, 
Elsäss. Wb. liesch kieselsäurehaltiges Sumpfgras, Schilf. 

Malouche, malöuxs f., Menstruation (hebr.), si hot ti malouxa, sonst ti 
ksict, im Wiesental tv Snato genannt. 

mampfen, mampfa" mit vollgestopftem Munde essen. Einen solchen, der 
so ißt, fordert man auf »Pfaff« zu sagen. Elsiiss. Wb. I 681. 

menzeln, s meentslt es schmeckt nach mehr. 

Maus, təs iš ta mais kopfifo dies ist vergebens. 

moul Adj. mehlig, leicht zerfallend (vom Erdreich), ein alter Bauernaus- 
druck, verwandt mit mahlen und Mehl. Erreicht wird diese Eigen- 
schaft der Erde durch gründliche wrntvfaictiy. Lenz, Der Handschuhs- 
heimer Dialekt (Nachtrag) S. 17. 

Polkaankel, polikaaykl. Ich finde dies Wort noch bei Lechener, Cronen- 
berger Wörterbuch, Marburg 1908, S. 95: polkakop Haarfrisur, welche 
dadurch entstand, daß man einem Manne eine größere runde Mütze 
aufsetzte und alle darüber hinausreichenden Haare wegschnitt; ferner 
in Bückings Roman von der Elbmündung Rektor Siebrand, S. 64: bis 
die jungen Mädchen sich wieder über seine Polkalocken lustigmachen 
konnten. | 

rauhwerken, rauwerika im Forstwesen das Zimmerholz im Walde aus- 
schlagen lassen, von Ästen und Laubwerk befreien, Schmeller II 283. 
Auch sonst bedeutet es bei einer größeren Arbeit einstweilen Weg 
bahnen. 

regalieren, rekaléira bewirten. 


Lexikalische Beiträge. 15 


Reiste, raista f., Biischel gebrochenen Hanfes, soviel man mit den Händen 
auf einmal durch die Hechel zieht, DW. unter Reiste. Heute aus- 
gestorbener Ausdruck; mhd. riste. 

Rippendeckel, ripotekl m., Fleischerausdruck, im Elsaß ist es auch Schelt- 
wort für eine zänkische Frau, Els. Wb. II 670. 

Rübe, in meinem Wb. S. 143a erwähnte ich die Redensart uf t riiwə 
rela = geheime Anspielungen machen, einem bei einem Kaufe vor 
allem etwas nahelegen. Ich habe mich vergebens nach einer Erklä- 
rung unigesehen, aber vielleicht läßt sich hierher eine Stelle aus Paulis 
Schimpf und Ernst stellen (Ausgabe Kürschner S. 141): da sahe der 
gut stum wol, was die ruben gulten (bei einer Buhlerin). 

Saumagen, saumaaga m.; hat sich ein Kind geschnitten, so daß es kräftig 
blutet, so sagt man: s left to saumaaga raus, Els. Wb. I 655. 

sehen, sega ist in meinem Wb. leider unter den Tisch gefallen; Flexion 
see, stks, sich (jünger sit), seea, seet, seee. Auffallend ist, daß eine 
Befehlsform davon nicht vorkommt, man verwendet dafür gucken, das 
auch sonst in vielen Wendungen beliebter ist als sehen, ebenso wie 
man hocken, fressen, saufen einem sitzen, essen, trinken vorzieht. 

Stern, steon m. nennt man das männliche Schaf, jedenfalls weil es mit 
einem Stern gezeichnet wurde. Im Elsaß Sterni Ochse oder Kuh mit 
weißem Fleck auf der Stirn. Els. Wb. II 615. Schmeller II 783. 

süffig, sific nennt man Wein oder Bier oder sonstige Getränke, die durch 
ihre Güte zum Trinken reizen. 

Stupfelrübe, Stupflrüws f. weiße Rübe, die auf Stupfeläckern wächst. 
Wenn das Getreide gemäht ist, wird in die Äcker Rübsamen gesät. 
Els. Wb. II 221. 

Schlappgitel, slapkütl f. nennt man ein schlampiges Frauenzimmer, ket! 
gehört zu mhd. Gutta, das als Name von Jüdinnen beliebt war, vgl. 
Wb. d. Rapp. Ma. S. 161la. unter šawəskiitl. 

Scharrlaible, Salaatwla n. nennt man ein kleines Laibchen Brot, das entsteht, 
indem man die Backmulde ausscharrt. Oft macht man auch aus den 
Resten den Kindern einen Apfelkrapfen. Im Wiesental heißt man das 
Laibchen müeltschärede nach dem Scharreisen mueltschare, vgl. Mei- 
singer, Volkswörter und Volkslieder a. d. Wiesentale, S. 33. 

Taubenpflenderich, tauwspflenitovric m. nennt man einen, der andern die 
Tauben wegschnappt. Bei Kindern heißt einem alles abnehmen (Wetzel, 
Knöpfe oder Bohnen) auspflentvra. 

verhoppassen, fvhopasa versäumen oder sich übereilen, etwas verfehlen, 
t haps fvhopast, vgl. DW. hoppassen, Els. Wb. 1 361. 

verschütten, 1 haps mitm fosit ich habe es mit ihm verdorben. 

versoteln, fosootlə sich versehen beim Säen, indem man den sootl falsch 
steckt, vgl. Wb. d. Rapp. Ma. S. 155 b. 

Verstorrtes, fostovis n. heißt eine Mehlspeise, mit der Schaufel zerstoßener 
Pfannkuchen. Sie heißt in Freiburg und im Wiesentale kratzete. 

wellen, wela auswellen (einen Kuchen), das Blech heißt welplec. 


76 Mitteilung. — Biicherbesprechungen. 


Welsche, a welsi nennt man das Welschhuhn. 

Wermut, weeomat m. wildwachsender Wermut. 

Zibebe, tsiwéewo f Rosine. Stirbt aus im Kampf mit dem schriftsprach- 
lichen Rosine. 

zwiewächsig, iswiiweksic sagt man von Kartoffeln, die im Keller aus- 
wachsen. 


Mitteilung 
(aus der Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, 25. Jahrg., S. 352). 


Die Gesellschaft Brandenburgia unternimmt eine Stoffsammlung, um die Mund- 
arten der Provinz Brandenburg zu bearbeiten, und erläßt dazu einen Aufruf, der 
alle Landsleute zur Mitarbeit einlädt, die für die Bedeutung unserer Volkssprache Ver- 
ständnis haben. Sendungen und Anfragen sind an Stadtschulrat Dr. Fischer, Berlin NW.., 
Brückenallee 22, zu richten. 


Bücherbesprechungen. 


Arno Schlothauer, Die Damenschnieder. Verlag der Vereinigung »Alt-Ruhla«. 
Rubla 1910. 44 8. 

Der für sein heimatliches Volkstum rastlos tätige Verfasser des »Rühler Kirchen- 
striet«, Arno Schlothauer, hat seinem mit so großem Beifall aufgenommenen Volksstück 
eine frühere Arbeit im Drucke folgen lassen, betitelt »Die Damenschnieder odder all Lieb 
rust neete. Auch in diesem kleineren Werke, einer Posse in zwei Aufzügen, der ein 
kurzes Glossar »für Nichtruhlaer« beigegeben ist, bewährt sich wieder die Gestaltungs- 
kraft und das urwüchsige Talent dieses Thüringer Volksdichters, der in den Überliefe- 
rungen seiner sagenberühmten und eigenartigen Waldheimat lebt und webt. Anch hier 
ist der Ton frisch, echt volkstümlich und nie an hochdeutsche Ausdrucksweise angelehnt, 
die Mundart vortrefflich und getreu wiedergegeben. Einfache, traulich-derbe Bilder aus 
dem Ruhlaer Volksleben werden in lebendigem, reich mit originellen Wendungen ge- 
spicktem Dialoge dargestellt; die gesunde Kraft und die innige Heimatliebe, die das Ganze 
durchweht, erinnert oft an das oberbayrische Dialektdrama. Die altertümliche und diph- 
thongreiche, wenn auch anfangs nicht leicht verständliche Mundart wirkt auf der Bühne 
durch ihre Klangfülle und kernige Eigenart außerordentlich, wovon sich der Unterzeichnete 
bei einer Aufführung in Eisenach überzeugen konnte. Die Handlung ist einfach, aber 
wirkungsvoll aufgebaut; sie liegt in dem Nebentitel ausgedrückt. Zwei alte, lange ge- 
trennte Liebespaare finden sich wieder unter allerhand ergötzlichen Umständen zusammen, 
und der fröhliche Schluß sieht lauter Glückliche. Möge das Büchlein dem lebensfrohen 
Thüringer Volkstume und seinen schönen Bergen neue Freunde gewinnen! 

Kassel. A. Fuckel. 


Karl Heinz Hill, Pastille gege Grille. Hesse-Nassauer Geschichtercher un Ge- 
dichtercher. Verlegt bei H. L. Schlapp, Hofbuchhandlung in Darmstadt. 8%, 180 S, 
mit 3 ganzseitigen Bildern. 2 Mk. 

Es ist nicht leicht, einem Schriftchen, wie es hier vorliegt, in einer Besprechung ganz 
gerecht zu werden. Man weiß nie recht, unter welchem Gesichtspunkt man ein derartiges 
Büchlein betrachten soll, ob vom Standpunkt des Mundartenforschers, was ja hier in 
unserer Zs. in erster Linie in Betracht käme, oder als Fundgrube für Volkstum oder 
endlich nur als Unterhaltungsbuch. Von vornherein soll gleich betont werden, daß die 


\ 


Bücherbesprechungen. 77 


beiden ersten Gesichtspunkte hier völlig ausscheiden müssen. Das braucht kein Vorwurf 
für den Verf. zu sein. Wer sich mit Maa. beschäftigt, kann ja überhaupt mit derartigen 
Schriftchen wenig oder nichts anfangen. In dem vorliegenden hat noch dazu der Verf., 
wie der Waschzettel ausdrücklich hervorhebt, »die allgemeinverständliche Mundart ge- 
wählt, in der man sich in Hessen und Hessen-Nassau zu unterhalten pflegte. Vom 
Standpunkte des Mundartenforschers muß man es bedauern, daß der Verf. eines größeren 
Leserkreises wegen die »etwas schwer lesbare Ma., den ausgeprägten Lokaldialekt seiner 
Vaterstadt Gelnhausen« aufgegeben hat, in der die früheren Schriften abgefaßt waren. 
Dabei hat er sich manchmal noch mehr als nötig von jeder volkstümlichen Redeweise 
überhaupt entfernt. Solch lange Satzgefüge, wie wir sie hier in den Erzählungen finden, 
kennt weder die Ma. noch die gewöhnliche Umgangssprache. Und ist etwa das merk- 
würdige »Pastillee im Titel etwas Volkstümliches? Auch der Inhalt bietet davon wenig. 
Die meisten Vorwürfe und Witze könnten in jedem beliebigen Unterhaltungsblatt stehen. 
Manche sind schon von ehrwürdigem Alter, wenn auch anerkannt werden muß, daß sie 
meist gut herausgearbeitet sind. So bleibt also nur die Verwendbarkeit als Unterhaltungs- 
buch übrig, wozu sich das hübsch ausgestattete Schriftchen wohl eignet. Für mund- 
artliche Vorträge aber ist keins der Gedichte oder Erzählungen, so wie sie da stehen. 
zu verwenden. 

Auch wenn das Buch nicht »dem nassauischen Dichter Rudolf Dietz« gewidmet 
wäre, müßte jeder an ihn erinnert werden, der die reizenden Sächelchen dieses Dichters 
kennt. Ein Vergleich aber fällt in jeder Beziehung zugunsten von Dietz aus. 


Düsseldorf. Jakob Erdmann. 


Otto von Greyerz, Bärnerlüt. Bernische Lustspiele. A. Francke, Bern. 272 S. 
Preis 4 Mk. 

Der Verfasser bietet eine Sammlung von Gelegenheitsauffübrungen und Lustspielen 
für Liebhaberbühnen, die weniger durch grelle äußerliche Wirkungen, als vielmehr durch 
feinen Humor sich auszeichnen. 

Die Personen reden die Mundart der Stadtberner; es ist dies ein eng begrenztes, 
aber reichhaltiges Forschungsgebiet. Da haben wir einmal die gewählte Sprechweise der 
Vornehmen, der früheren regierenden Geschlechter. Die engen Beziehungen, die von 
alters mit dem ehemaligen Untertanenland der Waadt gepflogen wurden, hatten zur 
Folge, daB die Angehörigen dieser Stände in merkwürdigem Mischmasch französische 
Brocken in die bernische Mundart zu mengen pflegten. So soll einmal eine Dame ihrer 
Verwandten gegenüber anläßlich eines Besuches in der neu eingerichteten Wohnung die 
Äußerung getan haben: 

»Bonjour, Cousine, nei, was heit Dir für nes étrange mélange vo Möble-n- i 
Euem Salon !« 

v. Greyerz ist ein bewährter Kämpfer für Erhaltung der unverfälschten Mundart 
einerseits, für ein reines, nicht mundartlich gefärbtes Schriftdeutsch anderseits. Eben 
das »mélange< ist ihm ein Greuel. | 

In seinen fröhlichen Spielen macht er sich lustig über das unbeholfene Ratsherren- 
deutsch, das irgendwelche politische oder rechtliche Fragen in mundartlichen Ausdrücken 
bespricht, aber in Wendungen und Fügungen von Sätzen. die, dem Schriftdeutsch ent- 
lehnt, der Mundart so fremd als möglich sind. Das große, prächtige Wort, das von 
diesem Schreibstubendeutsch möglichst oft gebraucht wird, heißt: » Diesbezüglich«. 

v. Greyerz ist auch Kenner der Berner Gassenbubensprache, die ihre Heimat an 
der sog. »Matte« hat, in dem Quartier der Kleinbandwerker, Fischer und Flößer. 

Nach dem Ursprung wird diese Unterabteilung der Berner Mundart «Mattenenglisch« 
genannt. Irrtümlicherweise wurde der Name kürzlich mit » Wiese« in Beziehung gebracht. 
(Der Gedanke ist an und für sich ganz geistreich. Auf den Wiesen am Waldesrand 
lagert das fahrende Volk, also wird »Mattenenglische ungefähr soviel bedeuten wie 
»Gaunersprache«.) 

Es ist eine Art Geheimsprache: Lúsch = Geld, nöbis = nein, toof = schön. 


78 Bücberbesprechungen. 


Vielleicht mag die Entstehung und Entwickelung dieses Rotwelsch auf den Um- 
stand zurückzuführen sein, daB an der Matte Schiffer und FlöBer wohnten oder doch oft 
verkehrten und daß diese fahrenden Gesellen aus verschiedenen Städten und Städtchen, 
aus Herbergen und Studentenkneipen Brocken zusammentrugen, die dann von der ge- 
lehrigen Jugend auf der Gasse in Umlauf gesetzt wurden. 

Großaffoltern (Schweiz). E. Marti. 


C. A. Loosli, Üse Drätti. Br. 4 Fr. 
Simon Gfeller, Heimisbach. Br. 4,80 Fr. 

Der rührige Verlag von A. Francke in Bern beschert uns zwei neue bernische 
Mundartwerke, die uns den Reichtum der Sprache nicht in gelehrten Abhandlungeu, 
sondern in der anmutigen Form volkstümlicher Erzählungen vermitteln. Die eng um- 
grenzten Sprachgebiete, die von den beiden Dichtern und Forschern bearbeitet werden, 
liegen beide in einem Kreise von weniger als fünf Kilometern, in der Umgebung des 
Pfarrdorfes Lützelflüh, wo einst Jeremias Gotthelf seines Amtes als Pfarrherr waltete. 

Hat Loosli seine Fundgruben vorzugsweise in der Uferlandschaft der Emme, an 
den das Tal durchziehenden Straßen, wo in stattlichen Wirtshäusern und lauschigen 
Schenken allerlei munteres Volk mit geschliffener Zunge sich sammelt, so führt uns 
Gfeller auf die sonnigen Höhen der Lützelflüher Egg, eines prächtigen Berggrates, an 
dem stattliche Bauernhöfe ihre blinkenden Fensterreihen dem Hochgebirge zuwenden. 

Loosli ist eine derb zufassende Natur; er geht auch dem Ungeschlachten, dem 
abstoßend Groben nicht aus dem Wege. Mit der Freude eines Sammlers, der nicht auf 
zierliche Auswahl, sondern auf Vollständigkeit hält, rafft er zusammen, was er an Scherz- 
worten und Reimen, an Späßen und Schwänken hier oder da gehört hat. Gerade diese 
durchaus rücksichtslose Freiheit, die nichts verschweigt und nichts beschönigt, macht 
seine Werke für die Mundartforschung wertvoll. 

Gfeller schöpft mehr aus dem Born eigenen dichterischen Empfindens. Seine 
schlichte Erzählung enthält sinnige Naturschilderungen von hoher Kraft und Schönheit. 
Was er von der Frühlingswiese, von dem Bächlein erlauscht und zu sagen weiß, das 
erinnert unwillkürlich an die gemütvolle Art eines viel älteren alemannischen Dichters, 
nämlich J. P. Hebels. 

Beiden Erzählern gemeinsam ist das scharfe Ohr für alle kleinen Feinheiten der 
Mundart, namentlich für diejenigen Besonderheiten, die nach meinen Beobachtungen so 
rasch schwinden, daß sie schon jetzt nur noch bei älteren Leuten, nicht mehr bei dem 
Jüngeren Geschlechte zu hören sind. Hierhin gehört die Biegung der Eigennamen. über- 
haupt mancher Hauptwörter, die mehr und mehr abgeschliffenen Münzen gleichen. Wie 
kernhaft klingt es doch, wenn Loosli schreibt: »Drättie = der Vater, »Drättis Huet«, 
»I ha Drättin neuis! g’gäh«! Wie farblos nimmt sich dagegen unser neuzeitliches »Papa« 
und »Mama« aus! 

Ein Kapitel für sich wäre die Zusammenstellung all der Redensarten, die auf 
eindrucksvolle geschichtliche Begebenheiten anspielen. Neu war mir der von Loosli und 
Gfeller gebrachte Ausdruck: »Jtz isch Murten uber gsie = das Maß war voll. (Die Stadt 
Murten wurde bekanntlich gegen Karl den Kühnen heldenhaft behauptet.) 

Eine Erinnerung aus dem Bauernkriege, der in viele Emmentalische Familien un- 
sägliches Leid gebracht hat, klingt durch den bei Gfeller sich findenden Vergleich für 
entsetztes Dreinstarren eines Erschrockenen: »Aer hat Augen g'macht, wie wen ihm d'r 
Tribolet (in jenem Kriege gewalttätiger Landvogt der patrizischen Regierung) ebcho® wär.« 

Wer Mundart schreibt, der wird úberhaupt mit Vergleichen fast verschwenderisch 
umgehen. Loosli nennt eine magere Suppe »es stowtzes* Súpplic. Warum? Weil sie 
den Esser, einen hungrigen Knecht, mit keinem »Auge« anschauen möchte. Gfeller sagt 
von einem Verdutzten: »Wie-n-e Verbotstud isch er do g’stande«. (»Stud« = Pfahl.) 
Dieser Beispiele lieBen sich noch viele anführen. 


1 — etwas. 2 — begegnet. * = ein stolzes. 


Bücherbesprechungen. 79 


Wir können beide Werke als zuverlässige und reichhaltige Quellen für Erforschung 
der bernisch-emmentalischen Mundart warm empfehlen. Wie die Dichter den Büchern 
einen gediegenen Inhalt gaben, so sorgte ihnen der Verleger für hübsche und saubere 
Gewändlein. 

GroBaffoltern. E. Marti. 


Karl Otto Erdmann, Die Bedeutung des Wortes. Aufsätze aus dem Grenzgebiet 
der Sprachpsychologie und Logik. Eduard Avenarius. Leipzig 1910. 2. Aufl. 3,80 Mk. 
Die erste Auflage des Buches von Erdmann hat eine sehr gute Aufnahme gefun- 
den, sie war nach zwei Jahren vergriffen. Ein gleiches Los kann man der zweiten, in 
vielem verbesserten Auflage wünschen. Erdmann tritt nicht in Wettbewerb mit den 
Werken, die wir über den Bedeutungswandel unseres Wortschatzes besitzen (ich nenne 
vor allem Waags grundlegendes Buch), ihm steht die Frage im Vordergrunde: was 
leistet die Sprache als Verständigungsmittel? Die ganze Art. wie er seine Aufgabe auf- 
faBt und durchführt, ist eigenartig und leitet dazu an, tiefer in das Wesen unserer 
Muttersprache einzudringen. Im Mittelpunkt des ganzen Buches steht der Abschnitt über 
die Supposition der Wörter. Erdmann, der diese Bezeichnung unserer mittelalterlichen 
Scholastik entlehnt, will zeigen, wie wenig scharf unsere Sprache ist, wie viele Bedeu- 
tungsmöglichkeiten eines Wortes vorhanden sind. »Der Hund bellt« kann besagen, »daB 
ein ganz bestimmter Vierfüßler augenblicklich dabei ist zu bellen«; der Satz kann auch 
ein naturgeschichtliches Urteil darstellen, also die Einsicht vermitteln, daß alle Hunde 
die Fähigkeit haben, zu bellen. Oft wird der Gebrauchswert der Wörter durch ihren 
Gefühlswert bestimmt. An einer Reihe von Beispielen wird uns dies gezeigt. Man wird 
die Richtigkeit seiner eingehenden Darlegungen nicht bestreiten können. Doch darf man 
sich der Erkenntnis nicht verschließen, daß eben die Vieldeutigkeit der Bedeutung meist 
wegfällt, sobald das Wort, der Satz nicht mehr allein steht, sondern im großen Zusam- 
menhang der Rede. Dies deutet Erdmann sehr richtig auch 8. 159 an. Das einzeln 
herausgenommene Stück einer Maschine kann an viele Stellen passen, auch zu verschie- 
denen Maschinen, und doch will es als Glied des Ganzen betrachtet sein, als einzelnes 
ist es wertlos. 

Wie wir in vielen Fällen gedankenlos die Worte gebrauchen, wie es vielfach 
nützlich ist, sich nicht bei jedem Worte, bei jedem Bild über die Urbedeutung klar zu 
werden, wird in gelungener Weise klargelegt. 

Sehr beherzigenswert gerade für unsere Zeit ist der Abschnitt über anschauliche 
Sprache. Zeigt sich doch gerade heute einem genauen Beobachter der Sprachentwicklung, 
wie sehr wir in Zeitungen und Büchern auf dem Wege zum Abstrakten sind, auf dem 
Wege zu -heit, -keit und -ung; es geht uns immer mehr das treffende Adjektivum 
verloren, über das große Schriftsteller wie Mommsen, Treitschke, Rohde verfügten. Man 
braucht nur einige Seiten Lamprechts zu lesen, um zu sehen, wie hier alles nach dem 
unanschaulichen Abstraktum sich drängt, und auf welche Wege wir allmählich gelangen. 
Allen denen, die Neigung haben, über die Fragen unserer Muttersprache ernstlich nach- 
zudenken, sei Erdmanns Buch angelegentlichst empfuhlen. 

Lörrach. Othmar Meisinger. 


Strauß, Der Brickegiekel. Frankfurter Dialektverse. Frankfurt a. M. und Leipzig, 
Kesselringsche Hofbuchhandlung, 1910. 

Frankfurt ist wie kaum eine deutsche Stadt reich an Dialektdichtung. Von Textor 
bis zum alten und jungen Stoltze ist Alt- und Neu-Frankfurt nebst der Äpfelwein- 
metropole Sachsenhausen immer wieder in heimischer Mundart besungen worden. Auch 
die Gedichte von Strauß reihen sich gut den vorhandenen Werken ein. Sie zeigen uns 
nicht jenen unversiegbaren, stets wirkungsvollen Humor, sondern mehr kleine Stimmungs- 
bilder, sie geben Ereignisse neuerer Zeit in humorvoller Spra:he wieder, ohne Außerge- 
wöbnliches zu bieten. Echt ist durchaus an ihnen die Art, wie sie uns in Fraukfurter 


80 Bücherbesprechungen. 


und Sachsenhäuser Leben einführen. Volkskundlich interessant ist ein altes Fastnacht- 
liedchen. 

Der Sammlung ist ein Anhang beigegeben über die Aussprache und über die 
Altsachsenhäuser Mundart, ferner, was sehr zu begrüßen ist, ein Wörterverzeichnis. Die 
Angaben über die Aussprache könnten genauer sein. Es müßte heißen: 5 wird im Inlaut 
zwischen Vokalen zu w, nicht durchweg im Inlaut. Pf lautet nicht immer wie p oder 
b (bb), vgl. S. 17 for zwölf Fennig. Im Wörterverzeichnis ist Belle (aus einem alten 
Liedchen) zum mhd. Namen Bella zu stellen, vgl. mein WB. der Rapp. Ma., S. 120a, 
Lezemer = Wandermusikanten stammt aus dem Hebräischen, es gehört einem sonst vor- 
kommenden Letz — Spötter, Letzmus der Spott, die Ironie, vgl. Nascher, Das Buch des 
jüdischen Jargons, S. 63 u. 66. 

S. 76 vermisse ich norzt, das sich in dem Gedichte »Der Brickegickel«. S. 10 findet. 
Es gehört zu südfränkischem noot, nort. Der Ausdruck Zwockel wird in der bayerischen 
Pfalz für die Altbayern verwendet. 


Lörrach. Othmar Meisinger. 


Lohmeyer, Bearbeitung von Birkenfelder Kirchenbüchern. Teil I: Die geschicht- 
lichen, kultur- und volkskundlichen Beziehungen. Ferdinand Fillmann, 
Birkenfeld 1909. 

Die Arbeit Lohmeyers hat das Verdienst, daß sie uns zeigt, welche Fülle volks- 
tümlichen, kulturgeschichtlichen Stoffes in unsern Kirchenbüchern ruht, welche wertvollen 
Schätze hier zu heben sind. Die Geistlichen, die sonst diese Quellen zu Ortsgeschichten 
benützen, gehen an vielem oft vorüber, ohne es zu beachten. In Birkenfeld liegen die 
Verhältnisse deshalb besonders günstig, weil die Bücher hinter den 30jährigen Krieg 
zurückgehen bis ins Jahr 1568. So konnte Lohmeyer darstellen, welche Bedeutung der 
Krieg nach vielen Seiten hin für die Birkenfelder Gegend hatte. 

Er gibt in diesem I. Teile Sittenbilder von großer Anschaulichkeit; dann behandelt 
er Kirchenzensur, Gerichtssachen, Spuren des Hexenglaubens, den 30jährigen Krieg und 
seine Folgen für die Birkenfelder Gegend, die Seuchen, Almosen, Stiftungen, Sagen, 
Ausbildung der Jugend, Volkskunst. Ein zweiter Teil soll die etymologischen und genealo- 
gischen Beziehungen bringen, die hoffentlich für unsere Namenforschung reiche Ausbeute 
gewähren. 

Zum einzelnen bleibt wenig zu bemerken. Das »Eier heischen« (8. 8) ist sonst 
im Fränkischen meist an Ostern der Brauch. Unrichtig ist die Angabe über die Aus- 
breitung des Wortes »brauchen«e. Es ist nicht bloß in der Gegend der Saar, Nahe, 
Blies und auf dem Hunsrück üblich, sondern erstreckt sich viel weiter nach Süden (vgl. 
mein W. B. der Rappenauer Ma., S. 131b). | 

Über die S. 28 erwähnte Lykanthropie wäre noch auf Roschers grundlegenden 
Aufsatz zu verweisen und Rohdes Bemerkungen dazu (Kleine Schriften II, 216). Zu 
8.20, Verehrung der Quellen, kommen die erschöpfenden Ausführungen von Weinhold 
in Betracht. Ob unsere Wortforscher Lohmeyers Ableitung des Wortes Ketzer von Katze 
annehmen werden, ist mir zweifelhaft. Es sollen die Waldenser, Albigenser und Tempel- 
herrn eine große, schwarze Katze angebetet haben. Von dieser Katze sollen die Glaubens- 
abtrünnigen den Namen Kätzer oder Ketzer erhalten haben. 

Sonst bietet das Büchlein dem Forscher eine Reihe interessanter Wörter, vor 
allem Krankheitsnamen, die noch selten gebucht sind. So wird es dem Sprachforscher 
und Kulturhistoriker manches Neue bringen. Hoffentlich folgt der 2. Teil bald. 

Lörrach. Othmar Meisinger. 


Friedrich Schön, Dehemm in Saarbrigge. Gedichte und Erzählungen in Saar- 
brücker Mundart. Carl Schmidtke. Saarbrücken 1910. 2. Aufl. geb. 1,60 Mk. 

Daß Schön mit seinen Gedichten Anklang gefunden hat, beweist der Umstand, 

daß eine zweite Auflage nötig wurde. Er hat diese um eine Reihe Gedichte und um 

einige Prosaerzählungen erweitert, für die ihm seine Leser Dank wissen werden, ent- 


Bücherbesprechungen. 81 


halten sie doch mit das Beste der Sammlung. Wenn Schön in der Einleitung verspricht, 
ein Bild von Saarbrückens Land und Leuten zu geben, so ist ihm dies wohlgelungen. 
Wir sehen neben stillen Landschaftsbildern auch das Land der rauchenden Essen, wir 
sehen in die Hütte des Arbeiters. Ernstes und Heiteres wechselt in angenehmer Folge. 
Wie weit der Verfasser die Mundart genau wiedergibt, ob er überall volkstümlich redet, 
vermag der Fernstehende meist nicht zu beurteilen. Doch glaube ich aus der Ursprüng- 
lichkeit des Wortschatzes schließen zu dürfen, daß er in enger Berührung mit den Volks- 
kreisen steht. Angebracht wäre es gewesen, wenn da und dort ein heimischer Ausdruck 
erklärt worden wäre, oder am Schlusse eine kurze Zusammenstellung gegeben worden 
wäre. Was bedeutet Ames S. 44? Es ist wohl der zum Appellativ gewordene Name 
Anna Maria. Was bedeutet Brasche, Schniß? Wie heißt der Ort, den die Mundart 
Daarle nennt? 

Der Versbau ist manchmal etwas uneben, mitunter sieht man einer Zeile an, daß 
sie nur aus Reimzwang hereingeraten ist. Hier kann in einer weiteren Auflage manches 
noch gebessert werden. 

Eine schwierige Frage ist für Dialektdichter immer die Schreibung. Man merkt 
es dem Büchlein an, wie redlich der Diehter mit dem spröden Stoffe gekämpft hat. Er 
hat sich zu einer Schreibweise entschlossen, die sich unnötig weit von dem Schriftbild 
der Schriftsprache entfernt. Als Dehnungszeichen hat er neben A Doppelschreibung, für 
langes o das Zeichen ô neben ôk (S. 12). Er schreibt verzeehle (S. 12); das ist doch des 
Guten zu viel. In dem Gedichte Lukasse Wies S. 25 u. 26 kommt hintereinander vor: 
gemääd (Vers 15), gemähd (Vers 19), gemäht (Vers 29). Schreibt man verzeehle, so 
muß man auch gemäähd schreiben. Auch mit d und t, g, k liegt er in einem ständigen 
Kampf, er schreibt furd, rechd, aber trieb — trübe, daneben S. 12 furdt, S. 26 fort 
(dies fort scheint überhaupt keine richtige Dialektform zu sein), 8. 16 genudzd, S. 18 
genudxt. Was soll die Konsonantenverdoppelung in Windder, Handwergger, Wolgge, 
wirgglich? Genügt nicht schpaxiere? wozu auch hier dx? Vielleicht gelingt es dem 
Verfasser, hier mehr Einheit zu schaffen. 

Sonst ist mir noch aufgefallen, wie ein Gedichtstoff sich bei unseren Dialekt- 
dichtern groBer Beliebtheit erfreut: es ist die niedliche Erzählung von den Kindern, die 
über den Reichtum ihrer Eltern streiten; eines rühmt, sie bekämen auf ihr Haus ein 
Hypothekchen. Diese Erzählung hat zuerst Stoltze, dann bringt sie Ganther in seinen 
Dannezapfe und jetzt Schön. So gehen diese Stoffe von Hand zu Hand. 

Ich wünsche der Sammlung Schöns weiteren Erfolg in der engeren und weiteren 
Heimat. Echter Humor findet überall Aufnahme. Schön besitzt ihn in reichem Maße. 

Lörrach. Othmar Meisinger. 


Dr. Rudolf Kleinpaul, Die deutschen Personennamen. Ihre Entstehung und Be- 
deutung. Leipzig bei G. J. Göschen. 1909. 1328. 8°. Gbd. 0,80 M. 

Für die gediegene Sammlung Göschen hat R. Kleinpaul die Darstellung der deut- 
schen Personennamengebung geliefert. Die gewandte Form der Darbietung, der anziehende 
Plauderton mit den eingestreuten unterhaltenden Geschichtchen, die mancherlei hübschen 
Ausschnitte, die der Verfasser aus seiner umfassenden Kenntnis kulturgeschichtlicher 
Verhältnisse gibt, sichern dem Büchlein gewiß einen großen Leserkreis. Irgend wesent- 
lich Neues zu bringen ist nicht der Zweck der Schrift. Und doch sind namentlich zu 
Anfang in den Kapiteln über die Namen, die die Kinder als Geschenk Gottes bezeichnen 
oder auf besondere Geburtsumstände verweisen, allerlei beachtenswerte, bisher wenig 
oder gar nicht hervorgehobene Gesichtspunkte zu finden. Freilich ist der Verf. dabei 
entgegen dem 8. 120 ausgesprochenen Grundsatz, eine Beschränkung auf Deutschland 
eintreten zu lassen und Fremdnamen nur zu besprechen, wenn sie bei uns heimisch ge- 
worden sind, gar oft in die Ferne geschweift und hat, wenn auch in gut vergleichender 
Art, etwas unvermittelt auch die Agrippa, Sedan, Sankuru, Tamerlan, Gambetta u. a. 
hereingezogen. Die Überschrift des zweiten Abschnitts »Taufnamen unserer heidnischen 
Vorfahren« scheint mir gegenüber der des ersten: »Kleinkindernamen« nicht ganz glück- 

Zeitschrift für Deutsche Mundarten. VI. 6 


82 Bücherbesprechungen. 


lich gefaßt. Hierin sind aber recht gut die auf Kampf und allgemeine Tüchtigkeit ge- 
richteten Wünsche der Eltern in der germanischen Heldenzeit hervorgehoben. Auch 
die S. 94 f. gegebene Erläuterung der Entwiokelung der Namenzusätze ist wohlgelungen; 
welche Rolle dabei der Artikel spielte, zeigt heute noch die oberdeutsche Ausdrucksweise, 
wo man nicht bloß der Lang, der Schwars, sondern ebenso der im Hof, der am Ort, 
der zum Tobel usw. sagt. Im einzelnen wären allerdings mancherlei Flüchtigkeiten zu 
beanstanden. Ein Gundicar ist z. B. keinesfalls ein »Kriegsspeer« (S. 32), Odoaker 
nicht — Ottokar (S. 47), Godwin unmöglich = Gößwein (S. 68). Wie ferner das Eigen- 
schaftswort »balde auf S. 37 erst kühn (in Baldram), dann reiBend (in Baldulf), dann 
wohlgesinnt (in Baldwin) und S. 65 »Gürtel« (in »Wilibald —= Wilis Gürtele) bedeuten soll, 
ist nicht wohl einzusehen. Der Verstoß von 8. 38, wo Timoleon halb lateinisch, halb 
griechisch aufgefaßt und als einer. »der das Volk fürchtet«, gedeutet ist, wiederholt sich 
S. 69 bei Timotheus, was = Fürchtegott sein soll. Kräftige Worte findet der Verf. am 
Schlusse, wo er die Sucht der Deutschen tadelt, ihre Namen im Ausland zu verändern 
und der fremden Sprache anzugleichen. 


Memmingen. Julius Miedel. 


Joh. Nep. Schwäbl, Über Herkunft und Bedeutung der Regensburger Lekal- 
namen Prebrunn, Zur schönen Gelegenheit, Am Römling, Am Wiedfang, Hunnen- 
platz, Sterzenbach. Stadtamhof bei J. u. K. Mayr. 1910. 46 S. 8°. 

Die Stadt Regensburg besaß und besitzt zum Teil noch eine Anzahl sehr eigen- 
artiger örtlicher Bezeichnungen wie Hundsumkehr, Eck zum faulen Schinken, Entengang 
u. a. Einige der anziehendsten davon hat der Verf. der treffliohen Grammatik der alt- 
bayerischen Mundart einer geschichtlich-sprachlichen Untersuchung unterzogen als Bei- 
trag zur hundertjährigen Jubelfeier der \Viedervereinigung Regensburgs mit Bayern. 
Wenn ein so genauer Kenner der Volkssprache, unterstützt von allen verfügbaren ge- 
schichtlichen Hilfsmitteln, an eine derartige Aufgabe herantritt, so muß der Erfolg gut 
sein. Und die Art, wie Schwäbl die Besprechung der Namen vornimmt und entwickelt, 
ist denn auch musterhaft. Das kann gesagt werden, selbst wenn man mit dem End- 
ergebnis nicht überall durchweg einverstanden ist. In Prebrunn, das zuerst 1290 
Prempbrunne, dann Brenn-, Bren- und später Brebrunn heißt, sucht er mit guter Be- 
gründung ein Zeitwort drehen = leuchten und deutet den Namen als »klares, glänzendes 
Wasser«, das dem der oft recht wenig »blauen« Donau entgegengestellt sein soll. Doch 
muß ich gestehen, daß mir nicht alle Zweifel behoben wurden, ob nicht vielleicht doch 
nach den ältesten Formen und der Nachricht, daß die Gegend schon 1181 das Hafner- 
viertel war, eher an »brennen« zu denken ist. Wir hätten dann etwa eine Namenellipse 
darin anzunehmen von einer Art, wie sie nicht selten vorkommt, wie sie aber nicht 
immer so sicher urkundlich zu belegen ist wie in den Beispielen: Mosdbrughausen (1329) 
— Mooshausen, Gotteshauswald (1491) — Gotteswald. Also vielleicht auch Brennofen- 
brunnen >> Brennbrunnen. — Weit jünger ist die »schöne Gelegenheite. Beurkundet ist 
sie erst seit etwa 1700 und haftete wahrscheinlich zuerst an einem einzelnen »schön 
gelegenen« Hause. Doch darf man, glaub ich, aus dem Beisatz »sogenannt« nicht 
schließen, daß der Name damals noch nicht eingebürgert war oder gar, daß er nicht mehr 
verstanden wurde, da doch das Wort im alten Sinn noch bei Aventin und sogar auf der 
Regensburger Karte von 1589 gebraucht wird. — Die Darlegungen zu der Bezeichnung 
»am Römling« sind methodisch vorbildlich zu nennen. Sie ist 1207 zuerst (als »zum 
Römlinge) belegt und gleichfalls von einem Hause auf die Umgebung übertragen. Als 
ursprüngliche Form stellt Sch, mit Hilfe der zahlreichen Urkunden und der Mundart 
ganz richtig riemling fest, das etwa »hohes Giebelhaus« bedeutet haben soll. Das Vor- 
handensein eines solchen an jener Stelle wird sehr einleuchtend erhärtet. Schade nur, 
daß bei der sprachlichen Herleitung des Wortes ein starker Irrtum unterlaufen ist. 
Schmeller II, 96 verzeichnet, wie Sch. S. 22 wörtlich schreibt: »Riem, cannale. Doma, 
fastigium, virst; cannale, riem; stillieidium, traufe. Sch. übersieht nun zunächst 
scheinbar — seine Anführungszeichen wenigstens lassen es vermuten —, daß Schmaller 


\ 


Bücherbesprechungen. 83 


diese Angabe zweierlei Quellen entnimmt, von denen die eine die ersten beiden Wörter, 
die andere die übrigen enthält. Weiter aber bezieht er,’ trotz der von ihm Schmeller 
genau nachgedruckten Strichpunkte, die dreierlei erläuterten Ausdrücke auf das Wort 
riem allein und meint, dies habe bedeutet zunächst Röhre, dann doma, s. v. wie Dach, 
Giebel, Spitze, First und in weiterer Entwickelung stelliceidium, Traufe. In Wirklichkeit 
sind hier drei ganz verschiedene Dinge lateinisch und deutsch erklärt und im Druck 
nebeneinander gestellt, die in der Quelle Schmellers, einem cod. lat. Mon., tatsächlich 
auch in drei Zeilen untereinander geschrieben sind! Sonach kommt gerade das, 
was Sch. »als zu keinem Ergebnisse führend beiseite lassen« zu sollen glaubte, für die 
Deutung allein in Betracht, d. i. mhd. rieme der Riemen. Wie man mit »Riemene ein 
langes, schmales Ackerstück bezeichnete, so natürlich auch ein langes, schmales Haus, 
einen »Darm von einem Hausee.! Und daß die Endung ling sehr oft einen Gegenstand 
von der im Stammbegriff enthaltenen Art, eine Ähnlichkeit angibt, deutet Sch. selbst an, 
wenn auch als Beispiele Däumling, Fäustling, Föhrling — etwas wie ein Daumen, eine 
Faust, eine Föhre besser gewählt erschienen.” Also Riemling = ein Ding (hier Haus) 
wie ein Riemen. Mein mundartliches Sprachgefühl — meine Heimatmundart ist der von 
Regensburg ziemlich nahe verwandt — läßt mich diese Bezeichnung für ein hochragendes, 
schmales Haus auch heute noch verständlich erscheinen, ebenso wie man es z. B. wohl 
verstehen würde, wenn man von einem solchen verächtlich etwa sagte: »der Därmling«. 
— Der Wiedfang besteht im ersten Teil aus mhd. wst = Holz, im zweiten aus vant 
== Naturalertrágnis aus Grund und Boden. Letzteres Wort lebt jetzt noch und wurde 
erst mundartlich zu vanc wie gschwind >> gschwingg (das übrigens auch außerhalb des 
bayerischen Gebirgs noch heimisch ist). Die Widfend, wie es früher meist hieß, aus 
der Mehrzahl entstanden, zeigt dann eine sehr bemerkenswerte Entwickelung: die Holz- 
ernte, dann der Ort, wo diese aufgestapelt wird, darnach Lagerplatz schlechthin und 
schließlich Holzmarkt. Dort wohnten die Witmangaere (Holzhändler). — Der Hunnen- 
platz ist ein schlichtes Hennenplätzchen, so entlegen, daß zahlreiches Auftreten von 
Hennen nicht auffallen kann. Erst seit 1800 ist er in »gelehrter« Weise verstümmelt. 
— Starzen, Stärze oder Stürze ist im Altbayerischen etwas zum »Drüberstürzene d. i. 
Zudecken, also ein Deckel oder eine Deckplatte. Der Starzenbach war nun in Wirk- 
lichkeit, wie gezeigt wird, eine Strecke weit mit Platten zugedeckt. 

Neben den eingehend erörterten Namen fallen auch noch oft sehr willkommene 
Streiflichter auf allerlei Nebendinge, die das Schriftchen zu einer äußerst anziehenden 
Lektüre machen. An Fehlern hat mich gestört die Verbindung von Wörtern wie Regens- 
burgergeschlechter (S. 14), Emmeramermönch (S. 19), ferner auf Befehl Otto I. (S. 34). 
Gegen die allgemein übliche Biegung des Namens seines Volksstammes hat Soh. wie es 
scheint eine Art Abneigung; wie er in seiner Mundartgrammatik z. B. S. V und 4 schreibt 
»dem Bayer«, so auch hier wieder S.S »für den Bayere. 

Memmingen. Julius Miedel. 


Dr. Christoph Beck, Die Ortsnamen des Pegnitztales und des Gräfenberg- 
Erlanger Landes. Nürnberg bei U. E. Sebald, 1909. VIII und 152 S. 8% Mit Karte. 
Den 1907 erschienenen und in dieser Zeitschrift 1908 S. 86ff. von mir besprochenen 
Ortsnamen der Fränkischen Schweiz und seinem Programm von 1908 über die Ortsnamen 
des Aischtales und seiner Nachbartäler, von dem leider der zweite Teil noch aussteht, 
hat der fleißige Verfasser schon 1909 als Fortsetzung seiner Durchforschung des ganzen 
fränkischen Gebiets den Bezirk nachfolgen lessen, der südlich an den zuerst behandelten 





ı Ebenso könnte man etwa sagen »Bandwurni«; und in Münchberg kenne ich ein 
hohes, schmales Haus, das allgemein »Handtuch« genannt wird. Nachträglich erfahre 
ich, daß das Wort »Riemling« hier in Memmingen noch lebt, und zwar als Bezeichnung 
für einen Balken, der so zubehauen ist, daß er mindestens doppelt so breit als dick, 
also riemenähnlich erscheint. z 

? Auch die Apfelnamen Streifling, Streimling und Riemling für Apfel mit 
streifen-, streimen- (= Striemen) und riemenähnlicher Form oder Zeichnung. 


6* 


84 Bücherbesprechungen. 


Landstrich anstößt und etwa von einer Linie Baiersdorf — Pegnitz — Altdorf — Fürth be- 
grenzt ist. Es ist ein in der Hauptsache natürlich abgeschlossenes Ganzes, das zwar 
jetzt gemeiniglicb zu Franken gerechnet wird, aber offenbar recht wenig fränkischen 
Einschlag bat. Das zeigt Beck vor allem in der 60 Seiten langen Abhandlung, die die 
Besiedelung des Landes auf Grund der geschichtlichen Überlieferung, der Orts- und 
Flurnamen und der Kirchenpatronate darstellt und der noch Abschnitte über Wendentum, 
Zeit der Ortsgründungen, elliptische Ortsnamen und älteste Herrschaftsformen angefügt 
sind. Neben einem Verzeichnis der Wüstungen bringt der erste Hauptteil dann noch 
eine Gruppierung der Ortsnamen nach ihrer Bedeutung für das Landschaftsbild, für 
Kulturarbeit, für Sprachgeschichte usw. Die Seiten 63—151 enthalten schließlich die 
Erklärung der Namen selbst auf der Unterlage der urkundlichen Überlieferung und der 
mundartlichen Aussprache. Die letztere, die u. a. wieder die Verwandlung der Endung 
in in den Weichgaumennasal ¿ng aufweist, und Formen wie heiling statt heilig zeigen, 
nicht minder als eine Reihe von Grundwörtern (besonders öd, ohe u. a.), daß der Haupt- 
anteil an der Besiedelung den Bajuwaren und nicht den Franken zuzusprechen ist. Be- 
merkenswert scheint mir die Feststellung, daß die in der Oberpfalz so häufige Endung 
richt erst mit dem 16. Jahrhundert auftaucht und in der Mundart selbst heute noch nicht 
üblich ist, woraus mit Recht gefolgert wird, daß sie damals auf Grund eines Schlusses: 
rest = recht, also riot = richt in irgend einer Schreibstube künstlich geschaffen wurde. 

Wenn für die keltische Zeit neben dem Main auch Rednitz und Pegnitz bean- 
sprucht werden, so dürfte das einstweilen noch zweifelhaft sein. Dazu wäre zuvor noch 
eine genauere Untersuchung der anderen FluBnamen auf „ix in sicherlich slavischem 
Siedelungsgebiet erforderlich. Keinesfalls aber können m. E. alte Namen wie Elsenz und 
Alsenz, denen klar keltische Bildungen wie Alisontia zur Seite stehen, fürs Germanische 
angefordert werden. Für die Seite 21 berührte Frage der zeitlichen und räumlichen 
Ausdehnung keltischer und slavischer Sitze ist von Wert einerseits das Vorkommen der 
der Latöneperiode angehörigen sog. Regenbogenschüsselchen, die nicht weiter östlich als 
bis zu einer Linie Passau — Regensburg — Königshofen im Grabf. zu finden sind, andrer- 
seits slavische Bodenfunde, die mit der Linie Burglengenfeld— Ansbach südlich ab- 
schneiden (s. Korr.-Bl. der dtsch. Anthrop. Ges. 1897 S.9 u. 1901 S. 17). 

Die ingen-Örte in diesen verhältnismäßig spät besiedelten Strichen sind sehr vor- 
sichtig zu beurteilen, selbst wenn sie als gen beurkundet erscheinen. Jedenfalls aber 
ist es sehr gewagt, z. B. einen Münzinghof als aus Münzingen hervorgegangen zu er- 
klären (S. 25). Die Anschauung, für das hohe Alter der ingen-Orte dort zeuge der 
Umstand, daß in ihnen meist Kurznamen steckten, weil spätere meist die Vollnamen 
enthielten, ist erst noch zu beweisen; Kluge sucht bekanntlich! im Gegenteil gerade 
in der angeblich geringen Zahl der Vollnamen einen Hauptgrund gegen den Sippen- 
charakter der ingen-Orte. Daß diese nicht einheitlich sind, scheint mir nun ziemlich 
klar; es ist wohl möglich, daß ein Teil der »Burgenperiode« angehört, wie S. 34 vermutet 
wird. Solange wir aber nicht eine reinliche Scheidung der alten »echten« von den 
jüngeren mit urkundlichen Nachweisen haben, ist an eine sichere Beurteilung nicht zu 
denken. 

Für das Wegbleiben eines Grundwortes bei den genitivischen Rodenamen kann ich 
auch jetzt noch keinen anderen Anlaß erkennen als die ziemlich gleichzeitig erfolgte 
Anlegung einer größeren Anzahl von Ausbauten in der Rodungszeit. Sie schienen mit 
dem Namen des (jründers auch ohne nähere Bestimmung genügend gekennzeichnet und 
die stetige Wiederholung des gleichen Grundwortes mußte eine gar zu große Eınförmig- 
keit ergeben. Daß sie im Schwarzwald und in der Schweiz nicht anzutreffen sind, mag 
wohl davon herrühren, daß dort kleinere Bauernhöfe in Masse ni: ht in einer kurzen 
Zeitspanne angelegt worden sind; desgleichen mag es stimmen, daß sie nicht auf freiem 
Boden, sondern auf Grundeigentum geistlicher oder weltlicher Herren wie auf deren An- 
stiften gegründet wurden. Was jedoch gegen die von mir s. Z. ausgesprochene Annahme 





1 Sippensiedelungen und Sippennamen in Vtjschr. für Soz.- u. Wirtsch.- Gesch. 
1908 S. 76. 


Bücherbesprechungen. l 85 


eingewendet wird, daß wegen des meist beigesetzten sächlichen Geschlechtsworts wohl 
auch ursprünglich ein sächliches Grundwort wie »riede dazu gedacht wurde, scheint mir 
wenig stichhaltig. Beck meint (S. 32), die meist übliche Ausdrucksweise »das Sigritz« 
beweise nichts, da sie auch bei anderen Namen seit dem 16. Jahrh. erscheint und heut- 
zutage fast allgemein vorkomme, wie z. B. »das Weilersbach wird immer schöner«. Ab- 
gesehen davon, daß es ja schon höchst auffällig sein müßte, daß gerade die Rodenamen 
in der Frühzeit allein den Artikel zeigen, haben wir in der Form »das Nürnberg, in 
dem Weißenburg« gar kein Geschlechtswort vor uns, sondern das hinweisende Fürwort, 
das natürlich vor jeden nicht mehr als Gattungsnamen empfundenen Ortsnamen treten 
kann. Das zeigt nicht bloß die stärkere Betonung (»dees«, schriftdeutsch »dieses«), son- 
dern auch die Unmöglichkeit einer Apostrophierung oder Zusammenziehung: man kann nie 
sagen »ins Nürnberg, vom Nürnberg«, sagt und schreibt aber mit Vorliebe zem Sigritz, 
ins — vom Sigritx. Dorf kann nicht ergänzt werden; denn Dorf bezeichnet und be- 
zeichnete nie eine Einzelsiedelung. Ein anderer m. E. nicht berechtigter Schluß wird 
8. 34 aus einer Beobachtung von Gumplowicz gezogen: Namen wie Rüblanden, Henfen- 
feld sollen mit regelmäßigen Reichnissen an Grundherren zusammenhängen. Solche Be- 
ziehungen mögen da und dort in Ortsnamen stecken, doch glaube ich in anders geformten, 
was vielleicht ein andermal darzulegen sein wird. 

Die im zweiten Hauptteil gebrachten Erklärungen der einzelnen Namen sind auf 
urkundliche und mundartliche Formen so gut aufgebaut, dal nichts Wesentliches dagegen 
wird eingewendet werden können. Und das will sehr viel besagen. Nur gegen »Parti- 
zipialkonstruktionen«, wie ich es nennen möchte, bei Egert, Peund usw. möchte ich noch 
einige Bedenken äußern. Ist die Herleitung dieser Wörter aus substantivierten Parti- 
zipien an sich schon ziemlich bedenklich, so käme bei Egert, das nach Beck selbst das 
bedeutet, was nicht angebaut ist, gerade das Gegenteil (die »geackerte« Flur) heraus. 
Echterdingen geht auf den schon im 6. Jahrh. vorkommendeu Personennamen Ahthard 
zurück, auf ein Mittelwort so wenig wie Tratt und Trift oder Band und Schrift. 

Der Druck des in hohem Maße empfehlenswerten Buchs ist übersichtlich und 
sauber. Außer der Umstellung zweier Buchstaben auf S. 67 in »Slavonamen« sind selt- 
samerweise einige Zeilensätze ganz in Unordnung geraten, so S. 32, wo zu ordnen ist: 
Zeile 8 (1. Hälfte), 6 (2. H.), 7, 1-6, 8 (2. H.), 9; ferner S. 46, wo die mit Esban be- 
ginnende Zeile an die gleiche Stelle der 8. 47 gehört, sowie S. 90, wo die beiden ersten 
Zeilen (Zur Burg) unter Hagenhausen gerückt sind. 

Memmingen. Julius Miedel. 


Dr. August Kübler, Die deutschen Berg-, Flur- und Ortsnamen des alpinen 
Iller-, Leeh- und Sannengebietes. Herausgegeben mit Unterstützung des Deutschen 
und Österreich. Alpenvereins. Amberg, in Kommission bei Pustet, 1909. 213 S. 
Gr. 8°. 10 Mk. 

Heute im Zeitalter des Alpensports, da es in breitesten Kreisen üblich geworden 
ist, den Urlaub ganz oder wenigstens teilweise im Hochgebirge zuzubringen, gibt es 
erklärlicherweise eine große Anzahl von Bergwanderern, die sich nicht damit begnügen, 
nur Höhen zu erklettern, sondern die auch Land und Leute der bereisten Gegenden 
kennen zu lernen trachten. Dieses Bestreben fördert in höchst anerkennenswerter Weise 
der Alpenverein durch seine Zeitschriften. Und daß er sich nun sogar dazu bereit ge- 
fanden, die gesonderte Herausgabe einer einschlägigen Arbeit, die in seinen Veröffent- 
lichungen zu großen Raum beanspruchen würde, durch einen Zuschuß zu unterstützen, 
ist besonders erfreulich. Diese Unterstützung ist aber auch einem Buch zuteil geworden, 
das ihrer ganz besonders würdig war. 

Der Verfaser, bekannt durch seine gediegenen germanischen und romanischen 
Namenforschungen, hat diesmal eine ihm nach allen Richtungen wohlbekannte Landschaft 
gewählt: den südlichsten Zipfel von Bayern zu beiden Seiten der Iller, das Lechtal von 
Füssen aufwärts und die Täler der Rosanna und Trisanna, die vereint bei Landeck in 
Tirol den Inn erreichen. Abgesehen von dem obersten Lechtal und dem zu Österreich 


86 Bücherbesprechungen. 


gehörigen Walsertal an der Breitach ist das behandelte Gebiet also ein natürlich abge- 
rundetes Ganzes. Das Walsertal ist vermutlich wegen seiner mundartlichen Sonderstellung 
ausgeschlossen worden; das ist schade, weil die Abweichungen, wenigstens was die Orts- 
namen anlangt, gar nicht erheblich sind und weil die eingehaltene bayerische Grenzlinie 
ganz künstlich gezogen ist und doch eine Strecke weit ins Tal hineinreicht. 

Nach einer Darlegung der in Betracht kommenden Teilmundarten und ihrer Haupt- 
eigentümlichkeiten gibt Kübler einen Überblick über die vorkommenden Wortbildungs- 
silben und dann in drei Teile gegliedert den von ihm aus Büchern, Urkunden und Volks- 
mund gewissenhaft gesammelten Namenschatz, rund 15000 Namen; die erste Gruppe 
enthält diejenigen, welche aus Appellativen hervorgingen, die zweite die, welche mit 
Personennamen zusammengesetzt sind, und die dritte außer Nachträgen die nicht mit 
Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit zu deutenden. Die Anordnung ist so getroffen, 
daß die 1025 Bestandteile innerhalb der drei Gruppen in Abc-Folge angeführt werden, die 
zusammengesetzten Namen nach dem Anlaut des Bestimmungsworts. Leider ist die bei- 
gegebene Kartenskizze eine etwas gar zu rohe Faustzeichnung; schon die Eintragung der 
Flüsse hätte ein übersichtlicheres und gefälligeres Bild ergeben. 

Zu den Erklärungen selbst sei im allgemeinen bemerkt, daß sie in sehr erfreulicher 
Weise allerlei bisher fälschlich als romanisch angesehene Namen als gut schwäbisch 
erweisen; die Bergnamen insonderheit sind ja mit ganz geringen Ausnahmen so jung, 
daß sie unmöglich aus Wortelementen gebildet sein können, die älter sind als die Namen 
der Siedelungen in den Tälern. Die Fülle des Gebotenen ist so groß, daß es für den 
Fachmann wie für den Sprachfreund überhaupt sehr nutzbringend sein muß, darin zu 
studieren, daß es jedoch nicht möglich ist, weiter auf einzelnes einzugehen; was Kübler 
bringt, ist verläßlich, wohlüberlegt und gut begründet, so daß nicht viele ernste Ein- 
wände gegen die ersten beiden Teile werden gemacht werden können. 

Nur zwei Namen möchte ich herausheben. Der eine ist das oben schon berührte 
Egert oder Erget, das vielleicht im Allgäu seine Heimat hat. Im Allgäu lebt nämlich 
noch das got. Zeitwort arjan, ahd. *erjan in der Form ergen — pflügen, was auch Fischer 
im Schwäb. Wörterbuch übersehen hat, trotzdem es in Reisers Sagen und Bräuchen des 
Allgäus II, 696 angeführt ist. Nun sind aber dort Sammelbildungen auf et zahlreich 
heimisch, so Birchet, Lochet, Hosbet, Koblet u.a., so daf also mit ziemlicher Sicherheit 
anzunehmen ist, die Urform des vielgedeuteten Wortes sei Erget, d.i. das, was (frisch) 
gepflügt ist, der Neubruch, auch Ergfeld dort genaunt. Das weibliche Geschlecht ist 
durch die Mehrzahl Ergete eingedrungen und dieses wieder durch Umstellung und dort, 
wo das Zeitwort »ergen« ausgestorben war, vielleicht auch durch volkstümliche Umdeutung 
zu Egerte geworden. Von den Bergnamen sei nur der Hohe Ifen besprochen, weil ihn 
auch S. v. Riezler in seiner Abhandlung über die bayerischen und schwäbischen Orts- 
namen auf ingen (Sitzungsber. der kgl. bayer. Akad. d. Wiss. 1909, 2) auf S. 54 zu 
deuten versucht. Der schon 1444 urkundlich erstmals erscheinende Name heißt Neiffer, 
Ifer, dann Kiffer, Neiffen, Ifen wechselnd bis ins 18. Jahrhundert, von wo an sich die 
mundartliche Form /fa auch in der Schrift meist festsetzt. Da fast stets das Eigenschafts- 
wort (am) kochen vor dem Hauptwort stand, wußte man schließlich nicht mehr, ob 
Neifen oder Eifen das Richtige sei. Riezler nimmt nun die Form mit n als die ur- 
sprüngliche an und vermutet dahinter einen »hohen Niren« — hohen Schneeberg, wo- 
durch er zugleich auf vorwalserische romanische Bewohner glaubt schließen zu dürfen. 
Dagegen sprechen aber m. E. lautliche Gründe: einmal die Endung er, für die in diesem 
Fall kaum eine Rechtfertigung zu finden wäre, und dann die Unmöglichkeit der Diph- 
thongierung von + in nír. Küblers Erklärung genügt lautlich dagegen vollkommen: der 
nach seiner Meinung darin enthaltene Personenname /vo lautet im Schwäbischen Ende 
15. Jahrh. bald /fo, bald Eiffo. Wie er sich die Übertragung auf den Berg denkt, sagt 
er zwar nicht; doch wohl so, daß der Name zuerst an einem Hof haftete und dann die 
Bezeichnung »am hochen Ifen(hof)« auf den Berg überging. Hiergegen wäre nichts ein- 
zuwenden, zumal mir der Vorname Ivo tatsächlich im Walsertal schon begegnet ist. 
Gleichwohl will mich’s nicht ganz befriedigen. Ich will darum wenigstens einen anderen 
Weg versuchen. Das z ist allgäuerisch hoch, also == ahd. è; die Endung, die bald en, 


Bücherbesprechungen. 87 


bald er geschrieben ist, scheint den Murmelvokal ə oder v wiedergeben zu sollen, was 
auf die Sammelendung ach verweisen dürfte. Und wenn wir ferner erwägen, daß der 
Bewohner des Walsertales das, was weiter östlich Auds (= Steingeröll) heißt, Rüfine 
nennt, und den Salbei Salfe, daß mhd. hebe, wie Kübler S. 182 selbst sagt, dort heafe 
heißt, daß Kobel und Kofel (= Fels) nebeneinander steht, so kommen wir auf eine Ur- 
form *ibach = Eibach (Eibengehólz). Wie so oft, wäre dann also das ursprüngliche »am 
hohen (d. i. oberen) Eibach« auf den darüber aufragenden Gipfel übergegangen. Und 
tatsächlich steht heute noch auf der Rubachalpe oben unter den Wänden des Hohen Ifen 
eine auf ein halbes Jahrtausend geschätzte ehrwürdige Eibe, vielleicht ein Überrest eines 
ehedem größeren Bestandes. — 

Küblers Buch ist eine überaus reiche Fundgrube für alle, die sich mit Namen- 
kunde beschäftigen; ich fürchte nur, daß an der wohlverdienten weiten Verbreitung 
neben dem etwas unhandlichen Format der nicht gerade niedrige Preis hinderlich sein 
könnte. i 


Memmingen. Julius Miedel. 


Oskar Weise, Unsere Mundarten, ihr Werden und ihr Wesen. Leipzig u. Berlin, 
B. G. Teubner, 1910. Preis geb. 3 Mk. 

Oskar Weise gehört zu den wenigen Männern, die es verstehen, durch vortrefflich 
geschriebene Bücher die Ergebnisse der wissenschaftlichen Erforschung unserer Mutter- 
sprache in die weitesten Kreise der Gebildeten zu tragen, unsere Aufmerksamkeit auf 
den Reichtum und die Schónheit der deutschen Sprache zu lenken und so deren Rein- 
haltung von Fremdwórtern zu fórdern. In seinem bedeutendsten hierher gehörigen Werke: 
»Unsere Muttersprache, ihr Werden und ihr Wesen<, das nun schon in sieben Auflagen 
verbreitet ist und s. Z. vom Allgemeinen Deutschen Sprachverein mit einer Ehrengabe 
ausgezeichnet wurde, hat der Verfasser bereits die deutschen Mundarten gebührend be- 
rücksichtigt und auf ihre Bedeutung für eine wissenschaftliche Erkenntnis der Schrift- 
sprache hingewiesen. Aber über unsere Mundarten läßt sich so gewaltig viel des Wissens- 
werten sagen, ihre Erforschung hat in den letzten Jahrzehnten solche Fortschritte gemacht, 
daß es sich wohl verlohnte, einmal die wichtigsten Ergebnisse in einem besonderen 
Buche zusammenzufassen. Durch seine umfassende Kenntnis der deutschen Mundarten, 
denen er gerade auch in dieser Zeitschrift eine stattliche Reihe von trefflichen Aufsätzen 
gewidmet hat, und durch seine erstaunliche Beherrschung der Literatur über dieselben 
war Weise ganz besonders geeignet, ein solches Werk zu schreiben. Ich stehe nicht an 
zu erklären, daß »Unsere Mundarten«e das beste Buch ist, das jemals über diesen Gegen- 
stand geschrieben worden ist. Auf nur 279 Seiten vereinigt es eine erstaunliche Fülle 
des Stoffes auf wissenschaftlicher Grundlage und in einer für jeden Gebildeten verständ- 
lichen, anregenden Darstellung. Zahlreiche Quellennachweise am Fuße jeder Seite setzen 
den Leser in den Stand, nachzuprüfen und weiter zu forschen. Eine gut geschriebene 
Einleitung gibt einen kurzen Überblick über das Hervortreten der deutschen Mundarten 
in der älteren Dichtung und über ihre wissenschaftliche Erforschung seit der Mitte des 
18. Jahrhunderts. Seinem Titel entsprechend zerfällt das eigentliche Buch in 2 Teile, 
deren erster auf 25 Seiten die verschiedenen Ursachen des Lautwandels und den Einfluß 
von Alter und Geschlecht, von Stadt und Land, religiösen und politischen Verhältnissen 
und fremden Sprachen auf die Aussprache und die Bildung der Mundarten behandelt. 
Der 2. Teil, »Das Wesen der Mundarten«, die S. 32—261 umfassend, gliedert sich in 
folgende 17 Abschnitte: Lautwandel, Wortbiegung, Syntaktisches, Wortbildung, Wort- 
bedeutung, Heimischer Wortschatz, Fremdwörter, Iautmalerei, Mundart und Kultur- 
geschichte, Wie die Mundart altes Sprachgut fortführt, Unterschied zwischen Norden 
und Süden, Eigenart des Obersächsischen, Umgangssprache und Mundart, Volkstümlicher 
Stil, Volkswitz, Volkslieder, Mundartliches im Schrifttum. Man sieht also, daß der Ver- 
fasser unsere Mundarten von den verschiedensten Gesichtspunkten aus beleuchtet. Die 
gewählten Beispiele sind außerordentlich zahlreich, und keine deutsche Mundart scheint 
dabei unberücksichtigt gelassen. Betonen möchte ich noch ausdrücklich, daß Weises 


88 Bücherbesprechungen. 


Buch auch für den Fachmann eine reiche Fundgrube wertvollen Wissens über unsere 
Mundarten bildet und daß überall auch den einzelnen Erscheinungen auf den Grund 
gegangen wird. Der Verbreitung des prächtigen Buches wird es zustatten kommen, daß 
jeder einzelne Abschnitt ein abgeschlossenes Ganze bildet, obwohl der Zusammenhang 
mit den übrigen gewahrt bleibt. 

Sehr dankenswert ist das reichhaltige und bis auf die neueste Zeit (Ende 1909) 
fortgeführte Verzeichnis der wichtigsten Schriften über die deutschen Mundarten (S. 262 
bis 275), dessen Anordnung genau der Gliederung des Buches selbst entspricht. Ein 
Sachregister von 4 Seiten bildet den Schluß. 

Wo eine solche Unmenge von Einzelheiten mitgeteilt wird, wie hier, wird jeder 
Leser da oder dort anderer Meinung sein als Weise; den großen Wert seines Werkes 
kann das aber nicht beeinträchtigen. Aus Gründen der Raumersparnis verzichte ich hier 
auf Mitteilung meiner abweichenden Ansichten, werde aber meine Bemerkungen dem 
Verfasser auf Wunsch gerne für eine 2. Auflage zur Verfügung stellen. 

An Wünschen möchte ich hier folgende aussprechen: 1. daß dem Buch eine 
Karte der deutschen Mundarten nach der auf S. V—VII gegebenen Einteilung 
beigefügt werde, 2. daß die Hauptunterschiede der jetzigen Mundarten auf 
Grund der S. VII unten angegebenen Literatur kurz zusammengestellt werden, soweit 
dies eben möglich erscheint, und 3. daß das Sachregister in ein Wort- und Sach- 
register umgestaltet wird. 

Möge auch dieses neueste Werk Weises seinen Siegeslauf durch alle Länder 
deutscher Zunge nehmen und unseren Mundarten immer neue Freunde gewinnen helfen! 

Baden-Baden. Philipp Lenz. 


J. Tockert, Romanische Lehnwörter in der luxemburgischen Mundart. Etymolo- 
gisch -kulturhistorische Beiträge zum luxemburgischen Wörterbuch. Luxemburg 1910. 
20 S. 4°, 

Nach einem kurzen Vorwort, in dem die drei Perioden des römischen und roma- 
nischen Einflusses auf die luxemburgische Mundart behandelt werden, gibt uns der Ver- 
fasser ein Lehnwörterverzeichnis, das die beiden Buchstaben a und 5 umfaßt. Er legt 
uns also nur eine Probe von einem umfangreicheren Werke vor und stellt uns dessen 
Vollendung sowie die eingehende Würdigung der verschiedenen fremden Einwirkungen 
auf den Wortschatz für später in Aussicht. Nach dem vorliegenden Abschnitt zu urteilen, 
hat er die einschlägige Literatur möglichst vollständig herangezogen und den in Frage 
kommenden Stoff mit Umsicht und Geschick behandelt, aber mehrfach echt deutsche Aus- 
drücke für entlehnt angesehen. Hierher gehören z. B. ähren, ihren, m. Hausflur, das 
mit area, Hofraum, Tenne urverwandt, aber nicht daraus übernommen ist, ferner buf, 
Kuf, das gleich mhd. bussen, küssen, obd. busserl, KuB, engl. buss ein urdeutsches 
Wort ist, vor allen Dingen aber lautnachahmende Gebilde wie babelen, schwatzen, baupsen. 
schreien, butbut, Wiedehopf (vgl. oberhess. Wudwud bei Crecelius S. 925), buu, Zuruf 
an Zugtiere, bauts, Kuh in der Kindersprache, amaa, GroBmutter, Lallwort der Kinder. 

Der Titel ist insofern ungenau, als außer den romanischen Lehnwörtern auch 
lateinische aufgenommen worden sind, namentlich Ausdrücke des Haus-, Acker- und 
Gartenbaus, die durch das Volk während der Römerherrschaft von 52 vor Chr. bis zum 
Anfang des 5. Jahrh. nach Chr. eingebürgert worden sind, ferner Benennungen von Gegen- 
ständen des Kirchen- und Klosterlateins, der Geschäfts- und Amtssprache früher Zeit, 
aber auch andere wie apern Handlangerdienste tun = operari und aule = olla, Topf. 

Nebenbei erhalten wir ab und zu auch Aufschluß über einen bestimmten Laut- 
wandel, z.B. S. 7, über den Abfall eines beginnenden Konsonanten (vgl. armedıll = 
Tormentilla, Siebenfingerkraut, ameriske = Tamariske, arzısse = Narzisse) oder über eine 
syntaktische Eigentümlichkeit, z. B. über den Gebrauch des Artikels bei Ländernamen 
S. 12 (vgl. ’é Bälsch, Belgien. ’t Frankreich, 't Schin, China, ’t Afrik, Afrika), besonders 
aber werden uns bedeutsame kulturgeschichtliche Aufschlüsse und Winke gegeben, z.B. 
bei burjaup, wo die alte Sitte der Frühjahrsbergfeuer in wallonischen und französischen 


Xx 


Bücherbesprechungen. 89 


Ländern eingehend (S. 18—20) erörtert wird, oder unter bälsch, belgisch, das auch die 
Bedeutung querköpfig zeigt und uns den Gegensatz zwischen Vlamländern und Wallonen 
erkennen läßt. 

Nach alledem kann die lehrreiche Schrift den Mundartfreunden angelegentlich 
empfohlen werden. 


Eisenberg, S.-A. O. Weise. 


René Engelmann, Der Vokalismus der Viandener Mundart. Diekirch 1910. 
44 S. 4°. 

Der Verfasser behandelt jm ersten Abschnitt (S. 7—14) die Geschichte der Mund- 
art des luxemburgischen Ortes Vianden, besonders die verschiedenen fremden Einflüsse, 
im zweiten das Lautsystem samt den Akzentverhältnissen (S. 15—18), im dritten den 
Vokalismus der Stammsilben (S. 19 — 41) und im vierten den der Nebensilben (S. 42 — 44). 
Die ganze Abhandlung ruht auf sicherer wissenschaftlicher Grundlage, zeugt von ein- 
gehender Kenntnis der luxemburgischen Dialekte und ist mit großer Sorgfalt verfertigt, 
reiht sich daher in würdiger Weise den trefflichen Arbeiten an, die Kisch und andere 
Siebenbürger über die Lautverhältnisse ihres fränkischen Stammlandes geschrieben haben. 
Die Darstellung geschieht nach historischen Grundsätzen; daher werden immer die mhd. 
Wortformen geboten und die mundartlichen daraus abgeleitet unter Angabe der Ursachen, 
aus denen sich der betreffende Lautübergang erklärt. Zahlreiche Beispiele erläutern die 
aufgestellten Lautgesetze. 

Nach dem vorgeführten Stoff kann man mit Leichtigkeit bestimmen, zu welcher 
Mundartengruppe die Viandener Mundart gehört. Sie ist moselfränkisch, unterscheidet 
sich aber von den Schwesterdialekten durch besondere Betonungserscheinungen, über die 
uns Engelmann demnächst in den Beiträgen zur Geschichte der deutschen Sprache und 
Literatur Genaueres mitteilen wird, und durch auffallende Lautübergänge, z. B. den von 
mhd. o in oa (z. B. in woanen, wohnen — mhd. wonen) und von mhd. ë in ea (z. B. in 
weader, Wetter — mhd. wêter). 

Aus den angeführten Beispielen können wir auch hier und da Schlüsse auf die 
Eigenart des Konsonantismus und der Wortbildung ziehen. Für jenen sind z. B. Formen 
bedeutsam wie zourampel, Sauerampfer und schmank, biegsam (= mhd. swane), für 
diese Gebilde wie schtierekd, Stärke (= mhd. sterkede) und mendidig, verbrecherisch, 
gewaltig (= mhd. meintaetic). Auch läßt sich erkennen, daß vielfach altertümliches 
Sprachgut erhalten geblieben ist, z. B. die Form lim, Nagel an der Radnabe = mhd. lun, 
lune, nhd. Lünse oder tsant — mhd. zant, Zahn. 

Auszusetzen ist nur wenig, z. B. auf S. 20 der Ausdruck »falsche Analogie«, der 
bei der natürlicheu Lautentwicklung der Mundart nicht angebracht und unwissenschaft- 
lich ist, da jede volkstümliche Analogiebildung auf bestimmten Ursachen beruht, also 
gesetzlich und richtig ist. Nach alledem kann die Schrift allen Mundartfreunden empfohlen 
werden. Möchte der Verfasser bald Zeit finden, dem Vokalismus den Konsonantismus 
der Viandener Mundart folgen zu lassen! 

Eisenberg, S.-A. O. Weise. 


O. Heilig, Gedichte von Schiller in leicht faßlicher Lautschrift mit einleitender 
Aussprachelehre. Weinheim u. Leipzig 1910. Ackermanns Verlag, 95 S., geb. 1,50 M. 

Es ist ein sehr verdienstliches und sicher ganz zeitgemäßes Buch, das uns der 

Verf. geschenkt hat, von dem Bestreben geleitet, eine bessere Aussprache herbeizuführen. 
Zum Muster dient ihm dabei die Sprechweise der deutschen Bühnen, die vorwiegend 
auf norddeutscher Lautgebung beruht. Als Übungsstoff hat er mit glücklichem Griffe 
19 Schillersche Gedichte herangezogen, die in den mittleren und oberen Klassen höherer 
Schulen gelesen zu werden pflegen, eine treffliche Auswahl aus den Balladen und der 
Gedankenlyrik, die z. B. die Bürgschaft, den Ring des Polykrates, die Kraniche des 
Ibykus, den Alpenjäger, das Lied von der Glocke. die Worte des Glaubens, die Worte 


90 Bücherbesprechungen. 


des Wahns, Breite und Tiefe, Licht und Wärme sowie vieles andere enthält. In hübscher, 
leicht übersichtlicher Weise bietet er links den gewöhnlichen Text und rechts die Um- 
schreibung mit den Zeichen der im In- und Auslande am weitesten verbreiteten Laut- 
schrift der Association phonötique internationale, von deren Grundsätzen er nur in wenigen 
Punkten (Doppelsetzung der Selbstlaute zum Ausdruck der Länge und Weglassung der 
Akzente) abweicht. 

Da er in erster Linie an die Benutzung durch Schüler süd- und mitteldeutscher 
Mittelschulen und Lehrerbildungsanstalten denkt, diesen aber die bühnengerechte Wieder- 
gabe tönender Mitlaute (b, o, d. s) große Schwierigkeiten bereitet, so ist er in dieser 
Hinsicht duldsam und beharrt nur auf der Forderung einer guten Aussprache der Selbst- 
laute, wozu er auch in der vorausgeschickten Einleitung eine kurze, aber klare und 
leichtverständliche Anweisung gibt mit beständiger Rücksichtnahme auf die in Oberdeutsch- 
land, besonders in der schwäbisch - alemannischen Mundart, hervortretenden Abweichungen. 
Für die kurzen Laute verlangt er mit Recht fast durchweg offene, für die langen ge- 
schlossene Aussprache. 

Das Hilfsbuch ist aber nicht bloß zum Gebrauch an Schulen bestimmt, sondern 
auch zum Selbstunterricht für Vortragende jeder Art, insbesondere für die Deutsch 
lernenden Ausländer; und ihnen allen kann os gleichwie den Schülern bei ihren Bestre- 
bungen sehr gute Dienste leisten und als zuverlässiger Führer empfohlen werden. Sogar 
der Dialektfreund findet darin seine Rechnung; denn er erfährt manches über die mund- 
artlicho Aussprache der Laute und hört z. B, daß der Schwabe $ und « vor Nasenlauten 
wie e und o zu sprechen pflegt (z. B. in finster — fänster und in gefunden = gefonden), 
ferner au wie ou (z. B. Haus = Hous) usw. 

So sucht das Buch das, was Th. Siebs in seiner »Deutschen Bühnenaussprache« 
und W. Viëtor in seiner » Aussprache des Schriftdeutschen« theoretisch erörtert haben, 
praktisch zu verwerten und in den Dienst des Unterrichts zu stellen und wird sicherlich 
viel dazu beitragen, die Reinheit, Richtigkeit und Schönheit unserer Muttersprache im 
Sinne des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins zu fördern. 

Eisenberg, S.-A. O. Weise. 


R. Wossidlo, Aus dem Lande Fritz Reuters. Humor in Sprache und Volkstum 
Mecklenburgs. Leipzig 1910. O. Wigand. 210 S. Geh. 2,40 M., geb. 3 M. 

Derselbe Geist, den Wossidlos »Mecklenburgische Volksüberlieferungen« atmen, 
weht uns aus seiner neuesten Schrift »Aus dem Lande Fritz Reuters« ontgegen, einer 
Jubiläumsgabe zur Feier von Reuters hundertstem Geburtstage; ja verschiedene Abschnitte 
darin sind genau in derselben Weise verfaßt, vor allem die über den Tanz, das Karten- 
spiel und die Erntearbeit. Hier wird uns eine außerordentliche Menge von Volksaus- 
drücken und Wendungen vorgeführt, die die genannten Tätigkeiten nach allen Seiten hia 
beleuchten und ein beredtes Zeugnis ablegen von der groBen Fülle und Mannigfaltigkeit 
der Bezeichnungen, über die der gewöhnliche Mann verfügt, um so naheliegende und 
geläufige Vorgänge zu benennen. 

Aber nicht bloß der Mundartforscher erhält in dem Buch reichen Stoff, sondern 
auch der Freund der Sagen und Märchen, Erzählungen und Schnurren, Schwänke und 
Stückchen kommt bei der Lektüre auf seine Rechnung. Denn etwa die Hälfte ist damit 
angefüllt, und zwar erscheint dieser Teil um so wertvoller, weil der Verfasser durchweg 
Neues bringt, was er auf seinen umfangreichen Wanderungen durch das Mecklenburger 
Land gesammelt hat. 

Auch bietet sich uns Gelegenheit. den fleißigen Gelehrten bei seiner Bienenarbeit 
zu belauschen. Denn er erstattet uns in einem einleitenden Kapitel über seine Sammel- 
tätigkeit ausführlichen Bericht und erzählt uns, in welcher Weise er mit den Leuten aus 
dem Volke verkehrt, wie er sie bei ihren Verrichtungen im Hause und auf dem Felde 
beobachtet hat, wie er hier und da verkannt und verspottet, aber auch wieder angestaunt 
worden ist, vor allen Dingen aber, wie er es fertig gebracht hat, aus den oft ver- 
schlossenen und zugeknöpften Niederdeutschen soviel herauszuholen. Und wahrhaftig, 


Bücherbesprechungen. 91 


es ist herzerquickend zu lesen, in welch liebevoller Weise der Bauernsohn mit den 
Landleuten ohne Unterschied des Standes und Alters verkebrt hat. Dafúr ist aber auch 
die Anerkennung bei ihm nicht ausgeblieben. 

Wer Wossidlos drei Bände Mecklenburgischer Volksüberlieferungen schätzen ge- 
lernt hat, wird auch an dieser neuesten Gabe des unermüdlichen Forschers reichen 
Genuß finden. 

Eisenberg, S.-A. O. Wetse. 


Max Kutzsche, Übungen im riehtigen und gefälligen Gedankenausdrucke. Leipzig 
1910. O. Wigand. 176 S. 2 Mk. 

Wie schon der Titel sagt, sind die Übungen in dem vorliegenden Buche die Haupt- 
sache. An der Spitze jedes Lehrabschnittes stehen Beispiele; daraus werden Regeln ab- 
geleitet, und an diese schließen sich Übungen an genau so wie in meinen Musterbeispielen 
zur deutschen Stillehre, die der Verf. auch gleich meiner Deutschen Sprach- und Stil- 
lehre fleißig benutzt hat. Die Schrift ist aus langjährigem Kapitulantenunterricht er- 
wachsen und in erster Linie für Kapitulantenschulen bestimmt. Demnächst soll sie zur 
Vorbereitung auf Beamtenprüfungen sowie in den deutschen Lehrstunden der Mittel- 
schulen, abgesehen von einzelnen Kapiteln auch in den Öberklassen der Volksschulen 
benutzt werden. 

Dem Verf. kommt es weniger auf das Wissen als auf das Können an. Deshalb 
legt er auch keinen Wert auf das Auswendiglernen der Regeln, sondern auf die Beherr- 
schung der lebendigen Sprache. Vollständigkeit beabsichtigt er nicht; daher kann man 
ihm auch nicht zum Vorwurf machen, daß er die Latinismen in unserer Sprache bekämpft, 
aber nicht die Gallizismen, die z. B. im neuesten, 32. Beihefte der Zeitschrift des Allge- 
meinen Deutschen Sprachvereins S. 44ff. von Th. Gartner getadelt werden. Mitunter muß 
man sich darüber wundern, daß Dinge aufgenommen worden sind, die von Schülern wohl 
kaum je verfehlt werden (z. B. S. 147 die Unterscheidung des langen und des kurzen zu: 
du mußt ihm ein wenig zureden; er hat ein Recht zu reden), während wichtigere 
Regeln fehlen (z. B. der Unterschied im Gebrauche des dritten und vierten Falles in 
Sätzen wie: er trat mir auf das Kleid und er trat mich auf den Fuß!). Ab und zu geht 
der Verf. in seinen Forderungen zu weit, z. B. S. 168, wo er die Ausdrücke hervor- 
ragender Einfluß oder einem Erwerbszweige nachgehen wegen geschmackloser und 
falscher Bilder verpönt, während doch die Sache hier so liegt wie bei »einen Freund 
beherbergen« (von ein Heer bergen), wo der ursprüngliche Sinn verwischt ist. An andern 
Stellen ist er wieder zu mild und nachsichtig, z. B. wenn er Befehlsformen auf e von 
starken Zeitwörtern nicht nur duldet, sondern selbst anwendet, wie S. 46: Komme! statt 
komm! Doch ist das Buch im übrigen brauchbar und wegen seiner zahlreichen Beispiele 
mit Vorteil zu verwenden. 

Eisenberg, S.-A. O. Weise. 


Iud. Grootaers, Het Dialect van Tongeren. Eene phonetisch -historische Studie. 
Lier u. Leipzig (Harrassowitz) 1910. 347 S. 

Angeregt durch die Arbeiten von Prof. Colinet über den Dialekt von Aalst und 
von Dr. Goemans über die Mundart von Löwen (Leuven) unternimmt es Grootaers, die 
Sprache des in Belgisch-Limburg gelegenen Tongern darzustellen. Er behandelt im 
ersten Teile die Lautlehre (bis S. 162) und im zweiten die Formenlehre, d. h. die Biegung 
des Nomens, Pronomeus und Verbums, sowie die Partikeln (bis S. 262). In der Ein- 
leitung werden die Besonderheiten des Tongrischen, die Abweichungen von den übrigen 
niederfränkischen Mundarten dargetan, am Schlusse Texte in großer Zahl geboten. Ein 
genaues Wortverzeichnis erleichtert die Benutzung. 


! Vgl. meine Musterbeispiele zur deutschen Stillehre, 4. Aufl. Nr. 57 und Wust- 
mann, Allerhand Sprachdummheiten, 4, Aufl. S. 242. 


92 Bücherbesprechungen. 


Das Buch macht nicht bloB äuBerlich wegen seiner vorzüglichen Ausstattung einen 
guten Eindruck, sondern hat auch einen wertvollen Inhalt. Jedenfalls erweist es sich 
als gründlich und zuverlässig. Der Dialektforscher findet darin eine Menge lehrreichen 
Stoffes und reiche Gelegenheit zu Vergleichungen mit anderen, namentlich niederdeutschen 
Mundarten. So erfährt man auf S. 237, daß im Tongrischen die Zeitwörter mit dem 
Ablaut :e im Präteritum vielfach nach Analogie von Verben mit u (mhd. uo) abgewandelt 
werden, z. B. blies nach trug, daß daher Formen bestehen wie huut, hieß, huul, hielt, 
ruul, fiel. ruup, rief, sluup, schlief, luut, ließ, luup, lief, stuut, stieß, kung, hing. 
gung, ging u. a., genau so wie in vielen mittel- und niederdeutschen Mundarten (vgl. 
die Literatur in meiner Schrift »Unsere Mundarten, ihr Werden und ihr Wesen«, Leipzig 
1910, S. 65f.); so hört man ferner S. 202, daß dort das Relativrum zwar in der Form 
de (der) vorhanden ist, aber selten gebraucht und gewöhnlich durch wo ersetzt wird, genau 
so wie im südwestlichen Deutschland, teilweise auch im Bayrischen und Ostfränkischen 
(vgl. meine oben genannte Schrift S. 225). 

Beachtenswert erscheinen im Tongrischen die außerordentlich zahlreichen Ab- 
weichungen im Geschlechte der Hauptwörter (S. 163— 167) sowie der Gebrauch schwacher ` 
Präterita bei Stämmen, die auf eine Spirans oder eine Liquida endigen, neben starken, 
z. B. ich gooft neben ich goor, ich gab, was erst neueren Ursprungs zu sein scheint, 
da ältere Leute noch an den ?-losen Bildungen festhalten (vgl. S. 226f.). Merkwürdig 
sind auch Doppelformen wie ze snaj d of und ze snajen ed of, sie schneiden es ab, 
wo der Verfasser euphonisches n annimmt (S. 210). 

Auszusetzen ist an dem Buche zunächst die Kürze der Wortbildungslehre, die auf 
einer einzigen Seite (S. 263) abgetan wird, und der Mangel einer Syntax: sodann die 
gänzliche Nichtbeachtung der deutschen Mundarten, namentlich der niederdeutschen, die 
wegen ihrer großen Ähnlichkeit viel brauchbaren Stoff zu Parallelen geboten haben würden. 
Ab und zu vermißt man auch Gleichmäßigkeit in der Behandlung; z. B. wird die oben 
erwähnte Erscheinung des Übergangs von Präteritis in die schwache Biegung bei der 
ersten Hervorhebung S. 116 nur als Eigentümlichkeit der spirantischen Stämme bezeichnet. 
bei der zweiten aber (S. 226) auch für die Liquidastäimme geltend gemacht, aber ohne 
daß ein Beispiel dafür angegeben wäre. 

Doch abgesehen von diesen Mängeln ist das Buch vortrefflich und bildet daher für 
Freunde niederfränkischer Mundarten ein empfehlenswertes Hilfsmittel. 

Eisenberg, S.-A. O. Weise. 


W. Schoof, Schwälmer Ansiedelungen und Ortsnamen. Sonderabdruck aus den 
hessischen Blättern für Volkskunde. VIII, 30 Seiten. 

Der Verfasser, der schon die Schwälmer Familien- und Hausnamen in der Zeit- 
schrift Hessenland (Jahrgang 1907 und 1908) behandelt hat, unternimmt es in diesem 
lehrreichen und fesselnden Aufsatze, die Ansiedelungen desselben Gebiets geschichtlich 
und etymologisch zu untersuchen. Dem Beispiele von Arnold folgend, gliedert er sie 
nach der Zeit ihrer Entstehung in drei Gruppen (Gründungen der Ürzeit. der fränkischen 
Zeit und der Zeit der letzten großen Rodungen im 9. bis 12. Jahrh.), nach ihrer Grund- 
bedeutung in solche, die von der örtlichen Lage, der Bodenbeschaffenheit, der Tierwelt 
usw. benannt sind, und in solche, die ihren Namen von Personen haben. Dabei legt er 
mit Recht großen Wert auf die heutigen mundartlichen Bezeichnungen!, weil sich in 
zweifelhaften Fällen oft aus ihnen allein die ursprüngliche Namensform erschließen läßt. 

So kann man das Wort Berfa nicht von Biberajfa (Bieberbach) ableiten wegen 
der offenen Aussprache des e, sondern muß es zu Bär stellen; ebensowenig gehört Hok- 
burg zu Holz wegen des offenen o, sondern vielmehr zu dem Personennamen Hadubald 
(Hadubaldisburg). Leimbach und Leimsfeld gehen trotz der Ahnlichkeit der Form auf 
verschiedene Wörter zurück, wie schon die volkstümliche Aussprache Leembach und 


ı Vgl. auch W. Schoofs Aufsatz in der Zeitschrift für d. Mundarten 1909, S. 369 
bis 372 über hessische Urtsnamen in mundartlicher Gestalt. 


Bücherbesprechungen. — Neue Bücher. 93 


Leingsfäld zu erkennen gibt. Jenes kommt von ahd. letmo, as. lêmo, lutum, dieses von 
einer Kurzform des Namens Lindmunt. Auch Dittershausen, mundartlich Diderschhouse, 
hat mit Dietrich nichts zu schaffen, weil es sonst Dirichsbausen heißen müßte, sondern 
es leitet sich ab von Diethart. 

Durch die Untersuchung erhalten wir ferner mehrfach Aufschlüsse über die Zeit, 
in der sich bestimmte lautliche Wandelungen vollziehen. Wenn z. B. die Ortschaften 
Wiederode, Lindenbach und Gundelshausen im 14. bis 16. Jahrhundert urkundlich noch 
mit nd geschrieben werden, Ende des 17. Jahrh. aber mit ng (z. B. Gungelshausen), so 
ist erwiesen, daß der Lautübergang von nd in ng vor dem 18. Jahrh. erfolgt ist, und 
wenn Ortsnamen wie Zell im 16. Jahrh. ihr schließendes e noch haben (1555 Celle), so 
dürfte es erst im 17. Jahrh. geschwunden sein. 

Anderseıts hat sich mehrfach die alte Biegungsform noch erhalten, z. B. in den 
volkstümlichen Bezeichnungen Obernaule und Nerengrendsebach, die urkundlich lauten 
ze der obirn Ouwele und ze der nydirn Grinzinbache. Ebenso lassen sich aus der 
Betrachtung der Ortsnamen zahlreiche Personennamen feststellen, die einstmals in Hessen 
üblich waren, aber jetzt nicht mehr in Gebrauch sind. 

In den weitaus meisten Fällen wird man mit den vorgetragenen Ansichten einver- 
standen sein; nur selten regt sich der Zweifel, z. B. bei der Annahme, daß die Orts- 
bezeichnung Wira keltischen Ursprungs sei. Dagegen spricht schon der Umstand, daß 
sich derselbe Name als Fluß- und Ortsbenennung (Ober- und Niederwiera) im Alten- 
burgischen wiederfindet, also in einer Gegend, wo niemals Kelten seßhaft gewesen sind. 

Sonach kann die Lektüre der vortrefflichen Abhandlung allen denen empfohlen 
werden, die sich mit Ortsnamenforschung beschäftigen oder Interesse dafür haben. 

Eisenberg, S.-A. O. Weise. 


Neue Bücher. 

Bir6, Ludwig Anian, Lautlehre der heanzischen Mundart von Neckenmarkt. 
Leipzig, Seele € Co., 1910. 112 S. 

Diederichs, August, Beitrag zu einem Wörterbuch der Remscheider Mundart. 
Remscheid, H. Krumm, 1910. 

Engelmann, René, Der Vokalismus der Viandener Mundart. Diekirch, J. Schroell, 
1910. 458. Preis 2 Mk. 

Fischer, Hermann, Schwäbisches Wörterbuch. 31. Lief. (Hausgesäße — herab). 
Tübingen, H. Laupp, 1910. Preis 3 Mk. 

Friedli, Emanuel, Bärndütsch als Spiegel bernischen Volkstums. 3. Band: 
Guggisberg. 1. Lief. (S. 1—48.) Bern, A. Francke, 1911. Preis 1,20 Fr. (Nach der 
Ankündigung des Verlags wird der ganze Band noch vor Weihnachten 1910 vollendet 
vorliegen und geheftet 12 Fr., geb. 14 Fr. kosten. Eine Besprechung des 3. Bandes 
wird nach Abschluß desselben in dieser Zeitschrift erscheinen. Gleichwohl sei schon 
jetzt empfehlend auf diesen 3. Teil des vortrefflichen Werkes hingewiesen, dessen 
beide ersten Bände im Jahrg. 1907 S.88f. und 1909 S. 93 von O. Meisinger sehr 
günstig beurteilt worden sind. — Za 

Hill, Karl Heinz, Pastille gege Grille. Hesse-Nassauer Geschichtercher un Ge- 
dichtercher. Darmstadt, H. L. Schlapp, 1910. Preis 2 Mk. 

Jihann Aadulf un sien Lüd, In Geschichde ut de 30 jährige Krieg von W. H. Dresden 
und Leipzig, E. Pierson, 1910. 166 S. 2,50 Mk., geb. 3,50 Mk. 

Kaiser, Albert, Lautlehre der Mundart von Todtmoos-Schwarzenbach (Hoch- 
alemannisch). Bonn, Carl Georgi, 1910. 46 $. 

Kutzsche, Max, Übungen im richtigen und gefälligen Gedankenausdruck. 
Leipzig, Otto Wigand, 1910. 176 S. 

Sehulz, Hans, Deutsches Fremdwörterbuch. 1. Lieferung: A — Batterie. Straß- 
burg, K. J. Trübner, 1910. 80 S. Preis 1,50 Mk. 


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ben hingew iesen. 





Zeitschriftenschau. 95 


Hessische Blätter für Volkskunde. 1910. 9. Bd. 
Max Höfler, Der Kobl (S. 161—190). 
Wilh. Lindenstruth, Die Ortsnamen Bramaren und Beuern (8. 195 —198). 
Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. Jahrg. 1910. Band 36. 
Mit einer Heliogravüre und zwei Autotypien. 

W. Seelmann, Pomuchelskopp in Reuters Stromtid, sein literarisches Urbild und 
sein lebendes Vorbild (mit zwei Bildnissen). Die Landtagsszenen in Reuters 
Stromtid. Onkel Bräsig. Der Stavenhagener Reformverein. Das Goliath-Lied 
des berühmten Dichters. Zur hochdeutschen Urgestalt von Reuters Stromtid. Aus 
mecklenburgischen Einwohnerlisten von 1819. Der Knecht Friedrich in Reuters 
Franzosentid und Fiken Besserdich. Nachbarreime. Zu den Memoiren eines 
Fliegenschimmels. Von Fritz Reuters Vaters. (S. 1—80). 

H. Deiter, Niederdeutsche Gedichte aus den Hannoversch - Braunschweigischen Landen 
(S. 81—122). 

O. Heinertx, Tiodute (S. 123 —131). 

Joh. Bolte, Die Jagd auf den toten Rochen (S. 132 —134). 

K. Wehrhan, Sprichwörter und Redensarten aus Lippe (S. 135 —143). 

M. Schneiderwirth, Mitteluiederdeutsche Postille vom Jahre 1468 (S. 143 —146). 

R. Block, Nachtrag zum Idiotikon vou Eilsdorf (S. 146 —148). 

Edward Schröder, Ausführliche Besprechung von Agathe Lasch, Geschichte der 
Schriftsprache in Berlin bis zur Mitte des 16. Jahrh. (S. 151—154). 

O. Günther, Ausführliche Besprechung von E. Kück, Das alte Bauernleben der Lüne- 
burger Heide (S. 154 — 156). 

Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. Jahrg. 1910. 
Heft XXXI. Nr. 3. 

P. Eickhoff, Tecklenburg = Signalburg (8. 25 — 27). 

C. Wallher, Die Sorlinge oder Sorlings (8. 27— 28). 

P. Feit, Hochbeende jaren (S. 28 — 30). 

O. Weise, Nickköppen und Verwandtes. Kateiker = Eichkatze und Verwandtes (S. 30 
bis 33; vgl. hierzu noch elsäss. Heimmichel »Grille« — ahd. mûhheimo). 

C. Walther, Verlater (S. 37£.). 

— Niederdeutsche Adjektive auf -ern (S. 38 f.). 

P. Feit, Besprechung von A. Brunk, Osnabrücker Rätselbüchlein (S. 40). 

Außerdem zahlreiche kleinere Beiträge. 

Korrespondenzblatt des Vereins für siebenbürgische Landeskunde. 33. Jahrg. 

G. Kisch, Zur Wortforschung. 1. Altgriech. Ortsnamen in Siebenbürgen. 2. Alt- 
germanische Elemente im Rumänischen. 3. Grendel. 4. Petersdorf? 5. Ripa. 
6. Nhd. sp-, st-, sch- < lat. (ex)p-, (ex)t-, (ex)e (S. 101—113). 

H. Urtel, Ausführl. Besprechung von R. Huß, Vergleichende Lautlehre des Sieben - 
bürgisch - Moselfränkisch - Ripuarischen mit den moselfranzösischen und wallonischen 
Mundarten (S. 116—118). 

A. Scheiner, Moselfránkisch und Siebenbúrgisch -Sáchsisch (8. 125 —135). 

— Ausführl. Besprechung von Rene Engelmann, Der Vokalismus der Viandener 
Mundart (S. 139 —142). 

R. Huf, Entgegnung auf H. Urtels Besprechung (S. 142 —1486). 

Mitteilungen und Umfragen zur Bayerischen Volkskunde, 1910. Neue Folge. Nr. 22 
und 23, 
H. Clauß, Ein altes Zauberbüchlein (S. 169 — 182). 
Oberfränkische Bezeichnungen für Menschen, Sachen, Schimpfworte (S. 182 —183). 
Národopisný Věstník. Prag. 1910. (Mehrere Hefte.) 
Rassegne varie. Herausgegeben von Prof. Baragiola. August/September 1910. Nr. 3. 
Riva S. Vitale. 

A. Baragiola, La casa villereccia di Timau (S. 79—94). [Enthält manches Mund- 

artliche.] 


96 Zeitschriftenschau. 


Schweizerisches Archiv für Volkskunde. XIV. Jahrg. Heft 3. 
Hanns Bächtold, Sagen von Untersee und aus dem Hegau (S. 177—191). 
R. Brandstetter und E. Hoffmann- Krayer, Cysatiana (S. 198 — 246). 
J, Meier, Gaunersprachliches: 1. Storger. 2. Die Basler Betrúgnisse der Gylor 
(S. 246 — 247). 
E. Hoffmann-Krayer, Ein Badschenkengedicht aus der Wende des XV. Jahrhunderts 
(S. 247 — 250). 
Unser Egerland. XIV. Jahrg. 1910. Heft X—XII. 
A. John, Müller und Mühle in der deutschen Volksdichtung (8. 106 —109). 
J. Kirchberger, Beiträge zur Egerländer Wortforschung (8. 111—113). 
A. John, Josef Czerny und seine Bedeutung für das Egerländer Volkslied (S. 125—127). 
Volkskunst und Volkskunde (München). Jahrgang 8 1910. Heft 9 u. 10. 
G. Stölzle, Volkstümliche Überlieferungen und Gebräuche in Adelshausen (S. 99—104, 
S. 113 —115). 
A.Vierling, Hausinschriften im oberen Isartal (S. 110 u. S. 122). 
Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprach- 
vereins. 5. Reihe. Heft 32. 
O. Brenner, Verblaßte Sprachmittel (S. 42 f.). 
B. Maydorn, Über den Wechsel des Geschlechts bei der Eindeutschung fremder 
Wörter (S. 55 — 59). 
K. Scheffler, Die adjektivischen Bildungen auf -er (S. 59 — 63). 
O. Schrader, Neuhochdeutsch Wirt (hospes) (S. 63 — 66). 
A. Tesch, Friedrich Ludwig Jahns Kampf für die deutsche Sprache (S. 66 — 70). 
Württembergische Jahrbücher für Statistik und Landeskunde. Jahrgang 1909. 
Darin: Mitteilung über volkstümliche Überlieferungen in Württemberg, Nr. 4 Sitte 
und Brauch bei Geburt, Taufe und in der Kindheit von Pfarrer H. Höhn in Onolz- 
heim (S. 256 — 279). 
Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins. 25. Jahrg. 1910. 
Herm. Dunger, Unser Voraamenverzeichnis (S. 342 — 345). 
Zeitschrift des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde. 7. Jahrg. 1910. 
3. Heft: 
Heinz Pesch, Geschichte der Bopparder Nachbarschaften und ihrer Kirmesfeiern 
(S. 161—193). 
Paul Sartori, Zur Volkskunde des Regierungsbezirks Minden (S. 193 —199). 
K. Lohmeyer, Kulturkundlich interessante Kinderlieder und -spiele der Saargegend 
und des Fürstentums Birkenfeld (S. 199 — 221). 
Fr. Schön, Sprachlich Interessantes aus dem Kinderliede der Saarbrückener Gegend 
(S 222). ’ 
K. Wehrhan, Zeppelinreime (S 222 — 225). 
O. Stückrath, Áltere westfálische Kinderreime und Kinderspiele (S. 225 — 227). 
Zeitschrift des Vereins für Volkskunde. Begründet von Karl Weinhold. Herausgegeben 
von Joh. Bolte. 20. Jahrgang. Heft 4. 1910. 
Joh. Bolte, Die Sage von den erweckten Scheintoten (S. 353 — 381). 
Heinr. Carstens y, Volksglauben u. Volksmeinungen aus Schlesw. - Holst. (S.382—-387). 
O. Menghin, Ein Weihnachtszeltenspiel aus Tirol (S. 387 — 394). 
O. Hertig, Karfreitagsglocken und damit Zusammrnhángendes (S. 398). 
K. Luhmeyer, Der Pfingstquak in der Saargegend (8. 399). 
Register (5. 451 - 456). 
Inhaltsverzeichois zu Bd. 1—XX (1891—1910) nach den Mitarbeitern geordnet 
(S 457—480)). 
Zeitschrift für österreichische Volkskunde. XVI. Jahrgang. 1910. 4.—5. Heft. 
K. Adrian. Drischleg- und Holzknechtspiele aus dem Salzburgischen (S. 129 —145). 
J. Haudeck, Ein Beitrag zum Ansingeliede in Deutschböhmen (8. 174—184). 


Lautlehre der rheinfränkischen Mundart der 
Sprachinsel Verbász in Súdungarn. 


Von Heinrich F. Sehmidt. 


Einleitung. 

Der nach dem Orient strebende Reisende, der auf seinem Wege 
die Bahn von Budapest — Belgrad benützt, durchquert die zwischen der 
Donau und Theiß liegende Tiefebene, er kommt an manchem originellen 
ungarischen Dorfe und Weiler vorbei, und erreicht von Budapest nach 
dreistündiger Fahrt die wohlbevölkerte und wohlhabende Bauernstadt 
Szabadka. Südlich von ihr ändert sich das Bild der Landschaft. Die 
(regend wird sichtbar fruchtbarer, die vielen üppigen Bäume und be- 
sonders die an den Landstraßen und Gütergrenzen sich langhinziehenden 
Baumreihen geben ihr ein freundlicheres Gepräge. Eine Eisenbahnstunde, 
und das Geleise durchschneidet die mäßigen Höhen der Telecskaer Hügel- 
kette. Nun öffnet sich der Blick. Wir fahren über die Eisenbahnbrücke 
des mit Rohr und Schilf berahmten schmalen Franzenskanals. Rechts 
sehen wir die nun schon hundert Jahre alte, schöne Schleuse, welche 
das einige Meter höher liegende nördliche Bett des Kanals von dem 
niedrigeren, südlichen trennt, links sehen wir gerade durch die breite, 
hübsche Hauptgasse einer netten, reinlichen Ortschaft. Die Bahnstrecke 
macht eine Wendung, und wir fahren nach dem Verlassen des Bahnhofs 
eine gute Strecke neben dem großen, freundlichen Orte mit seinen frucht- 
baren Gärten, weiß getünchten Häusern, mit seinen vielen Kirchtürmen 
entlang. Dies sind die beiden dicht aneinandergrenzenden Nachbarorte 
Neu- und Alt-Verbäsz (ma. neivervas, altvervas, ung. Ujverbäsz, Överbäsz). 
Von dem überwiegenden Teile ihrer Bevölkerung, von den Nachkommen 
der Deutschen, die sich hier vor 125 Jahren angesiedelt haben, haupt- 
sächlich von ihrer Sprache soll im folgenden die Rede sein. 

Fällt dem Fremden das in dieser Gegend vielleicht nicht erwartete 
Äußere, die Tracht der Einwohner auf, und erkundigt er sich nach ihrer 
völkischen Zugehörigkeit, so wird er die Antwort erhalten: hier wohnen 
»Schwaben«. Auch gelehrte Leute haben sich mit dieser Antwort zufrieden 
gegeben. Wir dürfen aber nicht vergessen, daß in Osteuropa die Deutschen 
im allgemeinen mit dem Sammelnamen »Schwaben« bezeichnet werden, 
und somit aus dieser Benennung nicht gefolgert werden darf, daß damit 

Zeitschrift für Deutsche Mundarten. VI. 7 


98 Heinrich F. Schmidt. 


bewußt gesagt sei, die betreffende Bevölkerung spreche eine schwäbische 
Mundart. Von sämtlichen bisher wissenschaftlich untersuchten deutschen 
Sprachinseln Ungarns ist es nur von den im nö. Teile Ungarns, im 
Szatmärer Komitat wohnenden Deutschen bewiesen, daß ihre Sprache zu 
dem schwäbischen Dialekt gehört.! Über die sprachliche Zugehörigkeit 
der in Südungarn, im Temeser, Torontaler, Bäcs-Bodroger, Tolnaer und 
Baranyaer Komitat wohnenden Deutschen, und ihren verwahrlosten Ab- 
legern in Slavonien, Kroatien und Bosnien war man — mit spärlichen 
Ausnahmen — im allgemeinen im unklaren, bis ich in meiner, auch 
dieser Arbeit zugrunde liegenden Abhandlung über die Verbászer Mundart? 
feststellen konnte, daß in sämtlichen Mittelbacskaer Sprachinseln die rhein- 
fränkische Mundart gesprochen wird. 

Seitdem ist mit fleißiger Arbeit, für deren Leitung und Förderung 
die Wissenschaft Herrn Universitätsprofessor Dr. Gideon Petz in Budapest 
zu lebhaftestem Danke verpflichtet ist, für eine Reihe von Sprachinseln 
in dem erwähnten Gebiet ähnliche Herkunft und ähnliche sprachliche Zu- 
gehörigkeit nachgewiesen worden. 

Zu dem slavischen Ort Verbäsz (die Einwohner mögen hauptsächlich 
Serben griechisch-nichtunierter Konfession gewesen sein) wurde 1785 
eine neue, regelmäßig angelegte Ortschaft hinzugebaut und mit aus Süd- 
westdeutschland stammenden Reichsdeutschen angesiedelt. 

Über die Geschichte der Ansiedelungen im Bäcser Komitat unter- 
richtet uns der Zeitgenosse und Augenzeuge Johann Eimann, Notar zu 
Neu-Szivac, in seinem 1820 in Kula erschienenen Büchlein: »Der deutsche 
Kolonist oder die deutsche Ansiedlung unter Kaiser Josef dem Zweiten 
in den Jahren 1783 bis 1787 im Bácser Comitat<.3 Der aus Duchrot 
bei Kreuznach stammende Verfasser erzählt uns, wie in dem seit den 
Türkenzügen nur spärlich bevölkerten südlichen Teil der Tiefebene 
zwischen der Donau und Theiß zur Zeit Kaiser Josefs II. neun deutsch- 
protestantische Ortschaften gegründet und angesiedelt wurden. (Alle 
früher unter Karl III. und Maria Theresia angesiedelten deutschen Ort- 
schaften des Bäcser Komitats sind katholisch.) Die protestantischen An- 
siedler wurden hauptsächlich »aus dem Oberrheinischen Kreis, nämlich 
aus der Pfalz, Zweibrücken, Hessen und bei Frankfurt herum< an- 
geworben. Jede Familie erhielt ein Haus, jeder Bauersmann eine Viertel - 
oder eine halbe Session Feld (eine Viertel-Session besteht durchschnitt- 


1 Vonház István: A szatmármegyei német nyelvjárás hangtana. (Stefan Vonhaz: 
Lautlehre der deutschen Mundart des Szatmárer Komitats.) Budapest 1908. 

2 A verbászi német nyelvjárás. (Die Verbászer deutsche Mundart.) Egyetemes 
Philologiai Kózlóny 1899. Eine Flexionslehre der Mundart hat Michael Lindenschmidt 
geschrieben: A verbászi német nyelvjárás alaktana (= Flexionslehre der Verbäszer deut- 
schen Mundart). Budapest 1908. Die Reste des Genitivs in der Verb. Ma. hat Friedrich Theiß 
zusammengestellt in der ung. Zeitschrift »>Nyelvtudomány« Bd. II. 

® Vgl. Daniel Häberle: Auswanderung und Koloniegründungen der Pfälzer im 
18. Jahrhundert. Kaiserslautern 1909. (8. 162 weitere Literatur über die Geschichte der 
deutschen Ansiedlungen in Südungarn.) 


Lautlebre der rheinfränkischen Mundart von Verbász in Südungarn. 09 


lich aus 12 »Joch«, ein Joch hat 1600 Quadratklafter), Zugvieh und alle 
zum Haushalt nötigen Hausgerätschaften, die Gewerbetreibenden anstatt 
Feld und Vieh 50 Gulden in bar zur Anschaffung ihrer Werkzeuge. Für 
Schule und Kirche wurde ebenfalls gesorgt. 

Ausführlicher wird dann die Entstehung und Geschichte der Ort- 
schaft Szivac behandelt. Über die Sprache der Szivacer Ansiedler 
schreibt Eimann: »Durch den Zusammenfluß dieser Reichsglieder aus ver- 
schiedenen Gegenden entstand ein lächerlicher Mischmasch in der Sprache. 
Die Hessen, deren Sprache sich dem Plattdeutschen nähert, waren am 
schwersten zu verstehen, minder war dieses der Fall bei denen Nassau- 
Saarbrückern und Hundsrückern, wie auch bei denen Braunfelsern. Die 
Sprache zwischen Mosel und Rhein, wie die Pfälzer solche sprechen, be- 
hielt dahier den Sieg und wird solche in allen Evangelischen Kolonikal- 
Dörfern gleichförmig geredet«. 

Über die Kleidertracht bemerkt er: »Die Verschiedenheit in der- 
selben war auch lächerlich. Die Manusbilder hatten durchgänglich drey- 
eckigte spitzaufgestülpte Hüte, lange tüchene und auch leinene Röcke, 
meistens kurze lederne Hosen, Strümpfe von verschiedenen Farben, und 
dann Schuhe mit Schnallen. Die Weibsbilder hatten wiederum ver- 
schiedenartig geformte Hauben, wunderbare Röckel, Küttel von Tuch 
und allerhand Zeug, welche auf einer dicken Wulst oder Wurst um die 
Hüften herumhingen und darnebst ziemlich kurz waren; dann Schürze, 
allerhand farbige Strümpfe und hochbeabsatzte Schnallenschuhe. Viele 
Jahre verstrichen, bis sich diese alten Moden ausarteten. Jetzt ist die 
Kleidertracht beim männlichen und weiblichen Geschlecht für Bauers- 
leute sehr geschmackvoll, und die schöngeformte Pfältzerhaube ist eine 
wahre Zierde der Weiber in denen Evangelischen Ortschaften«. 

Als Anhang des wertvollen Büchleins fügt Eimann eine Liste der 
Szivacer Einwohner bei. 135 Familienväter sind verzeichnet, Ort und 
Land ihrer Herkunft, die Seelenzahl ihrer Familie ist genau angegeben. 
Der weitgrößte Teil der Szivacer war evangelisch-reformierter Konfession: 
von 475 gehörten 437 zur reformierten, 33 zur lutherischen Kirche, 5 
waren katholisch. 

Leider sind wir über die Herkunft der Verbäszer Ansiedler nicht 
so genau unterrichtet. Der Ort wurde in vier (Gassen angelegt (Haupt- 
gasse, Kaffeegasse, Haferreihe, Kleinhäuslergasse) und hatte ursprünglich 
310 Hausnummern. 1820 sollen 1982 Evangelische, 627 Reformierte, 
56 Katholiken und 14 Juden im Dorfe ansässig gewesen sein. Da sich 
die Zahl der Einwohner in Szivac von 1786 bis 1820 dreifach vermehrte 
und andererseits die Familien der Ansiedler durchschnittlich aus 3 bis 
4 Seelen bestanden, kann geschlossen werden, daß in Verbäsz ursprüng- 
lich 800 bis 1000 Reichsdeutsche angesiedelt wurden. In den Kirchen- 
büchern, hauptsächlich in den Todesmatrikeln der evangelischen und 
reformierten Kirchengemeinden finden sich die Notizen der Geistlichen, 
aus welchen wir — mit selbstloser Beihilfe des Herrn Gymnasialpro- 

7% 


100 Heinrich F. Schmidt. 


fessors Friedrich Theiß — das folgende, leider nicht vollständige Ver- 
zeichnis der Herkunftsorte zusammenstellen konnten: aus französischem 
Gebiet kamen 2, darunter 1 aus Saargemünd; aus Elsaß kam je ein 
Mann aus Lohr, Langensulzbach, Pfaffenbrunn, je eine Frau aus Ober- 
bronn und Mühlhausen. Nassau-Saarbrücken ist vertreten durch die 
Orte: Lorenzen, Güdingen, Bischmisheim (4 Seelen), St. Johann, Bur- 
bach (4), Neunkirchen (2), Dudweiler (3), Wellesweiler, Ottweiler (9), 
Hirzweiler (2), Werschweiler, Saarbrücken (4); bei 8 Männern und 1 Frau 
ist nur angegeben, daß sie aus der Grafschaft Nassau-Saarbrücken kamen. 
Viele stammen aus dem Fürstentum Pfalz-Zweibrücken, und zwar aus: 
Zweibrücken (13), Contwig, Battweiler, Einöd (2), Hornbach, Neu-Hor- 
bach, Mauschbach, Klein-Steinhausen, Baumholder (3), Altenglan (2), 
Eßweiler (3), Horschbach (2), Beerweiler b. Löllbach, Jeckenbach (3); 
nicht viel weniger kamen aus der Kurpfalz, und zwar aus: Neustadt a. H., 
Neukirchen (3), Heiligenmoschel, Rockenhausen (2), Grünstadt, Mann- 
weiler (3), Alsenz, Münsterappel, Fürfeld, Duchrot (3), Oberhausen an 
der Nahe (2), Sobernheim (2), Planig (5), Kreuznach (2), Heddesheim, 
Oppenheim. Aus der Grafschaft Sickingen kam 1, aus der Grafschaft 
Grundbach 4 (1 aus Lückenburg, 1 aus Gillert), aus der Herrschaft 
Troneck 7, aus der Grafschaft Veldenz 2 (1 aus Dusemond); aus Baden- 
Durlach kamen 4 (je 1 Mann aus Reichenbach, Rintheim, Windenreuthe, 
1 Frau aus Birkenfeld. Wieder mehr aus Hessen-Hanau: Hanau (6), 
Dudenhofen (6), Harreshausen (4), Babenhausen, Breitenborn (4), Langen- 
stadt (3), Schaafheim (3); weniger aus Württemberg (11), wo jedoch 
nur die Orte Stuttgart, Enzweihingen, Knittlingen (2), Kaltenwesten, 
Münchingen erwähnt sind. 4 kamen aus der Eisensteinischen Herrschaft, 
4 aus der Grafschaft Solms-Braunfels (2 aus Ober-Wetz, 2 aus Ober- 
Quembach), 6 aus Nassau-Usingen (Westerfeld, Altweiler, Neuweiler, 
Brombach, Reichenbach, Laubach), 10 aus Nassau-Weilburg, 2 aus der 
Grafschaft Hagenburg, 4 aus dem Fürstentum Ansbach, 2 aus dem 
Fürstentum Baireuth, je 1 aus Niederland, Mecklenburg, Hannover, 7 
aus Sachsen, 6 aus verschiedenen Orten der Mark Brandenburg, aus 
Preußisch-Schlesien, Böhmen, Niederösterreich, 4 aus deutschen Orten 
Ungarns. 

Wir kennen hiermit den Geburtsort von 184 Männern und 37 Frauen. 
Es ist dies leider kaum der vierte Teil der Ansiedler. Die Aufzeich- 
nungen der Geistlichen hören mit denı zweiten Jahrzehnt des 19. Jahr- 
hunderts langsanı auf. Immerhin ist aus dieser Statistik ersichtlich, daß 
die Ansiedler in geschlosseneren Mengen aus dem südlichen und west- 
lichen Teile der heutigen Pfalz kanıen. Die Mittelpunkte des Auswan- 
derungsgebietes sind Zweibrücken, Kaiserslautern, Kreuznach, und rechts 
des Rheins Hanau. Sonst sind aber fast alle Provinzen der im 18. Jh. 
politisch so bunten mittleren Rheingegend vertreten, und die Nachricht 
der günstigen Ansiedlungsaussichten scheint aus allen Ecken Deutsch- 
lands Auswanderungslustige angelockt zu haben. 


Lautlebre der rheinfränkischen Mundart von Verbász in Südungarn. 101 


Ursprünglich wohnten also in Neuverbász nur Deutsche. Nach der 
Volkszählung des Jahres 1900 wohnen jetzt im Ort: 931 Ungarn, 5279 
Deutsche, 112 Ruthenen, 38 Slovaken, Kroaten und Serben. In dem, 
von Neuverbász nur durch eine Gasse getrennten Altverbász wurden 
1900 gezählt: 435 Ungarn, 2025 Deutsche, 15 Slovaken, 428 Ruthenen, 
1728 Serben. Nach Altverbász soll der erste Deutsche im Jahre 1817 
hinübergezogen sein. Die Ungarn, Ruthenen, Slovaken und Kroaten sind 
aus andern Orten der vielsprachigen Gegend beigewandert. Die Bevöl- 
kerung beider Ortschaften beschäftigt sich hauptsächlich mit Ackerbau, 
der kleinere Teil mit dem verschiedensten Handel und Kleingewerbe. 

An die Ansiedlung erinnert noch manche Anekdote und Erzählung, 
die aufgezeichnet werden sollten, bevor sie in Vergessenheit geraten. Aus 
der ereignisreichen Ortsgeschichte will ich hier nur einige Momente 
herausgreifen. Um das Jahr 1800 wurde der Franzenskanal gebaut. Er 
verbindet die Donau und Theiß. Durch diesen Kanal wurden viele Mo- 
räste und Grundwässer abgelassen, und dadurch die Gesundheitsverhält- 
nisse der Bevölkerung gehoben. 1809 wurde ein Progymnasium ge- 
gründet, das nach überaus wechselvollem Schicksal jetzt mit staatlicher 
Unterstützung von der Gemeinde erhalten und seit einigen Jahren zu 
einem achtklassigen Obergymnasium ausgebaut wird. Die schwerste Zeit 
für die Bevölkerung waren die Jahre 1848—49. Im Nachbarorte Szent- 
Tamäs hatten sich die wildesten serbischen Horden zusammengerottet und 
gut verschanzt. Sie raubten und plünderten, und wer in ihre Hände 
geriet, wurde zu Tode geschunden und gräßlich verstümmelt, oder gar 
verbrannt. Wenn der Schreckensruf erschallte: »ti% raatso khumoc, 
flüchtete sich das ganze Dorf auf Wägen und “Pferden in die nörd- 
licheren Täler und Schluchten der Telecska. Die furchtbaren Schrecken 
dieser Zeiten haben wohl manche ältere Erinnerung aus dem Gedächtnis 
der Einwohner verdrängt. 

Zu derselben Zeit, als Neuverbäsz gegründet wurde, wurden nicht 
nur im Bacser, sondern auch im Baranyaer, Tolnaer, Torontaler 
und Temeser Komitat viele Deutsche angesiedelt. Sprachlich unter- 
scheiden sich die protestantischen Ortschaften scharf von den katho- 
lischen. Wir wollen hier vorläufig nur die Mittelbacskaer protestan- 
tischen Orte ins Auge fassen. 1784 wurde Torzsa angesiedelt, 1785 
außer Neuverbäsz Cservenka, 1786 Kiskér, Szeghegy, Neu-Szivac, Sóvé, 
Bulkesz, 1787 Járek. Unablässig ergießt sich das Deutschtum nach allen 
Richtungen, seit einigen Jahrzehnten hauptsächlich nach Szirmien, Bosnien, 
Amerika; die Arbeiter, Handwerker und Gewerbetreibende ziehen nach 
Budapest und in die verschiedensten Städte des In- und Auslandes. 

Diese hier aufgezählten Orte, zu welchen wir noch die im Laufe des 
letzten Jahrhunderts teilweise eroberten Ókér, Kucora, Káty und Kovil- 
Szent-Iván zählen können, sind jene »evangelischen Kolonikal-Dörfer«, 
von welchen Eimann sagt, daß in diesen »die Sprache zwischen Mosel und 
Rhein, wie die Pfälzer solche sprechen, gleichförmig geredet« werde. 


102 Heinrich F. Schmidt. 


Wir wollen diese Ortschaften »die Mittelbacskaer rheinfränkischen 
Sprachinseln« nennen, um damit ihre relative Zusammengehörigkeit aus- 
zudrücken, und sie von den umliegenden katholischen deutschen Ge- 
meinden zu unterscheiden, deren Sprache bisher wissenschaftlich nicht 
untersucht ist. »Gleichförmig« darf die Sprache dieser Orte aber nur 
cum grano salis genannt werden. Soviel darf wohl gesagt werden, daß 
sich die Mittelbacskaer Rheinfranken unauffällig und ohne größere 
Schwierigkeit gegenseitig zu verständigen vermögen, und daß ihnen ihre 
relative sprachliche Einheit dem benachbarten katholischen Deutschtum 
gegenüber selbst zum Bewußtsein kommt. 

Es bestehen aber immerhin erhebliche Unterschiede nicht nur auf 
dem Gebiete der Phonetik, Lautlehre, und überhaupt der Grammatik, 
sondern noch viel auffallender im Wortschatze. Auch jedem Laien ist 
es bekannt, daß die Gurke in Verbász umark, in Sóvé kumr, die Wiege 
in Verbäsz «22, in Sóvé vaal, der Teig in Verbäsz taajk, in Sóvé teezm 
heißt, dal der Sóvéer tek sagt für oft und vieles ähnliche. Gewecktere Köpfe 
erkennen an dem Fremden mit leidlicher Sicherheit, in welchem Dorf 
er aufgewachsen ist, denn die Betonung und der Tonfall, ja sogar die 
Stimmhóhe und Tonlage verraten den Sprechenden, wenn er auch be- 
strebt ist, in der Lautbildung und Wortwahl dem Zuhórenden nach Mög- 
lichkeit Zugestándnisse zu machen. Allbekannte und beliebte Spóttereien 
und Witzeleien über die Sprache der Nachbardörfer beweisen, daß diese 
Verschiedenheiten bemerkt werden. 

Eine zusammenfassende und wissenschaftlicn genaue Übersicht über 
diese Sprachinseln wird hoffentlich nicht mehr lange auf sich warten 
lassen. 

Es erhebt sich nun die Frage: ist wenigstens die Sprache je einer 
Ortschaft einheitlich” Auch diese Frage muß verneint werden. Würde 
jemand einmal ähnliche Untersuchungen anstellen, wie sie z. B. in 
Louis Gauchats Schrift: L'unit6 phonétique dans le patois d'une com- 
mune (»Aus romanischen Sprachen und Literaturen«, Festgabe für Hein- 
rich Morf, Halle 1905) vorliegen, so würden wohl recht merkwürdige 
Beobachtungen gemacht werden können. Leider bin ich hierauf erst 
aufmerksam geworden, als ich keine Zeit mehr hatte, diesen Erschei- 
nungen wenigstens in meinem Geburtsort nachzugehen. Ich kann vor- 
läufig nur soviel bemerken, daß gewiß viele Familien die eine oder 
andere besondere Eigentümlichkeit bewahrt haben. Die älteren Leute 
mehr, die jüngeren weniger. Mhd. für entspricht in der Mundart all- 
gemein teer. Nur von meinem Großvater habe ich das Wort zu meiner 
Verwunderung niemals anders als mit © gehört: maxtitiirtsuu. Derlei 
individuelle Unterschiede, die sicherlich Reste der ursprünglichen sprach- 
lichen Buntheit sind, werden kaum mehr beachtet; sie verwischen sich 
mit jeder Generation mehr und mehr. Wie ich die Mundart spreche, 
wird sie im nördlichen Teil von Neuverbász (ma. scherzhaft 21m evrek = 
in der oberen Ecke, d. h. im nördlichen Teil der Ortschaft) gesprochen. — 


"e 


A 


l,autlehre der rheinfränkischen Mundart von Verbäsz in Südungarn. 103 


Ich habe den Versuch gemacht, unsere heutige Mundart mit dem 
Altfränkischen zu verknüpfen. Francks Altfränkische Grammatik ermög- 
licht dies jetzt. Was für Vorteile aus einem solchen Vorgehen ent- 
springen, wird sich im Laufe der Arbeit zeigen. Bei einem jeden Bei- 
spiel habe ich nachgesehen, ob es im Isidor oder bei Otfrid belegt ist. 
Fehlt der Beleg aus dem Altfrk., so bedeutet das eben soviel, daß das 
betreffende Wort in dem einen oder anderen, oder in beiden Sprach- 
denkmälern nicht vorkommt. Dann griff ich zu Schades Altdeutschem 
Wörterbuch. Bei Zeitwörtern habe ich jede nähere Bestimmung für 
überflüssig gehalten, bei Hauptwörtern bloß das Geschlecht angegeben. 
Ist ein Unterschied in der Bedeutung des heutigen Wortes und des alt- 
fränkischen, so folgt auf das ma. Beispiel gleich die nhd. Bedeutung, 
und erst dann die altfrk. Form des Wortes. 

Zwischen dem Altfränkischen und der heutigen Mundart ist freilich 
eine weite Kluft, die wohl niemals gänzlich ausgefüllt werden kann. Sie 
zu überbrücken, wird die Aufgabe einer Geschichte der rheinfränkischen 
Mundart sein. Immerhin schien es mir richtiger, die heutige Mundart 
aus dem Altfrk. herzuleiten und zu erklären, als sie mit dem Allgemein- 
mhd. zusammenzustellen, mit dem sie in vieler Hinsicht organisch nicht 
zusammenhängt. Nur bei der Behandlung der unbetonten Endsilben 
schien es übersichtlicher, vom Mhd. auszugehen, weil die altfrk. Voll- 
vokale der unbetonten Silben ohnedies zuerst zu e wurden. 

Und schlieBlich noch eine Frage: haben wir hier eine Mischmundart, 
oder hat eine einheitliche Mundart über alle anderen gesiegt? 

Da mir eine Störung der lautlichen Entwickelung nicht aufgefallen 
ist, die qualitativen Lautgesetze vielmehr auch hier eine erstaunliche 
Klarheit und Folgerichtigkeit zeigen, glaube ich, daß in unserem Dialekt 
ebenso, wie dies Emil Böhmer von der pfälzischen Kolonie am Nieder- 
rhein gezeigt hat, die Sprechweise einer Gegend die sehr verschiedenen 
Mundarten und Spracheigentümlichkeiten der kleineren Gruppen in den 
weit meisten Fällen unterdrückt und sich angegliedert hat. Die Folgen 
der Dialektmischung treten auch bei uns vor allem auf dem Gebiete des 
Wortschatzes zutage. Die Untersuchung dieser Frage ist auch eine der 
vielen wichtigen Aufgaben, die sich an die Erforschung dieser Kolonial- 
mundarten knüpfen. Nach vorläufiger Beobachtung kann gesagt werden, 
daß der Wortschatz auch unserer Kolonialmundarten wohl reicher, jeden- 
falls aber bunter ist als der der Urmundarten — offenbar eine Folge- 
erscheinung davon, daß auch das Leben der Kolonisten bewegter war 
und reicher an Mühe, Arbeit, Sorgen, doch auch an Erfahrungen und. 
wirtschaftlichen Erfolgen. 


104 Heinrich F. Schmidt. 


Beschreibung der Laute. 
1. Vokale. 


§ 1. Die Mundart bietet folgende Vokale: 2 di e ec e ee 2 a qa 
o 00 u uw. | 

Diphthonge: ei au aaj. 

Außerdem kann jeder lange Vokal (mit Ausnahme des offenen ec, 
da dies nur in der Verneinungspartikel ee-j00 = »o nein«, »keineswegs« 
und inlautend vor r vorkommt) und die Diphthonge ez und au mit ə zu 
einem Diphthongen, beziehungsweise Triphthongen verbunden werden. 

Ein Diphthong wu: kommt in dem Wort zue (ruhig) einmal vor. 


$2. 2 ü. Bei der Bildung des © (von der Ruhelage aus) wird die 
Oberlippe ganz wenig gehoben, die Unterlippe so weit heruntergezogen, 
daß ein mäßiger Spalt entsteht, der von der unteren Zahnreihe etwas 
mehr als von der oberen sehen läßt. Die obere Zahnreihe ist etwas mehr 
vor die untere geschoben als in der Ruhelage. 

Die Zunge berührt die unteren und die Ecken der zwei oberen 
seitlichen Schneidezähne und schiebt sich beim langen : rechts und 
links ganz wenig über die unteren Eckzähne und vorderen Backenzähne. 

Der hintere Teil der Zunge wird nach vorn gedrückt, der vordere 
Teil des Zungenrückens ist stark gehoben; bei dem gespannteren 1 etwas 
mehr, als bei dem schlafferen 2. 

Die Seiten der Zunge heben sich, so daß zwischen dieser und den 
oberen Alveolen eine spaltförmige Öffnung entsteht. 


$ 3. e ee. Bilde ich nach dem ¿j das geschlossene e der Ma., so 
wird die Lippenöffnung vergrößert; die Zunge senkt sich, und die auch 
beim č vorhandene Grube im vorderen Teil der Zunge wird flacher und 
breiter. Der hintere Teil der Zunge, der bei dem fast senkrecht nach 
oben geht, ist dem weichen Gaumen etwas näher; bei dem ee wird jedoch 
der ganze Zungenrücken wieder etwas in die Höhe gespannt. 


S 4. e ee. e kommt nur in den Wärtern Ze, ne (= da hast du, Ae 
auch Lockruf an Pferde und Fohlen), e (Ausdruck des Unwillens und 
der Abscheu), und vor » vor. Bei ihrer Bildung nimmt das Ansatzrohr 
eine ganz andere Gestalt an wie bei e. Zäpfchen und Gaumensegel sind 
weniger gehoben; der Zungenrücken senkt sich und wird nach hinten 
gezogen, derart, daß die Zungenspitze bei der Bildung des auf e fol- 
genden r nur noch in die Höhe geschlagen wird. Der Unterschied in 
der Spannung des kurzen und langen ç ist nicht so groß, wie bei dem 
geschlossenen e und ee; auch wird die Zunge durch die Spannung nicht 
gehoben wie bei ee, sondern im Gegenteil ein wenig gesenkt. 


§ 5. 2. ə kann nur in schwach betonter Silbe vorkommen. Gaumen- 
segel und Zäpfchen sind schlaff. Der Zungenrücken wird (mit der Ruhe- 
lage verglichen) ganz wenig heruntergezogen. Kommt ə im Auslaut vor, 
so wird die Vorderzunge in die Stellung der Ruhelage geschoben; nach 


Lautlehre der rheinfränkischen Mundart von Verbász in Südungarn. 105 


oo uu werden die Lippen entrundet, die Zahnreihen etwas geschlossen: 
nach ee 22 ist eine schließende Bewegung der Lippen bemerkbar, während 
nach aa l n r ; k Zahnreihen und Lippen in ihrer Lage bleiben. Durch 
den Kehlkopf wird nur ebensoviel Luft hindurchgedrückt, als zur Bildung 
des Lautes noch notwendig ist, dann schließen sich die Stimmbänder mit 
leisem Absatz. Kommt 2 im Inlaut vor, so wird der Laut während des 
Überganges von einem Konsonanten auf den anderen auf die Weise her- 
vorgebracht, daß sich die Zunge gegen die Ruhelage bewegt; sage ich 
zum Beispiel nararintoo (= nur herein da!), so wird das r bloß dadurch 
unterbrochen, daß das Zungenblatt einmal tiefer hinuntergeschlagen wird, 
und in dieser Unterbrechung wird das > hörbar; in losnaloos (= laß 
ihn los!) wird der Verschluß so weit geöffnet, daß der Luftstrom hin- 
durch kann, dann schlägt die Zungenspitze sofort wieder zum harten 
Gaumen hinauf. 


Sp Mita bezeichne ich einen Laut, bei dessen Bildung die Zunge 
nicht nur zurückgezogen, sondern auch auf beiden Seiten zusammen- 
gedrückt wird und nun gleichmäßig in unterer Stellung im Munde liegt. 
Die Oberlippe bleibt zwar bei der Bildung aus der Ruhelage unbeweg- 
lich, trotzdem haben wir hier vertikale Rundung; denn die Unterlippe 
ist der Oberlippe näher, als bei der Bildung des 2. Dagegen ist der 
Kieferwinkel, die Entfernung der Zahnreihen voneinander, größer als 
bei Bei der Bildung des a nach / müssen daher die Zahnreihen von- 
einander entfernt, die Lippen aber einander genähert werden. Bei 
dem aa, das etwas tiefer klingt, wird die Zunge gespannter und etwas 
gehoben. 

S 7. Bei o und « werden die Lippen ebenfalls nicht vorgestülpt, 
sondern nur einander genähert; die Lippenöffnung bleibt spaltförmig. 
Die Artikulationsstelle ist hinten am weichen Gaumen. 


$ 8. au ist ein gedehnter Gleitlaut, der mit einem offenen a-Laut 
beginnt (die Zunge liegt weiter vorn, tiefer, die Lippen sind weiter ge- 
öffnet, als bei dem einfachen a) und mit einem offenen o schließt; wäh- 
rend seiner Bildung hebt sich die Zunge, Zahnreihen und Lippen machen 
eine schliefende Bewegung. 


$ 9. ei beginnt mit einem offenen e-Laut, bei dem die Zungen- 
stellung höher ist als bei dem e vor r der Ma., jedoch tiefer als bei dem 
geschlossenen e; der Diphthong schließt mit einem dumpfen e-Laut, bei 
dem die Zunge noch immer nicht in die Höhenlage des geschlossenen e 
gelangt ist. 

8 10. Bei aaj geht das aa der Mundart in einen j- Laut über. Der 
Diphthong kann nur im Auslaut oder vor a 2 c h t stehen. 


2, Konsonanten. 


$ 11. Die Konsonanten der Mundart sind: Explosivlaute: p f (d) 
k (9); Spiranten: tonlose f s $ « z, tönende « (:) j ò: Nasale: m u n: 


106 Heinrich F. Schmidt. 


Liquidae: 2 »; Hauchlaut: A. Konsonantenverbindungen: Aspiratae ph 
th kh, Affrikatae ts (6 

§ 12. p t und % sind stimmlose VerschluBlaute; nach langem Vokal 
vor Z werden k und seltener ¿ zu Lenis g und d assimiliert. Ebenso 
geht s nach langem Vokal vor ! und m in die Lenis x über. 

k (und kh) werden im Anlaut vor, im Inlaut nach palatalen 
Vokalen mit palataler, vor bezw. nach velaren Lauten mit velarer 
Artikulation gesprochen. Ebenso richtet sich o nach dem vorhergehen- 
den Vokal. 

c bezeichnet palatalen, x velaren Laut. 

Anm. In dem Verkleinerungssufix -ca (-chen) wird in allen Fällen palataler Laut 
gesprochen, sonst richtet sich ce und x eigentlich auch stets nach dem vorhergehenden 
Laut. Es heißt also: pwwca kleiner Knabe, fanycas Kinderspiel (»Fangen«), aber khura 
Kuchen, surə suchen. 

$ 13. f und v sind labiodental. r wird immer mit der Zungen- 
spitze gebildet. (Zäpfchen-r kommt in den deutschen Sprachinseln in 
Südungarn meines Wissens nirgends vor.) 


14. ð (vgl. die Beschreibung des Lautes bei Baldes: Die Birken- 
felder Mundart, Progr. Birkenfeld 1896, S. 5) ist ein postdentaler Reibe- 
laut. Die Zahnreihen sind beinahe geschlossen, die Zunge ist ungespannt. 
Der Zungenrücken ist schlaff und nicht gehoben, wie bei t. Die Zungen- 
spitze hebt sich gegen die oberen Alveolen, die Öffnung ist ziemlich weit. 
Die Artikulationsstelle liegt zwischen der des l und 2. Bei folgendem r 
wird die Zunge zurückgeschnellt, auch bei !, doch viel weniger. Folgt 
ein 2, so wird die Zungenspitze nur ganz wenig gesenkt und bleibt 
während der Artikulation des a in dieser Stellung. (Der Übergang dieses 
ö > r wurde in einer deutschen Mundart Südungarns bisher nicht be- 
obachtet.) 

$ 15. Nicht alle Konsonanten können in allen Stellungen vorkommen. 
h kann nur im Anlaut vor Vollvokal gesprochen werden, ebenso die 
aspirierten Verschlußlaute pl th kh. 

Dagegen können im Anlaut niemals vorkommen: A eru ò kommt 
nur im Inlaut, die übrigen auch im Auslaut vor. 


I. Vokalismus. 
S 16. Wir können für das Altfränkische folgenden Vokalismus 
voraussetzen (Braune, Ahd. Gr. $ 11; Franck, Altírk. Gr. $$ 7—-65): 


a) Kurze Vokale: a o u e @ e (vor r bei Is.) 7 (und die meistens 
noch unbezeichneten Umlautsvokale ö ä). 


b) Lange Vokale: 4 0 4 ë è (ü ü). 
c) Diphthonge: el ¿a ie io iu ou uo (und die Umlautsvokale der 
heiden letzteren). 


VU 


Lautlehre der rheinfränkischen Mundart von Verbász in Südungarn. "107 


A. Die Vokale der betonten Silben, 
1. Qualitativer Lautwandel. 
a) Regelmäßiger Lautwandel der kurzen Stammsilbenvokale. 


Altfrk. a. 


S 17. Altfrk. a >a. Können wir altfrk. a als einen offenen Laut 
betrachten, so haben wir es hier eigentlich auch mit einer qualitativen 
Veränderung des Vokals zu tun, denn in unserer Mundart, wie übrigens 
in den süddeutschen Mundarten im allgemeinen, wird a geschlossen 
ausgesprochen. Mund- und Lippenöffnung ist somit jetzt geringer als 
im Altfränkischen. 

Der Laut bleibt kurz in folgenden Fällen (Dehnung s. § 40): 


1. In altfrk. offener Silbe: navli m. ahd. nabulo, Nabel. &avl m. 
O. snabul, Schnabel. kavl f. ahd. gabala, Gabel. havr m. ahd. habaro, 
Hafer. hanəf m. ahd. hanaf, hanof, mhd. hanef, Hanf. kanasr m. Gänse- 
rich (auch: närrischer Kerl), vgl. ahd. ganazo, mhd. ganzer, Gänserich. 
šsamlštülcə n. ahd. scamal, scamil, Schemel, Fußbank. fatr m. Is. O. 
fater, Vater. 


2. Vor allen Konsonantenverbindungen, mit Ausnahme von r + Kons. 
und x+ t: hant f. Is. O. hant, Hand. pont f. ahd. banc, Bank. krayk 
Adj. ahd. kranc, krank. kraft Is. chraft, O. kraft, Kraft. falv} f. Krause, 
Faltenbesatz in Frauenkleidern (< *falbala), Dim. zu ahd. valde, valte. 
vaxt] ahd. wahtala, wahtela, mhd. wahtel, Wachtel. kotvalts »Gott walte 
ese Ausspruch (Abendsegen) der Kinder beim abendlichen Glockenläuten, 
zu Is. waldan, O. waltan; gänzlich isoliert, denn das Wort »walten« ist 
sonst in der Mundart unbekannt. »ampa m. Bauch der größeren Säuge- 
tiere, sonst verächtlich »Bauch«, Is. womba, venter, O. wamba, Leib. 
Suntso fest arbeiten. prast f. geringschätzig: eine kleine Menge, ein 
kleiner Haufe, wenig. ha3pl m. ahd. haspil, Haspel; hasplnar m. nárrischer 
Mensch. Avasta m. Quaste, Franse, ahd. quast, quösta, Büschel, Wedel, 
Federbüschel zur Zier der Helme. „ast m. ahd. ast, Ast. afir m. Gesäf 
Is. after Adv. und Präp. »nach<«, O. Adj. der zweite, folgende, hintere. 
holtshaks f. Axt, O. akus (das k in kaks ist wohl als assoziative Fern- 
wirkung des Verbums kaks hacken zu erklären; die Assoziation wird hier 
teils durch ähnliche Lautform, teils durch die entsprechende Bedeutung 
hervorgerufen). lant n. O. lant, Land. sant m. O. sant, Sand. 


3. Vor assimilierten Konsonantenverbindungen: san f. O. skanta, 
Schande. hala Is. haldan salvare, O. haltan, halten. pal Adv. bald, vgl. 
Is. baltliiho confidenter, O. bald, Adj. furchtlos, mutig. kvan, kəvan f. 
Gewann, Länge des Ackerfeldes, ahd. giwanta, Ende des Ackers, wo 
Pferde und Pflug gewendet werden, Umkreis, zu wintan, in Zusammen- 
setzungen: Awvanavek Feldweg, kvanolay eine Gewann lang. 

4. Vor altfrk. Geminata: al, alos Adj. Is. al, pl. alle, O. allêr, allaz, 
nhd. all, alles. falə, ic fal O. fallan, fallen. man m. Mann Is. O. man, 


108 Heinrich F. Schmidt. 


mannes, Mensch. tax alsdann, denn Is. dhanne, O. thanne. taps Adv. 
(veraltet) schnell, hurtig, zu ahd. taphar, mnd. dapper, tüchtig, furchtlos. 
thapic Adj. ungeschickt, thapas m. ungeschickter Mensch (wohl zu mhd. 
tâpe, swf. Pfote, Tatze). Slape m. Pantoffel, vgl. ndd. slappe dass. rafa 
mhd. nhd. raffen. ratsə kratzen, auf der Geige jämmerlich schlecht 
spielen, mhd. ratzen, rasseln, kratzen. pharao m. Pfarrer, ahd. pharrâre. 
sak m. Sack, Kleidertasche, mhd. sac, -ckes (aus lat. saccus), Sack, Tasche. 
pakə ahd. pachan, packan, backen. pakə m. ahd. bacho, Backe. phaka 
1. ringen, 2. bewältigen, zwingen, mit etwas fertig werden, vgl. nhd. 
anpacken. 
Altfrk. o. 

S 18. Altfrk. o blieb kurz unter denselben Bedingungen wie altfrk. a: 

1. poóm m. Fußboden, ahd. bodem. kovil m. mhd. hovel, hobel, 
Hobel, dazu kovlə hobeln. hosə f. ahd. hosà, mhd. hose, die Hose. motl n. 
Küchenwerkzeug zum Formen oder Ausstechen der Mehlspeise, zu ahd. 
modul, mhd. model aus lat. modulus. 

2. Vor Konsonantenverbindungen (vor r + Kons. wird o jedoch zu a): 
volf m. Is. O. wolf, wolf. kolt n. O. gold, Gold. kolts n. ahd. holz, Holz. 
molkə nur Pl., ahd. molken st. n., Molke. foljo »gehorchen« Is. folghen, 
O. folgén, sequi, nachfolgen. 

3. Vor assimilierter Konsonantenverbindung: polra poltern, rumpeln. 

4. Vor altfrk. Geminata: fol Adj., O. fol, follér Adj., follo Adv., 
voll. krot f. ahd. krota, chrota, mhd. krote, krotte, Kröte. Jop m. Schuppen. 
ropa vgl. mhd. ropfen, rupfen. topa nur Pl., Spielsteinchen der Mädchen, 
vgl. mhd. toppel, doppel, topel, Würfelspiel. fopə ärgern. kop m. Kopf, 
ahd. chuph, choph, chopph aus mlat. cuppa. /nop m. ahd. chnoph, cnopf, 
Knopf. lor n. ahd. loh, Loch. ın0fa nur Plur. Motten, spätmhd. motte. 
jox ahd. joh, Joch. 

Altfrk. x. 


$ 19. Altfrk. « bleibt in allen Fällen, ausgenommen vor + Kons.: 

trukə Adj., ahd. trucchan, trocken. frurt f. der Weizen, ahd. fruht 
(< lat. fructus). oortum (auch oodm) ls. idum, Odem. Snupe m. mhd. 
snupfe, ndd. snuppe, Schnupfen. fuyhe m. ahd. funcho, Funken. Jua 
ahd. giunnan, mhd. gunnen, gönnen. 


Altfrk. ” und e. 


S 20. Ahd. # unde können zusammen behandelt werden, weil ihre 
Entwickelung dieselbe ist: 

1. levr f. ahd. lëbara, Leber. „evl m. ahd. nébul (vgl. O. nibulnissi), 
Nebel. evr m. ahd. bur, Eber. veör weder, Is. hwëdhar, uter, O. wedar, 
welcher von zweien. fedr f. ahd. fédara, Feder. leòr n. ahd. lëder, Leder. 
kevo Is. ghëban, O. gëban, geben. „ema Is. néman, O. néman, nehmen. 
hent n. ahd. hemidi, Hemd. 


Lautlehre der rheinfränkischen Mundart von Verbász in Súdungarn. 109 


2. lefts, gewöhnlich nur Pl. leftso f. ahd. Iëfs, Lippe. rect Is. O. 
röht, recht. leet Adj. schlecht, O. slëht, einfach. Arect m. Stallknecht, 
Is. chnöht puer, O. knëht, Knabe (jedoch kneect Koseform in der Rede 
mit Kindern: khumheer mei kleenr kneect, komm her mein kleiner Junge). 
felt ahd. féld, Feld. „est n. ahd. nëst, Nest. 


3. Vor assimilierten Konsonantenverbindungen: ex n. Ende, Is. endi 
n. tinis, Ende. vena Is. uuendan, O. uunten, wenden. sten” m. Schmalz- 
gefäß. 

4. Vor altfrk. Geminata: oons$relo ahd. swéllan, anschwellen, kleta 
ahd. klédda, klétta, Klette. pela ahd. béllan, bellen. epos ahd. ¿ddeshwaz, 
etwas. sec n. mhd. séch, Pflugmesser. plec n. mhd. bléch, Blech. ref f. 
im Stall vor den Pferden, über der Krippe schief angebrachtes, leiter- 
artiges Holzgestell, auf das Halmfutter für die Pferde aufgesteckt wird, 
mhd. ref, gen. röffes, »Gestell zum Tragen auf dem Rücken... smeks 
ahd. smeechan, schmecken. srem> schwimmen, mhd. svemmen. Kausativ 
zu ahd. swimman, schwimmen. 


Altfrk. 4. 

$ 21. Altfrk. / bleibt kurz: 

1. stivl m. ahd. stiful, Stiefel. tsveel f. ahd. zwibol, zwibollo, 
Zwiebel. sirr O. silabar, Silber. ¿cl m. ahd. rigil, Riegel. strici m. 
ahd. strigil, Striegel. iml m. Is. O. himil, Himmel. vis f. ahd. wisa, Wiese. 

2. finf Num. O. finf, fünf. ¿ms nm. Kindtaufsmahl, ahd. imbiz, 
Essen, Imbiß, Mahlzeit. w/tr m. ahd. wintar, Winter. 

3. siöml m. ahd. scimbli, scimbal, schimel, Schimmel. fino 1s. O. 
findan, finden. 


4. sicl f. ahd. sihhila, sichila, Sichel. ster Adv. O. sihhur, sicher. 
tk Adj. ahd. diechi, dick. smik f. Knallende der Peitsche. 


hb) Durch assoziative Kontaktwirkung hervorgerufener Lautwandel 
der kurzen Stammsilbenvokale. 


Altfrk. o und u vor r- Kons. 


S 22. Altfrk. o und au entwickeln sich in der Mundart vor r + Kons. 
zu a: 

1. Altfrk. o: harn m. O. horn, Horn. vart n. Is. O. wort, Wort. 
Isarn m. O. zorn, Zorn. tarf n. ahd. dorf, Dorf. wf parc leihweise, 
vgl. mhd. borc (-ges), Borg, Geliehenes. marjat m. »der Morgen«, vgl. 
O. morgan, Adv. des Morgens, am früben Morgen; im Gruß: kumarjə 
Guten Morgen! fartl m. Kniff, Findigkeit bei der Übervorteilung anderer 
(aus: Vorteil). Wenn ausgefallen: khaneljas Cornelius (Taufname); bei 
Kürzung des 00: farmjoor Adv. im vergangenen Jahr, aus: vor einem 
Jahr; in den neuesten Lehnwörtern: farsau (Ortsname), Torzsa. samparc 
(Ortsname), Zombor. 


110 Heinrich F. Schmidt. 


2. Altírk. «: farst m. O. thurst, Durst. farc Präp. Is. dhurah, 
O. thuruh, durch. kharts Adj. O. kurz. varm m. ahd. wurm, Wurm. 
vartsl f. Is. uurza radix, O. wurzela, Wurzel. tharn m. ahd. turn, Turm, 
khercətharn, Kirchenturm. sarts m. mhd. schurz, die Schürze. pars m. 
1. der Jüngling, Bursche, 2. der Geliebte, 3. der Geselle, Gehilfe, ə saurra 
par$ ein netter Bursche, mhd. burse. presparjo m. Hohlmaß: eine Preß- 
burger Metze. 

Altfrk. 2 vor » + Kons. 


§ 23. Altfrk. z entwickelt sich vor » + Kons. (oder urspr. geminiertem 
rr) zu offenem ç: 

er Adj. O. irri, irr. sic era O. irrôn. A$er n. ahd. kiscirri, Ge- 
schirr, GefäB, Gerät. Ahercf. Is. chiriihha, Kirche. kəpere n. O. gibirgi, 
Gebirge. nerjots Adv. md. niergen, niergent, nhd. nirgends. (eren m. 
ahd. zwirn, Zwirn. ferneis n. Firnif. vert m. der Wirt, O. wirt, »Bräuti- 
gam<. hero m. ahd. hirsi, Hirse. 


Altfrk.- mhd. ü vor r + Kons. 
§ 24. Ebenso wird zu e das aus urspr. «« umgelautete mhd. : 


sic fercla, ic ferct mic ahd. furihtan, O. forahten (Is. forahta f. timor). 
stertso das von dem Getreide gereinigte Feld zum ersten Mal umackern. 
umwenden, »stürzen« (vor der Saat muß es dann noch einmal geackert 
werden), vgl. O. bi-sturzu, stürze darüber, ahd. sturzan, umwenden, (um- 
wendend) bedecken. Sterma eine Feuersbrunst durch eigentümlichen 
Glockenschlag anzeigen, s stermt das Glockenzeichen bei Feuersbrunst 
ertönt, ahd. sturman, Lärm machen, ankämpfen, berennen. khervas m. 
ahd. churbiz, mhd. kürbiz (aus lat. cucurbita). perst f. Bürste, vgl. ahd. 
burst, Borste; mhd. bürste. merp Adj. ahd. muruwi, murwi, mürbe. 


¿ und & vor einfachem v. 


§ 25. Vor einfachem r entspricht altfrk. ¿ (und Umlaut 2) in der 
Mundart geschlossenes, jedoch langes ee: 

meer mir, teer dir, meer wir, cer ihr (in hochbetonter Stellung; un- 
betont jedoch mr, tr, ər oder r; in unbetonter Stellung ist daher kein 
Unterschied zwischen eer ihr [geschl. ¿] und eer er [off. €]: beide Pron. 
werden zu r reduziert). peer f. ahd. biru (aus lat. pirum), Birne, krum- 
peer f. Kartoffel (»Grundbirne<). teer f. Is. duri, O. durì (Plur.), mhd. 
tür, Tür. seerə mhd. schüren, einschüren. Speero ahd. spurjan, spüren. 


Nhd. -eren. 
S 26. Auch dem nhd. Verbalsuffix -teren entspricht in der Mundart 
stets vera (mhd. je wurde sonst zu langem č, s. § 34): 
provcera probieren. khumoteera kommandieren. lamoteera lamen- 
tieren. akəteerə aufnehmen, dingen. Ebenso: fleera st. V., O. firliusu, 
mhd. verlieren, verlieren. 


Xx 


Lautlehre der rheinfränkischen Mundart von Verbász in Siidungarn. 111 


o und « vor Nasal. 
$ 27. Vor m und n kommt in der Mundart niemals ein o vor. Oft 
läBt sich jedoch nicht entscheiden, ob urspr. u durch den Nasal erhalten 
oder altes o durch ihn zu « gehoben wurde. Ygl.: 


nun f. ahd. nunnä, Nonne (mlat. nonna), nunamaxr (Familienname) 
Nonnenmacher. sun f. Is. O. sunna, Sonne. sumr m. ahd. sumar, 
Sommer. tunr m. ahd. thonar, tonner, mhd. doner, duner, Donner; 
s tunrt es donnert. khumə Ts. quheman, quhimu, 0. queman, quimu, 
kommen. khunraat Konrad. 

Im Partic. perf.: kanum genommen. kəvrun gewonnen. kərun ge- 
ronnen. ksun gesonnen. kəpruy gebracht. khum gekommen. 


a>e vor sg (sk). 
8 28. es £ O. asga, Asche. res O. uuasgan, waschen. 


c) Qualitativer Lautwandel der langen Stammsilbenvokale. 


Altfrk. à. 

829. Altfrk. â entspricht in der Mundart oo. Dieser Lautwandel 
geht in neuerer Zeit nicht mehr vor sich, denn in jüngeren Lehnwörtern 
bleibt aa erhalten. 

spoot Adv. O. späto, spät. noot! f. ahd. nädela, nädla, Nadel. oo 
Präp. O. näh, nach. kloovə m. ahd. chlâwa f., Klaue. soof n. Is. scaap, 
O. skâf, Schaf. rooda O. räten, raten. troot m. ahd. dràt, Draht. phool m. 
1. Pfahl, 2. dummer, unbeholfener Mensch, ahd. phäl (aus lat. pälus). 
ooxtum m. Is. ädum, Atem. joor n. Is. iaar, O. iâr, Jahr. snook f. Fliege. 
oovat m. O. âband, Abend. ploo Adj. ahd. blào, blau. kroo Adj. ahd. grâ, 
grau. loolic Adj. ahd. lâo, lau. anərštvoo Adv. mhd. anderswà, anderswo. 

In jüngeren Lehnwórtern: saltaat m. Soldat. salaat m. Salat. 
praatl n. Braten. 

Altfrk. ©. 

$ 30. Altfrk. o (das im Auslaut, vor h, und vor den sogenannten 
»Dentalen« aus germ. au entstand) bleibt in der Mundart unverändert, 
auch vor solchen Konsonantenverbindungen, die kurze Vokale in ihrer 
Entwickelung stets qualitativ beeinflussen: 

hoox Adj. Is. O. hóh, hoch. poon f. ahd. bóna, Bohne. saupoon f. 
dicke Bohnenart. loon m. O. lôn st. n., Lohn. loos n. O. lóz st. m., 
das Los. loos f. Mutterschwein. loos Adj. und Adv. ventfesselte, »frei 
(s ros is loos: das Pferd hat sich von der Halfter befreit, ist nicht an- 
gebunden), ahd. lôs. stooso O. stózón, stoßen. sooda (nur Plur.) mhd. 
schöte, Samengehäuse. oor n. Is. O. òra, Ohr. oorfei f. Ohrfeige. 


Altfrk. è. 
$ 31. Altfrk. ¢ (aus germ. a und in Fremdwörtern) entspricht in 
der Mundart (auch vor 7!) stets geschl. ve: 


1]. Heinrich F. Schmidt. 


eerst ahd. erist, primus, erste. eerlic Adj. (vgl. O. érlicho Adv. 
schicklich, würdig), ehrlich. leer f. Lehre, das Erlernen jedweder Fertig- 
keit, die Lehrzeit, vgl. O. léren. /eerpuu m. der Lehrling. leena leihen, 
vgl. ahd. lêhan, geliehenes Gut. seel f. Is. sêula, O. sêla, Seele. tseep f. 
Zehe (aus ahd. *zêwâ), vgl. ahd. zehà, mhd. zêhe. ovee Interj. ahd. wê, 
o weh! 
Altfrk. % und 7. 


S 32. Altfrk. mhd. © und 7, d. b. die mit hoher Zungenstellung 
gebildeten Laute, werden zu Diphthongen mit sich hebender Zungen- 
bewegung (au und er): 

1. taup f. O. düba, Taube. taumə m. ahd. dùmo, Daumen. tsaup f. 
‚Weibchen: bei kleineren Säugetieren. kauplor n. Giebelloch (-öffnung, 
kleines Fenster). traura O0. drüren, trauern. «us Práp. Is. úzs, O. ùz, 
aus. ausr Präp. O. üzar, außer. paua O. bùen, bauen. 


2. reic Adj. O. rihhi, reich. roi Num. Is. dhrii, O. thrì, drei. 
smetsa ahd. smizan, werfen. pheifa f. pfeifen (auch: die Pfeife rauchen), 
aus lat. pipäre, ahd. phifen. ein m. O. win, Wein. kreima ahd. grinan. 
weinen. met, tet, ses Pron. Is. miim, dhiin, siin, O. min, din, sin, 
mein, dein, sein. 


d) Qualitativer Lautwandel der altfrk. Diphthonge. 
Altfrk. ez. 

$ 33. Germ. al wurde in ahd. Zeit vor w, k, r. im Auslaut, dann 
in unbetonten Silben zu geschlossenem, langem ë. In allen anderen 
Fällen wurde es als e gesprochen. Die Aussprache dieses e hat sich 
in unserer Mundart auf zweierlei Weise verändert: im Auslaut, im In- 
laut vor Vokalen und vor Gutturalen (J< g. x, k) spricht man den 
Diphthong aaj, in allen anderen Fällen, einige schriftdeutsche Lehnwörter 
mit eï ausgenommen, langes geschlossenes ee. Die e-Schreibungen altfrk. 
Handschriften sind vielleicht schon als Anfänge dieses Lautwandels zu 
hetrachten. Vgl. jedoch Franck, § 31, ?. 

1. aaj n. O. ei, Ei. aajə Adj. O. eigan, aajnar eigener, uf erp 
un aaja »zu Erb und Eigen« (kaufen, verkaufen, steigern). laaj f. (ver- 
altet und selten), die Schiefertafel, vgl. alts. leia, Fels, Stein, mndl. leie, 
Weg; nhd. Leie, Schiefer. maajs zu Besuch sein. maaj m. mhd. meie; 
der Monat Mai. vaajc Adj. O. weih, weich. plaaje Adj. bleich, vgl. 
O. bleichén, bin blaß, irbleichen, erblassen, ahd. bleih. pl/aajca die Wäsche 
an der Sonne bleichen. tsaajca n. O. zeihhan, Zeichen. isaajcla bezeichnen, 
mit einem Merkmal versehen. aajcl f. ahd. eichilà, Eichel. aajclpoom m. 
die Eiche. taajk m. ahd. teig, Brotteig, khuxataajk m. Kuchenteig. 

2. ee Num. Is. O. ein, eenar, (eenr), eentt, eens, O. einêr, einiu, 
einaz, einer, eine, eins. fsvre Num. O. zvéne, zvá, zvei, zwei. heels 
O. heilen. heem Adv. O. heim, nachhause:. taheem Adv. daheim. heess 


Lautlehre der rheinfränkischen Mundart von Verbasz in Südungarn. 113 


nennen, jemandem etwas befehlen, zur Arbeit ermuntern, Is. heizssan, 
O. heizen. heesr Adj. heiser. eemr m. ahd. einbar, Eimer. leen, aleer, 
leenic, oleenie Adv. mhd. aleine, allein. /eedic Adv. »überdrüssige, ahd. 
leideg adj. betrübt, widerwärtig. Ärees m. mhd. kreisch, Schrei. krees m. 
ahd. creiz, Kreis. meenə Is. O. meinan, meinen. peen n. O. bein, Bein. 
preet Adj. O. breit. reef m. ahd. reif, Reif. Sleefa ahd. sleifan, schleifen. 
sleef f. stachliges Geflecht zur Ebnung des Ackers nach dem Eggen, vg. 
ahd. sleifâ. weets m. (selten, gewöhnlich t: fruxt = der Weizen) ahd. 
hweizi, weizi, Weizen. veesokhint n. O. weiso, Waise. vees O. weiz, ich 
weiß. leemo m. Lehm ahd. leimo. kees f. ahd. geiz, Geis. seel n. ahd. 
seil, Seil. 

3. Wohl unter Einfluß des Schriftdeutschen steht in einigen Wörtern 
ei: heis Adj. O. heiz, heiß. fleis n. Is. fleisc, O. fleisg, Fleisch. heilic Adj. 
Is. heilac, O. heilig. keišt m. Is. gheist, O. geist, Geist. meištr m. 
O. meistar, Meister. /eisštə O. leisten , erweise, erzeige. kheizr m. O. keisor, 
Kaiser. 

Altfrk. ca, ie, to. 

S 34. Altfrk. 2a, te und 20 (mhd. če) wird in der Mundart stets zu 
ii; die Laute sind mehrfachen Ursprungs (germ. eu, €?, und geschl. e in 
Lehnwórtern), jedoch schon gegen Ende der ahd. Zeit zusammengefallen; 
Is. hat noch eo, O. steht noch unter starkem EinfluB der ahd. Vokal- 
harmonie, so daß wir bei ihm bald čo, bald vo begegnen. 

piiðə Is. beodan, O. biatan, bieten. Azisa O. giazan, gießen. iip Adj. 
O. liob, lieb. lt n. ahd. liod, Lied. po ahd, biogan, biegen. piir n. 
ahd. bior, Bier. fliis ahd. fliogan, fliegen. tif Adj. ahd. tiof, tief. 
fiivr n. ahd. fiebar, Fieber. prif m. O. briaf, Brief. na Adv. nio, 
niemals. 


Altfrk. vu. 


$ 35. Altfrk. ¿u wird in ahd. Zeit zu langem ü (üü) (Franck $ 37). 
Durch die Entrundung fällt dieser Laut mit altfrk. © zusammen und wird 
daher als Diphthong mit sich hebender Zungenbewegung gesprochen (ez). 
Nur in minderbetonten Silben sehen wir die merkwürdige Erscheinung, 
daß dieser nach Entrundung des ¿it vorhandene ¿%-Laut sich in der 
Mundart hält: i 

1. leit Plur. Leute, Volk, die Verwandten, Is. liudi, O. liut. freint m. 
1. der Verwandte (meer sin freint = wir sind verwandt miteinander), 
2, der Freund, O. friunt. teitš Adj. ahd. diutise (vgl. O. githiuti, hei- 
misch, inländisch), deutsch. teivl m. Is. diubil, O. diufal, Teufel. tetor Adj., 
O. diuri, teuer. treit Adj. (als Nomen selten; nur in der Beteuerungsformel 
meinr tirei = meiner Treue, d. h. bei meinem Gewissen, auf mein Wort, 
auf Ehre) O. driulicho Adv., mit Treue, zuverläßlich; driwa, Gewissen- 
haftigkeit, Pflichttreue. etor Pron. O. iuer, euer. ne Adj. O. niuuui, 
neu. nein, neina Num. ahd. niun, neun. 

Zeitschrift für Deutsche Mundarten. VI. S 


114 Heinrich F. Schmidt. 


2. Im. Nom. Sing. fem. der Pronomina und Adjektiva steht o: tič 
die. anri andere. kleenii kleine. layii lange. seenii schöne. niiðriè 
niedere. eekstii nahe, naheliegende. Zen? schiefe. holtsnicii hölzerne. 

Im Nom. Plur. des Neutr. steht jedoch >: ə Seenii khuu eine schöne 
Kuh, aber tesin S$eena ros das sind schöne Pferde. 


Altfrk. ou. 


$ 36. Altfrk. ou wird regelrecht zu aa, durch Kontaktwirkung eines 
folgenden m stets zu oo, in der Verbindung -ouw-, -ouga und im Aus- 
laut zu au: 

1. klaava Is. chilauban, O. gilouben, glauben. aax Konj. Is. aub. 
O. ouh, auch. laafə O. loufan, laufen. laap n. O. loub, Laub. 
urlaap m. ahd. urloub, Urlaub. khkaafə O. koufen, kaufen. raar m. 
Rauch, vgl. O. wi-roub. raaxə rauchen, vgl. O. rouhu, beräuchere. 
¿vrhaapt und eerhaapst überhaupt, vgl. Is. haubit, O. houbit, Kopf. 
staap m. ahd. stoub, Staub. staavə 1. stauben, 2. verhauen, durchklopfen, 
ahd. stouban, Staub machen. taafa O. doufen, taufen. taap Adj. O. doub, 
taub. fraa f. O. frowa, die Frau. 

2. poom m. O. boum, Baum. troom m. O. droum, Traum. tsoom m. 
ahd. zoum, Zaum. toomis Adj. verwirrt, vielleicht zu ahd. toum, Dampf, 
Dunst. 

3. haus hauen, O. houwan, fällen. Saus O. skouuôn, schauen. 
kənau Adv. mhd. genou, genouwe, genau. au n. Is. auga, O. ouga, Auge. 
lau f. ahd. louga, Lauge. tau f. Is. dau, ros (gen. -wes), der Tau. 


Altfrk. uo. 


$ 37. Altfrk. uo wird in der Mundart zu langem uu; oft tritt 
jedoch Kürzung ein: 

fuus m. 1s. fuozs, O. fuaz, Fuf. fuur f. Wagenladung, Fuhre, Fahrt, 
O. fuara, Fahrt, Zug. khuu f. ahd. chuo, Kuh. kuut Adj. Is. guotliih 
gloriosus, O. guat, gut. fuudr n. Futter, vgl. O. fuatiru, weide. ruudr n. 
O. ruadar, Ruder. pluut n. O. bluat, Blut. Auusta m. O. huasto, Husten. 
tuun, eer tuut Is. duoan, O. duan, tun. 


e) Entrundung. 


$ 38. Durch die mhd. Entrundung der mit vorderer Zungenstellung 
und Vorstülpung der Lippen gebildeten Laute fallen die altfrk. o, u, ô, 
ùü, ou, uo entsprechenden mhd. Umlautsvokale ö, ü, æ, iu, du, tie mit 
den einfachen e, č, ee, 82, ei, 22 zusammen. Der frühe Umlaut des du 
macht jedoch einigemal dieselbe Entwickelung mit, wie altfrk. ez, wird 
daher zu ee oder aaj. 

Ebenso wird altfrk. ¿u entsprechendes spätahd. üü zuerst zu langem 
či, hält sich als solches als minderbetonter Endungsvokal der weiblichen 
Adjektive, macht jedoch im Inlaut in betonter Stellung dieselbe Ent- 
wickelung mit, wie altfrk. ©, d. h., es wird zu e (vgl. $ 35). 


Lautlehre der rheinfränkischen Mundart von Verbász in Südungarn. 115 


ö, ü, æ s. Umlaut $ 39. Hier sollen nur ën. üe kurz behandelt 
werden. 


l. ou 0u. 

al o > ee: krautheeptr m. Kohlkopf, Krautkopf, vgl. Is. haubit, 
O. houbit, Kopf, Haupt. 

b) óu > aad: haaj n. ahd. houwe, hewi, Heu. laajkla O. lougnen, 
leugnen. 


2. uo > üe > ii: filo O. fualen, fühlen. hiiðə O. huaten, hüten. 
miit Adj. O. muadi, müde. vrmüdic Adj. Is. ubarmuodic, übermütig. 
sits Adj. O. suazi, süß. krin Adj. O. gruani, grün. triip Adj. ahd. truobi, 
trübe. viišt Adj. O. wuasti, nur vom Wetter: viistas vedr abscheuliches, 
wiistes Wetter. 


Vor r: feera O. fuaren, fúhren. reerə O. ruaren, rühren. 


f) Umlaut. 


$ 39. Die durch assoziative Nahe- und Kontaktwirkungen entstan- 
denen Umlautserscheinungen dienen schon seit ahd. Zeit zur Bezeich- 
nung gewisser grammatischer Verhältnisse und sind durch analogische 
Bildungen auf das weitestgehende vermehrt. Es ist hier nicht unsere 
Aufgabe, regulären und analogischen Umlaut zu trennen, wir können uns 
damit begnügen, die mit »Umlaut« bezeichneten, in der Mundart leben- 
digen Lautentsprechungen aufzuzählen und den historischen Umlaut an 
einigen Beispielen zu zeigen. 

Bei dem Umlaut wechseln die mit hinterer Zungenstellung oder 
Zungenbewegung gebildeten Vokale mit den entsprechenden, mit vorderer 
Zungenbewegung gebildeten Vokalen (bezw. Diphthongen): a und o ent- 
spricht e (a vor r + Kons. el, u — t, aa — ee (vor r + Kons. ee), oo — ee, 
uu — ii, au— ei. Vor gewissen Konsonantenverbindungen tritt in der 
umgelauteten Form Kürzung des langen Vokals ein. 

1. a—e: hant — hen Hand. našt— nešt Ast. man — menr Mann. 
harn — hernr Horn. vart — vertr Wort. Sarts —SertsSchurz. varst — verst Wurst. 

2. o—e: khop — khep Kopf. Sop — šep Schuppe. knop — knep Knopf. 
volf — velf Wolf. lor — leer Loch. krop — Komp. krevr grob. 

3. u—t: sin fÍ. Is. sunda, O. sunta, Sünde. hit f. O. hutta, Hütte. 
iwl Adj. Is. O. ubil, unwohl. filə Is. arfullan, O. fullen, füllen. vins 
0. wunsgen, wünschen. lik ahd. lucká, Loch, Rif am Zaun, tsoonlik Zahn- 
lücke. kevl mhd. hubel, hübel, Hügel. kruk— krik Krug. pluk— plik 
Pflug. fuks — fiks Fuchs. 

4. aa — ee: vaa — vee m. Wagen. 

5. aa —e: plaat — pleòr Blatt. raat— redr Rad. vaarm — Komp. 
vermr warm, wärmer. klaas — klesr Glas. 

6. aa — ee: taarm — teerm Darm. aarm — Komp. eermr arm, ärmer. 
aarm — eerm Arm. 

HN? 


116 Heinrich F. Schmidt. 


1. oo—ee: heera Is. chihôran, O. hôren, hören. pees Adj. ahd. bôsi, 
böse. pleet Adj. bescheiden, zaghaft, ahd. blödi, zerbrechlich, schwach, 
zaghaft. seen Adj. O. skôni, schön. treesto O. drösten, trösten. reesta 
ahd. rôstan, rösten. sieera ahd. störran, störan, stören. 3poot — Speeör 
spät, später. hoor — heecr hoch, höher. poom — peem Baum. troom — 
treema Traum, träumen. tsoom — tseem Zaum. 

8. uu — ii: fuus —fiis Fuß. khuu— kh Kuh. fuudr — füörs 
Futter, füttern. 

9. au — ei: haus — herr Haus. maus — meis Maus. Straus — 
Streisca Strauß, Sträußchen. 


2. Quantitativer Lautwandel. 


a) Dehnung. 
Altfrk. a. 

§ 40. Da altfrk. å stets zu oo wurde, sind alle langen aa der 
Mundart durch Dehnung des altfrk. kurzen a entstanden. Die Neigung 
der kurzen Stammsilbenvokale zur Dehnung können wir auch heutzutage 
noch an den neuesten Fremdwörtern beobachten. 

1. In offener Silbe: jaakop Jakob. kraava O. graban, graben. 
kamaada m. Schwaden. aada Plur. ahd. mado, Made, Wurm im Fleische 
lebender Tiere. flaaðə m. ahd. flado, Fladen. haava m. ahd. havan, Topf. 
faars Is. O. faran, fahren. maalə ahd. malan, mahlen. 2uflaada O. ladan, 
laden. laads m. mhd. lade, Brett. paaðə O. badôn, baden. taatə m. 
Vater. vaazm m. der Rasen, Is. waxsmo, Frucht, Gewächs. faadm m. 
O. fadam, Faden. Khaadr m. mhd. kater, Kater. 

2. In einsilbigen Wörtern vor einfacher Kons.: phaat m. O. pad, 
Fußweg. plaat n. ahd. blat (auch als Familienname plaat Blatt, plaaðə 
die Blattische Familie; das Nomen bleibt jedoch im Plural kurz: pledr). 
haas m. ahd. haso, Hase. raat n. O. rad (im Plur. kurz reòr), Rad. 
kraat Adj. gerade, eben, eben jetzt, ahd. girado. ¿vraal überall, O. ubaral. 
klaas n. ahd. glas, Glas. kraas n. O. gras, Gras. paat n. O. bad, Bad. 
kraap n. O. grab, Grab. paal m. frz. bal, Ball. 

3. Vor r + Kons.: aarm Adj., vgl. Is. armherzin pietas, O. arm, 
arm. aarm m. O.arm, Arm. aarsm. ahd. ars, Arsch. aarvət f. O. arabeit, 
Arbeit. aarie Adv. sehr, O. arg, böse, schlecht, schlimm. aart f. mhd. 
art, Art. taarm m. ahd. daram, darm, Darm. maark n. ahd. marg, das 
Mark. maark m. ahd. merkât, marchàt, der Markt. kaarp f. ahd. garba, 
Garbe. kaars O. garn, Garn. khaarta Karten (aus frz. carte). vaarm Adj. 
ahd. warm. vaarto 0). warten, warten. ‘rnaarkss vgl. mhd. snarchen. 
schnarchen. sraart f. die Haut am Speck oder Schweinefleisch, mhd. 
swarte. seaartemaa m. Prebwurst. paarno m. Bastard, uneheliches Kind 
(auch Schimpfwort), O. barn, Kind. 

Kurz sind jedoch: hart Adj. vgl. Is. hartnissa duritia, ahd. hart 
(O. harto Adv.), hart. svarts Adj. ahd. swarz, schwarz. farp f. O. farawa, 
Farbe. stark Adj. O. stark. 


Lautlehre der rheinfränkischen Mundart von Werbász in Sidungarn. 117 


4. Vor xi: aaxt f. nur in der Phrase kep aaxt gib acht (aber im 
Nebenton kurz kep ova.t), O. ahta. aazia bemerken, in Betracht ziehen, 
Rücksicht nehmen auf etwas, O. ahtön. naaxt f. O. naht, Nacht. 

Kurz jedoch: azt Num. O. ahto, acht. jazt f. ahd. jagid, Lärm der 
Kinder, Jagd. 

5. In allen Fällen der Kontraktion: saan, ic saa, Is. saghen, O. 
sagen, sagen. traas (Is. druoc Prät.) O. dragan, tragen. jaaa O. iagôn, 
jagen. maat f. Dienstmädchen, Is. O. magad, Jungfrau. maa m. ahd. 
mago, Magen. vaa m. O. wagan, Wagen. 


Altfrk. o. 

X 41. Altfrk. o wird gedehnt: 

1. In altfrk. offener Silbe: hoola O. holôn, holen. hoonic m. Ís. 
honec mel. voona Is. O. wonén, wohnen. loova Is. O. lobön, loben, loben. 
vova m. ahd. ovan, ofan, Ofen. foogl m. O. fogal, Vogel. 

2. Vor einfachem Kons.: trook ahd. trog, Trog. hoof m. O. hof, Hof. 
hool Adj. O. hol, hohl. 

3. Bei Kontraktion: poo m. ahd. bogo, Bogen. kətsoo gezogen. 
kəpoo gebogen. kəvoo gewogen. kəloo gelogen. 

4. Im Participium perfectum: floor verloren. ksoor geschoren. kfroor 
gefroren. khool geholen. 


Altfrk. # und e. 

8 42. Altfrk. € und e werden gedehnt: 

1. In offener Silbe: leevo Is. löben, O. löben, leben. eeva gerade, 
gleich, eben Adj., vgl. Is. ébanchiliih, O. &banlîh. peeda O. bötôn, beten. 
keevl m. ahd. gëbal, Giebel. veera ahd. wéban, weben. veerr m. ahd. 
webari, Weber. seevl m. Säbel. eel f. ahd. elina, Elle. 

2. Vor einfachem Kons.: keel Adj. ahd. gëlo, gelb. meel n. O. mëlo, 
Mehl. preet (Plur. preör) ahd. brët, Brett. veek m. O. wég, Weg. reep f. 
ahd. rëba, rëbo, Rebe. 

3. Vor »: eert f. Is. ërdha, O. ërda, Erde. feerèt f. ahd. försana, 
Ferse. keert f. O. gérsta, Gerste. keers Adj. u. Adv. O. gërno, gern, 
jemant keera han jemanden lieben. kheero m. ahd. körno, Kern. peer 
ahd. béro, Beer. eer ahd. scëra, Schere. veert O. werd, wert. eern f. 


mhd. erne, Ernte. 
Altfrk. ’. 

S 43. Altfrk. 2 wird gedehnt: 

l- In offener Silbe: frida m. O. fridu, Friede. Spelo spielen, O. 
spilòn, springe in die Höhe. silə m. ahd. silo, Siele. nə (Akk. des 
Pron. eer; in unbetonter Form lautet es jedoch nə) O. inan. tiilə m. 
Laden am Fußboden des Zimmers. ahd. dilo, Bret, Wandbekleidung oder 
Decke des Zimmers aus Brettern. 


118 Heinrich F. Schmidt. 


2. Vor einfachem Kons.: sip n. O. sib, Sieb. fil Adj. O. filu 
(Adv.), viel. 
Anm. Ein Fall der Dehnung des altfrk. « ist uns nicht bekannt. 


b) Kürzung. 
$ 44. Kürzung langer, betonter Vokale ist verhältnismäßig selten. 
Häufiger betrifft es bloß altfrk. ð > uo > ua: 


plum f. Is. blömo, O. bluama, Blume. pux n. Is. booh, O. buah, 
puštaavə m. Buchstabe. pusm m. ahd. buosam, Busen. fluxə O. fluachôn, 
fluchen. suxa Is. suohhan, O. suachan, suchen. kruk m. O. kruag, Krug. 
pluk m. O. pluag, Pflug. 


Einmal begegnet o: motr f. Großmutter, Is. muoter, O. muater 
(Mutter heißt in der Mundart mama). 


Anm. 1. Altfrk. @ wird zu oo und dann gekürzt in den Wörtern: loss lassen, 
vgl. Is. firläzssan, O. läzan; noxrpr m. ahd. nähgibüro, Nachbar. 


Anm. 2. Altfrk. za, mhd. ze erscheint gekürzt in tsigl Ziegel, spicl Spiegel. 


Anm. 3. Wechsel von Kürze und Länge zwischen der Einzahl und Mehrzahl, 
oder Grund- und Steigerungsform des Eigenschaftswortes sehen wir in den Wörtern: 
raat — reör Rad, plaat — pleör Blatt, klaas — klesr Glas, Seen — 3enr schön, kleen — 
klenr klein. (Im Nominativ [männlichen Geschlechts] der Einzahl der Grundform dieser 
Eigenschaftswörter ist jedoch unter denselben lautlichen Bedingungen die Länge des Vokals 
erhalten: ə 3Jeenr kaarta ein schöner Garten, a kleenr puw ein kleiner Knabe.) Auch 
sonst bleibt die Länge erhalten: Staat Steigerungsform staaòr langsam, hoor — heeer hoch, 
root — rooör rot, keel — keelr gelb. 


II. Die Vokale der unbetonten Silben. 


S 45. Die Vokale der unbetonten Silben werden meistens zu 2 ab- 
geschwächt oder verschwinden gänzlich. In Ableitungssilben erscheinen 
von den Vollvokalen fast nur die mit hoher Zungenstellung gebildeten 
Vokale © und u. Der bestimmte Artikel lautet im Sg. tə, tii, s. Die 
meisten Formen des Personalpronomens (und seltener auch anderer Pro- 
nomina und Konjunktionen) zeigen je nach ihrer Betonung im Satze einen 
Wechsel zwischen (oft gedehnten) Vollvokal, Reduktionsvokal (3) oder 
Schwund des Vokals. Konsonantlose Wörter, wie der unbestimmte Ar- 
tikel (und das gleiche Numerale ee = ein), unterliegen jedoch natürlicher- 
weise der Schwundstufe nicht. Der Reduktionsvokal des a ist im Neutr. 
des Demonstrativpronomens e: tes = das, dieses. 


Es heiBt also: je voo vaarstan tuu šu viðr? ja wo warst denn du 
schon wieder? — aber auch: vooraarsin? wo warst du denn? Oder: 
voo keen tan eer ana? wo geht denn ihr hin? Und ohne Hervorhebung 
des Personalpronomens: vookeenrn anə? wo geht ihr denn hin? . Betont: 
vifitl? und unbetont: vzfl? = wieviel? Betont: meer (mir oder wir), tuu, 
teer (dir), eer (ihr), eer (er), ces (es), sit, und unbetont: mr, ta, tr, ar 
(oder r), əs (oder s), sə. Betont heißt es: vaarla warten, aaxl Acht, veel: 
Weg, minder betont: av” vart aber warte nur! oraxt Obacht (kep ovazt), 


Lautlehre der rheinfränkischen Mundart von Verbász in Südungarn. 119 


keevel: gehe weg. In dem unbetonten Teil des Kompositums kann der 
Vokal ebenfalls gänzlich schwinden. Z. B. auprhoor Pl. Wimperhaare, 
ahd. ougbrâwa + här. 

$ 46. Vorsilben. 

1. Das altrheinfránkischem fir-, fer- entsprechende fa-, f- hat die 
Präfixe mhd. nhd. er- (Is. ar-, O. ir-) und zer- (Is. O. z:-) gänzlich 
verdrängt: 

faprec> Is. O. firbrihhu (vgl. auch O. zibrihhu, vernichte), verbrechen. 
fotraas O. firdragan, ertragen. fatreedo zertreten, O. Pris. 3. Pers. firdrit, 
»er tritt mit Füßen«. folchaafo O. firkoufen, verkaufen. fasteen O. fir- 
stantan, verstehen. fətseelə erzählen, Is. arzellan numerare, 0. irzellen, 
erörtern, beschreiben, erwägen. fəšrekə ahd. irscrecchen, erschrecken. 
fleera ahd. farliosan, fliosan, mhd. verliesen, vliesen, nhd. verlieren. 
fokeen zerschmelzen, O. zigán, entferne, verlaufe mich, höre auf, zerrinne. 
foteela Is. chideilan, O. gideilu, verteile. 

Anm. Das Verbum orleeva oder rleeva erleben kann als Lehnwort aus dem Nhd. 
erklárt werden. 

2. Altfrk. b2- entspricht pa- oder p-. Mit folgendem h verschmilzt 
es zur Aspirata ph: 

patrita O. bidriogan, betrügen.  pakraara O. bigraban, begraben. 
psarja O. bisuorgen, besorgen. oonpafeela befehlen, ahd. bifelhan, an- 
vertrauen, verleihen. phalə ahd. bihaltan, behaltan. pslaas dem Pferde 
Hufeisen aufschlagen, ahd. bislahan. psof Part. betrunken, besoffen. 

3. Altfrk. gi- (Is. chi-) entspricht kə- oder k-: 

kəvalt f. Is. chiuualt, O. giwalt, Gewalt. Jovis Adv. Is. chiuuisso, 
O. giuuisso, gewif. klaarə Is. chilauban, O. gilouben, glauben. kəmce f. 
Gemeinde, O. gimeinida, Gemeinschaft. kmeehaus n. Gemeindehaus. 
konuyk Adv. O. ginuag, genug. kəteņkə O. githenken, sich merken, in 
Erinnerung behalten. kavina gewinnen, O. giuuinnan, erlangen, erwerben. 

Im Partizipium Prät.: kfay O. gifangan, gefangen. khal O. gihaltan, 
gehalten. Khees Is. chiheizssen, O. giheizan, geheißen. kalee O. gilegan, 
gelegen. khool O. giholòt, geholt. Akeert 0. gihörit, gehört. 

Anm. Vor k (g) schwindet dieses anlautende La manchmal: kep O. gigeban, 
gegeben, khum Is. quhomen, O. queman, gekommen. 

S 47. Mittelsilben. Wie sich das Sprachgefiihl unbetonten Mittel- 
silben gegenüber verhält, zeigt sich am klarsten in den jüngsten Lehn- 
wörtern: 

telasants f. diligence, groBer Postwagen. toorasloo Doroszló, moora- 
vits Moravica, sentamars Szent-Tamás, kharapok Karavukova, keerastarf 
Keresztúr, savotits Szubotica (Szabadka), fekotits Feketit (Feketehegy), 
kutsaraa Kucora (Ortsnamen). 

In zusammengesetzten Wórtern wird jedoch auch die Mittelsilbe 
betont; sie behält deshalb den Vollvokal: altvervas Alt-Verbász. 


120 Heinrich F. Schmidt. 


¿ der unbetonten Mittelsilbe wird zu j: matrjaal n. Material. 


Dem Sprachgefühl nach »nicht zusammengesetzte« Wórter mit mehr 
als zwei Vollvokalen kommen jedoch unter den Fremdwórtern vor: khu- 
meeti n. allerlei Theater- oder Zirkusvorstellung (Komödie). otkolum n. 
wohlriechendes Wasser (aus eau de Cologne f.) lemooni n. Zitrone. 
nataarı m. Gemeindenotar (aus lat. notarius). 


$ 48. Endsilben. Nebenbetonte Ableitungssilben bewahren den 
Vollvokal 2, u, selten a: leenic allein, kheenic König, khevic m. Käfig, 
hofnuy f. Hoffnung, hersaft f. Herrschaft. Flexionsvokale, sowie urspr. 
e, o der nichthaupttonigen Silben werden reduziert oder schwinden. Oft 
fällt auch auslautender Konsonant ab. [Näheres s. bei: Lindenschmidt, 
A verbászi német nyelvjárás alaktana — Flexionslehre der Verbaszer 
Mundart, 88 7 —37.] 

Da alle unbetonten Endsilbenvokale im Mhd. im allgemeinen zu 
e wurden oder ganz geschwunden sind, können wir uns hier am besten 
an das Mhd. halten. (S. Michels, Mhd. Elementarbuch, $ 67, 68.) Mhd. 
ausl. e wird apokopiert: 

` 1. Bei den starken Neutra der a-Stämme: pet n. mhd. bette, Bett. 
klik n. mhd. gelücke, Glück. hern n. mhd. hirne, Hirn. nets n. mhd. 
netze, Netz. fit n. mhd. fihe, Vieh. 

2. Bei den starken Femininen der ô-Stämme: Sproor f. mhd. sprâche, 
Sprache. Stern f. mhd. stirne, Stirne. stun f. mhd. stunde, Stunde. 
veet f. mhd. weide, Weide. Kel f. mhd. helle, Hölle. weil f. mhd. wîle, 
Weile. 

3. Bei den Femininen und Neutren der ”-Deklination: Akere f. mhd. 
kirche, Kirche. eš f. mhd. asche, Asche. spin f. mhd. spinne, Spinne. 
sun f. mhd. sunne, Sonne. kal f. mhd. galle, Galle. khapel f. mhd. ka- 
pelle, Kapelle. plum f. mhd. bluome, Blume. oor n. mhd. òre, Ohr. 

4. Bei den Maskulinen der n-Deklination ist jedoch ausl. e als ə 
erhalten: pakə m. mhd. backe, Backe. palkə m. mhd. balke, Balken. 
kaljə m. mhd. galge, Galgen. kaartə m. mhd. garte, Garten. huusta m. 
mhd. huoste, Husten. tauma m. mhd. dúme, Daume. 

5. Auslaut. e der 1. Person des Präsens fällt ab: ic nem mhd. nime, 
nehme. :c kraap mhd. grabe, grabe. ic kep mhd. gibe, gebe. ic ver 
mhd. wirde, werde. zc hees mhd. heize, heiße. zc root mhd. räte, rate. 

6. Mhd. -en > ma. a Im Partizipium Prät. schwindet auslautendes 
-en gänzlich: 

Plur. Nom. tsuya (zu Sg. tsu) mhd. zungen. Plur. Nom. hertsa (zu 
Sg. herts) mhd. hérzen. 

Akk. Mask. Sg. und Dat. Plur. der starken Adjektivdeklination: 
plina mhd. blinden. (Im Dat. Sg. Mask. und Neutr. bleibt m jedoch er- 
halten: plinm blindem). 

Im Inf. und Plur. Präs. der Konjugation (in allen drei Personen): 
nemə mhd. Inf. nëmen und Plur. Präs. nemen, nemet, nement. 


Lautlehre der rheinfränkischen Mundart von Verbász in Südungarn. 121 


Im Part. Perf. der starken Verba: kənum mhd. genomen. 

7. Nach r wird auslaut. er zu -2: phara m. Pfarrer. S%leera m. 
Schullehrer. palveerə m. Barbier, mhd. balbierer. 

8. Nach Dental fällt auslaut. -et des Partizipium Prät. der schwachen 
Verba ab: kavent gewendet. kəphent gepfändet. kəplent geblendet. 

9. In mhd. ausl. -em, -el, -er wird e synkopiert: prosm f. mhd. 
brosem. naagl m. mhd. nagel. pruuðr m. mhd. bruoder. 


III. Konsonantismus. 


S 49. Der germ. und altfrk. Konsonantismus, von welchem wir 
ausgehen, ist folgender (Braune, § 81—82, Franck, §§ 66— 129): 

1. Germ. stimmlose VerschluBlaute: p f k q (und die entsprechenden 
westgerm. gedehnten Laute), altfrk. p (inl. Is. f fF, O. ph pf f, ausl. p f) 
2 (-zz- s) k (-hh- ch h) qu. 

2. Germ. stimmhafte Spiranten: b d 3 x (westgerm. inl. auch ge- 
dehnt), altfrk. b (inl. nordfrk. v, ausl. Is. p ph, O. b p) d (inl. Is. d t, 
0. t, ausl. €) g (Is. anl. auch gh- ch-, ausl. e) ». 

3. Germ. stimmlose Spiranten: f P (-pp-) h s, altfrk. f (v) ò (anl. 
Is. dh, O. th, inl. Is. dh d, O. d, ausl. Is. d dh t, O. d) h s. 

4. Germ. und altfrk. Halbvokale, Liquiden und Nasale: w j r l m n. 


1l. Germ. p. 


§ 50. Germ. p wird im Anlaut vor betontem Vokal zu aspiriertem 
ph (bei Is. nur in Fremdwörtern, O. p): phaat m. O. pad, Pfad. phan f. 
ahd. pannâ, phannâ, die Pfanne. phere f. umzäunter Platz der Herde, 
besonders der Schafherde, pherca das Feld durch zeitweise Weitersetzung 
des Schaflagers düngen, ahd. pherrich. 

$ 51. Anlautendes » der Lehnwörter wird bald mit, bald ohne 
Aspiration gesprochen; es ist leicht zu erkennen, daß die Wörter mit 
asp. ph ausnahmslos älter sind; zur Zeit der Übernahme der jüngeren 
Lehnwörter wirkte das Streben zu aspirieren nicht mehr: 

1. phuulox n. Pfuhl am Brunnen. phool m. Pfahl, Dummkopf. 
phunt pn. Pfund. phiysta f. Pfingsten. phosta m. Pfosten. phetlr m. Pfeiler. 
phersiy m. Pfirsich. phaf m. Pfaffe. phars m. Pfarrer. phoohoon m., 
phoohiykl n. Pfau. phat m. Pate. phost f. Post. phistool f. Pistole. 
phein f. Pein. phants m. Wanst, Magen. phulrr n. Pulver. phaul Paul. 
pheeòr Peter. 

2. partei f. Partei. peits f. Peitsche. pentsl m. Pinsel. pee n. Pech. 
parplee n. Regenschirm. paseerə passieren. pasə passen, warten. pasaarl 
Adv. ziemlich. pasjoon f. Passion, Freude. 

§ 52. Germ. p wird im Inlaut und Auslaut nach Vokal und Li- 
quiden zu f: 


122 Heinrich F. Schmidt. 


soof n. Is. scaap, O. scáf, Schaf. tf Adj. O. diof, tief. kift n. 
Gift, O. gift, Gabe, Eingebung, Geschenk. kretfə O. greifòn, greifen. 
khaafa O. koufen, kaufen. sloofa Is. O. släfan, schlafen. taafə O. toufen, 
taufen. helfo Is. helpan (O. hat schwankend ph, pf und f, und auch die 
einzelnen Handschriften gehen in der Schreibung dieser Worte ausein- 
ander: helpha, helpfa, helfa, hilfis, hilphit), helfen. verfa werfen, vgl. 
Is, ar-uuerpan, O. úzuuerpfe, firuuirfit. tarf n. ahd. dorf, thorph, Dorf. 

S53. Im Inlaut und Auslaut nach m bleibt germ. p erhalten: 

trump m. mhd. strumpf, Strumpf. kramp m. mhd. krampf, Krampf. 
stump Adj. stumpf, ahd. stumph, verstümmelt, unvollkommen, schwach. 
tamp m. mhd. dampf, Dampf. stampa ahd. stamfön (*stamphön), mhd. 
stamphen, stampfen. Arumpeerostampas m. Kartoffelpuróe. 

$ 54. Westgerm. gedehntem -pp- entspricht in der Ma. stets p: 

api m. ©. aphul, Apfel. tapr adv. nur in der Sprache mit Kindern: 
hurtig, flink, eilig; z. B. laaf tapr eile schnell; ahd. taphar, taphir. $lupo 
ahd. slupfen, schlüpfen. sliparic Adj. ahd. slupferic, schlüpfrig. Stopa 
ahd. stophön, stopfen. tsop m. Haarzopf, ahd. zoph. ropa mhd. nhd. 
rupfen. Spa m. mhd. snupfe, Schnupfen. 

Anm. In der Verbindung anl. sp bleibt p selbstverständlich auch in der Ma. 
unaspiriert, d. h. unverschoben: ¿punt m. Spund, Spautss spucken, £poora Sporn, špats 
Sperling, śpetaakl m. Spektakel. 

2. Germ. t. 

$ 55. Germ. £ entspricht im Anlaut, ferner im Inlaut oder Auslaut 
nach Liqu. und Nasal die Affrikata ts: 

tsvee Num. Is. zuuêne, O. zuei, zwei. tsaal f. Is. zala, O. zâla, 
Zahl. tsaala (©. zälên, zahlen. tsaatco m. Is. zeihhan, O. zeichan, Zeichen. 
fotseela Is. O. zellan, erzählen. isert f. Is. ziidh, O. zit, Zeit. fsi 
OÖ. ziahan, ziehen. isarn m. O. zorn, Zorn. tsuy f. 1s. O. zunga, Zunge. 
vartsl f. Is. uurza, 0. uurzela, Wurzel. herts n. Is. O. herza, Herz. 
Smerts m. O. smerza, Schmerz. hharts Adj. O. kurz, kurz. vaarts f. 
ahd. warza, Warze. salts n. ahd. salz, Salz. plantsa ahd. phlanzön, pflanzen. 

S 56. Germ. t wird im Inlaut und Auslaut nach Vokalen zu s: 

pesr Adj. O. beziro, besser. perso O. bîzan, beiBen. heesa Is. chi- 
heizssan, O. heizan, heißen. stoosa O. stözan, stoßen. stroos f. O. stràza, 
Straße. veis Adj. O. wiz, weiB. | 

$ 57. Im Inlaut gedehntem germ. tt entspricht ts: 

setso Is. setzen, O. sezzen, setzen. vetsə ahd. hwazzan, wezzen, 
wetzen. ķlitsrə ahd. glizinòn, glänzen. 


3. Germ. L 
S 58. Germ. k wird vor betontem Vokal zu asp. kh: 
khalp n. Is. chalp, Kalb. \hint n. Is. chind, O. kind. Ahensa kennen, 
Is. archennan. kharp m. ©. korb, Korb. khaafə O. koufen, kaufen. 
khaum Adv. ©. kümo, kaum. Ahere Is. chiriihha, Kirche. 


EN 
» 
NW 


Lautlehre der rheinfränkischen Mundart von Verbász in Südungarn. 123 


$ 59. Germ. k bleibt unasp. / vor Konsonant und unbetontem >: 


klaas O. klagön, klagen. knect m. Stallknecht, Is. chnëht, puer 
O. knéht. knit O. knio, Knie. 


860. Im Inlaut und Auslaut wird germ. k zu x, bezw. c, ausge- 
nommen, wenn es nach Nasal oder Liquida steht: 


fluxə O. fluachòn, fluchen. — leict f. die Beerdigung, das Begräbnis, 
ahd. lih. tsaaico n. Is. O. zeihhan, Zeichen. speicr m. Getreideboden, 
ahd. spichäri aus mlat. spicárium.  spaaica m. ahd. speihhá, Speiche. 
plaajc Adj. bleich, vgl. O. bleichén, bin blaß. sec n. ahd. séh, Pflug- 
messer. 

$ 61. Westgerm. gedehntem -/:k- entspricht in der Ma. K: 

akra ackern, vgl. O. akar, der Acker. vakric Adj. wach, O. wakar. 
lokra O. lokôn, locken. paka m. ahd. baccho, Backen. sleka lecken, 
mhd. slëcken. | | 


4. Germ. D 


S 62. Germ. b wird im Anlaut, im Inlaut nach s s m und im 
Auslaut zur Tenuis p: 


pux n. Is. booh, O. buah, Buch. perc m. Is. berc, O. berg, Berg. 
paarna m. Schimpfwort: Bankert, uneheliches Kind, O. barn, Sohn, 
Mensch. plum f. Is. blòmo, O. bluama, Blume. plin Adj. Is. O. blint, 
blind. vampə m. verächtlich: Bauch, Bauch der Tiere, O. wamba, Mutter- 
leib. khampl m. ahd. kamb, camp, Kamm. taap Adj. O. doub, taub. 
laap n. O. loub, Laub. kalp ©. halb. leip m. O. lib, Leib. sraup m. 
mhd. schrùbe, Schraube. 


$ 63. Im Inlaut zwischen Vokalen, zwischen Liquiden, zwischen 
Vokal und Liquide, endlich nach Vokal vor Nasal entspricht dem germ. 
Spiranten +: 

1. oovat m. O. âband, Abend. pletva OU. biliban, bleiben. ¿eva 
Is. ghéban, O. géban, geben. /eera Is. lében, O. lëbèn, leben. ` sta Is. 
O. sibun, sieben. staavic Adj. staubig, zu ahd. stoub. klaavic glaube ich. 


2. silvr n. O. silabar, Silber. falv/ f. die Krause, Falte, aus frz. 
ital. falbala. khervlca n. kleines Körbchen. pervl Barbara. 


3. levr f. ahd. lëbara, Leber. evr m. ahd. bur, Eber. treevr nur 
Pl., ahd. trebir, Treber. pivi f. mhd. bibel, Bibel. ¿vraal Adv. (0. ubaral, 
überall. /eev! Löbl (Familienname). čntavleerə eintabulieren. 


4. Sterva O. stérban, sterben. aarvat f. O. arabeit, Arbeit. khervas m. 
ahd. kurbiz, Kürbis. Aholvo m. O. kolbo, Kolben. helvic Helbig (Fa- 
milienname). 


5. kevm »gebe ihm«. heevnmool »hebt einmal«. leevnrnor >lebt 
ihr noch?«. Aber: te kep ich gebe, te heep ich hebe, eer leept nox er 
lebt noch. 


124 Heinrich F. Schmidt. 


5. Germ. d. 

S 64. Germ. d im Anlaut ist unasp. £; Is. und O. haben noch d: 

laak m. Is. dac, O. dag, Tag. teel n. Is. O. deil, Teil. tev! m. 
Is. diubil, O. diufal, Teufel. tortr f. Is. O. dohter, Tochter. toot Adj. 
Is. O. dôt, Tod. traao Is. O. dragan, tragen. teer f. Is. O. duri, Tür. 
tuun Is. duoan, O. duan, tun. taap Adj. O. doub, taub. 

S 65. Germ. d im Inlaut wird meistens zur stimmhaften Spirans d. 
O. hat inlautend ź, Is. d und f. Merkwürdigerweise hat die Mundart 
tin den Wörtern, in welchen auch Is. t schreibt (Franck $ 89, 2, Böhme: 
Zur Kenntnis des Oberfränkischen im 13., 14. u. 15. Jahrhundert, S. 54f.): 

1. rooda O. rátén, rátu. treeda treten, Weizen, Gerste, Hafer mit 
Pferden austreten lassen (dreschen), O. dretên. h2ad2 O. hueten, hüten. 
piiðə O. biatan, bieten. soods nur Plur., mhd. schôte, Schoten. reido 
O. rìtan, reiten. | 

2. fitóro O. fuatiren, füttern. veðr n. Wetter, O. wetar, Sturm. 
siüör m. ahd. slita, Schlitten. vðr Adj. O. widar, wieder. pledr (Plur. 
zu plaat, ahd. blat), Blätter. Auuör Adj. O. guatêr, guter. 

3. fatr m. Is. O. fater, Vater. motr f. Is. muoter, O. muater, Mutter. 
kotəs Is. O. gotes, Gottes. leetr f. ahd. leitara, Leiter. fetr m. Oheim, 
Onkel, ahd. fatero. 

§ 66. Ausl. d (Is. O. t) > t: 

plaat n. ahd. blat, Blatt. pluut n. O. bluat, Blut. preet Adj. O. 
breit. preet n. ahd. brët, Brett. freint m. Verwandter, Freund, O. friunt. 
kuut Adj. O. guat, gut. 

S 67. Germ. inl. -dd- — t: 

pita Is. bitdan, O. bittan, bitten. sertr m. Reuter, groBes Sieb. 
mito f Is. O. mitti, Mitte. 

6. Germ. b. 

S 68. Anlautendes germ. p erscheint bei Is. als dh, bei O. als 8%. 
Die Mundart hat stets unasp. £: 

tayko O. thankón, danken. teka Is. dhecchan, O. thekén, decken. 
teyka O. thenken, denken. tina Is. dheonon, O. thionón, dienen. tez 
Pron. poss. Is. dhiin, O. thin, dein. tarc Is. dhurah, O. thuruh, durch. 
katulic Adj. O. thultig, geduldig. tauznt Num. O. thúsunt, tausend. 

§ 69. Inl. germ. þp wird zwischen Vokalen, zwischen Vokalen und 
Liquiden oder Nasalen ausnahmslos zur stimmhaften Spirans ð: 

paada O. badün, baden. frida m. Is. frido, O. fridu, Frieden. 
kneedic Adj. O. ginádig, gnädig. laada O. ladan, laden. Saads m. O. 
scado, Schaden. faadne m. O. fadum, Faden. pruuör m. O. bruader, 
Bruder. niðr Adv. Is. nidhar, O. nidare, nieder. oör Konj. Is. odho, 
(0). odo, oder. ruudr m. O. ruadar, Ruder. 

S 70. Ausl. germ. p wird in der Mundart zu t: 


Lautlehre der rheinfränkischen Mundart von Verbúsz in Südungarn. 125 


kolt n. O. gold, Gold. leet n. O. leid, Leid. maat f. Is. O. magad, 
Magd. phaat m. ©. pad, Pfad. raat n. O. rad, Rad. 


1. Germ. y. 

$ 71. Germ. anl. yg ist in der Mundart unasp. E: 

kaara n. O. garn, Garn. kaart) m. O. garto, Garten. kert f. Is. 
garda, Gerte, Rute. kerst m. Is. gheist, O. geist, Geist. keert O. görsta, 
(Gerste. kraap n. O. grab, Grab. 

S 72. Germ. g wird im Inlaut: 

1. nach Vokal oder Liquide und vor Vokal oder r zu j: uf erp un 
og zu Erb und Eigen (d. h. »zum gesetzlichen Eigentum«), O. eigan, 
Besitztum, vgl. auch Is. eigan habere. saajam f. die Amme, zu O. sougen, 
säugen. kalja m. O. galgo, Galgen. folja gehorchen, Is. folghen, 0. 
folgen. nerjats Adv. nirgends, aus ahd. nio wergin, vgl. O. wergin, 
irgendwo. marja Adv. O. morgan, morgen. sarja O. suorgén, sorgen. 
sarjo Plur. »die Sorgen«, O. Sing. suorga. veljro mhd. welgern, rollend 
wälzen. veljrholts n. kleine hölzerne Walze zum Plattwalzen des Teiges. 

2. Vor (nach kurzem Vokal zu x oder c, nach langem zur Lenis g: 


a) khuxl f. mhd. kugel, Kugel. khecl m. ahd. kegil, Kegel. kheclo 
Kegel spielen. cl m. ahd. igil, igel, Igel. flicl m. mhd. vlügel, Flügel. 

b) naagl m: ahd. nagal, Nagel. foogl m. O. fogal, Vogel. staagl m. 
erhitzter Stahl im Bügeleisen. peeglə bügeln (jedoch fast ebenso oft vor- 
kommend: piclə), ebenso: peegleizə und picleixə Bügeleisen. Nach kurzem 
Vokal kommt jedoch g vor in dem Wort tsigl m. (oder: tsiglsteen, seltener: 
tsecl) ahd. ziagal, nach langem Vokal wieder in den Fällen: svoorr mhd. 
swàger, und maarr Adj. ahd. magar, mager (in der Mundart jedoch auch: 
maagr). 

3. Im Inlaut vor ¿ wird j zu e: foljo, aber: er folctnet er gehorcht 
nicht. sarja, aber sarctuuticnaranet sorge du dich nur nicht. 

§ 73. Ausl. germ. g wird zu +, nach r und 2 zu c: 

1. taak: m. Is. dac, O. dag, Tag. veek m. O. uueg, Weg. pluk m. 
O. pluag, Pflug. kruk m. O. kruag, Krug. 

2. heilic Adj. Is. heilac, O. heilag, heilig. kheenic m. Is. chuninc, 
0. kuning, König. kriic m. mhd. kriee, Krieg. aart Adv. O. arg. 
lutvic O. ludouuig, Ludwig. perc m. Is. herc, O. berg, Berg. uf parc 
leihweise, zu mhd. bore, Geliehenes. 


8. Nasale. 
S 74. Altfrk. 72 bleibt unverändert, auch oft im Auslaut: 


meenr Komp. Is. O. méra, mehr. tsamo O. zisamane, zusammen. 
peezm m. ahd. bösamo, Besen. vuaxm m. der Rasen, O. wahsmo, Frucht, 
Wachstum. pusm m. ahd. buosum, der Busen. faadm m. O. fadun, Faden. 


1 Heinrich F. Schmidt. 


S 75. Altfrk. » bleibt erhalten: 


nit Adv. Is. neo, O. nio, nie. fun Präp. Is. fona, O. fon, von. 
litur m. O. luginári, Liigner (vgl. Is. lughin Adj. mendax). khumə ist 
die Form des Infinitivs und auch Plur. Präs. (in allen drei Personen) 
von dem Zeitwort »kommen«; »ihr kommt, heißt also: eer khumə. Stellt 
man aber die Wortfolge um, dann heißt es: khumnr. Z. B. khumnr- 
noxuet »kommt ihr noch nicht?«; wobei eine Silbengrenze in dem Laut- 
komplex zwischen dem ersten und zweiten Vokal sehr schwer festzustellen 
wäre; höchstens eine Minderung des Luftdrucks ist bei der Aussprache 
des (ersten) n und r wahrzunehmen. Dieses n nun, welches hier er- 
scheint, ist nichts anderes, als das n (in der 1. Pers. Plur. aus m < mês) 
der altfrk. 1. und 3. Pers. Plur., das analogisch auch in die Form der 
2. Pers. eingedrungen ist und in der heutigen Mundart als Zeichen der 
2, Pers. Plur. empfunden wird (vgl. diese Zs. 1909, S. 321). Ähnlich - 
bezeichnet » die 2. Pers. Plur. des Imperativs: khumn kommet, nemn 
nimmt, hhummnwara kommt nur (un bezeichnet hier nicht ein langes », 
sondern zwei, durch Minderung des Luftdrucks und durch fallend-stei- 
genden Akzent als getrennt angedeutete Laute, die wir auch als Konso- 
nantendiphthong bezeichnen könnten). eer» f. ahd. aran, mhd. erne, Ernte. 
reen m. ©). regan, Regen. reens, s reent 0. reganón. tharn m. ahd. 
turn, Turm. 

n hält sich im Infinitiv einsilbiger Zeitwörter (d. h. in betonter 
Silbe), fällt jedoch im unbetonten Auslaut der zweisilbigen ab: tuur 
ls. duoan, O. duan, tun. han Is. haben, O. haben, haben. keen Is. 
gangan, O. gân, gehen. saan Is. saghen, O. sagèn, sagen; aber: vena 
Is. uuendan, O. uuenten, wenden. keers Is. chihòran, O. hôren, hören. 
fino 1s. O. findan, finden. meena Is. meinan, O. meinen. tereyla durch- 
hauen (vgl. Büsch: Über den Eifeldialekt, Programm Malmedy 1888, 
S. 11: dierängeln = quälen). 

Vor k wird n, je nach dem vorhergehenden Vokal, zu palatalem 
oder velarem y: teyka O. thenken. triykə O. drinkan. payk f. ahd. banch. 
komuyk Adv. O. ginuag. 

ng wird zu y assimiliert: Gan f. Zunge. 3ta f. Stange. lar Adj. 
langer. ayl f. Angel. 

9. Liquiden. 
$ 76. Altfrk. » bleibt Zungenspitzenlaut: 


reera rühren, herumrühren, O. ruaren berühre, rühre an. aarvat f. 
O. arabeit, Arbeit. fair m. Großvater, Is. O. fater »Vater« (auch mofr 
bedeutet soviel, wie »Großmutter«; »Vater« heißt in der Mundart faata 
und »Mutter« »mama«; Großvater und Großmutter können jedoch auch 
— wohl erst in neuerer Zeit — kroostaata und kroosmamə genannt 
werden). 

Im Auslaut unbetonter Vor- und Endsilben fällt r ab: Suleera m. 
Lehrer. palveera m. mhd. halbierer, Barbier. 


Lautlehre der rheinfränkischen Mundart von Verbúsz in Südungarn. 127 


Anm. Über den Einfluß des r-Lautes auf Qualität und Quantität des vorher- 
gehenden Vokals s. $ 84. 


Inlautendes r fállt vor Kons. manchmal aus (seine Spur kann sich 
jedoch in der qualitativen Veránderung des vorhergehenden Vokals zeigen): 
khel m. Kerl, ahd. charel »Mann<, O. karl, Gatte, Gemahl. khaneljas 
Nom. propr. Cornelius. maseera marschieren. khalín Nom. propr. Karoline. 
Ichapraal m. Korporal. 

$ 77. Altfrk. 7 bleibt unverändert: 

aleenic, leende, leen ahd. aleine, alein. lets Adj. verkehrt, unge- 
schickt, ahd. lezzi. olə m. ahd. scollo, Erdscholle. mers! m. ahd. mor- 
sali, Mörser. 

10. Halbvokale. 

S 78. Altfrk. j bleibt unverändert: 

jut m. O.iudeo »Jude<. Jitin »Jüdin:. jedts Adj. O. iudisg, jüdisch. 
Juuksə aus übertriebener Fröhlichkeit schreien. MŅujoo Zuruf: aufhören!, 
genug!, Rast! maajə auf Besuch gehen. 

$ 79. Altfrk. w bleibt im Anlaut und Inlaut: auslautend wird 
es zu p: 

vas n. Is. uuazssar, O. uuazar, Wasser. veet f. ahd. weida, Weide. 
vis Í. ahd. wisa, Wiese. kloova m. ahd. chlâwa, Klaue. teivl m. Is. diubil, 
(). diufal (aus diabolus). tseep Plur. tseewa f. ahd. zêhâ, nach Schade, 
Altd.Wörterbuch, am Mittelrhein »die :éw« Zehe. leep m.(Familienname) Löw. 


11. Die Spiranten f und =. 

$ 80. Altfrk. f bleibt unverändert, nur im Inlaut vor /, » wird es 
in einsilbigen Wörtern zu w: 

1. fuftsic Num. Is. fimfzuc, O. finfzug. fleiS n. Is. fleisc, O. fleisg, 
Fleisch. aftr m. Gesäß, vgl. Is. O. after Präp. und Adv. deinde, post, 
nach, nachher, durch. 

2. $tivl m. ahd. stiful, Stiefel. ro/skhevr m. (= Rotzkäfer) Schimpf- 
wort (»>Rotznase«), ahd. khëvar. 

$ 81. Altfrk. s bleibt vor Vokal und im Auslaut (1.), wird im Inlaut 
vor Nasal oder Liquide zur Lenis 2 (2.), im Anlaut vor allen Konsonanten 
und im Inlaut vor Explosiven, sowie in der Verbindung altfrk. sk 
(3. und 4), dann im In- und Auslaut nach » zu s (5.): 

l. saan Is. saghen, O. sagén, sagen. soomə m. Is. sìmo, Same. 
siin Is. chisehan, O. sehan, sihu, sehen. 

2. raazm m. der Rasen, Is. uuaxsmo, fructus. peexm m. ahd. bë- 
samo, Besen. eezl m. O. esil, Esel. 

3. Sloofa Is. O. slâfan. nook f. mhd. snâke, Fliege. muts m. 
mhd. smuz, Kuß. šmutsə küssen. kast m. O. gast, Gast. keist Is. gheist, 
O. geist, Geist. tuu nemšt O. nimist, nimmst. finst O. findist, findest. 


128 Heinrich F. Schmidt. 


4. sreiva Is. O. scriban, schreiben. selir f. Is. seuldra, Schulter. 
seen Adj. O. scöni, schön. es f. O. asga, Asche. reso 0). uuasgan, waschen. 
tresa ahd. dreskan. 

5. verst O. uuirdist, wirst. «ars m. ahd. ars, Arsch. pars m. 
mhd. burse, Bursche. 

12. h. 

$ 82. Altfrk. k: 

1. hoonie m. Is. honec. haufo m. O. houf, Haufen. 

2. axt Num. O. ahto, acht. naaxt f. O. naht, Nacht. tare Präp. 
Is. dhurah, O. thuruh, durch. 

Es stehen nebeneinander: fit n. »das Vieh: und fie »Luder:, 
»dummes Tier« — st und sic (Imp.) sehe. 

h geht auf: pustaara m. Buchstabe. khervei f. Kirchweihfest. raa- 
fayk m. Rauchfang. 


IV. Schlußbemerkungen. 


$ 83. Im Altfrk. gab es gerundete Vokale mit vorderer Zungen- 
stellung (ö ü ö ü, später iu), und wenn wir annehmen können, daß « 
und ä offen waren, ungerundete Vokale mit hinterer Zungenstellung. 
In der heutigen Mundart sind nun alle mit vorderer Zungenstellung ge- 
bildeten Laute entrundet, während nicht nur bei o und u, sondern auch 
bei dem ebenfalls mit hinterer Zungenstellung gebildeten a und aa die 
Lippen zur Rundung neigen, und altfrk. @ ausnabmslos zu oo wurde. 

Von den altfrk. langen Vokalen bleiben nur die mit mittlerer 
Zungenstellung gebildeten € und ð unverändert erhalten und erliegen als 
gespannte Vokale überhaupt keinerlei associativer Kontaktwirkung. Die 
mit hoher Zungenstellung gebildeten altfrk. langen Vokale (è iu 2) werden 
zu Diphthongen mit sich hebender Zungenbewegung (es, at). Dagegen 
sind von den im Altfrk. mit sich hebender Zungenbewegung gebildeten 
Diphthongen es und or: e¿ nur im Auslaut, und vor c, k, J (œg), ou eben- 
falls nur im Auslaut, dann vor urspr. w und g erhalten, sonst wurden 
sie zu Monophthongen mit mittlerer Zungenstellung (ee aa, altfrk. ou vor 
m zu 00). Die mit sich senkender Zungenbewegung gebildeten Diph- 
thonge ta, to, ie, tie, uo wurden zu Monophthongen mit hoher Zungen- 
stellung (či, “u, nur ¿e vor r zu ce). 

$ 84. Von den Erscheinungen des durch benachbarte Konsonanten 
verursachten Wandels der einzelnen Vokale sind die Lautänderungen vor 
r und r + Kons. besonders zu beachten. Alle kurzen, d. h. ungespannten 
Vokale erleiden vor r -- Kons. entweder quantitativen oder qualitativen 
Lautwandel. So wird nach $ 40 altfrk. a vor r + Kons. immer, nach 
S 42 altírk. “ und e vor r im allgemeinen oft gedehnt, letztere aber 
jedenfalls mit offener Mundstellung gebildet. Die übrigen, mit höherer 
Zungenstellung gebildeten kurzen Vokale des Altfr. (č ü u o) werden vor 
r + Kons. zu offenen Lauten (e, a, $8 22, 23), sie werden jedoch merk- 
würdigerweise niemals gedehnt. 


Lautlehre der rheinfränkischen Mundart von Verbász in Südungarn. 129 


Dehnung und zugleich Senkung des altfrk. ¿ und ü tritt nach $ 25 
vor einfachem r ein; beide Laute werden jedoch in diesem Fall nicht 
zu offenem ee (wie z. B. altfrk. e @ oft vor r), sondern zu geschlossenem 
ee. Ebenso wird in dem nhd. Aeren entsprechenden Verbalsuffix ê (če) 
zu ee (8 26). 

Von allen diesen Erscheinungen ist phonetisch am durchsichtigsten 
die Senkung der Zungenartikulation vor r + Kons. Bei der Bildung des 
r-Lautes wird der mittlere Zungenrücken herabgedriickt und der vordere 
Teil der Zunge zur Hemmung des Luftstromes energisch in die Höhe 
geschlagen. Nehmen die Zungenmuskeln während der Aussprache des 
kurzen Vokals diese Übergangsbewegung vorweg, so muß der Vokal mit 
tieferer Zungenstellung, d. h. offener gesprochen werden. Bei den langen 
Vokalen und Diphthongen ist die Dauer und Stärke der Zungentätigkeit 
größer, als daß diese Übergangsbewegung mit der Artikulation des fol- 
genden konsonantischen Elementes sich derart verschmelzen könnte, aus- 
genommen die mit vorderer hoher Zungenstellung gebildeten langen oder 
gedehnten Vokale (ü, 2, 22 > ee 88 25, 26). 

Die Anfánge dieser Lauttendenz kónnen wir unzweifelhaft schon 
im Altfrk. beobachten. Is. bezeichnet die offene Aussprache des e mit 
ae, ce, €. Dieser offene e-Laut erscheint nur in dem Fremdwort pred:- 
cando und vor r + Kons.: aerdha, aerdhuuasun, aerdriihhes; oerdhu, cerd- 
chunnt; armherzin, erdha (5), ercna, ernusti, ernustliihho (S. Hench S. 62). 
Die offene Aussprache des e vor r bezeichnen auch die Mons. Fragm. 
(Franck S. 25). Dieser Einfluß des r (und der des gedeckten r), hat sich 
in der heutigen Mundart auf alle kurzen Vokale und auf die mit vorderer 
hoher Zungenstellung gebildeten langen Vokale ausgedehnt. 

§ 85. Dehnung und Kürzung. Dehnung eines altfrk. kurzen Vokals 
erfolgt nicht vor Geminata oder vor Konsonantenverbindung, ausgenommen 
die Dehnung des a e vor r + Kons. und des a vor zt. Niemals wird 
jedoch e oder a gedehnt, wenn es vor r+ Kons. aus 2 ú o u stammt. 
narl Snavl kavl havr fatr (8 17), levr nevl evr poöm bont hosa motl 
SOS), fedr ledr kevə nemə (8 20), Stivl tsvivl rel Stricl (8 21) haben 
kurzen Vokal, trotzdem dieser im Altfrk. in offener Silbe stand. 

Ganz unter ähnlichen Verhältnissen werden andererseits gedehnt: 
vaaxm faadm khaadr (8 40, 1), foogl (8 41, 1), keevl veevr seevl pheeör 
($ 42, 1), so daß sich hier eine Regel vorläufig kaum feststellen läßt, 
was um so merkwürdiger ist, da die qualitativen Lautänderungen überall 
die strengste Folgerichtigkeit zeigen. Neigung zur Dehnung herrscht 
überwiegend vor einfachen Kons., und der in $44 Anm. 3 festgestellte 
Wechsel zwischen Kürze und Länge (raat —reör, plaat— pleör usw.) be- 
weist am besten die Stärke dieser Neigung, die sogar grammatischem 
Ausgleich widerstrebt. In allen Fällen der Kontraktion (-age- > aa, 
-0ge- > 00, -ege- > ee, -tege- ige > ii) tritt Dehnung unbedingt ein. Doch 
verhalten sich die einzelnen Vokale der Dehnungs- oder Kürzungs- 
tendenz gegenüber nicht gleichmäßig. Am meisten neigt zur Dehnung 

Zeitschrift für Deutsche Mundarten. VI. 9 


130 Heinrich F. Schmidt. 


a, weniger e, o und +, während u-Laute niemals gedehnt, um so häufiger 
aber gekürzt werden (8 43 Anm. 8 44). Eine teilweise Erklärung dieser 
Erscheinung finden wir in Ernst A. Meyers Abhandlung »Zur Vokal- 
dauer im Deutschen« (in: Nordiska Studier Tillegnade Adolf Noreen, 
Uppsala 1904, S. 354); nach Meyers experimentellen Untersuchungen 
hängt die Dauer des Vokals ab »von der Höhe der Zungenstellung: am 
kürzesten sind die höchsten Vokale / und «, länger ist e, am längsten 
o und oe, Diesen auf die norddeutsche Aussprache gegründeten Be- 
stimmungen scheint allerdings zu widersprechen, daß in unserer süd- 
deutschen Mundart 2 oft gedehnt wird; daß aber a (und weniger e o) zur 
Dehnung, uu(< uo) zur Kürzug neigt, dürfte seine Erklärung in der 
allgemeinen Lautdauer dieser Vokale finden. 


S 86. Nach den 8$ 63, 65 und 69 herrscht Wechsel zwischen inl. 
v ò und auslaut. p t: staap Staub — staaric staubig, ic klaap ich glaube 
— klaavə glauben, Ze Sterp ich sterbe — štęrvə sterben; dc hit ich hite 
— hiido hüten, erert er reitet — rezda reiten, preet Brett — preör Bretter, 
kuut gut — huudr guter, s saat es schadet — saada schaden. Was nun 
die Frage des Alters dieser inlautenden Spiranten betrifft, so scheint 
zwar allgemein die Meinung zu herrschen, daß germ. 5 und ¿ úberall, 
also auch inlautend zwischen sonoren Lauten, zu Verschlußlauten wurden.! 
Doch liegt unseres Erachtens kein genügender Grund vor, anzunehmen, 
daß sich diese inlautenden Spiranten später wieder neu entwickelt hätten. 
Über d wenigstens läßt sich behaupten, daß dieser Laut — germ. þ ent- 
sprechend — zur Zeit O. und der Is.-Übersetzung noch allgemein ver- 
breitet war, besonders in Anlaut und Inlaut (Franck S$ 92 — 94). Germ. 
d und [5 fielen später zusammen: im Anlaut und Auslaut wurden sie zu 
t, im Inlaut zu o zu beachten ist jedoch, daß germ. d nicht zum Reibe- 
laut ò, sondern zum stimmlosen Verschlußlaut wird in allen Wörtern 
(und einigen bei Is. nicht belegten), in welchen Is. inlautend anstatt ge- 
wöhnlichem d das seltenere t schreibt: fatr, motr, kotas, vart — verlr 
(S 65, 3). Inl. v könnte aus dem Mittelfrk. weiter südostwärts vor- 
gedrungen sein. | 


S 87. Wir haben in der Einleitung gesehen, aus welchem ausge- 
dehnten Gebiet die Ansiedler herstammen. Fragen wir uns jetzt: hat 
eine gewisse Mundart der Urheimat gesiegt, herrscht sie jetzt allgemein 
in dem Ansiedlungsort, und welche ist dies?, so können wir auf diese 
gewiß sehr wichtigen Fragen leider vorläufig keine erschöpfende und 
gänzlich befriedigende Antwort geben. Eine Mundart unserer Urheimat, 
deren charakteristische Eigentümlichkeiten mit der unsrigeu gänzlich 
übereinstimmen würden, ist mir nicht bekannt. Gibt es eine solche, so 
ist sie jedenfalls auf dem linksrheinischen Gebiete der heutigen Kurpfalz 
und Rheinhessens zu suchen. Denn sie muß östlich von der Grenze des 


1 S, jetzt Lessiak, Anz. f d. A, XXXIV, S. 194. 


1 


Lautlehre der rheinfränkischen Mundart von Verbúsz in Südungarn. 131 


Moselfränkischen, nördlich von der Grenze des Elsässischen, nördlich also 
z. B. von der Diphthongierungsgrenze, die für ?s/ees Wrede (Anz. f. d. A. 
1892, S. 409) beschreibt, nordwestlich von der p/pf-Grenze und nord- 
westlich von der -chen/-lein-Grenze gesprochen werden. Mit den hessischen 
Mundarten hat zwar unser Dialekt vieles gemein, sie wird aber von ihr 
scharf getrennt dadurch, daß bei uns auch inlautendes s vor Kons. zu 
o wird (pest = bist, vgl. Z. f. d. Ma. 1908, S. 310). Einen guten Anhalts- 
punkt würde bieten, daß nach W. Haster, Rheinfränkische Studien (Darm- 
stadt 1908), S. 19 und 81 im Westrich (Nahe- und Bliesgau) inlautendes 
ò noch nicht zu r verschoben ist. Der Lautwandel 5 > r scheint aber 
seit 125 Jahren bedeutend vorgedrungen zu sein, weil er in unseren, 
aus allen Ecken des Rheinfränkischen stammenden Kolonialmundarten, 
bisher wenigstens, nicht bekannt ist (nur in Niezkyfalva, Kom. Temes, 
heißt es in der Kindersprache ore = oder, und in dem Zuruf: Auurit 
khervei = frohe Kirchweihe! gewöhnlich gilt aber auch dort oör und 
kuuðii, s. Kräuter: A niczkyfalvai német nyelvjárás hangtana = Lautlehre 
der deutschen Mundart von Niczkyfalva, Budapest 1907, S. 37). Doch 
ist in den pfälzischen Kolonien am Niederrhein nach Böhmer S. 72 
r (< ò) durchbgedrungen. Mit der Mundart des Nahe- und Bliesgaus 
stimmt aber unsere Mundart wiederum doch nicht, denn dort wird mhd. 
ou zu ee, bei uns zu aa, dort ist « lang, bei uns kurz in suro, khuzo, 
pur, plum usw. (Haster, S. 80). Trotzdem sind wir in diese Gegend, 
vielleicht etwas mehr nördlich, in die Nordwestpfalz also, verwiesen, 
denn in nächster Nachbarschaft, in Kirn a. d. Nahe, herrscht wieder aa 
für mhd. ou, wie bei uns (klaava, fraa, Staap, Kirchberg, Laut- und 
Flexionslehre der Mundart von Kirn a. d. Nabe, Straßburg 1906, S. 17), 
und besonders bestechend sind trotz manchen lautlichen Unterschieden 
die merkwürdigsten Übereinstimmungen im Wortschatz mit der Kirner 
Mundart, z. B.: atsl f. Elster, vaaxm m. Rasen, Smik f. Kordel am Det. 
schenende, ala kapot jeden Augenblick, Ahoodra unvernehmlich sich in 
den Bart reden, poorkherce f. Gallerie neben der Orgel in der Kirche, 
sic Struuntsa sich großtun, sich zureden lassen, fluptie plötzlich, pars m. 
Geliebter, plaul m. Waschbläuel, reets m. Zwirn, maajo auf Besuch gehen, 
luvoor f. Waschschiússel, khuntrhecer durcheinander (aus au contraire), 
pharpla Plur. Blattern, phosa einimpfen, phanoastiilco n. Scherzname eines 
Kindes vor der Taufe, phetro regnen, epos etwas, valric wach, uf tə Stip 
sofort, er hat tii Stiiva er ist toll vor Lust, tharso m. Strunk, Akarst f. 
Kruste, tempie engbrüstig, Mlikr m. Schnellkügelchen, plestra pflastern, 
stratsa spratzen, selert Pron. selbst, molakhop m. Molch, hampheeòðr Hans- 
Peter usw. 

Gänzliches Licht in dieses Halbdunkel erhoffe ich aber nur von 
einer mir freundlichst gebotenen Gelegenheit der Durcharbeitung des 
Sprachatlas, die ich um so freudiger ergreifen werde, weil sich nur auf 
die Weise feststellen lassen wird, welchen Anteil die kleineren Gruppen 
an der Ausgestaltung der heutigen Mundart genommen haben. 


ge 


132 Heinrich F. Schmidt. Lautlehre d. rheinfränk. Mundart von Verbász in Südungarn. 


V. Sprachproben. 


A. Kinderverse. 


1. 3. 
too hast a taalr Sloof khintca, Sloof 
kee uf te maark tes motr hit Soof 
khaaf tr ə khiicə, un 2 khelpco tet fatr hit lemrcar 
un a kila-kila kensca. mita krimoa penrcar. 

4. 

2. reida reıda resca 
ros ros trilca tartrova steet a slesca 
to pauar hat a filca tart Sau trei popa raus 
s filca vil net laafe tii eent Spint seit 
te pauər vils fokhaafa tu anr Spint veil, 
laafts filca vak liù anr Spint a rooda rok: 
hata pauor a trek. far unzr liüivr herkot. 


1. Da hast du einen Taler, geh auf den Markt, kauf dir eine kleine Kuh, und 
ein Kälbchen, und ein ... Gänschen (bei den — übrigens bedeutungslosen — Wörtchen 
kila-kila wird die flache Hand der Kinder gekitzelt. Zu beachten ist die Alliteration). 

2... . der Bauer bat ein Füllen, das Füllen will nicht laufen, der Bauer will 
es verkaufen, lauft das Füllen weg, hat der Bauer einen Dreck.. 

3. Schlaf Kindchen, schlaf, deine Mutter hütet die Schaf, dein Vater hütet die 
Lämmerchen, mit den grünen Bänderchen. 

4. Reiten, reiten, Rößchen, dort oben steht ein Schlößchen, dort schauen drei 
Puppen heraus, die eine spinnt Seide, die andere spinnt ein Kleid, die andere spinnt 
einen roten Rock, für unsern lieben Herrgott. 


B. Sprichwörter und Redensarten. 


l. s is khupst vis kspruy. 2. 9 kuudüi ausret is o leproot veert. 
3. vii to her, soo s kser. 4. fina- fina viör keva — keva- keva nimit keve. 
5. kirum-laarum leflstül, alto veivr plapra fiil. 6. ver net khumt tsu 
rectr tseit, teer mus eso vas wric pleipt. T. s past, vii ə faušt ufs au. 
8. vaart, tuu krust aa a silernas nikslca un a koltnas vaartweilca. 9. pats 
niks, so Sats niks. 10. van ta uyr saat »van«, noo hadr s Sun. 


1. Es ist gehüpft, wie gesprungen — es hilft ein Vorgehen so viel (oder so wenig) 
wie das andere. 2. Eine gute Ausrede ist einen Laib Brot wert. 3. Wie der Herr, so 
das Geschirr. 4. Was man findet, gibt man zurück, was man geschenkt bekommt, gibt 
man nicht zurück. 5. Lierum-larum Löffelstiel, alte Weiber plappern viel. 6. Wer 
nicht kommt zu rechter Zeit, der muß essen, was übrig bleibt. 7. Es paßt, wie eine 
Faust aufs Auge. 8. Warte, du bekommst auch ein silbernes Nickselchen und ein 
goldenes Warteinweilchen. 9. Nützt es auch nichts, so schadet es wenigstens auch nicht. 
10. Wenn der Ungar sagt „wann“, (ung. van = ich habe), dann hat er es schon. 


Christoph Beck. Über nichtdeutsche Elemente in bayerischen Ortsnamen. 133 


Über nichtdeutsche Elemente in bayerischen 
Ortsnamen. 


Von Christoph Beck. 


Die Ortsnamenforschung hat seit den letzten Jahrzehnten auch in 
Bayern wichtige Tatsachen zutage geförderte Besonders hat man sich 
eingehend mit dem fremden Einschlag beschäftigt, wie er in den Namens- 
formen erhalten sein soll. Leider sind die hierbei erzielten Ergebnisse 
noch keineswegs einwandfrei; dem fremdem Volkstum wird immer noch 
eine viel zu hohe Bedeutung beigemessen. Fast möchte es scheinen, als 
ob man sich auch auf diesem Gebiete von der Auslandssucht der Deut- 
schen nicht frei machen kann. Verhängnisvoll ist außerdem eine grund- 
falsche Auffassung von der Aufgabe der Ortsnamenforschung. Wie es 
scheint, wird diese ganz in den Dienst der Geschichte gestellt Man 
sucht stets die Ergebnisse dieses Forschungsgebietes in Einklang mit der 
geschichtlichen Überlieferung einer Gegend zu bringen. Ein solches 
Verfahren kann oft auf die bedenklichsten Irrwege führen. Sind doch 
in vielen Fällen die geschichtlichen Berichte noch lange nicht genügend 
als glaubwürdig bewiesen; und geht ja die Geschichte häufig von Hilfs- 
wissenschaften, wie Vorgeschichte, Anthropologie, aus, deren Schlüssen 
man vielfach Mißtrauen entgegenbringen muß. Will die Ortsnamen- 
forschung sichere Bahnen wandeln, so muß sie sich zunächst auf sich 
selbst verlassen; sie hat niemand zu dienen und braucht auch keine 
fremde Hilfe anzurufen. Erst dann kann sie als selbständige Wissen- 
schaft gelten, und es wird dann das Umgekehrte der Fall sein: Geschichte, 
Anthropologie usw. werden sich nach ihr richten, sich auf ihre Ergeb- 
nisse berufen. 

Bei der Feststellung der Rolle, die das Ausländertum in den Orts- 
namen einer Gegend spielt, muß in derselben selbständigen Weise ver- 
fahren werden. Das Ausgehen von einem bestimmten Standpunkte 
außerhalb der Geschichte der Namen selbst ist äußerst verhängnisvoll. 
Der Forscher, der bei seinem Suchen gewisse Nachrichten von dem 
Vorhandensein der Kelten, der Römer, der Slaven zugrunde legt, ist nur 
zu leicht versucht, schwierigere Namensformen unter diesem Gesichts- 
winkel zu betrachten; kommen zu solchen geschichtlichen Überlieferungen 
gar noch einige Kenntnisse in der Schrift und Sprache des betreffenden 
fremden Volkes, dem er nachspürt, dann ist das Unheil noch größer; 
dann sieht sein Auge überall nur fremde Namen, die einfachste deutsche 
Namensform ist dann für ihn die Entstellung einer ursprünglich fremden. 

Wer über nichtdeutsche Bestandteile in den deutschen Ortsnamen 
zuverlässige Untersuchungen anstellen will, muß ganz vergessen, daß er 
von fremden Völkern, die in seinem Arbeitsgebiet einmal gewohnt haben 
sollen, überhaupt etwas gehört hat. Für ihn gibt es zunächst nur Deutsche, 


134 Christoph Beck. 


deutsche Stämme, deutsche Sprachidiome. In letzteren muß er besonders 
gut zu Hause sein, ehe er sich an seine eigentliche Aufgabe macht. Das 
vergessen leider die meisten Forscher, welche die Spuren des Ausländer- 
tums in Deutschland aufzudecken suchen. Fast scheint es, als ob sie 
die fremde Sprache besser verstünden als ihre Muttersprache, womit nicht 
gesagt sein soll, daß ihre Kenntnisse in den fremden Sprachen für die 
Namendeutung ausreichten; denn für diesen Zweck müßten sie eigene 
historische Studien gemacht haben. Wer z. B. über slavische Ortsnamen 
einer deutschen Gegend schreiben will, müßte sich erst über den Stand 
des slavischen Dialektes zur Zeit der betreffenden Ortsgründungen 
im klaren sein. Aber selbst angenommen, es wären diese beiden Be- 
dingungen, gründliche historische Beherrschung der deutschen wie der 
fremden Sprache, aufs schönste vereinigt, so fehlt doch noch ein sehr 
wichtiger Umstand, nämlich eine umfassende Kenntnis der Orts- und 
Flurnamen mehrerer deutscher Gebiete. Besonders in den letzteren wird 
der Forscher den Schlüssel zu mancher Namensform finden, die er, weil 
sonst nicht auffindbar, gerne als undeutsch ansehen möchte; ein wissen- 
schaftlich angelegtes deutsches Flurnamenbuch, das alle deutschen 
Provinzen berücksichtigt, das muß die künftige Bibel des Ortsnamen- 
forschers werden; ein solches Nachschlagebuch wird uns dann auch in 
den Stand setzen, eigenes und fremdes Besitztum reinlich zu scheiden. 

Was die neuesten größeren Untersuchungen über nichtdeutsche 
Ortsnamen in Bayern anlangt, so verdienen hier hauptsächlich zwei ge- 
nannt zu werden; es sind das: Karl Gruber, Vordeutsche Ortsnamen 
im südlichen Bayern (Phil. u. volksk. Arbeiten, Erlangen 1908) für 
Südbayern und Heinrich Gradl, Die Ortsnamen am Fichtelgebirge 
und in dessen Vorlanden, 2. Abt. Slawische Namen, Eger 189, 
für den Nordosten von Nordbayern. 

Während für letzteren Forscher als fremdes Volk nur die Slaven 
in Betracht kommen, hat ersterer mit einer ganzen Reihe, mit Venetern, 
Rätern, Norikern, Kelten, Keltoromanen, Römern, Romanen und schließ- 
lich mit Slaven zu rechnen. Von all diesen Völkern will der Verfasser 
Niederschläge in den Orts- und Flurnamen mehr oder weniger bestimmt 
nachweisen und setzt zu diesem Zwecke einen großen wissenschaftlichen 
Apparat in Bewegung. Trotzdem läßt sich von der Arbeit nicht sagen, 
daß sie die wichtige Frage in befriedigender Weise gelöst hat. Was 
Gruber in der Einleitung von einigen Namen sagt, gilt für das ganze 
Buch: »Es wird der Germanist und genaue Kenner der schwäbischen und 
bayerischen Mundart — und, fügen wir noch hinzu, der Orts- und Flur- 
namen mehrerer Gebiete — auch von vielen dieser scheinbar undeutschen 
Namen den Nimbus des Fremden nehmen und sie auf gute deutsche, 
wenn auch ausgestorbene oder nur noch in der Mundart — oder, w. o., in 
anderen Orts- und Flurnamen — fortlebende Wörter zurückführen.« 

Von diesen stellen sich viele jetzt schon ohne besondere Schwierig- 
keiten als gut deutsch heraus. So ist der Bergname Der Bescheißer tat- 


X 


Über nichtdeutsche Elemente in bayerischen Ortsnamen. 135 


sächlich, wie das Volk meint, von dem Verbum »bescheifen«, d. 1. be- 
trügen, narren, abgeleitet, weil man den Gipfel lange nicht sehen kann; 
dieses Verbum ist als Lokalname sehr beliebt, allerdings meist in der 
ursprünglichen Bedeutung »mit Kot, Schlamm überschütten«, darum 
gerne von Bächen »Der Bescheißer« und von Wiesen im passiven Sinne 
»Die Beschissene«; die Ableitung von *excisus abgehauen, abgeholzt, ist 
doch sehr gesucht. — Das gleiche muß von der Erklärung des Wald- 
namens » Im Muelte, in den Meltern, Im Melter« durch mlat. maladeria 
Siechenhaus gesagt werden; der Name begegnet in Franken öfter, als 
Flurname bei Bamberg als »In der Multern« (1482), wohl auch in dem 
oberfr. Ortsnamen Mehlteuer (in der Meltewer 1409), und ist mhd. multer, 
muolter, swstf. die Mulde, Vertiefung. — Aus dem Deutschen ist auch 
der Name Kas, Kes in den »Käsbächen« Bayerns zu erklären; es ist 
mhd. kės, stn. Kislager auf dem Gebirge, Gletscher, und erscheint in 
dem häufigen Flurnamen »Käswasser«; vgl. auch Ortsname Käswasser bei 
Heroldsberg (Nürnberg). — Ein Ranns (1180 Rans, später Ranes) hat 
wohl nichts zu tun mit *(in) ramis »Im Boschen«, sondern ist wie Das 
Kannes bei Weesen in der Schweiz = Rannachs, Kollektiv im Gen., wie 
Föres = Forichs usw., von »Rannen« Baumstümpfe, also ursprünglich 
Waldname; vgl. Ortsname Ranna im Pegnitztal. — Unmöglich ist Fall 
(1280 datze dem Valle; im Fall später) als eine Umdeutung aus rom. 
val Tal anzusehen; das verbietet das häufige Vorkommen dieses Namens 
als Flur- und Ortsname; meist dürfte ein Erdfall gemeint sein; vgl. die 
Fallmühle (Pegnitztal), 1534 gen Fall da ettwa ein müle gestanden ist; 
eine Erdfallmühle bei Engelthal 1795 erwähnt. — Der Name des Dorfes 
Sölb — auf die Lage an der alten Römerstraße ist nicht viel zu geben —, 
das urk. Sölwe lauten soll, ist wohl dem oberfr. Selb gleichzusetzen, von 
dem ebenfalls Formen, wie 1271 de Selwen, 1281 forum Selewen, 1316 
in Selben überliefert sind, und die auf salken Salweiden unter Auflösung 
von k > w >œ b weisen. — Abzulehnen ist auch die Ableitung des Namens 
der Mühle Neul, alt Newlen aus lat. navale Schiffsstation oder naulum 
Fährgeld; der Name bedeutet wohl dasselbe wie unser Naila, das eben- 
falls stets als Newlen, Newlein überliefert ist und vielleicht das gleich 
darauf auch von Gruber angeführte Neval = novale Neureuth, Neuland 
ist. — Ein Inzell ist wohl auch als echt bayer. Einzell, d. i. Einzellhof, 
auch in Oberfranken bei Kulmbach häufig, und nicht als ein rom. run- 
cella von lat. runcare roden, aufzufassen. Herkunft aus dem Deutschen 
ist ferner anzunehmen bei den Bergnamen Kapf, Kogel, Gugel sowie bei 
den Gund und Gump; beide wohl zu dem Verbum gumpen Sprünge 
machen, als Subst. muldenartige Vertiefung, Weideplatz, auf dem sich 
das Vieh tummeln kann (s. Kübler, Die deutschen Berg-, Flur- und 
Ortsnamen, Amberg 1909, S. 60). 

Wenig befriedigen können schließlich die Ausführungen zu den 
zahlreichen Namen auf -2fx, -nitx, -x und zu Wimpassing. Zu ersteren 
gehören Namen wie Scharnit:, Dormitx, Kellmiinx, Tölz, Schüttlutsberg 


136 Christoph Beck. 


und Flußnamen wie Wornitx, Rednitz, Sulz, Brenz. So undeutsch 
diese Namensformen auf den ersten Blick erscheinen, so diirften sie doch 
deutsches Gepräge haben. Wie will man sonst die Tatsache erklären, 
daß Namen wie Dormitz, Kellmünz, Tölz auch in Franken auftauchen 
und zwar in den gleichen alten Formen? Schwierigkeiten macht haupt- 
sáchlich die Endung -ttx, -x; allein sie scheint besonders bei den Bayern 
sehr beliebt gewesen zu sein; man denke nur an die vielen Intensiva 
auf -itzen wie banwizen wehklagen, fimmexen flimmern, feurizen Feuer 
sprühen usw. Auch zur Substantivbildung wurde cz vielfach verwendet; 
z. B. Himelix (Zimmerdecke, Betthimmel); Diglitz (Dolch); besonders 
häufig bei Baum- und Pflanzennamen wie Affarizen ribes alpinum, Air- 
schizen sorbus domestica (Árlitxber), Püästnix, Pesnix (Hanfpflanze), Hórlitz 
(Kornelkirsche), Kestnix (Kastanie) usw.; bei Namen von Vögeln — die 
sicher nicht, wie Kluge, Deutsches Wörterbuch, annimmt, aus dem 
Slavischen kommen — wie Grinitz, Stiglitz, Kiebitz, Gilftitz usw. 
Hierher gehört wohl auch die Koseform von Personennamen wie Heinz, 
Renz, Benz, Werniz, aus Heinrich, Reinhard, Bernhard, Wernher 
verkürzt. Gerne wird die Endung -ens aus Plur. en + genit. s, sowie -ets 
aus kollekt. et, at < icht, acht + genit. s zu nitx, itx, in der Regel bei 
Waldnamen; auf bayerischem Sprachgebiete ist diese Erscheinung be- 
sonders häufig zu beobachten; z.B. Belleniz (Sammelname von belle Weide), 
Stöcketx (= Stöckach); ein Weidenacker lautet urk. 1449 Widensacker 
(Kübler, a.a. O. S. 131); ein Ortsname Weidnitz bei Burgkunstadt urk. 
1341 zu Weydenix; 1373 ein Ahorens, Kollekt. von Ahorn. 

Deutlich zeigt sich dieser Genitiv des Kollektivs -ach, -ich in 
Namen wie In der Weites, oder Weitas; manchmal wechselt ich, ig mit 
es wie in Heßlig (Haslach) und Hesles bei Weidenberg 1421; ebenda zu 
dem Eschereß und zu Meschereich(s) mit angewachsenem m (1421): ein 
andermal lautet die Endung -nitx; so steht 1421 Leubnitz neben Leubnig; 
in der Arögelix (bei Mistelbach) findet sich öfter neben uf der Kreglich 
und bey der Krogniß (1421). Wie itx, nitz, litx aus deutschen Personen- 
namen entstehen, ist bereits in der unzweideutigsten Weise nachgewiesen; 
ein Sigritzau bei Forchheim ist 1228 in der Sigehardesawe, ein Adlitz 
bei Waischenfeld 1374 Adloltz, Gen. von Adelolt; ein Moritzhof (Oberfr.) 
lautet 1462 Moroldshof und Morat:hoff. | 

Wir können es also in Namen wie Scharnitx, Dormitz, Kellmünz, 
Tölx, Schüttlitzberg sehr wohl mit deutschen Bildungen zu tun haben; 
ein Scharnitx = Schernit: Scherenwald, Steinwald, ein Dormitz, alt Dor- 
men: < dorben:, Kollekt. von dorb Fichte (s. meine Ortsn. des Pegnitz- 
tales, Nürnberg 1909), Kellmün: < kalwe, mhd. keliwe kahle Stelle; Flur- 
namen wie Kelmen, 1532 Kelben, 1631 Aalbmen sind in Bayern mit 
dieser Abstammung belegt (Kübler, S. 186); Tölz, alt Tolinze, wohl das- 
selbe, was Dúllnitz bei Pressath, Kollekt. von dal Tal; ein zu Talnitz’ 
neben Zum Dales (1421) in Oberfranken überliefert, was sicher als 
Sammelname aufzufassen ist. Unstreitig aber ist Schüttlitzberg — Schött- 


WM 





Über nichtdeutsche Elemente in bayerischen Ortsnamen. 137 


leinsberg, häufiger Bergname, z. B. zum Schötleß bei Münchberg. Wie 
es mit den Flußnamen Wöürnitz, Rednitz, Sulz, Brenz steht, wage ich 
vorerst noch nicht zu entscheiden; doch dürfte sich auf dem angedeuteten 
Wege auch für sie Herkunft aus dem Deutschen nachweisen lassen. 

In den 33 Wimpasing, mit den verschiedensten Schreibungen wie 
Wimpersing, Wimpaising usw., in Winning (XI. Jh. Winidun), in einem 
im VIII Jh. erwähnten palus Wynidouwa bei Königsdorf a. d. Isar, glaubt 
Gruber der herrschenden Auffassung zufolge die Slaven, die Wenden, 
erblicken zu müssen. Mit dieser Deutung muß einmal aufgeräumt werden! 
Zunächst muß darauf hingewiesen werden, daß es ein Wirnpas auch bei 
uns, in der Nähe von Roßstall gibt, als Wimpashof. Was dann die 
Erklärung von Wim < winid mit »Wendens anlangt, so ist zu bedenken, 
daß in diesem Falle dieses Völkchen in ganz Deutschland, Holland, Eng- 
land und Skandinavien und zwar in beträchtlicher Anzahl verbreitet wäre, 
was doch kaum den Tatsachen entspricht. Für die Gegenden am Main 
und an der Rednitz werden die Wenden als Moinwinida und Radanz- 
winida freilich urkundlich überliefert. Allein es fragt sich, ob die Aus- 
steller der Urkunden über die tatsächlichen Verhältnisse wirklich gut 
unterrichtet waren. Geht ja aus einer Urkunde hervor, daß sie nicht 
einmal die Sprache dieser Gegend, am Main und an der Rednitz, ver- 
standen, indem sie dort gebräuchliche Wörter für slavisch hielten. So 
heißt es in einer Urkunde des Königs Arnulf vom 1. Dezember 889: 
decimam tributi, quod de partibus orientalium franchorum vel de sclavis 
ad fiscum dominicum annuatim persolvi solebat, quod secundum illorum 
linguam steora vel ostarstuopha vocatur, sive in melle sive in paltenis 
seu in alia qualibet redibitione confirmamus ad basilicam s. salvatoris 
ubi s. Kilianus martyr requiescit; Mon. boic. XXVIII 97. 

Beide Wörter steora und ostarstuopha sind natürlich gut deutsch 
und nicht slavisch; auch paltena, das noch in der Umgebung von Kronach 
volkstümlich ist, stammt nicht aus dem Slavischen, sondern aus dem 
Mlat. und bezeichnet einen langen Wollenrock; bei den Webern Ober- 
frankens hat sich dieses alte Wort noch erhalten. 

Auch der Hinweis auf die Rasseeigentümlichkeiten der Bevölkerung, 
auf die dunkle Haarfarbe, die breite Gesichtsbildung, die mittelgroBen, 
untersetzten Gestalten, wie man sie besonders in Oberfranken finden will, 
kann für das Slaventum nicht sehr ins Gewicht fallen. Ist doch dieser 
Typus in den eigentlichen Slavenländern, wie in der Lausitz, im Spree- 
wald, in Böhmen, äußerst selten; sogar in Rußland ist der Prozentsatz 
des germanischen Typus mindestens ebenso hoch wie der des slavischen; 
in den südslavischen Provinzen ist das Verhältnis für den letzteren etwas 
günstiger; allein hier, in diesen Gebirgsgegenden, können andere Volks- 
reste, besonders die Urbevölkerung, sehr in Betracht kommen. Bei uns 
in Oberfranken aber mag dieser dunkle und stemmige Menschenschlag 
eher auf die Bayern zurückzuführen sein; in Herzogenaurach z. B., wo 
diese Rasse noch am besten erhalten ist, waren ja nachweisbar Bayern 


138 Christoph Beck. 


angesiedelt. Auf diese weisen für ganz Oberfranken noch andere wichtige 
Umstände, wie Dialekt, Kleidung, Sitten, Vornamen, Patronatsheilige usw. 
Das weiBe Kopftuch, das die älteren Frauen in der Fränkischen Schweiz 
zum Zeichen der Trauer tragen, ist, wie ich an anderer Stelle zeigen 
werde, gemeingermanisch, wenn nicht gemeinindogermanisch; auch die 
sog. slavischen Rundlinge kommen mehr in der Phantasie der Slavomanen 
als in den eigentlichen Slavenländern vor. 

Diese Ergebnisse müssen uns gegen das Slaventum in Bayern, 
mindestens aber gegen ein so starkes Vorhandensein, daß sein Einfluß 
in Orts- und Flurnamen zu bemerken wäre, mit Mißtrauen erfüllen. 
Wir haben schon gesehen, wie viele der -:fx- Namen, die man sonst so 
gerne für slavisch ansieht, guter deutscher Abstammung sind. Und so 
wird es auch bei den -winden-Namen sein. Welches germ. Wort zu- 
grunde liegt, ist freilich bis jetzt schwer zu sagen; man kann an winne 
Weideland — inne : wind — minne : engl. mind oder ahd. ero : erda 
Erde denken; die Winden wären also die wennenden, d.i. die Viehzucht 
Betreibenden. Nahe liegt auch das alte skandin. win, das als Grundwort 
der ältesten Hofnamen verwendet wurde; es kam dort schon frühe außer 
Gebrauch, weil es bei den Ortsgründungen auf Island schon nicht mehr 
beliebt war; winid wäre davon eine Fortbildung wie erda von ero. Gerade 
der Umstand, daß die Winden-Orte meist kleine Höfe oder eine Gemein- 
schaft von mehreren Höfen sind, spricht für germanischen Ursprung; die 
Niederlassung in einzelnen Höfen war ja echt germanisch und wurde 
vielleicht von den Bayern und den Alemannen länger beibehalten als 
von den Franken, die als Nachfolger der Römer in Gallien bald zu Dorf- 
gemeinschaften, den ville — daher die vielen villiers usw. in Nordfrank- 
reich —, übergingen und die in Höfen Wohnenden als die Winnenden 
ədie Hofleute« bezeichneten. Die Wimpasing wären demnach kleine 
Hofsiedlungen, was sie in der Tat heute noch sind. Diese Annahme 
legt auch das Grundwort pas, pos nahe; dieses findet sich nämlich be- 
sonders in Namen wie Kupof?, Schuppof?, unter denen ein kleiner Hof 
zu verstehen ist. Es ist das Subst. böx, das auch in Amboß, Knieboß, 
Steinboß erscheint. Das -ing in den Wimpasing ist durchaus nicht 
patronymisch zu fassen, so daß also pas, pos Personenname, hier Spott- 
name — was überaus seltsam ist — der Knecht, wäre. dng ist vielmehr 
uneigentlich aus kollekt. vo, wie auch Steinpößig, Steinpösing, Föhring 
neben Förzch vorkommt. Vielleicht ist pos selbst einfach — Hof zu setzen, 
was aus Posbauer, alt Pasbauer bei Neumarkt = Hofbauer, zu schließen 
ist. In Oberfranken dürfte Posseck = Possig = Pasiny sein, genau wie 
Osseck, 1392 Osseg = Osing Asang, abgesengte Stelle ist; ck für g ist 
für die Bayern charakteristisch. Paßlas = paßleins = Höfleins. Das 
ing läßt aber noch die Deutung als Endung einer Maß- oder Größen- 
bezeichnung zu; ein Wimpasing ist dann ein Hof von einer bestimmten 
GröBe, wie ein Vierling ein bestimmtes Maß, ein Schilling ein bestimmter 
Geldwert ist. 


Über nichtdeutsche Elemente in bayerischen Ortsnamen. 139 


Meine bisherigen Ausführungen haben im allgemeinen meine Stellungs- 
nahme zur Wendenfrage in Bayern bereits deutlich erkennen lassen. Es 
wird darum nicht befremden, wenn ich den diesbezüglichen Ergebnissen 
des zweiten Buches, H. Gradl, Die Ortsnamen des Fichtelgebirges usw., 
gegenüber einen ablehnenden Standpunkt einnehme. Ich suche nun bei 
einzelnen Namen, die mir besonders aufgestoBen sind, das Unhaltbare 
der Erklärung aus dem Slavischen darzutun. Hoffentlich gelingt es bald, 
allen diesen Namen die aufgezwungene fremde Maske abzunehmen; er- 
obern wir, ehe wir über die Grenze gehen, das Deutschtum zunächst im 
eigenen Lande zurück, nachdem wir es so viele Jahrhunderte so bereit- 
willig dem Ausland überlassen haben! 

S. 27: Schlatten: wie die urk. Formen 1224 in Sletein usw. zeigen, 
nicht zu asl. slatina salziges Wasser, Sumpf, sondern zu mhd. slâte, swf. 
Schilfrohr, Sumpf zu stellen; vgl. Ortsname Kirchschletten, Flurname 
Schlettach. — S. 28: Leuthen: ist bayerische Dialektform zu leite Abhang. 
— S. 34: Rehau: 1382 Resaw, 1502 Rechßaw, von vech Reh abzuleiten. — 
Ebd. Gragnitz, 1421 vor der Greglicx; Gen. eines Kollektivums von gregl, 
Name einer Pflanze; vgl. Kreglingen, ebenfalls Kollektivum, und nordisch 
Krekling. — S. 36: Schaben: 1309 Scheyben, 1409 Schoben, von mhd. 
schoup Heuschober. — S. 37: Lessau: 1428 Lechsem, 1437 Lesem, von 
einem les Weideland; vgl. ags. laës. — S. 40: Virst: sicher = First, Ge- 
birgskamm; vgl. die 7 Churfirsten! — S. 41: Friesen: von alemann. 
friesen Graben. — S. 46: Losa: 1266 de Lasan; von läß, Waldstelle 
zum Hinunterlassen des Holzes oder = laßhube Hof. — S. 50: Lohm 
sowie die zahlreichen Lahm, Lam nicht von slav. lomu Bruch, sumpfiger 
Ort, sondern bayerische Dialektform für mhd. laim Lehm (dial. läma); 
Lamitx Genit. Kollektiv dazu; diese Genitive erklären sich auch als Ana- 
logiebildungen zu den vielen elliptischen Ortsnamen wie Helmbrechts, 
Höfles, Dörfles, Reutles der Umgebung. — S. 54: die zahlreichen -meusel, 
urk. auch meißel, sind Deminutiva von mai} (vgl. Bodenmais usw.) Holz- 
schlag; im Frankenwald háufiger Flur- und Waldname. — S. 55: Sterz: 
sicher = xagel Schwanz, wohl von der Flurform. — S. 56: Stobitxhof: 
friiber Stabossen 1395; 1297, 1311 Steinbutz; nach den urkundl. Formen 
zweifellos = steinbox Steinbruch und nicht von slav. Personennamen 
Stabos, der zudem erst erfunden ist. — S. 57: Zobes: 1328 xue Zcobozen, 
1418 Cxobels von germ. Personennamen Zobel; ellipt. Ortsname. — S. 59: 
Granesau: 1454 Grannisaw; von cranwit Wacholder; Gen. mit An- 


gleichung von w an n. — S. 61: Nenschkau = das Gehau eines gew. 
Nensch, Gen. vom Stamme -nand, etwa Nandhards, und nicht von slav. 
Personennamen! — S. 64: Zwergau: nicht von slav. Personennamen Cvrh, 


sondern die zwerch, d. i. quer liegende Au; vgl. Flurnamen wie Zwehren- 
berg, Zwergfeld. — S. 65: Reuschen: häufiger Orts- und Flurname, von 
rause, bayerisch Raife jäher Absturz. — S. 67: Modlitx: Gen. mit an- 
gewachsenem m vom Personennamen Adelalt; vgl. Adlitx bei W eischen- 
feld und das bei Erlangen, beide mundartlich Mollix gesprochen. — 





140 Edmund Protsch. 


S. 74: Sattel: in Alt- und Neu- = sedel, siedel und bezeichnet einen 
Edelhof; sattel ist fränk. Dialektform; vgl. Gebsattel. — S.84: Hörsin: 
1390, 1454 Hergesind; ein echt deutsches Wort, das Heergefolge, Dienst- 
mannen bezeichnet; urspr. Ansiedlung von Kriegsvolk. — S. 84: Kogerau: 
1538 wustung Kager; in Bayern ungemein häufig; Plur. von kag = gehay 
Zaun; also eingezäunter Hof. — S. 90: Weischlitz: 1274 Wisols, 1328 
Weyscholz, 1381 Weischolfs; ohne Zweifel elliptischer Ortsname; Gen. 
des germ. Personennamens Wisold; s wechselt öfter mit sch, sowie old 
und olf. S. 93: Enkengrün: enthält mhd. swm. enke Ackerknecht; vgl. 
fränk. Enkabrot, eig. Knechtebrot, Vesperbrot. — S. 96: Punreut: von 
mhd. bön Baum. — S8. 97: Sonnengrün: 1394 Synnengrün; nicht von 
slav. Personennamen Syn, sondern altem Adj. sim grob, wie es in sinhol 
ganz hohl, sinwel ganz rund, steckt. — S. 98: Wölbattendorf: soll sicht- 
lich slavisch sein; es ist aber sichtlich deutsch und zwar der háufige 
germ. Personenname Walbot oder Wolbert. 

Und so kónnte man, besonders in den vielen Fällen, in denen 
Gradl mit slavischen Personennamen operiert, deutschen Ursprung nach- 
weisen. Eine eingehende Widerlegung behalte ich mir für eine spätere 
Zeit vor, wenn ich zur systematischen Untersuchung der Ortsnamen dex 
Maintales komme. 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 
Von Edmund Protsch. 


I. Die Haustiere. 
A. Vierfüßler. 


Einleitung: Die Mundart hat keinen allgemeinen Ausdruck für 
den Begriff »Haustiere« oder gar »Vierfüßlere.. Wo sie nicht ein be- 
sonderes Tier hervorheben will, gebraucht sie als Sammelnamen das Wort 
Mie (Vieh) oder »am sdig fit< (ein Stück Vieh), zuweilen wohl auch 
mastfii. Ebenso fehlt ihr ein Wort für »Zucht« und für »Mästung« oder 
.Mästerei«. Diese Begriffe werden von ihr umschrieben: dad kalal tsiiə 
meer; dad Sdig fiù duun mər mesdə; dad lọọ weerd gəmest (das da wird 
gemiistet) oder for də metsgər gəfiirət oder əd weerd fed gəmax; ferner: 
mar bəhala uux kalob, mor gens nid dam metsgər. Bei der Wichtigkeit, 
die Rasse und Art bei der Tierzucht haben, ist es nicht verwunderlich, 
dab sich die Mundart hierfür Ausdrücke geschaffen hat in den Worten 
stluft und faazol: mar hon ən guurə Sduft, bei deem bleiwə mər; dad iz 
an guura faaxəl, dee homər šun wiifiil jọọr layk. Die Ausdrücke šduft 
und fuusol für “Art. werden übrigens wie von den Tieren, so auch von 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 141 


Pflanzen gebraucht. Die Produkte der Kreuzung oder unreinen Zucht 
werden basdard genannt. Auf dem speziellen Gebiet der Fortpflanzung 
begegnen uns gleichfalls Ausdrücke, die für alle Haustiere gemeinsam 
gebraucht werden, so für »zeugen« und »gebären« jugo mara, für 
»trächtig sein, ad hod juga in; bei Großvieh wird letzterer Begriff auch 
wohl umschrieben: di geet oder iz im xoofitlda mond (im sovielten Monat), 
zii ix uf dar heloft oder war dar heloft. 

Das Füttern der Tiere heißt fitrara: wen ad tseit is, muus gəfiirət 
weera. dan krita xo x9 freso un zə xzåufə. Sind die Tiere fertig, dann 
hon xa àusgofres und aləs gəxuf. Ein Stück Vieh, das nicht recht frißt 
oder säuft, iz ən geiər ditor, auch wohl an Sleecder freesar. Frißt es zu 
langsam, dann kleemsts und es selbst ist on kleems. Für »Verdauunge 
und »verdauen« fehlen Bezeichnungen. Für »Notdurft verrichten« wird 
meist misda und zçicə gebraucht, für ersteren Ausdruck auch wohl sezsa. 
Hat sich ein Tier durch schlechtes Futter den Magen verdorben, dann 
misdad tsa din oder bradalt; ist es wieder gesund, dann misdad witra 
gants ricdw. Die Exkremente heißen kurzweg dregar. 

Früher wurde das Rindvieh im Sommer allgemein auf die Weide 
getrieben. Das geschieht jetzt nur noch selten: dad fir weerd áusgadritb, 
ad geet äus oder geet uf de wed. Wird es wieder eingetrieben, dan 
kimts tsarigk oder hem. Ist das Vieh draußen anf der Weide, so wird 
es gahuut (gehütet); das geschieht durch da heerd (den Hirten). dee hod 
zə xola huus (hüten); neuerdings wird aber auch gesagt: dee hod za xola 
ba Wie schon erwähnt, wird jetzt das Vieh allermeist gar nicht mehr 
auf die Weide getrieben, sondern bleibt im sdal. Um ihm ein Lager zu 
bereiten, krirad! gosdraut. Als Sdrauxal wird Sdroo, laab und hed (Laub 
und Heide) verwandt. 


1. Das Pferd. 


Die allgemeine Bezeichnung ist gául, Mehrz. gel; Diminutivum 
getlco, M. geilcar. Das männliche Zuchttier heißt heyst, M. heyst, Dim. 
heystca. Das verschnittene männliche Tier ist on wálax, M. wálaxor. 
Das weibliche Zuchttier heißt Struut, M. Struuro, zuweilen auch fizrlagául. 
klobhengst ist ein verschnittenes Tier, dem nur der eine Hoden genommen 
werden konnte, weil der andere krankhafterweise in der Bauchhaut ein- 
geschlossen ist. Der Hunsrücker Bauer kann sich in der Regel nicht mit 
Pferdezucht befassen, weil er, soweit er überhaupt zum Halten von Pferden 
in der Lage ist, diese nur als Zugtiere verwenden kann. Die Regierung 
hat zwar mehrfach den Versuch gemacht, die Bauern zur Pferdezucht 
anzuregen, erzielte aber keinen dauernden Erfolg. Sie hatte in verschie- 
denen Landstädtchen (Bürgermeisterei-Orten) einige Wochen lang Hengste 
aus Kgl. Gestüten aufgestellt, die zur Deckung von Stuten benutzt werden 
sollten. Das geschah aber nur in geringem MaBe. Immerhin ist dadurch 


! = kriegt es. 


142 Edmuud Protsch. 


der Ausdruck »Gestüt« den Leuten geläufig geworden: dad zin heyst 
fun da groosa yasdiira, fun da kiniclaca gasdriro. Ist die Stute brünstig, 
so ist sie rest. Hat sie den Hengst angenommen, dann hed xo gasdan; 
war die Deckung von Erfolg, dan hod xə bohal (diese Ausdrücke werden 
auch vom Rindvieh gebraucht). Das junge Tier wird fiilə genannt, M. 
filo; Dim. fiileo, M. fidlcar. Ist es soweit herangewachsen, daß es ange- 
schirrt werden kann, so ist es an Seerliy (Schirrling). 

Von Rassen kennt der Hunsrücker, da für ihn nur Arbeitspferde 
in Betracht kommen, nur die Sweere beljar und die /ugsaburjar, außerden 
noch die bon: (Ponny), letztere von den Karussells her. Das Karussell 
nennt er, wie hier gleich bemerkt sein mag, bezeichnenderweise reidaret. 
— Im übrigen werden die Pferde nach der Farbe oder nach der Be- 
stimmung unterschieden. Nach ihrer Bestimmung gibt es agar-geil. Seezo- 
geil, kara-geil, pos-geil (Postpferde), zaldáda- oder kamis-geil, rerd-geil 
und foor-geil; so hört man wohl sagen: meer hon on guura foor-gaul, 
dee ix farlesıc, d. h. zuverlässig. Die Benennungen nach der Farbe dienen 
vielfach geradezu als Rufnamen für die einzelnen Tiere, wie fugs, braun 
(in diesem Fall wird aber der Vokal nicht besonders gedehnt gesprochen), 
bles, Sder (Stern), rab (Rappen), 32mal, ab*l-simal und grop-Simol, sowie 
falk, d. h. falb. Als sonstige Rufnamen werden gebraucht hents, sbits, 
bumar, zuweilen auch menschliche Vornamen: frits, bérda, ósgaar. 

Werden Pferde an den Wagen gespannt, so heißt das linke, neben 
dem der Fuhrmann geht, da !suudaerhand-gäul oder da tsuudarhenar, das 
rechte dagegen da fundorhand-gäul oder kurz da fundorhenar. Das An- 
treiben der Tiere erfolgt mit dem Worte jee! Still stehen sollen sie beim 
Zuruf hi oder brr! Mit hod! werden sie rechts, mit haar! links geleitet. 
Als Loekruf dient: kom hents oder hents kom! usw. Zum Anspannen 
dient dad geils-gaser (Pferdegeschirr). Dazu gehört: da kumad oder geuls- 
kumad, dad kobgasdel, da tsaam, do ledriima (Leitriemen), ded draakisə 
und dad afdarhals-oora hinargaser. Wird dagegen da gäul gaxadalt, so 
gebraucht man: zadəl, tsaam, tstval, gabis und sdeibitol. 

Von den Körperteilen des Pferdes sind hervorzuheben: di faana 
(Mähne), do huuf, M. huufa, di heezo (das in die Höhe gerückte Fersen- 
gelenk der Hinterbeine, das oft fälschlich Knie genannt wird) und də 
Swants oder di fig. Der Kot heit geils-mist, geïls-dreg oder getls-knudala. 
Das Wiehern des Pferdes wird haljaro oder haxolo genannt. — Vielfach 
wird das Tier von Krankheiten befallen. Am häufigsten kommen vor: 
niira-$laax, koolık, Sdreyal (Kehlsucht) und ruts (Rotz), daher auch da gaul 
ix rulsw. Ferner sind zu erwähnen: da sbaad, eine Lähmung der Beine, 
und da fäula sdrool (Strahlenfäule), eine Hufkrankheit; bei ersterer Krank- 
heit wird auch gesagt: do gaul ix sbaadlaam. dembie ist das engbrüstige 
Pferd; kolar heißt es, wenn es hirnleidend ist, on Slopf-kolar, wenn es 
im Stehen schläft und dabei zusammenfällt, kubər endlich wird ein 
Pferd genannt, das an der Krippe und Deichsel frißt und sich dabei 
aufbläht. 


MX 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 143 


Mannigfach sind auch die Bezeichnungen, die dem Tiere nach guten 
und schlechten Eigenschaften beigelegt werden. Ein feuriges Tier und 
lebhaft in seinen Bewegungen iz ən fevaric opts oder ops (Aas); ad hod 
au aus dar rei flod gaykweerik und geet wii da zicdıca deiwal (sichtbare 
Teufel). Ein sich durch seine Größe auszeichnendes Pferd ?x an grimo- 
naalxar fatso. Ein schönes Tier iz an Sdaatsar kerl, ad hod knoxə wii 
gadreet, kurz: ad ix neist aan om xa daadala. Ein kleines, schmächtiges 
Tier ist hingegen an krag oder an kragee diy. Das verdorbene, boshafte 
Pferd heißt, wenn es gerne mit den Hufen schlägt, 3misor oder masıy ; 
wenn es gern beißt und seine Wut mit dem Gebiß an der Krippe aus- 
läßt, so ist es ən gribo-bisar oder üfxetsor. Das Pferd, das leicht scheut, 
12 on doorw-geegar. Das alte, abgelebte Tier wird aldar hep (Hippe), 
aldar klebar oder aldar og genannt. Hat es seine Zeit treu gedient, 
so bekommt es wohl dad gnaara-brood. Die Ausdrücke Sınısor und mas: 
werden oft auch auf Menschen angewendet, die sich durch Rauflust aus- 
zeichnen. 

Das Wort güul wird, besonders in der Mehrzahlsform, öfters zur 
Bildung von Zusammensetzungen verwendet: ən geils-bauar ist ein Bauer, 
der mit Pferden im Acker fährt, a geils-dokdar ist ein RoBarzt. gerls- 
ditar heien die Mistkáfer, gezls-disdolo die Kratzdisteln (Cirsium). 

Das Wort »Pferd« ist in Laubach und Umigegend nicht gebräuchlich; 
auffallenderweise wird aber das davon abgeleitete Verbum peerdsa viel 
verwendet. Es wird transitiv gebraucht und bedeutet »drangsalieren«, 
„bei der Arbeit drängen wie ein Pferde, z. B. da meesdar duud awar dos 
də leerbuu peerdsa, dar od nid mee Seen is. Häufig wird das Wort noch 
durch die Vorsilbe for (= ver) verstärkt zu forpeerdso: wad bráux dee 
groos isol dr klena kin xoo zo forpeerdsa! Diese Verben, die einen 
Vergleich ausdrücken, leiten uns über zu den Sprichwörtern ung sprich- 
wörtlichen Redensarten, die auf das Pferd Bezug haben. da 2 kriit 
lay haawar, wenn er Hiebe erhält. Geht er nicht seinen ruhigen Gang, 
sondern ist er wild und unbändig, wilmiirw (übermütig, wie der Bauer 
sagt), so Sdiet in da haawər. Die gleiche Redensart wird von Menschen 
gebraucht, die sich nicht fügen können. Von ihnen wird auch gesagt: 
29 hon zic losgabun, zi Slaun itwar di Sdrey oder, wenn sie gar keine 
Grenzen einhalten können: za Slaan foora un hina naus. Eine Frauens- 
person, die unbändig, geradezu wiehernd lacht, haljart wa an fiiləgaul. 
Von Menschen und Tieren, die viel und hastig Nahrung vertilgen, als 
ob sie vorher lange gefastet hätten, wird gesagt, daß sie fresan wii an 
gapandar gäul (gepfändetes Pferd). Ein robuster, grobknochiger Mensch 
hod knoxsa wii an gaul. Ein Frauenzimmer mit tänzelndem Gang muß 
sich wfotseers-geilca (Offizier- Pferdchen) nennen lassen. Wer einen Weg 
zu Fuß macht, reitet oder geht wf Suusders raba (Schusters Rappen, d. h. 
Schuhe und Stiefel). Einer Person, der beim Kauf oder der Anfertigung 
von Kleidern jede Machart gefällt und auch wirklich steht oder aber, 
der irgend eine Sache ansteht und alles und jedes gefällt, der bast (paßt) 


144 Edmund Protsch. 


aax alas, noors ke geilsgoser. Arbeitet jemand stetig und stets frisch 
drauf los, so Saft ar wii an gäul. Ein ungelenkiger Mensch oder jemand, 
der durch Alter oder Gicht schlecht gehen kann, is zoo Sdeif in da 
knoxa wii an aldar güul. Wer beim Gehen steif und holperig ist, sdolbart 
war zei eiana knore wit an aldar gäul. Wer einem anderen vergeblich 
etwas vormachen oder vorreden will, wird abgewiesen: da micst mar da 
$imal oder meina gäul nid sei! Wer bei einer Arbeit früh beginnt, aber 
gar nicht zum Ziel kommen kann; wer von einem Plan früh spricht, 
jedoch erst spät zum Entschluß kommt, der zadalt frii un reit Sbeet. 
Wer von irgend einem Ding etwas Nebensächliches hat, dem aber die 
Hauptsache fehlt, dee hod da tsaam, awar nid da gäul. Welcher Wert- 
schätzung sich das Pferd bei den Bauern erfreut, das zeigt folgender Spruch: 


weiwar-Sdeerwa ix kee fardeer ws, 
awar getl-frega dad brent Srega. 


Im Anschluß hieran sei noch erwähnt, daß friiher gezls-milwc (die Milch 
eines Pferdes) als gutes Mittel zur Vertreibung von Sommersprossen galt. 
Endlich ist noch auf eine frühere Sitte bei der keerob (Kirmes oder 
Kirchweih) hinzuweisen. Da war am Eingang zum Tanzboden ein Schild 
angebracht, auf dem ein Pferdekopf gemalt war. Darunter stand der Spruch: 


Seh ich nach oben, so seh ich den Himmel; 
Seh ich nach unten, so seh ich den Schimmel; 
Seh ich mich um, so seh ich die Knaben; 
Aber keiner ist da, der mich will haben. 


Wenn nun der Tanz begann, so stellten sich die Dorfschönen am Eingang 
zum Tanzplatz auf. Jeder Bursche wählte sich eine Tänzerin. Wurde 
ein Mädchen »nid gahuult«, wie der mundartliche Ausdruck lautet, blieb 
sie also sitzen oder vielmehr stehen, so stand sie eben bei dem Schild 
mit dem Pferdekopf, dieses gleichsam behütend. Dadurch entstand die 
Redensart: dee hod miso de Simal hala, die soviel bedeutet als: Sie ist 
sitzen geblieben. 

In der Sprache und im Leben der Kinder spielt das Pferd gleich- 
falls eine große Rolle. Das Bauernkind lernt frühzeitig geilcər und fitlcor 
kennen. Es hat so gut seinen $ogal-gául, wie das Stadtkind sein Schaukel- 
pferd. Besonders gern wird aber in Kinderliedern des Pferdes gedacht, 
von denen folgende angeführt sein mögen: 


L reg, reira, getlca, reira, reira, geilca, 
alo sdun on metlca, alo Sdun on metlca, 
ala Sdun m beyarhaus, ala sdun on weertshäns, 
bre dəm kind on weg araus. bren dom kind an soba ráus. 


reira, reira, geilca, 

ala šdun on metlco, 

ala sdun on kaafmanshaus, 

brey dom kind mool tsugar ráus. 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 145 


2. uf də hee wags’ də klee, 
fa for mei geilcə; | 
wam mei fadar int weertshâus geet, 
da mict mei mudar an metlca; 
wan xa awar kaft driykt, 
peift zə wii an disdalfiyk. 
3. dros, dros, dril,! 
da bäuar hod on fil. 
dad filea wil nid läufs, 
də båuər wils fərkåufə, 
wil al zer geld farzáufa. 
da left dad filca weg, 
un da bäuar filt in də dreg. 
4. peerə, woo šdeerə (Peter, wo steht er)? 
im 3dal. wad duurə (tut er)? 
or gid da geil fuurs. 
wad nor mee? 
ər gid də geil klee. 
wad nox? 
ər butst də geil dəd lox! 


2, Das Rind. 


Versteht der Hunsrücker unter fi? und dig fii im allgemeinen jedes 
Tier, so meint er mit diesen Ausdrücken im besonderen das Rindvieh. 
Zuweilen wendet er dafür auch das Wort rindfii an. Das männliche 
Zuchttier nennt er molas, M. molasar, Dinı. melasja, melasjar; erst neuer- 
dings bürgert sich, wohl unter dem Einfluß der amtlichen Bekannt- 
machungen, das Wort Sder ein. Das verschnittene männliche Tier ist 
an ogs, M. ogsa, Dim. egsja, egsjor; ist das Tier noch jung, so heißt es 
ogsa-rind. Das ausgewachsene Tier ist an foor-oge. Das weibliche Zucht- 
tier heißt kuu, M. kit, Dim. krica, im Verhältnis zum Jungen dagegen 
mudar. Ist die Kuh zum erstenmal trächtig oder hat sie das erste Kalb, 
so heißt sie kalwa oder kalwın, seltener auch eersaliy oder eersdliys-kuu. 
Weil bei ihr die Milchabsonderung noch mäßig ist, so urteilt das Volk 
kalwa zin halwo. Das junge Tier heißt im ersten halben Jahre halab, 
M. kelwar, Dim. kelabco, kelobcar. Nach dem Geschlecht werden ogsa- 
kelwar und kii-kelwar unterschieden. Das halbjährige Tier ist am rindco. 
Später wird das Jungvieh kurzweg rind, M.rinar genannt, wobei wiederum 
ogsa-rinar und kiü-rinar unterschieden werden. Nur selten ¿sit der 
Hunsrücker an molas; in der Regel läßt er das männliche Kalb schneiden 
durch den bezralsnitro. 


ı Dieser Vers wird kleinen Kindern hergesagt, indem man sie auf dem Knie reiten 
läßt und dabei die hüpfende Bewegung des Pferdes nachahmt. Bei der letzten Zeile 
läßt man das Kind vom Knie herabgleiten. 


Zeitschrift für Deutsche Mundarten. VI. 10 


146 Edmund Protsch. 


Ist die Kuh in der Brunst, so ts za šdīiəric, za Srait nop om Sdiiar. 
Das Decken wird šdiiərə genannt: uuz kuu hod häut gasdiiart, waar haut 
beim 3diiar. Je nach ihrem Verhalten kod za gasdan wii o mâuar oder 
hod nid gasdan. Ist sie trächtig, so hod za bohal; xa is drecdic. Dagegen 
is xo maas, bleibt maas, is an maaskuu, wenn sie nicht trächtig wurde, 
unfruchtbar war. Als untrügliches Zeichen der Trächtigkeit wird es an- 
gesehen, wenn di mem wagst, d. h. sich das Euter vergrößert. Für die 
verschiedenen Abschnitte der Trächtigkeit hört man die Redewendungen: 
di kuu geet im tsiceda, drido, feerda mond usw.; xa is uf da helaft, itwar 
di helaft; di tseit is dus oder di kuu ts aam dabéedco. Letzterer Aus- 
druck will besagen, daß jeden Tag das Kalb zu erwarten ist; mitunter 
wird dafür auch gesagt, mar kriio ded kalab Swin (geschwind). Tritt die 
Geburt ein, dann mict di kuu ded kaləb, zə is aam kalwə. Nach be- 
endigter Geburt hod zə gəkaləbt, an kalab yamax. Die Nachgeburt ist 
di fee, d. h. Fege. In früherer Zeit wurden zwei fleischige Teile der- 
selben, »budər un kees« genannt, mit einem Stück Brot der Kuh wieder 
zu fressen gegeben, weil der Aberglaube bestand, das Tier würde alsdann 
bald von neuem trächtig werden und die spätere Geburt gut überstehen. 
Manche Kuh feet zic Sleect, eine andere dagegen guut. Tritt Frühgeburt 
ein, so hat die Kuh forjuyt oder od kalab farwopraf. Ist das Kalb nach 
der Geburt getrocknet, so weerd's aan di kuu gədọọn oder gadreykt. 
Dauert es zu lange, bis di milac instist, und hat auch noch die Kuh 
gaswels in da mem (Geschwülste im Euter), so wird das Kalb leicht zu 
der Unart verleitet, z9 sdumba (zu stoßen), mid da $nus (Schnauze) in 
die Höhe zu stoßen; wogegen di mudar deg mid Smeisa kwidéert (oft mit 
Treten quittiert), wan zə nid drisnaamsweis gadilac 25. Zuweilen läßt 
die Kuh das Junge überhaupt „id 2dufo; dann muus ad gosbeent (ent- 
wöhnt) weera und sofort aus dem Eimer saufen lernen. Da es aus Un- 
geschicklichkeit den Kopf zu tief hineintauchen würde, so muß es də 
fiyar kriis, d. h. man faßt dem Tier mit der Hand von oben her über 
die Schnauze, hält ihm dabei die Nasenlöcher zu und schiebt ihm Zeige- 
und Mittelfinger ins Maul, die es dann als s$drico (Zitzen) benutzt. Ist 
das Kalb an langsames Schlürfen gewöhnt, so hält man ihm später nur 
noch die flache Hand vor das Maul, um sie schließlich ganz wegzulassen. 
Von einem Menschen oder einem Kind pflegt man daher, wenn sie gut 
zu trinken verstehen, zu sagen: dee kan záufs oona figor. 

Wird das Kalb nicht dem Metzger verkauft, so wird es gafsop oder 
aygabun. Gedeiht es gut, so eerd’od zie (es artet sich). Eine männliche 
Person, die mit der Fütterung und der Wartung des Viehes betraut ist, 
wird scherzweise kuusdals- fenarıe, eine Frauensperson kuusdals-kamor- 
junfor oder Sdal-hamal genannt. sdal-kneect un Sweitsor hilt zie nopro 
da groosbäuor. Im Sommer wird das Vieh zum Trinken vielfach an dr 
kisda aam boora, das sind die hölzernen oder eisernen Wasserbehälter 
an Röhrenbrunnen, getrieben. Im Winter erhält das Vieh dad zGufo im 
Stall; es wird aus warmem Wasser, gekochten Kartoffeln und Kleie 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 147 


oder Getreideschrot hergestellt. Ist es besonders steif, so wird es Slamb 
genannt. 

Die Exkremente heißen kuu-dreg oder kuu-flaars. bradal-aars heißt 
ein Tier, das zum Dünnmisten neigt. Dieser Zustand wird auch be- 
zeichnet oder umschrieben: di kuu hod ad lagséera (laxieren); di is zoo 
los im leib; xa Seist xic dad herts ab; xa Serst wii an boora-reer (Born- 
Röhre); de hod do Sisar x3two tilə layk (T Ellen lang). Ein Tier, das sich 
beschmutzt, hod zic baret; ad is fol knidala; ad is knidalıc. Hierbei sei 
auch erwähnt, daß die noch warmen Kuhfladen von den Landleuten zum 
Aufziehen von Schwären und Karfunkeln benutzt werden. Zum Reinigen 
der Tiere dienen sdrisal und beerst (Striegel und Bürste). Der Hirte für 
Rindvieh führt den besonderen Namen kziart = Kuhhirte. Von den Namen 
für die Körperteile sind hervorzuheben: snus (M. ¿nis, Dim. Snisja, Snisjar) 
= Maul; hppro (heernar, heernco, heerncor) = Horn; bambal — Wamme; 
mem und Sdrica sind schon erwähnt, letztere werden auch isaba (Zapfen) 
genannt. Hat eine Kuh ausnahmsweise noch eine fünfte Zitze, so heißt 
diese tswag, weil sie stets kleiner ist als die andern. buuə = Bug; pans 
= Bauch;  kifa = Hüfte; ımaaa = Magen; für »wiederkäuen« wird der 
Ausdruck &irarica (mhd. tterücken) gebraucht. glọgə == Klauen, die Huf- 
paare an jedem Fuß; Sbopr-glooa = Afterklauen. Das Schreien wird 
verschieden bezeichnet: da moləs brilt; di kuu Srait, brilt, huutst, plert 
je nach der Stimme, die das Tier besitzt; ds kelwar bleetsa. 

Mannigfach sind die Krankheiten, denen das Rindvieh ausgesetzt ist. 
Ist der Leib durch Grünfutter aufgetrieben, so vs dad fit dig, pufic oder 
forpakt; dieser Zustand tritt bisweilen auch bei Erkältung ein. Zur 
Heilung wird dem Tier Salmiakgeist oder misdapuul (wie die Jauche 
genannt wird) 2y7gasut. Helfen diese Mittel nicht oder sind sie nicht zur 
Hand, so weerd dad fit gasdox. Die Fäule an den Füßen heißt mau«. 
Um sie zu heilen, wird das Tier mporjats in da däu pora in di bax ga- 
foort. Ferner sind zu erwähnen: mäul- un glooa-zeic (Maul- und Klauen- 
seuche) und di rinar-pest. Die Tuberkulose wird umschrieben: di kuu 
is züc, hod perla. Die Fallsucht heißt faland kraykhet, eine krebsartige 
Geschwulst am Backen knob am baga oder kritbs-knob. Beim Gebär- 
muttervorfall hod zic da foorfal gatait, kimt ardus; di kuu Saft fort oder, 
wie scherzweise gesagt wird, xa weist dad fuuraduux (Futtertuch). Zur 
Verhütung des Vorfalls kriit on kuu de bendáa8 aan (Bandage). Hat 
das Tier einen Nagel oder eine Nadel verschluckt, so hod ad eisa bei zic. 
Tritt beim Ochsen ein Wasserbruch ein, dann hat er on diga betral. 
Häufig haben die Tiere Unarten an sich. Ein Stück Vieh, das mit 
der Zunge herumschlägt, ist an tsuyə-šlæər oder lprcor; auch wird 
wohl gesagt: wad dia midar tsuy elop rimar gaawelt. Wenn das 
Tier ständig mit den Augen zwinkert, ist es an blintsolar. Beim 
Haaren des Schwanzes hod ad da wooram im Swants; zur Heilung 
wird ein Schnitt in das Schwanzende gemacht, daß es blutet: dod fit 
weerd gablut. 

10* 


148 Edmund Protsch. 


Ochsen und Kühe dienen als Zugtiere: :2 ueera ayyabant. Das 
junge Rind muß erst galeert werden. Hat es schon einen guten Anfang 
gemacht, so daß es mit einem andern einigermaßen zusammenzeht. so 
ist es gabaant oder jorbaan. Ist das Vieh so weit. daß es aufs Wort 
geht, so ix ad galeert, ad geet am waan un am pluur. Beim An- 
spannen werden die Tiere, wie die Pferde, als tsuudarhand und fundar- 
hand bezeichnet. Über das Fuhrgeschirr und die Jocharten s. meinen 
früheren Aufsatz über »Die Ackergerätschaften«. Die Zugtiere werden 
angetrieben mit jee, ji oder jáu!  Stillhalten mússen sie auf hü! 
rechts oder links gehen auf hod und haar und zurückgehen auf hüf 
Isarig! 

Die Kühe werden gleichzeitig zur Milchgewinnung benutzt Dazu 
werden sie gamolik. Man unterscheidet dus dar faust melga oder mit 
den Fingern sdribs» (wobei man mit den Fingern an den Zitzen pressend 
herabstreift, während bei ersterem die Zitze nur mäßig durch Zudrücken 
der Faust gepreßt wird), ferner druga melga und nas melgsa, je nachdem 
die melkende Person die g£drica anfeuchtet oder nicht nas und aus dar 
fúust melga werden vorgezogen. Manche Kuh läßt sich gut melken, 
andere nicht; 23 halos di milw uf, zin bees melga oder hart-melgic. Man 
hört von einer solchen wohl den Ausruf: di git di milic zoo bees, dad 
mar meant, mor xal xə dus da heernar tsiis. Gibt eine Kuh viel und 
gute Milch, dann ist es an guud milw-kuu, an guud nutso-kuu; za gil 
a guura nutss. 33 budsrt yuud und raamt guud. Im entgegengesetzten 
Fall budart un raamt xa sleect. 

Nach dem Melken wird die Milch gazeit. Die gereinigte xtis-milrc 
dient als kaft-milic, sowie zum Backen oder beim Kochen. Die übrige 
Milch wird in sdana diba (Steintöpfe) geschüttet und an einem geeigneten 
Platz aufgestellt, damit sie gerinnt: zo weerd dig oder zauar und heißt 
dann záusr-milw. Wenn ungekochte oder abgekochte Milch vorzeitig 
gerinnt, so ist sie tsexama gay. Der Zustand kurz vor dem Gerinnen, 
in welchem sie nicht mehr süß schmeckt, aber doch noch nicht dick ist, 
wird bezeichnet: de milıc is iwargasnabt, is Sbits, hod ən šdic. Hat sich 
beim Gerinnen der raum abgeschieden, indem er sich oben im Topf 
ansetzt, so wird er abgasebt in’d raamdiba; di milic weerd abgəremt. 
Bei genügender Menge an Rahm weerd budar gasdoos im budarfas oder 
budar galeiart in der budarletor. Zur Gewinnung von Süßrahmbutter 
dienen milıc-abaraada oder tsendrı-funa. molgareia sind wenig beliebt, 
weil der Bauer die Magermilch nicht vernutzen kann. Dadurch ist auch 
der Spottvers entstanden: 

o molgaret, o molgyret, 
duu kanst mar slecct gofalo; 
den deinə mile is himalblau, 
di frist nor keina feergalzau. 

o molgarer, o molgarer, 
duu kanst mər sleect gofalo! 


"a 


N 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 149 


Die Molkereiarbeiter werden spottweise molga-meisr genannt. — Wenn 
sich beim Leiern oder Stoßen die Butter bildet, so klimbart xə zic oder 
„geet tsoxamo (klimbarn — sich in Klümpchen abscheiden). wen za tsexama 
gay is, dan weerd za tsuu om (großen) klumba gamax und gowes: zu 
einem -budaruweg (Butterweck) gafppramt. da budarweg wird gabluumt, 
indem mit einem vorn mit Einschnitten versehenen Holzlóffel allerlei 
Zeichnungen eingedrückt werden. Zuweilen wird dem Klumpen Butter 
mit einer Form die Gestalt eines Lammes gegeben: das sog. budarlemca. 
Wird die Butter nicht genügend steif und fest, bleibt sie also käseartig 
weich, so ist sie Sldux: di budar is ena Släux. Wollte die Butter nur 
bees tsexama-geen (sich schlecht bilden). so wurde in früheren Zeiten 
beim Stoßen folgender Spruch hergesagt: 


budarca, budarca, klimbor die! 
ad git ke greesar heks als ie. 


Jetzt hórt man diese Beschwórungsformel nur noch selten und dann nur 
zum Scherz. Die beim Buttern zurückbleibende Flüssigkeit heißt budər- 
milıc; sie wird als solche gegessen oder zu Suppe gekocht: budermtlıc-zub. 


de abgaremt zuusarmilıc wird entweder ges (gegessen) oder dem Vieh 
gaftirot oder zur Käsebereitung verwendet. Zuweilen wird auch Suppe 
davon gekocht: záuar-zub, nach den geronnenen Käseklümpchen, die 
wie Eiweiß aussehen, scherzweise auch kwatorcas-xub genannt. Zur 
Käsebereitung wird die Dickmilch gabrr.it, wodurch sie sich in molgə und 
kees (= Matten) scheidet. Die Matten läßt man durch ein leinenes Tuch, 
meist aber in der kees-baar ausrinnen. Letztere ist ein blecherner Topf, 
dessen Boden und Seitenwand durchlóchert ist. da üusgaruna kees wird 
entweder durch Zusatz von Milch (oder Wasser) zu kees-Smeer = Schmier- 
käse oder zu Äees-kuura oder zur Herstellung von füula kees verwendet. 
Zu letzterem Zweck wird da “dusgaruna kees geformt; diese Handkäse 
werden nochmals in kleine irdene Äees-baara, auch kees-beercar genannt, 
zum völligen Ausrinnen gelegt, dann auf einem Brett getrocknet und 
zuletzt in einem Steinständer, da kees-Sdan, aufbewahrt, wo sie den 
Fäulnisprozeß durchmachen. diba-kees (Topfkäse) wird aus dem, was bei 
überreifen Käsen abläuft, unter Zusatz von frisam kees durch Kochen 
hergestell. — Blieb beim Verbrauch von Milch ein Rest übrig, so ist 
dies ein sdi@mal (Stummel) milıc. Je nachdem der Rest von der am 
Morgen oder Abend gemolkenen Milch verbleibt, spricht man von einem 
moorjans-Sdiimal oder ppwans-sdiémal (auch moorjots- und powats-sdimal). 
Der erste auf der ungekochten Milch sich bildende Rahm wird smand 
genannt. 

Von Rinderrassen wird auf dem Hunsrück meist ds glaan-ras ge- 
züchtet; sie stammt aus der Gegend am Glan, einem Nebenflüßchen der 
Nahe. Von sonstigen Rassen kommen noch in Betracht di «falar (Eifeler) 
und miizölar (Moseler), ausnahmsweise auch zzimadaalar und swertsar. 
Ihren Namen erhalten die einzelnen Tiere meist nach Farbe und Ab- 


150 Edmund Protsch. 


zeichen: faal, bles, sumal, braun, seel: (= Scheck), moor, sder. An son- 
stigen Namen kommen vor: aicar und sweitsar. 

Die Kälbchen werden gelockt mit den Worten hemalca oder hemasjo, 
das Großvieh mit hensja, Simalco (an den Namen des Tieres wird die 
Dim.-Silbe cs oder ja angefúgt) usw., bisweilen auch hamolca oder hamal 
da! In der Kindersprache fiihrt das Rindvieh, besonders die Kuh, den 
Namen hamolo-muu oder muutso-hamales. Mit kleinen Kindern pflegt 
man zu spielen khamsla hamala-duts, wobei man den Kopf mit dem des 
Kindes leicht zusammenstößt. Ein beliebtes Kinderspiel ist blinə kuu. 
Mit kleineren Kindern wird oft ein grober Scherz gemacht, indem sie 
gefragt werden: zul ze dar di hooranar kii weiss? Bei Bejahung wird 
das Kind mit den Händen seitwärts am Kopf gegriffen und schwebend 
in die Höhe gehoben (die Rooransr kit sind die Kühe des Nachbardorfes 
Horn). In Kirchberg lautet die Frage: zul ve dər di uuarsdedar oder 
unarsdedar kij eisa? 

Die Namen des Rindviehes finden vielfach Verwendung als Schimpf- 
wörter, wie: duu kalab! oder kalabsıcar kerl! (Grobian): im gleichen Sinne: 
duu rindfiz, rindsbimal! — duu ogs! und hopra-ogs (für Dummkopf). 
Auch der Ausdruck kalab-mosas kommt vor (in Anlehnung an die biblische 
Geschichte). Ein steifer Mensch wird drig-ogs tituliert. Ist jemand zornig 
und setzt den Kopf auf, so mict ər an kob wit an molas. Wer bei großem 
Durst über das Wasser herfällt und unmäßig trinkt, zeeft wit on kuu. 

Wer entzündete Augen hat, so daß sich in den Ecken Eiter ab- 
sondert, deem budara di âua; wer viel damit behaftet ist, dee weer am 
best gaweest for magadendsr (= Marketender, d. h. Butterhändler). Um 
Kinder vom Naschen des Rahmes abzuhalten, werden sie gewarnt: weer 
da raam ist, deen s$deest da molos. Andererseits wird einem Menschen, 
der die angenehmen Seiten einer Sache genossen hat, die unangenehmen 
aber nicht mit in Kauf nehmen möchte, gesagt: weer da raam ges had, 
kan aar di xåuərmilıc eso! Die Güte und Schmackhaftigkeit einer Frucht 
oder eines Gerichts wird mit den Worten bezeichnet: ad Ge zoo waic oder 
tsaart wit budar. Wer es sehr eilig hat, iz im zaus (Saus) wii on kii- 
buuor, dee ad jox farloor hod; die Redensart lautet mitunter auch: dee ís 
in dor jurd wit on hti-bavsr, der ad jox farbrox hod. Hat jemand eine 
Sache ins Rollen oder gar zum Überlaufen gebracht, so sagt er von sich: 
doo har we awar ad kalsb in’d au gaslaan! Auch wenn jemand an einem 
Vorfall schuld sein soll, heißt es: nau zal rer ad kalab ind áu goslaan 
hon. Will man einem Menschen eine Verantwortung zuschieben in einer 
Sache, für die niemand verantwortlich zu machen ist, so weist er das 
mit den Worten ab: wen di kuu kee kalob miet, šdeco xə meic ənin. Von 
einem finsteren Menschen heißt es: ər laxt noora, wen xie tswoo kii 
zabeis.. Wer voller Ränke ist, kod bees mile gəxuf. Bei einem dick- 
felligen Menschen, bei dem alle Einwirkungen spurlos vorübergehen, 
nutst alas graad xoofiil, as wemər ən ois ind hoora pitst. Der Besoffene, 
der sich übergibt, hod on kaləb gomar. Wer in einer unerwarteten Lage 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 151 


ratlos ist, Sdeet dop, wii da ogs foor am beerve oder wii di kuu foor am 
naud Sâuaro-door. Wer von einer Sache kein Verständnis hat, farsdeet 
dafun zoofiil, wii də ogs fum zundaar, ar frist ala daar häu. 

Ein merkwürdiges Orakel hat der Bauer, wenn er ein Stück Vieh 
zu Markt treibt. Bringt er das Tier vor die Stalltüre und es mistet dann 
sofort, so ist dies ihm ein sicheres Zeichen, daß er das Tier los wird. 
Mistet es nicht, so kann er das Tier nicht verkaufen und bringt es 
wieder heim (warum führt er es aber doch auf den Markt?). 

Kinder, die unartig und dickköpfig sind, werden zurechtweisend 
gefragt: wil?’ də mic šdøosə? gleic wagsə dər di heernər. Ein vorlautes 
Kind wird mit den Worten abgewiesen: waart dâu, bis di kuu šeist, 
dan ees də: flats, dee haaf is mein. Ein viel gebrauchter Reim, um 
kleinen Kindern die Zeit zu vertreiben, lautet: 


da, hos’ da ən daalarca! 
gee uf ad maardca, 
kaaf dər ən kiicə 
un an kelabca 
un an tsigalca 
un 9 bigalca 
un 2 gensja 
mid am wigala wagalo Swentsja! 
Dabei gibt man dem Kind bei jeder Zeile einen Patsch auf die 
flache Hand; nur bei der letzten kribbelt man es in der Hand. 


3. Der Esel. 


Der Esel wird nur selten gehalten; trotzdem ist er für den Huns- 
rücker kein fremdes Tier, wie eine Anzahl Bezeichnungen und Redens- 
arten beweisen. Das Tier führt den Namen: al M. 22xal, Dim. zexalca, 
M. üzaleer. Es ist das Sinnbild der Dummheit; daher die Schimpfwörter: 
duu iixəl! vixalskob! duu +ixals-hinbaga! (eine Anspielung auf die Ge- 
schichte von Simson). Daher auch das Sprichwort: wen’s dəm üzal tsu 
wuul is, geera uf od eis Sleifo oder dantso. Das »Schleifen« ist eine 
Winterbelustigung der Kinder, indem sie einen Anlauf nehmen und dann 
über eine spiegelglatte Eisfläche dahingleiten. Das erwähnte Sprichwort 
erscheint auch in folgender Form: wen?s dam tixal tsu wuul ts, geera uf 
ad eis un brict di ben. Der Esel muß aber auch in anderer Beziehung 
als Beispiel dienen: wad dee kerl tixalt, heißt es von einem in unver- 
nünftiger Weise arbeitenden Menschen. Ein übermütiger, nichtsnutziger 
Junge 3dict xoo fol 3elma-Sdigar wé an üxal fol feerts. Dagegen muß 
sich das täppische Kind, das die Zeit zu bieten vergißt, durch den Esel 
beschämen lassen, indem man es fragt: wir xeet da tixal, wen ar in di 
miil kimt? Diese Redensart, wie auch die oft gebrauchten Ausdrücke 
miilar-iixol und pag-tzol für Leute, die sich gern von anderen mit Auf- 
trägen überhäufen lassen, beweisen aber auch, daß der Esel früher viel- 


152 Edmund Protsch. 


fach zum Tragen von Lasten, besonders von Müllern verwendet wurde. 
Sprichwörtlich geworden sind auch die langen Ohren des Tieres. Woher 
hat es aber diese? Das Volk gibt folgende Erklärung: wei da dal "nu 
waar, is ar aan da oora aygabun woor. +tixals-ooro werden auch die 
umgebogenen Ecken der Blätter eines Buches genannt, wie sie von un- 
achtsamen Kindern oft genug verursacht werden. Es mag noch erwähnt 
werden, daß eine Sorte kleinerer, harter und etwas eigenartig geformter 
Birnen den Namen üxals-knudals führt. Schließlich findet sich der Esel 
auch noch im Kinderlied ein: 


kriskinco, kom in unxar häus, 
leer dez kisda un kasda úus, 
sdel dei tixəlcə uf da mist, 
dar əd häu un haawar frist! 
håu un haawor frist əd nid; 
tsugər-bletsjər kriit əd nid! 


Die Vorstellung, daß das Christkind seine Herrlichkeiten auf einem 
mit einem Esel bespannten Wagen zu den Kindern bringt, dürfte wohl 
auf den biblischen Bericht über den Einzug Jesu in Jerusalem, bei dem 
er einen Esel zum Reiten benutzte, zurückzuführen sein. 


4. Das Schaf. 


Die Schafzucht war früher auf dem Hunsrück ziemlich bedeutend. 
Sie ist aber in den letzten 20 Jahren teils durch Seuchen, teils durch 
den starken Wettbewerb anderer Gegenden so zurückgegangen, daß nur 
noch vereinzelt Schafe gehalten werden. Im Volksbewußtsein ist aber 
das Tier, seine Lebensweise und alles, was damit zusammenhängt, noch 
völlig lebendig. Jeder Bürger der Gemeinde war berechtigt, einen kamal 
oder auch zwei bis drei hemal, wie der allgemeine Name lautet, aufzu- 
treiben; Dim. hemolca, M. hemalcar. Nur vereinzelt hielt man ein männ- 
liches Zuchttier, an wits (in Kirchberg wurde dieser scherzweise, meist 
von den Kindern, hooramadas genannt). Das verschnittene Tier führt 
den (allgemeinen) Namen hamol; das weibliche heift spof, M. sppf, Dim. 
seefce, M. seefcor, das junge Tier lam, lemar, Dim. lemca, lemcar. Bei 
letzteren unterscheidet man die weiblichen, di sppf-lemar oder muuro- 
lemar, und die mánnlichen, di hamal-lemar; dad Spof-lam wird zuweilen 
auch muura-diy genannt. Ist das Junge ein Jahr alt, so ist es ein 
Jeerlay. Tritt beim Schaf die Brunst ein, so ist es weiraric (Ableitung 
von »Widder«); nach erfolgter Begattung hod ad gowiirat. Damit in 
der kalten Jahreszeit keine Junge zur Welt kommen, verhindert man die 
Begattung von August bis micəlsdaax (Michaeli); deshalb wird in dieser 
Zeit də wits forneet, d. h. es wird ihm unter die hintere Hälfte des 
Bauches ən deerdə-labə (Tirtey-Lappen!) genäht. Brachte ein Schaf 


! Vgl. Grimms DWB. unter Dirdendei. 


Xx 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 153 


Junge zur Welt, so hod ad lemar gamax oder ad hod galamt; letzterer 
Ausdruck wird seltener gebraucht. 

di hemel werden nur im windar gefürst un krüo hau un kritso 
(Heu und Grütze, d. h. in würfelförmige Stücke zerschnittene Runkelrüben 
und Kohlrüben); ¿m zuumər sind sie da gantss daax draus. da Seefart 
(Schafhirte) dreibt di hemal uf di wed (Weide). Während der Mittags- 
stunden wurde ds heerd zur Rast in da perw (Pferch) getrieben. Die 
Lagerstelle heißt hemals-Sdeewol = Stapel, Stapelplatz. In früheren Zeiten 
blieb die Herde bei günstigem Wetter auch nachts im Freien und wurde 
dann ebenfalls zum Sdeewol gebracht und eingepfercht. da $eefart blieb 
in der Regel dabei und machte sich ein Lager in einem bei dem Lager- 
platz befindlichen, zweiräderigen Karren, der entsprechend lang war und 
oben nicht mit einem flachen Brett, sondern einem Bretterdach ver- 
schlossen war. Das war der Seefar-karo. Der Hund lag unter dem 
Karren. Außer diesem, dem seefor-hund oder heerda-hund, gebrauchte 
der Hirte noch die Seefar-sib, ein kleines, schippenartiges Gerät mit fast 
zwei Meter langem Stiel. Mit dieser Schippe griff er etwas Erde, grund, 
auf und bewarf damit die Schafe, um die ganze Herde anzutreiben oder 
verlaufene Tiere wieder zur Herde zu treiben. Wo der $deewal ist, wird 
das Feld von den Tieren zerstampft und zerwühlt, kurz forsdeewoalt. Man 
lie bisweilen einen Platz sdeewolo; indem man den Hirten veranlaßte, 
den Stapelplatz auf dieses Feldstück zu verlegen und zwar allmählich 
von dem einen Ende Tag für Tag bis zum anderen Ende weiterrückend. 
Dadurch wurde das Feldstück gut gedüngt. Der Schäfer Sdeewalta natür- 
lich seine eigenen Äcker am ersten und meisten. — In der Regel kamen 
die Schafe abends, wenn sie genug gahuut (gehütet) waren, hem oder 
nach Hause. Dabei kam es öfter vor, daß eins der Herde lahm ging: 
dad Soof laamt. Die Schafe erhalten kein záufs, da ihnen dies nicht 
zuträglich ist: zo weera inawenw fäul. Nur wenn das Mutterschaf galamt 
hat, Art's on waarom záufə mit riga-meel (Roggenmehl) ppra kleis (so 
geschieht es übrigens auch beim Rindvieh). — Die Schafe bleetsa — blöken. 
Die Exkremente heißen hemals-boonsala (Hammelbohnen), spottweise aber 
auch kaft-boona. Als Lockrufe für Schafe dienen: keints — brrr.. 
hents — kum 3 bis 4 mal und hets — da 3 bis 4 mal. 

An Krankheiten treten am häufigsten auf: da hemals-3ab (die Räude); 
di mäul- un glooa-zeie; de hemal weera fául (Leberfáule); da hamal hod's 
led im kob (die Drehkrankheit). Im frijopr werden die Schafe gasoor. 
dofoor wegra za gawes, bei guuram weera in dar bax pora im Sppf-kimbal 
(Schaftümpel), bes Sleecdom weera doheem in dar biid (daheim in der Bütte). 
Waschen und Scheren besorgt der Schäfer. Nach dem Scheren wird die 
Wolle sortiert. Die geringste Sorte ist die knidal-wol; es ist die Wolle 
an den unteren Teilen der Beine, am Hals und am Schwanz, wozu noch 
die zusammengeklebten Wollspitzen von anderen Körperteilen kommen. 
di knidal-wol wird an fawariga forkaaft. Die zweite Sorte ist die bessere 
hals- und die báu.r-wol, die beste Sorte die bugal-wol (die vom Rücken). 


. "8 


154 Edmund Protsch. 


Diese beiden Sorten werden gasbun. Vor dem Spinnen wird die Wolle 
uf am uu (Ofen) oder aam uuə gaweeramt und dann gobligt (gepflückt), 
d. h. vorläufig schon etwas auseinandergezaust, damit sie sich leichter 
verspinnt. In früherer Zeit wurden als 3bin-riira (Spinnräder) die sog. 
g@x9-riira (Geiß-Räder) benutzt; seit den 1870er Jahren sind diese durch 
die sdítlcos-rira (Stiihlchen-Ráder) verdrängt worden. Ist die Wolle ge- 
sponnen, so wird sie gadobslt und dann gahasbalt, auf den hasbal auf- 
gezogen. Hat man einen $drayk aufgehaspelt, so wird mit dem Endstück 
des Fadens durch mehrmaliges Umschlingen der Strang unterbunden, 
mir am ünriisl unarbun. 

Ehe die Wolle verstrickt wird, muß sie noch gaferabt (gefärbt) 
werden. 5loo (blau) wird sie gefärbt mit zndıc (Indigo), bráun mit nus- 
siile (den grünen Schalen der Walnüsse). beim aanmaxa fun da faarob 
wird zuerst lau (Lauge) bereitet, indem holts-es (Holzasche) in Wasser 
gekocht wird. di lau wird, wenn sie sich gazatst un abgakvilt hod, doorıc 
an duur: (Tuch) oder an fein zub (Sieb) gosut. Sie wird so deg (oft) 
doorıcgazeit, bis sie Hoor (klar) ist. Dann kommt an lumba (Lappen) mit 
indie und ein anderer mit zauar-darc (Sauerteig) hinein. Nun wird die 
faarsb aan a waarma blats (an einen warmen Platz) gestellt, bis sie 
zilwərıe Siimortst (silberig schimmert). Inzwischen wird ad gaara in 
xooda-wasar oder Sdaarık zeefa-brii (Seifenwasser) ausgewaschen. Nun 
nimmt man Indigo und Sauerteig aus der Farbe, tuykt die Wolle hinein 
und 3dribt (streift) 33 paarmopl durch die Hand, worauf man den Strang 
ganz in die Farbe legt und ihn mit einem alda delar beschwert; oben 
drauf kommen di tswee bindal mid indic un zäueor-daie. dad gaara is 
guud, wen ad beim aräus-hunlo dupgal-griin dus-xt1t; ist es getrocknet, 
so ist es endıc-blop. Ehe der zweite Strang in die Farbe kommt, wird 
der Indigo etwas dusgadrigt und a náua bala x4usr-daie hinzugetan. Wenn 
an paar Sdrey (3 bis 4 Stück) gefärbt sind, muß die Farbe > tseitlayl: 
ruua. Von Zeit zu Zeit wird lau, wenn die Farbe verbraucht ist, nach- 
geschüttet; ebenso muß die Farbe öfter abgegossen werden, wenn sich 
unten im Topf ein Satz von Wolleabfällen gebildet hat. Das Färben mit 
Indigo kommt mehr und mehr “user moorə, weil də indic 200 deiar is. 

Aus der Wolle werden kọọsə (Strümpfe), hentss und zwar füust- un 
fiyar-hentsa (Faust- und Fingerhandschuhe), zwwamasar (Wamse), pg 
(Socken) und unar-reg (Unterrócke) gosdrigt. di bugəl-wol wird haupt- 
sächlich foor »úua hoosa verwendet, die weniger starke oder di blagic 
(fleckig) gefärbt ist, zum aansdriga fun alda hoosa-Sdere (Strumpfschaft). 
di lemar-wol wird goslumbt und alsdann zur Anfertignng von sdeb-deya 
oder wol-madrdtso gebraucht. 

Den weiblichen Tieren wird schon als Lämmchen der Schwanz 
gasdimbi; der gasdimbds Swants heißt brits. 

In der Kindersprache führt das Tier den Namen scefr» und das 
Junge lemca. sSeefrar werden im Volksmund auch die Tannenzapfen, 
sowie die Federwolken genannt. Dem Volk dienen die Schafe auch als 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 155 


Wetterpropheten: Zerstreut sich die Herde im Sommer weit über das 
Feld, so ist gutes Wetter zu erwarten oder es hält noch länger an; 
drängen sich dagegen die Tiere zu einem dichten Haufen zusammen, so 
ist ein Gewitter in Aussicht. Wenn sich die Schafe beim Austreiben 
im Winter ungebärdig zeigen, wild umherspringen und sich oft gegen- 
seitig stoßen, so deutet dies auf kaltes Wetter und anhaltenden Frost. — 
Sprichwörtlich geworden ist die Dummheit des Schafes; daher für dumme 
Menschen die Schimpfwörter: du dumar hamal! du dum šf! auch 
kurzweg: du 300f, du hamal! ferner: du Soofskob! Weitere unliebsame 
Eigenschaften sind der Grund zu den Schimpfwörtern: 200 an neidhamal! 
du dreg-hamal! Die Schmutzkanten an den Kleiderröcken der Frauen 
werden geradezu »hamal« genannt. Wer so sein Kleid beschmutzt hat, 
der hod zie bahamalt, und eine Person, die oft mit solchem Rock kommt, 
ist on hamolee dra Wer dank seiner Dummheit übers Ohr gehauen 
wird, der ist balemart. Wer beim Lachen ein wenig geistreiches Gesicht 
macht, weil er den Kernpunkt der Sache nicht erfaßt hat, lart mir am 
gantso gaziict wii an hamol. Bekannt ist auch die Unselbständigkeit der 
Schafe, die deshalb einem einzigen sich vordrängenden Tier, dem Leittier, 
blindlings folgen; letzteres heißt /@thamsal. Mit diesem anmutigen Nanıen 
werden auch solche Personen bezeichnet, die in der Gemeindeversanım- 
lung oder bei irgend einer Gelegenheit den Führer machen oder doch 
den Ton angeben. Wer aber niemals mit andern gemeinsame Sache 
macht und stets seine eigenen Wege geht, der heert nid un zit nid un 
left aax kanar heerd ngo; das wird auch von ungehorsamen und eigen- 
willigen Kindern gesagt. An das Waschen und Scheren der Schafe er- 
innern die Redensarten: dee is 200 nas wit on hamal; dee hod zei Seefca 
and drugana gobraaxt, d. h. zum Scheren, so daß er der Wolle oder (im 
übertragenen Sinn) seines Vorteils sicher ist. ax hemal-wesor wird ein 
Mensch mit auswärts gebogenen, sog. O-Beinen genannt. Daß mit Geduld 
viel zu erreichen ist, bestätigt das Sprichwort: gadilıca Sppf geen fill in 
2 sdal. Zum Schluß sei noch ein Wiegenlied angeführt: 


Sloof, kinca, Sloof! sloof, kinca, Sloof! 

im gaarda geen di soof, im gaarda geen dt Soot, 
tswee Swartsa un tswee weiso, tswee wersa un tswee Swartso, 
di wilə mei kinca beisa. di wila mei kinca 'gratso. 
sloof, Lyne, Sloof! Sloof, kinca, Sloof! 


5. Die Ziege. 
Der allgemeine Name für dieses Tier ist gæs, M. gæsə; Dim. gesjo, 
M. gesjer. Der Ausdruck dient aber auch gleichzeitig zur Bezeichnung 
des weiblichen Zuchttieres; zuweilen wird dieses auch beudsal genannt. 
Das männliche Zuchttier heißt bug, M. big; Dim. bigcs. Zur Unter- 
scheidung von anderen Bockarten (Reh) hört man auch den Ausdruck 
gers-bug. bledar ist eine Ziege ohne Hörner. Das junge Tier wird tsigəl 


156 Edmund Protsch. 


genannt. M. tsigal; Dim. tsigalco, M. tsigolcar. Ist die Ziege brünstig, so 
ist sie buguw. Ist die Begattung erfolgt, so waar zə beim bug oder hod 
gebugt; an dem betreffenden Tage ist die Milch unbrauchbar. Hat die 
Ziege Junge geworfen, so hod 23 tsigal gamax. Für die Ziegen kommt 
im Hunsrück fast nur die Stallfütterung in Betracht: dabei kommt ledig- 
lich Trockenfutter zur Verwendung. Nur im frizjopor weerd di gæs aan 
di hega gafoort, dad zə də mai = das junge Grün frißt Dieses wird 
daher oft schlechthin gırss-fuurs genannt, ebenso auch Kopfsalat. d: 
gesa fresa gero zalts. 

Ziegen werden in der Regel von armen Leuten gehalten, die für 
eine Kuh zu wenig Futter haben und denen di gas die nötige kafı-milıc 
liefert. gerso-milie is aaru fed. Ausnahmsweise wird aus Ziegenmilch 
auch Butter und Käse gewonnen. Junge Tiere liefern tsigals-broora 
(Braten), wozu sie gewöhnlich von Juden um die Ostern aufgekauft 
werden. Die Juden sind auch die Abnehmer fun gassa-heid (Häuten) 
und fsigals-heidcar. Von Körperteilen sind besonders zu erwähnen: ds 
heernar, da geeso-baart, di gloga und di brits (der Schwanz). Der Kot 
heiBt greso-boonsolo: scherzweise wird er auch kafı-boona genannt. di 
gırs3 burtss. Als Krankheit tritt, wenn das Tier zu nasses Futter erhält, 
die Leberfáule auf: de gers weerd fául. Die Ziegen werden gelockt mit 
dem Ruf: bigasja kum! 

Wie der Hammel, so muß auch der Bock seinen Namen zur Be- 
zeichnung gewisser Leute herleihen: ein steifer Mensch wird sdeifar bug 
geschimpft. Wer Schweißfüße hat oder sonst einen üblen Duft verbreitet, 
ist ən Sdiyk-bug; ein solcher Sdiykt, wii də bug da micols-daar (um 
Michaelis tritt bekanntlich die Brunstzeit der Ziegen ein, in der sie mit 
einem sehr üblen Geruch behaftet sind). Sogar die ehrsame Zunft der 
Schneider muß sich Sneira-big und gers-big titulieren lassen, zuweilen 
auch flig-big. Weiterhin wird die Ziege zu Vergleichen herangezogen: 
ein mageres Frauenzimmer ist so dor wit a gees; es kann a ges ti 
(zwischen) dy heeranar liso und hod ben wit ə gæs. Wer sich fürchtet, 
grúuəlt wii ə gws (wegen ihrer Furcht wird die Ziege meist nach Eintritt 
der Dunkelheit zum Bock gebracht, weil sie sich dann ohne Aufenthalt 
hin- und zurückführen läßt. Wer um keinen Preis etwas mit einer 
Sache zu tun ‘haben will, lehnt ab mit den Worten: nid im a goldw gos 
(anscheinend liegt hier eine Anspielung auf die biblische Erzählung vom 
goldenen Kalb vor). Mit heisar-gers wird eine Bettelfrau bezeichnet 
(heiss = fordern, betteln). Da die Bettler oft sehr geschwätzig sind, so 
wird eine mundfertige Frau überhaupt getadelt: di Aod ə måul wii ə 
heigor-gees! Wer einen Menschen an einen ungeeigneten Posten stellt, 
hod da bug tsum geerdnor gomar. Ein Mensch, der erschrickt und da- 
durch verblüfft ist, miict on go: tiet wii ən bug, wens dunart (donnert). 
Kinder, deren Wünsche und Anschläge nicht zu erfüllen sind, werden 
vetróstet: dei gers wil aar on lay Swants hon un kriit ən nid. Bekannt- 
lich kommen dem Menschen bei einer Arbeit oder einem Plan die besten 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 157 


Gedanken meist zu spät; das veranschaulicht das Sprichwort: di guura 
infel un de laarma geeso kuma ¿mar hinango. Die Heuchelei einer Frau, 
die sich unter der Maske der Frömmigkeit verbirgt, wird mit dem Sprich- 
wort gegeißelt: dad is zoo from wü bud3al-hanasa ges, wii z3 mid xiiwə 
(sieben) big ond doorof kum ts. Erwähnt sei noch, daß ein Mann, dessen 
Haare des Backenbarts nicht kräuselig, sondern glatt sind, on goso-baart 
hod. goes wird endlich auch der dreizinkige Rocken genannt, der beim 
Spinnen fum weer:k und hopdea (den gröbsten Gespinstfasern des Flachses) 
verwendet wird. 
Mit Kindern von 3 bis 4 Jahren spielt man: 


bumala, bumala holar-Sdog, 
unifirl heeronar hod dar bog, 
wiifiil finar Sdeen? 


Während der zwei ersten Zeilen trommelt man dem Kind mäßig auf den 
Rücken; bei den letzten Worten hebt man eine Anzahl Finger hinter 
dem Rücken des Kindes in die Höhe; das Kind muß die Anzahl raten. 
Spiele für größere Knaben sind: 1. bug Sbriya und 2. ges melga. — 
Zum Schluß möge noch ein Volksrätsel erwähnt werden: weer waar da 
eerst abadéegar (Apotheker)? Die Antwort lautet: »di gas« und die Be- 
gründung: foora frist za di greira (Kräuter) un hina dreet xə di pilə. 


6. Das Schwein. 


Von der Wichtigkeit, die das Schwein in der Wirtschaft des Bauern 
hat, legen schon die vielfachen Bezeichnungen Zeugnis ab. Als all- 
gemeine Bezeichnung dienen die Worte: zdu, M. zei, Dim. Zeien, M. zeicar 
und wuts, M. wutso, Dim. wuisja, M. wutsjar. Das männliche Zuchttier 
heißt in der Regel wats, M. wets, Dim. wetsja, M. wetsjar; als Neben- 
form findet sich Sab, M. seb, Dim. Sebca (diese Mehrzahl und die Diminutiv- 
form sind aber wenig gebräuchlich). Das weibliche Zuchttier führt, so 
lang es noch jung und unberührt ist, den Namen oog, M. moogo, Dim. 
meegolca, M. meegalcar; das bereits zur Zucht verwendete Tier ist 9 za« 
oder feergal-zau. wen do wats on joor lay di res gadoon hod, d.h. zur 
Zucht benutzt wurde, wird er gasnút un gamest. Das verschnittene 
männliche Tier wird baarıc genannt, M. beerze, Dim. berjalco; das ver- 
schnittene weibliche Tier heißt gilts, M. giltsə Zur Mast wird der 
baarıc der gilts vorgezogen, weil bei letzterer wegen der Schwierigkeit 
das Beschneiden oft nicht gründlich genug ausfällt und deshalb seinen 
Zweck verfehlt. Das junge Tier heißt feergsl, M. feergal, Dim. feergalca, 
M. feergalcar, das halbwüchsige Tier hingegen breeliy. Mit letzterem 
Ausdruck werden spottweise auch die Mädchen im Alter von 14 bis 
17 Jahren bezeichnet (entspricht also dem hochdeutschen »Backfisch«). 
Das weibliche Tier ist in der Brunst beer:c!; begatten heißt beera, daher: 


1 Zu mhd. der »Eber«. 


158 Edmund Protsch. 


di zäu hod gabeert. In manchen Nachbarorten (z. B. Bergenhausen) finden 
sich als entsprechende Ausdrücke: rose, rola, garolt. Ist die Geburt 
erfolgt, so hat di x4u feergal gamax oder juya gawooraf. am wooraf ist 
die Gesamtheit der auf einmal geborenen Jungen: da letsda woorof waar 
guud. Wirft das Muttertier mehr Junge, als es selbst xats (Zitzen) hat, 
so müssen die überzähligen feergal aan dar flas groos gatspp weers (mit 
Kuhmilch); dasselbe geschieht auch, wenn ein Schaf statt 2 Jungen (wie 
es Regel ist) deren 3 wirft. Das zuletzt geworfene feergal ist auch das 
kleinste und wird duts genannt. Die Ferkel werden von dem Muttertier 
gazait = gesäugt (Grundform: za:a), wobei dieses zuerst einen eigenartigen, 
röchelnden Ton von sich gibt, da sonst die Milch nicht in die Zitzen 
einschießt: de záu ricalt. 

di zei kriia moorjans, midaaxs un oowens eer fresa aus grumbeers, 
kleio oder šroots un mile (xåuərmilıc) mid wasar farmeyt. tišə də ims 
(zwischen den Mahlzeiten) Aria za paar hen fol geerst oder paar keb 
zaldad, im heerabst aax untseirico ebəl. Die Ferkel bekommen dinər 
fresa mid ziüisar milıc. Gedeihen sie gut, so eerda zo xie. Der Schweine- 
trog heißt zei-kumb. Früher wurden die Schweine auf die Weide ge- 
trieben; jetzt geschieht dies nur noch mit da feergəl-zei. Der Schweine- 
hirte heißt Zeiart Die Tiere wuula (wühlen) überall herum. Werden 
sie irgendwo aufgejagt, dann pura za fort (pura — schnell und stoßweise 
laufen, wobei sie einen grunzenden Ton ausstoßen). Ihr Schreien wird 
als gwigsə bezeichnet. 

An Krankheiten, von dengn das Schwein heimgesucht wird, sind 
zu nennen: di rootlaaf-brein (Rotlaufseuche), di roosa-brein (so genannt, 
weil das Tier am ganzen Leib mit roten Flecken bedeckt ist), di mäul- 
un glops-zeic; auch werden die Tiere innen fául (Leberfáule). In einem 
kalten, nassen Stall werden die Schweine oft poodsgrembw. Zur Ver- 
hütung dieser Krankheit werden nasse, kalte Ställe noch garceralt, indem 
über den Boden eine dichte Lage von Holzknüppeln gedeckt wird, die 
den Boden nicht unmittelbar berühren, sondern auf einem Holzrahmen 
aufliegen. Bandwurm und Trichine sind dem Hunsrücker Bauer als 
Schmarotzer des Schweines nicht bekannt. 

Von den Körperteilen sind hervorzuheben: di $nus = Maul, di wuul 
= Rüssel, də kiiwəl = Kinnbacken, da $luyg = Schlund, do ribsdrang 
= Wirbelsäule, dë meis = die beiden Filetstücke; di Siyga = Schinken, 
di fiis = der untere Teil der Beine von der Ferse abwärts, di heesa 
= Ferse, dəd eisben = der über der Ferse liegende Teil des Beines, dı 
ylooa = die Zehe mit den Hufen, di suu = die abgezogenen Hufe, di 
beeršdə = Borsten; də rigriima = die Fettlage über den Rücken, di feera 
oder ¿meltsar = das Nierenfett, dessen Haut abgezogen und zum Ver- 
binden von Wunden benutzt wird, da 3biil-lumba — der häutige, obere 
Teil der Feder, an dem sie aufgehängt wird, dad nets = Netz (eine Falte 
des Bauchfells, die die Gedärme einhüllt), da kraax = das Gekröse mit 
Fettablagerung, do enditsal = Blinddarm, di hau (Haube) = Muskellage 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 159 


des Magens, di bloos = Blase; di heera = Gehirn. Die Speiseröhre wird 
von Buben unter dem Namen krardaarom als Spielzeug benutzt (die 
Speiseröhre, die am unteren Ende zugebunden ist, wird durch die obere 
Öffnung aufgeblasen und die Öffnung durch schnelles Runddrehen ge- 
schlossen; durch schnelles, heftiges Pressen mit dem Daumen von unten 
her entweicht die Luft mit lautem Knall, indem sich das zugedrehte 
obere Ende der Röhre öffnet). 

Die fetten Schweine werden im Herbst oder Winter gaëlaxt. Dieses 
besorgt in der Regel da heert (Hirte). Er tötet das Tier durch einen 
Stich ins Herz: di zou weerd gasdor. Das ausfließende Blut weerd in 
a pan ufgafoy, in ə dibə gəšut un gareert, dads nid klumbre weerd. weer 
di pan ufhilt, fordvint zic a weerstca. Das tote Tier wird in die muul 
= Mulde gehoben und dort mit kochendem Wasser übergossen, gabriit, 
wodurch sich Schmutz, Borsten und Oberhaut leicht abšrabə (abschaben) 
lassen; dann werden di $uu dusgalsoo. Hierauf hebt man das Tier uf 
di Sraa — den Schragen, auf dem es dusganum = ausgeweidet wird. Ist 
de x4u grindlie goxeiwort un abgasweygt, so kimt zə uf de ledar = sie 
wird auf eine schräg gestellte Leiter aufgehängt, damit das Fleisch kalt 
und starr wird. Ist das eingetreten, so wird di x4u ppwots (abends) uf 
dər flaiSbayk forhäu = zerlegt. dad galiy, da kob und di abfel vom Zer- 
legen werden zum woorst maxa verwendet. Die in Würfel zerschnittenen 
feera und rigriima werden ausgebraten, deusgalgs; das dadurch gewonnene 
Fett ist dad Smalts. Der Rückstand heiBt gri{wa und wird unter di leewar- 
woorst gajigt; außerdem stellt man her bluutwoorst, broptwoorst, heera- 
woorst un Swaardamaaa (Schwartenmagen). Ist das Fleisch mit dər jig 
(Wiegemesser) gajigt = gewiegt, so heißt es finzal = Füllsel. Dieses 
wurde in früherer Zeit doorıc ad woorst-heeranca (ein Stück Kuhhorn) 
tn do daarom gafilt, während neuerdings dazu die woorst-sbrits verwendet 
wird, ausgenommen bei Blutwurst. da Swaarda-maaa wird mit der Hand 
gasdobt. Nachher werden di weerst gakoxt; die Brühe gibt woorst-zub, 
die am besten ausfällt, wenn beim Kochen paar weerst farblatso. Von 
der woorst-zub und von der Wurst erhalten nopbar un frein (Nachbarn 
und Freunde, d. h. Verwandte) də forzuux (Probe). Wo in einem solchen 
Hause Kinder sind, wird außer einer großen Wurst nox a kle weersica 
geschickt. da kraax un dad derem-fed wird zu Suu-fed áusgalos. Das 
Fleisch wird ingazalist un gabigalt (gepökelt); es liegt alsdann im baal 
lag es lange genug darin, dann wird es garaict (geráuchert), wozu es 
mit hooge an die haarsda-reral (Querstangen) in die haarst (Schornstein) 
gahoyk wird. Wer sich schon beim Schlachten des Tieres im voraus 
scherzweise eine Wurst bestellt, erhält zur Antwort: kum heer, da kruis’ 
dad mául angames! wobei ein Darm als Maß gezeigt wird. da zeinaawal 
wird auch garaict und dann benutzt, um die Sbanzee xa Smeera (zum 
Einfetten der Spannsäge). 

In der Kindersprache wird das Schwein wutsja genannt. Der Lock- 
ruf lautet: wutsjə kum! Viel mehr noch als »hamal: dient der Name 


Ca Edmund Protsch. 


ge weeills als Schimpfwort. Schon die kleinen Kinder, die sich 
iaca Machen, werden ecutsjo und feergəal genannt. Erwachsene 
coco manulichen Geschlechts erhalten die Ehrentitel: duu eat 
pm unub’ dregiwcats? zoo 3% zeikerl! Frauenspersonen dagegen: 
boert, tuts, feeryol! saumens! Mit zeikerl und zerumens werden 

oe nar uuteinltehe Personen bezeichnet., sondern auch solche. die 
or tucht einwandfrei sind. Wer sich schmutzig macht. der bəzaut 
erivehtes, regnerisches Wetter ist 2u sdutcerrd. Ist Regen mit 

acto o vermischt und ist's dabei windig. so sagt man: əd zaut. Ein 
nich zubereitetes Essen, bei dem namentlich verschiedene Speisen 
cocido der gemengt sind, ist An Zotäifechtg oder zerfresd. Mit zerre: 
vet Lnremliehkeit, sehmutzige Geschichten und Vorfälle, das Arbeiten 
cu bicien het sehleehtem Wetter, überhaupt alle Zustände bezeichnet, 
Doai lenen es sehmutzig und unerdenttich herzeht Eine dicke männliche 
Der en Ist var digar Wais, an Eeër wits oder aach ze fuidenis. Wer 
("um im Sehmutz watet, der deud De dreg orim weiss. E:n Frauen- 


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Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 161: 


schaffen will, weeraft midar broptwoorst noo an Siyga. Wer von einer 
Sache nichts versteht, hed doofun zoofil farsdand wu di zou. fum häu- 
robe (Heurupfen). Wer jemand beleidigt oder benachteiligt hat, muß 
damit rechnen, daß der andere auf Rache sinnt und hods dan bei deen 
im xalis leia. Wer bei dem geringsten Anlaß überlaut schreit oder spricht, 
mict an gasrai wii an Seel feergal (jedes Schwein stößt einen Schrei aus, 
wenn es angefaßt wird, ein blindes aber ganz besonders). Stellt sich 
eine Sache, um die viel Lärm gemacht wurde, schließlich als unbedeutend 
heraus, so heißt’s: fiil gasrai, weenıe wol, zaad də deiwal, dọọ har ar on 
wats gasoor. Wer eine Sache, einen Gegenstand schonungslos behandelt, 
geet domid im wii di xâu mir am beerol-xag. Wer bei einer Veran- 
staltung freien Eintritt hat oder frei passieren kann, left free wi on 
heerda-feergal (Hirtenschwein). Diese Redensart stammt aus der Zeit, da 
der Hirt Naturallohn erhielt und zwar in der Art, daß jeder Bauer für 
jedes von ihm aufgetriebene Schwein eine gewisse Menge Getreide liefern 
mußte; seine eigenen Schweine konnte der Hirt natürlich frei auftreiben. 
In einer Familie, in der keine Ordnung herrscht, x221s dus wii im zeisdal. 
Ein Kutschwagen, beladen mit wohlgenährten oder (richtiger) mit ge- 
mästeten Städtern, wird von den Bauern zerwaan genannt. Die Winkel- 
advokaten werden spottweise als feergal-sdecar bezeichnet. zeikebes (Sau- 
köpfchen) heißt eine Art kleiner Öfen. Mit dem Namen grüws werden 
gewisse nässende Ausschläge am Kopf bei Kindern belegt. dr blogs des 
Schweines wird mitunter zu Geld-, Tabak- oder Knopfbeuteln ver- 
wendet. 

Ist nun auch das Schwein als das schmutzigste und ruppigste Tier 
bekannt, dem manches Widerliche nachgesagt wird, so muß ihm doch 
zugestanden werden, dad neist grüralicar (kritteliger, empfindlicher) is as 
an feergalzau. 

7. Der Hund. 

Der allgemeine Name ist kund., M. hun, Dim. kinca, M. hincor. 
Das männliche Tier wird sid (Rüde), das weibliche fsaub genannt. In 
der Brunstzeit zn di hun lefıc. Bei der Begattung heyga di hun. Für 
»gebären« wird der allgemeine Ausdruck gebraucht: di tsáub hod juyo 
gamas; sie heißt daher mitunter auch juyanıeecor. Die Stimme des Tieres 
wird verschieden bezeichnet: das Bellen heißt gåutsə, das Knurren gruma 
und das Winseln keila oder júunaro. 

Von den Körperteilen sind besonders zu erwähnen di $náuts und 
«di poods. Von Krankheiten tritt hauptsächlich di huns-greyk (Räude) 
auf; seltener es an hund dol oder dolwitric. Die Hunde werden unter- 
schieden nach der Behaarung in layk-heerica und koorts-heerwa; nach 
der Farbe in enfaarwıca und zwar weise, $wartso und bráuna, sowie in 
blagica (fleckige) und gasbrengalds. Von Rassen sind bekannt: $bits, mobs, 
puudal, dagshun, windhun, dog, jaxd-hun, metsyorsS-hun und heerds- oder 
seefor-hun. Die gebräuchlichsten Hundenamen sind: sbits, wüdu, wald- 
man, feldman, bélo, neero, molt, brénus, slubca. hégdoor, bumar, juuno 

Zeitschrift fúr Deutsche Mundarten. VI. 11 


162 Edmund Protsch. 


áli, sóla, fok, finsd. neli. Kin sehr kleiner, zierlicher Schoßhund wird 
scherzweise au fregsdagleic genannt. Gelockt wird der Hund mit seinem 
Namen und dem Zusatz kom bswud oder bswswid! Als Hetzruf dient: 
hul zə! fas z3! Zur Ruhe verweist man das Tier mit gus dic! In der 
Kindersprache heißt der Hund də wau-wäu. In der hunds-hid findet 
der Hund nachts und bei schlechtem Wetter Unterkunft. 

Der Name Hund, dent gleichfalls oft als Schimpfwort, wobei der 
damit bedachte Mensch meist als schlechter Charakter hingestellt wird: 
du hund! du krumar hund oder krumar dags! sSleecdor hund! neelwar 
hund! (neelic bedeutet hier niederträchtig, im übrigen aber schwach). 
Wer große Vorliebe für Hunde zeigt, ist an Juurdsnar. Von einem 
Menschen, der andere bei jeder Gelegenheit anfährt, heiBt es: dee gautst 
@no glee aan. Der Hund hat die Unart an sich, alles zu verunreinigen; 
es muß deshalb der Gipfel der Schlechtigkeit sein, wenn man von einem 
Menschen sagen kann: dee is xoo sleert, wiira deen zaict nor ke hund. 
Ein magerer Mensch. der namentlich dürre Beine hat, wird verspottet: 
dee (oder dad) hod waara, wii do Sweerst metsjars-hund,; vorwiegend wird 
diese Redensart von Frauenspersonen gebraucht. Von einem feigen Hunde 
sagt man: wem ər geen dee hiict (die Geste des Werfens macht), lef'dor 
weirs, as ar ham hod; ferner: ar nemi da Swants tis di ben un left. 
Mit denselben Worten charakterisiert man einen feigen Menschen. Wer 
dagegen beharrlich sein Ziel verfolgt und sich durch kein Hindernis 
abbringen läßt, geet dəwiirə wii də hund wiira di lica-deer: der Hund 
drückt sich sozusagen durch die Tür, wenn er Fressen dahinter riecht. 
Ein Mann, der sich zu den reichen Leuten zählt und hält und doch 
nicht immer mittun kann, muß sich sagen lassen: dee wil aax mid d> 
groosa hun zaico geen un brey'dəd bæn nid in di hee. Wer in seine 
Arbeit vertieft ist und sieht nicht, was um ihn vorgeht, oder auch wer 
in Gedanken verloren ist, :/tst doo ww au hund in do flee (Flöhen). Wer 
sich übermäßig freut, wenn er z. B. Bekannte trifft, is og froo, wii ən 
Juyor hund. Wer nicht zu arbeiten braucht, hats sogar nox besər wii 
yr juyar hund. Fühlt sich jemand von einem Vorwurf getroffen und 
verteidigt sich dagegen, ohne daß er genannt war. so heißt es: wemar 
dy hund dreet, da maubsdar. Hat man jemand die Wahrheit durch dick 
und dünn gesagt, ohne daß er auch nur irgend etwas dagegen zu sagen 
oder sich zu entschuldigen wagte, so hod ar nor nid maub gəmax. Ist 
-in Mann viel erfahren, kennt er alle Auswere, Schliche und Vorteile, 
ss ar mid alo hun gohetst. Wer von den Leuten weit und breit ge- 

mat ist, sei es durch seine Tätigkeit oder durch sonst einen Anlaß, 
ros ioo bokant wit on beendecar (bunt gefleckter) hund. Komnt jemand 
„men Verhältnissen völlig zurück, dann és ar uf də hund kum. Von 
om Hut, einem Kleidungsstück oder sonst einem Gegenstand, dem 
~ [vie nnachtsame Behandlung ansicht, gilt der Ausdruck: əd siit aus, 
ali hun in ds kuub gohad (in də knubs hawsa =: in die Finger 

ter die Zähne geraten). Was einem Hund unter die Zähne 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 163 


gerät, ist dem Verderben geweiht; wer daher eine Sache durch Mutwillen, 
Unachtsamkeit oder Ungeschicklichkeit zugrunde richtet oder eine Arbeit 
schlecht ausfiihrt, dee forhundst alos. Fehlt einem Gegenstand die Ver- 
zierung oder der richtige Abschluß, so zčidər zoo sdumb dus, wii on 
hund oonə swants. Schlechtes Wetter, bei dem es in Strömen regnet, 
wobei es womöglich noch kalt und rauh ist, erhält die Kennzeichnung: 
bei xoo əm weera meect mar kæ hund foor di deer jee! In einem un- 
geheizten oder schlecht geheizten Zimmer čs ə kelt wiit in əm hunds-Sdal. 
Der Übermüdete ist hunds-müd oder hunds-kabút. Ein Gerstenkorn am 
Auge wird als hundsfuts bezeichnet (futsa = weibliche Geschlechtsteile). 
Wer bei Tisch ein Gericht verschmäht, wird zurechtgewiesen: fres hunds- 
futsa, da weer dar aax dei meilea nid feererw. jopwuul, hundsfutsa oder 
hundsgabagsnas! (Anspielung auf die Exkremente des Hundes) sagt man 
im voraus zu jemand, der sich eine falsche Rechnung macht. Stellt sich 
der Irrtum nachträglich heraus, so wird man noch obendrein gehänselt: 
hundsfutsə xin kæ wegšdutsə (eigentlich sdutsweg, auch wohl buua-Siygo 
und buus-sengal genannt, ein gewisses Hunsrücker Gebäck). 


8. Die Katze. 


Es gibt wohl kaum eine Bauernfamilie, die nicht au kats hält, 
M. hatso, Dim. ketsjo, M. hetsjor. Das männliche Tier trägt den be- 
sonderen Namen kaara (die Mehrzahl lautet ebenso); das weibliche Tier 
ist ən muurakats. Diese ist in der Brunstzeit kaararze; dementsprechend 
wird die Begattung mit kaarərə bezeichnet. Für gebären dient auch 
hier der allgemeine Ausdruck juna maza. Die der Begattung voraus- 
gehende bekannte, liebliche Musik wird katsa-kuntsert genannt; auch 
findet sich die Umschreibung: dt kats halo hugxad (Hochzeit. Der 
Lockruf des Katers wird gedeutet: kum əråus, kum arüus! Scherz- 
weise sagt man dann auch wohl zur Katze: heers’da, da bors ruft! — 
Das Miauen der Katze wird als ndutsa oder greisa bezeichnet. Man 
hält die Katze zur Vertilgung von Mäusen und Ratten: za kan guud 
meis feya, aax radə; manchmal hat sie sich auch > feelca (Vögelchen) 
gafoy. Zu diesem Zweck war sie uf da baum gakloodart. Fühlt sich 
die Katze behaglich, besonders wenn sie am warmen Ofen liegt, so läßt 
sie ein eigenartiges, schnurrendes Geräusch hören: za sbint oder snort. 
Sie gilt ferner als Wetterprophet: Wenn sie sich west oder butst, so 
gids guud weera; wenn sie sich aber uf di heerə (Gehirn, d. h. auf den 
Kopf und Rücken) leet oder graas frist, so steht sleect weera un reen in 
Aussicht. Die Katze hat an da pooda grala (Krallen); damit kann zo «na 
wist gratsa oder grala. do swants heißt auch fig. Am Maul hat die 
Katze an snpras (Schnurrbart). Das Katzenfell heißt katsa-balıc (Balg). 
Als Krankheit ist de katso - greyhk zu erwähnen, bei der das Tier mehr und 
mehr abmagert und schließlich zugrunde geht. Lockrufe für die Katze 
sind: kum meisja kum, bs’ws’ws’ws!’ In der Kindersprache führt das 
Tier die Namen: mersjo, mersarca, bliimca. 

11* 


164 Edmund Protsch. Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 


Auf die Katze haben gleichfalls eine Anzahl Sprichwörter und 
Redensarten Bezug: i 


Da sich Katze und Hund bekanntlich wenig vertragen, so sagt man 
von den Angehörigen einer uneinigen Familie: zo leewo zaxamo uid kats 
un hund. War etwas vergebens gewesen, da waars foor di kats, wobei 
noch oft hinzugesetzt wird: dop hod da hund nox neist. Wer sich um 
eine Sache herumzudrücken sucht, der geet im di bren (Brennpunkt, 
Kern) ərim, wii di kats im do heeso brei. Wenn Personen oder ganze 
Familien enge Freundschaft halten und gegenseitig nichts aufeinander 
kommen lassen, kala za zoxama wit katsadreg. Wer viele Krankheiten 
durchgemacht und sie alle glücklich überstanden hat, der kod 3 leewa 
wi on kats. Wer nichts zu arbeiten braucht, hods nox besar wit paros 
(Pfarrers) kats, dee brau:s nor ke meis za fege. Wird eine nicht mehr 
ganz junge Katze verkauft, so verbringt man sie in einem Sack zu dem 
neuen Besitzer, damit das Tier nicht den Weg zum alten Herrn zurück- 
finden soll. Von diesem Gebrauch stammt die Redensart: ic wil dor 
nid di kats im xag kaaf», d. h. einen Gegenstand unbesehen kaufen. 
Wer bei aller Arbeit die Hauptsache leisten muß, der muß di kats 
doorie die bar Sleba. Wer vom Regen durchnäßt wird, ve zoo nas wii 
ən kats. Kinder, die recht fröhlich sind, zin 200 mundar wit hola ketsje. 
Wenn Kinder schon in aller Frühe singen und pfeifen, warnt man sie: 
feelear, dii xoo frii peifo, frist di kats. Der Langschläfer, der nicht aus 
den Federn kommt, sdeet nid uf, bis di kats peerə (Peter) riift. Zeigt 
ein Kind, das jemand rauchen sieht, auch danach Verlangen, so sagt 
man ihm: raux di kats an da fig! Wer nicht gerade sitzt, mict ən bugal, 
wii ə kats uf em sSleifsden. Die Tatsache, daß Ungehörigkeiten vor- 
kommen, wo der Herr fehlt, veranschaulicht das Sprichwort: wen di kats 
fort is, dantsə di meis uf sm dis. Über Leute, die sich etwas anschaffen, 
was nicht ihren Verhältnissen entspricht, wird gespottet: leit, di əd maxə 
kinə, halə zic ən kats un aax ən hund. Eine alte Bauernregel besagt: 
di fraa un dt kats goheera ind haus, de man un də hund ondus. Hat 
sich jemand bei Tisch den Magen recht voll gestopft, so heißt es: dad 
is guud, da Sleb? dor en aax ke kats wec. Ein Kind, das sich anzu- 
schmeicheln versteht, Ge zoo Sınatcalıce wii ən kats oder kurz ən Smaical - 
kats. Die Böller, die zu Ehrenschüssen bei Festlichkeiten dienen, heißen 
im Volksmund katsakeb (Katzenköpfe). Sprichwörtlich geworden ist auch 
die Falschheit der Katzen; vor hinterlistigen Personen wird darum ge- 
warnt: di zin zoo falš wii on kats. Mit dem Volksrätsel: »əd leit uf 
om dax wii an kitsal (ein kleines, rundes Kissen, das in der Mitte ein 
Loch hat und zur Unterlage beim Tragen von Lasten auf dem Kopfe 
dient), wen ad arunarfilt, Sdeets uf fiir šditsəl (4 Beinen)« ist die Katze 
gemeint. Schließlich sei noch ein Kinderreim über die Katze erwähnt: 


swub, Swab, kelardrab, losa nox on Sdimbca Sdeen, 
snetd da kats dr ooro ab; dad :e han sbatseera geen. 


A. Fuckel. Die Tiroler Bauernbibel und Sebastian Sailer. 165 


9. Das Kaninchen. 


Ein Bauer hält nur selten Kaninchen; daher gibt es auch nur 
wenig Ausdrücke und Redewendungen, die auf dieses Tier Bezug haben. 
Der gewöhnliche Name lautet: kaneínco, M. kaneincar; hin und wieder 
hört man auch kanigol oder sdalhaas. Das männliche Tier ist ən riid 
oder remlar, das weibliche ən muurə. Die Begattung wird remala ge- 
nannt. Die langen Ohren heifen lefol, die Beine lef. Sprichwörtlich 
geworden ist die schnelle Vermehrung der Kaninchen; daher wird von 
Leuten, die rasch hintereinander Kinder bekommen, gesagt: di farmeera 
zic wit di kaneincər. Im Volk ist übrigens der Glaube verbreitet, daß 
sich Kaninchen mit Ratten paaren. Erwähnt sei noch die Redensart: 
dee knebart wii ən kaneinco, wenn jemand mit den Schneidezähnen statt 
den Backzähnen die Speisen zerkaut. 


Die Tiroler Bauernbibel und Sebastian Sailer. 
Von A. Fuckel. 


Rudolf Greinz, der Verfasser der köstlichen Tiroler Bauernbibel 
(Leipzig bei Staackmann 1908) weist in dem Vorwort dieses trefflichen 
Werkes selbst darauf hin, daß eine Unzahl alter Volksspiele existiere, 
die einzelne Partien des alten Testamentes in der bekannten, naiven, 
anachronistischen Form gestalten und zum Teil noch heute im Volke 
fortleben. Aus solchen Quellen hat auch er nach eigenem Zeugnis vor- 
nehmlich geschöpft und das Vorgefundene, mit eigenen Zutaten verknüpft, 
mosaikartig zusammengetragen, nicht aber, wie zahlreiche Besprechungen 
anzunehmen scheinen, das Ganze erfunden. Die Figur des alten Bauern- 
jörg, der als einsamer Hagestolz »droben im Gebirg« die biblischen 
Geschichten aufschreibt, ist natürlich ganz ein Werk des Dichters, eine 
knorrige Prachtgestalt! Wer aber noch daran zweifeln sollte, wie es mir 
bei Laien hie und da begegnet ist, daß der Ursprung dieser höchst 
originellen und ergötzlichen bäuerlichen Umformungen biblischer Ge- 
‚schichten wirklich auf volkstümliche und alte Quellen zurückgeht, der 
vergleiche einmal das, was Greinz uns bietet, mit den oberschwäbischen 
biblischen Schauspielen, die der bekannte Pfarrer und Mundartdichter 
Sebastian Sailer (1714 —1777) auf weit von Tirol abliegendem, schwäbischem 
Boden, im Kloster Obermarchtal unweit der Donau, schuf. Die Berüh- 
rungen gehen hier oft bis zu wörtlicher Übereinstimmung, und selbst die 
Reime Sailers schimmern, wie die Vergleichung erweisen wird, mitunter 
in der Tiroler Prosa durch. Es ist daher wohl anzunehmen, daß ent- 
weder Sailers Werke auch bis nach Tirol trotz ihrer andern Mundart 


166 A. Fuckel. 

gedrungen sind oder daß beiden eine ältere, gleichfalls gereimte Fassung 
zugrunde liegt, die Greinz benutzt hat. Ich wähle zur Nebeneinander- 
stellung das gewiß besonders verbreitete und beliebte Stück >»Die 
Schöpfung« Sebastian Sailers, das sich auch in Regenhardts Sammlung 
»Die deutschen Mundarten« in dem Bande Oberdeutsch S. 138 abgedruckt 
findet, und rücke die entsprechenden Teile der Tiroler Bauernbibel da- 


neben, indem ich die dort angewandte Schreibung bestehen lasse. 


vergleiche: 

Greinz S. 33 und schnarcht glei 
drauf... als wenn man in recht an 
dicken Barchent Löcher reißen tät 

G. S.32. Und was dir dös kost’t- 
dö Masse Gewander und Joppen und 
Miader und Spitzen und Bander ... 


Man 


Sailer S. 1391 des hoißt ge- 
schnarchet! Odam reißt gewaltige 
Löcher in Barchet. 

S. S. 140. Wenn du so viel 
kaufa und zahla weascht müaßa. 
Miader, Juppa, Tuach und Boi, 
Spitz und Bändel allerloi ..... 


Hier findet sich allerdings bei dem Tiroler ein Reim »Gewander- 
Bander«, der dem Schwaben nicht eigen ist, doch wohl ein Beweis, daß 
es sich um eine gemeinsame, gereimte Quelle handelt. 


G. S. 34. Wie du di ins Gras 
niederg'legt,. alle Viere von dir 
g'streckt und g’schlafen hast wie a 
Ratx, hab i dir hoamli a Rippen 
g’nommen und dei’ Frau g’macht. 


wie du ins Gras di niederglegt und 
älle Viera vo’ der gstreckt und uf- 
ám grüena Platx wie a Ratx gschlo- 
fen au, hau’n i hoimli .. a Ribbli 
gstôhla dir und gmach und stet 
usser dreht dó dei Frau. | 


Das abweichende Wort »gmacht« der Tiroler Fassung gibt hier 
vielleicht in einer andern Bearbeitung mißverständlich das »gmach« 


= gemächlich bei Sailer wieder. 


G. S. 34. Adam. I hab’ ja in 
der Seit’ gar koa Loch nit, sieh’ 
koa Bluat und koa Wunden. Drum 
hat's mi also da drem so grausli 
blaht und g’stochen. 


Eva: gelt, bist mir halt neidiy, ! 


weil i aus an weißen Boan ge- 
drechselt bin und du grad’ so aus 
Letten z'sammen geknetet. 


S. S. 143. Wie so? sieh-n-i 
doch in meiner Seite koi Loch. I 
sieh koi’ Bluat, i sieh koi Wunda. 
Itt umsauscht höts mi dohinna so 
gstocha, so bläht. | 

Eva: I komm doch ussem weißa 
Boi hübsch, wacker und ganz 
gschmeidig. Du bischt us Leatta 
nu’ alloi’, gealt, gealt! dâ bischt 
mer „edig. 


‚Greinz läBt, wie gesagt, seinen Bauernjörg, dem er die ganze Er- 


zählung in den Mund legt, einen argen Weiberfeind und hart gesottenen 
Junggesellen sein, so daß man glauben könnte, der nun folgende ehe- 
liche Zwist sei hierdurch beeinflußt, aber dieser Zug findet sich ebenso 
auch bei Sailer und war offenbar sehr volkstümlich. Auch hier zanken 





' Nach Regenhardts Sammlung. 


Die Tiroler Bauernbibel und Sebastian Satler. 167 


sich Adam und Eva sofort, nachdem sie die ersten Worte, die auch 
schon nicht gerade freundlich sind, miteinander gewechselt haben: 
Adam: Ja und wenn i mir dö Wenn i koi Rıbb hätt’ neamma las’, 

Ripp nit nehmen hätt lassen, wie | mei, sag mer, wie tháts um di stauh'? 
stünd’s nachher um di! Nix wärst | Dà wärescht noitz, dâ wärescht jô 
nachher! Überhaupt nit da wärst! | mit Leib und Sail bei mier itt dô! 

Auch die Art und Weise, wie der »Gott Vater« den Streit schlichtet, 
ist beide Male dieselbe: 

Ja geht denn iatz glei’ schon Was balget àr schau so früah! 

dö Streiterei los? Ös fangt’s früh | Ar kommet z’ weit, 
an! Wie soll denn dös nachher | Wia wearet àrs aischt macha mit 
mit der Zeit werden! der Zeit! 

Alles weitere ist genau entsprechend, die mittelbare oder unmittel- 
bare Anlehnung liegt auf der Hand, und eine Durchführung der Einzel- 
vergleichung verlohnt sich nicht. Adam bereut seinen Wunsch und will 
die unbequeme Lebensgefährtin zurückgeben, muß sie aber behalten und 
darf ihr selbst einen Namen geben. Dann werden beide eindringlich vor 
dem bewußten Baum gewarnt, und der drollige Zug, daß dieser durch 
einen Strohuwisch gekennzeichnet wird, bildet hier eine besonders mar- 
kante Übereinstimmung. Der eigentliche Sündenfall ist in der Tiroler 
Fassung gekürzt, und die dramatische Darstellung Sailers durch eine, 
allerdings auch recht gelungene, Erzählung ersetzt, die Austreibung da- 
gegen zeigt wieder auffällige Berührungen in besonders derb-naiven und 
wirksamen Zügen. So wird Adam ein »nz.rnutziger Lümmel« (schwäbisch 
» koinnützige Lümmel«) gescholten, der Gott Vater läßt nicht mit sich 
»handeln«, schwäbisch nicht mit sich »karten« und ruft ihnen am Schlusse 
des ergötzlichen Strafgerichtes zornig zu: »Meint’s ös vielleicht, i soll 
enk auf’m Buckel aussi tragen!« (schwäbisch: » Moinat ar denn, i sollana 
ufam Buckel naus traga!«) So tritt uns Schritt für Schritt der ge- 
meinsame Grundcharakter entgegen, den auch Sailer vermutlich schon 
in einer älteren volkstümlichen Bearbeitung des Stoffes vorfand. | 

Rudolf Greinz aber, der ausgezeichnete Poet und Humorist, dessen 
Bauernbibel mit ihrer einzigartigen Ursprünglichkeit nicht genug emp- 
fohlen werden kann, wird diesen kleinen indiskreten Einblick in seine 
geistige Künstlerwerkstatt gewiB verzeihen, falls ihm diese Zeilen vor 
die Augen kommen sollten. Selbstverständlich soll durch diesen Nach- 
weis enger Berührung kein Schatten auf sein Verdienst fallen, diese 
herzerquickenden Schöpfungen alten Volksgeistes in einer so kunstvollen 
Form, wie er es getan hat, erneuert zu haben. Vielleicht gibt dieser 
Hinweis aber auch die Anregung dazu, den noch etwas ungeklärten Zu- 
sammenhang der Tiroler und schwäbischen Überlieferung auf diesem 
Gebiete aufzuhellen. 


168 Heinrich Deiter. 


Statuten der Clementiner Brüderschaft zu Emden 
aus dem Jahre 1698. 
Von Heinrich Deiter. 


Im Jahre 1481 wurde in Emden eine Stiftung für arme Schiffer und 
Kaufleute begründet und am Donnerstage nach den heiligen drei Königen 
1495 durch Feststellung der Statuten, die bei H. Loesing, Geschichte der 
Stadt bis 1595 S. 82 ff. in niederdeutscher Sprache gedruckt sind, vervoll- 
ständigt. Diese besteht dort noch heute, und ihre Verwalter entfalten eine 
überaus segensreiche Tätigkeit. Sie wird bald die Stiftung der Schiffer- 
Armen, bald nach ihrem Schutzherrn die Clementiner Brüderschaft genannt. 
Ihre Bestimmungen sind 1664, 1698 und 1756 verändert und nach der 
Veränderung gedruckt worden. Vor mir liegt der Text aus dem Jahre 1698, 
der in einem Einzeldrucke (vgl. Nro. 4156 der Bibliothek des hist. Vereins 
für Niedersachsen in Hannover) erhalten ist und im folgenden mitgeteilt 
wird. Die Sprache nähert sich in einem ganz besonderen Grade dem Hol- 
ländischen. Diese Tatsache erklärt sich ohne Zweifel aus dem Umstande, 
daß die Holländer im 17. Jahrhundert in Emden großen Einfluß besaßen. 


Articulen ende Statuten van de Clementiner of Schipper 
Broederschap op het nieuwe gerevideert ende verbeetert door desselfs 
Oldermannen en Schafferen. 

't Embden gedruckt by Cornelius Blanck, verordineerde Boeckdrucker 
deser Stadt 1698. 

In de Name van de heilige en anbiddelyke Drievuldigheid. Amen. 
In het Jaar, na de genadenryke geboorte onzes Zaligmakers Jesu Christi, 
duizend Vier honderd Vyf en negentig, des donderdags na Drie Ko- 
ningen dag, hebben de Schippers, Kooplieden en die gene, welke ter 
Zee reeden binnen de Stadt Embden, zich te zamen gedaan ende ter 
Eeren Godts, als meede ten nutte der Armen, opgenomen ende ingestelt 
Zeekere broederschap, tot patroon van dezelve (volgens het gemeen gebruick 
der Roomsgesinden) verkiezende en aan nemende St. Clement, de eerste 
van die naam, Paus van Romen, dewelke volgens het bericht van de Car- 
dinaal Baronius en andre Roomse Martyrologisten een Discipel van de 
Apostel Petrus waer, en de zelve zoude geweest zyn van de welke de 
Apostel Paulus in zyn brief aan de Philippensen cap. 4 v. 3 gewag maakt: 
Hy wierd in 't Jaar 91 tot Paus geeligeert in de plaatze van St. Cletus, 
en onder de regeering van Keizer Trajanus in ballingschap gezonden na 
Taurica Chersonesus, alwaar Aufidianus, officier van gemelde Keiser, hem 
Anno 100 in zee deede verdrenken. 

Gelyk nu geene Sovcieteiten, collegia of confrerien, voornaamlyk de 
zoodanige dewelke ten besten van Christi arme Leedematen aangestellt 
worden, Lange bestand hebben, of ook het voorgestelde oogmerk bereiken 
konnen, ten zy dezelve van nuttelyke Statuten en reglementen behoorlyk 
verzien zyn, Zoo hebben vok de Fundateurs van deze Broederschap niet 


Statuten der Clementiner Brüderschaft zu Emden aus dem Jahre 1698. 169 


gemanqueert van den beginne aan dezelve zoodanige ordonnantien ende 
Articulen voor te schryven, als zy te dier tyd ten profite der Armen en 
onderhouding van onderlinge Vrientschap nodig achteden. Doch wanneer 
het Licht der Reformatie de Waangelovige Dampen, waarmede het Pausdom 
Godts Heilige woord bezwalkt hadde, van déze en andre plaatzen quam 
te verdrywen, en de Goddelyke Waarheden van de gewinzuchtige mensch- 
lyke inzettingen begost af te zonderen, Zoo heeft men oock de ordonnantien 
van deze Broederschap niet alleenlyk van de Roomsche Zuurdeeg (als ziel- 
missen, Vigilien, offergelderen etc.) gezuivert, maar ook van dezelve diverse 
instellingen, dewelke onnut, of buiten practyk geraakt waaren, geabrogeert 
van dewelke de Laaste Verbeteringe in het Jaar 1664 met de druk ge- 
meen gemaakt en tot nu toe onverandert in weezen gebleven is, Maar 
door dien ook in deeze Laaste diverse, al voor lange ongebruiklyk ge- 
wordene articulen gereserveert en noch meer andre van tyd tot tyd buiten 
gewoonte geraakt zyn; bezonderlyk dat die des derden dags na Christdag 
verordonneerde algemeene Vergaderinge der geheele Broederschap, in ’t 
gemeen Schipper Gilde genaamt, om die daar by voorvallende excessen en 
Wanordres met Consent van een Hoog Ed. en Groot Achtbare Raad af- 
geschaft en in plaats van dien een Jaarlykze collecte ten profite van meer- 
gedachte Armen toegestaan ist; Zoo zyn de Oldermannen en Schafferen 
der Schipper broederschap op heden te Rade geworden, om met consent 
van Heren Borgemeesteren en Raad dezer Stadt de ordonnantien van dik- 
wyls gementioneerde Broederschap tot der zelver meeste nutt en vordeel 
volgender wyze te vermeerderen ende te verbeteren. 

L Zoo zullen in deze broederschap zyn Twee Oldermannen ende vier 
Schafferen; van de welke de Twee Oldermannen de tyd haares Levens 
continueeren zullen, Maar van de vier Schafferen zal Jaarlyks de Oudtste 
afgaan, en in desselfs plaatze wederom een nieuwe ingekoren worden. 

II. By versterf van eene der Oldermannen zoo zullen zich de noch 
ovrige Olderman en de vier Schafferen verzamelen en uit de afgetreedene 
broederen per majora vota zich een nieuwen Olderman erweelen. 

HI. Voor ende al eer de Outste Schaffer na Jaarlykze gewoonte uit 
de bedieninge treedt, zoo zullen zich de Oldermannen en Schafferen ver- 
gaderen en uit de geheele borgerye zoo veel bequame Subjecten tot een 
nieuwe Schaffer opstellen, als zy noodig oordeelen zullen. 

IV. Verders zullen Oldermannen en Schafferen tuschen Kersdag en 
Nieuw Jaar wederom tezamen komen en uit die te voren opgestelde per- 
sonen drie eligeren, die zy bequaamst oordeelen; °t welk geschiedt zynde, 
zullen de vier Schafferen alleen gaan en uit deze drie eenen per majora 
vota tot haar nieuwe Schaffer verkiezen. 

V. De nieuws gekorene Schaffer of Jongerman zal het eerste Jaar 
van zyne bedieninge gehouden zyn, alle de intressen van die de broeder- 
schap toebehoorende Capitalen met onvermoeide vlyt intevorderen, ook 
alle Godtspenningen, Legaten of andre vereeringen en inkomsten voor 
reckeninge der Broederschap te ontfangen; Daar en tegens weer alle de 


170 Heinrich Deiter, Statuten der Clementiner Brüderschaft zu Emden aus dem J. 1698. 


uitgaven doen, Zoodanig als de gezamentlyke broeders tot Sustentatie van 
hare ordinaire en extraordinaire armen zullen goed vinden: houdende van 
zyn ontfangst en uitgave nette en Welgespecificeerde notitie en Reekeninge. 

VI. De Kiste der broederschap (in de welke alle dessefs Obligatien, 
boeken en papieren verwaart worden, en de welke met vier diverse Sloten 
verzien is) zal aan de aantreedende Jongerman, zoo haast de aftreedende 
Jongerman zyn Reekening van het vorige Jaar afgelegt heeft, overgedragen 
worden; Doch zal gemelde Kiste nooit als in praesentie van Oldermannen 
en Schafferen mogen geoopent worden, ten welken einde jeder der Schaf- 
feren een van de vier Sleutels in verwaringe hebben zal. 

VII. Gelyk de Hoog-Ed. en Groot Achtb. Magistraat van deeze Stadt 
de gewoonlyke algemeene Jaarlykze verzameling, anders Schippergilde ge- 
naamt, van weegen die daarby voorvallende onordentlykheid afgeschaft en in 
plaatze van dien aan de broederschap een Jaarlykze collecte door de geheele 
Stadt vergunt heeft, Zoo zullen Oldermannen en Schafferen tuschen kersdag 
en Nieuwjaar zich tezamen vervoegen ende (met toetrekkinge van eenige der 
afgetreedene broederen, zoo veel als zy daar toe van noden hebben) deeze 
collecte ten besten der armen volbrengen, de ontfagenen almoezen natellen 
en aan de Jongerman overleeveren, om dezelve den armen te bereekenen. 

VIII. Voorts zullen de Oldermannen en Schafferen gehouden zyn, 
Jaarlyks drie- of viermaal een ommegang te doen, om alle de geene, 
dewelke de gewoonlyke boter en brood van de broederschap onfangen, te 
visiteeren en te zien, of zy dezelve ook noodig hebben, Zulx niet synde 
zal men hen de boter schotel en het brood afnémen en het Zelve aan de 
Zulke geven, die behoeftiger zyn; doch bevindt men, dat zy’t langer van 
nooden hebben, zoo zal men’t haar houden laten. 

IX. Een jeder nieuws gekorene Schaffer zal, geduirende het eerste 
Jaar van zyne bedieninge of Jongermanschap, gehouden zyn, de broeder- 
schap te bedienen en aan dezelve met vuur en kaarzen verplicht zyn; 
Wil hy echter den broederen iets meerder te goede doen met een Schinke 
ende een Stuk gesprengt Vleis, zulx zal aan hem vrystaan en toegelaten zyn. 

X. Wanneer een Jongerman het eerste Jaar van zyn bedieninge 
geadimpleert heeft, zoo zal hy aan de Oldermannen en ovrige Schafferen 
op een dag, die men daar toe neemen zal, Rekeninge, bewys en reliqua 
van Zyn administratie praesteeren; Dewelke hem dan na bevindinge 
quiteeren en voor zyn diensten aan de Armen gedaan bedanken zullen; 
tot welken einde ook Commissarien van Heeren Borgermeester en Raad zullen 
verzocht worden, om de Reekeninge meede by te woonen ende te onderteekenen. 

XI. Zullen alle de geene, die in deeze broederschap zyn, in goede 
vriendschap en vertrouwlvkheid met malkanderen Leeven, by sterfval mal- 
kanderen de Laaste ere bewvsen en voor alle dingen eendrachtelyk haar 
beste doen om der Armen nutt en vordeel, by alle koopmanschappen en 
uitdeelingen van Godtspenningen waar te neemen. 

XII. Indien 't ook mochte gebeuren, dat jemand van onze Schip- 
peren, Kooplieden of andre Zeevarende Personen, hier in deeze Stadt 


Heinrich Deiter. Einige Statuta, Gesette vnd Ordnungen der Stadt Emden 1616. 171 


woonende, quame te Verarmen, het zy door ongelukken ter Zee of te 
Lande door ziekten en andre toevallen, en dat hy tot deeze broederschap 
gehoorde en deeze Armen te voren goed gedaan en met almozen bedacht 
hadde, De zulke zal men wederom goed doen en vergelden ’t geen zv 
voor deezen in haar welstand aan deeze broederschap gedaan hebben. 

XIII. Voorts zoo begeeren de Oldermannen en Schafferen, dat die- 
geene, die uit de Borgerie van deeze Stadt by de Jaarlykze Waal door 
meerderheid van Stemmen tot Schaffer ingekoren wort, zich niet onwillig 
of wederspannig toone, nademaal een gedwongen dienst Gode onaangenaam 
is; Maer dat hy ten dienste der Armen ’t zelve goedwillig moge aan- 
neemen en daarby gedenken aan de Dierbare belofte van onzen Zaligmaker, 
daar Hy zegt: Voorwaar, al wat gy een van deeze myne minste broeders 
gedaan hebt, dat hebt gy my gedaan. 

XIV. Indien het ook voorvallen mochte, dat de nieuws geeligeerde 
Schaffer ten tyde der electie absent waar, zoo zal men nochtans door twee 
Schafferen de Sleutel aan Zyn huis zenden en Hy op zyn wederkomste 
aan den dienst verplicht zyn. 

XV. Eindelyk zullen alle deeze voorgemelde Articulen in Euwig- 
heid vast en onverbrooken onderhouden en Jaarlyks aan de nieuws in- 
gekooze{de) Schaffer voorgeleezen worden, Met reservatie nochtans, dat men 
dezelve ten allen tyden en zoo meenigmaal de interesse der Armen zulks 
vereischt, sal môgen vermeerderen en verbeeteren. 

Aldus beslooten by ons onderstaande Oldermannen en Schafferen der 
Schipperbroederschap in Embden deezen 12. July 1698. 

Jaques van Oostenryk Olderman, Paulus van Wingene Olderman, 
Johan Niemann Schaffer, Johan Spree Schaffer, Geert Hindriks Mecklen- 
borg Schaffer, Haico Haikes Schaffer. 


Einige Statuta, Gesette vnd Ordnungen 
der Stadt Emden 1616. 


Von Heinrich Deiter. 


Einige Statuta, Gesette vnd Ordnungen der Stadt Emden / 
publiciret Den 26 dach Augusti Anno 1616. Gedruckt tho Emden / By 
Helwich Kallenbach / ordinary Boeckdrucker darsülvest / Anno 1616. 

Wy Burgermeistere vnd Rhadt deser Stadt Embden /dohn hiermit 
tho weten /kundt vnd openbar allen vnd jederen / Als in dem Delff- 
sylischen Verdrach vnd Keiserlicker Resolution vns macht vnd gewaldt 
gegeven tho beforderung vnd vnderholdung guder Policy, nha gelegenheit 
der tydt vnd vmbstenden /allerhandt nohtwendige statuta vnd Ordnungen 
tho vervaten / tho publiceren vnd anthoschlagen / woe desâlve Wy tho 
slichtunge strytiger saken / ock erholdinge guder disciplin, regul vnd 


172 Heinrich Deiter. 


ordninge / jedertydt denstlick vnd nothwendich bevinden werden / So hebben 
Wy demnach mit advyß vnd thodoende der Veertigen / ordiniret, statuiret, 
ordiniren vnd statuiren hiermit folgender gestaldt. 

L Dat vortan in praeferentz saken der Creditoren, dar de Schulden 
groter sint als de guderen/einem jederen Creditori van synem Capital 
nicht mehr als drie Jahr Renthe thoerkennet werden sollen. 

II. Die Protocolla des Rhades / oder der Schryffcamer / sollen allen 
anderen schrifftlyken documentis, desulve syen van dem Debitore súlvest ' 
oder van einem Notario vpgerichtet / van Tügen vnderschreven / oder 
nicht / vorgetogen werden. 

HI. In Immission saken /sal nha publicirter vnd in rem judicatam 
ergangener / begröyeter Sententz, vp anholden des Creditoris, mit ansegginge 
vnd ankundinge der Pandinge / vnd darnha mit beschryvinge der Guderen / 
vnd thogelyck mit der immission verfahren werden / welcke immission 
van tween Stadtdieneren vp vnse befehl realiter, mit alsulken solenniteten. 
als de Wordtholdende Burgermeister óhnen wert antógen / verrichtet werden / 
allsulcke immissio dem Protocollo der Schrifcamer / alfídann sal gelyck ge- 
achtet/vnd darup so bald in ein hiertho verordnetes Boeck verteken et werden. 

IV. Nha deser obgedachten immission wert dem Creditori, welcker 
immittiret, mit der distraction vnd verkópinge der replick bewechligken 
guderen / darin he immittiret, innerhalff drien Monaten vortthofahren 
vperlecht: Wurde ock der immissus Creditor sulcke Guderen in Rechtes 
verwahringe /beth tho der distration tho nehmen begehren /sulckes sal 
ehme mit vórbeholdt synes vnd eines anderen Rechtens / vergónnet werden. 

V. Die vnreplicke /immobel Guderen /darin ein Creditor immittiret, 
sollen binnens jahrs / wann ein oder mehr andere Creditores, so nicht 
immittiret, darumme anholden / verkofft werden / doch tho gewonlicker 
tydt/nömlicken vp den negestfolgenden Martini dach / beth vp den ersten 
dach Martii, darnha vtlı den Penningen /so darvan komen /der immissus, 
vnd folgendes die andere Creditores, so ein jungere hypothec hebben ' 
öhre gebörlicke betalinge entfangen sollen. 

VI. Ferners statuiren wy / dat alle Timmerlúde / Blockmakers /Schmede/ 
Backers / Brouwers / Seylmakers / Tauschlägers vnd andere Materialisten / 
wat nahmen desülve hebben mögen / welcke tho vthredinge vnd tho- 
rustinge eines Schepes /öhre Wahren vnde Guderen angelecht vnde vth- 
gegeven /öhre Schuldtforderinge doen soelen /eher vnd bevoer der Schipper 
mit synem Schepe vth dem Bohme alhier vthseylet /in verblyvinge sodaner 
forderinge / sal densúlvigen daermede óhre forderinge vp de Reders vnd 
deren anpart gántzlick benomen syn/vnde alleine vp des Schippers part 
vörbeholden blyven. 

VII. Idt sal ock neen Schipper macht hebben binnen Emden / daer syne 
Redere geseten / enige Bodemarye vór sich / oder jemandes syner frûnden / 
oder Rederen vpthonemen wyders / oder mehr / alse syn egen part bedraget 
vnd wehrt is/wat averst mehr vpgenomen /darvan soelen der Rederen 
parten vnbeswaret blyven. | 


Einige Statuta, Gesette vnd Ordnungen der Stadt Emden 1616. 173 


VIII. Wann ein Schipper vor einen /oder den anderen Reder synes 
Schepes / buten Landes Bodemarye geldt vpnemt/so sal der Bodem heer / 
off syn Factor innerhalff Maendes frist / nha dem de Schipper alhier 
arriviret is/syn forderinge anstellen / by: verlust syner ansprake / vp die 
Redere vnd frânden. 

IX. Ein Biel-brieff sal vor allen anderen praeferentz genieten / so 
lange syn rechtmetige terminus, weleker in dem accord gesettet / begrypt / 
nha verloep averst sulcker tydt/sal he der praeferentz verlustiget syn. 

X. Nha den Bielbrieff / sal ein Bodembrieff de praeferentz hebben / 
vnd imfall twee oder mehr Bodembrieff eines Schepes concurreren, so 
sal de jungste Bodembrieff vor der lesten reyse/alletydt dem vorigen 
olderen der vorigen reyse vorgetogen werden / also dat de leste reyse 
alletydt de praeferentz geniete. 

XI. Welcke averst Bodembrieffe hebben /vnd vp eine reise / jedoch 
tho vnderschiedtlyken tyden binnen offte buten Landes öhre geldere vth- 
gedaen / de sülve soelen thosamen concurreren, jedoch dat de vthlandische 
den binnenlandischen in der Bodemarye preferiret werden. 

XII. In richtiger / liquider, bekandter schuldtforderinge / so allerdings 
klaer / vnlöchbar offte openbar gemaeckt worden / darin van publicirter 
Sententz jemandes an dat Hoffgerichte frivoló appelliret, dersülvige 
appellant sal also balde de schüldige Penningen alhier gerichtlick deponiren, 
welcke nha publicirter Hoffgerichts Sententz dem triumphanti alßdan 
soelen thogestellet werden. 

XIII. Wat in Bröke / Boete vnde anderen saken /so van appellation 
vam Nedergerichte an den Rhadt erwassen / sententiiret wert / darby sal idt 
ahne enige hinderinge verblyven /vnd mit der exsecution verfahren / vnd 
der temerarius appellans in die Gerichtskosten condemniret werden. 

Jedoch so jemandt die acta vnd Processen so in solcken saken 
ergangen / vp eine vnpartysche Juristen facultet pro sententia concipienda 
vp syn vncosten tho verschicken begehren wurde / demsûlvigen sal solckes 
vergönnet /vnd in beyder Partyen praesentia die acta rotuliret, vnd vnder 
der Stadt Segel versloten /vnd darnha van dem Wordtholdenden Burger- 
meister verschicket werden. 

Nha obgedachten allen sal einem jederen recht gesproken vnd ver- 
holpen werden / darnha sich jedermennichlyken tho richten / Also besloten / 
decretiret vnd statuiret vp dem Rahthuse deser Stadt Emden / den 
22. Augusti anni 1616. 

Publiciret vnd opentlick van dem Rahthuse afgelesen / Anno 1616. 
den 26. augusti. 

Per me 
Johan. Sluter D. Secret. 


Einzeldruck aus dem Sammelbande Nr. 5339 (4°) der Bibliothek 
des hist. Vereins für Niedersachsen in Hannover. 


154 Sprechsaal. — Mitteilung. — Bücherbesprechungen. 


Sprechsaal. 


Ein Leser meines Aufsatzes: »Fremd- und Lehnwörter polnischen Ursprunges in 
der schlesischen Mundart« in dieser Zeitschrift X, 3 bezweifelt in einer Zuschrift die 
Richtigkeit der Herleitung von ;grabschen« und »Koppe« aus dem Polnischen. Er führt 
als dagegen sprechend an, daß in Helgoland auch der Ausdruck >in die Grabbe werfen« 
gebräuchlich sei. ferner daß »Koppe« wohl auf »Kappe: zurückweise. 

Hierzu bemerke ich: Das niederdeutsche Wort »Grabbe« und das schlesische 
Wort »grabschen « dürften verschiedener Herkunft sein. »Grabbe« geht wahrscheinlich 
auf mhd. grabe, Grube, zurück, während das x in »grabschen« recht deutlich den Aus- 
laut € im polnischen grabić erkennen läßt. Es wäre dann mit »Grabbe der Ort an- 
gedeutet, wohin etwas zur Belustigung der Kinder geworfen wird, während »grabschen« 
auf die Tätigkeit des Wegraffens, des Harkens mit den Fingern weist. »Koppe« kann 
mit »Kappe« nichts zu tun haben; denn dann hätte die schlesische Sprechweise das « 
nicht in a sondern in « gewandelt. Es gibt allerdings Berge in Deutschland, die mit einem 
Kopf verglichen werden, z. B. Ederkopf, Erbeskopf. Diese liegen aber meistens in Gegenden, 
die niemals von Slaven bewohnt waren. Wäre >»Koppe« und »Kappe« (in der Bedeutung 
»Kopf«e) dasselbe, so hätte man die betreffenden Berge in Schlesien wohl Schneekopf, 
Sonnenkopf. Bischofskopf genannt. Wollte man in »Bischofskoppe« jedoch einen Vergleich 
mit der Kopfbedeckung eines Bischofs angedeutet erachten, obwohl die Form des Berges 
keineswegs dafür spricht, so würde der Schlesier, wie schon bemerkt, disofskapa sagen. 
Nun finden sich die hier in Frage kommenden Berge in ehedem von Slaven besiedelten 
Ländern und wurden nur ihrer eigentümlichen Form wegen »Auppa.- genannt, woraus 
»Koppe« entstand. Der Umstand auch, daß schlesische Berge, die die »Kuppa« - Form 
nicht haben, in ihrem Namen nicht die Bezeichnung -koppe, sondern -kopf (z. B. Ochsen- 
kopf) tragen, weist deutlich auf den Unterschied von »Koppe, Kappe, Kopf« hin. 


Ratibor. H. Hofmann. 


Mitteilung. 

F. Schön, cand. theol., Präparandenlehrer in Wetzlar, Frankfurterstraße 33. 
wird im Auftrage des Historischen Vereins für die Saargegend ein Wörterbuch der 
Mundart des Saarbrücker Landes (der ehemaligen Grafschaft Nassau - Saarbrücken) 
herausgeben und richtet an alle Kenner der Mundart die Bitte, ihn gütigst durch Bei- 
träge zu unterstützen. 


Bücherbesprechungen. 


Ludwig Sütterlin, Die deutsche Sprache der Gegenwart, ein Handbuch für Lehrer, 
Studierende und Lehrerbildungsanstalten. Dritte, vermehrte und verbesserte Auf- 
lage. Leipzig 1910. R. Voigtländers Verlag. 4518. % M., geb. 8 M. 

Die neue Auflage von Sütterlins deutscher Sprache der Gegenwart wird mit Recht 
auf dem Titelblatte als vermehrt und verbessert bezeichnet. Denn kleinere Zusätze 
finden sich an verschiedenen Stellen, Verbesserungen aber allúberall. Widersprüche, 
die noch in der zweiten Auflage untergelaufen waren, sind beseitigt, sonstige Unstimmig- 
keiten entfernt, die Indices wesentlich vermehrt und vervollkommnet, so daß man, wenn 
auch nicht alle Wörter und Stellen, so doch die wesentlichen angegeben findet. Auch 
den Mundarten, dio schon früher eine wichtige Rolle spielten und bei vielen bedeut- 
samen Erscheinungen herangezogen wurden, ist erneut sroße Aufmerksamkeit zugewendet 
worden, nicht minder der Umgangssprache und den Schriftstellern, die sich dieser be- 
dienen. Daher wird sich der Dialektfreund über manche interessante Fragen lautlicher 
und syntaktischer Art, über Wortbiegung und Wortbildung unserer Mundarten aus dem 


Bücherbesprechungen. 175 


Buche Rat holen können. Selbstverstündlich ist besonders da auf die Rede des Volks 
zurückgegriffen worden, wo die schriftsprachliche Form durch sie klarer gestellt und dem 
Verständnis näher gebracht wird. Deshalb kann man das Buch allen denen warm emp- 
fehlen, die sich für sprachliche Entwickelung interessieren. 

Einige Kleinigkeiten möchte ich noch zur Berücksichtigung für eine neue Auflage 
notieren. 8. 263: »Die Umgangssprache und die Mundarten umschreiben mit tun und 
sagen wir täten schreiben in demselben Sinne wie die Schriftsprache wwır kämen«. Hier 
wäre wünschenswert, daß beide Male dasselbe Zeitwort gewählt wird (also wir täten 
kommen: wir kämen) und sodann, daß der Umfang dieses Gebrauchs von tun näher be- 
zeichnet würde. Ho wird tun im Egerländischen meist im Konjunktiv des Imperfekts 
umschreibend gebraucht (vgl. Schiepek S. 128£f.), im Nürnbergischen (Gebhardt S. 406), 
Rappenauischen (Zeitschr. f. hd. Mundarten 1901, S. 265) und Tirolischen (ebenda 1909, 
S. 367) meist im Indikativ oder Imperativ des Präsens, seltener im Indikativ des Imper- 
fekts, letzteres wohl zuerst im Niederländischen (vgl. E. H. Meyer, Deutsche Volkskunde 
S. 288), dann häufig im Volksliede. Dagegen werden nicht zur Umschreibung verwendet 
der Konjunktiv des Präsens und die übrigen Verbalformen, namentlich die zusammen- 
gesetzten. 

S. 258. »Die drei Personen der Mehrzahl wurden im Ndd. und im Alemannisch - 
Schwäbischen durch Verallgemeinerung der (2. u.) 3. Person durchweg einander an- 
geglichen: schwäbisch wer, zhr, sie gebet, mitteldeutsch wir, thr, sie gehen«. Die letzt- 
genannten Formen finden sich im Niederfränkischen und im Niedersächsischen östlich von 
der Elbe; für ihren Gebrauch in Mitteldeutschland wären genauere Angaben erforderlich ; 
im östlichen Mitteldeutschland wenigstens ist zkr geben nicht gebräuchlich. 

S. 329. Das kärntnische Beispiel dr weiwr söne kscheft = Der Weiber ihr Ge- 
schäft ist insofern nicht glücklich gewählt, als hier eine Unregelmäßigkeit im Gebrauche 
des besitzanzeigenden Fürworts vorliegt. Mindestens mußte in einer Anmerkung erklärt 
werden, daß das Pronomen sein erstarrt und daher statt ihr in den Plural getreten ist. 
Vgl. vogtländisch: nehmen Sie Seinen Hut ab — Ihren und ähnliche Erscheinungen im- 
Egerländischen (Schiepek S. 429), im Bayrischen (Schmeller, Die Mundarten Bayerns 
$ 742) und im Lusernischen (Bacher, S. 189).! 

S. 345: »Der Wechsel zwischen rückbezüglichem und ergänzungslosem (objekt- 
losem) Gebraucho des Zeitworts ist seltener, so z. B. bei baden, rerwerlen, etlen, nahen; 
altertümlich klingt dagegen jetzt schon sich anfangen, sich enden, sich säumen, das 
am Ende des 18. Jahrhunderts noch üblich ware. In den Mundarten aber ist noch 
gegenwärtig weit verbreitet (in ibnen klingt also gar nicht altertümlich) sich anfangen 
(z. B. altenburgisch: das Fieber fing sich um neun an), sich aufhören (da hört sich doch 
alles auf), sich passen (das paßt sich nicht -= schickt sich nicht); vgl. meine Syntax der 
Altenburger Mundart S. 58, ferner Schiepek, Satzbau der Egerländer Mundart S, 29, Erd- 
mann-Mensing II, S. 142. 

Eisenberg, S.-A. O. Weise. 


Hans Schulz, Deutsches Fremdwörterbuch. Erste Lieferung von A bis Batterie. 
Straßburg, Trübner, 1910. 80 S. 1,50 Mk. 

Bei dem neuen Fremdwórterbuche von H. Schulz haben wir es ohne Zweifel mit 
einer sehr tüchtigen Arbeit zu tun, die auf gründlichen Studien beruht, gewaltigen Fleits 
und große Sorgfalt bekundet und nach ihrer ganzen Beschaffenheit dazu berufen ist, eine 
Lücke auszufüllen; denn sie bildet eine wertvolle Ergänzung nicht nur zu deutschen 
Wörterbüchern wie dem Grimmschen, dem von Weigand und von Sanders oder dem 
etymologischen Fr. Kluges, sondern auch zu den bisherigen Fremdwörterbüchern. Von 
diesen unterscheidet sie sich in mancher Hinsicht, hauptsächlich aber darin, daß sie eine 
große Menge neuer Belege aus der Literatur bringt und uns infolge der geschichtlichen 
Behandlung gestattet, die Fremdlinge von ihrem Auftreten an zu verfolgen. Denn der 


1 Weiteres in meiner Schrift »Unsere Mundarten, ihr Werden und ihr Wesen«. 
Leipzig 1910, S. 226. 


176 Bücherbesprechungen. 


Verfasser hat es sich zur Aufgabe gemacht, für jeden Ausdruck außer der Quelle auch 
die Zeit der Entlehnung zu ermitteln, seinen ursprünglichen Geltungsbereich festzustellen 
und unter Vorführung des geschichtlichen Belegmaterials seine Entwickelung im deutschen 
Sprachgebrauche zu veranschaulichen. Auch ist er bestrebt, die wichtigsten Zusammen- 
setzungen in gleicher Weise zu behandeln, so daß wir z. B. neben den Wörtern Aka- 
demie und Arrest auch die Berg-, Forst-, Handels-, Maler-, Musik-, Ritter- und 
Singakademte, den Haus-, Mittel-, Stuben- und Wechselarrest berücksichtigt finden. 
Überdies werden wir stets darüber aufgeklärt, ob ein Ausdruck in der bei uns üblichen 
Form übernommen oder bei der Übernahme umgebildet worden ist. So erfahren wir, 
daß unnektieren und Antmosität bei der Entlehnung aus dem Französischen nach latei- 
nischen Vorbildern umgeformt wurde, jenes aus annerer nach annectere, dieses aus 
animostle nach antmositas: ebenso daß akklimatisieren und amortisieren auf frz. acelli- 
mater und amortir zurückgehen, aber nach dem Muster von Wörtern wie auforisieren 
(= mlt. autorizare) umgestaltet wurde. 

Infolge des großen Stoffzuwachses mulite sich der Verfasser in anderer Hinsicht 
einschränken. Zunächst läßt er die Vorgeschichte der Fremdwörter aus dem Spiele, gibt 
uns also nicht an (wie Weigand), welchen Entwicklungsgang sie vor der Aufnahme in 
die deutsche Sprache durchgemacht habeu. Sodann schließt er die rein technischen Be- 
griffe und die veralteten Ausdrücke aus. sicherlich mit Recht. Denn es ist für uns viel 
wertvoller, die allgemein in der Umgangssprache und der schönen Literatur gebräuchlichen 
Termini genauer kennen zu lernen. Endlich zieht er die mundartlichen Erscheinungen 
nur zum kleinsten Teile heran, nämlich soweit sie auch schriftsprachlich zu belegen sind. 
Daher wird z B. bei den Wörtern adrett, akkurat, alert, apart, alterieren, amüsieren, 
ästimieren, basta, Babuschen, Bagage, Bagatelle, Bajaxxo ihres Auftretens in den 
Mundarten gedacht, aber meist ganz allgemein; nur selten werden genauere Angaben über 
das Verbreitungsgebiet hinzugefügt, z. B. bei der Form apartig, die für das Elsaß und 
für Mecklenburg, oder bei Bajaß (== frz. patllasse), das für das Elsaß und für Schwaben 
bezeugt ist. Mancher im Schrifttum und in den Mundarten anzutreffende Ausdruck wird 
gar nicht verzeichnet, z. B. obersächsisch arrivieren und balbieren (barbieren). 

Von anderen Ausdrücken, die weniger in den Dialekten als in der Literatur her- 
vortreten, habe ich mir als fehlend notiert: ab in Verbindungen wie ab Berlin (was 
nach der zuverlässigsten Annahme lateinischen Ursprungs ist und nichts mit alemannisch 
ab dem Felde usw. zu tun hat), ferner addieren', administrieren, Agende, agieren. 
Akzidenzien, Akzise, Alchimie, Almosen, Apanage, Apologie, archi- = erz, arran- 
gieren, arrondieren, Bakel, Bastard u. a., auch Ableitungen wie Abstinenzler, Absur- 
dität, bataillen (mundartlich weit verbreitet in dem Sinne von schwer arbeiten oder sich 
herumbalgen). 

Die Belege sind oft unnütz gehäuft, sogar aus einer und derselben Zeit; anstatt 
zehn und mehr zu bieten, genügten meist zwei bis drei. Auch erscheinen mir Wendungen 
wie à tout prix oder ad oculos demonstrieren in einem Fremdwörterbuche entbehrlich. 
Sollten sie aber aufgenommen werden, dann mußten auch Redensarten wie à la bonne 
heure (was in Mitteldeutschland mundartlich weit verbreitet ist) oder à la mode mit 
aufgenommen werden. Ebenso konnte man auf Ausdrücke wie Achdllesferse verzichten 
oder es hätten folgerichtig auch solche wie Abderitenstreiche, Athen (Saalathen, Pleib- 
athen) Aufnahme finden sollen. Endlich steht es mit dem Grundsatze, Veraltetes aus- 
zuschließen, in Widerspruch, wenn Fremdwörter wie Aquinoktiallinie, annthelieren. 
alter ego verzeichnet sind. 

Doch genug der Ausstellungen! Wir können am Schluß nur unser am Anfange 
ausgesprochenes Urteil wiederholen, daß das Werk — trotz mancher Wünsche, die man 
im einzelnen noch haben kann — einen vortrefflichen Eindruck macht und vielleicht 
einmal dazu bestimnit ist. das Fremdwörterbuch der Zukunft zu werden. 


' schon 1514 bezeugt in Böschensteyns Rechenbuch; vgl. Fr. Seiler, Die Entwicke- 
lung der deutschen Kultur im Spiegel des deutschen Lehnworts, III. 1, Halle 1910, S. 360. 
Eisenberg, S.-A. O. Werse. 


Bücherbesprechungen. 177 


Indwig Anian Biró. Lautlehre der heanzischen Mundart von Neekenmarkt. 
Phonetisch und historisch bearbeitet. Leipzig, bei Dr. Seele & Co. 1910. XVIII und 
1128. 8°. 

Biró liefert eine wissenschaftlich brauchbare Arbeit über ein bis jetzt sprachlich 
noch wenig behandeltes Gebiet, das der deutschsprechenden Bevölkerung des an Nieder- 
Österreich und Steiermark grenzenden westlichen Ungarn, der Heanzen. Ob aber die 
sheanzische« Mundart nur auf die Komitate Ödenburg und Eisenburg beschränkt ist 
(S. 2), möchte ich nicht bejahend beantworten. Ich traf im nö. Wechselgebiet eine 
Mundart an, die im wesentlichen mit der in der eigentlichen Heanzerei übereinstimmt. 
Es scheint also die heanzische Mundart doch ein größeres Gebiet zu umfassen. Es sei 
aber angemerkt, daß die einzelnen Dörfer der genannten Komitate im Vokalismus nicht 
unbedeutend voneinander abweichen. Ich verweise auf das demnächst erscheinende 
Heft III der von Seemüller herausgegebenen deutschen Mundarten (Nr. 20 der Berichte 
der Phonogramm-Archivs-Kommission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, 
Wien), worin Proben heanzischer Mundarten abgedruckt sind. Daß Neckenmarkt die 
heanzische Mundart am reinsten bewahrt habe, wie B. S. 1f. behauptet, beweisen seine 
angeführten Gründe nicht. Deshalb, weil der Familienname » Heinz« nasaliertes a’ 
hat, der Volksname aber »Heanz« lautet, darf nicht gefolgert werden, daß er (S. 3) 
nichts mit Heinz zu tun kaben könne. Denn der Familienname kann sehr wohl durch 
schriftsprachlichen Einfluß zu seinem as” gekommen sein uud sieht auch ganz danach 
aus. Der von B. über die Herkunft der Heanzen beigebrachten Literatur füge ich hinzu: 
Richard Pfaundler, Deutsche Erde 9. 16. Daß man eine Mundart selbst »perfekt 
sprechen müssee um sie richtig beschreiben zu können (S. 1) ist wohl zu viel gesagt. 
Der Stoff, den B. zusammengetragen hat, ist ja ansehnlich, aber kaum vollständig im 
Sinne seiner Forderung (S. 5). — S. 47 8 113 vermisse ich die Wörter (er) sieht, ge- 
schieht. 8. 45 $ 110y ist Vieh mit Diphth. <p ohne weitere Bemerkung unter die 
Entsprechungen für mhd. sr gestellt. Donner (s. 50 $ 117) hat schon Ahd.« und Kummer 
ist Lehnwort aus dem Slavischen. Marder ($ 131) hat mhd. kurzes a. Das Femininum 
Maß soll » Analogiebildung« zu Masse (massa) sein, eine Erklärung, die mich nicht be- 
frizdigt. uuprvsn ($ 1223) gehört doch nicht zu mhd. wrhap, sondern zu got. uzeta 
Krippe. Daß in Krebs, hübsch, Obst (S. 82, 8167, 4y) wirklich pp gesprochen wird, ist 
mir zweifelhaft, entzieht sich aber augenblicklich einer Überprüfung. Ich habe in den 
heanzischen Mundarten, die ich sprechen hörte (Oberschützen, Ödenburg), auch den 
Wandel ahd. 5 zu p im Anlaut nicht feststellen können. Freilich sind sie kräftiger 
artikuliert als die anlautenden b in Niederösterreich, aber bei weitem nicht so stark wie 
ich sie im Südbayrischen ( z. B.in Tirol, Kärnten) hörte. Dieselbe Bemerkung muß ich zu 
N. 91, $ 179 machen, wo germ. d im Anlaut durch ? vertreten ist und zu 8. 92, 8 181. 
wo es heißt, daß germ. 5 im Anlaut als £ erscheint. Dasselbe gilt für anlautendes 4 
aus germ. g (S. 105, $ 201). Der Wandel des Genitiv-s zu 3 in Ortsnamen ($ 184b) 
ist wohl auders zu erklären: Nach Verlust des Genitivs trat in zusammengesetzten Orts- 
namen, Z. B. in dem von B. angeführten Krensdorf, eine Silbentrennung Kren -sdorf, Peter - 
sdorf, Manner-sdorf ein und silbenanlautendes st (sd) mußte regelrecht zu 32 werden. 
B. meint a.a. O., daß die Lautfolge rsd in Ortsnamen wie Kobersdorf u. ä. die Ursache 
des Wandels sei, wie in Fürst, erst, und daß von da aus durch Analogie das št dort- 
hin übertragen wurde, wo kein r stand. Man vgl. gmèl Amsel (ahd. amsala) in bayr. 
österr. Mundart aus einer Silbentrennung am-s! aus am-sel. 

Deutsch- Wagram. A. Pfalx. 


Gorch Fock, Schullengrieper und Tungenknieper. Finkenwärder Fischer- und 
Seegeschichten. Mit einer Verklarung fúr unbefahrene l.eser. Hamburg, M. Glogau jr., 
1910. 112 S. — 1 M. 

Teils rein ndd., teils mit vielen ndd. Ausdrücken, die sich fast alle auf das Fischer- 
uud Schifferleben an der Unterelbe und auf der näheren Nordsee beziehen, gespickt 

Erzählungen voll frischen Lebens und erfreuender Anhänglichkeit an das Meer gibt uns 


Zeitschrift für Deutsche Mundarten. VI. 12 


178 Bücherbesprechunyen. 


der Verfasser, der selber der Sohn eines Finkenwärder Fischers ist. Auch in den hd. Ge- 
schichten reden die Seeleute nur ihr geliebtes Platt. Eine Menge von fachmännischen 
Seeausdrücken lernen wir kennen; eine Erklärung für Leser, die nicht von der ə» Water- 
kant« sind, mit einem drei Seiten langen Wörterverzeichnis hilft dab>i über fast alle 
Schwierigkeiten hinweg. | Ä 

Humor und Ernst. der sich zur Tragik steigert, Kraft und Selbstbewußtsein 
zeichnen die Erzählungen aus. und sie sind mit ihrem entsagungsfrohen Idealismus, 
dessen Realismus zugleich vor Schwärmerei bewahrt, recht geeignet, die Lektüre heran- 
wachsender Knaben zu bilden. 

Von den acht Stücken sind zwei rein mundartlich; F. scheint zu glauben, dal 
sich die ndd. Sprache anı besten für humoristische Nachen eigne. Denn es ist auffallend, 
dall allein diese beiden sich dem Schwank nähern. Hoffentlich aber ist dies nicht der 
Fall, und wir möchten als Liebhaber der Mundart den Verfasser, dessen Feder uns ge- 
wiß noch manche schöne Erzählung von dem »deutschen« Meere bescheren wird, bitten, 
sein Platt auch zu den gehaltvolleren Erzeugnissen zu verwenden. 

Preis und Ausstattung dürften zur Verbreitung beitragen. Besonders sollten sich 
Schülerbibliotheken das Buch nicht entgehen lassen. | 

Steglitz. H Teuchert. 


J. L. Gemarker, Wichelkus’ Käpp. En Barmer Jongesgeschichte (— Bergische Er- 
zähler 3. Bd.). Elberfeld, A. Martini und Grüttefien, 1910. 104 S.! 

Diese Jungengeschichte, in der Barmer Mundart geschrieben, soll sen Beld ye- 
wen van die Aat, wie en eenfachen Barmer Jong domols (d. h. vor füntzig Jahren) 
sin Lewen verbreit, on wie et hie bie us op dr Gemarke utsooch.. Von der Geburt 
bis zum Affkonnmesdag, der Konfirmat:on, begleiten wir den frischen Kaspar und haben 
unsere Freude an ihm und seinen Streichen. Wir lernen dabei das leben der einfachen 
Bürger kennen. Niemals wird der Erzähler langweilig, sondern versteht es, uns bei 
guter Laune zu erhalten. 

Für die Leser der Zeitschrift werden einige sprachliche Erscheinungen von Interesse 
sein. Als Dissimilationsergebnis der in vielen Mundarten unbeliebten Konsonantenfolge 
mn haben wir in dem Worte Omnibus ml; mit dem neumärkischen ọmdəbus berührt 
sich dies omlabus insofern, als d und l Zahn- oder alveolare Laute sind. Die Artikulation 
verzichtet bei md und ml gegenüber ar auf den Mitgebrauch der Nasenhöhle als Resonanz- 
raum. Übrigens scheint md in der Mundart nicht beliebt zu soin, wie Komelianten 
Komödianten und Melezin Medezin, in denen der a und d trennende Vokal wegen Un- 
betontheit die Einheit der Konsonantengruppe nicht aufgehoben hat, beweisen. Als Für- 
wort der zweiten Person Pluralis erscheint noch gät ihr, ink euch. Das Lehnwort 
Ferien hat sich noch nicht an die Stelle von Spelday setzen können. Das alte Sehmette 
Schmiede aus germ. smipjoò ist ebenfalls erwähnenswert. 

Wir wünschen dem Buch in seiner Ifeimat recht viele Leser! 

Steglitz. H. Teuchert. 


August Seemann. Hänn’n. Ein föft Band plattdütsche Gedichte. Berlin. W. Röwer. 
1910. 235 N. 

Diese Gedichte und Lieder »Hlänn’n« sind die bedeutendsten Erzeugnisse in nieder- 
deutscher Mundart, die uns seit langem zu Gesicht gekommen sind, bedeutsam nach der 
Gattung, der sie angehören, beachtenswert wegen ihres Inhalts und vor allem wegen 
der kraftvollen Persönlichkeit, als die wir in ihnen ihren Verfasser erkennen. Nie wider- 
legen gründlich den üblichen Vorwurf gegen Jie Mundart, daß sie nur für die leichte 
poetische Gattung brauchbar sei. Der Dichter selber ist offenbar von einem starken 
Kampfgefühl gegen diese Auffassung durchdrungen und behandelt deshalb Stoffe, wie wir 
sie nur in hochdeutschem Gewaude gewohnt sind. Seine Poesie ist reflektierend. Er 
ist ein philosophischer Kopf, der den höchsten Problemen des Lebens nachgeht. 


1 Bereits im Januar 1911 erschien cine 2. Auflage. 


Bücherbesprechungen. 179 


In vier Teile zerfällt der vorliegende Band. Der Dichter überschreibt sie 1. Du, 
2. Sei, 3. Ik, 4. Hei. Diese Einteilung zeigt deutlich den subjektiven Charakter der 
Seemannschen Dichtung. Er will aber auch nicht objektiv sein. Das verbietet schon 
der Kampfzustand, in dem er sich befindet. Er sucht nach der wahren Erkenntnis und 
spricht es offen aus. daß er sie noch nicht gefunden hat. Aber die, welche im satten 
Schlendrian und hochmütigem Dogmatismus dahinleben. greift er um so herzhafter an.. 

Der erste Abschnitt behandelt die Liebe der Geschlechter, Ser sind die Menschen 
untereinander in allen nur denkbaren Verhältnissen; im dritten Teil sehen wir die Stellung- 
nahme des Dichters zu seinem Beruf, seinem früheren und jetzigen Leben, seinen Lesern 
ugd Kritikern; Her ist der Tod. Allerdings eine scharfe Trennung der Stoffe ist nicht 
durchgeführt worden. 

Sie ist auch nicht möglich, da bei der oft wiederkehrenden Behandlung der gleichen 
Frage die formale Verschiedenheit rein äußerlich ist. Daher kommt es auch, daß sich 
manches wiederholt. Einzelnes läßt den Dichter offenbar nicht los; er versucht es immer 
wieder, ihm eine neue Gestalt zu geben, auch wohl eine andere Lösung zu finden. 

Jedoch ergeben sich neue Schlüsse nicht immer aus einem andern Gesichtswinkel. 
Dazu ist die dichterische Ader bei S. zu mächtig. als daß ihm reine Betrachtung ge- 
nügen konnte. Und dies ist ein Punkt, der die ästhetische Behandlung der Gedichte 
S.s an diesem Orte rechtfertigt. 

Dichterisch wohl im allgemeinen nämlich, niederdeutsch-mundartlich aber im be- 
sondern ist die starke Fähigkeit Seemanns zu Vergleichen und Bildern. Diese sind wie 
ein Prisma, in dem sich das gleiche Problem in verschiedene Farben bricht. Eine er- 
quickende Fülle von Auschauung der Natur und des Menscheplebens wird hier geboten, 
und das Verdienst hieran gebührt nicht zum mindesten Teil der urwüchsigen Sprache, 

Es lohnt sich. einige von den Vergleichen und Bildern anzuführen. »Ein Traum 
fliegt weg, wie oben die wilden Gänse nach Norden ziehen« (5. 184), »Das hungrige Land 
schluckt das Saatkorn« (8. 156) u. v.a. Manches freilich will uns nicht gefallen. da es die 
Grenze des Erlaubten und Möglichen berührt, und wenn sich in solehen derben Bildern und 
Ausdrücken auch gerade die kraftvolle Bauernart zeigen mag, so ist doch zu wünschen, 
daß die Entwicklung des Dichters zu Tiefgründigkeit verbunden mit Gefälligkeit führen möge. 

S.s Sprache ist das Mecklenburgische der Gegend von Teterow,. Für den Sprach- 
freund bietet sich eine reiche (Quelle von seltenen Worten: manches alte Wort, das man 
längst ausgestorben glaubte. findet sich. Aber es will uns bedünken, als ob S. in dem 
Getriebe der Großstadt Berlin nicht immer mehr die alte, in der Heimat übliche Laut- 
form oder Anwendung bewahrt hat. Wir wollen nicht, wie es nach einem Distichon 
bei S. ein Kritiker getan hat, S. vorwerfen, er habe hochdeutsch gedacht und plattdeutsch 
geschrieben, vielmehr sind wir der Überzeugung, dab die Mundart auch für ernste 
Aufgaben geeignet ist, sofern sie die abstrakte Betrachtung mildert durch Anschaulich- 
keit — denn dafür bieten sich ihr Ausdrücke genug —. aber es ist nieht zu übersehen, 
daß sich hochdeutsche Formen eingeschlichen haben. Und zwar erheben diese den An- 
spruch. mundartliche zu sein. So ist fri (S. 90) um so auffallender, als zwei Verse 
darauf Bedröfnis folgt. S. 172 findet sich die Verbindung winken un wenken, worin das 
erste ohne Zweifel hd. ist, mag auch gerade die Mundart eine Vorliebe für solche in einer 
Art Ablaut zueinander stehenden Gruppen haben. Hd. ist ebenfalls ganz gewiß (rediere 
(S. 208). Einmal findet sich, soviel ich sche, die mundartliche Form Leid für Lied und 
noch dazu im Reim (S. 195). Sollte sie dann nicht um so berechtigter an anderer Vers- 
stelle sein? Das Seltsamste aber im ganzen Buch ist die Form gad’ (S. 140), die in der 
Fußnote als gut erklärt wird. Falls sich darunter nicht ein bisher unbekannter Stamm 
verbirgt, verdient eine derartig willkürliche Abweichung von der Mundart scharfen Tadel. 

Im übrigen aber darf man als Sprachforscher im ganzen mit Vertrauen an Ba 
Gedichte herantreten. Interessant ist die Beobachtung, daß sich der Schlagreim recht 
bemerkbar macht und dem älteren Stabreim viel Boden abgewonnen hat. 

Lobend erwähnen wollen wir noch das Gedicht »beamtere (N. 185), dessen zweiter 
Teil eine wunderschöne Schilderung des Bauernlebens voll dichterischer Kraft enthält. 

Steglitz. H. Teuchert. 


12% 


180 Bücherbesprechungen. 


Wörterbuch der Elberfelder Mundart nebst Abri8 der Formenlehre und Sprach- 
proben. Zur Dreijahrhundertfeier der Stadt Elberfeld mit Unterstützung des All- 
gemeinen Deutschen Sprachvereins herausgegeben von dessen Zweigverein zu Elber- 
feld. Elberfeld 1910 (Martini und Grüttefen). 196 S. 2 Mk. 

Es ist wohl nicht ohne Interesse, zu beobachten, daB gerade dio Stadtmundarten 
am ehesten ihre besondere lexikalische Behandlung finden. Es mag dies in mehrfacher 
Hinsicht zu begrüßen sein, einmal wegen der hier besonders drohenden Gefahr der Zer- 
setzung und Abschleifung mundartlichon Sprachgutes, anderseits wegen der gerade hier ge- 
botenen Möglichkeit, zu sehn, wie die Volkssprache fremdes Sprachgut auf dem Gebiete 
der Technik (Weberei) sich aneignet und aus all den verschiedenen Volksteilen fremden- 
Ursprungs verlorenen Wortvorrat zu ersetzen sucht. Hier sind die Beziehungen mannig- 
faltiger, des Ausdruckes bedürftiger, und niemals hat eine Volkssprache, auch die der 
Stadt, gestreikt, wenn es galt, die verschiedenartigsten begrifflichen Werte auszudrücken. 
Indem uns das Elberfelder Wörterbuch besonders diese Anpassungsfähigkeit der Volks- 
sprache an fremde Sprachelemente, die bunte und mannigfaltige Ausdrucksfähigkeit der 
Volkssprache zeigt, hat es auf 196 S. eine Fülle des Stoffes angesammelt, die bei dem 
verhältnismäßig geringen Umfang des Buches überrascht. Die Aufgabe, zu zeigen, was 
bodenständig, was fränkisch, was sächsisch sei, konnte das Buch noch nicht lösen, so- 
einladend dies bei einer Grenzmundart erscheinen mag. Hier muß erst das Rheinische 
Wörterbuch abgewartet werden. Von dem Rheinischen Wörterbuch, das doch allseitig 
wirbt und schon Jahre mit eifriger Sammlung beschäftigt ist, hören wir leider im Buche 
nichts; man hat, um möglichste Vollständigkeit und Genauigkeit zu erzielen, die Buch- 
staben einzeln oder zu einigen gedruckt dem Zweigvereine vorgelegt und in der Stadt 
verbreitet, so daß Ausstellungen und Ergänzungen bei der letzten Überarbeitung benutzt 
werden konnten. Ein sehr richtiges Verfahren! Der Herausgeber, Bruno Buchrucker,, 
hofft so, daß viel Wesentliches nicht entgangen sei. Aber die Fehlliste, die Wülfing in 
der anerkennenden Besprechung in der Zeitschr. des Allgem. Sprachvereins 25, 390 ver- 
öffentlicht, füllt schon maoche Lücke aus. Auch eine Quelle, die des Rhein. Wörter- 
buchs, hätte indes noch manches Eiberfelder Sprachgut geboten, besonders da nebst vieler 
andern Beiträgen eine selbständige größere Sammlung aus Elberfeld vorlag. Nebeu 
akeldruf, akelsdruf, Aahlsdruf »gedeckter Abzugsgraben« S. 20 ist überliefert aakolts- 
grüv; zu atxzken zein biBchen« stelle atsefitsken »Kleinigkeit«; es fehlt biseln »tröpfeln«, 
biseln pl Tröpfchen (vgl. Wörterb. S. 28 bisel, m. »Faden an verschlissenem Zeug«), 
bollerdeuwel (Schimpfname), búllschen »Káulchen<, broddele »verworren arbeitene, pota 
bommekeetel (Fluch), dalschen »wühlen«, verdalschen »verwühlene«, dautermann »Schwieger- 
sohn«, dörchwaasen »durchwachsene, eëterkopp (Achterkopf; Schimpfname), fiestekteker 
(Schimpfname), fillen, af-fillen »absäbeln, schrappen«, flätschig, »faulig, weiche, 
/rammig »grimmige, neben fifau (S. 50) stelle fifogel, gangkern »winselne, geschnibbeis, 
geschräbbels (bretselgeschräbbels ist vorhanden), en griesen »Geflunkere, hikeschlik 
»Rúlps<, klawermotien »Geld<, hinns (kiek ens) »schau male, klawerkop (Schimpfname), 
afküllen »ablocken«, luspúngel »Láuserte, Maria eendrop »Maria Heimsuchung«, zu mess 
»Mist« (S. 104) stelle mestekuhl, mestehoopen; negelskap » Nachtmütze«. quatern »weit- 
schweifig erzählen«, dazu guaterfot (vgl. Wb. 126 quaddeln). rofsbüdel (Schimpfname). 
rummelskammer »Rumpelkammer<, rubbelig »rauh. uneben:, rúm-schlóm sim Hand- 
umdrehen, sorglos, nachlässige, sippeln, »tröpfelne, suppstengel »Trunkenbolde, stokape 
»Bpielzeug für Kinder. welches sie für Lumpen und Knochen vom Lumpensammler 
erhaltene, sizegde »Wehr am Flusse«, wammig (= drammig) :drückend warme. Aus 
andern Elberfelder Beiträgen verzeichne ich: meechten »keucheu«, ruttern »lürmen, be- 
sonders mit dem Türdrücker«e, tötern »trinken«, lulam langsamer Mensche, flügon 
»leichtsinniger Mensch «, noken »Erdscholle, Felsstücke, gilgal »Pirol, Goldamsele, 
küppen »vom Warnruf des boksenvogels auf dem Vogelherde gesagt«, bollenknoken »Ober- 
schenkelknochen«, spanooder >Sehne<, muke »Vorratsraum bei der Küche«. roonr 
»dürrer Aste, schlingloch »Schlunde, drüjen frongk-freschen grongk »beim Waschen 
tüchtig auswringene, lsoppig »gewöhnlich, gemeine, schnorren »betteln. ergatterue, 
srhlikerich »faltenreichs. 


Bücherbesprechuugen. 181 


Obne Zweifel hátten Friedrich Storcks Werke, dessen Mundart dor Elberfelder 
Mundart doch nicht allzu ferne steht, manche Ausbeute geboten. Mag Storck auch in 
seinen poetischen Leistungen selten rechte Volkssprache treffen und manches willkür- 
liche Wort in die Volksmundart hineintragen, so scheinen mir seine Prosaschriften doch 
echtes Volksgut zu enthalten; deshalb verzeichne ich aus dem II. Bande seiner Kalleroden 
die im Wörterbuch nicht verzeichneten mundartlichen «Wörter: döhnig als Verstärkung 
»viele. vermörmelt »vermodert«, dormelsmiken »Siebenschläfer«, drugauler »Trocken- 
söller«, den hummen »ein Stück«, gährkanımer »Chorkammer«, footgereet » Schuhzeug « 
(Wörterbuch S. 54 fotgereek), dä easchte Hüh, »Ausbruch« (beim Lachen), DESS 
»schartig«, gritzen en gratzen »zusammenschrappene, fispelches » Märleine. 

Im übrigen verzichte ich auf eine Zusammenstellung des von Elberfelder Somi- 
variston in den Fragebogen zum Rheinischen Wörterbuch gebotenen Stoffes; hier wird das 
Rheinische Wörterbuch selber die vorhandenen Lücken ausfüllen; das Gebotene genügt 
auch, um die Sammler immer wieder daran zu erinnern, daß selbst die am besten 
organisierte Sammeltätigkeit selten alles Sprachgut auszuschöpfen imstande ist und daß 
es Pflicht der Sammler ist, jede Gelegenheit, vor allem eine naheliegende, nicht zu ver- 
säumen. Man hat großen Wert auf den nicht allzu großen Umfang des Buches gelegt, 
Jer um das Doppelte sich gesteigert hätte, wenn man für Ableitungen, Zusammen- 
setzungen, Entlehnungen die alphabetische Folge gewählt hätte. So hat man, wohl im 
Anschluß an Trenses Bearbeitung des Buchstabens B (in der Zeitschr. des Ver. f. rhein. 
u. westf. Volkskunde 1905, U, 1f.) ein Verfahren gewählt, das die Zusammendrängung 
des Stoffes auf einen geringen Raum ermöglicht. Am besten sei es durch zwei Beispiele 
belegt. Blom, Verkl. Blömmken Blume, geblömmt, verblömmt; — evaser m. = vase, 
— feild, — efröng, — egaden, — egärtner, egeck, — ehängler, — eknollen, — ekoal, 
ekörfken, -- emuster (Web.), eplosch = Strauß, — epotl, — esoot — samen, — eständer, 
— esteugel = stiel, — estoek, — estruk, — eweit; dörch de — kallen; — en on Zaffroon, 
Blumen und Safran (Suppengewürz). hangen, hong, gehangen, hangen; heng, gehangen, 
hängen; aan-, aanhänglich, Aanhang, Aanhänger; af-, Afhang auch kleiner Teil 
eines Speichers, afhängig, onafhängig; be-, Behang auch Pferdeschweif; dröwer-, en-, 
futt-; öm-, Ömhang, Ömhangsdok; op-, öwer-; ut-, Uthang, Uthangsscheld; for-, 
Förhang, Förhangsschlot; lot-wat hängt! metgegangen, metgefangen, metgehangen; 
met-on Bangen mit Ach und Weh; do heet'r seck eenen opjehangen sich erhängt; 
Hangschlot Hängeschloß. — Gewiß, alle Ableitungen, Zusammensetzungen, die auf diese 
Weise ja auch bei der Sammelarbeit erst ans Tageslicht kommen, und Redensarten sind 
hierdurch auf einen kurzen Raum zusammengedräogt, und gerade diese Kürze hat neben 
der dankenswerten Unterstützung durch die Stadt Elberfeld und den Allgem. Deutschen 
Sprachvereins es ermöglicht, den Preis so niedrig zu halten, daß das Buch Gemeingut 
der Elberfelder werden kann. Indes muß ich doch grundsätzliche Bedenken gegen dies 
Abgekürzte Verfahren dringend geltend machen. Nicht, daß man sich jetzt allgemein 
zur alphabetischen Aufarbeitung entschließt, weil das Auffinden des Einzelwortes so er- 
leichtert ist, sondern, weil die genaue und ins einzelne gehende Bedeutungsangabe dar- 
unter leidet. Jeder Kenner der Volkssprache wird wissen, daß jede Mundart gerade 
in der Bedeutungsverzweigung besonders der Verbalkomposita eigne und mannigfaltigere 
Wege geht als die Schriftsprache. Diese fallen hier zum größten Teil unter den Tisch. 
Was wir von den Sonderwörterbüchern der Einzelmundart verlangen müssen, ist genaueste 
Bedeutungsentwicklung, die nur diejenigen geben können, die mit der Mundart leben. So 
dürfte wohl ömhangen bedeuten 1. einem etwas (Mantel) umhängen; 2. einem einen ¿mh. = 
aufbinden, belügen; 3. an andere Stelle hängen; 4. refl. seck ömh. »sich um einen hängen«, 
z. B. die Kinder hängen sich mir um; 5. sich umhänge = Gesinnungswechsel treiben; 
Bedeutungen, die doch nicht durchaus mit der Schriftsprache zusammenfallen. 

Auch mit der Reihenfolge der Bedeutungsangaben bin ich an einigen Stellen nicht 
einverstanden; ich rede hier nicht einer kleinlichen Zerstückelung der Bedeutungsent- 
wicklung das Wort; indes dürfte die Frage, ob die am meisten vertretene Bedeutung 
„les Wortes voranzustellen oder ob man von der (erschließbaren) oder wirklich (wenn 
auch seltener) vorkommenden Grundbedeutung auszugehen habe, im Sinne der letzteren 


182 Bücherbesprechungen. 


‘Frage zu entscheiden sein; denn es ist wirklich oft recht schwierig, dies mehr oder 
minder häufige Vorkommen einer Wortbedeutung festzustellen; anderseits folgt auch der 
Laie einer folgerichtigen Bedeutungsentwicklung lieber als einer Zusammenstellung ihm 
doch fremder Wortformen (bei der Etymologie). So finde ich, um einiges herauszugreifen, 
die Reihenordnung bei dotz 8. 41 recht unglücklich: »kleiner Mensch; Hode; Beule; 
StoB«; es muß heißen, da dutsən »stoßen« zugrunde liegt: 1. Stoß; 2. a) Beule, b) Hode; 
3. kleiner Mensch (aus 2a entstanden). 

Einen Vorzug des Elberfelder Wörterbuchs etwa gegenüber dem Eupener Wörterbuch 
bedeutet die spaisame Anknüpfung etymologischer Versuche; man hat von vornherein 
darauf verzichtet, jedes mundartliche Wort erklären zu wollen. Indes einer Versuchung, 
hier und da nd., ndl., mud., ja anord. Entsprechungen anzubringen, hat man nicht immer 
widerstehen können; hierbei hat man oft das Richtige getroffen, oft aber auch sehr böse 
falschen Spuren nachgegeben. ‘Grundsätzlieh sollten sich die Sonderwörterbücher der 
Einzelmundarten von etymologischen Versuchen fernhalten, die man Jen anerkannten 
Fachleuten überlassen muß. Entgleisungen sind nicht zu vermeiden und setzen unnötiger- 
weise den Wert der Sammlung herab. Sache einer wissenschaftlichen Besprechung 
ist es aber, auf Mängel. dieser Art hinzuweisen: ahnekesböstemoder »Urgroßmutter« hat 
im ersten Teile » Ahne < zur Grundlage; daß aber das altfr. anichherre, anichsfrou die 
Ableitungssilbe -ekes, die als nd. Verkleinerungssilbe aufgefaßt wird, bestimmt hat, ist 
gewiß. utzken »ein bißchen« steht im Ablaut zu ¿tzkem und mag mit mhd. atz »Npeise«, 
das im nfr. rip. nicht belegt ist, nichts zu tun haben; es ist eine scherzhafte Gelegen- 
heitsbildung, angelehnt an en fatxen und en fitxken, an en diuchen un en datchen, 
»dies und jenese; ¿vu »Mutterschaf< kann nicht zu mhd. etde gestellt werden; es ist die 
demtnutiv umgelautete Form zu mhd. ouwe, das mit lat. oves urverwandt ist. (Zum 
Umlaut vgl. rip. 20s »Uchse« als Koseform); búllerkes 3 »zahnlose Kiefer bei Kindern 
und Greisen « gehört mit rip. bal(djere, bel(djere zur Wz. ballen »schwellen machen« vgl. 
mhd. erbellen, rerbellen; es bedeutet also die geschwollene Stelle beim Zahnen; das ver- 
glichene mhd. beler (abd. bilara) kann erst in zweiter Linie herangezogen werden; bar 
te kault, »gar zu kalt« wird gestützt durch ndl. Saar »deutlich«. Dieser Hinweis ist ohne 
weitere Angaben unbestimmt genug. Aus der Grundbedeutung von bar snackt, bloß, 
unverhüllte (vgl. bardes) entwickelt sich in obd., md. und nd. Mundart die 2. Bedeutung 
»rein, ohne Zutat, nichts als. lauter« (vgl. nfr. et friiiist baar zohne Schnee«e, baar- 
tis »schneeloses Kisel. hieraus entsteht das verstärkende Adverb bar »ganz, völlige (vgl. 
nfr. et es baur jelogzo; rip. baarowech net »durchaus nichte); das unter bar S. 24 stehende 
barkees »weicher Käse« gehört doch zu nfr. Bar »Schüssel«, dürfte also eine besondere 
Zeile beanspruchen; beitel »Meißel«, rip. beesol, habe ich immer zur Wz. bitan »beißen« 
gestellt; es liegt kein Grund vor, »Wz. baut »stoßen«, mhd. böxen heranzuziehen. Was 
soll bei dloischen »MHolzschuh« der Hinweis auf mnd. Klotze, frz. galoche? Ich weiß 
nichts damit anzufangen; vielleicht gibt rip. biat3sch »dick, aufgedunsen, unbeholfen«, 
das zur Wz. blok gestellt werden kann, einen Hinweis für die Etymologie. Für Böh- 
mann, Bullmaun. Bullemann »Scheuche für Kinder« S. 31 wird auf nhd. »biglmann< 
verwiesen ; etymologischer Zusammenhang ist nicht ersichtlich. Böhmanr ist der Mann, 
der die Kinder schreckt durch den Ruf büö, böö; bullemann ist der Poltergeist (bullen, 
»poltern«), während obd. (nicht nhd.) böglmann doch mit mfr. book »Larve, Maskee zu- 
sammenhángen mag; bonsel »Knirps< hat mit mhd. bensel, lat. penicallam »Schwánzchen< 
nicht das geringste zu tun. biinsel (so ist die Grundform, penicillus >> penxol) ¡ist der 
Wz. nach verwandt mit obd. hunkes »kleiner, verwachsener Mensche, bunschel »Búndel, 
kurzes, dickleibiges Wesen«, gebiinschelt »dick, beleibte, bunker »kleiner Kerl<; mífr. 
bunes »Rind, kleine Fruchte, buntsel »Kotknollene lassen auf einen Stamm bun schließen, 
der »rund, dick, kleine bedeutet. bretseln (dann lot eck meck br. ich lasse mich tot- 
schlagen) wird am besten zu rip. brits »Rute«: britsen »mit der Rute schlagen, also 
auch zu »Pritschoe gestellt. enongern »einschlummern«, aus dem rip. entlehut, wird 
doch längst zu unter (uner, ouer, unger, onger »Ort, wo dio Schafe ihre Mittagsruhe 
halten« gestellt und nicht zu lat. vona: rters »soebene ist nicht aus ewen ens zusammen- 
gezogen, sondern ecin bekanntes frk. gen. adv, wie straks »soforte, magls: »oftmal<, 


Bücherbesprechungen. 183 


letens, fottens; fimken »zartes Kinde ist mit nfr. fimpken »Zündspan, schmächtiges 
Mädchen« gleichzustellen, stammt nicht von fien; fladdern »plauderne bedarf keines Hin- 
weises auf mhd. bloddern rauschen; es ist ein selbständiges Schallwort wie fladdern, 
bladdern; greute » Rinnstein« kann lautlich und sachlich mit as. griot »Grieß. Sand« 
nicht verglichen werden; ist es nicht möglich, daß wie klaut -< klucht, neit < nächt ge- 
worden ist, greute aus einem *grüchte (= Grufte, Grüfte, Nebenform zu Gracht) -ent- 
standen ist? griesmichen »Graubrötchen«e N. 63 gehört nicht zu miken » Mariechen «, 
sondern zu frk., westf. micke f. Semmel, lat. mica (vgl. moselfr. mitsch); im übrigen 
ist S. 105 machen »kleines Graubrötchene verzeichnet; ob hotscheln »mühsam und schlecht 
gebne zu khotschel »llutzel, altes Weib« gehört, ist doch sehr fraglich; rip. hutseln stolBen, 
stoend gehn; hötseln dass. weisen auf ein *huksen hin; weshalb holt man für kaffer 
»dummer Mensche hebr. kaphar »Dorf« herbei? Kitt » Haufe, Ganze, Reste ist einfach 
der schriftd. Umgangssprache entlehnt und kann lantlich unmöglich za mhd. kiitte »Haufene 
gestellt werden; en ketsken »ein wenige« ist nfr. Anlehnung an rip. en kikęhen, das aus 
kid sKeid, Korn< entstanden ist; was soll bei Arora »Ast im Holze mnd. Awaist; es liegt 
eine Weiterbildung zu Anorren vor; kormel »Uuordnung. Durcheinander« zu franz. 
carambole zu stellen, geht doch zu weit: Arisch »Hustens« und ndl. bueh sind doch laut- 
lich unmöglich vergleichbar; Aröchen »hustene ist wie brechen, krachen ein Lautwort; 
lammann »lächerlicher Mensch« ist wie moselfr. lala, westf. lulamm, lulapp, ndl. lulau, 
Elberf. lulei eine scherzhafte Bildung; zu lei »säuBerstes Wickeltuche vgl. Woeste S. 161 
(legge); lork »Faullenzere wird zu nd. lork »Kröte« gestellt (obd. Lurch): eher za ver- 
gleichen sind rip. laar >faules Müdchen«, larjas »fauler Nchlingel e; nictrig » begierig « 
kann mit nztsch »neidisch, begierige (doch wohl eher »boshafte) niecbt verglichen werden; 
es liegt ahd. viot m. slebhaftes Verlangene, mhd. sich sstefen zugrunde: wie dies obd. 
Wort, zudem in obd. Lautung nach E. kommt, ist sonderbar genug: pünkes hauen (ein 
Klickerspiel) darf nicht unter pann »P’fanne« gestellt werden; es gehört zu pand (pangk) 
»Pfand« (vgl. Woeste S. 194): peelhache »Spitzhackee ist aus piil Pfeile gebildet und 
nicht von mhd. bil »beiele; remmel »dicke Brotschoitte« darf nicht mit reemen »Riemene 
verglichen werden: vgl. rip. svammel, rammes; ricf »so. daß etwas schnell verbraucht 
wirde ist rip. 7¿1f »freigebigs. anord. rifr, ndl. sf (s. Franck); ist die Bedeutung von 
schechtiy »scheu, schüchterne richtig? rip. séctie »schlau, hinter dem Berge lauernd «. 
afsiclon »ablauern« darf mit nhd. »Geschick< zur gleichen Wurzel gehören. — Bei 
manchen Verweisungen dürfte außerdem noch mehr Vorsicht am Platze sein. — In der 
Schreibung hat man sich an das schriftd. Lautbild angeschlossen, und. doch ist der Be- 
zeichnung der Längen besser durch eime einheitliche Schreibung gedient. — Weshalb hat 
man dem Begründer der Sammlung, R. Schwander. nicht einen !’latz auf dem Titelblatt 
gegönnt? Für eine 2. Auflage dürfte der Wunsch nach einem Verzeichnis der Elber- 
felder Dialektliteratur nicht unangebracht sein. e, 

Diesen Wünschen und Verbesserungen, deren Angabe der Ernst wissenschaftlicher 
Besprechung hier erfordert, wird in einer 2. Auflage leicht Rechnung getragen werden 
können. Das Verdienst der Sammler und Bearbeiter des Elberfelder Wörterbuchs bleibt 
immer ungeschniälert, wenn wir allein den Wert des zusammergetragenen Wortmaterials 
beurteilen. Schon die reichhaltige Verarbeitung der Webersprache sichert dem Wörter- 
buch eine dauernde, über das Lokalgebiet hinausgehende Beachtung; die Liste alter, 
seltener Wörter würde manches kostbare Sprachgut aufweisen, und die ausführliche 
Anführung sämtlicher Ableitungen und Zusammensetzungen hat für die Erkenntnis frk. Wort- 
bildung unschätzbaren Wert. Redensarten und Sprichwörter führen in das Denken und 
Fühlen eines nfr. Volksstammes klar und deutlich ein; so ist auch jene wichtige Forde- 
rung erfüllt, daß aus dem Leben der Sprache uns die Volksseele, die Eigenart des 
Volksstammes entgegentrete. Alle diese Vorzüge stellen das Elberfelder Wörterbuch in 
die erste Reihe der rheinischen Sonderwörterbücher; daB os eine der ergiebigsten Quellen 
für das Rhein. Wörterbuch sein wird, ist nach alledem selbstverständlich. So schuldet 
nicht nur die engere Heimat den Bearbeitern des Klberfelder Wörterbuchs Dank, auch 
der gesamte fränkische Volksstamm, dessen Sprachgut Jas Rhein. Wörterbuch aufnehmen 
soll, muß sich diesem Danke mit vollem Rechte anschließen. ` , 

Bonn. J. Miiller. 


184 Bücherbesprechungen. 


A. Kaiser, Lautlehre der Mundart von Todtmeos -Sehwarzenbach. Bonn, Georgi, 
1910. Freiburger Dissertation. 

Über die alemannischen Mundarten Badens besaßen wir bisher nur die Arbeiten 
von Heimburger, Jäger und Schwend (Mundarten von Ottenheim, Mahlberg und Ober- 
schopfheim.) Es ist somit wohl an der Zeit, wenn die Alemannen sich mehr wie bisher 
ihrer heimischen Mundart annehmen. Die Dissertation von Kaiser gibt uns ein genaues 
Bild der Laute der Mundart von Todtmoos, des bekannten Schwarzwaldkurortes am Nord- 
rande des Hotzenwaldes. Da sie reichlichen Stoff von Worten aufführt, so hat sie auch 
bedeutenden lexikalischen Wert. Alle Angaben lassen darauf schließen, daß der Ver- 
fasser ein guter Kenner der Mundart ist. 

Einige Ergänzungen und Einwendungen seien mir gestattet. Die benutzten Werke 
sind etwas nahe bei einander. Ich vermisse Wintelers grundlegende Kerenzer Mundart, 
Hofmanns Arbeit über den Vokalismus von Baselstadt, die doch wohl neben Heuslers 
Konsonantismus in Betracht kam. Neben dem schweizerischen Idiotikon hätt> das 
elsässische Wörterbuch manchen Aufschluß geboten. Manchmal hätte bei den Zeit- 
wörtern ihre Verwendung angegeben werden sollen, so 8. 11 bei blangs die Redeweise 
s blangt mi ich habe Langeweile. Bei den Hauptwörtern fehlt die Angabe des Ge- 
schlechts, das nicht immer selbstverständlich ist. Das Verbum $dagle ist mit fränkischem 
$takso zusammenzustellen, das auf ein stackezen zurückgeht. erdbebe ist richtig als 
Lehnwort erkannt, das alte Alemannenwort dafür ist bidem; helse heißt deshalb den 
Patenkindern Geschenke bringen, weil diese ursprúnglich den Kindern an den Hals ge- 
hängt wurden (vgl. meine Volkswörter und Volkslieder aus dem Wiesentale S. 23); brende 
kleines, rundes Holzgefäß gehört zu italienisch dbrenta — Weinfaß, baslerisch Pränte. In 
dondere ist das anlautende d besser als Ubergangslaut zu bezeichnen. Das Wort ront 
(S. 17) findet sich in Steinen im Wiesental in der Zusammensetzung Roonepoper = Specht. 
Zum Verbum supfe kennt das Wiesental das Hauptwort šupf (S. 18), eim en šupf gä 
einem einen Stoß versetzen. Das Todtmoser glüngk (S. 19) geht mit frinkischem gling 
auf ein mhd. gelünge zurück; gedeihen ist auch im Fränkischen wie im Alemannischen 
Lehuwort. Wenn in zlät und alas Länge vorliegt, dagegen Kürze erhalten ist in bas, 
dat, so ist der Grund wohl darin zu suchen, daß in bas, da: flektierte Formen zu- 
nächst die Kürze bewahrten, die dann auch in den Nom. Sing. eindrang. 

Schwierigkeiten bietet der Erklärung der Ruf dsabie — mach Platz, geh aus dem 
Weg. Ich kenne ihn aus Wehr in der Form säbte. Dieses sädbie dürfen wir vielleicht 
zu dem alemannischen Ruf s@ = da! got. sat stellen. Mit dem zweiten Bestandteil weiß 
ich auch nichts anzufangen. Das sogenannte hiatustilgende » in $ ha-n-2 gsg und in 
bi-n-ir ist nicht auf eine Stufe zu stellen, denn im ersten Falle ist » ja schon mhd. 
vorhanden in dor Form ich kân (ebenso tuon). Vielleicht hat dieser Übergangslaut 
von diesen Formen aus seinen Ausgang genommen. 

Bei der Aufzählung der Vorsilben vermisse ich ent. 

Hoffentlich läßt der Verfasser seiner Lautlehre auch eine Flexionslehre folgen; 
eine Reihe von Fragen lassen sich erst bei der Betrachtung der Flexionsverhältnisse 
lösen. Besonders lohnend ist zweifellos auch eine Arbeit über die Wortbildung. Eine 
Reihe von Bildungssilben sind lebendig, mit denen jederzeit neue Formen gebildet werden 
können, vor allem beim Hauptwort die Bildangssilbe — ede. So nennen im Wiesentale 
die Schneeschuhläufer das Gestell zum Aufbewahren ihrer Schneeschuhe im Eisenbahn- 
wagen Skiufhebede. 

Lörrach. Othmar Meisinger. 


Lasch, Geschichte der Schriftsprache in Berlin bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. 
Dortmund, Friedr. Wilh. Ruhfus, 1910. 

Wir sind noch weit davon entfernt, uns ein völlig klares Bild machen zu können 
von der Entstehung uuserer Schriftsprache und ihrem langsamen Siegeszug. Eine Reihe 
von Vorarbeiten über die verschiedenen Kanzleien stehen noch aus. Auch mundart- 
liche Untersuchungen werden uns noch Förderung bringen müssen. Die durchaus ge- 


Bücherbesprechungen. 185 


diegene Arbeit von Agathe Lasch über die Geschichte der Schriftsprache in Berlin, die 
Wilhelm Braune gewidmet ist, bringt uns ein tüchtiges Stück weiter. Es ist interessant 
zu seben, wie hier die Mundart besiegt wird unter Fürsten, die aus dem deutschen Süden 
stammen und in ihrer Umgebung lange süddeutsche Gefolgschaft haben. Lasch gibt zu- 
nächst auf Grund reichlichsten, vielfach ungedruckten Materials ein Bild des Kanzlei- 
wesens der Herrscher vor dem Auftreten der Hohenzollern. Dann in einem auch kultur- 
historisch nicht unwichtigen Abschnitt geht sie zu den Anfängen der Hohenzollern über. 
Hier schon zeigt sich, wie die Beamten sich dem Hochdeutschen anpassen. Fränkische 
Beamte sind den Zollern starke Stützen auf allen Gebieten, erst allmählich beim Fest- 
werden der Herrscher werden auch Einheimische herangezogen. Von peinlicher Genauig- 
keit zeugen die Feststellungen über die Lautverhältnisse in den Akten dieser Zeit. 

Ein weiterer Abschnitt bespricht das Gerichtswesen. Hier geht es begreiflicher- 
weise nicht mit derselben Raschheit und Einheitlichkeit vorwärts wie in der fürstlichen 
Kanzlei. In Tangermünde tagte mitten im niederdeutschen Gebiete das oberste Hof- 
gericht. Dies war ein Hauptgrund, warum das Hochdeutsch hier keine rasche Bieges- 
bahn durchlief. Eingehende Aufklärung gibt weiterhin der Abschnitt über die Berliner 
Stadtkanzlei im 15. Jahrhundert. Noch nach der Vereinigung von Köln und Berliu 
führen beide gesonderte Kanzleien, deren Tätigkeit genau verfolgt wird. 

Der wichtigste und lehrreichste Abschnitt behandelt die Kulturströmungen der 
Übergangszeit von der nieder- zur hochdeutschen Schriftsprache. Hier sind die wichtigsten 
Kulturströmungen jener Zeit in feinster Weise hereingezogen. Wenn wir Berlin mit 
andern Städten vergleichen, so vollzieht sich hier der Sieg in der Kanzlei mit einer auf- 
fallenden Raschheit. S. 126ff. erhalten wir Einblicke in die Handelsbestrebungen, die 
auch für die Sprachbewegung nicht ohne Einfluß bleiben konnten. Auch über den Buch- 
druck und die Aufnahme der Reformation erhalten wir Aufschluß. Der Buchdruck be- 
ginnt erst zu einer Zeit, in der die Aufnahme des Hochdeutschen schon vollendet war. 
Es liegen somit hier von Grund aus andere Verhältnisse vor als z. B. in oberdeutsch - 
alemannischen Gebieten. Der Drucker konnte so keinen großen Einfluß mehr ausüben 
auf die Einführung der Schriftsprache in Berlin, selbst wenn seine Kunst früher ein- 
gesetzt hätte als es tatsächlich der Fall war. Sehr genau wird weiterhin (S. 154— 212) 
über die Aufnahme des Hochdeutschen in Stadt- und Gerichtskanzlei in Berlin und Köln 
gehandelt. Es wird der Tätigkeit der einzelnen Schreiber mit bester philologischer 
Gründlichkeit nachgegangen. 

Der letzte Teil gibt eine wertvolle Laut- und Formenlehre der mittelniederdeutschen 
Schriftsprache mit Heranziehung der heutigen Mundarten. 

Im ganzen bietet das Buch eine erfreuliche Bereicherung unserer Literatur über 
die Schriftsprache. Es ist ihm weite Verbreitung zu wünschen. 

Lörrach. Othmar Meisinger. 


Jt. Vollmann, Wortkunde in der Schule. Auf Grundlage des Sachunter- 
richts. II. Teil: Naturkunde. 2. verbesserte und vermehrte Auflage. München 
1911. Max Kuhrer. 

Vollmanns treffliches Buch liegt in 2. Auflage vor. Es hat sich die Aufgabe ge-““ 
stellt, die in der Naturkunde vorkommenden Namen und Ausdrücke zu erklären. Jeder 
Lohrer, der Wert darauf legt, dem Schüler auch die im Naturunterricht verwendeten 
Bezeichnungen zu erklären, wird an dem Buche eine gediegene, ausgezeichnete Auskunfts- 
stelle finden. Der Verfasser beherrscht vor allem die Literatur. Erfreulich ist, daß er 
fast durchweg bemüht ist, auch die Ausdrücke unserer Mundarten heranzuziehen. Eine 
gute Stütze boten ihm dabei die bekannten Werke von Suolahti (Palander) über die alt- 
hochdeutschen Namen der Säugetiere und die deutschen Vogelnamen. 

Es sei mir hier gestattet, einige Ergänzungen zu dem Buche zu geben. Zu Ge- 
schlecht sind noch die Ausdrücke geschlacht und ungeschlacht zu stellen (S. 2). Haar- 
wachs (S. 4) ist auch fränkisch (vgl. mein WB. der Rappenauer Ma., S. 49a), zu Schmutz 
= Fett kennt das Fränkische ein Zeitwort einschmulxen (S. 5). S. 10 hätte noch an das 
alte im Alemannischen erhaltene Wort Bilgere = Zahnfleisch erinnert werden können. 


186 Bücherbesprechungen. 


Zu stottern ist noch das fränkische staksa zu stellen, das auf älteres stachezen 
zurückgeht (S. 13, mein WB.S. 180b). Neben Anke (S. 13) wäre die süd- und rhein- 
fränkische Form Ankel noch zu stellen. Zu Schienbein und norwegisch ste das ale- 
mannische Scheie. das man auch aus Hebel kennt, vgl. Zsch. f. hd. Ma. IV. 163, meine 
Volkswörter a. d. Wiesentale, S. 38. Zu blustruns (S. 28) kann das südfränkische Rense 
= Straßenrinne gesteilt werden, zu Eiter mhd. veriten — verbrennen. Neben Lunge 
haben die Mundarten den Sammelbegriff zlüng, fränkisch gling, mhd. geliënge (S. 29). 

Räß ist nicht bloB bayrisch, sondern auch alemannisch, im Wiesental ganz ge- 
láufig. S. 136 verdiente das mundartliche schmeeken, smaka — duften Erwähnung, N. 37 
lonss, alem. = hören. 

Zu dem Stamme, der in ereignen (S. 39) steckt, kennt das Alemannische noch 
ein Verbum (ugen, mit großen Augen sehen. PAlöde hat vielfach die Bedeutung von 
durchgescheuert (von Stoffen). Zum selben Stamm ist das mundartliche blutt zu stellen 
(S. 41). Zähre ist urverwandt mit griech. dezov (S. 42). Unter Trott wäre das ale- 
mannische frotten = Trauben pressen zu erwähnen. 

Unter den Fuhrmannsrufen hätte neben riste auch Aist und hott angeführt werden 
sollen (S. 50). Zu Brise gehört noch das oberdeutsche Milchling und Milke, vgl. alt- 
märkisch Mellfleisch (S. 55), zu mitteldeutsch Ntür das südfränkische Stern = Widder. 
Mit Elch und NSehelrh (S. 63) bringen wir die Ortsnamen Ellwangen und Schellenberg 
in Verbindung. Zum Stamme aesen kennt das Alemannische des Wiesentals noch die 
Bezeichnung user = Schulranzen (S. 63). Das Mutterschwein heißt südfränkisch Dausch, 
alemannisch. Loos. 

Grämink = Dachs geht auf die Tiersage zurück. 

Wiesel stelle ich zu dem fränkischen wesseln, rasch, behende laufen. Die flüchtige 
Bewegung ist das Auffallendste, Hervorstechendste an dem Tierchen (S. 81). 

Briihen für briten hat das Süd- und Itheinfränkische. auch Luther schreibt briihen. 
Kiüehlein heißen im Alemannischen Weiseli, in der Pfalz Henkel (S. 93), der Heuschreck 
heißt alem. Hergumper (8. 120). Über Gei: — Nebenbetrieb gibt das Deutsche Wörter- 
buch genaueren Aufschluß. Die /fefe heißt im Schwäbischen Hebe, zweifellos gehören 
beide Formen zum Zeitwort heben (S. 138). Die ursprüngliche Bedeutung von Faden ist 
Arme und Hände, altsächs. fadmos. Die weiblichen Hanfpflanzen heißen im God. 
fränkischen Siimer (S. 152). ' 

Das Tausendgúldenkraut, herba centaurea. bat in llandschubshuim den interessanten 
Namen Halbergaul (Lenz, II, 8.9). S. 171 ist buoha statt boucha zu schreiben. 

Vielleicht kann der Verfasser einige meiner Bemerkungen hei einer weiteren Auflage 
seines Buches brauchen, 

Lörrach. Othmor Meisinger. 


Forschungen zur Volkskunde der Deutschen in Siebenbürgen. 2. Heft: Scheiner, 
Die Schenker Herrenmundart. Hermanstadt 1909 W. Krafft. 

Scheiner behandelt eine interessante Aufgabe, die jedoch manche Schwierigkeiten 
bietet. In Groß-Schenk werden zwei deutlich unterscheidbare Mundarten gesprochen: 
die Volksmundart und eine zweite, die Scheiner die Schenker Herrenmundart nennt. 
Es ist die Mundart der Häuser, die von den sächsischen Stuhlsherren, den Stuhlsbeamten 
gegründet worden sind. Nie zeigt große Ähnlichkeit und Übereinstimmung mit: der 
Hermanstädter Mundart. Doch geben eine Reihe von Abweichungen Veranlassung, selb- 
ständige Entwicklung anzunehmen im Ganzen. Ncheiner hat bei zwei Schenker Familien 
die Herrenmundart genau aufgenommen und mit den Aufstellungen von Schullerus in 
Hermanstadt verglichen. Er behandelt die Stichwörter Älter, schuldig, stülpen, Spindel, 
Ende, Hände. binden, Kind, Träger, funkeln, Zange, Amme, Amt. Ast, melken, Kohle, 
Borte, Brot, rot, tot, Floh, Docht. Schwein. schneiden, reiten, neun. Euter, Leute. 
Beutel, bleiben, bekleiden, beißen, Deichsel, Feuer, heuer. | 

Für den ferner Stehenden ist es fast ausgeschlossen. in diesen Fragen mitzureden. 
Wenn in „Ist die Herrenmundart kein anlautendes æ mehr hat, so wird der Grund 


Bücherbesprechungen. 18% 


zweifellos richtig auf Schuleiofluß zurückgeführt. Dagegen ist es mir zweifelhaft, ob die 
Forschung Scheiner recht geben wird, wenn er eine Reihe anderer Erscheinungen auf 
keltischen Einfluß bei den Bewohnern der Urheimat zurückführt, ebenso wenn anderes 
von vorsiebenbürgischer, uralter, bis in die Zeit der Völkerwanderung zurückreichender 
Sprachmischung hergeleitet wird. Hiermit betreten wir doch einen äußerst schwanken Grund. 
Lörrach. Othmar Meisinger. 


Emanuel Friedli, Bärndütsch als Spiegel bernischen Volkstums. 3. Band: Guggis- 
berg. Mit 189 Illustrationen im Text und 17 Einschaltbildern und einer Karte. Bern, 
A. Francke, 1911. Brosch. 12 Fr., ‚geb. 14 Fr. 

Die beiden ersten Bände des Unternehmens Friedlis, die l.ützellüh und Gründel- 
wald behandeln, habe ich in der Zeitschrift für hochdoutsche Mundarten augezeigt, Das 
Lob, das beiden gespendet werden mußte, gebührt in noch erhöhtem Maße dem dritten. 
Die Stärke der Arbeiten Friedlis ruht vor allen Dingen auf einer weisen Beschränkung 
auf ein geographisch abgeschlossenes,. engbegrenztes (iebiet, in einem feinsinnigen Ein- 
gehen auf die einzelnen Gebiete des Volkstums, weiterhin darin, dab in dem Unteruebmen 
eine Art Freiheit der Bewegung waltot, In andern Gebieten eröffnen sich jeweils wieder 
andere Aufgaben der Forschung. 

Man kennt Guggisberg, das Vreneli ab em Guggisberg aus dem sinnigen, viel- 
gesungenen Schweizer Volkslied. Lange lag das Guggisberger Gebiet dem ausgleichenden 
Weltverkehr abgeschlossen, heute ist es erschlossen. Vieles von dem, was der rastlose 
Sammlerfleit} Friedlis aufgezeichnet hat. wird Verlore gehen. Darum ist sein treffliches 
Werk mit Freuden zu begrüßen. 

Friedli behandelt die Landschaft, Wald und Wild. Viehzucht, Haus und Hof, 
Kleidung, Zusammenleben, Haudel und Wandel, Armenwesen und Kirche. Besonders 
interessant sind die Abschnitte über die alte in Guggisberg heimische Kunsttätigkeit, 
die Guggisberger zeichneten sich immer aus durch Verfertigung ländlicher Geräte. 

Wie gründlich Friedli in der Germanistik zu Hause ist, zeigt sein Abschnitt über 
Eigennamen als Siediungszeichen. Er zeigt hier ein sicheres Urteil ohne Eingehen auf 
vage Deutungsversuche. Ein ungemein frisches Sprachleben tritt uns gerade in diesen 
Dorfnamen, auf die mau sonst nuch viel zu wenig geachtet hat, entgegen. Das Abi S. 284 
wird wohl am besten zu Eberhard gestellt, jedenfalls besser als zu Abraham. Derim Volks- 
lied vorkommende Stmeliberg wird wohl richtig auf Simeon zurückgeführt (S. 285). 
Freudig zu begrüßen ist es, daß in diesem Dande der Verfasser auch der heimischen 
Volksdichtung da und dort einen Platz eingeräumt hat. Die S. 459ff. mitgeteilte Tauf- 
szene vor hundert Jahren gibt ein. gutes Bild der schwerfällig einherschreitenden Mundart. 
Sie ist voll von anschaulichen, treffenden Worten, wie jede echte Bauernsprache von 
reinstem Erdgeruch. 

Weitgehendes Lob verdienen die EE die vielen Porträts und vor allem 
das von Gorgé gemalte Titelbild. 

Die Einleitung des Buches stellt einen abschließenden vierten Band über das alte 
Zentrum des Seelands, Ins, in Aussicht, wo sich Friedl schon häuslich niedergelassen. 
| Lörrach. | Othmar Meisinger. 


188 Neue Bücher. — Zeitschriftenschau. 


Neue Bücher. 


Fock, Goreh, Schullengrieper und Tungenknieper. Finkenwärder Fischer- und 
Seegeschichten. Hamburg, M. Glogau jr, 1910. 112 S. Preis 1 Mk., geb. 1,50 Mk. 

Gemarker, J. L., Wichelkus’ Käpp, En Barmer Jongesgeschichte. 2. Aufl. Elber- 
feld, A. Martini und Grüttefien, 1910. 104 S. Preis geb. 1,50 Mk. 

Gerbing, Luise, Die Flurnamen des Herzogtums Gotha und die Forstnamen 
des Thüringerwaldes zwischen der Weinstraße im Westen und der 
Schorte (Schleuse) im Osten. Mit einer Karte. Jena, Gustav Fischer, 1910. 
588 B. Preis 20 Mk. Ä 

Magyarországi Német Nyelvjárások, herausgegeben von Professor Gedeon Petx in 
Budapest. Heft 1—7. Budapest, 1905 — 1909. 

Meisinger, Othmar, Lörracher Familiennamen (zusammengestellt aus den im Ober- 
badischen Volksblatt erschienenen Abhandlungen). O. O. u. J. 13 S. 

Rudert, Willy, E Hampfel Krozer Erzählungen und Gedichte in vogtlän- 
discher Mundart. 2. Aufl. Mit einer Einleitung von Dr. E. Gerbet. Selbstverlag 
des Verfassers, Druck des Falkensteiner Anzeigers, 1911. 48 $. 

Rüthlein, Heinrich, Die Villa. Lustspiel in Darmstädter Mundart. Darmstadt, 
H. L. Schlapp, 1910. 48 S. 

Schulz, Hans, Deutsches Fremdwörterbuch. 2. Lieferung: Bazillus — Dusche. 
Straßburg, K. J. Trübner, 1911. Preis 1,50 Mk. 

Staub, Friedrich, und Tobler, Ludwig, Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch 
der schweizerdeutschen Sprache. 68. Heft (Band VII). Vorsehen— Verge- 
sellschaften. Frauenfeld, Huber & Co., 1910. 

Vollmann, Remigius, Wortkunde in der Schule. Auf Grundlage des Sachunter- 
richts. III. Teil. Naturkunde. 2. verbesserte und vermehrte Aufl. München, 
Max Kellerer, 1911. 

Weigand, Fr. L. K., Dentsches Wörterbuch. 5. Aufl., bearbeitet von K. v. Bahder, 
Herman Hirt und K. Kant. 12. Lieferung (SchluB des Werkes). Tapir— Zypresse. 
Gießen, A. Töpelmann, 1910. 


Zeitschriftenschau. 


(Wir suchen aus dem Inhalt aller Zeitschriften hier die für die deutsche Mundartenforschung wichtigen Auf- 
sätze anzuzeigen und bitten um Einsendung aller einschlägigen Arbeiten, damit unsere Zusammenstellung eine 
möglichst vollständige wird.) 

Bukowiner Bote. Czernowitz 1911. Nr. 109. 
H. Kaufmann, Der Tischler als Tierarzt (mundartlich). 
Deutsche Erde. Zeitschrift für Deutschkunde. 9. Jahrg. 1910. 
" JK Scharfetter, Pflanzen- und Völkergrenzen (S. 163 — 166). 
R. Pfaundler, Das Verbreitungsgebiet der deutschen Sprache in Westungarn (S. 173 
bis 183; 221 — 225). 
Hans Witte, Die deutschen Weilerorte (S. 195). 
Leopold Ricek, Der niederösterreichische Tschecheneinschlag (S. 196 — 199). 
W. Groos, Die Siebenbürger Sachsen in den Vereinigten Staaten (S. 199). 
Besprechungen folgender Schriften: P. Dohm, Holsteinische Ortsnamen; Chr. Beck, 
Die Ortsnamen des Aischtales usw.; C. Beck, Die Ortsnamen des Pegnitztales usw.; 
H. v. Traunfels, Brünner Vornamen. 
A. Altmchter, Die Iglauer Sprachinsel (S. 219f.). 
Besprechungen folgender Schriften: Th. Siebs, Die Sprache der Tiroler in Schlesien; 
O. Heilig, Die Ortsnamen des Großherzogtums Baden; M. Förderreuther, Die 
Walser im Algäu. 


Zeitschriftenschau. 189 


Deutsche Volkskunde im östlichen Böhmen. Herausgegeben von Dr. E. Langer in 
Braunau. 1910. X. Band. Heft 1 und 2. 
Hochzeitsgespräche aus dem Adlergebirge (S. 73—75). 
Seherz- und Spottverse auf Vornamen (8. 95 — 96). 
Das deutsche Volkslied. XIII. Jahrgang. Heft 1, 2, 3. 

E. Hemsen, Joh. Brahms und die Volksmusik (S. 1—3, 17 —20, 37 — 39). 

A. Stock, Ein altes Wildschützenlied (S. 6— 7). 

E. Jungwirth, Schnaderhüpfl aus Ostermiething (S. 9). 

J. Pommer, G’sundheit und a lang's Leb'n, Lied (S. 39). 

J. Stiebitz, Der Liebsten Tod, Lied (S. 41). 

Germanisch - Romanische Monatsschrift. Herausg. von H. Schröder. 3. Jahrgang. Heft 2. 

A. Thumb, Experimentelle Psychologie und Sprachwissenschaft (S. 65 — 75). 

O. Glauning, Zur Einführung in die deutsche Paläographie (S. 75 — 90). 

Göttingische gelehrte Anzeigen. 1910. Nr.4. 8.292 — 301. 

H. Teuchert, Eingehende Besprechung von Karl Müller-Fraureuth, Wörterbuch der 
obersächsischen und erzgebirgischen Mundarten. 

Hiddigeigei. Blätter für Unterhaltung und Belehrung. Wöchentliche Unterhaltungs- 
beilage zum »Säckinger Volksblatte 1909 Nr. 10 u. 11; 1910 Nr. 40—50; 1911 Nr. 1 u.2. 

Enthält eine Ortsgeschichte von Todtmoos im badischen Schwarzwald von Rat- 
schreiber Ruf-Oppenau. 

Darin u. a. Gewannnamen, Volkslieder, Kinderreime, Sagen und Gebräuche. 

Jahrbuch für Geschichte, Sprache und Literatur Elsaß- Lothringens. 26. Jahrg. 1910. 

Hans Lienhart, Ernst Martin. Ein Gedenkblatt (S. V—X V). 

K. Schneider, Die burgundische Hystorie und ihr Verfasser (S. 95 — 164). 

K. Stenzel, Fin unbekanntes Gedicht von Sebastian Brant (S. 165f.). 

A. Herzog, Die Schützengesellschaften im oberen Mundat (S. 167—192). 

L. Müller, Sprachliches aus Straßburger Ratsprotokollen (S. 193 — 199). 

F. Mentz, Zu Mündels »Haussprächen und Inschriften« (S. 229f.). 

Th. Renaud, Das Wanderbuch eines elsüssischen Schneiders von 1607—1614 (S. 234 ff.) 

A. Jakoby, Sagen und Volkstümliches aus Weitersweiler und Umgebung (S. 329—339). 

E. Martin, Gedichte in Straßburger Mundart von Frau Charl. Engelhardt -Schweig- 
bäuser (S. 398 — 404). 

A Stadler, Die Brüder Matthis (S. 405 — 421). 

Alb. u. Adolf Matthis, Neuere Gedichte in StraBburger Mundart (S. 422 — 428). 
Kalender des Bundes der ehristlichen Deutschen in Galizien auf das Jahr 1911. 
Lemberg. Enthält viel Unterbaltendes und Belehrendos. Wir heben daraus hervor: 

V. Wagner, Bilder aus der deutschen Besiedelung Galiziens. 

I.. Schmidt, Ein Schwabenstreich (teilweise mundartlich). 

J. Bukowski, A Brübjok, eine lustige Geschichte in Versen, aus der westgalizischen 
deutschen Grenzsprachinsel. 

J. Schmidt, Bilder aus dem Leben und Treiben der Deutschen in Galizien. 

Die Karpathen. Halbmonatschrift für Kultur und Leben. Herausg. von Ad. Meschen- 
dörfer. Verlag H. Zeidner, Kronstadt 1911. Heft 7—10. 

Josef Haltrich, Unveröffentlichte Märchen (in der Mundart von Schäfsburg) (S. 215 
bis 217). 

A. Müller -Guttenbrunn, Das häusliche Glück (S. 229 — 246). 

Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. ‚Jahrg. 1910. 
Heft XXXI. Nr. 4—-£6. 

Korrespondenzblatt des Vereins fiir siebenbtirgische Landeskunde. 34. Jabrg. Nr.1 u. 2. 

Mannheimer Geschiehtsblätter. 12. Jahrg. 1911. 

J. Busch, Die badischen Weiler-Orte (S. 52—54; B. weist nach, daß die Weiler- 
Orte alle im Bereich der ehemals römischen Herrschaft liegen und daß sie gar 
auffallend den römischen Straßenzügen folgen. Dadurch wird Behaghels Ansicht. 
bestätigt. — La.). 


190 Zeitschriftensehau. 


Mitteilungen und Umfragen zur Bayerischen Volkskunde. 1910. Neue Folge. Nr. 24. 
52 Schlumpe- und Spuet-Liedla aus Oberfranken (S. 187—189). EN 
Beigabe: Blätter zur bayer. Volkskunde 1. 

K. Spiegel, Glaube und Brauch im Stall (S. 332 — 37). Derselbe, Glockenhaus - Sprüche 
(S. 37— 47). CS 

Národopisný Věstník. Prag. 1911. Nr. 1. 

Pfülzisches Museum. XXVII. Jahrgang. Mr. 11. 

Ph. Keiper, Der Ursprung und die Bedeutung des Hundenamens Tiraß. 

Sehwäbisches Arehiv. Organ für Geschichte, Altertumskunde, Literatur, Kunst und 

Kultur Schwabens. Verlag von F. Ulrich, Ravensburg. 29. Jahrgang, Nr. 1. 

Sehweizerisches Archiv für Volkskunde. Herausgegeben von Ed. Hoffmann-Krayer 

und AM. Reymond. XIV. Jahrgang. Heft 4. 
E. Wittich, Abergläubische Festgebrüuche der Zigeuner (S. 268 — 272). 
sd. Hoffmann - Krayer, Cysatiana (S. 272 - - 287). 
John Meier, Vom Dichter des Rigiliedes (S. 209 -— 303). 
Derselbe, Botz marter Küri Velti (S. 303). 
@. Keßler, Wie vernagelt sein (S. 305). 

The Journal of English and Germanic Philology. Vol. IX. 1910. 

(7. O. Curme, The Origin and Growth of the Weak Adjective Declension in Germanic 
(S. 439 — 482). 
Unser Egerland. Herausgegeben von A. John. XV. Jahrgang. Heft 1 uud 2. 
Joh. Kirehberger, Beiträge zur Egerländer Wortforschung (S. 11 —12 und S. 22). 
Joh. Bergner, Sitten und Gebräuche. Aus einer Ortschronik (S. 17—21). 
Volkskunst und Volkskunde. Monatsschrift des Vereins für Volkskunst und Volkskunde 
in München. Jahrgang 8. 1910. Heft 11 und 12. 
A. Vierling, Hausinschriften im oberen Isartal. Fortsetzung (N. 145). 
— Jahrgang 9. 1911. Heft 1, 2, 3 (Jubiläumshefte zu Ehren der Vollendung des 
90. Lebensjahres S. K. H. des Prinzregenten Luitpold). 

Westermanns Monatshefte. 55. Jahrgang. 6. Heft. 

Friedrich Kluge. Der Phonograph im Dienste der Sprachwissenschaft (S. 917f.). 
[Der sehr lesenswerte Aufsatz gibt zunächst einen Bericht über die Ende August 
1910 zu Thusis in Graubünden unter Leitung von Professor Dr. Albert Bachmann 
abgehaltene Versammlung von Sprachforschern und Vertretern der Volkssprachen 
Graubündens zwecks Aufnahme deutscher und rhätoromanischer Mundarten dieses 
Kantons. Die Ergebnisse dieser Zusammenkunft, an der Kluge selbst teilnahm, 
waren «durchaus erfreuliche, Sodann spricht der Verfasser über die Bedeutung 
des Phonographen fúr die Sprachwissenschaft und für die Schule und gedenkt 
rúbmend des im Jahre 1900 gegründeten Wiener Phonogramm-Archivs. — £x.] 

Württembergische Jahrbücher für Statistik und Landeskunde. Herausgegeben von 

dem Kómghehen Statistischen Landesamt. Jahrgang 1910. Erstes Heft. 

(7, Mehriny. Bauernhochzeit auf den Fildern am Anfang des 18. Jahrhunderts (8. 78). 

li. Bossert. Recht und Brauch in Langenburg im 16. und 17. Jahrh. (S. 80 — 108). 

E. Seidel, Polmk und Literatur in Wurttemberg von der Mitte des 18. Jahrh. bis 
zu Schillers Jugenddramen (5, 108 — 161. 

— Zweites Heft. 

Dr. Steuf. Württembergische Literatur vom Jahre 1909 (S. IT — XXI). 

Zeitsehrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins. 25. Jahre. 1910. 

Keritsch, Götterdämmerung (N. 3841). 

O. Herlig, Besprech. von ©. Mersinger. Die Appellativnamen in den hochdeutschen 
Mundarten (N. 355f |. 

Wiilfing, Besprech. des Worterbuchs der Elberfelder Mundart (N. 389 — 391). 

— 26. Jahrg. 1911. 

Joh. Pösehel, Die Meißner Lande und der Allgem. Deutsche Sprachverein (8.33 — 39). 


Zeitschriftenschan. 191 


J. Miedel. Streit um des Kaisers Bart (S. 50f.). 
Derselbe, Besprech. von F. Vollmann, Wortkunde in der Schule auf Grundlage des 
Sachunterrichts (S. 52f.). 
P. Pietsch, Wilhelm Wilmanns t (S. 0 — 75). 
W. Fabricius, Schwippschwager (S. 83). 
Zeitsehrift für deutsche Wortforsehung. 12. Band. 1910. 
HA. Gürtler, Birnennamen des 16. Jahrh. (8. 248 — 254). 
V. Hintner, Ache, Lasset, Schot, Arl, Pflug, alte Tiroler FeldmaBe (S. 254 — 260). 
Rich. Meyer, Die Konstruktion mit unberechtigtem Doppeliofinitiv (S. 264 — 266). 
N. van Wijk, Mnd. mnld. pleiten, afries. plaitia (S. 267— 269). | 
O. Sehütte, Substantiva auf -ling bei W. Raabe (S. 269 — 271). 
K. Konrad, Ergänzungen zu Friedr. Kluges »Deutscher Studentensprache« (S. 271 
bis 293). 
G. Baist, Almosen (S. 299f.). Punsch (S. 300). 
K. Uhlirz, Forestis (S. 300f.). 
F. Burg, Syphilis (S. 302). 
Derselbe, Programmschau (S. 303 — 309). 
H. Schulze, Selbstanzeige seines Deutschen Fremdwörterbuches, 1. Lief. (S. 310 — 312). 
H. Wunderlich, Ausführl. Besprechung von Agathe Lasch, Geschichte der Schrift- 
sprache in Berlin bis zur Mitte des 16. Jahrh. (S. 312—317). 
A. Götze, Besprechung von O. Weise, Unsere Mundarten (S. 317f.). 
K. Konrad, Besprech. von Ķ. Steinhiüuser, Die Muttersprache im Munde des Bres- 
lauer höheren Schülers (S. 318f.). 
. Derselbe, Besprech. der Schrift »Basler Studentensprache« (S. 319 — 321). 
5. Straub, Besprech. von E. v. Künßberg, Acht (S. 321f£.). 
Zeitschrift für österreichische Volkskunde. Herausgegeben von Prof. Dr. M. Haberlandt. 
XVI. Jahrgang. 1910. VI. (Schluß) Heft. 
A. Moses, Ein Christi Geburt-Spiel aus dem niederösterreichischen Schneeberggebiet 
(S. 205 — 209). 
J. Blau, Alte k. k. Verordnungen und Patente (S. 217—220). 
Zeitschrift des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde. 7. Jahrg. 1910. 
4. Heft. 
B. Reinold, Die Stephanuskollekte (S. 241 — 244). 
K. Wehrhan, Die Martinsfeier in Coblenz (S. 244 — 250). 
K. Lohmeyer, Kulturkundlich interessante Kinderlieder und -spiele der Saargegend 
und des Fürstentums Birkenfeld (S. 250—271). 
A. Schüller, Sprüche und Lieder vom Hochwalde (S. 275 ff.). 
J. Wortmann, Kinderspiel mit Steinchen. 
C. Lellmann, Ältere westfälische Kinderlieder uud -spiele (S. 296). 
Zeitschrift des Vereins für Volkskunde. Unter Mitwirkung von Johannes Bolte heraus- 
gegeben von Hermann Michel. 21. Jahrgaug. Heft 1. 1911. 
R. M. Meyer, Tannhäuser und die Tannhäusersage (S. 1—31). 
R. Loewe, Weiteres über Rübezahl im Volksglauben (S. 31 — 44). 
Th. Siebs, Sylter Lieder (S. 63). 
J. Bolte, Zum deutschen Volksliede ıS. 74). 
M. Schulz, Zum Volkslied vom Tod zu Basel. 


? 


A. Kopp, Zum Liede »Was braucht man im Dorfe (S. O1). 


192 Probe aus »Schriften in vogtländischer Mundart«. 


Probe aus »Schriften in vogtländischer Mundart.. 
Bd. 1: E Hampfel Krozer von Willy Rudert, Falkenstein 1911. 


Gegrinue hot r. 


Dr Traugott is e artlicher Mensch geweesen. Net epper, aß r schlecht ze leiden 
geweesen wär. Naa, naa! Is war mit kann net besser auszekumme als wie mit denn. 
När e Paar ganz annere Aang hot r gehatt wie mir allezamm. Ober aa net, aB r epper 
geschiekelt hett oder e giftigs Aag gehatten hot. Naa, naa! GewieB net! 'r hot nie- 
mand drmiet behext wie de Damms Miene. Nár is Wasser is'n gleich rauskumme, wenn 
aans e wing ewos Traurigs drziehelt hot. 

Dós wár nu nischt watter geweesen. Ober dr Traugott, der hot aa genau esuo 
gegrinne, wenn aans ewos Spaßigs oder sünst in safting Witz gemacht hoot. Do is'n 
fr Lachen genau esuo is Wasser zen Backen rogerennt, als wie wenn ne wos laad 
geta hot. 

Wos nu sei Alte geweesen is, die hatt's Maul af'm rechten Fleck gehatt und hot 
fr ir Leem geern e wing gespreiBelt. Drhamm hot se is Regement geführt und dodrbei 
gung's ne Traugott oft emoll e wing arg drecket. 's halfe'm ober nischt. 'r mut 
siech eem ducken. 

Eines schänn Togs do war se ganz stiller, wie r wieder emoll spöt, e wing arg 
spót, hammkiúmmt, Is kam aa kaa Pantoffel gefluong wie sünst, und dös hot'n am 
mehsten betruong. 'r horchet und lauscht, ober wie r e wing näher hiespannt, do kriegt 
rsch gewahr, aß sei Alte — tuot is — mauserappel tuot. Aa de Gusch miet, wu r doch 
sünst gedacht hot, aß die überhaupt net o'starm kännt, oder aß mr zewengsten erscht 
noch emoll orntlich mit in Knüpfel naufhaue müßt. Se war und blieb stiller. Ei du 
meine Güte! — — 

Is war nu suo e Toger fiinfe, sechse drnooch, do kiimmt dr Schulmaaster zerück, 
der schaa wieder emoll Fering gehatt hot. Mit Verwunnering härt rsch, aB drwalle ne 
Traugott sei Fraa krepeewele gemacht hot. 

„So was, nein, so was“, suo verwunnert r sìiech aamoll üms annere und r frögt 
ne Lieb, dersch'n drziehelt hot, wie siech denn dr Traugott benumme heit, obs’n emende 
recht nah gange wär? 

Do kratzt sich dr Lieb hinnern Uohrne. 'r hot’n Traugott gekennt und geweßt, 
a denn is Wasser kümmt in Fraad und in Laad. 'r zuckt när mit'n Achseln und sogt: 
„Gegrinne hot r! 2 ` 


Exame. 
Dr Lehrer helt Exame o -— 
Ganz stiller soß de klaane Garde. 
Er frógt de Bánk zengstdingeno 
Und kam suo a e paar ganz Harte. 


Als letzten hot r ne klann Reiher 

Laut aufgerüft: „Ob ersch net wüßt, 
Wie mrsch wull nennt, wenn's ugeheuer 
Dort draußen dunnert, blitzt und gießt?* 


Dr klaane Reiher glabbt's ze wissen 

Und brengt's aa gar net schnell soot saus: 
„Dös — dós werd Sauwetter gehissen!* 
Und lacht drbei wie’s Eicheldaus. 


Die Mundart von Eilsdorf. 
Von B. Block. 


Formenlehre.! 


Vorbemerkungen. 


$ 190. Bei der Bildung der Formen sind hauptsächlich folgende 
lautgesetzlichen Veränderungen zu beachten. | 

1. Ist der Stammauslaut ein Nasenlaut, so wird er vor Endungen 
mit n silbisch ($ 98), z. B. teer Zähnen, born Beinen, kem Kämmen, kem 
kämmen, böös Bäumen, rip Ringen (neben riyan), dün dünnen, mtin 
meinen (Dat. Akk. v. miin mein), əkooəņm gekommen, tə daun zu tun. 

2. Ist der Stammauslaut ein Lippenlaut, so wird die n-Endung zu 
silbischem y ($$ 95, 123), z. B. 3ddpm Schafen, nepm Näpfen, ribm 
Rippen, kgbm Höfen, tööom Zäumen, hebm haben, Súúm schäumen, 
looopm laufen. 

3. Nach stammauslautendem Gaumenlaute wird die Endung n, -ən 
zu y: beeaky Bächen, streesky Euterzitzen, mädky machen. 

4. Stammauslautendes d (im Wortauslaut £) ist nach $8 184, 185 vor 
Endungen mit r erhalten bezw. neu gebildet, vor Endungen ohne r ge- 
schwunden: bilder Bilder — blo Bilde, feldar Felder — fela Felde, kindar 
Kinder — kint Kind, lendar Länder — lana Lande, zọlə Golde, koi Hüte 
— in hau im Hute, bim binden, ïy schinden — Sindar Schinder. 

5. Stammauslautendes g ist zwischen Stimmlauten geschwunden: on 
dáú am Tage, de dád die Tage, dään Tagen, ¿n krau im Kruge, vee 
Wege, koi Kühe, dråán tragen (draur trug). 

6. Es wechseln 

f mit w mit b: vylaf Wolf — viilowa — väləbm; kaləf Kalb — ke- 
lawar — kalabm; $ooaf Strohbündel — Sööaus — Sööabm;, snuubm schnauben 
— snufst — snooof — snuuwa; 

c mit j mit xz: baroc Berg — baraja; kwaroc Lwerg — kwarajo; daic 
Teig — daija; leja lege — lecst — läür; 

s mit x: kuus Haus — hüüzor;, hals Hals — halxa; muus Maus — 
müüxs; 

x mit 3 mit 3: trox Trog — trgza — trüjo (8 183). 


t Die Lautlehre siehe Z. f.d. Ma. 1910. 
Zeitschrift für Deutsche Mundarten. VI. 13 


194 R. Block. 


A. Das Dingwort. 


$ 191. Die alte Teilung der Dingwortbiegung in vokalische und 
konsonantische findet auch heute noch in der Eilsdorfer Mundart ihren 
Ausdruck in der Gliederung in starke und schwache, wenn auch Über- 
gänge hin und her zu verzeichnen sind. 

Dagegen ist die Unterscheidung nach den Stammausgängen der 
starken Wörter in a-, 0-, ?-, u -Deklination nicht mehr in dieser Weise 
wirksam, da diese Vokale abgeschwächt und angeglichen oder geschwunden 
sind. Das innere Gesetz aber wirkt bis heute, indem auch im heutigen 
Eilsd. Platt der Wortausgang mit die Biegungsendungen bestimmt. 

Von gleicher Bedeutung für die Gliederung ist das Geschlecht der 
Dingwörter, wie ja dasselbe auch in den alten Deklinationsklassen mit- 
bestimmend für die Gruppenbildung war. Nach dem Geschlecht soll auch 
in der folgenden Darstellung gegliedert werden. 

$ 192. Von den Fällen ist der Genitiv bis auf wenige Reste ge- 
schwunden. Er wird durch Umschreibung mit dem besitzanzeigenden 
Fürworte gebildet. 

Reste des alten Genitivs treten vor allem in formelhaften Zeit- 
bestimmungen auf, z.B. t däbms abends, morjens morgens, midi«s mittags, 
formadads vormittags, nomadääas nachmittags, aldäus werktags, zönddds 
sonntags, tl zömars im Sommer, t vintors im Winter. 

Bei der Bildung der Mehrzahlformen hat der Gebrauch des Um- 
lautes sowie die Bildung mit s an Umfang gewonnen. 


I. Starke Biegung. 
1. Männliche Dingwörter. 
a) Mit konsonantischem Ausgang. 


Einzahl Mehrzahl 
Nom. Sooat sööata 
Dat. 300313 Sööaln 
Akk. Sooat Süüota. 


193. Wie sooot Schol gehen meist einsilbige a-, ¿- und /-Stáimme: 
buuk Bauch, braur Bruder, fos Fuchs, faut Fuß, kals Hals, knop Knopf, 
korəf Korb, kraux Krug, krans Kranz, lork Frosch, oram Arm, paal 
Pfahl, paul Pfubl, pot Topf, Soraf Grind, zak Sack, zooom Saum, stal 
Stall, staul Stuhl, irer Trog, voram Wurm, vulof Wolf. 

$ 194. Ohne Umlautung in der Mehrzahl werden gebildet: barse 
Berg, beeak Bach, däüx Tag, dis Tisch, fis Fisch, hunt Hund, kiil Keil, 
kiim Keim, riyk Ring, stain Stein, teen Zahn, reece Weg, mest Messer. 

Anmerkung. man Mann, dauk Tuch gehen wie huus § 200. 


b) Mit vokalischem Ausgang. 


Einzah! Mehrzahl 
Nom. keeaxo keeaxa 
Dat. herria herasan 


Akk. herra heerd. 


Die Mundart von Eilsdorf. 195 


$ 195. Wie keesza Käse geht šau Schuh. 


$ 196. Eine Gruppe für sich bildet zvoana Sohn («-Stamm): Sing. 
Nom. zooana, Dat. zooo, Akk. zooon; Plur. Nom. Akk. zóöona, Dat. zööon. 


ol Auf -en(n), -el(l), -er. 
Einzahl 
Nom. bodn, düüwsl, dreer 
Dat. bedn, düüwsl, dreer 
Akk. bodn, düüwal, dreer. 


Mehrzahl 
Nom. bodns, düüwals, dreers 
Dat. bodns, düüwals, dreers 
Akk. .bodns, düüwsals, dreers. 

$ 197. Zu dieser Gruppe gehören meist mehrsilbige a-Stämme. Die 
Anwendung des Mehrzahl-s ist noch nicht ganz gefestigt, so daß man 
auch ab und zu s-lose Formen hören kann. 

-n: bodn Boden, boltn Bolzen, zalajon Galgen, hádkon Haken, hapıy 
Happen, kaukan Kuchen, kympn Kummet, sleeon Schlitten, spdän Spaten, 
takan Zweig, tölajon Zweig, tooorn Turm, beson (aus der sw.) Besen, vån 
Wagen. 

-l, -el: begal Bengel, düüwal Teufel, exal Esel, kädınal! Hammel, 
keearl Kerl, Mann, ket! Kessel, kitl Kittel, kötl Kotstiick, krópal Krúppel, 
ndüzel Nagel, zdädl Sattel, slötl Schlüssel, tsedl Zettel. 

-er: dreer Träger, bekar Bäcker, dáåldər Taler, emər Eimer, glüümər 
Engerling, hdámor Hammer, hanspər Hamster, kęęwər Käfer, kölneer 
Kellner, kööəpər Käufer, kufər Koffer, måáldər Maler, mestər Meister, 
mildar Müller, náåwər Nachbar, puutər Truthahn, rorstor Riester, Leder- 
fleck, swádzar Schwager, teldər Teller. 


Anmerkung. spail Spiegel, kwiürl Quirl, fogol Vogel schwanken in der Mehr- 
zahl zwischen Gruppe a und c, stęwəl Stiefel zwischen b und c. 


2. Sächliche Dingwörter. 
a) Mit konsonantischem Ausgang. 
«) Enduug ohne r. 


Einzahl Mehrzahl 
Non. slooat slööata 
Dat. sloooto slóvotn 
Akk. slooat slovato. 


$ 198. Wie slooot Türschloß gehen meist einsilbige sächliche a- 
Stämme. Die Endungen dieser Gruppe stimmen mit denen von la überein. 
fait Faß, kooar Chor, Haufe, Jop bestimmte Flachsmenge (Idiotikon von 
Eilsdorf, Ndd. Jb. 34), Sap Schrank, $rayk Schrank, vooart (vööora!) Wort. 

$ 199. Ohne Umlautung in der Mehrzahl werden gebildet: bleeak 
Fleck, Stelle, wap Schaf, süt Wagenschütz, slgts Schlitz, speeol Spiel, 

13* 


196 R. Block. 


spooor Wagenspur, swin Schwein, peeart Pferd, raip Seil, rooar Rohr, stirts 
Bretterverschlag. 
ß) Mit r in der Mehrzahlendung. 


Einzahl Mehrzahl 
Nom. huus hútizar 
Dat. huuzxa hútizorn 
Akk. huus hüüxor. 


$ 200. Wie huus Haus gehen meist einsilbige a-Stämme. Die An- 
fänge der Mehrzahlendung -er liegen schon im Altsächsischen. 

bilt (d) Bild, felt Feld, kint Kind, kleest Kleid, %lt Schild, bauk Buch, 
dáák Dach, lok Loch, zarək Sarg, glåås (z) Glas, zrádf (w) Grab, kalof 
Kalb, liif Leib, viif Weib, kruut Kraut (ohne Mehrzahl), haun (d) Huhn. 

Anmerkung 1. breet Brett, rat Rad und blååt Blatt haben in der Mehrzahl 
kurzen Stimmlaut e 

Anmerkung 2. Hierher gehört auch das männliche Dgw. dauk Tuch. 


b) Mit vokalischem Ausgang. 


Einzahl Mehrzahl 
Nom. himə himə 
Dat. himə him (< himan) 
Akk. himə hima. 


$ 201. Wie himə Hemd gehen krüütss Kreuz. Ebenso geht fenstər 
- Fenster, das auch in einigen Nachbarorten vokal. auslautet (fenstor>). 


c) Auf -en, -n. 


Einzah! Mehrzahl 
Nom. tarkon tarkons 
Dat. tarkon tarkons 
Akk. taikon tarkons. 


§ 202. Diese Gruppe, die mit der n-Gruppe der männlichen Ding- 
wörter auch darin übereinstimmt, daß man bei einigen Wörtern Schwan- 
kungen in der Anwendung des Mehrzahl-s begegnet (§ 197), hat a- und 
k-Stámme. Wie taikən Zeichen gehen föln Füllen, küsən Kissen, meejən 
Mädchen, lååkən Laken. 

§ 203. Außerdem gehören in diese Gruppe die Dingwörter, die 
mit der Verkleinerungssilbe -ken gebildet sind: menakon Männchen, hüü- 
zaken Häuschen, lemaken Lämmchen, 3eepkan Schäfchen, peesrakan Pferd- 
chen, kepolkon Zicklein, kelwakon Kälbchen, stypstööorokon Anekdoten, 
fiitjekon Entchen, piiləkən Gänschen, flüctjan Pusterohrbolzen, pijlakan 
Fläschchen, viiwakan Vogelweibchen usw. 


3. Weibliche Dingwörter. 


a) Mit konsonantischem Ausgang. 


Einzahl Mehrzahl 
Non. zaus zo1xo 
Dat. zaus goixan 


Akk. gaus 30123. 


Die Mundart von Eilsdorf. 197 


$ 204. Da die alten ó-Stämme, die den gröBten Teil der starken 
Feminina bildeten, zur schwachen Biegung übergegangen sind, die an- 
dern Klassen aber schon ursprünglich entweder keine oder nur wenige 
weibliche Wörter enthielten, so ist heute die Zahl der starken weiblichen 
Dingwörter gering. Sie gehören der :-, u- und konsonantischen Klasse an. 

8 205. Wie zaus Gans gehen 

bayk Bank, bost Brust, fuust Faust, hant Hand, luus Laus, naxt 
Nacht, „oost NuB, muus Maus, vant Wand, vost Wurst, bruut Braut. 


b) Mit vokalischem Ausgang. 


Einzahl Mehrzahl 
Nom. kau koi 
Dat. kau koin 
Akk. kau koi. 


$ 206. Wie kau Kuh geht roiwə Rübe. 

§ 207. Ebenso geht eins auf -er: dọztər Tochter. 

$ 208. Das Wort fruu Frau hat in der Mehrzahl -ns: Einz. Nom. 
Dat. Akk. fruu, Mehrz. fruuns. | 


IL Sehwache Blegung. 


$ 209. Schwach gehen meist mehrsilbige, vokalisch auslautende 
Dingwörter. Da diese Voraussetzungen außer von den ursprünglich 
schwachen auch von den alten o-Stämmen erfüllt werden, so sind diese 
zur schwachen Biegung übergegangen, wodurch die schwachen Feminina 
eine starke Vermehrung erfahren haben. Auch einige ja- und 4-Stämme 
haben die schwachen Endungen angenommen. 


1. Männliche Dingwörter. 


Einzahl Mehrzahl 
Nom. psa 
Dat. osan | psan. 
Akk. psan 


8 210. Wie psa Ochs gehen 
afkääta Advokat, arwa Erbe, beera Bär, byla Bulle, buura Bauer, 
düütsa Deutscher, fröma Fremder, hååzə Hase, knooəkə Knochen, kuna 
Kunde, lööswa Löwe, min3% Mensch, muzakanla Musikant, nääma Name, 
rááwo Rabe, studenta Student, tsaldáata Soldat. 
$ 211. Einige gleichgebildete Wörter hängen in der Mehrzahl s an 
(vgl. 8197): zááro Garten, hááno Hahn, huupa Haufen, juya Junge, 
zräawa Graben. 
2. Sáchliche Dingwórter. 
Einzahl Mehrzahl 
N. D. A. 009 ooon. 
$ 212. Wie 009 Auge gehen knit (wa) Knie, beda (ja) Bett, stijka (ja) 
Stück. 





194 R. Block 


3. Weihliche Dinzwörter. 
Einzahl Mehrzahl 
N.D. A. tuya tunan. 

$ 213 vel $ 209. Wie fya Zunge gehen 

aiko Eiche. ununta Ente, sura Abre. arfto Erbse, baars Axt, beeara 
Beere, bluumo Blume, Arzu Brücke, dip) Taufe, deeala Diele, drela 
Tenne, ¿óvsr Tür. duucs Taube, »]> Ezze. fiurna Fahne, farıra Farbe. 
fedor» Eeder. flat Fliege. flerra Dreschflegel, floja Floh, fooala Falte, forka 
Heugubel, fut Frage, funtsll Lämpchen, zarwa Garbe, zatso Gasse, 
zreeopo Mistgabel, zreemca riebe. haka Hacke. harka Rechen, hurka 
Gurke, ¿ola Crelte, jou9ty (rosse. jrifsla gabelförmige Stütze, kaart Karte, 
Lutz Katze, ardo Kette, kels Kelle, Kripo Kiepe, klia Klage, kola Kohle, 
krudil Koralle, Artwo Krippe. Auuwlo Kugel, latra Leiter, lata Latte, lena 
Lende, Uiks Leiche, kely Lillie, bj» Lüge, maura Möhre, mööala Mühle, 
mols Mulde, merijs Mücke, nara Narbe. neeis Nase, pads kleines Kissen, 
puno Pfanne, petso Hündin, piipə Pfeife, plenta Pflänzchen, pluuma 
Pilaume, poks Blatter, raw Rute, rauza Rose, rino Rinde, riwə Rippe, 
rulo Rolle, runpo Raupe., ruut> Fensterscheibe, zato Satte, Napf, zaisə 
Sense, 34 Speckseite, sudaka Regenwurm, seika Schnecke, sprila Speile, 
slaupo Stufe, swuuls Schwalbe, swestor Schwester, zööə Sau, zina Sünde, 
sui Seheide, Ska Sehinken, xvosts BrühfaB, Sito Scheibe, $ruuwa Schraube, 
solls Schüssel, sääns Scheune, tit Zeit, tayo Zange, uulo Eule, ddtsa 
Frosch, verso Wanze, vero Wiege, volto Walze, volka Wolke, vörtla Wurzel, 
rne W unde. 

Anmerkung. /ruu Frau s. unter § 208. 


III. Gemischte Biegung. 


SPI voer Ohr geht in der Einzahl stark ($ 198), in der Mehr- 
zahl schwach (S 212). 

Zusätze. 

S "Ib, Kinige minnliche und sichliche Dingwörter auf -en schwanken 
in thor Biegung, indem sie entweder gar keine Endung annehmen oder 
in der Mehrzahl s anhängen. Dazu gehören 

a) männl. kanson Handschuh, holsonr Holzpantoffel, meryjan Morgen, 
uc au Soeken, lamprr Lampe; 

b) suehl, farkon Ferkol, hóvarn Horn, fruunson Frauenzimmor, ¿¿x9n 
Hulotion, Jasle Kasten, kööərn Korn. 

8 PIG, Kinige schwacho mánnliche Dingwórter bilden den Nom. 
al, entweder auf -e odor durch Angleichung an den Akk. auf -en: 
halls berlkon Balken, zur Garten, gasto Gerste, gráûwə Graben, kâá- 
oe Infor, Muupa Haufen, propo Pfropfen, roza Roggen, vaita Weizen 
pad oaio hd, Entwicklung Glaube — Glauben, Friede — Frieden usw.). 

#17. Zur Bezeiehnung des grammatischen Geschlechtes dienen 
din tonlosen Formen des hinweisenden Fürwortes (də, də, t) und die ton- 


Die Mundart von Eilsdorf. 199 


losen Formen des Zahlwortes ain (n, nə, n) Einige Dingwörter weichen 
im Geschlecht vom Hochdeutschen ab, z.B. 

a) männl. da dauk das Tuch, da lampmı die Lampe, ds zastn die 
Gerste; 

b) weibl. da %yko der Schinken, da mad der Magen, də mųfə der 
Muff, da maärto der Marder, da Saat der Schacht; 

c) sächl. t kastn der Kasten, t Srayk der Schrank, t xani dor Sand, 
t isukor der Zucker, t liif der Leib. 


IV, Eigennamen. 


$ 218. Männliche und weibliche Vornamen bilden den Dat. und 
Akk. schwach. 
Nom. fritso, Dat. Akk. fritsan 
y Júno Regine, „ „ Jin. 
Das gilt auch, wenn sie mit Zunamen verbunden sind. Nur kon- 
sonantisch auslautende, männliche Vornamen, die mit Zunamen verbunden 
sind, werden nicht flektiert. 


$ 219. Konsonantisch auslautende Familiennamen von Männern 
werden stark abgewandelt. 
Nom. fetar vaitliyk,  ptoo klitts 
Dat.  fetar vaitliya, otoon kliitsa 
Akk.  fetar vaitliyk, ptoon klitts. 
Vokalisch auslautende gehen schwach 
Nom. fetər frikə 
Dat. fetər frikən 
Akk. fetər frikən. 


§ 220. Alle Frauen haben den Familiennamen im Genitiv (vgl. 
Niederd. Korrespondenzbl. 8, S. 65). 

Auf Mitlaut ausgehende Familiennamen von Frauen erhalten in allen 
Fállen s. anofiiko vaitliyos Anna Sophie Weidling, jitna benleers Regine 
Bendler. Daher wird die dem Namen anhaftende Endung s als weiblich 
empfunden und bei männlichen Personen abgestoßen, z. B. der Name 
Jakobs wird zu jaäkop: herman jääkop gegenüber dáa jaakops. 

Vokalisch auslautende Familiennamen von Frauen nehmen in allen 
Fällen » an, anda swanakon Anna Schwannecke. 

Die Namen verheirateter Frauen erhalten den Zusatz veesa (< mndd. 
weseke, wase) Tante. vattliyasveeso, müldersveesa, Sulinveesa, swanakan- 
vecsa. (Daneben vartiiyosa, Sultso, swanakse.) 

Auch Titel, die als Eigennamen empfunden werden, behandelt man 
so. ernda kantars, oloo pastooar, friidad pastooars. 

$ 221. Ortsnamen werden gewöhnlich nicht abgewandelt. Nur 
einige werden noch als Zusammensetzungen empfunden und wie Gattungs- 
namen behandelt. Solche sind niinbọre Nienburg — nor niinbere, hüüxsa- 


200 | R. Block. 


bore Huysburg — op da hüiixobore, vestarbore Westerburg, rööarhof Röder- 
hof — opm röögrhows. 


B. Das Eigenschaftswort. 


$ 222. Die meisten Eigenschaftswörter werden attributiv und prädi- 
kativ gebraucht. Nur im ersten Falle werden sie abgewandelt. Wie beim 
Dingwort ist auch beim Eigenschaftswort der Besitzfall geschwunden und 
wird umschrieben ($ 192). 

Jedes attributiv gebrauchte Eigenschaftswort kann stark oder schwach 
dekliniert werden. Bei der starken Biegung ist die alte Scheidung nach rein- 
vokalischen und j- und w-Stämmen nicht mehr vorhanden; die j-Stämme 
verraten ihre Herkunft aber noch durch das End->, das sie im prädika- 
tiven Gebrauch behalten. Dahin gehören darwə derb, dünə dünn, dikə 
dick, nüts nützlich, 5ööaza böse, rispa reif, raina rein, 3ööana schön, 
zoilo süß, speeta spät. Eine Ausnahme bildet düür (mndd. dur(e)) teuer. 

Anmerkung 1. nüto nützlich wird nur noch prädikativ gebraucht. 


Anmerkung 2. Zur Anfügung der Biegungsendungen an den Stamm sind die 
Bemerkungen 8 1% zu vergleichen, 


Anmerkung 3. In aldervecon allerwegen, überall liegt noch ein Rest des alten 
Genitivs vor. 


| I. Starke Biegung. 
8 223. Beispiel ooalt (as. ald) alt. 


Einzahl 
männl. weibl. sächl. 
N. ooələ, ooələr, ooaln ooala ooalt, ooalas 
D. oooln oodlar (ooala) ooaln 
A. ooaln 00ala ooalt, ooalos. 
Mehrzahl 
AAA, AA E 
N. ooala 
D. ooaln 
A. ooala. 


$ 224. 1. Das ə des Nom. Sing. M. F. ist wohl auf Beeinflussung 
durch j-Stämme und durch die schwache Biegung zurückzuführen. 

2. Die r-Form Nom. Sing. M. ist auf alte hd. Beeinflussung zurück- 
zuführen; sie kommt neben der e-Endung schon im Mndd. vor. Die 
seltnere n-Form ist durch Angleichung an den Akk. entstanden. 


3. Das s des Nom. Sing. N. kommt schon im Mndd. vor. 


II. Schwache Biegung. 


8225. Die schwache Biegung ist die häufigste. Sie tritt beson- 
ders nach dem bestimmten Artikel und nach besitzanzeigenden Für- 
wörtern ein. 


Die Mundart von Eilsdorf. 201 


Einzahl 
männl. weibl. sächl. 
ooala ooala ooala 
ooaln ooaln ooaln 
ooaln ooala ooald. 


Mehrzahl 


N. oooln 
D. ooaln 
A. ooaln. 


8 226. Nach dem unbestimmten Artikel », nə, n (< ain, aina, ain) 
werden im Nom. Sing. Mask. und im Nom. Akk. Sing. Neutr. auch endungs- 
lose Formen gebraucht: » ooalt man, n ooəlt viif. Auch tritt manchmal 
Angleichung des Nom. Sing. Mask. an den Akk. ein, was nach dem be- 
stimmten Artikel nie geschieht. 


> DA 


III. Steigerung. 

$ 227. Der Komparativ wird durch -ər (as. -2ra, -era, -ara, -ora), 
der Superlativ durch -st (as. -¿sta, -ósta) gebildet. Dabei tritt in einigen 
Fällen Umlaut ein. 

$ 228. Beispiele: dan dumm — dumar — dumst; dünsa dünn — 
diindar — dúnst; daip tief — daipar — daipst; ful voll — fuldar — fulst; 
fuul faul — fuuldor — fuulst; krym krumm — krumar — krumst; raina 
rein — raindar — rainst; zuur sauer — xuurdər — xuurst; xotta sii — 
xoitar — xoitst; Sarf schief — Sarwar — Saiwost (Saifst), vit wei — vitar 
— vitst; vilt weit (as. wid) — vir (< wider) — ost: brait breit — brair 
-— braist. 

Mit Umlaut im Komp. und Superl. werden gebildet klauk klug, kort 
kurz, layk lang, Sarp scharf, swaxr schwach (swecar, swecst). 

In folgenden Wörtern tritt Kürzung ein: zroost groß — zröter — 
zrötst; hooax hoch — höjar — hüjost; kooalt kalt — kölder — kölst; nad 
nahe — necar — necst; ooalt alt — öldar — ölst; Sööana schön — Sóndar — 
sönst. In swaär schwer tritt außerdem # ein: swáâdr — swirdar — swörst. 

Anmerkung. Von frot früh ist außer den regelmäßigen Formen der hd. Kom- 
parativ früher als Umstandswort der Zeit in der Bedeutung ehemals im Gebrauch. 

$ 229. Unregelmäßig werden gesteigert: zuut gut — besar (hd. Form!) 
— best; feeol viel — meear — meeast, maist. 

$ 230. Die Biegung der Steigerungsformen geht ebenso wie die 
des einfachen Eigenschaftswortes ($$ 223 — 226). 


C. Das Fürwort. 
1. Das persönliche Fürwort. 


$ 231. Das persönliche Fürwort hat formell nur noch zwei Fälle. 
Der Genitiv ist geschwunden, Dativ und Akkusativ sind in der Akku- 
sativform zusammengefallen. 


202 R. Block. 


S 232. a) Ungeschlechtig. 
1. Pers. 2. Pers. 3. Pers. 
Einz. N. ek duu — 
D A. mek dek zek. 
Mehrz. N. vai je — 
D. A. uns jue rek. 


b) Geschlechtig. 


3. Pers. 
mánnl. weibl. sächl. 
Einz. N. hai 201 ööət 
D. A. ööana zai ööət. 
en, ES 
Mehrz. N. zai 
D. A. zai. 


§ 233. Im zusammenhängenden Gebrauche dieser Formen treten in 
unbetonter Stellung oft Abschleifungen und Stimmlautschwächungen ein. 


ek: zalak soll ich, kọnək konnte ich, kgââ ich gehe, kšriiwə ich 
schreibe, kwet nic ich weiß nicht. 

duu: hasta hast du, kansda kannst du, dööarsda darfst du, vytə willst 
du, vetstat weißt du es. | 

hai: vila will er, zala soll er. 

zai: 22 kymot sie kommt, hatzy hat sie. 

ööat: at löpat es läuft, krecot krieg es, zütüstot siehst du cs. 

Ööona: kewana xain ich habe ihn gesehen, kwolna ich wollte ihm, 
zecna dat sag ihm das. 

vai: hewo haben wir, könaws können wir. 

jii: heja habt ihr. 

Anmerkung 1. Eilsdorf liegt an der Nordgrenze des ek-Gebietes. Das nächste 


Dorf nach Norden hat ik. Nach Südosten scheidet sich hier ux} gegen uns (vgl. Dam- 
köhler, Die pronominalen Formen für uns und unser), ebenso uuxo gegen unxa. 


Anmerkung 2. Die 2. Pers. der Mehrz. jet, jesc ist ältern Personen gegenüber 
das Anredewort. Auch Eltern und Großeltern werden vereinzelt noch so angeredet. In 
neuerer Zeit kommt unter dem Einfluß der Schriftsprache die 3. Pers. der Mehrzalıl 
2141 (xə) mehr in Gebrauch. 


2. Besitzanzeigendes Fürwort. 
8 234. miin mein, diin dein, aiin sein, ööar ihr, ziin sein, uuza 
unser (as. sə) § 233 Anm. 1, juu euer (as. ginwa), ööər ihr. 
Das besitzanzeigende Fürwort wird ebenso abgewandelt wie das starke 


Eigenschaftswort § 223. Im Dat. Sing. Fem. wird die r-lose Form schein- 
bar mehr gebraucht als die alte »-Form. 


Anmerkung. Von den Einzahlformen werden die substantivischen Formen wmernzet, 
diïniet, ziiniet, ööarict gebildet. 


\ 


Die Mundart von Eilsdorf. 203 


3. Hinweisendes Fiirwort. 


$ 235. Die hinweisenden Fürwörter stehen entweder allein (un- 
verbunden) oder sie treten in Verbindung mit einem Dingworte auf. 
Dadurch entstehen für einige Fälle Doppelformen. 


a) Unverbunden. 





männl. weibl. sächl. 

Einz. N. dee (} da:) dee dat 

D. deena dee (deer) deena (dat) 

A. deena dee dat. 
Mehrz. N. dee 

D. deen (dee) 

A. dee. 

b) Verbunden. 

Einz. N. dee dee dat 

D. deen dee (deer) deen (dat) 

A. deen dee dat. 
Mehrz. N. dee 

D. deen (dee) 

A. dee. 


S 236. Durch Schwächung der Formen des verbundenen hinw. Für- 
worts infolge Tonlosigkeit ist der bestimmte Artikel entstanden. 


männl. weibl. sächl. 
Einz. N. də də at (t) 
D. n də (dr) n (at, t) 
A. n do at (t). 
Mehrz. N. də 
D. n (do) 
A. də. 
8 237. »Dieser«. 
Einz. N. dixo diixa dit 
D. dijzon diixa (düzor) dixon (diit) 
A. dijzan dza diät. 
Mehrz. N. dijxə 
D. diüxan (dix) 
A. diixa. 


Anmerkung. Nebenformen sind eingeklammert. 


4. Rückbezügliches Fiirwort. 
$ 238. Als riickbez. Fw. gelten fiir das mánnliche und weibliche 
Geschlecht und den Dativ des sächlichen die unverbundnen hinw. Für- 
wörter $ 235a. Der Nom. Akk. des sächl. Geschlechts wird durch das 
Fragewort vat ausgedrückt. 


204 R. Block. 


5. Fragendes Fiirwort. 


8 239. 1. veer wer ist für männl. und weibl. Geschlecht gleich, 
D. A. veen; fürs sächl. Geschlecht gilt vat. 

2. vek welch geht männl. und weibl. wie das starke Eigenschafts- 
wort (ohne Nebenformen im Nom. Sing. Mask.): vor sächl. Dingwörtern 
tritt im Nom. Akk. gewöhnlich -ət, -t an den Stamm: rebat, vekt. Die 
Mehrzahl geht ebenfalls nach § 223. 


6. Unbestimmtes Fürwort. 
8 240. a) adjektivisch 
kain kein, kaina, kain; manajar mancher, -ə, -əs; alə alle; veka 
manche; jeeodar, -a, -as; ain(ja einige. « 
b) substantivisch 
kaindar keiner, ala alle, mangjar mancher, mangcaindar (-ain) gar 
mancher, jeesder, alas, andarman unsereiner. 


D. Das Zahlwort. 
l. Grundzahlen. 


$ 241. 
1. aina 11. ölawa 21. aintwintic 
2. twat 12. twölawa 22. twaintwintic 
3. drai 13. dritaino 29. negontwintie 
4. fatro 14. feeortavna 30. dritic 
5. fiinawa 15. faftatna 40. fürtsie 
6. zesa 16. zestaina 50. fuftste 
1. zewana 17. zebmtaina 60. rectsic (xestic) 
8. axta 18. artaına 70. zuptste (zebmtic) 
9. nejana 19. nejontaino 80. aztsıc 
10. tasıa 20. twyntie 90. norntste 


100. hundort 1000. dauzant. 

Die Grundzahlen werden im substantivischen Gebrauche stark ab- 
gewandelt; im adjektivischen Gebrauche erfährt nur ain starke Biegung. 
Die auf - endigenden werfen in attributiver Stellung das a ab: fair 
peeara, fünaf, zes, xebm, art, ölaf usf. 

Von 40 ab haben die Grundzahlen hochdeutschen Lautstand. Von 
alten Leuten habe ich vor zwei Jahrzehnten noch zestic und zębmtic 
gehört, Es ist eigentünlich, daß die Anwendung hochdeutscher Formen 
auch in andern Mundarten erst mit höhern Zahlen durchgeführt ist. 
Wegener (Ma. v. Rätzlingen, Geschichtsblätter für Magdbg. Bd. 32) weist 
mit Recht darauf hin, daß die höhern Zahlen nur im weitern Geschäfts- 
verkehre und in der Schule vorkommen. Für die niedrigern Zahlen ist 
jetzt allerdings auch starke Neigung, sie durch die hd. Formen zu er- 
setzen, zu bemerken. 


Anmerkung. Die unbetonten Formen von a:n werden als unbestimniter Artikel 
gebraucht: männl. n, n, n; weibl. na, nər (nə), na; sächl. n, n, n. 


Die Mundart von Eilsdorf. 205 


2. Ordnungszahlen. 


$ 242. Die Ordnungszahlen werden bis 19 durch Anhängung von 
-t, von 20 ab durch -st gebildet. 

1. eeost. 2. twart. 3. drit (drido). 4. feeart (feeoro). 19. nejan- 
taint. 20. tuntiest. 100. hundortst. 

Sie werden wie schwache Eigenschaftswórter abgewandelt. 


E. Das Zeitwort. 
Endungen. 


$ 243. Die Nennform endigt auf -an oder -n: feyan fangen; snün 
schneiden, záadn gehen, buyfan stoßen. Nach stammauslautendem » ist 
dieses mit dem oa der Endung zu silbischem oa zusammengezogen: ken 
kennen, ren rennen, reen regnen. Hierher gehören auch Wörter mit ur- 
sprünglich auf d auslautendem Stamm, das aber nach § 144 geschwunden 
ist: bep binden, fix finden. Nach stammauslautendem Lippenlaute ist n 
durch Angleichung zu m geworden: koosp kommen, zrädbm graben, 
hebnı haben. Bei stammauslautendem Gaumenlaute wird meistens, aber 
nicht immer, n > y: xoiky y suchen, xiy singen. 

Eine flektierte Nennform als Rest des alten Gerundiums (Holthausen 
8 411) liegt noch vor in da daun zu tun. 

8 244. In der Gegenwart (Praesens) haben starke und schwache 
Zeitwörter folgende Endungen: 


Einzahl Mehrzahl 

l. -9, — -gt, -L 

2. -9st, -st -gt, -L 

3. -d, -t at, -t. 

Die Praeterito-praesentia haben die Endungen: 
l. —(2) -1 
2. -st -1 
d -t — 


Anmerkung 1. Bei Wörtern mit lautgesetzl. Schwund der stammausl. Mitlaute 
füllt auch das > in der 1. Pers. Sing., so daß diese Form ohne Endung ist: ek lää ich 
lade, ek zád ich säge. 

Anmerkung 2. In der 3. Pers. Sing. der Wörter, deren Stamm auf t ausgeht, 
verschmilzt dieses mit dem -t der Endung zu t: hai bit er beißt, har vet er weiß. 


S 245. Das Praeteritum der starken Zeitwörter hat die Endungen: 


Einzahl Mehrzahl 
1. E -IMN, -N (-%, m, y) 
2. -st „ ” l» „ al 
3. SE ” „ (» ” al 
Das Praet. der schwachen Zeitwörter und der Praet.-Praes. endet: 
l. -2 -an, -n (-n, -m, 9) 
2. -ast, -ət » „ U» „ 1) 


3. -2 1 ” (» ” eis 


206 R. Block. 


Anmerkung. Durch Verkürzung der as. Praeteritumsendung -ida, -oda, mndd. 
-ede zu -ə ist die 1. Pers. Sing. Praet. der schwachen Zeitwörter mit der 1. Pers. Sing. 
Praes. gleichlautend geworden. Das wird ein Grund mit sein, daß das Praeteritum immer 
mehr schwindet. Vgl. Loewe, Dialektmischung im Magdeburger Gebiete, Nd. Jb. 14 und 
Reis, Untergang der einfachen Vergangenheitsform GRM. II, 382 ff. 


$ 246. Der Imperativ endet 
—, 9 -at, -t. 

S 247. Das Mittelwort der Gegenwart wird nicht mehr gebildet und 
ist nur noch resthaft in einigen formelhaften Redensarten vorhanden: 
flaitn vaáätar flieBendes Wasser, taukooom jádir nächstes Jahr, bii naxt- 
sliäpnınar tiit bei nachtschlafender Zeit (vgl. Mittelniederdeutsches Hand- 
wörterbuch v. Lübben- Walther unter det). Mit Endungen anderer Wort- 
arten versehen erscheint das alte Partiz. Praes. in den Formeln dáfneeomals 
moont abnehmender Mond, nə niitmelkšə kau eine neumilchende Kuh, 
kooəknic våátər kochendes Wasser, sttInsuwrins stillschweigend. 

S 248. Das Miitelwort der Vergangenheit hat bei starken Zeit- 
wórtern die Endung -on; n (m, m, n), bei schwachen -ət, -t. Die Vor- 
silbe ist -ə nach konsonantisch auslautenden Wörtern: ek hewa ¿lan 
9xain ich habe ihn gesehen. Nach vokalisch auslautenden Wörtern fehlt 
die Vorsilbe: ek hewana nuu zain ich habe ihn nun gesehen. 


Zeiten. 


& 249. Neben dem Praesens, der Gegenwartsform hat die Eilsd. 
Mundart ein Perfektum zur Bezeichnung des durch eine vergangene 
Handlung geschaffenen Zustandes und als Erzählform. Es wird mit 
hebm und ziin gebildet. ' | 

§ 250. Das Praeteritum verliert an Boden und wird oft durch das 
Perfektum ersetzt. Diese Entwicklung wird durch den Zusammenfall der 
l. u. 2. Pers. Sing. im Praes. und im Praet. der schwachen Zeitwörter 
($ 245) eingeleitet sein; ist ja doch auch die Ersetzung durchs Perfekt 
am meisten bei schwachen Zeitwörtern zu beobachten. 

$ 251. Der Konjunktiv wird bei den starken Zeitwörtern durch 
Umlautung des Stammselbstlautes des Praet. aus diesem gebildet. Bei 
den schwachen stimmt er mit dem Praet. und damit auch in der 1. u. 
2. Pers. Sing. mit der Gegenwart überein und wird darum meist um- 
schrieben. Dazu dient der Konj. von daun tun: ck dot koookon, de doist 
k., hai dot k.; vai, jii, zai doin k. 

§ 252. Die Zukunft wird meist durch die Gegenwartsform, sonst 
durch veeərn werden ausgedrückt: ek gåû hernädrərn no huus oder ek 
veeara np huus zuän. 

Starke Zeitwortbiegung. 
1. Ablautreihe. 


as. ZE tt i 
E (=Hilsdorf) a) 22 at e e 
b) d: 


y ” 


Die Mundart von Eilsdorf. 207 


8 253. a) zreepm greifen, b) bliibm bleiben. 
Praes. zriipa, zripast, zripat; zrüpat, bliiwa, biifst, blift; bliiwat. 
Praet. Im Praet. hat sich das as. é der 1. u. 3. Pers. d. Einzahl laut- 
gesetzlich ($ 52) zu az entwickelte Das © der Mehrzahl hat eine zwei- 
fache Entwicklung, der sich das ® der 2. Pers. Sing. angeschlossen hat. 
Vor nicht stimmhaftem Mitlaut + gedecktem u, a wird es zu e ($ 32), 
vor stimmhaftem Verschlub- oder Reibelaut + gedecktem u, a wird es 
zu e; daher haben wir 2 Gruppen. 
a) as. grëp, gripi, grép; gripun. 
E. zraip, zrepast, zraıp; zrepm. 
b) as. beléf, bilibi, biléf; bilibun. 
blauf, blewost, blaif; blebm. 
Das Part. Praet. ist dementsprechend entwickelt 
a) agrepm. 
b) ablebm. 
§ 254. Zur Gruppe la gehóren a) Zeitwórter auf t, die in der 
2. Pers. Sing. Praes. auf -st endigen, und deren 3. Pers. Sing. und Plur. 
Praes. ohne Endung ist ($ 244 Anm.): britn beißen, smiitn schmeißen, 
riitn reißen, &tln scheißen (Sing. Praet. ungebräuchlich); 6) Zeitwörter 
auf p mit den Endungen -ə2, -əst, ət; ət im Praesens: griipm greifen, 
knúpm kneifen. 
$ 255. Zur Gruppe 1b gehören «) Zeitwórter auf b mit Wechsel 
von b/w/f: blitbm bleiben; driibm treiben; sribm schreiben; £) Zeit- 
wörter auf altes d mit Wechsel von d/t (8 135) und d-Schwund ($ 185): 
sniin schneiden (Praes. 1. snit, 2. sngist, 3. sntt; 1. 2. 3. snait; Praet. 
snait, snedn; P P asnedn); rin reiten; liin leiden (ohne Sing. Praet.); 
strún streiten; y) Zeitwörter auf altes g mit Wechsel von c/j ($ 183) 
und g-Schwund ($ 187); stiin steigen (Praes. 1. sti, 2. sticst, 3. stiet, 
1. 2. 3. stiit; Praet. staic, stęjən; P. P. ostejon); man harnen; kreun kriegen; 
swiin schweigen (im Aussterben). 
Anmerkung. striin 1bg hat 2. 3. Sing. Praes. langes « und gleicht damit den 
schwachen Zeitwörtern. Praet. und Part. P. kommen stark und schwach vor. 
$ 256. Zur schwachen Biegung sind übergetreten Je keimen, 
püpm pfeifen, sliiky schleichen, sliipm schleifen, snitn schneien, 27% 
scheinen, $riin schreien, striik streichen, vèiky weichen. 


2. Ablautreihe. 


A 


a) as. 20, U Ö u 0. 


KE. at 002 009 0093. 
b) as. ü OG u o. 
E. Uit 009 009 009. 


$ 257. a) oun gieben, b) sluutn schlieBen. 
Praes. Wie schon im Altsächsischen haben wir 2 Gruppen, die 
eine mit ö (<as. ix, 8 71) in der 2. 3. Pers. Sing. und a? (< as. vw, $ 69) 


208 R. Block. 
im Plur., dem sich die 1. Pers. Sing. angeglichen hat, die andre mit 


uu oder 4. 
a) jaita, jútst, jüt; jat. 
b) sluutə, slųtst, slut; sluut. 
Praet. jooat, joootst, jooot, jooatn. 
slooat, slooatst, slooat; slooatn. 
Part. praet. 3oosin 
aslooatn. 

$ 258. Wie 2a gehen 

a) Zeitwórter auf t: Goin fließen, janarin genießen, sastn schießen, 
jaitn gießen, fordraitn verdrießen; 

B) Zeitwörter auf altes g mit Wechsel von c/x und g-Schwund: 
lain lügen (Praes. 1, lai, 2. lücst, 3. lüct, 1. 2. 3. lait; Praet. looar, looon; 
Part. Praes. aloogn), drain trügen, flain fliegen; 

y) Zeitwórter auf r mit ungekiirztem ú in 2. 3. Pers. Sing. Praes.: 
frairn frieren (fratra, friiúirst, frútirt, frairt usw.), forlairn verlieren. 

Anmerkung 1. jain (2a«) hat auch vor o im Anlaut j ($ 124). Das schon 
im as. palatale y des Praesens ist ins Praet. gedrungen. 


Anmerkung 2. Die Zeitwórter auf r (2a y) haben den grammatischen Wechsel 
s /r durch Angleichung der r- an die s-Formen aufgegeben. 


$ 259. Wie 2b gehen 

a) Zeitwórter auf 5 mit Wechsel 5b /w/ f: snuubn: schnauben (Praes. 
snuuwo, snyfst, snuft, snuuwat; Praet. snooof, snooebm; P. P. asnooabn.), 
sruubm schrauben, $uubm schieben; 

ß) Zeitwörter auf altes g mit g-Schwund oder Verwandlung des 
Y >L: zuun saugen (zuu, zyast, zuxt, zuul; 2009%, zooon; 9xooon) ; 

y) Zeitwórter auf t (Muster siehe 8 257) sluutn schließen; 

d) Zeitwörter auf p und E mt a Endung im Praes.: zuupm saufen 
(xuupa, xupast, zupel, xuupat) kruupm kriechen, ruuky riechen, sluuky 
schlucken. 

$ 260. Zur schwachen Biegung sind übergegangen bruuky brauchen, 
bruun brauen. 


3. Ablautreihe. 
u) as. © a u n (Nasenl. + Mitl.) 
E. ù 4 u vv 
as, ei a u o (Schmelzl. + Mitl.) 
E. è 4 a u (L+ Mit) 
b E. a oe ee ọ (r+ Mitl) 

$ 261. a) bex binden, helps helfen, b) starbm sterben. 

Wir haben auch in dieser Reihe 2 Gruppen zu unterscheiden, die 
sich aber nicht mit der altsächsischen Gliederung decken, sondern nach 
neuen Lautwandlungen gebildet sind; die alten Gruppen dagegen sind 
zum Teil zusammengefallen. Im as. steht die Gruppe Stammvokal + Nasen- 
laut + Mitlaut der Gruppe Stammvokal + Schmelzlaut + Mitlaut gegen- 


Die Mundart von Eilsdorf. 209 


über, in der Eilsd. Ma. ist die letztere in die /- und r-Gruppe geteilt 
und die 2-Gruppe mit der ersteren zusammengefallen. 
Praes. a) binə, binst, bint; bent 
hilpa, hilpast, hilpət; hilpət. 

'In der /-Gruppe ist das é der Nennform und des Plur. Praes. nach 
S 19 zu { geworden. 

b) starwo, starwast, starwat; starwat. 

In der r-Gruppe ist nach $ 23 aus dem ë der Nennform und des 
Plur. Praes. a entstanden. Die Einzahlformen haben sich den Mehrzahl- 
formen angeglichen. 

Praet. a) bunt, buntst, bunt; bun 
huylap, huylopst; hulap; hulopm. 
Dem « der Mehrzahl ist das a der Einzahl angeglichen. 
b) storaf, storafst, storof; storabm. 
Das u der Mehrzahl ist nach $ 42 vor r zu o entwickelt, dem sich 
der Stimmlaut der Einzahl angeglichen hat. 
Part. Praet. a) 9byx, ohylpm 
unter Beeinflussung des o der (Gruppe durch die anderen Formen mit u. 
b) astorabm. 
$ 262. Nach der Gruppe 3a gehen 
| al) mit Nasenlaut + Mitlaut. 

a) Zeitwörter auf d mit einsilbigen Gegenwartsformen und d-Schwund: 
bin binden, fir finden, forswiz verschwinden, &% schinden, vi» winden. 

Diesen Wörtern haben sich spt@ spinnen und bezig besinnen im 
Sing. Praet. durch Annahme der End-i in 1. 3. Pers. angeglichen; also 
spunt, boxunt; 

B) Zeitwörter auf k mit zweisilbigen Gegenwartsformen: driykon 
(driyko, driykast, driykat; driykat) trinken, ztykan sinken, stiykon stinken. 

y) Zeitwörter auf altes g ($ 146) mit Wechsel y / yk und zweisilbigen 
Gegenwartsformen: tan singen, spriyon springen, uutfrigen auswringen 
($ 85), twyyon zwingen, joligon gelingen. 

a?) 1 + Mitlaut. 

a) Zeitwörter auf -lp mit zweisilbigen Gegenwartsformen: hglopr: 
helfen. 

p) Zeitwörter auf -lt, -ld, -l, -n mit einsilbigen Gegenwartsformen: 
smilta schmelzen, yin gelten, in schelten, kwiln quellen; jawin ge- 
winnen (mit Angleichung des Sing. Praet. an die t-Formen, jawuynt wie 
smuylt, jult, Sult). Dagegen regelmäßig kwul quoll. 

$ 263. Schwach sind geworden 3rtz schrinden, hzykon hinken. venkan 
winken kommt auch mit der starken Mittelwortsform ovuykan vor. 

S 264. Wie 3b gehen 

fordarabnı verderben, starabm sterben. Hierher gehört auch veeorn 
werden, das nach lautgesetzlicher Entwicklung in einigen Formen von 
starobm abweicht. 

Zeitschrift für Deutsche Mundarten. VI. 14 


210 R. Block. 


Nach 8 18 ist as. er vor d zu eeor- geworden, wodurch sich Nenn- 
form veearn (as. wérdan) und Plur. Praes. veesrt (as. wéerdad) ergeben. 
Im Singular wird das ¿ von as. wirdu, wirdis, wirdbid zu e (werthid 
Essener Glossen) und nach $ 23 weiter zu a, so daß sich in 2. 3. Sing. 
die Formen varst, vart entwickeln, in der 1. Pers. Sing. dagegen: nach 
$ 33 rveeara ergibt. 

$ 265. Schwach geworden sind melakan melken, dösen, dreschen. 


4. Ablautreihe. 
as. Gi a d 0. 
E. a) eee aa ai 00. 
b) ee(ee) 008 0082 000. 

§ 266. a) neeəņm nehmen, b) dreepm: treffen. 

Praes. Das as. ë ist in der 1. Pers. Sing. und im Plur. zu ver- 
schiedenen e entwickelt, wir finden ee, ee und ee (vgl. Lautlehre). Da- 
bei werden die letzten beiden nicht scharf auseinandergehalten. Es 
scheint hier ein Entwicklungsübergang vorzuliegen. In den meisten 
Nachbargemeinden ist das geschlossene ee < as. € weit seltner als in 
Eilsdorf. 

neeama, nimost, nimat; neesmat 
dreepa, dripast, dripat; dreepat (auch ee) 
breeka, brikast, brikot; breekat. 

Praet. Nur die Wörter mit Nasenlaut nach dem Wurzelvokal haben 
sich regelmäßig weiter entwickelt, indem in der Einzahl aa, in der Mehr- 
zahl a < mndd. & eingetreten ist. 

a) naáúm, náámest, nádm; naím (nadm). 

In der Mehrzahl schwankt allerdings der Sprachgebrauch zwischen 
az und aa. Um sie vom Konjunktiv, der auch a: hat, zu unterscheiden, 
wird die Mehrzahl oft der Einzahl angeglichen. 


Von der Gruppe a unterscheiden sich die Zeitwörter mit Schmelz- 
laut vor oder nach dem Wurzelvokal. 


b) droosp, drooapst, drooap,; droospn. 


Wie Holthausen für die Soester Mundart und Teuchert für die 
neumärkische (diese Zeitschrift 1907, S. 326) Beeinflussung der 4. Reihe 
durch die 2. Reihe annehmen, so muß auch das ooo des Praet. der 
4. Ablautreihe in der Eilsdorfer Mundart auf Angleichung an die 2. Reihe 
zurückgeführt werden. Die 6. Reihe hat das mndd. ö im Praet. laut- 
gesetzlich zu au/oö entwickelt. Man kann auch nicht Einfluß der 
6. Reihe vor der Zeit der Entwicklung ô > au annehmen; denn das ô 
der 6. Reihe hatte andern Lautwert als das ö der 2. Reihe (vgl. $ 176). 
Die Entwicklung stellt sich vielmehr so: 


2. Reihe: as. ö1 > mndd. ö? > Eilsd. 003 ($ 60). 
D sw :as. 6? >mndd. ô! > Eilsd. au ( 63). 


Die Mundart von Eilsdorf. 211 


Den Anstoß zur Angleichung hat vielleicht der —Wurzelvokal des 

Mittelwortes der Vergangenheit gegeben: 
2. Reihe:as. o > mndd. tl. o > Eilsd. 00%; mnd. gegoten. 
4. „ :as. o > mndd. tl. o> Eilsd. 00%; mndd. gedropen. 

(Vgl. auch Nerger, Mecklenb. Gram. S. 73 und Mackel, Die Mund- 
art der Priegnitz, Nd. Jb. S. 93 über Beeinflussung durch die 6. Reihe.) 

Konjunktiv. Der Opt. Praet. wird in Gruppe b regelmábig durch 
Umlaut o:ö gebildet, in Gruppe a dagegen nach § 48 durch ai:naima, 
kaima. 

Part. Praet. anoosm, ədrooapm. 

$ 267. Wie 4a gehen 

neeont nehmen; mit abweichender Gegenwart und N ennform kooam 
(as. kuman) kommen (koooma, kumost, kymat; kooomal). 

§ 268. Schwach ist geworden zek teem sich gönnen. 

§ Zon Nach 4b gehen 

dreepm treffen, breeky brechen, spreeky sprechen; mit schwachen 
Gegenwartsformen steeln stehlen. Nur im Part. Praet. steht jabooarn 
geboren. Aus der 5. Reihe ist sieeky zu Gruppe 4b übergetreten. Wie 
steein haben schwache Gegenwart sweern schwären, Seearn scheren; im 
Praet. schwankt man zwischen starken und schwachen Formen, das Part. 
Praet. ist bei sweern nur stark, bei $eern stark und schwach. 


Anmerkung. Aus der 5. Reihe ist steeky stecken zur 4. Reihe (Gruppe b) über- 
getreten, wohl unter Einfluß von dreeky und spreeky. 


5. Ablautreihe. 


as. €, 4 a d € 

E. a) ee‚t aa ai eed(ee, e). 
b) o, aa at a. 
c) t aa at ee. 


§ 270. a) jeeobm geben, b) zain sehen, c) ztn sitzen. 

Praes. Die Zeitwörter der 5. Reihe gliedern sich in der Gegen- 
wart in solche mit einfachem Stamm (a u. b) und solche mit alter j- 
Endung. Die mit einfachem Stamm haben die mit altem k nach ¿ als 
neue Gruppe (b) abgezweigt. Dieses ¿ vor h ist az geworden ($ 22), wo- 
durch hier die Nennform, die 1. Pers. Sing. und der Pl. Praes. und das 
. Mittelwort der Vergangenheit betroffen sind. Mit dieser Entwicklung 
sind einige Zeitwörter der 2. Ablautreihe angeglichen, indem auch die 
2. und 3. Pers. Sing. Praes. das & dieser Reihe angenommen haben. 

| a) jeeowoa, jifst, jift; geeowot. 
b) zat, xútist, xuut; xatl. 
c) xzto, zulst, zit; xit. 
Praet. jádf, jddfst, jadf,; jaibm. 

Das Mehrzahl-a:, das aus mndd. e entwickelt ist, wird wie bei der 
4. Reihe (8 266) manchmal mit «a vertauscht. 

14* 


212 R. Blook. 


Konjunktiv. Der Stammvokal des Konj. ist in allen 3 Gruppen az. 
Part. Praet. a) ajeesbm. 
b) azain. 
c) oxeetn. 
$ 271. Wie 5a gehen 
jeeabņm geben, eein essen (mit kurzem Stammselbstlaut im Part. 
Praet. sjetn), freetn (ee!) fressen, forjetn vergessen ist nur noch im Part. 
Praet. stark (mit kurzem Stammselbstlaut: forjetn). 


Anmerkung. jeeobm lautet auch in Formen mit dunklem Stammselbstlaut, also 
im Praet., mit dem Hartgaumenreiber j an, Es liegt Beeinflussung durch die Formen 
mit hellem Selbstlaut vor ($ 124). 


$ 272. Wie 5b gehen 
zain sehen, 3ain geschehen ($ 270). 


$ 273. Wie 5c gehen 

Zeitwörter mit alter Jj-Endung: tin sitzen ($ 244, Anm. 2), lijan 
liegen. Durch Schwund des inlautenden einfachen g ($ 126) in der 
2. und 3. Pers. Sing. Praes. ist Dehnung eingetreten ($ 30): list < as. 
ligis, liit < as. ligid. Die Formen mit altem Doppel-g haben den stimm- 
haften Hartgaumenreiber behalten: Juan < as. liggian, lije< as. liggiu, 
lijat < as. liggiad. Im Sing. Praet. tritt z für j ein ($ 125): liáx, 
lååäxst, lååx. 

$ 274. Von as. wésan sein ist nur noch das Praet. in starker Form 
gebräuchlich, während das Mittelwort schwach geworden ist: əvest ge- 
wesen. Das Praet. hat in der Einzahl das r der Mehrzahl aufgenommen, 
so daß der alte grammatische Wechsel s/r hier aufgehoben ist: våår, 
väärst, väär. In der Mehrzahl haben wir die eigentümliche Erscheinung, 
daß für die regelmäßige Form våárn oft die konjunktivische vgrn ein- 
tritt, ohne daß für den Konjunktiv eine neue gebildet würde. 


§ 275. Schwach sind geworden kneen kneten, meetn messen, veen 
wiegen, forjein vergessen (mit starkem Mittelwort), leexon lesen (mit 
starkem Praesens). 


$ 276. In die 4. Reihe ist steeky stechen übergetreten. 


6. Ablautreihe. 


as. a 0? 02 a. 


oo 


E. a) dá au oi åå 
ba 4 u u 
$ 277. Die Zeitwörter der 6. Ablautreihe mit einfachem Praesens- 
stamme gliedern sich in zwei Gruppen: a) Wörter, die im As. einfachen 
Mitlaut, b) Wörter, die im As. mehrfachen Mitlaut nach dem Stamm- 
selbstlaute haben. Bei jenen ist Dehnung eingetreten, bei diesen Kürze 
erhalten bezw. eingetreten. 
$ 278. a) dráán tragen, b) vasan wachsen. 
Praes. von a) dráá, dreest, drect; dräät. 


Die Mundart von Eilsdorf. 213 


Über den Mitlautschwund und die AbstoBung der Endung der 
1. Pers. Sing. vgl. $190, 5. 

b) vasa, vasost, vasat; vasat. 

Praet. In der Gruppe a ist regelmäßige Weiterentwicklung erfolgt, 
indem as. 6? zu au geworden ist ($ 63). In der Mehrzahl ist Umlaut ein- 
getreten. | 

a) draux, drauxst, draur; droin. 

In Gruppe b aber ist das as. ö? durch den mehrfachen Mitlaut zu 
o und weiter zu 4 gekürzt worden. Dadurch ist das Praet. dieser Gruppe 
mit der Gruppe a der 3. Ablautreihe zusammengefallen. 

b) vys, vusast, vys; vysan. 

Part. Praet. a) adráán. 

b) avysan (unter Angleichung an das Praet.). 


8 279. Wie draän tragen geht noch 
sláán (as. slahan) schlagen. Bei sláân hat sich in der 2. u. 3. Pers. 
Sing. Praes. a? < as. ahi entwickelt: slaist, slait. 


$ 280. Wie vasan wachsen geht noch 
vasan (as. waskan) waschen. Hierher gehört auch das Praet. siynt, 
stun zu as. standan ($ 303. S. Holthausen, As. Elementarbuch $ 445). 


$ 281. Von den Zeitwörtern mit alter j-Endung ist nur noch sweern 
schwören teilweise stark. Das Praet. schwankt zwischen starker und 
schwacher Biegung. Die starke Biegung hat wie auch das Part. Praet. 
den Stammselbstlaut 009 wie die 4. Reihe, Gruppe b. Es liegt hier wohl 
Angleichung an sweern schwären ($ 269) vor. Zu beachten ist, daß schon 
in den Oxforder Glossen des 11. Jahrh. das Mittelwort forsworen vor- 
kommt. S. Holthausen, As. Elementarbuch § 444, Anm. 2. 


§ 282. Der Gruppe 6a haben sich im Praes. und Praet. angeglichen 
die schwachen Zeitwörter från fragen, ján jagen. 


$ 283. Schwach sind geworden 
lāåûn laden, baky backen, zráábi graben, saab schaben; hkeçbm 
heben, laxən lachen. 


Ursprünglich reduplizierende Zeitwörter. 

§ 284. Die alte Bildungsweise durch Reduplikation der Wurzelsilbe 
ist schon im Altsáchsischen nicht mehr wirksam. Statt dessen ist ein 
neuer Ablaut eingetreten. 

Erste Klasse. 
as. a e Ë a. 

$ 285. Zu dieser Klasse gehören Zeitwörter mit kurzem Stamm- 
selbstlaut + Doppelmitlaut. Da jedes Wort seine eigene Entwicklung hat, 
werden sie einzeln aufgeführt, 


214 R Block. 


a) Der kurze Selbstlaut ist erhalten. 

faln fallen; falo, falst, falt, falt; folt, foln; fla, föln; afaln. 

feyon fangen; feya, feyast, feyat, feyot; foyk, feyan; fóya, fóyan; 
afoyan. Statt dieser starken Formen von feyan dringt immer mehr die 
schwache Biegung mit e im Stamme vor, wie ja auch schon die an- 
geführten Praesensformen als schwache anzusprechen sind (vgl. $ 286). 

Hierher gehört ferner das Praet. juyk ging, mndd. gunc, Plur. juyon 
(8 302). 

b) Der as. kurze Selbstlaut ist gedehnt. 

hooaln halten; hooala, hölst, hölt, hooalt; hailt, hailn; hailo, hailn; 
ahooaln. Zu 009 <as. a vgl. $9. Das aj des Praet. ist wohl auf das 
nach d-Schwund gedehnte e wie auch auf Beeinflussung durch die Prae- 
teritumformen der 2. und 3. Klasse zurückzuführen. 

$ 286. Zur schwachen Biegung sind übergetreten keyan hangen, 


span spannen. 
Zweite Klasse. 
a) as d E Ë À 
E oa at at du. 
b) as. é! E Ë él 
E. eeo a oi eea. 


8 287. a) Zeitwörter mit langem a im Praesensstamme. 

laatn lassen; ladta, letst, let, laat; lait, laitn; laita, laitn; olaatn. 

slúâpm schlafen; sliúpa, slüpast, slöpat, slââpat; slaip, slaipņ; slaipə, 
slaipm; aslädpm. 

forúa'n verraten; foráa', forétst, forét, foráa't; Praet. fehlt; foraa n. 

b) Zeitwórter mit langem e im Praosensstamme. 

hecatn heiBen; heeata, heist, het, heeat; halt, haitn: haito, hattn: 

gheeatn. 


$ 288. Schwach sind geworden 
brún braten, blázon blasen, raan raten, „ain säen. 


Dritte Klasse. 


a) as. 0? eo, 0 eo, io oi 
E. au ai at au. 
b) as. öl co, 10 co, io OL 
E. 009 al al 003. 


$ 259. Die Gruppierung in dieser Klasse richtet sich nach der 
Herkunft des as. ö und dem entsprechender Entwicklung der mundart- 
lichen Laute ($S 60, 63). 

a) Mit mundartl. aw < mndd. ó < as. ô? < westgerm. ô im Praesens- 
stamme. 

raup rufen; raupa, repost, ropat, raupat; raip, raipm; ratpo, 
raipyi; oraupne. Uber ai < as. io vgl. $ 69. 


Die Mundart von Eilsdortf, 215 


b) Mit mundartl. ooo < mndd. ô < as. ô! < westgerm. au im Praesens- 
stamme. 

looopm laufen; looapa, löpast, löpat, looapa; laip, laipm; laipa, laipm; 
alooopm. 

Mit Umlaut: siööatn stoßen; stöösta, stötst, stöt, stööst. Praet. fehlt. 

§ 290. Schwach ist geworden im Part. Praet. 

stööstn stoßen : astöt gestoßen. 


Schwache Zeitwörter. 
Über die Endungen vgl. $190. 


a) Der Stammselbstlaut bleibt unverändert. 
«) Zeitwórter mit zweisilbigen Gegenwartsformen. 

8 291. b: zlööebm glauben; zlööowa, zlöörwast, zlööwat, zlööswst; 
alóvowo, zlööabm (8 245 Anm.); azlööswalt. 

Ebenso leesbm leben, stööğəbm stáuben, aroby» erben, forzarabn 
verhauen. 

f: stroifon umherstreifen; strovfa, stroifast, stroifot, stroifot; stroifa, 
stroifen; astroifat. 

k: kooaky kochen; kooaka, kooakast, kooakat, kooakat; kooaka, kooaky; 
akooakat. 

Ebenso rooəky rauchen, böləkən aus vollem Halse schreien, veky 
wecken, mädäky machen, stuuky stauchen. 

m: barm jammern; barama, baramast, baramat, baramat;, barama. 
baram; abaramıat. 

Ebenso swürn schwimmen. 

p: sleeapm schleppen; sleespa, sleespast, sleeapat, sleeapat;, sleeapa. 
sleeepm; asleeapat. 

Ebenso pm schöpfen, jap jappen. 

s-Laut: voxan verschwenden; voixa, voixast, voixat, voixzat; voixo, 
voixan; avorzot. 

Ebenso banzan Stroh packen, viixən weisen, jüiüzən gären, fleetson 
flegeln, viSan wischen. 


B) Zeitwörter mit einsilbigen Gegenwartsformen. 

$ 292. —: buun bauen; buu, buust, buut, buut; buu, buun; obuut. 

Ebenso straun streuen, düiin deuten (3. Pers. Sing. Praes. düüt, aber 
badiit bedeutet), striin streiten, hoin hüten, bloin bluten, Süün scheuen. 

l: dailn teilen; datla, dailst, dailt, dailt; dailə, dailn; ədailt. 

Ebenso hailn heilen, foiln fühlen, meln melden, teln zählen, sijdli 
schütteln, kááln holen, fiiln feilen, khuuln heulen, jauln heulen, koeli 
kühlen. 

n: ner nennen; nena, nenst, nent, nent; nena, nen; ment. 

Ebenso ker kennen, ver wenden, rep rennen, reep regnen, st 
(dansün aufhetzen). 

r: foirn fahren; foira, foirst, foirt, foort; foira, foirn; afotrt. 


E. Block. 


Ebenso «crn ‘oren. ‘ceorn zehren. reearn wehren, züürn säuern, 


munr Mauer. 
sel onain TOSTI: HSE. HNE. mest. rust; rusta, rust; oryst. 
Tpenso -~x Surfen. vesin misten. 
IO Iemm Seren: rui. ISK. zer. vet: zeta, zein; dl. 


Soense ain Jucan. nuin nützen. 


-Der rrammrte.cstiaut werd verändert. 


Leens, dorst, doft, dööopat; dofta, doftn; 


` va) i 5 en ver - 
Z% A3. Pz SÉ? +... bano os 
Ié dë 7 
er) e? AAA 


sto uf, José: dots, botn; abot. 
"et, zeef, zendt: zorta, zorin; zğetə, 


YET O 
tw, ëmge rs det Aaler, dennat, deykot; daxto, daxtn; 

bins ES. wike 
fen eere iaat, Dud, bra brorta, broxtn; 
, ai ee, an, ai ds Aribead): harre (< mndd. 


hond oe emd bied opn ARE OOI, UAL IRAE. 
N. on AM tar. A see (s< mndd. séde < segde), 


Md. ar» 
a 2 
e ee 
iw Y Ty”. rm. ah LA UY E v 
A to Ge est id A Nt dla 


ver, onto, custast, vusto, vustn; 


SN SS ~N 
BETTER RR iS. 

Loer A Ne Eri der trecenwart hat e < as. € 
wrer ii hb Zut Mann Ad ser Nomszırm entwickelt 


noorest ot t dorta, doxtn; odoct. 


Ss odo ke et ROA, a ES . 
e ` ` ~- N ` S Z 5 A] 
Uber 2 Aën An, BE ver y-Sebwund $ 126. 


a 
S 200. al Nasettau: — ) EE 
arasia oni Runa, kon: küna, köy; akont. 


> 
s . ` . e 
htt MAENE E EE 


lia Sing, Pracs. sst Mer das aite u > Praet. der 3. Reihe ($ 261) 
Ubergang vs Si 


b) » — Mitlaut. 
doöərn Adrien; diora, decorst, dööort, dööort; dorsto, dorstn; dörsta, 


vrhalten. 


dorst, velorst. 
Das as. urban = Eilsd. *dorbia ist durch dööorn < as. durran wagen 


und seine Formen ersetzt. Der Sing. Praes. ist dem Plur. dööart < 


*durrun angeglichen. Man vgl. 


N 


Die Mundart von Eilsdorf. 217 


as. mndd. E. 
Praes. Sing. dar dars, dor dööərə. 
j Plur. durrun dorren, dören dööart. 
Praet. Sing. dorsta dorste dorste. 
5 Plur. dorstun dorsten dorsin. 


4. Ablautreihe. 
§ 297. zöln sollen; zal, zust, zal, zilt; zola, zost, zolə, zpln; zgla, 
xüln; axplt. 
Die eigentümliche Entwicklung as. sk >% beginnt schon im Alt- 
sächsischen, wie die Form thu salt in der as. Genesis 77 zeigt. 


5. Ablautreihe. 
S 298. mööan mögen; mar, maxrst, mar, mööst; moaxta, moztn; 
mûcta, mietn; amozxt. 
6. Ablautreihe. 
S 299. mötn müssen; not, most, mot, möt; mosta, mosin; mösta, 
möstn; amost. 
In allen Formen ist Kürzung des as. Stammselbstlautes eingetreten 
(as. mölan; möt; mösta). 


Unthematische Zeitwörter. 
l. ziin sein. 
§ 300. bin, bist, is, zint; våår, våårst, våår, våârn, vörə, vörn; 
awest. Imper. zii, zat. 
Das Praet. und Part. Praet. gehört zu wésan ($ 274). 


2. daun tun. 

$ 301. dau, daist, dart, daut; daát, daatst, duat, doin; do?, doin; 
ədåän; Gerundium tə daun. 

Das at in der 2. und 3. Pers. Sing. Praes. ist wohl durch An- 
gleichung an die entsprechenden Formen von gåån, släún, ståân ent- 
standen. Im Plur. Praet. ist doin statt *dáán aus dem Konjunktiv herüber- 
genommen. | 

3. zádn gehen. 
8 302. záa, zaist, zait, zádt; juyk, juyan; jiya, Jiyon; azádn. 
Das Praet. gehört zu as. gangan; vgl. § 285. 


4. staan stehen. 
$ 303. stád, starst, stait, stadt, stunt, stunst, stunt, stwu;, stüna, 
stijn; astâán. 
Das Praet. gehört zu as. standan in der 6. Ablautreihe (8 280). 


5. viln wollen. 
S 304. vel, vut, vil, vilt; vola, vest, vola, roln; Konj. fehlt; avolt. 
Zum « der 2. Pers. Sing. Praes. vgl. mndd. wult neben wilt. 


218 Edmund Protsch. 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 
Von Edmund Protsch. 


B. Das Hausgefitigel 
A. Allgemeines. 


Ein allgemeiner Ausdruck für »Geflügel« fehlt. Die Tiere werden 
mit ihren Gattungsnamen aufgeführt. »Geflügelzucht betreiben« wird um- 
schrieben: di hala an gants Soor hiņgəl; di halə gens, endə usw. Die 
Begattung wird allgemein mit redo bezeichnet. Die weiblichen Tiere leea 
eiar,; di eiar weero dusgobriüt. Als besondere Teile des Vogelkörpers sind 
Schnabel, Flügel und die Federn hervorzuheben. midom ¿naawol piga 
xə ded fuuro uf. 3naawal bildet die Mehrzahl mawsl, Dim. ¿navwelca, 
M. Snewelcar. di feero (M. feerara; Dim. feeraca, M. feeracar) besteht aus 
dem keil, auch feerakerl = Federkiel und aus dem baart = Fahne. Be- 
zeichnungen für Schaft, Spule und Seele der Feder fehlen. Als Arten 
werden unterschieden: di flåumə = Fiaumfedern, di šwantsfeęrərə und 
di feęrərə fun də fliidcər (von den Flügeln). Die Federn dienen in erster 
Linie zum Füllen von Kissen und Decken: feera-kisa un feera-dega weera 
gosdobt. Die Schwanzfedern der Hühner, Enten und Gänse werden zum 
Putzen von Samen und Pfeifen, als Pinsel zum Ölen und zum Staub- 
fegen benutzt. Um die Federn zu gewinnen, weera gens un enda garobt 
(gerupft). Flügel heißt in der Mundart de flüd, hat also weibliches Ge- 
schlecht, M. fliidə; Dim. fleideo, M. fliideor. di flüida sind je nach der 
Beschaffenheit groos oder ken, layg oder kports, Sdaarık oder šwaz. 

Mit Snaawal wird zuweilen auch der Mund des Menschen, besonders 
einer vorlauten Person bezeichnet; daher wird eine solche zur Ruhe ver- 
wiesen: hal mpool deina ¿naawol! Manchmal geht sogar der Ausdruck 
Snaawal auf die ganze Person über: zc losa mar dor fun deem griin- 
Snaawal nid wart mául faara, d.h. nichts gefallen. Wer früh aufsteht, 
mict zic frit Aus da feerars. Schafft sich jemand neue Kleider an, so 
horar zic nor amogl gafgerart. dau hos’die aarıc garobt (oder auch ga- 
Sitralt), sagt man zu jemand, dem man ansieht, daß er von einer Krank- 
heit hart mitgenommen wurde. Ist jemand durch irgend einen Umstand 
in seinen Erwartungen getäuscht und dadurch kleinlaut geworden, so 
leest or di flitdcor heygo, oder man sagt auch (in Anspielung auf ge- 
zähmte Vögel, denen man die Flügel beschnitten hat): vwei zin am di 
flüidear gəšdimbt (šdimbə = stutzen, abgeleitet von šdumb = stumpf). 


B. Die einzeinen Tiere. 
1. Das Huhn. 
Die allgemeine Bezeichnung ist hijgol, womit zugleich im beson- 
deren das weibliche Tier bezeichnet wird; M. Arygsl, Dim. hiygalca, 
M. hiygolcor. In manchen Gegenden des Hunsrücks, besonders den an 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 219 


die Mosel angrenzenden Gebieten, findet sich für Huhn teils ausschließ- 
lich, teils neben Aiygal der Ausdruck pul, M. pula, Dim. pilco, pilcor. 
Dieses Wort stammt zweifellos vom französischen la poulle = Huhn und 
wurde zu jener Zeit übernommen, als das linke Rheinland unter franzö- 
sischer’ Herrschaft stand. Das männliche Tier heißt kaan, M. haano, 
Dim. henca, hencor. Das brütende Huhn führt den Namen glug, 
M. glugo. Ein Huhn ohne Schwanz ist ein 30d-hingal oder ein Sodort. 
hod da haan dad hiygal goreit, so bod od ei do haanasdic, d.h. es ist 
begattet, so daß sich der Keim ausbildet. Der Keim ist geradezu da 
haanaëdic. Neigt ein Huhn zum Brúten, hat es wohl gar schon ear 
aygobriit, so ist es bri, wobei es einen glucksenden Ton hören läßt: 
ad glugst. lee-britec ist ein Huhn, das schon gluckst, aber noch Eier 
leg. Will man ein Huhn am Brüten hindern, so weerd ad gesdilabt 
(gestülpt), indem es in einem kalten Raum unter einen Korb gesetzt 
wird und 3 Tage lang kein Futter erhält. Zuweilen weerd ad hingal in 
wasser geduygt (getunkt), indem man es bei den Flügeln faßt und mit 
dem Hinterkörper in kaltes Wasser eintaucht, worauf es dann geëdilabt 
wird. Das brütende Huhn darf nicht vom Neste verscheucht werden, 
da es sonst nicht weiterbrütet; daher werden Kinder und fremde Per- 
sonen gewarnt: farjee (verjage) oder farseie nid ad hiygal fum nisd. Die 
Küken werden juya hiygelcar genannt. In dem oben erwähnten Bezirk 
wird dafür pileor gesagt. 

Von den Körperteilen sind besonders zu nennen: 

l. də kamb = Kamm, M. kem; di hiygol hon o klænə kamb, də haan 
An greesara, 

2. di labə = die Fleischlappen unterm Schnabel: wad hod dee haan 
groosa labo! 

3. di $boora = die Sporen des Hahnes. 

di hiygal weera mid geersd, haawar un. grumbeera gafitrot (gefüttert); 
daneben erhalten sie im Winter zur Bildung der Eischale Alen gaklobda 
däugh-Sden = zerstampfte Tuffsteine (mit Tuffstein bezeichnet der Huns- 
rücker jedoch die Schwemmsteine). Die Hühner suchen sich auch selbst 
fuurə; xə xuuxo xic keera (Körner), weerom (Würmer) und uygətsiifər un 
Sera (scharren) da yantsa mist doorıcananar. 

Wenn bei den Hühnern der Kamm zu wachsen beginnt und zal 
wird, so feyo za Swin aan 29 lees (legen). Legt ein Huhn viele Eier, so 
is ad fleisw; an fåuləd dolt deg (pausiert oft). Mitunter kommt es vor, 
daß ein Huhn die Eier fordreet = verschleppt, d. h. es legt sie nicht in 
sein Nest, sondern in ein fremdes Nest oder an einen unbekannten Platz. 
Um diese Untugend dem Tier abzugewöhnen, fisadeert (visitiert) mar dad 
hiygal, ehe man sie alle aus dem Hühnerhaus läßt, und sperrt es ein, 
bis ad galaart hod. Um die Hühner an das Nest zu gewöhnen, legt man 
an nist-et hinein. Dazu verwendete man früher Hühnereier, die natür- 
lich bald schlecht wurden und also verloren waren. Als Ersatz gebrauchte 
man damals schon entleerte Eierschalen; an deren Stelle traten in neuerer 


220 Edmund Protsch. 


Zeit gibs-giar. Zuweilen findet sich bei einem Huhn noch die weitere 
Unart, daß es. ein Ei aanpigt oder gar frist. Der Hahn leet bekanntlich 
kruma eier. 

Das Eu: e, M. ear, Dm gea, M. eiarcar, besteht aus dor Saal 
(M. 3aala, evar-Saala), dor fleem = Eihaut, dem eiweis und dem doors = 
Dotter. Wird ein ungekochtes Ei ausgeblasen, so bezeichnet man die 
leere Schale als a” dusgablopsa et. Am Ei unterscheidet man di $bits, 
do aars — stumpfes Ende und di zeidə. In der Kindersprache führt das 
Ei häufig den Namen gagagca. Ein sehr dickes Ei ts zoo groos wii fun 
or gans, ein sehr kleines ds wit on däusa-ei. Das schallose Windei wird 
fleem-ei, in Kirchberg auch 3aalas-ei = schalloses Ei genannt. 

Mit Hühnerzucht befassen sich die Hunsrücker Bauern nur wenig. 
Die Eier werden verkauft, soweit sie nicht im eigenen Haushalt Ver- 
wendung finden. reea = rohe, ungekochte Eier werden selten gegessen. 
Meist werden sie gekocht: gakoxda oder gazpprana eiar oder zu Eierkuchen 
gebacken: 23 weera gabag. Je nachdem man die Eier längere oder kürzere 
Zeit kocht, der Inhalt also fest wurde oder noch flüssig ist, spricht man 
von hart oder weic yakoxda eiar. eiarsmeer ist eine Art Rührei, mit 
Milch und Mehl zubereitet, die als Brotschmiere dient. Daß die Eier 
noch sonst zu allerlei Speisen gebraucht werden, ist selbstverständlich. 

Am geschätztesten sind die Eier zu Ostern als oosdar-eiar. Während 
sich in neuerer Zeit das Färben mit künstlichen Farben mehr und mehr 
einbürgert, wurden die Eier früher mit tsiiwəl-šiilə = Zwiebelschalen 
gefärbt, die ihnen eine gelbbraune Farbe, oft mit Flecken verlieh. Seltener 
wurde als Farbstoff Baumschwamm verwendet, womit die gleiche Wir- 
kung erzielt wurde. Mitunter wurden auch Blätter früh sprossender 
Pflanzen um die Eier gebunden und diese dann in die Zwiebelschalen- 
beize gelegt, worauf auf gelbbraunem Grunde allerlei grüne Zeichnungen 
entstanden. Die oosdar-eiar breyt oder leet də oosdar-haas, dem die 
Kinder am Charsamstag nistcor dus dana-reisor, háu (Heu) oder 3droo 
max3. Die Hauptbelustigung bildet, besonders für die Kinder, dad keba, 
in Kirchberg Pia genannt (das Kippen). An manchen Orten, z. B. Kirch- 
berg, fand es früher öffentlich und im groBen statt, indem sich an den 
beiden Feiertagen nachmittags die Schuljugend und die schulentlassene 
Jugend (selbst ältere Personen) auf dem Markt- oder Kirchplatz zusammen- 
fand und bis in die Nacht dem Kippen oblag. Zumeist spielt es sich 
jedoch im Hause, in der Familie oder doch im nächsten Verwandten- 
und Bekanntenkreis ab. Auf die Aufforderung: kum, mər wilə aax əmọọl 
keba! folgt die Frage: wad họs'də dan? Die Antwort lautet je nachdem: 
eic hon a gants et (wenn es noch unversehrt ist), nox ə $bits oder noorost 
an aars, Der Gegner muß natürlich ein Ei gleicher Art haben. Wird 
bei »ganzen« Eiern dem einen die Spitze, dem andern das breite Ende 
eingeschlagen, so ist das Spiel unentschieden: za hon fardoorwana gamaz. 
Wer aber siegt, indem er dem Ei des Gegners beide Enden oder, wenn 
nur ein Ende noch ganz war, dieses einschlägt, gewinnt damit das andere 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 221 


Ei. Zuweilen wird Betrug mit bec-eior (mit Pech gefüllte Eier) beim 
Kippen geübt. Wird aber der Betrüger erwischt, so folgt die Strafe auf 
dem Fuße: Er wird mit faulen Eiern beworfen. Hin und wieder kommt 
es vor, daß einzelne (meist ältere) Personen das Kippen sozusagen ge- 
werbsmäßig betreiben, indem sie einige Wochen vor und nach Ostern 
mit ungefärbten Eiern von Haus zu Haus gehen, um sich durch Kippen 
eine größere Anzahl Eier zu gewinnen. 

In Laubach findet sich noch eine andere Belustigung mit Oster- 
eiern: eiar-Seiwala in ar bits pora in am rec. Unter bits ist ein mit 
Bäumen bepflanztes und mit einer Hecke eingefriedigtes Grasstück zu 
verstehen. Zieht sich ein solches Grasstück einen Abhang hinunter, so 
heißt es rec. Kinder lassen einen solchen Abhang Eier hinabrollen oder 
3eiwala (abgeleitet von 3eiwal = Scheibe). Trifft ein Ei ein schon unten 
liegendes, so hat der Besitzer des zweiten Eies auch das getroffene ge- 
wonnen. 

Der Raum, den man den Hühnern zum Aufenthalt des Nachts und 
als Niststätte anweist, führt in der Regel den Namen kinygals- häus; doch 
sei erwähnt, daß dafür im Dorfe Raversbeuren (wo auch für Henne pul 
und für die jungen Hühner pilcor gesagt wird) der Ausdruck hiinər- 
zersl im Gebrauch ist. Aus Zweckmäßigkeitsgründen ist dad hiygals- 
heisja über dem Viehstall untergebracht. Damit die Tiere dorthin ge- 
langen können, ist außen am Stall in kurzer Entfernung über dem Boden 
eine leichte, schmale Leiter angebracht, die schräg zur Tür des Hühner- 
stalles führt; sie hat nur einen Leiterbaum, in dem die Sprossen stecken, 
während der äußere Leiterbaum fehlt. Das ist di hiygols - ledar oder 
dad hingals-ledarca. Das Schreien der Hühner bezeichnet man als gegsa 
oder gagsa, das des Hahnes als krego oder krejeero. Der Hunsrücker 
Bauer schlachtet nur selten ein Huhn, meist nur dann, wenn das Tier 
wenig Eier legt. Es wird dann zu Suppe verwendet, zu h2ygals - brit. 
Das Mästen von Hühnern wird von den Bauern nicht betrieben. Die 
Gasthofsbesitzer in den kleinen Landstädtchen des Hunsrücks mästen 
selbst Geflügel für ihren Wirtschaftsbedarf, und zwar ist diese Arbeit 
eine Obliegenheit des Laufburschen, der deshalb den Spottnamen haana- 
juy führt. Die jungen Hähnchen, die zu mästen sind, werden gakabt — 
geschnitten und heißen dann kobäun. 

Von den Hiihnerkrankheiten ist besonders də pips zu erwähnen. 
Eine weitere Plage bilden di hiņgəls - flee; zu ihrer Vertreibung verwendet 
der Landmann frisches Erlenlaub, das er in den Hühnerstall wirft. Wenn 
im Winter die Erde mit Schnee bedeckt ist, kann man die Hühner nicht 
ins Freie lassen, weil sie geblendet werden: za zin Sneeblind. Gelockt 
werden die Tiere mit dem Ruf: bibibibibib, kum bibibibibib! go3eict (ge- 
scheucht) dagegen mit sl si hus! Im Kindermund heißt das Huhn 
bibolco, M. biibolcor, der Hahn henco, M. haencor. 

Bei der Bedeutung des Huhnes ‘für die Haus- und Landwirtschaft 
ist es erklärlich, daß Huhn, Hahn und Ei vielfach Verwendung in Redens- 


222 Edmund Protsch. 


arten und Sprichwörtern gefunden haben. Wenn der Bauer auch sparsam 
im Verbrauch der Eier ist, so weiß er doch, daß sie den Wert der Speisen 
heben, das beweist die Redensart: an eö fardeerabt iiwəral neist. Den 
Taugenichts kennzeichnet man mit den Worten: de kerl is nox ka dus- 
gablposo ei weert. Wer vorwitzig ist oder sich um Dinge, die noch in 
der Zukunft liegen, unnötige Sorgen macht, muß sich sagen lassen: 
zoorıc nid fpgr uygalaaxda ear! håut zə daar zin di evor gəšeidər as 
di hiygal, di xa golaaxt hon, sagen sich wohl manche Eltern, deren 
Kinder sie eines Besseren belehren wollen. Der überkluge Mensch wird 
verspottet: deem zei hingal leea tsweimppl do daax un gen nox di kafı- 
milic! Das Ei dient selbst als Gegenstand im Rätsel: mar weeraft ad 
weis uf də dax un geel kimts ərunər; wad is dad? Wer abends früh 
zu Bett geht, geet meid do hiygel Sloofs. Ein unordentlich gekämmtes 
Frauenzimmer ts ən Sdrub-hiygal und zeit dus, als wen ad hinar zic 
dus om hingals-heisja räusgakrox weer. Schulentlassene Mädchen werden 
rob-higgal oder robıca diyar geschimpft. Wer seine Gedanken nicht bei 
der Arbeit hat und diese dadurch verkehrt macht, ist an dol hiygal. zoo 
ən glug! zoo on alt glug! sind Schimpfworte für Frauenzimmer. glugs- 
dreg wird eitlen jungen Leuten als Bartwuchsmittel für den Schnurrbart 
empfohlen. Mit keygals-knora bezeichnet man einen dürren Menschen. 
Vor Kälte oder vor Schreck bekommt man hiyals-häut, di eno Üiwerleft 
(nicht Gänsehaut, wie im Hochdeutschen). Der Zornige, leicht Auf- 
brausende dagegen kriit gleic ən kob wii ən haan. Wer sich vorzeitig 
auf eine Sache oder einen Erfolg freut, wird gewarnt: gags nid xə frii! 
oder auch: gegs nid, ebs da golaaat host! Verzählt sich jemand bei einer 
Sache, so sagt man ihm: mə mænt, də kinst noorə bis drei tsiilə, wii 
di hiygal; auch, wer sich täppisch anstellt, wird so zurecht gewiesen. 
Wer sich fromm oder tugendhaft stellt (ohne es zu sein) und es durch 
allerlei Gebärden dartun will, fordreet di duo wit on haan, wen ar kreet. 
Einen Menschen mit dem »bösen Blick« kennzeichnet die Redensart: 
wen dee em in do huub (Hof) ənin gugt, doo frege em di hiygal. Wie 
beherzt muf aber der sein, von dem man sagt: dee hod koraas, dee geet 
mir am Sdega bei a fregd hiygal! Wenig Selbstbewußtsein legt jemand 
an den Tag, wen ər arimgeet, dad mar ment, di hiygal her om dod brood 
gahuult. Wird einem Gläubiger geraten: Sreib ad in do Soorída, dads di 
hingal nid äuskratso, so weiß er, daß seine Forderung aussichtslos ist. 
Wer mit dem Versprechen beglückt wird: dad kaaf c dər, wen ıc mọọl 
finaf grošə -uf dər hiņgəlslædər finə, kann wohl lange auf die Erfüllung 
warten. Große Pläne hat wohl mancher, dem die Mittel fehlen; er hat 
eben mee šdaņə wii hiņgəl. Daß auch der klügste Mensch mal einen 
Fehler macht, bestätigt das Sprichwort: ə gəšeid hiņgəl leet aax mogl 
neewart nist oder in di bren-nesələ. Streng verurteilt der Bauer un- 
schickliches Benehmen: mad, di peifo, un hiygal, di kreea, deena zul 
mar di hels rimdrees. Der Hahn dient wegen seines Gebahrens vielfach 
zu Vergleichen: dee geet zoo grawadeed$ (gravitätisch) wie an haan; ər 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 223 


dreet uua runar wit on haan; di geen ufonanar nin wii tswee haana; 
29 hon xic xarobt und xə Šbriņyə aanənanər in di hee wii tswee haana. 
Scharf, aber treffend wird die Gesinnung eines kinderreichen Witwers, 
der sich in vorgerückten Jahren noch einmal verheiraten will, gekenn- 
zeichnet: dee xuuxt an, di nox kreet, awar nid mee leet. Der beiBende 
Hohn, der in dem Spruche liegt: »erdum is menšlc, xzaat do haan, dop 
hor or uf ar end gohugt« — forsdeet zie oona bril, wie der Hunsrücker 
zu sagen pflegt. 

Nicht nur da keerco-haan (Hahn auf dem Kirchturm) tset wind un 
weero aan, sondern auch die Hühner selbst gelten als Wetterpropheten. 
Suchen sie bei einem plötzlichen Regenschauer schnell einen Unterschlupf 
zu gewinnen, so ist der Regen angeblich nur von kurzer Dauer. Wenn 
sie sich aber nicht in ihrer Beschäftigung stören lassen, so schließt der 
Bauer auf anhaltenden Regen. Sicherer als diese Annahme und auf alle 
Fälle zutreffend ist die Wetterregel: wen da haan kreet uf dom mast, 
gits anar weera pora ad bleibt, wit ad is. Ebenso unanfechtbar ist die 
Behauptung, daß aam dreikiinıs-daax (6. Januar) di daax Sun a haano- 
Sreë leyar xin. — Schliefilich sei noch dad haano-krist (= Gerüst) er- 
wähnt, wie das oberste Gerüst in der Scheune, unmittelbar unter der 
First, genannt wird. 


Von Kinderliedern, die auf Hühner und Hahn Bezug nehmen, führe 
ich folgende an: 
1. dantso, dantsa roosakrants, 
’d búbolca hugt uf dar máuor, 
vd Sleet tswelof áuar, 
’d biibolco lect, 
d heenco kreet gigorugti! 
Die Kinder fassen sich bei der Hand und gehen während des 
Sprechens im Kreis rundum; beim Wort gaart: setzen sie sich nieder. 


2. heio, bobeio, Slaa’s biibalca dood. 
dd leet mar ke eiar un frist mar met brood; 
da rob ve om al de feeracor us 
un mara meim kinca on bedca dräus. 


3. druularidam, druularidam, druularidameica, 
bag meim kind, bag meim kind, bag meim kind on etico! 


Hier sei auch noch des Kinderspiels hiygolco-henco gedacht. Ein 
Kind ist- di wet (Weihe) und eins di glug; die übrigen sind di hiygalcar. 
= Diese stellen sich hintereinander in einer Reihe hinter der glug auf. 
Jedes faßt das vor ihm stehende hinten am Rock, das vorderste ebenso 
die glug. di wei sucht die hiygoleor zu fangen; di glug wehrt ihre An- 
griffe ab. Vermag di wei eins der hingəlcor zu fangen, so sind dieses 
und die dahinter stehenden ihr verfallen. Sobald sie alle gefangen hat, 
ist das Spiel aus. 


224 Edmund Protsch. 


2. Die Gans. 


Gänse werden auf dem Hunsrück wenig gehalten. In früherer Zeit 
waren es etwas mehr; so hatte das Städtchen Kirchberg einst eine Herde, 
für die ein Gänsehirt angestellt war. Indessen war die Hunsrücker Gänse- 
zucht niemals von Bedeutung. Daher erklärt es sich auch, wenn die 
Sprache nur wenig Bezug auf dieses Tier nimmt. Die allgemeine Be- 
zeichnung, wie auch die für das weibliche Tier lautet gans, M. gens, 
Dim. gensjo, M. gensjor. Die Diminutivform gibt zugleich den Namen 
für die jungen Tiere ab. Das männliche Tier führt den besonderen Namen 
gansart. Der Lockruf lautet: guus, guus, guus, guus, guus! Man hält 
die Gänse des Fleisches: gens-bropra (Braten) und der Federn wegen: 
wen di gens groosa feeraro hon, weera xa gorobt. Die Stimme wird als 
gəšnarə (= Geschnatter) bezeichnet; auch das Schwätzen weiblicher Per- 
sonen wird mit diesem Wort belegt: dad is wire on gosnaaro! Die Gans 
ist das Sinnbild der Dummheit; daher die Schimpfworte für Frauens- 
personen, die mit Dummheit gesegnet sind: zoo on gans! dad ts on dum 
gans! Da Gänse mitunter bösartig sind und einfältige Personen in die 
Angst zu treiben vermögen, so wird der Furchtsame verspottet: dee (e 
zoo cemfolw, dar an di gens beiso. — Kleinen Kindern singt man als 
Wiegenlied: 

heio, bumbeio, wad rabalt 1m $droo? 

di gensjor geen baarfuus un hawa ke Suu; 
do Suusdar hod leera, ke leistcar detsuu, 
xust hedo dt gensjor Sun leysdans paar Suu. 


3. Die Ente. 


Was von der Gänsezucht gesagt wurde, gilt auch von der Enten- 
zucht. Der mundartliche Name heißt end, M. endə; Dim. endcə, M. endcor. 
Das männliche Tier führt den Sondernamen andart oder auch andarıc. 
Der Lockruf lautet: wul wul wul wul wul! Die Enten haben einen 
watschelnden Gang: di enda wadsala. Deshalb sagt man von einem Frauen- 
zimmer, das schlecht zu Fuße ist: dad wadsalt we an end. Daß der 
Bauer genau beobachtet, zeigt die auf geschwätzige Frauenzimmer ge- 
münzte Redensart: deem geet ad mäul wü on enda-aars. Neugierige 
Frager, die wissen wollen, wo man war oder wo man hingeht, trumpft 
man ab: in (”po) bugsbahuuds (= Buxtehude), woo di geng hoorfiga 
draan (Zöpfe tragen) un di enda bariga (Perrücken). 


4. Der Pfau. 


Pfauen sind auf dem Hunsrück selten; nur hin und wieder hält 
ein reicher Mann oder höherer Beamter aus Liebhaberei ein solches Tier. 
Trotzdem ist dieses dem Volk nicht unbekannt. Der Name des Tieres 
lautet in der Mundart pop, M. popo. Nach dem Geschlecht werden unter- 
schieden ppphaan und pophiygal. Ersterer zeichnet sich durch die auf- 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 225 


rechten Federn am Kopf, dad kreenca (Krönchen) und durch die langen 
Schwanzfedern, die kurzweg pop-feerora genannt werden, aus. Spreizt 
er diese auf, so Sleer er'd raad. Von der Stimme sagt das Volk: da ppo 
krast. Die popfeera steckt der Bursche stolz an seinen Hut. Sucht 
jemand durch Haltung oder Kleidung die Aufmerksamkeit auf sich zu 
lenken, so spottet man: dad (dee) Sbretst xic loorim wii a poohaan. Ein 
Stoff endlich, der Zeichnungen ähnlich den Pfaufederaugen zeigt, ist 
dur wir popfeerara. 
5. Der Truthahn. 


Der Truthahn ist ebenfalls nur selten vertreten. Er wird vom Volk 
drudhaan oder welshaan genannt; das weibliche Tier heißt dementsprechend 
drudhiygol oder welShiygol. Bekanntlich wirkt die rote Farbe aufregend 
auf den Truthahn. Der in diesem Zustand sich vergrößernde Fleisch- 
lappen auf dem Schnabel wird als ruisnaas gedeutet; dadurch erklärt 
sich die Kindern unter gewissen Umständen geltende Redensart: dou 
host an rutsnaas we on drudhaan. 


6. Die Taube. 


di diu, M. dåuə, Dim. deibcə, M. deibcər ist dem Volke wohlbekannt. 
Es bezeichnet das männliche Tier noch besonders als dåubərt, während 
für das weibliche Tier der allgemeine Name gebraucht wird. In der 
Brunstzeit Snewola xic de dáus. Ihre Eier heißen dâua-eiar. Will man 
die Tiere locken, so weerd ən gəpif. Das Halten von Tauben ist meist 
eine Liebhaberei von schulentlassenen Knaben. Sie suchen ihren Bestand 
mitunter dadurch zu mehren, daß sie anderen Züchtern Tauben weg- 
fangen, wobei sie sich den Geselligkeitstrieb der Tiere zunutze machen. 
Als Lockmittel dient Anis, den die Tauben gern fressen. Dieses Weg- 
fangen ist unter dem Namen 3reba (schnappen) bekannt. Der Brut- und 
Nistraum, da dáus-Slaax, ist auf dem Speicher angebracht und hat in 
der Regel zwei Fluglöcher mit Anflugbrettern. Auf den Geselligkeitstrieb 
der Tiere weist auch das Sprichwort hin: woo dáus xin, dep flia dáuo 
hin; es will die Tatsache veranschaulichen, daß Reichtum sich in der 
Regel noch immer vermehrt. Von kinderreichen Familien, wie auch von 
einem gutgehenden Geschäft heißt es: dop geets dus un in wit in om 
däus-Slaax. Die Redensart deem flüs di gabroprana däus int mäul be- 
darf keiner weiteren Erklärung. 


II. Wilde Tiere. 


Das Volk gebraucht neben dem Ausdruck wila diiər oft den Sammel- 
namen dad wil gədiiərš. 

(Bem. In der nachfolgenden Aufstellung sind die Tiere nach den 
Hauptgruppen, in den einzelnen Gruppen aber in alphabetischer Reihen- 
folge geordnet.) 


Zoitschrift für Deutsche Mundarten. VI. 15 


226 Edmund Protsch. 


A. Wirbeltiere. 
I. Säugetiere. 
a) Einheimische. 

1. Dachs: dags, M. degs; Dim. degsjo. Der Dachs wird entweder 
zur Zeit seines Winterschlafs ausgegraben oder aber geschossen, nachdem 
er durch Hunde aus seinem Bau herausgetrieben wurde. foor uf di 
dagsjaxd xə geen, halt zie da forsdar paar dagshun. Weil diese in den 
Bau des Dachses schlüpfen und ihn darin angreifen, führen sie im Volks- 
mund den Namen Slubca. Von einem Menschen, der einen gesunden 
Schlaf hat, sagt man in Anspielung auf den Winterschlaf des Dachses: 
dee Sleeft we an dags. 

2. Edelmarder: buurmaarder. Wenn jemand aus vollem Halse 
schreit, so $reit ar wii on buuxmaardor. 

3. Eichhörnchen: ezcarca und huu-eicarca. Der letztere Name be- 
zieht sich wohl auf die gellende Stimme des Tieres. Gefangenen Tieren 
macht man zuweilen zum Zeitvertreib ein Rad mit Schaufeln, in welchem 
sie laufen können, wodurch sie es in Bewegung setzen: dad huu-eicarco 
leeft im drilas (von drilan = rund drehen). Die Munterkeit des Tieres 
gab Veranlassung zu den Redensarten: dee gugt wii an huu-eicarca und 
deem geet də kob wii ən eicorca. 

4. Fledermaus: Sbegmäus, M. $begmeis. Der Name beruht auf dem 
Glauben des Landmanns, daß die Fledermäuse im Winter an den Speck 
im Rauchfang gehen. Nach einer anderen Sage fliegen sie den Frauen 
ins Haar. 

5. Fuchs: fugs, M. figs; Dim. figsjə, M. figsjər. Nicht nur die 
Schlauheit und die Ränke dieses Tieres, sondern auch seine rote Färbung 
sind sprichwörtlich geworden. Ein Mensch mit roten Haaren ist zoo rood 
wii on fugs. Schwarze Stoffe werden im Alter oft fugsic. Daß jemand 
sich vor Ärger fugst, kommt öfters vor; mitunter wird er sogar fugs- 
deiwalswil. Aber nicht genug damit, daß man sich selbst fugson muê, 
man kann auch noch von andern gafugst werden. dar feera- fugser ist 
eine allbekannte Persönlichkeit. Wer sich aus jeder Ungelegenheit und 
Verlegenheit herauszuhelfen weiß, ist x00 Slau wii an fugs oder geradezu 
on Sleuar fugs. Dagegen ist das 3 Sleecdar fugs, dee noorst e lox was 
(Kirchberg). Ein hinterlistiger, verschlagener Mensch kann, wenn er auch 
alt wird, seine Ränke nicht lassen, denn: da. fugs farleert zei hoor, awar 
nid zei núubo (— Ränke). Wenn ihm aber einmal ein Anschlag mißrät, ist 
er um eine Ausrede nicht verlegen: eic maa (mag) zə gaar nid, zeet də 
fugs, wen am di dråuə zə hoox heyga, oder er sagt auch: zə xin mar 
200 zquor. Selbst bei Wegschätzungen, die augenscheinlich zu niedrig 
ausfielen, ist er im Spiel: di hod awar da fugs games, dop hor ar jeedəs- 
moel do Swants tsuugeen. Ein beliebtes Nachlaufspiel der Kinder führt 
den Namen fugs dus də huul (Höhle) oder fugs-giü. Dieser letztere 
Stamm rührt von dem Ausruf des »Fuchses« her; er darf solange den 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 227 


Mitspielern nachlaufen, als er, ohne Atem zu schöpfen, anhaltend fugs - 
güüü .... rufen kann. Sobald ihm der Atem ausgeht, muß er auf 
einem Beine hüpfen. 


6. Hase: haas, M. haasa; Dim. hasja, M. hasjor. Der Hase liefert 
den rühmlichst bekannten haasa-broora; auch da haasa-pefor wird von 
vielen geschätzt. Die langen Ohren: heißen lefal; der Unaufmerksame 
wird daher gemahnt: duu di lefol uf! Ein harter Schlag hinar di lefal 
tötet das Tier. Darauf spielt auch die Redensart an: ve häua der paar 
hine di lefol, das do die Sdilabst! Eine Mißbildung der Lippen führt 
den Namen haasa-Saart. Wer haasameilar maxa kann, ist bei der Jugend 
wohlgelitten. Als haasa-$aara bezeichnet man die den Bäumen durch 
Abnagen der Rinde entstandenen Wunden. Bringen Eltern den Rest 
ihres Frühstücksbrotes von einem Gange oder aus dem Felde heim, so 
wird dieser Rest als haasabrood von den Kindern wie ein Leckerbissen 
verspeist. Besonders sprichwörtlich geworden sind die Schnelligkeit und 
die Furcht des Tieres. dee is gəlaaf wii ən haas, ist ein oft gebrauchter 
Vergleich. Kinder, die frühzeitig laufen und früh selbständig herum- 
tollen, laafo wis de zandhaasa. Wer merkt, wie sich eine Sache ent- 
wickelt, der zit, wii də haas left. Findet jemand den Kernpunkt einer 
Sache, dann kor or gomeerigt, woo do haas im pefər leit. Der Furcht- 
same ist an haasafuus. Wer am Tag wie träumend dasitzt, ohne an 
etwas zu denken, Sleeft mid ufona dus wii on haas. Auf den Hasen 
bezieht sich nachstehender Abzählreim: 


eins, Iswei, drei, 

hige, haga hei, 

higa, haga haawarsdroo; 
faadar ist ein: Snitslar wordan, 
gnitsolt mar ein bolts, 

tsiti te mid ins holts, 

isıi ic mid ins griina graas: 
gug maal, kincon, waas is daas? 
kind, daas ist em weisar haas. 
puf, deen Sis ic uf di naas! 
drib, drab — du bist ab! 


7. Hamster: hamsdor, M. hamsdor. Das Tier kommt im Hunsrück 
wenig vor. Trotzdem ist bekannt, daß es sich einen Wintervorrat an 
Körnern sammelt. Deshalb sagt man von geizigen Leuten: di Srabo xə- 
sama wi an hamsdar, oder auch: di hamsdaro xic ebas xasama. 


8. Hausmarder: sdenmaardor. Den Steinmarder logərt mər mid 
heerings-briüt (man lockt ihn mit Häringslake), für die er eine große Vor- 
liebe haben soll. Er wird in der maardarfal gofoy, aus der man ihn in 
einen Sack springen läßt und in diesem tot schlägt. Man schießt ihn 
nicht, um nicht den Pelz zu beschädigen. 


15* 


228 Edmund Protsch. 


9. Hirsch: dad hir! (n), M. di hir3. Nach dem Geschlecht wird 
zwischen hir$-molas und hir!-kuu unterschieden. Ersterer trägt auf dem 
Kopf en gawai, M. gawaisr. Der Talg wird (wie auch beim Schaf) «nzalt 
genannt. Wenn jemand gut laufen und springen kann, S$briyt ar wii ə 
hirs. Der Engbrüstige (Asthmatiker) de zoo dembuw wii an hirstsiimar. 

10. Igel: «el, M. «la. Das Volk unterscheidet nach der Form der 
Schnauze huns-tlo und xez-2lo. Letztere werden von geringen Leuten 
gegessen, während erstere als ungenießbar gelten. Das Stachelkleid des 
Igels und seine Fähigkeit, sich zusammenzurollen, gaben Veranlassung 
zu den Redensarten: dee kerl is 200 Sdaxslıc wii ən til, wie man von 
einem unrasierten Manne sagt; wer sich dagegen ganz zusammenkauert, 
dee hod zie zosamagakütsslt wii an til oder mict zee zoo krumb wii on til. 


11. Itis: eldas. 


12. Maulwurf: moldar-diier. Er ist beim Landmann im höchsten 
Grade unbeliebt, weil er ihm vielen Ärger ‘mit dem Aufwerfen der 
moldarhef (= Haufen) macht. Darum stellt ihm der Bauer eifrig nach; 
wenn ihm selbst Zeit oder Geschicklichkeit mangelt, beauftragt er moldar- 
hefs-feyar mit dem Fang; das sind Personen, die den Maulwurfsfang 
gewerbsmäßig betreiben. Oft werden diese Leute von der Gemeinde be- 
stellt und bezahlt. 


13. Maus: mäus, M. meis; Dim. meisja, M. meisjer. Die Mäuse 
bilden eine große Plage für den Landmann, sowohl im Feld, als auch 
im Haus und in der Scheune. Darum stellt er ihnen eifrig nach. Er 
Sdräut forgift wets, hult zie kats un hund (erstere zum Fangen im Hause, 
letzteren zu dem im Feld) un delt falo uf. Versteht der Bauer za bosala 
(basteln), so mict ar zic an klibal-fal (Klöppel-Falle) pora on fal mid 
drei heltsjor un om breed druf selbst. Als Lockmittel kommen gareetst 
haawarmeel und gebrporana Sbeg zur Verwendung. Die einfachste Falle 
stellt sich der Bauer aus einer eera peif (irdene Pfeife) her, deren Röhre 
` abgeschlagen ist. Der Pfeifenkopf wird mit krimolo (Brotkrumen) gasdobt; 
sodann Sdilabt mar iwar ihn eine Schüssel so, daß sie noch auf der 
Hälfte des Pfeifenkopfs aufliegt, dessen Öffnung nach innen gerichtet ist. 
Nascht die Maus an den Krumen und stößt sie den Pfeifenkopf an, so 
rutscht die Schüssel über diesen hinunter — und die Maus sitzt ge- 
fangen darunter. Damit sie nicht beim Aufnehmen der Schüssel ent- 
wischt, nimmt man die Katze zur Hilfe. Wer nicht selbst Fallen her- 
stellt, kauft solche vom meisfala-kreemar. Mit all diesen Geräten bringt 
er manche der Plagegeister dood, vielmehr mäusa-dood oder gar mäus - 
ragar-dood. Wie man nun beim Mäusefang das richtige Mittel anwenden 
muß, so auch sonst im Leben: mid Sbeg fengt mar eben meis. Aber 
nicht immer beißt die Maus an: wen di mäus xad is, makt od meel 
bidar. Sie frißt aber nicht nur Mehl und Korn, sondern verunreinigt es 
auch, wie das Sprichwort zeigt: dad is fun deem anara koora, zaat da 
milor, doo haror meisdregor. Ist auch der Sommer die Hauptarbeitszeit 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 229 


für den Landwirt, so hat er doch auch im Winter Beschäftigung genug; 
mancher aber zieht es vor, meesdregar za Sbitsa foor wiyartspeel, d.h. 
nichts zu tun. Wer wenig oder gar nichts sein eigen nennt, čs 200 
aarəm wii o keerco-mâus. Ein Frauenzimmer, das sich unter Zuhilfe- 
nahme von reichlich Wasser die Haare glatt und dicht ankämnit, zit dus 
wii a fris gawesa meisja.. Wenn ein Kleidungsstück sowohl im Oberstoff, 
als im Futter viele Löcher aufweist, sagt man: dad is zoo faris, dop fina 
tseen katsa kar mâus mee drin. An einer feststehenden Tatsache, an der 
nichts mehr zu ändern ist, beist kæ måus də faarəm ab. Verschwindet 
auf rätselhafte Weise ein Stück Kuchen oder Zucker, so erklärt die 
Mutter: dop zin di meis draan geweest, fügt jedoch hinzu: awar di tswei- 
bentca. Wer patzig und vorlaut ist, mict zic geera mäusw. Wer aber 
seine Meinung niemals frei und offen bekennt, ist on dugmeisar. Wo 
lautlose Stille herrscht, ist es meisjəšdil. Die Milchzähne der Kinder 
führen im Volksmund den Namen meiststincor. Verliert ein Kind ein 
solches meistsiinca, so wirft es dieses in die Luft und ruft: meisja, meisja, 
de! hos da meina alda tsaan, geb mər wiirə en näua. Die beiden Filet- 
stücke beim Schwein werden di meis genannt. Ebenso heißt der Ballen 
am Daumen auch mäus. beist (= juckt) ana di mäus an der linken 
Hand, so kriit mar geld; ist es aber bei der rechten der Fall, so git 
mar geld aus. 
14. Otter, Fischotter: fi$-odar. 


15. Ratte: a rad, M. rada. Das Volk behauptet, dad zic rada un 
koneincar para (paaren). Was zäh-lebig ist, hod an leewo wit on rad. 
Wenn den sog. Quartalsäufer seine Saufleidenschaft überfällt, so hod ar 
di rad (sollte das vielleicht von »Marotte« abzuleiten sein?) Dünne, 
lange Zöpfe, die man bei Mädchen mit schwachem Haarwuchs sieht, 
werden als rada-Swentsjar bezeichnet. Um den Haarwuchs zu kräftigen, 
werden die Haare mitunter radakaal (eigentlich radical) abgeschnitten. 

16. Reh: ree. M. di ree. Das männliche Tier heißt ree-bug, das 
weibliche ree-ges. Die jungen}Tiere werden ree-tsigaleor genannt. da 
ree-bug hod koortsa heeroncar. 

17. Spitzmaus: $bitsmáus. Von einer Person, deren Nase und ganzes 
Gesicht etwas spitz erscheint, sagt man: dad hod an gasücdea wii a Sbits- 
máus, oder auch: dad is an ricdie Sbilsmäus. 

18. Wiesel: weizal, die würxal; Dim. würzalee, M. wixaleor. Die 
Flinkheit eines Menschen wird mit der Behendigkeit des Wiesels ver- 
glichen: zoo fliyk wii a witxalco. Ein unruhiges, zappeliges Kind is ən 
wuuzalw kind. 

19. Wildschwein: 9 wil x4u, M. wils zei. Wer hastig und unacht- 
sam ist und bald hier, bald da etwas beschädigt, purt lọọ ərim wii ə 
wil zâu (siehe auch unten Kellerassel). 


Das Wort ist hier ganz kurz zu sprechen. 


230 Edmund Protsch. 


20. Wolf: olaf, M. welof. "Trotzdem der Wolf seit 100 Jahren im 
Hunsrück ausgerottet ist, lebt er in der Vorstellung der Leute fort. In 
der Sprache wird daher oft auf ihn Bezug genommen, was darauf schlieBen 
läßt, daß das Tier früher ziemlich häufig war. Wer hastig und viel ißt, 
der frist wit an wolaf. Vom Vieh sagt man im gleichen Fall: əd frist 
zoo wolaftsc! An die einst so gefürchteten Werwölfe erinnert nur noch 
der Ausdruck: dad zin x00 weerwelaf, womit schmutziggeizige Leute be- 
zeichnet werden. Eine Mißbildung des Gaumens führt den Namen wolafs- 
raxo. Daß man sich seiner Umgebung anpassen muß, lehrt das Sprich- 
wort: mər muus mid da welaf heila. Wer so heiser ist, daß er fast keine 
Stimme mehr hat, der hed da wolaf goxiin. Dagegen hod deer da wolaf 
selbst, der sich wund gelaufen hat und zwar am Gesäß. Wenn die Ähren 
im Kornfeld vom Wind wie Wellen auf- und niedergejagt werden, dan 
is da wolf im koore. Schließlich wird noch ein Fanggerät zum Auf- 
fischen von Eimern usw. wolf genannt. 


b) Fremdländische. 

1. Affe: af, M. afs; Dim. efco, M. efcar. Dieser Tiername wird oft 
als besonderer Ehrentitel verliehen, wie: duw af! afakob! aft mens! 
Der oft gebrauchte Ausdruck mäul-afa f«l halə bedeutet bekanntlich 
»den Mund offen halten. Das Volk, das den Zusammenhang nicht 
kennt, bezieht aber diesen Ausdruck auf das Tier, wie das Schimpfwort: 
duu mäulaf! beweist. Der Speichel wird als afa-Smalts bezeichnet. Hat 
sich ein Kind im Gesicht beschmutzt, so schlägt manche Mutter ein ab- 
gekürztes Reinigungsverfahren ein, indem sie mit dem mit Speichel be- 
feuchteten Schürzenzipfel den Schmutz abreibt; das Kind wurde mid 
afasmalts gowes. Wer sich durch ein wenig liebreizendes Gesicht aus- 
zeichnet, kod ən gəztict wiit on af. Wenn jemand einen andern belehren 
will in einer Sache, die letzterer besser versteht, so wird ersterer wohl 
von dritter Seite bedeutet: leer an aldo af metlor reisa! 

2. Bär: beer, M. beera; Dim. beerca, M. beercar. Das Wort »Bär« 
dient oft zur Bezeichnung der Größe oder Plumpheit einer Sache. Über- 
groBe Kälte wird als beera-kelt bezeichnet. Wer auf grofen, breiten 
Füßen durchs Leben geht, hat beera-fiis. Eine starke Stimme ist eine 
beera-Sdim; ihr Besitzer hod on Sdim wii o beer. Leute mit plumpen 
Manieren heißen kurzweg Örer. Als Spottname für Juden dient zuweilen 
das Wort müusa-beer; es wird aber auch in abweisendem Sinn gebraucht. 
So gibt man jemand, der nicht weiß, auf wen sich ein Gespräch bezieht, 
und danach fragt weer? die Antwort: da muus3-beer! In Kirchberg wird 
Lakritze nicht gerade appetitlich als beero-drey bezeichnet. 

3. Elefant: elofant, M. elafand». 

4. Kamel: kameel, M. kpmeela. Das Wort kommt nur als Schimpf- 
wort zur Verwendung: duu komeel! aber auch: dew drambal-ditar. 

5. Lówe: leeb, M. leewa. dec kerl duud bril wit on lech, sagt man 
von einem Schreier. 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 231 


UL Vögel. 


Der mundartliche Name für Vogel lautet fool, M. feel; Dim. feelco, 
M. feelcor. Als besondere Gruppen (Ordnungen) sind dem Landvolk nur 
zipfeel (Singvögel) und raabfeel (Raubvögel) bekannt. Der landläufige 
Begriff deckt sich aber bei beiden Gruppen nicht mit dem wissenschaft- 
lichen. Über Schnabel, Flügel und Federn wurde schon beim Hausgeflügel 
gesprochen. Die Stimme der Vögel wird je nach ihrer Art als vunn, Srata, 
kræšə oder piipsa bezeichnet. Die Vögel bauen sich ein mehr oder 
weniger kunstvolles Nest: feelsnisd oder kurzweg nısd, M. nisdar; Dim. 
nısdca, M. nisdesr. Eine beliebte Unart der Buben ist es, feelsnisdar zə 
zuuxa un duszahiiwa, einerlei ob Eier oder Junge darin sind. Von 
letzteren, de juya (Einz. an junad), führt das kleinste und schwächste die 
Bezeichnung nisd-kwag oder duts. dad feelcao is nox kakıc, wenn es 
eben aus dem Ei ausgekrochen und noch ganz nackt ist. ad hod keil 
(= Kiel) goëdoos, wenn die Federn zu wachsen beginnen. Zeigt sich der 
erste Flaum, dan hod da fool meis-hoor. Sind die Federn endlich aus- 
gewachsen, dan is er flig (flügge). Die erwachsenen Vögel wechseln 
jährlich ihr Federkleid; sie sind alsdann in dar mäusar oder zə måusərə 
sic. Gefangene Vögel hält man im kiiww (Käfig). Die Nahrung ist ver- 
schiedenartig. Viele fressen uygotsivwor; andere geen aant gaxeems (Säme- 
reien), besonders an reb (Raps), rumal-:ooma un hanaf-xooma. Wieder 
andere fressen fools-keerss (die Früchte der Eberesche) und sonstige 
Beeren, während sich die Raubvögel von meis, rada, klena feelcor und 
anderen Tieren ernähren. Auch mit den Vögeln und ihrem Treiben wird 
oft der Mensch verglichen. Ein leichtlebiger, lockerer Mensch wird 
sleecdor Zoo geschimpft. Als besondere Arten sind $bas-feel (SpaBvögel) 
und uuts- feel (Spottvögel) zu erwähnen. Schon vom Äußeren des Menschen 
lassen sich Schlüsse auf seinen Charakter ziehen: aan da feerars kent 
mar da fool. Der Saumselige verpaßt die rechte Zelt: bis dee kimt, zin 
de feel dusgoflop. Ein anderer strebt und müht sich ab, und wenn er 
am Ziel zu sein glaubt, wird ihm ein Strich durch die Rechnung ge- 
macht; denn: wen da kiiwie feerdic is, freg? da fool. Mancher hat das 
Glück, durch eine günstige Heirat oder günstigen Geschäftskauf in 
gute Verhältnisse zu gelangen, zic in a waarom nisd xə xetsə. Aber 
nicht jedem ist das vergönnt. Einem andern liegt oft das Ziel noch in 
weiter Ferne; das veranschaulicht die Redensart: bis dophiin Seist nox 
manc feelca, wad awat nor ke aars hod. Wer im vollen sitzt, braucht 
sich keine Sorgen zu machen; deem is zoo wuul (wohl), wit om fopl im 
hanof:ooma. Hat sich jemand aus kleinen Verhältnissen in die Höhe 
gearbeitet oder sich von einer Krankheit oder körperlichen Schwäche 
gut erholt, dann kor ar xic guud gəmåust. Wer dagegen durch Krank- 
heit hart mitgenommen wurde, dee hod xic gərobt; auch wer sich über- 
gibt oder gar unanständigt aufführt, muß sich das Gleiche sagen lassen. 
Wie eine Frucht, die von Vögeln angepickt wurde, minderwertig ist, so 
bezeichnet «die .Redensart oder is gopigt in da heera un forwert in do 


232 Edmund Protsch. 


deeram« einen geistig nicht normalen, minderwertigen oder gar närrischen 
Menschen. da kanst mar lay pige, bis da mar aan di heera kimst, kann 
sich jemand zu sagen erlauben, der durch Sticheleien nicht leicht aus 
seinem Gleichmut zu bringen ist. Von den Vogelarten sind folgende zu 
nennen: 

1. Ammer, Goldammer: geelardca und geeloderca (abgeleitet von geel 
= gelb), M. geelardear und geeladarcar; vereinzelt hört man auch den 
Namen golemarca, M. golemarcar. 

2. Amsel, Schwarzdrossel: amsal, aamsal und Swartsaamsal, zu- 
weilen auch meerts-aamsal (März- Amsel). Kinderreim: 

hiir šdee ic uf dər kantsal 
un breedw we ə amsal; 
doo kaam an haan, 

doo fiy mer britrec aan; 
dog kaam an kalab, 

doo waar di brürıc halob; 
dop kaam 2 múus, 

dop waar di britric dus. 

3. Bachstelze: baxsdeltsj9 und baxsdeertsjo. Mit diesem Namen 
werden auch Personen belegt, die sich durch einen wippenden Gang 
auszeichnen. 

4. Buchfink, Edelfink: buuxfiyg, M. buurfiygo. Wer wenig Mut 
beweist, dee hod a herts wü 9 buuzxfiyg. 

5. Bussard: s. Habicht. 

. Dohle: duulraab, M. duulraawa. 

. Dompfaff, Gimpel: bluudfing. 

. Drossel (- Arten): dreesal, M. dreesala. 
. Eichelhäher: maarkolwo, M. ebenso. 


10. Elster: atsal, M. atsolo. Die Elster ist durch ihre Sucht zu 
stehlen bekannt; daher sagt man von einem diebischen Menschen: dee 
sdeelt wit an atsal. Andererseits zeichnet sich dieser Vogel durch sein 
munteres, keckes Wesen aus. Ein munteres, kleines Kind nennt man 
darum on atsolıc diy;, oder man sagt: dad kind gugt xoo atsalic. 


11. Eule: da evol (Mask)., M. di erola und eilo. Fine Frauensperson, 
deren Haare in Unordnung sind und ihr um den Kopf fliegen, ist an 
hoor-eial. Wenn ein Kind laut heult, so huutst od wit an etl. Will 
man jemand zu verstehen geben, daß er auf die Erfüllung eines Wunsches 
nicht zu rechnen braucht, so gibt man ihm zur Antwort: jop micalsdaax, 
wen di eriala buga! Von den Eulenarten sind dem Volke besonders be- 
kannt: die Schleiereule, von ihm Aerts-eisl genannt, und das Käuzchen: 
heitsja oder doora-fool (Totenvogel). Sein Ruf wird gedeutet, als »kom 
mid!« und ruft bei manchen Leuten abergläubische Furcht hervor: woo 
od sreit, Sdeerabt bal jeemand uus deem haus. 


© WO A Ei 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 233 


12. Feldhuhn: feldhiygal. Da sie gesellig leben, wird oft eine ganze 
Kette aufgejagt: an Da feldhiygal. »Kartoffeln in der Schale« werden 
scherzweise auch feldhiygol genannt. 


13. Grasmücke: graasmig. 


14. Habicht: kheww. Wenn sich dieser gefürchtete Räuber hoch 
in der Luft zeigt, rufen in Raversbeuren (Kreis Zell) die Kinder: hewre, 
hawre, hiygalsdüb! und glauben ihn dadurch verscheuchen zu können. 
Mitunter wird auch der Habicht wegen seines scharfen Herabstoßens auf 
die Beute Sdooswei genannt; dieser Name wird jedoch auch dem Sperber 
beigelegt. Zumeist macht der Landmann überhaupt keinen Unterschied 
zwischen den verschiedenen Tagraubvögeln und benennt Habicht, Sperber, 
Bussard, Weihe und selbst Falken mit dem Namen wei, M. weis. 


15. Hánfling: sdogfiyg. 


16. Kanarienvogel: kanuarıe- fool. Scherzweise wird der Ausdruck 
kanaljo-fopl gebraucht und zwar für einen Menschen, der nicht viel 
taugt, für einen Taugenichts. 


17. Krähe: di raab, ootsraab (d. h. Aasrabe) fem., M. poisraawwa. 
Hauptsächlich werden mit diesen Wörtern Rabenkrähe und Saatkrähe be- 
zeichnet. Obwohl diese Vögel zu den Singvögeln zählen, ist ihr Ruf 
nichts weniger als ein Gesang; darum sagt man von einem Menschen, 
der schlecht singen kann: dee kan xiya wit a raab. Die altbekannte 
Wahrheit, daß der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, drückt der Bauer 
auch so aus: ə raab mict ke naxdıgal. Sagt man jemand: deer xiit zoo 
Sleect dus, áux huula bal di raawə, so deutet man ihm an, daß er einer 
Leiche ähnlicher sieht als einem gesunden Menschen. In dem Kinder- 
reim: raab, raab, dei nisdcə brent, di jugo brena mid steckt auch nöch 
ein Rest Aberglauben. Das Kind glaubt, daß der Rabe, vor dem Ruf 
erschreckt, sofort zu. seinem Neste fliegt und dieses dadurch verrät. — 
Der Name »Krähe« findet sich nur in dem mundartlichen kree-âu, wie 
der Hunsrücker das Hühnerauge bezeichnet. An dieser Stelle ist er 
ebenso wie jeder andere Mensch empfindlich und meidet deshalb das 
Gedränge: dop bleiw’ ıc daham, doo kam ar zei kree-dua boleert kriisa 
(poliert bekommen). Als probates Mittel gegen lree-cdus wird anempfohlen: 
max sa Swarts, dan iws raawa-dua. 


18. Krammetsvogel: kramals-fool. Dieses Wort dient aber auch 
zur Bezeichnung eines nörgelnden Menschen. 


19. Kranich und Wildgans führen den Namen: haalgans, M. haal- 
gens. Der Hunsrücker kennt diese Vögel nur von ihrem Durchzug im 
Frühjahr und Herbst; da beide Arten in der bekannten Anordnung eines 
Hakens fliegen, bezeichnet er sie auch mit dem gleichen Namen. Er 
achtet genau auf die Zeit ihres Fluges und schließt daraus, daß der 
Herbst oder der Frühling vor der Türe steht. Das Wort haalgans dient 
nebenbei als Schimpfname für ein dummes Mädchen. 


234 Edmund Pratsch. 


20. Kuckuk: gugug, M. gugugor. Auch hier finden sich noch Reste 
abergläubischer Vorstellungen. Beim Kuckucksruf schreien die Kinder: 
gugug, dregënuud! und wollen ihn dadurch zum Schweigen bringen. 
Andererseits wird ihm Prophetengabe zugeschrieben; auf die Frage: 
gugug, wü lay leew w nox? soll er mit soviel Schreien antworten, als 
dem Frager noch Jahre zu leben vergönnt sind. 


21. Lerche: leewegarca, M. leewegarcar. Das Volk kennt wohl die 
Haubenlerche, hält sie aber nicht für eine besondere Art gegenüber der 
Feldlerche und sagt nur: dad leewegarca hod au geibco (= Haube). Wer 
schon frühe am Morgen pfeift, dee peift Sun aam frita mpprja wet an 
leewegarca. 


22. Meise: maes, M. mesa. Von den Arten sind nur bekannt di 
kuulmaeso und di bloomess. Kinder machen sich im Winter das Ver- 
gnügen, Meisen zu fangen und stellen sich dazu aus einem Zigarren- 
kasten eine Falle her, den sog. me@sakars. 


23. Nachtigall: nardıgal. | 


24.. Papagei: babagei. Als solcher wird auch ein Mensch bezeichnet, 
der fortgesetzt spricht und plappert. 


25. Ringeltaube: riyaldäu, M. riyaldaus. Ihr Ruf wird ausgelegt: 
gugug drrr diib hod mar di eiar dusgahub. 

26. Rotkehlchen: roodkeelca und roodbrüstoe (M. — or). 

27. Rotschwänzchen: roodswentsja (M. — or). 

28. Schnepfe: sneb, M. ¿nebo. Die Bekassine führt den besonderen 
Namen bruuxsneb (bruux = Sumpf) und wegen ihrer meckernden Stimme 
auch htimals-gees. 

29. Schwalbe: Smaalom, M. šmaaləmə; meist jedoch: Smaalamca, 
M. $maalamcor. Von ihnen wird gesagt, daß sie noora dophiin baua, 
woo friira un aendraaxt im häus is; deshalb werden auch ihre Nester 
am Hause gelitten und nid arunargasdoos. Nach dem Volksmund lautet 
das Schwalbengezwitscher: »als 1 fortgafaaran bin, waar alas in kisdən 
un kasdan; als ve wiidorkaam, waar alas fartseert, tsiaard!s — Die 
Rauchschwalbe führt den besonderen Namen rúur-Smaalamca. 

30. Specht: sbeecd, M. Sbeecdo. 

31. Sperber: s. Habicht. 

32. Sperling: bats, M. Sbatsa; Dim. Sbetsja, M. Sbetsjor. Ein dürrer 
Mensch wird als an dorar $bats bezeichnet. Dem Glückspilz sdeet ad 
gag uf wit ar doora Sbats da aars. — Der kurze Spatzenruf wird ge- 
deutet als: fichd, fillıb (= Philipp)! in Kirchberg dagegen als: &lam, 
Selam, Silam, Selam! Das Gekreisch der Spatzen soll im Winter, wenn 
sie Not leiden, lauten: 

betarea, betarca, los mic in det Seiarca, 
ins sdree, ins Sdree! (= Stroh); 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 235 


im Sommer aber, wenn ÜberfluB vorhanden ist: 

for drei beiarcor 

gen wc nor ke Slee, ke Slee! 
Treffend ist darin die Frechheit und Undankbarkeit des Vogels gekenn- 
zeichnet. 

33. Star: Sbrop, M. $brooa. 

34. Stieglitz, Distelfink: disdalfiyg. 

35. Storch: $dorc, M. ¿derc. Ein langbeiniger Mensch wird zuweilen 
an Sdorc genannt. Allgemein verbreitet ist ja die Sage, daß dieser Vogel 
als klabar-Sdorc die kleinen Kinder bringt. 

36. Wachtel: waxdal. Wer früh aufsteht, e :00 mundar wii ə 
waxdol. Der Wachtelruf lautet: dbegdarig, bigdarig! zuweilen wird noch 
hinzugesetzt: duu faular Sdrig! als Anspielung auf einen faulen Menschen. 

37. Weihe: s. Habicht. 

38. Wiedehopf: widob. Von einem Mädchen, dessen Haare nicht 
glatt anliegen, sondern struppig in die Höhe stehen, sagt man: ad zut 
aus wi an widob. | 

39. Würger, Neuntöter: neimeerdar (= Neunmörder). Dieses Wort 
dient zugleich als Schimpfname für Kinder, die Spielsachen in kurzer 
Zeit zugrunde richten. 

40. Zaunkönig: tsaunkiinıe oder tsaunslibarca (= Zaunschlüpferchen). 


III. Lurche und Kriechtiere. 


Mit den hierher gehörenden Tieren kann sich der Landmann nicht 
befreunden; sie sind ihm zuwider. Darum nimmt er auch nur in wenigen 
Redensarten auf sie Bezug, und wenn er es tut, so will er seinem Ab- 
scheu Ausdruck geben. 


. 1. Blindschleiche: blindsleic. Das Wort dient auch als Schimpf- 
name für eine Frauensperson, die leise herbeischleicht, um auszuhorchen. 
2. Eidechse: eedas, M. eedasar. 
3. Feuersalamander: geela Sneira (= gelber Schneider). Nach der 
Ansicht der Landleute +4 de geela Sneira gifdac. 


4. Kröte: grod, M. groda. Der Bauer hált auch di groda im all- 
gemeinen für giftig. Wenn er jedoch eine Frauensperson ar gifdıe grod 
nennt, so bedeutet »giftig« in diesem Ausdruck soviel wie »reizbar«. 
Daß auch kleine, unscheinbare Leute in Harnisch geraten und sich er- 
eifern können, bezeugt das Sprichwort: klena groda hon aar gifd. Ein 
wohlbeleibter Mensch, aber auch ein Tier, das sich dick und voll ge- 
fressen hat, hod an pans wii a grod. Will man seinem Ärger Luft 
machen, dann wünscht man (in Kirchberg) einem andern: dad die an 
grod pets! Ä 

Der Ausdruck grod wird auch als gemeinsamer Name für Kröten, 
Frösche und Unken gebraucht. 


236 Edmund Protsch. 


5. Laubfrosch: laabfres, M. laabfreso. 


6. Wasserfrösch: on fres, M. fre&. Die Kaulquappe hei8t molakob, 
M. molakeb; der Froschlaich grodaga3maets (= KrótengeschmeiB). 


7. Unke: uyk, M. uyko. Kleine Kinder, die viel Milch trinken, 
werden als miliac-uyko und Biertrinker als busr-unka bezeichnet. 

8. Ringelnatter, glatte Natter und die sonstigen Schlangen heißen 
ohne Unterschied lay, M. Slaya. 


9. Der Wassermolch wird auch eedas genannt. 


IV. Fische. 


Die Hunsrücker Bäche zeichneten sich früher durch ihren Fisch- 
reichtum aus. Dieser hat aber seit einem halben“ Jahrhundert außer- 
ordentlich abgenommen. Daran trägt einmal die Raubfischerei schuld. 
Andererseits ist die Verringerung des Fischbestandes eine wenn auch 
ungewollte Folge gesetzlicher Maßnahmen. Durch die Bestimmung, daß 
die Bäche von den Anliegern alljährlich gereinigt werden müssen, durch 
die Geradelegung von Wasserläufen und die Entwässerung der Wälder 
und Brüche verläuft sich das Wasser sehr schnell. Der Wasserstand ist 
für die Fischzucht meist ungenügend; vor allem sind aber die toten 
Arme und stillen Stellen und damit die Laichplätze den Fischen ge- 
nommen. Alle bisherigen Versuche, die Bäche durch künstliche Fisch- 
zucht wieder mit Fischen zu bevölkern, sind bisher gescheitert und 
werden auch fernerhin scheitern, solange die Grundursachen nicht ge- 
ändert werden. Das jetzt lebende Geschlecht weiß nur mehr wenig von 
den Fischen und ihrer Lebensweise. Der allgemeine Name lautet fiš, 
M. fis. In früheren Zeiten konnte jedermann, der Lust hatte, fiš feņə 
geen. Jetzt wird di bax forpaaxt. Als Fanggerät dient di ayal; der 
Pächter geht ayala. Mitunter sucht er die Fische mid da hen zo feya. 
Zu diesem Zweck sperrt er an kimbal, d.h. Tümpel ab, indem er ober- 
und unterhalb desselben 2 muuar aus Sden un waasam (Rasen) baut. 
Dann duud mar Au un hoosa (Schuhe und Strümpfe) «us, mict di bugsa 
(Hosen) in di hee und geht in den Tümpel. Natürlich ist Gewandtheit 
erforderlich, um die Fische mit der Hand fangen zu können, zumal es 
sich meist um Forellen handelt. Die gefangenen Fische weera gabag. 
Von den Körperteilen sind besonders zu erwähnen: di flosa, de Swants, 
di Swimblgos, di graana = Gräten und di kiima = Kiemen. Die Kiemen- 
deckel werden als oora bezeichnet. Einige Redensarten, die sich auf das 
Leben und den Fang der Fische beziehen, sind im Volk noch gang und 
gäbe. Es ist eine alte Erfahrungstatsache, daß der Mensch nach dem 
Genuß von Fischen das Bedürfnis zu trinken hat; denn da fix weil Swima. 
Wer sich guter Gesundheit erfreut, ¿s zoo gəxund wii ə fiš im wasor. 
Ein reizbarer Mensch, an dem man sich wie an den Gräten eines Fisches 
sticht, ist 27 graanscor mens. Wer auf unrechtmäßige Weise etwas zu 
erreichen sucht, dabei aber ertappt wird, sich also verrechnet hat, hod 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 237 


faul AS gafoy. Um ein Ziel zu erreichen, ist mitunter List und Schlau- 
heit nötig; man muß sich aber hüten, unrechtmäßige Mittel anzuwenden 
und nid im driüwe (Trüben) san Nur darf man sich nicht lange be- 
sinnen, sondern muß frisch zugreifen und die Gelegenheit benutzen: 
frise fi$, guura fis! Von den Fischarten sind dem Hunsrücker folgende 
bekannt: 

1. Forelle: frei, M. frelo. 

2. Häring: heeriy. Als solchen bezeichnet man auch einen langen, 
dürren Menschen. 

3. Schellfisch: Selfis. 

4. Stockfisch (getrockneter Kabeljau): šdogfiš. Mit diesem Wort 
wird zuweilen ein dummer Mensch bezeichnet oder ein solcher, der den 
Mund nicht aufbringt. . 

5. Weibfisch: weisfis. 


B. Wirbellose Tiere. 
I. Gliederfüßer. 


Die zahlreichen Tiere dieser großen Gruppe werden insgesamt als 
uygatsivwor (Ungeziefer) bezeichnet. 


a) Käfer. 
. Brotkáfer: brood-dusr. 
. Goldlaufkäfer: goldsmüd. 
. Hirschkäfer: posklemar. 
. Holzwurm, Totenuhr: holtswpopram. 
. Johanniskäfer: gahansfiygalcae, M. gohansfingalcar. 
. Lilienhähnchen: musıgant; in Kirchberg dagegen: Shiilmenca. 

. Maikäfer: mazikeefar, scherzweise auch matkitwic. Der Engerling 
heißt grumbeero- -wọọrəm. Kinder fangen sich oft einen Maikáfer und 
singen ihm, wenn er Anstalten macht zu fliegen, folgendes Lied: 

maikeefar, flic, 
der fador is im krüc, 
dei mudar is in pomarland, 
pomarland is abgabrant; 
maikeefar, flric! 

8. Marienkäferchen: hergots-ditarca. 

9. Roßkäfer: getls-dúor. 

10. Totengräber: dooragriiwor. 


ASTEN - 


b) Geradflügler. 
11. Heuschrecke: háu-Sreg, M. háu-Srego. 
12. Heimchen, Hausgrille: haawor-máus, M. haawarmeis. Von 
einem Menschen, der ausgehungert und abgemagert ist, also schlecht 


238 Edmund Protsch. 


aussieht, pflegt man zu sagen: mor ment, dee kreec ala kaafreidaax on 
haawar-mâus gobag. 
13. Ohrwurm: :00r3-$liyal. 


c) Hautflügler. 


14. Ameise: ppmensale. Das Volk unterscheidet als Arten roorə 
und $wartso pomensola; es kennt aber auch die geflügelten Ameisen: 
flii-gomensala. Die Ameisenhügel werden ppmensola-hitwol und ppmensala- 
hæf genannt. Beißt die Ameise und spritzt sie ihre Ameisensäure aus, 
so duud xa cena baxaico. Werden Ameisen in Wiesen durch ihre Hügel 
lästig, so weerd do degal fum hivwal abgoseeraft un ungalesda kalık druf 
gasdráut. Wenn eine Menschenmenge durch irgend einen Umstand in 
hastige Bewegung gerät, dann geer ad doorwonanar wii in am ggmensalo- 
haaf oder ad wiiwalt un weet wü in am gomensals-haaf. 

15. Biene: di biin, M. di biina; der ganze Bienenstock: da bein (m.) 
oder da biinasdog. Von den drei Bienenarten hat der Hunsrücker nur 
für die Königin einen besonderen Namen: de krinıcin oder da haabiin 
(= Hauptbiene). Der Bienenkorb (Strohkorb) wird bzinafas genannt; die 
Waben heißen böina-roose. Die Bienen sammeln kuume; der in einem 
zweiten, auf den ersten Korb aufgesetzten Korbe gewonnene Honig führt 
den Namen heegiys-huunw. Zur Wehr setzen sich die Bienen mit də 
ayal = Stachel; wenn sie stechen, so ayala x9. Kriecht eine junge 
Königin aus, so fliegt die alte Königin mit einem Teil des Stockes ab 
und sucht mit dam Swaaram eine neue Wohnung. Ehe dieser abfliegt, 
hängt sich da Swaarom am Flugbrett außen an, ar heygt foor; wenn der 
vorhängende Schwarm recht groß ist, feert or bal ab. Kurz vor dem 
Abfliegen der Königin Swerama di bina. Wer durch Worte oder durch 
seine Maßnahmen eine Sache zur Entscheidung bringt, der hod da biin 
geëdor; eigentlich ist gemeint, die Bienen durch Sdorala (= sticheln) mit 
einer Stange in Aufruhr versetzen. Ein Mensch mit einem dicken Kopf 
hod ə kob wii ən biino-rumb. 

16. Hummel: humal, M. humələ. Nach der Farbe des Hinterleibs 
werden die Hummeln in weis-cers, grop- ers und rood-ærš unterschieden. 
Die Weibchen werden ebenfalls als kaa-biinə bezeichnet. Eine Unart 
der Kinder ist es, Hummeln zu fangen und sie auseinander zu reißen, 
um da huunıc-maasa xə huula un dusx9xugolo (= auszusaugen). 


17. Hornisse: gerls- hoprwisbala. 
18. Schlupf- und Gallwespen: klena hoorwisbala. 


19. Wespe: hoprwisbal, M. hoorwisbala. Ein nervöser, leicht reiz- 
barer Mensch wird auch als an hogrwisbal bezeichnet. 


d) Netzflügler. 


20. Wasserjungfer, Libelle: âuo-&decor. Dieser Name stammt daher, 
daß diese Tiere bei ihrem Flug nach einer anderen Stelle schnell dahin- 


`, 


YX 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 239 


schießen, wobei das Volk befürchtet, sie würden einem ins Gesicht, in 
die Augen stoßen. 
e) Zweiflügler. 


21. Floh: floo, M. flee. Die durch den Flohbiß verursachten Ver- 
dickungen in der Haut werden elə genannt. Die Flöhe scheinen sich 
von manchen Menschen besonders angezogen zu fühlen. Der Volksmund 
behauptet von Personen, die sich dieser zweifelhaften Gunst erfreuen: 
de hon xüs (süßes) bluud. Bei ihnen laufen die Stiche in der Regel 
dick auf: za krita Sela wi zeiboona Auf alle Fälle ist es für jemand 
-ein zweifelhaftes Vergnügen, wenn ihm beim Schlafengehen gewünscht 
wird: aayganeemos floobeisa! Wer aber nicht auf den Mund gefallen ist, 
zahlt mit gleicher Münze heim und antwortet: dido mid wantse! Noch 
weniger freundschaftlich handelt ein Mensch, der einem anderen ən floo 
in’d oor xeist, bei ihm in irgend einer Hinsicht einen Verdacht weckt. 
Wie feinhörig muß aber jemand sein, wenn ar di flee huusda heert un 
əd graas wagsə! Häufig genug entspricht der Erfolg unserer Bemühungen 
nicht unseren Erwartungen, ja er ist oft ganz anderer Art. Da tröstet 
man sich mit dem Sprichwort: aax guud, xaat da floofeyar, doo har ar 
ar lüus. Nicht unerwähnt sei, daß selbst das Volksrätsel die Flöhe in 
seinen Bereich zieht, wenn es die Frage aufwirft: waarúm zin di flee 
Swarts? Die Antwort lautet aus naheliegenden Gründen: weil xə imər 
familja-dráusr hon. 

22. Mistfliege, Pfuhlbiene: ogso-biino; in Kirchberg heifen sie 
sersdregs - miga. 

23. Regenbremse: on seel mig (Seel = blind), M. seela migs. Diese 
Bremse ist der schlimmste Plagegeist des Rindviehs irn Sommer. Zum 
Schutz bestreicht man das Vieh mit swartsam Sdenuulic. Wenn die 
Bremsen aarıc duun, d.h. wild toben und sich nicht abhalten lassen, 
so glaubt der Landmann, daß ein Gewitter im Anzug ist. 

24. Rinderbremse: brems, M. bremso. 

25. Schmeißfliege: Smetsmig, M. ¿matsmigo. 

26. Schnaken: &p0g, M. &nopga. Mit diesem Namen wird zuweilen 
auch ein schmächtiges, schwächliches Frauenzimmer bezeichnet. — Wenn 
di Snooga an schönen Tagen im Februar oder März in der Luft spielen, 
dantso, so gits bal früjoor,; ebenso prophezeit man im Sommer schönes 
Wetter für den andern Tag, wenn am Abend vorher di $npoga dantsa. 
Von einem übergeschickten Menschen, der Unmögliches möglich zu 
machen vorgibt, spöttelt man: dee duud an Snooga-futs iiwər ən báux- 
biid (große Waschbütte) $bana. 

27. Stubenfliege: mig, M. migo. Die Fliegen verunreinigen in den 
Zimmern alle Wände und Gegenstände mit den bekannten Punkten, ge- 
nannt migasis. Sie bilden daher eine große Plage, weshalb man ihnen 
mit verschiedenen Mitteln zu Leibe rückt: mit migaglaas, (vergiftetem) 
migababeiaer, migafeyar (Klebrollen der Neuzeit) und migablet$ (Fliegen- 


240 Edmund Protsch. 


klappe). Von einem Schlaukopf rühmt man: dee was, woo mar da miga 
gore leest (zur Ader läßt). Er bekommt sogar den Doktortitel: dogdar 
migofuts. Wer bei einer Arbeit einen zweifachen Erfolg erzielt, hod 
tswoo miga mid anar blei$ gohâu. Wer aufgeregt, leicht reizbar ist, 
deen erjara de miga aan da wen. Raucht jemand ein schlechtes Kraut, 
so heißt’s: dopfun frega di miga aan da wand. Läßt sich ein Mann das 
Kinn bis auf die wenigen Haare an der Mitte der Unterlippe rasieren, 
so dreet ər ən mig. Ein armseliges Mädchen wird 9» migas genannt. 


f) Halbflügler. 


28. Bettwanze: an wants, M. wantso. Früher wurden die Wanzen 
auch wandleis genannt. Es wird erzählt, daß früher einmal ein Mann 
als unfehlbar wirkendes Mittel zur Vertreibung der Wanzen sein Haus 
angesteckt hat. Dabei soll er unter Begleitung der Fiedel gesungen 
haben: wen dad nid guud fopr di wandleis is, da wes c nid, wad 
besar is. Seitdem ist dieser Reim sprichwörtlich geworden für Fälle, 
von denen man Brandstiftung vermutet. 

29. Laus: ous, M. lets; scherzweise werden sie auch hanwiiwalcar 
genannt (wiiwələ = durcheinander wimmeln). Die Eier heiBen „iss. An 
Arten werden unterschieden kob-lers, klera-leis, filts-leis und spof- leis. 
Von dem Worte Zäus sind eine Anzahl Schimpfnanen abgeleitet: lüusert, 
läusbuu, läusaars, läustsibal und läusmens. Man will die Personen als 
Besitzer von Läusen hinstellen und sie damit verächtlich machen. Diese 
Worte sind zugleich ein Beweis für die ehemalige weite Verbreitung des 
Ungeziefers. Einen weiteren Beweis dafür bilden eine Anzahl Namen, 
die durch Zusammensetzungen mit dem Worte leis gebildet sind und 
verschiedene Teile des Kopfes bezeichnen, so daß man denken könnte, 
der Kopf sei der Läuse wegen da. So wird das Genick als leiskäul 
bezeichnet. Ungleichmäßig geschnittene Haare, die gleichsam Stufen 
bilden, sind leisdraba (Laustreppen). Der Scheitel wird zum leispaad 
und die Glatze gar zum dantsbooram for di leis. Selbst der enge Staub- 
kamm, der zur Reinigung der Haare dient und den Läusen den Unter- 
gang bringt, muß sich in leiskam umbenennen lassen. Aber noch viel 
weiter greift der Machtbereich der Läuse — in der Sprache. Was 
jemand durch List genommen oder herausgelockt ist, wurde ihm råus- 
galäust. Wer in einer Sache großes Geschick, sei es durch Anlage oder 
Übung, zeigt, hod’s im grif wii da beeralman di läus. Andererseits muß 
man sehr vorsichtig sein, daß man zic nid an láus in do belts zetst, 
d. h. durch verkehrte Maßnahmen sich selbst einen Nachteil bereitet. 
Selbst der Magen und der Bauch sind vor den ungebetenen Gästen nicht 
sicher, weshalb man Kinder warnt: drink nid 100 fiel wasar, xust kris da 
leis in da baux. Mitunter soll es sogar geschehen, daß jemand an láus 
üwar di leewor left, wenn er nämlich ohne ersichtliche Ursache ver- 
stimmt ist. Endlich überträgt sich noch gar der Charakter der Laus auf 
manche Menschen. Der nervöse Mensch 25 200 grimbue wii on filtsldus. 


Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 241 


Wieder andere fühlen sich wohl, wenn sie in ihr Element kommen, wenn 
es auch schlechter Art ist; denn wen di laus in do grind (Schorf, Aus- 
schlag) kimt, do wuult xə oder weerd fed. Wenn aber der Mensch ver- 
kommt, stellt sich das Ungeziefer von selbst ein: klærə mazxə leit. un 
lumbə leis. Je nach dem Grad der Verkommenheit ist er dann entweder 
sdeif fol leis oder hod mee leis als hoorkeit uf am kob oder hat gar lets 
xoo dig wii kwetšə. Nicht unerwähnt mag bleiben, daß man junge 
Mädchen, die nicht früh genug ihre Sehnsucht nach einem blumen- und 
bändergeschmückten Strohhut bekunden können, zurechtweist: haaft ox 
eerst sdroo foor di leis za forbrena. 

(Hier sei mir eine persönliche Bemerkung gestattet. Der Leser 
möge aus der Reichhaltigkeit der Ausdrücke über Flöhe und Läuse nicht 
schließen, daß das Ungeziefer noch jetzt bei der Hunsrücker Bevölkerung 
stark vertreten sei. Der Hunsrück steht in dieser Beziehung nicht 
schlechter und nicht besser als andere Gegenden da. Von jener »lausigen« 
Zeit gilt aber, was der Hunsrücker noch von manchen anderen Dingen 
zu sagen pflegt: od waar amool un tis nid mee.) 


d) Schmetterlinge. 

Die Tagschmetterlinge werden als blindormeis, Einz. blindarmaus 
bezeichnet, die Raupen als r@ubs. Die Schmetterlinge werden lediglich 
unterschieden nach der Größe als groosa oder klena blindarmeis oder 
nach der Farbe als weiss, roora, blopo, griina, gee usw. Die alten 
Leute sprachen übrigens von blinormeis. Nachtfalter, Eulen und Klein- 
schmetterlinge heifen unterschiedslos modo, Einz. mod. Auffällig ist es, 
daf der Landmann, der sonst bei jeder Tiergruppe besondere Namen 
für einzelne Arten hat, solche bei den Schmetterlingen nicht kennt. Die 
einzige Ausnahme bildet die Kleidermotte, die er saawo nennt; doch gilt 
dieser Name auch nur für die Larve des Tieres. Der Landmann bezieht 
sich auch in seinen Redensarten wenig auf die Schmetterlinge. Wer 
Mißfallen erregt, wird verwünscht da zulst di moda kriis. Kinder laufen 
den flatternden Schmetterlingen nach und suchen sie zu jagen, wobei 
sie rufen: blindarmäus, dei joor is dus! 


h) Spinnentiere. 

30. Kellerassel: Aelor-i:ol; in Kirchberg werden diese Tiere auch 
wilo "ei genannt. 

31. Spinne: sbin, M. sbinaə. Als besondere Arten sind Ärerts- Shin. 
und helor-Sbéíno zu erwähnen. Das Netz der Spinnen heißt Sbinswreeln. 
Hängen in einer Wohnung labo Shinoweeb, obwohl erwachsene Töchter 
vorhanden sind, die für Reinlichkeit sorgen könnten, so werden die 
Mädchen getadelt: doo heygo freisr! sbinaweel, dient als Blutstillungs- 
mittel bei Wunden. Ein feines Gewebe 7x :00 din wii sbinswrel. Lange, 
dünne Finger werden als sbrnofiyor bezeichnet. Wer sehr erzürnt 
wurde, ist shimobees. Wenn es bei irgend einer Gelegenheit entgegen 

Zeitschrift für Deutscho Mundarten. VI. 16 


der Erwartunz nichts zu tinken gibt. so Lets: des dins am di tune 
en da hais tema, weil diese nur an trockene Orie ibr Netz Spanne 

Die Spin ne it auch als EE Wern die Spinnen im Horta 
zwischen Gräser und Sträuchern unzanijge so . ale. bereit. 
den Eirdruck von visien Stückeler Mail machen., šo sast der Bauer: 


e ` -. = `~ 


al gel Seele Wier, de s'una hin MES aj Apr NOAT Ss SCHICKS 


künderin wird lie Srirne betrachtet: Sons ann Veren er Bere ot derden rn 
Ars. 

es MER EE E EE Re 

32 Tauseratub: A E EE 


35. Weherkreett: EE a deeg Aer Zä 


NN 


Zu den Spinnen zählt auch B hraum!.he, die die Eratze ver- 
ursacht. aie nn Hautkrankbeit. die der Hazer: OEREN as arend bhe- 
zeichnet Er sei ES nicht. dub aisse Krankheit Jürch ein Tier ver- 
ursacht wird. noch kennt er das es er seht Mit DR wird abe 
jeder dichte en ar, auch jede Flechte bezeichnen Wer rv 
K«piflechte befallen ist. wird orvwii.h zeschimyit Wo sich ein Ausschlaz 
oder borkize Haut bilder. spricht man ven einem gein ucan Menschen: 
auch Kartoffeln mit schorfizer und zerfressener Haut werden a 
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md 
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So) "eener 
bezeichnet Zur Vertreibung des eizeutlichen Grindes „der der Krätze 
verwendet gas Volk yreelSmerr. eine Sa.he, deren Hersv.unzswelse auf 
alter Überlieferung beruht. SL der Meirunz Ges Voikes kann der drei, 
wenn er vern; uchlässizt wird und sich einfrijt. ins Blut überzelen und 
dadurch unheillar werden, a zieichsam Dauericrm annelmen, wohel 
die Krankheit e "bie? dem M uiweersel Ein Ab- una Zunenmen 
zeigt. Diese Art nennt cer Volk el "> We ¡ENT Bezeich- 
nenderweise wird er secar in einem E 


ro! 


St A S S ee e ii as 
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verzeihhenue Liebe jn drastischer Weise a 
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2. Fi krens: Gas. Mo Grat [Me dunzel sedartten Tiere werden 


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Krebs auf com Trockenen in der Deore) rlekwusts: CANET saci Man Von 


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einem Menschen. der in seinen Verm zensvrert niesen puro ko mmt: 
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Die Tiere in der Mundart von Laubach (Hunsrück). 243 


II. Weichtiere. 


Von den Weichtieren kommen nur die Schnecken in Betracht. Der 
mundartliche Name lautet $neel, M. Sneela. Die Fühler der Tiere werden 
als heernar (Hörner) bezeichnet. Das Volk unterscheidet als Arten: feld- 
Sneelo, kelar-Sneelo, gaarda-Sneela und geela Sneela (gelbe Schnecke, wo- 
mit die rote Wegschnecke gemeint ist) Werden Schnecken in einem 
Gefäß mit Salz bestreut, so scheiden sie einen Saft aus; dieser bildet 
angeblich ein gutes Mittel zur Vertreibung der Warzen. Zieht die 
Schnecke beim Kriechen ein Klümpchen Erde hinter sich her, so soll 
Regen in Aussicht stehen. Ein steifer Mensch, der nicht vorwärts 
kommt, kimt wii ən Sneel gokror. Wenn ein unsauberes Kind die Nase 
nicht putzt, so sagt man ihm: dọọ kimt ən Sneel ardus. Treibt jemand 
allerlei Dummheiten, so bezeichnet man diese als Snegadents. 


III. Würmer. 


Die allgemeine Bezeichnung lautet woorom, M. weerom; Dim. 
weeramea, M. weeramcar. Dinge, in denen Würmer leben, wie Holz oder 
Obst, sind woprmw, wooram-Sdicıc oder ferwoeramt; in Kirchberg findet 
sich auch der Ausdruck Wwoprmensic. Das von einem Wurm verursachte 
Loch ist on woprem-lox, M. wooram-lecar. Seine Anwesenheit verrät 
der Wurm oft durch das wooram- meel; dieses besteht bei Obstwürmern 
aus deren Kot, bei Holzwürmern! dagegen aus fein geschabtem Holz. 
Das Holzwurmmehl wurde in früherer Zeit zum sdiba, d.h. Bestäuben 
wunder Körperstellen verwendet. Von den Arten der Würmer kennt der 
Landmann folgende: 

1. Bandwurm: bandwooram. Von langen Gegenständen, wie Bän- 
dern, sagt man: dad is 200 layg wit on bandwppram. 

2. Blutegel: bluud - dur. 

3. Regenwurm: reen-wopram, M. reen-weerom. 

4. Springwürmer: afdar-weeram, auch wohl naa-weeram (Nage- 
würmer). Ein Kind wird „aa-woorom geschimpft, wenn es die Eltern 
fortgesetzt mit allerlei Anliegen plagt. 

5. Spulwürmer: werden kurzweg weeram genannt. Zum Abtreiben 
wendet das Volk den Samen des Rainfarn (Tanacetum vulgare) an, der 
deshalb den Namen wooram- kräut trägt. 


I Tfolzwürmer sind Käferlarven. Das Volk betrachtet sie aber als Würmer, wes- 
halb sie hier mit erwähnt werden. 


16* 


944 Anton Pfalz. 


Phonetische Beobachtungen an der Mundart des 
Marchfeldes in Nieder- Osterreich. 


Von Anton Pfalz. 


Zur Lautschrift: 27 e e ú Y d y sind vordere, a ọ o u hintere 
Vokale. Nasaliertes q” ist etwas offener als o a? und au erscheinen 
im raschen Fluß der Rede nicht selten reduziert. + bezeichnet den durch 
Gaumenlaute beeinflußten /-Laut ($ 5, 2b) -/ den durch Verschmelzung 
mit Zahnlaut entstandenen. 5 d g sind stimmlose Verschlußlautlenes, 
s fc x sind stimmlose Reibelautlenes, f ist labiodental. w ist stimm- 
hafter Reibelaut mit labiodentaler, manchmal wohl auch bilabialer Engen- 
bildung. Die Reibelautfortes werden durch Doppelschreibung ausgedrückt 
(ss ff ce zr). In einer Gruppe Reibelautfortis + Verschlußlautfortis oder 
Verschlußlautfortis + Reibelautfortis wird die Fortisartikulation des Reibe- 
lautes, um Buchstabenhäufungen zu vermeiden, nicht ausgedrückt. Aus 
demselben Grund wird beim Zusammentreffen zweier Reibelautfortes nur 
der erste doppelt geschrieben. bf ds sd 3d Aë sb gs und 93 sind im 
Anlaut Halbfortes, wenn ihnen ein Z oder n unmittelbar folgt oder wenn 
der nachfolgende Vokal kurz ist. Nasalierung wird stets bezeichnet, auch 
vor erhaltenem Nasal. r ist stimmhaftes Zungenspitzen -r. 


Lautverbindungen. 


$1. Ein- und Absatz. (Sievers, Grundzüge der Phonetik 5 $ 385 ff.) 
In der Regel werden alle Laute mit dem leisen Ein- und Absatz ge- 
sprochen. Doch kommt bei Vokalen am Anfang eines Satzes nach Pause 
auch der feste Einsatz vor, wenn der Vokal mit starkem Ausatmungs- 
druck gebildet wird, z. B. e» hopbnit op"smion wooin, ii quo bi" gsacido 
gweesd »er hat mich anschmieren (betrügen) wollen, ich aber bin ge- 
scheiter gewesen<. Aber es kommt auch in derartigen Fällen oft leiser 
Einsatz vor. — Fester Ein- und Absatz kommt meist Vokalen zu, die 
Wörter des Befehles, der Verwunderung, des Zornes, der Freude oder 
der zweifelnden Frage beginnen bezw. schließen: ’opwo’, ’opwv’ »aber, 
aber« Verwunderung und Enttäuschung ausdrückend; ’oowoxt » Achtung !« 
’ooha’ »halt!« ’e*mpweedvroodv v>entweder odere zornig drohend gerufen; 
Jog »jac zweifelnd; naa” »nein« fragend und ablehnend im Sinne von 
doch nicht; ’a doo Sausti 00" »ah da schaust du dich an« im Tone der 
Überraschung soviel wie: sieh da! — Phonetisch betrachtet sind die A 
der Ma. gehauchte Einsätze: Juan Haar; ’ophaa oder ’vohn oha! Die 
Interjektion hop kommt in mehreren Formen vor: Aw = merkwürdig; 
hmh = ja; huh = ei, ei; hop oder n?m :- nein. 

Bei Vokalen fehlt gehauchter Absatz, bei Konsonanten kommt 
er nur im Anlaut bei den Fortes Ah und ph und bei der Lenis dh vor: 
khuuv Kuh, phaupta behaupten, khovidn gehalten, dhov"d die Hand. 


Phonetische Beobachtungen an der Mundart des Marchfeldes in Nieder- Österreich. 245 


$2. Berühren sich im Wort oder Satz einfache Vokale, so ist der 
Übergang ein unmittelbarer. Bei den Diphthongen ev, iv, ow, un 
tritt häufig ein Übergangslaut ein, dessen Artikulation im wesent- 
lichen mit übereinstimmt, nur daß er schwächer artikuliert und von 
geringerer Dauer ist. Dieser Übergangslaut wurde von den aus Vokal 
(e, 2, 0, «) + r entstandenen Diphthongen, die mit diesen älteren zu- 
sammenfielen, übertragen (e, BAL Wie es also heeor»"mot höre einmal, 
fpoovruu"mt fahre hinüber, firvrausst führe hinaus, $ruuprogsnaain Schnur 
abschneiden heißt, wo das r zwischenvokalisch regelrecht erscheint, ebenso 
heißt es greev"rgowo guund grün aber gut, wiivrıi wie ich, dees opn ris 
guupd dieses Ei ist gut, do buuorokod der Bube ackert. Zwischen o 
und hellem (vorderem) Vokal tritt der Übergangslaut ein beim Wörtchen 
woo, z. B. woort wo ich, daneben aber auch mit » als Übergangslaut: 
woong wo ich. Vor dunklem Vokal tritt hier nie ein Übergangslaut 
ein, es heißt also z. B. stets woo ppvwotn wo arbeitet er. 

Ebenso wie bei der größten Zahl der Diphthonge ist der Ubergangs- 
laut r zwischen a und Vokal historisch begründet, z. B. waart wäre 
ich, waarvwaaj wäre ein Weib. Desgleichen geht n als Übergangslaut 
in geent gehe ich, sdeent stehe ich auf historischen Ursprung zurück, 
ebenso wie in o'n ọọpm einen Arm, on oo einen Acker und ein 
Acker. 

$3. Die Nasale nach Vokalen. Folgt im Wort auf einen Vokal 
(Diphthongen) unmittelbar ein n, m, y, so wird dieser Vokal nasaliert, 
vorausgesetzt, daß die Lautfolge Vokal + Nasal historisch, nicht erst 
Ergebnis jüngerer Entwicklung ($$ 4ff.) ist. Im absoluten Auslaut 
stehendes n büßt seine Zungenartikulation ein, verliert seinen Wert als 
selbständiger Konsonant und hinterläßt nur im Nasalklang des voraus- 
gehenden Vokales seine Spur: khoop” kann, 3ọọ” schon, bii” Bühne, zee” 
schön, suu” Sohn, rọọv” Rain, Saaz" Schein, heen” Hühner. n zwischen 
Vokalen behält seine Verschlußbildung: mop*n» Männer, khiinn können, 
see"no schöner, Ikhoov"nv keiner, Saai"nv scheinen, gleev"nv kleiner. Ebenso 
vor gleichartigem (homorganem) Verschlußlaut, wenn die Verbin- 
dung »-+d(t) durch alle Wortformen geht: w."nd Wind, gru"nd Grund, 
bo"nd Band, he"nd Hände daneben auch he"nt. Es verliert aber seine 
Verschlußbildung, wenn die bezeichnete Verbindung nur zum Zwecke 
der Formenbildung eintritt: ev Saai"d er scheint, ev» graard er greint 
(zankt), eu dspp*d er weint, ed moon"d er meint, gmọọ”d gemahnt. Er- 
halten ist auslautendes 1 in Wórtern wie su"n Sonne, bru"n Brunnen, 
’ re"n ich renne, 2 r2"» ich rinne in allen Formen. 

Diese Zusammenstellung zeigt, daß sich hier historische Verhält- 
nisse spiegeln: In allen Fällen, wo auslautendes » erhalten ist, 
geht es auf altes nn zurück, welches in späterer Zeit zur ein- 
fachen Fortis wurde, die heute als Lenis erscheint. Die ur- 
sprünglichen Lenes haben ihre Artikulation verloren. Dieselben 
Stärkeunterschiede haben wohl auch die verschiedene Behandlung der » 


246 Anton Pfalz. 


vor d (t) bewirkt. Phonetisch ist es begreiflich, daß rn vor gleichartigem 
Verschlußlaut entschiedenere Artikulation des Verschlusses erfährt, gleich- 
sam gestützt wird durch den folgenden Verschlußlaut. Wir dürfen dem- 
nach folgende Regel aufstellen: Auslautende Lenes-n verlieren ihre 
Verschlußbildung, auslautende Fortes-n werden zu Lenes. Vor 
gleichartigem Verschlußlaut verlieren die Lenes-n ihre Ver- 
schlußbildung, die Fortes aber bleiben als Lenes erhalten. Wo 
der gleichartige Verschlußlaut heute noch als Fortis (t) er- 
scheint, bleibt vorausgehendes n als Fortis bestehen (vgl. Schatz, 
Ma. v. Imst S. 16). 

S 4. Ebenfalls nur für stammhafte Verbindungen gilt die Be- 
einflussung des Vokals durch unmittelbar folgendes r oder l. 
In der Lautfolge Vokal +r tritt Verstärkung des Gleitlautes zwischen 
Vokal und Sonorkonsonant ein, die Zungenartikulation des r unterbleibt, 
so daß ein Diphthong entsteht, dessen zweiter Bestandteil » ist, be- 
ziehungsweise durch Verschmelzung des o mit vorhergehendem a ein 
Monophthong a. Die Zungenartikulation des » wird aber ausgeführt, 
wenn ein Vokal nachfolgt ($ 2). Es ergeben sich demnach folgende 
Laute: a+r zu a; e-Laut+r zu ev; t+ r zu iv; o-Laut + r zu op; 
ur ZU UD. 

Ähnliche Verhältnisse liegen vor bei Vokal +1. / ergibt mit vor- 
hergehenden Vokalen im Wort 1. Diphthonge, 2. Monophthonge. 
Diphthonge ergeben die Lautfolgen ail, aul, al, ọl, ol und ul. Und 
zwar wird aus all, aul, al ein ei, aus ol ein ot, aus ol ein ot, aus ul 
ein vi. Monophthonge entstehen aus den Lautfolgen el, el, al und ul. 
Und zwar wird el zu o el zu ö, il und l zu ü. Die Monophthonge 
sind, wie eng verwandte Maa. unseres Kronlandes zeigen, aus ursprüng- 
lichen Diphthongen entwickelt, deren zweiter Komponent ein 2-ähnlicher 
Laut gewesen sein wird (vgl J. W. Nagl, Gram. Analyse des n.-ö. Dia- 
lektes. Seemüller, Deutsche Mundarten I. Il. Sitzungsb. d. k. Ak. d. 
Wiss. Wien; phil.-hist. Kl. 158. Bd.). 

In allen diesen Fällen büßt der l-Laut seine eigentümliche Zungen- 
artikulation vollständig ein und hinterläßt nur die angegebenen Spuren, 
wenn er allein oder mit einem ihm folgenden Konsonanten die Silbe 
schließt, deren Träger der dem 2 voraussehende Vokal ist: fecei faul, 
gfceeiid gefault (verfault), sooíd schallt, 2 hooí ich hole, hooín holen, 
suut Schule, gan Gulden, Sdöön stehlen, Aöö hell; sdööd stellt, höö 
Hölle, fü viel, gät es gilt. 2 wird aber artikuliert, wenn es zwischen 
Vokalen steht oder, anders ausgedrückt, wenn es eine Silbe desselben 
Wortes beginnt. Dabei bleiben der Diphthong «ii und die Monophthonge 
ö, ö, ü erhalten, während die Diphthonge of, of, we als 0, 0, u er- 
scheinen. Es heißt also: sdeceä steil — sdaciilo steiler; meri Maul — 


Kegeln; dsüü Ziel — dsiiúlo Licler. Aber: i fopi ich falle — i fgọlvd 


Phonetische Beobachtungen an der Mundart des Marchfeldes in Niedor-Österreich. 247 


ich fiele; woog Wolle — woolon wollen; Suuz Schule — Suulobuuv 
Schulbube. 


Anmerkung. Wenn ein tonloses Wort mit vokalischem Anlaut auf einen durch 
die Einwirkung des 2 entstandenen Laut folgt, z. D. foqí + falle ich, so kann — muß 
aber nicht — das / erscheinen unter denselben Veränderungen wie oben, also: foolt falle 
ich, zeweült weil ich. Min und wieder hört man auch fegirt, waürt. Ebenso kann l, 
nie aber r erscheinen bei den Verben, die mit vokalisch anlautendem Vorwort zusammen- 
gesetzt sind, wenn dieses nachfolgt: feat urm oder foglunm falle um; 3döö gg” oder 
sdöölgor (anstellen), fit 09% oder füilgor (anfüllen). 

S 5. Lautverschmelzungen. Da die Verschlußlaute eine sehr 
geringe Schallfülle besitzen und ihre Kraft wesentlich auf der Stärke der 
Verschlußbildung und -öffnung beruht, werden gegebenen Falles die Ver- 
schlüsse gleichartiger Sonorkonsonanten verstärkt durch sie, während die 
Sonoren den Ausatmungsstrom der Verschlußlaute beeinflussen. Wenn 
nun die Stärke eines Konsonanten ein Minimum darstellt, so kann es 
leicht geschehen, daß er in der Schallfülle des gleichartigen Sonorkonso- 
nanten aufgeht und diesem nur eine verstärkte oder sonst veränderte 
Verschlußbildung hinterläßt oder auch nur Merkmale im Bewußtsein der 
Sprecher, im Bewegungsgefühle ihrer Sprache. Wir heißen diese Er- 
scheinung » Lautverschmelzung«. Eine ähnliche Verbindung von ursprüng- 
lich zwei Lauten fanden wir in unserer Ma. schon in den Lautfolgen 
Vokal + Nasal ($ 3), Vokal +1 oder r (8 4). Hier nun handelt es sich 
um die Verbindung von Sonorkonsonanten mit Verschlußlauten, 
wobei Lautverschmelzung eintritt. 

l. Die Nasale in Verbindung mit gleichartiger Verschluß- 
lautlenis (Über die Verbindung mit Fortis vgl. $ 6): d+n zu nm. In 
Wörtern wie reen, reden, wird die dem d und n gemeinsame Zungen- 
artikulgtion nur einmal- ausgeführt und zwar wird das Tönen der Stimm- 
bänder während der Verschlußbildung nicht unterbrochen, wodurch nur 
ein » hörbar wird. Über das d hinüber verbinden sich also der Stimmton 
des Vokales und des Sonorkonsonanten miteinander. Das d wirkt in- 
sofern nach, als in diesen Fällen der Vokal nicht genäselt wird. m ist 
hier unsilbisch, weil es mit dem Vokal Stimmton und Ausatmungsdruck 
gemein hat und weil gegenüber dem Vokal seine Schallfülle zu gering 
ist, um es zum Silbentráger zu befähigen, obgieich es durch die Ver- 
schmelzung etwas schallstärker ist, als z. B. anlautendes ». Entstanden 
müssen wir uns diese Formen denken aus einem Ubergang von reden 
redy ren reen. Weitere Beispiele: boon baden, foon Faden, laain leiden, 
boon Boden, loon Laden. Nicht bivß auslautend, auch inlautend und 
zwar so, daf » zur zweiten Silbe gehört: loon» laden, «aat"faano ein- 
fädeln. Dasselbe æ wird gesprochen nach den durch #, 2 bewirkten Vo- 
kalen und Diphthongen ($ 4): keenn hören, Arion Gehirn, sdóón stellen usw. 
r und / haben also nicht nur den Vokal, sondern auch den Nasal be- 
einflußt. 

mb in der Verbindung mbf. Der Lippenverschluß ist m und b 
gemeinsam. Diese Verschlußbildung wird nur einmal ausgeführt, der 


248 Anton Pfalz. 


Stimmton des Nasales erst unterbrochen, wenn die Unterlippe den labio- 
dentalen Verschluß fürs f herstellt. Auf diese Weise geht der Verschluß- 
laut b im m auf und hinterläßt diesem eine breitere Verschlußfläche. 
Das Ergebnis ist mf: sduu"mf Stumpf, khoo"mf Kampf, yroo*mf Krampf. 

y verschmilzt mit nachfolgendem g. In einem Wort wie bo” bange 
oder lev länger wird der Zungen-Gaumenverschluß nicht durchbrochen. 
Der Ausatmungsluftstrom hört mit dem Stimmton zugleich auf, daher 
fällt die VerschluBlenis fürs Ohr aus. # selbst ist theoretisch vom Stand- 
punkt der Lautphysiologie aus schon eine Anpassung des Nasals an den 
Gaumenlaut, wenn dieser folgt. Trifft nun die umgekehrte Lautfolge zu, 
also g+r, so haben wir gleichartige Erscheinungen zu erwarten. Aus 
der Gruppe g+» erhalten wir wieder y. Der einzige Unterschied 
zwischen den y aus n+qg und denen aus y +29 (bezw. y +y und g+>7) 
ist der, daß das letztere nicht nasalierend auf den Vorvokal wirkt. Auf 
diese Weise bleibt die verschiedene Herkunft der y gewahrt. So entsteht 
aus Wange ein wg”yp, aus Wagner ein woyp. 

Im Anlaut bleibt die Artikulation des y erhalten: gyeecd Knecht, 
gyood Gnade. 

Aus praktischen Gründen behandle ich hier auch die Verschmelzung 
- von bm zu m. Eigentlich stellt ja diese Verschmelzung das Endergebnis 
einer gegenseitigen Anpassung (Assimilation) dar, ebenso wie die y aus 
y-+n; aus einer Lautgruppe ber wird be, daraus bm, welches zu m ver- 
schmilzt. Dabei wirkt auch der vorhergehende Vokal mit. Denn der 
Stimmton wird bei der Bildung des auf den Vokal folgenden Lippen- 
verschlusses, der als b und m gemeinsam nur cinmal ausgeführt wird, 
nicht unterbrochen, sondern tönt fort, nur entweicht die Luft infolge 
der Senkung des Gaumensegels durch die Nase. -Daher verliert auch das 
m den Wert eines Silbenträgers. Der vorausgehende Vokal wird nicht 
nasaliert. leem leben, loom loben, liipin lieben adj., gra Grube, fv- 
doonm verdorben, laat Laube, blaaim bleiben, griim gerieben. 

2. Die Liquide l geht folgende Verschmelzungen mit Nachbarkonso- 
nanten ein, wenn sie ihnen nachfolgt: 

a) / verschmilzt mit vorausgehendem d au -/ In einem Worte wie 
sdoo-! Stadel geht das von Haus aus schwach artikulierte d in der mit 
sleicher Zungenbewegung gegen den hinteren Rand des Zahnfleischwulstes 
des Oberkiefers gebildeten, sehr schallkräftigen Liquida auf und hinterläßt 
nur eine kräftigere Verschlußbildung. Der Zungensaum wird an den 
Oberkieferwulst geschnellt. Was der Ausatmungsdruck an Stärke gegen- 
über dem 2 gewinnt, verliert er an Dauer, wodurch -/ abgehackt klingt. 
Die Schallfülle des /-Lautes ist aber so groß, daß er seine silbebildendo 
Kraft nicht einbüßt. Gleichartig ist der Vorgang und gleich das Ergebnis, 
wenn 7 mit / zusammentrifft, z. B. kheen-} Kerl, beev-/ Beerlein. 

In der Verbindung ndl tritt die Verschmelzung zu -/ nicht ein, 
weil hier der Verschluß des « gestärkt ist durch den des vorausgehenden 
n. wirndl, worndl Windel, Wandel. Über sul vgl. 87. 


Phonetische Beobachtungen an der Mundart des Marchfeldes in Nieder- Österreich. 249 


b) ¿ nach g. Da es möglich ist den Z-Klang hervorzubringen, wenn 
die hintere Zunge gegen den Gaumen artikuliert, so wird die Bildungs- 
weise der Gaumenlaute zugleich für die des l-Lautes verwendet. Der 
vordere Zungenteil liegt dann, weil die Zunge als Ganzes nach hinten 
gezogen ist, am unteren Rand des Zahnfleischwulstes des Unterkiefers. 
Die seitlichen Zungenränder schieben sich an die Backenzähne. Während 
des g-Verschlusses hört der Stimmton des vorhergehenden Vokales nicht 
auf, der Verschluß wird nicht durchbrochen, was zur Folge hat, daß g 
seinen Wert als selbständiger Laut verliert und seine Spur in dem eigen- 
tümlichen !-Laut zurückläßt. Das so entstandene ?# ist silbisch, doch 
nicht so voll wie -[. Beispiele: Sdriit Striegel, flirt Flügel, fleet Flegel, 
saat Säglein, foot Vogel. 

Diese Verschmelzung kann nur eintreten, wenn dem g ein Vokal 
unmittelbar vorhergeht. Es heißt daher im Anlaut stets mit Erhaltung 
des y: gloos Glas, glop"ns Glanz, gtuund Glut. Ebenso heißt es bee*ygt 
Bengel, ee*ygt Engel, dscygt Zünglein. In den Fällen, in denen # aus 
g+n entstanden ist, tritt vor ? das g als voll artikulierte Lenis auf: 
waygt Wäglein, maygt Mäglein. Hier ist nämlich der Stimmton des y 
zu gering, als daß er noch ausreichte für ein £ Er wird daher ab- 
gebrochen und die Stimme setzt neu ein, wodurch eben in der Pause 
des Stimmtones ein g hörbar werden muß. Dieses y ist also im Grunde 
nichts anderes als ein Übergangslaut. 

3. Lautverschmelzungen von Wort zu Wort im Satze kennt die 
Ma. eigentlich nicht. Denn Fälle wie hee mn aus heb mw hebe mir, 
wo also ein tonloses Fürwort an das Verbum tritt, können nur als Ver- 
schmelzung im Wort betrachtet werden, da fürs Sprachgefühl kem» 
oder heemv tatsächlich ein Wort ist, ebenso wie geemp geben wir, 
hoo"m» haben wir u.a. Daß nur diese Verschmelzung (bm zu m) vor- 
kommt, hat seinen Grund in der Verteilung der Konsonanten im Wort- 
schatz. 


Anmerkung. Es fällt dem Marchfelder und auch dem ungebildeten Wiener schwer 
ein schriftdeutsches Wort, in dem 2 auf Vokal folgt, mit dem 2 der Bühnensprache zu 
sprechen. Er spricht dafür sein schärferes -/. So wird z. B. stets wat-l weil ge- 
sprochen, wenn man sich der Schriftsprache zu bedienen bestrebt ist, als wäre es aus 
*waidl entstanden. Auch kommt in Verbindungen Vokal + r stets der Gleitlaut v stark 
zur Geltung, wenn versucht wird nach der Schrift zu sprechen. 


86. In den vorhergehenden Paragraphen wurden Fälle besprochen, in 
denen es infolge der Beschaffenheit der Verschlußlaute nach dem Satze von 
der gegenseitigen Beeinflussung bis zur Verschmelzung mit benachbarten 
Sonorkonsonanten kam. In allen diesen Fällen war der Verschlußlaut 
eine Lenis mit schr geringer Artikulationsstärke. Wenn nun die stimm- 
losen Verschlublaute Fortes sind, so wird bei der gegenseitigen Beein- 
flussung ein Ergebnis zutage treten, das den Stärkeverhältnissen der ver- 
bundenen Laute entspricht. Dasselbe gilt von den Reibelauten, die eine 
Verschmelzung nicht eingehen, auch wenn sie Lenes sind, weil sie einer- 
seits eine zu bedeutende Schallfülle besitzen, anderseits aber auch durch 


250 Anton Pfalz. 


die Engenbildung ihrer Bildungsweise stärker von den Sonorkonsonanten 
unterschieden sind als die Verschlublaute. 

1. Konsonanten der labialen Reihe in Verbindung mit Na- 
salen: Wenn es in dem $ 5 angeführten Beispiel griim gerieben bis zur 
Verschmelzung kam, so läßt in einem Worte wie gripm Krippe die Fortis 
p eine solche nicht zu, weil sie zu kräftig erzeugt wird. In dem Worte 
gripm wird der p-Verschluß aber nicht oral gesprengt. sondern durch- 
gehalten, während der Ausatmungsstoß durch die Nase geführt wird bei 
gleichzeitigem Einsetzen des Stimmtones. Dadurch entsteht natürlich ein 
m, das silbisch sein muß. Das p verliert seine :orale Explosion: zu- 
gunsten des 2, welches aus » durch Anpassung ans p entstanden ist. 

Die Verbindung fn wird so gesprochen, daß der Luftstrom des f. 
der ursprünglich durch den Mund (oral) entweicht, plötzlich infolge Sen- 
kung des Gaumensegels seinen Weg stoßartig durch die Nase nimmt, 
ohne daß der »-Verschluß ausgeführt würde. Es bleibt die Stellung der 
Lippen und Zunge des f beibehalten: raffı raufen, Slinffn schliefen, sepfn 
schöpfen. Manchmal bewegt sich die Unterlippe vom labiodentalen /-Ver- 
schluß nach vorn und bildet mit der Oberlippe bilabialen Verschluß, wo- 
durch ein au von sehr kurzer Dauer erzeugt wird. Entsprechend sind 
die Verhältnisse bei der Lenis f+ n: heefn Hafen (Geschirr), oofn Ofen 
bezw. heefm, oofm. 

2, Konsonanten der dentalen Reihe in Verbindung mit 
Nasal. In einem Worte wie retn, retten, wird der t-Verschlul nicht ge- 
sprengt, sondern durchgehalten, während der Luftstrom in kräftigem Stoß 
durch die Nase austritt und zugleich der Stimmton einsetzt. Auf gleiche 
Weise wird der Lenisverschlub in Wörtern wie goovdn Garten, SooDdr 
Scharte durchgehalten und der Ausatmungsstrom durch die Nase geleitet. 
Das » ist in letzterem Falle natürlich weniger kräftig als in ersterem, 
wo es ja mit Fortisdruck erzeugt wird. 

Die Verbindung ss», sn und ssn wird so gesprochen, daß die Reibe- 
enge bis zum Verschluß geführt wird und der mundwärts ausströmende 
Luftstrom zugleich mit Einsatz des Stimmtones durch die Nase entweicht: 
mipssn müssen, beesn Besen, fissu fischen. 

Folgt die Affrikata ds einem z nach, so wird die Konsonanten- 
gruppe zu As vereinfacht. Anstatt nach dem »-Verschluß den d-Ver- 
schluß nochmals zu bilden, gleitet die Zunge gleich vom Alveolenpunkt 
des » nach dem etwas weiter hinten liegenden des s. Dieser Vorgang 
hat seinen Grund in der schwachen Artikulation der Lenis d, die zwischen 
den schallhaltigeren Konsonanten n und s schwindet. Z. B. goons ganz, 
serog"ns Schwanz, doo'us Tanz. 

3. Konsonanten der gutturalen Reihe in Verbindung mit 
Nasal. Hat der vorausgehende Gaumenlaut genügende Stärke, so erfolgt 
auf y die den Gaumenlauten eigene Verschlublösune bezw. -sprengung, 
z. B. boong Bank, ¿ dréyg ich trinke, Wyk hnks. Trifft nun die um- 
gekehrte Lautfolge zu, so tritt ein Lautbild ein, das sich als Ay bezw. 


Phonetische Beobachtungen an der Mundart des Marchfeldes in Nieder-Österreich. 251 


on umschreiben läßt. gy nur anlautend: yyeecd Knecht, yyastt genäschig. 
In- und auslautend kommt nur A» vor, z. B. boky packen, $dekıy Stecken. 
Der %-g-Verschluß wird nicht gesprengt, sondern durchgehalten, während 
die Luft durch die Nase entweicht und die Stimmbänder zu tönen be- 
ginnen. 

Bei den Geräuschlauten ist der Vorgang ähnlich dem bei f und s. 
In dem Worte breccy wird der durch die Reibeenge des cc ausströmende 
Luftstrom durch Senkung des Gaumensegels durch die Nase geführt und 
der Stimmton setzt ein. Nur durch die Stärke ist die Verbindung der 
Lenis mit Nasal von der der Fortis mit Nasal unterschieden. gtitcy ge- 
liehen, braauxy brauchen. 

4. Die Konsonanten vor silbischem /-Laut. Es wurde bereits 
gezeigt, daß ursprüngliche Lenes d mit l zu -l verschmelzen und / nach 
g den mit ? bezeichneten Laut durch Verschmelzung ergibt. In einem 
Worte nun wie fivdl viertel hat das d, entstanden aus einer silbe- 
beginnenden Fortis (viert — Teil) Stärke genug, um seine Eigenart als 
Verschlußlaut zu wahren. Der /-Verschluß am Zahnfleischwulst des 
Oberkiefers wird nicht nach dem des d erst gebildet, sondern der d-Ver- 
schluß wird durchgehalten, bis die Stimmbänder zu tönen beginnen. Die 
Luft entweicht seitlich. Ebenso wird die Luft in der Verbindung tl in 
Wörtern wie miil Mittel, drit! Drittel seitlich ausgestoßen. Sievers nennt 
diese Art der Lautbildung »laterale Explosion« des Konsonanten. Diese 
tritt auch ein bei den Gaumenlauten, denen ein ¿} folgt, z. B. sakt Säcklein, 
brikt Brücklein, sdriect Strichlein, barxt Bächlein, wobei die Zunge die 
für ? bezeichnende Stellung im unteren Mundraum einnimmt. 

In den Verbindungen ssl und sl (ressl RöBchen, eesl Esel) haben 
Reibelaut und / gemeinsama Artikulation der Zungenspitze, während in 
der Verbindung sš? (bits! Büschel) die Zunge vom $-Punkt am hinteren 
Rand der Zahnwurzelgrübchen des Oberkiefers nach vorne bewegt wird, 
oft bis an die Fläche der Schneidezähne, zur Artikulation des /, bevor 
noch der Stimmton einsetzt. 

$ 7. Entwicklung von Übergangslauten: In den Wörtern 
ma"ndl Mánnlein und he"ndl Hühnlein wird das Gaumensegel nach der 
n- Artikulation gehoben, der Stimmton unterbrochen, während der Ver- 
schluß, den die Zungenspitze am Zahnfleischwulst des Oberkiefers bildet, 
erhalten bleibt. Dadurch entsteht ein d, dessen Luftstrom seitlich ent- 
weicht, wie oben beschrieben wurde. Dieser Entwicklung ist gegenüber- 
zustellen die Nasalierung des / in Wörtern, in denen das » seine Arti- 
kulation (zum Teil) eingebüßt hat, z. B. laai} Leine. Der Grund ist, daß 
in letzterem Falle » stets Lenis war, im ersteren jedoch Fortis oder doch 
von kräftigerer Bildung. Heute ist das » in marndl, herndl Lenis (vgl. 
Schatz, Ma. v. Imst S.16ff., der in seiner Ma. noch Fortis-» in diesen 
Fällen kennt, z. B. manndlo und den Übergangslaut in weit grüßerem 
Umfang feststellen kann). Neben bril Brünnlein kommt oft auch die 
Form bri"ndl! mit dem Übergangslaut vor. Sonst tritt unser d als Über- 


252 Anton Pfalz. 


gangslaut nur mehr in den Wörtern auf, die die Lautfolge rl hatten, 
z. B. kheennd! Körnlein, heeundl Hörnchen, drinndl Dirnlein u.a.m. Wir 
haben darin eine Nachwirkung des r zu sehen, durch welches das x» in 
seiner Verschlußbildung verstärkt wurde. 

Zum Zahlworte fii"mf fünf lautet das Ordnungszahlwort firmpfto. 

Zum Singular »nee"ns Mädchen (Tochter) lautet der Plural me”tsn. 
Der Plural zu wuu*ns Wunsch lautet 20:"nts, das Verbum wi"ntsn. 

mss wird zu mps. Die Fortisartikulation des s wirkt auf den Lippen- 
verschluß des nz verstärkend. Trifft nun der kräftige Luftstrom des 
an den Lippenverschluß, so wird dieser gesprengt und ein p wird zwischen 
m und s hörbar. Z.B. du ni"mpst du nimmst, khirmpst kommst, du 
so"mpsti du schämst dich. 

$8. Die Berührung von Verschlußlauten mit Sonorkonso- 
nanten im Satze. Ein für allemal sei hier bemerkt, daß die Berüh- 
rungserscheinungen im Satz (»Satzsandhi«) nicht unbedingt eintreten 
müssen und in der Mehrzahl der Fälle im Sprachgebrauch nur dann mit 
einer gewissen Regelmäßigkeit auftreten, wenn die Rede leicht hinfließt, 
auf den einzelnen Gliedern kein besonderer Nachdruck liegt. 

l, r und n (y) üben im Satz weder auf den vorhergehenden, noch 
auf den nachfolgenden Verschlußlaut des Nachbarwortes einen Einfluß 
aus. Dagegen sind beim ə folgende Berührungserscheinungen festzu- 
stellen: 

1. m wirkt zurück (regressiv): Wenn einem wortanlautenden m ein 
Wort vorhergeht, das mit Zahnverschlußlaut (Lenis sowohl als Fortis) 
endigt, so wird der Zahnlaut durch Vorwegnahme der m-Artikulation 
zu einem LippenverschluBlaut, also d zu b, t zu p. Z. B. dọ šdęęd mn 
dsaaidli¿ aauf da steht man zeitig (früh) auf, wird zu do sdeeb mv dsaaidlį 
aauf, oder aus ev hood merutsv gmuuv" er hat Töchter genug, wird en 
hoob m...., ferner e» wiind si fet moxı» er wird sich fett machen, wird 
zu en wiind st fep mox.co, oder si ret mid mir sie redet mit mir, wird 
zu si rep mib miin. Aber auch wenn das Wort auf z + d (t) ausgeht: 
Z. B. aus geömv dhoo"nd muuvdn gib mir die Hand, Mutter, wird geïm» 
dhog"mb m., aus ev khu*nt moovy doo" doo saat* er könnte morgen schon 
da sein, wird en khu"mp m.... 

Das Endungs-t der 3. sing. ind. praes. und des part. praet. schwindet 
vor m im Satze, wenn es einem Lippenverschlublaut unmittelbar folgt: 
dp dokto gip mit! heen fivs fiowv der Doktor (Arzt) gibt Mittel (her) 
gegen (fürs) Fieber; e» hep me aauf er hebt mich auf; dv huu*nd hook 
gsnop mid saat"ın 9085n der Hund hat geschnappt mit seinem Maul 
(»Gosche:+). 

Wenn die cinzelnen Wórter doo gipt de nuuundo da gibt die Mutter, 
zu einer Gruppe im Satz verbunden werden, so entsteht ein Lautgebilde 
von der Form: doo gipbmuuwedn. In gipbmeumdn vollzieht sich die Arti- 
kulation der Konsonantengruppe pbm folgendermaßen: der mit Fortis- 
spannung gebildete p-Verschluß verliert, ohne für sich gesprengt zu 


Phonetische Beobachtungen an der Mundart des Marchfeldes in Nieder-Österreich. 253 


werden, an Spannung bis zur Halbfortis 5, welche unter Einfluß des 
folgenden m. »nasal explodiert«. Das £ von gzpt ist geschwunden, seine 
Spur nur in der Fortisartikulation des Lippenverschlußlautes (p aus ur- 
sprünglichem b) hinterlassend, das d des Artikels wurde den Lippenlauten 
p, m angeähnlicht und zwar sowohl nach Artikulationsart als Artikula- 
tionsstärke, denn die ursprüngliche Lenis d erscheint als Halbfortis b. Es 
ist hier wie in früher besprochenen Fällen das Gesetz der gegenseitigen 
Beeinflussung der Laute wirksam. Nur haben wir es hier nicht mit zwei, 
sondern mit vier, bezw. drei Einzellauten zu tun: p td m, demnach mit 
zwei Lippen- und zwei Zahnlauten, genauer zwei »bilabialen« und zwei 
»präalveolaren« Verschlußlauten. Die Lippenlaute überwiegen aber, weil 
unter ihnen ein Sonorkonsonant (#2) ist mit die andern Konsonanten über- 
ragender Schallfülle. 

Diese Wirkung des m erstreckt sich nur auf Zahnlaute, alle übrigen 
Verschlußlaute und die Reibelaute werden nicht beeinflußt. 

2. m wirkt vorwärts: Die hierher gehörenden Fälle stehen nicht 
auf einer Stufe mit den unter 1. besprochenen. Denn hier spiegeln sich 
viel mehr historische Verhältnisse, und nur unter Beiziehung historischer 
Gesichtspunkte ist diese phonetische Erscheinung zu verstehen. Es stehen 
einander gegenüber: khuu"m bopid komme bald; Ahaa"m biisd kaum bist 
du; hopp*m brii"yo heim bringen, Fälle, in denen am Einzelwort keinerlei 
lautliche Veränderungen eintreten, und: st ho"m bord aus st hoo"m boptd 
sie haben bald; st gem boord aus st geem boord sie geben ‘bald; myn lem 
baainoo"ndv aus min leem b. wir leben beieinander (zusammen); st he” 
broxt aus st hoo"m br. sie haben gebracht. In diesen Fällen zeigt sich 
folgendes: Die Lenis b in bootd, baai, broxt erscheint zur Halbfortis ver- 
stärkt und die ursprünglich schwach geschnittenen Langvokale von kop"m, 
geem, leem erhalten scharf geschnittenen Akzent und werden zu Kürzen. 
Dieses verschiedene Verhalten des auslautenden m erklärt sich, wenn wir 
bedenken, daß hoo"m, geem, leem als 3. pl. ind. praes. auf mhd. habent, 
gebent, lebent zurückgehen, also ursprünglich auf t ausgingen. Aus der 
Lautfolge -bent entwickelte sich zunächst ein -*bnd, welches zu -*md 
und schließlich über om zu m wurde. Wir müssen uns den Weg zu 
diesem oben dargestellten Ergebnis wohl so vorstellen: aus *hop"md boord 
ein *ho"mp boptd ($ 10; 2), aus dem dann durch Formenzwang, weil ja als 
Einzelwort nur boom mehr vorkam, unser Ao"m bootd entstand. Da nun 
aber aus der 1. pl. ind. praes. (haben, geben, leben) ebenfalls ein hoo”, 
geem, leem entwickelt wurde, fiel schließlich die 1. pl. ind. praes. mit 
der 3. pl. ind. praes. zusammen und wurde im Satz ebenso behandelt 
wie diese. 

Anmerkung. Eine Reihe bair. österr. Maa. kennt heute noch die Formen auf 
md teils nur für die 3. pl. ind. praes., teils auch für die 1. pl. ind. praes. 

Ebenso erklärt sich die Verstärkung der anlautenden Halbfortes in 
Wörtern wie bfostn (vgl. S. 244) zur Fortis in einer Verbindung wie: 
sé (min) hom pfostn yslooy sie (wir) haben Pfosten geschlagen (ein- 


254 Anton Pfalz. 


gerammt) und die Verstärkung der Zahn- und Gaumenlenes zu Halb- 
fortes im Anlaut. Einem saa"m do daat” gwoo"nd aa?” säume dir dein 
Gewand ein, steht gegenúber cin si (mio) gem dp don lọ” sie (wir) 
geben dir deinen Lohn; st (miv) ho"m deev"sdlaaid sie (wir) haben 
Dienstleute. Einem ho00"m gee” heim gehen, steht zur Seite ein: mi» 
(st) blaim geen dog wir (sie) bleiben gerne da. 

Die stimmlosen: Konsonanten untereinander. 


89. Wir scheiden auch hier die Berührung im Wort von der im 
Satze. In beiden Fällen ergeben sich Erscheinungen, die man einerseits 
als Veränderung der Artikulationsstärke, anderseits als Veränderung der 
Artikulationsart ansprechen kann (vgl. Schatz, Ma. v. Imst. S.15 u. 19). 
Doch begreift der Ausdruck Änderung der Artikulationsart nicht die Ge- 
samtheit der Erscheinung, weil in der Mehrzahl der Fälle eine Änderung 
der Artikulationsart und -stärke zugleich eintritt. Genauer gesprochen 
treten also folgende Erscheinungen auf: Änderung der Artikulations- 
stärke, Änderung der Artikulationsart und endlich Änderung 
der Artikulationsstärke und -art. Daß bei Änderungen der Artiku- 
lationsstárke auch der Akzent verändert wird, indem schwach geschnittene 
Vokale scharf geschnitten werden, folgt aus dem Satze, daß in unserer 
Ma. der einer Fortis oder mehreren Fortes vorhergehende Vokal stets 
scharf geschnittenen Akzent trägt und daher kurz ist. 


$10. Berührung der Verschlußlaute untereinander im Wort. 


1. Gleichartige (Homorgane): Für die labiale und gutturale Reihe 
sind die Beispiele nicht eben häufig. Die Verbindung ist selten und mir 
steht nur je ein Kompositum zur Verfügung. laab-baa"m Laubbaum: 
Hier tritt Verstärkung der Artikulation bei beiden Lippenlauten ein, so 
zwar, daß das erste 5 zur Fortis p wird, dessen Fortisspannung sich ver- 
ringert, ohne daß der Verschluß gesprengt wird, bis zur Spannung einer 
Lenis dann wieder sich verstärkt bis zur Halbfortis, als welche das zweite 
b gesprengt wird. Das Absteigen und Ansteigen bewirkt, daß die Druck- 
grenze in den Konsonanten fällt wie bei echten Geminaten. 

Im Kompositum rokgrooy ist die Artikulation des kg gleichlaufend 
mit der des pb in lapbaa"m. 

Mehr Beispiele bieten sich in der Reihe der Zahnlaute. Denn alle 
Verba, deren Stamm auf d oder t ausgeht, gehören in der Form ihrer 
3. sing. ind. praes. hierher, die schwachen auch mit ihrem ?- Präteritum. 
d sowohl als 2 verschmelzen mit dem Endungs-? zur einfachen Fortis t. 
2.B. ev ret aus *ev redt; ev Snait, en bit, gret (er redet, schneidet, bittet, 
geredet). In Zusammensetzungen wie mitdrooy mittragen, funtdrooy fort- 
tragen erfolgt die Artikulation der Zahnlaute ebenso wie sie oben für 
die Lippenlaute näher beschrieben wurde. Es ergibt sich demnach fol- 
gende Regel: Treffen zwei gleichartige Verschlußlaute im Wort 
zusammen, so tritt bei beiden Artikulationsverstärkung ein, und 
zwar bei der silbebeschließenden Lenis Verstärkung bis zur 


Phonetische Beohachtungen an der Mundart des Marchfeldes in Nieder- Österreich. 255 


Fortis, bei der die Silbe beginnenden bis zur Halbfortis. 
Treffen sie im Wortauslaut zusammen, so entsteht eine Fortis. 


2. Ungleichartige: Die Erscheinungen lassen sich in die Regel 
fassen, daß nur Verschlußlaute von gleicher oder annähernd 
gleicher Artikulationsstärke unmittelbar aufeinander folgen 
können. 

Bloß Änderung der Artikulationsstärke tritt ein bei den Lenes 
b und g vor £. Die Erscheinung ist wieder besonders häufig in der 
Beugung der Verba zu belegen, in der 3. sing. ind. praes. und im part. 
des schwachen praet. z. B. ev gipt er gibt, ev lept er lebt, glept gelebt; 
ev sokt er sagt, gsokt gesagt. Dabei ist folgendes zu beachten: Die mit 
Fortisspannung gebildeten p- und k-Verschlüsse werden nicht gesprengt 
und verlieren an Spannung, die Ausstoßung des Luftstromes erfolgt erst 
nach der Bildung des dentalen Verschlusses, der nicht die volle Fortis- 
spannung aufweist, sondern eine etwas geringere. Der Stärkegrad dieses 
! liegt ungefähr zwischen der Fortis und Halbfortis. 

In einem zusammengesetzten Wort wie Sdevpdoor Sterbetag ist das 
Ab- und Ansteigen der Spannung ebenso festzustellen wie oben bei p, b, 
und hier wie dort fállt die Druckgrenze zwischen die Konsonanten, also 
p und d. Der p-Verschluß wird nicht gesprengt, sondern gleitet ge- 
wissermaßen in den d-Verschluß über, der fertig gebildet ist, wenn das 
Absteigen der Spannung einsetzt. Ebenso wird ein zusammengesetztes 
Wort wie sokdivx.rt Sacktuch gesprochen. 

Änderung der Artikulationsstärke und -art erleiden die Zahn- 
laute. Und zwar werden sie vor Lippenlauten zu p, vor Gaumenlauten 
zu & Aus gööd + khastl wird gökkhastl Geldkästlein, aus mitd + gee” wird 
mikgee” mitgehen, aus hoo"nd + brogud wird ho*mpbroond handbreit, aus 
bet + bivxxt wird bepbiv.r.et Gebetbuch. Hierbei erfahren die anlautenden 
Lenes g und b der Grundwörter Verstärkung zu Halbfortes wie oben die 
Lenes d und g. 


$ 11. Berührung von Verschlußlauten mit Reibelauten im 
Wort. 

1. Verschlußlaute werden durch folgenden gleichartigen 
Reibelaut nicht verändert. Z.B. Sdaubfetsn Staubtuch, broodsoog Brot- 
sack, geeds geht's, 2 broods ich brate es. 

2. Ungleichartige Verbindungen: 

a) Die Lippenlaute erfahren durch folgenden dentalen Reibelaut 
nur dann eine Verstärkung ihrer Artikulation, wenn der Reibelaut mit 
dem VerschluBlaut durch »kontinuierliehen DruekstoB« (Sievers 
$ 519.) verbunden ist. Zugleich erfährt auch die Reibelautlenis Verstär- 
kung zur Fortis. Z. B, 2 sdaups ich bestäube es, grops grabe es, divps- 
band» Diebsbande, in der 2. sing. ind. praes. kepst du hebst. Beide 
Konsonanten bleiben dagegen unverändert in Wörtern wie raatbsoo"nd 
Reibsand (ein Putzmittel). 


256 Anton Pfalz. 


b) Die Zahnlautlenis erleidet vor stimmlosem Lippenreibelaut 
Änderung der Artikulationsart, sie wird zur Lenis b: miid+ fopun wird 
zu miibfogon mitfahren, grood + furt zu gropbfuvt gerade aus. Doch ist, 
wohl unter Einfluß der Schriftsprache, häufig auch gropdfuot, meidfoun 
zu hören. 

c) Bei der Berührung von Gaumenlauten mit Reibelauten ist im 
allgemeinen keinerlei Veränderung nachzuweisen. Eine besondere Be- 
handlüng erfuhr das Wort raupfoo"y Rauchfang aus rauk, zum Sub- 
stantiv raulo und foo”. Es ist nach zwei Richtungen außer der Regel: 
einmal, daß E ach dem Lippenreibelaut anähnlicht, dann aber auch, daß 
die Lenis f zur Fortis wird. Sicher ist, daß das Wort nicht mehr als 
Kompositum gefühlt wird und fop"y seinen starken Nebenakzent ein- 
gebüßt hat und wie die Ableitungssilben -bpov, -haaid, -l behandelt 
wird. Dies ist wohl der Grund für die Verbindung des p mit f zu pf. 
Daß k zu p wurde, mag Vorwegnahme der vorderen Artikulation des f 
sein, die eben nur den Verschlußlaut p geben konnte. 

$ 12. Berührung von Reibelauten untereinander im Wort. 

1. Bei der Berührung gleichartiger Reibelaute tritt Änderung der 
Artikulationsstärke ein, und zwar wird die silbeschließende Lenis zur 
Fortis, die silbebeginnende Lenis zur Halbfortis: sdivfffoodv Stiefvater 
(vgl. Sdiivfmuundo Stiefmutter), aufffooon auffahren, grossspo*mo Gras- 
samen, ausssaa" aussäen, a"noss ein nasses. 

2. Dieselbe Erscheinung zeigt sich bei Berührung von Lippen- und 
Zahnreibelauten mit ungleichartigem Reibelaut: soffídop? Schafstall, koff- 
sdood Hofstätte, haussfraau Hausfrau, aussfiion ausführen. 

x, C+ f ergibt xef, cef: dupxxfogin durchfallen, Sdicefest stichfest. 
x, c +s ergibt xrs, ces: duvrxsiecti durchsichtig, blaicesiccti bleichsüchtig. 
Aber überall dort, wo z, c mit dem Reibelaut s durch fortlaufenden 
(kontinuierlichen) Druckstoß verbunden ist, entsteht ks, wobei s eine 
Fortis bezeichnet: a” wovks ein weiches, moks mache es, ¢ sipks ich 
sehe es, du braukst du brauchst, fuks Fuchs, aks Achse, ipksn Achsel- 
höhle (vgl. § 11). 

§ 13. Berührung von Reibelauten mit Verschlußlauten im 
Wort: 

L Bei Berührung mit gleichartigen Verschlußlauten bleiben beide 
Konsonanten unverändert: grifbreed Griffbrett, du groosd du grasest, 
waarsd du weist — führst, graausdaaum Kraustauben (Ringel-), fiickhev-] 
Viehkerl = dummer Mensch, buauxgunt Bauchgurte. 

2. Ebenso bleiben Reibe- und Verschlußlaute unverändert bei Be- 
rührung von ungleichartigen: g/fd Gift, Zorn, sdöiwfdo.rtv Stieftochter, 
Sloofkho"mn» Schlafkammer, kooisbu"dl Halsband, foosihit FaBkitt, Slopxbruk 
Schlagbrücke, brunrbdl Bruchband, laaied leicht, branurd braucht. Doch 
tritt bei eb Artikulationsverstärkune ein, wenn sie durch fortlaufenden 
Druckstoß verbunden sind: nox.eb» Nachbar (b ist hier Halbfortis)). 


Phonetische Beobachtungen an der Mundart des Marchfeldes in Nieder-Österreich. 257 


$ 14. Berührung von Verschlußlauten miteinander im Satz. 

1. Auslautende Lenes werden vor anlautenden gleichartigen Ver- 
schlußlauten verstärkt zu Fortes, diese aber zu Halbfortes, wenn sie Lenes, 
zu Fortes, wenn sie Halbfortes sind: gip bogid om run gib bald Ruhe, 
gyop bon doen knapp beim Tor, © hop pflpstvd on wevw"n ich habe ge- 
pflastert in Wien; — ¿ wito Spo” ren mit daai*n fopdon ich werde schon 
reden mit deinem Vater, ev woo grot dre"nt er war grade driiben, ev 
fovt dspoin er fährt zahlen, ev hot tsukt wwiori eorms gsokt hoob er zuckte 
zusammen, als ich ihm’s sagte, dv bruuodo hoodn S$bek gegen der Bruder 
hat den Speck gegessen, st (e dsruk gop"yo sie ist zurückgegangen. 

2. Ungleichartige: 

a) Artikulationsverstärkung zu Fortes erfahren die Lippenlautlenes 
vor Zahn- und Gaumenlauten, welche ihrerseits von Lenes zu Halbfortes 
bezw. von Halbfortes zu Fortes werden: ev Fonds grop diivf gmuo* gmoxt 
er hat das Grab tief genug gemacht, # gip yo"ns gevon wọọs heev ich gebe 
ganz gerne etwas her, 4 hep khoov” breesvl nid aauf ich hebe kein Bröserl 
nicht auf = ich hebe gar nichts auf, spare gar nichts. 

b) Auslautende Zahnverschlußlaute erfahren Änderung der Artiku- 
lationsart und die Lenes auch Änderung der Stärke. Und zwar erscheinen 
sie vor Lippenlauten als p, vor Gaumenlauten als k. Die folgenden 
Lippen- und Gaumenlaute erleiden Verstärkung zu Halbfortes, wenn sie 
Lenes, zu Fortes, wenn sie Halbfortes sind: bisp boon gweesd? bist du 
baden gewesen? hposd See” bip buuv? hast du schön gebeten, Bub? dv 
gyeexd hop pfostn broxt der Knecht hat Pfosten gebracht, d khei”no sa'n 
spp” ti”s bek gọọ”yv die Kinder sind schon ins Bett (zu Bette) gegangen, 
do fepdo gek gopudn: givssn der Vater geht Garten gieBen, ev rek khopo" 
woord er spricht kein Wort. 

Anmerkung. Natürlich macht sich die Veränderung der d und t zu k auch an 


den ihnen vorhergehenden n bemerkbar. Dieses wird zu y: ev hagd st dhanmykgwossn 
er hat sich die Hand gewaschen, dsetyk grissn Zähne gerissen aus dseennd gr... 


$ 15. Berührung von Verschlußlauten mit Reibelauten 
im Satz. | 

1. Verschlußlaute werden bei Berührung mit Reibelauten nicht ver- 
ändert: © gab fiv diit khọọ"y graaidso aaus ich gebe für dich keinen 
Kreuzer aus, evo fitod saar'n wevts aquf weon er fährt seinen Weizen 
nach Wien. 

2. Nur die Zahnlaute d und £ werden vor f zu b und p, erleiden 
also Änderung der Artikulationsart: cp geeb fuvt er geht fort, mor di 
nib fet mache dich nicht fett. 

$ 16. Berúhrung von Reibelauten mit Reibelauten und mit 
Verschlublauten im Satze: 

1. Gleichartige Reibelaute verstärken einander so, daß die aus- 
lautende Lenis zur Fortis, die anlautende zur Halbfortis wird: # khoo” 
ned on hofffooon ich kann nicht in den Hof fahren, woss sıvkst was 
siehst du? 

Zeitschrift für Deutsche Mandarten. VI. 17 


258 Anton Pfalz. 


2. Ungleichartige Reibelaute verstärken einander ebenso wie gleich- 
artige: woss fivksti den? warum fürchtest du dich denn? « maupss 
fiivdon gee” ich muß füttern gehn, Ü wivrau*m beore fogon ich werde 
auf den Berg fahren, ?*y go"nisn doxz siildsn u"nd saau* dunto sepü den 
ganzen Tag sitzen und schaun tut der Seppel. 


$ 17. Im vorhergehenden hat sich gezeigt, daß nur die Zahnlaute, 
soweit sie Verschlußlaute sind, eine Änderung der Artikulationsart er- 
leiden. Der Grund für diese Veränderungsfähigkeit liegt darin, daß ihre 
Artikulationsstelle zwischen Lippen und Gaumen liegt, sie also von Lippen - 
und Gaumenlauten ungefähr gleich weit abstehen. Es ist zu bemerken, 
daß es sich hier durchwegs um eine Vorwegnahme der Lippen- bezw. 
Gaumenartikulation handelt. 


Die Silbe. 


$ 18. Silbentráger sind die Vokale, in schwach betonten Neben- 
silben auch die l-Laute, m, n und y: mitl Mittel, raa-} Rädchen, Rad, 
saat Säge, hakt Hacke, khopm Kappe, bitn bitten, blo*gy Planke. m aus 
b+m und n aus d-+n sind niemals silbenbildend. Die Endsilbe -er 
erscheint stets als v, nie als y. 


8 19. Die Ma. kennt Drucksilben und Schallsilben (Sievers 
S 515 1f.). 

1. Drucksilben: Der Austatmungsdruck erreicht seine geringste 
Stárke zwischen beiden Silben, wodurch also durch den Augenblick der 
geringsten Druckstärke die Silben getrennt werden. Der Druckstoß ist 
absteigend, dann neuerdings ansteigend (»diskontinuierlich« nach Sievers 
a. a O.) Drucksilben kennt die Ma.: a) wenn die Silbenträger durch 
eine Lenis getrennt sind oder b) durch zwei Konsonanten bei stark 
nebentoniger zweiter Silbe. Die Silbentrennung erfolgt im Falle a in 
der Weise, daß die Lenis zur folgenden Silbe gezogen wird, im Falle 
b, daß der erste Konsonant zur ersten Silbe, der zweite zur zweiten 
gehört. a) 99-brivr Gebirge, Suu- wo Schuber, šaau - fii Schaufel, fọọ -do 
Vater, haai-sv Häuser, suuv - xv suchen, suu”mo Sommer, khii"no können, 
foolvd (ich) fiele, Dfopurv Pfarrer, bec-lv Bettler. b) laaie-d» Leuchter, 
moovs-dn Meister, ha"nsl Hansl, hoo"nd/ Handel, dsppbl» Zappler = 
Bewegung des Zappelns, hoofnv Hafner, losn losen = horchen, ekti 
schrecklich, lepdox Lebtag, hefti heftig, sdekt» steckt er, auff- flivy auf- 
fliegen. c) Dieselbe Druckverteilung herrscht, wenn ein silbenbildendes 
-}, -? unmittelbar auf den Silbenträger der ersten Silbe folgt. Die Druck- 
grenze fällt zwischen die Silbenträger: raa-} Rad, faa-! Ferkel, šdriił 
Striegel, baart Beugel. 

2. Wenn die Silbenträger durch eine Fortis getrennt sind, wird 
eine Silbe von der andern durch die verringerte Schallfülle geschie- 
den, wir haben es mit Schallsilben zu tun. Es findet bei fortlaufender 
(»köntinuierlicher«) Druckstärke cin Durchgang darch einen Laut gerin- 


Phonetische Beobachtungeu an der Mundart des Marchfeldes in Nieder-Österreich. 259 


gerer Schallfülle statt (vgl. Sievers § 548 f.). Aus dieser Art der Silben- 
trennung folgt, daß der Ma. Geminaten abgehen. 

Anmerkung. In Wörtern von der Form bepbivyl, deron Artikulation $10 besprochen 
wurde, fällt wohl die Druckgrenze in den Konsonanten. Von den echten Geminaten aber, 
wie sie z. B. das Italienische kennt, ist pò aber doch unterschieden, weil nach dem Ab- 
steigen des p der Druck nicht mehr bis zur vollen Fortis anschwillt, sondern bei der 
Halbfortis stehen bleibt. 

In einem Worte wie drukp trocken fällt die Silbengrenze wohl ins 
k, fürs Ohr gehört es gleichmäßig zu beiden Silben, weil beide unter 
einem Druck stehen. Derartige Wörter (beto bitter, wossp Wasser, mor» 
machen, khapü Kappe) sind dem Ausatmungsdruck nach als ein- 
silbige (»exspiratorisch« einsilbige) zu bezeichnen, sie haben aber zwei 
Schallsilben. Ganz derselbe Fall stellt sich uns dar in den Wörtern, 
in denen m, n, 7, verbunden mit gleichartiger Verschlußlautfortis, die 
Silbenträger trennen. Z. B. sde"mpü Stempel, mu*nto munter, gfi”ntn 
gefunden, ręv”yk Reinke. Auch hier erscheint fürs Ohr der Verschluß- 
laut beiden Silben gemeinsam. 

In Wörtern, deren Silbenträger durch Fortis Affrikata getrennt 
sind, fällt die Schallgrenze in den ersten Teil der Affrikata, in den 
Verchlußlaut: dsọpfo oder dsọpfm Zapfen, khivtso kürzer. 

Genau so werden die zwischen Silbenträgern stehenden Verbin- 
dungen ps, ks behandelt, z. B. $nopsn »Schnapsen« ein Kartenspiel, supsv 
»Schupser«, Stoß, graksn Tragkorb, 2vksn Achselhóhle. 

Zu bemerken ist in allen diesen Fällen, daß die zweite Silbe 
schwachbetont ist. Natürlich auch, denn der Ausatmungsdruck ist 
ununterbrochen absteigend. Es ist selbstverständlich möglich exspira- 
torisch einsilbige Wörter so zu sprechen, daß die zweite Silbe einen 
neuerlichen Druckgipfel trägt, dann ist natürlich die Fortis Geminata. 
Aber diese Art der Silbentrennung kommt in der Ma. nur vor, wenn ein 
Wort des Baues druko langsam mit Nachdruck oder buchstabierend ge- 
sprochen wird, in gewöhnlicher fließender Rede kennt die Ma. diese 
Wörter nur exspiratorisch einsilbig. 


$ 20. Die »Exspirationsbewegung der Silbe an sich« (vgl. 
Sievers $ 577 ff.). Die Ma. kennt sowohl eingipfelige als auch zwei- 
gipfelige Silben. Bei den eingipfeligen Silben ist der Ausatmungs- 
druck fortlaufend ansteigend-absteigend, auch wenn die Silbe aus 
Silbenträger + Konsonant besteht; denn der Silbenträger erhält seinen 
größten Atemdruck erst im Verlauf seiner Artikulation. Der Ausatmungs- 
druck setzt rasch anschwellend ein, erreicht seinen Gipfel im Silbenträger 
und fällt von da an ab. Zweigipfelige Silbe haben alle Wörter mit 
der Lautfolge Vokal+ Nasal, wenn der Nasal den Vorvokal nicht 
nasaliert: lpon Laden, geem geben, ponm Arm, wogpm warm, wooy Wagen. 
Ks handelt sich hier um einen Nebengipfel nach dem Hauptgipfel, den 
der Vokal trägt, so daß dieser Nebengipfel vom Nasal aufgenommen wird. 
Sicher ist für die Wörter des Baues loon, geen, wooy, daß sie ursprüng- 

17* 


260 Anton Pfalz. Phonetische Beobachtungen an der Mundart des Marchfeldes usw. 


lich zweisilbig waren, *lọọņ usw. Die geringere Schallfülle der Nasale 
gegenüber den Vokalen und der schwache Nebenakzent, der auf ihnen 
ruhte, bewirkten, daß das abermalige Ansteigen des Druckes nicht mehr 
als Einsatz zu einer neuen selbständigen Drucksilbe gefühlt wurde. Da 
in den anderen Beispielen (ppom, wopom) derselbe Aufbau vorlag, stellte 
sich die Zweigipfeligkeit auch bei diesen stets einsilbigen Wörtern, nach 
Verflüchtigung des r in v, ein, bezw. bewirkten wohl auch gerade diese 
ursprünglich einsilbigen Wörter den Verlust der Zweisilbigkeit der andern. 
Sobald auf den Nasal ein Vokal folgt, ist die vorhergehende Silbe wieder 
eingipfelig: geemv geben wir, oopm» armer. Sonst kennt die Ma. zwei- 
gipfelige Silben nur in einsilbigen stark betonten Wörtern, wenn sie ge- 
legentlich mit einem gewissen Nachdruck gesprochen werden: jop un- 
williges ja, oder fragendes witvp wie, miv wir, oder drohendes duu du. 


$21. Druckabstufung der Silbenschlisse (Sievers $ 589 ff.). 
Starktonige Silben, deren Silbentráger durch eine oder mehrere Fortes 
gedeckt ist, haben den stark geschnittenen Silbenakzent (bezeichnet mit ^), 
alle übrigen starktonigen und stark nebentonigen Silben tragen den 
schwach geschnittenen Silbenakzent (bezeichnet mit '): dópv tappen, 
sdöpü Stoppel, gyóp knapp, Si6ffo schlafen, Sltoffo schliefen, schlüpfen, 
khämpi Kamm, sú"mpv Sumper, Korb, gipt gibt, winpt wirbt, bldipt 
bleibt, ráft rauft, bet Bett, gíto Gitter, Zújto Schulter, göto Alter, Gott 
fertig, wóssv Wasser, éssn essen, lúleod lóchrig, lóxxv lachen, sictt sichtbar, 
fiortn fürchten. òob ob, bowv aber, rèed Rede, fèedo Vetter, leesn lesen, 
groos groß, löox Loch, beear Berg, lòaged leicht, sii"yo Singen, héem 
heben usf. 

Doch kommt auch gelegentlich bei stark nebentonigen Silben stark 
geschnittener Silbenakzent vor. Dann aber tritt auch Verstärkung der 
Konsonanten zu Fortes ein. Es heißt also entweder wiivdsdofd Wirt- 
schaft oder wiivdspft, heevsofd oder heevtóft Herrschaft. 


$ 22. Der Zusammenhang der Artikulationsstärke mit dem 
Akzent bezw. mit der Vokalquantität läßt sich in folgender Regel 
ausdrücken: nach schwach geschnittenem (langem) Vokal sind die Ver- 
schluß- und Reibelaute sowohl im In- als auch im Auslaut Lenes, nach 
stark geschnittenem (kurzem) Vokal sind sie in- und auslautend Fortes. 


J. Schiepek. Zur Lehre von der Betonung im Egerländischen. 261 


Zur Lehre von der Betonung im Egerländischen. 
Von J. Schiepek. 


1. Ton und Satzstruktur. 


Welche Rolle der Ton nach Melos und Stärke bei der Bildung von 
Satzgruppen spielt, ist für die Neben- wie für die Unterordnung im all- 
gemeinen bekannt. Die sogenannte logische Abhängigkeit hingegen ist 
in dieser Hinsicht kaum noch untersucht worden. Die logische Ab- 
hängigkeit zweier formell nebengeordneter Sätze ist in der Schrift nur 
an dem inhaltlichen Verhältnis der Sätze erkennbar, so z.B. in dem von 
alters her bekannten Falle, daß der eine Satz das logische Objekt oder 
Subjekt des andern bildet: ich weiz wol, dr ist vil gewesen. Grammatisch 
erscheint hier die Abhängigkeit weder durch den Modus, noch durch die 
Wortstellung, noch durch Konjunktionen usw. bezeichnet. Verzichtet 
auch die gesprochene Sprache in solchen Fällen auf jeden sprachlichen 
Ausdruck der logischen Unterordnung? Ihr steht das Mittel des unter- 
ordnenden Tones — meist in Verbindung mit der Takteinteilung — zu 
Gebote. Wie weit sie aber davon zu dem angegebenen Zwecke wirklich 
Gebrauch macht, sei es, daß der Ton das inhaltlich bereits deutliche 
Verhältnis der logischen Abhängigkeit unterstreicht, oder daß er dieses 
Verhältnis allein ausdrücken muß, wenn es sich aus dem Inhalt der 
Sätze nicht unzweideutig ergibt, darüber liegen für die einzelnen Mund- 
arten — und von diesen wird hier auszugehen sein — keine allgemein 
formulierten Beobachtungen vor. Zwar bietet auch die Umgangssprache 
Beispiele dieser Art; aber gerade in Sachen der Betonung ist die Um- 
gangssprache verschiedener Gegenden von deren bodenständigen Mund- 
arten in der Regel stark beeinflußt. Das pflegt selbst bei jenen Gebil- 
deten hervorzutreten, die sich in der Lautgebung von der heimischen 
Mundart leidlich freihalten. 

Satzgruppen aus zwei Hauptsätzen, zwischen denen die tonische 
Unterordnung eintreten kann, werden im Egerländischen (Unter-Ma. Plan) 
gebildet: aus zwei Aussagen, zwei Fragen, zwei Aufforderungen; aus 
einer Frage und einer Aussage, einer Frage und einer Aufforderung, 
einer Aufforderung und einer Aussage. Auffälliger tritt die Bedeutung 
des unterordnenden Tones natürlich hervor, wenn die beiden Sätze ver- 
schiedenen melischen Charakter tragen, also in den drei letzten Fällen; 
diese seien deshalb vorangestellt. 

Das Charakteristische der tonischen Unterordnung besteht nun über- 
all darin, daß das selbständige Melos der beiden Sätze in dem einheit- 
lichen Melos eines neuen Satzganzen aufgeht. In der Regel wird der 
zweite Satz als tonisch untergeordnetes Glied in das Melos des ersten 
Satzes als des beherrschenden einbezogen; unter bestimmten Umständen 
jedoch, die noch näher zu bezeichnen sein werden, kann das neue Ganze 
auch das Melos des zweiten Satzes annehmen. 


262 J. Schiepek. 


I. Es werden Sätze von verschiedenem Melos verbunden, und zwar: 

1. Frage und Aussage: sipst? ev khan” ’s not. Siehst du? Er 
kann es nicht. Die beiden Sätze sind durch eine Taktpause getrennt. 
Die logische Unterordnung der Aussage macht sich nur inhaltlich fühlbar. 

a) Das Melos der Frage wird das herrschende: sivst ev khav* ’s nipt? 
ohne Taktpause mit einheitlichem, steigendem Fragemelos gesprochen, wobei 
das Verbum des ersten Satzes den beherrschenden Starkton trägt: Siehst 
du, daß er es nicht kann? oder Siehst du nun ein, daß ich recht hatte, 
als ich behauptete, er könne es nicht? Andere Beispiele: wos wettst? 
e» khünnt = Was wettest du? (Ich behaupte nämlich:) Er kommt. Da- 
gegen ohne Taktpause: wos wettst ep khinnt? Was wettest du, daf 
er kommt? — sevts onn nivt? ten staikt am paam = Seht ihr denn 
nicht? Der (z. B. ein kleiner Junge) steigt auf den Baum. Hier tritt 
in der Frage noch der Unterschied hervor zwischen sevis mmn mivt? 
Bemerkt ihr denn nicht? Habt ihr denn keine Augen? und septs van 
nipt? das zumeist mehr zum interjektionalen Ausruf der Verwunderung 
wird, etwa = Darf man denn seinen Augen trauen? Sehe ich denn 
recht?! — dagegen ohne Taktpause: septs mmn nivt ten staikt am paam ? 
Darf man denn seinen Augen trauen (Ist es erhört), daß der (Junge) auf 
den Baum steigt?! 

b) Das Melos des zweiten Satzes, der Aussage, wird das herrschende. 
Dies ist nur möglich, wenn der erste Satz, formell zwar eine Frage, den 
Frageton einbüßt, zur abgeschliffenen Formel, z. B. zu einer Art inter- 
jektionalem Vorschlag des zweiten Satzes wird und etwa nur zur Er- 
regung der Aufmerksamkeit dient. Auch in diesem Falle schließen sich 
derlei Vorschläge meist ohne Taktpause an die Aussage: sivss en Khan" 
's nipt: (Siehst du es = Sieh da, oder einfach = Du!) er kann es nicht. 

2. Frage und Aufforderung: Mit Taktpause: ma{*st nipt? miv 
key» r öttsn! Meinst du nicht? (Ich schlage nämlich vor:) Wir gehen 
jetzt! = Laßt uns jetzt gehen! Ohne Taktpause: a) Der Ton der Frage 
wird herrschend: m«dttst nint mio keyv r úitso? Meinst du nicht, 
daß wir jetzt gehen sollten? b) Unter ähnlichen Bedingungen wie im 
Falle 1b kann der Ton der Aufforderung herrschend werden: wiisst 
min keyn r Öitsv! (Höre, oder einfach: Du,) wir gehen jetzt! 


3. Aufforderung und Aussage: Mit Taktpause: weitmp»! (oder 
wetlmn wos!) — ev khünnt nipt, Wetten wir (W. w. etwas)! (Ich be- 


haupte nämlich:) Er kommt nicht. Ohne Taktpause, daher in diesem 
Falle mit dem charakteristischen Füllkonsonanten r in der vokalisch um- 
grenzten Satzfuge: a) Das Melos der Aufforderung wird herrschend: 
wcettmo r q khinnt niot! Wetten wir, daß er nicht kommt! 

b) Bei Abschwächung der Aufforderung zum Vorschlag (wie in den 
vorauserehenden Fällen unter b): say ev khiinnt nipt (Schau) er kommt 
A nicht. Ähnlich: pass aaf ten potriikt tį Passe (merke) auf, der be- 
igt dieh, aber = Du wirst schen, daß dich der betrügt, oder genauer: 
a wirst sehen (erfahren), daB ich recht hatte, als ich sagte, daß dich 


Zur Lehre von der Betonung im Egerländischen. 263 


der betrügt. Dagegen mit selbständigem Melos und Taktpause: pass 
aaf! teo potröikt ti, Merke auf! (denn:) Der b. d. 

II. Die verbundenen Sätze haben gleiches Melos. Auch hier ist 
die tonische Veränderung, die die neue hypotaktische Struktur kenn- 
zeichnet, deutlich wahrzunehmen. Es verbinden sich: 

1. Zwei Fragesätze. Mit Taktpause: tss wâuv? is v krao"k? Ist 
es wahr? Ist er (wirklich) krank? Ohne Taktpause (mit Füllkonsonant) 
a) tss wáuyo r is y kráo"k? Ist es wahr (bestätigt sich die Nach- 
richt), daß er krank ist? Aus den zwei Fragen ist eine mit einheit- 
lichem steigenden Frageton geworden. Die tonische Führung hat die 
erste Frage übernommen. b) Bei Abschwächung der ersten Frage zum 
formelhaften Vorschlag ruht das Übergewicht natürlich auf der zweiten 
Frage: hätvst khäa"st onn niot ron? (Eigentlich: Hörst du?, aber = 
höre, oder einfach: Du da!) Kannst du denn nicht ruhen (Ruhe halten)? 
c) Eine Sonderstellung nimmt die Frageformel Wer weiß ein, wenn sie 
in einfachem Aussageton vortritt: wev wätss (oder wen wätss) khünnt v, 
ohne Taktpause, daher nicht etwa = Wer weiß (es)? (Ich wünsche Ant- 
wort!) Kommt er? Auch nicht = Wer (= niemand) kann es wissen, ob 
er kommt?! sondern dem Ton wie dem Sinne nach einfach = Es ist doch 
noch sehr fraglich, ob er kommt (wenn das Kommen als sicher hin- 
gestellt wurde). Dagegen wev wäiss khünnt » Vielleicht kommt er 
(überhaupt) nicht (auch genau so betont wie der letztere schriftdeutsche 
Satz) kann gesagt werden, wenn die Frage des Kommens noch gar nicht 
in Erwägung gezogen wurde. ` 

2. Zwei Aufforderungen: 3ay! Spriy tay aj”! Schau (= Blicke 
einmal hieher)! Springe da hinein! Hier bietet das Egerländische, soviel 
ich sche, nur Beispiele dafür, daß die erste Aufforderung ihren selb- 
ständigen Ton einbüßt: sau Spriy eppo täy at"! 3ay fal aq”! u.á,, d. h. 
in ironischem Sinne: Mach nur nicht etwa (wie es den Anschein hat) 
Anstalten, da hineinzuspringen, hineinzufallen! also = Daß du mir ja 
nicht hineinspringst, hineinfällst! (Vgl. diese Z. 1910, S. 205). 

3. Zwei Aussagen: 7 wälss; ev khünnt, Ich weiß; er kommt. 
Ohne Taktpause: 

a) Der erste Satz hat das tonische Übergewicht: © wälss ep khünnt, 
Ich bin überzeugt, daß er kommt (mit dieser Betonung besonders bei 
folgendem Adversativsatz: und doch, und trotzdem..). Ähnlich: s ksaitst 
is lu hist, Das Gescheiteste ist wirklich (oder allerdings), daß (wenn) 
du gehst. Du tust allerdings am klügsten daran zu gehen. kha»v” saa" + 
kät selwo (Kann sein) Es ist möglich, daß ich selber gehe. 

b) Der zweite Satz hat das tonische Übergewicht: ¿ teyk (¿ ma") 
ev r iss, etwa = Nach meiner Meinung ist er es. 

In den bisher behandelten Fällen bildet der eine Satz die Ergänzung 
(Objekt, Subjekt) zum Verbum des andern. In den anderen Fällen der 
logischen Abhängigkeit, wie sie ebenfalls schon in der älteren Sprache 
bezeugt sind, ist in unserer Mundart eine tonische Unterordnung in 


264 J. Schiepek. 


gleichem Umfange nicht wahrzunehmen; auch der Takteinschnitt zwischen 
den Sätzen, der bisher überall mehr oder weniger verwischt erscheint, 
regelmäßig aber fortfällt, wo es sich um die schärfste Ausprägung des 
logisch hypotaktischen Verhältnisses handelt, bleibt sonst bestehen. Das 
gilt z. B. für den formell unabhängigen Satz, der inhaltlich die nähere 
Bestimmung eines einzelnen Verbalnomens, eines Pronomens u. dgl. ist 
wie Gedanke, Einfall, Glaube, Meinung, das, dazu: liu nm poy 
glay m, ev r is tv kaitsti, Laß ihn beim Glauben, daß er der Gescheiteste 
ist, vgl. dag ors einer site pflac, grôz arbeit ëz ringe wac. Charakte- 
ristisch für die Auffassung ist, daß solche Attributsätze, z. B. nach »Ein- 
Tall, gern mit »und« angefügt werden, also trotz der gefühlten logischen 
Abhängigkeit die formelle grammatische Selbständigkeit des zweiten Satzes 
bevorzugen: fen häyt tem aa"fül u kält pn to näazt, Der hat (hatte) 
den Einfall und geht bei der Nacht (= zu gehen). Noch schärfer bleibt 
der logisch abhängige Satz durch selbständigen Ton und Takteinschnitt 
von dem zugehörigen Satz getrennt, wenn er den Sinn eines Modalsatzes 
hat: töös is sup Sar", Le khannt pal nint Sännvo saa”, Das ist so schön, 
es könnte bald (beinahe) nicht schöner sein (= daß es...) Teo haut 
krin, traa hazso wait háyt mv ’s häjpn khinnv, Er schrie, daß man 
es drei Häuser weit hören konnte. Tau Ze khan” raffvra{, ev r is topaa, 
Da ist keine Rauferei, bei der er nicht wäre. Das gleiche gilt von den 
übrigen mhd. und nhd. Fällen der logischen Abhängigkeit (Aufforderungs- 
oder Fragesatz — Bedingungs- oder Konzessivsatz). 

Eine Sonderstellung in bezug auf Betonung und Takteinteilung 
nehmen diejenigen Einschübe ein, die dem durch sie unterbrochenen 
Satze logisch übergeordnet sind, z. B. weiß Gott, sagt er, will er, meint 
er u. dgl. — Sinnesverschiedenheiten können sich hier dann aus Be- 
tonungs- und Takteinteilungs- Unterschieden ergeben, wenn derlei Sätze 
z.B. in einen Fragesatz hinter das einleitende Fragewort eingeschoben 
sind. Auch hier sind mehrere Fälle möglich: 

1. Der Einschub bleibt von dem umgebenden Satz durch Taktein- 
schnitt und Betonung getrennt; dann bleibt natürlich die Beziehung des 
Fragewortes auf das Verbum des Fragesatzes über den Einschub hinüber 
völlig ungestört: wos, såkt p, sol ¿ táy”2 Was, sagt er, soll ich tun? 
== Was soll ich — nach seinen Worten — tun? 

2. Zwischen dem Einschub und dem umgebenden Fragesatz werden 
die Taktgrenzen verwischt; dann gewinnt das einleitende Fragewort neben 
seiner Zugehörigkeit zum Verbum der Frage auch eine Art lockerer 
grammatischer Beziehung zu dem zunächst folgenden Verbum des Ein- 
schubes, also eine Art Doppelbeziehung. Dabei wird das Fragewort 
gern stark betont, offenbar, damit es, über den Einschub hinüber, zu 
dem es in lockere Beziehung tritt, für das kommende Verbum der Frage 
genügend fortklingt: wos säkt » sol 7 tay”? Gewissermaßen: Was sagt 
er? und zugleich: Was soll ich tun? Diese Anlehnung des Fragewortes 
an den Einschub hat zur Folge, daß der neugebildete Satz (Was sagt 


Zur Lehre von der Betonung im Egerländischen. 265 


er?) den folgenden Teil der Aussage auch in grammatisch abhängiger 
Form zu sich nehmen kann: wos säkt v, ta r t täy" sol? Was sagt er, 
daß ich tun soll? Notwendig ist in unserer Ma. diese bekannte Art 
der Satzverschlingung, sobald nicht das Fragewort, sondern das Verbum 
des Einschubes stark betont wird; nach wos säkt » ist nicht die Fort- 
setzung sol { tax*, sondern nur ta r { täy" sol möglich. Das schwach 
betonte Fragewort ist offenbar als Objekt des starktonigen »sagt er« zu 
verbraucht, als daß es für die gerade Fortsetzung der Frage noch ge- 
nügend nachklingen Könnte. 

3. Liegt im zweiten Falle eine Art Doppelbeziehung des Fragewortes 
vor, so gibt es nun auch Fälle, in denen es nach Sinn und Ton nur 
zum nächsten Verbum (sagt er usw.) gezogen wird; damit hören diese 
Sätze auf, Einschübe zu sein, das Folgende kann dann natürlich nur als 
daß-Satz erscheinen. Doch hängt hier alles von Ton und Takteinteilung 
ab: is» wos säkt vo, to r v ’s praurt? Wozu sagt er (= In welcher Ab- 
sicht tut er wohl die Äußerung), daß er es braucht? Dagegen: is» wos 
sakt v ta r n ’s prauxt oder prayxt »’s® Wozu braucht er es — nach 
seinen Worten? tsv wenn säkt » (oder háyt v ksákt), ta r 4 khymmv 
sol? Zu wem tut (tat) er die Äußerung, daß ich kommen soll? Da- 
gegen tso wevn sakt v ta r ki khummm sol oder sol { kh? Zu wem 
soll ich — nach seiner Äußerung — kommen? 


2. Ton und Wortbedeutung. 


Es ist im allgemeinen bekannt, daß der Ton, wie in die Satzstruktur, 
so auch in die Bedeutung des einzelnen Wortes verändernd eingreift. 
Allein in den Wörterbüchern wird bei den Bedeutungsunterschieden der 
Wörter selten angegeben, ob und wie diese etwa außer vom Satz- 
zusammenhang auch von Betonungsunterschieden abhängig sind. Bei 
den folgenden Beispielen aus dem Egerländischen bleibt die bloße gegen- 
sätzlich hervorhebende Betonung außer Betracht, da sie an sich noch 
keine Bedeutungsverschiebung zu bewirken braucht. | 

Alleinstehende Interjektionen und andere ausrufartige Satzwörter, 
ihre mannigfaltigen Ton- und Sinnesschattierungen im Egerländischen 
sind in meinem »Satzbau der Egerländer Mundart« $ 122ff. behandelt. 
Bei der Bejahungspartikel treten hierhergehörige Unterschiede nur her- 
vor, wenn »ja« nicht als Antwort allein steht, sondern in den Satz ein- 
gegliedert ist: schwachtonig ist es begründend oder erklárend (tcv haut 
jä s kânts köld dv"präxt, Der hat nämlich das ganze Geld angebracht), 
starktonig versichernd (Der hat allem Anscheine nach, sicherlich... In 
Aufforderungen ist derartiges »ja« stets stark betont: nimm jâ ngot is 
f(ü)l; ebenso in Absichtssätzen: ta r v já nivt 1% Spaat khymmv r vs, 
Damit er auf alle Fälle nicht zu spät käme. 

Aus den anderen Wortklassen gehören hierher die allgemein ver- 
breiteten Unterschiede zwischen stark- und schwachtonigem »einer« (als 


266 J. Schiepek. Zur Lehre von der Betonung im Egerländischen. 


Zahlwort und Indefinitpr.) und »wer, was« (als Frage- oder verall- 


gemeinerndes Relativ-Pronomen — letzteres auch in konzessivem 
Sinn — und als indefinites Pronomen); ähnliche Ton- und Sinnes- 
unterschiede zeigen die Adverbia wie, wo, wohin, woher, wenn usw.; 
starktoniges »wie« ist auch = sobald als, ubi primum. — Schwach- 


toniges »denn« nach Fragepronomen oder -Adverb (auch enklit. pnn) 
verändert als bloBes Frageanhängsel die Bedeutung des Fragewortes 
nicht; starkbetontes tonn ist = sonst, anders: wer (was, wie usw.), 


sonst? wer anders? — »Dennoch« (tennv) hat die nhd. Bedeutung nur 
bei starker Betonung: ev hágt tennvo tsait, Er hätte trotzdem Zeit; 
schwachtonig ist es = immerhin, wenigstens. — »Schon ($0)«, schwach- 


tonig: tös 19 So nivt wauvo, Das ist schon gleich nicht wahr. Da haben 
wir schon gleich etwas Unrichtiges; starktonig: Das ist unter allen Um- 
ständen, gewiß nicht wahr. Daher ist besonders so auch allein als Be- 
jahung üblich: : teyk so, Ich denke, ja. — »Schön«, schwachtonig: ko 
sen, Geh schön, sagt man etwa zu einem Kinde, gemütlich ermunternd, 
wobei sich »schön« nicht auf die Art der geforderten Leistung, sondern 
nur auf das Lobenswerte des Gehorsams bezieht; starktonig: Geh schön 
(= in gefälliger Haltung). — Ähnlich »fein«, schwachtonig: tev hauk 
keston fat” ksyyv, Denke dir, der hat gestern gesungen (oder = Dat. 
eth.: Der hat dir...); starktonig = schön, kunstvoll. — »Wohl«, schwach- 
tonig: te» wint wuul sooy, Der wird wahrscheinlich sagen; starktonig: 
zwar, allerdings (mit folgendem: aber... .. — »Recht«, schwachtonig: 
tös khåv” r i Sölo niot rent mäxy, Das kann ich schier nicht wohl, nicht 
so ohne weiters tun; starktonig: Das kann ich nicht richtig machen. — 
»Bald«, schwachtonig: tös waa pat in triimmo kayo, Das wäre beinahe 
in Trümmer gegangen; starktonig: in kurzer Zeit. — »Gerade (kroot)«, 
schwachtonig: ügtso mou e roof nivt saa”, Jetzt, gerade in diesem Augen- 
blick, muß es nicht sein; starktonig: nun justament nicht, — Auch die 
Konjunktionen »>und (w)«, »auch (aa)« werden in der Mundart (wie außer- 
halb derselben) durch starke Betonung in der Bedeutung verändert. 
Starktoniges »und« ist = und obendrein, und außerdem noch. »Auch: 
ist stets starkbetont, wenn es zu einem einzelnen Begriff gehört, dem 
es in der Regel nachgesetzt wird: tofün is vw r aa potsoolt, Auch dafür 
ist er bezahlt; schwachtonig: Dafür ist er denn auch (ja auch) bezahlt. — 
Auch die weitverbreiteten Bedeutungsunterschiede von müssen, können, 
sollen hängen z.T. mit der Betonung zusammen. »Müssen« = gezwungen 
sein ist gewöhnlich etwas stärker betont; die ins Mögliche hinüber- 
spielende Bedeutung des Schlusses, der Vermutung verträgt wenigstens 
eine beliebige Abschwächung des Tones, wenn sie auch nicht überall 
eintritt. Bei » wollen« ist der Unterschied weniger ausgeprägt; es ver- 
langt auch im Sinne von »Willens sein« nicht geradezu eine starke Be- 
tonung (die unter Umständen schon Hervorhebung des Eigenwillens oder 
Eigensinnes sein kann); in der abgeschwächten Bedeutung, bei der die 
volle aber immer durchschimmert (Ich will doch sehen! Was will das 


August Gebhardt. Sehen. 267 


werden?), ist es schwachtonig. — »Können«, schwachtonig: teo kháv" 
laxy, Der mag lachen, hat Ursache zu l.; stark betont: Der versteht 
(z. B. so recht aus dem Grunde des Herzens, so daß es ansteckend wirkt) 
zu lachen. — »Sollen« ist meist schwachtonig im Sinne der unverbürgten 
Nachricht (= dieitur), der Annahme oder Einräumung: Das Häuschen soll 
(angenommen, zugegeben) 1000 K kosten; im Sinne von » verpflichtet, 
beauftragt sein« ist es gewöhnlich stärker betont wie im Nhd. 

Auch an die Verschiebungen des Worttones in mcehrsilbigen 
Wörtern und die damit zusammenhängenden Veränderungen des Sinnes 
mag zum Schlusse erinnert werden. Hierher gehört der Wechsel der 
Tonsilbe bei dem im Anruf gebrauchten Eigen- und Gattungsnamen: 
Stark- und Hochton der Endsilbe erzeugt hier im Egerländischen beim 
Anruf aus der Nähe einen drohenden Sinn: Ab el! Foo-tn!, ist aber 
auch ohne drohenden Sinn beim Anruf auf größere Ferne gebräuchlich. 
— Vergleichende Zusammensetzungen wie schneeweiß betont auch unsere 
Ma. im Sinne des Vergleiches auf dem Bestimmungs-, im Sinne der 
bloßen Steigerung auch auf dem Grundwort (häufig allerdings, besonders 
im Affekt, auf beiden). Zusammensetzungen mit -wegen wie meinet- 
wegen sind auf dem Pronomen betont: map"tweey — um moinetwillen, 
oder auf der Präposition = setzen wir den Fall, nehmen wir an (auch 
mat"thäl’m), ähnlich testweey = deswegen, testween, besonders im 
Sinn von trotzdem. 


» Nehen. « 
Von August Gebhardt. 


Jahrgang 1910 Seite 75 sagt O. Meisinger in seinen »Lexikalischen 
Beiträgen [zur Rappenauer Mundart]« mit Bezug auf das Zeitwort sehen: 
»Auffallend ist, daß eine Befehlsform davon nicht vorkommt, man ver- 
wendet dafür gucken, ebenso wie man hocken, fressen, saufen einen 
sitzen, essen, trinken vorzieht.« 

Ich glaube, auffallend ist das Fehlen der Befehlsform durchaus 
nicht. Auffallend ist vielmehr nur, daß der Sprachgebrauch, mit dem 
dieser Mangel zusammenhängt, Meisinger nicht zum Bewußtsein gekommen 
ist, trotzdem er als Süddeutscher ihn ganz sicher in seiner Umgangs- 
sprache unbewußt ganz genau befolgt. 

In dem sehen unserer Schriftsprache sind nämlich zwei. Begriffe 
zusammengefallen, die in den Mundarten, wenigstens in den süddeutschen, 
streng auseinander gehalten werden, nämlich — um Bezeichnungen zu 
gebrauchen, dic Streitberg, Paul und Braunes Beiträge 15, 70ff. zuerst 
aus der slavischen in die deutsche Grammatik herübergenommen hat — 
ein perfektives und ein imperfektives Zeitwort, ersteres = englisch to see, 


268 August Gebhardt. Sehen. 


das andere = englischem to look. Genau wie das Englische, so ge- 
brauchen auch unsere süddeutschen Mundarten das Wort sehen nur in 
dem Sinne »durch Ansehen erkennen«, während für den Begriff to look, 
d.h. den Begriff »hinsehen (um zu erkennen)« verschiedene Wörter 
dienen, in mittelfränkischen Mundarten gucken, in alemannischen lagen 
(luəgə), in den schwäbischen, bairischen und ostfränkischen schauen. 
Übrigens stehen sogar auch die ostmitteldeutschen Mundarten auf dem 
nämlichen Standpunkt. So kann ich mich z.B. nicht entsinnen, während 
meiner langen Leipziger Studentenzeit auch nur ein einziges Mal auf 
Leipzigerisch die Befehlsform von sehen gehört zu haben, sondern nur guka. 

Dieselben Verhältnisse müssen früher bei dem ähnlichen Begriffe 
»hören« bestanden haben. So wird im Alemannischen wohl noch all- 
gemein losen für den dem gucken, schauen entsprechenden Begriff der 
Gehörsanstrengung gebraucht, hören dagegen nur für den dem englischen 
io see entsprechenden Begriff des Erkennens mittels des Gehörs. Hier 
hat ja auch die Schriftsprache ein besonderes Wort, horchen, dem aber, 
wenigstens für mein Sprachgefühl, in weit höherem Maße die Bedeutung 
des Aufmerksamen, der Anspannung aller in Betracht kommenden Nerven 
innewohnt als dem schauen meiner Mundart und Umgangssprache. Die 
Mundart meiner Heimat hat dafür auch das althochdeutsche hlöscn als 
lousn und lüsn erhalten, das aber weit :seltener jet als An, und 
eigentlich die Bedeutung »lauschen« hat. In der Befehlsform, aber fast 
nur in dieser, gebraucht auch die Nürnberger Mundart vorzugsweise 
horchen. 

Sehen und hören bezeichnen von der Tätigkeit nur den einen Punkt, 
den einen Augenblick, in dem uns die durch das Schauen, durch das 
Horchen gewonnene Erkenntnis zum Bewußtsein kommt, schauen (gucken, 
lugen) und horchen (losen, lauschen) nur die dauernde Tätigkeit bis zum 
Eintritt des Sehens oder Hörens, aber ohne ihn mit zu umfassen. 

Ebenso wenig nun, wie ich jemandem befehlen kann: »erkenne 
dies oder das!«, »nimm dies oder jenes wahr!«, ebenso wenig können 
die zwischen deutsch schen, engl. to sec einerseits, und deutsch schauen, 
gucken, lugen, engl. to look andrerseits scheidenden Mundarten dio Be- 
fehlsform von sehen anwenden, genau wie wir im Englischen aller Augen- 
blicke hören können look: here!, look at!, aber vergeblich nach der Be- 
fehlsform von to see suchen. 

Wenn es gestattet ist, hier einen Bliek auf eine Nachbarsprache 
zu werfen, so möchte ich darauf hinweisen, wie das Französische, offenbar 
infolge der von den Franken hereingebrachten germanischen Anschauungs- 
weise sich unter den vielen Zeitwörtern, die das Alt- und Spätlateinische 
für unsere Begriffe hatte, für zweie entschieden hat: vorr < videre 
= »sehen«, und ein aus dem germanischen Wortschatze entnommenes 
regarder, für »gucken«; und ebenso unter Aufgabe des alten ouir < audire 
für »hören« entendre und für »horchens écouter, und während der leb- 
hafte Franzose beim Sehen und Schauen in der Befehlsform gerne das 


Remigius Vollmann. Der Ortsname Tissen. 269 


Ergebnis für die Tätigkeit eintreten läßt, also sagt voyez, voici, muß er, 
der mehr fürs Reden als fürs Zuhören ist, beim Hören wiederum genauer 
sein als wir, und gebraucht hier wohl ausschließlich écoutez. 

Zusammengefaßt ist also das Fehlen der Befehlsform von sehen 
kein Mangel, sondern eher ein Reichtum nicht nur der Rappenauer, 
sondern aller hochdeutschen Mundarten: in derjenigen Bedeutung, die 
für unsere schwer bedächtige germanische Auffassung in der Befehlsform 
allein vorkommen kann, gebrauchen wir ein ganz anderes Zeitwort, sind 
also reicher als die Schriftsprache. 


Der Ortsname Tissen. 
Von Remigius Vollmann. 


Auf alem. Sprachgebiet liegen drei Orte dieses Namens: Iller- 
tissen, i. J. 954 (in latinisierter Form) oppidum Tussa!, 1239 in vico 
Tussin, 1430 Tüßen, im 16. Jahrhd. Düssen?, auch Thussen, Thissen, 
Illerthissen®; Rißtissen im O.A. Ehingen, 838 villa Tussa, in Tussin; 
Großtissen (mit Kleintissen) im O. A. Saulgau, 1127 Tussin. Als urspr. 
Namensform muß also Tussin gelten. Das anlautende t ist alte oberd. 
Schreibung für d (vgl. Donau, ahd. Tuonawa, Degerloch, 1100 Tegerloch); 
die Schreibung mit © folgt der mundartl. Aussprache des č (vgl. oberd. 
Bichel = Bühel, ahd. buhil, alem. kitzel = lützel, ahd. luzzil usw.). 

Über Herkunft und Bedeutung des Namens ist man bisher nicht 
einig geworden. Zumeist stellt man Tissen zusammen mit den O.N. 
Dießen (Diessen am Ammersee, 1060 Diezun, 1100 Dieze, Altendießen 
im O. A. Haigerloch, 1082 Tiezgo, Dieben im O.A. Horb u. a), die ohne 
Zweifel zu ahd. diuzan, diogan, mhd. diegen »laut tönen, rauschen, tosen«, 
bezw. zu mhd. diege » Wasserfall« gehören und deutet Tussin aus dem 
hiezu gehörigen Stamme duz, dôg (tôg) »Geräusch, rauschender Strom« 
als Ort an einer rauschenden Stelle eines Flusses.* 

Von dem Ortskundigen muß diese Deutung abgelehnt werden, ob- 
gleich A. Wessinger® auch von Illertissen und Rißtissen meint, daß diese 
Erklärung »bekanntlich« die Realprobe bestehe. Denn alle drei Tissen 


ı Die älteren Formen der Namen a, Förstemann. Altd. Namenbuch II, 1490, und 
A. Bacmeister, Alem. Wanderungen 70. 

? Barack, Zimmersche Chronik, 3, 338. 

Repertorium der Herrschaft Illertissen im Bayer. Reichsarchiv. 

* Vgl. Schmeller-Frommann, Bayr. Wörterb. I, 547. — M. Weishaupt, Programm, 
Kempten 1862/63, S. 19. — A. Birlinger, Alemannia VIII, 15. — W. A. Nagl, Geogr. 
Namenbuch (1903), 8. 96. 

5 A. Wessinger, Die ä. Bestandteile des heutigen Bez. A. Miesbach (München 
1892) $. 14. 


270 Remigius Vollmann. 


liegen wohl an einem fließenden Gewässer, aber, wie schon Buck! richtig 
bemerkte, »an Stellen, wo nicht leicht zu ergründen ist, was da jemals 
getost haben sollte«. Die RiB bei Rißtissen ist nichts weniger als ein 
reißender Fluß (»Riß- ist vordeutsch und hat jedenfalls mit »reißen - 
nichts zu tun), und der »Graben«, der durch Illertissen fließt, hat einen 
ebenso trägen Lauf wie das »Nonnenbächlein« bei GroBtissen. Wenn 
man Tissen von diezen »rauschen« herleitete, ist man wohl (anknüpfend 
an Illertissen, den bedeutendsten der drei Orte) von der Annahme aus- 
gegangen, Illertissen liege an der rauschenden Iller. Der Ort liegt je- 
doch eine halbe Stunde von dem Flusse entfernt. Nun läßt sich vielleicht 
einwenden, die Iller sei früher am Ostrande des Tals, also unmittelbar 
bei Illertissen, geflossen. Das mag ja in vorgeschichtlicher Zeit der Fall 
gewesen sein. Aber für die Zeit der Entstehung des Ortes ist dies 
sicherlich nicht zutreffend; denn wäre der Flußlauf noch vor zwei Jahr- 
tausenden wesentlich weiter östlich gewesen, so hätten sich die Römer 
wegen der Überschwemmungsgefahr bei Hochwasser wohl gehütet, die 
von Kellmünz nach Unterkirchberg führende Straße im Tale anzulegen.’ 

Buck hielt (a. a. O.) für möglich, daß an der Stelle der Tissen-Orte 
»in uralten Zeiten künstliche Strudel von Wasserschwellen oder dgl. be- 
standen haben, Allein die Anlage eines Stauwerks (zum Treiben von 
Mühlen oder zur Wässerung der angrenzenden Wiesen) setzt doch an 
dem Orte bereits eine Siedelung voraus, und es ist wohl kaum anzu- 
nehmen, daß diese ihren Namen zugunsten einer jüngeren Einrichtung 
eingebüßt hätte. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, daß die ein- 
wandernden Alemannen an der Stelle der nachmaligen Tissen-Orte 
römische Siedelungen (Rißtissen ist sicher römischen Ursprungs) mit 
Wassermühlen vorfanden, aber in diesem Falle wären die Orte doch 
wohl eher nach den Mühlen, nicht nach den »Strudeln« benannt worden. 

Merkwürdigerweise denkt Buck (S. 45) auch an eine Deutung des 
O. N. Tissen, die sachlich im geraden Gegensatz zu der oben angeführten 
steht: Düßen, ahd. Tussa (von ahd. tuzjan = sich still verhalten?) »Stelle 
an einem Flusse, wo er ungewöhnlich stille läuft«. Auf S. 279 desselben 
Buches widerruft Buck diese Möglichkeit: »zu däßen = stille sein, stimmt 
Tussa nicht, weil jenes ein langes « hat und jetzt schwäb. doussen 
lautet«.? In der Württembergischen Oberamtsbeschreibung (O. A. Ehingen 
S. 43) und in der neuen Wiirttembergischen Landesbeschreibung IV, 124 
wird auf diese Etymologie zurückgegriffen: » Tussin (Rißtissen) von tisse, 
d. i. vielleicht ruhige Stelle im Wasser oder Einrichtung, welche das 


1 Oberdeutsche Flurnamen S. 279. 

3 Frank, Deutsche Gaue IX, 46—48. — Daß diese Straße durch das Illertal führte, 
wird auch dadurch bewiesen, daß der »alte Postweg: zwischen Illertissen und Bellen- 
terg ehemals auch »Hochstrabe« hieß (vgl. Grundsteuerkataster der Steuergemeinde 
Zettlinshausen). 

3 Vgl. H. Fischer, Schwäb. Wörterbuch II. 256: dosen (gespr. dousen) »schlummern. 
_- still verhalten<, u. Sehmeller I. 54S: dosen, dusen »stille seine. 


Der Ortsname Tissen. 271 


Wasser zum Stillstand bringt«.! Gegen diese Etymologie bestehen aber 
neben der schon von Buck erkannten Schwierigkeit in formeller Hin- 
sicht auch sachliche Gründe: Wäre die Deutung von Tissen als Ort bei 
einer ruhigen Stelle« zutreffend, so müßte vorausgesetzt werden, daß die 
bei den Tissen-Orten fließenden Gewässer ober- oder unterhalb dieser 
Orte einen auffallend rascheren Lauf haben oder ehemals gehabt haben. 
Dies ist aber, wie der Augenschein lehrt, bei keinem der drei Tissen 
der Fall: daß es einstmals anders war, ist, nach der Beschaffenheit der 
Gelände zu schließen, höchst unwahrscheinlich. 

Das Schwäb. Wb., das diese Deutung mit Recht gar nicht erwähnt, 
läßt (I, 231) neben der Ableitung von diezen »rauschen« die Möglichkeit 
offen, daß dem O. N. Tissen ein Personenname zugrunde liege Als 
Stütze für diese Annahme werden die O.N. Dissenhausen, Dissenried, 
Dissingen angeführt. Obschon mir ältere Formen dieser O.N. nicht zur 
Verfügung stehen, halte ich für sehr wahrscheinlich, daß ihr erstes Glied 
einen P.N. enthält, möge dieser nun *Tisso (Tizzo) oder Tusso (Tuzzo), 
im Wesfalle Tessin bezw. Tuzzin, gelautet haben. (Wäre es derselbe 
P.N., der auch in Tissen — Tussin — vermutet wird, so käme natürlich 
nur Tuzgo in Frage) Läge dem O.N. Tussin wirklich ein P.N. zu- 
grunde, so müßte Tussin als schwacher Wesfall des P.N. Tusso (Tuxxzxo) 
mit Auslassung eines Grundwortes (etwa Tuggin Heim, Ried usw.) oder 
als Wemfall mit Weglassung des Verhältniswortes (bê oder ze demo 
Tuzzin) beurteilt werden.? Allein solche elliptische O.N. (»Rodungsnamen.«) 
kommen vor dem Jahre 1000 nur selten vor? (Rißtissen wird schon 838, 
Illertissen 954 urkundlich genannt, beide Orte sind also sicherlich viel 
älter) und treten in Schwaben nördlich von Memmingen nicht auf. Es ist 
mithin wenig wahrscheinlich, daß hinter dem O.N. Tissen ein P.N. steckt. 

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, daß auch — aller- 
dings nur schüchtern — der Versuch gemacht worden ist, den N. Tissen 
als vordeutsch zu beanspruchen. Bacmeister* führt Tussin (das, wie er 
meint, »zu ahd. diogan, dôg und dug nicht gut stimmen will«) unter 
den vordeutschen O.N. auf, ohne eine Deutung zu versuchen. K. Gruber 
stellt Tissen neben Diessen am Ammersee, wo man ehedem, verleitet 
durch die entfernte Namensähnlichkeit, gern das Römerkastell Pontes 
Tessenti vermutete.’ 


1 Tüsse, das ich in keinem der gebräuchlichen Wh. gefunden habe, ist wohl eine 
erschlossene Form zu ahd. túzen »sich still verhalten«, liz »still, sanft« (vgl. Schade, 
Altd. Wb. II, 973, u. Lexer, Mhd. Handwb. II, 1592). 

? Vgl. Graff, Ahd. Sprachschatz V, 463. 

8 Vgl. J. Miedel, Oberschwäb. Orts- und Flurnamen, S. 33. 

* Bacmeister, Alem. Wanderungen, S. 70. 

5 Vordeutsche O. N. im südl. Bayern. Festgabe für K. Vollmöller, S. 370. 

€ Diessen (1100 Dieze) ist zweifellos mhd. diese = Wasserfall (ein solcher ist im 
ehemaligen Klostergarten). 

” Ein Kastell dieses Namens hat es aber nach J. Miedel gar nicht gegeben (s. 
Forschungen zur Geschichte Bayerns XVI, 206ff.). 


272 Remigius Vollmann. 


Nachdem keiner der bisher gemachten Versuche, den N. Tissen 
aufzuklären, befriedigen konnte, möchte ich, ausgehend von dem mir 
genau bekannten Tissen an der Iller, eine Deutung vorschlagen, die 
m. E. nicht nur formell möglich, sondern auch sachlich zutreffend ist. 


Will man den N. eines Ortes richtig verstehen, so muß man zu- 
nächst wissen, wo seine ältesten Heimstätten lagen. Das alte Illertissen 
liegt östlich des »Grabens« (der Ort westlich des Grabens hieß noch im 
vorigen Jahrhundert Westerheim). Als Stätte der ersten Siedler kann 
wohl nur der breite, tiefe Einschnitt (jetzt »Steig« gen.) zwischen dem 
»Badstubenberge« und dem heutigen Schloßberge in Betracht kommen; 
denn hier fanden sich die günstigsten Bedingungen für eine Nieder- 
lassung vereinigt: Trinkwasser, Wald und Schutz gegen die rauhen 
Winde Am Fuße des Badstubenberges finden sich noch heute fünf 
Quellen: an der Steig war bis vor wenigen Monaten ein laufender Brunnen, 
(»die Zuckel«), der nunmehr in das Anwesen Nr. 266 geleitet ist; zwei 
schwächere Quellen sind hinter den Häusern Nr. 258 und 267; eine 
weitere ist am »Sandberg« (ihr Wasser wurde in einer Brunnenstube 
gesammelt und früher in die Schloßbrauerei und in den ehemaligen Markt- 
brunnen vor dem heutigen Rathause geleitet); endlich entspringt eine 
starke Quelle am Weiher. Erwähnt sei noch der »Märtelbrunnen«, eine 
kräftige Quelle am südlichen Ende des Ortes, aus der die Illertissener 
Kinder koınmen. Bei der Wichtigkeit guten Trinkwassers für die ersten 
Siedler eines Ortes ist es leicht erklärlich, daß viele alte Siedelungen 
nach Quellen benannt sind; daher das häufige Vorkommen der O. N. Brunn 
(Bronn, Brunnen, Bronnen, Born), Spring (Springen, Urspring), Sod (Soden). 
Es würde uns bei dem Quellenreichtum Nlertissens kaum überraschen, 
wenn sich auch der N. Tussin auf ein Wort zurückführen ließe, das 
»Quelle« bedeutet. Das ist nun tatsächlich möglich. Ahd. diogan bezeichnet 
neben »tönen, rauschen« auch »fließen, ausströmen, hervorquellen, zucken«! 
(vgl. die obenerwähnte »Zuckel«, deren Wasser in zuckender Bewegung 
ausströmte). Es liegt nun sehr nahe, für das zu diogan gehörige Haupt- 
wort duz, dôg (tôz) »das Rauschen, die rauschende Stelle« auch die 
Bedeutung »rauschend hervorsprudelnde Quelle«, dann »Quelle schlecht- 
hin« anzunehmen, obschon diese Bedeutung in der álteren Literatur nicht 
belegt ist. Somit wáre Tussin eigentlich -»b? oder ze den dussin (tussin) «, 
also (Ort) »bei den Brunnen«, wie ja auch die O.N. Brunnen (ahd. 
Brunnin, Brunnon), Soden und Springen als Wemfälle zu verstehen sind. 
Als Gleichung diene ferner der O.N. Flüssen (Gem. Tafertshofen, Bez. 
A. Illertissen), den ich ebenfalls als »bei den Quellen« deute (tatsächlich 
gibt es hier mehrere starke Quellen), zu ahd. flug (Nebenform flôz), 
eigentlich »das Fließen«, dann »fließendes Wasser überhaupt«, oberd. 
auch »Quelle« (vgl. Schmeller I, 797). 


1 Vel. Graff V, 235, Schade 104, Lexer 431. 


Der Ortsname Tissen. 273 


Ist meine Annahme berechtigt, so muß auch in Riß- und Großtissen 
das Vorhandensein von Quellen nachgewiesen werden. In Rißtissen ist 
zwar heutzutage kein einziger »laufender Brunnen«, auch keine Quelle, 
aber hart am Südende des Dorfes befindet sich, wie mir der Ortslehrer, 
Hr. Pfänder, mitteilt, eine schwach fließende Quelle, die im weitern Um- 
kreise von Quelladern umgeben ist, deren Wasser früher ins Schloß 
geleitet wurde. Am Hügel hinter der Kirche wurde vor einigen Jahr- 
zehnten ein römisches Bad freigelegt. Seine Zu- und Ableitungsröhren 
konnten noch festgestellt werden, allein nirgends fand sich eine Quelle. 
Eine solche muß aber vorhanden gewesen sein. Nun befindet sich etwa 
100 Meter von der ehemaligen Badeanlage entfernt eine Stelle, »Brünne« 
genannt, in deren Umgebung mehrere Quelladern zu beobachten sind 
(»Brünne« ist nach dem Schwäb. Wb. 1,1470 die in der Laupheimer 
Gegend übliche Mehrzahlforn von Brunnen). Wahrscheinlich gab es 
auch an dieser Stelle, ehemals eine stärkere Quelle, die sich im kiesigen 
Untergrund einen Weg ins Tal bahnte. 

Sehr enttäuscht war ich, als ich auf eine briefliche Anfrage aus 
troßtissen die Nachricht erhielt, daß weder im Orte selbst noch in 
dessen nächster Umgebung eine Quelle zutage trete. Von der Wahr- 
scheinlichkeit meiner Annahme überzeugt, entschloß ich mich daher, 
mich selbst an Ort und Stelle umzusehen. Der Schultheiß des Ortes 
wußte ebenfalls nichts von dem Vorhandensein von Quellen in Großtissen. 
Ich bat um die Flurkarte des Ortes: mein erster Blick fiel auf die 
»Brunnenmähder« im Süden des Dorfes. Nun wußte der biedere Orts- 
vorsteher auch zu sagen, daß die hier entspringenden Quellen ehedem 
die ins Schloß führende Brunnenleitung speisten und daß »kleinere« 
Quellen auch sonst am Orte vorhanden seien. 

Dissen bei Kassel, 1061 Dusinun (dieses wohl eine Latinisierung 
des N.), 1342 Tosene, 1382 Tihosin, später Tussen, Dussen, gehört nach 
W. Arnold! »wohl« zu anord. dis »Grabhügel« (dän. dysse »Hünengrab«, 
westfäl. dûs »Haufe«), zu dieser Deutung stimmt nach Arnold auch der 
N. der benachbarten Wüstung Unseligendissen (als » Heidengräber « er- 
klärt). Allein die Tatsache, daß sich bei Dissen mehrere starke Quellen 
befinden (darunter der Glis- oder Gleisborn, dessen Hervorsprudeln die 
Volkssage dem Hufstampfen des Rosses Karls des Großen zuschreibt), 
läßt es fraglich erscheinen, ob Dusin (vgl. die spätere Schreibung Dussen) 
nicht ebenfalls als duzzin »bei den Quellen« aufzufassen ist (neben 
ahd. diogan kommt auch alıd. dösän, mhd. dösen, mundartlich auch tiesen, 
deusen »rauschen« vor?). 

Ob duz »Quelle« auch das erste Wortelement der O.N. Tussen- 
hausen, 943 Tuzinhusa (Bez. A. Mindelheim) und Dußnang, 754 Tuzzin- 
wang (Kanton Thurgau) bildet, ist unklar. Graff (V, 463) vermutet in 


' Ansiedelungen und Wanderungen deutscher Stämme, S. 63. 
2 Vel. Lexer T, 454, Schmeller 1, 547. 


Zeitschrift für Deatsche Mundarton. VI. 18 


274 Heinrich Deiter. 


Tugzin den Wesfall eines Personennamens (*Tuzgo, Togo). Ein solcher 
P.N. ist urkundlich nachgewiesen: Socin! führt unter den aus P.N. ent- 
standenen Familiennamen einen Dietrich von Dozo oder Duzo aus dem 
Jahre 1258 auf. Da aber Tussenhausen reich an Quellen ist, so kann 
die Deutung dieses O.N. »bei den Häusern von den Quellen« zum min- 
desten als möglich bezeichnet werden. Die in formeller Hinsicht hin- 
gegen bestehenden Bedenken (man müßte lautgesetzlich nhd. Tüssen- 
hausen erwarten) sind m.E. zu entkräften; denn der Umlaut unterbleibt 
auch sonst des öfteren, insbesondere bei O.N. (vgl. oberd. gulden neben 
mitteld. gülden — alem. Dußlingen neben bayr. Tüßling, beide O.N. im 
T. Jahrhd. Tuzzilinga). Auch aus Dußnang (Tuzzinzwang) erhalte ich die 
Mitteilung, daß es in der dortigen wald- und hügelreichen Gegend eine 
Menge Quellen gibt und die meisten Gehöfte des Ortes und der Um- 
gebung ihre eigenen Brunnen haben. Man wird also kaum fehlgehen, 
wenn man auch für den N. Tuzzinwang die Ableitung von ahd. duz 
»Quelle< als wahrscheinlich ansetzt. 


Eine niederdeutsche Begräbnisordnung aus Hildesheim 
vom Jahre 1503. 
Von Heinrich Deiter. 


In der Königl. Bibliothek zu Hannover findet sich unter der Be- 
zeichnung XII 1255 eine Pergamenthandschrift in Oktavform aus 11 Blät- 
tern, von denen 3 den Umschlag bilden. Auf der Außenseite lesen wir 
von alter Hand die Aufschrift: De anlettinge des Rades van der bigrafft, 
von späterer: Hildesheim. Daß die im folgenden mitgeteilte Begräbnis- 
ordnung nach Hildesheim gehört, geht zur Genüge aus einigen darin 
vorkommenden Ortsbezeiehnungen hervor. Die darin vorgefundene Schreib- 
weise ist aus sprachlichen Gründen beibehalten worden, alle Abkürzungen 
dagegen sind bis auf ß und ein zweimaliges upp beseitigt. Es verdient 
hervorgehoben zu werden, daß die Sprachformen praueft und kerckfwaren 
häufiger als proueft und kerck[woren vorkommen. 

So in der bygrafit effte begenckniffe der like effte doden eyne tydt- 
lanck fere grote vníchicklicheit geholden is vnde noch dagelikes geholden 
wert vnde fo men dar nicht todechte worde deper ynritende vnde mit 
der tyd vnbequeme vallen vnde gantz to eyner vnfchicklicheit komende, 
hir vmme hefft eyn Erfam Radt vmme des gemenen beften willen 
deme vortokomende fettet vnde fetten iegenwardigen, wo men idt nü vor- 
dan fchal holden, Alfe in nafcreuener wife, welkent anftan fchal Circum- 








1 Mhd. Namenbuch, $. 128. 


Eine niederdeutsche Begräbnisordnung aus Hildesheim vom Jahre 1503. 275 


fcifionis domini negeft komende, So men fcrifft Na crifti gebort veffteyn 
hundert vnde dre yare! vnde denne vorbath ftedes geholden werden. 

Interfte van den Jennen, de de hebben willen den heren praueft to 
funte Johanfe mit fynen Cappellanen vnde de gemenen preftere mit fampt 
[cholemeftere vnde den fcholeren. 

Item Interfte dat de frunde des vorftoruen likes fcholen twe frame 
preftere one bekant, fo fe de wol hebben konnen, bidden vnde nemen, 
de one duth nafcreuen alle fcholen vthrichten vande beftellen, den fuluen 
prefteren fcholen fe to eyner Irkantniffe geuen jewelkenn iiii B vor ore 
vnluft vnde arbeyt, willen fe de ock, wan de bygrafft effte begenckniffe 
gefchen is, to der maeltyd hebben, fteyt by one. 

De fuluen twe preftere fcholen beftellen dat ludent in den kercken, 
dar de frunde dat begeren, vande geuen den kerck[woren tor kercken 
behoeff vor dat ludent mit fampt den pulfanten * 


To funte Johanfe twe marck, 

To funte Gertrude iii B, 

Tom hilligen gefte by der zulten® ii B, 

To funte lamberde ii marck, 

To funte Benedictufe i B, 

To funte Ciriacufe vj 6, 

To funte Michele ij marck, 

Tomm hilgen gefte by deme marckede iii 6, 
To fuute Nicolawefe xxiiii B, 

Tom hilligendale iiii 6. 

We to der bigrafft fynes vorftoruen frundes, idt fy fruwe effte man, 
to der vigilie begert to kamende den heren prauelt to funte Johanfe, fyne 
dre cappellane, koerfcholere, vicarien, Commendiften vnde officianten to 
funte Johanfe, Ock de vicarien, Commendiften vnde officianten vthe den 
anderen capellen vnde ock den fcholemefter to funte Johanfe mit synen 
baccularien, locaten* vnde fcholeren, Ock de fcholemeftere to funte Michele 
vnde tomm hilgendale mit oren baccularien, locaten vnde fcholeren fampt 
edder eynen jderen befundern, So fcholen one de twe preftere to der 
vigilie geuen vande diftribueren, wo nafereuen: 


Dem heren prouefte iii B, 

Synen dren Cappellanen jßlikem 1 £, 

den vyff koerfcholeren jewelkem vj penninck, 
den twen vnderkofteren jflikem vj penninck, 
den twen terminarien® jBlikem i B, 

den gemeynen prefteren yBlikem i 5, 


1 Am Rande 1503 von späterer land, 

? Glockenläuter. 

8 Jetzt Sülte genannt, Irrenanstalt für Frauen. 
* Unterlehrer. 

" Bettelmönche. 


15 * 


276 Heinrich Deiter. 


deme fcholemefter to funte Johanfe iiii B, 

jewelkem Baccularien vnde locaten ii B, 

deme fcholemeftere to funte Michele vnde tomm hilgendale, fo 
de dar geeffchet werden, jewelkem ii B, 

oren baccularien vnde locaten jewelkem i B. 


Vnde deffe perfonen fcholen dar alle yegenwardich wefen; were dar 
oek we nicht yegenwardich vnde dorch noetíake in der kercken denfte 
vorhindert were, edder deme dat kranckheyt beneme vnde dat begerde, 
deme fchal men allike wol de prefencien geuen vnde tokeren. 

De fuluen twe preftere fcholen ock den fcholeren, de dar tor vigilie 
fyn vor deme Benedictus vor de dore anheuen to geuende, he [y junck 
effte olt, cleen effte grot, arm effte rike, jewelkem vj penninck in de hant 
unde nicht meer. 

Vnde dar de frunde des vorftoruen likes begeren den heren prauest 
mit [ynen wo vorícreuen vnde darto de gemenen preftere van allen 
kercken ane den fcholemeftere to funte Michele vnde tomm hilgendale 
mit oren baccularien, locaten vnde fcholeren, Schal men geuen demm 
heren prauefte vnde den fynen vnde ock den prefteren In aller mate, wo 
bauen fcreuen. 

Dae men ouerft der prefter van allen kercken effte Cappellen nicht 
begerde, funder allene den heren prouest vnde de fyne vnde darto de 
kalandes heren allene, So fchal men geuen demm heren prauefte den 
fynen vnde ock des kalandes prefteren (2”) In aller mate, wo bauen 
[creuen. 

Begerde men ock den heren praueft mit den fynen vnde darto 
etlike preltere in eynem (undergen tale, So gifft men dem heren prauelte, 
In deme dat men wyn todrecht, ¡iii ß, drecht men ouerft nenen wyn to, 
ii B vnde den [fynen ock den prefteren in aller mate, wo bauen fcreuen. 

Men gifft deme Schobande! vor den fteen aff vnde vpp dat grafft 
to bringende eynen rinfchen gulden, eyn punt, eynn marck, xii B 10 effte 
viii B, darna de fteyn grôt is, allene des fommers vnde des winters na 
gelegenheit der tydt, darna idt vrefet, dat dennn de Richtehern, fo men 
fick dar auer nicht konde vorliken, fcholen Jrkennen. 

Item Noch deme Schobanden vor de kulen? des fommers to grauende 
vnde des winters, darna idt vreBet. 

Item Teen kerckduuen?®, IBliker ii B vnde darto de maeltydt. 

Item Twen dregeren, Jewelkem iiii ß vnde darto maeltydt (3*). 

Men fchal geuen vor de korne tobehoeff der kercken ii B. 

Vor de wynvlafíchen gifft men nicht. 

To den krutzelichten fchal men hebben eyn vern del waffes. 

Item we fulueft de vyff barelichte leth maken, de mach dar mede 
don, wat he wil, ouerft wil men de van den kerckfwaren halen vnde 
lenhen laten, wanner de nye fyn, fchal men dar vor geuen viii B, Synt 





I Totengräber. ” Grab. 3 Totenfrau. 


Eine niederdeutsche Begräbnisordnung aus Hildesheim vom Jahre 1503. 277 


fe eyns vthe welen, vii B, Synt fe ouerft twye vthe wefen, vj B vnde fo 
vordan, wo men [ick des mit dem kofter vorliket, to der kercken behoeff. 

De fuluen twe preftere fcholen ock beftellen de zelemiffen, wo vele 
der fchal wefen. 

Begert men denne dorch den heren praueft demo like foB zelemiffen 
na toholdende, So fchal men demm like todragen na older wonheit vj lichte, 
vj prouen, vj quarter wyns vnde xii femmelen. 

Begert men ock vyff zelemiffe deme like na to holdende, So fchal 
men todragen v lichte, v prouen, x femmelen vnde v quarter wyns; wil 
men ock nenen wyn todragen, fteyt by des verftoruen frunden, denn 
lecht men in iewelke wynkannen j penninck, den kerckduuen toka- 
mende. 

Duth, wo vorfcreuen alle, fcholen de bemelten twe preftere vth- 
richten alfe fchaffere der negeften frunde, de des todonde hebben, Se 
furder nene morge effte bekummerniffe dar vmme doruen hebben, na 
deme fe in der tid der bigrafft doch vafte bemoyget vnde in anderen 
dingen bekummert fyn. 


Van den middelmatefchen vnde fideften State. 
Quatuordecim perfonarum. 


Item Tom anderen male, dat de frunde des vorftoruen likes van 
dem middelmatefíchen vnde fideften fchollen bidden vnde nemen eyne 
effte twe kerckduuen effte dodenbidderfchen vnde iewelker geuen ii B vor 
arbeyt, de duth, wo nafcreuen, beftellen fchollen, vnde men mach fe, wan 
de bygrafft gefchen js, tor maltydt hebben. 

Se fchal beftellen de miffe vnde de kulen to grauende vnde allent 
wat darto beftellende van noden js. 

Ock dat ludent In den kercken, dar der vorftoruen (4) frunde dat 
begeren, vnde men fchal geuen den kerckfwaren vor dat ludent to behoeff 
der kercken in mate, wo na berort wert. 

So men dennn begerde xiiii perfonen tor bygrafft to hebbende alfie 
den heren prouelft, [yne’dre cappellane, vyff korfcholre, twe terminarien, 
den ouerften kofter vnde twe vnderkoftere, Schal men geuen 


Demm heren prouefte ¡iii B, wan men wyn todrecht; 

drecht men nenen wyn to, ii B, 

den dren cappellanen jewelkem iBß, 

den vyff korfcholeren jewelkem vi penninck, 

den twen Terminarien jewelkem i B, 

demm ouerlten koltere j ß, 

den vnderkofteren jBlikem vj penninck. 

To fulkem like hefft men vyff zelemiffe, vnde men fchal todragen 

v lichte, v prouen, x femmelen vnde v quarter wyns, So verne men wyn 
todragen wil; wil men nenen wyn todragen, So fchal men in iewelke 
wynkannen leggen j penninck, den krigen de kerckduuen. 


ed 


Ene, Heinrich Deiter. 


Item vor den lickften vpp vnde aff tobringende, fo de dar js, gifft 
men, wo bauen fcreuen. 


Item Men fchal geuen vor dat ludent, wor men des begert mit 
allen klocken: 
To funte Johanfe twe marck, 
evn prefterlick twe punt, 
To funte gertrude iii B, 
eyn prefterlick vii witte, 
Tomm hilligen gefte by der Sulten ii ß, 
Eyn prefterlick iii B, 
To funte lamberde ii marck, 
Evn prefterlick twe punt, 
To funte Ciriacufe vj D. hefft dat like In demm cafpel gewonet, 
iii B, 
Evn prefterlick viii 6, 
To funte Michele j punt, 
Eyn prefterlick twe punt, 
To funte Benedictuß j ß, 
Eyn prefterlick ii 6, 
Tomm hilligen gefte by dem marckede iii 6, 
Eyn prefterlick vi B, 
To funte Nicolawefe j marck. 
Eyn prefterlick ii marck, 
Tomm hilligendale iili H 
Evn prefterlick viii 6. 
Vor den korf gift men tor kereken behvetfit 1 6. 
Vnde mit den Barlichten fchal men idt holden, wo bauen fereuen (5). 


septem perfonarum. 


So men tom like begerde Svuen perfonen alle dre Cappellane, dre 
zootfeholere vnde eynen vnderkolter, Schal men zeuen 
den dren Cappellanen jblikem j D. 
den dren korfchoieren jblikem vj penninck. 
demm ander koftere vj penninek, kumpt to demm auerften koftere. 
Vnde men Left dre eftte veer mille, So men dre miffe hefft, fehal 
men toedragen 111 lichte, 111 prouen, vj femmelen vnde dre penninek in 
dren winkannen, hefft men veer mife, fehal men todragen Hij lichte, 
ij prouen, viij lemmelen vnde ilij penninek in ver winkannen. 
Vnde vor den korff sifft men j B. 
Vnde men fhal ilt mit den barlichten helden, wo bauen fereuen. 
Der dodenbridteriehen Schal men geuen ii D vnde de maltydt. 
So men vek deme berorden Hie helen lete mit der apoftel klocken, 
Leal men seuen to [unte Johante den kerekfwaren tor kereken behoeft 
vani D, vnde men f[chal denn hebben iii mille. 


MA 


Eine niederdeutsche Begräbnisordnung aus Hildesheim vom Jahro 1503. 219 


Wolde men ock dem like laten luden mit des Sondages klocken, 
gifft men den kerckfworen to funte Johanfe vj B, vnde men hefft denn 
dre mille. 

To funte Gertrude gifft men vor dat ludent, So verne men twie 
ludet, vii witte, ludet men eyns, xiiij penningk. 

Tomm hilgen gefte by der fulten ii B, 

To funte lamberde, de dat vormach, j punt, 

vormach men dat fo wol nicht, xii B, 

To funte Ciriacuß iii B, Js dat lick in deme cafpel, gifft men 
xviij penninck. 

Tomm hilligen gefte by dem marckede iii 6, 

To funte Nicolawefe j marck, 

To funte Michele j punt, - 

Tomm hilligendale iiii ß, 

To funte Benedictuß j B. 


Quinque perfonarum. 


Wolde men ock to deme like hebben vyff perfonen alfe twe cap- 
pellane, twe koerfcholre vnde eynen vnderkofter, Schal men geuen 
Jewelkem cappellane j B, 
Jewelkem koerscholere vj penningk, 
demm vnderkoftere vj penningk, tobehorich demm ouerften koltere. 
Vnde alßdenne hefft men twe felemiffe, 
Vnde men [chal todragen twe prouen, twe lichte, ver femmelen 
vnde twe penningk in twen wynkannen, 
Vnde der dodenbidderfchen fchal men geuen j B vnde de maeltydt. 
So men to deme berorden like lete luden mit des Sondages klocken, 
fchal men geuen den kerckfwaren vnde pulfanten to funte Johanfe vj D 
to behoeff der kercken; wil men ock to fulkem like nicht laten luden, 
fteit by des vorftoruen frunden. 
In den anderen kercken gifft men, wo bauen [creuen, alfe feptem 
perfonarum. 


Trium perfonarum. 


So men oek to demo like hebben wolde dre perfonen, alfe enen 
cappellan vnde twe koerfcholere, Schal men geuen 
Deme Cappellane j B, 
Jewelkemm koerfcholere vj penningk, 
vnde al6denne fchal men hebben j zelemiffo. 
Vnde men fchal todragen j licht, j prouen, twe Semmelen vnde 
eynen penningk in eyuer kannen. 
Vnde men fchal geuen der dodenbidderfchen j 6. 
So men ock to deme berorden like lete luden mit der kinder klucken, 
fchal men to funte Johanfe geuen ij B den pulfanten, willen de frunde 


250 Heinrich Deiter. Eine niederdeutsche Begräbnisordnung aus Hildesheim v. Jahre 1503. 


ock nicht laten luden, fteyt by one, vnde fo vern men luden leth, 
gifft men. 


To funte Gertrude, fo verne men eyns ludet, xiiij penningk, ludet 
men’ twye, vij witte, 

Tomm hilligen gefte by der fulten i B, 

To funte lamderde ij B, | 

To funte Ciriacule iii B; Is dat lick in deme cafpel, xviii penningk, 

Tomm hilligen gefte by deme marckede ii B, 

To funte.Nicolaweße iii B, 

Tomm hilligendale iii B. 


Wil men hoger luden laten, So gifft men, wo bauen fcreuen, alle 
feptem perfonarum. 


Duarum perfonarum. 


Vorftorue ock eyn kint vnde men to demm like wol hebben twe 
perfonen alle twe korfcholere, mogen de frunde des vorftoruen kindes 
eynemm yewelken korefcholere geuen ii penningk, iii penningk, iiii pen- 
ningk effte vj penningk, wath eyn jderman vormach. 

We dat vormach, mach holden laten eyne miffe mit j lichte, eyner 
prouen, twen femmelen vnde j penningk in eyner kannen. 

Men gifft der dodenbidderfchen j 6. 

Wolde men oek to deme berorden like mit der kinder klocken laten 
luden, gifft men den pulfanten to funte Johanfe ii B vnde in den anderen 
kercken, wo vorfcreuen trium perfonarum. 

Wolde men ock laten luden to funte Johanfe mit des Sondages 
klocken, gifft men vj B, vnde deffe mach laten todragen tor zelemilfe 
1 quarter Wyns. 

Item wolde men ock eyn lick to funte lamberde effte to funte 
Nicolawefe effte in den anderen kercken hir bynnen laten begrauen, dat 
fehal fehen mit fundergem vorloue des heren proueftes to funte Johanfe 
vnde alí dennn fchal men ome prefenteren vnde auerantworden dat offer, 
de todregelichte prouen wyn vnde femmelen, So dat geoffert vnde toge- 
dragen wart vnde fo denne der kercken to funte Johanfe affghan de 
todregelichte, de dem heren prauefte denne tokamen, SuBt fchal men der 
kercken to funte Johanfe darvor geuen vnde tokeren xx B. Men fchal 
ock dar fulueft in befunderheit de zelemiffe by fick fulueft laten beftellen, 
wo vele men der wil laten holden, dar men denne den heren praueft 
nicht mede fchal bemoygen de to beftellende to latende. 


Van den kulen to grauende. 


To funte Johanfe fchal men des fommers vor enen borger de kulen 
to grauende geuen xiiii penningk vnde eynen blaffert vor dat teken. 

Vpp allen kerckhouen gifft men des fommers xiili penningk vth- 
genamen to vnfer leuen frouwen, dar gifft men vii witte. 


Bücherbesprechungen. 281 


Vor ene kulen in den fteynwech to grauende gifft men des (ommers 
iii B. 

Vor eyne kulen ener kindelbeddefchen gifft men des (ommers ii B. 

Vor eyne kulen eynes kindes, dat in den foeß weken fteruet, gifft 
men des fommers i 6. 

Vor eyne kulen eynes kindes, dat twe vpp den fchulderen dragen i B. 

Vnde dat eyn vpp der fchulderen drecht des Sommers j B. 

Item des winters gifft men na gelegenheit der tydt, darna idt vrefet. 

Vor alle kulen vnder dat afftrack! in de kercken to grauende gifft 
men xii B beyde winter vnde fommer. 

Ock gifft men tomm hilligen gefte by de fulten vor de kulen beide 
winter vnde (ommer to grauende xiiii penningk. 


Bücherbesprechungen. 


Dr. Fr. Veit, Die Ortsnamen des Oberamts Balingen. Balingen beı A. Daniel. 1910. 8°. 

Ein bekannter Forscher im Bereich der schwäbischen Mundart gibt in dem Büch- 
lein eine Besiedelungsstudie des württembergischen Oberamts Balingen auf Grund der 
Ortsnamen. Wenn man die Arbeit eines Mannes beurteilt, der als ausgezeichneter 
Kenner des behandelten Gebiets gilt, so hat man wohl das Recht einen strengeren Maß- 
stab anzulegen, als wenn es die Schrift eines Anfängers oder Laien gilt, bei dem man 
mit einem verhältnismäßig geringen Ertrag vielfach zufrieden sein wird. Darum möchte 
ich hier die Treffer in der Besprechung der 84 Ortsnamen des Amtsbezirks beiseite lassen, 
— daß ein Fachmann wie der Verfasser methodisch richtig zu Werke geht, ist wohl 
selbstverständlich — und lieber meine abweichenden Ansichten zum Ausdruck bringen 
in der Annahme, daß es ihm selbst willkommen sein wird zu vernehmen, was ein anderer 
über seine Darlegungen denkt. 

So jemand neue Pfade wandelt, läuft er zwar Gefahr auf Irrwege zu geraten, 
kann aber doch als Pionier Gutes stiften, indem er zeigt, wo im unbekannten Gelände 
vorwärts zu kommen ist, wo nicht. Und Veit geht etwas kühn manchmal neue Wege, 
auf denen ihm nicht jedermann zu folgen gewillt sein wird. Jm ganzen hat er nach 
meinem Dafürhalten die Entstehungszeit der Orte etwas zu weit zurückverlegt. Daß zur 
Römerzeit im jetzigen Schwabenland noch „keltisierte Ligurer“, also Nachkommen der 
Hallstattmenschen, in irgendwie nennenswerter Anzahl gesessen sein sollen, ist schlechter- 
dings nicht zu erweisen und auch gar nicht wahrscheinlich. Die Überbleibsel der von 
den keltischen Eroberern verdrängten Ligurer hatten sich wohl wie später diese selbst 
in die Berge zurückgezogen und die wenigen vielleicht im Flachland verbliebenen sind 
doch sicher in mehr denn einem halben Jahrtausend völlig aufgesogen gewesen. Wenn 
wir also an Orten wie Walchstetten oder Weilheim gallo-romanische Reste als zurück- 
geblieben annehmen, so greifen wir weit genug zurück. In Orten wie Weilheim möchte 
ich lieber ein germanisches Heim an der Stelle einer römischen »Weile suchen; denn 
dies war die Bezeichnung für eine Stätte mit Trümmern römischer Mauern. Keltisches 
Sprachgut in Wohnortsnamen ist viel dürftiger als man gemeiniglich noch annimmt. 
Veit selbst findet außer dem »zweifellos keltischen«e Belsen, das aber ganz gut auf 
ahd. bellix-boum — Weißpappel zurückgehen kann, nichts weiter als den P.N. Massios, 
der in Meßstetten, den 3 Mössingen und MeBkirch stecken soll, womit diese Orte als 


1 Estrich. 


282 Bücherbesprechungen. 


Besitz eines (und desselben?!) »begüterten Keltene bezeichnet seien. Dabei wendet er 
sich selbst cin, daß das Wort » Kirchee allerdings den Alemannen des 3. Jahrhunderts 
noch nicht geläufig sein konnte. Auch den allgemeinen Schluß, daß Ortsnamen mit der 
Endung -stetten auf vorgermanische Siedelung deuten, kann ich höchstens für die Ein- 
zahl -statt gelten lassen, wie Eber-, Seligen-, Stockstadt, Kannstatt u.a. zeigen; im 
übrigen sind die Stetten-Orte recht jung und gerade für Meßstetten steht auch ein 
deutscher P.N. zur Verfügung, etwa Mezzi (Först. 1119), sodaß es also der Erschließung 
einer Urform Messistadim nicht bedarf. Auch Pfeffingen soll schon in heidnischer 
Zeit eine Christengemeinde gehabt haben, »die sich um einen Pfaffen geschart hatte als 
Rest aus der Zeit vor der Völkerwanderung oder durch Missionierung der griechischen 
oder gotischen Kirche«. Die mit Pfaff gebildeten ingen-Orte sind aber doch so wenig 
alte Sippensiedlungen wie etwa Bischoffingen; es müßten ja dann diese Reste uralten 
Kirchentums in Bayern sehr zahlreich sein, da wir dort außer einem Pfeffingen und 
Pfäfflingen noch 19 Pfaffing haben. Das sind aber lauter durch Analogie gebildete weit 
jüngere Namen. 

Die von Veit fast ausschließlich gebrachten, meist auf Grund der Mundart er- 
schlossenen Urformen sind überhaupt recht mißlich, weil sie keine Nachprüfung gestat'en. 
Ist ja doch selbst auf der Grundlage der ältesten urkundlichen Form noch keine sichere 
Deutung eines Namens möglich: erst eine Vielzabl von Formen. die erkennen lassen, 
wie sich die verschiedenen Schreiber mit der schriftlichen Wiedergabe der Laute be- 
holfen haben, erlaubt in Verbindung mit der mundartlichen Form verlässige 
tückschlüsse. Die Formen, die V. bietet, muß man ihm glauben, aber die überlieferten 
und in der Aussprache gegebenen Unterlagen vermißt man sehr. Und was hat ein 
urgerm. Striköm für den Namen des Ortes Streichen für einen Zweck, wenn dieser 
nach Veits eigner Erklärung keinesfalls vor dem 11. Jahrhundert entstanden ist und von 
dem jetzt noch in Balingen heimischen Familiennamen Streich herkommt? Eine einzige 
alte Form wäre wertvoller als eine, die nie existiert hat. Die Wirkung mancher Sprach- 
gesetze, wie des Umlauts, in Ortsnamen wäre einer genaueren Untersuchung wert. 
Dabei würde sich wohl herausstellen, daß die Ablehnung einer urkundlichen Form wie 
Lutilinga (von 793) wegen des fehlenden Umlauts in Lautlingen nicht berechtigt ist. 
Der z-Umlaut tritt ja erst im 10. Jahrhundert ein; bis dahin war wahrscheinlich das 
gänzlich unbetonte © schon zu e geschwächt und fast unhörbar geworden. Das ohnehin 
wenig hohe © der Silbe ng mußte dann über die Doppelkonsonanz tl hinüber keine 
Erhöhung mehr bewirken. 

Auch die Herausschälung der P.N. aus den O.N. halte ich nicbt immer für sehr 
glücklich. Wenn Endingen 793 Findeinga heißt, so liegt unzweifelhaft der P.N. 
Agindeo vor (Först. 40) und nicht Anddo. Ertingen soll zu einem keltischen Namen 
gehören, weil es einen mit ard gebildeten germanischen nicht gibt. Letzteres ist aller- 
dings richtig; allein es gibt einen deutschen Ar-deo (Forst. 137), von dem auch das 
bayerische Ardevingas (700) = Ardingen (891) = Erding bei Freising stammt, also 
genau die gleiche Entwicklung. In Balingen (bis 14. Jahrh. Balg-) und Hossingen 
(12.—-14. Jahrh. Hus-, Hoss-) stecken »keine altgermanischen P.N., sondern sog. Über- 
namene, »nämlich ahd. dalyo == Zanker und hosso—=Rennere. Ob diese Wörter nachweisbar 
sind, kann ich nicht sagen; sie scheinen mir erst aus den Zeitwörtern erschlossen. Ich 
würde darum lieber in der S.14 gelehrten Weiso von Baldyer, - gis, -goz eine Kurzform 
Balyo als näher liegend gewählt und Hozo als Zusammenziehung von Hodezo bei Först. 
663 angenommen haben. Durch Erweichung des y ist über Baljingen dann Balingen 
geworden, wobei die Doppelkonsonanz wieder den Umlaut gehemmt hat. Tailfingen 
< Dagolfingen < Dagerulfingen möchte ich nicht im geriugsten beanstanden: die Ent- 
wickelung Tagülfingen > Tajilfingen erscheint mir ganz natürlich. Daneben scheint 
allerdings im Volksmund eine Umstellung Deragulfjinye >- Diaylfinge >- Dewalfenge 
hergegangen zu sein. Ist Wentarfilinge > Winterlingen noch einigermaßen lautlich 
zu erklären, so kaum mehr Frlisniönge, weshalb ich auch dessen Identität mit dem 
ersteren stark anzweifeln möchte. Wenn Digisheim, wie S.-4 zu lesen, im 8. Jabr- 
hundert Dichinesheim heißt, so gehört es zu Dichin, das auch in Dichingen u. a. vor- 


Bücherbesprechungen. 283 


kommt, aber jedenfalls zu cinem P.N., ist also nicht ein »Heim eines Kriegers« oder 
gar je eines solchen in Ober- und Unterdigisheim. Als die Dorforte entstanden, war 
der alte Begriff des Wortes wohl längst geschwunden; daher bedeutet Ostdorf nichts 
weiter als eine Ausbaute eines weiter westlich gelegenen andern Orts, hier vielleicht 
Geislingens, worüber allerdings höchstens’die Flurkarto AufschluB geben kann. 

Gar nicht befreunden kann ich mich mit der durch Edw. Schröder wieder zu 
Ehren gebrachten und von Veit angenommenen, sagen wir, Kolonisationstheorie, wonach 
gleichnamige Orte auf gleiche Gründer schließen lassen sollen. Wenn es auch z.B. ein 
Mammingin in Nord- und Südschwaben und in Altbayern gibt, so folgt doch zunächst 
nur, daß diese auf den gleichen Personennamen, aber noch lange nicht, daß sie auf 
die gleiche Person zurückgehen. Am allerwenigsten kann es in den von Veit ange- 
zogenen Fällen zutreffen: Weil sich auch noch am Kaiserstuhl ein Balingen und Endingen 
findet, waren deren Gründer von der gleichen Sippe. Wobei aber übersehen ist, daß 
wir in letzteren ein altes Baldingen und Endingun, also die Sippen eines Baldo und 
Ando haben, statt, wie wir oben gezeigt, eines Balgo und Agindeo. 

Auf S. 19 wird die schon längst wankende Anschauung von dem fränkischen Ur- 
sprung der Heim-Örte vorgetragen, aber ohne durch die örtlichen Verhältnisse eine be- 
sondere Stütze zu erhalten. Die fränkische Herkunft — ich habe das früher schon ein- 
mal hervorgehoben — widerlegt m.E. schon die eine Tatsache, daß auf altbairischem 
Boden deren allein über 900 sind, und zwar teilweise schon Mitte des 8. Jahrhunderts, 
also vor der Zugehörigkeit zum Frankenreich nachweisbar. 

Es wäre sebr zu wünschen, daß das sehr gut in die Ortsnamenforschung einführende 
Büchlein mit Ausscheidung alles Zweifelhaften bald in etwas erweiterter Form erschiene. 

Memmingen. Julius Miedel. 


Wilh. Sturmfels, Die Ortsnamen Hessens. Etymologisches Wörterbuch der Orts-, 
Berg- und FluBnamen des GroBherzogtums Hessen. 2. verb. u. verm. Auflage. Wein- 
heim u. Leipzig bei Fr. Ackermann. 1910. 94 S. 8°. 

Der Verfasser will die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung einem größeren 
Kreise zugänglich machen und besonders dem Lehrer bei dem Unterrichte in der Heimat- 
kunde behilflich sein, damit das Verständnis für heimische Sprache und Volksart mehr 
und mehr geweckt und die Liebe zur heimatlichen Scholle gestärkt und befestigt werde. 

In Abc-Folge werden zu diesem Zwecke über 1000 hessische Ortsnamen durch- 
gesprochen unter Anführung der wichtigsten alten Formen, hier und da auch mit Bei- 
ziehung der volkstümlichen Aussprache. Es ist eine mit großem Fleiß angelegte Samm- 
lung, die eine dankensworte Übersicht gibt über die Vielgestaltigkeit der Namengebung 
eines leider nicht zusammenhängenden Gebietes, die aber in ihrem Wert erst voll zur 
Geltung käme, wenn auch Hessen-Nassau in ähnlicher Weise bearbeitet wäre. Arnolds 
Ansiedelungen und Wanderungen können hierfür nicht ganz mehr genügen. 

Völlig befriedigt freilich auch Sturmfels’ Buch nicht, weil dem Verfasser dio er- 
forderliche sprachkundliche Sicherheit abzugehen scheint. Er erklärt Arheilgen z.B. 
als einen den Heiligen errichteten Altar (ara), wie wenn etwa Stadtpfarrer die Stadt 
eines Pfarrers bedeutete. Badenheim komnit nach ihm von Bado = neudeutsch Baden; 
Berstat ist cine »Stadt«e des Berto; Buolo in Bollnbach ist »der Ilügelbewohner«; 
husa in O.N. ist Dat. Sing., statt latinisierte Endung; Phephilincheim gehört zu 
ə» Babilos; reit, roide, rade sind »umlautende Formene zu riuti und rode usf. Wenn 
Arnold noch ahd. le¿ti und hlita gleichstellt, trotzdem, wie S. 47 nachgedruckt ist, das 
letztero mundartlich Zöcde lautet, so muß man das heutzutage trennen können. Über- 
setzungen von Personennamen wie Winiger — Freundspeer würden besser unterbleiben. 

Wenn das Buch nach dieser Seite später gründlich umgearbeitet wird und die 
beigebrachten urkundlichen Formen, die zuweilen Zweifel über ihre Herkunft und Ver- 
lässigkeit wachrufen, schärfer gesichtet werden, so wird man das Buch als eine wert- 
volle Bereicherung unseres namenkundlichen Schrifttums begrüßen können. Wenn es 
auch für die Besiedlungsgeschichte verwertbar gemacht worden sollte, wäre auch zu 


284 Bücherbesprechungen. 


raten, die Anordnung nach dem Abc aufzugeben und die gleichartigen Namen zusammen- 
zustellen. So ergäbe sich rasch z. B., daß das Großherzogtum Hessen 167 Heim - Orte 
hat, wovon etwa 30 keinen P.N. als Bestimmungswort haben, oder daß etwa 20 keltische 
Namenreste sich finden und ebenso viele weil und weiler, daß 35 elliptische Rodenamen 
vorkommen usw. 

Memmingen. Julius Miedel. 


Josef Ospelt, Zur liechtensteinischen Ortsnamenkunde. Buchs bei J. Kuhn 1911. 
29 S. 8°. 0,70 M. 

Das Broschürchen verdankt seine Entstehung einem Vortrag, den der Verfasser 
im Historischen Verein zu Vaduz gehalten hat. Demgemäß verbreitet es sich zunächst 
über die Bedeutung und das Werden und Vergehen von Orts- und Flurnamen überhaupt 
unter Bezugnahme auf solche, die im Fürstentum Liechtenstein heimisch sind. Dabei 
kommen aber allerlei nutzbare Beobachtungen zum Vorschein. Bei dem Namen des 
Tales Malbun — wer es nur einmal betreten und seinen feisten, schwarz verwitterten 
Boden gesehen hat, begreift die Bezeichnung malga buona ohne weiteres — ist schon 
im 17. Jahrhundert die Präposition mit der Benennung zu »Immel Buhn« verwachsen 
und so geht man heute »is Imalbu« oder weidet gar mit volkstümlicher Umdeutung »im 
Himmelbu«. Das Absterben von Begriffen, die noch vor nicht gar langer Zeit lebendig 
waren, zeigen Beispielo wie Bofel, Buvel = Ochsenweide oder Troos d. i. eine mit 
allerlei Gesträuch bewachsene Fläche (S. 17f.). Entlegene und darum erst spät in Be- 
trieb genommene Alpenweiden tragen deutsche Namen, die zugänglicheren, besseren 
und darum schon frühe benützten dagegen romanische. Alte Gewässernamen sterben 
aus: die Samina heißt im Volksmund Stegerbach. Bei Bergnamen herrscht große Un- 
sicherheit, weil sie oft auf verschiedenen Seiten verschiedene Formen haben und darum 
hüben und drüben anders benannt werden. Die Flurnamen sind stark im Schwinden 
begriffen infolge der immer mehr um sich greifenden Bezeichnung der Felder durch 
Zahlen in den Katasterbüchern. Die Unverlässigkeit volksmäßiger Aussprache zeigt die 
Flur »im Katzarank«; vor 100 Jahren heißt sie »Katzenrang«, vor 200 »Galseran«, vor 
400 »Galgarang«, ist also offenbar romanischen Ursprungs. 

Es wäre erfreulich, wenn der Verfasser aus den zahlreichen von ihm eingesehenen 
Urkunden, die leider erst ziemlich spät beginnen, noch weitere Schätze zum Besten 
geben wollte. Er kennt offenbar auch die einschlägigen Schriften, möge sich aber vor 
gefährlichen »Forschern«, wie L. Kaul, der seine Keltomanie wie scheint jetzt im Vorarl- 
berg verbreitet, sorgfältig hüten. 

Memmingen. Julius Miedel. 


Otto Kürsten und Otto Bremer, Lautlehre der Mundart von Buttelstedt bei 
Weimar (Sammlung kurzer Grammatiken deutscher Mundarten Bd. IX), Leipzig, 
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel 1910, 270S., 8,50 Mk., geb. 10 Mk. 

Die vorliegende Arbeit ist schon seit Jahren im Entwurf fertig gewesen, ein Teil 
davon, die Phonetik und der Vokalismus, bereits 1901 als Jenaer Promotionsschrift ver- 
öffentlicht wordeu. Durch allerhand ungünstige Umstände hat sich die Drucklegung des 
ganzen Werkes bis jetzt hingezogen, doch ist die Verzögerung dem Buche insofern zu 
gute gekommen, als es dem Verfasser dadurch möglich geworden ist, manches zu ver- 
bessern und nachzutragen sowie die Mitarbeiterschaft O. Bremers zu erwirken. Beide 
Gelehrte haben fast gleich großen Anteil an dem Werke und zwar verteilt sich der be- 
handelte Stoff auf sie in der Weise, daß Kürsten die Phonetik und die Geschichte ‘der 
einzelnen Laute von mhd. Zeit ab (S 1—65), ferner die Übersicht der lautlichen Ent- 
sprechungen vom Standpunkte der gegenwärtigen Mundart aus (8. 191 — 199), die_Zu- 
sammenstellung von Wortformen, die von dem Buttelstedter Dialekt aus im Mhd.” anzu- 
setzen sind (S. 200—208), die Textpraben (S. 209—213) und das Wortverzeichnis 
(S. 220—258) verfaßt hat, das übrige aber, d. h. die Übersicht über die wichtigsten 


Bücherbesprechungen. 285 


Lautwandlungen der Mundart (S. 66—128), die Zeitfolge der Lautwandlungen (S. 129 
bis 190) und das grammatische Gesamtregister (S. 259—270), Bremer entweder ganz oder 
zum größten Teil für sich beanspruchen kann. 

Die Buttelstedter Mundart gehört zum Nordostthüringischen. Nicht weit westlich 
ist die Grenze des Westthüringischen, von dem sie sich besonders dadurch unterscheidet, 
daß in ihr mhd. 2, 4 und ču zu ei, au und äu (ae und «o) umgewandelt und mhd. hs 
fast durchweg wieder als gs hergestellt worden ist, während dort 2, ĉ und iu geblieben 
und As zu ss geworden ist. Mhbd. g wird im Anlaut vor Vokalen teils wie g teils wie 
J gesprochen, da die g/j-Linie ganz nahe an Buttelstedt in nord-südlicher Richtung 
vorüberzieht. Vom Südthüringischen unterscheidet sich die behandelte Mundart namentlich 
durch den Gebrauch von inlautendem p (> b) für pf. Die Hauptabweichung vom Ober- 
sächsischen ist der Abfall des Infinitiv-r» und die häufigere Verwendung des e für 7; 
dagegen zeigt das Buttelstedtische sehr große Ähnlichkeit mit dem Osterländischen, z. B. 
dem Altenburgischen, mit dem es oft sogar in Einzelheiten übereinstimmt. Daher ist es 
za verwundern, daß Kürsten meine Schriften über die Altenburger Mundart nicht be- 
nutzt und weder die » Altenburger Mundart« (Eisenberg 1887) noch die »Syntax der 
Altenburger Mundart« (Sammlung kurzer Grammatiken deutscher Mundarten Bd. VI, 
Leipzig 1900) zur Vergleichung herangezogen hat, ebensowenig die Abhandlungen von 
Trebs über das Osterländische im Programm von Fürstenwalde 1899 und in der Zeitschrift 
für deutsche Mundarten 1903, S. 11 — 37. 

Die Anlage des Buches entspricht der Art, die wir aus A. Gebhardts Grammatik 
der Nürnberger Mundart (Nr. VII), E. Gerbets Grammatik der Mundart des Vogtlandes 
(Nr. VIII) u.a. kennen. Die Darstellung der Laute ist phonetisch genau, zahlreiche 
Beispiele erläutern die behandelten Lauterscheinungen, die Ursachen des Lautwandels 
werden sorgfältig geprüft, daher auch die Einwirkungen der nhd. Schriftsprache ge- 
wissenhaft berücksichtigt. Ebenso wird regelmäßig angegeben, inwieweit die Aussprache 
älterer und jüngerer Leute von einander abweicht oder die Nachbarortschaften lautliche 
Verschiedenheiten aufweisen, z. B. S.24, wo wir erfahren, daß man in Ober- und 
Niedergrunstedt das © vor ng beibehält (ding und fing für benge und fenge = binden 
und finden) und S.31, wo berichtet wird, daß dieselben beiden Dörfer für mhd. @ einen 
zwischen â und ô liegenden Laut sprechen. Analogiebildungen und Systemzwang sind 
besonders bei der Bildung des Plurals der Substantiva betont worden, z. B. S. 121. 
Charakteristische md. Erscheinungen werden gebührend hervorgehoben, so die Ver- 
wendung des Umlauts in käufen (kaufen), täufen (taufen), gäukeln (gaukeln), Schlösser 
(Schlosser), Käsper (Kaspar) und dim (ümbe, um) oder der umfangreichere Übergang 
von ege in ert in Eide (ahd. egida, Egge), Herwisch (Hegewisch), Säne (Säge) u.a. 

Obwohl Wortbiegung und Syntax nicht in besonderen Abschnitten behandelt sind, 
kann man doch an verschiedenen Stellen des Buches dahin gehörigen Stoff verzeichnet 
finden. So erfährt man manches über die Bildung der Mehrzahl, z. B. außer an der 
bereits erwähnten Stelle (8. 121) auf S.48 u. 122, wo erwähnt wird, daß mehrere Plural- 
formen singularische Geltung erhalten haben (so schline als Fem. = die Schlehe und 
haare als Fem. = das Haar). Ferner bekommen wir Kenntnis von dem Teilungsgenetiv 
er (= mhd. ér, ahd. tro), z. B. 8.210: ech há er (Zahnschmerzen) emmer, von Verbal- 
formen wie 2ch tréb = mhd. teh treip — nhd. ich trieb (S.82), Partizipien wie gebratet 
(= gebraten), geratet (geraten), gewest (= gewesen) auf S. 11 und 85. Eigentümlich 
ist der Gebrauch von on (un) vor Komparativen in Verbindungen wie emmer on felter, 
immer fetter (S. 212), beachtenswert der des Plurals in Beziehung auf ein singularisches 
Subjekt in der Fügung jeder macht Ihrsch = Jeder macht Seins (S. 212), weit ver- 
breitet in der Mundart die Verwendung von auf (uf) = nach bei Ortsnamen, z.B. auf 
Weimar (S. 212), seltener der ethische Dativ im Plural, z. B. das schmeckt euch gut, 
aber das war euch fein (S.9). Hier und da fällt auch ein Streiflicht auf die Wort- 
bildung, z. B. auf S. 61, wo die Form elstert = Elster erwähnt wird, die nach Analogie 
von Gänsert, Taubert u. a. gebildet ist, oder S. 184, wo das Fremdwort rajalsch, eine 
Umgestaltung des französischen royal, genannt wird; seltener auf die Wortbedeutung, 
z. B. auf S. 69, wo wir hören, daß »Prügel«e nur im Sinne eines Menschen, der 


286 Bücherbesprechungen. 


Prügel verdient, vorkommt, und S, 33, wo ax4ch (zähe) — naß, feucht von Heu ge- 
bucht wird. 

Für eine etwaige zweite Auflage möchte ich folgendes zur Beachtung empfehlen: 
In der Lautlehre S. 84 wird das Präteritum von lassen in der Form lief angegeben 
(vgl. auch S. 11: hieß), in den Textproben aber S. 211 lus (neben luf = lief). Ver- 
mutlich kommen wie im Altenburgischen beide Imperfektformen neben einander vor, 
nur in verschiedenen Bevölkerungsschichten; doch mußte dies erwähnt werden. S. 26 
findet man die Formen soldäde und adfegäde, aber über das auslautende e dieser Aus- 
drücke und seinen Ursprung erhält man nirgends Aufklärung. 8.48 wird in den Wörtern 
ferschtl, f., Ferse, kreppel, m., Kräpfel, scherbel, f., Scherbe, stangel, f., Stange 
»ein unorganisches 2 im Auslaute« angenommen, während doch in ferschtl das l aus n 
hervorgegangen ist wie bei schriftsprachl. Esel (lat. asinus), Künsmel (lat. cuminum), 
Kessel (lat. catinus), Himmel (got. himins), Igel (griech. &yivos), altenburgisch Brudel 
(Brodem), Feimel (Feimen) u.a. Dasselbe gilt für Areppel — ahd. krápfo, einem alten 
n-Stamm; die übrigen Wörter können nach dieser Analogie gebildet sein. Daß ue 
durchweg unter nhd. Einfluß zu © erhöht worden sein soll (S. 33), erscheint wenig 
glaublich; wenn man bedenkt, daß im Ostmitteldeutschen dieser Lautwandel besonders 
vor Zungenzahnlauten wie d, s, », l eintritt (vgl. O. Philipp, Zwickauer Mundart S. 19f.), 
so wird man das é in gefés (GefáB), spét (spát) und in anderen (auch altenburgischen) 
Formen anders erkláren. 

Die WeinstraBe (S. 95) hat nicht bloB vermutlich, sondern ganz sicher nichts mit 
Wagen zu tun, sondern damit ist eine Straße gemeint, auf der früher der Wein trans- 
portiert zu werden pflegte; solche Straßen finden sich auch anderwärts, z. B. zwischen 
Kamburg a.d. Saale und Krossen a.d. Elster. » Abeschern« (sich abmühen) S. 50 von 
mhd. heiz abzuleiten verbietet die lautliche Verschiedenheit; vielmehr kommt das Wort 
von Aescher, einer Mischung aus Asche und Kalk oder von Ascher, einer Nebenform von 
Asche (vgl. Aschermittwoch, einäschern); es heißt also ursprünglich sich beim Beizen 
mit Asche ermüden. »Dräwisch«, störrig S.68 stammt schwerlich von mhd. Irzbesch, 
sondern ist wohl mit Regel, Ruhlaer Mundart S. 177 und Hertel, Thüringer Wortschatz 
S. 84 zu drehen (mundartlich drewen) zu stellen. 

Die Zusammenstellungen über den nd. Einfluß im Sachindex sind mangelhaft; es 
mußte z. B. die Femininalbildung mit der Endung -sche in Nithersche = Nühersche, 
Näherin (S. 34) und die Form Niehausen = Neuhausen (vgl. Nienburg, Niemann, Nien- 
hold = Neuenburg, Naumburg usw.) mit genannt werden. 

Ein sinnentstellender Druckfehler, der im Druckfehlerverzeichnis nicht enthalten 
ist, findet sich auf S. 5l, nämlich Zeke für Zeche. Im Index werden öfter Wörter mit 
Gänsefüßchen verzeichnet, für die weder dort noch im Text eine Erklärung erscheint, 
z.B. gahnzig (= geizig?); auch sucht man Lauterscheinungen, die aus Wörtern der 
Textproben erschlossen werden können, mehrfach in der Lautlehre vergeblich, z. B. die 
Behandlung des auslautenden b von halb in der Zusammensetzung halwege, halbwegs 
(S. 214) oder die Gestaltung der Endung von »heulend« in der Form »heulening« 
(haelneng), worüber die Abhandlung von Konrad Hentrich (Gerundialpartizipien auf -ing 
im Nordwestthüringischen) in der Zeitschrift für deutsche Mundarten Jahrg. 1906 S. 274 ff. 
zu vergleichen ist. 

Doch diese Ausstellungen können den Wert des Buches nicht beeinträchtigen, 
vielmehr bildet dieses für alle Dialektforscher, namentlich aber für die, welche sich mit 
dem Thüringischen beschäftigen, ein vortreffliches Hilfsmittel gleich den übrigen Schriften', 
die uns der Verfasser bereits geschenkt hat. 


! O. Kürsten, Schnetzchen on Schnarze, Thüringer Klänge, Heft 1—5. Weimar 
1900ff.; Neue Thüringer Klänge, Erfurt 1909; der Vokalismus der südthüringischen 
Mundart veranschaulicht an dem Dialekt an den Gleichen, Programme der Oberrealschule 
zu Erfurt 1910 und 1911. 


Eisenberg, S.-A. OÖ. Weise. 


Bücherbesprechungen. — Neue Bücher. 287 


Carl Müller- Fraureuth, Wörterbuch der obersächsischen und erzgebirgischen 
Mundarten. Lieferung IV: Gauks bis Hören, S. 385—528. Dresden 1911, W. Bänsch. 
Die vierte Lieferung des obersächsischen Wörterbuchs bietet dem Mundarten- 
freunde manches Interessante. Zunächst finden wir darin eine größere Zahl von alten 
Ausdrücken, die in der Schriftsprache verloren gegangen sind wie gespräche, mhd. ge- 
spraeche, gesprächig, glauche, feucht, mhd. gelüch, gleifen, die Beine spreizen, ahd. 
gleifan, gleifjan, Geschpe — Gebsche, mhd. goufe, hohle Hand u.a. Auch Mythologi- 
sches gehört hierher wie Henne, ahd. Henno, Todesgott (vgl. Zeitschr. f. d. Philol. 24, 
145ff., Korrespondenzblatt f. nd. Sprachf. 10,94; 11,7) in dem Jöhstadter Henneweg, 
Kirchhofsweg und dem Ausruf des Schreckens Gott henne oder Jejens (Jesus) henne, oder 
Frau Holle in dem Hollenzopf, d. h. dem Zopf, den Frau Holle solchen Mädchen ver- 
filzt, die ihre Zöpfe nicht ordentlich flechten, und in dem Ausrufe weiß Hole oder ent- 
stellt weiß Kohle. Wir sehen ferner, wie die Mundart auch nicht selten gute deutsche 
Ausdrücke gebraucht für schriftsprachliche fremde, z. B. Hinlangschale oder Hinreck- 
schale für Präsentierbrett, Halbabend für Vesper (-zeit, -brot), Guts für Bonbon, 
Heran:tehglas für Perspektiv, aber auch mehrfach Fremdlinge, die dem Munde der Ge- 
bildeten fern liegen, z. B. Gums (Kompositum, Kompost, dicker Brei) oder Geseiere 
hebräisch für Geschwätz. | 

Neubildungen liegen vor in die Harre, Wartezeit (von harren), die Gutschmeck, 
die Graue, der Grau, das Grauen, die Höre, Folgsamkeit, die Horche, das Ohr, die 
Handige, das Handpferd, hängisch, abschüssig, herzhaftig, yefühlhaftig u. a. auf 
-haftig, geschmacksam, schmackhaft, gedurksam, niedergebeugt, herbstenzer, herbstlich 
sein, (esprenge, Gerede, (restecke, dürrer Mensch, Gestrühde, herumgezetteltes Stroh, 
gewillig, willig, gewrerig, ausreichend usw. 

Ferner werden wir bekannt gemacht mit Bedeutungsübergängen wie von gern = 
mit Absicht, mutwillig, grätig, reizbar (vgl. borstig), Hasard (spr. hasard unter An- 
lehnung an Haß), Neid, Zorn, Haß, Geduld in der Verbindung, in der Geduld liegen = 
gegen Wind und Wetter geschützt sein, mit Euphemismen wie er sagte wie Goldschmieds 
Junge (= leck mich am A.) oder blas mir den Hobel (dasselbe), mit witzigen Aus- 
drücken wie Himmelsxiege (abgemagertes Pferd), Himmelspolixist (Leichenträger), 
Himmelsfahrkarte (ärztliches Rezept). Auch für Erklärung der Ortsnamen fällt hier und 
da etwas ab, z. B. hören wir, daB der bekannte Lilienstein der sächsischen Schweiz 
eigentlich Gilgenstein, d. h. Ägidiusstein heißt. 

Eisenberg, S.-A. OÖ. Weise. 


Neue Bücher. 


Bronner, F. J., Bayerisches Schelmen-Büchlein. Ausgabe A. 1911. Verlag von 
J. C. Huber, Diessen. 265 S. 

Menges, Heinr., Geleitwort zu den Übungen zur Wortlehre in elsässischen 
Volksschulen. (Für die Hand des Lehrers.) Gebweiler, Boltze, 1911. 29 $, 
0,80 Mk. 

— — Übungen zur Wortlehre in elsässischen Volksschulen. (Für die Hand 
des Schülers.) Ebenda. 328. 0,80 Mk. 

Weber, B., Hopgarten. Beitrag zur Zipser Volkskunde. Késmárk, P. Sauter, 1911. 
26 S. 

Weinberg, Israel, Zu Notkers Anlautsgesetz. Tübingen, J.C. B. Mohr, 1911. 2 Mk. 
(= Sprache und Dichtung, herausgeg. von Mayne und Singer, Heft 5). 


288 Zeitschriftenschau. 


Zeitschriftenschau. 


(Wir suchen aus dem Inhalt aller Zeitschriften hier die für die deutsche Mundartenforschung wichtigon Auf- 
sätze anzuzeigen und bitten um Einsendung aller einschlägigen Arbeiten, damit unsere Zusammenstellung eine 
möglichst vollständige wird.) 

Das deutsehe Volkslied. XIII. Jahrgang. Heft 4— 6. 
R. Much, Heidipupeidi griechisch? (8. 65). 
K. Kaufmann, Das uralte Hahnlied (S. 81— 82). 
E. Jungutrth, Fensterllieder (S. 62 —63, 85, 100—101). 
Germanisch- Romanische Monatsschrift. Herausg. v. H. Sehrúder. 3. Jahrg. Heft 3 —6. 
Th. Schmitz, Die sprachphilosophischen Untersuchungen Lotzes (S. 129 —138 und 
193 — 207). 
O. Petsch, Die Entstehung des Volksbuches von Doktor Faust (S. 207—224). 
H Logeman, Biologie und Philologie (S. 272—292 und 321— 340). 
Die Karpathen. Halbmonatschrift für Kultur und Leben. Herausg. von Ad. Meschen- 
dörfer. Verlag H. Zeidner, Kronstadt 1911. Heft 10—17. 
Mitteilungen und Umfragen zur Bayerischen Volkskunde. 1911. Neue Folge. Nr.25. 
K. Spiegel, Vom Sagensammeln (S. 193 —197). 
Beilagen: O. Brenner, Über Fragebogenarbeit (S. 49 — 52). 
Dr. Schmutze, Alte Medizin in der Gegenwart (S. 52 — 64). 
Modern Philology. Vol. VIII. Nr. 4. 1911. 
Národopisný Věstník. Prag. 1911. Mehrere Hefte. 
Die Ortenau. Mitteilungen des Histor. Vereins für Mittelbaden (Offenburg). 1./2. Heft. 
1910/11. 
Darin: Ph. Lenz, Beiträge zu einem Wörterbuch der badischen Mundarten mit be- 
sonderer Berücksichtigung Mittelbadens (Sonderabdruck). 
Pfälzisches Museum. 28. Jahrgang. Heft 3 u. 4. 
Ch. Beck, Zur Frage der Weiler- Orte (S. 28 — 32). 
Schweizerisches Archiv für Volkskunde. Herausgegeben von Kd. Hoffmann-Krayer 
und M. Reymond. 15. Jahrgang. Heft 1—2. 
Hans Zahler, Volksglaube und Sagen aus dem Emmental (S. 1—18). 
G. Kefler, Die Sittenmandate im Wiler Stadtarchiv (S. 43 — 69). 
J. Müller, Sagen aus Uri (S. 69 — 83). 
A. Dettling, Aus dem Arzneibuch des Landammauns Schorno (S. 89 — 95). 
Th. Distel, Ein Basler Bänkelsängerlied (S. 107—111). 
E. A. S., Vernageln im kirchlichen Brauch (S. 111—112. 
E. Wittich, Zauberformeln und Zaubersegen der Zigeuner (S. 115 —117). 
Unser Egerland. Herausgegeben von A. John. XV. Jahrgang. Heft 4—6. 
J. Kirchberger, Beiträge zur Egerländer Wortforschung (S. 72—73 und 85 — 86). 
Volkskunst und Volkskunde (München). 1911. Heft 4. 
Zeitschrift für österreichische Volkskunde. XVII. Jahrgang. 1911. Heft 1—3. 
A. Dachler, Zur Geschichte der Heizung im Bauernhause, — Das Wort »Stube« 
(S. 37 — 48). 
J. A. Deloni, Der Wundermann Paralcelsus im Volksmunde (S. 78 — 80). 
W. Tschinkel, Volkstümliche Erzählungen aus Gottschee (S. 81). 
Zeitschrift des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde. 8. Jahrg. 1911. 2. Heft. 
A. Ostheide, Zum Martinsfeste (S. 97—113). 
K. Lohmeyer, Kulturkundlich interessante Kinderlieder und -spiele der Saargegend 
und des Fiirstentums Birkenfeld (S. 119 —142). 
J. Klein, Worringer Sprichwörter und Redensarten (S. 148 —149). 
J. Müller, Die Benennung des Harzflusses (S. 151). 
Zeitschrift des Vereins für Volkskunde. 21. Jahrgang. Heft 2. 1911. 
R. Loewe, Weiteres über Rübezahl im Volksglauben (Schluß) (S. 126 —151). 
Joh. Bolte, Gereimte Märchen und Schwänke aus dem 16. Jahrh. (S. 160—173). 


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Kleine Beiträge zur Geographie der deutschen 
Mundarten. 


Von Emil Maurmann. 


1. Zur niederdeutschen Sprachgrenze im Rheinlande. 


Östlich von Wermelskirchen bei Dreibäumen vereinigen sich die 
Benrather und die Ürdinger Linie. Ihr gemeinsamer weiterer Verlauf im 
Rheinlande soll auf Grund von schriftlichen Erkundigungen, die ich bei 
verschiedenen Lehrern dieser Gegend eingezogen habe, hier näher be- 
schrieben werden. 

Die Sprachgrenze fällt zunächst genau mit der Grenze zwischen 
den Gemeinden Dhünn und Neu-Hückeswagen zusammen. Auf der einen 
Seite haben wir demnach Ober- und Unter-Helbinghausen, Ober- und 
Nieder- Rautenbach, Stahlsmühle, Haarhausen, Bergstadt, Ober-, Mittel- 
und Nieder- Hagen — auf der anderen Seite Kurzfeld, Strucksfeld, Linde, 
Kotthausen, Straßweg, Bockhacken, Schückhausen, Purd und Rauzenberg. 

Dann folgt sie der Grenze zwischen den Gemeinden Wipperfeld 
und Wipperfürth. Zu ersterer gehören Boxberg, Wüstenhof, Lamsfuß, 
Niederdhünn, Grüterich, Heid, Ober-, Mittel- und Unter-Schwarzen, zu 
letzterer Oberdhünn, Kluse, Erlen, Hinter- und Vorder-Schónenberg, 
Eichholz. Doch soll nach einer anderen Mitteilung in den vier letzten 
Wohnplätzen sich ein Gemisch von Sülz- und Wipperdialekt finden, und 
zwar nicht nur zwischen den einzelnen Familien, sondern auch in 
diesen selbst. 

Weiter gelten als mitteldeutsche Orte Kohlgrube, Drenke, Wüstenhof, 
Bergesbirken, Abshof, Nieder- und Ober-Flosbach, Raffelsiefen, Buch- 
holz, Büschem, Breun, Unterfeld, Bühlstahl, Ober- und Unter-Lichtring- 
hagen, Scheel, Frielingsdorf, Kühlbach, Kaiserau, Remshagen, Bicken- 
bach, Hahn, Wallefeld, Walscheid, Thal, Lobscheid, Liefenroth, Vollmer- 
hausen — als niederdeutsche Klespe, Bommerhaus, Schlade, Grunewald, 
Stüttem, Graben, Ober- und Nieder-Kemmerich, Orbach, Leiberg, Gim- 
born, Erlinghagen, Berghausen, Hagen, Würden, Flaberg, Elbach, Peisel, 
Nochen, Kalkkuhl, Nieder- und Ober-Gelpe, Hülsenbusch, Birnbaum, 
Apfelbaum, Rodt, Lützinghausen, Strombach, Rospe, Mühl, Ober- und 
Unter- Ahlefeld, Niederseßmar. 

Schließlich fällt die Sprachgrenze genau mit der Grenze zwischen 
den Kreisen Waldbröl und Gummersbach zusammen. 

Zeitschrift fir Deutsche Mundarten. VI. 19 


290 Emil Maurmann. 


2. Zur Verschiebung von anlautendem p in Niederhessen. 

In seinem »Thüringer Sprachschatz« sagt Hertel bei der Abgrenzung 
des Thüringischen gegen das Hessische: Das Kennzeichen des hessischen 
Dialekts ist die Erhaltung des alten p im Anlaut nach niederdeutschem 
Muster, wohingegen der Thüringer die Tenuis in die Affrikata pf bezw. 
die Spirans f wandelt. Also a 

Hessisch Paerd Thüringisch Pfaerd, Faerd, 
” pliicken ” pflücke (n) ) flücke( n) 3 

Er führt dann weiterhin die beiderseitigen Grenzorte von Vacha bis 
zur niederdeutschen Sprachgrenze auf. 

Hertel ist also allem Anschein nach der Ansicht, daß die Ver. 
schiebung von p gleichmäßig vor Vokalen und Konsonanten erfolgt sei. 
Das ist aber stellenweise nicht der Fall. Auch seine Grenzbeschreibung 
ist nicht durchweg zutreffend. Im folgenden will ich nun seine An- 
gaben teils berichtigen teils ergänzen. Ich schicke voraus, daß ich in 
fast allen nachbenannten Orten selbst gewesen bin, nur für einige wenige 
habe ich mich auf schriftliche Anfragen beschränkt. 

Was zunächst p vor Vokalen angeht, so habe ich in erster Linie 
stets nach Pfeife, meist auch nach Pfütze, Pfanne, Pfund, Pfeffer ge- 
fragt. Pferd erwies sich als ungeeignet, da statt dessen fast allgemein 
Gaul gebräuchlich ist. 

Den mitteldeutschen Teil des hannöverschen Amtes Münden weist 
Hertel ganz dem hessischen Gebiet zu. Nach meinen Ermittlungen gilt 
p nur für Speele, Spiekershausen und Dalheim, nicht dagegen für Land- 
wehrhagen, Benterode, Sichelnstein, Uschlag, Nienhagen und Escherode. 

Der ganze Landkreis Kassel gehört dem p-Gebiet an, die östlichsten 
Grenzorte sind Nieste und Helsa. Weiterhin gilt p im Kreise Witzen- 
hausen für Wickenrode, Rommerode, Walburg, Küchen, Hasselbach, Har- 
muthsachsen: im Kreise Eschwege für Rodebach, Waldkappel, Kirchhos- 
bach, Mitterode, Stadthosbach; im Kreise Rotenburg für Heyerode, 
Berneburg, Hornel, Weißenhasel, Nentershausen, Solz, Imshausen, Iba, 
Machtlos, Ronshausen; im Kreise Hersfeld für Herfa, Bengendorf, 
Wölfershausen, Lengers, Harnroda, Heimboldshausen, Röhrighof, Phi- 
lippsthal. 

Verschobene Formen herrschen im Kreise Witzenhausen in allen 
östlich vom Kaufunger Wald gelegenen Orten, ferner in Großalmerode, 
Epterode, Laudenbach, Velmeden, Hausen; im Kreise Eschwege in 
Germerode, Bernsdorf, Wipperode, Bischhausen, Hoheneiche, Wichmanns- 
hausen; im Kreise Rotenburg in Krauthausen, Weißenborn, Sontra, 
Breitau, Ulfen, Wölfterode, Blankenbach, Richelsdorf, Süß, Bossendorf, 
Raßdorf, Hönebach; im Kreise Hersfeld in Kleinensee, Widdershausen, 
Heringen. 

Im allgemeinen gilt das Vorstehende auch für die Verschiebung 
von p vor Konsonanten, Abweichungen habe ich jedoch im Amte Münden 
und im Kreise Witzenhausen festgestellt. Als Beispiele kommen in Be- 


EN 


2 + o. 
. . 
% MÉI 


Kleine Beiträge zur Geographie der deutschen Mundarten. 291 


tracht Pflanze, Pflaumen, Pflug. Pflügen und pflücken sind gerade in 
diesen Gegenden ganz ungebräuchlich, für ersteres sagt man ackern, für. 
letzteres brechen, rupfen, schneiden, je'nachdem es sich um Kernobst, 
Beeren, Feldblumen, Rosen usw. handelt. 

Nicht ganz klar liegen die Verhältnisse im Amte Münden. Land- 
wehrhagen soll verschobene Formen haben, in Benterode und Sichelnstein 
habe ich selbst solche aufnotiert; in allen anderen Orten herrscht un- 
verschobenes pl. Doch hat mir ein gebürtiger Sichelnsteiner, den ich 
in einem Nachbarorte traf, versichert, er spräche die angegebenen Wörter 
mit anlautendem pl. 

Im Kreise Witzenhausen habe ich unverschobenes pl in einem 
kleinen Gebiete festgestellt, das sich an der niederdeutschen Sprachgrenze 
entlang hinzieht, nämlich in Ziegenhagen, Hubenrode, Ermschwerd (je- 
doch fl in Pflug), Blickershausen, Gertenbach, Bischhausen, Witzenhausen. 
Wieweit sich dieses Gebiet noch nach Osten erstreckt, vermag ich nicht 
anzugeben. Verschobene Formen finden sich in Kleinalmerode, Ellinge- 
rode, Roßbach, Dohrenbach und weiter südlich. Pl erscheint dann 
schließlich auch in den beiden westlich vom Meißner gelegenen Orten 
Velmeden und Hausen. 

In bezug auf die Verbreitung von Spirans und Affrikata kann ich 
nur sagen, daß erstere im Norden, letztere im Süden herrscht. Eine 
scharfe Grenze ist nicht zu ziehen. Verschiedentlich habe ich gefunden, 
daß die ältere Generation noch pf, die jüngere schon f sprach. Nicht 
unerwähnt will ich lassen, daß im hannöverschen Escherode eine ältere 
Wirtsfrau das Wort Pfeife so wiedergab, daß ich nicht zu entscheiden 
vermochte, ob sie ganz stark aspiriertes p oder p + bilabialen Reibelaut 
sprach; ihrer erwachsenen Tochter hingegen war nur f geläufig. 


3. Zur hochdeutschen Diphthongierung in Hessen. 


Die Entwickiung der alten Längen :, @, ü in den hessischen Mund- 
arten ist verschieden je nach ihrer Stellung im Auslaut, im Hiatus, in 
offener oder geschlossener Silbe, und in den letzteren Fällen auch je 
nach der Natur des folgenden Konsonanten. Hier soll zunächst die geo- 
graphische Verbreitung der Diphthongierung in offener Silbe beschrieben 
werden, ohne Rücksicht auf die mannigfachen vokalischen Unterschiede 
im einzelnen. Es handelt sich also um Beispiele wie schreiben, Taube, 
Mäuse, Leute. 

Der gesamte waldeckische Kreis der Eder, soweit er natürlich dem 
mitteldeutschen Sprachgebiet angehört, hat diphthongische Formen mit 
alleiniger Ausnahme der Stadt Waldeck. Im Kreise Wolfhagen finden 
wir Diphthonge nur in Heimarshausen, Monophthonge gelten also für 
Naumburg, Elben, Elberberg, Allendorf, Riede. Im Kreise Fritzlar 
herrschen Monophthonge durchweg nördlich der Eder, also in Lohne, 
Hadamar, Geismar, Fritzlar. Südlich der Eder verläuft die Grenze 
zwischen Ungedanken, Rothhelmshausen, Kleinenglis und Zennern, Uden- 


19* 


292 Emil Maurmann. 


born, Grofenenglis. Im Kreise Homberg verläuft sie weiter zwischen 
Borken, Trockenerfurth, Nassenerfurth, Haarhausen, Stolzenbach, Dillich 
und Gombeth, Arnsbach, Singlis, Pfaffenhausen, Verna. 

Nun fällt sie eine Strecke lang mit der Grenze zwischen den 
Kreisen Ziegenhain und Homberg zusammen, so daß auf der einen Seite 
Todenhausen, Frielendorf, Siebertshausen, Lanertshausen, Lenderscheid, 
Ropperhausen, auf der andern Allendorf, Wernswig, Leuderode, Stein- 
dorf, Hülsa, Hergetsfeld liegen. 

Weiterhin sind dann Grenzorte im Kreise Ziegenhain: Seigerts- 
hausen, Hauptschwenda, Christerode, Olberode, Schorbach, Klein-Ropper- 
hausen, Ottrau, Berffa — Schwarzenborn, Friedigerode, Oberaula, Hausen, 
Weißenborn, Görzhain, Lingelbach; im Großherzogtum Hessen: Eifa, 
Rainrod, Brauerschwend, Hergersdorf, Reuters, Heblos, Rimlos, Frisch- 
born, Eisenbach, Rudlos, Stockhausen, Schlechtenwegen — Bieben, Rei- 
merod, Schwarz, Udenhausen, Wernges, Maar, Lauterbach, Angersbach, 
Landenhausen; im Kreise Fulda: Hosenfeld, Poppenrod, Pfaffenrod, 
Brandlos, Hauswurz, Kauppen, Büchenrod, Magdlos, Flieden, Schweben, 
Nieder-Kalbach, Büchenberg, Zillbach — Müß, Großenlüder, Klein-Lüder, 
Blankenau, Hainzell, Gersrod, Schletzenhausen, Giesel, Rommerz, Ellers, 
Neustadt, Opperz, Hattenhof, Rothemann, Döllbach; im Kreise Gersfeld: 
Dalberda, Hattenhausen, Gersfeld, Maiersbach, Schachen, Obernhausen, 
Wüstensachsen, Melperts, Seiferts, Thaiden — Altenhof, Stellberg, Thalau, 
Schmalnau, Altenfeld, Oberrod, Poppenhausen, Sieblos, Abtsroda, Reul- 
bach, Brand, Wickers, Findlos, Batten. 


4. Zur hochdeutschen Diphthongierung vor r. 


Wesentlich anders als in offener Silbe gestaltet sich die hoch- 
deutsche Diphthongierung vor r. Nehmen wir als Beispiele Feuer, 
Scheuer. Im Kreise Wittgenstein verläuft die Grenze zwischen Benfe, 
Erndtebrück, Schameder, Balde Rinthe, Hemschlar, Sassenhausen, Rich- 
stein einerseits und Großenbach, Volkholz, Weide, Rückershausen, Obern- 
dorf, Rüppershausen, Amtshausen, Weidenhausen, Stünzel, Holzhausen, 
Saßmannshausen, Laasphe, Puderbach anderseits; sie fällt also bis auf 
eine Ausnahme (Weidenhausen) mit der Grenze zwischen Eder- und 
Lahngebiet zusammen. 

Im Kreise Biedenkopf finden wir Monophthong in Hatzfeld, Reddig- 
hausen, Laisa, Berghofen, Rennertehausen, Diphthong in Weifenbach, 
Eifa, Holzhausen, Frohnhausen, Ober Asphe. Im Kreise Frankenberg 
setzt sich die Grenze fort zwischen Haine, Röddenau, Frankenberg, 
Bottendorf, Willersdorf, Willershausen, Rosenthal und Birkenbringhausen, 
Wiesenfeld, Ernsthausen, Roda. Nun fällt sie eine Strecke lang mit der 
Nordgrenze des Kreises Kirchhain zusammen, die Enklave Schiffelbach 
geht mit dem Norden. Wir haben also als Grenzorte auf der einen Seite 
Lehnhausen, Gemünden, Schiffelbach, Heimbach, Lischeid, Mengsberg, 
auf der andern Hertingshausen, Langendorf, Wohra, Halsdorf, Josbach, 


Kleine Beiträge zur Geographie der deutschen Mundarten. 293 


Wolferode, Hatzbach, Speckswinkel. Dann biegt sie nach Süden um und 
zieht westlich an Momberg und Neustadt vorbei nach der darmstädtischen 
Grenze, der sie nach Osten bis zur Schwalm folgt. Schließlich geht sie 
im Kreise Ziegenhain zwischen Schrecksbach, Immichenhain, Ottrau und 
Hattendorf, Berfa hindurch und trifft hier auf die allgemeine Diphthongie- 
rungslinie, mit der sie bis zum Kreise Fulda zusammenfällt. Eine Aus- 
nahme bildet auf dieser letzteren Strecke die Stadt Lauterbach, die gerade 
für Feuer und Scheuer diphthongische Formen hat, wärend sie in andern 
Wörtern vor r den Monophthong bewahrt. 

Umgekehrt finden wir im Kirchspiel Erndtebrück (E. Benfe, Scham- 
eder, Zinse) zwar in Feuer und Scheuer Monophthong, dagegen in 
teuer, Mauer, sauer, Bauer Diphthonge. Die hochdeutsche Form für 
Bauer ist ferner in den Städtchen Battenberg und Hatzfeld sowie in 
Reddighausen eingedrungen. 

Über die Verbreitung der Diphthongierung in den Kreisen Fulda und 
Gersfeld vermag ich nichts Genaueres anzugeben. Ich kann nur sagen, 
daß die diphthongischen Formen ziemlich weit nach Norden vorgedrungen 
sind und anscheinend immer mehr die monophthongischen verdrängen. 


5. Zur Diphthongierung von ahd. o, 0[2], e, eo in Hessen. 


— 


Ahd. o, 0[2], €, eo ist im Siegerlande als 0, ö, € erhalten, in den 
angrenzenden hessischen Mundarten muß hingegen verhältnismäßig früh 
eine Entwicklung zu %, ü, 3 stattgefunden haben; ob über uo, üe, ie, 
mag hier dahingestellt bleiben. In einem großen südlichen Gebiete nun 
wurden diese jungen A, ü, ? in ähnlicher Weise wie früher die alten 
ü, ü, it diphthongiert, nur ging hier die Entwicklung nicht so weit: 
ū > ou, ü > oi oder es, 3 >ei. Im Norden wurde ü zu č, so daß wir 
dort jetzt als Entsprechungen @ und 7, nicht aber ö und € haben, wie 
Hans Reis in »Die Mundarten des Großherzogtums Hessen« irrigerweise 
behauptet. 

Vom Siegerlande bis zum Vogelsberg nimmt diese Diphthongierungs- 
linie folgenden Verlauf. Der Kreis Wittgenstein gehört ganz dem mono- 
phthongischen, der Dillkreis ganz dem diphthongischen Gebiet an. Als 
erste Grenzorte haben wir also Fischelbach und Mandeln. Weiterhin sind 
dann Grenzorte im Kreise Biedenkopf: Roth, Ober- und Nieder-Hörlen, 
Quotshausen, Wolzhausen, Biedenkopf, Eckelshausen, Kombach, Buchenau, 
Elmshausen — Simmersbach, Rixfeld, Frechenhausen, Gönnern, Nieder- und 
Ober-Eisenhausen, Silberg, Wolfgruben, Dautphe, Friedensdorf, Allendorf; 

im Kreise Marburg: Warzenbach, Sterzhausen, Goßfelden, Sarnau, 
Kölbe, Bernsdorf, Bürgeln, Betziesdorf, Schönstadt, Schwarzenborn — 
Kernbach, Brungershausen, Kaldern, Michelbach, Wehrda, Ginseldorf; 

im Kreise Kirchhain: Rauschenberg, Burgholz, Emsdorf, Erksdorf, 
Allendorf — Anzefahr, Sindersfeld, Himmelsberg, Langenstein, Niederklein; 

im Kreise Alsfeld: Kirtorf, Obergleen, Heimertshausen, Zell, Romrod, 
Nieder- und Ober-Breitenbach, Windhausen, Kestrich, Groß Felda, Klein 


294 Emil Maurmann. Kleine Beiträge zur Geographie der deutschen Mundarten. 


Felda — Lehrbach, Erbenhausen, Appenrod, Maulbach, Rülfenrod, Ehrings- 
hausen, Oberndorf, Ermenrod, Zeilbach; 

im Kreise Schotten: Stumpertenrod, Ulrichstein, Rebgeshain — 
Unter- und Ober-Seibertenrod, Bobenhausen, Kölzenhain, Feldkrücken. 

Diese Grenzlinie gilt u. a. für Bruder, Kuh, Schuhe, lieb, wie, 
ferner auch für Schnee, so daß wir im Norden nī, im Süden nei haben. 
An Abweichungen im einzelnen führe ich an: müde erscheint auch in 
Roth als moira, Kühe in Roth und Ulrichstein als koi, anderseits gut, 
tut in Wolfgruben als gut, dut, Füße in Simmersbach als fisə, letztere 
Form findet sich auch in einigen Orten des Dillkreises. 

Der 7-Umlaut von o erscheint als o und e Ersteres ist die vor- 
herrschende Form, letzteres findet sich nur in kleineren Gebieten an der 
Grenze gegen das monophthongische Gebiet. Die Grenze zwischen ei und 
ot verläuft nun folgendermaßen: e gilt für Silberg, Hommertshausen, 
Mornshausen, Herzhausen, Allendorf, Kernbach, Brungershausen, Michel- 
bach, Marburg, Ockershausen, Bauerbach, Groß Seelheim, Klein Seelheim, 
Roßdorf, Mardorf, Erfurtshausen, Höingen, Deckenbach, Homberg, Appen- 
rod, Erbenhausen — 0: für Eisenhausen, Holzhausen, Bellnhausen, Die- 
denshausen, Damshausen, Kaldern, Wehrda, Marbach, Wehrshausen, 
Cyriaxweimar, Gisselberg, Kappel, Schröck, Holzhausen, Roßberg, Wer- 
mertshausen, Rüddingshausen, Schadenbach, Büßfeld, Maulbach. 

Reis behauptet, daß auch in Wetzlar ä gesprochen werde, nach 
meinen Ermittlungen ist dies nicht der Fall. Er sagt ferner: »Eine weitere 
Unregelmäßigkeit weisen die oberhessischen Städte insofern auf, als sie 
das mundartliche ou schon früh durch das schriftdeutsche « verdrängen 
ließen. So heißt es in Gießen und Grünberg nicht gout, Mout, Blout, 
Hout, Glout, zou, sondern, wie im Schriftdeutschen gut, Mut, Blut, 
Hut, Glut, zue, Dies trifft für Grünberg zu, in Gießen aber kennt man 
heutzutage mundartliches ou noch gerade so gut wie in Marburg. 


6. Die zs/?S-Grenze zwischen Bergstraße und Haardt. 


Rechtsrheinisch findet sich zs in Weinheim, Lützelsachsen, Heddesheim, 
Schwabenheim, Ladenburg, Neckarhausen, Friedrichsfeld, Schwetzingen, 
Brühl, Rheinau — #5 in Hohensachsen, Großsachsen, Leutershausen, 
Schriesheim, Dossenheim, Wieblingen, Edingen, Grenzhof, Plankstadt, 
Oftersheim, Ketsch. Linksrheinisch gilt és für Altrip, Neuhofen, Mutter- 
stadt, Dannstadt, Assenheim, Alsheim, Rödersheim, Gönnheim, Friedels- 
heim, Wachenheim — ¿š für Otterstadt, Waldsee, Schifferstadt, Böhl, 
Hochdorf, Meckenheim, Niederkirchen, Forst, Deidesheim, Königsbach, 
Gimmeldingen, Haardt, Neustadt. In einigen Orten nördlich von Neu- 
stadt lautet die Form eš. Innerhalb des Bezirksamts Neustadt verläuft 
die Grenze im Gebirge weiter zwischen Frankeneck, Neidenfels, Weiden- 
thal, Frankenstein, Mückenwiese, Speyerbrunn und Lindenberg, Lambrecht, 
Esthal, Iggelbach. 


Friedrich Graebisch. Über die schlesische Sprache Karl von Holteis. 295 


Über die schlesische Sprache Karl von Holteis. 
Von Friedrich Graebisch. 


»Ehb zwanzich Jahre ins Ländel ziehn, 

Tutt kee Schlaesinger meh mei Schlaesch verstiehn. 
Do wern se sprechen uf huchdeutsche Ahrt: 
‚Welcher Narr hat diese Reime geschrieben?‘ 

Na, gedenk ack Du ahn a weißen Bahrt 

Und spriech: Mir ihs a bekännt geblieben.« 

So schrieb Holtei 1864 an Dr. Eugen Pappenheim. Holtei, der 
damals schon fast ein Siebziger war, hatte in seinem vielbewegten Leben 
manche herbe Enttäuschung erfahren; große Änderungen hatten sich 
besonders auch in der von ihm so inniggeliebten (vgl. Schluß von »Suste 
nischt ack heem«, »Der Zutabärg« usw.) »Schläsing« vollzogen und eine 
neue Zeit hatte neue Anschauungen und Lebensgewohnheiten mit sich 
gebracht, mit denen sich der Mann im »weißen Bart« nicht mehr be- 
freunden konnte, weil sie ihm um so ungewohnter waren, als er oft 
lange der Heimat fern geweilt hatte und sie nun bei der Rückkehr als 
Tatsachen vorfand anstatt der altgewohnten Zustände seiner Jugendzeit 
[vgl. Derheeme (1828), Gemülle raus (1848), Der Ultiman (1854), Der- 
heeme (1861), Silberhuxt (1873), Sein se ooch scheene willkummen (1874), 
De Unewerschetät (1878)]. Daß auch die ihm von Kindheit her gewohnte 
Mundart anders geworden war, beklagt er in dem an der vorletzten Stelle 
erwähnten Gedicht (Z. 24ff.) mit folgenden Worten: 

»Ihs die Weise doch schier in der Schlaesing sälber verschullen, 

Weil se nich turfte bestihn vurm Furtschrite; — na, schamster Diener! 
Nur ack grade fur mihch ihs weiter kee Saegen derbeine, 

Dennt vernaehm ihch jitzund de Kinder, die aus a Schulen 

Wudeln und mudeln und querlen, wenn's Zwelwe schlaet, in a Gassen 
Vun Uhfgaben palaren und tischkerieren — wie reene, 

Wie huchdeutsch die raeden, bin ihch uhf’s Maul schund geschlagen, 


Mid där richtijen Ahrt zu sprechen. Su hots in där Lehrer 
Eingebläut. 's ibs anne Pracht! Ihch stih derbeine far Gamel.« 


Damit entschuldigt er auch in gewissem Sinne die in seinen an- 
fangs genannten Worten ausgesprochene Trübseherei. 

Gottlob aber hat Holtei bisher nicht recht behalten. Noch quillt 
und sprudelt die schlesische Volkssprache aus Börnlein hundertfältiger 
Art in der Schlesing und in weiten Gauen des österreichischen Nachbar- 
staates, und auch das üppig emporgeblühte mundartliche Schrifttum gibt 
Zeugnis von der Liebe und Teilnahme, die den Schlesier noch — ohne 
Sondertümelei — für seine Sprache beseelt. Freilich schwindet da und 
dort mancher nicht mehr lebenskräftige Sprachgebrauch, so war es aber 


ı Mit Rücksicht auf die vielen verschiedenen Ausgaben von Holteis »Schlesischen 
Gedichten, gebe ich für die Belege keine Seitenzahlen, sondern die Namen der Ge- 
dichte mit Angabe der Zeile (Z.) oder Strophe (Str.). 


296 Friedrich Graebisch. 


schon seit alters — auch die hochdeutsche Sprache ist nicht mehr die- 
selbe wie zur Zeit Goethes oder gar Luthers —, denn Fesseln, welche 
die freie Weiterentwicklung hemmen, duldet die Volkssprache! noch viel 
weniger als ihre an strengere Gesetze gebundene hochdeutsche Schwester; 
aber die vielfache Berührung mit dem Hochdeutschen wirkt nicht nur 
einseitig, sie bedeutet nicht den völligen Untergang der Mundart und 
damit landschaftlicher Eigenart, auch die Sprache der Bücher verändert 
sich langsam, aber stetig durch die Sprache des Alltags, die sich leichter 
und schneller den Anforderungen der Zeit und des Lebens anzupassen 
vermag und zu der wir immer wieder zurückkehren, wenn uns Freude 
oder Schmerz bewegt. 

Im folgenden soll kein grammatischer Abriß über Holteis Schlesisch . 
gegeben, sondern in großen Zügen untersucht werden, wie diese Sprache 
wissenschaftlich und literarisch zu beurteilen ist, soweit der Stand der 
bisherigen Forschungen das zuläßt. 


1. Der Begriff »Gemeinschlesisch.«. 


Allgemeine Urteile sind schon mehrfach über Holteis Schlesisch 
gefällt worden. Soweit dies von sachverständiger Seite geschah, gipfelten 
sie in dem Ausspruch, daß seine Sprache ein sogenanntes »Gemein- 
schlesisch« oder »Städter-Gemeinschlesisch« sei. Hierüber äußert sich 
z. B. der Germanist Karl Weinhold: „Es gibt allerdings einen allgemeinen 
schlesischen Dialekt, den die Städtebewohner in ganz Sehlesien sprechen, 
wenn sie der Mundart sich überlassen, und den Holtei literarisch ge- 
bildet hat. Er ist der Kern der Mundart, der von dem Lande ver- 
schieden geschnitzt und gefärbt wird.« (Über deutsche Dialektforschung, 
S. 19.) Auf dieselbe Ansicht dieses großen Schlesiers beruft sich auch 
der schlesische Dichter Hermann Oderwald für seine Mundart im Vor- 
wort zu seiner »Schläschen Paperstunde«. Ebeuso spricht sich Robert 
Rößler im Vorwort zu seinen »Schnoken« (4. Aufl. 1900, S. 13f.) aus, 
welches auf Weinholds vorerwähnter Abhandlung fußt. 

»Gemeinschlesisch« ist aber nur ein allgemeiner Begriff, der alle 
Zwischenmundarten umfaßt, in denen sich mehr oder minder die Land- 
mundart mit dem Hochdeutschen mischt. Da die Landmundart selbst 
in den verschiedenen Gegenden starke Abweichungen zeigt und das 
Mischungsverhältnis in den einzelnen Volksschichten recht verschieden 
ist, kann dieses Gemeinschlesisch nicht in ganz Schlesien oder auch nur 
in Teilen davon einheitlich sein, vielmehr spricht wohl beinahe jeder 
Träger dieser Zwischensprache seine besondere »gemeinschlesische« 
Mundart, das heißt eine Mischung von Spracherscheinungen, wie sie in 
derselben Weise nur zufällig mehrfach vorkommt. 


1 Der Schlesier spricht eben am liebsten, wie er selbst sagt, »wie ihm der 
Schnabel gewachsen ist« (vgl. Holtei, »'s Blookatele, 10. Str.). 


Über die Schlesische Sprache Karl von Holteis. 297 


Es handelt sich ja hierbei auch überwiegend um den Bevölkerungs- 
teil, der nicht mehr fest an der Scholle haftet, sondern mehr oder 
weniger im Lande und womöglich auch auBerhalb Schlesiens herum- 
gekommen ist. Nehmen wir einen bestimmten Einzelfall an. Ein Hand- 
werker aus dem Wohlauer Kreise läßt sich nach mehreren Wanderjahren 
in Breslau nieder und heiratet dort ein Mädchen aus der Gegend von 
Neiße. Beide werden manche Eigenheiten ihrer heimischen Mundarten 
beibehalten, sie werden aber auch gegenseitig Worte und Redewendungen 
voneinander annehmen, dazu kommen die Einflüsse ihrer Breslauer und 
sonstiger früherer Umgebung. Und die Kinder werden wiederum ein 
»Gemeinschlesisch« reden, das diesen Verhältnissen entsprechen und doch 
wieder anders sein wird. Von den Kleinbürgerfamilien, welche ja die 
eigentlichen Träger dieser Zwischenmundart sind, stammt, wenigstens in 
Breslau, der weitaus größte Teil von außerhalb und hat Eigenheiten der 
Ortsmundarten mitgebracht, Es findet nun zwar ein allmählicher Aus- 
gleich und Austausch statt, aber eine einheitliche Mundart, wie sie 
in abgelegeneren Dörfern noch anzutreffen ist, wird hier niemals zustande 
kommen. In den kleineren Städten, deren Zuzug meist aus der näheren 
Umgegend stammt, tritt allerdings eine stärkere landschaftliche Färbung 
hervor. 

Auch Holtei war nicht bloß ein geborener Breslauer, er hat auch 
verschiedene schlesische Landmundarten an Ort und Stelle kennen ge- 
lernt. Dazu kommt, daß er doch eigentlich hochdeutsch sprach; das 
Schlesische war aber sein guter Freund, bei dem er so gern verweilte. 

Alles dies müssen wir in Betracht ziehen, wenn wir etwa Holteis 
»Gemeinschlesisch« in der Wirklichkeit suchen und finden wollen, und 
damit erledigen sich auch die Aussprüche, daß sein Schlesisch eigentlich 
nirgends gesprochen werde oder nicht echt schlesisch sei. Wenn wir 
aber den Einzelheiten seiner Sprache nachgehen, so wird es sich zeigen, 
daß sie dem Leben entnommen sind. 


2. Die Breslauer und mittelschlesische Grundlage 
der Holteischen Mundart. 


Wie urteilt Holtei selbst über seine Sprache? 


»Ader hingaegen su weit tar ihch mihch immer vergleichen 

Zu annem amerekanschen Raben, daß mir im Gedächtnuß 

Ooch akkerat ihs verblieben zeithaer, mir taaprichtem Greise, 

Wie ihch vur jännen verwichnen Jahren und do ihch noch kindsch war, 
Hie zu Lande ha sprechen gehürt, und wie ber geredt han 

Jessmal in där heemlijen Schlaesing. Ich wil’s wul nich loben, 

Nee, beleibe nich. Oder wahs hilft's, 's war haldich de Jugend, 

Und die kan kee Mensch nich vergässen, die leucht immer griene, 
Vunzemal wenn's uhf de Neege wil gihn das Bisserle Laeben.« 


So sagt er schwermütig als Siebenundsiebzigjähriger (»Seyn Se och 
scheene willkummen«, 2. 53ff.). In der Vorrede zur 2. Auflage seiner 


298 Friedrich Graebisch. 


»Schlesischen Gedichte« äußert er sich deutlicher, seine Sprechweise sei 
»freilich vorzugsweise die niederschlesische — (am liebsten möchte ich 
sagen: die Breslauische)e. »Ich habe mir Ausdrucksweise und Schreibart 
selbst geschaffen,« heißt es später, in der 15. Auflage. 

Mit der niederschlesischen Sprechweise meinte er allerdings nicht 
die sogenannte »neiderländische« oder (nach von Unwerth) »Diphthon- 
gierungs «-Mundart, sondern die sich zwischen dieser und der eigent- 
lichen Gebirgsmundart (z. B. des Riesengebirges) erstreckenden Mund- 
arten, deren Lautstand im wesentlichen in sein »Gemeinschlesische 
übergegangen ist. Die Grundlage seiner Mundart ist aber nach ihm 
selbst das Breslauische. Natürlich werden wir darin nicht die heutige 
Breslauer Kleinbürgersprache erkennen. Abgesehen von der Veränderung, 
die Holtei selbst an der Sprache der Breslauer Schulkinder mit Betrübnis 
wahrgenommen hat (s. oben), müssen wir auch an die gewaltige Zu- 
nahme der Breslauer Bevölkerung seit 1871 denken, zu der alle Teile 
Schlesiens beigetragen haben. Auch der Einfluß des Hochdeutschen 
wurde durch die besseren Schul- und Bildungsverhältnisse verstärkt. 
Eine Mundart von Holteischer Art müssen wir heute schon in tieferen 
Volksschichten oder vor den Toren Breslaus und in den mittleren und 
kleineren Städten suchen. Wenn aber Angehörige alter Breslauer Fa- 
milien noch bestätigen können, daß ihren Großeltern »Tuhm« und 
»Ulbrichsgasse« für »Dom« und »Albrechtsstraße« [vgl. hierzu där Dürer - 
Ulbrieht in Holteis Gedicht »Zum Dürerfeste« (1864), Z. 59] "geläufig 
waren, so erscheint uns auch der Lautstand der Holteischen Sprache für 
das ältere Breslauer Kleinbürgertum natürlich.! 

Wie verhält sich nun diese Holteische Mundart zu den schlesischen 
Teilmundarten? Was die Selbstlaute betrifft, so muß die » Neiderländische;> 
Mundart völlig ausscheiden. Wenn diese auch rings um Breslau ge- 
sprochen wird oder — in den ehemaligen »Kräuter«-Dörfern — wurde, 
so grenzt sie doch schon unweit davon im Süden an jene Mundarten, 
deren Lautstand wir im wesentlichen auch bei Holtei finden. Hierbei 
ist aber zu berücksichtigen, daß die Diphthonge der »neiderländischen« 
Mundart eine jüngere, allerdings schon vor mehreren hundert Jahren 
eingetretene Entwicklung des Lautstandes darstellen, den die sogenannten 
schlesischen »Stammundarten« noch heute zeigen (von Unwerth, Schles. 
Mundart, $ 117). Dieser ältere Lautstand mag sich auch in der älteren 
Breslauer Städtermundart unter dem ständigen Einfluß der Gebildeten- 
sprache erhalten haben. 


! Dies spricht auch Weinhold aus, dessen Urteil allerdings zunächst auf die 
Städtermundart bezogen werden muß: »Je mehr sich die neue Zeit auch in Schlesien 
rührt und die alten provinziellen Formen des Lebens und der Sprache den über- 
wältigenden Einfluß des allgemein deutschen und zunächst des preußischen erfahren, 
um so wertvoller werden K. v. Holteis schlesische Gedichte, denn sie geben den rechten 
Zustand unserer Mundart und malen unsere Laute nach ihrer alten Eigentümlichkeit« 
(Holteis »Schles. Ged.« mit Glossar, 1865, bezw. 17. Aufl., 1880, S. 497). 


N 


Über die schlesische Sprache Karl von Holteis. 299 


Soweit nun der Lautstand der Holteischen Mundart nicht den 
schlesischen »Stammundartens gemeinsam ist (z. B. Man, sprich *mọọn!), 
wird er durch folgende Beispiele gekennzeichnet: 

1. *reeda Rede, *feegal Vögel. 

2. *kirea oder *kerca Kirche. 

3. EE Dorf. 

4. *joor (geschr. Johr), *mool (geschr. Mol) oder *joor (geschr. Jahr) 
Jahr, *moel (geschr. Mal). 

5. *oox auch. 

6. *zeft säuft?. 

7. *breet breit. 

8. *b(a)rita bereitete, *Utar Leiter, *baglit begleitet, *gəklęt ge- 
kleidet, *elva elf (mhd. einlif, elf). 

9. *xoon (geschr. san) sagen, danach auch *froon (geschr. fran) 
fragen. 

10. *leen legen, *eezam schrecklich (mhd. egesam). 

11. *2bar tber, *geegay (geschr. gaegen) gegen. 

12. *fpr (geschr. Farr) Pfarrer. 

Die entsprechenden Tuautgesetze sind: 


1. Gedehntes mhd. e (älterer a-Umlaut) und ö = cr. 

2. Mhd. č und ü vor r = oder e; dieses ? vor r klingt in der 
besseren schlesischen Umgangssprache dumpf, fast wie ú. 

3. Mhd. o und « vor r = Y. 

4. Mhd. @ = oo oder (unter städtischem EinfluB des pp aus mhd. a) 
ọọ (geschr. a, aa, ak). 

5. Mhd. ou = 00. 

6. Gekürztes mhd. vu = e. 

7. Mhd. ez = ee. 

8. Gekúrztes mhd. e¿ = ¿, in anderen Wörtern = e. Zu (vgl, 
S. 303. 

9. Zusammengezogenes mhd. age = ọọ (geschr. a), wohl nach den 
städtischen Formen *:pegay usw.; danach auch mhd. âge in fragen = ọọ, 
während die Dorfmundarten die lautgesetzliche Entwicklung zeigen 
(*froon oder *froin). 

10. Zusammengezogenes mhd. ege = ec; in *ee:om ist bereits mhd. 
ei (eisam) anzusetzen, s. Nr. 7. 


1 Die mit * bezeichneten Formen sind in der Lautschrift der Z. f.d. Ma. an- 
gegeben. 

2 Wenn die heutige Mundart bei Kamenz (z. B. Grunau) neben *zeft auch *zeeft 
anstatt *zgeft aufweist, so scheint Einfluß von *leeft, läuft, oder neuere Dehnung von 
e vorzuliegen. Dagegen ist *bazeeft = bezecht derselben Mundart zu *xeef2, Seife, zu 
stellen, vgl. sich einseifen. 

® Vgl. hierzu westglätzisch *a hoot s nee bəręt (Iufinitiv *bəręçta); dagegen hat 
die verkürzte mittelschlesische Form *breetən, *breeta zur Bildung eines Mittelwortes 
mit go geführt; *gabrit oder *gabret, vgl. nhd. geblieben. 


300 Friedrich Graebisch. 


11. ò und g sind zwischen stimmhaften Lauten stets Verschlußlaute. 

12. pf ist im Anlaut zu f geworden. 

Bei b, p, d, t, g, k ist im An- und Inlaut der Unterschied zwischen 
Lenis und Fortis gewahrt; die Abweichungen von der nhd. Schriftsprache 
sind dem Schlesischen eigentümlich, z. B. Pauer, draben (a spr. ọọ) tauern, 
Guckuck. 

Alle diese Spracherscheinungen mit Ausnahme der genannten 
städtisch gefärbten (4. und 9.) finden wir in einem Gebiete wieder, das 
wir so recht das Herz von Schlesien nennen können, es erstreckt 
sich etwa südlich von Breslau und Kanth zwischen Schweidnitz, Reichen- 
bach, Nimptsch und Brieg, und in ihm stoßen die Ausläufer zweier 
Teilmundarten zusammen, deren Grenze etwa nördlich von Zobten und 
Strehlen, östlich von Münsterberg und südlich von Neiße verläuft. Der 
westliche Teil des Gebietes gehört zur Gebirgsmundart, die sich hier 
allerdings von der weiter westlich und südlich bei Hirschberg, Walden- 
burg, Frankenstein und Münsterberg gesprochenen (bei von Unwerth dar- 
gestellten) durch die meisten der oben angeführten Lauterscheinungen 
unterscheidet und bis auf die Endungen a und la für hd. en und lein 
im wesentlichen mit der Mundart des östlichen Gebietes übereinstimmt. 
Über letztere urteilt Weinhold (a. a. O., S. 21): »Die östlichen Mundarten 
des mittleren Schlesiens, Brieg, Löwen usw., scheinen den allgemeinen 
schlesischen Charakter ohne entschiedene Nebenfärbung zu haben.« 

Dieses mittelschlesische Gebiet umkränzen das Neiderländische, die 
lausitzisch-schlesische Mundart, die Gebirgsmundarten vom Riesengebirge 
bis Ottmachau (dahinter noch das Glätzische und die mit diesem ver- 
wandten Mundarten in Ostböhmen, Mähren und dem Oppalande bis Neu- 
stadt und Leobschütz in Oberschlesien), endlich die polnische Sprache 
im Osten, etwa nördlich von Neustadt in O.-Schl. bis Neumittelwalde. 
Die eben genannten schlesischen Mundarten haben mit der des Mittel- 
gebietes nur die Grundlage gemeinsam, zeigen aber sämtlich eine Sonder- 
entwicklung nach dieser oder jener Richtung, an der auch die an- 
geführten zwölf Lautgesetze beteiligt sind. 

In dem Mittelgebiet ist auch das »Gemeinschlesisch der Landleute: 
zu Hause, von dem Robert Rößler sagt: »Dieses suche und finde ich in 
der Sprache unserer Dorfbewohner, die man hört von der Oder bis in 
die Vorberge des Eulen- und Riesengebirges, von Brieg bis Hirschberg, 
von Löwenberg-Liegnitz bis Neiße« (Schnoken®, S. 14). 

Aus den angeführten Tatsachen ist es nun erklärlich, daß wir den 
gekennzeichneten Holteischen Lautstand auch bei einer Reihe der be- 
kanntesten schlesischen Mundartschriftsteller mit geringen Abweichungen 
in Einzelheiten wiederfinden, da ihre Wiege in diesem Gebiete gestanden 
hat oder sie lange dort tätig waren. In manchem, besonders wo sich 
diese Schriftsteller dem Hochdeutschen nähern, mag allerdings auch 
Holteischer Einfluß vorliegen. So wurden unweit von der Grenze 
zwischen der Gebirgsmundart und ihrer östlichen Nachbarin geboren: 


Über die schlesische Sprache Karl von Holteis. 301 


August Lichter in Naselwitz am Zobten, Robert Rößler in Groß- 
burg, Kreis Strehlen, Hermann Bauch in Heidersdorf bei Nimptsch; 
die Mundarten dieser Schriftsteller unterscheiden sich nur wenig von- 
einander, Bauch (mit Ausnahme seiner älteren Veröffentlichungen) und 
Lichter bekennen sich zur Gebirgsmundart. Aber auch Max Heinzel 
(geb. in Ossig, Kreis Striegau, gest. in Schweidnitz) und Philo vom Walde 
(Johannes Reinelt, geb. in Kreuzendorf, Kreis Leobschütz, später in Neiße, 
gest. in Breslau) zeigen noch den obigen Lautstand mit einigen nieder- 
bezw. oberschlesischen Eigentümlichkeiten. Auch Heinrich Tschampels 
Gebirgsschlesisch (Freiburg) steht der Mundart von Bauch und Lichter 
noch sehr nahe (doch stets p statt 4 aus mhd. o und u vor r, sowie au 
statt oo aus mhd. ou), während Robert Sabel sich der etwas stärker 
abweichenden Gebirgsmundart um Münsterberg bedient, aber durch Auf- 
gabe der Endungen a und la zugunsten der schrift- oder umgangs- 
sprachlichen en und el seine Sprache dieser Gruppe wieder nähert. Da- 
gegen zeigen Hermann Oderwald (H. Thielscher) und Marie Ober- 
dieck, diese auf Breslauer Grundlage und von Holtei entschieden be- 
einflußt, eine stärkere Mischung mit neiderländischen Formen (häufig ee 
für schles. 4, Abfall von n bei der Abwandlung der Eigenschafts- 
wörter u. a.) Noch stärker neigt zum Neiderländischen die Mundart 
Hugo Kretschmers, deren Ungleichheiten dem Umstande zuzuschreiben 
sind, daß südwestlich von Breslau, im Gebiet der sogenannten Kräuter- 
nıundart zahlreiche Grenzen von Spracherscheinungen verlaufen, so daß 
dort fast jeder Ort einen anderen Lautstand zeigt (vgl. von Unwerth, 
a. a. O., 88 121, 127, 128), wozu noch die Einflüsse der nahen Groß- 
stadt kommen. | 

Demnach hat die allgemeine Mundart dieses schlesischen Mittel- 
gebietes ein ganz bedeutendes Übergewicht im schlesischen Schrifttum, 
und dies ist zu einem großen Teile dem anregenden Vorbilde Hol- 
teis zuzuschreiben. Die übrigen schlesischen Mundarten treten hiergegen 
in der schlesischen Literatur völlig zurück, und selbst ihre bedeutenderen 
Schriftsteller haben mit Ausnahme von Gerhart Hauptmann, dessen 
Dialektwerke aber auch nur in halbhochdeutscher Ausgabe eine weitere 
Verbreitung gefunden haben, einen landschaftlich eng begrenzten Ein- 
flußkreis, während die Werke der vorerwähnten Schriftsteller, denen 
noch einige gute Namen hinzugefügt werden könnten, in ganz Schlesien 
bekannt und beliebt sind. 


3. Das Verhältnis zu den anderen schlesischen Teilmundarten. 


Das mittelschlesische Gepräge der Holteischen Sprache zeigt im 
Lautstande und Bau nur ganz vereinzelte Entlehnungen aus anderen 
schlesischen Mundarten, die nirgends eine Gesetzmäßigkeit erkennen lassen. 

An die Gebirgsmundart erinnert eigentlich nur das Wort Zuta- 
barg oder Zutabiürg, Zobtenberg (in dem gleichnamigen Gedicht), und 


302 Friedrich Graebisch. 


diese Form mag Holtei wohl beibehalten haben mit Rücksicht auf die 
jedem rechten Schlesier bekannte und ihn deshalb besonders anheimelnde 
örtliche Namensform dieses Berges. Nur das wu entspricht nicht der ge- 
treuen Landmundart, diese kennt nur den »*tsoota«, aber Holtei schwebte 
das Lautverhältnis hd. Sohn: schl. *zuun oder hd. Bohne: schl. *buura 
vor, und so bildete er entsprechend Zobten: tsuuta (vgl. unten 8. 319). 

Die Formen *:opn (geschr. san), sagen, usw. entsprechen allerdings 
auch denen, die im westlichen Teil des genannten schlesischen Mittel- 
gebietes üblich sind, während östlich (nach von Unwerth, a. a. O., $$ 109 
und 118 nebst Karte I) *zoen gilt, aber die oben gegebene Herleitung 
aus der städtischen Form *zọọgəņ ist wahrscheinlicher. 

Auch die besonders im Gebiete der Gebirgsmundarten vom Riesen- 
gebirge und vom Zobten bis zum Glatzer Schneeberg (Grulich) und 
vielleicht noch weiter in mehreren Spielarten verbreitete überflüssige 
Verwendung von »und« (besonders häufig bei den Schriftstellern Rößler, 
Bauch, Lichter u. a.) finden wir bei Holtei nur ganz vereinzelt: Und 
wie ihch 's Maaß und tat’s ahnlaegen, do warsch als wenn mersch Härze 
braech (»’s Nasequetschel«, Z. 208f.). Häufiger findet‘sich die schlesische 
Ausdrucksweise weil a doß a u. ä, aber ohne und. Anders ist der 
Satz zu beurteilen: Der Adam hot nu eemol ’s Puradiesel und a hot’s 
verspielt! (»Anne Priese«, Z. 123£.); man vergleiche damit das allgemein 
übliche ich wartete und wartete (ich habe und habe gewartet). Be- 
achtenswert ist auch der einige Male vorkommende Gebrauch von und zur 
Anknüpfung des Nachsatzes: Wenn Se ’s werklich nimmeh dermachen 
mid dim biesen Vülkel, und do winken Se bluf? (>De Drohung«, 2. 52f.), 
die heute z. B. noch in der schlesischen Gebirgsmundart beliebt ist, aber 
wohl auch nicht allein dieser Mundart angehört. 

Aus dem Riesengebirge stammt wohl auch das Wort Aberante 
(Laborant, Kräutersammler, >De Välkesteene«, 4. Str.), die heutige Mundart 
sagt dafür *lopbaranta. 

Etwas häufiger, aber auch nur vereinzelt, sind neiderländische 
Formen, besonders einige Male in der Abwandlung der Eigenschafts- 
wörter (gewöhnlich aber steht die Endung en): beim liebe Vieche (»Suste 
nischt ack heem«, Z. 12), mit sem rule Guschel (»Uben naus«; Z. 16), 
im weeche Naest (»Zum Herrn Jusef Grawen Hoverden usw.«, Z. 12), im 
gleiche Gleese (»Ahn de Schlaesinger in Leipzig«, Z. 48), a (den) junge 
Murgen (»Hinger’m Kunzertel«, Z. 23), ¿im warme Stübel (»Zu dăm- 
silbigen Tage«, 2. Str.); hieran schließen sich wohl noch die Formen: 
am (einem) Hirte (»De Välkesteene«, 3. Str), uf a Russe, äm (einen) 
Franzose (beide in »Anno Eeens usw.«, 2. u. 3. Str.), vum Uckse (»Frumme 
Wünsche», 1. Str.) und einige andere. 

Nicht der neiderländischen Mundart zuzuweisen sind dagegen 
folgende Formen, deren ee uns zunächst beirren könnte (vgl. neiderld. 
sneetlie Schnittlauch): scheef (»Ahn de Schlaesinger in Leipzig«, Z. 50), 
Abscheed (7. B. im gleichnamigen (redicht und in »Got vergelt’s Mittel- 


Über die schlesische Sprache Karl von Holteis. 303 


walde!«, Z. 90ff.), Geescht (»De Versuchung<, 7. Str.). Sie gehen auf die 
alten hd. Formen scheif, Abscheid (mhd. abescheit), Gäscht (mhd. jest)! 
zurück, bei Geescht mag für das lange geschlossene ee auch der Reim 
(kreescht) mitsprechen. Den hochdeutschen Laut bewahrt Holtei noch in 
Unterscheid (»Nu da! usw.«, Z. 97, Reim auf Zeit). 

Auch 3 für gekürztes mhd. e (Beisp. s. S. 299) findet sich nicht bloß 
im Neiderländischen, sondern auch — wenigstens in bestimmten Wörtern 
— in dem schlesischen Mittelgebiet bis Reichenbach und Waldenburg.? 
Daß Holtei neben o (spr. oo) für mhd. â auch a (spr. ọọ) verwendet, 
stimmt zwar auch zu einem Teil des Neiderländischen, doch ist mir die 
auf S. 299 gegebene Erklärung wahrscheinlicher.’ 

Dagegen stammt wohl Grautschke, Holzbirne (»De ehrlichen Diebe«, 
4. Str.) aus dieser Mundart (vgl. poln. gruszka, Birne). 

Überhaupt dürften zu dem Holteischen Wortschatz verschiedene 
schlesische Mundarten ihr Scherflein beigetragen haben, da Holtei viel in 
Schlesien herumgekommen war, man denke an Obernigk, Trachenberg, 
Warmbrunn, Reinerz, Grafenort, die sämtlich auBerhalb des obengenannten 
Mittelgebietes liegen, und er sich gern mit den Landleuten unterhielt. 
Besonders könnten wir dies vom Neiderländischen annehmen, liegt doch 
auch Obernigk, sein Lieblingsaufenthalt (vgl. »Obernigk«, »Derheeme« 
(1861), 8. Str.) darin, und sagt er doch selbst von den Schmiegeroder 
Bauern (»Der Ultiman«, Z. 24ff.): 

»Und weil ihch zu gürne 
Mid a Landleuten rede, von in lärne, 


‚Do ha ihch öftersch mid in tischkeriert 
Und Allerhand derbeine profentiert.« 


Auch das Glätzische scheint manchen Ausdruck geliefert zu haben, 
da dort noch verschiedene bei Holtei vorkommende Wörter geläufig sind, 
die man im Mittelgebiet nicht allgemein kennt. Durch den Einfluß, den 
Holtei auf weite Kreise der Bevölkerung und auf seine Nachfolger aus- 
geübt hat, fand auch manches Wort Aufnahme in die schlesische Um- 
gangssprache, aber wohl ohne bis in die Dorfmundarten einzudringen. 
Sichere Ergebnisse können aber nicht gewonnen werden, solange die 
Ortsmundarten nicht eingehender erforscht sind und solche Forschungen 
nicht tatkräftiger als bisher gefördert werden. 

Ob auch die Beziehungen Holteis zu Österreich Spuren in seinem 
Schlesisch hinterlassen haben, möchte ich nicht entscheiden. Man könnte 
die Ausdrücke Sperrkreutzermahndel |»Derheeme« (1828), 4. Str.) und 


1 Heute noch z. B. bei Kamenz *jašt, dagegen bei Münsterberg (nach R. Sabel) 
nur *gest. 

2 Vgl. auch Weinhold, a. a. O. S. 40 (2 6), dessen Angabe durch zahlreiche Dia- 
lektproben bestätigt wird. Vielleicht beruht das Nebeneinander von ¢- und e-Formen 
(*brita, *klenar) auf tilterer (aus ez) und jüngerer (aus ee) Kürzung. 

3 Man vergleiche dazu, daß die neiderld. Ma. das viel häufigere mhd, a in uug 
diphthongiert (*muugn Mann), wovon sich bei Holtei auch nicht eine Spur findet. 


304 Friedrich Graebisch. 


verschanteln (»Där Lessing und a Fäfferküchler«, Z. 72) hierher stellen, 
doch lassen sich noch in der heutigen schlesischen Sprache Einflüsse der 
früheren Zugehörigkeit Schlesiens zu Österreich nachweisen !, verschanteln 
kann auch eine schlesische Bildung? sein. Eppes, etwas (»De Mohren- 
wäsche«, Z. 215) ist natürlich nicht schlesisch, sondern an der angeführten 
Stelle der jüdischen Mundart zuzuweisen. 


4. Gebrauch bestimmter oder verschiedener mundartlicher 
Ausdrucksmittel. 


Bei einer Reihe von Spracherscheinungen, in denen die örtlichen 
Mundarten abweichen oder schwanken, hält Holtei streng an einer be- 
stimmten Ausdrucksweise fest So gebraucht er stets sammen statt ein- 
ander, z. B. insammen (»De Drohung«, Z. 110), fursammen (»De Kitschel e, 
Z. 121), naebersammen usw. Diese Formen sind noch jetzt in Breslau 
gewöhnlich und in einem Teil des schlesischen Mundartengebietes (Graf- 
schaft Glatz usw.) allein üblich. Nur einmal steht beinander im Reim 
mit Labander (»Zu dämsilbigen Tage«, 3. Str.), sowie das Hauptwort 
Durchanander, Wirrwar, (»Der Hyppuchunder«e, Z. 94), wo die andere 
Form nicht möglich ist. 

Ebenso verwendet er stets sich für das riickbeziigliche Fiúrwort uns. 
Auch das hört man noch häufig in Breslau, aber keineswegs überall in 
Schlesien, der Gebirgsmundart ist diese Ausdrucksweise im allgemeinen 
fremd, doch findet sie sich z. B. auch in Oberschlesien bei Leobschütz 
(daher wohl auch bei Philo vom Walde). 

Eine andere Eigentümlichkeit, durch die sich die heutige Breslauer 
Kleinbürgersprache zu ihrem Nachteil von den Landmundarten unter- 
scheidet, nämlich die Verdrängung des Wemfalles durch den Wenfall 
nach Verhältniswörtern, z. B. bei die Leute, mit die Kinder, finden wir 
bei Holtei nicht, der sie wohl mit Absicht vermeidet. 

Die Endung -nuß in Argernufs (»Wahs a Hákel wer'n wil usw. 
II, 2. 25), Begraebnuß (»Obernigk«, Z. 195, »Der Stürz«, Z. 128), ferner 
Derkenntnuß, Finsternuß, Gedächtnuß neben Gedächtniß (»De Une- 
werschetät«, Z. 27), Kümmernuß, war der älteren Sprache geläufig und 
findet sich noch jetzt z. B. im Adlergebirge, die Mz. lautet -nisse. 

Für die Wahl dieser Formen scheint die Verschiedenheit von der 
Schriftsprache entscheidend gewesen zu sein, soweit die Abweichung 
nicht seinem künstlerischen Empfinden widersprach. 


! Weinhold spricht im Vorwort zu seinem Glossar von Holteis »Schlesischen Ge- 
dichten, Ausgabe von 1865 (bezw. 17. Aufl. 1880, 8. 499), von dem Einfluß der staat- 
lichen Verbindung Österreichs und Schlesiens auf die Ausbildung des Dialektes und 
gelangt zu folgender Überzeugung: »In den ersten Jahrzehnten unsers Jahrhunderts 
war diese Österreichische Färbung noch vielfach stark zu erkennen. Seit etwa 20 Jahren 
bricht nun sehr merklich ein Berliner Luftzug herein, dessen Einfluß auf das Sprachliche 
genaue Beobachter nicht verkennen können«. 

? Die schlesische Umgangssprache kenut auch rerschantieren. 


Über die schlesische Sprache Karl von Holteis. 305 


In anderen Fällen werden mehrere Nebenformen ohne Unterschied 
gebraucht. So finden wir bis und bas (spr. *bọs) wohl gleich häufig, 
obgleich letztere Form in der heutigen Mundart eine beschränkte Ver- 
breitung hat, z. B. hat sie noch die oberdörfisch-glätzische Mundart 
(Mittelwalde, Adlergebirge) bewahrt !. 

Das hochdeutsche vollends erscheint in mehreren Spielarten: 
... lachen se Dihch vund aus (»1849«, Z. 20), nu wachs oek und ver- 
breete Dich vulgens naus |»Derheeme« (1828), 4. Str.], der Dawied hot 
ir jeden Biehmen vullgs abgeschwindelt (>Glückliche Zeit«, Z. 111). Die 
Mundart kennt auch noch die Formen *fult, *fuls und *funs. 

Mannigfach sind die Formen für deshalb, deswegen: jedoch vum 
Neuem hiert ma desthalb ooch (»Obernigk«, Z. 93), desthalbich ader 
lebt a sachleweck (»An a Beckmanns, 3. Str.), desthalbicht, su wie ihch 
murgens derwache, do schnupp ich amol (»Anne Priese«, Z. 9), dessent- 
halben hurcht a hihn (»Der irschte Versuch«, 19. Str.), destwaegen 
brauch ihch nich xu hungern (»’s Nasequetschel«, 2.15), dessentwaegen 
derhub sihch a Jammergeschrei (»Ahn a Herrn Regierungsassessor Scholz«, 
2.12). Die schlesischen Mundarten bieten außerdem deswegen, derwegen 
(aus derowegen), desderwegen, dassentwegen, dassentholba, derholben, dart- 
holben, dattholbe, dastholbe, desholb u. a. nebst örtlichen Abweichungen 
(*dastholva, *daarthaubm usw.). Ähnlich kommen für meinethalben vor: 
üm xzwelfe murgen fur meinswaegen (os Nasequetschel<, Z. 144), und 
möchten se meinswaegen noch su feifen |»Derheeme (1861)«, 8. Str.), 
meintshalben ihr Leutel (»De Kitschel«, Z. 1), meinshalben, kumm 
(»Im Klostergahrten«, II, Z. 96), fleug meinshalb, wuhien de Lüftel 
waehn (»In der Menascherie«, Z. 63). Die schlesischen Mundarten bieten 
noch: fermeinswegen, fermeinsweg, meintwegen, meintholbe(n), mennert- 
holbe(n), wegen meiner, wegen mir, fer mir u. a. — Auch für danach 
kommen bei Holtei verschiedene Bildungen vor. 

Bemerkenswert sind auch folgende Verschiedenheiten: 

1. Do hot a risch an Schlung trinken gewullt (»Nu da! usw«, 
7. 37); und se han wullt wissen (»Verlegenheet<, Z. 7); die hot ach 
blußich wullen wichtig tun (»Der irschte Versuche, 20. Str.). — Selten, 
aber in Breslau gelegentlich zu hören, ist der scheinbare Infinitiv, wenn 
kein anderer Infinitiv dazugehört: een heh ooch hätte wullen (gewöhn- 
lich gewullt hätte), was hätten de Zimmerleute denken sullen!? (De 
Kitschel«, Z. 59£.). 

2. Wie ihch mihch ahnfung zu besinnen (»'s Nasequetschel., 
2. 219); de Urschel fängt ahn derbärmlich zum weenen? (»De Drohung. , 
7. 44), ebenso: fängt a ahn zum switschern, zum sachte singen 

! Nach R. Sabel wird *bes auch noch vereinzelt bei Münsterberg von sehr alten 
Leuten gesprochen. In Grunau bei Camenz war diese Form (nach C. Rother) noch vor 
40 Jahren zu hören. 

? Es ist noch festzustellen, ob eine schlesische Ortsmundart — und welche — 
diese Konstruktion mit zum kennt. 


Zeitschrift für Doutscho Mundarten. VI. 0) 


306 Friedrich Graebisch, 


(Der Tieschgast<, Z. 75); ’s fängt werklich ahn, daß sihch’s beriehrt 
(„Der Freele 'Theresel ihre Bloovälken«, 4. Str). Außerdem sagt man in 
demselben Sinne anfangen und etwas tun; zu dieser Ausdrucksweise 
stimmt bei Holtei z. B. wenn theh’s bereete und niese (» Anne Priese<, Z. 14)!. 


5. Natürliche hochdeutsche Einflüsse. 

Mannigfach sind die Einflüsse des Hochdeutschen; da sich aber 
daneben auch die mundartlichen Formen finden, so sind die mundart- 
lichen Sprachgesetze noch überall erkennbar, und immer bleibt der volks- 
tümliche Eindruck gewahrt. 

In der Schreibung der Wörter hält Holtei im allgemeinen an den 
schriftsprachlichen Lautbezeichnungen (darunter ae für langes ä und noch 
einzelne ey für et) fest, so weit sich die mundartliche Aussprache mit 
der üblichen hochdeutschen ganz oder: (z. B. bei p, t, k, eu) wenigstens 
annähernd? deckt. (7 ist im Auslaut (Zug) stets VerschluBlaut, nur die 
Endung ig, die Holtei häufig «ch schreibt, ist nach heutigem überwiegen- 
den schlesischen Gebrauch wie ich zu sprechen (Näheres vgl. von Unwerth, 
a. a. O., § 94), folgt noch lich, so bleibt der Verschlußlaut erhalten (er- 
bärmiglich, spr. *orbermiklie). 

In folgenden Fällen hat jedoch Holtei, wohl um das Schriftbild 
nicht zu sehr zu entstellen, die abweichende hochdeutsche Schreibung 
beibehalten, da für den Kenner der Mundart die Aussprache nicht zweifel- 
haft ist, der Nichtschlesier aber die genaue Bezeichnung hier leicht ent- 
behren kann. Für ö und ü ist stets ohne Lippenrundung e und + zu 
sprechen. Das a aus mhd. a ist in den meisten Fällen (über die Aus- 
nahmen vgl. von Unwerth, a.a. O.,8 1) nur Schriftzeichen und dunkel 
wie offenes o (o oder 00) zu sprechen. Holtei schreibt also Man Mann 
(spr. *mpon), ahn an (spr. *oon), Farr Pfarrer (spr. *for) usw. Der schlesi- 
sche Dichter Philo vom Walde äußert sich (Schles. Dichterbuch, 1902, 
S. 11) zu dieser Holteischen Schreibung: ‘Der dunkle diphthongische 3 
soas- [Laut ist streng vermieden, weil er ven Unkundigen gewöhnlich ge- 
trennt gelesen und als realistischer empfunden wird« und bedauert, daß 
die neueren Dialektdichter diese Schreibregel des Meisters nicht nach- 
alımten. Trotzdem verwandte selbst Philo vom Walde die Schreibung oa 
noch fast durehgängig in seinem Epos »Leutenot (1900) und sogar noch 
in dem vorgenannten -Schlesischen Dichterbuch . (z. B. N. 141 in dem 
Gedieht >Der Lówe zu Neibes), dagegen hat er es in seinem späteren 
Gediehtbändehen »Sonntagskinder. überall durch v ersetzt, welchem Vor- 


t Dazu kommt noeh ortsmundartlich anfungen celias tun, z. B. *a eulda fanya 
baon (Breesowie bei Lewin), vgl. ahd. er begunde fråyin. 

? Nahetes über das Verhältnis der schlesischen zu den bühnensprachlichen Lauten 
vol. o Matt. de Seblos, Goes. £ Volkskundee. 17. Heft (0. Bd). S. 591. Über die Aussprache 
der Lenes und Fortes im Auslaut vel. vea Unwerth, a.a. O.. $5 60 u. 62. 

$ Dor Ausdruck sdiphthongische ist unglücklich gewähit und nur auf die Doppel- 
schreibung oa zu beziehen, nicht aber, wie auch aus dem Nebensätz ersichtlich ist. auf 
dle Aussprache. 


Über die schlesische Sprache Karl von Holteis. 307 


gang sich z. B. auch Karl Klings angeschlossen hat. Daß die Schreibung oa 
für einen Einzellaut keine glückliche ist, kann wohl nicht bestritten 
werden; über die Schönheit der Aussprache o bezw. ọọ kann man vom 
künstlerischen Standpunkte aus vielleicht verschiedener Ansicht sein; ein 
Ersatz der Aussprache o, ọọ durch a, aa, den Philo vom Walde zur Ver- 
feinerung der Mundart wünschte, bedeutet aber einen willkiirlichen Ein- 
griff, dem sich die lebende Mundart niemals fügen wird, weil er der 
Entwicklung der lebendigen Sprache zuwiderläuft und deshalb unnatür- 
lich ist. Und o (oa) für a in schles. Tonne (Toannel, Tanne, klingt doch 
auch gewiß nicht schlechter als das fast ebenso gesprochene o in hd. Tonne 
(schles. Tunne). Es würde aber auch manche Sprachfeinheit zugrunde 
gehen, da mhd. & (der jüngere a-Umlaut) und teilweise auch mhd. æ 
zu hellem a, aa geworden sind (vgl. von Unwerth, a. a. O., 88 4, 24, 25). 
Dann würde der in der heutigen Mundart bestehende Unterschied zwischen 
*gloos und *glaaxar! (Glas, Gläser) usw. aufhören und die schon mehr- 
fach ausgesprochene irrige Ansicht? daB mhd. a im Schlesischen dem 
Umlaut abgeneigt sei, weiter gestützt werden. Diese Ansicht erklärt 
sich zum Teil aus der früheren mangelhaften Erkenntnis des schlesischen 
Lautstandes, dessen Beziehungen erst die grundlegende Arbeit von Un- 
wertlis klargestellt hat; zum andern aber hat auch das Festhalten an der 
Schreibung a zu diesem Irrtum beigetragen, da z. B. Weinhold (a. a. O., 
S. 21f. und S. 26) unter a 1. und @ 1. verschiedene Beispiele, zum Teil 
aus älteren Schriftstellern anführt, die, soweit mundartliche Formen vor- 
liegen, dem ọ und po zuzuweisen sind, z. B. (S. 21) Schramme, Granne, 
Schaff, Gras, Wampe, (S. 26) hân, haben. Holtei selbst aber hat nicht 
beabsichtigt, die dunkle Aussprache des a überall durch den hellen 
Laut zu ersetzen. Mit der Schreibung oa, der wir bereits bei Stoppe 
begegnen, konnte er sich wohl nicht befreunden, dafür aber wählte er 
in der ersten Ausgabe seiner Gedichte (1830) die Bezeichnung & für den 
gedehnten Laut (oo), dessen Aussprache er daselbst als »breit, gedehnt, 
ins o übergehend« angibt. Später schrieb er nur noch a, weil die von 
ihm gewählten Akzente nicht den Beifall der Leser gefunden hatten, 
so daß er sie einfach wegließ (vgl. Vorwort zur 2. Aufl., 1850, S. IV). 
Wenn Holtei gleichzeitig sagt: »Dafür habe ich mich bemüht zu schreiben, 
wie ich wünsche, daß ausgesprochen werden möge!«, so ist dies nicht 
mit philologischer Peinlichkeit buchstäblich? zu verstehen und gilt auch 
nicht allgemein für das Schriftzeichen a für mhd. a. Daß Holtei die 


1 So z. B. im Riesengebirge, dagegen glätz. *gleezor mit Primärumlaut. 

? So sind z. B. die von Weinhold (a. a. O., S. 69) als Belege für den fehlenden 
Umlaut angeführten Formen Gebacksel, Flaschel ‚usw. gerade als Formen mit laut- 
gesetzlich weiterentwickeltem Sekundärumlaut anzusehen. Vgl. u. a. auch Steinhäuser, 
Die Muttersprache im Munde des Bresl. höh. Schülers, 1906, 5. 7: Jackel, Barkel. 

9 Vgl. auch meine hierauf bezügliche Anmerkung im » Wanderer im Riesengebirzee. 
1907, S. 42. 

t Vgl. z. B. die Aussprache von ö, #, anlautendem sp und st. 


20 


308 Friedrich Graebisch. 


dunkle Aussprache des a auch weiterhin duldete, zeigen auch vereinzelte 
Formen mit o, z. B. doss, dal (»Der Leierman«, 4. 6), Schnobel (»'s 
Blookatel«, 10. Str.) u. a. Man wird sich aber auch nicht im Widerspruch 
mit Holtei befinden, wenn man dema in zweifelhaften Fällen den schrift- 
sprachlichen Laut zuerkennt, da ja auch bei den anderen Vokalen mund- 
artlicher und schriftsprachlicher Laut nebeneinander vorkommen (vgl. 
S. 309). Ob dies auch in den nicht seltenen Reimen zwischen hellem 
und dunklen «a! notwendig ist, hängt von der Auffassung ab, ob wir sie 
als reine oder nur als Augenreime ansehen wollen. Aus diesen Reimen 
folgt aber kein Gesetz für die Aussprache der betreffenden Wörter an 
anderer Stelle, da Holtei das Recht in Anspruch nimmt, die Worte dem 
Reim anzupassen (s. unten S. 316). — Häufiger sind die o-Formen bei mhd. i, 
das wir zum Teil auch hierher stellen müssen, da die Aussprache ọọ für 
mhd. 4 noch jetzt der Breslauer Städtermundart angehört (bresl. *oost, 
Aas) und die häufige Schreibung a bei Holtei auch auf diese Aussprache 
hindeutet. Obgleich dieses oo aus mhd. 4 auch in einem Teil der neider- 
ländischen Mundart lautgesetzlich ist (vgl. von Unwerth, a. a. O., $ 22), 
so ist es doch besser dem Einfluß von ọọ aus mhd. a zuzuschreiben, da 
in der Städtermundart der Unterschied zwischen mhd. a und ä nach dem 
Vorbilde der hochdeutschen Gebildetensprache geschwunden oder ver- 
wischt ist. Für diese Annahme spricht auch die Form san, sagen (mhd. a) 
und besonders fran, fragen (mhd. 4), deren a=00° am besten so zu 
erklären ist. Wo Holtei für mhd. â (neben a-Formen) o schreibt, z. B. 
hot, amol, Obend u. a., dürfte er allerdings den geschlossenen oo-Laut 
meinen, der ihm von der Landbevölkerung her geläufig war. — Die 
dunkle Aussprache des a gilt natürlich auch dort, wo es für mhd. o steht: 
ack, ader neben ock, oder. Bei ack, nur (mhd. ocker) fehlte zwar Holtei 
ein huchdeutsches Vorbild, doch findet sich die Schreibung ack in schlesi- 
schen Schriften seit dem 15. Jahrhundert; ader hat sein a (00) von aber, 
mit dem es auch in der Bedeutung wechselt und zeigt dieses a schon 
in den ältesten schlesischen Sprachdenkmälern (vgl. Heinrich Rückert, 
Schles. Ma. im Mittela., Ausg. v. Pietsch, S. 26 f.). 

Unter den Mitlauten bezeichnet sek bisweilen auch den stimmhaften 
Laut (i), besonders zwischen 7 und einem Selbstlaut, z. B. Mfaerschel, 
Morser, spr. Fmecriol (¿De Mohrenwische<, Z. 66), doch ist z. B. in 
Perschohn (-Der Drahtbinder:, 4. 128) nach alter Breslauer Weise stimm- 
loses seh zu sprechen (wohl nach frz personne mit stimmlosem s), heute 
hört man kaum noch diese alte Form”, man spricht jetzt nach der Schrift 


! Z. B. gan. geben (aa): an, an (go) (Der Zutabäirg-, 3. Str.), Zutabary (a): Quark (o) 
(ebenda), Magen (aa): tragen (u) (o's Nasequetschele, Z. 126 und 128), geschnallt (4) : 
kalt (aa) (ebenda, Z. 127 und 129), Tuge (aa): Plage foo oder wv) (eis Stiehufmandele, 
1. Str.) usw. 

® Vgl. die Reime gesat:gefra’t (»De Summerkindele, Z. 26 u. 29), sa'ten : fra’ten 
(e Der Zutabärge, 2. Str.) u. a. 

3 In Grunau b. Camenz nach €. Rother noch *pəriuun. 


_ Über die schlesische Sprache Karl von Holteis. 309 


*parxoon. V ist stimmhaft als labiodentales w zu sprechen, wo es für 
schriftsprachliches f (aus german. f) zwischen Selbstlauten steht, z. B. 
Urel, Öfchen (»De Versuchung;, 7. Str.), daneben schreibt Holtei auch w: 
Uwel (»Zum Pulterobendex, Z. 14). 

Bisweilen weicht Holtei umgekehrt von der hochdeutschen Schreibung 
ab, wo die mundartliche Aussprache dies eigentlich nicht erfordert; so 
schreibt er z. B. sachteweck (»An a Beckmann«, 3. Str), und ziemlich 
häufig ä für e, wo dieses auch im Hochdeutschen den offenen Laut hat, 
z. B. schmäckt, sätxt, Täller, mälken usw., auch die Schreibung Stad, 
mid ist nicht immer berechtigt, z. B. mid Macht (vgl. von Unwerth, 
a. a. O., S 62). 

Was die Verdrángung mundartlicher Laute durch hochdeutsche 
betrifft, so finden wir diese unter allen Selbstlauten. Daher dürfen wir 
auch den dunklen a-Laut bisweilen hell aussprechen und finden wir 
auch bei anderen Schriftstellern, die zwar oa schreiben, aber in manchem 
Holtei nahestehen (Heinzel, Philo vom Walde, Oberdieck u. a.) neben oa- 
auch häufig a-Formen. Andere Beispiele sind: gekürztes mhd. @ in 
gedacht : gebracht (»'s kümmt mid Macht«, 3. Str.), dagegen lautgesetzlich 
gebrucht (z. B. »An a Hárrn Dukter Middeldorpf«<, 5. Str.); mhd. ez in 
Kreise (»Obernigk«, Z. 70), Eier (»Zum Dürerfeste<, 4. Str.), bescheiden 
(z. B. »De Versuchung«, 7. Str.), gewöhnlich ee; mhd. ö in hoch (»Suste 
nischt ack heem«, Z. 31), lautgesetzlich kuch (»’s Nasequetschel«, Z. 52); 
mhd. óu in dugelt (»>’s Blookatel«, 13. Str.), lautgesetzlich eegelt (»Ahn a 
Härrn Gerichtsdirekter Kretschmer<, 7. Str). Diese Beispiele könnten 
noch bedeutend vermehrt werden. Den gleichen Vorgang finden wir 
aber auch in der lebenden Sprache, wo die Mundart sich mit der hoch- 
deutschen Umgangssprache berührt; diese Unregelmäßigkeiten erscheinen 
also auch in der Sprache Holteis natürlich. 

In anderen Fällen haben sich in der Städtermundart Übergangs- 
formen ausgebildet. Besonders gilt dies für mhd. @ und ä, die sich in 
der echten Mundart lautgesetzlich meist zu a entwickelt haben, während 
die städtische Mundart neben a-Formen vorwiegend ä (e, ee), wie bei 
mhd. e und ö (s. 2. Abschn.) zeigt (vgl. Weinhold, a. a. O., œ 3., 5. 37f.), 
z. B. essen, gesûssen, Naest, laesen, laebte, Raeyen, melken, Tüller; a 
zeigen z. B. gemalkert, Ableitung von schles. malken, melken (»Suste 
nischt ack heem«, Z. 43), besonders aber Ableitungen von nicht um- 
gelauteten Grundformen: schamen (»Verlegenheet«, 7. 50), einfadeln 
(»Glückliche Zeit«, Z. 31), Flaschel, Lammel, Mahndel usw., jedoch ohne 
feste Regel, vgl. Zandel (»Der Zutabärg«, Z. 2) und Liindel (»An a Härrn 
Dr. Eugen Pappenheim< Z. 1) Hierher gehört auch der bereits oben 
besprochene Einfluß von go aus mhd. a auf mhd. 4. Ebenso hat ä (ec) 
aus mhd. ö vereinzelt auf mhd. oe (lautgesetzlich schlesisch #1) eingewirkt 
in haechstens (-Suste nischt ack heem«, Z. 42, »De Drohung«, Z. 77), 
gewöhnlich finden wir aber ee oder te, z. B. scheene, schiene. In Söhndel 
(öl sprich ee, ‚Zum 7. Okt. 1867«, Z. 45) liegt der hochdeutsche Vokal 


| Freir i Grassini 
” de A geet . e - o u“ 


- 17 CC rs R en 9 Ee WE E o e eie e 
e Eege, die roundarsiche Form ist Nadhudel ite st SE 
Pe =r ET A eeen it Wen Er ER 
EE AO E Kaz ait je Alis TEL. A AUT SONS Fir An Eine 
-e . ~ ` 1 ` D - ”, . © a: A. 2e - 
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r ` a - > r e - a Ce 5 = 
Zien te goten \ s Nasennuetsere) . Z. 14%, sind Ubersarzstöormer Zer 
+ r -- . e -e e ' 17 ea Y S x NR D we Ae -i s - 
eier eier, DDpdartich lauten ~ije “alebin. "Lhefn, "leert, "2. Tu 
> 1 > 8 a re ie en - 
corri vo bezw. o.. Dagegen cenraucit Hotel start der berte in 
. ke t g -, = 
Zen su a it Form schneeu mit dem ee vun Schnee das auch Ger 


Maian enterrecten de schreien t De Kristheemel . Z. 13 vom Ende. 

A... 0.2 Cpoarnttat der Selnstiante zeist den Einfleß der serri:- 
uret M A die „chrift-prachliche Lange meist erbaten ver 
Dorren raten cl ge Zu-ammenziehunz «der vor einfachem Mitaut — 
en. er, el 2. von Unwerth. aa 0. 8 103, z. B. greoft, beet. nen 
un Fregen, „auten. "here. wohnen. schiener, schieuster, wetter, Heiufel. 
Hate) or. Sheindly. andere derartige Wörter schwanken oder zeisen 
kurze SR tufste ( Obernieke. Z. 124) und tofste « Zum Pulterobende.. 
7. 50, Leiter (.Grufi-Brasselsche Kindere. 4. Str und Letter ı De 
Drug: 2.565. fefft. pfeift GAn a Goethe, 2. Striu. a — Die Deh- 
nung karzer mhd Vokale (von Unwerth. a. a. O.. $ 951 ist entzesen der 
Mundart aus den einsilbiren in die mehrsilbigen Formen übertragen. 
z. B. in Mahndel, Männlein | Derheeme: (1925). 4. Str.. Wale, Walle 
dat. (ebenda. 2. Str.;. Schlame. Schlamme at. ( Oberniek «. Z. 148). 
Andere Wörter zeigen Kürze nach der Schriftsprache: Witter. schles. 
*vaator (Was warsch fur Kuche?:. Z. 150, In der Menascherie:, Z. 50). 
Dagegen schwankt in den einsilbigen Wörtern Puch, Stuck. Kupp u. a. 
auch der mundartliche Sprachgebrauch zwischen Kürze und Länge (*ruk. 
weit “rook, vel. von Unwerth. a.a. O.. $ 95). doch entsprechen diese 
kurzen Formen auch der städtischen Mundart. 

Wo die echte Mundart die Formen vielfach zusammengezoren 
oder yerstitmmalt hat, finden wir in der Städtersprache daneben über- 
wiezend noch vollere, der Schriftsprache näherstehende Formen, so bei 
Holter z. B. Bögen, lautges. *raan (-An a Hebel‘, Z. 13), lägen, lautges. 
then (5 Nuseqnetschele, 7. 145) neben lact (-Der Stürze, Z. 66); legt 
(Us Kristbeemel . Z. 295) neben leit (»Aerndtcliede, Str. 1): gaeben (ss 
Nasequetschele, 7.194) neben gue (¿Der Zutabárg -, 3. Str.): seltener bei 
mhd. age: geschlagen > vertragen (-Im Klostergahrtene I, Z. 99 u. 101) und 
in heben G's Nusequetschels, Z. 180), wo die zusammengezogenen Formen 
san, tran, han usw. überwiegen. Hieran schließen sich z. B. om (prp.) 
neben ef (diese Form besonders in den :-Liedeln ). cun neben vo (dies 
seltener), halden, alde, kalde! (lautes. *haalonm, *aals *kaals), gelbe (»De 
ehrlichen Diebe, 3. Str.) neben gale ( Wie ber in Perlin beisammen 
aßen«, 2. Str.), Leinwand, schles. *laimt, "lemt (»’s kümmt mid Machte, 
3. Str), sowie die Erhaltung der Endung ex nach m und n: Beemen 


ı /d ist allerdings auch ortsmundartlich erhalten, z. B. im Kreise Militsch, vgl. 
von Unwerth, a.a.0., 867, Anm. 1. 


Über die schlesische Sprache Karl von Holteis. 311 


(Groschen), keenen, wohnen. Auch können wir, wenngleich verschiedene 
Bildungen vorliegen, hierher stellen z. B. trucken (»A Schópsekristel «, 
7. Str.; »Abscheed «, 4. Str.) neben treuge (» Aerndteliede, 8. Str.). 

Die durch die gebundene Form gehobene Ausdrucksweise begünstigt 
auch den Einfluß des Hochdeutschen auf den Satzbau und den Wort- 
schatz. Eine Grenze ist aber hier sehr schwer zu ziehen, da in der 
Städtermundart auch alle hochdeutschen Ausdrucksmittel Bürgerrecht 
haben. Ein Landmann würde sich oft viel einfacher, aber auch ein- 
förmiger ausdrücken; die Zahl der Genitive, der Bindewörter, Nebensätze 
und Infinitivkonstruktionen würde er erheblich einschränken, der Wort- 
schatz des Einzelmenschen würde weniger Synonyma enthalten und ab- 
strakte Bezeichnungen würden möglichst vermieden werden. Konkrete 
Vergleiche, Bilder u. dgl. verwendet Holtei im Gegensatz zu anderen 
schlesischen Dialektschriftstellern verhältnismäßig selten; hier hätte er 
noch mehr aus der Volkssprache — auch aus der städtischen — 
schöpfen können, wenn es seiner Absicht entsprochen hätte: »Es muß 
sich nun zeigen, ob von mancherlei possenhaften Effekten entkleidet, die 
schlesische Eigentümlichkeit fühlbar geblieben sein wird«, sagt er im 
Vorwort zur 2. Aufl. seiner »Schlesischen Gedichte«; es ist zu bedauern, 
daß bei dieser Auffassung der gesunde Volkswitz nicht scharf genug von 
dem oft unnatürlichen Berufshumor geschieden wird, der leider den Ge- 
nuß manches mundartlichen Erzeugnisses stört. Die hochdeutschen Wörter 
sind lautlich meist der Mundart angepaßt. Hierzu ist besonders ein 
großer Teil der zahlreich vorkommenden Zusammensetzungen zu rechnen, 
z. B. Aerdenwelt, Zarenstad, Murgengeläute, Demagogenzeit, Blumenstraus, 
Hiittentor, Erdenriefs, Gluckeklang, Wulkegisse, Aerdereese, Traubeguld, 
Jammerthal, Honigseem, Himmelsdach, Staatsschif, Liebeslust, Liebes- 
glutt, Liebesleiter, Herzensdieb u. v. a. 

Aus der Gebildetensprache bezieht die Volkssprache auch gewóhn- 
lich die fremdlándischen Bestandteile. Daher diirfen wir uus nicht über 
die gruße Zahl von Fremdwörtern wundern, die wir bei Holtei antreffen. 
Diese entsprechen aber nicht nur der starken Mischung seiner Mundart 
mit dem Hochdeutschen, zur Zeit Holteis — also in der ersten Hälfte 
des 19. Jahrhunderts — hatten die Fremdwörter auch noch eine viel 
größere Bedeutung selbst für die Umgangssprache. Gar manches Fremd- 
wort aus der Franzosenzeit! und der Kanzleisprache, das wir noch von 
den Großeltern hörten, ist heute verklungen. Einigen solchen Fremd- 
lingen begegnen wir bei Holtei recht häufig, da sie als Füll- oder Ver- 
stärkungswörter beliebt waren, z. B. pur, akk(u)rat, justement, partu, 
mullum. Manche Fremdwörter sind volkstümlich, zum Teil wohl mit 
Absicht umgeformt, z. B. Ziegerohr n., Zigarre (»Der irschte Versuch«, 
12. Str.), auch Zegeröhrel (z. B. »De Summerkindel«, Z. 68), Ohnefurm, 
Uniform Der Zutabärg«, 4. Str.), Viehlister, Philister (»’s kümmt mid 


1 Vgl. >De Mohrenwäschee, Z. 82 ff, 


312 Friedrich Graebisch. 


Macht, 6. Str). Abdecker, Apotheker (»Sassafras usw.:, 2. Str.), Bibliap- 
theke, Bibliothek (-De Farrn-, Z. 66), Feirien, Ferien — allerdings ur- 
sprünglich eins mit Feier — (sObernigk«, Z. 21), über eingal, egal, siehe 
S. 316. Hieran schließen sich einige Wortspiele: Farr, Pfarrer und 
Farre (m.) (»De Farrn-), « sass, a frass, a hatt’ anne Prille (»Sassafras 
und Sassaparille ), und in dem Gedicht »Immer noch Kandedate« zeigt 
Holtei, wie sich auch das Volk mit der Deutung von Fremdwörtern be- 
schäftigt. Bemerkenswert ist auch die Mischbildung mescheulich (»Der 
Hyppuchunder«, Z. 224, »De Versuchung«, 3. Str.), aus meschant und 
abscheulich, die wir auch in anderen Dialektschriften! finden. Eine 
volkstümliche Verdeutschung ist Viecher-Gahrten (»An a Härrn Dukter 
Middeldorpf<, 4. Str.). 

Wenn Holtei unter Zugrundelegung der Städtermundart dem Hoch- 
deutschen einen so vielseitigen Einfluß auf die Mundart gewährte, wobei 
er aber immer volkstümlich-schlesisch empfand, so geschah dies, um 
»einen Ton anzuschlagen, welcher durch ganz Schlesien heimisch-ver- 
ständlich klingen möge« (Vorw. zur 2. Aufl.), und dieser so veredelten 
Mundart auch fernerstehende Kreise, namentlich also auch die gebildeten 
Schlesier als Freunde zu gewinnen, da die Verachtung der »Bauern- 
sprache« als verderbte Form der Schriftsprache zu seiner Zeit noch all- 
gemein war. Wie schwer es trotzdem Holtei ward, hierin endlich einen 
Erfolg zu erringen, beweist die Tatsache, daß der ersten Auflage seiner 
»Schlesischen Gedichte« erst zwanzig Jahre später die zweite folgen 
konnte, die er noch mit recht bescheidenen Worten einleitete, und dabei 
war Holtei durch seine hochdeutschen Bühnenwerke damals in weiten 
Kreisen bekannt und beliebt. Bei der Wahl einer streng landschaftlichen 
Mundart wäre Holtei einem größeren Leserkreise ebenso unbekannt ge- 
blieben wie mancher Landsmann vor und nach ihm, und was wäre wohl 
heute die schlesische Dialektliteratur ohne seine Vorarbeit und ohne sein 
bahnbrechendes Vorbild? 


6. Künstlerische Veredlung der Mundart. 


Die bisher dargestellten Beziehungen des Hochdeutschen zur Mundart 
entsprechen der natürlichen Mischung, wie sie die Berührung der 
beiden äußersten Sprachformen auf städtischem Boden bewirkt. Davon 
sind andere Erscheinungen zu trennen, mit denen der Dichter die Mundart 
künstlerisch zu veredeln bestrebt ist, besonders durch Festhalten an 
älterem Sprachgut, welches das Hochdeutsche länger bewahrt hat. Auch 
im Hochdeutschen ist ja durch ähnliche Bestrebungen Klopstocks, der 
Romantiker usw. manches verschollene Wort neu belebt worden, z.B. 
Halle, Gau, Hort. 

So hält Holtei gegen den auch in Schlesien überwiegenden Sprach- 
gebrauch streng an dem 7 im Auslaut tieftoniger Silben fest, z. B. eurem, 


1) Z. B. Philo vom Walde, Sonntagskinder, S. 96; Oderwald, Anne schläsche 
Paperstunde, S. 83. 


Über die schlesische Sprache Karl von Holteis. 313 


eesem (mhd. egesam), Kraetschem. Wenn auch selbst heute noch der 
Geltungsbereich des sonantischen m nicht ausschlieBlich auf die glätzische 
Mundart beschränkt ist (von Unwerth, a. a. O., 8 86)!, so ist es doch 
Tatsache, daB es in der nachlässigen Breslauer Mundart gewöhnlich 
durch n verdrängt ist. Die Neigung zu dieser Aussprache darf man 
aber auch schon für frühere Zeit annehmen, da sie sich schon in den 
ältesten schlesischen Sprachdenkmälern nachweisen läßt (H. Rückert, 
a. a. O., S. 245), und ein ähnlicher Vorgang in althochdeutscher Zeit 
(bim, bin) beweist, daß die natürliche Entwicklung der Sprache dieses 
Gesetz fordert und daher immer wieder anwendet. Daß auch Holteis 
auslautendes #2 nicht überall echt ist, verrät sich aus einigen Kleinig- 
keiten. Bloße Flüchtigkeit kann vorliegen in den hin und wieder vor- 
kommenden adverbialen Bestimmungen, z. B. mit sachten, vo frischen — 
neben vun Nahndem, vo Weitem. Dagegen deuten Faden, Bäsen, Boden 
entschiedener auf die allgemeinere Aussprache n, da sie in der Mundart 
überall m zeigen, wo dies auch noch für den starken Dativ m. und n. sg. 
der Eigenschaftswörter gilt; der Schriftsprache in diesen Formen Zu- 
geständnisse zu machen, lag aber kein Grund vor. Wenn daneben Odem 
steht (»Suste nischt ack heem«, Z. 21 u. 28), so spricht dies nicht da- 
gegen; diese alte Form hat sich (wie Brodem und selbst Bradem mit 
dem alten é) noch in der besseren schlesischen Umgangssprache neben 
Faden, Boden usw. erhalten, die nach der Schriftsprache auch das 
Flexions-m im allgemeinen wahrt. Die Vorliebe Holteis für das aus- 
lautende m zeigt sich aber besonders in zwei Fällen, wo er es falsch 
anwendet. So setzt Holtei einige Male die starke Adjektivendung, wo 
sie selbst in der Schriftsprache nicht statthaft ist, z. B. vum Neuem 
(»Obernigk«, Z. 93). Im anderen Falle verkennt Holtei den pronominalen 
Genitiv sen (mhd. sin) und zerlegt ihn in s + en, wovon er s für es hält, 
während er en als einen ethischen Dativ »2Am« aufzufassen scheint, weshalb 
er diese ihm nicht zusagende Form meist in em oder im verbessert, z. B. 

Guld hätt ’s ’em wul in meiner Laederkatze (»Der Stürz«, Z. 17); 

ma hot ’s ’s "im (!) besser uhf der Bodenkammer (ebenda, Z. 31); 

’s bot sem genung (»Im Klostergahrten«, Z. 97); 

cb (ob) ma ’s em dicke öftersch krigt »Ahn a Härrn Dr. Robert Rößler«, 2.11); 

wer kan s’em alle behalden (;Seyn Se ooch scheene willkummen«, Z. 35); 
daneben finden sich allerdings auch einige Beispiele mit », in denen 
Holtei wohl es + ihnen erblickt hat, z. B. 

wöllde Got, ber hätten sen? meh seinesgleichen (»Zum Herrn Josef 

Grawen Hoverden usw.«, 4. Str.); 

do fluch” ber ’sch ’en a ganzes Fund (»Drüben wie hüben«, 4. Str.); 

do trink’ ber ’sch Zen beim Bräucr (»Aerndteliede, 3. Str.). 

1 Bestimmt erhalten ist dieses »m auch noch in der schles. Gebirgsmundart um 
Kamenz, Münsterberg. Braunau, Weckelsdorf usw. 

? Zu dieser vereinzelten zusammengezogenen Schreibung ser vgl. u. a. „u sperrten 

semm (sie ihm de Baude xu (»’s Nasequetschel«, Z. 113). 


314 Friedrich Graebisch. 


Diese mißverstandene Auffassung von sen als es + ¿hm dürfte sich 
aus der folgenden eigenartigen Verwendung eines erstarrten ¿hm ent- 
wickelt haben: 


’s schadt em nischt! ( Der Drahtbinder-, Z. 79); 

’s schadt i'm nischte (»Zum Schlaesinger-Festel:, Z. 19): 

das schadt im nischt und hilft im nischt (»Anne Satse:. 3. Str.): 

's ihs em hald eemol gar zu gut geraten (-’s Stiehufmandel , Z. 25). 


Überall steht hier em oder ‘m ohne Beziehung als Füllwort. 
Den Übergang von s + em zu dieser Konstruktion kann folgendes Bei- 
spiel vermitteln: 

se künnen ’s em gar nich derwarten (-Obernigke, Z. 145), 

wo sem noch als partitives sen aufgefaßt werden könnte. Daran schließen 
sich nach der einen und anderen Richtung die vorgenannten Beispiele 
wer kan sem alle behalden und 's ihs em hald eemol gar zu gut geraten. 

Eine Veredlung andrer Art ist die regelmäßige Verwendung der 
Diminutivendung chen nach l aus Gründen des Wohlklanges: Merlchen, 
Stallchen, Weilchen, Mamsellchen, Engelchen, Haarbeutelchen, Hiibelchen, 
Mandelchen, Taedelchen, Vaegelchen, Zippelchen, Julchen, Malchen, Miel- 
chen, Paulchen, bisselchen, Limpelchen, Toofpathelchen. Vereinzelt findet 
sich außerdem Jüdehen (>De Farrn:, Z. 11), wohl im Anklang an die 
jüdische Mundart. Nach auslautendem 7 findet sich dagegen die schle- 
sische Bildungsweise nur als Ausnahme: Stühlerle (»De Midschüler«, 
3. Str.) als Reim auf Srhülerle, Julerle (-Guttschmäcke usw.«, Z. 3), ab- 
wechselnd mit Jule und Julchen, Schlisserle (:Zu dämsilbigen Tage«, Z. 1), 
Bisserle (+Sevn Se ooch scheene willkummen>, 4. 61). Der eigentlichen 
Mundart ist die Endung cken fremd, und besonders die Gebirgsmundart 
bildet von den angeführten Wörtern ohne Bedenken Diminutiva auf /a 
oder erla, z.B. *vela, Weilchen,. *feejarla, Vöglein, *pala, Paulchen. In 
der städtischen Sprechweise kann man allerdings Weilchen, bisselchen 
hören und besonders derartige Diminutiva von Vornamen, aber ohne die 
bei Holtei deutlich hervortretende Rezrelmäßigkeit, also z. B. vorherrschend 
Zapperle, Viigerle, Engerle, Paulerle, aber auch Mariechen, Lenchen.? 
Solche städtische Formen auf chen finden wir, teilweise wohl nach Holteis 

I Ohne im 2.5. "s schadt weiter nischt »Hinger'm Kunzertele, 3. Str.), vgl. auch 
Max Heinzels Gedicht ass schadt nischte (Mäaiglöckel, 18585, 5. 3). Dagegen ist die or- 
starrte Redensart ¥'s Sef am ništ noch in den Mundarten um Kamenz, Münsterberg usw. 
gebräuchlich. Folgende Beispiele aus der lebenden Mundart von Grunau bei Kamenz 
verdanke ich nebst den übrigen Belegen aus dieser Mundart der gütigen Mitteilung des 
Herrn Taubstummenlehrers C. Rother in Breslau: "1. sduu, də loeta Sun Je »s šot m nist, 
tee kum sun noo tsureelse 2. wen an da juya suloofflentsta noo amool tietir farsnaen, 
des Sot m niste 3. wen den ao glae briso bist, dos sot m nist — doo heg ie kam uf 
noes fraensuf tsu huju. Im allen diesen Beispielen könnte auch *'s tul m nist stehen. 
Beide Redensarten erwähnt auch Robert Rößler im Vorwort zu scinen »Schnokene 


(4. Aufl., S. 20). 
* Uber chen uod leen im Schlesischen vgl. auch Weinhold, a. a. 0., S. 122, 


Über die schlesische Sprache Karl von. Holteis. 315 


Vorbild auch bei Heinzel, M. Oberdieck, R. Sabel, Philo vom Walde, 
E. Bertermann!, G. Hauptmann u. a. 

Eigenschaftswörter auf ckt, die bis auf Ausnahmen heute selbst im 
Hochdeutschen fast veraltet sind, verwendet Holtei noch häufig und mit Vor- 
liebe, z.B. runzlicht, wacklicht, lumpicht, auch von mundartlichen Wörtern 
oder Wortformen, z.B. fünklicht (»Se balbiert in«, 6. Str.), kriewatschlicht 
(>’s Kristbeemel«, 4. 61), fetzpoplicht (»Der Hyppuchunder:, Z. 252) u.a. 

Die in der Volkssprache allein übliche Form gewast, gewäst ersetzt 
Holtei fast stets durch die ihm edler erscheinende starke Form, nur aus- 
nahmsweise steht die schwache (»De ehrlichen Diebe«, 8. Str., »De Une- 
werschetät«, 2.7 Reim auf Naest). Nur in den ältesten schlesischen Sprach- 
denkmälern finden wir die starke Form, aber auch dort schon mit der 
schwachen wechselnd (vgl. H. Rückert, a. a. O., S. 264; P. Drechsler, 
Wencel Scherffer usw., S. 53). 

Von anderen jetzt altertümlichen oder nur noch der edleren Sprache 
angehörigen Wörtern oder Formen seien noch als bekanntere erwähnt: 
dräun?, z. B. mid Spürnern dräun (»Zween Hähne usw.«, Z. 50), und 
dräust D’in (»1849«, Z. 20); ward, z. B. der Krieg ward aus (» Entlassen«, 
9. Str.), wardst Du der Weisel (»A Schutzgeist«, Z. 63), da ward däm... 
das gude Härze gewogen (»An de Frau Karliendel«, 5. Str.); sunder* (prp), 
2. B. sunder Tückschheet (»De Kitschel«, Z. 15), sunder Küster, sunder 
Farren (»’s Quintettel«, viertletzte Str.), sunder Ursache (»De Drohunge, 
7. 59), sunder heucheln (»Ahn a Härrn Gerichtsdir. Kretschmer«, 7. 7); 
denn = als, in heutiger Volkssprache cie oder als wie, z. B. wäm ts 
wuller denn ihr? (>’s Mutterle«, letzte Str), klüger bist De, denn der 
Hans! (»Der Schaferknächt«, 4. Str), besser denn das beste Bier (>A 
ruschel«, 7. Str.), lieber denn alle (»Der Springuhf :, Z. 5). Auch die im 
Schlesischen ungebräuchliche Form Scheuer sei hier erwähnt (z. B. »De 
ehrlichen Diebe«, 5. Str., »Got vergelt’s Mittelwaldes, Z. 77, »Aerndtelied «, 
1. Str., »Taelsches Zeuge. 4. Str. u: a.), die schles. Form Scheune finden 
wir nur in Scheunthor (»(xot vergelt’s Mittelwalde«, Z. 80)“. 


7. Unechte Mundart. 


Die Sprache des Gebildeten bietet dem Angehörigen der Mundart 
manches Un- oder Schwerverständliche. Wie sich dieser die Fremdwörter 

1 Schaaleha (Gedichte, S. 205, 226), Spielcha (S. 180, 202). 

2 Mhd. dröuwen ist als *drogen nach Dr. Eduard Langer (Braunau) noch erhalten 
in der oberglätzischen Mundart von Gießhübel bei Lewin (vgl. ebenda *glegtwa aus 
mhd. glöuben). 

® Dagegen entspricht die häufigere Verwendung von wider, gegen, der Mundart. 

* Kurz hingewiesen sei hier auch auf die veralteten umlautlosen Formen grun, 
kuhl, fruh, dio Holtei noch sehr gern verwendet; grun ist wohl nur noch in alten Volks- 
liedern und in Ortsnamen (vgl. Grunwald bei Reinerz), sowie in *grunt n., Grummet, 
erhalten, kuhl z.B. bei Kamenz: *s wert Sun reet hips kuula im a oobont, sowie noch 
allgemein in *aoskuuln (dagegen opkiiln, aie forkiiln), fruh dürfte kaum noch lebendig 
sein, dafúr *fri? (schles. *fruu dagegen — hd. froh). 





316 , Friedrich Graebisch. 


zurechtschnitzt, so geschieht es auch mit dem einen oder andern deutschen 
Wort, dessen Verwandtschaft mit bekanuteren Formen nicht klar ersicht- 
lich ist oder dessen Laute falsch beurteilt werden. So finden wir bei 
Holtei die in Schlesien weit verbreitete Form gescheut (»Im Klostergahrten«, 
I, 5. Str.) neben gescheit (»’s kümmt mid Macht«, 4. Str.), deren eu nach 
dem Beispiel schles. Freind!=hd. Freund gebildet ist. Ähnlich wird 
das Fremdwort egal (s. S. 312) in der städtischen Mundart bisweilen zu 
eingal (»De Farrn<, Z. 51, »Ed. Trewendt«, letzte Str., u.a.) nach der 
Gleichung schles. ee (num.) =hd. ein. 

Durch ähnliche Folgerungen kann ein Mundartdichter auch zu 
falschen mundartlichen Formen gelangen, besonders wenn er wie 
Holtei in verschiedenen naheverwandten Mundarten mehrere Formen 
desselben Wortes kennen gelernt hat und der Mundart noch größere 
sprachliche Freiheiten zuerkennt, als sie in Wirklichkeit besitz. Wo 
Grenzen von Lauterscheinungen verlaufen, wird man bald die eine, bald 
die andere Form desselben Wortes hören, dazu kommen verschiedene 
Übergangsformen nach der Schriftsprache. Wenn auch Holtei ziem- 
lich treu an dem Lautstand eines bestimmten Gebietes mit Einmischung 
hochdeutscher Fornen festhielt (s. 2. und 5. Abschnitt), so verleitete ihn 
doch die vorhandene Verschiedenheit zu einer sehr nachsichtigen Auf- 
fassung über die Verwendung und Verbreitung solcher Formen: »Wer 
kann bestimmen (außer etwa der Instinkt des Volksdichters?), ob 
‚Wohrt oder Wurt; — Froo, Fru? oder Frau; — Kirche oder Kerche; 
— Töppel oder Tüppel‘ usw. passend angebracht wäre? Wo ließe 
sich da ein Gesetz aufstellen? Und sollte nicht auch bisweilen dem 
Reime zu Gefallen eine Änderung gestattet sein, wenn sie nur nicht 
unwahr klingt?« (Vorwort zur 2. Aufl., S. V). Diese Ansicht hat sich 
auch neueren Dialektschriftstellern mitgeteilt; so äußert sich in ganz 
ähnlicher Weise Hermann Oderwald (Anne schl. Paperst., S. 7): »Je nach 
dem augenblicklichen Gefühl spricht der Schlesier die Baache oder 
Bach, das Wohrt oder Wurt, das Tüppel oder Töppel, die Kurche3 oder 
Kerche, die Froo, Fruu oder Fraue. Der Dichter genießt das vollste Recht 
zur Benutzung dieser Wandelbarkeit, die ihm nicht als Ungleichheit aus- 
gelegt werden darf.« Auf solche Verschiedenheiten weist auch Tschampel 
im Vorwort zu seinen »Gedichten in schlesischer Gebirgsmundart« zur 
Entschuldigung von Ungleichmäßigkeiten hin. 

Im allgemeinen ist dieser Standpunkt der Mundartdichter zu 
billigen: sie wollen ja nicht die Sprechweise eines einzigen, nur seine 
Mundart sprechenden Menschen wiedergeben. Daher sind sie berechtigt, 
mehrere benachbarte mundartliche Formen zu verwenden. Die von den 
Dichtern geschilderten Menschen sind aber — wie wir auch aus der 
! Nicht allo mhd. de werden schles. zu ai, abgesehen von einigen örtlichen 
Mundarten. 

? Uber Fru vgl. S. 319 Frurölker. 

® Wohl Druckfehler für Kirche. 


Über die schlesische Sprache Karl von Holteis. 317 


Wirklichkeit schließen können — oft auch des Hochdeutschen mächtig. 
Daher sind auch Übergangs- und selbst rein schriftsprachliche Formen 
statthaft. So kann derselbe Mensch in seiner Mundart Tippel, in mehr 
oder weniger hochdeutscher Rede aber auch Teppel oder gar Tepfel, 
Töpfel sprechen. Der Angehörige der Mundart wird aber stets eine der 
natürlichen Entwicklung seiner Mundart entsprechende Form gebrauchen, 
soweit er sie nicht hier und da durch hochdeutsche oder Zwischenformen 
ersetzt. Der Angehörige der mehr dem Hochdeutschen genäherten Um- 
gangssprache aber wird auBer den hochdeutschen Formen niemals andere 
mundartliche verwenden als die, welche ihm noch geläufig sind; ist ihm 
die mundartliche Form unbekannt oder entfallen, so gebraucht er eben 
die schriftsprachliche. Der Schriftsteller läuft nun in diesem Falle — 
selbst wenn er wie Holtei die Mundart beherrscht — Gefahr, hochdeutsche 
Formgleichungen in die Mundart zu übersetzen, was zu falschen 
Bildungen führen kann, da die Entwicklung von Schriftsprache und 
Mundart oft verschiedene Wege gegangen ist. Solche künstliche, d. h. 
unnatürliche Formen sind zu verwerfen, von welchem Standpunkte 
man sie auch beurteilen mag, und in der lebendigen Sprache auch nicht 
anzutreffen, wenn sie nicht etwa bereits durch Vermittlung solcher mund- 
artlicher Literatur, z. B. Lieder, in engere Kreise eingedrungen sind. 
Die Mundart duldet gewiß ein großes Maß von Freiheiten, aber 
nur solche, welche auf die natürliche Entwicklung und Sprachmischung 
zurückgeführt werden können. Die ältere Mundartforschung stützte aller- 
dings jenes Recht weitester dichterischer Freiheit, solange ihre Ergebnisse 
noch nicht ein gesetzmäßiges, auch an Grenzen gebundenes Walten des 
Sprachgeistes in dieser Fülle von Verschiedenheiten erkennen ließen. So 
beruft sich Weinhold (a. a. O., S. 21) sogar auf die oben angeführten 
Worte Holteis, an anderer Stelle (ebenda, S. 88) äußert er: »Was die 
Qualität der Vokale angeht, so zeigt das Schlesische merkwürdige Ver- 
wirrung. Von der reinen Lautabteilung unserer alten Sprache in organisch 
zusammenhängenden Reihen sind nur schwache Erinnerungen geblieben; 
die Vokalgeschlechter sind durcheinander gemischt, als seien es mecha- 
nische Gebilde ohne geistige Begründung und geschichtliches Leben«. 
Wie anders klar sehen wir heute, und wenn auch die Sprache nicht 


mit automatischer Genauigkeit gearbeitet hat — dafür ist sie eben der 
Ausdruck des lebendigen Menschengeistes —, so stehen die vielen 
Einzelerscheinungen niemals mit der natürlichen Entwicklung in Wider- 
spruch. 


Die lautgesetzliche Vertretung bei Beente der Kürze ist von 
mhd. o und + schles. 4, von mhd. ú schles. e, von mhd. ú schles. 7. 
Daher entsprechen hd. Volk, dumm, Völkchen, dúmmer schles. *fulk, 
*lum(p), *felkal *timar. Schon die Gleichung mhd. u: ü=schles. u : 4 
könnte nun vom hochdeutschen Standpunkte zu der Gleichung 
mhd. o:ö=schles. y : q, also zu der Form *ftlkol führen. Dazu kommt, 
daß wirklich neben hd. Zöpfchen, Wölkchen, Tönnchen, Körbchen, Knösp- 


318 Friedrich Graebisch. 


chen u. a. schles. *tipal, *vilkal *tindal *kyrbol * kntspal! stehen — während 
den hd. Formen Köpfchen, Tröpfchen u. a. schles. *kepal, *trepal ent- 
sprechen. Diese scheinbare Regellosigkeit hat von Unwerth (a. a. O., 
$ 17, Anm. 1) sehr einfach erklärt; für die 4-Formen sind bereits ahd. 
Diminutiva tupfilên usw. anzusetzen, während die e-Formen einer jüngeren 
Zeit entstammen, in welcher der germanische durch den Vokal der fol- 
genden Silbe bedingte Wechsel von u und o nicht mehr wirksam war; es 
handelt sich also um eine ähnliche Sonderentwicklung, wie die der zwei 
Umlautformen von germ. a (mhd. e und ä). Andere Formen, in denen mhd. 
= nhd. ö durch schles. ¢ vertreten wird, z. B. Wolfe, úfter = *vilva, *iftor? 
gehen auf alte Nebenformen mit u zurück (vgl. v. Unwerth, a. a. O., § 16), 
wie sie mehrfach nachgewiesen werden können. Demnach kann wohl neben 
Tippel auch Teppel als Übergangsform zum Hochdeutschen, aber nicht 
neben Keppel, Kreppel, Treppel ein mundartliches Kippel, Krippel, Trippel 
gebildet werden. Ebenso haftet dieses 2 nur an bestimmten Bildungen; trotz 
hd. Töpfe und Töpfehen, Knöchel (m.) und Anöchlein, Hölzchen und hólxern, 
könnte und können stehen sich in der Mundart einerseits *iepa, *knecal m. 
(gebirgsschles. ebenso), *heltsol, *kenda, andrerseits *itpal, *knicaln. (ge- 
birgsschles. *Anicla), *hiltsorn, *kin (inf.) mit streng geschiedenen Lauten 
gegenüber.” Holtei gleicht nun vielfach aus. Täte er dies zugunsten 
des hd. ö (schles. e), so würden diese Formen für die Umgangssprache 
nicht zu beanstanden sein, aber es geschieht weit öfter zugunsten des 
i-Lautes. Insbesondere zeigen die folgenden Formen unnatürliches č 
(geschr. ü) statt e: Fülkel (»De Drohung«, Z. 53), Küppel (z. B. »Gutt 
aber grahm«, $. Str.), Triippel (z. B. »Zu dämsilbigen Tage«, 2. Str.) neben 
Tröppel (z. B. »Zum Pulterobende«, Z. 5), Dürfel (»Obernigk«, Z. 3), 
Dürner (»Der Leierman«, 6. Str.), Zürner (z. B. »Wahs a Häkel wer’n 
wihl usw.< III, Z. 20), Spärner (»Zween Hähne usw.«, 'Z. 50), befürderte 
(:Ed. Trewendt«, 11. Str.) neben feedern, fördern (z. B. »Sassafras usw, 
1. Str.), múrderlich (z. B. >Der Leiermane, 4. Str.), künnde, könnte (z. B. 
¿Der Hyppuchunder<, Z. 47). Nachsichtiger zu beurteilen sind Dräschkel, 
Koseform von Droschke, poln. droxka (»Der Hyppuchunder«, Z. 108) und 
Müpsel, Koseform von (nd) Mops (-Sassafras usw, 5. Str.), weil es sich 





! Bei Holtei z. B. Tüppel (>Anne Priesee, Z. 109), Wlkel (eDer Zutabärge, 5. Str.), 
Tintel, Kürbel (beide in »&Gemülle rause, Z. 15), Anäspel (»An de Frau Karliendele, 4. Str.). 

In den örtlichen Mundarten, die e für { vor » haben (*kerca), spricht man natür- 
lich *kerbol neben *tipol usw. 

? Bet Holtei z. B. Wiilwe (sDer Ifvppuchundere, Z. 372), äüfter (»Immer noch 
Kandedate?e TIL, Z. 55) neben öftersch (sAhn de Schläsinger in Leipzige, Z. 4). 

5 Zu den altschles. Formen kiirbe, beeke (jetzt nur *herba, * beho), welche H. Rückert 
(a. a. O., S. 67) anführt, vgl. man ebenda N. 7O u. 75 (entsprechend S. 56, 88 u. a.), wo- 
nach man die Aussprache # für dieses & nicht anzunehmen braucht. Andrerseits kann 
auch die eine oder andere solche Form mit č später aufgegeben worden sein. So lautet 
z. B. in Sackisch (Grafschaft Glatz) hd. sollen und können lautgesetzlich *zela, *kena 
mit geschlossenem e für mhd. ð, in dem Nachbardorf Drzesowie aber, das eine eigen- 
artige, abgeschlossene Mundart zeigt, spricht man *zela, *kena nach *xeldo, *kendo, 
gestützt auch durch *rrela, wollen (mhd. willen). 


Über die schlesische Sprache Karl von Holteis. 319 


hier um seltene Bildungen von jüngeren Lehnwörtern handelt, doch würde 
die Mundart oder Umgangssprache hier lieber den Umlaut vermeiden!. 

Diesen Fällen schließt sich die Vertretung von mhd. e, é durch A 
und 2 an: Gewülbe, mhd. gewelbe (»Im Klostergahrten« I, Z. 32), gewülbt 
(ebenda, 2. 111), Hürbst (z. B. »Obernigk«, 2. 69). In gelb (»Der Stürz«, 
Z. 4), guldgilblich (»Där Lessing und a Fäfferküchler«, Z. 76) neben gelb 
und gal (s. oben 8. 310), drinnt (»De Versuchung«, 11. Str.), verbrinnt 
(»Der Hyppuchunder<, Z. 232) neben häufigem brennen können Holtei 
auch alte oder verwandte hd. Formen vorgeschwebt haben, vgl. vergilben 
und mhd. und älter nhd. (intr.) drinnen, so daß sie den im 6. Abschnitt 
besprochenen Formen anzureihen wären, der volkstümlichen Sprache aber 
sind sie fremd. Nach gelb ist dersilbige gebildet (z. B. diesilbigen in 
»Kummen Se hübsch wieder«, 8. Str). Bill! (»De Versuchung«, Z. 4) 
neben belli (»Gemülle raus«, Z. 143, Reim auf hält) können wir dagegen 
noch als alte starke Form ansehen, vgl. auch gebullen (»Der Hyppu- 
chunder«, Z. 447, Reim auf sullen); dieses © ist dann auf billen (»Der 
Hyppuchunder«, Z. 371) — neben bellen (»Gutt aber grahm«, 5. Str.) — 
übertragen nach dem Beispiel von schles. quillen, (ge)schwillen, deren v 
ebenfalls aus der 2. und 3. Ps. Sg. Präs. entlehnt ist; heute ist die starke 
Abwandlung von bellen im Schlesischen ausgestorben, doch gehen örtliche 
Formen, z. B. um Münsterberg, Kamenz *biln, pte. *gabtlt, glätzisch *bela, 
ptc. *gabelt, mit geschlossenem e noch auf diesen 2-Laut zurück, während 
nördlich davon (bei Kanth, im Riesengebirge usw.) *baln, lautgesetzlich 
aus mhd. bellen gilt. 

Über Zutabürg vgl. S.302. In Schubendächel (»De Birnbeemel«, Z. 56) 
und Fruvölker (»Guttschmácke usw.«, Z. 48) entspricht u mhd. ou; hier 
hat Holtei die Formen Schobendach, Froovolk, die bereits den lautgesetzlich 
aus mhd. ou entwickelten mundartlichen Laut oo enthalten, aber bis in 
die fast hochdeutsche Umgangssprache Schlesiens hineinreichen (wie z. B. 
nee, koofen u.a.)? nach dem Beispiel rein hochdeutscher Wörter mit nıhd. ö 
(Sohn, Bohne, froh) nochmals in die Mundart übersetzt nach der Gleichung 
froh : fruh = Froo : Fruu; diese falsche Form Fru ist aber nirgends 
lebendig und sollte daher nicht als gleichberechtigt mit Froo und Frau 
angesehen werden, wie Holtei und Oderwald es tun (vgl. S. 316). 

In heecheln (»Nu da! usw.s, 2.30, heechelt:: gestreechelt) neben heucheln 
(»Ahn a Härrn Gerichtsdir. Kretschmer«, 2.7) spricht außer dem Reim auch 
der Einfluß von schles. ee aus mhd. du mit nach dem Beispiel von Beeme, 
Freede u. a.; verscheechen, verscheuchen (»Kummen Se hübsch wieder<«, 
6. Str), dagegen dürfte ee dem Einfluß von gebirgsschlesisch scheerha? 


1 Vel. Mupsla (Aug. Lichter, Meine Muttersprache, S. 137). 

? Bei Schobendach statt Schaub(en)dach trägt zur Erhaltung der mundartlichen Form 
der Umstand bei, daß dieses Wort selten gelesen und auch in der Schule kaum erwähnt wird. 

® Vgl. es scheecht (Bertermann, Gedichte, 7. Aufl., S. 190), Scheecha. n., Scheecherei f. 
(ebenda, S. 159); *forseeca ist nach R. Sabel bei Münsterberg gebräuchlich. Vgl. auch 
oben S. 301, Anm. 2: *xeeft. 


320 Friedrich Graebisch. 


umgehen, verdanken, das ich aber nicht zu mhd. schiuhen (vgl. schles. 
und hd. scheu), sondern zu mhd. schehen, wimmern, schnell dahinfahren, 
stellen möchte. 

Einige Wörter, die schlesisch ahd. Umlaut von a (mhd. e = schles. e) 
zeigen, finden wir bei Holtei lautlich der überwiegenden Zahl von Formen 
mit jüngerem a-Umlaut (mhd. ä = schles. a) angeglichen, z. B. Hande pl. 
(„De Välkesteene«, 7. Str., Reim auf Lande), Bandel (»Der Schaferknächte, 
1. Str.) neben Bändel (ebenda, 2. Str.), Bankel (»Aus em Krankestiibel <, 
Z. 23). Diese Formen sind höchstens in der noch wenig entwickelten 
Kindersprache anzutreffen. Dagegen entsprechen Flaschel, Lammel, 
Fahndel usw. dem Sprachgebrauch, wozu Fläsehel, Lämmel, Fähndel 
umgangssprachliche Übergangsformen nach der Schriftsprache bilden. ! 

Statt warum verwendet Holtei überwiegend worum (z. B. »De Farrn<, 
2.2, warum z.B. »Su görne«), obgleich die Mundart hier mit dem 
Hochdeutschen übereinstimmt?, aus dem sie das Wort entlehnt haben 
dürfte. 

Im Schlesischen haben viele Tätigkeitswörter umlautlose Vergangen- 
heitsformen (Rückumlaut) bewahrt, z. B. setzen, schmecken, schenken, 
drücken, rücken u. v. a., deren Mittelwörter *gozotst, *gaëmakt, *gasayt, 
*gadrukt, *gorukt lauten. Daneben finden wir oft, je nach der örtlichen 
Mundart oder durch Einfluß des Hochdeutschen, auch umgelautete Formen, 
sogar dort, wo das Hochdeutsche an der umlautlosen Form festhält, z. B. 
*bakent, *garent usw. Bei Holtei finden wir überwiegend die umgelau- 
teten, aber auch viele umlautlose Formen. Dieses Schwanken hat ibn 
mehrfach zu dem Irrtum verleitet, letztere auch auf die Gegenwart zu 
übertragen. Zwar besitzt auch die Mundart solche Formen, z. B. *flukaı), 
pflücken, aber der Umlaut fehlt 

1. niemals in satxt, 3. sg. praes. (z. B. »Fruhjährlich«, 4. Str.), schmackt, 
3. sg. praes. (»De Klingelschnure<, 4. 28, »A Guschel«, 7. Str., u. a.), 
schankst, 2. sg, praes. (Zu dämsilbigen Tage:, 2. Str.): 

2. nicht nach heutigem schles. Sprachgebrauch in druckt, 3. sg. praes. 
(>’s Quintettel<, 2. 111), ruckt, 3. sg. praes. (z. B. »Der Schaferknächts, 
2. Str.). 

Aus der Einzahl */luuk, Floh und den Vergangenheitsformen *isrurl,, 
*Isuugoy Ist das schles. y (auslautend vi im Widerspruch mit der Volks- 
sprache übertragen in die Mehrzahl Flöge (»De Versuchung«, 4. Str., 
»An a Beckmanne, 4. Str.), mundartlich *fleo, und in die Gegenwart 
zegen, ziehen (»De Neujahrschnacht:, Z. 76), mundartlich */srin, während 
ziegt, 3. sg. prs. («'s Blookatele, 13. Str.) ortsmundartlich® sein kann. 





! Vgl. oben Tippel, Teppel und Keppel, nur daß sich bei mbd. o dio ältere Um- 
lautsform (aus ahd. «) von der Schriftsprache unterscheidet, bei a die jüngere. 

? Der a- Laut tritt besonders deutlich hervor in der Redensart: * vaarmn? daarmn?! 
(z. B. um Kamenz). 

’ Vgl. aögt (zieht) bei Weinhold (a.a O., S. 84) und Jaus.- schles. und oberschles. 
(Klings. Philo vom Walde) *syist, #axikt (siehst, sicht). 


Über die schlesische Sprache Karl von Holteis. 321 


Was die Quantität anlangt, so zeigen auffällige Kürze allgemein 
die Vergangenheitsformen löss, hiss, sass usw., dazu tiff (»De Birnbeemel«, 
2. 63) u.a. Auch die oben (S. 310) angeführten Formen Wale, Schlame 
mit gedehntem Selbstlaut können Eigenbildungen Holteis sein, wenn nicht 
etwa die ältere Städtermundart einen Quantitätsausgleich *&lpom : *&lopma 
nach hd. Beispiel Schlamm : Schlamme zuließ!. Zu rügen ist auch die fast 
ausschließliche Verwendung der Langformen bech, mihch, dihch, welche 
die gesprochene Mundart nur bei besonderer Betonung gestattet. 

Sprachänderungen verschiedener Art erfolgen auch, Holteis freiem 
Standpunkt entsprechend, zugunsten des Reimes. Allerdings kann er 
sich hier auf englische und französische klassische Vorbilder berufen, die 
wenigstens Augenreine für statthaft hielten und oft anwandten. Aber 
selbst diese sind zu verwerfen, die Sprache ist doch zunächst für das 
Ohr da, und dieses hört nicht die oft unnatürliche Schreibung. Holtei 
tut aber bisweilen auch der sprachlichen Form Zwang an. Wo helles 
und dunkles a reimt (Beisp. S. 308, Anm. 1), können wir immer noch reine 
Reime annehmen, da die helle Aussprache des dunkeln a bei der starken 
Mischung von Holteis Sprache mit hd. Lauten in einem solchen Falle 
als statthaft erscheint; u. a. bildet auch der Reim Brote : Bote? (»Sassafras 
usw.«, 1. Str.) ein Seitenstück hierzu. Dagegen sind u. a. folgende Reime 
nur äußerlich rein auf Kosten der richtigen Form oder Aussprache: 

globen : hoben (haben) (»Ber sein nich meh junge, 1. Str.); 

Boocht : gefroocht (gefragt)® (»Marie-Ruse«, 2. Str.); 

spricht ä (er) : Gesichte (» A Schöpsekristel«, 6. St.); 

Bache f. (aa) : Sache (a) (»Der Stürz«, Z. 124f.), die hd. Kürze Briüche 
könnte nur für Bache dat. m. angesetzt werden; 

xuschande (statt -n) : Lande (»Marie-Rusee, 4. Str); 

eelitzach (es statt ou): mischtnútxich (»Der Stúrz«, Z. 132, 134). 

Wenn solche Fälle auch nicht häufig sind, so zeigen sie und Holteis 
oben (S 316) angeführter Ausspruch doch, daß wir seine Reime nicht als 
einwandfreie Belege für den schlesischen Sprachgebrauch ansehen dürfen. 

Da aber Holtei diese mancherlei unechten Formen nur in mäßiger 
Zahl und mit einem gewissen Feingefühl verwendet, so werden sie nicht 
als störend empfunden und verletzen selbst einen Kenner der Mundart 
nicht. Hierzu trägt auch der Umstand bei, daß sie nicht auf mangel- 
hafter Kenntnis der Volkssprache beruhen, sondern auf irrtümlicher, aber 
gutgemeinter Übertragung vorhandener Spracherscheinungen unter Ver- 
kennung der auch der mundartlichen Sprechfreiheit gesteckten Grenzen. 


1 Auch örtliche Mundarten zeigen in Einzelfällen diesen Quantitätsausgleich, z. B. 
Grunau b. Kamenz *slogma (neben *Slgma). 

? Mundartlich *bruuta (mhd. ô= schles. uu) und *boots (gedehntes mhd. o = 
schles. 00). 

> In einem kleinen Gebiet der schles. Gebirgsmundart finden sich allerdings die 
nichtkontrahierten Formen *k/frooxt, Infinitiv *frooga (Weckelsdorf in Böhmen), *gafreect, 
Inf. */reeja (Braunau, Grafschaft Glatz). 


Zeitschrift für Dentsche Mundarton. VI. 21 


329 Friedrich Graebisch. 


8. Mundartliche Neubildungen. 


Manche andere Bildungen der Holteischen Sprache werden wir ver- 
geblich in der Mundart suchen, ohne daß wir behaupten können, sie 
seien nicht echt schlesisch. Es sind Neuschöpfungen oder Weiterbildungen, 
wie wir sie bei geistig regen Angehörigen der Volkssprache täglich be- 
obachten können, wenn ein geläufiger Ausdruck nicht gleich zur Hand 
ist, und oft fassen solche Neubildungen zunächst im engeren Familien- 
kreise festen Fuß, um sich gelegentlich auch weiter zu verbreiten und 
damit anerkanntes Sprachgut zu werden. 

Hierher gehören z. B. Plasterlichkeet, Vergnügen, :.... machten 
uns P. und Freede (»Ed. Trewendts, 5. Str.); friererlich, leicht frierend, : 
denn a ihs verwähnt und f. (>De Midschüler«, 4. Str); reechtricht!, übel 
riechend ?, angebrannt, : Anne Suppe, oder warm! Und wu se r. ths, 
gaeb ihch se retur (»Der Hyppuchundere, Z. 262); kümmricht, kümmer- 
lich, : do steigt a ab und laet sich hihn schwischber a kümmrichtes Ge- 
strüppel (sUnder’'m Boome«, 7. Str); Surgerei, Sorgen n., : überstanden 
hätt’ ma’s ja dernacher mid dir S. üms Aerdebrut (» Ed. Trewendts, 22. Str.); 
Maulvullnähmerei, Prahlerei, : aeklich ihs Der die verflischte (ie M. 
(»Ahn a Härrn Gerichtsdir. Kretschmere, 4. Str.) u. a. 

Hier möchte ich auch die Übertragung der Vorsilbe ge auf Mittel- 
wörter von Verben auf teren nennen, die der schlesischen Mundart? im 
allgemeinen fremd ist, sich aber neben der regelmäßigen und über- 
wiegenden präfixlosen Form nicht selten bei fast allen schlesischen 
Mundartschriftstellern finde. Das Versmaß der gebundenen Rede mag 
diese Bildungen begünstigen. So finden wir bei Holtei (neben ästemiert, 
kuriert, passiert, profentiert usw.) z. B. gekoraschiert, gekummandiert, ge- 
kunfermiert, gelamentiert, geprofentier!, geresulwiert, gesimmeliert, ge- 
titteliert, sogar ausgeprobiert (»Was warsch fur Kuche?«, Z. 278) und 
furtgemarschiert (»De Mohrenwäsches, Z. 151). Eine Vermittlungsform 
ist geprozeßt (»Zween Hähne usw.«, Z. 9). Besonders bemerkenswert sind 
aber geunderstitzt (»Hinger'm Kunzertel<, Z. 78) und gezubenamset® 
(»Obernigk«, Z. 80) neben zubenamst (»Ahn a Härrn Gerichtsdir. Kretsch- 
mer«, 2. Str.). 


Die angeführten Spracherscheinungen haben natürlich verschiedenen 
Wert, und manchmal muêten unbedeutendere Fälle eingehender unter- 
sucht werden, während auf andere, vielleicht wesentlichere, teils weil sie 


1 Das inlautende £ wohl nach frustrich, fröstelnd, voll Frost (vgl. Holtei, »Der 
Hyppuchunder«, Z. 143; Max Heinzel, »Oan a Tschampel Heinrich«, 1. Str.). 

? Vgl. mhd. rouchen auch — riechen (intr.). 

5 Im Hollánd. ist diese Bildung die Regel: genoteerd, gegarandeerd usw. 

* Indessen sind nach C. Rother in der Ma. von Grunau b. Kamenz vorhanden: 
gelamentiert, geprofetiert, gesimmeliert, getitteliert u. a. 

6 Auch Weinhold (a. a. O., S. 121) nennt gexubenamst als schlesisch, doch viel- 
leicht nach Holtei, dessen Gedicht »Obernigk« schon 1827 entstanden ist. 


Über die schlesische Sprache Karl von Holteis. 323 


genügend geklärt sind, teils aber auch, weil die Untersuchung der ört- 
lichen Mundarten Schlesiens noch zu sehr rückständig ist, nur hin- 
gewiesen wurde. Das Gebotene aber dürfte ein zuverlässiges Bild von 
Holteis Sprache geben, das sich in seinen Grundzügen nicht ändern 
wird, trotzdem noch manches ergänzt werden kann. 

Ist nun Holteis Sprache auch selbst von Sachkundigen getadelt 
worden (vgl. z. B. R. RöBler, Schnoken*, S. 31, auch S. 14; H. Bauch in 
den »Bunten Bildern aus dem Schlesierlande«? I, S. 279), so entsprechen 
diese Urteile doch nur einem strenger lokalmundartlichen Standpunkte. 
Holtei legte aber das Hauptgewicht auf den schlesischen Inhalt, dem 
sich die schlesische Form unterordnen mußte: »Ich nenne diese Gedichte 
absichtlich: »Schlesische« und nicht: Gedichte in schlesischer Mundart.« 
(Vorwort zur 2. Aufl., S. IV.) Es gibt auch kaum einen schlesischen 
Mundartdichter, der nicht ebenfalls die Grenzen seiner örtlichen Mundart 
überschritten, also in diesem Sinne Vorwurf verdient hat. Holtei selbst 
empfand seine Sprache als echt und ihre ungezwungene Zusammensetzung 
als den Verhältnissen entsprechend: 

»Oder überall raed ich 
Ünse Sproche gewief, 


Wie der Schnobel gewachsen 
In där Schlaesing mer ihs!« 


So singt das »Blookatel« (10. Str.), das Holteis eigene Gedanken ausspricht. 
Und seine letzten schlesischen Zeilen voll rührender Schlichtheit richtet 
Holtei auch an seine Tadler: 
»Adjeh, ihr Leute im Ländel zendrum! 
Ma genennt euch, glob ihch »das Publikum ?« 
Ihr mügt mer nu manchen Tadel schänken, 
Wenn sihch’s aber schickt, tutt meiner gedänken.« 
(»De Unewerschetät«, Schluß. datiert vom 6. 12. 1876.) 
Wenn wir daher ein gerechtes Urteil fällen wollen, das nicht bloß 
ein pflichtschuldiges Lob sein soll, welches der Schlesier seinem großen 
Landsmanne zollt, sondern das sich Holtei ehrlich und redlich verdient 
hat, der seine Muse für alle Schlesier, nicht nur für die Angehörigen 
einer örtlichen Mundart bestimmt hat, so müssen wir höhere Gesichts- 
punkte gelten lassen und können — ohne damit es für notwendig zu 
halten, daß sich die schlesischen Dichter auch heute noch der Sprache 
Holteis oder eines anderen »Gemeinschlesisch« bedienen sollen, — im 
Einklange mit Weinholds vorbildlicher Auffassung Philo vom 
Walde (Schles. Dichterbuch, S. 11) beipflichten: »In der Benutzung des 
künstlerischen Mittels ist Holtei allen seinen Schülern mit bestem Beispiel 
vorangegangen. Er bediente sich keines der vielen Lokaldialekte, sondern 
er schuf sich seine eigene Kunstsprache. Dieses Holteische » Städter- 
gemeinschlesisch« ist aber trotzdem so echt und wahr, daß nur ein 
engherziger Phonetiker daran Anstoß nehmen könnte.« 


324 Peter W immert. 


Eine Zusammenstellung feststehender mundartlicher 
Redewendungen. 
Wiedergegeben in der Mundart von Laubach, Vordereifel. 


Ein Beitrag zur Eifeler Mundart. 
Von Peter Wimmert. 


Jede Mundart birgt in sich einen Schatz von feststehenden Rede- 
wendungen, seien es nun Vergleiche volkstümlicher Art, sprichwörtliche 
Redensarten oder Aus- und Zurufe, aber wohl nicht alle in dem reich- 
lichen Maße wie die der Eifel. Von den Leuten bei ähnlichen oder 
gleichen Anlässen stets in derselben Form gebraucht, stellen sie sich dar 
als ererbtes und sich weiter vererbendes Sprachgut, das die Eifeler 
Mundart mit den benachbarten Dialekten verbindet. 


I. Volkstümliche Vergleiche. 


Vergleiche wendet der Volksmund mit Vorliebe an, weil es für ihn 
die kürzeste Ausdrucksweise ist. Nicht viele Worte tun hier not; ein 
kurzer Hinweis auf eine allen bekannte Tatsache oder Person genügt, 
klar und anschaulich vor Augen zu stellen, was man sagen will. Bei 
Betrachtung der Vergleiche ist neben dem Vergleiche an sich auch 
dessen feststehende Redeform als charakteristisch und volkstümlich ins 
Auge zu fassen. 

Auch den ursprünglich ganz örtlichen Vergleichen, wie sie sich 
wohl in jedem Dorfe an irgendeine Person oder ein Ereignis anschließen, 
ist hierbei Aufmerksamkeit zu schenken, da sie sich durch Vererbung, 
Zu- und Wegzug über größere Gebiete ausbreiten, manchmal gar ohne 
Verständnis des Inhalts, und so allmählich zu einem Bestandteil des 
mundartlichen Sprachschatzes werden. 


dath os rabolmans kuur; sa Sloon »Das ist Rabbelmanns Chor; sie 
sec bt da kesalflekar on manamecor. schlagen sich wie die Kesselflicker 
und Korbmacher«, sagt man von 

zanksüchtigen Leuten. 


sa ferdroon see bi kats on hon. »Sie vertragen sich wie Katze und 
Hund<, d. h. leben immer in Streit. 

de leect su hoos bi an hoas iwar »Der lügt so schnell wie ein 
dens boord laift. Hase über ein Tannenbrett läufte«, 


besagt die Geschicklichkeit eines 
Lügners im Lügen. 

de leect bi godrukt. »Der lügt wie gedruckt«, weiß 
es so glaubwürdig zu machen, als 
sei es gedruckt. Gedrucktes gilt 
dem Volke aber als Wahrheit. 


Eine Zusammenstellung feststehender mundartlicher Redewendungen. 


de leect alas bat an bet. 


at draaat doar bi of madəsə huk- 


sant. 


set mooul jaaat bi ən entaaas. 


su dalt be matusalem. 
aarm bi job. 
aarm bi on kerijamogus. 


e mect sec bi juusta farkal. 


de jaaat on bi ə liict. 


de os domar at at da bolatsci 
erlaabt. 


de haat jadayka bi a sub. 


de jaaat droon (drof) bi blicər. 


do jaaat at tso bi an rusic boola. 


de os asu wélkom bi 2n sopu pnam 
judahopus. 

de Staaat alop bi ous do woloke 
Jofaal. 


325 


»Der lügt alles, sogar sein Gebet 
ist Lüge«. 

»Es trägt dar, wie auf des Mat- 
thias Hochzeit« (do os da fraa fan 
dar keric ont konbet kun), ist der 
Ausdruck, wenn etwas noch gerade 
reicht oder im letzten Augenblicke 
gelingt. 

»Sein Mund geht wie ein Enten- 
arsch«. Gleichwie der Hinterleib 
der Ente nie stillsteht und ihm 
wässeriger Kot entfällt, so ist auch 
des Schwätzers Mund stets in Be- 
wegung und sein Gerede ist »blec«. 

»So alt wie Methusalem «. 

»Arm wie Hiob«. 

»Arm wie eine Maus in der 
Kirchee ; beides Ausdrücke für große 
Armut. 

»Er macht. sich wie Justens 
Ferkel«; heute vom Menschen ge- 
braucht, wenn man sagen will, daß 
sein körperliches Wachstum gute 


. Fortschritte macht. 


»Der geht an wie ein Licht«, — 
gebraucht man, um das Gedeihen 
eines Säuglings oder auch eines Ge- 
nesenden zu bezeichnen. 

»Der ist dummer als es die 
Polizei erlaubt«, stellt sich also 
»kreuzdumm« an. 

»Der hat Gedanken wie ein 
Sieb«; vieles fällt durch das Sieb 
— wird vergessen. 

»Der geht dran (drauf) wie 
Blücher«, der »Marschall Vorwärts«. 

»Da geht es zu wie in Russisch- 
Polen«, sagt man von einem Haus- 
halte oder einem Vereine mit un- 
geordneten Verhältnissen. 

»Der ist so willkommen wie ein 
Schwein in einem Judenhaus«. 

»Der steht dort, als sei er aus 
den Wolken gefallen«, so verblüfft 
ist er«. 


326 Peter Wimmert. 


de kreeit onfel bi 3 aal hoous. 


dath ps su kloar bi worstbreet. 

dath os su klpar be dek tent. 

de iveect be asbala laaf. 

set herts jaaat bi an lemarswanls. 

frear sein bi alneistgoods, 

freax sein bi oska, 

freax sein bi plak. 

de hast an Smeer bi ə jobetbor. 

de haat e Stek as gaceyon of da 
wals. 


dath meas Sneid bi joft. 


de kit jəštatst bi də hiykonda boot. 


de haət ən lepš bi ə kamésbruud. 


er han swema be on bletarna ent. 


dath flaaas os freed bi sooledor. 


ç grenst bi ən astronoom no də 
sterne. 

dath past ofonaaen bi an fooust 
ofvt por. 

de slaaet dron bt on noar. 


e jaast of bt on haaansmelskoo.ran. 


Wer plötzlich mit wunderlichen 
Plänen hervortritt, der bekommt im 
Volksmunde »Einfälle wie ein altes 
Haus«. 

»Das ist so klar wie Wurstbrühe«. 

»Das ist so klar wie dicke Tinte«. 

»Der zittert wie Espenlaub«e — 
vor Angst oder Kälte. 

Der stets in Bewegung befind- 
liche Lämmerschwanz wird mit dem 
freudig erregten Herzen verglichen. 

»Frech wie Allnichtsguts«, 

»Frech wie Oskare, 

»Frech wie Plack«, — 
Ausdrücke für große Frechheit. 

»Der hat eine Schnitte Brot (so 
dick) wie ein (iebetbuch«. 

»Der hat eine Brotschnitte, als 
ging er auf die Wanderschaft<. 

»Das Messer schneidet wie Gift«, 
d. h. gut. 

»Der kommt gehumpelt wie der 
hinkende Bote«, ein auf einem weit 
verbreiteten Kalender, dem hinken- 
den Hunsrücker Boten, dargestellter 
Stelzfuß. 

»Der hat ein Maul wie ein 
Kommisbrot« — also groß. 

»Ich kann schwimmen wie eine 
bleierne Ente«, sagt von sich der 
Nichtschwimmer. 

»Das Fleisch ist zäh wie Sohl- 
leder«. 

» Er schaut aus wie ein Astronom 
nach den Sternen«. 

¿Das paßt wie eine Faust aufs 
Auge« — also schlecht. 

»Er schlägt za wie ein Narr« — 
ohne Überlegung. 

: Er geht auf wie ein Buchweizen- 
küchlein« (beim Backen), sagt man 
von jemand, der in andere Ver- 
hältnisse kommt und sich darin wohl- 
befindet. Auch von einem beleibten 
Menschen gebraucht, 


Eine Zusammenstellung feststehender mundartlicher Redewendungen. 327 


dom bi on esal. 
dom bi an os. 

dom bi 2 kond. 
dom bi 3 Soof. 

dom bi strii. 

de Steelt bi an atsoal. 


de Staaat on jadayko bi da hond 
on da fli. 


de šleæft bi ən daks. 
de Staaat aloo bi ən oks fitram 
barac. 


de staast alop bi an oks fitrar 
frec jostroxana Sopurapeprt. 


dem Staaat de $larar odar de hooth 
bt dor spou di bondhouf. 
dath laift dek arim bi » Seisal. 


grob ba bunastru. 
Verstärkung: grob bi seibunostrü. 


de haat a josceft bi kromosa krithco. 


e Swotst bi an brooda. 
e est bi an dresor. 


fees bi a sof (maadsof). 


de haat o jasüict bi an moond. 


»Dumm wie ein Esel«. 

»Dumm wie ein Ochs«. 

»Dumm wie ein Kind«. 

»Dumm wie ein Schaf«. 

»Dumm wie Stroh«. 

»Er stiehlt wie eine Atzel« = 
Elster; daher auch atsala = stehlen. 

»Der steht in Gedanken wie ein 
Hund in den Flöhen«, sagt der 
Volksmund von einem geistesab- 
wesenden, vor sich hinstarrenden 
Menschen. 

Ein Mensch mit festem Schlafe 
»schläft wie ein Dachs«. 

»Der steht da wie ein Ochs vor 
einem Berge«. 

»Der steht da wie ein Ochs vor 
einem frisch gestrichenen Scheunen- 
tore. 

Beide Formen werden gebraucht, 
wenn jemand plötzlich aus der Fas- 
sung gerät und sich keinen Rat weiß. 

»Dem steht der Schleier oder 
der Hut wie der Sau eine Haube«. 

»Die Person läuft oft herum wie 
ein Scheusal«, ungewaschen und 
ungekámmt, mit schmutziger, zer- 
rissener Kleidung. 

»Grob wie Bohnenstroh«. 

Verstärkung: »Grob wie das Puff- 
bohnenstroh« (sezbun = dicke Bohne), 
auf grobe Menschen übertragen. 

Von einem, der sich um nich- 
tige Dinge große Sorge macht, sagt 
man, »der hat ein Geschäft (Getue) 
wie Krommes' Margarete«. Ohne 
Zweifel urspriinglich ein órtlicher 
Vergleich. 

»Er schwitzt wie ein Braten.. 

»Er ißt wie ein Drescher« — 
viel. 

»Füße wie ein Schiff« (Markt- 
schiff). 

»Der hat ein volles breites Ge- 
sicht«. 


328 


he mart a jostiet bi dreei deac 
reen. 


e mart a gastict as hetan esac 
Josoft. 

baaan bi an tirkascewol. 

de Swaad da Snis, jo jaraad as 
weer sa jogmeert. 

e seeit oous bi an ferkomone laja- 
dekor. 

de hukt of dem rad bi Au af of 
am Slasfstaaan. 


he kreect bi ə junk filə. 


de pleecertst bi a kalaf. 

kaboth seein bi an houd. 
besof seein bi 9 Sweein. 

e krembt sec bi an worm. 

de os fleesic bi an seecomos. 
de Saft as bi ən bin. 

de os su fopul be most. 

de os su fopul dath an Steykt. 
de heilt bi on anjastoro farkal. 


de daast kranes bi an boo.rmoador. 
de sraait as Stey am ot meas 
hals. 

brela bt ən leef (bear). 

e steykt bi 3 Sweein. 

sooufs bi an uyk. 

sooufs bi ə loor. 

e seykt bi an raaf. 

tsecjo bi a peerd. 

e hast an naduur bi on gooul. 


om 


e hebt be on fluu. 

dur bi on jaaas. 

diir bi ən Spon. 

de kotst be oan gerwershond. 


Peter Wimmert. 


»Er macht ein Gesicht wie drei 
Tage Regen« — finster. 

>Er macht ein Gesicht, als hätte 
er Essig getrunken«. 

»Beine wie ein Türkensäbel:. 

»Der redet viel und schnelle. 


»Der sieht aus wie ein verkom- 
mener Dachdecker «. 

»Der sitzt auf dem Fahrrad wie 
ein Affe auf dem Schleifstein« — 
krumm. 

» Er kräht 
junges Füllen«. 

»Er blärrt wie ein Kalb«. 

Übermäßig müde sein. 

Betrunken sein. — — 

»Er krümmt sich wie ein Wurme. 

»Der ist fleißig wie eine Ameise... 

‚Der arbeitet wie eine Bienes. 

» Faul wie Mist« (Dünger). 

»Der ist so faul, daß er stinkt«. 

»Der schreit wie ein gestochenes 
Schweine. | 

‚Er schreit wie ein Buchmarder«. 

„Er schreit als stand ihm das 
Messer am Halse. 

„Brüllen wie ein Löwe« (Bär). 

‚Er stinkt wie ein Schwein«. 

„Saufen wie eine Unke«. 

‚Saufen wie ein Loch«. 

»Er singt wie ein Rabe«. 

»Ziehen wie ein Pferde. 

»Er hat eine Natur (so zäh) wie 
cin Gaul«. 

‚Er hüpft wie ein Floh«. 

„Dürr wie eine Ziegee. 

„Dürr wie eine Spinne. 

kotsy = husten. »Er hustet wie 
ein Gerbershunde. 


(schreit) wie ein 


II. Sprichwörtliche Redensarten. 


ans Jef ə oou drim wen da 
anar kaaans hat. 


»Einer gäbe ein Auge drum, 
wenn der andere keins hätte«; großer 
Grad des Neides. 


Eine Zusammenstellung feststehender mundartlicher Redewendungen. 


aldar jaast für, saat eilospil, do 
haalan seein gruus do trap arofje- 
wurft. 


dath ps anar koor, saat eilospil, 
do hasden of an meisknedal jabos. 


e casa daroont Snufdabak os an 
feasbar daroont at mannifakat. 


drak am Steka han. 


drak inict da laaam mea. 


beer tsoom fooustakeas jabooro, 
weerd iwic on tsalebdaagh kaaona 
limboryor. 

¡star jowenor, lelstar ferspilar. 


Juyor jecejar, aldar beedoler. 
am gaseykta gooul gukt mo nat 
ont mooul. 


noou laaf om nop on sen ən 
kaalkop. 


je eclar do bok, desda freadar 
sce hoor. 

beer kaaan kreet, hast ox kaaan 
oousjodaaalt. 


329 


»Alter geht vor, sagte Eulen- 
spiegel, und dann hat er seine Groß- 
mutter die Treppe hinabgeworfen«. 
(Wird gebraucht, wenn jemand un- 
berechtigterweise sein Alter als 
Vorrecht geltend machen will.) 

»Das ist anderes Korn, sagte 
Eulenspiegel, da hat er auf Mäusekot 
gebissen«, sagt man beim unerwar- 
teten Eintritt einer Schwierigkeit bei 
irgendeiner Arbeit, 

»Ein Essen ohne Schnupftabak ist 
wie eine Vesper ohne Magnifikat«, 
verbreitetes, meist von Schnupfern 
gebrauchtes Wort. 

Sein Ruf ist nicht tadellos; ins- 
besondere: Er hat oder bekommt 
mit dem Gerichte zu tun. 

»Dreck unter den Lehm mengen«; 
Unwahrheit mit Wahrheitvermengen. 

»Wer zum Faustkäse geboren, 
wird nimmer ein Limburger Käse«; 
drum, Schuster, bleib’ beim Leisten. 

»Erster Gewinner, letzter Ver- 
spieler«. 

»Junger Jäger, alter Bettler«. 

»Einem geschenkten Gaul sieht 
man nicht ins Maul« — sein Alter 
zu ersehen. Allgemein: An ge- 
schenkten Gegenständen soll man 
nichts auszusetzen haben. 

Jemanden, der bei irgendeiner 
Gelegenheit das Nachsehen hat, 
foppt man dazu noch: »Nun lauf 
ihm nach und schimpf ihn Kahl- 
kopf«. 

»Je älter der Bock, desto steifer 

ist sein Horn«. 
»Wer keine (Schläge) kriegt, hat 
auch keine ausgeteilt«. Damit wider- 
legt man protzende Angaben über 
die Teilnahme an einer Schlägerei, 
wenn die Frage, ob der Betreffende 
auch Schläge bekommen hat, ver- 
neint wird. 


330 


at os am ebas iwar da lewor ja- 
krox. 


«3 han an jarobt wi 3 hoon. 


dem daaat mop or da jaaas for 
da knedala hedan. 


fir an baxinam han ec am dath 


Jaloos. 
dath ọs ə Stek fam wijs jud. 


am deeiwal opus dar hot jahebt 
seein. 


dem aasna kalaft da ops, dem 
anar net amg da koo. 
at jolek jaaat on ferm seevan. 


dem reent at tsom soprstal aron. 


do man kan mot dar deikoar 
net su DI ont hopus breyan, as da 
fraa mot də hand da fister arppus 
Smeeisa kan. 

on hoousfraa ps kaaan oousfraa. 


aaan tr ps wal de anar weert. 


beer sec nat besteba welt, de moos 
opus daor miil bleeiwan. 
be good Smeert, de good führt. 


bo fopulhaast os onam hoous, do 
falon da tref aroous. 

da wolaf ferleert sein hoor, ewo 
net ser nopuba. 

bo fil hen, jet ot hoos a en. 


kaaan hukzent os su klaaan, et 
meet sec dor nar aaan. 
bt da heer, su at jascer. 


Peter Wimmert. 


»Es ist ihm etwas über die 
Leber gekrochen«e — er ist übler 
Laune. 

»Sie haben ihn gerupft wie ein 
Huhn«, d. h; vollständig um seine 
Mittel gebracht. 

»Dem tut man auch die Geiß 
für den Mist hüten<. Allgemein: 
Etwas umsonst tun müssen. 

»Für eine Kleinigkeit habe ich 
ihm das Objekt gelassen. 

Ein nie müde werdendes Kind, 
das den ganzen Tag strampelt und 
läuft, ist im Volksmund »ein Stück 
vom ewigen Juden«. 

»Dem Teufel aus der Kiepe ge- 
hüpft sein« — ein schlechter Mensch 
sein. 

»Dem einen kalbt sogar der Ochs, 
dem andern nicht einmal die Kuh«. 

»Das Glück geht ihn tatsächlich 
suchen«. 

»Dem regnet es zum Schornstein 
hinein«; sein Wohlstand nimmt zu. 

»Der Mann kann mit der Schieb- 
karre nicht soviel ins Haus bringen, 
als die Frau mit der Hand zum 
Fenster hinauswerfen kann«. 

»Eine Hausfrau ist keine Aus- 
frau «. 

»Eine Ehre ist wohl die andere 
wert«. 

»Wer sich nicht bestäuben will, 
der muß aus der Mühle bleiben«. 

»Wer gut schmiert, der gut 
fährt«. 

»Wo Faulheit ist im Haus, da 
fallen die Träger heraus«. 

»Der Wolf verliert seine Haare, 
aber nicht seine Naupen«. 

»Wo viele Hände, gibt’s schnell 
ein Ende«. 

»Keine Hochzeit ist so klein, es 
macht sich noch eine«. 

»Wie der Herr, so das Geschirr«, 


Eine Zusammenstellung feststehender mundartlicher Redewendungen. 331 


oc at best hoon leect amp sei 
aai on da brenesalan. 


de waais dar mek do opdar tso 
lopsa. 


ber fil zet, weerd fil los. 


wit moos we fertreciwon. 


konarwela staaat honict dər dur 
beim besamstil. — konarwela os ka- 
lawardrák. 


bę də pemk net part, kret da 
dalar net broanct. 

at os kaaan heisjo su klaaon, ot 
haat set krestsalern. 

on fraaasalija hond weerd fet, 
an bliido nimon selton. 


moos gs biis kroput. 


da koo haat feer baaan; sa fer- 
daaat sec dor at omg. 


de hürt de flii hoosdan on seeit 
da klii woaasan. 


de os good tss foos inict dar 
ngas. 


»Auch das beste Huhn legt schon 
mal sein Ei in die Brennesseln<. Mit 
diesem Worte entschuldigt sich je- 
mand, der einen Fehler gemacht hat. 

Von jemand, der überklug sein 
will, sagt man: »Er weiß der Mücke 
Ader zu lassen<. Auch gebraucht 
man es, wenn jemand aus Eigen- 
nutz den Nächsten ausbeutet und 
es so geschickt anstellt, daß der 
Betreffende es nicht einmal merkt. 

Einen überaus freigebigen Men- 
schen mahnt man zur Mäßigung mit 
der Redensart: »Wer viel gibt, wird 
viel los«. 

»Weh muß Weh vertreiben«; ein 
Trostwort, besonders an leidende 
Kinder. 

Kindern, die stets »wollen« und 
nicht bitten, sagt man: »Kinderwille 
steht hinter der Türe beim Besen- 
stiel«. | 

»Wer den Pfennig nicht acht‘, 
bekommt den Taler nicht gebracht«. 

»Es ist kein Häuschen so klein, 
es hat sein Kreuzelein«. 

»Ein gefräßiger Hund wird fett; 
ein blöder nur selten«. Dasselbe 
sagt das verdrehte Sprichwort: 

Bescheidenheit ist eine Zier, 
Doch weiter kommt man ohne »zir«. 

»Muß ist böses Kraut, Die 
Gegenantwort darauf, wenn jemand 
allzusehr das »muß« betont. 

»Die Kuh hat vier Beine; sie 
vertritt sich doch schon mal«, ist 
die Entschuldigung für einen, dem 
irgend ein Fehler unterläuft. 

»Der hört die Flöhe husten und 
sieht den Klee wachsen«, sagt man 
von jemand, der allzu klug sein 
will. 

»Der ist gut zu Fuß unter der 
Nase«, d. h. entwickelt einen guten 
Appetit. 


332 
ruud hoar on eerdale hols wpaa- 


san of kaaanam gooda gron. 
dorw diir on ayale kreen. 


ebas fitran abal on a Stek bruud 
ferkaafo. l 


de haat dr peers štrii on di kæes- 
Smeer net betsált. 


doou kans mec leef han, 

doou kans mee geera han, 

doou kans mec musole, 

dopu kans mir da naxa deta, 

dopu kans mir da bukal arof- 
rulsa, 

doou kans mir da huwal oous- 
blooso. 


aaanom jaat on də Zoor Hidan. 

aaanam leeis on da pels setsa. 

dem han so moo dt flita gerobt. 

de fijal, de fre peerfon, krect di 
kats. 

de most hoos da plat botsa. 

de haat di pan goblakt. 


jaat on də Soorstal SreciWs. 


Peter Wimmort. 


_ »Rote Haare und Erlenholz 
wachsen auf keinem guten Grunde«e.- 

»Durch Tür und Angeln be- 
kommen«, d. h. bereitwilligst be- 
kommen (de jun hast dath meaedjo 
doric di1r on ayole kreel). 

»Etwas fiir einen Apfel und eine 
Schnitte Brotverkaufen«, also äußerst 
wohlfeil. 

»Jemand, der nicht gut oder gar 
nicht mit dem Munde pfeifen kann, 
hat im Volksmund »die Beusche 
Stroh und das Käsebrot nicht be- 
zahlt«. 

»Du kannst mich lieb haben«, 

»Du kannst mich gerne haben«, 

»Du kannst mich muscheln«, 

»Du kannst mir den Nachen 
drücken«, 

»Du kannst mir den Rücken 
heraufrutschen«, 

»Du kannst mir den Hobel aus- 
blasen«. 

Ausdrücke der Ablehnung auf 
einen gemachten Vorschlag. 

»Jemanden etwas in die Schuhe 
schütten«. | 

»Jemanden Läuse in den Pelz 
setzen«, d.h. einen Unbeteiligten mit 
in eine Sache hineinziehen. 

»Dem haben sie mal die Flügel 
gerupft«; ihm einen Dämpfer auf- 
gesetzt. 

»Die Vögel, die früh pfeifen, 
kriegt die Katze«, ruft man dem 
Sänger, der früh morgens singt, zu. 

»Der mußte schnell die Platte 
putzen, sich aus demStaube machen«. 

»Der hat die Pfanne geplackts, 
d. h. hat den Schaden zu tragen. 

»Etwas in den Schornstein 
schreibens tut der, der nie für 
eine Arbeit oder Sache entschädigt 
wird. 


Eine Zusammenstellung feststehender mundartlicher Redewendungen. 


hofa on harra mecl manscaaanan 
Isom noar, ewor mot harra on hofa 
hast ol Suns manacaamoar jotrof. 


de haat sec teSand tswimn steel 
jasat. 


beer mot am lomb aanfeykt, kreet 
mot am lomb tsə doon. 


de kit of ot beykoalco. 


oosa hergot haat fil kosgeyor, 
ewọ kaaan di nüäist eason. 

dath os an Sleect kerames bo at 
kaaan Smes Jet. 

de sätt ot dor koo am S$wants 
oof, bath da bodar tso maja kost. 


besar Sleect jafoaar as good jaya. 


ec han dar de hanas om maar», 
ec han dar den ofam 3trox. 


aaan tswiwols. 
. maax dath do dec nat on da 
feyar Snevds. | 


has da dec nat on da. feyar je- 
snudon ? | 


dath os an trebs ofon haaasa 

do has do e helmca ofon pers 
fala lppso. 

at os am met kaasnar jaseenta 
keats tso halofon. 

aaanam ser duud ps dam anar 
ser bruud. 

oouseen bi an moaadar. 


333 


»Hoffen und Harren macht man- 
chen zum Narren, aber mit Harren 
und Hoffen hat’s schon manch einer 
getroffen. 

Gehen zwei Anerbieten, die je- 
mand zu gleicher Zeit bekommt, 


= durch eigene Säumigkeit verloren, 


so sagt man: »der hat sich zwischen 
zwei Stühle gesetzt«. 

»Wer mit einem Lumpen an- 
fängt, bekommt mit einem Lumpen 
zu tune. 

»Der kommt aufs Bänkchen« — 
Anklagebank. 

»Unser Herrgott hat viel Kost- 
gänger, aber keine, die nichts essen«. 

»Das ist eine schlechte Kirmeß, 
auf der es keine Schlägerei. gibt«. 

»Der sieht es der Kuh am 
Schwanze ab, was die Butter zu 
Mayen kostete. 

»Besser schlecht gefahren als 
gut gegangen«. 

»Ich habe den Hannes im Magen, 
ich habe den auf dem Strich« — 
wir sind keine Freunde zusammen. 

»Einen zwiebeln«, d. h. quälen. 

»Mache, daß du dich nicht in 
die Finger schneidest«, sagt man, 
wenn man beim Teilen einer ER. 
ware ein großes Stück erhalten 
möchte. 

»Hast du dich auch nicht in die 
Finger geschnitten«, lautet die Frage, 
wenn der Teil klein ausgefallen ist. 

»Das ist ein Tropfen auf einen 
heißen Stein«. 

»Da hast du ein Hälmchen auf 
eine Schütte fallen lassen«. 

»Es ist ihm mit keiner geseg- 
neten Kerze zu helfen«. 

»Einem sein Tod ist dem an- 
dern sein Brote. | | 

» Aussehn wie ein Märtyrer« — 
schlecht. | 


334 


oouseen bi jastrobt. 
bei dem os hoos fopuar inict am 
daaz. 


de hast aaana om uur. 
de haat Saaaf jaladan. 
de haat sec aaans kaaft. 


de haat an hoprmal. 

de hast on Spitz. 

o han ec os dek besar as m 
het ec. 

bath da bepuar nat kent, freston 
net. 

bath ec nat waaas, meet mec nat 
haaas. 

bath mee nat jukt, dath sppuron 
ec net. 

dem kan mo mot dar 300ur9- 
poort weykon. 


opus dar hand ọn da tsand. 


do han ec mansetan für. 


doou bos nax net lays ål diirən 
hin. 


Peter Wimmert. 


»Sehr schlecht aussehn«. 

»Bei dem ist schnell Feuer unter 
dem Dach«, d. h. er braust leicht 
und heftig auf. 

»Der hat einen im Ohr«, 

»Der hat schief geladen«, 

»Er hat sich einen gekaufte. 
Ausdrücke für Betrunkensein. 


Ausdrücke für Angetrunkeinsein. 


»Ein ‚Habich‘ ist oft besser als 
ein ,Háttich*«, 

» Was der Bauer nicht kennt, 
ißt er nicht«. 

»Was ich nicht weiß, macht 
mich nicht heiße. 

»Was mich nicht juckt, das reibe 
ich nicht«. 

»Dem kann man mit dem Scheu- 
nentor winken«, sagt man, wenn 
jemand eine leise Andeutung nicht 
versteht. 

Von Leuten, die gut leben und 
deshalb nicht vorwärts kommen, 
sagt der Volksmund: Bei denen 
gehts »aus der Hand in den Zahn«. 

»Da habe ich Angst davor«. Ge- 
branntes Kind hat z. B. »mansetons 
vor dem Feuer. 

Die Redensart kann auch die 
Bedeutung von: »Ich habe Achtung 
vor dem« haben. 

»Du bist noch nicht an allen 
Türen vorbei« sagt man zu einem 
Menschen, der sich zu wohl fühlt, 
um ihn daran zu erinnern, daß 
sich seine Verhältnisse leicht ändern 
können. 


III. Aus- und Zuruf. 


haits kowalens, bi heee, bì Staats! 
or dou leewor Strísak! 

ox herijee, — 0 jeminee! 

o jemac naaxo! 

ox deu leewar bimbambal! 


Ausruf der Verwunderung. 


Eine Zusammenstellung feststehender mundartlicher Redewendungen. 


ox dou leef kreskinca! 

met dar hudaldudal, mot dar bas- 
ger, mot der Speelomp lays də wand! 

hura di enta met modar kan 
sweman! 

ei dr dopusant! 

Sraba, Sraba mitrca! 

eet, gets! 

dath os good, dath os good! 

Senan, Senan daaoth net wir! 

beer mec Sent haat leis on fli. 

leis on Nr jot wanso, 

di of daanam haaft arım dansa! 

dan sal dec dath metsjo beeiso! 

dopu sals mar dex at aanmpains 
kren! 

doot sals mar di näistnotsac 
kroput kren! 

sabartsukar ! 

saborluut! 

sweernuut not naazo. 

dopu sals mar dan ewo dox krom 
lays da loon (Lahn) zoon. 

Soksweernuut! 

himalaaim! 

himalaas on flinto! 

haass! haaas! 

measar, Seer, jowal on lüet, 

daaxt fiir klaasn konar nict! 

buugas! båå! 

bugos! baagas! 

alee hob! 

maax firron! 

maax npanaaan ! 

tsau dec! 


335 


Ausruf der Verwunderung. 
Ausruf der Freude. 


„ % ” 
Ausruf der Schadenfreude. 


” 3 ” 


„ 3) 3 
Einem Schimpfenden wird neben- 
stehende Antwort zuteil. 


Verwúnschungen und Flüche. 


Warnruf fiir kleine Kinder. 


Ekelruf. 


OU 
Ruf der Aneiferung. 


Zurufe an das Zugvieh. 
Für das Pferd hat man andere Zurufe als für das in der Eifel vor- 


herrschende Zugrindvieh. 
je! 


hot! 


haa! 


Zuruf an das Pferd zum An- 
ziehen. 

Zuruf an das Pförd zum Rechts- 
gehen und Rechtswenden. 

Zuruf an das Pferd zum Links- 
gehen und Linkswenden. 


Ké 


— e e 
“er 


, Se 
Wit, hrs, S 


Botte, ki 


hanarim” har! 


hats! 
huksrım ! 
teserel:! Dabei leichte Schläze 


rc. der Peitsche auf den Kopf. 


hüii! 
Amal de! 
mails kom, maibs kom. 


mulsjo de, mitts de. 
te, to. te. 

ar da kom. 
holm, holin! 
hol de kerl! 
ks, ks, k=! 
luks fax! 
krıce dath ketsj>! 

nugas hai, nugss hai’ 
wuts de, wuts de’ 
hobstinar! 

binar dar! binar de! 
hipal, hipal! 

bunss de, bunos de! 
magis hai, megas hai! 
daa his. het. beh. daa bet. 
puth, puth, puth! 
jaaast» hansm! 


(Hal ihn’ 


A WI 2 rh. 


2 Ta ore, rs lamento ng festeeter der muederi cher Redeser icrzer. 


Zurufe av das Pferd zum Rūci- 
KartsgeLen. 

Ziruf zum >t...s:iehen. 

Zaruf zum Heben eines Fu5es 
beim Beschlager. 

Zuruf an das Rirdvieh zum An- 
zieLen. 

Zuruf an das 
Linksgehen. 

Zuruf an das 
Linkswenden. 

Zuruf zum Rechtszehen. 

Zuruf zum Rechtswenden. 

Zuruf zum Rúckwartseehen. 


Rindvieh zum 


Rindvieh zum 


Zuruf zum Halten. 
Lockruf für das Pferd. 
Lockruf fur die Katze. 


4 wa .. Sa 


Lockruf für den Hund. 
Reizruf zum Beiben. 


Loekruf für das Schwein. 
Loekruf für die Ziege. 


Lo ckruf für das Kalb. 

Loekruf für das Schaf. 

Loekruf für die Hühner. 
Alizemeiner Ruf zum Forttreiben 


ire--ndeines Tieres. 


Wilhelm Schoof. Schwälmer Vornamen. 33 


Schwälmer Vornamen.' 
Ihre Verwendung in Mundart und Kinderlied. 


Von Wilhelm Schoof. 


Wie überhaupt in der Sprache der Schwälmer, macht sich ins- 
besondere in der Namengebung ein zähes Festhalten am Althergebrachten 
bemerkbar. Die meisten Namen, die in den Urkunden des 12.— 14. Jahr- 
hunderts vorkommen, z. B. Bernhard, Burkhard, Dietrich, Eckhard, Hart- 
mann, Heinrich, Helwig, Konrad, Kraft, Kurt, Siegfrid, Wigand, Wil- 
helm, finden sich noch heute neben den im 15. und 16. Jahrhundert 
eingedrungenen biblischen und Heiligennamen. Trotz des an und für 
sich geringen Bestandteils von Vornamen verschließt man sich hartnäckig 
neueren Einflüssen der Namengebung. Großer Beliebtheit erfreuen sich 
heute die Doppelnamen, die etwa seit dem 17. Jahrhundert vorkommen. 


I. Die männlichen Vornamen. 
a) Einfache Namen. 

Adam = Add, Adrem, Dim. Aärames. 

Andreas = Drees, Dreis, Rais, Ándrees, Dim. Ándreesco. 

Bernhard = Búnad, Dim. Búnadco. 

Bartholomäus = Bödalmee (selten). 

Burkhard = Bods, Bárgad, Dim. Bärgadca. 

Christian = Kreesdjan, Dim. Kreesdjanca. 

Christoph = Sdofal. 

Dietrich = Deds, Dertc. 

Eckhard = Ek, Eko, Ekad. 

Erasmus = Asmas, Asman (selten). 

Friedrich = Früd, Frids (selten), scheint neuerdings erst ein- 
gedrungen zu sein. 

Georg = Jerja (selten Sos), auch appellativisch, z. B. Penjerja 
(Trinker). 

Hartmann = Hardman (selten). 

Heinrich = Hain, Hin, Hen, Hainər, Henər, Henəre, Dim. Hainco, 
Hinco, Henco, Henarca. 

Helwig = Hälwik oder Häälwik, Dim. Häälwikco.? 

Jakob = Jaks, Jäks, Jääkob, Jäukobas. 

Johann = Han, Häns®, Hänas?, Dim. Hänascs. 

Jost = Joosd, Dim. Jeesdeo. 





' Vgl. dazu »Schwälmer Ortsnamen und Ansiedelungen« in den Bl. f. hess. Volksk. 
VIII und »Beitráge zur Schwálmer Namenkunde< in »Hessenlande XX] u. XXII. 

? Zweifellos von der Adelsfamilie derer von Rückershausen entlehnt, z. B. 1366: 
Helwicus de Ruckershusen. 

® Meist mit ethischer Herabsetzung der Bedeutung. 


Zeitschrift für Deutsche Mundarten. VI. 29 


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¡PE Lito Lote Lis Lo 

Mir.» = Mr 

Macia - Manea, Meri. 

Mac äs = Mile, Mio... 

MN oe — Marsi. 

Meoriz- Male. Meise 

Namanı ©: Meyslans, Nele, Kinga. Diw. Be 
Or:af == Alaf der Ali A EA 

Peter = Peedar. 

NI = Frrp. Frl. Lope. te, Flop. 


Seba-*an — Hare). 


mf rie} ` AIIE di n 
Car ee, e 4 
“MOR - Mun enter). 


Toomas -` Domaz, 

vaentn > Faldiin. Feldan. LC, hin H 
A zand Weegsd. Wid- 

Wan Wrlom, Wel. Dim. Welonirs. 


hb) Luvammengesetzte Namen. 


Jain Adar, `. Kane ue ent i< Gahan Re 
Jan Georg  Hänjerr. Hánjerjs. 
Jonann Heinrich - Hónere i Hanhénere. Aant nere (<< (Gahan- 


bin are, Kaninereiz Gshanhinerr). Kanénr — Crshanhenen, Nenea (Kdsp.). 
Johann Jost -= Hanjoosl. Dir. Hánjeesdos. Hijoosd (Kdsp.). 
Johann kurt — Häss agoe pel oder Geleinkvornl. Dim. Hánkiivdes. 
Johann Peter =- Hánpeedsr. 
Johann Philipp = Hánfilih. Dim. Hinfilihes. 
Hans Heinrich = Hónshin. Hánshen. 
Hans Kurt: Hánsklunid, (um. Hin 
Hans Nikolaus — Hinsidoos. Dim. Hunsil a 
Georg Heinrich — Jerjs Hin. 
Jost Heinrich = Joosd Hin. 


Seba-tlan Heinrich = Buasdo Hin. 


II. Die weiblichen Vornamen. 
a) Einfache Namen. 
Anna = An, Dim. Anco, Anca. 
Barbara = Bur, Barw, Dim. Bärbes. Biirea, Därwoles. 
Christine = Aréesdey, Dim. Kréesdeyca. 
Dorothea = Ooda+. 


Schwälmer Vornamen. 339 


Elisabeth = Els, Elsawit, Elsowits, Leis!, Lis, Leisawit, in der 
weiteren Schwalm (Lingelbach, Berffa) auch Zisbed, Dim. Lisca, Elso- 
widea, Lersowidca, Lisbedco. 

Eva = Eefa, Eew. 

Gela = Geel. 

Gertrud = Gerd. 

Helene = Leenə (selten). 

Hedwig = Herwic, Herwad. 

Katharina = Kädarey, Kädrey, Kädsrain, Küdarai, Küran, Kät, Drey, 
Diina (Kdsp.), Dim. Kädes. 

Kunigunde = Kunde oder Junda, Kin (meist in Zs.), Dim. Kinco. 

Luise = Lowtis (selten, erst neuerdings eingedrungen). 

Margarethe = Márgred, Gred, Dim. Márgredcə, Gredco. 

Martha = Mad (meist in Zs.)., Dim. Mádco. 

Marie = Margi oder Marti?, Dim. Margica, Martica. 

Ottilie = Odeel. 

Rosina = Sinə (selten). 


b) Zusammengesetzte Namen. 

Anna Elisabeth — Anels, Anleis, Anlis, Allis, Dim. Anleisca, Alléisca, 
Ála (Kdsp.). 

Anna Eva = Áncew. 

Anna Gela = Ánogeel. 

Anna Gertrud = Anagerét. 

Anna Katharina = Anəkadren, Aykadrey, Ankadriin, Anodriin, Ada 
(Kdsp.). 

Anna Kunigunde = Anakin, Dim. Anakinea. 

Anna Margarethe = Anmargred, Dim. Anmayredes. 

Anna Martha = 4nomád, Dim. Anomádco. 

Barbara Elisabeth = Barwöleis, Dim. Barwaleisca. 

Elisabeth Katharina = Lísakaud oder Lísakad, Dim. Lísokádeo. 

Katharina Elisabeth = Küdrinleis, Küdleis, Dilleis (Kdsp.) < Diino 
+ Leis mit Assimilation des », Dim. Kádleisco, Dileisco. 

Maria Katharina = Martikäd oder Martikadd. 

Marie Elisabeth = Marf+leis, Marileis, Marélleis, Dim. Marileisca. 

Maria Magdalena = Marley. 

Martha Elisabeth = Múdleis, Dim. Mádleisco. 

Wenig gebraucht werden von diesen Namen Asman, Kraft, Lovrends, 
Lips, Weegad, Widsal, Lowíis, Ódeel, Oódai, Siins. Beweis dafür ist, 








ı Wenig beliebt, da zugleich als Schimpfoame gebraucht, wohl wegen des An- 
klangs an leis —= Läuse. 

? Meist zur Unterscheidung neben Mare? gebraucht, z.B. Hanasa Marei neben Hansso 
Marit für zwei Geschwister, die sich Maria und Marie Elisabeth Schneider schreiben. 


22% 


340 Wilhelm Schoof. 


daß Träger dieses Vornamens und deren Nachkommen Generationen hin- 
durch hiervon ihren Dorfnamen erhalten (Näheres hierüber in meinem 
Aufsatz: »Schwälmer Haus- und Dorfnamen«, »Hessenland« 1908, 
S. 238 ff., 256 ff., 270 ff., 288 ff). Sind mehrere mundartliche Namens- 
formen vorhanden, so werden diese mit bestimmten Unterscheidungen, 
entweder als Nennname bezw. Kosename oder als Rufname gebraucht. 
So wird man stets sagen dås es Keloš Han für Johann Heinrich Keller, 
aber rufen Hánerc, kom mål hääo! Ähnlich verhält es sich mit Hain, 
Kon, Wel, Mods, Add, Deds als Nennform im Gegensatz zu Hainar, 
Konardäd, Welam, Moorids, Aürem, Deric u. a. als Rufform, in gleicher 
Weise für die weiblichen Namen mit An, Kåt, Lis bezw. Els, Marei, 
Dren, Gred u. a. im Gegensatz zu Anadrin, Kádrey, Leisowit bezw. 
Elsawit, Maretleis, Anəkådrey, Anmargred. 

Ebenso werden verschiedene Namensformen zu Unterscheidungs- 
zwecken gebraucht, wonn derselbe Taufname in einer Familie zweimal 
vorkommt. So heiBt von zwei Brüdern, die sich George Konrad und 
Johann George Bambey schreiben, der eine Bambats Sor der andere 
Bambais Jerjo, zwei Schwestern, die sich beide Anna Katharina Knoch 
schreiben, heißen Borjəmeesdəš Kâdəriin und Borjomeesdos Anokádrez. 
Ähnlich werden Marei und Marii, Anleis und Anels, Anels und Anca, 
Mädleis und Mädca für Geschwisterpaare verwandt. Ja es kommen sogar 
Dorfnamen wie Kals Kal für einen, der sich Karl Fenner schreibt und 
dessen Vater auch Karl heiBt, vor. Da der Name Fenner in der Schwälmer 
Gegend sehr verbreitet ist, der Name Karl aber in den eigentlichen bäuer- 
lichen Kreisen ungewohnt ist, hilft man sich auf diese seltsame Weise. 


III. Neckreime auf Schwälmer Vornamen. 
(Aus dem Munde des Volkes gesammelt.) 


1,4 3. 
Häns, Häns, Häns, Hiúnsco sas am Sonsdee 
bås maxa da di gens? on wegsda seya Suu, 
sa soufa ned, sa fräsa ned doo kûm ə Seenas mätija 
sa hoo di laaıya Sweuds. on säasd sec dardsuu. 
(Hattendorf.) (Leimsfeld.) 
2. d 
Hear Hoosa Hänsco’s haus Hinosca, boo besd) daa? 
heyko hunsd hoosa raus em danəawúald, 
hunad, hoosa heylio raus bus marsdo doo? 
hear Hoosa Háänsca’s haus. feclea faro, 
(Hattendorf.) bil meesd daa? 





1 Vgl. die Variationen Nr. 18, 18a und 31. 


Schwälmer Vornamen. 341 


wik, wak, Sbeeld di kláara Serra, 
ax mey lüwar diksak. määd, dree dec rem 

(Schrecksbach.) gee in deyam Suds. 

5 (Leimsfeld.) 
Hänsal, dräwendsal d 
drää (trage) wasar ù's hous Hänas, Bänas, bodarbrood, 
das debca leefd pus sloo di kads med lomba dood, 
dam hinarlox nous. wärf so en gràâwo, 

(Schorbach.) da friso sa di rááwo, 
6. oder Hänsca, Bänsca, bodarbrood 


Häns, Bäns, dräbasesar, usw. (Obergrenzebach.) 


hosd dor müäd t's bed gosesa, 10 

leks 06 wera of, 

$megds gråd so gud. 
(Immichenhain.) 


Hegar Hanshinaë hous 

haibd Hanshinas Hanshin holds, 
hä hedsd hunad hoya 

heyer hunad hádsa hádo. 


Ga (Variation aus Obergrenzebach.) 
(Obergrenzebach.) 


Häns, Bäns, dräbaëesor, 
hosd dar müüäd ús bed gasesa, 11 
Hans Mus iara ady, Eens, dswee dräi 
di määd mus s bed ousfüäy. hika i hoka hai 
I ) I 
7 hika, hoka, häworsdroo, 
milar höd sey früä faloovn, 
| Hänsca fayd so weror, 
en höd o äbale» i dor häänd, 
od’s heisca forkööfd Penco A 
hod's gäldca forspufd. I“ 


(Immichenhain.) a 5 
ful ee mäsər oowə råb 


Hänsca foo Fax! 


Ta. ful am Hiinsca a beeca3 db. 
Hänsea foo Wiiv?, | (Holzburg.) 
sdel linsə baťs fiw, 
kdx ärwəs, küx ärwas, l 12. 
dos kán es so dito(?). Hiko, hoko, haz, 

(Obergrenzebach.) hika, hoka, duulaboo*, 

da milar höd sey frää falooon, 

8. Änca höd sa wera füy>, 
Bihor, bibar, nelca ` sas 9 deiwca uf dem dar, 
3loos(?) düs dselca had sec baul mousdood galard. ` 
Häns of dor Seira (Riebelsdorf.) 





1 Vacha, weimarisches, früher hessisches Städtchen. 

2 Wiera, Kreis Ziegenhain. 

5 Beinchen. 

* Tulipan (Muster für den Schneider boim Kittelnähen), 


342 Wilhelm Schoof. 


13. 
Hoosa Anca kwäddarlor, 
lidad daina mudar nox? 
Ja, ja, see lääwəd nox 
see laid om bed 


öö dsabald nox. (Hattendorf.) 


14. 
Ankadrin, 
les di son Sin, 
les do man on agar faaon, 
on di frää ds hous bawääon. 
(Obergrenzebach.) 


15. 
Anokádrey, bo wed ss dowol sey? 
en Álwarood em wädshaus, 
seifd so alo glesar aus, 
ged sa raus oo nent, 


wed sa 300 basofo sey. _(Berffa.) 


15a. (Variation aus Willingshausen.) 
Anskädreny, bo wed sa doo wol sey? 
: Wásabork em Greewahaus 
doo seifd sa ala glesar aus. 


15b. (Variation aus Schönborn.) 
Anakädrey, Kwädsokädren, | 
bo wed sa daa sey? | 
in Swadsabon im Greewohpus 
segfd? de gandso glesar gus 

on heyd dar aas dsum fensdar nous. 


_15c. (Variation aus Obergrenzebach.) 
Ayhkádrey, Kwidsokádrey, 
bo besda daa? 
en Rewalsdorf em Greewahpus. 
Bás maxsda doo? 
ec dreyk ala glesor gus. 

16. 
Anmargredca, dsoyarbibes, 
wais’ mor mool boo dey bedea Sdedl 


! hinein. 
' Wase, Tante. 


“ säuft. * zeige. 
8 pudeln. > Dorn. 


Sa. 


4 hinterm Ofen. 


heyam oowət lindərë håånd 
Sded mey bedcə wera dää wåånd. 
(Berffa.) 


17. 
Anmorgret, Grääsagret, 
seis dom Sefor i di het’ 
awar ned so fol 
sosd wed da Sefar dol. 
(Berffa.) 


17a. (Variation aus Immichenhain 


und Steina.) 
Leisawid, Leisowid usw. 


18. 
Maas! Anomädad, 
wuds Anamáúád, 
bis mara daa di gens? 
sò heba ned 
öö Sbreya dox 
öö hon so laaya Swends. 
(Schrecksbach.) 


(Variation aus Merzhausen.) 


see WÄSI SEC 
on puroln® sec 
on kloba med da Swends. 


19. 
Hoosə Ance on Neksa Anco 
gáya en di roos, 
eens had an don? am aas 
das anar kám gabloosa.1° 
(Steina.) 


20. 
Haisa, hobsa, fliyk dí beer 
Anels, wel's daa gáv ned gee? 
(Immichenhain.) 
° linker. € Hütte. 


1° gelaufen. TT Beine. 


Schwälmer Vornamen. 


21: 
Anmorgredeo, dspgarbibeo 
Sbeel mar mool das gaaja?, 
ban dar man boasofo es, 


do mus das Gredca Swaija. 
(Berffa.) 


22. 
Andrees Sdraweyal, 
sdrik mar roora beyal?, 
roora beyol duu mər nood, 
Andarees, dey frää es dood. 
(Berffa.) 


23. 
Basd sas om asd 
da ful dor Basd 
eyan asd en Sınarasd.? 


(Hattendorf.) 


24. 
Bods, Bods, do bääsasdiıl 
heibd* di ken: dor gádo dsu feel, 
gaav den feel es ongasond, 
Bods, du besd an Swainahond. 
(Berffa.) 


25. 
Bodalmee, 
bäüp kon hod, dä sce, 
bääv háwar hod, di rec, 
bään äbəl hod, dä brec, 
biádo beçon hod, 
dä rirald®, 
bään kwädsa hod, 
dá sirold,? (Berffa.) 
26. (Auf Jakobstag gebraucht.) 
Jookob, du dikob 
heedar® bii münarkob 
blerar bit mey Sedsdur. 


(Berffa.) 


EE 





? Bündel. 
° Weißkraut, Krautkopf. 


1 Geige. 
T schüttelt. 


5 Morast. 


343 


21. 
Hanfalibca, gai amool 
Sarlodea wel mool daandsə, 
as hod a Snitrwais hemca oo, 
heya oo fpn sat frandsoln droo. 
(Hattendorf.) 


27a. (Variation aus Immichenhain). 
Peedar, Peedor $beel omool, 
Sarlodca wel omool daandsa 
əs hod ə Sweiwais hemca 00 
heya oo fon med fraandss. 


27b. (Variation aus Holzburg.) 
Hänsca käm foo Roosbax? råb, 
hod dı kärmas nox am kåb 
had in roora bifol1% oo 
oder: 
[köd sec Swälmis oogadoo] 
hepa öö Tonn a frandsa droo. 


28. 
Kon, bon, 
sdreijol de hon, 
| fira di $badsa 
das sa bladsa. 
(Immichenhain.) 





29. 





Marii, kox di brii, 
| gúb di šbadsə 
| dis sa bladsa. 


(Hattendorf.) 


29a. (Variation aus Obergrenzebach.) 
Anamarii, 
fidar di kü, 
fidar di Sbads>, 
dis sa bladso. 


29b. (Variation aus Róllshausen.) 
Anmarii, kox di brir 
les mar besca em debca Sdit. 


6 rüttelt. 
10 Unterrock. 


* laut. $ Kinder. 
2 Ransbach, Kr. Ziegenhain. 


344 


30. 
Elsa, Belsa, Bilsabok, 
Sdop di henar eyan rok, 
sdop sa wera oowa rous 
bis nááx laayo Sneira3 hous. 
(Immichenhain.) 


30a. (Variation aus Obergrenzebach.) 


—— nn nn nme mn wgmegene 


oowa nen on epo rous 

bis nââr láúmo Sneiras hous. 
31,1 

Wüäs Barwaleis, 

Wáds Barwoleis, 

was maxa daa di gens? 

see Wisa sec, 

see puuraln sec, 

see wisaln? med da Swänds 


oder: 


Anleis, Banleis, 

bås maxo di gens? 

sa pudaln sec on wakaln med da 

Swänds. (Obergrenzebach.) 

32. 

Waäs Barwoleis, mey man es 

kraayk, 

Bas füäld əm daa? 

hä höd di jecd? 

rs Süd am necd.* 
(Obergrenzebach.) 
33.5 

Anomada duudalox, 

lääbd da deya mudor nor? 

Joo, joo, sa laid om bed 

on dsawold nox. 
(Obergrenzebach.) 
34. 

Ban ec oo mey Lisca deyk, 

hibd os ewar des öö benk, 


— 


Wilhelm Schoof. 


hopsa, Swääwa Lisca, 
hääb də fus öö dåånds ə bisca! 
(Immichenhain.) 


35. 
Konaradd, Konəräåd, šlabər- 
háávd, 


gesda pus da bon®, 


wad, ee wel's dom jääjar sää, 
sal dec gus da bon rous jääy. 
(Röllshausen.) 


35a. (Variation aus Ottrau.) 
Konarädd, Slabarbäävd, 
lád dec 1 da dooraláád”, 
wad ec wels mool werə dey fådər 
Sbräcə 
sal dec werə rous orwega. 


35b. (Variation aus Obergrenzebach.) 


Konaráád, Konaráád, šnibəl- 
bio nd, 

lääk dec en di dooraláád, 

wad, ee wels dey fádor síitiy 

sal dec wera rpusarjääy. 


36. 
Olwaroora Konaradäd* 
kom rii öö lay dar ee Sdek wosdo- 
brood, 
ar nee, ax nee, 
ec wel kee wesd, 
ec Sen foo Olwarood 
en bosd. (Schrecksbach.) 


37. (Volksrätsel.) 
Heyor insam hous 
aged mey fedor Klous, 
oona pluk on oony Sádo, _ 
wed's kee mens em dorf gawään. 
[Maulwurf.] (Rórsbeim.) 


1 Vgl. dazu Nr.18 und 18a. ? wackeln. ® Gicht. * schadet ihm nichts. 
® Vgl. dazu Nr. 13. ® Bohnen. T Sarg. * Eine in der Schwalm bekannte 
Bettlerpersönlichkeit, die viel aB. Er hieß eiventich Dobərdə Weləm (Wilhelm Buppert). 


— =- 


Wilhelm Schoof. Hessische Ortsnamen in mundartlicher Gestalt. 345 


Hessische Ortsnamen in mundartlicher Gestalt. 
Von Wilhelm Schoof. 
Der Kreis Hersfeld. 


Die hier veröffentlichten mundartlichen Ortsnamenformen beruhen 
zum größeren Teil auf unmittelbaren Angaben durch persönliches Er- 
fragen; wo dies nicht möglich war, auf mittelbaren Angaben. Mein Ge- 
währsmann ist hier Herr Lehrer Hallenberger, der Herausgeber des 
Führers von Hersfeld und Umgebung. Die urkundlichen Belege habe 
ich teils durch Einsicht in die Archivalien des Königlichen Staatsarchivs 
zu Marburg gewonnen, teils durch Benutzung der mir bereitwilligst zur 
Verfügung gestellten handschriften Zettel für das von Archivdirektor 
Dr. Reimer begonnene hessische Ortslexikon, für deren Überlassung 
ich dem Vorsitzenden der historischen Kommission für Hessen - Nassau 
zu Dank verbunden bin. Eine systematische Behandlung der Ortsnamen 
des Kreises Hersfeld erscheint gleichzeitig an anderer Stelle. 


Allendorf (in der Wüste), ma. Aladäof, auch Álodpaf, < Aldindorf (14. Jh.). 

Allmershausen, ma. Almarshúutsa, < Almirshusen 1331, Almershausen 
1367, 1438. 

Asbach, ma. Óosbâr, auch Ásbá.r, < Aspach 1222, 1334, 1587. 

Aua?, ma. 0%, < Augia 1216, Owa 1190, 1229, 1233, Zur Awe 1610. 

Ausbach, ma. Úsbic, < Uspach 1553, Aussbach 1585, Auspach 1647. 

Beyershausen, ma. Baiorshúutiso, < Beigershusen 1332, 1393, Beygers- 
husen 1362, Baiershusen 1525. ` 

Bingartes (Hof), ma. Bengäädas, auch Beygádos, << Benegarten, Ben- 
garten 1217, zu dem Biengarten 1338, Benegarten 1405, Bingart vor 
Hersfeld 1434, zum Biengartis 1485, Biengartes 1147. 

Biedebach3, ma. Bíirobax, < Bidenbach 1196, Biedenbach 1570, 1596. 

Conrode, ma. Konróod, auch Koröod und Konröors, << Conrait 1494, 
Cunrode 1610, Connrode 1647, Conrode 1747. 

Dinkelrode, ma. Diyolróora, auch Diyaróod, < villa Tynmkerod 1314, 
Dinckerodt 1585, Dinckelrode ca. 1620, Dinkelrode 1742. 

Eitra, ma. Fidor, < zu Eyter 1385, Eyter under dem Bods 1494, Eitren 
1592, Eitra 1747. 

Friedewald, ma. Friwääld, auch Fridswääld, < Fridewald 1312, Fride- 
walt 1317, Friedewald 1351, 1476, Fridtewaldt 1553, Fridewaldt 1585, 
Friedewaldt 1647. 

Friedlos, ma. Fridals, < zu denen Frytolfes 1352, zu dem Frytolfes 
1392, Frytolffis 1476, Fritolffs 1497, Fritiolfs 1571, Friedtles 1608, 
zum Friedlos 1610, Friedlofs 1620, Friedtles 1647, Friedlos 1747. 


' S. Ztschr. f.d Ma 1909, 369 ff. und. ebd. 1910, 264 ff. 
? Spottvers: cn Oö, do slääfd dar man bii dar fröö. 
> Spottruf: di Bitrabax hod mic dos beraln (Betteln) mird gamazd. 


u 


\ 


346 Wilhelm Schoof. 


Frielingen!, ma. Freeliya, < Frelingen 1585, Frülingen 1610, Frielingen 
1602, 1627, Frilingen 1747. 

Gersdorf, ma. Gärsdäsf, < Geroldesdorf ca. 1130, Geroldisdorf 1270. 

Gershausen, ma. Gärshüüss, < Gerhardishusen 1251, Gerharlshusen 
14. Jh., Gerszhausen 1647. 

Gethsemane, ma. Kéedsomie, auch Gädsamie, < das Getxmans 1610, 
Gotzemann, Goezemann 1778, im selben Jahr schon Gethsemane. In 
der Nähe die Götxemanshöhe. 

Gittersdorf, ma. Girssdäsf, < Gutwinesdorff 1371, Gutersdorf 1495, 
Guttersdorf 1523, 1534, Güttersdorf 1610, (Güetersdorf 1647, Gitters- 
dorf 1747. 

GoBmannsrode, ma. Gosamsróod, < (rossmerode 1426, 1530, Gossmann- 
rode 1505, Gossmusrode 1592, Gossmannrode vulgo Gospenrode 1747. 

Haelgans, ma. di Häüilgands, < xu Hilgans 1392, [das dorf] Maylgans 
1395, das Malgans 1485, die Hailgans 16. Jh, Halgans 1610, Hael- 
gans 1147. 

Harnrode, ma. Harnróors, < Harrenrade 1432, hof Haenrodt 1553, hof 
Harnrode 1647, Harnrodt 1747. 

Hattenbach, ma. Hádabár, < Haddenbach 1234, Hattinbach 1378. 

Heddorsdorf, ma. Hädsrsdäaf, < Hertwigesdorf 1327, Hertiwinsdorf 1392, 
Hertesdorf 1472, Haittersdorf, Hettersdorf ca. 1600, Hedersdorf 1610, 
Hedwigs- vulgo Hedersdorf 1741, Hedwigs- oder Heddersdorf (Engel- 
hard, Erdbeschreibung der hessischen Lande 1778). | 

Heenes, ma. Háúnos, < villa Heynes ca. 1340, zume Hennyss 1426, 
zu dem Heynes 1457, 1458, zum, Henes 1610, Heynes 1647. 

Heimboldshausen, ma. Huimadshúuiso, < * Haginboldishusen, Hem- 
boldishusen 1226, Heinboldishusen 1219, Heimoldeshusen 1399, Hemels- 
husen 1509, Heimelshausen 1647, Heimboldshausen 1747. 

Herfa?, ma. di Härf (in dor Härf), < Herafa 1070, villa Herfe 1335, 
Herfe 1359, Hirff 1476, Herpf oder Horpf 1553, Herffa 1647. 
Hillartshausen, ma. Milodshuuisa, < Hilderishusen 1369. Hildershusen 
1462, Hillenshusen 1480, Hillershusen 1492, Hillershausen 1558, 

Hellershausen ca. 1620, Hellertshausen 1647. 

Hilmes, ma. Helmas, < zum Hildemundes 1367, zu dem Hildemans 
1406, 1413, Hilmes 1585, 1647, Hilmis ca. 1620. 

Hilperhausen, ma. Hilborhúutso, < Hildeburgehusen 1185, Hildeborge- 
husen 1287, Hilbirgehusen, Hilbirhusen 1388, Hilburgehusen 1498, 
Hilberhausen 1610. 

Holzheim, ma. Holdsam, < Holcheim 1040. 

Kalkobes, ma. Adlkobas, < in Calchoben ca. 1200, zu Kalyobins 1339, 
au deme Calcorens ca. 1340, Aalligobins 1424, zu deme Kalgoffens 


ı Ähnlich Frielendorf (Kreis Homburg) << Frielingendorf — liberorum habitatio. 
Zeugnis für das Vorhandensein sächsischer Rechtsverhältnisse, cf. Grimm, D. R. A. 280. 
? Flurbezeichnung: in der Herpf. 


Hessische Ortsnamen in mundartlicher Gestalt. 347 


1473, Oberkalkobens gut 1496, zum Kalkobes 1530, Aalckoffes, 
Kalckofes 1610, Oberkalkobes 1611. 

Kathus, ma. Kúádor3?, < Cutens 1303, Katanes, Catenes 14. Jh., zu 
dem Kathans 1401, xum Kathus 15. 16. Jh., zcu dem Kathens 1455, 
Cattuss 1610. 

Kemmerode, ma. Käməróod, < Kemmerode 1318, Kemmenrod 1327, 
Kemmeroda 1647, Kemmrod 1747. 

Kerspenhausen, ma. Atirsbohúuiso, < Crispenhusun 1146, Crispenhusen 
1217, 1284, Atrspenhusen 1461, 1596, Kerspenhausen 1610, 1647. 
Kirchheim, ma. Aürcom, < Kirihheim 1108, Kyrcheim 1124, Kircheim 

1348, Kirchheimb 1647, Kirchheim 1747. 

Kleba, ma. Klâá, < Cleben 1361, Clebe 1363, 1421, Alaf 1592, Clebe 
1610, Cleba 1647, 1747. 

Kruspis, ma. Arusbars, auch Krusbss, < Cruspin? 1216, exu me Cruspan 
1366, zum Cruspis 1494, Cruspan 15. und 16. Jh., Crauspers 1534, 
Cruspis 1585, Gruspis ca. 1620. 

Lampertsfeld, ma. Lambadsfäld , < Lempersfelt 1313, Lemphersfeld 1327, 
Lampertsfeld 1585, 1647. 

Landershausen, ma. Liándorshúuso, < Lantershusen 1494, Lanters- 
hausen 1585, 1747. 

Lautenhausen, ma. Ledohúusa, < Ludenhusin 1279, Lutenhusen 1329, 
1438, Ludenhausen 1553, Luittenhausen 1585, Laultenhausen 1647. 

Leimbach, ma. Laimbic, < Leynbach 1358, Leymbach 1438, hof Leim- 
bach 1647. 

Lengers, ma. Leyos, — Lenderichs 1432, zu dem Lengeriche 1434, 1481. 

Malkomes, ma. Madallomos, < zu Malkandis 1340, Malyans 1404, Malcl- 
mus 1493, zum Alckmass 1532, Malkans 15. Jh., Malekmes 1610, 
Melchkmes ca. 1620. 

Meckbach, ma. Mägbar, < Mekebach 1252, Meekbach 1538, 1627. 

Mecklar, ma. Mägslääv, < Mekelar 1252, Meckelar 1305, Meglar 1370, 
Meckel 1483, Meckelahr 1620, Mecklahr 1627. 

Mengshausen, ma. Miinshúuiso, < Megingoshúsen 1070, Meingozeshusen 
1231, Meingoxhusen 1292, Mengishusen 1384, 1426, 1453, Menges- 
husen 1521, Mengshausen 1647. 

Motzfeld, ma. Mudsfäld, < Mutesfelt (brev. St. Lulli), Mutxfelt 1394, 
1558, Moltesfelt 1416, Mutsfelt 1585, Motsfelt 1647. 

Niederaula, ma. Eyanöüwal, < Oulaha “18, Owtilaha ca 1120, Oila 
1182, Eula ca. 1340, Neder Owla 1365, 1393, 1422, 1434, Nidyrn- 
aula 1400, Niederaula 1496. 

Niederjossa, ma. Eyanjós, < Jasaffa 1066. 








1 nax dəm Kadors = nach Kathus, us dam Kadors, us dam Kaados = von 
Kathus. 
? Gernotus de Cruspin laicus. Hersf. Orig. - Urk. 


348 Wilhelm Schoof. Hessische Ortsnamen in mundartlicher Gestalt. 


Obergeis, ma. Ewongées, < Geisaha! 1142, 1183, 1194, Geisa 1242, 
Geysa 1505, Ober Geisa 1610, Obergeyss 1647. 

Oberhaun, ma. Ewarhuu, < Obernhune 1230, 1359, Obernhuna 1559. 

Oberlengsfeld, ma. Oowerläänssld, < Lengesfelt 12. Jh., Lengisfeld 1402, 
Oberlengsfeld 1404. 

Petersberg, ma. Peedorsbääak, < in monte St. Petri 1182, Petersberg 
1610. 

Ransbach, ma. Ránsbic, < Ranspach 1254, Ramispach 1219, 1330, 
Ranspach 1585, Ransbach ca. 1620. 

Reckerode, ma. Regad, < Reckerode 1362, Rekenrode 1505, Reckerodt 
1530, Reekrodt 1560, 1647. 

Reilos, ma. Rails, < zum Reyles 1347, xu Reyls 1388, xum Reyels 
1519, Reyles 1519, zum Reilos 1610, Reylos 18. Jh. 

Reimboldshausen, ma Remoalshüüss, < Reimboldeshusen? 1261, villa 
Reimboldshusen ca. 1340, Rymmelshausen 1530, Reimboldshusen 1610. 

Röhringshof, ma. Reerteshóof, < zum Röres 1592, Röhres 1610, der 
hof Rhöres oder Röhres 1647, Röhrig 1747. 

Rohrbach, ma. Róorabur, < Rorbach 1182, 1215, in dem Rorbache 1403, 
Rohrbach 1627. 

Roßbach, ma. Rösbar, < Rosbach 1364, Rossbach 1610. 

Rotensee, ma. Roorasée, < Niddern Rotensehen, Obirnrotensehen 1385, 
Rotensehe ca. 1340, Niddern Roidenschin 1494, Rottensee 1531, Roten- 
sehe 1564, Rothensee 18. Jh. 

Rotterterode, ma. Rodordoröod, auch Itodoröod, << Rutharderode 1317, 
Rotharterode ca. 1340. Rotterderode 1536, Rotterdenrodt 1610, Rotterdt- 
rodt 1647, Rotterterode 18. Jh. 

Schenklengsfeld, ma. Läänsold, < Leugisfelt under Landecke 1426, 
Lengsfelt 1585. 

Sehenksolz, ma. Süyksólds, < Sulxaha 960. 

Siegles, ma. Sigols, < zu dem Sigklos 1390, zu dem Sigkelins 1399, 
zum Sickels 1494, Siglis 1559, Sickles 1608, 1610, Szeglos 1747. 
Siegwinden, ma. Sithrwiyso, meist uf də kup (nach der Lage im hohen 

Walde), < Zikkenwinden, Sichenwinden 1357, 1370. 

Solms, ma. Solmos, -< Salmmannes 1290, Salmannes 1335, 1336, Sal- 
mans? 1335, 1365, zu deme Salmans 1374, zum Salmans 1438, zum 
Salmus 1490, Salmis 1494, 1574, Sollms 1747. 

Solzer Höfe, ma. Seldsarhööf, < im Sulza tale 1312, villa inferius 
Sulza 1313, Sulza 1314, 1397, 1404, Niedersultz 1592, Niedern Soltx 
1574, Neder Sol: 1579, 1610, die Neder Saltzer Höfe 1747. 

1 de Geïsaha Dietderieus 1142 (erst Urk). — Meginwart de Geisaha 1183. 

Beide Hersfelder Ministerialen. 


? Ludewicus de Rerimboldeshusen miles 1261. 
7 Bertold de Salmans 1335. 


Oskar Weise. Die Konjunktion »unde im Gebrauche der Mundarten. 349 


Sorga, ma. (di) Sor, in dar Sorc, in di Sorja, < xu .Neuen Sorge 1526, 
zu Sorga 1533, [höfe] zur Sorge [hinter dem Petersberg] 1533, New 
Sorg 1592, Sorge 1610, Sorga 1717. 

Stärklos, ma. Sdääakols, auch Sdäksls, < Starkolves 1295, zum Star- 
kolfes 1327, zu Starkolfis 1369, Starckles 1620, Stärklos 1747. 

Tann, ma. (de) Dan, in der Dan, in di Dan, < au Than 1538, 1627, 
Thanne 1585, der Tannen (Gen.) 1403. 

Untergeis, ma. Eyangées, < Underngeisa 1610. 5. o. Obergeis. 

Unterhaun, ma. Eyonhúu, < Hunahe 1217, Niedern Huna 1230, Nie- 
dern Hun 1400, zu Untern Huna 1409, Niedernhaun 1499, Nieder- 
haun 1610, Unterhaun 1747. 

Unterneurode, ma. Eyannoiröod, < hof Naurodt 1553. 

Unterweisenborn, ma. Eyanwisabön, < Wyzenburen 1317, Wissinborn 
1411, niedern Wissinborn 1413, Niederwerssenborn ca. 1620. 

Wehrshausen, ma. Weeoshúutso, < Werichshusen 1371, Weringeshusen 
1491, Wershausen 1585, 1647, 1747. 

Widdershausen, ma. Widarshúutsa, < Wideroldeshusen 1431, Witters- 
hausen 1553, Widdershausen 1585, 1647, 1747. 

Willingshain, ma. Wiliysháá”, < Willingsheín 1610, Willingshagen 1747. 

Wippershain, ma. Wiborshiá, auch Wiborsháa, < Wyprechleshain 1317, 
Wippershain 1559. 

Wolfershausen, ma. Wilforshúutso, < Wolfirshusen 1414, Wulffershusen 
1432, Wolffershausen 1553, 1585, Wölffershausen 1647. 

Wüstfeld, ma. Wiisdfäld, < Wostenfelde 1340, Wustuelt 1585, Wüst- 
feldt 1610, 1647, Wessfeld 1736. 


Die Konjunktion »und< im Gebrauche der Mundarten. 
Von Oskar Weise. 


Von den beiordnenden Bindewörtern erscheint »und« in den deut- 
schen Mundarten am häufigsten, mag es sich nun um die Verknüpfung 
von Satzteilen oder ganzen Sätzen handeln; und zwar begegnet es uns 
nicht bloß in den gewöhnlichen schriftsprachlichen Fügungen, sondern 
auch in zahlreichen anderen, die wir ausschließlich oder fast ausschließ- 
lich in den Mundarten antreffen oder wenigstens da viel häufiger finden 
als im Schriftdeutsch. | 


I. Verknüpfung einzelner Wörter durch »und«. 


Der volkstümlichen Rede ist eine große Vorliebe für Verbindung 
gleicher, bedeutungsverwandter oder dem Sinne nach einander entgegen- 


350 Oskar Weise. 


gesetzter Begriffe eigentümlich. Unendlich oft kann man aus dem Volks- 
munde hören oder in populären Schriften lesen: 

er lief und lief, er kam und kam nicht, ich wartete und wartete 
und wartete, immer und immer wieder, schneller und immer schneller. 
halb und halb, um und um, über und über, bayrisch her und her, hin 
und hin, auf und auf, ein und em; 

Ach und Krach, Saus und Braus, Lug und Trug, Kopf und 
Kragen, Gift und Galle, Feuer und Flamme, angst und bange, toll und voll; 

hin und wider, essen und trinken, hören und sehen, Rat und Tut, 
Kind und Kegel, heiß und kalt, ndd. op un nidder, rüt un rin; 

der und bezahlen! ich und heiraten! 

Allerdings wird das wortverknüpfende »und« in den Mundarten 
vielfach verstümmelt, derart, daß mitunter bloß ein kurzes e übrig bleibt, 
in dem man kaum noch das ursprüngliche »und« wiedererkennt. So 
sagt man in manchen Gegenden, z. B. im östlichen Mitteldeutschland, 
angstebang für angst und bange, hinnewedder für hin und wider, ganzegar 
für ganz und gar, klippeklar für klipp und klar, anderswo hat sich das n 
noch erhalten, so daß hier aus und »en« geworden ist, das wie eine 
Endung des ersten Bestandteils der Zusammenrückung erscheint; z. B. in 
Käsenbrot (D.W.V, 256, O. Meisinger, Wörterb. der Rappenauer Mundart, 
S. 222), Musenbrot (Mus und Brot, hessisch), Ebbenflut (D.W. a. a. O., 
wo auch andere Beispiele angeführt werden).! 

Nach solchen Mustern hat sich aus Mißverständnis der Übergangslaute 
ein »und« eingedrängt an Stellen, wo es eigentlich nicht hingehört. So sagt 
man in Neuvorpommern, z. B. in Greifswald, für Sassefraß (oder Sassefraß) 
Saß und Fraß?, so wird im Vogtlande aus successive (sukzessive) zunächst 
suckesiefe und dann suck und siefe® Ähnlich formt man elsässisch pour 
passer le temps um in wf Bossel und Dank. Aber auch echt deutsche Aus- 
drücke werden in gleicher Weise behandelt, z. B. wird aus haarklein im 
Elsässischen haar und klein, aus grundgenau im Vogtländischen grund und 
genau, aus Fickmühle im Alemannischen Fick und Mühle (z. B. Figg un 
Müle ha = gewonnenes Spiel haben), während man im Mecklenburgischen 
aus der Endung »end« des Partizips der Gegenwart »und« gestaltet in 
der Verbindung vor Tau und Tag (vör dou end dag, oft bei Reuter = 
altmecklenburgisch vor douwendem dage, vor tauendem Tage)’. 


1 Dagegen ist ursprüngliches »und« ganz geschwunden in Zusammenrückungen 
sinnverwandter Ausdrücke wie queitledig (rheinisch), krummbucklig (altenburgisch), kell- 
lichte (thüringisch), Aherßgrätig (schwäbisch = reizbar), strammbulstrig (ndd. = wider- 
spenstig), huckeluren (moselfränkisch = kucken und lauern), grinlachen (rheinfränkisch 
— greinen und lachen) usw. 

? Vgl. Brandenburgia, XIII. Jahrg. von 1905 n.° 11, S. 385. 

8 Vgl. C. Müller in Kluges Zeitschr. f. d. Wortforsch. VI, S. 380. 

4 Vgl. OÖ. v. Greyerz, Deutsche Sprachschule für Berner, 1904, S. 191. Schon 
bei Frisch wird die Wendung die Fickmühle haben erklärt mit duplici spe uti. 

5 Vgl. Nerger, Gramm. d. mecklenburg. Mundart, $ 157; Lierow, Zur Syntax d. 
Verb. in d. mecklenburg. Mundart, Oschatzer Progr. 1904, 8. 10A. Ähnliche Fälle von 


Die Konjunktion »und« im Gebrauche der Mundarten. 351 


Auffällig und noch unerklärt ist ein und, das sich im Thüringischen 
(z. B. in Rudolstadt) vor Komparativen hinter dem Adverbium immer 
einzustellen pflegt!, so in: es wird immer und schlechter, sie sind immer 
und größer geworden. Es hat den Anschein, als ob das Volk »inmer« 
auch für einen Komparativ gehalten und mit dem folgenden Komparativ 
durch und verknüpft hätte; man müßte denn an Unterdrückung eines 
Komparativs denken und annehmen, immer und schlechter sei soviel als 
immer schlechter und schlechter. 

Wesentlich einfacher dagegen liegt die Sache bei »und das«, was 
dem lateinischen et id, idque, atque id und dem schriftsprachlichen »und 
zwar« entspricht, z.+B. in den Fügungen er hat einen Klaps und das 
einen gehörigen oder ich komme sicher nach Berlin und das in aller 
Kürze. So sagt man z. B. im Altenburgischen, aber auch anderswo.? 

Aus Mißverständnis einer dänischen Ausdrucksweise erklärt sich 
der Gebrauch von »und« in Nordschleswig, z. B. in Flensburg, an Stelle 
von zu. Da at im Dänischen beide Bedeutungen hat, so ist es begreiflich, 
daß man dort zu Lande sagt: es ist nicht angenehm und fahren bei 
dieser Hitze (= zu fahren) oder es ist heute schön und spazieren gehn. 

Ferner ist zu beachten, daß die Mundarten im allgemeinen bei 
Aufzählungen nicht lieben, Begriffe unverbunden aneinanderzureihen, 
sondern gern von der Figur des Polysyndeton Gebrauch machen. So 
findet sich, um einige Beispiele aus dem Altenburgischen zu nennen, 
in den Bändchen von Sporgel »Noch Feierohmds« I, S.41: Se thoten 
sich an sein Aarbiern (Erdbeeren) «n Hembiern un Gehonnsbiern un 
Schtochelbiern un Appeln un Barn un Pflaum, un wos sist grode noch 
reif wor, e Gietchen. IV, 29: Schinken un Warschte un annere Frasse- 
rein. 11, S.27: Dar hotte ene Schwaster, e hibsches un e gutes un e 
freindljes Meedchen. (Vgl. auch Rosegger, Waldschulmeister S. 111: durch 
Gestrúpp und Gesträuch und Geróll- und Zirmgefilze, sowie Sütterlin, 
Uber Sprache und Stil in Roseggers Waldschulmeister in der Zeitschr. 
f. d. Mundarten 1906, S. 99f.). | 

Dagegen ist das Asyndeton viel seltener und wird namentlich ge- 
braucht, wenn die Erregung gemalt werden soll, z. B. bei Wiederholung 
desselben Wortes (guck! guck!, horch! horch!) oder bei volkstümlichen 


tv did dvoiv werden aus der volkstümlichen Literatur verzeichnet in der Zeitschr. d. 
allg. deutsch. Sprachver. XIV, S. 11 A. (sie prügelten den Edelmann blitz und blau) und 
in Lyons Zeitschr. f. d. d. Unterr. 1897, 8. 660 (Lauf und Paß = Laufpaß, Hals und 
Band = Malsband). In altenburgisch etwas dick und sait haben = einer Sache sebr 
überdrüssig sein war dick ursprünglich Adverb — sehr, wie noch ganz gewöhnlich im 
Mhd., aber jetzt kann man auch sagen »etwas dick haben« im Sinne von »etwas satt 
haben«. 

! Regel, Die Ruhlaer Mundart, S. 181f., erklärt dio Erscheinung anders. 

2 Der Rede des Volks sind auch Wendungen eigentümlich wie: na und ob, na 
und wie (als Antwort auf Fragen wie: Bist du durstig?) oder na und? (womit man zur 
Fortsetzung einer Mitteilung drängt), ich habe Hunger und was für welchen (= und 
zwar sehr großen). 


352 Oskar Weise. 


Fragen zum Ausdruck der Schnelligkeit einer Handlung (was hast du? 
was kannst du? u.ä). Dagegen scheinen Fügungen wie: hon ems Assa, 
Trenka gruß Verlanga (Firmenichs Völkerstimmen II, S. 357: A Kermes- 
gesangla aus der Grafschaft Glatz) oder brauch i nicks as Pulver, Blei 
(ebenda S. 672, Gemsjägerlied aus dem Zillertal) oder er cha Chübeli, 
Bräntli (tragbare Milchgefäße) mache (S. 603, Kühreihen aus dem schweize- 
rischen Entlibuch), die sich in Gedichten finden, mehr einem Notbehelfe 
des Dichters als dem Genius der Mundart entsprungen zu sein.! 


II. Anreihung mit »und« anstatt eines Infinitivs. 


Eine andere mundartliche Gebrauchsweise des und besteht darin, 
daß es Satzteile, die im Infinitiv stehen, also untergeordnet werden 
müßten, beiordnend anreiht. Diese Fügung ist weit verbreitet und hat 
sich auch vereinzelt in die Schriftsprache eingeschlichen, ja wir beob- 
achten sie auch in außerdeutschen Mundarten, z. B. im Neugriechischen.? 
Niederdeutsche Beispiele dafür gibt Eduard Damköhler aus der Mundart 
von Cattenstedt bei Blankenburg am Harz im Jahrbuch des Vereins für 
niederd. Sprachforschung, Jahrg. 1908 (XXXIV), S. 42ff., Belege aus 
hochdeutschem Sprachgebiete Otto Behaghel in der Zeitschrift f. deutsche 
Wortforschung VI, S. 336 ff. und Jos. Schiepek, Satzbau der Egerländer 
Mundart, S. 193£., Oskar Weise, Syntax der Altenburger Mundart, S. 131 
und Theod. Matthias, Sprachleben und Sprachschäden, 3. Aufl. S. 336. 
Die Erscheinung findet sich bei Abhängigkeit von Verben, Adjektiven und 
Adverbien, sowie von Substantiven, die einer Ergänzung DD sind. 

So heißt es a) nach Verben: 

harzisch: hei schüt (scheut) sek un wil nich hen gân (= er scheut 
sich hinzugehn); altenburgisch: ’s fangt oon un reent (= es fängt an zu 
regnen), wenn du dich unnerstehst un liegst, sullste sah, wos possiert 
(== unterstehst zu lügen), ich waar mich wuhl hiete un mein Noom ver- 
roote (= hüten, meinen Namen zu verraten, Noch Feierohmds II, S. 38), 
dar läßt sich dorch’n darbsten Reen nich obhalle un gieht sein Vergniegen 
nooch (ebenda IV, S. 62); egerländisch: i wie mi höide un wie gehn; 
schlesisch: ar sull ok ni vergassen un racht viele Grüße ausrichte.3 Be- 
sonders häufig erscheint diese Parataxe beim Imperativ, z. B. altenburgisch: 
Probiersch nor un greif mich oon, riskiersch nor un loof wag, unnersteh 


! Dasselbe gilt von Stellen wie Reuter, Läuschen un Riemels I, 137: Durch 
Striegeln, Straken ward't en Pird; 11, 106: von Haken, Pläugen minentwegent; II, 76: 
Doch du móst immer zaustern, snacken; Reise nah Belligen 27: un kannst hir sitten, 
Müggen gripen; vgl. Hebel, Alemann. Ged. S. 39, 119 (Der Karfunkel). 

” Belege für die Erscheinung werden gegeben in den Neuen Jahrbüchern für das 
klassische Altertum 1908, S. 500, literarische deutsche seit ahd. Zeit von Behaghel. 
a. a. O., z. B. Otfried III, 8, 8, Parzival 226, 23 (ein knappe des geruochte und vragte 
in, waz er suochte). 

3 Vgl. auch altenburgisch: dar bringt's fart'g und schreit wie e Lewe; nimm dich 
in Ocht un trink nich ze fix. 


< 


Die Konjunktion »und«e im Gebrauche der Mundarten. 353 


dichs un klatter uf dan Boom, moch un zieh dich oon, gih un hol, 
kumm un schreib dein Brief, kum mir nich un wull asse; egerlándisch: 
versouch’s un schötß, vergiß niet un bring mer. Auch nach »so« tritt 
dieselbe Wortfügung auf, z. B. harzisch: waa kanste man sauwat maaken 
un dän Acker keepen; 


b) nach Adjektiven, wie es scheint, nur wenn sie mit »so« oder 
»genug« verbunden sind: 

altenburgisch: Ich war suu eefälg (einfältig) un gung mit (= mit- 
zugehn); harzisch: dar is sau dumm un seggt dat; egerländisch: Saa sue 
gout und komm; hessisch: sein Se so frei un kumme Se bald. Wie nach 
so, so auch nach genug, z. B. harzisch: da is dumm enaug un deut sauwat. ` 


c) nach Substantiven: 

altenburgisch: ar mochte sich dan Spooß un fuhr wag; schlesisch: 
Tuun Se mir den Gefalln un bleiben Se ganz ruhig; es wär am besten, 
der liebe Gott thät e Eisahn han und nähm uns von der Welt (beide 
Sätze aus Hauptmanns Webern); hessisch bei Niebergall: der is im stande 
un leegt de Stiwwelknecht in die Dischschubloht; harzisch: wenn de 
Lust host un medde speelen wett, wenne Korasche harre un hinjinge. 

Eine Erklärung der Erscheinung bietet Behaghel am angeführten 
Orte. Man wird mit ihm von Stellen ausgehen müssen, in denen die 
erste Hälfte des zusammengezogenen Satzes für sich schon einen abge- 
schlossenen Sinn gibt, so daß die Ergänzung durch den Infinitiv über- 
flüssig erscheint und nur der Deutlichkeit wegen noch hinzugefügt wird, 
z. B. bei Halbe, Strom S. 28: Wärst du zu mir gekommen und hätlest 
dein Herz erleichtert oder ebenda S. 69: Hätte ich hineingehen sollen 
und ihn anzeigen? Von da ist kein großer Sprung zu Fügungen wie 
er scheut sich und will nicht hingehen oder versuchs und schief! Zu 
beachten ist aber, daß diese Ausdrucksweise nicht vorkommt bei den 
Verben, die den reinen Infinitiv (ohne zu) zu sich nehmen, also bei 
können, müssen, sollen, wollen, dürfen, mögen usw., ferner daß sie bei 
den mit dem Gerundium (= Infinitiv mit zu) verbundenen nur dann 
eintritt, wenn das Subjekt dasselbe bleibt, also nicht bei ermahnen, bitten, 
befehlen u.a. Bei gewissen Verben wie hoffen, wissen, verstehen, wünschen 
u. a. ist mir kein derartiges Beispiel bekannt.! 


III. Beiordnung mit »unde« statt Unterordnung durch einen 
Nebensatz. 


So können auch beigeordnete und mit »und« verknüpfte Hauptsätze 
die Stelle verschiedener Arten von Nebensätzen in der mundartlichen 
Ausdrucksweise ersetzen. 


1 Beifügung mit und anstatt einer Partizipialkonstruktion liegt z. B. vor in dem 
Satze: er stand da und hatte die Arme ineinandergeschlungen — er stand da, die Arme 
ineinandergeschlungen, statt eines Infinitivs mit ohne zu: er kam in die Stube und sagte 
kein Wort = ohne ein Wort zu sagen. 


Zeitschrift für Deutsche Mundarten. VI. 93 


354 Oskar Weise. 


1. Relativsátze: bayrisch: Is emal e Weber gewesen un der hat 
drei Töchter gehabt (Schwäbl, Die altbayrische Mundart, S. 97 = welcher 
gehabt hat); mecklenburgisch: Dortau kamm nu noch de säbenjöhrige 
Krieg un de olle Fritz kloppte den mecklenbörgischen Mehlbudel ut 
(Reuter, Dorchläuchting 1, 23 = in welchem). 

2. Folgesätze: altenburgisch: S’ wor e schiener Wenter un bitter 
kalt un mer wor fruh, wemmer hengern worm Ufen sitze kohn (konnte; 
Sporgel, Noh Feierohmds I, S. 43). 

3. Absichtssätze: altenburgisch: De Mutter kimmt, wie se das Ge- 
lometiere hiert, aus der Kiche gerannt un will sah, wos ehr Jongchen 
eejentlich hot (ebenda II, S. 32 = damit sie sieht, um zu sehn). 

4. Einräumungssätze: altenburgisch: Korlchen heilt un schreit Zeter- 
mord «un ’s is doch kee Mensch in der Stobe, darn wos thu kohn 
(ebenda II, S. 32 = obwohl niemand in der Stube ist); Millersch Iwon 
wor in de Gohre gekumm un immer noch e Jonggeselle (ebenda V, S. 78: 
obwohl er in die Jahre gekommen war); erzgebirgisch: Dai Mutter braucht 
den Zwern un du trittst dorhaar (obwohl deine Mutter den Zwirn braucht, 
stellst du dich hierher und bringst ihn ihr nicht; vgl. O. Böttger, Satzbau 
der erzgebirgischen Mundart, S. 137). 

5. Adversativsätze: altenburgisch: Ihr looft draußen rim un ¿ch muf 
hinne in der Stobe sitze (während ich sitzen muß); er hot seit dar Zeit 
kee Starmswartchen mit mir geredt un ?rscht simmer de besten Freinde 
vun der Walt gewast (während ....). 

6. Begründungssätze: altenburgisch: ’S Kichenfanster schtieht uf 
un do sahn se de ganze Beschiernge (Noch Feierohmds IV, S. 34 = weil 
das Küchenfenster aufsteht). 

7. Zeitsätze: erzgebirgisch: ich war hait ganz allää un roi kaam 
der alle B. ze Besuch (Böttger, a. a. O. S. 136); mecklenburgisch: De 
beeden Burmeister un de vier Ratsherrn kemen, un Dorchläuchten sid 
ehr sine sonderbore Intention (Reuter, Dorchläuchting 1, S.20 = als sie 
kamen). 

8. Bedingungssätze: altenburgisch: Du gibst mer’sch Gald un ¿ch 
fohr noch Berlin (= wenn du mir das Geld zur Reise gibst). 

Und wie die kindliche Rede die aus lauter Hauptsätzen bestehende 
Erzählung so gestaltet; daß die einzelnen Gedanken meist mit »und« 
verbunden werden, so liebt auch das Volk und die volkstümliche Literatur 
die gleiche Satzverbindung; z. B. schreibt Reuter, Dörchläuchting 1, S. 25: 
Un als dat Johr üm was, dunn was de Paleh halw farig un in dat negste 
Johr würde dat dreiviertel farig un dunn verpust'ten wi uns twei Johr 
von de äwerminschliche Anstrengung un de Kosten un in den Harwst 
von dat föwte Johr stunn’t fix un farig dor un de Buren ut de Üm- 
gegend un männig Penzliner un Stargarder Börger kamm nah Bramborg 
un bekek sik de Sak wan ok dit bröchte hellschen vel Geld in de Stadt; 
ebenso heißt es altenburgisch bei Sporgel, Noch Feierohmds I, S. 44: 
De Kenger worn. ufgestanden ( = als sie aufgestanden waren) vn wuschen 


\ 


Die Konjunktion »und« im Gebrauche der Mundarten. 355 


ehre verschlofnen Oogen aus un batten (beteten) ehre Spriche un Ge- 
sangbuchsvarsche noch emol har; ebenda I, S. 43: Der Harre nohmb en 
Knittel un mochte's dan Hollunken uf sein Buckel klor, wie veel's ge- 
schlohn hatte, un' wor wuhl e wängchen marre (mehr) wie zwelfe; oder 
IV, 47: Be Kriebsch song un sprong ur lochte Liese im Hause un in 
Hufe rim +n Onne (Anna), de GruBmaad (GroBmagd), blinzelte ehr eemol 
iwersch annere verstuln zu un Kriebsch Socher (Zacharias Kriebsch) 
lochte seine Seffe (Sophie) on un drim bei Heetsch worsch nich annersch. 
— So bevorzugen viele Mundarten auch »nicht .. und nicht« vor »weder 

. nochs, was z. B. im Altenburgischen ganz unbekannt ist. Daher heißt 
es altenburgisch: er soot nich meff un nich beff (= er sagt weder meff 
noch beff = er sagt kein Wort). 


IV. Überflüssig erscheinendes »und« an der Spitze von 
Hauptsätzen. 


In seiner Vorliebe für »und« verwendet es das Volk häufig an 
Stellen, wo es uns überflüssig erscheint, weil entweder ein Bindewort 
gar nicht nötig ist oder schon ein anderes vorliegt. In beiden Fällen 
dient »und« dazu, die Zusammengehörigkeit der Sätze deutlich zu kenn- 
zeichnen. Vor anderen Konjunktionen steht es z. B. im Erzgebirgischen: 
ich mach de Kliiß (Klöße) racht locker, un doo (= da) ißt se mai Maa 
suu gern (Böttger, a. a. O. S. 136), ich hate schii dort hingelegt un ower 
(= aber) er nohms wag (ebenda S. 137); ebenso chemnitzisch: Ich wolt 
fort, un ower ich konnte net (Lyons Zeitschr. f. d. deutschen Unterr. 1910, 
S. 54); vor einem Fragewort statt »denn« oder an Stelle eines Asyndetons 
egerländisch: geschicht nen scho recht, un wos rouht e niet! (Schiepek, 
a. a. O. S. 42) oder niederösterreichisch: Soo mar (sag mir), und wia bist 
dan .. (vgl. Nagl, Roanad S. 176 zu V. 216); vgl. egerlándisch: dau fürcht 
ich mi niet, un is Tog oda is Nacht (= mag Tag oder Nacht sein: doppel- 
gliedriger Konzessivsatz in Frageform, Schiepek a. a. O.). 

Anders liegt der Fall, wenn an einen Aussagesatz ein Begehrungs- 
satz angefügt wird, z. B.: Dr Voda laßt schäi bitten un Sie mächten niet 
veriewil nemmen (Schiepek a. a. O.); Dr Vaatr schickt riiwer un Se 
mechten uns emol Gald wachseln (Böttger, Satzbau der erzgebirgischen 
Mundart, S. 144); ebenso altenburgisch (vgl. meine Syntax der Alten- 
burger Mundart, S. 131), mainzisch (vgl. Ph. Reis in Pauls und Braunes 
Beiträgen XVIII, S. 510) und baselstädtisch (vgl. Binz, Zur Syntax der 
Baselstädtischen Mundart, § 139, 1d). 

Ferner wird »und« gebraucht an der Spitze eines Hauptsatzes, dem 
cin Nebensatz vorausgeht. Dies geschieht z. B. im Nordböhmischen: 
Wenn se wella, und do gii ich mit (was nach Knothe, Die schlesische 


1 Anders verhält es sich mit Sätzen wie altenburgisch: De Tiere ging uf und war 
kohm rei? mei August. Hier ist die Satzverknüpfung nicht entbehrlich, da der Frage- 
satz die Stelle eines Aussagesatzes in der Form sund mein August kam rein: vertritt. 


23* 


35 Oskar Weise. 

Mundart in Nordböbmen in der Schrift : Das Riesenzebirge in Wert und 
Bild. Jahrg. 1555. S. 21. dort sehr gebräuchiich und weit verbreitet isti: 
ferner: Wäi (wie) haicha da Turn. vn wäi schanna iss Giänt ije höher 
der Turm. um >o schöner ist das Geläut: egerländisch nach Schiepek. 
Satzbau der Egeriänder Mundart. S. 65): oft findet sich dieses ` opd, im 
Volksliede, so witt du `s et anderst han. Schatz. und so scheid i dann 
(schwäbisch nach Mörike in Frommanns Deutschen Mundarten. Bd. I. 
S. 291): wer’s glauben thut, und der ist nicht hier (vgl. Lyons Zeitschr. 
f. d. deutsch. Unterricht X. S. 666), und wenn gleich alle Donner brausen 
und alle Unrlück-stürme sausen. ud so vertrau ich meinem Gott (bei 
Sohnrey, Hütte und Schlobß;.! 


V. Überflüssig erscheinendes -und: an der Spitze von 
Nebensätzen. 


Sehr oft wird im älteren Neuhochdeutsch ein »und« an Konjunk- 
tionen wie »nachdem:, .ehe-, :sobald . .dieweil:, :so oft-, .daB- usw. 
angefügt, z. B. nachdem und ich es gehört habe, postquam audivi (Maaler, 
S. 296d), dieweil und ich diese Dinge schreib (Aventin 1+4a).? Jetzt ist 
dies weit seltener, findet sich aber bei Relativsätzen im Bayrischen: Wer 
und de well (wer da will), ebenso nach wie, wo, was u. a. Wörtern (vgl. 
Schmeller, Bayrisches Wörterbuch I? S. 103), ferner nach Konjunktionen 
im Schlesischen (vgl. unten Abschnitt VI). Ebenso erscheint »und: vor 
dem Relativ oder den Konjunktionen, mit denen der Nebensatz beginnt, 
2. B. bavrisch: Was nützt mi a Ringl un dees i net trag (= welches ich 
nicht trage; vgl. Frommanns Deutsche Mundarten III, S. 172), eger- 
ländisch: Wos nutzt ma(r) a Ringl, un wenn ih's niat trog? wos nutzt 
ma(r) a Mauidl, un döf ih niat mog (Schiepek, a. a. O. S. 43). So auch 
häufig in anderen Volksliedern. wofür K. Reuschel, Volkskundliche Streif- 
züge, 8. 129, Beispiele gesammelt hat: Die erste Stufe, und die er stieg 
(Hoffmann n® 89)3, am letzten, und da ich bei dir war (Uhland n° 152), 
sie gingen in den Garten, und da der Schreiber saß (Uhland n* 112), 
die erste Blume, und die er trug, die brach des Königs Tochter (Uhland 
n® 99). Allgemein steht -und vor der konditionalen Konjunktion wenn, 
um dem Satze konzessiven Sinn zu geben, also »un wenn« = auch wenn, 
selbst wenn, z. B. ich koofs, un wenn’s en Tholer kust’t (vgl. meine 
Syntax der Altenburger Mundart, S. 131, O. Meisinger, Wörterbuch der 
Rappenauer Mundart, S. 222 u. a). 


' Wie hier, so wird auch sonst vielfach in Volksliedern eine Strophe, oft gleich 
die erste, mit sunde begonnen, z. B. Uhland n? 113: Und euer Schlafbuhl bin ich nicht; 
so auch in dem bekannten Studentenliede: » Und in Jene lebt sichs benee. 

2 Weitere Beispiele bei J. Kehrein, Grammatik der deutsch. Sprache des 15.—1%. 
Jahrh. III, $ 333, S. 159. 

® Belege aus Nettelbecks Schriften in Lyons Zeitschr. f. d. deutsch. Unterr. 1907 
S. 445. 


Die Konjunktion »und« im Gebrauche der Mundarten. 357 


VI. Überflüssig erscheinendes »und« mitten in Nebensätzen. 


Eigentümlich ist der Gebrauch des »und« im Schlesischen. Zu- 
nächst wird es hier in der Weise verwendet, daß es unmittelbar hinter 
die Konjunktion tritt (vgl. Abschnitt V), z. B. denn wenn und de Nieder- 
trechtigkeit reßt underm Vieche ei, wie sol do under a Menschen Friede 
sein? (H. Bauch, Quietschvergnügt, 2. Aufl., S. 39); wenn und du wärscht 
am Leben (Philo vom Walde, Sonntagskinder S. 196); wenn ooch und 
is koan unmüglich 'n Gutschmecke sein, do roocht a doch feste weg 
(Bauch, a. a. O. S. 3); bis dof? und dar Hallunke wár zum Durfe naus 
(ebenda S. 28). 

Doch kann dieses »und« im Schlesischen auch an anderen Stellen 
des Nebensatzes stehen, so hinter dem Subjekte: 

1. Ohne Wiederholung des Subjekts. 

Wenn unsere Fabrikanten un wären gute Menschen, da würden 
ooch für nuns keene schlechten Zeiten (G. Hauptmann, Weber, S. 38). Ich 
werd dir die Finger abwischen, daß nich irgend das Garn un fettig wird 
(ebenda S. 96). A (der Kuchen) woar gutt geroaten, oder (= aber) wie 
die Froo und trug ’n über a Flur, do koam der Nero aus der Stube ge- 
droabt (M. Oberdieck, Summer- un Wintersoot S.40). Weil ich’s in Vuraus 


weeß, doß ’s un wird heute hon, die .... (Ma. des böhm. Isergeb., 
Rübezahl, Jahrg. 1906, S.142). Se hätt’s ganz deutlich gehurrt, wie a 
und hätte gesoat .... (Bauch, a. a. O. S. 24). Kaum doß onser Vorsteher 


on soß wieder (= kaum saß; E. Langer, Aus dem Adlergebirge I, S. 188). 
Wenn mich's on hätt betroffa (Grulicher Ma., Rübezahl 1906, S. 36).! 


Ebenso in der obliquen Rede: 

Lieber hätt ae gesahn, seine Ale und se wär uf'm Flecke mausetut 
gewast (Bauch, a. a. O. S. 11). 

2. Mit Wiederholung des Subjekts (und mitunter auch anderer 
Satzteile). 

Aus Angst, dob se und se könnden ’n ei der Steuer schrauben 
(Bauch, a.a. O. S.1) Do a goar vunt (vollends) vürgetrichtert krigte, 
do de Strofe und se wär under fiimf Thoalern nich sein .... (Bauch, 
a. a. O. S. 8) Wenn ich is Riehr und ich nahm’s ei de Hand .... 
(Bauch, a. a. O. S.10). Wenn ich se und ich verschling se .... (Bauch, 
a. a. 0. S.17). Aster (je) mehr, doß a voern (vorhin) und a hotte ge- 
kräht .... (Bauch, a. a. O. S.17). 

3. »Und« wird mehrfach gesetzt mit Wiederholung des Subjekts 
und öfter auch anderer Satzteile. Diese Konstruktion ist wohl im all- 
gemeinen nur möglich, wenn das grammatische Subjekt kein persönliches 
Fürwort ist. 





1 In Otto Ernsts Roman, Aus Asmus Sempers Jugendland, Kap. 31, S. 271 sagt 
der Arbeiter Germer: »\Venn mei Vater un hat än Hund gefangen... .e; S. 277: » Wenn 
de un besuchst mich wieder«. Stammt dieser Arbeiter aus Schlesien oder spricht man 
auch ähnlich in Hamburg? 


358 Oskar Weise. Die Konjunktion »und« im Gebrauche der Mundarten. 


Doas gilt äbens asu gutt, als wie wenn und der Richter ei Schweintz 
(Schweidnitz) ufm Gerichte und a spricht .... (Bauch, a.a. O. S. 10). 
Und a hotte ooch nischte dergägen, wie und de andern und se mußten 
'n haln uf senn Befáhl .... (Bauch, a. a. O. $. 19). 

Die Konjunktion kann auch nach dem Subjekt noch einmal durch 
»daß« aufgenommen werden, so daß das Subjekt wenigstens zweimal, 
aber auch dreimal erscheint. Leitet »daß« den Satz ein, so ist diese 
Konstruktion nicht möglich. 

Alleene weil a doß a und a hotte a Berlinern a sieben Monate de 
Schnute zerkrotzt und Stuffen ei de Loden geschnieten, do krigt a’s 
monchmol mit der Huffoart .... (Bauch, a. a. O. S. 8) Und wenn ma 
dog ma und ma kimmt .... (Philo S.178). Wenn daar on doß er 
amohl on mubt offs Gerechte (wenn er einmal aufs Gericht une) 
(E. Langer, Aus dem Adlergebirge I, S.188).! 

Zu diesen schlesischen Focaie sind folgende Bemerkungen zu 
machen: 

1. Sie finden sich nur in Nebensätzen, und zwar am häufigsten in 
Bedingungssätzen. 

2. In dem Satzteile hinter dem eingefügten »und« erscheint das 
Zeitwort in der Hauptsatzstellung. Fälle wie bei Philo, a. a. O. S. 196: 
»Wenn är un daß a o eim Grabe leit«, wo Nebensatzstellung besteht, 
sind außerordentlich selten. Dafür sagt man häufiger: Wenn är un daf 
a un a leit o eim Grabe. Wir haben also hier dieselbe Erscheinung vor 
uns, der wir in anderen Mundarten begegnen, wenn der Nebensatz aus 
zwei mit »und« verbundenen Teilen besteht. Hier liebt das Volk die 
zweite Hälfte mit Inversion zu sprechen, z. B. Reuter, Stromtied 4, S. 78: 
Wenn hei sine Predigt makte «umn hei kek sik denn üm (= un sik eg 
iimkek); Rosegger, Waldschulmeister S. 279: Wenn du doch wohl fort- 
mußt und du bist in der Ewigkeit weiter, so tu mir die Freundschaft 
und komme wieder zurück; Ebenda S.122: Hab gedacht, wie das wäre, 
wenn unten die Braut und die ganze Hochzeit harren und harren täten 
und der Bräutigam steckt oben im Rauchfenster der Sennhütte. Diese 
Fügung wird von O. Behaghel in den Idg. Forsch. XIV, 438 ff. eingehend 
besprochen und als eine Form des Strebens nach der syntaktischen Ruhe- 
lage erklärt.” Demnach scheint der Schlesier die Empfindung zu haben, 
als hätte er einen aus zwei Teilen bestehenden Nebensatz vor sich, in 
dem das Zeitwort der ersten Hälfte unterdrückt ist.3 


ı Zahlreiche Beispiele für verschiedene solche Fügungen finden sich auch in 
G. Hauptmaons Fuhrmann Henschel. Für die Mitteilung verschiedener schlesischer Bei- 
spiele bin ich lerrn Friedr. Grábisch in Cudowa zu großem Danke verpflichtet. 

* Vgl. auch Behaghel im Beiheft XVII, S. 234 der Ztschr. d. allg. deutsch. Sprach- 
vereins und meine Syntax der Altenburger Mundart S, 152 f. 

Y Wie weit das Volk mit Einschiebung des »und« geht, erkennt man aus Stellen 
von Volksliedern wie: Soldatenleben und das heißt lustig sein (vgl. auch Mörike, 
Storchenbotschaft: Und des Schäfers sein Haus und das steht auf zwei Rad). 


O. Philipp. Zum Wortschatz von Oberdorf. 359 


Nicht aus den gegenwärtigen Mundarten ist mir bekannt der mhd. 
Gebrauch, »und« an Stelle eines relativen Pronomens oder Adverbiums 
zu verwenden (vgl. H. Paul, Mhd. Grammatik § 343, A. 2: der leide und 
ir habet getän, der Kränkungen, die ihr zugefügt habt; die wile und er 
daz leben hät, solange wie er das Leben hat)!; ebensowenig läßt sich 
aus den Dialekten die aus dem Französischen eingedrungene und in der 
Schriftsprache öfter begegnende Fügung belegen, die sich z. B. bei Lessing 
findet in dem Satze: Ich werde eine fromme Frau an Ihnen haben und 
die nicht stolz auf ihre Frömmigkeit ist (= frz. et qui; vgl. Th. Matthias, 
Sprachleben und Sprachschäden, 3. Aufl., S, 297). 


Zum Wortschatz von Oberdorf. 
Ein Beitrag zur Kenntnis des Westerzgebirgischen. 


Von Oskar Philipp. 


Das Dorf Oberdorf, im Volksmunde (s) Eewartorf? eine Stunde 
südlich der Stadt Stollberg gelegen, ist der südwestlichste Ort der nach 
dieser benannten Amtshauptmannschaft und liegt im Durchschnitt nahezu 
500 m über dem Meere. Der Bevölkerung nach — am 1. Dez. 1910 
waren es 359 Seelen — ist es ein fast reines Bauerndorf, nur einige 
wenige Männer arbeiten als Bergleute auf dem nahen Lugau-Ölsnitzer 
Steinkohlenrevier. Einem zweimaligen längern Aufenthalt in dem freund- 
lichen Dörfchen (während der Sommerferien 1909 und 1910) verdanke 
ich die folgende, natürlich unvollständige Sammlung mundartlicher Aus- 
drücke. Für die Bodenbeständigkeit jedes einzelnen Wortes glaube ich 
bürgen zu können, um so eher, als mir der seit 1898 in Oberdorf 
wirkende Lehrer Herr Kurt Nobis, mein Jugendfreund, bei der Samm- 
lung mit nimmer müdem Eifer geholfen hat. Seiner innigen Vertraut- 
heit mit den Personen und Sachen verdanke ich unendlich viel: sie hat 
mich besonders davor bewahrt, das und jene zwar echt klingende, aber 
nicht bodenständige Wort aufzunehmen.® Ausdrücke, die ich mit B. be- 


! Vgl. damit das oben in Abschnitt V besprochene »dieweil und«, das sich auf 
diese Weise erklärt. 

2 1591 Oberdorff im Erbbuch des Amts Stollberg (Hauptstaatsarchiv Dresden. 
Loc. 38078. Rep. XLVII. Stollberg Nr. 4), BI 392. 

3 Es sei mir an dieser Stelle vergönnt, ein Bedenken zu äußern, das sich mir 
seit Jahren aufdrängt, das Bedenken gegen die Bearbeitung zu umfangreicher Gebiete 
durch einen einzigen Forscher. Wie will ein einzelner, der in noch so langen Ferien 
und meinetwegen jahrelang Dutzende, ja Hunderte von Ortschaften abgrast, entscheiden, 
ob das Gehörte auch wirklich einheimisches Sprachgut ist? Freilich wird er mit gutem 
Gewissen versichern: »Im Orte N. heißt es so und so, ich babe es mit eignen Ohren 


360 Oskar Philipp. 


zeichne, stammen aus dem Nachbardorf Beutha, das schon zur Amts- 
hauptmannschaft Zwickau gehört. Die Belege aus älterer Zeit, mit bei- 
gesetzter Jahreszahl, sind den Akten des Gemeindearchivs entnommen. 

Zum Vergleich herangezogen habe ich fast nur das nunmehr (1911) 
bis zum Worte hören gediehene Wörterbuch der obersächsischen und 
erzgebirgischen Mundarten (Obs. Wb.) von Karl Müller-Fraureuth sowie 
E. Göpferts Ma. des sächs. Erzgeb., 1878, und Die Zschorlauer Mundart 
(Zsch.) von Alfred Lang (1906), die erste wissenschaftliche Einzel- 
darstellung einer westerzgebirgischen Dorfmundart, fürs Vogtländische 
die Gramm. der Ma. des Vogtlandes von E. Gerbet, 1908 (Gerb.). Im 
übrigen kommt mir’s nicht so sehr auf ausführliche Erläuterungen oder 
Aufstellung von Lautgesetzen an als darauf, das bisher Gesammelte über- 
haupt einmal zu buchen. Nur soviel sei über die lautlichen Merkmale 
unserer Mundart gesagt, daß sie im allgemeinen mit denen der Zschor- 
lauer übereinstimmen. Also mhd. ou > aa: aa auch, paam Baum (und 
Bäume), fraa Frau, Ahaafm kaufen, laap Laub, raafm raufen, saam 
Saum, tsaam Zaum; haa < houwen hauen; mhd. ë, e > ii: kii, Stii gehen, 
stehen, šti schön; -gen, -chen >y: liiy liegen, Lügen, leey legen, kə- 
fluuy geflogen, wweliy welchen, wen¿y wenn ich ihn, hepry horchen, Feli» 
Folgen (s. u); J- > -k: kay Jauche, to Kecena Frau Jehn; -en nach 
: Nasal oder Vokal >59: nama nehmen, rena rennen, preya bringen, pay» 
bauen, katata gedeihen, aber mhd. houwen > haa hauen; -ung > -in: 
witoriy Witterung; pf erscheint nur im Anlaut vor Vokal, sonst als p: 
pfaar Pferd, khop Kopf, Sepm schöpfen. Dagegen verrät sich die Nähe der 
obersächsischen Sprachgrenze in der Entwicklung mhd. ef > eze, wofür cs 
in dem südlich von Oberdorf liegenden Städtchen Lößnitz und in dem noch 
weiter »oben« liegenden Zschorlau aa heißt. Auch nppr statt n«eer (nur) 
weist diesen obs. Einfluß auf, während sich nei (nicht) siegreich behauptet 
hat, selbst in Mitteldorf und dem noch nördlicheren Stollberg. 


dat, f., Elster. Obs. Wb. S. 291. Gerb. § 214, Anm. 4 (h)åådlhædš. 

aalsųxt, f., Abzugsrinne im Feld, Keller. Verdeutschung aus lat. aquac- 
ductus, Obs. Wb. 27. Aus Eger v. J. 1488 abeczoeht, Mitteil. des Ver. 
f. Gesch. der Deutschen in Böhmen 44, 105; Grimma 1438 aytezucht, 
Cod. dipl. Sax. II, 15, S. 67; Zwickau dántsuxt. Gerb. $ 175, 1b 
aadsurd. 

aa(l) want, f., Feldrandbeet. Obs. Wb. 20. Gerb. $ 59, 1 «winawánd. 





gehörte. Er hat sich vielleicht auch die Mühe genommen, sich zu erkundigen, ob sein 
Gewährsmann aus dem Orte stammt; es ist ihm bejaht worden, und hierbei hat er sich 
beruhigt, ohne zu erfahren, daß dessen Vater oder dessen Mutter, vielleicht beide, erst 
zugezogen sind; ist doch auch die Landbevölkerung heutzutage nicht mehr so seBhaft, 
als mancher annimmt. Wie viel Irrtümer mögen sich so einschleichen und dann bei 
der Aufstellung von Lautgesetzen als Grundlage dienen! Drum. meine ich, man sollte 
zunächst nur auf beschränuktem Gebiete sammeln, einem Gebiete, in dem man selbst 
daheim ist (wie Aug. Gebhardt in Nürnberg), oder wenigstens glaubwürdige Gewährsleute, 
möglichst aus alteingesesscnen Familien, kennt. 


Zum Wortschatz von Oberdorf. 361 


dárfl, m., ein Arm voll. Gerb. 8 270, 2d arfl, f. 

üürmršt, f.‚ Pl. aärmrsto, Armbrust. Westl. Erzgeb. u. óstl. Vogtl. (nach 
Gerb. $ 265, 3a u. 270, 2c8) almas. 

«awädz, f., zweiarmiger Hebel, hergestellt dadurch, daß man einen Stein 
unter den Hebebaum legt. 

apfeetarn < abfórdern = eine Kunde bedienen: Rüget eine Gantze ge- 
meinde, das der Müller sie vor einen fremden föhtern soll. Vnd so 
der Müller des Fremden Sack hetle auffgebunden, und ein nachtbar 
(Einheimischer) köhme, so soll er des Fremden Sack xu binden, und 
dem (!) nachtbar föhtern. Gemeinderüge 1729, $ 5. 

tálmat, f.‚ Brotschrank (B.). Obs. Wb. 15. 

ecepspecer, f., Vogelbeere. Obs. Wb. 274. 

eat, f‚ Egge, Göpf. S. 25. Obs. Wb. 275. Gerb. § 237, Anm. aid und 
aad(n). Das zugehörige Zeitwort heißt eeen. 

earl, f.‚, Erle. So Gerb. $ 257, 2a. 1789 Ehrllen Reißig. 

púx, Bach. In den Gemeindeakten, die von Einheimischen geschrieben 
sind, regelmäßig männlich: 1742 den bach in Anger; 1751 von den 
Füschbach; 1796 aus dem Commun Bach: 1805 aus unsern Dorfs 
Bach. Heute scheint das Geschlecht zu schwanken: ich habe påx als 
m. wie als f. gebrauchen hören, einmal beides (kurz hintereinander) 
von demselben, etwa 45jährigen Sprecher, sogar páxə (an tər påxə), 
letzteres z. B. von einem über 60 Jahre alten Manne aus einer seit 
mindestens 1742 ansässigen Familie. Möglich, daß es früher poo.x 
geheißen hat, wie noch jetzt weiter östlich, z. B. in Jahnsdorf und 
Thalheim (poor f.) Ich wüßte wenigstens den heutigen Flurnamen 
„die Poorwiisn« nicht anders zu erklären als aus der Lage dieser 
Wiesen am Bach. Zu beachten ist hierbei, daß der Familienname 
Bochmann, den der Ortsrichter 1729 einmal Bachmann schreibt, jetzt 
im Orte mit langem o gesprochen wird. Im Nachbardorfe Beutha 
gilt nur der (Beuthen)bach.* Gerb. $195, la bux, Tboox, $ 220, 1b 
boor (Südwestvogtl.), t Boorman Ostvogtl. 

pa@«ror, m., Bohrer. Obs. Wb. 128. Gerb. 8 257, 2a beecero. 

peltsic, nicht bloß »schwammig, nicht saftig, von Feldfrüchten« (Obs. 
Wb. 85), sondern auch »taub«, gefühllos, wie die von einem kalten 
Blitzschlag getroffnen Gliedmaßen sind. 

pensl, nm., Pinsel. Zsch. Ma. $ 53. Gerb. § 139, la bendsl. 

per, Í., Birne. Arten: kops-, seltner koopsper, Jakobusbirne, weeeelsper 
Weizbirne (weil sie mit dem Weizen reift). 

perlln, f. Pl., kleine gelbe oder rote Eierpflaumen. 

peet, f. Pl., Gemüsegärtchen (auch in B.), auch peetkärtn. genannt. 

piitln, den Angeber spielen (so Gerb. 8 233, la), zu mhd. Mitel. Daher 

pütltswak, f,, Schimpfwort für ein kleines Kind, eine »Zwecke«, das 


! Meine frühere Angabe (Zschr. f. d. Maa. 1908, S. 336 oben über Beutha und 
Oberdorf), die auf einer brieflichen Mitteilung eines sonst durchaus zuverlässigen Ge- 
währsmanns fußte, ist sonach zu berichtigen. 


362 Oskar Philipp. 


»klatscht<, und pittlsuul, f., die 4 untersten Jahrgänge der zwei- 
klassigen Dorfschule. Vgl. Göpf. S. 52 u. 53. 

pil, bißchen. Vogtl. bis! und bil, Gerb. 811, f. 

pylnsnit(ar), m. Im Sommer 1909 habe ich auf Oberdorfer Flur an einem 
Kornfeld den pilnsngt selbst beobachtet. Vom Rande, ungefähr recht- 
winklig zu ihm, lief schnurgerade eine ganz schmale, etwa handbreite 
Gasse hinein, auf der die Halme eine Spanne über dem Boden scharf 
abgeschnitten waren, und zwar schräg, nicht wagrecht. Niedergetreten 
waren die stehen gebliebenen Stoppeln nicht. Weit verfolgen ließ 
sich der Streifen nicht, ebensowenig in dem Felde auf der andern 
Seite des Weges, vielleicht bog er weiter drinnen um. Den pilnsnit 
verursacht der pilnöngtar, nach dem Glauben des Volkes ein kobold- 
artiges Wesen, nach William Marshalls einleuchtender Erklärung aber 
der Hase (Plaudereien und Vorträge, 2. Sammlung, 2. Aufl., S. 144 
bis 151: Vom Bilmenschnitter ...). Unsere Form kennt weder Marshall, 
noch Pauls Grundriß III? S. 273, wo jedoch andere Formen nach- 
zulesen sind, wohl aber das Obs. Wb. S. 108. 

pin(@), Biene(n). 

Poorkart, m., Mädchentanz, also »Damenwahl«, nicht nur, wie in Zwickau, 
zur Fastnacht, sondern in der Regel auch Sonntags. Dabei wird ein 
weißes Taschentuch an den Kronleuchter gebunden, gewöhnlich für 
drei Tänze, und darnach wieder losgeknüpft. Vgl. auch Obs. Wb. 171. 

preyo, bringen, < md. brengen. 

prun, ebenso in B., Pl. prin, Brunnen, nicht Born. 1791 u. öfter (Schul) 
Brunnen Zinß. Flurname Prunwiis, von einem dort quellenden 
»wilden« prun. 

talk, m., Teich. Die Neigung, das ch, bes. das auslautende, in den Ver- 
schlußlaut zu verwandeln, ist schon alt: z. B. 1795 zwey Strauck 

tchten (1500 aber das Strauch Reisig), 1797 eine Störtzkackel (Stürz- 
kachel), Kackeloffen, Kachelofen. 

tausn, draußen; ebenso ohne 7 tina, tuntn usw. 

tem, miültem, f.‚ eine durch Stauung verbreiterte Stelle des Mühlgrabens. 
1789 bey der Mihldemme, 1197 Demmen Zinf?, 1811 an der Mühldem. 

teyln, die Sense durch Klopfen schärfen, und zwar auf dem teylpeykl 
oder dem teylstekl. Mhd. tengeln zu ahd. tangol, m., Hammer. 

teem, f., Hündin. Obs. Wb. 204. Der männliche Hund heißt ril, m. 

tilsaip, f., Dille, das bekannte starkriechende Küchenkraut. Der Zusatz 
Saip, Scheibe, wohl wegen der flachen Dolde. 

tisor, nicht Tischler. 

traic, trocken. 

trauarpruut, n., Leichenschmaus. Trauer Brodt 1773, von Trauer Brothen 
1780. 

trestrempl, m., der Kreis, worin das Pferd um die Dreschmaschine läuft. 
Zu trampeln (Obs. Wb. 237) oder mit Assimilation für -templ? 


Zum Wortschatz von Oberdorf. 363 


tsaum, m., Zaun; agtsa{m, einzäunen. 1591 im Erbbuch des Amts Stoll- 
berg, Bl.11: an der wirschnitser (Nachbardorf Würschnitz) gemein 
Zaume. Göpf. S. 23. 

Isele, £., Pl. tseliy, junge oder kleine Seitentriebe einer Pflanze: »der 
Haber hat heuer wieder neue iseliy gemacht«, er ist »isweewükstes. 
Vgl. Weigand II unter Zelge. Gerb. 8137, 2a dsalic, m., u. dsaliy 
8 59, 2b. 

isiimar, m., Krammetsvogel. Gerb. $165, Anm. 3 dsaimr und dsimr. 

Lem < zu den: 1729 in der Gemeinderüge $ 9 zum Brücken. 

Isweerwlwint, m., Wirbelwind. Mhd. zwirben, sich im Kreise drehen. 
Göpfert S. 53. 

iswrlefluuk, m., Wendepflug. 

tšaipl, n., Maiglóckchen, nicht majpluum, womit man den Löwenzahn 
bezeichnet. Obs. Wb. 257 Tschaupe. 

tuuwic, schwül. Vgl. Obs. Wb. 223. 

epl, Apfel. Gute alte Arten wie der fraacpl »Frauenapfel« und der 
sáfarepl »Safranapfel« sterben aus. 

eelpuuy, m., Ellbogen. Davon Eelpuuypaark, der nach Affalter zu an- 
steigende Berg, weil da die StraBe ein Knie macht. 

are, partitiver Genitiv, < ahd. ira, tro: s sagarg e fat wijk traa, es sind 
ihrer (Äpfel, Birnen) gar viel dran (am Baum). 

faiarest, f., Esse. 1785 Feuer Esten, 1808 aber Oesen Kehrer Lohn. 

forkraniy »verkranichen« = beiseite bringen. 

fiits, m., Brotschnitte (mit Butter, Quark oder dergl. bestrichen), ist im 
Zurückweichen vor dem obs. Bemme. Göpf. S. 45. 

flataresp, Í., Espe, Zitterpappel. 

foosnt, f., Fastnacht. 1782 Fafnacht. Zsch. S 151 und Gerb. $ 135,5 
foosnd. 

+Foliy, f. PI., Flurname »die Folgens. 1591 im Erbbuch des Amtes 
Stollberg, Bl. 402: 1 gfroschen] Erbezins vom (!) Obern klein folgen 
zahlt ein Oberdorfer Viertelhüfner. Vgl. Obs. Wb. 350. 8 

forst, m., Dachfirst. In gleicher Bedeutung auch *torts, m. 1808 Forst. 
Gerb. $ 143, 1 forsd, Göpf. S. 7 aber ferst. 

froskohek, n., Froschlaich. 

fuukl, Pl. fuukln, Vogel. Zu beachten der Verschlußlaut /, vgl. Zsch. 
$ 136. 

kceelemric, m., Goldammer. 

keeenar, nicht keenar, jener; ken took, jener Tage. 

kæænsl, n., Gänschen; k@cnsric, m., Gänsrich. Darf man aus der Länge 
des Vokals auf ursprünglichen Ausfall des z zwischen Vokal und s 
schließen ? 

kopax, n., Rindenabfall beim Holzhacken. Vel. bechten im Obs. Wb. 

kahes, n., das bißchen Getreide, das auf dem Felde zuletzt noch zu- 
sammengerecht wird. Im Obs. Wb. 392 aus Possendorf sw. Dresden 
belegt. e 


364 Oskar Philipp. 


kəmææwiis, f., Gemeindewiese; an ihrem Rande stand das komecehaus. 

kawen, n., Pl. ebenso, Gewende Feld. 

kolokaar, ganz und gar. Vgl. Obs. Wb. 350 unter ganz. 

kraaulsn, gackern. 

kran(3), Krähe(n): 1754 erhält der Oberförster 6 Taler wegen des Krahnen 
schüfßens«. 

krempic, krämpfig, d. h. steif vom langen Sitzen. 

kritskhuuy, m., Grieskuchen. 

krimar, m, Falke. Zu mhd. krimmen, mit den Krallen packen. Nach 
Weigand »ostmd., erst 19. Jahrh., aber sicher alter, 

kwercenlic, m., Quendel. Weiter südlich (LóBnitz) kwaanlt. So im 
äußersten Nordosten des Vogtl., sonst dort khunala Pl., Gerb. § 181, 
Anm. 2. 

haapenar, -heltsor, n. Pl, die obersten Balken unter dem First (der 
Scheune). Obs. Wb. 463. Gerb. $ 2,5 haabälgy. 

haatl, n., < mhd. *höubetlin, Hauptteil des Rechens. Vgl. razyfoorel. 

hatliy, Pl., die Angehörigen einer Sekte, z. B. die Baptisten im Nachbar- 
dorfe Gablenz. 

hauskanits, m., Hausgenosse, Mieter. 

Heenl oder Kamechacanl, n., Flurname für ein Grundstück, das seit 
mindestens 1741 als Wiese verpachtet wird, vor alters aber Wald 
gewesen sein muß (vgl. Pfuúrhecenlt, Wäldchen, dicht an der Kirche 
im nahen Thierfeld bei Hartenstein). 1741/42 gemeinde häynel, 1767 
(iemeinde heenel, 1173 Gemein hänel u. drgl. 

Hert, f., Flurname. Die im »Saugraben« liegende Wiese Parzelle Nr. 200 
war früher noch feuchter als jetzt, deshalb mußte das ganze Heu auf 
den obern Rand geschafft und dort aufgeladen werden. Dieser obere, 
natürlich härtere Rand heißt »die Hert«. Als Flurnamen habe ich 
das Wort fast nur in vogtländischen Flurverzeichnissen (v. J. 1835) 
gefunden, im ganzen 30 mal, z. B. in Oberhermsgrün eine » Wiese, die 
Ilärte« neben einer Wiese »die Sänre«, einmal in der Zusammen- 
setzung Peintenhärte (Bergen bei Falkenstein), also mit dem echt ober- 
deutschen Meent zusammen, das in Sachsen aufs Vogtland und west- 
lichste Erzgebirge beschränkt ist. 

hindstsite, £., Bekassine, ihres meckernden Geschreis halber. 

hiipecer, £., Himbeere(n). Gerb. § 92, 4. 

hort, f., das vogelbauerähnliche Gehäuse, worin die Käse getrocknet 
werden, meist hheeshort genannt. 

huux, hoch, Kompar. hecor und heer. 

húulanər, m., Holunder. Gerb. $ 125 hólanr. 

irl, n., das sonst als »Ohrenkriecher« bekannte Insekt. In Glauchau 
krit, m. Ableitung von Ohr. 

(tat, n., Iltis. 

nie, imtrendig = auf der dem Dorfe zugekehrten Seite der Flur. 


Zum Wortschatz von Oberdorf. 365 


khanlwig, m., der weiche Schachtelhalm, der zum Scheuern des Zinn- 
und Blechgeschirrs dient. 

khcecermst, f., Kirchweih. 1780 Kirmiß, 17834 Kirmf. Südl. Vogtl. hherwo, 
nórdl. khermos, Gerb. 8 270, 2b. 

khintaaft, f., Kindtaufe. Kindtaufft 1732 oft, auch Pl. Kindtaufften. 

khopwütig, £., Kopfschmerz. Vgl. Göpfert S. 63. Gerb. 8 135, 3 wiadiy. 

T/aipaam, m., Spitzahorn. Mhd. lênboum. Auch im Vogtl. »altfränkische, 
Gerb. $ 64. 

latkhaaf, m. (so Gerb. $ 212, 3a), Bekräftigungstrunk; nur œ trinken: wird 
ein Gut oder ein Grundstück verkauft, so hat der Käufer in der 
Schenke etwas zum besten zu geben. Mhd. lilkouf, worin lit = 
starkes Getränk. Das Verständnis für dieses Wort ist schon früh ge- 
schwunden, es erscheint in den Gemeinderechnungen immer (z. B 
1732, 1780) als Zeinkauff. Auch Göpf. S. 53 leinkädf. 

luywiit, f., Langholz, das die beiden Achsen des Wagens verbindet. Ahd. 
witu, mhd. wite, Holz. 

leem, m., Lehm, lautgerecht < mhd. leime. 1806 Lim. 

leena, f., Belehnung: ein Gut isor leena kriegen = durch gerichtlichen 
Kauf damit belehnt werden. 

luml, f., Pl. lynin, langer, schmaler Heuschober; lumin, das gedörrte 
Gras zu solchen lumln zusammenrechen. 

maat, TL. Pl. mææt, Mädchen, Magd. 

märt, n., Marder. Mhd. mart. Gerb. § 184, Anm. la. 

mecetorn, nur in luus-mæætərn, anfangen zu mähen. 

melica, f., StraBenstaub. Zu mhd. mel, melwss, Mehl. 

mee, mehr; nimee nicht mehr. 

misttlits, f‚ Brett zum Festschlagen des Mistes auf dem Mistwagen. 

miit, Adv., mit, z. B. miitkáyə, mitgegangen. 

montn. in B. mäntn, m., Mond. 

myulfrie, m., Maulwurf. In Jüdenhain bei Zwickau mudlprie. 

muuhaatl, n., Mohn(kopf). Göpf. 8.8. S. haatl. 

nádl, m., Pl. neel, Nagel; núaln nageln. Zsch. $161. Im Vogtl. n00.rl, 
Nordosten El Gerb. $ 219, la und 2c. 

nar -temarn, niederschlagen (der Hagel temort das Korn nat), niedertreten 
(das Gras). Obs. Wb. 191. 

net, nicht, assimiliert sein t dem folgenden gutturalen Verschlußlaut, z. B. 
nekohaa nicht gehauen. 

es, f., Flurname für eine nasse Wiese. 

nooy < *nachhin, nachher. 

oolorkhers, f., Traubenkirsche (Prunus padus, in manchen Lehrbiichern 
auch Alkırsche genannt). 

oosladk, m., Absatz auf einer steigenden Straße. 

raytl, m., Heu, das lange gelegen hat und zu verderben deal: wenn 
nur wenigstens der alte rautl (von der Wiese) wegkommt! Nun ist 
wenigstens der alte raut? herein! Auch B. | 


366 Oskar Philipp. Zum Wortschatz von Oberdorf. 


raxyfoorel, f., Rechenstiel, während der Teil, worin die tsee (Zähne) 
stecken, das kaatl heißt. Obs. Wb. unter Forkel. 

r@eniy, Rainung. Gerb. $ 271, 2a raaniy. 

reen, m., Regen; reena, regnen. 

rinarn, nach dem Rinde (Stier) verlangen. Zsch. § 163, 2. Göpf. S. 41. 

riitl, m., männlicher Hund. 

ruuswææts, m., Weizen, an dessen Ähren schwarzbraune Pilze wuchern. 

saųərlymp, m., Sauerampfer. Zsch. $ 162 -hämpf. 

sia, sagen; (ka)sdät, (ge)sagt. 

seana (nur in B.) < segenen, segnen: du mußt dich © lassen = durch 
Besprechen die Krankheit heilen lassen. 

sceeens, Í., Sense, lautgesetzliche Form für mhd. ségense > seinse, Zsch. 
S 59 saans. 

semlkahek, n., Frauenflachs, dunkel- und blaßgelb wie die Semmel. 

sems(n), £., Binse(n). 

sernar, dm sernstn, Komparativ und Superlativ zu sehr, das durch zort, 
recht, ersetzt wird. 

sita (r), solche(r). 

spormsn, summen (Insekten). 

saap, n., Strohbüschel zum Dachdecken. Mhd. schoup. Heuer (1911) hat 
O. sein letztes Saaptax verloren, auf dem dúla kúádr e Stikl natos Saap 
kamuxt wuur, niemand sagt also mehr: »Wir wollen šaap decken«. 
1810 Dachschabe. 

sat, f., Scheune. So Zsch., daneben beschränkt Satar (S. 51). Gerb. $ 52. 

Saip, f., Scheibe = Menge flach ausgebreitetes Heu. 

speln, spalten, bes. steh 3peln, so 1785 vor Slóck xu spellen. 

sperlic, m., Sperling. 

Spinpraat, n., Brett mit Spund, d.h. einem Falz am Rande: 1729 in der 
Gemeinderüge von spindt brethen, also etwas älterer Beleg als der 
bei Weigand 938 aus Frisch (1741) entnommene; 1795 vor Spindt und 
Bredt Nageln. 

spis, PL, Spiele = Grannen, daher 3pisweets, Weizen mit Grannen. 

stecetlekl, n., Steinglöckchen, Taubenkropf. Der Aufguß von dieser Pflanze 
ist ein beliebter Tee. 

Stemleks, f., Leuchse, die von der Wagenachse zum Rungstock gehende 

Stütze. Gerb. $ 249, la lays. 

Tsteem, Pl. zu Stuup, Stube Zsch. 8 181, 4. 

storts, m., Dachfirst, forst. 

striiml, n., Streifchen (Feld). 

set: 1. schön, 2. schon. 

Slaä, schlagen; $leet schlägt. 

Smütc, schief: das Haus ist &, da sind die Sfeem auch œ~. 

Sup, f, Schuppen. Auch in Lößnitz. 

Swama, m. Pl., Pilze. 


Julius Miedel. Die alpinen Ortsnamen mit Gund. 367 


swulo, f., Abkürzung aus Schwulttät, nur »in tar Swula«, in großer Ver- 
legenheit, so daß es einem schwül wird. 

wâanar, Wagner, Wagenbauer, Stellmacher. Familienname Wagner in 
OÖ. nicht vorhanden. 

Wälpartoomt, m. Walpurgisabend, an dem die Jugend auf den Höhen 
Feuer anbrennt. 

wceeermrt, m., Wermut (Artemisia absinthium). 

Weert, f., < *Weichheit, sehr weiche Wiese (Flurname), jetzt auf- 
geforstet. 

ert, f., Maulwurfsgrille. 

wijk, wenig, nicht weyk. Nördl. Vogtl. wiy, südl. wey, Gerb. § 23 u. 
Anm. 4. 

woon, m., Wagen, Pl. weey. 


Die alpinen Ortsnamen mit Gund. 
Von: Julius Miedel. 


Eine der eigentümlichsten örtlichen Benennungen im Alpengebiet 
ist Gund. Das Wort hat die Namenforscher schon vielfach beschäftigt, 
doch ist keiner m. E. zu einem völlig befriedigenden Ergebnis gelangt. 
Förstemann (ON.? 675) läßt sich gar nicht darüber aus, Schmeller 
(12, 920) gibt an, es sei ein Name etlicher Bergweiden, vielleicht = Grund. 
Bucks Ableitung in seinem Flurnamenbuch (S. 94) von keltisch cumba 
= Hochtal, verkleinert cumbeta = Hochtälchen hat Birlinger in der 
Alemannia Bd. 8 (1880), S.142ff. und im Rechtsrhein. Alemannien S.16 
-= fester zu stützen gesucht durch Beiziehung angelsächsischer und anderer 
indogermanischer Stämme, jedoch ohne zu überzeugen. Gleichwohl blieb 
die Erklärung in Geltung (s. Baumanns Gesch. d. Allgäus I, 65 und noch 
A. Kübler im Allgäuer Geschichtsfreund 1897 S. 72), bis Kübler in seinen 
Deutschen Berg-, Flur- und Ortsnamen des Iller-Gebiets (Amberg 1909) 
S. 60 den ersten Versuch machte, die Bezeichnung für die deutsche 
Sprache zu beanspruchen. Da auch ich dem Wort schon lange nach- 
spüre, Küblers Deutung mir aber auch nicht ganz zusagt, möchte ich 
dem Wort und seiner Verbreitung eine ausführlichere Erörterung widmen. 

Die Bedeutung von Gund ist unbestritten; das Schwäbische Wörter- 
buch sagt III, 924: »Gund m. Hochtal, Hochmulde im Gebirge, weide- 
reiche Bergmatte in Bergsätteln zwischen Felsen«. Dem wäre vielleicht 
nur noch hinzuzufügen, daß der Gund wannenförmig ist und sich meist 
auf drei Seiten an Graterhebungen anlehnt und auf der vierten ohne 
nennenswerten Wulst sich gegen das Tal neigt. 

Die Zurückführung auf keltisches cumbeta hat abgesehen von der 
Abweichung des Geschlechts an sich schon recht wenig Wahrschein- 


368 Julius Miedel. 


lichkeit für sich. Sind doch die übrig gebliebenen keltischen Gattungs- 
namen so überaus spärlich und unsicher, daß es höchst auffallend wäre, 
wenn gerade die Bezeichnung für einen Begriff, der nur in dem zu 
keltischer Zeit soviel wie unbetretenen eigentlichen Hochgebirge heimisch 
ist, lebendig geblieben wäre, ohne auch im Tal irgendwo Spuren seines 
Vorhandenseins zu hinterlassen. Das Stammwort cumb ist anderwärts, 
vor allem in England, nach Middendorfs Altenglischen Flurnamen S. 33 
so häufig, daß es zu den meistgebrauchten altenglischen Flurnamen zählt, 
weshalb es Middendorf als germanisch ansehen möchte und als Ablaut- 
form zu Kimme und Kamm erklärt. Selbst wenn dies aber der Fall wäre, 
so wäre damit für unser Gund noch nichts gewonnen. Das hat wohl 
auch Kübler gefühlt und darum a. a. O. das mhd. Zeitwort gumpen = 
springen beigezogen. Aus dessen Part. Präs. gumpend soll gund geworden 
sein. Wie er sich dessen Anwendung denkt, wie dessen Substantivierung 
entstanden, was etwa für ein (männliches) Hauptwort dazu zu ergänzen 
ist, sagt er leider nicht. Vermutlich meint er einen »gumpenden (Weide-) 
Platz«, d. h. einen solchen, da das Vieh leicht gumpen, sich tummeln 
kann. Trotz einiger anderer — m.E. auch sehr änfechtbarer -— ähn- 
licher Bildungen scheint mir aber diese Entstehung recht erzwungen und 
gesucht. Überdies glaube ich, daß sie mit der Entwicklung des Wortes, 
soweit wir diese verfolgen können, nicht in Einklang zu bringen “ist. 

Die älteste auffindbare Form ist wohl Notkers gumpito!, das mit 
stagnum glossiert ist (Anf. 11. Jh.) Dann folgt die Urkunde über die 
Verleihung des Wildbanns durch Heinrich IV. an den Bischof von Augs- 
burg aus dem Jahre 1059 (Mon. Boic. 29a S, 142). Hier wie in der Be- 
stätigungsurkunde Karls IV. von 1350 findet sich an der obersten Breitach 
ein gemeinen gunbet, womit unzweifelhaft der jetzige Berggrund anı 
Widderstein gemeint ist, was auch schon eine spätere »de verbo ad 
verbum« hergestellte Abschrift im bayer. Reichsarchiv bestätigt, die 
Gi (m)einen(gum)bett siue Bergundt schreibt. 1409 finde ich sodann zum 
erstenmal gunt, bei Tschudi um 1550 seeli oder Wassergunten (Schweiz. 
Idiot. II, 384), 1566 yumb, 1595 zu Endt der Gunten (Mehrz.? im Schwab. 
Wh. II, 924), 1605 die Verkleinerung gumptlen mit einem Rückschlag 
auf die ältere Form und von da an stets die jetzt noch übliche Laut- 
gebung. Niemals tritt ein anderer als der weiche Anlaut auf. 

Sonach hat die Erklärung von der Form gumpet auszugehen. Auf 
die Häufigkeit der Hauptwortbildungen auf et und at im Verbreitungs- 
bereich von Gund habe ich in diesem Jahrgang S. 86 bei Besprechung 
von Erget schon hingewiesen: der Brachet, Schmekkat, Schießet, Keglet, 
die Leibet (= was übrig b-leibt), Singat (das Singen und dann der Lohn 
dafür, das Birnbrot), Kratzat (das, was in der Pfanne zusammengekratzt 
wird, der Schmarren, und der Ort, wo es kratzig oder rauh ist), das 

t Zu dieser Form, die nach Schweiz. Idiot. II, 316 nicht völlig gesichert ist, vgl. 
solche wie sicebído == secebida, sereiöd = seretöt, die bei Wilmanns, Dtsch. Gramm. II, 
343 f. und Weinhold, Alem. Gr. 212 als alemannische Eigentümlichkeiten bezeichuet sind. 


Die alpinen Ortsnamen mit Gund. 369 


Koblet (Ort, wo viele Kobel, d. h. kleine Felsbuckel sind) u.a. Das Ge- 
schlecht ist unsicher, am häufigsten männlich, manche Wörter haben sogar 
doppeltes. Wie nun Hoibat Ort (und Zeit) ist, wo man »heut«, Stroibat, 
wo man streut, Erget, wo man ärgt, d. i. pflügt, so wäre Gumpet ein 
Ort, wo man gumpt, d.i. springt, bezw. das Vieh springen läßt. Als 
noch lebend ist die Bildung »der Gumpete und »die Gumpete< nach- 
gewiesen in der Schweiz im Sinne von »das Gespringe« (Schweiz. Id. 
II, 314). 

Was nun die lautliche Wandlung von gumpet über gumpt zu gund 
anlangt, so bewegt sie sich völlig in den gesetzlichen Bahnen. Schon 
in Notkers Psalmen erscheinen Formen wie chunt (< chumbt), sant < 
samt, nint < nimt, wie ja auch im alemannischen Oberallgäu kumt über 
kunt heute zu kutt geworden oder die schon mhd. neben ungenem (p)t 
als ungenande bezeichnete Rotlauf- oder Fingerwurmkrankheit (»die man 
sich zu nennen scheut«, Lexer, Hdwb. II, 1852) jetzt noch dort Ugnampt 
und Ugnant heißt. Der labiale Nasenlaut m ist vor dem Zahnlaut 
»homorgan<, d. h. zu n geworden, nachdem der labiale Verschlußlaut 
dazwischen ausgefallen war. So dürfen wir also das so fremd klingende 
Gund wohl unserem deutschen Sprachschatz einverleiben. 

Um aber noch einen Überblick über die Verbreitung der Gund- 
namen zu gewinnen, habe ich alle erreichbaren gesammelt und möchte 
sie noch im folgenden zusammenstellen : 


1. Ohne Beisatz. 


Im Gund, am Denneberg ober dem Schmiedstobel s. von Talkirchdorf; 
n. unter der Stuibenspitze. 

Gündle, bei Bolsterlang, Schattwald, Seifriedsberg, Tannheim, Zöblen; 
s. Kübler (Kb.) S. 60. 

Im Gündle, nw. der Kegelköpfe bei Gerstruben; w. unter dem Schochen 
am Gleit im Oytal. 

Im Gündele, s. der Oberen Eckalpe am Weißachursprung; dort zwei Alp- 
hütten Gündel und Ober-Gündel. 

Im Gündten, unter dem Dreifahnenkopf ö. von Balderschwang. 


2. Als Bestimmungswort. 


Gundalpe, ö. über dem Oberjoch; Gemeinde Burgberg Kb.; obere, mitt- 
lere und untere ö. am Besler. 

Gündelalpe, w. des Rindalphorns. 

Gündles- Alpe, am Gündleskopf ö. vom Rindalphorn. 

Gündel- Alpe, nw. am Rindalphorn. 

Gundbach, Gde. Hindelang. Kb. 

Gundsbach, Zufl. der Vils sö. des Edelsbergs. 

Guntsbach, 1620, Gde. Oberstdorf. Kb. 

Gündlesbach, Gde. Hindelang. Kb. 


Zeitschrift für Deutsche Mundarten. VI, 24 


370 Julius Miedel. 


Gundsberg, 1787, Gde. Oberstdorf. Kb. Davon s. die Gundsberg- Alpe, 
w. die Gundshalde. 

Guntberg, 1787, Gde. Hindelang. Kb. 

Gintlesbichel, Gde. Zöbeln und Schöllang. Kb. 

Gündledobel, Gde. Oberstdorf. Kb. 

Gundsegg, Gde. Schöllang. Kb. 

Güntleshütte, s. vom Hengst am Daumen. 

Gündleskopf, am Rindalphorn und Gde. Oberstdorf. 

Gundtleytten, 15. Jh., Gde. Seifriedsberg. Kb. 

Gundsloch, ohne nähere Angabe bei Birl. Alem. VIII, 143. 

Gundsmoos, Gde. Pfronten. Kb. 

Gundsoy, an der Stillach. Alem. a. a. O. Allgäuerisch oy = au (< duce). 

Gundschwand, Gde. Pfronten. Kb. 

Gündlesstieg, Gde. Oberstdorf. Kb. 

Gundtrift, Gde. Tannheim. Kb. 

Gundwald, 1787, Gde. Burgberg und Hindelang. Kb. 

Gundlwald, s. der Eckalpe am Gündele (s. ob.). 

Gundwiesa, 1787, Gde. Pfronten. Kb. 

Dazu wohl noch Gunschau < Gundsau im Walsertal. 


3. Als Grundwort. 


Almesgund, bei Schönebach (Bregenzer Wald) = Almisgunden-Alp, n. vom 
Didamskopf. Erster Teil wohl ein Pers.-N. 
Alpgund, s. vom Warmatsgund, Seitental der Stillach; dabei der Alp- 
gundkopf. 
Bärgund, bei Schöllang und Altstätten. Kb. S. 24. 
Bärgündele, an der oberen Osterach, heißt auf der alten Generalstabs- 
karte 1:50000 noch Berggündele. 
Berggund, an der Willersalp bei Hinterstein. 
Berggund-Alp, obere und untere, am Leiterberg s. des Hochgrat. 
Berggund, nw. des Widdersteins. Dies ist der 1059 erwähnte gemeine 
gunbet, wo schon im 15. Jh. eine Lehensalpe war, daher 1460 der 
_Swabgut Bergunten, 1688 Pergundten, 1689 Pergundt, 1732 bürgunt 
und 1773 wieder pergunt. Der kleine See dort, Berggunder See ge- 
nannt, an der Hochalpe gilt als Breitachquelle. So wie dieses möchte 
ich auch die obigen beiden Bärgund abweichend von Kübler S. 24 
zu Berg und nicht zu Bär stellen; sie erscheinen nicht bloß urkund- 
lich (z. B. 1426 und 1566) als Bergund, sondern lauten auch in der 
Aussprache Dergunt, während eine Zusammensetzung mit Bär doch 
Bäersgunt ergeben müßte (vgl. Bärebad = 1515 Pernbad, Bärenegg 
= 1787 Pehrenegg u. v. a.). 
Bestlesgund, s. an der untern Gottesackerwand, 1608 Besstlinsgundt, einem 
Bestlin = Sebastian gehörig. 
Birkartsgündle, nw. am Griesgundkopf bei Birgsau, ma. Birkats-, 1566 
Biierckhisgumb, und darum wohl eher zum PN. Burkhard als zu Birket. 


Die alpinen Ortsnamen mit Gund. 371 


Einegund und -alpe, nw. des Hochgrats, oberhalb eines Vorsprungs, ge- 
nannt am Einen Eck, zu mhd. eine = einsam gelegen, isoliert. 

Engeratsgund, sö. vom Daumen, durch Stier- und Kuh- näher bestimmt, 
letzteres auf der alten Karte zu Kuhgerats- verstümmelt: 1409 der 
engerhartxgunt, 1566 Engelhartz-, 1785 Engerats-, auf der alten 
Generalstabskarte Ehards- und schließlich sogar Erz- im Erzgunder 
See; zum PN. Engelhard. Ist wohl der im Schwäb. Wb. erwähnte 
Garatsgund. 

Der Finster Gund bei Hindelang (im Urwald) und im Finstern Gund bei 
Schattwald (Kb. 50). 

Gleygund, w. über der Buchenrainer Alp im Rappenalpental, zu glöub, 
Sammelwort zu loub — Ort mit Laub. 

Griesgund, oberer, sw. von Birgsau, dazu Griesgundkopf, -alpe, -tobel. 
Gries = Kleingeróll. 

Im Grofen Gund, sw. vom Nebelhorn. 

Häblesgund, an der Rotspitze s. Hindelang, 1787 Hälbesgund, zu einem 
PN., wohl Häberle. 

Hinteres Gündle, s. im unteren Oytal am Hinteren Riffenkopf. 

Hirschgund, 1. ö. vom Hochgrat, 2. am Tennenmooskopf, 3. sö. von 
Sibratsgfäll im Hirschgundental, 4. am Roßkopf bei der oberen Gottes- 
ackerwand (»Hirschegg«), wo die obere und untere Hirschgundalpe 
= 1446 die alb hirsgund, 1608 die Bregenzer Hürßgunden (weil zu 
Bregenz gehörig). 

Hochgund, am Rappensee, darüber Hochgundspitze. 

Im Hohen Gund, 1. am Laufbacher Eck, 2. sö. von der Höfats. 

Ifersgund, sw. des Hohen Ifen, 1444 Neiffergund, 1641 an der Neiffers- 
gunthen (- Alpe), auch Iferts-; zum Bergnamen. Bucks Irfigunt 1338 
sicher falsch gelesen oder gedruckt. 

Irschengund, Weiler s. vom Simmerberg, auch Irsengrund, vermutlich 
überhaupt kein Gundname. Dies meint sicher auch Buck, Obd. 
Fl.-Nb. 94 mit seinem Irchgund. 

Kriegende Gund, bei Höfen (Tannheim), ma. krzagede G., um den man 
sich kriegt, streitet. (S. Allg. Gesch.-Fr. 1893 S. 80). 

Kühgund, 1. ö. der Hammerspitze, 2. ö. vom Iseler, 3. am Daumen, 
4. an der Taufersbergalp im Rappenalpental. 

Laubgund mit -Alp und -Wald, s. des Vorderen Prodel bei Immenstadt; 
zu Laub wie ob. Gley-. | 
Lochertsgund, ma. Lochats-, nw. des Glasfelderkopfs am Berggündele, 

nach K. 86 zu Lochat = lochartige Vertiefung. 

Mittlere, Obere und Untere Gundalpe, am Besler. 

Oberes Gündel, s. oben. 

Obergund, ohne nähere Angabe im Schwäb. Wb. 

Ostergunden- Alpe, am Südostabhang des Hirschbergs im Bregenzer Wald, 
über dem Ostergundenbach; im NO. die Gunten- Alp. 

24* 


372 Julius Miedel. 


Plattners Gündle, über dem Oytal am Vorderen Riffenkopf; zum Geschl.- 
N. Plattner. 

Ringersgund und -Alpe, s. vom Himmelsschrofen; zum PN. Ringer. 

Im Roßgund, an der Nordseite des Rappenalpentals, darüber der Roß- 
gundkopf. Dann eine Roßgundalpe unter den Katzenköpfen über dem 
Warmatsgunder Tal. Alpen mit Pferdeweiden sind nicht selten. 

Rotgund mit Rotgundspitze, am Rappensee; von der Farbe des Gesteins. 

Im Säugund, am Tiefenbacher Eck, nw. Hindelang. 

Saugunden, sw. des Hochgrats; Schweineweide. 

Schneegündle, w. des Rauhecks, wo der Schnee lang liegen bleibt. 

. Schwinggund, ö. am Sigiswanger Horn; aus swin Schwein. Dort auch 
Wing < win u.ä. 

Seealpengündle, am Seealpsee über dem Oytal. 

Segunt, ö. oberhalb Einödsbach, ma. Sä-, also zu See. 

Sigunt, s. des Heubergs bei Mittelberg im Walsertal, einst auch Seigunt, 
also zu mhd. söhe Wasseransammlung. 

Simansgund, n. vom Hochgrat, auf der Reichskarte Simats-, auf der alten 
Karte Samats-. Erster Teil wahrscheinlich PN. 

Spätengund, darüber der Spätengundskopf, oberhalb Einödsbach; dort 
wird erst spät geheut. 

Starketsgund, s. von Gschwend bei Immenstadt; zum PN. Starkhart. 

Im Stiegund, über dem Steigbach s. vom Immenstädter Horn; zu mhd. 
stic ansteigender Weg. 

Verlesgund, bei Tannheim; zum PN. Xaver. Kb. 144. 

Walsergund, im Walsertal? S. Alem. VIII, 143. 

Warmatsgund, dazu -Alpe, -Bach und -Kopf, ö. von Birgsau; 1477 
Warmatxgunt, 1564 Warmass-, 1606 Warınes Gund, wohl zu PN. 
Warmunt o.ä. Vgl. den Warmatsrücken am Fürschießer. 

Im Weißen Gund, n. vom Oberjoch; zum Geschl.-N. Weiß. 

Im Wildengund, 1. sö. vom Immenstädter Horn, 2. s. vom Liechelkopf, 
mit Wildegundkopf, 3. vorderer und hinterer W. mit je einem W.- 
Kopf, w. der Spielmannsau; wild — unkultiviert. 

Wildgunten, s. von Mellau an der Mittagsspitze. 

Zirsgund, 1492 bei Riezlern w. der Breitach, vielleicht zu einem PN. 

Awerengund, in welchem der Zwerenbach an der Zwerenalpe (1541 
xwerchen alpp) entspringt, der von rechts in die Breitach fließt. 


Eher zum PN. Gunde aus Kunigunde dürften folgende zu stellen 
sein: 1. die Gundenalp bei Höfen im Lechtal, wozu Gundejoch, -tal und 
Gundenspitz gehören, 2. Gundewäldli bei Nesselwängle (s. Kb. 146), 3. der 
Guntenkopf w. von Mellau im Bregenzer Wald, neben dem auch der 
meist Hangspitz benannte Guntenhang sich findet. Doch mag man diese 
zuzählen oder beiseite lassen, die Abgeschlossenheit des Verbreitungs- 
gebiets von Gund wird dadurch in keiner Weise gestört. Dieses läßt 
sich etwa folgendermaßen umschreiben: Im W. von Mitte des Bregenzer 
Waldes bei Mellau (wo der Guntenkopf) ins Weißachtal nach Oberstaufen, 


A 


Die alpinen Ortsnamen mit Gund. 373 


dann durchs Konstanzer Tal nach Immenstadt, nördlich um den Grünten 
herum gen Nesselwang — Pfronten, die Vils abwärts zum Lech, diesen 
entlang bis zum Paß Gacht; nun genau dem Hauptkamm der Allgäuer 
Alpen folgend: Leilach — Hochvogel — Krottenkopf — Mädelegabel — 
Widdersein — Didamskopf bis Mellau, in dessen nächster Nähe s. als 
einziges außerhalb unseres Kreises Wildgunten liegt. Auffallend scharf 
ist die Namenscheide längs des Allgäuer Hauptkammes. Was auf der 
Nordseite Gund heißt, ist auf der Südseite Kar, d. i. Schüssel, Mulde: 
so beginnen in der Hornbacher Kette die letzteren gleich mit Öfner- 
und Hermannskar. Dem Hohen Gund am Rappensee entspricht am Süd- 
hang das Wiesleskar, s. vom Biberkopf ist das Walser Karle, s. des 
Kratzers das Karle. Am Glasfeldkopf nw. ist der Lochertsgund, sö. das 
Fuchskar. Nur an einigen wenigen Stellen ist Kar bis über die Kamm- 
linie nach Norden vorgedrungen, was der auch anderwärts — z. B. be- 
sonders in den Lechtaler Alpen — bestätigten Beobachtung entspricht, 
daß die am Südabhang der Berge heimischen Bewohner wegen der höher 
beginnenden Schneegrenze meist nach Norden übergreifen, kaum aber 
umgekehrt. Ist ja doch z. B. ein Teil der Hochalpe im Berggund am 
Widderstein heute noch streitig zwischen den Walsern und der Gemeinde 
Warth. So ist an den Sattelköpfen n. ein Kärle und ein Rauhes Kärle, 
sowie am Himmeleck und am Märzle ein Bockkar, am letzteren noch ein 
Kitzenkar, am Wilden Mann im Norden ein Hinteres und Vorderes 
Bockkar, unter der Mádelegabel ein Mädelegabelkar. Nie aber finde ich 
einen Gund siidlich des Kammes. Kar ist nun das ausgesprochen baju- 
warische Wort für Hochmulde, das sich in den bairischen Alpen bis zum 
Überdruß wiederholt. Es läßt im Lechtal den auch in der Mundart zu- 
tage tretenden bairischen Einschlag in der Bevölkerung erkennen. Gund 
dagegen kennzeichnet sich durch sein Vorkommen als rein alemannisches 
Wort. Außer einigen wenigen Spuren in der Schweiz kenne ich es nur 
in dem oben umschriebenen Gebiet, für das es siedelungsgeschichtlich 
bedeutsanı sein dürfte. Seine eigentliche Heimat ist Hochallgäu, wo ohne 
besonders merkbare Vermischung reine Schwabenbevölkerung sitzt. Mit 
der letzteren aber scheint das Wort westlich in den Bregenzer Wald vor- 
gedrungen zu sein, wie das mehr vereinzelte, verstreute Vorkommen 
zeigt, und zwar soweit als in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends, 
also in der Zeit der vermutlichen Ausbreitung jener Allgäuschwaben, die 
Wohnsitze sowie der damals noch ziemlich bedeutende Einfluß der roma- 
nischen Bevölkerungsreste im oberen Rheintal gegen Osten gereicht 
haben mögen. 


374 Bücherbesprechungen. 


Bücherbesprechungen. 


H. Loiseau, Contribution à l’ötude de la langue du jeune Goethe d’après sa 
correspondance de 1764 à 1775. Paris, H. Didier. 1911. 200 p. 5 fr. 

Zu den Schriften, die wir über die Sprache des jungen Goethe von Burdach, 
Wätzold, Wolff, Morris u. a. haben, gesellt sich hier eine neue, der die Briefe aus der 
Zeit von 1764—1775 im 1. und 2. Band der Weimarischen Ausgabe zugrunde gelegt 
sind. Sie ist mit großer Sachkenntnis geschrieben, zieht die Angaben der Grammatiker 
wie Gottsched und Adelung und die einschlägigen Werke deutscher Gelehrter überall 
gewissenhaft zu Rate, vergleicht die entsprechenden Erscheinungen der Frankfurter 
Mundart und gibt uns eine genaue Darstellung der Orthographie, Wortfügung, Wort- 
bildung, Syntax und des Wortschatzes in den Briefen des jungen Goethe. Aber nicht 
nur der Goetheforscher, sondern auch der Dialektfreund findet hier eine Menge fesseln- 
den Stoffes. Denn wenn sich die Ausdruckweise der Stürmer und Dränger schon im 
allgemeinen sehr dem Sprachgebrauche des täglichen Lebens nähert, so neigt die Brief- 
form ganz besonders dazu, volkstümliche Formen und Wörter zu verwenden. So brauchen 
wir uns nicht zu wundern, daß wir in L’s Schrift auf Schritt und Tritt mundartlichem 
Sprachgut begegnen. Da hören wir von umlautlosen Formen wie er halt, fangt, lauft, 
hangt, drucken (= drücken), schlupfen, Burgemeister (S. 23f.), die in Oberdeutschland 
noch jetzt üblich sind und umgekehrt von umgelauteten Formen wie öberst (= oberst), 
die noch jetzt in Mitteldeutschland vielfach, z. B. in Obersachsen und Thüringen zu be- 
legen sind, ferner von Wörtern, die nach oberdeutschem und westmitteldeutschem Brauche 
ihres Endungs-e sowohl vor Vokalen als auch vor Konsonanten verlustig gegangen sind wie 
Freud, Seel, Stund, West(e) u.a. (S. 27 f.). Sodann finden wir Formen, die einen Laut 
eingebüßt haben, sei es im Innern unter dem Einflusse des Hochtons wie neidscher, 
närrscher, die Meyern, die Schlossern = Moyerin, Schlosserin (S. 39) oder am Ende 
wie bei ¿n Brunne fallen (S. 100), wo das » nach oberdeutscher Art nasaliert worden 
ist oder bei mit Löcher im Kopf (S.172), wo nicht mit L. Abfall anzunehmen ist, 
sondern Konstruktionswechsel, d. h. Fügung der Präposition mit dem Akkusativ. 

Neben den Pluralen Truthahnen und Dinger sind besonders de auf e zu beachten, 
z. B. Bubens, Jungens, Kerls, Titels (S 101 f.). Frankfurtisch ist bis zum heutigen Tag 
der Gebrauch des Dativs der Mehrzahl denen (vom Artikel) = den, z.B. in dene(n) 
Stücke(n) (S. 107) In zahlrsichen Mundarten findet man den Zusammenfall der beiden 
t-Laute in Verbalformen wie er kost (= er kostet), schadt (= schadet), redt (= redet), 
sünd (= zündet) (S. 33), ebenso das Nebeneinander von natürlichem und grammatischem 
Geschlecht (z. B. ein Mädchen, die u.a.) (S.115), die Fügungen und wenn = auch 
wenn (8. 176), mehr wie neben mehr als (S.155), so ein frommes Werk (= ein so 
frommes Werk) (S. 144), die Formen was für etwas (S. 148), alle = zu Ende (S. 149), 
alleweile = jetzt (S. 97), die Voriiebo für den ethischen Dativ (S. 142), den Artikel bei 
Personennamen, z. B. die Minna, die Sarah (S.122). Von volkstümlichen Ausdrücken, 
di» Goethe verwendet (vgl. S. 200 ff.), hebe ich heraus kriegen (bekommen), bosseln 
(geringfügige, aber mühsame Arbeiten verrichten), schellern (zerspringen), wräschen 
(schwatzen), dutten (an der Brust saugen; vgl. Zulte, Brustwarze), hudeln (nachlässig 
arbeiten), klimpern (ungeschickt auf dem Saiteninstrument spielen), krabbeln (kriechen), 
rerlappen (verläppern, für Kleinigkeiten ausgeben), gucken (sehen), schlocker (schlotternd), 
Kärcher (Botenfuhrmann), Arsch, Scheißkerl u.a. 

Meist wird man mit den Ansichten des Verf. einverstanden sein, doch muß man 
ihm auch mehrfach widersprechen. So sagt er S.75 über die Bildung Kälberbraten 
neben Kalbsbraten »eine heute ungebräuchliche, aber damals geläufige Form«. Tatsäch- 
lich ist Kälberbraten neben Rinderbraten in verschiedenen Gegenden Mitteldeutschlands, 
z. B. in Obersachsen und Thüringen jetzt fast ausschließlich im Gebrauch. Ungenau be- 
zeichnet L. S. 218 haudern (vom Fahren des Lohnfuhrwerks) als »provincialisme rhénan 


! Vgl. O. Behaghel, Geschichte der deutschen Sprache. 3. Aufl. 1911, 8. 290; 299. 





Bücherbesprechungen. 375 


et franciquee. Denn es ist seit dem 18. Jahrh. von Leipzig bis Frankfurt bezeugt und 
entspricht dem spátmhd. húren, dem mnd., ndl. huren und dem engl. here; dasselbe 
gilt von der Äußerung S. 219 úber mutxen, brummen »provincialisme du Sude; denn 
das zuerst im Simplizissimus S. 477 in dieser Bedeutung belegte Wort begegnet uns auch 
im Niederländischen (motten, brummen) und Englischen (motter, murren, murmeln; vgl. 
niederrheinisch Mutter, verschlossener Kerl). Ferner findet L. (8. 120) in dem Briefe 
Goethes an Hans Buff Bd. II, S. 80 die einzige Stelle, wo der volkstümliche Ersatz des 
possessiven Genetivs durch den Dativ (vgl. dem Amtmann sein Sohn) vorkomme; doch 
mit Unrecht. Auch hier kommt er nicht vor, während er in den Briefen von Goethes 
Mutter öfter erscheint * Denn in den Worten: »Küssen sie (soll heißen Sie) Lotten die 
Hand« ist Lotten der Dativ des Objekts abhängig von küssen, wie noch jetzt allgemein 
üblich ist zu sagen: ich küsse dir die Hand (nicht: deine Hand). Wenn es possessiver 
Dativ sein sollte, so müßte vor allen Dingen ein besitzanzeigendes Fürwort dabei stehen 
(vgl. dem Bruder sein Garten). 

An zwei Stellen von den vielen, wo L. meine Schriften »Syntax der Altenburger 
Mundart«, Leipzig 1900 und »Unsere Mundarten, ihr Werden und ihr Wesen«, Leipzig 
1910, anführt, ist er abweichender Ansicht, doch irrt er meines Erachtens in beiden 
Fällen. S.106 gibt er zwar als möglich zu. daß Meyers im Sinne von »Familie Meyer« 
ursprünglich Genetiv sei = Meyers Angehörige, fragt jedoch dann zweifelnd: »Wie er- 
klärt sich aber die Form die Danaes?e Er würde keinen Anstoß daran genommen haben, 
wenn er gewußt hätte, daß man noch gegenwärtig gut deutsch sagt: Marias Freundin, 
Christines Bücher, Danaes Vater nach dem Muster von Ottos Bücher u.a. S.124 sieht 
er in Formen wie ?» Brunne(n) fallen, vm Himmel heben, în Garten gehen artikellose 
Fügungen und verweist dabei auf den häufigen Gebrauch artikelloser Substantiva bei den 
Stürmern und Drängern. Aber wenn er genauer zuschaut, wird er finden, daß der Ar- 
tikel größtenteils nur bei abstrakten Begriffen wegbleibt oder in festen Formeln, die wir 
noch jetzt haben, wie nach Tische, in Abwesenheit, bei Gelegenheit. Daher halte ich 
noch immer an der auch von C. Burdach vertretenen Ansicht fest, daß hier der Artikel 
nach Art der Volkssprache mit der Präposition verschmolzen ist, daß man also eigentlich 
schreiben müßte in'n Brunnen, in'n Garten —= in den Brunnen, in den Garten. 

Aber durch diese Ausstellungen wird der Gesamtwert des Buches nicht beein- 
trächtigt. Jedenfalls ist dieses ein unschätzbares Hilfsmittel zum_ Studium der Sprache 
des jungen Goethe. 

Eisenberg, S.-A. O. Weise. 


F. J. Bronner, Bayerisches Sehelmenbtichlein, Diessen, Jos. C, Huber, 1911. 4 Mk. 

Bronners Buch gibt uns eine ungemein reiche Sammlung bayerischer Ortsneckereien 
in Form von Schnurren und Schwänken, ferner Plaudereien über Taufnamen, Handwerker-, 
Standes- und Berufsneckereien. Es enthält eine äußerst wertvolle Bereicherung unserer 
Volkskunde im allgemeinen und der Schwankliteratur im besonderen. Bronner zeigt, wie 
namentlich Schwaben, die Pfalz und Franken weit reicher sind an ÖOrtsneckereien als 
die altbayerischen Gebiete. Es gibt hier viele Gebiete, in denen die Neckereien fast 
völlig verschollen sind. Die Pfälzer, Schwaben und Franken sind, wie Bronner richtig 
bemerkt, in Hinsicht auf gegenseitiges Necken, Scherzen und Anulken anders geartet 
als der knorrige, kräftige Altbayer. 

Im ganzen bietet uns Bronner ein nettes, kleines Gegenstück zu Kellers aus- 
gezeichnetem Buche über die Schwaben im Volkshumor. Er verfügt über eine echt 
volkstümliche Erzählerkunst, die sich ja in andern Werken schon erprobt hat, die auch 
vor Derbheiten, die der Stoff natürlich mit sich bringt, nicht zurückschreckt. 

Vor allen Dingen fiel mir auf, eine wie große Rolle die Speisen in diesen Neckereien 
spielen. Wenn wir einmal uns die Aufgabe stellen, auf die Riehl, der Begründer unserer 


I 2.B. dem lieben Herrgott sein prächtiges Wetter. 


376 Bücherbesprechungen. 


Volkskunde, vor allem hingewiesen hat, unsere deutschen Küchenaltertümer festzulegen, 
so wird auch Bronners Werk mit eine Fundgrube sein. 

Auch wie die Schwänke wandern von Volk zu Volk, ließe sich leicht an einer 
Reihe von Beispielen zeigen. 

Die Wiedergabe der Dialektformen ist einheitlich und entfernt sich nicht weit von 
dem gewohnten Schriftbild. Von Vorteil wäre es gewesen, wenn Bronner jeweils die 
Ortsnamen und die Bezeichnung der Bewohner in der mundartlichen Forın beigefügt hätte. 

Ein paar Bemerkungen seien mir noch gestattet. Die Bezeichnung Bayer = Sau 
ist heute noch im südlichen Baden, im Hauenstein gebräuchlich (S.17). Zu den Sagen 
S. 22 wäre auf Panzers Ausführungen in seinen bayerischen Sagen hinzuweisen, der eine 
sehr einleuchtende Erklärung aus alten Religionsgebräuchen gibt. Über die Hollertau. 
das Paradies der Pferdediebe, spricht Riehl in seinem Wanderbuch in humorvoller Weise 
(4. Aufl., S. 257 — 276). 

Eine Entgleisung ist es, wenn der Verfasser den Romanschriftsteller Petron (S. 113) 
einen alten Griechen nennt. Der treffliche arbiter elegantiae ist ein waschechter Ur- 
römer gewesen. Die Ableitung des Pfälzer Schimpfworts für Altbayern Zerockel (S. 232) 
ist falsch Es bedeutet nicht Zweige, Knorren, Ecken, sondern geht, wie Becker im 
Pfälzer Museum, 1910, S. 193 nachweist, auf den Namen des ersten Präsidenten der 
bayerisch gewordenen Jfalz, Frh. Franz Xaver von Zwackh-Holzhausen, zurück. Er 
hat in der Pfalz als erster in hervorragender Stellung Art, Wesen und Sprache des 
Bayern, besonders des bayerischen Beamten ausgeprägt. 

Als Parallele zu dem Spruche »Jakel, gib die, stellt sich das Tübinger »Jokele, 
sperr« (S. 226). Die S. 242 mitgeteilten Verse auf den Pfannenflicker sind sonst Be- 
standteil eines weit verbreiteten Liedes, das ich in meinen Volksliedern aus dem Wicsen- 
tale mitgeteilt habe. 

Zu ras S. 204 vermisse ich eine erklärende Angabe, es ist das alemannische rdß, 
mittelhochdeutsch raexe. 


Bronners Büchlein ist weiteste Verbreitung zu wünschen. Es bietet eine gesunde, 
kräftige Landkost. 


Lörrach. Othmar Meisinger. 


Theodor Rabeler, Niederdeutscher Lautstand im Kreise Bleckede. Phil. Diss. 
Kiel 1911. 628. 

Um den Eindruck, den ich von der Arbeit erhalten habe, vorwegzunehmen: warum 
senden nicht mehr Doktoranden ihre Dissertationen an die Schriftleitung der Zeitschrift 
für deutsche Mundarten? Hier ist der gegebene Ort, an dem dic Ergebnisse ihrer Unter- 
suchungen und Sammlungen am ehesten einem sachverständigen Leserkreis mitgeteilt 
werden. Hier kann man am besten erzielte Fortschritte feststellen, und es wird so ein 
Brennpunkt geschaffen, der von allen Seiten der deutschen Mundartenforschung sein Licht 
erhielte und seinerseits manch willkommenen Strahl, manche neue Idee, und sei es nur 
eine neue Forschungsmethode, zurückwerfen könnte. Es wäre dringend zu wünschen, 
daß unsere Zeitschrift von den Universitätsprofessoren ihren Schülern nach dieser Seite 
hin empfohlen würde. ! 

Was mir der Rabelerschen Arbeit ihren unbestreitbaren Wert zu verleihen scheint. 
ist die sichere Anwendung strenger lautphysiologischer Untersuchungsweise. Die Be- 
nutzung des Sprachmelodieapparates von Marbe hat neben der Feststellung der absoluten 
Lautyuantitäten vor allem dem Problem des Akzentes, besonders des dynamischen, ge- 
naue Unterlagen gegeben. Es zeigt sich wieder, wie rein beschreibende Lautdarstellung 


1 Die Universitátsprofessoren haben von jeher nach dem Wunsche des Herrn Ver- 
fassers dieser Besprechung gehandelt, doch war es den Herausgebern der Ztschr. für 
deutsche Mundarten aus verschiedenen äußeren Gründen leider nur ausnahmsweise mög- 
lich, die meist recht wertvollen Doktorschriften aufzunehnien. Die Schriftleitung. 


Bücherbesprechungen. 317 


imstande ist, geschichtliche Lautvorgänge nachträglich zu entziffern, und daß anderseits 
eine ausreichende Lautlehre einer Mundart ohne gute phonetische Kenntnisse und Fertig- 
keiten unmöglich ist. Allerdings darf der Forscher auch in der geschichtlichen Gram- 
matik nicht unerfahren sein. Bei R. ist das erste Erfordernis erfüllt, während ein nicht 
allzu deutlicher Mangel in dem letzten Punkte seiner Arbeit die Vollendung versagt. 

Die ganze Arbeit soll in der Ztschr. f. deutsche Philologie erscheinen! und »eine 
phonetische Analyse, Geschichte und Geographie des Lautstandes im Kreise Bleckede« 
bieten. Die Dissertation enthält nur die Phonetik und die Geschichte der kurzen Stamm- 
vokale. Bei der mit Worten kargenden Schreibweise des Vfs. sind nicht alle in dem 
jetzt veröffentlichten Teile berührten Punkte bereits völlig zu verstehen; jedoch kann 
man auch mit Andeutungen schon einiges anfangen, und es sollte mich freuen, wenn 
meine Vermutungen durch das Folgende bestätigt würden. Jedenfalls kann ich dem Leser 
dieser Besprechung die Kenntnisnahme der ganzen Untersuchung angelegentlich empfehlen, 
und ich werde, falls es geboten erscheint, an dieser Stelle seinerzeit einen abschließenden 
Bericht darüber geben. | 

Am interessantesten waren für mich bei der Durchsicht der Geschichte der kurzen 
Vokale nicht die Erscheinungen, die diese boten, sondern die durch neuere Arbeiten auf 
niederdeutschem Gebiete bereits mehr oder weniger deutlich gewordene eigenartige Ent- 
wicklung im Konsonantismus. Allgemeine Behauptungen, wie daß es im Nieder- 
deutschen nur stimmhafte Medien gebe, werden Lügen gestraft. Die Existenz 
stimmloser 5, d, g, ja sogar stimmioser Reibelaute (w, s, 3) ist jetzt über 
allen Zweifel hinaus sicher festgestellt. Und wie die dänische scharf aspirierte 
Aussprache des anlautenden 2 dem Nordgermanischen dereinst den Besitz von Affrikaten, 
wie sie im Hochdeutschen in der zweiten Lautverschiebung entstanden sind, verbürgt, 
so hat R. recht daran getan, die anlautenden Tenues in seiner Mundart mit dem Zeichen 
des Hauchlautes zu verschen. 

Einen dem ndd. Auge gar zu ungewohnten Eindruck macht eine Schreibung wie 
S.17 3052 Schäfer. Uud doch muß man sich nach der Erklärung a. a OÖ. damit wenigstens 
gelegentlich abfinden. R. schreibt nämlich: »Zwischen langem starktonigem und einem 
schwachtonigen Vokal scheint .die Stimme während der Bildung der alten Tenuis oft durch- 
zutünene. Einem ähnlichen Schicksal muß offenbar ? in dem Worte besser bera die Umwand- 
lung ia x verdanken. Auch wissen finden wir vedn geschrieben. Eine andere Möglichkeit 
der Erklärung, die für vedn zutrifft und zugleich Stiminlosigkeit des d angibt, gewährt 
die Bemerkung (8.17), daß »alte Tenuis zwischen Vokal und Nasalis« faucal explodiere 
>mit Intensititsabstufunge. Die Fortis wandelt sich also zur Lenis um. Wie hoch- 
deutsch mutet das an! 

Einzelne mnd. dreisilbige Wörter weisen gleichberechtigte Nebenformen mit und olıno 
Tondehnung auf. Die in andern ndd. Maa. also nur in verschiedenen Wörtern vorkom- 
mende Erscheinung, die dem ndd. Forscher stets von neuem Schwierigkeiten bereitet 
(vgl. z. B. Mackel, Ndd. Jb. 31, 124), daß einmal Dehnung eingetreten ist, das andermal 
nicht, bemerken wir hier in demselben Wort. Immerhin dürfte das weniger auffallen, 
da wir die Angabe finden, dab das mek-Gebiet® die ungedehnten Formen bevorzugt. Es 
stehen nebeneinander »etl: nedl Nessel, hekl: hegl Hechel. Nach $ 28,2c setzt diese 
Entwicklung Verschiedenheit der Wortbetonung voraus: aus mnd. Ȏtele entsteht netl, 
aus nefele dagegen nedl. Diese Erklärung mag m. E. für diesen Fall den letzten, erreich- 
baren Grund für Dehnung oder Nichtdehnung bilden, praktisch brauchbar ist sie nicht, 
da auch bei mnd. zweisilbigen Wörtern das gleiche zu beobachten ist. Es gibt sowohl 
eine Form Ahedl wie khetl Kessel, Meer! wie nerl Nebel, lebl wie lepl Löffel. Man muß 
wohl ausgehen von der Frage, ob in der zweiten Silbe ein e erhalten geblieben ist oder 
nicht. Die Form zetele ließ zunächst das dritte, unbetonte e abfallen und mußte nach 
der allgemein ndd. gültigen Regel dehnen, dagegen war in dem aus netel& entstandenen 


! Die vorliegende Dissertation s. 7. f.d. Ph. 43, 141— 202. 
° Mitten durch das behandelte Gebiet läuft die 22: mik- Linie. 


378 Bücherbesprechungen. 


netle die erste Silbe geschlossen worden und konnte nun nicht mehr dehnen. Bei 
mnd. ketel entstand Dehnung, in den flektierten Kasus aber fiel das e der zweiten 
Silbe wegen mangelnden Tons fort, und aus ketles ergab sich eine ungedehnte Form, die 
dann der gedehnten auch im Nominativ Konkurrenz machte. Der oben von R. auf- 
gestellte Wechsel in der Betonung der dreisilbigen Wörter konnte hier also nicht auf- 
treten. Wie sollten denn sonst wohl die ungedehnten Formen entstanden sein? Eine 
Form mnd. *ketl ist doch nicht denkbar. Daß der Unterschied in der Quantität allein 
in den flektierten Formen (aus ketles : ketels) entstanden sei, halte ich aus andern Gründen 
nicht für wahrscheinlich. 

Welche gemeinsame Erklärung nun R. für die Verwandlung der alten Tenuis in 
den Fällen ned!, hegl, lebl geben möchte, ist nicht ersichtlich. Für £ scheint er Lenis- 
explosion anzunehmen (S. 17 ob.). Ob diese auch für die übrigen Tenues gelten soll, 
wird nicht angedeutet, jedenfalls nicht bei folgendem 4. Für die Media d vor l dagegen 
finden wir die scharfe Unterscheidung, ob d vor sonantischem oder konsonantischem 
l steht. Im ersten Falle wird der Verschluß so langsam gebildet, daß von der d- Arti- 
kulation nichts übrig bleibt: rädel Kornrade wird zu ma. röl, im zweiten explodiert d 
wie t‚ so wäre also neumärkisches #ogt/ Nadel (aus mnd. nädele > nätle) entstanden zu 
denken. Ob also nach R. in Aeyl die Stimme durchtönt wie bei 395. Schäfer? Größere 
Bestimmtheit wäre hier am Piatze gewesen. Vielleicht aber erhalten wir in dem noch 
ausstehenden Teil der Arbeit Aufklärung. 

Wie sich die Angabe, langsame Lenisexplosion trete bei den alten Tenues nach 
stark betontem kurzem Vokal auf, mit den Schreibungen dig dick, vid weiB ($ 25 II, 4) 
reimt, ist unerklärlich, da doch vielmehr der schwach geschnittene Ton die Lenisexplosion 
erzeugt. Für die Lenis in ard acht, mägd Markt, drayg (<2 mnd. drank) Abwaschwasser 
und Trank für die Schweine, fasd fest finde ich nirgends eine Erklärung. Dagegen sind 
mir Fälle wie /insda Fenster aus meiner Ma. geläufig. 

Auch in der Ma. des Kreises Bleckede können wir den Zirkumflex treffen, dem 
in der letzten Zeit besonders in der rheinischen Forschung so eifrig nachgespürt worden 
ist, und zwar tritt er nur bei e-Apokope oder -Synkope in Starktonsilben auf.! R. 
unterscheidet beim eingipfligen Silbenakzent drei Stufen, da er bei dem schwach ge- 
schnittenen einen »wenige schwach und einen »deutlich« schwach geschnittenen Ton 
beobachtet. 

Daß das sogenannte Wintelersche Silbenakzentgesetz (s. Winteler, Kerenzer 
Ma. S. 142 f.), das übrigens auch nicht für alle obd. Maa. gilt (vgl. Elisa Wipf, Die Ma. 
von Visperterminen im Wallis, wo allerdings besondere Akzentverhältnisse vorliegen), 
wonach nach einem kurzen (stark geschnittenen) Vokal ein noch derselben Drucksilbe 
angehörender Sonorlaut (außer r) zur Fortis verschärft werde, auf die ndd. Ma. von 
Bleckede nicht anwendbar ist, da nach $33 Anm. die gleiche Quantität des Konsonanten 
m in khum flache Schale wie in Aham kaum vorhanden ist. wird auch beachtenswert er- 
scheinen müssen; denn der ungeschulte Forscher könnte auch bei uns leicht anderes zu 
hören meinen. 

Die experimentell festgelegten Quantitäten der Vokale lassen im einsilbigen Takt 
9 Abstufungen erkennen: a) Kürze (0,07 — 0,1“), b) Halblänge (0,11—0,18 “), c) ein- 
fache Länge (0,19 — 0,24 *), d) gesteigerte Länge (0,31 — 0,38), e) Uberlinge (0,39 — 0,44 “). 
a tritt ein bei stark geschnittenem Vokal, b in einzelnen Fällen, von denen sös sechs 
interessiert wegen der im Ripuarischen in solchen Fällen sich zeigenden Längung und 
Diphthongierung des Vokals, e bei einfachen Längen mit »wenige schwach geschnittenem 
Ton, d bei gesteigerten Längen mit »deutliche schwach geschnittenem Ton und e bei 
der Überlänge, die sich mit dem Zirkumtlex verbindet. Zwischen c und d stellen sich 
mit 0,25 — 0,3“ Dauer die knarrenden Vokale, die in gewissen r-Verbindungen entstehen. 


! Chronologisch wichtig ist, daß die Apokope früher eingetreten ist, als die Neutra 
wie Rad die neue Endung -er angenommen haben; es heilt noch »60/d) Rider (mit 
Zirkumilex). 


Bücherbesprechungen. 379 


Auch für die Konsonanten sind experimentelle Zeitbestimmungen versucht worden. 
Es wird interessieren, daß für die intersonantischen Sonore (m, l in ema Eimer, khela 
Keller) 0,07—0,09 ”, dagegen für diese Laute am Wortschluß (kkúm kaum; nach der 
weiter oben gemachten Mitteilung auch bet Fon flaches Gefäß) 0,1 — 0,18 ” gemessen 
worden sind. So wenig entspricht die übliche Schreibung emmer also dem wirklichen 
Zustande! Sieht denn nun die laienhafte Mundartenforschung endlich ein, daß man ohne 
Phonetik nicht auskommen kann, und wie die Schreibung mundartlicher Formen mit den 
Mitteln der Schriftsprache völlig in die Irre führen kaon! Überlänge des Sonors (0,24 
bis 0,32 “) tritt u.a. auf in zweigipfligen Silben mit kurzem Vokal (salf Salbe, wo 1 den 
Nebengipfel trägt). 

Die Veränderungen, die nachfolgendes r bei dem Stammvokal bewirkt, sind nicht 
nur in ndd., sondern überhaupt allgemein in deutschen Maa. ein Gegenstand, der reges 
Interesse verdient. Oft wird man versucht, einheitliche Regeln für einzelne Mundarten- 
komplexe aufzustellen, wird aber meist durch die vielen Ausnahmen und Abweichungen 
davon abgeschreckt. Immerhin ist es verdienstlich, wenn man nur in einer Ma. feste 
Regeln aufstellt. Für diesen Zweck scheint die Ma. der vorliegenden Arbeit günstig. Es 
ergibt sich zunächst die einfache Teilung in Fälle, in denen r erhalten bleibt, oder we- 
nigstens noch vor dem Ausfall stark wirksam ist, und die, in denen r spurlos oder doch 
nur schwach wirksam — es senkt lediglich u>o und e>a — beseitigt ist. Um das 
letzte zu erledigen, so erscheint als Hauptursache dieses Verhaltens des r die Verbin- 
dung st und sk; einmal genügt auch mnd. s allein, nämlich in fadwas verkehrt (<< mnd. 
cordwers). Welcher Grund das Ausweichen dieses Wortes gegenüber der üblichen Ent- 
wicklung des entsprechenden Zeus Spörgel (<< mnd. yers) bedingt, ist noch nicht fest- 
gestellt; jedoch dürfte das as. k von thwerh auf die moderne Ma. nicht ohne Einfluß 
sein. Einige Beispiele für die angeführte Regel: bosd Brust, vosd Wurst, gasn Gerste, 
dösn dreschen. Auch as. t gehört in diesen Bereich: khot kurz, vötl Wurzel; doch gibt 
es daneben eine abweichende Entwicklung, auf die wir hier nicht eingehen wollen. 

Für die Fülle der übrigbleibenden r-Erscheinungen läßt sich ohne Schwierigkeit 
eine gewisse Regelmäßigkeit beobachten. Dehnung zu den geschlossenen Längen ö, € 
ist zu unterscheiden (I), wenn wir vorläufig von dem Umlaut ö absehen wollen, und 
daneben die Entwicklung von sogenannten knarrenden Längen (II). Bei I gehören die 
Vokale a, o, u (1) und daneben e, ë, & (2) zusammen, bei II einerseits o und «v (1) und 
anderseits a, e, ¿ und (CO) Bedingung für die beschriebene Lautentwicklung bei I ist 
die Stellung des Stammvokals vor a) as. silbenauslautendem oder intervokalischem r, 
b) as. -»s, c) as. -rd, -rd, d) as. -rn, e) as. -r/, d. h., wenn wir für -rs Ausbildung 
der modernen Lautform in flektierten Wortformen, Dehnung also nicht im nom. bars, 
sondern etwa im gen. barses annehmen, vor stimmhaften Zahn- und Alveolarlauten (die 
Kürze oder der r-Ausfall war vor stimmlosen Alveolar- und Zahnlauten eingetreten). 
Beispiele: 1. bos bar, boa (mnd. bor) Bohrer : 2. bes Beere, deet quer, bez Birue; 
1. böas Barsch : 2. Zeis (mnd. gers) Spörgel; 1. böad Bart, bö.d (»Bord«) unterer Rand 
des Strohdaches : 2. phéxwd Pferd, heed Herd; ein irden; 1. oen (as. aran) Ernte, doan 
Dorn, thöan (as. turn) Turm : 2. Eansd ernst, thicean Zwirn; 1. Khoel Karl : 2. khëal Kerl. 
Der Umlaut von o, « sondert sich ab und weist ö auf. Die knarrenden Längen (IT) ent- 
stehen vor a) Labialen, b) Gutturalen; dabei ergibt 1. den Laut ve, während sich bei 
2. infolze phonetischer Übereinstimmung des zweiten Diphthonggliedes der einheitliche 
knarrende @-Laut herausbildet. Beispiele (vor Labial): 1. Ahuaf Korb, storm (mnd. 
storren) gestorben, stoam Sturm; thaaf (as. turf Rasen) Torf, coam (as. wurm, worm) 
Wurm : 2. gäf Garbe, sab scharf, cóm warm; dm Erbe (< mnd. erre--n), häfsd Herbst; 
1. (vor Guttural) 74922) Morgen, steg (mud. stork) Storch; Juag (as. furka) Forke : 2. häg 
Harke; ¿gan (mnd. ergeren) ärgern). Diese Aufzählung mag genügen; sie verzichtet auf 
einzelne Abweichungen, die für eine vergleichende Darstellung der ndd. r-Gesetze aller- 
dings nicht entbehrt werden könnten. Wenn ich diesen Zustand mit der von mir (Z.f d Ma. 
1907, 136 ff.) beschriebenen Lautgestalt der entsprechenden neumärkischen Wörter ver- 
gleiche, so ergibt sich eine auffallende Ähnlichkeit. An Stelle der geschlossenen Längen 


380 Bücherbesprechungen. 


&, ö von Bl. stehen hier die offenen €, 9 unter denselben Bedingungen; die knarrenden 
Längen werden entsprechend durch Kürzen ersetzt, und r-Ausfall ist nicht eingetreten 
oder nachträglich beseitigt worden. Die größere Menge der Ausnahmen in meiner 
Heimatmundart ließ eine so einfache Scheidung wie in Bl. ohne fremde Unterstützung 
nicht zu. Daß sie einmal so klar herausgearbeitet werden konnte, ist mit Freuden zu 
begrüßen, und es ist sehr zu wünschen, daß sich jede spätere Bearbeitung 
einer ndd. Ma. mit dem hier gegebenen Schema auseinandersetzen möge. 

Noch einige Worte über die geographische Lage der Ma. Der Kreis Bl. liegt etwa 
25 km östlich von Lüneburg und wird von der Elbe durchflossen. Die auf S.1 ohne 
Erklärung vorgedruckte Skizze gibt nach einem einfachen Verfahren einen guten Einblick 
in die Sprachlinien des Kreises.” Die wichtigste Linie ist k, die Grenze zwischen m7 und 
mik. Sie geht der Reihe nach zusammen 1. mit den beiden Linien e (heam : hemm 
haben), 2 (seaxd : serd sagte), 2. mit den jetzt hinzutretenden Linien ? (khöü : khoö, khae 
Kühe), f (seax : sex sage), 3. unter Absonderung von e, f, © mit den Linien m (khnerl: 
khnevl Knebel) und o (uns: üsg uns, rit: vid weiß). Von großer Bedeutung ist ferner 
y, auf deren einer Seite im pl. ind. prs. die Endung -e?, auf der andern -en gesprochen 
wird. Ich nenne sodann noch p (sm, sn, sw : šm, šn, šw), n (sp, st: šp, št) und die 
lokal wichtige Grenze m (s. ob.). 

Fremde Einflüsse rühren von der slavischen Vorbevölkerung der Polaben her; 
jedoch ist als sicher nur die falsche Verwendung von h im Anlaut anzusprechen. Woher 
mag übrigens wohl die seltsame Entwicklung des anlautenden j- >> 2- (2apm jappen u. v. a.) 
kommen? Ob nicht auch an polabische Spracheigentümlichkeit zu denken wäre? 

Hiermit wäre erledigt, was in der Hauptsache zu sagen war. Auf meine gelegent- 
lich abweichende Anschauung in etymologicis will ich nicht mehr eingehen. Nur das 
Fehlen der Geschlechtsbezeichnung soll als ein erheblicher Mangel hingestellt werden, 
und forner wäre ein Versuch, chronologische Daten wenigstens relativ festzustellen, für 
die Förderung mancher Probleme der vergleichenden ndd. Mundartenforschung von 
gutem Nutzen. ; 

Warum R. von der sonst üblichen Zuweisung des Zeichens x an die velaren, von 
x an die palatalen Reibelaute abgeht, ist nicht abzuschen. Überhaupt hätte er m. E. 
ohne seine Neuerungen in der Lautschrift auskommen können; dadurch wäre seine Arbeit 
leichter lesbar geworden. 

Wir begrüßen den neuen Forscher herzlich und wünschen ihm Ausdauer und 
Erfolg zu weiteren Arbeiten auf dem schwierigen Felde der Mundartenforschung. 





1 Das Leihenerscho Verfahren in seinem Cronenberger Wtb. (Marburg 1908) ist 
hier noch verbessert. R. läßt selbständige Linien für jedes wichtige Lautgesetz bestehen 
(z. B. bezeichnet d Rundung oder Nichtrundung in ben ich bin), und man bemerkt den 
Zusammenfall mehrerer Linten lediglich an dem Zusammentreten der Buchstaben, die 
jeder Linie gegeben sind. Mit dem Nebeneinander in Bündeln wie bei Jak. Vetsch, Die 
Laute der Appenzeller Maa., Frauenfeld 1910, scheint mir keine glückliche Lösung ge- 
boten zu sein. 


Steglitz. H. Teuchert. 


Neue Bücher. — Zeitschriftenschau. - 381 


Neue Bücher. 


Fischer, Hermann, Schwäbisches Wörterbuch. 34. und 35. Lieferung. (Hurrle- 
bausch — Hutzucker; Schluß des 3. Bandes.) Tübingen, H. Laupp, 1911. Preis 3 Mk., 
bezw. 1 Mk. 

Grimm, Jacob und Wilhelm, Deutsches Wörterbuch. 13. Band, 10. Lief. (wandeln 
— Wank.) Bearbeitet von K. v. Bahder und H. Sickel. 

Dasselbe. Vierzehnten Bandes erste Lieferung. (Weh — Wehr.) Bearbeitet von 
Dr. A. Götze. Leipzig, S. Hirzel, 1911. 

Hartmann, Joh. Bapt., Dr. phil., Die Terenz-Übersetzung des Valentin Boltz 
und ihre Beziehungen zu den älteren Terenz-Übersetzungen. Kempten 
und München, J. Kösel, 1911. 808. Preis 1,80 Mk. 

Huber, Joseph, Dr., Zur Methodik der Mundartenforschung. Innsbruck, Wag- 
nersche Universitätsbuchhandlung. 39 S. 1 Mk. [Dieser Sonderabdruck aus dem 
Programm der k. k. Oberrealschule in Innsbruck für das Studienjahr 1909/10 behandelt 
in eingehender Weise die Kapitel: Umschrift, Lautphysiologie, Experimentalphonetik, 
Individualismus in der Sprachforschung, Fehlerquellen der Beobachtung, Individua- 
lismus im Sprachleben, Schriftsprache, Umgangssprache, Mundart, Mundart und 
Dialekt, Klassifikation der Mundarten, Mundartenforschung und Volkskunde, Plan zu 
systematischer Aufnahme der Mundarten eines Landes.) 

Rabeler, Theodor, Niederdeutscher Lautstand im Kreise Bleckede. (Kieler 
Doktorschrift.) Stuttgart, W. Kohlbammer, 1911. 628. 

Sónnecken, F., Der Werdegang unserer Schrift. Bonn/Leipzig 1911. 27.8. 

Staub, Friedrich, und Tobler, Ludwig, Schweizerisches Idiotikon. Wörter- 
buch der schweizerdeutschen Sprache. LXIX. Heft. (Sela — ufsalze.) Bd. VII, 
S. 737—896. Frauenfeld, Huber u. Co., 1911. Preis 2 Mk. 


en a A u 


Zeitschriftenschau. 


(Wir suchen aus dem Inhalt aller Zeitschriften hier die für die deutsche Mundartenforschung wichtigen Auf- 
sätze anzuzeigen und bitten um Einsendung aller einschlägigen Arbeiten, damit unsere Zusammenstellung eine 
möglichst vollständige wird.) 


Alemannia. 1909. Heft 1. 2. 3. 
J. Schmidt, Weitere Ortsneckereien im Markgräflerland aus älterer und neuer Zeit 


(S. 23 — 35). 
A. Holder, Dritter Nachtrag zur »Geschichte der schwäbischen Dialektdichtung« 
(S. 36 — 51). 


OÖ. Haffner, Alemannische Ortsneckereien aus Baden (S. 129 —138). 
JN. Kaypff, Schwäbische Ortsneckereien (S. 139—147). 
— 1910. Heft 1. 2. 3. 
H. Wirth, Zarten und Zähringen (S. 77—84). 
— 1911. Heft 1. 2. 
W. Groos, Zu den Badener und Pfälzer Schwaben am Bug in Südrußland (S. 26 — 37). 
L. Sütterlin, Bernhard Kahle + (S. 33 — 44). 
E. Beck, Allerlei Volkskunde aus dem Markgräflerland (S. 48 — 80). 
H. Wirth, Gallische Ortsnamen im Breisgau (S. 88 — 92). 
Basler Nachrichten. Sonntagsblatt. 6. Jahrg. 1911. 
E. D., Berndeutschos (S. 96). 
A. S., Aus dem Schweizerdeutschen Idiotikon (S. 111 f.). 
— 4. Beilage zu Nr. 103. 
E. Hoffmann-Krayer, Karwoche und Ostern im schweizerischen Volksbrauch. 


382 Zeitschnftenschau. 


Das deutsehe Volkslied. 13. Ja rzang. 1911. Heft 7. 
Deutsehe Erde. Zeitschrift für Dentschkunie. 10. Jabrgz. 1911. 
E. H.L. Krause, Entwickling deurscher Gras- und Getreidenamen und deren Wechsel- 
beziehungen zu we.schen 15.3540). 
I. Pfaundler, Das deutsche Spraclizebiet in Südungam (S. 43 — 46; 558— 46). 
Je, Blume, Penns:lvanisch- Dutch oder German? (5. 55). 
A. Krisch, Die Schwabengeme:inie Csatád im Banat iS. 416 — 51. 
H. Pokorny, Die Deutschen in Bosnien (S. S1— $4). 
Joh. Zemmrich, Deutshe und Romanen in der Schweiz (5. 84—91). 
F. Winterstrin, Noch einmal die Namen der Deutschen (5. 95 f.). 


Deutsche Volkskunde im östliehen Böhmen. Herausgegeben von Dr. E. Langer. 1910. 
X. Band. Heft 3 und 4. 

Mundartliches und Abergläubisches aus Kronstadt, NeuschloB, Skalka- Wlasenka, 
Braunau (S. 119 —122). 

Volkstümliche Dichtungen (S. 122 — 132). 

Gesellschaftslieder (S. 149 —155). 

Vermischte Lieder (5. 155—159). 

Sterkener Tuschlieder und ähnl. (S. 159 —166). 

Volkskundliches von der Glatzer Grenze IS. 184 — 191). 

Vorstudien zu einem Wörterbuche der Adlergebirgsmundart mit besonderer Berück- 
sichtigung des schlesishen Gebirgdialektes (S. 192 — 229). 


Germanisch - Romanische Monatsschrift. 3. Jahrg. Heft 7. 5. 9. 
H. Schröder, Kleine Beiträge zur Wortforschung Il. Nhd. Kreisel; nordd. geh bis 
zu! Nd. meschiken »Zwieback«e: nochmals steir. fillifalli, fillumfallum (S. 411 
bis 412). 
Hessische Blätter für Volkskunde. Bd. X. 1911. 
0. Schulte, Das Kindergebet im Großherzogtum Hessen (S. 1—16). 
W, Hoffmann, Beiträge zur Volkskunde Rheinhessens (S. 16 — 39; 101—124). 
Alb. Beeker, Besprech. von Th. Zink, Pfälzische Kindcrreime (S. 51f.). 
J. ie. Dieterich und Schulte, Mitteilungen für die Flurnamensammluug (S. 1—S$S, 
Anhang). 
Korrespondenzblatt des Vereins für siebenbürgische Landeskunde. 34. Jahrg. 1911. 
Victor Hoth, Artikel der Ilermannstädter Goldschmiedezunft vom Jahre 1494 (S. 56 
bis 60). 
Jul. roos, Beiträge zur siebenbürg.-sächs. Sprachgeschichte (S. 76 — 78). 
Rich. Huff, Ausführliche Besprech. von J. Tockert, Romanische Lehnwörter in der 
Luxemburger Mundart (S. 83—87). 
Joh. Filtsch und K. Fitel, Splitter zur Volkskunde (S. 97). 
Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. Jahrg. 1911. 
Heft XXXII Nr.1. 
Mannheimer Geschichtsblätter. 12. Jabrg. 1911. 
L. Wilser, Nochmals die Weiler-Orte (S. 114—118). 
Mittellungen zur Volks- und Heimatkunde des Schönhengster Landes. 7. Jahrg. 1911. 
Hans Schwab, Einheitliche Schreibung bei mundartlichen Aufzeichnungen im Schön- 
hengstgau (NX. 1— 20). [Eine tüchtige Arbeit, in der aber zu streng und mit zu- 
wenig Rücksicht auf die Druckkosten der Grundsatz durehgeführt wird: für jeden 
Laut nur cin Zeichen. Wenn der Verfasser dıe Konsonantendehnung durch Doppel- 
sebreibung bezeichnet, so sollte er dasselbe auch bei der Vokaldehnunz tun, es 
wäre billiger und schöner; auch die Bezeichnung der Näselung der Vokale ge- 
schieht besser durch nachgesetztes » als durch untergesctztos -. Für den sogen. 
ach - Laut empfiehlt sich die aus dem Spanischen bekannte Schreibung x mehr als 
das griech. z, da dieses nicht in die lateinische Schrift hineinpaßt. — La] 


Zeitschriftenschau. 383 


Modern Philology. Bd. IX. Juli 1911. Nr.1. 

Niederdeutsches Jahrbuch. Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. 
Jabrg. 1911. 37. Bd. Heft I (Festschrift Walther). 

W. Sehlüter, Über die Umlautsbezeichnungen von o und w in der BEE Hand- 
schrift des Wisbyschen Stadtrechtes (S. 1— 20). 

A Holthausen, Zur altsächsischen Wortkunde (S. 49 — 52). 

P. Feit, Berg in Straßennamen und der Berg in Hamburg (S. 53—57). 

M. Perlbach, Eine neue Zeitung vom Berge Sinai 1511. Fragment eines nieder- 
deutschen Druckes (S. 58 — 63). 

E. Mackel, Katholisches in der niederdeutschen Mundart der Prignitz (S. 0 — 74). 

C. Borchling, Der Anteil des Niederdeutschen am Lehnwörterschatze der west- 
slawischen Sprachen (S. 75— 95). 

F. Frenzdorf, Zur Magdeburger Schöffenchronik (S. 96 — 102). 

Hj. Psilander, Schauer (S. 103 —109). 

H. Collitx, Missingsch (S. 110 —113). 

Roethe, Niederdeutsche Kleinigkeiten aus dem Göttinger Cod. jurid. 736 (S. 114 —119). 

W. Seelmann, Mittelniederdeutsche Fischereiausdriicke (S. 120 — 128). 

Oberbadisches Volksblatt. Lörrach 14. Mai 1911. 

O. Meisimger, Schnórkeli (= 4zeiligo Liedlein, die an ein gesungenes Volkslied an- 
gehängt werden; werden sie zum Tanz gesungen, so heißen sie Rappeditzli oder 
Stumpeliedli). 

Schweizerisches Archiv für Volkskunde. XV. Jahrg. Heft 3. 

S. Meier, Das Thurnbuch der Stadt Bremgarten (S. 129 —138). 

A. Dettling, Aus dem Arzoeibuch des Landammanns Michael Schorno von Schwyz, 
y 1671 (S. 177—184). 

Schweizer Volkskunde. Folk-Lore Suisse. Korrespondenzblatt der Schweiz. Ge- 
sellschaft für Volkskunde. 1911. Jahrg. 1. Heft 1—9. 

A. Stoecklin, Arbeitslieder (S. 6 —8). 

S. Meier, Ein Lied auf die Freiämter Tracht (S. 9). 

E. Hoffmann-Krayer, Die Pest (S. 18 —2]). 

Sitzungsberichte der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien. Philosophisch - 
Historische Klasse, 167. Band, 3. Abhandlung. XX. Mitteilung der Phonogramm - Ar- 
chivs-Kommission. Deutsche Mundarten III von. Jos. Seemiiller. 

J. Schatz, Mundart von Imst, Tirol (S5. 3—7). 

A. Pfalx, Mundart von Meran in Tirol (S. 7—11). 

Helene Freiin v. Benz, Mundart von Bierbaum im Lessachtal (S. 11—17). 

A. Pfalx, Mundart von BockflieB, Niederösterr. (5. 17—21). 

7 Schiffmann. Mundart um Grieskirchen, Oberösterr. (S. 21-— 25). 

A. Pfalz, Proben Heanzischer Mundart: a) Oberschützen bei Ödenburg, Ungarn; 
b) Odenburg; c) Lockenhaus bei Güns, Ungarn (S. 25—38). 

K Bacher, Mundart des Dorfes Waltrowitz und Umgebung, Bezirkshauptmannschaft 
Znaim, Südmähren (8. 38 — 47). 

Derselbe, Proben zur Satzmelodie in adhortativen und anderen konjunktivischen Sätzen 
(S. 47— 61). 

The Journal of English and Germanie Philology. Vol. X. 

Ernst Feise, An Introduction to the Study of Intonation (S. 1—19). 

Arthur F. G. Remy, Desprech. von Feists Etymologischem Wörterbuch der Gotischen 
Sprache (S. 120 —122). 

Leonard Bloomfteld, Ausführliche Besprech. von R. Loewe, Deutsches Wörterbuch 
(S. 122 —129) und von Heinrich Schröder, Ablautstudien (5. 131—135). 

Unser Egerland. XV. Jahrg. 1911. Heft 7. 8. 9. 

J. Kirchberger, Beiträge zur Egerl. Wortforschung (Schluß) (S. 99). 

F. Branky, Ubernamen aus dem Egerland (S. 109 —110). 


384 Zeitschriftenschau. 


Volkskunst und Volkskunde. Monatsschrift des Vereins für Volkskunst und Volkskunde 
in München. Jahrg.9. 1911. Heft 5. 
Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprach- 
vereins. 5. Reihe. Heft 33. 1911. 
O. Behaghel, Wandlungen im deutschen Satzbau (S. 77 — 86). 
Derselbe, Fremde Eintlüsse im Gebrauch des Geschlechtsworts (S. 86 — 90). 
E. Bloeher, Unser persönliches Verhältnis zur Muttersprache (S. 91—108). 
Westermanns Monatshefte. 55. Jahrg. 1911. 
Friedrich Kluge, Unsere Seemannssprache (S. 872 — 876). 
Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins. 26. Jahrg. 1911. 
‚Paul Pietsch, Besprech. von H. Klenz, Schelten-Wörterbuch (S. 156). 
A. Sellmann, Kindersprache (S. 174 — 176). 
Traugott Friedemann, Besprech. von H. Hirt, Die Etymologie der neuhochdeutschen 
Sprache (= Handbuch des deutschen Unterrichts an höheren Schulen, herausg. 
von Adolf Matthias, Bd. IV, 2. Teil) (S. 186 —188). 
P. Cascorbi, Besprech. von Th. Matthias, Plauische Familiennamen (S. 190). 
Th. Büsch, Das Eigentumsrecht in der deutschen Sprache (S. 205 — 210). 
Th. Imme, Humoristische Redewendungen in unserer Muttersprache (S. 215 — 220). 
Sellmann und P. Pietsch, Zur Geschichte des Wortes Heimweh (S. 230 f.). 
R. Palleske, Besprech. von A. Baß, Deutsche Sprachinseln in Südtirol und Oberitalien 
(S. 234). 
P. Cascorbi, Besprech. von G. Spanuth, Niedersächsische Familiennamen (S. 234 f.). 
F. Becker, Besprech. von H. Strigl, Sprachliche Plaudereien, 1. Bd., und H. Strigl, 
Sprachwissenschaft für Alle, Jahrg. 1—3 (S. 237 f.). 
P. Pietsch, Besprech. von R. Kühnau, Schlesische Sagen, I. Spuk- und Gespenster- 
sagen; II. Elben-, Dämonen- und Teufelssagen (S. 240 f.). 
F. Ruschke, Besprech. von O. Heilig, Gedichte von Schiller in leichtfaßlicher Laut- 
schrift mit einleitender Aussprachelehre (S. 241 f.). | 
Th. Matthias, Besprech. von H. Menges, Übungen zur Wortlehre in elsässischen 
Volksschulen und H. Menges, Geleitwort zu den Übungen usw. (S. 243). 
P. Mehlkopf, Besprech. von K. Dunkelberg, Rheinschiffahrts - Lexikon (8. 287 £.). 
Zeitschrift für deutsche Wortforschung. 13. Band. 1911. 
R. Hofmann, Beiträge zum deutschen Wörterbuch aus Justus Mösers Schriften 
(S. 35 — 70). 
A. Kluyrer, Scharwenzeln (S. 90 f.). 
E. Göpfert, Zur Bergmannssprache (5. 106 —116). 
K. Weidmann, Hadrianus Junius als Quelle für Johann Fischart. Ein Beitrag zur 
Erforschung des Fischartschen Wortschatzes (S. 116-—124). 
W. Bruckner, Stolz (S.152). Scherflein (S. 152 —154). 
A. Götze, Sommerfrische (S. 154 £.). 
Zeitschrift des Vereins für Volkskunde. 21. Jahrg. Heft 3. 1911. 
A. Dörler y, Sprichwörter und Redensarten aus Vorarlberg (S. 259 — 273). 
E. Lemke, Zum Fangsteinchenspiele (S. 274— 276). 
O. Schütte, Volkstümliche Obst- und Speisennamen im Braunschweigischen (S. 276 
bis 278). . 


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