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Full text of "Zeitschrift für Luftschiffahrt und Physik der Atmosphäre 15.1896-16.1897"

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Zeitschrilt 


Luftschiffahrt 


und 


Physik der Atmosphäre. 


Herausgegeben 


von dem 


Deutschen Vereine zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin 


und dem 


Wiener Filugtechnischen Vereine. 


Zugleich Organ des 
Münchener Vereines für Luftschiffahrt. 


Redigirt 


von 


A. BERSON 


in Berlin. 


XV. Jahrgang. 
1896. 


—— EET 


Berlin. 


MAYER & MÜLLER. 
1896. 


J. er e 
= T Be 






Tg NOW YORK 


R TISS 


ASTOR, LENOX AND 
TILDEN FOUNDATIONS 
R 1028 L ` 





Inhalts-Verzeichniss (Namen. und Sachregister) 
zum 
15. Jahrgange (1896) . . 
der Zeitschrift für Luftschiffahrt und Physik der Atmosphäre. 


U 


Seite 
Aörodrom, Bemerkungen zu den Versuchen des Herrn Laugley. mit seinem —, 
Platte. ... eE d |. 
Aéronaute, 8. Ausl. Aëron; Zeitschriften, | CSC i 
Aëronautical Annual for 1895, The —, Means (Referat v. Müllenhofl) ne G 26 
x „ 1896 „ > 2 0.124 
A&ronantische ausländische Zeitschriften, Inhnlksansube der — Berson 
27, 76, 124 
Aöronautische Ausstellungsbriefe aus dem tausendjährigen Ungarn, Hinten: 
stoisser . . . ee ee e e 186, 237, 814 
Acrophile, s. Ausl. Adron. Zeitschriften. 
Aöroplane, Ueber — v. Parseval. . 2. 2. 2 En mn 2 2 ern. 140 
Ahlborn: Zur Mechanik des Vogelfluges. (Ref. v. Müllenhoff). . . . . . 125 
Amerikanische Drachenversuche, Neueste —, Lachmann. . . 2 2 2.2....285 
Amerikanische Veröffentlichungen, Aus denselben Dienstbach ae ae "SCH 
Andrce's Polarfahrt, Berson . . a 2 nn En er een. Ih 
Antwort, Zur —, Berson . .. , 123 
Assmann: Die französischen Versuche: Zur Erforschung dur höheren Atmos: 
phärenschichten mittels unbemannter Registrirballons . . . . . . ID) 
Atmosphärische Luft, Marcuse. (Ref. v. Berson). . . en "8 77 
Ausländische aëronautische Zeitschriften — Inhaltsangabe dór B erson 16, 124 
Ausstellungs - Briefe, Aëronautische — aus dem tausendjährigen Ungarn, 
Hinterstoisser . e, , 186, 287, 314 


Ballastverbrauch und Gasentwicklung bei Ballon-Weitfahrten, Drossbach . 282 
Ballon; s. Luftballon. 
Bemerkungen, Zu den — des Grafen v. Zeppelin über R. v. Loessl's „Luft- 


widerstandsgesetze“, v. Miller-Hauenfels. . . 2 2 2 22 en... 237 
Berichtigungen . . . ee ee äu, EE 288,316 
Berson: Andrées Polarfahrt . Bi acer Bike ae ae ee ae ee E 

a General v. Stosch 7 . . . 23 

R Inhaltsangabe der SE sad GE Zeitselriften. 27, 16, 124 

2 Otto- Lilienthal Fe + =. ei e e e Ne bh ei A Arr E 

= Zur Antwort . . re een RB 

und Süring: Die 15. Fahrt des Ballons „Phönix“ T EE 29 

Billwiller: Miniatur-Modeil eines Luftschiffes. (Ref. v. Gesond DEEN 18 
Börnstein: Das Verhalten des Luftballons nach Erreichung der Gleich- 

gewichtshöhe . . . - ee ae Le, te A Are A 54 
Buttenstedt: Kleine Benierkungen ee a E Er a ee re Aga 


Cylinder- und Kugelflächen, Winddruck auf — Ritter ur ee ee ee. ER 


IV Inhaltsverzeichniss (Namen- und Sachregister). 


Seite 
Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffzhrt, s. unter Vereinsnachrichten. 
Dienstbach: Aus amerikanischen Veröffentlichungen `... . 275 
= Vogelflug und Flugteehnik. . 222 nn nn nn nn 2 
Drachenballon, der —, v. Parseval . . . 2 2 220202020. Beilage S 1-32 
Drachenflieger, Die Stabilität von -n, Kress . . . S , 286 
= Ueber die Stabilität des — s in ar und ee Luft, 
Kress . . Jet d fe e e E ët a ae 64 
S und Behraubenlieken, Kreis ba w Sé Ji ie e, DRB 
“ a R Fntgegnung von Kr enn, , RZ 
Drachen oder Luftballons, verbundene — und Fahrt mit solehen op vor- 
geschriebener Bahn, Koester e, 19 
Drachenversuche, Fortsetzung der — auf dem Blue Hill, Lachmann . . . 158 
5 Neueste amerikanische —, Lachmann. . _. . 285 
Drossbach: Ballastverbrauch und? "Gsentwicklünig bei Ballon-W eittahrten . 282 
Energie-Arbeit ete., Käuffer. (Ref. v. Fischer). e, 126 
Flügelkrümmung, Der Nutzen der —, Krause. . . . 187 
Flugmaschinen, Ueber den Weg zur Herstellung De hr — ‘Wellner . 207 
S = H ` i P e im Artikel 
von Wellner), Platte, 279 
Flugmodell, Langley's —, Hoernes. . - p iaa . 160 
Flugproblem, Ueber die EC Lösung les 8, Eewidetungi; "Kreise 22 
a » A «a „ Schlusswort v. Dienstbach 123 
Flugtechnik, Die Beete accumulirter Kräfte in der —, Lorenz . . . 67 
5 Vogelflug und —, Dienstbach ... . 229 
Flugtechnische Studien; auknüpfend an eine Gees von v. Tossa 
„Luftwiderstandsgesetze“, Popper . . . a re 198, 245, 295 


Flüssigkeiten, einige Gesetze des Widerstandes der —, Samuelson . . . 8,90 

France Aérienne, la —, s. Ausl. Aëron. Zeitschriften. 

Französische Versuche zur Erforschung der höheren E nn 
mittels unbemannter Registrirballons, Assmann. .... . . 154 

Gross: Ueber die Entwicklung der Militär-Luftschiffahrt in den Jahren 1894 u. 95 81 


Hergesell: Die wissenschaftliche Luftschiffahrt auf der internationalen Me- 


teorologen-Conferenz in Paris . . . 241 
Hinterstoisser: Aöronautische Ansstellings Brila aus GE e 
Ungarn. . . . . . . 186, 237, 814 
Hoernes: Kritische Betrachtungen über die Wellner sehe Versuche über 
den Luftwiderstand gewölbter Flächen im Winde ete.. . . . 162 
i Langley’s Flugmodell . . . . 160 
Jacob: Die Luft als Flugmedium vom Standpunkte E kinetischen Gas 
theorie und unserer physikalischen Erkenntniss überhaupt . . . 9 
e Ueber dessen neue Luftwiderstands-Hypothese und deren Bedeutung 
für die Flugtheorie, Kreiss . . . . e 192 
Internationale Meteorologen - Conferenz in Paris, Die wissenschafllich® Luft- 
schiffahrt auf der —, Hergesell . . . ... ; . . 241 
Kadarz: Der Luitýröpellen Flügel und seine Henid fär ET EE 
Zwecke .. e ee er er Se + 108, 145, 176 
Käuffer: Energie-Arbeit ete. (Ref. v. Fischer) e, 126 
Kleine Bemerkungen, Buttenstedt . . .. 234 


Koester: Verbundene Drachen oder Luftballons and Fahrt. mit SE auf 
vorgeschriebener Bahn. 2 220 0 nn 19 


Inhaltsverzeichniss (Namen- und Sachregister). 


V 


Seite 
Krause: Der Nutzen der Flügelkrümmung . 187 
á Wirkung des Vogelflügels 280 
Kreiss: Drachenflieger und Schraubenflieger . 238 
s Neue physikalische Principien als Erklärung des Se hw eberäthsels 315 
Ueber Dr. Jacob's neue Luftwiderstands-Hypothese und deren Be- 
deutung für die Flugtheorie . Be an ya 192 
; Ueber die praktische Lösung des BEE (Erwiderung) 22 
Kress: Die Stabilität von Drachenfliegern `, . . tee, 286 
a Drachenflieger und Schraubenflieggr. Ruteenia 283 
S Ueber die Stabilität des Drachenfliegers in ruhiger und bew Ber Luft 64 
Lachmann: Fortsetzung der Drachenversuche auf dem Blue Hill 158 
á Neueste amerikanische Drachenversuche 285 
Langley, Bemerkungen zu dessen Versuchen mit seinem Aörodrom, Pi Bike 189 
Langley’s Flugmodell, Hoernes . 160 
Lenkung eines Ballons in verticaler Richtung ‚Eine neue Art der. —, EE 232 
Lilienthal, Otto, Nachruf von Berson . š 161 
` „ Zur Erinnerung an — Müllen E o ef f 289 
v. Loessl: „Die Luftwiderstandsgesetze und der Vogelflug“*, Bemerkungen 
dazu von Graf v. Zeppelin .. . . . . . 172, 274 
a „Luftwiderstandsgesetze etc.“, E Studien, ankaüpfend 
an eine Besprechung des Werkes, Popper. . . . . 198, 245, 295 
Lorenz: Die Anwendung accumulirter Kräfte in der Fiugtechnik . 57 
Luft, die —, als Flugmedium vom Standpunkte der kinetischen Gastheorie 
und unserer physikalischen Erkenntniss überhaupt, Jacob 9 
Luftballon, Das Verhalten des —s nach Erreichung der Gleichgewichtshöhe, 
Bornsbein : ebe B En e a A 54 
Luftballons, verbundene — ader Drachen: und Fahrt mit solchen auf vor- 
geschriebener Bahn, Koester ` 19 
Luftpropeller - Flügel, der. und scine Eignung für Luftschifahrts - Zwecke, 
Kadafi e a Sa a EENEG Lt EE CN bt 
Luftschrauben, Neueste Versuche des Prof. Wellnere mit —. . . . . 7b 
Luftstromlinien, Ueber die Sichtbarmachung von —, Mach. 129 
Luftwiderstand gewölbter Flächen im Winde, Kritischo Bawächtungen zu daii 
Wellner'schen Versuchen darüber —, Hoernes .. . e 162 
Luftwiderstands-Hypothese, Ueber Dr. Jacob's neue — und deren Bodeutung 
für die Flugtheorie, Kreiss EE ge oi 192 
„Luftwiderstandsgesetze und der Vogelflug“. — E EE zu dem Werke 
R. v. Loessl’s, Graf Zeppelin . 2. 2.2 2 2 2 ne een... 172, 274 
Mach: Ueber die Sichtbarmachung von Luftstromlinien . 129 
Marcuse: Die atmosphärische Luft. (Ref. von Berson). 77 
Means: The Aöronautical Annual for 1895 (Ref. v. Müllenhoff). 26 
5 1896 a 124 
Mechanik des Vogelfluges, Ahlborn. (Ref. von Müllenhoff) 125 
Militär-Luftschiffahrt, Ueber die nr der — in den Jahren 1894 u. ap, 
Gross. ... ; ER le ie A 81 
Militär-aëronautieche SEN österr. 1893 — _95, Vortag: von Trieb ee 73 
v.Miller-Hauenfels: Das Mysterium des Vogelflugee . . . . . . 259, 808 
e Zu den Bemerkungen des Grafen v. Zeppelin über 
R. v. Loessl’e „Luftwiderstandsgesetze“ . 237 
Miniatur-Modell eines Luftschiffes, Billwiller. (Ref. v. Berson) 10 


VI Inhaltsverzeichniss (Namen- und Sachregister). 


Seite 
Müllenhoff: Referate über Means Aëronautical Annual für 1895 und 1896 26, 124 


š Zur Erinnerung an Otto Lilienthal . . . . . 2 2 . . . 9 
Münchener Verein für Luftschiffahrt, s. unter Vereinsnachrichten. 
Mysterium des Vogelfluges, Miller-Hauenfels. . . 2... . . . . 259, 308 
Neue plıysikalische Prineipien als Erklärung des Schweberäthsels, Kreiss. 315 
v.Obermayer: Ueber die Wirkung des Windes auf schwach gewölbte 
Rlächen Ae © su, 0, 0 se. Da a ee ee a ZU 
Oberrheinischer Verein für Luftschiffahet, s. unter Vereinsnachrichten. 


Oesterr. Militär-aöronautische Curse 1893--95, Vortrag von Trieb . . . . 18 
v.Parseval: Der Drachenballln . . . 2 2 2 2 2.20.20. Beilage S. 1—32 
: Ueber Aëroplane . . . l a a a aa ee. O 
M Ueber das Segelproblem . . . ’ Serie Aë ge GEN 
„Phönix“, — Die 15. Fahrt des Ballons — Süring und Berson. ... 29 
Platte: Bemerkungen zu den Versuchen des Herrn Langley mit seinem 
Aërodrom . . . DEENS 
Š Segelflug oder Ruderflug? a i 21 
Š Zu Wellners Artikel über den Weg. zur t Herstellung brauckbärer 
Flugmaschinen . e, 279 
Polarfahrt, Andree's —, Berson. . . . 2 2 2 2 2 2 2 2 ren. 14 
Popper: Flugtechnische Studien; anknüpfend an eine Besprechung von 
v. Loessl's „Luftwiderstandsgesetze* . . . 2 2 2.. . . . 193, 245, 295 
Redactionelles. . . . . . e 1, 128, 154, 161, 240, 288, 316 
Registrirballons, Die fa izosischan Verstehe zur Erlorschung der höheren 
Atmosphärenschichten mittels unbemannter —, Assmann .... 154 
Ritter: Winddruck auf Cylinder- und Kugelflächen . . . » 2.2.2.2.0..118 
Ruderflug oder Segelflug? Platte . . 2: : nn 21 
Samuelson: Einige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten . . . 3, 90 
8 Zum Vopelftug, e, 218 
Schraubenflieger, Drachenflieger und —, Kreiss. . . Em e 288 
Eitgernung von Kı ress ... 283 
Schweberäthsel, Neue ühysikallsche Priucipien als Erklärung des — a Kreis 815 
Segelflug oder Ruderlug? PIAttO e ee A er en E a 21 
Segelproblem, Ueber das —, v. Parseval. . 2 2 2 rn 2 nn. 239 
Stabilität von Drachenfliegern, Kress. . . . 2 2 2 2 m nn nen. 2836 
Stosch, General v. —, Nachruf von Berson .. a a a E 29 
Süring und Benson: Die 15. Fahrt des Ballons ` „Phönix“ a a ar E i 29 
Trieb: Vortrag über die oesterr. militär-aëronautischen Curse 1893—95 . 13 
Ungarn, Aöronautische Ausstellungs-Briefe aus dem tausendjährigen —, 
Hinterstoisser. „. . „2 2 nee nee... 186, 287, 814 


Vavrecka: Eine neue Art der Lenkung eines Ballons in verticaler Richtung 232 


Vereinsnachrichten. 
Deutscher Verein zurFörderung der Luftschiffahrt: 
Protokoll der Sitzung vom 26. October 1895. . . 2 2 2 202. 28 


n S „ 16. November 1895. . . 2 2 2 2 2. 79 
S S » 14. Dezember 1895. . . . . a... . 126 


Inhaltsverzeichniss (Namen- und Sachregister). vil 


Seite 
Wiener Flugtechnischer Verein: 
Aus der Vollversammlung vom 21. Januar 1896 rn v.Kress 
und Lorenz) .. 67, 64 
E H „ 4. Februar 1896 (Vortrag v. Fottoen 
193, 245, 295 
á s „ 21. Februar 1896 (Vortrag v. Ritter) 118 
x 2 „ 3. März 1896 (Vorträge v. Popper 
und Trieb) . .193, 245, 295, bezw. 287 
S 5 „ 20. März 1896 (Vortrag von v.Ober- 
mayer). 2 as. o.. > 120 
Münchener Verein für Luftschiffahrt: 
Aus der Versammlung vom 28. Januar 1896 . . . 2 2 22. 19 
ý a „ 11. Februar 1896 . e, 129 


Oberrheinischer Verein für Luftschiffahrt: 
Mittheilung von dessen Begründung, Moedebeck..... 240 


Tagesordnung der Sitzung vom 10. Dezember 1896 . . . 2 . . . 288 
Vogelflug, das Mysterium des — es, Miller-Hauenfels . . . . . 259, 808 
Vogelflug und Flugtechnik, Dienstbach . 2... 2 2 290 
Vogelflügel, Wirkung des — s, Krause. . 2 2 2 2 2 m 2 2 22020... 280 
Vogelflug, Zum —, Samuelson., 2. soa 2 m m on nee. 218 
Weliner'sche Versuche über den Luftwiderstand gewölbter Flächen im Winde 

etc., Kritische Betrachtungen über die —, Hoernes. . . . . . . 162 
Wellner, über dessen neueste Versuche mit Luftschrauben . . . u. 75 
2 Leber den Wée zur Herstellung brauchbarer Ylngmaschinen , , 207 
” » 2 ” n y Be- 
merkungen dazu von n Platte E A e e 219 


Widerstand der Flüssigkeiten, Einige Gesetze des —, (Fortsetzung) Sam welson 8, 90 
Wiener flugtechnischer Verein, s. unter Vereinsnachrichten. 


Wiener privat-aöronautische Anstalt, Auflösung der — n . . . 2 2 2... 76 
Winddruck auf Cylinder- und Kugelflächen, Ritter . . e ee 118 
Wirkung des Windes auf schwach gewölbte Flächen, Ueber die —, 
v.Obermayer .. ee 120 
Wissenschaftliche Luftschiffahrt, "die, auf der Internadiohalen Meteorölögen. 
conferenz in Paris, Hergesell . 2. 2 2 rn nn rennen MA 


Zeitschriften, Inhaltsangabe der aöronautischen ausländischen --, Berson 27, 76, 124 

v. Zeppelin, Graf: Bemerkungen zu dem Werke R. v, Loessl's: „Die 
Luftwiderstandsgesetze und der Vogelflug* . . 2 2 2.2.2.2 ...172, 274 

Zur Nachricht, Berson. e l 








Zeitschrift für Lufischifahrt md Physik der Atmosphäre. 1896. Dei i. ` i 


Zur Nachricht. 


Herr Professor Dr. Kremser, welcher durch fünf Jahre mit voller 
Hingebung und in streng wissenschaftlichem Geiste unsere Zeitschiift redigirt 
hat, ist. wie er dies schon selber unseren Lesern im Dezemberhefte 1845 
mitgetheilt, mit der Jahreswende von dieser miihevollen Stellung zurück- 
getreten, 

Er hat die Gründe, welche ihn zu diesem Schritte definitiv bewogen 
haben, an demselben Orte auseinandergesetzt. 

Dem Unterzeichneten, welcher, durch das Vertrauen des Vorstandes 
berufen, in die Bresche tritt, steht es nieht zu, auf diese Gründe einzugehen. 

Nur das Eine möchte er nicht unbetont lassen, dass jenes nicht weg- 
zuläugnende Missverhältniss zwischen der langen Reihe flugtechnischer 
Arbeiten, Mittheilungen und lebhafter Discussionen einerseits und der etwas 
dürftig auftretenden Ballon-Aöronautik, auf welches Hr. Prof. Kremser mit 
Recht hinweist, wenigstens zu einem gewissen Theile darauf beruht, dass 
in Deutschland eben in Folge verschiedener Umstände bis vor Kurzem that- 
sächlich auf dem einen Gebiete viel mehr geforscht, nachgedacht aber auch 
experimentirt worden ist, als auf dem anderen. Ausser der Militärluft- 
schiffahrt, die aus naheliegenden Gründen nur in sehr beschränktem Maasse 
mit der Oeftentlichkeit Fühlung unterhalten kann, und den wissenschaftlichen 
Unternehmungen der Vereine zu Berlin, München und Wien giebt es in 
Deutschland und Oesterreich bisher kaum eine nennenswertlie und leistungs- 
fähig auftretende Aöronautik, sei dieses nun Ballonpraxis oder Studium. 

Was aber die erwähnten wissenschaftlichen Ballonfahrten anbelangt, so 
ist das grosse Berliner Unternehmen erst seit 1895 in das Stadium der Ver- 
arbeitung eingetreten, während die beiden voraufgegangenen Jahre 1893 und 
1894, ja noch der Anfang des Jahres 1595 von einer so rastlosen und zeitrauben- 
den Arbeit in Folge der Vorbereitung, Ausführung und Ueberwachung der rasch 
auf einander folgenden, oft complieirten und schwierigen Fahrten, Instand- 
haltung und Erneuerung des Instrumentariums etc. etc. erfüllt waren, dass 
für litterarische Darstellung der Ergebnisse, ausser kurzen vorläufigen Mit- 
theilungen, an denen ja ziemlich vieles gegeben wurde, wahrlich nicht viel 
Zeit übrig blieb und dieselbe sich eben auf wenige Fahrten beschränken 
musste. Jetzt dagegen, wo die Zusammenstellung und Verwertlung des so- 
reichlichen Materials vollends in Fluss kommt, wird es allerdings sehr viel 
leichter möglich sein, in der Zeitschrift so Manches daraus zu bringen. 
Und sollte darin, wie nicht zu bezweifeln ist, eine Besserung eintreten, — 
die Erfüllung eines Herzenswunsches meines verehrten Herrn Vorgängers 
— $0 wird wien wahrhaftig in keinem Sinne an der Aenderung in der Leitung 
der „Zeitschrift" liegen. Der Unterzeiehnete tritt eben zufällig in dieser 


d | Zur Nachricht. 


Beziehung auf eine günstigere Zeit, wie dies aus den oben angeführten Um- 
ständen sich von selbst ergiebt. 

Er erlaubt sich aber an die geehrten Schwestervereine in München 
und Wien die ergebene Bitte zu richten, auch ihrerseits von ihren nicht 
minder wichtigen und interessanten Leistungen auf dem Gebiete wisser- 
schaftlicher Ballonfahrten und der Ballonatronautik überhaupt, sowie von 
ihren Verhandlungen im Interesse gemeinsamer Arbeit und im 
Interesse der Sache wieder Berichte bezw. Ergebnisse in der „Zeit- 
schrift“ veröffentlichen zu wollen, die ja doch unser gemeinsames Organ ist 
und wohl weiter bleiben soll. Die von Pıof. Kremser stets walte 
strengste Unparteilichkeit in jeder Beziehung wird dabei, wie wohl kaum 
betont zu werden braucht, weiterhin der leitende Grundsatz der Redaction 
bleiben. 

Dass jedoch trotz des oben Gesagten die Luftschiffahrt in Deutschland 
eben durch die Arbeit der Vereine heute auf einer anderen Stufe steht, als vor- 
her, uud einen hohen, die wissenschaftliche Aëronautik speciell den 
ersten Rang unter den aßronautischen Leistungen der eivilisirten Welt einnimmt, 
dafür möchten wir als Zeugniss fulgende Worte aus einem Munde anführen, bei 
dem man wohl Parteilichkeit für unsere Arbeit nicht voraussetzen wird. Es 
sind dies die programmatischen Zeilen, mit welchen das älteste aëronautische 
Organ der Welt, der französische „Aéronaute* seinen 29. Jahrgang im Januar- 
hefte 1896 einleitet. Wir ziehen es vor, die interessante Aeusserung im 
Original anzuführen: 

Notre Vingt-neuvieme Année. 

Le gouvernement français a richement subventionné les aéronautes 
militaires, mais il ua jamais donné aucun encouragement aux aéronautes 
civils. Le gouvernement allemand, tout en étant tres-genereux avec les 
aéronautes militaires, a richement subventiommė les acronautes civils. Les 
résultats ne se sont pas fait attendre. Les aéronautes civils francais, qui 
étaient, il y a quelques années, les premiers du monde sont actuellement 
egales par les acronautes civils allemands. Devons-nous ètre vivement 
affligés de cette nouvelle situation? Les aéronautes civils alemands ont 
fait de grands progrès. Eh bien, nous en profiterons, puis- 
qwils publient leurs travaux et peut-être larivalité 
pe deux nations fera-t-elle progresser la science de 
Pair: 

La Rédaction. 

Wir können uns diesen erfreulich vernünftigen Worten nur voll an- 
schliessen. Möchte es der „Zeitschrift für Luftschiffahrt und Physik der 
Atmosphäre“, welche mit diesem Jahre ihr drittes Lustrum abschliesst, ver- 
gönnt sein auch weiterhin ihr Theil zu einem immer rascheren Fortschritte 
in der „Wissenschaft von der Atmosphäre“ beizutragen. A. Berson. 





Samuelson: Einige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten. 3 


Einige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten. 


Von Arnold Samuelson, Ingenieur in Bremen. 
(Fortsetzung). 


IT. 


Bestätigung des Princips von der Vertheilung des Flüssigkeitsdrucks 
gegen einen schräge fortschreitenden Flächenkörper durch Vorgänge in 


der Natur und an Menschenwerken. 


Soweit das im letzten Abschnitt erläuterte Gesetz einen schräge in 
der Flüssigkeit fortschreitenden ebenen Flächenkörper, d. h. einen solchen 


betrifft, welcher einer mathematischen Ebene gleicht, und 
soweit. dieses Gesetz auf die Druckabnahme genau pro- 
portional der Entfernung von der Hinterkante sich be- 
zieht, kann dasselbe nur durch Versuche und quantitative 
Ermittelungen, wie z. B. durch die Messungen an Drachen, 
bewiesen werden; soweit es sich dagegen allgemein um 
das Princip handelt, dass der Druck an der Vorderkante 
am grössten, an der Hinterkante aber gleich Null ist, 
findet man seine Bestätigung durch den Augenschein olıne 
subtile Berechnung an manmnigfachen Vorgängen, welche 
theils von der Natur geschaffene Wesen, wie die Flieger 
und Schwimmer betreffen, theils auch an AMlenschenwerken 
beobachtet werden können. 
Das nächstliexende Beispiel ist die Strmetur des Vogel- 
flügels. Fig. 23 zeigt den Grundriss einer fliegenden grauen 
Krähe (corvus cornix); |[Tragfläche 
Fig. 23 einschliesslich des Körpers 0,151 qm; 
Gewicht 0,628 kg; auf 1 kg somit 
0,24 qm T'ragfläche]. Der Vorder- 
rand ddi der Flügel ist hart und 
schneidig, der Hinterrand erı ganz 
weich. Vorne in den Flügeln legt 
das INnochengerüst ungefähr so wie 
durch abe angedeutet. Die Schwung- 
federn an den Flügelenden ragen ein- 
zeln aus dem Flügel hervor. Fir. 24 
zeigt die dritte Schwungfeder des 
rechten Flügels eben dieses Vogels 
von oben gesehen nach genauer Auf- 
messung. Fig. 25 zeigt einen Querschnitt dieser Feder in 


etwa 60 mm Entfernung von ihrem Ende. Die tragende 


Rippe oder Schaft ist hier etwa 1,2 nmm hoch und 1,6 mm 
breit. Die Kante d der Verderfahne ist von wunderbarer 





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—— 


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4 Samuelson: Binige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten. 


Schneidigkeit und Festigkeit, die Achterfalme ist weicher und am Rande e 
derartig weich, dass sie dem kleinsten Drucke nachgiebt. Diese Kante 
bildet eben nur noch die Scheidewand zwischen der an der Vorderkante 
stark comprimirt, bzw. expandirt gewesenen Luft, welche hier ihre natür- 
liche Spannung wieder erlangt hat. 

[Die Natur ist in Gemässheit der Gesetze, welche die Darwin schen 
genannt werden, bestrebt, an der Falmen-Achterkante eo (Fig. 24) das 
Einheitsgewicht Null der Federlläche herauszubilden; dieses kann nun freilieh 
nicht ganz geliz:gen, aber doch nahezn, denn wenn man nit einer Scheere 
den Rand eo sehr schmal abschnetdet, so hat man kleine Federtheille. welche 
nicht viel mehr wiegen als Sonnenstänbehen. 

In dem Federschaft (Fig. 24 und Fig. 25) oder sehr nahe demselben 
muss die Mittellinie des Luftdrucks beim Fliegen liegen, denn kei den zarten 
Dimensionen der Feder würde anderenfalls der auf Torsion beanspruchte 
Schaft in Anbetracht seiner grossen Länge wunfehlbar umkippen. Dieser 
tragende Federschaft liegt mm freilich nicht in Y/ der Federbreite von der 
Vorderkante entfernt, sondern der letzteren viel näher. Aber der (Unter 
schnitt der Feler (Fig. 25) entfernt sich auch ziemlich weit von der idealen 


Mogliches Cape NIONS. Dia gramm 
Fl? _ m 

„Quersch nitt der Feder. 
319.25. 

S A 


TITTEN TEN TTS Ten A 
Nee 48 Sai eh ee 
Mogliches Compresscons_ I, agram 


Zi 25€ 


m. 

Gestalt eines Flächenkörpers: er muss, um tragen zu können, von erheblicher 
Dicke sein: die in der Richtung des Pfeils sehr schräge (relativ zur Feder) 
strömende Luft trifft die Vorderfahne theilweise noch von oben und es 
werden möglicherweise die Lnftexpansions- bzw. Lunfteompressions- Diagramme 
die Formen Fir. 25% und Fir. 2532 haben, wenn die Ordinaten die Einheits- 
Differenzen der Luuftdrucke (der dynamischen Drucke gegen den statischen 
Druck) darstellen. Soll der Federschaft gar nicht auf Torsion beansprucht. 
werden, so müssen die Summen der elementaren Momente, d. h. die Vertical- 
streifen der Diagrammflächen multiplicirt mit ihrem Abstande vom Feder- 
schaft (beider Diagramme zusammen) rechts und links gleich sein. 

Der Vogelflügel als Ganzes nähert sich mehr dem idealen Flächen- 
körper als die Einzelfeder. Er ist von e (Fig. 23) an nach dem Flügel- 
ende hin vorn nur wenige Millimeter dick, jedenfalls dünner als 1/39 der 
Breite. 


Samuelson: Einige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten. 5 


Fig. 26 zeigt den Grundriss eines der interessantesten Flieger, der 
grossen Libelle (Aeschna grandis); Flügelfläche ohne Körper 24 qcm; Ge- 
wicht nicht genau ermittelt, jedoch 

r? nicht über 2 gr; bei Annahme von 

K T g . 26 . 2 gr würde auf 1 kg Gewicht 1,2 qm 
Flürelfläche entfallen. Die Hinter- 
flügel dieses Insecte s scheinen ebenso 
viel zu tragen wies eine Vorderflügel. 


Fig. 27 





Fig. 27 zeigt den linken Hinterflügel in Vergrösserung. Die tragende Construc- 
tion der Flügelrippen geht hier nicht wie bei den Vögeln von einem Haupt- 
strange (dem Knochengerüst) aus, sondern es sind eine Anzahl Längsrippen 
von der Flügelwurzel ausgehend vorhanden; man sieht deutlich, wie diese 
Rippen vorne dichtliegend und stark sind, wie dieselben nach hinten dünner 
und weiter von einander abstehend werden und wie das Rippennetz sich in 
amstructiver Anordnung, nach hinten zu leichter werdend, so an die Haupt- 
rippen anschliesst, dass es geradezu als der Ausdruck des in Rede stehenden 
(resetzes selbst erscheinen muss. 

Bei den meisten Fliegern ist die Flügelconstruction nicht ausschliesslich 
durch die mechanische Aufgabe des Fliegens bedingt; die Flügel der Vögel 
und Fledermäuse müssen, zusammengelegt, dem Körper sich anschliessen; 
die meisten Insectenflieger legen die Flügel beim Sitzen zurück, so dass sie 
ebenfalls dem Körper sieh anschliessen: der vorerwähnte Libellenflieger hebt. 
dagegen beim Sitzen nur die Flügel, lässt sie im VÜebrigen aber annähernd 
in derselben Stellung wie beim Fliegen. Es darf daher wohl angenommen 
werden, dass bei der Ausbildung und Forterhaltung dieser Flügel das 
mechanische Problem des Fliegens allein oder fast allein massgebend gewesen 
ist und noch ist. Alle vier Flüge] sind annähernd gleichberechtigt ausge- 
bildet; es ist nicht, wie bei so vielen Insecten, das eine Paar verkümmert. 
| Vielleicht weisen diese Umstände darauf hin, dass dieser Flieger das Vor- 
bild des dynamischen menschlichen Flierers sein könnte. | 

Die Windmühlenflügel, soweit sie den älteren durch die Erfahrung 
aufgefundenen und bewährten Systemen angehören, sind eine Betheiligung 
des Principes von der Vertheilung des Luftdrucks gegen schräge fortschreitende 
Flächenkörper. Der Schaft ist von erheblicher Länge und wird durch den 
Winddruck stark auf Biegung beansprucht; eine Beanspruchung ausserdem 
auf Torsion muss um so mehr vermieden werden, als es bei diesem stark 


6 Samuelson: Einige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten. 


activen Maschinentheil auf möglichste Teichtigkeit ankommt. Wie man es 
machen muss, diese zu erreichen, ist zweifellos Jahrhunderte hindurch, nament- 
lich in Holland. ausprobirt worden. Man setzt nach der voranschlagenden 
Seite ein leichtes festes Brett mittels Consolen an den Schaft (s. Fig. 28); 
> an der nachfolgenden Seite befindet sich 

Ge A d. ein Gitter, welches mit Segeltneh bespannt 
Korizontahschnitt des wird. Der Schaft befindet sich bei nien 
verticalen! lugels. 5 Windmühlen gewöhnlich ungefähr um 1/4 


der Breite de von d entfernt, sodass din 
D 17 





+ de ist, also anch wiederum der 
Vorderkante näher als It: der Breite, was 
seinen Grund wie bei der Schwunefeder in 


x | der Dicke des Schaftes haben mag. 
x Auf das Wasser hinübergreifend 
y haben wir als Beispiel das Balanceruder. 


Als nämlich der Bau eiserner Kriegsschiffe aufkam. machte sich” das 
Bedürfniss geltend, das Steuerruder dieser Kolosse leichter beweglich zu 
erhalten, als es bei der bisherigen Anordnung möglich war. Zu diesem 
Zwecke constrmirte man das Steuerruder als eine Art Drosselklappe, welche 
in einer Aussparung des Achterstevens um eine verticale Axe beweglich war; 
nach dem Principe vom Schwerpunkt der Fläche als Mittelpunkt des Drucks 
nahm man zwei gleiche Schenkelflächen. Es zeigte sich aber, dass diese so- 
genannten Balanceruder mit grosser Gewalt sich quer zu stellen suchten, daher 
nichts weniger als Balanceruder waren. Hiernach gab man dem vorderen 
Schenkel geringere Länge und Fläche als dem nach achterwärts gerichteten und 
erreichte nunmehr wirklich volle Balance. So hat u. A. das Steuerruder 
der Kaiserjacht „Hohenzollern“ ungefähr die Form und Verhältnisse der 
Skizze Fig. 29. Uebrigens hat es Balanceruder bei den Flussschiffen schon 

seit langer Zeit gegeben. Die Skizze Fig. 30 zeigt eine An- 





Weserbochs 





ordnung wie sie bei manchen der sogenannten Weserböcke 
üblich ist. 

Wenn ein derartiges Balanceruder rechteckig ist und aus dünnen 
Brettern besteht, so hat man, um Gleichgewicht zwischen beiden Schenkel, 
nämlich dem vor der Drehaxe und dem hinter demselben liegenden, herzu- 
stellen, den achterwärts belegenen Theil genau doppelt so gross zu machen 
als den vorwärts gerichteten, d. h. die Drehaxe muss genau !/3 von der 
Vorderkante entfernt liegen. Hiervon kann Jedermann leicht wie folet 


Samuelson: Einige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten. 7 


sich überzeugen: Man nehme ein rechteckiges Stück Weissblech, schneide 
mittels einer feinen Säge in einen runden Holzstock einen Schlitz vom Ende 
aus, In welchen man das Weissblech so hinein klemmen kann, dass es fest- 
sitzt. Nun mache man den Holzstock in einer Hülse drehbar, so dass man 
mittelst derselben das Blech vertical in fliessendes Wasser halten kann. 
Fasst man nun das obere Ende des runden Stocks mit den Fingern an, So 
fühlt man, wohin das unten daran sitzende Blech sich zu drehen sucht. 
Man findet, dass die Tendenz zum Drehen aufhört. wenn man das Blech 
so einklemmmt. dass der als Drehaxe dienende Stock in Tix von der Vorder- 
kante sich befindet. 

Wenn man in einem Boot nahe beim Winde serelt, so kann man sich 
von der Abnahme des das Segel spannenden Winddrucks überzeugen indem 
man von der Leeseite aus mit der Hand in die Segelfläche hineindrückt; 
man wird von vorne starke Spannung und Widerstand finden, während 
achter die Segelkante dem kleinsten Drucke nachgiebt. 

Die Berechnung der Segelfläche und Schwertfläche eines Segelfahr- 
zeures ist eine der ersten Nutzanwendungen des in Rede stehenden Princips 
und mag hier kurz mitgetheilt werden. Der Punkt, in welchem der Wind- 
druck gegen die Serelfläche eines nahe beim Winde segelnden Schiffes 
coneentrirt gedacht werden kann, wurde bisher nach dem Schwerpunkt der 
mathematischen Fläche jedes der Negel nnd sodann der gemeinschaftliche 
nach Flächengrösse und Hebelarm ermittelt. So lange man dieses Ver- 
fahren anwendet. weiss man auch, dass auf diese Weise der Druckmittelpunkt 
zu weit nach achterwärts gefunden wird. Nach dem hier vertretenen Princip 
können bessere Resultate versprochen werden. i 

Es mag sich um die Berechnung eines flachbodenen Segelbootes mit 
Mittelschwert zum vergnüglichen Segeln auf den lieblichen Seen der Havel 
und Spree bei Berlin oder der Alster zu Hamburg handeln (s. Fig. 31). 









DE S 
Grofssegel bar grw 


a Im 





en mg 





8 Samuelson: Einige Gesctze des Widerstandes der Flüssigkeiten. 


Man wird die Segelflächen in Streifen parallel zum Baum und zur Unter- 
kante (richtiger in Horizontalstreifen) zerlegen und findet für das (srosssegel 
durch Theilung jedes dieser Streifen in 3 Theile die Breite abe in In von 
der Vorderkante belegen, sodann aus dem oberen Dreieck und dem unteren 
Viereck den Punkt @ als Druckpunkt des Grossegels. Für den Klüver 
findet man ohne Weiteres durch die Dreitheilung den Punkt Æ: sodann in 
der Verbindungslinie @ A nach Verhältniss der Flächen und Hebelarme den 
gemeinsamen Druckpunkt m. Nun lothet man von zu hinunter und findet 
die notwendige Lage des Mittelschwertes, welches als ebenfalls schräg im 
Wasser laufender Flächenkörper "3 seiner Fläche vor der Lothlinte von m, 


Za derselben nach achterwärts belegen haben muss. 


Flüssigkeitsreibung. 


Hierunter versteht man die verschiedenartiesten Dinge: Wenn von 
den Strömungen der Atmosphäre, den Winden, die Rede ist, so sagt man, 
dieselben werden durch die „Reibung“ an der Erdoberfläche gehemmt und 
meint damit die Verzögerung durch Häuser, Bäume, Sträucher und sonstige 
Unebenheiten der Erdoberfläche, welche bewirken, dass der Wind nahe 
derselben langsamer und unregelmässiger weht, als in der Höhe. Wem 
von der „Reibung“ des Wassers an den Schitfswänden die Rede ist, so meint 
man unter Umständen damit die Widerstände, welche dieke Muschelansätze 
und fingerlange Wasserpflanzen veranlassen. Wenn es sich um die „Reibung“ 
des Wassers oder der Gase in Röhrenleitungen handelt, so versteht man 
darunter freilich auch die Widerstände, welche die Unebenheiten an der 
Innenfläche des Rohrs hervorbringen; die Wechselwirkung zwischen Flüssig- 
keit und Rauhfläche ist in diesem Falle aber eine ganz andere, als sie sem 
würde, wenn die gleiche Unebenheit auf der Aussenfläche eines von Flüssig- 
keit umgebenen Körpers angebracht wäre, denn es kommt hinzu, dass bei 
der vom Rohr umschlossenen Flüssickeit bestimmte Quanten hindurch fliessen 
müssen und dass somit in stark erhöhtem Maasse fortdauernde Geschwindig- 
keits- und Richtungsänderungen, zu welchen die strömende Flüssigkeit durch 
die rauhe Innenfläche in diesem Falle gezwungen wird, stattfinden. Diese 
Dinge in wissenschaftliche Form zu fassen, dürfte nicht wohl möglich sein 
und auch kaum einen Zweck haben. 

Wenn im Sinne der Widerstandsgesetze von „Flüssierkeits- 
reibung“ die Rede sein soll, so muss dieser Begriff sich detiniren lassen. 
Dieses ist beim Wasser leicht, denn die Reibung des Wassers an glatten 


Aussenflächen eines Körpers, — und andere wie glatte werden hier nicht 
vorausgesetzt — besteht einzig in seiner Adhäsion, welche durch die Cv- 


häsion der Wassertheilchen wirksam wird. Beide sind aus der Tropfenbildung 
und aus anderen Erscheinungen quantitativ bestimmbar und es giebt darüber 
Versuche. 


Samuelson: Einige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten, d 


Durch Einfetten der glatten Oberfläche kann die Adhäsion der Wasser- 
(eilchen aufgehoben werden und scmit die an glatten Flächen schon an 
sich unerhebliche Wasserreibune!) gleich Null gemacht werden. Die gegen- 
wärtire Abhandlung setzt bei im Wasser fortschreitenden Flächen solche 
Beschaffenheit derselben vorans. 

Bei der Luft ist es selbstredend ebenfalls nicht einerlei, ob dieselbe 
eine glatte Fläche trifft, oder in schwammartige, derselben vorgelagerte 
Hohlgehilde hineinbläst. Eine Imftreibung an glatten, dichten Aussenflächen 
eines Körpers (nicht in Rohrleitungen eingeschlossen) ist bis jetzt nicht 
nachgewiesen und es darf behauptet werden, dass eine solehe nicht existirt. 

Von der Flüssirkeitsreibung wird somit in dieser Abhandlung nicht 
mehr die Rede sein. 

[Fortsetzung folgt: in einem der nächsten Hefte. ] 


Die Luft als Flugmedium vom Standpunkte der kinetischen Gastheorie 
und unserer physikalischen Erkenntniss Überhaupt. 
Von Dr. Emil Jacob in Kreuznach. 


Die Luft ist bis jetzt ein Stiefkind in der Flugtleorie. Man beschäf- 
tiet sich mit allem Möglichen, um das (Geheimniss des Fluges zu ergründen, 
nur nicht mit dem Wesen der Luft. Dies mag daran liegen, dass es zu 
gewagt erscheint, theoretisch aus «den bekannten Eigenschaften der Luft 
etwas abzuleiten und dass wir also rein auf Empirie angewiesen scheinen. 
Daher die ansehnliche Zahl von Versuchen, den Luftwiderstand unter den 
verschiedensten Verhältnissen zu bestinmen. So berechtigt nun dieser Ver- 
suchsweg ist und so werthvoll die erlangten Resuliate sind, so liegt meines 
Erachtens ihr Hauptwerth doch darin, dass sie die Grundlage liefern zu 
neuen vertiefteren Einblicken in das Wesen der Luft, welche dann den 
Schlüssel liefern und den Antrieb abgeben zu weiteren Experimenten. So 
fördert die Praxis die Theorie und diese wieder die Praxis, zum Seren 
beider. Die Resultate der Tuftwiderstand- (Druck-) Versuche, noch weit 
mehr aber die Flugerscheinungen der 'Thierwelt, sind theilweise so wunder- 
bar und nach unserm heutigen Wissen so unverständlich, dass es Zeit 
scheint wieder einmal klar und deutlich vor aller Welt zu constatiren, wie 
wenig die bisher üblichen Erklärungen erklärt haben. 

Noch erstaunlicher, als die Flugerscheinungen selbst, erscheint der 
Standpunkt vieler Forscher, diese Flugwunder nach bekannten Formeln und 
Anschauungen berechnen und erklären zu wollen — zu glauben, dass unsere 


1) F. Fink („Civilingenieur“ Jahrgang 1891 Seite 118, Absatz 5) giebt dieselbe 
für glatte Holzfläche zu 0,3 kg auf jedes qm Fläche an. 





10 Jacob: Die Luft als Flugmedium v Standpunkte d. kinet. Gastheorie. 


heutigen Kenntnisse der Mechanik der Luft hinreichen, Tragkraft und 
Vortrieb eines in den Lüften schwebenden Falken oder Albatros zu erklären. 

Nach allen bekannten Naturgesetzen müsste gerade das Gegentheil 
stattfinden, von dem, was wirklich stattfindet: Der Vogel müsste vom 
Winde fortgetrieben werden und müsste fallen, statt gegen den Wind zu 
schweben. 

Wie arm erscheint hier die Annahme vom aufwärtsgehenden Wind 
und dem Aufsuchen der passenden Luftströmungen durch die Vögel — 
gegen die stolzen Vorgänge der Natur. 

Selen wir nicht auf den ersten Bliek, wie wenig abhängig der Vogel 
von der Wetterlage im Allgemeinen ist? 

Zahlreiche Forscher scheinen eine Aufklärung durch eine theoretische 
Vorstellung des Vorganges zwischen Luft und Flügel und besonders des 
Vorganges in der Luft selbst tür ganz unnütz zu halten, scheinen kaum 
zu ahnen, dass es sich dabei um etwas Wesentliehes handelt, dessen ge- 
nauere Kenntniss für die Flugtheorie und damit für die zukünftige Flug- 
technik von Werth ist. Es sieht so aus, als perborreseirten sie jede 
theoretische Speculation und erwarteten alles Heil von der KEmpirie. Höch- 
stens soll eine nene Widerstandsformel gefunden werden. Nach bekannten 
Vorstellungen soll alles erklärt werden. Wird dann etwas beobachtet, was 
durchaus nicht dadurch zu erklären ist. so Hegt der Fehler in der Beob- 
achtung — auch dann, wenn die Beobachtung absolut sicher und unbestreit- 
bar ist. Dies ist aber eine Auflelnung gegen Thatsachen zu Gunsten alter 
Vorurtheile. Unsere beste Lehrmeisterin, die Erfahrung. wird zurückgestellt, 
wenn sie nicht in alte Vorstellungen hineingepasst. Ja die Erscheinungen 
werden gerade — wenn auch unwissentlich — gefälscht, um die Möglichkeit 
zu erlangen, sie, wenn auch noch o mangelhaft, zu erklären. Kann es da 
Wunder nehmen, wenn die Erkenntniss durchaus nicht fortschreiten will? 


Man ist fast allgemein einig, dass die Wirkung der Flugorgane auf 
die Luft dem Flugvorgange zu Grunde liegt. Was liegt jetzt näher als 
der Gedanke, dass in der beweglichen Luft ein verborgener, unserm Auge 
nicht erkenntlicher Vorgang stattfindet, der Tragkraft und Vortrieb er- 
zeugt. Auch soweit wird man im Allgemeinen einig sein. 

Aber jetzt kommt die Grenze Gegenüber dem Augenschein, der 
uns zeigt, dass Vögel dauernd gegen den Wind schweben, der sie doch 
nach allen bekannten Gesetzen nach hinten drücken (schieben) müsste, 
scheint man daran festzuhalten, dass die Luft nur so gegen den Vogel- 
fügel drücken kann, wie etwa ein Schwarm von Sandkörnern (materiellen 
Punkten) gegen eine Fläche geschleudert, drücken würde. 

Solcher Stoss von materiellen Punkten gegen eine geneigte Fläche 
könnte nämlich nur dann einen Vortrieb erzeugen, wenn er die Horizontale 
verliesse und schräg aufwärts sich bewegte. Dann allerdings wäre mit 


Jacob: Die Luft als Flugmedium v. Standpunkte d. kinet. Gastheorie. 11 


Hilfe der Schwerkraft — welche in eine Componente senkrecht zu dieser 
Schrägen und in dieser Schrägen zu zerlegen wäre — ein Bewegen gegen 
die Stossriehtung denkbar. 

Daher die Annahme des aufwärts wehenden Windes. 

Ohne solche kein Begreifen. 


Der Augenschein zeigt uns, dass die Vögel mit und olme Wind 


schweben können — ich habe ein Schweben sogar bei abwärts gehendem 
Winde beobachtet — ohne dass dieser Auzenschein die einmal bestehende 


Theorie, der er stricte widerstreitet, besiegen könnte. 

Höher als Thatsachen steht hier die voreefasste Meinung: 

„Die Prde ist eine grobe schwere zur Bewegung ungeschickte Masse, 
wie will nun Copernikus einen Stern daraus machen und sie in den Lüften 
herumführen?“ sagte bekamntlich der berühmte Astronom Tycho Brahe. 
Das Hinderniss ist in der That manchmal ein durch Fachkenntniss ge- 
trübter Blick. 

Also der Augenschein legt in erbittertem Kampfe mit dem Begreifen. 
Wenn die Luft wirklich sich verhielte wie ein System von materiellen 
Punkten, welches nichts weiter kann, als einen Stoss auf ein im Wege be- 
tindliches Hinderniss einzuüben, — so ist jedes Begreifen ausgeschlossen, 
denn der generell aufwärts wehende Wind ist doch der Gipfel aller Miss- 
logik. Es bleibt also nur übrig der Luft noch etwas Anderes zuzutrauen, 
als die Fähigkeit einen einfachen Stoss auszuüben. Wir sind gezwungen, 
etwas tiefer in die Natur der Luft einzugehen. Letzteres möchte ich nun 
thun, indem ich anknüpfend an meine Arbeit im Mai/Juli-Hett 1895 d. Z. 
die Flugvorgänge besonders vom Standpunkte der kinetischen Gastheorie 
einer Betrachtung unterziehen will. 

Da ich die Kenntniss der kinetischen Gastheorie nicht bei sämmtlichen 
Lesern voraussetzen darf und es auch dem Zusammenhang meiner Betrach- 
tungen dient, so sei es mir gestattet, Bekamntes hieraus, wie aus der 
Akustik, wiederzugeben, soweit es die Ideenverbindung und die Verständ- 
lichkeit meiner Ausführungen nöthiz erscheinen lässt. 

Man stellt sich die Gase nach dieser Theorie bekanntlich vor als be- 
stehend aus sehr kleinen gradlinig nach allen Richtungen sich bewegenden 
Molekeln. Da der Raum im Verhältniss zur Zahl und Grösse der Molekel 
beschränkt ist, so treffen dieselben auf ihrem Wege stetig mit andern Mo- 
lekeln zusammen und können einen nur sehr kleinen Weg in ungebrochener 
Linie zurücklegen. Durch diese ständigen Zusammenstösse wird das gerad- 
lipige Fortschreiten der Molekel in ein Schwingen nach allen möglichen 
wechselnden Richtungen umgewandelt. 

Den Druck, den alle Gase nach allen Richtungen stetig ausüben, 
stellt man sich als die Wirkung dieser Stösse gegen die begrenzenden 
Wände vor. 


12 ` Jacob: Die Luft als Flugmedium v. Standpunkte d. kinet. Gostheorie. 


Diese Theorie erklärt die bekannten Eigenschaften der Gase bis zu 
einem Grade, dass man allen Grund hat, sie im Wesentlichen als richtig 
anzusehen. 

Wenn man nun, um einen neuen Gesichtspunkt zu gewinnen, die 
Flugerscheinangen von dieser Seite betrachtet und den Druck der Luft auf 
das Flugthier als den Ausfluss oder Ausdruck ihrer Molekelgeschwindigkeit 
ansieht, so folgt gleich direct, «lass der einseitige Druck, den das Flurthier 
erleiden muss, um die Schwere zu überwinden und den Vortrieb zu erzeugen, 
von verstärkten Molekelstössen (einseitig verstärkten eventl. anderseitig ge- 
schwächten, was auf dasselbe hinausläuft resp. sich ergänzt und unterstützt) 
der Luft herrühren muss. 

Die in der Luft befindlichen Körper müssen nun aber von allen Seiten 
gleich gedrückt werden, wenn die Luft normale Beschaffenheit hat resp, 
diese nicht gestört wird. 

Wenn sie etwa nur momentan gestört wird, so stellt sich nach mo- 
mentaner Druckänderung sofort wieder der Gleichgewichtszustand her, in- 
dem vermöge der elastischen Natur der Luft die eingetrretene momentane 
Störung mit Schallgeschwindigkeit sich verbreitet, nämlich die zugeführte 
Energie, weiche die Störung bewirkt hat, nach aussen geht und für uns 
verschwindet. Eine Explosion 7. B. kann in grösserer Entfernung einen 
Druck ausüben, dass Fensterscheiben eingedrückt werden. Dies dauert aber 
nur einen Moment. Ein constanter Druck ist damit nicht zu erzielen. Was 
geht nun dabei vor? Wird die Luft vom Explosionsorte bis zum Fenster 
geschleudert, welches eingedrückt wird? 

Die Akustik lelırt, dass Schallenergie durch die Luft läuft, ohne dass 
deshalb die Luft fortrückt — dass es einzig Schwingungen einer wesent- 
lich am Orte bleibenden Luftmasse sind, welche gegen unser Trommelfell 
stossen. Auch der Druck, der die Fensterscheibe einstösst, rührt von 
stossenden Luuftmolekeln her, welche weit entfernt vom Explosionsorte eime 
Schwingung machen. 

Wollte man auf diese Weise statt eines einzigen Stosses einen dauern- 
den Ueberdruck erzeugen, so müsste man eine Reihe von Explosionen in 
so rascher Folge vor sich gehen lassen, dass die zeitlichen Zwischenräume 
zwischen den einzelnen Stössen nicht gemerkt werden könnten und die Reihe 
von Stössen als ein stetiger Druck erscheine. 

So stellt sich die kinetische Gastheorie den Ursprung des von den 
Gasen allseitig dauernd ausgeübten normalen Druckes wirklich vor. Die 
Molekel stossen auf ihrem Wege in ununterbrochener Reihenfolge an die 
Wände und die Summe aller pro Zeiteinheit auf die Flächeneinheit er- 
folgenden Stösse (abgegebene Bewegungsgrösse mv) repräsentirt den vom 
Gase ausgeübten Druck. Von der Luft kennt man die Masse, welche die 
Raumeinheit ausfüllt und den Druck, welchen sie normal ausübt (nämlich 
1,033 kg oder 1033x981 Dyn pro Flächeneinheit von 1 [_Centimeter) 


Jacob: Die Luft als Flugmedium v. Standpunkte d. kinet. Gastheorie. 13 


Daraus konnte man die Geschwindigkeit © der Molekel berechnen, was 
aber hier übergangen werden soll, — weil zu weit führend. 

Was hier interessirt ist die schon oben berührte Frage, ob nicht 
der Ueberdruck, der auf das Flugthier einseitig aus- 
geübt werden muss, um Tragkraft und Vortrieb zuer- 
zeugen, ebenso aus den Molekelstössen der Luft er- 
klärt werden kann, wie der normale Luftdruck Es 
würde völlig den Gesetzen der Mechanik entsprechen, dass solch einseitiger 
Druck ausgeübt werden muss, wenn die Molekelgeschwindigkeit nicht nach 
allen Seiten gleich ist, sondern so, dass gewisse Richtungen zeitliche Aende- 
rungen aufweisen. Es handelt sich darum, in welchen Fällen solch ein- 
seitig geändertes Schwingen möglich erscheint. Um anschaulich zu sein, 
will ich in Gedanken 2 Experimente machen. 

l. In einem Cylinder befinde sich ein Kolben und in der Basis des 
Cylinders gegenüber dem Kolben befinde sich eine Oeffnung, durch welche 
Luft in der Richtung gegen den Kolben eingeblasen werden kann. Wir 
haben «dann denselben Fall wie im Dampfmaschineneylinder, nur dass da 
der Danpf seitlich eintritt. ! 

Wird nun Luft eingeblasen, so entsteht ein Ueberdruck, nicht allein 
gegen den Kolben, sondern gegen alle Wände, indem sowohl die Tuftmasse 
m als auch deren Molekelzeschwindigkeit v (weil Erwärmung eintritt) nach 
allen Richtungen wächst. 

Der Druck gegen den Kolben könnte nur dann grösser sein, als gegen 
die Seitenwände, wenn der eintretende Luftstrom mit seiner Progressiv- 
geschwindigkeit (ganzer oder theilweiser) direct gegen den Kolben stiesse. 
(Was der Aeusserung eines Schiebewiderstandes entspräche.) Der Stoss 
der einzelnen Molekel an den Kolben würde dann aus der eigenen Molekel- 
geschwindigkeit plus Progressivgeschwindigkeit zusammengesetzt sein. Ist 
aber der Cylinder von einer Grösse, dass der Windstrom als solcher den 
Kolben nicht treffen kann, indem er sich schon vorher vertheilt hat, so 
werden alle Wände gleich stark gedrückt. 

Der Druck ist alsdann wie in der Dampfmaschine nur eine Function 
der pro Raumeinheit vorhandenen Gasmenge m mal ihrer nach allen Seiten 
gleichen Molekelgeschwindigkeit 

Ein Flugtlier wid nun aber anders gedrückt als der Kolben im 
Cylinder. Beim Flugthier fehlt nämlich der schützende Cylindermantel, der 
den Druck zusammenhält. Denkt man sich nämlich in den Cylindermantel, 
nur eine mässig grosse Oeffnung gemacht, so sinkt der Ueberdruck rapid 
und verschwindet ganz, wenn diese Oeffnung grösser wird oder gar der 
Mantel völlig weggenommen wird. 

Zweiter Versuch. Ein mit Luft gefüllter an beiden Enden gesclilosse- 
ner Cylinder (Trommel) rotire um seine Achse. Die centrifugirende Luft 
wird dann einen Druck auf die Peripherie ansüben. Fehlen aber die Ver- 


14 Jacob: Die Luft als Flugmedium v. Standpunkte d. kinet. Gasthenrie. 


schlussenden, wird also die Trommel zum offenen Cylinder, so kann kein 
nennenswertler Druck zu Stande kommen, weil die Luft beim geringsten 
Ueberdruck sofort seitlich abfliessen wird und muss, so dass nur dieser 
minimale Ueberdruck zu Stande kommen kann — gerade genügend dieses 
Abtliessen zu bewirken). 

Die beiden in Gedanken angestellten Versuche zeigen also, dass nor- 
malschwingende Luft allseitig gleich drücken muss, abgesehen von dem 
durch Progressivgeschwindigkeit bei der Berührung hervorgernfenen An- 
stoss, welcher den geringen Schiebewiderstand Au P r> au? erzeugt. 

Will man einen stärkeren Dinck erzeugen, so muss man die Molekel- 
stösse mit benutzen und es entsteht die Frage, wie die Umstände liegen 
müssen, dass solche einseitigen Schwingungen zu Stande kommen können 
und zwar solche von einer gewissen Dauer und ob solehe Umstände mög- 
lich sind. 

Man wird die Frage nur bejahen können, wenn man eine continuir- 
liche Störung des normalen Schwingungszustandes voraussetzt. 

Es müsste ein Vorgang stattfinden, derineiner 
eontinuirlichen Erregungim genannten Sinne besteht. 

Diesen Vorgang habe ich in meiner Arbeit über den Luftwiderstand 
im Juni/Juli-Heft 1895 d. Z. bereits ausführlich behandelt und ich muss, 
um Wiederholungen zu vermeiden, hier den Leser auf diese Abhandlung 
verweisen. 

Nach meinen dortigen Ausführungen kann ein mit Beschleuni- 
gung in der Luft bewegter Körper angesehen werden als beständig Stösse 
ertheilend gegen die die Fläche bedeckende gepresste Luftschicht, so dass 
in diesem Falle die Bedingung einer steten Erregung durch eine continuir- 
liche Reihe von Stössen gegeben ist, was bei constanter Geschwindigzkeit 
nicht geschieht. 

Dass die Wirkung bei Beschleunigung eine ganz andere ist, als bei 
gleichmässiger Geschwindigkeit, wird darnach einleuchten. Die Beschleuni- 
gung ist zwar nichts als eine Aenderung der Geschwindigkeit, aber ich 
kann hier ein Erfahrungsbeispiel für diejenigen anführen, denen obige Aus- 
führungen vielleicht zu theoretisch erscheinen mögen. 

Es ist bekannt, dass ein von einem constanten Strome durchtlossener 
Draht keine Induction im Nachhbardrahte erzeugt, wohl aber einer, dessen 

1) Diesen Einwurf muss ich Herrn Lilienthal, betreffend seine Arbeit, über 
den Luftdruck gegen im Windstrich liegende gekrümmte Flächen (Heft Februar- 
März 1895) zu meinem Bedauern machen, obgleich ich mich freue, dass er Luft- 
theilchen in Distanz gegen eine Fläche drücken lässt, also sich auf Erklärung der 
Erscheinungen durch Fernwirkung angewiesen sieht Aber auf die von ihin ge- 
dachte Weise geht es nicht. In freier Luft sind noch weniger als im rotirenden 
offenen Cylinder Centrifugaldrucke der Luft möglich. Zur Druckerzeugung 
gehört vielmehr, dass die Luftmolekel relativ zur Fläche anders schwingen, als normal. 


Jacob: Die Luft als Flugmedium v. Standpunkte d. kinet. Gastheorie. 15 


Intensität sich ändert. Kraft übt der Primärdraht auch im ersten Falle 
auf den anderen aus, es fliesst aber keine stromerzeugende Energie über, 
solange die Intensität im Primärdraht sich nicht ändert, ebenso wenig wie 
von einer in der Luft bewegten Fläche elastische Energie direct auf die Luft 
übertragen wird, solange die Geschwindigkeit der Fläche constant ist. 

Die Analogie gelt soweit, dass Schwächungen so gut wie Verstärkun- 
gen des Stroms eine Wirkung hervorrufen und zwar im umgekehrten Sinne, 
gerade so wie eine negative Beschleunigung einer in der Luft bewegten 
Fläche auch die Luftmolekel umgekehrt wie die positive beeinflussen muss. 

Man sieht daraus, dass die Aenderung eines Be- 
wegungszustandes Erscheinungen hervorruft, welche 
diese Bewegungansichnichthervorrufen kann. 

Dass die Aenderung der Geschwindigkeit eines Flügels (allgemein mit. 
„Beschleunigung“ bezeichnet) von einer Grösse ist, dass man erwarten kann 
sie spiele eine Rolle, ersieht man aus folgender Rechnung: 

Eine Fliege mache 250 Flügelschläge pro Secunde. Nimmt man den 
Ausschlag des Flügelendes = 5 Millimeter, so wird dieser Weg 500 mal 
semacht (250 hinunter, 250 herauf) macht pro Secunde einen Weg von 
2! Meter, welcher Werth also die mittlere Geschwindigkeit des Flügel- 
endes bedeutet. Da jeder Flügelschlag oben mit Geschwindigkeit Null an- 
fängt und im Mittel 250 Centim. Geschwindigkeit hat, so wird die End- 


geschwindigkeit == 5 Meter sein (bei steter Beschleunigung bis zum Ende 
der Bahn). 
Ebenso wird — entsprechend memen früheren Ausführungen — die 


Gesenwindigkeit beim Aufschlage abnehmen (nachdem sie am tiefsten Punkte 
der Bahn das Vorzeichen gewechselt hat). In beiden Fällen wächst also 
die Geschwindigkeit in 1/500 Secmnde um 5 Meter (positiv nach unten 
oder negativ nach oben, was in beiden Fällen einer Beschleunigung nach 
unten gleichkommt), macht pro Secunde 500.5 -= 2500 Meter. 

Ein Taubenflügel mit 6 Schlägen pro Secunde macht an der Spitze 
einen Weg von 12x30 Centimeter == rund 4 Meter. Die Endgeschwindigkeit 
= Zunahme der Geschwindigkeit in Is Secunde ist darnach 8 Meter und 
darnach die Beschleunigung == 8.12 == 96 Meter zu nehmen, ein immerhin 
noch hoher Werth. 

Ueber die Art, wie durch Beschleunigung einer Fläche in der Luft 
erregte Elasticitätsbewegung (die elastische Energie) sich im Raume ver- 
breitet und einen Kıraftreflex erzeugt, sodass em Widerstand entsteht, 
welcher sich auch der unökonomischen Verbreitung der Energie entgegen- 
setzt, will ich im Anschluss an meine letzte Arbeit noch Ausführlicheres 
nachstehend folgen lassen. 

Der nöthige Einblick ergiebt sich aus den Lehren der Akustik, Eine 
Störung in dem normalen Schwingungszustande eines Tufttheilchens pflanzt 





In Jacob: Die Luft als Flugmedium v. Standpunkte d. kinet. Gastheorie. 


sich radial in Strahlen (Schallstrahlen) fort und zwar nach allen Seiten 
gleich stark, wenn die Störung eine allseitig gleiche ist. 

Es bildet sich dann eine erregte nach allen Richtungen wachsende 
Luftkugel. Nimmt man sieh ans derselben einen Strahl (Strahlenbündel) 
heraus, so leuchtet ein, dass in demselben die Fortpflanzung der Erregung 
nach der Strahlenrichtung ein vorzugsweises Schwingen in der Strahlen- 
richtung bedingen muss, denn nach dieser Richtung ist der Widerstand 
eeringer als senkrecht dazu nach den Nachbarstrahlen, welehe mit gleicher 
Intensität schwingen, während in der Strahlenrichtung eine Abnahme der 
Intensität nach aussen statthat. 

Ein solcher Strahl verfolgt demnach, wenn er von gleich starken 
Nachbarstrahblen eingeschlnossen ist, einen geraden Weg. 

Nur wenn Nachbarstrahlen fehlen oder wenn dieselben schwächer 
sind, gleicht sieh die Intensität auch nach der Seite aus (strömt Energie 
auch seitlich ab) und der Strahl wird krummlinig seitlich verbreitert, indem 
man sich nach dem Huyghens’schen Principe vorstellen kann, dass jeder 
Punct des Strahls das Erregungscentrum einer neuen Welle ist. 

Die im Hohlspiegelbrennpunkt piekende Uhr coneentrirt einen Theil 
ihrer Schallstrahlen im Brennpunkt des gegenüber stehenden Hollspiegels, 
was einen geradlinigen Gang beweist und zugleich geht auch der Schall 
stark um die Ecke was einen gleichzeitigen krummlinigen Gang beweist. 

Für die Flugtheorie ist nun von Interesse die Art und Richtung dieser 
Verbreitung und ihrer Reaction. 

Wenn ein Flächenelement f mit Beschleunigung von a nach b (Fis. 1) 
bewegt wird, so gehen Pressionsstrahlen nach dieser 
Richtung und auch nach An ba be... "bh ab ab, 
welche bei ihrer Entstehung alle die Richtung ab 
hatten. Nur der mittelste nach b verfolgt einen 
geraden Weg, alle übrieen werden um so mehr 
gekrümmt und um so schwächer, je mehr sie von 
dieser Richtung abweichen. Wohin geht nun die 
Richtung der Reaction z. B. im Pımkte A? Often- 
bar tangential in umgekehrter Strahlenrichtung. 
Sie kann aber nieht gerade aus nach O gehen, 
denn sie win vom Strahl Ö3 stärker beeinflusst 
als von fe und wird sich deshalb nach dem Centrum 
zurückkrümmen müssen. Man sieht auch: die in Erregung geratliene Luftmasse 
wächst bei kleiner Fläche f cder wenn die Strahlenlängen sehr gross sind 
gegen f stärker als in der 3. Potenz der Strahlenlänge und damit auch 
der dabei verfliessenden Zeit. 





Betrachten wir noch den Yorgang, den eine schwingende Saite, welche 
Ja gewisse Aelmlichkeiten mit dem schwirrenden Insectentlügel hat, in der 
Luft hervorruft, einmal möglichst eingehend: 


Jacob: Die Luft als Flugmedium v. Standpunkte d. kinet. Gastheorie. 17 


Die auf der Vorderseite der Saite zusammengedrückte, fortgestossene 
Luft begiebt sich nach der Seite des kleinsten Druckes d. h. nach der 
Hinterseite, wo in dem Augenblicke Verdünnung herrscht. Kaum dort 
angelangt, wird sie wieder dort fortgestossen und kehrt auf die frühere 
Stelle zurück. Das Spiel wiederholt sich, bis die Saite zur Ruhe gekommen ist. 

Wenn wir nun durch Ueberlegung finden wollen, welche weiteren 
Formen die von der Saite auf die Luft übertragene Bewegung annimnıt, 
so fällt uns ein, dass es dieser Ueberlegung nicht mehr bedarf, denn unser 
Ohr sagt es uns und bekannte ausgezeichnete Forschungen auf dem Gebiete 
der Akustik überheben uns jeder eigenen Forschung. Wir wissen, die 
Energie der Saite geht über in die Energie eigenartig hin und her be- 
wegter Luftmolekel — eine Bewegungsart, die wir die elastische Schwin- 
gungsbewegung nennen. Jeder Hin- und Hergang der Saite bewirkt in 
der Luft fortschreitende Verdichtungs- und Verdünnungswellen (-schichten). 
Die Verdichtungsschicht geht nach der Richtung, nach welcher die Saite 
in dem Augenblicke ihre Bewegung beschleunigt (d. h. nach der Gleich- 
gewichtslage der Saite). Passirt die Saite aber ihre Gleichgewichtslage, 
so ändert sich in demselben Augenblicke das Vorzeichen der Beschleuni- 
gung — es beginnt dann nach derselben Riehtang eine Verdünnnngsschicht 
(Thal der Welle) durch den Raum zu lauten. 

In gleichen Zeitmomenten, also gleichzeitige gehen nach beiden ent- 
gegengesetzten Richtungen entgegengesetzte Verdichtungszustände, also z. 
B. nach links eine Verdichtung, nach rechts eine Verdünnungsschicht. Man 
kann die Bewegungen der Saite zerlegen in eine solche rechts von der 
Gleichgewichtslage und eine solche links von der Gleichgewichtslage. Rechts 
findet immer Beschleunigung nach links statt und links immer Beschleuni- 
gung nach rechts, — einerlei in welchem Stadium (Phase) der Schwingenng 
sich die Saite befindet. 

Solange die Saite sieh rechts befindet, geht also eine Verdichtungs- 
schicht nach links und gleichzeitig eine Verdünnungsschicht nach rechts 
und umgekehrt ist es, wenn die Seite sich links befindet. 

Die Beschleunigung wechselt Ihr Vorzeichen also in der Bahnmitte 
— die Geschwindigkeit wechselt es am Ende der Bahn. Es ist nun klar, 
dass die der schwingenden Saite Innewohnende Energie nieht in Form von 
Progressivgeschwindigkeit auf die Luft übergeht, sondern dass diese Energie, 
soweit sie nicht etwa die Form der Wärme annimmt nur die elastische 
Form schwingender Luaftmolekel annehmen kann -— und es Ist ebenso klar, 
dass die Trägheit aller in Bewegung gesetzter Juufttheile eine Reaction 
gegen das Bewegungscentrum bewirken muss, entsprechend dem stets be- 
währten Satze von der Wirkung und (Gegenwirkung. Diese Reaction wirkt 
hier aber auf beiden Seiten der schwingenden Saite gleich stark und es 
kann deshalb die Saite und der Körper, worauf sie befestigt ist, keinen ein- 
geitigen Druck erhalten, also keine Progressivbewegung annehmen. 


I8 Jacob: Die Luft als Flugmedium v. Stanipunkte d. kinet. Gastheorie. 


Wenn man die Erzielung eines einseitieen Druckes beabsichtigte, so 
müsste man darauf ausgehen. die Saite nur auf einer Seite der Gleich- 
gewichtslage schwingen zu lassen, was nur möglich wäre. wenn man die Saite 
zwingen könnte, in der Gleichgewichtslage plötzlich das Vorzeichen der 
Geschwindigkeit zu ändern. 

Solche Tdealbewegeung wird aber in Wirklichkeit nicht herzustellen 
sein. denn um einem Körper seine Gesehwindiekeit zu nehmen und sie durch 


die entgegengesetzte zu ersetzen, gehört Immer etwas Zeit — wenn aneh 
noch so wenig — und während dieser Zeit wird der Körper einen kleinen 
Wer zurücklegen und zwar vorwärts bis die Geschwindiekeit ~ 0 ist und 


rückwärts bis die Geschwindigkeit der Gleicheewichtslage (die Maximal- 
geschwindigkeit) wieder erreicht ist. 

Denken wir uns aber den praktisch möglichen Fall, dass jedesmal, 
wenn die Saite ihren normalen Ausschlag nach rechts gemacht und zurück- 
kommend ihre Gleichgewichtslage erreicht hat -—- dieselbe eine momentane 
stärkere Anspannung erfährt, so wird sie nach links nur einen sehr kleinen 
Weg machen können und in viel kürzerer Zeit aber mit gleicher enfgezen- 
sesetzter Geschwindigkeit die Gleichgewichtslage wieder erreichen. 

Sie wird dann schwingen wie nebenstehende Iie. 2 in UÜebertreibung 
Fix 2. zeigt und es ist klar, dass die von links ausgehenden Pressions- 
wellen und deren Reaction viel kürzer dauern werden, ais die von 
i ` der rechten Seite und dass sie auch eine geringere Reactionswirkung 

erzeugen werden, denn die Masse der reagirenden Luft ist ungefähr 
der 3. Potenz der in gleichem Sinne erfolgenden Schwingungsdauer 
| proportional, wie aus Fig. 1 hervorging. Demgegenüber verschwindet 
die Wirkung der grösseren Beschleunigung der linken Seite, welche 
/ 











nur mit der ersten Potenz in Ansatz kommt. 

Die Betrachtung einer solchen einseitig schwingenden Saite 
ist um so instructiver, als man sich leicht vorstellen kann, dass 
der Muskelapparat, welcher die Flügel bewegt, wahrscheinlich in 
älinlicher Weise arbeitet, um die Schwingungen der Flügel zu einseitig be- 
schleunigten zu machen. 

Es liegt schon an sich nahe, das Sehwirren eines Insectenflügels in 
Parallele zu stellen mit den Schwingungen einer Saite oder Stimmeabel 
und auch den Auf- und Niederschlag der Voreltlügel wird man als ein 
langsames Schwingen betrachten können. 

Drängt sich da nicht mächtig der Gedanke auf, dass der Niederschlag 
nach einem umgekehrten Gesetze erfolgen müsse, wie der Aufschlag, wenn 
eine Wirkung resultiren soll? 

Eine auf's Dach fliegende Taube bewirkt diese Hebung durch Flügel- 
schläge sichtlich ohne Verdrehung der Flügel, vielleicht mit etwas nach 
unten eoncaven Flügeln. 


Jacob: Die Luft als Fiugmedium v. Standpunkte d kinet. Gastheorie. 19 


Warum sollen sich da die Insecten in so schrecklicher Weise die 
Flügel verdrehen müssen? 

Ein Insect bewegt dieselben vielmehr wahrscheinlich auch in der ein- 
fachsten Art auf und nieder wie auch der Sperling, dessen Flügelspitze 
deutlich sichtbar in einer Ebene «b (Fig. 3) schwingt, wenn er aufgeschenucht 


davonschwirrt. Da ist an keinen Kegelmantel zu denken Fig. 8. 
— die Spitzen ab erscheinen ganz scharf. a 


Man hat sich an diesen Augenschein aber nieht ge- 
kehrt, weil man ibn nicht begreifen konnte. Nur aus diesem 
(runde bat, wie mir scheint; die geschäftige Phantasie 
den Forscher Dinge sehen lassen, welche gar nicht vor- 
handen war. 

Die Erscheinung sollte eben absolut erklärt werden 
und wurde dem zu Liebe so geformt, dass sie erklärlich schien. 

Wer nicht den Schiebewiderstand für den eigentlichen 
und einzigen Widerstand hält, hat keine Ursache die Flügel in einem Kegel- 
mantel oder Achterschlag unter gleichzeitiger Drehung um ihre Längsachse 
sich bewegen zu lassen. 

Macht man den elastischen Widerstand zum Hauptagens, so löst sich 
Alles in der einfachsten Weise. 

Flügel von jeder Art und Form, so wie sie das '[hierreich in buntes- 
ter Reihe uns zeigt, geben’ bei einfachem Aut- und Niederschlag einen 
Anftrieb, wenn die Gleichgewichtslage der Schwingungen (wo das Maximum 
der Geschwindigkeit herrscht) nicht in die Mitte der Bahn, sondern nahe 
an das untere Ende verlegt wird. 

Nach dieser Gleichgewichtslage findet Beschleunigung statt und je 
näher «dieselbe am unteren Ende der Balın, desto besser. 

Denkt man sich dieselbe an das unterste Ende der Balın, was in der 
Wirklichkeit allerdings nicht vollständig möglich ist, so erleidet der Flug- 
körper bloss einen Auftrieb, auch beim Aufschlage der Flügel — wenigstens 
soweit der elastische Widerstand in Frage kommt —. 

Fin Flugtlier ist also bezüglich der Bewegung seiner Flugorgane 
einer einseitig schwingenden Saite gleichzusetzen. 

Dies ist nach meiner, allerdings vorerst nur theoretischen Ableitung 





das Geheimniss des Flügelschlags. 


Kleinere Mittheilungen. 


Verbundene Drachen oder Luftballons und Fahrt mit solchen auf vorgeschriebener 
Bahn In der Presse eireulirten kürzlich Mittheilungen über einen, dem schottischen 
Lieutenant Baden-Powell anscheinend patentirten, 60 Quadratmeter grossen Drachen, 
der vou drei darüber schwebenden kleineren unterstützt sei. Der Angriffspunkt 


20 Kleinere Mitthelungen. 


der Zugleine diene gleichzeitig zur Befestigung eines Leitseiles sowie des Luft- 
schifferkorbes und functionire der Apparat auch bei Windstille, wenn man dag Zug- 
geil (wie bei jedem Drachen) mit genügender Geschwindigkeit fortziehe, 

Vom Verfasser dieses erfolgte nun schon am 29. Septbr. 1889 Mittheilung an 
die königliche Luftschifferabtheilung in Berlin über seinen sehr zufriedenstellenden 
Versuch, die Leine gestiegener Drachen anf dem Rücken beliebig grosser weiter- 
hin aufzulassender zu befestigen; die Zugleine wurde der Drachenzahl entsprechend 
stärker angezogen und genügten etwa 4 Stück zur Hochhebung einer Person Die 
unteren Drachen seien sehr steif gehalten, die oberen enorm hohen Vögel nahezu 
in den Wolken verschwunden; dabei war die Verwendung in der Meteorologie, im 
Signalwesen etc. angedeutet und die Benutzung dieser Neuerung für verbundene: 
nach einander beliebig hoch aufzulassende, ihr’Kabel tragende Fesselballons frei- 
gestellt. Auch erfolgte Andeutung einer mehrtheiligen, flach ringförmigen Gestalt 
benufs Herstellung eines wenig Widerstand bietenden lenkbaren Luftschiffes. Als 
Vorzüge der in beliebiger Entfernung über einander schwebenden Theilballons 
gegenüber den heutigen grossen Einzelluftschiffen liessen sich anführen! 


Einfachere Herstellung, Fortfall von Gefahr bei Beschädigung eines Einzel- 
ballons und beim Landungs-Abstieg, weniger leichte Wahrnehmung durch den 
Feind und kaum mögliche Beschädigung; endlich bedeutend ruhigeres, sicheres 
Orientiren in der Gondel. 

Von einer Erprobung nichts vernehmend, suchte der Verfasser später, im 
Juli 1893, unter wiederholter Anführung seiner. Erfolge mit verbundenen Drachen, 
wenigstens beliebig hohe Aufstiege für den eintheiligen Fesselballon zu ermög- 
lichen uud wurden entweder einzuschaltende, mit Gas gefüllte hohle darmartige 
Tragkabel oder ab und zu an das hergebrachte hochgehende Kabel anzuklemmende 
kleine Tragballon-Paare vorgeschlagen. ' f 

In Folge dessen stattgefundene Versuche haben gemäss gütiger brieflicher 
Mittheilung des Generalstabes, richtige Anschauungen bei dieser Idee ergeben, 
wenngleich militärische Verwendung ausgeschlossen sei. Jedenfalls ist also die 
eingangs erwähnte schottische Erfindung in Deutschland ganz ähnlich längst ge- 
macht und war auch hier der untere steif gehaltene Drache grösser. Vielleicht 
werden aber jetzt nach dieser ausländischen Anregung auch hier Versuche mit 
verbundenen Ballons angeordnet. 

Die jüngsten Erfolge des Unterzeichneten, natürlich mittelst wenig kostspie- 
liger Drachen, liegen ganz auf dem Gebiete der wichtigen Beförderungs-Luftschiff- 
fahrt. Die dem heutigen Luftschiflte ganz abgehende und selbst diejenige aller 
Vögel übertreffende Leichtbeweglichkeit des blattförmigen Drachens lässt diesen 
sofort eine Ausserst rasche Seitenbewegung mit schräg aufwärts gerichteter Längs- 
axe machen, wenn beim Auflassen die Richtung der Halteleine und die des Windes 
nur wenig von einander abweichen. Wird daher das Ende Halteleine eines aufge- 
lassenen Einzel- oder besser eines stetiger ziehenden Verbund-Drachens mit einem 
Gleitring oder Röllchen versehen, welches sich, anstatt festgehalten, auf einem 
straff und schräg gegen die Windrichtung gespannten glatten Drabte bewegen kann, 
so erfolgt obige sehr schnelle Seitenbewegung sofort auf der ganzen, durch geeig- 
nete Unterstützungsgabeln beliebig langen Drahtbahn; für die Rückwärtsbewegung 
giebt man dieser Leitung, welche auch ein in der ganzen Länge geschlitztes Rohr 
mit Wägelchen etc. etc. sein kann, die entgegengesetzte Schräge. 

Entschieden einfacher ist's, anstatt die Bahn, den beliebig hoch gelassenen 
Verbund-Drachen durch zwei extra seitlich daran befestigte Richtleinen, ähniich 
einem Segel, nach der einen oder anderen Seite schräg gegen die Windrichtung 
zu stellen, und hiermit wäre wohl unten oder hoch oben eine siehere Luftschif- 


Kleinere Mittheilungen. 21 


fahrt mit grösserer Geschwindigkeit, als die des Windes, ähnlich der des Segeleis- 
schlittens, bei günstiger Luftbewegung gewährleistet. In der Windstille und bei 
Anwendung von Drahthahn dürfte am besten ein drachenförmiger Tragballon mit 
Eleetromotor, eventuell auch laufenden Pferden zu combiniren sein. 

Bei widrigem Winde müsste, ähnlich dem Segelschiffe und auch dem Vogel- 
fluge, gekreuzt werden; eine Fahrt von Berlin nach Koeln ginge also, anstatt in 
directer Linie, eventuell rechts über Hamburg oder links über Erfurt. — 

Obgleich die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, auch über Land ganz ohne 
Draht- oder sonstige Bahn zu fahren, so kann dieses mit Sicherheit von der Reise 
über Sce behauptet werden. Ein durch Verbunddrachen, flachen Trageballon ete. 
entlastetes, nur noch eben mit Kiel und Steuer die Wasseroberfläche berührendes 
Fahrzeug, z. B. aus Aluminium, dürfte im Vogellluge mit noch nie erlebter Ge- 
schwindigkeit selbst den Ocean kreuzen können. 

Will man aber aus irgend einem Grunde auch auf dem Wasser geführt sein. 
so wird die Herstellung eines hierzu geeigneten schwimmenden Hohlkörpers keine 
srossen Schwierigkeiten verursachen. 

Berlin N. F. Koester 

Sylvester 1895. Stadtingenieur. 


Segelflug oder Ruderflug? Die ausgezeichneten Darlegungen in dem kürzlich 
erschienenen Buche des Herrn Oberingenieur Friedrich Ritter v. Loessl „Die Luft- 
widerstandsgesetze“!), Verlag von Alfred Hölder in Wien, hat endlich eine Frage 
zur definitiven Entscheidung gebracht, welche seit vielen Jahren lebhaft in diesen 
Blättern besprochen wurde, ohne dass es gelungen wäre, eine Einigung der An- 
sichten zu erzielen, da allen Ausführungen die Bestätigung durch das Experiment 
mangelte. Diese wichtige Frage ist die Ermittelung des nothwendigen motorischen 
Kraftbedarfes für die Ausführung des horizontalen Segelfluges. 

Ich habe in mehreren Veröffentlichungen: A&ronautische Streitfragen, Wien 
bei Spielhagen E Schurich, ferner „Versuch einer prineipiellen Lösung des Flug- 
problems“ in Streffleur's Oesterr. Militär-Zeitschrift, December 1888, „Flugtechnische 
Betrachtungen“ Verlags-Anstalt „Reichswehr“ Wien 1893, endlich in vielen Artikeln 
dieser Zeitschrift (1885—95). die Behauptung zu erweisen gesucht, dass der segelnde 
Vogel lediglich seinen Stirnwiderstand motorisch zu bewältigen habe und somit 
eine Gewichtsarbeit von ihm nicht zu leisten sei. Gegen diese meine Ausführungen 
haben die ¡Herrer !Gerlach, Popper und Parseval opponirt, wogegen A. Miller 
R. v. Hauenfels in seiner Broschüre „Der mühelose Segelflug der Vögel“ ferner in 
„Die Gesetze des Segelfluges“ Zeitschrift für Luftschiffahrt 1893, Juni und Juliheft 
auf analytischem Wege den Nachweis erbrachte, dass meine Behauptung unwider- 
leglich zutreffend ist. 

Herr von Loessl behandelt nunmehr diese wichtige Frage in seinem oben- 
angeführten Buche und findet (Seite 223), dass die Taube, um sich senkrecht zu 
heben, eine Arbeit von 1,8 mkg zu leisten babe, während dieselbe Taube, wenn 
sie eine, eben durch früheren schrägen Abfall erlangte Geschwindigkeit von 12 m 
p. S. besitzt, zur Fortsetzung des Fluges in horizontaler Bahn, mit der nämlichen 
Geschwindigkeit von 12 m p. S., nur mehr einer Arbeitsgrösse von 0.20250 mkg bedarf. 
1.800 
0.202 
den neunten Theil der Kraft, den sie zum Aufflug aufzuwenden hat. 

Nun berechnet Loessl die Stirnwiderstandsarbeit der Taube bei einer Ge- 
scwindigkeit von 12 m p. S. mit 0.(3072, so dass sich für den Flächenwiderstand 


EI 


Die Taube braucht daher zum horizontalen Segeln nur ( — rund 9) 





I) Vrgl. das Referat von Hauptm. Hörnes im vorigen Hette. D. Red. 


22 Kleinere Mittheilungen. 


eine nothwendige Arbeit von 0.20250 — 0.038072 — 0. 17178 ergeben würde. Dabei 
ist aber zu bemerken, dass Herr v Loess] die Taube mit drachenförmig gestellten 
Flügeln (Elevationswinkel 3° 13), was in der Natur nicht vorkommt, vorwärts- 
fliegen lässt, während diese Vögel, wie es die Beobachtung bestätigt, ihren Flug 
wellenförmig ausführen, bei welcher Bewegung ein Flächenwiderstand nicht vor- 
kommt und immer nur der Stirnwiderstand zu überwinden bleibt, so dass der 
Vogel in der That eben nur die Sinnwiderstandsarbeit, wie sie Miller-Hauenfels 
in seinen Gesetzen des Serelfluges, Seite 135, angiebt, zu liefern hat. 

Es ist zu erhoffen, dass die Klärungen, welche Herr v. Loessl in so vielseitiger 
Art in seinem Werke über die Luftwiderstandsgesetze erbrachte, endlich die Wir- 
kung haben, dass der Segelflug als diejenige Flugart allgemein anerkannt werden 
wird, welche zu ihrer Vollführung einer viel geringeren motorischen Kraft bedarf, 
als beim Räde:iflug aufgewenrdet werden muss und dass daher in der Praxis nicht 
die Ausführung des kralftverschwendenden Ruderfluges, sondern die des kraft- 
sparenden Scgelfluges anzuwenden sein wird. E 

Wien, 23. December 1895. August Platte. 


Ueber die praktische Lösung des Flugproblems. (Erwiderung.) Das letzte 
November-lleft d. Z. hätte mir nichts Willkommeneres bringen können, als die 
Kritik des Herrn Dienstbach-Newyork über einen im Juni/Juli-Heft enthaltenen 
Aufsatz obigen Titels; nur wünschte ich, die Widerlegung wära mir nicht so 
überaus leicht gemacht worden, damit aus dem schärferen Widerstreit der An- 
sichten die Wahrheit desto greller hervorgeleuchtet hätte, denn ich fürchte die 
Kritik nicht, sondern fordere sie heraus. Da ich nicht, wie der Herr Kritiker von 
sich sagt, das Interesse von Personen, sondern nur das einer grossen Sache, vor 
Allem der Ergründung des Wahren, vertrete, so frage ich nicht danach, ob Arbeit, 
Mühe und Risico von Maxim oder Anderen weggeworfen erscheinen oder nicht, 
sondern ob der richtige Weg zum Ziele betreten ist. 

Auch Herr Dienstbach, wie leider so viele Flugtechniker. geht von einer 
falschen Grundlage der Fliegekunst aus und eben deshalb sind die von ihm 
aufgeworfenen 15 Kritikpunkte so leicht zurückzuweisen. Während nämlich Herr 
Dienstbach, wie auch z. B. Prof. Wellner u. A., wünscht, in stiller Luft emporzu- 
steigen und in Schwebe auf einem Puukte zu verweilen, jage ich solcher Utopie 
nicht nach, sondern ich wünsche „möglichst blitzartig“ vorwärts zu fliegen; besonders 
im Winde. 

Ich entgegne daher: 

1. Ich habe zunächst nicht behauptet, dass schmale, lange Flügel in der Natur 
grössere Flächenbelastung haben, sondern dass die gewandten, besten Flieger 
dieselben besitzen und die besten Segler auch grössere Flächenbelastung aufweisen. 
Die Hausschwalbe ist ein gewandter Flieger, aber kein Segler, wie die Sceschwalbe. 

2. Wenn Hargrave und Maxim ihre Aöroplanen in der Flugrichtung lang 
machten, um das Umkippen zu vermeiden, so ist damit gar Nichts bewiesen, um 
so weniger, als Maxim's Itiesenluftschif schon beim ersten Ablauf bekanntlich um- 
gekippt ist; Hargraves kleinen Apparaten würde im Winde dasselbe Sehicksal 
beschieden sein, umsomehr bei praktischer Ausführung mit lebenden Insassen. 

3. Gerade weil für einen kleinen Hebel dasselbe Gesetz gilt, wie für einen 
grossen, so entspricht bei demselben Drehmoment. (Product aus Kraft und Hebel- 
arm) dem längeren Hebel die kleinere Kraft und die in der Flugrichtung 
längere Aöroplane muss leichter kippen! 

Jst diese elementare Beziehung Herrn Dienstbach unbekannt? 

4. Herr Lilienthal hat durch die redueirte Klafterweite keinen wesent- 
lichen Schritt vorwärts gethan; die Klufterweite überwiegt dabei aber immer 


Kleinere Mittheilungen. 23, 


noch um ein Vielfaches die Breite der Segelflächen; bei Maxim ist es aber umge- 
kehrt, die Aöroplane hat die grössere Dimension in der Flugriehtung! 

a. Der Urgrund. das eigentliche Hinderniss, warum die Natur den Vogel 
Ssrause nicht durch grössere Flügel zum Segeln befähigte, ist doch die Eigenschaft 
des Windes, bezw. die Widerspenstigkeit, Manövrirunfahigkeit grösserer Flächen im 
Winde, wodurch eben wiederum die besonderen Anforderungen an die Beschaffen- 
heit (Festigkeit, Elastieität, Biegsamkeit, Leichtigkeit) der Flügel bedingt sind. 

Ich habe nicht behauptet, dass die Natur allein, sondern dass sie aueh au 
der Stabtlitätsfrage beim Vogel Strauss hinsichtlich des Segelns gescheitert sei. 
Wenn schon ohnehin die Festigkeitsverhältnisse der Mlügel, deren Grösse wegen 
des Gewichts u. a w. eine enge Grenze ziehen, um wieviel mehr spielt dabei das 
im Winde erschwerte Manövriren eine kolle, wo die Anforderungen an die Eigen- 
schaften des Flügels eben erhöhte sind. Ich sagte also wohl im Grunde nichts 
Anderes, als Herr Lilienthal, mit dem ich hinsichtlich des Einzelfluges, als zunächst 
anzustrebenden Fluges, übrigens übereinstimme. 

6. Versagt der Motor, so giebt es nichts Schlimmeres, als die todte Segel- 
fläche und nichts Besseres, als die in der raschen Rotation der Tragschrauben auf- 
gespeicherte lebendige Kraft, die allmäahlig aufgezehrt wird, während der 
Apparat dabei langsam sinkt; gerade so, wie beim Versagen eines Dampf- etc. 
Motors, einer Locomotive, dureh das Schwungrad die Bewegung noch eine Zeit lang 
erhalten bleibt, successive abnimmt, bezw. ein Eisenbahnzug erst allmählig zum 
Stehen kommt, vermöge der lebendigen Kraft. Letztere ist unentbehrlich 
zum Fliegen; der Vogel besitzt sie in geringerem Grade in der Gewichtsspannung 
seines Flugwerkzeugen. 

Versagt aber der Motor beim Segelapparat, an segelt dieser ohne zu sinken 
weiter um dann aus desto grösserer Höhe plötzlich herabsinken zu können. 

Bei dem kleinen metallenen Sehraubenflieger versagt ja doch der Motor schon 
von vornherein, im Momente des Emporfliegens und wir sehen den Apparat dennoch 
ganz gemächlich herabkommen, — Dank seiner lebendigen Kraft! Uebrigens er- 
kläre ich den Hilfsmotor doch für überflüssig, die Muskelarbeit des Menschen für 
ausreichend. 

7T. Wenn es auch jetzt Zweiräder mit Hillsmotor giebt, so wurde das Zwei- 
rad doch erst ohne Motor erfunden ünd hat nur als solches Bedeutung, bezw. es 
ist ihm in dem Motorrad auch nicht die geringste Coneurrenz entstanden oder be- 
vorstehend. Vebrigens wird die Stabilität und Steuerung, die Balance, auch des 
Motor Zweirades nicht durch den Motor, sondern direet durch den Fahrenden, d. h. 
das Balanciren seines Körpers, bewirkt! 

H Da man bisher meinte, die Vogelflügel schlügen hin und her, auf und ab, 
«so schien mir der Nachweis, dass sie rotiren, nicht überflüssig. 

9. Wenn wirklich nach Lilienthal grosse Vögel wenig auf und ab tanzen Hi 
so meine ich, es kommt darauf, was in der Natur vorgeht, an; Herr Dienstbach 
sehe sich doch selbst in der Natur um und beobachte, wie die rudernde Krähe auf 
und nieder schwingt mit jedem Ruderschlag und wie sie ausserdem noch eine 
grössere Wellenbahn beschreibt. 

10. Wie kann man sagen, dass „eine Luftschraube höchstens 40 Pfund Hub 
pro Pferdestärke giebt“, da doch die Schwebearbeit bekanntlich von der Horizontal- 
geschwindigkeit abhängt und mit deren Zunahme rapide abnimmt! Man sieht, Herr 
Dienstbach will senkrecht emporsteizgen und auf dem Fleck schweben. Mit solchen 
Phantomen gebe ich mich aber nicht ab. Es fragt sich ferner auch nicht, ob eine 
Schraube segeln kann, sondern ob sie zu segeln braucht? Weshalb muss denn 
absolut gesegelt werden? Die kleinen Insekten segeln doch auch nicht und diese, 


21 Kleinere Mittheilungen. 


nieht die Vögel, sind in gewissem Sinne unser Vorbild; denn während das Insekt 
arbeiten muss, um den relativ grösseren Translationswiderstand zu über- 
winden, Translationsarbeit leisten muss, wird der Mensch durch Flügelbewegung 
mehran Schwebearbeit leisten müssen, sei es direct oder indirect, durch grössere 
Horizontalgeschwindigkeit! 

Obzwar es allbekannt ist, dass Horizontalgeschwindigkeit die Schwebearheit 
redueirt, die Seele des Fluges ist, wirft Herr Dienstbach doch die Frage auf, ob 
Vorwärtsbewegung der Schraube viel Nutzen bringt? Ich frage! warum soll denn 
die verkannte Schraube dieses Vortheils nicht theilhaftig sein? Ich behaupte aber 
auch, dass der Tragschraube mehr, ganz eminent mehr Vortheil aus der Vorwärts- 
bewegung erwächst, als irgend einem anderen Mechanismus, sowohl im Hebe- als 
im Treibe- Effect, weil die Flügel sich mit der grösstmöglichen Horizontalgeschwindig- 
keit bewegen und zwar abwechselnd während eines Umlaufs, schlagartig auf die 
Luft einwirken, auf der einen Seite mehr hebend, auf der andern mehr treibend 
wirkend. Mit keinem anderen Mechanismus lassen sich nur annähernd solche Flug- 
geschwindigkeiten erzielen, d. h. so kleine Flächen und Luftstosswinkel anwenden. 
Eine Flugmaschine, die 40 - 50 m secundlicher Fluggeschwindigkeit besitzen soll 
muss doch die Luft mit gleichfalls grosser Geschwindigkeit nach rückwärts 
schleudern, sonach eine enorme horizontale Flügelgeschwindigkeit haben, was bei 
Schrauben die Rotation um eine verticale Achse bedingt. Die zweifellose Aus- 
führbarkeit ist für den, der sehen kann und will, in den Schraubenfliegern bewiesen. 

Solange nicht gegentheilige freie Flug-Versuche mit der Tragschraube, — die 
sonderbarer Weise bis heute noch nicht gemacht sind — vorliegen, sind meine An- 
sichten nicht widerlegt. Es ist aber klar voraus zu sehen, das praktische Trag- 
schrauben-Versuche die Richtigkeit meiner Darlegungen einst bestätigen werden. 

11. Warum soll eine schnell rotirende Schraube denn viel Kraft gebrauchen, 
wenn der Luftstosswiukel sehr spitz, die Flächen klein sind? Grössere Flächen 
haben doch gerade mehr Flugwiderstand und Kraftverbrauch! Das Fliegen ist 
ja gar keine Frage der Kraft, sondern der Geschicklichkeit, wozu also diese Angst 
vor dem Kraftverbrauch? 

Nun soll eine schnell vorwärtsfiegende Tragschraube wegen Kraftersparniss 
durch den erhöhten Luftwiderstand sich nicht schnell drehen können? Gerade 
das Umgekehrte ist aber der Fall, denn die Translationsarbeit erfordert doch 
schnellere Rotationen mit zunehmender luggeschwindigkeit. Ueberdies neigt sich 
mit schnellerem Fluge die Achse mehr nach vorne, der Luftstosswinkel auf der 
Hebeseite wird spitzer, auf-der Treibeseite des Umlaufs stumpfer, die Rotations- 
geschwindigkeit muss also zunehmen., 

12. Eine Segelfläche neben der Tragschraube halte ich für entbehrlich, vermag 
aber nicht einzusehen, weshalb dadurch Effeet und Handhabung gestört werden 
sollten. Herr Dienstbach übersieht, dass auch die Tragschraube eine gewisse Segel- 
fläche, und zwar von dem Inhalt der beschriebenen Kreisfläche repräsentirt, denn 
die horizontal, obne Luftstosswinkel, gedachten Flügel repräsentiren an und für sich 
beim Umlauf die volle Kreisfläche als Tragfläche, ohne dass dazu Kraftaufwand 
erforderlich wäre. 

18. Die angeblichen vielen stabilen Aöroplane Hargrave's sind wohl nur in 
der Experimentirstube oder in stiller freier Luft geflogen — bis jetzt auch nur 
ohne einen lebenden Insassen — im Winde werden sie unfchlbar sehr unstabil 
sein. Solche Apparate, wie auch der gerühmte Langley’sche, mit todten Gewichten, 
besagen bezüglich Stabilität und Steuerfähigkeit gar Nichts; erst wenn ein Mensch 
damit fliegen, segeln will, merkt er, wie Herr l.ilienthal, die Schwierigkeit der 
Stabilität und Lenkbarkeit; so nebenbei merkt er auch noch den grossen Flug- 
widerstand durch die geringe Fluggeschwindigkeit. 


Kleinere Mittheilungen. 25 


Ich bleibe dabei, dasa Maxim’s Projekt eine grosse Verirrung ist und bleiben 
wird. Wenn ich diesem Project „jede Aussicht auf Erfolg“ abspreche, sn verstehe 
ich unter Erfolg ein rasches, sicheres, rationelles Fliegen; entweder aber bleibt 
Maxim's Luftschiff gefährlich. oder es bleibt im Winde avf der Stelle, es erreicht, 
wie der Ballon „Renard-Krebs“. keine nennenswerthe Fluggeschwindiskeit, noch 
viel weniger eine grössere Entfernung, ohne Brennmaterial einnehmen zu müssen. 
„Gemischte Gefühle“ beschlichen auch Herrn Lilienthal beim Anblick dieses Projektes. 

14. Die Vögel beweisen allerdings. dass das Fliegen, welches Herr Diensf- 
bach im Sinne hat, grossen Kraftaufwand fordert, nämlich das Fliegen „auf der Stelle“ 
oder ohne grosse Fluggeschwindigkeit; dasselbe gilt freilich auch von den Trag- 
schrauben. Das von mir gedachte rationelle Fliegen fordert aber keinen grossen 
Kraftaufwand. 

15. Nie und nirgends behauptete ich, dass die Schwere (allein) das Fliegen 
bewirke, sondern nur, dass sie ein Hauptfactor dabei sei. Ist Herrn Dienstbach 
denn noch nicht bekannt, dass der Flugkörper specifisch ganz bedeutendschwerer 
(beim Vogel ca. 210 mal!) als die Luft sein muss, also die Schwere die allergrösste 
Rolle dabei spielt? Diese Thatsache soll „den Naturgesetzen nicht weniger als das 
perpetuum mobile widesrprechen“?. Warum wir nicht auch Eisenbahnzüge durch 
die Schwere treiben lassen? Nun, die Lanzen sche Schwebebahn ist eine solche, 
vorwiegend durch die Schwere betriebene Eısenhahn! 

Die bekannten, der Volksbelustigung auf Jahrmärkten und Ausstellungen 
dienenden Wellen-Rutschbahnen beruhen auf demselben Princip und unsere Eisen- 
bahnen könnten auch so eingerichtet sein, wenn es nicht so kostspielig wäre, die 
Wellenbahn auf der Erde herzustellen; in der Luft aber ist kein Hinderniss dazu 
vorhanden. Dem Wellenflug gehört die Zukunft und ich habe in meinem Aufsatz 
im October-Heft bereits darauf hingewiesen. dass aller Flug ein Wellenflug 
ist und in welchem Grade derselbe eine Kraftocennomie bedeutet. 

Was Lilienthal an dem vollen endlichen Erfolg hindert, ist doch nur die zu 
grosse Segelfläche bezw. dis zu geringe Segelgeschwindigkeit, nebenbei auch die 
Stabilität. Daraus folgt unabweisbar logisch, dass wir die Flügelfläche verkleinern 
müssen, unter Zuhilfenahme von Flügelbewegung, soweit die uns zur Verfügung 
stehende Muskelkraft dieses ermöglicht; dann können wir den Flugwiderstand besser 
überwinden, grössere Fluggeschwindigkeit erreichen und damit auch des grossen 
Kraftbedarfes entbehren. Keine Vorrichtung ist für Flugzwecke so geeignet, wie 
die Tragschraube, deren Stabilität und Steuerbarkeit gar nicht hoch genug zu ver- 
anschlagen ist. 

Eins steht fest: bevor nicht der Einzelflug ausgeführt ist, kann an einen 
Erfolg von grösseren Fluglahrzeugen nicht gedacht werden; aber selbst dann werden 
diese letzteren auf nur sehr wenige Insassen beschränkt bieiben müssen und ebenso 
wenig einen Vortheil gegenüber den Einzelfliegern besitzen, als die jetzigen Ge- 
sellschafts-Fahrräder dem einzelnen Radfahrer gegenüber im Vortheil sind. 

Es steckt ein Stückchen sogenannter Lösung der socialen Frage im Flug- 
problem, dessen baldige Lösung deshalb um so dringender zu wünschen, aber auch 
mit Bestimmtheit, ja mit Naturnothwendigkeit, als ein Kind der Noth der Zeit, zu 
erwarten ist. ` 

Gewisse Flugtechniker sollten etwas mehr des Mahnwortes unseres grossen 
Dichters und Lehrmeisters in dem Ringen nach Erkenntniss der Wahrheit eingedenk 
sein: „Gefühl ist Alles“ und „Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdeta nicht 
erjagen!* — weder durch mathematische Rechenkünste, noch allein durch 
Experimente. 

Hamburg, October 189. Eugen Kreiss. 


26 l.itterarische Besprechungen. 


Litterarische Besprechungen. 


James Means: The Aöronautieal Annual. Boston 1895. 
Das vorliegende Werk ist geschrieben um zu neuen praktischen Arbeiten 


Dé 
für die Lösung des Flugproblems anzuregen. Es enthält eine Zusammenstellung 
einiger der bedeutendsten Arbeiten über den Flug und die Luftschiflährt. Der 
Herausgeber wollte, wie er selbst sagt. weniger etwas Neues geben, als vielmehr 
verschiedene alte Schriften, die wegen ihrer Seltenheit und ihres werthvollen In- 
halts von Neuem gedruckt zu werden verdienen, wieder zugänglich machen. 

Die veröffentlichten Arbeiten stammen aus drei verschiedenen Epochen! aus 
der Zeit der Entdeckung Amerikas, aus der Zeit der Erfindung des Luftballons 
und aus der neuesten Zeit. 

Zur Zeit der Entdeckung Amerikas wurde das Flugproblem bearbeitet durch 
Leonardo da Vinci. Das herrliche Selbstportrait Leenardos figurirt als Titelbild 
der Schrift; Leonardos Arbeiten über den Flug bilden den Anfang des Werkes. 
Mit Recht stelit der Herausgeber Leonardos Arbeiten allen anderen voran, war 
doch Leonardo der erste, weleher einen ernsthaften Versuch zur Lösung des Flug- 
problems unternommen kat; Means giebt einen kurzen Abriss des Lebens und der 
Arbeiten Leonardos und folgt dabei dem im Jahre 1883 von Riehter in London 
herausgegebenen Auszuge aus Leonardos Schriften (The literary Works of Leonardo 
da Vinci. London 1583). Die grosse weit vollkommenere Ausgabe, welche die 
französische Akademie veranstaltet hat (les ouvrazes de Leonard da Vinci par 
Ravaisson Mollien. 6 Bände. Paris 18551--1891. Quaintien), bleibt leider unberück- 
sichtigt. Means fasst die Arbeiten Leonardos über das Flugproblem in einer 
kurzen aber sehr interessanten Darstellung zusammen; er giebt einige Seiten aus 
dem kostbaren Codex Atlantieus (Saggio delle Opere de Leonardo da Vinci. Tratti 
de Codice Atlantico. Milano 1872) und bringt sodann einige I’roben aus Leonardos 
Manuscript über den Vogelfing, das ja, wie den Lesern dieser Zeitschrift bekannt 
ist (s. diese Zeitschrift NIH, pag. 308 und 569) im Jahre 1593 von Sabachnikoff 
herausgegeben ist. Die dureh Photogravüre wiedergegebenen Proben der Leonardo- 
schen Skizzen und Manuseripte sind recht geschiekt ausgewählt und vorzüglich 
ausgeführt; sie sind daher wohl geeignet, von dem Schaffen des geradezu einzigen 
Universalgenies eine Vorstellung zu geben. 

In die Zeit der Entdeckung des Luftballons führen uns drei von Means gewählte 
Veröffentlichungen:! die Briefe Franklins, sowie die Aufsätze von Cayley und Walker. 

Franklins Briefe über die Luftschiffährt stammen aus den Jahren 1783 bis 
1785; sie sind entnommen aus Franklins Gesammelten Werken (Boston 18538). Eine 
köstliche Illustration erhalten diese Briefe dureh eine Reihe aus dem Jahre 1784 
stammender, grösstentheils humoristischer Bilier; dieselben zeigen, wie die Erfindung 
Montgolfiers von den Zeitgenossen einerseits enthusiastisch begrüsst wurde, wie 
aber andererseits das Ausbleiben des praktischen Ertolzes den Spott herausforderte 

Die Cayley sehen Aufsätze über die Luftschiffuhrt erschienen in Nicholsons 
Journal, 1869--1810; sie knüpfen an die von Degen in Wien gemachten Flug. 
versuche an (s. diese Zeitschrift I. 104). Vermisst wird der Hinweis darauf, dass 
Degen bei seinen Experimenten mit den Flügeln stets das Gewicht seines Körpers 
und auch das des Flugapparates durch einen entsprechend grossen Ballon äquilibrirt. 

Ein confuses Machwerk ist die Arbeit des englischen P’orträtmalers Walker. 
Der Verfasser, von allem naturwissenschaftlichen und technischen Wissen absolut 
frei, kıamt in confusester Darstellung seine Ideen über die mannigfachsten Fragen 
aus, eifert gegen den Krieg, verurteilt die Tbierquälerei, betrachtet die Natur als 
„Physico-Theologe“, wie er sich selbst nennt. Er will das Flugproblem lösen, 


Litterarische besprechungen. 27 


indem er einen kleinen Wagen beschreibt, an dem rechts und links acht Fuss 
lange Flügel sitzen, während ein sieben Fuss langer Schwanz als Steuer dient. 
Schwer ist es einzusehen, warum dieser Aufsatz der verdienten Vergessenheit 
entrissen worden ist; es müsste denn sein, dass der Herausgeber die leichttertige 
Art mancher Projectenmacher in einem recht drastischen Beispiel vorführen wollte. 

Von diesem Walkerschen Aufsatze abgesehen ist die Auswahl durchaus 
sachremäss. Höchst interessant ist die Arbeit von Wenham über die Flugmechanik; 
sie erschien zuerst 1866 in den Berichten der englischen Gesellschaft für Luft- 
schiffahrt. Sie enthält namentlich viele werthvolle Beobachtungen über den Vogel- 
ug. sowie den Nachweis, „dass die auffallenden Verringerungen, welche der 
Flügelschlag an Häufigkeit und Schlagweite erleidet, wenn die translatorische 
Fiuggeschwindigkeit wächst, ihre Ursache in der bedeutenden Steigerung des 
l.uftwiderstandes durch die Fortbewegung haben muss“, 

Den Schluss des Werkes bilden einige sehr hübsch und anregend geschriebene 
Aphorismen des Herausgebers, in denen er den gegenwärtigen Stand der Flugtfrage 
darstellt: er bespricht die Arbeiten von Maxim, Lilienthal, Langley, Chanute u. s. w., 
giebt auch selbst einen Vorschlag zur Construction eines Apparates für den Segelflug. 

Wir können das?Acronautical Annual allen denen aufs Wärmste empfehlen, 
die an der praktischen Förderung des Flugproblems mitarbeiten. 

Karl Müllennorf. 
Inhaltsangabe der ausländischen a@ronautischen Zeitschriften !). 

L’Aeronaute, Januar 1896. Vorwort (Vergl. „Zur Nachricht“ S. 2). 
Lilienthal: Die Ermittelung der besten Flügelformen (Uebersetzung des Artikels 
in dieser ZG, Octoberheft 1895, von DL. Desmarest). Sitzungsbericht der 
-Société française de Navigation Aérienne“ vom 27. Nov. 1895 (Aluminium-Luft- 
schraube. G. Bans über Fallschirme. Ein Interview bei Nordenskiöld über 
Nansen und Andrée, Mittheilungen aus der Ecole d’Aeronautiqne über Prüfungen 
und Aufstiege. Geschäftliches etc.) 


LAéronaute, Februar 189. F. Lautier: Ueber den letzten Artikel des 
Hrn. Otto Lilienthal im Jan.-Hefte des Aéron Sitzungsberichte der Société 
Iran, de nav. aér.) Sitzung [vom D Decbr. 1895. (Geschäftliches. Korrespondenz. 
Zur 25jährigen Wiederkehr der Reise der „Ville d'Orléans“ von Paris nach Nor- 
wegen. Versuche über Gas-Abkühlung und -Erwärmung im Ballon. Anwendung 
von Aöroplanen auf geneigten Eisenbahnstrecken in Amerika zum Antrieb und als 
Bremse. Inhaltsangabe der Zeitschr. f. Luftschiffahrt. Bericht von Besançon 
und Hermite über den Aufstieg des „A&rophile* vom 20. Oct. 95.) Sitzung vom 
19. December 1895. (Gaultier s Anwendung des Ballons zur Landesvermessung. 
Das Testament H Giffard’s. Zu Andrée s Polarfahrt. Versteigerung der 
Toulet’schen Ballons. Die Nachtfahrt des Ballons „Pro Patria“ von Paris nach 
Westfalen am 8 December 1895. Aufstieg der Ecole d’Aeronautique.) 


L’Aerophile, December 1895. Aimé: Joseph Jaubert (Portraits d Aéro- 
nautes contemporains). E. Durand-Greville: Ueber Böen, Gewitter und die 
Wetterprognose. Surcouf, Aufstieg des „Pro Patria“ (vergl. A&ronaute). Andrée, 
Apparat zur Bestimmung der Dichte von Ballonstoffen (vergl. diese Z.-S. October 1595). 


1) Unter dieser Ueberschrift beabsichtigen wir, indem wir uns eine eingehendere 
Mittheilung und Besprechung der wichtigeren Veröffentlichungen in den aus- 
läandischen Organen vorbehalten und ehe dieselbe erscheinen kann, regelmässig 
wenigstens die Titel, bezw. den gesammten Inhalt der Artikel in den zuletzt 
eingetroffenen Heften anzugeben. Wir glauben schon damit manchen 
von unseren Lesern die Orientirung in den aöronautischen Vorgängen wesentlich 
zu erleichtern. D. Red. 


28 Vereinsnachrichten. 


Neuere Mittheilungen über Andrée s Polarfahrt; genaue Angabe über Con- 
struction des Ballons, Netzes ete. und H Ekholm’s Ansichten über Dauer, Richtung 
der Reise u. s. w. Kleinere Mittheilungen: Ballonphotographie auf der 
touristischen Ausstellung im „Salon du Cycle“. Der jüngste Aufstieg des „Acro- 
phile“: (Ein eingehender Bericht wird für das nächste Heft in Aussicht ge- 
stellt). Aöronautische Concurse. Die Luftschiffahrt in der „Exposition du Travail”. 





Vereinsnachrichten. 
Protokoll der 4. (154.) Versammlung des Deutschen Vereins zur 


Förderung der Luttschiffahrt vom 26. October 1895. 

Vorsitzender: Prof. Assmann. — Schriftführer: Berson. Der Vor- 
sitzende begrüsst die Anwesenden und theilt mit, dass der Vorstand die Absicht 
habe, die Vereins-Versammlungen aus der Kriegsakademie an einen anderer Ort zu 
verlegen (die Sitzung findet in der „Alten Bauakademie“, W. Schinkelplatz 6, statt) 
Massgebend sei hiefür gewesen, dass sich die Benutzung des Saales in der Kriegs- 
akademie auf über 100 M. jährlich stellt, während die Gründe, welche seinerzeit für 
die Wahl jenes Locales gesprochen hätten, mehr und mehr in Wegfall gekommen 
seien. Die Versammlung beschliesst es zunächst mit dem 3. Sonnabend im Monat 
in dem neuen Locale zu versuchen. 

Hierauf theilt Prof. Assmann mit, dass zwar die Freifahrten aus dem spe- 
ciellen Fonds zunächst abgeschiossen seien — allerdings hätte H. Berson dureh die 
Freundlichkeit des Kommandeurs bei einer Fahrt der Kgl. Luftschifferabtheilung 
am 15. Juni wieder einmal einen Platz im Korbe erhalten und bei einer lOstün- 
digen Fahrt Beobachtungen anstellen können —, die Experimente mit dem „Cirrus“ 
aber fortgesetzt würden. Der „Cirrus“ sei wieder im April und August gestiegen 
und das erstemal bei Nystedt auf Laaland (Dänemark), das anderemal nuhe 
Frankfurt a O. glücklich gelandet. Im April sei eine Höhe von einigen zwanzig- 
tausend Metern erreicht worden (bei Wasserstofffüllung). Der AMinimaldruck betrug 
28 millim. Doch sei die Registrirung des Barometers bei diesen geringen Drucken 
etwas unsicher und auch die aufgezeichneten Temperaturen scheinen für die Hohen 
zu hoch. Dies sei auch der Fall bei dem Augustaufstieg, wo bei halber Leucht- 
gasfüllung der „Cirrus“ etwa 12860 meter erreichte. Es werde deswegen an wei- 
terer Verbesserung des Apparates eifrig gearbeitet. 

Angemeldet sind die Herren! Zekeli in Potsdam und Koester, Berlin. 

Hierauf erhält das Wort Herr O Lilienthal zu seinem Vortrage über „Die 
Ermittelung der besten Flügelforin*. Hr. Lilienthal berichtete zunächst über seine 
1895 gemachten Flugversuche, welche er an der Hand mehrerer Photographien er- 
jäuterte. Bei diesen Versuchen wurden zwei Trageflächen übereinander angeordnet, 
wodurch das ganze System seitlich weniger Ausladung erhielt und im Winde leichter 
zu regieren war. Die Segelflugversuche konnten so bei Wind von über 10 m Ge- 
schwindigkeit ausgeführt werden und ermöglichten zeitweiliges Hinaussteigen über 
die Spitze des zu den Abflügen benutzten Hügels. Die Vorstudien zu diesen Ex- 
perimenten mit Doppelapparaten führten L. auf die Verwendung kleiner Modelle, 
welche in stabilem Fluge die Luft durchsegeln und eine äusserst schwach ge- 
neigte Bahn beschreiben. Die Flugdauer vou einer gewissen Abflugshöhe ist ab- 
hängig von den Profilen und Formen der kleinen Segelflächen. Lilienthal schlägt 
vor, derartige Experimente zur Ermittelung der besten Flügelformen anzuwenden!. 


Die Discussion ergab keine neuen Gesichtspunkte. — Die genannten Herren 
wurden zu Mitgliedern proclamirt und die Sitzung geschlossen. Berson. 


1) Vgl. darüber diese Zeitschr. 1895, p. 237 ff. 
ES Se Sn 


 Aeitschrift für Luftschiffahrt und Physik der Aimosphäre. 1896. Hefi 9,8, 29 


Daran ann ni INNEN NT 


General v. Stosch F 


In dem am 2. März d. J. dahingegangenen Feldherrn und 
Staatsmanne, dessen Verdienste und Bedeutung zu würdigen uns 
an dieser Stelle weder zukommt noch nothwendig wäre, haben 
auch die Naturwissenschaften und speciell die Meteorologie einen 
warmen Freuna und Förderer, den Mitbegründer der Deutschen 
Seewarte, verloren. Ganz unmittelbar tvittt aber der Verlust 
unsere Sache, denn General v. Stosch war seit 21/2 Jahren auch 
Mitglied des „Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiff- 
fahrt“. Der Berliner Verein kann zwar über mangelnde Unter- 
stützung in hohen Kreisen und an allerhöchster Stelle wahrhaftig, 
und wie ja allgemein bekannt, nicht klagen. Sehr selten jedoch, 
ja kaum sonst ist ihm die Ehre widerfahren, Männer in so aus- 
gezeichneter Stellung in Staat und Gesellschaft, wie General 
v. Stosch, direct zu den seinigen zählen zu dürfen. 

Um so mehr wird der Verein in die allgemeine Klage um 
das Hinscheiden dieses ausgezeichneten Mannes einstimmen, dem 
auch in unseren Kreisen ein treues und verehrungsvolles An- 
denken bewahrt werden wird. Die Redaktion. 


= u 


Die XV. Fahrt des Ballons „Phönix“ am 1. Juli 1894. 


Von Dr. R. Süring und A. Berson. 


I. Allgemeine Fahrtbeschreibung. 
Von A, Berson. 

Das Unglück, welches den „Humboldt“ betroffen hatte — bekamntlich 
explodirte derselbe nach seiner 6. Fahrt in Folge eines elektrischen Funkens 
— war Ursache gewesen, dass die Hälfte der warmen Jahreszeit 1893 für 
unsere Fahrten verloren ging. So war es denn von doppelter Wichtigkeit 
den Summer 1834 nach Möglichkeit auszunutzen, ganz besonders aber die 
langen Tage zur Zeit der Sonnenwende, um auch Abendfahrten in das 
Programm aufnehmen zu können, welche mit Rücksicht auf die Landung 
in der Regel nur in Verbindung mit einer Fahrt die Nacht hindurch bis 
zum Morgen sich ausführen lassen. 

Nachdem ein am 9. Juni ausgeführter Aufstieg den Ballon (bei un- 
günstiger Witterung) in die Nähe von Breslau und auf knappe 5000 m 
Maximalhöhe getragen hatte, bewirkten persönliche Verhältnisse und an- 


30 String u. Berson: Die XV. Fahrt des Ballons „Phönix’ am 1. Juli 1894. 


baltend schlechtes Wetter, «dass in der ganzen zweiten Hälfte des Monats 
keine Fahrt unternommen werden konnte. In den letzten Tagen des Juni 
erschien es endlich möglich, den geplanten Nachtaufstieg zu bewerkstelligen. 
So wurde denn der „Phönix“ am 30. Juni gegen Mittag ausgelegt, im 
Laufe des Nachmittages gefüllt und etwa um 6 Uhr wollten wir in die 
Höhe gehen. Plötzlich, während schon die Instrumente am Korbe an- 
gebracht wurden, fing der Ballon an, in den Augen schlapp zu werden; 
bald zeigte es sich, dass die Zerreissvorrichtung von selber aufgegangen 
war und der „Phönix“ sich mit rapider Schnelligkeit. entleerte. Der in 
dem heissen Sommerwetter trocken gewordene Gummi — der Ballon hatte 
über 14 Tage in Fahrtbereitschaft gelegen -- Kelte nicht mehr . . . und 
in wenigen Minuten waren 2500 cbm Gas unwiederbringlich verloren. Es 
erschien im ersten Momente jede Möglichkeit ausgeschlossen, die Fahrt 
trotz Allem doch noch auszuführen: der Abend war bereits herangekonmen 


und der leere Ballon lag zu unseren Füssen. . . . Aber es ist keine ver- 
lockende Idee für den Luftschiffer, eine geplant gewesene Auffahrt in dieser 
unrühmlichen Weise aufzugeben! Auch war zu viel daran gelegen — aus 


wissenschaftlichen Gründen -—, dass in diesen Tagen ein Aufstieg zu 
Stande kommt. So beschloss ich denn, als der für die Leitung zur Zeit. 
Verantwortliche, Alles zu versuchen, um dennoch die Fahrt in Scene zu 
setzen. Der „Phönix* wurde ausgelegt, die Reissbahn bei Laternenschein 
neu geklebt — gegen 10 Uhr Abends begann die Neufüllung und nach 
einer „Nachtruhe“ von kaum einer Stunde erschienen wir beide wieder auf 
dem Ballonplatze. Eben begann es am Himmel zu grauen: der Tag ver- 
sprach heiss und gewitterhaft zu werden, wie der vorhergehende. 

Da die Nachtfahrt vereitelt worden war, gedachte ich wenigstens nach 
Möglichkeit eine „Dauerfahrt“ den langen Sommertag über auszuführen. 
Wir sollten die Reise zu zweit machen; die Aussichten, den Ballon recht 
lange halten zu können, waren also gute zu nennen. 

Um 3 Uhr 47 Min. früh erhob sich nahezu gleichzeitig mit der auf- 
gehenden Sonne der „Phönix“, mit mir als Führer und Dr. Süring als 
meteorologischem Beobachter bei fast vollständiger Windstille in die Morgen- 
luft. Der schwache unten herrschende Ostwind drehte ein wenig gegen 
Süd zu; ganz langsam nur liess ich den Ballon, von der zunehmenden 
Erwärmung getragen, höher gehen. Denn sollte die Fahrt thatsächlich 
eine „Dauerfahrt“ werden, so musste mit dem Ballastvorratli für die 
aeronautisch stets mehr unruhigen Mittagsstunden gespart werden. Der 
„Phönix“ hielt sich auch jetzt, nachdem die erste Unruhe des frühen 
Morgens mit dem Höhersteigen der Sonne überwunden war, sehr schön 
und fuhr volle zwei Stunden olıne jeden Ballastverbrauch. 

Wir waren nördlich von Potsdam passirt und Brandenburg a. H. mit 
seiner schönen Wasserumgebung war vor kurzem überflogen worden, als 
der Ballon, welcher nach Erreichung von ca. 500 m eine rein westliche 


String u. Berson: Die NV. Fahrt des Ballons „Phönix“ am 1. Juli 1894. 31 


Richtung eingeschlagen haite, nunmehr in etwa 2000 m wieder nach WSW 
zurückschwenkte — eine Abweiehnng von der gewöhnlichen Reehtsdrehung 
mit zunehmender Höhe, die zunächst mit der allgemeinen Druckvertheilung 
zusammenzuhbängen schien. Seit 6%: Uhr war die Zunahme der Sonnen- 
strahblung allein nicht. mehr im Stande den Ballon zu halten; der Ballast- 
verbrauch hatte wieder begonnen, aber der Phönix hielt sich im ganzen 
und grossen sehr gut und reagirte willig auf die bescheidenste Verminderung 
seiner Last. 

In liehtem Sonnenglanze lag die Elbe bei Magdeburg, auf das wir 
nun zuflogen, mit den zahlreichen todten Armen vor uns; halb in Wolken 
eehüllt zeigte sich in der Ferne der Harz. Um 9 Uhr 15 Min. stand der 
Ballon in rund 3000 m Höhe senkrecht über dem breiten Strassenzuge, der 
in Magdeburg aus der Altstadt in die Neustadt führt. Wir hatten noch 
elf Stunden Tag vor uns, einen Ballon in bester „Condition“, Platz die 
Menge, die günstigste Witterung und, last not least, ca. 350 bis 400 kg 
Ballast zur Verfügung — alle Umstände schienen also für die nun 
sichere Ausführbarkeit einer ungewöhnlich langen Fahrt zu sprechen. Allein 
der Luftschiffer von praktischer Erfahrung weiss nur zu wohl, wie sich, 
wenn Alles sonst auf's beste stimmt, stets irgend ein besonderer Umstand 
findet, welcher die so heiss ersehnte und seit lange sorgsam vorbereitete hohe, 
lange oder weite Fahrt sehr ernsthaft in Frage zu stellen geeignet ist. So 
auch bei diesem Aufstiege des Phönix. Wir hatten in langsamer Bewegung 
(die seenndliche (Geschwindigkeit hatte während der ganzen Zeit, seit wir 
die untersten atmosphärischen Schichten verlassen hatten, zwischen 5 und 
7m geschwankt, nur momentan auf höchstens S m steigend) und nun wieder 
mehr und mehr eine westliche Richtung einschlagend kurz vor Mittag und 
in rund 4000 m uns dem Harze erheblich genähert, als ein Blick auf die 
mächtig über dem Gebirge sich thürmenden Wolken uns den. Feind verrieth, 
der heute unsere längere Weiterfahrt zu bedrohen schien; es war offenbar, 
dass sich da vor uns ein ausgedelintes Hitze-Gewitter vorbereitete. Nun 
erschien es nicht sonderlich gerathen, nachdem wir einen schönen und kost- 
baren Ballon im Vorjalre durch einen elektrischen Funken eingebüsst 
hatten, seinen Nachfolger einer ähnlichen Gefahr auszusetzen, welche ausser- 
dem hier in viertausend Meter Höhe sicheren Tod der Korbinsassen be- 
deutete. Ich beschloss also ohne jede Ueberstürzung, jedoch andererseits 
mit. aller gebotenen Vorsicht zu handeln. 

Gegen 1 Uhr grüsste uns aus den bis zu einer Höhe von mindestens 
6000 m ragenden Gewitter-Cumulus- Massen der erste Donner. .. . Ihm 
folgten in Kurzem zahlreiche andere. Ich erkannte bald, nachdem ich aus dem 
Korbe scharfen Ausguck gehalten, die eben festgestellte zunehmende Rechts- 
drehung mit der Höhe — also vom Gewitter weg! — und alle sonstigen 
einschlägigen Verhältnisse berücksichtigend, dass nur zwei Wege offen 
standen. Es galt entweder in sehr raschem Abstieg den Ballon zur Landung 


32 Süring u. Berson: Die XV. Fahrt des Ballons „Phönix“ am 1. Juli 1894. 


und vor Anker zu bringen. ehe derselbe dem Gewitter noch zu nahe ge- 
kommen war. Weil aber der Wind in den unteren Schichten gegen das 
Gewitter zurückdrehte, so musste dieses Heruntergehen in etwa 10 Minuten 
ausgeführt werden, sollten wir nieht in höchst ungünstisem, zur Landung 
nur sehr schlecht geeienetem Terrain in den Vorbergen des Harzes mitten 
in eine Unterböe des Gewittersturmes gerathen. Das zweite hingegen war: 
trotz dem Gewitter weiter zu fahren. dabei jedoch die Schwenkung des 
Windes in grösseren Höhen auszunutzen, um, langsam ansteigend, den 
Phönix zunächst etwa parallel dem Zuge des Gewitters, dann aber wo- 
möglich ganz aus dessen Wirkungsbereiche hinweezubringen. Zu überstürzt 
durfte dieser Autsties auch nicht erfoleen; denn wir durften es nieht aus 
den Augen lassen, dass wir uns bereits in 4000 m befanden und die 
Möglichkeit eines raschen Landens für den Fall emer stets denkbaren 
plötzlichen Aenderung in der Zugrichtung des Unwetters und andere nicht 
vorherzusehende Ueberraschungen unter jeder Bedingung gewahrt werden 
musste. Das Manöver gelang vollständig: im Süden und Südwesten von 
uns das grandiose Schauspiel fortwährend beobachtend und bewundernd 
(über dem Sollmg hatte sieh ein zweites Gewitter gebildet) zogen wir an 
Wernigerode und Ilsenburg, die eben noch unterhalb des mächtigen Ge- 
wölkes hervorguckten, erst in rein westlicher Fahrt dem Gewitter parallel, 
passirten um Ji nach 1 Uhr senkrecht über Goslar — wo leider auf kurze 
Zeit die genaue Orientirung auf der Erde unmöglich wurde —, drehten 
hierauf noch melt: nach rechts, bereits etwa 10 Grad nördlich von West 
fahrend: und nach vollen zwei Stunden derartigen immerhin spannenden, 
stillen, aber nicht minder hartnäckigen Kampfes mit dem ungemüthlichen 
Begleiter im Süden konnte ich endlich in mein Tagebuch die Bemerkung 
niederschreiben: „Gott sei Dank entfernen wir uns jetzt endgültig vom 
Gewitter!“ 

Wir hatten unterdessen 5000 m erreicht und näherten nns nun der 
Weser, deren weitgeschwungene Bogen schon aus der Ferne herüberleuchteten, 
aus dieser bedeutenden Höhe in der That den viel missbrauchten Vergleich 
mit dem silbernen Bande berausfordernd. Um 414 Uhr überflog der Phönix 
den Strom und erreichte 3 Minuten nach 25 Uhr seine Maximalhöhe, 
5265 m, aus welcher ich, da wir nur noch wenig über 100 kg Ballast an 
Bord besassen, stufenweise und die Fahrt in geringeren Höhen noch nach 
Möglichkeit ausdehnend herabzugehen beschloss. Ueber anderthalb Stunden 
dauerte dieser Abstieg. der dreimal durch Ballastauswerfen nach Wunsch 
gemildert, bezw. unterbrochen wurde. Fast vollständig bewegungslos hatte 
der Ballon längere Zeit nördlich von Pyrmont gestanden; dann zog er, bei 
weiterem Fallen, wie erwartet worden war, nach links zurückschwenkend, 
in’s Lippe’sche hinüber. Hier wurde nun in ziemlich gebirgigem Terrain 
dicht vor einem Walde bei dem Gute Mönchshof, nördlich von dem Städtchen 
Barntrup, in einem hoch in Aehren stehenden Woeizenfelde eine äusserst 


String u. Berson: Die XV, Fahrt des Ballons „Phönix“ am 1. Juli 1894. 88 


sanfte Landung nach dreimaligem leichten Aufschlagen des Korbes 
bewerkstelligt. 

Es war 7 Minuten nach 6 Uhr, trotz der vorgerückten Tageszeit 
jedoch herrschten nach einem glutheissen Summertage jetzt noch immer über 
25 Grad C. im Schatten. Die Bergung des Ballons nebst Instrumenten, 
Utensilien ete. inmitten einer riesenhaften, dichtgedrängten Menschenmenge 
(es war ein Sonntag-Abend und das ganze Barntrup war zusammengeströmt!) 
in der noch immer sengenden Sonne, nach einer in bedeutenden Höhen 
ausgeführten, 141/2 stündigen Ballonreise, die einer fast total schlaflosen 
Nacht gefolgt war, unter gezwungener Verzichtleistung auf Beihülfe seitens 
meines von all’ dem unpässlich gewordenen Begleiters stellte sich als eines 
der anstrengensten Erlebnisse aus meiner Ballon-Praxis heraus. Nach grossen 
Mühseligkeiten war endlich unter mehr gutgemeinter als wirklich brauchbarer 
Assistenz von etwa 800 bis 1000 Menschen Alles verpackt; mein Reise- 
genosse hatte sich ziemlich erholt und dunkelrotli verbrannt von der Sonnen- 
strahlung in den grossen Höhen und über und über mit Schweiss bedeckt 
zogen wir in dem Städtchen ein. Der Ballon und alles Zubehör war absolut 
unversehrt geblieben. 

Am nächsten Morgen rollten wir über die schönen Hügellandschaften 
Lippes dem 20 Kilometer entfernten Pyrmont zu, um bereits um 6 Uhr 
Abend mit dem von Köln kommenden Schnellzuge wieder in Berlin ein- 
zutreffen. 

Die oben in Kürze geschilderte fünfzehnte Reise des „Phönix“ war 
der Absicht gemäss zu einer wirklichen „Dauerfahrt“ geworden; sie übertraf 
in dieser Beziehung alle ihre Vorläuferinnen aus der „Humboldt-Phönix“- 
Fahrtenreihe um ein Erhebliches. Auch mit der erreichten Höhe von über 
5250 m konnten wir um so mehr zufrieden sein, als die Erstrebung grosser 
Höhen diesmal nur in zweiter Linie auf dem Programm stand. Räumlich 
hatte sich die Reise bei der im ganzen nur recht langsamen Fortbewegung 
nicht zu einer besonders ausgedehnten gestaltet; wenigstens nicht im 
Verhältniss zu der langen Zeitdauer, welche sie in Anspruch genommen 
hatte. Die gesammte Falırtlänge hatte 306 km betragen. 


2. Meteorologische Ergebnisse. 
Von R. Süring. 

Ueber die Bearbeitung von Ballonfahrten während des Sommers 
ist in dieser Zeitschrift seit längerer Zeit wenig Ausführliches gebracht; 
wir müssen bis auf die Jahrgänge 1890 bezw. 1889 zurückgehen, wo 
von Prof. Kremser die Fahrt des „Herder“ am 23. Juni 1888 und von 
Hauptmann Gross die Fahrten von „Nautilus“, „Orion“ und „Lerche“ 
am 19. Juni 1889 dargestellt sind. Es schien daher am Platze, aus den 
„Phönix“-Fahrten nunmehr eine solche herausgreifen, welche an einem 
ausgeprägten Sommertage im Gebiete hohen Luftdruckes stattgefunden hat, 


34 Süring u. Berson: Die XV. Fahrt des Ballons „Phönix“ am 1. Juli 1891. 


Ueber die Anstellung der Beobachtungen ist nach den früher in 
dieser Zeitschrift erschienenen Fahrt-Untersuchungen wenig hinzuzufügen. 
Da der Ballon am 1. Juli nicht direkt in Wolken kam und die Temperatur 
nur bis — 9!/2° sank, so bot die Behandlung der Instrumente keinerlei 
besondere Schwierigkeiten dar; es konnten daher verhältnissmässig zahl- 
reiche Beobachtungen angestellt werden und den Einzelwertlien ist mit 
Rücksicht auf die gleichförmige Bewegung des Ballons ziemlich grosse 
Sicherheit zuzuschreiben. Wenn trotzdem die Temperatur-Ablesungen bei 
geringen Hölhenunterschieden recht erheblich von einander abweichen, so 
wird man diese Erscheinung als thatsächlich vorhanden ansehen können. 
Bis zur Maximalhöhe von 5265 m finden sich in gleichen Höhenschichten 
annähernd gleich viel Beobachtungen vor, leider gilt das Gleiche nicht vom 
Abstieg, da hier in Folge von Unwohlbefinden des Verf. nur ganz wenige 
Aufzeichnungen gemacht wurden. 

Als recht zuverlässig wird man auch die Psychrometerstände ansehen 
können. Bis gegen Mittag wurden bei den meisten Beobachtungen die 
beiden feuchten Thermometer des dreifachen Aspirations - Psychrometers 
gleichzeitig abgelesen, die Differenzen überschritten nur in 3 Fällen oi? 
und sind also meist zu vernachlässigen; durch diese Beobachtungsweise 
liessen sich auch die Zeiten, wo eines der feuchten Thermometer, unter 0° 
stehend, mit überkaltetem Wasser und nicht mit Eis bedeckt war, ziemlich 
scharf ermitteln. Praktisch von grösserer Wichtigkeit ist die Frage, ob 
bei der ungleichen Empfindlichkeit des trockenen und des feuchten, namentlich 
des mit Eis bedeckten Thermometers und bei den raschen Temperatur- 
änderungen an diesem Tage das feuchte Thermometer den Schwankungen 
rasch genug gefolgt ist. Nach den Vergleichen mit dem Haarhygrometer, 
welches nach Anbringung einer Korrektion von — 10°% leidlich mit dem 
Psychrometer übereinstimmt, scheint dies der Fall zu sein. Immerhin kann 
bei unserer Fahrt, wo die aufeinander folgenden Ablesungen meist nur um 
einige Zehntel von einander abwichen, der Fehler nicht bedeutend sein, denn 
eine Abweichung von 0.°L in der 'Temperaturbestimmung des feuchten 
Thermometers bedingt bei — 10° Lufttemperatur im Meeresniveau emen 
Unterschied von 0.05 mm Dampfdruck, bezw. 3° relativer Feuchtigkeit, 
in 5000 m Höhe jedoch nur 0.02 mm, bezw. (in, Selbst bei einem Fehler 
von 0°.5 ist also die Abweichung höchstens von der Grössenordnmmg, welche 
durch die in Tabelle V dargestellte Unsicherheit entsteht, je nachdem wir 
die Psyehrometertafel für gesättigten Wasserdampf oder für Eisdampf 
benutzen. 

Zur Vervollständigung mag noch angefügt werden, dass die Höhen- 
werthe den Angaben eines Aneroids unter vielfacher Controlle durch em 
(uecksilberharometer entnommen sind, mit Berücksichtigung der sehon 
früher von anderer Seite geschildertern Vorsichtsmassregeln, sowie, dass 
die nun folgende Uebersicht über die Ergebnisse sich in ihrer Anordnung 


Süring u. Berson: Die XV. Fahrt des Ballons „Phönix“ am 1. Juli 1894. 35 


und namentlich in der Aufstellung der Tabellen möglichst eng an die 
Discussion der Ballonfahrten vum 1. und 14. März anschliesst. 


Die Witterungslage. 

Vergleicht man die Wettervertheilung über Europa für den der 
Ballonfahrt voraufgehenden und den ihr folgenden Abend, so wird man 
kaum irgend welche nennenswerthe Verschiedenheiten finden. Hoher Luft- 
druck von über 770 mm erstreckt sich von NNW her bis gegen die Alpen, 
sehr schwache nördliche Winde wehen in Central-Europa, die Temperaturen 
bewegen sich hier meist zwischen 20 und 25° Diese Gleichmässigkeit 
findet sich in erhöhtem Masse über dem Gebiete, welches der Ballon über- 
flogen hat, hier hat am 1. Juli 9P der Luftdruck gegen den Vortag um 
etwa 1 mm abgenommen, die Temperatur ist um 1° gestiegen, Feuchtigkeit 
und Windvertheilung sind ziemlich unverändert geblieben. Der erste Juli 
1894 kann als der Typus eines Sommertages gelten; er war einer der 
wärmsten Tage des Jahres, Vormittags wurde allgemein im nordwestlichen 
Deutschland das Monats - Maximum des Luftdrucks, Mittags an mehreren 
Stationen die geringste relative Feuchtigkeit des Monats erreicht. Aus 
den für die Zeit der Ballonfahrt erbetenen freiwilligen Aufzeichnungen der 
meteorologischen Stationen lässt sich auch die tägliche Periode mehrerer 
meteorologischer Elemente, insbesondere das Vormittagsmaximum des Luft- 
drucks und das mittägliche Anwachsen der Windstärke mit voller Deutlichkeit 
erkennen. Starke Temperatur - Gradienten und Nebelbildungen finden wir 
nur an der Nordseeküste, auf Helgoland herrscht während des ganzen 
Tages Nebel; in schwächerem Masse ist der Temperaturabfall an der Ost- 
see erkennbar. Alles dies deutet darauf hin, dass die Witterungs- 
vertheilung am Erdboden fast ausschliesslich durch die 
Wirkung der Sonnenstrahlung bedingt war, dass dagegen 
Luftzufuhr nur einen geringen Einfluss ausgeübt haben kann. 
Wir haben also den denkbar einfachsten Fall eines Wärmeaustausches 
zwischen Erde und Atmosphäre vor uns. Tab. I s. 8. 36. 

Scheinbar im Gegensatz zu dieser gleichmässigen Vertheilung steht 
die Regellosigkeit der Temperatur- und Windverhältnisse, wie wir sie auf 
den Karten der Taf. II finden und wie sie in ungleich höherem Masse die 
Vergleichung der Einzelwerthe zeigt. Die lokalen Verhältnisse bedingen 
fast ausschliesslich diese Unterschiede; kleine Erhebungen bewirken schon, 
dass ein Ort Morgens viel zu warm, dagegen Mittags zu kühl ist im Ver- 
gleich zu Thalstationen. Die Aufstellung der Tabelle I bot daher grosse 
Schwierigkeiten dar, und es bleiben trotzdem manche Unsicherheiten bestehen. 
Aus dem reichhaltigen Material der freiwilligen Beobachter, von denen 
verschiedene schon seit 5 Uhr früh thätig waren, konnten für die Fest- 
stellung der Fusspunkte benutzt werden: Berlin (Ballonplatz und land- 
wirthechaftliche Hochschule), Potsdam, Brandenburg, Magdeburg, Braun- 


86 Süring u. Berson: Die XV. Fahrt des Ballons „Phönix“ am 1. Juli 1894. 


Tabelle I. 
Meteorologische Elemente für ae EE der Ka (1. VII. 1894); 


m a em e kengem 






































Luft- Temp.l PP Jes 
Zeit | druck mx)! z = | 33% Bewölkung. Wind Bemerkungen. 
'(N.N.) | 37 Sé 

3t5a | 769.9 | TR 11.5 | Hu | 1° lei am Na NNW, | 

40 69.9 | UA Béi ou Im | NNW, | 

4 | 70.2 j 148 | 115 | 92 1 | NNW, | 

50 | 705, 15.3, 120 | 92 | NNW, 

Ba 70.5 | 15.9, 12.5 | 92 | | 

6° 70.5 | 17.4: 122 83 9 ci, ei-str. NE, | Sonnenring 7— 9a 
6% | 70.5 | 181 | 122| 79 E e (Potsdam 
70 70.5 ı 18.8 120 | 74 | 8° | ci-str, ac NE, | Brandenburg). 
73 105 | 19.7 | 18.0 | 76 | | | 

8° | 70.5 | 207| 140| mm" ciaE | NE, | 

830 seh 22.5 | 14.0] 69 | 

9° | 70.5 7 18.6 | 61 '0 WNW, | 

mm | 70.4 | 24.6 | 13.4 | 58 1 da NE | | 

100 | 70.2 | 25.5 | 182 | 55 |i cua. NE | WNW, 

103% | 70.2 | 26.8 | 13.1 | 22 i ” | 

11° 10.0 , 27.0: 13.5 Bl "1 lci a. SE, cu a. NE | NE, 

(aw | 698 | 276 135 | 48 u | 
Mittag! 69.8 | 278 Ion 50 p1 ı n N, % 

omp | 69.6 | 285 BEEN | | | 

1° 69.6 | 28.9 | 12.5 | 43 | I) cua E | NE, ı 

13° 69.4: 29.1 | Lið | 38 | 11-6! S T1’»-.13°p (Klausthal) 
2 1693| 294 | 11.7) 88 11.78 ! | NE, : 

930 a 941 120! 40 [a ! 

3° 68.9 | 295 | 12.5 | 44 Ip | Ab, 

am 1689| 295 !(13.0) 48 [51 ` 

40 | 689 | 29.5 | (13.5)! 44 j | | ENE 

pn | (68.8) | (28.5) | Ä | 

6° (68.8) | (27.5) | | | | | 

630p | (68.8)! aen, 123 52 | | | 


schweig, Klausthal, Kassel und Gütersloh. Der Feller der in Tabelle I mit- 
getheilten Temperaturen am Erdboden wird stellenweise wohl 0°%.5 erreichen, 
derjenige des Dampfdrucks 1 mm, derjenige der relativen Feuchtigkeit 5%: 
ganz unsichere Werthe sind in Klammern eingeschlossen. Auf die Beobachtung 
der Windrichtung am Erdboden ist kein allzu grosses Gewicht zu legen; 
die Sprünge in der Bewölkung sind theils durch verschiedene Schätzung 
einer leichten Ci.-Strat.-Decke, theils durch eine ungleich vertheilte Dunst- 
schicht zu erklären. Nachmittags war die Bewölkung auf kleinem Gebiete 
sehr wechselnd. Die Richtung der Wolken war durchweg eine östliche, 
schwankend zwischen SE und NE. 

In Bezug auf die beigefügten Wetterkarten auf Tafel II müssen noch 
einige Erläuterungen gegeben werden. Bei der Zeielmung erhob sich vor 
Allem die Frage nach der Reduction der beobachteten Temperaturen auf das 


String u. Bergeon: Die XV. Fahrt des Ballons „Phönix“ am 1. Juli 1894. 37 


gleiche Niveau. Der Ballon-Aufstieg zeigt, dass Morgens die Verhältnisse 
in den untersten Schichten sehr gestört waren, dementsprechend erhalten 
wir nach den Ballon- Beobachtungen einen starken täglichen Gang der 
verticalen Temperaturabnahme auf 100 m (A tıoo), nämlich: 


Zeit: 4a 5a 6a Ta 10a Mttg. 2p dp 
Im ~= — DH 018 036 049 074 078 0.79 0.76 


Ak: 40m 1040 1560 2110 3330 3980 4620 5040 
Es wäre natürlich falsch, wollte man diese Vertheilung olıne Weiteres 
als täglichen Gang für die Stationen benutzen. Die Vergleichung einiger 
Stationen in verschiedener Höhenlage giebt denn auch thatsächlich ein ganz 
anderes Bild von AT auf 100 m. 


AA 1a 2P 9p 
Schneekoppe —Eichberg (1254 m) 0.56 0.92 0.46 
Wang-Eichberg (524) — 0.13 0.80 0.10 
Inselsberg — Erfurt (657) 0.00 0.77 dE 
Inselsberg— Waltershausen (567) 018 1.13 0.18 
Schmücke— Erfurt (692) 0.03 0.65 0.43 
Schmücke—ludolstadt (712)  — 0.32 0.83 0.32 
Klausthal- Braunschweig (509)  — 0.87 1.03 0.41 
Klausthal—- Ilsenburg (312) (ul 0.87 — D A8 


Auf Grund dieser Zusammenstellung und der für solche Wetterlage 
eeltenden mittleren \Werthe wurde zur Reduction auf das Meeresniveau 
für 5 und 7% 0%.0, für 10° up, für 2 und 4P 0",8, für YP 00.2 auf je 100 m 
angenommen. Die Karte für 5 Uhr frül ist nicht reproducirt, da sie nur 
auf den Angaben von 9 Stationen beruht, man sieht auf derselben bereits, 
wie die Temperatur von Ost nach West zunimmt. Um 7 Uhr befindet 
sich der Ballon zwischen Brandenburg und Magdeburg über einem Gebiet 
von recht gleichmässiger Temperaturvertheilung. Sehr dicht drängen sich 
die Isothermen über dem Harz zusammen — um das Bild nicht zu ver- 
wirren, sind für 7° die Isothermen von 2° zu 2°, später von 1° zu 1° ge- 
zogen —, das Temperaturmaximum befindet sich am Nordablange des 
Harzes; abgesehen von einigen leichten Cirren kommt die Sonne hier fast 
überall ungehindert zur Geltung. Um 10 Uhr hat sich das Bild äusserlich 
wieder vereinfacht, die steilen Temperaturgradienten über dem Harz sind 
verschwunden, denn besonders hier bilden sich die Cumuli und beschatten 
das Land, während in grösserer Entfernung vom Gebirge nur leichte 
Wolkenbildung zu beobachten ist. Ein zweites Temperaturmaximumn hat 
sich über dem sumpfigen Havelland und über der Priegnitz ausgebreitet. 
Um 2 Uhr hat der Ballon die Vorberge des Harzes passirt, über dem 
Harz ist es inzwischen zu schwachen Gewitterbildungen gekommen. Die 
Temperaturvertheilung ist ziemlich regelmässig. Das Maximum liegt im 
Südwesten unseres Gebietes, am Rhein; Temperaturen von mehr als 30° 
bestellen östlich vom Harz bis nach Magdeburg. Die Wetterkarte für 4P, 
welche ebenfalls wegen zu geringer Anzahl von Beobachtungen nicht gedruckt 
ist, zeigt das Maximum der Temperatur bei Darmstadt mit mehr als 30°. 


88 Süring u. Berson: Die XV. Fahrt des Ballons „Phönix“ am 1. Juli 1894. 


(sewissermassen als das Ergebniss der am Tage zur Ausbildung gekommenen 
Prozesse kann die Karte für 9 Uhr Abends gelten. Ein erhebliche Ab- 
kühlung hat nur über dem Harz und dem Thüringerwald stattgefunden, 
aber die Temperaturen sind höher als am Vortage, so dass auch hier keine 
Verschiebung der Wetterlage eingetreten ist. 

Wie gleichmässig die Temperatur- und Luftdruckvertheilung über 
ganz Europa war, zeigen die folgenden nach den Wetterberichten der 
deutschen Seewarte übertragenen Kärtchen. 





1. Juli 1894, 8a. 1. Juli 1894, Sp. 

Es wird vielleicht auffallen, dass die hier eingezeichneten Isobaren 
mit den Isobaren auf den Karten grösseren Massstabes auf Tafel II nur 
mangelhaft übereinstimmen. Dies erklärt sich durch die abweichende 
Reduktion der Barometerstände auf das Meeresniveau. Auf der Seewarte 
werden die Monatsmittel der Temperatur zur Reduktion benutzt, während 
den grösseren Karten die Temperaturen des betreffenden Termins, welche 
an diesem Tage nicht unerheblich vom Monatsmittel abwichen, zu Grunde 
gelegt sind. Bei der diesmal geringen Bedeutung des Luftdrucks schien 
ein Versuch, die Differenzen auszugleichen, überflüssig. Tab. II s. S. 89. 


Temperaturverhältnisse. 

Die Tabelle II, welche unserem Prineip gemäss alle im Ballon an- 
gestellten Beobachtungen enthält, um jegliche andere Gruppirung des 
Materials oder eine Kritik zu ermöglichen, liefert zunächst nur ein recht 
undeutliches Bild von der verticalen Temperaturvertheilung. Wir erkennen 
jedoch sofort folgende Hauptpunkte: eine starke Temperatur- Zunahme von 
über 3° bis zu 250 m, darauf eine ziemlich isotherme Schicht bis 800 m, 
wobei die relative Feuchtigkeit abnimmt, und cann eine vielfach gestörte, 
aber im Ganzen doch stets wachsende verticale Temperaturabnahme mit 
zwei Feuchtigkeitsmaxima in 2000 und 3500 m Höhe. Dabei ist zu beachten, 
dass die immer stärker werdende verticale Temperaturabnahme (vom Erd- 
boden aus gerechnet) weniger einer Aenderung in den höheren Schichten 
zuzuschreiben ist, als vielmehr der starken Erwärmung am Erdboden. Von 
einer Berechnung der Temperaturänderung von einer Beobachtung bis zur 





Süring u. Berson: Die XV, Fahrt des Ballons „Phönix“ am 1. Juli 1894. 39 
Tabelle II. 


























18.4 Nebel üb den Wiesen. 


Redue. a PID S IR = Rel. | Be- = De 
Luft- Ther- E 5 S ch = Feuch- Wii Vë ER 
Sz Gen VS vk o |: 
Zeit | druck mometer oS 3 s|<2 HE tigk. r E FE Bemerkungen. 
z g oben 13.51” Pr CR T RR I R AER 
3 Í |a 2 e zl S £ | SS EIER 
> i a (Jee e Jo s| s| dm |2 2 
(Ballon) (8.8) [trocken] feucht Ss — & | = | Ballon |? | 
700 $- | ei | 
3a 47 |766.8/69.9] 15.3 | 14.2 uo 35 11.49| 88 Auffahrt des „Phönix“. 
49 57.0169.9] 17.6 | 14.2 114.6 | 114|—2.09|10.34| 68 21 0% Verwaschene Ci-strat, 
50 | 53.3/69.9| 183 | 13.6 |14.6 | 186| - 1.99] 9 23] 60 | meist am Horizont. 
51 58.8 69.9 18.6 | 13.3 |14.6 | 186|/—2.15| 8.71 55 | | 
52 I 50.8,69.9| 18.8 | 18.8 14.6 į 215|— 196] 8 6°] 53| 70 | 
53 48.1,6 18.6 | 14.0 114.6 2461—1.62| 9.61] 60 
54 48 dd | 244 
Í 


146 114.5 | aal 1.54l10.471 66 7 
18.4 | 14.5 14.5 | 437) - 0.89]10.39] 65, 7 
13.9 145) 453]—U.83]| 9.73] 63| 7 | 
13.9 (14.5 | 440] - 0.841 9.731 63 Sonne wird sichtbar. 

444 | 
14.51 4441—0.75110.05] 66 | 
14.51 526/—0.61| 8.17] 55 

R12 | D o 
12.7 114.51 4971 —- 0.66] 8.47] 57 68 | 3! us Jesu Ci-strat mit schärferen 
12.7 114.6 Ssl Uel 8.471 57! 68 | „io Formen, meist streifig 
12.4 |146| 540I—0.59] 8.15] 54 | 
11.2 14.7] 6306] — 0.46] 6.57] 46) (-)1119.6 

| 614 | 
11.2 14.8] 581|-0.53| 6.76] 45, 21 (e 
11.2 14.8 Gap) 0.53] 6.55| 42 49 | 
23 13.170.1] 18.2 | 10.3 14.8] 656) — 0.59] 5.17] 33 


18.2 

25 10.8 70.1 | 684 IC) 119.9] Sonne wird weiss. 
| 
| 
| 


H 
9 
9 
9 
-9| 18.2 
9 
9 
9 14.0 
12.4 





agg 


57 
58 
4a 00 

1 
2 ; 1 
5 | 24.1 69.9] 1 
6 | 25.3 69.9 
8 | 26.6 70.0 

12 

14 

17 

18 

20 

21 











21.7 70.0 
22.9/70.0 


— m m m 


DMNA 
CS œ 0 00 


14.8/70.0 
16.7170.1 
19.4170.1] 17.8 
13.1/70.1] 18.3 





l 
26 | 08.8/70.2| 18.2 | 9.6 j14.8| 708 WP 4.87 32/43 | Stlı9.5 
281/,| 09.3|70.2 702 























29 | 09.1170.2] 18.2 | 96 14.8] 704]—0.48| 4 320.2 
30 1706.3170.2| 18.1 | 9.4 (14.8 | 735|- 0.45| 4.73| 31| 42 820.5 
32 |699.870.2 817 | 
83 1699.5/70.2| 17.8 | 8,4 148] 821|-0.37| 3.861 2539| |  |©2/20.8 
341/,1700.3|70.3 | 811 | 9. | 
86 1702.4170.3| 17.8 | 8.6 114.9 | 786| -0.37| 3.96] 26| 39 CPI 
AL 1694.6170.8| 17.3 | -9.3 |14.9 | 882|—0.27{ 5.05134 43| | 17 1222 
43 | 93.5/70.3| 17.1 | 9.3 15.0 | 895|- 0.23ļ| 5.14] 35) 43 22.6 
47 KI 170 | 95 |1501 al oä9l 5.42138 48| ` | 93.0 
49 88.5/70,.4 957 | | 
50 1 88.7170.4] 16.8 | 9.7 |15.1 | 955] -0.18| 5.73] 40| 49 | 1° 0% 7)? ,23.2]| Stellenweise leichte 
58 | 86.217041 16.4 | 10.4 |15.2 | 980l—0.12| 6.67|48|53| | | oa Dunstschichten. 
55 55.4170,5] 16.1 | 10.8 15.2 9961 — 0.09] 7.24] 54| 59 I 1. 128.4 
57 83.3/70.5 102° | 
5a 1 | 81.970,51 15.8 | 10.6 |15.3 [1040] —0.05| "Inn "Jäng 
8 | 81.1170.5] 16.0 | 10.6 |15.4 [1050| - 0.06] 7.08] 53 6u] | | 
6 | 78.5/70.5| 15.7 | 10.2 |15.4 [1082] - 0.03] 6.79] 52) 59 25.0 
11 Lasep 15.9 | 9.4 |15.5 [1120| —0.04| 5.8s] 4155| | 125.0 
13 74.5|70.5] 15.7 9.2 115.6 [1133] - 0.01] 5.76] 44 53 35.4 


95.6] Dunst nimmt zu und 
136 e wird allgemeiner, 


16 72.6170.51 15.7 9.5 115.7 11157] 0.00] 6.08] 46: 57 | 1° 0 | 

19 70.1!70.5] 15.5 9.6 !15.7]1188] 0.02] 6.297 In 58 | 

21 kä Ou 1226 
22 66.5/70.5] 14.7 9.4 115.8 11234] 0.09] 6.45] 52 60 

24 | 65.1170.51 14.6 | 9.4 115.9 [1252] it 6.49] 5262| | | ; 

29 61.5/70.5| 18.9 9.5 [15.9 413001 0.151 6.02] 58! 67 | 25.9 Schleppgurt herab. 


cl nes t# 509 — 004 





40 $ 53.5170.5| 18.6 | 9.6 116.3 [1408| 0.19] 7.17]62 70 | 
45 | 51.5/70.5| 18.8 | 9.4 |16.5 [1429] 0.19] 6.88] 59 | 
49 | 48.1170.5] 12.8 | 9.0 16.8 [1473| 0,27] 6.98/62 71] ` 
50 | 47.570. | 1481 | 








40 Süring u. Berson: Die XV, Fahrt des Ballons „Phönix“ am 1. Juli 1894. 








Zeit 


ba 53 
6a 00 


11 
13 
20 
27 
30 
32 
37 
39 
4l 
42 
46 
48 
54 
Bu, 

qa 2 

5 


7 
12 
19 
EN 
22 


26 
28 
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45 
46 
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521/3 
581/3 
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18 
131/3 
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70.5 
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37.5 70,5 
31.8 70.5 
23.370.5 
31.1|70.5 
29.8170.5 
25.1170.5 
22.370. 
24.3|70,5 
16.7/70.5 
13.9|70.5 
16.170.5 
16.1170.5 
17.8/70.5 
09.0/70.5 
06.8/70.5 
05.8/70.5 
05.5/70.5 
02.5|70.5 
00.7/70.5 
02.3 70.5 
608.170.5 
592.2,70.5 
95 5 70.5 
95.5 70.5 
87.6 70.5 
86.0.70.5 
86.8.70.5 
85.6 70.5 
85.8170.5 
83.9|70.5 
84.2 70.5 
81.2170.5 
783.7|70.5 
81.1170,5 
80.4|70.5 
71.7170.5 
711.2\70°5 
69.2170.5 
70.5/70.5 
71.4170.5 
68,5 70.5 
63.5,70.5 
65.9/70.5 
69.5170.5 
66.4 70.5 
60.6170,5 
61.8,70.5 
56.8|70.5 
56.7 70,5 
61.8705 
58.6 70,5 
417.7,70.5 


645.7 
41.1 
38.1 














(Ballon) (X. Noftrocken | feucht 





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Ther- = 
EN 

8 

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Höhe über N. N 


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126 | 9.4 |17.1 [1505 
11.8 | 9.0 [17.4 |1565 
11.5 | 9.0 |17.4 [1605 
11.7 | 90 |17.6 1613 
1650 

11.0 | 89 17.7 [167V 
10.7 | 89 [17.7 {1699 
10.6 | 9.0 [17.81716 
10.2 | 8.5 (18.011780 
9.9 | 83 [18.1 |1818 
| 1791 

9.9 | 7.7 118.2 [1893 
94 | 68 ez 1932 
94 | 7.2 18311901 
1901 

1885 

89 | 6.4 118.4 12000 
85 | 6.0 18.5 12081 
8.6 | 5.4 118.6 |2045 
2050 

2091 

8.7 | 47 [19012117 
2095 

8.6 | 5.6 [19.2 |2084 
7.0 | 48 (19.4 |2285 
2190 

7.9 | 4.4 [19.5 [2190 
6.6 | 4.2 |19 6 |2302 
6.3 | 4.2 (19.712325 
| 2313 

6.4 | 4.3 |20 0 [23830 
2827 

2354 

1.0 | 50 120.2 12350 
6.5 | 4.1 120.4 12393 
2130 
Ba 

6.4 3.9 20.6 12405 
5.5 | 3.4 120.8 |2530 
2450 

5.8 | 8.0 121.2 |2567 
| | 2548 

| 2535 

| | 2578 

5.2 | 24 122.2 [2651 
5.2 2616 
2564 

5.4 | 2.6 122.7 |2609 
4.9 | 1.5 \23.0 [2695 
| 2678 

4.7 | 1.8 (23.8 [2751 
| | 2758 

| 2680 

5.2 | 1.9 G 2727 
8.5 | 0.1 24.1 12890 


Temp.-Abnahme 
auf 100 m 


0.48 
0.49 
0.49 


0.49 


0.51 
0.56 


0.53 
0.56 
0.58 


0.55 


0.58 


0.59 
0.60 


0.64 
0.66 
0.66 
0.68 


0.71 


Dampfdruck 


mm 


ONE 
5.19 


5.07 
4.99 


4.80 


4.22 


4.80 


8.83 


3.78 


4.02 
8.37 
























































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Süring u. 








Berson: 











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p.- Abnahme 


auf 100 m 


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0.73 


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0.74 


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0.71 


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0.74 
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(1.77 
0.76 


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0.75 


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0.75 
0.77 
0,76 


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8258 [551.0 70.5 | ` bai 
ga 5 42.6 70.5 2.9 | — 0.4 21.412966] 0.71 
8 | 54.0/70.5 | rn 
10 | 56.0/70.5 | 12767 
14 Di 2 70.5 1.0 21.512838 
15 | 45.9 ON | 2917 
17 31.9 70.4 2.7 | — 0.6 24.513036 
2191, 37.9 TU.4 | 3037 
25 | 43 Au 4 2960 
28 aLL 9204 2.3 | —1.4 24.618129 
35 49.01 7u,4 | 2873 
Au 38.6 7U.A4 2.8 | — 0.6 24.913027 
49 | 25.6170.3| 1.8 | —2.3 25.23226 
DU 25.8|7U,3 1.2 | — 2.6 25.213223 
52 | 24.270,83 3248 
56 | 29.8, 70,2 | 3161 
108 ı 18.9 70.2] 0.9 | — 8.2 25.513331 
3 21.8/70.2 3285 
6 2U0,5|7U,; —2.7 25,61330'5 
8 17.1170,2 -- 8.6 25.713360 
12 19.5|7.,2 3317 
15 25.0! 70,2 — 8.3 25.913237 
18 21.81 70,2 3286 
2U 25.7/70.2 | 3227 
27 | 14.6170.2 0.5 | — 3.7 126.2[3460 
25 1 16.1170.2] 0.7| —3.8 26.213392 
2 15.11 70,2 3392 
Bu 17,8170,2 1.4 | -- 3.7 26.313350 
83 18.5170.2| 0.8 | —3.6 26.413412 
35 10,7170,2 ei — 4.0 126.5]316 | 
Au 16,8|70, 1 ] al is 5 E 613368 
41 11.8110. | 3352 
49 05.7 60,1 Zou) u 3542 
50 11.8 70,1 3445 
51 14.5 70,1 0.9 | — 4.2 | Sp 813402 
53 12.0|70.0 1.6 | —3.5 (26.913448 
bn Un 00 Gäil 8.8 27. v]3507 
11a O up. "200 —0.1 -8.8 2 27.013527 
„2 | 03.5/70.0|—0.3 | — 3.1 27.13574 
6 1506.7|70,u | 3528 
LA Hi bio —0.9 | — 4.1 27. 213675 
18 1505.7|69.9 | 3544 
19 1505.6|69.9 0.4 | —3.1 127.813546 
20 Tou Op go L D | — 2.9 27. 413588 
Za 1492.6|69.9 3758 
26 HI GEI 3778 
27 94.7169.»1 — 2.2 | — 4.6 27. 513725 
ap | 99.7169. | Tr 
Bl 92.4169,.»] —0.6 | — 8.8 27.6[57#2 
82 89.569.581 — 1.6 | — 4.2 27.613805 
84 88,7169,8] — 1.4 | — 4.0 27.613828 
84'/,| 84,6/69,8 3591 
36 81.8169,8] — 3.83 | —5.3 27.7359: 
ör 87.6 69,8 | 3842 
40 f 9,4169,51 —2.2 | — 4,5 127,713795 


0,79 


Dampfdruck 


mm 


Rel. 


Feuch- 


H 


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Psychr. 
Haarh. 


58 61 


65 68 


59 63 


53 62 


LS 6 
52 58 
49 


45 54 


51| 51 
44 An 

| 50 
4748 


| 


43| 49 
40 49 


| 
36 49 
42| 52 
41153 
35| 50 

| 

| 


33 
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| 

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53| 58 
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67| 70 
6572 


Die XV, Fahrt des Ballons „Phönix“ 


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Be- AER 
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Juli 1594. 41 





jemerkungen. 


— 


Allgemeine Cum. - Bil- 
dung in sehr geringer 
Höhe unterhaib der 
Dunstschicht., 


Verwaschene Ci-strat. 
Schwacher Sonnenring, 


Cum durchbrechen die 
Dunstschicht, ober- 
halb derselben thurm- 
förmig. 


Zenith klar. 


Cum über dem Harz 


durchbrechen die 2te 
höhere Dunstschicht. 








42? Süring u Berson: Die NXV. Fahrt des Ballons „Phönix“ 
— u: -—— 
Redue. Si le: df BR. | Ra: Be- E | 
Luft- "her |3 e SE IS JFeuch-| wöl 5 
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g | = oben = z e St Z S | = a = | = 
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(Ballon) IS. Ssltrocken! feucht bei I | = | Ballon 
700-4. | | | r 
11247 Uni 2 69.5) — 4.8 | —6.6 (27.1 3948| 0.80 l1.91 [55 alain" 
481/3] 83.5169.8 | 3908 | | 
54 | 82.9/69.8| — 2.8 | — 4.8 |27.8 [3920| 0.78 | 2.57 | 69| 72 [31 141 2 
56 | 82.6 69.8 | 3925 1 
1220 | 79. 46 Con — 3.1 | — 5.7 127.8 [3980| 0.78 | 2.18 | 60) 72 
2 | 76.3|69.81 - 3.8 | -6.1 27.9 |4032]| 0.78 | 2.19 | 631 72 | 31 | Au 
4 75.8 69.8 4040 | | | 
6 | 73.7169.8 1075 | | 
7 14: Aë 4.5 28.0 |4U68] 0.80 | 
11 12.7169 —4.6 | — 6.1 128.1|4092] 0.80 [2.44 174 77 EE 1.2 
14 128697 — 4.6 | — 6.3 |28.2 [4090| 0.80 | 2.33 | 72| 77 | 
e | 69.8169.7| —4.6 | —6.2 |28.3 |4140] 0.79 12.40|73 78| ` 
20 | 785169.7 4079 | | 
21 | 75.669.7 4044 | | 
29 | 75.669.6| —4.0 | —5.6 128.5 4044| 0.80 | 2.52 | 74 | Or 
an | 69.5/69.6| —4.8 | — 6.3 128.6 [4145| 0.81 [2.40 | 75 
351/,| 70.5169.6 1128 | 
401/3] 65.5169.6 4213 
43 | 71.5|69.6 4111 | 
48 | 65.269.6| —4.7 | — 6.5 123.8 [1219] 0.79 | 2.27 170 TE 
55 3.0/69.6 | 4240 | | | 
1P 001/,| 62.0169.6 4257 | | 
2 `| 62569. 6 5.7 | — 1.8 128 914249| 0.82 | 1.01 |64) (au | 
19 | 57.1169.5| —5.5 | —8 6 129.0 [4337| 0.79 | 1.471749 
23 | 56.919 5 —5.4 | —8.5 29.0 4848| 0.79 En e 
23 | 56.5169.5 | | 
26 | 53.6694] —55 | — 8.5 29.1 [4408| 0.79 | 1.49149 48 [31 41 22 
28 | 54.5169.4 | 1393 | 
82 | 58.4/69.4] — 5.8 | — 8.1 29.1 [4412| 0.78 | 1.65 | 54| 49 
34 | 51.5169.41 — 5.8 | —8.7 129.1 [4445] 0.79 | 1.52 | 51) | 
85 | 51.169.4 | 4451 | H. 
38 | 48.7169 4| — 5.8 | — 9.1 29.2 [1500| 0.78 | 1.33 |45! 49 
40 | 52.4169 4 | 4442 
41 | 53.4/69.4 | 4415 | | 
42 | 55.3169.3| —5.1 | — 8.0 |29.2 [1383| 0.79 | 1.64 |52 50 [a1 | a1 |02 
45 49.4/69.8] — 5.1 | — 8.0 (29.8 [4490] 0.77 | 1.64 | 52! | 
47 | 46 969.2] — 6.2 | — 9.0 129.3 [4535] 0.79 | 1.51 [52 N > ii 
49 | 52.4169.3 4435 | 
2p 1 | 45.4169.3 1565 | | 
T | 42.269 3] (-7.0) | (-8.8) 129.4 |4623| 0.79 41 |2! die (.)* 
10 | 42.4169.2 4620 | | 
11 | 42.6,69.2 | 4618 
20 | 39.6|69.1] — 6.4 |—10.8/29.4 [1673| 0.77 [0.75 [27 | | 
23 | 42.9169.1 | 1615 | | 
28 | 839.6[69.0] — 6.8 —10.2|29 4 [4675| 0.77 [1.16 |42 O! 
33 | 40.5/69.0f — 6.0 | — 10.229.4 [4655] v.76 [0.90 |31 OU 
37/5] 41.7/69.0 | ł6 u | | 
40 | 45.0169.0| — 5.2 | — 10.029.4 [4588] 0.76 [0.79 | 26 Au 
441/,| 40.3/69.0 4665 | 
48 | 88 7168.9 “rolos 29.5 [1695] 0.76 [1.01 [|34 ©, 
49 | 39 468.9] —7.1 | -- 10.8129.5 [4685] 0.76 [u.gu|a4 [2 5t 02] 
681/,| 89.6|68.9 | 1682 hd sp, 
59 | 85.0168.9 | 4768 | E 
591/3) Ser 158.9 | | 1750 | | 
8p 1 | 86.8l6s 91 — 6.3 | —9.7 |29 5 I1735! 0,76 | 1.20 la2ı 42lın ar al 



























































am 


Schwarz- ugel- 


Thermometer 


I. Juli 1594 


Bemerkungen. 


Ci-Federn. 


Mächtires Cu-Ni-Ge- 
wölk über dem Harz 
mit Wolkenschirm au 
den Seiten. In weiterer 
Entfernung v. Harz nur 
schwache Cu-Bildung. 


(ip erster Donner. 


Ballon zieht dem Ge- 
witter parallel. 


1?'!p (ap häufig Don- 
ner, dann eine ruhige 
Periode. 


Gewitter zieht nach 
Hessen, ein zweites 
Gewitter steht über 
dem Solling. 


Dunstschicht unter uns 
nimmt stark zu, nur 
wenige Cu durch, 
brechen dieselbe. 


221p häufig Donner, aber 
bald nachlassend, 


Kräftige Cu-Bilduag 
über der Ebeue. 


Zerzauste Ci, 









3P 5 
8 Lagu | 1825 
II 29.3168.91 —7.0 |— 10.0,29.514875 
18 I 25.7168.0] — 8.2 |—11.0|29.5]4940 
14 I 24.5/68.9| — 8.6 |— 11.2 29.549652 
15 | 29.3689 | 14876 
17 | 82.4168.9| — 7.8 |— 11.0129.4|4s2C 
21 ESCH | 4877 
28 24.7168.9] — 8.6 |—1 1.6 29.514960 
25 | 29.8/68.9| — 8.4 | —11.4129.514879 
87 29.0168.9]| — 8.6 |— 11:4.29,5]4885 
38 81.9 rad | | 4832 
44 | 26.468,91 — 7.8 | — 10.8129.5]4932 
48 | 21.5/68.9 | | [5024 
511/3] 30.3/68.9 4861 
54 21.768.9 bucht 
Ap © I 20.5689] —88 | — 1 1.3,29.5]5043 
5 20,.5168.9] — 9.2 |— 10.9 29.415043 
6 23.5/68.9 | 4987 
10 16.8168.9] — 8.9 !— 11.8.29.3]5 112 
II 14.168.9 | 5158 
15 15.8168.9] — 9.0 | — 12.0129.2]5121 
21 19.1)68.9 KOTI 
22 | 20.5689 | 15044 
23 | 20.7168.9] — 9.0 11.429. 5040 
29 12.768.9 | 5190 
38 1408.7168.8] on |— 12.5 29.015265 
87 | 20.868.8] — 8.6 28.915088 
44 | 75.0168.8 1082 
47 1484.0 68.8 | | 3932 
EN 500.0.68.8 | | 3678 
58 1498.0/68.8] ai 2.4|28.7[8705 
bb mag: (-0.6)\— 3.2/28.6[3850 
561/,1484.0|68.8 | 3932 
bp 1 78.0168.8 —2.1|— 3.6|28.5[4030 
8 76.1 ‚68.8 1062 
7 | 81.6.68.8 3970 
9 84.0|68.8 8938 
14 1518.0168.8] 1.1 |— 0.8/28.3]3385 
24 | 71.5168.8 2575 
25 I 76.5688] 8.1 4.9/28.012500 
28 1602.0/68,8 2125 
30 | 09.0/68.8 2020 
34 19.0168.8 1880 
52 66.5/68.8 1251 
59 | 77.5168.8 1110 
te 3 1718.0168.8 605 
7 7150/68.8 e, 215 
25 25.2 ' 215 


Süring u. Berson: Die XV. Fahrt des Ballons „Phönix“ am 1. Juli 1894. 





H HI , 
Ther- 3 Le 
(eet, 
mometer |5 ojo _ 
lazje E 
oben = lr 
> |2 
(Ballon) (8. 2. trocken | feucht = 








"gu 


ot- i 
429.3/68.9] — 5.8 | — 9.6/29.5 4873 

























auf 100 m 


Temp.-Abnahme 


0.78 
0,75 
11.76 
0,77 
0.77 
DTi 
0.78 
0,78 


0,76 


0.81 


0.80 


12,32) 52 





Ber 
30/4846 
.20 | 48 
23 R A 


47 


1.07 42 47 
44 
44 


46 


1.06 
1.08 
AR 


1.17 Ap 


| 


53 


hb 


1] O! 


1.07 46 


1.02 | 44 


1.26 54 44 


0.94 


3.45 | 
2.79 





3.04 | 77) 


3.60 | T 


5.24 | 65 








e Rel. 
Q 

=z  |Feuch- 
SER A 
ei tigk. 
CO. E 

E KK E 
e aj "e 





14 | 38! 42 





43 
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“le 15158 Bemerkungen. 
sis |=|k& 
TEENS 1952 

| © 

dem I, © 
Ballon 





Im Norden thurmför 
mige Cu. welche beide 
Dunstschichten durch- 
brechen. 


Cu-Ni über dem Harz 
| wird verwaschen mit 
| z glànzendeu (abschmel- 
KI zenden) Käudern. 





25.0 


25.4] Grösste Höhe! 














| Landung, 


nächstfolgenden ist in Tabelle II abgesehen worden, da wegen der mei:t 
geringen Höhenunterschiede zwischen zwei Ablesungen kleine Störungen 
unverhältnissmässig stark hervortreten würden, 


44 Süring u. Berson: Die XV. Fahrt des Ballons „Phönix“ am 1. Juli 1894. 


Unabhängig vom Gesammtverlauf der Fahrt kann die Temperatur- 
vertheilung bis zu 1000 m Höhe betrachtet werden, da es sich um eine 
ausschliesslich von den 'Terrainverhbältnissen und der Tageszeit abhängige 
Erscheinung handelt. Zur genaueren Verfolenne derselben sind bis 1000 m 
die meteorologischen Elemente, stufenweise von 100 zu 100 m berechnet, 
in Tabelle III zusammengestellt. 

Tabelle TIT. 
































| o Poten-! s% Ju Pi | | Zahl 

Schicht E = Deo tielle SS EE der 

= S | np Temp | $ = GER Gë Beob. 
0 100 35 | 15.3 | — |1149 | 9.44 | 88 l 
100 — 200 172 | 18.2 | 19.9 | 9.48 | 7.88 | 61 3 
200— 300 238 18.6 | 21.0 | 957 | 807 | 60 3 
300 — 440 — = — | ru Auen et Ba: 
400—500 | 454 | 18.1 | 22.6 ' 9.67 | 856 ' 63 Š 
500—600 650 | 17.8 ı 23.3 | 7.88 | 687 | 53 4 
600—700 649 | 18.0 ER l e29/ 546 | 40 | 3 
700-800 | 724 | 18.1 25.4 | 4611409 | 3U 4 
800—900 | 866 174 | 26.0 | 468 | 422 | 31 | 3 
IH | 967 166 2 | 6265| 4 
1000—1100 | 1057 | 158 , 25.3 7.01 | 6.48 | 53 | 3 


Das Maximum der Temperatur wird in 200 m Höhe angetroffen; hier 
scheint auch schon die Dunstschicht. welche über der Erde lag, durch- 
schnitten zu sein, und es beginnt eine langsame Abnahme, die zwischen 
600 und 800 m wieder gestört ist. Vielleicht hängt dies damit zusammen, 
dass der Ballon sieh über dem Gebiet der Havelseen befand, wo eine dichtere 
und deshalb stärker reflektirende Dunst- oder Nebelschicht sich entwickelt 
hatte. Von 800 bis 1100 m erfolgt die Temperaturabnalıme annähernd 
adiabatisch, höher hinauf treten dann wieder Unregelmässigkeiten ein, 
welche mit dem wachsenden Tage immer häufiger werden. Das Minimum 
der relativen Feuchtigkeit fällt nicht mit der höchsten Temperatur zu- 
sammen — hier zeigt sich nur ein sekundäres Minimum — sondern liegt 
erst in 800 m Hölle. Da gleichzeitig der Dampfdruck und die specifische 
Feuchtigkeit ihren kleinsten Werth erreichen, so wird man annehmen 
müssen, dass bis in diese Höhe eine Wärme-Abgabe von dem Erdboden 
stattgefunden hat. Ganz älmliche Vorkommnisse haben Prof. Suluke und 
Finsterwalder beobachtet bei Gelegenheit der Münchener Ballonfahrten 
vom 2. und 8 Juli 1593 und dabei eingehende Untersuchungen über die 
Herkunft der einzelnen Luftwassen angestellt). Su verlockend eine weitere 
Verfolgung dieser Fragen hier auch erscheinen mag, so soll einstweilen 
doch davon Abstand genommen werden, da eine Zusammenstellung aller 





) Deutsches Meteorclog Jahrbuch für Bayern. Jahig. NV. 1895. Heft 3. Ref. 
In Zeitschr. f Luftschif XIIL 1891 8. 1 u Meteorolog. Zeitschr NL 1894. S. (70). 


String u. Berson: Die XV. Fahrt des Ballons „Phönix“ am 1. Juli 1894. 45 


Fälle dieser bei den Phönixfahrten wiederholt beobachteten Erscheinung, 
wesentlich sicherere Resultate hoffen lässt. Immerhin kann die Tabelle UI 
als ein recht guter ziffernmässiger Beleg gelten für die 1888 von Prof. 
von Bezold ausgesprochenen Anschauungen über Temperaturumkehr in 
sommerlichen Anticyklonen!). Auch für die Vermuthung, dass die Stabilität 
der atlantischen Antieyklonen durch diese Umkehr befördert werde, bietet 
sich ein treftendes Beispiel, denn thatsächlich sind, wie schon eingangs 
erörtert, die Temperaturgradienten an der Nordseeküste ausserordentlich 
grosse und über dem Meere wird sicherlich während des ganzen Tages 
Temperaturumkelir bestanden haben. Die Maximaltemperatur auf Helgoland 
(160.2) wird sich vermuthlich in etwa 1000 m Höhe wieder gefunden haben. 
Die geringe Veränderung der Witterungsvertheilung trotz starker Sonnen- 
einstrahlung über dem Festlande wird dadurch ganz erklärlich. Die 
Tabelle III zeigt uns allerdings andrerseits durch den Wechsel der 
potentiellen Temperatur und der specifischen Feuchtigkeit, dass die adia- 
batischen Vorgänge keineswegs so einfach hervortreten wie bei der 
Münchener Fahrt vom 2. Juli 1893, sondern das Luftmischungen ziemlich 
regellos stattgefunden haben müssen. Man sah dies auch vom Ballon aus 
direkt an der je nach der Bodenbeschaffenheit ungleichen Vertheilung der 
Dunstschichten. 


Während der Ballonfahrt wurde in 1150 m Höhe die gleiche Temperatur 
wie am Erdboden erreicht, und zwar um 5!/4 Uhr, als auch schon am Erd- 
boden die Temperatur seit etwa einer Stunde unter dem Einflusse der 
Sonnenwirkung gestiegen war: wir können somit das eben besprochene 
Strahlungsphänomen in etwa 1000 m als beendet betrachten. Im folgenden 
bedienen wir uns vorwiegend der Tabelle IV, in welcher der Einfachheit 
halber die Aufzeichnungen für Höhenstufen von 250 m zusammengefasst sind. 
(Tab. IV s. S. 46). 


Entsprechend der starken Sonnenstrahlung müssen auch die potentiellen 
Temperaturen zunehmen, aber sie wachsen langsamer als die Temperaturen 
am Erdboden, d. h. die Bedingungen für ein labiles Gleichgewicht werden 
grösser und innerhalb einzelner Schichten, bei 1500 und 4000 m, wird das- 
selbe auch beinahe erreicht. Gleichzeitig pflegt die relative Feuchtigkeit 
zuzunelimen, (vergl. Tabelle V) der Ballon befindet sich dann wahrscheinlich 
in einer Region stärkerer aufsteigender Bewegung. Beimischungen horizontal 
zugeführter Luft werden hier nicht von nennenswerther Bedeutung sein, 
um so mehr die Terrainverhältnisse, die ihren Einfluss bis zu 4000 m, wenn 
auch schliesslich nur indirekt durch die einmal eingeleitete Cummlusbildung 
geltend machen. 


1) Sitzber. d. k. preuss. Akad. d. Wiss. 1888. S. 1199; Meteorolog. Zeitschr, 
1889. 5. 291. 


46 Süring u. Berson: Die XV. Fahrt des Ballons „Phönix“ am 1. Juli 1894. 

















Tabelle IV. 














EEE ne nern oh Oo ee or Tree Torrent eg en rn tn rn rn EEE u 
1 2 |3 4 | 5 6 7 8 NET | 1 £ F 
© o EN At |Poten- = u N - z$ 
Schicht (E5 lau] E| 3t | auf [tiele] A8 um: le, 
Zu = Könltem: Lama ae e 

= ez | éi 1 

Erde 85 mäi | | | 
o—250 | 1 18.4 0 315E 203, 1a] aTi goj 
250—500 | 421 cl 18.1 Er pea A EE 
5Co —750 DÉI E. A = 24.2 We SE 14.8 | 8.4 | 1.33 | 10 
750--1000 | 906 mer, M a TA abo meer s 
1000-1230 [1125 (2i 156 län 05° 155 fia | roof s 
1250—1500 | 1871 13.7 19. lang, 020: tezja Josı| s 
1001750 len (ZZ ua 23, fi ae DP 012] i76 [iwo losl 7 
1750—2000 |18651240] an 16, OSTI ogg IP 033, Igo |102 ! 0o55] 5 
20c0—2250 |21002890] g7: LIO OATI ogg | 12i OS! ran [10.8 ul: 
2250-250 |2851 25L] 05 22 OBT] ggg Dä 012 292| 97,041] e 
2500-2750 |2626 | 52 13 OAT ang Di aas] soio] 3 
2750—3000 |2861 | 37 15i OB] gun ; 5, 03t! 242| so jo28| 4 
3000 -8250 |8146 || un b9 967] ggg "DI 080 ol s1 lol 6 
3250-3500 [8384 255] ou O9, Dias "IZ 089 s65] soj ozalıı 
3500- 3750 |3586 20? |—o3 17 0591 35.2 a "än aal 80 | o22| s 
3750-4000 |3866 | 80| — 24) 211 öl, Dit 08 277| Ro lo2ı| 8 
4000—4250 [4120 24| Ae 22 UST) ggg 09] 020. 952 | 80 | ois] y 
4250—4500 |44161296] aa (E O27] gyg III, ogof y3 |u] s 
4500—4750 |4654 |288| — ea! 10 Al agg 15 0.63 | 295 [108 | 022] 8 
4750—5000 |4908 249] ou Të O60] gpg |18] e 99,5 [11.3 | 0.28| 9 
5000-5250 [5095 | 192 [— 9.0; LI ans Hp Wi? 292 fiza |o.2a| 7 
So wird die raschere Temperaturabnahme in 1500 m Höhe möglicher 


Weise dadurch begünstigt sein, dass der Ballon über den sumpfigen Havel- 
Ufern bei Brandenburg schwebte, wo bei mindestens gleich hoher Temperatur 
die Feuchtigkeit grösser und das Aufsteigen der Luft erleichtert war. In 
Einklang hiermit nähert sich auch die Feuchtigkeit oben wieder mehr der 
Condensationsgrenze.e. Finen typischen Beleg für die Wirkung örtlicher 
Einflüsse bietet an diesem Tage das Harzgebirge; das Aufsteigen wird hier 
noch gefördert durch den an den XNordabhängen sich stauenden Wind. 
Die Cumulusbildung ist deshalb hier am reichlichsten und die Verdichtung 
zu Gewitterwolken erfolgt hier zuerst. Leider — vom wissenschaftlichen 
Standpunkte gesprochen — gelangte der Ballon nicht in das Hauptgebiet 
der Wolkenbildungen; der dort sicherlich vorhandene labile Gleichgewichts- 
zustand konnte somit nicht direkt beobachtet werden, sondern nur die in 
Folge des Spiels auf- und absteigender Luftströme ziemlich unregelmässige 
Temperaturabnahme von durchselmittlich 0°%.6 auf 100 m. Vom Erdboden 
aus gerechnet erscheint die Abnahme natüriich viel gleichförmiger, von 
2500 bis 5000 m liefert jede einzelne Beobachtung den Werth 09,8 auf 
100 m, es muss also Mittags die Temperatur in den unterm Luftschichten 


Süring u. Berson: Die NV. Fahrt des Ballons „Phönix“ am 1. Juli 1894. 47 


bedeutend rascher mit der Höhe abgenommen haben als in den obern. 
Dies wird auch bestätigt durch die wenigen Beobachtungen während des 
Abstieges, obgleich dieselben schon auf den Spät-Nachmittag fallen. 

Eine nicht unwichtige Veränderung scheint in etwa 4000 m Höhe 
vor sich gegangen zu sein, wo die Temperatur wesentlich langsamer ab- 
nimmt und die Feuchtigkeit innerhalb 500 m auf die Hälfte ihres anfäng- 
lichen Betrages (die relative Feuchtigkeit von 70 auf 36°/,) sinkt. Auch 
die Differenz: potentielle Temperatur minus Imfttemperatur, die von 
2500 m an constant geblieben war, wird jetzt stetig grösser. Es ist hier 
offenbar warme und trockene Luft beigemischt worden; ob dieselbe aber 
einfach durch horizontale Strömungen hergeführt ist oder ob sie von dem 
über dem Harz sich entwickelnden Gewitterheerd herabgeflossen ist und 
sich mit der allgemein aufsteigenden Luftmasse gemischt hat, lässt sich bei 
der unregelmässigen Temperaturvertheilung wohl nicht entscheiden. Jeden- 
falls ragten die Gewitterwolken über dem Harz mindestens bis zu 6000 m 
herauf und aus den flachen Kuppen der Wolken ist zu schliessen, dass erst 
in diesen Höhen ein Auflösen der Wolken durch wärmere Luftschichten 
stattfand. Erst nachdem der Ballon sich vom Gewitter entfernt hatte, 
wachsen Feuchtigkeit und verticale Temperaturabnalme wieder. 


Feuchtigkeit, Bewölkung und Strahlung. 


Schon in der Einleitung wurde darauf hingewiesen, dass den 
Feuchtigkeitsbeobachtungen ein recht befriedigender Grad von Genauigkeit 
zukommen wird, da keinerlei extreme Verhältnisse sich zeigten. Auch 
das häufig so berechtigte Misstrauen gegen die Berechnungsweise wird in 
diesem Falle nicht angebracht sein, denn bei mittleren Feuchtigkeitszuständen 
und mittleren Höhen ist -— wie auch neuere Versuche bestätigt haben — 
die für das Assmann’sche Aspirationspsychrometer benutzte Formel sicher 
genau genug, wenn es sich um Ballonbeobachtungen handelt. Desgleichen 
kann die Unsicherheit der Psychrometer-Angaben unter 0° jetzt der Haupt- 
sache nach als gehoben betrachtet werden, nachdem besonders durch die 
Untersuchungen von Juhlin gezeigt ist, dass man für eine mit Eis bedeckte 
Thermometerkugel nicht die Spannung für gesättigten Wasserdampf, sondern 
die geringere Spannung für Eisdampf in die Psychrometerformel einzusetzen 
hat. Bei Benutzung der neuen Spannkraftstafeln von Juhlin!) steht der 
Beseitigung der früheren Unsicherheit nur noch der Umstand im Wege, 
dass man häufig nachträglich nicht ermitteln kann, wie lange das Wasser 
an der Thermometerkugel in überkühltem Zustande verblieben ist. Auf der 
hier beschriebenen Ballonfahrt lag diese Grenze bei etwa — 4° des feuchten 
Thermometers. In der Tabelle V sind die Juhlin’schen Werthe benutzt, 


I) Abgedruckt in Meteor. Zeitschr. 1694 S. 89. Jelinek’s Anleitung. 4. Aufl. 
1895. S. 11. 


48 Süring u. Berson: Die XV, Fahrt des Ballons „Phönix“ am 1. Juli 1594. 


aber die mit den Regnault-Broch’schen, für Wasserdampf geltenden Tafeln 
berechneten absoluten und relativen Feuchtigkeiten in Klammern daneben 
gesetzt. In der Haupttafel IT, welche unmittelbar nach der Fahrt zusammen- 
gestellt wurde, sind jedoch noch sämmtliche Aufzeichnungen mit den 
Regnault-Broch’schen Zahlen reducirt; sie sind also in dieser Beziehung in 
Uebereinstimmung mit den entsprechenden Zusanmenstellungen früherer 
Ballonfahrten. Um unter sich vergleichbare, d. h. von Druck- und Volum- 
änderungen unabhängige Werthe zu haben, ist auch die Dampfmenge (in gr) 
im Kilogramm Luft, die sogenannte specifische Feuchtigkeit, mitgetheilt (vergl. 
d. Zeitschr. 1890 H 119, 1894 S. 1, 329 und 1595 H 205), obgleich sie in 
unserem Falle wohl nicht mehr als der Dampfdruck und die relative Feuchtigkeit 
über vorgekommene Veränderungen aussagt und wegen ihres unregelmässigen 
Verlaufes auch rechnerisch nicht verwerthet werden kann. Es braucht 
kaum hervorgehoben zu werden, dass den zweiten Dezimalen in der Tabelle 
keine thatsächliche Bedeutung zuzuschreiben ist, sondern dass dieselben 
lediglich zum Zwecke etwaiger Umrechnungen (in absolute Feuchtigkeit, 
Mischungsverhältniss) mitgeführt sind. 



































Tabelle GE 

l SÉ Ä i ‚Relative | ER At SSE 
Schicht (Se |Temp.| Dampfdruck |Feuchtig-| s€g | für | = 
5 T | keit Zr 100 m SE 

Erde 85 | 15%.3| 11.49 | 88 | 9.44 | 
0—250 | 195 | 18.4] 9.80 | 59 |780 |7 JH ES 1.2 
250—500 | 421 | 181] 9.66 | 66 ig Wi 02 
500—750 | 630 | 18.0| 6.46 | 43 560] ©I[— 13 
750—1000 | 906 | 17.0) 5.38 Om Au 0403 
1000—1250 | 1125 | 15.6! 6.44 Au sooj 96 

1250—1500 | 1871 | 187| Gm D9 660) "P 
1500—1750 | 1625 | 11.4) 7.56 76 gan 209 05 
1750— 2000 1865 | uni 6.98 Ra ze eg 
2000—2250 | 2100 |. 8.7; 5.38 EE ee 
2250—2500 | 2351 | 65| 531 d Steg "E AE 
2500—2750 | 2626 | 5.2| 4.36 66 as "EE 
2750— 3000 | 2861 | 3.7| 3.58 60 406, 61-08 
3000-8250 | 3146 | 18| 2.76 59 3 SC | 0.71 — 0,3 
3250-8500 | 3384 | 0.9 | 1.99 A gael E 
8500—3750 | 3586 |— 0.3) 2.89 (240) | 54) | 297 | 08 08 
3750—4000 | 8866 |—2.4| 2.29 (2.36) | 59 (61) | 295 | C8 T90 
4000-4250 | 4120 |—4.6| 2.17 (2.31) | 56 (70)| 258 | 99,790 
4250—4500 | 4416 |— 5.41 1.40 (1.58) | 45 (50) | 1.93 | 091708 
4500—4750 | 4654 |— 6.4| 0.85 (1.08) | 80 (86) 1200| ZC 
4750—5000 | 4908 | — 7.9; 1.00 (1.16) | 89 (45) | 1.46 | 0.6 | — 0.1 
50C0—5250 | 5095 | — 9.0! 1.02 (1.18) | 43 (a9) | 1.52 | 95; Hu 


Vorstehende Tabelle unter Hinzuziehung von II ergiebt im Grossen 
und Ganzen für die relative Feuchtigkeit (und auch für die specifische 
Feuchtigkeit und den Dampfdruck) einen wellenförmigen Gang mit Maxima 


Süring u. Berson: Die XV, Fahrt des Ballons „Phönix“ am f. Juli 1894. 49 


am Erdboden, in 1700, 2300 und 4100 m und Minima in 830, 2100, 3400 
und 4600 m. Ausserdem kommen noch ebenso wie bei der Temperatur 
zahlreiche kleine Unregelmässigkeiten vor, die offenbar auf Wolkenbildungen, 
Terrainverschiedenheiten u. dgl. zurückzuführen sind und daher im Einzelnen 
kaum erklärt werden können. Zum Verständniss der grösseren Schwankungen 
müssen wir uns zunächst die Bewölkungsverhältnisse vergegenwärtigen. 

Am 1. Juli waren drei verschiedene Wolkenformen zu unterscheiden. 
Erstens Cirren und Cirrostraten, welche ebenso wie die anderen Luftströmungen 
aus Ost kamen und wahrscheinlich aus der fern im Nordosten, ausserhalb 
des Bereiches unserer Wetterkarten liegenden Depression stammten. Eine 
Mischung mit dieser trockenen und warmen (weil aus grüösserer Höhe 
stammenden) Luftströmung kann den wellenförmigen Verlauf der Feuchtigkeit 
nicht erklä’en. Wie stark die untersuchten Luftmassen durch Mischung 
beeinflusst sind, lässt sich wegen der unregelmässigen Veränderungen 
ziffernmässig nicht genau feststellen. Im Allgemeinen werden aber die 
sich mischenden Massen von annähernd gleicher Beschaffenheit gewesen 
sein; wo dies nicht der Fall war, müssen die Differenz von potentieller 
Temperatur und Lufttemperatur und die specifische Feuchtigkeit abnehmen. 
Dies geschieht in regelmässiger Weise nur über 4000 m; die hier auf- 
tretenden Erscheinungen sind auf S. 47 besprochen. 

Die zweite Wolkenert jenes Tages war der Cumulus, bezw. die 
Gewitterwolke, das untrügliche Kennzeichen eines engbegrenzten auf- 
steigenden Stromes innerhalb einer ausgedehnten herabsinkenden Luftmasse. 
Der Einfluss der Cumuli auf die Feuchtigkeit ebenso wie auf die Temperatur 
kann nur in kleinen Unregelmässigkeiten bestehen, aber nicht die grösseren 
Veränderungen erklären, schon allein deshalb nicht, wel der Ballon sich 
in annähernd 3000 m Höhe befand, als die Cumulusbildung tief unterhalb 
begann. 

Ausser den erwähnten Wolken wurden während der Fahrt drittens 
Aufzeichnungen über Dunstschiechten gemacht; es scheint, dass diese Gebilde 
die Feuchtigkeitsvertheilung erheblich beeinflusst haben. Die unterste 
feuchte Schicht lag zur Zeit der Auffahrt unmittelbar am Beden und hat 
sich stellenweise wohl bis 800 m erhoben. Am obeın Rande derselben ist 
wahrscheinlich durch Wärime-Absorption und Verdunstung des erste Minimum 
der Feuchöigkeit (25°) zu Stande gekommen. Ausser dieser untersten 
Schicht liessen sich vom Ballon aus deutlich noch zwei Schichten gleich- 
zeitig erkennen, die z. B. im Journal um 11° und 3P erwähnt sind, also 
während des ganzen Tages und scheinbar unabhängig vom Terrain bestanden. 
Die Cumuli bildeten sich unterhalb der niedrigeren Dunstlage und durch- 
brachen beide Schichten. Die letzteren sind wohl mit dem sogenannten 
„trockenen“ Nebel im Gebirge nahe verwandt, aber ihre Definition bietet 
trotzdem einige Schwierigkeiten. Will man sie überhaupt als Wolken auf- 
fassen unter der Annahme, dass wenigstens an einzelnen Stellen noch 


50 Süring u. Berson: Die XV. Fahrt des Ballons „Phönix“ am 1. Juli 1894. 


Condensation stattfindet, so wird man sie als strato-cumulus (stratus quietus 
nach Clement Ley) bezeichnen müssen; ihrer Natur nach sind sie wahr- 
scheinlich Ueberbleibsel der am Vortage gebildeten Cumuli, welche sich am 
Abend grösstentheils aufgelöst haben und nun als Dunstschichten langsam 
herabsinken. Es ist bekannt, dass solche Gebilde ebenso wie richtige 
Wolken starkes Absorptions- und Emissionsvermögen haben, und die Minima 
der Feuchtigkeit in 830, 2100 und 3400 m bezeichnen daher vielleicht die 
obere Grenze solcher Dunstschichten, während die Trockenheit in 4600 ın 
nach dem früher Gesagten auch auf andere Weise erklärt werden kann. 
Oberhalb der Dunstschicht kann sich die aufsteigende Bewegung -— in 
Folge der kräftigeren Sonnenwirkung — besonders stark entwickeln; die 
Temperatur nimmt daher hier rasch ab und die Feuchtigkeit zu, während 
mit Annäherung an die nächst höhere Dunstschicht absteigende Massen 
sich stärker beim'schen und so die specifische Feuchtigkeit verringern. 
Hiernach scheint es, als wenn diese Dunstschichten, welche ja für einen 
gut ausgeprägten Sommertag typisch sind, einen wesentlichen Faktor für 
die Erhaltung des Wetters bilden, indem sie einerseits den verticalen Luft- 
austausch auf mässige Grenzen zurückführen, andrerseits eine allzustarke 
Einstrahlung verhüten. 

Thatsächlich war die Sonnenstrahlung am Tage der Ballonfahrt ver- 
hältnissmässig schwach, was jedoch in erster Linie der Cirro-Stratus-Decke 
zuzuschreiben ist. Die Tabelle VI giebt die Werthe der Strahlung, ge- 
messen durch die Differenz: „Temperatur des Schwarzkugelthermometers 
weniger Lufttemperatur“. 


Tabelle VI. 
Strah- Zahl d. 
Zeit Höhe lung DBeoh. 
6—61, 1500-1750 Il (GI 
BR 1750—2000 20.1 (1) 
63 — Tla 2000—2500 21.6 (5) 


717,88 2250—2500 Jul (1) 

8—83, 2500 2750 22.8 (+) 
HI, 918 2750-3000 30.9 (4) 
U, 93,43 3C00— 3250 81.4 DN 
y3/,— 108/3 3270 — 3500 32.5 (9) 


103/— IG At -—- 8750 34.9 (3) 


— — EEN — 


(ER Wl ZWOU). 5250 34.9 (3) 
bp 4250—4000 21.9 (1) 


Die Zunahme der Strahlung zeigt einen recht gleichmässigen Verlauf, 
der mehr von der Tageszeit als von der Höhe abhängig zu sein scheint. 
Leider ist gerade Mittags dem Aktinometer nicht die nöthige Aufmerksamkeit 
geschenkt, besonders wohl in’ Folge der Beobachtung der Wolken. Ein 
sprungweises Anwachsen der Strahlung zeigt sieh nur in 2700 m Höhe. 
Ob dies auf eine Lücke in der Cirro-Stratus-Decke zurückzuführen ist — 
zeitweilig hoben sich die Cirren sehr scharf vom Himmel ab, während sie 
meist verwaschen aussahen — oder ob Riückstrahlung von einer Dunst- 
schicht mitgewirkt hat — muss unentschieden bleiben. 


Süring u. Berson: Die XV. Fahrt des Ballons „Phönix“ am 1. Juli 1894. 51 


Gewitterbildung. 

Am Tage der Ballonfahrt entwickelten sich über Deutschland zahl- 
reiche, meist aber schwache und engbegrenzte Gewitter. Schon um 10 Uhr 
früh werden solche aus Vorpommern gemeldet, im Ballon wurde um 12 Uhr 
43 Minuten der erste Donner von dem über dem Harz sich entwickelnden 
Gewitter gehört. Die Donner wiederholten sich dann in langen Zwischen- 
räumen bis 3 Uhr, abgesehen von zwei Perioden häufigeren Donners von 
142 —1°/s Uhr und um 2!/2 Uhr. Da das Harzgebirge, von 3 bis 4000 m 
gesehen, vollständig in Wolken eingehüllt war, so konnte über den 
Gewitterleerd nichts Genaues festgestellt werden. Der Ballon zog zuerst 
ziemlich parallel den Gewitterwolken von Ost nach West, bog jedoch seit 
t Uhr mehr und mehr nach WNW um, während die Wolken nach WSW 
zu ziehen schienen. Um 2!/eP konnte man ein neues Gewitter über dem 
Solling (Uslar meldet Ferngewitter aus E von 2°° bis 2°® ) und später ge- 
witterhafte Wolkenbildungen über der Ebene im NE und N sich entwickeln 
sehen. Aus dem Harz meldet Herzberg den ersten Donner um 12%% , 
Klausthal das erste (Fern-) Gewitter un 11/4, Katlenburg, im SW des 
Harzes gelegen von 1” bis 1*°P, Göttingen (noch weiter südwestlich) 11%. 
Man könnte nach den letzten drei Meldungen einen ausgeprägten Gewitter- 
zug vermuthen, wenn nicht ein Bericht des Gewitter - Beobachters in 
Katlenburg an das Preuss. meteorologische Institut interessante Einblicke 
in die Entwicklung dieser Erscheinung thäte. Der Beobachter, Herr Lehrer 
Rokahr schreibt. „Das erste Gewitter schien sich etwa um 1'/4P über dem 
Harz zu bilden und hörten die elektrischen Erscheinungen beim Herannahen 
an die Station auf... .. Ein leichter Wind aus E zerstreute darauf die 
Gewitterwolken vollständig. Bald darauf bildete sich über der Station eine 
kleine Regenwolke und es fiel in 3 Minuten anhaltender Regen (210—213 ), 
Wenige Minuten später verdichteten sich die Wolken vor dem Langfast 
(einem kleinen Hügelrücken) und zogen als ziemlich starkes Gewitter (2?°P ) 
in westlicher Richtung (d. h. nach West) ab“. 

In ganz ähnlicher Weise werden sich die Gewitter allgemein an 
jenem Tage gebildet laben, wie dies ja auch dem bekannten Charakter 
der Ostwind-Gewitter entspricht. Die schwache Entwicklung derselben 
steht mit den im Ballon angestellten Beobachtungen in vollem Einklang, 
denn bei der durchschnittlich kaum 0°.8 auf 100 m betragenden verticalen 
Temperatur - Abnahme konnte ein labiles Gleichgewicht nur auf kleinen 
Gebieten zur Ausbildung kommen. Die Entstehung der Gewitter ist wohl 
ausschliesslich einer Ueberhitzung der unteren Luftschichten zuzuschreiben; 
Uebersättigung oder Ueberkaltung, deren Bedeutung für die Gewitterbildung 
in dieser Zeitschrift (Jahrg. 1892. S. 192) eingehend dargethan ist, sind an 
diesem Tage wohl nicht zur Geltung gekommen, denn es ist kaum an- 
zunehmen, dass bei dem — deutlich beobachteten — Durchgang der Cumuli 
durch zwei Wolken- oder Dunstschichten eine erhebliche Verzögerung 
des Aggregatzustandes möglich war. Das Beobachten einer Luftdruckstufe 


62 Süring u. Berson: Die XV. Fahrt des Ballons „Phönix“ am 1. Juli 1894. 


in Klausthal (1P: 719.0, 18%: 719.9, 2P: 719.1 mm) ist sicherlich nur ein 
Schreibfehler, da Temperatur und Feuchtigkeit keine nennenswerthen 
Aenderungen aufweisen. 

Die Höhe, bis zu welcher sich die Gewitterwolken erstreckten, wurde 
vom Ballon aus auf mindestens 6000 m geschätzt. In dieser Region war 
ein Auflösen der Wolken deutlich erkennbar; vermutlich durch Mischung 
verflachten sich hier die hoch aufstrebenden Cumulusköpfe und es bildeten 
sich an ihrer Stelle sanfte Kuppen mit hellglänzenden abschmelzenden 
Rändern. Das Gewölk nahm im Laufe des Nachmittags immer mehr ver- 
waschene Gestalt an, nur die glänzenden Ränder hoben sich scharf von 
der Masse ab. 

Windvertheilung. 

Die Flugbalın des Ballons und damit die Windvertheilung wurde von 
meinem Kollegen Berson während der Fahrt sehr genau festgestellt durch 
Identifieirung einer grossen Zahl von Punkten, welche senkrecht überflogen 
wurden. Nur über dem südlichen Hannover und über Lippe kunnte aus 
Mangel an Karten nicht die gleiche Genauigkeit wie vorher erreicht werden. 
Das Ergebniss zeigt die folgende Zusammenstellung. 

Tabelle VII. 

















É ols Etl 
Zeit Höhe | = = SS al de 
ei Di zo. aus 
| CSS | vz 

21. Ais | 835-441 | 238l 3.2 | ENE 
41 Aën 111 -738 590 44 ; PNE 
Aa — qita 738-882 Si 6.5 ENE 
441—457a | 882-122 952. 74 ENE 
451 - Ha 1022—1082 , 1052 54, ENB 
bm — A3la | 1082-1226 1154 Gu, E 
b21_ ban 1226-1481 : 1354 | 78 EÈ 
b0 Ga | 1481—1650 I 1565: 70 |! E 
6 Ha 1650-1901, (in 69 E 
691, —7 Pa 1901—2354 2127, 58 . ENE 
"in gefa | 2354—2578 ` 2466 | 6.4 NE 
82, — 533a | 2578- 2727 1 2654, 79 2 NE 
bi Dia , 2727—2917 25822 | 7.2 NE 
915- 52a 2917—3248 "Mi 70 NE 
992 — pa | R248— 83350 3200 Dn ENE 
1081122, 3550-3580 28 5.1 ENE 
11°"—11315R 3580—8591 3735 ı 6.7 ENE 
1134 — [26a 3801-4075. 8083 | 5.9 E 
(18 —24p | 475-4065. 4570 ni E 
24 — Ah 4665-4768 A716 5.6 E 
20. Rp |l 4768—5020 4894; 5.5 ESE 
ei 411p | 5020 -5153 mp Gi ESFE 
41 — (21 (bist 5070 5112 771 ESE 
421 6!p Ä DUTO -600 i 2432. 3.8 | E 


Mittel 2 N PETER EEE hd 


Süring u. Berson: Die XV. Fahrt des Ballons „Phönix“ am 1. Juli 1894. 53 


Wie die übrigen Elemente weist auch der Wind ein recht ungleich- 
mässiges Verhalten auf. Die Windrichtung, welche aus dem Fahrt-Diagramm 
der Tafel I unmittelbar erkennbar ist, ist im Mittel eine rein östliche; der 
Landungsplatz des Ballons liegt, abgesehen von dem Längen-Unterschied, 
nur 50 km südlich von Berlin. In der ersten Hälfte des Tages zieht 
der Ballon meist nach WSW — ein Grund für die Ausbuchtung nach W 
zwischen Potsdam und Magdeburg ist nicht ersichtlich -— seit Mittag nach 
W bis WNW. Der Curs am Nachmittag scheint vorwiegend durch das 
Gewitter bedingt zu sein. Am Erdboden kommt der Wind meist aus NE. 

Die Windgeschwindigkeit blieb während des ganzen Tages unten sehr 
schwach, in Potsdam schwankte sie von 3° bis 6? nur von 1.4 bis 3.8 m. 
p. s., in Magdeburg von 5—11? von 0.0 bis 2.4 m. p. s. In geringen Höhen 
zeigt sich ein ziemlich rasches Anwachsen der Windstärke bis auf etwa 
7m. p. s. in 1000 m Höhe, darauf ein mehrfaches Schwanken zwischen 5 
und 8 m, aber doch im Allgemeinen die Neigung des Windes immer mehr 
abzuflauen. Besonders auffallend ist dies zwischen 4000 und 5000 m, wie 
dies die folgende Gruppirung zeigt: 


Zeit Höhe Windgeschw. 
33, — 5a 0— ICON m 4.7 m. p. 8. 
SEL 1— 2000 6.8 
T—- 91/58 2-- 3000 DN 
g91',.-128 3 — 4060 6.4 
12---4p d — bOCu 5.9 


Vielleicht sind diese Werthe durch einen täglichen Gang der Wind- 
geschwindigkeit, wie man ihn auch auf Bergen gefunden hat, etwas be- 
einflusst. Ueber 5000 m nimmt die Windstärke rasch zu (Mittel 7 m. p. s.), 
aber nach den vorher gefundenen Unregelmässigkeiten kann man aus den 
zwei über 5000 m gewonnenen Zahlen nicht viel schliessen. Unerwartet 
klein ist endlich der für den Abstieg geltende Mittelwerth von 3.8 m. p. s. 
für die Gesanmtschicht 5265 bis 600 m. 

Im Vergleich zu dieser schwachen horizontalen Bewegung muss der 
verticale Austausch ziemlich kräftig gewesen sein. Einen Anhalt, wenn 
auch kein absolutes Mass hierfür bietet die Geschwindigkeit des Aufsteigens 
der Cumuli nach der Zeit zwischen dem Durchsetzen zwei Dunstschichten. 
Letzteres trat bei den Wolken am Harz ein um 10’/s und 10%, Uhr, 
woraus sich unter Annahme einer Entfernung beider Schichten von 1500 m 
eine Geschwindigkeit vun 0.8 m. p. s. ergiebt. Aus der Zeit der ersten 
allgemeinen Cumulusbildung um 9'/s* in etwa 800 m bis zu ihrer grössten 
Entwicklung um ol af in mindestens 6000 m Höhe findet man 0.5 m. p. s., 
wobei zu bedenken ist, dass das Aufsteigen in grösseren Höhen sicher 
langsamer erfolgt ist. 

Wie zu erwarten war, hat die Diskussion dieser Ballunfahrt keine 
direkt überraschenden metevrologischen Ergebnisse zu Tage gefördert, aber 
die genaue Feststellung der Tha’sachen wird doch vielleicht etwas beitragen 
zur Bestätigung und Erweiterung unserer kenntnisse von den Vorgängen 
in einer stationären Anticyklone. 


54 Börnstein: Verhalten d. Luftballons nach Erreichung d. Gleichgewichtshöhe. 


Das Verhalten des Luftballons nach Erreichung der Gleichgewichtshöhe. 
Von Prof. R. Börnstein. 


Zu den behaglichsten Situationen, welche der Naturforscherberuf 
bieten kann, gehört das Beisammensein der Luftfahrer, welche einen 
glücklichen Flug soeben vollendet haben. Die Landung ist ohne Unheil 
gelungen, der Ballon entleert, verpackt und an der nächsten Balınstation 
zur Heimreise abgeliefert, nicht minder auch die telegraphische Nachricht 
von der „glücklichen Niederkunft“ nach Hause gesendet, und nun dürfen 
Ballonführer und Beobachter in Ruhe sich den gewonnenen Eindrücken 
hingeben; es gehen an der Erinnerung nochmals vorüber die sonnen- 
beglänzten Fluren, das worende Wolkenmeer, die Aureole und alle die 
heute geschaute Pracht, und, wie es bei richtigen Deutschen und richtigen 
Gelehrten nun einmal unvermeidlich scheint, es werden Lehrsätze aufgestellt 
und Theorien verfochten, die heutigen Manöver besprochen und Nutz- 
anwendungen daraus gezogen. 

Bei einer solchen Gelegenheit musste ich bemerken, dass in meinen 
Kenntnissen von der Luftschiffahrt eine recht bedauerliche Lücke vorhanden 
war, und zwar in Bezug auf den in der Ueberschrift genannten Gegen- 
stand. Und indem ich die Belehrung, welche ich damals von Herrn 
Berson erhielt, hier niederschreibe, geschieht es in der Meinung, dass 
es vielleicht einigen; meiner Fachgenossen erwünscht sein möchte, sich klar zu 
werden über einen Vorgang, der jedem eıfahrenen Ballonführer vertraut ist. 

Befindet sich in einer Flüssigkeit ein Körper, welcher weniger wiegt 
als die von ihm verdrängte Flüssigkeitsmenge, so hat er „Auftrieb“ und 
steigt, wenn er frei beweglich ist, empor. Handelt es sich dabei um eine 
tropfbare Flüssigkeit, so wird der Körper erst an deren oberer Grenze 
zu steigen aufhören. Befindet er sich aber in Luft, so kommt der Umstand 
in Betracht, dass die Dichte der Luft nach oben hin geringer wird, und 
dass also die von demselben Körper verdrängte Luftmasse um so weniger 
wiegt, je höher der Körper schon gestiegen ist. Er wird demnach in einer 
gewissen Höhe mit Steigen aufhören, dort nämlich, wo sein eigenes Ge- 
wicht gerade demjenigen Jder verdrängten Luft gleichkommt. Erreicht der 
aufsteigende Körper diese Höhenlage mit einer gewissen Geschwindigkeit, 
so führt ihn sein Beharrungsvermögen darüber hinaus. Er kommt dann in 
Luftschichten, deren Dichte so gering ist, dass sein Gewicht dasjenige der 
verdrängten Luft übersteigt und ihn also wieder zum Sinken bringt. So 
passirt er in der Richtung nach unten nochmals die Gleichgewichtshöhe, 
diesmal mit geringerer Geschwindigkeit, steigt dann wieder, vom Auftrieb 
gehoben, zu ihr emp.r, und bleibt nach einigen verticalen Schwingungen 
schliesslich in der seinem specifischen Gewicht entsprechenden Höhe schweben. 
Dies Alles gilt aber nur für einen unveränderlichen 
Körper, und ein solcher (st der Luftballon nicht. 


Börnstein: Verhalten d. Luftballons nach Erreichung d. Gleichgewichtshöhe. 55 


könnte man die Gasfüllung des Ballons in eine starre Hülle ein- 
schliessen, so dass das Gas weder zu entweichen noch sich auszudehnen 
vermöüchte, hätte man also einen Ballon von constantem Gewicht und 
constantem Volumen, dann würde die vorstehende Betrachtung ohne Weiteres 
auf diesen Luftballon anwendbar sein. In Wirklichkeit ist aber bekanntlich 
keine Ballonhülle stark genug, um beim Emporsteigen die Ausdehnung des 
unter geringern Druck kommenden (ases zu hindern; will man die Hülle 
gegen Zerplatzen sichern, so muss der Füllung entweder das Entweichen 
oder die Ausdehnung möglich sein. 

Nehmen wir zuerst das Letztere an und denken uns einen Ballon aus 
elastischen Stoff gefertigt, aber ohne Oecffnung, so würde er sich beim 
Aufsteigen in demselben Masse ausdehnen, wie die Dichte der umgebenden 
Luft abnimmt. Er hätte dann unveränderliches Gewicht und veränderliches 
Volumen. Da die Dichte des Gases und der äusseren Luft sich beim Auf- 
stiege in gleichem Masse ändern, so bleibt das Gewichtsverhältniss zwischen 
Gasfüllung und verdrängter Luft unverändert; das Gewicht der Gasfüllung 
nahmen wir als unveränderlich an, und also ist auch die Differenz beider 
Gewichte (verdrängte Luft minus Gasfüllung), d. h. der Auftrieb keiner 
Aenderung beim :Emporsteigen unterworfen. Ein solcher Ballon würde 
also mit unverminderter Steigkraft in beliebige Höhen empordringen. Wie 
man für diesen Fall Netz, Auslaufleinen u. s. w. abändern müsste, brauchen 
wir aber nicht zu erwägen, denn 

Leicht bei einander wohnen die Gedanken, 
Doch hart im Raume stossen sich die Sachen. 

Dieser ideale Ballonstoff wird in absehbarer Zeit wohl nicht fabricirt 
werden. 

Darum hat man bekamntlich dafür gesorgt, dass beim Aufstiege das 
sich ausdehnende Gas theilweise aus dem Ballon entweichen kann; durch 
die im unteren Ansatz befindliche Oefinung nämlich tritt soviel Gas heraus, 
dass im Innern stets der gleiche Druck herrscht, wie aussen, und dass 
immer nur soviel Gas den Ballon anfüllt, als nöthig ist, um die Hülle prall 
und gespannt zu erhalten. Es hat also in Wirklichkeit der aufsteigende 
Ballon unveränderliches Volumen und veränderliches (nämlich abnehmendes) 
Gewicht. Wer nun meint, dass abnehmendes Gewicht mit vermehrter 
Steigkraft verbunden sein müsse, dem sei erwidert, dass genau in demselben 
Masse wie die Dichte der (rasfüllung auch diejenige der umgebenden Luft 
nach oben hin geringer wird, oder dass ebenso rasch wie das Gewicht der 
Gasfüllung auch das Gewicht der verdrängten Luft abnimmt. Wenn aber 
diese beiden Gewichte in einem gewissen (und zwar gleichen) Verhältniss 
kleiner werden, so muss auch ihre Differenz in dem nämlichen Verhältniss 
abnehmen, und diese Differenz ist der Auftrieb, die Steigkraft. Zahlen- 
mässig können wir dasselbe Ergebniss herleiten, wenn wir erwägen, dass 
Leuchtgas etwa halb so viel wiegt, als atmosphärische Luft, also auch halb 


56 Börnstein: Verhalten d. Luftballons nach Erreiebung d. Gleichgewichtshöhe. 


so viel, als die verdrängte Luftmasse; und zwar bei jedem beliebigen Druck 
oder in jeder Höhe. 

Da nun der Auftrieb des Gases gleich der Gewichtsdifferenz zwischen 
verdrängter Luft und Gasfüllung ist, so kann man auch sagen, dass eine 
Leuchtgasmasse im Stande ist, eine ihrem eigenen Gewichte gleichkommende 
Last mit sich emporzuheben. Und weil beim Aufsteigen ein beständiger 
Gasverlust stattfindet, so wird das im Ballon vorhandene Gasgewicht immer 
kleiner, ebenso auch die Last, welche von ihm gehoben werden kann. 
Unverändert bleibt dabei aber das Gewicht der thatsächlich gehobenen Last 
(Hülle, Netz, Korb sammt Inhalt), und darum muss, falls nicht durch 
Ballastwerfen diese Last vermindert wird, der Ballon seine Gleichgewichts- 
lage in derjenigen Höhe erreichen, bei welcher das Gewicht der Gasfüllung 
herabgemindert ist bis auf das Gewicht der mitgeführten Last. 

In dieser Gleichgewichtshöhe wirken also Auftrieb und Schwere 
gleich stark auf den Ballon und heben einander auf. Ist er hier einmal 
zur Ruhe gelangt, so kann die geringste Kraft ihn auf- oder abwärts 
bewegen. In Wirklichkeit erreicht er aber diese Höhe meistens mit einer 
Geschwindigkeit, welche gross genug ist, um ihn unter Mitwirkung des 
Beharrungsvermögens noch eine kleine Strecke über jene Höhe hinaus- 
zuführen. Und sobald dies eingetreten ist, hat er wiederum Gas verloren, 
und es wiegt jetzt das noch vorhandene Gas weniger, als die Last des 
Ballons, oder, was dasselbe sagt, es enthält der Ballon jetzt weniger Gas, 
als zu seinem Tragen in irgend einer Höhe notnwendig ist. Er fällt also 
herab, nicht blos bis zur Gleichgewichtshöhe, sondern, falls kein Ballast 
ausgeworfen wird, bis zur Erde, denn die Gasfüllung kann nur eine ihren: 
eigenen Gewichte gleichkommende Last tragen und wiegt jetzt weniger als 
das Ballonmaterial. Und hierin wird natürlich nichts geändert, wenn beim 
Herabfallen die Gasfüllung dichter wird (ebenso wie die umgebende Luft), 
denn die Gasmasse, welche beim Aufsteigen verloren ging, tritt im Herunter- 
fallen nicht wieder ein, sondern der Ballon wird schlaf. Er steigt mit 
constantem Volumen und abnehmendem Gewicht, er fällt dagegen mit ab- 
nehmendem Volumen und constantem Gewicht. Sein Auftrieb bleibt im 
Fallen unverändert zu klein für das Gewicht des Ganzen, und nur eine 
Verminderung der Last kann den Fall aufhalten. Solche Verminderung erreicht 
man durch Auswerfen von Ballast bei dem von Menschen geführten Ballon. 

Ein unbemannter Luftballun oder ein solcher, der keinen verfügbaren 
Ballast mehr hat, fällt. wenn er einmal zu sinken begann, endgiltig bis 
zur Erde. 

Im Interesse einer einfachen Darstellung habe ich es unterlassen, in 
der vorstehenden Erörterung den Einfluss der Temperatur zu berücksichtigen, 
wie er namentlich als Folge von Strahlung auftritt. Es kann dadurch 
aber nur eine vorübergehende, keine dauernde Aenderung der geschilderten 
Einzelheiten bewirkt werden. 


Lorenz: Die Anwendung aceumulirter Kräfte in der Flugtechnik. 57 


Die Anwendung accumulirter Kräfte in der Flugtechnik. 
Von Karl Lorenz. 


Man verwendet mit Vorliebe überall dort, wo stark schwankende Kraft- 
leistungen zu bewältigen sind, das System der Accumulatoren, indem man 
die dem Durchschnittsverbrauche angepasste Arbeitsleistung constant wirken- 
der Maschinen in irgend einer Form aufspeichert und für die Zeit des stärksten 
Kraftverbrauches bereit hält. Man erzielt dadurch, trotz der Verluste, welche 
mit der Verwandluung und Aufspeicherung der Arbeit verbunden sind, einen 
ökonomischen Betrieb bei verhältnissmässig einfachen Anlagen. 

Demgemäss ist. wohl auch die Frage berechtigt, ob es nicht vort.heilhaft 
wäre, dabei angesammelte Arbeit mit Aussicht auf Erfolg in der Flugtechnik 
zur Anwendung zu bringen. | 

Der einfachste Bewegungsmechanismus, welcher bisher zur Lenkung 
von Ballons, zur Hebung oder Fortbewegung von Luftfahrzeugen in Aus- 
sicht genommen wurde, ist ohne Zweifel die Luftschraube, welche mit einer 
einfachen, drehenden Bewegung stets die volle Fläche zur Wirkung bringt 
und mit welcher nach den angenommenen Versuchen stets ein verhältniss- 
mässig guter Wirkungsgrad erzielt werden konnte. 

Professor Wellner in Brünn hat nach seinen veröffentlichten Versuchs- 
resultaten !) mit kleinen Luftschrauben von ca. 1 m Durchmesser das günstigste 
Ergebniss mit Modell Nr. VI, einer zweiflügeligen Schraube mit windschief 
gestellten Flächen erzielt, welche bei einem Arbeitsbedarf von 1,665 smgk 
pro m” Flügelfläche einen Auftrieb von 1,11 kg erzeugte. 

Um mit derartigen Schrauben bei derselben Umlaufsgeschwindigkeit 
von 5 Secundenmetern im Druckmittelpunkte ein Gewicht von 1000 kg in 
Schwebe halten zu können, würde man nur 1500 smkg oder 20 HP nöthig 
haben, wobei allerdings eine Fläche von 900 m? verwendet werden müsste, 
welche der Zahl von ca. 10000 solcher Schrauben mit je 0,089 m? Flügel- 
fläche entspricht. 

Will man mit kleinen Schrauben practische verwendbare Versuche er- 
zielen, so muss unbedingt die Tourenzahl derselben bedeutend erhöht werden 
und man gelangt bei Verfolgung dieses Principes zur Theorie, welche In- 
spector Jarolimek aus Göding in seinem Problem dynamischer Flugmaschinen 
aufgestellt hat?). 

Der genannte Verfasser hat auch die Wellner’schen Schraubenversuche 
einer kritischen Besprechung unterzogen?) und gefunden, dass die von 
Wellner ermittelten Werthe des erzielten Auftriebes und der hierzu erforder- 
lichen Secundenarbeit sich durch Relationen von der Form 

K=av und E=bı" 


EE Lg we [un - 


1) Zeitschr. des österr. Ingenieur- und Architekten-Vereins, 1894 Heft 83 u. 34, 
3) Z. d. öst. I- u. A.-V. v. 98 Heft 80 u. 81. 
3) Z. d. öst. I- u. A, V. v. 94 Heft 48. 


DS Lorenz: Die Anwendung acceumulirter Kräfte in der Flurtechnik. 


darstellen lassen, worin e die Üindrehungsgesehwindiekeiten im Druckmittel- 
punkte, a. Är, au und m empirisch ermittelte, constante Zahlen bedeuten. Nach 
R. v. Loess!'’s Formeln, wech natürlich Speerlalwertlie dieser Gleichungen 
darstellen, wäre 

d l) 


K-:e ' Raiuoageug gc md E =r F sin? aur? 


1 A 

Man ersieht daraus, dass a und b von der Form der Flügel (ec), dem 
von der Temperatur und dem Barometerstande abhängigen Luftgewichte (y), 
dem (Juadratmesser der Schraubenfläche (F) und dem sin resp. cos des 
Neigungswinkels abhängt. Nun ergeben Loessl’s Formeln meist andere 
Zahlen für A und E, als die Versuche. Es soll dadurch der Werth und 
die (Genauigkeit derselben nicht im geringsten in Frage gestellt werden, 
sondern man erreicht nur, dass die localen Einflüsse und die lebhafte An- 
regung, in welche die Luft durch den Umlauf der an einem Orte rotirenden 
Flügel versetzt wird, die Werthe dieser Constanten «, b, m und n stark 
beeinflussen. 

Für das Wellner ache Modell Nr. VI hat Herr ‚Jarolimek die Con- 
stanten berechnet und gefunden: 

a) nach den empirischen Formeln 
K = 0,09.” E = 0,0246 1° 

b) nach R. v. Tess s Formeln bei der Annahme ce 1l 
K = 0,0218 7° E 0,00636," 

Wie dem immer sei, die nöthige Secundenarbeit steigt mit einer höheren 
Potenz von v, als der Auftrieb und man wird die Geschwindigkeit über 
einen gewissen Punkt nicht erhöhen können, ohne die Veconomie der ganzen 
Maschine zu verringern. 

Es bleibt noch der Ausweg, die Dimensionen der Schrauben bedeutend 
ZU vergrössern. 

T'hatsächlich hat Professor Wellner bei seinen im Herbste 1895 vor- 
genommenen Versuchen mit grossen Schrauben bei einer Schraube von 6 m 
Durchmesser und schmalen, libellenflügelartigen Flächen äusserst günstige 
Resultate erzielt, indem er mit einer nur 20 kg schweren Construction bei 
einem Arbeitsaufwande von 11/4 HP einen Auftrieb von 65 kg erzeugte. 
Aber selbst bei Anwendung derartiger Schrauben, welche mit 150 Touren 
in der Minute laufen, wäre zur Hebung von 1000 kg bei einem Kraftautf- 
wand von 19!1/; HP 92 m? nöthig, oder, da das Quadratmaass einer Schraube 
6 m? betrug, die Anzahl von 15 derartigen Colossen. 

Man wird deshalb trotz der Vergrösserung der Dimensionen auch 
noch die Tourenzalıl, selbst auf die Gefahr eines ungünstigen Nutzeffectes 
hin, zu erhöhen suchen. 

I) „Die Luftwiderstandsgesetze" von Frietiich Ritter von Loessl, Wien 1959y, 
Alfred Hölder. 


Lorenz: Die Anwendung acenmulirter Krätte in der Flugtechnik. 59 


Alle diese Versuche wurden angestellt mit Schrauben, welche die Lage 
ihrer Achse nicht veränderten und ist es deshalb unstatthaft, aus den Ver- 
suchsergebnissen sichere Schlüsse bezüglich des Steigens derartiger Maschinen 
in freier Luft zu zielen. Beim freien Fluge ändern sich die Verhältnisse 
zweifellos. Die Störungen durch die Umgebung finden nicht mehr statt. 
Die Beeinflussung durch die bewegten Luftmassen enthält zum Theil, da die 
Flügel ihre Arbeit stets in freien Luftschichten leisten, und die wirksamen 
Neigungswinkel werden kleiner, wodurch allerdings eine grössere Fläche 
bedingt wird. Mau kann annehmen, dass man bei günstigen Constructionen, 
insbesondere bei Wall langer, schmaler Flügel mit schwach gewölbten 
Flächen die Maximalweıtlie der Loessl’schen Formeln zu erreichen im Stande 
ist und bei richtiger Dimensionirung nicht weit von den voraus berechneten 
Durchschnittswerthen abweichen wird. 

Führt man die Berechnung pach der Methode, die Inspector ‚Tarolimek 
in Nr. 30 und 31 der Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Archi- 
tecten-Vereins v. 1893 angegeben hat, durch, wobei die Loessl'’schen Formeln 

N 7 "= F sina (Normaldruck) 

G —= N ewu (Auftrieb) 

P = N sina (Horizontaldruck) 

A = Pr- i vtya (Arbeit) 
als Grundlage gelten, so erhält man, da der wirk- 
same Neigungswinkel «—, die Geschwindigkeit « 


v . a D ae ` > 
== —— und die Steighöhe w —= vty ò wird, unter 





CONS 9 
g Y LI, l s 
Voraussetzung, dass - = > ist, die Gleichung 
H g 8 ? ” 
KM 


Te 

H cos? d 

Berechnet man unter der Annahme einer verfügbaren Kraftvon 50 HP 
und einer zu erreichenden Steighöhe von 1'/z Secundenmetern die nöthigen 
Neigungswinkel und den Flächenbedarf für ein zu hebendes Apparatgewicht 
von 800 kg, so erhält man die im nebenstehenden Diagramme zusammen- 
gefassten Wertlie, welche natürlich nur annähernd richtig sind, da sie sich 
auf die Verhältnisse im Durchschnittspunkte beziehen und die volle Giltig- 
keit der Loessl’schen Formeln für Schrauben voraussetzen, was allerdings 
erst durch die Praxis bewiesen werden müsste Absolute Geltung haben 
diese aber für lange, schmale und in der Bewegungsrichtung concave 
Drachenflächen. Fig. 2 8. S. 60. 

Immerhin belehren uns diese Ergebnisse über die Ziele, welche wir 
erreichen können, und geben uns practisch verwendbare Resultate. 

Man könnte nun allerdings eine kleinere verfügbare Arbeit annehmen 
und erhielte dann selbstverständlich kleinere Neieungswinkel, welche die 


BU Lorenz: Die Anwendung areumulirter Kräfte in der Flugteehnik, 


Construction derartiger Schrauben schwieriger gestalten würden: gleichzeitig 
wirde auch ein Anwachsen der Geschwindigkeit oder Flügelfläche erfolgen 
müssen. 





Aus praktischen Gründen wird man das Flächenmaass der Schrauben 
entsprechend herabmindern und demzufolge auch grössere Neigungswinkel 
bei einer immer noch hohen Tourenzahl wählen müssen. Man wird dann 
aber auch eine verhältnissmässig grosse Arbeitsleistung aufzuwenden haben, 
um das Steigen eines Flügelapparates zu bewerkstelligen und würde im vor- 
liegenden Falle 34 HP zum Schweben und 16 HP zur Hebung von 800 kg 
nöthig haben. Diese Anforderungen bedingen natürlich ein ausnehmend ge- 
ringes Motorengewicht, welches pro Pferdekraft nur mit 8—10 kg zu be- 
messen sein wird. Die Antriebsmaschinen der Torpedos genügen nun diesen 
Ansprüchen vollständig. Dieselben leisten bei einem Gewicht von 80 kg 
50 HP durch Tt Minute und bestehen aus 3 bis 6 radial angeordneten Cy- 
lindern von 3°/s' engl. Durchmesser. Die Kolben wirken bei einer Ge- 
schwindigkeit von 5,6 m auf eine gemeinschaftliche Kurbelwelle. Die Be- 
triebskraft wird in Form von comprimirter Luft bei einem Drucke von 
100—150 Atmosphären in einem ungefähr 300 kg schweren Stalilbehälter 
von ca. 2!/s m Länge und 45 cm äusseren Durchmesser mitgeführt. 

Wegen der Schwere des Behälters und der comprimirten Luft liessen 
sich mit Hilfe einer derartigen Maschine zwar nicht langdauernde Fahrten 
ausführen, wohl aber mit sehr geringen Kosten alle Ver- 
suche anstellen, welche zur Klärung der zweifelhaften Punkte un- 
umgänglich nöthig sind. Auch wären unter Benutzung der eingangs erwähnten 
Steigschrauben Vorkehrungen möglich, welche besteliende Systeme von Flug- 
apparaten bedeutend verbessern würden. 


Lorenz: Die Anwendung accumulirter Kräfte in der Flugtechnik. 6i 


So könnte unter Beigabe dieses Motors ein nach Platte’s System der 
theilweisen Entlastung ausgeführtes Tanftschiff bei einer Weberwucht von 
1000 ke und den Dimensionen der „la France“ sich frei vom Boden erheben 
und noch eine constant wirkende Maschine von 25 bis 30 HP mitführen, 
welche eine Horizontalgeschwindigkeit von mehr als 10 m gestatten würde. 
Ein solches Schiff hätte wegen seiner grossen Dimensionen noch manches 
Unangenelhme, wäre aber für militärische Zwecke sicher mit Erfolg zu 
verwenden. 

Ferner wird man, da weder hohe Türme für ein segelndes Schiff, noch 
weite Flächen für den Drachen zur Verfügung stehen, zu einem Mittel 
greifen müssen, welches das rasche Ansteigen eines Apparates, der mit 
keinem Ballon ausgestattet ist, zulässt; zu einer selbstständigen, 
nur vorzuspannenden Aufflugmaschine. 

Wegen des geringen Maschinengewichtes pro Pferdekraft. können der- 
artige Constructionen wohl das Doppelte ihrer Last in die Höhe heben und 
entfällt bei Anwendung derselben das Mitführen von Auftriebsmechanismen, 
welche eine bedeutende Vermehrung der toten Last des Luftschiffes herbei- 
führen. Die leichten und schwach dimensionirten Apparate können für 
kurze Zeit sicher bei foreirter Arbeitsleistuag wirken und ist es 
gestattet, für alle beweglichen Theile des Apparates (seschwindigkeiten vor- 
zuschlagen, welche für die Dauer wohl schwerlich zur Geltung gebracht 
werden könnten. Selbstredend müssen in diesem Falle die gewällten Flächen- 
dimensionen des Flugapparates im Vereine mit der verfügbaren Betriebs- 
kraft desselben hinreichenden Schutz vor einem unsanften Anprall an die 
Erde beim Landen gewähren. 

Bezüglich der früher erwähnten Versuche sei es gestattet an einem 
kleinen Beispiele zu zeigen, dass dieselben nicht nur interessant gestaltet 
werden, sondern auch in anderer Weise nützliche Resultate ergeben können. 

Die heute verwendeten Torpedo’s haben bei einer äusserst günstigen, 
durch unzählige Versuche und Erfahrungen vorzüglich entwickelten Form 
einen grössten Durchmesser von 45 cm oder eine grösste Querschnittsfläche 
von 0,15904 m. 

Der Reductionscoefticient, welcher für die „la France“ mit !/s gefunden 
wurde, kann für diesen starren, polirten Körper sicher mit 1/10 angenommen 
werden, obwohl er wahrscheinlich viel weniger (30) betragen dürfte. 
Wenn man die verfügbare Kraft von 50 HP zur Hälfte ausnützen könnte, 
also z. B. Schrauben verwenden würde, welche 50°, Nutzeffeet geben, so 
könnte ein derartiges, in die Luft lancirtes Torpedo mit einer Geschwindig- 
keit von rund 100 m laufen oder in 30 Secunden einen Weg von 3 km 
zurücklegen. Würde der Nutzeffect mit nur !/3 angenommen, die von der 
Schraube abgegebene Arbeit also ca. 17 HP sein, so wäre immerhin noch 
eine Geschwindigkeit von 87 m zu erreichen, was einem in Uz Minute 
zurückgelegten Wege von 21/2 km entsprechen würde, 


62 Lorenz: Die Anwendung aceumulirter Kräfte in der Flugtechnik. 


Hierbei wurde allerdings das 400 bis 500 ke betragende Gewicht 
des Torpedos nicht berücksichtigt. Angenommen. es wurde dieser Flug- 
körper mit einer Flugfläche, welche widerstandslos gedacht sei, ausgestattet, 
so wird derselbe dem Einsinken in die Luft einen gewissen Widerstand 
entgegensetzen. Nach R. v. Loessl's neuestem Werke’), das in seiner 
Klarheit und Sicherheit der Schlusstolgerungen auf diesem Gebiete wohl 
einzig dasteht, wird der in Folge der Schwere pro Secunde resultirende 


r 


Höhenverlust nicht nach der Formel V mar - | zu behandeln sein, 


I 4 
Fx 
sondern man wird für A eine ideelle Fläche einzuführen haben, welche 
gleich ist der Summe aus dem (madratmaasse dieser Fläche F und dem 
Producte aus der Geschwindigkeit nnd Breite dieser Fläche. Für diese 
Formel wurde zwar ein vollkommen sicherer Beweis nicht erbracht; aber 
wenn man nur die als Kinderspielzenge gebrauchten Papierpfeile in ihrer 
Wirkung betrachtet, ist man von der Richtigkeit derselben überzeugt. 

In dem gegebenen Beispiele wäre die Neigung bei einer nur 8 m 
breiten Fläche von 8 m” 


V vertical a V (o 
7) == Br e n 1 == a N ; SE 
e horizontal I yE -b e’) 


l 5009,81 | | 
=== eege gek WE E d Fer en UL. 023 
1,2187 99,8- -- B © 95, 8°) : 


RTE 
bezw, = V- P T ; Ee 002 
1,2137 eet rte E) 


der Neigungswinkel ò also rund 1° 19° bezw. 1°34. 

Der Höhenverlust wäre demnach pro Kilometer 23 bezw. 27 m. 

Wollte man eine horizontale Bahnlinie hervorbringen. so müsste pro 
Secunde eine Arbeit dazu geleistet werden, welche gleich ist dem Producte 
aus dem secundlichen Höhenverluste und dem Apparatgewichte. Natürlich 
wäre dasselbe durch entsprechende Reduction der Geschwindigkeit zu er- 
reichen und ergäbe sich dann für die verfügbaren 25 HP (50°/o) nach 
Loessl’s Formel 


| 11°” D aa | SA SÉ G d SEE 
A Ke Ai a: „ls == A Se (i ] Er vc? S - y e Ri i 


noch immer eine Geschwindigkeit von ea. 60 m. 

Selbstverständlich ist hier das Verhäitniss zwischen Last und Segel- 
fläche sehr ungünstig gewählt und es wären demnach rund 6 HP zur 
Ueberwindung des Stirnwiderstandes nötig, während die Schwebearbeit 
19 HP betragen würde. Durch Verbreiterung der Flugfläche kann man 





1) Die Luftwiderstandsgesetze, der Fall durch die Luft und der Vogelflug. — 
Mathematisch-mechanische Klärung auf experimenteller Grundlage entwickelt von 
Friedrich Ritter von Loessl, Ober-Ingenieur. Wien 1896. Alfred Holder, k. u. k. 
Hof und Universitätsbuchhändler, I Rothenturmstrasse 15, 


Lorenz: Die Anwendung accumulirter Kräfte in der Flugtechnik. 63 


beliebig günstige Verhältnisse herbeiführen und wäre z. B. bei Annahme 
eines nur 33°, Nutzeftectes und einer horizontalen Fluglinie mit 60 m 
Geschwindigkeit mehr als 20 m Spannweite nöthıg, wobei natürlich die 
T'ranslationsarbeit sinken müsste, indem dieselbe nur mehr den Betrag von 
!ı HP in Anspruch nehmen würde. 

Der \Wellenflug, wie er von Professor Miller von Hauenfels erläutert 
wurde ), wäre selbstredend ungemein günstiger, da man in diesem Falle 
von einer Schwebearbeit nicht mehr sprechen und durchaus die dem Stirn- 
widerstande und der verfügbaren Kraft entsprechenden Werthe beibehalten 
könnte. Die für das Schweben verlorene Arbeit würde sich bei Zugrunde- 
legung dieser Annahmen in dem verlängerten Weg ausdrücken, welcher 
dadurch entsteht, dass der Flugkörper die Bogen statt der Sehnen zu 
durchfahren hat. Diese Arbeit könnte durch die Wahl möglichst grosser 
Geschwindigkeiten und kleiner Flugwinkel entsprechend eingeschränkt werden. 

Dieses Beispiel zeigt, dass ein Jufttorpedo einem Wassertorpedo, 
welches nur 800 m in 30 Secunden zurücklegt, wohl überlegen sein dürfte. 
Wenn man nun Geschosse construirt, welche die nöthige motorische Kraft 
accumulirt in sich tragen, so führt man damit eben kleine Flug- 
maschinen aus, welche ohne Besatzung fliegen, aber nichtsdestoweniger 
gestatten, alle Erfahrungen zu sammeln, welche den 
Bau tragfähiger Maschinen ermöglichen müssen. 

Ein Vorzug gerade dieser 'Torpedo-Maschinen ist es, dass ihre Ver- 
wendung zu Versuchen billig zu erreichen wäre und dass die unbedeutenden 
Kosten sicher aufgewogen würden durch die Erfolge, welche in militärischer 
Beziehung zu erreichen sind. Deshalb wäre es auch zu befürworten, dass 
die Flugtechniker dieser Art von Ausführungen im Kleinen etwas näher 
treten. Die vorgeschlagenen Versuche könnten durch die Bereitwilligkeit 
einer Marineverwaltung, welche alles Nöthige zur Verfügung hat, mit 
äusserst geringen Mitteln durchgeführt werden und wären die erzielten 
Resultate in jedem Falle von so hoher Wichtigkeit für die Technik und 
Wissenschaft, dass dem Veranstalter derselben grosser Dank unausbleib- 
lich wäre. 

Das Ziel der Luftschiffahrt sind grosse Geschwindigkeiten;, nur in 
diesen wird sie Erfolg finden und diesen müssen die Maschinenleistungen 
augepasst werden, welche wohl kaum hinter denen unserer modernen 
Verkehrsmittel zurückbleiben können. 

Den Horizontalflug muss wegen der Unmöglichkeit, das Verbrauchs- 
material zu ergänzen, eine ungemein ökonomisch wirkende Maschine be- 
streiten, welche zumindest bei foreirter Arbeit einen kleinen Ueberschuss 


I) Der mühelose Segelflug der Vögel und die segelnde Luftschiflahrt 
von A Ritter v. Miller-Hauenfels,. — Gesetze des Segelfluges, Z.f. L. u. 
Ph. d A. Nr 6 ex 9. 


64 Lorenz: Die Anwendung acceumulirter Kräfte in der Fluztechnik. 


zur Erzielung einer sanft ansteigenden Bahnlinie abgeben kann. Dies- 
bezüglich beansprucht sowohl die rein dynamische Flngmaschine, wie der 
Drache und die von R. v. Loess} angegebene Flnomethode so bedeutende 
Flächendimensionen oder Masehinenleistungen, dass vorläufig grosse, auf 
Dauerflug berechnete Ausführungen kaum zu erzielen sein werden. 

Anders gestaltet sich die Sache beim Wellentluge. welchen Professor 
Miller von Hauenfels in der Theorie klargelegt hat. Bei diesem entfällt 
die Schwebearbeit vollkommen und es ist nur der Stirmwiderstand, weleher 
für grössere Geschwindigkeiten noch immer bedeutend genus ist, zu über- 
winden. Es ist selbstverständlich, dass man unter Zugrundelegung dieser 
Annahmen, ganz abgesehen von allen motorischen Kinflüssen des Windes, 
alle möglichen Flugmaschinen eonstruiren kann, welche durch Auftriebs- 
maschinen in die Höhe gebracht, bei einer verhältnissmässig Kleinen 
Motorarbeit so grosse (seschwindigkeiten zulassen, dass der Lenker eines 
derartigen Schittes allen Situationen nicht mehr gewachsen sein dürfte. 
Der Wellenflug ist der reinste Kunstthog, den der Mensch den Vöreln 
abgelauscht hat; er benutzt alle möglichen Umstände zu seinen Gunsten: 
die Wirkung der Schwere, den Wind und die lebendige Kraft des 
Schiffes; er hat vor allen Systemen etwas voraus, aber den Nachtheil, 
dass er gelernt sein will, und darum auch die vielen Gegner. Man muss 
diesen Flug, der uns alleine das Gebiet der Lüfte zu erschliessen geeignet 
erscheint, auch praktisch erproben. Hierzu gebt es wohl nur 2 gefahrlose 
Mittel: das System der theilweisen Entlastung und die bereits erwähnten 
Versuche mit acceumulirten Kräften. Im ersten Falle könnte man bei 
Verwendung einer nur vorspannenden Auftriebs - Maschine bedeutende 
Reductionen der Querschnittsfläche erzielen; doch stehen die hohen Kosten 
eventuellen Ausführungen entgegen. Der zweite Fall bietet dagegen alle 
Garantien für einen Erfolg und lässt alle Variationen ohne Schwierigkeit zu. 





Ueber die Stabilität des Drachenfliegers in ruhiger und bewegter Luft. 
Von W. Kress. 


Vortrag gehalten im Wiener Flugtechnischen Verein am 2l. Januar 1895. 


Unter den vielen dynamischen Flugprojeeten sind es besonders drei Systeme, 
welche mehr oder weniger die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges versprechen; es 
sind das die Schraubenflieger, Kuderflieger und Drachentlieger. Jedes dieser 
Systeme beruht auf demselben Grundprineipe, nämlich auf der Ausnützung der 
schiefen Ebene. Ich habe mich mit allen drei Systemen gründlich beschäftigt; 
vielen Herren werden sich wohl noch auf meinen Experimental- Vortrag im 
Jahre 1892 erinnern, wo ich alle drei Systeme in freifliegenden Modellen vorführte, 
und bei welcher Gelegenheit ich auch hervorhob, dass ich kein absoluter Gegner 
von Schraubenfliegern oder Ruderfliegern bin, dass ich aber dem Drachenflieger 
den Vorzug gebe. 

Es ist heute nicht meine Aufgabe hier die verschiedenen Systeme zu be- 
sprechen, Nur kurz will ich erwähnen, dass der Vorzug des Schraubeufliegers 


Kress: Ueber d. Stabilität d. Drachenfliegers in ruhiger u. bewegter Luft. 65 


darin besteht, dass sich derselbe direkt ohne Anlauf vom Boden, wie der Ballon 
erheben kann. Für einen schnellen horizontalen Flug jedoch, der für den 
praktischen Werth einer Flugmaschine von der grössten Wichtigkeit ist, ist er 
nicht geeignet. 

Der Ruderflieger hat sehr viel Verlockendes für sich, so lange man denselben 
vom rein theoretischen Standpunkte betrachtet, oder an die Ausführung kleinerer 
Apparate denkt. Sobald man aber an die Construction grosser Apparate geht, so 
begegnet man fast unüberwindlichen technischen Schwierigkeiten. Der Apparat 
wird complicirt, leicht zerbrechlich oder zu schwer. Direkt vom Boden kann er 
sich nur bei einem entsprechend starken Winde erheben. Einen Anlauf kann er 
nicht nehmen und muss bei einem nicht genügenden Winde von einer Höhe ab- 
fliegen. 

Nun sehen Sie dagegen den Drachenflieger an. 

Er bietet die möglichst einfachste und leichteste Construction. Alle Gelenke 
und complieirten Mechanismen sind vermieden, und darum ein gefährliches Zer- 
brechen oder Verbiegen während des Fluges möglichst ausgeschlossen. Derselbe 
besteht aus horizontalen unbeweglichen Segelflächen, die in der elastischen Luft, 
während dem Fluge, gar keinen Stössen ausgesetzt sind und darum bei grossem 
Flächeninhalt sehr leicht sein können. 

Zur horizontalen Bewegung dienen zwei elastische Segel-Luftschrauben. 


Der Drachenflieser verrichtet dabei dieselbe Arbeit, die der grosse Vogel 
mit seinen Flügeln leistet; nur ist hier die Arbeit des Vogels getheilt. 

Beim Vogel wirken passive und aktive Arbeit intermittirend; dagegen wirken 
beim Drachenflieger passive und aktive Arbeit constant nebeneinander. 

Was der Vogei mit dem Niederschlagen seiner Flügel erzielt, das leisten 
hier die Luftschrauben, und was die Flügel des Vogels während des Aufschlages 
oder während des Segelfluges leisten, das bewirken hier die horizontalen concaven 
Segelllächen. Beim Drachflieger kommt die Theilung der Arbeit des Vogels in der 
einfachsten und durchgreifendsten Weise zur Geltung. 

Ist der Drachenflieger im Fluge, so sieht er wie ein grosser segelnder Vogel 
aus, der auf seinen unbeweglichen ausgebreiteten Flügeln majestätisch durch die 
Luft segelt. 

Sehen Sie sich die Stirnansicht des Drachenfliegers an, so sehen Sie ausser 
den Sezelfllächen, fast nichts als die Nase der Gondel, Ein solcher Apparat hat 
also bei seiner horizontalen Bewegung den denkbar geringsten Stirnwiderstand. 


Alle diese eminenten Vorzüge des Drachenfliegers Kann kein ernster Flug- 
techniker ableugnen, und selbst Gegner, wie Prof. Wellner, bemühten sich ver- 
zebens, dem Drachenflieger die Lebensfähigkeit abzusprechen; sig mussten doch 
die Möglichkeit des Drachenfliegers zugeben. Aber -— und jetzt kommen die 
„Aber“ es heisst! Der Drachenflieger kann sich nicht direkt vom Boden in die 
Luft erheben, er muss erst einen Anlauf nehmen. Das ist wahr! aber ist denn 
das etwas Schlimmes? Diesen Mangel hat derselbe mit den meisten grossen 
Vogeln gemein. Die Trappe z. B. kann man mit dem Knüppel erschlagen, wenn 
man dieselbe von der Windseite überrascht, weil sie ohne einen Anlauf gegen den 
Wind sieh nicht erheben kann. Der Flug des Albatros ist nichts Anderes als ein 
Drachenflug, und das ist einer der besten Segler, den wir Flugtechniker bewundern 
und so gerne nachahmen möchten. Nun, der Albatros ist schlimmer daran wie 
unser VDrachenflieger, denn der Albatros kann keinen Anlauf nehmen und bei 
ruhiger Luft sich überhaupt vom Boden nicht erheben. Darum hält er sich nur 
in solchen Zonen auf, wo fast beständig windiges Wetter herrscht. Kommt aber 
einmal ein ruhiger Tag, so bleibt er den ganzen Tag auf dem Wasser sitzen, Der 


66 Kress: Ueber d Stabilität d. Drachenfliegers in ruhiger u. bewezgter Luft. 


Drachenflieger kann bei genügendem Winde, wie der Albatros, ohne Anlauf, aber 
auch bei ruhiger Luft mit einem Anlauf sich erheben. — Dann wir! dem Drachen- 
flieger vorgeworfen, dass er in der Luft nicht stillstehen kann. Das ist nur ein 
relativer Begriff und nur in so fern wahr, als er zu der ihn umgebenden Luft 
eben so wenig wie der Vogel stillstehen kann. Aber er kann zur Erde still steken, 
indem er gegen den Wind, mit der Geschwindigkeit des Windes segelt; und das 
ist viel wichtiger. Schliesslich wird behauptet, der Drachenflieger berge grosse 
Gefahren, weil er keine Stabilität besitzen, leicht kippen und schwer lander 
soll. Diese Behauptungen sind ganz unberechtigt. Weder der Schraubenflieger, 
noch der Ruderflieger, am wenigsten aber irgend ein Segelrad- oder sonst ein 
System kann so sicher und gut seine Stabilität im Fluge erhalten, und so sicher 
und glatt landen, wie ein richtig construirter Drachenflieger. 

Man hat sich besonders auf das misslungene Maxim’sche Experiment berufen. 
Weil Maxim mit seinem riesengroseen Apparat, von ca. 4000 kg Gewicht, nicht 
gleich beim ersten Versuch ein paar Kilometer durch die Luft segeln konnte, 
wird sofort das ganze Drachenfliegersystem verurtheilt und verworfen. Wie viele 
Jahre hat das einfache Byeicle gebraucht, bis es zur heutigen Vollkommenheit 
gediehen ist! Es ist auch keine besondere Kunst das Byeicle fahren zu erlernen, 
aber versuche mal einer ohne Vorübungen, auf ein solches Ding sieh zu setzen 
und gleich losfahren zu wollen, so wird er bald auf allen Vieren liegen. 


Das Fliegen bietet wohl etwas grössere Schwierigkeiten, und um die Stabilität 
für einen grossen Flugapparat zu finden, müssen erst gründliche theoretische und 
experimentelle Studien mit kleinen Apparaten vorangehen. 

Dass der Drachenflieger in ruhiger Luft seine Stabilität vollkommen erhalten 
kann, das babe ich Ihnen bereits experimentell mit diesen hier ausgestellten 
Apparaten öfters bewiesen. 

Es wird nun die ganz berechtigte Frage aufgeworfen: Wie wird sich ein 
grosser Drachenflieger in bewegter Luft verhalten? Die überzeugendste Antwort 
für Jedermanu wäre freilich die, wenn ich mit einem fertigen grossen Apparat in 
frei bewegter Luft ein kleine Luftexcursion von einigen Kilometern ausführen 
würde. Dass ich das bis jetzt nicht gethan habe, ist nicht meine Schuld. Die 
Construction eines grossen Drachenfliegers nach meinem System würde zwar nicht 
den zehnten Theil der Summe kosten, die Maxim für seinen Apparat verbraucht 
hat, aber doch zu viel, als dass ich mit meinen eigenen schwachen Mitteln so etwas 
unternehmen könnte. 

So will ich denn heute versuchen, diese schwierige Frage: „Wie verhält sich 
die Stabilität des Drachenfliegers bei bewegter Luft?* in theoretischer Weise zu 
beantworten und zum Schlusse eines meiner Modelle fliegen lassen. 


Die Construction des Drachenfliegers besteht aus mehreren von einander 
getrennten, horizontal gelagerten, concaven elastischen Segelflächen. Rückwärts 
befindet sich ein möglichst grosses horizontales, aber ebenes Steuer in Form eines 
Vogelschwanzes. Zwischen den vorderen Segelflächen und dem horizontalen Steuer 
befinden sich zwei neben einander, event. hinter einander, aber in entgegengesetzter 
Richtung sich drehende, elastische Segel-Luftschrauben, und unter dem horizontalen 
Steuer, an einem langen Hebel, weit rückwärts hinausragend, ein verticales Steuer, 
in Form eines Fischschwanzes. Unter den Segelflächen, und mit den letzteren 
starr verbunden, befindet sich eine lange Gondel, welche auf einem Schlitten 
montirt ist. Die Drachenflächen werden fast horizontal, d. h. fast unter dem 
sl D also parallel zu der Längenaxe der Gondel und den Axen der Luftschrauben 
gelagert. Der entsprechende Neigungswinkel des ganzen Apparates, nach aufwärts 
oder nach abwärts, wird nur durch die veränderte Stellung des horizontalen Steuers 


Kress: Ueber d. Stabilität d. Drachenfliegers in ruhiger u. bewegter Luft. 67 


oder durch die veränderte Eigengeschwindigkeit des Flugapparates während der 
Fahrt regulirt und erhalten. Es bleibt also sowohl die Lage der Drachenflächen, 
als auch der Schwerpunkt des Gesammtapparates während des Fluges möglichst 
unberührt und keiner mechanischen Verschiebung oder Verstellung unterworfen. 
Es ist eine ganz irrige Annahme mancher Flugtechniker, dass der Drachenflieger 
nur durch mechanisches Verschieben des Schwerpunktes resp. des VDruckmittel- 
punktes der Stützflächen, oder durch Aenderung der Winkelneigung der Drachen- 
flächen im Gleichgewichte erhalten werden kann. Die Schiffahrt auf der See wäre 
unmöglich, wenn das Schiff auf den Wellen nieht automatisch das Gleichgewicht 
halten könnte, sondern letzteres nur von der geschickten Handhabung irgend 
welcher Mechanismen durch den Steuermann abhängig wäre. Damit aber der 
Drachenflieger möglichst grosse Stabilität erlangt, und selbst gegen eventuelle 
Verschiebung des Schwerpunktes möglichst unempfindlich bleibe, trenne ich die 
Tragflächen in zwei oder mehrere fast gleich grosse Flächen. Dadurch ruht der 
Flurapparat auf mehren Stützpunkten, die vom Drehpunkte weit entfernt sind, 
in Folge dessen die pendelnde Bewegung des Apparätes fast ganz vermieden wird. 

Bei dem älteren hier ausgestellten Modelle, welches einen Drachenflügel und 
das horizontale Steuer, also nur zwei getrennte fast gleich grosse horizontale 
Flächen besitzt, habe ich öfters bei meinen Experimenten in die Gondel cin kleines 
Gewicht, abwechselnd einmal vorne, ein anderes Mal rückwärts placirt, ohne eine 
Störung des Gleichgewichtes, oder ein auffallendes Schwanken während des Fluges 
bemerkt zu haben. Das beweist zur Genüge, dass in der Gondel eines richtig 
construirten Drachenfliegers die Mitfahrenden sich ziemlich frei bewegen werden 
können, ohne das Gleichgewicht desselben zu stören. 

Für grössere Apparate sind mehrere Drachenflächen vorgesehen, weil drei 
oder vier kleinere Flächen leichter an Gewicht und auch technisch leichter aus- 
führbar sind. Das Wichtigste ist aber dabei. dass man für jede einzelne Drachen- 
fläche eine möglichst grosse Spannweite, im Verhältniss zur Flächengrösse erzielen 
muss, wenn die Arbeit für den Flug möglichst ökonomisch sein soll. 

Nach Herrn v. Lössl ist die nöthige Arbeit für den horizontalen Flug mit 


(Lyby? 
Fallgeschwinligkeit bei einer bestimmten Gleitgeschwindigkeit, @ das gesammte 
(Gewicht, y die Acceleration, I’ der Flächeninhalt, b die Spannweite, v die 
horizontale Geschwindigkeit und y das Gewicht der Luft bedeuten. Weil nun b im 
Nenner steht, so sieht man deutlich, dass, wenn die anderen Faktoren unverändert 
bleiben und nur das b grösser wird, das V kleiner und somit auch die nöthige 
Arbeit kleiner wird. Durch Vermehrung der Plugfächen gewinnt aber der 
Drachenflioger auch an Stabilität und an Sicherheit. Damit aber die Flugflächen 
sich gegenseitig nicht stören, sind sie von einander durch einen Zwischenraum in 


OG, ei e , 
ebenen Flächen Ai V.G, und 7 22 wobei V die secundliche 


der Länge des vorhergehenden Flügels getrennt und jeder nächstfolgende Flügel 
um eine bestimmte Stufe tiefer gelagert. feb habe vor circa 6 Jahren versucht, 
mehrere Flügel über einander, statt hinter einander anzuordnen, wie es seinerzeit 
Stringfellow gethan hat, und dabei die Erfahrung gemacht, dass bei einem solehen 
Apparat, so lange er seine normale horizontale Geschwindigkeit hat, die gesammiten 
Flüszelflächen zur Wirkung kommen. Sobald aber die horizontale Geschwindigkeit 
abnimmt, z B beim Landen, oder, wie dies auch geschehen kann, wenn während 
des Fluges gegen den Wind der letztere an Geschwindigkeit abnimmt oder beim 
Fluge in der Windrichtung zunimmt, so stürzt der Apparat nach vorne über, weil 
dann nicht alle Flügellächen inre volle Fallschirmwirkung ausüben konnen, Ein 
solcher Apparat kann beim Landen gefährlich werden und hat auch während des 


68 Kress: Ueber d. Stabilität d. Drachenfliegers in ruhiger u. bewegter Luft. 


Fluges nicht mehr dieselbe Stabilität, als wenn die Flächen hinter einander getrennt 
angeordnet sind. 

Der Schwerpunkt des Drachenfliegers muss stets nach vorne überwiegen und 
darf nie mit dem Druckmittelpunkte der Segelflächen zusammenfallen. Da nun 
der Druckmittelpunkt der Segelflächen mit zunehmender horizontaler Geschwindigkeit 
deg Apparates sich mehr nach vorne vorlegt, so muss schon im Voraus der Schwer- 
punkt des Apparates entsprechend der vorausgesetzten normalen horizontalen Ge- 
schwindigkeit angeordnet sein. Ist der Schwerpunkt und die Stellung des 
horizontalen Steuers im richtigen Verhältnies zur horizontalen Geschwindigkeit des 
Drachenfliegers eingestellt, so wird derselbe eine ganz gerade horizontale Babn 
einhalten. Ist aber das horizontale Steuer nicht im richtigen Verhältniss zur 
Geschwindigkeit eingestellt, z. B. zu viel nach aufwärts oder nach abwärts gerichtet, 
oder die horizontale Geschwindigkeit des Drachenfliegers steht nicht in ent- 
sprechendem Verhältnisse zur momentanen Stellung des horizontalen Steners, so 
geschieht weiter nichts, als dass die Bahn des Drachenfliegers nicht mehr eine 
horizontale, sondern eine nach aufwärts oder abwärts gerichtete wellenförmige 
sein wird. 

Das verticale Steuer dient nicht allein dazu, um dem Drachenflieger die 
nöthige Richtung zu geben, sondern hauptsächlich dazu, um denselben bei bewegter 
Luft, bei seitlichen Windwellen stets gegen den eventuell anschwelienden seitlichen 
Wind zu stellen, denn das verticale Steuer wirkt wie eine Wetterfahne 


Ehe ich nun daran gehe, die Stabilität des Drachenfliegers bei ruhiger und 
bei bewegter Luft näher zu besprechen, will ich vorher nur noch kurz erwähnen. 
dass bei ganz gleichmässig fliessenden l.uftstrome, — der in der Natur übrigens 
fast nie vorhanden ist — sich der Drachenflieger zu dem ibn umgebenden Medium 
genau so wie in ruhiger Luft verhält. Nur ist seine Ortsbewegung zur Erde eine 
ganz andere wie bei ruhiger Luft. Bewegt er sich in der Windrichtung mit einer 
Eigengeschwindigkeit v, und hat der Wind die Geschwindigkeit e so ist zu einem 
Punkte der Erde die Geschwindigkeit des Drachenfliegers opze Bewegt sich 
der Drachenflieger gegen den Wind, so ist dessen Geschwindigkeit zur Erde v- -v — c, 
und wenn er seitlich zum Winde fliegt, so ist seine Geschwindigkeit und Richtung 
zur Erde wie die Resultirende eines Parallelogramms der beiden Geschwindigkeiten. 


Zu dem ihn umgebenden Medium, in welches er eingetaucht ist und auf 
welches er sich mit seinen Flugflächen stützt, befindet er sich wie in ruhiger Luft, 
und hat nur den Wind, der aus seiner Eigengeschwindigkeit resultirt und der 
den Drachenflieger stets von vorne trifft. 

Betrachten wir jetzt die Stabilität der Drachenflieger bei ruhiger Luft. 
Nehmen wir an, derselbe bewege sich mit einer normalen Geschwindigkeit von 
15 m pro Sec. und das horizontale Steuer sei so eingestellt, dass er genau die 
horizontale Bahn einhält. Nun steigern wir die Eigengeachwindigkeit desselben 
durch Forcirung des Motors von 15 m auf 20 m pro Ber, ohne dass wir dabei die 
Stellung des horizontalen Steuers Andern. Was wird nun geschehen? Vor allem 
wird sich der Druckmittelpunkt der Drachenflächen mehr nach vorne verschieben 
und hierdurch der Drachenflieger eine nach aufwärts gerichte Lage, und in Folge 
des grösseren Auftriebes auch eine nach aufwärts gerichtete Bewegung annehmen. 
In Folge der grösseren Eigengeschwindigkeit wird ein stärkerer Gegenwind die 
Flügelflächen unter einer grösseren Winkelneigung treffen und den Apparat 
zum Aufbäumen zwingen, wenn nicht glücklicherweise zwei wichtige Faktoren 
diesem gefährlichen Bestreben sofort automatisch entgegenwirken würden. Denn 
mit dem Moment, in welchem der Apparat anfängt eine schräg nach aufwärts 
gerichte Lage anzunehmen, verschiebt sich der Schwerpunkt g (siehe Fig. 1, b) 


Kress: Ueber d. Stabilität d. Grachenfiepers in ruhiger u. bewegter Luft. 69 


nach vorne. Gleichzeitig wird aber in Folge der steileren Bahn und des grösseren 
Stirnwiderstandes eine verzögernde Wirkung der Geschwindigkeit eintreten, und 


C 
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in Folge der Verzögerung wird wieder der Druckmittelpunkt s der Segelflächen 


fig 


Ea 


zurückgehen. Wenn sich aber der Schwerpunkt nach vorne und der Druckmittel- 
punkt nach rückwärts verschoben haben, so ist es selbstverständlich, dass der 
Drachenflieger gezwungen wird, sich mit dem Kopfe wieder nach abwärts zu neigen 
und in seine frühere Lage wieder zurückzukehren. Thut er das, so tritt wieder 
Beschleunigung der Geschwindigkeit ein und das Spiel beginnt wieder von vorne: 


Der Vrachenflieger wird also in diesem Falle in einer aufwärts gerichteten 
Wellenbahn abc Fig. 1 sich bewegen. Diese Wellenbewegung kann ich aber auch 
ganz vermeiden, wenn ich das horizontale Steuer entsprechend zur grösseren 
Geschwindigkeit richtig einstelle. Dann wird die foreirte Arbeit dazu dienen, um 
den Apparat mit grösserer Geschwindigkeit in horizontaler oder mit früherer 
Geschwindigkeit in einer aufwärts gerichteten, geraden Bahn zu bewegen. Wir 
haben aber gesehen. dass, wenn ich bei grösserer Geschwindigkeit gar nichts thue 
und das horizontale Steuer gar nicht berühre, dem Apparate nichts weiter ge- 
schieht, als dass er in einer Welienlinie sich nach aufwärts bewegt. Dass der 
Drachenflieger in ruhiger Luft sich wirklich so verhält, das haben ja die meisten 
Mitglieder unseres Vereines bereits öfters gesehen, und werden dies heute nach 
Schluss meines Vortrages wieder sehen können. 


Ganz ebenso verhält sich aber der Drachenflieger, wenn er nicht in ruhiger 
Luft seine Eigengeschwindigkeit beschleunigt, sondern bei constanter Eigen- 
geschwindigkeit in eine beschleunigte Windgeschwindigkeit hineinkommt. 


Nehmen wir an, es herrscht ein Wind, dessen Geschwindigkeit sich fort- 
während ändert, z. B. ein Wind von 5m pr. Sec. schwillt auf 10 m pr. See. an, 
dann nimmt er wieder ab und sinkt auf 5 oder 3m pr. Sec., dann steigt er wieder 
auf 10 oder 12 m pr. Sec. u. at: kurz es herrschen die sogenannten Windwellen 
oder Geschwindigkeits - Differenzen des Windes, welche die segelnden Vögel als 
eine von aussen kommende Kraftquelle zum arbeitslosen Segelflug ausnützen, die 
aber von den Flugtechnikern so sehr gefürchtet werden. Untersuchen wir nun 
näher, wie sich der Drachenflieger bei solehen Windwellen verhalten wird. 
Nehmen wir an, der Drachenflieger bewege sich wieder mit seiner normalen Pigen- 
geschwindigkeit von 15 m pr. Sec. mit entsprechend eingestelltem horizontalen 
Steuer, in horizontaler Richtung gegen einen Wind, der im gegebenen Momente 
eine Geschwindigkeit von 5 m pr. Sec. habe. Der Apparat wird in diesem Falle 
zur Erde eine (Geschwindigkeit von v —v— c— 10m pr. Sec, aber zu der ihn 
umgebenden Luft seine Eigengeschwindigkeit von 15 mpr Sec., folglich auch 
einen Stirnwind von 15 m pr. Sec. haben. Nun beginnt der Wind an Geschwindigkeit 
zuzunehmen und von 5 m auf 10m pr. Sec. zu steigen. Die Wirkung auf den 
Drachenflieger wird in diesem Falle ganz dieselbe sein, als wenn er bei ruhiger 
Luft seine Eigengeschwindigkeit von I5 m auf 20 m pr. Sec. steigern würde. Der 
Druckmittelpunkt der Segelflächen wird sich mehr nach vorne verschieben, der 
Apparat wird eine nach aufwärts gerichtete Lage und Bewegung annehmen. In 


70 Kress: Ueber d. Stabilität d. Drachenfliegers in ruhiger u. bewegter Luft. 


Folge dessen wird der Schwerpunkt nach vorne verschoben und die Eigen- 
geschwindigkeit des Drachenfliegers verzögert Durch die Verzögerung der 
Geschwindigkeit geht der Druckmittelpunkt der Segelflächen wieder zurück, und 
diese beiden entgegenwirkenden Faktoren: Schwerpunkt und Druckmittelpunkt 
der Stützflächen, zwingen den Apparat wieder in seine frühere Lage zurück, genau 
so wie wir es bei beschleunigter Geschwindigkeit in ruhiger Luft, Fig. 1 abe 
gesehen haben. Das Endresultat wird sein, dass der Apparat sich gehoben hat, 
und zwar dieses Mal nicht durch eigene vermehrte Arbeit, sondern durch die von 
aussen kommende Kraftquelle der Windwelle, weil er sich hier nicht auf Kosten 
seiner Eigengeschwindigkeit, sondern auf Kosten des anschwellenden Windes, der 
Windwelle, gehoben hat. 


Wenn nun aber die Geschwindigkeit des Windes wieder abzunehmen beginnt, 
so verschiebt sich der Druckmittelpunkt der Stützfläche nach rückwärts s’ (Fig. I c). 
In Folge dessen nimmt der Dracheuflieger eine nach abwärts gerichtete Lage und 
eine nach abwärts gerichtete beschleunigte Bawegung an (Fig. 1 d). Dadurch schiebt 
sich der Stützmittelpunkt wider nach vorne, und da auch der Schwerpunkt bei der 
abwärts gerichteten Lage nach rückwärts verlegt wurde, so zwingen diese beiden 
entgegenwirkenden Factoren den Apparat wieder in seine frühere Lage surück. 
Das Endresultat wird sein, dass der Drachenflieger auf sein früheres, niedriger ge- 
legenes Niveau mit beschleunigter Geschwindigkeit. welche er auf Kosten der Höhe 
gewonnen hat, zurückkommt und, wenn in diesem Momente die Geschwindigkeit 
des Windes anfängt zuzunehmen, so wird der Drachenflieger in Folge der be- 
schleunigten Eigengeschwindigkeit höher gehoben werden, als bei der ersten Wind- 
welle Ganz dieselbe Bewegung (cde Fig. 1) macht der Drachenflieger, wenn or 
bei ruhiger Luft seine Eigengeschwindigkeit verzögert. Es bleibt immer dasselbe, 
ob der Drachenflieger bei ruhiger Luft seine Eigengeschwindigkeil verzögert oder 
beschleunigt, oder bei constanter Eigengeschwindigkeit die Windgeschwindigkeit 
abnimmt, oder zunimmt. Die Wirkung auf das Verhalten und die Stabilität des 
Drachenfliegers bleibt in beiden Fällen dieselbe. Wie wird sich aber der Drachen- 
flieger in umgekehrtem Falle verhalten, wenn er nicht gegen den Wind, sondern 
in der Richtung des Windes sich bewegt? Die Bigengeschwindigkeit des Drachen- 
fliegers sei wieder 15m pr. Sec. und der Wind habe im gegebenen Momente 
5m pr. Sec. in der Flugrichtung, so wird der Apparat zur Erde mit einer Ge- 
schwindigkeit von v’ =v 4- c — 28 m pr. Sec. sich bewegen. Nun kommt eine Wind- 
welle, der Wind nimmt an Geschwindigkeit zu und steigt von 5m auf 10m pr. See, 
Diesmal hat aber der zunehmende Wind für die Drachenflüge die Wirkung eines 
abnehmenden Windes, denn der Stirnwind wird abnehmen, gerade so, als wenn bei 
ruhiger Luft die Eigengeschwindigkeit des Drachenfliegers verzögert wird. Der 
Apparat wird sich nach abwärts neigen und mit beschleunigter Geschwindigkeit 
sich abwärts bewegen. Die entgegenwirkenden Factoren, der Schwerpunkt und 
Druckmittelpunkt, werden sofort wieder ihre Schuldigkeit thun, und er wird sich 
ganz dasselbe Spiel wiederholen, weiches wir vorher in cdc Fig. I gesehen haben. 


Hat der Wind eine Geschwindigkeit von 10 m pr. Sec. erlangt und ist der 
Drachenflieger auf den tiefsten Punkt des Wellenthals angelangt, so ist dessen 
Geschwindigkeit in diesem Momente zur Erde "-:v+c- f; hier ist f die ge- 
wonnene Beschleunigung durch den Abwärtsflus. Nehmen wir f- 5m an, so ist 
die Geschwindigkeit des Drachenfliegers zur Erde v. 15 +10 į b -30m pr See. 
Nun nimmt der Wind wieder ab und sinkt von 10m wieder auf Am pr. Sec. so 
nimmt der Stirnwind des Drachenfliegers zu, und die Wirkung wird dieselbe sein, 
als wenn bei ruhiger Luft die Eigengeschwindigkeit zunimmt, oder bei constanter 
Eigengeschwindigkeit gegen den Wind, die Windgeschwindigkeit im Zunehmen ist. 


Kress: Ueber d. Stabilität d Drachenfliegers in ruhiger u. bewegter Luft. 71 


Der Apparat nimmt, wie wir in solchem Falle schon gesehen haben, eine nach 
enfwärts gerichtete Lage und eine nach aufwärts gerichtete verzögerte Bewegung 
an. Es wird sich dasselbe Spiel wiederholen, welches wir bereits in Fig. I,abe, 
gesehen haben. Ist die Verzögerung, die wir w nennen wollen, eben so gross, als 
vorher die Beschleunigung war, also 5 m, so wird der Apparat, auf sein früheres 
höheres Niveau angelangt, zur Erde eine Geschwindigkeit von 30 - w -- 23 m pr. See. 
haben. Der Drachenfliieger kehrt also auf sein früheres Niveau mit grösserer Ge- 
schwindigkeit zurück, als er es verlassen hat, und diese grössere Geschwindigkeit 
könnte er in diesem Momente eventuell noch zum Hühersteigen ausnützen. Wir 
sehen schon hier ganz deutlich, wie jede Differenz-Geschwindigkeit des Windes, ob 
nun der Wind zunimmt oder abnimmt, immer als eine von aussen kommende Kraft- 
quelle wirkt. Hier geschah jede Bewegung automatisch, ohne das Steuer zu be- 
nutzen. Wenn ich aber die beiden Steuer gebrauche und die entsprechend günstigste 
Richtung und Winkelstellung annehme, wie es die Segelvögel thun, so lässt sich 
noch eine viel günstigere Ausnutzung dieser natürlichen Kraftquelle nachweisen. 
Doch darf ich mich bei diesem Punkte heute nicht aufhalten; vielleicht ein anderes 
Mal. Ich habe noch einen sehr wichtigen Punkt zu besprechen; nämlich die Wirkung 
der seitlichen Windwellen auf die Stabilität des Drachenfliegers. Nehmen wir an, 
der Apparat steuert mit seiner Eigengeschwindigkeit von 15m pr. See. von a nach b 
(siehe Fig. 2) in einem Winde von 10 m pr. Sec., welcher seitlich zur Flugvor- 
richtung von a nach g weht, so wird der Apparat, von der Erde aus gesehen, von 


Ai 





Fig.2. 
Kindrichtung. 
<— H 
EE 2 f 
e D ~ H H D v e ee D 
a nach br mit einer Geschwindigkeit von on. = - - sich beweren. Will ieh aber 
GON o = 


bei diesem Winde nach b kommen, so muss ich von a nach d, mit einer Ligen: 
L L bd C H a 
schwindigkeit von v — ve steuern; dann werde ich, von der Erde aus gesehen, 
ina 


von a nach db mit einer Geschwindigkeit v- c.ctyv mich bewegen. Hat der Wind 
eine Geschwindigkeit von 15 m pr. Sec.. so muss ich vona nache steuern, oder 
eine Geschwindigkeit von 5 m, so muss ich von « nach A steuern, um nach 5 zu ge- 
langen. Der Drachenflieger wird in diesen Fällen, so lange der Wind mit constanter 
Geschwindigkeit weht, keinen anderen Stirnwind haben, als den aus seiner Eigen- 
geschwindigkeit resultirenden. Der seitliche Wind hat hier also nur auf die Orts- 
bewegung des Drachenfliegers einen Einfluss, auf die Stabilität gar keinen. Wenn 
aber die Geschwindigkeit des Windes sich ändert, während der Apparat von a 
nach b steuert, z B. von 10 m plötzlich auf 15 m steigen würde, so wird der 
Drachenflieger einen Windstoss von 5 m von der Seite empfangen. Dieser Wind- 
stoss trifft aber auch das verticale Steuer, welches seitlich die grüsste Angriffs- 
fläche bietet, die an einem langen Hebel, weit vom Drehpunkte entfernt, sofort 
wie eine Wetterfahne wirkend, den Drachenflieger mit dem Kopfe in die Richtung ae 
einstellt. Nimmt der Wind an Geschwindigkeit wieder ab und fällt z. B. bis auf 
5m pr. Ber, so wird das verticale Steuer von der linken Seite durch einen Wind- 


72 Kress: Ueber d Stabilität d Drachenfliegers in ruhiger u. bewegter Luft. 


stoss getroffen und den Apparat mit dem Kopfe in der Richtung aA einstellen. 
Das Resultat wird aber sein, dass der Drachenflieger bei seitlichen Windwellen 
nicht in gerader, sondern in einer Schlangenlinie sich bewegen wird. Da nun der 
Wind nicht plötzlich von 10 auf 15 m, oder von 15 auf 5 m pr. Sec. springt, sondern 
wie es bei solchem elastisenen Medium selbstverständlich ist, nur wie eine grosse 
Welle anschwillt und wieder abstirbt und die entgegenwirkenden Factoren zur 
Regulirung der Stabilität sofort beim Beginne einer veränderten Windgeschwindig- 
keit automatisch in Wirksamkeit treten, so sind diese Wellen- und Schlangenbe- 
wegrungen bei einem richtig construirten Drachenflieger ausserordentlich flach und 
sanft. --- Ich spreche hier nicht als Theoretiker, sondern als Fractiker. Was ich 
Ihnen sage, basirt auf experimentellen Erfahrungen. Ich habe in freier Luft, bei 
sehr bedutenden Windwellen, den Drachenflieger von Höhen herabgelassen und der- 
selbe hat stets während des Fluges, bei jeder Richtungsänderung des Windes, 
sofort die Wendung mit dem Kopfe gegen die neue Windrichtung genommen. 
Niemals habe ich dabei eine auffallende seitliche Schwankung bemerken Können; 
ein Rippen ist ganz ausgeschlossen. Nur mein kleines Luft Velociped, welches 
nur eine concentrirte Fläche hat, bei dem das horizontale Steuer ganz fehlt, und 
das vertieale Steuer nicht an einem langen Hebel rückwärts weit vorsteht, darum 
auch nicht wie eine Wetterfahne wirken kann, wird von einer Windwelle leicht 
umgeworfen, weil hier eine genügende automatische Regulirung der Stabilität fehlt. 
Mit einem solchen Apparat zu fliegen, wäre freilich ein halsbrecherisches akrobati- 
sches Kunststück. 

Dagegen regulirt sich mein Drachenflierer bei jeder Windwelle ganz auto- 
matisch, ohne dass der Luftschiffer dabei etwas zu thun hätte, und somit auch die 
Gefahr, eine Ungeschicklichkeit zu begehen, möglichst vermieden ist. 


Nun noch ein paar Worte über das Landen. Bei windigem Wetter ist das 
Landen mit meinem LD’rachenflieger fast leichter wie bei rubiger Luft. Will man 
bei ruhiger Luft mit dem Drachenflieger landen, so muss man, ehe man den Boden 
berührt, nach aufwärts lenken und die Eigengeschwindigkeit des Drachenfliegers 
so weit mässigen, dass er nicht mehr den gerügenden Auftrieb hat, dann nähert 
er sich langsam dem Boden und landet glatt und sicher ohne jeden Stoss. Bei 
starkem Winde landet man, indem man gegen den Wind mit einer Eigen- 
geschwindigkeit gleich der Windgeschwindigkeit segelt. Dann steht man zur Erde 
still und kann so sanft wie eine Feder zur Erde sinken. Der Drachenflieger kann 
auch viel leichter sich einen geeigneten Landungsplatz suchen oder wählen, als 
z. B. ein Ballon. Darum sehe ich für das Landen eines Drachenfliegers absolut 
nicht die geringste Gefahr. 

Jedes Segelboot oder Segelschiff, welches nur mit dem Kiele im Wasser 
eingetaucht "et, während dessen grosse Segel ebenso grosse Angrilfslächen für 
den Wind bieten und das Schiff zum entern bringen können, birgt viel grössere 
Gefahren als ein richtig construirter Drachenflieger, welcher nicht nur mit seinen 
Ssegelflächen, sondern mit dem ganzen Körper in das Medium eingetaucht ist. 
Man muss auch berücksichtigen, dass, wenn der Gegenwind zunimmt, nicht nur 
der grössere Stirnwiderstand sofort verzögernd auf die Eigengeschwindigkeit des 
Dracheufliegers wirkt: auch die Luftschrauben trifft im Momente des an- 
schwellenden Windes eine weniger dichte Luftsäule, der Stieg wird grösser und 
wirkt ebenfalls verzögernd. Umgekehrt wenn der Gegenwind abnimmt. wirkt nicht 
nur der geringere Stirnwiderstand, sondern auch die dichtere Luftsäule, in welche 
die Luftschrauben in diesem Momente eintauchen, auf die Eigengeschwindiskeit 
beschleunigend. Wenn also die Windgeschwindigkeit von 10m auf 20 m pr. Sec. 
steigt, oder von 20 m auf lom pr. Sec, fällt, so wird der Drachenflieger niemals 


Kress: Ueber d. Stabilität d. Drachenfliegers in ruhiger u. bewegter Luft. 73 


die volle Differenz von 10 Sec. m an seinem Körper zu fühlen bekommen, sondern 
nur einen Bruchtheil davon. Denn mit Beginn der Beschleunigung des Windes 
tritt sofort Verzögerung der Eigengeschwindigkeit, oder mit der Verzögerung des 
Windes tritt sofort Beschleunigung der Kigengeschwindigkeit des Drachenfliagers ein. 
Erst dann, wenn der Drachenflieger gelandet hat, oder vor dem Auffliegen, d h. so 
lange er den Boden berührt, kann ein starker seitlicher Wind ihn umwerfen. 

Der Flugapparat aber, der bei windigem Wetter während des Fluges seine 
Stabilität nicht erhalten kann, wird auch bei ruhiger Luft sie nicht behalten, oder 
umgekehrt der Flugapparat, der bei ruhiger Luft aber variabler Eigengeschwindigkeit 
seine Stabilität behält, wird sie auch bei unruhiger Luft behalten können. 

Ich schliesse mit der Hoffnung, dass es mir vielleicht doch noch gelingen 
werde, die nöthigen Mittel zur Construction eines grossen Apparates zu finden 
und es mir möglich werde, Ihnen nicht blos durch Worte, sondern durch die 
vollendete Thatsache den Beweis der Richtigkeit des hier gesagten erbringen zu 
können. — 


Nach Schluss des Vortrages liess Herr Kress eines seiner Drachenflieger- 
Modelle, welches 350 Gramm wog, direkt vom Tische durch den Saal fliegen und 
erntete reichen Beifall. 

Bei der sich an den Vortrag kutüpfenden Discussion ergriff Herr Hofrath 
Prof. L. Boltzmann das Wort und sagte: „Es handelt sich bei der Sache noch 
hauptsächlich darum, dass Herr Kress uns den Nachweis erbringt, dass er auch 
den entsprechenden Motor haben kann. Dann glaube ich, dass es wohl möglich 
wäre, auch das nöthige Geld zur Construction eines grossen Apparates zu finden. 
Denn ich glaube, nach den gehörten Erklärungen und den gesehenen Experimenten 
keinen Grund zu haben, an der Stabilität des Drachenfliegers zu zweifeln.“ 





Kleinere Mittheilungen. 


Die Thätigkeit und Erfahrungen der österr. militair-a&ronautischen Curse 1893— 95. 
Der Commandant der k. und k. Militair-a&ronautischen Anstalt, Hauptm. Josef Trieb, 
hat zu dem hier im Titel genannten "Thema einen interessanten und beifälligst auf- 
genommenen Vortrag im Wiener Militair-wissenschattlichen Vereine gehalten, über 
den wir der „Reichswehr“ Folgendes entnehmen: 

Militair-a&ronautische Curse von dreimonatlicher Dauer wurden bei uns im 
Jahre 1890 creirt; dieselben standen unter der Leitung des bekannten Sportsmen 
Herrn Silberer und wurde auch das aöronautische Materiale desselben benützt. Die 
Ausbildung im Curse war eine vornehmlich praktische und hatte die Kenntniss, wie 
zweckuienliche und „vorsichtige* Behandlung des Materiales und die Führung von 
Freiballons zum Gegenstande. Fesselballons konnten wegen dem Mangel an einem 
geeigneten Lebungsplatze und erforderlichen Einrichtungen nur sporadisch versucht 
werden. Beide Jahre, 1890 uud 1891, fanden unter der Leitung Herrn Silberer's 40 
Freifahrten, darunter eine nach Posen (1890) und eine bei Sturmwind und Nacht 
nach Russland (1891) statt. 

Erst 1892 wurde staatliches Luftschiffermaterial beschafft und eine selbst- 
ständige aëronautische Anstalt errichtet. 

Die neue Anstalt wurde unter das Commando des Hauptmanns Trieb ge- 
stellt, welcher in seinem Vortrag: zu der Erörterung der Ausbildung der Luft- 
schiffer-Abtheilungen überging. Diese Ausbildung theilt sich in eine militairische, 
wie fachtechnische in Theorie und Praxis, i 


74 Kleinere Mittheilungen 


Die militairische Ausbildung bezieht sich auf den Beobachtungs- und Re- 
cognoseirungsdienst und die fachtechnische in der Theorie auf die Kenntniss des 
in- und ausländischen Materiales, die Meteorologie, die einschlägigen Gebiete der 
Physik, Chemie, Technologie und Mechanik, und die Technik der Frei- und Fessel- 
fahrten. Die meiste Zeit, der übrigens besonders in der Theorie zu kurz bemessenen 
Cursdauer. ist naturgemäss der praktischen Ausbildung gewidmet. Dieselbe beginnt 
mit Instructions-(Detail-)Uebungen, an welche sich solche mit den Fesselballons in 
der aöronautischen Anstalt, wie der Umgebung von Wien, dem Schiessplatze zu 
Felixdorf und den Budweiser Manövern anschlossen. Gegenstand der Schulungen 
ist besonders die Angewöhnung der Luftschiffer an den Aufenthalt im Ballon bei 
Wind und Wetter, das persönliche Verhalten der Beobachter und Erwerbung der 
Beurthejlung des wechselnden Zustandes vom Ballon und seiner Gasfüllung. Solche 
Fesselballon-Aufstiege fanden 1893 nur 75, 1694 schon 201 und 1895 105 statt, 


Eine weitere Uebungsperiode umfasste den Transport des gefüliten Ballons. 
Für denselben ist die Umgebung des Uebungsplatzes ungünstig, da die mannig- 
fachen Hindernisse, wie Eisenbahnlinien, Telegraphen- und Telephonleitungen und 
besonders die sich in grosser Menge ansammelinden Zuschauermengen störend wirken. 

Der Vortragende bespricht hierauf einzeine dieser Ballontransporte, wie den 
Rücktransport eines bei Lainz bei ruhigem Wetter gelandeten Ballons durch die 
telegraphisch auf den Landungsplatz beorderte Mannschaft in der Nacht von Lainz 
über den Schönbrunner Park, den Meidlinger und Matzleinsdorfer, Sud- und Staats- 
bahnhof auf den Uebungsplatz in 41/, Stunden, wobei 29 Telegraphen- und Telephon- 
leitungs-Linien übersetzt wurden. Ohne dass vorher eine Recognoscirung der Art 
und Lage dieser Transporthindernisse vorgenommen worden war, und bei unge- 
übter Mannschaft ging dieser Transport, abgesehen von der Beschädigung einiger 
Drahtleitungen, ohne Anstand vor sich. 

Ebenso fanden, wie der Vortragende ausführte, jährlich Transporte von Wiener- 
Neustadt, wo der Ballon gefüllt wurde, nach dem Schieseplatze statt, wobei ge- 
legentlich eines nächtlichen Transportes der Ballon frei wurde und in Kroatien 
landete. Die Tagesblätter besprachen nach der bexannten Aufbauschungsmanier 
und, wie bei solchen Gelegenheiten stets, vollkommen unsachgemäss diesen Unfall. 


Freifahrtübungen wurden 1890 und 1891 zusammen 38, im Jahre 1893 nur 15, 
1894 20 und 1895 22 unternommen; an diesen zusammen 61 Freifahrten nahmen 
130 Personen theil und wurden bei denselben insgesammt 3953 Kilometer Weg in 
163 Stunden zurückgelegt. Im Durchschnitte betrug die Fahrlänge per Uebung 
‘0 Km., das Minimum war 5, das Maximum 466 Km., die Fahrgeschwindigkeit war 
im Maxima 26 Meter per Secunde und im Durchschnitte 6.7 Meter. Die meisten 
Fahrten erfolgten nach Südost, Nordwest, Nord und Süd. In der Richtung nach Osz 
und West waren nur wenige Fahrten möglich. Ausser diesen instructiven Uebungen 
haben Versuche mit dem Drachenballon und Schiessversuche gegen den Fesselballon 
stattgefunden und wurden von den Irequentanten der Curse die Meterologische 
Reichsanstalt, das Technologische Gewerbe-Museum, die Gummifabrik in Breitensee, 
die Kabelfabrik von Fulien und Guilleaume, die Gaswerke in Erdberg und beim 
Belvedere, die Wassergasfabrik in Gaudenzdorf, die Anstalt des Herrn Silberer 
u. A. m. besichtigt. l 

Hinsichtlich der in den Cursen gewonnenen Erfahrungen meint der Vor- 
tragende, dass der Fesselballon noch immer einerseits über- und andererseits 
unterschätzt wird. Der Ballon, welcher vortheilhafter ein Gu Kubikmeter- Wasser- 
stoffballon ist, da er bei grüsserem Auftrieb ein kleineres Volumen besitzt, aber 
auch ein 1000 Kubikmeter-Leuchtgasballon sein kann, schwingt langsam, ähnlich 
wie ein Pendel, im constanten Winde um seinen Veraukerungspunkt und beschreibt 


Kleinere Mittheilungen. 7b 


bei stossartig wirkendem wechselnden Winde, ausser den Abweichungen nach der 
Angriffsrichtung der Winde, schraubenlinienartige, sehr unregelmässige Curven. 

Da die Balloneinrichtung heute bei allen Armeen so ziemlich die gleiche ist, 
sg sind auch die Chancen für deren Verwendung im Beobachtungsdienste dieselben, 
so dass, wenn der eine Theil durch Stürme und Wetter an der Beobachtung ge- 
hindert ist, auch der Gegner nichts sehen kann. 

Im Allgemeinen vermindern atmosphärische Feuchtigkeit, Regen, Schnee, 
Nebel, indem sie das Ballonmateriale beschweren, die Steighöhe, während sie 
Sonnenwärme durch die Expansion der Ballongase erhöht. Constanter Wind bis 
10 Meter Geschwindigkeit stört die Beobachtung nicht. Windstüsse erschweren 
oder behindern sie. Windstilles Wetter wirkt dagegen, wegen dem über dem Terrain 
lagernden Nebel, Dunst und Staub ungünstig für die Beobachtung. Bei Wind über 
lù Meter Geschwindigkeit ist der 1000 Kubikmeter-Leuchtgas-Fesselballon nicht 
mehr brauchbar. 

Als beste Beobachtungshöhe wurden 400 bis 700 Meter constatirt, was nicht 
ausschliesst, dass auch grössere Höhen angewendet oder erforderlich werden können. 

Das Relief des Terrains schwindet mit zunehmender Steighöhe, Licht und 
Feuer bleiben in der Nacht weithin wahrnehmbar, besonders wenn sie bewegt 
werden, wie Signallichter, Wagenlampen ete. 

Die Uebungen ergaben, dass bei günstigem Wetter mit freiem Auge einzelne 
Reiter und Personen bis 5, Patrouillen, Bäume, Fuhrwerke bis 7, Compagnien, 
Bataillons bis 12, und grössere Körper, Trains bis 20 Km. und darüber, Ortschaften. 
Fabriken, Waldparcellen. Baumalleen, Teiche bis 40 Km. und mehr sichtbar sind. 
Eisenbahnen können bis 20 Km. verfolgt werden, Strassen, wenn sie trocken sind, 
noch weiter. Radiale Linien, in Bezug auf den Gesichtskreis, sind besser und 
leichter wahrzunehmen, als transversale. 

Der Vortragende wendet sich danach zu der Frage, wem die Ballonbeob- 
achtungen zufallen sollen, dem Generalstäbler oder Aëronauten, und kommt im 
Einverständnisse mit dem unlängst laut gewordenen Urtheile russischer Stimmen 
zum Schlusse, dass der Aöronaut der hierzu Berufene sein sollte. 

Bei Freifahrten ist infolge der grüsseren Steighöhe das Gesichtsfeld viel 
grösser. Bei 4UUV bis up Meter ist die Plastik des Terrains nicht mehr erkenn- 
bar, die Bodenfläche unter dem Ballon sieht wie eine concave Fläche aus, be- 
ziehungsweise hinsichtlich der Culturen wie ein verschieden gefärbter, haupt- 
sächlich grüner Teppich. 

Zum Schlusse des Vortrages, der mit Rücksicht auf die einstündige Dauer nur 
das Wesentlichste des Gegenstandes berühren konnte, sprach sich Hauptmann Trieb 
noch dahin aus, dass Croquis und Skizzen heute noch sicherer hergestellt werden, 
als Photographien aus dem Baılon, welche zum Unterschiede von ersteren nicht 
bloss das Wichtigste und eigentlich Wissensnöthige, sondern alles Nebensächliche 
enthalten. 

Zuletzt besprach der Vortragende die Schiessversuche gegen Ballons, welch 
letztere stets durch Distanz- und Höhenänderungen das Treffen und Zielen derart 
erschweren Können, dass der Artillerist nur mit Verschwendung vieler Zeit und 
Munition den Ballon zu bekämpfen Aussicht hat. Der Vortrag, welchem zahlreiche 
Ufficiere und höhere Generale beiwohnten, wurde mit reichem Beifall ausgezeichnet. 


Neueste Versuche des Professors Georg Wellner mit Luftschrauben!). Wie uns von 
befreundeter Seite berichtet wird, hat Professor Georg Wellner in Verfolg seiner 





1) Oesterreichische Monatsschrift für den öffentlichen Baudienst, Jahrgang ll. 
Februar 1846. Heft II. 


76 Kleinere Mittheilungen. 


flugtechnischen Arteiten im abgelaufenen Jahre 1895 mit einem Aufwande von 
über 2000 fl. ziemlich umfangreiche Versuche mit zwei grösseren Luftschrauben vor- 
genommen. Dieselben hatten einen Durchmesser von 6 m und 5.5 m, ein Flächen- 
maass von 12.5 m? und 7 m?, waren mit gummirtem Ballonstoff und mit Aluminium- 
blechen überzogen und lieferten bei 150 Umläufen in der Minute und einem Arbeits- 
aufwande von 2 Pferdekräften eine Hebekratt von über 60 kg. Der Antrieb ge- 
schah durch ein Locomobil und die erzielten Axialkräfte wurden auf einer unter der 
Schraubenaxe situirten Deeimalwage unmittelbar abgewogen. Um die Zugwirkung 
des geschtänkten Rtiementriebes auf die Axe zu eliminiren, lief die Riemenscheibe 
lose ausserhalb auf einer fixen Lagerpüchse (ober dem Eichenholzgerüste) und trieb 
die innerhalb derselben Büchsen frei gelagerte Spindel durch zwei Mitnehmer im 
Kreise um. Professor Wellner will eine eingehende Publication der erfreulichen 
Ergebnisse seiner Versuche vorläufig nicht vornehmen, weil noch weitergehende 
Experimente im Zuge sind. Die Arbeiten beweisen, dass Professor Wellner un- 
ermüdlich an seinem schwierigen Vorhaben, das Problem des dynamischen Fluges 
einer gedeihlichen Lösung zuzuführen, weiter arbeitet. 


Auflösung der Wiener privat-aeronautischen Anstalt. Der Herausgeber der „All- 
gemeinen Sportzeitung“, Herr Victor Silberer, hat, wie mehrere Wiener Blätter 
melden, mit Bewilligung des Reichs-Kriegsministeriums einen grossen Theil des 
bisherigen Inventars seiner privaten aöronautischen Anstalt im Prater der k. und k. 
österreichisch-ungarischen Militair-Luftschifferabtheilung zum Geschenk gemacht, 
und zwar: Drei in den Jahren 1883-1891 gebaute, aber noch ungefirnisste Ballons 
„Hess“ mit DU, „Laudon“ mit 650 und den Riesenballon „Austria“ mit 2100 Kubikmetern 
Rauminhalt, weiters den französischen Seidenballon „Vater Radetzky“ (1100 Kubik- 
meter) und 440 Stück Ballastsäcke, sodann ein grosses Ballonventil, System Lülle- 
mann, einen vollständig adjustirten französischen Ballon captif-Ring, einen französi- 
schen Trichter-Seeanker und schliesslich eine Anzahl anderer mehr oder minder 
hübscher Modelle und Unterrichtsbehelfe im Gesammtwerthe von ca. 45L0 fl. Damit 
erscheint die Wiener privat-aöronautische Anstalt thatsächlich aufgelöst. Herr Victor 
Silberer selbst hat den Luftschiffersport schon seit mehreren Jahren nicht mehr 
praktisch ausgeübt. y. 





Literarische Besprechungen. 


Inhaltsangabe der ausländischen aëronautischen Zeitschriften. 


L Aéro naute, März 1896. Ch. Hauvel: Atmosphärische Gezeiten (Vor- 
lesung in der „Eeole Frang. de Nav. Acr”). Sitzungsberichte der „Societe 
franç. de Nav. Aer.“ Sitzung vom 9. Januar 1896. (Geschäftliches. Ueber Schiess- 
versuche auf Militairballons. Surcouf über Ballon-Lenkbarkeit. Notizen zum 
Studium des Vogeläuges. Zum Aufstieg des „Davy“ vom 18. Decbr. 1870. Wahlen ete.) 
Sitzung vom 23 Januar 1596. (Die Erinnerungsfeier an die Landung des Ballons 
sla Poste de Paris" am 18. Januar 1871 zu Venraai. Holland. Surcouf, Ueber 
die projeetirte Adronastische Ausstellung in den Tuilerien. Luftschiffahrt zu Mar- 
seille. Zum acronautischen l’roblem. Amtliche Mittheilung Schwedens über Andre«'s 
bevorstehende Nordpolfahrt. Geschäftliches). 

L’Aerophile, Januar/Februar 1896. E. Aimé: Gustave Hermite (Portraits 
d’Aeronautes Contemporains). G. Hermite: Der dritte Aufstieg des „Aerophile* 
in gresse Höhen‘. W. d. Fonvielle: Die Vereinigung der „Belagerungslult- 


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schiffer“ (Paris 187071). E. Aimé: Aöronautische Unronik (Berücksichtigung des 


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IV Näheres über denselben brivgzen wir im nächsten Hefte. D. Red 


Literarische Besprechungen. 17 


Brieftaubensportes im „Aérophile“). W. d. Fonvielle: Mittheilungen über 
Andrée s Polarfahrt, mit Illustrationen. M. Farman: Die Rolle des Wasser- 
dampfes im Luftmeere. Kleinere Mittheilungen: Weiters zuAndree's 
Fahrt. Luftschifferschule zu Chalais. Ballonfahrten zu Paris und Toulon. 


La Frange Aérienne, Nummern für 1.—15. und für 15.—31. März 1896. 
Meist Artikel und Mittheilungen aus dem Gebiete des. Brieftaubensportes und 
Feuilletonistisches. Von allgemeinerem Interesse sind nur die Artikel von C. Fontana 
über Flugmaschinen aus Aluminium, und von E. Delaurier über seinen Flugmotor. 


Bei der Redaktion sind eingetroffen: 


Dr. Fr. Ahlborn, Zur Mechanik des Vogelfluges. Abhandlungen a. d. Ge- 
biete d. Naturwissensch. herausgeg. vom Naturwissenschaftl. Verein in Hamburg, 
L. Friedrichsen u. Co., 1896. (Eingehendes Referat im nächsten Hefte). 


The. Aäronautical Annual für 1896. Boston, Mass. Clarke & Co; 
London, Wesley and son 28 Essexstr. Strand (Reterat im Aprilhefte.) 

P. Polis: Ueber die wissenschaftlichen Ballonfahrten und deren Bedeutung 
für die Physik der Atmosphäre (Vortrag). Aachen 1898. 

Eine hübsche Darstellung der neueren Leistungen auf diesem Gebiete zu 
Berlin, München, in Schweden etc. mit hauptsächlicher Berücksichigung der ersteren 
Fahrten und fleissiger Benutzung aller bisher publicirten Mittheilungen über die 
Resultate. Eine knappe historische Einleitung geht voraus; mehrere Illustrationen 
erleichtern das Verständniss. 

Dr. A. Marcuse: Die atmosphärische Luft. Berlin, Friedländer et Sohn 1896. 


Im Wesentlichen eine Art populärer Meteorologie, welchen Ausdruck der 
Verfasser jedoch aus unbekanuten Gründen vermeidet und dafür statische Atmos- 
phärologie, dynamische Atmosphärologie etc. schreibt, was uns keine 
glückliche Neuerung zu sein scheint. Finigermassen erstaunt waren wir auch 
über die Begründung, welche der Verfasser dafür giebt, dass er diese Arbeit auf 
die bekannte Preisaufgabe der „Smithsonian Institution“ hin unternommen und — 
wie er erklärt „auf Wunsch des Comités“ — veröffentlicht hat: weil nämlich „das 
Thema ihn als Astronomen interessirte, da es die Hülle unseres Planeten betraf“. 
Da möchten wir uns denn doch die Frage gestatten, was wohl die Astronomen 
dazu sagen würden, wenn ein Meteorologe einen „knapp gehaltenen, allgemein 
verständlichen Lehrvortrag“ über Astronomie publiciren würde, etwa mit der 
Motivirung, „dass ihn das Thema, als die Sonne, den Haupterreger aller meteoro- 
logischen Vorgänge, mitbetreffend, interessirte*. Um einen Lehrvortrag über ein 
Wissensgebiet auszuarbeiten, dazu gehört doch noch etwas mehr als Interesse für 
die Sache, und bekanntlich erfordert eine gute populäre Darstellung vollends 
die grösste Beherrschung und Durchdringung des Stoffes. Und diese wird sich der 
H. Verfasser — er gestatte das freimüthige Wort — wohl selber nicht zuschreiben; 
die Zeiten, wo die Meteorologie nur ein AnhAngsel der Astronomie war, sind längst 
und für immer vorüber. Das können wir Meteorologen im Interesse der Physik 
der Atmosphäre nicht oft und eindringlich genug betonen. Wozu die Nichtachtung 
dieser Thatsache führt, wird klar bei einem Vergleiche des astronomischen und des 
meteorologischen Theiles in der Neubearbeitung von Müllers „Kosmischer Physik“ 
durch C. F. W. Peters, einen ausgezeichneten Astronomen. 


Was speciell üher die vertikale Temperaturvertheilung und deren Feststellung 
durch Ballonfahrten mitgetheilt wird, — um das in dieser Zeitschrift besonders in 
Frage kommende herauszugreifen — kann uns leider durchaus nicht befriedigen. 
Der Herr Verfasser hat sich nicht die Mühe gegeben, aus den bisher vor allem in 
dieser Zeitschrift, dann auch bereits in der „Meteorolog. Zeitschrift“, dem „Wetter“, 


VH Literarische Besprechungen. 


den „Annalen der Hydrogr.“ ete. veröffentlichten, wenn auch nur provisorischen und 
knappen Ergebnissen das Wichtigste, so z. B. die gefundenen unerwartet tiefen 
Temperaturen, die festgestellte sehr scine Temperatur-Abnahme mit der Höhe, die 
Ueberwärmung der mittleren Schichten, die höchst geringe jährliche und tägliche 
Schwankung der Luftwärme in grösseren Höben u. a. m. mitzutheilen. Statt solcher 
doch für den Leser interessanten und für die Lehre von der r Temperaturvertheilung 
wichtigen positiven Angaben, die man an dieser Stelle erwartet hätte, finden wir 
einige allgemeine Redewendungen von dem Ungenügenden, das allen solchen Unter- 
suchungen aus verschiedenen Gründen anhaftet. Dabei wird die Unsicherheit wegen 
der horizontalen Ortsänderung ungemein überschätzt, da unterhalb der Ballonbahn 
fortlaufend beobachtet wird und durch systematische Untersuchung sich der Einfluss 
der Ortsänderung und der täglichen Periode meist sehr schön heraussebäien und als 
solcher darstellen lässt. Auch sind diese Einflüsse in etwas bedeutenderen Höhen 
nur ganz untergeordneter Natur. Noch befremdlicher war uns, dass der Verf., statt 
sich in dem bisher schon publicirten umzusehen, den Ausspruch thut, „dass die 
Sichtung und Verarbeitung des bei den Ballonfahrten angehäuften Materiales an- 
scheinend ausserordentlichen Schwierigkeiten begegne“, da unseres Wissens keiner 
von den mit der Bearbeitung dieses Materiales Beauftragten sich vor Herrn M. über 
solche Schwierigkeiter beklagt hat. Nur ist es ja natürlich, dass die wissenschaft- 
liche Verarbeitung und Darstellung von fünfzig Frei- und 25 Fesselfahrten, mit 
anderen Worten die Publikation eines Werkes von mindestens 100 Druckbogen nebst 
äusserst zahlreichen Tabellen, Zeichnungen und graphischen Darstellungen ein 
paur Jahre Arbeit erfordert. Direct verwahren müssen wir uns aber dagegen, dass 
der Verfasser, welcher nicht Meteorologe, offenbar aber noch viel weniger Luft- 
schiffer ist, einen Vorschlag macht, wie man sich von den oben betonten störenden 
Einflüssen frei machen könnte. Der Verfasser hätte sich doch sagen können, dass 
Leute, die sich Jahre lang mit solchen Untersuchungen abgeben, auf die Idee des 
Fesselballons mit den Thermographen längst gekommen sind, er hätte auch leicht 
in Erfahrung gebracht, dass dieselbe, in wiefern ausführba r, vielfach aus- 
geführt ist, in dem angegebenen Maasse aber aus technischen Gründen sich absolut 
nicht ins Werk setzen lässt. Vor allem aber müsste er sieh aus analogen Er- 
fahrungen in seiner Wissenschaft sagen, dass der Fachmann mit solehen ganz all- 
gemein gehaltenen Vorschlägen des Laien, welche Forderungen stellen ohne auf 
die Schwierigkeiten einzugehen, nichts anfangen kann. Uebrigens kommt es auf 
die so genaue Erforschung der untersten SCO bis 1000 Meter (und in dieser Höhe 
kann man im besten Falle längere Zeiten hindurch den Fesselballon halten, der doch 
immer mit dem Winde zu kämpfen hat) nicht so in erster Linie an, sondern vielmehr 
auf die dem Fesselballon ganz unerreichbaren mittleren und grossen Höhen. 

Auf das ganze Werkchen können wir hier natürlich nicht eingehen; beim 
Lesen haben wir uns immer wieder die Frage gestellt, ob denn die ehrenvolle Er- 
wähnung seitens des Comites wirklich mehr als eine, vielleicht gegen alle durch 
keinen Preis ausgezeichneten Arbeiten geübte Höflichkeit bedeuten sollte, eine An- 
erkennung für die Mühe und den guten Willen des Einreichers. 

P. Käuffer, Energie-Arbeit ete., Mainz, 1896 (Referat im Aprilheft). 

C. F. Billwiller, Miniatur-Model! eines Luftschiffes (Beschreibung, 24 pp. 
mit Taf.) Zürich, 1894. 

Ueber die wirkliche Ausführbarkeit von lenkbaren Luttschiffen kann, wie die 
Erfahrung sattsam gezeigt hat, nur der Versuch entscheiden. Jedenfalls gehört das 
vorliegende Projekt zu der kleinen Anzahl der wohldurchdachten und, wenn auch 
nicht im Detail, wenigstens doch im Allgemeinen berechneten und kann die Durch- 
sicht der kleinen Schrift allen, die sich für diese viel ventilirte Frage näher 
interessiren, empfohlen werden. 


Vereinsnachriehten. 7O 


Vereinsnachrichten. 


Protokoll der 5. (155.) Versammlung des Deutschen Vereins zur 
Förderung der Luftschiffahrt vom 16. November 1895. 
Beginn der Sitzung kurz vor 8 Uhr. 
Vorsitzender: Prof. Assmannn - Sehriftführer: H. Berson. 


Nach Erledigung einiger ganz unerheblicher geschäftlicher Mittheilungen er- 
greift sogleich das Wort H Bergsecretär Buttenstedt zu seinem angekündigten 
Vortrage: „Ueber den Flugimpuls“ und führt etwa Folgendes aus: 

Die geringen Fortschritte bei der Lösung des Flug-Problems lägen darin 
dass man kein Auge für den eigentlichen Flug-Impule habe; dieser läge durchaus 
nicht in der bewegten Luft, dem Winde, sondern im Gegentheil, im verticalen 
Drucke ruhiger Luftmassen, noch weniger aber in der Hohlheit der 
Flugfläche, sondern einzig in der elastischen Energie der Flugfläche. — 
Alle beim Fluge in Wirksamkeit tretenden Kräfte des Vogels, die Schwerkraft, seine 
active wie passive Muskelkraft, würden erst gesammelt und aufgespeichert in 
elastischer Spannkraft seines Flugmaterials. Die elastische Spannungs- 
Energie sei die letzte Station, in der alle wirkenden Kräfte erat zusammenlauten 
müssten, um von hier aus zu wirken. Es gübe nicht zahllose Ursachen, sondern für 
alle Flugarten nur eine einzige mechanische Ursache, das sei die Entladung 
elastischer Energie durch Ent-Spannungs-Bewegung. — Er wundere sich, 
dass die Franzosen ihren Planavergne seit 1872 bis jetzt noch nicht verständen, 
der dasselbe mechanische Flugprincip wie der Vortragende gefunden habe, und 
wenn Zweie unabhängig von einander dasselbe Princip finden, müsse doch Etwas 
daran sein. — l 

In die Discussion griff Herr Berson und ein als Gast anwesender Ingenieur 
ein. Der Erstere stellte die Frage, wie der schwebende Vogel den Höhenverlust 
verhindere, wenn er dies nicht durch vertikale Arbeit der Flügelschläge thue, worauf 
der Vortragende erwiederte, dass dies durch erhöhte horizontale Bewegung 
mittelst schon minimaler Hülfskräfte durch Aufwärts gleiten auf positivem Flug- 
winkel der Segelflächen geschehe; — der Letztere stimmte in vollem Umfange dem 
Vortragenden darin bei, dass die elastischen Flügel und Schrauben das einzig 
Ricttige in der Flugmechanik seien, nur legte er nicht der Elasticität der Flügel- 
Spitze die hohe Wichtigkeit bei, wie der Vortragende. 

Nach einigen weiteren Bemerkungen und Hinweisungen darauf, dass der Vor- 
tragende die Grundzüge seiner Theorie ausführlich in seinem bekannten Werke 
dargelegt habe, wurde die Sitzung gegen 91/, Uhr geschlossen. Berson. 


Münchener Verein für Luftschiffahrt. 


Vor der am Dienstag, den 28. Januar, im Hotel „Stachus“ stattgehabten ordent- 
lichen Generalversammlung des Münchener Vereins für Luftschifffahrt wurden kurze 
wissenschaftliche Mittheilungen gegeben, welche allgemeines Interesse beanspruchen 
können. 

Zunächst sprach Herr Professor Dr. Finsterwälder über die neuesten 
Fortschritte Lilienthal’s auf dem Gebiete der Flugtechnik. Zusammenfassend gab 
der Vortragende einen Ueberblick über die von Lilienthal in den Jahren 1590 bis 
1891 angestellten Flugversuche, welche mit dem Balanciren des mit Flügeln von 
10 bis 20 Quadratmeter Fläche ausgerüsteten, noch auf dem Boden stehenden Mannes 
bei bewegter Luft begannen, dann zu Luftsprüngen von mässiger Höhe und zu- 
nehmender Weite übergingen und schliesslich zu 50 Meter hohen und mehrere 


80 Vereinsnachrichten. 


1C0 Meter weiten Flügen in den Rhinower Bergen führten. Nachdem der Vortragende 
nunmehr die Construction des Lilienthal schen Flugapparates in ihren wesentlichen 
Punkten angegeben hatte, beleuchtete er die Schwierigkeiten, die einer weiteren 
Ausdehnung der Versuche mit grösseren Flügelflächen bei starkem böigem Winde 
entgegenstanden und wesentlich in den grossen und rasch auszuführenden Schwer- 
punktsverschiebungen beim Balanciren ihren Grund hatten. Lilienthal überwand 
nun diese Schwierigkeiten 1895 durch Anbringung einer gewölbten Tragfläche über 
den Flügelflächen, wodurch bei gleicher Grüsse der hebenden Fläche eine viel ge- 
ringere Spannweite der Flügel und damit eine leichtere Balancirung des Apparates 
erzielt wurde, so dass er sich nunmehr Winden bis zu 10 Meter Geschwindigkeit 
anver'rauen und von der Spitze seines zu Flugversuchen errichteten Hügels in der 
Nähe von Berlin aufwärts in die Luft heben lassen konnte. Mit diesem Apparate 
ist es Lilienthal möglich, unter verschiedener Flügelstellung seine Flüge ganz 
wesentlich auszudehnen. Schliesslich erwähnte der Vortragende auch noch Lilien- 
tbal’s Experimente mit stabilen Fliegern aus Papier zur Ermittelung der günstigsten 
Flügelform und führte ein nach seinen Angaben gefertigtes Modell vor. 

Bekanntlich gründet sich die Construction des Lilienthal’schen Flugapparates 
auf das durch vielfache Versuche nachgewiesene physikalische Gesetz, dass eine 
etwa horizontale, nach oben gewölbte Fläche, welche in einem in horizontaler Rich- 
tung bewegten Medium sich befindet, einen nach aufwärts gerichteten Druck erfährt. 
Herr Professor Dr. Sohnke zeigte nun im Anschluss an den Vortrag Finster- 
walder's, wie diese Erscheinung physikalisch zu begründen und die Grösse des 
Druckes mathematisch festzustellen ist: Das an der gewölbten Fläche vorbei- 
streichende Medium schliesst sich deren Krümmung an und erzeugt so, senkrecht 
zur Fläche, nach aussen gerichtete Centrifugalkräfte, welche die Fläche zu heben 
suchen; unter Zugrundelegung der Gesetze der Centrifugalkraft lässt sich die Grösse 
der Resultante dieser Centrifugalkräfte rechnerisch finden, wie übrigens schon 
Lilienthal nachgewiesen hat. 


Herr Dr. Emden demonstrirte sodann ein von Professor Dr. Vogel con- 
struirtes Schleuder-Thermometer. Durch Versilberung des Quecksilbergefässes und 
Schutzhülle vor Sonnenbestrahlung geschützt, liefert es äusserst zuverlässige An- 
gaben. Sein geringes Gewicht und seine einfache Anwendung machen es für 
Forschungsreisen, Ballonfahrten ete. ganz besonders geeignet. 


Hierauf machte Herr Professor Dr. Sohnke einige Mittheilungen über Wander- 
geschwindigkeiten der Zugvögel, wobei er sich wesentlich auf dieselben Beob- 
achtungen und Quellen stützte wie H. Karl Milla in seinem im Juni, Juli-Heft dies. 
Z.-S. (pp. 156—163) abgedruckten Vortrage, weswegen hier eine diesbezügliche 
Yerweisung genügen dürfte. 






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Deutschland am 1. Juli 1894. 


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Ueber die Entwicklung der Militär-Luftschiffahrt in den Jahren 
1894 und 95. 


Von H. Gross, Hauptmann in der Kgl. Luftschiffer-Abtheilung !). = 
I. Fragen allgemeiner Bedeutung. 

In den Jahren 1894 bis 96, ist speeiell in Deutschland sowohl auf dem 
allgemeinen Gebiete der Luftschiffahrt als auch auf dem der Militär-Luftschiff- 
fahrt im Besonderen eine so energische und erfolgreiche Thätigkeit entfaltet 
worden, dass es gegenwärtig eigentlich nur noch der Gewährung der erforder- 
lichen Geldmittel und personellen Kräfte bedarf, um Deutschland auch auf 
diesem Gebiete die Leberlegenheit über die übrigen Staaten zu sichern. Während 
man in Frankreich, Russland und England, den einzigen übrigen Staaten, in 
denen nennenswerthe Luftschiffer-Formationen und Kriegsmaterial für die- 
selben vorgesehen sind, immer noch im Versuchs-Stadium sich befindet, 
sind in Deutschland die schwebenden Fragen über ein kriegsbrauchbares 
Feld- und Festungs-Luftschiffer-Material, sowie die Organisation der Luft- 
schiffer-Formationen nach den Erfahrungen grösserer Uebungen, sowie der 
letzten beiden Feld-Manöver, an denen je 2 Feld-Luftschiffer-A btheilungen 
Theil nahmen, als zur Zufriedenheit gelöst zu betrachten. Es soll hiermit 
keineswegs gesagt werden, dass gerade auf diesem noch so jungen Gebiete 
der Militär-Technik Nichts mehr verbesserungsfähig sei, oder zu wünschen 
übrig lasse, vielmehr nur constatirt werden, dass der gegenwärtige Zustand 
eine erfolgreiche Verwendung des Fesselballons als eines vorzüglichen 
Recognoseirungsmittels im Feld- und Festungskriege gewährleiste und daher 
die Aufwendung grösserer Summen von Seiten der Heeresverwaltung durch- 
aus verlolne. 

Die wichtigste aller Fragen nach Annahme des Principes fertiges 
Gas in comprimirtem Zustande zur Füllung des Ballons mit in’s Feld zu 
führen, war die Construction der hierfür geeignetsten Fahrzeuge. Während 
man sich in Frankreich von dem schon vorhandenen Material, obgleich 
dessen Unzulänglichkeit für die Zwecke des Feldkrieges sich erwiesen 
hatte, nicht gänzlich trennen konnte, in Russland eine abwartende Stellung 
einnabm und daher Nichts Brauchbares schuf, warf man in Deutschland 
das bisherige Material gänzlich bei Seite, sobald man seine Fehler und 
Unzulänglichkeit erkannt hatte und schuf einen neuen Feldluftschifferpark, 
welcher fast die Beweglichkeit einer fahrenden Batterie besitzt und daher 





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1) Nach einem Artikel aus den „v. Löbell'schen Jahresberichten“ vom 
H. Verfasser für die „Zeitschr, f. Luftsch.“ bearbeitet. 


82 Gross: Entwieklung der Militär-Luftsehitfahrt in den Jahren 1894 u. 95. 


die taktische Verwendbarkeit des Fesselballons auch im Feldkriege unter 
allen Umständen sichert. 

Auch auf dem Gebiete der Organisation der Feldluftschiffer- For- 
mationen für den Mobilmachungsfall wurden feststehende Normen ge- 
schaffen, die es ermöglichen mit «der Weiterbeschattung des neuen Materials 
gleichen Schritt zu halten. 

Eine zweite nieht minder wichtige Frage ergab sich aus der Ver- 
wendung des comprimirten Gases. 

Solange man gezwungen war am Orte der Verwendung des Ballons 
das erforderliche Gas erst zu bereiten, kam es fast lediglich auf die 
Schnelligkeit der Entwicklung desselben an, alle übrigen Gesichtspunkte 
traten gegen diesen in den Hintergrund. Jetzt aber, nachdem durch die 
Aufspeicherung des Gases in Stahlbehältern die Zeitdauer der Entwicklung 
erst ganz zuletzt in Frage kommt, konnte und musste man sogar darauf 
bedacht sein, ein möglichst reines und daher höchst. leichtes \Vasserstoflgas 
in stationären, möglichst ökonomisch arbeitenden Anlagen zu erzeugen. 
Auch hierbei ist Deutschland zu einer höchst glücklichen Lösung dieser 
Frage gelangt und zwar unter Zuhülfenahme einer ausgedehnten inlän- 
dischen Privat-Industrie. 

Es ist bekannt, dass chemisch reiner Wasserstoff durch die Zersetzung 
des Wassers in seine beiden Bestandtheile, Sauerstoff und Wasser- 
stoff, mit Hülfe des elektrischen Stromes (Elektrolyse) entsteht. Wenn- 
gleich an und für sich diese Zersetzung des Wassers zweifellos die 
rationellste und auch billigste Art der Wasserstoffgaserzeugung bei geringen 
Quantitäten ist, so erfordert sie in Folge der ungemein langsamen Ent- 
wickeluug eine so riesenhafte Anlage, wenn es sich um die Erzeugung 
grosser Massen von Gas handelt, dass eine derartige Anlage ad hoc zu 
kostspielig wird. Anders dagegen stellt sich die Sache, sobald mit Hülfe 
des elektrischen Stromes gleichzeitig andere Stoffe als nur Wasser mit 
zersetzt werden, welche in der grossen Industrie eine Rolle spielen, wenn 
also das hierbei entstehende Wasserstoffgas gewissermassen als ein über- 
flüssiges Nebenprodukt gewonnen wird. Es existiren nun speciell in 
Deutschland mehrere sehr grosse chemische Fabriken, welche ihre Präparate 
— namentlich Chlor und Kali — elektrolytisch erzeugen, und bisher das 
Wasserstoffgas als wertlilloses Nebenprodukt in die freie Luft entliessen. 

Mehrere dieser chemischen Fabriken waren gern bereit, dieses wegen 
seiner Reinheit vorzüglich brauchbare Wasserstoffgas in Gasometern auf- 
zufangen, es in Stahlbehälter zu comprimiren und es der Militär-Verwaltung 
zu einem bisher ungekannt billigen Preise zu liefern. In den übrigen 
Staaten behält man die alte Art der Gaserzeugung aus Schwefelsäure und 
Zink bezw. Eisen mit all’ ihren grossen Nachtheilen bei, nur in Frankreich 
trat man wenigstens in Versuche ein, das Gas elektrolytisch herzustellen, 
ohne jedoch zu einem befriedigenden Abschluss zu gelangen. 


Gross: Entwicklung der Militär-Luftschiffahrt in den Jahren 1894 u. 95. 83 


Einen weiteren Aufschwung hat auch unsere Militär - Luftschiffahrt 
durch den Zusammenhang mit den in den Jahren 1893 und 94 ausgeführten 
und allgemein bekannten Ballonfahrten zur Erforschung der höheren 
Atmosphäre genommen. Diese aus Mitteln des Allerhöchsten Dispositionfonds 
von einer Vereinigung von Männern der Wissenschaft in der Regel unter 
Führung eines Offiziers der Luftschiffer- A btheilung unternommenen zahlreichen 
Fahrten, welche in Folge der hierbei erreichten Höhen und langen Dauer, 
sowie durch die (sründlichkeit der angestellten wissenschaftlichen Beob- 
achtungen eine reiche Ernte von wertlivollen Beobachtungen und Erfahrungen 
einbrachten, sind nicht nur auch der Militär-Luftschitter-Technik zu Gute 
gekommen, sondern haben ausserdem dadurch indirekt wesentlich genutzt, als 
das Interesse und die Kenntniss an den Zielen und Zwecken der Luft- 
schitfahrt, sowie deren Nutzen in weiteste Kreise getragen wurde, zumal 
da Se. Majestät sein Allerhöchstes Interesse diesen Fahrten entgegen- 
zubringen geruht. 

Gerade die mangelnde Kenntniss von dem Wesen und der Leistungs- 
fähigkeit des Ballons, sowie der Art seiner Verwendung ist es aber, die 
nicht allein bei uns, sondern auch in Frankreich und Russland häufig 
Veranlassung dazu giebt, dass der Fesselballon bei den Feld-Manövern 
oder Uebungen oft so wenig leistet. Es ist daher mit Freuden zu begrüssen, 
wenn das Interesse und das Verständniss für dieses noch zu neue Kriegs- 
geräth immer mehr Verbreitung findet. 

Das Bestreben, den Fesselballon weniger abhängig vom Winde zu 
machen, führte in Deutschland zu den bisher noch nicht abgeschlossenen 
Versuchen mit sogenannten Drachenballons, während man in England sogar 
den Ballon gänzlich durch einen grossen Drachen zu ersetzen versuchte. 
Bei den Drachenballons wird die untere Fläche des cylindrisch geformten 
Ballons mit Hülfe einer besonderen Steuervorrichtung schräg in den Wind 
eingestellt, welcher dann nach dem bekannten Principe des Drachens hebend 
auf den Ballon einwirkt, anstatt ihn wie den gewöhnlichen Kugelballon 
niederzudrücken. Wenngleich es auch gelungen ist mit diesem Ballon be 
Windstärken bedeutende Höhen zu erreichen, bei denen der Kugelballon 
überhaupt nicht gebrauchsfähig ist, so ist doch, wie die Erfahrungen der 
letzten Manöver gezeigt haben, dieser Drachenballon noch nicht genügend 
stabil im Winde, um als unter allen Umständen brauchbar bezeichnet 
werden zu können. Dieses Princip jedoch der Vereinigung des Ballons 
mit einer drachenartigen Fläche stellt eine Verwendung des Fesselballons 
an fast allen Tagen des Jahres und somit eine ganz wesentliche Erhöhung 
seiner Brauchbarkeit in Aussicht. 

Einen nicht zu unterschätzenden und zwar lälımenden Einfluss auf 
die Entwickelung der Militär-Luftschiffahrt, namentlich der anderen Staaten, 
hatten die Explosionen von sStahlbehältern mit comprimirtem Gase in 
England, Frankreich und Deutschland, da dieselben zeigten, dass diese 


84 Gross: Entwicklung der Militär-Luftschiffahrt in den Jahren 1894 u. 95. 


Behälter bis an die Grenze ihrer Haltbarkeit angestrengt wurden, also 
dem Druck, den man ihnen zumuthet, auf die Dauer nicht gewachsen waren. 
Man war daher gezwungen den Druck, damit aber auch den Inhalt der 
Behälter zu verringern, wodurch es natürlich nothwendig wurde, eine 
grössere Menge von Behältern pro Ballonfüllung mit ms Feld zu führen 
und somit den an und für sich schon ziemlich umfangreichen Luftschifter- 
Train noch zu vergrössern. Während indessen diese Unglücksfälle in 
den Staaten, in denen sie vorkamen, nur dazu beitruren, das Material zu 
verbessern, liessen sich andere Staaten von der geplanten Aufstellung der- 
artiger Luftschiffer-Trains hierdurch direkt abschrecken und stehen daher 
theilweise heute noch abwartend dieser Frage gegenüber. 

Die Frage der Niederkämpfung des Fesselballons durch Gewehr- 
bezw. Geschützfener ist durch zahlreiche Versuche in mehreren Staaten 
weiter geklärt worden. Man ist zu der Ueberzeugung gelangt, dass das 
Infanteriefeuer gegen den Fesselballon ziemlich wirkungslos ist, sowie dass 
die Gefahr des Herabgeschossenwerdens durch Feld- oder schwere Ge- 
schütze ganz wesentlich verringert wird durch dauernden Höhen, und 
Platzwechsel des Ballons. Aus allen Versuchen hat sich ergeben, dass es 
zweckmässig ist, den Ballon nicht näher als 5 km an die feindliche Batterie 
heranzubringen, eine Entfernung, aus welcher derselbe noch sehr gut seine 
Aufgaben erfüllen kann. 


II. Erscheinungen und Veränderungen auf dem Gebiete der Militär- 
Luftschiffahrt in den einzelnen Staaten. 


A. Deutschland. 


Nachdem am 1. Oktober 1893 der Etat der Luftschiffer - Abtheilung 
vermehrt worden war, wurde zur Ausbildung eines geeigneten Ersatzes 
der Offiziere dieser Abtheilung, sowie zur Besetzung der erforderlichen 
Stellen im Mobilmachungsfalle am 1. April 1894 eine Tuuftschiffer-Lehr- 
Anstalt für Offiziere aller Waiten eingerichtet, welche dem Commandeur 
der Luftschiffer-Abtheilung direkt unterstellt wurde. 

Der Ausbildungs - Cursus dieser Lehr - Anstalt für je 10 Offiziere ist 
ein jährlicher. Ausserdem werden noch alljährlich Offiziere der Festungen, 
in denen Luftschiffer-Material vorhanden ist, sowie eine Anzahl von Offizieren 
der Fuss-Artillerie in einem halb- bezw. vierteljährlichen Cursus für ihren 
Special - Luftschiffer - Dienst hier ausgebildet. Als Lehrpersonal dienen 
2 Militär- und 1 Civil-Lehrer. Die Offiziere werden nicht sowohl fach- 
technich, sondern namentlich auch taktisch ausgebildet, um in der Lage zu 
sein, nicht nur im Fesselballon die Beobachtungen auszuführen, sondern das 
Gesehene auch taktisch verstehen zu können. 

In dieser Art der Ausbildung der Offiziere unterscheidet sich Deutsch- 
land durchaus von den Lehranstalten Frankreichs und Russlands, woselbst die 


Gross: Entwicklung der Militär-Luftschiffahrt in den Jahren 1894 u. op 85 


Luftschiffer-Offiziere nur eine technische Ausbildung empfangen, während 
die eigentliche Recognoscirung von Generalstabsoffizieren ausgeführt wer- 
den soll. 

Am 1. April 1595 wurde die bisher dem Eisenbahn-Reet. No. 1 
attachirte Luftschiffer-Abtheilung selbständig gemacht und direkt der Eisen- 
bahın-Brigade unterstellt. Der Commandeur der Abtheilung erhielt hierbei 
den Rang und die Gerechtsame eines selbständigen Batailllons-Commandeurs. 
Gleichzeitig wurde der Abtheilung eine besondere Uniform und Bewaffnung 
verliehen. Sie erbielt statt des bisherigen Helms einen Tschako nach dem 
Muster des der Garde-Jäger und -Schützen, als Bewaffnung das Gewehr 91 
und das kurze Infanterie - Seitengewehr. Auch bei der Bayrischen Luft- 
schiffer - Abtheilung wurde eine eigene Offizier-Lehr-Anstalt eingerichtet. 
Ebenso wurde nach dem Muster der Preussischen Abtheilung die Uniform 
und Bewaffnung umgeändert. 


Die Luftschiffer - Abtheilung nahm an den Kaiser - Manövern des 
Jahres 1894 in Ostpreussen, sowie an denen des Jahres 1895 in Pommern 
mit Erfolg Theil. Bei diesen Manövern wurde zum ersten Male beiden 
gegen einander manövrirenden Corps bezw. Armeen je eine Luftschiffer- 
Abtheilung zugewiesen, wodurch es nicht nur gelang, reiche Erfahrungen 
über die Verwendung des Fesselballons im Feldkriege zu sammeln, sondern 
auch die Führer mit diesem neuen Kriegsreräth bekannt und vertraut zu 
machen. Wir finden daher auch bereits in der neuen Felddienstordnung 
direkte Normen über die Verwendung von Luftschiffer - Abtheilungen 
gegeben. ` 

Die Abtheilung hatte grosse Erfolge bei einer Angriffsübung von 
Thorn im Jahre 1894 zu verzeichnen, die zur Folge hatte, dass gegen- 
wärtig die Fussartillerie den Fesselballon bei dem Angriff und der Ver- 
theidigung von festen Stellungen nicht mehr entbehren zu können der 
Ueberzeugung ist und der Frage näher tritt, für ihre Schiessplätze sich 
eigene Fesselballonstationen anzulegen, um ihre Offiziere in diesem Special- 
dienst besser ausbilden zu können. Auch bei einer Angriffsübung auf dem 
Schiessplatz Münster, bei welcher den bespannten schweren Batterien der 
Fussartillerie eine Luftschiffer-Abtheiling zugetheilt war, zeigte sich der 
hohe Werth der Beobachtung vom Fesselballon, welcher schon bei seinem 
ersten Aufstiege die zu beschiessenden Batterien und fortificatorischen An- 
lagen erkennen und auf der Karte festlegen konnte. 

Die Luftschiffer-Detachements in den Festungen Deutschlands, welche 
bisher im Vergleich zu denen Frankreichs und namentlich auch Russlands 
etwas stiefmütterlich aus Mangel an Mitteln behandelt werden mussten, 
werden im Laufe des nächsten Jahres Gegenstand besonderer Aufmerksam- 
keit sein und je nach den verfügbaren Mitteln besser organisirt und reich- 
licher mit Material dotirt werden. 


86 Gross: Entwicklung der Militär-Luftschiffahrt in den Jahren 1894 u. 95. 


B. Frankreich. 


Weniger energisch als in Deutschland ging man in Frankreich an die 
Neuorganisation und Umgestaltung der Luftschiffer-Formationen und des 
Materials, nachdem man sich fast gleichzeitig auch hier fūr die Einführung 
des comprimirten Gases entschieden hatte. 


Man combinirte beide Methoden des Gasersatzes, behielt die vor- 
handenen fahrbaren Gaserzeuger bei und beabsichtigte dieselben gewisser- 
massen als fahrbare Gasanstalten zu verwenden, welche der Operations- 
armee folgend sich an geeigneten Orten etabliren und von hier aus das in 
Stahlbehältern comprimirte Gas den Luftschiffer-Abtheilungen in die vorderste 
Linie zusenden sollten. Diese halbe Massregel zeigte sehr bald die ihr 
anhaftenden Mängel, die hauptsächlich darin bestanden, dass die für die 
Erzeugung und namentlich die Compression des Gases erforderlichen 
Maschinen nicht beweglich und transportfähig genug sind, dass ferner der 
Nachschub des für die Erzeugung des Gases erforderlichen chemischen 
Materials (Eisen- bezw. Zink- und Schwefelsäure) nicht genügend gesichert 
ist, und dass schliesslich bei dieser Methode mehr als das doppelte tote 
Gewicht pro cbm Gas zu transportiren ist. Man beschloss daher bereits 
im Jahre 1893 hierin eine Verbesserung einzuführen, indem man den 
ote Echelons der Luftschiffer-Abtheilungen eine möglichst grosse Anzahl von 
Stahlbehälter-Wagen zuzutheilen vorschlug, welche die Abtheilung unab- 
hängiger von der zu ihr gehörenden beweglichen Gasanstalt machen sollte. 
Indessen scheint man auch gegenwärtig hierin noch nicht zu einem definitiven 
Abschluss gelangt zu sein, da der Aide-mémoire de l’Officier de Etat major 
en campagne für das Jahr 1895 noch diese beweglichen Gaserzeugungs- 
Echelons anführt. 


Ein ganz kürzlich (December 1895) erschienener Aufsatz eines Fach- 
mannes gibt über den gegenwärtigen Stand der Organisation und des 
Materialwerthes alle Aufschlüsse, wonach allerdings die Neuorganisation 
nunmehr abgeschlossen erscheint. 


Wir entnehmen diesem Aufsatze Folgendes: 

Die 4 TLuftschiffer-Friedenscompagnien, von denen je eine den 4 Genie- 
Regimentern angehört, formiren im Mobilmachungsfalle durch Einziehung 
von Reservisten verstärkt, 13 Luftschifter-Abtheilnngen, welche nach ihrer 
verschiedenartigen Bestimmung verschiedene Namen führen, und zwar: Feld. 
und Festungs-Abtheilungen, Abtheilungen für Gasbehälter-Fahrzeuge und 
Depot-Abtheilungen. Letztere sind für den Ersatz des erforderlich werden- 
den Materials bestimmt. 

Diese Formationen sind für die Bedienung der verschiedenen Gruppen 
des Luftschiffer-Materials, Luftschiffer-Parks genannt, bestimmt, welche im 
Principe gleich, sich nur dureh gerinfügizge Einzelheiten in der Ausrüstung 
unterscheiden. ‚Jede der grossen Festungen der Ostgrenze, sowie jede der 


Gross: Entwicklung der Militär-Luftschiffahrt in den Jahren 1894 u. 95. 87 


aufzustellenden Armeen ist mit je einem Luftschiffer-Park versehen. Da 
in dem Aufsatze angegeben ist, dass 2—3 Armeecorps je eine Armee bilden, 
so ergibt sich hieraus die Zahl von 8 Feldluftschiffer-Abtheilungen und 
hieraus wieder das Vorhandensein von 4 Festungsluftschiffer-A btheilungen, 
wenn man 1 Depot-Abtheilung annimmt. 

Jeder dieser Parks besteht aus 2 Echelons, welche nach dem Befehle 
des Oberbefelhlshabers vereint oder getrennt erscheinen, bezw. deren Abstand 
von einander geregelt werden kann. Die Ausstattung durch Echelons mit 
technischen Fahrzeugen ist folgende: 

1 Winde-Wagen, 

1 Zubehör-Wagen, 

1 Geräthe-Wagen, I. Echelon. 
Eine bestimmte Anzahl von Gasbehälter- Wagen, 
normal 2 Füllungen mit sich führend. 

Eine je nach Bedarf bestimmte Anzalıl von 
Gasbehälter-Wagen. 

Jeder Gasbehälter-Wagen trägt 8 Stahlbehälter mit je 36 cbm Wasser- 
stoffgas unter einem Druck von 130 cm gefüllt. Es sind also 2 solcher 
Fahrzeuge, welche zusammen ein Ladegewicht von 4500 Klgr. besitzen, 
für eine Ballonfüllung erforderlich. 

Der Geräthewagen enthält 3 Ballons und zwar 2 von normalen 
Grössen (560 cbm) und einen sogenannten Hülfsballon von 250 cbm Inhalt. 

Die vorher genannten Abtheilungen für Gasbehälter-Wagen (sections 
de voitures tubes) sind jedenfalls zur Bedienung des II. Echelons bestimmt, 
bilden also eine Art Gas-Kolonne. Die bisher in die II. Echelons der Ab- 
theilungen eingestellten Gaserzeugungs- und Compressions-\Wagen sind also 
fortgefallen, dieselben werden jedenfalls an geeigneten Orten der Operations- 
basis der Armee stationär als (Gasanstalten eingerichtet, aus denen der 
Ersatz des Gases mit Hülfe dieser II. Echelons erfolgen soll. 

Für die Zwecke der Colonial-Armee sind besondere und zwar kleine 
Gasbehälter vorgesehen, welche von Mannschaften getragen werden können. 
Dem Expeditions-Corps in Madagaskar ist ein solcher sogenannter leichter 
Luftschiffer-Park beigegeben worden, dessen Ballon nur die Grösse der 
Hülfsballons der Armee-Parks besitzt. Auch für die Zwecke der Marine 
sind derartige leichte Luftschiffer-Parks in Brest und Toulon vorhanden. 

Auch in der Gaserzeugungs-Frage hat Frankreich wesentliche Fort- ` 
schritte gemacht. Wenngleich auch wohl die Gaserzeugung im Allgemeinen 
für die grosse Anzahl der Luftschiffer-Formationen immer noch mit Hülfe 
der zahlreich vorhandenen fahrbaren Gaserzeuger vorgenommen wird, so hat 
doch der ungemein regsame Commandeur Renard in dem Central-Etablisse- 
ment für Luftschiffahrt zu Chalais-Meudon eine Gasanstalt construirt und 
erbauen lassen, welche auf der elektrolytischen Zersetzung des Wassers 
beruht. Er gibt selbst an, hierdurch den Preis des Gases von 2,50 fr. auf 


II. Echelon. 


88 Gross: Entwicklung der Militär-Luftschiffahrt in den Jahren 1894 u. 95. 


0,50 fr. reducirt und gleichzeitig ein Gas von seltener Reinheit erhalten 
zu haben. Diese Gasanstalt dürfte wohl aber vorläufig mehr als eine Ver- 
suchsanlage zu betrachten sein, da sie in zu geringen Dimensionen aus- 
geführt ist, um im Mobilmachungsfalle ausreichen zu können. 


Oesterreich-Ungarn. 


Das Oesterreichisch-Ungarische Reichs-Kriers-Ministerium hat sich 
hauptsächlich wohl durch die Explosion der Gasbehälter in Deutschland, 
ferner aber auch aus Mangel an Mitteln immer noch nicht zur Beschaffung 
kriegstüchtigen Feldluftschiffer- Materials entschliessen können, sondern be- 
sitzt lediglich eine Art aöronautischer Versuchs-Anstalt, welche in den 
6 Sommer-Monaten zur Ausbildung von Officieren und Mannschaften Uebungs- 
Curse abhält. Da indessen im Jahre 1895 ein Officier!) dauernd als Com- 
mandant der Luftschiffer-Abtheilung ernannt, und demselben ein, wenn 
auch geringes, so doch ständiges Personal (1 Officier und 6 Mann) zugetheilt 
worden ist, und da ferner nicht unbeträchtliche Geldmittel in das Heeres- 
budget für die Zwecke der Luftschiffahrt eingestellt worden sind, so wird 
wohl auch Oesterreich im Laufe des Jahres 1896 über eine Feldluftschiffer- 
Abtheilung verfügen können. 

Bemerkenswerth ist die Theilnahme eines Luftschitter-Detachements 
an den Kaisermanövern in Böhmen 1895, da hier trotz des minderwerthigren 
Materials (Leuchtgasballon von 1000 cbm Imhalt) ganz Hervorragendes ge- 
leistet wurde. 

Der Ballon wurde nebst 2 Füllsäcken von je 60 cbm Inhalt am 
1. 9. 95 in Budweis mit Leuchtgas aus der dortigen Gasanstalt gefüllt. 
Der gefüllte Ballon wurde hierauf bei sehr ungünstigem Wetter in der 
Nacht zum 2. 9. nach dem 25 km entfernten Manöverfelde transportirt, wo- 
selbst er auf 750 m Höhe aufstieg und bis zum Nachmittase der Ober- 
leitung werthvolle Meldungen überbrachte. An demselben Tage noch mar- 
schirte das Luftschiffer-Detachement 10 km weiter und schlug sein Lager 
auf. Am 2. Manövertage stieg derselbe Ballon abermals auf 700 m, mel- 
dete auf 8—12 km den Anmarsch des 8. Armeecorps und rückte mit dem 
siegreichen 14. Armeecorps vor. 

Am 3. Manövertage marschirte der Ballon 700 m hoch gelassen mit 
der Avantgarde des 8. Corps 12 km weit vor und leistete dem Führer 
durch werthvolle Meldungen wesentliche Dienste. 

Dieser grosse Ballon war also 70 Stunden im Dienste und hatte zu 
seiner Nachfüllung während derselben nur 120 cbm Gas erfordert. 

Ferner haben in Oesterreich sehr sorgfältig angestellte Schiessversuche 
auf Fesselballons stattgefunden, die die Erscheinung wieder bestätigten, 








1) Derselbe wurde zum Studium der Organisation und des Materials im Winter 
1895 zur preussischen Luftschiffer-Abtheilung commandirt. 


Gross: Entwicklung der Militär-Luftschiffahrt in den Jahren 1894 u. 95. 89 


dass das Beschiessen eines in der Bewegung befindlichen Luftballons eine 
sehr schwierige und ziemlich zeitraubende Sache ist. 


Russland. 

In Russland ist die seit Jahren geplante Ausstattung der Luftschiffer- 
Formationen mit comprimirtem Gase immer noch nicht planmässig durch- 
geführt. 

Zu den 4 Festungs-Luftschiffer-Abtheilungen in Warschau, Ossowetz, 
Nowogeorgiewsk und Iwangorod ist eine 5. Abtheilung zu Kowno im Jahre 
1895 hinzugekommen. 

Eine höchst originelle Verwendung fand ein Luftschiffer-Detachement, 
indem dasselbe an Bord des Schiffes „Samojed“ einen Fesselballon zum 
Aufstieg brachte, von welchem aus man das im finnischen Meerbusen ge- 
sunkene Kriegsschiff „Russalka“ zu entdecken hoffte. Der Versuch miss- 
lang zwar, liess aber sonst den Werth eines Fesselballons an Bord eines 
Schiffes erkennen. 

Versuche mit einem lenkbaren Luftschiffe aus Aluminium im Jahre 
1894 misslangen. 


Rumänien. 


Im Jahre 1893 entsendete Rumänien 3 Ofüciere nach Paris zur Aus- 
bildung im Luftschiffer-Dienst, welche auch das erforderliche Luftschiffer- 
Material daselbst beschafften. Eine Luftschiffer-Section (1 Officier, 20 Mann) 
wurde in Bukarest eingerichtet und dem 1. Genie-Rgt. attachirt. 


Spanien. 

In Spanien arbeitet man eifrig an der Vervollkommnung des Luft- 
schiffer-Wesens und ging dem Beispiele der übrigen Staaten folgend, zur 
Einführung comprimirten Gases über. 

Etat im Frieden: 

1 Hauptmann, 3 Pr.-Lt., 10 Serg., 17 Corp., 2 Trompeter, 4 Gefreite, 
67 Gem. Ferner 4 Officier-Pferde, 3 Truppenpferde, 10 Maulesel. 

Das Material wird auf 3 Wagen und 10 Lasttlieren fortgeschafft. 

Etat im Kriege: 

1 Hauptmann, 7 Lieut., 28 Serg., 42 Corp., 7 Trompeter, 14 Gefreite, 
280 Gem., 7 Hufschmiede. Ferner 8 Officier-Pferde, 21 Truppenpferde, 
60 Lastthiere, 30 Maulesel für Wagen. 

Das Material wird auf 60 Lastthieren und 4 Wagen untergebracht. 


90 Samuelson: Einige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten. 


Einige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten. 
Von Arnold Samuelson, Ingenieur in Bremen. 
(Schluss). 


IV. 
Versuche mit einem bannerartigen Wimpel. 


Den Ausgangspunkt des zweiten Abschnittes dieser Abhandlung bildete 
das in gleichmässig wehendem Winde aufgehängte Banner. Theoretische 
Erwägungen einfachster Art ergaben, dass ein Banner, welches aus Tuch 
von gleichmässiger Schwere besteht, nicht in dauernd stabiles Gleichgewicht 
sich einstellen kann; dieses wird durch die Praxis bestätigt. Ein an einem 
Flaggenstock aufgezogenes Banner befindet sich freilich der Erdoberfläche 
so nahe, dass der dasselbe schwellende, tragende, bewegende Wind nicht 
als gleichmässig gelten kann. Man gewinnt aber bei richtiger Beobachtung 
der Bewegungen, welche ein solches Banner vollführt, und indem may sich 
fragt, wie etwa diese Bewegungen anders sich gestalten würden, wenn das 
Banner in Drachenhöhe sich befände, die Ueberzeugung, dass auch dann ein 
dauernd stabiles Gleichgewicht nicht sich herstellen würde; die leicht ge- 
wölbte Form, welche das Banner zeitweilig einnimmt, ist immer eine nur 
vorübergehende; sie ändert sich stetig, wird bald wieder zerstört und muss 
neuen, entgegengesetzten Formen Platz machen. 

Es ist nun im zweiten Abschnitt vorausgesetzt worden, dass dieses 
anders sich verhalte, wenn die Schwere des Bannertuchs vom Stock aus 
nach dem Ende hin in demselben Maasse abnimmt, wie der Winddruck, 
und dass im letzteren Falle oben das Gleichgewicht ein stabiles sei. 
Um diese, allerdings an sich wahrscheinliche Annahme doch noch einmal 
durch die Praxis zu prüfen, namentlich um zu erproben, ob die absolut 
gerade Linie, welche aus theoretischen Erwägungen ein solches Banner bilden 
muss, in der Praxis wirklich in genügender Annäherung sich herstellt, habe 
ich folgenden Versuch angestellt: 

Aus Seidenband von 68 mm Breite war 
ein 3 m langer Wimpel hergestellt, so zwar, 
dass die Länge in 10 gleiche Theile von je 
300 mm getheilt war. Die dem Stock zu- 
nächst befindliche Abtheilung bestand aus 10 
aufeinander genähten Bandlagen, die zweite 
aus 9 Bandlagen, die dritte aus 8 und so fort; 
das letzte, zehnte Ende von 300 mm Länge, 
aus dem einfachen Seidenband. Am Stockende 
war eine 1,5 mm dicke Holzleiste c d (s. Fig. 32) 
eingenäht. Die Punkte c und d waren durch 
Bindfaden an die Punkte a und 5 eines mit 
einer Hülse ef fest verbundenen Querhauptes 





Samuelson: Einige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten. gl 


angeschlossen; letztgenannte Hülse wurde auf das Oberende g einer Fisch- 
angelruthe gesteckt und drehte sich leicht darauf. Dieser Wimpel wurde an 
einer möglichst frei liegenden Oertlichkeit dem Winde ausgesetzt. 

Es war interessant und lehrreich, die Bewegungen dieses Wimpels zu 
beobachten: Die 7 dem Stocke zunächst befindlichen Abtheilungen stellten 
sich gewöhnlich ganz gradlinig in der Windstärke entsprechender Schrägung 
ein; die letzte, zehnte Abtheilung, zeigte beständig das bekannte unstäte 
Flattern, da dieses, aus dem einfachen Bande bestehende Ende eben die 
Bedingung der Gewichtsabnahme nicht erfüllen kann; je nach den Wind- 
verhältnissen zog die zehnte Abtheilung die neunte und achte mehr oder 
weniger in Mitleidenschaft. Wenn die Windrichtung sich etwas änderte, 
wie es nahe dem Erdboden alle Augenblicke vorkommt, so vollführte der 
Wimpel, so weit er nicht durch die Kopfleiste cd horizontal gehalten wurde, 
eine Drehung (Torsion); in hochkantiger Stellung fiel derselbe erheblich 
niederwärts, das dauerte aber nur den Bruchtheil einer Secunde: der 
Wimpel wehte sofort wieder aus, er kletterte gleichsam behende wieder 
auf den Wind hinauf; es zeigte sich, dass selbst in unregelmässigsten Wind- 
verhältnissen das Streben nach Geradlinigkeit und stabilem Gleichgewicht 
vorherrschend war, d. h. bei den dem Stocke zunächst befindlichen 7. bis 
8 Abtheilungen, weil diese in ihrer Gesammtheit einen biegsamen Flächen- 
körper bilden, welcher die Bedingung der Gewichtsabnahme proportional der 
Entfernung von der Hinterkante in genügender Annäherung erfüllt. 


Zwei fernere Principien des Widerstandes der Flüssigkeiten. 


Bei geradlinig rechtwinkligem Fortschreiten eines ebenen Flächenkörpers 
wird der grösste mögliche Widerstand dargestellt durch die Gleichung (8): 


w =f E ci 


(Bezeichnungen bekannt). Diese Gleichung ergiebt sich rein theoretisch 
aus Spannung und Masse der Lufttheilchen, wenn der Flächenkörper von 
der Grösse f in einem umschliessenden an den Enden offenen Rohr sich 
bewegend angenommen wird. In solchem Falle bedeutet f den Querschnitt 


des in Action tretenden Luftkörpers; die Grösse 3 v? ist eine Zahl, welche 


in Gewichtseinheiten die Spannungsdifferenz zwischen der die Vorderfläche 
des Flächenkörpers berührenden (comprimirten) und der die Hinterfläche 
berührenden (expandirten) Luftschicht angiebt. Die Gleichung stimmt auch 
mit der Erfahrung sehr annähernd überein, wenn das umschliessende Rohr 
fehlt, dagegen aber der Flächenkörper nicht ganz eben, sondern leicht concav 
gewölbt ist, so dass die ganze durch vorstehende Gleichung ausgedrückte 
Spannungsdifferenz als Widerstand gewonnen wird. In solchem Falle muss 
angenommen werden, dass der Druck oder die Spannungsdifferenz gleich- 
mässig über die ganze Fläche f sich vertheilt. 


92 Samuelson: Einige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten. 


Dieses ändert sich, sobald der ebene Flächenkörper nicht rechtwinklig, 
sondern merklich von 90° aLweichend!) in Luft fortschreitet. In solchem 
Falle ändert sich sowohl der Gesammtwiderstand, wie die Druckvertheilung 
auch dann, wenn die Abweichung des Neigungswinkels von 90° so gering 
ist, dass man ohne zu grossen Fehler den Sinus des Winkels = 1 setzen 
könnte; und zwar wird der Gesammtwiderstand wesentlich kleiner, die 
Druckvertheilung ändert sich aber bei kleiner werdendem Neigungswinkel 
sehr bald in dem Sinne, dass die Spannungsdifferenz an der Vorderkante 
am grössten ist, dass dieselbe proportional der Entfernung von der Hinter- 
kante abnimmt, in letzterer == 0 ist, und dass somit der Mittelpunkt des 
durch die Summe der verschiedenen Spannungsdifferenzen ausgeübten 
Druckes in !/s h von der Vorderkante. entfernt liegt, sofern nämlich der 
Flächenkörper die Länge jr hat und von rechteckiger Form ist; bei anderer 
Form gilt das Gesagte für jeden elementaren Streifen, welcher durch 
Schnittebenen, rechtwinklig zur Fläche und in der Bewegungsrichtung 
liegend, entsteht. 

Es sei nun DE (Fig. 33) der Profilschnitt eines rechtwinklig in Luft 
fortschreitenden Flächenkörpers von der Breite 1; die Höhe oder Länge 
eines solchen Flächenkörpers werde (dauernd) durch A bezeichnet. Der auf 
die Strecke A in diesem Falle vermöge des Luftwiderstandes wirkende 


Maximaldruck: w = A E e?) wird graphisch dargestellt durch den Flächen- 
inhalt eines Rechtecks, dessen Grundlinie A und dessen Höhe oder con- 


stante Ordinate die Gewichtszahl r ist. Es mag nun die Länge A des 


Fig.33. Schnittprofils (s. Fig. 33) gleichzeitig als Abscissen- 
axe benutzt werden und die graphische Darstellung 
an die Rückseite des Profilschnittes angehängt 
werden; dann bedeutet das in 12 Streifen ge- 
theilte Rechteck DEJK die rechte Seite vor- 
stehender Gleichung, nämlich: 


h. (; ch 
g 

Derselbe ebene Flächenkörper schreite in 
einem anderen Falle nicht ganz rechtwinklig, son- 
dern unter einem Winkel fort, welcher nur wenig 
von 90° sich unterscheidet, doch aber um so viel 
kleiner ist, dass die Convertirung des Vorganges 
in den Zustand mit dem Drucke Null an der 
Hinterkante zu Stande kommt (siehe Fig. 34). In 
solchem Falle wird die auf die Strecke A variabl 
Spannungsdifferenz in demselben Sinne wie bei 





1) Von den Grenzwerthen des Neigungswinkels an 900 ist weiter unten die Rede. 


Samuelson: Finige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten. 93 


Fig. 33 die constante, dargestellt durch die von Dı bis nach Ei hin kleiner 
werdenden 12 ÖOrdinatenstreifen, im Ganzen durch ein Dreieck Dı XEı 
oder Dı Kı kı oder DS Eu: die Länge der Ordinate an der Vorderkante 
ist eben unbekannt. Der ganze Inhalt des Dreiecks muss kleiner sein als 
der Inhalt des punktirten Vierecks Di Eih Kı, welches dem Maximal- 
widerstand bei rechtwinkliger Bewegung entsprechen würde. Möglich wäre, 
dass die Ordinate der Vorderkante Di Kı dieselbe bliebe wie DA (Fig. 33); 
in solchem Falle würde der Normaldruck vermöge der geringen Schräg- 
stellung des Flächenkörpers auf die Hälfte des Maximums herabsinken; 
möglich wäre ferner, dass die Ordinate der Vorderkante irgend einen be- 
liebigen Werth D, Z hätte; möglich wäre aber auch, die Ordinate der 
Vorderkante wäre Dı X: so zwar, dass die Ordinate M Mi, welche im Mittel- 
punkte des Druckes in der Entfernung !/s h von der Vorderkante sich be- 
findet, dieselbe bliebe wie beim rechtwinkligem Fortschreiten und dass so- 
mit das Dreieck Dı X Eı den der Schrägstellung entsprechenden Gesammt- 
druck richtig darstellte. In solchem Falle würde der Flächeninhalt des 
Dreiecks -= 3/4 von dem Flächeninhalt des dem Maximum entsprechenden 
Vierecks betragen und es würde der Normaldruck, welcher in diesem Falle 
nur wenig anders als der Widerstand ausfällt, sein: 


Un = M E Lo 
4 g 


Wo in diesem Punkte die Wahrheit liegt, das können nur Versuche 
feststellen. 

Die vorstehend aufgeeworfene Frage nach der absoluten Grösse des 
Normaldruckes mag durch anzustellende Versuche in diesem oder jenem 
Sinne entschieden werden; in jedem Falle kann es als feststehend gelten, 
dass der Normaldruck AN. welchen ein unter nahezu $0° fortschreitender 
Flächenkörper von der Breite 1 durch die auf die Strecke k variablen 
Spannungsditferenzen an seinen beiden Oberflächen erleidet, ausgedrückt 
wird durch die Gleichung: 


N FT l e KR H v? e 
g 


worin ča ein constanter Coefficient ist. 

Derselbe Flächenkörper möge nunmehr unter einem anderen, spitzeren 
Winkel fortschreiten, und zwar einmal so, wie Fig. 35 zeigt, ein anderes 
Mal unter einem noch spitzeren Winkel, sowie in Fig. 36 dargestellt. Dann 
ist der Querschnitt des in Action tretenden Luftkörpers 

in dem Falle Fig. 35: & = h sin %2; 
in dem Falle Fig. 36: f = h sin %3. 

Die Vorderkante Da bezw. Ds schneidet die obere Luft von jeder 
directen Wirksamkeit auf den Flächenkörper ab; ebenso findet unterhalb 
der Hinterkante Ea bezw. Es ein directer Einfluss nicht statt, Da nun 


94 Samuelson: Einige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten. 


nach obiger Gleichung in Uebereinstimmung mit den allerorten gemachten 
Erfahrungen die in Rede stehende Spannungs-Difterenz an den beiden Luft. 





Berührungsflächen des Flächenkörpers nur von der Geschwindigkeit ab- 
hängt, so ist kein Grund auffindbar, warum die Spannungsverhältnisse der 
Luft an diesen Oberflächen in dem Falle Fig. 35 andere sein sollten, wie 
in dem Falle Fig. 36. Wenn dieses aber so sich verhält, dann wirken 
diese gleichen Endspannungen der Luftkörper von der Höhe fə bezw. fa 
auf Flächen, welche die Grösse haben: 


I = h; bezw. f == 
sin ga sin $3 

nämlich auf die gleichen Flächen und es muss das den Normaldruck dar- 
stellende Dreieck De E2 X (Fig. 35) genau ebenso gross sein-wie das Drei- 
eck Ds Es X (Fig. 36). 

Derselbe Gedankengang, wie er hier für Luft verfolgt worden ist, 
kann auf das Wasser Anwendung finden, nur muss in solchem Falle der 
Begriff und Ausdruck: „Spannung“ ersetzt werden durch „Einheitsdruck“. 

Das vorstehend entwickelte Princip lautet vorbehaltlich seiner Prüfung 
und Bewahrheitung durch anzustellende Versuche somit wie folgt: 

Der Normaldruck, welchen ein inschräger Richtung gerad- 
linig fortschreitender ebener idealer Flächenkörper durch den 
Widerstand der ihn umgebenden Flüssigkeit erleidet, ist un- 
abhängig vom Neigungswinkel. 


Fallversuche mit Schrägflächen. 


Im Sommer des Jahres 1895 hatte ich wiederholt den Versuch gemacht, 
den von einem Drachen bei verschiedenen Neigungswinkeln ausgeübten Zug 
zu messen. Aber alle Bemühungen waren an der Unregelmässigkeit der 
Winde in Stärke und Richtung gescheitert. Da im Hafenhause zu Bremen!) 
eine passende Oertlichkeit für Fallversuche mit mehr als 10 m Höhe, aber 
mit nur 40 cm Breite zwischen den T'reppenstufen zur Verfügung stand, so 
beschloss ich, den Versuch zu machen, mit Fallkörpern zum Ziele zu gelangen. 
Die für diesen Zweck construirten und angefertigten Fallkörper sind Fig. 37 
bis 40 dargestellt. Zur Erklärung muss das Folgende bemerkt werden: 


1) Durch das freundliche Entgegenkommen des Directors der Bremer Meteoro. 
logischen Station, Herrn Dr. P. Bergholz. 


Samuelson: Einige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten. 95 


In den 80er Jahren hatte ich zahlreiche Fallversuche in dem weiter 
oben beschriebenen Wasserkasten von ca. 3 m Höhe angestellt; unter den 
vielen verwendeten Fallkörpern befanden sich auch eine Anzahl Schräg- 
flächen, welche, je zwei an der Vorderkante zusammenstossend, ein umge- 
kehrtes Dach von verschiedenen Neigungswinkeln bildeten. Die Körper 
waren aus Weissblech sehr sorgfältig hergestellt und fielen, an dem vertical 
gespannten feinen Silberdraht hinabgleitend, so regelmässig, dass die Fall- 
zeiten meistens nicht: um !/4 Secunde differirten. Die Resultate wurden 
dann verglichen; sie ergaben aber mit Gewissheit, dass der Widerstand, 
welchen solche mit der Vorderkante zusammenstossende Schrägflächen er- 
leiden weder dem Quadrate des Sinus noch dem einfachen Sinus des 
Neigungswinkels proportional ist, sondern nach gänzlich anderen Gesetzen 
sich richtet. Der Grund ist nunmehr, nach den einleitenden Erklärungen 
zum zweiten Abschnitt dieser Abhandlung, klar ersichtlich: solche zwei 
vorne zusammenstossende Schrägflächen repräsentiren eben nicht zwei ge- 
trennte Flächenkörper, bei welchen jedem Punkte der mehr gedrückten 
Vorderfläche ein entsprechender Punkt der minder gedrückten Hinterfläche 
gegenüberstelt; sie repräsentiren vielmehr die Aussenflächen eines plastisch 
gestalteten Körpers, bei welchem jedenfalls die Compressionsflächen von den 
Expansionsflächen getrennt zu behandeln, somit die Gesetze andere, bis 
jetzt nicht autgeklärte sind. 

Die zu den vorliegenden Versuchen zu verwendenden schräge fort- 
schreitenden Flächenkörper durften daher mit den Vorderkanten nicht zu- 
sammenstossen; es musste ein genügend grosser Zwischenraum zwischen 
beiden bleiben, damit die Luft auch von vorne (unten) freien Zutritt zur 
Hinterfläche habe. Aus diesen Gesichtspunkten wurden die Fallkörper 





Ka g. 3 T. Verticafschnitt. 
Ge wicht 0.0249 Kg. Shrägfläche 005760 gm. 


bk. 
t 





Fig. 37, Fig. 38 und Fig. 39 in 3 verschiedenen Neigungswinkeln, nämlich 
60°, 44° und 30° hergestellt. Den Flächenkörper bildete je ein kleines 


96 Samuefson: Einige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten. 


Drachensegel bestehend aus einer kleinen Holzleiste mit daran genälıter 
Pausleinwand. Die Anordnung zeigt Fig. 40, bei welcher die kleinen 1,5 mm 






Fig. 38. Verticalschnitt. 


SchragflacheQ08280 gm / 
Va 


dicken Holzleisten aus Eschenholzfurnier doppelt so breit gezeichnet sind, 
als sie in Wirklichkeit waren. Zwei kleine Holzleisten «b waren an 





mehreren Stellen durch sich kreuzende Zwirnfäden so zusammen gebunden, 
dass sie sich um die Achse ad drelien konnten. An diese Stäbchen schloss 
sich das jederseitige Holzgestell so wie es Fig. 40 erkennen lässt. Im 


Samuelson: Einige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten. Op 


fertigen Zustande wurden die beiden Flächenkörper aufgerichtet und in die 
ihnen zugedachte Schrägung gebracht. Die Punkte m und mı finden sich 
Fig. 40. 


Die Pächenkörper des Fartkörners Ze 29 
niederge klappt em Grundriss S 





im Verticalschnitt Fig. 39 wieder. Hiernach wurde die aus zwei Holz- 
blättern bestehende verticale Führungsstange ecı (Fig. 39) angebracht und 
an den die Punkte m und m; verbindenden ebenfalls doppelten Holzblättern 
befestigt; alle Befestigungen durch Binden mittels feiner Zwirnfäden. Das 
Löchelchen c (Fig. 40) und die oben eingefügte kleine Holzhülse cı (Fig. 39) 
bildeten die Führung, vermöge welcher die Fallkörper an dem vertical ge- 
spannten, mit Talcum eingeriebenen Bindfaden hinabgleiten sollten. Die 
durch die Pausleinwand gebildeten eigentlichen Flächenkörper sind in den 
Figuren 37, 38 und 39 durch dicke schwarze Linien angedeutet (natürlich 
in übermässiger Dicke). An den fertigen Fallkörpern wurden schliesslich 
die Neigungswinkel gemessen; es fand sich, dass die Winkel der Körper 
Fig. 37 und Fig. 39 so genau wie es sich messen liess 60° bezw. 30° ge- 
worden waren; der Körper No. 38 aber war statt 45° wie beabsichtigt, 
44° geworden. Es mögen zunächst die Versuche beschrieben werden; die 
Analyse folgt nach. 

Der mit Talcum eingeriebene Bind- 
faden, Hanfschnur von etwas weniger als 
1 mm Dicke, hing, durch Einklemmen mittels 
Schraube befestigt, an einem Ausleger. Dem 
letzteren zunächst steckte auf der Schnur 
die Auslösevorrichtung (s. Skizze Fig. 41); 
letztere war im Princip wie folgt beschaffen: 
Zwei Holzblätter «ub waren um ce drehbar 
und bildeten eine mittels der Schrauben d 
an die Schnur festgeklemmte Zange, deren 
Maul aa durch zwei Federn ee zusammen 
gedrückt wurde und so den Fallkörper fest- 
hielt. Durch einen leichten Zug an der 
Hülse f, welcher mittels eines Zwirnfadens 
fghi von unten ausgeübt wurde, liess das 
Zangenmaul aa den Fallkörper los, olıne dass 
die Schnur in zitternde Bewegung gerieth. 

Die bei den Versuchen benutzte Secundenuhr gab fünftel Secunden an. 





98 Samuelson: Einige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten. 


Fallversuche am 1. März 1896 im Treppenhause des Hafenhauses zu Bremen. 
Barometer 749,4 mm in loco. 
Thermometer 11° Celsius dto. 
Fallhöhe des Fallkörpers Fig. 37: 10,54 m. 





| Fallzeit. 





Versuch Se- Bemerkungen. 
No. cunden. 
Fallkörper Fig. 37. 
1. 4,6) unsicher. 
2. 4,8 dreht sieh etwa 2 mal um sieh selbst. 
3. 4,8 dreht sich etwa 1 mal. 
4. 48 dto. 
b. 4,8 dreht sich mehr als 2 mal. 
6. | 4,6 dreht sich nur unten, weniger als 1 mal. 


Da die Fallkörper Fig. 38 und Fig. 39 in Diagonalstellung eine der 
Treppenstufen leicht berührten, so mussten die Versuche leider aufgegaben 
werden. Sie wurden fortgeführt im Hochreservoir der \Wasserwerke zu 
Bremen). 


Fallversuche am 22. März 1896 im Hochıreservoir der Wasserwerke zu Bremen. 

Barometer ca. 760 mm in loco. 

Thermometer ca. 10° Celsius. 

Fallhöhe vom Zungenmaul bis auf die den Fallkörper auffangende Spiral- 
feder 8,06 m. Von dieser Fallhöhe ist. die Länge der Führungsstange des 
Fallkörpers abzuziehen. 





Fallzeit. 





Versuch Se- Bemerkungen. 
No. cunden. 
Fallkörper Fig. 37. 
1: 3,4 dreht wenig. 
2. 3,2 dto. 
8. o 3,4 dto. 
4. 8,4 dto. 
5. 3,2 dreht fast gar nicht. 
6. 3,4 dreht wenig. 
Fallkörper Fig. 38. 
1. 3,0 fallt schön; dreht fast gar nicht. 
2. | 3,2 dto. dto. 
8. 8,2 dto. dto. 
4. 8,2 dto. dto. 
5. 8,2 dto. dto. 


1) Durch das freundliche Entgegenkommen des Herrn Ober-Ingenieur Götze 
der Wasserwerke zu Bremen. 


Samuelson: Einige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten. 99 





— _-— ` — SEH - = EE EE 


Fallzeit 











Yersuch Se- Bemerkungen. 
No. 
cunden 

Fallkörper Fig. 39. 

1. 3,0 dreht bis zur Wegeshälfte wenig, dann stärker 
| und stärker; zum Schlusse sehr stark. 
2 2,8 dto. dto. 
3. 2,8 dto. dto. 
4. 3,0 dto. dto. 
5. 3,0 dreht etwas weniger. 
6. 2,8 dreht wieder wie bei 1. 
Analyse. 


Jeder dieser Fallkörper besteht aus zwei schräg gerichteten, aus 
Pausleinwand gebildeten, mit der Holzleiste am Stirnende versehenen 
"Jächenkörpern. Die kleinen, zur Verbindung nothwendigen Holzleisten 
haben ausserdem Flächen von gleicher Schrägung im Betrage von Yıs bis "ba 
des Inhalts der Flächenkörper. Diese Leisten vergrössern den Widerstand. 
Jede Mangelhaftigkeit der Flächenkörper selbst aber trägt dazu bei, den 
Widerstand zu verkleinern. Diese Mängel sind: Der Umstand, dass die 
Vorderkante keine Schneide ist, sondern vermöge Holzleiste und Pausleinwand 
eine Rundung von etwa 2 inm Dicke darstellt; ferner die Abweichung von 
der absoluten Ebene vermöge der Biegsamkeit der Pausleinwand. Somit 
habe ich es als opportun erachtet, die Berechnungen zunächst rein theoretisch, 
ohne Rücksicht einerseits auf die (zestelleisten, andererseits auf die Unvoll- 
kommenheiten vorzunehmen; ob auf beide einzugehen der Mühe werth ist, 
wird sodann besser zu beurtleilen sein. 


Jeder Flächenkörper erleidet vermöge der Bewegung einen normal zur 
Fläche gerichteten Luftdruck = > N; dieser zerlegt sich in den Wider- 


stand = R N sin und die horizontal gerichtete Kraft = 5 N cos 9; letztere 
wird durch den gleichen Schub des anderen Flächenkörpers aufgehoben, 
bringt aber, da die letztgenannten beiden Kräfte in labilem Gleichgewicht 
stehen, die Drehung hervor; dass letztere von geringem Einflusse ist, geht 
bei den Fallkörpern Fig. 37 und 38 aus der Uebereinstimmung der Fall- 
zeiten 1 bis 6 hervor; bei dem Körper Fig. 39 ist es zweifelhaft. 

Die Componente 2. > N sin% oder N sin % ist dem Gewichte des Fall- 
körpers gleich und entgegengesetzt Wird bezeichnet durch: Q das Gewicht 
des Fallkörpers, F£ die Grösse der Flächenkörper, so ist unter der Voraus- 
setzung, dass der Normaldruck durch Gleichung (11) richtig ausgedrückt 
wird, nämlich unabhängig vom Neigungswinkel: 

(ue Ab, 


9 


e 
€ 


SE OPE 


1U0 Samuelson: Einige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten. 


Die constante Maximalgeschwindigkeit, welche der Fallkörper sehr bald 
nach seiner Losslassung annimmt, ist somit: Ä 


(12.) de ge g E- y + y yV l (d 
3 F A auz 


ss berechnet sich für den Versuch vom 1. März 1806 bei y == 1,233 kg: 
S y 4 7 l 
/ S BT, 
f 3 \ 
für den Versuch vom 22. März bei y - 1.248 ist: 


a Lé 4 
V 1 3937, 
3 ï 


Die Werthe Q, Fund % sind für die 4 verschiedenen in Frage kommenden 
Versuche die der Spalten 2 bis 4 der nachstehenden Tabelle 5; und es be- 
rechnet sich © nach Gleichung (12) wie Spalte 5 der Tabelle. Bei den 
stattgehabten Fallhöhen, wie sie Spalte 6 angiebt, berechnet sich unter der 
hier zulässigen Annahme von vorne herein gleichmässiger Geschwindigkeit 
die theoretisch erforderliche allzeit, wie Spalte 7, während laut den weiter 
oben gegebenen Tabellen die thatsächlich beobachteten Fallzeiten die der 
Spalte 8 waren. 


Tabelle V. 

















ı 12) 3 4,5 |s || 8. 
Ä | Be- Be- 
, ı rech- rech- 
Ge- ee Nei- | net: net: | Beob- 
icht | C9" | zungs- Fall- | achtet: 
Versuch. mic gung S : 
Q Inhalt winkel zeit | Fallzeit. 
| chung T f 
i (12) v Zu 





kg. Sec. | Secunden. 





qm. m. 



































Versuch vom 1. März | | 
m 0 Er 
Fallkörper Fig. 37. 0,0249 Gei eu 14301 10,54 | 4,58 [4.6 — 4,8 
Versuch vom 22. März i eck 3 i 
A e u 
Fallkörper Fig. 87. E 0,0576; D 2,287 | 7,89 | 3,45 |3,2 8,4 
Versuch vom 22. März WR ENEE dange 
) 0: KI? 0,9: H 
Fallkörper Fig. 38. 0,0304] 0,0825: 44 en | 7,83 | 8,38 | 3,2 











in nn nn nn A m ——n u En Em EE 





Versuch vom 22. März 


0, P € Ke 
Fallkörper Fig. 89. en 2,87 12,8 — 3,0 


| | 

Aus der Uebereinstimmung der berechneten Fallzeiten Spalte 7 mit 
den beobachteten Spalte 8 ergiebt sich mit Gewissheit, dass die Resultate 
dieser Versuche nicht im Widerspruche stehen mit den vorstehend rationell 
entwickelten, sonach als mehr oder minder wahrscheinlich erscheinenden 
zwei Principien, nämlich dem der Unabhängigkeit des Normal- 
drucks vom Neigungswinkel und dem der absoluten Grösse 


7,82 





en 0,1013 











Samuelson: Einige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten. 101 


des Normaldrucks, danach sich richtend, dass bei schrägem Fort- 
schreiten eines ebenen Flächenkörpers die Span- 
nungsdifferenz im Druckmittelpunkt dieselbe ist wie 
diebeirechtwinkligem Fortschreiten sichergebende 
Maximal-Spannungsdifferenz, nämlich; 

JL a 

g 

Dass diese Versuche einen streng wissenschaftlichen Beweis dieser 
beiden Principien darstellen, soll aus zwei Gründen nicht behauptet werden, 
nämlich erstens wegen der Kleinheit der Dimensionen, in denen sie aus- 
geführt worden sind, zweitens weil ihre Analyse die Annahme einschliesst, 
das störende Beiwerk der fallenden Flächenkörper werde in seiner ver- 
zögernden Wirkung aufgehoben durch die beschleunigende Wirkung der 
Mängel der Flächenkörper als solche. 


Das scheinbar Paradoxe der Theorie. 

Ein kurz gefasster Rückblick auf die Resultate der bisher mitgetheilten 
theoretischen Erwägungen und praktischen Ermittelungen lässt Folgendes 
hervortreten. 

Den Ausgangspunkt bildete als erstes Princip des Widerstandes der 
Flüssigkeiten das Princip d’Alemberts: 

I. Der Widerstand, welchen die Flüssigkeiten den in ihnen bewegten 
Körpern entgegensetzen, äussert sich darin, dass der Normaldruck, welchen 
jedes Flächenelement statisch erleidet, im dynamischen Zustande grösser 
oder kleiner wird; die Drücke bleiben aber normal gerichtet und nicht allein 
die Druckerhöhung, sondern auch die Druckverminderung wirkt auf den 
Körper ein. Die Art dieser Einwirkung bildet den Gegenstand der Unter- 
suchung. 

Es ist sodann einstweilen Verzicht darauf geleistet worden, die Gesetze 
ergründen zu wollen, nach welchen der Normaldruck gegen die Begrenzungs- 
flächen eines beliebig gestalteten Körpers sich richtet und die Aufgabe da- 
hin beschränkt worden, einige Gesetze klar zu legen, welche einen in 
ruhender Flüssigkeit fortschreitenden ebenen Flächenkörper betreffen. Es 
ergab sich: 

II. Die Gleichung: w = JL e drückt als ein Naturgesetz den Einheits- 


druck aus, welchen im Maximum der geradlinig rechtwinklig fortschreitende 
Flächenkörper erleidet; an der Erzeugung dieses Einheitsdruckes haben die 
Vorderfläche und die Hinterfläche gleichen Antheil. 

III. Die Vertheilung des Flüssigkeitsdruckes auf einen in schräger 
Richtung geradlinig fortschreitenden ebenen Flächenkörper ist eine derartige, 
dass der Normaldruck an der Vorderkante am grössten ist, proportional der 
Entfernung von der Hinterkante abnimmt und in letzterer gleich Null ist. 


102 Samuelson: Einige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten. 


IV. Der Normaldruck, welchen ein in schräger Richtung geradlinig 
fortschreitender ebener Flächenkörper durch den Widerstand der ihn um- 
gebenden Flüssigkeit erleidet, ist unabhängig vom Neigungswinkel. 

V. Die absolute Grösse des Normaldrucks, welchen ein solcher 
Flächenkörper erleidet, richtet sich danach, dass der im Druckmittelpunkte 
stattfindende Einheitsdruck derselbe ist, wie der Maximaldruck bei recht- 


winkligem Fortschreiten, nämlich +- «2? und es haben auch an der Erzeugung 


dieses Normaldrucks die Vorder- und Hinterfläche gleichen Antheil. 

Gegen die Richtigkeit dieser Theorie ist von beachtenswerther Seite 
etwa das Folgende eingewendet worden: „Man denke sich einen Flächen- 
körper zuerst schräge fortschreitend, sodann allmählig den Neigungswinkel 
vergrössernd in rechtwinklige Bewegung übergehend. Dann müsste nach 
dieser Theorie in dem Augenblicke, in welchem die Bewegung rechtwinklig 
wird, ein Sprung in der Grösse des Normaldrucks erfolgen. Die Natur 
aber schafft keine solchen Discontinuitäten.“ 

Hierauf muss erwidert werden: Die rechtwinklige Bewegung eines 
ebenen Flächenkörpers kommt in der Natur nicht vor, auch dann nicht, 
wenn in der Art des Flächenkörpers ein ziemlich starkes Abweichen vom 
Ideale eines solchen gestattet werden soll. Alle derartige Bewegungen 
erfolgen in schräger Richtung. Die rechtwinklige Bewegung ist aus dem 
Grunde eine Unmöglichkeit, weil sie eine absolute Taabilität sowohl der 
Grösse wie der Richtung nach darstellt. Die rechtwinklige Bewegung 
lässt sich nur mittels künstlicher Mittel durch menschliche Ueberlegung 
schaffen, wie z. B. bei dem Hinabgleiten abbalancirter Fallkörper an dem 
vertical gespannten Draht. Frei fallend würde sowohl der ebene wie der 
etwas concave Flächenkörper auch dann sofort von der Verticalen abweichen 
und im Fallen eine schräge Richtung einschlagen, wenn man den Flächen- 
körper mit einem tiefer liegenden Schwerpunkte (nach Art der Fallschirme) 
zu einem System verbinden würde. 

Würde man das geradlinig rechtwinklige Fortschreiten eines ebenen 
Flächenkörpers durch künstliche Mittel bewirken, wie z. B. durch Hin- 
gleiten an einer Führungsstange ohne Reibung, und würde man dann den 
Normaldruck bei rechtwinkligem Fortschreiten mit dem bei nur geringer 
Abweichung von 90° vergleichen, so würde man in der That einen solchen 
Sprung, eine Discontinuität finden, aber die Grösse des Winkels, bei welchem 
die Convertirung des Vorganges aus dem Zustande absoluter Labilität, an 


Grösse des Drucks zwischen — v? und 3, -'- v2 hin und herschwankend, 


der Richtung nach unsicher, in den Zustand stabiler Gestaltung des in 
graphischer Darstellung erscheinenden Dreiecks mit dem Drucke Null an 
der Hinterkante stattfindet, hängt dann von der Ausführung ab und von 
dem Grade der Annäherung des wirklichen Körpers an den idealen ebenen 
Flächenkörper. 


Samuelson: Einige Gesetze des Widerstandes der Flüssigkeiten. 108 


Um die Labilität des Druckes bei rechtwinkliger Bewegung zu 
illustriren ist bereits im ersten Abschnitte, bei Beschreibung der Fall- 
versuche im Wasser (Seite 271 des Heftes 11 von 1895) hingewiesen auf 
die stark schwankenden Fallzeiten bei der ganz ebenen Scheibe gegenüber 
den fast genau übereinstimmenden bei der schwach concaven Scheibe. 


Bei genauerer Betrachtung verschwindet somit das Paradoxe der 
Theorie und dieselbe muss als ein an alle einschlägigen Naturerscheinungen 
harmonisch sich anschliessendes Ganze erscheinen. 


Der Luftpropeller-Flügel und seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke, 
Von Theodor Kadarz, k. u. k. Oberst d. R. d ) 


Die von dem amerikanischen Ingenieur Hiram S. Maxim construirten 
zwei Höchstdruck-Compound-Dampfmaschinen (22’4 Atm. Kesselspannung) 
mit welchen im Jahre 1894 im Baldwinspark der misslungene Versuch des 
Drachenfluges unternommen wurde, bedeuten dessen ungeachtet einen solchen 
Fortschritt zur Ermöglichung der mechanischen Luftschiffahrt, dass es der 
Mühe werth erscheint denselben die vollste Beachtung der interessirten 
Kreise zuzuwenden. | 

Obzwar es kaum zu erwarten ist, dass sich diesseits des atlantischen 
Oceans Jemand findet, der so ausserordentliche Opfer für ein immerhin 
zweifelliaftes Unternehmen zu bringen bereit wäre, so ist es bei der grossen 
Verbreitung dieser Zeitschrift immerhin möglich, dass Herr Maxim dieselbe 
zu Gesicht bekommt und den am Schlusse dieses Aufsatzes angedeuteten 
Versuch zum verticalen Heben einer Last von 5000 kg mit seinen Maschinen 
unternimmt. 

Allerdings müssten belufs Verwendung bei der Luftschiffahrt noch 
Ergänzungen stattfinden, die eine länger dauernde Arbeit solcher Maschinen 
mit Sicherheit erwarten lassen. --- Dazu gehört vor Allem ein rasch 
wirkender Conaensator. 

In dem Röhrenkessel Maxims wird mittelst der angewendeten, künst- 
lich gesteigerten Benzinfeuerung in ganz kurzer Zeit der hochgespannte 
Dampf erzeugt; es ist daher nicht ausgeschlossen, dass durch künstliche 
Kühlmittel, etwa durch Verdampfen flüssiger Kohlensäure, der gebrauchte 
Dampf eben so schnell condensirt werden könnte. 

Maxims Maschinen verdampfen stündlich für jede der 363 effectiven 
Pferdestärken 11.3 kg daher zusammen 4102 kg Wasser, welches ein über- 
grosses Gewicht ist. — Es könnte erst dann mit einiger Sicherheit auf 
einen günstigen Erfolg gerechnet werden, wenn es gelänge den Wasser- 
verbrauch per Pferdestärke auf etwa 3.75 kg einzuschränken. 


104 Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 


Auf jede Pferdestärke entfallen bei Maxims Maschinen vom Gewichte 


des Kessels sammt Wasserinhalt per 545 kg -+ -» . . 2.2... 15 kg 
vom Gewichte der Maschinen per 272 ke, DH „ 
dazu das Wassergewicht . . . . .- u ei; 


„> 


man hätte sonach für die wösentliehsten Bestandiheie des Flugapparates 
für die effective Pferdestärke 6 kg zu rechnen; das Verweilen in der Luft 
wäre dann nur von dem Feuerungs- und Kühlungsvorrath abhängig. 

Die im Principe verfehlten Versuche Professor Wellners und Maxims 
müssen die volle Ueberzeugung herbeigeführt haben, dass einzig nur der 
Schraubenpropeller geeignet ist, zum freien Heben eines schweren Körpers 
verwendet zu werden. 

Aber nicht jeder beliebige oder empirisch combinirte Flügel ist auch 
schon versuchswürdig, noch viel weniger lassen sich autoritativ die Gesetze 
des Luftwiderstandes aus der Rotation geneigter Ebenen um eine Achse 
herleiten. 

Die folgende Studie, denn nur als eine solche möchte ich diese Arbeit 
betrachtet sehen, ist bestrebt, die Construction und Wirkung des auf das 
Princip der Massenbeschleunigung basirten Luftpropellerflügels vom physi- 
kalisch-mechanischen Standpunkte, durch Anwendung bekannter Lehrsätze, 
zu ermitteln; sie bietet für den Techniker nichts Neues und möchte nur 
die ohnehin schon bestehende Ansicht befestigen, dass das Problem der 
Luftschiffahrt mittelst Maschinen, wie solche Maxim construirt hat, lösbar, 
jedoch keineswegs so einfach ist, um durch empirische Kunstgriffe sich 
bewältigen zu lassen. 


I. Der Luftflügel des Schrauben-Propellers. 


1. Es ist allgemein bekannt, dass jede Maschine unvortheilhaft arbeitet, 
welche Stösse oder Erschütterungen erleidet, ob dieselben nun von ihren 
eigenen Bestandtheilen oder vom Rückschlag der zu bewegenden Massen 
herrühren. 

Darum wird auch die Arbeit eines in der Luft rotirenden Propeller- 
fligels nur dann in höherem Grade nützlich, wenn die von demselben in 
der Ruhelage ergriffenen Massenmoleküle mit gleichmässiger Geschwindigkeits- 
zunahme zur Beschleunigung angetrieben werden. l 

Man erreicht diese Wirkung dadurch, dass man als Leitlinie für die 
Bildung der schraubenähnlichen Fläche des Flügels anstatt der geraden, 
auf die Mantelfläche eines rechten Cylinders gewickelten Linie (Schrauben- 
linie) einen Parabelbogen nimmt !). 

Von den so gebildeten Flächen unterscheidet man zwei Gattungen. — 


1) Zeitschrift des oesterr. Ing. u. Arch. -Vereines v. J. 1872, Heft XIV/XV. 
Ueber eine auf das Princip der Massenbeschleunigung basirte Variante des 
Schraubenpropellers. 


Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Lufischiffahrte-Zwecke. 105 


Die eine, „einfache Propellerfläche“ genannte, entsteht durch 
gerade, auf die Achse senkrechte Erzeugende; die aus der anderen, in 
unendlicher Zahl variirenden Gattung für den vorliegenden Zweck gewählte, 
erhält die Bezeichnung „Luftflügelfläche.“ 

Das charakteristische Merkmal der letzteren Gattung besteht darin, 
dass die Erzeugenden krumme Linien sind. 

2. Einfache Propellerfläche. 

Bezeichnet in Fig. 1 Oab die auf das System X O Z bezogene, ent- 
wickelte Parabel und man begrenzt 
das als Leitlinie für den Flügel die- 
nende Stück ab dadurch, dass der 
Tangenten-Winkel in a durch tang o 


Fig. 1. 








Ce 
ZEN 





c , : 
= — bestimmt werden, in welchen 
arrn 


Ausdrücken 2rrn die Umfangs- 
geschwindigkeit (r den Halbmesser, 
n die Umdrehungszahl per Sec.) des 
Propellers, ce die Eintrittsgeschwin- 
digkeit der Massenelemente in der 
Richtung OZ am Punkte a, beziehungsweise die Vorrückungsgeschwin- 
digkeit des Flügels, ca jene Geschwindigkeit bezeichnet, mit welcher in 
Folge der Beschleunigung die Luftmoleküle bei b in der Achsenrichtung 
fortgetrieben werden; — setzt man 5 °5 die Projektion der Leitlinie = M, 
das Verhältnis D = JH È y, nei 
Ce fong a l 
so findet man als Gleichung dieser Es E ZI > 











Parabel: Sue Y 
pepan Arr nM, x- E NR ia s 
ek)" zi ANN 
und als Coordinaten der Punkte a | | B: 
und b | | N Ie 
nM , oh a 
"KIT 4znr(k—1) Ä a 
Mk O CMe 


o = FI’ T rnr 
Aus diesen letzten Gleichungen 
ergeben sich folgende Proportionen : 
acao = ili k=zr kii 





Eu" 2y = G: d=d: dk 


106 Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Bignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 


| Die Abseissen z verhalten sich wie die Quadrate der Geschwindigkeiten, 
mit welchen die an der Curve liegenden Moleküle der Masse in der Achsen- 
richtung angetrieben werden. Durch Subtraktion erhält man die Länge 
des Flügels in der Achsenrichtung : | 
= Ce M (k--1) 


Eb — ĉa = Į 
ATNT 


Um die Gleichung für einen entwickelten Cylinderschnitt vom Halb- 
messer p: Oef Fig. 1 (Ger be, ai zu finden, hat man in jener der 


entwickelten Leitlinie p anstatt r und Jr anstatt M zu substituiren; man 


erhält: 
o tzn M 


. Ce r (k—!) 





D 


3. Geht man nun bei der Darstellung der einfachen Propellerfläche ` 
auf das rechtwinklige Raum-Coordinaten-System OX YZ Fig. 2 über, indem 
man wie bei Erzeugung der Schraubenlinie die Achse O Z Fig. 1 auf die 
Oylinderseite 4 4 Fig. 2 vom Halbmesser r, den Scheitel auf den Punkt 4 
der Achse O X legt, die Parabel auf den Cylindermantel, wo sie die 
Form A ro: bh annimmt, aufwickelt und sodann eine auf die Achse OZ senk- 
rechte gerade Erzeugende 4 O längs dieser und der Leitlinie hingleiten lässt, 
so kann man sowohl aus der Gl. der Leitlinie, wie aus jener des ent- 
wickelten Cylinderschnittes vom Halbmesser p die Gleichung der einfachen 
Propellerfläche herleiten. 


Dies erfolgt, zur Vereinfachung der späteren Rechnungen auf zwei- 
fache Art: 


Es sei e ein Punkt des Cylinderschnittes O ef Fig. 1, 2ef Fig. 2, 
man legt durch e einen Achsenschnitt und nennt den Winkel, den derselbe 
mit der Ebene O X Z bildet es aus der Ordinate 2e=x Fig. 1 wird der 
Bogen 2 e, Grundriss Fig. 2 = px, man hat sonach in der Gl. des Cylinder- 
schnittes pe, in jener der Leitlinie rz anstatt x zu setzen. 


Nachdem jedoch auch die Ordinate x, Fig. 1 in den Bogen 4a Fig. 2 
(Grundriss) übergeht, so wird, wenn man den constanten Winkel 4.0.« 
M SS 
kali 
Durch Substituirung dieser Grössen in die beiden obigen Gleichungen 
erhält man die Gl. der einfachen Propellerfläche bezogen auf die Coor- 
dinaten p, e, 2 | 





mit ze bezeichnet: za = 


Ce , 
E eebe SC EN? SS D e D D D e D D D 1) 
d CH Ge 


Durch rechtwinklige Coordinaten x, y,z ausgedrückt hat man Fig. 2 


Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 107 


Li D DN € ? 
Grundriss: z — o cos 2, y =— p sing, a? -b y? e p%, X- == tang z, 2 = are tang 
Y = 
`  sonach: S 
X 2 
Ce Y 
zZ oe Jody da Ure tung SE H r e e e e e 2) 


ING 

Beide Gleichungen machen ersichtlich, dass sowohl die Achsenschnitte, 
als auch die mit der Ebene X OU parallel geführten Schnitte gerade, auf 
die Achse O Z senkrechte Linien, die Cylinderschnitte auf die Cylinder- 
mäntel gewickelte Parabeln sind, deren Scheitel sämmtlich in der Coordinaten- 
achse O X liegen, und es ist jeder Punkt der Fläche bestimmt, wenn man 
auf der zugehörigen, den Grössen z und y entsprechenden Erzeugenden die 
Strecke p von der Achse aus aufträrt. Die Fläche selbst ist ein entwickel- 
bares Conoid. 

In den beiden Figuren I und 2 wurde der einfache Flügel mit der 
Begrenzung durch die Halbmesser r und rı mit a, b, c, d und durch stärkere 
Linien markitt. 

4. Die Luftflügelfläche. 

Als geeignetste der sich darbietenden Flächen der 2. Gattung ergab 
sich jene, deren Gleichung in Bezug auf die allgemeinen Raumcoordinaten 


p>'z die Form hat: 
? K 2 72 
Ce U p ah 
EE SE E | cl EE SE a R , a S 7 Ai . 3) 





IZN Ge 2r 
und die sich beim Uebergang auf rechtwinklige Coordinaten xyz in jene: 
Ce y r? — (rä + y? 
z=—: -— | arc tung ~ - — ——— y , Al 
ERN Ye " 27° ! 


verwandelt. 

Ehe zur Darstellung der Luftflügelfläche geschritten wird, soll eine 
teilweise Diskussion der Gleichung 3 stattfinden. 

5. Wenn man der Abscisse z bestimmte Werthe beilegt, so erhält 
man die zur Achse OZ senkrechten, mit der Ebene XOY parallelen Schnitte 
der Fläche. Der nächstliegende derselben ist Z = O, wodurch sich der 
Durchschnitt (Berührung) mit der Ebene XOZ ergiebt. Man erhält: 
y2? SE d 


WI 


E E 
E EE 





2° 
und diese Gleichung nach o aufgelöst 

Mr Ir VYı-: Y 
als Polargleichung der Curve yoba Fig. 3, einer um den Punkt o sich 
windenden, zweilarmigen Spirallinie. Fig. 3. 
Für pş -= o wird ọ — lva-—!ja -=28" 
35° 52°44”, welchen Winkel die im 
Ursprung o beiden Zweigen gemein- INT 
schaftliche Tangente eod mit der 
Polarachse oa bildet. Jeder Werth 





108 Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 


p < ija giebt zwei gleiche, einander gegenüberliegende Radienvektoren ; 
für $ —= o wirdp= +r. 

Führt man durch einen Punkt b die Tangente fb an die Krumme, 
bezeichnet die Senkrechte bc auf Oa mit y, oc mit x, ob mit p, den 
Winkel bfa mit t, jenen boa mit d, so findet man, weil y = ọp sin }, 
£ = P cos $, 





a Y SE tang r = sin $ d p + peos } d P en 
dx i cos bdp— psınddy 
1 dp 
"e tang A 1 +1 
= l dọ WE 
ES db tang 9% 
Aus der Gleichung p? = r? (1—2 Jh) ergibt sich: 
Glen 
di 
welcher Werth oben substituirt: 
tang (t — }) = — Ze gibt. 
Für p=r wird d=o und tang = —1. 


Es ist sonach der Tangentenwinkel dao = 45°. 

Um einen anderen zu XOY parallelen Schritt zu führen, gebe man 
in der Voraussetzung, dass die einfache Propeller- und die Luftflügelfläche 
die gleiche Leitlinie besitzen, der Grösse z dadurch einen bestimmten 





Werth, dass man in Gleichung 1 % = f setzt, sonach z = - A in erhält, 
welcher in Gl. 3 substituirt: 


als Gleichung der Schnitteurve, mit den allgemeinen Coordinaten 7‘ 
und p giebt. 

Transformirt man diese, Fig. 4, 
durch Drehung des Systems um die 
Achse OZ so weit, dass die neue 
Achse OX' mit der ursprünglichen 
den Winkel ZOE =f einschliesst, 
zu welchem Behufe man in der 
obigen Gleichung den Winkel (1. 
0'4=)g' (=1:0:34+ 3:0:4) 
= f + ei, setzt, so erhält man als 
Winkelordinate für die Schnittcurve 
wie oben: 





Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke, 109 


Die Luftflügelfläche hat demnach eine constante, in senkrechten Ebenen 
zur Achse OZ liegende Spirale zur Erzeugenden, mittelst welcher diese 
Fläche, als gleitend an der Achse OZ und an der Leitlinie ebenso construirt 
werden kann, wie die einfache Propellerfläche mittelst der geraden Linie, 
und es ist klar, dass die Cylinderschnitte derselben mit jenen der letzteren 
congruent sind, nur hat si den Werth von +}. 

6. In Fig. 5 ist die nach derselben Leitlinie 4a b Fig. 2 construirte 
Luftflügelfläche in orthogonaler Projection dargestellt und die durch den 
Scheitel der Leitlinie gehende Coordinaten- 
Ebene XOZ so gedreht, dass sie mit der 
Zeichnungsfläche zusammenfällt; der Luft- 
flügel ist durch stärkere Linien markirt. Die 
Cylinderschnitte für den Halbmesser p sind 
mit 2ef in der einfachen Propellerfläche, 
Flügel abcd, und mit 21a fı in der Luft- 
lügelfläche, Flügel ab e d, bezeichnet. 

7. Eine durch die Achse OZ gelegte 
Ebene giebt mit der Luftflügelfläche einen 
Achsenschnitt. Der Winkel oi wird dabei 
als constant gedacht, so dass in der Glei- 
chung 3 die Coordinaten o und z als all- 
gemeine Coordinaten der Schnittcurve gelten. 
In Fig. 5 sind 2 Achsenschnitte e O und e O 
eingezeichnet. 

Aus der Form der Gleichung erkennt man sofort, dass die Achsen- 
schnitte innerhalb der Umgrenzung des Flügels Parabeln sind; zu welcher 
Ordnung sie gehören ergiebt die Transformirung der Gleichung durch 
Verschiebung der p Achse in jenen Punkt der Achse OZ für welchen 


2 
p = 0 ist, denn setzt man z = G + % und u = CES Le = 1) so 


ee ee E a 
S ERN Ge It DES j 

Für pş =v wird & =v; die Achse OZ bildet sonach die gemeinschaft- 
liche Achse aller dieser Parabeln und wenn man die konstante Grösse 


Fig. 5. 





findet man: 





A ze p? [ p? | 
rg" —— 1 E Seengen EE mn EL ERBE = 2 ` 
r Ja = b, SR p und S 1 + Tor „è setzt, so nimmt die 
letzte Gleichung die Form an: 
n? = ph. 


Da b mit e wächst, so werden die Parameter dieser Parabeln mit 
der Zunahme von ei immer kleiner, daher diese Erzeugenden der Luft- 
flügelfläche in ihrem Fortschreiten von a gegen b immer steiler. — Die 
geometrische Construction eines solchen Luftflügels dürfte nunmehr keine 
Schwierigkeit bieten. 


110 Kadarz: Lufipropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 


II. Reaction der Luft. 


1. Im Hochsommer 1873 wurde in der damals Siel’schen Maschinen- 
fabrik in Wien ein von mir für Herrn Ritter von Ofenheimm entworfener 
2 flügl. Luftpropeller mit der Messung des von ihm ausgeübten Achsen- 
dAruckes erprobt, und da konnten alle Anwesenden die Wahrnehmung 
machen, dass die von dem Propeller abgehende Luft nicht allein eine starke 
Strömung in der sehr geräumigen Werkstätte bewirkte, sondern dass sie 
auch merkbar dichter und wärmer war, als die Luft im Raum. 

Anderseits konnte der die Messung vornehmende, vor dem Propeller 
stehende Ingenieur bemerken, dass die zu den Flügeln strömende Luft das 
Gefühl der Kälte hervorrief. 

Es ist sonach mit Bestimmtheit anzunehmen, «dass ein mit ent- 
sprechender Geschwindigkeit rotirender Flügel an der drückenden (Activ-) 
Fläche die Luft verdichtet, erwärmt und fortschiebt, an der Gegen- 
(Rücken-) Fläche dagegen ein Verdlünnen, Abkühlen und Ansangen der 
Luft bewirkt. 

Diesen beiderseitigen Aenderungen ihrer physischen Beschaffenheit. 
setzt die Luft durch ihre kExpansivkraft Widerstände entgegen, deren 
Summe den Luftdruck auf den Mügel giebt. — 

Es ist kein Grund vorhanden anzunehmen, dass die Luftmasse gegen 
ihre Verschiebung in irgend einer Richtung eine andere Reactionskraft 
äussern sollte als die, welche im umgekehrten Sinne unter dem Begriff der 
lebendigen Kraft (m v?) verstanden wird. 

Der Umstand, dass der Flügel die ganze ihn berührende Masse an- 
treibt und in der Achsenrichtung dem Druck und Zug nachgebend fort- 
schreitet, gestattet auch anzunehmen, dass der Antrieb der an der Fläche 
liegenden Massenmoleküle, welche rings umschlossen am Ausweichen ver- 
hindert sind, eben auch in dieser Richtung erfolgen müsse. 

Dabei ist immer vorausgesetzt, dass der Druck, den die Fläche 
erleidet, normal gegen dieselbe wirkt. 

Der Reactionsdruck gegen ein Element der Flügelfläche s, welchem 
die Achsengeschwindigkeit ca entspricht, besitzt sonach die Grösse 

Wa = iall Fata) E 
y 
der Reaktionszug an der Rückenfläche möge dem analog durch 


misl L4 ats), 
š ge 8 





dargestellt werden. 
(1 Loi 
Der Ausdruck nt bezeichnet die Luftmasse (y Dichtigkeit, 


t Temperatur C°, "(Get das Gewicht von 1 m? der Luft, g die Be- 
schleunigung der Schwere, « den bekannten Ausdelinungs- Coefficienten). 


Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. Ill 


Die Buchstaben d und s bezeichnen die Lage des Elementes e an der 
Activ- oder Rückenfläche,; es soll damit apgezeigt werden, dass die von 
der Geschwindigkeit abhängige Dichtigkeit der Luftmoleküle an der 
drückenden Fläche eine andere ist, als an der ansaugenden Rückenfläche. 


Bewegt sich der Flügel in der Achsenrichtung auf oder vorwärts, so 
soll dies, wie vorausgesetzt, im Beharrungszustande mit der Geschwindig- 
keit ce erfolgen. webei die Luft, olme ihre physische Beschaffenheit plötzlich 
ändern zu müssen von der Vorderkante ac (cl aufgenommen wird. Es 
sind sonach y und /, womit die Luftmoleküle am Beginne des durch = ge- 
führten Cylinderschnittes anlangen, so wie ihre Geschwindigkeit. ce als 
bekannt anzunehmen und es stehen die Expansivkräfte an 2 verschiedenen 
Punkten dieses Selmittes im geraden oder umgekehrten Verhältniss mit den 
(uadraten der Geschwindigkeiten, je nachdem dieselben auf die Activ: 
oder Rückenfläche wirken. 


Hiernach verhalten sich, vom Expansions - Coefficienten abgesehen, 
welcher für ein und dasselbe Gas den gleichen Werth besitzt: 


l-patt): y (Fata) E: e: 
ypa: ill SCHON ESCH tte 
und es ist: 
(1 u t) È 
ya (l + ata) = Ge = 
"Il atë 
at yet 
und wenn sich das Element = an derselben Stelle der Activ- und Rücken- 
fläche befindet, so ist auch die Verdichtungs- und Ausdehnungsgeschwindig- 
keit beiderseits die gleiche, sonach ca = cs allgemein = c. 


Bei der Herleitung der Gleichung für die Leitlinie wurde gefunden, 
dass sich die Geschwindigkeiten in zwei verschiedenen Punkten so ver- 
halten wie die Quadratwurzeln der Abseissen z es ist 


Ce: € = Ya: He, 


oder: 


Z 
C= Ce EE 
Ze 
Setzt man in den Ausdrücken für Wa und W, die so ermittelten 
Werthe für:ya(1-Faeta),1(l+ats),ca,c, und c so findet man: 
mW tat). e 


BE — tt 


gë 


„tatz 
W, = — 
ge.? 





E 


112 Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eiguung für Luftschiffahrts-Zwecke. 


2. Bei der einfachen Propellerfläche ist aus Gleichung (1), wenn darin 
. Cep 2 S 
Ge anstatt e gesetzt wird: 2. = GE daher SC = und: 


SE EA 
KA 
© malteni 
gar 
Bei der Luftflügelläche entspricht dem Anfangspunkt der Cylinder- 





. 6) 


2-08 
schnitte des Flügels die Bogenordinate — = ze 4- p = Ye -+ CE, welchen 


Si 


Werth anstatt oi in Gleichung 3 substituirt, wie früher 2. = nm und 
ef HEH d 2 
a a) gibt. Es ist hiernach für den Inftflügel aus Gleichung (5): 


Ze Ye 
vw! __ dh 
nee =] 
g Ye 
„ Uat) y 
A ie 
ge’ — al 





III. Der Luftdruck am Flügel. 


Ist r der äussere Propellerhalbmesser, zu der Halbmesser des Neben- 
cylinders, so hat man als Flügelbegrenzung in der Richtung des Halb- 
messers: p = 7, bis pẹ =r. 

Die Winkelbegrenzung ergiebt sich aus dem Vorhergehenden: 
für den einfachen Flügel von 

M Mk 


Qe = ck 1) bis Ge == 





r (k— 1) 
für den Luftflügel von , : 
72 


p = ge F P = pe H ra bis ge k A 





Beide in Fig. 6 im Grundriss dargestellten Flügel u. z. abcd der 
einfache, abc’d‘ der Luftflügel, besitzen die Leitlinie und die Länge 


gemeinschaftlich. 
Fig. 6. 


Führt man einen Cylinderschnitt 1 '2 vom 
Halbmesser O' 1 = p und emen Achsenschnitt 
0'3, welcher mit der Ebene XOZ den Winkel 
1'0°3= 9, bezüglich des Luftflügels ab c'd' den 
Winkel e einschliesst; lässt sodann den Radius 
um 3'4 =dọp und den Winkel etel um die un- 
endlich kleine Grösse 3°0 5 zunehmen, so dass 





Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 113 


35 = pdz (pd) wird, so stellt das auf der Flügelfläche begrenzte, 
unendlich kleine Viereck 3°4'5°6 ein Element <= pHdpdy (dody) 
derselben dar. 

Mit dem Zunehmen der Geschwindigkeit nimmt auch die Dichtigkeit 
der Massenmoleküle einerseits zu, anderseits ab; es ist sonach der Druck 
auf den Flügel ein von der Vorderkante ve (wc‘) gegen die Hinterkante 
bd (bd) stetig wachsender; die aus der Verdichtung entstehende Druck- 
kraft, sowie die aus der Verdünnung der Luft sich bildende Zugkraft 
wirken in gleichem Sinne in der Richtung der Achse von Z gegen O Fig. 2 
und 5 und man hat aus den Gleichungen (6) für den einfachen Flügel: 


eg k 
(1--uf ZE er CH 
Da 5 d ED RAN g +] 


CG 


und aus Gleichung (7) für den Tag 


N 


Die Integration führt in beiden Fällen zu dem gleichen Resultat und 


es Ist, wenn man für ze den Werth substituirt: 





M `: 
r(k — 1) 


ll al) Mu —r 1 Bus ~ 
P= i ln, i 
k— 1 5 " dE 


; a Buch 





Die beiden, nach ein und derselben Leitlinie konstruirten Flügel geben 
bei gleicher Rotatiunszahl und unter denselben atmosphärischen Verhältnissen 
den gleichen, zwar nicht gleichmässig vertheilten jedoch konstanten Reaktions- 
druck in der Achsenrichtung, welcher mit dem Wachsen von k zu einer 
MI — ri) 


sehr bedeutenden Grösse gesteigert werden kann. — s 
Sp 


ist die Pro- 


Jektion des Flügels auf die Ebene XOT. 


(Fortsetzung folgt.) 


Winddruck auf Cylinder- und Kugelflächen. 
\on Friedrich Ritter. 
(Vortrag. gehäalteninderV\ersammlung des Flugtechnischen 
Vereinsin Wien vom 2I. Febr. 1896.) 
Bei der Untersuchung der Gesetze des Winddruckes bin ich auf denselben 
Gedanken des Lufthügels gekommen, wie ihn Herr v. Lüssl in seinem Buche: „Die 
Luftwiderstandsgesetze, der Fall durch die Luft und der Vogelflug“ beschreibt. 


114 Ritter: Winddruck auf Cylinder- und Kugelflächen. 


Das Princip des Lufthürels ermöglicht es, wie im Folgenden gezeigt werden 
soll, den Winddruck auf Kreiscylinder und Kugel übereinstimmend mit den Beob- 
achtungen zu berechnen, und zu diesem Behufe möge erst kurz beschrieben werden, 
wie ich zu der Vorstellung vom Lufthügel gelangt bin. 

Als ich an einem windigen und trockenen Tage des März 1892 über 
den äusseren Burgplatz in Wien ging, zeigte sich mir eine auffallende Er- 
scheinung. 

Dieser Platz ist bekanntlich durch eine niedrige 
ra. 1 Mauer, über welcher sieh ein weitmaschiges Gitter er- 
hebt, von dem angrenzenden Volksgarten geschieden. 


. Der Wind kam stossweise aus Südosten von der 
ehon sch È Seite des äusseren Burgplatzes her und war, von 
eh gien och ` F 

4 "Fäi einigen Schwankungen abgesehen, fast senkrecht zur 





— o Mauer gerichtet. 
—_ BERN, Der Wind führte viel Staub mit sich, und da sah 
ich zu meiner Verwunderung ein kleines Häufchen 
EN solehen Staubes in einer langen, geraden und der 
Mauer parallelen Linie, etwas entfernt vom Fusse der 
Si [ Mauer, derselben vorgelagert. 


Wie heftig auch der Wind webte, und wie sehr 
er auch seine Richtung innerhalb gewisser Grenzen Ändern mochte, das Häufchen 
Staub blieb, nach einer schnurgeraden Linie abgegrenzt, ruhig liegen, und wenn 
ich näher zusah, so war das Häufchen vom Fusse der Mauer genau so weit ent 
fernt, als die Mauer hoch war 


Es war klar, dass der Wind in einen gewissen stillen Raum vor der Mauer, 
welcher nach vorn dureh eine von der Maueroberkante unter 45% Neigung sich zum 
Staubhäufchen herabsenkende schiefe Ebene begrenzt war, nicht eindringen konnte, 
Der Wind glitt gleichsam auf dieser schiefen Ebene über den stillen Raum weg; 
nach den Gesetzen des Stosses eines elastischen Körpers auf eine schiefe Fläche 
müssten Einfalls- und Zurückwerfungswinkel gleich gross sein, und die Lufttheile 
müssten somit von der unter 45° geneigten Fläche senkrecht in die Höhe steigen, 
um erst dann, nach dem Zusammentreffen mit der angrenzenden nicht abgelenkten 
Luft, ihre frühere Bewegungsrichtung wieder anzunehmen und durch die Maschen 
des Gitters horizontal weiterzuziehen. 

Wenige Tage nachher trat in Wien Schneefall ein bei windigem Wetter, und 
auf dem Schmelzer Exereirplatze konnte man ein lebhaftes Schneetreiben beobachten 
Da bemerkte ich längs der hölzernen Wand. welche den Exereirplatz von dem 
Schmelzer Friedhofe trennt, im Schnee genau dieselbe Linie, wie sie auf dem Burg- 
platze wahrzunehmen war. 


Fr 
Als die Menge des zugewelten Schnees all- SS EE? 
mälig zunahm, erhöhte und verbreiterte sich all- 
mälig auch das Schneehäufchen, welches dadurch zum j 
Schneehaufen wurde und mit der Spitze mehr und Exırcurplah, ut ud. 
IR. Let 







mehr der Wandoberkante sich näherte; aber immer 

blieb diese Spitze hierbei in einer Linie oder Fläche 7” 
enthalten, welche von der Oberkante der Wand sich 
mit 45° oder der Hälfte des von der Windrichtung und der Wand eingeschlossenen 
Winkels nach vorn hinabsenkte. 


Ritter: Winddruck auf Cylinder- und Kugelflächen. 115 


An der parallel zur Burggasse (jetzt Gablenzgasse) gerichteten Seitenwand 
des Friedhofes, welche der Wind in schiefer Richtung be- 
strich, bildete sich in schwächerem Maasse dieselbe Erschei- Jona? 
nung eines Lufthügels oder Luftpolsters aus, wie an der 
vorderen Wand Auch hier zeigte sich die unter 420 nach 
vorn abwärts gelagerte Vorderfläche des Luftpolsters, und 
diese in Verbindung mit der gleich !geneigten Luftpolster- 
fläche an der Vorderwand des Friedhofes, welche beiden 
Flächen sith an der Ecke des Friedhofes begegneten, bil- 
deten den im Buche des Herrn v. Lössl beschriebenen Hut. 





Nur in einem, vielleicht nebensächlichen Punkte waren meine Wahrnehmungen 
von denen des Herrn v. Lössl verschieden. 


Wenn der Wind nämlich nicht senkrecht, sondern 
schief auf eine Fläche trifft, so stellt v. Lössl zwischen 
dem Winkel z der Schiefe der Wand und Winkel 3, 
um welchen die Vorderfläiche des Lufthügels gegen die 
Windrichtunggeneigt ist, die Beziehung auf: 


Tag. l 





tg 3 -— sina. 

v. Lössl begründet diese Formel damit, dass bei a == 90° oder dem senk- 
rechten Auffallen des Windes 5= 45°, und bei « = 0, 5==0 sein müsse. Beides ist 
unbedingt richtig; doch giebt es ausser der von Herrn v. Lössl gewählten Beziehung 
noch andere, welche die gestellte Bedingung erfüllen. 


Bei meiner näheren Betrachtung der Art, wie sich vor der Friedhofwand 
auf der Schmelz der anfangs kleine Schneehügel allmählig erhöhte, machte es mir 
den Eindruck, als ob «dieser Schneehügel ebenso wie die Wand selbst als Wind- 
fang wirkte. 

Es bildete sieh vor dem kleinen Schneebügel Za 8 
ebenfalls ein stiller Raum, an dessen Spitze oder Vor- RE 
derseite sich ein zweites, kleineres Schneehäufchen = = 
ablagerte. und zwar schien mir die Ebene des Lufthutes F 
genau zur Hälfte des Winkels, unter welchem die Vorder- — Ch 
seite des Schneehügels vom Winde getroffen wurde, also `. 22° \. 





4; ; EE 
um den Winkel von S == 22 30 gegen die Windrichtung geneigt. 


Indem die Menge des abgelagerten Schnees allmählig wuchs, und die Lücke 
zwischen dem ersten und zweiten Häufchen sich allmählig zuschloss, bildete sich 
vor den beiden Häufchen noch ein drittes, viertes u. s. w. nach dem nämlichen 
Gesetze der fortschreitenden Halbirung des Winkels und es entstand dadurch nach 
und nach eine compakte grössere Schneewehe, deren Oberfläche, mit dem er- 
wähnten Princip übereinstimmend, deutlich die Gestalt der Parabel zeigte. 


Nach dieser sich mir deutlich vor den Augen 
abspielenden Erscheinung konnte ich darüber nicht im Fa. 6 
Zweifel sein, dass der Winkel 53 gleich y angenommen es 

Ae Ss’. 

werden müsse, 

Diese andere Beziehung erfüllt genau so wie 
die v. Lössl’sche die von Herrn v. Lössl gestellten 
Bedingungen. Sie hat in meinen Augen den Vorzug, 
dass sie dem für den senkrechten Auffall des Windes von Herrn v. Lössl aufge- 
stellten, gewiss richtigen Princip, nach welchem die vom Lufthügel abprallende 





116 Ritter: Winddruck auf Cylinder- und Kugelflächen. 


Luft parallel zur Wandfläche weiterzieht, demnach Einfalls- und 
Zurückwerfungswinkel gleich gross sind, auch für spitze 


e 


: . ou E 
Winkel Geltung verschafft. Die Beziehung a: „ ermöglicht es mir auch nur, 


im Folgenden die Berechnung des Winddruckes auf Cylinder- und Kugelflächen 
zu versuchen. 
En Wenn nach dem Vorigen der Wind auf eine um den Win- 
Eé œ kel z gegen seine Richtung geneigte ebene Wand AB trifft, 
“ego wird sieh vor derselben die Hutfläche AC bilden, welche 
gegen die Wand AB und gegen die Windrichtung DA ja um 


den Winkel E geneigt ist. 


Denkt man sich von dem ankommenden Luftstrom einen 
Luftfaden KE vom (Querschnitt Eins ausgeschieden, so wird 
dieser Luftfaden, indem er bei FE mit der Geschwindigkeit v 
auf die Hutfläche trifft, eine Geschwindigkeit senkrecht zu 


dieser Fläche besitzen von esin `. 


gg 


Um dem Luftfaden diese Geschwindigkeit zu benehmen, 





e ert $ ist aus dem Innern des Lufthüssels heraus in zu dem Flächen- 

element Ah zenkrechter Richtung, also in der Richtung G F 

eine Kraft nöthig, nach den Gieseten des elastischen Stosses und bei einem Ge- 
wichte ; der Cubikeinheit Luft von 


vi de 9, 
E SA a i a SER 

N, sm i R Ain: , A 
2 g 2 g 


Die angekommene Luft darf aber vor der Fläche FF nicht liegen bleiben, 
sondern muss, damit Finfalls- und Zurückwerfungswinkel gleich gross werden, mit 


derselben Geschwindigkeit r sin 54 mit welcher sie senkrecht zur Fläche ange- 


kommen war, auch senkrecht zur Fläche zurückgeworfen werden, und dazu ist 
eine weitere in der Richtung GIF senkrecht zur Hutlläche wirkende Kraft nöthig 
von ebenfalls 


a 2 wy 
Sn? = e 
2 yg 

Die Hutfläche muss also auf dem Flächenelement FI einen Widerstand 


leisten senkrecht zur Hutebene von im Gianzen 


WM 





G 


sin, | 
2 g 
So gross ist also der Druck, welchen der mit der Geschwindigkeit v an- 
kommende Leitfaden FE vom Querschnitt Eins senkrecht auf die Hutfläche ausübt. 


Wenn man die Richtung FG dieses Druckes bis zur Wandfläche AB ver- 
folgt, so steht diese Richtung zur Ebene der Wand, da die Wandebene gegen die 


Hutebene um den Winkel ) geneigt ist, nicht senkrecht, sondern ist gegen die 


o 


Senkrechte um den Winkel < geneigt. 


Eine vom Winde getroffene Fläche kann aber erfahrungsgemäss nur senk- 
recht zu ihrer Ebene einen Druck vom Winde empfangen. Es ist also nöthig, den 


in der Richtung FG wirkenden Druck 2 sin? i > "in eine nach der Richtung FH 


senkrecht zur Wand wirkende Seitenkraft und eine andere Seitenkraft nach der 
beiläufigen Richtung FJ zu zerlegen. 


Ritter: Winddruck auf Cylinder- und Kugelflächen. 117 


Hier muss ich nun eine Annahme machen. 

Es scheint mir zwar zweifellos, dass wenn die eine Seitenkraft FH senk- 
recht zur Wand gerichtet ist, die andere nur parallel zu derselben gerichtet sein 
kann; denn welche schiefe Richtung sollte sie wohl haben, nachdem für keine der 
unzähligen möglichen schiefen Richtungen irgend ein Grund, gerade diese zu 
wählen, vorliegt. 

Man wird aber fragen: was geschieht mit der Seitenkraft FJ; wohin wirkt 
sie, worauf stützt sie sich? 

Hierauf kann ich, offen gestanden, nur mit einer Hypothese antworten: die 
Seitenkraft FJ stützt sich auf die angrenzenden Luftmassen; der Druck, welchen 
sie ausübt, wird in Wellenbewegungen und dergl. umgesetzt; diese Wellen- 
bewegungen sind es vielleicht, welche das langsame Kreisen der Luft im Innern 
des stillen Raumes hervorrufen, die Ablagerung von Staub, Schnee und dergl. 
innerhalb desselben theilweise verhindern u. s. w. 

Ich darf mich bei dieser Annahme vielleicht auf einen in der Vereinszeit- 
schrift (Novemberheft 1894) erschienenen Aufsatz des Herrn Dr. Emil Jacob be- 
rufen, welcher, den Flug einer Fliege in einem Glasgefässe behandelnd, ebenfalls 
die Ansicht ausspricht, dass ein Druck der Luft mit Hülfe einer Art Wellenbewegung 
auf die Umgebung übertragen werden könne. 

Die neuere Physik hat bekanntlich ebenfalls versucht, den von der Luft auf 
die sie umgebenden Wände ausgeübten Druck auf Bewegungen der Luftmoleküle 
zurückzuführen. Sei indessen die Frage der Richtung der Seitenkraft F'J so oder 
so zu lösen, so wird im vorliegenden Fall das Hauptkriterium meiner Annahme 
darin liegen, ob die unter dieser Annahme aufgestellte Rechnung schliesslich mit 
der Erfahrung übereinstimmt. 

Es sei mir deshalb gestattet, mit der Rechnung, indem ich die erwähnte 
Annahme mache, fortzufahren. 

Der in Folge Auffallens des Luftfadens EE von der Fläche des Lufthutes 


è EEN GE 
in der Richtung FG ausgehende Druck 2 sin? 2 Deg, 
Weise zerlegt, einen Druck senkrecht zur Wandfläche, auf das Flächenelement 
H H’ wirkend, von 


ergiebt, in der angeführten 


A DE We r- í wt 
2 BIN" Je 0.008 |) — 
2 yg 2 
D 
denge, ZE SÉ, e 
..- 2 sın® -:-.C08 ` .- l 
- 2 g 
f 2 As 
SI DLS a o 
2 y 


Handelt es sich wie im vorliegenden Fall um eine 
symmetrisch zur Windrichtung sich ausbreitende Wand, 
so steht jedem vom Winde getroffenen Wandelement HIP 
symmetrisch ein anderes Wandelement M, H’ von gleicher 
Gròsse und Neigung zur Windrichtung gegenüber. Zer 
legt man daher den durch den Luftfaden EE' vom Quer- 
schnitt Eins senkrecht zum Wandelelement HIL aus- 


=? 
sr An 
4 


geübten Winddruck von sin z.sın > 
tenkräfte senkrecht und parallel zur Windrichtung, so wird 
die erstere, in der Richtung von H gegen M, wirkende 
Kraft durch eine gleich grosse, in umgekehrter Richtung von H, gegen H wirkende 
Kraft aufgehoben, und es verbleibt somit als durch den Windfaden EE vom Quer- 


in zwei Nel- 





118 Ritter: Winddruck auf Cylinder- und Kugelflächen. 


schnitt Eins in der Richtung parallel zum Winde auf die cylindrische oder kugel- 
förmige Wand ausgeübter Winddruck: 


Za, 9 o ii 


sin 9. sin- ENEE EC 
A eg 
G y 
i = sints.sint.- -. 
2 g 


Hierbei halbirt nach dem früheren die Linie AC des Lufthutes 
den Winkel » zwischen der Wand AB und der Richtung DLA des 
ankommenden Windes. Diese Beziehung kann dakin gefasst wer- 
den, dass jeder Punkt F der Linie des Lufthutes in senkrechter 
Richtung gleich weit von der getroffenen Wand AB und von dem 
durch den Anfangspunkt der Hutlinie A gezogenen Windfaden ALD 
absteht; denn es ist überall längs der Linie AFC: 

FH= FL. 


Hält man an dieser Beziehung fest, so kann leicht auch für 
eine Aufeinanderfolge von schiefen Wandflächen, wie sie die Fläche eines Kreis- 
cylinders oder einer Kugel darstellt, die Linie des Lufthutes oder der vorderen 
Begrenzung des Lufthügels gefunden werden. 





Ist nämlich die Linie A BA, ein Kreis vom Mittel- 
punkte O und in demselben unter dem Winkel ¢ gegen 
die Senkrechte zur Windrichtung der verlängerte Radius 
DH F, ferner tangential an den Kreis der Ausserste Wind- 
faden ALD gezogen, so wird die Richtung der gekrümm- 
ten Linie AFC des Lufthutes durch die Beziehung be- 
stimmt, dass überall die senkrechten Entfernungen FH 
und FL einander gleich sein müssen, d. i.: 

FH = FL, 
welche Beziehung bei näherer Betrachtung, wenn p den 
Radius Vektor OF der Lufthutlinie beim Radius O4 = 
bezeichnet, zu der Gleichung führt: 


Jio. 40 
A. Q 





dp 0 
pdp I a 
d. i 
1 

Ba 

g 

cos 5 
Für = ergiebt dieselbe p = 2, d. h. es liegt die Spitze des Lufthügels 
um die Länge des Radius oder die halbe Breite des 
Jig. A Cylinders oder der Kugel vor der Cylinder- oder Kugel- 

A. o A fläche. 


Lässt man den Winkel % um den unendlich kleinen 
Werth ds grösser werden, so nimmt der Radiusvektor » um 
die unendlich kleine Grösse rd zu, welche wegen der 
Gleichheit der Winkel JFF und FFN gleich ist, der 
Grösse FN oder der Dicke FE'E des Luftfadeus, welcher 
den Winddruck auf das Flächenelement de hervorruft. 
Dieser Druck ist somit parallel zur Windrichtung ge- 
messen: 





|s 


vu 
Se e SE 
dw == SO, sin > EC 
' ( 


D 


u 


Ritter: Winddruck auf Cylinder- und Kugelflächen. 119 


9 
2 sin 7, 
welche Gleichung, da dp = -- -d |- beträgt, für den kreisförmigen Cylinder 








e 2 
3 ._ 
cos? ` 
zu der Beziehung führt: 
sind Se 7 
dw=—8- <- da2., 2I 
cos“ 2 9 
2 


Durch Integration erhält man als Gesammtwinddruck auf die Flächeneinheit 
der Basis des Kreiscylinders: 








eg — T 
sing I 2 
a -..n =: 8 kr tg P + -- ?) —sin s — — | 0,451833 
g 
Für die Kugelfläche ergiebt sich in ähnlicher Weise: 
8. sini I S sind I sin? ` 
| o ei 2 2 | ei 
d (w) = -—-- -.2p008%.d- .----—=16. l— —— I. 
cos —- | 2 g cos <- | cos? *_ g 
2 2 2 


woraus durch Integration für die Kugel als Winddruck per Flächeneinheit Basis 
folgt: 


Eed sind - u 
-- = (n) = 1 n (Cylinder) —8. d. i. (n) = 0,83088. 
v? { | a P 
SCH cos? — 
g 2 
Für den Cylinder hat v. Lössl rund n = ~ = 0,66) gefunden. Nach einer 
Angabe von Samuelson im „Civilingenieur® des Jahres 1867 hat jedoch Borda weniger 
nämlich e 
n = 0,40 


gemessen. Meine eigenen Versuche mittelst Fallenlassen von Papiereylindern im 
Zimmer unter Berücksichtigung der Gesetze des Fallss im widerstehenden Mittel 
haben (34 bis 054 oder im Durchschnitt aus 7 Beobachtungen 
n — 0,45 
ergeben. Letzterer Werth stimmt genau mit dem theoretischen überein. 
Ebenso stimmen bei der Kugel Erfahrung und Formel überein. 
Nach Angaben, welche ich ebenfalls dem angeführten Aufsatze von Samuelson 
verdanke, berechnet sieh für den Tuftwiderstan! der Kugel: 
Aus Versuchen von Newton zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts 
(ul == 02b 
desgleichen aus Schiessversuchen von Hutton zu Ende des vorigen Jahrhunderte 
(n) ` 026 bis OAR, 
im Durchschnitt (ui —— 0:40 bis CA. 
Die Zahlen von Newton und Hutton führen im gemeinsamen Durchschnitt auf 
(ml „083 bis (Al 
also genau das theoretische Ergebniss. 


Durch Herrn Joseph Popper finde ich (ut zu 083 bis "rä angegeben. 


ba. 1 H M Ké 
Herr v. Lössl hat (x) zu 3 0.33 gemessen, und wenn ich von meinen Ver- 


suchen mit Kiuderballons, welche ieh unter Beschwerung im Zimmer fallen liess, 


120 Ritter: Winddruck auf Cylinder- und Kugelflächen. 


sprechen darf, so haben dieselben (r) -- 031 bis 0:37, im Durchschnitt 0.34, also 
ebenfalls soviel wie die Rechnung ergeben. 

Es ist also in der That gelungen, auf Grund des Lufthügelprincips durch 
die Rechnung die Winddrücke auf Cylinder und Kugel übereinstimmend mit der | 
Erfahrung abzuleiten. 

Wenn nun auch der Werth der durch die Erfahrung gefundenen Zahlen nicht 
zu unterschätzen ist, so erhalten diese Zahlen doch, nach meinem Dafürhalten. 
ihren vollen Werth erst dann, wenn sie, wie es hier geschehen, auch auf dem 


Wege der theoretischen Schlussfolgerung gefunden und dadurch gleichsam bestätigt 
wurden. 


Ueber die Wirkung des Windes auf schwach gewölbte Flächen. 
Von A. v. Obermayer. 


Vortrag, gehalten am 20. März 1896 im Flugtechnischen Vereine in Wien, nach den 
Sitzungs-Berichten der Wr. Akademie. Bd. CIV, Abth. IIa, October 1895, S. 963. 


Man konnte in den letzten Jahren in der Literatur über Flugvorrichtungen 
häufig der Behauptung begegnen, dass unter Umständen der Luftwiderstand eine 
Fläche gegen die eigene Richtung bewegen könne; ja es ist diese Voraussetzung 
mitunter den auf solche Vorrichtungen bezüglichen Berechnungen zu Grunde 
gelegt worden. 

Es scheint, dass die Deutung der von O. Lilienthal in Berlin ausgeführten 
Versuche zu der obigen Voraussetzung Veranlassung gegeben habe. Dieser un- 
ermüdliche und geschickte Experimentator schreibt in seinem Buche „Der Vogelflug“ 
hierüber auf S. 77 folgendes: Eine schwach gewölbte Fläche, Fig. 1, gibt in der 
Richtung des Pfeiles bewegt, einen Luftwiderstand mit grosser 
hebender Componente ob und kleiner hemmender Componente 
oc; ja dieser Luftwiderstand verliert bei gewissen Neigungen 
überhaupt seine hemmende Wirkung und bekommt sogar, wie 
wir anfangs gar nicht zu glauben wagten, unter Umständen eine 
solche Neigung zur erzeugenden Fläche, dass statt der hemmen- 
den eine treibende Componente auftritt, dass also die Druck- 
Fa richtung, nicht hinter, sondern vor der Normalen zur Fläche zu 
legen kommt. 

Da vermuthlich auf den Eigenschaften solcher schwach gekrümniter, vogel- 
flügelähnlicher Flächen das Geheimniss der ganzen Fliegekunst beruht, werden 
dieselben später genaueren Untersuchungen unterzogen. 

Weiter heisst es auf Seite 100 des obgenannten Buches! 

Es haben also die gewölbten Flächen die Eiggenschaft, dass dieselben horizontal 
gelagert und unter gewissen Winkeln schräg nach abwärts bewegt, selbstständig 
die horizontale Geschwindigkeit zu vergrössern streben. 

G. Wellner hatte auch Versuche mit schwach gewölbten Flächen angestellt 
und fasst seine Versuchsergebnisse!) in folgendem Satze zusammen: 

Die Hebekraftwirkung gut geformter, sonst nach oben parabolisch gewölbter 
Tragflächen ist sowohl bei ruhendem Zustande im Winde als auch bei Vorwärts- 
bewegung derselben in ruhender Luft, selbst wenn sie unter sehr kleinen Elevations- 
winkeln eingestellt sind, eine sehr bedeutende und die Richtung des geweckten 





1) Zeitschrift für Luftschiffahrt, XII. Jahrgang 1893. Beilage S. 1—48. 


v. Obermayer: Wirkung des Windes auf schwach gewölbte Flächen. 121 


Luftwiderstandes fällt noch um einige Grade vor die Senkrechte zur Flächensehne, 
kommt also im treibenden Sinne zu stehen. 

O. Lilienthal leitet seine Resultate aus Versuchen ab, die er Seite 108 seines 
Buches „Der Vogelflug“, durch die Figuren 45 und 46 veranschaulicht hat. 


Zur Bestimmung der Horizontalceomponeite H des Winddruckes wird die 
Fläche ab Fig. 2 an einem verticalen Stabe omg, der um m drehbar ist, in g ein 
abbalancirendes Gewicht trägt und mit dem unteren Ende 
auf ein Federäynamometer f wirkt, in der entsprechenden 
Neigung befestigt und dem Winde ausgesetzt. 

Zur Bestimmung der Verticalceomponente V des Wind- 
druckes ist die Fläche ab Fig. 3 an einem horizontalen, 





Fig.2 


um m drehbaren Stabe in der entsprechenden Neigung befestigt, die Fläche durch 
ein Gewicht g abbalancirt und im Punkt o in geeigneter Weise mit dem Feder- 
dynamometer verbunden. 


In beiden Versuchen ist vorausgesetzt, dass die Luftwiderstandsresultirende 
in o angreife, was gar nicht der Fall zu sein braucht, zum Mindesten erst bewiesen 
werden müsste. 


Für eine Cylinderfläche, deren Wölbungshöhe ji, der Sehnenlänge beträgt, 
von einer Oeffnung gleich 37° 48, gibt die Rechnung bei der vorausgesetzten 
Lage, dass der Winkel zw der Resultirenden, mit dem vorderen, verticalen Durch- 
messer zu 25° 3° oder äi. 26° 6° sei, jenachdem der Luftwiderstand der 1. oder 
der 2. Potenz des Sinus des Neigungswinkels zwischen Flächenelement und Richtung 
der Windgeschwindigkeit proportional angenommen wird. Mit dem durch o gehenden 
Halbmesser werden daher von der Richtung der Kesultirenden die Winkel 6° % oder 
9° 12° eingeschlossen. Nimmt man demgemäss an, dass die Resultirende in o an- 
greife, so hat man in dem Versuche Fig. 2, wenn der Apparat so adjustirt ist, dass 
am Federdynamometer der Lilienthal’sche Werth H abgelesen wird, die Gleichung: 

Hh Jr: V'h“ rG 


Die wahre Horizontaleomponente JE ist daher grösser als "Ee 
; $ 
y F 
1. 


jene H, welehe von Lilienthal angenommen wird. R 


Bezüglich der Vertiealeomponente hat man die Gleichung: 
Fire. From + Hrs 

die wahre Verticalecomponente F’ ist daher kleiner als die gemes- 

sene V. 

Wie aus Fig. 4 zu erkennen, hat aber ein Wachsen der y >> 

horizontalen und ein Abnehmen der verticalen Componente eine 


Verschiebung der Richtung der Resultirenden gegen die Normale, Ch 


H 
H 


ek 
š $ 
, į 
MÉ 
EE 

e 
t: 

E 


` 


122 v. Obermayer: Wirkung des Windes auf schwach gewölbte Flächen. 


ja über dieselbe hinaus zur Folge und damit verschwindet die treibende Tan- 
gentialcomponente und wird durch eine hemmende ersetzt. 


Ich selbst habe, wie später noch erwähnt wird, mit gewölbten Cylinderfächen 
von 30 cm und 60 cm Halbmesser und einer Wölbungshöhe gleich "je der Sehnen- 
länge, im Luftstrome eines Centrifugalventilators mit weiter Oeffnung experimentirt. 
Wurde eine solche Fläche von 30 cm Halbmesser mit dem gegen die Windrichtung 
fallenden Endflächenelemente horizontal eingestellt, so ergaben sich bei einem Ab- 
stande des Befestigungspunktes vom Drehpunkte‘, d.i. bei k = v = 25 cm Fig. 2, 3 
(Siebe auch Fig. 6) für die Grössen A‘, A”, e und v” folgende Werthe: 


h' = 283.1 cm, A"=4bcm, v = 295 em, ei 1'9 cm. 


Die von Lilienthal für eine Sehnenneigung von 18° gefundenen, in der 
Tab. V, Fig. 1 seines Werkes „Der Vogelflug“ eingetragenen Zahlenwerte von H 
und V, die in Millimeter gemessen H — 34 und V — 134 betragen, geben eine nega- 
tive Tangentialeomponente T == 9, Tab. V, Fig. 2. Dabei ist der Winkel zwischen 
der Resultirenden und der Flächennormale im Punkt o 4° 40‘, gegen die Wind- 
richtung gezählt. Ueberträgt man diese Werthe in grober Annäherung auf einen 
Versuch mit der oberwähnten Cylinderfläche von 80 cm Halbmesser, so er- 
giebt sich nach Berechnung von H und V‘, aus den obigen beiden Gleichungen 
H' = 58, V'==110 und der Winkel H’OR'= 62°12. Da die Normale im Punkte 
o 71°6° mit dem Horizonte einschliesst, so liegt die Resultirende um 8° 54° auf jener 
Seite der Normalen wohin der Wind bläst. Es entspricht dies jener Lage der Re- 
sultirenden, welche rechnungsmässig für dieselbe ermittelt wurde. Das voraus- 
gesetzte Verhältniss des Halbmessers von 30 cm zu dem Abstande OM des Dreh- 
punktes M vom Mittelpunkte o der Fläche dürfte jenem der Lilienthal’schen Ver- 
suche entsprechen. 


Wird aber OM=20 cm angenommen, dann wird X H OR = 58° 5% d. b. 
die Resultirende liegt 12° 14° auf jener Seite der Normalen, wohin der Wind bläst. 
Die Voraussetzung von O M = 20 cm entspricht den Versuchen Lilienthals offenbar 
weniger als die frühere. 


Die Richtigkeit der durch die gewöhnlichen Rechnungsmethoden ermittelten 
Lage der Resultirenden ist noch mit der von Wellner angegebenen Vorrichtung 
und der Cylinderfläche von 60 cm Halbmesser, im Windstrom des Centrifugalventi- 
lators angenäbert geprüft worden. 

Der Wellner sche Apparat Fig.5 ist ein beweg- 
liches Parallelogramm ecdf mit Achsen in e und f, Ge- 
lenken in c, d, dessen Arme über c und f verlängert 
sind und Gegengewichte tragen, um die Fläche, die an 
dem Arme cd mit einem Stabe lo befestigt ist, abzu- 
balanciren. 

Der Apparat stellt sich im Windstrome in eine 
Gleichgewichtslage ein; die Richtung der Arme ec und 
fd gibt die Riehtung der Luftwiderstandsresultirenden. 
/ Der Winkel zwischen der Flächennormäale im Punkte o 





und der Resultirenden, wurde so zu nahe 9° gefunden. 
Folgender Versuch ist noch geeignet, die Richtig- 
Fig 5 keit meiner Voraussetzungen zu bestätigen und zu zei- 
gen, dass feste Punkte im Systeme zu Bewegungen 
desselben gegen die Windrichtung Veranlassung geben können. 


~a 
“~ 


Die oben beschriebenen Cylinderflächen. aus Preisspahn hergestellt und 
durch je eine Messingrippe versteift, sind an einem, durch den Mittelpunkt o gehen- 


v. Obermayer: Wirkung des Windes auf schwach gewölbte Flächen. 128 


den Stabe og Fig. 6 befestigt, an dem sich eine, die Achse 
tragende Hülse M verschieben lässt. Die Fläche wird, dem 
Windstrome eines Ventilators (ja selbst eines Blasebalges) 
ausgesetzt, gegen die Windrichtung gedreht, wenn die Achse 
M von o um weniger als den Halbmesser o cder Fläche ab- 
steht, weil die Luftwiderstandsresultirende dann bezüglich M 
ein Moment gibt, welchers dem Winde entgegendreht. Da- 
gegen weicht die Fläche im Sinne des Windstromes aus, wenn 
der Abstand OM grösser als der Halbmesser oe der Fläche 
genommen wird. Das Moment der Luftwiderstandsresultiren- 
den dreht dann eben im Sinne der Windrichtung. 

Die von Lilienthal auf S. 126 und Fig. 53 aufgeführten 
Versuche dürften eine ähnliche Erklärung zulassen. 

Die Annahme einer treibenden Componente des Luftwiderstandes erscheint 
hiernach zur Erklärung der verschiedenen Erscheinungen nicht nothwendig und 
es muss bei der Behandlung von Flugproblemen wohl davon abgesehen werden. 





Kleinere Mittheilungen. 


„Zur praktischen Lösung des Fiugproblems“. Herr Dienstbach aus Newyork theilt 
uns als Schlusswort in der zu obiger Frage zwischen ihm und Hrn. Eugen Kreiss 
entstandenen Polemik mit: „dass er nach den letzten Ausführungen des Hrn. Kreiss, 
unter vollständiger Wahrung seines Standpunktes, auf eine 
weitere Discussion, als offenbar sehr wenig zur Klarstellung geeignet und für den 
grösseren Leserkreis der Zeitschrift kaum interessant, verzichte.“ 

Die Redaction. 


Zur Antwort. 


Im Februar/März-Hefte unserer Zeitschrift hatten wir unter der Spitzmarke: 
„Auflösung der Wiener privat-aöronautischen Anstalt“ eine kurze thatsächliche Notiz 
gebracht, die, wie dort mitgetheilt, Wiener Blättern entstammte und auf die 
wir hier-verweisen. Auf diese unschuldige Nachricht, die wir thatsächlich mit der 
Empfindung des Bedauerns über die Auflösung der um die Einführung der Luft- 
schiffahrt in Oesterreich so hochverdienten Silberer'schen Anstalt zum Abdruck 
gebracht hatten, versetzt uns Herr Silberer in einem uns absolut unverständlichen 
Anfall von Gereiztheit folgenden graziösen Fusstritt: 

„Die „Zeitschrift für Luftschiffahrt“ in Berlin bringt in ihrer letzten Nummer 
die Mittheilung, dass der Herausgeber dieses Blattes dem Kriegsministerium für 
die Militär-Luftschifferabtheilung vier grosse Ballons und eine Menge Zubehör, 
Apparate, Modelle etc. zum Geschenk gemacht habe — eine Neuigkeit, die neben- 
bei bemerkt. schon fünf Monate alt ist! — und knüpft daran die geradezu drollige 
Schlussfolgerung, dass damit die Wiener private aëronautische Anstalt thatsächlich 
„aufgelöst“ sei. Das ist wirklich sehr gut! Weil der Besitzer der Anstalt dem 
Aerar ein Geschenk macht, wird sie - von Berlin aus für aufgelöst erklärt: 
Ja, wer in Berlin maasst sieh denn an, entscheiden zu wollen, ob der Herausgeber 
dieses Blattes seine private Anstalt auflassen wird oder nicht? Die Anstalt besteht 
und bleibt bestehen, so lange es uns gefällt, und wenn es uns einfällt, werden 
wir an Stelle der verschenkten vier Ballons zehn neue herstellen. Jedenfalls 
müssen wir es uns aber ganz energisch verbitten, dass das erwähnte Berliner Ver- 
einsblättchen mit unserer Anstalt so leichtfertig umspringt, die es allerdings von 
jeber nur mit ziemlich scheelen Augen angesehen hat.“ 


124 | Kleinere Mittheilungen. 


Zur Belustigung unserer Leser wollen wir hier mittheilen — da Herr S. sagt: 
„die Anstalt sei von Berlin aus für aufgelöst erklärt worden“ — dass uns die 
Notiz unter der besagten Aufschrift gleichzeitig von zwei Seiten aus — Wien 
zugegangen war und zwar von Persönlichkeiten, welche der österreichischen Aöro- 
nautik an maassgebender Stelle sehr nahe stehen bozw. gestanden haben .... Auf 
die Tonart, die in dem obigen Entrüstungsschrei der „Allg. Sport-Zeitung“ an- 
geschlagen wird, kann das „Berliner Vereinsblättchen“ aus Anstandsgefühl nicht 
eingehen. Wie wir über die Anstalt des Hrn. Silberer denken, haben wir bereits 
oben zum Ausdruck gebracht; wenn aber Hr. S. wirklich meinen sollte, dass der 
„Deutsche ‚Verein zur Förderung der Luftschiffahrt“, dessen aëronautische Leistun- 
gen im übrigen Europa nicht unbekannt sind und dessen Organ wir sind, seine 
Anstalt „von jeher mit ziemlich scheelen Augen angesehen habe,“ so wäre diese 
Idee der Ausfluss einer Ueberhebung, die uns an dem stilistischen Elaborat der 
„Sport-Zeitung“ nicht am wenigsten erheitert hat. D. Red. 





Literarische Besprechungen. 


Inhaltsangabe der ausländischen aeronautischen Zeitschriften. 


L'Aeronaute, April 1896. De Fonvielle: Eugene Farcot, (Biographie) 
Sitzungsberichte der „Société franç. de Nav. Aér.“ Sitzung vom 6. Februar 1896. 
(Geschäftliches. Abendaufstieg zu Marseille. Surcouf: Ueber die Sicherheit im 
Ballon. Notizen zu Andrees Polarfahrt. Urtheile über dieselbe zu Berlin. Aus 
der äronautischen Schule der Gesellschaft. Persönliches). Sitzung vom 20. Februar. 
(Geschäftlichee. Surcouf: Praktische Luftschifferschule. Notizen über Ballon- 
aufstiege. Mittheilung über einen sehr leichten amerikanischen Gazolin- Motor. 
Ballonfahrten in Nizza und Monaco. Das lenkbare Luftschiff des Grafen Zeppelin. 
Aufstieg des Ballons „Le Touring-Club“. Drachen-Experimente von Hargrave, 
Eddy, Helm-Clayton). 

L’Aerophile, März-April 1896. E. Aimé: Frederic L'Hoste (Portraits d Acro- 
nautes contemporains). De Fonvielle: Die ersten Luftfahrten von Andrée. Das 
Denkmal der Montgolfiers. Zu Androe a Polarfahrt. Aeronautische Chronik: Nach- 
richten aus dem Gebiete des Brieftaubensportes (Congress zu Versailles ete.); Re- 
ferate über M. Farman's „Les Merveilles aériennes“ und das „Aeronautical Annual“. 
— Neueres zur Fahrt Andree's. Sitzung der „Société franç. de Nav. Acr.* vom 
19. März. L. Renard: Die Militärballons und ihre Feinde. Kleinere Mitthei- 
Jungen: Das Helium und die Luftschiffahrt, Fesselballon zu Budapest. Moment- 
aufnahmen segelnder Vögel. Ein amerikanischer Duruof. Längste Ballonfahrt in 
Deutschland. Höhe des Vogelfluges. Eine Luftfahrt in Italien. Mittlere Höhe der 
Wolken. Geschwindigkeit dar Luftströmungen. Meteorologen-Congress zu Ant- 
werpen, Das internationale Wolkenjahr. — Verzeichniss arronautischer Patente. 

James Means: The a&ronautical annual. Boston 1898. 

Während der erste Jahrgang dieses Jahrbuchs für Luftschiffahrt (s. diese 
Zeitschrift 1896, pag. 26) zum grossen Theile ältere Publikationen über das Flug- 
problem brachte, enthält der zweite Jahrgang durchweg neue Arbeiten. Wir finden 
in ihm neben einigen kleineren Beiträgen über Drachenexperimente und Aehnliches 
namentlich drei grössere Aufsätze von den ersten Führern in der Flugtechnik: 
Lilienthal, Maxim und Chanute. 

Lilienthal schildert seine Flugversuche, die er (s. diese Zeitschrift 1896 
pag. 241) mit dem aus zwei übereinander liegenden Flächen gebildeten Doppel- 


Literarische Besprechungen. 125 


apparat angestellt hat. Der Aufsatz wird durch eine Reihe vorzüglicher Moment- 
aufnahmen sehr hübsch illustrirt. 


Höchst interessant ist Maxims Erörterung über den Vogelflug und seine 
Nachahmung. Der durch seine grossartig angelegten Versuche bekannte kühne 
Constructeur ist zugleich, wie sein Aufsatz zeigt, ein gewandter und frischer Schrift- 
steller. Mit grossem Geschick vertritt er die Ansicht. dass eine Flugmaschine 
gleich in grossem Maalsstabe ausgefürt werden müsse. Er berechnet dabei das 
Gewicht inclusive allen Zubehörs auf 5 Kilo pro VPferdekraft. Der Verfasser stellt 
eine baldige Fortsetzung seiner Versuche in Aussicht und kündigt zugleich eine 
ausführliche Publikation an. 


Chanute (s. diese Zeitschrift 1894. p. 77) giebt eine sehr eingehende Be- 
schreibung von den Segelmanövern californischer Möven. 


Für die ungeduldigen Leute, denen die Entwickelung des Fliegesportes nicht 
rasch genug geht, giebt James Means eine hübsche Vergleichung zwischen dem 
Velociped und dem Lilienthal’schen Flugapparat. Beim Fahrrad, das im Jahre 1816 
erfunden wurde, dauerte es 50 Jahre, ehe es zu einer wirklichen praktischen An- 
wendung kam. Warum findet das von Lilienthal gegebene Beispiel so wenig Nach- 
ahmung” Wollen wir es mit dem Flugapparate ebenso machen, wie unsere Vorfahren 
am Anfange dieses Jahrhunderts mit dem Fahrrad, und fünfzig Jahre verstreichen 
lassen, ehe wir mit den Versuchen Ernst machen? Müllenhoff. 


Dr. F. Ahlborn. Zur Mechanik des Vogelfluges. (Abhandlungen aus dem 
Gebiete der Naturwissenschaften, herausgegeben vom Naturwissenschaftlichen Ver- 
ein Hamburg. L. Friedriehsen & Co. 1896.) 

Hauptsächlich zwei Fragen wurden vom Verfasser untersucht: die Bedeutung 
der verschiedenen Flügelformen für die Mechanik des Fluges und die Erklärung 
des Segelfluges. Ueber beide Probleme bringt die Schrift wesentlich Neues. — 
Ahlborn geht aus von dem Avancinischen Gesetze, dass, wenn eine Fläche unter 
schiefem Winkel von einem Flüssigkeitsstrome getroffen wird, der Angrifispunkt 
der Resultante des Druckes sich gegen den Vorderrand der getroffenen Fläche 
verschiebt. Mit Hülfe dieses, auch für die Aerodynamik geltenden Satzes giebt 
er eine Darstellung von dem Bau und der Function der einzelnen Schwungfedern 
und des ganzen Flügels. In bewundernswerth klarer Sprache zeigt er dabei, dass 
sowohl der \Vorderbart der Feder wie der Daumenfittich des Flügels die Aufgabe 
haben, das Ausweichen der Luft um den Vorderrand der Flächen zu verhindern 
dass sie also als bewegliche Schranken wirken. Die bei den zahlreichen Flugtypen 
so ausserordentlich grossen Verschiedenheiten werden vom Verf. in überzeugender 
Weise erklärt und die Mechanik der Bewegungen erörtert. 


In dem zweiten, den Segelflug behandelnden Theile seiner Schrift giebt 
Ahlborn zunächst eine Kritik der bisherigen Erklärungsversuche; in treffender 
Darlegung zeigt er, dass dieselben durchweg nicht befriedigen. Es folgt dann 
eine Beschreibung der Segelmanöver, welche die Vögel beim Kreisen ausführen. 
Diese Beschreibung ist so lebendig, dass ein Jeder, der einmal das Verhalten 
segelnder Vögel beobachtet hat, sich bei den Worten des Verfassers eine jede 
Einzelheit des Vorganges auf das deutlichste vergegenwärtigen kann. Betreffs 
der Deutung der Beobachtungsthatsachen ist dem Referenten allerdings bezüglich 
eines wichtigen Punktes ein Zweifel geblieben; wie kann der Vogel in horizontaler 
und gleichmässiger Luftströmung sich ohne Flügelschlag in gleicher Höhe erhalten? 

Die inhaltsreiche und dabei sehr klar geschriebene Arbeit sei einem Jeden, 
der sich für das Flugproblem interessirt, aufs Wärmste empfohlen. 

Müllenhoff. 


126 Litterarische Besprechungen. 


Käuffer, Paul: Energie-Arbeit. Schnelles Arbeiten ist theurer als 


langsames Arbeiten. — Die kräftediagramme. — Die spezifische 
Wärme der Luft (der Gase). — Der Vorgang, wenn Luft in Folge von 
Erwärmung sich auf ein grösseres Volumen ausdehnt. — Energie im 


Allgemeinen. Mainz, V. von Zabern 1896. 8". 50 S. Pr. 1 M. 

Der Verfasser dieser Broschüre ist, wie er auf dem Titelblatt mittheilt, 
Inhaber einer Fabrik für Heizung und Lüftung. Die Anschauung, dass in der 
spezifischen Wärme der Gase bei constantem Druck ein Aequivalent geleisteter 
Arbeit enthalten sei, „liess ihm 25 Jahre, seit 1871, wiederholt keine Ruhe.“ Seiner 
Meinung nach sind die beiden folgenden Versuche streng von einander zu unter- 
scheiden: 

a) Auf der einen Seite eines Kolbens befinde sich ein Vacuum, auf der 
anderen laste der Druck der Atmosphäre; ein Gegengewicht in Form einer schweren 
Masse erhalte den Kolben zunächst im Gleichgewicht. Wenn nun eine Erhöhung 
des Gegengewichtes erfolgt und der Kolben dadurch gegen den Druck der Atmos- 
phäre verschoben wird, dann — ja dann wird Arbeit geleistet. Denn dann wird 
eine Luftsäule gehoben und gleichzeitig das Vacuum hinter dem Kolben ver- 
grüssert, letzterem also „eine erhöhte Fallmöglichkeit in das Vacuum“ verliehen. 

b) Befindet sich aber zu beiden Seiten des Kolbens Gas, etwa Luft, unter 
gleichem Druck, so sind die Zustände ganz andere: „Wir haben nicht mehr Leere, 
energielose Leere hinter dem Kolben, sondern dieselbe Energie hinter, sowie vor 
dem Kolben“, und wenn die durch den Kolben abgeschlossene Luft nun erhitzt 
wird, so wird bei der eintretenden Expansion derselben trotz der Verschiebung 
des Kolbens keine Luftsäule gehoben, keine Leere hinter dem Kolben geschaffen, 
keine Fallmöglichkeit für diesen gewonnen. Die gesammte Energie, die durch 
die Erwärmung zugeführt wird, kommt der eigenen Widerstandsenergie der sich 
ausdehnenden Luftmasse zu Gute, damit sie bei erweitertem Volumen dem äusseren 
atmosphärischen Druck auch weiter noch das Gleichgewicht halten kann. 

Aber wie ist es denn, wenn man vor dem Kolben alle Luft fortpumpt und 
ihren Druck durch das Gewicht einer entsprechenden Anzahl von Kilogrammen 
ersetzt” Sollten diese nicht doch emporsteigen, wenn sich die Luft hinter dem 
Kolben auszudehnen beginnt? Oder wenn man die Luft vor dem Kolben in ein 
luftdichtes Gefäss einschliesst und ihr dadurch eine bestimmte Begrenzung im 
Endlichen giebt, sollte dann nicht eine Erwärmung der Luft im Cylinder eine 
Compression der Aussenluft zur Folge haben? Es scheint also doch wohl beim 
Alten zu bleiben, dass nicht die gesammte Menge der zugeführten Wärme in innere 
Energie des sich ausdehnenden Gases übergeht. 

Der Herr Verf. hat ausserdem vor allem noch einen Wunsch an die Physik: 
Es sollen bei dynamischen Berechnungen die „bequemen Gleichheitsformeln“ (?) 
verlassen und auch die Zeiten, die zu bestimmten Arbeitsleistungen erforderlich 
sind, mit in Rechnung gezogen werden. K. Fischer. 





Vereinsnachrichten. 

Protokoll der 6. (156.) Versammlung des Deutschen Vereins zur 
Förderung der Luttschiffahrt vom 14. December 1895. 
Beginn der Sitzung 7?/, Uhr. 

Vorsitzender: Prof. Assmann. -— Schriftführer: H. Berson. 


Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit dem Bemerken, dass die drei seit 
dem Herbste stattgefundenen Versammlungen durch den schwachen Besuch, dessen 


r . e 4 A 
Vereinsnachrichten. 121 


sie sich nur zu erfreuen gehabt, bewiesen hätten, der jetzt für die Sitzungen fest- 
gehaltene Sonnabend sci — wohl am meisten wegen der zahlreichen gesellschaft- 
lichen Veranstaltungen an diesem Wochentage — anscheinend nicht der geeignete 
Tag für die Abhaltung der regelmässigen Vereinsabende. Es würde sich desswegen 
empfehlen, den Termin derselben anders zu legen; auch sei in Erwägung zu ziehen, 
ob man nirht die Versammlungen wieder in dem separirten Raume eines besseren 
Restaurants veranstalten könnte, wie sie in den ersten Jahren des Vereinslebens 
ja stattgefunden hätten. Die Frage wird dem Vorstande zur weiteren Beschluss- 
fassung überwiesen. i 

Zur Aufnahme steht noch von voriger Sitzung aus Herr J. Zniniewicz, stud. 
theol. in Posen. Neu gemeldet sind die Herren; Ober-Postassistent Vollmer in 
Herford!) und F. Schmidt in Oldenburg. 


Es wird zur Wahl zweier Kassen - Revisoren geschritten — wegen der bevor- 
stehenden Generalversammlung — und die Herren Dr. Prien und O. Larras dazu 
bestimmt. 


Es ergreift dann das Wort Hr. Ingenieur Köster zu dem angekündigten Vor- 
trage: „Ueber verbundene Drachen oder Luftballons und Fahrt mit solchen auf 
vorgeschriebener Bahn.“ Das Wesentliche seiner Ausführungen ist bereits in dieser 
Zeitschrift im Januarhefte d. J. p. 19-21 veröffentlicht. 

Ju der sich anschliessenden Discussion, an welcher die Herren Prof. Assmann, 
Prof. Kremser, Lilienthal und Berson theilnehmen, werden die grossen Schwierig- 
keiten der ungefähren Anpassung an den Wind, der Herstellung der zahlreichen, 
zum Aufkreuzen nothwendigen Drathbahnen etc. betont. Es werden die vielfachen 
anderseitigen Versuche mit übereinander angebrachten Drachen in America (Blue 
Hill Observatory bei Boston) u. a. m. erwähnt, als neu wird der Vorschlag des 
Vortragenden bezeichnet, selbsttragende (mit Gas gefüllte) „Schlauchkabel“ zu veı- 
wenden, wenn auch die praktische Brauchbarkeit derselben erst durch Versuche 
nachzuweisen wäre. 

Nachdem die Eingangs benannten Herren zu Mitgliedern proclamirt worden, 


schliesst der Vorsitzende um 1/410 Uhr die Sitzung. Berson. 


Münchener Verein für Luftschiflahrt. 


Wissenschaftliche Ballonfahrten in München im Mai 1895. In der gemeinschaft- 
lichen Sitzung, welche die Meteorologische Gesellschaft und der Münchener Verein 
tür Luftschiffahrt am 11. Februar abbielten, sprach Herr Direktor Dr. Erk?) über die 
Ergebnisse von 4 Fahrten im Mai. Zwei der gewöhnlichen Vereinsfahrten und zwei 
militärische Dienstfahrten hatten Dank dem wissenschaftlichen Interesse der theils 
als Führer, theils als Begleiter im Korle befindlichen Officiere vollständige Be- 
obachtungsreihen nach Hause gebracht. Drei dieser Fahrten zeigen schon vom 
aöronautischen Standpunkte aus die gleichen Merkmale, nämlich geringe Horizontal- 
entfernung der Landungsstelle vom Abfahrtsorte und sehr kleine Zuggeschwindig- 
keit des Ballons. 

Die Fahrt am 1. Mai hatte von Oberwiesenfeld zuerst nach Moosach geführt; 
dort war der Ballon in einer Seehöhe von 2500 Metern umgekehrt und flog nun nochmals 
über die nördlichen Stadttheile Münchens und Schwabing nach Osten. Die Landung 
fand bei Kirchheim, 19!/, Kilometer ostnordöstlich von München, statt. Unter Ein- 
rechnung der im ersten Theile zurückgelegten Schleife hatte die ganze Fahrt eine 








1) Derselbe hat indessen seine Anmeldung zurückgezogen. 


3) Nach einem Auszuge, den uns der H. Vortragende zur Verfügung ge- 
stellt hat. D. Red, 


128 Vereinsnachrichten. 


Länge von 25 Kilometer und dauerte 317, Stunden. Die mittlere Geschwindigkeit 
war 2,Nn Meter per Secunde. Die höchste erreichte Höhe war 3350 Meter und wurden 
in dieser Höhe Temperaturen von — 4 Grad beobachtet gegen 16 Grad am Boden. 
Die Fahrt vom 10. Mai führte von München im Bogen über Föhring und Riem in 
die Nähe von Trudering. Die Gesammtlänge der Bahn war 16,5 Kilometer, die 
Dauer der Fahrt 2 Stunden 38 Minuten und die mittlere Geschwindigkeit 1,7 Meter. 
Erreicht wurde die Höhe von 30C0 Meter und in der Höhe von 2800 Meter wurden 
Temperaturen von + 2 Grad aufgezeichnet gegen 20 Grad am Boden. Die Fahrt 
am 11. Mai war die kürzeste. Sie führte von Oberwiesenfeld in 2 Stunden 36 Minuten 
nach Ramersdorf. Die Bahnlänge war 7,3 Kilometer, die mittlere Geschwindigkeit 
0,8 Meter per Secunde. In der grössten Höhe von 2500 Meter traf man Tempera- 
turen von 5 Grad, während am Boden gleichzeitig 20 Grad beobechtet wurden. Die 
beiden Fahrten vom 10. und 11. Mai fanden ihren Abschluss unmittelbar vor dem 
Ausbruch von Gewittern. 

Die zeitlich dazwischen liegende Fahrt vom 4. Mai unterscheidet sich von 
den vorhergehenden wesentlich durch die Länge der Bahn. Während am Boden 
ziemlich starker Nordostwind wehte, trug in einiger Höhe ein frischer Südost den 
Ballon bis über die Donau, wo dieser in der Nähe von Dillingen landete. Die Fahrt 
hatte eine Länge von 115 Kilometer und dauerte 3%, Stunden. Die mittlere Ge- 
schwindigkeit war hier 8,5 Meter per Secunde. In der Maximalhöhe von 8050 Meter 
war die Temperatur 5 Grad und die Luft war ausserordentlich trocken, indem die 
Luftfeuchtigkeit nur 6 pCt. betrug. Am Boden hatte man gleichzeitig eine Tempera- 
tur von 5 Grad und 60 pCt. Luftfeuchtigkeit. Die südöstliche Luftströmung, welche 
den Ballon trug und den nordöstlichen Bodenwind kreuzte, wurde am 4. Mai auch 
auf allen Hochstationen vom Sonnblick bis zum Säntis aufgezeichnet. Merkwürdiger- 
weise lässt die Luftdruckvertheilung am 4. Mai für diese eigenthümliche Luft- 
strömung keine Begründung ersehen und es ist dies um so auffallender, als in noch 
grösseren Höhen nach den Angaben vieler Stationen die oberen Wolken auch aus 
Nordost zogen. Am 5. Mai hatte sich aber aus diesen übereinander hinstreichenden 
Luftbewegungen ein ausgesprochener Luftwirbel entwickelt, der nun auch in der 
Karte der Luftdruckvertheilung wohl erkennbar als ein secundäres Minimum über 
Südwestdeutschland liegt. Die ersterwähnten drei Ballonfahrten ergeben durch 
gegenseitige Vergleichung noch das wissenschaftliche Resultat, dass man aus ihnen 
ersieht, wie sich in der ersten Hälfte des Monats Mai immer mehr und mehr ein 
labiles Gleichgewicht in der Atmosphäre über Süddeutschland ausbildete. Dieses 
ührte zunächst zu lokalen Gewittern, und als am 15. Mai eine grössere Depression 
vom Nordwesten her nach Zentraleuropa hereindrang, wurden die relativ über- 
hitzten Luftmassen am Boden ausgelöst. Sie stiegen nun sehr rasch empor und 
brachten uns ausgedehnte Gewitter mit Graupel- und Hagelböen und nachfolgendem 
Schneefall. In der Zeit zwischen dem 15. und 20. Mai bildet Süddeutschland eine 
Kälteinsel in Europa. Diese Abkühlung welche weit über jene der Nachbargebiete 
hinausgeht, lässt sich nur durch die Abkühlungsprodukte erklären, welche aus den 
grösseren Höhen als Hagel, Graupel, Schnee und ganz besonders auch als mit 
herabgerissene kalte Luft Süddeutschland überschütteten. 

Prinz Rupprecht und Prinz Leopold, welche für die meteorologische und 
aëronautische Forschung schon mehrfach grösstes Interesse bewiesen haben, hatten 
die Sitzung mit ihrer Gegenwart beehrt. Beide Hoheiten haben bekanntlich selbst 
schon freie Ballonfahrten ausgeführt, von denen besonders jene des Prinzen Rupprecht 
vom meteorologischen Gesichtspunkte aus einen sehr interessanten Verlauf hatte. 


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 "eisdett für Luftschifiahrt und Physik der Atmosphäre. 1896. Heft 6. 129 


nu See e e Ve A VE E AE A ET ER AER ER dE ER wee 


Ueber die Sichtbarmachung von Luftstromlinien. | 
Von Dr. Ludwig Mach in Wien. | 


Die genaue Kenntniss der Luftströmungen und Wirbelbildungen, 
hervorgerufen durch die Bewegung eines Körpers in diesem Medium, dürfte 
für viele Fragen der Luftschitfahrt nicht ganz ohne Werth sein. Bis jetzt 
hat. man sich wohl meistens begnügt die Luftwiderstandsverhältnisse, denen 
eine Flügelfläche von bestimmter Grösse und Krümmung in ihren einzelnen 
Bewegungsphasen unterworfen ist, zu messen, ohne jedoch den Verlauf der 
durch die Bewegung eingeleiten Tuuftströmungen genauer zu kennen. Man 
war bezüglich letzterer wohl in vieler Hinsicht auf theoretische Anschauungen 
angewiesen, die man im laufe der Zeit gewonnen hatte. Auch Herr 
Ingenieur Josef Popper bat gelegentlich geäussert, dass eine recht einfache 
Methode, durch welche jene Strömungsvorgänge einer Beobachtung direct 
zugänglich würden, nicht unwillkommen wäre und vielleicht zur Klärung 
verschiedener Fragen etwas beitragen könnte. Dies gab Veranlassung zu 
einer im September 1890 begonnenen und nach einer längeren Unter- 
brechung im März 1893 zu Ende geführten Untersuchung, über die in 
aller Kürze vorläufig im Akademischen Anzeiger vom 13. Juli 1893 
berichtet wurde). 

Wir bemerken zunächst, dass es für das Zustandekommen der Strom- 
linien und der Wirbelbildungen einerlei ist, ob ein Körper sich mit einer 
bestimmten Geschwindigkeit in der ruhenden Luft bewegt, oder ob die 
Luft mit genau derselben aber entgegengesetzt gerichteten Geschwindigkeit 
gegen den ruhenden Körper strömt. In beiden Fällen werden die Strömungen 
genau dieselben sein, aber der letztere ist natürlich der für die Unter- 
suchung geeignetere. 

Als passender Apparat zur Herstellung einer constanten Luftströmung 
erwies sich eine Turbine, an deren axialer Ansaugeöffnung ein prismatisches 
Holzrohr von rechteckigem Querschnitt 18 <25 cm gesetzt wird, dessen eine 
dem Beobachter zugekehrte Längsseite mit einer Spiegelglasplatte ver- 
schlossen ist. Die Strömung im Ausblasehals kann nicht verwendet werden, 
da die Luft tangential ausgeworfen wird und die einzelnen Flügelschläge 
störende Luftstösse veranlassen. Das Saugrolhr ist innen zur Vermeidung 
von störenden Reflexen mit schwarzem Tuchpapier ausgeklebt und eine 
intensive Lichtquelle wie z. B. eine frei brennende Bogenlampe, die an der 


I) Herr Oberst A. v. Obermayer hat einige den hier beschriebenen Ver. 
suchen Ahnliche mitgetheilt, ohne von meinen Arbeiten Kenntniss zu haben, in 
seiner Abhandlung: „Ueber die Wirkung des Windes auf schwach gewölbte 
Flächen.“ Diese Z2.-S. 1896, Heft 4/ö, p. 120-123. 


130 Mach: Ueber die Sichtbarmachung von Luftstromlinien. 


Seite des Beobachters ihren Platz findet. wirft ihr Licht durch die Glas- 
wand in das Rohr, sodass man dessen Inneres bequem übersehen und nach 
Bedürfniss photographiren kann. 

Liess man bei vollem Gang der Turbine kleine Ringe aus Seidenpapier 
einsaugen, so konnten dieselben bei der Schnelligkeit, mit der sie fortgeführt 
wurden, nicht beobachtet werden. (Quarzstaub, Stärkemehl, Schwefelsäure 
oder Salmiakdänıpfe, sonst ein ausgezeichnetes Mittel zur Sichtbarmachung 
stehender Luftschwisgungen, gaben aus demselben Grunde kein Resultat. 
Glühende feine Eisentheilchen (Ferrum limatum), die man in grossen Mengen 
vom Luftstrom mitreissen lässt, sind sehr gut sichtbar, doch bemerkt man 
sofort, dass diese Theilchen wegen ihres bedeutenden specifischen Gewichtes 
sich wie Projectile verhalten, ihre eigenen Bahnın verfolgen, beim Auf- 
treffen an eine quergestellte Platte nach bekannten Gesetzen zurück- 
prallen, also keinerlei Anhaltspunkte über die lKigenbewegung der Luft 
geben können. 

Es wurde nun der Versuch gemacht, cine Anzahl weicher und 
schmiegsamer Seidenfäden derart im Strome schweben zu lassen, dass 
sie mit dem einen Ende an die Knotenpunkte eines dünnen, vor das Rohr 
gestellten Drahitgitters von 1 cm Maschenweite befestigt waren. Diese 
Fäden werden vom Luftstiom getragen, wobei sie aber so lebhafte 
Schwingungen ausführen, dass sie sich schon nach wenigen Secunden mit 
einander verflechten. Sie sind deshalb nur in geringer Anzahl verwendbar. 
Bei einem eingebrachten Körper z. B. einer quergestellten Platte benöthigt 
man nur zwei solcher Fäden (Fig. 2 der Taf.), welche uns andeuten, in 
welcher Art die Luft die Kanten der Platte umströmt. Cigarettenrauch, 
den man mit Hilfe eines kleinen Orgelblasbalges gegen die Platte strömen 
lässt, zeigt den Verlauf des Luftstromes schen in viel besserer Weise. 
(Fig. 1 der Taf.) Doch konnte man bei diesem Versuche schon bemerken, 
dass ein vollkommen symmetrisches Auseinanderweichen des Luftstromes 
nur auf Momente stattfindet. Der Strom oseillirt fortwährend auf und ab, 
indem er bald die obere bald die untere Kante umspült und den Rauch 
mitnimmt. Die schöne symmetrische Theilung des Luftstromes im Bilde 
(der Tafel) ist durch die lange Expositionszeit bei der photographischen 
Aufnahme zu erklären, die natürlich in diesem Falle blos ein Durchschnitts- 
bild aller während dieser Zeit stattgefundenen Veränderungen giebt. Besser 
als der so schwer sichtbare Rauch sind Gasflammen. Solche brennende 
Gasmassen geben, wie die späteren Versuche noch zeigen werden, schon 
eine recht gute Vorstellung von dem Verlauf der Luftströmungen an 
Hindernissen. Man kann die Bremneröffnungen (ausgezogene Glasröhren, 
die in Fig. 3 der Taf. noch gut sichtbar sind) auch Knapp vor oder hinter 
das Hinderniss, in unserem Falle (Fig. 3 der Taf.) eine Platte, bringen, um 
so Näheres über die Vorgänge an diesen Stellen zu erfahren. Die langen, 
in der Stromrichtung liegenden Gasflanmen biegen an den Kanten etwas 


Mach: Ueber die Sichtbarmachung von Luftstrom linien. 181 


um, wogegen jede Flamme vor oder hinter der senkrecht vom Strome 
getroffenen Platte nach einem kurzen knatternden Geräusch bald erlischt, 
was wie die weiteren Versuche ergeben haben, seinen Grund nur in heftigen 
an diesen Stellen vorhandenen Wirbelbildungen haben kann. 

Gleichzeitig erleiden jedoch die Flammen ganz eigenthümliche 
Deformationen. Es brennt z. B. in der Richtung des Luftstroms gegen 
das Centrum der Platte pp (Fig. 1) eine Gasflamme f. Die Flammenspitze 








Fig. 1. 

beleckt die Platte, in dem Momente jedoch wo die Luftströmung beginnt, 
wird die Flamme abgedrängt und schrumpft an der Spitze des Brenners m 
zu einem in heftig wirbelnder Bewegung begriffenen Flammenpilz zusammen. 
Dies wird durch kleine Zweigströmchen o und 8 bewirkt, die von den 
Theilströmen a und b abzweigend von den Rändern der Platte gegen das 
Centrum strömen, hier umbiegen und entzegen im Sinne der ursprünglichen 
Stromrichtung die Flamme von der Platte abdrängen und flach drücken. 
Mit Hilfe ganz kleiner entsprechend eingebrachter Flämmchen kann man 
den Verlauf der Strömungen des Genaueren untersuchen. 


Man findet so, dass nur eine central vor die Platte gebrachte Flamme 
besonders dann, wenn wie in unserem Falle (und in Fig. 3 der Taf.) das 
Brennerrohr horizontal liegt, die Pilzform annimmt. Wie immer hinter 
der Platte angebrachte Flammen nehmen keine regelmässige Gestalt an, 
sie werden im Gegentheil ganz zerzaust. 

Während also vor der Platte entschieden ausser den Wirbeln auch 
kleinere Luftströme (o und Al vorhanden sind, die vom Rand an der Fläche 
gegen das Centrum hingleiten, kommen hinter derselben bei vollständiger 
Abwesenheit irgend welcher regelmässigerer Strömungen an dem Hindernisse 
nur heftige Wirbelbillungen zu Stande. 

Diese Versuche geben zwar einige Aufschlüsse über die Vorgänge 
an einer vom Luftstrom umspülten Platte, die eigentliche Aufgabe aber, 
nämlich die strömende Luft selbst in ihrem ganzen Verlauf auf einmal 
sichtbar zu machen, ist noch nicht gelöst. 


132 Mach: Ueber die Sichtbarmachung von Luftstromlinien. 


Ich versuchte deshalb die strömende Luft mit Hilfe sehr nahe liegender 
optischer Methoden direct sichtbar zu machen. 

Wärmt man die einströmende Luft durch eine dem Rohr vorgerstellte 
Heizvorrichtung an, so wird nun offenbar ein Gemisch wärmerer und 
kälterer Luft eingesaugt, welches wegen seines von Punkt zu Punkt 
variirenden Berechnungsexponenten mit Hilfe der Schlierenmethode sichtbar 
gemacht werden kann. 


Diese yetztere!) besteht in Folgendem. Das von dem leuchtenden 
Punkte m (Fig. 2) ausgehende Licht wird durch ein optisch 


~- nt 
vollkommenes Objectiv O in m’ gesammelt. Dieses Bild wird 
durch eine Blende b zur Hälfte abgefasst, zur Hälfte gelangt 
das Licht in den auf die Objectivebene eingestellten photogra- 
phischen Apparat P, der auch durch ein Fernrohr ersetzt. 
werden kann. Jede Aenderung des Brechungsexponenten 
eine Theilchens der vor O befindlichen Luft wird bewirken, 
0 dass je nach Umständen das durch dasselbe hindurchgehende 
Licht etwas auf die Blende, oder von der Blende in die 
u LZ 
De 


Camera abgelenkt wird. In dem vom photographischen 
Apparat entworfenen Bilde erscheint nun das Tlheilchen heller 
oder dunkler als die Umgebung. Stelit man vor das Objectiv 
eine Kerzenflanıne, so kann man den von dieser aufsteigenden 
warmen Luftstrom verfolgen u. s. w. 

Um jedoch mit dieser Anordnung die Luftströmungen 
zu untersuchen, müsste man das Ansaugerohr an zwei gegen- 
überliegenden Stellen mit einem Paar guter entsprechend 
grosser Planplatten verschliessen, zwischen dieselben die Ver- 

Fig. 2. suchsobjecte befestigen, und den so mit Glaswänden ver- 
sehenen Rohrtheil vor einen Schlierenkopf einschalten. Die kostspieligen 
Planplatten machten aber eine derartige Versuchsanordnung im Vorhinein 
unmöglich. 

Deswegen zerlegte ich das mir damals zur Verfügung stehende achro- 
matische Objectiv von 23 em Oefinung und 3 m Brennweite in seine Flint- (Z( 
und Kron-glaslinse (A) (Fig. 3 S. 133) und brachte dieselben als Deck- 
gläser in den beiden entsprechend ausgeschnittenen Wänden des Rohres an. 
So erfüllen die beiden Objectivgläser eine doppelte Aufgabe, einmal entwerfen 
sie von der Lichtquelle © ein Bild, und dann dienen sie gleichzeitig als 
Verschlussplatten. Die Achromasie des Objectives ist natürlich bei der 
jetzt sehr bedeutenden Dicke der Luftschichten zwischen den Gläsern keine 
vollkommene mehr, was jedoch bei diesen Versuchen nicht wesentlich 
störend ist. Das ausserdem noch eingeschaltete achromatische Objectiv O' 








1) Recueil des travaux scientifiques de Leon Foucault. Paris, 1878. Toepler, 
Beobachtungen nach einer neuen optischen Methode. Bonn 1864. 


Mach: Ueber die Sichtbarmachung von Luftstromlinien. 183 


dient zur Vergrösserung des im photographischen Apparate P entworfenen 
Bildes. Hinter die Spalte © stellt man eine Petroleumlampe und schneidet 
das von derselben auf der Blende B entworfene Bild vollständig ab. P ist 
auf das in den Canal eingebrachte Strömungshinderniss eingestellt. Das 
Rohr muss natürlich, da es der Trä- 
ger des Schlierenkopfes ist, vollstän- 
dig erschütterungsfrei aufgestellt wer- 
den, weswegen die Verbindung mit 
dem Ansaugestück der Turbine 7 
(der rotirende Bestandtheil ist in der 
Fig. schraffiert) durch einen dichten 
Sack aus Wachsleinwand gebildet war. 
Pfeil 1 zeigt die Richtung der ein-, 
2 die der ausströmenden Luft. In 
einer Distanz von 10—20 cm von 
der Rohröffnung wird die einströ- 
mende Luft durch einen Pilzbrenner 
angewärmt. 

Das Spaltenbild fällt, wie schon 
bemerkt wurde, vollständig auf die 
Blende, so dass das Feld, wenn keine 
erwärmte Luft hindurchstreicht, kaum 
wahrnehmbar ist. Beim Vorhan- 
densein eines warmen Luftstromes 
bemerkt man, wie das Spaltenbild 
auf der Blende unscharfe Grenzen 
bekommt, ‚wie es über die Blendungsschneide in die freie Objectivöffnung 
hineinzittert. Die erwärmten Lufttheilchen lenken das Licht in den Apparat, 
ab, sie werden in demselben dadurch sichtbar und beschreiben durch ihre 
Bewegung hellglänzende Linien, die bei einer der Stromaxe parallelen 
Blendungsschneide am besten zum Ausdruck kommen. Fliesst an einer 
Stelle etwas mehr Luft zusammen, etwa durch ein eingeschaltetes Hinderniss, 
so drängen sich die Stromfäden daselbst dichter zusammen und bilden 
manchmal eine weissleuchtende gleichförmige Masse. 

Wir bemerken bald, dass der Strom durchaus nicht gleichmässig das 
ganze Feld erfüllt, sondern einmal mehr längs der Decke, dann wieder 
mehr am Boden oder an den Seitenwänden des Rohres dahinstreicht, nur 
kurze Augenblicke bewegt er sich im centralen Feld. An diesen Ver- 
hältnissen wird auch nichts geändert, wenn man das Rohr vertical aufstellt. 
Ein frei oder in einem verticalen Kamin von einer Kerzenflamme auf- 
steigender Luftstrom zeigt ebenfalls ein fortwährendes Hin- und Herflackern. 
Bringt man an einem ruhigen Sommertage eine brennende Kerze vor einen 
offenen Kamin, so kann man aus den Bewegungen der Flamme schliessen, 





Fig. 3. 


134 Mach: Ueber die Siehtbarmachung von Luftstromlinien. 


dass der in demselben aufsteigende Luftstrom periodischen Schwankungen 
unterliegt TL 


Wir schalten nun ein Hinderniss z. B. einen eylindrisehen oder 
prismatischen Balken senkrecht zur Stromrichtung in dem wieder horizontal 
gelegten Rohre ein, und beobachten den Luftstrom. Wieder strömt die 
Hauptmasse der Luft unter stetigem Wechsel bald an der einen, bald an 
der anderen Seite des Körpers dahin, nur sehr selten theilt sie sieh an 
demselben auf einen Moment in zwei vollkommen symmetrische Aeste- 
Sowohl ein einzelnes Lufttheilchen als auch der Luftstiom als Ganzes, ob 
er nun frei oder gegen ein Hinderniss strömt, schwingt beständig in allen 
möglichen senkrecht zur Translationsrichtung gerichteten Graden hin 
und her. 

Herr Dr. van Schaik hat diese Erscheinungen durch die periodischen 
Aenderungen des aerodynamischen Druckes erklärt?). 

Wenn Luft gegen eine Schneide strömt, so kommt eine Spaltung des 
Stromes an der Kante zu Stande. Auf beiden Seiten derselben zwischen 
den Theilströmen und dem festen Körper werden Druckverminderungen 
entstehen. Schaik nimmt an, dass der Luftdruck an der einen Seite der 
Kante im Allgemeinen jenem an der anderen Seite nicht ganz genau gleich 
sein wird. Ist der Druck z. B. links kleiner als rechts, so wird der linke 
Theilstrom etwas mehr angedrückt werden, wodurch die Luft wieder etwas 
mehr nach rechts ausweicht. Dadurch wird aber der rechte Theilstrom 
stärker, da aber damit seine evacuirende Wirkung sich ebenfalls steigert, 
so muss der Druck hier abnehmen und es tritt wieder eine Verschiebung 
nach links ein. Es wird also ein fortwährendes Hin- und Her-oscilliren 
des Stromes von der einen auf die andere Seite des Hindernisses stattfinden, 
so wie wir dies in unserem Falle beobachtet haben. 


Einige Behelfe, die zur Untersuchung der Luftstromlinien noch nöthig 
sind, mögen hier Erwähnung finden. 


Es sollen z. B. die Stromeurven an einer in das Feld eingebrachten 
Kugel festgestellt werden. 


1) Kleine Unregelmässigkeiten im Gang der Maschine, wie ausgebliebene 
Explosionen des Gasmotors bemerkt man sofort am Luftstrome, ebenso Zuckungen 
(Stagnationer), die gleichzeitig mit dem klirrenden Anschlagen der Riemenschlösser 
erfolgen. Es wurden deshalb alle Schlossverbindungen entfernt, die Riemen genäht 
und mit Adhaesionsiett eingelassen, die Ventilatoraxe sorgfältig nachgearbeitet 
und mit Reisert'schen Fettpatronen versehen. Im Moment der Ingangsetzung der 
Turbine ist sowohl bei dem leeren Rohre als auch bei einem eingeschalteten 
Hindernisse das Bild der Strömıngsvorgänge etwas anders als später. Es wurden 
deshalb alle Messungen und photographische Aufnahmen erst einige Zeit nach 
Ingangsetzung des Apparates ausgeführt. 

2) Ueber die Tonerregung in Labialpfeifen von Dr. W. C. L. van Schaik. Von 
der batavischen Gesellschaft der Experimentalphilosophie gekrönte Preisschrift, 


Mach: Ueber die Sichtbarmachung von Luftstromlinien. 135 


Will man bei Anwendung dieser Methode alle Strömungen im Raume 
gleichzeitig überblicken, so muss das eingebrachte Versuchsobject vollkommen 
durchsichtig sein und darf optisch nicht stören. Eine am Blastisch möglichst 
dunn ausgetriebene Kugel ist in diesem Falle gut zu verwenden. Bei 
meinem Versuche betrug der Durchmesser der Kugel nur 3 cm, so dass 
dieselbe in dem Rohr von 18,<X25 cm Querschnitt von allen Seiten gleich- 
mässig umspült wurde. Zur Befestigung dienten zwei gabelförmig zulaufende 
in die Kugel seitlich eingelassene Stricknadeln, die mit Kautschukstückchen 
auf den Objectivgläsern federnd aufsitzen. Immer muss aber der Quer- 
schnitt des eingebrachten Objectes gegenüber dem Rohrquerschnitt relativ 
sehr gering sein, denn nur so kann man die Strömungsverhältnisse unter 
annähernd denselben Verhältnissen wie sie thatsächlich bei der Bewegung 
in freier Luft bestehen, des genaueren untersuchen. Ist das Object sehr 
gross, versperrt es einen grossen Theil der Rohrlichte, dann treten eine 
Reihe neuer Erscheinungen auf, die ganz verschieden von den früheren 
sind, die Luft umströmt nicht mehr das Object, sie wird unter heftiger 
Wirbelbildung mit grosser (seschwindigkeit eingesaugt, wobei eine Reihe 
besonderer Reibungserscheinungen und dgl. m. auftreten. 


Für die Herstellung complieirt geformter Körper wie von Flügeln 
verwendet man zusammengeheftete dünne Glimmerlamellen, die mit Dralıt- 
rippchen versteift werden. Solche zwischen die Objectivlinsen eingebrachte 
Versuchsobjecte erscheinen im photographischen Apparat perspectivisch 
verkürzt und sind wegen der schwachen Lichtablenkungen durch den 
Glimmer etwas heller oder dunkler als die Umgebung. Man orientirt sich 
leicht nach den Dralıtrippen und kann auf der Einstelltafel (bei einem 
recht tief zeichnenden photographischen Objective) die im Raume sich ab- 
spielenden Strömungsvorgänge in ausgezeichneter Weise verfolgen. Bei 
diesen Versuchen wurden jedoch keine Photographien angefertigt, da ein 
einfaches Bild blos ein unentwirrbares Knäuel von Stromlinien zeigte und 
zu stereoskopischen Aufnahmen nicht die nöthigen Behelfe vorhanden waren. 
Die directe Beobachtung wird da immer das einfachste und beste Hilfs- 
mittel sein. 


Durch die directe Beobachtung des im photographischen Apparate 
entworfenen Bildes gewinnen wir einen ausgezeichneten Teberblick über 
alle Vorgänge im Raume, denn ein Theil des auf die Mattscheibe fallenden 
Lichtes durchdringt diese geradlinig und gelangt in beide Augen des 
Beobachters. Die dadurch entstehende Tiefenwahrnehmung wird noch durch 
die fortwährenden Veränderungen im Bilde bedeutend gehoben. 


Ich selbst habe mich mit der Untersuchung der eumplicirten Strömungen, 
wie sie an einem isolirten, vun der Luft allseitig umströmten Körper zu 
Stande kommen, nicht speciell befasst, sondern mich blos von der technischen 
Durchführbarkeit derartiger Aufgaben überzeugt. In der Hand des Fach- 


136 Mach: Ueber die Sichtbarmachung von Luftstromlinien. 


mannes dürfte der Apparat schon in seiner heutigen Form gute Dienste 
leisten !). 

Hingegen wurde eine Reihe einfacherer Strömmngsvorgänge genau 
untersucht und auch theilweise photographisch fixirt. Werden nämlich 
Balken verschiedenen Querschnittes zwischen die beiden Linsen und zwar 
senkrecht zur Stromrichtung gespannt, so theilt sich die Loft an diesen 
Hindernisse, und die Grenzen der im Bilde schwarz ausgesparten Querschnitte 
bilden die Leitlinien der Strömung’). 

Der Verlauf derselben ist m vieler Hinsicht bemerkenswert und 
ein Theil der hierbei gemachten Aufnahmen ist in den drei beigegebenen 
Lichtdrucktafeln reproducirt. 


Das Photographiren kann nur bei einer entsprechend abgestimmten 
Expositionszeit vorgenommen werden, denn dieselbe darf nicht zu lange 
sein, sonst käme bei den raschen Veränderungen ein ganz verwischtes 
Bild zu Stande, andererseits würde man bei einer zu kurzen Belichtungsdauer 
nur isolirte dunkel und hell erscheinende Lufttheilchen bekommen nicht 
aber die Stromlinien d. h. die durch die Bewegung dieser Theile ver- 
zeichneten Curven. 


Die Bilder 7 und 8 der Taf. machen diesen durch die Beleuchtungs- 
dauer bedingten Unterschied am besten ersichtlich. Der Luftstrom theilt 
sich in beiden Fällen an einer verticalen senkrecht zur Stromrichtung ein- 
geschalteten Platte und bildet daselbst Wirbel. Während wir nun in 7 
bei der Verwendung von Magnesiumblitzlicht den Verlauf der Strömung 
erkennen, ist auf dem zweiten Bilde, welches bei dem Lichte eines durch 


1) Durch einige Modificationen könnte man die Verwendbarkeit des Apparates 
noch bedeutend steigern. Su ist die Combination zwe’er Schlierenaufstellungen, 
deren optische Axen sich senkrecht im Rohre schneiden, mit Hilfe der in alle vier 
Seiten eingefügten Bestandtheile zweier ganz gleicher Objective möglich. Eine 
Reihe synchroner photographischer Aufnahmen würden die Untersuchung ein und 
desselben (auch undurchsichtigen) Objectes in zwei aufeinander senkrecht stehenden 
Durchschnittsebenen gestatten. Sollte vielleicht zur Sichtbarmachung gewisser 
Strömungen eine bestimmte Winkelorientirung des Stromes zur optischen Axe 
nöthig werden, so kann dies durch feststehende Objectivecheiben aber mit denselben 
beweglich zusammenhängenden Rohrtheilen erzielt werden. 


2) Der Balken wird derart im Feld befestigt, dass man ihn an einer gegen 
das Ende zu gelegenen Stelle durchschneidet, und durch einen zwischen die 
Schnittflächen eingeführten Miederstahl die beiden an ihren Enden mit Sammt 
beklebten Stücke gegen die Objectivgläser drückt. Bei der Untersuchung von 
Objecten, die allseitig von der Luft umspült werden sollen, wird es von Vortheil 
sein in jedes Objectivglas central zwei knapp nebeneinanderliegende Hohlkörner 
einzuschleifen. Das Object wird seitlich mit zwei gabelförmig auslaufenden federnden 
Stäbchen (Stricknadeln) versehen und so mit den Gabelspitzen in die Hohlkörner 
eingesetzt Sollten diese Versuche noch einmal wiederholt werden, so stehe ich 
mit entsprechenden Rathschlägen gerne zur Verfügung. 


Mach: Ueber die Sichtbarmachung von Luftstromlinien. 137 


eine kräftige Flaschenentladung zerstäubenden Platindrahtes gewonnen 
wurde, blos ein Gemenge heller und dunkler Flocken zu sehen. 

Der Raum unmittelbar hinter der verticalen Platte ist mit Wirbeln 
angefüllt; eine hier eingebrachte Gasflanme erlischt sofort. Die an den Kan- 
ten sich abzweigenden Theilströme führen um diese als Drehungspunkte fort- 
während Schwingungen aus, wobei sie auch auf Momente zusammenfliessen. 

Be: ener mehrfach durchbrochenen Platte (Fig. 10 der Taf.) ergiessen 
sich Ströme durch die Bohrungen in den Raum binter der Platte, wo sie 
sich rasch auflösen. Versehen wir die Platte blos mit einer einzigen 
Bohrung (Fig. 9 der Taf.), so ist natürlich der hindurchbrechende Strahl 
viel stärker, als wenn eine ganze Anzalıl solcher vorhenden ist. Dieser 
Strahl beschreibt synchron mit dem Hauptstrome genau dieselben Schwingungen 
wie dieser, wobei die Durchbruchsöffnung das Bewegungscentrum bildet. 
Einmal wurde bei einem Versuche eine centr ] durchbohrte Plette mit 
Hilfe eines Korkplättchens und etwas Klebwachs wieder verschlossen. 
Eine zwischen Korkplättchen und Bohrungswand nicht ganz verstrichene 
capillare Spalte verrieth sich sofort durch einen zart schimmernden hinter 
der Platte hin und her schwingenden Durchbruchsstrom. Dieser Umstand 
spricht wohl am besten für die Feinheit der hier verwendeten Unter- 
suchungsmethode. An dem sonstigen Verlaf der Luftströmung wird nicht 
viel geändert, nur sind die Wirbelbildungen weniger ausgesprochen und 
das Zusammenschlagen der Theilströme erfolgt träger und seltener. 

Die Wirbelbildung wird durch die Form des eingeschalteten Hinder- 
nisses wesentlich beeinflusst. An einem Körper von der in Fig. 5 der Taf. 
sichtbaren Querschnittsform theilt sich die Luft an der Schneide mehr oder 
minder symmetrisch, hinter der durch eine Verticalfläche abgegrenzten 
Rückseite sind lebhafte Wirbel vorhanden. Verwendet man jedoch ein 
Hinderniss vun einer beiderseits zugespitzten Querschnittsform (Fig. 11 
und 12 der Taf.), so gleiten die Theilströme an den Flächen und schliessen 
hinten ohne jede Wirbelbildung wieder zu einem einzigen Strome zusammen. 

Es möge hier im Anschlusse an diesen Versuch erwähnt werden, dass 
ein auch hinten entsprechend spitz auslaufendes Geschoss nebst einer auf- 
fallend geringen Wirbelbildung im Schusskanale auch eine etwas höhere 
Geschwindigkeit besitzt, als ein hinten gerade abgeschnittenes mi* derselben 
Pulverladung adjustirtes und an Gewicht genau gleiches Projectil. Unserem 
Versuch nach zu urtheilen wird wohl auch für Körper, die blos mit einer 
Geschwindigkeit von 10 m p. sec. (so gross war in diesem Falle die Strom- 
geschwindigkeit) die Luft durchschneiden, die nach Art eines Schiffsrumpfes 
doppelt gespitzte Form die beste sein. 

Von einem senkrecht zur Stromrichtung gestellten Cylinder (Fig. 17 
der Taf.) werden ungefähr 3 Viertel der Mantelfläche vom Strome innig 
eingehüllt. An das von Stromlinien frei gebliebene Mantelstück setzt sich 
ein mit sehr schmalen Wirbeln erfüllter Raum an. 


138 Mach: Ueber die Sichtbarmachung von Luftstromlinien. 


Trifft der Strom einen hohlen Halbeylinder (Fig. 18 der Taf.), so 
füllt er denselben unter Bildung heftiger Wirbel aus und strömt an den 
Kanten weiter ab. 

Ein dünnes Brett, dessen Querschnitt (Fig. 13 der Taf.) nach dem 


SR Gen ef SÉ d 
Meridianschnitt einer flachen Schaale, (nach Lilienthal) « -= SE wobei a 


die Pfeilhöhe der Krümmung (Schaalentiefe) und b den Durchmesser der- 
selben bezeichnen, gekrümmt ist, wurde bei verschiedenen Incidenzwinkeln 
des Stromes untersucht. 

Trifft der Strom die convexe Seite (Fig. 13 der Taf.) unter einem 2 a 
(d. h. die Stromrichtung schliesst mit der kürzesten Verbindungsgeraden 
der Kanten den 2 o ein), so spalten sich an der Kante zwei Theilströme 
ab, deren einer längs der Convexität gleitet, wogegen es in dem Raum 
über der concaven Fläche zur Bildung heftiger Wirbel kommt. 

Orientiren wir eine Platte unter dem © « zur Stromrichtung (Fig. 15 
der Taf.), se gleiten die Theilströme unter innigem Anschluss ohne jegliche 
Wirbelbildung über die obere und untere Fläche. 

Wird die concave Seite unter dem Co getroffen (Fig. 14 der Taf.), 
so kriecht ein Theilstrom an der concaven Fläche empor und strömt dann 
an der oberen Kante nach rückwärts ab, während der zweite von der 
unteren Kanten seinen Ursprung nimmt. Hinter dem Hinderniss sind 
Wirbel von mässiger Stärke vorhanden. 

Lassen wir endlich den © « fortwährend abnehmen, so werden die 
Wirbel immer schwächer und bei © « = o haben wir den in Fig. 16 
der Taf. dargestellten Fall vor uns, der Strom gleitet längs der convexen 
und der concaven Fläche ohne Wirbelbildung dahin. 

Noch möge hier ein Versuch Platz finden. Lassen wir Luft ohne 
vorherige Erwärmung aspiriren, so bleibt das Feld ziemlich gleichmässig, 
wir können den hindurchstreichenden Strom nicht wahrnehmen. Es wird 
nun ein dunkelroth glühender Cylinder eingebracht. Die Luft theilt sich 
an diesem und durch die gleichzeitige Erwärmung werden die tangential 
abgehenden lebhaft oscillirenden Theilströme, die zwischen sich die bekannte 
Wirbelerscheinung einschliessen, sichtbar. (Fig. 4 der Tat.) 

Die mit einem Anemometer vorgenommene Messung der Strom- 
geschwindigkeit wurde mit Hilfe einer von E. Mach angegebenen akustischen 
Methode controlirt. Bringt man vor das Rohr in den Luftstrom einen 
tönenden Königschen!) Brenner, so geht eine Kette von Schlierenwölkchen 
durch das Feld, die durch elektrische Momentbeleuchtung sichtbar gemacht 
werden (Fig. 6 der Taf.). Der Brenner war mit einer grossen C- Pfeife 
von 128 Schwingungen per Secunde verbunden. In dem Felde von 23 cm 


Lund 


Durchmesser sind etwa vier Pilze vorhanden, demnach entfallen etwa 7 
1) Den König’schen Brenner kann man mit Vortheil durch den von Mach 
angegebenen Flammenanzeiger ersetzen. 
E. Mach, Optisch akustische Versuche. Prag 1873, S. 48. 


Mach: Ueber die Sichtbarmachung von Luftstromlinien. 139 


auf die Strecke eines Meters der strömenden Luft, was einer Strom- 
geschwindigkeit von 9 m p. sec. entsprechen würde. Das Anemometer 
indieirte bei diesem Versuch 8.96 m p. sec. | 

Sollte diese methodische Mittheilung die Fortführung der Versuche von 
fachmännischer Seite veranlassen, dann wäre, wie ich glaube, anch die Aussicht. 
auf die Aufklärung manches den Luftschiffer angehenden Details eröffnet. 


Erklärung der Tafeln. 


Das Licht muss bei der hier verwendeten in Fir. 3 des Textes dar- 
gestellten Versuchsanordnung, wenn das eingeschaltete Hinderniss die ganze 
Rohrbreite mithin auch die ganze Feldtiefe einnimmt, eine 16.5 cm dicke 
Schichte des Luftstromes durchsetzen. Bei den bedeutenden hierdurch 
bedingten Lichtablenkungen werden die Stromlinien und Wirbelbildungen 
sehr gut sichtbar. Das Objeetivfeld (rund) erscheint in den Tafelbildern 
in ungefähr Ti der natürlichen Grösse. Alle hier (bei Vermeidung jeglicher 
Retouche) reproducirten Originalaufnahmen wurden bei horizontal stehender 
Blendungsschneide und mit Ausnahme von 1, 2,3, 6 und 8 bei Magnesium- 
blitzlicht hergestellt. Die Pfeile zeigen die Richtung des Stromes an, dessen 
Geschwindigkeit 10 m p. sec. beträgt. 


Taf. I. 
Fig. 1. Cigarettenrauch im auffallenden elektrischen Licht. 
Fig. 2. Im Strome schweben zwei Seidenfäden. Aufnahme bei auffallendem 
elektrischen Licht. 
Fig. 3. Aufnalıme zweier seitlicher und einer vor dem Hinderniss brennender 
Gasflammen. 


Fig. 4. Ein dunkelroth glühender Metalleylinder bei Magnesiumblitzlicht. 

Fig. 5. Luftstromlinien bei Magnesiumblitzlicht. 

Fig. 6. Kette von Schlierenwölkchen eines tönenden König’schen Brenners 
bei Funkenbeleuchtung. 

Taf. II. 

Fig. 7. Stromlinien an einer verticalen quadratischen Platte bei Magnesium- 
blitzlicht. 

Fig. 8. Stromlinien an einer vertikalen quadratischen Platte bei Funken- 
beleuchtung. 


Fig. 9. Eine einfach durchbrochene quadratische Platte (Magnesiumblitzlicht). 

Fig. 10. Eine mehrfach durchbrochene quadratische Platte. (Magnesium- 
blitzlicht.) 

Fig. 11 und 12. Luftstromlinien bei Magnesiumblitzlicht. 


Taf. I. 
Fig. 13 und 14. Es wird einmal die convexe und dann die concave Seite 


b 

SC unter dem © o vom Luft- 
strom getroffen. In Fig. 16 ist © « = o. (Magnesiumblitzlicht.) 

Fig. 15. Eine Platte wird unter dem Co vom Luftstrom getroffen. 
(Magnesiumblitzlicht.) | 

Fig. 17. Ein Cylinder wird vom Strome umflossen. (Magnesiumblitzlicht.) 

Fig. 18. Der Strom trifft in einen hohlen Halbeylinder von 9 cm Seiten- 
höhe, (Magnesiumblitzlicht.) 


eines Brettes vom Querschnitt a = 


140 v. Paraeval: Ueber Aöroplane. 


Ueber Aöroplane. 


Von A. von Parseval. 


In der Februar-März-Nummer d. Zeitschrift f. L. giebt, Herr W. Kress 
eine kurze theoretische Auseinandersetzung über die Stabilität von Drachen- 
fliegern. 

Die besprochenen Apparate bestanden aus zwei hintereinander liegenden, 
durch eine lange Stange verbundenen Flächen. 

Da ich mit solchen Apparaten, welche im Gewicht bis zu 80 kg 
variirten, eine grosse Anzahl Versuche theils selbst gemacht, theils als 
Assistent: gesehen habe, so möchte ich auf Grund praktischer Erfahrungen 
mir einige Bemerkungen zu erlauben. 

Zunächst scheint mir der Fall einer erheblichen Ueberschreitung der 
normalen Geschwindigkeit und der Einfluss des Trägheits-Momentes solcher 
Apparate nicht genügend berücksichtigt. 

Wird die normale Geschwindigkeit erheblich überschritten, so steigt 
ein grösserer Apparat nach der Lancierung unter Umständen senkrecht in 
die Höhe, und es kann die Gefahr des Rück wärts-Ueberschlagens eintreten. 
Hierbei erweist sich besonders der Umstand nachtheilig, dass das Trägheits- 
Moment grosser Apparate das einmal eingeleitete Aufkippen nicht sofort 
zum Stillstand kommen lässt. Dadurch stellt sich der Flugkörper in einen 
steileren Winkel zu seiner Bahn, erleidet einen viel zu grossen Winddruck 
und wird mit grosser Gewalt in die Höhe geworfen, wodurch er seine 
Geschwindigkeit sehr bald gavz verliert. 

Grössere Apparate, insbesondere solche mit gewölbten Flächen zeigen 
diese Erscheinung sehr ausgesprochen. Auch ohne den beschriebenen Jähen 
Anstieg haben sie eine oft unerklärliche Neigung, binnen kurzer Frist die 
ihnen ertheilte Geschwindigkeit zu verlieren. 

Ueberhaupt geht aus den von Herrn von Sigsfeld und mir gemein- 
schaftlich angestellten Schwebe - Versuchen unwiderleglich hervor, dass 
die Stabilität von Drachenfliegern bei zunehmender (Grösse 
sich zu ihrem Nachtheil ändert. 

Diese im Interesse der Flugtechnik bedauerliche Thatsache erklärt. 
sich daraus, dass ein kleiner, z. B. !/2 m langer Apparat viel leichter eine 
Balınwelle von beschränkter Grösse ausführen kann als ein grosser, z. B. 
6 m langer Drachenflieger. Der kleine Apparat kann sich einer Welle von 
beispielsweise 10 m Länge ohne weiteres tangential anschmiegen mit einem 
sehr geringen Anpassungsfehler; der grosse vermag dies nicht, da er am 
Gipfelpunkt der Welle mit der vorderen Fläche im absteigenden, mit der 
hinteren noch im ansteigenden Ast der Welle sich befinden müsste. Sind 
nun die Flächen nicht einzeln drehbar, so ist eine entsprechende Anpassung 
nicht möglich und die erforderliche Bewegung kommt nicht zu Stande. 
Grosse Apparate brauchen also künstliche automatische Regnlatoren. 


v. Parseval: Ueber Aëroplane. 141 


Wollte man sie in den Stand setzen, sich ohne Regulatoren der 
Flugbahn gerade so elegant anzupassen wie kleine Zimmer- Apparate, so 
müsste man sie, ihren grösseren Dimensionen entsprechend, grössere Wellen 
beschreiben lassen. Diese Wellen müssten also entsprechend höher und 
länger sein. Um aber vermöge der inwohnenden Geschwindigkeit den 
(ipfelpunkt einer solchen giösseren Welle zu ersteigen braucht der grosse 
Apparat auch eine entsprechend grössere Geschwindigkeit. 

Grössere Apparate müssen also mit grösserer Geschwindigkeit fahren 
als kleine und zwar muss die Geschwindigkeit proportional der Quadrat- 
wurzel aus den Ausmaalsen des Apparats wachsen, wenn die Höhe der 
vom Apparat beschriebenen Wellen mit seiner Grösse gleichen Schritt 
halten soll. Beispielsweise muss ein 9 mal grösserer Apparat, eine V 9 -= 
3 mal grössere Geschwindigkeit anwenden. 

Nun aber ist eine solche Steigerung der Fluggeschwindigkeit aus 
praktischen (Gründen nicht möglich, wenn die Apparate ein Gewicht er- 
halten wie es ein Flugapparat mindestens haben muss. Grosse Apparate 
haben also nothigedrungen verhältnissmässig viel kleinere Fahrgeschwindig- 
keiten und sind daher im Flug weniger stabil als kleine. Sie sind in der 
Luft von einer unglaublichen Unbehülflichkeit. Dies gilt für alle Schwebe- 
Apparate mit starr verbundenen Flächen. 

Dieses auf praktischem Wege sehr mühsam gewonnene Resultat hätte 
auch auf theoretischem Wege durch Beachtung des sogenannten Helmholtz’- 
schen Theorems weit kürzer erlangt werden können. Nach den Entwick- 
lungen des grossen Gelehrten ist nämlich erforderlich, wenn zwei ähnliche 
Flugkörper von verschiedener Grösse einen geometrisch ähnlichen Flug 
haben sollen, 

dass die Fläche proportional s? 

das Gewicht R 3 

die Geschwindigkeit „ Ve Sei, 
wobei s eine beliebige homologe Dimension z. B. die Spannweite bezeichnet. 
Dass eine gleich gute Stabilität nur bei sonst ähnlichen Verhältnissen zu 
erwarten ist, und dass bei relativ geringerer Geschwindigkeit und relativ 
grösseren Flächen die Stabilität abnimmt, ist nach der Hand einleuchtend. 

Dass eine Stabilität der Aëroplane ähnlich derjenigen der Wasserschiffe 
recht wünschenswerth wäre, gebe ich gern zu. Nur fürchte ich, bleibt 
dies dauernd ein frommer Wunsch. Gleichwohl glaube ich, dass die Aëro- 
plane in Bezug auf technische Ausführbarkeit und Oekonomie an Kraft 
solche Vorzüge besitzen, dass sie andern Systemen mindestens ebenbürtig 
sind. Auch scheint die praktische Entwicklung diesen Weg betreten zu 
wollen. 

Indessen scheint mir die Frage nach der Grösse des Kraftbedarfs 
und nach den Mitteln, denselben herabzusetzen, vorerst die wichtigere. Ich 
möchte deshalb eine Methode, denselben zu ermitteln, bier auseinandersetzen, 


142 v. Parseval: Ueber Aöroplane. 


die zugleich ein sehr klares und übersichtliches Bild des Flug-Vorgangs 
ergiebt und somit geeignet erscheint, Klarheit über die Sache herbeizuführen. 

Diese Methode ist die Berechnung des Arbeits-Aufwandes nach den 
Resultaten von Schwebe-Versuchen. Hierbei liegt der Fall zu Grunde, 
dass der betrachtete Flugkörper in geradliniger Bahn mit gleichförmiger 
Geschwindigkeit schräg abwärts gleitet. 

Gemessen wird hierbei die Neigung der Balın und die Geschwindigkeit. 

Nun besteht: 1) Gleichgewicht zwischen den nach vor- und rückwärts 
gerichteten Kräften. 21 zwischen den nach oben und unten gerichteten Kräf- 
ten. Die vor- und rückwärts gerichteten Kräfte sind Luftwiderstände. Diese 
heben sich gegenseitig auf; denn wäre dies nicht der Fall, so müsste die Fahr- 
geschwindigkeit grösser oder kleiner werden, was der Annahme widerspricht. 

Die nach oben und unten gerichteten Kräfte sind einerseits das Ge- 
wicht, andrerseits die Hebekraft der Flugfläche. Beide müssen einander 
gleich sein. Denn wäre dies nicht der Fall, so würde der Körper nach 
oben oder unten aus seiner geradlinigen Bahn treten und eine Curve be- 
schreiben, was gegen die Annahme ist. 

Wir haben also folgenden Satz: 

Unter der Annahme, dass die Bewegung eines Schwebe- Körpers 
geradlinig und gleichförmig sei, wirkt auf denselben ausser der Schwerkraft 
ein Luftwiderstand, dessen Gesammt-Resultante vertical und dem Gewichte 
des Körpers gleich ist. 

Der Schwebekörper möge dabei mit dem Balınneigungswinkel A und 
der Geschwindigkeit v abwärts gehen. 

Nun untersuchen wir: welche Bedingung muss erfüllt sein, um diese 
eeneigte Balın horizontal zu machen. 

Denken wir zu diesem Zweck die Flugbalın derart aufwärts gedreht, 
dass sie horizontal wird. Sie verändere ihre Lage nach oben um den 
Balınneigungswinkel $. In allem übrigem soll der Prozess sich gleich 
bleiben. Dann dreht sich auch der Flugkörper und mit ihm die Laft- 
widerstands-Resultante, welche vorher senkrecht war, um den Winkel 3 
nach oben und binten. Dadurch, dass nun die Luftwiderstands-Resultante 
nicht mehr ganz senkrecht steht, wird einmal die Tragkraft etwas kleiner, 
doch so wenig, dass wir dies praktisch vernachlässigen können. Zweitens 
aber entsteht hierdurch ein rückwärts gerichteter Druck am Fingkörper, 
eine die Bewegung auflaltende Kraft-Componente. Diese Componente K 
wird gefunden aus der bekannten Grösse der Gesammt-Resultante des 
Widerstandes und der Rickwärts-Neigung 3. 

Die Gesammt-Resultante des Luftwiderstandes ist nach dem obigen 
gleich dem Gewicht @ des Flugkörpers; man hat also 

A-G, amb 

Um die Horizontal-Geschwindigkeit unter diesen Umständen zu er- 

halten, müssen wir daher an dem Flugkörper eine Triebkraft T = R 


v. Parseval: Ueber Aöroplane. 143 


anbringen. Unter dieser Bedingung können wir einen dauernd horizontalen 
Flug aufrecht erhalten. 

Hierbei leistet unsere Triebkraft T in jeder Secunde die Arbeit T.v 
und wenn wir den für 7’ -= R gefundenen Werth einsetzen, erhalten wir 
als Ausdruck für diese Arbeit A = T.v = R.v =G .sinß.v. 

Disse Formel ist dadurch merkwürdig. dass sie ebenso für den 
horizontalen, wie für den schräg abwärts gerichteten Schwebeflug Giltigkeit 
hat. Betrachten wir nämlich den Ausdruck @. sind. v genauer, so sehen 
wir, dass er beim Horizontalflug aus den Faktoren (G.sinß) und v 
entstanden ist. Die Arbeitsleistung setzt sich zusammen aus einem ver- 
hältnissmässig kleinen Kraft-Antrieb, der aber in jeder Secunde auf einer 
beträchtlich langen Weg-Strecke wirkt. Man kann aber diesen Ausdruck 
anch so entstanden denken, dass man G und (emp. cl als die Arbeits- 
Faktoren ansieht. Dann gilt er für den arbeitslosen Schwebeflug. Der 
Ausdruck (sin RB. ri stellt nämlich die verticale Strecke dar, um welche der 
Schwebekörper in jeder Secunde sinkt. Der Ausdruck ist also das Produkt 
aus dem pro Secunde stattfindenden Höhen-Verlust und dem Gewicht des 
Körpers. Es ist die beim Fall des Körpers frei werdende Arbeitsgrösse. 
In unserem Falle echt diese Arbeitsgrösse verloren; sie wird zur Ueber- 
windung der Luftwiderstände verbraucht. Ginge sie nicht verloren, so 
müsste sie eine ständige Beschleunigung des Fluges bewirken, was unserer 
Annahme widerspricht. 


Beim Horizontalflug nun muss eine ebenso grosse effective Arbeit 
geleistet werden um das Sinken zu verhindern. Ist der Motor hierzu nicht 
im Stande, so tritt wohl Sinkverminderung aber kein Horizontalflug ein. 


Das Mass, um welches der Arbeitsbedarf beim Fluge sich ändert, 
wenn die Flugbalhn nicht horizontal ist, lässt sich leicht berechnen, indem 
man bedenkt, dass, wenn die Flugbahn nicht horizontal, also nicht senkrecht 
zur Richtung der Schwerkraft ist, eine Componente der Schwerkraft parallel 
zur Bahn wirkt und je nach Umständen einen flughemmenden oder fördernden 
Einfluss hat. Das Produkt aus dieser Componente und der Bewegungs- 
Geschwindigkeit ist der gesuchte Arbeits-Zu- bezw. Abschlag. 

Auf diesem Wege lässt sich leicht beweisen, dass, wenn S die Fall- 
Arbeit beim Grleitflug bedeutet, A die pro Secunde stattfindende Niveau- 
Aenderung, @ das Gewicht des Flugkörpers, die vom Motor zu leistende 
effective Arbeit aus der Formel A =S + h.G@ erhalten wird. 

In Worten lautet der Satz: 

Die Beschaffung der zum Flug unerlässlichen Tragkraft der Flächen 
erfordert einen bestimmten Arbeits-Aufwand: 

Bei Niveau-Aenderungen tritt hierzu ein Arbeitsbetrag als Summand, 
welcher der eintretenden Aenderung in der Energie der Lage des Flug- 
körpers entspricht. 


144 v. Parseval: Ueber Aöroplane. 


Ist der Betrag des Sinkens ein grösserer als zur Erzielung des arbeits- 
losen Gleitfluges erforderlich, so wird Arbeit unter Geschwindigkeits- 
vermehrung in dem Körper angesammelt. 


Obiger Satz gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass bei schief- 
laufender Bahn die Tragflächen nicht so wesentlich von der horizontalen 
Lage abweichen, dass ein merklicher Verlust an Tragkraft stattfindet. 


Ist letzteres der Fall, so bleibt der Werth für S nicht constant, 
sondern ist beim Gleitflug am kleinsten, in allen anderen Fällen etwas 
grösser. 

Ganz ähnliche Verhältnisse hat man bei einem Körper, welcher auf 
fester Unterlage gleitet oder rollt. Der Unterschied ist nur der, dass beim 
VDrachenflieger die Bewegungswiderstände von der Uebertragung einer 
Bewegungsmenge auf die nachgiebige Luft, bei dem Körper auf fester 
Unterlage von der Reibung herrülren. 

Bei vorstehender Fintwickelung wurde keinerlei Annahme betrefis 
Form und Bau der Flächen gemacht. Das Resultat ist daher von derlei 
Nebenumständen unabhängig geworden und gilt für jedes, wie immer ge- 
staltete Aöroplan, ja für jede Art Flugmaschinen überhaupt. 


Nunmehr wollen wir den Arbeitsbedarf eines Aöroplans mit Hilfe 
der vorliegenden Schwebeversuche nach der Formel S -- A -=-@.sinß.v 
ziffernmässig bestimmen. 

Bei den Lilienthal’schen Schwebeversuchen war bei Windstille der 
Bahnneigungswinkel $ = 9°, es war also sin $ == 0°16, die Geschwindigkeit v 
betrug 9 m. 

Bei einem Gegenwind von ca. 6m und 5-6 m Eigengeschwindigkeit 
betrug $ = 6°, also sin $ = 0'10. Der Geschwindigkeits-Unterschied zwischen 
Luft und Fläche war 11—12 m. 

Im ersten Fall ergiebt die Formel für ein Apparat-Gewicht von 100 kg 
16 kg Flugwiderstand für den Horizontalflug und eine effective Arbeits- 
leistung von 9 x 16 = 144 kg; im zweiten Fall ergiebt sich 10 kg Wider- 
stand und eine Arbeitsleistung von 110-- 120 kg. 

Angenommen, wir dürfen selbst mit dem kleineren der beiden Zahlen- 
wertlie rechnen, so haben wir unter Annahme eines sehr günstigen Effects 
für den Triebmechanismus doch mindestens 2 HP hierfür nöthig. 

Nun soll der Körper doch auch steigen können, er soll widrigen Ver- 
hältnissen, absteigenden Luftströmen etc. gewachsen sein, und schliesslich 
soll eine beträchtliche Steigerung der Falhrgeschwindigkeit möglich sein. 

Setzen wir schätzungsweise fest, dass wir bei ruhiger luft eine 
Steiggeschwindigkeit von 1 m p. s. erreichen wollen, so brauchen wir, wenn 
wir 100 kg als Einheitsgewicht festhalten, hierfür p. s. 100 m kg = 1'5 HP. 
Die erforderliche Maxinialleistung ist also dann 2 + 1'5 = 3'5 HP, während 
die Normalleistung im Horizontalflur 2 HP betragen würde. 


v. Parseval: Ueber Aöroplane. 145 


Diese Methode der Arbeitsberechnung ist durch ihre grosse Einfachheit 
und vermöge des Umstandes, dass sie sich auf einen wirklichen Flug- 
Versuch gründet, zweifellos die zuverlässigste, und ihre Genauigkeit ist für 
die Praxis ausreichend. 

Einen anschaulichen Vergleich mit den Flugleistungen der Vögel 
erhält man durch Berechnung derjenigen Hebung, welche durch die oben 
berechnete Arbeitsgrösse an dem Flugkörper pro Secunde erzeugt werden 
könnte, wenn kein Effectverlust stattfände. Diese Hebung beträgt 
zn s = 2'6 m. 

100 kg 

Kleine Vögel erreichen, ja übertreften diese Steiggeschwindigkeit; sie 
können also mindestens auf kurze Strecken eine noch intensivere specifische 
Arbeitsleistung entwickeln. 

Es ist also nicht nur Geschicklichkeit zum Fliegen nöthig, sondern 
auch viel Kraft, und die Vögel sind auch ihren Flugleistungen entsprechende 
Fresser, wie in Brelim’s Thierleben nachzulesen. 

Wenn somit die Notliwendigkeit einer Arbeitsleistung beim Flug 
einerseits feststeht, andrerseits aber doch auch ein arbeitsloser Segelflug 
beobachtet wird, so muss offenbar in der Atmosphäre unter Umständen 
eine Kraftquelle liegen, welche wir nicht kennen und deren Entschleierung 
die Lösung des Segelproblems bedeutet. Hiermit soll sich ein späterer 
Artikel befassen. Zunächst wollte ich mit dem Gegenwärtigen nur eine 
sichere Grundlage für die weiteren Ausführungen gewinnen. 


Der Luftpropeller-Flügel und seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 
Von Theodor Kadarz, k. u. k. Oberst d. R. 


(Fortsetzung,) 


IV. Arbeiten des Flügels. 

1. Nutzleistung. 

Diese entsteht, indem der Flügel beim Heben eines Gewichtes oder 
bei Ueberwindung eines Widerstandes, also mit dem durch ihn hervor- 
gerufenen Achsendruck P mit der Sekunden- Geschwindigkeit v aufsteigt 
oder vorwärts geht. 

Der Ausdruck dafür ıst: 

ee e a a mg ër ée EE 

2. Reactionsleistung. 

Diejenige Arbeit, welche dadurch vollbracht wird, dass der Flügel 
die ihn umgebende Luftmasse zur Beschleunigung ihrer Geschwindigkeit 
antreibt, um den erforderlichen Widerstand hervorzurufen, soll Reaktions- 
leistung genannt werden. 


145 Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 


Der auf ein Flächenelement dp dz (pdpd a") wirkende Widerstand 
Wa- Ws wird in einem unendlich kleinen Zeittheilchen um die unendlich 
kleine Grösse d z durch den ihn angreifenden Cylinderschnitt in der Achsen- 
richtung fortgeschoben, welche Arbeit sich zwischen den Grenzen von z in 
jeder Sekunde so oftmal wiederholt, als die Projektion des Flügels 
7 Er IK 
SE in jener seiner Umdrehungen z n (7? -- ri) enthaiten ist. 

Man findet, wie dies aus der Construction schon hervorgeht, durch 
Einsetzung von ze und ze Ak in Gleichung 1 und von zer 7 und zek-L-/ 
Ce Te 
Ju 
und nachdem bei den beiden vorigen Integralgleichungen im 


in Gleichung 3 für beide Flügel die gleichen Grenzwerthe für z d.i. 


d 
LTE Na 
und — 
Aen ’ 


hinzukommenden Faktor: 








Ce e k? 
o Azn . 
4 rü le (k -}- 1) 
Se an ae ed d Z Se = Se na 
M 2 
i Ce Ze 
Ja 


weder ọ (al noch p vorkommt, derselbe sonach ganz selbstständig ist, so 
ergibt sich auch für beide Flügel der gleiche Ausdruck für die Reactions- 
leistung nämlich: 
(1 Si Q N) M r? Zn k = l S a er —- Í) k? — ]ł ; 
(lat e. Hi x A) " pa A- | . 10) 
e) 





Se I? 


re, 

3. Rotationsleistung. 

Die beachtenswerteste Arbeit des Flügels besteht in der UVeberwindung 
des sich ihm darbietenden Rotationswiderstandes, weil dieselbe von der 
Kraftmaschine geliefert werden muss. 

Um zuerst den Rotationswiderstand zu finden sei « Fie. 7 ein. Punkt 
der Flügelfläche mit den auf das System OXYZ bezogenen Coordinaten 
x, yY, z; die Achse OZ falle mit der Propellerachse zusammen, die Achse 
OX gehe durch den Scheitel der Leitlinie, die Gerade ab sei in der 
Richtung der Normale zur Flügelfläche geführt. 

Zieht man age parallel zu OZ, a6 senkrecht auf diese Achse, ad 

Fig. 7. senkrecht auf die Ebene Gage, so kann 

A man durch Auftragen einer beliebigen 

Strecke aufeiner dieser Linien das Kräfte- 

parallelepiped o bede konstruiren, des- 

sen Kanten ar, ad und ac im Ver- 

hältniss zu den Componenten stehen, 

in die sich die Resultirende ab nach 
diesen Richtungen zerlegen lässt. 

Von den Seitenkräften bezeichnet 
ae = D den Druck in der Achsen- 





Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 147 


richtung des Propellers, ad = pz den Rotationswiderstand, ac = ps den 
vom Flügel im Punkte a senkrecht zur Achse OZ auf die Luftmole- 
küle ausgeübten Druck. 

4. Die Gleichungen der Normale ab sind, wenn mit Sie 5 die all- 
gemeinen Coordinaten bezeichnet werden 


£ dz 
.— A e l:-:| 
dx 


dz 
KSE du l:-:1 


Die Coordinaten des Punktes b erhält man, wenn man in diesen 
Gleichungen E = z--yn setzt. Nennt man dieselben 2% und 2% so sind: 








Se EE e E 
Th == T dx P , Yo =Y dy HIE 


Der Punkt e hat die Coordinaten ze = £, He = y; die aus e zur Achse 
(Z geführte Senkrechte ei ist parallel zur Ebene XOY und wenn man 
aus 4 die Parallele 45 mit OX führt, so ist der Winkel e45 = + (eil 
und man hat als Gl. der Geraden e4 in der Ebene ei, wenn die laufen- 


1 
den Coordinaten mit x', y' bezeichnet werden, — da tang z (tang el = + 


ppe e) 
AN eigenen i — W A 
Y Ye X c 


und als Gleichung der aus dem Punkte b auf ei geführten Senkrechten 
b3, bei der gleichen Bezeichnung der allgemeinen Coordinaten 





y =m=— le 


Aus den beiden letzten Gleichungen ergeben sich, wenn man die 

Coordinaten a, y' für jene des Durchschnittes 3 gelten lässt 

Y? Ve HEY (Yb — Ye ) H T? Th 
ge Hy EE ES 

Y? Yo ry (tp — te) H? Ye 
M EE 
und man findet für die Strecke V3 — ad 

pe = Vin — 23)? + (y — mb, 

wenn man die entsprechenden Werthe substituirt: 


13 = 


T3 = 


8 ds dz 
` l Ty dx £ 
P2 Hi = 2. Ru s w Are E 
Ve." + y” 
Auf gleiche Art findet man für dje Strecke e'3 = ac 
ds de 
EE +y- - 
lz ` / H 
ee ie ea E 


GE 


148 Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 


Die Resultirende hat bekanntlich den Werth: 
<- Vm? + pè + n? Be n mr >) 


5. Bei der einfachen Propellerfläche ist aus Gl. 2 





d: — ee yare tang 
SE SE SÉ 9} » A 
dr 2 SH Ze JE = y“ 
H 
dz Ce zaretang `- 
zZ ae, SC 
dy Ian ty 
sonach: 
(d 
Wë are tang =~- 
pe = pi ei A 


2RN Ye F? y” 
d 


Ce% 
pp. pá 
a ch =s yy 

u ív 14 Sp p 


und da arc tang ` 


ge 


In Zusammenfassung mit der ersten Tntegralgleichung bei S) ist der 
Rotationswiderstand am einfachen Flügel: 


2 k 
e t a xe 4 „4 1 
Ry SE i A t ` ) E J” Ju ? sdy 7 a SE "— Sch . 14 
Bei der Tuftflügellläche ist aus an. 4 
Is | Gr Wi > d SI = 
ee EE [are tang ee Ga || T 
du ZC H Ze E - 


S 9 3 
dz Ce | d E ee AE | m fk d | 
me ed BK E i ae 

dy IR Iy 2 p? aty? r” 


sonach: 








U q 
arc tung “— --— j 
C ' IN e) r- 
ı __ m' e R Zeh mo 
IR 7] ERBE: a e 
l ZC NM Ze } CH y? 


oder beim Uebergang auf =’ und o 





ei ! 
C Ces 
ei = p — o ta 
KEIER p 
und der Rotationswiderstand am Luftflügel aus der 2. Integralgleichung bei 8) 
sek E: 
A 
ER + 1. ETGEN 
ER N ui 4, [ER 
4 3 2 


m 


Ce t 


Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 149 


6. Die Rotationsarbeit besteht in der Ueberwindung des Luftwider- 
standes auf dem in einer Sekunde zurückgelegten Wege. Da das Flächen- 
element = sekundlich den Weg 2= np macht, so sind die Ausdrücke in 14 
und 15 mit dieser Zahl zu multipliziren. Man kommt nach bewirkter In- 
tegration und Einsetzung des Werthes für ye auch hier zu demselben 
Resultat der Rotationsarbeit beider Flügel: 











(at) M Q0? — rn?) 1 KR (LP — 1) k? — 1 | 
BER e an. Ba BE Se nee 
Lrota Y = 27 k— 1 6 SS 2 èk? 18) 
7. Fasst man die 3 Arbeitsarten übersichtlich zusammen, indem kürze- 
l (Qat) . , S Set [( r? — n? 
halber die Luftmasse ' ur I mit m, die Flügel-Projection aU 


mit f, der Ausdruck innerhalb der Klammern in 8 und 10 mit 4, jener in 
16 mit B bezeichnet wird, so erhält man: 


In =mrf te 
l k+ 1 
In=maf, end De m Te en ed e 17) 
B 


Lrota = M Ce f Bea 
1 


8. Ueber die Rotationsgeschwindigkeit der Luftpropeller sind die An- 
sichten verschieden oder vielmehr noch nicht geklärt. Jene, die in der 
Wirkung des Flügels nichts anderes als ein Einschrauben in der Masse 
erblicken, stimmen dafür, den Propellern grosse Durchmesser und geringe 
Rotationsgeschwindigkeiten zu geben. 

Da es sich jedoch keineswegs um ein Einschrauben, sondern um Her- 
vorrufung der Reaction eines sehr beweglichen, elastischen Mediums handelt, 
so ist es selbstverständlich, dass die Umfangsgeschwindigkeit sehr gross 
sein müsse, damit den zusammengepressten und verdünnten Luftmolekülen 
nicht Zeit gelassen werde die hervorzubringende Wirkung durch ihre 
Elastieität und Verschiebbarkeit aufzuheben. —- 

9. Die Wirkungsgrade. 

Theoretisch sind die Arbeiten beider Flügelgattungen gleich, doch 
muss man aus der Verschiedenheit der Formen schliessen, dass dies in 
Wirklichkeit nicht der Fall sein kann. 


Die aus 17 sich ergebenden Wirkungsgrade u. z. 
in Bezug auf die Reactionsleistung 


Es 3r 
— -= -- == fg == - -—=--- na 
Lä il Ce (k 4- LI 
und auf die Rotationsleistung vr ee ee 
vA 
Ee S 


Li ota ce B 


150 Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftechiffahrts-Zwecke. 


lassen demnach auch nur eine allgemeine Beurtheilung des Nutzeftectes zu, 
welcher im umgekehrten Verhältniss zur Grösse Jk steht. 

10. Der Unterschied in der Wirkung zeigt sich jedoch sogleich, wenn 
man die Seitenkräfte der Resultirenden näher ins Auge fasst. 

Der Druck in der Achsenrichtung Pi, Gl. 8, so wie der Rotations- 
Widerstand, welcher sich durch Integrirung der Ausdrücke in 14 und 15 


mit dem Werthe: 
š ! EC R "oct 
ee e, AM N ni. 
En g Dzn r k— 1l 6 


k? — ] 
+ Ja a a ee ee wi) 


ergibt, sind für beide Flügel gleich. 


E für die 


o ; e ZE Sik lz 
Als dritte Seitenkraft gibt die Substituirung von und i 7 


la: 
einfache Propellerfläche in Gl. 12 

P; = 0, 
für die Luftflügelfläche findet man 





a p? — (a y? ‘r? y? 
HIN = Du [ere tany 7 Se e en SS Y ) | } Sp H 5 
2ENGe X SC m 
und beim Uebergang auf 4° und v 

e | 

EE Cep Geck 

3» = ee - EEE 

A M znr? e 


sonach bei Einbeziehung der zweiten Integralgleichung bei 8 für ui: 








” sch+% 
re a Fe FE N 
use g rn)" Se Ze TS o S 
Yı Ge Lo 
E | 
le 
woraus sich für die dritte Seitenkraft bei dem Luftflügel: 
(1 oi ce Mr — rn? 1 ce. (k? — | hees] 
EN ara ) SAS EE E | a = - SN Al 20) 
g Ian SA k—1 6 rc 


ergibt. 

Die beiden Werthe Ps und Ps‘ lassen schliessen, dass beim einfachen 
Flügel die Luft nur an der Vorderkante ac Fig. 6 aufgenommen und an 
der Leitlinie hinausgeschleudert wird, während der Luftflügel die Luft nicht 
allein an der Vorderkante ac’, sondern auch an der ganzen Leitlinie ab auf- 
nimmt und ohne Verlust an Reactionskraft, gegen die Hinterkante dd’ drückt. 


V. Relation zwischen der Rotationsarbeit und dem Flügeldruck. 


Der Flügel git bei gleicher Rotationszahl und so lange (1 + a t) 
unverändert bleibt, stets den gleichen Druck, welcher, wenn das Gewicht 


Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 151 


der Construction dies zulässt, zum freien Heben eines schweren Gegen- 
standes benützt werden kann. 


Mit der Ortsänderung, namentlich mit dem Aufsteigen in höheren 
Luftschichten ändert sich die Expansionskraft der Luft, weshalb es noth- 
wendig ist, jene Bedingungeu für die Flügelconstruction zu finden, wodurch 
das Erreichen einer bestimmten Höhe möglich wird, wenn man erwägt, dass 
die durch eine constante Kraft veranlasste Aufwärtsbewegung mit gleich- 
törmig zunehmender Geschwindigkeit stattfindet. 


Durch Eliminirung der gleichen Grössen aus 8 und 10 findet man 


und durch Division der 2. Gl. in 17 dureh die 3. 


(k: —- IN A dere 
E S EE 





rs == 


und aus diesen beiden Gleichungen: 


B 
Ps = Ce P 1 . e . e . e . e e 21) 





Wenn man demnach mit der gleichen Arbeit der Antriebsmaschine eine 
bestimmte Höhe erreichen will, so muss P, der Dichtigkeit der Luft in jener 
Höhe ;(1-+-«t) entsprechend, und ce so ermittelt werden, wie es sich aus 
der Geschwindigkeit der aufsteigenden Bewegung in dieser Höhe ergibt; 
nebenbei muss die Maschine eine solche Leistungsfähigkeit besitzen, um sich 
den wechselnden atmosphärischen Verhältnissen anpassen zu können. 

Setzt man Lrota — 75 mkg so gibt 

P =: 19 ER 
Ge B 


das Gewicht, welches durch eine Pferdestärke Rotationsarbeit in der er- 
langten Höhe schwebend erhalten werden kann. 


VI. Metalldicke des Flügels. 


1. Der Luftflügel muss so leicht als möglich, aus dem widerstands- 
fähigsten Materiale mit den für seine Arbeits- und Tragfähigkeit unbedingt 
erforderlichen, geringsten Massen hergestellt werden. — 

Es ist sonach begründet, wenn der Ausmittelung der Flügeldicke die 
entsprechende Aufmerksamkeit gewidmet wird. 

Da die Druck- und Arbeitsgrössen der beiden besprochenen Flügel- 
gattungen gleich sind, so ist es zulässig, die Materialdicke für den 
einfachen Flügel zu berechnen und sodann auf den Luftflügel zu über- 
tragen. 


152 Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 


In Fig. 8 stelle «bed den Grundriss eines 


Fig. 8. l a N a 
S solchen Flügels dar; «b == M wäre in eine grosse 
O : e 
H Anzahl q gleicher Theile getheilt, deren jeder 


M FIRE 
die Breite ef = Se hat. Im Cylinderschnitt vom 


Halbmesser 0.3 — øp ist die Breite yù — b-- 





M | 5 | 

Sec sonach der Inhalt des Ringsausschnittes 
í 

GR gaa Miz . 22) 


Drq ` 

Da der Bogen ef sehr klein ist, so kann man die, durch die Achsen- 
schnitte oe und of ım Grundriss und im Flügel entstandenen Ausschnitte 
als gleich gross und als Trapeze ansehen, und man findet in jenem e fal 
den Abstand des Schwerpunktes s von 3 


arte o) 
> EE EE © AR . 
3 bk ke 3 (r -+ d H H MM $ D H 23) 


Wird angenommen, dass der Ausschnitt e fgh zwischen dem m und 





uk,  Theilungspunkt von M liegt, so muss in Gl. 1 = F -= Be 
ERT i 
M 1 9 1 TAR z 
und SS + anstatt = substituirt werden um die Abscissen 
rir 


Ze UNd Set für die Begrenzungs-Erzeugenden o e und o f im Flügel nämlich: 
a 112 9 
( i i = 








ARNG 7? Lk—1' o 
eG . Ai | 1 m--] i 
5 E E a} ER 
Tran 7? WER q 
zu erhalten, woraus sich die, dem Mittelschnitt 0.4 entsprechende Alseisse 
Sonn rn) ar De 
2 © ERN (k — 1)? 2 ui 


ergibt. 


- Setzt man den letzten Faktor in der übersichtlichen Form 








k —-1 | k— 1? 
1+ S [2 m -+ AA D ) (m? — m + !f] = K 
e an AP : S 
und berücksichtigt, dass Tele -= 7° ist, so erhält man: 
Co Ye 
A AIR 
Ir 
4 . Ce oe Z e 
Aus Gl. 1 ist 22 — a daher - - == K und nach 5 der Luftdruck, 
= un co 


welchen der Ausschnitt e fg h aufzunehmen hat: 


Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 153 


emt Lan |. x: ] 
Get y SE = = ES - te EENEG e e e D e 24 


2. Das Moment der Kraft p in Bezug auf die Bruchstelle oh ist: 
z w—=%y 

und wenn man mit «!) die Widerstandsfähigkeit des Materials per wa? be- 
zeichnet und den Ausschnitt eo f als gleichmässig belasteten Träger von 
gleichem Widerstande gegen Bruch ansieht, so findet man als Höhe des- 


selben, respective als Flügeldicke in der Entfernung ọ von,der Achse 0: 


Dä oo Gurt 
u ab o Ur 


Setzt man für E y und Z die Werthe aus 23, 24 und 22, so erhält man: 
:] ) 





ir Mä "uv "an IT az 





und wenn weiter der Ausdruck: 


% Li (1 Far [e Koes d | o 


So 


d 
und S — 7 gesetzt wird: 


9l a 
1=0 -3| el u u d Ee 


Dieser Ausdruck zeigt, dass an der Leitlinie wegen pt, 5s— l, 
T=V ist. 

Man findet demnach bei entsprechender Annahme von y (etwa = 100) 
die Werthe von K für die Achsenschnitte 0 a, 0.10, 0,20... . Fig. 9, so- 
dann C und schlüsslich für Werthe von s = 0'1, fig. 9. 
0°2,0°3....1 aus 25 die Flügeldicke für die 
Netzpunkte der Fig. 9, woraus durch Interpolation 
die Punkte von gleicher Metalldicke gefunden und 
mit den zugehörigen Halbmessern auf die Erzeu- 
genden Gro ot, 0°2..... des Luftflügels in 
Fig. 10 im Grundriss übertragen werden können, 
wodurch sich die Krummen 1'1, 2°2, 3°3 er- 
geben. 





.— O0. 


I) Für Tigelgussstahl 100 kg. mm? ist a = 100,000000 kg. 
(Fortsetzung folgt.) 





154 Kleinere Mittheilungen. 


Kleinere Mittheilungen, 


Andree's Polarfahrt. Aus zahlreichen Mittheilungen der Tagesblätter und 
Wochenschriften etc. ist es unseren Lesern längst bekannt, dass Andrée, Ekholm 
und Strindberg den einleitenden Theil ihrer Reise, die Schiffsfahrt nach Spitzbergen, 
nun schon ausgeführt haben. Wir haben es für eine selbstverständliche Anstands- 
pflicht gebalten, die drei kühnen Männer nicht noch in den allerletzten Monaten 
der entscheidenden Vorbereitungen mit der Darlegung unserer durchaus pessi- 
mistischen Auffassung von der Aussicht auf ein Gelingen zu behelligen, da die- 
selben sich natürlich doch in dem Stadium, zu welchem das Unternehmen gediehen 
war, nicht hätten zurückhalten lassen. Ist auch, seitdem wir unserer Meinung in 
der Berliner „Gesellschaft für Erdkunde“ und eingehender im „Deutschen Verein 
zur Förderung der Luftschiffahrt“ unverhohlen Ausdruck gegeben haben, durch 
die nun bekannt gewordenen genaueren Gewichts- und sonstigen Verhältnisse 
des Ballons etc. unsere Ansicht, dass das Unternehmen ein geradezu verzweifelt 
waghalsiges, direkt aussichtsloses, zu nennen ist, nur in hohem Grade bestärkt 
worden, so wäre es doch durchaus zwecklos gewesen, den auf jeden Fall ent- 
schlossenen, todesmuthigen Forschern höchstens — das Herz schwer zu machen. 
Wir wünschen in vollster Aufrichtigkeit, dass wir mit unserer düsteren Voraussage 
durch die Thatsachen aufs Glänzendste verläugnet werden möchten und rufen 
Andrée und seinen Genossen bewegten Herzens den Luftschiffergruss „Glück ab!“ 


in die eisige Ferne nach.... Berson. 


Die französischen Versuche zur Erforschung der höheren Atmosphärenschichten 
mittels unbemannter Registrirballons. Nach längerer Pause brachte das Januar/Februar- 
Heft des „Aerophile* aus der Feder des Herrn Gustave Hermite einen Bericht über 
einen neuen Versuch des unermüdlichen Zwillingpaares Hermite und Besancon in 
Paris mit dem Registrirballon L’Aerophile, welchem in dem Maihefte ein weiterer 
über einen ferneren Aufstieg dieses Ballons folgte. Am 20. October 1895 fand die 
dritte Auffahrt des A6rophile bei ausgezeichnetem Wetter statt. Das Programm 
war insofern erweitert worden, als ausser der Registrirung des Druckes und !der 
Temperatur der Luft noch die Temperatur des Ballongases ermittelt und ausserdem 
eine Luftprobe aus der grössten erreichten Höhe mit herabgebracht werden sollte. 
Um das bei den ersten Versuchen eingetretene Gefrieren der Registrirtinte zu 
umgehen, hatte man die Trommeln der Registrirapparate mit berusstem Papier 
bespannt, auf welchem ein Metallstift die Curven einritzte. Eine Fixirung durch 
Spirituslack sicherte dieselben vor dem Verwischen. Zur vorgängigen Prüfung und 
Justirung der Apparate dienten sorgfältige Experimente in einer „Kältekammer“, 
welche gestattete, dieselben einer Temperatur von — 80" C, erzeugt durch eine 
Mischung von fester Kohlensäure und Aether, auszusetzen und gleichzeitig den 
Luftdruck beliebig tief zu erniedrigen. Die iu Verwendung genommenen Baro- 
.thermographen, von Richard construirt, unterschieden sich nicht wesentlich ‘von 
den bei den früheren Auffahrten gebrauchten: bei den Voruntersuchungen erwies 
sich der eine, ältere, als recht unzuverlässig, indem er bei —- 70° statt 100 mm 
Druck einen solchen von 140 mm angab. Um die Gefahr des bei früheren Fahrten 
eingetretenen Stelienbleibens des Uhrwerks zu verringern wurden zwei Baro- 
thermographen mitgenommen, welche man zusammen mit den übrigen Apparaten 
im Innern eines 1,2 m hohen, 40 cm breiten eylindrischen Korbes aus Rohrgeflecht 
anbrachte. Der Korb selbst wurde aussen mit einer Hülle aus Silberpapier als 
Schutz gegen die Sonnenstrahlung überzogen; oben und unten jedoch biieb er 


Kleinere Mittheilungen. 155 


offen. Ausser diesen Apparaten wurden noch zwei einfache Controllinstrumente, 
ein Minimum-Barometer und -Thermometer in dem Korbe angebracht. Bei dem 
ersteren zeichnet ein feststehender Stahlstift auf einer russgeschwärzten Glasplatte, 
welche, auf zwei, gekuppelten Aneroiddosen stehend, die Bewegungen derselben 
mitmacht. Das Controllthermometer besteht aus einem einfachen mit geschwärztem 
Alkohol gefüllten und mit eingeritzten Theilstrichen versehenen Thermometer, 
dessen Stand sich durch einen Spalt hindurch auf lichtempfindlichem Papiere ab- 
bildet. Eine recht sinnreiche Einrichtung dient zum ferneren Abschluss des 
Apparates gegen das Licht, nachdem die Landung erfolgt ist: das Thermometer 
nebst Registrirpapier ist von zwei gefensterten Hülsen umgeben, welche mittels 
einer Spiralfeder um einander gedreht werden; eine an einem Faden hängende 
Bleikugel überwindet die Federspannung, sodass die Fenster der beiden Hülsen 
zusammenfallen, bei der Landung aber dreht die nun entlastete Feder die äussere 
Hülse um 90°, sodass die Fenster der inneren gedeckt werden!, worauf eine ein- 
springende Feder diese Stellung festhält. Die Gastemperatur wurde durch zwei 
gewöhnliche Extremthermometer, welche an einer Schnnr im Ballon aufgehängt 
waren, gemessen; ein früherer Versuch, dieselbe mittelst eines Thermographen zu 
bestimmen, war misslungen, weil das Registrirpapier für die bedeutende Tem- 
peraturschwankung nicht ausgereicht hatte. 


Neu in das Programm aufgenommen wurde die Entnahme von Luftproben 
in vorher bestimmten Höhen. Der für diesen Zweck construirte Apparat ist, wie 
Alles, was unsere westlichen Nachbarn erdenken und ausführen, elegant und 
höchst sinnreich — aber er functionirte bisher nicht mit derselben Zuverlässigkeit, 
wie im Laboratorium! Uechrigens ist das keineswegs als ein Vorwurf zu betrachten, 
denn der Schreiber dieser Zeilen weiss wohl besser wie ein Anderer aus eigener 
Erfahrung ein Lied davon zu singen, wie schwer es ist, den ausserordent- 
lichen Verhältnissen der höheren Atmosphärenschichten erfolgreich gerecht zu 
werden! 

Der Apparat zur Entnahme von Luftproben bestand aus einem vollkommen 
luftleeren Metallgefässe von 140 cbm Inhalt, an welches ein Bleiröhrchen an- 
gelöthet ist, das wiederum durch ein capillares Glasrohr verschlossen ist; letzteres 
ist mit Gummilack gefüllt und an seinem freien Ende zugeschmolzen. Durch eine 
Aneroiddose wird ein Mechanismus ausgelöst, welcher das Glasröhrchen zerbricht 
und dadurch der Luft den Weg zu dem luftleeren Gefässe öffnet. Dabei kommt 
ein Tropfen Schwefelsäure mit einem Gemisch von Zucker und chlorsaurem Kali 
in Berührung und die hierbei eintretende Explosionshitze soll das Bleiröhrchen 
zuschmelzen. 


Da bei dem Aufstieg am 20. October 1895 die Entflammung des explosiven 
Gemisches ausblieb, wurde der Apparat für die nächste Auffahrt in der Weise um- 
geändert, dass ein grösseres Luftgefäss von 1 Liter Inhalt gewählt und die Aus- 
lösung der Vorrichtung zum Zerbrechen des Glasröhrchens, statt durch eine Ane- 
roiddose, durch die Ausdehnung einer eingeschlossenen Luftmenge bewirkt wurde. 
Aber auch hierbei blieb die erwartete Explosion aus, wie Hermite vermuthet, in 
Folge des Gefrierens der Schwefelsäure. Der Referent möchte, da Schwefelsäure, 
wie die bekannten Schwefelsäure-Thermometer von Lupin's gezeigt haben, erst bei 
—- 80° gefriert, annehmen, dass nicht die niedrige Temperatur, sondern das Fehlen 
des zur Entflammung nothwendigen Sauerstoffes die Schuld an den Misserfolgen 
trägt. 

Interessant sind die in den genannten Beschreibungen angegebenen Ge- 
wichtsverhältnisse des Registrirballons, weshalb wir dioselben hier wiedergeban. 


156 Kleinere Mittheilungen. 


fAufstieg am Aufstieg am 
20. October 1895. 22. März 1896. 


Ballon aus 4facher nun von 180 cbm Inhalt 20,000 kg 20000 kg 


Netz und Leinen. . . bm ee ee EE Ae 2,000 „ 
Haltekabel von 25,4 m Lane. ër wë ee re 0,886 y 
Trapeze . . Ceai A ee a ee d 0,395 y 
Flagge und Plakate Eee a tee LEO = 0,188 „ 
Schutzkorb mit Silbernaplärhakleiduns e tr ce ec e REN 1,900 „ 
Kleinere Schutzkörbe für die Barothermographen . . . 0410 „ 
Barothermograph in Messing `, e, L600 y 1,820 „ 
Barothermograph in Aluminium . 2 2 2 2 2.222... 0,900 y 0,735 - 
Controllbarometer . . . d a b a e, er CHE, 
Photographisches Controllehermoneter Er ©.. 0100 „ 
Extremthermometer für Messung der Gastemper itir e e, OLO y 

Apparat zur Entnahme von Luftproben `... 0570 „ 8,850 y 


27,750 kg 31,774 kg 
Man sieht, dass die Gewichtsersparniss bis zur Aussersten erreichbaren Grenze 
getrieben worden ist, ein Vorzug, welcher sich leider bei unseren analogen 
Experimenten in gleichem Maasse nicht hat erreichen lassen wollen. 
Als zweckmässig ist ferner die Anbringung der Apparate am Ballon bei der 
letzten Auffahrt zu bezeichnen. 


Die Netzleinen vereinigten sich an einem Holzringe, durch welchen ein 80 m 
langes Doppelkabel gleitet, das an seinen beiden herabhängenden freien Enden 
durch Mannschaften festgehalten wird, so dass der Ballon etwa 30 m hoch steht. 
An eine vom Ballon herabhängenden Leine wird nun der Schutzkorb mit den 
Apparaten, zwischen zwei Trapezen montirt, befestigt; die untere Trapezstange ist 
durch eine kurze Leine mit einem mit Ballastsäcken beschwerten Brette verbunden. 
Ist Alles zum Aufstiege bereit, dann wird das doppelte Kabel durch den Ring 
hindurchgezogen und die kurze Halteleine durch einen Schnitt getrennt. 


Um die Bildung einer bei schnellem Aufsteigen in Folge des Luftwider- 
standes auftretenden Dalle am oberen Theile des Ballons zu vermeiden, durch 
welche bekanntlich die für das Funetioniren der Apparate höchst störenden 
Schwankungen hervorgerufen werden, liess Herr Besancon den Appendix des 
Ballons auf 8320 m Länge bringen; die hierdurch erzeugte Vergrösserung des 
inneren Druckes sollte dem äusseren Drucke entgegenwirken. 


Die Ergebnisse der genannten beiden Aufstiege waren kurz folgende: 

Am 20. October 1895 stieg der Acrophile, dessen Auftrieb mit Leuchtgas- 
füllung auf 112 kg festgestellt wurde, mit einer Geschwindigkeit von 5—6 m in 
der Secunde auf und erreichte nach 2, Stunden seine grösste Höhe, entsprechend 
einem Luftdruck von 109 mm. Nach wenigen Minuten begann er zuerst langsam, 
dann nach einer Stunde ziemlich schnell, durchschnittlich um 3 m in der Secunde 
zu fallen; um ib 15m a. m., also nach 23/, Stunden, erreichte er die Erdoberfläche 
auf einem bebauten Felde 2 Kilometer südöstlich von dem Städtchen Chaintreaux 
im Departement Seine et Marne, 115 km östlich vom Auffahrtsorte, der Gasanstalt 
La Villette. Bei leichtem Nebel und schwachem Ostwinde wandte sich der stark 
hin- und herpendelnde Ballon zunächst nach West und Nordwest, bog dann nach 
Süd und in einer Höhe von etwa 4000 m weiter nach Südost und in mehr als 
8000 m Höhe nach Ost um; von verschiedenen Punkten aus wurden mikrometrische 
Messungen seines scheinbaren Durchmessers angestellt und photographische Auf- 
nahmen ausgeführt. Herr Hermite empfiehlt mit Recht die letztere Methode als 
vorzüglich geeignet, um die Registrirungen des Barographen zu controliren. 


Kleinere Mittheilungen. 167 


Von den beiden Thermographen lieferte der eine, bei den Vorversuchen als 
der bessere erkannte, eine Minimaltemperatur von — 51°, eine Stunde nach Er- 
reichung der grössten Höhe, während der andere etwa 10 Minuten vor Erreichung 
des tiefsten EE — 70° zeigte; leider bricht die Curve, nachdem sie 
zur Zeit. der grössten Höhe wieder bis auf — 52" gestiegen war, in Folge des Still- 
stehens des Uhrwerkes ab. Doch lässt dieselbe eine nachfolgende Erniedrigung 
der Temperatur bis auf — 68° und am Erdboden eine solche von + 11° erkennen, 
während der andere Apparat bei der Landung — 5° zeigte. Aus der Combination 
beider Thermogramme nimmt Hr. Hermite einen Temperaturunterschied von 81°, 
und indem er die rohe Höhe des Ballons auf 15500 m berechnet, eine mittlere 
Temperaturabnahme von 1° auf 191 m (0,52° auf 100 m) an. Unter Berücksichtigung 
der Temperatur vergrössert sich die Temperatur- Abnahme auf 1° per 176 m (0,57° 
auf 100 m) d. h. mit anderen Worten, die wirkliche Höhe des Ballons betrug nicht 
15500 m, sondern nur 14060 m. Unter der Annahme, dass die gefundene Tem- 
peratur-Abnahme auch in grösseren Höhen denselben Werth behält, wird der ab- 
solute Nullpunkt der Temperatur (— 273°) in eine Höhe von 51,660 m verlegt. Die 
im Ballon angebrachten Extremthermometer zeigten als niedrigsten Werth — 21° 
sodass das Gas um 49° wärmer war als die umgebende Luft. 

Die vierte Auffahrt des Aerophile am 22. März 1896 fand ebenfalls von 
La Villette aus bei schönem Wetter statt. Die Disposition des Instrumentariums 
war folgende: Im Innern des Ballons befand sich der ältere Barothermograph mit 
Tintenregistrirung. In dem „Sonnenschirmkorbe“@, welcher in gleicher Weise, wie 
bei dem 3. Aufstiege hergerichtet war, hing der Aluminium-Barothermograph mit 
Russ-Registrirung, ausserhalb desselben der neue Apparat zur Entnahme von 
Luftproben. Die Innenseite dieses Korbes und des umhüllenden Silberpapieres 
waren mit Russ geschwärzt worden, „um alle in den Korb eindringende diffuse 
Strahlung zu absorbiren“!); ausserdem wurde die obere Oeffnung des Korb- 
cylinders durch einen locker aus Rohr geflochtenen Deckel verschlossen. Der Baro- 
thermograph wurde mittels Kautschukschnüren in dem Korbe aufgehängt, das Uhr- 
werk, um ein Einfrieren zu vermeiden, gänzlich von Oel befreit. Leider erlitt bei 
der Montirung die Feder des letzteren einen Schaden, sodass die Uhr nur 26 Minuten 
lang im Gange blieb. 

Um lib 30m a. m. stieg der Aerophile, trotz des verlängerten Füllansatzes 
gro3se Schwankungen ausführend. Er wandte sich zunächst nach NNW, bog dann 
in etwa 8000 m Höhe um und zog nach NE, wobei sich sein Aufsteigen, wie mittels 
Ferurohres festgestellt werden konnte, erheblich verlangsamte, 

Um 3b 5m p. m. erfolgte die Landung bei Niergnies, 4km von Cambrai ent- 
fernt, wobei der Ballon an einem Baume, dicht am ersten Hause des Städtchens, 
hängen blieb. Hierbei erfolgte die Explosion des Apparates zur Entnahme von 
Luftproben, glücklicherweise ohne das Ballongas zu entzünden. 

Der niedrigste Luftdruck, welcher registrirt wurde, betrug 140 mm, die 
niedrigste Temperatur — 63°, bei der Landung wurden + 10° aufgezeichnet; die 
rohe Seehöhe berechnet Herr Hermite auf 140C0O m; in Wahrheit betrug dieselbe 
nicht ganz 13000 m. Der Thermograph im Innern des Ballons hatte aus unbekannten 
Gründen nicht geschrieben. 

Wir haben im Vorstehenden in erster Linie den constructiven Massnahmen 
der in bewunderungswürdigem Grade rührigen und findigen französischen Forscher 


1) Der Referent hält dies für eine Verschlechterung, da es keincs- 
falls von Vortheil sein kann, die Temperatur der nächsten Umgebung der Apparate 
durch Absorption der eindringenden Wärmestrahlen zu erhöhen, anstatt für eine 
möglichst vollkommene Reflexion derselben Sorge zu tragen. 


158 Kleinere Mittheilungen. 


Hermite und Besancon unsere Aufmerksamkeit zugewendet, weil in der That in 
denselben viel Nachahmenswerthes enthalten ist. Was ie Resultate, welche er- 
reicht wurden, anlangt, so muss es einer späteren Gelegenheit vorbehalten bleiben, 
deren Zuverlässigkeit zu prüfen. Immerhin muss es wunderbar erscheinen, dass 
mit einem gewöhnlichen Thermographen Richard’scher Construction, dessen Func- 
tioniren bei unseren zahlreichen Versuchen mit der Erreichung einer Temperatur 
von — 50° begrenzt erschien, oder doch höchst unsicher wurde, Registrirungen 
bis zu — 70° erhalten werden konnten; noch wunderbarer aber erscheint es uns, 
dass eine einfache Beschirmung mittels eines Mantels von Silberpapier ohne jede 
künstliche Ventilation ausreichen soll, um den Einfluss der immensen Strahlungs- 
intensität der hohen Atmosphärenschichten soweit zu beseitigen, dass angenähert 
richtige Lufttemperaturen registrirt werden können, während bei unseren Experi- 
menten selbst bei starker künstlicher Ventilation zuverlässige Werthe nicht erhalten 
werden konnten. 

Bei der binnen kurzem erfolgenden Wiederaufnahme unserer Experimente, 
für welche seitens Seiner Majestät des Kaisers abermals eine namhafte Unterstützung 
bewilligt worden ist, werden wir zunächst durch einige Nachtfahrten versuchen, 
Werthe, welche von der Sonnenstrahlung unbeeinflusst sind, zu erhalten, werden 
aber dann, unter sorgfältiger Berücksichtigung der Erfahrungen und Erfolge unserer 
wissenschaftlichen Concurrenten jenseits des Rheins, — wir bedauern nicht sagen 
zu dürfen „wissenschaftlichen Freunde* — eifrig bemüht sein, unsere Versuche zu 
einer jeden Zweifel ausschliessender Correctheit zu vervollkommnen. Wie gross 
müsste aber erst der Erfolg werden, wenn es möglich wäre, in gemeinschaftlicher 
Arbeit durch gleichzeitige Auffahrten in Paris und Berlin die hohen Atmosphären- 
schichten zu erforschen! Sollte dies wirklich ganz unmöglich sein? 

Assmann. 


Fortsetzung der Drachenversuche auf dem Blue Hill. Es sind in dieser Zeitschrift 
bereits an zwei Stellen!) die Versuche besprochen worden, welche an dem Obser- 
vatorium auf dem Blue Hill bei Boston, Mass., im Sommer 1894 mit Drachen behufs 
Erforschung der unteren Luftschichten angestellt worden waren. Zur Verwendung 
kamen die sog. Malayischen Drachen, welche in der ersten der genannten Mit- 
theilungen näher beschrieben sind. Mit einem System dieser Drachen, welche man 
auch die Eddy’'schen nennt, gelang es, einen Kichard’schen Thermographen, der 
für diese Zwecke von Herrn Fergusson derart abgeändert worden war, dass sein 
Gewicht nur noch etwa 1 kg betrug, etwa 450 m über den Erdboden zu bringen. 
Weitere Versuche, welche ein günstiges Resultat ergaben, veranlassten Herrn 
A. L. Rotch, den bekannten Meteorologen und Besitzer des Blue Hill- Obser- 
vatoriums, dieselben weiter fortzusetzen. Unter seiner Leitung haben nun nach 
einem Berichte der Boston Commonwealth vom 9. Mai 1896 Helm Clayton, Fergusson 
und Sweetland zahlreiche und mühsame Untersuchungen angestellt, die sich zu- 
nächst auf die Art der zu verwendenden Drachen bezogen. 

Neben dem Eddy’sschen Modell kam nämlich noch das von Hargrave in 
Australien in Frage. Dasselbe besteht aus 4 Flächen und kann wohl am besten 
mit einem oben und unten offenen Kasten verglichen werden. Es mag noch er- 
wähnt werden, dass Hargrave zur Construction seines Drachens gelegentlich zahl- 
reicher Versuche kam, welche sich mit dem Problem des Menschenfluges beschäftigten. 

Hinsichtlich der Vorzüge, welche diesen beiden Drachentyper innewohnen, 
meint Herr Clayton, dass der Hargrave'sche Drachen stabiler ist und besonders 
dann am Platze, wenn häufige Wirbelwinde auftreten, so dass also kleinere Drachen 


-_. 


1) Jahrgang 1894, S. 301 f. u, Jahrgang 1895, S. 22 ff. 


Kleinere Mittheilungen. 159 


auch bei stärkerem Winde gut verwendbar sind. Hingegen ist der Eddy’sche 
Drachen einfacher, ferner steigt er unter einem steileren Winkel in die Höhe und 
ist innerhalb gewisser Windstärken für meteorologische Beobachtungen vorzüglich 
geeignet. Aus diesen Gründen kamen bei den Versuchen beide Arten von Drachen 
zur Anwendung. 

Herr Clayton hat das Hargrave’sche Modell noch erheblich vereinfacht und 
an ihm ferner eine Vorrichtung angebracht, durch weiche bei zunehmendem Winde 
die Oberfläche des Drachens erheblich verkleinert wird. 

Neben diesen Versuchen über die Vorzüge der beiden Drachentypen wurden 
noch solche angestellt, welche sich auf die Grösse der Drachen, deren Stabilität, 
Steighöhe und Tragfähigkeit bezogen. Nicht geringe Schwierigkeit verursachte 
ferner die Frage nach der geeignetsten Leine. an der die Drachen zu befestigen sind. 

Der Umstand, dass die Leine bei Windstössen zerriss, wodurch in einem 
Falle sogar ein Registrirapparat verloren ging, drängte dazu, dieselbe haltbarer 
herzustellen, ohne sie dadurch jedoch schwerer zu machen. 

Man fand endlich nach vielen Versuchen, dass Klaviersaitendraht sich am 
besten hierzu eignete, da derselbe doppelt so fest und ausserdem um die Halfte 
billiger war, als eine Leine von demselben Gewicht; ausserdem kam hinzu, dass 
der Durchmesser der Saite nur etwa !/, so gross war als derjenige der Leine, ein 
Umstand, der um 80 bedeutsamer ist, weil dadurch die dem Winddruck ausgesetzte 
Oberfläche ganz erheblich kleiner wird. Der Vortheil der Benutzung einer Klavier- 
saite ist am besten dadurch gekennzeichnet, dass jetzt eine Höhe von fast 1200 m 
erreicht wurde, während bei Anwendung von Leinen die Drachen kaum 600 m 
hoch kamen. 

Für die Versuche wurde ein Meteorograph!) benutzt, den Herr Rotch speciell 
hierzu von Richard Frères in Paris hatte anfertigen lassen und der Luftdruck, 
Temperatur und Feuchtigkeit auf einem Blatte registrirt. Das Instrument ist 
ganz aus Aluminium hergestellt, von gleichem Metall ist auch der das Instrument 
umgebende Schutzkorb; das Gesammtgewicht beträgt 1270 g. 

Entsprechend den Aufgaben, welchen diese Drachenversuche dienen sollten, 
wurden bei allen Wetterlagen Aufstiege vorgenommen; besonders aber wurden 
solche Tage hierzu gewählt, an denen ein Umschlag des Wetters zu erwarten war 
oder die sonst für die Untersuchung interessant und lehrreich erscheinen durften. 
So wurde am 17. Februar 1896, welcher Tag seit 12 Jahren die grösste Kälte ge- 
bracht hatte, der Meteorograph hochgeschickt, ebenso am 11. März bei einem 
schweren NE-Sturm; an letzterem Tage verschwanden die Drachen bei 600 m in 
den Wolken und wurden in 1000 m Höhe sammt dem Instrumente von dem Sturme 
davongeführt. Von Interesse waren auch die Beobachtungen vom 13. April, der 
eine 10 tägige Periode abnormer Kälte abschloss; in einer Höhe von 350 — 506 m 
war ein warmer Luftstrom vorhanden, der eine um 5°.5 C höhere Temperatur hatte 
als der Gipfel des Berges, und der um fast 8.5 C wärmer war als die Luft in 
300 m Höhe über dem Erdboden. Beim Eintritt in den warmen Strom, also etwa 
bei 350 m, zeigten die Drachen gegenüber dem am Erdboden herrschenden SW 
einen Westwind an; zugleich wuchs die Windstärke, die bis dahin 10 m. p. s. be- 
tragen hatte, auf fast 20 m. pa an, wie das von den Drachen mit omporgetragene 
Anemometer anzeigte. Die Erwärmung, welche mit der Schnelligkeit eines „Chicago 
Express“ von W her ankam, war dann in wenigen Stunden auch auf der Erdober- 
fläche fühlbar. Dieselbe Wahrnehmung wurde noch mehrfach gemacht. — Ferner 
wurde das Rechtsdrehen des Windes mit zunehmender Entfernung von der Erd- 


1) Eine Beschreibung des Instrumentes von G. Tissandier nebst einer Ab- 
bildung befindet sich in „La Nature“ vom 8. Februar 1896 (No. 1184). 


160 Kleinere Mittheilungen. 


oberfläche vielfach constatirt, doch kamen auch solche Fälle vor, wo die Wind- 
richtung und zwar schon in Höhen von 300 m, rechtwinklig oder gar entgegengesetzt 
derjenigen am Erdboden gefunden wurde. 

Von besonderem Interesse war der Aufstieg vom 9. Mai 1896, an dem der 
Meteorograph von einem System von 6 Drachen bis in eine Höhe von 1180 m über 
dem Erdboden (1875 m über dem Meeresspiegel) emporgetragen wurde. Während 
der ganzen Fahrt — wenn man diese Bezeichnung auch hier anwenden darf —, 
die von 2—-b5p währte, functienirte der Apparat ausgezeichnet, so dass sämmtliche 
Registrirungen vollkommen gelungen sind. 

Des bekannten elektrischen Phänomens, das bei den Drachenaufstiegen sich 
zeigte, sei noch Erwähnung gethan. Wenn die Klaviersaite, welche als Leine 
diente, ungefähr 1000 m aufgelassen war, wurden eine Menge elektrischer Funken 
bemierkt, die von ihr ausgingen und unliebsame Schläge erzeugten; die Funken 
erschienen sowohl bei klarem als auch bedecktem Himmel und waren bei Schnee- 
stürmen besonders stark. 

Man darf Herrn Rotch dankbar sein, dass er diese Versuche in einer so um- 
fassenden und systematischen Weise begonnen hat und ihm ferner zustimmen, wenn 
er in einem Schreiben an den Herausgeber dieser Zeitschrift der Meinung Ausdruck 
giebt, dass die Methode der Erforschung der unteren Luftschichten durch Drachen 
derjenigen mittels Fesselballons vorzuziehen ist, da die mit Hülfe der Drachen 
erreichten Höhen bedeutend grössere und die Kosten erheblich geringere sind. 

Es dürfte noch interessiren zu erfahren, dass das Weather Bureau in 
Washington dabei ist, ebenfalls Versuche mit Drachen anzustellen, wenn auch hierbei 
Registrirapparate bislang noch nicht in Anwendung gekommen sind. 

Dr. Lachmann. 


Langley’s Flugmodell. Der New-Yorker „World“ entnehme ich, dass am 6. Mai d. J. 
in Occoquan, Va. am Potomac, in der Nähe Washington's, ein — wenn sich die Nach- 
richt bewahrheitet — sehr bemerkenswerther Flugversuch mit einem Aërodrom, das 
Professor Samuel P. Langley von Smithsonian Institute construirte, stattgefunden hat. 

Der Erfinder des Bell’schen Telephon’s, Graham Bell, soll Zeuge des Experi- 
mentes gewesen sein. Soviel den Zeitungsnachrichten zu entnehmen ist, handelt 
es sich hierbei um einen Etagendrachenflieger, der mit einer Schraube angetrieben 
wird. Das Aërodrom hat ein Stahlgerippe und besitzt 3 übereinander situirte 
horizontale Flächen aus Segeltuch. Die Gesammtlänge beträgt ca. 5 Meter. Es 
soll nicht mehr als 12 kg wiegen und einen nicht näher bezeichneten Motor!) von 
einer Pferdestärke mit sich führen. Wenn die Zeitungsberichte nur Thatsächliches 
gemeldet haben, so flog das Modell, dass einem riesengrossen Vogel glich, in 
Spirallinien nach aufwärts, bis es eine Höhe von ca. 30 m erreichte, und legte 
eine horizontale Distanz von ca. 800 m zurück. Die Flugdauer fand ich nirgends 
verzeichnet. Nach Zurücklegung dieser Strecke hörte der Propeller zu arbeiten 
auf und das Aörodrom soll sehr aachte bis auf das Flussniveau gefallen sein, ohne 
Schaden gelitten zu haben. Nachdem ich selbst der festen Ueberzeugung bin — und 
jemehr ich auf aviatischem Gebiete arbeite, desto mehr festigt sich diese — dass die 
Lösung der fiugtechnischen Frage auf mehrere Arten und schon heute möglich 
ist, so scheint mir die Meldung der „World“, abgesehen von nicht sehr wesentlichen 
Details, ganz glaubwürdig. Der Versuch erwiese sich als ein grosser Fortschritt. 
Langley soll beabsichtigen, ein grösseres Modell zu bauen, dass den Abflug von 
einer erhöhten Stelle aus beginnen soll. 


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1) Ich vermuthe einen Explosionsmotor oder einen Accumulator. 


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1896. Heft 6. 


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1596. Helt b. 

















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Liehteruck von J. Löwy, Wien. 


Zeitschrift für Luftsch. u. Physik d. Atm. 
1806. Heft 6. 











Zeitschrift für Luftschifahrt und Physik der Aimosphäre. 1896. Heft i. 161 


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Otto Lilienthal +. 


Die aöronautische Forschung der gesammten Culturwelt 
hat einen überaus schweren und schmerzlichen — der „Deutsche 
Verein zur Förderung der Luftschittahrt“ und diese Zeitschrift 
im Besonderen einen wahrhaft unersetzlichen Verlust erlitten... 

Otto Lilienthal, der ausgezeichnete Flugtechniker, 
der kühne und erfolgreiche Experimentator, ist am 12. August 
d. J. wie ein Soldat auf dem Felde der Ehre gefallen — ein 
Opfer der Forschung, der er sein Leben geweiht hatte. 

In der weitentlegenen Ferne, in der uns die erschütternde 
Kunde von dieser Katastrophe ereilt hat, können wir nicht daran 
denken, dem Manne ein literarisches Denkmal nach seinem vollen 
Werthe zu setzen, welches seine ganze Bedeutung in das Licht 
voller Wür digne rücken würde. Es möge dies einer geeig- 
neteren Zeit, einer gewiegteren Feder vorbehalten bleiben. 

Nur Eines möchten wir hier hervorheben. 

Die Seiten dieser Zeitschrift geben seit 15 Jahren Kunde 
davon, wie viele Mühe und Arbeit, wie viel ausgezeichnete 
Denkkraft seitens Hunderter dem einen Zwecke gewidmet 
wird, durch Ueberlegung und Rechnung die Gesetze des Fluges 
zu ergründen. Schledit würde es uns anstehen, den Werth, 
die Bedeutung all’ dieser oft so geistvollen, so wichtigen und 
verdienstlichen wissenschaftlichen ‚Untersuchungen irgendwie 
verkleinern zu wollen. Auch auf diesem so schwierigen Ge- 
biete gehörte Lilienthal, durch Studiam und Beruf hierzu ge- 
schult, durch Begabung berufen, zu den führenden Männern. 
Sein wirklich gr undlegendes W erk über den Vogelflug, zahl- 
reiche Aufsätze in dieser Zeitschrift und anderorts legen hier- 
für Zeugenschaft ab. Aber unsere volle Bewunderung, die 
staunende Anerkennung der ganzen gebildeten Welt — und 
bis an deren fernste Grenzen hatte die Presse Kunde getragen 
von dem „flying man“, dem „homme volant“ — gehörte dem 
Manne an, welcher in so einziger Art der Theorie das gerade 
auf diesem Arbeitsfelde so überaus, so besonders Schwierige, 
die That, beizugesellen wusste. Und hierin wird Lilien- 


thal auf lange Jahre hinaus kaum — wenn überhaupt in ab- 
sehbarer Zeit — ersetzt werden. Nun hat er dem Mysterium 


des Fluges den Tribut seines Lebens dargebracht..... 

Die gesammten aöronautischen Kreise werden das Anden- 
ken an diesen. Balmbrecher und külınen Führer treu bewahren 
und hochhalten; unser Verein aber und die Zeitschrift für 
Luftschiftfalrt in den uns so tragisch Entrissenen ausserdem 
den unermüdlichen Berather und Mitarbeiter, alle, die Ihm 
gekannt haben, den liebenswürdigen, in seltenem Grade be- 
scheidenen, stets gleichmässig-heiteren Charakter betrauern. 


Bad Szczawnica in den Karpathen, 
den 16. August 1896. Die Redaktion. 


162 Hoernes: Kritische Betrachtungen über die Wellnerschen Versuche ete. 


Kritische Betrachtungen über die Wellner’schen Versuche über den 


Luftwiderstand gewölbter Flächen im Winde und auf Eisenbahnen. 
Von H. Hoernes. 


Professor Wellner hat die von ihm auf Eisenbahnen angestellten Ver- 
suche über Luftwiderstand in der Zeitschrift des österr. Ingenieur- und Archi- 
tekten - Vereins in No. 25—28 im Jahre 1893 sehr detaillirt veröffentlicht. 

Ein reducirter Sonderabdruck derselben, 45 Seiten Text und 1 Tafel 
enthaltend, erschien als Beilage zum X. Hefte des Jahres 1893 in dieser 
Zeitschrift. Ich kann somit die Apparate und deren Handhabung als 
bekannt voraussetzen. 

Das grosse Interesse, welches man allenthalben diesen Versuchen 
entgegenbrachte und das Interesse an der Sache selbst, bewog mich, den- 
selben näherzutreten und sie gründlich durchzustudiren. Das Resultat dieser 
Studien legte ıch in einem Artikel nieder, der mit mehreren chromo- 
graphischen Zeichnungen ausgestattet war und in den „Technischen Blättern“ 
Vierteljahresschrift des Deutschen polytechnischen Vereins in Böhmen, 
XXVI. Jahrg. III. und IV. Heft, erschienen ist. 

Von der Redaction dieser Zeitschrift dazu aufgefordert, bin ich gern 
bereit, den Succus daraus hier wiederzugeben. 

Seit Newton ist eine ganz bedeutende Zahl von Luftwiderstands- 
gesetzen aufgestellt worden, deren Resultate jedoch in unglaublichster Weise 
von einander differieren. 

Wer zum Zweck aviatischer Studien von diesen Formeln Gebrauch 
machen will, geräth bei der Wahl in die ärgste Verlegenheit; so giebt das 
sonst doch als vorzüglich anerkannte technische Handbuch „Die Hütte“ 
zur Berechnung des Luftwiderstandes 3 von einander total verschiedene 
Formeln; setzt man bei der ersten den Luftwiderstand gleich 1, so erhält 
man, für X «a = 1° angenommen, bei der 3. Formel 100!) 

Dies veranlasste Professor G. Wellner, selbst Versuche über den 
Luftwiderstand zu unternelimen. | 

Er befestigte die zu erprobenden Flächen — es waren dies meist 
gewölote, dem Vogelflügel ähnlich gebaute — auf eigens zu diesem Zwecke 
construirten Apparaten und experimentirte dann mit denselben, auf einen 
Tender und einer Locomotive fahrend, wodurch der erforderliche Luftstoss 
hervorgerufen wurde. 


I) Siehe: „Des Ingenieurs Taschenbuch“, herausgegeben vom akademischen 
Verein „Hütte“, 15. Auflage, Seite 278. Die hier angegebenen Werthe der Formeln 
1, 2, 8 verhalten sich wie 

(4 +7) sin o 
E A +z sin o ` 
Für flugtechnische Zwecke sind besonders die Werthe bei kleinem Winkel o sehr 
wichtig. Für X a = 90° geben alle 3 Formeln den gleichen Werth, bei <) «==0"2U‘ 
geben die Formeln 1 und 3 Resultate, welche sich zu einander verhalten wie 1:1000: 


sin? «: sin a: 


Hoernes: Kritische Betrachtungen über die Wellner'schen Versuche ete. 168 


Die Tabellen und Graphicons dieser „Versuche über den Luftwider- 
stand gewölbter Flächen im Winde und auf Eisenbahnen“ enthalten eine 
so reiche Fülle interessanten Materiales, dass ein einfaches Durchlesen, um 
zum klaren Verständniss derselben zu kommen, nicht genügt. Erst nach 
eindringlicherem Studium und genauer Sichtung der vielen Zahlen kann ein 
Urtheil über den wahren Werth dieser Experimente gefällt werden. 

Wellner setzt für gewölbte SC 

h= -F se 
Ge 
während v. Loessl und Lilienthal für a = u sina schreiben, welche letztere 


Bezeichnungsweise übersichtlicher scheint. 
Wellner hat nun den Coöfficienten a, und dies war sein vorzüg- 


lichstes Bestreben, für drei sich sehr ähnliche Flächengrössen zu er- 
mitteln gesucht. 














Fig. 1. 
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In der Fig. 1 ist eine graphische Darstellung der Wertlie von p nach 
den Beobachtungen von Lilienthal, Wellner und v. Loessl für bestimmte 
Flächen und verschiedene Winkel gegeben. 


Besprechung der Beobachtungen auf der Plattform eines Thurmes. 


In zwei Tabellen, C und D benannt, giebt Wellner die Daten über 
die „Versuche im Winde mit Apparat I, II, III und V.“ 

Hierbei wurden mit den Apparaten I und V die Windrichtung und 
die Geschwindigkeit beobachtet und auf den Apparaten IL und III die 
beobachteten Luftwiderstäude abgelesen und daraus dann die Werthe für « 
‚gerechnet. 

Es ist nun die Frage zu beantworten, welchen Grad von Verlässlich- 
keit die aus den Beobachtungen und Rechnungen gefundene Grösse des 
Coöfficienten a beanspruchen dürfen. 


164 Hoernes: Kritische Bemerkungen über die Wellner'schen Versuche ete. 


Sowie diese Daten in den von Wellner gegebenen Tabellen unter- 
gebracht sind, ist ein vergleichendes Studien derselben nicht thunlich 

Einerseits ist ein Ordnen der Daten nach dem < o, das ist dem 
wirklichen Einfallwinkel des Windes gegen die Sehnenfläche, also 
nach oi 4-5?) und innerhalb derselben nach der Windgeschwindigkeit, ander- 
seits behufs Vergleichung der Daten des Apparates II und III das Um- 
rechnen der Ry auf 1° erforderlich, da die bei den Apparaten II und III 
verwendeten Versuchsflächen 0°0886 und resp. 0'1060 »? hatten. 

Um die bezüglichen Auftriebe pro 1 m? zu erhalten, weiche Weıtlie 
ja als Einheitswerthe besonderes Interesse beanspruchen, sind die 
gefundenen Ry in den Tabellen C und D mit 113 resp. 944 zu multi- 
pliciren. Es kommen da allerdings für 

den Apparat II. . . . . .1'00118 m? Fläche, für 
a „ LI... ...100064 „ n heraus; 


diese Differenz beträgt jedoch nur ca. den eintausendsten Theil der ganzen 
Fläche, ist also für praktische Fälle nicht von Belang und die Umrechnung 
wird einfacher. 

In den „technischen Blättern“ ist diese Zusammenstellung mit Weg- 
lassung der für eine kritische Vergleichung nicht von Wesenheit er- 
scheinenden Daten, gegeben. 

Wir bemerken in dieser Tabelle Windeinfallwinkel]l von nur 1°, 
1’/s° und 2°. Diese sind offenbar mit Hilfe des Apparates V gefunden 
worden. Die Sehne der Versuchsfläche stand horizontal. Bei diesen sehr 
kleinen Winkeln wäre, um verlässliche Resultate zu erhalten, ein ganz 
abnorm feines Einstellen, etwa mit Hilfe eines Universalinstrumentes für 
die Horizontale nöthig, sonst wäre schon hier eine sehr grosse Fehlerquelle 
vorhanden. Aus der Beschreibung ist der Grad der aufgewendeten Ge- 
nauigkeit nicht zu entnehmen. (Tabefe nebenstehend.) 

Um nun eingehende kritische Studien über die Werthe von R, anstellen 
zu können, griff ich vier Winkel, bei welchen mehrere Ablesungen vor- 
handen sind, heraus. Wellner selbst beobachtet die Grösse von R, bei 
verschiedenen v und « und zielt dann daraus Schlüsse auf die Grösse von a. 
Ich will im Nachfolgenden darthun, dass die Wertlie von R, bei den Ver- 
suchen — selbst bei gleichen Windeinfallswinkeln und Windgeschwindig- 
keiten — so stark unter einander differiren, dass ein verlässlicher Schluss 
auf die Grösse von a gar nicht gezogen werden kann. 

Um nun die einzelnen Resultate erfolgreich unter sich vergleichen zu 
können, ist es nöthig, das Gesetz kennen zu lernen, nach dem die Curve, 
in der die einzelnen Punkte liegen, verläuft. 


1) Es bedeuten hier: 
« = Eingestellter Elevationswinkel der Flügelflächen. 
ò = Abgelesener Neigungswinkel gegen die Horizontale, 





rn EE ee eet EE a EE egene 








Heernes: Kritische Betrachtungen üher die Wellner'schen Versuche etc. 165 


Gegenüberstellung 
der beobachteten! und gerechneten Werthe von Ry bei Winkeln von 
1°, 4°, 7° und 71/2. 








a aus der IAy per 1 m? nach Formel 

















R = | Beobashtete [von Wellner] po Fe 
y = v | zusammen- g 
S DT EH ECH eecht REECH gerechnet 
< teducirt Fig. E EE 
abgegriffen II II 

1-0 1° ; ; e | 0:42 525 71 
20 1° ; . . 0:42 210 284 
30 1° : . : 0:42 4725 639 
353 | 1° 80 lI 904 0:42 654 880 
40 1° 042 840 1136 
463 | 1° 130 lI 1469 042 1125 1527 
+79 | 1° 140 lI 1582 U42 1204 1633 
4:94 E 160 H 1808 042 1281 1737 
5-0 1° 0:42 1312 1775 
5.08 | 1° 160 II 1808 0:42 1354 1837 
1-0 4° l , , 0:63 79 99 
20 4° 0:63 316 896 
2:82 | 4° 45 II 5085 0:63 628 787 
8-0 4° 063 711l 891 
4-0 4° 0:63 1264 1584 
4:03 | 4° 110 | H 1243-0 0:63 1282 | 1607 
4151 4° 200 II 1888 0:79 1360 | 1704 
426 | 4° 190 II 17936 0:79 1438 1797 
494 | A 300 II 2832 0:79 1927 | 2415 
5'0 4° 079 1975 | 2475 
et Er, gez ee eh: nen eu Per 
ro | 7 = l 093 nu | ug 
20 7° l 0:93 8376 | 464 
248 | 7° 70 II 660-8 0:93 DT 718 
3-0 7° ; f 003 846 |!  104t 
312 | 7 110 lII 1038-4 093 94 >` H28 
gail 7 120 II 1356 0:75 1349 1666 
40 7° / ; : 1504 1856 
4.03 | 7° 200 II 1888 093 1526 1883 
494 | 7 190 lI 21470 0:75 2294 12830 
Bu T ; ; ; 0:75 2350; 2900 
6-0 7° 38384 | 4176 
7-0 7° 4606 5684 
7 98 T 830 UI 78352 0:93 5910 | 1294 
80 7° i . : , 6016 7124 
10 | 71,0 l l e o o, 120 
20 | 7% | | 3834 | 480 
2:82 | 71/,0 100 III 944 095 763 | 952 
30 | 71/2 864 | 1080 
40 | 71/0 1536! 1920 
42 | 71,0 159 II 1695 0:77 1693 2117 
426 | 71/,° 140 II 1582 0-77 1741 | 2177 
50 | 71/2 3 2400 800V 


166 Hoernes: Kritische Betrachtungen über die Wellmer schen Versuche etc. 


Dazu trug ich in einem Graphicon innerhalb jedes Winkels die einzelnen 
Windgeschwindigkeiten auf der Abeissenachse, die dabei beobachteten und 
auf 1 m? umgerechneten Ry auf der Ordinatenachse auf. 


Leider stehen nicht viele Werthe für die einzelnen Winkel von 1°, 
4°, 7° und 7!/2° zur Verfügung und lässt auch ihre Genauigkeit sehr viel 
zu wünschen übrig. 

Die Verbindungen der einzelnen Punkte geben gebrochene disconti- 
nuirlich verlaufende Linien. 


Die Curve, welche die einzelnen Werthe in sich enthalten, muss aber 
eine parabelähnliche sein. 


Aus diesen Beobachtungen hätte das Luftwiderstandsgesetz, resp. der 
Werth der Grösse « für beide in Rede stehende Flächen gefunden werden 
sollen. 


“Wenn die einzelnen Beobachtungen richtig, und der Coöfficient « der 
Wirklichkeit entsprechend gefunden worden wäre, so sollten sich die 
correspondirenden Curven decken oder doch nur unwesentlich von einander 
abweichen. Dem ist aber nicht so, und deshalb bin ich der Meinung, dass 
es aus den wenigen wiedergegebenen Daten, von denen einzelne offenbar 
mit den Nachbarpunkten nicht stimmen, sei es aus Ungenauigkeit der Ab- 
lesungen (auch wegen der verschiedenen a bei Apparat II und III) nicht 
möglich gewesen sei, das gesuchte Luftwiderstandszesetz, resp. den Werth 
des Factors « zu ergründen. 


Ich decke mich diesbezüglich mit den Ausführungen des Heırn 
Inspectors Jarolimek, eines wie bekannt auf diesem Gebiete hervor- 
ragenden Fachmannes, welcher mir brieflich wörtlich Folgendes schreibt: 


„Die von Wellner mitgetheilten Hauptdaten über die Widerstände in 
ruhender (!) Luft drücken hienach nicht die beobachteten, sondern durch 
vielfache Correctur berichtigte Werthe aus, wobei diese Correcturen von 
Wellner aber nur auf Grund jenes Gesetzes vorgenommen werden konnten, 
welches er durch diese Versuche erst zu ermitteln hatte.“ 


In seinem Vortrage am 24. November 1894 erklärte Professor Wellner, 
dass seine Versuche über den Luftwiderstand äusserst präcis seien und die 
Resultate mit den yon Maxim unternommenen bis in die 2. Deeimalstelle 
stimmen. 


Nun ist es aber leicht nachzuweisen und soll im Nachfolgenden auch 
versucht werden, dass die von Wellner angegebenen Werthe für a unter- 
einander nicht einmal in den ersten Decimalstellen übereinstimmen. 


Dazu ist es nöthig, die aus der Wellner’schen Tabelle C und D ge- 
vechneten Werthe von a den aus dem von Wellner publieirten 
graphischen Bild Æ abgegriffenen gegenüberzustellen, was in der nach- 
stehenden Tabelle geschehen ist. 


Hoernes: Kritische Betrachtungen über die Wellner'schen Versuche etc. 167 


a Tr ENEE nn nn nn A rennen] 
Bei Winkel a = 

















3 EE = 
ei | eo | oo | m 1 
ist: 2 lan re ee SN Ee x 
mit Bezug auf Apparat = 
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ES Fig. E da- 
gegen abgegrifl. 0:75 | 093 | 0.77 | 095 




















0424: 057 0:63 | 0:79 
Diese Gegenüberstellung ist gewiss sehr interessant und bedarf keiner 
erklärenden Worte. 
Nach den gegebenen Daten kann man daher von der 
Richtigkeit der Werthe von a resp. pe nicht überzeugt 
sein, am allerwenigsten dort, wo selbe für uns am wissenswerthesten 


wären, nämlich für kleine Winkel. 


Experimente auf Eisenbahnen. 


Ich gehe nun zu der Besprechung der Versuche auf Eisenbahnen über. 

Wellner meint, dass dies eine „sehr zweckmässige Methode“ sei, die 
in Rede stehenden Coäfficienten zu ergründen. 

Gewiss gebührt ihm ein unstreitbares Verdienst, ein mülhevolle Serie 
solcher Experimente unternommen zu haben, wenn auch die damit erzielten 
Resultate negative waren, denn aus allen mit Geschick angestellten Versuchen 
kann man lernen und durch Veröffentlichung der gewonnenen Daten der 
Sache nützen. (Siehe die Tabellen S. 168 u. 169.) 

Sind die Daten richtig, dann liegt der Erfolg auf der Hand, sind sie 
aber mit Fehlerquellen behaftet, so kann ein genaues Studium derselben 
uns neue Aufschlüsse geben, eventuell uns sagen, dass der eingeschlagene 
Weg nicht practicabel sei, und andere werden gewarnt, ihn zu betreten. 

Die freie Discussion endlich beleuchtet den in Frage stehenden Gegen- 
stand nach allen Seiten und trägt noch mehr zur Klärung der Ansichten 
und des Urtheils bei. 


d (1 von Wellner gerechnet, 












































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169 


Kritische Betrachtungen über die Wellner'schen Versuche etc. 


Hoernes: 


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170 Hoernes: Kritische Bemerkungen über die Wellner sachen Versuche etc. 


Ich gestehe offen, dass auch ich vor 5 Jahren die Meinung Wellner's 
bezüglich der Erforschung des Luftwiderstandes durch auf Balınen angestellte 
Experimente theilte; ich bin aber recht gründlich von derselben abgekommen, 
seitdem ich die in Rede stehenden Versuche genauer durchstudirt habe. 

Bei Besprechung der Luftwiderstandsversuche im Winde sagt Wellner 
selbst.: 

„Allen Luftwiderstandsversuchen in freier Luft haftet eine gewisse 
Unsicherheit an, welche durch Witterungsverhältnisse, und durch locale 
Einflüsse noch erhöht wird; der Wind, in welchem man Versuche anstellen 
soll, ist immer unstet in seiner Richtung, Neigung und Kraft, und die stoss- 
weise Wirkung desselben beeinträchtigt die Verlässlichkeit der Beobachtungen. 

Die Unruhe der natürlichen Inftströmung ist so wechselvoll, dass auch 
kurze, nur wenige Secunden lang andauernde Augenblicke constant bleibender 
Gleichmässigkeit sehr selten sind.“ 

Nun kommen aber bei Versuchen auf Eisenbahnen noch zwei 
weitere schwerwiegende Momente hinzu. Erstens ist die Bahn nicht stets 
gerade, sondern sowohl im horizontalen wie auch im verticalen Sinne oft 
gekrümmt, also der Einfallwinkel des Windes noch viel wechselnder und 
geradezu wuncontrolirbar, und zweitens treten vielfache verticale und seit- 
liche Stösse auf, die ganz unvermeidlich und gleichfalls uneontrolirbar sind 
und sowohl die Instrumente, als auch den Beobachter sehr ungünstig 
beeinflussen. Deshalb haftet diesen Versuchen nothwendigerweise selbst bei 
den präcisesten hierbei angewendeten Apparaten eine sehr grosse Unge- 
nauigkeit an, — eine Ungenauigkeit, die so stark wird dass die Resultate 
oft viel mehr als um das 3- bis 4 fache ihres Werthes von einander abweichen. 


Zur Erläuterung meiner Worte setze ich in umstehender Tabelle einige 
Resultate, so wie ich sie den in Rede stehenden Tabellen entnommen habe, hier- 
her; nur habe ich zur besseren Uebersicht bloss drei Fahrgeschwindigkeiten 
herausgegriften, so dass ein ganz exacter Vergleich angestellt werden kann. 

Fig. 2. Fig. 3. 


In den beiden Fig. 2 
und 3 sind die von 
Wellner bei seinen ein- 
zelnen Experimenten 
gefundenen Werthe von 
W, bei einer Fahrt- 
geschwindigkeit von 
c= 8'33 und © == 877m 
graphisch versinnlicht. 

Man sieht hier auf 
den ersten Blick, dass 
es ganz unmöglich ist, 
aus diesen von ein- 


= 0 a se 2 3 ei 2 





Hoerues: Kritische Betrachtungen über die Wellner'schen Versuche ete. 171 


ander so sehr differirenden Werthen ein physikalisches Gesetz ableiten zu 
wollen. l 

Die einzelnen Windgeschwindigkeiten, die sich je nach der 
Hin- und Rückfahrt einmal zur Fahrgeschwindigkeit e addiren, das andere- 
mal substrahieren, sind nicht bekannt und angegeben, ja können weder 
richtig geschätzt noch verlässlich abgelesen werden, 
selbst wenn längs der ganzen Strecke lauter Beobachter mit Instrumenten 
gestanden häten, was im übrigen nicht der Fall war, weshalb auch eine 
nur annähernde Schätzung derselben unmöglich ist. 

Welmer weist wohl auch auf den Einfluss des Windes hin, dass sich 
der Wind einmal zur Fahrgeschwindigkeit addire, das anderemal substrahire; 
und dass die Summe, resp. Differenz zum Quadrat erhoben werden müsse, 
giebt jedoch für die Grösse der Windgeschwindiekeiten in den An- 
merkungen nur ganz allgemein gehaltene und. nicht ziftermässige Daten, 
z. B. „Wind geht der Fahrt entgegen“, oder „Wind drückt nach oben“; 
oder „schwacher Wind von der Seite“ oder „Wind querblasend“, „Wind 
voll entgegenblasend“. Umsonst sucht man jedoch nur eine einzige 
ziffermässige Angabe der Stärke des Windes. 

Aus diesen in so hohem Grade unter einander 
differirenden Ablesungen ein allgemein giltiges 
Naturgesetz abzuleiten, ist ohne nicht zu rechtfertigende Will- 
kürlichkeiten geradezu ausgeschlossen!) Wer das versuchen 
wollte, verfellt in denselben Fehler, wie der amerikanische Forscher Langley 
bei seinen ähnlichen Versuchen; er muss willkürliche Correcturen anbringen, 
die die Resultate ihres Werthes berauben, was auch Obering. v. Loessl 
von Langley’s Beobachtungen nachgewiesen hat. 

Bezüglich der Ablesungen auf dem Apparate IV treten ähnliche grosse 
Verschiedenheiten hervor, auf die näher einzugehen, ich nach dem eben 
Besprochenen für unnöthig halte. 

Wenn das zu suchende Luftwiderstandsgesetz und vor allem der 
Coefficient a bekannt wäre, so könnte man leicht den Winkel rechnen, 
unter dem der Wind jeweilig eingefallen ist, nun soll aber durch diese 
Versuche gerade der erste gefunden werden. 

Versuche nbewegter Luft und gar solche auf Eisenbahnen sind, 
wie aus obigem wohl zur Genüge folgt, nicht darnach angethan, uns dieses 
Luftwiderstandsgesetz zu enthüllen. Diese Unfindbarkeit auf diesem 
Wege klar und deutlich bewiesen zu haben, halte ich für das wirklich 
dauernd Verdienstvolle an den besprochenen, umfangreichen und gewiss 
interessanten Versuchen. 


D Wellner selbst fühlt das auch ganz richtig heraus, wie seine Bemerkung 
beweist: „Durch wiederholte Fahrten etc... . gewinnt man allmählig einen guten 
und ziemlich klaren Einblick ete. .... aber es ist in vielen Punkten geradezu 
unmöglich einen unantastbaren ziffermässigen Nachweis zu liefern.“ 





172 wv Zeppelin Bemerkungen zu R. v. Loessl's: Luftwiderstandsgesetze etc. 


Bemerkungen. zu dem Werke R. v. Loessl’s: „Die Luftwiderstands- 
gesetze und der Vogelflug“. 
Von Graf von Zeppelin in Stuttgart. 


Auf der Grundlage zahlreicher, gründlicher und scharfsinniger Ver- 
suche stellt von Loessl endlich unwiderruflich das Vorhandensein eines 
Lufthügels vor jeder bewegten oder von einem Luftstrom getroffenen Fläche 
fest, in welchem die ihn bildende Luft steht. Er hat die „Lufthügeltheorie* 
für immer zum Lufthügelgesetz erhoben. 

Aus diesem Gesetze entwickelt er — unter steter Beglaubigung durch 
den Versuch — die einfachsten Formeln für die Berechnung der Stärke des 
auf die Flächen wirkenden Druckes. Besonders wertlivoll erscheint dabei, 
dass über bisher stiittige Punkte völlige Klarheit geschaffen wird. S. 127 ff. 
steht z. B. überzeugend nachgewiesen, wie in die Formel für den eine Fläche 
normal treffenden Druck der Sinus des Neigungswinkels der Fläche zur 
Bewegungs- oder Stossrichtung nur einfach eingestellt werden darf, weil 
die zweite oder gar eine höhere Potenz durchaus irrige Werthe liefern müsste. 

Einmal nur hat Loessl es versäumt, für die Richtigkeit einer Annahme 
auch die Bestätigung durch das Experiment zu erbringen. 

Es ist diess die Annahme (S. 51 LL der Lufthügel sei mit einer von 
gespannter Luft erfüllten Blase zu vergleichen, weshalb er einen gleich- 
mässigen Druck auf alle seine Umwandungen äussern müsse. 

Die Frage, ob dem wirklich so ist, erscheint namentlich für die Luft- 
schiffahrt bedeutungsvoll genug, um ihre Entscheidung an der Hand des 
vorhandenen Materials zu unternehmen, und falls dieses nicht ausreichen 
sollte,' Herrn von Loessl zu bitten, seine Versuche auch noch hierauf aus- 
dehnen zu wollen. | | 

In dem Abschnitt „Innere Spannung des Lufthügels“ (S. 53 f.) wird 
angenommen, der von aussen auf den Lufthügel wirkende Druck sei von 
der Spitze oder Schneide bis zur Grundfläche der gleiche, er sei, „nicht 
von dem, Quantum der schiebenden und geschobenen Luft abhängig, sondern 
lediglich von der Geschwindigkeit der betreffenden Luftströmungen.“ 

Das müsste im Rückschluss als richtig anerkannt werden, wenn der 
Lufthügel in seiner Gestalt nur bei überall gleichem Druck von aussen be- 
stehen könnte. Letzteres ist aber keineswegs der Fall. Bei Beginn der Be 
wegung der Fläche oder der Luftströmung wird der Lufthügel derart 
gebildet, dass zuerst die der Fläche nächstliegende Luftschichte von der 
darauffolgenden getroffen, gedrückt und verdichtet wird. Die erhaltene 
Spannung wirkt nun allerdings nach allen Seiten gleich, — auf die Fläche, 
zurück gegen die drückende Luftschichte und über den Rand hinaus, — sie 
kann nur bei allseits entsprechendem Gegendruck erhalten bleiben. Auch 
am Rande findet sich derselbe als Widerstand der äusseren Luft gegen das 
Eindringen der vereinigten Lufttheilchen, welche aus der gedrückten nud 


v. Zeppelin! Bemerkungen zu R. v. Loessl's! Luftwiderstandsgesetze ete. 173 


der drückenden Luftschichte über der Fläche zu entweichen suchen. Die 
Begrenzungsfläche ist unter 45° zur Bewegungsrichtung geneigt. Würde 
nach der ersten kieinsten Zeiteinheit, in welcher die Fläche nur um eine 
Atomschichthöhe vorgeirungen wäre, die Bewegung wieder eingestellt, so 
könnte die Spaunung nicht weiter zunehmen; sie würde sich vielmehr durch 
Ausdehnung der eingeschlossenen Luft nach allen freien Richtungen bis zur 
Ausgleichung mit dem atmosphärischen Druck wieder auflösen, noch ehe 
der Lufthügel Zeit gehabt hätte, sich auszugestalten. Dauert die Be- 
wegung dagegen fort, so drängt die dritte Schichte auf die ihr bereits etwas 
entgegenweichende zweite heran. Letztere wird dadurch ihrerseits bis zu 
der an ihrem Rande entstehenden Widerstandsdruckstärke verdichtet. Sie 
drückt vermehrt auf die der Fläche angelagerte Schichte, welche eine um 
soviel grössere Spannung annimmt, als der Widerstand an ihrem Rande 
durch das Andringen der Lufttheilchen dritter Schichte gewachsen ist. So 
baut sich der Lufthügel in immer kleiner werdenden Schichten, von ab- 
nelımender innerer Spannung, bis zur Spitze oder Schneide auf. Auch nach 
der, Vollendung verändert sich die Lage nicht. Dem Bestreben, den 
Spannungsausgleich herzustellen, arbeitet die den bestehenden Zustand stets 
erneuernde Fortbewegung entgegen. Sie wirkt ähnlich, wie die Schwere 
aut die Atmosphäre. 

Indem die Spannung in der der Fläche angelagerten Schichte der 
Summe der Druckstärken aller vorgelagerten Schichten entspricht, und 
ferner die Luft im Innern des Lufthügels unbewegt ist, steht das hier 
Entwickelte in keinem Widerspruch zu den durch Versuche bestätigten 
. Aufstellungen von Loessl’s, vielmehr erklärt es erst vollkommen eine Reihe 
der von ihm gemachten Beobachtungen. 

Wenn in der That an der Spitze des Lufthügels derselbe äussere 
Druck herrschte, wie an der Grundfläche, so müssten sich dort auch schon 
ebenso vjele Lufttheilchen aneinander geschoben haben, wie hier, und mit 
der so klar nachgewiesenen „Corona“ (z. B. S. 57 ff.) von Loessl’s wäre es 
nichts. 

Welche Wirkungen das Mass der Luftverdichtung hat, geht aus dem 
verhältnissmässig erheblichen Minderdruck hervor, den Flächen von solcher 
Form erleiden, dass sie den Luftstrom bei der Verdrängung stark zu ver- 
theilen vermögen, also Dreiecke, Quadrate, Vielecke, Kreise, — Cylinder, 
Kegel, Kugeln, Ellipsoide u. s. w. 

Loessl hat sich darauf beschränkt, die strahlenförmige Vertheilung 
des Luftzustromes als Ursache jenes Minderdruckes zu bezeichnen, und das 
durch Versuche ermittelte Maass für denselben bei den häufig vorkommenden 
Gestaltungen anzugeben. Das der Druckverminderung zu Grunde liegende 
Gesetz müsste ungefähr lauten: 

Der Druck, welchen bewegte oder angeströmte ebene, 
ununterbrochene oder gekrümmte Flächen erleiden, ist 


174 v. Zeppelin: Bemerkungen zu R. v. Loessl'’s! Luftwiderstandsgesotze ete. 


ein verhältnissmässig geringerer, je kleiner ihre Pro- 
jection auf eine zur Bewegungsriehtung senkrechte 
Ebene ist. Dabei dürfen nur gegen den Druck aussprin- 
gende, bezw. gewölbte Kanten und Krümmungen vor- 
kommen. 

Dieses Gesetz führt zu der Annahme, dass der Druck auch mit dem 
Wachsen der Flächen in geringerem Verhältniss zunimmt; weil deren Um- 
fang im Vergleich zum Inhalt immer kleiner wird, — die auf den Luft- 
hügel treffenden Lufttheilchen daher immer früher am Rande oder an 
Kanten ankommen, wo sie weniger verdichtete Luft vorfinden. 

v. Loessl hält (S. 51) diese Annahme nicht für zutreffend, indem sie 
keine Bestätigung durch seine Versuche gefunden habe. Im vorliegenden 
Falle sind diese aber nicht überzeugend, weil sie nur mit kleinen Flächen 
— bis zu 2 m? Inhalt —, und kleinen Geschwindigkeiten, — nur aus- 
nahmsweise etwas über 1 m p. sec. — ausgeführt wurden. Er sagt, eine 
Fläche von 20 Clem Inhalt habe genau den 1000sten Theil des Wider- 
standsdrucks empfangen, wie eine gleich geformte Fläche von 2 m? Inhalt. 
Da er aber bei 1,157 sec. m. Versuchsgeschwindigkeit (S. 90) z. B. für eine 
1 m grosse Fläche 0,1525 kg Druck erhielt, so hätte letzterer für eine gleich- 
geformte Fläche von 10 [_]cm Inhalt den unmöglich genau zu bemessenden 
Betrag von 0,001324 kg haben müssen. Bei so niederen Werthen bieten 
Reibungswiderstände, die Widerstände des Rahmens des Versuchsapparates 
u. s. w. zu leicht Veranlassung zu Täuschungen, als dass man auf Grund 
solcher Versuche im Kleinen genöthigt wäre, ein sonst durch Denkfolge- 
rungen wie durch Beobachtungen von Naturvorgängen als bestehend anzu- 
nehmendes Gesetz zu läugnen. 

Loessl's Frage (S. 51), welche Fläche gegenüber dem ungeheuren 
Luftocean und bei der unendlichen Feinheit der Luftmaterie als eine grosse 
und welche als eine kleine bezeichnet werden darf, ist für die Praxis. dahin 
zu beantworten, dass die Beobachtungsflächen zu vergrössern sind, bis ent- 
weder das Bestehen jenes Gesetzes erwiesen, oder die Grösse erreicht ist, 
bis zu welcher Flächen in der Technik zur Anwendung kommen: — Bau- 
werke, Hauptspante vun See- und Luftschiffen u. s. w. 

Da Apparate hierfür nicht ausreichen, so mag auf dem Berechnungs- 
wege der Unterschied zwischen grossen und kleinen Flächen dargethan 
werden. Als einfachste Form sei die kreisrunde, flache Scheibe mit dem 
sich vor ihr bildenden Luftkegel von 60° gewählt. Nimmt man z. B. eine 
Scheibe von 95 m Inhalt an, so hat diese einen Halbmesser von 5,5 m, 
eine 94 m grosse Scheibe einen solchen von 5,47 m. Die Breite des 
Ringes, welcher die 94 m” Scheibe auf die 95 m? Scheibe erweitert, beträgt 
somit 0,03 m. Denkt man sich Lufteinheiten in Gestalt von Würfeln mit 
0,03 m Seitenlängen, so treffen bei der Vorbewegung 1151 solche Luft- 
einheiten auf den Ring von 1 m Inhalt und es können dieselben alle un- 


v. Zeppelin: Bemerkungen zu R. v. Loessls: Luftwiderstandsgesetze ete. 175 


mitteibar über den Rand der Scheibe hinaus dem Anstosse des Lufthügels 
ausweichen. Sie verursachen also säwmtlich keine sich weiterhin steigernde 
Verdichtung der umgebenden Luft. Von den auf eine nur 1 m” grosse 
Scheibe treffenden 1151 Lufteinheiten finden dagegen nur 118 an dem 8,54 m 
langen Umfang Platz, alle übrigen tragen mehr oder weniger fortwirkend 
zur Verdichtung der den gebildeten Luftkegel umgebenden Luft bei und 
wirken dadurch in verstärkter Weise hemmend gegen die Vorwärts- 
bewegung der Fläche, d. h. also die 1 m? grosse Scheibe erleidet einen 
höheren Widerstandsdruck als der gleich grosse Ring, welcher der 94 m? 
grossen Scheite angefügt wird. ` | 

Die Segelschiffahrt trägt dieser verhältnismässig geringen Druckzunahme 
längst Rechnung; indem sie, um bessere Zugwirkung zu erreichen, an 
Stelle eines grossen lieber kleinere Segel, welche zusammen mit jenem 
gleichen Inhalt haben, anordnet. 

Wäre jene Minderzunahme des Druckes nicht vorhanden, so würden 
die Loessl’schen Formeln zu ganz uwnrichtigen Ergebnissen führen. Das 
französische Militärluftschiff „La France“ z. B. hatte 8,4 m Durchmesser 
am Hauptspant, und es erreichte eine grösste Eigengeschwindigkeit von 
6,5 sec m. (Angaben des Erbauers Renard, revue de l’"Aeronautique, 1888, 
S. 49.) Setzt man diese Werthe in die Widerstandsberechnung ein, welche 
Loessl (S. 271) für einen Spitzballon aufgestellt hat, so erhält man die 
erforderliche Antriebsarbeit: 

A = 274,6 . 0.83 . 17,64. z. 0,5 . 1/19 = 634 sec. mkg. 

Nimmt man davon, mit Rücksicht auf die theilweise Convexität der 
La-France-Spitze, auch nur die Hälfte (Loessl S. 257) also 317 sec. mkg, 
so beträgt die auf diesem Wege gefundene Antriebsarbeit noch immer das 
Fünffache der wirklich vorhanden gewesenen Zugkraft von 64 sec. mkg. 
(Revue de l’Aeronautique, 1889. S. 97). Da nun an der Richtigkeit der 
Loessl’schen Formeln mit Beziehung auf kleine Flächen nicht zu zweifeln 
ist, so bleibt als Erklärung für das so stark unrichtige Ergebniss, welches 
sie für grosse Flächen geben, keine andere Erklärung, als die der verhält- 
nissmässig geringer werdenden Zunahme beim Wachsen der Flächen. 

In welchem Verhältniss sich der Druck verringert, ist auch schon ver- 
schiedentlich gemessen worden: Dines fand, dass der verhältnismässige Druck 
auf eine quadratische Scheibe von 3 Fuss Seitenlänge schon nur 89 Prozent 
einer solchen von (ts Fuss Seitenlänge betrug; derjenige einer 42 Quadrat- 
fuss grossen Scheibe bereits nur 78°, desjenigen einer 9 ‚Quadratfuss 
grossen Scheibe (Quart. Journal of the Meteorological Society. vol. XVI 
p. 207. London 1890.) Jahrelange Beobachtungen bei den Forth - Brücke- 
Werken in Schottland stellten für eine Scheibe von 28 m? Inhalt immer 
nur ungefähr 50 Prozent des verhältnissmässigen Druckes fest, von welchem 
eine nur 1,4 m? grosse Scheibe getroffen wurde (im vorangeführten Quar- 
terly Journal. S., 211). 


176 v. Zeppelin: Bemerkungen zn R. v. Loessl's Luftwiderstandsgesetze etc. 


Die wenigen bisher gemachten Beobachtungen genügen aber entfernt 
nicht, um die Art der Progression zu bestimmen, in welcher der verhältniss- 
mässige Druck mit dem Wachsen der Flächen abnimmt. 

Möchten die vorstehenden Ausführungen Veranlassung werden, — ins- 
besondere für einen so praktischen und gründlichen Forscher, als welcher 
sich von Loessl aufs neue bekundet hat, — durch geeignete Versuche die 
Kurve für jene verhältnissmässige Druckabnahme aufzufinden!?). 

Die Lösung dieser Frage kann für die Richtung, nach welcher sich 
die Luftschiffahrt zu entwickeln hat, entscheidend werden. 


Der Luftpropeller-Flügel und seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 
Von Theodor Kadarz, k. u. k. Oberst d. R. 


(Schluss,.) 
3. Die Halbmesser p für die Punkte von Fig. 10. 
gleicher Metalldicke können auch direkt gefunden 0 
N 


werden, wodurch die langwierige Interpolation Dë dÉ 
Rechnung erspart wird. | A 
Die Gl. 25 führt auf jene des 3. Grades: 


3— |34 Se +2=0 


welche nach der üblichen Auflösung wenn: 
1 


E 


gesetzt wird, 3 reelle Wurzeln gibt. Von diesen entspricht nur jene 


SES CM 0) 
o 1/2 d ug C08 [> e 60°] 


dem vorliegenden Fall, da sie für alle Werthe von cos |< + Ou positiv 





m? 
= CUS D" 


und < 1 ist, s jedoch höchstens für ç =r, den Werth 1 erreichen kann 


D 
Setzt man 3 = so ergibt sich 


de 
Bes 27 o Së E Wi . COS E SÉ nl ge A u mee 


Um zu weit gehende Rechnungen zu vermeiden bestimmt man zuerst 
aus 25 die grösste Flügeldicke im Punkte d, d Fig. 9 und 10. — 








!) Vergl. „Die heutige wissenschaftliche Berechnung des Winddruckes und des 
Luftwiderstandes gegenüber den thatsächlichen Verhältnissen“ von Graf Zeppelin» 
Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Bd. XXXIX, Berlin 1895. 


Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 177 


Der Verlauf und die Anhäufung der Linien 1'1, 2°2, 3°3.... von 
gleicher Metalldicke in Fig. 10 zeigten deutlich die mit dem verstärkten 
Druck zunehmende Stärke des Flügels. — 


VIE. Zweitheilung des Flügels. 


Der zum freien Erheben dienende Luftpropeller kann, wie die Folge 
dartlun wird, nur sehr langsam fortschreiten und versetzt infolge dessen 
die ihn umgebende Luftmasse in gleichem Sinne in Rotation, wodurch sein, 
an sich geringer Effekt noch mehr abgeschwächt wird. Geht jedoch das 
Fahrzeug mit grosser Geschwindigkeit vorwärts, so entsteht ein einseitiger 
Druck auf die Propellerwelle.. Um diess einzusehen, wollen wir annehmen, 
die Umfangsgeschwindigkeit des Flügels sei 50 m, das Fahrzeug gehe mit 
25 m Sekunden Geschwindigkeit vorwärts, so erhalten die Flügel auf der 
Seite, wo die Rotationsrichtung die gleiche mit der Vorwärtsbewegung ist, 
die Luft mit 50 + 25 = 75 m, auf der entgegengesetzten mit 50 — 25 
= 25 m Geschwindigkeit zugeführt, wodurch nothwendig ein einseitiger 
Druck entstehen muss. 

Diesen Uebelständen lässt sich begeg- 
nen, wenn man den Flügel in 2 Theile zer- 
legt. deren Constructionslinien und Rotations- 
richtungen einander entgegengesetzt sind. 

Der Theilungsschnitt wird senkrecht zur 
Achse und so geführt, dass jedes Flügelstück 
die gleiche Rotationsarbeit zu verrichten hat. 

Bezeichnet in Fig. 11 abc’d‘ den gan- 
zen Lutftflügel, so ist «ub = M, 0b = |, die 
Beschleunigung = k. 

Im abgeschnittenen obern Theile sei 
durch oul die Länge lh, durch ae die Pro- 
jection der Leitlinie Mi, die Beschleunigung 
durch x bezeichnet. 





Aus den Constructions-Klementen geht hervor, dass: 


ee e DEE me t ® M EE 

x — l P ; Get ? 

BR Ce M, (7 m l) Rz Ce M (22? er 1) . 

= GE m | 2 jst. 
WI 4zrn(k—1) 


bh 

Nach Gl. 16 ist: 
Leen ara) Mon) 1 ger (— 1) Ä al: 
Sr? y k > x Sa 6 É | 


i Mi M 
und we man darin anstatt „ng Setzt 
ee | tan 


178 Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 


List "frot Minn 1 AEN , x? — 1 | 
an ee TE De ne | ae FR 27 
2 g a 2r k—] 6 sech EE 
aus welcher Gleichung zuerst x und dann aus den beiden vorhergehenden lı 
una Mı bestimmt werden. 


VIII. Freies Aufsteigen eines schweren Körpers im Raumc. 


1. Ein schwerer Körper kann auf zweifache Art zum freien Auf- 
steigen gebracht werden und zwar entweder durch eine sebr kurze Zeit 
auf ihn einwirkende Kraft wie beim Wurf, oder durch den Antrieb einer 
constanten Kraft. | 

Im ersten Falle beginnt die Aufwärtsbewegung mit der grössten 
(Anfangs-) Geschwindigkeit und dauert so lange, bis die stetig abnelmende 
Geschwindigkeit Null wird, im anderen ist die Bewegung verschieden, je 
nach dem Verhältniss der bewegenden Kraft zum Gewichte des Körpers 
und zu dem Widerstande, welchen derselbe in der Luft findet. 

Sie beginnt jedesmal vun Null an und findet eine Zeit lang mit be- 
schleunigter Geschwindigkeit statt, nm sodann, wenn die massgebenden 
Umstände gleich bleiben, in die gleichmässige Geschwindigkeit überzugehen. 

Da der Widerstand, den ein Körper. in der Luft findet, mit dem 
Quadrate seiner Geschwindigkeit zunimmt, so wird der Zeitraum der Ge- 
schwindigkeitszunahme sehr abgekürzt, wenn die Auftriebskraft verhältnisss- 
mässig gross ist, wie z. B. beim Loftballon: denn der Uebergang zur 
gleichmässigen Bewegung besteht eben darin, dass sich die bewegende, 
constante Kraft mit dem einer bestimmten Geschwindigkeit entsprechenden 
constanten Widerstand iu’s Gleichgewicht setzt. 


Ist jedoch die Auftriebskraft verhältnissmässig klein gegenüber dem 
Körpergewicht, so dauert der Uebergang von Null bis zur gleichmässigen 
Geschwindigkeit sehr lange, so dass die, bis zu einer gewissen Höhe statt- 
findende Aufwärtsbewegung auf der ganzen Strecke nur mit langsam zu- 
nehmender Beschleunignng erfolgt. 


Wollte man die Auftriebskraft des Luftflügels so verstärken, un 
binnen eines endlichen Zeitraumes den Beharrungszustand herbeizuführen, 
so käme man zu solch enormen Arbeitsgrössen, bei welchen das Gewicht 
des Antriebsmechanismus sofort jede Idee der praktischen Ausführung ver- 
nichten würde. 

Dieser Umsland führt zur Ermittelung der Kleinsten, einem beabslch- 
tigten Zwecke entsprechenden Auftriebskraft. 

1. Der Vorgang bei der Atwood’schen Fallmaschine giebt darüber Auf- 
schluss, wie man sich, das freie Autsteigen eines schweren Körpers zu denken 
hat, wenn die Auftriebskraft nach Abzug des Körpergewichtes, klein ist. 
Durch ein ganz geringes Zulegegewicht, auf eine der im Gleichgewichte 
hängenden zwei schweren Massen, werden diese sofort mit einer sehr lang- 


Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 179 


samen gleichförmigen Beschleunigung in Bewegung gesetzt; eine kleine, 
gegen die Massen verschwindende Vermehrung des Gewichtes der einen 
genügt, um ein langsames Aufwärtsgehen der andeın herbei zu führen. 

Das Auflegegewicht stellt eine constante Kraft dar; es müsste die- 
selbe Erscheinung eintreten, wenn man einen, diesem Minimalgewichte 
gleichen, nach aufwärts gerichteten, constanten Druck auf eine der Massen 
ausüben würde d. h. man bringt einen schweren Körper frei zum verticalen 
Aufsteigen im Raum, wenn man auf denselben in der bezeichneten Richtung 
eine constante Kraft wirken lässt, die nur um sehr wenig grösser ist als 
das Gewicht desselben. 

2. Da die Bewegung in einem widerstehenden Mittel stattfindet, so 
erscheint es auch nöthig die Lehren der analytischen Mechanik für eine solche 
in Anwenduug zu bringen, welche des Zusammenhanges wegen in möglichster 
Kürze entwickelt werden sollen. 

Es bezeichnen: 

P die Auftriebskraft, 

v die Endgeschwindigkeit, welche der aufsteigende Körper nach 
der Zeit von £ Sekunden besitzt, 

s den in der Zeit £ zurückgelegten Weg, 

y allgemein die Dichtigkeit der Luft, 

g die Beschleunigung der Schwere, 

M die Masse, 

G das Gewicht des zu hebenden Körpers, 

F die Horizontal- Projection der nach anfwärts gerichteten Fläche 
desselben, 

& einen für die Flächeneinheit (m?) dieser Projection ermittelten 
Widerstand, 

m = EI Widerstands -Coeffizienten für die D EEN 
des ganzen Körpers. 

3. Unter der Voraussetzung, dass der zu hebende Körper durch einen, 
seinem Gewichte gleichen Aufwärtsdruck gehalten wird, hat man für die 
Beschleunigung in der Aufwärtsbewegung: 

dv mv? 1 
di “1 — 3y (UD 


Da M = 7 auch: 


mv“ 
A Wa malo 


1 


m l 
Setzt man e = , a so wird: 
Zo oi G Ai 


i80 Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 


dr l 7 oi br? 
Page E ee ae! 212 
di H | Uh el Í ab 


ae wii 
HIT = te (atde)(a—br) 


ab bdv bde ab „ abr 
gt = St Feet 


le ist der natürliche Logarithmus, e die Grundzahl der natürlichen 


Logarithmen. 
Die Constante der letzten Gleichung ist Null, weil für t = 0 auch 


v = 0 ist. 
Aus derselben ergiebt sich: 


. . . 28) 


2gt 
a ol An 
E e 
u — be 
und daraus die Endgeschwindigkeit: 
Zut 
ab 
ee E 
b 2gt 
ab 


e +l. 
4. Die Höhe s, bis zu welcher der Körper in t Sek. gestiegen, er- 


hält man, da: 
ds 


dt 
wenn man diese Gleichung mit jener 28 multiplicirt, aus: 


«a? b? rdt 
ee 
I a2 — b*e? 


1 ab? vde 1 Ur. Dei R 
e cn = — Oe hk la? — bte?) |. 
g fJ œ— b yg 3.9 


Für s=o wird auch v = o, daher : 


mn T 


9 
a“ 
C = EI le a? 
und 
a? a? 
S =- ! ee I ea tt 


Wenn man für © den Werth aus 29 substituirt, so wird: 


2gt 
| ab 
oi e l. ` 
A == — eo +1. D e ` ` H M . g : 30) 
g EM 
ab 


2e 


Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 181 


5. Stellt man in 29 und 30 für a, b und m die Wertlie ein und setzt 


Si = w, so erhklt man die aus der Mechanik bekannten Formeln. (Siehe 
Weissbach Mechanik 3. Auflage, Band I. Seite 858 Anmerkung.) 


ur BR 
en eo a | 
ut d = 
c +1 ge | 
ut l 
O G (e +1)2 i 31) 
RS M 
Je | 


Ver 
G 


6. Wird angenommen, der aufsteigende Körper hätte in der Zeit 
t sec.. die Höhe sən erreicht, in der man verweilen will, so ist, wenn man 
die Dichtigkeit y der Luft in dieser Höhe kennt, in der 2. Gl. 31) nur p 
unbekannt. 

Setzt man die sonach bekannte Grösse. 


P 
o Gëf E 
so findet man : 
»#-1+V er- i] 
a a ër e 


so, dass die Bestimmung von P und v aus den beiden anderen Gleichun- 
gen 31 keiner Schwierigkeit unterliegt. 

Der Werth von y ist aus der bekannten Formel : 

B 1.7103 
= 7 T0.00367P 

worin 5 den Barometerstand in mm, t° C. die Temperatar in der Höhe s 
bezeichnen, zu finden. 

Sind nun N Flügel vorhanden. welche das Heben bewirken sollen, "so 
hat man für jeden derselben zur Ermittlung von k aus Gl. 8 


Pe PG 
N 
und für die Construction ce = r und y (1 -}-a«at°) der Höhe s entsprechend 
anzunehmen. 
P ist der kleinste Druck, den der Flügel ausüben muss, um in £ Sek. 
die Höhe s zu erreichen, über welche ein weiteres Aufsteigen unmöglich 
ist, weil bei gleicher Rotationszahl sofort ein, die Steigarbeit vernichtender 


Widerstand an der Vorderkante ve Fig. 6 eintritt, wenn v >c, wird, 





_ 


182 Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke 


IX. Verzögerter freier Fall eines schweren Körpers. 

1. So nöthig es ist beim freien Heben die Kraft zu kennen, um einen, 
mechanischen Gesetzen unterworfenen Aufstieg herbei zu führen, so ist es 
nicht minder wichtig, den Bedarf an Auftriebskraft zu ermitteln, damit beim 
Herabfallen aus der Höhe vom (Gewichte des Körpers nur jener Theil zur 
Geltung komme, um das Landen ohne Gefahr bewirken zu können. — 

Wenn man die früheren Bezeichnungen beibehält und nur den Gewichts- 
theil, welcher nach Abzug der Hebekraft Pı vom Gesammtgewichte G übrig 
bleibt, mit Gi = @ — Pı, die geänderte Masse des Flugkörpers, welcher 
durch die Wirkung der Hebekraft um Pı leichter erscheint mit Mi, den 
Widerstand per m? an der Unterfläche mit Sı bezeichnet, so hat man für 
die Beschleunigung beim freien Fall: 


To= mv? 
[6 — 29 a 


und für Mı seinen Werth ` gesetzt: 


dn. Iı _ P 
dt së 
m 1 . 
Setzt man 2967 = q2’ SO wird 
dv ar 
Er ar u ge m at ee men SEH 


2 dv _a,arte 
g' fe: 2 le a — v 


Auch hier ist die Constante Null und man hat weiters: 
2gt 
"ae 

4&4 — v 


und als Endgeschwindigkeit nach der Zeit t: 
2gt 


e 


wage ee ee a) 


e +1 
2. Die durchfallene Höhe s lässt sich ausdrücken, wenn man die 
Gleichung ds = vdt durch jene 33 dividirt. Man erhält: 
a®vdv 


vdv a? 
gs — d E eu (a?—v?). 





und 





Kadarz! Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 188 





2 
I.e. D d 
Für s— o ist v-=o und C = = le u? 
daher: 
H A 
d Ae d Ae 
A, = l. ; = 


NM 


e D 
Zu "oi uc 


und wenn für c der Werth aus 34 substituirt wird: 


2gt 
(e Lum 
u ( 1)“ 
Seg Ne DEZENT . 35) 
a 
Je 


3. Um die Ausdrücke für v und s auf ähnliche Formen zu bringen, 


Gr A ’ 8 
wie bei 31, setzt man 2 -= Du und für « und m die Werthe; man erhält: 


t SORTE 
= £ "i 29 Gi 
bal ei Fy 
e SÉ 1 
t 
s G , le 1)? ; S i E A š s 36) 
Së Zi IL S ué 
4e 





o Zuton Fx 
MI = í p 
Li 


4. Beim Gebrauch dieser Formeln ist s als bekannt vorauszusetzen 
und v so zu wählen, damit der durch Federn noch überdies zu mässigende 
Aufstoss auf den Boden, keine bedenkliche Erschütterung des Mechanismus 
verursache. —- 

Bezeichnet man diese Anfstossgeschwindigkeit, welche bei der Ab- 
wärtsbewegung nicht überschritten werden darf, mit V, so ist in der ersten 
Gleichung 36: V 2g tr zu setzen, woraus sich 

Ci Fx 
Sı Fy V? 





Ga = ou 
und aus der dritten: 
Ze 
u = x 
y 
endlich aus der zweiten: 
e 
y? e 
Eë er, Ae 
` gt 


184 Kadarz: Luttpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 


gt 
ergiebt. — Diese Gleichung lässt sich nach e auflösen, wenn man die be- 
gs 
S yo S 
kannte Grösse e = Eı setzt, denn man erhält: 
2gt 
HR 
Eı = e +1 
gt 
2e V 
woraus sich: 
gt 
y 


e = E, 4- VE —1 
und schliesslich: 
p= Vel yB’? 
g 
ergiebt. EN ist, wie man leicht sieht, eine sehr grosse Zahl, gegen deren 
Quadrat die Einheit vernachlässigt werden kann. Setzt man anstatt Ki 
seinen Werth, so findet man als Fallzeit: 


gt 
KO 
UL Ge 
ee e ees 37) 
J 
und die nahezu gleichförmige Geschwindigkeit während des Fallens 
2gt 
H 
P a A 
par ai 
gt Se er.) 
V 
e -l 


4. Sind wieder N Flügel in Thätigkeit, so entfällt auf jeden der 
Druck: 





Get, 3 ~a Fy? 
P = -—_ E ee- € —— =- -=n 
1 N N = 29 | 
und nach Gl. 21 die Rotationsarbeit: 
pe 3 d. 
1 Ce ol F {ý ) a B 8 
ra a 29 la A e s 5 à f 39) 


Bei grossen, nicht sehr von einander verschiedenen Rotationszahlen, 
verhalten sich diese bei einem und demselben Propeller sehr nahe wie die 
Rotationsleistungen. — 


Wenn nun beim Aufsteigen der Rotationszahl n die Leistung Lrota ent- 
spricht, so ergiebt sich für das Niedergehen die geringste Rotationszahl : 


L'o 
n' = CIE ee e D D D D € D D . 40 
Lret ) 


Kadarz: Luftpropeller-Flügel u. seine Eignung für Luftschiffahrts-Zwecke. 185 


Um sicher zu sein, wird man für 2 Fallgeschwindigkeiten etwa von 
1 und 2 m per Sec. die Grösse n’ und damit die Grenzen bestimmen, welche 
von den Maschinen während des Fallens eingehalten werden müssen. 


X. Horizontale Fortbewegung. 

Es herrscht die berechtigte Ansicht, dass, wenn das freie Heben einmal 
gelingen sollte, mit einem richtig construirten Fahrzeuge eine sehr grosse 
Geschwindigkeit in horizontalem Sinne zu erreichen möglich wäre. 

In der That weist auch die Theorie auf diese Möglichkeit hin, wenn 
man in 18 den Wirkungsgrad re ins Auge fasst. — 


An der Grenze des Schwebens beim Hebepropeller wird v = ce, sonach 

A di 
n= p A und B sind Functionen von k, welche um eine Potenz von 
H D H D e H .. $ A 
einander verschieden sind; je grösser k, desto kleiner ist das Verhältniss p 


Da nun E bei verschwindend geringem Luftwiderstand am Flugkörper mit 
der zu hebenden Last eine sehr bedeutende Grösse annimmt, so muss der 
i ; ; ] e 
Wirkungsgrad sich der Grenze T nähernd sehr klein ausfallen und nur 
eine minimale Auftriebsgeschwindigkeit zu erreichen möglich sein. — 
Ganz anders verhält es sich bei dem Flügel für die Bewegung im 
horizontalen Sinne, welcher nur den Luftwiderstand zu überwinden hat. 


Hier nähert sich k (zwar immer > 1), mit ihm das Verhältniss - B' daher 


auch ze der Einheit, worans auf die Erzielung einer grossen Horizontal- 
Geschwindigkeit geschlossen werden kann. 
Zur Bestimmung von k nach GL 8 hat man hier: 
eV 
E SEENEN 
worin F' den grössten Querschnitt, E" ein per m? desselben für die im Be- 
harrungszustande der Bewegung zu erreichende grösste Geschwindigkeit v 
und N die Anzahl der Flügel bezeichnet. 

Die vorstehende Theorie stellt an das Wissen eines Technikers wohl 
keine übertriebenen Ansprüche, da sie nur bekannte Lehrsätze der höheren 
Analysis berührt und zur Auflösung der höheren Gleichungen die einfache 
Anwendung der Regula falsi erfordert. — 

Schwierig ist die maschinelle Herstellung der Flügel, dieselbe würde 
sich im Bedarfsfalle durch Besprechung in einer grösseren, mit Walzwerken 
und Pressen ausgestatteten Maschinenfabrik überwinden lassen; es käme 
eben auf einen Versuch an. -- 


186 Kleinere Mittheilungen. 


Kleinere Mittheilungen. 


Aöronautische Ausstellangs-Briefe aus dem tausendjährigen Ungarn. I. In der 
Milleniums-Ausstellung in Budapest durfte auch der Ballon nicht fehlen. Aus- 
gestellt sind ein grosser und ein kleiner Fessel-Ballon. Honoris causa wollen wir 
zuerst vom kleineren sprechen. 

Im Raume der Ausstellung des k. und k. gemeinsamen Heeres auf dem 
sogenannten Teiche des Stadtwäldchens ist zunächst der Kriegsbrücke auf einem 
er. 900 m? grossen, auf Piloten aufgerichteten Holzplateau, der militärische Ballon 
Captif activirt. Die Militär aëronautische Anstalt in Wien‘, hat dort einen von 
der österr. amerik. Gummifabrik in Breitensee gelieferten 1100 m? gumuierten Ballon, 
„Hungaria® detachirt, der unter Leitung von Luftschifferoffieiren und einem Mann- 
schaftsdetachement von 6 UO. 48 Mann Fesselfahrten und Freifahrten unter- 
nimmt. Den Captivbetrieb vermittelt eine Electrogleichstrom-Maschine von ca. 
20 Pferdekıäften, der eine speciell zu Captivaufstiegen von der Firma Ganz & Co. 
mit automatischer Bremse versehene sinnreiche Hochfahrtspindel beigegeben ist. 
Ein 6 mm starkes Drahtseil mit einer isolirten Seele läuftj von dieser Spindel über 
eine Rolle zum Ballonringe, auf welchem der Korb wie bei den Festungs- und 
Feldballons üblich, anmontirt ist. Einen majestätischen Anblick bietet beim Betreten 
der Ausstellung der lichtgelbe Ballon, der sich vom hellgrünen Hintergrunde des 
Stadtwäldchens malerich abhebt. 

Als Sr. Majestät der Kaiser Franz Josef bei Eröffnung der Ausstellung am 
2. Mai d. J. nach Besichtigung des Heeres-Pavillons die über den Teich zunächst 
der Fesselstation erbaute Kriegsbrücke betrat, bot sich ihm ein unerwartetes 
Schauspiel, als der Ballon sich in die Lüfte erhob, um seine erste Freifahrt an- 
zutreten. So oft cs das Wetter erlaubt finden Captiv-Aufstiege statt, an welchen 
die Officiere aller Waffen, welche die Ausstellung besuchen, theilnehmen können. 
Ueber Nacht wird der Ballon auf dem eingangs erwähnten Gerüst verankert. 
Ausserdem finden wöchentlich zwei bis drei Freifahrten statt. 

An Luftschiffer-Requisiten und Ausrüstungsgegenständen sind im Commu- 
nications-Pavillon, welcher das Feld-Communicationswesen umfasst: Feldpost, Eisen- 
bahn- und Telegraphen -Regiment, Feld-Signalwesen, Brieftauben, Kriegshunde, 
Aöronautik — ausgestellt: 

1. Ein Modell eines Freiballons (1: 10), vollkommen ausgerüstet. 

2. Freifahrt-Korb, ausgerüstet*). 

8. Kaptivkorb. 

4. Tableau der im Jahre 1890 und 1891 unter Leitung des Herrn Silberer aus- 
geführten Freifahrten. 

5. Tableau der Freifahrten des unter Commando des Hptm. Joseph Trieb 
stehenden Aeronautischen Curses 1898—1895. 

6. Tableau mit der Darstellung einer Ballon Freifahrt. 

7. Tableau der Sichtbarkeits - Grenzen für Wien von dem Luftschiffer- 
Uebungsplatz in Wien aus. 

8. Tableau der Sichtbarkeits - Grenzen für Budapest von der Fessel - Station 
am Teiche aus. 

9. Diverse Ventile*)- 

10. Fernsprech- Apparate zur Verständigung des Beobachters im Captiv- 
Ballon mit der Erde. 

11. Meteorologische Instrumente. Höhen-, Luftdruck- JL Windgeschwindigkeits-, 
Temperatur-, Feuchtigkeits-Messinstrumente etc. etc. 


Die mit * bezeichneten Gegenstände wurden von Herrn Victor Silberer der 
militär-aßronautischen Anstalt als Geschenk überlassen. — 


Kleinere Mittheilungen. 187 


12. Photograhischer Apparat (Werner-Camera 18 24) für Ballonaufnahmen. 

13. Electrische Hand- und Taschenlupen. 

14. Stadien der Ballonstofferzeugung. 

Ih. Material für das Seilwerk zu aöronautischen Zwecken. 

16. Drahtkabel für Captiv-Ballons. 

17. Paragummi in verschiedenen Gewinnungsstadien. 

18. Zerreissmaschine für Ballonstoffuntersuchung. 

19. Dynamometer für 2000 kg Zug. 

20. Zerplatz-Apparat. ` ` 

21. Diffusions-Apparat. 

22. Gaswage. 

23. Atronautische Instrumente: Windmesser, Hühenmesser, Maxima- und 
Minima-Thermometer, Schleuder- und Schwarzkugel- Thermometer, Hydrometer, 
Zeiss-Binocle, Marine-Ferngläser. 

24. Gasbehälter für hohen Druck, aufgeschnitten, mit Ventil adjustirt. Spreng 
proben (Mannesmannröhren). 

25. Ballon-Aufnahmen. 

26. Album der österreichischen Luftschiffer Offiziere. 

27. Seilwerk für aöronautische Zwecke: Schleifleine, Ankerseile, Reissleine etc. 

28, Diverse Anker.*) 

29. Netz für die 1000 m? Ballons. 

80. Verschiedene Holzringe für Ballonadjustirung. 

81. Diverse Ballonstoffmuster. 

82. Ballou Requisitenwage. 

88. Ein Handwinde-Wagen. 

Was den zweiten Ballon - Captiv anbelangt, so befindet sich derselbe eigent- 
lich ausserhalb des Ausstellungs-Territoriums, aber immerhin knapp vor dem- 
selben, so dass man unbedingt diese Anlage als Compedimentum mitzählen muss. 

Dort finden wir als alten Bekannten von der Silbererischen aöronautischen 
Ausstellung anno 1888 in Wien den jungen Godard, der dort mit einem 4500 m? 
fassenden gefirnissten Seidenballon Captivaufstiege unternimmt; ausser diesem 
grossen Ballon existirt noch ein kleiner 180 m® Reklame-Ballon, der immer in die 
Höhe steigt, sobald der Ballon eingeholt wird: Ist also der grosse Ballon oben, so 
ist der kleine Ballon unten! Ueber die weitere Einrichtung der Fesselstation werde 
ich im nächsten Briefe berichten und will vorläufig nur noch erwähnen, dass der 
Platz sehr gut besucht und die schaulustigen und neugierigen Ungarn recht häufig 
und in grosser Anzahl auf ihre schöne Hauptstadt an beiden Ufern der Donau 
herabsehen, zumal für einen Aufstieg — jedesmal können 10 Persouen aufsteigen — 
nur 8 fi pro Person zu entrichten kommt. 

Noch muss ich nachtragen, dass die Ballons beider Captivplätze mit Leucht- 
gas gefüllt werden. Hinterstoisser. 


Der Nutzen der Flügelkrümmung. Ueber die Flügelkrümmung ist schon viel 
geschrieben worden und verschiedene Ansichten geltend gemacht. In Nachstehen- 
dem soll einmal eine andere Wirkung der Flügel als diejenige des Stirnwider- 
standes gezeigt werden. 

Meine Ansichten über die Art und Weise wie der Vogelflügel wirkt und die 
Elasticität der Flügel den Effekt begünstigt, sind folgende: 

Unter der Einwirkung der Schwere wird derjenige Theil des Vogelflügels 
welcher nur Federn enthält, sich strecken, also eine nach allen Richtungen hin 
ebene Fläche bilden, derjenige Theil aber, welcher zunächst dem Vogelkörper 
liegt und aus Knochen und Muskeln besteht, wird seine Form behalten; denn um 
diesen Theil ebenfalls zu ebenen, genügt das Vogelgewicht nicht. (Fig. 1 S. 188.) 


188 Kleinere Mittheilungen. 


Diese Form des Vogelflügels bedingt nun, dass derselbe seine Gestalt beim 
Flügelschlag nach unten nicht ändern kann, wie man sich leicht an einem Stück 





Zeichenpapier überzeugen kann Man nimmt einen schmalen Streifen so in die 
Hand, dass derselbe von der Hand eine leichte Krümmung erhält und nach vorn 
in eine gerade Fläche ausläuft. Weil die Person auf der Erde steht, fehlt die Ein- 
wirkung der Schwere; das Papier darf also nicht zuerst auf der ganzen Länge ge- 
krümmt sein. Schlägt man nun mit diesem wie vorstehend angegeben gehaltenem 
Papier nach unten, sn wird man einen ziemlichen Widerstand spüren und die Form 
bleibt dieselbe. Wird nun aber das Papier nach oben geführt, so biegt es sich 
an der Stelle, an welcher der gekrümmte Theil in den geraden übergeht, ein, nnd 
hat fast gar keinen Luftwiderstand zu überwinden. Beim Vogelflügel ist es insofern 
noch günstiger, als derselbe das Bestreben hat, iu seine alte Form zurückzugehen. 
Führt man diese Bewegungen fortlaufend aus, so sieht man, dass der Papier- 
streifen, sowie die Hand nach unten schlägt, sich zuerst streckt und dann mit 
seinen vollen Flächen auf die Luft wirkt. 

In vorstehenden Fig. 2 und 3 ist diese Wirkung der Flügel gezeigt. 
Fig. 4 zeigt den Weg, den die Flügelspitze beschreibt. 

Dieses Durchziehen der Flügel kann auch sehr gut beim Fluge der Krähen 
beobachtet werden ; bei andern Vögeln aber nicht, weil deren Flügelbewegung zu 
schnell ist. Durch Momentphotographie wird es wohl selten gelingen, diese Flügel- 
bewegung zu fixiren; da sich der Vogel genau in der Richtung des Apparates 
horizontal vorwärts bewegen muss und andere Bilder nichts beweisen, sondern 


Kleinere Mittheilungen. 189 


nur irre führen. Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass es wohl selbstver- 
ständlich ist, dass die Natur den Widerstand der Flügel beim Auf- und Niederschlag 
in das Material und die Form verlegt hat und nicht den Vogel Verdrehungen aus- 
führen lässt, die Kraft erfordern: die Natur arbeitet ökonomischer. In Erwartung, 
dass diese Beobachtungen beitragen zur Klärung der Flugfrage, zu gleicher Zeit 
aber auch beweisen, dass das Heil nicht von der Luftscheibe zu erwarten ist; 
sondern das Kunstflug und Luftschiff (Gesellschaftsfahrzeug) zwei ganz verschiedene 
Probleme sind, hoffe ich,dass vorstehende Mittheilungen nicht ganz ohne Werth sind. 


Essen, im Juni 1896. 0. Krause. 


Bemerkungen zu den Versuchen des Herrn Langley mit seinem Aörodrom. Die 
negativen Erfolge, welche die Herren Maxim, Wellner etc. mit ihren kostspieligen 
Versuchen, das Flugproblem zur Lösung zu bringen, bisher erzielten, haben alle 
Welt und auch die Erfinder selbst eindringlich belehrt, dass der Weg, welcher von 
ihnen eingeschlagen wurde, den Flug lediglich durch die Kraft einer Maschine zu 
lösen, ein verfehlter war, denn es zeigte sich in allen Fällen, dass es niemals noch 
gelungen ist und, aller Wahrscheinlichkeit nach, auch in fernerer Zukunft nie 
gelingen wird und kann, eine Maschine von solcher Leichtigkeit und solcher Kraft 
in Ausführung zu bringen, die diese ihr zugemuthete Aufgabe zu lösen vermöchte. 

Der einfache und klare Grund warum eine solche Wunder-Maschine nicht 
ausgeführt werden kann, ist darin zu finden, dass die Materialien, welcher man 
sich zum Baue solcher Maschinen bedienen muss, specifisch viel schwerer als jene 
sind, welche die Natur zu ihren Flugwerken verwendet und besonders deswegen, 
wird diese Aufgabe unbestreitbar unlöslich, weil die Flugthiere eben nur ihr 
eigenes Gewicht, der Mensch aber, welcher einen Flugapparat schaffen will, nebet 
dem Gewichte des Flugapparates, noch die Last eines oder mehrerer Personen mit 
in die Luft nehmen soll. Die Flugthiere verlieren ihre glänzende Fiugfähigkeit, 
die Gabe sich von flacher Erde hoch in die Luft aufzuschwingen, ebenfalls sofurt, 
wenn man sie auch nur mit einem ganz unbedeutendem Gewichte belastet, oder 
wenn man das bei denselben bestehende richtige Verlältniss der Kraft zur Last, 
dadurch alterirt, dass man ihre Flügel-Schlagkraft durch Beschneiden der Flügel 
vermindert. 

Trotz den sehr bitteren Erfahrungen, welche die Techniker machten, würden 
aber dennoch diese falschen Bestrebungen noch weiter fortgesetzt werden, wenn 
nicht in allerneuester Zeit Professor Langley in New-York den Beweis praktisch 
erbracht hätte, den Professor Miller-Hauenfels in Graz längst schon vor Jahren 
theoretisch geführt, dass es sehr einfache Mittel giebt, dass durch künstliche Mittel 
gar nicht herstellbare richtige Verhältniss der Krait zur Last, die Hauptbedingung 
der Flugmöglichkeit, zu erzielen. 

Dieses einfache, und wie der glänzende Erfolg des Herrn Langley mit dem 
mit seinen „Aörodrom“ angestellten Flugversuch Jedermann ganz überzeugend 
bewiesen hat, auch abhelfende Mittel, besteht darin (und resultirt aus der Er- 
kenntniss, dass nur das „Auffliegen“ nicht aber das „horizontale Vorwärtsfliegen“ 
übergrosser motorischer Kraft bedürfe), dass Professor Langley, sowie es Professor 
Miller-Haueufels vorgeschlagen hat, „den Flug durch Fall von einer Höhe beginnt 
und dadurch erzielt, dass er, weil er nicht mehr auffliegen muss, die enorme Auf- 
flvgkraft gänzlich in Ersparung bringt“. Durch diese Reduktion der erforderlichen 
motorischen Flugkraft, war es Langley in der That möglich mit einer Maschine 
von 1!/, Pferdekräften seinen Segelapparat einen Flug von 2 Kilometer Ausdehnung 
ausführen zu lassen, während, wenn er diesen Apparat von flacher Erde in die 
Luft „aufsteigen“ hätte lassen wollen, er dazu eine Maschine von vielleicht 8 Pferde- 


kräften benöthiget haben würde. 


190 Kleinere Mittheilungen. 


Langley hat seinen Apparat möglichst leicht gebaut, wie man hörte sammt 
Maschine nur 15 kg schwer, aber damit erzielte er durchaus keinen besonderen 
Vortheil denn, wie die Segelflugtheorie lehrt, hat das grössere Fluggewicht auf 
den Kraftbedarf für den Horizontalflug gar keinen Einfluss, weil sobald der 
Flug durch Fall von der Höhe begonnen wird, der von unten kommende Luftdruck 
und die lebendige Kraft des Fallmomentes, die ganze Gewichtsarbeit leistet, 
so dass den Segler immer nur jenes motorische Kraftvermögen zur Abwicklung 
des durchschnittlich horizontalen Vorwärtsfluges bedarf, den sein Stirnwiderstand 
beträgt. 

Professor Langley’s Apparat hätte, wenn er auch noch mit dem Gewichte 
eines Menschen mehr belastet worden wäre, mit der nämlichen, der Stirnwiderstand 
entsprechenden motorischen Kraft, den Flug zu vollführen vermocht. 

Das ist aber das Charakteristische beim Segelflug, dass, ob das Gewicht des 
Seglers gross oder klein sei, das motorische Krafterforderniss in beiden Fällen das 
ganz gleiche bleibt; darum ist es auch nur den Seglern möglich, Lasten durch 
die Luft zu tragen, während allen anderen Vogelgattungen, die von der Natur auf 
den Ruderfug hingewiesen sind, die Mitnahme grösserer Lasten ganz unmöglich 
ist; schon das Mitnehmen der so leichten Neststoffe macht ilınen, wie man deutlich 
sieht, Beschwerden. 

Es wurde von sehr angesehener Seite (Herın Hofrath Boltzmann in Wien) 
die Vermuthung ausgesprochen, dass das Aörodrom des Herrn Langly ein Drachen- 
flileger (mit feststehender Aöroplanfläche) gewesen sein dürfte, das ist aber nicht 
sehr wahrscheinlich, denn nach der Beschreibung des Flugversuches ist wohl zu 
schliessen, dass das Aörodrom ein Segler (mit beweglichen A&droplanflächen) gewesen 
ist, dessen Fiügel s’ch während des Fluges automatisch einzustellen vermochten 
und zwar 80, dass sie sich aufwärts und nach einem gewissen Zeitmaass wieder 
abwärts richteten. Es scheint dies um so gewisser der Fall gewesen zu sein, als 
beim Drachenflieger die vorhandene Kraft der kleinen Dampfmaschine, da sie auch 
die Gewichtarbeit zu leisten gehabt hätte, sicher nicht ausgereicht haben würde, 
welch letzterer Umstand auch Herrn Langley bestimmt haben mochte, den Flug, 
nicht, wie es bei Drachenfliegern sonst ja immer üblich war und als sie charak- 
terisirend angesehen wird, von unten nach oben, sondern, wie es in der That 
geschehen ist, von oben nach unten zu absolviren. 

Langley wird eben durch die gemachten Erfahrungen bei den Vorversuchen 
belehrt worden sein, dass nur in dem Fallo des Flugbeginnes von der Höhe weg, 
jene motorische Kraftersparniss zu erzielen sei, die den Flug mit einer leichten, 
nur geringe Kraft entwickelnden Maschine ermöglicht; der Flug von der Höhe 
weg bedingt aber unter allen Umständen die drehbaren Flügel des Seglers; die 
unbewegliche Stellung einer Drachenfläche ist zur Ausführung des reinen Segel- 
fluges kaum geeignet. 

Es ist auch gar nicht einzusehen, warum Langley sich die Ausführung des 
Experimentes dadurch wesentlich erschwert haben soll, dass er statt beweglicher 
Segelflächen, wie sie alle Vögel bseitzen, festgenagelte Segelflächen, wie sie die 
Vögel eben nicht besitzen, angebracht hätte. Langley’s Absicht war offenbar, den 
fallhemmenden Einfluss des Luftdruckes von unten zur Erzeugung von motorischer 
Kraft auszunutzen, sich der Gewichtsarbeit zu entheben, was nur bei Benutzung 
beweglicher Flügel, nicht aber bei Verwendung steifer Drachenflächen möglich ist, 
da bei Drachenfliegern, sowie beim Ruderfluge, immer die volle Gewichtsarbeit zu 
vollbringen ist und kein Jota davon erspart werden kann. 

Mag dem aber wie immer sein, der Flugversuch Langley's hat der Welt den 
definitiven Erweis gebracht, dass dio Nachbildung des freien Fluges wie ihn der 
Adler vollführt, einstens und in nicht zu langer Zeit, ermöglicht werden kann und 


Kleinere Mittheilungen. 191 


dass die Gefahren, welchen sich die Segler aussetzen, nicht so gross sind ale man 
von diesen Versuchen allgemein befürchtete; besonders dann nicht, wenn das 
Segelschiff symmetrisch gebaut ist und dadurch die Möglichkeit, die Stabilität des 
Flugkörpers durch rechtzeitige Verstellung der Segelfläche stets und ohne An- 
wendung besonderer Künste, herzustellen, geschaffen wird. 

Es ist zu gewärtigen, dass der gelungene Versuch Langley’s zu zahlreichen 
Nachahmungen drängt und es liegt sehr nahe, dass diejenigen, welche solche 
Versuche vollführen werden, sich zu der Behauptung hinreissen lassen, nun sei 
das Räthsel ganz gelöst und das Gefundene entspräche allen Anforderungen, welche 
an ein lenkbares Luftschiff vernünftiger Weise überhaupt gestellt werden können. 

Gegen dieses Ueberschäumen der erregten Phantasie ist aber im Interesse 
der Sache schr ernste Einsprache zu erheben, denn bei näherer Betrachtung des 
Aörodroms ergiebt sich, dass dasselbe in seiner gegenwärtigen Gestaltung ein noch 
sehr unvollkommenes Luftschiff ist. 

Der Hauptmangel der demselben vom Hause aus anhaftet, ist der, dass es 
nicht von jeder Stelle der Erde zum Auffluge gebracht werden kann, sondern 
nothwendig von einer erhöhten Stelle abgelassen werden muss, denn nur dadurch 
erreicht es die nothwendige Anfangsgeschwindigkeit ohne Aufwendung einer 
motorischen Kraft. Der Zwang von einer Höhe abfliegen zu müssen, ist eine sehr 
bedeutende Einschränkung der Benutzbarkeit des Schiffes, die um so mehr ins 
Gewicht fällt, weil in Folge dessen auch nur eine Landung aber kein neues Auf- 
fliegen des Schiffes möglich ist. 

Ein gelandetes Segelschiff müsste, um wieder zum Fluge gebracht werden 
zu können, aufgeladen und auf eine zum Abfluge eingerichtete Höhe gebracht 
werden, was nicht unter allen Verhältuissen zu ermöglichen ist und dadurch ist 
der Werth eines solchen Luftschitfes gewiss sehr reducirt. 

Zudem ist die Sicherheit des Verkehrs eines solchen Luftschiffes nicht jene, 
welche einen brauchbaren Verkehrsmittel jederzeit eigen sein soll, denn der 
geringste Fehler der bei der Steuerung des Schiffes begangen würde, könnte zu 
einer vernichtenden Katastrophe führen. 

Der allerwichtigste Einwand, welcher gegen den Langley’schen Vorschlag 
zu erheben ist, bleibt aber wohl der, dass ein solches Schiff nur in dem Falle 
konstruirbar ist, wenn sein Fluggewicht ein kauın erzielbar geringes ist, denn die 
Segeiflächen des Schiffes dürfen, wegen der Gefahren bei der Landung, nicht mit 
mehr als höchstens 1U kg pr. Quadratmeter belastet sein und diese nicht zu besei- 
tigende Nuthwendigkeit führt zu A&roplanflächen von so enormer Ausdehnung, dass 
der Constructeur an der Ausführungs-Möglichkeit derselben verzweifeln müssen 
wird. Ausserdem würden eben so grosse Segelflächen die Gefahren, welchen jedes 
Schiff bei heftigen Winden überhaupt ausgesetzt ist, ins Unendliche vermehren. 

Das Aërodrom wird also, um einstens praktisch brauchbar werden zu können, 
noch sehr viele Verbesserungen erhalten müssen und diese bestehen wohl darin, 
dass es möglich gemacht werden muss, im Schiffe auch die für den Aufflug noth- 
wendige motorische Kraft zu unterbringen, was vielleicht durch die von Lorenz und 
Karos gemachten, in diesem Blatte erwähnten Vorschläge zu ermöglichen sein 
dürfte und ebenso muss daran gedacht werden, die Nothwendigkeit, so übergrosse 
Segelflächen zu verwenden, zu beseitigen, was durch Verminderung des Apparat- 
gewichtes durch theilweise Entlastung desselben wohl auch im Bereiche der 
Möglichkeit gelegen erscheint, 

Jedenfalls ist anzunehmen, dass der praktische Versuch Langley's, welcher 
die in Oesterreich und Deutschland erdachte Segelflugtbeorie (Miller-Hauenfela, 
Fritsch, Lilienthal, Kress etc) nun zu so hoher Bedeutung erhoben hat, nicht 
folgenios verlaufen wird und man in nächster Zeit mit grösserem Eifer bemüht 


ER Kleinere Mittheilungen. 


sein wird, das anzustrebende Ziel nicht blos wie bisher durch fortgesetztes theore- 
tisiren, sondern auch durch praktische Bethätigung zu erreichen. 

Freilich ist hierzu ein energisches Eingreifen der berufenen Faktoren, von 
dem man bisher leider noch nichts wahrgenommen hat, ganz unentbehrlich, denn 
die private Thätigkeit ist weder in Deutschland, noch in Oesterreich so mit Geld. 
mitteln ausgestattet, dass sie in der Lage wäre, die nothwendigen Vorversuche 
im grösseren Maassstabe auszuführen; dies ist um so weniger der Fall, als sich 
bisher noch kein vertrauenswürdiges Forum gefunden hat, welches sich der Mühe 
unterzogen hätte, die vorliegenden theoretischen Arbeiten auf ihren Werth zu 
prüfen, aus denselben das Unbrauchbare auszuscheiden und das Verwendbare auch 
als solches zu bezeichnen. A. Platte. 

Neumarkt in Steyermark, 3. Juli 1896. 

Ueber Dr. Jacob's neue Luftwiderstands-Hypothese und deren Bedeutung für die 
Fiugtheorle. Herr Dr. Jacob hat in mehreren Abhandlungen in d. Z. eine neue Art 
von Luftwiderstand, die auf Fernreaktion der in Vibration gesetzten Luftmasse 
beruhende Energie der Luft, zur Darstellung gebracht und glaubt damit das 
Geheimniss des \ogel- und Insektenfluges gefunden zu haben. Dass die von 
Herrn Dr. Jacob bewegten Luftschwingungen beim Flügelschlage der Vögel und 
Insekten wirklich auftreten müssen, ist wohl nicht zu bezweifeln, desto mehr aber 
muss bezweifelt werden, dass dieselben eine nennenswerthe Energiegrösse repräsen- 
tiren, welche die Tragfähigkeit der Luft, das Schweberäthsel, begründen kötnte. 

Die Schallnatur dieser molekularen Luftvibriationen liegt wohl auf der 
Hand und deren Energie vermag allentalls auf unser Gehörorgan so zu reagiren, 
dass wir sie als Ton, Geräusch wahrnehmen, nicht aber kann von einer Energie- 
Reaktion derartiger Intensität und Grösse die Rede sein, welche einen Körper, sci 
er auch nur von geringem Gewicht in der Luft zu tragen vermöchte. Thatsächlich 
offenbaren sich denn auch die Jacob’schen Vibrationen als das beim Fliegen und 
Schwirren der Vögel und Insekten wahrzunehmende Rauschen, Schnurren oder 
Summen der Flügelschläge. 

Der Schall ist aber keine Energie von solcher Grösse, als dass er mit der 
Schwere in Vergleich gebracht werden, derselben gegenüber in Betracht kommen 
könnte. Es mag vielleicht dieser Jacob’sche Lutft-Fernwiderstand alias Schall- 
reaktion den kleinsten Insekten zu statten kommen, für die Vögel aber, zumal die 
grösseren Flieger, wird man im Ernste dieselbe nicht in Betracht ziehen können. 

Herr Dr. Jacob liefert aber an einer Stelle seines letzten Aufsatzes selbst 
den Beweis für die Haltlosigkeit seiner Hypothese als einer Erkläruag für das Flug- 
geheimniss, indem er ausführt und berechnet, dass der Flügel einer Fliege eine 
sekundliche Beschleunigung der Luftmoleküle von 2500 Metern, derjenige einer Taube 
aber nur eine solche von ca. 90 Meter hervorrufen. Nun müsste es aber doch gerade 
umgekehrt sein, denn das grössere Flugräthsel ist der grössere Vogel! — 

Die Jacob'sche Flugtheorie versagt aber gerade in dem wichtigsten Punkte, 
da, wo das Schweberäthsel anfängt, nämlich bei den grossen Fliegern, mit gemäch- 
lichem Flügelschlage oder gar dem reinen Schwebefluge. Herr Dr. Jacob versucht 
freilich auch hierfür eine Erklärung zu haben, indem die Luftvibrationen durch 
den Stoss der Luft an der eigenthümlich beschaffenen Flugfläche, den gerippten 
Fahnentheilen u. dgl. entstehen sollen, welche Erklärung, aber gewiss nicht ge- 
nügen kann, eine andere, als die auch dabei auftretende Schallwirkung zu erweisen, 

Es dürfte daher in der Jacob’ schen Hypothese nicht ein Beitrag zur Lösung 
des Flugproblenms zu erblicken sein, oder doch nur insofern, als daraus hervorgeht, 
dass die bisherige Flugtheorie für die Lösung des Problems genügt und richtig ist. 


Eugen Kreiss. 


——— ok 


Cf ULLI ` Dr Dë D'Sau E AE a A E 


Zeitschrift für Luftschifahrt und Physik der Almosphäre. 1896. Heft 8/9. 193 


Flugtechnische Studien. 


I. 


Ueber einige flugtechnische Grundfragen; anknüpfend an eine Besprechung 
des Buches: „Die Luftwiderstandsgesetze, der Fall durch die Luft und 
der Vogelflug“ von Herrn Fr. R. v. Loessl!), vorgetragen am 4. Februar 
und 3. März 1896 im Wiener flugtechnischen Verein 
von 
Josef Popper. 


Die nachfolgende Besprechung habe ich auf Ersuchen des Autors obge- 
nannten Werkes und mehrerer hochgeschätzter Mitglieder des Wiener flugtech- 
nischen Vereines unternommen; sie ist weit umfangreicher ausgefallen, als dies 
bei Referaten sonst dur Fall zu sein pflegt, und ich will die Gründe für diese 
Weitläufigkeit anführen. 

Vor Allem verdiente dieses sehr ernste Werk eine eingehende und gründ- 
liche Kritik, da in derselben die meisten Fundamentalfragen der Flugtechnik 
behandelt, oder wenigstens berührt sind, und es war nun wichtig, da sich mir mehr- 
facher Anlass zur Opposition ergab, diese nicht ohne möglichst starke Argumen- 
tation vorzubringen,; ferner ersah ich aus der Lecture neuerer flugtechnischer 
Schriften und aus öffentlichen, wie privaten Discussionen die Zweckmässigkeit, an 
Stelle der von mir bekämpften Entwickelungen, die, nach meiner Meinung, besseren 
mitzutheilen und manche Grundgesichtspunkte eingehender und sozusagen populär 
darzulegen, wodurch dann allerdings die Darstellung einen didactischen, wenn 
man will, doctrinären Anstrich und damit auch eine dem Sachkenner stets etwas 
unangenehme Breite erhielt. 

Ich würde dieserhalb die Leser förmlich um Entschuldigung bitten, wenn 
ich nicht voraussetzen würde, dass diese Zeitschrift nicht blos die Aufgabe 
habe, Neues zu bringen, sondern auch für Verbreitung richtiger flugtechnischer 
Ansichten zu wirken, die übrigens mitunter ebenfalls als etwas Unbekanntes und 
Neues zu betrachten sind; es ist ganz ebenso wichtig, durch Aufklärung für 
Herbeiführung richtiger Auffassungen, Urtheile und Berechnungen seitens der 
Flugtechniker zu wirken, wie durch Experimente unrichtige Annahmen zu wider- 
legen oder neue Thatsachen festzustellen; in beiden Fällen geschieht ein Fort- 
schritt und eine einzige Aufhellung eines Fehlers oder Darstellung einer richtigeren 
Berechnungsweise eines Problems an Stelle einer weniger richtigen genügt oft, 
um das Erscheiuen ungezählter werthloser Abhandlungen oder Projecte zu ver- 
hindern. Natürlich setze ich voraus, dass meine Aufstellungen wieder kritisirt und 
verbessert werden können. 

Ferner erweiterte sich der Rahmen des Referats noch dadurch, dass ich es 
für das bessere Verständniss der obwaltenden Probleme und deren Scehwierig- 
keiten, sowie für Belebung des an sich vielleicht Manchem trocken erscheinenden 
Stoffes für zweckmässig hielt, die Litteratur des je behandelten Gegenstandes in 
grossen Zügen miteinzubeziehen. 


1) Wien, 1896, Alfred Hoelder. 


194 Popper: Flugtechnische Studien. 


Schliesslich habe ich ziemlich viele selbstständige und noch nicht bekannte 
Entwickelungen gegeben, die wohl geeignet sein dürften, für die Lecture dieses 
langathmigen Aufsatzes, zu entschädigen, welche Entwickelungen zugleich als 
Grundlagen für den nächsterscheinenden zweiten Aufsatz der „flugtechnischen 
Studien“ dienen sollen, der hauptsächlich den Vogelflug behandeln wird. 


Das soeben erschienene Werk obigen Titels, eine Frucht jahrelangen 
Fleisses, kann unbedingt den wichtigsten Leistungen in der flugtechnischen 
Litteratur zugezählt werden; viele darin mitgetheilten Daten werden stets 
einen wertvollen Bestandtheil der Kenntnisse der Flugtechniker und Phy- 
siker, resp. der Aerodynamiker, bilden, manche Capitel eine schöne Anregung 
zu weiteren Studien sein, und selbst jene Partieen, gegen die man bleibende 
Einwendungen erheben kann, werden durch die Art ihrer Bearbeitung, durch 
die sichtliche Bemühung, die höchste Klarheit zu erringen und der Wahr- 
heit auf alle mögliche Weise, schrittweise und ohne alle Voreingenomnien- 
heit, näher zu kommen, jedem wissenschaftlich gearteten Leser viel Freude 
bereiten. 

Der besseren Uebersicht wegen (ele ich das Material des ganzen 
Buches in drei Theile folgendermassen ein: | 


Der erste Theil umfasst die sämmtlichen Experimente, auf Grund 
deren Formeln für den Luftwiderstand mannigfach gearteter Flächen auf- 
gestellt werden. 


Der zweite Theil giebt eine theils experimentelle, theils theoretische 
Studie über den vom Autor sogenannten „Lufthügel“. 


Eine dritte Abtheilung hat in der Hauptsache den Zweck, Formeln 
und Tabellen aufzustellen, die dazu dienen sollen, den Vogelflug einer 
mathematisch-physikalischen Analyse zu unterwerfen, daher auch, indirect, 
das Fundament für Auffassung und Berechnungen von Flugmaschinen- 
Projekten abzugeben. 


k 


Zur experimentellen Feststellung der Luftwiderstände verschieden 
geformter und geneigter Flächen benutzte Lössl einerseits ein Rundla uf- 
Apparat, andererseits einen sogenannten Wag-Apparat; bei dem 
ersteren wurden die zu untersuchenden Flächen im Kreise herumgeführt, 
wobei sinkende Gewichte die, treibende kraft abgaben; beim zweiten 
wird durch Indiehöheziehen eines horizontal gestellten Wagebalkens die 
geradlinige Bewegung der betreffenden Flächen hervorgerufen, und sind 
diese Untersuchungen nur vergleichende; hierzu wird an dem einen Wage- 
balkenende eine Ebene als Vergleichsfläche aufgehängt und letztere 
so lange geändert, bis sie beim Autzielen des Wagebalkens durch Null, 
stellung des Zeigers einen genau gleich grossen Widerstand erweist, wie 
die zu prüfende Fläche am anderen Balkenende, sie dient daher als „Aequi- 
valentfläche“, und da deren Widerstand durch die Versuche am Rund- 


Popper: Flugtechnische Studien. 195 


laufapparat zalılenmässig bekannt ist, so ist damit auch jener an der zu 
untersuchenden zahlenmässig bekannt. 

Bei den Versuchen mit dem Rundlaufapparat hat nun Loessl alle 
hierbei nöthigen Vorsichten gebraucht, namentlich den Zweifeln wegen 
des sogenannten „Mitwindes“ die Kraft benommeu, indem er stets alle 
Verhältnisse, nämlich; Flächengrösse, Armlänge der Rotation, Geschwindig- 
keit derselben und Grösse des Versuchraumes, so wählte, dass sich durch 
Kerzentlainmen stets constatiren liess, dass jede der rotirenden Flächen 
vor sich eine bereits ruhig gewordeue Luft antraf, d. h. dass die von der 
früheren Stosswirkung der unmittelbar vorangehenden Fläche aufgewirbelte 
Luft sich bereits beruhigt habe und zu keiner Schwächung des ‚Wider- 
standes Anlass biethen konnte. Bezüglich der Bestimmung des Druck- 
mittelpunktes sei erwähnt, dass Loessl dessen Entfernung von der 


3 
A3 3 : , 
Rotationsachse ...x = yE SS setzt, wo K undr die Abstände der beiden 
2 


begrenzenden Karten der rechteckig gedachten Flächen vom Rotations- 
Centrum bedeuten; ich glaube, dass diese Formel nicht die hier passende und 
auch deren experimentelle Begründung bei Loessl nicht beweiskräftig sei, 
4 A 

dass vielmehr x = ?/4. e gesetzt werden müsse; denn letztere de- 
finirt den Druckmittelpunkt als jenen, dessen Geschwindigkeit, multiplizirt 
mit dem Totaldruck, ein gleiches Arbeitsproduct gibt wie das Integral aller 
Elementararbeiten der einzelnen Flächenstreifen, resp. wie die factisch ge- 
messene Arbeitsgrösse der sinkenden Gewichte, und dieser Gesichtspunkt 
sollte wohl der massgebende sein, nicht aber der, dass durch den Druckmittel- 
punkt „die Gesammtsumme des Druckes in zwei gleiche Hälften“ getheilt 
werden müsse. 


Dem Autor waren diese Bedenken sehr wohl bekannt, und er hat 
sich über diesen Punkt bereits in einer im Jahre 1881 erschienenen Publi- 
kation eingehend geäussert; ich bin zwar durch sie nicht von der Unrichtig- 
keit meiner obigen Bemerkungen überzeugt worden, aber v. Loess} benahm 
diesem controversen Punkte alle praktische Bedeutung durch die Bemer- 
kung, dass der Unterschied der Resultate bei allen von ihm untersuchten 
Flächen höchstens GH, betrage, wobei man sich angesichts der anderen 
nothwendigen Ungenauigkeiten solcher Versuche vom praktischen Stand- 
punkte aus sehr wohl beruhigen kann. 


Mit Hülfe der beiden genannten Messapparate wurden nun die Grund- 
bezieliungen zwischen Luftwiderstand und den verschiedenartigsten Flächen 
festgestellt; hierbei wurden die feineren Untersuchungen mittelst des 
Wagapparates, also nach der Aequivalenzmethode, vorgenommen, so 
namentlich jene an den ebenen Flächen, die unter sehr kleinen Nei- 
gungswinkeln gegen ihre Bewegungsrichtung eingestellt waren, um die 


196 Popper: Flugtechnische Studien. 


wichtige Frage zu entscheiden, ob bei schiefem Luftstoss die erste oder 
die zweite Potenz des sinus dieses Winkels massgebend sei, bekanntlich 
eine der Lebensfragen für die Möglichkeit von Flugmaschinen; desgleichen 
wurden mittelst des Wagapparates die Widerstände schwach gebogener 
Flächen, von Cylindern, Kugeln, Kegeln, Gittern, u. s. w. gemessen. 


Die geistreiche Methode, mit Aequivalentflächen zu arbeiten, dem 
Prinzipe nach, unserer gewöhnlichen Wage entnommen, hat namentlich für 
Luftwiderstandsmessungen einen bedeutenden Werth wegen der Raschheit 
und Bequemlichkeit, Resultate zu erhalten; einer der ersten, der so verfulır, 
war meines Wissens Wenham, der den Luftwiderstand verschieden zuge- 
spitzter Kegel, die an einem Wagebalken, mit einer ebenen Kreisfläche, 
ihrer Basis nämlich, die am anderen Wagebalkenende befestigt waren, ver- 
glich, (siehe die „Aerial Locomotion, from the Transactions of the aeronau- 
tical society of Great Britain“ 1866, oder; „"’Aeronaute“ 1876 S. 220 in 
französischer Uebersetzung) indem er das ganze System dem Winde 
aussetzte. Ein ähnlicher Vorschlag stammt von Dr. Magis; (siehe Reper- 
torium für Meteorologie, Petersburger Akad. Theil 5, 1877). Die zu prü- 
fende Fläche, z. B. die concav exponirte Halbkugel eines Robinson’schen 
Anemometers wird an das eine Hebelende, eine volle Kugel an das andere 
fixirt und die Drehachse mit einer Windfalme versehen, also ebenfalls 
Alles im Winde gemessen. Loessl operirte innerhalb eines Thurmes, er 
hatte also zwar eine schwierigere Anordnung und Beobachtungsmethode, 
da der Wagapparat nicht am Platze blieb, sondern gehoben werden musste, 
besass aber dafür den Vortheil einer grösseren Genauigkeit und Sicherheit 
den duch immer ungleichmässigen Windwirkungen gegenüber, indem er sich 
die Luftströmung in genau verticaler Richtung durch Bewegung des Systems 
künstlich verschaffte. 


Besonders hervorheben wollen wir aber zwei, classisch zu nennende 
Experimente; das eine bezweckt, direct und mit einem Schlage das Gesetz 
des „sinus in der ersten Potenz“ nachzuweisen, und es bestand darin, (S. 135 
des Buches) einen um seine horizontale Mittelachse drelibaren Ralımen 
gegen die Luft zu bewegen, in welchem eine ebene Fläche in seiner eigenen 
Ebene und eine zweite ganz gleiche unter einem beliebigen Winkei H 
gegen die Rahmenebene Dout wurde Es stellte sich nun stets der 
Rahmen während der Bewegung so ein, resp. drehte sich in eine solche 
Neigung (90 — DI gegen die Bewegungsrichtung. dass die zweitbe- 
schriebene Fläche vertical zu stehen kam; eine einfache geometrische Be- 
trachtung zeigt sofort, dass das nur unter Voraussetzung der einfachen 
Sinus-Potenz in der Widerstandsformel möglich sei. 


Unter den früheren Experimentatoren, die dasselbe Gesetz feststellten, 
sind zu nennen: Vince (1796) für Wasser, Thibault (1856), Penaud im An- 
fange der 70er Jahre, besonders Goupil (in „La locomotion aérienne“, 1884 


Popper: Flugtechnische Studien. 197 


S. 23) für Luft; ich glaube aber, wir seien erst durch das eben erwähnte 
geistreiche Experiment Loessl e im festen Besitz dieses wichtigen Gesetzes. 

Ein anderes, sehr sinnreiches und sehr beweiskräftiges Experiment 
diente v. Loessl dazu, zu zeigen, wie die Druckvertheilung auf ebenen 
Flächen stattfinde; er verwendete (S. 52) hierfür eine ebene Doppelfliche, 
die eine war eine centrale volle IXreisscheibe, die andere mit ihr in einer 
Ebene und sehr nahe gelegene, concentrische Ringfläche von genau 
gleichem Flächeninhalt und genau gleichem Gewicht; diese zwei Flächen 
waren an Seidenfälen so aufgehängt, dass die eine nicht sinken konnte, 
ohne dass die andere um ebenso viel stieg. 

Es zeigte sich nun beim Emporziehen dieses Systems, also bei entste- 
hendem Luftwiderstand, dass beide Flächen stetsineiner und 
derselben Ebene blieben, dass also keine ein Uebergewicht des 
Luftdruckes aufwies, also dass der Luftdruck sieh auf dieinnere 
und äussere Fläche gleich vertheilte. Hieraus resultirte der 
allgemeine Satz, dass der Luftdruck auf einer ebenen Fläche, deren Figur 
symmetrisch ist, und die normal gegen die Luft bewegt wird, sich gleich- 
mässig auf derselben vertheilt, und dies ist ein sehr wichtiges Resultat, 
das allerdings mit den bisher meist vertretenen Ansichten, ja sogar mit 
gewissen Experimenten Anderer, in Widerspruch steht. Es hat nämlich 
u. A. Recknagel und auch Marey mittelst manometrischer Methoden eine 
ungleichmässige Luftdruckvertheilung constatirt und zwar nahe an 
den Rändern eine schwächere als gegen die Mitte zu. (Es hat auch der 
verstorbene William Siemens analoge Experimente in grossem Masstabe 
angestellt, sie, meines Wissens, jedoch nicht publicirt.) Obwohl von der 
Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit der Arbeiten Recknagels und Marey’s 
vollkommen überzeugt, glaube ich doch, dass die Fehlerquellen bei mano- 
metrischen Methoden gegenüber jenen bei der direeten Meihode Loessl’s 
so bedeutende sein dürften, (man sehe hierüber Marey’s Bemerkungen in 
seinem Werke: Le vol des oiseaux) dass man das Loessl’sche Resultat 
wenigstens für sein specielles Versuchobject, als massgebend ansehen kann. 

Ein obigem analoges und der Ansicht mehrerer anderer Autoren wider- 
sprechendes Versuchsergelmiss v. Loessl’s ist die Flächenproportiona- 
lität des Luftdruckes, d. h. die Thatsache, dass der specifische Luftdruck 
bei kleinen wie bei grossen Flächen, unter sonst gleichen Umständen, 
identisch sei. 

Dies ist nun wieder ein eigenthümlicher Punkt. 

Borda, Hutton und auch Thibault fanden aus ihren Versuchen, dass 
der specifische Widerstand mit der absoluten Flächengrösse zunahm 
(Poncelet, Mec. ind. 616 und 617), während in neuster Zeit der Meteorologe 
Dines, und gewiss mit feineren Mitteln der Beobachtung als die drei Genannten, 
fand, dass das Umgekehrte der Fall sei; ihm zeigten z. B. kleine Anemo- 
meter stets einen grösseren Winddruck an als grosse, wie ich dem Artikel 


198 Popper: Flugtechnische Studien. 


Fergusson’s über Anemometrie (in den Proceedings of the _internal conference 
on aerial navigation held in Chicaga 1894) entnehme und Versuche, die 
Baker an der Forth Brücke über den jeweiligen Winddruck anstellte, sollen 
ebenfalls zur Evidenz ergeben haben, dass der specifische Luftdruck auf 
grosse Flächen bedeutend kleiner sei als auf kleinere; das abweichende 
Resultat bei Loessl, dürfte daher auf die relative Kleinheit seiner Versuchs” 
flächen zurückzuführen sein, wie auch Graf v. Zeppelin in Heft 7 dieses 
dieses Jahrganges der Zeitschrift meint. Inder Flugtechnik aber 
kommtes, wie bekannt vornehmlich auf grosse Flächen 
an und die logisch sehr berechtigte Frage Loessl’s: wie man in der Atmos- 
phäre grosse von kleinen Flächen unterscheiden könne, kann man nur 
durch den Hinweis auf die, vielleicht noch nicht genügend aufgeklärten, 
nackten Thatsachen erledigen; eine sehr scharfe Kritik deran- 
gewandten Messmethoden wär hier eigens angebracht. Es könnte 
dann immerhin sein, dass Loessl Recht behält; ich verweise hinüber auf eine 
Stelle in Poncelet’s Mec. ind. S. 616 und 617 über Messungen an ähnlich 
zum Rotations-Centrum liegenden Flächen, die Thibault benutzte und die 
Poncelet die „homologe“ Anordnung nannte. 

Ein Einfluss von Unebenheiten und Vertiefungen grös- 
serer Art wurde von Loessi auf experimentellen Wege als nicht 
vorhanden nachgewiesen, so lange der von Loessl sogenannte „Lufthügel‘, 
über den ich weiter unten berichten werde, nicht durch diese Unebenheiten 
seiner Gestaltung alterirt. wird. 

Bezüglich des Einflusses der Saugwirkung, resp. des partiellen 
Vacuums auf der Rückseite der bewegten Flächen, fand der Autor, dass 
bei solchen Körpern, welche die Dicke eines Würfels nicht überschreiten 
und genau in der Bewegungsrichtung liegende Seitenwände haben, von 
diesem genannten Einflusse, sowie auch von jenem der Luftreibung, 
abgesehen werden könne; wenn aber die Seitenflächen nach rückwärts con- 
vergiren, äussert sich das Zurückfliessen der comprimirten Luft nach rück- 
wärts als Verminderung des Luftwiderstandes, also auch der Fortbewegungs- 
arbeit. Merkwürdig ist es immerhin, dass, abgesehen von den über ein 
Jahrhundert alten entgegenstehenden Theorien und auch Versuchser- 
gebnissen, andere höchst präcise arbeitende Experimentatoren eine deutliche 
Saugwirkung, also negativen Druck, an der Hinterfläche vorgefunden haben 
(so z. B. neuestens Marey in „Le vol des oiseaux“ S. 211). 

Sehr wichtig und nicht ganz aufgeklärt, ist die durch Experimente, 
constatirte Angabe v. Loessl's, dass die „Figur uud Plastik“ der 
Stossfläche einen Einfluss auf die Grösse des Luftwiderstandes zeige, und 
zwar derart, dass bei wirklichebenen Flächen ein Minimum 
des Widerstandes vorhanden sei, bei solchen Flächen aber, die ent- 
weder concav oder mit erhöhter Umränderung, resp. Erhöhung, umgeben 
sind, ein grösserer Widerstand vorhanden sein, und zwar jener, der in den 





Popper: Flugtechnische Studien. 199 


allgemeinen Formeln Loessl’s zum Ausdruck kommt; auf dieses Detail ist 
daher bei Benutzung dieser Formeln zu achten. Die durchaus ebene 
Kreisfläche besitzt, den Versuchen zufolge, unter allen Flächen den 
kleinsten Widerstand, das ebene Quadrat etwas mehr, ein sehr 
langgestrecktex Rechteck nähert sich in seinem Verhalten schon sehr den 
concaven oder umränderten Flächen; wenn letztere den Widerstand 1 be- 
sitzen, so erleiden die ebenen Kreisflächen nur 0,83 u. s. w. (Siehe S. 81). 
Die Resultate Loessl’s stimmen mit Experimenten Anderer überein, so mit 
jenen von Thibault, der Quadrate mit schmalen Rechtecken gleicher 
Fläche verglich (Poncelet Mec. ind. S. 618) und mit den neuen von Dines, 
dessen diesbezügliche Tabelle man nebst seiner Originalabhandlung auch 
Fergusson’s ,Anemometry“ entnehmen kann ; höchst wahrscheinlich hängt 
hier Alles von der Art des Luftabflusses längs des Umfanges ab. 

Wenn aber Loessl die grösseren Drucke bei umränderten Flächen 
fand, wie es auch andere fanden, so scheint diese Thatsache bei näherer 
Ueberlegung denn doch zu beweisen, dass der Druck am Umfange der 
Flächen geringer sei als näher der Mitte zu, wie dies namentlich Recknagel 


angiebt. 
Hierbei drängt sich mir die Frage auf, ob nicht die von Loessl citirte 
Formel Weisbach’s ... P = Gi 1,86 (S. 67), welche für die ebene Kreis- 


fläche mit Loessl’s Experimenten stimmt, vielleicht doch mehr Berechtiguug 
besitze, namentlich bezüglich der Form ihres Banues, als er 
glaubt; denn Loessl setzt Concavität oder Umrandung der Fläche voraus, 
2 

setzt keinen Erfahrungs-Coefficienten in die Formel... P = éi und 
multiplizirt aus später zu erwälinenden Gründen diese Formel mit 2; da 
die physikalische Begründung dieser Multiplication mir nicht einleuchtet, 
so scheint Weisbach’s Formel mir ebenso berechtigt, wie jene Loessl’s. An- 
dererseits findet z. B. neuestens Samuelson (diese Zeitschr. Heft 11 d J. 
1895) für normal stossende Flüssigkeiten genau die Formel wie Loessl. 
wobei er aber von Ansichten, namentlich über die Funktion der Hinter- 
fläche ausgeht, die jenen Loessl’s diametral gegenüber stehen. 

Sehr anerkennenswert ist es, dass v. Loessl bezüglich der Grösse 
der beiden Druckcomponenten auf die bewegten Flächen zahlreiche 
spezielle Versuche machte und sich nicht damit begnügte, blos die Richtung 
des Totaldruckes und nur eine der beiden Componenten desselben zu messen: 
erst durch directe Bestimmung, resp. Messung, jeder einzelnen dieser 
Grössen kam volle Sicherheit in diese Sache. I 

Nachstehend geben wir die Hauptresultate, resp. die wichtigsten Luft- 
widerstandsformeln, der Lössl’schen Experimente: 

Eine Concave oder umränderte ebene Fläche oder 
ein sehr langgestreckter ebener Streifen F, unter einem 


200 Popper: Flugtechnische Studien. 


E a vom Luftstrom mit der Geschwindigkeit v getroffen, erleidet einen 


Normaldruck N =! 





Fo, , 
_ sin a (kg), wo y das specifische Gewicht der Luft 


und g die Schwerebeschleunigung ist; der direkte Druck (in der Be- 





; k e «Fi: `, D AT 
wegungsrichtung) ist K = S sin” a, der darauf senkrechte D = 


H LU D 1 Fv? x e 
sin a cos a; die aufzuwendende Arbeit A = + j sin” a (sec. m. kg). 
S l 


Direkter Druck auf einen Keil mit zwei schiefen und zwei 
parallelen Seiten, mit einer Basisfläche f und halbem Keilwinkel « . . . ist 


A 
K = u — sin a, bei stumpfen Winkeln etwas weniger. 


as Druck auf eine dreiseitige Pyramide mit 
Basis f und Böschungswinkel « ist K = 0,90. A7 sın a. (Unter Böschungs- 


winkel ist hier immer die Neigung der Seitenflächen der Pyramiden (oder 
der Mantellinie beim Kegel) gegen die Normale auf deren Basis verstanden.) 


Direkter Druck auf eine vierseitige Pyramide mit 
Basis f und Böschungswinkel a ist X = 0,86. u S sin a, 

Direkter Druck auf einen Kreiskegel mit Basis f, Ra- 
dius r und Böschungswinkel a ist K= 0,83. HUT sin «. Unter Böschungs- 


winkel ist hier immer die Neigung der Seitenflächen der Pyramiden (oder 
der Mantellinie beim Kegel) gegen die Normale auf deren Basis verstanden. 

Direkter Druck auf einen normal entgegenstehenden Halb- 
cylinder mit einer Länge l, Radius » und Basisfläche f = 22... ist 


2 Ce 

K= ar gi 
Direkter Druck auf eine normal entgegengestellte Halb- 
Gei ge , 1 SEH, 28 
kugelfläche, Convexität voraus, vom Radius 7, ist K = SC Ee E 


:-Coneavität voraus, wie eine ebene Fläche des grössten 
Kreises. 
Direkter Druck auf einen gegen die Bewegung rechtwinklig 
S , , if 
gestellten Kugelabschnitt mit Basis f ist zwischen ine und 


Ltr 
3° g 

Bei allen diesen Flächen ist die Rückseite als eben und rechtwinklig 
gestellt vorausgesetzt; bei concav vertieften Rückseiten trifft eine schwache 


Mehrung, bei conisch erhabenen eine schwache Abminderung ein. (S. 281.) 





Popper: Flugtechnische Studien. 201 


Von diesen Ausdrücken macht Lössl Gebrauch in der von uns sogen. 
dritten Abtheilung seines Werkes, in der der Vogelflug behandelt wird; 
eine Reihe weiterer Experimente über Stirnwiderstand schwach gebogener 
dünner Flächen, parallel gestellter Flächen, von Gittern und Sieben, von 
Luftschrauben u. s. w. wird in Aussicht gestellt und es kann nur der leb- 
hafteste Wunsch ausgesprochen werden, die Resultate baldigst publieirt zu 
sehen, namentlich jene, die sich auf die gewölbten Flächen beziehen. 
auf deren Wichtigkeit namentlich Lilienthal aufmerksam machte. Die 
einzige Bemerkung, die sich über gewölbte Flächen in dem Buche 
Lössl’s findet, spricht das Resultat seiner diesbezüglichen Versuche dahin 
aus, dass schwache Biegungen dünner Flächen zwar keinen entscheidenden 
Einflass auf den Arbeitsbedarf für den Schwebeflug besitzen, jedoch 
mässigend auf die benöthigte Geschwindigkeit der Vorwärts- 
bewegung, sowie auf die Winkelstellung der Flächensehne wirken. 
Auch das allein wäre ein praktischer Vorzug der gewölbten Flächen. 


Wir wollen nunmehr den heutigen Stand der Frage nach 
den Luftwiderstands-Verhältnissen beleuchten. 

Angenommen eine gleichmässige relative Bewegung zwischen 
ebenen Flächen und Luft — so ist vorerst die Richtung und dann die 
Grösse des Luftdrucks zu präcisiren. 

Die Richtung ist zufolge aller Experimente, jene Lilienthals aus- 
genommen, stets normal auf die Ebene gerichtet; ich entscheide mich 
gegen die Lilientlal’schen Angaben („der Vogelflug“ S. 63 u. s. f.), weil 
alle anderen Versuchsergebnisse den seinigen widersprechen, weil ferner 
Lössl durch sehr sorgfältige Bestimmungen der beiden Componenten des 
Gesammtdruckes die normale Richtung zur Evidenz brachte und weil endlich 
die theoretische Erwägung ebenfalls dahin führt, nur eine normale Richtung 
gelten zu lassen, da die tangentiale Wirkung der Luftreibung vielfach als 
verschwindend klein empirisch nachgewiesen wurde. Ich weise überdies 
auf eine geistreiche Arbeit von Jarolimek hin, („Ueber das Problem 
dynamischer Flugmaschinen“ in der Z. des Oester. Ing. u. Arch. Vereins, 
1893), in der er ebenfalls die Unwahrscheinlichkeit der Lilienthal’schen 
Angaben, wenigstens für hohe Geschwindigkeiten, darlegt. 

Die Grösse des normalen Luftdrucks für senkrechten Luft- 
stoss, mit Den bezeichnet, kann bei Berücksichtigung aller bisherigen 
Messungsresultate, für nicht gar zu kleine Flächengrössen A und den für 
die flugtechnischen Betrachtungen geltenden Geschwindigkeiten v, die 
mindestens einige Meter bis circa 30 m betragen, dargestellt wurden durch 
die Formel Poo = £. F. v. 

Den Coefficienten =, in dem die Dichte der Luft enthalten ist, wurde 
aielfach experimentell zu ermitteln gesucht und zwar immer mittels 


202 Popper: Flugtechnische Studien. 


Rundlaufapparaten, einen neueren Versuch von Cailletet und 
Colardeau ausgenommen, bei dem die Bewegung eine geradlinige war. 

Nehmen wir die Lufttemperatur während der Vornahme der Messungen 
zu circa 15°C. und den normalen Barometerstand an, so existiren bis heute 


folgende Zahlenangaben für = ...: 


Zufolge theoretischer Formbildung fand Lord Rayleigh 0,055; 
zufolge Messungen an Rundlaufapparaten fanden Morin, Piobert und 
Didion 0,082; Smeaton 0,122: Hagen (von Reibung aın Umfang der Fläche 
abgesehen) 0,071; Recknagel 0,07; Marey 0,125 bis 0.13, Goupil wie Lössl 
0,125: Renard 0.085; TLangley 0,08: zufolge geradliniger Bewegungs- 
vorgänge fanden Cailletet und Colardeau = == 0,071. Ich bemerke hierbei, 
dass die von mir citirten Daten über Goupils Aıbeiten entnommen sind 
seinem schönen Buche: „La locomotion aérienne“ (1884), und dass 
die Versuchsergebnisse von Cailletet, die sehr wichtig sind und merkwürdiger 
Weise fast gar nicht genannt werden, in den Comp. rend. der Pariser 
Akademie vom J. 1892 enthalten sind. 

Der Coefficient schwankt also zwischen 0,07 und 0,125; die Ver- 
trauenswürdigkeit der verschiedenen Angaben ist wohl gleich; selbst die 
Versuche Langley’s, die im freien, resp. in nicht genügend vor Wind 
geschütztem Raume vorgenommen wurden, differiren von anderen, z. B. 
Didion, in geschlossenem Raume vorgenommenen, beinahe gar nicht; die 
Experimente Cailletet’s wurden am Eiffelthurm und zwar nur an windstillen 
Tagen vorgenommen. 

Andererseits ist nicht zu übersehen, dass die Ergebnisse bei Rundlauf- 
apparaten grössere sein müssen als bei geradlinigen Bewegungen, denn 
vermöge der Centrifugalkraft hat die Luft längs der Ebene eine tangentiale 
Bewegung, derzufolge genau so wie bei den Vorgang der sogenannten 


Sinkverminderung — worüber im Abschnitt III eingehender ge- 
sprochen wird — ein vergrösserter Normaldruck entstehen muss; wir müssen 


daher den Coefticienten = je nach Art. der Bewegung verschieden fixiren, und 
die Entscheidung wäre leicht, wenn nicht. mehrere Werthe von S bei Rund- 
laufapparaten genan so gross wie jener von Cailletet für geradlinige Be- 
wegung gefunden worden wären, was natürlich hauptsächlich in dem fatalen 
Umstande seine Begründung hat, dass eben beinahe jeder Experimentator 
an principiell gleichen Vorrichtungen und trotz grösster Vorsicht bei den 
Messungen verschiedene Resultate fand. l 

Auf die Vergrösserung der Widerstände bei Rundlaufapparaten in 
Folge der Centrifugalkraft hat schon Duchemin aufmerksam gemacht und 
Poncelet besprach diesen Punkt zustimmend (Mec. ind. S. 601 und 623); 
natürlich sehen wir hierbei immer vom Mitwind ab oder setzen seine Be- 
rücksichtigung voraus. Wir wollen aber, um Alles ins helle Licht zu 
setzen, anderseits nicht. unterlassen, zu erwähnen, dass nach Recknagel's An- 
gabe („Ueber Luftwiderstand“ in der Zeitschr. d. V. Deutscher 


Popper: Flugtechnische Studien. 203 


Ingenieure, 1886) die radialen Luftströmungen sehr complicirter Natur sind; 
anf der Vorderseite der Flächen fand er sie centripetal, auf der Rück- 
seite centrifugal und centripetal hin- und hergehend! 


Da aber die Angaben von Smeaton, Marey, Goupil und Liössl beinahe 
identisch sind und da meines Wissens auch die Meteorologen (namentlich 
Englands und Amerika’s) zufolge ihrer eigenen Rundlauf- Messungen sich an 
Smeaton’s Coefficienten anschliessen. und da ferner die kleinen 2 von Reck- 
nagel sich auf kreisförmige und jene von Hagen — wie ich glaube — auf 
quadratische Platten beziehen, welche beide Formen, nach Lössl’s Versuchen, 
den kleinsten Widerstand aufweisen, so kann man wohl die Grösse des 
Luftwiderstands für senkrechten Luftstoss an ebenen Flächen bei gleich- 
mässiger Geschwindigkeit so ausdrücken: für bogen- resp. kreisförmige 
Bewegung Pau) = 0,125. F.t, und für geradlinige Bewegung 
P = 0,072. F.v?; will man die Dichte der Luft y in die Formel hinein- 
bringen, so hat man dann allgemeiner: (resp.) Ben = 0,1. y Fer? und 
Pan = 0,06.1 F. vè. 


Was die schiefe und gleichmässige Bewegungsrichtung der Luft gegen 
ebene Flächen betrifft, so wurden sämmtliche bisherigen Versuche an Rund- 
laufapparaten und von Lössl überdies nach dem Aquivalenzprincip auch 
geradlinig durchgeführt. 


Bezeichnen wir den normalen Luftdruck durch Ps) und vergleichen 


ihn mit Pen, so sind die bisherigen Angaben für Ze = n folgende: 
(90) 


Zufolge theoretischer Formelbildung giebt Rayleigh (siehe: On the 
resistance of fluids, Philos. Mag. 1876 und die Abhandlung von 
Gerlach: „Einige Bemerkungen über den Widerstand u. s. w.“ im 
ie ee (1-+-r)sina 
Civilingenieur XXXI. Bd.) 7 = BEER 
(siehe Revue de l'Aéironautique 1890) n = ` ee auf Grund 

Isina 
1+ sina 
Goupil zufolge ihrer Messungen 7,=sin a; Langley’s Messungsresultate stimmen 
sehr nahe mit Duchemin’s Formel; Renard giebt zufolge seiner Studien 
der Beobachtungen von Vince, Hutton und Thibault...„=asına 
— (a—1)sin?a, wo a nahe = 2 ist (siehe Séances de la Société française 
de Physique, 1889, S. 19), so dass seine Angabe bei kleinen a mit 
Duchemin’s Formel nahe zusammentrifft. 





und ` Louvre 


der Experimente von Thibault gab Duchemin n = , Lössl und 


Die nachstehende kleine Tafel giebt nun eine Uebersicht über die 
Zahlenwerthe von r für verschiedene « bis zu 30°, wobei ich die Zahlen 
von Hutton und Thibault der Mécanique Industrielle von Poncelet entnelme:; 


204 Popper: Flugtechnische Studien. 


Hutton Thibault Duchemin Louvrie Lössl Rayleigh Langley 


a = 5° . . . 0,270 — 0,174 0,167 0,087 0,146 0,15 
= 10°. . . 0,264 0,328 0,387 0,319 0,174 0,273 0,30 
= 15°. . . 0,351 0,42 0,486 0,457 0,259 0,384 0,46 
= 80°. . . 0,750 0,764 0,800 0,789 0,500 0,641 0.78 
Wie man sieht, schwankt y so ziemlich zwischen dem Ausdruck sin a 
2 sın a 


und Te soll eine Ansicht über dessen wahrscheinlichen Werth 


ausgesprochen werden. so glaube ich, dass das oben erwähnte „elassisch“ 
genannte Experiment Lössl's mit dem schief gestellten drehbaren Rahmen, 
in dem zwei Flächen unter verschiedenen Winkeln eingespannt sind, für 
den Ausdruck sma mit voller Sicherheit entscheidet 
und wir haben daher ganz allgemein Pa) = Daa, sin«a, resp. für kreis- 
förmige Bewegung von kleinem Halbmesser . . Pa = 0,1xFı?sina und 
für geradlinige Bewegung . . Pa = 0.06. Fr?sina zu nehmen. — 

Diese Darstellung resp. Unterscheidung der Coeffieienten je nach Art 
der Bewegung, dürfte wohl rationell und wohl begründet, also in 
aerodynamischer Hinsicht exact sein; in flugtechnischer 
Beziehung jedoch ist es meiner Ansicht nach ganz irrelevant, ob man mit 
0,07 oder mit 0,125 rechnet; denn für Berechnung von Projecten, wo man 
doch die Sachen nicht auf die Schneide stellen, sondern umgekehrt Sicherheits- 
coefficienten einführen wird, werden diese letzteren den Unterschied zwischen 
0,07 und 0,125 weitaus übertreffen, oder man wird doch mindestens eine 
Mittelzahl zwischen 0,07 und 0,125 anwenden, und wegen der höchst 
wahrscheinlichen Abnahme des speeifischen Druckes mit der absoluten 
Flächengrösse, die ungünstigere Zahl; ganz abgesehen davon, dass man 
wahrscheinlich nicht mit ebenen Flächen, sondern mit den, wohl günstigeren, 
gekrümmten Flächen in die Rechnung eingehen wird. Und bei allgemeinen 
theoretischen und bei praktischen, jedoch bloss vergleichenden Untersuchungen 
kommt es auf die Genauigkeit in der absoluten Grösse der Coeffieienten 
überhaupt gar nicht an. 

Ich werde daher in den folgenden Betrachtungen direkt die Formel 


mit 0,125 in der Ausdrucksweise Lössl's . . Pa) = ` = sin a benutzen. 


Was die Widerstände verschieden geformter Flächen, 
wie von Keilen, Cylindern und Kugeln betrifft, so scheint mir die Mess- 
methode Lössl’s mittelst seines Wagapparates die weitaus genaueste unter 
allen bisherigen zu sein und wir müssen wohl seine, oben mitgetheilten, 
Coefficienten allen anderen, von ihnen verschiedenen Angaben gegenüber, 
vorziehen. 


Was den Angriffspunkt des Normaldrucks der Luft bei schief- 
bewegten Flächen betrifft, so liegen jetzt noch viel zu wenig Messungen 
vor, um auf Grund derselben eine halbwegs sichere Regel oder Formel 


Popper: Flugtechnische Studien. 205 


aufzustellen. Dieses — zuerst von Avanzini behandelte — Problem des 
Vorrückens des Druckeentrums gegen die Vorderkante einer schräg bewegten 
Fläche wurde in neuerer Zeit bezüglich der Luft nur von Kummer, Dines 
und Langley in geringem Maasse experimentell behandelt; die Lösung 
dieses Problems hat speciell für die Flugtechnik übrigens nicht die grosse Be- 
deutung, wie jene beiden obigen der Richtung und Grösse des Normaldruckes. 

Von grosser Tragweite ist jedoch die Lösung der Aufgabe: Den 
Einfluss zu bestimmen, den die relative Lage der. 
Contour einer schräg bewegten Fläche gegen die 
Beweeungsriehtung auf die Grösse des Normal- 
drucks ausübt; es begreift dies die jetzt immer häufiger behandelte 
Aufgabe in sich, den Vortheil grosser Spannweiten schmal-rechteckiger 
Flügel- oder Drachenflächen zu präcisiren. Auch auf diesem Gebiete liegt 
noch sehr geringes Beobachtungsinaterial vor, aus früherer Zeit von 
Thibault (Poncelet Mec. ind. S. 618), in neuerer namentlich von Kummer 
(Beriiner Akademie-Abh. 1875 und 1876) und Langley (Experiments in 
Aerodynamics, 1891); es ist aber keinem Zweifel mehr unterworfen, dass 
wenigstens bei kleinen Neigungswinkeln der Normaldruck nicht unbe- 
ddeutend grösser ist, wenn ein schmaler Rechteckstreifen mit seiner langen 
Seite quer zur Bewegungsrichtung steht, als wenn diese Längsseite in der 
Bewegungsrichtung liegt. Im Abschnitt III. dieses Aufsatzes wird mehr 
über diesen Punkt gesprochen, der noch seiner Erledigung hart, trotzdem 
er für die Flugtechnik von grösster Bedeutung und für die Aerodynamik 
selbst so einflussreich ist, dass z. B. Renard die Unterschiede in den For- 
meln für den schrägen Luftstoss, wonach einige sin? a, andere aber sin! a 
für den obigen Coefticienten 7, aufstellten, einzig und allein auf den Unter- 
schied in der Stellung der Contouren der Versuchsflächen zu der Bewegungs- 
richtung zurückführen will. 

Ebenfalls sehr geringfügig sind die bisherigen Beobachtungsmaterialien, 
betreffend die Verhältnisse bei sogen. Etagen-Propellern und 
Etagen-Flächen, wobei es sich darum handelt, die Stärke des ge- 
sammten Normaldruckes zu bestimmen, wenn gleiche Flächen übereinander 
gestellt und von der Luft schief getroffen werden; das Wichtigste hierin ver- 
danken wir Langley (siehe seine Experiments in Aerodynamics), jedoch wäre 
die Fortführung dieser. Versuche, namentlich mit Etagenpropellern, in 
gırösserem Maassstabe sehr lehrreich und flugtechnisch nützlich.? 

Alles Bisherige bezog sich auf gleichmässige Bewegung der 
ebenen Flächen gegen die Luft; aber es darf nicht vergessen werden, auch 
die ungleichmässige, pulsirende Bewegung in Beziehung auf die Grösse 
des entstehenden Jsuftdruckes einer experimentalen Untersuchung zu unter- 
werfen. Lilienthal giebt in seinem schönen Werke: „Ueber den Vogel- 
flug“ an, dass er in solchen Fällen, resp. bei hin- und hergehenden Flügel- 
schlägen, eine 9 bis 25fache Vergrösserung des Luftdrucks von 


206 Popper: Flugtechnische Studien, 


jenem bei gleichmässiger Bewegung beobachtete; selbst wenn sich 
diese „Vergrösserung des Luftwiderstandes durch Schlagbewegungen“ bei 
weiter fortgesetzten genaueren Messungen nicht so bedeutend wie nach 
Lilienthal’s Angaben herausstellen würde, so könnte der Gewinn an Druck 
doch immerhin für die flugtechnischen Constructionen von einiger Bedeutung 
sein. Allerdings lehrt eine nähere Ueberlegung im Vorhinein, dass, wie es 
auch Lilienthal ausspricht, bei gleichzeitiger Vorwärtsbewegung der Gewinn 
an Luftdruck schlagender Flügel wieder abnehmen dürfte, denn es scheint 
mir, dass dann das Auftreffen an stets neue noch unaufgerührte Luftmassen 
principiell den analogen Nutzen hat wie beschleunigte, d. i. Schlagbewegungen 
am Platz; in beiden Fällen handelt es sich um Gewinnung grosser Träg- 
heit der getroffenen Luftmassen bezüglich der Bewegungsrichtung der 
stossenden Fläche. 

In diesem Zusammenhange sei, als lehrreich angeführt, dass schon 
Didion auf diese Vergrösserung des Luftwiderstandes in Folge 
von Beschleunigungen aufmerksam machte, und er gab auf Grund 
seiner Versuche bereits eine Formel dafür an, die so lautet (Siehe Pon- 


5 Ü 
celet’s Mec. Ind. S. 626): Pioy= F | 0,036 + 0,084.” + 0, 164 S | .... WO 
für einigermassen grosse v as erste Glied bedeutungslos wird, der Coeffi- 


e ke . 1. ia 
cient 0,084 der oben erwähnte Coefficient S ist und z die entstehende Be- 


schleuniguug bedeutet. Dieser Einfluss der Beschleunigung wird von Pon- 
celet durch die Trägheit der der Fläche adhärirenden Luftmasse erklärt 
und er bringt dies mit der schon im vorigen Jahrhundert von Dubuat und 
in unserem von Bessel und Sabine beobachteten Verlangsamung der Schwin- 
gungen in Zusammenhang, die ein Pendel in Flüssigkeiten gegenüber jenem 
in Vacuum aufweist: denn auch das Pendel muss bei jedem Geschwindig- 
keitswechsel die Trägheit der anhängenden Luftmasse überwinden; bei 
bewegten Flächen wäre das der sogenannte Lufthügel. 

In wie weit diese Erklärung, namentlich quantitativ, hinreicht, 
um die Widerstandsvergrösserung dnrch pulsirende Bewegung zu erklären, 
könnte nur eine eingehende messende und theoretische Untersuchung lehren. 

Das letzte, aber wichtigste Capitel weiterer experimenteller, aerody- 
namischer Untersuchungen betrifft die Grösse und Richtung des Luft- 
druckesangewölbten Flächen. 


Bisher besitzen wir nur die Publikationen von Lilienthal und Wellner, die, 
meiner Ansicht nach, noch weitere eingehende Beobachtungen sehr wünschens- 
werth erscheinen lassen; nach Allem, u. A. auch nach Versuchen von 
Philipps, scheint es jedoch fest zu stelien, dass der hebende Luftdruck auf 
gewölbte Flächen nicht unbedeutend grösser ist, als auf gleich grosse und 
und gleich schief gestellte ebene Flächen. 


Popper: Flugtechnische Studien. 207 


Eine verlässliche Angabe über die hier obwaltenden Verhältnisse 
wäre ebenso wichtig, wie die bisherigen Forschungen über die Potenz des 
Sinns beim schiefen Stosse ebener Flächen es sind: und eine für den 
Flugtechniker ebenso erfreuliche Thatsache, wie die verbesserte Einsicht 
dass sin «und nicht s/n Zo massgebend sei, wäre die empirisch gewonnene Ge- 
= wissheit, dass die hebende Componente des Luftdinckes bei gewölbten 
Flächen nahezu so gross sei, wie dies z. B. von Lilienthal behauptet wird. 
(Fortsetzung folgt.) 





Ueber den Weg zur Herstellung brauchbarer Fiugmaschinen. 
Von Georg Wellner, Professor an der technischen Hochschule in Brünn. 7 
‚Lehe 


Seit vielen Jahren bestehen an mehreren Orten rührige flugtechn 
Vereine; weite Kreise der Menschengesellschaft verfolgen die einschlägigen 
Bestrebungen mit lebliaftem Interesse; vielerlei theoretische und praktisch 
klingende Aufsätze und Betrachtungen, Beobachtungen über den Vogelflug, 
mehr oder minder sinnreiche Vorschläge für den Bau von Flugfahrzeugen 
verschiedener Art werden zu Tage gefördert; die Möglichkeit der Luft- 
schifftahrt gilt als erwiesen. Da drängt sich die Frage auf und will klar- 
gelegt und beantwortet sein: 

Wie kömmt es unter solchen Verhältnissen, dass 
in Wirklichkeit noch kein brauchbares Luftschiff vor- 
handen ist? In Verfolg dieser Frage, welcher die folgenden Ausein- 
andersetzungen gewidmet sind, ist es vorerst nothwendig, hinzuweisen auf 
das Vorhandensein zweier Richtungen, welche sich zwar beide die Be- 
wegung in freier Luft zur Aufgabe stellen, aber dennoch in diametraler 
Weise einander gegenüber stehen. Auf der einen Seite die Aäronautik 
oder statische Ballontechnik, welche für militärische und meteo- 
logisch -wissenschaftliche Zwecke durch verhältnissmässig reiche Mittel ge- 
fördert wird und welche, wenn sie auch nicht die Eignung für einen freien 
und lenkbaren Flug besitzt, doch sich rühmen kann, ein sicheres Empor- 
steigen in hohe Luftregionen thatsächlich zu bewerkstelligen; auf der an- 
deren Seite die Aviatik oder dynamische Flugtechnik, welche 
in ihrer eigenartigen und weitverzweigten Entwickelung vorläufig zumeist 
nur durch Unterstützungen von Privatpersonen gepflegt. wird und auf eine 
praktisch brauchbare Verwendung leider noch nicht hinweisen kann, bei 
welcher jedoch — so fühlt es der Fachmann —, falls nur das Problem des 
In die Höhe kommens gelöst wäre, die wichtigen Fragen der Lenkung, Steue- 
rung und raschen Fahrt voraussichtlich schnell und in zufriedenstellender 
Weise besorgt sein würden. 

Nur von dieser letzteren Richtung, also von den Flugmaschinen 
soll im Nachfolgenden die Rede sein. 


208 Wellner: Ueber den Weg zur Herstellung brauchbarer Flugmaschinen. 


Die Schwierigkeit der Aufgaben des dynamischen 
Fluges liegt in der Nothwendigkeit der Verwendung 
einer motorischen Kraft zur Bewegung von Flügel- 
flächen, beziehungsweise zur Weckung eines künstlichen 
Luftwiderstandes, welcher der zur Erde niederziehenden Schwer- 
kraft entgegenwirken soll, wobei das dünne Luftmedium auf 
eonstrucetivtechnischer Seite so hochgespannte Forde- 
rungen bedingt, dass nur ene vorzügliche Bauart und 
Ausführung denselben gerecht zu werden vermag. 

Ueber das Wesen der aörodynamischen Vorgänge des Fliegeprocesses 
ist schon viel geschrieben und gesprochen worden und wenn anch der 
Wunsch berechtigt ist, dass die Einsicht darein eine genügende Vertiefung 
erfahre und sich auch auf die bisher skeptisch abseitsstehenden Ingenieur- 
kreise verbreite, so sind die Leistungen in dieser Richtung auf theoreti- 
schen und schriftstellerischem Wege in gegenwärtiger Zeit als vollauf ge- 
nügend zu bezeichnen. Was aber fehlt und mangelhaft erscheint, das sind 
die Arbeiten auf praktischem Gebiete. Jedes wirklich ausgeführte Experi- 
ment mit irgend einem Flugapparate in abgeschlossenen Räumen oder im 
freien Luftraume bei Wind, und sei es auch nur ein Spielzeug, jede Aus- 
probung zweckmässiger Flügelflächen-Constructionen, jede Bemühung zur 
Herstellung leichter und dabei kräftiger Motoren muss dem Flugtechniker 
lochwillkommen sein. In constructiver Richtung sind noch 
manche Fragen offen und ungeklärt; da ist noch Vieles zu schaffen. 
Sobald irgend ein neuer Vorschlag auftaucht, sobald irgend ein wirklicher 
Versuch vorliegt, mag er schon sein, wie immer, sofort wird von Vielen, 
die es besser wissen, dagegen geschrieben, dageren gearbeitet, das Neue 
geleugnet oder Abänderungen angerathen, die Ergebnisse herabgezerrt und 
angefeindet; das ruhige Urtheil wird getrübt und in Verwirrung gebracht 
und weite Kreise werden der Sache entfremdet. Ich will einer gesunden 
Polemik ihre Bedeutung nicht absprechen, denn die Devise: „Durch Kampf 
zum Sieg“ ist hier am Platze und vollberechtigt, nur soll die Polemik kein 
blosses Wortgeplänkel, sondern auf dem Felde der Thaten unter Hinweis 
auf Erfahrungen ausgefochten sein. Ich beschäftige mich mit dem schwierigen 
Problem der Luftschitfahrt seit vielen Jahren’) und arbeite, weil ich von 


1) Ich verweise auf meine Arbeiten: „Ueber die Möglichkeit der Luftschiff- 
fahrt“ (Technische Blätter, Prag 187€). Unter demselben Titel Brochure im Selbst- 
verlage (Brünn 1881 u. 1883.) (2 Auflagen.) „Die Ausführbarkeit dynamischer Flug- 
maschinen“ (Zeitschr. f. Luftschiff 4 Abhandlungen. 1891 u. 1892). „Versuche über 
den Luftwiderstand gewölbter Flächen im Winde und aut Eisenbahnen“. (Zeitschr. 
d. österr. Ing.- u. Arch.-Vereins u. Zeitschr. f. Luftschiff. 1893). „Ueber Segelrad 
flugmaschinen* (Zeitschr. d. österr. Ing.- u. Arch.-Vereins. 1894). „Die Segelrad- 
versuche“. (Dieselbe Zeitschr. 1894.) „Ueber Luftschrauben“. (Dieselbe Zeitschr. 
1894.) „Versuche mit grösseren Luftschrauben“ (1895 u. 1896, werden demnächst 
veröffentlicht werden). 


Wellner: Ueber deu Weg zur Herstellung brauchbarer Flugmaschinen. 209 


der Möglichkeit der Lösung fest überzeugt bin, unbeirrt durch Anfechtungen, 
ruhigen Blutes, olıne falschen Ehrgeiz und unverdrossen redlich weiter. 

Die nachfolgenden Betrachtungen, absichtlich einfach und allgemein 
verständlich gehalten, sollen keine tieferliegenden Streitfragen herauf- 
beschwören, sondern haben nur den Zweck, eine befruchtende Anregung 
in die weiteren Kreise derjenigen zu tragen, welche sich für die dynamische 
Luftschiffahrt interessiren. 

Die principielle Möglichkeit dynamischer Flugmaschinen ist ge- 
geben durch die uns vor Augen befindlichen fliegenden Geschöpfe der Natur, 
welche als lebendige Vorbilder gelten können für eine ganze Reihe von 
mannigfaltigen Flugmetlioden. 

Der Vogel fliegt durch seine innere motorische Muskelkraft mit Hilfe 
seiner Flügel. Die Flügelbewegung schaftt den nöthigen, der Schwerkraft 
entgegenwirkenden dynamischen Luftdruck.. Warum sollten wir Menschen 
nicht auch fliegen können, wenn wir uns künstlicher Flügel bedienen und 
deren Bewegung durch Maschinen besorgen? oder steckt etwa, wie Manche 
behaupten, ein rätlıselhaftes Geheimniss «der Natur dahinter, welches wir 
noch nicht ergründet haben? 

Das specifische Gewicht der Vögel hinsichtlich der Fleisch- 
und IKnochensubstanz des Körpers ist nur wenig verschieden von jenem 
anderer Thiere, da die organischen Lebensbedingungen und -die hierfür 
verwendeten chemischen Stoffe fast überall die gleichen sind; nur wenn wir 
den ganzen Körperinhalt mitsammt dem leichten Federkleide in Rechnung 
ziehen, dann sinkt das specifische Gewicht des Vogels rund auf ein Dritt- 
theil herunter, was für den Flug auch sicherlich eine gewisse Bedeutung 
hat; der Vogel bleibt aber trotzdem immer noch etwa zweihundert 
schwerer, als die Luft. — | 

Das Vorhandensein der dem Techniker aus der Festigkeitstheorie be- 
kannten Hohlformen in den Knochen und Federkielen beweist uns 
nichts weiter, als die ideale Meisterschaft der schaffenden Natnr im richtigen 
Aufbau ihrer Erzeugnisse. Der Techniker wählt vernünftiger Weise dort, 
wo Festigkeit und Tragkraft gefordert wird, an Stelle der organischen 
Stoffe das Metall als Oonstructionsmaterial. 

Wir können uns ganz gut im Gedanken einen Vogel aus Stahl 
vorstellen, so zart gebaut, dass ef dasselbe Gewicht und dieselbe Flügel- 
flache besässe, wie ein lebender Vogel; und könnten wir nun diesem Stahl- 
vogel auch noch dieselbe Lebenskraft und motorische Leistungsfähigkeit 
einlauchen, dann würde derselbe zweifellos trotz seines hohen specifischen 
Gewichtes nicht nur ebenso gut, sondern noch weit besser, schneller und 
sicherer fliegen können, als sein befiedertes Vorbild. Oder ruht in dem 
feinen Federwerk etwa das Geheimniss des Flugvermögeıs. 
Auch dies muss verneint werden, denn auch Thiere, welche kein Gefieder 


210 Wellner: Ueber den Weg zur Herstellung brauchbarer Flugmaschinen. 


tragen (so die Fledermäuse und die Grasflürler). zeien einen vorzürlichen, 
langdauernden und wenig Arbeitskraft erfordernden Flug. 


Fragen wir weiter, ob das schnelle Vorwärtsfliegren oder 
blasender Wind, welche dem günstigen Vorelfluze ersichtlichermassen dien- 
lich sind, zur Erzeugung einer genügenden Tragfähigkeit unumgänglich 
nothwendig seien, so müssen wir abermals antworten: nein!, denn es giebt 
zahlreiche Flieger (Colibris, Abendfalter, Wasserlibellen, Fliegen), welche 
n ausgezeichneter Weise und scheinbar anstrengungslos, in freier Luft 
gleichsam unbeweglich feststehend an Ort und Stelle zu schweben ver- 
mögen. — 


Die Bedingungen für die Ausführbarkeit dynamischer Flug- 
maschinen führen auf die Beantwortung der Frage, ob es möglich sei, 
Flugfahrzeuge zu bauen, ausgestattet mit Flügelflächen und einem Motor, 
dessen bewegende Kraft hinreicht, um durch den erzeugten Luftwiderstand 
das Eigengewicht zu tragen. In Kürze seien hier die theoretischen Grund- 
gesetze berührt. | 


Heisen wir: P das Gesammtgewicht des Flugfahrzeuges in Kilogrammen 
F die daran angebrachte Tragfläche in Quadratmetern 
v die Bewegungsgeschwindigkeit derselben in Meteın 
pro Secunde 
und a einen vornehmlich von der Bauart und Neigung der 
Fläche abhängigen Factor, 
dann lautet die allgemeine Gleichung des dynamischen Luftwiderstandes für 
den Beharrungszustand bei unveränderter Flughöhe: 
Fir P u Ä 
u oder: pgi oo’ (1) 
d. h. die Hebekraft für jeden Quadratmeter Flügelfläche (die 
specifische Tragfähigkeit) wächst mit dem Quadrate der Bewegungs- 
geschwindigkeit. 





Für eine raschere Flügelbewegung, beziehungsweise für schnelleren 
Flug genügen kleinere Flügelflächen. Bei den Vögeln schwankt für eine 
normale Fluggeschwindigkeit von » = 10 m die specifische Tragfähigkeit 





P : ; 
P zwischen 4 und 8, somit der Factotrzsog zwischen 0,32 und 0,64. Er- 


höhten Flügelgeschwindigkeiten von v = 20 m bis 40 m, welche bei Flug- 
maschinen angewendet werden könnten, entspricht hiernach einer sehr 
bedeutenden Tragfähigkeit von 16 bis 128 Kilogramm für jeden Quadrat- 
meter Flügelfläche. 


Aus der beigefügten Tabelle sind die Beziehungen der Grössen der 
Gleichung (1) zu entnehmen. 


Wellner: Ueber den Weg zur Herstellung brauchbarer Flugmaschinen. 211 


k 
Tabelle über die specifische Tragfähigkeit Ge 





| a-01l 02 08 0.4 0.5 0.6 

v— 10m 1.25 250 375 500 6.25 7.50 
20 5.00 10.00 15.00 20.00 25.00 380.00 
30 11.25 22.50 33.75 45.00 56.25 67.50 

40 20.200 40.00 60.00 80.00 100.00 120.00 

50 21.25 62.50 93.75 125.00 156.25 187.50 


Nennen wir ferner: A die zur Bewegung der Flügelflächen aufgewendete 
Arbeit in Secundenmeterkilogrammen 
und v’ eine ideelle Fallgeschwindigkeit der Gesammt- 
last P des Luftfahrzeuges, welche durch den 
Arbeitsprocess der Tragflächen behoben werden 
muss, 
dann gilt die einfache Formel. 


A= P. v ode 5 = o E ve, (E 


d.h. die für jedes Kilogramm Hebekraft erforderliche 
Arbeitsleistung (die speeifische Leistung) ist unmittelbar 
gleich der ideellen Fallgeschwindigkeit. 

Der ökonomische Betrieb macht es wünschenswerth, den tragenden 
Process der Flügelbewegung so zu gestalten, dass die ideelle Fall- 
geschwindigkeit e thunlichst klein ausfalle.e Für den horizontal bei Wind- 
stille vorwärtsfliegenden Vogel lässt sich die specifische Leistungsfähigkeit 
aus seinem Eigengewichte, aus der Schlagweite und Anzahl der Flügel- 
schläge berechnen; sie besitzt für mittelgute Flieger eine Durchschnitts- 


e A : 
grosse : pP” v = 0.75 m. 


Wenn es möglich wäre, durch Flugmaschinen mit 
Motorbetrieb einen ebenso vortheilhaften Wirkungs- 
grad zu erzielen, wie es beim Vogelflug der Fall ist, dann würde 
(da eine Pferdekraft mit 75 Sekundenmeterkilogramm gleichwertig ist), 
anf jede ausgeübte Pferdestärke ein Gewicht, bezw. 
eine Hubkraft von 100 Kilogramm entfallen dürfen. 


Grösse, Form, Material und Wirkungsweise der Flügelflächen. 


Die Erfahrung lehrt es und die Theorie begründet es, dass die Trag- 
flächen der Flugmaschinen an ihrer Befestigungsstelle oder Wurzel breiter 
und an ihrem äusseren Ende spitz oder zugerundet, ferner in ihrem Profil 
sanft nach oben parabolisch gewölbt sein sollen. Die Vorderkante, welche 
der Luft entgegengeführt wird, kann dicker und kräftiger gehalten sein, 
als die übrigen Flächentheille und die Stärke hat von der Wurzel gegen 


212 Wellner: Ueber den Weg zur Herstellung brauchbarer Flugmaschinen. 


das Ende und von vorn gegen rückwärts weich auszulaufen: so verlangen 
es die Festigkeitsverhältnisse; die Flächen müssen ja das Eigengewicht den 
Fahrzeuges tragen und sind auf Biegungsfestigkeit und Torsion beansprucht. 
Eine entsprechende Steifheit des Gefüges, eine nicht übermässig elastische 
Nachgiebigkeit und Glätte der Flächen ist höchst erwünscht, weil jede 
zwecklose Wirbelbildung und Beunruhigung der äusseren Luft einen schä- 
digenden Einfluss übt. Stahlrippen mit Seidenüberzug genügen wohl für 
kleinere Tragkräfte und Bewegungsgeschwindigkeiten; für grössere spe- 
eifische Tragfähigkeiten erscheinen Holz- oder Holzstahlgerippe mit einer 
Deckung von dünnen Aluminiumbronzeblechen oder mit einem Ueberzug 
von Kautschuckstoff mit Dralitnetzeinlagen gut brauchbar. Der Neigungs- 
winkel, unter welchem die Bewegung der Tragflächen gegen die Luft statt- 
findet, soll klein sein (etwa nur 3 bis 8 Grad betragen), damit die Ueber- 
windung des Stirnwiderstandes keine grosse Kraft benöthige. Die Hebe- 
kraftwirkung beruht auf der Erzeugung eines verdichteten Luftpolsters 
unterhalb der Tragflächen und einer Luftverdünnung oberhalb derselben 
und es handelt sich, wenn man einen guten Nutzettekt erreichen will, immer 
darum, diese Druckdifferenz be: möglichst geringem Bedarf an Arbeitskraft 
möglichst hoch zu bekommen. Massgebend für eine gute Oecunomie des 
Betriebes ist die Grösse des Factors u und die Kleinheit der ideellen Fall- 
geschwindigkeit zt [aus den vorher erörterten Gleichungen] '). 

Je rascher die Flügelbewegung vor sich geht, desto kleiner werden 
die erforderlichen Flächen, desto kleiner soll auch der Neigungswinkel, 
desto geringer die Wölbungstläche derselben genommen sein. 

Immer neue Luft wird vorm gefasst und unter den Tragflächen zu- 
sammengeschoben und verdichtet. Die Wirkungsweise der Tragflächen 
gleicht derjenigen eines Gebläses, welches nicht in einem abgeschlossenen 
Gefässe, sondern im freien Luftraume arbeitend, eine Luftbewegung vun 
oben nach unten verursacht. Im Wesentlichen ist es immer und überall 
das Gesetz der schiefen Ebene oder Schrägtläche, welches beim Fluge in 
Anwendung gebracht wird. 

Die Bewegung der Flügelflächen kann geradlinig, schwingend oder 
im Kreise umlaufend sein; die Gruppirung der Flächen geschieht neben- 
einander, hintereinander oder übereinander und so lassen sich zahllose An- 
urdnungen von Flugmaschinenprujecten zusammenstellen, doch entscheidet 
über deren praktische Brauchbarkeit nur dastechnisch-construc- 
tive und das betriebsöconomische Moment. — 


I) Bei langsam (mit 10 m Geschwindigkeit) bewegten, relativ grossen Flügeln 
(aus Stahlrippen mit Stoffüberzug, mit ju: Wölbungstiefe) hat je ein Quadratmeter 
lim Eigengewicht von etwa 1,5 bis 3 Kilogramm) für a = 0,8, 3,15 Kilo, tür a = 0,6 
i, Kilo Tragkraft; bei schnell (mit 20 his Au m Geschwindigkeit) bewegten, relativ 
kleinen Flügeln (aus Hohlstahlstäben mit Aluminiumdeckung mit Je bis Ian Wöl- 
bungstielfe) ein Quadratmeter (etwa 4 bis 6 Kilo schwer) für a0,L 5 bis 20 Kilo, 
für a- 0,5, 2b bis IOu Kilo. 


Wellner: Ueber den Weg zur Herstellung brauchbarer Flugmaschinen. 213 


Die üblichen Gattungen von Flugmaschinenprojecten lassen sich 
nach der Bewegnngsart der Tragflächen in zwangsloser Weise in drei 
Gruppen sondern, deren characteristische Merkmale in Kürze vorgeführt 
sein mögen. 

1. Die Drachenflieger, deren Vorbild durch den bekannten 
Drachen gegeben ist, sind ausgerüstet mit festgehaltenen Tragflächen, welche, 
durch irgend einen Triebapparat (zumeist durch Luftpropeller) vorwärtsge- 
schoben, Auftrieb schaffen. Schwierig gestaltet sich der Aufstieg und das 
Landen, weil das Tragvermögen sich erst durch den raschen Vorwärtsflug 
einstellt und ein Stillschwebendbleiben an Ort und Stelle unmöglich ist. 
Für die Stabilität des Fluges, insbesondere für das Festhalten des Flächen- 
neigungswinkels trachtet man durch entsprechende Gewichtsvertheilung und 
durch richtig eingestellte Schwanzflächen vorzusorgen. 

An ansgeführten Apparaten dieser Art seien erwähnt: Das Aeroveloce 
von Kress in Wien, der Fallschirmfing von Lilienthal in Berlin, 
Langley’s Drachenvogel (Aerodrom) aus neuester Zeit, welcher eine gute 
Gleichgewichtslage erreicht zu haben scheint. Bei Maxims Colossal- 
versuch aus dem Jahre 1894 mit einer 300 pferdigen Verbunddampf- 
maschine mit 3200 Kg. Gewicht des Flugfahrzeugs, einer Drachenfläche von 
zusammen F == 500 m?, wurde bei © = 15 m Geschwindigkeit eine Hubkraft 
von P = 3600 Kg. erzielt. Dies entspricht einem Factor 
E 
Fr? 500.225 E 
EE f A 22500 ; 
und einer ideellen Fallgeschwindigkeit ve = ~,- = 6.25 m. Die 

P 3600 
principielle Möglichkeit der Drachenflieger steht ausser Zweifel. 

2. Die Schwingenflieger, welche die Flügelschwingung der 
Vögel nachahmen, sind wenig ausgebildet, weil der technische Betrieb in 
Betreff der elastischen Schwingungsbewegung grosse Schwierigkeiten bietet. 
Bezüglich der Richtung der Schwingung empfiehlt sich bei dieser (Gattung 
anstatt der einfachen Auf- und Abbewegung ein schräger Flügelschlag von 
oben schief nach unten vorwärts und von unten schief nach oben rückwärts, 
weil dabei die leere Flügelaufschlagsbewegung den geringsten Schaden mit 
sich bringt. — Der erzielbare Gleichungsfactor lässt sich bei guter Bauart 
schätzungsweise o — 0,4 und die jdeelle Fallgeschwindigkeit vi 
ansetzen. 

3. Die Radflieger mit im Kreise umlaufenden Tragflächen. Den 
einfachsten Fall dieser Art zeigen dieSchraubenfliegermit verti- 
caler Achse. Das bekannte Schraubenfliegerspielzeug belehrt uns über 
die sichere und stabile Flugmetlode dieser Apparate. Ich erzielte mit 
grösseren Luftschrauben von 3,5 m”? Fläche und 25 Kg. Eigengewicht bei 
einer Geschwindigkeit von v == 40 m im Druckmittelpunkte und bei 4 Pferden 
Betriebskraft eine Hebekraft P = 65 Kilo und darüber. Dieses Ergebniss 


Oz 


CES DE 


214 Wellner: Ueber den Weg zur Herstellung brauchharer Flugmaschinen. 


8.65 4.35 
entspricht den Werthen: a = 3.5.1600 = 0,093 und v‘ = ee 4,615. 
Der Aufstieg und das Landen erscheint bei dieser Gattung ungemein 
bequem, weil auch ein Schwebendbleiben an Ort und Stelle in freier Luft 
möglich ist. Infolge der schnellen Umlaufsbewegung der Flügelräder wird 
eine Fliehkraft wachgerufen, deren Einfluss jedoch bei wohlausgeglichenen 
Flächengefüge belanglos bleibt. In ungünstiger Weise macht sich die un- 
gleichförmige Wirkung des Windes oder des Vorwärtsfluges geltend, indem 
die der Luft entgegengehende Seite der Iuftschrauben eine stärkere Hub- 
kraft äussert, als die zurücklaufende Seite, doch lässt sich dieser Fehler 
durch Anordnung paarweise gegenläufiger Schrauber beheben. 

Andere Projecte dieser Gruppe besitzen Flugräder mit hori- 
zontalen Querachsen. Das von mir veröffentlichte Segelrad- 
system hat horizontale Längsachsen; die Anfeindung, die es 
erfuhr, weil die mangelhaften Experimente den wider meinen Wunsch allzu 
hochgespannten Erwartungen nicht entsprachen, war nicht gerechtfertigt. 

Die Versuche mit dem Proberade in Wien ergaben bei 12 m? totaler, 
also bei 6 m? wirksamer Flügelfläche für eine Geschwindigk.it v = 15 m 
und bei 1,33 Pferdestärken Betriebskraft einen Auftrieb von 43 Kg., woraus 
ein Factor u = a = 0,255 und v = a = 2,32 m resultirt, also 
Ziffern, welche nicht ungünstig genannt werden können. Die Schwierigkeit 
des Schweberadsystems liegt vielmehr auf der constructiv-praktischen Seite 
der Ausführung, worzuf ich in meinem Vortrage hinzuweisen nicht unter- 
jassen habe. Die theoretische Ausführbarkeit von Flugmaschinen mit Flügel- 
rädern kann nicht geläugnet werden. 


4. Neben den vorangeführten 3 Hauptgruppen von 
Flugmaschinenprojecten sind im Laufe der letzten Jahre noch anderweitige 
Vorschläge und Combinationen in zahlreicher Menge aufgetaucht, ohne dass 
hieraus in praktischer und constructiver Beziehung neue Erfahrungen ge- 
wonnen worden wären. Auch ich will in kurzer Zeit mit einer neuen Zu- 
sammenstellung hervortreten. 

So stehen wir denn vor einem Wust von unfertigen Skizzen; weitaus- 
greifende Irrsteige führen hin und her und wieder zurück zwischen wuchernden 
Anschauungen, welche Schritt für Schritt gelichtet werden müssen, um den 
richtigen Weg zu finden zum angestrebten Ziele der Schiffbarmachung des 
Luftoceans; denn gewagt ist es selbst für den gewiegten Fachmann, zu 
glauben, dass er das ganze Feld der vorliegenden Arbeiten von einem 
höheren Standpunkte aus zu überschauen und über die richtigen Mittel zum 
Zwecke zu urtleilen im Stande sei. Immer wieder muss mit Nachdruck 
betont werden, dass noch über viele ganz einfache Dinge auf dem Gebiete 
der Luftdynamik klarlegende praktische Versuche fehlen, ohne 
deren Grundlage das Weiterbauen in luftiger Höhe nur wenig Sinn hat. 








Wellner: Ucber den Weg zur Herstellung brauchbarer Flugmaschinen. 215 


Der Motor für Flugmaschinen. 


Im Vordergrunde aller Fragen steht diejenige nach einem leichten und 
kräftigen Motor, welcher für den Betrieb der Flugmaschinen geeignet wäre. 
Eine diesbezügliche Untersuchung führt, da die menschliche Muskelkraft sich 
als unzureichend und die electrische durch Accumulatoren angespeicherte 
Kraft sich als zu schwer erweist, einerseits auf Dampfmaschinen mit luft- 
eekühlten Oberflächencondensatoren!) und kleinstmöglichem Dampfkessel, 
anderseits auch Explosions- oder Gaskraftmaschinen (mit Benzin- oder 
Petroleumbetrieb) ohne Wasserkühlung”). In beiden Fällen können entweder 
die gewöhnlichen Kolbenhubmaschinen mit dem Kurbelgetriebe oder stetig 
umlaufende Turbinen in Aussicht genommen werden. Wie weit die Leistungs- 
fähigkeit eines Motors bei geringem Eigengewicht steigerungsfähig ist, er- 
hellt unter Anderem aus der Maschinenanordnung des Maxim’schen Drachen- 
flilegers?). In der Ausbildung des Baues von leichten Motoren ist noch 
vieles zu leisten und würde vielleicht eine öffentliche Umfrage bei den 
Fabrikanten oder eine Concurrenzausschreibung seitens der flugtechnischen 
Vereine von erfreulichem Erfolg begleitet sein. Man kann aussprechen: 
Mit der Erfindung eines Motors, welcher bei einem 
Gesammtgewicht von 20 Kilogramm für jede Pferde- 
kraftleistung eine Stunde lang zu arbeiten vermag, 
ist auch die Verwirklichung von Flugmaschinen sicher. 
Während nun auf die hier massgebende Grösse der specifischen Leistung 
oder ideellen Fallgeschwindigkeit der Gleichung 2 näher eingegangen werden 
soll, seien auch die Fragen erörtert: 

Sind kleine Flieger leichter herstellbar, als grosse ? 

Warum soll es nicht möglich sein, dass der Mensch durch eigene Kraft 
zu fliegen im Stande sei? 

Ist es für den Anfang zweckmässig, Versuche mit grossen Flug- 
maschinen zu unternelimen ? 

Soll die langsame oder die schnelle Flügelbewegung bevorzugt werden? 

Bei Flugapparaten, deren Eigengewicht unter 100 Kilo 
beträgt, ist das Mitaufsteigen eines Menschen, welcher die Regelung 
und Steuerung des Luftfahrzeuges besorgen könnte, ausgeschlossen. Die- 





1) In dieser Richtung sind Experimente mit Condensatoren aus dünnwandigen 
Aluminiumröhren, welche zu Flächen gruppirt sind, sehr erwünscht. 

2) Anfänge von Bestrebungen dieser Art sind an mehreren Orten bemerkbar. 

3) Die aussergewöhnlichen Verhältnisse dieser Maschinen waren: Effectiv- 
leistung 863 Pferdestärken; Maschinengewicht 272 Kilo (also für jedes Pferd 0,75 Kilo); 
Kesselgewicht sammt Wasserinhalt 545 Kilo (für jedes Pferd 1,50 Kilo); Dampf- 
spannung 22,5 Atm.; Speisewasserbedarf für jedes Pferd in der Stunde 11,3 Kilo. 
Es sind das Ergebnisse von Ziffern, welche ihren echt amerikanischen Ursprung 
verrathen und allerdings nur bei sehr foreirtem Betrieb und bei grosser Leistung 
denkkar sind. 


216 Wellner: Ueber den Weg zur Herstellung brauchbarer Flugmaschinen. 


selben können daher nicht als wirkliche Flugmaschmen, sondern nur als 
Modelle gelten, welche, wegen der IXleinheit des Motors. aussergewöhnlich 
zart und sorgfältig gebaut und bezüglich der richtigen Einstellung für 
einen ungefährdeten freien Flug von längerer Zeitdauer in vorzüglicher 
Weise ausgestattet sein müssten, was begreiflicherweise mit grossen und 
kaum zu bewältigenden Schwierigkeiten verknüpft ist. Spielzeuge, welche 
sich nur wenige Secunden in der Luft fliegend erhalten sollen, sind leicht 
herstellbar, weil sie nur eine kurzdauernde Kraftwirkung, aber keine 
Maschine brauchen; sobald jedoch die Flugdauer 15 Minuten übersteigen 
soll und ein stetig arbeitender Motor mit in die Luft genommen werden 
muss, dann steigern sich die Anforderungen besonders für den Bau von 
kleineren Flugapparaten in’s Ungeheuerliche. 

Die Menschenkraft.e.. Ein Mensch von mittlerer Grösse leistet Dei 
mässiger normaler Arbeit in jeder Secunde rund 10 Meterkilogramm, bei 
grösserer Anstrengung für kürzere Zeitdauer freilich auf 20, unter Um- 
ständen sogar 50 bis 80 Sekundenmeterkilogramm. Rechnen wir nun zu 
seinem Eigengewicht von etwa 70 Kilogranım einen leicht gebauten Flügel 
epparat von 30 Kilo hinzu, den er entsprechend zu regieren hat, so beträgt 
die für das Schwebenderhalten im Beharrungszustande notliwendige Auf- 
triebskraft P = 100 Kilo, welcher eine Arbeitsleistung A = 10 (bis 80)! smk 
gegenübersteht. Die specifische Leistung oder ideelle Fallgeschwindigkeit 
ergiebt sich hieraus: 


pr — 0,1 (bis = 0,8) m. Da nun dieser Quotient für den 


Vogel = 0115 m beträgt, ist es höchst unwahrscheinlich, 


dass der Mensch jemals aus eigener Kraft (ohne Beihilfe 
von Wind oder ohne Beihilfe der Schwerkraft beim Niedergleiten mit 
einem Fallschirm) wird fliegen können. 

Besser stellt sich die Sache für dynamische Flugmaschinen mit 
Motorbetrieb. 

Eine maschinelle Pferdekraft entspricht einer Leistung von 75 Smk. 
Rechnen wir nun für eine Maschine von 10 Pferdestärken, also A = 750 Smk., 


das Eigengewicht derselben bei sehr leichter Bauart mit. . . 200 Kilo 
weiters den zugehörigen Tragflächenmechanismus sammt Gerüste 
EOMPIett: e s w a u ee ee ee 10 — 
und für einen mitfahrenden Menschen . . 2. 2 2 2 2 2.0.75. 
zusammen also eine nothwendige Tragkraft aoa ae P— 375 Kilo. 
Dann stellt sich der wichtige Betriebscoäfficient: 
A, 750 BE . 
E EE 2, also zwanzigmal günstiger, beziehungsweise 


der Ausführungsmöglichkeit näherliegend, als für einen allein ohne Motor 
fliegenden Menschen. 


Wellner: Ueber den Weg zur Herstellung brauchbarer Flugmaschinen. 217 


Bei Maxim’s grossem Drachenflieger hatten wir den Ansatz: v' = 6,25, 
bei grösseren Luftschrauben: v' = 4,6. beim Segelradsystem: ui = 2,3. 

Man sieht, das Motorgewicht muss unter allen Um- 
ständen, selbst bei constructivster Feinheit des Flügel- 
getriebes, insbesondere für längerdauernde Fahrten der 
Flugmaschinen äusserst knapp bemessen sein. 

Wir dürfen uns darüber keiner Täuschung hingeben und dic vor- 
handene Sachlage nicht verheimlichen wollen: das dynamische Flug- 
problem heischt in erster Linie eine befriedigende Lösung der 
Motorfrage. Da nun bei stärkeren Maschinen die Betriebsöconomie zu- 
nimmt und das relative Gewicht abnimmt, werden voraussichtlich Flug- 
maschinen mit Motoren von 50, 100 und mehr Pferdestärken, objectiv 
genommen, das heisst, wenn man von der wachsenden Kostspieligkeit 
absehen darf, leichter zu verwirklichen sein. 


In Betreff der Geschwindigkeit der Flügelflächenbewegnng ist der 
schöne Grundsatz: „langsam und sicher“ für ein Luftschiff leider nicht 
zutreffend, denn er zwingt uns, grosse, leichtgebaute und dadurch gebrech- 
liche Tragflächen anzuwenden, welche dem ungebärdigen Winde zum Opfer 
fallen können. Schnell gehende, kleine, kräftige uud widerstandsfähige 

Flügel dagegen gewähren uns die Fähigkeit, den Einfluss der Luft 
 strömungen besiegen zu lernen. 

Für Drachenflieger dürfte ein Gleichungsfaktor «a = 0.2 bis 
0.4, somit für die passenden Fluggeschwindigkeiten v = 10 bis 20 m in 
der Secunde (nach der eingangs gegebenen Tabelle) ein Tragvermögen: 
> 
g = 2,5 bis 10, beziehungsweise = 5 bis 20 Kilo für jeden Quadratmeter 
leicht erreichbar sein. Anderseits führt eine erhöhte Umlaufsgeschwindig- 
keit v = 20 bis 40 m bei Flugrädern mit einem erzielbaren Faktor 


a =— 0.1 bis 0.2 auf die Grössen: p ~ 5 bis 20, bezw. 10 bis 40 Kilo. 


Schlusswort. 


Ueberblicken wir alle vorangehenden Auseinandersetzungen, so er- 
scheint die Frage, ob die Drachenflieger oder die Radflieger in der Zukunft 
siegreich hervorgehen werden, von untergeordneter Bedeutung, weil beiden 
Systemen die Gegenwart noch nicht gehört. 

Für ein sicheres Gelingen der Lösung des Flug- 
problems brauchen wir: Einen Motorvon mindestens 
einstündiger -Arbeitsdauer, welcher für jede ge- 
leistete Pferdekraft nur 20 Kilo wiegt undeine Hub- 
kraft von 375 Kilo zu äussern vermag; dazueinegute 
Flächenconstruction, für jedes Pferd 10 Kilo schwer, 
mit einem so vorzüglichen Getriebe und einer so zweck- 


218 Wellner: Ueber den Weg zur Herstellung brauchbarer Flugmaschinen. 


mässigen Bewegungsart, dass der Gleichungsfactor 
wenigstens «a = 0.2, folglich für eine Geschwindigkeit 
¿t = 20 bis 40 Meter in der Secunde das Tragvermögen 
P Sie 

p55 bis 20 (Kilogramm auf 1 m?) und die ideelle Fall- 


geschwindigkeit höchstens "= nr? werde. 


Diese Verhältnisse sind derzeit noch nicht alle auf die gewünschte 
Ziffer gebracht, sie sind aber durch zielbewusstes Ausharren 
auf dem Felde der praktisch-constructiven Arbeit, 
mit opferwilligem Aufwand von Zeit, Geld und Mühe erreichbar. — 


Zum Vogelflug'). 
Von Arnold Samuelson, Ober-Ingenieur in Schwerin. i 
Nachstehend gestatte ich mir, einige vielleicht Interesse bietende 
Folgerungen aus den in diesen Blättern von mir gegebenen Anfängen einer 
Theorie des Widerstandes der Flüssigkeiten mitzutheilen. 
Ein Flugkörper schreite mit der Geschwindigkeit v horizontal grad- 
linig in ruhender Luft dadurch fort, dass ein unbeweglicher Flächenkörper 






TEU 


DE (Fig. 42) von der Grösse F unter dem Neigungswinkel z an demselben 
angebracht ist, wobei der Vortrieb durch eine äussere Kraft K erfolgen 
mag. Der Schwerpunkt des ganzen Flugkörpers falle mit dem Druck- 
mittelpunkte C des Schrägflächenkörpers zusammen, dessen Normaldıuck 
durch das punktirte Dreieck DIE graphisch dargestellt wird. 

Der grösste Querschnitt des Flugkörper-Rumpfes sei A und der Luft- 
widerstand in seiner Bewegung sei: 





g 
das Gewicht des ganzen Flugkörpers sei Q. 





I) Da die vorliegende Arbeit im Wesentlichen eine Fortführung der 1895/96 
an dieser Stelle veröffentlichten Untersuchung desselben Verfassers: „Einige Ge- 
setze ete.“ ist, so sind die Figuren, Tabellen und Gleichungen fortlaufend nummerirt. 

D. Red. 


Samuelson: Zum Vogelflug. 219 


Der XNormaldruck, welchen der Schrägflächenkörper erleidet, ist 
(unabhängig vom Neigungswinkel): 


NZ 3/4 A- Fi? 
g 


[y = Einheitsgewicht der Luft; g = 9,81 m]; dann sind die Bedingungen 
des dynamischen Gleichgewichts die folgenden: 


(11) . . . . . Q=Ncosg; und 
(12) .. KÄ=W-+ X singe. 


Die einzelnen Werthe dieser Gleichungen können als bekannt oder 
unbekannt, als constant oder variabel gedacht werden. Aus Gleichung (11) 
ist ersichtlich, dass die Tragkraft Q um so grösser wird, je kleiner 9 ist 
am grössten wenn dieser Winkel an der Grenze von Null sich befindet. 
Um vieviel er von Null sich unterscheiden muss, hängt, da tragfähige 
Flächenkörper nicht ohne Dicke sein können, von dem Grade der Annäherung 
des wirklichen Flächenkörpers an den idealen ab. Auch dann, wenn der 
wirkliche Flächenkörper von dem idealen ziemlich weit entfernt bleibt, kann 
für einen praktischen Fall, sofern der Neigungswinkel möglichst flach ist 
stets cos % = 1 gesetzt werden. In solchem Falle ist: 

ose = 1 = Y = pee 
i 3, —- Fu: 
Hi 


(hierin ist ĉ/4 Se eine constante Zahl); somit: 
13) 2.2... Q= h Eo. 


Nunmehr mag Q bekannt und constant sein, z. B. gleich der Gewichts- 
einheit, so dass das Nachstehende für jedes Kilogramm gilt, welches etwa 
der Flugkörper an Gewicht haben mag. Wird das Gewicht von 1 cbm 
Luft im Mittel zu 1,25 kg angenommen, so berechnet sich aus: 


HE GER sp 
we Ly SS LV: == 3,235 A / 


die Spalte 2 der nachfolgenden Tabelle 5, wenn Spalte 1 die für jedes 
kg Gewicht des Flugkörpers vorhandene Tragtläche des Flächenkörpers 
angiebt. Bei kleinerer Geschwindigkeit kann das horizontale Fortschreiten 
nicht erfolgen, bei grösserer nur dann, wenn der Winkel > nicht den 
kleinsten möglichen Werth hat. Wäre dieser Winkel z. B. 8°, so dass 
cos = 0,99, so würde für F = 1,00 sich ergeben: v = 3,25 statt 3,23; 
bei ẹ = 37°, so dass cos == 0,8 würde sich ergeben = = 3,62; Der Vor- 
trieb A müsste natürlich dementsprechend grösser sein. 


220 Samuelson: Zum Vogelflug. 


Tabelle 5. 


ı | 2 | ı | 2 


Für 1 kg Gewicht des Flugkörpers er- 
P Geschwindigkeit. 











| v F | v 
um `, m qm m 
1,60 | 3,83 0,10 10,23 
0,80 8,62 018 11.44 
0,60 | 4,18 0,06 13,21 
0,50 | 4,67 0,05 14,47 
0,40 5,11 0,04 16,17 
030 | 591 0,03 18,68 
0,20 | 7,23 (ug ; 22,87 
0,10 | 10,23 mu j 82,35 


Aus Gleichung (12) ist ersichtlich, dass die vortreibende Kraft A 
um so kleiner wird, je kleiner + ist, am kleinsten, wenn dieser Winkel an 
der Grenze von Null sich befindet; die notlıwendige Abweichung von Null 
ergiebt sich gleichfalls aus dem Grade der Annäherung des wirklichen 
Flächenkörpers an den idealen. Der Umstand, dass cos o für kleine Winkel 
unbedenkiich = 1 gesetzt werden kann, bedingt nicht zugleich, dass auch 
sin e = gesetzt werden kann, denn sin z ändert sich bei kleinen Winkeln 
in gleichem Masse wie der Winkel. Mag in Gleichung (12) der Winkel e 
noch so klein sein, so muss derselbe immer noch von Null sich unterscheiden 
und es muss daher N sin immer noch einen gewissen Werth repräsentiren- 


Der vorbeschriebene, in den Gleichungen (11) und (12) sich aus- 
drückende Fall wird durch den mit unbewegten Flügeln horizontal 
schwebenden Vogel praktisch dargestellt, wenn unter K der vom Beharrungs- 
vermögen herrührende Vortrieb verstanden wird. In solchem Falle hängt 
die in jedem Zeitpunkte stattfindende Grösse des Vortriebes X von der 
Verzögerung ab, welche die an der Masse des Flugkörpers angebrachte 
Gegenkraft, nämlich die Horizontalcomponente des Luftdrucks bewirkt; 
dieses Schweben dauert so lange bis Geschwindigkeit und Vortrieb durch 
Flügelschläge wieder ergänzt werden müssen. Somit hat man sich vor- 
zustellen, dass in Gleichung (12), welche unter Einsetzung der Werthe für 
W und N lautet: 


14)... Ken el AH ?/s F sing] 


v und e variabel sind, so zwar, dass der schon an sich kleine Winkel ¢ 
allmählig bis zu einer verschwindend kleinen Grösse abnimmt. In diesem 
Zustande hört die Möglichkeit des absolut horizontalen Schwebens auf. 
Ist in Gleichung (14) — so klein, dass ?/4 F sin ọ gegen Za A vernachlässigt 
werden kann (welcher Umstand auf die Grösse von cos% = 1 keinen Ein- 
fluss ausübt), dann hängt der Vortrieb X nur von der Grösse E, A ab und 
es ist in solchem Falle; 





Samuelson: Zum Vogelflug. 221 


Pr 
Nr 

K = U a, ' 
í 


findet nun das Schweben nicht absolut horizontal statt, sondern unter einem 
Neigungswinkel abfallend, so dass das Gewicht des Flugkörpers selbst zur 
Unterhaltung des nunmehr als constant anzunelimenden Vortriebes K dient, 
dann bilden der Normaldruck N und die Verticalkraft Q ein Kräfte- 
parallelogramm, dessen Resultirende X ist, und da N = O ist, so ist, wenn 
durch a der Abfallwinkel bezeichnet wird: 


e a v? -a A 
tg a == y= ai _--——- ` somit 
S 3/4 - L v? A 
g 
Za A 


(15) o. >» è e "8 tg 4 = a F 


Man kann tga als das Maass der Schwebefähigkeit insofern ansehen, 
als möglichste Kleinheit des Abfallwinkels a imstande ist, möglichst grosse 
Täuschung in Bezug auf das scheinbar arbeitslose Fliegen hervorzubringen; 
die Schwebefähigkeit in diesem Sinne hängt, wenn man &a als gleich für 
verschiedene zu vergleichende Vögel annehmen will, lediglich von dem 
Verhältniss des grössten Querschnitts (in welchen natürlich der 
Querschnitt der Fiügel in Anbetracht ihrer Dicke einzurechnen ist) zur 
Flügelfläche, nicht etwa von der für jedes kg Körpergewicht 
vorhandenen Flügelfläche, ab. 

Ein Beispiel möge diese Beziehungen erläutern. Zwei Vögel, deren 
Körperverhältnisse zur Ausführung des sogenannten Schwebens sich eignen, 
sind der Thurmfalke (Falco tinnunculus) und der weissköpfige Seeadler 
Haliaetos albieilla)'). Diese Vögel haben die Gewichte und Maasse wie 


Tabelle 6. 























i o2 foa goa | 6 | 1 
Nach Zum 
lügel- Flügel- | Schätzung | Schweben 
Name Gewicht An fläche anzu- erforderliche|Schwebe- 
des Q ache Laut) kg | nehmender | Geschwin- [fähigkeit 
Vogels. I Gewicht | grüsster digkeit tg u 
Querschnitt v 
kg qm qın A m 
D " / l Er, F | - 1 
Thurmfalke 0,124 0,063 ' 0,568 — 4,54 en 
2 eegend Ze EE 
EEN ti F | 
Seeadler 8,750 | 0,627 0,167 | I 7,91 es 





l) In einer Abhandlung des Verfassers, Civilingenieur, Band XXV1, Jahrgang 
1880, Heft 6 und 7, finden sich die Zeichnungen dieser Vögel. 


222 Samuelson: Zum Vogelflug. 


sie in Spalte 2 bis 5 der vorfolgenden Tabelle 6 aufgeführt sind. Nach 
Gleichung (13): 


v= Lanz LX H — 3,235 ge pP": 


berechnet sich die Geen welche für diese Vögel zum Schweben 
erforderlich ist, so wie Spalte 6 sie angiebt; wenn sodann der Coefficient 5, in 
Ermangelung hierauf bezüglicher Versuche vorläufig zu 0,2 angenommen 
wird, so berechnet sich nach Gleichung (15) die Schwebefähigkeit tg a so wie 
in Spalte 7 angegeben. 


Die zum Fliegen erforderliche Arbeit steht insofern im Zusammen- 
hange mit der Schwebefähigkeit, als aus letzterer direct ohne zwischen- 
liegende Erwägungen die Arbeitsgrösse bestimmt werden kann, welche 
beim abfallenden Schweben verbraucht wird. Kann nämlich der Vogel 
diese Arbeit unter denselben günstigsten Verhältnissen, wie sie beim 
Schweben stattfinden, ergänzen, so wird er horizontal fliegen und es ist in 
solchem Falle die per Secunde zu verrichtende Arbeit: 

(16) . ....L=Q.te.v; 
dieses würde für den 3,75 kg wiegenden Seeadler bei 7,91 m Geschwindig- 
keit nd wo = — die äusserst kleine Leistung von 0,198 mkg per 
Secunde ergeben. 


Das Schweben kann nur dadurch zustande kommen, dass der Vogel 
das ihm instinktiv innewohnende feine Gefühl für die Richtigkeit seiner 
Flügelstellung dazu benutzt, um den Winkel an der Grenze von Null 
zu halten, so dass in Gleichung (14), welche lautet: 


K= E v? [Ea AL äis Fsin o] 


3/4 F ane den geringsten möglichen Werth erhält, wobei vorausgesetzt 
worden ist, derselbe könne so gering werden, dass er gegen =, A vernach- 
lässigt werden kann. Es muss als wahrscheinlich erscheinen, dass der 
Vogel, sobald er zu Flügelschlägen gezwungen wird, diese äusserste Klein- 
heit des Neigungswinkels nicht mehr aufrecht erhalten kann; dann aber 
hängt der Vortrieb X und mit ihm die zu leistende Arbeit wesentlich von 
der Grösse ?/4 F sin ọ ab; durch einen Fehler, eine Ungenauigkeit in der 
Flügelstellung in dem Sinne, dass % grösser wird als nötlig, muss der er- 
forderliche Vortrieb und mit ihm die zu leistende Arbeit bis zu erheb- 
lichen Beträgen hinauf nutzloserweise sich vergrössern. 

Es sei Fig. 43 der Grundriss eines mit der Geschwindigkeit v horizontal 
fortschreitenden Flugkörpers, dessen als Flügel zu betrachtender rechts- 
seitiger Flächenkörper schraffirt umrandet ist. In Fig. 44 sei Dı Eı das 
Schnittprofil des Flächenkörper-Elementes DE von der Breite d und der 
Länge A während des Niederganges; in Fig. 45 sei Dz Ex dasselbe Flächen- 


Samuelson: Zum Vogelflug. 223 


körper - Element während des Aufganges. Der Niedergang finde mit der 
Geschwindigkeit u unter dem Winkel A zur Bewerungsrichtung statt, der 


Fig. 43. Gru ndriss. 





Aufgang mit der Geschwindigkeit w unter dem Winkel & Die Geschwindig- 
keiten v und u, bezw. v und w bilden ein Parallelogramm, dessen Resul- 
tirende die Richtung ist, in welcher der Flächenkörper die Luft und letztere 
rückwirkend den Flächenkörper trifft und auf denselben einwirkt. Zur 
Flugbewegung ist erforderlich, dass der Luftdruck von unten gegen den 
Flügel wirkt. Wird somit durch e der Winkel bezeichnet, unter welchem 
die Wirkung der Luft gegen den Flächenkörper wirklich stattfindet, so ist: 


U) 2.2... top Lei: und 
) [IB ke e 
(18) . 2... ee: 


Alle diese Winkel und Geschwindigkeiten sind variabel; beim Flügel- 
niedergange findet der Vorschub, d. h. eine Vergrösserung von v und mit 
derselben eine Vermehrung der dem Flugkörper innewohnenden lebendigen 
Kraft statt; dieses Mehr wird beim Flügelaufgange während einer Ver- 
kleinerung von v aufgebraucht und ausgenutzt. Wenn die Flügelbewegung 
durch Drehung um die Axe IK erfolgt, so sind die Geschwindigkeiten « 


224 Samuelson: Zum Vogelflug. 


und w Functionen der Entfernung 7 des Flächenkörper-Elementes von der 
Drehaxe; der Niedergang beginnt und endigt mit «u == o, ebenso der Auf- 
gang mit w == 0; etwa in der Mitte sind beide am grössten. Die Winkel 
b und £ beginnen und endigen mit A =o und Z = o und sind ebenfalls etwa 
in der Mitte am grössten. Wenn nun im Interesse des Arbeitsminimums 
die Anforderung an die Flügelbewegung gestellt wird, dass der Winkel e 
welcher der „wirkliche Flugwinkel“ oder schlechthin „der Flug- 
winkel“ genannt werden mag, eine annähernd constante, möglichst kleine, 
aber immer im richtigen Sinne von unten, niemals von oben gegen den 
Flügel gerichtete Neigung darstellen soll, so kann diese Bedingung durch 
einen starren Flächenkörper nicht erfüllt werden, dem in Gleichung (17) 
sind, wenn v und e als constant betrachtet werden, u und $ von einander 
abhängig; muss um so grösser sein, je grösser u als Function der Länge l 
ist; ebenso sind in Gleichung (18) w und 5 durch einander bedingt und es 
muss wiederum & um so grösser sein, je grösser w als Function von 2 ist. 
Der Klächenkörper muss daher beim Niedergange wie beim Auftgange eine 
windschiefe Fläche bilden, deren Schiefe aber beim Niedergange im um- 
gekehrten Sinne gerichtet sein muss wie beim Aufgange (nach Art der 
Rechts- und Linksschraube). Zu diesen schwierig zu erfüllenden Bedingungen 
kommt, noch, dass die Profilschnitte Dı Er bezw. Dabo wenn sie unter 
Luftdruck stehen, absolut gradlinig sein müssen, was für den unbelasteten 
elastischen Flächenkörper eine gewölbte Form bedingt. 

Einerseits erkennt hieraus der praktische Blick, dass die für den 
elastischen und doch tragfähigen Flächenkörper nothwendige feste, form- 
gebende Führung in der Vorderkante ZD (Fig. 43) liegen muss, andererseits 
aber muss es zweifelhaft erscheinen, bis zu welchem Grade der Vollkommen- 
heit die durch die Gleichungen (17) und (18) ausgedrückten Bedingungen 
für jeden elementaren Streifen des Flügels erfüllbar sind in Anbetracht der 
durch die Bauart der verschiedenen Flieger zu Gebote stehenden Mittel. 

Es wird nun vorausgesetzt, die Bedingungen, welche an den als 
Flügel dienenden elastischen Flächenkörper gestellt werden müssen, seien 
durch irgend welche Mittel in mehr oder weniger vollkommenem Grade, 
Jedoch derartig erfüllt, dass der Flugwinkel + im richtigen Sinne belegen 
ist, dass also nicht etwa der Luftdruck von oben gegen den Flügel wirken 
könne. Dann finden beim Flügelaufgange ähnliche Beziehungen statt wie 
beim Schweben, nur wäre statt © zu setzen: --- E - 5; diese geringe 

cos (3 — 4) 
Geschwindigkeits- Vergrösserung, dadurch entstehend, dass die Flügel nicht 
unbeweglich sind, sondern gehoben werden, kann in Anbetracht der Kleinheit 
von 9 und 3 vernachlässigt werden, da stets cos (3 — <) = 1 zu setzen ist; 
um Zweifel hierüber auszuschliessen, stelle man sich den Druckmittelpunkt 
der Flügel als absolut horizontal furtschreitend, den Flugkörper - Rumpf 
dagegen entsprechend sich senkend vor; in solchem Falle wäre aber der 





Samuelson:! Zum Vogelflug. 225 


Neigungswinkel Z der Flugwinkel selbst; thatsächlich werden Rumpf und 
Flügel einander auf halbem Wege entgegenkonmen, so dass der Flug ein 
angenähert horizontaler ist. Somit findet in jedem Zeitpunkte des Flügel- 
aufranges die Beziehung der Gleichung (14) statt: 


nm Së (aA a F sin ṣ) 
í 


worin K die vom Beharrungsvermögen herrührende vorschiebende Kraft 
bedeutet, welche in jedem Zeitpunkte gleich der im umgekehrten Sinne 
wirkenden verzögernden Kraft des Luftdrucks ist. Auf Grund dieser 
Gleichung könnte man nach dem Princip „Kraft durch Masse gleich Be- 
schleunigung“ in der Berechnung weiter vorgehen belıufs Feststellung der 
während des Aufganges verlorenen lebendigen Kraft, welche sodann durch 
den Vorschub während des Niederganges wieder zu ersetzen wäre; die in 
diesem Sinne verlorene lebendige Kraft hängt aber von dem Flugwinkel 9, 
d. h. von dem Vollkommenheitsgrade des Flügels und seiner Handhabung ab. 


Während des Flügelniederganges (s. Fig. 44) kann die variable Ge- 
schwindigkeit «, mit welcher derselbe in jedem Zeitpunkte erfolgt, in der 
verschiedensten Weise zu- und wieder abnehmen; die Voraussetzung hori- 
zontalen Fluges kann aber nur danı erfüllt werden, wenn die den Flügel 
niederwärts bewegende innere Kraft des Fliegers nicht die Grenze über- 
steigt, welche ihre Gegenkraft, den Luftdruck veranlassen würde, eine 
übermässige Hebung des Flugkörpers (mehr als die etwaige geringe Senkung 
beim Antfschlage) statt des lediglich geforderten Vorschubes zu bewirken. 

Die Wirksamkeit der verschiedenen Flächenkörper-Elemente richtet 
sich beim Flügel-Niedergange nach dem Quadrate der Entfernung von der 
Drelaxe IK (Fig. 43). Unter der Voraussetzung, dass die Flügelbreiten 
von der Mittellinie des Drucks MC aus überall jo A nach vorne, ?/s h 
nach rückwärts belegen sind, würde der Schwingungsradius r, in welchem 
die Flügelfläche cuncentrirt gedacht werden müsste, um gleiche Wirkung 
zu ergeben, bestimmt werden aus: 

at, =]; 


| A (Gd 
TE 


2 


— EE EE em 


worin A als Function von Z auszudrücken wäre. 

Während des Flügelaufganges wird keine Arbeit verrichtet. Betrachtet 
man die in Gleichung (14) vorkommenden Wertle als bekannt, so würde 
die Zeitdauer des Flügelaufganges eine gegebene sein und sich berechnen 
lassen; der Flügelniedergang dagegen hängt von der dazu verwendeten 
nneren Kraftleistung des Fliegers ab. Da der dabei ausgeübte Vorschub 


326 Samuelson: Zum Vogelflug. 


von zwei wählbaren Grössen, nämlich von der in jedem Zeitpunkte des 
Niederganges stattfindenden Geschwindigkeit « und dem gleichzeitig statt- 
habenden Neigungswinkel abhängt und es, sofern diese richtig gewählt. 
sind, einerlei ist, welche Niedergangsdauer sich daraus ergiebt, so ist die 
Bedingung, dass die durch den Niedergang zu gewinnende lebendige Kraft. 
des Flugkörpers gleich der durch den Aufgang verlorenen sein soll, stets 
erfüllbar. Aber es hängt beim Niedergange ebenso wie beim Aufgange 
von der Vollkommenheit und Richtigkeit des Flächenkörpers, d. h. jedes 
seiner elementaren Streifen ab, mit welchem durchschnittlichen Flugwinkel 
der Niedergang vollführt wird. 

Tragfähige Flächenkörper können nicht olme Dicke sein. Das Ideal 
des Profilschnittes eines als Flügel dienenden Flächenkörpers kann daher 
nicht die gerade Linie sein, sondern es muss eine Schnittfläche von der 
Form Fig. 46 als solches angesehen werden, wobei die Dicke % möglichst 





klein im Vergleich zur Breite A sein soll. Es dürfte wohl keinem Zweifel 
unterliegen, dass die geringste mögliche, d. h. praktisch anwendbare Grösse 


des Flugwinkels ọ von dem Verhältniss 1 des als Flügel dienenden 


Flächenkörpers abhängig ist. 

Die hier vertietene Theorie gelt zwar von der Voraussetzung aus, 
dass die Dicke des ebenen Flächenkörpers vernachlässigt werden könne, 
so dass jedem Punkte der mehr gedrückten Vorderfläche ein entsprechender 
Punkt der minder gedrückten Hinterfläche gegenüberstehe; diese Anschauung 
würde möglicherweise in dem Falle zu modifieiren sein, dass bei einem im 
Schnitt wie Fig. 46 gestalteten Flächenkörper der Neigungswinkel sich an 


~ 
OD 


( annähert. Aber die Abhängigkeit des geringsten praktisch möglichen, 
d. h. beim Fluge noch wirksamen Neigungswinkels von diesem Verhältniss 
wird niemand in Abrede stellen wollen. 

Da nun beim Horizontalfluge der Flügelniedergang nichts weiter be- 
wirken kann, als die Ergänzung der beim Flügelaufgange verlorenen 
lebendigen Kraft des Flugkörpers, wobei die periodische Differenz in der 
Geschwindigkeitsgrösse v einerseits Leim Aufgange, andererseits beim Nieder- 
gange einen merklichen Einfluss auf die erforderliche Durchschnitts-Arbeit 
nicht wohl ausüben kann, so muss es als zweifellos erscheinen, dass die 
zum Fliegen erforderliche Arbeit genau proportional dem durch Gleichung (14) 
ausgedrückten Vorschube K, nämlich Z = Kv ist, wenn v die Durchschnitts- 
grschwindigkeit bedeutet. 


Samuelson: Zum Vogelflug. 227 


Somit ist die wichtige und vielumstrittene Frage nach der zum Fliegen 
erforderlichen Arbeit, soweit sie den gradlinigen Horizontalflug betrifft, wie 
folgt zu beantworten: Die Gleichung lautet: 


(19) 4 be 7 v’ (Za A- 3/4 F sin o); worin: 


n Pa e 
ie / 4) I Q 
VE VS 


Die Arbeit hängt zum ersten Theile von dem Rumpf-Widerstande ab, 
welcher unter alien Umständen überwunden werden muss, also von &a A, 
ausserdem von der Grösse der Flügelfläche und von der unvermeidlichen 
Grösse des Flugwinkels; letzterer hängt in erster Linie davon ab, in 
welchem Maafse die als Flügel dienenden elastischen Flächenkörper die 
Fähigkeit haben, sowohl beim Flügelaufgange wie beim Niedergange die 
rechts- bezw. links gewundene windschiefe Fläche zu bilden, welche er- 
forderlich ist, damit alle elementaren Streifen dieser Flächenkörper in gleiche 
Wirksamkeit treten können. Besitzen die Flügel vermöge ihrer Bauart 
diese Fähigheit, dann hängt das Minimum der möglichen Arbeitsleistung 


von dem Verhältniss d. h. von der unvermeidlichen Dicke der Flügel- 


ò 
h?’ 
Vorderkante ab, somit von dem geringsten praktisch möglichen Flugwinkel ; 
schliesslich von der Geschicklichkeit des Fliegers, den Flügel in jedem 
Augenblick so zu stellen, dass das Fliegen unter dem geringsten möglichen 
Flugwinkel stattfindet. 


Die vorstehend entwickelte Tlieorie ging von einem zunächst als 
leblos gedachten, mit constanter Flügeltläche ausgerüsteten Flugkörper 
(Fig. 43) aus; dem entgegenstehend besitzen die Vögel nicht allein die 
Fähigkeit, (ue Flügelfiäche in fast unbeschränktem Maafse verkleinern zu 
können, sondern auch Theilbewegungen mittels der Flügel auszuführen, 
/. B. durch Drehung des Ellbogengelenks nur die Schwungenden zum Vor- 
triebe zu verwenden. In dem nach aussen stehenden Theile des Vogel- 
flügels, in welchem kein Knochen sich befindet, vielmehr nur die Schwung- 
federn fächerartig so über einander liegen, dass die Federrippen neben 

` 

einander gelagert sind, erreicht das Verhältniss = (z B. bei etwa 2 mm 
Dicke und 200 mm Flügelbreite) die äusserste kleine Grüsse von Lie: es 
wäre also möglich, dass der Flugwinkel # unter Umständen auf weniger 
als 1° „ich stellen könnte. Als unvollkommene Flugorgane dürften die 
Flügel mancher Schmetterlinge anzusehen sein; letztere besitzen die Fähigkeit, 
die Flügelfläche zu verkleinern nur in beschränktem Masse durch Ue!er- 
einanderschieben der Ober- und Unterflügel; die Libellen besitzen diese 
Fähigkeit so gut wie gar nicht. 


228 Samuelson:! Zum Vogelflug. 


Einer der schwersten und mächtigsten Flieger, der Singschwan [Cygnus 
musicus]!) hatte in dem von mir gemessenen und 'gewogenen Exemplar 
10,00 kg Gewicht bei 0,469 qm Flügelfläche (olıne den Rumpf), somit nur 
0,047 qm auf 1 kg Gewicht. Nach Gleichung (13) berechnet sich die 
horizontale Fluggeschwindigkeit dieses Vogels unter den oben gemachten 
Annalımen zu: 

use ee 
v == 3,235 y = l9. 


Der grösste Querschnitt im Brustkasten dieses Vogels ist (nach 
Schätzung) zu etwa 1/2 F anzunehmen; wird &a wiederum == 0,2 ange- 
nommen, so ist nach Gleichung (14) der Vorschub: 

K = 28,441 (0,2. 0,02345 — 0,352 sin %); 
oder: 

K = 0,1334 + 10,01 sin 5; und 

L=v.K = 1,993 + 149,57 sin 2. 

Um zu zeigen, wie der Vorschub X und mit ihm die per Secunde zu 
jeistende Flugarbeit K.v bei verschieden angenommenen Werthen des 
Flugwinkels sich gestalten würde, ist nach diesen Formeln die nachfolgende 


Tabelle 7 berechnet. 
Tabelle 7. 
Vorschub und Flugarbeit des Singschwans im Horizontalfluge unter 
Annahme des Flugwinkels — = 1/3? bis 8°. 





DH 








Vorschub | Flugarbeit 
x Ko L 
Grad 

kg mkg 
0 0,133 1 1,99 
0,5 0,220 2,61 
1 0,307 4,74 
2 0,482 7,20 
3 0,656 9,80 
4 0,830 12,4 
5 1,005 15,0 
6 1,178 17,6 
7 1,352 20,2 
8 | 1,525 22,8 


Die Rippen der Schwungfedern dieses Vogels sind etwa 3 mm dick 


3 À EEN do. 
bei etwa 300 mm Flügelbreite, also für die Flügelenden ER wiederum etwa 


p ! l d ; 
lan ` da wo die Flügelknochen sich befinden, muss indessen S wesentlich 
l 


1) Im „Civilingenieur* Jahrgang 1880 findet sich eine Abbildung dieses Vogels. 


Samuelson: Zum Vogelflug. 229 


grösser sein. Wollte man annelimen, dieser Vogel könne mit 1° Flugwinkel 
auskommen, so würde er etwa Te Pferdekraft an Flugarbeit verrichten, 
bei Annahme von 2° Flugwinkel dagegen etwa Ti Pferdekraft. 

Aus den vorstehend mitgetheilten Erwägungen im grossen Ganzen 
gehen einige 'Thatsachen hervor, welche allenfalls „Flugprincipien“ genannt. 
werden können, nämlich: 

1. Betreffend Fluggeschwindigkeit mit Bezugnahme auf Gleichung (13): 
Es giebt im Horizontalfluge in ruhender Luft bei constan- 
ter Flügelfläche für jedes Flieger-Individuum nur eine 
Fluggeschwindigkeit. Will der Vogel im Horizontalfluge seine 
Geschwindigkeit vergrössern, so muss er seine Flügelfläche verkleinern. 

2. Betreffend das Minimum der Arbeitsleistung im Fliegen: Der 
lebende Flieger erzielt das Arbeitsminimum dadurch, dass er direct 
empfindet, bei welcher Stellung der ihm verliehenen mehr oder minder 
vollkommenen Flügel seine Kräfte am wenigsten angestrengt werden: er 
richtet folgeweise die in jedem Zeitpunkte von seinem Willen ab- 
hängende Flügelstellung mittels der ihm durch Naturanlage und 
Uebung innewohnenden Geschicklichkeit instinctiv nach dem Arbeits- 
minimum ein. — Ein etwaiger maschineller Flieger müsste im Gegen- 
satze hierzu durch eine fein berechnete richtige Stellung fein 
berechneter elastischer Flügel den geringsten möglichen 
Flugwinkel und somit das Arbeitsminimum erzielen. 


Nachschrift. 


Als die vorstehende Abhandlung bereits zum Drucke abgesandt war, 
las ich in dem mir verspätet zugegangenen Heft 2/3 d. Zeitschr. die 
Beschreibung des Kress’schen Drachenfliegers. Ich war von der Lebens- 
fähigkeit dieses Apparates sowohl in kleinen wie in grossen Dimensionen 
sofort überzeugt. Die Construction desselben nach den von mir mit- 
getheilten Gesetzen wird meines Erachtens den vollgültigen Beweis für 
deren Richtigkeit erbringen. | 

Eventuell würde mein Rath Herrn W. Kress jederzeit zur Ver- 
fügung stehen. 

Der Verfasser. 


Kleinere Mittheilungen, 


Vogelflug und Fiugtechnik. Am 23. August d. J. hatte Schreiber dieser Zeilen 
besonders günstige Gelegenheit, den Flug von Möven zu beobachten. Er befanp 
sich an Bord eines grossen Dampfers bei „Lizard-head“, nahe der Westspitze Eng- 
lands, und die Vögel verfolgten das Schiff, direkt einem recht lebhaften Wind, der 
in der Kielrichtung wehte, entgegen. Daher kamen sie nicht schneller vorwärts 
als der Dampfer, und erschienen dem am Hinterende grade über der Schraube 


280 Kleinare Mittheilungen. 


stehenden Beobachter, ganz in der Nähe, wie stillstehend. Sie befanden sich im 
Ruderflug, und über diesen hauptsächlich möchte ich einiges bemerken. 

Zuerst möchte ich nachdrücklich die ganz individuelle Bewegung jedes 
einzelnen Flügels betonen. Dass beide Flügel denselben Schlag ausführen, kommt 
fast noch seltener vor, als dass der eine ausgestreckt stillsteht und nur der andere 
schlägt. Die Bewegung der Flügel erinnert in hohem Grad an den Gebrauch 
zweier Menschenhände. 

Sie scheinen rechts und links nach dem geeignetsten Stützpunkt in die Luft 
hinauszugreifen, grade wie es jemand thut, der plötzlich auf Glatteis stolpert. 
In der Regel sind beide Flügel ganz nach oben krumm gebogen, und diese 
Krümmung wird sehr oft auf der einen Seite vermindert oder erhöht. Vermindert 
manchmal noch bis zum graden Ausstrecken und dabei kann noch geschlagen 
werden oder nicht. Die Schläge erfolgen auch mit je einem Flügel vor oder hinter 
dem Körperschwerpunkt, der Körper kommt manchmal dabei in ein wahres Pendeln 
und Wackeln, vorn auf, hinten ab. Bei der Länge der Flügel ist auch eine kleine 
Verlegung des Schlags gegen den Körperschwerpunkt wirksam. Bemerkenswerth 
war dann, nach einem blitzschnellen Wechsel in der allgemeinen Schlagart, ein 
plötzliches unmotivirtes Steigen um grosse Strecken; jedenfalls hatte dabei die 
Bändigung und Ausnutzung eines Windstosses stattgefunden (wobei Kraft erspart 
wurde). 

Die Schläge geschehen auch nicht nur von oben nach unten, sondern auch 
mehr oder weniger etwas nach einer Seite hinzielend. 

Der Körper neigt sich dabei öfters auf die Seite. 

Aus diesen Beobachtungen scheint mir als Gesammtergebniss hervorzugehen, 
dass der Ruderflug leichter für den Vogel ist als der Segelflug und auch zuerst 
bemeistert wird. Wenn Schläge bloss auf einer Seite verhältnissmässig oft vor- 
kommen, so ersieht man, dass die Bewegungen des Ruderflugs mit denen des 
Segelflugs nahe genug verwandt sind, und dass der Uebergang zwischen beiden 
Flugarten ganz allmählich ist, wobei indess auffällig ist, dass der Vogel, so oft ihn 
was beim Segeln geniert, zu den Flügelschlägen als bequemem Auskunftsmittel 
und zuverlässiger Sicherheitsmaassregel greift. 

Dies beobachtete ich bei den Möven, die streckenweise auch segelten, und 
ein besonders lehrreiches Beispiel davon boten mir öfters die Tauben über dem 
windigen New-York, die so oft unter vorsichtig schräger Flügelhaltung zu segeln 
versuchen und stets mehr oder weniger schnell in zuweilen ganz geschwindes 
Flattern übergehen müssen. — 

Werfen wir nun einen Blick auf den heutigen Stand der Flugtechnik über- 
haupt, und was unsere obigen Betrachtungen wohl dazu sagen könnten. 

Das Problem der Flugtechnik zerfällt ausschliesslich in zwei 
Theile. i 

Früher betrachtete man die Lösung des ersten Theils als unmöglich und liess 
den menschlichen Flug an der Unthunlichkeit, den erforderlichen Motor herbei- 
zuschaffen, scheitern. Heute ist es Gott sei dank anders. Hiram Maxim hat vom 
Standpunkt der älteren Anschauung das Unerhörte geleistet und die Flugmaschine 
wirklich erfunden. Unser Lilienthal hat noch mehr gethan, indem er den manch- 
mal lächerlich geringen Kraftverbrauch der Vögel beim Flug unzweifelhaft fest- 
stellte. Erstaunlich ist es nur, dass die vollständige Umkehrung aller Anschauungen 
über eine so unbeschreiblich wichtige Frage das grössere Publikum im Verhältniss 
so gleichgültig liess. Sprechen wir es an dieser Stelie noch einmal nachdrücklich 
aus, dass die „fliegende Maschine“ nun wirklich existirt und wir den Namen 
eines Lilienthal und Maxim die schuldige Achtung versagen, wenn wir noch immer 
die Kraftfrage diskutiren. 


Kleinere Mittheilungen. 231 


Unsere Aufgabe ist jetzt eine andere. Wir haben den zweiten Theil des 
Problems vor uns, den man früher noch nicht einmal sehen konnte, und ohne den 
das Unerhörte, das wir in Maxims und Lilienthals Arbeiten besitzen, uns nichts 
helfen kann. 

Es betrifft die Aufrechterbaltung der Stabilität der Flugmaschinen. Alle 
Kräfte sollten wir daher an die Lösung dieses Problems setzen, denn nur von 
ihr hängt es ab, ob wir morgen fliegen können oder nicht. — 

Blicken wir zurück auf die obigen Beobachtungen des Vogelfluges, so muss 
uns die Lösung dieser Aufgabe unendlich schwer erscheinen, so lang wir irgend 
dabei noch die Vögel zum Vorbild nehmen. 

Die Erreichung des Segelflugs, wie sie Lilienthal (dessen Resultate dennoch 
schr, sehr viel werth sind), erstrebte, scheint in weiter Ferne zu verschwinden, 
wenn wir bedenken, dass der Vogel diesen Flug mit unvergleichlich viel voll- 
kommeneren Apparaten nur als die Krone seiner Fliegekunst ausübt und sich auch 
nicht nur auf ihn verlassen kann. Zunächst sollten wir da den Ruderflug nach- 
ahmen. 

Denn es liegt auf der Hand, dass ein Excess von Kraftersparniss nur dureh 
einen Excess von Geschicklichkeit zu erreichen ist; im Interesse der Sicherheit 
und angesichts der Maxim’schen Resultate sollten wir aber grade Geschicklich- 
keitsersparniss erstreben. — 

Die Nachahmung des Ruderflugs halte ich nun einfach für unmöglich. 

Er bleibt ein speecifisch - animalischer Vorgang, der der vollkommensten 
Maschine so wenig erreichbar ist, wie etwa das Spielen einer Violine. Nach meinen 
obigen Mittheilungen über den Vogelflug brauche ich diese Behauptung nicht 
weiter zu belegen. i 

Für uns bleibt die natürliche technische Nachbildung des physikalischen 
Vorgangs beim Flug der grossen Vögel die unbewegte Flügelfläche mit Schrauben- 
propeller. 

Der hohe Vortheil dieses letzteren besteht in seiner positiven Controlirbarkeit. 

Nur durch diese Eigenschaft lässt sich dann auch die genügende Stabilität 
erzielen. — Die Eventualitäten der natürlichen Luftbewegung, mit denen wir bei 
der Lösung des Stabilitätsproblems zu rechnen haben, erscheinen nun in einen 
wahren gordischen Knoten verschlungen. 

Auflösen scheint wahrhaftig schwerer’ als die Produktion des wunderbaren 
Maxim’schen Motors es war. 

Doch vielleicht liesse er sich durchhauen. 

Construiren wir einmal einen Doppelsegelapparat, wie ihn Lilienthal anwandte. 

Anstatt ibn aber direkt in die Hand zu nehmen, fügen wir verschiedenes 
Andere zu. Im ungefähren Luftlruckmittelpunkt fügen wir einen langen senk- 
rechten Mast oder Hebel, nach unten zeigend, an. Direkt über der oberen Segel- 
fläche, die ein wenig kleiner sein darf als die untere, bringen wir an diesem Mast 
einen Schraubenpropeller an. Ausser der unumgänglichen Windfahne hinten haben 
wir zwischen beiden Segelflächen ein gewöhnliches Steuerruder. Unten an dem 
langen Mast haben wir die Gondel, an dieser wiederum einen Schraubenpropeller 
und ein ebensolches Ruder (zum seitlichen Lenken). Jeder Propeller habe seinen 
eignen Motor mit sensitiver Controlvorrichtung. 

Durch keine Construetionsschwierigkeiten sind wir gehindert, den besagten 
Hebel oder Mast, an dessen Fuss sich fast die ganze Last befindet, so lang zu 
machen, dass ein Umkippen der Segeiflächen unter allen erdenklichen Umständen 
ausgeschlossen ist. 

Wenn wir dabei zeitweise in den so vielfach empfohlenen Wellenflug ge- 
langen, so schadet das nicht weiter, 


232 Kleinere Mittheilungen. 


Zum Landen sei die Gondel mit einigen geeigneten leichten Rädern versehen, 
ausserdem die Segelfläche von Fallschirmdimensionen und vielleicht zum schnellen 
Zusammenklappen eingerichtet. 

Wie aber mit einer so sperrigen Vorrichtung erst einmal in die Luft gelangen? 

Als Franklin dem ersten Ballon gegenüber gefragt wurde, wozu die Ballons 
nützen könnten, antwortete er ausweichend! „Es ist ein neugeborenes Kind.“ 
Heute ist das Kind schon alt, und doch haben sich vielleicht viele, beim Anblick 
eines solch lustigen, substanzlosen Gesellen noch am wenigsten gesagt, auf welche 
Kraftquelle, so mächtig wie eine massive Dampfmaschine, sie da hinblicken. Er- 
sparen wir uns doch die vielfachen Plackereien beim ersten Abflug der Flug- 
maschinen, ersparen wir vor allem eine grosse Masse Brennmaterial (und vielleicht 
sogar starke Motoren, wenn diese nur mehr zu steuern haben) und geben wir dem 
Ballon endlich sein rechtes Wirkungsfeld, ein Feld auf dem er erstaunliche Kraft- 
proben ablegen kann, indem er die Flugmaschinen zunächst ziellos in bedeutende 
Höhen emporhebt und ihnen eine lange, schnelle Reise ermöglicht. Der Vortheil, 
dass die Maschinen dann ihre Thätigkeit unter allen Umständen in Windstille 
beginnen, ist auch nicht zu verachten. Von den Eigenschaften des Windes darf 
man übrigens grade soviel, Kraftersparniss erwarten, wie man sie bei dem 
schwierigsten technischen Problem zunächst verlangen sollte. 

Die ersten Experimente könnten über einer recht grossen Wasserfläche mit 
einer Gondel, die mit durch comprimirte Luft erst grade vor dem Landen augen- 
blicklich aufzublasenden Schwimmballons versehen wäre, stattfinden. 


Carl Dienstbach. 


Eine neue Art der Lenkung eines Ballons in verticaler Richtung. Die gebräuch- 
lichste Methode der vertikalen Ballonlenkung ist das Ballastauswerfen und das 
Gasauslassen. Diese Methode ist wohl die einfachste, hat aber den Fehler, dass 
man nur ao lange Ballast auswerfen und Gas auslassen kann, als der mitge- 
nommene Vorrath? reicht, da man nur sehr selten im Stande ist, unterwegs das 
eine oder das andere ersetzen zu können. Natürlich kann man comprimirte Gas- 
mengen mitnehmen — aber meines Wissens ist das erst einige Mal geschehen, 
als man sehr lange oder hohe Fahrten in Aussicht hatte. Man ist deshalb bei 
gewöhnlichen Fahrten auf kurze Strecken beschränkt. 


Weil aber oft an dem längeren Obenbleiben viel gelegen ist, war man be- 
müht, den Ballon ohne Gas und Ballastverlust steigen resp. fallen zu lassen, um 
einerseits längere Fahrten unternehmen und anderseits auch mehrmals landen zu 
können. Dieses Problem lat man auf mehrfache Weise zu lösen versucht. Ich 
gebe zur Uebersicht die bis jetzt bekannten Methoden an: 

Man kann das Fallen resp. Steigen bewirken: 

1. Durch Verdichten oder Verdünnen des Gases, 
2. Durch Flügel, Verticalschrauben etc. 
8. Durch Fallschirme. 


Keine von diesen angeführten Methoden wurde praktisch angewendet, da sie 
sich saämmtlich als viel unpraktischer erwiesen, als das Ballastauswerfen. 


Eine neue Art der Lenkung im vertikalen Sinne will ich nachstehend be- 
schreiben. Meine Methode soll nicht das bewirken, was man von den angeführten 
vergeblich erwartete, nämlich die Lenkung ohne Beihilfe von Ballast oder Ventil. 
sie soll bloss den Verbrauch beider Medien auf das Minimum herabdrücken. Nament- 
lich von dem kostbaren Gas soll so gut wie gar nichts verloren gehen. 


An einem Ballon, der zu diesem Zwecke eingerichtet ist, ist nicht viel 
geändert; er ist blos mit einem kleineren, am besten mit Wasserstoff gefüllten 


Kleinere Mittheilungen. 288 


Nebenballon ausgestattet, der mit einer Gondel aus dünnem Stahldrahtgeflecht 
versehen ist. Der Nebenballon ist mit dem Hauptballon durch eine Leine ver- 
bunden, die um eine Winde geht, von der sie beliebig auf- und ab gewunden 
werden kann. Damit dies schneller zu bewerkstelligen geht, ist der Winde ein 
Räderwerk beigegeben, welches sammt der Winde am Rande der Gondel des 
Hauptballons berestigt ist. Am Nebenballon ist die Leine derart befestigt, dass 
derselbe verschiedene Lagen über und unter dem 
Hauptballon einnehmen kann, ohne zu kippen. Es 
führt nämlich vom oberen Pol des Nebenballons p 
Fig. 1 a.b. zu der Unterfläche der Gondel des- 
selben f lose eine biegsame Schnur, an welcher 
sich ein Holzring verschieben lässt; erst an diesem 
Ring ist die Verbindungsleine angebracht. Diese 
Art der Befestiguug hindert den Nebenballon eine 
schiefe Lage anzunehmen. 

Mit einem so adjustirten Ballon befinde man 
sich in einer gewissen Höhe im Gleichgewicht: 
Der Nebenballon hebe in dieser Höhe z. B. x kg. 
Um den Ballon sinken oder steigen zu lassen: 
muss man ihn irgendwie aus dem Gleichgewichte 
bringen. Wir wollen ihn z. B. zum Sinken brin- 
gen; zu diesem Zweche nehmen wir aus der 
Gondel des Nebenballons von den dort befindlichen 
x kg. y kg. weg und geben sie in die Gondel des 
Hauptballons. Bis jetzt ist das Gleichgewicht 
eigentlich nicht gestört, denn die beiden Ballons 
hängen ziemlich innig zusammen, und haben über- 
dies weder an Gewicht noch an Gas verloren. 
Anders ist es, wenn man nun den Nebenballon, 
der jetzt allein betrachtet, einen gewissen Auf- 
trieb hat, steigen lässt. Derselbe kommt nach 
und nach in dünnere Luftschichten, bis er eine 
solche erreicht hat, wo er in Gleichgewicht tritt- 
Der Hauptballon aber, hat jetzt ausser seinem 
früheren Gewichte noch y kg, die man aus der 
Gondel des Nebenballons entnommen hat, an Bord; 
er ist also schwerer, als die von ihm verdrängte 
Luftmenge, und sinkt infolgedessen hinab. Natür- 
lich mussman während des Fallens die Leine ab- 
wickeln lassen, damit der Ballon seine Höhe 
behält. Hat man soviel aus der Gondel des 

. PZ. o nouel des 
Nebenballons entnommen, dass man bis auf den ée 
Boden sinkt, und will man nun wieder empor, 
so braucht manblos den Nebenballon hinunter zu ziehen, um wieder aufsteigen zu 
können. 

Umgekehrt geht man natürlich vor, wenn man sich über die Gleichgewichts- 
lage erheben will; da beschwert man den Nebenballon um y kg, lässt ihn sinken, 
bis er diese Gewichtszunahme durch die Höhenverminderung ersetzt. 

Die Lagen des Nebenballons unter und über dem Hauptballon sind durch 
die Fig. 1. a, b, angedeutet. 

So kann man mit keinem oder nur sehr geringem Gas- und Ballastverlust 
mehrmals landen, Anhöhen und Berge übersteigen, einen günstigeren Wind auf- 





281 Kleinere Mittheilungen. 


suchen etc. Natürlich ist das mehr für Dauerfahrten berechnet, obwohl man es 
auch bei Hochfahrten gut anwenden könnte. 

In Allgemeinen wird als Nebenballon ein Kugelballon von 2 m. Radius 
genügen. Ein solcher Ballon hat bei Wasserstoflfüllung eine Steigkraft von 40 kg 
und wenn wir 10 kg für Ballonhülle, Netz und Korb abrechnen, so bleiben noch 
immer 30 kg als wirkender und nicht verloren gehender Ballast. Bei 
grösseren Nebenballons wird man sich natürlich von grösseren Höhen hinab lassen 
und grössere Höhen erklimmen können. 

Hugo Vavrecka. 


Kleine Bemerkungen. Im Heft 4.5 dieser Zeitschrift befinden sich einige kurze 
Bemerkungen, die uns in der Erkenntniss des Flug - Räthsels einen Schritt weiter 
bringen, und möchte ich nur auf zwei dieser Äeusserungen eingehen; es sind dies 
die Ansichten des Oberst Kadarz über L.uftpropeller-Flügel und die von A. v. Ober- 
mayer „über die Wirkung des Windes auf schwach gewölbte Flächen.“ Dieser 
letztere Autor hat wissenschaftlich dieselben Lilienthal schen Schlüsse und Ver- 
suche aufgegriffen, die ich vor Jahren in meinem Werke nur vom naturalistisch- 
mechanischen Standpunkte aus betiachtet habe, und ist es erfreulich, dass sich 
unsere beiden Resultate über die Lilienthal’sche Flugtheorie völlig decken. 


A. v. Obermayer hebt hervor, was auf S. 77 des Lilienthal‘schen Werkes 
'steht: 

„Da vermutlhich auf den Eigenschaften solcher schwach gekrümniter, 
vogelflügelähnlichen Flächen das Geheimniss der ganzen Fliege- 
kunst beruht, werden dieselben später genauen Untersuchungen unter- 
zogen.“ 


Weiter heisst es dann auf S. 100: 

„Es haben also die gewölbten Flächen die Eigenschaft, dass dieselben 
horinzontal gelagert und unter gewissen Winkeln schräg nach abwärts 
bewegt, selbstständig die horizontale Geschwindigkeit zu ver- 
grössern streben.“ 


Das wissenschaftliche Ergebniss seiner eingehenden Experimente über die 
Lilienthal’sche Theorie fasst v. Obermayer in den wenigen, aber inhaltschweren 
Schlussworten zusammen: 

„Die Annahme einer treibenden Componente des Luftwiderstandes er- 
scheint hiernach zur Erklärung der verschiedenen Erscheinungen nicht 
nothwendig, und es muss bei der Behandlung von Flugproblemen wohl 
davon abgesehen werden.“ 


Damit aber hat v. Obermayer dasselbe gesagt, was ich schon in meinem 
Werke betont habe, dass die Behauptung Lilienthal's; das eigentliche Fluggeheim- 
niss liege in der schwach gewölbten Fläche, ein Trugschluss sei, der die an 
dem Probleme arbeitenden Geister irre führe, und von der Erkenntniss des richtigen 
Flug-Impulses abdränge! — 

Im Hinblick auf die Bemerkung von Obermayers, „dass feste Punkte im 
System (wie seine nnd Lilienthal’s Versuchs-Objekte doch waren) zu Bewegungen 
desselben gegen die Windrichtung Veranlassung geben können,“ füge ich hinzu, 
dass die Versuchs-Apparate ein reines Drachen-Systen darstellen, und da die 
Schnur des Drachen den festen Punkt bildet, so wird die Drachen -Fläche vom 
Winde gegen seine Richtung bewegt, und zwar nur so lange, als noch eine Drachen- 
flächen-Projection dem Winde gegenüber vorhanden ist, — sobald aber diese Pro- 
jeetion verschwunden ist, die Fläche also horizontal liegt, ist es mit jeder Triebkraft 
des Windes vorbei. Ich habe versucht, dies in meinem Werke an dem Segelschitt, 


Kleinere Mittheilungen. 285 


das festgelegt ist und sich im Zirkelschlage um seinen Befestigungs-Punkt gegen 
den Wind bewegt, so wie an horizontalachsigen Wetterfahnen, klar zu machen. 
Wir haben es hier mit einem mechanischen Vorgange zu thun, der für die Lösung 
der Flugfrage von keinerlei Werth ist, und wir müssen Herrn von Obermayer Dank 
wissen, diesen Irrthum endlich wissenschaftlich aus der Welt zu schaffen, während 
wir andererseits dem fleissigen Experimentator Lilienthal als Förderer praktischer 
Unternehmungen in der Flugfrage volle Gerechtigkeit widerfahren lassen; — ich 
für meine Person muss hervorheben, dass ich die wissenschaftliche Arbeit von Ober- 
mayer's seit Jahren vorausgeahnt und daher stets erwartet habe, — nur habe ich 
nicht wissen können, von wem sie kam, ich wusste nur sicher, dass sie kam. — 
Wenn also der Flug-Impuls nun nicht in der Hohlheit der Flügelfläche ruht, dennoch 
ein steter deutlicher Flug - Impuls, besonders beim Schweben und Kreisen sich 
bethätigt, so muss er naturnothwendig anderswo zu finden sein, und so ahne ich 
auch hier, dass in nicht zu ferner Zeit auch eine wissenschaftliche Arbeit kommt, die 
das wissenschaftlich bestätigt, was ich naturmechanisch bereits festgelegt habe; von 
wem diese Arbeit kommt, kann ich gleichfalls nicht wissen, nur weiss ich, dass sie 
kommt. — Die ersten Spuren davon finde ich bei Oberst Kadarz in der Beschreibung 
der mechanischen Reaktion seines Luftpropellers in der Sigl’schen Maschinenfabrik: 
Er sagt, die Luftmassen vom Propeller abgehender Luft seien wärmer und dichter, 
also comprimirt und zusammengespannt — (wie etwa eine Gewehrfeder), dagegen 
sei die Luft vor dem Propeller kühler, also verdünnt gewesen. In der Verdünung 
liegt aber, wie der Autor richtig sagt, ein ansaugendes Moment, sodass die Propeller- 
Flügel von der vor ihnen liegenden verdünnten Luftmasse angesogen, und von 
der hinter ihnen liegenden Luftmasse abgestossen werden. Es findet somit in 
der Luftmasse vor wie hinter den Schraubenflügeln, bei der Arbeit der- 
selben, eine ganz gleiche Spannung statt und zwar vor der Schraube durch Deh- 
nung, und hinter derselben durch Zusammenpressung der Luftmassen; die Folge 
dieser mechanischen Spannung der Luftmasse ist: die Ent- Spannungs - Arbeit, 
welche dadurch in Erscheinung tritt. dass der Propeller vorgeschoben und ange- 
saugt wird. Will man dieses mechanische Ent-Spannungs- Moment noch erhöhen, 
muss man auch noch die Schraubenflügel elastisch machen, etwa wie die von mir 
Anfangs der 80er Jahre in dieser Zeitschrift veröffentlichte Fahnenschraube. 

Wenn der russische Physiologe Dr. med. Georg Berthenson hervorhebt, dass 
dieses Spannungs- Prinzip die Grundlage jeder Bewegung organischer Geschöpfe, 
also auch des Fluges sei, hebt neuerdings auch ein deutscher Physiologe, Dr. med. 
Otterbein, Chefarzt der Kuranstalt Eberswalde in seinem Werke: „Die Sonne und 
die Erhaltung der Kraft“ hervor, dass dieses Spannungs -Prinzip ein Grundgesetz 
der Mechanik sei, auf das wir ühcrall in der Naturmechanik stossen müssten. Da 
wir nun zur Bewegung in der Luft auch nothwendigerweise die Luftmasse ala 
reagierendes Element benutzen müssen, so muss auch in der Luftmasse dasselbe 
Moment der Spannung und Ent-Spannung mechanisch zum Ausdruck gelangen, d.h. 
es wird durch willkürliche Arbeit (hier der Propellerflügel) eine Spannung in 
der Luftmasse erzeugt, und die Entspannung erfolgtnun un-willkürlich durch Fort- 
bewegung der die Spannung verursachenden Schrauben-Flügel. 

Im Vogelflügel treffen‘ wir nun dasselbe Bild wieder; hier befindet sich nur 
die verdünnte Luft über, die comprimirte Luft unter der Flügelfläche, und 
das Material der elastischen Flügel ist nicht nur in vertikaler, sondern auch in 
horizontaler Lage in Spannung, mithin auch in Ent-Spannung, also in Schwebe- 
bewegung, versetzt. Das Prinzip bleibt sich immer gleich, was wechselt, das ist 
nur die Anwendungsform oder die Wirkungs-Richtung. 

Auf Grund meiner Ueberzeugung, dass wir in der mechanischen Natur ein, 
völlig einheitliches Prinzip vor uns haben, fand ich, dass nach dieser Spannungs 


286 Kleinere Mittheilungen. 


theorie sämmtliche Geschosse naturmechanisch falsch konstruirt sind; wenn die 
Geschosse richtige Formen haben, kommt ihnen die Luftmassen-Mechanik der 
Spannung und Ent-Spannung zu Gute, — heute aber hemmt dieses Spannungs- 
Prinzip in der Luftmassen-Mechanik den Flug der Geschosse. Es hat den Anschein, 
als ob der Oberst Kadarz bei seiner Propeller- Arbeit dasselbe Spannungs - Prinzip 
in der Luftmassen-Mechanik fand, wie Planavergne und ich es im Materiale der 
elastischen Flugorgane gefunden haben. Das Spannungs-Princip bleibt dasselbe, 
nur das Material, in welchem es sich bethätigt, hat gewechselt. Denn so lange 
Kadarz’s Propeller rotirt, so lange wird auch vor wie hinter den Propeller- 
Flügeln die Spannung und Ent Spannung (Ansaugen und Vorstossen) in der Luft- 
nasse wirken; ganz analog wirkt aber auch im Flügelmateriale Spannung 
und Ent-Spannung desselben, so lange die Schwerkraft auf dem Flügel-Materiale 
lastet, denn die Schwerkraft ist ja eben die spannende Kraft. — Ein Blick auf 
die Momentbilder fliegender Störche zeigt des ganz klar. — 

Ich möchte auch hier, wie in meiner neuesten Schrift, die ich nur zur prak- 
tischen Förderung meiner Idee geschrieben habe, nicht verfehlen, über den Tod 
Lilienthal’s mein schmerzlichstes Bedauern auszusprechen. Der Tod hat hier die 
Streitaxt zwischen unseren Theorien viel zu früh begraben, denn ich wollte ihm 
nunmehr durch die Praxis beweisen, wo das Richtige liegt. Ich gebe meiner Freude 
hierdurch Ausdruck, dass wir wenige Monate vor seinem Tode uns persönlich aus- 
gesöhnt und die Hand gereicht haben, indem er mich bat, mit ihm Hand in Hand 


zu gehen. — Friede seiner Asche! Wer aber Vertrauen zu meiner Sache hat, mag 
mir finanziell zur Seite stehen, es wird sien lohnen. — 
Rüdersdorf bei Berlin, August 1896. Carl Buttenstedt. 


Die Stabilität von Drachenfliegern. Von einer Reise zurückgekehrt, finde ich in 
der zuletzt erschienenen Juni-Nummer der Zeitschrift f. L. eine Besprechung „Ueber 
Aöroplane“* von A. von Parseval, der gleich damit beginnt, dass er auf meine 
„theoretischen Auseinandersetzungen“ hinweist und dann sagt: 

„Die besprochenen Apparate bestanden aus zwei hintereinander liegenden, 
durch eine lange Stange verbundenen Flächen.“ Nun dieser Anfang ist absolut 
unrichtig. Ich habe weder einen solchen Apparat je vorgeführt. noch irgendwo 
besprochen, sondern stets, wie auch bei meinem letzten Vortrage, mich auf meine 
angjährigen Experimente mit meinen vollständig ausgeführten, selbstthätig frei- 
fliegenden Drachenflieger-Modellen berufen, wie ich eines am Schlusse meines Vortra- 
ges demonstrirte, und wie es auf S.66 der Februar-März-Nummer in dem Satze, welcher 
beginnt: „Die Construction des Drachenfliegers besteht aus mehreren..... “u.s. W. 
genau beschricben ist. Aus diesem Satze ist ja deutlich zu ersehen, dass meine 
Drachenflieger- Modelle, mit zwei, in entgegengesetzter Richtung sich drehenden 
elastischen Luftschrauben, mit einem horizontalen und einem verticalen Steuer 
mit einem Puffer und einer Gondel ausgerüstet sind, und das Ganze auf einem 
Schlitten montirt ist. Mein Drachenflieger-Modell wird somit nicht „lanciert,“ 
sondern dasselbe nimmt, durch eigene motorische Kraft getrieben, auf dem Boden 
oder auf einem Tische einen kurzen Anlauf, erhebt sich dann, und fliegt in sanft 
aufsteigender Babn, so lange die Luftschrauben in Thätigkeit bleiben, und je 
nachdem die Steuer gestellt sind, geradeaus oder in einem Kreise. Läuft der 
Motor (hier Gummischnüre) ab, so neigt sich der Apparat nach vorne, gleitet auf, 
schiefer Ebene in der Luft zur Erde und beschliesst mit kurzem Gleiten auf seinem 
Schlitten unbeschädigt seinen Flug. Diese meine Drachenflieger-Modelle, welche 
freilich nicht „bis zu 80 kg wiegen“ (das grösste hat nur 750 Gramm, ist 125 cm 
lang, und von den zwei vorne atufenweise angebrachten concaven Drachenflächen 
besitzt die grössere Fläche 150 cm. Flügelbreite) — habe ich bereits vor 16 Jahren 


Kleinere Mittheilungen. 237 


1880) in der Fachgruppe für Flugtechnik des niederöstr. Ing.- und Archit.-Ver- 
eines. dann später bei meinen Vorträgen, so wie gelegentlich der Wiener Natur- 
forscherversammlung (1594) beim Vortrage des Herrn Hofr. Prof. Boltzmann, vor 
tausenden, darunter auch einigen Berliner Herren — ich nenne nur Herrn Hauptm. 


Gross — und schliesslich bei meinem letzten, in der Februar-März-Nummer abge- 
druckten Vortrage demonstrirt. — Während meiner letzten Anwesenheit in Berlin 


habe ich am 18. Juli d. J. den Herren Berson und Lilienthal die Photographien 
meines Drachenflieger-Modells gezeigt, und mich bereit erklärt, event. in Berlin 
einen Experimental-Vortrag zu halten. Jeder aufrichtige und ernst denkende Flug- 
techniker wird zugeben, dass bei einem richtig construirten Drachenflieger, der 
aus eigener Kraft, mit bestimmter Eigengeschwindigkeit frei in der Luft fliegt, 
noch ganz andere Faktoren mitwirken, als bei einem „lancierten“ Apparate, der „aus 
zwei hintereinander liegenden, durch eine lange Stange verbundenen Flächen“ 
besteht. Somit können alle die praktischen Ertahrungen die Herrn A. von Parseval 
aus den Versuchen mit seinem erwähnten Apparate gewonnen hat, auf meinen 
Drachenflieger keinen Bezug haben. WR Hess 


Aeronautische Ausstellungsbriefe aus dem tausendjährigen Ungarn. 1I. Seit meinem 
letzten Schreiben sind wieder einige Wochen, ja Monate vorübergezogen und auch 
hier kann wieder Neues berichtet werden. Leider gar nichts Angenehmes und 
Erheiterndes. Der Ballon Godards3 wurde am 1. August d. J. um 4 Uhr 30 Min. 
Nachmittags durch einen ceyclonartigen Wind vollkommen zerstört. Das ist die 
nackte ungeschminkte Wahrheit! Und nicht einmal lange haben die letzten 
Zuckungen des Riesenballons gedauert. Augenzeugen erzählten, es kam ein Wind- 
stoss, der Ballon legte sich um, die Verankerungen gaben nach, im nächsten 
Augenblick war schon der Coloss in den nahen Bäumen einzezwängt; von den 
Aesten durchstossen und vom Winde gepeitscht, flogen die Stücke und Stückchen 
des Ballonstoffes und des Netzes ringsum in den Anlagen, zur tollen Freude der 
Jugend, die nicht ahnte, dass diese Spielbälle des Windes, die da tanzten und 
herumeschwirrten, die letzten Reste eines prächtigen und mächtigen Ballons waren, 
der kaum ein Lebensalter von drei Monaten erreicht hatte. Jedermann kann sich 
die Verwüstung vorstellen und die Verwirrung, als die Katastrophe eingetreten! 
Heute nun — am letzten August — haben sie die Ueberbleibsel des Fessel-Ballons 
unter den Hammer gebracht und so wanderten um den Kaufschilling von kaum 
1200 fl. ein guter 12 pferdekräftiger Dampfmotor, ein Wasserstoffgaserzeuger (System 
Yon), ein Captivtau (600 m lang), die Ventile, das Netz, die Erdrolle etc. etc. in 
die Vorrathskammer von Leuten, die nichts damit anzufangen wissen! Im nächsten 
Jahre will man, wie verlautet, einen ständigen Ballon-captiv im Stadtwäldchen bei 
Budapest damit ausrüsten. Wir wünschen ihm besseres Gedeihen!.) 

Der militärische Ballon — ein Festungsballon nach deutschem Muster — 
macht tagaus, tagein seine Captivfahrten und allwöchentlich 2 Freifahrten. 

Hinterstoisser. 


Zu den Bemerkungen des Grafen v. Zeppelin über R. v. Loessl's „Luftwiderstands- 
Gesetze“ (s. diese Zeitschr. S. 172). Bei Lesung dieser scharfsinnigen Bemerkungen 
fiel mir eine Nachricht ein, welche vor mehreren Monaten durch die Zeitungen 
ging und dahin lautete, dass der Capitän eines Segelschiffes (Name, Ort und Zeit 





—— 


1) Es ist also dem Godard’schen Ballon in Budapest noch schlimmer ergangen 
als demjenigen bei der Berliner Gewerbe-Ausstellung. Aufis Neue wird hier die 
Erfahrung bestätigt, dass Kesselballons für monatelangen, gesicherten Betrieb 
unbedingt eine Hallo benöthigen — zumindest im europäischen Sommerklima. 


D. Red. 


238 Kleinere Mittheilungen. 


sind mir nicht mehr erinnerlich) seine Segel habe durchlöchern lassen, um an. 
Fahrgeschwindigkeit zu gewinnen. Da mit Abnahme der Drüuckfläche am Segel 
der Winddruck und somit auch die Fahrgeschwindigkeit abnehmen sollte, so machte 
diese Nachricht auf den Leser zuerst den Eindruck einer Zeitungsente. Nach 
einigem Nachdenken fing ich aber an zu glauben, dass die Sache vielleicht dennoch 
auf Wahrheit beruhen könnte Es bildeten nämlich die einzelnen Bündel von 
Windstrassen, welche durch die Segellöcher bliesen, eben so viele Strahlzungen, 
welche die Luft auf der dem Winde nicht ausgesetzten Seite des Segels stark 
verdünnen mussten, und demnach den Gegendruck am Segel derartig vermindern 
konnten, dass der Gewinn an Druck hierdurch grösser wurde, als der Verlust an 
selbem, welcher durch die Verkleinerung der Segelfläche herbeigeführt wird. Bei 
einer Fläche, welche nicht vom Winde angetrieben wird, sondern die sich in Wind- 
stille oder dem Winde entgegen bewegt, dürfte wahrscheinlich der umgekehrte 
Fall eintreten. Jedenfalls wäre es nicht ohne Interesse, wenn Versuche, welche 
zunächst die Feststellung des Einflusses der absoluten Grösse einer widerstehenden 
Fläche auf die Grösse des Luftwiderstandes beabsichtigen, auch die Wirkung theil- 
weiser Durchlochungen derselben in Rücksicht ziehen würden, 
A. R. v. Miller-Hauenfels. 


Drachenflieger und Sohraubenflieger. Im Februar/März-Heft d. Z. ist ein von 
Herrn Kress in Wien gehaltener Vortrag „Ueber die Stabilität des Drachenfliegers“ 
veröffentlicht, worin Herr Kress dem Drachenflieger (Aöroplane mit Horizontal- 
schraube) den Vorzug der Stabilität zuspricht und dagegen den Vertikalschrauben- 
flieger für schnellen horizontalen Flug als ungeeignet bezeichnet. Diese Aus- 
führungen möchtə ich zu berichtigen und zu widerlegen nicht unterlassen, da die 
Stabilitätsfrage sowohl als der rasche Horizontalflug zwei Hauptpunkte für die 
Lösung des l’roblems des dynamischen Fluges sind. 

Herr Kress erblickt in dem Umstande, dass scine Drachenfllieger von grossen 
Höhen herab, ohne zu kippen, gegen den Wind sowohl als auch in ruhiger Luft, 
geflogen sind, einen Beweis für die Stabilität, während die von ihm dabei gemachte 
Beobachtung des beständigen vorn und hinten stattfindenden Auf- und Nieder- 
schwankens, des ÖOscillirens des Apparates um seine horizontale Querachse, das 
je nach den Schwankungen der Windstärke mehr oder weniger lebhafte Nicken 
des Apparates mit dem Kopfe, doch gerade sichtbare Zeichen des Gegentheiles 
sind. Herr Kress setzt selbst auseinander, in welcher Weise die Stabilität des 
Apparates sich hierbei automatisch regulirt, d. h. also, es ist Voraussetzung, 
dass der Apparat unbeeinflusst sich selbst überlassen, nicht willkürlich gelenkt 
wird. Diese Schwankungen des sich selbst überlassenen Apparates, wobei Schwere 
und Winddruck in beständigem Kampfe mit einander liegen, deuten doch offenbar 
darauf hin, dass die Ausserste Grenze der Stabilität überschritten und der Apparat 
sehr unstabil ist, so dass an ein zielbewusstes, gefahrloses Lenken, Steuern desselben 
nicht zu denken ist. Ein solcher Drachenflieger kann stabil, ohne Gefahr des Um- 
kippens nur dahin fliegen, wohin er automatisch treibt, nicht aber, wohin der 
Fliegende will und dies ist doch keine Lösung des Flugproblenis! 


Wenn beispielsweise im Momente, in welchem der Apparat vorn niedernickt, 
die Steuerung auch nur einen Augenblick dieses Nicken unterstützt, anstatt ent- 
gegenzuwirken, so muss der Apparat kippen und wie der bekannte l’apierdrache 
pfeilschnell kopfüber herabschiessen. Die Schrauben-A&roplane (Drachenilieger) 
ist und bleibt im Prinzip doch nichts Anderes als der Papierdrache, dessen Schnur 
durch die Zugschraube ersetzt ist und mit dem man gegen den Wind läuft, wobei 
der Drache die bekannten gefährlichen Kippmanöver macht, denen man nur durch 
Unterbrechung des Laufens, Nachgeben der Schnur begegnen kann und zu begegnen 


Kleinere Mittheilungen 239 


sucht. Es kann aber nicht verlangt werden, dass die Steuerung der Flugnaschine 
immer unfehlbar ist und stets mit der höchsten Geistesgegenwart und Geschick- 
lichkeit correkt ausgeübt, die Schraube momentan „gestoppt“ und rückwärts ge- 
dreht wird. Ein vorübergehender, wechselnder Windstoss täuscht den Fliegenden, 
er macht die verkehrte Steuerbewegung und die Katastrophe ist da, ehe er sich 
dessen versieht! Bin Flugapparat muss in ganz anderem, höheren Grade, 
durch lebendige Kraft, stabil sein. Es liegt auf der Hand, dass den nach 
abwärts wirkenden kippenden Kräften beständig nach aufwärts gerichtete 
lebendige Kräfte entgegenwirken müssen, also so, wie die Hubkraft der Vertikal- 
schraube oder der abwärts schlagende Ruderflügel des Vogels, nicht aber kann 
eine Horizontalkraft, wie bei der Schraube des Drachenfliegers dem Zwecke 
entsprechen. 


Herr Kress beschreibt ganz richtig den Vorgang des automatischen Stabi- 
lirens seines Drachenfliegers, indem er folgendermassen argumentirt: Sobald ein 
Windstoss den Apparat von vorn trifft, richtet sich dessen Drachenfläche vorne auf, 
was zur Folge hat, dass einerseits der Schwerpunkt nach vorn verlegt und dadurch 
ein Gegengewicht entsteht, andererseits die Fluggeschwindigkeit gehemmt wird, 
was gleichbedeutend ist, und auf diese Weise sich die Balance von selbst regulirt, 


Das ist alles in Theorie recht schön, aber in der Praxis sieht es doch ein 
kleinwenig anders aus, wie Herrn Lilienthal’s Segelflüge beweisen, dessen Segel- 
apparat im Princip eine Drachenfläche enthält. Herr Kress übersieht, dass bei 
seinem Drachenflieger die lebendige Kraft, welche die Schraube treibt, vom Momente 
des Abfliegens an continuirlich abnimmt, der Drachenflieger an Geschwindigkeit 
zunehmends verlierend, sehr bald zur Erde herabsinkt, während es sich bei der 
praktischen Flugmaschine darum handelt, die Schraube in voller Wirksamkeit 
zu erhalten! Der Vorgang spielt sich dann folgendermassen ab. Trifft ein Wind- 
stoss von vorn2 die Drachenschrauben-Flugmaschine, so richtet sich diese vorne 
auf, die Fluggeschwindigkeit wird aber in Folge der lebendigen Kraft der Zug- 
oder Druckschraube nicht sofort oder doch nur ungenügend gehemmt, der Apparat 
schiesst steiler empor und macht darauf das allbekannte Drachen-Manöver, — die 
Katastrophe ist da! Der Fehler ist eben, dass die lebendige Kraft der Schraube 
horizontal gerichtet ist; sie muss vertikal nach oben gerichtet sein und 
damit sind wir eben bei der Vertikal-Tragschraube als conditio sine qua non für 
die A&roplane angelangt. Ein Drachenflieger hat nur Sinn mit Vertikalschraube. 


Ganz abgesehen von der Stabilitätsfrage ist aber die bedingte grosse Hori- 
zontalgeschwindigkeit des Windes oder der Eigenbewegung des Apparates bezw. 
die Grösse der Tragfläche ein Hinderniss, an dem allein schon der Drachenflieger 
scheitern muss. Zudem vermag die Horizontalschraube keinen genügenden Antrieb 
für rasche Fluggeschwindigkeit zu geben, wenigstens ist der Effekt dabei ein sehr 
ungtinstiger. Um Vortrieb zu erzeugen, muss die Luft doch naturgemäss nach 
rückwärts geschleudert werden, daher die Flügel bei raschem Flug eine enorme 
Rückwärts Geschwindigkeit bezw. Componente haben müssen, was die Rotation 
nicht um eino horizontale Längsachse (wie die Horizontalschraube der A&roplane) 
zulässt, sondern entweder um horizontale Querachse (Schaufelrad wie beim Rad- 
dampfer) oder um eine Vertikalachse (Schraubenflieger) unweigerlicht bedingt! 


Dem'Grundprinzip des aviatischen dynamischen Fluges: den Vortrieb vor- 
wiegend durch die Schwere und die restliche Tragfähigkeit nur durch direkt 
vertikal wirkende Hubkraft zu erzeugen, gemäss dem Vogelfluge, widerspricht 
der Drachenflieger, da er den Vortrieb wie die Hubkraft, durch Horizontalschraube 
bewirkt, auf das Radikalsto und darum ist derselbe ganz zweifellos zu verwerfen, 


240 Kleinere Mittheilungen. -- Vereinsnachriehten. — Redactionelles. 


Die Behauptung des Herrn Kress, der Drachenflieger entspreche im Prinzip 
dem Vogelfluge, ist daher als unrichtig zurückzuweisen. Mit dem Vogelfluge steht 
der Drachenflieger im direkten und vollsten Widerspruche. 

Dass dagegen der äusserst stabile Schrauberflieger auch gerade für raschen 
Flug unübertrefflich ist, leuchtet wohl ein, wenn man erwägt, dass dabei seine Achse 
nicht vertikal, sondern schwach in der Flugrichtung nach vorne geneigt ist, wo- 
durch die Flügel auf der einen Rotationshälfte unter einem äusserst spitzen Winkel 
dem Winde entgegenarbeiten, auf der anderen Seite aber mit um desto grösserem 
Luftstosswinkel, den Wind überholend, hebend und treibend auf den Apparat ein 
wirken und in beiden Fällen schlagartig unter günstigem Widerstandsco&fficienten 
die Luft treffen, wie ich dies früher in d. Z. nachgewiesen habe. Der \ersuch 
mit den kleinen Hand-Schraubenfliegern lässt auch gerade das pfeilschnelle Hori- 
zontalfliegen derselben erkennen. 

So erweist sich der Schraubenflieger nach jeder Richtung hin ala der ideale 
Mechanismus für den dynamischen Flug und es wäre dringend zu wünsche 
dass dies endlich mehr eingesehen würde. 

Ueber den Schraubenflieger ist nicht mehr zu streiten, jetzt heisst es 
Volare necesse est, disputare non est. Eugen Kreiss. 





Vereinsnachrichten. 

Ein neuer Verein. Am 24. Juli ist in Strassburg UP eine neue aëronautische 
Gesellschaft begründet worden, welche sich „Oberrheinischer Verein für Luft- 
schiffahrt“ benannt hat. Nach den Satzungen bezweckt dieselbe die Verwerthung 
und Förderung der Luftschiffahrt. Der Verein will möglichst bald sich praktischen 
Zielen zuwenden, d. h. zunächst mit bemaunten und unbemannten Ballons Fahrten 
unternehmen, die der Wissenschaft und dem Sport dienen sollen. Natürlich werden 
auch alle anderen Bestrebungen, die die freie Fortbewegung in der Luft zum 
Ziele haben, möglichste Förderung erfahren. Die Anregung zur Begründung dieses 
Vereins ging aus von dem Vorstand des meteorologischen Landesdienstes in Elsass- 
Lothringen, Dr. Hergesell, von den Lieutenants Baron und Schering und von dem 
Schreiber dieser Zeilen. Wie gross das Interesse für die Aëronautik hierorts ist, 
erhellt am besten aus dem Umstande, dass der neue Verein in der kurzen Zeit 
seines Bestehens schon über 100 Mitglieder aufzuweisen hat. Im Vorstande be- 
finden sich ausser obigen Herren: Major von Pannewitz, Universitätsprofessor 
Dr. Euting, Privatdozent Dr. Tornquist, Steuer-Inspector Bauwerker. Moedebeck. 

Wir brauchen kaum hinzuzufügen, dass sowohl der „Deutsche Verein zur 
Förderung der Luftschiffahrt in Berlin“ — wir sind vom Vorstande dazu beauf- 
tragt — als auch die „Zeitschrift“ die Begründung des neuen Vereins mit grosser 


Freude begrüsst und von einem erspriesslichen Zusammenwirken mit demselben 
eine intensive Förderung der gemeinsamen Sache erhofft Die Redaktion. 





Redactionelles. 
Der Redaction dieser Zeitschrift und dem „Deutschen Verein zur Förderung 
der Luftschiffahrt* — unter Adresse der ersteren — sind in den letzten Wochen 


so zahlreiche, warme Beileidsbezeugungen zu dem schweren Verluste, den unsere 
Sache durch den Tod von Otto Lilienthal erlitten hat, aus allen Theilen Deutsch- 
lands, aus Oesterreich und der Schweiz, Skandinavien und Amerika zugegangen, 
dass wir nur auf diesen Wege unseren herzlichsten Dank für diese allgemeine 
Theilnahme auszusprechen vermögen. 

l ‚Berichtigung. Im Artikel des Herrn Grafen v. Zeppelin im Julihefte d. Z.-S. 
ist leider ein sinnstörender Druckfehler stehen geblieben. Seite 174, ZT von 
unten muss es heissen: Luftkegel von 90°, statt 6w. 





BE — — 


I, 


Leitechrift für Luftseliffahrt und Physik der Atmosphäre. 1896. Heft 10/11. 241 


Die wissenschaftliche Luftschiffahrt auf der internationalen Meteoro- 


logenconferenz in Paris. 
Von Dr. Hergesell in Strassburg i. E. 

Zu Paris fand im Monat September dieses Jahres die alle fünf Jahre 
wiederkehrende Conferenz der Direetoren der verschiedenen meteorologischen 
Beobachtungssysteme, die m fast allen Staaten der einzelnen Erdteile ein- 
gerichtet. sind, statt. Diese Vereinigung, die den Hauptzweck hat, durch 
internationale Verembarung eine gewisse Einheit und Gleichmässigkeit in 
die meteorologischen Beobachtungen der ganzen Erdoberfläche zu bringen, 
hat stets ein festes Programm von Fragen und Problemen zu behandeln, 
das schon monatelang vor Eröffnung der Sitzungen den einzelnen Theilnehmern 
behufs Kenntniss und Stellungnahme zugesandt wird. Die Frage der 
wissenschaftlichen Imftschiffahrt befand sieh nicht auf dem der Versammlung 
zu Grunde liegenden Programm, und wäre auch schwerlich auf die Tages- 
ordnung gekommen, wenn nicht die französischen Luftschiffer in dem 
Glauben), dass dieser, ihnen so sehr am Herzen liegende Gegenstand 
einen Hauptzweck der Verhandlungen bilden würde, sich an das französische 
Ministerium gewandt und einen besonderen Vertreter der französischen Luft- 
schiffahrt als Mitglied der internationalen Conferenz erbeten hätten. 

In dem Antwortschreiben des französischen Ministers wurde zwar 
hervorgehoben, dass die Conferenz wesentlich den Zweck habe, die Direk- 
toren der meteorologischen Institute zu versammeln, damit dieselben 
gemeinsam meteorologische Fragen berathen könnten, jedoch andererseits 
die Zulassung eines französischen Luftschiffers zugestanden und um Nam- 
haftmachung eines bewährten Vertreters gebeten. Damit war die Ent- 
scheidung getroffen, dass die so wichtige Frage der wissenschaftlichen 
Luftschiffahrt nicht unerörtert gelassen werden würde: und in Frankreich 
zögerte man nicht, den dort viel bekannten, unter andern auch während 
der Belagerung von Paris oft genannten Hrn. Wilfrid de Fonvielle mit 
der Betheiligung an den Verhandlungen zu beauftragen. Freilich gelangte 
dieser Entschluss der französischen Regierung, die Luftschiffahrt gewisser- 
maassen vflizieil auf der Meteorolugen-Conferenz zu vertreten, kaum in die 

1) Von Strassburg war durch Hrn. Hauptmann Moedebeck an Hrn. de Fonvielle 
die Mittheilung gelangt, dass der Berichterstatter und wahrscheinlich auch Professor 
Assmann im September nach Paris gehen würden, um wit den französichen Luft- 
sehiffern über gleichzeitige Unternehmungen zu verhandeln. Der Unterzeichnete 
hatte natürlich die Absicht, die Bekanntschaft der französischen Luftschiffer zu 
machen und Verhandlungen mit ihnen anzuknüpfen, betrachtete dieses jedoch ala 
ein reines Privatunternehmen. 


242 Hergesell: Luftschiffahrt auf d. internat. Meteorol.-Conferenz in Paris. 


Oeffentlichkeit, und wohl die meisten auswärtigen Theilnehmer, ebenso wie 
der Schreiber dieser Zeilen, erfuhren diese Thatsache zum ersten Mal in 
der ersten allgemeinen Sitzung der Vereinignng, als der Präsident Mascart 
den offiziellen Vertreter Wilfrid de Fonvielle vorstellte, und zu gleicher 
Zeit um Vorschläge zur Behandlung der in das Gebiet der wissenschaft- 
lichen Luftschiffahrt fallenden Fragen bat. 

Wenn dieses späte Bekanntwerden des Programms auch aus vielen 


Gründen zu bedauern war, — hatte es doch wohl zur Folge, dass so 
manche bewährte Vertreter der Luftschiffahrt, vor allen bei uns Deutschen 
Assmann und Berson fehlten, — so war es doch andererseits wieder nur 


der Grund, dass die anwesenden Mitglieder der Conferenz, die aus irgend 
welchen Gründen Interesse für meteorologische Beobachtungen im Luft- 
ballon hatten, sich eng zusammenschlossen uud den Entschluss fassten, die 
Gelegenheit nicht vorüber gehen zu lassen, die trotz vielfacher Thätigkeit 
noch so wenig ausgearbeitete Forschung im Ballon ‚möglichst zu fördern. 

Geheimratli von Bezold, der, sofort die Frage des Präsidenten Mascart 
beantwortend, als einen Hauptpunkt der zu führenden Verhandlungen die 
Frage der Simultanfalırten nannte, unterstützte den Vorschlag, den der 
Berichterstatter ebenfalls im Anschluss an die oben genannte Mittheilung 
des Präsidenten Mascart der Conferenz machte, die Behandlung des Gegen- 
standes auf eine der letzten Sitzungen zu verschieben, damit die Theilnehmer 
Zeit fänden, die so plötzlich aufgetauchte Frage zu überlegen und gemeinsam 
zu behandeln. 

Es fand nun eine Reibe von Besprechungen der zunächst interessirten 
Persönlichkeiten statt, an denen sich vor allen von französischer Seite 
die Herren de Fonvielle, Hermite, Besançon, Teisserence de Bort, bei den 
Deutschen von Bezold, Erk, Hergesell, von den Amerikanern Rotch be- 
theiligte. 

Auf Vorschlag des Berichterstatters wurden die Herren Hermite und 
Besancon zu den Sitzungen der Conferenz eingeladen. 

Herr von Bezold übernahm es, mit der Geschäftsleitung der Con- 
ferenz die Abänderungen in der bereits festgestellten Tagesordnung zu ver- 
einbaren, deren es bedurfte, um die beiden Pfadfinder für die unbemannten 
Fahrten besuchen zu können, und die Instrumente und Apparate kennen 
zu lernen, deren sie sich bei ihren berühmten Aufstiegen bedient hatten. 

Diese Besichtigung fand gleich am zweiten Versammlungstage Nach- 
mittags statt; fast sämmtliche Mitglieder der internationalen Vereinigung 
ergriffen gern die gebotene Grelegenheit, unter der liebenswürdigen Führung 
der oben genannten Herren das „établissement central d’aerostation* auf 
dem Montmartre zu besuchen. Die verschiedenen Fahrballons, vor allenı 
der Aerophile in seiner dreifachen Auflage, die von Herrn Besançon 
ersonnenen ingeniösen Auflängevorrichtungen und Ventile, seine verschie- 
denen Ankerconstructionen wurden von dem bewährten Luftschitfer ge- 


a. 


— Y 
SÉ 


Hergesell: Luftschiflahrt auf d. internat. Meteorol. Conferenz in Paris. 243 


zeigt; Hr. Hermite führte seinerseits die Registririnstrumente, die In- 
strumente zur Beobachtung und Festlegung des vom Ballon eingeschlagenen 
Weges, die bei der letzten Fahrt registrirten Curven, die aus derselben 
abgeleiteten Resultate im Original und Photogrammen seinen Zuhörern vor. 

Das Resultat der oben erwähnten vielfachen Besprechungen, an welchen 
sich vor allem von Bezold, de Fonvielle und Hergesell betheiligten, war 
in erster Linie die Anerkennung der Nothwendigkeit simultaner Ballon- 
fahrten von verschiedenen Stellen der Erdoberfläche aus. Es gereicht dem 
Referenten zur besonderen Befriedigung, dieses unter den erwähnten Um- 
ständen mittheilen zu können, da die meist ohne Schwierigkeit gewonnene 
Vereinbarung unter hervorragender Betheiligung desjenigen Gelehrten zu 
Stande kam, der sehon vor Jahren den Versuch gemacht hatte, dem von 
dem Nestor der französischen Luftschiffer Hrn. G. Tissandier ihm gegen- 
über geäusserten Wunsche der Veranstaltung gleichzeitiger wissenschaft- 
Jicher Aufstiege auch in Deutschland Freunde zu gewinnen, und der seitdem 
nie versäumt hat, auf die Wichtigkeit synchronistischer Durchforschung der 
Atmosphäre in Wort und Schrift aufmerksam zu machen. Zu jener Zeit, 
als Hr. Tissandier jenen Gedanken gegen Hrn. v. Bezold äusserte (1886), 
war Jedoch die Frage der wissenschaftlichen Ballonfahrten in Deutschland 


Doch nicht reif genug, um den Plan verwirklichen zu können. 


Die Entwicklung der wissenschaftlichen Luftschiffahrt unter der ener- 
gischen Führung Assmanns und dauernder hochherziger Förderung von 
Allerhöchster Stelle brachte es von selbst mit sich, dass der einmal er- 
weckte Gedanke, ebenso wie die Versuche zu seiner Ausführung immer 
wieder auftraten. Die hohen Verdienste Assmanns in dieser Richtung, 
dem es glückte, mit Schweden und Russland ins Einvernehmen zu treten, 
sind bekannt. Die Schwierigkeiten, die bis dahin aufgetreten waren, auch 
mit den französischen Ballonforschern zu gemeinsamer Arbeit zusammen- 
zutreten, räumten unsere Verhandlungen und Besprechungen auf der Con- 
ferenz glücklich hinweg. ` 

Nach geschehenen Vereinbarungen wurde der Unterzeichnete ersucht, 
das Resultat der Uebereinkunft in eine Reihe von Propositionen zusammenzu- 
fassen, die der allgemeinen Conferenz zur Beschlussfassung vorgelegt werden 
sollten. Vorher vereinigten sich auf Vorschlag des Herrn v. Bezold noch 
einmal sämmtliche Theilnehmer an den Verhandlungen, u. A. auch der 
General Rykatchefi, zu einer Extrasitzung, in der auf allgemeinen Wunsch 
Herr de Fonvielle den Vorsitz führte, und in welcher die mittlerweile von 
dem Unterzeichneten ausgearbeiteten Vorschläge gebilligt wurden. Die- 
selben wurden dann in der letzten allgemeinen Sitzung der internationalen 
Conferenz nach einer erläuternden Darstellung des Berichterstatters von 
den Theilnehmern einstimmig angenommen, 

Wir geben im Folgenden den Wortlaut dieser internationalen Pro- 
positionen, die hoffentlich recht oft und auf lange hinaus in ihren Grund- 


244  Hergesell: Luftschiffahrt auf d. internat. Meteorol.-Conferenz in Paris. 


zügen die Richtschnur für sämmtliche internationale Ballonunternehmungen 
bilden werden: 

1. Die internationale Meteorologen- (Conferenz erkennt den grossen 
Nutzen der zu wissenschaftlichen Zwecken unternommenen Ballon- 
fahrten an und spricht den Wunsch aus, dass derartige Unter- 
nehmungen möglichst befördert und verbreitet werden. 

3. Die Conferenz spricht des Weiteren den Wunsch aus, dass wissen- 
schaftliche Auffahrten, sei es in bemannten oder unbemannten Bal- 
lons, zu gleicher Zeit von verschiedenen Stellen der Erdoberfläche 
aus unternommen werden. 

3. Bei dem gegenwärtigen Stande solcher Versuche kann die Conferenz 
bestimmte Beobachtungsmethoden mit besonderen Instrumenten nicht. 
empfehlen, sondern überlässt den einzelnen Forschern in dieser 
Beziehung völlige Freiheit. dagegen wünscht sie, dass bei den 
gleichzeitigen Auftahrten, besonders mit unbemannten Ballons, mög- 
lichst identische Instrumente benutzt werden. 

4. Von besonderer Wichtigkeit ist die möglichst schlennige Veröflent- 
lichung der rohen Beobachtungen, besonders derjenigen, die bel 
den gleichzeitigen Auftahrten gewonnen wurden. 

5. Es ist. zu wünschen, dass meteorologische Beobachtungen in Fessel- 
ballons vermittelst von Registrirapparaten in rerelmässiger Weise 
angestellt werden. ` 

Angesichts der Resultate, welche in Amerika vermittelst Drachen 
gewonnen wurden, die Registrirapparate bis zu 2000 m in die 
Höhe nehmen, wünscht die Conferenz, dass derartige Versuche 
auch anderswo unternommen werden. 

Nach Annahme dieser Grundsätze stellte der Präsident Herr Mascart, 
die Frage, ob es zweckmässig sei, zur Regelung der verschiedenen Be- 
ziehungen besonders aber, um die Ausführung gleichzeitiger Auffahrten 
möglichst bequem zu gestalten, eine internationale Specialcommisssion zu 
ernennen. Die Conferenz bejahte diese Fragen und wählte als Mitglieder 
in diese Commission die Herren Assmann, Erk, de Fonvielle, Hermite, 
Hergesell, Pomortzeft, Rotch!). Zum Präsidenten der Commission wurde 
von dem permanenten internationalen Comité der Unterzeichnete ernannt. 

So war denn alles glücklich in die Wege geleitet, sodass an die wirk- 
liche Ausführung einer systematischen Auslothung der Atmosphäre gedacht. 
werden konnte. 


= 


nn nn e ze 


1) Es dürfte in Jeder Hinsicht zweckmässig sein, die oben genannte Commission, 
die ja ohnehin das Recht der Cooptation besitzt, zu verstärken. Von französischer 
Seite ist bereits Cailletet, Membre de Institut, ausersehen worden, von den Deut- 
schen dürfte die Wahl Bersons, bei den Schweden die Andrcess selbstverständlich 
erscheinen. Auch England, die Ausgangsstätte der Fahrten Glaisher’s wird nicht 
unvertreten bleiben. 


Hergesell: Luftschiffahrt auf d. internat. Meteorol.-Conferenz in Paris. 245 


Der Unterzeichnete glaubte, das ihm erwiesene Vertrauen am besten 
dadurch rechtfertigen zu können, dass er möglichst bald den Versuch machte, 
eine internationale Simultan-Fahrt von verschiedenen Stellen der Erdober- 
fläche ins Leben zu rufen. Schon vorher war es ihm geglückt, mit den 
Pariser Forschern ein Abkommen zu treffen, wonach zunächst von Paris 
und Strassburg aus nach dem Muster des Pariser Aerophile völlig gleich 
auseerüstete unbemannte Ballons in die Höhe steigen sollten. Als mittlerweile 
von Berlin die Nachricht eintraf, dass auch die dortigen Gelehrten bei einer 
demnächstigen eventuellen Simultanfahrt die Pariser Instrumente verwenden 
wollten, war die Grundlage für ein grösseres Unternehmen gegeben. Den 
französischen Aeronauten wurde die Zeit der Ausführnng überlassen. Die- 
selben entschlossen sich Ende October, in der Nacht vom 13. zum 14. No- 
vember, in der der reiche Sterinschnuppenschwarm der Leoniden nieder- 
geht, den Aufstieg zu versuchen. Die Betlieiligung Berlins und Strassburgs 
war sofort gesichert, Petersburg und München, erstere Stadt durch einen 
bemannten und unbemannten Ballon, letzterer durch einen Ballon mit 
Beobachtern, schlossen sich bald darauf dem Unternehmen an, auch Warschau 
fügte sich in die Reihe ein; leider war es den Oesterreichern und Italienern, 
die ebenfalls von Strassburg aufeefordert waren, wegen der Kürze der zur 
Verfügung stehenden Zeit unmöglich, sieh an dem grossen Experiment 
zu hetheiligen. Immerhin gelang es, in der genannten Nacht 8 Ballons, 
4 unbemannte und 4 bemannte mobil zu machen, ein zufriedenstellendes 
Resultat für einen ersten Versuch, der noch dazu zum ersten Mal in der 
Nacht stattfand und in verhältnissmässig kurzer Zeit in Leben gerufen 
werden musste. 

Ueber die Ausführung des Experimentes und die erhaltenen Resultate 
wird an anderer Stelle berichtet werden. Hier schliessen wir mit dem 
Wunsch, dass die stattgellabte Vereinigung von drei grossen Nationen zum 
Zwecke der Lösung „höchster“ Probleme sich noch oft wiederholen möge. 

Unser Wahlspruch sei heute, wie immerdar: 

Viribus unitis, Excelsior. 


Flugtechnische Studien. 
Von Josef Popper. 


(Fortsetzung.) 


| II. 

Herr v. Loessl begnügte sich nicht mit der blos empirischen Gewin- 
nung von Thatsachen, also mit der directen Messung der Luftwiderstände, 
sondern in ächt wissenschaftlichem Geiste forschte er auch nach den inneren 
Gründen der gefundenen Resultate, und auf diesem Wege gelangte er zum 


246 Popper: Flugtechnische Studien. 


Studium des von ihm sogenannten „Lufthügels“. Angerest durch eine 
zufällige Beobachtung, fand Loessl, nach vielfachen Studien, die Thatsache 
immer bestätigt, dass sich vor der stossenden Fläche ein Hügel von compri- 
mirter Luft aufbaue, der im Beharrungeszustande stets in voller Ruhe, also 
ohne Luftwechsel, resp. -Austausch, an der Fläche haftet, dessen 
Seitenflächen — im Gegensatze zu allen bisherigen Annahmen — 
nicht gekrümmt, sondern eben sind, und an denen die anprallende Luft 
seitlich und zwar senkrecht auf die Beweeungsrichtung 
ausweicht, resp. seitlich gedrängt wird; so dass der Druck auf und 
in diesem Lufthügel, und daher auch normal auf die stossende Fläche 
eigentlich als ein Reactionsstoss der seitlich entweichenden Luft anzu- 
sehen ist. 

Die Neigungswinkel aller Flächen dieses Lufthügels müssten ferner 
gegen die Bewegungsrichtung untereinander ‚gleich sein, weil sonst in dem 
comprimirten Lufthügel kein Gleichgewicht stattfinden Könnte; und Loessl 
giebt ferner an, dass bei ebenen Flächen, die unter Co die Luft treffen, 
der Neigungswinkel A aller Lufthügelllächen gegen die Bewegungsrichtung 
der Fläche so sei, dass tg 3 = sina. Mittelst dieser Relation leitet der 
Autor die auf empirischem Wege gefundenen Widerstandsformeln ab und 
damit, wie mit vielfachen direeten Beobachtungen (mittelst Kerzenflammen) 
begründet und rechtfertigt er seine Annahmen über die Beschaffenheit jenes 
Lufthügels und die zugehörigen Vorgänge. 

Zugehörig zur Theorie des Tuufthügels ist auch noch die Annahme, 
dass sich um den Lufthügel herum eme sogenannte „Corona“ durch die 
seitlich gedrängte und verdichtete Luft bilde, deren Volum in einer be- 
stimmten Zeit immer gerade so gross sei wie das der Luft, welche durch 
die Bewegung der stossenden Fläche direet (kinematisch) verdrängt wird. 

Durch das Studium des Lufthügels suchte Loess] sich von allen 
Theorien über Strömungslinien der neueren Aerodynamik und von jeder 
Hypothese überhaupt unabhängig zu machen, und da sich ihm auch die 
direct gemessenen Luftwiderstände mit der aus seiner Hügeltheorie ab- 
geleiteten als identisch ergaben, so wäre hiermit in der That eine wichtige 
neue Einsicht in die Aerodynamik gewonnen werden. 

Um die Widerstandsformeln rechnungsmässig aus der Luft- 
hügeltheorie ableiten zu können, benutzt Loessl folgende Gedanken: 

1. Was die Menge oder das Gewicht @ der verdrängten Luft be- 
trifft, die mit einer gewissen Geschwindigkeit o seitlich entweicht, und 

(r . ICH 


deren lebendige Kraft L == — -> ist, so — meint Loessl — ist sie nicht 
j VU 


uf 
gleich jener, die factisch (kinematisch) durch die stossende Fläche aus 
ihrer Bahn gedrängt wird, sondern „es Zeigt sieh”, dass „der aus dem 
Nachbarmedium zu verschiebende Theil regelmässig ebenso gross ist, 
wie der zwischen den Flächenpositionen eingeschlossene Cubikinhalt.“ (S. 65). 


Popper: Flugtechnische Studien. 247 


Die die „Corona“ bildende, resp. dortlin eindringende Luft muss 
nämlich zuvor die daselbst „ursprünglich enthalten gewesene Luftmasse mit 
dem gleichen Inhalte“ ... „in die Umgebung hinausdrängen ...“ „die in 
einer Secunde stattfindende gesammte Verdrängung erstreckt sich also auf 
den doppelten Cubikinhalt F.v- F.v=2Fv“ (S. 56), wo F den 
Querschnitt der ankommenden Luftsäule bedeutet. 

2. Was die Geschwindigkeit vı der abgedrängten Luft be- 
trifft, so soll dieselbe im Allgemeinen, also bei unter Co schief stossenden 
Flächen, sich folgendermaaasen feststellen lassen. (Siehe Fig. 1.) 

Die Luft stösst gegen die schief gestellte Wd 
Fläche AB = F mit einer Geschwindigkeit v und | 
durch einen Strömungs-, also „Eintritts“ - Quer- 
schnitt b +- ce = F sina, dann ist der „Mantel“ 
des Lufthügels AC + BC = d ze = e SS 

sın d sın, d 
diesem Mantel prallt die Luft nach allen Seiten 
senkrecht auf v ab. und daher ist der Austrittsquerschnitt der abfliessenden 

es 
nieht. elle 3er T 2 
die Annahme sin a == ty 5, so ist der totale Austrittsquerschnitt = F. Wie 
verhalten sich nun die resp. Geschwindiekeiten v und vu? 

Darüber heisst es auf N. 107: „es müssen in dem nämlichen Verhält- 
nisse (wie F sina m F) umgekehrt die Geschwindigkeitswirkungen 
der betreffenden Luftströme stehen und es wird also, wenn die directe 
Geschwindigkeit mit r? wirkt, die Geschwindigekeitswirkung der Seiten- 








von 





Macht man nun mit Loessl 


ı Re „.Fsinu Be nr 
strömung, d. Loft Fi oder auch ci == rau og sein. 

Den eitirten Satz über die „Geschwindiekeitswirkungen“ ent- 
nimmt aber der Autor den Erscheinungen an normal stossenden Flächen, 
wo in der That in die Formel für den Luftdruck nebst dem Stromquer- 
schnitt der ankommenden Luft das Quadrat ‚von deren Geschwindigkeit 
als Factoren eingehen. 

Vermöge 1) uud 2) findet dann Loess) leicht, dass der „Reacticns- 

in? 


stoss der seitwärts gedrängten Luft Nı = J D sei, wo cı = v Vsina und 


D der Gesammt -Querschnitt der seitlichen Luftströme von der Grösse F, 
daher wird Nı = Er sin a (S. 107) identisch mit der empirisch gefundenen 
Formel für den Normaldruck auf die specifisch gleich stark gedrückte und 
ebenso grosse schiefstehende Fläche F. Ferner ergiebt sich auch sofort, 
für die Secundenarbeit L = S e wo G zufolge 1) gleich dem zwei- 


us 
H 


248 Popper: Flugtechnische Studien. 


fachen Cubikinhalt F sin a xy ist, also... L = Fsin®.r®. L, was 


ebenfalls mit den directen Messungen übereinstimmt. 


In Anbetracht dieser eleganten Ableitungen, ferner der Einfachheit 
der ganzen Vorstellung und endlich der zahlreichen Beobachtungen Loessl's, 
welche letztere als T'hatsachen doch einen starken Eindruck machen müssen, 
kann man dieser Lufthügelstudie nur mit grösster Sympathie ent- 
gegen kommen, und dies um so mehr, wenn man bedenkt, wie complicirt 
die bisherigen hydrodynamischen Rechnungen sind, die doch trotzdem nicht 
so genau mit den Messungsresultaten übereinstimmen wie die Rechnungen 
gemäss den Annahmen Loess!'s über den Lufthüzel. (Siehe Tabelle V auf 
S. 148.) Um nun mit mehr Beruhigung dieser Theorie zustimmen zu 
können, muss ich aber mehrere Einwendungen vorbringen, in der Hoffnung, 
dieselben widerlegt, und, die Möglichkeit zugegeben, dass ich manche 
Deductionen Loessl'’s missverstanden haben mag, diese aufgeklärt zu sehen. 


Ich hebe vor Allem ausdrücklich hervor, dass das Vorhandensein 
eines Stauhügels der stossenden Flüssigkeit an und für sich längst. 
feststeht und schon von Dubuat für Wasser und neuestens von Marev 
experimentell auch für Luft constatirt wurde, und dies schon fir mässiee 
Geschwindigkeiten, für grosse von ©. Mach durch direete Photographie; 
Loessl’s Ansichten über den Lufthigel und die Vorgänge an demselben 
unterscheiden sich aber in mehreren wesentlichen Punkten von den bis- 
herigen Annahmen und geben zugleich zu Consemenzen Anlass, die mir 
schwer acceptabel erscheinen. Allerdings setzt mein Widerspruch voraus, 
dass die Beobachtungsimethoden Loessl's nicht hinreichen, seine Theorie zu 
unterstützen und dass alo die Thatsachen mir nieht so klar vorhanden 
und analysirt erscheinen, wie es der Autor voraussetzt. l 


Was nun den Punkt 1) betrifft, so leuchtet mir nicht die 
Nothwendigkeit ein, das Tuftvolmm genau doppelt so gross als das 
ursprünglich verdrängte anzunehmen und von dieser Annahme hängt doch der 
prinzipielle Bau der Formel bezüglich der Inttmenge ab: wenn gesagt 
wird, dass „die in der Corona ursprünglich enthaltene Luit von gleichem 
Inhalte mit, der eindrimgenden in die Umgebung hinaus gedrängt werden 
müsse, die in emer Sekunde stattiimndende gesammte Verdrängung erstrecke 
sich also auf den doppelten Cubikinhalt” (5N. S6), zu kann man ja diese 
Argumentation beliebig weiter führen und also wiederum eine dritte 
Luftmasse von gleichen Inhalte in der etwas entfernteren Nachbarschaft be- 
trachten, welche von jener, aus der Corona verdrängzten, gerade so gut 
weggedrängt werden muss, wie diese von der dureh den Stoss direct ver- 
triebenen n. s. w., man hätte also Luftwmenzen 1. Ordmmg, 2.u. 3. Orduung, 
die hintereinander abdrängen, und setzt man dies fort, so müsste man die 
ganze Athmosphäre der Rechnung zn Grunde legen. Die Schwierigkeit, 


Popper: Flugtechnische Studien. 249 


von der einfachen Luftmenge zur doppelten überzugehen, zu dem Zweck 
die Formel für die lebendige Kraft SE mit der factisch gemessenen mr? 
in Uebereinstimmung zu bringen, müsste daher in anderer Weise gelöst 
werden, und ich glaube, die Bestimmung der Luftneenge sei eine bisher 
ungelöste, und wahrscheinlich theoretisch nicht zu lösende Aufgabe. 

Was ferner den Punkt 2) betrifft, nämlich die Be- 
rechnung der Geschwimdiekeit ou der abfliessenden Luft, so wird sie, wie 
angeführt wurde, dadurch bestimmt, dass von den „Geschwindigkeits- 
wirkungen“ ausgegangen wird, die sich „umgekehrt wie die Strömungs- 
querschnitte verhalten müssen‘, 

Nun ist aber duch gewiss eine viel sicherere Grundlage der Berech- 
nung von o der Satz, dass das gesammte Luftvolum stets das- 
selbe sei, also die einströmende Menge gleich der austretenden, , weil ja 
keine Luft verloren oder gewonnen werden kann, deren Geschwindigkeiten 
daher sich umgekehrt verhalten müssen wie ihre Strömungsenerschnitte, dass 
also Fann, rz H. oho cosina sei — was in der Begründung 
richtig wäre, im Resultat aber, verglichen mit den Messungen. eine falsche 
Formel hervorbrächte. Loess} selbst benutzte übrigens diesen Satz von der 
Constanz der zu- und abtliessenden Tuftmengen bei Behandlung des Luft- 
hügels auf normal stossenden Flächen, und ieh weiss nicht, warum er 
ihn nicht auch bei schief stossenden in Anwendung brachte, resp. als 
Schwierigkeit gegen seine Ansicht von der Geschwindiekeits wirkung 
betrachtete. Wenn ich also hier nieht irre. so ist, da doch die Gesammt- 
Mengen- Constanz  unwiderleglich ist, rückwärts geschlossen, die Vor- 
stellung der Art des Abtlusses und der Neigung des Lufthügels unter < d 
u s. w. nicht aufrecht zu halten. 

Was die Annahme fu 3 - -xin a betrifft, die in Punkt 2) als nothwendig 
zum Gelingen der richtigen Berechnungen angeführt wurde, so wird sie von 
Lovessl nicht als aus Beobachtungen entnommen, sondern eben nur als 
„Schlüssel“ charakterisirt. „worureh sieh eine sinngemässe, allmälige Um- 
gestaltung des Winkels 3 ergiebt” (N. 102), und er ging hierbei von den 
beiden Grenzfällen a — 0° und « -= 90” aus, wo sich 3 leicht mit voller Ge- 
wissheit, auch aus den Beobachtungen ergiebt. Nun könnte man allerdings, 
um diesen Grenzbedineungen zu genügen, statt /y3 =: sina.. auch tye 
== sin a annehmen, wo x jede beliebige (z. B. ganze) Zahl sein könnte. und 
die Luss ach Annahme wäre dann nur, zwar willkürlich aber die ein- 
fachste von allen, jedoch kann man prinzipiell gegen dieselbe nichts 
einwenden, falls man auf eben diesem Wege die richtigen Widerstands- 
formeln, d. i. die empirisch bewährten, leicht abzuleiten vermag. Jedenfalls 
wäre es aber sehr erwünscht gewesen. dieses 3 für schiefe Flächen direkt 
beobachtet zu wissen, deim damit wäre für Feststellung der Theorie des 
Lufthügels sehr viel gewonnen worden. 


260 Popper: Flugtechnische Studien. 


Zu den bisherigen Einwendungen kommen noch weitere Bedenken, die 
ich schon im Jahre 1877 vorbrachte — und auf die Herr von Loessl auf 
S. 24 hindeutet — und deren Widerlegung oder Erledigung für das Thema 
des Lufthügels ebenfalls sehr wünschenswertli gewesen wäre; zum besseren 
Verständniss hebe ich aber vorher jene Punkte hervor, durch die sich die 
Loessl’sche Vorstellung des Lufthügels von den bisherigen unterscheidet: 

Man nimmt sonst an, dass der Stauhügel aus einem Kern von Luft 
besteht, dass längs desselben die Luft in krummen Linien, also auch in 
Componenten parallel der Fläche abströme und sich um die Kanten sanft 
abbiege. Loess! dagegen nimmt an, dass der Stauhügel die ganze Fläche 
bis an die Ränder einhülle, sich mit der ankommenden Luft nie 
vermische, dass die entweichende Luft gar keine Cumponente als jene senk- 
recht zur Bewegungsrichtung besitze, und dass die Begrenzung des, wie 
ein fester Körper an der Fläche haftenden Lufthügels, nicht gekrümmte, 
sondern ganz ebene Flächen, also auch mit geradlinigen Kanten seien, so wie 
dies Loessl an Stauhügeln von festen Körpern: Thon, Gries, Schrot und 
dergl. beobachten konnte. 

Mir fallen alle diese Vorstellungen schwer: ebene Luftflächen, scharfe 
Luftkanten, Reflexion der Luft an diesen Luftebenen wie Lichtstrahlen von 
Spiegeln, genauer Bewegungs-Parallelismus aller entweichenden, resp. ab- 
prallenden Iufttheile, und endlich -— am allerschwierigsten zu glauben — 
die vollständige Permanenz der Luft im Lufthügel, d. h. vollständiger 
Mangel an Austausch und Luftwechsel innerhalb des Stauhügels. Unzählbare 
Erfahrungen zeigen uns ja, dass ein warmer Körper durch bewegte Luft 
rascher abkühlt, als durch ruhende, ebenso, dass ein feuchter Körper, wenn 
bewegt, schneller trocknet, als wenn in Ruhe befindlich; wenn nun solche 
Körper, nach Loessl’s Ansicht, vollständige von einem starren Lufthügel 
bedeckt sind, so sind diese T’hatsachen schwer zu erklären, da jede Beför- 
derung des Luftwechsels ausgeschlossen bliebe. 

Und diese Beförderung der Abkühlung durch bewegte Luft ist durch- 
aus keine geringe; man weiss das aus den Erfahrungen der Heiztechniker 
und erst in jüngster Zeit wurden (von Oberbeck in Wiedemann’s Annalen 
für Physik, 1895 No. 10) Messungen publicirt, wonach ein elektrisch er- 
hitzter Platindraht, bei ruhiger Luft 550° U besass, bei einer Luftströmung 
von nur 3,6m Geschwindigkeit sich um 350° abkühlte, und wonach fer- 
ner de Abkühlungen (genau) proportional der Luft- 
geschwindigkeit waren. 

Wir haben daher auf der einen Seite die Beobachtungen Loess! mit- 
telst Kerzenflammen, die ihn zu seinen Ansichten führten, auf der andern 
Seite aber eine weitaus überwiegende Zahl ihnen widersprechender That- 
sachen. 

Ein weiterer Grund, die Losst sche Lufthügeltheorie zu verwerfen, 
ist das Avanzini'sche Phänomen, d. i. die asymetrische Lage des Druck- 


Popper: Flugtechnische Studien. 251 


mittelpunktes bei schiefem Stosse auf ebene Flächen; denn die Asymetrie 
ist doch nur erklärlich durch eine Ungleichheit des Luftdruckes auf die 
verschiedenen Flächenelemente, indem der specifische Druck in der Vorder- 
kantengegend am grössten und dann gegen die Hinterkante stets abneh- 
mend gedacht werden muss und so auch durch Beobachtungen gefunden 
wurde. Nun setzt aber Loessl voraus, dass der Lufthügel durchaus gleich- 
förmig comprimirt sei und daher alle Flächenelemente gleich stark drücke, 
diese Annahme steht daher meines Erachtens mit obiger feststehender 
Thatsache in unlösbarem Widerspruche. 

Endlich spricht auch die directe Anschauung gegen die Loessl’schen 
Vorstellungen über den Lufthügel; ich meine hiermit die photographi- 
sehen Abbildungen der Strömungslinien, welche Marey bei tropfbaren 
Flüssigkeiten fixirte (siehe dessen Werk: „Le mouvemeiüt‘‘ 1894) und jene, 
welche Dr. Ludwig Mach (in Heft 6 dieser Zeitschr. dieses Jahres) in 
dem Aufsatze: „Ueber die Sichtbarmachung von Luft- 
stromlinien“ publicirte. 

Sowohl Marey’'s als Mach’s Aufnahmen sind mit der Voraussetzung 
Loessl’s von ebenen Flächen des Lufthügels und parallelen Ausweichungs- 
resp. Abstromlinien der Luft von dessen Mantelflächen unvereinbar; und 
obwohl bei dem Mach’schen Versuchsarrangement die gestossenen Flächen 
nicht auf allen Seiten so frei liegen, wie es bei solchen Vorgängen stets 
vorausgesetzt wird, sondern eigentlich nur auf 2 Seiten frei von der stossen- 
den Luft bespült werden, so erkennt man doch deutlich (Taf. I Fig. 1, 3, 
4 und 5 und Tafel II Fig. 7, 8, 9 und 10), dass von einem solchen Ab- 
strömen der Luft wie bei den Erdschollen zur Seite der Pflugschaar, wie 
Loessl behauptet, gar keine entfernte Andeutung, sondern eine principielle 
Uebereinstimmung mit der Vorstellung gekrümmter, um die Kanten 
gehender Strömungslinien deutlich vorhanden ist.!) ^ 


III. 


Wir kommen in unserer Übersicht der Loessl’schen Arbeiten nunmehr 
zu jenen, in denen nicht mehr Resultate von Experimenten, sondern von 
theoretischen Spekulationen, und wo Anwendungen von Formeln anf aëro- 
dynamische Vorgänge dargeboten werden. Von H 171 bis 206 behandelt 
der Autor den „Fall durch die Luft“, namentlich den Fall mit horizontal 
gestellten Flächen; Loessl entwickelt hierbei die aus der analytischen 


1) In physikalischer Beziehung wichtig und interessant ist die von Mach 
beobachtete Thatsache, dass ein Oscilliren, ein stetiger Wechsel der Luft- 
strömungen längs des getroffenen Körpers stattfinde, denn hierdurch erscheint die 
verstärkte Abkühlung warmer Körper durch stossende Flüssigkeiten zur vollen 
Klarheit gebracht; ein permanent identischer Lufthügel ist eben niemals vorhanden 
und nur die Inconstanz der Strömungsvorgänge bewirkt den rapiden Luftwechsel 
und die beschleunigte Fortführung der Calorieen resp. des Dunstes feuchter Körper 


252 Popper: Flugtechnische Studien. 


Mechanik bekannten Formeln, nimmt sich aber die Mühe, und daher stammt 
die Weitläufigkeit der Darstellung, Tabellen für verschiedene Verhältnisse 
von Gewicht zur Fläche zu berechnen und einzelne Beispiele zu geben; 
jene Tabellen, sowie auch die zahlreichen Diagramme, sind eine angenehme 
Zugabe zu den allgemeinen Formeln, weil sie übersichtlich die hier obwal- 
tenden Verhältnisse darstellen und zugleich für spätere Probleme in Loessl's 
Buch als Unterlage dienen, resp. viele Zahlenausrechnungen ersparen helfen. !) 

Für den Fall schiefgestellter Flächen wird natürlich die durch Expe- 
rimente festgestellte Formel für den „directen“ Luftwiderstand eingeführt. 

Auf S. 195 u. 196 zeigt Loessl an dem Beispiele der fallenden Körper 
von immer kleiner gedachten Dimensionen, wie langsam feine Staubtheilchen 
durch die Luft fallen; dabei spielt das Verhältniss vom Gewicht zur Unter- 
tläche die entscheidende Rolle, wenn man, wie Luss), nur das Fallgesetz 
mit dem Luftwiderstandsgesetz eombinirt. Tech möchte jedoch, behufs voll- 
ständigerer Einsicht in diese Art von Krscheinungen, darauf aufmerksam 
machen, dass diese Berechnungsart, respe Behandlungsweise, nicht zum 
genügenden Verständniss des Falles sehr kleiner Körper führt, sondern es 
muss auch Rücksicht auf die Luftreibuneg, oder die sogen. „Zällg- 
keit“ der Luft genommen werden, und dann ergeben sieh, nach den Unter- 
suchungen von Stokes, Maxwell u. A... wesentlich andere Resultate, d. h. 
der Fall solcher Körperchen geschieht viel langsamer, als nach obigen Formeln 
Loessl'’s. So z. D füllt ein Wassertropfen von 14o em Durchmesser nur 
2 cm pro Sekunde (siehe z. B. Maxwells „Theorie der Wärme), 
während nach den blossen Luftwiderstandsformeln diese constante Fall- 
geschwindigkeit nahezu 66 cm betragen würde. 


Die wichtigste theoretische Arbeit in dem Loess schen 
Zuele, welche die Grundlage für seine säimntlichen später folgenden Unter- 

suchungen über Vogelllug, also auch für Flurmaschinen bildet, be- 
trifft das Problem, das aut N. 211 beginnt und den Titel führt: „Motori- 
scher Antrieb zur Horizontalbewegeung"” und „Breite- 
dimension oder Spannweite einer schwebenden dün- 
nen Platte, und die hieraus sich ergebende Lösung 
des Schwebeflug-Problems"“. 

Hier handelt es sich um folgende Aufgabe: 

Aus den Experimenten ergab sich die constante Endgeschwindig- 
keit Pi einer horizontal gestellten, mit einem Gewichte Gi belasteten 
Fläche F, welche durch die Lutt fällt, .. V1 Lu GE ei , wo g die Schwere- 

I) Die erste und eingehendste Anwendung der hier geltenden Formeln auf 
ein rein flugtechnisches Problem rührt vom Obersten Kadarz her, der im J. 1891 


dieser Zeitschrift von ihnen bei Beurtheilung des Projects der „Segelballon s* 
Gebrauch machte. 


Popper: Flugtechnische Studien. 253 


beschleunigung nnd x das specifische Luftzewicht bedeuten; Frage: Welche 
constante Endgeschwindigkeit Ve wird eintreten, 
wenn dieselbe Fläche unter gleicher Belastung gleich- 
zeitig eine horizontale Geschwindigkeit v besitzt? 
Oder, was die gleiche Aufgabe darstellt, welche Belastung Ge kann von 
der Fläche F bei gleicher Endgeschwindigkeit Fı getragen werden, wenn 
sie gleichzeitig mit der horizontalen Geschwindigkeit v fortschreitet? 


Loessl beantwortet diese Frage mit der Formel .. Ia = Dan e 

) Oe ll 

wo d die Breite cer Fläche, resp. die Spannweite, senkrecht zur Be- 

wegungsrichtung v bedeutet, und seine Argumentation ist folgende ( 211): 

„Die Fläche gleitet dabei über eine bestimmte Tuftfläche hinweg, welche 

ihr als stützende Unterlage dient .... Die wirksame Flächenausdelı 

nung der Platte ist gleich dem wirklichen Flächenausmaalse A der Platte- 

mehr dem aus der Plattenbreite b und der secundlichen Geschwindig- 
keit v sich ergebenden (Juadratsausmaalse.“ 

Das hier angeführte Problem spielt seit jeher bei flugtechnischen 
Projecten und Frörterungen eine grosse Rolle, meistens wird hierbei von 
dem über Eisschollen schnell hingleitenden und nicht untersinkenden 
Schlitten, von über schwachen Brücken fahrenden Locomotiven u. dergl. 
gesprochen, und, was speciell die obige Formel Loessl’s, („Schwebe- 
formel“ wollen wir sie nennen) betrifft, so haben wenige Wochen, ja 
wenige Tage nach Erscheinen des Buches, bereits drei Flugtechniker 
diese vielversprechende Formel ihren Absichten gemäss benutzt oder mitein- 
bezogen !). Die bisherige Behandlung war eine höchst einfache, man setzte 
einfach beide Bewegungen der Platte, also Fi und v, zu einer resultirenden 
zusammen, die dann Grösse und Richtung der stossenden Luft repräsentirt 
und hatte bloss nöthig, die Formel für den schiefen Stoss hierauf anzu- 
wenden; man findet das in zahlreichen flugtechnischen Aufsätzen, bei Penaud, 
bei Goupil in dessen „La locomotion aerienne“ (1884), in der höchst ge- 
diegenen Abhandlung von E. Gerlach: „Ableitung gewisser Be- 
werungsformen geworfener Scheiben“, (Diese Ztschr. 1886), 
bei Wellner gelegentlich, in der „Mechanik des Vogelflugs“ 
(1889) von Parseval, in den Büchern von Winter, Steiger über den Vogel- 
flug u. s. W. 

Dass die LoessVlsche Schwebeformel nicht accep- 
tabel sei, ist leicht zu beweisen; man betrachte nur einen 


!) Inzwischen erschienen bereits im Hefte 2 3 dieser Zeitschrift zwei dieser 
Artikel der vetreffenden Flugtechniker, nämlich! „die Anwendung accumu- 
irter Kräfte in der Flugtechnik* von Lorenz und „Ueber die Stabilität 
des Drachenfliegers in bewegter Luft“ von Kress, in denen von Loessl's 
Formel Gebrauch gemacht wird; der Hauptinhalt beider Aufsätze bleib jedoch 
hiervon unberührt. 


254 Popper: Flugtechnische Studien. 


speciellen Fall, dessen Resultat man schon, ohne Formeln, vorher aus Er- 
fahrung kennt und vergleiche dieses mit den Ergebnissen der Formel, näm- 
lich man nehme F = b .l == 0 oder nahezu = 0 an, und zwar derart, dass 
die Breite b eine endliche Grösse besitze und die Länge, 
d. i. die Dimension in der Bewegungsrichtung, verschwindend klein 


sei. Die Formel giebt dann Fr = La, d. h. wenn v nur einiger 


maassen gross ist, so sinkt ein schwerer Körper, der nur auf einem dünnen 
Draht oder auf einem ausgespannten Seidenfaden ruht, sehr langsam, d. h. 
man braucht überhaupt keine wirkliche Fläche als 
Fallschirm- oder Propellerfläche, um schwere Körper 
verzögert fallen zumachen. Und, wo möglich, noch evidenter: 
Eine horizontal gestellte, in Kreuz- oder Sternform ausgeschnittene Scheibe, 
die in ihrer Ebene rotirt, fällt bekanntlich viel langsamer zu Boden, als 
eine nicht rotirende (s. oben eitirten Aufsatz Gerlach’s); aus Loessl’s 
Formel würde folgen, dass man keine Scheibe braucht, sondern nur statt 
des Sterns einige mathematisch dünne Drähte als Durchmesser, die in ihrer 
Ebene rotiren. und dieses System würde ebenso langsam sinken, wie die 
sternförmige wirkliche Fläche. 


Machen wir zum Ueberfluss, noch folgende Zahlenrechnung: 


Ssi@=ik,b=1m/l=I1m, also F = 1 mê, Z = 9, so folgt aus 


Hi = Lë für die bloss vertikal niedersinkende Fläche Di = 3 m; wenn 


diese Fläche aber mit v = 15 m gleichzeitig vorwärts geht, so giebt Loessl's 
Formel Les = Bil m; sodann nehmen wir aber an, b = Ui m und 
l = 0,001 m, und sonst Alles wie früher, so folgt, ebenfalls nach dieser 
Formel V2! = 8/4 m, d. h. Va! = V2 (nahezu) d. h. es herrscht gar kein 
Unterschied in der Sinkgeschwindigkeit, ob man einen 
Fallschirm von 1 m? oder einen feinen Draht von 106 cm Länge und bei- 
nahe ohne Dicke als Fallverzögerungsmittel in Anwendung bringt! 


Nunmehr betrachten wir de Argumentation Loessl’s. 
g 


Wenn eine sinkende Fläche zugleich horizontal fortschreitet, oder 
was dasselbe ist, wenn eine Fläche vertical fällt, während gleichzeitig durch 
ihren Fallraum ein Luftstrom horizontal durchströmt, so sind das zwei für 
die gestellte Aufgabe noch nicht in bestimmter Weise benutzbare Angaben, 
so lange nicht durch eine Analyse des Vorganges festgestellt wird, welcher 
Antheil der Luft, und mit welcher Geschwindigkeit, und in 
welcher Richtung (dieser Antheil) an die Fläche wirklich stösst; 
denn alle Luft, die durch den Fallraum strömt, ohne die Fläche zu drücken, 
hat ebenso wenig Einfluss auf die Fallverzögerung, wie eine Luftströmung, 
die beliebig weit von der Fläche entfernt, irgendwo in der Atmosphäre, 


Popper: Flugtechnische Studien. 256 


stattfindet; diese Analyse fehlt aber in der Loessl schen Argumentation, 
und sie ist richt nur nothwendig, sondern auch, aerodynamisch genommen, 
sehr jnteressant. 

Denken wir uns eine Fläche F, mit einem Gewicht Gı belastet, be- 
reits im Beharrungszustande, also gleichförmig, durch die Luft fallen, so 


sinkt sie zufolge der bewährten Lössl’schen Formel Gi = 2 Vı? mit einer 
yF 

Stellt man sich die Fallzeit in sehr kleine, gleiche Theile getheilt vor, 
so bewegt sich die Fläche (siehe Fig. 2 u. 3) aus der Anfangsposition O 


secundlichen Geschwindigkeit V Vy 





in jene I, und verdrängt hierbei kinematisch ein Luftvolum gleich dem 
Rechteck a mit der Geschwindigkeit 01 ; im nächsten Zeitabschnitt kommt 
die Fläche von 1 nach 2, verdrängt kinematisch ein mit a genau gleiches 
Luftvolum b mit gleicher Geschwindigkeit 12 = 01; sodann c = b = a 
mit 23 = 12 = 0l u. s. w. Ersetzen wir die Belastung durch, einen von 
der Hand ausgeübten Druck am Handgriff Hı, so folgt auch, dass eine die 
Fläche F lothrecht mit der Geschwindigkeit V, niederstossende Hand einen 
Gegendruck = @, erleiden wird. | 

Nun nehmen wir an, die Fläche werde mit constanter Geschwindig- 
keit ebenfalls in horizontaler Lage, aber schief abwärts, gegen die Luft 
gedrückt; dabei sei die horizontal gemessene Verschiebung 55’ = CE = v 
und die lotlırecht gemessene abermals gleich = Vı: hier beiwerde die Fläche 
mittels des in der Bewegungsrichtung schief auf die Fläche befestigten 
Handgriffes Hə, wie zwischen zwei parallelen Bahngeleisen, immer parallel 
zu sich selbst fortgeführt; wie gross wird jetzt der Druck normal auf 
die Fläche, d. h. @2 und wie gross wird der direkte Druck auf den Hand- 
griff, also der Widerstand für die Hand, X, ausfallen? 

Man könnte sich vielleicht hier so helfen wollen, dass man die schiefe 
Richtung wieder in kleinere Abtheilungen zerlegt und zwar analog, wie in 
der Geometrie und Kinematik bei krummen Linien, sie aus unendlich 


256 Popper: Flugtechnische Studien. 


kleinen, resp. elementaren, Dreiecken bestehend — wie skizzirt — denkt, 
also die Fläche im Zickzack stets etwas Jothrecht und dann ein 
wenig horizontal fortbewegt denken; demnach die Fläche aus der Position O 
nach unten in 1 stossen, dann von 1 nach 1’ horizontal verschieben, 
dann von 1’ nach abwärts und nach Position 2° schieben u. s. w. Beim 
verticalen Niederstossen würde offenbar Alles genau so bleiben, wie im 
ersten Fall (der Fig. 2), d. h. es gelangt dieselbe Puftmenge u =- b == ci 
==... und auch stets mit derselben Geschwindigkeit 01 = 12 = 23 =... 
zum Stoss und da die horizontalen Verschiebungen nur Luftreibunzen, also 
practisch genommen, keine messbare Wirkung hervorbringen, so würde 
folgen, dass die Fläche bei so entstanden gedachtem schiefen Weg 
genau denselben Normaldruck, also wieder Gr erleiden werde, wie im 
ersten Fall. In der That glaubten Manche vor längerer Zeit. dass die 
gleichzeitige horizontale Bewegung eines fallenden Körpers für die Fall- 
geschwindigkeit ohne Belang sei, da man sich vorstellte. es werden stets 
dieselben Luftmengen und gleich schnell getroffen. und es träten bloss 
stets andere Luftmolecule in die Action, als beim verticalen Fall, und wenn 
man diese Meinung heute vielleicht sonderbar findet, so wird dies kaum 


mehr der Fall sein, wenn man die Frage — ohne vorherige Experi- 
mente — beantworten will, wie es sich mit den Luftwiderständen voller 


rotirender Flächen, d. h. solchen verhalte, die nicht unterbrochen 
durch Ausschnitte sind und m ihrer eigenen Fläche rotiren, z. B. 
volle horizontale Kreisscheiben (statt sternförmigery oder rotirende Cylinder, 
die in Luft oder Wasser senkrecht zur Achse fortbewert werden und wobei 
noch keine Rücksicht auf Reibung genommen wird. Wird sich auch in 
diesen Fällen der Luftstoss nach dem Gesetze der relativen Flüssiekeits- 
bewegung finden lassen? 1). 

Nun zeigen aber vielfache Beobachtungen und Experimente, dass der 
verticale (normale) Druck im zweiten Falle stets grösser sei, oder, was 
dasselbe ist, dass bei gleichem Druck oder Gewicht, bei horizontaler Be- 
wegung der Fläche ein langsameres Niedersinken stattfindet; es folgt 
daher aus diesen Thatsachen, dass manin der Hydro- 
dynamik die Linien der Bewegung nicht wie in der 
(Geometrie aus beliebig gewählten kleinen (diffe- 
rentiellen) Wegdreiecken zusammengesetzt denken 
darf, da sonst die Qualität der Vorgänge gänzlich 
entstellt würde. 

Wollte man also wieder, und zwar in richtiger Weise, sehr kleme 
Zeittleile betrachten, so müsste sehon im Unendliehkleinen die Bewegung 
als eine schiefe vorgestellt werden, die kleinen Parallelogramme (in 
Fig. 3) «b’e’.... sind dam die kmematisch verdrängten Luftmengen, die 





1) Ich behalte mir vor, messende Versuche über alle diese Vorgänge an- 
zustellen. 


Popper: Flugtechnische Studien. 257 


schiefen Seiten 0 1’ — 1'2’ == 2'3 :-=.... die Geschwindigkeiten der Ver- 
drängung und deren Richtung. \ Da aber die Rechtecke abe-.=a'b'c'-- 
sind, so folet vor Allem, dass beim normalen wie beim 


schiefen Stoss -- und wir haben es offenbar nur mit einem solchen 
zu thun, wie dies auch richtiger Weise in den oben citirten Schriften und 
allgemein angenommen wird — wenn in beiden Fällen die normal gerichtete 


Geschwindigkeit Vi dieselbe ist, stets dieselbe Luftmenge 
kinematisch verdrängt wird; „kinematisch“ bedeutet, wie 
man aus allem Bisherigen ersehen konnte, diejenige Luftmenge, die unzweifel- 
haft vermöge der Bewegung der Fläche, also rein geometrisch berechenbar, 
von ihrem Platze verdrängt werden muss, wie viel Luft aber factisch, 
also aerodynamisch, verdrängt wird, das folgt aus dem Quantum der kine- 
matisch verdrängten in gar keiner Weise und wir haben bisher keine 
Methoden, um bestimmen zu können, wie viel Luft aus der Nachbarschaft 
des Bewegungsraunes noch mit abgedrängt, nachgezogen oder auf- 
gewirbelt wird. 

Da nun das Rechteck ABCD = dem Parallelogramm ABEF ist, 
so kann in beiden Fällen die Verschiedenheit der Umstände, insolange wir 
nur von der kinematisch verdrängten Luft sprechen, nur in der verschiedenen 
Gröse der Geschwindigkeit und der Neigung der ge- 
stossenen Luftsäule gegenüber der Fläche liegen, d. h. wir haben es eben 
mit nichts Anderem als mit dem schiefen Luftstosse zu thun, wo dessen 
Geschwindigkeit und Richtung durch die Diagonale AE = c aus AC = V; 


und CE =v bestimmt wird. 
"Rei 





Zufolge Lössl’s Experimenten ist nun in solchem Falle Ga = 


D e F; -y "Ae a 
sina und wegen sina = -— auch Gz — - -—. Fı und wenn v gegen Vi 
C g 


iFv 





Hi, 


Es gilt daher für die verticalen Drucke, die in beiden Fällen 
herrschen, die Relation Ci: Gz — Vi:v und daher ist immer Gs > GA, 
oder, identisch damit, für gleiche Gewichte Qi = G2, ist V1? == v . Va . oder 

a - I m , . ! ; i 
Fo = Fi. d bh die Sinkgeschwindigkeit ist bei 
U 
gleichzeitiger Horizontal-Bewegung stets kleiner 
als bei lothrechtem Fall. 

Sehr interessant ist es, den direeten, in der Bewegungsrichtung 

liegenden Druck A zu kennen, den also die am Handgriffe Hz schiebende 


gross ist, wie in practischen Anwendungen fast immer, wird Ge = 


IE p , e - £ «Fe 
Hand erfährt; nach Lössl's Experimenten ist Æ — G. sign 
d 
yE I 
sin? a = — V? = Gi, also genau so gross wie der Normaldruck bei 
y 


lotbrechtem Niederstossen der Platte. 


258 Popper: Flugtechnische Studien. 


Es folgt sofort hieraus, da die Secundenarbeiten, welche die schiebende 
Hand in beiden Fällen aufzuwenden hat, benannt A, und As, resp. 
= Di Hu und Kess Gi, e sind, die Relation..... 4,: As = Vi: c oder 
nahezu = Vı:v. 

Demnach haben wir folgenden, für schiefen Luftstoss wie für solche 
Schwebevorgänge geltenden Satz: 

Wenn eine ebene Fläche nach einer beliebigen 
Richtung... 4C, AE,A@...aber immer parallel zu 
sich selbst gleichmässig fortgetrieben wird, und 
zwar so, dass in allen diesen Fällen der verschie- 
denen Bewegungsrichtungen der normal zur Fläche 
gerechnete Secundenweg gleich grossist,soerleidet 
sie in der Bewegungsrichtung stets denselben 
Druck, die kinematisch verdrängte Luftmenge ist 
immer gleich gross und sowohl die normalen Drucke 
wie die nothwendigen Secundenarbeiten verhalten 
sich genau wie die Wege der Fläche selbst; und: 

Um gleich grosse Gewichte oder Drucke zu 
äquilibriren, müssen die den beiden Bewegungs- 
Richtungen entsprechenden Secundenarbeiten 4, 
und As sich wie GHG. Fe, also wie Vi: V2 verhalten, 


Hu? . ; i 
wo V = —— ist, d. h. Aur 4&2 = v: Hu, demnach ist bei 


schiefen Stoss-Richtungen eine wesentliche Arbeits- 
ersparniss für den gedachten Zweck vorhanden. 

Diese ganze Analyse bekam ihr eigentliches Interesse dadurch, dass 
es sich hier um fallende und zugleich fortbewegte Flächen, und in letzter 
Instanz, um den Vogelflug, resp. um den Dauerflug oder Gleitflug handelt; 
wenn es sich blos um den schiefen Stoss gehandelt hätte, der damit iden- 
tisch ist, wäre das Interesse woll in minderem Grade vorhanden gewesen. 
Jedenfalls’ ist es selır merkwürdig, dass obige Betrachtung zum Resnltate 
führt, dass im Widerspruch zur allgemeinen Meinung bei diesen Arten der 
Sinkverminderung durchaus k eine grössere Luftmenge zum Stosse gelangt, 
als beim lothrechten Fallen: wir meinen natürlich wieder nur die kinema- 
tisch zu berechnende Luftmenge, denn nur diese hat man gewöhnlich im 
Sinne, die aerodynamisch verdrängte kennt man eben nicht. 

Um so wichtiger istaber danndie Frage, woher 
denn der vergrösserte Normaldruck beim schiefen 
Stosse, oder resp. die verminderte Sinkgeschwindig- 
keit bei schiefem Falle eigentlich stamme? 

Würde die Fläche statt in freier Atmosphäre, durch eine lufterfüllte, 
unten offene Röhre geschoben, die sie ausfüllt, so wäre es evident, dass 
bei schiefen Bewegungsrichtungen die Austrittsquerschnitte für die ver- 


Popper: Flugtechnische Studien. 259 


drängte Luft der Grösse F sina entsprächen, daher die Austrittsgeschwindig- 
keiten u, und u: einer und derselben Luftmenge bei normaler und schiefer 
Bewegung entsprechen müssen der Rela tion u : uz = F sina: F=sina:l, 
weil dieselbe Luftmenge im zweiten Falle durch den kleineren Querschnitt 
fliessen muss, daher die lebendigen Kräfte oder die Secundenarbeiten 
di: Aa = w i i? == sin? a: 1 = Vi? : c, während in Wirklichkeit 
Ai = A = Duc sich ergiebt. 

Es strömt eben die Luft nicht in einer Röhre, sondern frei in die 
Atmosphäre nach allen Seiten aus, und dieser Unterschied macht sich also 


dadurch kenntlich, dass «2 =--- =-: ist, denn nur unter dieser Vor- 
sin a 

: 9 2 r o yyt z ; 

aussetzung ist Ai: da == Ui“: wt = Hui: P ze sina: 1 = Vı:c, wie 


es den Messungen zufolge sein soll. 

In der That war die Vorstellung einer Röhre das, was den früheren 
theoretischen Annahmen zu (arunde lag, als man sin? «u statt sina in die 
Formel für @ beim schiefen Stoss einsetzte; und diese, durch das Experi- 
ment als unrichtig nachgewiesene 2. Potenz von sina hat also für 
den oben behandelten aerodynamischen Process den Sinn, dass bei den 
verschiedenen Bewegungsrichtungen der Platte stets der Normaldruck @ 
dieselbe Grösse besitze, denn dann wäre Gi: (Ga = TV’: sinta = V2? 
:7,2=1:1, während, wie wir sahen, nicht dieser, söndern der directe 
Druck in der Bewegungsrichtung constant ist. 

Die Annahme der Potenz 2 von sina beim schiefen Stoss 
wird daher schon durch die alltägliche Erfahrung widerlegt, 
dass eine horizontal gestossene Fläche langsamer sinkt, als 
eine lothrecht fallende. (Forsetzung folgt.) 





Das Mysterium des Vogelfluges. 
Von Prof. A. R. v. Miller-Hauenfels in Graz. 


I. Theorie. 


Es sind in den letzteren Jahren Projecte für den Kunstflug in 
grösserer Zahl aufgetaucht und Männer der That, allen voran Herr Otto 
Lilienthal, haben den Beweis geliefert, dass man mit Hilfe ziemlich einfacher 
Vorrichtungen kurze Zeit in der Luft verweilen könne. 

Ein Dauerflug ist aber bisher noch von Niemanden ausgeführt worden, 
meines Erachtens zu gutem Theile aus dem Grunde, weil wir bisher keine 
Theorie besassen, welche dem Vogel alle seine Taschenspielerkünste abge- 
lauscht und sie mit genügender Strenge bewiesen hätte. Es hätte daher 
eine zutreffende Theorie des Vogelllugs den Nachahmungen desselben 


260 Miller-Hauenfels: Das Mysterium des Vogelfluges. 


vorausgehen sollen, und es wären auf diese Weise bedeutende Summen er- 
spart worden, welche die Ausführung mancher abentheuerlicher Projecte in 
Anspruch nahm. 

Wir besitzen allerdings einen Überfluss an Theorien über den Vogel- 
flug, aber so lange keine derselben ganz allgemein angenommen worden ist, 
(und es ist diess meines Wissens nicht der Fall gewesen), ist es wohl ge- 
stattet, um den Preis einen sochen Anerkennung zu werben, zumal als ich 
glaubte, nach jalırelangem Bemühen, fortwährend beobachtend und meine 
Anschauungen verbessernd, zu einer solchen Bewerbung berechtigt zu sein. 

Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass der Vogel für Anwendung 
jeder einzelnen Flugart stets einen besonderen Grund haben müsse; eine 
Theorie, wie sie mir hier vorschwebt, hat also für jede einzelne Flugweise 
Absicht und Ziele, so wie Kraftaufwand des Vogels anzugeben; denn nur 
jene Flugart, welche sich bezüglich des letzteren am meisten haushälterisch 
erweist, empfiehlt sich zur Nachahmung für den Kunstflug. 

Da der Gegenstand einer mathematischen Behandlung, in welcher ich 
mich auf den Vielen besser zusagenden elementaren Weg beschränken 
werde, in eminenter Weise zugänglich ist, so werde ich in eine solche den 
Schwerpunkt dieser Abhandlung verlegen und an Worten möglichst zu 
sparen bemüht sein. Solche und ähnliche Fragen mit blossen Worten end- 
gültig beantworten zu wollen, ist meines Erachtens ein grosser Irrthum; 
denn unsere Phantasie und unsere vorgefassten Meinungen, welche uns so- 
leicht auf Abwege und zu Fehlschlüssen führen, bedürfen nothwendig, wo 
dieser verwendet werden kann, des mathematischen Zügels, um alle Seiten- 
sprünge vermeidend auf der Balın streng correcter Schlüsse zu verbleiben. 

Als Brücke zur Lösung des Problemes dichte ich der Luft vorläufig 
einen ideellen Zustand an, indem ich mir einbilde, es steige gegen den 
Vogel, welcher horizontal und mit horizontal gehaltenen Schwingen segelt, 
ein verticaler Luftstrom (Unterstrom) von solcher Stärke auf, dass der auf 
denselben ausgeübte Druck eben hinreicht, ihn auf gleicher Höhe zu er- 
halten. Bezeichnet nun p den Druck. welcher hierbei auf die Einheit der 
Tragefläche ausgeübt wird, so ist der Gesammtdruck auf letztere = p(F-- m), 
worin F die Flügelfläche und m den Äquivalent-Längenschnitt des Vogel- 
leibes darstellt ?). 

In Fig. 1(S.261) ist dieser Gesammtdruck durch die Linie Ae und die hori- 
zontale Eigengeschwindigkeit des Seglers ab versinnlicht, während ein dicker 
Strich die Flügel und e den Angriffspunkt der Kräfte darstellt. Weht nun 
der Gegenwind mit der Geschwindigkeit be, so bleibt dem Segler nur noch 


1) Hierunter verstehe ich nach der durch Herrn von Loess!’ eingeführten Be- 
zeichnung (m. s. dessen „Luftwiderstands-Gesetze ctc.*, Wien 1396) einen Flächen- 
inhalt, welcher gegen die volle Fläche des horizontalen Längenschnittes um so 
viel kleiner ist, dass hierdurch der Druckverminderung wegen Rundung des Vogel- 
leibes Rechnung getragen wird. 


Miller-Hauenfels: Das Mysterium des Vogelfluges. 261 


die sichtbare relative Geschwindigkeit ac übrig, weil ihm hier keine Hori- 
zontalkraft mehr zur Verfügung steht, welche ihn den Widerstand des 
Windes überwinden und folglich in denselben 
eindringen liesse. Überdiess muss ac immer 
kleiner werden, weil der Vogel aus der dieser 
Geschwindigkeit anhängigen lebendigen Kraft 
die Überwindung aller Horizontal- Widerstände 
(ausser jener des Windes) zu betreiben hat. 
Endlich aber muss ac gleich Null werden, 
und der Vogel wird dann ruhig in der Luft 
schweben. 

Um also stetig fortzukommen, müsste der Segler einen verticalen Unter- 
strom empfangen, welcher einen stärkern Druck als hc, und etwa einen 
solchen = gc auf ihn ausübet. Bringt nun der Vogel seine Flügel in die 
schiefe Lage ef, so liefert nach der Zerlegungsweise v. Loessl’s die Normal- 
kraft kc in hc eine Kraft, welche denselben in derselben Höhe erhält und 
in ¿c eine solche, welche ihn vorwärts schiebt. Ist der Gegendruck der 
Horizontal-Widerstände ausser jenem des Windes so gross wie ice, so behält 
der Vogel seine relative oder sichtbare Geschwindigkeit ac dauernd bei; 
ist er dagegen grösser, so dringt er selbst noch in den Wind ein. Im 
ersteren Falle spürt er den Wind ebenso wenig wie der Insasse eines Luft- 
ballons, in letzterem dagegen empfindet er ihn in geringerer oder grösserer 
Stärke. 

Wirklich hat man aus solchen Unterströmen, wie sie an steilen Abhängen‘ 
an Schiftssegeln u. s. w. endlich aus der zeitweiligen Schräglage des Windes 
entstehen, die Erscheinung des mühelosen Segelns zu erklären versucht, und 
es unterliegt keinem Zweifel, dass der Vogel dort, wo er sie zufällig vor- 
findet, dieselben sich zunutze mache. Allein für eine allgemeine Erklärung 
dieser Flugart ist eine solche Annahme nicht zulässig, weil jedem Aufsteigen 
der Luft an irgend einer Stelle ein Niedersteigen derselben in gleichem 
Maasse an einer anderen Stelle entsprechen muss, indem es sonst nicht möglich 
wäre, dass die horizontalen Schichten der Atmosphäre ihre gleichmässige 
mittlere Dichte beibehielten. Für eine ganz allgemein gehaltene Aus- 
legung des Vogelfluges ist also der Wind horizontal und die Luft in verti- 
caler Richtung als ganz ruhig vorauszusetzen. Nachdem aber die Luft im 
grossen und ganzen dem fliegenden Vogel durch einen solchen verticalen 
Unterstrom, wie er bisher vorausgesetzt wurde, nicht zuhilfe kömmt, so 
muss er denselben in relativer Weise durch seine eigene Bewegung 
zustande bringen, indem er sich entweder im Fluge mit Hilfe seines 
Gewichtes fortwährend sinken lässt (Gleit- oder Schwebeflug), oder aber indem 
er mit Hilfe des Windes oder durch besondere Kunstgriffe sich beim Nieder- 
sinken schwerer, beim Emporsteigen aber leichter macht, als seinem Gewichte 
zukömmt, so dass ihn die Luft immer wieder emporschnellt (wellenförmiger 





262 Miller-Hauenfels: Das Mysterium des Vogelfluges. 


Segelflug oder Wellenflug), oder endlich indem er durch Flügelschläge die 
Luft nach abwärts und gegen seinen Unterleib treibt (Ruderflug). 


In allen diesen Fällen entsteht ein andauernder verticaler Unterstrom 
der Luft gegen den Vogel und in diesem vertical gerichteten 
Dauerstrom der Luft, verbunden mit grosser horizon- 
taler Anfangs-Geschwindigkeit, besteht eben das 
Wesen des Vogelfluges. 


Den Gleit- oder Schwebeflug des Vogels will ich vorerst 
unter jenen Voraussetzungen betrachten, bei welchen er am meisten Kraft 
spart, daher mit den geringsten Stirn- und Flügelwiderständen auskömmt, 
somit sowohl den Steuerschwanz als die Flügel innerhalb der Ebene der 
Körperachse festhält. 


Er sinkt hierbei während des Fliegens beständig in neue Parthien 
der Luft ein, welche unter ihm nach rückwärts fortstreicht, und es ist 
dieses verticale Niedersinken, durch welches allein der ihn tragende Unter- 
strom entstehen kann, nach den Gesetzen für gleichmässig beschleunigte 
Bewegung und zwar zugleich nach jenem Drucke zu beurtheilen, welcher 
auf die Einheit der Tragefläche ausgeübt wird. 


Für Bemessung der Tragefläche reichte es früher aus, mittels Ein- 
führung der Äquivalentfläche m bloss den Rumpfwiderstand zu be- 
rücksichtigen. Im vorliegenden Falle nimmt aber auch der Stirnwider- 
stand bis zu einem gewissen Grade hieran Theil; denn wenn auch der 
erstere vornehmlich nach aufwärts, der letztere aber sich vornehmlich von 
vorne äussert, so betheiligen sie sich dennoch beide bei Schieflage der 
Körperachse des Fliegers bis zu einem gewissen Werthe auch nach der 
anderen Richtung. 


Ich denke mir daher noch einen grössten Querschnitt durch den Vogel- 
leib gelegt, und nenne dessen Äquivalentfläche a. bei deren Wahl zugleich 
die Reibung zu berücksichtigen ist, weil diese ebenfalls parallel zur Kör- 
perachse wirkt. Unschwer findet man jetzt die Tragfläcke = (F + m) 
csa-n.sina!), wobei a den Flugwinkel d. b. jenen Winkel bedeutet, 
welchen die jeweilige Tangente der Flugcurve mit der Horizontalen ein- 
schliesst. Heissen nun weiter Q das Gewicht des Seglers, t die Zeit 


1) Aus einer sonst sehr verdienstvollen Feder wurde vor nicht langer Zeit 
eine Theorie über den Schwebeflug der Vögel veröffentlicht, in welcher die ganze 
Flugfläche, welche der Segler innerhalb der Zeiteinheit beschreibt, als Tragfläche 
angenommen erscheint. Es unterliegt keinem Zweifel, dass für die Erklärung des 
Schwimmens auf Wasser, also einer nicht zusammendrückbaren Flüssigkeit, 
die Fläche, welche die Arme des Schwimmers beschreiben, massgebend sei. Beim 
Schweben durch die zusammendrückbare Luft aber sinkt der Vogel stets wieder 
in neue Luftparthien, welche ihm entgegenkommen, durch sein Gewicht ein, daher 
meines Erachtens nur die Flügel und ein entsprechender Theil des Körpers als 
Tragfläche betachtet werden können. 


Miller-Hauenfels: Das Mysterium des Vogelfluges. 268 


und JK eine Constante, welche durch die unverändert gedachte Luftdichte 
bestimmt wird, so bedeutet E ——— das auf die Einheit 
(F-- m) cos a --n.sin u 
KO 
(F-I m) cosa-n.sin a 
fängliche jeweilige verticale Fallgeschwindigkeit des Vogels. Stellt endlich c 
die horizontale Fluggesehwindigkeit vor, so bekommt man: 


kQt 


Uime vie $ 
ISa [CEF -b m) cosa +n . sina] 


der Tragfläche entfallende Gewicht und die an- 


Selbst wenn e unverändert bliebe, so würde schon anfänglich die 
Fluglinie einen nach abwärts gewendeten Bogen darstellen. Von jenem 
Zeitpunkte angefangen aber, in welchem die verticale Fallgeschwindigkeit 
ein Maximum geworden, und somit die Luft unter den Flügeln jene Dichte 
erreicht hat, welche den Vogel zu tragen vermag, wird t constant; aber 
dessenungeachtet bleibt von hier an der Flugbogen immer nach abwärts 
gewendet, weil e, soferne keine Zufuhr an Energie durch Rudern erfolgt, 
der Flugwiderstände halber immer mehr sich der Null nähert. 


Im übrigen zeigt die letzte Formel, dass der Vogel innerhalb der- 
selben Verticallinie um so höher schwebe, je grösser die zugehörige Hori- 
zontal-Geschwindigkeit c ist. Das höhere Schweben erfordert daher vor 
allem eine grosse Anfangs-Geschwindigkeit. 


Durch die Aufwärtsbewegung des Ruderschwanzes vermag wohl der 
Segler auf Kosten seiner Fluggeschwindigkeit seine Fluglinie horizontal 
und selist nach oben gerichtet zu gestalten, aber er sinkt auch bei diesen 
Flugrichtungen fortwährend abwärts und die Folge hiervon ist, dass seine 
Fluglinie mit der Horizontalen einen geringeren Winkel einschliesst, als 
seine Körperachse. Bei steilerem Niederfluge findet des Sinkens wegen 
selbstverständlich das Umgekehrte statt, und hier hat der Segler, wenn er 
auf einem tiefer gelegenen Punkte aufsitzen will, alle Ursache, den Flug- 
widerstand thunlichst zu vergrössern; er stellt daher die Flügel ziemlich 
steil auf, und macht unmittelbar vor dem Aufsitzen noch einige hemmende 
Flügelschläge. 


Aus dieser Untersuchung folgt, dassder Segler bei Ausübung 
des Gleitfluges nicht nur die volle Schwebearbeit zu 
leisten, sondern auch noch alle Flughindernisse zu 
überwinden habe, und diese Kosten mit einem ent- 
sprechenden Verlust an Flughöhe oder an Flugge- 
schwindigkeit bezahle. | 

Selbstverständlich verliert er beim Aufwärts-, und beim Horizontalfluge so 
viel an Fluggeschwindigkeit, als dem Energie-Verluste wegen Emporhebung 
seines Körpers entspricht. 


264 Miller-Hauenfels: Das Mysterium des Vogelfluges. 


Das Ergebniss des Gleit- oder Schwebetluges älnelt also sehr jenem 
eines Wurfes mit einem platten Steine, welchen man sich mit grosser 
Kraft abgeschleudert denkt. 

Nun denke ich mich aber in die glückliche Knabenzeit an die Ufer 
eines Sees zurückversetzt, und den platten Stein nahe dem Seespiegel 
kräftig und horizontal hinaus geworfen. Der Stein wird jetzt nicht als- 
bald im See untertauchen, sondern auf grosse Entfernung über den See- 
spiegel hinweghüpfen. Es ist diess der ächte Wellenflug, wie ihn 
auch die weittragenden Gell- oder Ricochetschüsse und auch die Vögel 
zeigen, wenn sie bei gesunkenem Barometerstande, also in dünnerer Imft 
sehr nahe am Erdboden oder über einen \Wasserspiegel hinstreichen. 

Die zwischen dem wenig nachgiebigen \Wasserspiegel und der unteren 
ebenen Fläche des Steuers eng zusammengepresste Luft äussert an den 
tiefsten Punkten der Sprungbögen einen Rückstoss, welcher den Stein immer 
wieder emporschleudert. 

In grösserer Höhe über dem Wasserspierel äussert sich dieser Rück- 
stoss nicht mehr, und wenn die Vögel dessenungeachtet, zuweilen in sehr 
grosser Höhe, den Wellenflug üben, so müssen sie sich eventuell besonderer 
Kunstgriffe bedienen, welche sich der Überzeugung bei einigem Nachdenken, 
wie von selbst, aufdrängen. 

Denke ich mir einen Gummiball schräg geworfen, so wird er in Folge 
der Widerstände, welche er zu überwinden bat, in immer kleiner werdenden 
Bögen forthüpfen und zuletzt nur noch rollen. Gibt man dem Ball während 
jeden Niederhüpfens einen leichten Schlag von oben, und während des Empor- 
hüpfens einen solchen von unten, so werden seine Sprungbögen nicht kleiner, 
eventuell sogar grösser werden. In ähnlicher Weise muss sich auch der 
Wellensegler während des Niederfluges unterhalb der Flugwellen schwerer, 
während des Aufflluges aber leichter machen können, und zwar geschieht 
dies in nachstehender Weise. 

Auch für den Wellenflug ist eine grosse horizontale Geschwindigkeit, 
welche der Segler im Auf- oder Niederfluge in bekannter Weise erwirbt, 
sehr wünschenswert. Will er nun den Wellenflug beginnen, so senkt er 
den Schweif allmählig etwas, und erhebt ihn allmäblig wieder bis zur hori- 
zuntalen Lage. Hierbei beschreibt er die Thalfluglinie unterhalb der Welle, 
und sein Körper befindet sich am tiefsten Punkte derselben wieder in hori- 
zontaler Lage. Nun wiederholt der Segler dasselbe Spiel mit dem Steuer- 
schwanze, jedoch nach aufwärts, und beschreibt hierbei die Bergflugseite 
der Welle. Würde nun der Segler inzwischen keinen Zuwachs an leben- 
diger Kraft erhalten, so könnte er auch am Ende der Welle bei \Weitem 
nicht mehr die ursprüngliche Fluggeschwindigkeit zeigen, oder aber die 
Welle müsste sich fallend gestalten, und würde dann alle Nachtheile des 
Gleit- oder Schwebefluges besitzen. Um also einen solchen Kraftzuwachs 
zu gewinnen, biegt der Segler bei Windstille, oder wenn er nicht in den 


Miller-Hauenfels: Das Mysterium des \Vogelfluges. 265 


Gegenwind einzudringen vermag, und dieser ihn einfach nur zurückschiebt, 
während des Thalfluges innerhalb der Welle die Flügel unter die Flug- 
linie, und erhält derart, durch den Luftwiderstand innerhalb der Flugcurve, 
einen Druck von oben, welcher ihn gleichsam schwerer macht. Hierdurch 
wird die Luft unter dem Segler stärker zusammengedrückt, als dies beim 
Gleitfluge geschieht, und diese strebt ihn daher wieder emporzuschnellen. 
Dieses Emporsteigen des Seglers innerhalb des Bergfluges wird aber wesent- 
lich durch den Umstand unterstützt, dass er nunmehr die Flügel über 
der Flugeurve hält, und derart einen Druck von unten empfängt, welcher 
sein Gewicht erleichtert. Vermag aber der Segler in den Wind einzu- 
dringen, somit ihn zu empfinden, so braucht er die Flügel gar nicht zu 
rühren, weii der Wind es ist, welcher nunmehr beide Arbeiten verrichtet. 

Derart erzielt der Segler auch hier sowohl während des Thal-, als 
des Bergfluges innerhalb der Welle einen gegen seinen Körper gerichteten 
verticalen Unterstrom der Luft, welcher die Grundbedingung jeden Fluges 
ist. Allerdings stellen sich hierbei neue Widerstände ein; wenn deren 
Arbeit aber nicht grösser ist, als die gewonnene, so vermag der Segler 
seine ursprüngliche Flughöhe mit fast gleich gebliebener Fluggeschwindig- 
keit wieder zu erreichen, während der Höhenverlust beim Gleit- oder 
Schwebeflug stets ein sehr ansehnlicher bleibt. 

Man kann also schon durch blosse Discussion eine Vorstellung über 
den Nutzen des Wellenfluges gewinnen; einen ganz klaren Einblick jedoch 
vermag nur die Rechnung zu gewähren, zu welcher ich nunmehr schreiten will. 

Hierbei sollen die Buchstaben p, F, m und n ihre frühere Bedeutung 
behalten, nur sei n nicht bloss nach dem Stirnwiderstande und der Reibung, 
sondern auch nach dem Steuerwiderstande bemessen; denn da der Segler 
den Steuerschwanz abwechselnd auf- und abwärts richtet, so gestaltet sich 
durchschnittlich der Steuerwiderstand parallel zur Körperachse, somit senk- 
recht auf n. 

Es bezeichne ferner mit Bezugnahme auf Fig. 2, in welcher abe die 
Flugwelle darstellt, « den Flugwinkel d. h. jenen Winkel, welchen 





266 Miller-Hauenfels: Das Mysterium des Vogelfluges. 


die jeweilige Tangente der Fluglinie mit der Horizontalen einschliesst, dann 
P den Flügelwinkel, d. h. den Winkel zwischen der Flugtangente 
und der Flügelebene, ferner g den Gegendruck des Windes und r jenen 
innerhalb der Flugcurve, beide auf die Einheit der Druckfläche bezogen. 

Die Flügel setze ich eben und unendlich dünn voraus, nicht etwa 
bloss der Vereinfachung der Rechnung zuliebe, sondern in Rücksicht auf 
den Nachweis Herrn ©. Lilienthals, dass gekrümmte Flügel ungeachtet 
ihres grösseren Widerstand - Querschnittes einen bedeutenden Vortheil ge- 
währen. 

Die Richtungen nach oben und rechts betrachte 
ich als positiv, jene nach unten und links als 
negativ. 

Die nachstehende Rechnung theilt sich in die Betrachtung des Ein- 
flusses a) der Schwere, b) des Winddruckes und c) des Gegendruckes 
innerhalb der Flugeurve (Curvenwiderstandes). 

a) In Fig. 2 stellt e den Angriffspunkt der Kräfte und ef das auf 
beide Flügel entfallende Vogelgewicht dar, die Seitenkraft gf geht ver- 
loren, und es erübrigt für die Wirkung der Schwere nur noch eh = — Fp 
cos? (a + 8). Für m und n gilt dieselbe Formel wie für F, sobald für 
beide B = o und überdiess bei n noch 90° -+ «a statt o gesetzt wird. Ich 
erhalte daher den ganzen wirksamen Veıticaldruck: 

Vı = — Fp. cos? (a +- B) — mp.co?a—np.sinea...)) 
Für die horizontal wirkende Kraft ze, welche durch die auf die Flügel 
wirkende Schwere hervorgerufen wird, erhalte ich weiters: ie = Fp . sin 
(« + B) cos (a + p), und wenn die Formel wieder, wie früher auf m und n 
ausgedehnt wird, so ergiebt sich die gesammte durch die Schwere bewirkte 
horizontal wirkende Kraft mit: 

H, = Fp . sin (a + B) . cos (a + B) + (m — n) p . sina . cosa. 2) 

b) Bei dem die Flügel betreffenden Winddrucke ke verbleibt in verti- 
caler Richtung le = — Fg . sin (a + P) cos (a +- B) und in horizontaler 
me = — Fg sin? (a + B), somit ist der gesammte aus dem Winde resul- 
tirende Verticaldruck: 

Vz = — Fg . sin («u+ B) cos (a+ 8) — (m — n) g . sin u . cosa . 3) 
und der zugehörige gesammte Horizontaldruck — : 


H = — Fg sin? («u + B) — mg sin? a — ng . coa . ... 4) 
c) Aus dem Curvendrucke ne resultiren als wirksame Seitenkräfte für 
die Flügel pe = — Fr. sin B . cos (a+B)undge= — Fr.sinß.(sina-+-ß) 
und mit Einbeziehung von m und n, da m ausfält: 
V3 = Er, sind, cos (a + p) nr. sina, e, A 
H; = Er, sin p. sin (a + B) — nr . ege, . . 2.2.0.6) 


Ich betrachte jetzt einen schmalen horizontalen Streifen der Flugwelle 
von der verticalen Höhe s, welcher in Fig. 2 punctirt angedeutet wurde 
und frage nach der (elementaren) Arbeit, welche die Luft am Segler inner- 


Miller-Hauenfels: Das Mysterium des Vogelfluges. 267 


halb dieses Streifens zu verrichten hat. Zu diesem Ende wähle ich einen 
zweiten Angriffspunkt Æ der Kräfte, welcher in gleicher Höhe mit e liegt, 
jedoch auf der Bergflugseite gelegen ist, und nehme hier die Zerlegung der 
wirksamen Kräfte ganz in gleicher Weise vor, wie früher in e geschah, 
wobei ich auch die gleichförmigen Endpunkte mit gleichen Buchstaten 
bezeichne. 


Es giebt nun eine unendlich grosse Zahl von Flugwellen; ich muss 
mich daher, um die Endformeln überblickbar zu gestalten, auf eine einzige 
und zwar die symetrische Gruppe derselben beschränken, wobei die 
Anzahl der Einzelnfälle noch immer zahllos ist, und für welche die Winkel 
a und $ auf der Bergflugseite eben so gross, wie auf der Thalflugseite, 
jedoch nach entgegengesetzten Seiten sich öffnend, folglich auch die ent- 
gegengesetzte Bezeichnung erfordernd, angenommen werden müssen. 

Die gleiche Zerlegungsweise, wie früher, liefert für Æ nachstehende 
Formeln: 

a) für die Einwirkung der Schwere: 

Hui = — Fp . cos? (a + 3) — mp . co? u np. sin? a ; 7) 
Hı’ = — Fp . sin(a + $). cos (a+ B)—(m—n)p.sinacosau; 8) 

b) für den Einfluss des Winddruckes: 
ass Fg . sin (a 4- fp) cos (a + p) + (m —n)g.sina.cesa, 9) 


Hai = — Fg . sin? (a + B) ag, sin?a — ng cosa; . . . 10) 

c) für den Curvenwiderstand: 
= Fr .sin B . cos (a + B)— nr.sina, -. ». ». 2.2...) 
Hai = — F'r . sin ß . sin (a +- B) — nr. cosa . . . . . . 12) 


Um nun einen Ausdruck für die Auftriebsarbeit zu gewinnen, 
welche die Luft innerhalb des besagten schmalen Streifens von der Höhe 
= s verrichtet, babe ich die 3 Gleichungen 1) 3) und 5) zu addiren, und 
da die Bewegung auf der Thalflugseite nach abwärts gerichtet ist, mit 
— s zu multipliciren, weiters habe ich die Summe der 3 Gleichungen der 
Bergflugseite 7) 9) und 11) mit + s zu multipliciren, weil hier die Bewegung 
nach aufwärts vor sich geht, und schliesslich beide Producte zu summiren. 
Die gesuchte Auftriebsarbeit A ergiebt sich hierbei mit: 

A = 2 Fgs . sin (a + B) . cos (a +- 8) +2 (m — n) gs . sina .cosa 13) 

+ 2 Frs. sin B . cos (a +- B) — 2 nrs . sin a. 

Während der Segler innerhalb des besagten Streifens (m. s. Fig. 2) 
um den Werth yò = s sinkt und steigt, legt er in horizontaler Richtung 
den Weg y: = nach rechts zurück. Man hat also, um die hori- 
zontale Widerstandsarbeit der Luft zu finden, die sechs Gleichungen: 2) 


4) 6) 8) 10) und 12) zu summiren, und diese Summe H mit 





Sg 
zu 
a 


multipliciren, wonach man erhält; 


268 Miller-Hauenfels: Das Mysterium des Vogelfluges. 


Hs 2,8 


er Fé? wë E. 2 
TE Pe [Fg . sin? (aB) -+ mg.sinta-tng.cos®a 14) 
+ Fr .sin B .sin (a + $) -+ nr. cos a]. 


Bei Umkehrung des Vorzeichens liefert die letzte Gleichung die 
Vortriebsarbeit des Seglers, welche ich einfacher mit V be- 
zeichnen will. 

Die beiden letzten Gleichungen 13) und 14) zerfallen wieder in zwei 
Paare, weil von den beiden Grössen g und d stets nur eine einzige wirk- 
lichen Werth besizt, die andere aber gleich Null ist. 

Besitzt also der Segler eine hinreichend grosse Fmggeschwindigkeit, 
um in den Wind eindringen zu können, verspürt er sonach diesen, so be- 
sitzt g einen wirklichen Werth, es ist aber 3 = 0. Hieraus resultirt für 
die Auftriebbarkeit der Luft aus 13): 

A = 2 s[(F -4 m — n)g .sina.cosa — nr.sina]) . . . .15) 

Bei gleicher Annahme erhält man aus der Gleichung 14) nach Um- 
kehrung des Vorzeichens als Vortriebarbeit des Seglers: 

EK E [r+ m) g.sna.cou + ng See nr ne . 1b) 

Empfindet aber der Segler den Gegenwind gar nicht, segelt er also 
in Windstille, oder fliegt: er mit zu geringer Geschwindigkeit, um in den 
Wind einzudringen, so besitzt 3 einen wirklichen Werth, es ist aber da- 
gegen 2 = 0, und die beiden Gleichungen 13) und 14) ergeben zuerst die 
Auftriebbarkeit der Luft mit: 

A=2rs[F.sind.cos(a-B)—n.snal . .» ....M) 
und die Vortriebarbeit des Seglers mit: 
V = 2rs|F.sinp Sn +a. Se EE 18) 
tga tga 

Die Folgerungen, welche ich nunmehr aus diesen Gleichungen ziehen 
werde, gelten für jeden elementaren Streifen der Fiugwelle, folglich auch 
für diese selbst?). 

Die Werte A und F d. i. die Auftriebsarbeit der Luft, welche auf 
den Segler übertragen wird, und die Vortriebsarbeit des letzteren stehen 
sich einander, gerade so, als ob ihnen die gleiche Richtung zukäme, als 
Arbeitsgewinn und Arbeitsaufwand gegenüber, weil der Segler durch Schräg- 
haltung der Flügel oder durch bogenförmige Wendung im Fluge die ge- 
wonnene Energie in beliebige Richtungen übertragen kann. 


1) In analytischer Sprache hätte man in diesen Gleichungen dy statt s zu 
setzen und dann dieselben zwischen O und der gesammten Wellentiefe als Integral- 
grenzen zu integriren,. Es müsste aber dann für jeden einzelnen Fall die Be- 
ziehung zwischen o und Bund der jeweiligen Ordinate y bekannt sein. 

Auf analytischem Wege habe ich schon vor 6 Jahren in einer Schrift, be- 
titelt: „Der mühelose Segelflug der Vögel“ (Wien 1890) die Vortheile des Wellen- 


fluges nachzuweisen versucht. 
(Schluss folgt.) 





v. Parseval: Ueber das SBegelproblem. 269 


Ueber das Segelproblem. 
Von A. von Parseval. 

Unter den vielen, zur Zeit noch strittigen Fragen der Flugteclhnik 
ist das sogenannte Segelproblem gewiss eine der interessantesten. Wenn, 
wie Goethe sagt, über schroffen Felsenhöhen der Adler ausgebreitet schwebt, 
wenn selbst viel kleinere Vögel ohne Flügelschlag auf den ausgebreiteten 
Fittichen ruhend die Luft durchschneiden und scheinbar allen Gesetzen 
der Schwere zum Trutz nicht nur nicht sinken, sondern sogar höher und 
höher gehen, so musste das zweifellos die Neugier mächtig reizen und zahl- 
reiche Erklärungsversuche hervorrufen. 

Die Thatsachen selbst sind durch Beobachtungen hinlänglich sicher 
gestellt; die Erklärung ist strittig. 

Selbst wenn man die Ansicht vertritt, es könne durch Anwendung 
eines Fluges in Wellenlinien beträchtlich an Kraft gespart werden, so 
bleibt doch noch ein keineswegs so unbeträchtlicher Arbeitsbedarf zur 
Ueberwindung der Stirnwiderstände übrig. 

Wird aber die Zweckmässigkeit des Wellenfluges geleugnet, so ist 
die Frage ersi recht von Interesse, auf welche Weise der Vogel die zum 
Fluge erforderliche bedeutende Arbeit gewinne. 

Es ist klar, dass er diese nur der Atmosphäre entnehmen kann, und 
zwar hat man bisher als solche Kraftquellen aufgefasst: 

1. Aufsteigende Luftströmungen. 

2. Die Pulsationen des Luftmeers, die innere Arbeit der Luft, wie 
Langley diess genannnt hat, der sich auch bemühte, mittelst hoch empfind- 
licher Anemometer die Existenz dieser Pulsationen praktisch zu beweisen, 
und zwar können wir unterscheiden: verticale Pulsationen, wobei die Luft- 
massen eine hin- und hergehende Bewegung im verticalen Sinne machen 
und horizontale Pulsationen, wobei die Bewegung im horizontalen Sinne 
erfolgt. 

Zwar werden beide Bewegungs-Arten sehr selten einzeln für sich, 
sondern meist kombiniert vorkommen; indessen vereinfacht diese Art der 
Zerlegung des Prozesses die Betrachtung sehr wesentlich, und der Ueber- 
gang vom einfachen zum zusammengesetzten Prozess bietet keine besonderen 
Schwierigkeiten. 

3. Unterschiede in Geschwindigkeit und Richtung des Windes, die 
gleichzeitig neben oder über einander mit einer gewissen Stabilität auftreten. 

Eine vorwiegende Bedeutung unter diesen Bewegungs- Erscheinungen 
haben zweifellos 


` "Wa 


Die aufsteigenden Luftströmungen. 


Vielfach wurde dies bereits hervorgehoben und auch die Ursachen der 
aufsteigenden Strömungen klar gelegt. 


270 v. Parseval: Ueber das Segelproblem. 


Diese Ausführungen begegneten jedoch dem Einwand, zu einer Hebe- 
wirkung, wie sie die Vögel zum Fliegen brauchen, sei die Intensität. dieser 
Strömungen viel zu schwach. 

Wie gross die Geschwindigkeit derselben sein müsse, das lässt sich 
aus den Schwebeversuchen ableiten. 

Sei beispielsweise die Horizontal - Geschwindigkeit eines gleitenden 
Vogels 6 m p. s., wobei er 1 m p. s. sinken möge. Nun denken wir uns 
den Vogel festgehalten und das Luftmeer gegen denselben vorwärts- und 
aufwärts bewegt. Die Luft muss dann mit 6 m Horizontal- und 1 m 
Steiggeschwindigkeit von unten gegen den Vogel anströmen. und die Wider- 
stände sind die nämlichen wie beim Gleitflug. Der Vogel bleibt ruhig am 
Platze schweben und wird vom aufsteigenden Luftstrom getragen. 

Die Tragwirkung bleibt aber auch dann ungeändert, wenn man dem 
Vogel seine ursprüngliche Horizontalgeschwindigkeit belässt und nur die 
verticale Geschwindigkeits-Componente vom Vogel auf die Luft vertauscht 
denkt, in der Weise, dass der Vogel mit 6 ın Geschwindigkeit horizontal 
vorwärts fliegt und mit Luft mit 1 m Geschwindigkeit senkrecht aufwärts 
steigt. Er hat dann die gleiche Flügelhaltung und Widerstände wie beim 
Gleiten. Das ist der von uns betrachtete Fall. 

Der gefundene Satz lautet demnach: 

Ein aufsteigender Luftstrom gestattet einem Vogel den Horizontalflug 
dann, wenn seine Steiggeschwindigkeit gleich ist der Sinkgeschwindigkeit 
beim Gleiten. 

Bedingung ist hierbei die Existenz einer Horizontalgeschwindigkeit, 
welcher derjenigen beim Gleiten gleich ist. 

Ein aufsteigender Luftstrom von 2 m p. s. ist für die meisten Segler 
sicherlich ausreichend. 

Ist die Geschwindigkeit des aufsteigenden Luftstromes nicht gleich 
der Sinkgeschwindigkeit beim Gleiten, sondern kleiner oder grösser, so ist 
die Niveau-Aenderung des Flugkörpers gleich der Differenz zwischen beiden 
Geschwindigkeiten. 

Sollte es Manchem schwer erklärlich scheinen, wie ein immerhin 
schwacher aufsteigender Strom eine so bedeutende Hebewirkung ausüben 
könne, so darf daran erinnert werden, dass vermöge der schnellen horizon- 
talen Fortbewegung des Vogels die Druckwirkung der Flügel anf eine sehr 
bedeutende Luftmasse übertragen wird, da, um einen Ausdruck Butten- 
stedt’s zu gebrauchen, der Vogel die tragende Luftsäule fortwährend 
wechselt. Es wird daher, was dem folgenden Luftstrom an Geschwindig- 
keit zu fehlen scheint, durch die Menge der gestossenen Luftmassen ersetzt. 

Sehr häufig kann man den Vorgang an der Natur beobachten. Man 
sieht grosse Schwärme von Vögeln in engen Kreisen einen lokal begrenzten 
steigenden Luftstrom ausnützen, um mühelos eine bedeutende Höhe zu 
erreichen. 4 


v. Parseval: Ueber das Segelproblem. 271 


Gleichwohl ist diese Theorie nicht ausreichend. So oft man auch das 
Schweden auf emporsteigende Luftströmungen zurückführen kann, es bleibt 
doch noch eine grosse Anzalıl Fälle übrig, wo äussere Verhältnisse eine 
solche Annalıme nicht zulassen, z. B. wenn der Vogel nahe über dem Boden 
oder auf längere Strecken geradeaus segelt; denn ein starker aufsteigender 
Luftstroın kann nicht über Kilometer sich erstrecken. 

Ausserdem scheint bei windigem Wetter die Luft eine höhere Treg- 
kraft zu besitzen als bei stabiler Luft. Die Schwebeversuche im Freien 
ergaben meist grössere Widerstandswerthe als die Widerstands-Versuche 
im geschlossenen Raum. Die Vögel machen bei windigem Weiter weniger 
zahlreiche Flügelschläge als bei Windstille: Alles diess deutet darauf hin, 
dass in der bewegten Luft eine, bisher nicht genügend gewürdigte Kraft- 
quelle liegt, und dies können nur die Pulsationen des Luftmeeres sein. 


Die verticalen Pulsationen. 


Zunächst wenden wir uns den verticalen Pulsationen zu. Wir nehmen 
an, dass auf- und absteigende Luftströmungen in rascher Folge wechseln. 

Offenbar kann eine Hebewirkung dadurch gewonnen werden, dass 
aufsteigende Luftbewegungen, die wir als positiv gerichtet bezeichnen 
wollen, eine maximale Wirkung auf den Apparat ausüben, während der 
Effekt der niedersteigenden Strömungen zu einem minimalen gemacht wird. 

Diese Bedingung kann man durch entsprechende Einrichtung der 
Flächen olıne Zweifel erfüllen. Wir brauchen z. B. nur ein Klappensystem 
in die Fläche eingelegt zu denken, das sich bei positivem Druck schliesst, 
bei negativem von selbst öffnet. 

Aber eine so complieirte Anordnung ist gar nicht nöthig; wir können 
vielmehr der Fläche eine Form geben, welche in positiver Richtung grosse, 
in negativer geringe Drucke erleidet. Ein Beispiel einer solchen Form 
bildet eine gewöhnliche Papier-Düte mit darunter angehängtem Gewicht. 
Lässt man den Apparat zuerst mit der offenen Seite voran und dann 
umgekehrt mit der Spitze voran frei fallen, wobei im zweiten Fall das 
an Fäden aufgehängte Gewicht in die Spitze der Düte hineinfällt, so 
erkennt man, dass mit der offenen Seite voran der Körper weit langsamer 
sinkt, als mit der Spitze voran. Gegen senkrecht auf- und absteigende 
Luftströmungen muss der Körper das gleiche Verhalten zeigen. Mit der 
offenen Seite nach unten wird er von positiven Strömungen weit stärker 
gefasst als von negativen, und steigt, wenn er genügend leicht ist, bei 
bewegter Luft lustig in die Höhe, wie der Versuch lehrt. 

Eine praktische Anwendung dieses Prinzips ist das Schalenkreuz- 
Anemometer. 

Hierdurch ist zunächst die Möglichkeit bewiesen, aus hin- und her- 
gehenden Luftbewegungen eine einseitige Kraft-Wirkung zu gewinnen. 
Weiter folgt aber hieraus die interessante Thatsache, dass für die Grüsse 


272 v. Parseval: Ueber das Segelproblem. 


des Luftwiderstandes die direkt von der Luft gestossene Seite der Körper 
durch ihre Form den Gesammtwiderstand vorwiegend beeinflusst. Bei 
scheibenartig gestalteten Körpern tritt ein Saugwiderstand auf die Rück- 
seite auf, welcher ungefähr gleich ist dem Pressions -Widerstand auf der 
Vorderseite, also die Hälfte des Gesammt-Widerstandes beträgt. Durch 
Anbringen einer entsprechend gestalteten Spitze auf der Vorderseite kann 
man aber den Gesammtwiderstand um weit mehr als die Hälfte vermindern, 
wie der Versnch mit der fallenden Papier-Düte unmittelbar beweist. Der 
Pressions-Druck auf die Vorderseite beeinflusst also unter gewissen Um- 
ständen auch den Saug-Widerstand auf die Rückseite in der Weise, dass 
beide in gleichem Sinne vermindert werden. 

Wir kehren zu unserer segelnden Fläche zurück. Selbstverständlich 
ist hier die Düten-Form unanwendbar. Denn wir haben nicht reine auf- 
und absteigende Bewegungen, sondern eine Verbindung verhältnissmässig 
schwacher Verticalbewegungen mit einer überwiegend starken horizontalen 
Bewegung der Fläche relativ zur Luft. Die Fläche findet daher einen 
ziemlich starken Gegenwind der bald etwas melır von oben bald mehr von 
unten entgegenströmt. Je schneller die Horizontalbewegung der Fläche 
zur Luft ist, um so melır nähert sich die Richtung des fühlbaren Gegen- 
windes der Horizontalen, und um so kleiner wird der von der grössten 
positiven und negativen Abweichung gebildete Winkel. Bei der Betrachtung 
beginnen wir mit dem ungünstigsten Fall, dass die Fläche von einem 
schräg von oben kommenden Lichtstrahl getroffen wird, welcher zu der 
Tangente an den hintern Theil der Fläche parallel ist. Die Wölbung sei 
derart gewählt, dass noch steiler abwärts gerichtete Strömungen nur ganz 
ausnahmsweise vorkommen. Denken wir nun am vordern Rand der Fläche 
eine Gerade AB (s. Fig. 1) parallel zu der betrachteten Wind-Richtung gezogen, 


— 
ow 
— 
— 
B 
A = 
D ER 


Fig. 1. 
und an die Schwebefläche eine zweite nach oben gekrümmte der ersten gleiche 
Fläche derart angefügt, dass die Gerade AB die Mittellinie zwischen beiden 
bildet, so erhalten wir einen Querschnitt gleich demjenigen einer Geschoss- 
spitze. Von dieser Form aber wissen wir, dass sie den Luft-Widerstand 
zu einem Minimum macht. Auch der Einfluss der am vorderın Rand be- 
findlichen Verdickung der Fläche wird nunmehr klar; sie bewirkt, dass 
der schädlich gerichtete Luftstrom unter einem spitzeren Winkel auftrifit, 
also eine Abschwächung seiner Wirkung erleidet. Der Fall, bei welchem 
ein steigender Luftstrom von unten schräg in die Höllung der Fläche 


v. Parseval: Ueber das Segelproblem. 273 


trifft, bedarf keiner besonderrn Erörterung. Hier ist der Luft-Widerstand 
ein Maximum. 

Die gewölbte Fläche mit verdicktem vordern Rand hat also die 
Eigenschaft, dass negativ gerichtete Strömungen ein Minimum, positiv 
gerichtete ein Maximum des Drucks erzeugen. 

Nun schwankt die Windrichtung unaufhörlich in positivem und nega- 
tivem Sinn; unter Umständen treffen auf eine grössere Fläche neben ein- 
ander positiv und negativ gerichtete Luft-Strömungen. Indem nun die 
Wirkung der günstig gerichteten Strömungen von der Wölbung gut aus- 
genützt wird, während die ungünstig gerichteten von der convexen Rücken- 
fläche olıne wesentliche Wirkung abgleiten, entsteht als Endergebniss eine 
Hebewirkung des Windes auf die gewölbte Fläche, wie es die Beobachtung 
bestätigt. 


Während also bei ruhiger Luft eine ziemlich bedeutende Arbeitsgrösse 
zum horizontalen Normalflug erforderlich sich zeigte, findet bei bewegter 
Luft dadurch eine Ersparniss an Arbeit statt, dass die verticalen Pul- 
sationen der Luft eine Hebewirkung ohne Arbeitsleistung liefern, bezw. 
die ohnehin vorhandene Hebewirkung steigern, sodass zur Erzeugung der 
vollen Tragkraft der Flächen ein geringeres Maafs von Arbeit aufgewendet 
werden muss. 

Hierbei werden die aufwärts gerichteten Luftströmungen an der Wöl- 
bung in einfacher Beugung gegen unten umgelenkt; diese ändern somit ihre 
Bewegungs-Richtung. Die abwärts gerichteten Luftströmungen aber er- 
leiden eine doppelte Beugung und gleiten am hinteren Rande der Fläche 
mit ungefähr ihrer alten Richtung und Geschwindigkeit ab, können sohin 
keine wesentliche motorische Wirkung äussern. 

Indessen kann diese Function nur denjenigen Theilen des Vogelflügels 
zugesprochen werden, welche thatsächlich das beschriebene Profil haben, 
also den inneren Theilen des Flügels. An der Flügelspitze sind die Profile 
wohl gewölbt; es fehlt jedoch die Verdeckung am vordern Rande. 

Hier wird der Flügel (oder die einzelnen Schwungfedern gesondert 
für sich) so gedreht, dass seine Fläche zur Windrichtung mindestens 
parallel steht, ein Auftreffen schädlich gerichteter Luftströmungen auf die 
Oberseite sohin nicht möglich ist (Stellung B der Figur 2). Da der Winkel 


) 4 
>- L - 
re a 2 
Bag 
Fig. 2. 


zwischen der grössten positiven und negativen Windrichtung ein ziemlich 
spitzer ist, kann eine derartige Drehung der beweglichen Flügelspitze leicht 
stattfinden. | 


274 v. Parseval: Ueber das Segelproblem. 


Ist der aufsteigende Luftstrom stärker als nothwendie, so findet ent- 
weder eine Hebung statt, was aber nur bei längerer Dauer der hebenden 
Luftströmung möglich ist; oder es wird der Hinterrand des Flügels über 
die Horizontale emporgedrückt, um ein zu starkes Anwachsen des Hebe- 
drucks auf die Flügel zu hindern, wie Stellung 1 der beigesetzten Firur 
zeigt. — 

In dieser Position übt die Fläche einen vorwärtstreibenden Impuls 
auf den Flugkörper, es wird also die Horizontalgeschwindiekeit erhöht, 
während die Vertical-Schwankungen vermindert werden. 

An segelnden Möven kann man dieses Spiel der Flügelspitzen beim 
Flug sehr schön beobachten. 

Niemals ist die Flügelspitze ganz ruhig, ein fortwälhrendes Wenlen 
und Drehen ist bei windigem Wetter sichtbar, was auf die Unbestänlig- 
keit der verticalen Windrichtung deutlich hinweist. 

Auch technisch wäre diese Function leicht nachzualmen, indem man 
die äussere Flügelpartie, sei es als Ganzes, sei es m Teilen, älinlich den 
Schwung-Federn, um den vordern Rand drehbar anordnete und dieselbe 
durch Feder- Kraft nach unten drücken liesse. Dann ist es nicht möglich, 
dass die Flächen jemals Druck von oben erhalten, da sie der Windrichtung 
entsprechend selbstthätig ihre Lage ändern. Bis zu einem gewissen Grade 
ist diese Federung auch bei den Vogelllügeln vorhanden. 

Wir haben also in den Verticalpulsationen des Windes eine Kraft- 
quelle kennen gelernt, welche die Tragfähigkeit der Flächen erhöht und 
je nach Umständen Hebung oder Geschwindigkeitsgewinn herbeiführt. Die 
Grösse des Arbeitsgewinns ist sehr verschieden. Jedoch dürften die Ver- 
ticalpulsationen nächst den aufsteigenden Luftströmungen die wichtigste 
Arbeitsquelle liefern. 

(Fortsetzung folgt.) 





Kleinere Mittheilungen, 


Weitere Bemerkung zum Luftwiderstandsgesetz. Mündliche und schriftliche Aeusse- 
rungen über meine, — übrigens nicht neue — Behauptunz, der verhältnis- 
mässige Druck auf angeströmte oder bewegte Flächen nehme mit dem Wachsen 
der Flächen ab, veranlassen mich. zu den früheren !) noch eine weitere Begründung 

Die von Loessl'sche Darstellung der nur senkrecht zur Bewegungsrichtung 
von der Fläche bezw. von dem davor gebildeten Lufthügel abgedrängten Luftteil- 
chen,?) ist nur zur Vereinfachung und leichteren Veranschaulichung gewählt, 
Selbstverständlich weicht die durch jene L.uftteilchen gedrückte Luft nicht allein 
in der Druckrichtung, sondern auch strahlenförmig von dieser ab nach allen Seiten 
aus. Mit der Entfernung von der Spitze oder Vorderkante des Lufthügels nimmt, 





IS meine bezüglichen Aufsätze in No. 7 dieser Zeitschrift. Juli 1596, und 
in der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Bd. XXXIX, 
für diese Behauptung zu geben. 

2) v. Loesel Die Luftwiderstandsgesetze etc... Wien 1896. 8. 44. 


Kleinere Mittheilungen 275 


infolge immer erneuten Nachschiebens von Luftteilchen, die Luftabströmung an 
Stärke und Tiefe (im Sinne der Bewegungsrichtung) zu, wie von Loessl auch 
durch den Versuch gezeigt hat.)) 

Aus dieser Thatsache ergeben sich zwei Dinge mit Nothwendigkeit: 1) dass 
die von der Widerstanudsmitte entfernteren Teile der angeströmten oder bewegten 
Fiäche die Luftteilehen, mit welchen sie nacheinander in Berührung kommen, nicht 
erst völlig abzulenken oder in Bewegung zu setzen brauchen, sondern dass diese 
bereits im Ausweichen begriffen sind; 2) dass ausserhalb des Lufthügels sich eine 
abströmerde Luftverdiehtung bildet, auf welche zunächst die noch nichr abgelenk- 
ten oder noch nicht bewegten Luftteilchen stossen, und durch welche diese anders 
beeinflusst werden, als es durch die Flache des Lufthügels selbst und unmittelbar 
geschehen würde. 

Diese beiden Umstände machen eine verhältnissmäfsige Abnahme 
des Druckes, den angeströmte oder bewegte Flächen mit dem Wachsen dieser Flä- 
chen erleiden, schon der zrossen Denkfolgerung wahrscheinlich. Sie wird — meines 
Erachtens — zur Gewissheit durch die Versuche von Dines in England,?) durch 
die Vergleichung des Druckes auf grosse und kleine Flächen beim Bau der Forth- 
Brücke in Schottland, ?) durch die Erfahrungen der Schiffahrt, sowohl mit der Grösse 
der Segel,4) als mit derjenigen des eingetauchten Schiffskörpers®), durch den allen 
bisherigen Formeln widersprechend geringen Widerstand den das Luftschiff La 
France erlitt) — vor Allem aber «urch die Wahrnehmung der Windstille über 
der Kante schroffansteigender Felswände gegen welche der Sturm tobt. 

Stuttgart, November 1896. Ä Graf v. Zeppelin. 


Aus amerikanischen Veröffentliichungen. — Angesichts verschiedener Punkte in 
Aufsätzen dieser Zeitschrift, schien es dem Schreiber dieses am Platz, durch Mit- 
teilung einiger markanter Stellen aus amerikanischen Veröffentlichungen, womöglich 
zur Klärung und Vereinfachung mancher Anschauungen beizutragen. 

l. Chanute, Progress in flying machines. 

.... Es war das Ziel des Autors durchaus alie möglichen Informationen zu 
sammeln, aber nur das zu veröffentlichen, was zuverlässig und belehrend war... 

.... Der Autor liess, bei einer früheren Gelegenheit (Luftschifffahrt. Eine 
Vorlesung für die Studenten des Sibley College, 1890.) das vergleichungsweise Ge- 
wicht verschiedener Klassen von Kraftmaschinen Revue passieren. Er fand, dass 
die leichtesten im Jahr 1890 im Gebrauch, wogen, einschliesslich des Krafterzeugers, 
60 Pfund [27,2 Kg.] p. H. P für Dampf-, 88 Pfd. [40 Kg.] für Gas- und 130 Pfd. 
159 Kg.] für Electro-Motoren. Er beabsichtigte in diesem Bericht über den „Fort- 
schritt in der Entwicklung der Flugmaschineu“ den Gegenstand weiter zu discutie- 
ren, doch scheinen kürzliche Errungenschaften in Bezug auf Dampfmaschinen das 
unnötig zu machen. 

Meine (Yacht-) maschinen sind im Gewicht auf weniger 
als die Hälftereducirt worden; Mr. Hargrare hat eine Dampfmaschine 
geliefert, welche 10,7 Prd. [4,86 Kg.] p. H. P. wiegt, Mr. Maxim hat eine geschaffen, 





— 


l) Ebenda S. 45/46. 

>) Quarterly Journal of the Royal Meteorological Society, Bd. XV S. 183 und 
Bd. XVI S. 26 und 205. 

3) Revue de l’Aeronautique. Jahrgang 1889 S. 128. 

4) Mehrere Segel von zusammen gleicher Fläche wie ein grosses gelten allge- 
mein für zugkräftiger als dieses allein. 

5) vergl. in Richns, der Schiffswiderstand, die Tabellen über die Widerstände 
verschiedener grosser Dampfer und seine Bemerkungen dazu. 

6) Révue de l'Aéronautique 1889, S. 97. 


976 Kleinere Mittheilungen. 


welche nur 8 Pfd. [8,6 Kg.] p. H P. wiegt, einschliesslich eines Kondensators, und 
andere Experimentatoren sind im Begriff sich eng denselben Resultaten zu nähern. 


2. Herring, Dynamischer Flug, Aöronautisches Jahrbuch für 1896. 

.... Es ist ein verbreiteter Irrtum, den Widerstand des Gestells, der Stützdrähte 
Kanten, der Flügel u. s. w., als eine zu vernachlässigende Quantität zu betrachten, 
da wo ein Pfund oder mehr per Quadratfuss vuter Kraftersparniss getragen 
werden soll. 

Als eine erwiesene Thatsache verbrauchen diese Widerstände wenn zusammen- 
gerechnet in einigen der allerbesten Entwürfe, die ich gesehen habe, von 60 zu 
600 °/, so viel Kraft als für die Aëroplane, oder vielmehr Aörokurven zur Ver- 
fügung ist. 

Es ist bei weitem nicht richtig anzunehmen, dass solch grosse Widerstände 
absolut unvermeidlich seien; jedoch bei recht leichter Construction wird der blas 
durch die Drähte allein dargebotene Widerstand stets zu gross sein, um einer 
Maschine, die gross genug ist, um einen Menschen zu tragen, es zu erlauben, bei 
solch kleinen Winkeln und hohen Geschwindigkeiten zu fliegen, als gewöhnlich 
angenommen wurde. — 


3. Maxim, Natürlicher und künstlicher Flug, ebenda. 

.... Die notwendigo Lokalität um Experimente auf ge- 
eignete und sichere Weise auszuführen, ist unglücklicher- 
weise viel kostspieliger als die Maschine selbst....... 

Wenn man bedenkt, dass die Maschine von grossem Umfang und dass es 
notwendig ist, dass sie sich mit einer Schnelligkeit von mindestena 35 Meilen durch 
die Luft bewege um den Boden verlassen zu können, so liegt es auf der Hand, dass 
Manövrirexperimente nicht in dem ringsumgrenzten Raum, wie ich ihn augen- 
blicklich nur zur Verfügung habe, vorgenommen werden können....... : 


4. Maxim, Century Magazine, Januar 1895, „Eine neue Flugmaschine*. 

.... Bei der lezten Gelegenheit, wo die Maschine über das Geleise lief, wurde 
der Dampfdruck auf 820 Pfund auf den Quadratzoll gesteigert, während die Maschine 
an einem Dynamometer befestigt war, welches den Zug der Schrauben angab. Als die 
Schnelligkeit anwuchs, steigerte sich dieser Zug auf über 2160 Pfund. Nachdem 
die Maschine losgelassen wurde, fuhr sie augenblicklich mit sehr grosser Geschwin- 
digkeit ab, und nachdem 400 oder 500 Fuss des Geleises zurückgelegt waren, er- 
hob sie sich von den unteren Schienen und die Räder liefen dem oberen Geleise 
entlang. Die Schnelligkeit wuchs, die Hebekraft wurde so gross, dass die Hinter- 
achse, während sie die Maschine niederhielt, verbogen, und das Hinterende der 
Maschine befreit wurde; es erhob sich einige 3 oder 4 Fuss über seine normale 
Lage und schliesslich wurde das obere Geleise von dem Vorderrad gehoben 
und zerbrochen. Der Dampf wurde abgesperrt und die Maschine hielt an, während 
die Räder sich in den Boden einsenkten ohne irgend ein Geleise auf dem Rasen 
zu machen und so bewiesen, dass alle 4 Räder gänzlich frei von dem Boden ge- 
wesen waren. 

Die zersplitterten Holzmassen des oberen Geleises beschädigten indessen 
beträchtlich das untere Gestell der Maschine und machten Reparaturen nöthig, die 
einige Wochen in Anspruch nahmen, wegen der Zeit die es kostete, die Stahlröhren 
herzustellen....... — 

[Herr Maxim fügt dieser Erzählung zwei Photographien der Maschine unmit- 
telbar nach dem Unfall bei, die jedes Wort augenscheinlich bestätigen.] 

6. Maxim, aöronautisches Jahrbuch für 1896. 

ue Meine grosse Maschine, welche bei meinen früheren Versuchen beschädigt 
worden war, ist jetzt reparirt und verbessert und ganz bereit in jedem Experiment, 


Kleinere Mittheilungen. 277 


das ich etwa auf dem beschränkten Raum, welchen ich jetzt zur Verfügung habe, 
noch zu machen wünsche, gebraucht zu werden. Das Schienengeleise auf dem 
meine Experimente angestellt wurden, ist 1800 Fuss lang und das Gebäude auf 
allen Seiten davon ist mit grossen Bäumen verbarrikadiert. 


6. Maxim, ebenda. 

.... Würde eine so montierte Gruppe von Flächen mit der Geschwindigkeit 
von36 Meilen die Stunde durch die Luft getrieben, so würde diese entweder mit 
der Schnelligkeit von 38 Meilen die Stunde vorwärts getrieben, oder sie müsste 
komprimiert, oder mit der Schnelligkeit von 39 Meilen die Stunde zwischen 
den Flächen passierend ausgetrieben werden. 

Thatsächlich ist indessen der Druckunterschied [sta- 
tischer Druck] so sehr gering, dass practisch genommen keine 
atmosphärische Compression stattfindet. 


7. Herring, Dynamischer Flug, aßronautisches Jahrhuch 1896...... 

1894 baute ich drei Gleitmaschinen..... 

Die beim Gleitflug [Segelflug] sich bietenden Schwierigkeiten beschränken 
sich fast gänzlich auf die durch die Unregelmässigkeiten des Windes herbei- 
geführten... ... 

Das Vor- und zurückwandern des Lufdruckmittelpunkts ist auch bei selbst 
nur geringem Wechsel im Neigunswinkel des Apparats sehr beträchtlich. Dies ist 
weniger schwer zu bekämpfen, als die durch Aenderungen in der auf- resp. 
abwärtigen Richtung des Windes verursachte Störung; diese kommt plötzlich und 
unerwartet, wie es auch die Aenderungen der seitlichen Richtung thuen, welche 
den einen Flügel mehr heben machen, als den andern. Die letzterwähnte Schwierig- 
keit ist vielleicht die schlimmste von allen, sie ist sehr gross bei Flügeln, welche 
lang und schmal sind aber ich glaube, sie ist zum grössten Teil überwunden worden 
durch die Entdeckung einer sehr tragefähigen Fläche, wel- 
che die sehr wichtige Eigenschaft besitzt, dass ihr Druck- 
mittelpunktsehr wenig oderkeineWanderungvonvornnach 
hinten zeigtund welche sogar beinah ebenso wirksam in qua- 
dratischer Form ist, als wenn die Länge bedeutend grössser 
istals die Tiefe. Diese Fläche wird mit einer leichten Brise ihr eignes Ge- 
wicht noch tragen, wenn die Sehne ihres Profils zu einem so bedeutenden nega- 
tiven Winkel gegen den Horizont geneigt ist, als 15—20 Grad. Wenn geeignet 
belastet, wurde ein mit dieser Fläche versehenes Modell eine beträchtliche Strecke 
mit überraschend niedriger Geschwindigkeit gleitend gemacht. 

Viele der hervorragendsten Bearbeiter des Flugmaschinenproblems sind fest 
im Glauben an die Möglichkeit, dass der Mensch schweben lerne durch Benutzung 
der dem Wind inne wohnenden Kraft, wie die Vögel es thun, aber ich für meinen 
Teil, glaube, wenn das je erreicht wird, so wird es eintreten lang nachdem die Luft 
mit Dampf beschifft worden ist. Dies, ungeachtet der Schwierigkeiten, welche 
einige Jahre früher unübersteigbar schienen, ist nicht nur eine Wahrscheinlichkeit, 
sondern es ist augenscheinlich eine Gewissheit der nahen Zukunft...... 

Hier kann ich mir die Bemerkung nicht versagen, wie sich solchen Forschungen 
gegenüber Argumente gegen die Stabilität des Drachenfliegers, deren Stütze der 
rohe Papierdrache ist, ausnehmen. — 

Doch darauf möchte ich hinweisen, wie sehr dies alles dem, leider, leider 
letzten, Lilienthal'schen Aufsatz: „Ueber die Ermittlung der besten Flügelformen“ 
(trotzdem es fast ausgeschlossen ist, dass Herr Herring denselben je gelesen) sowie 
überhaupt dem ganzen Standpunkt dieses bahnbrechenden Mannes entspricht. 
Möchte die flugtechnische Forschung bei uns sich mehr in den Bahnen, welche 


278 Kleinere Mittheilungen. 


dieser Mann, auf welchen unser Vaterland das vollste Recht hat, stolz 
zu sein, ihr gezeigt hat, bewegen. Oder sollen wir auch bei ihm die volle Würdigung 
erst dem Auslande überlassen? 

Das erwähnte Jahrbuch rechnet seinen Namen bereits zu den unsterblichen- 


8. Hiermit nehme ich direct Bezug auf den ja erfreulichen Aufsatz Herrn 
Professor Wellners: „Ueber den Weg zur Herstellung brauchhlarer Flugmaschinen“ 
uud zwar, wie ich gestehe, veranlasst durch die Aeusserungen über „echt Ameri- 
kanisches“. Er spricht von der ungeheuerlichen Schwierigkeit der Herstellung 
kleiner Flugapparate. Als characteristisch für den Geist, in dem hier „engineering“ 
betrieben wird, und der unter anderm auch durch die Hartnäckigkeit, mit welcher 
amerikanische Segelyachten die englischen in dem berühmten historischen Rennen 
sogar ohne Lufthügeltheorie stets schlugen, bezeichnet wird, stehe folgendes: 

Herring: 

1891 construirte ich ein Modell, dem obigen Ahnlich im Entwurf, aber ver- 
sehen mit zwei Verbunddampfmaschinen, und mit einem Aluminiumröhren - Con- 
densator, der ungefähr 9 Quadratfuss Oberfläche expnnierte. Die Maschinen mit 
ihren Pumpen, Cirkulationsapparat [des Kesselwassers] Wellen, Kessel, Kesselge- 
häuse, Ofen und Reservoirs komplet, wogen weniger als 1 Pfund [453,6 gr] und 
entwickelten ein wenig über 0,20 Pferdektaft. Der Condensator mit seinen sämmt- 
lichen Gelenken und Verbindungsstücken wog nur 085 Pfund!)..... 

9. Flüge durch die Luft („Scientific American“). Sorgfältige Versuche in 
der Ortsbewegung durch die Luft sind zu Dune-Park, (Nord-Indiana am Michigan 
See) unter der Leitung von Herrn Octave Chanute im Fortschritt begriffen. 

Sie begannen vor zwei Monaten und seitdem sind die Maschinen umeonstruirt 
worden. 

Herr A. M. Herring assistiert Herrn Chanute und hat einen Regulator 
erfunden, der dem Apparat zugefügt ist. 

Beit dem 1. September sind eine grosse Anzahl Flüge ohne Störung oder 
Unfall ausgeführt worden. 

Eine Strecke von 300 Fuss wurde in etwa 30 Fuss Höhe vom Boden mit 
weniger Schütteln und Stossen zurückgelegt als bei einer Fahrt auf Gummiluftreifen. 
Zwei Männer tragen den Apparat den Sandhügel hinauf. Bei etwa 35 Fuss Höhe 
angelangt wird die Maschine in die Hoh gehoben und Herr Herring placirt sich 
darunter und erlaubt dem Wind sie zu heben, 

Seine Arme legen sich über die dazu angebrachten Querstücke. 

Er macht zwei oder drei schnelle Schritte dem See zu und die Maschine 
erhebt sich vom Boden und saust durch die Luft mit einer Schnelligkeit, die der 
Beschreibung nach mit der eines Schnellzugs rivalisirt [das will in Amerika etwas 
heissen.] 

Die Bewegung ist horizontal, ohne jedes Schwanken. 

Um die Maschine anzuhalten. bewegt ihr Führer seinen Körper nach hinten, 
um den Apparat vorn leicht anzuheben und landet dann allmählich und langsam 
auf dem Boden. 

Die Versuche am 10. September wurden als ungewöhnlich erfolgreich 
angesehen, da sie unter etwas ungünstigen Bedingungen stattfanden. 

In einem starken Wind begann das Aöroplan plötzlich und unerwartet zu 
schweben [soared], nahm die 4 Gehülfen, welche die Seile hielten mit sich und er- 
hob sie an 100 Fuss hoch in die Luft. [vide le Bris] 


1) Ich bemerke auch, dass ein hier zu den schweren zu rechnendes amerika- 
nisches Fahrrad, welches ich vergangenen Sommer mit nach Deutschland nahm, 
dort wegen seiner Leichtigkeit angestaunt wurde. 


Kleinere Mittheilungen. 279 


Das combinirte Gewicht der 4 brachte es bald wieder ohne Unfall herab, 
während das Verhalten der Maschine in eirer solchen Lage eine besonders erfreu- 
liche Belohnung für den Erfinder war. 

Der Apparat ist im allgemeinen wie ein Albatross geformt, hat aber sieben 
Flügel. 

New-York, November 1896. Carl Dienstbach. 


Der im Hefte Bn 1895 (August-Septb.) aufgenommene, gradezu klassisch zu 
nennende Artikel des Herrn Professor G. Wellner in Brünn „Ueber den Weg zur Her 
stellung brauchbarer Flugmaschinen“ stellt als Endergebniss folgenden, in keiner Weise 
anfechtbaren Satz hin: „Für ein sicheres Gelingen der Lösung des Flugproblems 
brauchen wir! Einen Motor von mindesten einstündiger Arbeitsdauer, welcher für 
Jede geleistete Pferdekraft nur 20 Kilo wiegt und eine Hubkraft von 837.5 Kilo zu 
äussern vermag; dazu eine gute Flächen-Construetion, für jedes Pferd 10 Kilo 
schwer, mit einem sa vorzüglichen Getriebe und einer so zweckmässigen Bewegungs- 
art, dass der Gleichungsfactor a. 0.2, folglich für eine Geschwindigkeit v = 20 bis 


P EE A 
du Meter in der Secunde, das Tragvermögen e EE bis 20 (Kilogramm auf 1m?) 
ge S Si EE 
und die ideelle Fallgeschwindigrkeit © -- p == 2 werde.“ 


Herr Professor Wellner giebt zu, dass es bisher nicht gelungen ist diese 
strengen Bedingungen zu erfüllen, meint aber, dass ein zielbewusstes Ausharren 
auf dem Felde der praetiseh-construetiven Arbeit dennoch einen Erfolg herbei- 
führen kann. 

Wenn man in Betracht zieht, dass bisher das Maschinengewicht pr. Pferdekraft 
nicht unter 40 Kilogramm (statt 2C Kilogramm) gebracht werden konnte, dass ferner 
die Hubkraft einer geleisteten Pferdekraft nach den vorliegenden Versuchsergeb- 
nissen nur 15 Kilogramm (statt 37.5 Kilogramm) beträgt, so muss man mit grossem 
Bedauern leider zugestehen, dass die Aussichten, das Flugproblem lediglich durch 
die motorische Kraft einer ingeniös erdachten Maschine lösen zu wollen, sehr 
unwahrscheinlich geworden sind und sich die Erwägung aufdrängt, ob es denn 
nicht doch angezeigt wäre, statt unausgesetzt an dem nicht lösbaren Problem der 
„leichten“ Maschine fortzuarbeiten, darauf überzugehen, die offenbar für die Luft- 
schiffahrt nicht ausreichende motorische Kratt, durch Hülfskräfte (Accumulatoren 
und theilweise Entlastung) zu ergänzen. 

Es wäre die Heranziehung dieser, auch von den natürlichen Fliegern stets 
angewendeten Hülfskräfte umsomehr zu empfehlen, weil dann die Möglichkeit 
geschaffen ist, die von Herrn Professor Wellner aufgestellten Bedingungen, dass 
> 
F 
fache Rechnung klar macht, leicht zu erfüllen sind. 

Man wird sich an den Gedanken gewöhnen müssen, dass das Flugproblem 
überhaupt nur in dem Falle zur technisch richtigen Lösung zu bringen ist, wenn 
die angewendete Hebekraft die Last um ein Drittttheil überwiegt und dieses Ver- 
hältniss ist nur zu ermöglichen, wenn man ausser der besten zur Verfügung 
stehenden motorischen Kraft auch noch von den sie ergänzenden, obenbezeichneten 
Hülfskräften Gebrauch macht. 

Ich bin der Ueberzeugung, dass ohne Anwendung dieser Hülfskräfte eine 
Lösung des Flugproblems und die Herstellung eines brauchbaren Luftschiffes über- 
haupt für alle Zeiten unmöglich bleibt, dass aber die sofortige Beschiffung der 
Luft mit lenkbaren Vehikeln zur Thatsache! werden wird, wenn man sich ent- 
schliesst, zu diesen Hülfskrätften seine Zuflucht zu nehmen. 

Wien am 12. November 18%6. A. Platte, 


D ew j M . . LH D 3 A H L LU 
=- p bis 20 und die ideelle Fallgeschwindigkeit v — er 2 werde, wie eine ein- 


280 Kleinare Mittheilungen. 


Wirkung des Vogelflügels. Der Unterschied der Fortbewegung in der Luft 
und derjenigen auf der Erde liegt in der unvergleichlich grösseren Geschwindigkeit 
des Fluges. Damit der Vogel seinen Körper von der Erde erheben kann, muss 
demselben die Möglichkeit gegeben sein, die Luft als Stützpunkt seiner Bewegungs- 
organe, also seiner Flügel, zu benutzen. So lange man dem Vogelflügel eine Ge- 
bläsewirkung zuschreibt, wodurch ein Hochsteigen des Vogels eintreten soll, müssen 
demselben auch grosse Kräfte angedichtet werden, denn mehr wie ein Paar Tau- 
sendstel-Atmosphären-Druck per qem kann derselbe nicht erreichen, ebensowenig 
wie eine sich frei in der Luft drehende Luft- oder Tragschraube, von welcher 
manche Leute das Heil der Luftschiffahrt erwarten. 

Man kann bei dem Vogelflügel zwei verschiedene Hauptarten unterscheiden, 
nämlich lange-, schmale-, spitz-zulaufende und kurze, breite in mehrere Spitzen 
auslaufende, d. h. in einzelne Federn endigende Flügel. Erstere besitzen alle 
Vögel mit brillantem Flug, z. B. Albatross, Fregattvogel, Schwalbe u. a., letztere 
Storch, Krähe pp. Der Widerstand, den solche Flügel an der Luft finden, ist be- 
deutend grösser, als wenn dieselben breit und voll wären. Im letzteren Falle 
würde sich unter dem Flügel ein sehr elastisches Luftkissen bilden und durch 
dieses Zwischenglied zwischen Flügel und Luft wäre die Wirkung natürlich sehr 
beeinträchtigt. Bei schmalen Flächen ist die Bildung eines Luftkissens vdllständig 
ausgeschlossen und dafür die Wirkung solcher Flächen auf die Luft eine bedeutend 
grössere. 

Den Beweis für das Vorhandensein eines Luftkissens hat der italienische 
Seecapitän Vasallo erbracht, indem er Versuche mit durchlöcherten und mit vollen 
Segeln machte. Der Effect bei ersteren war um 20°;/, besser, als wie bei vollen 
Segeln und musste es auch sein, weil hier der Wind auch thatsächlich die Segel 
treffen, seine Kraft abgeben und dann durch die Löcher entweichen kann. Bei 
vollen Segeln wird der Luftdruck nur durch Vermittelung der sich in dem aufge- 
blähten Segel befindenden ruhigen Luft auf letztere wirken können, um dann an 
den Seiten abzuströmen und wird die Wirkung durch solch elastische Zwischen- 
lage natürlich sehr verringert. 

Soll sich z. B. ein Adler von 8 kgr. Gewicht durch eine Gebläsewirkung seiner 
Flügel heben, also durch die Reaction der nach unten getriebenen Luft, so müsste 
derselbe ungeheure Flügel besitzen und in Folge dessen auch die von einem 
Forscher mathematisch genau berechnete Kraft von 7.7 Pferdestärken. Da der 
Adler durch seine verhältnissmässig langsam auf und ab bewegten Flügel keinen 
grösseren Druck auszuüben vermag, wie ein guter Ventilator, so wird der erzeugte 
Druck auch nicht grösser sein wie 10 mm Wassersäule oder ein paar Tausendstel 
Kgr. pr. qem. Die Vogelflügel sind nun aber ihrem Flächeninhalt nach noch nicht 
befähigt, das Gewicht des Vogels zu heben, indem sie Luft nach unten drücken 
und desswegen muss die Wirkung der Flügel eine andere sein. 

Der Vogel kann sich nur dann mittelst seiner Schwingen in die Höhe heben, 
wenn zwei rechtwinklig zu einander wirkende Kräfte vorhanden sind. 

Die eine Kraft bildet der meist horizontal wehende Wind, wenn sich die 
Vögel aus dem Stand erheben, im anderen Fall, wenn kein Wind vorhanden ist, 
so erzeugen sie diese Kraft durch Laufen oder ganz kleine Vögel durch in die 
Höhe hüpfen; die andere rechtwinklig auf die Windrichtung einwirkende Kraft ist 
die Flügelarbeit. 

Da die Flügel immer auf- und abbewegt werden, so kann die Wirkung der- 
selben nur eine Hebelwirkung sein. Erfolgt mit dem Flügel ein kräftiger und 
genügend schneller Schlag auf die Luft, so muss der Vogelkörper nach oben aus- 
weichen, weil die Flügel nicht im Stande sind die Luft nach unten zu drücken. 
Ist der Flügelschlag kräftig genug, so wird der Vogelkürper einen grösseren Weg 


Kleinere Mittheilungen. 281 


zurücklegen als bei leichten Flügelschiägen. Die Steighöhe ist abhängig von der 
beim Flügelschlag aufgewendeten Energie. Dieser Vorgang findet dann statt, wenn 
der Vogel in die Höhe steigen will, will derselbe in der Horizontalen bleiben, so 
braucht er nur seine Flügel so niederdrücken, dass ein Sinken verhindert wird 
und durch das feine Gefühl in den Schwingen ist dieses dem Vogel auch eine 
Kleinigkeit, die Wirkung der Flügel nach Bedarf zu reguliren. 

Der Vogel steigt in die Höhe, indem er durch Niederdrücken der Flügel 
seinen Körper hebt, dabei hat er nur die Flügel so schnell zu gebrauchen, dass die 
Luft nicht ausweichen kann und damit er Widerstand unter den Flügelspitzen hat; 
dass derselbe vorhanden ist, beweisen die nach oben umgebogenen Flügelenden. 
Seine beiden Flügel sind ausser Fallschirme zum Gebrauch beim Landen, Schweben p.p., 
zwei einarmige Hebel, mittelst welcher dasEmporsteigen bewerkstelligt wird, natürlich 
unter der Voraussetzung, dass kein günstiger Wind ein bequemes Steigen gestattet. 

Wie der Luftwiderstand beim Aufwärtsbewegen der Flügel unwirksam ge- 
macht ist allein durch die Form und das Material derselben, ist im Juli-Heft dieser 
Zeitschrift gezeigt worden. 

Es ist eine allgemeine Thatsache, dass ein Vogel, je schneller er fliegt, um 
so mehr die Flügel einzieht. In nachstehenden Skizzen zeigt Fig. 1 die Flügel- 





stellung bei ruhiger Luft und Fig. 2 bei stark bewegter, hierbei ist es gleich- 
giltig, ob sich der Vogel schnell vorwärts bewegt, oder starker Wind herrscht oder 





auch umgekehrt. Diese Flügelstellungen beim Fluge beweisen tbatsächlich, dass 
dia Wirkung der Vogelflügel für das Emporsteigen eine Hebelwirknng ist. Befindet 


282 Kleinere Mittheilungen. 


sich der Vogel im Anfang des Fluges d. h. hat derselbe noch keine grössere Ge- 
schwindigkeit erreicht, so missen die Flügel vollständig gestreckt werden, um 
durch den längeren Hebel den geringeren Widerstand der Luft zu ersetzen. Bei 
kurzen Flügeln ist dafür noch ein heftiges Schlagen erforderlich, während bei 
langen die Bewegungen langsamer ausgeführt werden können. 


Je grösser die Geschwindigkeit des Windes ist, um so grösser muss auch die 
Kraft sein, diesen Wind aus seiner Richtung zu bringen. Je schneller der Vogel 
fliegt, um an bessere Stützpunkte hat derselbe an der Luft. 


In Fig. 2 ist die Luft dureh parallele Striche angedeutet. bewegt sich nun 
der Vogel sehr schnell nach vorwärts oder ist heftiger Wind, so hat die Luft eine 
der Geschwindigkeit entsprechende Festigkeit. Der Vogel braucht jetzt. um sein 
Gewicht zu heben nicht mehr der langen Hebel d. h. der ganzen Flügel und wird 
dieselben daher emziehen, wie dieses auch von schnellliegenden Vögeln geschieht. 

Zur Vorwärtsbewegung. also zum Fluge, wird nur die Schwerkraft benutzt. 
indem die beim Heben geleistete Arbeit in solche umgesetzt wird. Aus den oben 
angegebenen Gründen müssten hierbei auch wieder zwei rechtwinklig auf einander 
wirkende Kräfte vorhanden sein, wenn sich der Vegel durch Flügelarbeit vorwärts 
bewegen sollte, und ein aus der Erde wehenter Wind ist wohl nieht gut möglich. 

Die grösste Geschwindigkeit, die manche Vögel erlangen sollen bei ihren 
Wanderungen, z. B. der virginische Regerpfeifer von ICh Meter pro See. würde 
sich dann zusammensetzen aus erstens! Windgeschwindickeit von 45 bis bo Meter 
und zweitens Fallgzeschwindiskeit, bei 160 Meter Fallhöhe auch noch 40 Meter. Durch 
öfteres Wiederholen von Steigen und Fallen bei constanter Windgeschwindigkeit, 
wie sie in grösseren Höhen vorhanden ist, könnte sich ganz gut eine Geschwindig- 
keit für den Vogel von 105 Metern pro See. ergeben. 

Ist diese Geschwindigkeit erst erreicht, so braucht die Fallhöhe nur noch 
gerivg zu sein, um den Verlust durch den Luftwiderstand zu ersetzen. Solche 
grosse Flugleistungen sind natürlich nur in der Windrichtung möglich. 

Oscar Krause. 


Ballastverbrauch und Gasentwicklung bei Ballon-Weitfahrten. Nachstehende Vor- 
schläge beziehen sich auf alle jene Fälle, bei welehen zur Erreichung eines gesteckten 
Zieles die Kostenfrage eine nicht allzugrosse Rolle spielt. Hierher gehören Expe- 
ditionen, wie die von Andree geplante, sowie kriegstechnische Zwecke. 

An Stelle des üblichen Ballastes comprimirte Gase oder gaserzeugende 
Materialien mitzuführen, ist schon wiederholt vorgeschlagen worden. Gerade die 
letzte Methode ist der Beachtung werth. Zink und Salzsäure hierfür zu verwenden 
ist nicht sehr verlockend, da für 160 kg auszuwerienden Ballast nur 22 Cubik-Meter 
Wasserstoff gewonnen werden. Immerhin bedeutet es einen Vortheil, für den 
ausgeworfenen Ballast ein gewisses Aequivalent an Gas zu erhalten, das heisst, 
für je 100 kg Ballast 113 kg Steigkraft zu gewinnen. 

In ein anderes Stadium ist jedoch diese Frage durch die enorme Entwickelung 
der BEleetrochenmie, insbesondere der eleetrolytischen Reinmetallgewinnung getreten. 
Bei Verwendung von Aluminium würde obiges Verhältniss auf 100: t20 steigen. 
Andererseits ist heut Natrium billig zu erhalten. Dieses Metall gestattet es, von 
der Säure ganz abzusehen und Wasser an deren Stelle treten zu lassen. Hierbei 
werden für 82 kg ausgeworfenen Ballast schon 22 Cubikmeter Wasserstoff gewon- 
nen. Das Verhältniss von ausgeworfenem Ballast zur Steigkraft beträgt hier 
schon 100:125. Nun giebt es aber eine leicht erhältliche Verbindung von Natrium 
mit Wasserstoff. 25 Kilogramm dieser Verbindung liefern bereits 33 Cubik Meter 
\Wasserstoflgas; hierfür sind noch 18 kg Wasser erforderlich. 


Kleinere Mittheilungen. 288 


Durch 48 Kilogramm ausgeworfenen Ballastes werden somit erzeugt 33 Cubik- 
meter Wasserstoffssass. Bei dieser Reaktion werden aber ausserdem an 40000 Calorien 
Wärme entbunden, das heisst eben soviel, als beim Verbrennen von 5 kg guter 
Steinkohle. 

Diese Wärmemenge wird sich zum Theile auf das entwickelte Gas übertragen 
und seine Spannung, somit die Triebkratt erhöhen, die Hauptmenge kommt jedoch 
für Heizzwecke in Betracht. Da bei der Steinkohle in den besten Oefen höchstens 
10°, als nutzbare Wärme zur Geltung kommen, so werden obige 25 kg Natrium- 
hydrogenid -- 18 kg Wasser practisch ebensoviel leisten als 50 kg Steinkohle. 

Schreiber dieses ist in a@öronautischen Fragen Laie und behandelt die 
genannte Angelegenheit lediglich vom chemisch-physikalischen Standpunkte. Sache 
des Practikers wird es sein, die gegebene Anregung in die verwendbare Form 
zu bringen. 

Deuben-Dresden, November 1896. Dr. G. P. Drossbach. 


Drachenflieger und Schraubenflieger. Es liegt in der Natur der Sache, dass, 80 
ange das dynamische Flugproblem nieht definitiv gelöst ist, die Meinungen darüber, 
welches Flugsystem die meiste Aussicht auf Erfolg hat, auseinander gehen. Ich 
habe schon wiederholt ausgesprochen, dass ich kein absoluter Gegner, weder von 
Schraubenfliegern noch von Ruderfliegern bin, weil ich neben dem Drachenflieger 
auch die vorher genannten Systeme für möglich halte und selbst sehr viel besonders 
an Schraubenfliexern gearbeitet habe. Bei meinen Experimental-Vorträgen habe 
ich meistens neben den Drachenfliegern auch Schraubenflieger demonstrirt. (Siehe 
Heft 7 und 8, 1892). Noch vor kurzem, in diesem Jahre, habe ich ein grosses Modell einer 
Captiv-Schraube construirt, deren Gestell aus Stahlrohren hergestellt ist, deren Achsen 
in Kugeln lagern und deren zwei in entgegengesetzter Richtung sich drehende 
Luftschrauben von 4 m Durchmesser, durch einen Dynamo getrieben werden. Die 
günstigen Resultate’ dieser Schraube sind bis jetzt nur dem hiesigen militär-tech- 
nischen Comité, wo die Messungen gemacht wurden, bekannt; ich bin leider noch 
nicht in der Lage, die Resultate der Oeffentlichkeit übergeben zu können. Auch 
meine horizontal wirkenden Propulsionsschrauben - deren Construction sich 
wesentlich von meiner Vertiealschraube unterscheidet — erklärte Hr. v. Lössl, der 
alle auf ihren Nutzeffect gründlich prüfte, seinerzeit in öffentlicher Sitzung für die 
besten. Ich erwähne das hier nur, um zu zeigen, dass ich Kein Neuling in der 
Construction von Luftschrauben und Schraubenfliegern bin und sehr wohl die 
Vorzüge und Nachtheile derselben k>nne. Wenn ich also dem Drachenflieger den 
Vorzug gebe und wiederholt behaupte, dass jeder bessere grosse Flieger in der 
Natur ein Drachenflieger ist, dass der Schraubenfiieger dagegen eher mit dem Insek- 
tenflieger als mit dem Vogel zu vergleichen ist, und dass der Drachenflieger mit 
horizontal wirkenden Luftschrauben der geeignetste Flugapparat 
ist, um eine schnelle horizontale Eigengeschwindigkeit zu erzielen, während der 
Schraubenflieger, trotz mancher Vorzüge, zum schnellen horizontalen Fluge nicht 
geeignet ist, so basirt diese meine ÜUeberzeugung auf langjährigen Studien und 
experimentellen Erfahrungen mit freifliegenden Apparaten. 

Herrn Eug. Kreiss, der nur für den Schraubenflieger schwärmt — das ist 
sein „Ideal“ eines dynam. Fluges — haben nun meine obigen Behauptungen sehr 
missfallen, und er fühlt sich veranlasst dieselben „zu berichtigen“, zu „widerlegen“ 
und als „unrichtig zurückzuweisen“. — Seine Berichtigungen und Widerlegungen 
beginnen denn auch damit, dass er meinem Drachenflieger jede lwebensfähigkeit 
so mit einem Rucke auszublasen versucht. Der Drachenflieger, — meint Hr. E. 
Kreiss — kann weder stabil, noch Ienkbar sein, noch die bedingte grosse horizon- 
tale Geschwindigkeit erlangen. Er schreibt (in Heft 8 und 9): „Der Drachenflieger 


284 Kleinere Mittheilungen. 


ist im Principe nichts anderes als der Papier-Drache, dessen Schnur nur durch die 
Zugschraube ersetzt ist und mit dem man gegen den Wind läuft, wobei der Drache 
die bekannten Kippmanöver macht.“ Herr Eug. Kreiss kennt eben keinen anderen 
Drachen als den gewöhnlichen Papierdrachen mit dem langen Zopf. Wenn er aber 
sich bemühen wollte in den „Proceedings of the International Conference on Aerial 
Navigation“ Chicago 1893, oder „The Aeronautical Anual“ Boston 1896 nachzuschlagen, 
so wird er dort erfahren, dass es auch Drachen giebt, die diese „gefährlichen Kipp- 
manöver“ gar nicht kennen. Ich habe im August dieses Jahres, mit meinem 
Freunde Hrn. Ing. Fr. Berger in Mauer bei Wien zwei verschiedene Drachen steigen 
lassen. Der eine davon war der wohl den meisten Flugtechnikern bekannte Har- 
grave-Drachen, der zweite war nach meinem System ganz meinem älteren Drachen- 
flleger nachgebildet, mit horizontalem und verticalem Steuer ausgerüstet, nur 
selbstverständlich bei Wegfall der Gondel und der Luftschrauben. Den bekannten 
Schweif haben beide Drachen natürlich nicht, und auch die Schnur wurde nur an 
einem einzigen Punkte des Drachens befestigt. Diese beiden Drachen nun, die 
wir in Gegenwart noch mehrerer Personen steigen liessen, hoben und senkten sich 
je nachdem der Wind zunahm oder nachliess, ohne ihre normale Lage auch nur 
für einen Moment zu ändern; von einem „gefährlichen Kippmanöver* war keine 
Spur. Noch interessanter war die Beobachtung, dass mein Drache, neben der 
Stabilität fast horizontal auf dem Winde lag und hierdurch der Sturmwiderstand 
resp. der Zug der Schnur auf ein Minimum reducirt war. 


Das Grundprinecip — die Anwendung der schiefen Ebene — ist ja dasselbe, 
aber die Lösung des Flugproblems ist nicht blos eine Principienlösung, sondern 
hauptsächlich eine schwierige Constructionslösung. Es ist nicht gleichgültig wie 
die Flächen angeordnet sind, es ist nicht dasselbe ob die Flächen eben oder concav 
sind, es ist nicht dasselbe ob der Flugapparat einen oder mehrers Stützpunkte in 
der Luft hat, u. s. w., u. s. w. Wer zählt alle die Factoren auf, von denen der 
ökonomische Flug, die sichere Stabilität und überhaupt das Gelingen abhängt, und 
die alle nur durch experimentelle Studien und Erfahrungen gefunden werden? 
Lässt man z. B. ein steifes Blatt Papier von einer Höhe fallen, so macht es die 
bekannten „gefährlichen Kippmanöver“; schneidet man aber dieses Blatt in zwei 
oder mehrere Streifen, befestigt diese, möglichst weit von einander getrennt aber 
hintereinander an ein leichtes dünnes Stäbchen, und lässt sie jetzt von einer Höhe 
fallen, so sinken sie ruhig und ohne alle „Kippmanöver“ zur Erde. 


Mein Drachenflieger hat mehrere von einander getrennte concave schmale 
Segelflächen und rückwärts eine grosse ebene Fläche als horizontales Steuer u.s.w. 
(siehe Heft 2 und 3). Jede dieser Flächen bildet also einen separaten Stützpunkt 
in der Luft, und das Gewicht der langen Gondel vertheilt sich auf alle diese 
Stützpunkte. Wenn der Stirnwind, während einer Windwelle, zu- resp. abnimmt, 
so verschieben sich alle Druckmittelpunkte dieser getrennten Flächen, und zwar 
um so weniger, je schmaler jede einzelne Fläche ist, etwas nach vorne resp. nach 
rückwärts; nur so wenig, dass zwischen dem Schwerpunkte und den Stützpunkten 
jede empfindliche Veränderung ausgeschlossen ist. Darum ist mein Drachenflieger 
ausserordentlich stabil, kann niemalskippen undbleibt selbst gegen bedeutende Schwer- 
punktverschiebung unempfindlich. Ich habe früher erzählt, dass ich in die Gondel 
meines Modelles ein kleines Gewicht, abwechselnd einmal vorne, das andere mal 
rückwärts; hineinlegte, ohne dass der Apparat während des Fluges bemerkbare 
Schwankungen gemacht hätte. Bei meinem Vortrage (über die Stabilität des Drachen- 
fliegers), habe ich erklärt, wie mein Drachenflieger seine Stabilität automatisch 
reguliert und selbst in dem Falle wo derselbe sich allein, also ohne Steuermann, 
den Windwellen überlassen wird, oder das horizontale Steuer nicht dio richtige 


Kleinere Mittheilungen. 285 


Stellung zur vorhandenen Eigengeschwindigkeit des Flugapparates einnimmt — 
also bei einer ungeschickten Steuerung — derselbe trotzdem nicht kippen, sondern 
nur flache Wellenbewegungen machen würde. Es ist doch selbstverständlich, dass 
wenn der Steuermann auf seinem Platze ist, er meinen Drachenflieger nicht nur in 
beliebiger Richtung lenken, sondern auch die Wellenbeweguugen auf ein Minimum 
reduciren können wird. Man kann also die flachen unvermeidlichen aber auch 
ungefährlichen Wellenbewegungen meines Drachenfliegers, nicht mit dem „Oscil- 
liren“ „mehr oder weniger lebhaften Nicken* oder gar mit dem „gefährlichen 
Kippmanöver“ vergleichen, der dem unvollkommenen gewöhnlichen Papierdrachen 
— seliger Kuabenzeit — anhaftet und den Hr. Eug. Kreiss — gelinde gesagt — 
etwas leichtfertig, mit meinem wohl durchdachten, auf jahrelangen experimentellen 
Studien und Erfahrungen aufgebauten Drachenflieger auf gleiche Stufe stellt. 
Ebensowenig zutreffend ist das, was Hr. Eug. Kreiss über die Wirkung der 
lebendigen Kraft, bei einer doch auf möglichste Leichtigkeit construirten Luft- 
schraube, oder was er gegen die horizontal wirkenden Propulsionsschrauben und 
zu Gunsten der Verticalschrauben sagt. Der bekannte aus Blech hergestellte Luft- 
kreisel, den ich bereits vor 80 Jahren in Petersburg selbst construirte, wird häufig 
ganz unberechtigt als Muster einer Luftschraube angeführt. Man übersieht, dass 
circa 20 sec. m. kg. Arbeit angewendet wird, um dieses kleine Blechstück von 
circa 20 gr. Gewicht, circa 80 m hoch zu schleudern. Eine richtig construirte 
Luftschraube muss möglichst leichte Flügelflächen haben, deren Moment im Ver 
hältniss zum Luftwiderstande in der Rotationsrichtung gar keine Rolle spielt. 
Meine Luftschrauben bleiben fast im selben Momente, wie die Antriebskraft stehen 
Bei einer Luftschraube von einer Aufspeicherung lebendiger Kraft, wie etwa be 
einem Schwungrade zu sprechen, ist vom flugtechnischen Standpunkte nicht — erlaubt. 
Gehen wir weiter, Der Weg einer Verticalschraube deren Achse „nur schwach 
in der Flugrichtung nach vorne geneigt“ ist, bildet mit der verticalen Linie einen 
spitzen Winkel, und der Sinus dieses Winkels ist die resultironde horizontale Com- 
ponente. Es ist also selbstverständlich, dass je grösser dieser Winkel desto grösser 
auch die horizontale Componente sein wird, am grössten bei 90°, wenn der Sinn 
s = I, d. h, wenn die Schraubenachse horizontal liegt. Hr. Eug. Kreiss schreibt 
aber: „Zudem vermag die Horizontalschraube keinen genügenden Antrieb für rasche 
Fluggeschwindigkeit zu geben“, dazu meint er, sind „Schaufelräder wie beim Rad- 


dampfer oder Verticalschrauben unweigerlich bedingt“. — „Ein Drachenflieger hat 
nur Sinn mit Verticalschrauben“ u. s. w., u. 8. w. — 
Auf diesen — „Sinn“ brauche ich wohl nicht weiter einzugehen. 
Wien, November 1896. W. Kress. 


Neueste amerikanische Drachenversuche. Im diesjährigen Junihefte war über 
die letzten Versuche referirt worden, welche in diesem Jahre an dem Observatorium 
auf dem Blue Hill mittelst Drachen ausgeführt worden waren.!) Neben den Eddy’- 
schen und Malayischen Drachen waren bekanntlich noch die von Hargrave erprobt 
und benutzt worden; ferner hatten sich die günstigsten Resultate bei der Anwen- 
dung von Clavieraaitendraht ale Drachenleine ergeben. Bei den schon besprochenen 
Versuchen im April und Mai d. J. waren die recht ansehnlichen Höhen von fast 
2000 m über dem Erdboden erreicht worden, bis zu denen der früher bereits 
beschriebene Meteorograph von mehreren Drachen emporgetragen wurde. 

Diese Versuche sind nun mit grossem Erfolge weiter fortgesetzt worden, 
Am 20. Juli und 1. August gelang es, das Instrument wiederum etwa 2000 m hoch 
zu bringen und im October 2665 m. 








1 Ueber die früheren Versuche vergl. diese Zeitschrift: Jahrg. 1894, 5. 801 f. 
und Jahrgang 1895, S. 22 ff. 


286 Kleinere Mittueilungen. 


Am 8. October wurde rämlich bei theiweise heiterem Wetter und mäfsigem 


nordwestlichen Winde ein System von 9 Drachen — 7 Eddy sehen und 2 Hargrave 
schen — deren Durchmesser zwischen 13%, und 23%} m varlirten, mit dem Meteoro- 


graphen aufzelassen. Die Drachen waren von 91, Uhr Vormittags bis 9 Uhr Abends 
in der Höhe und drei Stunden hindurch mehr als ICCO m über dem Erdboden. 
Der Auftrieb schwankte beim Hochgehen zwischen 9 und 23 kg und erreichte bei 
der grössten Höhe den Maximalbetraxg von 43 ku Der Metevrozraph, welcher 
während der ganzen Fahrt in vorzüglicher Weise funetionirte, zeigte als grösste 
Höhe 2665 m über den Blue Hills d. i. 2560 m über dem Meeresspiegel an. wo eine 
Temperatur von — 6°.T7C. aufgezeichnet ward, während dieselbe unten an der Erdober- 
fläche -:- 7'8C betrug. Die Drachen waren aller Wahrscheinlichkeit nach über die 
Wolken hinaus gekomnen, denn der Hygrograph registrierte in einer gewissen 
Höhe eine plötzliche Abnahme der Feuchtigkeit. Erwähnt sei noch, dass die 
aufgelassene Drachenleine bei dem höchsten Punkte, den die Drachen erreichten, 
eine Länge von mehr als 4830 m hatte. 


Es konnte nicht fehlen, dass die auf dem Blue Hill angestellten Versuche in 
Fachkreisen und darüber hinaus die grösste Aufmerksamkeit erweckten, umsomehr 
als die in kurzer Zeit hierbei gewonnenen Resultate weit über das hinausgingen, 
was man von diesem Experimenten zunächst erwarten zu können glaubte. Die 
Beschäftigung auf diesem Gebiete der Aeronautik hat in Folge dessen einen neuen 
und mächtigen Impuls erhalten, ganz besonders in der Heimath dieser Versuche, 
den Vereinigten Staaten von Nordamerika. So sind kürzlich eine Anzahl Gelehrter, 
an deren Spitze der Director des Harvard Observatoriums Professor Pickering, und 
der frühere Präsident des Vereins amerikanischer Civilingenieure O. Chanute stehen, 
in Boston zu einer Vereinigung zusammengetreten, welche die Vervollkomnung 
der Drachentechnik zu ihrer Aufgabe gemacht und zur Förderung dieses Zweckes 
Preise für die besten Lösungen verschiedener specieller Fragen ausgesetzt hat. — 
Es mag bei dieser Gelegenheit daran erinnert werden, dass vor etwa 60 Jahren 
in Philadelphia, wo Benjamin Franklin im Jahre 1752 seine bekannten Versuche 
anstellte, eine Gesellschaft mit [gleichen Zielen bestand, der Franklin Kite Club, 
dessen Mitglieder das Drachenfliegenlassen in einer mehr oder minder wissenschaft- 
lichen Weise betrieben. 


Auck von Seiten der staatlichen Behörden ist diesen Versuchen erhöhte 
Beachtung geschenkt worden, da, wie früher schon erwähnt, das Weather Bureau 
in Washington Professor Marvin beauftragt hat, Drachenversuche insbesondere zu 
meteorologischen Zwecken anzustellen. Die Fortsetzung dieser Versuche wird 
zweifellos weiteres wichtiges Material ergeben. 

Nicht unerwähnt darf schliesslich bleiben, dass Herrn Rotch und seinen Mit- 
arbeitern an dem Blue Hill Observatorium Genugthuung und Anerkennung zu Theil 
wurde. Die Ende September d. J. in Paris tagende Conferenz von Directoren 
meteorologischer Institute fasste nämlich angesichts der mittelst Drachen erzielten 
Resultate eine Resolution, welche die Anstellung derartiger Versuche, wie sie auf 
dem Blue Hill gemacht werden, auch anderwärts als wünschenswerth bezeichnet. 

Dr. Lachmann. 


Vereinsnachrichten. 287 


Vereinsnachrichten. 


Flugtechnischer Verein in Wien. 


Ueber neuere Erfahrungen in der Aeronautik. Ueber dieses Thema hielt Herr 
Hauptmann Josef Trieb vom 2. Pionier-Bataillon, Commandant der österreichischen 
Luftschiffer-Abtheilung, einen Vortrag am 3. März d. J., im flugtechnischen Vereine 


zu Wien, welcher von allen Anwesenden mit reichem und wohlverdientem Beifall 
aufgenommen wurde. 


Herr Hauptmann Trieb begann damit, dass die Mitglieder des flugtechnischen 
Vereines gerade heute aus dem Munde des hochverehrten Herrn Popper das 
Schlusswort zu einem Werke gehört, welches durch jahrelanges Studiam verbunden 
mit einer scharfen, geradezu bewunderungswürdigen experimentellen Beobachtung 
seitens des greisen Nestors des Vereines, Friedrich Ritter von Lössl zu einem 
bahnbrechenden auf dem Gebiete der Flug- und auch Ballon-Technik geworden 
ist. Die Angehörigen dieser beiden Wissenszweige liegen sich auch jetzt nicht mehr 
in den Haaren; jene sind in ernster, auch fruchtbarer Thätigkeit begriffen, ihren 
Ideen zum Siege zu verhelfen und diese wieder richten nicht nur auf ihre Ballons, 
sondern auch stets auf andere Flugmittel ihr Augenmerk, gehören somit keines- 


wegs zu jenen, die jede Errungenschaft der Flugtechniker negiren, immerhin 
aber sehr vorsichtig an sich herankommen lassen. 


Es muss vor Allem als ein grosser Fortschritt betrachtet werden — abgesehen 
von der in den vorhergegangenen Vorträgen desselben Referenten besprochenen 
Vervollkommnung jedweden Ballon-Materiales — dass man in den letzten Jahren 
daran ging Drachen-Ballons zu construiren, welche zwar noch nicht vollendet aber 
nahe zu vollendet dastehen. Das grösste Verdienst dabei gebührt unseren lieben, 
wackeren Kameraden im Reiche draussen, welche unermüdlich an der Verbesserung 
und Ausgestaltung im Verein mit den Erfindern desselben den Herren v. Parseval 
und von Siegsfeld — thätig und opferwillig das Werk förderten. 


Wie schon der Name sage, beruhe diese Construction auf dem Principe des 


Drachens in Verbindung mit den Eigenschaften des Ballons, wobei die ungünstigen 
des Letzteren möglichst vermieden seien. 


Um nun den Unterschied der beiden Ballontypen kurz darzustellen wird vom 
Vortragenden an der Hand einiger Skizzen in sehr instructiver Weise das Verhalten 
des Kugelballons in ruhiger und in bewegter Luft vorgeführt und anschliessend 
daran die Wirkungsweise des Parseval-Siegsfeld’schen Drachenballons besprochen, 
der es ermögliche, selbst bei sehr starkem Winde aufzusteigen, ja der auch bei 
heftiger Luftströmung ruhig stehe und die Beobachtung dadurch möglich mache. 


So haben die Ballontechniker, keiner Neuerung abhold, wenn sie nur practisch 
durchführbar ist, alles daran gesetzt, endlich einmal für alle Verhältnisse ein zuver- 


lässiges Beobachtungsmittel zu besitzen, auch wenn damit alles Bestehende 
umgeändert oder aufgelassen werden müsste. 


Ferner bespricht Herr Hauptmann Trieb die Möglichkeit mit dem Freiballon 
bestimmte Punkte des Landes erreichen zu können. Dazu musste man vor Allem 
die vorherrschenden Windrichtungen und die Luftwege genau evident halten und 
verfolgen. Vor der projectirten Fahrt seien sodann durch Piloten-Ballons die gerade 
auftretenden Windrichtungen zu erforschen und zu beobachten. So führte Herr 
Hauptmann Trieb eine im militär-aeronautischen Curse im Jahre 1895 stattgehabte 
Freifahrt in einer graphischen Darstellung vor, wobei 2 Officiere mit Benutzung 
vorher constatirter Windrichtungen in verschiedenen Höhen einen vorbezeichneten 


288 Vereinsnachrichten. — Redactionelles. — Berichtigung. 


Landungsort auch thatsächlich erreichten. Es sei das natürlich heute nichts besonders 
Hervorragendes, wenn man die Fahrten der englischen, italienischen und franzö- 
sischen Luftschiffer verfolgt, sondern es zeige nur, dass die Kenntniss localer 
Windströmungen und vorherrschender Windrichtungen den Aeronauten häufig das 
Ende der Fahrt und die Landungsstelle errathen lassen. 

Nun wieder auf den Drachen-Ballon zurückkehrend glıubt der Vortragende, 
- dass auch im laufenden Jahre die Erprobungen uud Uebungen mit demselben fort- 
gesetzt werden dürften. Der Drachenballon ist noch nicht vollkommen fertig uud 
kriegsbrauchbar, noch sind die Versuche nicht zum Abschlusse gebracht und schon 
dämmert den Luftschiffern ein neuer Tag entgegen, welcher in erster Linie den 
Militär-Recognoscenten das brauchbarste Observatorium bieten würde, wenn die 
ersten klaren Morgenstrahlen nicht trügen. Es ist das die altbekannte Captiv- 
schraube. Wir sind so glücklich den Schöpfer derselben in unserer Mitte zu 
besitzen und wir hoffen, dass derselbe nicht allein dem flugtechnischen Vereine 
sondern auch unserer ruhmreichen Armee einen Dienst von unschätzbarem Werthe 
damit erweisen wird Es möge daher — so schloss der Vortragende die sehr 
gelungene Abhandlung — es möge daher unserem verehrtem Ausschussmitgliede 
Herrn Kress gegönnt sein, schon in der allernAchsten Zeit das Problem der Captiv- 
Schraube endgültig zu lösen. Hinterstoisser, Oberlieutenant. 


Oberrheinischer Verein für Luftschiffahrt. — Tagesordnung der ordentlichen Ver- 
sammlung am Donnerstag, den 10. December: 
1. Der Bau des Ballons „Strassburg“ von Hauptmann Moedebeck. 
2. Die Ergebnisse der Internationalen Wissenschaftlichen Auffahrten in der 
Nacht vom 18. zum 14. November von Dr. Hergesell. 
8. Geschäftliche Mittheilungon. 


Redactionelles. 


Die Herren Mitglieder des Deutschen Vereines zur Förderung der Luft- 
schiffahrt werden gebeten, etwaige Aenderungen Ihrer Adresse gefälligst möglichst 
bald an den Schatzmeister des Vereines, Hrn. Dr. Lachmann (Adresse S. 2. d. Um- 
schlags) angeben zu wollen. 


Berichtigung. 


Im Artikel des Hrn. Prof. Wellner in Heft 8/9 sind leider einige sinnstörende 
Druckfehler stehen geblieben, die anbei berichtigt werden: 


Anstatt: soll es heissen: 
Seite 210, (Pele v.o. Grasflügler, Glasflügler. 
s 2 9 e op Holzstahlgerippe, Hohlstahlgerippe. 
a 22A ag y Wölbungsfläche, Wölbungstiefe. 
n 214, 28 e Schweberadsystem, Segelradsystem. 
xo ell, Te g g auch, auf. 
e 216, 15. , Br auf, auch. 


Ebenso ist in der kleinen Notiz von Prof. v. Miller-Hauenfels auf S. 238. Z. 7. 
vo für „Strahllzungen“ „Strahlpum pen“ zu lesen. 





Re 





Letschert für Luftschifahrt und Physik der Almasphäre, 1896. Toft 12, 289 


Zur Erinnerung an Otto Lilienthal. 


Vortrag. gehalten am 26. November 1896 im Deutschen Verein zur 
Förderung der Luftschiffahrt!). 
a Von Karl Müllenhoff. 


Der unersetzliche Verlust, den unser Verein durch den Tod von Otto 
Lilienthal erlitt, ist bei uns noch in frischem Gedächtnis; wir Alle haben 
ihn noch vor Augen, den unermüdlich strebsamen Mann, der mit dem ziel- 
bewussten Streben des kräftigsten Mannesalters das Feuer und die Be- 
geisterung der Jugend vereinigte. Lilienthal hat unserem Verein eine lange 
Zeit, über zehn Jahre, angehört, und nur einige wenige von unseren 
ältesten Mitgliedern kennen die gesammte, dem Verein gewidmete Thätig- 
keit Lilienthals nach persönlichen Erinnerungen. Daher sei es mir, der seiner 
Zeit Otto Lilienthal in den Verein einführte, verstattet. es hier auszusprechen, 
was wir an ihm besassen. Habe ich doch das Glück gehabt in dem lang- 
jährigen persönlichen Verkehr den ganzen Reichthum seiner edlen Natur 
kennen und lieben zu lernen; es war mir insbesondere vergünnt an seinen 
flugtechnischen Arbeiten während dieser ganzen Zeit Antheil nehmen zu 
können. 

Otto Lilienthal wurde am 24. Mai 1548 zu Anklam in Pommern ge- 
boren. Bis zu seinem sechzehnten Jahre besuchte er das Gymnasium 
seiner Vaterstadt, trat dann im Jahre 1864 in die Potsdamer Gewerbe- 
schule ein und begann, nachdem er die oberste Klasse dieser Anstalt im 
Jahre 1866 absolvirt hatte, das Studium der Ingenieurwissenschaften mit 
einer einjährigen praktischen Thätigkeit in der Schwartzkopf'schen Fabrik 
in Berlin. Von 1867 bis 1870 studirte er sodann an der Berliner Gewerbe- 
Akademie und hatte gerade sein Studinm beendet, als ihn im Sommer 1870 
der Ausbruch des Krieges zu. den Waffen rief; er machte als Einjährig- 
Freiwilliger beim Garde-Füsilier-Regiment die Belagerung von Paris mit. 
Nach Beendigung des Feldzuges trat er als Ingenieur in die Maschinenbau- 
anstalt von Weber in Berlin ein und war dann von 1872 an acht Jahre 
lang in der grossen Fabrik von C. Hoppe in Berlin thätig. Im Jahre 1880 
begründete er sodann eine eigene Maschinenfabrik und erhob dieselbe im 
Laufe der Jahre durch seine Erfindungsgabe und seine Thatkraft zu einem 
blühenden Etablissement. Die Fabrikate seiner Maschinenfabrik waren sehr 


I) Es gereicht uns zu besonderer Freude, vielseitigen Wünschen begegnenl, 
unseren Lesern gleichzeitig ein Bild Lilienthala — nach einer aus dem Atelier von 
A. Regis, Berlin, Prinzenstr. 44 hervorgegangenen Platinotypie —, geschmückt mit 
scinem Autograph, darbieten zu können. Die Redaktion. 


290 Müllenhoff: Zur Erinnerung an Otto Lilienthal. 


mannigfaltig. Einer seiner Erfindungen waren die leichten Dampfmotore 
mit Schlangenrolrkesseln. (Von denselben wurde eine ausführliche Be- 
schreibung in dieser Ztsch. I par. 166 gegeben.) Andere Specialitäten seiner 
Fabrik waren eigenartig construirte Riemscheiben und Marinesignale. Für 
seine Leistungen auf dem letzterem Gebiete erhielt er die silberne Staats- 
medaille. Das auf der Berliner Gewerbeausstellung in der Nähe des Kaiser- 
schiffes ertönende Nebelhorn war von ihm ausgestellt. 

Von frühester Jugend hatte er sich mit dem Flugproblem beschäftigt 
und bereits im Alter von 13 Jahren begann er im Verein mit seinem ein 
Jahr jüngeren Bruder Gustav Lilienthal praktische Flugversuche. Die 
ersten Flügel, die sich die beiden Brüder machten, waren leicht gebaute 
Klappen, welche an den Armen befestigt wurden; mit diesen versuchten 
sie einen Hügel herabzulaufen. Die Versuche wurden meistens Nachts bei 
Mondschein ausgeführt; die jungen Fliegekünstler fürchteten eben die Hänse- 
leien ihrer Schulgenossen. 

Die in Anklam begonnenen Versuche wurden in Potsdam fortgesetzt. 
Das Brüderpaar stellte sich Flügel her, welche auf dem Rücken befestigt 
wurden und durch Ausstossen der Beine auf- und niederschlugen. Im Jahre 
1867 und 1868, während seiner Studienzeit, erbaute sich Lilienthal einen 
complicirten Apparat mit vier kleinen und zwei grossen Kugeln, welche 
abwechselnd auf- und niederschlugen und zwar so dass, wenn die grösseren 
nieder-, die vier kleinen aufwärts schlugen und umgekehrt. An einer Leine 
hängend, welche über Rollen ging, mit einem Gegengewichte an dem andern 
Ende vermochte er durch energische Beinbewegung die Flügel auf und 
niederschlagend, die Hälfte des Gesammtgewichtes, 40 Kilogramm zu heben. 
Auch an diesen Versuchen nahm Gustav Lilienthal thätig Antheil. 

Die durch den Feldzug unterbrochenen Versuche wurden bereits im 
Herbst 1871 wieder aufgenommen. 

Lilienthal hatte erkannt, dass die Misserfolge der früheren Flug-Ver- 
suche darauf zurückzuführen waren, dass man versucht hatte, auf Grund 
von unvollständigen und zum Theil selbst fehlerhaften Beobachtungen das 
Problem des Vogelfluges zu lösen; oder dass man es gar unternommen 
hatte, die Gesetze der Flugmeclanik ohne alle Beobachtung rein theoretisch 
abzuleiten. Auf beiden Wegen musste man naturgemäss zu irrigen Ergeb- 
nissen gelangen. Lilienthal beschloss, die einschlägigen Fragen auf dem 
Wege des exacten Experimentes unter genauer Innehaltung der beim Vogel- 
fluge auftretenden Erscheinungen zu prüfen. Er begann damit, dass er 
durch eine grosse Reihe systematischer Messungen die Grösse des Luft- 
widerstandes bestimmte, welcher am bewegten Vogelflügel auftritt. 

Die Experimente und Messungen wurden während eines langen Zeit- 
raumes von Otto Lilienthal im Verein mit seinem Bruder ausgeführt. Aus 
diesen Versuchen ergab sich als wichtiges neues Resultat, dass die ge- 
wölbten Flügel, wie sie bekanntlich in der Natur ganz ausschliesslich zur 


Müllenhoff: Zur Erinnerung an Otto Lilienthal. 291 


Anwendung kommen, eine sehr viel günstigere Form besitzen, als die von 
Menschen bis dahin so hant construirten ebenen Flächen. Sodann aber 
wies Otto Lilienthal zuerst auf eine Erscheinung hin, die geeignet sei, das 
Verhalten der Vögel beim Serellluge zu erklären: nämlich auf das Vor- 
handensein von aufwärts gerichteten Luftstiömungen. Nach Lilienthal’s 
Beobachtungen steigen diese Luftströmungeen durchschnittlich unter einem 
Winkel von 31/2" geren die Horizontale an. 

Die Ergebnisse seiner zahlreichen Versuche legte Otto Lilienthal im 
Jahre 1889 in seiner Schrift: „Der Vogeltlur als Grundlage der Fliege- 
kunst“ nieder (s. d Ztschr. VIIL par. 286). 

Kurze Zeit darauf nahm er seine schon so lange vorher begonnenen 
praktischen Flngversuche mit grösster Energie wieder auf. Er hatte er- 
kannt, dass in der Studirstube für die Lösung des Flugproblems wohl kaum 
noch viel zu erreichen sei: es sei vielmehr mit den durch Beobachtung und 
Rechnung erworbenen Kenntnissen hinaus zu treten in die Natur, in Luft 
und Wind und die entwickelten Theorien an den nach ihnen construirten 
Flugapparaten zu erproben und zwar in dem Elemente, für welches sie 
geschaffen sind. Die Theorie allein könne unmöglich zu einem, Gelingen 
verhelfen. Nicht durch Grübeln und Differenziiren liesse sich das Ziel er- 
reichen, sondern es gelte zu zeichnen, zu hämmern und dann zu probiren. 
Mit Recht wies Lilienthal auf das Beispiel des Zweiradfahrens hin um zu 
zeigen, wie wichtig die Praxis sei gegenüber der reinen Theorie. Sicher- 
lich hätten unsere Vorfahren über das Problem des Zweiradfahrens un- 
gläubig den Kopf geschüttelt; jetzt ist es erst praktisch und dann auch 
theoretisch vollkommen gelöst. 

Von den verschiedenen Flugmethoden, die uns die Natur zeigt, erschien 
der Segelflug in seiner vollendeten Form als das erstrebenswertlieste Ziel: 
er gestattet, wie die Beobachtung zeigt, mit einem Minimum von körper- 
licher Anstrengung die schnellste und anhaltendste Fortbewegung. Das 
Geheimnis dieses Segeltluges zu ergründen, müsste daher die vornehmste 
Aufgabe des Flugtechnikers sein. 

Der Apparat, dessen sich der Experimentator bei der Wiederaufnahme 
seiner Versuche im Frühjahr 1591 bediente, hatte die Gestalt ausgebreiteter 
Vogelflügel. Der nach der Flugrichtung durch den Flügel geführte Quer- 
schnitt war parabolisch gekrümmt; die Flügelflächen waren anfangs zusam- 
men 10 Quadratmeter gross; sie verminderten sich allmählich durch mehr- 
fache Umänderungen und Reparaturen aut 8 Quadratmeter. Die Klafter- 
weite betrug 7 m bei 2m grösster Breite. Das Gestell der Flügel bestand 
aus Weidenholz; die Bespamnung war ans Shirting mit Wachsüberzug. Das 
Gewicht des Apparates betrug etwa 15 Kilo. 

Um den Apparat zu halten, legt man die Unterarme in zwei gepolsterte 
Einschnitte am Gestell, wobei die Hände zwei entsprechend angebrachte 


292 Müllenhoff: Zur Erinnerung an Otto Lilienthal. 


Griffe umfassen. Hierdurch hat man die Flügel vollkommen in seiner 
Gewalt und kann sich in der Luft sicher auf dieselben stützen. 

Anfangs wurden natürlich die Flugversuche nur von geringer Höhe 
und bei Windstille ausgeführt. Auf einem grösseren Rasenplatze in seinem 
Garten in Lichterfelde brachte Lilienthal ein Sprungbrett an, welches sich 
nach und nach erhöhen liess; bei den ersten Versuchen betrug die Höhe 
nur 1 Meter, später wurde sie auf 2 Meter vergrössert. Auf dem Sprung- 
brett konnte ein Anlauf von 5 Metern Länge genommen werden. Das 
Endresultat an dieser Versuchsstelle war ein 6—7 Meter weiter Sprung 
von 5 Meter Höhe. Trotz der Weite des Sprunges war der Aufstoss auf 
dem weichen Erdboden nur schwach, sodass ein solcher Sprung 50--60 Mal 
ohne irgend welche Ermüdung und (Gefahr wiederholt werden konnte. 

Nachdem auf diese Art der Absprung bei Windstille genügend ein- 
geübt war, wurde ein anderer Uebungsplatz bezogen zwischen Werder und 
Gross-Kreutz, wo verschieden grosse freiliegende Höhen eine Fortsetzung 
der Experimente ermöglichten. Hier stellte sich sofort heraus, dass bei 
diesen Uebungen besondere Rücksicht auf den herrschenden Wind genommen 
werden musste. Es ist nothwendig, dass man sich beim Schweben stets dem 
Winde entgegen bewegt, denn kommt nan in eine vom Winde abweichende 
Richtung, so erhält die eine Seite sofort mehr Winddruck, und man ist 
nicht imstande, dieser einseitigen Wirkung zu widerstehen. Es musste da- 
her durch Anbringung einer verticalen Steuerfläche dafür gesorgt werden, 
dass der Apparat sich selbstthätig gegen den Wind einstellt. 

Auf dem Terrain zwischen Werder und Gross-Kreutz wurde der 
Sprung von grösserer Höhe bei Winden von verschiedener Stärke sehr 
vielfach ausgeführt und eine Menge neuer Erfahrungen gesammelt. Das 
Endresultat bestand darin, dass von der höchsten vorhandenen Ansprung- 
stelle, aus einer Höhe von 5 6 Metern sich Sprünge von 20--25 Meter 
Weite ausführen liessen und zwar sowohl bei Windstille, wie auch bei Winden 
von verschiedener Stärke. Der Unterschied äusserte sich hauptsächlich in 
der Länge der Flugdauer; je stärker der Wind war, desto länger dauerte 
der Aufenthalt in der Luft. Dementsprechend ist auch bei der Landung 
bei Windstille der Anprall gegen den Boden ziemlich heftig, und man muss 
also kurz vor der Landung die Flügel etwas nach vorn aufrichten um die 
Heftigkeit des Stosses zu mildern und um zu verhindern, dass man vorn- 
über fällt. Doch gilt dieses nur für den Flug bei Windstille; beim Fliegen 
gegen den Wind geschieht das Aufsetzen auf den Erdboden vollkommen 
sanft. 

Da die bisherigen Uebungsplätze nicht genügenden Raum boten, um 
von grösseren Höhen grössere Strecken zu durchfliegen, so musste im nächsten 
Jahre 1592 ein anderer passender Ort für die Fortsetzung der Versuche 
gewählt werden, Ein solcher wurde zwischen Steglitz und Südende ge- 
funden. Die Abhänge sind hier etwa 10 Meter hoch, 


Müllenhoff: Zur Erinnerung an Otto Lilienthal. 293 


Experimentirt wurde mit einem vergrösserten Apparate von 16 Quadrat- 
meter Fläche und 24 Kilo Gewicht und bei Winden bis zu 7 Meter 
Geschwindigkeit. Es wurde ein Anlauf bis zur Absprungsstelle ge- 
nommen und dadurch eine relative Geschwindigkeit der Luft von 10 Metern 
pro Sekunde erzielt. Unter diesen Umständen war der erste Theil des 
Segelfluges fast horizontal; im weiteren Verlaufe senkte sich die Fluglinie 
und fiel zuletzt ziemlich steil ab. weil in tieferen Schichten der Wind all- 
mählich an Stärke einbüsst. — Im günstigsten Falle betrug die Weite des 
Sprunges die achtfache Höhe der Absprungsstelle über den TLaandungspunkt. 

Da die Umgegend Berlins am ist an guten Vebungsstellen für der- 
artige Flugmanöver, so errichtete sieh Lilienthal im Frühjahr 1893 auf 
Maihöhe bei Steglitz eine eigene Fliegestation. Fin kleiner Erdabhang 
‚auf diesem Hügel wurde zur Vornahme von Segelversuchen umgestaltet. 
Durch Errichten eines thumartigen Selmppens, von dessen Dach aus der 
Abflug erfolgte, wurde eine 10 Meter hohe Absprungstelle geschaffen. Cer 
Schuppen diente zur Aufbewahrung der Apparate. Das zur Erhöhung eines 
sicheren Anlaufes mit Rasen bedeckte Dach fiel ebenso wie die den Schuppen 
umgebende Erdböschung nach Südwest, West und Nordwest ab. Eine 
Aenderung gegen den Apparat der früheren Jahre bildete die Zusammen- 
legbarkeit des jetzigen: die Flügel konnten ähnlich wie die der Fledermäuse 
zusammengelegt werden. Es wurde dadurch eine bessere Transportfähigkeit 
und die Möglichkeit der Autbewahrung an jedem beliebigen Orte gesichert. 

Nur selten war auf der Maihöhe der Wind günstig und es war da- 
her für die energische Fortführung der Versuche von grosser Wichtigkeit, 
dass es Lilienthal bereits im Jahre 1893 gelang ein für seine Versuche 
vollkommen passendes Terrain ausfindig zu machen. Dasselbe befindet sich 
auf den Rlinower Bergen unweit Rathenow. Aus den umliegenden flachen 
Ackern erhebt sich eine nur mit Gras und Heidekraut bewachsene Hügel- 
kette, bis zu 60 Meter, ja im Gollenberge selbst zu 80 Meter Höhe über 
der Ebene und dabei bieten die Hügel nach allen Seiten unter 10 bis 
20 Grad geneigte Berglelnen und man kann hier je nach der herrschenden 
Windrichtung eine passende Stelle aussuchen, um über derselben durch die 
Luft hinab zu gleiten. Das Terrain ist hier wie zu Flugversuchen ge- 
schaffen. Der Wind bäumt sich hier nicht so auf wie vor dem Flierethurm 
bei Steglitz, wo man jedes Mal beim Passieren der Absprungskante einen 
ungleichmässigen Windstoss von unten her empfing, der oft verhängnissvoll 
zu werden drohte. Die gleichmässige Böschung gestattete ausserdem die 
Landung an jeder beliebigen Stelle. 

Die Flügel, die zur Verwendung kamen, waren wieder gegen die 
früheren etwas verändert. Ihr Gewicht beträgt 20 Kilo, das Gesanmtgewicht 
gerade 100 Kilo, die Klafterweite 7 Meter, die grösste Breite 2!/ Meter, 
die Gesammtfläche 14 Quadratmeter, eine Grösse die vollkommen ausreichend 
scheint, 


294 Müllenhoff: Zur Erinnerung an Otto Lilienthal. 


Mit gesenkten Flügeln läuft man dem Winde bergab entgegen, richtet 
im geeigneten Moment die Tragefläche ein wenig auf, sodass sie ungefähr 
horizontal liegt und sucht nun in der Luft dahin schwebend durch passende 
Verschiebung des Schwerpunktes dem Apparate eine solche Stellung zu 
geben, dass er schnell dahinschiesst und sich möglichst wenig senkt. Es 
dauerte nicht lange, so stellte sich eine grosse Sicherheit bei den Flug- 
manövern ein. Häufig wurden aus 30 Meter Höhe, 200 bis 300 Meter lange 
Segelflüge ausgeführt und ein weiterer wichtiger Fortschritt bestand darin, 
dass es gelang, die Flugbahn nach rechts und links abzulenken. Eine 
Verlegung des Schwerpunktes nach der einen oder anderen Seite wird durch 
Ausstreckung der Beine bewirkt; schon eine geringe Verlegung des Schwer- 
punktes veranlasst sofort eine Neigung der Tragflächen nach der gewünschten 
Richtung, wobei der Luftdruck sich ebenfalls auf dieser Seite verstärkt und 
die Flugrichtung seitlich abschwenkt. Mehrfach wurde bei den Versuchen 
die Ablenkung von der geraden Flugrichtung soweit getrieben, dass Lilienthal 
zeitweilig wieder auf seinen Ausgangsplatz zuflog. 

Einen für seine Experimente sehr geeigneten und weit bequemer 
gelegenden Platz schuf sich Lilienthal im Frühjahr 1894 in Gross-Lichtertelde 
bei Berlin; er liess sich einen kegelförmigen Hügel aufschütten, der bei 
15 Meter Hölle und 70 Meter Basisdurchmesser bei jeder beliebigen Wind- 
richtung Flugversuche ermöglichte. Auf diesem Übungsplatze hat er mit 
gutem Erfolge seinen aus zwei übereinanderliegenden Flächen gebildeten 
neuen Flugapparat praktisch erprobt. 

Bereits konnten die Versuche über den Segelflug als abgeschlossen 
gelten und es sollte jetzt die zweite Aufgabe in Angriff genommen werden: 
die Nachahmung des Ruderfluges der Vögel. Eine Jeichte Maschine, die 
mit allem Zubehör nur 40 Kilo wiegt und dabei für kurze Zeit (für 4 Minuten) 
21/2 Pferdekräfte leistet, wurde hergestellt und mehrfach durch Versuche 
geprüft. Es war daher gewiss berechtigt, wenn Lilienthal in einem im 
Juli ds. Jalıres in der Berliner Gewerbe-Aussellung gehaltenen Vortrage die 
Hoffnung aussprach, die Entwicklung der Fliegekunst noch weiter fördern 
zu können. Da bereitete am 9. August ein Unglücksfall seinem Streben 
ein jähes Ende. Er hatte an dem verhängnissvollen Tage auf den Rlinower 
Bergen bereits einen sehr ausgedehnten Segelflug ausgeführt und es hatte 
sich dabei die spezielle Steuerung des beweglichen Horizontalschweifes gut 
bewährt; er wollte nun einen zweiten möglichst ausgedehnten Flug unter- 
nehmen und dabei die Zeitdauer des Fluges bestimmen : in der Regel dauerten 
solche Flüge 12 bis 15 Sekunden. Er übergab die Kontrolluhr seinem 
Assistenten, nach dessen Aussage der Flug, bis zur halben Flugbalın fast 
horizontal war; dann plötzlich hatte sich der Apparat vornüber geneigt und war 
pfeilschnell aus der Höhe von 15 Metern herabgeschossen, sich auf der Erde 
überschlagend. Mit gebrochener Wirbelsäule wurde der külıne Flieger aus 
den Trümmern gezogen und 24 Stunden später erlöste ihn der Tod.... 


Müllenhoff: Zur Erinnerung an Otto Lilienthal. 295 


Es ist zur Zeit nicht vorauszusehen, welche Entwickelung den von 
Lilienthal geschaffenen Anfängen der Fliegekunst beschieden sein wird; 
das eine aber steht unzweifelhaft fest, dass von den zahlreichen Forschern 
und Experimentatoren, die sich mit dem Flugproblem beschäftigt haben, 
keiner so viel wie Lilienthal dazu beigetragen hat, die spröde Aufgabe ihrer 
Lösung nahe zu bringen. Mit Recht ist daher in den vielen !Berichten 
und Besprechungen, die Lilienthal’s Versuche in der ganzen Welt gefunden 
haben, hervorgehoben worden, dass er drei Eigenschaften in glücklichster 
Vereinigung besass. Er war erstens ein tüchtiger Mathematiker und Physiker 
und hat durch seine langjährigen fleissigen Beubachtungen und Messungen 
über den Inftwiderstand bei gewöibten Flächen wesentliche Beiträge geliefert 
zur Theorie des Fluges. Er war zweitens als geschickter Constructeur 
und speziell als Maschinen-Ingenieur imstande, die Apparate selbst zu er- 
bauen, welche ihm für die Nachahmung des Vogelfluges geeignet schienen. 
Drittens besass er kühnen Wagemuth und körperliche Gewandtheit, so dass 
er persönlich zur Anstellung der Flugversuche geeignet war. 

Es wird daher das Andenken an ilm von allen denen treu bewahrt, 
werden, die auf dem von ihm begründeten Arbeitsfelde weiter zu arbeiten 
entschlossen sind. 


Flugtechnische Studien. 
| Von Josef Popper. 
(Fortsetzung.) 

Einige Flugtechniker sprechen nicht von einer Vermehrung der ge- 
stossenen Luftmenge bei der Sinkverminderung, sondern davon, dass die 
schief gleitende Platte auf ihrem Wege stets „frische, unaufgewirbelte“ 
Luftpartlien treffe und daher grösseren Widerstand finde, als beim lothrechten 
(normalen) Fallen, wo sie auf - indirekt --- aufgestöberte Luft treffe. 

Diese Ansicht hat Manches für sich und erklärt vielleicht, wenigstens 
theilweise, das, was man hier nicht versteht, ohne jedoch andere Annahmen, 
z. B. Vergrösserung der Luftmenge durch aerodynamische Ursachen, dabei 
auszuschliessen; immerhin würde es aber einige Schwierigkeiten machen, 
nach diesem Gesichtspunkt die Sinkverminderung fallender und rotirender 
stern- oder kreuzfürmiger Flächen genügend zu erklären, da man doch 
meinen sollte, dass der ganze Lufteylinder, durch den diese Fläche hindurch 
fährt, ziemlich gleichmässig aufgewirbelt werden müsse; und ich verweise 
diesbezüglich auf eine interessante Stelle in der Abhandlung Kummers: „Über 
die Wirkung des Luftwiderstandes“ (1875) auf S. 46, wo er mit ausge- 
schnittenen Flächen experimentirte. Wollte man aber dennoch der Frage 
nach der getroffenen Luftmenge näher treten, indem man nicht mehr blos 
von der kinematisch verdrängten Luft ausgehen, sondern aerodynamisch 
untersuchen will, so müsste man so vorgehen: 


296 Popper: Flugtechnische Studien. 


Man muss zwei Sätze der Mechanik und das Ergebniss der Expe- 
rimente combiniren und sagen, dass 1) der Druck normal auf die Fläche 
unbedingt gleich sein müsse der Bewegungsgrösse in dieser Richtung, also 
Gi = Mi. Vi und Ge = A. Ve, wo die M und V noch unbekannt sind: 
dass 2) die Secundenarbeiten gleich sein müssen den resp. lebendigen 
Kräften, also d: Aa = Mi ui”: Ma w?, wobei die V die lothrechten 
Componenten von «x sind; 3) dem Experiment zufolge gelten müsse G; : Ge 
== ÁA: A2 = Vi:c. Die Sätze 1) und 2) enthalten aber schon 
eine Hypothese, nämlich die, dass alle Lufttheile 
eine gleiche Geschwindigkeit besitzen, was höchst- 
wahrscheinlich gar nicht der Fall ist, denn es dürften 
wohl unendlich complieirte Verhältnisse hier obwalten, so dass man eigentlich 
setzen müsste statt MV ... “mmv und statt Mau? ... Sauna, wo © auch ein Inte- 
gralzeichen bedeuten kann; der Satz 3) würde dann bedeuten, dass trotz der 
vielfach verschiedenen Bewegungen der einzelnen TLuftpartieen das G esa mmt- 
resultat sich in den Experimenten einfach durch die Relation 3) ausdrücken 
lasse, weil die Fehlerquellen bei den Messungen diese Einfachheit, der wir 
doch nachstreben, noch nicht zu trüben im Stande sind. 

Benutzen wir, der Einfachheit halber, die Ausdrücke in der Form 
Gi =M, Vi und G2= Ma Vz und analog für Ar und de, und nehmen zuerst 
an, Mi = Ms, d. h. die aerodynamisch, also factisch verdrängten Luftmengen 
seien in beiden, resp. in allen Fällen identisch, so wird Ci :G2 = Mi Fi: Mei = 
Fı:c, also mit den Thatsachen in 3) übereinstimmend; hingegen würde 
dann A: A: = Juni ` Miu == ui i ua == Vi: ee, was mit den Thatsachen 
nieht stimmt; wir dürfen daher nicht JAN: voraussetzen. 


SI A 


, : E 8 if ; 
Nehmen wir aber, probeweise, dasz, -Vai und J SE c an und die 
( í 


Entweichungsgeschwindigkeiten u und u in beiden Fällen gleich gross, und 
zwar = V, an, so wird: Gi: Ga rb MeVi -= Vi:c und zugleich 
A: A = M us": Maus? Mi: Me = Vı:c, ebenfalls richtig; es ist aber 
durchaus nicht einzusehen, warum man die Luftmengen den Grössen F. Vi 


und F.c proportional setzen soll - - was z. B. Parseval in seinem Buche 
(„Mechanik des Vogelfluges“ S. 22) thut -- nämlich genau so gross, 


wie die kinematisch verdränete Luft bei normalem Luftstosse einer 
gleich grossen Fläche; nicht minder erscheint es willkürlich wu —- ua — Vi 
zu nehmen nnd es scheint daher wohl angezeigt, jede theoretische Speculation 
über diese Punkte aufzugeben, da sie doch zu nichts Sicherem führt, und 
einfach blos folzende Thatsachen zu constatiren: 
1. Beim schiefen Luftstoss, sowie hein schieten Fallen gelten zufolge 
3 s See H s D yE P) 
der Experimente, für die Normaldrucke die Formeln resp. (i =- F? 
E U 7I y 
di r yk r R eh i DI DÉI . t D 
, Ve ==" VVV- c? und für de Secundenarbeiten 
d 
resp. Aı = G1 V und A= G:F. 


und Ge == 


Popper: Flugtechnische Studien. 297 


2. Die Grösse des kinematisch verdrängten Luftvolums allein ist 
nicht massgebend für die Menge der factisch wirksamen Luftmenge, deren 
Grösse wir ebensowenig kennen, wie ihre Geschwindigkeit, und zwar weder 
im Ganzen und Grossen noch betreffs der verschiedenen Elemente der 
activ auftretenden Luftmassen. 

Dem Gesagten möchte ich einige literarhistorische Bemer- 
kungen anfügen. 

Der Erste, der den Nutzen der gleichzeitigen horizontalen Bewegung 
für die Verminderung der Schwebearbeit, also die oben erwähnte Arbeits- 
ersparniss für das Tragen von Gewichten, resp. der Vögel, klar aussprach, 
dürfte, zufolge Marey’s Angabe, Silberschlag!) gewesen sein; sehr ein- 
gehend behandelte, in neuerer Zeit zuerst, dieselbe Ansicht Capitain Wenham 
in einer Abhandlung der Aeronaut. Society des Jahres 1866, in der er 
namentlich auf das Vorhandensein stets „frischer und unaufgewirbelter“ Luft 
beim Vorwärtsfluge Gewicht leet; dasselbe that I,ouvrie und später Penaud 
und diese Ansicht ist heute ziemlich allgemein. ` Die erste präcise Formu- 
lirung der beim Fluge überhaupt, also auch hier, geltenden Grundbezielung 
dürfte E. Mach gegeben haben"), Den Gedanken, dass der wahre 
Widerstand der Flügel gegen die Luft seinen wirklichen 
Dimensionen überlegen sein könne und sich um den Flügel 
herum, seinen Widerstand vermehrend, erstrecke, fand ich zuerst von Seguin 
ainé ausgesprochen in dem auch an und für sich interessanten Aufsatze 
‚„Memoire sur l’aviation ou navigation aérienne“ (Kosmos, 1866). 

In mehreren Publicationen der jüngsten Zeit wird der Vorgang der 
„Sinkverminderung“ wiederum sehr häufig und zwar als etwas besonders 
Merkwürdiges behandelt; Langley, in seiner höchst verdienstlichen Abhand- 
lung: Experiments in Aörodynamics (1891) machte hierüber sehr schöne 
Versuche und hält deren Resultate ebenfalls für neu; offenbar war ihm und 
den vielen anderen Autoren die frühere Literatur unbekannt. ` 

Aber merkwürdig ist es, dass die Sinkverminderung, resp. der Nutzen 
der Translation für das Schweben schwerer Körper, nicht schon längst als 


1) Ein Petersburger Physiker des vorigen Jahrhunderts. 

2) In den „Grundlinien der Lehre von den Bewegungsem- 
pfindungen“ (1875 und schon früher in einem Briefe an mich) S. 14 heisst es: 
„Ist seine (des Vogels) Masse m, seine Schwebebeschleunigung g, so muss auf ihn 
vertical aufwärts die Kraft mg ausgeübt worden, er muss also in jeder Zeiteinheit 
der Masse (Luft) m! die Geschwindigkeit y! ertheilen, hierbei ist mg „= ig, Die 


1 
in der Zeiteinheit producirte lebendige Kraft oder Arbeit ist s (g!)? oder weil 


g=, so ist diese Arbeit ZE man sieht hinaus, dass die Arbeit desto geringer 
m m SS 

ausfällt, je grösser die in der Zeiteinheit bewegte Masse m! ist, also mit je grösgeren 

Flügeln und je langsamerem Flügelschlag der Vogel arbeitet. Die Arbeit wird =o, 


wenn m! =œ wird; dieser Fall tritt ein, wenn der Vogel am Boden ruht.“ 


298 Popper: Flugtechnische Studien. 


vollkommen identisch mit dem schiefen I.uftstoss, daher als identisch mit dem 
Fliegen mittelst Drachenflieger (Aeroplan), unmittelbar erkannt wurde; 
denn wenn man wie in Fig. 4, die sinkende und horizontal bewegte Fläche 
statt von Position 0 in Position 1, durch Drehung der ganzen Figur um 
< a nach oben, aus der Position O in jene 2 gelangen. lässt, so hat man 
sofort den Drachenflieger vor sich und die schief fallende Platte 
bietet daher offenbar gar nichts Neues. 

Merkwürdig erscheint es mir ferner, dass man die schöne Erscheinung 
der Sinkverminderung oder Druckvergrösserung rotirender Flächen 
von geeigneter Form noch nicht practisch anwendete: sowohl als Ruder- 
blätter für Wasser, sei es als Handıuder oder als Ruderrad, wie auch als 
eine Art von Luftbremse; namentlich bei Verwendung mehrerer paral- 
leler Flächen, könnte wohl manches Nützliche geschaffen werden; die 
Luftbremse besonders zu dem Zwecke, Luftballons vor zu schnellem Steigen 
oder Sinken in der freien Atmosphäre (durch Sonnenschein, Regen u. s. w.) 
zu bewahren. Ich hoffe diese Ideen bald selbst zum (xeeenstande von 
Experimenten machen zu können. Die Herbeiführung der Rotation auf 
antomatischem Wege kann hierbei nach dem Vorschlage von Weyher durch 
Anbringung von kleinen Schraubenflächen an den grossen Flächen selbst 
geschehen, 

Zur Lössl’schen Schwebeformel zurückkehrend. will ich noch 
die Frage besprechen, wie sich die Ergebnisse für Yin seiner Formel 
..V= Ra I iz - Se jenen aus der gewöhnlichen .. V = a ge | ver- 

(F-}- Wi C 
halten. 

Die Antwort lautet dahin, dass je nach der zufälligen Grösse von b 
bald die eine, bald die andere Formel ein günstigeres Resultat d. i. ein 
kleineres F liefert: natürlich entscheidet dieser Umstand nicht für die 
Wahl zwischen beiden Formeln, sondern nur deren innere Richtigkeit. 

Man könnte ferner fragen, ob nicht die Einfüh- 
rung der Flügelbreite b, d.i. der „Flügelspannweite“ 
denn doch gerechtfertigt sei und für die hier be- 
trachteten Vorgänge sehr maalsgebend werden könne? 

Hierauf ist zu erwidern, dass die Loesslsche Art der Einführung der 
Breite b, wie oben nachgewiesen wurde, keinesfalls acceptirt werden könne, 
weil sie zuunmöglichen Consequenzen führt; und auch manchen anderen, auch 
in dieser Zeitschrift gemachten Versuchen, diese Grösse in die Widerstands- 
formeln einzuführen, fehlt jede Beweiskraft. Es könnte immerhin der Fall 
sein, ja, es ist sehr wahrscheinlich, dass der lange und schmale Flügel à la 
Albatros einen Vorzug vor dem kurzen und breiten besitzt, besonders darum, 
weil jener mehr unaufgestörte Luft trifft, während der kurze Flügel an 
seinem hinteren Theile, von schon beunruhigter Luft getroffen, weniger 
wirksam ist als an seinem vorderen; es ist ja auch seit langer Zeit bekannt 


Popper: Flugtechnische Studien. 299 


und genügend bewiesen, dass der specifische Luftdruck auf den vorderen 
Flügelpartien grösser sei als auf den rückwärtigen. Allein wir sehen andrer- 
seits Tauben, Adler, die alle sehr gute Flieger sind, ohne lange und 
schmale Flügel, und desgleichen die Geier, die zu den besten Seglern ge- 
hören; will man daher etwas Sicheres über den Einfluss der Flügelspann- 
weite aussagen, so muss man u Experimenten seine Zuflucht nehmen, 
um den eventuellen Unterschied im Luftwiderstande beim schiefen Stosse 
festzustellen, wenn eine und dieselbe rechteckige Fläche einmal mit der Breit- 
seite, das andere Mal mit der Längsseite vorwärts gelt. Langley in seinen 
„Experiments in Aerodynamics“ (1891) that das; ein Gesetz aber wurde 
bisher, meines Wissens, noch nicht festgestellt, obwohl kein Zweifel besteht, 
dass die langen und schmalen Flächen den kurzen und breiten, unter sonst, 
gleichen Umständen, betrefts (rer Tragkraft meistens überlegen sind. 

Die Auffindung der hier geltenden allgemeinen Formel, die an Stelle 
der Liooessl’schen zu treten hat, dürfte keine ganz leichte Aufgabe sein, was 
namentlich daraus hervorgeht, dass Langley in seinen „Experiments in Aero- 
dynamics“ mittheilt, er habe den Vortheil schmaler und quergestellter Flügel 
nur bei kleinen Luftstosswinkeln konstatiren können, aber bei grösseren, 
circa von 30° aufwärts, seien sie im Nachtheil, d. h. Flügel von grosser 
Spannweite benöthigen eine grössere Arbeit fürs Tragen von Lasten als 
kurze und breite Flügel von gleicher Fläche. 

Speciell für die Flugtechnik aber erleichtert. sich die Auffindung 
der mathematischen oder empirisch aufgebauten Formel und die Durchfüh- 
rung der Versuche, weil man es hier eben nur mit kleinen Luftstosswinkelo 
zu thun hat.) 

Nach allen obigen, wohl etwas weitläufigen, Auseinandersetzungen, 
gehen wir an die Besprechung weiterer Abschnitte in dem Loessl’schen Buche, 
müssen aber, da sie fast alle auf seiner Schwebeformel ganz oder theil- 
weise basiren, als selbstverständliche Consequenz unserer Kritik derselben 
hervorheben, dass die Tabellen X und XI des Buches und alle Rechnungen, 
die mit S. 212 beginnen und sich bis zum Schlusse des Werkes hin erstrecken, 
nicht benutzt werden können, so lange meine Einwendungen nicht als 
irrige nachgewiesen sind. 

1) Nach Obigem erscheint der Ausspruch in dem oben eitirten Aufsatze von 
Lorenz (in Heft 2/3 d. J. dieser Zeitschr.) um so sonderbarer, dass: für die Loesal sche 
Formel zwar ein vollkommen sicherer Beweis nicht erbracht sei, „aber, wenn man 
nur die als Kinderspielzeuge gebrauchten Papierpfeile in ihrer Wirkung betrachtet, 
ist man von der Richtigkeit derselben überzeugt.“ Da die betreffende Formel ganz 
allgemein quantitative Angaben über die Sinkverminderung liefern soll, so 
müssten die Papierpfeile zahlenmässige Resultate zu liefern im Stande sein, die mit 
der Formel übereinstimmen, was doch meines Wissens nicht entfernt möglich, resp. 
nachweisbar ist; ganz abgesehen von meiner oben gegebenen Einwendung durch 
die Annahme Zu, welehe Einwendung Lorenz allerdings noch nicht kannte. WW 


800 Popper: Flugtechnische Studien. 


Von dem Problem des Schwebens durch die Luft, d. h. dem gleich- 
föormigen Sinken bei gleichzeitigem horizontalem Vorwärtsschreiten, über- 
geht Loessl zur Aufgabe des horizontalen Schwebens, also eigent- 
lich sogenannten „Fliegens,* und zwar auf S. 219 unter der Über- 
schrift: „Die horizontale Schwebebahn.“ 

Der Vorgang ist also der, dass eine, vor der Hand unendlich dünn 
vorausgesetzte Platte permanent einen horizontalen Impuls besitzt, und die 
: Frage geht nach dm Arbeitsaufwand für dieses horizontale Schweben; 
genauer gesprochen: Es ist eine Last @ in horizontaler Ebene zu halten 
dadurch, dass eine Fläche oder Platte F permanent vorwärts geht und zu- 
gleich auf die Luft drückt, man muss also eigentlich an ein fortwäh- 
rendes Stampfeneiner Flächengrösse F auf die Luft bei 
gleichzeitiger Translation des ganzen Systems denken. 

Lössl analvsirt den Vorgang, zum Zwecke der Arbeitsberechnung, 
auf S. 219 folgendermaalsen: „Die Platte muss zu diesem Zwecke ihre 
Bewegung in eine ideelle, schief aufwärts steigende Richtung leiten und 
den hierzu nöthigen Zuwachs an Antriebsarbeit aus dem eigenen motorischen 
Vermögen bestreiten, so dass der durch das Gefälle V repräsentirte Arbeits- 
verlust durch die Eigenarbeit 4, ausgeglichen wird, mit anderen Worten: 

Die Platte muss sich durch eigene Arbeit in jeder 
Sekunde so hoch heben, als sie ausserdem nieder- 
sinken würde, der Arbeitsaufwand hierfür ist also in jeder Sekunde 
A, = HG. H Zu diesem Raisonnement, welches ganz richtige Resultate 
giebt, möchte ich mir erlauben, eine Variante zu geben, welche vielleicht 
manchem noch ungeübten Leser das Verständnis erleichtern wird. 

Es könnte nämlich Manchem beschwerlich fallen, die genügende Über- 
zeugung zu gewinnen, dass die Formel Aı = UG die richtige sei, da die 
ganze obige Analyse eigentlich nur einen „ideellen“ Vorgang behandelt, der 
eben nicht stattfindet; es ist ja kein abwechselndes Fallen und dann 
Emporheben der Platte vorhanden, sondern die Last bleibt stets im hori- 
zontalen Niveau, und der Satz: die Platte muss sich so heben, als sie 
niedersinken würde -— der, allerdings in unrichtiger Form, seit Babinet so 
viel fehlerhafte Rechnungen hervorbrachte — bedeutet keinen realen mecha- 
nischen Vorgang, sondern giebt nur eine mathematische Gleichung als 
Richtschnur der Berechnung. 

Es dürfte einleuchtender sein. die Last von der Platte getrennt zu 
denken, die Platte als Propellerfläche, z. B. Oldhamradschaufel, anzusehen 
und nun ihre Stampf-Arbeit, die wir „Schwebearbeit“ nennen, zu 
berechnen, die, wie sofort ersichtlich, nach dem Gesetz des schiefen Stosses 
auf die Luft, also nach der Formel A-G. Ia zu berechnen ist, wobei 


| IE = de ae 
V2 der Formel G —= EC Kap zu entnehmen ist, und -die die Loessl sche 


Schwebeformel zu ersetzen hat. (Siehe oben S. 258 und 259.) 


Popper: Flugtechnische Studien. 301 


Eine Erweiterung dieses Problems wird dann von Lössl (S. 217, 218 
und ff.) in der Art vorgenommen, dass die Platte, also in unserer obigen 
Auffassungsart, das ganze bewegte System, d. i. die Last, nicht unendlich 
dünn sei, sondern vermöge der Dickedimension einen Stirnwider- 
stand erleide, also eine „Translationsarbeit“ consumire. Für 
den Fall, dass eine belastete Platte von der Dicke f (als widerstehender 
Aquivalentfläche) schief abwärts gleitet, resp. in einer schiefen B a hn- 
linie fällt, dabei aber stets n horizontaler Stellung bleibt, sei 


fv’? 


die Translationsarbeit A = ---— und auf S. 218 wird dann berechnet, 


um wie viel mehr die secundliche Fallhöhe dieser schief und 
gleichförmig sinkenden Platte betrage, als wenn kein Stirnwiderstand 
vorhanden wäre. Loessl drückt sich so aus: „Soll die Platte ohne motorische 
Antriebsarbeit schweben, (unter „Schweben“ ist eine constante Geschwindig- 
keit gemeint) so muss das berechnete Bahngefälle entsprechend verstärkt 
werden, nämlich so weit, dass durch die Vergrösserung der secundlichen 
Fallhöhe des Plattengewichts die für den Stirnwiderstand benöthigte Arbeit 


erzeugt, resp. compensirt wird ;“ demgemäss findet er Vı = V + SC wo 
V nach seiner Schwebeformel und Ai = ur gerechnet wird. 

Dieser Gedankengang ist mathematisch genommen richtig; nur liegt 
in der Darstellung des Vorganges ein Versehen vor, das vielleicht Manchen 
beirren könnte. Loessl setzt nämlich immer voraus und hebt es 
auf S. 219 ausdrücklich hervor: „Der besagte Zuwachs an Gefälle ist 
übrigens wieder mit keiner Aenderung der horizon- 
talen Stellung der Platte verbunden;* wenn das nun der 
Fall ist, so ist nicht einzusehen, wieso die Schwerkraft eine Componente 
für eine horizontale Bewegung hervorbringen kann, denn dies kann nur 
durch Umsetzung an einer schiefen Fläche geschehen, und das ist eben nur 
dann möglich, wenn die Platte geneigt ist, wodurch ein longitudinaler 
und ein (uerwiderstand (oder: ein Bauch- und ein Stirnwiderstand) durch 
den Luftstoss beim Sinken entsteht, und die Resultirende dieser beiden 
Widerstände muss dem Gewichte des Systems genau gleich und entgegen- 
gesetzt sein; denn die nur lothrecht wirkende Schwerkraft kann eine 
horizontale Fläche niemals in horizontaler Richtung bewegen. Die 
eben erwähnte nothwendige Voraussetzung einer Neigung der Platte und 
die dabei stattfindende Kräftezerlegung findet sich bei Penaud, bei Gerlach 
(im oben eitirten Aufsatz) und eingehend und allgemein dargestellt in meiner 
„Flugtechnik“ bei der Behandlung des Gleitproblems!). 


I) Gegen die an derselben Stelle gegebene Berechnung der Schwebe- und 
Translationsarbeit wurde im Wiener flugtechn. Verein Einwendung und zwar in der 
Weiso erhoben, dass der Herr Gegner meine Formeln, die ich nicht detaillirt vor- 
rechnete, „nicht herausbringen konnten Da diese Einwendung trotz meines An- 
suchens nicht publicirt wurde, so kann ich nur mittheilen, dass sich nach oft 
wiederholter Durchrechnung die volle Richtigkeit meiner Formeln herausstellte. 


302 Popper: Flugtechnische Studien. 


Eine noch weitere Vervollständigung des Flugproblens giebt dann Loess] 
auf S. 231 water dem Titel „Steigende Schwebebahn;" wenn 
also z. B. eine Taube schief aufwärts Du, so würde sie eme ITebearbeit zu 
leisten haben pro Secunde Aa = CG. h, wo @ ihr Gewicht und bk die secund- 
liche Hebung bedeuten; dann ist die Berechnung der Gesammtarbeit 
damit abgeschlossen, denn letztere wird = A — A, -1- Ar. wo A die Schwebe- 
arbeit, An die Stirnwiderstands- und A: die Hubarbeit bedenten. 

Diese einfache Addition von Je zu den beiden anderen Arbeiten ist 
in den von Lössl behandelten Fällen einer nur sanften Steigung, 
also geringer Erhebung im Vergleich zur horizontalen Geschwindigkeit. 
ganz richtig, resp. der Einfachheit wegen erlaubt und wird auch gewöhnlich 
bei Untersuchungen über den Vogelflug angewendet. 


Ich möchte jedoch hier, zur Vermeidung von Fehlern in anderen 
Fällen, über diese Methode im Allgemeinen Einiges bemerken. 

Durch einfache Addition von Aa zu den anderen Arbeitsgrössen ist 
unbewusst die Voraussetzung gemacht, dass der Flugkörper wie an 
einer Kette in die Höhe gezogen würde, so dass nur die Nettoarbeit 
der Hebung, eventuell auch des Stirnwiderstandes zu leisten wäre, olme 
dass die beiden anderen Arbeiten hiervon irgendwie beeinflusst würden. 
Genau genommen, ist dies aber durchaus nicht der Fall; die einzelnen 
Arbeitsgrössen können nicht nackt nebeneinander 
gestellt werden, sondern sie beeinflussen sich ge 
genseitig, so dass, wenn eine neue, d. i. die Hebung, zu bereits 
früher berechneten hinzukommt, auch diese sich ändern, denn die Rechnungs- 
operationen binden die einzelnen Grössen aneinander, ähnlich, wie (0-10)? 
nicht = v? -+ w? ist, sondern vermöge des Operationszeichens noch 2 v w 
hinzukommit. 

Bei Projectsberechnungen mancher Art, bei Beurtheilung des Wellen- 
flugs und bei gewissen feineren theoretischen Untersuchungen macht sich 
das Gesagte sehr geltend und die nachfolgenden Rechnungsresultate für 
einen einfachen Fall werden sofort zeigen, dass die Gesammtarbeit aus 
Aı +4 nicht richtig gefunden wird, wenn man, im Falle dass eine 
Hebung neu hinzukonmt, bloss @.A zu A- Ay einfach addit. 

Beispiel: 1) Ein Körper vom Gewichte @ soll mittels Propeller, 
2. B. Oldhamrad oder permanenter Flügelschläge, deren arbeitende Fläche 
F ist, am Platze schweben; dann ist bekanntiich die nöthige Secunden- 


arbeit Ji = G.V — eV Gg 


2) Derselbe Körper soll mit der Geschwindigkeit v lothreeht auf- 
Steigen und er besitze einen so geringen Querschnitt, dass sein Stirn- 
widerstand = 0 ist; dann ist die benöthigte Geschwindigkeit. der Propeller- 
flüge! statt II, Ve = Ton, die Sce-Arbeit 4° -= 4 Guu o GV" 


Popper: Flugtechnische Studien. 303 


+ Gu; hier kam also noch die einfache Addition der Hebungsarbeit an- 
gewendet werden. | 

3) Der Körper habe eine Stirnfläche f- m. F, wo m gewöhnlich sehr 
klein ist und steige mit Geschw. «u lothrecht auf. Man könnte nun 
meinen, es sei wieder bloss nöthig, noch die Stirnwiderstandsarbeit 


F l : À 
Bn — Mm SS «> zu A” hinzuaddiren; dem ist aber nicht so, sondern es 
3 ae . N SR ir mÈ S mu? 
ist die Geschwindigkeit der Flügelflächen F = V“ +. De = V SE + T 
; : 3 f ; nr hin? 
und die secundliche Gesammtarbeit..... == Ẹ + Gu + Fa 


3 my 
SS 
Kleinheit von m andere Grüssen vernachlässigt wurden. 


«= V', also um das letzte Glied grösser, wobei schon wegen der 


Diese Bemerkung und Rechnung — die ich im nächsten Aufsatz ent- 
wickeln will — soll also keine Einwendung gegen Loessl’s Berechnung, 
sondern eine Warnung zur Vorsicht für andere Fälle sein, und es folgt 
schliesslich aus Allem, dass der einzig sichere Weg der ist, die allgemeinen 
Formeln für die Flugarbeit, welche ja die Steigung, resp. die Geschwindig- 
keit und die Neigung der steigenden Flugbahn in sich enthalten, zu 
benutzen, für horizontalen Flug hat man dann nur den Steigungswinkel 
== 0 zu setzen; man findet solche allgemeine Formeln für Drachentlieger in 
meiner „Flugtechnik“ (z. B. S. 149, Formel 5). 


Eine sehr wichtige Aufgabe behandelt Loessl auf S. 282 — 290 unter 
dem Titel: „Das Flattern der Taube“ und „Das Intermit- 
tiren des Flügelschlags“. Hier handelt es sich, allgemein aus- 
gedrückt, um die Art der Berechnung jener Arbeit, die ein Vogel, also 
eine Flugmaschine, nöthig hat, um sich in freier Luft an derselben 
Stelle zu erhalten, und die Rechnung wird für den speciellen Fall 
der Taube zahlenmässig durchgeführt; der Gang hierbei ist folgender: 

Man kennt durch Wägung und Messung: Gewicht (0,3 kg), Flügel- 
und Rumpfflläche (0,06 4 0,015 m?) und die Lage des Druckmittels; durch 
Beobachtungen, namentlich Marey’s, die Zeit für den Niederschlag und 
Aufschlag (nach Loessl bezw. 0,04 und 0,07 Sec... Mit diesen Daten er- 
giebt sich die Arbeit für den Niederschlag zu 2,813 Secmkg, für den Hub 
zu 0,132 und daher „die durchschnittliche Arbeit für jeden Ge- 
sammtflügelschlag = 2.00 ee (Umkehr- 
punkte) = 0,974 Secmkg.“ | 

Dabei ist der Auftrieb beim Niederschlag == 0,375 kg und der 
„negative Betrag” beim Hub 0,031 kg; „es wird daher eflectiv ein Gewicht, 
von 0,375 — 0,031 = 0,343 kg in der Schwebe gehalten, jedoch nur wälı- 


804 Popper: Flugtechnis-he Studien. 


rend der Dauer des Flügelniederschlages, welche 0,04 Secunden beträgt“, 
„während des Flügelhubes und des Intervalls, welche zusammen 0,07 
+ 0,015 = 0,08 Secunden beanspruchen ..... muss die Taube lothrecht 
niedersinken (S. 286) und der Betrag dieses Niedersinkens wird nach der 
Tabelle VIII. berechnet, wobei die Totalfläche von 0,075 qm als 
Fallschirmgrösse der Rechnung zu Grunde gelegt wird. Der Autor 
findet dann die entsprechende lebendige Kraft des fallenden Tauben- 
körpers = 0,0107 mkg, und weil sie sich 8 Mal in 1 Secunde wiederholt. 
= 0,086 Secmkg. und er sagt dann: „Da statt 0,3 kg (Taubengewicht) 
0,343 kg schwebend gehalten werden, so wurden durch den Niederschlag 
eigentlich nicht 0,974, sondern um 0,122 Seemkg. mehr geleistet, d. h 
es ist ein Ueberschuss vorhanden, der hinreicht, die Taube sogar noch ein 
wenig emporzuheben;“ «dann schliesst Loessl weiter (S. 289: Da bei un- 
unterbrochener Flügelarbeit (ähnlich wie mittels eines Oldhamrades) 
die Taube nicht weniger als 2 Seemkg. benöthigen würde, während beim 
Flattern, also Intermittiren, kaum 0,974 Secnkg. gebraucht werden, 
so ist in dieser letzteren Arbeitsweise ein grosser 
Vortheil dargeboten, und zwar dadurch, dass „bei 
kurzen Pausen der durch das Fallen herbeigeführte 
Höhenverlustunverhältnissmässig gering istimVer- 
gleiche zur gleichzeitigen Ersparung an Arbeit.“ 

Gegen diese ganze Behandlung des Flatterproblems sind, wie ich 
glaube, zwei nicht unwesentliche Einwendimgen zu ‘erheben. 

Die eine Einwendung betrifft eine Grundannahme in der eigentlichen 
Zahlenausrechnung, und bliebe anch dann noch bestehen, wenn man sonst, 
die Prineipien der Berechnungsmethode billigen würde, gegen die 
eben die zweite Einwendung gerichtet sein wird. 

Der Autor hat nämlich den Vorgang des lothrechten Fallens während 
des ganzen Intervalls nach Tabelle VIII. seines Buches berechnet, d. h. er 
legte eine Fallschirmfläche von 0,075 m (bei einem Gewichte von 0,3 kg, 


Y 


e EE |, | RA 
demnach bei einem Verhältnisse r” 4) zu Grunde: dies ist aber nicht 


zutreffend, denn vorerst, da Loessl annimmt, dass der Flügel beim Hub 
„eingezogen und convex geformt ist (S. 283), so ist seine Fläche te- 
deutend kleiner als im ausgespannten Zustande zu nehmen, und überdies 
berechnet der Autor für den Hub einen Imttwiderstand des Flügels 
= 0,031 kg, es müsste daher derselbe gleichzeitig von oben und von unten 
(als Fallschirm) von der Luft gedrückt werden, was nicht wohl möglich ist. 

Es sind daher obige Ergebnisse bezüglich der Fallgeschwindigkeit. der 
Fallarbeit (0,056 Secmkg) und der daraus gezogene Schluss betrefis des 
Veberschusses an Niederschlagsarbeit wohl nicht aufrecht zu halten. 

Die zweite Einwendung bezieht sich auf die Art der 
Auffassung des ganzen Problems, welche, als demselben in- 


Popper: Flugtechnische Studien. 305 


ädaquat, nach meiner Meinung geeignet ist, flugtechnische Projectanten, 
die über die Grösse des anzuwendenden Motors sich entscheiden sollen, zu 
irrigen Conclusionen. und Berechnungen zu führen; bei der Wichtigkeit 
dieses Punktes muss ich aber ganz besonders ausführlich sein. 

Das Inadäquate der obigen Auffassung des Problems eines 
intermittirenden Fluges finde ich darin, als eigentliche Auf- 
gabe der Rechnung die Bestimmung der „Durchschnitts- 
arbeit‘ anzusehen, und meine Einwendung geht daher nicht nur 
gegen die Loessl sche Berechnung, sondern auch gegen alle bisherigen, die, 
ausnahmslos, eben den gleichen Weg einschlugen. Ich nenne hier den ersten 
einschlägigen Aufsatz von Navier: „Note sur l'évaluation de la quantité de 
l'action nécessaire pour le vol des oiseaux et pour la direction des aerostats‘“ 
(Mem. de l’Acad. Paris 1832), ferner die Abhandlung: „Zur Mechanik 
des Fluges“ von Kargl (im XVI. Bande des Civ. Ing.), diejenigen 
von Haedicke: „Grundzüge zu einer Theorie des Fluges“ 
(im Civ. Ing. d. J. 1879) und auch die Darstellung von Parseval 
in seinem Buche: „Mechanik des Vogelflugs“ (1889). Ueber- 
all wird statt der realen Arbeitsfähigkeit, die die Grüsse des Flug- 
motors ja allein bestimmt, und die während des Niederschlags des 
Flügels in Anspruch genommen wird, die durchschnittliche, d. h. 
jene pro totalen Flügelschlag oder pro Secunde — was dem Sinne naclı 
gleichartig ist — berechnet und darnach die Arbeitsgrösse pro Secunde, 
d. i. die Grösse des Motors bemessen. ? 

Navier, Kargl u. A. sagen: Wenn die Dauer des Niederschlags Greg 
jene des Aufschlags is beträgt, A die Arbeit während {ı und der Ein- 
fachheit wegen As während tz... = 0 ist, ferner die Zahl der Flügelschläge 


1 g N 5 
pro Sec. = $ ee so ist de „Arbeit pro Secunde“ = Ai, $ 


Ai i 
= Cih Dieser Ausdruck, — fern S —— ist aber nur eine abstracte Durch 
sehnittsziffer; in Wirklichkeit muss jedoch A: schon während tı absol- 
virt werden, also die Leistungsfähigkeit, der „Effect“, die Pferdestär- 


; An . F : 
ken, des Motors müssen sich nach T richten, also grösser sein, als 


angenommen wurde. Aı.s bedeutet nur jene Arbeit in mkg, welche 
während einer Secunde sozusagen zu Stande gebracht wurde, ist 
also die Arbeit während einer Secunde, von ihrer Vertheilung oder 
Variation abgesehen, aber nicht die „Secundenarbeit“, welche die 
Leistungsfähigkeit in irgend einem noch so kleinen Zeittheilchen cha- 
rakterisirt. 

Es ist zwar durchaus nicht falsch, zu sagen: Die durchschnittliche 
Arbeit pro totales Flügelmanöver oder pro Secunde sei z. B. bei der 
Taube = 0,974 Seemkg, ebenso wie man ja auch sagen kann, ein Kahn, 


306 Popper: Flugtechnische Studien. 


der sich, zwar ungleichmässig, aber im abstracten Durchschnitt mit 
einer gewissen Geschwindigkeit im Wasser fortbewegt, erfordere vermöge 
des Widerstandes und dieser mittleren Geschwindigkeit eine gewisse mittlere 
Arbeitsgrösse pro Secunde, obwohl die Ruderarbeit eine sehr variable ist, 
z.B. bald 15 Secmkg, bald 0; wenn wir aber wissen wollen, wie stark 
ein Motor bei dieserintermittirenden Arbeitsweise 
construirt oder von Natur als Muskel beschaffen sein muss, so ist 
es offenbar, dass er im Stande sein muss, während eines Bruchtheils der 
Arbeitsperiode die vollen 15 Secmkg und nicht die kleinere Durchschnitts- 





5 i e 
zalıl (z. B. - SC = 10 Secmkg) zu leisten, denn woher sollte die grössere 


Arbeitsfäbigkeit in gewissen Zeitabschnitten genommen werden? 

Was die ausgleichende Wirkung der Kalınmasse betrifft, 
so bezieht sie sich nur auf die äusserlich sichtbare Geschwindigkeit; ohne sie 
würden die Extreme der Geschwindigkeit grösser sein, aber die 
Extreme der Arbeitsgrösse werden durch diese Art von Accumu- 
lation nic ht beeinflusst; der Motor hat, sozusagen, die Ur-Arbeit sich 
ganz, allein zu besorgen und zwar muss er während der Arbeitsphase leisten: 
die Widerstandsarbeit während dieser Zeit und überdies noch diejenige 
Arbeit in Form von lebendiger Kraft, die in die Kalınmasse hineingebracht 
wird, und welche in der Ruhezeit des Motors sich allmälig in Widerstands- 
arbeit umsetzen soll; je grösser also die Pause, desto stärker muss die 
Leistungsfähigkeit des Motors sein im Vergleich zu einem Regime con- 
tinuirlicher Arbeit. 

Um etwaigen Fragen zu begegnen, wollen wir noch folgende Distinc- 
tion machen. Bei den hin- und hergehenden Dampf-, Gas-, Petrolmaschinen 
ist, zufolge der Expansion, während eines Kolbenhubes der Druck, also auch 
die elementare Arbeit ebenfalls sehr ungleich und ohne Schwungrad würde 
die Maschine stecken bleiben. Man kann dann allerdings darauf verzichten, 
von einem Maximum der Arbeitsfähigkeit der Maschine während eines 
Kolbenlhubes zu sprechen, da die Schwungmasse die Unterschiede 
nach aussen ausgleicht und man sich nicht mehr um diese zu kümmern 
braucht, in dr Gewichtsbestimmung der Maschine dürfte aber 
das Gewicht der Sclwungmasse ebenfalls nicht fehlen und insofern hat die 
inconstante Arbeitsweise im Innern des Cylinders also ebenfalls einen Ein- 
fluss in der hier besprochenen Richtung. 

Auch die Arbeitsweise des Muskels ist keine während einer Zuckung 
constante, auch hier bewirkt die Flügelmasse nach aussen, d. i. bezüglich 
des Geschwindigkeit, eine ziemliche Ausgleichung; aber um diese Variationen 
zweiter Ordnung kümmern wir uns hier nicht, weil sie zum Regime der 
Muskelarbeit von Natur gehören, nicht aber zur Art des Regimes im Ganzen 
und Grossen, d. i. der Intermittenz, wo es sich um die Vertheilung 
der Muskelzuckungen, als ganze Einheiten betrachtet, handelt; es könnte 


Popper: Flugtechnische Studien. 807 


ja Fälle geben, wo abwechselnd Muskelzuckungen stattfinden, die einander 
ablösen, z. B. bei Anwesenheit von vier Flügeln, dann haben wir ein 
für unsere jetzige Betrachtung constantes, continuirliches Arbeiten trotz 
der secundären Variationen. 

In unserer gegenwärtigen Untersuchung handelt es sich also um den 
Vergleich der Intermittenz von ausgesprochenen, deutlich abgegrenzten 
Phasen in der Arbeitsvertheilung, also gewissermassen um die Hauptwellen 
einer oscillirenden Flüssigkeit, nicht um die kleinen Rücken- oder secun- 
dären Wellen. 

Und man sieht nach Obigem deutlich, dass die Intermittenz 
in der Arbeit wohl eine Eigenthümlichkeit des Muskels als Motors von 
Natur aus ist, aberkein Vortheil, sondern dasGegentheil 
und das gilt auch bezüglich jeder intermittirenden Arbeitsweise irgend eines 
beliebigen Motors. 

Berechnet man die Grösse eines Motors nach dem Durchschnitts- 
werthe der Arbeit, so hat man eine Rechnungsoperation an Stelle der 
Wirklichkeit gesetzt und man sieht jetzt leicht ein, zu welchen fehlerhaften 
Berechnungen man durch diese Auffassung geführt werden kann; zur Ver- 
hütung derselben habe ich bereits in meiner im J. 1889 erschienenen „Flug- 
technik“ (auf S. 51 und 73) diesen Punkt besonders hervorgehoben, wozu 
ich eben durch ein Flugproject veranlasst wurde, das die oben gerügte 
Berechnungsweise in Anwendung brachte; ich verglich den Vorgang mit 
einer Landstrassenfahrt mittelst Pferden: „.... Ist zwischen zwei Orten 
die Strasse vollkommen glatt und eben, an einer ganz kurzen Stelle 
aber ein Hügel vorhanden, der olıne Vorspann, also ohne vergrösserte 
Secundenarbeit, nicht zu überwinden ist, so ist, wenn dieser Vorspann nicht 
zur Verfügung gestellt werden kann, das Erreichen des anderen Ortes un- 
möglich. Immer wird Alles von dem ungünstigsten Extreme des Regimes 
abhängen.“ 

Wenn auch nicht gerade die „Secunden“-Arbeit die hier richtige 
Analogie ist, so soll doch durch dieses Beispiel klar gemacht werden, dass 
der fürdieschwierigste Stelle nöthige Motor vorhanden sein müsse, wenn 
diese Stelle auch einen noch so kleinen Theil der Fahrtzeit oder -Länge 
ausmacht; die Taube, der Vogel, könnte also unbedingt nicht die während 
eines Flügelniederschlages nöthige grössere Arbeit leisten, wenn der Muskel 
nicht für eben diese ausreichend wäre, mag er sich in der Pause noch so 
wenig oder garnicht anstrengen und diese Pausen mehr oder weniger lang 
dauern; die durchscehnittliche Arbeit entscheidet also nicht, wenn 
man vom Standpunkte des Flugtechnikers die Motorenfrage beantworten will. 

(Fortsetzung folgt.) 


808 Miller-Hauenfel’s: Das Mysterium des Vogelfluges. 


Das Mysterium des Vogelfluges. 
Von Prof. A. R. v. Miller-Hauenfels in Graz. 
(Schluss.) 


Der blosse Anblick der Gleichungen 15) bis 18) zeigt, dass der Segler 
durch die hindernde Aequivalentfläche n an Flugenergie etwas einbüsse, 
und daher in dem Punkte E der Figur 2 niemals ganz mit jener Ge- 
schwindigkeit eintreffen könne, welche er in e besass.. Will er also ganz 
die gleiche Fluggeschwindigkeit beibehalten, so muss er hie und da Flügel- 
schläge machen. 


Da es sich aber hier zunächst um die Vergleichung zweier Segelflug- 
arten handelt, so will ich behufs besserer Uebersicht der beiden von dem 
Stirn- und Steuerwiderstande so wie der Reibung gänzlich abselıen, und 
daher zunächst in den Gleichungen 15) und 16) die Aequivalentfläche n = c 
setzen. Es ergiebt sich dann: 


A =V = 29 (F 4 m) sinau. cosa. 


Es gleichen sich also hier Gewinn und! Verlust an Flugenergie 
vollkommen aus, und ich darf sonach folgenden Satz als bewiesen an- 
nehmen: 


Vom Stirn- und Steuerwiderstande und der Reibung 
abgesehen, erfordert der horizontale d. i. der in gleicher 
mittlerer Höhe verbleibende Wellenflug im Gegenwinde 
von Seite des Seglers gar keinen Arbeitsaufwand, wobei 
natürlich die sehr unbedeutenden Muskel-Contractionen am Steuerschwanze 
ausser Acht bleiben. 


Die Schwebearbeit wird durch die Luft verrichtet, welche abwechselnd 
zusammengedrückt wird und sich wieder ausdehnt; und obwohl Flügel und 
Rumpf in Verbindung mit dem Gewichte des Seglers den Wellenflug ver- 
mitteln, so ist es doch für den Erfolg dieses Fluges gerade so, als ob diese 
Dinge gar nicht vorhanden wären, weil das Gewicht in den Formeln für 
Auf- und Vortrieb gänzlich ausfällt, und die Widerstandsarbeit, welche 
Flügel und Rumpf veranlassen, durch den Energie- Gewinn, welchen sie 
gleichzeitig vermitteln, wett gemacht wird. 


Es ist auffällig, dass die Vögel den Gegenwind so sehr lieben und 
ihn häufig sogar aufsuchen, obwohl er ihre relative (sichtbare) Geschwin- 
digkeit herabsetzt. Denn besitzt der Gegenwind die Geschwindigkeit C, 
der Vogel aber die horizontale Eigengeschwindigkeit c, so kömmt letzterer 
nur mit dem Geschwindigkeitsrest C — c vorwärts, während er im Hinter- 
winde die sichtbare Geschwindigkeit C + c besitzen würde. 


Die Ursache hiervon ist in dem Umstande zu suchen, dass nach 
GL 15) der Gegenwind den Segler beständig zu heben sucht, wodurch er 


Miller-AHauenfels: Das Mysterium des Vogelfluges. 809 


eine ungemeine Sicherheit im Fluge gewinnt. Kein Wunder also, wenn 
unter den Seefliegern sich Vögel finden, welche den Sturm lieben und solche, 
welche, wie der Fregattvogel, über weitgedehnte Meere fliegen, und ober- 
halb derselben ihren fast ständigen Aufenthalt haben. Vielfach sieht man 
sie auch, wie insbesondere die Sturmschwalbe, bei hochgehender See Flug- 
wellen beschreiben, welche mit den Umrissen der Wasserwogen conform 
sind. Hier finden sie unmittelbar über der letzteren schon jene auf- und 
niederschwebenden Luftschichten vor, deren sie zum Wellensegeln bedürfen, 
ersparen somit auch noch die sehr geringe Steuerarbeit und sind zugleich 
dem Elemente ganz nahe, welches ihnen die Nahrung liefert. 


Plötzliche Verstärkungen des Hinterwindes, wie solche beim Winde 
überhaupt häufig vorkommen, können aber dem Wellensegler nicht nur 
lästig, sondern selbst gefährlich werden. Wenn man in den Gleichungen 15) 
und 16) g negativ nimmt, so ersieht man deutlich, dass solche Verstärkungen 
den Segler zwar vorschieben, aber ihn zugleich auch niederzudrücken streben. 
Wirkt der Hinterwind stark stossweise, so kann der Segler selbst zu Boden 
oder in’s Meer geschleudert werden. 


Insbesondere würde das Letztere auch beim Auffluge vom Erdboden 
eintreten; wir sehen daher die Vögel stets gegen den Wind auffliegen, 
mit dessen Hülfe sie die gewünschte Höhe alsbald erreichen. 


So wünschenswerth das Wehen des Windes den Vögeln in vielen 
Fällen auch sein mag, so gibt es doch keine einzige Flugart, welche ohne 
dasselbe nicht ausführbar wäre. Diess gilt auch vom Segel- und insbesondere 
vom Wellenfluge, wie diess die Gleichungen 17) und 18) darthun, für welche 
Windstille und jener Fall vorausgesetzt ist, in welchem der Wellensegler 
wegen zu geringer Eigengeschwindigkeit nicht mehr in den Gegenwind ein- 
zudringen vermag. Sehe ich auch wieder des Vergleichs mit dem Gleit- 
fluge halber von den Horizontalwiderständen ab, und setze in den genannten 
Gleichungen desshalb wieder n = 0, so kommt: 


A = 2rs . F . sin B . cos (a +- $) und 


ACAR 


F = 2rs. F.sinß. T 


Es ist hier allerdings nicht mehr, wie im früheren Falle die gewonnene 
Auftriebarbeit A ganz gleich dem geleisteten Vortriebe V, sondern dieser 
etwas grösser als jene; allein der Unterschied zwischen beiden wird um 
so geringer, je kleiner », also auch die Fluggeschwindigkeit ist, und ins- 
besondere je grösser der Flugwinkel « im Vergleich zum Flügelwinkel H 
somit auch: je tiefer die Flugwellen sich gestalten. Eine solche Flugweise 
kann man recht oft an den grossen Raub- und Sumpfvögeln beobachten, 
während die Flugwellen im Winde stets eine seichtere Gestalt erkennen 
lassen, 


310 Miller-Hauenfels: Das Mysterium des Vogelfluges. 


Vergleicht man nun den Wellen- mit dem Gleitfluge, so zeigt sich, 
dass letzterer in mehrfacher Beziehung in Nachtheil stehe. Auch wenn 
man beim Gleitfluge die an der hindernden Fläche n klebenden Energie- 
Verluste nicht beachtet, und bei dem Umstande, dass ihm die Flügel- 
krümmung manche Vortheile bietet, auch über den Flügelwiderstand hinweg- 
sieht, so ist mit dieser Flugart für gleichbleibende Fluggeschwindigkeit 
schon desshalb ein unvermeidlicher Höhenverlust verbunden, weil hier ohne 
einen solchen Verlust sich der für alles Fliegen unentbehrliche verticale 
Unterstrom der Luft nicht herstellen. lässt. — Wenn ferner der gleitende 
Vogel in einen Gegenwind eindringen will, so hat er den vollen Wider- 
stand desselben zu überwinden, olıne wie beim Wellenfluge einen Ersatz 
dafür zu erhalten. Ueberdiess strebt der (horizontale) Gegenwind ihn noch 
niederzudrücken. 

Da ferner später noch bewiesen werden soll, dass der Ruderflug von 
Seite des Vogels eine bedeutende Muskelarbeit fordere, während die beiden 
in Rede stehenden Segelflugarten eine solche nicht bedingen, so kann ich 
behaupten, dass der Vogel in allen Fällen, wo es ihm auf Scho- 
nung seiner Kräfte ankommt, den Wellenflug wählen müsse. 

Das Kreisen der Raubvögel des festen Landes. besteht daher eben- 
falls in einer Anwendung des Wellenfluges, vorausgesetzt, dass sich dabei 
die Flughöhe nur wenig ändere, und das ruhige Schweben im Winde 
ist nichts Anderes, als die Abwickelung eines Wellenfluges innerhalb der 
rückwärts strömenden Luft, wobei aber die Eigengeschwindigkeit des Vogels 
gleich der Geschwindigkeit des Gegenwindes ist. 

Auch auf- und abwärts wird der Wellenflug ausgeführt. Wiederholt 
sah ich kleine Vögel, welche vom Boden auffliegend, eine höhere Sitzstelle 
erreichen wollten, nach einigen Flügelschlägen kleine zierliche Wellen be- 
schreiben, und es ist kaum zu bezweifeln, dass grosse Raubvögel, wie der 
Lämmergeier, wenn sie eine am Boden befindliche schwerere Beute erfassen 
und mit derselben emporfliegen wollen, den schnellen Wellenflug nach ab- 
wärts anwenden werden, weil sie nur auf diese Weise nahe am Boden die 
thunlichst grösste Flugenergie erreichen können. 

In allen Punkten stimmt meine Theorie mit der Erfahrung überein, 
nur in zweien, die ich jetzt näher besprechen will, scheint sie von 
letzterer abzuweichen. 

Nach den Formeln 15) bis 18) sollte die hindernde Aequivalentfläche n 
möglichst klein, daher nicht bloss das Federkleid glatt, sondern auch der 
Vogel specifisch möglichst schwer sein, und dennoch finden wir, dass die 
Natur alles gethan habe, um ihn specifisch möglichst leicht zu machen, was 
sich besonders in der Eigenthümlichkeit des Knochenbaues und der Feder- 
kiele ausprägt. 

Die Dicke der Flügel habe ich zwar aus dem erwähnten Grunde in 
der Rechnung nicht beachtet; allein es ist leicht einzusehen, dass wenn die 


Miller-Hauenfels: Das Mysterium des Vogelfluges. 21 


Flügel als Segel gebraucht werden, sie die Luft leichter durchschneiden, 
wenn sie nicht weit klaftern; und dennoch finden wir, dass gerade die 
besten grossen Segler lange und dabei ziemlich schmale Flügel besitzen. 


Beide scheinbare Abweichungen von den Forderungen des Segelfluges 
geschehen meines Erachtens mit Rücksicht auf den Ruderflug, auf welchen 
ich jetzt zu sprechen komme, und dessen kein einziger Vogel entbehren 
kann, weil diese Flugart das einzige Mittel ist, sich wäh- 
rend seines Verweilens in der Luft, allerdings mit Auf- 
wand eigener Kräfte, ohne Höhenverlust einen beliebi- 
gen Energie-Zuwachs zu verschaffen. Da sich nun gegentheils 
der Vogel bei Ausübung des Segelfluges ungemein schonen kann, so hatte 
die Natur den Bau desselben vor Allem nach den Anforderungen des Ruder- 
fluges einzurichten. 


Beim Rudern erfolgt nun die Hauptwirkung der Luft gegen die 
Flügel und den Unterleib des Vogels; damit letzterer aber hierfür eine 
entsprechend grosse Fläche darbiete, musste der Durchmesser des Körpers 
gross gemacht, daher der Vogelleib specifisch leicht gebaut werden. Aus 
einem ähnlichen Grunde mussten auch die Flügel mit geringem Gewichte 
eine grosse Schlagfläche verbinden. 

Die Wirkung der Flügelmuskeln lässt sich mit jener elastischer 
Schnüre vergleichen. Mit Rücksichtnahme auf die Blasticitätsgrenze ver- 
trägt eine dünne Gummischnur eine ziemlich starke Streckung, ein starker 
Strang aus demselben Stoffe jedoch eine viel geringere. Nun sind aber 
die Flügelmuskeln der Vögel bekamntlich sehr stark; es können ihnen daher 
nur sehr mässige Contractionen zugemuthet werden. Um also eine ihrer 
Stärke entsprechende Wirkung zu erzielen, müssen die zugehörigen Last- 
hebel, also die Flügel, eine in die Länge gestreckte Form besitzen und diese 
Länge musste um so grösser ausfallen, je kräftigere Flügelschläge das Ge- 
wicht des Vogels erforderte, welcher selbstverständlich dann auch mit 
kräftigeren Flügelmuskeln ausgestattet wurde. Den längeren Flügeln musste 
endlich eine geringere Breite entsprechen, weil mit jedem Vogelgewichte 
von der Natur eine gewisse Flügelfläche verbunden wird. 

Momentaufuallmen des Ruderfluges, wie z. B. jene in dem bekannten 
Werke über Vogelflug von J. E. Marey, beweisen, dass derselbe in einem 
beständigen wellenfürmigen Emporsteigen und Herabsinken des Vogels be- 
stehe, dass er somit nur eine besondere Abart des Wellenfluges sei. 

Es stelle in Fig. 3 (S. 312) abcde die Flugeurve dar, in welcher sich 
der Schwerpunkt des Vogels bewegt, und dieser sei, die Flügel in höchster 
Lage haltend, eben im Punkte b angelangt, welcher mit d in gleicher Höhe 
liegt. Nun schlägt er die Fittige nieder und jagt dadurch die Luft, die 
früher sich seitwärts befand, zum Theile nach abwärts, zum grössten Theile 
aber, namentlich bei stärkeren Flügelschlägen, unter seinen Leib. Diese 


312 Miller-Hauenfels: Das Mysterium des Vogelfluges. 


Luft, welche sich nunmehr in verdichtetem Zustande befindet, muss sich 
unter dem Vegelleibe nothwendig Raum schaffen. und findet ihn dadurel, 





dass sie einerseits den Vogel gegen e hebt. anderseits aber jene Luft, 
welche noch in b sich unmittelbar unter dem Vogel befand, bis zur Stelle g 
herabdrängt und gleichzeitig stärker verdichtet. Wenn der Vogel den 
Wellenscheitel e erreicht hat, befinden sich die Flügelspitzen an den tiefsten 
Punkten; er erhebt jetzt die Flügel bis zu ihrem obersten Rande: es kann 
somit die von der Seite eingedrungene Luft wieder heraustreten, gleichzeitg 
sinkt ihre Pressung und der Vogel fällt von c nach d herab, während die 
unterhalb befindliche Luft unter Abnahme ihrer Pressung und Dichtigkeit 
von g nach d emporsteigt. 

Dabei ist aber der I,uftwiderstand von oben stets ein sehr geringer; 
denn beim Aufschlag der Flügel wird zwischen diesen für die zusammen- 
gedrückte Luft durch das Niedersinken des Vogels Raum geschaffen, und 
beim Niederschlag der Flügel kann wegen des Emporsteigens des Vogel- 
leibes die hier verdrängte Luft ruhig über die herabhängenden Flügel in 
den neueröffneten Raum abströmen. 

Derart entstehen zwei wellenförmige Curven: die eigentliche Flug- 
welle bcd und eine Unterwelle bgd, welche sich wie das Spiegelbild der 
ersteren ansieht. Beide zusammen schliessen eine Doppelwelle ein, welche 
durch Schraffierung angedeutet wurde. Stellt man sich aber vor, dass die 
angedeuteten Ordinaten nicht verticale Wege der Luft, sondern die zu- 
gehörigen Pressungen derselben ausdrücken, so gewinnt man in besagter 
Fläche ein graphisches Bild der innerhalb jeder Welle geleisteten Arbeit. 
Hiernach scheint es, als ob der Vogel die doppelte Schwebearbeit zu leisten 
hätte; dem ist aber nicht so, weil die Arbeit, welche dem unteren Theile 
der Arbeitsfläche entspricht, eben so wie beim ächten Wellenfluge, von der 
unteren Luft verrichtet wird, welche abwechselnd zusammengedrückt er- 
scheint und sich wieder ausdelint. Es bleibt demnach der Muskelkraft des 
Vogels nur die durch die obere Hälfte bedib der Fläche dargestellte 
Arbeit, also die einfache Schwebearbeit zu verrichten übrig. 

Wäre die Muskelarbeit des Vogels beim horizontalen Fluge nicht 
grösser, als sie bisher angenommen wurde, so würde derselbe von seiner 
Fluggesclhwindigkeit immer mehr und mehr einbüssen und endlich, wenn er 
sie gänzlich verloren hätte, flatternd stillstehen. Will er also eine gleich- 
bleibende horizontale Geschwindigkeit beibehalten, so muss er um so viel 
schneller rudeın, als es die Widerstände erfordern, welche er hier sänmt- 


Miller-Hauenfels: Das Mysterium des Vogelfluges. 313 


lich zu überwinden hat und die sich noch entsprechend vergrössern, wenn 
er in den Gegenwind eindringen will. Eine Ursache biervon ist, dass beim 
Ruderfluge seine Körperachse parallel zur Flugrichtung verbleibt und nicht 
wie beim ächten Wellenfluge sich abwechselnd auf- und niederneigt, welchem 
Umstande es dieser zu verdanken hat, dass hier die Energie-Verluste aus 
dem Flügel- und Rumpfwiderstande durch gleich grosse Energie -Gewinne 
behoben und überdies noch die ganze Schwebearbeit auf die angrenzende 
Luft übertragen wird. 

Am meisten muss sich aber der Vogel beim Rudern anstrengen, wenn 
er vom Boden sich erheben und überdies noch gegen den Wind eine grosse 
Anfangsgeschwindigkeit gewinnen will, deren jede Flugart so nothwendig 
bedarf. 

Den Wellenflug üben alle Flieger, auch die kleineren, häufig und gerne; 
zumal wäre es den \andervögeln gar nicht möglich, ohne wellenförmiges 
Segeln breitere Meeresarme zu übersetzen. Regelmässig pflegen sie hierfür 
den Gegenwind abzuwarten. 

Manche Flieger wie der Wiedeliopf und einige kleine Vögel lieben 
den Zickzackflug, welcher in einer Abwechslung von Gleiten und 
Rudern besteht. Nachdem sie unter dem günstigsten Winkel pfeilschnell 
schräge nach abwärts geglitten sind, machen sie einige Flügelschläge, um 
die frühere Flughöhe wieder zu erreichen und wechseln dann beständig mit 
beiden Flugarten. Es ist diese Flugweise etwas günstiger, als der reine 
Horizontal-Ruderflug, weil der Vogel an Flügelschlägen, welche stets einige 
Luft mit geringerem Effecte nach abwärts senden, sparen, und sich während 
des Gleitens etwas ausruhen kann. 

Wird beim Ruderfluge endlich die Wellenlänge gleich Null, so erscheint 
das Flattern, wie man es beispielsweise an der Feldlerche beobachten 
kann, und wobei der Vogel nach Maassgabe seiner verwendeten Muskelkraft 
entweder steigt oder fällt oder in derselben Höhe verbleibt. 

Am Schlusse dieser Untersuchung glaube ich, nachstehende Sätze als 
bewiesen annehmen zu können: Im Wellenfluge verrichtet der 
Vogel keine Schwebearbeit, weil diese von der Luft 
besorgt wird; auch hater nur den Stirn- und Steuer- 
widerstand sammt der Reibung, jedoch keine oder 
beinahe keine Widerstände zu überwinden, welche 
vom Winde, den Flügeln und dem Rumpfe herrühren 
würden. Dagegen haben der Gleit- oder Schwebeflug, 
dann der Ruderflug nicht nur die Schwebearbeit zu 
leisten, sondern auch sämmtliche Flugwiderstände 
zu überwinden und zwar bezahlt der erstere diese 
Schuld durch Verlust an Flughöhe oder an Flugge- 
schwindigkeit, der letztere unmittelbar durch Auf- 
wand an Muskelarbeit. 


314 Miller-Hauenfels: Das Mysterium des Vogelftuges. 


Beifügen will ich noch, dass ich vergeblich nach einem tlheore- 
tischen Grunde geforscht habe, wesshalb kleinere Vögel relativ grössere 
Schwingen besitzen; derselbe muss daher wohl pracetischer Art sein. 
Durch diese Flügelausstattung begünstigt üben die kleineren Vögel alle 
Flugarten mit ausserordentlicher Geschicklichkeit, darunter auch recht 
häufig den Wellenflug, nur erscheint uns dieser der seichten Wellen halber 
meist geradlinig. Die grösseren Vögel, unter denen sich vornämlich die 
Räuber befinden, rudern ungeachtet des Umstandes, dass sie die Natur ihrer 
Mnskelkraft entsprechend mit verhältnissmässig langen Schwingen versah. 
ihrer relativ kleineren Flügelfläche wegen viel schwerer, namentlich wenn 
es gilt, eine grössere Höhe zu erreichen. Nie werden daher von den 
kleineren Vögeln, welche von ihmen verfolgt werden, leicht überhöht, ja 
diese sammeln sich, wenn sie in erösserer Zahl vorhanden sind, zuweilen 
oberhalb des Raubvogels und werden dann aus Verfolgten selbst zu Ver- 
folgen. Ich glaube daher, dass die Natur das kleinere Flugvolk nur 
seiner grösseren Sicherheit halber mit relativ grösseren Schwingen ausge- 
Stattet labe. 


Kleinere Mittheilungen. 


Aeronautische Ausstellungsbriefe aus dem tausendjährigen Ungarn. IIJ. Sie ist 
nun zu Ende! Am Tage nach Allerseelen wurde sie ausgeläutet. All die Pracht, 
die da aufgespeichert war, ist wieder in die Kisten verpackt und zurück geschickt 
in die fernsten Provinzen, Städte und Schlösser, wo diese Prunkgegenstände erzählen 
werden, wie schön es war, als sie alle beisammen gewesen — in der Millenniums- 
Ausstellung. Es war wohl eine schöne Zeit damals in Budapest, da3, soweit die 
ungünstigen Witterungsverhältnisse es gestatteten, die sechs Monate hindurch sehr 
gut besucht war. Besonders interessant — und es wäre dieser Modus auch den 
anderen Staaten und Ausstellungen zu empfehien -- war der Umstand, dass täglich 
zwischen 800 und 2000 Personen, Kinder, Frauen, Männer und Greise aus den fernsten 
Comitaten auf Staatskosten in die Ausstellung geleitet wurden, um dort zu sehen 
und zu lernen, was alles in ihrem Vaterlande hervorgebracht wird. Heute waren 
es schlank gewachsene Croaten, morgen erschienen wieder bunt geschmückte Sieben- 
bürger Sachsen, einmal Magyaren aus dem Alföld, dann wieder Slovaken aus den 
Karpathen — alle im National- und Festkleide. — Es war daher eine gute Idee, 
dass das gemeinsame Reichs-Kriegsministerium eine vorzüglich gelungene, im- 
posante Heeresausstellung ins Leben rief, so dass das Volk die Fortschritte und 
Neuerungen in der militärischen Welt besichtigen konnte. Ein Volk in Waffen 
konnte keine bessere Schule haben. 

Der Fessel-Ballon, welcher unter Obcrleitung der militär-aöronautischen An- 
stalt in Wien in der Ausstellung eingerichtet war, hatte also auch beizutragen 
zur Förderung der Luttschiffahrt — auf dem Lande. Kein Wunder daher, wenn 
der Bailon captif alltäglich von Tausenden von Zuschauern umringt war, welche 
alle an dem Hochlassen und Einholen ihre Freude hatten. Hinaufsteigen aller- 
dings, das konnten diese Leutchen nicht, denn dazu müsste der Tag mehr als 
24 Stunden besitzen. — Generalstabs-Officiere und die übrigen Truppen-Officier 
machten häufig Gebrauch von diesem luftigen Observatorium. Es konnten die Herren 


Kleinere Mittheilungen. 815 


vom Ballon aus beobachten, die Sichtbarkeitsgrenzen feststellen und Recognosci- 
rungsübungen vornehmen: ferner waren die Besucher in die Lage gesetzt, die Art 
und Weise des Betriebes einer Fesselstation zu sehen, während sie sonst nur bei grös- 
seren Manövern eventuell eine Fesselstation in Thätigkeit vorgefunden hatten. Es 
war also vom Standpunkt der Wissenschaft und des Fortschrittes sehr zweckdien- 
lich, dass die Millenniums-Ausstellung eine militärische Fesselballonstation ein- 
gerichtet hatte. Bevor es Thatsache wurde, liessen sich allerdings hier und dort, 
bei Berufenen und Unberufenen zweifelnde Stimmen vernehmen, ob es mit dem 
militärischen Ernst sich vertragen würde, den Besuchern eine militärische Uebung 
vor Augen zu führen: — nun die Erfahrung hat gezeigt, dass die dort comman- 
dirten Officiere den richtigen Weg gefunden und dass sich der Ballon als Aus- 
stellungs-Objeet und als Uebungsmaterial sehr gut bewährt hat, — 

Ueber die technische Einrichtung des Ballon captif habe ich einige Angaben 
in den früheren Brieten gemacht; heute da alles vorüber, will ich einen kurzen 
Rückblick auf die Fahrten des aöronautischen Cursus werfen. — Die Ausbildung 
ging in einem dreifachen Turnus vor sich. Jm ersten Turnus waren von den 
Officieren eingetheilt: Oblit. Dworzak als Commandant, Lt. Krzesnik und später 
Oblt. Watzek. Im zweiten: Oblt. Hassmann ala Commandant, Oblt. Watzek, 
Lt. Kirchmayer; im 35. Turnus: Oblt. Hinterstoisser als Commandant, Oblt. Ludwig 
Häanzely und Oblt. Eugen von Mälnay als Ballonführer. Ich will aus dem 3 Turnus 
einige Daten anführen, um die Art des Betriebes zu skizziren. 

Der 3. Turnus umfasste die Zeit vom 1. September bis, 31. Oktober. Die 
Witterungsverhältnisse waren ziemlich günstige: Windstärken über 18 m waren an 
16!) Tagen, über 20 m pro Sekunde an 105 Tagen, Stürme an 3 Tagen. — Regen- 
Tage waren 10, Tage mit Nebel 6. Windstille Tage (Windstärken bis zu 2 m) waren 
D zu verzeichnen. Der Ballon Hungaria wurde in diesen 2 Monaten 11 Mal gefüllt. 
Da eine Füllung havarirte, wurden 10 Freifahrten unternommen. Dauer Jderselhen 
2—5 Stunden. Zurückgelegte Distanzen: 380—200 km. Mit den 11 Füllungen wurden 
428 Captiv-Aufstiege unternommen, woran theilnahmen: 28 Generalstabs-Officiere 
(darunter Feldzeugmeister Kovács von Mad, die Feldmarschalllieutenants Eisenstein 
und von Pokorny), 200 Truppenofficiere und 40 Unterofficiere der Garnison Budapest. 

Bei den Captivfahrten sowohl als auch bei den Freifahrten wurden häufig 
photographische Aufnahmen gemacht (im Ganzen 60 gelungene Negative). 

Der letzten Freifahrt vom 30. Oktober wohnte nebst dem Commandanten der 
militär-aöronautischen Anstalt in Wien (Hauptmann Joseph Trieb), der Commandeur 
der königl. preuss. Luttschiffer-Abtheilung, Herr Major Nieber bei, welche Herren 
mit den Officieren des Wiener mil. aöronautischen Curses die Kameraden in Buda- 
pest mit ihrem Besuche auszeichneten. Hinterstoisser. 


Neue physikalische Principien als Erklärung des Schweberäthsels. Nach dem Gesetz 
des Archimedes verliert ein in eine Flüssigkeit eingetauchter Körper soviel an 
seinem Gewicht, als das von ihm verdrängte Flüssigkeitsquantum wiegt; der Körper 
erfährt den sogen. statischen Auftrieb. 

Wenn nun ein Flugkörper sich in der Luft horizontal fortbewegt, so ist 
offenbar durch die Bewegung das beständig von ihm verdrängte, in Verdrängung 
gebrachte Luftquantum grösser, als vordem, denn vorne findet fortwährende Ver- 
drängung und hinten ein Nachströmen statt. 

Der archimedische, statische Auftrieb wächst also mit der Hori- 
zontalgeschwindigkeit und zwar proportional dem Quadrat derselben. 





1) Die angegebenen Zahlen scheinen uns allerdings ganz ungewöhnlich hohe 
zu sein. Anm. d. Red. 


%16 Kleinere Mittheilungen. — Redactionelles. — Berichtigung. 


Der Vogel wird also beim Horizontalfluge oder entgegenströmendem Wind 
specifisch leichter, und da er ohnehin 200 mal schwerer als die Luft ist, der sta- 
tische Auftrieb aber mit dem Quadrat der Flug- oder Windgeschwindigkeit wächst, 
so ist klar, dass bei grosser Geschwindigkeit dieser Einfluss erheblich wird, der 
Vogel zu einem grossen Theile seines absoluten Gewichtes vom statischen Auf- 
trieb der Luft getragen wird. 

Dieses Prinzip hat bis jetzt in der Flugtheorie keine Beachtung gefunden. 

Es ist aber noch ein Weiteres hinsichtlich des statischen Auftriebes beim 
Horizontalfluge zu berücksichtigen. Der Satz, dass die Reaktion, die Tragfähigkeit 
der Luft proportional dem Quadrat der Horizontal- Geschwindigkeit ist, gilt offen- 
bar auch für deren statische Tragfähigkeit, auch abgesehen davon, dass der 
Auftrieb ausserdem mit dem Quadrat der Horizontal-Geschwindigkeit wächst. 

Es wächst somit die gesammte statische Tragfähigkeit der Luft 
proportional der vierten Potenz der Horizontal-Geschwindigkeit. 

Wieder. einmal bewährt sich der alte flugtechnische Grundsatz: Horizontal- 
Geschwindigkeit ist die Seele des Fluges. 

Das Schweberäthsel dürfte durch vorstehend beschriebene Erscheinung eine 
weitere Klärung finden; denn ein anscheinend horizontaler Wind, eine sehr 
geringe, so leicht nicht mehr wahrnehmbare Abweichung desselben von der Hori- 
zontalen nach oben, kann danach genügen, den Vogel in Schwebe zu halten. 


EugenKreiss. 


Redactionelles. 


Dem vorstehenden Schlusshefte des Jahrganges 1896 liegt ausser dem Bild- 
nisse von Otto Lilienthal und dem Titelblatt sowie Inhaltseverzeichniss des XV. Jahr- 
ganges als besonders werthvolle Separatbeilage für unsere Abonnenten die Schrift 
des Hrn. Hauptmann von Parseval über den „Drachenballon“ bei. 

Die Redaction muss um Nachsicht bitten, dass zu ihrem Bedauern zwei 
Veröffentlichungen nicht mit dem Jahrgange abgeschlossen werden konnten, wie 
es ja an sich wünschenswerth erscheint. Bei der einen, den „Flugtechnischen 
Studien“ des Herrn Ingenieur Popper, liegt es an dem bedeutenden Umtfange dieser, 
unseres Erachtens höchst werthvollen und Kürzungen nicht vertragenden Unter- 
suchung; bei der anderen, dem Artikel „Ueber das Segelproblem“ des Herrn von 
Parseval an einer zeitweiligen, unvorhergesehenen Behinderung des Verfassers. 
Die Redaction glaubte eine Erklärung für dieses unliebsame Vorkommniss ihren 
Lesern schuldig zu sein. 


Berichtigung. 

In der „Weiteren Bemerkung zum Luftwiderstandsgesetz“ des Herrn Graten 
von Zeppelin in Heft 10/11 sind leider die Worte „für diese Behauptung zu geben“ 
von ihrer richtigen Stelle nach Z. 7. von unten auf S. 274, im Druck unter die 
Fussuote 1) gerathen, was entsprechend zu verbessern ist. 


Auch ist auf S. 275, Z. 15 von oben, statt „der grossen Denkfolgerung*“ 
„der blossen Denkt: zu lesen. 


E EE 


Separat-Beilage für die Abonnenten der Zeitschrift für Luftschiffahrt 
und Physik der Atmosphäre. 











Der Drachen-Ballon. 


Von A. von Parseval, Hauptmann und Komp.-Chef im Königl. Bayerischen 
3. Infanterie-Regiment Prinz Karl von Bayern. 


Einleitung. 

Etwas mehr als ein Jahrhundert ist seit der Erfindung des Luft- 
Ballons verflossen; jedoch trotz vieler Verbesserungs-Versuche hat sich nur 
der Kugelballon im practischen Gebrauch erhalten, und heute noch besitzt. 
der Luftballon, von unwesentlichen Einzelheiten abgesehen, jene Form und 
Anordnung, welche der Erfinder ihm ursprünglich gab. 

Wenn nun auch die Kugelform für frei schwebende Ballons zweifel- 
los die zweckmässigste ist, so haften ihr doch beim Gebrauch als Fessel- 
ballon solche Mängel an, dass es zu verwundern ist, wie sich ein so 
unvollkommenes Werkzeug in den Armeen hat einbürgern können. 

Diese Mängel bestehen im Wesentlichen darin, dass der Ballon von 
stärkerem Winde zu Boden gedrückt wird, indem das Kabel sich schräg 
in die Windrichtung einstellt, wodurch die erforderlichen Höhen nicht er- 
reicht werden, und dass er hierbei so heftige Bewegungen macht, dass 
die Beobachtung häufig unmöglich wird, da es nicht mehr ausführbar ist, 
‘einen bestimmten Punkt fest im Auge zu behalten. 

Die Erfahrung hat ergeben, dass die in den Armeen gebräuchlichen 
Fesselballons bei Windstärken über 10 bis höchstens 12 m Geschwindig- 
keit nicht mehr brauchbar sind und infolge dessen an etwa 30°/o der Tage 
im Jahr auf die Mitwirkung der Luftschifferabtheilungen verzichtet werden 
muss. 

Wenn trotzdem die Luftballons eingeführt wurden, so müssen offen- 
bar grosse Vortheile mit diesem Erkundungsmittel verbunden sein, und 
gewiss würde eine Verbesserung der Stabilität des Ballons und eine grössere 
Unabhängigkeit von Wind und Wetter überall dankbar begrüsst werden. 


I. Princip und allgemeine Eigenschaften des Drachenballons. 


Diese Erwägungen führten im Jahre 1892 zu Versuchen, betreffend 
die Construction eines Drachenballons, d. h. eines Ballons, welcher durch 
eine daran befindliche Drachenfläche in die Höhe gedrückt wird und somit. 
auch stärkeren \Windströmungen widerstehen kann. An Vorschlägen und 


Versuchen in dieser Richtung hat es schon bisher nicht gefehlt. Zunächst 
l 


d A. wv Parseval: Der Drachen-Ballon. 


wurde den Kugelbalions eine aus Stangen und Leinwand gefertigte Drachen- 
fläche beigegeben: bei einem weiteren Projekt (von Herrn Rodeck) bestand 
die Drachenfläche aus einer künstlichen Abplattung des Ballons. (Fig. 1 u. 2.) 





Fig. 1. Fig. 2. 

Alle diese Projekte scheiterten daran, dass sie umfangreiche Stangen- 
constructionen erforderten. Bei starkem Wind sind heftige Bewegungen 
des Ballons und ein Aufschlagen auf den Boden während des Füllers und 
Hochlassens oft unvermeidlich, und hierbei bildet jedes Stangenwerk eine 
Gefahr für den Ballon. Ausserdem ist die Hantierung damit dermassen 
schwierig, dass meisst der Versuch bereits im ersten Stadium aufgegeben 
wurde. 

Hierdurch ist also die Anwendung selbständiger Drachenflächen von 
vornherein ausgeschlossen. Die Drachenfläche muss in ungezwungener Weise 
einen Bestandtheil der Ballonform bilden. Ausserdem muss die Ballon- 
form druckbeständig sein; d. h. der Ballon muss unter dem Druck des ein- 
strömenden Gases die vom Constructeur vorgeschriebene Form von selbst 
annehmen. 

‚Jede Ballonhülle passt sich so an, dass sie ein grösstmögliches Gas- 
volum aufzunehmen vermag. Ist das Volum bei der für den Drachenballon 
gewählten Form kein Maximum, so hat das Gas das Bestreben, durch seinen 
Druck die Ballonform abzuändern, und der Ballon muss durch Einfügung 
starrer Theile versteift werden. Dies ist z. B. bei dem Rodeck’schen 
Projekt der Fall; hier müsste sich olıne Versteifung die projektirte Drachen- 
fläche nach unten auswölben, indem sie die durch Schnüre im Innern mit 
ihr verbundene Oberseite einziehen müsste. Rings um den äusseren Rand 
würden dabei eine Menge Falten entstehen. 

Druckbeständige Formen haben ferner von selbst eine gewisse Steifig- 
keit; denn da sie sich durch den Gasdruck bilden, leisten sie jeder Defor- 
mation einen mehr oder minder beträchtlichen Widerstand. 

. Eine Ballonform, welche diese Bedingungen erfüllt, ist ein langge- 
streckter Rotationskörper. Bei den Versuchen zeigte sich als die vortheil- 
hatteste Gestalt ein Cylinder mit halukugelfürmigen Enden. 

Die Drachenfläche wird hierbei dadurch gebildet, dass die Längenachse 
des Ballons in den Windstrich und derart schräg gestellt wird, dass sie 
einen Winkel von circa 50° zur Horizontalen bildet. Die Cylinderoberfläche 


å. v. Parseval: Der Drachen-Ballon. 3 


bildet dann die Drachenfläche, die halbkugelförmigen Enden die Stirnfläche. 
Durch erstere wird der Ballon in die Höhe gedrückt, durch letztere m 
der Windrichtung rückwärts geschoben. 

Beide Kräfte setzen sich derart 
ins Gleichgewicht, dass der Ballon unter 
Anspannung des Kabels eine mittlere 
Lage einnimmt, so dass beide Kräfte 
in Bezug auf den Punkt P (Fig. 3), in 
welchem der Ballon am Boden gefesselt 
ist, das gleiche und entgegengesetzte 
Drehungsmoment besitzen. 

Bezeichnet pı nach Grösse und 
Richtung den horizontalen Stirnwider- Fig. 3. 
stand, pə den Drachenwiderstand, welcher senkrecht zur Drachenfläche d. i. 
senkrecht zur Längenachse gerichtet ist, so lautet die Bedingung in Zeichen: 


m. PR = Is, OI 





Aus dieser Beziehung lässt sich die Neigung des Kabels bestimmen. Zunächst, 
jedoch muss angegeben werden, auf welche Weise die Schräglage der Längs- 
achse des Ballons hervorgebracht wird. 

Diese Schräglage wird hervorgebracht, einmal durch die Vertheilung 


der Gewichte am Ballon, dann durch die Art und Weise der Fesselung. 


Das Letztere bedarf näherer Erläuterung. Von den Punkten A u. B 
gehen links und rechts am Ballon Seile aus, welche sich in einiger Ent- 
fernung paarweise vereinigen. Die beiden Vereinigungspunkte sind durch 
ein stärkeres Seil verbunden, welches bei A um eine Rolle läuft. An 
dieser Rolle greift das Kabel an. Wenn nun das Kabel seine Zugrichtung 
ändert, so beschreibt der Punkt K eine Ellipse mit der grossen Achse AB. 


Die Wirkung auf den Ballon ist ungefähr die gleiche, wie wenn er 
an einem einzigen in der Mitte von AB und etwas höher gelegenen Punkt 
mittelst des Kabels festgehalten wäre, um welchen er sich frei drehen kann. 


Infolge dieser Befestigung an einem unter dem Vordertheil des Ballons 
gelegenen Punkte stellt der Wind den Ballon schief, indem der Druck auf 
die Stirnseite ihn nach rückwärts und abwärts solange dreht, bis der ent- 
stehende Drachenwiderstand auf die Bauchfläche, welche das entgegenge- 
setzte Dreehungsmoment besitzt, die Fortsetzung der Drehung verhindert. 
Wenn die Lage der Gewichte und der Auftrieb einerseits, die Windkräfte 
in Verein mit der Fesselung anderseits, eine verschiedene Schräglage der 
Längenachse bedingen, so stellt sich der Ballon so, dass beide Kräftepaare 
mit gleichen und entgegengesetzt gerichteten Drehungsmomenten auf den 
Ballon wirken. Je nach der Stärke des Windes entspricht die Schräglage 


des Ballons dann mehr den Windkräften oder mehr der Schwerpunktslage. 
1* 


4 A. v. Parseval: Der Drachen-Ballon. 


Es ist deshalb nicht wohl thenlich, das Maass der Schräglage allge- 
mein rechnerisch zu bestimmen; dieselbe ist aber aus den Versuchen unge- 
fähr bekannt, sie betrug circa 20°. 

Wenn die Schräglage des Ballons bekannt ist, lässt sich die Richtung 
des Kabels annähernd berechnen, und diese ist für den praktischen Gebrauch 
von vorwiegendem Interesse, weil die erzielte Steighöhe des Ballons wesent- 
lich von ihr mit abhängt. 

Die Richtung des Kabels ist stets parallel zu der Richtung der 
Resultante der im Kabel wirksamen Kräfte. Diese Kräfte sind: 1. Die 
Windwiderstände am Ballon, 2. der Auftrieb des Balluns, 3. die Windwider- 
stände am Kabel, 4. das Gewicht des Kabels. 

Der wichtigste dieser Einflüsse ist der \Windwiderstand am Ballon; 
wir betrachten diesen deshalb zuerst, gesondert von den übrigen, und 
denken zu diesem Zweck den Ballon so schwer gemacht, dass er keinen 
freien Auftrieb besitzt und so kurz gefesselt, dass das Gewicht und der 
Windwiderstand des Kabels nicht wesentlich in Betracht kommen, ein Fall, 
der praktisch recht wohl herstellbar ist. In diesem Falle stellt sich das 
Kabel zur Windwiderstands-Resultante genau parallel. 


Die Richtung dieser Resultante finden wir aus der oben entwickelten 
Beziehung 
n . PR =n . PO. 
Nun ist, wie aus Fig. 3 ersichtlich: 
PR = PL . sin B und PO = PL . cos (a -+ B) 
Durch Einsetzung dieser Werthe in die Momentengleichung erhält man 
nach einigen Umformungen: 


r COS a 
tgi = —- 


Pı Gate 
t+ sina, 
P: " 
Die Schräglage der Längenachse können wir durch Aenderung der 
Fesselung und der Schwerpunktslage beeinflussen. Nehmen wir ihren Werth 


als bekannt an, so müssen wir noch das Verhältniss Pı bestimmen. 


Letzteres hängt ausser von der Schräglage auch von den Abmessungen 
des Ballons ab. l 

An den bisher gebauten Ballons war das Verhältniss des Kugelquer- 
schnittes zum Längsschnitt des Cylinders d. h. Stirnfläche: Drachenfläche 
= 1:3. Der Reduktionscoefticient für die Kugel ist 1/3, für den Cylinder !/2: 
das ergiebt ein Verhältniss der reduzierten Oberflächen gleich 2:9. 

Nun steht die Cylinderachse schief zum Wind. Setzen wir nach Loessl 
den Winddruck dem Sinus des Auftreffwinkels proportional, so haben wir 
für das Verhältniss 

Pi Dh = 2 : 9° sin a, 


A. v. Parseval: Der Drachen Ballon. 5 


Es scheint jedoch, als ob wir hiermit den Stirnwiderstand etwas zu 
gering veranschlagt hätten. Nachstehende Tabelle enthält die nach oben- 
stehender Formel berechneten Werthe des Kabelwinkels unter Annahme 
N 


d 


u 


verschiedener Werthe für den Drachenwinkel und für das Verhältniss 








EEE Tee | 











np. A 5. sin sinal 4. sin z 3-5. sin al 3. sin a 
Sr EE e ee AA. EE j Bi P ee EE 
o|) h NC 
! 
Ä (i) 0 0 0 
10 | 36 Su, 281/3 251, 
15 | Au, 4l SAM 32 
20 | 431, 4l 333/, 35!/a 
o | Ai 42 3917, 37 
30 | 42 i 4l am | ae, 
35 | au, | 89 37, | 851, 


Bei den Versuchen war der Drachenwinkel o = 10 — 20°. Der Kabel- 
winkel betrug zwischen 30° und 40°. Die obige Berechnung stimmt. also, 
so weit sich dies beurtheilen lässt, mit dem Versuchs-Ergebniss überein und 
zwar entsprechen etwa die Werthe für 32 oder As, 

Bei Zunahme des Windes nahm der Drachenwinkel s ab, und 
dann stand der Ballon merklich niedriger, wie auch die Rechnung erziebl: 
Weitere Schlüsse an das obige Reelnungs-Resultat zu knüpfen, dürfte kaum 
statthaft sein. 

Der Vergleich der Rechnung mit den Versuchen wird dadurch wesent- 
lich erschwert, dass das Kabel nur dann zur Richtung der Windwider- 
stände Deeg ist, d. h. nur dann die oben berechnete Steigung annimmt, 
wenn: 1. der Ballon gerade ausbalanciert ist, und 2. sowohl das Gewicht 
als auch = Windwiderstand des Kabels nicht wesentlich in Betracht kommen. 

Ist der Ballon nieht ausbalaneirt, so weicht er nach oben oder unten 
von der berechneten Gleichgewichtslage ab. 

Tafel I zeigt bei An das Kabel in der Gleichgewichtslage bei aus- 
balancirtem Ballon. bei Aa die Stellung des Kabels, wenn der Ballon 
freien Auftrieb hat, bei A3 die Stellung bei Windstille und eigenem Auftrieb. 
In der Stellung bei A: bezeichnet die senkrechte Linie Ke M den Auftrieb, 
die Linie A2J, welche parallel ist zu der Richtung des Kabels in Ei be- 
zeichnet die Richtung der Windwiderstände. 

Die Richtung des Kabels ist die Resultante beider Kräfte in dem 
Kräfteparallelogramm K/L M. 

Nun nehmen wir an, der vorhandene Auftrieb werde zum Hochnehmen 
eines langen und schweren Kabels benutzt. Angenommen, das Kabel- 
gewicht sei hierbei gleich oder kleiner als der Auftrieb, so wirkt auf die 


6 A.v. Parseval: Der Drachen-Ballon. 


Fesselung des Ballons eine verticale Kraft, welche dem Auftrieb gleich 
ist. Denn reicht das Kabelgewicht nicht aus, um dem Auftrieb Gleich- 
gewicht zu halten, so wird der Rest des Auftriebes im Fesselpunkte am 
Boden aufgenommen und das Kabel erhält oben am Ballon unabhängig von 
seiner Länge ausser den Windwiderständen eine verticale Spannungscom- 
ponente, welche dem Auftrieb gleich ist. 


Ist das Kabel aber so lang, dass sein Gewicht den Auftrieb des 
Ballons übersteigt, — dies tritt ein, wenn man durch Drachenwirkung ein 
langes Kabel hochnehmen lässt — so vermehrt der Ueberschuss an Kabel- 
gewicht die verticale Zugcomponente am Ballon. Dadurch wird der Ab- 
lauf des Kabels vom Ballon ein steilerer, und der Kopf des Ballons wird 
etwas herunter gezogen, so dass der Drachenwinkel kleiner wird. 


Das Kabel läuft hierbei mit starkem Durchhang zur Erde Der 
Winkel, unter dem es den Boden berührt, giebt die Richtung der Resul- 
tante der Kräfte an, welche in jenem Punkte wirksam sind. Diese sind, 
aussser dem Windwiderstand auf den Ballon, Auftrieb und Kabelgewicht 
noch der Windwiderstand auf das Kabel. 


Letzterer steht senkrecht zum Kabel, wirkt aber nicht auf alle Punkte 
desselben gleichförmig. Denn auf die mehr schräg liegenden unteren Theile 
ist der Winddruck geringer, als auf die oberen, mehr senkrechten. Der 
Kabelwiderstand kann also einer Gesammtkraft gleichgesetzt werden, deren 
Resultante in der oberen Hälfte des Kabels angreift und schräg nach ab- 
wärts gerichtet ist. Zunächst vermehrt diese Kraft um etwas die Durch- 
biegung des Kabels und bewirkt einen steileren Ablauf des Kabels und 
ein Herabziehen der Ballon-Spitze ; ausserdem drückt sie den Ballon etwas 
herunter. Da sie oberhalb der Mitte des Kabels eingreift, wirkt die grös- 
sere Hälfte herabdrückend auf den Ballon, die andere Hälfte wird an der 
Erde aufgenommen. 


Betrachten wir nunmehr den Ballon in dem Falle, wenn das hoch- 
genommene Kabelgewicht der Tragkraft bei Windstille gerade entspricht- 
Nun wirken am untersten Ende des Kabels nur Luftwiderstände, da nach 
unserer Annahme die Gewichte ausgeglichen sind, und eine Tangente an 
das Kabel im tietsten Punkt desselben zeigt die Richtung dieser Wider- 
stände an. Das Kabel berührt diese Tangente von oben und erhebt sich 


um so höher über diese Gerade, je weiter man vom tiefsten Punkt aus 
am Kabel in die Höhe geht. 


Der Ballon steht folglich immer höher, als die genannte Tangente 
anzeigt, und zwar um so mehr, je schwächer der Wind ist. Bei stärkerem 
Wind streckt sich das Kabel straffer, und der Ballon nähert sich der 
Tangente; er geht also mit stärkerem Wind etwas zurück. 


Hat der Ballon ein grösseres Kabelgewicht zu tragen, als der Trag- 
kraft des Gases entspricht, so läuft das Kabel in spitzerem Winkel vom 


A. v. Parseval: Der Drachen Ballon. 7 


Boden ab; unter Umständen legt es sich eine Strecke weit auf den Boden, 
wenn die Tragkraft der Drachenwirkung nicht ausreicht. 

Es ist jedoch nicht möglich, bei starkem Winde durch die Drachen- 
wirkung ein der Windstärke entsprechend grösseres Kabelgewicht hoch- 
nehmen zu lassen, weil der Ballon dadurch vorne zu sehr herunter gezogen 
und durch Verminderung des Drachenwinkels in seiner Drachenwirkung 
geschädigt wird. 

Bei den Versuchen entsprach die Wirkung der Drachenfläche voll- 
kommen den gehegten Erwartungen; überraschend war, wie ausserordent- 
lich langsam, fast unmerklich, die vertikalen Höhenänderungen vor sich 
gingen. Eine Verticalschwankung unter T’eberschreitung der Gleichgewichts- 
lage kommt überhaupt nicht vor. 

Der Grund hierfür liegt darin, dass der Ballon eine Gleichgewichts- 
lage bei einer Kabelneigung von circa 40° besitzt, welcher er sich bei 
Wind meist ziemlich erheblich nähert. 

In Folge dessen ist der Antrieb, welcher ihn der Gleichgewichtslage 
noch mehr zu nähern bestrebt ist, nur klein. 

Ausserdem werden verticale Bewegungen durch die Drachenfläche 
sehr wirksam gedämpft. Denn durch eine Aufwärtsbewerung wird der 
Drachenwiderstand vermindert, dureh eine Abwärtsbewegung vermehrt und 
dadurch die Bewegurg stark verlangsamt. 

Besonders auffallend ist dieses Verhalten, wenn sich ein Windstoss mit 
lautem Pfeifen in die Seile legt, so dass man eine heftige Bewegung des 
Ballons erwartet: da ist man anfangs sehr überrascht, zu sehen, wie 
wenig der Drachenballon anscheinend beeinflusst wird, da dem Insassen die 
Höhenänderungen gar nicht fühlbar sind. 


DU Die Erhaltung der äusseren Form. 


Um jedoch die beschriebenen vortheilhaften Wirkungen hervorzu- 
bringen, ist es nothwendig, dass der Ballon die beabsichtigte äussere Form 
genau bewalıre. 

Denn würden Verbiegungen des Ballons und Einbeulungen der Stirn- 
fläche entstehen, so könnte weder die Drachen- noch die Stirnfläche die 
berechnete Wirkung ausüben, weil der in den Winddallen entstehende 
unregelmässige und starke Druck jede Berechnung unmöglich macht. Eine 
tadellose Erhaltung der äusseren Form ist also die Vorbedingung für eine 
gute Wirkung der Maschine. Um zunächst Längsverbiegungen des Ballons 
zu verhindern, müssen dauernd grössere Biegungsbeanspruchungen, wie sie 
insbesondere durch stark fehlerhafte Anordnung der Gewichte entstehen 
können, thunlichst vermieden werden. 


8 A. v. Purseval: Der Drachen-Ballon. 


Fig. 4 zeigt eine von uns anfangs angewendete, unrichtige Kabel- 
authängung. Hier liefen bei A die Leinen in einem Knoten zusammen, an 
welchem das Kabel befestigt war. 
Infolge dessen waren nur selten alle 
Leinen richtig gespannt. War dies 
aber endlich doch der Fall, so war das 
Kabel als im Punkt K aufgehängt 
zu betrachten und zog durch sein 
Gewicht den Ballon vorne übermässig 
herunter. 

Das hatte zur Folge, dass auch 
der Korb thunlichst weit zurückge- 
hängt werden musste. Undnun drängte 

Fig. 4. das in der Mitte liegende Gas, be- 
sonders dann, wenn der Ballon im Winde Bewegungen machte, nach 
oben und bog den Ballon in der Mitte durch, wie die Skizze zeigt. 

Tafel I zeigt die spätere Fesselung. Korb und Kabel sind derart 
aufgehängt, dass senkrecht über dem Aufhängungspunkt ein Gasvolum sich 
befindet, dessen Tragkraft ungefähr dem Gewicht der Lasten entspricht. 
Das Gas links der Verticalen AB trägt den Korb, das Gas rechts davon 
das Kabel. 

Eine ganz genaue Einhaltung dieser Gewichtsvertheilung ist übrigens 
gar nicht nöthig; der Ballon kann recht gut kleinere Biegungsmomente 
dauernd und vorübergehend auch grosse vertragen. 

Denn wird ein Ballonkörper wie in Fig. 4 verbogen, so mindert 
sich sein Volum um ein Beträchtliches, da sich die eingebogene Seite ver- 
kürzt, und, der Ballonquerschnitt im Buge sich merklich breitdrückt. Es 
muss also entweder die Hülle theilweise ausgedehnt oder das Ballongas aus 
dem Ballon verdrängt werden. Hierzu aber ist Arbeit erforderlich, welche 
bei der Biegung geleistet werden muss. 

Der Ballon setzt also der Biegung einen Widerstand entgegen ‚und 
zwar um so mehr, je höher die Spannung des Ballongases ist. 

An einem prall gefüllten Ballon lässt sich dieser Widerstand leicht 
berechnen. Betrachten wir zwei Schnitte senkrecht durch den Ballon, welche 
im Punkt O (Fig. 5) zusammenlaufend einen 
unendlich kleinen Winkel zusammen bilden, 
so sehen wir, dass dieselben bei der Biegung 
sich um O drehen und sich einander nähern 
müssten, vorausgesetzt, dass die Biegung in 

Fig. 5. dem Sinne erfolgt, dass der Punkt O nach 
oben, die Enden des Ballons nach unten gedrückt werden. 

Hierbei muss aber der in dem betrachteten Querschnitt herrschende 
Druck überwunden werden. 








A. v. Parseval: Der Drachen-Ballon. 9 


Der Biegungswiderstand im Querschnitt O ist also gleich dem Drehungs- 
moment des Druckes im Querschnitt O in Bezug auf die Biegungsachse 
durch O. | 

Setzen wir diesen Druck gleich dem Druck einer Wassersäule von 
l mm Höhe und geben dem Ballon einen Durchmesser von 6m, also einen 
Querschnitt von 28 [ ]m, auf welchen wir den Druck gleichmässig vertheilt 
denken, so berechnet sich der Werth des Drehungs-Momentes anf 84 kg in 1 m 
Entfernung von der Achse. Da die statischen Drucke wegen der verticalen 
Ausdehnung des Ballons mehrfach höher sind als 1 mm Wasser, so ist die 
Biegungsfestigkeit derselben grösser; sie wird aber dadurch vermindert, 
dass die an der ausgebogenen Seite des Ballons liegenden Stoff-Theile sich 
dehnen. In Folge dessen ist die Biegungsachse nicht bei O sondern tiefer, 
quer durch den Ballon anzunelimen, und dies bewirkt eine merkliche Ver- 
ringerung des Biegungs-Widerstandes. Uusere Berechnung gilt also strenge 
nur für eine absolut unausdehnsame Ballon-Hülle. 

Gleichwohl können wir hieraus den Schluss ziehen, dass kleine und 
mittlere Biegungs-Momente, wie sie durch die unvermeidlichen Unregel- 
mässigkeiten in der Gewichts-Aufbängung verursacht werden können, leicht 
übertragen werden und den Ballon nicht deformiren. 

Grössere Biegungsmomente in Folge unregelmässiger Bewegungen, 
insbesondere beim Schleudern des Ballons, wirken nur momentan und ver- 
mögen nur unbedeutende Gestalts- Aenderungen hervorzubringen; denn 
durch die eintretende Volum-Verminderung wird der Druck im Ballon und 
damit der Biegungswiderstand wesentlich erhöht, weil das Gas durch die 
verhältnissmässig engen Ventilöffnungen nicht schnell genug entweichen kann. 

Bei den Versuchen hat sich gezeigt, dass die Ballons Neigung haben, 
sich mit dem Rücken nach oben durchzuwölben, gewissermassen einen Katzen- 
buckel zu machen. Da bei solchen Bewegungen die Oberseite des Ballons 
bedeutend grösseren Zugbeanspruchungen in der Längsrichtung unterworfen 
ist, wurde sie durch ein längs dem Rücken laufendes, kräftiges Zugorgan 
verstärkt. 

Gleichwohl würde bei starkem Wind die Steifigkeit des Ballons kaum 
ausreichen, wenn sie lediglich durch die statischen Drucke bedingt wäre. 
Auch ist der statische Druck allein nicht ausreichend, um das Entstehen 
von Winddallen am Vordertheil des Ballons zu verhindern; deshalb ist die 
Kraft des Windes benutzt, um den inneren Druck des Ballons noch besonders 
zu steigern. 

Zu diesem Zweck ist am«Bauche des Ballons ein trichterförmiger, senk- 
recht zum Wind stehender, grosser Windfang angebracht, welcher die Luft 
durch eine grosse Oeffnung in das Innere des Ballons leitet. Taf. I mit III. 

In dem Windfange staut sich der Wind und bringt einen Druck her- 
vor, welcher auf das Innere des Ballons übertragen wird. Dieser Druck 
ist jenem gleich, welcher durch den Stoss des Windes gegen den Kopf des 


10 A.v. Parseval: Der Drachen-Ballon. 


= 


Ballons erzeugt wird. Da hierzu im Innern des Ballons noch der statische 
Druck kommt, welcher am Kopfe unter normalen Verhältnissen 7—10 mm 
Wasser beträgt, so wird eine Einbeulung der Stirnfläche des Ballons durch 
den Wind jederzeit verhindert. 

Würde jedoch der Wind direkt in den gasgefüllten Raum einströmen, 
so wären starke Gasverluste und ein baldiger Verderb des Ballongases un- 
vermeidlich ; man lässt deshalb den Wind nicht in den Ballon selbst, sondern 
in ein entsprechend geräumiges Ballonet blasen. Hier bleibt die Luft durch 
eine faltige, leichte und gasdichte Stoffwand vom Ballongas getrennt, welche 
wohl die Uebertragung des Druckes gestattet, die Mischung der Gase aber 
verhindert. 

Bei Anordnung dieses Ballonets war zu erwägen, dass zwei Gase von 
verschiedenem specifischen Gewicht, wenn unbeeinflusst, sich derart über- 
einander lagern, dass die Grenzscheide zwischen beiden durch eine horizon- 
tale Ebene gebildet wird. Damit daher der Ballon zwanglos in Form 
bleibe und die Luft leicht eindringen könne, muss das Ballonet am tiefsten 
Theil angebracht und so geformt sein, dass sich der Stoff der Trennungs- 
ebene leicht anpasst. 

Zu diesem Zweck wurde durch den Ballon ein horizontaler Schnitt 
gelegt und längs dieses Schnittes die innere Ballonetwand angenäht. (Siehe 
Tafel II.) Der Letzteren wurde eine solche Form gegeben, dass sie den 
Raum unterhalb des Schnittes A B fast ganz ausfüllen kann, wobei sie 
gewissermassen eine zweite, innere Ballonhülle bildet; jedoch einen mässigen 
Spielraum zwischen der äusseren Hülle lässt, damit die Luft vom Windfang 
aus leicht an den tiefsten Theil gelangen kann. Tafel III zeigt das Ballonet. 
mit Luft halb gefüllt. Diese Stellung nimmt der Ballon an, wenn er Gas 
verloren hat, z. B. wenn er aus grosser Höhe herabkommt nnd das vorher 
ausgedehnte (Gas sein Volum wieder vermindert. 

Das Ballonet kann im Nothfall jedoch ungefähr noch einmal soviel 
Luft aufnehmen, indem sich die Ballonetwand nach oben wölbt, wobei aller- 
dings die Trennungsfläche keine Ebene mehr sein kann. — In dieser Lage 
vermag es bei den jetzigen Abmessungen ca. !/4 des Ballonvoluns auszufüllen. 

Indessen ergab der Verlauf der Versuche, dass die Einrichtung nicht 
immer genügte. Wenn durch starke, aufsteigende Luftbewegungen das 
Hintertheil eine Zeit lang ungewöhnlich hoch zu stehen kommt, ist es 
möglich, dass durch den statischen Gasdruck in Verbindung mit den vor- 
übergehenden. fortwährenden Unregelmässigkeiten des Winddruckes das 
Ballonet durch die weite Windöffnung theilweise ausgedrückt wird, und 
Falten am Vordertheil des Ballons entstehen. Dies hätte zur Folge, dass 
das Gas in den rückwärtigen Thejl des Ballons gelangt und den Mittel- 
punkt des Auftriebs nach hinten verlegt, wodurch die Wiedererlangung der 
richtigen Stellung in nachtheiliger Weise erschwert wird. Unter solchen 
Umständen machen die Ballons höchst bedenkliche Bewegungen. 


A. v. Parseval: Der Drachen-Ballon. | 11 


Deshalb wurde die Einströmungsöffnung im Windfang durch eine Stoft- 
klappe verschlossen, welche der Luft zwar den Eintritt leicht gestattet 
— Tafel III —, den Austritt aber ausschliesst. Dieselbe besteht aus einem 
viereckigen Stück Stoff, welches mit dem vorderen Rande an der Ballonet- 
Wand befestigt ist und dessen beide andere Ecken durch Leinen von ca. 
1 m Länge in der richtigen Lage erhalten werden. Damit sich die Klappe 
jederzeit weit genug öffnen kann, muss die innere Ballonet-Wand um so- 
viel enger sein, als die äussere, dass zwischen beiden, wenn der Ballon 
ganz mit Gas gefüllt ist, ein etwa handbreiter Raum frei bleibt. (Tafel II.) 


Hierdurch ist der Ballon vollständig geschlossen, und es können, wenn 
er gut gefüllt ist, durch vorübergehende Einflüsse keinerlei Rinbeulungen 
entstehen. Ein beschränktes Hin- und Herfluten der Luftmassen im Ballo- 
net bei Schwankungen bleibt freilich stets möglich. Doch hat sich bei den 
Versuchen die ganze Einrichtung gut bewährt und erhielt den Ballon tadel- 
los in Form. 


Der Austritt der Luft aus dem Ballonet wurde durch ein besonderes 
Sicherheitsventil geregelt. 


Die Einrichtung des Ballonets nebst Windfang ist älter, als der Drachen- 
ballon; ich hatte sie, wie auch den Haltegurt, bereits an einem durch 
v. Siegsfeld construirten, zu meteorologischen Registrirungen dienenden Fessel- 
ballon in Kugelform gesehen. Allein erst als Hilfsmittel zur Bewahrung 
der Form am Drachenballon erlangte sie ihre jetzige Bedeutung. Auch die 
Einführung der Stoffklappe ist von v. Siegsfeld. 


Da voraussichtlich die Frage: wer ist nun eigentlich der Erfinder des 
Drachenballons? nicht ausbleiben wird, so sei hier kurz bemerkt, dass die 
erste Idee und die Initiative zu den Versuchen, die Anordnung der Seilzüge 
und die Fesselung von mir herrührt. Die weitere Entwicklung des Ganzen, 
insbesondere der Steuervorrichtung erfolgte unter Besprechung zwischen 
Herrn von Siegsfeld und mir und unter gegenseitiger Anregung. 


Die Idee zu dem Steuerballon ist von Herrn von Siegsfeld. Im übrigen 
wird sich kaum mehr feststellen lassen, von wem bei den vielen Einzelheiten 
überall der erste Gedanke herrührt. 


IlI. Die Steuer-Vorrichtungen. 


Die Arbeiten am Drachenballon, wurden sehr wesentlich gefördert durch 
ein Hilfsmittel, auf welches ich gleich anfangs aufmerksam wurde. Man 
konnte Vorversuche nicht nur mit Ballonkörpern in der Luft, sondern weit 
einfacher und leichter mit Schwimmkörpern im fliessenden Wasser machen, 
indem man ein Modell von entsprechendem specifischen Gewicht verankerte. 
Unsere klaren und kräftigen Bergwasser gaben dazu die schönste Gelegenheit. 
Auf diese Weise konnte ohne grossen Kosten- und Zeitaufwand eine grosse 


12 A. v. Parseval: Der Drachen-Ballon. 


Menge Versuche gemacht werden, und wo möglich wurde jede Verbesserung 
zunächst im Wasser probiert, ehe sie am Ballon ausgeführt wurde. 

Zum Versuch in der Luft wurde zunächst ein Ballon von 60 cbm Inhalt, 
später ein solcher von 600 cbm gebaut. 

Gleich der erste Versuch zeigte eine sehr unangenehme. Eigenschaft 
der Langballons, ihre Neigung zu Seitenschwankungen. Obwohl der Ballon 
weit vorne in der Nähe der Spitze gefesselt war, stellte er sich keineswegs 
ruhig in die Strömungsrichtung ein, sondern die Versuchskörper machten 
im Wasser und in der Luft schnelle und grosse Seitenbewegungen. 

Hiebei liessen sich zwei verschiedene Arten von Seitenschwankungen 
erkennen, welche zwar in vielfachen Übergängen beobachtet wurden, aber 
doch auch in charakteristischer Besonderheit zu Tage traten. 


l. Das Schleudern. 

Der Ballon weicht mit der Spitze rasch nach einer Seite aus; die Ab- 
weichung kann bis zu 40° betragen. Hier bleibt er aber nicht stehen, sondern 
kehrt sofort in seine Gleichgewichtslage zurück und überschreitet dieselbe 
mit Heftigkeit um ebensoviel nach der entgegengesetzten Seite. 

Die Bewegungen sind bei starkem Wind sehr kräftig und äusserst 
unangenehm, besonders dann, wenn der Korb stark ins Seitwärtsschaukeln 
kommt und die Halteleinen auf einer Seite des Ballons bald schlaff werden, 
bald sich mit einem plötzlichen Ruck strecken. Der Ballon bleibt dabei in 
etwas herabgedrückter Kabelstellung im Ganzen ruhig an seinem Platze. 





Fig. 6. 


2. Das Gieren. 
Der Ballon weicht mit der Spitze nur wenig aus, kelırt aber nicht 
sofort um, sondern bleibt in dieser schiefen Lage eine Zeit lang stehen. 
Nun erhält er Winddruck von der Flanke und beginnt seitwärts zu 
gehen; er macht hiebei genau die Bewegung einer Gierfähre und setzt die- 





— ` zem 
mra 


Fig. 7. 
selbe je nach der Länge des Kabels mehr oder weniger, unter Umständen 
mehrere Ballonlängen weit fort. 


A v. Parseva!: Der Drachen-Ballon. 13 


Endlich kommt der Ballon zum Stillstand, nimmt die entgegengesetzte 
Schräglage an, kehrt zurück und überschreitet seine Gleichgewichts-Lage 
nunmehr nach der andern Seite. 


Bei starkem Wind wird der Ballon am kurzen kabel seitwärts oft 
bis zur Erde niedergedrückt; am langen Kabel macht er die gefährlichsten 
Bewegungen und kann unter Umständen in der Luft seitwärts umschlagen. 


In dieser Verfassung war er nicht brauchbar; es war also die Aufgabe 
gestellt, ihm Steuerorgane beizugeben, welche diese Bewegungen beseitigen 
und ihn ohne Schwankung in den Wind einstellen. Nur wenn dies voll- 
kommen gelang, war das System lebensfähig; und der ganze weitere Ver- 
lauf der Versuche war daher der Ausbildung der Steuerorgane gewidmet. 


Zunächst soll nunmehr versucht werden, die Entstellung der Schwan- 
kungen theoretisch zu erklären. 

Die Anfangs gehegte Meinung, wonach die Seitenschwankungen eine 
Folge unregelmässiger Luftbewegungen wären, stellte sich als nur in be- 
schränktem Grade richtig heraus. Denn selbst in Fällen, wo der Verlauf 
der Flüssigkeitsfäden im Wasser durch suspendirte Partikel sichtbar und 
ein durchaus glatter war, machten die Schwimmkörper starke Eigen- 
bewegungen. Die Gründe hierfür müssen daher in besonderen Eigenschaften 
der Ballons selbst gesucht werden. 


Denken wir uns, dass in Folge einer der tausend Unregelmässigkeiten 
des Windes die Spitze des Ballons einen seitlichen Anstoss erhält. Sie be- 
ginnt in Folge dessen auszuweichen, der Wind trifft den Ballon nicht mehr 
genau von vorne, sondern etwas von der Seite und es entsteht ein Wind- 
druck auf die Flanke. 


Dieser Druck ist aber nicht gleichförmig auf die Langseite vertheilt, 
sondern es liegt, wie aus anderwärts angestellten Versuchen bekannt ist, das 
Centrum des Druckes dem gegen den Wind zugekelirten Ende der Fläche 
um so näher, je spitzer der Winkel ist, unter dem der Wind auftrifft. 

Bei einer Seitenausweichung des Ballons bildet sich daher zunächst 
in der Nähe der Spitze ein seitliches Druckcentrum, welches sich erst bei 
Vergrösserung der Drehung in Folge der Wirkung der Steuerflächen nach 
rückwärts verschiebt. Dadurch wird aber im ersten Moment das Aus- 
weichen der Spitze verstärkt und hierin liegt im Verein mit der gleich 
zu besprechenden tiefen Schwerpunkts-Lage der Hauptgrund für Seiten- 
schwankungen. 

Fig. 7 zeigt einen schwinzenden Ballon. Im Allgemeinen macht 
derselbe dabei eine Doppelbewegung; er vollführt Drehungen und Seiten- 
verschiebungen. 

Das Kabel folgt hierbei den Bewegungen nicht in seiner ganzen 
Länge, sondern bildet eine seitwärts gebogene Curve, indem die dem Ballon 
zunächst liegenden Teile zuerst, die anderen erst später nachgeben. Die 


14 A. v. Parseval: Der Drachen-Ballon. 


Richtung des Kabelzugs ist alsdann bestimmt durch eine im Fesselpunkt 
K an das Kabel gezogene Tangente Z K. 

Ausser dem Kabelzug wirkt aber auf den Ballon noch der Wind- 
widerstand, welcher bei der Schrägstellung des Ballons Richtung und Angriffs- 
punkt ändert. 

Das seitliche Druckcentrum, welches sich, insbesondere auch in Folge 
der Wirkung der Steuerflächen stark nach rückwärts verschiebt, giebt im 
Verein mit dem Stirnwiderstand eine Resultante W, welche den Ballon 
mehr rückwärts und von der Seite trifft. 

Kabelzug und Windwiderstand können nun entweder parallel sein, 
dann bilden sie ein Drehungsmoment. und der Ballon macht lediglich 
Drehungen, er schleudert; — oder sie sind nicht parallel: dann haben sie 
ausser dem drehenden noch einen verschiebenden Einfluss, und der Ballon giert. 

Zur Beurteilung der Stever-Wirkung ist es besonders wichtig, die 
Lage der Drehungs-Achse zu kennen, um welche der Ballon schwingt; 
denn offenbar wird ein kleines Steuer, weit von der Drelungs-Achse ent- 
fernt, ebenso gut wirken als ein grosses nahe an derselben. 

Nun Jeistet der Ballon in seiner Gleichgewichtslage seitlich auf ilm 
wirkenden Kräften keinen Widerstand ausser durch seine Masse, sobald 
die Drehung nur sehr klein ist, und unter solchen Verhältnissen erfolgen 
alle Drehungen um eine durch den Schwerpunkt gehende Achse. 

Diess ändert sich erst, wenn die Dreliung einen gewissen Betrag erreicht 
‚hat und die Wirkung des Steuers, sowie der schiefe Kabelzug und der 
Auftrieb ihren Einfluss geltend machen. 

Die Richtung der Drehungs- 
Achse ist senkrecht zu dem Hebel- 
arm der Kraft. Ist (Fig. 8) D der 
Angriffspunkt der störenden Kraft, 
S der Schwerpunkt, so ist AB die 
Drehungs-Achse. Die Lage derselben 
st offenbar sehr ungünstig, da sie so 
nahe dem Hinterteil vorbei geht und 
macht sehr kräftige Steuer - Organe 
erforderlich. 

Diess ist hauptsächlich auf die tiefe Lage des Ballonschwerpunktes 
zurückzuführen. Die Schwerpunktslage in der Skizze entspricht ungefähr 
den Verhältnissen eines mässig grossen mit Wasserstoff gefüllten Ballons. 
Offenbar ist das Steuer um so weniger wirksam, je tiefer und weiter hinten 
der Schwerpunkt gelegen ist, und nun so schlechter ist demnach auch 
die Stabilität. 

Die Drelung um die Achse AB kann man sich auch zusammengesetzt 
denken aus einer Drehung um eine horizontale und um eine verticale Achse 
CS. Die Dreliungsmonente um die horizontale Achse werden nun, sobald 





À. v. Parseval: Der Drachen Ballon. 15 


die Drehung einigermassen begonnen hat, durch den Auftrieb und das 
Gewicht teilweise gehoben, und es wirken dann nur die Drehungen um 
eine mehr senkrechte Achse, bei denen die Wirkung des Steuers eine 
günstigere ist. 

Die Drehungen des Ballons erfolgen somit im Allgemeinen um eine 
rückwärts geneigte, durch den Schwerpunkt gehende Achse, was auch die 
Beobachtung bestätigt. 


Hierbei weicht zunächst der Vorderteil des Ballons seitwärts aus. 
Der Korb und der ihm zunächst liegende Hinterteil des Ballons folgen nicht 
sofort, und zwar der Korb zuletzt. Bei mässigem Wind ist das Auswei- 
chen der Spitze ein langsames, die Bewegungen sind klein, und der Korb 
kommt nur wenig aus seiner Lage. Der Ballon macht dann zeitweise kleine 
Bewegungen, und seine Stabilität ist ausreichend. 


Aber schon bei mittlerem Wind erfolgen die Seitenbewegungen des 
Ballonkörpers rascher, der Korb bleibt bedeutend zurück, und der Ballon 
legt sich merklich seitwärts schief. Endlich pendelt der Korb nach und über- 
schreitet seine Gleichgewichtslage, mit ihm das Hinterteil des Ballons: und 
nun schaltet die Bewegung nach der entgegengesetzten Seite um. 


Bei starkem Wind sind die Bewegungen noch schneller und ausgiebiger. 
Der Ballon wird nicht nur seitwärts, sondern auch abwärts gedrückt: er 
zeigt Neigung, seitwärts umzuschlagen. Der Korb wird wie ein Ball hin 
und her geworfen. 


Der Umstand, dass Ballons, welche bei mässigem Wind sich znfrieden- 
stellend verhielten, bei starkem Wind unbrauchbar werden, rührt somit 
daher, dass ihre Stabilität durch den Auftrieb wesentlich mit bedingt war. 
Es ist auch offenbar unrichtig, ein konstantes Kıräftepaar wie Auftrieb und 
Gewicht zu benutzen, um den so sehr wechselnden Kräften des Windes das 
Gleichgewicht zu halten. Zur Beseitigung untergeordneter Schwankungen 
ist daher ein besonderes Organ verwendet. 


Gleichwohl spielt das Kräftepaar Auftrieb-Gewicht eine wichtige Rolle, 
indem es dem Ballon die allgemeine Stellung giebt. Die Drachenfläche 
verursacht nämlich an sich nur eine Abweichung aus der Windrichtung. 
Diese könnte ohne den Auftrieb auch eine seitliche, oder abwärts gerichtete 
sein. Dadurch aber, dass das Gewicht sich senkrecht unter den Ballon 
stellt, wirkt die Drachenfläche stets nach oben, und der Ballon sucht den 
höchsten Punkt des Kreises auf, welcher den geometrischen Ort der kon- 
stanten Abweichung aus der Windrichtung bildet. 

Ein besonderer Uebelstand des Systems ist die so sehr tiefe Lage des 
Schwerpunktes, welche durch die ganze Anordnung unvermeidlich gegeben 
ist. Nur dann, wenn auch das Vertikalsteuer entsprechend tief läge, würde 
eine befriedigende Stabilität zu erzielen sein. Es müsste also die Lage der 
Hauptsteuerflächen der Lage der Hauptmassen angepasst sein. Da dies 


16 A. v. Parseval: Der Drachen-Ballon. 


aus praktischen Gründen nicht möglich ist, so reicht das Vertikalsteuer 
für sich allein nicht aus. 

Bei der Wichtigkeit, welche der richtigen Verteilung der Massen und 
Flächen zukommt, müssen wir nun noch der Frage näher treten, welche 
Wirkung bei den Schwankungen das Kabelgewicht ausübt. Da nur ein 
kleiner Teil des Kabels die Seitenbewegungen des Ballons mitmacht und 
dies nur unvollständig, so kommt nur ein ganz geringer Teil des Kabels 
als hin und her gehende Masse in Betracht. Bei Berechnung des Ballon- 
schwerpunktes wurde daher des Kabelgewicht stets vernachlässigt. 


Die Versuchserfahrungen werden durch die Theorie sehr einfach er- 
klärt; tiefer Schwerpunkt, schlechte Stabilität! daher auch bei Höher- 
hängen des Korbes besserer Stand des Ballons. Insbesondere begreift man 
auch, warum eine Ballonform, welche bei 600 cbm Grösse, mit Leuchtgas 
gefüllt, ausgezeichnete Ergebnisse hatte, bei der Ausführung mit 450 cbm 
und Wasserstofffüllung recht ungenügend war. Am grossen Ballon mit 
schwerer Hülle und schwerem Leuchtgas fiel der Schwerpunkt vorwiegend 
in den Ballonkörper, also sehr hoch und weit nach vorne, die Stabilität 
war deshalb, selbst bei starkem Winde sehr gut. Bei Wasserstofffüllung, 
als 2 Personen im Korbe waren, der Schwerpunkt also sehr bedeutend 
nach abwärts und hinten gerückt war, änderte sich das merklich. Ganz 
schlecht wurde aber die Sache an einem kleineren, aus überaus leichtem 
Seidenstoff gefertigten Ballon mit Wasserstoff-Füllung. 


Dies unerwartete Versagen eines scheinbar sorgfältig ausprobirten 
Apparates gehört zu den bei solchen Unternehmungen schwer vermeidbaren 
Erfinder-Enttäuschungen. 


Nach diesen, allmählich bei den Versuchen gewonnenen Gesichts- 
punkten wurden die Steuerorgane unter möglichster Vermeidung von 
Stangenwerk construirt. 


Nachstehend folgen einige Skizzen, welche die Hauptstadien unserer 
Versuche bezeichnen. 


I. Leuchtgasballon von 600 [_]m Steuer- 
fläche aus zwei dreieckigen Segeln ABC und 
A BD mit einer Stange in AB, Segelflächen 
durch daran aufgehängtes Korbgewicht ge- 
spannt, Korb durch Leinen an die Ecken des 
Ballons, welche in der Skizze weggelassen 
sind, noch besonders gesichert. (Fig. 9). 

Die Stabilität war bei mässigem Winde 
zur Noth ausreichend, bei starkem Wind 

Fig. 9. ungenügend. 

lI. Das Steuer in Fig, 9 ist durch einen mit Luft aufgeblasenen Ballon- 





A.v. Parseval: Der Drachen-Ballon. 17 


körper ersetzt von konischer, hinten durch einen Kugelabschnitt geschlos- 
sener Form (Fig. 10.). 


Fig. 10. Fig. 11. 
Steuerung nicht kräftig genus. 


III. Dem 600 cbm Ballon wird ein zweiter, dem ersten green 
Steuerkörper oben hinzugefügt, welcher mit Gas aufgeblasen ist. (Fig. 11.) 
Die Wirkung war sehr befriedigend. 
In dieser Form wurde der Ballon der Luftschifferabtheilung in 
Berlin vorgeführt, wo er bei sehr starkem Wind sehr wohl entsprach. 
Ein jenem nachgebauter kleinerer Wasserstoffballon hatte jedoch in 
den Manövern des Jahres 1894 bei Elbing nicht das gleiche günstige Resultat. 
Die Steuervorrichtung wurde daher nach 
Fig. 12. verstärkt und gleichzeitig die ver- 
besserte Fesselung eingeführt. 
In Folge der Wahrnehmung, dass die 
obere Hälfte des Steuers nicht nützlich wirkte, 


wurde das Steuer auf die Form Tafel I mit Kg 
Fig. 12 reducirt. 


In den Manövern des Jahres 1896 zeigte Fig. 12. 
sich, dass der Ballon zwar bei starkem Winde dauernd hoch gehalten 
werden konnte, dass aber die Beobachtung aus demselben durch die hierbei 
auftretenden Schwankungen noch zu sehr gestört war. 

Es schien nur mehr einer kleinen Verbesserung zu bedürfen, um jene 
Schwankungen zu beseitigen. 

Gleichwohl war es sehr fraglich, ob es möglich sein würde durch Ver- 
stärkung der Steuerorgane auf dem bisherigen Wege dieses Ziel zu erreichen. 

Denn einmal war man mit der Vergrösserung des Vertical-Steuers 
nahe an der Grenze des Möglichen: dann ist die Wirkung des Steuers 
durch die ungünstige Lage des Schwerpunktes überhaupt stark beeinträchtigt, 
und schliesslich ist ein Verticalsteuer seiner Natur nach überhaupt wenig 
geeignet zur Beseitigung kleiner Schwankungen, weil seine Wirksamkeit 
erst beginnt, wenn der Ballon schon eine gewisse Ablenkung von der Gleich- 
gewichtslage erlangt hat. 

Es galt somit, ein Organ anzubringen, welches jene Seitenbewegungen 
wirksamer dämpfte, d. h. sie so sebr verlangsamte, dass ein merkliches Zu- 
rückbleiben und Nachpendeln des Korbes nicht stattfinden kann. 


18 A. v. Parseval: Der Drachen-Balion. 


Diess wird, wie Herr von Siegsfeld ausführte, dadurch erreicht, 
dass am Ballon ein Hilfs-Organ angebracht wird, welches bei Bewegungen 
mit grossem Luftwiderstand mitgezogen wird. Die Aufhängung desselben 
geschieht am besten an einem Teil des Ballons, welcher möglichst grosse Beweg- 
ungen ausführt, und zwar an zwei seitlich weit auseinander liegenden Punkten, 
damit der Hilfskörper gezwungen ist, die Seitenbewegungen möglichst voll- 
ständig mitzumachen. Es liegt nahe, hiezu wieder kleinere Ballons zu nehmen. 
Um jedoch die Herabdrückung des Hauptballons durch den nach hinten 
gerichteten Zug eines drachenschwanzähnlichen Organs zu vermeiden, wurde 
dasselbe gleichfalls als Drachenballon ausgeführt. 

Tafel IV zeigt Form und Anordnung desselben. Da sein Zweck die 
Ausübung von Kräften ist, so wurde eine Form gewählt, welche bei geringem 
Volumen einen hohen Winddruck erfährt. 

= Der Hauptkörper besteht aus einem Ring mit einer etwa 10 cm 
grossen centralen Öffnung. Diesen umschliesst ein zweiter Ring, welcher auf 
- derselben Grundfläche aufliegt. 

Die ganze Grundfläche ist mit Stoff eben eingedeckt und in dieser 
Eindeckung ein Windfang angebracht, welcher den zwischen der Eindeckung 
und dem Ringkörper sich bildenden Zwischenräumen Luft zuführt, so dass 
diese als Ballonet wirken und den Ballon in seiner Form erhalten. 

Um unnötige Schwankungen des Hilfs-Ballons zu vermeiden, ist ein 
drachenschwanzähnliches Organ an ihm angebracht. 

Die Halteleinen greifen am Umfange der Ringkörper an; ausserdem 
führt vom Fessel-Punkt eine Leine durch die centrale Öffnung und nimmt, 
sich verzweigend, die Windkräfte gegen die mittleren Teile des Ballons auf. 

Der Durchmesser des Ringballons beträgt ca. 70°/o des Durchmessers 
des Hauptballons; der Kabelzug ca. 30°0, die Entfernung vom Haupt- 
ballon 50 m. 

Die gewählte Aufhängung ist zwar nicht die allerwirksamste, die 
möglich ist; indessen war die Function dieser einfachen Anordnung bei den 
Versuchen sehr befriedigend und ihre Stabilität vollkommen ausreichend. 

Somit besitzt der Drachenballon zwei selbständige Steuerorgane, von 
denen jedes für sich allein den ungefähren Stand des Ballons und damit 
die nötige Sicherheit gegen Unfälle gewährleistet. Aber erst beide zu- 
sammen geben die zur Beobachtung erforderliche Stabilität. Diess hat den 
Vorteil, dass die Steuerorgane durch feindliches Feuer nicht ganz ausser 
Dienst gesetzt werden können. Denn sollte auch der Hilfsballon durch einen 
Schuss zerstört werden, so bleibt dorh das gegen einzelne Treffer, die immer 
nur ein sehr kleines Loch! erzeugen, fast ganz unempfindliche Verticalsteuer. 


IV. Einzelheiten der Herstellung. 


Nachdem nunmehr die allgemeinen Gesichtspunkte für den Drachen- 
ballon und die angewendeten Formen besprochen sind, erübrigt noch ein 


A v. Parseval: Der Drachen-Ballon. 19 


Eingehen auf die Einzelheiten der Herstellung, da unter so eigenartigen 
Verhältnissen fast kein Theil des Ballons die bisher gewohnten Formen bei- 
behalten konnte. 

Zunächst musste auf ein Netz verzichtet werden, da ein solches nicht 
die nöthige Genauigkeit in der Lage der Halteleinen gewährleistete. 

Letztere greifen daher an einem aus starkem Segeltuch hergestellten 
und mit gummirtem Stoff überzogenen, 25 cm breiten Gurt an, welcher 
den Ballon ungefähr 1 m unter der Mitte rings umfasst. 

Die Leinen an diesem Gurt wer- 
den durch das neben skizzierte Drei- 
schlaufen-System befestigt (Fig. 13.) 

In welcher Richtung auch hier 
die Leine zieht, stets wird das Ende 
derselben sich so einstellen, dass die 
Schlaufen nahezu in ihrer Längsrich- 
tung beansprucht sind, wodurch ein 
Abreissen derselben ausgeschlossen ist. 

Die Schlaufen müssen mit je | 
50 Kilogramm beansprucht werden Fig. 18. 
können, ohne dass ihre Befestigung gelockert wird. 

Um alle in den Leinen auftretenden Kräfte möglichst gleichmässig am 
Gurt angreifen zu lassen, sind die Leinen nicht zu einem Netz verbunden, 
sondern in einer Anzahl von Reihen übereinander freibeweglich angeordnet. 

So trägt eine Auslaufleine an ihrem Ende eine Kausche, durch diese 
geht eine Leine, welche an ihren beiden Enden Kauschen trägt, durch diese 
beiden Kauschen führen wieder je zwei Leinen u.s.f., bis die 4. Reihe mit 
16 Schlaufen am Gurt angreift. Die dritte und 4. Reihe bedarf keiner 
Kauschen, es genügen hier einfache gesplisste oder geknotete Schleifen. 
Die einzelnen Seile sind nicht zu lang bemessen, da sich dieselben sonst 
leicht bei Nässe drillen, wodurch die freie Beweglichkeit des Takelwerks 
behindert wird. Namentlich gilt dies von der 4. Reihe, welche unmittelbar 
am Gurt angreift; für diese ist am besten geklöppelte Schnur zu verwenden. 

Dieses System der Leinenführung sichert nicht nur eine gleichförmige 
Übertragung der Kraft, sondern gestattet auch rasche und leichte Ände- 
rungen in der Fesselung und Korbaufhängung, da sich dasselbe jeder belie- 
bigen Zugrichtung anpasst. 

Wenn isolirte Kräfte am Ballon angreifen, z. B. bei einzelnen Leinen, 
Endigungen von Gurten, Knöpfen u. dergl.. muss dafür gesorgt werden, 
dass diese Kräfte sich auf einen möglichst grossen Theil der Ballonober- 
fläche ausbreiten können, weil sonst leicht ein Einreissen des Stoffes zu 
befürchten ist. 

Am besten wird dieser Zweck erreicht, wenn man an den betreffenden 


Stellen kreisförmige Teller aus doppeltem Stoff aufgummirt und erst an 
dh 





50 A v. Parseval: Der Drachen-Ballon. 


diese die Leinen etc. angreifen lässt; in einzelnen Fällen ist es zweckmässig, 
auf diese Teller vor dem Aufgummiren Kreuzschlaufen aufzunähen, und 
diese als Befestigungspunkte zu verwenden. 

Werden in der Ballonwand Öffnungen zu irgend welchem Zwecke 
angebracht, so sind deren Ränder um so kräftiger zu verstärken, je grösser 
die Öffnung ist. Zur Verstärkung selbst ist mindestens soviel Material zu 
verwenden, als durch die Öffnung wegfällt, damit die in der Ballonwand 
auftretenden Kräfte mit der nöthigen Sicherheit um die Öffnung herum- 
geleitet werden. Den Öffnungen ist stets kreisförmige Gestalt zu geben. 

Das Steuer ist vom Ballon ganz unabhängig; es ist an demselben 
mittels Gurtes und Leinensystems befestigt und besitzt seinen eigenen Wind- 
fang, welcher wie der Windfang des Ballonets ebenfalls mit einem Rück- 
schlagventil versehen ist. (Tafel II u. UI). 

Letzteres besteht aus einem kurzen, weiten, in die Öffnung des Wind- 
fanges eingenähten Schlauch im Innern des Steuers. Derselbe ist durch 
Leinen an zwei gegenüberliegenden Punkten in der Stoffwand des Konus 
gehalten und leicht angespannt, so dass der Schlauch glatt gezogen wird. 

So kann die Luft leicht eindringen, aber an dieser Stelle nicht wieder 
das Steuer verlassen. Zu diesem Zwecke ist am oberen Ende des Steuers 
mitten auf der Halbkugel eine ca. 20 cm im Durchmesser haltende Öffnung 
angebracht. 


V. Die Ventile (nach v. Siegsfeld). 


Ein wichtiger und schwieriger Theil der Anordnung waren die Ventile. 
Da der Ballon durch das Rückschlag-Ventil im Windfange des Ballonets 
vollständig abgeschlossen ist, würde er bei Ausdehnung seines Inhaltes 
Gefahr laufen zu platzen. Er besitzt deshalb ein Sicherheitsventil im Ballo- 
net. Würde dieses Ventil sich in die freie Atmosphäre öffnen, so könnte 
es bei starkem Wind weit aufgedrückt werden, wodurch die Wirkung des 
Windfanges beeinträchtigt würde. Deshalb öffnet sich das Ventil nicht ins 
‚Freie, sondern nach dem Innern des Steuers, wo in Folge des angeordneteu 
Windfanges nahezu der maximale Winddruck herrscht. Nun kann der Wind 
das Ventil nicht mehr aufdrücken. 

Für dieses Ventil hat sich folgende einfache Form als zweckmässig 
erwiesen. 

In der Ballonwand A (Tafel III) befindet sich eine kreisförmige Öffnung. 
An diese setzt sich der aus Ballonstoff bestehende Schlauch C an; der 
untere Rand desselben ist mit einer Anzahl von Ösen versehen, in welchen 
die gleiche Anzahl von Schnüren befestigt ist; dieselben laufen zu einer 
einzigen zusammen. Ebenso wird am oberen Rande des Schlauches ver- 
fahren, wo derselbe an die Ballonetwand ansetzt. Die Vereinigungspunkte der 
Schnüre sind durch einen Gummizug verbunden. Die Längen des Stoft- 
schlauches, der Schnüre und des Gummizuges sind nun derart bemessen, 


A. v. Parseval: Der Drachen Ballon. 2j 


dass durch den Gummizug das äussere Ende des Stoffschlauches eingestülpt 
und nach innen hinein gezogen wird, wenn keinerlei Kräfte auf dieses Or- 
gan wirken. Ist dagegen im Innern des Ballons Überdruck vorhanden, so 
streckt sich der Gummischlauch und giebt bei entsprechender Höhe dieses 
Druckes die untere Öffnung des Stoffschlauches mehr oder weniger frei. 

Auf diese Weise wird die Function eines selbstthätigen Sicherheits- 
ventils ausgeübt. Dasselbe ist zwar nieht vollständie dicht; dies ist aber 
in diesem Falle auch nicht erforderlich. 

Bei einem Überdruck von 6-8 mm Wasser öffnet sich das Ventil 
und die Luft kann aus dem Ventil in den Innenraum des Steuers entweichen. 
Findet diese Function z. B. beim Aufsteigen des Ballons statt, so ist, 
namentlich wenn der Ballon anfangs ziemlich voll gefüllt war, die Luft auf 
diese Weise bald aus dem Ballonet verdrängt, und es würde der Ballon 
abermals in Gefahr kommen zu platzen, wenn man nicht ein Ventil im 
Gassaum öffnen würde, bezw. selbststhätig sich öffnen liesse. 

Zu diesem Zwecke ist vom Hauptventil, welches sich ganz vorn in der 
Mitte der Halbkugel befindet, eine Leine im Innern des Gasraumes bis an 
die Innenwand des Ballonets geführt und mittels einiger Teller befestigt. 
Die Länge der Leine ist nun so bemessen, dass sie, wenn die Ballonwand 
noch ca. 1 m von der Aussenwand entfernt ist, so straff angezogen 
wird, dass das Ventil sich öffnet. i 

Dies geschieht bei den grossen, zur Wirkung gelangenden Stoffflächen 
schon bei sehr geringen Drucken. 

Diese Einrichtung erspart ein besonderes Sicherheits-Ventil im Gasraum. 
Das Hauptventil kann aber auch von Hand geöffnet werden mittels einer 
Leine, welche durch den Füllansatz in einer leicht abreissbaren Dichtung 
geführt ist. Die ganze Ventileinrichtung bietet volle Gewähr für die Sicher- 
heit des Ballons und hat sich bei den Versuchen bewährt. 


VI. Ueber die Festigkeits-Verhältnisse des Drachenballons. 


Da Draclienballons einem viel stärkern Wind ausgesetzt werden, als 
Kugelballons, ist die Festigkeit des Materials besonders wichtig. Wir be- 
trachten gesondert die Beanspruchungen der Hülle und des Tauwerks. 

Die Hülle wird beansprucht: 1. durch den statischen Gasdruck, 
2. durch den mittes des Windfanes in das Innere geleiteten Winddruck, 
3. durch den äussern Winddruck, t. durch die auf den Gurt wirkenden 
äusseren Kräfte, das Gewicht des Korbes und den Kabelzug. 

Bei Windstille wirken nur der statische Druck und das Gewicht der 
Lasten. Der statische Druck ist abhängig von der Höhe der Gassäule 
und beträgt für jeden Meter Höhe bei Wasserstoff 1'1 mm, bei Leuchtgas 
06mm Wasser. Bei einem Wasserstoff-Ballon von 50 kbm Inhalt giebt 
dess an dem höchsten Punkt etwa 13 mm Wasser, Auf die Unterseite 


22 A. v.Parseval: Der brachen-Ballon. 


ist der Druck kleiner als auf die Oberseite. Der Unterschied beider giebt 
bekanntlich den Auftrieb. Derselbe wird am Gurt durch die Seilsysteme 
aufgenommen, welche Korb und Kabel tragen. Hiedurch ist die obere 
Seite des Ballons stärker beansprucht wie die Unterseite. Diese Kräfte 
sind jedoch im Vergleich zn der Widerstands-Fähigkeit des Materials 
nur klein. 

Bei Wind wird der im Windfang entstehende Druck dem Innern des 
Ballons mitgeteilt, wo er sich gleichmässig ausbreite. Dann herrscht im 
Ballon ein Ueberdruck, welcher gleich ist der Summe aus dem statischen 
Druck plus dem im Windfang entstehenden Druck. Letzterer ist bei starkem 
Wind weit höher als die statischen Drucke und kann unter Umständen 
so gross werden, dass die Haltbarkeit des Materials gefährdet ist. 

Die Grösse der vom Wind hervorgebrachten Drucke wurde von uns 
mittels eines Wassermanometers gemessen, dessen Schenkel mit der Mitte 
einer dem Windstrom ausgesetzten ebenen Platte auf beiden Seiten in Ver- ' 
bindung standen. Die abgelesene Differenz setzt sich zusammen aus einem 
Ueberdruck auf die Stirnseite der Platte und einem gleich grossen Minder- 
druck auf die Rückseite. Sie stellt das Maximum dar, was vorkommen kann. 

Eine charakteristische Eigenschaft des Windes ist seine Ungleichförmig- 
keit. Der Druck schwankt fortwährend in ziemlich weiten Grenzen; ein 
C'onstantbleiben des Druckes auch nur für wenige Secunden ist sehr selten. 

Nach dem Drucke können wir die Windstärke wie folgt einteilen: 

1. Mässiger Wind; mittlerer Druck bis 12 mm, wobei Kugelballons 
noch brauchbar sind. 

2. Starker Wind; mittlerer Druck bis 25 mm, in den Stössen weit 
mehr. Geschlossene Truppenabteilungen können sich nicht mehr bewegen, 
die Stösse beeinflussen auch Pferde. 

3. Sehr starker Wind; einzelne Fussgänger werden umgeworfen, die 
Haltbarkeit des Ballonmaterials wird sehr stark beansprucht, Schaden an 
Gebäuden etc. angerichtet. 

Die Beanspruchungen der Hülle sind aber nicht abhängig von der 
absoluten Höhe der Wind-Drucke sondern von dem Druck-Unterschied 
inner- und ausserhalb der Hülle. Der innere Wind-Druck ist im ganzen 
Ballon der gleiche und zwar gleich dem halben \Windmesserdruck; der 
äussere Druck ist je nach der Lage der Oberfläche sehr verschieden und 
wechselt zwischen positiven und negativen Drucken. 

Der grösste Ueberdruck herrscht an der dem Winde gerade entgegen- 
gerichteten Stirnfläche des Ballons. Hier erreicht er die Höhe des innern 
Winddrucks und hält jenem das Gleichgewicht. Der Druckunterschied 
zwischen aussen und innen ist daher hier gleich dem statischen Gasdruck. 

An den dem Winde nicht senkrecht, sondern schräg zugekehrten Teilen 
der Oberfläche ist der äussere Winddruck kleiner als an der Stirnfläche. 
Diess ist der Fall an einem grossen Teil der vordern Halbkugel und an 


A. v. Parseval: Der Drachen-Ballon. 23 


der Bauchfläche. Hier ist dem innern Winddruck nicht ganz das Gleich- 
gewicht gehalten; der fragliche Druckunterschied ist also kleiner als der 
innere Winddruck, d. i. kleiner als der halbe Windmesser-Druck. 

An den Flanken ist der äussere Winddruck gleich Null; hier ist da- 
her der Druckunterschied gleich dem halben \Windmesser-Druck. 

An den vom Winde abgekehrten Teilen der Oberfläche, d. i. am 
Rücken des Ballons, entsteht ein Minderdruck, der Wind übt hier eine 
saugende Wirkung. Dadurch wird der fragliche Druckunterschied vergrössert ; 
er ist grösser als die Hälfte des \Windmesser-Druckes. und der volle Betrag 
des letzteren wird erreicht an den Teilen der hintern Halbkugel, welche 
vom Wind senkrecht abgekelırt sind. | 

Bei dieser eigentümlichen Druckverteilung entsteht die Frage nach 
den Beanspruchungen, und nach der Haltbarkeit der Ballon-Stoffe. 

Die Haltbarkeit gummirter Baumwollen-Stoffe, wie sie in Deutschland 
gebräuchlich sind, habe ich mittels Zerreiss-Vorrichtung geprüft. Das 
Gewicht der Stoffe betrug ca. 350g pro []m. Ein Streifen von 10 cm 
Breite riss bei 100—120 kg Zug. 

Für einen Streifen von 1 m Breite können wir die Grenz-Beanspruchung 
daher mit 1000 kg annehmen. 

Bei der Berechnung der Beanspruchungen ist ein Unterschied zwischen 
Kugel- und Cylinder-Oberfläche. Wir rechnen zunächst mit gleichförmig 
verteiltem Druckunierschied. 

In der Cylinderoberfläche haben wir eine Beanspruchung in der 
Längsrichtung durch den Zug auf die beiden Ballon-Enden, welche Quer- 
risse veranlasst; ferner eine Querbeänspruchung, welche die obere von der 
untern Cylinderhälfte zu trennen sucht, also Längs-Risse verursacht. 


Nach bekanuten Formeln ist 
p.r 
d 





die Längsbeanspruchung Sı = 


„ Querbeanspruchung Sq = p.r 
wenn r den Cylinder-Halbmesser, p die auf der ganzen Oberfläche gleich- 
förmig herrschende Druck - Differenz bedeutet. 

Für die Kugel gilt die erste der beiden Formeln in zwei senkrecht 
aufeinander stehenden grössten Kreisen. 

Hieraus ersehen wir, dass im C'vlindermantel die Querbeanspruchungen 
doppelt so gross sind, als die Längsbeanspruchungen und doppelt so gross 
als die der Kugel. Die (@uerbeanspruchungen sind es daher, die bei der 
Festigkeitsberechnung in erster Linie berücksichtigt werden müssen. 

Nehmen wir einen Ballon von 6 m Dm. und bezeichnen den Druck p 
in kg auf 1 [Im, so ist: p = 1 kg = 1 mm Wasser, und setzen wir 
die Grenzbeanspruchung 1000 kg in der Formel ein, so wird 

Bu = 1000 = 3.9, woraus 
p = 333 mm Wasser = Ta Atm. 


24 A. v. Parseval: Der Drachen-Balloın. 


Diese Beanspruchungen werden aber keineswegs erreicht, wenn der 
Winddruckmesser einen Druck von 333 mm zeigt. Wie wir gesehen haben, 
sind die Druckunterschiede an der Bauchfläche und folglich auch die Bean- 
spruchungen kleiner als die Hälfte des Windmesserdruckes. An der Rücken- 
fläche ist der Druck-Unterschied zwar grösser, bleibt aber kleiner als der 
Windmesser-Druck. 

Die Spannung des Stoffes ist natürlich in der Hälfte ober- und unter- 
halb des Gurtes verschieden, in jeder der beiden Hälften aber ganz gleich- 
förmig. In Folge dessen kann der Querschnitt nicht kreisförmig sein. Da- 
mit die Stoffspannung constant bleibt, muss das Product aus Druck und 
Krümmungs-Radius einen constanten Werth haben, der Krümmungs-Halb- 
messer ist also dem Druckunterschied umgekehrt proportional. Der Aussen- 
druck auf die Bauchseite, welcher den Druckunterschied etwas vermindert, 
bewirkt also eine Abplattung, die saugende Wirkung des Windes auf die Rück- 
seite eine stärkere Wölbung des Querschnittes. Kann der Querschnitt in 
Folge der hierdurch bewirkten Volumverminderung diese Form nicht ganz 
annehmen, so ist eine geringe Druckerhölung de Folge. Bei hohen Be- 
anspruchungen hat jedoch der gummirte Stoff reichlich Delinbarkeit genug, 
um diese Veränderungen zu gestatten. 

Die Stoffspannung entspricht dann einem mittlern Druckunterschied an 
der Oberfläche, ist also kleiner, als die nach dem maximalen Druckunter- 
schied berechnete. 

Ähnliches gilt auch für die Kugel, wo der Ort des grössten Druck- 
Unterschiedes sich befindet. 

Da die Kugel aber an sich günstigere Festigkeitsverhältnisse als die 
Cylinderoberfläche, d. h. eine höhere Bruchbelastung besitzt, so folgt daraus, 
dass Drachenballons einen Wind praktisch noch aushalten, der sie zum 
Platzen bringen würde, wenn sein voller Druck auf die ganze Oberfläche 
gleichförmig wirkte. 

Noch wäre zu überlegen, welche Beanspruchungen durch auftretende 
Biegungsmomente am Ballon hervorgerufen werden. Biegungsmomente, 
welche durch eine nicht ganz entsprechende Gewichtsaufhängung verursacht 
sind, kommen grossen Windkräften gegenüber nicht wesentlich in Betracht, 
ausserdem beeinflussen sie nur die Längs-Beanspruchungen, die ohnehin nur 
halb so gross sind, wie die Quer-Beanspruchungen, und haben daher keinen 
Einfluss auf die Bruchfestigkeit. 

Die auf den Gurt wirkenden äusseren Kräfte, der Kabelzug und das 
Gewicht des Korbes müssen möglichst gleichförmig auf den Stoff übertragen 
werden, was durch die Art der Takelung hinreichend gesichert ist. Kleine 
Ungenauigkeiten vermag der kräftige Gurt auszugleichen. Diese äusseren 
Kräfte ergeben den Unterschied zwischen den Beanspruchungen der oberen 
und unteren Seite des Ballons; in der obigen Rechnung haben wir diesen 
Unterschied schon berücksichtigt. 


A. v. Parseval: Der Drachen Ballon. 25 


Wir baben somit gefunden, dass ein Ballon von 6m Cylinder-Durch- 
messer einen Wind, dessen Druck !/so Atmosphäre beträgt, noch aushält. 
Dieser Druck entspricht aber einer Wind-Geschwindigkeit von 50 m, also 
einem Orkan, und hieraus folgt das beruhigende Ergebniss, dass die Festig- 
keit des Ballons in allen Fällen ausreicht, so lange der Wind die Hand- 
habung im Freien gestattet. Ja, man könnte sogar, ohne an Sicherheit 
einzubüssen, gegenüber der jetzigen Anordnung noch ca. (ie am Gewicht 
der Hülle sparen, wenn man die minder beanspruchten Teile aus entsprechend 
leichterem Stoff fertigte. 

Die grössten Beanspruchungen kommen aber überhaupt nicht beim 
Gebrauch des Ballons im Winde vor, sondern bei unsachgemässer Behand- 
lung des Materials seitens der Bedienung, und hier ist die Abhülfe Sache 
der militärischen Praxis. 

Noch ist die Frage von Interesse, welchen Einfluss die Ballonform 
auf die Festigkeit hat. Aus den Formeln geht hervor, dass die Bean- 
spruchungen proportional den Durchmessern wachsen. Ein Ballon von Im 
Durchmesser kann somit einen 6 mal grösseren Druck aushalten als ein 
solcher von 6m. Dies gilt für jede beliebige Ballonform. Ein grosser 
Ballon kann und muss daher eine schwerere und festere Hülle besitzen 
als ein kleiner. 

Nun liegt es nahe, durch Anwendung kleinerer Durchmesser und 
grösserer Ballon-Längen den Drachenballons erhöhte Festigkeit geben zu 
wollen. Eine einfache Rechnung zeigt aber, dass man damit wohl grössere 
Festigkeit erzielt, aber auch eine entsprechend grössere Oberfläche, d. h. 
einen erhöhten Stoffverbrauch bei der Hülle und ein grösseres Gewicht. 
Mittels grösseren Gewichts können wir aber auch olıne Formänderung eine 
festere Hülle erzielen. Ein Vorteil ist also nicht erreicht. 

Der Kabelzug eines Ballons von 500--600 cbm beträgt ca. 20 kg 
pro mm Winddruck plus dem Auftrieb, bei starkem Wind eher etwas 
weniger. Die meist beanspruchte Stelle des Kabels liegt dicht am Ballon, 
wo ausser den Windkräften das ganze Gewicht des Kabels wirkt. Das 
Takelwerk muss eine solche Festigkeit besitzen, dass das Kabel unter allen 
Umständen zuerst reisst. Auch muss das Kabel jederzeit früher reissen, 
als die Gefahr des Platzens für den Ballon eintritt. Für die gebräuchlichen 
Ballon-Grössen erscheint eine Reiss-Festigkeit von 2000 kg angemessen. Bei 
noch höherem Kabelzug dürften die Ballons auch kaum mehr handlich sein. 

Im Allgemeinen hat der Drachenballon vor dem Kugelballon den Vor- 
teil einer gleichmässigeren und ruhigeren Beanspruchung des Materials. 
Heftige Bewegungen, Formänderungen sind vermieden. Es bleiben alle 
Leinen gleichmässig gespannt, und die Schwankungen im Kabelzug sind 
geringer. Ein Vorteil ist insbesondere das Wegfallen der heftigen Rucke, 
wenn lose gewordene Leinen sich plötzlich strecken, was immer das Auf- 
treten grosser Kräfte und hoher Beanspruchungen zur Folge hat. 


26 A. v. Parsev a l: Der Drachen-Ballon. 


VII. Eigenschaften des Drachenballons. 


Während der dreijährigen Versuche bei der preussischen Luftschiffer- 
abteilung war hinreichend Gelegenheit, die Eigenschaften des Ballons nach 
jeder Richtung hin kennen zu lernen. Obwohl dieselben teilweise schon in 
den früheren Abschnitten Erwähnung gefunden haben, ist eine kurze Zu- 
sammenstellung zur Beurteilung der Sache doch förderlich. 


1. Das Verhalten des Ballons in der Luft. 


Bei Windstille stellt sich der Ballon mit ziemlich steilem Drachen- 
winkel am senkrechten Kabel unbeweglich. Drehungen in Folge Drillens 
des Kabels kommen nicht vor; denn soviel Luftzug herrscht immer, dass 
der Ballon in einer bestimmten Richtung eingestellt wird. 

Bei Wind geht der Ballon in der Windrichtung zurück, bis das 
Kabel eine Schräglage von 40° angenommen hat. Bei Veränderungen der 
Windstösse oder bei aufsteigenden Windströmungen wechselt der Ballon 
seinen Platz sehr langsam, für die Insassen fast unmerklich. Bei starkem 
Wind wird die Lage des Kabels etwas flacher. 

Seitenschwankungen sind selten und schwach. 

Der Drachenballon ist somit an fast jedem Tag im Jahre brauchbar, 
sobald nämlich der, Wind an der Erde die Füllung und Handhabung gestattet. 
Es ist im Jahre 1895 gelungen, den Ballon dauernd in grössere Höhe zu 
halten bei einem Winde, bei dem Kugelballons überhaupt nicht brauchbar sind. 

Man kann bei Wind eine ziemliche Menge Kabel unter Ueberlastung 
des Ballons durch die Drachenwirkung hoch nehmen lassen, jedoch unter 
Verschlechterung der Kabelstellung. 

Auch mit einer Ueberlastung des Korbes kann der Ballon bei Wind 
steigen. Gefahr ist keine damit verbunden. Beim Nachlassen des hebenden 
Windes geht der Ballon langsam herunter und setzt sanft auf dem Boden auf. 

lm Falle das Kabel reisst, ist auch eine Freifahrt möglich. Der Ballon 
stellt sich nach einigen Schwankungen etwas steiler als wenn er am Kabel 
hängt. Eine besondere Gefahr ist nicht damit verbunden. 

Die Betriebsdauer des Drachenballons ist, was hauptsächlich in Festungen 
wichtig sein dürfte, weit grösser als die der Kugelballons. Denn einmal 
ist durch die Trennung des Gases von der Luft durch eine Stoffwand das 
Verderben des Gases ein viel langsameres; dann sind Gasverluste durch 
heftige Bewegungen und durch den Winddruck vermieden. 

So wird das Gas länger erhalten, und man kann zudem einen Drachen- 
ballon mit teilweise verdorbenem Gas noch in Betrieb halten, wenn ein 
Kugelballon längst unbrauchbar sein würde. 

Denn beim Drachenballon kann man stets den ganzen Auftrieb aus- 
nützen, beim Kugelballon, wenigstens sobald nur wenig Wind ist, nur einen 
Teil, da der Kugelballon nur durch seine Steigkraft hochgehalten wird, 
während der Drachenballon durch den Wind selbst getragen wird. 


A v. Parseval: Der Drachen-Ballon. 27 


Ein Nachteil des Drachenballons ist das grössere Gewicht des Materials. 
Bei Windstille erreicht der Kugelballon grössere Höhen. Man hat des- 
wegen vorgeschlegen, ein Doppel-Material einzuführen. Ob man sich im 
Feld nicht doch auf das Unentbehrliche beschränken wird, muss die 
Praxis lehren. 


2. Die Handhabung des Ballons 


bietet keine besonderen Schwierigkeiten. Das Auslegen und Füllen braucht. 
die gleiche Zeit wie beim Kugelballon. Der Transport ist leichter, wenn 
man den- Ballon so halten lässt, dass er sich mit der Spitze von selbst 
gegen den Wind einstellt. Der Kabelzug ist geringer. 

Der Ballon ist bei viel stärkerm Wind noch zu füllen und zu regieren 
als der Kugelballon, weil er nicht so hoch über den Boden emporragt, und 
weil man viel mehr Leute im Bedarfsfall anstellen kann. 

Der Ballon ist leichter hinter Deckungen zu bergen und zu verankern. 


Am Schlusse unseres Berichtes wird es am Platze sein, einen Blick 
auf dass angewendete Drachenballon-System als solches zu werfen. 

Wir haben gesehen, dass der Ballon vermöge seiner Form eine schwer 
zu überwindende Neigung zu Seitenschwankungen besitzt. Es liegt nahe, eine 
Ballonform zu suchen, welche diesen Uebelstand nicht oder in geringerem 
Grade zeigt. Eine solche Form wäre beispielsweise ein Ringballon ähnlich 
dem Steuerballon, oder ein flossartiger Körper in Form von 2 oder 3 neben- 
einander liegenden cylindrischen Gasbehältern. Die technischen Schwierig- 
keiten wären wohl zu überwinden. Bei allen diesen Anordnungen müsste 
aber die Stirnfläche ungleich grösser sein als beim Langballon. Um gleich 
guten Stand zu erzielen, müsste dann auch die Drachenfläche entsprechend 
wirksamer sein. Diess aber ergiebt — abgesehen vun den sonstigen Nach- 
teilen so complicirter Gasbehälter — einen viel grösseren Kabelzug, was 
die Handhabung bei starkem Wind äusserst erschwert, so sehr, dass der 
Ballon schon bei weit geringerer Wind-Stärke unbrauchbar wird als der 
Langballon. 

Beispielsweise würde ein Ringballon ähnlich dem Steuerballon einen 
dreimal grösseren Kabelzug haben, als ein Langballon. 

Ueberhaupt muss ein möglichst geringer Kabelzug als eine Haupt- 
anforderung an den zum Gebrauche bei starkem Wind bestimmten Drachen- 
ballon bezeichnet werden und diese Bedingung erfüllt nur der Langballon. 


Schlusswort. 


Wir sind am Ende angelangt. Mit Rücksicht auf den beschränkten 
Raum war es nicht möglich, allen Wandlungen in der Geschichte der Er- 
findung ausführlich zu folgen, zu zeigen, in welcher Weise Schritt für 
Schritt die neuen Formen sich entwickelten. Mancher erfolglos gebliebene 


28 A.v. Parseval: Der Drachen-Ballon. 


Versuch, manche später verlassene Anordnung musste unerwälhnt bleiben, 
so insbesondere die Einrichtungen zur künstlichen Verstärkung des Wind- 
drucks, welche im wesentlichen aus einer Verbindung eines Windrades mit 
einem Ventilator bestanden. | 

Von vieler Sorge und mancher Enttäuschung war das Unternehmen 
begleitet, bis der Ballon zu voller militärischer Brauchbarkeit geführt war. 
Da ist es dem Verfasser Herzensbedürfnis, dankbar auch seiner Mitarbeiter 
zu gedenken, zunächst des Herrn August Riedinger, in dessen Werkstätte 
in Augsburg der Ballon entstanden ist. Diese ursprünglich zum Bau einer 
Flugmaschine unter Leitung Herrn von Siegsfeld’s gegründete Werkstätte 
gab Gelegenheit zu den ersten tastenden Versuchen, aus denen sich die 
richtigen Prineipien nach und nach entwickelten, und wenn auch die Arbeiten 
an der Flugmaschine später aufgegeben werden mussten, so wird doch die 
Entstehung des Drachenballons ein hoffentlich dauerndes Denkmal jener 
Thätigkeit bieiben. 

Dann müssen noch einmal die Verdienste des Herrn von Siegsfeld 
hervorgehoben werden. Ihm ist ein wesentlicher Theil an der Ausbildung 
der Steuervorrichtungen und der Ventileinrichtung zu danken, insbesondere 
aber die Einführung des Ballons bei der Luftschifferabteilung und die Er- 
ledigung jener vielen praktischen Einzelheiten, deren glatte Abwickelung nicht 
minder wichtig ist wie die Lösung der Hauptfragen. 

Schliesslich darf ich wohl — und zwar auch im Namen und Auftrag 
meiner Mitarbeiter — der Königlich Preussischen Luftschiffer-Abteilung, in 
erster Linie ihrem hochverehrten Kommandeur, Hern Major Nieber, für die 
gefundene energische und erfolgreiche Unterstützung den geziemenden Dank 
abstatten. Während dreier Jahre hat sich die Königlich Preussische Luft- 
schiffer-Abteilung mit ihren personellen und materiellen Mitteln an den 
Versuchen beteiligt, und diese waren keineswegs eine ununterbrochene Kette 
von Erfolgen. Nur wer schon einmal unter dem niederschlagenden Ein- 
druck eines gänzlich misslingenden grossen Ballon-Versuchs gestanden ist, 
vermag dieses ausdauernde Entgegenkommen richtig zu würdigen. Ohne 
Zweifel hätte die Entwicklung ohne die durch Herrn Major Nieber ver- 
mittelte Unterstützung weit längere Zeit erfordert. 

Zunächst allerdings ist der Drachenballon nur militärischen Zwecken 
dienstbar; vielleicht wird aber auch die Meteorologie sich seiner bedienen, 
um Beobachtungs-Instrumente dauernd in der Höhe zu halten. Möge er 
denn die auf ihn gesetzten Hoffnungen erfüllen und seine Schuldigkeit thun 
in Sturm und Wetter, im Dienst der Wissenschaft und auf dem Schlacht- 
felde, der Aeronautik zum Heile, zur Ehre und Wohlfahrt Deutschlands. 


Augsburg, im September 1896. 


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Tafel I 


| 


Drachenballon (Patent) | 






~ lange Form. 


Der Drachen Ballon. 


A. v. Parseval: 


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Der Drachen-Rallon. 


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A. v. Parseval: Der Drächen- Ballon, 


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Zeitschrift 


Luftschiffahrt 


Physik der Atmosphäre. 


Herausgegeben 


von dem 


Deutschen Vereine zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin 
und dem 


Wiener Flugtechnischen Vereine. 


Zugleich Organ des 
Oberrheinischen Vereines für Luftschiffahrt in Strassburg. 


Redigirt 
VOR 


A. BERSON. 
Berlin. 


ig ES 


XVL Jahrgang. 
1897. 


Berlin. 


MAYER & MÜLLER. 
1897. 


Inhalts-Verzeichniss (Namen, und Sachregister) 
zum 
16. Jahrgange (1897) 
der Zeitschrift für Lufischiffahrt und Physik der Atmosphäre. 


Seite 

Abwehr, zur —, Kreien . . ke ee er re DO 

- Aeronautical Annual, No. 8, Bemerkungen zum —, Dienstbach . . . . 222 
Aeronautical Annual, The —, Boston 1897. (Referat von 0.0. 246 
Aöronautische Zeitschrift, Eine neue —, . a JS gr wë i 58 
Aluminium-Luftschiff, das von C. Schwarz, Gross E . 291 
Andrée’s Ballonfahrt nach dem Nordpol, (Briefe von Andrée geg N. Edel e 67 

” Polarfahrt, Berson . . . .. g yl . 117 
Arendt: Einige Ergebnisse spektroskopischer Beobachlängen e ` 2 814 


Assmann: Die gleichzeitigen wissenschaftlichen Auffahrten vom 14. Novbr. 1896 
88. 87. 117. 177 


$ Die sportlichen Ballonfahrten des Deutschen Vereins zur Förderung 
der Luftschiffahrt in Berlin . . een wm EB 
E Nachruf für Professor Dr. Leonhard Sohncke 4 er: 249 
z Referat über W. de Fonvielle, Les Ballons-Sondes de MM. Hermite 
et Besançon et les ascensions internationales . . . 266 
Atmosphäre, Die Erforschung der höchsten Schichten derselben — Ein neuer 
Registrirballon-Aufstieg, Frion. . . GEET 54 
Aviatik, Ueber die Möglichkeit der reinen —, Platte e wi e w e et, A ARB 
Aviatische Bestrebungen, Zu den —, Platte . m ne. 82 
Baden-Powell’s Kriegsdrachen, Berghaus . . 172 
Ballonfahrten, die sportlichen des Deutschen Vereins zur Förderung der Luft- 
schiffahrt in Berlin, Assmann . . e 164 
Ballon-Neufüllung, Mitnahme von Material zu deisäfben; Baschin e. oa og 802 
Ballon-Material, Studien über dasselbe mit besonderer Hinsicht auf -das elek- 
trische Verhalten desselben, v. BSiegsfeld. . . „2.229. 260. 286 
Baschin: Mitnahme von Material zu einer Ballon- Neufüllung eu e e 802 
Berghaus: Kapitän Baden-Powell’s nn, so oa o w a oaa E € 
Berichtigungen . . e Ze: 8 een ee. 58, 248, 302 
Berson: Andr&e's Polarfahrt e, o, > 7 
Börnstein: J. Le Cadet, Sur la variation de l'état deg de hantes regions 
de l'atmosphère, par beau temps . . . . een 248 
Dienstbach: Bemerkungen zum „Aeronautical Annual No, än een, 222 
»„. ` Ein Schiesspulver-Motor, 2 2 un nenn. 827 
S Kritische Bemerkungen . . ee ee 20 


Drachen und, Schraubenflieger (Duplik), Kreise). ee 28 


IV Inhaltseverzeichniss (Namen. und Sachregister). 


Seite 
Elastischer Widerstand; das Gesetz desselben, Jacob 198 
Erwiderung, Samuelson . 227 
Erwiderung, Jacob 176 
Fischschwanz und Flügelschütteln, Samuelson 191 
Flugmaschine oder lenkbarer Luftballon?, Kreiss 84 
Flugmaschinen, Die neuesten Versuche und Projecte mit —, Hildebrandt. 180 
Flugmotor, Der Schnellsegler mittels —, Koester Se G e 21 
Flugprincip, das, und die Schaufelrad- „Flugmaschine, Koch . . . . 252. 275. 808 
Flugtechnische Studien (Schluss), Popper 2 . 9. 59 
BE von Popper, Bemerkungen TE? A Platte e 173 
Fonvielle, W.de: Les Ballons-Sondes de MM. Hermite et Besancon et les as- 
censions internationales (Referat von Assmann) ©.. . 266 
Freiballon, die Führung des —, Gross . . | , . 296. 822 
Frion: Die Erforschung der höchsten Siniosphärlichenr Schichten. Ein neuer 
Registrirballon- Aufstieg . 54 
a Neuer Aufstieg des Registrirballons A A6rophile® 56 
Gleichzeitige wissenschaftliche Auffahrten vom 14. November 1896, Assmann 
83. 87. 117. 177 
Gross: Das Aluminium-Luftschiff C. Schwarz Fr a o a EE 
A Die Führung der Freiballone . rn nn. . 296. 822 
Hildebrandt: Die neuesten Versuche und Projecte mit Flugmaschinen 180 
Hoernes: Wellner's Versuche mit grösseren Luftschrauben . . 2.2.2.3 5 
Jacob: Wie bewegt sich die vom Flügel getroffene Luft? zugleich eine Kritik 
des modernen Luftwiderstandsbegriffes 75 
P 5 “ „ Bemerkungen dazu von Samuelson 115 
n S »„  Erwidereng von Jacob . . 17 
S Das Gesetz des elastischen Widerstandes i 198 
R Zu A. Samuelson: „Fischschwanz und Flügelschütteln“ ; 218 
Koch: Das Flugprincip und die Schaufelrad-Flugmaschine . . . . 252. 275. 803 
Koester: Der Schnellsegler mittels Flugmotor Te E 21 
Kreiss: Drachen und Schraubenflieger (Duplik an Kress) 29 
a  Lenkbarer Loftballon oder Flugmaschine? 84 
ge Zur Abwehr ie en ër ie er 2 
Kriegsdrachen, Kapitän Baden- Powells, Basste: Dei (ue 0 E UE 
Kritische Bemerkungen, Dienstbach . 299 
Le Cadet, Sur la variation de l'état électrique de hautes régions de l'atmosphère 
par beau temps. Referat von Börnstein . nn . . 24B 
Lenkbarer Luftballon oder Flugmaschine? Kreiss . . SN e 2 84 
S P ; á Bemerkung dazu, May ooa‘ 8 174 
2 a e e Replik von Kreiss ` . . . . . 226 
Lufthügeltheorie, Ueber die —, Vavrecka . . . 2. 2. . 27 
Luftschrauben: Versuche mit grösseren, Wellner. . . . a . . 98. 152 
e Besprechung von Hoernes . ô 
Lufiwiderstandsbegriff, alie Kritik. des modernen, Jacob s ı a‘ a‘ 75 
Kay: Bemerkung zum Artikel von Kreises, „Lenkbarer Loftballon oder Flug- 
maschine?“ . , . DEE EE ENEE EEN d 
Means: The Aeronautical Annual, Boston 1897, ea . 246 
Moedebeck: Der Bau des Registrirballons „Strassburg“ Send a A 8 1 


inhaltsverzeichniss (Namen- und Sachregister). V 


Seite 
Müllenhoff: Dr. Wölfert . . . . 2. Si Aë Re o 289 
S James Means, The Aeronautical Annual. Boston 1897. (Referat) 246 
Platte: Zu den aviatischen Bestrebungen I a ge o e ie 82 
i Bemerkungen zu den Flugtechnischen Studien von t Popper s. i w a e 
à Ueber die Möglichkeit der reinen Aviatik . . . . en... 228 
Popper: Flugtechnische Studien. (Schluss) . . . . <.. .9 59 
Bedactionelles . . . . 1.57. 58. 59. 117. 248. 802 
Registrirballon „L’A6rophile“, ; Neuer Aufstieg, Frion poa A oa e E i 56 
S „Strassburg“, der Bau des —, Moedebeck `, . . .. 1 
Ritter: Zur Aufklärung einiger Besonderen Erscheinungen des Winddruckes 
nach angestellten Versuchen . . . a ee, en. "2 CH 
a Bewegungserscheinungen hinter einer vom Winde getroffenen Fläche . 206 
„ Winddruck und Vogefug . . . . c a de . 210 
Samuelson, Zu Jacob’s: Wie bewegt sich die vom Flügel u Luft? . 115 
Š Fischschwanz und Flügelachütteln . . . . 191 
S A e ‚ Bemerkungen dass von Jacob . 248 
> Erwiderung an Jacob . . a , 227 
Schaufelrad-Flugmaschine, Das Flugprincip und die —, Koch EE 252. 275. 808 
Schiesspulver-Motor, Ein —, Dienstbach . . . . so e o o SE 
Schwarz, Das Aluminium- Luftschiff von —, Gross . . 291 
v. Siegsfeld: Studien über das Ballon-Material mit hasondärer Hinsicht auf 
das elektrische Verhalten desselben. . . . . .  . 229. 260. 286 
Sohncke, Prof. Dr. Leonhardt, Nachruf von Assmann SC 3 , 249 
Spektroskopische Beobachtungen; Einige Ergebnisse von solchen, Arendt , 814 
Vavrecka: Ueber die Lufthügeltheorie . ee ee. 27 
Vereinsnachrichten . . e, 380. 58. 116. 828 
Vogelflug; Winddruck und —, Ritter ee ee ee er "SE 
Wellner, Versuche mit grösseren Luftschrauben . . . . a. . 98. 152 
Besprechung von Hoernes . e 5 
Wie bewegt sich die SCH Flügel getroffene Luft? Jacob]. . x 75 


„ Bemerkungen dazu von Samuelson 115 

Winddruck, Zur “Aufklärung” einiger besonderen Erscheinungen desselben nach 
angestellten Versuchen, Ritter. . s.. 2 2.20. 0.0.49. 71. 110 
Winddruck und Vogelflug, Ritter ee ne ee er H 
Dr. Wölfert, Müllenhoff. . 0000 een 289 


) heitschrift für \nftschiffahrt und Physik der Atmosphäre. 1891. Heft 1. i 


- LT N TIL NN aAA nn. urn? 


Zur Nachricht. 


Mit dem Jahrgange 1897 hört unsere Zeitschrift auf, die officielle Vertreterin 


des „Münchener Vereines für Luftschiffahrt“ zu sein. Zugleich aber hat der neu- 
entstandene „Oberrheinische Verein“ gleichen Namens in Strassburg i. E., dessen 


Gründung wir bereits in Heft 89 des vorigen Jahrganges mit Freuden begrüssen 
konnten, die Zeitschrift zu seinem Organ erwählt. 

Müssen wir auch das erste Factum, auf dessen innere und äussere Gründe 
wir hier nicht eingehen können, aufrichtig bedauern, wie uns das zweite zu leb- 
hafter Befriedigung gereicht, so dürfen wir doch zweifellos der sicheren Hoffnung 
Ausdruck verleihen, dass alle derartigen Ausserlichen Verschiebungen an der er- 
spriesslichen Zusammenarbeit aller Vereine nach demselben Ziele kin auch in 
Zukunft nicht das Geringste ändern werden. 


Der Bau des Registrirballons „Strassburg.“ 
Von Hauptmann Moedebeck. 


Wenn ich es unternehme in dieser Zeitschrift obiges Thema zu be- 
handeln, so versteht es sich für mich von selbst, dass ich hier nicht den 
kostbaren Raum an Papier beanspruche, um eine allgemeine Instruction 
über Ballonbau zu geben, über weiche heute Handbücher in genügender 
Zahl vorhanden sind, sondern ich beschränke mich lediglich sozusagen auf die 
Naturgeschichte obigen Ballons, indem ich zu Nutz und Frommen Aller die 
kleinen Verbesserungen und die damit gemachten Erfahrungen bekannt gebe. 

Die von Paris ausgegebene Parole, die lange angestrebten internationalen 
Simultanfalırten am 14. November früh 2 Uhr vom Stapel zu lassen, über- 
raschte uns in Strassburg insofern, als wir ursprünglich in sehr viel langsamerem 
Marschtempo der Verwirklichung dieses Zieles zustrebten. Wir hatten uns 
nämlich gerade die Aufgabe gestellt, für besagten Zweck grosse leichte 
Papierballons zu construiren, und ich persönlich war mit der Quellensuche 
nach einem geeigneten Material beschäftigt. Es lag aber auf der Hand, 
dass, als am 30. Oktober die Bitte um Inscenirung von Simultanfahrten 
an uns erging, wir sowohl aus patriotischem Ehrgeiz, wie andrerseits als 
continentale Centrale des grossen Unternehmens nicht vor den vielen 
Hindernissen zurückscheuen durften, welche die Betheiligung unsererseits 
uns in den Weg streute. Die Munificenz des Statthalterss der Reichs- 
lande, Sr. Durchlaucht Fürst Hohenlohe, hatte uns reichliche materielle Mittel 
zur Verfügung gestellt. Kurz entschlossen, liessen wir daher den Tele- 
graphen am 30. Oktober nach allen Richtungen hin spielen, und am Sonntag 
den 1. November waren wir dann auch in der glücklichen Lage, unsern 
von R. Hertzog bezogenen Ballonstoff im Meteorologischen Landesdienst- 
zimmer zuschneiden zu können. Der bereitwilligsten Mithülfe verschiedener 
Mitglieder des Oberrheinischen Vereines für Luftschiffahrt hatten wir ferner 
zu verdanken, dass uns überall die Wege geebnet wurden, und dass daher 


2 Moedebeck: Der Bau des Registrirballons „Strassburg“. 


am 1. November früh in den von der Stadt zur Verfügung gestellten Sälen 
des Schlosses mit dem Nähen der Ballons begonnen werden konnte. 

Zur Prüfung und Auswahl der Ballonstoffe waren weder die erforder- 
lichen Werkstattsvorrichtungen noci Zeit. vorhanden. Der Bau musste im 
Vertrauen auf das bewährte Material der zur Lieferung herangezogenen 
Firma sofort in Angriff genommen werden. Die Ballonhülle wurde dar- 
nach in einer Grösse von 325 cbm (Durchmesser 8,5 m, Umfang 26,7 m, 
Oberfläche 227 qm) aus Perkale zusammengenäht. Hierzu waren bei der 
Stoftbreite von 108 cm 25 Bahnen erforderlich. Diese Arbeit wurle am 
Mittwoch den 4. November Abends durch einen Schneidermeister und 
5 Näherinnen beendet. 

An besonderen Einrichtungen will ich erwähnen, dass die Bahnen 
2 m von der Krone ab aus doppeltem Stoff bestanden; am Ende dieser 
Zone befand sich ein in Meridianrichtung laufendes, 3 m langes Reissloch, 
welches von innen mit einem 5 cm breiten Atlasband übernäht war. Die 
Hülle wog ungefirnisst 23,5 kg. Der kreisrunde gesäumte Ausschnitt am 
oberen Pol wurde durch eine einfache, aus Eschenholz und Leder gefertigte 
Krone geschlossen. Am andern Polende setzte sich ein Füllansatz von 2m 
Länge nnd 0,60 m Durchmesser an. 

Das Netz hatte ich nach eingesandter Zeichnung bei Müllinz in Be- 
stellung gegeben. Es wurde aus russischem Hanf in 80 Maschen von 2 mm 
Stärke gestrickt, die in zwei Gänsefussreillen und schliesslich 10 Auslauf- 
leinen von je 9 m Länge ausliefen. Dasselbe wog 14,9 kg. Am Donners- 
tag den 5. November wurde der Ballon zum ersten Male mit verdünntem 
Firniss von innen getränkt. Der erste Firniss wurde von Wolf in Frankfurt 
am Main bezogen. Eine Dichtung des Stoffes war hierdurch nicht zu er- 
reichen, wohl aber ein gründliches Einsickern der harzigen Masse in die 
einzelnen Fäden. Am Sonnabend den 7. November war die Trocknung so 
vollkommen, dass mit der zweiten Firnisschicht hätte begonnen werden können. 
Leider traf infolge eines Missverständnisses das Firniss-Material an diesem 
Tage nicht ein, und es musste, da weiterer Aufschub verhängnissvoll ge- 
worden wäre, schliesslich am Montag den 9. November das zweite Firnissen 
von Aussen mit einem in Strassburg gekauften, reinen Leinölfirniss unter 
Zusatz von 1/4 Siccativ vollendet werden. Auch dieser Firniss hat sich 
übrigens gut bewährt. Alle diese Arbeiten wurden durch 3 Leute aus- 
geführt. Während des weiteren Trocknens wurde das dreifache Trapez 
gefertigt und Versuche mit dem Anker nnd der Ankersichernng angestellt. 
Von vornherein hatte ich die Idee aufgenommen, dass der Ballon sich beim 
Landen von selbst aufreissen müsse. Die in dieser Richtung beim Berliner 
Cirrus gemachten Versuche, welche das Fiasko seiner beiden ersten Fahrten!) 





1) Der „Cirrus I.“ hat bloss bei seiner ersten Auffahrt am 11. Mai 1894, 
wo 4 Ballons zugleich stiegen, wie es scheint, durch vorzeitiges Funetioniren der 
Reis-vorrichtung in kaum CO m versagt, — bereits bei seiner zweiten Fahrt er. 


Moedebeck: Der Bau des Registrirballons „Strassburg“. 3 


zur Folge hatte, waren ja wenig verlockend für eine solche Einrichtung. 
Ich vermochte mir aber, obwohl die Construction des Cirrus in dieser Zeit- 
schrift damals leider nicht beschrieben worden ist, eine Vorstellung davon 
machen, welchen Umständen die Störung der automatischen Reissvorrichtung, 
die schliesslich deren Aufgabe herbeiführten, zuzuschreiben sei. Die Moment- 
bilder vom auffahrenden Iiaerophile, welche Herr de Fonvielle die Güte 
hatte, uns zuzuschicken, zeigten mir deutlich, wie der Ballon Schwankungen 
von beinah 90° in der Luft machte. Es war demnach klar, dass mehrere 
herablängende Leinen sich hierbei miteinander vernesteln mussten, wenn 
man nicht besondere Anstalten traf, sie davor zu schützen, und dass ferner 
ein Anker aus einer Sicherheitsfeder durch die unberechenbaren Fallstösse 
ebenfalls leicht herausgeschleudert und vorzeitig zur Function gebracht 
werden könnte, wie es vermuthlich bei der ersten Auffahrt des Cirrus ein- 
getreten ist. Aus diesem Grunde formte ich die Aufhängung zu einem 
i cm breiten Trapezband aus Bambusstäben und leichten Schnüren und be- 
festigte den Anker mit Leine in besonderer Führung und Sicherheitsvor- 
richtung unter demselben. Die Trapezkonstruktion führte zu regelmässigen 
Pendelungen in einer Ebene. An der obersten Stange waren die Auslauf- 
leinen befestigt. Von dieser liefen nach unten 3 Trapeze. Im untersten 
befand sich der Instrumentenkorb. Die Gesammtlänge der Trapeze betrug 
5m. An der einen Trapezseite lief in Ringen die Zerreissleine, an deren 
Ende der Anker befestigt war. 

Für den Anker entwarf ich einen sehr leichten, vierzinkigen breiten 
Eggentypus mit seitlichen Griffhaken (Bilder können, wenn erwünscht, 
geliefert werden), der unter allen Umständen mit zwei Armen fassen 
musste. Deiselbe wurde von einem Federhaken mit schiefer Gleit- 
fläche getragen, welcher ihn beim geringsten Stoss oder Zug frei liess, 
Dieser Federliaken war an der untersten Trapezstange festgebunden. Um 
ein vorzeitiges Eutgleiten des Ankers zu hindern, war der Federhaken 
mit der Ankerstange durch eine trockene Weidenruthe zu einem Stück ver- 
bunden, welches an der untersten Trapezstange obne Gefahr eines unbe- 
absichtigten Bruches der Ruthe pendeln konnte. Sobald indess der Anker 
irgendwo an- oder aufschlug, brach die Rule, er wurde frei und begann, 
wenn er gefasst hatte, seine zerreissende T'hätigkeit. 

Am Domnerstag den 12. November war das Ballonmaterial fertig- 
gestellt und konnte am Nachmittag Sr. Durchlaucht dem Fürsten v. Hohen- 
lohe gezeigt werden. Am 13. Nov. wurde er sodann mit sämmtlichen In- 
strumenten und Zubehör im Innern des Schlossliofes den Mitgliedern des 
hiesigen Vereins erklärt. Als weithin sichtbares Plakat wurde eine 6 m 
lange Flagge am Ballonnetz befestigt, auf welcher in deutscher, französischer, 
reichte er 166600 m Höhe und flog in über 101, Stunden volle 1000 km weit bis nach 


Bosnien, — Hohen und Zeiten, die hernach nur durch ihn selber wieder 
erreicht und übertroffen worden sind. Aum. d. Red. 


4 Moedebeck: Der Bau des Registrirballons „Strassburg“. 


russischer, ungarischer, rumänischer und türkischer Sprache von Herrn 
Professor Euting die Warnung vor Feuersgefahr und der Hinweis auf die 
in einer besonderen rothen Tasche befindlichen Instruktionen in grossen 
Lettern aufgemalt war. 

Die Füllung des Ballons geschah innerhalb einer knappen Stunde in der 
Nacht des 13. November von 11 Uhr 55 Min. ab bei elektrischem Lichte, wel- 
ches die Elektricitäts-Gesellschaft bereitwilligst. zur Verfügung gestellt batte. 

Zum Ablassen wurde eine Manövrirleine durch einen an der obersten 
Trapezstange befestigten eisernen Ring gezogen und allmählich nachgelassen 
bis der Ballon frei hing. Nachdem Alles klar gemacht und die Abfahrt- 
zeit gekommen war, wurde die Manövrirleine an einer Seite durchschnitten. 
Die Auffahrt erfolgte mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von über 
6m pro Sekunde in den ersten 10 Minuten. Die Gewichte des Ballon- 
materials waren folgende: 

Hülle, zweimal gefirnisst 53,00 kg 
Krone rees ae 0,75 p 
Netzes ante 14,90 „ 
Trapezaufhängung (mit 

Instrumentenkorb) . . 4,00 
Ankeregge mit 25 m Leine 

und Federhaken ... 2.25 
instrument . 2.2.2.2... 0,90 
Plakat mit Tasche. ... 132 , 

sa 77,12 kg 

Die Erwartungen, welche man demgemäss an seine Leistungen stellen 

durfte, waren in überschläglicher Berechnung unter Annahme der Leucht- 
we 
gasfüllung nach der Formel b nn. un, I == 9759 Meter. 

Nach Berechnung von Dr. Hergesell erreichte der Ballon unter 
Berücksichtigung aller Correktionen die Höhe 7628 m. Er ist demnach 
hinter den Erwartungen um etwa 2000 m zurückgeblieben. Die Gründe 
hierfür können nicht dem Material, welches neu und gut war, zur Last, 
gelegt werden, müssen vielmehr in Vorgängen in der Atmosphäre gesucht 
werden, die durch Niederschläge eine übermässige Belastung des Ballons 
herbeigeführt haben. 

Der Ballon landete nach 1 Stunde 20 Minuten am Fusse der Hornis- 
gründe im Schwarzwalde. Am Fundort lag er halb aufgerissen, der Anker 
in der Stange gebogen und an einer Schweisstelle gebrochen. Der Ballon 
war unverletzt, vollständig nass, in den Falten sogar voll reichlicher Wasser- 
Jachen. Dabei muss ich bemerken, dass trocknes Wetter herrschte und 
nur leichter Morgenthau auf der Erde lag; alles Umstände, welche die 
Belastung durch Niederschläge bezw. Condensationen in höchsten Schichten 
durchaus wahrscheinlich, wenn nicht gewiss machen. 


19 





Hoernes: Wellner's Versuche mit grösseren Luftschrauben. b 


Wellner’s Versuche mit grösseren Luftschrauben. 
Besprochen von H Hoernes. 


In der No. 35 und 36 des l. J. der Zeitschrift des österreichischen 
Ingenieur- und Architekten-Vereines beschreibt Prof. Georg Wellner die 
von ihm mit grösseren Luftschrauben ausgeführten Versuche. Dieselben 
wurden von ihm in der Absicht unternommen, die Wirkungsweise 
erösserer Luftschrauben zu studiren und aus den Ergebnissen brauchbare 
Schlüsse über die möglichst richtige Banart von tragenden Flächen für 
dynamische Flugmaschinen ziehen zu können. Herr Dr. Heinrich Friess, 
Besitzer des Gutes Horowitz in Mähren, stellte ihm zu diesem Zwecke 
4000 fl. zur Verfügung. 

Es wurden vorerst zwei Luftschrauben zur Ausführung gebracht, die 
eine rechtsgängig mit Ballonstoffüberzug, die andere linksläufig mit Aluminium- 
blechbelag, beide zweiflügelig, (wobei der Trägheitsradius 5 = 1'684 m war) 
mit einem anfänglichen Ausmass von 13°5 m?, welches nach a! noch durch 
Wegnahme von Theilflächen auf 7'4 m? redncirt wurde. 

Der grösste Durchmesser betrug 6 m, die grösste Breite war 4'4 m; 
die Schraubensteigung war constant, betrug 1°12 m und die Erzeugende 
eine Gerade. die unter 90° gegen die Achse gestellt war, was Wellner 
zwar nicht ausdrücklich erwähnt, was aber aus der Zeichnung geschlossen 
werden kann. 

Eine volle Nabe war nicht vorhanden, dieselbe wurde durch ein 
eisernes Mittelstück von U 5 m Durchmesser ersetzt und bestand aus einem 
“Mannesmannstahlrohr von 1 m Länge, 54 mm Durchmesser und 2'5 mm 
Wandstärke, um welches Rohr zwei schraubenförmig gewundene, hochkantig 
gestellte Flacheisen, durch 8 Nebenringe befestigt waren. Jeder Flügel 
hatte neue, ungleich lange Radialstangen aus Ulmen-Eschen oder Spitz- 
Ahornholz. welche in rechtwinkeligen Löchern der Flachschmen gut ein- 
gepasst waren und mit runden Zapten in Bohrlöchern des Mittelrohres ihre 
Stütze fanden. Die Stäbe waren der Schraubenfläche entsprechend wind- 
schief verdreht mit nach aussen hin allmählich abnehmenden und flacher 
werdenden Querschnittsprofilen. — So hatte z. B. der 5. Stab ganz nahe 
bei der Nabe einen Querschnitt von 40/45 mm, am Ende dagegen nur mehr 
einen solchen von 5/28 mm. Die Stäbe wurden oben und unten mit Ballon- 
stoff resp. Aluminiumblechen überdeckt. die letzteren hatten 0 °2— 0°3 mm 
Stärke. 

Die Versuche mit dieser, sowie mit der nachstehend beschriebenen 
Schraube fanden im Freien statt. Die Schraube wurde hier auf einer 
3 m langen, 40 mm starken Spindelwelle autgesteckt und durch einen Mit- 
nehmer mit Hilfe einer von einer Toromobile bewegten, horizontal ge- 
lagerten Scheibe mit Riemen angetrieben. Das Ganze wurde auf eine 
Decimal-Wage gestellt und abgewogen. Beim Umlauf der Schraube äusserte 


6 Hoernes: Wellner's Versuche mit grösseren Luftschrauben. 


diese eine entsprechende Hebekraft. Nahm man nun auf der anderen Seite 
der Wage soviel an Gewicht weg, bis die Wage wieder im Gleichgewichte 
sich befand, so zeigte das weggenommene Gewicht gerade den durch die 
Schraube hervorgerufenen Auftrieb an. 

Die Umlaufzahl der Luftschrauben wurde von 60 in der Minute all- 
mählich auf 160 gesteigert und obwohl die Kesseldampfspannung im letzteren 
Falle erst auf 2°7 Atmosphären wies und das Dampfeinlassventil des 
Locomobils noch stark gedrosselt war, konnte die Umlaufgeschwindigkeit 
aus Sicherheitsgründen nicht weiter erhöht werden. Schon bei 140 und 
150 Touren machte sich ein unruhiges Poltern in den Blechen und ein 
gefährliches Knarren des Holzgefüges am Mittelstück der Schraube bemerk- 
bar, welches theilweise auch durch eine ungleichmässige Gewichtsvertheilung 
verursacht war und musste häufig in den Verbindungen nachgeholfen werden. 

Die aufgewendete Arbeitsleistung der Maschine betrug für 140 und 
160 Umläufe der Schraube bei 48 und 60 kg Hebekraft 1'9 bis 2°5 HP. 
Hierbei war F = 12'567 m®. 

Der durch die Umdrehung der Schrauben erzeugte künstliche Vertical- 
wind und die Luftbewegung im Luftraume oberhalb der Schrauben soll 
sehr gut zu beobachten gewesen sein, als mässiger Südwestwind den vom 
Kamine des Liocomobiles emporsteigenden Qualm über der Schraube hinüber- 
zog. Der Rauch wurde durch die umlaufenden Flügel von allen Seiten, 
insbesondere von obenher kräftig angesaugt und fast vertical nach abwärts 
gezogen. Das Holzgerüste und die Decimalwage wurden in Rauch gehüllt. 

Ein starker Luftstrom machte sich fühlbar, welcher schliesslich zur 
Erde gelangend, Gras und Strauchwerk rings im Kreise nach aussen 
beugend, radial auseinanderfloss. 

Einige Versuchsresultate mit diesen Schrauben veröffentlicht Wellner 
in einer graphischen Darstellung, bezüglich welcher auf die Original- 
abhandlung verwiesen wird. — 

„Im Verlaufe der langdauernden Experimente konnte man vor Allem 
erkennen, wie schwierig genaue Beobachtungen sich gestalten und wie viel 
Zeit und Mühe und Geldaufwand es kostet, um überhaupt brauchbare 
Resultate zu gewinnen. Die Aluminiumfläche war der Ballonstoff-Fläche 
entschieden überlegen. Die anfängliche Breite und peripherische Ausdehnung 
der spiralförmig umgrenzten Flügelflächen brachte keinen Vortheil, indem 
die verkleinerten schmaleren Flügel, mit welchen zuletzt experimentirt 
wurde, trotz des geringeren Flächenausmasses für die gleichen Umlaufzahlen 
einen kräftigeren Auftrieb erzeugten. Es zeigte sich ferner, dass die 
Construction der Flügel gegenüber den radial wirkenden Fliehkräften, 
welche wegen der grossen Umlaufsgeschwindigkeiten ganz erhebliche Grössen 
erreichen, besonders fest sein muss. Die Hebewirkung verlangt ebenfalls 
eine genügende Tragkraft der Armstangen und hinsichtlich des ungleich- 
förmigen Einflusses der zeitweilig herrschenden Luftströmungen spielt die 


Hoernes: Wellner's Versuche mit grösseren Luftschrauben. T 


Steifigkeit und Widerstandsfähigkeit des Flächengefüges und der Schrauben- 
aclse gegen Biegung und Torsion eine höchst wichtige Rolle. Deutlich 
war bei den Versuchen zu beobachten, dass jede Unebenheit und Unregel- 
mässigkeit der Oberfläche Schaden brachte, weil sie die Luftreibung ver- 
grösserte und nachtheilige Wirbelbildungen verursachte.“ 


Als Resultat seiner Versuche zählt Prof. Wellner 8 Punkte auf, von 
denen nur neu sind, dass die Flügel „an ihrer breitesten Stelle kaum ein 
Zehntel des Kreisringes und der Schrägstellungswinkel im Druckmittel- 
punkte etwa 3—5° betragen soll.“ 


Alle übrigen Resultate sind schon von Jarolimek und Anderen ge- 
bracht worden. -— 


Interessant ist die Thatsache, wonach Wellner, der sich bekanntlich 
noch vor 2 Jahren sehr ablehnend gegenüber Schrauben für Luftschiffahrts- 
„wecke verhalten hat, nun endlich zugiebt, „dass sich horizontal umlaufende 
Luftschrauben wegen der Einfachheit ihres Gefüges und wegen des technisch 
praktischen Betriebes für die Schaffung dynamischer Hebekraft zu Zwecken 
der Herstellung von Flugmaschinen sehr gut eignen.“ 


Auf Grundlage der im Jahre 1895 gewonnenen Erfahrungen construirte 
Wellner eine neue Schraube von leichterer Bauart, kleinerer Dimension, 
die sich auch für rascheren Umlauf eignen soll. 

„Sieben diametral laufende Ulmenholzstäbe in der Mitte (bei 30 mm 
Stärke) flach übereinander gelegt und durch eine obere Kappe sowie durch 
Holzsehrauben fest zusammengehalten, sitzen auf einem kurzen Stahlrohr, 
worin vier quer hindurchgesteckte, in die Hölzer eingepasste Röhrchen die 
Mitnahme des Flügelrades bei der Drehung vermitteln. Jeder einzelne 
Stab, genau symmetrisch zur Achse und sorgfältig ausgeglichen, hat eine 
entsprechende Profilirung und Stärke, ist von der Mitte ab hochkantig 
schief gestellt und gegen die Enden flach auslaufend gebaut. Der erste 
und der letzte Stab, deren Mittellinien um 60° auseinanderstehn, besitzen 
zugeschärfte Aussenkanten; drei Bogenleisten sowie die Randhölzer, deren 
Verzapfungen eine Sicherheit gegen die Fliehkraftswirkung liefern, ver- 
steifen das Gerippe, und jederseits 26 Bohrlöcher für Riemenschrauben 
dienen zur Verbindung mit den Belagflächen. `... . 

Der grösste Durchmesser des Doppeltlügels beträgt 4'25 m, die 
grösste Breite 124m. ...... 

Die Steigungshöhe der Schraubenfläche ist für alle Stellen gleich gross, 
nämlich für einen Centriwinkel von 60° 150 mm, somit für den ganzen 
Kreis 1'080 m. Die Tangenten der Steigungswinkel nehmen dementsprechend 
von Innen und Aussen,in arithmetischer Progression ab, worüber die bei- 
gefügten drei Colonnen Aufschluss geben.“ 

Die projieirte Flügelfläche beträgt 3 ° 473 m”, der Radius des Druck- 
mittelpunktes 1° 3304 m: der Umfang daselbst ist 8°357m und der 


H Hoernes: Wellner's Versuche mit grösseren Luftschrauben. 


Neigungswinkel im Druckmittelpunkte ist 7?22'. Das Gesammtgewicht der 
Schraube beträgt 25 kg. 

Wellner veröffentlicht in 6 Tabellen einige der mit seiner neueren 
Luftschraube gewonnenen Resultate. Es ist schade, dass 
dieselben nicht auch graphisch wiedergegeben sind, weil 
man, um ein richtiges Urtheil über dieselben zu sw 
kommen, einer graphischen Darstellung nicht entbeh- 
ren kann. — Trägt man sich die Resultate in 
ein Coordinatensystem auf, so fällt vor Allem 
mit nur zwei Ausnahmen eine verhältniss- 
mässig grosse Regelmässigkeit in der Rei- 
henfolge der Punkte auf. Wenn man 





g , oA 
bedenkt, dass die Versuche alle im A ad 
Freien gemacht wurden, so Ar | 

| 





muss man sich darüber wun- 
dern. Erklären kann ich "TO 
mir diese Thatsache nur _ I 

damit, dass Wellner d. 

diesesmal entweder be = 

nicht alle Versuchs- D 

resultate veöffentlicht 

hat, sondern nur eine 

Auslese derselben, oder 

damit, dass die Geschwindigkeit der Schraube gegenüber der herrschenden 
Windgeschwindigkeit eine sehr grosse gewesen sein muss. Interessant ist 
die Thatsache, dass im Allgemeinen bei geringeren Dampfspannungen ver- 
hältnissmässig grössere Auftriebe erzielt wurden als bei grösseren. 

„Die neue Schraube trägt bei einem Eigengewichte von 25 kg und 
bei einem Flächenausmasse von 3 ° 473 m? mit Sicherheit 60 bis 70 kg, also 
mehr als das Oil: fache ihres Gewichtes und für jeden Quadratmeter 
18—20 kg. Hierbei ist eine motorische Arbeitskraft von 4—5 HP er- 
forderlich, sodass auf jede Pferdestärke 15 kg Hebekraft entfallen.“ 

Das graphische Bild dieser Versuche ist sehr interessant zu betrachten, 
es lassen sich auch manche Schlüsse, die nach mehr als einer Richtung hin 
gewürdigt zu werden verdienen, ziehen — aber ich stehe davon ab, die- 
selben heute hier wiederzugeben, weil die Experimente doch noch in zu 
geringer Anzahl vorliegen. — 

Gewiss hat aber Professor Wellner durch die Veröffentlichung dieser 
seiner neuen Schranbenversuche aufs Neue gezeigt, wie ernst es ihm ist, 
die Frage des dynamischen Fluges einer gedeillichen Lösung zuzuführen. 

Ich für meinen Theil habe seit Langem die Ansicht verfochten, dass 
die Schraube sich die Herrschaft im Reiche der Luft ebenso erringen wird, 
als sie das Wasser beherrscht. 





Popper: Flugtechnische Studien. d 


Flugtechnische Studien. 


Von Josef Popper. 
(Fortsetzung.) 


Eine kleine Rechnung giebt sofort auch die quantitativen Unter- 
schiede zwischen gleiehförmiger und intermittirender Arbeitsweise. Bekannt- 
lich muss der Druck P auf die Luft bei Flügelniederschlag stets grösser 


e t 
sein, als das Gewicht des Vogels G, und zwar, wenn t = -, wo t = 
S n` 


tı ~- tə die Zeit der ganzen Periode des Nieder- und Aufschlags, ist P = 
n. OG: der Grund ist der, dass die Beschleunigungen der Vogelmasse gerade 
umgekehrt sein müssen der Wirkungsdauer der Kraft der Schwere und des 
Flügeldrucks, wenn der Körper keine Aenderung seiner anfänglich verticalen 
Geschwindigkeit (z. B. 0) erleiden soll. Andererseits ist, immer senkrechte 
Flügelschläge und ohne gleichzeitige horizontale Bewegung des Vogels vor- 
ausgesetzt, die Secundenarbeit, oder der Effect", E = PĮ? P. dieses 
yF 

E repräsentirt die Leistungsfähigkeit des Motors, wird „Secunden- 
arbeit“ genannt, obwohl über die factische Dauer dieser Leistungsfähigkeit, 
resp. ihrer Inanspruchnahme, garnichts Bestimmtes vorausgesetzt wird, und 
sie könnte z. B. nur oder MN Secunde dauern; characterisirt wird die 
Leistungsfähigkeit demnach durch E, genau so wie die Richtung einer 
krummen Linie an einem Linien-Element durch die Tangente an dasselbe, 
ob nun die nächsten Linien-Elemente dieselbe Richtung haben oder nicht. 

Wie schon gesagt, nehmen wir P während des XNiederschlags als 
constant an (wenn man dies nicht wollte, so müsste man allerdings das 
maximale P während des Niederschlags betrachten): beim gleichförmigen, 
ununterbrochenen Arbeiten (z. B. mittelst Oldhamrad oder Schraube) wäre, 


wie bekannt EI = G Ly, welches EI immerwährend gleich bleibt, 
I 


während E nur während des Niederschlages eilt; es folet sofort E: E' = 
n Vn:1, z. B. beim Regime, wo Auf- und Niederschlag gleich lange 


dauern, also bh = t =- undn=2 ist, wäre E =2 Ẹ\ 2% 28 mal grös- 


ser als El, also müsste der Motor fast dreimal kräftiger 
genommen werden, wenn man intermittirt, als bei 
eleichföürmiger Arbeit. 

Man könnte aber denken: wenn auch die Arbeit pro Zeiteinheit beim 
Intermittiren in gewissen Momenten, also Æ grösser als E! ist, so dauert dies 
doch nur einen Bruchtheil der Zeit, während die kleinere Arbeit bei gleich- 
förmigem Regime dafür die ganze Zeit hindurch dauert; es wäre daher 


10 Popper: Flugtechnischa Studien. 


ke 
1 


vielleicht möglich, im Ganzen genommen weniger zu leisten, zu 
arbeiten, also weniger Brennstoff, Speisewasser, Kühl- 
wasser oder dergl. in toto zu benöthigen und das könnte 
eventuell, namentlich bei länger dauernder Arbeit, von ausschlaggebender 
Bedeutung sein. 

Nun ist die totale Arbeit, d. h. Leistung in mkg, bei Intermittenz 
offenbar ... A = E.t, (wobei stets während -ub nicht gearbeitet werden 
mag), bei gleichmässigem Regime .. A!= E!.t, daher A: A! = E.th:El.t 


t ae 
= H Vn.:t=Yn:l, d.h. selbst die Totalarbeitistbei 
Intermittenz grösser, also z. B. für n=2... 1,4 mal grösser, 

i 1 E 
demnach auch die durchschnittliche Arbeit, also auch der 


Brennstoffaufwand u.s. w. Diese letztere Relation, bezüglich der 
durchschnittlichen Arbeit, findet sich bei Kargl, Haedicke und Parseval 
ebenfalls und namentlich letzterer sprach in Folge dessen dieselbe Ansicht, 
wie ich in meiner „Flugtechnik‘“, über die öconomischen Nach- 
theile der Intermittenz sehr präcise aus, nur, wie man aus Obigem er- 
sieht, gingen diese Autoren noch immer nicht weit genug, da sie 
statt der nöthigen realen Leistungs fähigkeit des Motors nur die durch- 
schnittliche in Rechnung brachten. 

Der Unterschied zwischen diesen beiden Arten der Arbeitsbetrachtung 
kann in noch anderer Weise und vom weiteren (Gesichtspunkte 
aus behandelt werden. Man kann nämlich ansgehen von der Unterscheidung 
zwischen äusserem undinnerem Arbeitsregime., d.i. zwischen 
der Arbeitsausgabe (z. B. durch Flügel-Manöver) und der Arbeits- 
beschaffung seitens des Motors; ersteres ist ein Vorgang, der offenber 
gegenüber dem zweiten nach aussen. nämlich der umgebenden Luft, ge- 
richtet ist, während der letztere innerhalb des fortbewegenden Systems sich 
abspielt. 


Es können nun beide Vorgänge genau parallel gehen oder — mehr 
oder weniger — von einander alweichen; bei dem Vogelfluge, wo die 


Arbeit beim Flügelaufschlage ziemlich genau oder wenigstens der Einfach- 
heit halber als O angenommen werden kann, ist das äussere und innere 
Arbeitsregime identisch, weil kein inneres Arbeitscapital während des 
Aufschlages aufgespeichert wird, und daher ist auch der un- 
günstigste Fall gegeben, d. h. die Motorgrösse ist nyn mal grösser 


2 , e 
A ist und ? die totale Flügel- 
1 


periode und ?, die Niederschlagszeit bedeutet. 

Man kann sich aber denken, dass bei demselben äusseren 
Regime das innere sich mehr und mehr einem gleichförmigen nähert, 
z. B. dass man eine Dampfmaschine mit grosser Schwungmasse anwendet, 


als bei gleichförmiger Arbeit, wobei n = 


Popper: Flugtechnische Studien. 11 


welche letztere während des Niederschlags grosse lebendige Kraft abgiebt, 
ähnlich wie bei Walzenzugsmaschinen, oder galvanische Primärbatterien 
mit Dynamos und Accumulatoren, wodurch also stets ein mehr oder weniger 
gleichmässiges inneres Regime entsteht, wobei aber stets das 
Gewicht des Accumulators zu dem des Motors zuzufügen ist, wenn man 
das „Motorgewicht“ bestimmen will; in diesem Falle hat man gegenüber 
der inneren Intermittenz einen öconomischen Vortheil, braucht aber, so 
lange die äussere Intermittenz vorhanden ist, immer noch mehr totale 
oder durchschnittliche Arbeit als bei gleichmässigem äusserem Regime, 
z. B. als bei Anwendung von Schraubenpropellern statt der Flügel; die 
Grenze ist nach obiger Entwicklung die Relation yn: 1, weil eben in Folge 
der Intermittenz die mittlere Propeller-Secundenarbeit, ganz 
unabhängig davon, wie sie beschafft wird, als solche 
Vu mal grösser ist als jene bei gleichförmigem äusserem Regime. 

Wir haben also folgende scharf charakterisirte Combinationen für den 
äusseren und inneren Arbeitsprocess: 

1. Beide Processe sind vollkommen gleichförmig während 
der ganzen abgeschlossenen Periode, ihre Arbeitsdiogramme sind also Recht- 
ecke und beide Rechtecke mit gleich hohen Ordinaten; die hier nöthige 
Leistungsfähigkeit des Motors resp. der Kraftquelle, ist dann die denkbar 
kleinste, also die Sec.-Arbeit ein Minimum, sie heisse 1. 


2. Inneres Regime gleichföürmig, äusseres un- 
gleichförmig; inneres Diagramm also ein Rechteck, äusseres eine 
Wellenlinie, oder aus mehreren horizontalen Begrenzungen bestehend von 
verschiedener Ordinatenhöhe (auch O); für den extremen Fall obiger Klügel- 


schläge ist dann — für n = ro die nötlige Leistungsfähigkeit des 
1 


Motors . . Vn, also auch sein Brennstoffconsum Vu mal grösser als im 
Falle 1. 

3. Innerer und äusserer Process ungleichförmig 
und als eines der Extreme beide identisch, also beide Diagramme, falls 
obiger Flügelprocess angenommen wird, aus einem kurzen Rechteck und 
einer blossen geraden Linie (Ordinate O) bestehend, dann muss der Motor 


gebaut sein für eine Sec.- Arbeit (Leistungsfähigkeit) von nyn und der 


Brennstoffconsum ist yn mal grösser als im 1. Falle. 
Zwischen 1), 2) und 3) sind natürlich Uebergangs-Anordnungen denkbar. 


Der innere Grund der Ungünstigkeit von 2) und 3) 
gegen 1) ist aber blos für den inneren und äusseren Process ein ganz 
verschiedener. Der äussere Process kostet im Falle der Ungleich- 
förmigkeit mehr Sec.-Arbeit, weil man in gewissen Zeitabschnitten mit 
grösserer Geschwindigkeit auf die Luft stossen muss, als es bei Fall 1) 
der Fall ist, und bekanntlich wächst die nöthige Sec.-Arbeit für Propeller 


12 Popper: Flugtechnische Studien. 


mit dieser Geschwindigkeit, resp. deren Cubus. Beim inneren Process aber 
wird bei ungleichförmigem Arbeiten der schon vorhandene Motor, resp. 
sein Gewicht (und Raum) in gewissen Zeitabschnitten gar nicht oder 
schwächer als in anderen Phasen ausgenützt, gebaut aber muss er so sein, 
dass er im Ganzen genommen dem äusseren Process dennoch genügt. 

Diese ganze Betrachtung ist für die Conception von Fingmaschinen 
von grosser praktischer Wichtigkeit. 

In jeder Weise ist daher das intermittirende Arbeiten unökonomisch 
und schliesslich kann man auch sogar eine von Loessl selbst (S. 289) an- 
gewendete Argumentation zum Beweise dessen heranziehen, denn er sagt: 
„e ©- Er (der Vogel) kann ja auch die Arbeit unterbrechen und während 
der Pausen seinen flachen Körper dem Falle überlassen. Und zwar dess- 
halb, weil bei kurzen Pausen der durch das Fallen herbeigeführte Höhen- 
verlust unverhältnissmässig gering ist im Vergleiche zur gleichzeitigen Er- 
sparung an Arbeit.“ Man kann nun fragen: Wie kurz dürfen diese 
Pausen sein? Offenbar ist deren Vortheil um so grösser, je kurzer sie 
sind, weil ja die Falltiefe relativ geringer wird, dann aber wäre die Fall- 
zeit = 0 jedenfalls die günstigste, d. h. es wäre am besten, gar 
nicht zu fallen und gleichmässig zu arbeiten, wenn es eben mög- 
lich ist. | 

Anders wäre es, resp. dieser Schluss wäre nicht anwendbar, wenn es 
ein Optimum gäbe, d. h. eine ganz bestimmte Art von Intermittenz, bei 
der ein Maximum von Ersparung, d. h. ein Minimum von Arbeit, einträte, 
wodurch sie also öconomischer würde als das gleichförmige Arbeiten; aber 
das Vorhandensein einer Optimum-Aufgabe, resp. eines Minimum-Problems 
hat Niemand behauptet und ist auch in der That nicht anzunehmen; das 
Minimum an Secundenarbeit oder Leistungsfähigkeit ist eben dann vor- 
handen, wenn die Pausen = 0 sind. 


Esistdahergarkein Anlass vorhanden, die Natur 
wegen ihrer Weisheit in der „Intermittenz“ zu be- 
wundern, wie Viele vor und mit Loess! es thun, und sie etwa nach- 
alımen zu wollen; ganz im Gegentheile, unsere continuirlich arbeitenden 
Systeme werden Ööconomischer arbeiten, als die pulsirenden?). 

Es erübrigt uns jetzt nur noch, die oben citirte zahlenmässige Aus- 
rechnung Loessl’s unseren Ansichten gemäss zu ändern; dann erhalten wir 
die folgenden Resultate für die Arbeit der flatternden Taube: 


1) In dem eben erschienenen Buche: „Zur Mechanik des Vogelfluges“ von 
Dr. Fr. Ahlborn ist, auf S. 73 und 74, versucht worden, die intermittirende Flug- 
weise als vortheilhafter darzulegen; eine Berechnung ist hierbei nicht gegeben 
und der Beweis, dass „die Nachtheile der periodischen Kraftausgabe ihre Vortheile 
überwiegen“ einerseits mir noch nicht beim ersten flüchtigen Durchlesen klar, 
andererseits auf meine oben rechnungsmässig gegebene Vergleichung des Arbeits- 
bedarfs ohne Einfluss. 


Popper: Flugtechnische Studien. 13 


Wäre die Flügelbewegung eine gleichmässig arbeitende, so wäre die 





DAR gg G 
nöthise Leistungsfähigkeit des Muskels... ZH = ey 2S = Dä X6 
d 
= ],8secmkg, genauer, weil die Flügel nur 0,06 und nicht 0,075 m? haben, 
SS t 0,125 . 
nahezu 2 secmkg: für 4 = 0,04 und 4 = EE = ist n nahezu = 3, 
daher die reale Muskelarbeit pro Secunde während des Niederschlags, also 
. e e . agoe . La 
seine hier nothwendige Leistungsfähigkeit, . . . = 3V3 * 1,8 = 9 secemkg 
und die mittlere Secundenarbeit . . . = Fn’ 1,8 = 3,1 secmkg, anstatt 


der Loessl'’schen Zahl 0,974. 

Nun hat aber Loessl, durch ein Versehen, die Zahl für 4 nicht den 
Beobachtungen Marey’s entsprechend angenommen; in seinem Werke „Lie 
vol des oiseaux“ giebt letzterer tı = 0,075 sec. und t ebenfalls = 0,125 sec. 
an, daher ist 2 = 1,66 und wir erhalten als wirklich nöthige 
Leistungsfähigkeit... 3,85 secmkg und als durchschnitt- 
liche . . . 2,32 secmke !) 

Eine Verminderung dieser so ausgerechneten Arbeitsgrössen könnte 
nur durch besondere Umstände ermöglicht werden, die sich bisher der 
Rechnung entziehen; so z. B. dadurch, dass beim Zusammenschlagen der 
niedergehenden concaven Flügel ein Theil der Luft schwerer seitwärts 
entweichen kann, und daher gegen den Rumpf nach oben angeworfen und 
tlıeilweise hebend benutzt wird, wie dies Mehrere, z. B. auch Winter 
in seinem Buche „Der Vogelflug“ (1895) annehmen; aber weder das Vor- 
handensein und noch weniger Zahlengrössen solcher Factoren sind bisher 
präcise nach- gewiesen worden. — 

Eine interessante Consequenz der obigen Betrachtungsweise ergiebt 
sich ferner für die Beurtheilung folgender Aufgabe: 

Wenn man behufs Vermeidung der — unökonomischen — Intermittenz 
statt eines Flügelpaares deren zwei anwenden wollte, die 
abwechselnd arbeiten, und deren Gesammtfläche gleich jener des einen 
Paares ist, — so, dass eben nur eine Aenderung des Arbeits- 
regimes und sonst keine andere vorgenommen wird — so wäre im ersten 
Falle als Folge der Intermittenz die durchschnittliche Sec.-Arbeit 
Va und für n = 2.. y2 mal grösser als im zweiten; da aber bei An- 
wendung von zwei Paaren, die stets nacheinander arbeiten, nur die halbe 
Flügelfläche in Anwendung kommt, so würde andererseits deren See.-Arbeit 
y2 mal grösser, Vortheil und Nachtheil würden sich da- 
her compensiren und es wäre ganz gleichgültig, welches Regime 
man benutzt. 

Wenn man aber weiss, dass der Motor nicht nach seiner durchschnitt- 
lichen, sondern nach seiner factischen Arbeitsfähigkeit gebaut werden muss, 


1) Natürlich ändert sich mit dem richtig angenommenen £, auch der Weg 
des Druckmittels des Flügels, nämlich 20 cm statt 80 cm. 


14 Popper: Flugtechnische Studien. 


also, wenn keine innere Arbeitsaccumulation stattfindet, nach jener in der 
Niederschlagszeit, so ist die Sec.-Arbeit beim Intermittiren nyn 
== 2Y2 mal grösser und wegen der doppelten Fläche y2 mal kleiner, 
d. h. noch immer 2 mal grösser als bei continuirlicher 
Arbeit und es folgt, dass letztere trotz kleinerer Flügelflächen dennoch 
ökonomischer ist. Man sieht aus diesem Beispiele dentlich den oft mass- 
gebenden Einfluss der obigen Uutersuchungs- Resultate auf die Conception 
von Flugmaschinen. — ` 

Zum Schlusse aller dieser Betrachtungen hebe ich noch als weitere Con- 
sequenz derselben die Bemerkung hervor, dass wir mit dem Abschnitt 
„Function der Flügelschläge“ aut S. 292 u. s. f. im Loesslschen Buche 
ebenfalls nicht übereinstimmen können, wo er sagt: „... Beim Vorwärtsflug 
der Taube .. ist es ziemlich gleichgültig, wie sie ihre Flügelschläge in Bezug 
auf Frequenz und Excursionsweite einrichtet, wenn nur der nöthige Durch- 
schnittsbetrag der Arbeit zu Stande Kommt" wonach also die Taube z. B. 
in jeder Secunde nur einen einzigen Niederschlag vollfülren kann, welcher 
nur 1/10 Secunde dauert, oder (S 294) „lieber einen Schlag innerhalb zwei 
Secunden und diesen Schlag nur Leo Secunde dauern lassen.“ Denn wir 
sehen nach obiger Deduction und Rechnung, dass sowohl die factisch nöthige 
Secunden-Arbeit als selbst auch der durchschnittliche Arbeitsbetrag in jedem 
dieser Fälle sehr verschieden ausfällt, und zwar desto grösser, je kürzer 
die Arbeitszeit gegenüber der Ruhezeit gewählt wird; wenn daher Variationen 
im Regime eintreten, so können nur andere Ursachen als die Rücksicht 
auf blosse Arbeitsöconomie als massgebend auftreten, die wir entweder im 
Allgemeinen noch nicht kennen oder die von zufälligen Momenten, die 
vielleicht physiologische oder biologische Bedeutung haben, abhängen dürften. 

Wir wollen von dieser allgemeinen Betrachtung einige ‚wichtigere 
specielle Anwendungen machen. Hier wäre nun vor Allem zu bemerken, 
dass in dem Buche: „Der Vogelflug“ von Lilienthal an sämmtlichen 
Berechnungen, für die Seeundenarbeit beim Fluge der Vögel und 
der Flugmaschinen eine wesentliche Correctur anzubringen ist; dies gilt 
namentlich für das 9. Kapitel: „der sichtbare Kraftaufwand der Vögel“, 
für das 10. „die Überschätzung der zum Fliegen nöthigen Arbeit“ und 
für das 40. Kapitel: „Berechnung der Flugarbeit“, und da in den erst- 
genannten Kapiteln Auf- und Niederschlag als gleich lange dauernd vor- 
ausgesetzt wird, so sind die diesbezüglichen Resuitate zu verdoppeln. 

Lilienthal berücksichtigt nämlich in seinen Rechnungen nicht die secund- 
liche Leistungsfähigkeit des Motors (des Muskels) während seiner factischen 
Arbeitsphase, d. i. während des Flügelniederschlages, sondern er rechnet 
nur jene kem Arbeit, die nach Ablauf einer Secunde als geleistet auf- 
tritt, denkt, ohne es auszusprechen, diese Anzahl von kgm gleichmässig 
auf die Dauer einer Secunde vertheilt, ohne irgendwie eine Accu- 
mulation, und dadurch bewirkte Auszleichung, der Arbeit vorauszu- 


Popper: Flugtec'nische Studien. 15 


setzen, und erhält daher nur diemittlere und nicht die wahre Secunden- 
arbeit, nach der allein sich doch die Motorgrösse zu richten hat. 

Es ist sehr wahrscheinlich, dass, wenn die Leistungsfähigkeit der 
technischen Motoren nicht zufällig auf die Secunde, sondern z. B. auf 
Zehntelsecunde bezogen wurde, dieses Versehen unterblieben wäre. ) 

Im 10. Kapitel (S. 26) sagt Lilienthal, wenn man die Flugarbeit des Storchs 
nach der Formel für den ortlicgonalen (senkrechten) Flügelstoss berechnen 
wollte, also nach der Formel L = 0,13: F'xv?, wo L= dem doppelten 
Gewicht (wegen der Intermittenz) also = 8kg und F = 0,5 m? ist, so 
ergiebt sich = = 11 m: „diese Geschwindigkeit wirkt aber nur während der 
halben Flugdauer, ist daher nur mit 5,5 m in Anschlag zu bringen, wo- 
raus sich eine secundliche Arbeitsleistung von 8°5,6 = 44 kgm ergiebt“. 

Richtig muss es aber so heissen: die totale Arbeit während der 
Niederschlagszeit, wenn sie eine Secunde Jang gleichmässig ausgeübt 
würde. wäre 8.11 = 88 kgm, da aber in 1 Secunde zwei und zwar gleich 
lange dauernde Anf- und Abschläge stattfinden, so ist die Schlagzeit, also 
Arbeitszeit, nur !/4 Secunde, und es arbeitet daher der Muskel als 
eine Maschine, die zwar 88 seckgm Effect- oder Tieistungsfähigkeit, auf die 
Secunde bezogen, besitzt, aber, dem Regime zufolge, nur !/4 Secunde lang 
thätig ist, also factisch nur 22 seckgm zu leisten braucht, dann 1/4 Sec. 
ruht, die nächste 1/4 Sec. wieder eine Effectgrösse von 88 seckgm besitzt, 
die nächste 1/4 Sec. wieder ruht u. s. w. 

Der Fehler Lilienthals — und anderer Autoren — liegt also darin, 
dass er die Geschwindigkeit tlıeilt, während nur die Arbeitsthätigkeit 
getheilt ist; Geschwindigkeit ist eininnerer Zustand des Motors, der 
selbst im kleinsten Zeittheilchen voll und ganz vorhanden ist, die Geschwindig- 
charakterisirt sozusagen das Temperament des Motors, wie lange 
aber dieser Arbeitszustand dauert, ist eine ganz andere Frage, und nur die 
Dauer dieses Zustandes ist etwas vom Intermittenz-Regime Abhängendes. 

Auf S. 172 im 40. Kapitel giebt Lilienthal auf Grund seiner Versuche 
mit gewölbten Flächen die Flugarbeit des Storchs pro Flügelniederschlag 
zu 2,02, also für zwei Flügelniederschläge, die eben binnen einer Secunde 
statt finden, zu 4, 04 kgm an; nun setzt Lilienthal hier (S. 170) eine par- 
tielle Aufspeicherung von Arbeit während des Aufschlages voraus, bringt 
„einen Theil der theoretisch als Arbeitsgewinn anzuselenden Aufschlags- 
arbeit“ von 4,04 in Abzug und findet so die Flugarbeit circa 4 kgm pro- 
Secunde; da er ferner hier annimmt, dass die Zeit des Aufschlags sich zu 


jener des Nied«rschlags wie 2:3 verhält, so ist die Zeit des Niederschlags 
3,1 3 e vn Rn, wanta e ER 
SE me Sec. und, richtig, ist daher die nötlige Leistungsfäligkeit 
D 2 , 

: 2 
des Storchmuskels . . SES 
EES k 

1) Ueber die absoluten Zahlenwerthe Lilienthals, selbst nach ihrer eben be- 
gründeten Richtigstellung, zu sprechen, ist hier nicht der Ort; ich möchte aber nur 
hervorheben., dass der Muskel analog unseren Gasmotoren in kurzen Momenten ganz 
bedeutende Leistungen vollbringev kann, und dann gänzlich ruht und sich erholt. 


= 6,7 und nicht 4 scekgm.'!) 


16 Popper: Flugtechnische Studien. 


Eine andere, noch wichtigere Anwendung meiner obigen allgemeinen 
Untersuchung über den Einfluss der Intermittenz auf die Flugarbeit wollen 
wir auf die vergleichende Beurtheilung von Flügel- 
flugapparaten mit Drachen- sowie Schraubenfliegern 
machen. } 

Mehrere Autoren behaupten, dass Flügelapparate schwächere 
Motoren benöthigen als continuirlich arbeitende, wie z. B. Drachenflieger und 
Schraubenflieger, und in den im J. 1594 erschienener „Proceedings“ 
des aeronautischen Congresses in Chicago befindet sich ein Aufsatz von 
W. Kress des Titels: „Aeroplanes and flapping machines“, in dem (S. 257) 
der Satz aufgestellt wird: Es lasse sich theoretisch, nachweisen, dass 
Flügelapparate schwächere Motoren als Aeroplane (Drachenflieger) be- 
nöthigen und der Grund liege darin, dass die Luft unter einem günstigeren 
Winkel getroffen wird und weil ferner das Gewicht des Körpers beiträgt, 
um den nöthigen kräftigen Flügelschlag hervorzubringen.“ 

Bei der principiellen Wichtigkeit der Sache und der mehrfachen von 
mir zu erhebenden Einwendungen gebe ich die Argumentation von Kress 
ausführlich und wörtlich übersetzt wieder: 

en Der Vogelflügel wird von der Verticalkomponente des Luft- 
drucks getragen, der aus der Stossgeschwindigkeit und dem Stosswinkel resultirt; 
beim Flügelapparat wirkt nur der Flügel beim Niederschlag wie ein Aeroplan, der 
schief abwärts gleitet... . während beim Aufschlag der Flügel ebenfalls „als Aeros 
plan funktionirt, welcher durch den Luftdruck gehoben wird, der aus der beim 
Niederschlag entstandenen Körpergeschwindigkeit und seinem positiven Stosswinkel 
(d. h. vorne nach unten geneigte Fläche) resultirt, beide Actionen ermöglicht durch 
das Gewicht des Körpers. .... Da aber diese flatternde Bewegung nicht an einem 
fixen Raumpunkt, sondern in der nachgiebigen Luft vor sich geht, so müssen wir 
auch betrachten die Verluste durch Luftreibung, durch den Querwiderstand des 
Körpers und den möglichen Verlust an Höhe während des Aufschlages durch das 
Einsinken des Körpers in der nachgiebigen Luft. Das Sinken wird vermieden, 
wenn der Flügel während des Aufschlags einen passenden positiven Winkel gegen 
die Horizontale (d. h. vorne nach oben geneigte Fläche) besitzt, so dass durch 
wachsende Hebung der Höhenverlust zurückgenommen, also ein solcher vermieden 
wird. 

Daher hat der Flugapparat beim Horizontalflug zu begegnen: beim Aufschlage 
erstens dem Widerstande W in Folge des Drift (d. h. der Projection des posi- 
tiven Winkels des Flügels, oder dem soten, directen Widerstande eines Dracheus 
in seiner Bewegungsrichtung gegen die Luft) und zweitens dem Körperqyuerwider- 
stande Mi, Beim Niederschlagen jedoch giebt es keinen Drift, weil der Flügel 
in Folge seines negativen Winkels blos seine Kante dem relativen Wind darbietet, 
es ist daher der einzige Widerstand jener W, des Körpers. Die Luftreibung kann 
bekanntlich wegen ihrer Kleinheit vernachlässigt werden. 

Um nun mittelst Flügelschlägen zu fiiegen, wird aber der Drift blos während 
der halben Zeit zu bekämpfen sein (nämlich gleiche Dauer für Auf- und Abschlag 
vorausgesetzt) und die Arbeit, um den Widerstand zu überwinden, wird daher 
Bein A= — Wp V, wo V die horizontale Geschwindigkeit des Apparates be- 
deutet.“ 


Popper: Flugtechnische Studien. 17 


In Folge dieses Gedankenganges findet Kress für einen speciellen 
Flügelapparat von 764 kg Totalgewicht 132 seemkg als nötliige Motor- 
leistung, während er für einen entsprechenden Aeroplan (Drachenflieger) 
von 679 kg Totalgewicht 202 sec ke, also fast das Doppelte für nöthig 
berechnet. 

Die Vorstellungen von Kress über den allgemeinen Vorgang beim 
Fliegen mittels Flügeln decken sich mit jenen vieler anderer Autoren, 
die, wie 7. B. Marey, sämmtlich beim Aufschlag den Flügel als tra- 
genden. resp. hebenden Aeroplan in passiver Weise, d. h. in Folge der 
lebendigen Kraft der Körpermasse betrachten; was aber die Arbeits- 
berechnung bei Kress betrifft, so erweckt sie und desgleichen melırere 
seiner Argumentationen sehr wesentliche Bedenken. 

Schon der Bau der Formel für A zeigt, dass sie unmöglich richtig 
sein könne; sie sagt aus, dass für continuirlich arbeitende Propeller, z. B. 
Aeroplane, 4 = (W-- Wi) F und dass für intermittirend arbeitende 
A Se -- Wi) V seit), wobei in letzterem Falle die Ausschlags-Zeit die 
Hälfte der ganzen Flügelschlagperiode beträgt; nehmen wir nun an, sie 


1 W 
betrage nur t/100 oder 1/1000 derselben, so würde folgen, dass A = e 


- Wı) F also nahezu = Wi. V sei, d. h. bei continuirlichen. Arbeiten 
der Propeller, wie z. B. mittels Oldhamrädern, wäre z. B. gar keine Sus- 
pensionsarbeit nöthig, was noch überdies genau das Gegentheil von 
der Behauptung von Kress wäre, derzufolge gerade die continuirliche 
Arbeit grösser sein soll, als jene bei intermittirender Propelleraction; sollte 
zufällig IV; fast = Uu sein, so wäre nach Kress’s Formel überhaupt 
garkeine Flugarbeit nöthig! 

Die Ansichten, mit denen Kress seine Vorstellung von der Nützlich- 
keit von Flügelapparaten zu begründen sucht, sind überdies leicht als im 
acceptabel darzulegen; ein „günstigerer Luftstosswinkel“ ist beim nieder- 
schlagenden Flügel gegenüber dem continuirlichen Aeroplan in keiner Weise 
vorhanden, in beiden Fällen kann man nur so weit gehen, als die techno- 
logischen Bedingungen der Propeller- oder Flächenconstructionen es erlauben; 
das „Darbieten der blossen vorderen Kante“ beim Flügelniederschlag ist 
undenkbar, denn es entstände überhaupt gar kein Luftdruck auf dem Flügel, 
wenn er nicht einen gewissen offenen Winkel in der Bewegungsrichtung 
darbietet, er muss daher, um wirksam zu sein, stets einen gewissen Drift 
erleiden, (man sehe auch die spätere Figur 5, resp. den Luftstosswinkel éi 
und was endlich den günstigen Einfluss des Gewichtes des Flugkörpers 
betrifft, so kann derselbe nicht weiter gehen, als eine Accumulation und hier- 
durch eine Ausgleichung in der Secundenleistung des ungleich beanspruchten 


Bann nn, 





I) Genau genommen, ist W in jedem von beiden Fällen von verschiedenem 
Werthe. 


18 Popper: Flugtechnische Studien. 


. GE . . . ° 
Motors zu bewirken; das ist aber ein Resultat, das — wie oben in allge- 
meiner Weise gezeigt wurde — wohl sehr wünschenswerth ist, weil es ja 


die Secundenarbeit ungefähr auf S der sonst nöthigen herabbringt, dieser 


günstige Zustand einer vollkommenen Ausgleichung ist bei eontinuirlich 
arbeitendem Flugapparat, z.B. Aeroplan, aber schon ohne alle Zuthat, also von 
selbst: vorhanden; also selbst dann, wenn das Gewicht des Apparates Null wäre. 

Die Rolle, welche das Gewicht des Körpers, oder welche Federn, 
Luftpolster u. del. spielen —- über welche Organe Kress in seinem Aufsatze 
„Der persönliche Kunstflug“ (Ztschr. f. T. 1893) spricht und 
auf den er sich in den Proceedings beruft — ist daher nur die eines 
Surrogats, das niemals eine Arbeitsökonomie über den Drachen- oder 
Schraubenflieger hinaus bewirken kann. 

Der eigentliche Fehler bei Kress besteht aber in letzter Instanz in 
folgendem: 

Behufs Ansammlung von lebendiger Kraft im Flugkörper, welche dann 
für das Tragen (Heben) mittels des passiven Aufschlags benutzt werden 
und andrerseits behufs ziemlicher Einhaltung der mittleren horizontalen 
Fluggeschwindigkeit dem Körper während des Niederschlags ein- 
geimpft werden soll. ist eine forcirte Niederschlagsarbeit nothwendig, also, 
wenn keine Accumulation vorhanden wäre, principiell gerechnet, rund eine 
nyn (für n = 2 also 2Y2) grössere Seceundenarbeit nöthig, als beim Aero- 
plan oder Schraubenflieger mit continuirlichem Betrieb; da nun Accumulation 
und Ausgleichung am Motor von Kress vorausgesetzt wird, so ist die 
Secundenarbeit noch immer n, also L3 mal grösser, beim Flügelapparat. 

Lilienthal und Kress haben also in wesentlich verschiedener Art 
gefehlt; der erstere berücksichtigte wohl die Intermittenz der Propeller- 
funktion, aber nicht die wegen mangelnder Ausgleichung herrschende 
Ungleichförmigkeit des Motorbetriebes, daher sind seine Secundenarbeiten 
nmal zu vergrössern; Kress hingegen berücksichtigte wohl die Intermittenz 
der Motorfunction, indem er sie durch Accumulation ausgleichen lässt, 
übersah aber den Einfluss der Intermittenz der Propellerfunction, seine 
Secundenarbeiten für Flügelapparate sind daher yn mal zu vergrössern. !) 

Nach allen diesen, wohl sehr weitläufigen. Auseinandersetzungen dieses 
sehr wichtigen und sehr subtilen Gegenstandes glaube ich, dass wir den 
Satz festhalten können: 

!)In den „Proceedings“ macht Chanute gegen Kress’s Berechnungen 
noch mehrere Einwendungen, mit denen ich fast .gänziich übereinstimme, auch 
glaube ich, dass die dort benutzten Winkelgrössen und Coeflicienten (nach Lilien- 
thal) sehr auf die Schneide gestellte Grundgrössen der Rechnung für Flugmaschinen 
repräsentiren. Uebrigens benehmen alle diese Einwendungen gegen die Ansichten 
und Rechnungen von Kress nichts dem Werthe seiner langjährigen Bemühungen 
um Herstellung frei fliegender Flugmaschinenmodelle und seiner Studien über deren 
zweckmässige Architectur. 


Popper: Flugtechnische Studien. 19 


Vom Standpunkte der Motorgrösse aus ist das 
Intermittiren gegenüber dem continuirlichen Re- 
triebe öconomiseh ungünstig, und wenn sonst keine 
anderen Gründe dafür sprechen, sind bei Flug- 
maschinenprojectennur continuirliche Betriebe, also 
Drachenflieger, Schraubenflieger u. del. ins Auge zu 
fassen. 7 

Anschliessend an das eben besprochene Problem des intermittirenden 
Fluges möchte ich auch kurz das des Wellenfluges erwähnen, das 
mit jenem in der Hauptsache etwas Gemeinsames hat, denn auch beim 
Wellenflug ist die Intermittenz das Charakteristische. 

Hier ist der Vorgang folgender, wobei stets von jeder natürlichen 
Luftbewegung abgesehen wird: Während des Abstürzens, also der ersten 
Phase des Wellenfluges, arbeitet ein mitgenommener Motor gar nicht, sondern 
nur die Schwere des ganzen Flugkörpers; dabei wird ein Theil der Fall- 
arbeit benutzt, um lebendige Kraft anzusammeln, ein anderer wird für die 
vom Körper unter sich verdichtete und aufgestörte Luft aufgebraucht, denn 
ein gewisses Einsinken, also ein Flächenwiderstand, muss in einem nach- 
giebigen Medium wie Luft immer stattfinden, sonst würde der Körper 
ja wie im Vacuum mit der Beschleunigung der Schwere fallen. Von einem 
Stirnwiderstand sehen wir, der Einfachheit wegen ganz ab, der Körper 
wird also sehr schneidig oder zugespitzt vorausgesetzt. 

Die Fallarbeit, die in die Luft hineingelegt wurde, verwandelt sich 
in letzter Instanz in Wärme und ist also für immer verloren, und es bleibt 
nur jener Theil zur Disposition, der als lebendige Kraft erscheint. Im der 
„weiten Phase, d. i. dem aufsteigenden Ast der Welle, wird die angesammelte 
lebendige Kraft allmählich für Hebung des Körpers ausgegeben, und da 
wegen des eben erwähnten Arbeitsverlustes die ursprüngliche Höhe nicht 
erreicht werden kann,!) ist eiue Ersatzarbeit, d. h. eine Motorfunktion 


-— ln 


1) In den Aufsätzen von v.Miller-Hauenfels wird an vielen Stellen ganz richtig 
von einem „Einsinken des Körpers in die unterhalb der Flügel verdichtete Luft“ 
gesprochen, auch die Flügelstellung unter einem Winkel gegen die Flugbahn richtig 
gezeichnet und dieser Winkel ausdrücklich als nothwendig hervorgehoben, es wird 
also eine an die Luft durch deren Verdichtuug abgegebene Arbeit vorausgesetzt. 
Aber trotzdem kommt der Autor zu dem Resultate, dass der Segelflug gar 
keine Flächenwiderstandsarbeit — sondern nur Stirnwiderstands- 
arbeit consumirt, indem er anninmt, die Bahn auf der conprimirten Luft sei 
mit einer festen Holzbahn zu vergleichen, so dass die Luft alle Arbeit, welche sie 
vom Segler während des Thalfluges empfängt, ihm wälirend des „Bergfluges zurück- 
gibt.“ (Ztschr. 1593, 8.138). Das ist aber unmöglich; die an jeder Bahnstelie 
comprimirte Luft zerstreut sich sofort, wenn die Flügel an das nächste Bahnelement 
gelangen und die Compressionsarbeit kann nicht wieder nutzbar gemacht werden, 
Ein derartiger idealer Fall, wo die Bewegung in Flüssigkeiten arbeitslos geschieht, 


20 Popper: Flugteehnisehr Studien, 


nöthig, die so lange dauert, bis man wieder im ursprünglichen Niveau an- 
gekommen ist. Es möge nun diese Motorarbeit lang oder kurz dauern, 
jedenfalls muss seine Leistungsfähigkeit grösser sein, als wenn er den Körper 
blos in einer horizontalen Linie schweben machen sollte, denn er hat auch 
Hebungsarbeit zu leisten, d. h. er muss stärker sein, als wenn man keinen 
Wellenflug, sondern ein horizontales Fliegen angenommen hätte. Also 
erfordert der Wellenflug leistungsfähigere Motoren und ist unökonomisch ; 
dabei wäre noch überdies hervorzuheben, dass dieses Plus an Pferdekräften 
des Motors sich sogar noch grösser herausstellt als die Hebung und ein 
eventueller Stirn- oder Flächenwiderstand an Zusatzarbeit beanspruchen 
würde, denn wie oben erwähnt, ist eine einfache Addition dieser Einzei- 
arbeiten nicht erlaubt, sondern es findet ein vergrüssertes Wachsen 
der nöthigen Gesammtarbeit statt (siehe oben N. 303 d. vor. Jahrg.). 

Man könnte nun denken, es wäre möglich, diese Arbeit des 
Motors auf längere Zeitzu vertheilen, d. h. anstatt eist 
zuletzt während des kurzen Weges des Emporhebens in den Horizont, den 
Motor schon vorher, z. B. seit Beginn der Wellenbalın arbeiten und einen 
Accumulator laden zú lassen; nur die Rechnung kann entscheiden, ob da- 
durch eine Ersparnis möglich wird und, für den allgemeinsten Fall einer 
beschleunigten Abwärtsbewegung, mir wenigstens, zu schwierig, kann sie 
doch für den Fall eines gleichförmigen Herabgleitens und Anfsteigens 
durchgeführt werden; dabei fände also kein Gewinn und kein Verlust an 
lebendiger Kraft in der Wellenbahn statt. Das Resultat dieser Rechnung 
findet sich in meiner „Flugtechnik“ (S. 113 u. 114), und es lautet dahin, 
dass durch diesen Ausweg der Accumulation, sich 
weder ein schwächerer Motor, noch eine kleinere 
Durchschnittsarbeit (pro Secund) beim Wellenflugals 
beim horizontalen Flug ergebe; mit Obigem zusammengehalten, 
nähert sich der Wellenflug dem Minimum an Arbeit, wenn die Pfeilhöhe der 
Welle = 0 ist, d. h. die Bahn eine horizontale ist. !) 

(Fortsetzung folgt.) 
findet nur dann statt, wenn an einer Rotationsfläche die Stromlinien, die vorne 
getrennt werden, sich hinten wieder schliessen, worüber ich in meiner „Flugtechnik* 
(S. 100 u, s. w.) eingehend gesprochen habe. 

1) In dem Aufsatze, resp. Vortragsbericht, „über den Wellenflug der Vögel“ 
(Diese Zeitschrift 1590, Heft 1) sagt v. Gostkowski: ... „Es ist ja evident, 
dass bei dem von Popper befürworteten horizontalen Flug der Motor das Schiffs- 
gewicht durch die Luft zu tragen habe, während beim Welentuge die Tragkraft 
der Luft zu diesem Zweck durch den Druck, der durch den Klugkörper auf die 
Luft ausgeübt wird, Benut@ung finde.” Das ist ja ganz selbstverständlich, aber 
diese Arbeit, die auf Kosten der Höhe blos durch die disponible Schwerkralt statt 
durch Brennstoficonsum in einem Motor geleistet wird, wird uns nicht geschenkt, 
denn wir müssen, wie oben erläutert ist, nur später zum Motor greifen, um diesen 
Höhenverlust wieder einzubringen, und es geschieht eben dies uuter ungünsti- 


Koaoerter: Der Schnellsegler mittels Flugmotor. 21 


Der Schnellsegler mittels Flugmotor. 


Im Weltverkehr verdrängt der Dampf das heutige Segelschiff leider immer 
mehr und doch beweist die Ueberzahl von Segeljachten, dass zur Hebung von 
Kraft, Geschick und Gesundheit, zum Vergnügen überhaupt, dem Segler weitaus 
der Vorzug gebührt. Trotzdem sind Passagiere bei etwas grösseren Seereisen auf 
der letzteren Schiffsgattung kaum noch anzutreffen. Die.Beförderungs-Geschwindig- 
keit der Dampfer steigert sich von Tag zu Tag und im Maschinenbau herrscht cine 
fieberhafte Thätigkeit, diese immer ökonomischer, das heisst den Wettbewerb für 
den Segler immer schwieriger zu machen. 

Nachstehend soll nun versucht werden, auch der Segelschifffahrt ein neues 
Mittel zur so zu sagen beliebigen Steigerung der Betriebskraft und entsprechenden 
Geschwindigkeit an die Hand zu geben, mit anderen Worten, sie dem Dampfer 
wieder eoneurrenzfähiz zu machen. Dabei soll ausschliesslich die jetzige schönste 
Betriebskraft! gesunde, staubfreie, bewegte Luft beibehalten werden. Ihrer Wirkung, 
das heisst der des Windes, wird heute durch Schiffsgrösse und die davon ab- 
hängige Ausdehnung der Takelage für bestimmte Fälle eine Grenze gesteckt, 
sollen Stabilität und Sicherheit nicht Noth leiden‘! In anderer Lesart: heute kann 
der Wind nur auf eine bestimmte, grösste, nicht mehr ausdehnungsfähige Anzahl 
von Quadratmetern Serelfläche einwirken, die bewegende Kraft desselben kann 
nicht mehr vergrössert werden, obgleieh sie rund ums Schiff sammt Takelage in 
unermesslicher Ausdehnung vorhanden ist. Diese unbenutzte Kraftfülle in Zukunft 
wenigstens zum Teil ausnutzbar für die Schiffahrt zu machen, ohne dabei den 
Segler mit einer riesigen Takelage zu überbürden, ohne letztere überhaupt zu ver- 
grössern, mit anderen Worten, kleine Schiffe mit einem fast beliebig starken, von 


geren Umständen, als wenn man von Anfang an nur Schwebearbeit und keine 
Hebearbeit mittelst des Motors ausgeübt hätte. Seit meinem Vortrage ist im ersten 
Heft des Jahres 1896 dieser Zeitschrift eine Note von Platte erschienen, in 
welcher er sagt, dureh das Buch von Loessl sei zu Gunsten des Wellenfluges 
endgültig entschieden worden, und er begründet dies mit den Worten! „ . .Loessl 
findet, dass die Taube, um sieh senkrecht zu heben, eine Arbeit von 1,8 secmkg 
zu leisten habe, während dieselbe Taube, wenn sie eine, eben durch früheren 
schrägen Abfali erlangte Geschwindigkeit von 12 seem besitzt, zur Fortsetzung 
des Fluges in horizontaler Bahn mit der nämlichen Geschwindigkeit von 12 m pro 
Sekunde nur mehr einer Arbeitsgrösse von 0,2025 sesmkg bedarf; die Taube 
bedarf daher zum horizontalen Segeln nur des neunten Theiles der Kraft, die sie 
zum Aufflug braucht.“ 

Diese Argumentation Platte s beruht -- von meiner Kritik der Loessl’schen 
Zahlen ganz abgesehen — auf einem Versehen. J.oesal behandelt (auf S. 218) in 
keiner Weise die Frage des Wellenfluges. sondern untersucht ganz allgemein den 
Nutzen, welchen eine gleichzeitige Translation für Verringerung der Schwebearbeit 
herbeiführt, worüber ich oben ausführlich gesprochen habe und der, in letzter In- 
stanz, auf dem Vortheil des schiefen Lutftstosses gegenüber dem normalen zurück- 
zuführen ist. Dieser Nutzen findet bei allen solchen Vorgängen statt, also sowohl 
beim horizontalen Flug mittelst schiefer Drachenflächen, als heim Gleiten in schiefer 
Bahn nach abwärts u. s. w.: die Sache hat also mit dem Wellenfluge als solchem 
gar nichts zu thun, in seinem absteigenden Aste tritt, wie schon vorausgesetzt ist, 
hierdurch ein verzögertes Sinken statt, analog wie beim horizontalen Fliegen mittelst 
Drachen oder dgl. eine verkleinerte Motorarbeit nöthig ist gegenüber dem Flat- 
tern an der Stelle. 


22 Koester: Der Schnellsegler mittels Flugmotor. 


deren Grösse unabhängigen Motor auszurüsten und ihnen dadurch unter günstigen 
Umständen so zu sagen eine beliebige Fahrgeschwindigkeit zu ertheilen, das ist 
gewiss ein erstrebenswerthes Ziel. — Der Segelschlitten auf dem Eise beweist, 
dass durch Segler bei verhältnissmässig geringem Widerstande eine bedeutendere 
Geschwindigkeit als die des Windes erreichbar ist; er fährt seine 42 m in der 
 Secunde, während die ihn von der Seite treibende Brise nur etwa 10 bis 15 m 
Geschwindigkeit zu haben braucht. Dem Spielzeuge der Jugend. dem Drachen, 
der indessen jüngst auch in der Kriegstechnik, in der Photographie und in der 
Meteorologie Verwentung findet, verdanke ich nachstehend beschriebene Anregung 
für die Schiffahrt. Die ihm bei bewegter Luft innewohnende Energie wurde bis 
heute fast nur bezüglich Hochsteigens ausgenutzt! richtig angeordnet kann er 
aber bezüglich Kraftäusserung jedes Segel und Windmühlenrad in den Schatten 
stellen, was ich dem geneigten Leser anführe, um einer zu geringschätzigen Kritik 
vorzubeugen. Dabei hat der Drache den grossen Vorzug, dass sich Versuche mit 
ihm ohne grosse Kosten von Jedermann anstellen lassen. Zur Sache selbst benutze 
ich aus meinem Beitrage in Nr. 1 der diesjährigen Zeitschrift für Luftschiffahrt 
und Physik der Atmosphäre die Angabe, dass ich schon am 20. Septbr. 1889 an die 
Königl. Luftschifferabtheilung in Berlin über einen sehr zufriedenstellenden Versuch 
berichtete, die Leine eines gestiegenen Drachens auf den Rücken eines zweiten 
weiterhin aufzulassenden zu befestigen, wobei die untere Halteleine, der Drachen- 
zahl entsprechend, doppelt stark angezogen worden sei. Fernerhin war denn 
Folgendes ausgeführt: „Meine jüngsten Erfolge liegen ganz auf dem Gebiete der 
wichtigen Beförderungs-Luftschiffahrt; die Leichtbeweglichkeit des blattförmigen 
Drachens lässt diesen sofort eine äusserst rasche Seitenbewegung machen, wenn 
beim Auflassen die Richtung der Halteleine und die des Windes von einander ab- 
weichen. Wird nun zur praktischen Ausnutzung dieser Thatsache das Ende der 
Halteleine von aufgelassenen Einzel- oder besser mehrerer sehr kräftig ziehen- 
der verbundener Drachen nicht wie bisher einfach festgehalten, sondern mit einem 
Laufröllchen versehen, welches sich auf einem straff und schräg gegen die Wind- 
richtung gespannten Drathe bewegen kann, so erfolgt obige sehr schnelle Seiten- 
bewegung sofort auf der ganzen, durch geeignete Unterstützungsgabeln beliebig 
langen Drathbahn; ebenso die Rückwärtsbewegung darauf, wenn man ihr der Wind- 
richtung gegenüber die entgegengesetzte Schräge giebt. 

Obgleich nun die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, über Land ganz ohne 
Drath — oder sonstige Bahn zu fahren, so kann dieses mit Sicherheit von der 
Fahrt zu Wasser behauptet werden. Ein leichtes durch verbundene grössere Drachen 
entlastetes, nur noch so zu sagen mit Kiel und Steuer das Wasser durchschneiden- 
des Fahrzeug dürfte im Vogelfluge mit noch nie erlebter Geschwindigkeit selbst 
den Ocean kreuzen können“. 


Nach dieser vorläufigen Veröffentlichung versprach ich anfangs dieses Jahres 
Versuche anzustellen, die sich indessen unerwartet in die Länge zogen, und gemäss 
Scientific American, wahrscheinlich (probably) den Amerikaner Douglas Archibald 
im Jahre 1884, in 1691 auch W. A. Eddy bewogen, ihren Zweck — die Erreichung 
grosser Höhen — auf andere, wenn auch viel unvollkommenere Weise als durch 
direct verbundene Drachen zu erreichen, was die in jener Zeitschrift beigegebene 
Zeichnung unschwer erkennen lässt. Beide gaben dabei wohl unbewusst die beliebig 
grosso Zugkraftentwicklung auf, welche ich jedoch für meine Zwecke haupt- 
sächlich anstrebe. Heute kann ich mittels meines neuesten Verbundfliegers fast 
jede beliebig grosse Zugkraft erzeugen. Meine ursprünglich verbundenen kleinen 
Versuchsdrachen mit Dreiecks-Spannleine sowohl nach unten, wie rückwärts nach 
oben zum nächst höheren Drachen, liessen bei je 0,34 Quadratmeter Fläche nicht 


Koester: Der Schnellsegler mittels Flugmotor. 23 


mehr als dreifache Hintereinanderkuppelung zu. Der vierte Drache wurde durch 
die vergrösserte Zugkraft erst deformirt und ihm dann krachend das Rückgrat zer- 
drückt. Es gelang indessen, gemäss Skizze, die Halteleine ununterbrochen direct durch 
den Drachenrücken zu führen, und jeden Drachen für sich gegen einen Knoten in 
derselben seine Zugkraft ausüben zu lassen. Mit der vermehrten Drachenzahl musste 
aber nach und nach zu waschleinkräftiger Halteleine übergegangen werden, deren 
Drall jedoch ein umgekehrter wie der des anfänglichen Bindfadens war. Trotz ihrer 
lockeren Verbindung mit der Halteleine und trotz abwärts ziehenden Uebergewichtes 
des Hintertheiles neigten sich namentlich die unteren einzelnen Drachen erst zur 
Seite und dann begann plötzlich ein sehr störender Rundtanz um das gemein- 
schaftliche durchgehende Kabel. Ein mittels durchbohrter rundlicher Plättchen 
hergestelltes Kugelgelenk lässt jetzt das Kabel jede Drehung unabhängig von den 
darauf sitzenden Flugflächen ausführen. Auch wurde nach unten zur Verwendung 
kräftigen Drathes geschritten, dem dieser Uebelstand nicht anhaftet. Ganz leichter 
Draht eignet sich aus ähnlichem Grunde aucn gut zu häufig beliebten Drachen- 
schweifen. Letztere suche ich möglichst zu vermeiden, und gehe dabei practischer 
zu Werke wie Eddy mit seinem „tailless kite.“ Besitzt nämlich das Kabel durch 
Auflassen eines oder mehrerer gekuppelter Drachen die gewünschte Neigung, 
so bediene ich mich zur Zugkraftvermehrung anstatt des immerhin etwas difficilen, 
eine gewisse Stellung beanspruchenden Drachens, kreisrunder grosser Flugscheiben 
ohne jedes Anhängsel. Auf der stramm zespannten Halteleine können sich diese 
ohne jede Gleichgewichtsstörung beliebig drehen und, einmal in der geneigten Lage, 
entwickeln sie gleiche Steigkraft wie Drachen, brauchen letztere also durchaus nicht 
als Träger. Sie greifen ebenfalls hinter Knoten oder Ansätze des Kabels und lassen 
sich viel leichter, dauerhafter, billiger und bedeutend grösser wie Drachen her- 
stellen, dabei rascher auflassen und wieder einziehen; letzteres kann bei einem 
sehr kräftigen Apparate dieser Art ein Mann besorgen, sofern zweckmässige Ein- 
richtungen bestehen. 

Nachdem so in Wirklichkeit ein neuer zuverlässiger Windmotor, nennen wir 
ihn Kuppelflieger, angeordnet war, erfolgten, das Gesagte bestätigende, kleine, 
billige, von Jedermann leicht zu wiederholende höchst interessante Versuche. Bei 
nur 1!/ Quadratmeter combinirter Flugfläche (der einzige Drache des Schotten 
Powell hatte 60) und etwas lebhafter Brise war der Apparat von einem Erwachsenen 
nur mit Anstrengung langsam an der Leine gegen den Wind zu bewegen; ihr Ende 
befestigt, und Leine unter dem Arm, daran auf dem Erdboden entlang gelaufen, 
fehlte wenig, einen Knaben hochzuheben. Auf dem Verbindungskanal bei Plötzen- 
sce war ein kräftig rudernder Schiffer im flachen Personenboot nicht im Stande, 
dasselbe vor Antreiben ans Ufer zu schützen. í 


Endlich wurde am 6. Oktober d. J. ein Dienstmann mit seinem Drei- 
rad auf das Tempelhofer Feld in die Nähe der Luftschiffer - Abtheilung zu 
einem Versuche herangeholt. Der kleine Kuppelflieger von zusammen 1,36 
Quadratmeter Flugfläche bei 0,720 kg Gewicht bewegte das Dreirad parallel zur 
Begrenzung der Luftschitfer-Abtheilung auf einem schmalen Fusswege so, dass sich 
das vordere Leitrad auf dem Pfade befand, während die beiden Hinterräder, auf 
welchen hauptsächlich der 85 kg schwere Passagier nebst bedeutendem Fahrrad- 
gewichte lastete, stets über die dortige Graslläche humpeln mussten. Die Fahr- 
richtung wich horizontal etwa 50" von der dureh die Halteleine gekennzeichneten 
Windrichtung ab, dabei war die Leine um etwa 45’ nach oben zu den Drachen hin 
ansteigend und einfach an dem Flacheisengestell über der Axe hinten befestigt. 
Trotz dieser ungünstigen primitiven Verhältnisse erreichte das bei hochgehobenen 
Beinen vom Passagier nur gesteuerte Gefährt die gewöhnliche Fahrgeschwindig- 


24 Koester: Der Schnellsegler mittels Flugmotor. 


keit. Währenddem war am Kuppelflieger gar keine Senkung oder Schräg- 
stellung der sich natürlich gleich rasch mitbewegenden länglichen Dra-hen be- 
merkbar. Auf ebener, glatter, wenig Widerstände bietender Bahn wäre jeden- 
falls eine grosse Fahrgeschwindigkeit entstanden, ebenso natürlich auch durch 
Flugfläche-Vergrösserung, wozu leider wegen späterer Truppenübungen auf dem 
Platze keine Zeit verblieb; denn entweder mit der Widerstandsverminderung oder 
mit der Kraftvergrösserung kann die Fahrriehtung mehr senkrecht zur Windrichtung 
und dadurch die Fahrt eine schnellere sein wie beim Segelschlitten auf dem Eise, 
während Widerstandsvermehrung bei gleichbleibender Kraft immer mehr die Ein- 
lenkung in die Windrichtung bedingt, dadurch die Zugkraft in gleichem Mafse 
steigernd, wie sich die Fahrgeschwindigkeit vermindert. Auch hier gilt das 
eherne Naturgesetz „Kraft mal Weg gleich Arbeitsleistung“. Je grösser die Kraft, 
desto kleiner der Weg und je grösser der Weg desto kleiner die bewegende Kraft 
bei gleichbleibender Leistung, welch letztere durch Flugfläche und Windstärke 
genau bestimmt ist. 


Auch die gleichzeitigen Fahrversuche rechtwinkelig zu den eben beschriebenen, 
d. h. senkrecht zur Begrenzung der Luftschiffer-Abtheilung, verliefen zufrieden- 
stellend, obgleich es fortwährend ohne Weg und Steg immer auf dem Rasen quer 
durch frühere Ackerfurchen und quer über alte Ackerrücken ging. Dabei die 
kleine Fliegerfläche berücksichtigt, so war eine Bewegung ohne Pedaltretung 
des schweren Fahrrades nur deshalb möglich, weil der Drachenzug nach oben die 
Hindernisse so wenig störend für das Gefährt machte, dass man heute mit Recht 
behaupten darf, auf diese Weise sei dem Fahrrad auch das ungtnstigere, bisher 
nur der Cavallerie zugängliche Terrain eröffnet. Ferner liegt die Wahrscheinlich- 
keit vor, durch Gestellverbindung von 2 oder mehr Fahrrädern mit einem gemein- 
samen Verbundflieger, jede Fahrstrasse mit Bäumen passiren und dabei Segel auf- 
spannen zu können. Mein 16jähriger Sohn musste sich bei dem vorbeschriebenen 
Versuche auf dem Dreirade einseitig setzen, wollte er nicht hochgenommen, bezw. 
umgeworfen werden. Er habe genau gefühlt, nur das Vorder- und das dem Kuppel- 
flieger zugekehrte Hinterrad hätten Boden berührt, wurde mir später von ihm mit- 
getheilt. — Wenn nun offenbar das Fahrrad von der Erdoberfläche aus dem 
Kuppelflieger seinen Kurs vorzeichnete, ihn genau steuerte, warum sollte das 
beim allerdings plumpen Ballon nicht theilweise auch möglich sein? Angenommen, 
der Norpolfahrer Andree und dessen Begleiter befestigten an den Enden ihrer beiden 
Schleppgurte die Axenden einer dazwischen gelegten leichten drehbaren schwimm- 
fähigen Trommel (s. Fig. S. 25); letztere hätte je 20 cm von ihren Kopfenden jederseits 
einen gemäss Skizze kragenförmigen Ansatz, der beim Rollen über den Boden, über 
eine Eis- „Schnee- oder Wasserfläche einschneidet, so ist der Steuerapparat fertig, 
wenn man die Trommel fast schwebend nachlaufen lässt; denn diese durch An- 
ziehen des einen oder anderen Ciurtes schräg gestellt, würde dem Korbe mit Ballon 
alsbald einen von der Windrichtung abweichenden Kurs anweisen. Eine zu 
diesem Zweck in Aussicht genommene Trommel könnte sich schwerlich je fest 
zwischen Eisschollen etc. einklemmen; geschehe es dennoch, am Korbe vorhandene 
leichte Winden würden wohl diesen mit Ballon zur Klemmstelle heran holen lassen. 
Mit etwaiger Ausnahme von einem Stück Schleppgurt müssten diese Ausrüstungs- 
gegenstände bei Antritt der, anfangs jedenfalls günstigen Wind benutzenden Luft- 
reise schwebend getragen und während der Benutzung durch eingenommenen 
Schleppgurt etc. ersetzt werden können bei möglichst niedriger, sich jedoch den 
Gefahren der Erdoberfläche entziehender Fahrt. — 


Für später, eventuell wegen Eis erst im Frühjahr, ist von mir noch ein 
Versuch zu Wasser mit einem eigens zum Zweck construirten Boote, einem soge- 


Koester: Der Schnellsegler mittels Flugmotor. 25 


nannten Wasserschlitten "in Aussicht genommen, aber schon heute gestatte ich mir 
einige die Segelschifffahrt betreffende Schlussfolgerungen. So viel ist klar, es 





kann in Zukunft das kleinste Seeschiff mit einem fast nichts wiegenden, zuver- 
lässigen Motor von beliebiger Kraftäusserung ausgerüstet werden. Denn der ` 
Kuppelflieger kennt in unserer Atmosphäre keine Höhen- und Ausdehnungsgrenze. 
Entsprechend gross und hoch gelassen, kann er sogar das sich dadurch immer 
schneller bewegende Fahrzeug fast ganz entlasten, während die heutige gewichtige 
Takelage das Schiff tiefer einsinken und schwerer beweglich macht und, wie bereits 
gesagt, aus Stabilitätsrücksichten dem Schiffskörper angepasst sein muss; sie kann 
aber auch in Zukunft sehr wohl neben dem Kuppeiflieger behufs Krouzens, Aufnahme 
zu leichter, den Kuppelflieger nicht mehr tragender Winde etc. verbleiben. Bei 
ganz schwachen Winden kann übrigens dem Kuppelflieger ein mit Gas gefüllter 


26 Koester: Der Schuellsegler mittels Flugmotor. 


linsenförmig flacher kleiner Trageballon vorauf hochgehen. Nichts ist leichter, 
als an Bord einen Kuppelflieger rasch steigen zu lassen und wieder einzuholen, 
dieses erprobte ich auf dem vorn erwähnten kleinen Kanalbote. Bedenkt man 
nun, dass das schräg hochgehende Haltekabel eines grossen Kuppelfliegers sich 
unten in Dreiecksform auseinander spreizen lässt, dass bei grossen Oceanseglern 
mehrere verschieden hoch gelassene Flieger möglich sind, und in beiden Fällen 
sichere Haltepunkte für riesige etwa nach oben ausbauchende Segelflächen ent- 
stehen, so darf ich mir die Behauptung erlauben, derartig vorläufig nur etwa neben- 
bei ausgerüstete, entlastete, hochgehobene Fahrzeuge können bei günstigem Winde, 
z. B. in den Passaten, die schnellsten Dampfer hinter sich lassen. Sie werden auch 
öfters in der Lage sein, eine günstige Bewegung der höheren Luftschichten aus- 
zunutzen. Auch bei Sturm dürfte oft grössere Sicherheit gewährt sein. Die heutige 
Takelage der Schiffe ist meist auf Biegungs- und Zerknickungsfestigkeit in An- 
spruch genommen; die parabolisch geformten schweren Raaen und riesigen Mast- 
bäume beweisen es; der Kuppelflieger nimmt genau wie der Schlepper den kraft- 
übertragenden Theil nur auf absolute, beziehungsweise Zugfestigkeit in Anspruch; 
das durch ihn bewegte Schiff bietet daher für Abtrift kleinere Flächen, wird schwer. 
lich Seen übernehmen, kann stärker befrachtet werden, der Gang des Schiffes ist 
ruhiger, und, last but not least, die Bedienungsmannschaft kann bedeutend ver- 
mindert werden. Zwei Schiffe in der Takelage zu kuppeln behufs Anbringung von 
Zwischensegeln bei günstigem Wind und Wetter, geht heute schwerlich an; der 
Kuppelflieger macht dieses möglich. 


Ganz kürzlich gelang es mir auch während kräftiger Brise in ganz unglaub- 
lich leichter Weise die unteren Flugscheiben und Drachen eines Kuppelfliegers, 
ähnlich den Segeln eines Schiffes schräg gegen die Windrichtung zu stellen durch 
extra seitliche an der Halteleine befestigte oder mit letzterer nach unten reichende 
Schnüre. So etwas lässt sich mit der amerikanischen oder einer anderen mir be- 
kannten Kupplungsweise nicht bewerkstelligen, ist bisher auch nicht versucht worden; 
man war vielmehr froh, bei dem freien complicirten Spiel der Kräfte beim Hochsteigen 
der Drachen überhaupt Herr zu werden. Jetzt kann also mit meinem Flugapparat 
eben so nahe wie mittelst Masten und Raaen an den Wind, bezw. gegen denselben 
gefahren werden; das ganze schwere Takelwerk eines heutigen Segelschiffes dürfte 
daher sicherlich in Zukunft entbehrlich gemacht werden! Näheres will ich jedoch 
lieber unseren findigen Seeleuten überlassen, es würde mich bier zu weit führen- 
Nur um eins möchte ich schliesslich bitten, um recht häufige Anstellung von Ver- 
suchen; sie sind in vorliegendem Falle, namentlich auf hoher See, unter Zuhilfe- 
nahme der beigehenden Skizze so leicht und billig zu machen; es liegt daher durch- 
aus kein Grund vor, meine Ausführungen bei dieser Neuerung von vornherein todt 
zu kritisiren, worüber sich der verdienstvolle Forscher Prof. Wellner in der Zeit- 
schrift für Luftschifffahrt und Physik der Atmosphäre so treffend beklagte mit 
den Worten: 


„Sobald irgend ein neuer Vorschlag auftaucht, sobald irgend ein Versuch 
vorliegt, sofort wird von Vielen, die es besser wissen, dagegen geschrieben, 
dagegen gearbeitet, das Neue geleugnet oder Abänderungen angerathen, 
die Ergebnisse herabgezerrt, angefeindet; das ruhige Urtheil wird getrübt 
und in Verwirrung gebracht und weite Kreise werden der Sache entfremdet.“ 


Berlin im Januar 1897. 
F. Koester, Ingenieur. 


Kleinere Mittheilungen. 27 


Kleinere Mittheilungen. 


Ueber die Lufthügeltheorie. Wie man über so manche flugtechnische Fragen 
noch nicht ganz im Klaren ist, so ist man es auch nicht in Bezug auf die Art 
der Wirkung der Luft auf Widerstandsflächen. Eine der neuesten Ansichten dar- 
über veröffentlichte v. Locssl in dem Buche „Die Luftwiderstandsgesetze“ unter 
dem Namen Lufthügeltheorie. Dieses Buch und die darin enthaltenen Ansichten 
sind an dieser Stelle schon öfters besprochen worden, immer jedoch von Anhängern 
der Lufthügeltheorie!). Ich bin zwar auch kein Leugner des Lufthügels; dass 
dieser aber solche Eigenschaften besitzt und so wirkt, wie es Looss annimmt, be- 
zweifle ich sehr. 

Da manchen Lesern die Loessl’sche Lufthügeltheorie vielleicht unbekannt 
ist, gebe ich hier kurz ihre Grundsätze wieder?). 

Nach der genannten Theorie bildet sich vor senkrecht in der Luft vorschreiten- 
den Flächen auf der Vorderseite derselben, ein aus Luft bestehender Stauhügel. wel- 
cher die Fläche völlständig bedeckt. Bei rechtwinkelig gegen dio Stromrichtung 
gestellten Flächen, besitzen die Hügelböschungen allseits den gleichen Winkel 
und zwar 45° gegen die Flächenebene, wie auch gegen die Stromrichtung und 
laufen in eine Spitze oder Schneide mit 90° zusammen. Auf einer quadratförmigen 
Fläche ist also der Lufthügel eine vierseitige Pyramide, auf einer Kreisscheibe 
ein Kegel, auf einem Rechtecke ein Keil etc. 

Bei geneigten Flächen nähert sich die Spitze oder Schneide des Lufthügels 
mehr oder weniger der gegen die Stromrichtung vorspringenden Kante. Das Ver- 
hältniss des Schiefstellungswinkels der Fläche o und des Neigungswinkels der Luft- 
hügelböschungen 3, ist! sin u = (9 A. | 

Die Luft gleitet an den Lufthügelflächen (an den Lufthäuten, wie sie Loess! 
nennt) ab und der Lufthügel theilt den so erlittenen Druck der Flache mit; da 
sein Inneres aber unbeweglich ist, wirkt er wie eine mit comprimirter Luft ge- 
füllte Blase, so dass die Fläche an allen Stellen gleichen Druck erleidet. 

Unebenheiten der Fläche bleiben so lange ohne Wirkung auf die Wider- 
standsverhältnisse, als sie der Bildung des Lufthügels nicht hinderlich sind. Er- 
höhungen dürfen also die Lufthäute nicht durchdringen. 

Der Druck, den eine Fläche erleidet, ist dem quadratischen Ausmalse der- 
selben proportional, so dass für kleine Flächen dieselben Widerstandsgesetze 
gelten wie für grosse, 

Das sind in Kürze die Lufthügelgesetze. 

Die Existenz des Lufthügels will Loessl durch Flammen herausgefunden 
haben, indem diese an 'gewissen, dem Lufthügel entsprechenden, Stellen ruhig 
weiter brannten, ausserhalb desselben aber sofort erloschen. 

Dem ist zu entgegnen, dass Dr. Mach gefunden hatte, dass eine hart vor 
einer Widerstandsfläche befindliche Flamme eine pilzartige Deformation erleide. 
Übrigens hat ja Dr. Mach die Luftströmungen photographirt (Heft 6, 1896); von 
einem Loessl’schen Lufthügel ist aber nichts zu sehen. 

Der Widerstand einer Fläche wird erzeugt, indem die Luft an den Lufthäuten 
abgleitet; deshalb sind die eigentlichen Widerstandsflächen die Böschungsflächen 
des Lufthügels. Nach Loessl bildet sich aber vor jeder Widerstandsfläche 


1) Ztschr. 1896: ‚Heft 1. Platte „Segelflug oder Ruderflug.“ Heft 4/5. Ritter 
Winddruck auf Cylinder und Kugelflächen®. Heft 7. Zeppelin „Bemerkungen zu dem 
Werke Loessl’s u. s. w.“ Heft 8/9. Popper „Flugtechnische Studien.“ 

2) Siehe das Buch „Luftwiderstandsgesetze* von Seite 381—104. 


28 Kleinere Mittheilungen. 


ein Lufthügel, und ich sehe darum nicht ein, warum die Lufthäute das Privilegium 
besitzen sollten, dem Lufthügelgesetz nicht unterworfen zu sein! 

Erhöhungen bleiben ohne Einfluss auf die Luftwiderstandsverhältnisse, solange 
sie die Lufthäute nicht durchdringen. 


Wenn man also der Fläche solche Erhöhung geben möchte, dass der vom 
Lufthügel eingenommene Raum fast ganz erfüllt wäre, so sollte das noch keine 
Widerstandsveränderung hervorrufen! 


Sind ferner stumpfe Pyramiden und schwache Wölbunzen der Fläche nicht 
blosse Erhöhungen derselben ? Sie durchbrechen die Lufthäute nicht, haben also 
keinen Einfluss auf den Widerstand. Und doch stellt Loess! für solche Körper 
specielle Formeln auf und sagt sogar später, dass schon eine sehr schwache Con- 
vexität der Fläche genüge, um den Widerstand auf die Hälfte herabzudrücken. 


Bezüglich der Druckvertheilung nimmt Loess] an, dass diese auf der ganzen 
Fläche die gleiche ist, was er durch folgenden Versuch beweisen will: 


Eine kreisrunde Fläche wurde so in zwei flächengleiche Hälften getheilt, dass 
der eine Theil eine Kreisscheibe bildet, um welche der andere, ein Kreisring, 
herumlief. Nun wurden beide Theile so aufgehängt. dass sie eine horizontalo 
Ebene bildeten und überdies ao miteinander verbunden waren, dass falls sich der 
eine Theil hinauf bewegte, der andere hinunter musste. Die gemeinsamen Auf, 
hängefäden liefen nämlich oben über Rollen, welche die Bewegung der einen Fläche 
der anderen mittheilten. Die ganze Vorrichtung wurde dann mittelst eines weiteren 
Fadens emporgezogen; falls bei dieser Bewegung der mittlere Theil einen grösseren 
Druck zu erleiden hätte, so müsste er, so behauptet Loessl, zurückbleiben, die 
Rirgfläche dagegen müsste sich emporbewegen. 


Ich behaupte, dass dies nicht unbedingt eintreffen muss; so lange die 
Druckdifferenz so gross ist, dass die dadurch erzeugte Bewegung der Flächen 
diese Differenz aufhebt, bleiben die Flächen in Ruhe. Es bewegt sich nämlich der 
minder gedrückte Theil mit der gemeinsamen Bewegung, wogegen für den anderen 
Theil wirklich eine kleinere Geschwindigkeit, somit auch kleinerer Druck resultirt. 
Wenn der Überdruck der Flächen gross ist, wenn z. B. die Flächen in Bezug auf 
Flächeninhalt sehr differiren, so kommt zwar eine gegenseitige Bewegung zustande, 
doch wird sie durch den oben erwähnten Umstand stets gehemmt. Da bei dem 
vorliegenden Versuch die Druckdifferenz offenbar sehr minimal war, ist das Still- 
stehen der Flächen erklärlich. 


Loessl widerspricht sich in diesem Punkte sogar selbst; denn, selbst zuge- 
geben, die Vorderfläche besässe überall gleichen Druck, nimmt dies Loessl keines- 
wegs für die Hinterfläche an. Die rückwärtigen Mittelpartien sind nach ihm weniger 
gedrückt als die Randtheile. Wie erklärt er dann das Stillstehen der Flächen bei 
seinem Versuche’? 


Auch kann Loessl mit seiner Theorie viele Erscheinungen nicht erklären; 
sie sprechen oft gegen dieselbe. Ich will nur allbekannte Thatsachen erwähnen. 
Man weiss, dass je kleiner ein Thier ist, desto stärker es ist; bei kleineren Flug- 
thieren finden wir überdies noch eine verhältnissmässig grössere Flügelfläche. Auch 
die Geschwindigkeit und Zahl der Flügelschwingungen wächst, je mehr das Flug- 
thier an Grösse abnimmt. 

Zum Erzielen desselben Effektes verbrauchen also die kleineren Thiere grössere 
Kraft; sie müssen den grösseren Fliegern gegenüber irgendwo im Nachtheil sein. 
Und dies liegt in der absoluten Kleinheit ihrer Flügel. 

Ferner ist die von Loess! angenommene Gestalt des Lufthügels sehr unwahr: 
scheinlich, worauf schon Popper mit Recht hingewiesen hatte. Die Luft, dieses 


Kleinere Mittheilungen. Op 


unruhige und äusserst bewegliche Element soll geometrische Körper mit scharfen 
Kanten und Schneiden bilden! Dies ist schon aus folgenden Umstande nicht möglich: 


Nehmen wir an, es hätte sich vor einer gleichmässig vorschreitenden Fläche 
ein Loessl’scher Lufthügel gebildet. Würde nun die Bewegung zunehmen, so müsste 
sich natürlich auch der Druck vergrössern. Da aber kein Grund vorhanden iat, 
dass der Lufthügel bei Vergrösserung der Geschwindigkeit an Masse zunehmen 
sollte, und da er jetzt der Fläche einen grösseren Druck mittheilen soll, so kann 
nichts anderes geschehen, als dass er seine frühere Gestalt einblissen muss; damit 
stimmen auch die Photographien des Dr. Mach überein. 


Noch etwas über die Versuche Loessl’s.. Dass die Versuche mit den sogen. 
Wagapparaten nicht stichhaltig sind, habe ich bereits gezeigt. Bezüglich der 
Experimente mit dem Rundlaufapparate sei erwähnt, dass diese selbst Loessl nicht 
als absolut richtig ansieht. Zwei Fehlerquellen vermisse ich unter den in seinem 
Buche angeführten. 

Ich bebaupte, dass infolge der grossen Nähe der beiden Flächen (sie beträgt 
3 m und weniger) die Resultate abweichend sein müssen; denn sie behalten wäh- 
rend der ganzen Bewegung ihre Entfernung bei und stören sich deshalb gegenseitig. 


Auch folgen die Flächen sehr schnell hintereinander, so dass sie nie auf 
ruhige Luft treffen. Loessl sagt zwar, durch Kerzenflammen das Gegentheil ge- 
funden zu haben; wenn wir aber die Sache näher betrachten, so müssen wir zu 


dem Resultate kommen, dass dies unmöglich ist. 


P Zwei Flächen folgen einander in einer Entfernung von 4m mit einer Ge: 


schwindigkeit von 1 bis 10m s. Wo aiso vor einigen Secunden, ja sogar vor einem 
Bruchtheil derselben die eine Flache war, befindet sich bereits die zweite. Und 
in einer solchen Zeitspanne soll sich die Luft bereits beruhigt haben! 


Wie ich schon erwähnt hatte, bestreite ich die Existenz und Bildung des 
Lufthügels nicht. Ich bin aber überzeugt, dass dieser anderer Natur ist, ala der 
von Loessl angenommene. Nächstens hoffe ich bezüglich meiner Ansichten darüber 
einige Mittheilungen machen zu können. 

H Vavrecka. 


Drachen- und Schraubenflieger. (Duplik.) Der im Octob./Novbr.-Hefte (1896) 
enthaltenen Erwiderung des Herrn Kress begnüge ich mich Folgendes entgegenzu- 
stellen: 


Was beweisen, zumal Angesichts des Unglücks Lilienthal'’s, die Modell- 
Versuche mit Kress schen und anderen Drachenfliegern, für deren genügende Stabi- 
lität gegenüber den Anforderungen der realen Flugmaschine, die mit enormer 
Geschwindigkeit gegen jeden Wind fliegen soll? Bei der Ausführung der wirklichen 
Flugmaschine zeigen sich aber erst die Schwierigkeiten der Stabilität und Steuer- 
barkeit, denn es kommen dabei ganz andere Luftstossgeschwindigkeiten in Betracht 
und innerhalb des Bereiches der Modell-Dimensionen sind die Unterschiede und 
Schwankungen in Richtung und Stärke des Windes natürlich auch nur geringe. 


Insecten- und Vogelflug beruhen doch auf gleichen theoretischen Prin- 
cipien („Die Natur ist Einheit in der Vielheit,“ A.v. Humboldt), nur die praktische 
Construction ist verschieden. Die Flugmaschine muss aber den Insectenflug 
(Schwirrfug) nachahmen, durch rasch rotirende Schraubenflieger. Der Drachen- 
flieger beruht auf ganz conträren Principien, als der Vogelflug: Rück wärts- 
anstatt Vorwärts-Impuls der Schwere auf der schieten Ebene! Vogelflug und 
Schraubenflieger mit vorgeneigter Achse haben aber den mächtigen Vorwärts-Im- 
puls der Schwere! 


30 Kleinere Mittheilungen. — Vereinsnachrichten. 


Wenn ich sodann vom ungünstigen Vortrieb-Effect der Hori- 
zontalschraube gegen Tragschraube sprach, so ist hier doch selbstverständlich 
„Nutzeflecet“ zu verstehen, der bei dem Schraubenflieger im Vorwärtsflug 
aber grösser ist, da die Flügel intermittirend, schlagartig, 
pulsirend die Luft treffen (wie Vogelflug) nicht continuirlich, gleichmässig, 
(wie Horizontalschraube). Herr Kress hat offenbar diesen „Sinn“ nicht erfasst. 
Dass der absolute Effect des Vortriebs mit dem Neigungswinkel gegen die 
Horizontale wächst, ist wohl mehr wie selbstverständlich. Es liegt doch auf der 
Hand, leuchtet auf den ersten Blick ein, dass bei Horizontalbewegung der Nutzeffect 
(relativer Effect) der Tragschraube in ganz anderem, unvergleichlich höherem Grade 
wächst, als bei der Horizontalschraube. 


Wenn ferner nach Herrn Kress eine Blechschraube von 20 gr Gewicht bei 
30 m Steighöhe 20 seemkg Arbeit angeblich erfordert, so übersieht Herr Kress, dass 
diese Arbeit nicht nur zur Steighöhe, sondern auch zum gemächlichen Herabsinken 
der Schraube aufgezehrt wird. 


Dies Beispiel beweist aber auch insofern rein Nichts, als es sich beim Fliegen 
nicht um Emporsteigen, sondern raschen Horizontal-Wellenflug 
handelt. Da Herr Kress nun aber schnell rotirende, starke Schraubenflieger, mit 
Aufspeicherung lebendiger Kraft behufs Abflugs und genügender Stabilität, für 


„nicht erlaubt“ erklärt, so hängt füglich die Lösung des Flugproblems von — der 
gütigen Erlaubniss des Herrn Kress ab. E kreiss 





Vereinsnachrichten. 
Oberrheinischer Verein füc Luftschiffahrt. 


Im Juli 1896 wurde von einer Anzahl von Freunden der Luftschiffahrt die 
Frage angeregt, in Strassburg, Els., wie in andern grossen Städten, einen Verein für 
Luftschiffahrt ins Leben zu rufen. Bereits in der ersten Zusammenkunft am 
24. Juli v. J. zeigte es sich, dass dieses Unternehmen für Strassburg überaus durch- 
führbar ist. Das Interesse für den neu zu gründenden Verein führte etwa 50 
Herren aller Stände in den kleinen Saal des Strassburger „Bratwürstglockle.“ 
Nachdem der Vorstand des meteorologischen Landeedienstes von Elsass-Lothringen 
Herr Dr. Hergesell uud Herr Sec. Lieutenant Schering über eine jüngst von Strass- 
burg aus unternommene Freifahrt mit dem Ballon der Festung quer über den 
Schwarzwald und Herr Hauptmann Mödebeck über die geplante Nordpolfahrt des 
Luftschiffers Andree Bericht erstattet hatten, constituirte sich der Verein. Ein provi- 
sorisches Präsidium erhielt den Auftrag, in der nächsten Versammlung die Statuten 
zur Vorlage zu bringen. Den Vorsitz übernahm der Major im Generalstabe Herr 
von Pannewitz. 

1. Versammlung des Oberrheinischen Vereins für Luftschiffahrt, Freitag den 
17. October 1896. 8 Uhr 30 Min. A. im kleinen Saal des Civil-Casinos. Vorsitz: 
Herr Major von Pannewitz. 

Der Herr Vorsitzende begrüsste die Versammlung, indem er für das zahl 
reiche Erscheinen der Mitglieder und das hierdurch bethätigte Interesse seinen 
Dank aussprach. 

Hierauf setzte Herr Hauptmann Mödebeck kurz den Zweck und die Aussichten 
des Vereines auseinander, betonte insbesondere unter Anderem, dass der Verein 


Vereinsnachrichten. EN 


die Zwecke der Luftschiffahrt praktisch fördern werde und dass das Interesse der 
Mitglieder durch interessante Unternehmungen, geeignete Vorträge, Halten und 
Vertheilen von Fachzeitschriften ete. wach gehalten werden wird. Zum Schluss 
erfolgte die Mittheilung, dass die Mitgliederzahl bereits die Zahl 120 überschritten 
habe und dass sich schon Herren in Basel, Metz, Stuttgart ete. zum Eintritt ge- 
meldet hätten. Der Verein erhielt die Bezeichnung, „Oberrheinischer Verein für 
Luftschiffahrt.“ 


Es folgte ein Vortrag des Herrn Dr. Hergesell üher die Benutzung des Ballons 
zu wissenschaftlichen Zwecken. Der Herr Redner zeigte den grossen Nutzen, den 
die Fahrten bemannter Ballons der Physik der Atmosphäre gebracht haben, und 
wies vor allen Dingen anf die hohe Bedeutung der neuesten Ballonunternehmungen, 
nämlich das Auflassen unbemannter Ballons, die mit selbstregistrirenden Apparaten 
versehen sind, hin. 


Endlich wurden die vorläufigen Satzungen durchberaten und genehmigt. Der 
provisorische Vorstand wurde bestätigt. Derselbe besteht aus folgenden Mitgliedern 


1. Vorsitzender: v. Pannewitz, Major im General-Stabe 15. A. K. 


2. Vorsitzender: Dr. phil. Hergesell, Vorstand des meteorologischen Landes- 
institutes von Elsass-Lothringen. 


1. Schriftführer; Moedebeck, Hauptmann und Kompagniechet im Fuss- 
Artillerie-Regiment Nr. 10. 


2. Schriftführer: Baron, Premier-Lieutenant im Infanterie-Regiment Nr. 132. 
Schatzmeister: Bauwerker, Steuerinspektor. 


Bibliothekar: Schering, Seconde-Lieutenant und Adjutant im Infanterie- 
Regiment Nr. 143. 


Beisitzer: Braun Dr. phil., Professor an der Universität. 
Euting, Dr. phil., Professor an der Universität, Ober-Bibliothekar. 
Hildebrandt, Sec.-Lieutenant im Fuss-Artillerie-Regiment Nr. 10. 
Knopf, Hauptmann u. Kompagniechef im Infanterie-Regiment Nr. 182. 
Leiber, Dr. jur., Justizrath, Beigeordneter der Stadt Strassburg. 
Tornquist, Dr. phil., Privatdocent an der Universität. 


2. Versammlung am Donnerstag, den 10. Dezember 1896, 8 Uhr 30 Min. A. 
im Kasino des Infanterie-Regiments Nr. 132. 


Vorsitz: Herr Major von Pannewitz. 

Nach einer kurzen Begrüssungsansprache Seitens des Herrn Vorsitzenden, 
erhielt Herr Hauptmann Mödebeck das Wort zu folgendem Vortrage: „Der Bau des 
Ballons Strassburg“. Der Herr Redner schilderte in kurzen Zügen die Schwierig- 
keiten, mit welchen dieser Ballonbau zu kämpfen hatte. Galt es doch in dem 
kurzen Zeitraum von 14 Tagen mit einem Material, welches zum grössten Theile 
von auswärts bezogen werden musste, den Bau bestimmt zu vollenden, dazu noch 
mit Arbeitskräften, welchen keinerlei Übung oder Erfahrung zur Seite standen. — 
Am Donnerstag den 12 November v. J. wurde der fertige Ballon mit Zubehör und 
Instrumenten Sr. Durchlaucht dem Fürsten von Hohenlohe-Langenburg, Statthalter 
in Elsass-Lothringen, Ihren Excellenzen dem commandirenden General des XV. A.K. 
Herrn von Falkenstein, dem Staatsseketär Herrn von Puttkammer, dem Kommandeur 
der 81. Division Herrn Freiherrn von Böcklin, dem Bürgermeister der Stadt Strass- 
burg Herrn Back und verschiedenen anderen eingeladenen Herren mit kurzem er- 
läuterndem Vortrage im Hofe des alten Schlosses vorgeführt. Am 13. November 
wurden die Mitglieder des Vereines zur Besichtigung eingeladen. Die Mittel für 
diesen nur zu wissenschaftlichen Zwecken dienenden Ballon sind seitens der Landes- 


32 Vereinsnachriehten. 


regierung dem meteorologischen Landesinstitut überwiesen worden. Der Verein 
hat sich mit einer geringen Summe betheiligt. 


In der Nacht vom 18. zum 14. November früh 2 Uhr einundfünfzig Min. 
M. E. Z. erfolgte vom Steinthorplatz aus die Auffahrt, welche glücklich von Stat- 
ten ging. 

Im Anschluss an diese Mittheilungen erfolgte der Bericht des Herrn Dr. Her- 
gesell über „die Ergebnisse der Internationalen wissenschaftlichen Auffahrten“ in 
der Nacht vom 13. zum 14. November 1896“. 


Den Schluss der Versammlung bildeten geschäftliche Mittheilungen. 

3. Versammlung am Sonnabend, den 23. Januar 1897 im Vereinslokal Civil- 
kasino, 81/, A. 

Vorsitz: Herr Dr. Hergesell. 


Tages-Ordnung: 1. Vortrag des Herrn Lieutenant Hildebrandt über „die neuesten 
Versuche und Projekte mit Flugmaschinen mit Darstellung von Projektionen mittels 
Skioptikum durch das Vereinsmitglied Herrn Photograph Bauer“. 


2. Vorschläge des Vorstandes über die Beschaffung der Mittel zum Bau eines 
Vereinsballons. 


Betr. Punkt 2 wurde beschlossen, Antheilscheine von 20 M. auszugeben, rück- 
zahlbar vom Jahre 1901 ab, ferner die einmalige Zahlung der Summe von 50 M. 
unter Fortfall der jährlichen Beitragszahlung von 4 M. Beide Vorschläge wurden 
einstimmig genehmigt. Als Vereinsorgan wurde die Berliner „Zeitschrift für Luft- 
schiffahrt und Physik der Atmosphäre“ endgültig angenommen. — 


Die nächste Versammlung findet voraussichtlich am 19. Februar statt. 


Baron. 
Premier-Lieutenant und 2. Schriftführer. 


Tagesordnung der Versammlung am Donnerstag, den 25. Februar. 


l. Vortrag des Herrn Premierlieutenant Baron. Thema: „Ueber Freifahren“. 


2. Vorläufiger Bericht über die zweite internationale meteorologische 
Simultanfahrt am 18. Februar (vergl. Mittheilung Nr. 5). 


8. Geschäftliche Mittheilungen. 


Zeitschrift für Luftschiffahrt und Physik der Atmosphäre. 1897. Melt ?. 33 


rare a N D'A CN ER VS y u u. AINIS 


Die gleichzeitigen wissenschaftlichen Ballonfahrten vom 
14. November 1896. 


Von Richard Assmann. 

Aus mehıfachen kurzen Notizen in der „Zeitschrift für Luftschiffahrt“ 
ist es deren Lesern bekannt, dass bei Gelegenheit unserer wissenschaftlichen 
Ballonfahrten wiederholt Versuche gemacht worden sind, um gleichzeitige 
Auffahrten von Ballons mit gleichartiger instrumenteller Ausrüstung von 
verschiedenen Orten aus zu Stande zu bringen. Es musste nahe liegen, 
den Münchener Verein für Luftschiffahrt, dessen Programm dem unsrigen 
sehr ähnlich war, und welcher auch eine wohl als gleichwerthig anzusehende 
instrumentelle Ausrüstung benutzte, in erster Linie für den Plan gleichzeitiger 
Auffahrten zu gewinnen: trotz aller Bemühungen und trotz wiederholter Tele- 
gramme, welche von den Vorbereitungen zu unseren ÄAuffahrten Nachricht 
gaben, gelang es nicht ein einziges Mal zum Ziele zu kommen. In St. Peters- 
burg und in Stockholm, wohin ebenfalls wiederholte telegraphische Benach- 
richtigungen abgesandt wurden, glückte es, am 15. Juli 1893, sowie am 
4. August und am 9. August 1894 gleichzeitige wissenschaftliche Auffahrten 
auszuführen, über deren Ergebnisse in dem grossen zusammenfassenden 
Werke, welches in der Bearbeitung begriffen ist, berichtet werden wird. 

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Vornahme gleichzeitiger 
Luftfahrten von verschiedenen Orten aus unter Benutzung völlig gleich- 
wertbiger, nach einem gemeinsamen Plane geregelter Beobachtungs-Methoden 
einen ganz erheblich grösseren Werth besitzt als die Ausführung einer ein- 
zelnen oder auch mehrerer von derselben Stelle aus unternommener Aufstiege. 
Es wird hierdurch gewissermassen eine Synopsis der höheren Atmosphären- 
schichten ermöglicht und zwar eine solche der sogenannten „freien“, nicht 
von dem Einflusse der Bodenerhebungen abhängigen Atmosphäre, wie dies 
bei den Berg-Observatorien der Fall ist. Nimmt man an, dass es einige- 
male gelänge, zunächst in den verschiedenen Theilen Europas gleichzeitig 
eine grössere Zahl von gleich ausgerüsteten Ballons mit sicheren und geübten 
Beobachtern zum Aufsteigen zu bringen und dass der Wind nach Richtung 
und Stärke das Vordringen eines jeden dieser Ballons bis in die Nähe 
des Auffahrtsortes eines oler einiger der übrigen zu Stande brächte, so 
müsste man eine Reihe von Querschnittsbildeın durch die Atmosphäre er- 
halten, welcke Aufschluss geben würde über die wichtigsten gleichzeiti- 
gen Vorgänge und Erscheinungen entlang den verschiedenen Ballonbalınen. 
Und in diesen könnten fortlaufend zahlreiche gleiche Zeitpunkte der Be- 
trachtung unterzogen und zur Darstellung von Wetterkarten der höheren 
Luftschichten benutzt werden, welche, zeitlich und örtlich an einander an- 


34 Assmann: Gleichzeitige wissenschaft. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 


schliessend, Einblicke von ungeahnter Tragweite in die Mechanik der At- 
mosphäre zu geben vermöchten. Trifft man nun ferner noch Vorsorge, dass 
durch Zuhülfenahme von Ballons, welche in erheblich höhere Schichten vor- 
zudringen geeignet sind, weitere Querschnittsbilder gewonnen werden, welche 
über den ersteren liegen, so würde man, indem man so der Untersuchung 
in horizontaler Beziehung noch diejenige in verticaler hinzufügt, ein Material 
gewinnen, welches sich als eine wahre Fundgrube des Wissenswerthen er- 
weisen müsste. 

So darf man wohl behaupten, dass solche simultanen Ballonfahrten als 
die höchste Stufe der wissenschaftlichen Luftschiffahrt angesehen zu werden 
verdienen. 

Als mit dem Ende des Jahres 1894 die Reihe unserer Luftfalhrten 
abgeschlossen werden musste, weil die von Seiner Majestät dem Kaiser be- 
willigten reichen Mittel aufgebracht waren, zeigte es sich, dass ein wichtiger 
Theil des Programms, die Ausführung von Aufstiegen unbemannter Registrir- 
ballons in die grössten erreichbaren Höhen, noch grösstentheils unerledigt ge- 
blieben war, und zwar wesentlich ans dem Grunde, weil die bei sechs solchen 
Experimenten gewonnenen Registrirungen den strengen Anforderungen an Zu- 
verlässigkeit nicht genügten, welche man bei der grundsätzlichen Wichtigkeit 
der Sache glaubte stellen zu müssen. In der darauf an Seine Majestät 
gerichteten Bitte um Bewilligung von Mitteln zur Drucklegung der Ergebnisse 
der bisherigen Ballonfahrten wurde deshalb dem Wunsche Ausdruck gegeben, 
eine Reihe von ergänzenden Beobachtungen mittels unbemannter Re- 
gistrirballons, und zwar, wenn irgend erreichtbar, in der Foım gleichzeitiger 
Veranstaltungen mit unseren westlichen Nachbarn, ausführen zu können. Für 
diese gemeinsame Thätigkeit konnte damals nur Frankreich in Frage kommen, 
da nur dort noch, wo durch die Herren Renard, Hermite und Besancon die 
ersten derartigen Versuche zur Ausführung gebracht waren, dieser Zweig 
der wissenschaftlichen Luftschiffahrt gepflegt wurde. 

Nach abermaliger Bewilligung der Mittel durch Seine Majestät wur- 
den von Berlin aus Verhandlungen mit Paris angeknüpft, welche in erfreu- 
lichster Weise zeigten, dass der wissenschaftliche Sinn in den betheiligten 
Kreisen stark genug war, um alle etwa sonst vorhandenen Bedenken in 
den Hintergrund zu drängen. Es muss zur Ehre der französischen Forscher, 
in erster Linie der Herren Hermite und Besancon, welchen sich der hoch- 
angesehene Herr de Fonvielle anschloss, ausdrücklich festgestellt werden, dass 
dieselben in der liebenswürdigsten Weise unseren Vorschlägen aut halbem 
Wege entgegenkamen und dass nur ein Missverständniss nebensächlicher Art 
eine erste gemeinsame Auffahrt im Sommer 1896 verhinderte. 

Und zwar war es die Verschiedenheit der Methoden, die man in 
Paris und in Berlin bis dahin angewandt hatte, welche dem Plane in den 
Weg trat. In Paris glaubte man mit einem gewöhnlichen, nur besonders 
leicht construirten, in einem mit „Silber-Papier“ umgebenen Korbe befind- 


Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 35 


lichen Barothermographen von Richard frères die Lufttemperatur messen zu 
können, ohne dass der Einfluss der Sonnenstrahlung einen wesentlichen 
Fehler hervorriefe. Die bei dem schnellen Auf- und Absteigen des Ballons 
auftretende „natürliche Ventilation“ sollte zur Beseitigung des Strahlungs- 
Einflusses genügen. Unsere reichen Erfahrungen mit dem Aspirations- 
thermometer liessen uns dagegen wohlbegründete Zweifel an der Zuverlässig- 
keit von Aufzeichnungen „unaspirirter Thermometer“ oder Thermographen 
hegen, weshalb bei den Auffahrten unseres Ballons „Cirrus“ eine photo- 
graphische Registrirung eines besonders stark „aspirirten“ Thermometers 
stattfand. Die auch trotzdem nicht als völlig „strahlungsfrei* erscheinenden 
bisherigen Ergebnisse rechtfertigten den Schluss, dass ein „unaspirirtes“ 
Instrument unter allen Umständen dann, wenn die „natürliche Ventilation“ 
aufhört, also während der Gleichgewichtslage des Ballons, unmöglich richtige 
Weırthe liefern könne. Da man in Frankreich dieser Schlussfolgerung 
nicht zustimmte, schlug Herr Hermite vor, zunächst die Leistungen der 
beiden fraglichen Registrir-Apparate durch einen gemeinschaftlichen Aufstieg 
in Paris zu vergleichen. So sachgemäss auch dieser Vorschlag war, so 
musste doch der erheblichen Kosten halber und aus anderen Gründen auf 
dessen Ausführung verzichtet werden: dagegen wurde nun von Berlin aus 
über einen Plan mit Paris verhandelt, welcher dahin zielte, mit identischen 
Apparaten einen gleichzeitigen Aufstieg während der Nachtzeit auszuführen, 
um so den Einfluss der Sonnenstrahlen gänzlich auszuschliessen. Im Interesse 
eines zu erzielenden Einvernehmens wurde der französche Registrir-Apparat 
für diesen Zweck acceptirt und ein solcher durch Vermittelung des Herın 
Hermite bei Richard freres bestellt. 

Inzwischen hatte sich Gelegenheit gefunden, mit anderen französischen 
Gelehrten über den Plan gemeinsamer Aufstiege von „Ballons sonde“ in per- 
sönlichen Meinungs-Austausch zu treten: Herr Teisserene de Bort stimmte 
demselben bei einem Besuche des Meteorologischen Instituts in Berlin zu, 
Herr W. de Fonvielle liess durch einen Beauftragten seinem persönlichen 
Interesse an der Sache mündlichen Ausdruck geben. Eine Erweiterung 
erfuhr der Plan durch den Besuch des an Stelle von H. Wild neu ernannten 
Directors des Physikalischen Central-Observatoriums in St. Petersburg, des 
Herrn Generalmajor Rykatscheff, welcher sich bereit erklärte, nicht nur 
bei dem beabsichtigten Aufenthalte in Paris auf eine Beschleunigung des 
ersten gemeinsamen Experimentes hinwirken, sondern auch unter allen Um- 
ständen eine Theilnalıme des russichen Lustschifferparkes veranlassen zu wollen. 

Dieses war die Sachlage, als die in Paris tagende internationale Con- 
ferenz von Directoren meteorologischer Institute die Frage internationaler 
simultaner Ballonfahrten zu der ihrigen machte und in Folge dessen zu den 
aus dem Artikel des Herrn Dr. Hergesell im October - November - Hett 
dieser Zeitschrift vom Jahre 1896 ersichtlichen Beschlüssen gelangte. Aus 
dem vorher bestehenden Triumvirat der leitenden Persönlichkeiten in Paris, 


86 Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 


St. Petersburg und Berlin wurde nun eine Commission aéronautique inter- 
nationale, deren Vorsitz dem in Paris mit anwesenden verdienstvollen Vor- 
stande des meteorologischen Landesdienstes von Elsass- Lothringen, dem oben 
genannten Herrn Dr. Hergesell in Strassburg i. E. seitens des internationalen 
meteorologischen Comite’s übertragen wurde. 

Es ist hier nicht der Ort, alle diejenigen Gelehrten namhaft zu machen, 
welche an diesem Plane gemeinsamer Ballonfahrten mehr oder weniger 
erfolgreich mitgewirkt haben, zumal dies auch durch den erwähnten 
Artikel in Nr. 10/11 dieser Zeitschrift geschehen ist. Unsere Leser 
wissen aus mehrfachen Notizen aus den letzten Jahren und besonders 
aus dem in Nr.7 des 7. Bandes (1888) bei Gelegenheit der Feier der 
100. Sitzung des Deutschen Vereines zur Förderung der Luftschiffahrt gehal- 
tenen Vortrage des Herrn von Bezold, dass auf die Bedeutung gleichzeitiger 
Auffahrten zuerst von dem hochberühmten Pariser Gelehrten und Luftschiffer 
Gaston Tissandier hingewiesen worden ist. Nun ist dieser schöne und frucht- 
bare Plan zur Ausführung gekommen und wird, wie wir im Interesse der 
Sache hoffen, sich zu einem unzerreissbaren und engen wissenschaftlichen 
Bande aller derjenigen Nationen auswachsen, welche in der Lage sind, sich 
an der gemeinsamen Erforschung der Atmosphäre zu betlıeiligen. 

Man darf der Commission aeronautique internationale, welche sich 
zunächst aus den Herren Hermite und Fonvielle in Paris, Pomortzeff in 
St. Petersburg, Rotch in Boston (Nord-Amerika), Hergesell in Strassburg, 
Erk in München und dem Schreiber dieser Zeilen zusammensetzte, später- 
hin sich aber durch die Herren Andree in Stockholm, Cailletet und Jaubert 
in Paris und Berson in Berlin verstärkte, die Anerkennung energischer 
Inangriffnahme ihrer Aufgaben nicht versagen: wenige Wochen nach 
Zusammentritt derselben wurde ein erstes gemeinschaftliches Experiment 
kurzer Hand, wir glauben sogar sagen zu dürfen, zu kurzer Hand von 
Paris aus, wo der natürliche Schwerpunkt dieser Angelegenheit mit Recht 
liegt, für den 14. November vorgeschlagen und fand trotz der Kürze der 
Frist an allen Stellen freudige Zustimmung, wenn man sich auch sagen 
musste, das einzelne Misserfolge nicht zu umgehen sein würden; ein jeder 
von uns schlug seine Bedenken nieder unter dem Eindrucke, dass niemand 
fehlen dürfe, wenn es sich um die erste Probe bei einem so erfolgver- 
sprechenden Unternehmen handele, wie das der internationalen wissen- 
schaftlichen Simultanfalırten ! 

Es sei aus diesem Grunde ferne von mir, aus dem, wie wir sehen 
werden, an manchen Stellen mangelhaften wissenschaftlichen Ergebnissen 
dieses ersten Versuches ein ungünstiges Urtheil über die Angelegenheit selbst 
ableiten zu wollen. Aber es erscheint mir, da ich mir in Folge der reich- 
lichen Erfahrungen bei unsern zahlreichen wissenschaftlichen Ballonfahrten 
der letzten Jahre ein sachverständiges Urtheil anmassen zu dürfen glaube, 
als eine unbedingte Pflicht, aus dieser ersten Kraftprobe so viel als irgend 


Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 87 


möglich zu lernen, um zu verhüten, dass die immerhin nicht unbeträchtlichen 
Kosten und Mühen solcher Ballonfahrten für die Erzielung minderwerthiger 
oder nicht einwurfsfreier Resultate aufgewendet werden. Man möge es 
deshalb, weil eine volle Klarlegung des Werthes von wissenschaftlichen 
Arbeiten nur durch unverkürzte Wiedergabe des gesammten Materials ge- 
schehen kann, dem Verfasser nicht verübeln, wenn er dasselbe an dieser 
hierzu in erster Linie geeigneten Stelle, soweit es ihm seitens der Theil- 
nehmer übermittelt worden ist, zum Abdruck bringt und in eine unparteiische 
Kritik desselben eintritt. Aus der offenen Darlegung der „wunden Punkte“ 
ergiebt sich dann am leichtesten das Heilmittel derselben. 

In Paris hatte man den Wunsch, die Nacht vom 13. zum 14. November 
für den ersten gemeinschaftlichen Versuch zu benutzen. Es liegt nahe, die 
Wahl dieses Termines auf die Initiative des Herrn de Fonvielle zurückzu- 
führen, welcher bekanutlich wiederholt zur Beobachtung von Sternschnuppen 
oder Kometen Ballonfalırten ausgeführt hat, so am 16. November 1867 und 
2. August 1875, am 3. Juli 1881 und im October 1882. Der unter dem 
Namen der „Leoniden“ bekannte Sternschnuppenschwarm, welcher in der Nacht 
vom 13. zum 14. Noven:ber die Erdbalın kreuzt, wird im Jahre 1900 ein 
Maximum seiner Entwickelung erfahren, und man hat deshalb Grund anzu- 
nehmen, dass auch in den vorhergehenden Jahren eine Intensitäts-Zunahme 
erkennbar sein werde. Um nun für derartige Beobachtungen von dem Be- 
wölkungszustande des Himmels unabhängig zu sein, plante Herr de Fonvielle 
eine Ballonfahrt in der Nacht vom 13. zum 14. November 1896 und wählte 
die Morgenstunde 2 Uhr aus dem Grunde, weil man um diese Zeit das 
Culminiren des Meteor-Radianten der Leoniden über Paris erwartete. Dieser 
Zweck setzte natürlich die Ausführung von Auffalrten mit Beobachtern 
bemannter Ballons voraus, weshalb auch der Wunsch ausgesprochen wurde, 
solche neben den das engere Programm bildenden Auffahrten von Registrir- 
Ballons (ballons sonde) zu unternehmen. Aus unbekannten Gründen blieb 
dieser Theil des Plans gerade in Paris unauseeführt, während er in Berlin, 
Warschau und St. Petersburg erfüllt wurde. Hierbei sei gleich bemerkt, 
dass, wie es scheint, in keinem dieser drei bemannten Ballons auffallende 
Sternschnuppen-Erscheinungen wahrgenommen worden sind. 

Auf die erste Nachricht hin von den für die Nacht vom 13/14. November 
geplanten Ballonfahrten, welche etwa 14 Tage vorher einlief, wurde von Berlin 
aus telegrapbisch zugestimmt unter der Voraussetzung, dass der schon vor län- 
gerer Zeit bei Richard freres bestellte Barothermograph bis zum 12. November 
in unseren Händen sein könne, worauf sofort seitens des Herrn Hermite 
eine diesbezügliche Zusicherung erfolgte. Die Verwendung „identischer“ 
Apparate erschien uns als eine unerlässliche Voraussetzung für die Vergleich- 
barkeit der gewonnenen Registrirungen, und so war denn Vorsorge getroffen 
worden, dass in Paris, in Strassburg und in Berlin solche aus derselben 
Fabrik hervorgegangenen, durch Herrn Hermite vorgeprüften Barothermo- 


8 Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 


graphen in einer völlig gleichartigen Aufhängung von den Ballons in die 
Höhe genommen werden sollten. 

Der Ballon-Barothermograph von Richard frères (jetzt Jules Richard) 
besitzt ein in mehrere schraubenförmige Windungen ausgezogenes Bour- 
don’sches Barometer und ein spiralig gebogenes mit Alkohol gefülltes 
Bourdon-Rohr als Thermometer. Die Montirung ist die denkbar leichteste: 
ein Aluminiumstativ, welches auf einer ebensolchen Basisplatte befestigt ist, 
die Registrirtrommel aus demselben leichten Metall, das Uhrwerk mit der 
thunlichsten Gewichtsverringerung construirt; ein sehr leichtes Holzkästchen, 
dessen Wände aus Messingdraht-Gewebe bestehen, umgiebt die Apparate, 
das Gewicht übersteigt kaum 1 kg. An Eleganz und Leichtigkeit ist dieser 
Apparat unbedingt unübertrefflich, seinem Zwecke ist er aber nicht gut an- 
gepasst! Die Unterbringung des Tihermographengefässes im Innern des 
Kästchens muss unbedingt eine Trägheit zur Folge haben; denn man weiss 
durch die Versuche von Dines genügend, welchen Widerstand schon ein Netz- 
gewebe dem Durchtritt von bewegter Luft entgegensetzt; noch grösser 
wird aber der Fehler dann, wenn der Ballon in der Gleichgewichtslage 
schwebt und die natürliche Ventilation gleich Null ist. Ausserdem hat man 
allen Grund anzunehmen, dass eine Regenbenetzung des Apparates wälırend 
oder nach der Fahrt empfindliche Störungen hervorrufen oder sogar die auf 
russüberzogener Papierfläche gezogenen Registrir-Curven rettungslos ver- 
nichten müsste. Dass der Kasten des Barothermographen, da er nur durch einige 
Haken verschlossen gehalten wird, neugierigen und unwissenden Findern 
keinerlei Hinderniss bietet, um die Aufzeichnungen zu erreichen und mit 
den Fingern zu berühren, ist unseres Erachtens als ein fernerer Einwurf 
gegen die Construction Richard’s anzusehen: die von dem Pariser Ballon 
sonde „l’Aerophile III“ am 14. November aus fast 14000 m Höhe mit herab- 
gebrachten Curven zeigen so deutlich die Finger-Abdrücke der Landleute 
von Graide (in Belgien), dass man den Beweis für die Berechtigung unseres 
obenstehenden Bedenkens als erbracht ansehen muss! 

Die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht nur bei uns, sondern auch anders- 
wo eine „berechtigte Eigenthümlichkeit“ der Mechaniker sei, in Bezug auf 
Lieferungsteiı mine einer milden und weitherzigen Praxis zu huldigen, bestimmte 
uns, einen bisher für unsere Freifahrten benutzten und bis zu den grössten 
Höhen (9150 m) durchaus bewährten Barographen und einen in Aluminium 
construirten Thermographen, welcher neuerdings bis zu Temperaturen von — 80° 
geprüft wurde, für alle Fälle in Bereitschaft setzen zu lassen, um schlimmsten- 
falls an Stelle des Richard’schen Apparates in Function treten zu können. Der 
Barograph, welcher zwei Aneroiddosen enthält, wurde Lis zu 50 mm Druck ge- 
prüft und seine Scala neu bestimmt; das Gefäss des Thermographen bildet 
ein mit Amyl-Alkolıol bei — 80° gefülltes, ringförmiges Bourdon- Rohr von 
10 cm Durchmesser, welches ausserhalb des Kastens angebracht ist. An den 
Kasten beider Apparate wurden die vorhandenen Glasscheiben durch Alu- 


Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 89 


miniumplatten ersetzt und mittels Verschraubungen ein für Uneingeweihie 
uneröffenbarer Verschluss angebracht. 

Als am Nachmittage des 13. November endlich der französische Baro- 
thermographı in Berlin eintraf. war die Zeit zu kurz, um noch vor der Auf- 
fahrt Prüfungen über sein von dem Transport nicht gestörtes Functioniren 
anzustellen; es blieb deshalb kein anderer Ausweg übrig, als die Mitführung 
beider Apparat-Systeme, eine Vorsicht, welche sich auch als begründet 
herausstellen sollte. 

Die Montirung der Apparate sollte nach der Vorschrift von Hermite 
und Besancon in der Weise stattfinden, dass die Instrumente im Innern 
cines 1,20 m hohen, 0,40 m im Durchmesser haltenden Korbes aus ganz 
weitmaschigem Rohrgeflecht befestigt und der Korb selbst an den Seiten 
mit einem stark glänzenden Metallpapier umgeben wurde, um die strahlende 
Wärme von den Apparaten fern zu halten. Zwar war für eine Nachtfahrt 
keine Sonnenstrahlung zu fürchten, aber nıan musste auch mit der immer- 
hin nicht zu vernachlässigenden dunklen Wärmestrahlung des erheblich 
wärmeren Erdkörpers, besonders aber mit der Thatsache starker Wärme- 
Ausstrahlung des Apparates gegen den Weltenraum rechnen. An Stelle 
des in Frankreich für diesen Zweck üblichen papier argente, Silberpapier, 
benutzten wir das ganz erheblich besser polirte „Nickelpapier“ zur Her- 
stellung dieses „panier parasoleil*. 

Es liegt kein Grund vor, unseren Wunsch zu verheimlichen, welcher 
dahin ging, dass sich die um 2 Uhr Pariser Zeit, entsprechend 2 Uhr 
51 Min. mitteleuropäischer und 3 Uhr 51 Min. Petersburger Zeit aufsteigen- 
den Ballons sonde noch einige Stunden bis nach dem Sonnen-Aufgange in 
der Höhe halten und dabei den Einfluss der Sonnenstrahlung auf die Re- 
gistrirungen deutlich verrathen würden; leider jedoch entzogen sich alle vier 
Registrirballons diesem „experimentum crucis“ mit einer sonberbaren Be- 
flissenheit. 

Am 13. November war gegen Abend alies bereit: die Depeschen, welche 
von Ort zu Ort verabredetermassen ausgetauscht wurden, ergaben, dass 
überall eine für unseren Zweck günstige Witterung herrschte, nnd dem- 
nach der Aufstieg von allen Orten stattfinden werde. Die Luftschiffer- 
Abtheilung, deren weitblickender Commandeur ein unermüdlicher Förderer 
der methodischen Zusammenarbeit von a@ronautischer Technik und Wissen- 
schaft ist, machte einen ihrer besten Militirballons fahrbereit, um unseren 
und der ganzen Welt „höchsten Menschen“, Herrn Berson, nebst einem 
Offizier der Abtheilung, Herrn Premierlieutenant von Kehler, aufzunehmen. 
Unser guter alter Seiden-Ballon „Cirrus“, welcher vor Jahren als Militair- 
Fessel- Ballon das Salzwasser der Nordsee um Helgoland herum wiederholt 
gekostet und später, nachdem er sich „zur Ruhe gesetzt“, in 6 Fahrten die 
grössten bisher erreichten, 20000 m übersteigenden Höhen erklommen und 
dabei das Stückchen Europa zwischen Bosnien, Minsk in Russland und Däne- 


40 Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 18986. 


mark unter sich fortgleiten gesehen hatte, sollte abermals einen Beweis seiner 
Unverwüstlichkeit und Unverlierbarkeit abgeben — Niemand dachte daran, 
dass er, wie alles, was lange liegt, hätte „rosten“ können! 

Von seinem 250 cbm betragenden Inhalt waren ihm 150 durch reines, 
elektrolytisch erzeugtes Wasserstoffigas ausgefüllt worden, welches ihm, da 
sein Eigengewicht mit den drei Apparaten etwa 50 kg betrug, einen freien 
Auftrieb von 115 kg verlieh. Mit der einfachen, von Herrn Besancon 
vorgeschlagenen Methode mittels einer durch eine Rolle am Ballontrapez 
geführten, unten an zwei Stellen verankerten Leine, liessen sich die Apparate 
in ihrem panier parasoleil bequem montiren, obwohl ein leichter, aber etwas 
böiger Südostwind den Ballon nicht unerheblich schwanken machte. 

Inzwischen war der 1300 cbm fassende, mit 1000 cbm reinen Wasser- 
stoffgases gefüllte Militairballon „Bussard“ mit dem bei unseren wissenschaft- 
lichen Ballonfahrten ausnahmelos bewährten Instrumentarium vorschriftsmässig 
ausgerüstet und mit 3 transportabeln Accumulatorbatterien (mit gelatinösem 
Elektrolyten) und den zugehörigen drei Glühlampen versehen worden. Um 
1 Uhr 53 Min. Pariser Zeit, entsprechend 2 Uhr 44 Min. mitteleuropäischer 
Zeit, stieg der Bussard, und um 2 Uhr 0 Min. Pariser Zeit, 2 Uhr 51 Min. 
mitteleuropäischer Zeit, der „Cirrus“ zum sternenklaren aber mondlosen 
Himmel schnell empor; beide nahmen ihren Curs nach NW und entschwanden 
in wenigen Secunden unseren Blicken. 


Ueber die Reihenfolge der Aufstiege, Dauer und Richtung der Fahrten, 


Landungsorte und mittlere Geschwindigkeiten der übrigen Ballons giebt 
nachstehende Tabelle Aufschluss. 








— ea nn 


t 


| 


























E , ! am Landung > 
Pariser Zeit Dauer e a ACH 
Barom AE der |&= Auffabrts- | S3 a, 
ort Fahrt | S % Ort orte a (SEa 
Auffahrt Landung 25 ent-| Rich- | Sa 
Std.Min., = * Iert tung | 5 
| | km 
Bussard Schöneberg | 1h 53m a.m.| 1h 32m p.m.| 11 89 NW | Volkshagen . 206 INNE| 4.9 
bei Berlin | | | | bei Ribnitz 
Ballon sonde, St. Peters- | Ih 59m „ | 2b mam, Roe ? 2 S ? 
burg | | | 
Cirrus Schöneberg 2b um „ | 2L 59m 59 | NW | Grunewald S W 13.4 (?) 
bei Berlin | bei Berlin 
Strela Warschau 2h um "Oh 15m „ | 8 15|SSE| Brzozow, |300|SSE | 10.1 
| Galizien 
Strassburg | Strassburg 2h 4m , 8b 19m _ 1 15 NNE| Lauf bei 83| NE | 7.3 
Achern 
l’Aropbilelll Paris .2b 6m „ | 7b 29m „| 523| NE | Graide bei |235| NE | 12.1 
Nanur 
GeneralWan-| St. Peters- | 2b 58m „ | 9h 388m „ | 6 451SSW| Pskow [220 |SSW| 9. 
nowsky burg 
Akademie München ,>h 43m „ (12h 5im p.m.! 7 8) E |Etzdorf bei |200| E | 7.8 


| | Lungitz | | 


Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 41 


In St. Petersburg wurde als Ballon sonde ein alter Militärballon von 
640 cbm Inhalt benutzt, welcher mit Wasserstoff halb gefüllt war. Der- 
selbe stieg mit einer Geschwindigkeit von 14 m p. sec. empor, platzte in 
1500 m Höhe und war nach 9 Min. wieder am Boden. Der „Cirrus“, 
welcher schon während der kurzen Zeit, welche zwischen seiner Füllung 
und dem Aufstieg verstrich, beträchtlich an Gas verlor, stieg in 27 Min. 
mit der verhältnissmässig geringen Geschwindigkeit von 3,6 m p. sec. bis 
zur Höhe von 5815 m auf und erreichte in 32 Min. die Erde wieder. 
Ueber seine Fahrtrichtung liess sich Genaueres nicht ermitteln, doch muss 
man annehmen, dass dieselbe, welche zuerst nach NW ging, in der Höhe 
nach S geführt und so den Ballon westlich von dem Auffahrtsorte zur Erde 
gebracht hat. Die geringe Höhe ist ohne Zweifel einem vielleicht bei der 
Füllung entstandenen und beim Aufstiege erweiterten Riss des Ballons 
zuzuschreiben. Der Warschauer Ballon fasste 1000 cbm und war mit 
Leuchtgas gefüllt; geführt wurde er von Offizieren des Militär - Luft- 
schifferparks, den Lieutenants Prinz Obolensky und Ulianin. Der Ballon 
sonde „Strassburg“ war aus gefirnisstem Baumwollstoff in ausserordentlich 
kurzer Zeit neu gebaut und fasste 350 cbm; das Gewicht der Hülle be- 
trug 50 kg, das Gesammtgewicht aber in Folge eines verhältnissmässig 
schweren Netzes 77 kg, seine Füllung bestand aus Leuchtgas. Mit einem 
freien Auftrieb von 200 kg (nach Angabe des Herrn Dr. Hargesell: das 
Leuchtgas in Strassburg muss demnach die ganz ungewöhnliche Tragkraft 
von 0,79 kg pro Kubikmeter besessen haben!) stieg der Ballon mit einer 
Anfangsgeschwindigkeit von 8 m p. sec. auf. Der Ballon sonde „l’Aero- 
phile III“ war aus gefirnisster Seide neu gebaut, fasste 381 cbm und 
war mit Leuchtgas der Gasfabrik la Vilette gefüllt. Sein Gewicht mit allem 
Zubehör betrug etwa 45 kg. In St. Petersburg wurde der 1000 cbm 
fassende Militärballon General Wannowsky mit Leuchtgas gefüllt und trug 
als Beobachter den Commandeur des Luftschifferparks Capitain Kowanko und 
den Lieutenant Semkowsky. Der dem „Münchener Verein für Luftschiffahrt“ 
gehörige, 1200 cbm fassende Ballon „Akademie“ bestand aus gefirnisstem 
Baumwollstoff und war mit Leuchtgas gefüllt. Er wurde geführt durch 
Premierlieutenant Freiherr von Guttenberg, als Beobachter fungirte Dr. Erk, 
Director der k. b. meteorologischen Centralstation. Wegen Mangels elek- 
trischer Glühlampen fand die Auffahrt erst um 6 Uhr 34 Min. M. E. Z. 
statt. 

Die bei der Auffahrt in Verwendung genommenen Beobachtungs- und 
Registrir-Instrumente waren folgende. 

Wie schon erwähnt, hatte der Berliner Freiballon „Bussard“ seine 
volle instrumentelle Ausrüstung, wie sie bei unsern wissenschaftlichen Ballon- 
fahrten üblich ist; dieselbe besteht aus einem Quecksilber-Gefässbarometer 
mit compensirter Scala, einem Bohne’schen Aneroidbarometer und einem von 
Richard frères in Paris construirten Barographen. Die Temperatur und 


42 Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 


Feuchtigkeit der Luft wird mittels eines dreifachen Aspirations-Psychro- 
meters gemessen, welches zwei „feuchte“ und ein „trockenes“ Thermometer 
besitzt. um eine Unterbrechung der Ablesungen durch das in Pausen von 
15 bis 20 Min. erforderliche „Befeuchten“ zu vermeiden. Ausserdem be- 
findet sich an demselben noch ein kleines Haarhygrometer als Aushülfe- 
Instrument. Der Apparat ist an einem hölzernen Galgen montirt und 
befindet sich 1,60 m vom Korbrande entfernt; die Ablesungen erfolgen mittels 
eines Fernrohres, um jede Beeinflussung der äusserst empfindlichen Ther- 
mometer durch den Korb und dessen Insassen auszuschliessen. Ein Schwarz- 
kugelthermometer wird an einer Korbleine befestigt und wird bei Tagfahrten 
immer im Sonnenschein erhalten. 


Der Ballon sonde in St. Petersburg trug einen gewöhnlichen Baro- 
graphen und Thermographen. 


Der „Cirrus“ trug in dem seitens der französischen Forscher vor- 
geschlagenen „panier parasoleil“ den von Richard frères in Paris angefertigten 
Barothermographen; ausserdem aber wurde noch ein für grosse Höhen ein- 
gerichteter Richard’scher Barographı und ein von R. Fuess in Steglitz con- 
stıuirter Thermograplı in dem Korbe befestigt. Letzterer besitzt ein ring- 
förmiges mit Alkohol gefülltes Bourdon’sches Rohr als Thhermometergefäss. 
Die Registrirungen erfolgten auf berusstem Papier, bei dem Pariser Baro- 
thermographen mittels der gewöhnlichen Schreibfedern, bei den beiden an- 
deren Apparaten mittels kleiner in die Schreibliebel eingeschraubter Metall- 
stifte. Bei dem ersteren muss während der Montirung der Apparate am Ballon 
in Folge von Erschütterungen die Schreibfeder des Thermographen unbemerkt 
abgefallen sein, sodass wir die Registrirung der Temperatur allein der Mit- 
führung des zweiten 'Thermographen verdanken. Sowohl in Warschau als 
auch in St. Petersburg wurden Schleuderpsychrometer benutzt, deren Be- 
obachtung am St. Petersburger Ballon durch Versagen der elektrischen 
Glühlampen gestört wurde. Im Warschauer Ballon sind die Ablesungen 
des Schleuderpsychrometers, welches am Ringe des Ballons befestigt worden 
war, nach Sonnenaufgang unzweifelhaft durch die Wärmestrahlung so stark 
beeinflusst worden. dass deren Verwerthung beanstandet werden muss. Durch 
ein Versehen war in St. Petersburg ein Quecksilberthermometer in Verwendung 
genommen worden, dessen Scala nur bis — 15° reichte, weshalb die unter 
dieser Grenze liegenden Ablesungen an einem Alkohol-Minimumthermometer 
ausgeführt werden mussten; ausserdem wurden ein Quecksilberbarometer, ein 
Aneroidbarometer, ein Barograph, ein Haarlıygrometer und ein Hygrograph 
mitgenommen, während diese Instrumente im Warschauer-Ballon, welcher 
eine gut functionirende Aceumulatorlampe hatte, fehlten. 

Der in Strassburg aufgestiegene Ballon sonde fülırte den französischen 
Barothermographen in einem vorschriftmässigen „panier parasoleil* mit sich. 
Ein im Innern des Ballons aufgehängtes Alkohol - Minimumthermometer, 


Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 43 


welches an Stelle des von Richard nicht rechtzeitig gelieferten Registrir- 
thermometers mitgenommen worden war, lieferte kein Resultat, da sich der 
Index desselben bei der Landung verschoben hatte. 


Der Pariser Ballon sonde „l’Aerophile III“ trug ausschliesslich den 
Richard’schen Barotlıermographen in seinem panier parasoleil. 


In München wurden ausser einem Barographen zwei Aspirationspychro- 
meter mitgeführt; eines derselben besass die in München beliebte Ein- 
richtung mit „Blasebalgbetrieb“ an Stelle des sonst allgemein üblichen Lauf- 
werkes, während das andere ein „Taschen-Aspirations-Psychrometer‘‘ mit 
Laufwerk war. Der „Blasebalgbetrieb“ beruht darauf, dass durch die Com- 
pression eines von dem Beobachter ununterbrochen zn bedienenden Gummi- 
birnen-Gebläses ein Ejektorstrom im centralen Rohre des Instrumentes er- 
zeugt wird, welcher mechanisch die umgebende Luft mit fortreisst und auf 
diese Weise einen Aspirationsstrom von gleicher Stärke, wie in dem Laufwerk- 
Apparat erzeugt, — nota bene wenn der Druck der Hand auf das Gebläse un- 
unterbrochen und in gleicher Stärke erfolgt. Beide Instrumente waren an 
Leinen ausserhalb des Korbes aufgehängt und wurden zur Ablesung in Sehweite 
herangezogen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass der Handbetrieb des 
Apparates starke Anforderungen an die Muskelthätigkeit und Unermüdlich- 
keit des Beobachters oder eines Gehülfen stellt, falls man einwurfsfreie 
Resultate erhalten will; das Taschen-Aspirations-Psychrometer aber, welches 
für den Gebrauch bei Ballonfahrten keineswegs construirt worden ist, be- 
dingt wegen der ausserordentlichen Empfindlichkeit seiner wenig über 2 mm 
im Durchmesser haltenden Thermometergefässe und der Dünne des Queck- 
silberfadens, bei directer Augenablesung eine so bedeutende Vorsicht und 
Gewandtheit des Beobachters, dass wir in Berlin nach mehrfachen Versuchen 
von seiner Anwendung im Ballon Abstand genommen haben. Nach den 
Angaben des Herrn Dr. Erk sollte letzteres in der Sonne „bedeutend höher“ 
gestanden haben als das „Blasebalg-Instrument;;* ferner soll auch der „innere 
Schutzeylinder*“ des feuchten Thermometers mit Musselin umwickelt und 
gleichfalls befeuchtet worden sein. Diese Methode soll an anderer Stelle 
einer Erörterung unterzogen werden. 


In Paris war bei der Auffahrt der Himmel bewölkt bei leichtem Süd- 
winde; in Strassburg war schönes Wetter mit schwachem Süd; in München 
war bei ganz schwachem Südwinde der Himmel bedeckt; in Berlin war es 
heiter, doch leicht dunstig bei mässigem Südost, in Warschau trübe bei 
leichtem West, in St. Petersburg heiter bei schwachem Nordwest. 


Es sollen nun im Folgenden sämmtliche Beobachtungen und Re- 
gistrirungen, soweit sie dem Verfasser zugänglich gemacht worden sind, 
ausführlich wiedergegeben werden, und zwar bei den letzteren sowohl 
durch Reproduction der Curven selbst, als auch durch eingehende Aus- 
werthung derselben. 


44 Assmann: 





Pariser | Höhe Temp. 











Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 





l. Ballons sonde. 
a) Ballon „l’Aerophile III.“, Paris. 


Pariser | Höhe 


























Pariser | Höhe Temp. 











n 









































Temp. 
Zeit | in m |in C° Zeit in m | in CH Zeit in m [in OH 
2h 6m a. m. 0| + 5,0] 8h 55ma.m. | 12750 | —54,0| 5h 45m a.m. | 11000 | —59,5 
10 „ | 2065|+ 1,0| 4 Oma.m | 12700 —54,5 50 10900 | — 59,8 
5. 1.4890 DCD 5 „| 12650 | 54,8 55 10700 | —59,7 
20 „| 6890|—17,5 10 > | 12600) —55,0| 6h Oma.m. | 10870 | —-59,0 
ap „| 8685 | —28,0 15 , | 12590 | —55,0 5 „| 10000 | —58,0 
80 , | 10500|—41 20 ” | 12540 | —55,0 10. ; 9900 | — 57,0 
85 „| 12000|—52 oe ` 12500 | — 55,0 KS. ` 9630 | —56,5 
ap „ | 12700|—54 30, | 12400|-55,5 Set 9360 | —55 
An „ | 18200|—53 35 , | 12400 | —56,0 J6: 8950 | — 54 
45 e 13350 | — 52,5 46 „ 12360 | — 56,0 AU 4 8560 | — 52 
50 „ | 13450 | —52,0 5 „ | 12260 |—56,5 SS . 8030 | —48 
55 z 13730 — 52.0 Gah — i 12100 | —57,0 A b 7500 | — 48,5 
3h 0m a. ml 13650 | — 52,5 55 `. 11900 | — 57,0 5 ca 7200 | — 40 
6 „| 13350 |—53,0| 5h Oma.m. | 11800 | —57,0 SÉ, 6590 | — 85 
10 „| 18850 | —58,0 2 11700 | — 57,5 55 , 6090 | — 30 
15 e 18300 | — 53,0 10%, „5 11650 | —57,5 | Th Oma.m. 6370 | —26 
ou „| 13200 | —53,0 15 >” | 11650| 57,8 ur 5120 | —22,5 
25 „| 18100 | 58,5 20, | 11600 | —58,0 10 4660 | —19 
30 „ | 18070 |—58,5 op „| 1140| 58,0 "Zë 8340 | —12,5 
35 a 13000 | — 53,5 Dir ` 11280 | —F8,5 0 5 2750| — 6 
40 „ Iı2sool—54,0| 35 > | 11250|—59%0] 3 , oe 
5 „ |12800|-585]| 40 „ Inmwol-50| 83 „ oli 8,0 
50 „| 12800 | — 54,0 
b) Ballon Eh, Strassburg. 
| Sal As | dp 
e EE ft- EE 
wo puten (SÉ tt- | Höhe | Temp. Ss mn ’ariseı | Höhe |Temp.| ZS 
Europ. arac | 2 g, | Europ druck | 88 
Zeit |in œ ZS Zeit i in co | 58 
Zeit 2 Hi mm inm jin sS | Zeit a. Weeer SE Sé 
E '  S 
| | | am a. m. 
op 55 m 2h Ae | 749 140 | + 2,0| 8h 35m | 2h 44m | 305 | 6870 | + 2,0 I—35 
57 6 | 686 | 855 |— 20 87 | 46 | 820 | 6580 | + 1,6 |—881,, 
59 8 600 1920 [= 1 89 48 335 6215 | + 1,4 |—32 
gh 1m 10 558 | 2490 | — 8 4l 50 345 6005 | + 1,0 |—81 
8 12 485 8580 | — 9 43 52 360 | 5710 | + 0,5 |—30 
5 14 4£0 | 4150 | —12 45 54 878 | 5870 0,0 |—26 
7 16 | 420 | 4620 | —20 47 56 | 390 | 5140 | — 0,5 |—25 
9 18 885 | 5235 | —26 |rund 49 58 405 | 4890 | — 1,0 |—23 
11 20 860 | 5710 | — 380 ol 3b Om | 420 | 4620 | — 1,5 |—20 
13 22 845 | 6005 0 |—8Il 58 2 440 | 4300 | — 2,0 1—15 
15 24 812 | 6710 | + 2 Lo DA b5 4 460 | 3990 | — 2,5 1—10 
17 26 292 | 7175 | + 2,5/—86 57 6 487 | 8550 | — 8,0 |— 8 
19 28 280 | 7465 | + 8,01—87 59 8 495 | 8430 | — 8,5|— 7 
21 30 | 275 | 7590 | + 8,01—38]4h 1m 10 | 530 | 2890 | — 8,8 |— 5 
23 82 | 273 | 7640 |+ 25-38] 8 12 | 560 | 2460 |—8,5|— 8 
25 34 273 17640 | + 2,5/—38 b 14 600 | 1920 30 — 1 
27 86 275 | 7590 | + 2,4|—38 7 16 650 | 1280 | — 2,5 0 
29 38 280 | 7465 | + 2,8) —37 9 18 705 625 | — 2,0 1— 2 
31 40 | 283 | 7890 + 2,2|—87| 11 20 | 140 | aas LI 0 
33 42 290 | 7225 | + 2, 1 —86 





Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 45 


c) Ballon „Cirrus‘, Berlin. 











Mitt. - - 
Pariser Lur Höhe | en 

Europ. i druck j perat. 

` Zeit : in m g 
Zeit in mm | in C° 
a. m. a. m. 

2h bim 2h Om 761 | 45 — 2,7 
52 1 741 220 —_ 3,8 
54 3 685 880 — 5,7 
56 5 637 1455 — 6,7 
58 7 588 2090 — 3,0 

3h Om 9 543 2717 — 53 
2 11 505 3286 — 9,0 
4 18 474 8780 — 11,5 
6 15 448 4180 — 18,4 
8 17 419 4690 — 16,8 
10 19 897 5060 Jl —202 
12 21 883 5800 — 22,0 
14 23 866 5640 — 28,5 
16 25 859 6743 — 24,7 
18 27 357 5815 — 26,0 
OH 29 876 5870 — 28,8 
22 al 893 5U76 — 21,8 
24 33 413 4710 — 19,1 
26 85 437 4300 — 16,1 
28 87 466 8835 — 11,2 
30 39 492 3450 — 95 
32 Al 515 8100 — 6,6 
84 43 588 2780 — 41 
36 45 658 2500 — 8,0 
38 47 683 2205 sab 2 
40 49 605 1860 — 6,8 
42 51 689 1430 — 43 
44 53 668 1086 — 2,0 
46 55 692 810 
48 57 717 580 | 
50 59 162 40 


d) „Ballon sonde“, St. Petersburg. 














Mitt. | p |. Luft- at | o mn | T Tem- 
ariser 
Europ. wen perat. 
i Zeit in m 
Zeit ı mm in CH 
a m. 
8b bim In 59m 740 240 — 6 
52 | 2b 0 615 1700 — 8 
b4 l 2 RRO 1500 — 13 
56 4 660 1100 — 12 
58 6 690 T80 — 8 
4b Om 8 740 240 — # 


46 Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 





Mittel- 
Europ. 
Zeit 


2a Am 
44 
55 
8a 14 
24 
dAn 8 
214 
47 
ba 7 
15 
öl 
58 
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18 
28 
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57 
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24 
381/, 
55 
8a 17 
46 


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12 


48 
58 
10a 9 
11 
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46 
48 
50 


ER 
7 

16 

28 

28 

41 

43 

48 


2P 21 


I. Bemannte 
a) Ballon 





Pa- 


Ane- 
riser i 
. roid 
Zeit 
mm 


1a49m| 761,5 


I HgBa- 





| 


| 









































ro- Re- 
e Psychrometer 
SC je Höhe | = e —— [Dampf lative Haar 
dieses | über itrocken, span- |Feuch-|hygro- 
redu- e Luft- Ä 
| | f ht e fe bt LP 

cirter N. N. Si Tem- Ze nung ug meter 

Luft- peratur keit 
| druck | 

mm | m | ch C” | mm | o | "ie 

ht Salz, JezAäile Et ken a 

„Bussard“ steigt auf! 

629.9 I 1542 | — 85 |— 29| — 8,6 0,03 d $i 

650.7 ENS A = 80 1-28 — 81 0,31 8 a 

heuer >27 Lag a LG 

621,5 | 1650 -- |: 2,0 — 

IA ECTE EA Is. 0,17 E 
| 629.8 1 1518 | — BA |= El. e BG 0,50 | (UD — 
f der Erde ein Feuer in SW (W von Spandau) sichtbar! 

681.2 1 1580 | — Së. LI — > > 

6198 | 1876 1 — zo |-04| — 70 | 001 "Oe: 

623,4 | 1629 | — 6,2 |—- 0,3| — 6,6 0,25 HI — 

sind erst westlich der Nordspitze von Oranienburg; mittlere 

629,5 | 1550 | — 4,4(?)! - 091 — 460| — | — I — 

Der ganze Himmel bereits hell! 

Br Je) >70 0,25 6 = 

ep 2luweegl ai -08l— 72 |owm | oT — 

618,4 | 1695 | — 59 |+ 06] — 60 | 0,28 S 1 

Sonnen-Aufgang! 

éd 0 lant. 42 Lk DÉI — 1,79 | 40 | 17 

585,8 | 218 l— Së L-0971 — 245 | 56 | 22 

577,2 | 2243 | — 5,2 |— 0,9 — 1.46 85 — 

667,1 | 2885 | — 6,4 |— 1,6| — 6,5 0,98 24 43 

Hg Barometer für Ablesungen eingerichtet! 
Se Sr | — 7,4 |— 29| — 7,5 0,94 | 25 | 47 
U 


58 
2a 4 | 680,2 
23 | 681,0 
88 | 629,5 
8a 12 | 621,8 
30 | 626,2 | 
56 | 680,1 | 
4a 16 Au 
24 | 631,5 
30 I 620,1 
ba 7 | 623,7 
16 Wir 
27 | 629,8 
37 
48 | 631,3 
6a 6 682,9 
21 | 618,7 
83 
471/,] 594,4 
7a 4 | 585,7 
27 | 577,6 
55 | 567,6 
8a 17 | 546,5 
21 | 544,9 
57 | 533,5 
9a 2 | 580,2 
18 | 509,8 
20 | 507,5 
82 | 491,5 
89 | 472,0 





Es wird gegessen. 
533,8 | 2866 | — 6,8 |— 3,9) — 6,9 1,68 49 57 
530,8 | 2911 
509,7 | 3230 
507,3 | 3267 
491,1 | 8523 | —10,0 |— 7,6 
471,8 | 3847 | —ı2,3 |-10,2 


= er Fe LL sek e 


siko hrer kee 1588 
—123 I 1,18 | 53 | 62 





Plan über die Ostsee zu gehen muss leider aufgegeben werden; 














55 | 448,4 | 447,8 | 4250 | —14,6 |-12,8| —14,7 | 091 | 53 | 60 
67 | 447,3 | 446,2 | 4269 = | 
59 Ostsee in den Dünsten sichtbar! 

102 9 | 483,2 | 481,4 | 4545 | —ı7,0 |-15,4| —ı7,1 |] 0,72 | 52 a 
16 | 419,0 | 416,5 | 4811 | —18,5 |—16,7| — 0,57 | 46 | 60 
25 Wir sind erst westl. von Röbel am Gr. Müritz See, L15 km von 
82 | 398,0 | 894,5 | 5217 | —22,6 |-214) — 0,44 | Sa — 
37 | 388,6 | 884.6 | 5406 | _ 

50 — 878,0 | 5535 | — 24,6 SN — 0,30 42 — 
al | 371,6 | 8660 = - 244 — — 
57 c. 364,0įc 5805| — — Nach dem Barographen 





Unordnung gerathenen Psy 


Wegen Unordnung am Instrument konnten während des Abstieges 
la 380 | Gelandet nach flotter Schleiffahrt von 600—500 m bei Volkshagen, 


205 km von Berlin. — Bei der Landung 
Wir fuhren längere Zeit am Schleppgurt, viele Moorc 


Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896, 47 


Ballons. 
„Bussard‘, Berlin. 














Schwarz- 
kugel- S Bewölkung 
(ew K S — m e 
EE z Ort des Ballons, 
gpr 1 © über dem unter dem Bemerkungen. 
metri- | 22 2 
Stand sche Ballon Ballon 
| Dif- 
ferenz | 
œ | @ | Vor der Abfahrt klar, sehr sternhell, kalt, 
Ge EN GES OE 1 | Se: SE bis ESE Wind, Stärke 2—3, 
Der Ballon ist nur ca. *% mit Wasserstoff 
gefüllt und steigt gleich auf 1500 m 
| Y | Wir sind über den Thiergarten (westlich 
e Wi | vom grossen Stern) und Moabit gezogen 
— — und fahren sehr langsam nach NNW. 
In NW bis N Wolkenbauk am Horizont. 
iR 0|— 22 a; Es ist bereits auf der Erde ein bischen 
) Wi P e e heller. 
ci-str! in SW 3 x 
DE 2, d Be 73 ee Dämmerung beginnt in SE. 
a 26 Lë? 29 >. | ba 40 Dämme- | Wir sind bei Oranienburg! 
3 3 
> së Së i -I| In ESE bereits starker Dämmerungsbogen ; 
2,4 3 2,1 > rung sehr stark! zwischen den Woikenhaufen schon röth- 
Geschwindigkeit kaum 9 km pr. St. licher Schein durchleuchtend. 
Himmel im E ganz hell, rother Saum am 
"RS. bk 1 4| ZE j | ganzen Osthorizont. 
3 ) 
— 1,9|— 0,8] — |2! ci, cistr, a-str. am? Hell, Lampen aus! 
— 28|— 201 — EN 
een) yo Fernrohrablesungen ohne künstliches Licht 
7 3 z beginnen. 
© Oberer Rand der Horizondünste glänzend 
+ 5,11+ 5,3 CG" erleuchtet! AR: 
64 7A O% UL ci. cistr Gef stellen- Wir wollen, falls die Geschwindigkeit 
2 I a ! ? ES Se irgendwie zunimmt und wir bis Mit- 
11,4| 12,3 |(.)° weise _ tag an die Küste kommen, über 
14,8| 15,9 |(-)? a e >! und leichte] die Os'see nach Dänemark oder Schonen 
Wölkchen hinüber. 
18,5 | 21,41? 2 e (wohl =>) 


nehmen im S 
unter uns zu! 
Schatten! |? | 1—2! ci, cistr 





ek 
17,3 23,4 Ok 
Wir fahren für die grosse Höhe sehr 


143| 21,9 |©? |2—83° 1 „falsche 
Si 21,2 5 u” cirri“ EE 
wir fahren zu langsam! 

13,5 | 26,31)? Bewölkung ungeändert! 





Theilweise 
beschattet! 
(7,61 23,0) 2] 3—4° Wolken Nach Ballastheben leichtes Herzklopfen, 
126 29 3 So b it | Sauerstoff eingeathmet. 
- II ereits nane Höhe und Kälte machen sich nach der 
Berlin. über uns. ‚ Nachtfahrt fühlbar! 
12,5] 839|? Es wird sehr empfindlich kalt! 
i ? v. Kehler athmet dauernd Sauerstoff, nach 
2 Arbeit Herzklopten. 
— 0,2 24,2 NW Theil des Müritz-Sees unter uns. 


SO da selber mit Instandsetzung des in Die Geschwindigkeit nimmt erst jetzt be- 
chrometers beschäftigt. achliieh sa. 

und nach der Landung keine Beobachtungen ausgeführt werden. 

südlich von Ribnitz am Saaler Bodden (Ostseeküste zwischen Rostock und Stralsund) 
frischer, senr böiger SE Wind, kalt! 

hiuderten die schon 1/„—1 Stunde vorher beabsichtigte Landung. 


48 Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 


b) Ballon „General Wannowsky‘“, St. Petersburg. 


















































Peters- Queck- | Ane- | Baro- | Thermometer | Hygrometer 
Pariser | silber- | roid- graph | Höhe | 
burger ; Ä 
Zeit Zeit Baro- Baro- | Ri- in m Queck- | Al- H Hygro- 
S meter | meter chard | silber |kohol |" graph 
a. m. m | | | d 
4h 45m | 2h 53m | Auffahrt des Ballons. l Te 
bh 4m | 3h 12m 665 650 655 1100 — 13 
9 17 651 655 | 1260 | —145 70 
12 20 641 | 644 1380 
Gh 30m | 4h 38m 576 566 2320 26 
85 43 | 565 | 574| 2250 | —19 38 
47 55 559 557 br 8 2410 —20 35 
57 5h 5m 548 535 557 2560 —20 83 22 
7h 7 15 536 31 | 542 | 2780 | —20 —21,7| 88 
16 24 528 516 522 2900 — 20,5 | —22,7| 82 
24 32 510 506 517 8090 —21,5 | —23,2| OI 
8l 89 Mo 498 504 8140 —21,8 | —21,2| 81 21 
40 48 496 490 | 494 | 8290 | —22,8 | —25,0| 31 
48 56 482 479 ARI 8500 —228 | —25,2| 31 
50 58 475 473 | 478 | 8610. | (-28,8) | —26.2 |. -80 
eh m | 6h 18m | 466 462 | 466 | 3750 | (—24,3) | —26,7| 30 | 21 
11 19 460 459 | 460 | 8610 | (—24,8) | —27,2| Bi 
21 29 455 450 | 455 | 8930 | (—22,8) | —25,2| 82 
30 88 449 440 444 4080 (—23,0) | —25,4 | 32 18 
36 44 437 487 | 488 | 4240 | (—22,8) | —24,7| 81 
47 55 432 424 4470 
52 | 7h Om 426 | 425 | 4460 | (—21,3) | —23,7 
9h 7m 15 426 | 425 | 4460 —188| 80 | 16 
13 21 426 425 4470 29 
40 48 423 4520 — 21,5) 30 18 
50 58 419 4600 
10h m | 8h 13m 435 | 43) 429 4320 27 12 
30 28 475 472 481 3670 —20 28 12 
54 52 571 576 566 2300 —13 28 
11h um | 9h 18m | 620 620 635 1680 28 15 
11 88 n, TAG Landung. | | | 


c) Ballon „Strela“, Warschau. 















































War- | Pariser | Luft- | Höhe | Temp. War- | Pariser | Luft- | Höhe | Temp. 
schauer Zei | druck | , Geht Schauer ; druck | . Va Yin 
Zeit ot in mmi In m in C Zeit Zeit lin mm in m |in C 
| | | 
a m. a.m. | a m | a m. | 
8h Om | ın 45m | 769 | 23 |—20 | on 25m | Sp 10m| 608 | 1830 |—14,0 
15 2h 0m | Auffahrt des Ballons. 40 | 25 642 | 1400 |—13,0 
25 10 656 | 1260 |— 5,8 50 | 85 617 1725 |—12,5° 
80 15 | | 1600 (?)) — 10,1 qh 35m ob Zum | 601 | 1940 /—11,0 
4b 25m | 8h 10m | 629 |1590 |-110 | bb om | 45 | 571 |2250 |— 85 
85 20 653 |1810 |—14,5 82 Th 17m | 550 | 2655 | - 6,2 
40 25 | 648 |1840 |—10,0 9h bm 53 525 | 8080 |— 5,4 
58 48 | 668 |1110 |— 80 27 8h 12m | 516 | 3170 |— 5,0 
Dh 5m 0O | 1100 (?)|— 15,0 10h Om | 45 516 | 8170 !— 5,6 
15 Ah 0m | 598 |1950 |—13,0 18 gh 3m | 50t | 3:60 | — 4,4 
85 20 | 669 |1520 |—18,0! 85 20 502 | 8890 |— 3,8 
40 25 | 602 | 192u2 wem iih um 45 BUS | 3300 |- 2,4 
Dh O0 45 602 | 1920 |—20,0 (?) 30 | ICh Iöm | Landung. 
15 5h um | 603 |1985 |—15,0 lù O | 11h Aan 738 | 850 |+ 8,0 








! Untere Wolkenschicht. ? Oberer Rand der Wolke (Stratus). ® Dunst, 


Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 49 


d) Ballon „Akademie“, München. 






































Mittel- . Luft- | | Mittel- | . 
Pariser ‚ Höhe Temp. | Pariser Höhe | Temp. 
Europ. ` druck . Europ. f f 5 
i Zeit i in m | in CH Zeit in m | in CH 
Zeit in mm | Zeit ` mm 
a. m. á. m. | a. m. | a m 
6h lom | 5h 19m |714 | 520; 0,0ļ|1oh2um ` għ29m | 552 | 2592 | —2,3 
7h 0 6h 9 648 1815 | —2,0 52 10h im 525 | 2990 | —8,7 
4 13 644 1365 ; +1,5 | 12b 2mp.m.| Jjh jjm | 503 | 8300 | —6,5 
161/, 251, | 635 | 1470 | +1,9 6 15 508 | 8300 | —5,5 
44 53 621 1650 , +2,7 29 38 514 | 8160 | —5,7 
59 īh So 610,5 | 1790 | +2,5 42 öl 546 | 2680 | —1,2 
8h 15m 24 | 590,5 | 2155 | +0,5 52 12h Imp.m.| 583 | 2155 | 0 
b7 | 8b 6m | 578° | 2925 |-0,6 | äus | 121, 631 | 1520 | +2,8 
gh an | 9h om | 568 | 2435 |—1,7| 15 24 643 | 1875 |+1,7 
Joh 5 | 14 657 2520 | — 2,6 30 39 648 | 1315 | — 2,0 





(Fortsetzung folgt.) 


Zur Aufklärung einiger besonderen Erscheinungen des Winddruckes, 


nach angestellten Versuchen. 
Von Friedrich Ritter. 
Vortrag, gehalten im Wiener Flugtechnischen Vereine am 20. November 1896. 


In der Lehre des Winddruckes giebt es bekanntlich einige mehr oder weniger 
ungelöste Fragen, so die Frage, warum durchlöcherte Flächen innerhalb gewisser 
Grenzen keine Verminderung des Winddruckes zeigen, die Frage der Nichtüber- 
einstimmung mancher gemessener Winddruckscoefßcienten unter sich und mit den 
Erscheinungen des Vogelfluges, die Frage, warum flache hohle Flächen unter schief 
auffallendem Winde einen grösseren Winddruck als ebene Flächen zeigen u. a. mehr. 

Auf Grund von Winddrucksmessungen, welche ich an im Zimmer fallen ge- 
lassenen Papierkörpern angestellt habe, möchte ich versuchen, SIE, diese Fragen 
mehr oder weniger zu lösen. 

Wie bekannt, berechnet sich beim Fall im widerstehenden Mittel, wenn s die 
Fallhöhe, £ die beobachtete Fallzeit bezeichnet, die dem Beharrungszustande 
entsprechende Fallgeschwindigkeit (v), bei welcher sich Gewicht des Fallkörpers 
und Gegendruck des künstlich hervorgerufenen Windes das Gleichgewicht halten, 


nach der Formel 
ki 


© Ji t—h (v) 

Der Faktor X beträgt hiebei, wenn die Fallzeit ¢ im Verhältniss zur Ge- 

schwindigkeit (v) gross ist, pi 
n2 

y 
d. i. für G (Beschleunigung durch die Schwere) gleich 9'81 Meter 1 == 00076. 

Wird die Fallzeit im Vergleich zur Fallgeschwindigkeit kleiner, so vermindert 
sich auch A etwas und berechnet sich z. B. 


L = 


für En = 0.32 zu % -: 0:0704 
(v) 
= 0'25 -= (0:0699 


= 0.31 = 0 06989, 


50 Ritter: Aufklärung einiger besond. Erscheinungen des Winddrucks ete. 


Ist in dieser Weise aus Fallhöhe und Fallzeit die Geschwindigkeit (v) des 
Beharrungszustandes berechnet, so ergiebt sich, wenn der Fallkörper per Flächen- 
einheit senkrecht zur Fallrichtung q schwer ist, bei y = Gewicht der Itaumeinheit 
Luft die bekannte Beziehung 





v)? y 
e l kaug 
g ai? 
SE v)? { 
aus welcher sich der Werth n, welcher in Theilen von =— 





die Grösse des 


Winddruckes bezeichnet, berechnen lässt. 


I. 


Indem ich dies, um zu zeigen, wie die Versuche angestellt wurden, voraus- 
schicke, lasse ich hier einen oben offenen Kegel aus P’auspäpier von ungefähr 
y = 10" Neigungswinkel zwischen Kegelachse und Kezelseite fallen. 

Wenn ich in die Spitze des Kegels ein kleines Gewicht lege, so fällt der 
Kegel ruhig in lothrechter Richtung, nehme ich aber dieses Gewicht heraus, so 
fallt der Kegel nicht gerade, sondern weicht nach einer krummen Linie seit- 
wärts aus. 

Es wirkt augenscheinlich eine Kraft auf ihn, welche unter seinem Schwer- 
punkt angreift und ihn nach oben zu drehen strebt. 

Wenn der Winddruck, wie bisher angenommen wurde, gleichmässig auf die 
Kegeloberfläche vertheilt wäre, so müsste die Mittelkraft aller Einzelwinddrücke 
über dem Schwerpunkt der Fläche ihren Angıiffspunkt haben Wie ist dies an 


dem Versuchskegel anders gekommen’? 
Wenn die gebrochene Linie ABA, den Querschnitt 


A Frig. d. der Kegelfläche darstellt, so baut sich vor dieser Fläche, 
a -A wie ich in einem früheren Vortrage!) ausgeführt habe, die 


Linie des Lufthutes in der Weise auf, dass jeder Punkt A 
derselben in der Richtung FH ebensoweit von der Fläche 
als in der Richtung FL von der Linie DLA des äusser- 
sten Windfadens entfernt liegt. 
Wird von der Spitze des Kegels B aus senkrecht 
d Lä og» zur Kegelfläche die Linie BI” bis zur Lufthutlinie gezogen, 
Pe so bildet zwischen F und A die Linie AFF des Lufthutes, 
+ 444 r wenn die Seiten des Kegels gerade sind, eine gerade, wenn 
l sie gekrümmt sind, eine entsprechend gekrümnite Liniec. 

Setzt man, indem man eich die Spitze B des Kegels nach einer unendlich 
kleinen Kreislinie abgerundet denkt, die Linie des Lufthutes über den Punkt P 
hinaus nach derselben erwähnten Bedingung fort, so dass im Punkte F” die Ent- 
fernung FL“ = Entfernung F” B und vor der Mitte des Kegels die Entfernung CB 
der Lufthügelspitze von der Spitze des Kegels = CM = OA = der halben Basisbreite 
des Kegels wird, so beschreibt zwischen F und C die Linie des Lufthutes, wie 
man unschwer erkennt, eine der Lufthutlinie des Kreises Ahnliche Linie. 

Von den einzelnen Punkten des Lufthutes aus gehen die durch den Stoss 
der Windfäden auf denselben hervorgerufenen Winddrucke, wie ich in dem er- 
wähnten Vortrage ausgeführt habe, senkrecht, also von F aus in der Richtung 
nach H u s. w. auf die Fläche über. 

In gleicher Weise wird sich demnach auch zwischen F und C der Winddruck 
von F“ aus in der Richtung FB nach B, d. h. für jeden zwischen P und C auf- 
fallenden Lultfaden nach der Spitze des Kegels übertragen. 





1) Winddruck auf Cylinder- u. Kugelflächen, Vereinszeitschrift März/April 1896 


Ritter: Aufklärung einiger besond. Erscheinungen des Winddrucks etc. 51 
5 KR 5 


Es gehen demnach die aus dem Auffallen der Windfäden zwischen A und N, 
entstehenden Winddrucke auf die zwischen A und B liegende eigentliche Kegel- 
fläche, die aus dem Auffallen der Windfäden zwischen 7? und C entstehenden 
Winddrucke dagegen, in ein Bündel zusammenlaufend, auf die Spitze B des 


Kegels über. 
Die auf die Kegelfläche vertheilten Winddrucke ergeben eine 


Mittelkraft D, deren Angriffspunkt N übereinstimmend mit der bis- Fig 2 
herigen Annahme über dem Schwerpunkte R der Kugelfläche liegt. _ E 
Fs giebt aber, wie sich gezeigt hat, neben dieser Kraft eine zweite ’ j 






Winddruckkraft P“, welche in der Spitze B des Kegels ihren 
Sits hat. 

Diese zweite Kraft ist es, welche den Kegel von ca. 100 Nei- P 
gungswinkel zum seitlichen Ausweichen während des Falles ge- A 


bracht hat. 

Untersuchen wir, da wir die Form des über einer Kegelfläche 
entstehenden Lufthügels nun kennen, durch Rechnung die Grüsse 
des Winddruckes, welcher sich auf einer Spitzkugelfläche, d. i 
einer Flache, deren kreisbogenförmige Querschnittslinie AB am 
Rande A vom äussersten Windfaden DA tangential gestreift wird, 
geltend macht, so ergiebt die Summirung der nach meinem erwähn- 


© 


ten früheren Vortrage entstehenden Einzelwinddrucke sin? z.sın S 








bei verschiedenen Werthen des Neigungswinkels zu an der Spitzkugelspitze fol- 
gende Werthe des Winddruckcoefficienten a: 

A n 

90° (Kugel). . 0.331 

ADS. oa ai a 0:26 

Ee ën e 20 


45°. e vie A NEE 
80°. . . . . 0.10 
15°. ur . . . 0.085 


e 1 
Am zugespitzten Renard’schen Ballon wurde nach J. Popper!) Bag ge- 
messen; dieser Werth stimmt mit dem für ẹ = 45 bis 60° berechneten Werthe überein. 


Der Winddruck auf moderne Langgeschosse wurde nach Rziha?) zu n = 0.82 
bis 0.10 gefunden; der untere dieser Werthe kommt den für kleinere Winkel e 
sich berechnenden Werthen von n gleich. 


Warum konnte beim Renard’schen Ballon und den gewiss mit Sorgfalt her- 
gestellten Langgeschossen der Winddruck nicht unter die angegebenen Werthe 
herabgemindert werden ? 

Die Antwort ergiebt sich, wenn man den Winddruck bei der grösstmöglichen 
Zuspitzung der Fläche, d.i. für z, =U ins Auge fasst. In diesem Falle verschwindet, 
wie man bei näheren Zusehen findet, der Winddruck n nicht, sondern nähert sich 
einem Grenzwerthe, welcher sich zum vierten Theil des Winddruckes auf eine 
Kugelfläche d. i. zu = 0.083 berechnet. 

Unter diesen Betrag von n 0.083 kann der Winddruck auf eine Spitzkugel- 
fläche, auch wenn dieselbe noch so sehr zugespitzt wird, nicht herabgemindert 


1) Flugtechnik, 1889. 
2) Zeitschrift des öster. Ingenieur- u. Archit.-Vereins 1894. 


62 Ritter: Aufklärung einiger besond. Erscheinungen des Winddrucks etc. 


werden, wodurch nicht gesagt werden soll, dass es nicht auch Flächenformen von 
geringerem Winddrucke geben kann. 

Lassen wir, — um zur durchlochten Fläche überzugehen, — gleichzeitig 
einen vollen geradlinigen Kegel aus Briefpapier von o = 20090" Neigungswinke] 
und einen ähnlichen Kegel, aus welchem die Spitze mit ?/ der Seitenlänge des 
ursprünglichen Kegels entfernt worden ist, also einen ringförmigen oder in der 
Mitte durchlochten Kegel fallen, so fällt der ringförmige Kege! langsamer als der volle. 

Aus den beobachteten Fallzeiten ergiebt sich 

beim vollen Kegel . . . n= 0.23 
„  ringförmigen Kegel n = 0.46 | 

Vertheilt man den letzteren Winddruck auf die Basis des Ringkegels ein- 

schliesslich der Mittelöffnung, so berechnet sich ein durchschnittlicher Wind- 


druck von 
o 2 
ai = |: — (2) | . 0.46 = 0.26 


welcher grösser ist als der Winddruck n = 0.23 auf den vollen Kegel. 


Es hat sich somit der Gesammtwinddruck auf die Kegelfläche, indem dieselbe 
in der Mitte durchlöchert wurde, in der That, wie schon Ahnlich an anderen durch- 
löcherten Flächen !) gefunden wurde, nicht vermindert, sondern sogar etwas erhöht. 

Suchen wir nach dem Grunde dieser Erscheinung, so zeigt sich, dass die auf 
die Ringfläche treffende Luft in zweierlei Weise von derselben seitwärts abfliessen kann. 


Zunächst wird die Luft versuchen, über einen Luft- 
hügel vom Querschnitte AFB theils über den Rand A 
nach aussen, theils durch die Oeffnung des Ringes nach 
innen abzufliessen. 


Wenn jedoch die Oeffnung nicht sehr gross ist, tritt 
hierbei eine Stauung ein, und es muss ein Theil der sonst 
nach innen abfliessenden Luft ebenfalls den Weg nach 
aussen nehmen. 





- Damit sie dies kann, muss sich der Lufthut nach einer Linie FC, hb, bei 
welcher wie früher F” B= F” L u.s.w. ist, über der Oeffnung schliessen. 

Für den ersten, nach innen und aussen abfliessenden Theil der Luft berechnet 
sich der dadurch auf die Ringfläche entstehende Winddruck ungefähr nach dem 
Winddruck auf eine freistehend vom Winde unter « = 22° 380” getroffenen Fläche, 
d. i. nach anderen meiner Messungen zu n’ = 0.17. 

Für den anderen, nur nach aussen abfliessenden Theil des Luftstromes beträgt, 
soweit derselbe zwischen A und C, A, und C, d.i. über der Ringfläche selbst auf 
den Lufthut trifft, der auf die Flächeneinheit Ringbasis entstehende Winddruck: 

nach den Messungen 


am Kegel n” = 0.23 
nach den Messungen 
am Keil n'” = 0.33 


somit, da die ringförmige Fläche nach ihrer Form zwischen Kegel und Keil liegt, 
ungefähr | 
Wil er > — 0.28 
Dazu gesellt sich der von dem Innentheil C CC, des Luftstromes, welcher 
über der Oeffnung BB, auf den Lufthut trifft, ausgeübte Winddruck. 








1) Versuche: Dines nach Vereinszeitschrift 1891; Miller-Hauenfels in Vereins- 
zeitschrift Aug./Sept. 1896. 


Ritter: Aufklärung einiger besond. Erscheinungen des Winddrucks etc. 53 


Nach den vorkommenden Werthen von sin? e sin $ beurtheilt, beträgt derselba 


in Theilen von ri im Durchschnitte ungefähr 0.69, somit, da die Innen - Oeffnung 
4, der Ringflächenbasis ausmacht, auf die Flächeneinheit dieser Ringflächenbasis 
bezogen, ungefähr 

a = 4], . 0.69 = 0'55. 

Der Gesammtwinddruck auf die Ringfläche berechnet sich sonach für den 
nach aussen abfliessenden Theil des Luftstromes, per Flächeneinheit Basis, zu 

n“ — n" + n” = 0.28 + 0.55 = 0 . 88. 

Nach dem Früheren muss der Winddruck auf den Ring zwischen n’ = 0.17 
und diesem Werthe n””=0.83 liegen. In Wirklichkeit wurde derselbe, wie er- 
wähnt, zu n = 0.46 gemessen, welcher Werth in der That zwischen den 
beiden Werthen liegt. 

Sind hierdurch die am Ringkörper beobachteten Erscheinungen erklärt, so 
ergiebt sich weiter, dass ein Fallschirm, von der Gestalt eines solchen Kegels, 
wenn dessen Spitze etwas geöffnet wird, dadurch an Tragkraft nichts verliert. 

Ein Vogel, welchem einzelne seiner Flugfedern verloren gehen, wird deshalb 
an Flugkraft, ein Segel, in welches einzelne Löcher gerissen sind, dadurch an 
Winddruck nichts einbüssen. 

Der Winddruck, welcher sich früher auf die Fläche der Oeffnung, des 
Zwischenraumes oder des Loches „gestützt“ hatte, stützt sich nun auf den Rand 
der Oeffnung, des Zwischenraumes oder des Loches. 

Bekanntlich hat v. Loessl!) bei der Messung des Winddruckes auf einander 
schief gegenüberliegende ebene Flächen ebenfalls gegenseitige Störungen an den 
von den beiden Flächen abziehenden Luftströmen beohachtet. 

Bezeichnet ò den äusseren, Gi den inneren Durchmesser des kegelförmigen 
Ringes, so haben meine Messungen des Winddruckes an Ringen aus Briefpapier 
von verschiedener Breite bei ọ—220 30° ungefähr folgende Werthe n des 
d' 


Winddruckes, auf die Ringfläche, und von |: -( d 


Oeffinung zusammengenommen bezogen, ergeben: 
d d 


)] n=n,, auf Ringfläche und 


0.0 1.0 (voller 0.23 0.23 
Kegel) 

0.5 0.5 0.36 0.27 
0.67 0,33 0.46 0.26 
0.71 0.29 0.5 0.24 
0.80 0,20 0.6 0.20 
0.86 0.14 0.6 0.15 
0.94 0.06 0.5 0.06 
1.0 0.0 (schief ge- 

troffene Ein- 

zelfläche, 
nach anderer 


Messung) 0.17 0.00 
Nach diesen Zahlen ist der den Winddruck erhöhende Einfluss der Theile 
eines Ringes auf einander noch bei einer halben Ringweite, welche ungefähr das 
7 bis 16 fache der senkrecht zur Windrichtung gemessenen Breite des Ringes be- 
trägt, zu erkennen. (Fortsetzung folgt.) 


1) Zeitschrift des österr. Ing.- u. Arch.-Vereins 1894. 


PESCHE 


54 Kleinere Mittheilungen. 


Kleinere Mittheilungen. 


Die Erforschung der höchsten atmosphärischen Schichten. Ein neuer Registrirballon- 
Aufstieg!). Auf einer, vor einiger Zeit in Paris abgehaltenen, internationalen Meteo- 
rologen-Conferenz wurde ausser anderen wichtigen Beschlüssen auch derjenige ge- 
fasst, ein permanentes Comité einzusetzen, welches zu Zwecken meteorologischen 
Studiums der oberen atmosphärischen Schichten gleichzeitige Aufstiege unbemannter 
Ballons von verschiedenen Punkten aus in die Wege zu leiten hätte. 

Dieser Beschluss der Conferenz ist nun zur thatsächlichen Ausführung gelangt. 
In der Nacht von Freitag d. Išten auf Sonnabend den 14. November haben sich um 
2 Uhr (Pariser Zeit) gleichzeitig Registrirballons in Paris, Strassburg, Berlin und 
St. Petersburg in die Lüfte erhoben. 

Dieser Zeitpunkt war gewählt worden wegen seines Zusammenfallens mit 
dem jährlichen Sternschnuppenschauer des sogenannten Leonidenschwarmes, welcher 
in der Bahn des zu Marseille von Tempel entdeckten Kometen I 1866 kreist und 
bekanntlich seinen Namen davon hat, dass die ihn zusammensetzenden kleinen 
Körper aus einem Purkte in der Nähe des Sternes Z im Sternbilde des Löwen aus- 
strahlen. Herr Erk unternahm gleichzeitig in München einen Ballonaufstieg, um 
den Sternschnuppenfall zu beobachten?). Im Vorbeigehen sei hier daran erinnert, 
dass ein Maximum des Falles im Jahre 1899 eintreten wird, 33 Jahre nach dem 
grossartigen Sternschnuppenregen des J. 1866, wo man die Zahl der in wenigen 
Stunden in der Nacht vom 13. zum 14. November aus dem Sternbilde des Löwen auf- 
tauchenden und den Himmel durchfurchenden Meteoriten auf über 10000 geschätzt 
hat. Das in Rede stehende himmlische Phänomen ist also ein streng periodisches. 

Es war um einem Ersuchen des H. Professors Assmann in Berlin zu ent- 
sprechen, dass die Aufstiege der Registrirballons diesmal um eine so frühe Stunde 
stattfanden. Die fünf von den HH. Gustave Hermite und Georges Besançon bisher 
emporgesandten Piloten des Luftmeeres waren alle am vollen Tage aufgestiegen 
und hatten sehr bedeutende Höhen erreicht. Es war nun von Interesse, für Luft- 
schiffer und Meteorologen, die vorher erzielten Ergebnisse mit den aus nächtlichen 
Auffahrten erhaltenen zu vergleichen. 

Der „Aerophile III“, der von der Gasansalt von La Villette sich erhob, ist 
genau kugelförmig und hält 350 cbm. Seine Hülle ist aus echter chinesischer Seide, 
von grossem Zerreisswiderstande und wiegt 38 kilo. Das Netz, ziemlich gross- 
maschig gestrickt, ist leicht und kräftig zugleich. Der Ballon ist nicht mit einer 
Reissleine, sondern mit einem Entleerungsventil verschen, welches an der oberen 


1) Unsere Leser finden im vorliegenden Hefte bereits den ersten Theil einer 
eingehenden Bearbeitung der ersten „Internationalen Ballonfahrt* aus der Feder 
des Prof. Assmann vor. Es gereicht uns nichts desto weniger zur Freude, den 
obigen der Redaction direkt seitens der „Société Franç. de Navig. Aérienne“ zu- 
geschickten Bericht über die Auftahrt in Paris, der durch ein Mıssverständniss leider 
seinerzeit nicht zum Druck übergeben worden ist, noch nachträglich in der Zeit- 
schrift zu veröffentlichen und wir fügen einen inzwischen eingetroffenen ähnlichen 
Bericht über die „Zweite internationale Auffahrt“ in Paris am 18. Febr. 1897 bei. Wir 
sprechen gewiss im Namen unserer Leser, wenn wir eine derartige Anknüpfung 
direkter Beziehungen zu uns seitens des rühmlich bekannten französischen Vereines, 
der ältesten unter allen aöronautischen Gesellechaften, mit dem Ausdrucke lebhafter 
Befriedigung begrüssen. Die Redaction. 

2 Der Bericht des H. Frion ist am Tage des Aufstieges selbst nieder- 
geschrieben; thatsächlich konnte der Aufstieg des Münchener Ballons aus sach- 
lichen Gründen erst mit Tagesanbruch vor sich gehen. Dagegen erhoben sich 
bereits zwischen 13/, und 23/⁄} Uhr Nachts (Par. Zeit) drei andere bemannte Ballons 
in Berlin, Warschau und St. Petersburg, die bis 5000 und 6000 m Höhe stiegen. 
(Vgl. den Artikel von Prof. Assmann.) Anm. d. Red. 


Kleinere Mittheilungen. 55 


Calotte des Ballons angebracht ist und durch eine im Innern durchgehende Leine 
mit einem kleinen Anker in Verbindung steht. Wenn der Anker sich festhakt, 
zieht er an der Schnur, wodurch das Ventil sich öffnet und Gas herauströmt. Das 
Gesammtgewicht des Materials, Hülle, Netz, Zubehör und Instrumente, beträgt 
45 kg. Um den Ballon, der bereits seiner zweiten Luftreise entgegenging, wieder 
in Stand zu setzen, wurde er einfach mit einer doppelten Schicht Vaseline überzogen. 


Der einzige mitgegebene Apparat bestand aus einem Registririnstrument, 
welches zugleich die Curven des Luftdrucks und der Temperatur angab (die von 
den Stiften aufgezeichnrten Curven werden hernach photographisch vervielfältigt). 
Dieses Instrument ist in einen Käfig aus Rohrgeflecht eingeschlossen, der wieder 
in Metallpapier eingehüllt ist, um die Einwirkung der direkten Sonnenstrahlen 
auszuschliessen. An diesen Käfig ist ein versiegelter Papierbogen angehettet, wel- 
cher in französischer und deutscher Sprache Anweisungen für den Finder des Ballons 
enthält, unter Zusicherung einer Belohnung für denselben. Auf dem Umschlage be- 
findet sich, gleichfalls in den beiden Sprachen, die Aufforderung, vor Kenntnissnahme 
der versiegelten Anweisung nichts zu berühren. Ein Thermograph, der, im Innern 
des Ballons aufgehängt, die Temperatur des Füllgases aufzeichnen sollte, wurde 
leider von dem Constructeur, Herrn Jules Richard, nicht rechtzeitig geliefert. 


Während H Hermite sorgfältig das Registririnstrument in Ordnung brachte 
und dessen Walze mit Russ schwärzte, schritten die Herren Adrien Moucheraud, 
Louis Capazza und eine Anzahl von Schülern der „Ecole française de Navigation 
aérienne“ unter der bewährten Leitung von H Besançon zur Füllung, die vollständig 
ordnungsmässig vor sich ging. Wir wollen hier hinzufügen, dass so wie alle 
Registrirballons gleichartige Instrumente mitführten, sie auch alle mit gleichem 
Gase gefüllt sein sollten, in diesem Falle mit gewöhnlichem Leuchtgase. 

Vor dem Aufstieg wurde ein kleiner Pilotballon, der ein durch Verbrennen 
eines Zünddochtes nach bestimmter Zeit verlöschendes Licht trug, durch H. Couvreur, 
Zögling des 2. Jahrganges, hochgelassen. Er gab als Zugrichtung NE an. 

Eine ziemlich gelungene photographische Momentaufnahme wurde von H. Mau- 
rice Spielmann, Zögling des ersten Jahrganges, ausgeführt unter Benutzung eines 
künstlichen Lichtes, hergestellt aus einer Mischung von 75 Gewichtstheilen Aluminium 
und 25°/, Kal. chlor., in feinst gepulvertem Zustande, die auf einem Stück Pappe 
mittelst eines mit Mehlstaub bedeckten Schwefelfadens zur Entzündung gebracht 
wurde. Die Verbrennung dieses Pulvers entwickelt keine besondere Hitze (die 
Unterlage aus Pappe geräth nicht einmal in Brand) und verursacht kaum ein wenig 
Rauch. Um genügende Lichtstärke zu erzielen, sind etwa 400 Gramm der Mischung 
nothwendig. | 

Der Aufstieg des „Aerophile* vollzog sich in vorzüglicher Weise trotz des 
Nebels und der schlechten Vorbedeutung des Datums (am Freitag, den 13.!) genau 
um 2 Uhr 6 Minuten. Das im Hofraume der Gasanstalt angebrachte Thermometer 
zeigte 4 Grad. Der Luftdruck betrug 761 mm. Die Direction der Gasanstalt war 
gebeten, die Temperatur des Gases bei der Füllung anzugeben sowie den in Ballast- 
gewicht ausgedrückten freien Auftrieb des Ballons, der in Ermangelung einer 
Brückenwaage nicht direkt gemessen werden konnte. 

Die HH. Hermite und Besancon hofften, dass ihr Ballon mit Leichtigkeit 
eine Höhe von 14—150C0 m erreichen werde. 

Dem Aufstieg wohnten bei mehrere Vorstandsmitglieder der „Société française 
de Navigation aérienne“: die HH. Wilfrid de Fonvielle, zweiter Vorsitzender, Emile 
Rat, Schriftführer, Louis Vernanchet, zweiter Schatzmeister; ausserdem H. Joseph 
Jaubert, Direktor des physikalischen Observatoriums auf der Tour Saint Jacques, 
ein Redacteur und ein Zeichner einer bedeutenderen illustrirten Zeitschrift, Madame 


56 Kleinere Mittheilungen. 


O. Frion und einige andere muthige Damen, die sich durch die späte Stunde nicht 
hatten abschrecken lassen, 

Im Augenblicke, als der „Aerophile* wie ein Pfeil den Nebel durchflog, in 
dem er sich in der Zeit von kaum einer Secunde dem Auge entzog, war noch 
keine Sternschnuppe den Blicken der Zuschauer und Zuschauerinnen erschienen. 


Paris, den 14. November 1896. 
O. Frion, 
Schriftführer der „Soc. franç. de Navigation aérienne", 


Neuer Aufstieg des Registrirballons „L’Aerophile.“ Dieser neue, durch die Opfer- 
willigkeit des Prinzen Roland Bonaparte ermöglichte Versuch war der siebente in 
der Reihe der französischen Forschungsfahrten in die hohen Schichten der Atmo- 
sphäre. 

Der Ballon-sonde „l’A&rophile“* von 465 cbm wurde am Donnerstag den 18. Fe- 
bruar um 10 Uhr 12 Min. Vormittags unter Leitung der HH. Hermite und Besancon 
von der Gasanstalt in l.a Villette emporgeschickt. 


Die Einzelheiten der Auffahrt waren vorher durch Beschluss des „Comites für 
wissenschaftliche Luftschiffahrt zu Paris“ vom 8, Februar festgesetzt, und es fanden 
gleichzeitig mehrere Aufstiege an anderen Orten durch Veranstaltung seitens der 
„Internationalen aßronautischen Commission“ statt. 


Die Instrumente befanden sich wieder in einer „meteorologischen Schutz- 
vorrichtung“, einer Art Korbgeflecht, umgeben von Metallpapier zur Verhinderung 
des Strahlungseinflusses auf dieselben Dieser Korb hängt an einem Kabel 20 m 
unter dem Ballon, um die Apparate auch von der Wärme des Ballongases nicht 
beeinflussen zu lassen. 

Die Instrumente bestanden aus zwei von H. Jules Richard hergestellten 
Barothermographen zur Aufzeichnung der Curven des Druckes und der Luft- 
temperatur. 

Das eine dieser Instrumente ist in einen Schutzkasten eingeschlosser, welcher 
behufs Ventilirung desselben vielfach durchlocht ist. Das andere ist gänzlich 
der freien Luft ausgesetzt, um auf diese Art, falls es unbeschädigt bleibt, einen 
Vergleich zwischen den Resultaten beider Aufstellungsarten zu gewähren. 


Ausserdem trug der „Aérophile“ einen Thermographen im Innern des Ballons 
zur Feststellung des Temperaturunterschiedes zwischen Füllgas und Aussenluft und 
endlich den Luftentnahmeapparat von H. Cailletet, welcher eine Luftprobe aus 
den höchsten Regionen mitbringen sollte. 


Der Registrirballon wog derartig belastet noch immer nicht mehr als 40 kg. 
Ein kleiner Anker war wieder an einer langen Leine angebracht, um wie das letzte 
Mal den Ballon bei der Landung selbstthätig zu entleeren, ohne ihn aufzureissen. 

Der „A&rophile“ erhob sich gleich im ersten Auffliegen zu bedeutender Höhe. 
Von kräftigem Nordwind erfasst stieg er rasch, mit einer Geschwindigkeit von ca. 
8 m per Secunde, um bald in den ziemlich dicken Nebel zu tauchen und zu ver- 
schwinden. 

Prinz Roland Bonaparte, die HH. Cailletet von der „Académie des Sciences“, 
Commandant Krebs, Teisserenc de Bort u. A. wohnten der Füllung und dem Auf- 
stieg des Ballons bei, der in stark beschädigtem Zustande am 19. um 4 Uhr Nachm. 
in Rozieres (Dep. Somme) im Arrondissement von Montdidier, einige Kilometer 
von Chaulnes, aufgefunden wurde. 

Die Instrumento dagegen, welche in Folge Zerreissung des Netzes bereits 
vorher in der Umgegend von Chaulnes gefallen und geborgen worden waren, wurden 
von H. Hermite ganz unverletzt nach Paris zurückgebracht. 


Kleinere Mittheilungen. 57 


Nach deren Angabe hat der „Aérophile“ eine Höhe von 10000 m!) erreicht 
und eine Minimal-Temperatur von —60° aufgezeichnet. Auch der Luftproben-Apparat 
hat gut functionirt; die Luftprobe ist gleich untersucht worden. 

O. Frion, 
Schriftführer der „Société Française de Navigation Aérienne." 


Za Andree’s Ballonfahrt nach dem Nordpol. Der „Aerophile“ bringt in seinem 
Januar, Februarhefte zwei kurze Briefe der Herren N. Ekholm und S. Andrée an 
dessen Herausgeber, welche einerseits die von Hrn. Ekholm seinerzeit ausführlich 
dargelegten Gründe seines Rücktritts von der Expedition im Wesentlichen zu- 
sammenfassen und andererseits das unentwegte Festhalten Andrées an seinem 
Plane darlegen. 


Hr. Ekholm schreibt unter dem 19. Dechr.: „Die wahrscheinliche Dauer der 
„Ueberfahrt von Spitzbergen nach der Behringstrasse würde bei geradlini- 
„gem Fluge ca. 15 Tage betragen, Man muss aber mindestens mit dem drei- 
„fachen dieser Zahl rechnen, da die Ballonfahrt jedenfalls in Curven vor sich gehen 
„wird und ausserdem länger dauernde Windstillen eintreten können. Um eine ge- 
„nügende Sicherheit zu bieten, müsste der Ballon sogar 60 Tage sich in der Luft 
„halten können. 


„Die Erfahrung auf Spitzbergen hat jedoch einen täglichen Verlust an Auf- 
„trieb von 60 kg erwiesen, was nur 20—25 Tage Reisefähigkeit für den Ballon er- 
„giebt (der verfügbare Ballastvorrath beträgt höchstens 1500 kg). 


„Trotzdem halte ich den Ballon für sehr sorgfältig gebaut, da der Auftriebs- 
„verlust nur 1,20/, per Tag beträgt. Aber sein Volumen ist ungenügend. Es ist zu 
„bedauern, dass Hr. Andrée die 6000 cbm seines ersten Projectes auf 4500 cbm ver- 
„ringert hat. Es ist diess ein Punkt, über den unsere Meinungen stets auseinander- 
„gingen. 

„Nichtsdestoweniger ist es wohl möglich, dass die Reise auch mit diesem zu 
„kleinen Ballon gelingt. Aber dazu werden ausnehmend günstige Umstände nöthig 
„sein und da ich nicht mit Ausnahmefällen rechnen wollte, bin ich zurückgetreten, 
„sobald es feststand, dass Hr. Andrée die von mir für unerlässlich gehaltenen Ver- 
„besserungen nicht ausführen wollte oder konnte.“ 


Herr Andrée schreibt am 25. December: „In mehreren Pariser Blättern finde 
„ich Bespechungen einer neugeplanten Nordpolexpedition im Ballon, die mir den 
„Eindruck erweckten, als ob man die Absicht der Durchquerung der Polargebiete 
„in meinem Ballon für meinerseits aufgegeben betrachte, 


„Gestatten Sie mir diese Annahme zu berichtigen; ich habe im Gegentheile 
„bereits die zur Wiederholung meines Versuches im kommenden Jahre nothwen- 
„digen Geldmittel vollständig beisammen und hoffe durch Nichts von der Aus- 
„führung desselben abgehalten zu werden. 


„Das Unternehmen ist zweifellos durchführbar, wie diess die Beobachtungen 
„des vergangenen Jahres beweisen. Mein Vertrauen in die Geschicklichkeit des 
„Hrn. Lachambre und seiner Leute ist unerschüttert. 


„Ich hoffe, dass auch Ihre Landsleute ihre Absicht verwirklichen werden; die 
„Wissenschaft wird daran nur gewinnen.“ 


1) Nach späterer Berichtigung hat der „Aerophile* thatsächlich einen Minimal- 
Iuftdruck von 110 mm und eine Temperatur von —66° registrirt. Dies entspricht einer 
wahren Seehöhe von 13750 m (rohe Seehöhe 15650 m). Anm. d. Red. 





58 Literarische Besprechungen. Vereinsnachrichten. Berichtigung. 


Literarische Besprechungen. 


Eine neue aëronautische Zeitschrift. Nachdem wir erst im verflossenen Sommer 
die Begründung des „Aeronauta“ in Mailand melden konnten, erhalten wir soeben 
dus 1. Heft des „Wozduchoplawanije i Jzsledowanije Atmosfery“ („Luftschiffahrt und 
atmosphärische Forschung“). 

Das neue Organ, herausgegeben von der 7. (aöronautischen) Section der 
Kais. Russischen Technischen Gesellschaft. unter Redaction des Vorsitzenden der 
Section, Herrn M. M. Pomortzeff, soll zunächst in zwanglosen Heften erscheinen 
und gedenkt in seinem Programm folgende Fragen zu berücksichtigen: 

1) Adrostatik. Untersuchungen und Arbeiten mit Bezug auf freie, Fessel- und 

lenkbare Luftballons. 

2) Flugapparate und (dynamische) Flugmaschinen. Bau derselben und Be- 

ziehungen zu den Fragen des Luftwiderstandes. 

3) Materialien und Stoffe, die in der Aöronautik Verwendung finden; Unter- 

suchungen über deren Festigkeit und Leichtigkeit. 

4) Hebe- und Propellerschrauben in Verwendung bei Ballons und Flug- 

maschinen. 

5) Messapparate und wissenschaftliche Experimente. 

6) Untersuchungen zur Physik der Atmosphäre; Anwendung meteorologischer 

Gesetze auf die Luftschiffahrt und die Wetterprognose. 

î) Rundschau über die ausländische aëronautische Literatur und Biblio- 

graphie derselben. 

Das vorliegende Heft 1. bringt, bei reicher Ausstattung mit Figuren und Tafeln. 
grüssere Arbeiten von M. Pomortzeff „über einen Apparat zur Bestimmung der 
Bewegungsrichtung und Winkelgeschwindigkeit der Wolken“ sowie „über Registrir- 
ballons und deren Anwendung für die Erforschung der Atmosphäre*; von N. Shu- 
kowskij „über die Katastrophe von OÖ. Lilienthal“ und „über den günstigsten 
Neigungswinkel von Aöroplanen“; endlich sehr eingehende Referate des Herans- 
gebers über H Maxim's „Vögel und Flugmaschinen“ („Natural and artificial flight“) 
und O. Chanute’s „Segelflug.“ 

Indem wir uns zur Zeit mit dieser kurzen Anzeige begnügen müssen, begrüssen 
wir die Schwester-Zeitschrift mit aufrichtiger Freude und wünschen, dass es ihr 
gelingen möge, in hohem Maasse Interesse und Mitarbeit an unserer Sache im 


weiten und mächtigen Nachbarreiche zu wecken. Die Redaction. 





Vereinsnachrichten. 
Oberrheinischer Verein für Luftschiffahrt 


Tages - Ordnung der Oeffentlichen Sitzung am Sonnabend, den 27. März. 
Experimental-Vortrag des Herrn Ingenieur Kress vom Flugtechnischen 
Verein in Wien. 

Thema: Ueber Luftschiffahrt mit Vorführung freifliegend:r Fiugmodelle. 

Zur Demonstration gelangen: Propulsions - Luftschrauben, ein neu- 
artiger zusammenlegbarer Drache, Ruderflieger und freifliegende Drachenflieger. 


Druckfehler-Berichtigung. 


In der redactionellen Fussnote zu dem Artikel von Herrn Hauptmann Moede- 
beck in Heft 1 dieses Jahrganges muss es statt der Seehöhe von 166690 m (gar 
So hoch ist der „Cirrus“ natürlich nicht gekommen) heissen 16600 Meter. 


OK 


` Seitschrift für Luftschifahrt und Physik der Atmosphäre. 1897. Hofi 3. ` b9 


Vorbemerkung. 


Die Fortsetzung der Arbeit von Prof. Assmann über „Die gleichzeitigen 
wissenschaftlichen Ballonfahrten vom 14. November 1896“ kann leider aus technischen 
Gründen erst im Aprilhefte zum Abdruck gelangen; doch hoffen wir dasselbe binnen 
kürzester Frist dem vorliegenden Heft 3. nachfolgen lassen zu können. 

Die Redaction. 





EE EE R e - ——— 


Flugtechnische Studien. 
Von Josef Popper. 
(Schluss.) 


Man kann übrigens mit einem Schlage darlegen, dass der Wellenflug 
keinen ökonomischen Vortheil bietet, sondern dass das Umgekehrte der 
Fall sei: 

Denken wir uns wieder den Körper absolut spitzig oder scharf gebaut, 
also ohne jeden Stirnwiderstand, dann kann die mathematisch dünn gedachte 
Fläche als solche keinerlei Einfluss darauf haben, welche Form der Wellen- 
bahn wir als die etwa günstigste zu betrachten hätten; andererseits wird 
ja behauptet, dass die Wellenform als eine solche, bei der die Schwerkraft 
mitbenutzt wird, principiell den Vorzug vor der horizontalen Fahrt habe, 
keinen Rücktrieb (Flächenwiderstand), sondern nur Stirnwiderstand zu pro- 
duciren. Es steht uns daher frei, irgend eine Wellenform herauszuheben, 
also auch jene mit der Einbuchtung nahe gleich Null, d. i. der horizon- 
talen Linie, es folgt also, da eben keine Grenze zwischen beiden Flugformen 
existirt, dass unmöglich ein Sprung in der Art der Kräftewirkung statt- 
finde; man braucht sich nur vorzustellen, dass diese ganz flache Welle im 
absteigenden Theil mit dem horizontalen Flug zusammenfalle und dass der 
sogenannte aufsteigende Theil beliebig klein, auch gleich Null sei, so sieht 
man sofort die vollständige Identität beider Flugmethoden ein, nämlich 
die allgemeine mechanische Identität derselben. Es ist überdies eine in- 
teressante Eigenthümlickeit, dass die Zeichnungen der Wellenflug-Anhänger 
stets eine flache Balın ausdrücken, es wird Niemanden einfallen, eine sehr 
tief ausgebuchtete krumme Linie zu zeichnen, vielleicht fühlen sie instinctiv, 
dass, da doch factisch immer ein Stirnwiderstand vorhanden ist, 
der längere Weg einer solchen Wellenbalım ungünstiger ist als der kürzere 
einer selır flachen. 

Wie gänzlich ungerechtfertigt aber die Bewunderung des Wellenfluges 
und seiner specifischen Vortheile ist, wird man wohl durch folgende ein- 
fache Überlegung ersehen: 


60 Popper: Flugtechnische Studien. 


Bekanntlich wäre die aufzuwendende Secundenarbeit bei einem Drachen- 
flileger der Null gleich, wenn es gelänge, die Neigung der Drachenfläche 
gegen die horizontale ebenfalls der Null gleich zu machen; nur technologische 
Gründe verhindern dies und für sehr kleine Winkel ist — bei sehr grossen 
Geschwindigkeiten der Translation — die Secundenarbeit in der That sehr 
klein, wenn wiederum der Stirnwiderstand sehr klein ist. 

Es sind also nur praktische und nicht principielle Gründe, aus denen 
die Flugarbeit nicht so klein ausfällt, als man nur willt). 

Weniger als Null kann aber doch keine Flugmethode, sei es die 
wellenförmige oder irgend eine andere, beanspruchen? 

Und andererseits ist beim Wellenflug die Unmöglichkeit eines unendlich 
kleinen Winkels der Tragfläche gegen die Bahn und der Stirmmwiderstand, 
also die technologische, rein practische, Schwierigkeit genau — ja in noch 
grösserem Maass — vorhanden, als beim geradlinigen. 

Eine ausfübrliche und rechnende Untersuchung über den Wellenflue 
und manche einschlägigen, höchst interessanten aerodynamischen und flug- 
technischen Probleme will ich’ überdies an einem anderen Ort geben. 





Einen sehr reichen Inhalt in direct flugtechnischer Beziehung giebt. 
in dem Loessischen Buche die Tabelle XI (auf S. 223 bis 226) und die 
darauf folgende Erläuterung (S. 226 bis 230). 

Es sind namentlich folgende Begriffe resp. Probleme, die hier behandelt 
oder wenigstens erwähnt werden, und zu denen ich Manches, was vielen 
Lesern wohl nicht unwillkommen sein und das Verständnis erleichtern dürfte, 
hinzufügen will. Auf S. 228 findet man den Ausdruck „Minimum der 
Gefälls-Summe“, „flachste Schwebebahn“ und „Arbeitsminimum 
des Schwebefluges“. Ä 

Die letzte Beziehung ist leicht zu begreifen, denn man sieht bald ein, 
dass die horizontale Translation zwar mit ihrem Wachstum für die Schwebe- 
arbeit immer nützlicher wird, schädlich aber für die Translationsarbeit in 
Folge des wachsenden Stirnwiderstands, es muss also eine Grenze geben, 
eine Optimum-Aufgabe, zu bestimmen, wann die Summe beider Arbeiten ein 
Minimum wird; Loessl entnimmi für die Taube seiner Tabelle die Zahl v=12 
secm als die vortheilhafteste Geschwindigkeit, was wir allerdings wegen der 





rn 


1) In der Abhandlung „Experiments in Aerodynamics“ (1893) von Langley 
und in manchen Berichten über dieselbe wird als eine neue und sehr merkwürdige 
Erkenntniss das Versuchsergebniss hingestellt, das schnelles Fliegen weniger Arbeit 
braucht als langsames. Dieser Satz wird aber schon seit mindestens 25 Jahren 
von allen Flugtechnikern benutzt, die aus theoretischen oder experimentellen Gründen 
sina und nicht sin?« in die Luftwiderstandsformeln einsetzen; man sehe z. B die 
Aufsätze von Penaud und sämmtliche Abhandlungen in dieser Zeitschrift, von 
Lössl, Wellner, Platte, Jarolimek und Hauenfels, von mir selbst, u. A. 
Man sehe auch eine specielle Bemerkung über diesen Punct in meiner „Flug: 
technik“ (8. 103 in der Anmerkung). 


Popper: Flugtechnische Studien. 6i 


von uns beanstandeten Schwebeformel, auf der die Tabelle beruht, eben nur 
anführen wollen. 

Das „Minimum der Gefällsumme“ oder der des „secundlichen Falles“ findet 
sich in der Tafel XI bei derselben Geschwindigkeit, von = 12 m, also gleich- 
zeitig mit: dem „Arbeitsminimum des Schwebefluges“ ` das ist ganz natürlich, 
denn der kleinste secundliche Fallraum bedeutet, dass die Schwerkraft, die 
ja hier allein arbeitet, in einer Sec. ein Minimum an Fallarbeit leistet und die 
Arbeiten werden eben hier immer als Secundenarbeit (Pferdekräfte) aufgefasst” 
Wenn man horizontal fliegen, also einen Motor statt der Schwerkraft an- 
wenden muss, so gilt dieselbe Rechnung für das Arbeitsminimum, denn 
die Verhältnisse des Problems können sich nicht mit der Art der Kraft- 
quelle ändern. Was aber die die „flachste Bahn“ betrifft, so bezieht sich 
hier die Falltiefe des Körpers nicht auf die Zeit, also z. B. die Secunde, 
sondern auf die horizontale Weglänge, sie ist daher eine andere Grösse 
als die Summe des secundlichen Falles und die praktische Bedeutung 
dieses Begritfes und der Aufgabe, für das Minimum des kleinsten Falles der 
Bahn die nöthige Sec.-Ärbeit zu rechnen, sowie alle Verhältnisse dabei 
zu bestimmen, liegt darin, dass man mitunter wissen will, welche Motor- 
grösse und Stellung der Tragfläche nöthig seien, um abwärts gleitend« Körper 
von einer gegebenen Höhe aus am weitesten zu bringen, also die längste 
Reise zu machen, um z. B. einen Fluss zu übersetzen oder dergl. 7 

Alle diese Probleme, deren Zahlenresultate aus der Tabelle XIempirisch 
in Loessl’s Buch herausgehoben sind, sind aber mathematisch mit einem 
Schlage lösbar und daher mühelos und für alle denkbaren Fälle verschieden 
geformter und beschaffener Flugkörper zu erledigen; wir, verdanken die 
Aufstellung und die Lösung dieser Aufgaben Penaud, der in einer grund- 
legenden Abhandlung „Lois du glissement dans lair“ in „l’Aeronaute“ des 
J. 1873 zum ersten Male die Begriffe „Schwebearbeit“ und „Trans- 
lJationsarbeit“ einführte, und dadurch den Berechnungen der Flugprobleme 
eine neue wissenschaftliche Basis verschaffte, die höchst aufklärend wirkte 
und in neuerer Zeit, obwohl lange als theoretische Überflüssigkeit angesehen 
und bei Seite gelassen, nunmehr in fast allen flugtechnischen Publikationen 
benutzt wird. In der genannten Abhandlung unterscheidet Penaud schon 
zwischen „secundlichem Gefälle“ und zwischen „flachster Bahn“ und 
er wendet diese Begriffe sowie den des „Arbeitsminimums beim Schweben“ 
in höchst geistreicher Weise auf den Vogelflug an). 


1) Pénaud ist es auch, der als der Erste (im J. 1872 publicirt) kleine Drachen- 
flieger construirte (Aöroplane). Dabei verwendete er zur Herstellung der Sta- 
bilität ein automatisches Steuer, nämlich hinten eine horizontal aus- 
gestreckte, nach vorne etwas geneigte Fläche; diese Drachenflieger sowie seine 
Orthoptere (Flügelpropeller-Apparate) und Helicoptere (Schraubenflieger) 
betrieb er mittels tordirtem Kautschuk, eine scheinbar einfache Neuerung 
die aber in dieser Richtung, d. i. für Modelle, einen bedeutenden Fortschritt reprä- 


62 Popper: Flugtechnische Studien. 


Später behandelte Lippert das specielle Problem der „flachsten Bahn, 
für seine Parachute-Montgolfiere‘ i. J. 1876; — sodann G. Schmidt alle 
obigen Aufgaben und noch dazu die Frage nach der grössten Tragkraft. 
— ohne Penaud’s Arbeit zu kennen — in der Zeitschr. des Oesterr. Ingen.- 
u. Archit.-Vereins (J. 1877), wobei er aber noch sin? a statt sin a in die 
Widerstandsformeln einführte, während Penaud, wie alle Marinetechniker 
vermöge ihrer Erfahrungen an Segeln und Steuerrudern, sin! o einsetzte; 
die „flachste Bahn“ benutzte auch Wellner bei der Theorie seines schief 
fahrenden Warmluftballons und ich selbst behandelte diese Probleme in all- 
gemeinerer Weise in meiner im J. 1889 erschienenen „Flugtechnik‘“. Eine 
schöne Anwendung der Penaud’schen Unterscheidung zwischen Schwebe- 
und Translationsarbeit machte Müllenhoff in seiner in dieser Zeitschr. 1885 
erschienenen Abhandlung über die „Grösse der Flugarbeit“ bei 
seinen vergleichenden Studien über das Flugvermögen der Vögel. 

Vor Penaud wurde, meines Wissens, nicht Schwebe- und Trans- 
latinsarbeit, sondern nur das Gewicht und der Stirnwider- 
stand, also zwei Drucke und nicht zwei Arbeiten, mit einander ver- 


e—a — mn 


sentirt; denn hierdurch gewann Penaud gegenüber den früher angewendeten 
Stahlfedern einen viel leichteren Motor und gegenüber gedehntem Kautschuk 
einen viel einfacheren Mechanismus, weil er die Rotation unmittelbar gewann. 
Pénaud machte „uch werthvolle Experimente, um direct den Stirnwiderstand ver- 
schiedener Vögel festzustellen, bisher die einzige Quelle unserer Kenntnisse dieser 
wichtigen Grössen; er entwarf auch ein Project für einen Drachenflieger im Grossen 
und war der Erste, der (im l’Aeronaute des J. 1872) den Gedanken und das Problem 
aufstellte, das günstigste Verhältniss des Motorgewichts zum Totalgewicht 
einer Flugmaschine zu suchen, das er zu !/, bestimmte, welchen Gedanken, un- 
abhängig von P&naud, später Jarolimek ebenfalls fasste und in mannigfachen 
Arbeiten in sehr interessanter Weise durchführte. Sehr intensiv befasste sich 
P&naud auch mit dem Studium der Propeller; die Schraube konnte er nicht 
genug bewundern, er hielt sie für die vollkommenste technische Maschine, von 
grösstem Nutzeffect und er begründete diese günstige Ansicht namentlich mit Ver- 
suchen über das Verhalten der Luft in der Nähe von Propellerschrauben; er zeigte 
an den Schrauben seiner oben erwähnten Schraubenflieger, dass man fälsch- 
lich behaupte, dass die Luft von den Flügeln radial nach auswärts geschleudert 
werde; im Gegentheil, Kerzenfiammen, hinter der Schraube, so lange sie innerhalb 
der Cylinderfläche stehen, deren Basis der Schraubenkreis ist, convergiren 
gegen die Achse, werden also zur Schraube hingezogen, ausserhalb derselben 
werden sie nur schwach bewegt, und vor der Schraube bilde sich ein erweiterter 
Kegel, der die Luft von allen Seiten ansaugt“ (l’A6ronaute, December 1876, „Sur 
la force des êtres volants“) Ob Penaud auch die sogen. „elastischen“ Luft- 
schrauben anwandte, ist mir zwar wahrscheinlich, aber nicht mit Gewissheit er- 
innerlich; die erste positive Mittheilung über solche Schrauben für kleine Flugmodelle 
fand ich im J. 1876 des l’Aeronaute, wo Serge Mikunin berichtet, dass man in Moskau 
solche elastische Schrauben benutzte, die aus umgebogenem spanischen Rohr mit 
überspannter Goldschlägerhaut bestehen. Penaud, immer krünklich, starb in seinem 
80. Lebensjahre. 


Popper: Flugtechnische Studien. 68 


glichen, und scheint Silberschlag dies in der (mir nicht bekannten) Abhand- 
lung „Von dem Fluge der Vögel“ (1781) zuerst gethan zu haben!). 


Bei der grossen Wichtigkeit, welche eine horizontale Translation für 
die Arbeitsökonomie beim Fluge besitzt, behandelt Loessl speciell den 
„Schrägen Flügelschlag‘“, durch den eben diese Translation 
hervorgebracht wird, und es wird in diesem Abschnitte rechnerisch näher 
auf die Art eingegangen, wie der Vogel seinen Flügel gebraucht, um gleich- 
zeitig horizontal zu schweben und vorwärts zu kommen. Die I,oessl’sche 
Berechnung, die ich durch beistehende Figur erläutere, ist folgende: „Beim 
schrägen Flügelschlage, d. h. jenem, bei welchem der 
schräg gestellte Flügel F mit der Geschwindigkeit 
cb =v, und zwar in der Figur vertical, nieder- 


schlägt, ist der Normalwiderstand N = v? F cos a S 


und dieser zerfällt in die beiden Componenten des.. 





Auftriebes D = v? F cos Zo 1 und des nach vorwärts 


Se . y l 
wirkenden Widerstandes K = v? F sin u cos a ei Die erstere Com- 


ponente liefert nach wie vor die motorische Arbeit zum Auftrieb, welche 
Arbeit jetzt mit An = v? F cos "o n auszudrücken ist. Die Componente K 


aber liefert die Arbeit zur Vorwärtsbewegung und hierfür lautet der Aus- 


druck Ag = v?F sin a cos a Fa Diese Ausdrücke werden hierauf auf den 


speciellen Fall der Taube angewendet und dann gesagt: „Ist einmal die 
geringste Bewegung im horizontalen Sinne eingetreten, so wirken die Flügel- 
schläge nicht mehr mit dem einfachen Flächenmaasse A, sondern mit der 
ideellen Fläche F -+ vb, worin b die Spannweite der Flügel bedeutet.“ 

Indem ich nun bezüglich der Formel F -+ vb auf das früher Gesagte 
verweise, stelle ich der eben citirten LoessIschen Berechnung selbst folgende 
Bedenken entgegen: 

Wenn die Arbeitsausdrücke Ap und Ae richtige sind, so muss natürlich 
jedenfalls deren Summe gleich der Totalarbeit D.v sein; wie man sieht, 


1) Was das schöne Problem vom Minimum der Flugarbeit betrifft, 
so möchte ich mir erlauben, zu erwähnen, dass mir die erste, allerdings unbewusste, 
Andeutung desselben oder des darin liegenden Gedankens in der Einleitung 
zu Kante, „Kritik der reinen Vernunft“ begegnete; die betreffende Stelle lautet: 
„Die leichte Taube, indem sie in freiem Fluge die Luft theilt, deren Widerstand 
sie fühlt, könnte die Vorstellung fassen, dass es ihr im luftleeres Raume noch viel 
besser gelingen werde.“ Als ich diesen Passus las (in den Jahren 1868/4), schloss 
ich sofort, dass hier ein Minimum -Problem vorliege, ohne aber damals der 
Sache näher zu treten. 


64 Popper: Flugtechnische Studien. 


ist das nicht der Fall und dies hat seinen Grund darin, dass in diesen 
Arbeitsausdrücken die Kräfte nicht mit ihren zugehörigen Arbeitswegen 
multiplieirt erscheinen, sondern mit ganz anderen; so wurde An erhalten durch 
Multiplication von D mit dem Arkeitswege der totalen Arbeit, nämlich 
mit v, statt mit einem zugehörigen Theile von v; und Ae wurde erhalten, 
indem X mit v multiplicirt wurde, welches v gar nicht in der Richtung von 
K liegt, sondern normal darauf, also weder der Richtung noch der Grösse 
nach- der Arbeitsweg von K ist‘). 

Wie nun solche Zerlegungen von Totalarbeiten in Einzelarbeiten vor- 
zunehmen seien, habe ich auf S. 77 bis 79 meiner „Flugtechnik“ ausein- 
andergesetzt und auf den speciellen Fall, der hier vorliegt, angewendet; es 
muss nämlich die totale aufgewendete Arbeit D Jr durch die durch den Luft- 
widerstand entstehende, ihr gleiche N.n ersetzt und nun diese in ihre 
Componenten der Kräfte und Wege zerlegt werden; also D.v = N .ac = 
N.n=D.cd-+ K.ad, wobei ad normal auf cb = v gezogen werden 
muss, um die resp. Arbeitswege von D und K zu erhalten, gemäss dem Satze 
der Mechanik: das Product aus der Resultirenden in ihren Arbeits- 
weg ist gleich der Summe der Producte ausihren Componenten in 
deren resp. Arbeitswege. Dann ergiebt sich An = D . cd = (N cos u) 
(v cos ol = N v cos fo und Ag = K. a d = (N sin a) (v sin u cos a) = N v sin?a 
cosa, also An + Ag = N. vcos a = Nn = D.v = der Totalarbeit; und 
ausgerechnet, sind dann. Ap = v’F cos fa. 7 und Ak = v®F sin Ze cos Zo e 
an Stelle der Loesslschen Ausdrücke zu setzen. 

Zum eindringenderen Verständniss sei noch bemerkt: Da bd = v — 
cd=v—vcos’a=vsin®« und K = Dtg a ist, so ist auch X. ad = Ak = 
Dtg a.v sin a cos a = Dvsin’a = D. bd, d. h. man kann sich die totale 
Niederschlagsarbeit D.v bestehend denken aus einem Theil D. cd, 
der dieSchwebearbeit repräsentirt, und aus einem zweiten Theil 
D.db, welcher der Translationsarbeit gleich ist und sich, ver- 
möge der Funktion der Flügels als Maschine, in die horizontal 
gerichtete Translationsarbeit transformirt. 

Man könnte hier folgendes einwenden: Wenn der Körper durch eine 
verticale Führung gezwungen würde, nur lothrecht zu bleiben, d. h. nicht 
vorwärts gehen, also auch keine Translationsarbeit geleistet werden kann, 
so würde nach obiger Zerlegung eine Arbeit D . bd = K. ad sich ergeben, 
die gar nicht realisirt wird? 

Auf diese Frage eingehend, muss ich aber vorher eine zweite Einwendung 
gegen die Loessl'sche Rechnung anführen und diese betrifft die Grösse des 


— mm 


!) Wie mir der Autor mittheilt, blieb seine Ableitung nur aus Versehen in 
der für den Druck bestimmten Abschrift stehen, eine andere war schon viel früher 
vorbereitet. 


Popper: Flugtechnische Studien. 65 


Normalwiderstandes, in letzter Instanz die Art des Stosses gegen die 
Luft. Sobald nämlich der Vogel auch nur die geringste Vorwärtsbewegung 
erhält, ist die relative Geschwindigkeit der Luft gegen den Flügel weder der 
Richtung noch Grösse nach cb— v, sondern bei irgend einer gerade herrschenden, 
gewissen horizontalen Geschwindigkeit «u gleich der Resultirenden aus v und 
(— u), d. h. ed, welche Geschwindigkeit unter 23 ò gegen den Flügel ge- 
neigt ist. Und dieser Vorgang bleibt derselbe während des ganzen Dauer- 
flnges. resp. wegen des Intermittirens, während des Flügelniederschlages, 
der Flügel arbeitet genau wie ein Propeller der Schiffe, indem er gleich- 
zeitig mit dem ganzen Körper vorwärts geht. (Siehe „Flugtechnik“ 
„Physikalische Analyse des Vogelfluges“ H 91 u. f., wo ich diesen Gegen- 
stand näher betrachtete). Setzen wir daher die wirkliche Luftbewegung gegen 
den Flügel cb =c, so ist statt des obigen N Loessl’s, d. h. statt v? F 


cosu © zu rechnen: e® F sin? e und die Componente K dieses N muss dann 
í 


— W = dem Stirnwiderstand in Folge der horizontalen Geschwindigkeit «u 
sein, ` daher auch die Translationsarbeit Ak := K ui = (N sina) (v sina 


es 


cos a) = c? vF sin Zo cos a sin ò + =W. u. 
9 


Hierdurch sieht man nun, dass die oben gegebene Zerlegung und 
Ausrechnung von An und Ax in der That voraussetzt, dass der 
Flügel wie durch eine Führung gezwungen sei, in der Lothrechten 
zu verbleiben, also dass der Vogel gar keine Translation 
besitze; die Componente K übt nur einen Druck auf diese Führung aus, 
leistet aber keine Translationsarbeit, hingegen liegt deren Arbeitscompo- 
nente Ag total in der horizontal nach rückwärts (links) in der Richtung da 
geschleuderten Luft, ist also ganz nutzlos; die Arbeitscomponente Ap ist 
eine Schwebearbeit, genauer eine Hubarbeit, d. h. wenn v eine gewisse 
Grösse besitzt, so wird D = G, dem Vogelgewicht, wenn grösser, so ist 
D > G, der Rumpf würde also gehoben, wie dies bei jeder intermittirenden 
Arbeitsweise der Fall sein muss. 

So wie der Vogel aber allmälig immer mehr horizontal bewegt gedacht, 
also die lothrecht zwingende „Führung“ entfernt gedacht wird, wird Ak 
immer mehr ausgenutzt, wobei der Vorgang genau jener ist, wie bei der 
Schiffsschraube, welche bei festgeankertem Schiff das Wasser bloss auf- 
wirbelt, und doch Arbeit consumirt, beim Fahren aber nützliche Arbeit leistet; 
allerdings sind diese beiden Arbeiten nieht identisch, wie sich aus obigem 
Ausdrucke für N ergibt, wo statt v ®cos a (beim Stillstande) c Zon ò (für den 
Fall horizontaler Fahrt) einzusetzen ist und auch die Geschwindigkeit v, 
also auch n = a c d. h. der Arbeitsweg des Flügels, anders gewählt wird. 

Man kann fragen, ob es nicht Fälle giebt, wo die eine Arbeitscomponente 
Ar = K .ad überhaupt und vollständig nicht vorhanden sei, also weder 
als nützliche noch als nutzlose physikalische Arbeit von aufgestörten Luft- 


66 Popper: Flugtechnische Studien. 


massen, wo dann die totale aufgewendete Arbeit nützlich verwendet 
werden könnte? 

Dies ist dann der Fall, wenn die Fläche sich reibungslos, in einem 
festen Medium, also in ihrer eigenen Ebene fortbewegt, z. B. längs einer 
keilförmigen Fläche, oder als Schraubenfläche in einer festen Mutter; dann 
gilt für die Arbeitsumsetzung einfach das Gesetz der schiefen Ebene, und 
es kommt z. B. bei der festen bewegten Schraube die Umfangsarbeit voll- 
ständig als Axendruckarbeit nützlich zum Vorschein. 

Fassen wir das Bisherige zusammen, so ergiebt sich für das ganze 
hier behandelte Problem, folgendes aerodynamisch und flugtechnisch 
wichtige Resultat: 

1) Eine Fläche bewege sich parallel zu sich selbst in einem unnach- 
giebigen Medium, dann kann sie nur in ihrer eigenen Ebene (oder allgemein: 
Fläche) sich fortschieben; wenn Reibung nicht vorhanden] ist, findet eine 
vollständige Arbeitsumsetzung statt; die Grösse der Fläche ist auf die Grösse 
der Arbeit ohne Einfluss, weil das unnachgiebige Medium wie eine unendlich 
grosse Masse eines nachgiebigen anzusehen, also kein „Slip“ vorhanden ist. 
Dieser Fall kann genannt werden: der Fall einer total geführten Fläche. 

2) Fall der partiell geführten Fäche: hier bewegt sich eine Fläche 
längs einer Richtung, die mit ihrer Ebene einen Winkel bildet (allgemein: 
nicht in ihrer eigenen Fläche liegt), also in einem nachgiebigen Medium, 
und diese Richtung ist zugleich eine feste Führung, Die Fläche bewegt sich 
also stets parallel zu sich selbst, und muss zugleich die feste Linie mit stets 
demselben Puncte durchdringen; diesen Vorgang repräsentirt Fig. 5, wo die 
Linie cb die Führung bedeutet, also: der Vogel „am Platze“ bleibt. 

In diesem Falle kann die nützliche Arbeit nur eine solche sein, deren 
Arbeitsweg in die Richtung der Führung fällt, also D.v setzt sich nur 
theilweise, nämlich in D. ed um; der andere Theil, nämlich D . db übt 
nur einen Druck normal auf die Führung aus und ist physikalisch in der 
nach hinten geworfenen Luft zu finden. Die Grösse der Fläche hat natürlich 
auf die Arbeitsgrösse einen Einfluss, weil mit ihren Wachstum der „Slip“ 
abnimmt!). 

3) Fall der gänzlich freien Fläche; hier bewegt sich eine Fläche 
also in einem nachgiebigen Medium, und stets parallel zu sich selbst: dann 
wird die aufgewendete Arbeit nach jenen Richtungen nützlich, also mechanisch 
verwendet, die den Umständen nach einer nützlichen Umsetzung eben offen 
stehen; beim Fliegen also bezüglich des Stirnwiderstandes und der Druck- 
wirkung gegen die Schwere, um den Körper zu halten oder zu heben. Die 
Grösse der Fläche ist wie im Fall 2) natürlich von Einfluss. Beim Vor- 


— ee 





1) Falls die feste Führungslinie oder die Bewegungsrichtung überhaupt keine 
gerade, sondern eine beliebig gekrümmte und falls auch die Fläche nicht immer 
genau parallol zu sich selbst wäre, so gilt Alles hier Gesagte, also im Fall 2 und 3, 
ebenfalls, nur bezogen auf alle Elemente des Vorganges. 


Popper: Flugtechnische Studien. 67 


wärtstreiben eines Wasser-Schiffs wird seitens der Propellerschraube jene 
Arbeitscomponente, die beim Luft-Schiff zum Schweben dient, nicht aus- 
genutzt, sondern sie verliert sich nutzlos in centrifugalen Wasserbewegungen. 
Denkt man sich die Fig. 5 um 90° gedrelit, so hat man den Fall des 
Fliegens, resp. Schwebens mittels Drachenfliegers vor 
sich; ist dann v die Geschwindigkeit in horizontaler Richtung, also der 
Körper im stets gleichen Niveau, so ist D.v die totale aufeuwendende 
Arbeit und Ag repräsentirt dann die wirkliche Schwebearbeit, in- 
dem K = G, dem Gewicht, sein muss und K.ad die in die Luft durch 
den Drachen hineingelegte Arbeit, bezogen auf die lothrechte Richtung 
(siehe „Flugtechnik‘ S. 79); Ap ist die factische Translationsarbeit. 
Diese beiden Arbeiten sind also mechanisch genommen, d. h. als 
Producte von Druck in ihren Weg genommen, von einander ganz unab- 
hängig, d. h. es kann jede von beiden existiren, ohne dass die andere existirt; 
denn ein am Platz flatternder Vogel hat nur Schwebearbeit, ein längs eines 
Tisches fortfliegender Körper, dessen Flächen-Propeller nach hinten stösst 
oder der durch Reactions-Vorrichtungen fliegt, nur Translationsarbeit. 
Physikalisch genommen, d. h. auf die gestossene Luft bezogen, 
bedeuten diese Theilarbeiten folgendes: Denkt man sich die Geschwindigkeiten 
jedes weggestossenen, resp. in Bewegung gesetzten, Lufttheilchens von der 
Masse m in zwei Componenten zerlegt, z. B. eine lothrechte v und eine 


2 
MM Li L ar L a C 
horizontale u, so kann man die lebendige Kraft eines jeden m -y zusammen- 


v? E Di, E 
gesetzt denken aus m z und Mm Em = ist dann Ap, und m ist Ae. 
Diese Arbeiten müssen jedenfalls geleistet werden und eben deshalb kann man 
von einer Schwebe- Arbeit auch beim horizontalen Fliegen sprechen, obwohl 
das Gewicht G gar nicht gehoben wird. also keine Arbeit gegen die 
Schwere geleistet wird, sie steckt in der Luft und hindert bloss das 
Fallen. Diese etwas weitläufige Auseinandersetzung schien mir nützlich, weil 
über diese Begriffe und Grössen, selbst noch in mehreren neuesten Werken der 
Flugtechnik meiner Ansicht nach fehlerhafte Darstellungen enthalten sind. 

Eine mathematisch durchgefühte Darstellung dieses Problems, auf obiger 
Darlegung basirend, will ich in einem nächsten Aufsatze liefern. 


— 





Auch von dieser allgemeinen Darstellung wollen wir eine specielle An- 
wendung machen, und ich wähle hierzu den in den Proceedings of 
the International Conference on Aerial navigation 
held in Chicago (1894) enthaltenen Aufsatz von de Louvrie, be- 
titelt: „The advantage of beating wings.“ 

In diesem Aufsatz gelangt Louvrie auf etwas andere Weise zu 
einem analogen, aber noch extremeren Resultate, als Kress im oben citirten 
Artikel. 


68 Popper: Flugtechnische Studien. 


Der Gedankengang Louvrie’s, den er schon im J. 1880 des l’Aeronaute 
in der AbhandInng: „Suspension et propulsion des oiseaux 
vivants ou mécaniques; gratuité de la suspension“ 
publicirte, ist der folgende: (Siehe Fig. 5). 

„Wenn der schief gestellte Flügel mit der Geschwindigkeit v niederschlägt 
und % die Translationsgeschwindigkeit des Körpers ist, und wenn es keinen Rück- 
lauf giebt, — und es wird auch keinen geben, so lange der Translations-Widerstand 
nicht grösser als der Propulsionsdruck ist — so wird u = vtga sein... . um zu 
schweben, muss die Schwero äquilibrirt werden, also muss der Luftdruck D =/dem 


Körpergewichte sein, und es ist dann K =: Dig«, daher = ES S oderX.u=D.r... 


die ganze Prospulsionsarbeit K.u ist daher während des Niederschlages als D.v 
ausgeübt worden, es findet also bloss eine Transformation der 
Kräfte statt; da nun die zwei Effecte: Suspension und Propulsion gleichzeitig 
hervorgebracht werden durch dasselbe Organ und in derselben Bewegung, so 
muss Biner von beiden gratis sein. Die Suspension ist also 
während des Niederschlages des Flügels geschenkt und die 
Propulsionsarbeit accumulirt sich gänzlich als lebendige Kraft der Masse; nach 
dem Niederschlag bringt diese lebendige Kraft fast gleichzeitig Propulsion, Sus- 
pension und Aufstieg des Flügels hervor, und endlich sehen wir ein, dass es möglich 
wird, fast die ganze Arbeit dieser Kraft aufzusammeln; sie ist wohl beim Vogel 
verloren, kann aber bei Flugmaschinen verwendet werden, so dass bei einem 
mechanischen Vogel die ganze nöthige Flugarbeit sich auf die Überwindung des 
"Rumpfwiderstandes reduciren würde.“ (L’A6eron. 1880 S. 168) „Wenn nämlich der 
Widerstand beim Aufschlag des Muskels, welcher den Niederschlag hervorbringt, 
aufgenommen wird von einer Feder, die auf diese Art gespannt würde, so gäbe 
sie die Arbeit Dv zurück bei dem nächsten Niederschlage.“ (Proceedings S. 269). 

Es ist mir Manches in dieser Deduction nicht ganz klar, z. B. wieso 
oder in welchem Masse „Suspension und Aufstieg (Hebung) des 
Flügels gleichzeitig stattfinden; von Details abgesehen, wird man aber nach 
meinen obigen Auseinandersetzungen leicht finden, in wie ferne die ganze 


Grundanschauung und Rechnung Louvrie’s fehlerhaft ist. 


Vor allem ist die Grundgleichuug K.u = D.v nicht zulässig, denn 
sie würde nur gelten, wenn ò = 0 wäre!), wenn der Flügel gar keinen 
Luftdruck erleidet, dann ist aber weder Suspension noch Propulsion, also 
überhaupt kein Flugprocess vorhanden, da ja der Flügel nur in seiner eigenen 
Ebene vorwärts geht; hieraus folgt dann sofort, dass eine solche vollständige 
Transformation von D.vin K.u nicht statt findet, und in der That fanden 
wir oben, dass nicht die totale Niederschlagsarbeit, sondern nur ein Theil 
derselben, nämlich D.db in K. ad umgewandelt wird, und damit sind wir, 
durch Analyse des Fehlers von Louvrie nur noch klarer darüber geworden, 
dass und wie man Suspensions- und Translationarbeit als separate Arbeits- 
grössen aufzufassen hat. ) 


— a m m un 


1) In den „Proceedings“ auf S. 272 macht Kinball dieselbe Einwendung 
wie ich hier. 


Popper: Flugtechnische Studien. 69 


Die bisherige Einwendung gegen Louvrie hat Geltung, ohne dass wir 
noch über das Regime des Propellers irgend eine Voraussetzung machen 
mussten; es handelte sich um eine einfache Arbeitszerlegung und das ge- 
wonnene, richtige Resultat gilt, ob nun das Niederschlagen der Propeller- 
fläche continuirlich (wie z. B. bei einer Art Oldhamrad) oder intermittirend 
wie beim Flügel stattfindet; um so mehr vergrössert sich der Fehler 
Louvrie’s in seiner Behauptung eines Vortheils der Flügel gerenüber con- 
tinuirlicher Arbeit, wenn wir sein Problem noch näher verfolgen und die 
weiter oben festgestellte Ungünstigkeit der Ökonomie jedweder Inter- 
mittenz mit berücksichtigen. 


Denn, wie bekannt, muss die Secundenarbeit während des Flügel- 
niederschlages bei Intermittenz des Propeller-Betriebes grösser sein, weil 
eine Concentration der Arbeit in eine kleinere Zeit nöthig ist, resp. ein 
grösserer Druck D als das Gewicht des Flugkörpers ausgeübt 
werden muss, während Lonvrie D gleich diesem Gewichte voraussetzt. 


Wenn daher schon beim continuirlichen Propeller, ganz abgesehen vom 
Rumpfwiderstande, eine eigene Schwebearbeit zu leisten ist, so ist dieses 
beim Flügelpropeller in noch höherem Maasse der Fall, es kann also nicht 
entfernt davon die Rede sein, dass, wie Louvrie behauptet, beim Flügelapparat 
einer Flugmaschine bloss den Rumpfwiderstand zu überwinden nöthig sei, 
man mag nun Federn und dergl. so viel man will in Anwendung bringen! 


1) Denselben Fehler wie Louvrié, nämlich in der Behauptung einer vollständigen 
Transformation der Flügelniederschlags-Arbeit in Translationsarbeit, was einer 
Negirung jeder separaten Schwebearbeit gleichkommt, beging der verstorbene Wiener 
Flugtechnischer Lippert, und ich widmete viele Mühe dem Bestreben zu, die Un- 
richtigkeit dieser Ansicht nachzuweisen; bei der Neuheit und Schwierigkeit des 
Gegenstandes nahm meine Analyse in meiner im Jahre 1889 publicirten „Flugtechnik“ 
und vorher im Jahrgang 1888 dieser Zeitschrift einen sehr grossen Raum ein; es 
handelte sich mir eben darum, solche principielle Fehler im Interesse der Flug- 
technik sowohl als in jenem der reinen Wissenschaft vermeiden zu helfen. Mit grosser 
Antipathie und auch Geringschätzung wurde meine Bemühung als „nur“ wissen- 
schaftlich interessant und flugtechnisch gänzlich an und für sich werthlos, 
mindestens als trockene Subtilität, aufgefasst und heute — werden noch immer 
dieselben Fehler gemacht und Flugmaschinenprojecte darnach conecipirt; 
— Aufklärungen principieller Natur werden daher von den Flugtechnikern, wie die 
Erfahrung zeigt, schr spät oder gar nicht berücksichtigt. 

Man darf aber ja nicht glauben, dass sich diese Antipathie der Flugtechniker 
— von Ausnahmen abgesehen — auf die Theorie überhaupt und als solche erstreckt, 
sie thut dies nur bezüglich der retardirenden Theorieen; denn wenn eine viel- 
versprechende theoretische Formel auftaucht, so wird nicht erst viel nach der Be- 
stätigung durch die „allein maassgebende“* Erfahrung gefragt und eine Kritik der 
betreffenden Ermunterungs-Formel nicht erst lange abgewartet, sondern selbst die 
empirischesten Empiriker acceptiren sie unbedenklich und sofort, wie wir das 
oben gelegentlich der Formel von Lössi über die Sinkverminderung zu bemerken 
Gelegenheit hatten. Man wird hierbei an das Verfahren kleiner Leute in China 


70 Popper: Flugtechnische Studien, 


Ein sehr interessantes Thema wird von Lössl auf S. 233 seines Buches 
behandelt: „Die Muskelstärke der Vögel“. 

Der Autor führt zuerst den Satz an, dass die Arbeitsbefäligung jedes 
animalischen Organismus von dem Querschnitte seiner in Anspruch ge- 
nommmenen Muskel abhänge: dann, dass der 75 kg schwere Mensch das nor- 
male Arbeitsvermögen von 12 secmkg besitze und: denke man sich nun 
„den merschlichen Körper nach dem linearen Massstabe um das 6,3 fache 
verkleinert, so erhält man fast genau das Gewicht der Taube, nämlich 0,3 kg 
und hierbei erscheint das Arbeitsvermögen um das (6,3)? fache verkleinert, 
es ergiebt sich daher 0,3 secmkg als Arbeitsvermögen der Taube, was sich 
mit den sonst errechneten Zahlen ziemlich gut decken würde.“ 

Diese Rechnungsweise, obwohl sie zufällig ein plausibles Resultat 
liefert, kann jedoch nicht acceptirt werden. Denn das Arbeitsvermögen der 
Muskeln hängt nicht nur von ihrem Querschnitt, sondern ebenso von ihrer 
Contractionsgrösse, also im Ganzen von ihrem Volum und, was zu sagen 
erlaubt ist, von ihrem Gewicht ab; bei den grossen Unterschieden in der 
Form, also der nicht geometrischen Ähnlichkeit der Muskeln ist daher die 
Berechnung nach dem blossen Querschnitt nicht zutreffend, und noch weniger 
ist die Voraussetzung zulässig, dass nicht nur alle Muskeln eines und des- 
selben Körpers, sondern aller Thiere (Menschen und Vögel) geometrisch 
ähnlich sind, wie dies obiger Rechnung Lössl’s zu Grunde liegt. Bei den 
Vögeln ist ein ganz anderes Verhältnis zwischen dem Gewicht der Brust- 
muskeln und ihrem Totalgewichte als beim Menschen und überdies ist anderer- 
seits die Leistungsfähigkeit des Menschen eine andere, je nachdem er Brust- 
oder Fussmukeln in Action bringt, so dass wir olıne ein näheres Eingehen 
in diese Verhältnisse ganz im Unbestimmten bleiben. ` 

Die Untersuchungen über die Verhältnisse der Muskelgrössen und 
Arbeitsfähigkeiten der Thiere und Menschen begannen namentlich mit einer 
im J. 1869 publicirten Abhandlung des Physiologen Harting, später (1880) 
befassten sich Legal und Reichel mit diesem Thema und im J. 1885 
Müllenhoft. 

Eine Angabe über die wirkliche Arbeitsgrösse der Vögel wurde 
nicht gegeben, bis ich im J. 1879 in — jedoch nicht gedruckten — Vor- 
trägen über Luftschiffahrt im österr. Ingen.- u. Archit.-Verein, meines 
Wissens zum ersten Male, diese Aufgaben dadurch löste, dass ich mich 
einerseits von den Auffassungsverschiedenheiten der Physiologen in diesem 
(Gebiete und von den sehr wechselnden Zahlenangaben unabhängig machte 
und eine directe, sozusagen technische, Rechnung vornalım. Ich nahm das 
Gewicht der arbeitenden Muskeln beim Menschen und bei den Vögeln als 


erinnert; bevor sie etwas unternehmen, gehn sie von Wahrsager zu Wahrsager und 
zwar 80 lange, bis sich Einer findet, der ihnen etwas Angenehmes prophezeit, das 
Wahrsagen als solches missachten sie durchaus nicht, sondern nur das unangenehme 
Wahrsagen. 


Popper: Flugtechnische Studien. ti 


direct bestimmt an, die mittleren Secundenarbeiten dieser Muskeln, aus Mes- 
sungen der Teclmiker und Physiologen, ebenfalls als erkannt und da ergab 
dann eine eintache Regeldetri das Gesuchte sofort, allerdings 
unter der Voraussetzung der Proportionalität des Arbeitsvermögens und 
Gewichtes zwischen allen den verglichenen Muskeln. 

Der Gang der Rechnung war daher schon damals in der Hauptsache 
ein vergleichender, und principiell ganz derselbe wie bei Loessl, jedoch mit 
voller Berücksichtigung der sämmtlichen hier massgebenden Umstände). 

Diese meine Berechnung ist, soweit ich die Literatur kenne, noch heute 
als eine neue, bezw. unbekannte, zu betrachten, denn ich finde nirgendwo der- 
artige Zahlenangaben angeführt, und ich will sie daher nebst der bisherigen 
Literatur dieses Gegenstandes in einem nächsten Aufsatze mittheilen. 


Zur Aufklärung einiger besonderen Erscheinungen des Winddruckes, 


nach angestellten Versuchen. 
Von Friedrich Ritter. 
(Fortsetzung). 


II. 


Es ist nicht anzunehmen, dass dieser Einfluss, wenn aus einer Ringfläche ein 
Theil herausgenommen wird, auf einmal verschwinde; er wird sich vielmehr. auch 
da noch mehr oder weniger fühlbar machen. Dies tührt zum Winddruck auf Flächen, 
welche einem Mittelkörper in Gestalt von Armen angesetzt sind, d. i. zum Wind- 
druck auf zusammengesetzte Flächen. 

In der Absicht, für einen Winkel ọ = 22° 30° die Grösse des Winddruckes auf 
den ebenen Keil und die nach der Breite oder Länge schief getroffene ebene Fläche 
zu messen, habe ich diese Flächen, da reie für sich allein nicht in gerader lothrechter 
Linie niederfallen, einem centralen Kegel als Arme angefügt, um sodann aus der 
Differenz der bei verschiedener Länge der Arme gemessenen Winddrucke den ge- 
suchten Winddruckecoefficienten zu bestimmen. 

Die in dieser Weise entstandenen Versuchsstücke aus Briefpapier sind: 

Figs. T Geer 


4 
A 4 
= Fe T Se Nor 
cm b 23m 


D nass) (m.s) 
Nr. I, 2,3 u. 4: Kegel mit 2, 3, 4 Nr.5: ein Kegel mit 8 Armen von 
sich symmetrisch gegenüberstehenden flachem Querschnitt, dem Winddrucke 
keilförmigen Armen. auf eine nach ihrer Länge schief ge- 


Auen troffene Fläche entsprechend. 


1) Die Lössl'sche Rechnung sollte, wie der Autor mittheit, nur cine ganz 
beiläufige praktische Vergleichung vor Augen führen. 


172 Ritter: Aufklärung einiger besond. Erscheinungen des Winddrucks etc. 





(M6ur) 


(Nr 8) 


Nr. 6 und 7: Kegel mit zwei sich Nr. 8: wie 6 und 7, jedoch die Arme 
symmetrisch gegenüberstehenden Paaren bei 1.25 cm senkrecht zur Windrichtung 
von einseitig schief zum Winde ge- gemessener Breite nach einem Radius 
stellten und zwar geraden Armen (Wind- von 1 Meter der Länge nach einwärts 
druck auf eine nach der Quere schief gekrümnit. 
getroffene ebene Fläche). 


Je eine durch eine verticale Trennungsebene ab entstehende Hälfte des letz- 
teren Stückes könnte ungefähr einem fliegenden Vogel verglichen werden, wobei 
der Innenkegel deu Vogelleib, die angefügten Arme die Vogelflügel darstellen. 

Indem ich diese Versuchsstücke, nöthigenfalls 
zur Sicherung des ruhigen Falls in der Mitte be- 
schwert, fallen gelassen und die aus Fallzeit und 
Fallgewicht berechneten Gesammtwinddrucke über 
den als Abscissen vorgetragenen Flächen oder Arm- 
längen als Ordinaten aufgetragen wurden, haben 
sich folgende Erscheinungen gezeigt: 

Die Linie der beobachteten Winddrucke zeigte 
sich bei den Armen von keilförmigem Querschnitt 
(Versuchsstücke 1bis4) ungefähr in E, demWinddrucke 
auf den Kegel ohne Arme, beginnend und als gerade Linie EF verlaufend, deren 
Neigurg zur Abscissenachse bei allen vier Versuchsstücken übereinstimmend einen 
Winddruck auf die keilförmige Fläche bei o = 2% 30° Neigungswinkel von 


n = 0.38 


Fig.. p“ 





ergab. 


In gleicher Weise liessen sich bei den Versuchsstücken 5 bis 8 aus der Nei- 
gung des äusseren Theiles FF” der Winddrucklinien EP F” die Winddrucke 
bei ọ = 22° 80° und zwar: 

bei Nr. 5, nach der Länge schief getroffene ebene Fläche, zu n = 0.11 
» » 6-8, nach der Quere schief , 5 S zu n = 0.17 
ermitteln. 

Der andere, innere Theil Ek dieser Linien zeigte sich jedoch bei diesen 
Versuchsstücken ausgesprochen stärker, als der äussere Theil gegen die Ab- 
scissenachse geneigt; es finden somit bei diesen Versuchsstücken bis auf eine ga- 
wisse Entfernung 2, vom Rande des Innenkegels grössere als die normalen 
Winddrucke statt. 


Die Entfernung l, beträgt in Theilen des halben Durchmessers pọ des Innen, 
kegels: 


Ritter: Aufklärung einiger besond. Erscheinungen des Winddrucks ete. 73 


bei Nr. 5, Arme von flachem Querschnitt, a ieh, 21 
»„ „ 6—7, Arme von einseitig schiefem Quer- | 
schnitt, gerade, A — 2.5 bis 3.2; 
» »„ 8, Arme von einseitig schiefem Querschnitt, | 
nach der Länge einwärts gebogen, an 4.9. 


Der innere Theil EF’ der Winddrucklinie zeigte sich bei Nr. 5 abwärts, bei 
Nr. 8 aufwärts gebogen; bei Nr. 6 u. 7, wo derselbe gerade ist. ergab sich der 
| 0.59 
0.17 
normale Winddruck. Es fand somit in dem dem Kegel benachbarten inneren Raume 
des Winddruckgebietes ein its — 1 = 2l/,facher Windüberdruck über den nor- 
malen Winddruck statt. 

Verlängert man die Linie FP F" des normalen Winddrucks rückwärts, bis sie 
in E, die verlängerte Ordinate D E des Kegelrandes schneidet, und zieht von da 
parallel zur Abscissenachse die Linie Kọ Es, bis letztere die von Æ aus parallel zu 
Fr” gezogene Linie EF in ka schneidet, so stellt die Länge der Linie Ey, Ag = he 
die Entfernung vor, um welche durch den Mehrwinddruck im inneren Raume die 
Arme des Versuchsstückes für die Grösse des Winddruckes ideellverlängert 
erscheinen. i 

Diese Verlängerung berechnet sich in Theilen des halben Durchmessers p 
des Innenkegels 

bei den Armen mit keilförmigem Querschnitte 


Winddruck im inneren Theile zu n =- 0.59, d. i. 





= 3!/ mal so gross als der 


zu A — verschwindend 
y 4 z mit flachem Querschnitte 
zu à = rund 89), 
a S mit einseitig schiefem Querschnitte: Arme gerade 
zu 2 = rund "la 
a ` sw n » » » Querschnitte: Arme nach der 
l 


Länge einwärts gebogen, zu T = rund 15 


Fliegt z. B. eine Taube mit p = 22° 30° Flügelneigung und lässt sich bei der 
gewissen Ähnlichkeit, welche das Versuchsstück 8 mit dem fliegenden Vogel be- 
sitzt, das Ergebniss der Versuche auf diesen Taubenflug übertragen, so beträgt 
nach von Loessl die mittlere Länge des Flügels 24 cm, die halbe Dicke p des Vogel- 
leibes 8 cm, somit für den Flug die ideelle Verlängerung des Vogelflügels 

15 X 3 = 45 cm. 
Die Flugkraft der Taube würde hiernach durch den Umstand, dass ihre Flüge! 


nicht frei schweben, sondern dem Vogelleibe angefügt sind, auf das eg 


oder fast dreifache ihres sonstigen Werthes erhöht, 


Bekanntlich bringt v. Loessl!), wenn auch in anderer, mathematisch nicht 
ganz einwandfreier Weise, die Fläche der Vogelflügel grösser, als gin ist, für dio 
Erklärung des Vogelflugs in Rechnung. 


—_ e e 





1) Die Luftwiderstandsgesetze etc. 1896. 


74 Ritter: Aufklärung einiger besond. Erscheinungsön des Winddrucks ete. 


Versuchen wir, uns über die Ursache des an zusammengesetzten Flächen 
sich kund gebenden Mehrs an Winddruck ein Urtheil zu bilden, so kann wohl zu- 
nächst, namentlich beim Versuchsstück 8, auf die an den Ringflächen beobachtete 
Erhöhung des Winddruckes zurückgegriffen werden, welche auch bei einer theil- 
weisen Öffnung des Rivges nicht sofort verschwinden kann. 

Eine zweite Ursache dürfte aber darin gefunden werden, dass die dem Innen- 
körper angefügten Arme im Bereiche des von demselben abfliessenden Luftstromes 
liegen. 

Schon v. Loessl hat diesem abfliessenden Luftstrome, indem er denselben die 
Corona nennt, seine Aufmerksamkeit zugewendet, und Graf Zeppelin hat in einem 
1895 zu Stuttgart gehaltenen Vortrage!) auf die beschleunigte Bewegung des 
von einer Fläche abgelenkten Luftstromes hingewiesen. Jedermann weiss, dass 
man unmittelbar neber einer vom Winde getroffenen Fläche wie Haus, Zaun u. dgl. 
am stärksten den Wind verspürt. 

Trifft ein solcher abgelenkter, beschleunigter Luftstrom auf eine in seinem 
Bereiche liegende zweite Fläche, so kann dieselbe, weil die Winddrucke nach dem 
Quadrate der Wiudgeschwindigkeit wachsen, je nach ihrer Lage und Gestalt, leicht 
einen Winddruck vom 2-, 3-, und mehrfachen Betrage des reinen Winddruckes 
enıpfangen. 

Beim Bau der Forthbrücke in England waren?) zur Mossung des Wind- 
druckes drei Tafeln aufgestellt, eine 27 qm grosse Tafel unten und darüber zwei 
nur je 0,14 qm haltende kleine Tafeln, so dass sich diese kleinen Tafeln wahr- 
scheinlich im Abwinde der grossen befanden. 

Die grosse Tafel zeigte 181,5 kg, die eine kleine Tafel 199 und die andere 
170,5 kg per qm Winddruck. ` 

Die Versuche Langley 's®) mit horizontal gegen die Luft bewegten schwach 
geneigten Tafeln haben bekanntlich bis zwei- und dreimal so grosse Winddrucke, 
als sie son-t (z. B. Sinusfoımel) gemessen wurden, ergeben. Die Versuchstafeln 
waren aber horizontal zu beiden Seiten eines aufrechten Mittelbalkens gelagert, so 
dass der von diesem Mittelbalken abströmende Wind auf die Tafeln fiel und Wind- 
nebendrucke, — so könnte man diese Winddrucke vielleicht nennen, — hervor- 
rufen musste. 

Dines in London‘) hat, ebenfalls an einem Rundlaufapparate mit schmalen 
Tafeln operirend, gefunden, dass durch das Nebeneinanderlegen zweier Tafeln sich 
der Winddruck von 50 auf 76 erhöhte. Da die Tafeln vermutlich wie bei 
Langley an einer Art Gerüst befestigt waren, welches mit den Tafeln eine zusammen- 
gesetzte Fläche bildete, so hat der eigentliche Winddruck auf eine Tafel wahr- 
scheinlich nicht 50, sondern 79-50 = 29 betragen, während der Rest von 21 auf 
Nebenwinddrucke entfiel. 

An einem Rundlaufapparate sind die Versuchsflächen ü b erha u p t mindestens 
mit Stielen befestigt, welche mit den Versuchsfläichen zusammengesetzte Flächen 
bilden. Wenn daher beispielsweise der Winddruck auf die senkrecht getroffene 
ebene Fläche 


durch Lilienthal?) am Rundlaufapparate zu n=10 
durch v. Lössl am Rundlaufapparate zu n= 10 
später nach theilweise anderen Messungsweisen zu n = 0'94 — 083 





1) Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1895. 
2) Schweizerische Bauzeitung 2. März 1389. 

8) Langley, Experiments in Aörodynamics 1891. 

4) Vereinszeitschrift 1891. 

6) Der Vogelflug u. s. w. 1889. 


Ritter: Aufklärung einiger besond. Erscheinungen des Winddrucks etc. ?5 


auf Mount Washington!) an dem Winde ausgesetzten 

Platten zu 2n=0'75 
gefunden wurde, so sind die in diesen Zahlen sich kund gebenden Verschieden- 
heiten des Winddrucks nicht zum geringen Theil auf Windnebendrucke zurückzu- 
führen. 

Vermindert dies den Werth der an Rundlauf- und ähnlichen Apparaten ge- 
wonnenen Winddruckscoefficienten? Ich glaube es nicht, denn wenn Windneben- 
drucke 30 vielfach vorkommen, so sind Coefficienten, welche ein gewisses Mass 
solcher Nebendrucke bereita in sich schliessen, für den praktischen Gebrauch viel- 
leicht oft besser als die Coefficienten des reinen Winddrucks. 

(Schluss folgt). 


Wie bewegt sich die vom Flügel getroffene Luft ? 
Zugleich eine Kritik des modernen Luftwiderstandsbegriffes. 
Von Dr. E. Jacob in Kreuznach. 


Soweit ich die Literatur des Fluges kenne, ist es noch allgemein herrschende 
Ansicht, dass die den Flugkörper (Vogel, Insect) hebende Kraft daraus entspringe, 
dass der Flügel Luft nach unten schlage und die Reaction dieser nach unten in 
Bewegung gesetzten Luftmasse die Tragkraft liefere oder vielmehr vorstelle. 

: Ich habe schon in früheren Arbeiten den Schluss gezogen, dass diese Vor- 
stellung in soweit irrig iat, als sie die Existenz von Luftströmen voraussetzt, resp. 
auf der Existenz von Lufiströmen beruht, welche vom Flügel entspringend abwärts 
gehen sollen. 

Allerdings besteht die Tragkraft nur in dem Rückstoss, welchen der Flügel 
an der Luft erleidet, aber die modernen Vorstellungen über die Art des Rück- 
stosses sind, wie ich zeigen will, Inoch durchaus irrig. So einfach, wie man sich 
jetzt den Vorgang der Reaction vorgestellt hat, ist die Sache doch nicht. 

Langley zieht zur Erklärung der wunderbaren Schwebeflugerscheinungen den 
„internal work of wind“ zu Hilfe und ist damit auf einem guten Wege, allerdings 
nur auf einem Wege und nicht am Ziel, denn der Vorgang ist noch „much more 
internal“ als er angenommen hat. 

Die allgemein geltenden wissenschaftlichen Erklärungen und Vorstellungen 
des Luftwiderstandes der Flugthiere sind heute noch völlig unzureichend, die Er- 
scheinungen zu erklären, was auch in den Werken der besten Autoren mehr oder 
weniger verschleiert, theils zugegeben wird, theils zwischen den Zeilen zu lesen ist. 

Wie scharf aber die heute noch moderne Widerstandstheorie mit den That- 
sachen contrastirt, will ich nachstehend an einem Beispiele noch einmal vor Augen 
führen. Als bestes Beobachtungsflugthier wähle ich die Taube. 

Alle Daten, wie Grösse der Flügelfläche, der Geschwindigkeit derselben, das 
Gewicht etc. sind von den besten Autoren, wie Lilienthal und Marey etc. bestimmt 
worden und zeigen genügend Uebereinstimmung. Auch ist dieses Thier für die 
Beobachtung sehr bequem. 

Der bis heute wissenschaftlich anerkannte Luftwiderstand leitet sich — kurz 
ausgedrückt — aus der Formel Fr? ab (die constanten Factoren lasse ich, weil bei 
dieser Betrachtung unwesentlich, hier weg). Dies Gesetz ist ja zweifelsohne völlig 
richtig für Luft, welche gleichmässig auf eine Fläche aufströmt, aber durchaus nicht 
auf die Flugerscheinungen anzuwenden, wo ganz andere Verhältnisse herrschen. 
Wenn wir z. B. nach diesem Gesetze den Widerstand des Taubenflügels „beim Fluges 


1) Vereinazeitschrift 1891. 


76 Jacob: Wie bewegt sich die vom Flügel getroffene Luft? 


auf der Stelle“ berechnen, so finden wir Werthe, die weit unter dem Gewichte der 
Taube bleiben. Nach Lilienthal ist der so errechnete Werth nur e des Tauben- 
gewichts selbst während der Zeit des Flügelniederschlags, nämlich nur 0,032 kg., 
während derselbe 0,700 kg = 20 mal so gross sein müsste, um das Sinken der Taube 
auch während der Flügelhebung auszugleichen. 


Lilienthal constatirt also, dass die Rechnung durchaus nicht die thatsächliche 
Tragkraft der Flugorgane erklären kann. 


Die Rechnung lässt uns vielmehr im Stich, aus ihr kann man nur Lan der 
Tragkraft ableiten, „die Taube fliegt aber wirklich.“ Er sucht die Erklärung dieses 
Widerspruches „in den Schlagbewegungen.“ Sehr richtig, aber ich constatire hier, 
dass man deutlicher das Vorhandensein von etwas Unbekanntem nicht zugeben 
kann. 

Was sind Schlagbewegungen”? Aber weiter. Die Erklärung selbst dieses ge- 
ringen Bruchtheiles von !/,, der Tragkraft durch die Formel ke ist auch noch 
lange nicht einwurfsfrei, denn sie beruht auf der Annahme, dass der Luftwider- 
stand des Flügels beim Heben = Nullsei. Wie kann man eine solche 
Annahme machen? 


Wird denn beim Heben des straff angespannten Taubenflügels, der sichtlich 
quer gegen die Bewegungsrichtung ausgespannt ist — auch beim Heben des 
Flügels — nicht auch Luft verdrängt, fortgestossen, beschleunigt? Nach dem Augen- 
schein, den ich täglich mehrfach habe, muss ich völlig unparteiisch erklären, daas 
ich einen wesentlichen Unterschied zwischen Auf- und Abschlag in dieser Beziehung 
nicht annehmen kann. Der Flügel ist etwas concav nach unten. Ausser diesem 
Umstand könnte ich beim besten Willen keinen andern Umstand anführen, welcher 
den Widerstand beim Heben kleiner erscheinen liesse als den beim Niederschlage. 


Ist es da nicht vollkommene Willkür, den Widerstand beim Heben als „Null“ 
anzunehmen? Müsste man denselben nicht vielmehr — bei Zugrundelegung von 
Fv? — näherungsweise gleich gross annehmen, soweit er von F abhängt? (v wird 
zunächst noch gleich gross beim Heben und Senken angenommen). 


Es ist gar kein Zweifel, dass man dies thun würde — wenn die Erklärung 
dadurch gefördert würde — allein die Erklärung nach Ae wird hierdurch gerade- 
zu undurchführbar, deshalb nimmt man an, es sei kein Widerstand vorhanden. Um 
kein Missverständniss hervorzurufen, erkläre ich schon hier, dass ich selbst über- 
zeugt bin, dass kein Widerstand beim Heben der Flügel stattfindet, aber aus ganz 
anderen Gründen, als den Folgen des Gesetzes Ae Letzteres verlangt ohne irgend 
welchen Zweifel als unerbittliche Consequenz, einen nahezu gleichen Widerstand 
beim Heben wie beim Niederschlage. Dieser Widerstand beim Heben müsste aber 
von dem beim Niederschlage in Abzug gebracht werden, wo dann ein Minimum 
übrig bleibt, welches wir praktisch als Null betrachten können. 


Ja, woher entspringt denn die Tragkraft? höre ich den Gegner fragen. Wo- 
rauf ich erwiedere: Jedenfalls nicht aus dem Gesetze Fr? =— dem, was ich „Schiebe- 
widerstand“ genannt habe. 


Denn ausser allen diesen Gründen kann ich noch einen weiteren, ebensn 
durchschlagenden anführen, welcher sich auf die Beobachtung von Marey stützt, 
dass der Aufschlag nur halb so lange währt als der Niederschlag. v ist also beim 
Heben doppelt so gross als beim Niederschlag und daraus unausweichlich ke A mal 
so gross — s0 weit es von v abhängt. — Berücksichtigen wir nun, dass die Zeit- 
dauer des Hebens beim doppelten v nur jo ist, so bleibt die beschleunigende 
Wirkung des Widerstandes auf den Vogel nach unten immer noch Ia. A = 2 mal 
80 gross als beim Niederschlage der Flügel auf den Vogel nach oben. 


Jacob: Wie bewegt sich die vom Flügel getroffene Luft? 77 


Darnach ergiebt die Rechnung nach dem Gesetze ba dass die Taube als 
Gesammtwirkung von Auf- und Abschlag der Flügel überhaupt keinen Auftrieb, 
sondern als Resultante eine Beschleunigung nach abwärts erfährt, ungefähr von 
l/o J= 1 Meter pro Secunde, welcher Niedertrieb sich also der Schwere noch 
addiren würde. 


Das ist die eiserne Consequenz des Gesetzes }v?, wenn die Dinge so gesehen 
werden, wie sie liegen, und nicht wie die Phantasie sie formt, um erklären zu können. 

Diese Beobachtung von Marey genügt allein, die Anwendung des Gesetzes 
rv? als Erklärung für den Flügelschlagwiderstand zu Falle zu bringen. Sie ist 
geradezu ein Schlag ins Gesicht für den bisher üblichen Flugwiderstandsbegriff. 


Diese Ausführungen stimmen mit einer boshaften Bemerkung überein, welche 
ich irgendwo gelesen oder gehört habe, die Mathematiker hätten die Unmöglich- 
keit des Vorelflugs bewiesen. 


In dem neuen Werke von Loessl ist die Flugwirkung des Taubenflügels 
mit ganz anderem Resultate berechnet. Ich möchte mit möglichst wenig Schärfe 
die dortigen Ausführungen bekämpfen, bemerke deshalb bloss, dass die Beobach- 
tungen Mare a dort gerade umgekehrt angewandt sind — d. h. die Geschwindig- 
keit beim Niederschlage ist fast doppelt so gross genommen als beim Aufschlage, 
was allein schon das Resultat völlig umkehren muss. Ferner ist aber auch der 
Taubenflügel beim Heben auf !/, seiner Fläche redueirt gedacht, und dies ist durch 
eine Abbildung illustrirt. Ich muss sagen, ich habe niemals eine so grosse Ab- 
weichung zwischen einer Beschreibung nnd meiner eigenen Beobachtung gefunden. 
Diese beiden Differenzen, welche sowohl F wie v betreffen, erklären die in schärf- 
ster Opposition stehenden Resultate völlig genügend. 


Viel kürzer noch als oben geschehen, kann man die Wirkung des auf und ab 
oscillirenden Taubenflügels nach dem Gesetze ei durch die Ueberlegung finden, 
dass beide Male (auf und ab) gleich viel Luft aus dem Wege geräumt wird, beim 
Heben des Flügels aber mit doppelter Geschwindigkeit, so dass dadurch der Luft 
die doppelte Bewegungsgrösse nach oben, der Taube die doppelte Beschleunigung 
nach unten ertheilt wird. Hieran wäre nur die kleine Correction für Convexität des 
Flügels nach oben anzubringen. 


Diese Darstellung illustrirt deutlich, wohin man kommt, wenn man durchaus 
erklären will, obgleich dafür alle und jede Handhabe fehlt. Nicht allein es wird 
der Wissenschaft nicht genützt, sondern es wird jeder mögliche Fortschritt er- 
schwert. Der Fortschritt kann nur dadurch kommen, dass man die Widersprüche 
zwischen Theorie und Thatsachen scharf ins Auge fasst. Diese Widersprüche sind 
die Quelle der Erkenntniss, sie regen zu neuen Vorstellungen und Experimenten an. 


Lilienthal hat schon deutlich gesagt: „Es sind die Schlagbewegungen.* Hier 
ist also der dunkle Punkt. Merkwürdigerweise hat er aber diesen Gedankengang 
nicht weiter verfolgt, wahrscheinlich nur deswegen, weil er eine theoretische Be- 
arbeitung für unfruchtbar ansah und die Richtung seiner Arbeiten mehr auf dem 
` Gebiete des Experiments lag. 


Davon ausgehend, dass ich gerade umgekehrt in der theoretischen Beearbeitung 
vielleicht schon weiter gegangen war, als es obne Bestätigung des Experiments 
räthlich ist, suchte ich seit einiger Zeit flügelschlagende Apparate zu construiren, 
um auch eine experimentelle Unterlage zu gewinnen. 


Leider sind die Constructionsschwierigkeiten sehr grosse, und ich besitze 
noch keinen Apparat, der einigermassen nach dem von mir aufgestellten Flügel- 
bewegungsgesetze schwingt. Ich hatte im vorigen Winter einen weit besseren als 
heute, der an „Verbesserungen“ zu Grunde ging. Er hatte den Fehler, die Unter- 


78 Jacob: Wie bewegt sich die vom Flügel getroffene Luft? 


suchung der Luft uuter dem Flügel nicht so gut zuzulassen und büsste bei der 
nöthigen Umconstruction seine besten Bigenschaften ein. 

Die Resultate sind aber trotzdem interessant genug, um sie hier folgen zu 
lassen. 

Ein oscillirender Flügel — gleichviel ob die Gleichge- 
wichtslage (die Lage der grössten Geschwindigkeit) in der 
Mitte oder mehr am Ende der Bahn liegt — stösst die Luft 
nicht in der Bewegungsrichtung den Flügels fort, sondern 
in der Richtung der Flügelfläche, welche senkrecht zur Be- 
wegungsrichtungist. 

Der Flügel F 
aus Cartonpapier, 
der an zwei Stahl- 
bändern B befestigt 
ist, die andererseits 
wieder an der un- 
beweglichen Achse 
C festsitzen, trägt 
einen gleichfalls 
daran befestigten 
eisernen Anker A, 


Fig. 1. den ich durch einen 
Elektromagneten nach Art des Neef'schen Hammers in Bewegung setzen kann. 


Ich kann so den Flügel F oscilliren lassen wie in der Skizze zu ersehen, in 
welcher die höchste und tiefste Stellung gezeichnet ist. 

Die Luftentweichtnurin derRichtung der Pfeile, einerlei, 
ob der Flügel gleichmässig schwingt oder excentrisch. 

Ich will nämlich der Kürze halber diejenige Schwingungsart mit „excentriech“ 
bezeichnen, bei welcher die grösste Geschwindigkeit nicht in der Mitte, sondern 
mehr am unteren Ende der Bahn liegt, auch bei der Hebung des Flügels. 

Dieser Versuch ist als eine entscheidende Wider- 
legung der Vorstellung, dass die Flügel der Flugthiere 
Luft nach unten schlagen, zu betrachten. 

Dass die Luft senkrecht zur Bewegungsrichtung der Fläche entweicht, ist 
auch ein Resultat der v. Loessl'schen Versuche, welche ausserordentlich eingehend 
sind, besonders in dem hier geltenden Falle, dass die Fläche senkrecht zur 
Bewegungsrichtung steht. Man kann sich auch schon mit jedem Fächer in ein- 
fachster Weise davon überzeugen. 

Als mein Flügelapparat einmal ausgezeichnet arbeitete (oscillirte) unter Be- 
dingungen, die den excentrischen Gang am besten gewährleisteten, konnte ich 
Folgendes wahrnchmen: 

Der Flügel warf auch nur Luft nach der Richtung der Pfeile hiu aus (s. Figur), 
dagegen suugte er dieselbe vorzugsweise von oben an, was daraus erkannt wurde, 
dass eine darüber gehaltene Flamme so herunter gesaugt wurde, dass es aussah als 
durchdränge sie den Flügel von oben nach unten ganz und gar. Ausserdem wurde 
überall seitlich Luft angesaugt, auch ziemlich tief unten noch ganz deutlich. 

Merkwürdig war das Verhalten unter dem Flügel. Obschon der Raum unter 
dem Flügel nicht gut zugänglich war, konnte man ooch sehen, dass eine Flamme 
dort nur beunruhigt wurde, aber so dass man weder von einem Ansaugen noch 
von einem Niederdrücken bestimmt reden konnte. Es fehlte jedes Anzeichen eines 
nach unten gehenden Luftstromes, wenn man nicht das etwas Zusammengedrückte 
und Unruhige der Flamme dafür nehmen wollte — ein Verhalten, welches die Flamme 





Jacob: Wie hewegt sich die vom Flügel getroffene Luft? 19 


an den Stellen, wo sie eingesaugt wurde, nicht zeigte. Dort bildete sio nämlich eine 
nach dem Flügel stetig hingerichtete Zunge und ich habe schon erwähnt, dass diese 
Zunge sich zeitweise von oben tief nach unten bis in die unterste Lage des Flügels 
erstreckte. Eine eingehende Analyse dieses Verhaltens werde ich später zu geben 
suchen. Heute bemerke ich nur, dass dieses Versuchsresultat vollkommen überein- 
stimmt mit den Wägcerscheinungen der schwärmenden Fliege, welche die Abwesen- 
heit eines nach unten gelienden Luftstromes auch beweisen. 

Es lässt sich darnach die Anschauung, dass die Flügel Luft nach unten 
schlagen, in keiner Weise aufrecht erhalten. Sie ist vollständig als widerlegt an- 
zusehen, ebenso wie die bisherige Widerstandsanschauung, wonach der Widerstand 
des Flügels ebenso vom Quadrat der Geschwindigkeit abhängen soll wie die Ex- 
perimente bei gleichmässiger Bewegung von Flächen dies aufweisen. 

In dem ganz auf diese alte Anschauung gegründeten Werke von v. Parseval 
„die Mechanik des Vogelflugs“ findet sich folgende beachtenswerthe Erklärung als 
Schluss einer langen Reihe mathematischer Beobachtungen: 

„Als wichtigstes Resultat derselben, wie überhaupt der ganzen Schrift können 
wir aussprechen: 

1) Unsere bisherigen Luftwiderstandsformelu geben den Luftwiderstand viel 
zu niedrig ar, demgemäss berechnet sich nach ihren ein so hoher Arbeitsverbrauch 
für den Normalflug, wie er in der Natur nirgends beobachtet wird“ 
und nach Seite 117 

„Das ganze Luftwiderstands-Problem ist übrigens nicht am Studirtische 
lösbar“ etc. 

Man ist demnach erstaunt, wie der Verfasser es trotzdem unternommen hat, 
eine so eingehende, mühevolle und geistreiche Arbeit auf ein so schwaches Funda- 
ment zu setzen und ich möchte den Wunsch aussprechen, dass dieselbe Kraft sich 
auf einwurfsfreierer Grundlage versuchen möchte. 

Damit wird aber die Frage, wie die Tragkraft wirklich entsteht, um so 
brennender und es sei mir deshalb gestattet, meine früheren Ausführungen weiter 
zu entwickeln und zu ergänzen resp. auch theilweise zu corrigiren. 

Ich habe in meiner Abhandlung über die Beschaffung der Tragkraft (d. Z. 
1894, Seite 120) aus den Gesetzen der Mechanik abgeleitet, dass die aufeinander 
wirkenden Massen — Vogelmasse a und Luftmasse b — in einem solchen Verhält- 
nisse stehen müssen, dass b weit grösser ist als a, denn nur in diesem Falle wird 
die vom Vogel aufgewandte Arbeit zu seiner eigenen Bewegung verwandt. 

Wäre dagegen a >b, so würde vorzugsweise eine Bewegung der Luft ein- 
treten d. h. die vom Vogel geleistete Arbeit würde hierfür verbraucht und wäre 
für die Beweguug des Vogels grösstentheils verloren. Es würde dann das entstehen, 
was man ein „Gebläse“ nennt — der Vogel würde zu einem Luftstromerzeuger — 
bei welchem Vorgange die Reaction auf den Vogel eine minimale ist. 

Dieser Schluss leitet sich aus den primitivsten Gesetzen der Mechanik ab — 
er ist unwiderleglich und es ist auch nie versucht worden, ihn zu widerlegen. 


Wenn irgend eine Grundlage fest und sicher ist und als Ausgangspunkt aller 
weiteren Betrachtungen dienen kann, so ist es diese. Deshalb möchte ich alle 
Berufenen bitten, diesen höchst wichtigen Satz, der als Fundament und Prüfstein 
aller weiteren Schlüsse dienen kann und dienen muss, einer Discussion zu unter- 
ziehen und etwaige Aussetzungen vorzubringen. 


Damit wird die Frage definitiv entschieden, dass weder das Flugthier noch 
das Luftschiff ein „Gebläse“ sein kann — dass die zu beschaffende Tragkraft nicht 
aus der Reaction erzeugter Luftströme bestehen kann. Wenn es nun die Reaction 
bewegter Luftmassen als Massen nicht ist, so muss es eben eine anders geartete 


80 Jacob: Wie bewegt sich die vom Flügel getroffene Luft? 


Reaction sein und es entsteht die Frage, ob eine solche denkbar ist und als möglich 
erscheint. Ich betrachte es geradezu als den einzigen Weg der Lösung des Flug- 
problema, diese Art der Reaction aufzusuchen. Ohne tieferes Eindringen in das 
Wesen der Luft geht dies aber nicht. Die Mathematik kann uns hier zunächst 
nichts helfen, sondern zuerst kommt die Auffindung des physikalischen Vorganges. 
Dann mag uns die Mathematik helfen ihn nach Maass und Zahl festzustellen. Finden 
können wir ihn nur durch das Experiment und daraus entspringende neuo Vor- 
stellungen, welche sich logisch aus dem Experimente ergeben. 

Solche Experimente eind die Lilienthal’schen Schlagbewegungen und die 
Wägeerscheinungen eines Flugthieres beim Fluge. 

Wenn eine an einer Wage hängende Glocke in dem Augenblicke an Gewicht 
zunimmt, in welchem von unten eine Fliege hineinschwirrt, und zwar um das ganze 
Gewicht der Fliege — solches ergiebt sich aus meinen Versuchen, — so ist dies 
doch eine ganz neue, nicht voraus zu berechnende Thatsache, welche uns lehrt, 
dass durch den Flugvorgang der Druck der Luft auf das Glockeninnere in der 
Richtung nach oben um das Fliegengewicht abgenommen haben muss. Denn weil 
die Wage eine Gewichtszunahme der Glocke zeigt, ohne dass an der Glocken- 
masse irgend etwas geändert ist und auchohne dass aussen der Luftdruck zu- 
genommen haben kann, so bleibt nichts übrig, als dass er innen abgenommen 
haben muss. In diesem Falle wird nämlich die Glocke geradeso niedergedrückt 
werden, als wenn ihr Gewicht zugenommen hätte. 

Wie ist aber eine Abnahme des Luftdruckes gegen das Innere der Glocke 
möglich? Die Atmosphäre kann doch frei zutreten (abgesehen von dem kleinen 
Hinderniss der schwirrenden Fliege). 

Hier gilt es nun das Dunkel aufzuhellen. Hier scheint ein absoluter Wider- 
spruch zu walten, ein Widerspruch gegen alle unsere jetzigen Erfahrungen. Aber 
auch der freie Flug ist ein Widerspruch gegen alle in unseren Laboratorien ge- 
fundenen Gesetze, so sehr man sich auch bis jetzt gedreht und gewunden hat, um 
die Widersprüche zu verschleiern und unser heutiges Wissen als dazu genügend 
erscheinen lassen. 

Bei jedem Fortschritte muss man seiner bisherigen Anschauung Gewalt an- 
thun, um ihn aufzunehmen und zu begreifen. Nur die unerbittliche Logik kann 
solche neue Vorstellungen dem Suchenden abpressen. Wollen wir fortschreiten, so 
müssen wir es wagen, selbst. auf die Gefahr hin, geirrt zu haben. Und in dieser 
Lage bin ich nun, wenn ich meine früheren Angaben der strahlenden Pressionen 
aufrecht erhalte und weiter erläutere. 

Wir wissen vom Licht, dass es in Zuständen erscheint, wo es sich in gewissen 
Ebenen anders verhält als nach andern, was man mit „polarisirt* bezeichnet. Sollte 
es nicht auch mit der Luft ähnlich sein können? 

Sollte es nicht möglich sein, dass die Molekelschwingungen der Luft unter 
dem Einfluss excentrisch schwingender Flügel nach gewissen Richtungen „polarisirt“ 
werden können, so dass sie nach diesen Richtungen stärker oder schwächer sind 
also auch drücken, als nach andern? 

Unter dem Zwange von Thatsachen und Mangels einer besseren oder ein- 
facheren Erklärung muss ich dies annehmen. Die strahlende Pression könnte man 
also auch mit „Polarisation“ bezeichnen. 

Mit dieser Annahme würde dann der Widerspruch beseitigt sein, dass die 
Luft in der Glocke zwar die gewöhnliche Pression der Umgebung hat, aber dabei 
doch in den Richtungen von der Fliege nach der Glocke eine Depression zeigt. 

Ich kann bei dieser Gelegenheit auch die früher angenommenen stehenden 
Wellen fallen lassen. Ais ich diese Annahme machte (d Z. 1894, Seite 284— 291) 
. atte ich noch keine nähere Vorstellung von der Schwingungsart des Flugthierflügels,. 


Jacob: Wie bewegt sich die vom Flügel getroffene Luft? 8t 


Die Akustik hat uns bereits die Schallstrahlen kennen gelehrt. Aber diese 
Schallstrahlen zeigen weder ausgesprochene Pression noch Depression, vielmehr 
beides zusammen resp. so rasch hinter einander, dass man sie nicht bemerken und 
unterscheiden kann. | 

Wenn eine Aeolsharfe oder eine gespannte Membran tönen soll, muss sie 
doch von der Luft einen Stoss erhalten. Diesem Stosse — momentanen Pression — 
folgt sofort eine Depressionsbewegung der Luft, worauf die Membran zurückspringt. 
Dies in seiner Wiederholung heisst Schwingung. Wenn die Membran so gespannt 
ist, dass sie mit der Luft isochrone Schwingungen machen kann, so geräth sie ins 
Tönen. 

Mit diesem Luftzustande der wechselnden Pressionen und Depressionen, deren 
Empfindung wir mit Ton oder Schall bezeichnen, hat die vom excentrisch schwingenden 
Flügel ausgehende Lufterregung zwar das gemein, dass vom Flügel auch Pression 
und Depression ausgeht. 

Aber diese vom Flügel ausgehende Erregung unterscheidet sich dadurch, dass 
nicht nach der gleichen Richtung gleichwerthige Pressionen nnd De- 
pressionen sich folgen, wie bei einer schwingenden Saite, sondern 
vom Flügel nach unten fast nur Pressionserregungen, nach oben fast 
nur Depressionserregungen ausgehen. 

Es besteht also ein durchgreifender Unterschied zwischen dem Schall und der 
Lufterregung durch aen excentrisch schwingenden Flügel, wodurch der Einwurf 
des Herrn Eug. Kreiss hinfällig wird. Den weiteren Einwurf desselben, dass das 
Räthsel der Tragkraft grosser Vögel durch meine Theorie noch weniger erklärt 
werde als bisher, muss ich als viel berechtigter anerkennen. Ich bemerke dagegen 
heute nur, dass nicht allein die Beschleunigung, sondern in noch höherem Masse 
die Zeitdauer der Beschleunigung eine Rolle spielt, wie früher schon erwähnt, und 
gedenke diesen Punkt später zu behandeln. 

Noch möchte ich zur Beleuchtung des Werthes des Widerstandsgesetzes Fe? 
für die Flugbewegungen ein Experiment beschreiben, welches ich bereits Herrn 
Lilienthal einige Wochen vor seinem Tode persöhnlich mittheilte. 

Ein Drahtring von ca. 80 Centim. Durchmesser ist lose mit leichtem Stoff 
überspannt und mittelst 8 nach oben (b) zusammenlaufenden Fäden, die am Ringe 
befestigt, vom Boden oder Tische aufzuheben. 

Wenn man den Finger in die Ecke der zu- 
sammenlaufendan Fäden steckt und den Ring 
durch einen plötzlichen Stoss nach oben bringt, M 
so zeigt sich kein Ausbauchen des Stoffes nach 
unten wie in b wie man es erwartet, sondern 
nach oben wie in c, wodurch der absolute Beweis 
geliefert ist, dass während des Hebens kein 
Gegendruck der Luft von oben, sondern ein Druck 
von unten von der Luft ausgeübt wird. Es wäre 
nur noch eine Controverse möglich über die Ent- 
stehung der Erscheinung. An der Erscheinung 
selbst ist kein Zweifel und damit auch bewiesen, 
dass ein durch einen plötzlichen momentanen 2 
Muskeldruck in die Höhe geschlagener Flügel auf 


seiner Bahn keinen Widerstand von der Lutt er- ar — K 
fährt. Dies ist aber die Bewegungsart, welche BE EEE OR 2 


der excentrisch schwingende Flügel machen muss, 
nämlich gleich mit dem Maximum der Geschwindig- Fig. 2. 
keit einsetzen und mit abnehmender Geschwindigkeit nach oben gehen. 


b2 Jacob: Wie bewegt sich die vom Flügel getroffene Luft? 


Dass das Widerstandsgesetz Fr? hier nicht angewandt werden 
kann, ist damit einwandfrei bewiesen. 

Die Geltung dieses Gesetzes Lei auf die Flugerscheinung zu brechen — eine 
Brescho in den Festungswall alter Vorurtheile zu schiessen, scheint mir aber zur 
Anbahnung des Fortschritts absolut nöthig. Wenn den Mechanikern der Weg ge- 
zeigt wird, wenn das geltende Bewegungsgescetz des Flügels klar erkannt ist — 
dann wird es nicht mehr langer Zeit bedürfen, brauchbare Flugconstructionen 
herzustellen. 





Kleinere Mittheilungen. 


Zu den aviatischen Bestrebungen. Es hat Jahrhunderte bedurft, um das einfache 
Gesetz des Fluges so zu formuliren, dass es Jerdermann verständlich geworden ist 
und aus dem Wortlaut desselben die Grundbedingungen, welche die Flugmöglich- 
keit bei ihrer stricten Erfüllung herbeiführen müssen, herauszulesen. 


Die einzige Forderung, die zur vollständigen Lösung des Flugproblems zu 
erfüllen ist, besteht, wie heute jedem Flugtechniker gegenwärtig ist, darin, dass 
die Summe der Kräfte, welche zu Wirkung zu bringen sind, die Last, welche zum 
Fluge gebraucht werden soll, um ein Beträchtliches überwiegen müsse. 


Wird diese allereinzige Grundbedingung der Flugmöglichkeit erfüllt, so ob- 
waltet kein Zweifel darüber, dass auch der schwerste Körper zum Fliegen gebracht 
werden kann, denn die sodann in ihm wohnende Kraftgrösse befähigt ihn zum Auf- 
steigen und nach Vollendung dieser, das Räthsel des Fluges in sich fassenden Arbeit, 
ist der Vorwärtsflug durch einfache technische Einrichtungen, die jedem Flugtechniker 
wohl bekannt sind und die nun zu Tage tretende Wirkung der Apparatschwere 
ermöglicht. 

Das Problem selbst existirt also als solches nicht mehr, denn seine Bewältigung 
ist nur von der Befriedigung einer einzigen im Bereiche der Möglichkeit ge- 
legenen principiellen Bedingung abhängig gemacht. 

Wenn trotz der Einfachheit der Lösungsart, diese selbst noch nicht praktisch 
durchgeführt wurde, so ist die Ursache davon nicht, wie fast allgemein angenommen 
wird, in den dabei zu bewältigenden technischen Schwierigkeiten zu suchen, 
sondern ganz gewiss nur in der Wahl von unrichtigen und unzulänglichen Mitteln. 


Die Techniker, welche mit Eifer und Fleiss bemüht sind, die Unterbringung 
der erforderlichen Aufsteigekraft in den zum Fluge zu bringenden Apparat herbei- 
zuführen, sind theilweise noch der Meinung, es sei dies in verschiedener Weise 
möglich zu machen, vorzüglich aber halten sie es für denkbar, dass eine aviatische 
Maschine erfunden werden könne, welche die Hebungsarbeit sicher und vollständig 
vollführt. 

An der Erfindung dieser aviatischen Maschine wird seit Jahrhunderten ge- 
arbeitet, die besten Kräfte haben sich an ihr verzehrt, viele haben ihr Leben dabei 
geopfert und der Erfolg, welcher bisher erzielt wurde, ist nach wie vor Null ge- 
blieben! 

Dieses traurige Ergebniss so ernster Bestrebungen lässt ahnen, dass die ge- 
plante aviatische Maschine überhaupt eine Unmöglichkeit ist nnd dass das Suchen 
nach derselben endlich aufgegeben werden sollte. 

Die Unmöglichkeit der Herstellung einer aviatischen Maschine wurde schon 
oft und standhaltig nachgewiesen und zwar gerade von Männern, welche die Wissen- 
schaft als Autoritäten anerkannt und trotzdem sind die aßronautischen Zeitschriften 
und flugtechnischen Werke immer mit Anträgen gefüllt, welche abermals die 
aviatische Maschine als Endziel aller Augtechnischen Bestrebungen hinstellen wollen. 


Kleinere Mittheilungen. 83 


Leider bleibt es nur bei Worten; Thaten, welche diese Rodomontade zu recht- 
fertigen vermöchten, fehlen gänzlich. 


Der Hauptgrund, welcher gegen die Möglichkeit der Erfindung einer aviatischen 
Maschine am deutlichsten spricht und noch niemals Widerlegung gefunden hat, ist be- 
kanntlich der, dass die Verschiedenheit des specifischen Gewichtes der Baumaterialien, 
welche die Flugthiere verwenden und die Menschen verwenden müssen, so gross zum 
Nachtheil der letzteren ist, dass die Menschen in jedem Falle ein viel grösseres absolutes 
Gewicht, bei gleichem Volumen, in die Luft zu heben haben, was also an und für 
sich einen im Verbältniss der specifischen Gewichte grösseren Kraftaufwand bedingt, 
dessen maschinelle Erzeugung noch niemals gelungen ist. Verstärkt wird dieses 
Gegenargument noch dadurch, dass die Vögel nur ihre eigene Last, dagegen die- 
jenigen, welche fliegen wollen, gezwungen sind, die Apparatkraft so gross zu be- 
messen, dass sie ausreicht, die Apparatschwere und die in allen Fällen diese weit 
überwiegende Last zu überwinden. 


Dieses Argument, so kräftig es auch auf die Vernunft einwirkt, nm die Er- 
finder abzuhalten aviatische Maschinen zu erfinden, ist doch nicht stark genug, um 
dieses dem Grössenwahn entspringende Bestreben ganz zu unterdrücken, denn die 
Menschen streben ja enentwegt dahin, die Natur in ihren Leistungen zu über- 
trumpfen und kein Misserfolg ist für sie belehrend genug, endlich einzugestehen, 
dass sie ihre anstrengende Arbeit fort und fort einer Lösungsart zuwenden, die 
nimmermehr zum Ziele zu führen vermag. Und doch ist es im Interesse des Fort- 
schrittes gelegen, Unmöglichkeiten aus dem Wege zu gehen und dafür wichtigere, 
mit mehr Wahrscheinlichkeit zum Ziele führende Pfade einzuschlagen. 

Es ist daher geboten, die Unmöglichkeit des Fluges mit aviatischen Maschinen 
ohne die Unterstützung von Zusatzkräften noch kräftiger als es bisher geschehen 
ist, immer und immer wieder zu betonen und durch neue Gründe diese Behauptung 
zu erweisen. — S 

Selbst wenn die Hoffnungen der Aviatiker alle in Erfüllung zu bringen sind 
und es denselben endlich doch gelingen würde, eine Maschine zu erfinden, welche 
bei einem Eigengewicht von 80 kg per Pferdekraft (sammt Hebeeinrichtung), ein 
Gewicht von 87 kg in die Luft zu heben vermag — heu:e ist man von diesem Er- 
gebniss noch sehr weit entfernt —, so wäre dies doch ganz ungenügend, um einen 
brauchbaren Flugapparat fertig zu stellen, wenn auch nur ein Mensch mit dem- 
selben fliegen sollte, denn derselbe würde mindestens folgendes Eigengewicht 
besitzen: 


Ein Mann mit Utensilien `, . . . 2 2 90 kg 
Eigengewicht der Maschine . . . . x 2.2... Së 
Materialienvorräthe `, . . 2. 2 2 2 AU 
Segelfiläche angenommen 100 m?. . . . . 200 . 


Gewicht ohne Maschine 820 kg 
Eine Pferdekraft liefert einen Auftrieb von 7 kg über das Maschinengewicht, 


es wäre demnach zur Hebung der Last notwendig: — — 46 HP, was ein 


Maschinengewicht von 1880 kg repräsentirt. 

Es ergäbe sich somit ein Apparatgewicht von 1700 kg und ein Maschinen- 
krafterforderniss von 46 HP für das blosse Schwebehalten des mit einem Menschen 
belasteten Apparates. 

Um mit einer gewissen Geschwindigkeit aufsteigen zu können, müsste aber 
die Zahl der Pferdekräfte natürlich uoch angemessen vermehrt werden. 

Man kommt also, wenn man der Sache genau nachgeht, zu Ziffern, welche 
die Ausführungsmöglichkeit vollstängig negiren. 


84 Kleinere Mittheilungen. 


Aber selbst der Sanguiniker, welcher diese voraussetzt, wird erzittern, wenn 
er sich mit einen solchen unhandsamen Apparat, dessen Lenkung ihm allein obliegt, 
in die Luft versetzt und an die Folgen denkt, welchen nun ein Fehlgriff, ein 
Windstoss mit sich bringen kann! 

Zudem ist in obiger Rechnung die Segelfläche nur mit 100 m? für ein Fall- 
gewicht von 1700 kg anger.ommen. Es entfallen daher auf 1 m? Segelfläche 17 kg 
Gewicht, was eine Aufstossgeschwindigkeit beim Landen von ungefähr 10 m pr. Se- 
cunde ergiebt, die kaum mit dem Bestande des Apparates verträglich ist. Man müsste 
daher nothwendig die Segeltlächen vergrössern, was wieder eine Gewichts- und 
Krattvermehrung bedingt u. 8. w. 

Oder glauben de Herren Aviatiker, es wäre möglich ohne Segelfläche zu 
fliegen und diese einzige Sicherheitsvorkehrung gegen denkbare Katastrophen 
zu beseitigen? ? 

Jeder Techniker muss, wenn er sich nicht selbst täuschen will, zugeben, dass 
die Construction eines Apparätes, welcher lediglich durch eine Maschine gehoben 
und vorwärts bewegt werden soll, zu den Dingen gehört, die man wohl träumen, 
aber nicht ausführen kann, daher solche Bestrebungen, weil sie resultatlos ver- 
laufen müssen, aufzugeben wären. 

Es zeigt sich deutlich, dass die Lösung des Flugproblenis nur dann zu er- 
reichen ist, wenn man die ungenügende Kratt der Maschine durch Hülfskräfte zu 
ergänzen verstehen lernt, was, wenn auch schwierig, doch im Bereiche der Möglich- 
keit gelegen ist. Man darf eben den Ballon nicht ganz verwerfen, sondern man 
hat denselben als Entlastungsmittel mitzubenutzen; ausserdem bleiben noch die 
Accumulatoren zur Verwendung übrig und diese werden ganz gewiss sehr gute 
Dienste zu leisten vermögen, wenn sie auch nur die Aufsteigarbeit während weniger 
Secunden zu verrichten sich fähig erweisen. 

Man muss den Glauben, das Flugproblem sei in verschiedener Art zu lösen, 
völlig aufgeben; es giebt nur eine Lösungsart und die besteht darin, dass man 
nicht nur die besten Maschinen, sondern auch den Auftrieb des Gases, die Schwere, 
und die Accumulatoren, jede dieser Kräfte am richtigen Orte, zur Flugarbeit ver- 
wendet — dann allein ist ein durchschlagender Erfolg gewiss zu erhoffen. 

Wien, den 14. Februar 1897. A. Platte. 


Lenkbarer Luftballon oder Flugmaschine? Die Streitfrage, ob der Luftballon oder 
die rein dynamische Flugmaschine zur Lösung des Flugproblems berufen sei, ist 
meines Erachtens dahin zu erledigen, dass beide Systeme zur vollen Lösung des 
Problems gehören und dass, während die motorlose Flugmaschine für den Einzel- 
flug bestimmt ist, der mit Motor betriebene Ballon der Beförderung mehrerer Per- 
sonen und von Lasten vorbehalten bleibt. 

Ich möchte nun in Folgendem auf ein neues, wirksames Mittel zur 
Lenkbarmachung des Luftballons, d. h. zur besseren Erzielung grösserer 
Fahrgeschwindigkeit, bezw. Ueberwindung des Windes, des Translationswiderstandes, 
aufmerksam machen. 

Bekanntlich spielt hierbei der sogen. Reductionscoefficient, der bei günstigster 
Form des Ballons bis zu etwa lẹ betragen kann, die grösste Rolle, und wenn es 
gelingt, diesen Coefficienten, mit anderen Worten: den Stirnwiderstand, noch erheb- 
lich zu reduciren, so ist das Problem als gelöst zu betrachten. 

Durch geschicktere Formgebung diesen Coefficienten noch mehr zu reduciren, 
erscheint ausgeschlossen; denn wollte man dem Ballon eine noch länglichere, zu- 
gespitztere Gestalt geben, so würde der Seitenwiderstand wieder zunehmen und 
ausserdem würden constructiv-technische Schwierigkeiten der Ausführung entgegen- 
stehen. Es giebt indess noch ein zweites Mittel zur Reduction dieses Coefficienten, 


Kleinere Mittheilungen. 85 


welches sehr viel günstigere Aussichten für die Ausbildung des Ballons nach dieser 
Richtung hin bietet und den Schlüssel zur Lösung des Problems enthält. Dieses 
Mittel besteht darin, dass man durch geeignete Construction den Propeller, welcher 
durch die Reaction der nach rückwärts geschleuderten Luft den Ballon vorwärts 
treibt, die Luft so viel wie irgend möglich da zu entnehmen zwingt, wo sie das 
Hinderniss ist, im Wege steht, also vorne, vor der Stirnfläche des Ballons! 
Die bisherigen Systeme leukbarer Ballons entsprechen diesen Bedingungen entweder 
gar nicht, oder nur sehr unvollkommen. Hier muss der Hebel angesetzt werden» 
hier ist noch ein weites Feld für Erfindungen, Verbesserungen des lenkbaren 


Ballons. 

Ich habe bereits früher in dieser Zeitschrift darauf hingewiesen, dass beim 
Ruderfluge des Vogels der Stirnwiderstand dadurch erheblich vermindert wird, 
dass die Flügel, — indem sie nach abwärts rückwärts schlagen, wobei sie den 
Vogel tragen und treiben, — die Luft, welche von allen Seiten über und vor den- 
selben nachströmt, vornehmlich auch von vorne, vor der Stirnseite des Vogels 
wegsaugen, so dass Verdünnung anstatt Verdichtung der Luft vor dem Kopfe des 
Vogels entsteht; der Flügelschlag vermindert also zugleich den Reductions-Coeffi- 
cienten, den Stirn- oder Translations-Widerstand des Vogels. Dieses Princip, welches 
die Flugtheorie bisher ausser Acht gelassen hat, muss auch für den lenkbaren 
Ballon zu Nutze gemacht werden. 

Die einfachste, vollkomnienste und wohl auch zweckmässigste Ausführungsform 
dieses Princips wäre die eines Ballons mit in seiner Längsachse centralem Hohlraum, 
durch welchen die vorne abgesaugte Luft hindurch hinten am Ballon austreten 
würde. Der Propeller könnte vorne, hinten oder in der Mitte des Balions, in dem 
centralen Hohlraum, angeordnet werden; in letzterem Falle könnte man einen 
Centrifugal-Propeller anwenden, der den Vortheil des geringen Gewichts bei grosser 
Leistungsfähigkeit, mit hoher Umdrehzahl der Centrifugalflügel, besitzt. 


Während also die bisherigen Ballons vorn verdichtete und hinten verdünnte 
Luft aufweisen, ist es eben bei dem geschilderten Prinzip gerade umgekehrt und der 
enorme Nutzeffect, der erhebliche Vortheil, liegt auf der Hand. Es kommt aber 
noch der weitere Vortheil hinzu, dass der Propeller durch Anwendung der Schraube 
innerhalb eines cylindrischen Mantels oder auch des Centrifugalpropellers, einen 
grösseren Nutzeffect hat, als die in freier Luft arbeitenden Schraubenpropeller, bei 
welchen eine Circulation der Lutt um deren Peripherie herum den Nutzeffect be- 
kanntlich erheblich beeinträchtigt! 


Hiernach lässt sich auch der Nutzeffect, die Tragkraft der Verticalschrauben 
zum dynamischen Fluge steigern, wenn man deren Peripherie mit einer Ringfläche 
umgiebt, die jede Circulation der Luft möglichst verhütet; diesbezügliche Versuche 
wären sicherlich sehr interessant. 


Wie schon erwähnt, tritt dieses Princip des Vorne-Absaugens und Hinter- 
Aussschleuderns in gewissem geringerem Grade schon bei den bisherigen lenk- 
baren Ballons, z. B. LaFrance von Renard und Krebs auf, und einzig und allein hierin 
liegt die Erklärung dafür, dass der thatsächlich aufgetretene Translationswiderstand 
dieser Ballons, die zu seiner Fortbewegung benöthigte Arbeitsleistung, so enorm ge- 
ringer war, als die Berechnung nach dem Luftwiderstandsgesetze ergiebt, worauf kürz- 
lich Graf v. Zeppelin im Juli-Heft a. cr. d. Z. hingewiesen hatte, ohne eine Erklärung 
für diese Erscheinung zu finden, denn in so eminentem Grade kann der Luftwider- 
stand grösserer Flächen nicht relativ grösser sein. Das Luftwiderstandsgesetz setzt. 
voraus, dass die Luftmasse an sich in Ruhe ist, nicht aber ist berücksichtigt, dass 
sie aufgewühlt ist, wie dies beim Luftballon mit Propeller der Fall ist. In der 


86 Kleinere Mittheilungen. 


Praxis sah es, wie gewöhnlich, so auch beim Ballon La France eben anders aus, 
als in der Theorie und zwar beträchtlich günstiger. 

Kein Geringerer, ala der bekannte Prof. Zeuner-Dresden hat das beschriebene 
Princip für Dampfschiffe in Vorschlag gebracht, theoretisch ausführlich behandelt, 
dessen Vortheile nachgewiesen (Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure 1891 ) 
und es sind darnach Dampfschiffe gebaut worden, welche auf der Elbe bei Dresden 
laufen oder liefen und in der That die Theorie Zeuner’s, den grösseren Nutzeffect. 
gegenüber den bisherigen Schraubenpropellern, bestätigt haben. Der Vortheil ist 
zwar bei Wasserschiffen ein nicht so erheblicher, da dieselben bisher schon mit 
sehr günstigem Effect arbeiten, allein es ist klar ersichtlich, dass bei Luftschiffen 
sich ein gewaltiger Vortheil herausstellen muss. 

Das Problem des „lenkbaren Ballons“ erscheint hiernach auf sehr einfache 


Weise lösbar. 
Kreiss. 


8 Teitschrift für Luftschiffahrt und Physik der Atmosphäre. 1897. Heft 1. 87 


Die gleichzeitigen wissenschaftlichen Ballonfahrten vom 
14. November 1896. i 


Von Richard Assmann. 
(Fortsetzung.) 


11. 


An der Hand der im Februar-Hefte auf S. 44 bis 49 wiedergege- 
benen tabellarischen Auswertliungen der von den Registrirapparaten ge- 
lieferten Curven wollen wir nun in eine nähere Besprechung der Aufzeich- 
nungen eintreten, wobei uns sorgfältig ausgeführte Reproductionen der 
Original-Registrirungen zur Verknüpfung der Einzelwerthe der Tabellen 
dienen sollen. 

Vorweg seien folgende allgemeine Gesichtspunkte erörtert. 

Bei selbstregistrirenden Apparaten. welche durch directe Ablesungen 
nieht controllirt werden, sind mehrfache Fehlerquellen richt zu vermeiden. 
Abgesehen von den jedem Instrumente, auch den nichtregistrirenden, an- 
heftenden principiellen Fehlern, unter denen die „Trägheit“ an erster Stelle 
zu nennen ist!), kommen bei Registrir-Apparaten, welche nicht auf photo- 
graphischem Wege ihre Aufzeichnungen liefern, die durch die Reibung der 
Schreibfeder oder des Schreibstiftes auf dem Papier hervorgerufenen Ab- 
weichungen der einzelnen Curvenpunkte von denjenigen Punkten des Dia- 
gramms in Betracht, welche dem gleichzeitigen Zustande des Registrir- 
körpers, z. B. der Aneroiddosen oder des Bourdon-Rohres am Barographen, 
des thermometrischen Gefässes am Thermographen u. s. w., thatsächlich 
entsprechen. Bei der für sämmtliche Registrir- Apparate der „Ballons 
sonde“ am 14. November 1896 angewandten Methode der „Russschreibung“ 
ist nun allerdings die Reibung der Stifte auf der Schreibfläche sicherlich 
eine sehr geringe; aber sie kann naturgemäss nicht völlig vermieden werden, 
wenn man sich nieht der Gefahr aussetzen will, dass in Folge von unver- 
meidlichen Stellungsänderungen der Schreibstift die Russfläche überhaupt 
nicht berührt. Man wird also immerhin eine directe Reibung au der Papier- 


1) Ueber die Trägheit der Thermometer ist vor Kurzem eine sehr lehrreiche 
und sorgfültige Arbeit von Dr. J. Hartmann in der Meteorologischen Zeitschrift 1897 
p. 45 unter dem Titel: „Ueber einen Satz der T'hermometrie* erschienen, auf welche 


hier verwiesen sei. 





8 Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 


unterlage nicht umgehen können: eine Verwendung von polirtem Metall- 
papier als Unterlage der Russschicht bedingt aber manche andere Un- 
bequemlichkeiten bei der Fixirung und Auswerthung der Curven. Wichtiger 
aber ist noch die aus dem Gange des Uhrwerkes, welches die Registrir- 
Trommel zu bewegen hat, hervorgehende Unsicherheit, zumal wenn erheb- 
liche Temperaturveränderungen in Frage kommen. Dem bekannten Einfluss, 
welchen die Consistenz des Oeles auf den Gang einer Uhr ausübt, begegnet 
man bei unseren Apparaten dadurch, dass man die Werke vollständig 
„trocken“, d. h. ohne alles Oel laufen lässt; die Aenderungen der Zapfen- 
reibung und der Zahneingrifte aber, welche bei starken Temperaturschwan- 
kungen unvermeidlich sind, kann man keinesfalls beseitigen; auch würde 
man kaum im Stande sein, durch Experimente in der „Kältekammer“ deren 
Einfluss sicher festzustellen. Hinzu kommt noch die ebenfalls unvermeid- 
liche Unsicherheit, welche aus dem Vorhandensein der sogenannten „Zahn- 
luft“ in den Uhrwerken hervorgeht; selbst bei verhältnissmässig schnel- 
laufenden Registrirtrommeln, welche, wie die unsrigen, in einer Stunde eine 
Papierfläche von 31 mm Länge am Schreibstift vorüberführen, wird eine 
„Zahnluft* von einem Millimeter Ausschlag der Trommel noch eine Unl `, 
sicherheit der Zeit von fast 2 Minuten hervorrufen. Wie gross aber der 
Unterschied der zugehörigen Werthe im Zeit-Intervalle von 2 Minuten sein 
kann, lehrt uns z. B. die auf p. 44 gegebene Tabelle des Ballons „Strass- 
burg“, wo um 3b 5m eine Höhe von 4150 m mit — 12° Temperatur, 
2 Minuten später aber 4620 m und — 20° registrirt wurden! Will man 
daher, was doch unbedingt als die vornehmste Aufgabe der Auffahrten von 
Registrirballons zu gelten hat, Höhen und Temperaturen in einen causalen 
Zusammenhang bringen, so wird man dies nur dann können, wenn das- 
selbe Uhrwerk beiden Registrirungen gemeinsam ist, so dass Störungen 
im Gange desselben beide in gleichem Sinne und Ausmasse freffen. 

Ersieht man aus diesen Ueberlegungen schon die Schwierigkeiten, 
welche sich der strengeren Ermittelung der Zeiten registrirter Phänomene 
entgegenstellen, so wird man leicht ermessen können, wie sich dieselben 
häufen, sobald es sich um die Identificirung mehrerer gleichzeitiger Curven- 
punkte verschiedener Apparate handelt. Am geringsten werden dieselben 
noch dann sein, wenn mehrere mit selbständigen Uhrwerken versehene 
Apparate streng gleichzeitig mit demselben Ballon aufsteigen, denn dann 
ist wenigstens der Anfangs- und der Endpunkt aller Curven unschwer fest- 
zustellen, falls nicht, was nicht selten vorkommt, in Folge der hierbei un- 
vermeidlichen Erschütterungen Verwischungen derselben vorkommen. Man 
sollte deshalb principiell Vorkehrungen treffen, welche in unzweifelhafter 
Weise wenigstens den Moment des Ballon-Autstieges oder einen genau fest- 
gestellten Zeitpunkt kurz vor demselben auf dem Registrirpapiere fixiren; 
die vorliegenden, und mehr noch die nächstfolgenden Registrirungen vom 
18, Februar 1897 zeigen, wie wir noch selen werden, die Schwierigkeiten 


Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896, 89 


in dieser Beziehung! Handelt es sich aber, wie in unserem Falle, um die 
Ermittelung simultaner Curvenpankte der Registrirungen von Apparaten, 
welche an verschiedenen Orten aufsteigen, so kommen noch alle die Un- 
sicherheiten in Frage, welche aus an sich geringfügigen Differenzen der 
Zeitangaben entstehen. Wie gross aber deren Einfluss auf die strengere 
Vergleichbarkeit simultaner Wertlie werden kann, ersieht man leicht daraus, 
dass bei einem mit einer Geschwindigkeit von 8-9 m in der Secunde auf- 
steigenden Ballon eine Zeitdifferenz von nur einer Minute einen Höhen- 
unterschied von gegen 500 m und gelegentlich einen Temperaturunterschied 
von 5° ausmachen kann! 

Für die Ausrechnung aller derartigen Registrirungen kommt aber noch 
die besondere Schwierigkeit in Betracht, dass in Folge der nicht un- 
beträchtlichen Breite der Curven eine strenge Identificirung der Durch- 
schnittspunkte derselben mit den Zeit-Ordinaten kaum ausgeführt werden 
kann. Man wird deshalb. was wir besonders betonen, bei allen hierauf 
bezüglichen Angaben nicht vergessen dürfen, dass die ermiitelten Werthe 
keineswegs als streng correcte, sondern nur als die der Wirklichkeit inner- 
halb nicht zu enger Grenzen nahe kommenden anzusehen sind; bei schnellen 
Höhenänderungen des Ballons werden natürlich diese Unsicherheiten den 
höchsten Betrag erreichen. 

So dürfen wir uns nicht verhehblen, dass die strenge Vergleichbarkeit 
der Registrirungen bei unseren internationalen Ballonfahrten eine verhält- 
nissmässig unsichere und man deshalb gezwungen ist, von Detail-Unter- 
suchungen abzusehen. Es mag ausdrücklich an dieser Stelle hervorgehoben 
werden, dass die nachfolgenden Zusammenstellungen diesem Gesichtspunkte 
überall Rechnung zu tragen haben. 

Unterwerfen wir nun zunächst die Registrirungen des Ballons „’Ae- 
rophile III“ einer näheren Discussion. 

Die Curve des Barographen!) (Fig. 1) geht vom Normaldrucke von 
760 mm aus; da die mittlere Meereshöhe von Paris etwa 40 m ist und der 
zur Zeit des Aufstieges dort herrschende Barometerstand im Meeresniveau 
761 mm, unreducirt also etwa 757 mm betrug, muss man annehmen, dass 
die Barographencurve absichtlich um etwa 3 mm nach oben verschoben 
worden ist. Die in der ersten Spalte befindlichen Zahlen geben die un- 
rgducirten Höhen in Metern an, entsprechend dem französischen Original, 
während in der Tabelle 1a) auf S. 44 die wahren Höhen unter Berück- 
sichtigung der Lufttemperatur zu finden sind. Dass der Unterschied zwischen 
diesen beiden Angaben in Folge der tiefen Temperaturen der grossen Höhen 
ein sehr beträchtlicher ist, geht daraus hervor, dass die unreducirte 
Maximalhöhe des „l’Aerophile III“ rund 15000 m, die wahre aber nur 


1) Durch ein Versehen des Zeichners ist die erste Zeit-Ordinate stark aus- 
gezogen worden, sodass es den Anschein erweckt, als entspräche sie der Zeit 2h 0; 
dieselbe gilt für die Zeit 2b 5m, 


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Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14 Novbr. 1896. 91 


13730 m, also um 1270 m weniger beträgt. Den folgenden Erörterungen 
werden natürlich nur die wahren Höhen zu Grunde gelegt werden. 

Der Aufstieg des Ballons war ein sehr schneller: die Höhe von 
5000 m wird in Lois Minuten, entsprechend einer mittleren Geschwindig- 
keit von 8 m p. sec., die Höhe von 10000 m in ferneren 12!/s Minuten, 
entsprechend 6,7 m p. sec. erreicht; danach verlangsamt sich seine Auf- 
stieesgeschwindigkeit mehr und mehr, sodass er erst nach ferneren 21 Mi- 
nuten seine grösste Höhe von 13730 m erreicht. Nun hält er sich volle 
40 Minuten lang in einer Höhe von mehr als 13000 m, sinkt dann in 
1 Stunde und 17 Minuten bis 12000 m, in ferneren 50!/a Minuten bis auf 
11000 m, erheblich schneller, d. h. in 20 Minuten auf 10000 m, in der- 
selben Zeit auf 9000 m, weiter in beschleunigtem Abstieg in 11 Minuten 
auf 8000 m, in 10 Minuten auf 7000 m, in 9 Minuten auf 6000 m, in 
8 Minuten auf 5000 m, in 7 Minuten auf 4000 m, in 6 Minuten auf 3000 m, 
in 5 Minuten auf 2000 m und in je 4 Minuten auf 1000 m und bis zur 
Erdoberfläche herab. Die Geschwindigkeit des Abstieges betrug demnach 
im letzten Theile der Bahn 8,3 m p. sec. Dieser schnelle Abstieg muss 
insofern auffallen, als der Ballon, obwohl er bis zu einem Luftdrucke von 
rund 120 mm, entsprechend etwa einem Sechstel von 760 mm aufgestiegen 
war, doch nicht „gasleer“ am Erdboden hätte ankommen können, wenn er 
nicht etwa einen Riss bekommen hätte. Da für diese Vermuthung aber 
kein Grund vorliegt, muss man annehmen, dass andere Ursachen diesen 
schnellen Absturz veranlasst haben, als welche man vielleicht eine Belastung 
durch Niederschläge vermuthen könnte. Da der Ballon beim Sonnenaufgang 
im schnellen Fallen begriffen war, konnte auch eine Einwirkung der Sonnen- 
strahlen keine nennenswerthe Erwärmung des Gases und so auch keine 
Verzögerung des Fallens bewirken. Es lässt sich auch natürlich nicht 
nachweisen, ob der Ballon sich zu dieser Zeit etwa schon in den Wolken 
befunden hat, oder nicht. 

(7 


ER í E SC SE L p Ri 


SE E 


Das Thermogramm des „l’Aerophile ITI“, welches wir in Fig. 2 wieder- 
geben, zeigt folgende Eigenthümlichkeiten. Die Temperatur sinkt von -+ 5° 


Fig. 2. 


2"30 S 20 


St 


3 









+10 








-10 
-20 
-30 
-40 
-50 
-60 
-70 





92 Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 


beim Aufsteigen des Ballons im Allgemeinen mit grosser Schnelligkeit, ab- 
gesehen von den untersten Schichten, d. h. bis zu etwa 2000 m Höhe, wo 
dies verhältnissmässig langsam, d. h. um nur 4°, stattfindet; in den beiden 
nächsten 2000 m Höhe dagegen je um 8°, zwischen 7 und 9000 m, sowie 
von 9—11000 m Höhe um je 12°, von 11—13000 m gar um 13°; hier 
wird in 127000 m Höhe ein erstes Minimum der Temperatur mit — 54° 
erreicht. Nun aber nimmt mit langsam höher steigendem Ballon auch die 
Temperatur um 2° zu und erreicht bei der grössten Höhe von 13730 m 
ein Maximum von — 52°. Mit langsam fallendem Ballon sinkt nun ferner 
auch die Temperatur ganz allmählich, erreieht in derselben Höhe wie bei 
dem Aufstiege, d. h. 12700 m, denselben Werth von — 54°, bei weiterem 
Fallen um 1000 m aber, d. h. in 11700 m Höhe, — 57,5° und in 10900 m 
den niedrigsten Stand von — 59,8°. Beim Abstiege nimmt dieselbe zu- 
nächst äusserst langsam, dann immer schneller zu: in den ersten 1000 m 
z. B. nur um 2,8°, in den nächsten 1000 m um 4°, ferner um 6°, um 8°, 
ja zwischen 6 und 7000 m Höhe um 10°; in den tieferen Lagen wird die 
Zunahme wieder geringer, in den untersten Schichten aber ähnlich, wie 
bei dem Aufstiege, sehr unbedeutend. 

Man überblickt diese Eigenthümlichkeiten der verticalen Temperatur- 
änderung am besten in derjenigen neuerdings vielfach angewandten Form 
der Darstellung, bei welcher die Höhen als Ordinaten und die Temperaturen 
als Abscissen erscheinen. In Fig. 3 (S. 93), bei welcher die Aufstieg-Tempera- 
turen ausgezogen, die des Abstieges aber punktirt wiedergegeben sind, sehen 
wir die schon erwähnte zuerst ganz langsame, dann mit zunehmender Höhe 
immer schneller werdende Temperatur-Abnahme bei dem Aufstiege, darauf 
die höchst sonderbare kurze Erwärmung bei steigendem und das darauf 
folgende langsame Sinken der Temperatur bei fallendem Ballon, sodass 
in derselben Höhe von 10900 m, welche beim Aufstiege — 44° auf- 
wies, beim Abstiege fast — 60° gefunden wurde. Diese grosse Differenz 
zwischen den Auf- und Abstieg-Werthen nimmt nun noch weiter zu: sie 
beträgt in 9000 m Höhe 24° (— 54° und — 30°), ebenso in 8000 m Höhe 
(— 48° und — 24°), wird dann allmählich von 7000 m Höhe an geringer 
(— 38° und — 18°), in 6000 m — 30° und — 14°, in 5000 m Höhe — 22° 
und 10°, in 4000 m — 16° und 6°, um in den unteren Schichten bis auf 
wenige Grad zu verschwinden. 

Welches ist nun der Grund für dieses höchst auffallende Verhalten? 
Es geht wohl kaum an, dasselbe für thatsächlich anzusehen; da der Auf- 
stieg während der Nachizeit stattgefunden hat, kann auch kein Einfluss 
der Sonnenstrahlung in Frage kommen; ausserdem liegen die Abstiegs- 
Temperaturen ausschliesslich unter denen des Aufstieges. Wie wir später 
bei der zusammenfassenden Darstellung der sämmtlichen Fahrten sehen 
werden, ist auch kein Grund vorhanden zu der Annalıme, dass zwischen 
Paris und Belgien ein so beträchtlicher Abfall der Isothermflächen in grossen 
Höhen vorhanden gewesen sein könnte, dass man in einer um 2000 m tiefer 


Assmann: Gleichz e itige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 98 


liegenden Schicht eine um 8° niedrigere EES als wahrscheinlich 


gelten lassen dürfte. 
Fig. 3. 
L Aecrophilett— Paris. 


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13000 m 










12000 m 







11000m 







10000 m 

















7000 a 







6000 m 













1009m 






ATT) Hi 
JI TRETEN 
HUTT TT 





-4  .30° -20 -10° 0° +n’ 


Es scheint nahe 
zu liegen, die ungenü- 
gende Empfindlichkeit 
des Thermographen- 
Gefässes, dessen „Träg- 
heit“, für diese Re- 
gistrirung verantwort- 
lich zu machen, und 
ohne Zweifel darf man 
annehmen, dass, wie die 
oben schon citirte Ab- 
handlung von Hart- 
mann nachweist, eine 
nicht unbeträchtliche 
Verspätung der An- 
gaben des Apparates 
hinter den wirklichen 
Temperatur - Werthen 
stattfinden muss. Hart- 
mann giebt hierfür fol- 
gende Beträge an: ein 
Richard scher Thermo- 
graph mit Bourdon- 
schen Manometerrohr 
gebraucht bei beweg- 
ter Luft 11,5 Minuten, 
um bei einer plötzlichen 
Temperatur. Aenderung 
von 10° die neue Tem- 
peratur bis auf 0,1° 
richtig anzuzeigen, 2,5 
Minuten aber, um das- 
selbe bei einer stünd- 
lichen Temperaturän- 


derung von 1° zu erreichen; bei ruhiger Luft aber steigt der erste 


Werth auf 36, der; letzte auf 7,8 Minuten. 


Würden diese Ermittelungen 


in aller Strenge für derartige Apparate auch bei Ballonfahrten Geltung 
besitzen, so wären wir gezwungen, bei dem Auf- und Abstiege des Bal- 
lons, wo eine verhältnissmässig starke Luftbewegung, wie wir gesehen 
haben von 6—8 m p. sec., stattfindet, und man auch schnelle Temperatur- 
änderungen um 10° erwarten muss, alle registrirten Werthe um Lis Mi- 
nuten, d. h. um etwa 5000 m tiefer oder höher zurückzuverlegen. So würde 


94 Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 


beispielsweise die nach Tabelle 1a) (p. 44) um 2% 35m in 12000 m Höhe 
registrirte Temperatur von — 52° schon um 2% 231/sm und in einer Höhe 
von 7800 m geherrscht haben, was aus nicht weiter zu erörternden Gründen 
äusserst unwahrscheinlich ist. Nunmehr müsste aber die Temperatur, welche 
in 7800 m schon — 52° betragen hatte, beim Aufsteigen bis zur Maximal- 
höhe des Ballons, 13730 m, noch entsprechend weiter sinken, also, einem 
Höhenunterschiede von 6000 m entsprechend, um etwa 30°, sodass eine 
Minimaltemperatur von etwa — 82° hätte erreicht werden müssen. Nach- 
dem nun aber der Ballon seine Gleichgewichtslage erreicht und damit die 
Luftbewegung relativ zum Thermographen völlig aufgehört hat, müssten 
die Verhältnisse der ruhigen Luft, d. h. eine Verspätung von 36 Minuten 
eintreten, wenn die Temperaturänderungen ferner in so kurzer Zeit und 
in so grossem Betrage fortdauern würden. Da dies aber keineswegs der 
Fall ist, vielmehr jetzt nur ganz geringfügige Aenderungen zu erwarten 
sind, so könnten nur die für eine Schwankung von 1° pro Stunde gegebenen 
Werthe, d. h. eine Verspätung um 7,8 Minuten in Betracht kommen. 
Wollte man aber annehmen, dass die bei dem Aufstieg vorhandene starke 
und plötzliche Temperaturänderung nach Aufhören der Luftbewegung erst 
ausgeglichen werden müsste, so hätte die der Maximalhöhe 13730 m ent- 
sprechende tiefste Temperatur, welche wir auf etwa — 82° veranschlagt 
haben, nach Hartmann im Verlaufe von '36 Minuten, also um 3è 31" erreicht 
werden müssen; um diese Zeit wurden aber statt dessen nur — 53,5° registrirt. 
- Es dürfte daher wohl keinem Zweifel unterliegen, dass die Hartmann- 
schen Untersuchungen nicht ohne weiteres für die durchaus absonderlichen 
Verhältnisse bei Ballonfahrten angewendet werden können, sowie, dass es 
nicht die „Trägheit“ des Thermographen sein kann, welche den auffallenden 
Gang der Registrircurve in unserem Falle zu erklären geeignet ist. Hiermit 
soll natürlich nicht gesagt sein, dass überhaupt kein „Nachhinken“ der 
Registrirungen stattgefunden habe; vielmehr man muss man mit Sicherheit 
annehmen, dass beim Aufsteigen etwas zu hohe, beim Sinken aber etwas 
zu tiefe Werthe angegeben werden; das Verhalten der Curve während der 
Zeit der Gleichgewichtslage des Ballons lässt sich aber hierdurch nicht er- 
klären. So lässt sich kein Grund erkennen für denjenigen Theil der Ther- 
mographencurve, welcher ein fast 3%/ Stunden anhaltendes Sinken der Tem- 
peratur bei fortgesetzt fallendem Ballon anzeigt. Es bleibt daher als ein- 
zige Möglichkeit nur die Annahme übrig, dass das Bourdon-Rohr bei den 

tiefsten Temperaturen nicht mehr functionirt hat !). 
Die von dem Registrirballon „Strassburg“ während seiner nur 1 Stunde 


1) Theoretisch lässt sich die Möglichkeit nicht abweisen, dass von seiten der 
gegen 65° wärmeren Erdoberfläche ein Strahlungseinfluss auf die Instrumente erfolgen 
kann, zumal bei der erheblichen Höhe des Ballons die ausstrahlende Fläche eine 
sehr beträchtliche Grösse hat. Der Betrag desselben könnte jedoch nur ein ziemlich 
kleiner sein und keinesfalls zur Erklärung des sonderbaren Temperaturganges aus- 
reichen; ausserdem war über ganz Westeuropa der Himmel dauernd bedeckt. 


Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl, Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 95 


und 16 Minuten dauernden Fahrt von Strassburg nach Lauf aufgezeichneten 
Curven weisen folgende Einzelheiten auf. 
Fig. 4. 
230 . 3* 330... 4 4"30 Das Barogramm 


(Fig. 4), dessen Werth 
tt DE Nerei 






redueirt sind, zeigt, 
dass der Aufstieg des 
Ballons gleichfalls mit 
beträchtlicher Ge- 

schwindigkeit erfolgt 
ist, welche von 5 m 
p. sec. in den ersten 
zwei Minuten bald auf 
7—8 m p. sec. anwuchs 
und im Mittel bis zur 
Höhe von 6000 m Gm 
p. sec. betrug ; hiernach 
verlangsamte sich die- 
selbe allmählich, während sich der Ballon seiner Gleichgewichtslage näherte. 
Die in der Curve bei einem Drucke von 360 mm, entsprechend 5700 m 
Höhe, sichtbare Knickung wird weiter unten besprochen werden. Der 
Ballon blieb nur wenige Minuten auf seiner Maximallöhe und sank zuerst 
langsam, später etwas schneller und zwar ziemlich gleichmässig mit 3 — 4, 
zuletzt mit 5 m p. sec. Geschwindigkeit innerhalb 48 Minuten zum Erdboden. 

Unter Berücksichtigung des oben auf S. 41 angegebenen Gewichtes 
des Ballons, sowie unter der Annahme einer Lufttemperatur von — 55° in 
der entsprechenden Höhe hätte der Ballon eine Höhe von etwa 10800 m 
erreichen können, da die Sonnenstrahlung wegen der Nachtzeit keinen Ein- 
fluss auf die Gastemperatur ausüben konnte. Man darf aber wohl nicht 
vergessen, dass während der Nacht die Wärme-Ausstrahlung der Ballonhülle 
gegen den Weltenraum ebenfalls einen beträchtlichen Einfluss auf die Gas- 
temperatur im entgegengesetzten Sinne bewirken muss. Der Gas wird in 
Folge dessen kälter als die umgebende Luft, die Tragkraft des Ballons 
also vermindert werden. Bei dem Fehlen von Messungen der Gastemperatur 
während Nachtauffahrten lässt sich aber dieser Betrag nicht bestimmen, 
doch dürfte derselbe immerhin nur wenige Kilogramm betragen. Man wird 
deshalb nicht umhin können, noch andere Vorgänge für die vorzeitige Er- 
reichung der Gleichgewichtslage verantwortlich zu machen und solche könnte 
man in der Belastung des Ballons mit Wasser oder Eis bei dem Passiren 
einer Wolkendecke oder in der Condensation von Wasser in Gestalt von 
Reif auf der Ballonhülle selbst suchen. Letzteres würde durch ein Erkalten 
der Ballonhülle unter die Lufttemperatur sehr befördert werden. 





/ 





| Strassburg 14. XI 1896. Ba llon Strassburg. Baros ramm. 


96 Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 


Fig. 5. 

Das zugehörige 
Thermogramm (s. 
Fig. 5) zeigt zu- 
nächst, dass über 


7 a 2*30 A "Aug 4" 4'30 











sa E HAHHA 
wiii No EE] Strassburg eine, 
EE EES, n a aeg 


S trasshurg 14. XI. 1896. Ballon, Strassburg” T hermegramm. bedeutende Tem- 


peratur - Umkehrung 

herrschte, auf welche ein ziemlich gleichmässiges und schnelles Sinken der 

Temperatur folgte; in 5710 m Höhe wurde — 30° erreicht. Hier aber 

trat eine empfindliche Störung der T'hermographencurve ein, welche dadurch 

entstanden war, dass die Registrirung bei — 30° plötzlich abbrach und 

binnen sehr kurzer Zeit den Werth von 0° später langsamer von A 3° 

erreichte. Darauf sank sie langsam bis zu — 3,8° und stieg gegen Ende 
der Fahrt wieder auf — 1,5° an. 

Fig.6. Es kann wohl im Ernste nicht ange 

Sramburg- Strassburg: nommen werden, dass dieser zweite Theil 


JIII] der Curve thatsächliche Verhältnisse aus- 
TIIIITIIITIIIIIIT") drückt: „natura non facit saltum“ muss 


man auch hier sagen, denn auf die Tem- 
peratur von — 30° folgt fast unvermittelt 
eine solche von 0° Vielmehr muss man 
annehmen, dass eine Störung des alkohol- 
gefüllten Bourdon-Rohres des Thermogra- 
phen in der Weise eingetreten ist, dass 
an Stelle weiterer langsamer Verringerung 
des Krümmungshalbmessers eine plötzliche 
Gestaltsveränderung desselben, und zwar 
eine solche, wie sie steigender Temperatur 
entspricht, eingetreten ist!). Die bei die- 
ser Gestaltsveränderung eingetretene Er- 


AAU 011 E I 
zn en m en 


gleichzeitig erfolgte Knickung der Baro- 


graphencurve hervorgerufen haben. 
en eege 


Fig. 6 zeigt, dass die Temperatur bis 
zur Höhe von etwa 800 m eine langsame 
Abnahme, nach derselben aber eine un- 
beträchtliche Zunahme bis zu 2000 m 
Höhe erfahren hat; sie sinkt dann bis zu 4400 m langsam, bis zu 6000 m 











Tetris: 
TTT 
Hall 


1) Der Mechaniker kennt diese Eigenthümlichkeit gekrümmter elastischer 
Bleche sehr wohl; er hat für dieselbe den sonderbaren Ausdruck: „Der Meister 
sitzt darin!“ 


Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 97 


sehr schnell. Der Höhenberechnung konnten natürlich die irrthümlichen 
Temperaturangaben der Curve nicht zu Grunde gelegt werden; in der Tabelle 
auf S. 44 sind deshalb die durch Extrapolation ermittelten „wahrschein- 
lichen Temperaturen“ angegeben worden, welche zur Reduction verwandt 
wurden. 


Wir kommen nun zur Erörterung des Aufstieges des Registrirballons 
Cirrus in Berlin. l 
Fig. 7. Das Barogramm, Fig.7 zeigt, dass 
p 330 4° va der Ballon verhältnissmässig langsam, 


GET E 


gestiegen und sofort nach Erreichung 









| ) seiner grössten Höhe von 5815 m schnell 

500 AN gefallen ist. Als Grund hierfür kann 
| \ ae nach Lage der Verhältnisse nur eine 
600 ID schon beim Beginn des Aufstieges vor- 


handene Undichtheit des Ballons an- 
genommen werden. Wie schon erwähnt, 
functionirte der von Paris bezogene Baro- 
thermograph Richard nicht gut, wes- 
halb das von demselben gezeichnete 
Barogramm nicht wiedergegeben ist. Dasselbe blieb um mehr als 20 mm 
hinter dem des anderen Apparates zurück. 





(ON) 


WAREN 


Berlin H H (896. Ballon, Cirrus. Barogramm 


Fig. 8. Fig. 9. 


Cirrus- Berlin. 


(G 2 ak A Sp 
FTIT] 
II IA FH 















Berlin 14. X] 1896. Ballen, Cirrus” Thermegramm 


In dem zugehörigen Thermogramm, Fig. 8, 
erkennt man, wie zunächst eine Abnahme, dann 
aber eine Zunahme der Temperatur in den un- 
teren Luftschichten stattgefunden hat und zwar 
zeigt sich dieselbe Erscheinung auch bei dem 
Abstiege des Ballons wiederkehrend. Deutlicher 
noch ergiebt sich die Temperaturvertheilung nach 
der Höhe aus Fig. 9. Bis zur Höhe von 1500 m 
nimmt die Temperatur von — 2,7” bis auf — 6,7° 
ab, von dort bis zu 2100 m Höhe aber bis auf — 3° zu, um in weiterer Höhe 
stetig, wenn auch nicht allzuschnell bis zur niedrigsten Temperatur von 
— 26° zu fallen. Ganz besonders bemerkenswerth ist aber die nahe Ueber- 
einstimmung der beim Aufstiege registrirten Temperatur mit denen des 





98 Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 


Abstieges, sowie das Zusammenfallen der grössten Höhe mit der tiefsten 
Temperatur. Ein „Nachliinken“ der Temperaturwerthe ist hier nur in 
St. Petersburg 14. XI. 1896. sehr geringem Grade zu er- 
on une kennen, wofür ohne Zweifel der 
Grund darin zu suchen ist, dass 
das Thermometerrohr völlig offen 
und deshalb der natürlichen Ven- 
tilation frei ausgesetzt war. 
Nur der Vollständigkeit 
halber seien in den Figuren 10, 
11 und 12 noch die entsprechen- 
den Darstellungen der Regi- 
strirungen des in St. Petersburg 
aufgestiegenen „Ballons sonde“ 
gegeben, da dieselben weitere 
Schlüsse nicht erlauben dürften. 
Ein beträchtliches „Nachhin- 
ken“ der Temperaturangaben 
ist hier deutlich erkennbar, so- 
dass in der grössten Höhe von 
1700 m nur — 8°, 2000 m tiefer 
aber — 13° und 6000 m tiefer 
noch 12° registrirt wurde. 


Fiz. 10. 4h 


Fig. 11. 


Fig. 12. 





(Fortsetzung folgt.) 


Versuche mit grösseren Luftschrauben.') 
Von Georg Wellner, Professor an der technischen Hochschule in Brünn. "i 


Bei Verfolg meines schwierigen Vorhabens, das Problem des dyna- 
mischen Fluges einer gedeihlichen Lösung zuzuführen, fühlte ich trotz der 
vielfachen auf dem Gebiete der Flugtechnik schon gemachten Arbeiten, 
Proben und Untersuchungen, dass vor Allem praktische Experimente mit 
Luftschrauben von grösseren Dimensionen?) nothwendig seien, um deren 
Wirkungsweise studiren und aus den Ergebnissen brauchbare Schlüsse über 
die möglichst richtige Bauart von tragenden Flächen für dynamische Flug- 


1) Obgleich bereits die Zeitschrift ein kurzes Resume dieser neueren Ar- 
beit von Prof. Wellner (aus der Feder des Hrn. Hauptmann Hoernes) in Heft 1 d. J. 
gebracht hat, erfüllen wir bei der grossen Wichtigkeit des Gegenstandes mit Ver- 
gnügen den Wunsch des Verfassers und bringen die in der Zeitschr. des Oester. 
Ingen.- u. Architekten-Ver. 1896, Heft 85/36 veröffentlichte Abhandlung hier noch- 
mals zum Abdruck. Die Redaction. 

2) Ueber Versuche mit kleineren Luftschrauben von verschiedener Form siehe 
Vereinszeitschrift 1894 Nr. 38, 34 und 47. 


Wellner: Versuche mit grösseren Luftschrauben. 99 


maschinen ziehen zu können. Der hochherzigen und uneigennützigen Unter- 
stützung des Herrn Dr. Heinrich Friess, Besitzers der Zuckerfabrik und 





Fig. 1 u. 2. Ansicht und Draufsicht. ` Je natürl. Grösse. 
des Gutes Zborowitz in Mähren, habe ich es zu danken, dass es mir 
möglich gemacht wurde, mit einem Aufwande von 4000 H. ziemlich um- 
fangreiche Versuche in der gewünschten Richtung vorzunehmen; und weil 
die gewonnenen Resultate ein allgemeines technisches Interesse bieten, erlaube 
ich mir hiermit die Sache der Oeffentlichkeit zu übergeben. 


Construction und Grössenverhältnisse der benützten Schrauben. 


Es wurden vorerst zwei Luftschrauben zur Ausführung gebracht; die 
eine rechtsläufig mit Ballonstoffüberzug, die andere linksläufig mit Aluminium- 
Blechbeschlag, beide zweiflügelig, vollkommen gleich gross und in ihrem 
Gerippe gleichartig gebaut, mit einem anfänglichen Ausmass von 13.5 m?, 
welches nach und nach durch Wegnahme von Theilllächenstücken auf 7.4 m? 
reducirt wurde. Das Gesammtbild Fig. 1 im Aufriss und Fig. 2 im Grund- 
riss zeigt die Anordnung und Form der Doppelflügel-Schraube in ihrer ersten 
anfänglichen Gestalt. 

Gewählt wurde der normale Typus orthogonaler Schraubenflächen, bei 
welchem alle Radiallinien OA, OB... bis OJ horizontal fächerförmig aus- 
einderstehen, wie die Stufenkanten einer kreisıunden Wendeltreppe. Die 
Schraubenganghöhe besass an allen Stellen, für den Vollkreis verlängert, 


{00 Wellner: Versuche mit grösseren Luftschrauben. 


den constanten Werth von 1120 mm; die Steigungswinkel der Flächen nehmen 
demgemäss von innen nach aussen mit dem Abstande von der Achse regel- 
mässig ab und die spiralförmig geführte Umrisslinie senkt sich von A 
über B, C... bis zur Flügelspitze J um den Verticalabstand von 560 mm 
herab. Der grosse Durchmesser betrug 6000 mm, die Breite 4400 mm. 
Die nachstehende kleine Tabelle macht die Abhängigkeit der Neigungs- 
winkel oe der Schraubenflächen vom radialen Abstande p ersichtlich. Es 

















gilt hierfür die Formel tg a = rau 
IT e 
u o e 
Ke SE SE Peer Ie.n=50jn=10 n= 150. 
250 mm | 071292 85° 29° | 1-81 ger, "dek eps mee 2:62 8-93 
500 „ 0 85646 19087 262 | 524 7-85 
750 ,„ | 0 23764 18022 8-93 1:86 (28 ` 
1000 „ : 017823 10° 6 5-24 10-47 15 71 
1250 „ 0:18564 7943 6-55 13:09 19-64 
1500 „ 011852 6° 47 7:86 1571 23-56 
1750 „ 010897 MI 9-16 15:32 27:49 
2000 „ 0 08912 br | 10417 20 94 81:42 
2250 „ | 008023 4°35) | 1678 28:56 | 38584 
2500 ,„ 0-07129 A A 18-09 26-18 89-27 
2750 „ 0'06585 Sp A4: 14-40 28-80 48:20 
8000 „ 005941 Se gi: 15-71 81:42 47:18 





Die letzten drei Colonnen der Tabelle enthalten ferner die den verschiede- 
nen Radien p zugehörigen Umlaufs-Geschwindigkeiten n in Metern pro Seeunde 
für die minutlichen Umlaufszahlen der Schraubenachse n = 50, 100 und 150. 

Die Luftschrauben waren so gross, dass eine Versendung derselben 
in fertig montirtem Zustande unmöglich war, weil das freie Streckenprofil 
der Eisenbahnen biefür nicht genügte. Die Schrauben mussten in der 
Fabrik auseinandergenommen und am Aufstellungsorte in Zborowitz von 
neuem zusammengesetzt werden. 

In constructiver Beziehung besass das Schraubengerippe ein eisernes 
Mittelstück von 500 mm Durchmesser, bestehend aus einem Mannesmann- 
stahlrobr von 1 m Länge, 54 mm Durchmesser und 2.5 mm Wandstärke, 
welches durch 8 Nabenringe mit Doppelarmen zwei schraubenförmig ge- 
wundene, hochkantig gestellte Flacheisenschienen trug und durch sein un- 
gemein starres Gefüge den tragenden Grundstock für die Schraubenfläche 
bildete. Jeder Flügel hatte neun ungleich lange Radialstangen aus Ulmen-, 
Eschen- und Spitzahormholz, welche in rechteckigen Löchern der Flach- 
schienen gut eingepasst waren und mit runden Zapfen in Bohrlöchern des 
Mittelrohres ihre Stütze fanden. Diese Armstäbe waren der Schraubenfläche 
entsprechend windschief verdreht, mit nach aussen hin allmählich abnehmen- 
den und flacher werdenden Quersclhnittsprofilen. 


Weliner: Versuche mit grösseren Luftschrauben. ioi 


Fig 3 zeigt beispielsweise für den fünften Stab (OE Fig. 2) neben- 
einander gezeichnet die in Radialabständen von 250 zu 250 mm vorhandenen, 
ungleich schief gestellten Querschnitte mit dem Uebergange 
von 40 X 45 auf 5 x 28 mm und von « = 35° 29° auf 5° 6°. 
Die schwierige Herstellung dieser Armstangen wurde von der 
berühmten Firma Gebrüder Thonet übernommen und in 
exactester Weise zur Ausführung gebracht. An die Arm- 
stangen schlossen sich scharfgekantete Randhölzer längs der 
spiralfürmigen Umfangslinie ABC... J, sowie weiters in Mitte 
der Flächenfelder VI, VII und VIII drei Absteifungsrippen, 
welche die vier längsten Arme in fester Lage auseinander zu 
halten hatten. 

Der Ueberzug der Schraubenflächen geschah oberhalb und 
unterhalb der tragenden Armstangen, so dass diese Stangen 
innerhalb der Flächen vollständig verdeckt waren; er bestand 
aus trapezoidförmigen Stücken, welche in peripherialer Rich- 

; tung dachziegelartig übereinandergelegt und in Abständen von 
je 250 mm zu 250 mm durch 8 mm starke Riemenschrauben 
mit sehr breiten Köpfen an den Holzarmen festgeschraubt 
wurden. Als Material diente für die eine Schraube ein gum- 
mirter und doublirter fester Stoff, wie solcher zur Herstellung 
von Luftballons benützt wird, für die andere Schraube Alumi- 
. niumbleche von 0.20, 0.25 und 0.30 mm Stärke. An der spiral- 
förmigen Umgrenzungslinie, wo die oberen nnd unteren Deck- 
flächen zusammentreffen, wurden die Ränder zusammengenäht, 
bezw. übereinandergefalzt. In Folge der glatten Oberflächen- 
beschaffenheit, sowie der scharfen $-förmig in die Luft ein- 
schneidenden Vorderkanten OAB...J war sowohl die Luft- 
reibung als auch der Stirnwiderstand der umlaufenden Flügel 
auf ein Minimum gebracht. Das Eigengewicht für die vollen 
Anfangsformen hatte folgende Zusammensetzung: 








(a natürl. Grösse 


co 
so 
fu 





Bei der 




















Bei der 
rechtsläufigen | linksläufigen 
Schraube Schraube 
Das eiserne Mittelstück sammt den 
d Rlachachienen e ' 1085 kg 10:35 kg 
di 18 Holzarme sammt Randhölzern, 
Versteifungsrippen, Riemen- 
schrauben, Schräubchen u. Nägeln 26:55 „ 2786 „ 
Der Ballonstofi, bezw. die Allumi- 
niumbleche ........... D 10:20 „ 2110, 
Summa ... | ik | 598kg 


Zur Ausmittellung der Lage des Druckmittelpunktes, bezw. des Träg- 
heitsradius der Schraubenflügellächen wurden dieselben einmal in 11 Kreis- 


102 Wellner: Versuche mit grösseren Luftschrauben. 


ringstücke von 250 mm Radialbreite (1—11), ein zweites Mal in 8 Sectoren- 
stücke (I—VIII) von 22!/2° Centriwinkel mit den zwei Randstreifen I’ und 
VU der vorderen und rückwärtigen Flügelkante abgetheilt, hierauf für 
jede Theilfläche das Planimeterausmass f und der geometrische Halbmesser p 
bestimmt und dann durch die Wurzel aus dem Quotienten der Summen 
2 fo’ und Ef der gesuchte Werth ausgerechnet, wie das die nachfolgenden 
zwei Tabellen mit Bezug auf die Grundrissfigur 2 anschaulich machen. 

Die Totalfläche beider Flügel einer Luftschraube beträgt hiernach rund 
F =13'5 m? und der Trägheitsradius p = 1,681m. Die Rechnung wurde 
für sämmtliche Theilflächen nicht durch einfaches Planimetriren und an- 
genähertes Abschätzen der Punktlagen, sondern auch mit Hilfe des höheren 
Calculs für die spiralförmige Abgrenzung sehr sorgfältig und genau vor- 





























genommen, so dass die zwei Tabellen in den Summen und im Resultate 
eine vollständige Uebereinstimmung aufweisen. 
_ Ringfläche | fm’ — | pm-- | fei — 
1 0.3083 | 039 | ougt o 
2 0:5023 | 0687 0:2040 
8 0:6810 0882 0:5808 
4 0'8179 1'180 1:0436 
5 0'8818 1:378 1:6736 
6 0:8812 1'626 2-3300 
7 0'8317 1:875 2 9231 
8 0:7882 2123 3:3039 
9 0:5858 2-870 3.2901 ` 
10 0:3891 2-614 2:6584 
il | 01482 2-835 | 1:1509 
Summen: Xf=67555 | | Efe= 191550 
STe ye 191550 
= — = 1'684 m; F = 2 S f = 18'511 m. 
P Vg 6:7555 f 
"Sectorfläche | fm — | pm | f= 
I | 0 0105 04738 N Oo 
(I +I) (0:2195) 0779 ` (0.1381) 
I 0:2190 0791 0:1307 
JI 0'3598 0:995 0:3561 
II 05071 1'168 0:6921 
IV 0.6789 1312 1:2231 
V 0:8751 1517 20152 
VI 1:0960 1:693 81401 
vu | 18415 1'868 4.6816 
VIII | 1:6116 2-044 6:7319 
(YMI + YIH) | (1:6776) 2:030 (6 9137) 
\IT, 00660 1:660 OIRIS 
Summen: | 6 1358 | 19-1550 
N fo? 19 1550 
ge V E en y- = = 1'684 m; F = 2 È f = 13'511 m’. 
SE f 0 T050 


Wellner: Versuche mit grössefen Luftschrauben. 108 


Aufstellung der Schrauben und Methode der Messung. 


Auf einem kräftigen Balkengerüste aus Eichenholz, welches im freien 
Hufraume der Zborowitzer Zuckerfabrik aufgestellt und festgerammt worden 
war, befindet sich oben aufgeschraubt eine gusseiseine Lagerbiüchse für die 
yerticale, 3 m lange und 40 mm starke Spindelwelle W (Fig. 4), auf deren 


M f i 
S Ries) ` SS 
zn TIL TuoTT AT: HMR 1 9, Wu 
| ur AN Y : 


i 3 H H Dn 

Si vi d l ` | 

D f į N ' 
H 










ET ER Ne 


ERDE GBODO EE 


KTE EE E e ah C7, Zeg ei -é en g ` BE D . a (NG T Se 
e SS BI eh Aë a g Ae CN nr. ER, an A CC "a "Zi ` ~- wei 


Fig. 4. 1/3% natürl. Grösse. 


oberstem Ende jedesmal, wenn die Versuche vorgenommen werden sollten, 
das durch einen heiss aufgezogenen Ring verdickte Mannesmannrohr der 
Luftschraube aufgepasst und durch einen quer hindurchgehenden Stahlkeil 
festgemacht wurde. | 

Weiter unten, an einem der Absteifung dienenden Querbalken des 
Gerüstes ist ein zweites Halslager zur Führung der Welle angebracht, und 
die unterste, mässig pombirte Spur derselben rulıt auf einer glatt gehobelten 
Platte und diese wieder auf der Plattform einer gewöhnlichen Decimalwaage D. 
Lose drehbar um die Hülse der oberen Lagerbüchse ist eine Antriebs- 
Riemenscheibe S von 920 mm Durchmesser und 150 mm Breite, in deren 
Armen symmetrisch diametral zwei verticale Stallbolzen eingefügt sind, 


104 Wellner: Versuche mit grösseren Luftschrauben. 


welche einen an der Welle festgekeilten Mitnehmer M von beiden Seiten 
zugleich anfassen und die Rotation einzuleiten im Stande sind. In Folge 
dessen übt das wirksame Drehmoment während der Ingangsetzung und 
während des Betriebes keinen einseitigen Druck aus; die Zugspannung des 
geschränkten Riementriebes wird durch die am Gerüste festgeschraubte 
Büchsenhülse aufgefangen; die Achse ist vollständig frei davon und vermag 
ungehindert auf- und abzuspielen. Fine Stellschraube unter dem unteren 
Halslager sicherte gegen ein eventuelles Hochsteigen der Schraubenspindel W. 

Bei jeder Probe wurde vorerst die Schraube sammt Spindel und Mit- 
nehmer durch entsprechende Wagschalengewichte Q ausgewogen, was sich 
ohne Schwierigkeit bis auf 10 Deka genau machen liess: dann wurde der Motor 
in Bewegung gesetzt; die Drehung begann; es trat wegen des oben an den 
Flügelflächen wachgerufenen Luftwiderstandes eine Entlastung der Wage 
ein und die Gewichte P, welche nun auf die Plattform so lange zugelegt 
werden mussten, bis das Gleichgewicht wieder hergestellt war, dienten un- 
mittelbar zur Bestimmung der von der Schraube entwickelten Hebekratft. 
Dabei wurde jedesmal vor Aufschreibung der Ziffern so lange gewartet, bis 
sich eine stetige gleichförmige Umlaufsbewegung und demgemäss ein ruhiger 
Stand der Weagzeigerspitzen herausgebildet hatte und hierfür dann die 
Tourenzahl der Spindel auf einer Secundenuhr abgelesen. 

Die beschriebene Anordnung des Antriebes erwies sich während der 
Vornahme der Experimente als sehr einfach und zweckmässig und die Methode 
der Messung als ausnelimend sicher und zuverlässig. Nur bei Wind, ins- 
besondere bei stossweisem Auftreten dieses unruhigen Gastes, traten be- 
greiflicher Weise Störungen und Unregelmässigkeiten ein, welches ein ruhiges 
Experimentiren behinderten. Die Bestandtheile für den Antrieb, ebenso 
auch die eisernen Schraubenmittelstücke und das Zusammenfügen der Alu- 
miniumbleche hatte die Brünn-Königsfelder Maschinenfabrik von Lederer 
und Porges gefertigt; der gummirte Ballonstoff wurde von der öster- 
reichisch-amerikanischen Gummifabriks-Actien-Gesellschaft in 
Wien geliefert und die Aluminiumbleche stammten aus dem Messingwerke 
Achenrain in Tirol von C. Kulmiz. 


Motor und Antrieb. 


Als Motor für den Betrieb der Luftschrauben wurde ein Locomobil 
älterer Construction (von Clayton und Shuttleworth, Lincoln) benützt, welches 
bei einer maximalen Kesseldampfspannung von 4 Atm. Ueberdruck und bei 
150 Umläufen in der Minute eine Arbeitskraft von 6 HP besass. 

Vom Locomobilschwungrad, welches einen Durchmesser von 1520 mm 
hatte, wurde die Bewegung durch einen halbgeschränkten Riementrieb un- 
mittelbar auf die horizontal umlaufende Antriebscheibe der Schraube über- 
tragen; der Trieb lief bei richtiger gegenseitiger Aufstellung der. Scheiben 
wegen der grossen Riemenlänge vollkommen ruhig und sicher, ohne jemals 


Wellner: Versuche mit grösseren Luftschrauben. 105 


herunterzufallen. Das theoretische Uebersetzungs-Verhältnis zwischen 
Maschinenwelle und Schraubenachse war n:m = 1520 : 920 = 1.652. In 
Wirklichkeit betrug es nach vielfachen Proben n : m = 1.550. Diese Ziffer 
hatte jedoch nur eine nebensächliche Bedeutung, da bei den Versnchen 
jedesmal die Umdrehuneszahlen n der Schraubenachse selbst gezählt wurden, 

Das Lichtbild (Fig. 5) zeigt die allgemeine Disposition des Antriebes; 
die auf die Achse aufgebrachte Flügelschraube war die rechtsläufige mit 

Fig. 5. 





dem Ballonstoffüberzug und einem Flächenausmass von 13.5 m?, Die links. 
läufige Aluminiumblechschraube, deren Fläche auf 7.4 m? redueirt war, sieht 
man inmitten des Bildes auf der Erde. Die Reibungen des Riemenzuges 
absorbirten nach überschlägiger Rechnung rund 5.2°/ der übertragenen 
Kraftgrösse.. Das Locomolbil erwies sich während der Versuche, selbst für 
den raschesten Gang der Luftschraube, als übermässig stark, so dass auch 
bei absichtlich niedriggehaltenen Kesselspannungen der Regulatorschieber 
stark gedrosselt werden musste. 


Versuche und Beobachtungen. 


In der Zeit vom 1. Juli bis 15. October 1895 wurde mit den zwei be- 
schriebenen Luftschrauben eine lange Reihe von sorgfältigen Versuchen 


106 Wellner: Versuche mit grösseren Luftschrauben. 


vorgenommen. Die dabei benützte Flächengrösse wechselte von dem an- 
fänglichen Ausmass F = 13.511 m? bis herab auf F = 5.194 mi, indem nach- 
einander die unruhig auf- und abschnalzenden Flügelspitzen, später die Sector- 
flächen VIII, nachher die Flächen I bis V abgenommen wurden, worauf 
die Flächen VIII wieder hinzugefügt wurden. Abwechselnd wurde mit der 
Ballonstoffschraube und mit der Aluminiumblechschraube experimentirt, so 
dass ein guter Vergleich des Verhaltens beider Deckmaterialien möglich 
war. Die Wind- und Witterungsverhältnisse wechselten häufig. Es gab 
Tage vollkommener Windstille und solche mit stürmischen Luftströmungen. 
Die Umlaufszahl der Luftschrauben wurde von 60 in der Minute allmählich 
bis auf 160 gesteigert und obwohl die Kesseldampfspannung im letzterem 
Falle erst auf 2.7 Atm. wies und das Dampfeinlassventil des Locomobiles 
noch stark gedrosselt war, konnte die Umlaufsgeschwindigkeit, welche an 
den Flügelspitzen schon 50 m in der Secunde betrug, aus Sicherheitsgründen 
nicht weiter erhöht werden. Schon bei 140 und 150 Touren machte sich 
ein unruhiges Poltern in den Blechen und ein gefährliches Knarren des 
Holzgefüges am Mittelstück der Schraube bemerkbar, welches theilweise 
auch durch eine ungleichmässige Gewichtsvertheilung verursacht war und 
musste häufig in den Verbindungen nachgeholfen und nachgebessert werden. 


Die Geschwindigkeit bei 160 Touren im Radius r = 3 m beträgt 
en 
N 


— 
. — 


= 50.26 m in der Secunde und 1 kg, an dieser Stelle um- 


S 1 v? 
laufend, äussert schon eine Centritugalkraft von ae 85.85 kg. Der 


durch die Umdrehung der Schrauben erzeugte künstliche Verticalwind und 
die Luftbewegung im Luftraume oberhalb der Schrauben war schön zu 
beobachten, als bei mässigem Südwestwind der vom Kamine des Locomo- 
biles emporsteigende Qualm über der Schraube dahinzog. Der Rauch wurde 
durch die umlaufenden Flügel von allen Seiten, insbesondere von obenher, 
kräftig angesaugt und fast senkrecht nach unten gezogen; das Holzgerüste 
und die Decimalwaage wurden in Rauch gehüllt; ein starker Luftstrom 
machte sich fühlbar, welcher schliesslich zur Erde gelangend, das Gras und 
Strauchwerk rings im Kreise nach aussenbin beugend, radial auseinander- 
floss. Die aufgewendete Arbeitsleistung der Mashhine betrug für 110 und 
160 Umläufe der Schraube, bei 48 und 60 kg Hebekraft 1.9 bis 2.5 HP. 


In den umstehenden zwei Diagrammen sind die wichtigsten Ver- 
suchsergebnisse anschaulich zusammengetragen. 


Die Abscissen gelten für die minutlichen Umlaufzahlen n der Schrauben- 
achse, die Ordinaten für die erzeugten Hebekräfte P in Kilogramm. Die 
Zeichen O entsprechen den Versuchen mit der ganzen Schraubenfläche, an 
welcher nur die Flügelspitzen abgestutzt sind, die Zeichen • jenen mit der 
um die Sectorflächen I bis V verkleinerten Fläche. Aus der Situation und 


Wellner: Versuche mit grösseren Luftschrauben. 107 


Vertheilung dieser Zeichen, sowie aus 
den vergleichenden Linienzügen A und B 
des Bildes ist deutlich zu sehen, dass 
die Flächenreduction den Hebe-Eiffect 
nieht ungünstig beeinflusste. In Be- 
treff des Gesetzes, nach welchem die 
Hebekraft P mit der Tourenzahl n 
wächst, zeigt der Linienzug Æ einen 
parabolischen Verlauf, beziehungsweise 

























55 


50 


45 


40 


Aë 


Diagramm A, mit der vollen Alumi, 
mumblechfläche bei abgestutzten 
Flugelspitzen (Sectoren 1-VI) 
F-12567m?, 0-1623m, nach den 
Versuchen am 21. u 28. September 
18925 (Zeichen O) 

und 
Diagramm B, mit der verkle:nertan 
Aluminiumblechfläche bei abge. 
stutsten: Flugelspitzen (Sectoren 
H. HI F- 72386 m? p-1812 m, 
nach den Versuchen am 28.Sep, 
tember und am IS. u. 16. October 
1835 (Zeichen el 


A0 


25 





20 


15 


70 Rilo 
160 Teuron 





130 140 0 


eine quadratische Beziehung zwischen P und n, wie es die angeschlossene 
kleine Tabelle zusammengehöriger Grössen darthut. 


WE DEE EEE 











F = 12.567 426 
p= 1.623 Se Se 432 
2xp = 10.197 112 30 418 
130 39 431 

150 b2 433 

160 62 | 418 

a = 6° 16‘ Mittelwerth für die Linie A 425 


Der beigefügte Winkel a bedeutet die Neigung der Schraubenfläche F 
im Druckmittelpunkte, d. i. für den Trägheitsradius p. Der Scheitel der 


108 Wellner: Versuche mit grösseren Luftschrauben. 


Parabel befindet sich in der Abseissenachse bei n = =. Der wichtige 
Factor der allgemeinen Luftwiderstandsformel: P = Fv? 7 a, woriny Zä ` 
ist, beträgt für die Schraubenfläche : 


Pg P Q 3600 
Be ee SCH = —; ` GE EN ees => 0.0518 
ma nè y Fp RE 





während dieser Coëfficient für eine gleich grosse, unter dem Neigungs- 
winkel o geradlinig vorwärtsbewegte Drachenfläche durch den goniometri- 
schen Ausdruck sin a cos a = 0.1083 gegeben ist. 


‚Aus der zweiten Tabelle, welche die Ziffern für einige Diagramm- 
punkte des Linienzuges B enthält, wird ersichtlich, dass das Ansteigen 
dieser Curve gegenüber dem einfachen quadratischen Gesetze um etwas 
Weniges zurückbleibt, indem die Grössen a? : P mit steigendem n höhere 
Wertle annehmen; doch dürfte die Divergenz voraussichtlich nur in dem 
Umstande ihren Grund haben, dass die Vorderkante der verkleinerten Ver- 
suchsfläche nicht ordnungmässig zugeschärft war, und hierdurh schädliche, 
den Effect beeinträchtigende Störungen und Luftwirbelbildungen verursacht 
hatte. 


B | n | P | n? : P= 
SE EE 
F= 7.386 94 25 853 
p= 1812 166 30 375 

zen — 11885 110 32 378 
| 126 39 407 

128 40 409 

140 47 417 








—— 
— — 


a = 50 36’ Ki Werth für die Linie B 850 


Die Gleichungsconstante ergiebt sich hier, mit dem kleinsten Werth 
n? : P = 350 gerechnet: 


EL UM 
n? y F(27ọ)" 
während der analoge Coëfficient für eine Schrägfläche beträgt: sin o cos a 
== (0910. 


Im ersten Falle erscheint somit der Factor a mehr als zweimal, im 
zweiten Falle nur unbedeutend kleiner als sina cosa. Man sieht aus den 
Ergebnissen der Versuche, dass die erzielte Auftriebskraft P nicht von der 
absoluten Flächengrösse F abhängig ist, sondern vielmehr mit der Kreisfläche 
vom Trägheitsradius p, beziehungsweise mit dessen Quadrat p? in innigem 
Zusammenhange zu stehen scheint. Thatsächlich besitzen die Grössen: 


d = == 0.0829, 


Wellner: Versuche mit grösseren Luftschrauben. 109 


d e ` für die zwei Diagrammlinien A und B die nicht weit auseinander- 
stehenden Werthe 11:3°5 und 1150°8. | 

Hinsichtlich des für die Erzeugung einer bestimmten Hebekraft P er- 
forderlichen Arbeitsaufwandes liefert die theoretische Berechnung, wenn man 
von der Luftreibung und von dem Stirnwiderstande absieht, bei der vor- 
liegenden Schraubenfläche zufällig ein sehr einfaches Resultat. 


Bezeichnen wir mit fi fz fs --. die einzelnen Flächenelemente, mit 
p1 pa ps... die zugehörigen Radien in Metern, mit o az as... die Neigungs- 
winkel, mit vı v2 v3... die Umlaufsgeschwindigkeiten in Metern pro Secunde, 
mit pı pe pa... die an den Flächen in Folge der Luftverdichtung erzielten 
Verticaldrucke in Kilogramm, so lautet der Ausdruck für den Bedarf an 
motorischer Leistung in Secundenmeterkilogramm: 


= p vı tang u -+ p v2 tang oe E. sm DD tanga. 
Nun ist aber, wegen der allen Flächentheilen gemeinschaftlichen minutlichen 
60 2rpN 
Tourenzahl n, vı = 2 z pı Tee Ge ...., ferner wegen der an allen 
Stellen der Schraube constanten Steigungshöhe: s= 2 z pı tang o = Or p2 
tang ga... = 1'120 m und es folgt: 


A =p Sep zu tang a + pe 27 pe A g tang a-t.... 


n N Pn 
z= A : cp =n — = ER 
p. p D - tang a et sip=112 et 
oder in Pferdestärken: 
112 Pn Li L e e 
N = 60x73 Pn = wmo welche Ziffer auch thatsächlich mit dem wirk- 


lichen Arbeitserforderniss sich in guter Uebereinstimmung befindet. 


Im Verlauf der langdauernden Experimente konnte man vor Allem 
erkennen, wie schwierig genaue Beobachtungen sich gestalten, und wie viel 
Zeit und Mühe und Geldaufwand es kostet, um überhaupt brauchbare 
Resultate zu gewinnen. Die Aluminiumfläche war der Ballonstoff-Fläche 
entschieden überlegen. Die anfängliche Breite und peripheriale Ausdehnung 
der spiralförmig umgrenzten Flügelflächen brachte keinen Vortheil, indem 
die verkleinerten schmaleren Flügel, mit welchen zuletzt experimentirt wurde. 
trotz des geringeren Flächenausmasses für die gleichen Umlaufzahlen einen 
kräftigeren Auftrieb erzeugten. Es zeigte sich ferner, dass die Construction 
der Flügel gegenüber den radial wirkenden Fliehkräften, welche wegen der 
grossen Umlaufsgeschwindigkeiten ganz erhebliche Grössen erreichen, be- 
sonders fest sein muss. Die Hebewirkung verlangt ebenfalls eine genügende 
Tragkraft der Armstangen und hinsichtlich des ungleichförmigen Einflusses 
der zeitweilig herrschenden Luftströmungen spielt die Steifigkeit und Wider- 
standsfähigkeit des Flächengefüges und der Schraubenachse gegen Biegung 


110 Weliner: Versuche mit grösseren Luftschrauben. 


und Torsion eine höchst wichtige Rolle. Deutlich war bei den Versuchen 
zu beobachten, dass jede Unebenheit und Unregelmässigkeit der Oberfläche 
Schaden brachte, weil sie die Luftreibung vergrösserte und nachtheilige 
Wirbelbildungen verursachte. Bevor jedoch die Ergebnisse der vorgenommenen 
Experimente für die Kenntniss einer zweckmässigen Bauart von Luft- 
schrauben in kurzen Sätzen übersichtlich zusammengefasst sein sollen, mögen 
noch vorher die Beobachtungen über das Verhalten von grösseren Flächen 
im Winde besprochen werden. (Schluss folgt). 


Zur Aufklärung einiger besonderen Erscheinungen des Winddruckes, 
nach angestellten Versuchen. 
Von Friedrich Ritter. 
(Schluss.) 


II. 


Wenden wir uns zum Schlusse noch einer weiteren Gruppe von Erscheinungen 
des Winddruckes, nämlich der Lage des Druckmittelpunktes auf einer vom Winde 
getroffenen ebenen Fläche und dem Winddrucke auf schief getroffene flach hohle 
Flächen zu, so liegt: 

Nach Lilienthal!) beischwach geneigten ebenen Flächen derDruckmittelpunkt 
nur wenig in der Richtung nach vorn von der Mitte der Fläche entfernt. 

Für Winkel mittlerer Grösse hat Samuelson?) durch Messungen am Papier- 
Drachen diese Entfernung in Theilen der halben Flächenbreite zu e = !/, gefunden. 
Hiermit stimmen die von Kummer?) in fliessendem Wasser an schmalen Platten ge- 
machten Versuche, welche dieselbe Entfernung zu e = ep 0.25 bis 0.380 bei mittleren 
Winkeln ergaben, ungefähr überein. 

Befragen wir die auf der Lehre vom Lufthügel aufgebaute Rechnung, so 
ergiebt dieselbe für eine vom Wind nach der Quere schief getroffene Fläche als 
diese in Theilen der halben Flächenbreite ausgedrürkte Entfernung 


& © 
8 gınd 2 
CO8 2 sn J 





e == - 
Y am H 
CO y tan E 


welche sich für verschiedene Winkel, wie folgt berechnet: 


für = 0°. . . e= 1.00 
für ọ = 15°. . ez OB) 
für e = 80r . . e=0.12 
füre=4". . ez 0.56 
für = 60. . . e=:0.38 


Diese Werthe stimmen mit den erwähnten Beobachtungen nicht überein; sie 
sind zu gross. 
Wo liegt die Ursache dieser Nichtübcreinstimmung? 


1) Vereinszeitschrift Nov. 1895. 
2) Vereinszeitschrift Dez. 1895. 
3) nach Gerlach im Civiliugenieur 1885. 


Ritter: Aufklärung einiger besond. Erscheinungen des Winddrucks etc. 111 


Ich lasse eine runde Scheibe Papier im Zimmer fallen, welche, 
um das seitliche Ausweichen während des Falles zu verhindern, mit 
einem papierenen Aufsatze versehen und ausserdem durch ein an Fäden 
darüber gehängtes kleines Gewicht beschwert ist. 


Nach dem Werthe sie, sin $- bei > = 90° zu schliessen, sollte 





sich ein Winddruck von n -: z = 0.707 ergeben; es ergibt sich aber ^ D 

n — 0.78 bis 0.78, also mehr. a 
Ich lasse einen Kegel aus Briefpapier von % = 80° Neigungs- N 

winkel fallen; die für denselben summirten Werthe von sin? 9. sin ? 


würden einen Winddruck n — 0.18 erwarten lassen; ich finde aber 0.81, also 
wiederum mehr. 

Bei Kreiscylinder-, Kugel: und Spitzkugelflächen haben Rechnung und Beob- 
achtung übereingestimmt; ein Unterschied zwischen diesen und den vorerwähnten 
Flächen besteht, soviel man erkennen kann, nur darin, dass bei Cylinder-, Kugel- 
und Spitzkugelflächen der Lufthut an den Rand der Fläche tangirend anschliesst, 
während bei der flachen Scheibe nnd dem geradlinigen Kegel Lufthut und Fläche 


am Rande der letzteren unter einem Winkel Ł, welcher grösser als Null ist, 


zusammentreffen. 

Ein dem erwähnten Kegel ähnlichen Kegel von « = 80°, jedoch aus Paus papier 
gefertigt, ergiebt N = 0.32, also von dem am Briefpapierkegel gemessenen Werthe 
wenig verschieden. 

Lässt man jedoch einen gleichen Kegel aus Cr&pepapier d i. einem künstlich 
rauh gemachten Papier fallen, so führen die wiederholt und sorgfältig angestellten 
Messungen zu einem höheren Werthe, nämlich einem Winddrucke von 

N=0.43. 
Währenddem somit gegenüber dem rechnungsmässigen Winddrucke von 
N, = 0.13 ein Mehr an Winddruck N — M = N, beobachtet wurde: 
bei Briefpapier von 0'81 — 0:18 = 0'18 
„ Pauspapier „ 032 — 018 = 0:19 
ergab sich für dieses Mehr: 
bei Cr&pepapier .... 0:43 — 0:13 = 0:30 
d. i. = = ungefähr 11/3 mal so viel. 

Wodurch unterscheidet sich Cr&öpepapier von Brief- und Pauspapier? Soweit 
der Winddruck davon beeinflusst werden kann, offenbar nur durch seine grössere 
Rauhbheit. 

Rauhe Papiere rufen, wie sich zeigt, hohe Werthe, glatte Papiere niedrige 
Werthe des Mehrwinddruckes n, hervor. 

Für einen so leicht beweglichen Stoff, wie die Luft, sind uns glatt scheinende 
Papiere wie Brief- und Pauspapier noch immer rauh, und der Mehrwinddruck 
n — no = n, würde vermuthlich erst dann verschwinden, der Winddruck auf den 
Kegel von © = 80° erst dann den berechneten niedrigen Werth von ga = 0.18 
erreichen, wenn es gelänge, die Oberfläche des Kegels absolut glatt herzustellen, 


h 0-185 


Für Zen ist der neue Winddruck n,, welchen man vielleicht zum Unter- 


schiede vou dem früheren, aus dem elastischen Stosse des Windes sich herleitenden 


112 Ritter: Aufklärung einiger besond. Erscheinungen des Winddrucks etc. 


Drucke, dem „Stosswinddrucke“, den „Rauhheitswinddruck“ nennen könnte, 
nach den Versuchsergebnissen an Kreiscylinder-, Kugel- etc. Flächen ebenfalls Null- 
LU 
Für tan — 45° berechnet er sich nach den angeführten Versuchszahlen 
zu (0:78 bis 078) — 0:71 = 0'07 bis 0:02, also im Vergleich zu den am Kegel von 
o — 800 gemessenen Zahlen gering. 


Der Rauhbeitswindäruck ist sonach bei Kegeln von mittleren Neigungswinkel 
» am grössten. 


Die Messungen an Kegeln von anderem Neigungswinkel als x = 39° haben 
ergeben: 
Rauhheitswinddruck n, 
Eer, 
Winkel ọ Briefpapier Cr&pepapier 


22°30” 0:13 0:26 
30° 0:18 080 
45° 0:24 0'81 
60° 0:22 0:28 
90° 0'07 0:06 


Die Änderung von n erfolgt somit bei verschieden rauhem Papier nicht in 
gleicher Weise. Währenddem bei Winden e bis zu 45° das Cröpepapier mit dem 
Werthe n, obenansteht, sind die Werthe von Briefpapier und Cr&pepapier bei 
e == 60° ungefähr gleich, und bei o = 90° liegt der Werth n, des Cröpepapiers unter 
demjenigen des Briefpapiers. 


Werden die Werthe n, über den als Abscissen 
E Fig. 1t vorgetragenen Werthen von e als Ordinaten aufgetragen, 
so liegen hiernach die Curven ADE, AD'E u.s.w. der 
Rauhheitswinddrucke theils über, theils unter einander; 
es ist eine andere Curve AD“E“ denkbar, welche sie 
nach oben umhüllt und für jeden Winkel e den grösst- 
möglichen, bei einer gewissen Rauhheit der Fläche 
stattfindenden Rauhheitswinddruck darstellt. 


Der Rauhheitswinddruck kann somit durch eine Vermehrung der Rauhheit 


der Fläche nicht beliebig, sondern nur bis zu einer gewissen Grenze gesteigert 
werden. 





Ich habe versucht, aus den zahlreich vorgenommenen Messungen eine empirische 
Formel für die Grösse des Rauhheitswinddruckes abzuleiten. 


2 
Für einen Windfaden vom Querschnitt eins ergab sich in Theilen von SC 


ein Rauhheitswinddruck von der Form 


EE 

9 Sn "o 

wobei K und a Coefficienten, welche den verschiedenen Rauhheiten der Papiere 
eigenthümlich sind, bezeichnen. 


K.cos® 


Für die sechs untersuchten Papiergattungen, nämlich, nach dem Grade ihrer 
Rauhheit, das glatteste voran, das rauheste zuletzt geordnet: 

Briefpapier, Conceptpapier, Pauspapier, Cr&pepapier, weisses Löschpapier und 
tuchartig rauhes Papier, haben sich nachstehende Werthe von K und a, sowie des 


Le 


Quotienten Sé ergeben: 


Ritter: Aufklärung einiger besond. Erscheinungen des Winddrucks etc. 118 


a K = 
. einzeln im Durch- einzeln im Durch- einzeln im Durch- 
Papiergattung schnitt schnitt schnitt 
Briefpapier 1:55 2:09 1:85 
Conceptpapier 181 1:39 1'82 1'82 1:36 1:30 
Pauspapier 1:28 1:54 1:20 
Crêpepapier 0'84 1:35 | 1:61 
Löschpapier 060 059 063 o 033 1:06 1°38 
Tuchartig rauhes Papier 0:34 0-51 J 1:49 


Ges. Durchschnitt: 0:99 

Nach diesen Zahlen nimmt der Werth a mit zunehmender Rauhheit des Papiers 
von 1.55 bis 0.34 ab, so dass man denselben den Rauhheits. oder besser den 
Glättecoöfficienten nennen könnte. 


Mit a zugleich nimmt auch K und zwar von 2.09 bis 0.51 ab. 


Le 


Der Quotient a ändert sich verhältnissmässig wenig. Im Durchschnitt be- 


trägt derselbe 1:30 bei den glatten, 1'38 bei den rauhen Papieren, und wenn man 


eich die Werthe 2 bis zur ideellen Grenze a=0 fortgesetzt denkt, so würde sich 


ungefähr a =- 142 ergeben. 
0 


Im Gesammtdurchschnitt für die sechs Papiere berechnet sich der Rauhheits- 
co&fficient a zu 099 oder rund 1, welchem Werthe ein durchschnittlicher Werth 


von LC) = K, == 1'36 entspricht. 
L 


Der Rauhheitswinddruck ist nach den die Beobachtungen begleitenden Er- 
scheinungen ebenso wie der Stosswinddruck senkrecht zur betreffenden Flächen- 
stelle gerichtet. Versucht man es, aus der vermittelten Grösse dieses Rauhheits- 
winddruckes nunmehr die Lage des Druckmittelpunktes auf einer nach der Quere 
schief vom Wind getroffenen Fläche für Stossdruck und Rauhheitsdruck zusammen 
bei einer mittleren Rauhheit der Fläche von a = i zu berechnen, so ergiebt sich 
im Vergleich zu früher folgende andere theoretische Entfernung (e) dieses Druck- 
mittelpunktes von der Mitte der Fläche in Theilen der halben Flächenbreite: 


9 (e) 
00 0:00 
7°30 016 
15° 0:26 
80° 0:08 Durchschnitt 0:31 
450 0 34 
60° 0:28 
75° 0'15 
90° 000 


Wie sich zeigt, ist diese neue berechnete Entfernung (e) in der That bei 
kleinen Winkeln v, wie dis Beobachtung Lilienthal’s verlangt, gering. 

Bei mittleren Winkeln von  — 15 bis 600 beträgt die Entfernung 0.25 
bis 0.85, im Durchschnitt 0.31, also fast genau soviel, wie Samuelson und Kummer 
beobachtet bez. gemessen haben. 

Mit Hülfe des Rauhheitswinddruckes ist es also gelungen, die Lage 
dieses Druckmitteolpunktes übereinstimmend mit der Erfahrung zu berechnen. 

Es erübrigt nun zu zeigen, wie mit Hülfe des Rauhheitswinddruckes auch 


114 Ritter: Aufklärung einiger besond. Erscheinungen des Winddrucks etc. 


die besonderen Erscheinungen des Winddruckes auf schief getroffene flach hohle 
Flächen erklärt werden können. 

Nach Lilienthal und Wellner!) ist der Winddruck auf solche hohle Flächen 
grösser als auf ebene Flächen. Lilienthal und Wellner haben ausserdem die 
mittlere Richtung dieses Winddruckes gegen die mittlere auf die Flächen gezogene 
Normale in der Richtung nach vorn d.i. gegen den Wind zu geneigt gefunden. 

Ist AB eine ebene, Abt: eine flach hohle solche Fläche, 

bp so zwar, dass letztere vorn in B' an die zur Windrichtung 
Fig 12. +74 parallele Gerade B'I’ tangirt, so bildet die lange Seite der 
BZ Vorderfläche des Lufthutes bei der ebenen Fläche eine gerade 


va: Linie AC, bei der hohlen Fläche eine hohl gekrümmte Linie Ar 
ER r: Die gerade Linie AC trifft am Rande A auf die Fläche 

v o a t HA ep 
SI d Ve i unter einem Winkel a 2E Ce wenn dagegen von den Punkten 


sin sap 
Kir a dr 


C, @'u.s.f. des hohlen Bogens A’ C gerade Linien oder Sehnen 
nach dem kande A‘ der hohlen Fläche gezogen werden, so treffen 
diese daselbst unter grösserem Winkel, nämlich 





, D Der 
von C aus unter 2. 2. 2 2. SC ER 
eu 9 
„ der Mitte (Gi aus unter . -+ SS 
ei e 
aus der Nähe von Ai aus unter ES s3 e 
auf die Fläche. 


Nachdem der Rauhheitswinddruck dem Werthe sina -—, d. i. bei kleinen 


+ 


Winkeln und a = ! ungefähr den Winkeln 5 selbst proportional ist, so ergieb 


sich durch die hohle Gestalt der Fläche der Rauhheitswinddruck 


” Go, ” 21/3 


bei C’ auf das 8 
' fache 
et, E e e 


seines Werthes erhöht. . 
Berechnet sich sonach beispielsweise für @== 1 und einen Winkel ý - 10° 
der Winddruck auf die ebene Fläche: 
Stossdruck zu 0:02 
Rauhheitsdruck zu 0'05 
so ergiebt dieselbe Rechnung für die hohle Fläche: 
Stossdruck 0'91 ) TEE EN 
Rauhheitsdruck 0:12 
Die flach hohle Fläche empfängt somit gegenüber der ebenen Fläche das 


} n = 007, 


ou —1'8 oder rund 2fache des Winddruckes, wie dies die Versuche von Lilienthal 
in Wirklichkeit ungefähr ergeben haben. 

Der Winddruck auf die hohle Fläche nimmt hierbei, da gegen 
den Rauhheitswinddruck auf die lange Seite AO des Lufthutes die 
übrigen Drucke bei kleinen Winkeln zurücktreten, vom hinteren 
Rande A’ gegen den vorderen Rand D der Fläche zu: es wird daher 
der mittlere Angriffspunkt des Winddruckes von der Mitte der Fläche 
aus nach vorn verschoben und gleichzeitig die Richtung der 
Mittelkraft des Winddruckes gegen die Senkrechte zur Mitte der 
Fläche in der Richtung gegen den Wind vorwärts geneigt. 





I) Zeitschrift des üster. Ing. und Architekt. Vereins 1893. 


Ritter: Aufklärung einiger besond, Erscheinungen des Winddrucks etc. 115 


Auch diese letztere sich aus den Beobachtungen ergebende Erscheinung 
findet somit durch den Rauhheitswinddruck ihre Erklärung. | 

Indem somit nach einander die Form des Lufthutes, die bei zusammen- 
gesetzten Flächen auftretenden Nebenwinddrucke und schliesslich als eine neue 
Art Winddruck der Rauhheitswinddruck für die Untersuchung der angeführten be- 
sonderen Erscheinungen des Winddrucks herangezogen wurde, ist man, wie viel. 
leicht ausgesprochen werden darf, dazu gelangt, diese Erscheinungen der Berechnung 
zu unterziehen und damit mehr oder weniger zu erklären. 

Die Untersuchung dieser Erscheinungen ist damit wohl nicht abgeschlossen, 
es bleibt vielmehr, wie sich gezeigt hat, noch manches zu thun übrig. 





Kleinere Mittheilungen., 


Zu dem Aufsatze des Hrn. Dr. Jacob: „Wie bewegt sich die vom Flügel getroffene 
Luft?“ Herr Dr. E. Jacob in Kreuznach, welcher in dieser Zeitschrift mehrfach 
Artikel über den Vogelflug veröffentlicht "hat, bringt im Märzheft d. J. Seite 75 eine 
Abhandlung, in welcher hauptsächlich bewiesen werden soll, dass die Formel Fv? 
(unter Weglassung der constanten Factoren) nicht genüge, um die beim Fliegen 
auftretenden Erscheinungen zu erklären. Zur Aufklärung und Berichtigung der in 
dieser Abhandlung enthaltenen zahlreichen Irrthümer würde ein Aufsatz von zwei- 
bis dreifacher Länge des vorerwähnten kaum ausreichen. Es mag daher die am 
Schlusse der Abhandlung (Seite 81, Abs. 7 u. folg.) aufgestellte Behauptung heraus- 
gegriffen werden, welche ın Kürze wie folgt lautet: 


„Ein Drahtring von ca. 80 cm Durchmesser ist lose mit leichtem Stoff 
überspannt und mittelst 3 nach oben zusammenlaufenden Fäden, die am 
Ringe befestigt, vom Boden oder Tische aufzuheben.“ — Hebt man nun 
den Ring ruckweise nach oben an, so zeigt sich kein Ausbauchen des 
Stoffes nach unten, wie man erwartet, sondern nach oben, „wodurch 
der absolute Beweis geliefertist, dass während des 
Hebens kein Gegendruck der Luft von oben, sondern 
ein Druck von unten von der Luft ausgeübt wird — 
„Es wäre nur noch eine Controverse möglich über die Entstehung der 
Erscheinung. An der Erscheinung selbstistkein Zweifel 
und damit auch bewiesen, dass ........ 


Hieraus wird dann (S. 82) geschlossen: 
„dass das Widerstandsgesetz Fi hier (d.h. auf den Vogel- 
Aug) nichtangewandtwerdenkann, ist damiteinwand- 
frei bewiesen.“ 


Ich habe das einfache Experiment, welches Herr Dr. Jacob beschreibt, an- 
gestellt. Die 3 an dem 19 cm ım Durchmesser grossen, leicht bespannten Draht- 
kinge befestigten Fäden laufen in 28 cm Höhe über dem Teller zusammen; da in- 
dessen der menschliche Arm bei dem ruckweisen Anheben eine zu grosse Masse 
hat, so ist der Faden, in welchen die 3 Ringfäden zusammenlaufen, an einem 
leichten Stäbchen von 29 cm Länge befestigt, welches man, mit den Fingern hal- 
tend, emporschnellen kann. Thut man dieses, so findet man das Gegentheil von 
dem, was Herr Dr. Jacob als eine ausgemachte, unwiderlegbare Thatsache hinstellt, 
nämlich man fühlt mit der das Stäbchen emporschnellenden Hand deutlich, dass die 
Luft dem ‘feller erheblichen Widerstand entgegensetzt und man sieht, dass der den 
Bezug bildende leichte Stoff nach unten, d. h. so wie es dem gesunden Menschen- 
verstande entspricht und an tausend anderen Vorgängen beobachtet werden kann, 
(nicht, wie Herr Dr. Jacob behauptet, nach oben) sich ausbaucht. 

Die vorerwähnte, als zweilellos erwiesen hingestellte Behauptung des Herrn 
Dr. E. Jacov in Kreuznach ist ebenso irrthümlich, wie es seine übrigen den physi- 
kalischen und mechanischen Grundgesetzen widersprechenden Behauptungen sind. 


Schwerin i./M., April 1897, Arnold Samuelson. 


iie _ Vereinsnachrichten. 


Vereinsnachrichten. 
Oberrheinischer Verein für Luftschiffahrt. 


Versammlung am Donnerstag den 25. Februar 1897 im Vereinslokal Civil-Kasino. 

Eröffnung um 8!/ Uhr Abends. 

Vorsitzender: Major von Pannewitz. 

Tages- Ordnung: 

1. Vortrag des Prem.-Lieut. Baron. Thema: „Ueber Freifahren.“ Redner 
gliederte seine Ausführungen in drei Teile: 
a. Die Vorbereitungen zu einer Freifahrt. 
b. Die Principien, nach welchen sich die Thätigkeit der Reisenden 
unterwegs zu richten hat. 
c. Der Abstieg und die Landung. 

Im Allgemeinen wurden diejenigen Grundsätze näher ausgeführt, welche 
der Vortragende bei seinem Commando zur Luftschiffer-Abtheilung Berlin kennen 
gelernt bat, jedoch unter Berücksichtigung des Luftschiffer Materiales, welches in 
Strassburg vorhanden ist und bei den Uebungen verwendet wird, ferner unter Be- 
rücksichtigung der eigenthümlichen Wind- und Witterungsverhältnisse der ober- 
rheinischen Tiefebene. Bei allen vier Fahrten, welche zu Ende des vorigen und 
Anfang des jetzigen Jahres seitens des Kaiserlichen Gouvernements bezw. des 
meteorologischen Landes-Institutes veranstaltet wurden, zeigte die Curve anf Schlusse 
der Fahrt (&twa im letzten Drittel) die entschiedene Neigung nach rechts in das 
Gebirge abzubiegen, eine Erscheinung, welche mit dem allgemeinen Verlauf der atmo- 
sphärischen Strömungen zusammenhängt. So erfolgte die Landung im Mai 1896 im 
Schwarzwalde bei Alpirsbach, die am 8. August am Bastberg bei Buchsweiler im 
Elsass, die am 13. November unweit Tübingen, die am 18. Februar 1897 bei Waib- 
stadt 30 km. östlich von Heidelberg. Da für jetzt die Verwendung von Wasserstoff- 
gas der hohen Kosten wegen in Strassburg ausgeschlossen ist, ertolgt die Füllung 
des Ballons mit Leuchtgas. Aus diesem Grunde fahren hier stets nur 2 Personen. 
Das Gewicht des Materials, und der Luftschiffer wird vorher festgestellt, und dann 
die mitzunehmende Ballastmenge theoretisch berechnet. Die Berechnung erwies 
sich bei der letzten Fahrt als beinahe richtig. 

Auf diesen Vortrag folgte der vorläufige Bericht über die zweite internatio- 
nale meteorologische Simultanfahrt am 18. Februar 1897 durch den Herrn Direktor 
des meteorologischen Instituts Dr. Hergesell. Diese Berichterstattung konnte sich 
nur auf die Fahrt des bemannten Ballons erstrecken, da der Registrirbailon Strass- 
burg noch nicht aufgefunden war. 

Die Abfahrt erfolgte bei wenig Wind und kaltem nebeligem Wetter um 10 Chr V. 
M. E. Z. vom Steinthorplatze aus. Der Ballon durchstieg den Nebel und fuhr bei 
herrlichem Sonnenschein über den Wolken bis etwa Hagenau in E; von hier aus 
bei klarem sonnigen Wetter nach Norden bis Lauterburg, woselbst der Rhein über- 
flogen wurde. Die Fahrt ging weiter bis nach Karlsruhe, wo beinahe Windstille ein- 
trat. Schon hier zeigte der Ballon die entschiedene Neigung nach rechts in das 
Gebirge abzubiegen. Heidelberg links liegen lassend, erfolgte b Uhr 30 Min. Abends 
bei Waibstadt in Baden in einem lichten Walde die Landung. Der Ballon fuhr am 
Schlepptau dicht über die Kronen der Bäume dahin, weil wir die Absicht hatten 
im Thale, jenseits des Waldıs, zu landen. Es erfolgte nun der Zwischenfall, dass 
sich das Tau in den Zweigen der Bäume verfing und nun der Ballon gewisser- 
massen ein Fesselballon geworden war. Auch das Opfern des letzten Backen Ballast 
machte den Ballon nicht flott, so dass die Landung im Walde nothwendig wurde, 
Die höchste Höhe, welche das Luftschifl erreichte, war 280U Meier. Höher zu steigen 
lag nicht in unserer Absicht, da die Windverhältnisse zu ungünetig waren. Die 
nähere Berichterstattung der Fahrten beider Ballons wird durch Herrn Direktor 
Dr. Hergesell später erfolgen. 

Den Schluss der Versammlung bildeten geschäftliche Mittheilungen durch 
den 2. Schriftführer Herrn Hptm. Moedebeck. 

Die Namen der neuen Mitglieder, unter ihnen Sr. Excellenz der com. (seneral 
des XV. A. K. Herrn Frh. von Falkenstein, Dr. phil, F. Erk, Direktor der Kgl. 
Bayr. meteorologischen Centralstation in München u. a. m, wurden bekannt ge- 
geben, so das die Zahl der Vereinsmitglieder am 25. Februar 1897 Zul betrug. 

Die nächste Freifahrt erfolgt voraussichtlich im Mai. 


-PK 


 Jeitschrift für Iufischifahrt und Physik der Atmosphäre. 1897. Heft 5/6. 17 


Andree’s Polarfahrt. 


Mit athemloser Spannung blickt die ganze Culturwelt gegen Norden, 
wo drei Männer in lächelnder Ruhe ihr Leben an ein Wagniss von kaum 
gekannter Kühnheit gesetzt haben. Auf aller Lippen schwebt die quälende 
Frage: Wo mag jetzt Andrée mit seinen Gefährten weilen? .... 

Für einen Luftschiffer giebt es in diesen Tagen kaum einen anderen 
Gedanken.... Freilich wird der praktisch geschulte A&ronaut, der sich die 
zahllosen Gefahren, die fast unbesierbaren Schwierigkeiten dieser einzig 
dastehenden Ballonfahrt klarer vergegenwärtigen kann, wohl mit noch ge- 
ringerer Hoffnung den kommenden Nachrichten (oder deren Ausbleiben...) 
entgegensehen. Aber er wird sich mit jedem Menschen von Herz und 
Charakter in dem brennenden Wunsche begegnen: Möchten doch alle unsere 
Rechnungen in Nichts zerfallen! möchten doch lieber unsere Erfahrungen 
über die physikalischen Bedingungen der Aeronautik, ja die Gesetze der 
Physik und Wahrscheinlichkeitsrechnung selber zu Schanden werden, Andree 
aber Recht behalten! Solch’ ein Triumph des kühnsten Wagemuthes, der 
unverzagtesten Thatkraft über das starre Element wäre ein Triumph der 
gesammten Menschheit.... 

Berlin, 20. Juli 1897. Berson. 


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Die gleichzeitigen wissenschaftlichen Ballonfahrten vom 
14. November 1896. 


Von Richard Assmann. 
(Fortsetzung.) 

Wir kommen nunmehr zum zweiten Theile der internationalen Simul- 
tanfahrten des 14. November 1896. welcher die in Berlin, St. Petersburg, 
Warschau und München ausgeführten Freifahrten bemannter Ballons 
umfasst. 

a) Beobachtungen im Ballon „Bussard“. 

Das in Fig. 13 reproducirte Barogramm des in Berlin aufgestiegenen, 

mit voller wissenschaftlicher Ausrüstung versehenen und von dem erfahrensten 


Fig. 13. 
In 10a He 12a ip 2p 





Berlin 14. XI. 1896. Ballon „Bussard“. Barogramm. 


il8 Assmann: Gleichzeitige wissenschaft. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 


wissenschaftlichen Luftschiffer, Herrn Berson, bedienten Ballons „Bussard“ 
zeigt, dass der Aufstieg bis zur Höhe von 1500 m mit der durchschnittlichen 
Geschwindigkeit von 2,3 m p. sec. erfolgte, dass aber dann nahezu dieselbe 
Höhe fast bis zum Sonnenaufgauge, d. h. während 4!/2 Stunden beibehalten 
wurde. Nun begann der Ballon, unterstützt durch die Sonnenstrahlung, 
welche das Gas erwärmte, schneller zu steigen und erreichte seine grösste 
Höhe von 5805 m um 11 Uhr 48 Minuten. Der Abstieg erfolgte in 
mehreren Absätzen bis zur Höhe von 2200 m ziemlich rasch, von da ab bis 
zur Landung sehr langsam, was vornehmlich durch das sumpfige, und des- 
halb für eine Landung höchst ungünstige Gelände bedingt wurde. Frischer, 
stark böiger Südostwind veranlasste eine flotte Schleiffahrt von 6—800 m 
Länge. Die Einzelheiten der Fahrt sind aus der Tabelle auf S. 46 und 47 
zu ersehen. Durch einen unglücklichen Zufall brach in der grössten Höhe 
der Schlüssel zum Aufziehen des Laufwerkes am Aspirations-Psychrometer, 
sodass während des ganzen Abstieges keine Beobachtungen ausgeführt 
werden konnten. 


An dem mitgeführten Quecksilberbarometer, einem Gefässbarometer 
mit reducirter Scala, wurden so oft als thunlich Ablesungen ausgeführt, 
sobald der Ballon keine oder nur ganz geringe Höhenänderungen ausführte, 
was an dem Barogramm erkannt werden konnte. Alle am Aneroidbaro- 
meter (Bohne N. 1753) erfolgten Beobachtungen wurden auf das Queck- 
silberbarometer reducirt. Die in der Tabelle auf S. 46 unter „Psychro- 
meter“ angegebenen Beobachtungen weisen solche von zwei „feuchten“ und 
einem „trockenen“ Thermometer auf. Wie schon früher in dieser Zeit- 
schrift auseinandergesetzt, erfordert die fortlaufende Beobachtung des Psy- 
chrometers zwei alternirend befeuchtete „feuchte“ Thermometer, da in Folge 
der erneuten Wasserbenetznng stets eine längere, in ihrer Dauer kaum sicher 
zu begrenzende Unterbrechung der Beobachtungen eintritt. Unser „Ballon- 
Aspirations- Psychrometer“ besitzt deshalb principiell zwei „feuchte“ Ther- 
mometer. 


Die an erster Stelle wichtigen Beobachtungen der Lufttemperatur, 
welche wir auf Grund zahlreicher Untersuchungen als streng correcte an- 
sehen dürfen, werden durch folgende Darstellung am übersichtlichsten wieder- 
gegeben. Mit aufsteigendem Ballon nahm die Temperatur von — 4° bis zur 
Höhe von 1600 m langsam, dann in derselben Schicht schnell zu und über- 
schritt den Gefrierpunkt in 1700 m Höhe. Hierbei darf nicht unerwähnt 
bleiben, dass wegen mannichfacher, bei einer Nachtfahrt besonders schwie- 
rigen Montirungsarbeiten bis zur Höhe von 1500 m keine Beobachtungen 
ausgeführt werden konnten. Ueber dieser bis zur Höhe von fast 3000 m 
reichenden Region der Temperatur-Umkehrung trat nun eine zuerst lang- 
same, allmählich stärker werdende Temperatur-Abnahme ein, welche in der 
Höhe von 5560 m zu dem niedrigsten beobachteten Wertlie von -—24,4° führte, 


Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 119 


Fig. 14. Die punktirte Curve des Abstiegs in Fig. 14 
Bussard — Berlin. hat, da keine Abstieg-Beobachtungen an- 
gestellt wurden, keinerlei Bedeutung. 

In den Rubriken: „Dampfspannung, 
Relative Feuchtigkeit und Haarhygrometer“ 
ist Folgendes bemerkenswerth. Von 80°/, 
relativer Feuchtigkeit und 2,69 mm Dampf- 
spannung sinken die entsprechenden Werthe 
bis zur Höhe von 1500 m ausserordentlich 
schnell, sodass die erstere nur noch 1°/,, 
die letztere 0,03 mm beträgt. Wenn man 
auch die Möglichkeit zugeben muss, dass 
| die von Sprung empirisch ermittelte Formel 
ATT für das Aspir Nenn 


AON ee 





-30 -20 -10° o +10° 


für sehr niedrige Temperaturen und grössere Höhen nicht streng gelten 
könnte, so ist doch unter allen Umständen eine ganz ausserordentliche 
Trockenheit dieser Luftschichten als sicher nachgewiesen anzusehen. Es ist 
zudem bemerkenswerth, dass eine Berücksichtigung des von Nils Ekholm nach- 
gewiesenen abweichenden Verhaltens des „Eisdampfes“ eine Vergrösserung 
der psychrometrischen Differenz und demnach eine noch weitere Ver- 
ringerung der Feuchtigkeitsbestimmungen hervorrufen würde. Bei der 
Bewerthung dieser für die Erdoberfläche gänzlich unerhörten Trockenheit, 
welche überhaupt zuerst in unserer Ballonfahrt vom 13. März 1891 beob- 
achtet worden ist, muss man sich daran erinnern, dass dieselbe während 
der Nachtzeit und in einem der feuchtesten Monate, dem November, 
ermittelt wurde. Die ausserordentlich geringe relative Feuchtigkeit, welche 
sogar mehrmals bis auf 0°/, herabsank, wurde nun bis zur Höhe von 1700 m, 
d. h. genau bis zur Grenze der Temperaturzunahme mit der Höhe beobach- 
tet. Sobald diese Grenze überschritten war, sprang dieselbe auf 40°), und 
mehr, wo sie mit geringen Schwankungen bis zur Maximalliöhe verblieb. 
Die Werthe des Haarhygrometers stimmen mit denen des Psychrometers 
nicht überall überein: dieses Instrument, welches am Aspirationspsychrometer 
angebracht ist, hat überhaupt nur den Zweck, im Falle von ausserordent- 
lichen Störungen des Psychrometers als grober Aushülfe- Apparat zu 
dienen. Man ersieht aus den mitunter sehr beträchtlichen Differenzen gegen 
das letztere, wie wenig verlässlich seine Werthe im allgemeinen sind. 


In der Spalte „Schwarzkugeltliermometer“, „Stand“, „Aktinometrische 
Differenz“ und „Sonne“ sind die Verhältnisse der \Värmestrahlung wieder- 
gegeben. So lange sich die Sonne unter dem Horizont befindet, liegt die 
vom Schwarzkugelthermometer angegebene Temperatur 2 bis 3° unter 


120 Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 


der Lufttemperatur, die „aktinometrische Differenz“, d. h. die Differenz 
zwischen den Schwarzkugelthermometer und der Lufttemperatur, ist dem- 
nach negativ. Dass die Wärme-Ausstrahlung, welche hierdurch ihren Aus- 
druck findet, bei der gleichzeitig herschenden ausserordentlichen Trocken- 
heit und Reinheit der Luft nur in so geringfügigem Betrage zur Wahr- 
nehmung kommt, liegt, was nicht ausser Acht gelassen werden darf, vor- 
nelımlich darin, dass die Glasumhüllung des Schwarzkugelthermometers für 
die „dunkle“ Wärmestrahlung, wie bekannt, selır viel weniger durchgängig 
ist, wie für „leuchtende Strahlung“. Sobald die Sonne aufgeht, wird die 
aktinometrische Differenz schnell positiv und erreicht in der grössten Ballon- 
höhe den Werth von 33. 9°. Dieser Betrag ist keineswegs als ein grosser 
anzusehen, da man nicht selten in erheblich geringeren Höhen schon akti- 
nometrische Differenzen von 50—60° beobachtet hat. Man darf eben nicht 
ausser Acht lassen, dass das Schwarzkugelthermometer nicht als ein „selb- 
ständiges Instrument“ betrachtet werden darf, dessen Angaben Vergleichungen 
mit anderen gleichartigen Instrumenten vertragen. Es ist vielmehr bekannt, 
dass diese Instrnmente beträchtliche Verschiedenheiten in der Wärme-Durch- 
lässigkeit der umschliessenden Glashülle, veranlasst durch ungleiche Dicke 
und Reinheit des Glases, ferner in dem Grade der Luftverdünnung im 
Vacuum, sowie der Beschaffenheit des Russüberzuges des Thermometerge- 
fässes aufweisen, welche ihre Vergleichbarkeit in hohem Masse beeinflussen. 
Obwohl wir aus diesem Grunde bei unseren Ballonfahrten stets nur zwei 
wiederholt mit einander verglichene Schwarzkugelthermometer in Verwen- 
dung genommen haben, so lässt sich doch nicht die Möglichkeit verkennen, 
dass auch diese im Laufe der Zeit Aenderungen erlitten haben; man darf 
deshalb alle derartigen Beobachtungen nur als relative ansehen. Leider 
giebt es zur Zeit kein Instrument in handlicher Form, welches gestattet, 
die Sonnenstrahlungs-Intensität sicher zu messen. Die fortlaufende Beob- 
achtung dieses meteorologischen Factors hat im Ballon auch deshalb noch 
ihre grossen Schwierigkeiten, weil die stets vorkommenden Axendrehungen 
des Ballons das Instrument leicht in den Schatten der Insassen oder anderer 
Apparate bringen können. Es erfordert deshalb grosse Aufmerksamkeit 
des Beobachters, um derartige irrthümliche Ablesungen auszuschliessen und 
um, nachdem das Instrument wieder besonnt ist, was gelegentlich durch 
„Ummhängen“ desselben bewirkt werden muss, die erforderliche Zeit ver- 
streichen zu lassen, bis dessen Stand wieder stationär geworden ist. In 
der Rubrik „Sonne“ ist durch das Sonnenzeichen © mit dem Exponenten 
0, 1 und 2 angegeben, ob die Sonne schwach, durch dichtere Wolken 
verschleiert (0), oder ziemlich deutlich durch dünnere Wolken 
hindurch (1) sichtbar war, oder ob sie gänzlich unverhüllt am 
Himmel stand (2); war die Sonne gar nicht sichtbar, so wurde das 
Sonnenzeichen © überhaupt furtgelassen. 


Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 121 


Die Notirungen über die „Bewölkung“ sind in zwei Theile zerlegt 
worden, welche Grad, Form und Dichte der Wolken (letzteres durch die 
Exponenten 0, 1,2) sowohl oberhalb als auch unterhalb des Ballons um- 
fassen. Man erkennt aus der Tabelle auf p. 47, dass beim Aufstiege ein 
ganz leichter Schleier den sternklaren Himmel überdeckte, welcher mit höher 
kommender Sonne über dem Ballon die Form von cirrus, cirrostratus und 
altostratus annahm, unter demselben aber als ein schwacher Dunst und 
Nebel erschien, in welchem sich nach Sonnen-Aufgang leichte Wölkchen 
in zunehmender Anzahl erkennen liessen. Die oberen Wolken, welche in 
einer Höhe von 3500 m als „falsche cirri“ bezeichnet wurden, müssen in 
Höhen von 5— 6000 m geschwebt haben, da sie dem Beobachter in der 
Höhe von 4500 m den Eindruck hervorriefen, als seien sie nahe über dem 
Ballon. 

Die Rubrik „Ort des Ballons, Bemerkungen“ giebt verschiedenartige 
Aufzeichnungen des Beobachters wieder, welche in der einen oder anderen 
Richtung von Interesse sind. Bei schwachem SE bis ESE-Winde zieht der 
Ballon von seinem Auffalhırtsorte Schöneberg aus, welcher im Südwesten 
von Berlin liegt, in den tieferen Schichten westlich von Berlin vorbei und 
schwenkt in 1500 m Höhe nach rechts um etwa 22° ab, sodass die in NNE, 
30 km von Berlin entfernt gelegenen Stadt Oranienburg in 1700 m Höhe 
überflogen wird. Die Geschwindigkeit ist eine ausserordentlich geringe, 
etwa 2,5 m p. sec. betragend; auch in grösseren Höhen bis zu 5000 m blieb 
dieselbe verhältnissmässig klein, etwa 4,5 m p. sec., erst oberhalb dieser 
Schicht trat eine beträchtliche Zunahme ein, welche bis auf etwa 10 m 
p. sec. ohne eine wesentliche Aenderung in der Windrichtung anwuchs. Aus 
den Schlussangaben indess, dass bei der Landung ein frischer böiger Südost 
geherrscht habe, welcher zu einer flotten Schleiffahrt über 6—800 m Ver- 
anlassung gab, muss man entnehmen, dass eine allgemeine Zunahme der 
Windstärke bis zur Erdoberfläche herab eingetreten war und dass in den 
tieferen Schichten, wie das gewöhnlich der Fall ist, der Wind eine Ab- 
weichung nach links gegenüber der oberen Richtung gehabt hat. 


b) Beobachtungen im Ballon „General Wannowsky.“ 


Ueber die in diesem Ballon angestellten Beobachtungen können wir 
uns wesentlich kürzer fassen. Wie schon auf p. 42 erwähnt, war die in- 
strumentelle Ausrüstung wegen der Kürze der verfügbaren Frist eine un- 
vollständige, die ermittelten Werthe sind deshalb nur innerhalb weiter 
Grenzen mit denen vergleichbar, welche mittels einwurfsfreier Methoden 
gewonnen würden, also bei den von Berlin und München aus unternommenen 
Auffahrten. 

Umstehendes Barogramm (Fig. 15) zeigt die Flugbahn des Ballons: 
19 Minuten nach der Auffahrt wurde die Höhe von 1100 m gewonnen, 


122 Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 


d. h. mit durchschnittlich nur 1 m p. sec. Aufstiegs-Geschwindigkeit; nun 
stieg der Ballon ausserordentlich langsam und gleichmässig weiter, sodass 
Fig. 15. 


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‚St. Petersburg 14. Al.1836. Ballon ‚General Wannowsky: Barogramm. 

er bei Sonnenaufgang um 7b 48% erst eine Höhe von 3500 und um 9? 50% 

seine grösste Höhe mit 4600 m erreicht. Der 

Abstieg ging gleichfalls sehr langsam, d. h. mit 

einer mittleren Geschwindigkeit von 0,8 m p. Sec. 

vor sich. 

Die durch ein Quecksilberbarometer, ein 
Aneroidbarometer und einen Barographen Richard 
ermittelten Luftdruckwerthe differiren vielfach 
ganz beträchlich, z. B. bis zu 22 mm von ein- 
ander, sodass es schwer fällt, den wahrschein- 
lichsten Betrag zu finden. Wir mussten uns 
deshalb ohne weitere Kritik der von Peters- 
burger Meteorologen selbst berechneten Werthe 
bedienen. Die Temperaturbestimmungen sind eben- 
falls sehr schwierig zu behandeln, indem das be- 
nutzte Schleuderpsychrometer ohne allen Strah- 
lungsschutz abgelesen wurde ; dazu kam noch, dass die elektrische Glüh- 
lampe versagte. So schreibt Herr Oberst Pomortzeff, dass „bis Tages- 
anbruch, d. h. bis zu einer Höhe von nahe an 3500 m keine Beobach- 
tungen gemacht werden konnten!“ Trotzdem aber sind aus der Zeit vor- 
her 10 Thermometer-Ablesungen mitgetheilt worden, über deren Herkunft 
der Verfasser ohne jede Nachricht ist. Desgleichen lässt sich nicht erkennen, 
woher die am Quecksilbertiermometer abgelesenen 9 Werthe von oh 35m 
bis 7? 50™ stammen, wenn die Scala dieses Instrumentes nur bis — 15° reichte! 
Um die entsprechenden Werthe des Quecksilberthermometers einigermassen 
richtig zu erhalten, wurden die Differenzen desselben gegen das von 7b 7™ 
bis 7b 48® gleichzeitig abgelesene Alkoholthermometer an die nachfolgenden 
Stände des letzteren angebracht, wonach sich als niedrigste Temperatur 
— 24,8? in 3610 m Höhe ergab, während in der grössten Höhe von 4600 m 
nur etwa — 20° beobachtet wurden. Aus der Thatsache, dass die Temperatur- 
Zunahme mit wachsender Höhe nicht lange nach dem Sonnenaufgange ein- 


Fig. 16. 
Gen.Wannewsky- St. Peter sburg. 





Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 128 


tritt, sowie daraus, dass die Abstiegtemperaturen in den gleichen Höhen 
bedeutend wärmer sind als die des Aufstieges, muss man schliessen, dass 
der Einfluss der Sonnenstrahlung keineswegs ausgeschlossen gewesen ist. 


Aus dem Diagramm Fig. 16. ersieht man die näheren Einzelheiten des 
Temperaturganges mit der Höhe. Die Temperatur an der Erdoberfläche 
zur Zeit des Aufstieges, welche in den übermittelten Beobachtungen nicht 
angegeben ist, dürfte nach der Wetterkarte — 10° betragen haben. Dieselbe 
nahm daher in den untersten 1000 m äusserst langsam, etwa um 0,25° auf 
100 m ab, bis zur Höhe von 2000 m etwas schneller, d. h. um etwa 0,55°, 
worauf eine 350 m mächtige unverändert — 20° temperirte Luftschicht 
folgte. Raschere Temperatur-Abnahme von etwa 0,7° auf 100 m Erhebung 
folgte darauf bis zur Höhe von 3600 m; von 8 Uhr an dürfte die Sonnen- 
strahlung die Thermometerstände beeinflusst haben, worauf, wie schon er- 
wähnt, die bedeutend höheren Werthe der Abstiegsbeobachtungen hinweisen. 


Aus den in der Tabelle auf p. 48 noch angegebenen Beobachtungen der 
relativen Feuchtigkeit geht zunächst hervor, dass dieselben in den ersten 1000m 
von etwa 95°/, (der Wetterkarte entnommen) auf 70°. und bis zu 2000 m 
auf etwa 40°/o abgenommen und nun bis zur Maximalhöhe (4600 m) etwa 
30 bis 35°/o betragen hat. Nach Aufgang der Sonne und beim Abstiege 
ändern sich die Verhältnisse nur ganz unbedeutend, indem 27°/o als niedrigster 
Werth in 4320 m, 280/o in 1680 m abgelesen wurde. Man muss, ein richtiges 
Functioniren des Haarhygrometers vorausgesetzt, deshalb annehmen, dass 
die tieferen Luftschichten, wie dies an heiteren Tagen stets erfolgt, im 
Laufe des Vormittages trockener geworden sind. Die Angaben des Hygro- 
graphen, vermutlilich Richard scher Construction, erscheinen nichts weniger 
als zuverlässlich: dem Werthe von 30°/o des Haarhygrometers entsprechen 
am Hygrographen solche von 21, 16 und 13°/,; man thut deshalb wohl, 
diese Registrirungen ausser Betracht zu lassen. 

Beobachtungen über Bewölkung, Windrichtung und -Stärke scheinen 
nicht angestellt worden zu sein, man muss sich deshalb damit genügen lassen, 
dass der am Erdboden nordwestliche Wind mit der Höhe ebenfalls nach 
rechts abwich, sodass der Ballon ungefähr der Eisenbahnlinie Petersburg- 
Warschau bis in die Nähe des 220 km entfernten Pskow, wo bei Novosselye 
gelandet. wurde, folgte, also mit NNE-Wind geführt wurde. Die mittlere 
Geschwindigkeit betrug 9,1 m p. Sec. 


c) Beobachtungen im Ballon „Strela“. 


Im Ballon „Strela“ („Pfeil“), welcher in Warschau aufgestiegen 
war, wurde ausschliesslich der Luftdruck und die Temperatur beobachtet, 
obwohl das mitgeführte Schleuder-Psychrometer auch die Ermittelung der 
Feuchtigkeit gestattet hätte. Der Ballon stieg ziemlich schnell in 10 Mi- 
nuten auf 1200 m (2 mp. sec.), blieb in dieser Höhe fast 2 Stunden lang, 


124 Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 


stieg dann auf 1900 m und nach Sonnenaufgang bis 3400; der Abstieg er- 
folgte ziemlich schnell bei Brzozow in Galizien. 

Fig. 17. Das Diagramm (Fig. 17.) zeigt deutlich 
genug die Unzuverlässigkeit der Temperatur- 
Beobachtungen, welche an einem Schleuder- 
thermometer, welches nicht geschleudert, 
"TTTTITTTETTTE sondern am Ballonring hängend beobachtet wurde, 
angestellt worden sind. Man kann aus den- 
Aler, GO selben höchstens entnehmen, dass die Temperatur 

IN bis 1300 m Höhe langsam, dann aber erheblich 
TER ENA ETT schneller abgenommen und in etwa 1600 m Höhe 
| eine Temperatur von — 15° geherrscht hat. 
a NT Als Beispiel für die Unsicherheit der einzelnen 
-20° -10° 0° +10 Beobachtungen diene nur der Hinweis, dass 
in derselben Höhe von 1100 m innerhalb 7 Mi- 
nuten — 8° und — 15° abgelesen worden sind! Zwischen 1800 und 
1900 m Höhe würde eine Stratuswolke passirt, in welcher der Ballon 
fast 2 Stunden lang verweilte; die Temperaturangaben schwanken hier 
in gleichen Höhen zwischen — 20° und — 11°. Als „Strela“ endlich 
gegen 8 Uhr die Wolkenschicht durchbrochen hatte, war auch die Sonne 
aufgegangen und unter deren Einfluss steigt nun das Thermometer mit zu- 
nehmender Höhe in dem Masse, dass in der Maximalhöhe von 3360 m 
— 3,8° abgelesen wird. Der Nachweis einer, wie wir später sehen werden, 
gerade in diesem Falle ganz besonders interessanten warmen Luftschicht 
in grösseren Höhen ist so leider durch die Fehler der Beobachtungs-Metlhode 
verschleiert worden! Der am Erdboden wehende schwache Westwind drehte 
schon in geringer Höhe nach NNW und behielt diese Richtung während 
der ganzen Falırt, an Stärke beträchtlich zunehmend, bei. 


Strela-Warschau. 


EBEGHANGAN EHER 
DIDDAUUD 









d) Beobachtungen im Ballon „Akademie. 


Der Ballon „Akademie“ konnte mangels elektrischer Lampen erst 

um 6è 34” in München aufsteigen. Aus dem Barogramm (Fig. 18) ersieht 
Fig. 18. man, dass derselbe 

gleichmässig und 
langsam an Höhe 
gewann, seine Maxi- 
malhöhe von 3300 
gegen Mittag er- 
reichte und dann 
einen langsamen, in 
1500 m Höhe wahr- 
scheinlich willkür- 


635 7°35 835 9°35 10°35 um 12"35 Gin 


BESSERES EE GES 
EEE EIN 
DECH 
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a DR WE EE EES SR 
München 14. H 1896. Ballon. Akademi e` "Berogramm. 


lich unterbrochenen Abstieg ausführte. 














Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 125 


Die Temperaturmessungen erfolgten, wie wir schon oben erwähnt 
haben, mit einem Aspirations-Instrumente, welches an Stelle eines Lauf- 
werkes ein Handgebläse znr Erzeugung des Aspirations-Luftstromes besitzt. 
Unter der Voraussetzung, dass dieses Gebläse stets sachgemäss bedient wird, 
sind die Beobachtungen mit diesem Apparate als durchaus gleichwertlig mit 
dem eigentlichen Assmann’schen Aspirations-Psychrometer anzusehen. Dies 
ersieht man schon mit einem Blick aus dem Diagramme (Fig. 19), bei 
welchem das enge Zusammenfallen der Auf- und Ab- 
stiegs-Temperaturen sofort auffällt. Zugleich aber 
erkennt man den geringfügigen Einfluss der Tages- 
zeit auf die Lufttemperatur höherer Schichten: die 
Gefriertemperatur wird beim Aufstieg um 81/2 a. m. 
in 2100 m und beim Abstieg um 12% 52= p. m. in 
2155 m Höhe gefunden, beim Aufstieg herrscht um 
zb 4 a. m. in 1365 m Höhe die Temperatur von 
—- 1,5%, um 1° (pn m. bei 1375 m + 1,70, ja in 
1315 m Höhe um 7? om a. m. und Uh 30% p. m. wurde 
beim Auf- und Abstieg — 2,0° beobachtet! Die ver- 
ticale Temperaturvertheilung ist eine derartige, dass 
zwischen der Erdoberfläche (für München 520 m Meeres- 
höhe) und 1300 m eine sehr geringfügige Temperatur-Abnahme (0,25° pro 
100 m), darüber aber eine äusserst intensive Temperatur-Zunahme vorhanden 
ist, welche in 1650 m Höhe bis zu —+ 2,7° reicht und erst in 2600 m Höhe 
wieder einer deutlichen Temperatur-Abnahme Platz macht, deren Betrag 
in der grössten Höhe am grössten ist: zwischen 3000 und 3300 m 0,93° 
auf 100 m! 

Leider gestatten die Beobachtungen der Feuchtigkeitsverhältnisse keine 
strenge Vergleichung mit der mittels des Aspirationspsychrometers im Ballon 
Bussard gewonnenen Werthen, da man in München insofern eine ab- 
weichende Methode anzuwenden beliebt, als man ausser dem Thermometer- 
gefässe auch noch den inneren Schutzeylinder des feuchten 
Thermometersbewickelt und befeuchtet. Ueber die Be- 
rechtigung zu diesem eigenthümlichen Verfahren soll an anderer Stelle aus- 
führlich discutirt werden. Trotzdem lassen die ermittelten Werthe, welche 
eben dieses Verfahrens wegen in der Tabelle auf p. 49 nicht mit abgedruckt 
sind, in den Schichten der Temperatur-Umkehrung ziemlich geringe relative 
Feuchtigkeit erkennen, welche bis unter 20°/o ja bis zu 16°/o herabgeht. 

Die Flugbahn des Ballons war eine aussergewöhnliche, indem sie im 
Bogen von München nördlich von Salzburg vorbei mit West und West- 
nordwest führte, während der Unterwind aus Süd kam; bei dem Landen 
in der Nähe von Linz wurde der Unterwind als Südost gefunden. Der 
Himmel war in München bei dem Aufstieg verdeckt, doch scheint die obere 
Wolkenschicht nur bis 1350 m Höhe gereicht zu haben. Ueber derselben 


Fig. 19. 
Akademie - München. 





126 Assmann: Gleichzeitige wissenschaft, Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 


fiel die starke Tempe- 
raturzunahme und die 
prachtvolle Aussicht 
auf die Alpen auf; diese 
Durchsichtigkeit der 
Luft lässt ebenfalls auf 
© geringe relative Feuch- 
tigkeit schliessen. 

























— 


Treten wir nun- 
mehr, nachdem wir die 
‘ Ergebnisse sämmtlicher 
-47 |, 8*Auffahrten im Ein- 
~ zelnen discutirt und uns 

über deren allgemeine 
oder beschränktere 
» Vergleichbarkeit unter- 
richtet haben, der ei- 
gentlichen Aufgabe si- 
- multaner wissenschaft- 
lichen Ballontahrten, 
der Ergründung der 
gleichzeitigen Zustände 
` und Vorgänge in der 
Atmosphäre über einem 
grösseren Gebiete und 
" in verschiedenen Hö- 
hen, näher. Zu diesem 
Zwecke ist es wün- 
Gs schenswerth, sich ein 
möglichst übersicht- 
liches Bild über die 
thatsächliche Gleich- 
zeitigkeit sowie über 
die von den verschiede- 
nen Ballons durchmes- 
senen Luftschichten zu 
schaffen. Hierzu möge 
Figur 20 dienen. 
“4 Nach Pariser Zeit 
bet geordnet finden sich 
S S SS SS SS SS = 8 ° hier sämmtliche Flug- 
bahnen ohne Berück- 












Fig. 20. 
Internationale simultane Ballonfahrten vom 1%.November 1896. 





VE e E 
Hatten (um 
FINBZEEANEER IER 
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LEES EC 


vk 


Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 127 


sichtigung der Geschwindigkeit und Richtung des Fluges zusammen- 
gestellt; man kann so leicht erkennen, in welchen Höhen gleichzeitig 
über Europa Ballons schwebten: so befand sich beispielsweise um 2% 40% 
der „Bussard*“ in etwa 1600 m, „Strela“ in 1800, „Cirrus“ in 3300, 
„Strassburg“ in 8000 und „l’Aerophile“ in 13200 m Höhe; um ob ou 
„Akademie“ in 1200, „Bussard*“ in 1500, „Strela“ in 2300, „General 
Wannowsky“ in 3500 und „l’Aerophile* in 10500 m Höhe; um ob on 
kreuzen sich 4 Ballonbahnen in nahezu gleichen Höhen: „Wannowsky“ be- 
findet sich auf dem Abstiege in 2200, „Akademie“ im Aufsteigen bei 2400, 
„Bussard“ desgleichen bei 2800 und „Strela“ bei 3200 m; um 11% os 
fliegen nur noch „Akademie“ und „Bussard*, ersterer in 3200, letzterer in 
5800 m Höhe. Aber auch in anderen Beziehungen giebt das Kärtchen in- 
teressante Aufschlüsse; die Höhe von 1000 m wurde von sämmtlichen Ballons 
zweimal, also 16 mal geschnitten, 2000 und 3000 m je 14 mal, 4000 m 10 
mal, 5000 m 8 mal, 6000 bis 8000 m 4 mal, darüber liegende Höhen in- 
dess nur je 2 mal. Die Hinzufügung der hauptsächlichsten Temperaturwerthe 
ermöglicht Vergleichungen in verticaler und horizontaler Beziehung!); das 
Zeichen © lässt die Zeit des Sonnen-Aufganges erkennen. Zur eingehen- 
deren Betrachtung der verticalen Temperaturvertheilnng über Centraleuropa 
mag noch folgende Zusammenstellung der entsprechenden Beobachtungen 
und Registrirungen nach Höhenstufen vonje 200 m Mächtig- 
keit geordnet, dienen. 


Temperaturen nach Höhenstufen. 





















Höhen philo 1I Strass- Cirrus Bussard Strela Wannowsky | Akademie 
in m Auf- | Ab- | burg | Auf- | Ab- vor | nach vor | nach vor | nach nach 
BUER stieg] ` istie; stieg stieg | stieg | Sonnenaufgang | Sonnenaufgang | Sonnenaufgang | Sonnenaufgang 














o— 200| + Sat aalt ad — 27 — 42 — 2.0 —10.0 
200— 4001 + 45+ 20|-+ 1.01 — 3.8 
400— 600] + 40+ 22| od — 45 0.0 
600— 8001 + 35+ 08|— 1.6 — 5.0 —20 
_800— 10001 + ag 0.01- 20-57 I < | 
1000— 1200| + 2.51— 0.8|— 1.8] — 6.2|— 2.0 =, — 13.0 
1200— 1400| + 2.31 1.5|— 1.6|— 6.4)— 8.5 — 5.8 14.5 +1.5 (+17) 
1400— 1600| + 2.0)— 20|— 1.51 6.7)— 45| Se —11.0 [-15.4] +1.9 (+2.3) 
+ 06 | 
1600— 1800| + 1.8|— 2.8|— 1.2|— 6.0|— 6.0|— 20 —14.0 +27 
— 08 
1800— 2000| + 1.5|— 8.51— d 4.8|— 6.5 —18.0, 
2000— 22001 + 1.3|— 4.0] — 1.0|— 3.5|— 6.0 we + 0.5 (0.0) 
2200— 2400| 0.0— 4.5|— 3.2|— 4.0— 5.2 Be — 85|—19 |-ı8 |—0.6 
2400-- 2600| — 0.51— 5.5|— 44|— 45 — 8.5 —20 2.0 
2600— 2800| — 1.5— 60|— 5.01 — BA 41 — 29 — 6.2 | —20 (—1.2) 
— 39 —20,5 —8.1 (—5.1) 


2800— 3 — 2.0— 8.0 — 6.0|— 6.5|— 5.8 


1) Versehentlich steht bei der Flugbahn des Ballons „Akademie“ um Th 8m 
ein falsches Vorzeichen: statt — 8° müsste eg heissen -+ 8°, 


128 Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 



































Aéro- 1 fe? 
Höhen phile III. |Strass- Cirrus 
in m Auf- | Ab- | burg | Auf- | Ab- 
stieg | stieg stieg | stiee | I stieg | stieg 
3000 — 82001 — 8.01 —- 10.01 — 651 — 7— 6.6 
3200-- 8400| — 8.5) —12.5 | — 7,61 — 9.01 — 85 
8400— 3600] — 40) - 18.0 | — 8.2] — 10.01— 10.0 
8600— 8800] — 4.5) - 14.31 — 9.01 — 11-5! — 11.6 
3800 — 4000| — 5.8|— 15.5 — 961 —12.3| -12.2 
4000 — 42U0| — 6.5] —16.3 | — 10.7 —13.0 14.3 
4X 0— 4400| — ZU —17.0 | —11.5] — 14. OT 8 
4400 — 4600| — gu. 18.0 1401 D. 8|—17. 5 
4600— 4800| — 9.0 —19.0 D ke ët A 8 —19.9 
4800 — 5000| — 9.5 — 21 01] —20 0| — 18.6 — 20.6 
5000 52001 — 10.01 - 23 0 1 —22.3l =202 —21.8 
5200— 5400| — 11.01 — 26,0 | — 25.0] — 22.0 — 23.3 
5100— 56001 —11.8| —26.8 | — 26.31 — 22.7 — 24 0 
5600— 5800| —12.7| —27.8 | —28 0| 257° —24.3 
5800— 6000| — 13. 5|—29. 0 | — 80.0] --26. o 
6000— 6200] —14.0|— 30.0 
6200— 6100 | 
6400— 6600f — 15.7| - 33.0 
6600-—- 6800 | 
6800 — 7000 — 17.5, - 37.5 Gd KZ ) g 
7000 — 7200 — 40.0 eg 
7200— 7400] —20.5| — 41.0 
7400 — 7600] — 21.0: — 43.5 
7600— 7800 | 
7800 — 8001 —23 6 — 46.0 
8000— 8200| — 24.01 — 48.0 | 6 
8260— 8400 | 
8400 — 8600| — 27.01 — 52.0 | 
s600— 8800| —?28.0|— 53.0 
8800— 9000 — 29.5 — 54.0 
9000 — 9200] —31.0]— 54.4 Bi Keep 
9200 — 9400] —32.0| — 55.0 
9400 — 96001 — 34 0! — 56.0 
9600— 98001 — 36.0|— 56.5 | 
9800— 10000] —37.5|—57,0 
10000 — 102001 -- 38.0|— 58.0 
10200 — 10400] — 39.5| — 59.0 | 
10400 — 10600) —41.0|— 59.3 
10600 —10800| —42.5|— 59.5 | 


10800— 11000) — 44 0| —59.7 


11000— 11200] — 45.0) — 59.5 
11200 — 11400] —46.5| — 59.0 
11400—11600| — 48.0|— 58.0 
11600—1 1800 — 49.5| — 57.5 
11800— 12000] — 51.8| — 57.3 


12000—12200] — 52.0] - 57.0 


12200—12400| — 53.0) — 56 0 

12400— 12600] — 53.7|— 55.5 
12600— 12800] — 54.0] — 55.0 
12800— 13000] —53.7| — 54.0 








18000— 18200] — 53.3] — 53.5 
13200— 13400] — 53.0/—53.0 
18400 —13600| — 52.5) —52 5 
18600—13800| — 52.01 —52.0 


Bussard 


vor | nach 
Sonnenaufgang 


|— 6.1 














Strela 


vor 


nach 


Sonnenaufgang 








— 5.4 
— 44 
Di 


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Wannowsky | Akademie 
vor | nach nach 
Sonnenaufgang | Sonnenaufganz 
— 21.5 
— 22.8 
—22.8 
— 25.01 — 20 

Sien, 

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— 22.3 


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Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. i896. 129 


In vorstehender Tabelle!) wurden für die Registrirballons die Auf- 
stiegestemperaturen von denen des Abstiegs principiell gesondert; von dem 
Strassburger Ballon wurden keine Abstiegswerthe registrirt. Es genügt, 
hier nur noch einmal kurz auf die grossen Instrumentalfehler hinzuweisen, 
welche den Registrirungen des „l’Aerophile“ einen grossen Theil (rer Ver- 
wendbarkeit rauben; man betrachte nur die Werthe der Höhen zwischen 
8 und 9000 m, wo diese um 24 bis 25° von einander abweichen, um dieses 
nur höchst ungern abgegebene Urtheil gerechtfertigt zu finden! Für die 
bemannten Ballons, bei welcher die Verticalbewegungen naturgemäss erheblich 
langsamer stattfinden, erschien es vortheilhafter, die vor und nach 
Sonnenaufgang erhaltenen Ablesungen von einander zu trennen, 
zumal diese Ballons sämmtlich noch längere Zeit nach Sonnenaufgang 
in der Luft waren. Man wird so leicht die Unzuverlässigkeit derjenigen 
Beobachtungen erkennen, welche den nicht gegen die Sonnen- 
strahlung geschützten Thermometern anhaften. Auch hier 
bedauern wir lebhaft, ein ungünstiges Urtheil über die in Russland aus- 
geführten Experimente aussprechen zu müssen, was um so mehr zu beklagen 
ist, als man in St. Petersburg seit Jahren das Ballon-Aspirations-Psychro- 
meter für wissenschaftliche Ballonfahrten benutzt — man kann nur annehmen, 
dass die überaus kurze Vorbereitungsfrist hierfür verantwortlich ist. Es 
lässt sich nicht verkennen, dass die vom „l’Aerophile‘“ beim Abstieg re- 
gistrirten Werthe mit denen des „Strassburg“ beim Aufstieg besonders 
in den grösseren Höhen verhältnissmässig gut übereinstimmen, sodass man 
dem sonst wohl naheliegenden Ausgleichsverfahren, aus den Auf- und Ab- 
stiegstemperaturen des ersteren Mittelwerthe zu bilden, und diese als an- 
genähert richtige auzusehen, nicht wohl zuzustimmen vermag. Man wird 
deshalb nicht umhin können, den Abstiegstemperaturen des „l’Aerophile“ 
ein etwas grösseres Gewicht beizulegen, als denen des Aufstieges. 


Greifen wir aus der Tabelle einige Beispiele heraus, so fällt uns 
folgendes auf: 

Zwischen 1400 — 1600 m Höhe giebt „l’Aerophile“ + 2.0° und 
— 2.0° „Strassburg“ — 1,5°%, „Cirrus“ — 6,7? und — 4,5°, „Bussard“ 
schwankende Werthe zwischen — 2,9° und — 0.8°, „Strela“ — 11.0°, 
„Wannowsky“ (nach dem Diagramm auf p. 122 interpolirt) etwa — 10.4°, 
„Akademie“ -+ 1,9 bis 4 2,3°. Hier ist zunächst die Frage zu entscheiden, 
wie weit diese Angaben als zuverlässig gelten dürfen. | 

Als unbedingt zuverlässig sind die Werthe des „Bussard‘“ und „Akademie“ 
anzusehen, die Angaben von „l’Aerophile‘‘ und „Strassburg“ liegen nahe bei 
einander, können deshalb ebenfalls als angenähert richtig gelten; dagegen 
differirt „Cirrus* erheblich von „Bussard,* was um so bemerkenswerther 


1) Werthe, welche durch graphische Interpolation gewonnen worden sind, 
stehen in eckigen Klammern [|]. 


150 Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffabrten vom 14. Novbr. 1896. 


ist, als beider Flugbahnen nahe bei einander lagen. Die Schwierigkeit er- 
klärt sich ungezwungen, wenn man Fig. 20 betrachtet: während „Cirrus“ 
mit verhältnissmässig grosser Geschwindigkeit sowohl auf- wie abwärts die 
fragliche Schicht von 14—1600 m durclschneidet, bleibt Bussard fast 
4 Stunden lang in derselben Höhe und findet in dieser, ebenso wie dies „Aka- 
demie“ fand, eine verhältnissmässig dünne Schicht wärmerer Luft vor, deren 
Temperatur auf den Registrir-Apparat des „Cirrus“ nicht Zeit zur Ein- 
wirkung fand. Dasselbe könnte, wie man zugeben muss, auch für die noch 
erheblich schneller bewegten Apparate des „l’Aerophile“* und „Strassburg“ 
gelten; sowohl die verhältnissmässig langsame Temperatur-Albnahme bei 
dem ersteren, als auch die schwach angedeutete Temperatur-Umkehrung bei 
dem letzteren (s. Fig. 3 und 6) scheinen allerdings darauf hinzudeuten. Da 
„Strela* wie „Wannowsky“ noch erheblich vor Sonnenaufgang in dieser 
Höhe sich befinden und auch längere Zeit hier verweilen, liegt kein Grund 
vor, die von denselben gelieferten Wertlie weiter zu beanstanden, als dies 
oben wegen der nicht functionirenden Laterne des „Wannowsky‘‘ geschehen 
ist. Der Einfluss der Tageszeit ist deshalb gering anzuschlagen, weil 
sämmtliche Beobachtungen entweder vor, oder nur ganz kurze Zeit nach 
Sonnenaufgang (München) gewonnen worden sind. Wir können demnach 
folgende Temperaturen für 14- 1600 m Höhe als annähernd richtig an- 
nehmen : i 


über Nord- über dem über Ost- über Prov. über über Inger- 
Frankreich Rheinthal bayern Brandenburg Polen manland 
0° — 1° -+ 2° — 2? — 11° — 15° 

















Ueber dem Westen Europas liegt relativ warme Luft. in Bayern 
herrscht ausgesprochene, über Brandenburg mässige Temperatur-Umkehrung, 
nach Osten und Nordosten zu aber ist. es in gleicher Höhe ganz erheblich 
kälter. Dieses Beispiel legt den Gedanken nahe, einen Versuch zu unter- 
nehmen, um das vorliegende Material zur Construction von Isothermflächen 
für die verschiedenen Höhen zu benutzen. Bevor wir jedoch an diese Auf- 
gabe herantreten, müssen wir uns mit der allgemeinen Witterungslage 
Europas, jnsonderheit mit der Temperaturvertheilung am Erdboden vertraut 
machen. (Schluss folgt.) 





Die neuesten Versuche und Projecte mit Fiugmaschinen. 
Von Lieutenant A. Hildebrandt in Strassburg i. E. 


Wenn auch in dieser Zeitschrift mehrere der im folgenden aufgeführten 
Flugapparate bereits beschrieben sind. so dürfte es doch vielleicht nicht 
unangebracht sein, eine Zusammenstellung der neuesten Versuche bzw. Pro- 
jecte zu bringen, die bislang noch nicht gegeben ist. Ist es doch auch 
der Zweck dieser Zeitschrift, auch denen zur Hülfe zu sein, welche nicht 


Hildebrandt: Neueste Versuche und Projecte mit Flugmaschinen. 131 


über genügende Zeit verfügen, in Bibliotheken und Zeitschriften sich alles 
zusammensuchen zu können; auch die Wissenden werden nicht ungern eine 
Arbeit hinnehmen, welche ihnen auf zusammengedrängtem Raum die wich- 
tiesten Daten und Ergebnisse bietet. Eine besondere Freude aber wird es 
mir gewähren, wenn hier sowohl mancher neue Freund der Luftschiffahrt, 
als auch manches alte Mitglied Neues findet; bin ich doch von den meisten 
der bierunter angeführten Constructeure persönlich informirt worden. Den 
betreffenden Herren aber möchte ich hiermit danken, dass sie mich er- 
mächtigt haben, von ihren Mittheilungen für diese Arbeit uneingeschränkten 
Gebrauch zu machen. 


Flugapparat von Philipps. 

Dieser Apparat gleicht einem sehr grossen Jalousie-Rahmen mit offenen 
Holzrippen. Die Höhe des aus 50 solcher Flächen von 38 mm Breite und 
5 em Zwischenraum bestehenden Rahmens ist 2,85 m; die Breite 6,6 m. 
Die Gesammt-Tragefläche ist 12,24 qm. Von unten gesehen haben die 
Flächen eine concave Krümmung von 1,6 mm Tiefe; d. i. etwa 1/2. Der 

Fig. 1. 





















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| | 










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Ralımen ist befestigt auf einem Boot-ähnlichem Wagen, der im wesent- 
lichen zusammengesetzt ist aus 2 gebogenen Planken. Die Länge des- 
selben ist 7,5 m, die Breite 45 cm; er ist montirt auf 3 Rädern von 30 cm 
Durchmesser, deren 2 sich unter dem Rahmen, 1 hinten befindet. Dieses 
Fahrzeug trägt einen kleinen Kessel mit einer Verbundmaschine, welche 
Luftschraubenpropeller treibt, die 400 Umdrehungen in der Minute machen. 
Das Heizmaterial sind Walliser Kohlen. Das Gewicht des Wagens und 
der Räder ist 27 kg, der Maschine mit Wasser im Kessel und Feuer auf 
dem Rost 90 kg, der Jalousieflächen 31,5 kg. Das Gesammtgewicht be- 
trägt also 148,5 kg. Diese Flugmaschine wurde einer Probe unterzogen 
zunächst auf einer kreisrunden Holzbalın von 185 m Länge. Die Aus- 
dehnung des Apparates erwies sich als noch zu gering, als dass er einen 


132 Hildebrandt: Neueste Versuche und Projecte mit Flugmaschinen, 


Mann zu tragen im Stande wäre. Die Führung auf der Holzbahn wurde 
dadurch erreicht, dass das Hinterrad so ausbalaneirt wurde, dass es immer 
auf der Balın bleiben musste; es führte somit die ganze Maschine. 

Beim ersten Versuch wurde noch 32,4 kg todtes Gewicht hinzugefügt 
und dann die Maschine gegen den Wind in Bewegung gesetzt. In der 
Mitte des Kreises wurde sie festgehalten durch eine ziemlich complieirte 
Construction. Die Vorderräder erhoben sich in der Bewegung c. 66 —90 cm 
über die Holzbalın. Hieraus ersieht man, dass die Maschine nicht nur ihr 
eigenes Gewicht, sondern auch das zugefügte todte Gewicht gehoben hat. 

Wenn aber mit dieser eigenartigen Construction je Resultate erzielt 
werden sollen, so bedarf sie noch sehr vieler Aenderungen. Zunächst 
muss natürlich die Maschine im Stande sein, ein grösseres Gewicht, ent- 
sprechend demjenigen eines Menschen zu heben; also noch etwa 50 kg 
mehr. Ferner ist die ganze Schwerpunktslage eine sehr ungünstige. Es 
würde besser sein, wenn der Schwerpunkt in der Ebene der Tragflächen 
läge. Weiter wird die Anbringung der Steuerflächen eine sehr schwierige. 
Kurz die ganze Stabilität des Apparates ist jetzt absolut nicht gewähr- 
leistet. Vielleicht gelingt es Philipps, diese Idee noch so zu verbessern, 
dass diese Nachtheile wegfallen; auf jeden Fall wird auch dann noch der 
Anfang des Aufsteigens seine grossen Schwierigkeiten bieten. 


Professor Wellner's Project einer Flugmaschine. 


Dasselbe soll hier nur ganz kurz behandelt werden, da Wellner nun- 
mehr nach weiteren eingehenden Versuchen und Erfahrungen ein neues 
Project, verfasst hat, das er in Kürze der Oeffentlichkeit übergeben wird. 

Der Apparat, wie er in der Figur gezeichnet ist, war für 4—8 Per- 
sonen geplant. Der Cylinder, in dem sich die Passagiere und 3 Motore 

Fig. 2. befinden sollen, hat noch 2 verti- 
& cale Steuerflächen, die die seitliche 
Drehung erleichtern sollen. An 
jeder Seite sind 3 Segelräder von 
E ERBEN SÉ 5 ca. 6,4 m Durchmesser und 20 m 
Länge. Drehen sich die vorderen 
Räder schneller, so steigt der 
Apparat und umgekehrt. Je nach- 
dem die Räder rechts oder links sich etwas schneller bewegen, wird das 
Luftschiff seitwärts dirigirt. Die Räder haben je 4 Schaufeln, die mittels 
Excenters gegen den Horizont geneigt sind. Die Ausführung dieses Projects 
ist unterblieben, da die Versuche mit Segelrädern, die Wellner im grossen 
Stile angestellt hat, doch noch nicht den gewünschten Luftdruck zu erzeugen 
im Stande waren, derdazu gehört, dieses ganze Gewicht zu tragen. Es ist 
nur zu wünschen, dass es nunmehr Prof. Wellner gelungen sein möge, alle 
die Schwierigkeiten, die sich in den Weg gestellt hatten, zu beseitigen. 


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Hildebrandt: Neueste Versuche und Projecte mit Flugmaschinen. 133 


Maxims Flugmaschine. 


Einer der grossartigsten und interessantesten Versuche mit Flug- 
maschinen ist entschieden der von Maxim. Schon die bedeutenden Her- 
stellungskosten von 408000 Mk., lassen auf die sorgefältigste Ausführung 
schliessen, bei der übrigens auch Professor Langley mit seinem Rathe und 
Erfahrungen mitgewirkt hat. 

Die Maschine ist im Ganzen ein grosser Drachenflieger, der aus einer 
grossen und mehreren rechts und links von derselben befindlichen kleineren 


Fig. 3a. 





















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Flächen aus Ballontuch besteht mit insgesammt 360 qm Rauminhalt. Durch 
ein reichliches Rahmwerk aus dünnen Stahlröhren, die sich kreuz und quer 
herumziehen, sind die Flächen mit einer Plattform verbunden von 2,4 m 


184 Hildebrandt: Neueste Versuche und Projecte mit Flugmaschinen. 


Breite und 12 m Länge. Aluminium ist mit zur Verwendung gelangt. Ant 
der Plattform befindet sich noch der Kessel, die Dampfmaschine etc. und 
der Stand für die Insassen (3 Personen). 


Die Construction des Kessels ist eine höchst eigenartige. Zwei untere 
etwas von einander entfernte Cylinder sind mit einem grösseren oberen 
durch eine grosse Anzahl gebogener Stahlröhren verbunden, zwischen denen 
eine zweite Verbindung ähnlicher Röhren sich befindet. Zwischen diesen 
Cylindern ist nun ein ununterbrochener lebhafter Kreislauf von Wasser und 
Dampf, da nur 20°/, Wasser in den gebogenen Stahlröhren verdampft, 
während der Rest unter dem hohen Druck dem Kessel wieder zugeführt. 
wird. Der verbrauchte Dampf wird durch einen Oberflächen-Condensator 
mit Luftkühlung wieder verdichtet. Der Wasserverbrauch ist gross; 1124 kg 
sind erforderlich, um 100 HP eine Stunde lang zu erhalten. 

Die Stelle des Feuerrosts vertritt ein Gasbrenner, dessen Gas aus 
Naphta in einem Gasgenerator gewonnen wird. Das Zuströmen des Gases 
zum Brenner sowohl als auch des Naphta für den Generator ist durch eine 
sinnreiche Vorrichtung geregelt. Der Brenner selbst besteht aus einem 
Cylinder, von dem viele kleine horizontale Röhren ausgehen, die ca. 7650 
kleine Oeffnungen haben. 

Die Schrauben, die durch eine horizontale Verbund-Maschine in Be- 
wegung gesetzt werden, haben einen Durchmesser von 5,35 m. 


Um die Einwirkung der Massen in der Maschine nach Möglichkeit 
aufzuheben, sind die Kurbeln unter 180° angeordnet. 

Sämmtliche Stangen und Kurbelwellen der Maschine sind hohl. 

Die Steuerung wird an beiden Uylindern durch einfache vollkommen 
entlastete Kolbenschieber bewirkt. 


Die verticale Steuerung der Flugmaschine wird durch zwei horizontale 
Steuerflächen, eive vorn, eine hinten, bewerkstelligt. Zur seitlichen Steuerung 
sollen die Drachenflächen, die mit 71/20 eingestellt sind, an einer Seite ge- 
hoben, an der andern gesenkt werden; durch die hierdurch erfolgende 
Schwerpunktsverlegung soll die Richtungsänderung bedingt werden. Die 
Maschine, deren Gesamtgewicht 3600 kg beträgt, lief bei dem Versuche 
mit 4 Rädern auf einem Schienengleise. Eine oberhalb desselben ange- 
brachte Sicherheitsschiene sollte die Maschine verhindern, die Bahn zu ver- 
Jassen. 

Bei dem Versuche stieg der Dampfdruck bis auf 320 Pfd. pro [|] Zoll 
= etwa 22 Atmosphären; die Maschine fuhr dabei an der oberen Schiene 
entlang frei erhoben vom Boden. Zunächst brach dann die Radaclhse und 
darauf die Sicherheitsschiene, so dass nach abgestelltem Dampf die ganze 
Maschine auf die daneben befindliche Wiese flog und durch den Aufprall 
„um Theil zertrümmert wurde. Das durch Dynamometer angezeigte, ge- 
hobene Gewicht betrug 4500 kg. 


Hildebrandt: Neueste Versuche und Projeete mit Flugmaschinen. 185 


Schuld an diesem Unglück sind verschiedene Umstände: Zunächst 
hätte Maxim mit kleineren Versuchen das Fahren und Steuern einer Flug- 
maschine lernen sollen. Die Launen des Windes machen doch entschieden 
das Fahren in der Luft unendlich viel schwieriger, als z. B. das Fahren 
auf einer Locomotive; und auch dieses will erst gründlich gelernt sein. 

Ferner ist es ein grosser Mangel, dass das Steuer für die horizontale 
Richtung fehlt. Durch ein solches Steuer wird die Stabilität jedes Appa- 
rates bedeutend grösser; jedenfalls ist ein Steuer durch beständige Ver- 
legung des Schwerpunktes eine sehr heikle und gefährliche Sache. 

Dieser Versuch hat aber gezeigt, dass es möglich ist, auch Maschinen 
von sehr grossem Gewicht thatsächlich in die Luft zu heben. Hoffentlich 
fallen die weiteren Versuche Maxim’s, die er mit einer verbesserten Ma- 
schine anzustellen gedenkt, günstiger aus. 


Flügelflieger von Arthur Stentzel in Hamburg. 

Derselbe gleicht äusserlich ziemlich genau einem riesigen Vogel. 

Die beiden Flügel, die aus Stahlrippen, bezogen mit Mosettig-Battist 
(ein durch Kautschuck wasserdicht gemachter Stoff), der aber später durch 
gefirnisste Seide ersetzt werden soll, hergestellt sind, haben je eine Spann- 
weite von 6,36 m, eine Breite von 1,68 m und sind gewölbt im Verhält- 
nisse 1:12 gemäss den Ergebnissen der Versuche Lilienthals. An ihren 
Hauptrippen sind Pleuelstangen befestigt, die durch einen kleinen Motor, 


Fig. 4a. 





{36 Hildebrandt: Neueste Versuche und Proiecte mit Flugmaschinen. 


der durch Kohlensäure getrieben wird, in Bewegung gesetzt werden. Der 
Flügelniederschlagwinke! beträgt 900. Die ganze Tragfläche ist incl. Steuer 
Fig. 4b. 





Hildebrandt: Neueste Versuche und Projecte mit Flugmaschinen. 137 


8,125 qm. Um den Flügeln die erforderliche Elasticität zu geben, sind 
nach hinten zu schwächere Rippen verwendet. Das Gewicht der Flügel 
mit Achse beträgt 10 kg!). 

Das 1 kg schwere Steuer hat eine horizontale und eine verticale 
Segelfläche, die kreuzförmig verbunden sind und deren Achse in Verlänge- 
rung der Flügelachse liegt. Gestellt werden diese Steuer mittels Zug- 
drähten durch Maschinenkraft (kleinen Dampfeylinder). 

Der 17,5 kg schwere Motor kann 9 Atm. = 3 HP entwickeln. 

Der Apparat wurde beim Probieren an einem, auf 18 m langem ge- 
spannten Stahlkabel laufenden Wagen 3 m hoch hängend angebracht. 

Die Versuche ergaben folgende Resultate: Um das Gesamtgewicht 
von 34 kg zum freien Flug zu bringen, braucht der Apparat 6,5 Atm. 
= 1,5 HP. Dabei machte er pro Secunde 1,4 Flügelniederschläge, die so 
kräftig waren, dass eine Person von 75 kg Gewicht momentan in Schwebe 
gehalten wurde. Die Flügel drücken auf die Luft nach unten mit einer Kraft, 
mit der eine ebene Fläche von gleicher Grösse und bei gleicher Geschwin- 
digkeit auf die Luft drückt. Die zu erlangende Geschwindigkeit soll im 
Mittel 15 m pro Secunde betragen, 54 km pro Stunde. 

Die Vorzüge, die Stentzel dem Apparat zuschreibt, sollen sein: „die 
völlig willkürliche Anwendung des Apparates in Bezug auf motorische Kraft, 
Flügelgeschwindigkeit, Schlagwinkel, das beliebige Übergehen vom Arbeits- 
in den Ruhestand; d. h. vom Fliegen zum Schweben und umgekehrt, die 
grosse Stabilität und Sicherheit der Construction.“ 

Die folgende Tabelle giebt die aus zahlreichen Versuchen gewonnenen 
Werthe: 


| Ss, | 
y | $ Geschwin- Vorwärts- 
Ex- |linder- Secun- Schlag- 














Cy- | 
‚ digkeit des u | Hebe- 
. uck en- | , us f 
peri- druck Frequenz!  Sehlag- | kraft 
in |Meter- ! inm -. Bemerkungen. 
ment! At- g pro eentrums in Kilo- 
Kilo- | | pro 
No. | MOS- |r Secunde | i tramm 
phären gramm Ipro Secunde’ Seeunde R 
| 
| | | | 
1 | 2 12: 025 | 1,65 | O | d Der Apparat func- 
| | | tionirt langsam, 
aber leicht. 
2 3 86 (äu | 3.30 | 05 5 
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8 4 60 0,75 4,95 1 10 Kb Geer EE 
4 b 54 1,00 6,60 on i ee pras 
5 Is Is | 125 N,25 S ks, NEE SE 
6 6,5 | 120 1,40 3,24 6 EET Der Apparat fliegt 
| frei. 





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1) Stenzel will künftig als treibende Kraft comprimirte Luft verwenden wegen 
der unangenehmen Nebenwirkung der Kälte der flüssigen Kohlensäure, 


188 Hildebrandt: Neueste Versuche und Projecte mit Flugmaschinen. 


Drachenflieger des Regierungsratlis J. Hofmann in Berlin. 

Dieser in grossem Massstabe ausgeführte Apparat wiegt mit einem 
Manne c. 320 kg. Die Drachenflügel, die an der Achse o befestigt sind, 
können nicht auf- und niedergeschlagen, sondern nur in ihrer Neigung ein- 
gestellt werden durch eine vom Führerstand aus erreichbare Handschraube b. 
Die nöthige Kraft liefert eine Dampfmaschine, deren Kessel ganz aus Alu- 
minium gefertigt ist [erster derartiger Kessel, gefertigt von der Armaturen- 
fabrik von F. Gaebert in Berlin]; er hat eine Feuerbüchse aus 48 im Kreis 
dicht neben einander stehenden Wasserröhren, während der eigentliche Saug- 
kessel aus 60 Wasserröhren besteht, von denen die mittleren 48 mit je 
einer Feuerröhre durchsetzt sind. Der Dampf sollte, wie aus der nach dem 
Photegramm gefertigten Abbildung der Maschine zu ersehen, ursprünglich 


Fig. 5. 





nur durch den Stoss der aus den Düsen a austretenden Strahlen gegen 
mit der Maschine festverbundene Ablenkungsflächen wirken. Da aber 
Versuche mit hierzu construirten Dynamometern zu schlechte Werthe er- 
gaben, so wurde ein Compromiss mit den üblichen Schrauberpropellern ge- 
schlossen, der Art, dass der Dampf zunächs mittelst einer schnell laufenden 
Hochdruckmaschine [Viercylindermaschine] die Schraubenpropeller treibt und 
nach dem Austritt aus den Dampfeylindern gegen schräg gestellte, fest- 
stehende Strahlpropeller drückt und an denselben nach hinten abgleitet. 
Durch Reaction der so bewegten Dampf- und Luftmassen wird der Appa- 
rat vorwärts getrieben. Um nun den verbrauchten Dampf wieder zu ge- 
winnen, wird nach dem neuesten Entwurf von Hoffmann das Gerippe der 
Trageflächen nicht aus Bambusstäben und Stahldraht, sondern aus Stahl- 
oder Aluminiumbronze-Röhren gebildet, so dass der Dampf nach seinem 
Austritt aus der ersten Düse durch eine Fangtlüse in die Arme und Rippen 
der Trageflächen geleitet und durch die kalte Oberfläche derselben conden- 
sirt wird, um sodann wieder zur Speisepumpe zurückgeführt zu werden. 


Hildebrandt: Neueste Versuche und Projecte mit Flugmaschinen. 189 


Dies ist dadurch möglich, dass, wie die Versuche ergaben, der Dampf beim 
Eintritt in die Rauchkammer nicht nur die Rauchgase und beim Austritt 
aus der Rauchkammer äussere Luft mitriss, sondern dass hierbei der Dampf 
sich als innerer Kern des Strahles erhielt. Dieser innere Kern wurde dann 
durch eine Fangdüse herausgeschält und nur der Rest gegen die Strahl- 
propeller geleitet. 

Die ganze Länge der Flügel ist e 15 m und ihre äussere Breite c. 2 m. 
Durch das Einstellen derselben wird das Steigen und Fallen der Maschine 
im allgemeinen in die Wege geleitet. Für kleinere und plötzliche Bewe- 
gungen dient ein unsymmetrisch geformtes Bremssegel. Dasselbe befindet sich 
an derselben Achse, aber unabhängig von den Flügeln an zwei Trägern c, 
die das Segel an beiden Seiten senkrecht zur Fluglinie aufrichten können. 

Die Steuerung nach der Seite erfolgt durch eine verticale Segelfläche, 
wie mit einem gewöhnlichen Steuerruder. Da einer Bewegung desselben der 
ganze Apparat, wenn er im stetigen Fortschreiten begriffen ist, nur lang- 
sam folgt, so wird ein schnelleres Wenden dadurch erzielt, dass vermittels 
eines 2theiligen Regulatorgriffs die Ausströmung des Dampfes auf die beiden 
Strahlpropeller beliebig vertheilt werden kann. 

Um nun die Flugbewegung bei dieser Maschine einzuleiten, hat Hoff- 
mann einen sinnreichen Fallapparat construirt, der gleichzeitig später beim 
Landen als Puffer dient. Dieser projectirte F allappparat bildet die mecha- 
nische Umkehrung des wirklich ausgeführten, aber wegen seiner Stosswir- 
kung unangenehmen S prun g apparates. Die Fig. 6 (S. 140) zeigt in aus- 
gezogenen Linien die Maschine in einer Lage, in welche sie gekommen ist 
dadurch, dass unter den Kolben des Cylinders langsam Dampf gegeben 
wurde. Wenn nun der Propeller angeht und die Beine der Maschine durch 
raschen Danpfeinlass über den Kolben in die punktirte Lage hochgeworfen 
werden, so ist die Maschine dem freien Fall überlassen. Diese Einrichtung, 
die Herr Hoffmann als Erster eingeführt hat, macht daher ein Schienen- 
geleise, wie es Maxim und Andere haben, oder einen Torpedowerfer, wie 
Lorentz ihn verlangt, oder erhöhten Standpunkt, wie ihn Langley braucht, 
überflüssig. 

Leider ist es zu einem wirklichen Versuche mit diesem Drachenflieger 
nicht gekommen, da infolge eines Unfalls aut dem Transport nach dem be- 
absichtigten Uebungsgelände die Tragflächen völlig zerstört wurden, und 
die Mittel für die Neuconstruirung noch nicht flüssig sind. 

Die Flugmöglichkeit der Maschine beweist wohl folgende Erwägung: 

Die Maschine wiegt mit 26—28 Litern Wasser im Kessel und 27 1 
Wasser im Behälter gegen 320 kg (incl. einer Person). Der Kessel ver- 
dampft ohne Foreirung gegen 101 Wasser in der Minute und gestattet 
unter Production! ganz trockenen Dampfes bei 6 Atm. zwei freie Düsen- 
querschnitte von je 75—100 qmm. Der feststehende Kessel müsste also bei 
directer Verwendung von Schrauben und unter Annahme viel geringerer 


Hildebrandt: Neueste Versuche und Projecte mit Flugmaschinen. 


140 
Werte, als sie Wellner erhalten hat, mindestens 60 kg Zugkraft leisten. 
Wenn die Schrauben mit etwa 50 m Geschwindigkeit des Druckmittel- 


Fig. 6. 





ANE SE 
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punktes umlaufen, und der Dampf mit den Rauchgasen und der angesaugten 
Luft mit etwa 80—100 m Geschwindigkeit pro Sekunde ausströmt, so 
treffen bei 25—30 m Fahrgeschwindiekeit pro Secunde die Propeller auf 
die Luft sicher noch mit etwa 30 kg Zugkraft. Wenn nun die kleine Vier- 
cylinder-Maschine mit der Schranbe zu 40 kg in Ansatz gebracht wird, 
was schon hoch gerechnet ist, und wenn die für diese Versuchsmaschine 
nochmal mit Bambusgerippe zu construirende Tragefläche mit an der 


Hildebrandt: Neueste Versuche und Projecte mit Flugmaschinen, 141 


Fig. 6a. Vorderkante liegendem Haupt- 
träger auch um 40 kg (also etwa die 
Hälfte) schwerer wird als die ausge- 
führte Tragefläche, so ergiebt sich etwa: 


Z 30 
IT RER nf Oé 
ga g 100 jha bis Yıs 


Mit einem solchen Tangentenwert ist 

die Fahrt wohl allemal zu riskiren. 
Herr Hofmann hat ein kleines 

Modell von 90 cm Spannweite gebaut 





(Fig. 7), welches er gelegentlich eines Vortrages im Ingenieur-Verein zu Frank- 
furt a. M. Ende März a. cr. durch den Saal fliegen liess. Die Abbildung 
des Modells macht Näheres ersichtlich. In dem Kessel unten sind 25—30 gr 


Fig. 7. 





or." 


en SH 


Ilzsenue 
sesso 
.. 


Kohlensäure, die durch eine vor dem Versuche etwas anzuwärmende Schlange 
zu den Düsen geht. Die Düsen und die Druckhörner sind lothrecht statt 
wie bei der grossen Maschine wagerecht gestellt, um der Auffassung zu 
begegnen, als sollte gegen die Trageflächen geblasen werden. Dieses Modell 
sollte nur beweisen und beweist es auch, dass man Spielzeug-Flugmaschinen 
construiren kann, welche irgend einen beweglichen Maschinentheil überhaupt 
nicht besitzen, und dass man, wenn die Strahlwirkung bei grossen schnell- 
laufenden Maschinen noch zur Arbeit herangezogen wird, ohne Vermehrung 
des Gewichts etwas gewinnt, was sonst verschwendet wird. 


Aeroveloce des Ingenieur W. Kress in Wien. 


Dieser Apparat ist ein Drachenflieger, dessen tragende Flächen aus 
drei 12 bis 16 m langen, 1,5 bis 2,5 m breiten concaven Segelflächen und 
einem grossen ebenen horizontalen Steuer bestellen. Diese Theilung in 
mehrere Flächen hat sowohl den Zweck, die Stabilität des Apparates mehr 
zu sichern, wie eine einzige Fläche dies thun würde, als auch es möglich 
zu machen, die Gesammtgrösse erheblicher zu gestalten, ohne dass dadurch 
das Gewicht gleichzeitig ebenso wachsen müsste, 


142 Hildebrandt: Neueste Versucbe und Projecte mit Flugmaschinen. 


Die ca. 10 m lange, I m breite Gondel ist fest, mit den Trageflächen 
verbunden. Der Stirnwiderstand der Gondel wird durch ihre spitze Ge- 
Fig. 8. stalt auf ein Minimum redueirt. 
| Der unten sitzende Schlitten hat 
sowohl den Zweck, den Anlauf 
zum Aufflieeen z. B. anf einer 
Wiese zu ermöglichen. als anch 
beim Landen durch ein sanftes 
Hingleiten auf der Erde den Stoss 
unmerkbar zu machen. 

Zur Stenerung in verticaler 
Richtung dient das horizontale 
Steuer in Form eines Vogelschwan- 
zes von ca. 5,5 m Radius (etwas 
über 1/4 eines Kreisausschnittes), 
während die an dem langen Hebel 
sitzende fischschwanzförmige Se- 
gelfläche als Steuer für die hori- 
zontale Richtung und gleichzeitig 
auch dazu dient, um bei seitlichen 
Windwellen, wie eine Windfahne 
wirkend, den Drachenflieger stets 
mit dem Kopfe gegen die Wind- 
welle zu stellen. 





Die Vorwärtsbewegung wird hervorgerufen durch die sich in entgegen- 
gesetzter Richtung drelenden Segel-Luftschrauben. Als treibende Kraft 
soll ein Benzinmotor verwendet werden. 

Beim Fliegen stehen die Segelfiächen fast parallel der Längsachse der 
Gondel und den Achsen der Luftschrauben. Die Lage der Drachenflächen, 
sowie der Gesamnitschwerpunkt bleiben während des Fluges möglichst un- 
berührt, da die Bewegung in der senkrechten Ebene durch Einstellen des 
horizontalen Steuers bewirkt wird. 

Der Schwerpunkt soll stets mehr vorne überneigen, damit der von 
vom gegen die Drachenflächen erfulgende Luftdruck nicht Umkippen herbei- 
führt. 

Der Gesammt-Flächeninhalt beträst c. 80 [] m. 


Der Motor, der 12 HP entwickelt, wiegt . . 150 kg; 
der Apparat . . 200 „ 
2 Personen . . 150 „ 





Sa. 500 ke. 
Sobald der Appmat eine Eigengeschwindigkeit von 8 m pro Secunde 
entwickelt, oder wenn der Wind diese Geschwindigkeit hat, so verlässt er 


Hildebrandt: Neueste Versuche und Projecte mit Flugmaschinen. 143 


den Boden. Die Eigengeschwindigkeit lässt sich steigern auf 30 m pro 
Secunde, 108 km pro Stunde. 


Das Landen soll leicht von Statten gehen. Bei ruhiger Luft muss 
dem Apparat eine Aufwärtsrichtung gegeben und dann die Geschwindig- 
keit so weit gemässigt werden, dass der Auftrieb kleiner als das Gesanmt- 
gewicht wird; der Apparat wird dann langsam zur Erde sinken und auf 
dem Schlitten noch etwas weiter gleiten. Bei starkem Winde erhält der 
Apparat die Windgeschwindiekeit gegen denselben; er bleibt daher stehen 
und sinkt langsam zur Erde. 

Der Einfluss des Luftdruckes ergiebt folgendes: 

Fig. 8a. Normaldruck A = Fr i M. 
Auftrieb D — N cos (a <- 5). 
Horizontaler Widerstand W 
= N sin (a -1-B). 
Nöthige Arbeit A = IWW |- 
Mir. 
F = Fläche: © = Geschwin- 
digkeit; Deg Se a ein von 
g 8 
Form und Winkel abhängi- 
ger Factor; nach den ex- 
perimentellen Erfahrungen 
von Lilienthal und Kress ist 
ermittelt, dass bei « == 3" 
(im Winde) a = 0,68; B = — 1!/a° und somit (« -+ B) == 1/2" ist. 
MW ist der Stirnwiderstand der Gondel und des Gerüstes., 





Die Versuche mit Modellen, die Herr Kress Ende März in einem 
öffentlichen Vortrage im oberrheinischen Vereine für Luftschiffahrt in Strass- 
burg vorführte, haben auf das glänzendste die gemachten Annahmen be- 
stätigt. 

Das Modell des Drachenfliegers, das 600 gr wog, flog ruhig und gleich- 
mässig durch den Naal. 

‘Das Steuern bietet nicht die geringste Schwierigkeit; man braucht 
nur das verticale Steuer wie bei einem Boote zu handhaben oder die eine 
von den beiden Propellerschrauben stärker wirken zu lassen, um sofort den 
Drachenflieger in die gewünschte Richtung zu lenken. 

Ebenfalls erscheint die unangenehme Frage der Landung, die schon 
viel Kopfzerbrechen verursacht hat, nunmehr auf einem Wege zur Lösung. 

Bereits im Jahre 1580 liess Kress sein erstes Modell in Wien frei 
vom Tisch weg dureh den Saal fliegen. 


144 Hildebrandt: Neuoste Versuche und Projecte mit Flugmaschinen. 


Project des Eisenbahndirectors a. D. A. Platte in Wien. 


Dieses Project berult auf dem Princip der theilweisen Entlastung, 
d. h. ein Theil der Last soll durch mit Wasserstoffgas gefüllte Ringballons 
gehoben werden. 

Auf ein Gerüst von 4 Hauptträgern, die ein Doppelkreuz bilden, 
stützen sich alle Theile der Maschine. In den Kreuzungspunkten sind 


Fig. 9. 





Säulen errichtet, die oben durch einen Rahmen verbunden sind; dieser ent- 
stehende Raum soll die Maschine, 4 Propeller, Passagiere etc. aufnehmen. 
Unter der Maschine ist ein mit Puffereinrichtung versehener Ankercaisson, 
der den Stoss beim Landen abschwächen soll. Rings um den gebildeten 
Raum liegen die Ringballons, die, mit Gas gefüllt, das Luftschiff bis aut 
das halbe Hebevermögen der Propeller entlasten sollen. Dieselben sind mit. 
Säulen an den Trägern befestigt. Die Aussenhülle des Schiffes ist ein 
Cylinder mit kegelförmigen Enden und besteht aus straff gespannten Segel- 
tuch, um so die Ballons vor dem Luftdruck zu schützen und den Stirnwider- 
stand möglichst gering zu machen. 

Zur Steuerung in der Horizontalebene dient ein gewöhnliches Schiffs- 
steuer; zu der in verticaler Ebene an der Seite das grosse Segelsteuer. 
Die Achse des letzteren wird durch einen Motor bewegt. 

Dieses Flugschiff lastet nur mit einem Gewicht auf dem Boden, dem 
gegenüber eine motorische Kraft der 4 Propeller vorhanden ist, die einen 
doppelt so grossen Druck anf das Schiff ausüben kann, als der Druck des 
Gewichtes ist. Die Propeller arbeiten nur senkrecht auf- und abwärts; 
der Schrägflug wird durch Schrägeinstellen der seitlichen Segelflügel be- 
werkstelligt, Der Flug wird daher ein wellenförmiger werden, 


Hildebrandt: Neueste Versuche und Projecte mit Flugmaschinen. 145 


Die mit Wasserstoffgas gefüllten 2 Ringballons haben zusammen eine 
Länge von 105,6 m und einen Durchmesser von 4,5 m. Dieselben tragen 
nicht nur ihre Hülle, Netz etc: sondern haben auch noch ein Tragever- 
mögen von 1690 kg. Die Gewichte der ganzen Apparate sind folgende: 


Holzwerk . . 2 2 2 20 202020..605 kg 
Segelleinwand der Aussenhülle. . . 400 „ 
Seeelaxe ete.. o.o 2 2 2 2 20202200 „ 
Maschine mit Propeller . . . . . 300 „ 
2 Mann Besatzung . . . . . . . 160 „ 
Geilwerk . . 20 2 2 2 Hä „ 
Verschiedenes 2 2 2 2 BO n 


Sa. 1770 kg. 

Das Schiff lastet. daher mit einem Gewicht von 1770—1690 = 80 kg 
anf der Erde, Die Maschine vermag 4 HP zu äussern und übt damit ein 
Hubvermögen von 160 kg aus; also das doppelte des Erforderlichen. 

Der Betrieb des Motors soll durch Leuchtgas erfolgen. 

Die Kosten eines 48 m langen, 24 m breiten und 5 m hohen Schiffes 
würden sich auf ca. 12000 Mark belaufen. 

Das soeben beschriebene Project stammt aus dem Jahre 1892 und 
entspricht der Gegenwart nicht mehr ganz. Herr Platte hat einen ähnlichen 
Plan in Absicht unter Beibehaltung seines Princips. Im Detail ist derselbe 
noch nicht hergestellt. Die Hauptänderungen werden sich auf die ausge- 
übte Hebekraft gründen, gemäss den Ergebnissen, die die eingehenden Ver- 
suche Wellner’s haben werden; ferner auf die Anordnung der Entlastungs- 
ballons, Anbringung von Laufschienen u. s. w. 


Project des Bergsecretärs K. Buttenstedt in Rüdersdorf bei Berlin. 


Dasselbe unterscheidet sich von den bisher dargestellten Flugmaschinen 
ganz wesentlich. Nach einigen Versuchen soll nach diesem Project ein 
grosser Apparat gebaut werden, mit dem Buttenstedt grosse Lasten und 
viele Passagiere tragen zu können glaubt. Vorläufig soll der Mensch mit 
demselben olıne jegliche Nebenkraft frei in der Luft den Schwebeflug der 
Vögel ausführen. Flügelschläge sollen aber nicht damit ausgeführt werden. 

Die Construction hat entfernte Aehnlichkeit mit einem Vogel. Ein 
Flügelpaar von je 5 m Länge und 0,5 m Breite befindet sich senkrecht zum 
Rumpf, ein anderes von je 5 m Länge ist in Verlängerung der Beine an 
denselben befestigt. Der Fliegende muss breitbeinig von einer Doppelleiter 
abspringen und hängt dann mittels einer elastischen Vorrichtung in den 
Flügeln völlig sicher, so dass er seine Haupt-Aufmerksamkeit auf die Be- 
wegung der Beine richten kann. Würde nun der Fliegende keinerlei Bewegung 
ausführen, sondern nur die Beine nach hinten etwas mehr zusammennehmen 
und ausgestreckt halten, so hat er so lange eine langsam sinkende Fort- 


146 Hildebrandt: Neueste Versuche und Projecte mit Flugmaschinen, 


bewegung, bis er sanft die Erde erreicht. Sobald er aber die Flügelflächen 
an den Beinen bewegt, und zwar abwechselnd das eine anfwärts und das 
andere abwärts, so wird Forttrieb erzielt. Will er einhalten, so hat er 
nur nötig, das eine Bein hoch, das andere tief zu halten, wodurch der Flug 
aufrehalten wird. 

Zur seitlichen Steuerung soll mit dem einen Bein etwas sfärker als 
mit dem anderen geschlagen werden. Will man steigen, so muss man 
beide Beine etwas hoch nehmen und umgekehrt. Während beim Schweben 
die Beine zusammengenommen werden sollen, so sollen sie während der 
Arbeit so breit als möglich auseinander sein. 

Die Flügel sind so gebaut, dass sie im Zustande elastischer Ruhe in 
einem bestimnten Winkel nach unten hängen und etwas hohl sind: sobald 
aber der Mann sich in der Luft schwebend hineinlegt, spannen sie sich 
völlig eben aus, und die Spitzen stehen mit ihren hinteren Rändern über 
ihre Fläche hinaus. Hierdurch soll erreicht werden, dass sie beim geringsten 
Sinken durch den Luftdruck von unten Segeldruck erhalten und die Luft- 
massen nach hinten abfliessen, sie selbst aber vorwärts gehen. 

Die Flächen an den Beinen sollen also gewissermassen die Arbeit des 
Vogelschwanzes verrichten. Die Beinbewegungen sind sehr leicht auszu- 
führen, da die Luft durch die gleitenden Flächen bei dem stets in der Fort- 
bewegung begrittenen Apparate die Beine trägt. 

Die Hauptflächen sitzen an einer elastischen Stange, die nach den 
Inden zu konisch ausläuft. Die elastischen Trägerippen sind verstellbar. 
In der Mitte dieser Flächenstange ist eine Steuerstange für die Fläche 
cer Flügel angebracht, die der Fliegende nicht aus der Hand lassen darf. 
Der Zweck dieser Einrichtung ist folgender: Eıstens soll durch eine Art 
Vibrationsbewegung derselben eine Fischsehwanz -ähnliche erhöhte Fort- 
lewegung des Apparates erreicht werden, und zweitens soll durch diese 
Steuerung noch ein oftener und geneigter Flugwinkel der Flugflächen dar- 
erstellt werden können, wenn die Beinflächen-Thätiekeit dies nicht genügend 
imstande ist. Länvere Vebung wird dies ermöglichen. Bei einem grossen 
Apparat wird ein Motor angewendet werden. 

Das Princip, auf Grund dessen der Apparat aufgebaut ist, beruht auf 
einer ganz eig martigen und neuen Auffassung des Vogelfluger: die soge- 
nannte elastische Spannung und Entspannung. Diese Theorie gründet sich 
darauf, dass die Lage der Flügel — wie die Momentbilder von Anschütz er- 
sichtlich machen — (Fig. 10 u. 11 S. 147) des stehelienden Vogels einen grossen 
Unterschied zeigt gegen diejenige des Vogels beim Seliweben. Im ersteren 
Kalle hängen die Flügelspitzen etwas nach hinten und unter der Horizon- 
taleu: beim Schweben, wo die Last des Vozelkörpers in den Flügel hängt, 
sind die Flügelspitzen über der Horizontalen und nach vorn gerichtet: 
befinden sich also in einer Zwangslage, die z. T. durch den Verticaldruck 
der Luft hervorgerufen ist, Diese Kraft drückt den Vogel so schnell nach 





Hildebrandt: Neueste Versuche und Projeete mit Flugmaschinen. 147 


vorn, bis der Druckwertli des dem Körper entgegenwirkenden Luftdruckes 
gleichwertbig mit «dem Spannungsdruck ist. Beide wirken nun constant 


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und erklären die stete Spannung und Entspannung der BRlastieität: da nun 
der Vogel hinten sich an keinem Punkte anklammern kann, so wird er so 
schnell nach vorn getrieben, als der Gegenluftdiuck es erlaubt. 


Otto Lilienthal’s Flugapparate. 

Trotzdem bereits viel über den genialen Erfinder Lilienthal, dessen 
tragisches Ende noch frisch in unser aller Gedächtniss lebt, geschrieben ist, 
so will ich hier auf seine Versuche noch einmal in aller Kürze eingehen, 
einestheils der Vollständigkeit halber, da ich den Mann, der bisher am 
meisten erreicht hat, nicht übergehen darf, andeımtheils aber auch, um den 
vielen wahren Freunden des Luftsports ein Bild von ihm zu geben. 

Das Pıincip, das er verfolgte, ist die Ausführung des Menschenfluges 
mit Hülfe geeigneter, dazu construirter Segeltlächen. In der systematischen 
und energischen Beschäftigung mit praktisch ausgeführten Flugversuchen 
erblickte Lilienthal den einzigen Weg, durch den es erreicht werden würde, 
die Luft zu duichfliegen. 

Schon als Knabe von 13 Jahren hat er das Fliegen mit den primi- 
tivsten angebundenen Flügeln (Klappen) bei Nacht auszuführen versucht, in- 
dem er einen Hügel herunterlief. Später hat er als gereifter Mann besonders 
nach dem Kriege 1870/71, den er als Einjährig-Fıeiwilliger mitmachte, mit 
besseren technischen Hülfsmitteln nach den eingehendsten Experimenten und 
Studien die Construction von Flugapparaten wieder aufgenommen. 

Zunächst führte er dann seine Fliegeversuche, bei denen ibn oft sein 
Bruder, Baumeister in Gr. Lichterfelde, thatkräftigst unterstützte, mit ganz 
einfachen, gewölbten Segelapparaten aus, welche den ausgebreiteten Fit- 
tigen eines schwebenden Vogels glichen, indem er von erhöhtem Standpunkte 
gegen den Wind abschwebte. Als Gestell diente ihm Weiderholz; als Be- 
zug mit Wachs getränkter Shirting. 


148 Hildebrandt: Neuaste Versuche und Projecte mit Flugmaschinen. 


Festgehalten und gehandhabt wurde der Apparat dadurch, dass man 
beide Unterarme in entsprechende Polsterungen des Gestells legte und 
2 Handgriffe anfasste, 

Der Einfluss des Windes zeigte sich bei den Fliegeversuchen frappant. 
Sobald ein etwas lebliafterer Wind kam, schwebte er hoch über den Köpfen 
einer staunenden Menge fort, unter Umständen sogar momentan in der Luft 
auf einer Stelle schwebend bleibend. 

Diesen einfachen Segelflächen fügte Lilienthal sodann später Steuer- 
flächen hinzu, um hierdurch eine bessere Einstellung gegen den Wind zu 
erreichen. | 
Die ganze Bauart der Flugsegel glich in allen Theilen einem Spreng- 
werk, dessen einzelne Glieder nur auf Zug und Druck beansprucht wurden. 
Grösste Festigkeit wurde hierdurch mit grösster Leichtigkeit verbunden. 
Oft stürzte er sich mit diesen Segeln von beliebigen Höhen in die Luft 
und erreichte stets sicher den Boden wieder. 

Um den Transport zu erleichtern und bei eintretendem Unwetter den 
Apparat zu sichern, wurde er zum Zusammenlegen eingerichtet, so dass er 
in 1/2 Minute zusanmengeklappt war. Das Auseinanderlegen dauerte eben- 
falls nur 2 Minuten. Sogar Schutz vor dem Regen, der ihm nichts anhalen 
kann, gewährt er; 20 Personen haben unter seiner schützenden Hülle Platz. 

Belt unangenehm empfand Lilienthal bei seinen Flügeln stärkere 
plötzlich auftretende Windstösse, weil bei ihnen die Gefahr vorlag, dass 
sie — wenn auch nur einen Augenblick — den Apparat von oben treffen 
könnte, wodurch er unfehlbar in die Tiefe gestürzt und zerschellt worden 
wäre. 

Als Maximalgrösse für die Segelflächen fand er Flächen von 14 qm, 
7 m Länge von Spitze zu Spitze gemessen, da grössere die Stabilität ein- 
büssten. Gleichzeitig wurde ihm auch die Landung bei stärkeren Winden 
und grösseren Flächen sehr bedenklich. Wie Lilienthal selbst sagt, hat er 
oft in der Luft einen förmlichen Tanz aufführen müssen, um, vom Winde 
hin und her geworfen, das Gleichgewicht zu behaupten; aber stets gelang 
es ihm doch, glücklich zu landen. Er wurde hierdurch aber notgedrungen 
zu den Versuchen geführt, die Lenkbarkeit und leichtere Handhabung zu 
verbessern. 

Bisher hatte er die Lenkung durch einfache Verlegung des Schwer- 
punktes mit seinem Körper bewirkt, die um so günstiger von statten ging, 
je kleiner die Flügelflächen waren. Da nun bei stärkerem Winde die An- 
wendung kleinerer Flächen keinen besonderen Nutzen gewährte, sondern 
vielmehr sich die Nothwendigkeit herausstellte, eine grössere Fläche zum 
Heben zu gewinnen, so versuchte er 2 parallele Flächen über einander an- 
zubringen. Es gelang dies überraschend gut. Der Doppelapparat hatte 
nur Bis m Spannweite bei zwei Trageflächen von je 9 qm, deren obere 
etwas über der unteren liegt. 


Hildebrandt: Neueste Versuche und Projecte mit Flugmaschinen. 149 


Die Sehwerpunktsverlegung mittelst des Körpers wirkt hier ebenso 
günstig wie früher. Durch Verlegen desselben nach links wurde sofort 


Fig. 12. 





das infolge eines stärkeren Windstosses gehobene linke Flügelpaar gesenkt 
und umgekehrt. 

Die erreichte Höhe wurde ganz bedeutend grösser, oft wurde der Ab- 
fliegepunkt um ein erhebliches Stück überflogen, sobald die Winde bis über 
10 m stark waren. 

Beim Landen bei geringem Winde musste der Apparat vorn gehoben 
werden durch Zurücklegen des Körpers und dann unmittelbar über dem 
Boden die Beine, wie beim Sprunge, schnell vorgeworfen werden, da sonst, 
der Körper einen sehr unangenehmen Stoss erhalten würde. Bei etwas 
stärkerem Winde dagegen senkte der Apparat sich sehr sanft zur Erde. 

Bei den ausgeführten Uebungen hat Lilienthal stets die hebende Kraft 
des Windes deutlich gespürt, und er sagt ausdrücklich, dass der Wind auch 
eine Bewegung ähnlich dem Kreisen der Vögel hätte einleiten und den 
Apparat nach links oder rechts drehen wollen; aber infolge der Nähe des 
Berges, von dem er abgeflogen sei, hätte er sich nicht darauf einlassen dürfen. 

Als Uebungsgelände hatte er sich verschiedene Berge in der Umge- 
bung Berlins ausgesucht, bis er sich schliesslich, um die weiten Wege zu 
sparen, bei Gross-Lichterfelde einen Hügel von 15 m Höhe und 70 m unterer 
Breite baute, der oben zur Aufnahme der Flugapparate eingerichtet war. 

Grosse Sicherheit hatte Lilienthal bereits im Fliegen erlangt; er 
wollte nunmehr dazu übergehen, mit Hülfe eines kleinen Motors den Ruder- 
flug der Vögel ‚nachzualimen; d. h. Flügelschläge auszuführen, als den 
külınen Mann das Schicksal am 9. August vorigen Jahres hinwegraffte. 


ibo Hildebrandt: Neueste Versuche und Projecte mit Flugmaschinen. 


Es kam Lilienthal bei diesen letzten Versuchen darauf an, die Stellung 
des Horizontalschweifes willkürlich zu ändern durch eine Kopfbewegung. 
Ob er nun dabei eine falsche Bewegung ausgeführt hat, oder ob sonst 
etwas in Unordnung geraten war, ist nicht aufgeklärt. In 15 m Höhe 
kippte der Apparat nach vorne um, schoss pfeilschnell zur Erde, und mit. 
gebrochenem Genick wurde Lilienthal unter den Trümmern hervorgezogen. 


Es war dies an derselben Stelle des Gotenberges bei Stöllen, wo er 
bereits 2 Jahre vorher infolge mangelhafter Aırmstützen, herabgestürzt war, 
ohne damals besonderen Schaden zu erleiden. 


Viele Nachahmer hat er mit seinen Fliegeversuchen gefunden, und 
hoffentlich ist seine Lebensarbeit nicht vergebens gewesen, sondern spornt 
weiter zu neuen Versuchen an. 


Professor S. P. Langley’s Aörodrome. 


Die Flugmaschine von Langley, Professor am „Smithsoman“ Institut 
in Washington ist im wesentlichen ein Drachenflieger, dessen tragende 
Flächen unbewegliche Flügel sind, die sich seitlich breit ausdehnen. Durch 
ein Rahmwerk aus Stahl wird mit diesen Flügeln ein Metallboot, das in 
einem Randschlot endet, starr verbunden. Die ganze Länge der Flug- 
maschine beträgt 4.5 m, die Breite der Flügel, von Spitze zu Spitze ge- 
messen 4,2 m. Seiue Fortbewegung erhält der Aerodrome durch je eine 
an den Seiten sitzende Propellerschraube von 1,2 m Durchmesser, die 
genau so arbeitet, wie die Schrauben eines Dampfers. Ueber 1000 Um- 
drehungen werden durch eine Zählverrichtung während des Fluges in der 





Minute angezeigt; das ist eine solehe Schnelligkeit, dass man von den 
Schraubenblättern fast nichts mehr mit dem Auge wahrnehmen kann. 


In den Haupttheilen ist die Flugmaschine aus Stalıl gearbeitet. Nach- 
dem aber die erste Maschine fertiggestellt war, erreichte es Langley durch 
fortgesetzte mühevolle Versuche, indem er einzelne Theile schwächer con- 
struirte, andere allerdings wieder verstärken musste, dass das Gesammt- 
gewicht nur 13,50 kg betrug incl. eines Wasservorratlis von nahezu 2 kg. 


Hildebrandt: Neueste Versuche und Projecte mit Flugmaschinen. 151 


Das ist nicht mehr als das 1000 fache der Luft, welche die Maschine 
verdrängt. | 

Der Heizstoff der Dampfmaschine, deren bewegliche Theile c. 3/4 kg 
wiegen, ist Gasolin, das vor dem Gebrauche in Gas verwandelt wird. Die 
durch dasselbe erzeugte Hitze ist eine derartige, dass der Kessel sofort 
schmelzen würde, wenn nicht eine eigens dazu bestimmte Pumpe eine sehr 
lebhafte Circulation des Wassers herbeiführte, infolge welcher immer nur 
ein Theil des Wassers zur Verdampfung gelangen kann, während der Rest 
dem Kessel wieder zugeführt wird. Aelınlich hat auch Maxim seinen Kessel 
eingerichtet. Der Vorrath an Wasser reicht nur für einen Flug von ` 
5 Minuten Dauer aus; jedoch will Langley bei einer nur 10 mal schwereren 
Maschine einen Condensationsapparat anbringen, der eine wiederholte Aus- 
nutzung des Wassers ermöglicht. 

Die erzeugte Kraft beträgt mehr als 1 HP. 

Um den Aerodrome in die Luft zu bringen, bedarf es einer besonderen 
„Ablassvorrichtung.*“ Von derselben sagt Langley selbst, dass sie zwar 
einfach aussieht, aber das Werk 5 jähriger Experimente sei. Diese Vor- 
richtung besteht aus einem drehbaren Tisch, an den die Flugmaschine an- 
gehängt wird. Der Tisch wird in die beabsichtigte Flugrichtung eingestellt 
und dann vorwärts geschnellt. Bei dieser Bewegung wird die Aufhänge- 
vorrichtung des Aerodroms ausgelöst und derselbe der Luft übergeben. 
Der Tisch ist auf dem Schiff angebracht, von dem aus die Versushe an- 
gestellt werden, Sobald die Flugmaschine der Luft überliefert ist, hängt 
es gewissermassen auf den Drachenflächen. Bei den letzten Versuchen flog 
es gegen den Wind zunächst. c. 1400 m völlig stabil in horizontaler Rich- 
tung vorwärts. Vor einem im Wege stehenden Wald, an dem es zu zer- 
schellen drohte, führte es eine sichere und elegante Wendung aus, fuhr um 
den Wald herum und flog seitwärts über das Wasser, woselbst es nach 
Verbrauch des Wassers langsam und völlig intact auf der Wasserfläche 
landete. Die durch zwei von einander unabhängige Secundenuhren mit 
Hemmfedern angezeigte Flugzeit betrug 1 Minute 45 Secunden. Wegen der 
Gefahr drohenden Nähe des Waldes war der Kessel nur mit dem 3. Theile 
der möglichen Wassermenge gefüllt. 

Die ganze durchflogene Strecke betrug 1600 m; d. i. über 50 km die 
Stunde. Mit der vergrösserten Maschine hofft Langley weit über 2 Stunden 
Flugzeit zu erzielen. 

Die ersten Versuche mit dem Aerodrome hat Langley im Mai 1896, 
nach dem er sich bereits 16 Jahre praktisch mit der Flugfrage beschäftigt 
hatte, an der Bucht des Potomac-Flusses angestellt und sehr günstige 
Resultate erzielt. Alexander Graham Bell, der Erfinder des Telephons, 
hat hierüber verschiedene Berichte veröffentlicht. Nach dieser Zeit hat 
Langley aber ununterbrochen an der Vervollkommnung seiner Maschine 
gearbeitet und mit dem bedeutend verbesserten Aerodrome wurden am 


152 Hildebrandt: Neueste Versuche und Projecte mit Flugmaschinen. 


28. November 1896 die eben geschilderten Versuche ausgeführt. Die Be- 
schreibung nebst Abbildung ist nach einem, dem Verfasser von Professor 
Langley persönlich zugesandten Berichte des Herrn Frank G. Carpenter, 
wiedergegeben. 

Ueber die Apparate des Franzosen Ades und noch einiger anderer 
bedeutenderer Erfinder behalte ich mir vor, später in dieser Zeitschrift zu 
schreiben. 


Versuche mit grösseren Luftschrauben. 
Von Georg Wellner, Professor an der technischen Hochschule in Brünn. 
(Schluss.) 


Einfluss des Windes. 


Die Aufstellung der Versuchsschrauben oberhalb eines hohen, frei- 
stehenden Gerüstes auf dem weiten, allseits ziemlich offenen Hofplatze der 
Zborowitzer Zuckerfabrik geschah mit aus dem Grunde, damit die Ein- 
wirkung von Luftströmungen auf die ruhenden oder umlaufenden Flügel- 
flächen gut beobachtet werden konnte. Soweit es thunlich war, wurden 
allerdings windstille Zeiten, insbesondere sehr trühe Morgenstunden für die 
Experimente benützt, um fellerfreie Resultate zu gewinnen; es gab aber 
auch Tage mit mässigen, manchmal solche mit heftigen, stossweise wechseln- 
den Windströmungen, so dass eine sichere und ungestörte Bestimmung der 
ebekraft erschwert oder unmöglich gemacht, dagegen Gelegenheit geboten 
war, den Einfluss des Windes auf die Schraube deutlich kennen zu lernen. 


Wenn der Wind aus Nordwesten oder aus Norden längs einer sanft 
abfallenden Berglehne herabkam, drückte er auf die Oberseite der Schrauben- 
fläche und minderte sichtlich die Hebewirkung. Wagrecht herankommende 
Ost- und Südwinde erzeugten jedesmal eine (oft sprungweise auftretende) 
Steigerung der Kratt um 5—10 kg und darüber; immer jedoch machte sich 
eine Ungleichmässigkeit des dynamischen Druckes in der Richtung bemerk- 
bar, dass die dem Winde entgegengefülrte Hälfte der rotirenden Flügel- 
flächen eine stärkere Hebung erfuhr, als die mit dem Winde laufende 
Gegenseite, wodurch nicht selten unruhige Stösse, Biegungen und Er- 
schütterungen der Schraubenachse verursacht wurden. Schon das Auf- 
bringen der grossen Flügelschraube auf das Gerüste hatte bei stärkeren 
Winde seine Schwierigkeiten, und gegen heftigere Windstösse zeigte sich 
das Gefüge des Schraubengerippes nicht haltbar genug. Die Erscheinung 
der einseitigen Wirkungsweise ist leicht erklärlich.. Wenn ein Schrauben- 
flächen-Element f im Kreise vom Radius r um die Achse o mit der Umlauts- 
geschwindigkeit u herumgeführt wird, während ein von links nach rechts 
mit einer Geschwindigkeit w welender Wind dagegen bläst (siehe Fig. 6), 


Wellner: Versuche mit grösseren Luftschrauben. 153 


so kömmt in der Position 3) die Geschwindigkeitssumme «+ w, in der Po- 
sition 1 die Differenz u — w für den geweckten Luftwiderstand zur Geltung, 
Fig. 6. 





EE, 
weil derselbe immer nur von der relativen Geschwindigkeit zwischen Fläche 
und Luft abhängig ist. In der gezeichneten, dem Drehungswinkel a zuge- 
hörigen Zwischenposition der Fläche f combinirt sich die Umfangs- und 
Windgeschwindigkeit « und w zu der resultirenden relativen Geschwindig- 
keit v. Für dieselbe gilt aus dem Dreiecke des Geschwindigkeits-Parallelo- 
gramms die Gleichung: 
v? = u? -+ w? — 2 u w cos a, 

in welcher der Winkel a für die verschiedenen, während der Drehbewegung 
nach einander folgenden Positionen alle Werthe von 0° bis 3600 annimmt. 

In der Lage 4) und 2), wo der Winkel a = 90°, beziehungweise 
= 270°, also cos a = 0 ist, wird 

v = v —u? uw; 
in der Position 3), wo a = 180° beträgt, ist 
v3? = u? p w? t 2 u w, 
in Position 1) dagegen 
v? = w? -Hw — 2 uw. 

Der Mittelwerth der Grösse v? lässt sich durch einfache Integration 

ausrechnen : 
2r 


(u? -+ w? — 2 u w cos a) d a = u? + ai, 





u? = 

2 K 

0 

das heisst in Worten ausgesprochen: Der durchschnittliche Werth des 
Quadrates der resultirenden, für den Luftwiderstand, folglich auch für die 
Hebekraft massgebenden Geschwindigkeit ist gleich der Summe der Quadrate 
der Umlaufs- und der Windgeschwindigkeit, also gerade so gross, wie der- 
selbe Werth in den Positionen 4) und 2). Dieses Resultat wird auch ohne 
besondere Rechnung, unmittelbar aus der Anschauung erklärlich, dass sich 


154 Wellner: Versuche mit grösseren Luftschrauben. 


die Werthe für je zwei zur horizontalen Mittellinie 4...2 symmetrische 
Stellungen des im Kreise umlaufenden Flügelelementes immer zu dem gleichen 
Mittelwerte compensiren. | 
Für die gezeichnete Flächenposition I z. B. ist: 

v? = w p w? — 2 u w cos a= + wt 2 u w ceos $ 
für die punktirte Gegenposition II: | 

va = w’ +w4+2 u w cos a = u? + w? — 2 uw cos f, 
folglich die halbe Summe: 

Ge v? = u’ uw. 
2 

Man ereicht, aus dieser Betrachtung, dass eine Windströmung bei 
ruhender Fläche und ebenso ein Vorwärtsflug der Fläche in windstiller Luft 
der geleisteten Hebekraft in erheblicher Weise förderlich sein muss. 

Wenn beispielsweise eine Umlaufsgeschwindigkeit «= 10 m einmal 
allein für sich bei ruhiger Luft, ein anderes Mal zusammen mit einer Wind- 
geschwindigeit w = 2 m zur Wirkung gelangt, so ist das Eiffectverhältniss: 

10? : (10 + 2)? = 100: 144. 

Freilich ist dabei nicht ausser Acht zu lassen, dass durch die Ver- 
grösserung und durch die Schrägrichtung der resultirenden relativen Ge- 
schwindigkeit v (siehe Fig. 6) der Neigungswinkel der bewegten Fläche 
gegen die Luft kleiner und in Folge dessen auch die Hebewirkung ge- 
schmälert wird, so dass eine theoretisch vollkommene Durchrechnung des 
Windeinflusses mit Rücksicht auf die bei den rotirenden Schraubenflügel- 
Flächen vorhandenen verschiedenen Umlaufsgeschwindigkeiten und Neigungs- 
winkel wegen der Störungen und Richtungsänderungen der herankommenden 
Lufttheilchen unter einander keine zutreffenden Anhaltspunkte zu bieten 
vermag. Erst langwierige und mühevolle Beobachtungen bei praktischen, 
an vielerlei Flächen und unter verschiedenen \Windverhältnissen durchge- 
führten Proben werden eine befriedigende Klarheit schaffen können über 
alle durch Luftströmungen verursachten Erscheinungen und Effecte. 

Nicht unerwähnt gelassen sei zum Schlusse der Umstand, dass die 
Schwierigkeit der Experimente mit Flächen im Winde vornehmlich bedingt 
ist durch das Festhalten derselben an einem gegebenen Standpunkte, wie 
solches zum Zwecke der Beobachtung und Messung erforderlich ist, dass 
aber die Stösse und Störungen, das Rütteln und Zerren des Windes an 
den Flächen sofort aufhören würde, wenn man die Versuche mit unge- 
fesselten, in freier Luft fliegenden Apparaten vornehmen könnte, bei welchen 
sich jede beliebige Lage, Schiefstellung oder Wendung in selbstthätiger 
Weise einzustellen vermöchte und dadurch jegliche heftige Erschütterung 
erspart wäre. Es gilt in dieser Beziehung eine zutreffende Analogie mit 
den Schiffen am Meere, welche ungefährdet und ohne Schaden zu leiden, 
das regellose Schaukeln der Wellen mitmachen, welchen jedoch in ihrer 


Wellner: Versuche mit grösseren Luftschrauben. 155 


Festigkeit und ihrem Gefüge sogleich arge Gefahr droht, wenn sie auf einer 
Sandbank festsitzen oder festliegen, weil sie dadurch die Nachgiebigkeit und 
Freiheit in ihren Bewegungen einbüssen und ausgesetzt sind dem unge- 
berdigen Anprall, dem ruhelosen, tollen Spiel der zerstörungssüchtigen Wogen. 


Auszug aus den Versuchsergebnissen des Jahres 1895. 


Unter Hinweis auf die voranstehenden Betrachtungen sei es mir ge- 
stattet, die nach meinem Dafürhalten sich ergebenden Schlussfolgerungen 
in knappen Worten punktweise aufzuzählen. 

1. Die Schraubenflächen überhaupt. Vom allgemeinen 
Standpunkte ist hervorzuheben, dass sich horizontalumlaufende Luftschrauben 
wegen der Einfachheit ihres Gefüges und wegen des technisch-praktischen 
Betriebes für die Schaffung dynamischer Hebekraft zu Zwecken der Her- 
stellung von Flugmaschinen sehr gut eignen. 

2. Die Anzahl der Flügel. Zwei Schraubenflügel sind am 
besten, weil sie in bequemer Weise die sorgfältigste diametrale Symmetrie 
und Gewichtsvertheilung ermöglichen. Die Dreizalıl würde zwar eine gleich- 
förmigere Kraftwirkung im Kreise liefern, dagegen eine schwierigere und 
schwerere Bauart bedingen. 

3. Die Flügelform. Die Flügel sollen in radialer Richtung 
lang sein und so schmal sein, dass sie an ihrer breitesten Stelle kaum ein 
Zehntel des Kreisringes betragen, weil sie dadurch einen kräftigen Auftrieb 
liefern; die ovale Libellenflügelform mit schöngerundeten Spitzen kann als 
7weckmässig gelten. 

4. Die Festigkeits- Verhältnisse. Das constructive 
Moment ist von grösster Wichtigkeit, weil eine leichte und dabei kräftige 
Bauart erzielt werden muss. Die Vorderseite und die der Schraubenachse 
näherstehenden Partien sollen stärker und kräftiger sein, als die rück- 
wärtigen und die nach aussenhinliegenden; so verlangt es die nothwendige 
Steitheit und Widerstandsfähigkeit gegen Biegung und Verdrelung. Die 
tragenden Armstangen und Rippen, von der Mitte ab hochkantig, gegen 
das Flügelende flach auslaufend, sind radial zu stellen, damit sie gegen die 
Flugkraftwirkung gesichert seien. 

5. Die Schrägstellung. Der Neigungswinkel der Schraube, 
von innen nach aussen abnehmend, soll klein sein (im Druckmittelpunkte 
etwa nur 3—50 betragen), damit eine rasche Umlaufsbewegung und ein 
ökonomischer Arbeitsaufwand möglich werde. 

6. Die Oberflächen-Beschaffenheit. Sowohl die Ober- 
seite als auch die Unterseite der Flügelflächen soll vollkommen glatt, steif 
und fest sein; die Vorderkante; der Aussenrand, insbesondere aber auch 
die auslaufende Schlusskante sollen zugeschärft sein, um die Luftreibung 
und den Stirnwiderstand zu verringern und das Anschmiegen der entlang- 
streichenden Lufttheilchen zu begünstigen. 


156 Wellner: Versuche mit grösseren Luftschrauben. 


7. Materialdes Gerippes. Zum Zwecke von Vorversuchen 
eignet sich hartes, astfreies Holz ziemlich gut, weil sich dasselbe gut be- 
arbeiten, leicht auf die passende Form bringen und zusammenfügen lässt 
und dabei dennoch eine verhältnissmässig grosse Festigkeit und Zähigkeit 
besitzt. Wegen der Feuergefährlichkeit des Holzes und dessen geringer 
Beständigkeit gegen Witterungseinflüsse jedoch müsste im Ernstfalle zu dem 

Fig. 7. = verlässlicheren, aber in Betreff der Fabrikation und 
SETZ -| Construction bedeutend theureren Stahlmaterial ge- 


() griffen werden. 

A LN oc 8. Material des Belages Zur 

i IN | Deckung des Schraubenflügel - Gerippes können 
ch | dünne Blechtafeln aus Aluminium oder Aluminium- 
| 4 bronze genommen werden, doch dürften hierfür 
qg | auch bessere Webstoffe mit Drahtgeflecht-Einlage 

genügen. 























Die neue Luftschraube. 


Auf Grundlage der im Jahre 1895 gewonne- 
nen Erfahrungen construirte ich eine neue Schraube 
von leichterer Bauart, Kleiner an Dimensionen und 
für rascheren Umlauf bestimmt, zu deren Fertig- 
stellung und Ausprobung Herr Dr. Heinrich Friess 
in Zborowitz mir abermals in rühmenswerther 
Weise behilflich war. Die Fig. 7 und 8 versinn- 
lichen das Gerippe und Gefüge der neuen Luft- 
schraube. 

Sieben diametral laufende Ulmenholzstäbe, in 
der Mitte (bei 30 mm Stärke) flach übereinander- 
gelegt und durch eine obere Kappe, sowie durch 
Holzschrauben fest zusammengehalten, sitzen auf 
Fig. 8. Lan natürl. Grösse. 





En 


aa 
Mi 
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CH 





ass E WK - á b 
BK, Aë dr EE en AC Aë í 


TEETE Bac E, a a SE ek er 
einem kurzen Stahlrohr, worin vier quer hindurchgestreckte, in die Hölzer ein- 
gepasste Röhrchen die Mitnahme des Flügelrades bei der Drehung vermitteln, 


s. s. -——_ P 


Wellner: Versuche mit grösseren Lufischrauben. 157 


Jeder einzelne Stab, genau symmetrisch zur Achse und sorgfältig 
ausgeglichen, hat eine entsprechende Profilirung und Stärke, ist von der 
Mitte ab hochkantig schief gestellt und gegen die Enden flach auslaufend 
gebaut. Der erste und der letzte Stab, deren Mittellinien um 600 ausein- 
anderstehen, besitzen zugeschärfte Aussenkanten; drei Bogenleisten, sowie 
die Randhölzer, deren Verzapfungen eine Sicherheit gegen die Fliehkrafts- 
wirkung liefern, versteifen das Gerippe, und jederseits 26 Bohrlöcher für 
Riemenschrauben dienen zur Verbindung mit den Belagflächen. 

Die Fig. 9 und 10 zeigen die Querschnitts-Uebergänge der Stäbe 
I und II in radialen Abständen von je 250 zu 250 mm. 


Fig. 9. Stab I. !/, natürl. Grösse. 





Der grösste Durchmesser des Doppelflügels beträgt 4'25 m, die grösste 
Breite 1°240 m. Die richtige Herstellung des Gerippes bot mannigfache 
Schwierigkeiten, welche durch die k. k. Hofwagenfabriksfirma J. Weigl 
in Prerau in gelungener Weise bewältigt wurden. 

Die Steigungshöhe der Schraubenfläche ist für alle Stellen gleich gross, 
nämlich für einen Centriwinkel von 60° 180 mm, somit für den ganzen Kreis 
1'080 m. Die Tangenten der Steigungswinkel nehmen dementsprechend 
von Innen nach Aussen in arithmetischer Progression ab, worüber die bei- 
gefügten drei Colonnen Aufschluss geben. 











Radius p i __ 1080 | gs 
in Millimetern ang a= prp 

250 068755 34° 30° 
500 084877 18°58’ 
750 0:22918 12°55’ 
1000 017189 9°45’ 
1250 0:18751 lj 7°50’ 
1500 0:11859 6°82° 
1750 0°09822 6° 87° 
2000 008594 4°56° 
2250 ` 007639 4722‘ 


158 Wellner: Versuche mit grösseren Luftschrauben. 


Zur Ermittelung des Druckmittelpunktes der Schraubenfläche wurde 
ein Flügel in 15 Ringstreifen getheilt (siehe Fig. 8), für jeden einzelnen der 
ausgleichende Centriwinkel, der Sector, die Grenzradien, die Flächen und 
die Druckmittelpunkts-Radien bestimmt, wie es die nebenstehende Tabelle 
ausweist. 

Die Flächenprojection beider Flügel zusammen beträgt: 

F=? E f=3'473 m’. 

Der Radius des Druckmittelpunktes ergiebt sich: 


fe -V: 30733 |. 
= f = 1 Oe 04 D 
P = yH en 


Der Umfang daselbst d 2 z p = 8 ' 357 m. 
Der Neigungswinkel im Druckmittelpunkte lässt sich aus der zu- 
gehörigen Tangente finden: 
tang a = an == 12923, u = 722°. 
Die Umlaufsgeschwindigkeit im Druckmittelpunkte beträgt, wenn wir 
mit n die Tourenzahl des Rades bezeichnen: 





V = 2Tp. DEL 
folglich für: n = 120 v = 16'714m 
150 20'892 „ 
180 25071 „ 
210 29'250 „ 
240 33'428 „ 
270 37'606 „ 
300 41'785 „ 
330 45'963 „ 
360 50°143 „ 


Die Aluminiumbleche zur Deckung der oberen und unteren Seite der 
Flügelflächen hatten o: 25 mm Stärke und wurden gefalzt und durch Kupfer- 
ösen zusammengenietet, welche Verbindungsart sich bei dem dünnen Blech- 
material als äusserst haltbar und zweckmässig erwies. Das Gesammtge- 
wicht der completen Schraube ist 25 ke In Betreff der Aufstellungsart 
und Lagerung der neuen Schraube auf dem Eichenholzgerüste in dem Hof- 
raume der Zborowitzer Zuckerfabrik gilt das schon bei den früheren 
Schraubenversuchen Gesagte. Auch der Antrieb mittelst geschränkten 
Riemenbetriebes durch das Locomobil blieb derselbe, desgleichen die Messung 
der erzeugten Hebekraft durch Belastungsgewichte, welche auf die Platt- 
form der Decimalwage unmittelbar aufgelegt wurden. (Siehe die Fig.- 4). 

Es folgen einzelne Ziffernreihen aus den zahlreichen vorgenommenen 
Experimenten mit der neuen Schraube in chronologischer Reihenfolge mit 
den zugehörigen Beobachtungen und Angaben: 


159 





Flächenstreifen 
Nr. 


Tabelle zur Bestimmung des Druckmittelpunktes. 














Abstände dieses 














Versuche mit grösseren Luftschrauben. 
OD sl CD En m O Mi Fe 


| ` fe ` Feb ` Secä 
0o Mi es O © 


Wellner: 


ke 
TZ 


9 


ke 
© 





5,2 S 
Së S S ER Grenz- Flächen der punkt-Radius nun a 
22373 383 al. “aan Differenzen SS en == f °= 
poas 333 en p = Streifenrand | 
Ss © ER u Millimetern | ___ il 
681, || 05978 l eg SE d 0 9000 0.0588 0:309 a | 66 0-095481 Te ans] 0:0005 
66 0:5759 |f Geng SS oi 0-0630 0:4485 681/3 || 561/3 | 0°196692 0:0123 
647, || 05624 || oo; ogoug |y 01406 0:0790 0567 67 || 58 0.821489 es 
64 05586 H eu Anen Y OU 0:C960 0691 166 | 69 0477481 0:0458 
681, || 05542 If ogm | oreg |7 0208! 0-1125 0815 ies || 60 0-664300 0.0747 
63 0.5497 IE og | Ge |) 02844 0:1288 0:939 KR 6l 0881721 | Dun 
62 05400 H um | ag |) 02658 0.1434 1o68 |63 | 62 || 1129960 | 01620 
59, | 05170 H on en |) 02989 0 1585 11875 || 6217, | 621/, | 17410156 | DE 
bai, || 04848 || 1.875 geg H 08281 0:1589 1312 62 | 63 1721844 | en 
51 or | 0359 0:1599 1:4865 || 611, | 63%, | 2063552 | 0:8300 
451), oan Wes agaco |? 03906 0:1550 1.6606 || 60%, (ont | 2404062 | 0:8726 
291/3 || 08447 | SECH aen |3 04219 0:1454 1:6845 || 6917, | 661, | 2887540 | ARTE 
BO | 02886 1, ent anne |} 04581 0:1285 1'808 58 || 67 8:268864 | ah 
211), | 02188 BR das $ 04844 0:1035 1981 | 56 | 69 8728750 0'8860 
_ | u bo — 0 0552 2:060 — — || 4241000 0:2341 
a a BESSE GSEOGCR 


160 


Wellner: Versuche mit grösseren Luftschrauben. 


L 7. April 1896, Nachmittags. 


Neue Schraube. F = 8.473 m?; p = 1'830 m. 
Leergewicht der Antriebsspindel mit Stellschrauben, 











Mitnehmer und Spurplatte . . 2 2 Ou AA Kë 
Eigengewicht der Schraube . . . . e ae Zb , 
Gesammtgewicht auf der Plattform der Waage di + qa = 69 kg 

EE EE 

Touren der | Geleistete 

Schraube Hebekraft 

pro u kg 

200 98 Das Manometer am Kessel zeigte 
208 25 3 bis 8!/⁄, Atm. Der Dampfeinlass- 
218 | 27 schieber war stark gedrosselt.e. Es 
214 | 28 herrschte Nordwind von wechselnder 
Fr | We Stärke, welcher, von der Berglehne 
182 dl herabwehend, sichtlich die Schraube 
184 21 herunterdrückte. Der Rauch aus der 
216 29 hohen Fabrikesse wurde schräg nach 
SS 2 unten geführt. Die Aluminiumblech- 
212 27 Deckung blieb vollkommen intact; der 
210 26 Gang der Schraube war trotz der 
212 27 | Windstösse ein sehr ruhiger. 
li. 8. Aprii 1896, Frühmorgens. 

q, = 44 kg Neue Schraube. 

m om F= 8413 

zus. = 69 kg p = 1'380. 

n afa P zl 

Sr D Die Kesselspannung schwankte zwischen 8!/3 

200 | 25 || bis 4 Atm. Der Dampfeinlassschieber war ge- 

204 | 26 | drosselt. 

200 | 25 | 

212 | 28 Es herrschte anfangs grimmige Kälte und 

216 | 80 sanfter Wind ohne bestimmte Richtung, welcher 

a zum Schlusse ganz aufhörte, worauf es zu schneien 

222 82 begann. 

216 | 80 Um das Locomobil rascher laufen lassen zu 

286 | 37 können, wurde der Riemen für den Antrieb des 

284 | 86 Schwungkugolregulatore herabgenommen, doch 

ar B81, liess sich dann die Gleichförmigkeit des Ganges 

228 | 84 schwer festhalten. Um die Zählung der Touren 

288 | 87 zahlen, welche bei dem raschen Umlauf schwierig 

Sim 2 wurde, genauer zu gestalten, wurde auf die verti- 

250 | A8 cale Schraubenwelle ein Zahnrädchen aufgekeilt 

252 | 44 und daneben eine kleine Hilfsspindel mit einem 

254 | 45 gleich grossen Rädchen, an welchem sich ein 

Sr > Tourenzähler gut anbringen liess. Die erforder- 

256 | 47 liche Arbeitskraft bei 258 Touren der Schraube, 

258 | 48 beziehungsweise bei 48 kg Hebekraft liess sich 

258 48 auf 8 HP schätzen. 





Wellner: Versuche mit grösseren Luftschrauben. 





HL 30. April 1896, Nachmittags. 








Neue Schraube, F — 8'473 m?; p = 1'1330 m. 

d = 446 kg Der Zuwachs am Ballast um 06 kg 
gaz SI - rührt von dem auf der Schraubenwelle 
zus. — 696 kg aufgebrachten Zahnrade her. 
n | P | 
168 | 16 Die Dampfspannung wurde constant auf 
196 | 23 4 Atm. gehalten und der Einlass stark gedrosselt. 
252 | 42 Anfangs herrschte mässiger Südwind mit 
210 | 26 Regen. Ein Gewitterguss unterbrach für kurze 
265 45 Zeit die Experimente; dann kam Nordwind, welcher 
268 | 47 || von der Berglehne herabwehend oben auf die 
262 | 48 Schraube traf und die Hebekraftwirkung herab- 
260 | 42 drückte, wodurch die mittleren Zahlen der zweiten 
270 | 48 || Colonne niedriger sind, als jene beim voran- 
276 | 50 || gehenden Versuche II. 
278 | 6l Der Wind drehte dann nach Nordwest und 
276 | 50 West; es begann zu stürmen und zu regnen. 
228 | 30 Die neue Methode der Ablesung der Touren- 
260 | 44 zahlen war sehr bequem und genau. Die Leistung 
258 | 46 der Maschine bei 298 Umlaufen der Schraube, 
298 | 60 beziehungsweise bei 60 kg Hebekraft war circa 
290 | 56 4 HP. 
298 | 60 
800 | 61 

IV. 1. Juni 1896, Nachmittags. 

q, = 44-6 kg Neue Schraube. 

qa = 250 „ F = 8'473 m? 
zus. — 69:6 kg p = 1'330 m 
n P | 
əl | 25 Es herrschte fast windstilles Wetter; der 
994 | 28 anfänglich sehr schwache Nordwind drehte nach 
998 | 30 Nnrdwest und hörte Abends vollständig auf. Die 
996 | 29 Dampfspannung (4 Atm. am Manometer) wurde stark 
280 | 81 gedrosselt. 
278 | 54 Die Schraubenspindel zeigte bei den höheren 
282 | 66 Tourenzahlen das Bestreben, sich von der Platt- 
oun | 55 form der Wage abzuheben. Die Ziffern der Hebe- 
982 | 56 nn P erscheinen höher ale beim letzten Ver- 

suche. 

Se SE Der Riemen des Schwungkugelregulators 
239 | 84 war herabgenommen. 
242 | 85 Die Aluminiumfläche blieb vollkommen steif 
252 | 39 und tadellos, ohne irgend welche Schwankungen 
254 | 40 anzunehmen. 
256 A Die Dampfkesselspannung wurde hierauf 
288 | 57 | sinken gelassen und bei gänzlich offenem Dampf- 
998 | 62 einlassschieber weiter gearbeitet, 
292 | 59 
294 | 59 


161 


162 


Wellner: Vorsuche mit grösseren Luftschrauben. 


IV. 1. iuni 1896, Nachmittags. (Fortsetzung.) 





























n P | 
| | 
276 | 55 | 
' deg Ge | Die Dampfspannung zeigte bei offenem 
oi) 60 Schieber 2 Atm. 
} i ille. 
964 | 50 Es herrschte vollkommene Windstille 
268 | 52 
290 | 60 Die Spannung bei offenem Dampfeinlass war 
292 | 6l 2.2 Atm. 
294 | 61° Vollkommene Windstille. Die Beobachtungen 
288 | 59 sehr verlässlich. 
296 | 62 Die Maschinenarbeit bei 290 Umläufen und 


290 | 60 60 kg Hebekraft war circa 4 HP. 


V. 2. Juni 1896, 6 Uhr Früh. 











q, == 446 kg. Neue Schraube. 

de 250 „ F — 3:473 m? 
zus. — 696 kg. p — 1:830 m 

n P 
244 | 39 Es herrschte vollkommene Windstille. Der 
250 | 41 Rauch der Fabrikschornsteine steigt gerade auf 


262 | 48 in die Höhe. Der Dampfeinlassschieber ist ganz 
252 | 42 offen; die Spannung spielte zwischen 1.6 und 1.9 


262 | 48 und stieg zum Schlusse auf 2 Atm. Die Messungen 
260 | 47 sind sehr genau. Der Umlauf ruhig. Bei 292 Um- 
264 | 505 | Jaufen der Schraube begann sich die Schrauben- 
264 | 50:5 | spindel von der Schraube abzuheben und blieb in 
212 | 53 der Höhe, wobei die Stellringe ein weiteres Steigen 
263 | 50 verhinderten. 

265 | 52 Das oben angeschriebene Ballastgewicht q, 
270 | 56 | setzt sich nämlich zusammen aus den Gewichten: 
262 | 6! | Der Spindel mitMitnehmer und 2Stellringen 36‘4kg 
260 | 47 des Rädcheus für den Tourenzähler . . . 06 „ 
268 | 54 der gusseisernen Fussplatte. . . . ..82, 
263 | 50 Hierzu kommt das Schraubengewicht qa = 250 „ 
gw | 59 Sobald die Hebekraft die Gewichtssumme von 
284 58 69:6 kg, abzüglich des Fussplattengewichtes von 
982 | 57 82 kg, d. i. also 614 kg erreicht, muss sich dio 
990 | 60 Schraube von der Waage ablehnen, was denn auch 
292 | 61-5 || geschah. 

286 | 69 

292 61.5 


Wellner: Versuche mit grösseren Luftschrauben. 163 


VI. 2. Juni 1896, 7 Uhr Früh. 














qı = 49:6 kg Neue Schraube. 
ks EA F = 8:473 m? 
zus. 74:6 kg p = 1'830 m 
n | P 
280 55 | Um nun weitere Messungen vornehmen zu 
286 58 können, wurde auf die Schraubenspindel eine 





292 60 Büchse von 5 kg als Ballast hinzugegeben. — Die 
294 61 Windstille dauerte fort. Die Kesselspannung war 
295 61.5] 205 bis 220 Atm., der Dampfeinlass-Schieber voll- 
304 65 kommen offen. Bei 308 Umläufen hob sich die 
808 67 Schraubenspindel von der Plattform der Waage 
308 67 ab; der Rechnung gemäss musste dies geschehen, 
308 67 sobald P die Ziffer 746 — 82 = 66 4 kg erreicht 
806 66 hat. 

304 65 











Es wurde eine weitere Büchse mit 4:3 kg 
312 70 | Gewicht als Ballast aufgesteckt, so dass o + 9, 
= 718.9 kg betrug. 
314 | TI Die Dampfspannung stand auf 2.25 bis 2.2 
312 70 Atm. Bei der erreichten Hebekraft P =- 70:7 hob 
sich die Schraubenspindel von der Wage ab. 
308 | 68 Die Ablesungen der Tourenzahlen und der 
Hebekraft waren sehr verlässlich. 


Eine weitere Steigerung der Umlaufzahl der Schraube wurde nicht 
mehr vorgenommen, einmal weil die Umlaufsgeschwindigkeit der äussersten 
Flügelpunkte bei 300 Touren den immerhin schon gefährlichen Betrag von 
66°75 m in der Secunde überschritt und zweitens, weil das Locomobil bei 
der übernormalen Gangart bedenklich zu tänzeln anfing. 

Der Aluminiumblechbelag, sowie das Holzgefüge des Schraubengerippes 
blieben während der Experimente vollständig fest und sicher. 


Ergebnisse der Versuche und Schlusswort. 


Vor Allem steht unzweifelhaft fest, dass die Resultate der neuen Luft- 
schraube weitaus günstigere sind, als jene der ersten Construction, und es 
stehen in Betreff des Etfectes und der Bauart gewiss noch vortheilhaftere 
Werthe in Aussicht. 

Die neue Schraube trägt bei einem Eigengewichte 
von 25kg und bei einem Flächenausmasse von 3'473 m? 
mit Sicherheit 60—70 kg, also mehr als das 2 fache 
des Eigengewichtes oder für jeden Quadratmeter 
18—20 kg. Hierbei ist eine motorische Arbeitskraft 
von 4-5 HP erforderlich, so dass auf jede Pferde- 
stärkerund 15kg Hebekraft entfallen. 


164 Weliner: Versuche mit grösseren Luftschrauben. 


Der Factor a der allgemeinen Luftwiderstands-Formel 


P=a Fy 4 
ergibt unter Annahme der Grösse on = KN für die gewöhnlichen Luft- 


verhältnisse und mit Einsetzung von F = 3'473 m? die Mittelwerthe in 
nebenstehender Tabelle. 

Der correspondirende Werth desselben Factors a, gerechnet aus dem 
Neigungswinkel im Druckmittelpunkte a = 7° 22‘, beträgt: sin a cosa = 
01272. 











| Umlaufs- 











der an in der, geschwindigkeit im Bee Hebekraft 8 P 
Minute Druckmitielpunkte kg a = — 
in m per Secunde 2 u” Fv? 
H= = 
Vë ee Eeer 
180 25 071 20 0:0787 
210 29'250 28 0:0754 
255 35:670 46 0°0834 
290 40:392 60 0:0847 


Ich biv weit entfernt zu glauben, dass die vorbeschriebenen Experimente 
und Beobachtungen erschöpfend seien zur Beantwortung der vielen offenen 
Fragen über den richtigen Bau von Luftflügelschrauben; die Versuche 
bieten jedoch viel Lehrreiches und lassen uns diehervorragende 
Wichtigkeit der constructiven Seite der Aufgabe erkennen. 
Manche Erfahrung, die daraus gewonnen wurde, kann als eine Errungen- 
schaft auf dem flugtechnischen Gebiete gelten. 

Die thatsächlich erzeugten Hebekräfte von 60 kg 
und darüber erscheinen immerhin beachtenswerth 
und es sind meines Wissens bisherin Oesterreich und 
Deutschland keine derartigen Auftriebsleistungen 
aufdynamischem Wege erzielt worden. 

Die Veröffentlichung der praktischen Folgerungen aus den Versuchs- 
ergebnissen behalte ich mir vor. 





Die sportlichen Ballonfahrten des Deutschen Vereines zur Förderung 
der Luftschiffahrt in Berlin. 


Von Richard Assmann. 

Als am 31. August 1881 der Deutsche Verein zur Förderung der Luft- 
schiffahrt gegründet wurde, stand in erster Linie die Aufgabe „die Lösuug 
des Problems der Herstellung lenkbareı Luftschiffe mit allen Kräften zu 
unterstützen“, wie es in § 2 der ersten Statuten wörtlich heisst. Diesem 
Problem wurde, wie man unbedingt zugeben muss, seitens des Vereines 


Assmann: Sportliche Ballonfahrten d. Deutsch. Ver. z. Förd. d. Luftschiffahrt. 165 


viel Zeit und viel Mühe geopfert: die „technische Commission“ arbeitete 
fieberhaft, um die immer zahlreicher werdenden Projecte auf ihren Werth 
zu prüfen, die „Zeitschrift für Luftschiffahrt,“ welche im Jahre 1882 vom 
Vereine herausgegeben wurde, wirkte mit Wort und Bild in diesem Sinne — 
vergeblich! Ueberall wurde es stiller und stiller, nicht nur bei uns, sondern 
auch in dem Lande, in welchem die Luftschiffahrt geboren war. Dann kam 
die Flugtechnik an die Reihe und ernsthafte Männer, Allen voran unser 
unvergesslicher Lilienthal, arbeiteten an der Lösung der grossen und wich- 
tigen Frage, welcher die Spalten unserer Zeitschrift weit offen standen und 
auch heute noch offen stehen! 

Doch theoretisch waren und blieben diese Arbeiten, welche der Praxis 
in eminentester Weise zu dienen bestimmt waren, und bald kam die Zeit, 
in welcher im Vereine das Verlangen nach wirklicher Activität zum Durch- 
bruch kam: die wissenschaftlichen Ballonfahrten, zunächst durch opferwillige 
Gönner ermöglicht, dann durch die Munificenz Seiner Majestät des Kaisers 
auf die höchste Stufe aller derartigen Unternehmungen gehoben, beschäftigten 
vom Jahre 1891 an den Verein in so hervorragender Weise, dass seine 
übrigen Aufgaben notlıgediungen etwas in den Hintergrund treten mussten. 
Nun aber hatte bei diesen Ballonfahrten ein engerer Kreis der Mitglieder 
nicht nur der Wissenschaft unschätzbare Dienste geleistet, sondern auch 
Lust und Verständniss für die Luftschiffahrt selbst erworben: „Die Mete- 
orologen waren flügge geworden!“ Nicht ohne Neid blickten die übrigen 
Mitglieder auf die Thaten der kühnen Forscher — der Wunsch, auch 
ihrerseits theilzunehmen an den Fahrten, verdichtete sich mehr und mehr 
und wurde, als der „Münchener Verein“ für Luftschiffahrt seit dem Jahre 
1891 und der „Oberrheinische Verein für Luftschiffalrt“ seit 1896 die 
Möglichkeit bewiesen hatten, wissenschaftliche Aufgaben mit sportlichen 
Zwecken vortheilhaft zu verbinden, schliesslich so lebhaft, dass sich die 
Vereinsleitung dieser neuen Aufgabe nicht mehr entziehen konnte. 

Nach sorgfältiger Prüfung der in den genannten beiden Vereinen ein- 
geschlagenen Wege kam man zu der Ueberzeugung, dass, da manche für 
jene höchst vortheilhaften Vorbedingungen aus nicht, zu erörternden Gründen 
bei uns gänzlich fehlen, man andere Wege einschlagen müsse, nm das Ziel 
in möglichster Vollkommenhieit zu erreichen. 

So kam denn, nachdem es gelungen war, ein eben in der Entstehung 
begriffenes grosses und entwicklungfähiges sportliches Unternehmen, welches 
die „Berliner Sportpark-Gesellschaft in Friedenau“ 
in das Leben rief, für unsere Aufgabe zu interessiren, folgendes Arangement 
zu Stande. 

Der „Deutsche Verein zur Förderung der Luftschiffahrt“ sowohl als 
auch die „Berliner Sportpark-Gesellschaft* lassen aus bestem gummirtem 
diagonal doublirtem Baumwollstoff je einen Ballon von etwa 1200—1300 cbm 
Inhalt, mit allen Hilfsmitteln der neuesten Ballontechnik ausgerüstet, er- 


i66 Assmann: Sportliche Ballonfahrten d. Deutsch. Ver. z. Förd. d. Luftschiffahrt. 


bauen. Dieselben sollen von dem für diesen Zweck ganz ausserordentlich 
günstig gelegenen Gelände des Berliner Sportparks in Friedenau möglichst 
oft, während der Sommermonate etwa einmal in jeder Woche unter der 
Führung von Sachverständigen erster Qualität aufsteigen. 


Der Korb gewährt einschliesslich des Führers Platz für 4 Personen. 
Die Kosten der Auffahrten vertheilen sich in der Weise, dass die Sport- 
park-Gesellschaft das Gas und die Bedienung znr Verfügung stellt, wäh- 
rend der Verein die übrigen Aufwendungen für Flurschäden, Hülfeleistung, 
Reisediäten für den Ballonführer u. s. w. bestreitet. Die Bedingungen zur 
Theilnahme an den Ballonfahrten, welche verschiedene Aenderungen un- 
serer bisherigen Satzungen erheischten, sind im wesentlichen folgende: 


1. Die Mitgliedschaft bei dm Deutschen Vereine zur 
Förderung der Luftschiffahrt ist Vorbedingung. 


2. Dieselbe wird erworben durch Anmeldung bei dem Vorsitzenden 
unter Nennung eines vorschlagenden Mitgliedes. Im Falle mangeln- 
der Bekanntschaft mit solchen ist persönliche Vorstellung in der 
nächsten Vereinssitzung, deren Termin auf Wunsch mitgetheilt 
wird, erforderlich. Der Vereinsbeitrag für Einheimische — Berlin 
und Vororte in den Grenzen des Vorortverkehrs — beträgt 20 Mk., 
für Auswärtige 12 Mark und ist innerhalb der nächsten 4 Wochen 
nach der Aufnahme an die Wechselstube der Bank für Handel und 
Industrie, Berlin W, Schinkelplatz 1/2 unter der ausdrücklichen, nie- 
mals fortzulassenden Angabe: „Für den Deutschen Verein zur 
Förderung der Luftschiffahrt“ abzuführen; andernfalls erfolgt die 
Einziehung desselben in Berlin durch einen Boten der Berliner 
Packetfahrt-Gesellschaft. 


3. Für diesen Beitrag erhalten sämmtliche Mitglieder die monatlich 
erscheinende „Zeitschrift für Luftschiffahrt und Physik der Atmos- 
phäre“ und die Einheimischen ausserdem nach Zahlung ihres Jahres- 
beitrages eine auf ihre Person lautende Dauerkarte zum Eintritt 
in den Berliner Sportpark in Friedenau. 


4. Die Auffahrten finden bei genügender Betheiligung und günstigem 
Wetter etwa allwöchentlich von dem Gelände der Berliner Sport- 
park-Gesellschaft in Eriedenau aus — hart am Ringbalınhof Wilmers- 
dorf-Friedenau gelegen — statt. 


ö. Als Fahrkostenbeitrag wird für jede Auffahrt und Person der Bci- 
trag von 25 Mk. erhoben, welcher spätestens vor der betreffen- 
den Auffahrt zu entrichten ist. Ausser dem Führer haben 3 Per- 
sonen Platz im Ballonkorbe. Die gesammten Kosten für Gas. 
Bedienung, Flurschäden, Hülfe Lei der Landung, Rücktransport. des 
Ballons und Reisekosten für den Ballonführer, welche gegen 300 Mk. 
betragen, werden durch die Berliner Sportpark-Gesellschaft und 


Assmann: Sportliche Ballonfahrten d. Deutsch. Ver. z. Förd. d. Luftschiffahrt. 167 


6. 
. Die Reihenfolge der Theilnahme an den Auffahrten wird durch 


=] 


den Deutschen Verein zur Förderung der Luftschiffahrt bestritten. 
Die Rückreise der Theilnehmer erfolgt auf eigene Kosten. 
Eine besondere Fahrtenordnung regelt die Einzelheiten. 


Einzeichnung in eine Fahrliste bestimmt. Schriftliche Anmeldungen 
sind zulässig und werden nach der Reihenfolge des Einganges ein- 
getragen. Einzeichnungen von Nicht-Mitgliedern in die Fahrliste 
sind nur dann gültig, wenn gleichzeitig ein Aufnahmegesuch ge- 
stellt wird. 


Die „Bestimmungen über die Ausführung von Ballonfahrten“ enthalten 
mit Fortlassung einiger schon im Obigen erwähnten Punkte, folgendes: 


4. 


E 


Jedes einheimische ordentliche Mitglied, welches eine Ballonfahrt zu 
unternehmen wünscht, hat unter der Voraussetzung, dass es den laufenden 
Jahresbeitrag entrichtet hat, spätestens vor Beginn der Auffahrt einen 
Fahrkosten-Beitrag von 25 M. an den Schatzmeister des Vereines gegen 
Quittung zu zahlen, falls nicht, wie unter $ 5 ausgeführt, ein höherer Be- 
trag zu entrichten ist. Diese Quittung ist dem du jour habenden Aus- 
schussmitgliede vor Antritt der Fahrt vorzuzeigen. 


Auswärtige sowie correspondirende Mitglieder haben ausser diesem 
Fahrkosten-Beitrage noch 10 M. zur Vereinskasse zu zahlen. Von jedem 
Theilnehmer ist vor Antritt der Fahrt die vorliegende Fahr- 
ordnung zur Anerkennung der in derselben vorhandenen Be- 
stimmungen zuunterschreiben. Eine Verweigerung der Unterschrift 
schliesst die Theilnahme von der Ballonfahrt grundsätzlich aus. 

Ehrenmitglieder können unter Zustimmung des Vorstandes in jedem 
Vereinsjahre eine Auffahrt auf Kosten des Vereins ausführen. 


. Für die Reflectanten auf eine Ballonfahrt wird in der ersten Versammlung 


jedes Vereinsjahres eine Theilnehmerliste aufgelegt, in welcher Vor- 
merkungen einzutragen sind. Letztere zerfallen in: 
a) Vormerkungen für einen Platz im Ballonkorbe für eine beliebige 
Auffahrt mit beliebigen Theilnehmern, 
b) Vormerkungen für einen Platz bei einer nach der Reihenfolge oder 
dem Termine bestimmten Auffahrt mit beliebigen Theilnehmern’ 
c) Belegung sämmitlicher drei Plätze für eine beliebige Auffahrt mit 
einer selbstgewählten Korb-Gemeinschaft, 
d Belegung aller drei] Plätze für eine bestimmte Auffahrt mit 
einer selbstgewählten Korb-Gemeinschaft. 


Die Anmeldungen nach a und b dienen als Grundlage für die mass- 
gebende Liste der Mitfahrenden nach der Reihenfolge der Vormerkungen; 
der Fahrkosten-Beitrag ist 25 M. pro Fahrt. 

Die nach a und b eingezeichneten Personen haben ein Anrecht darauf, 
dass sie in der Reihenfolge der Einzeichnungen und in der sich hieraus 
ergebenden Korb-Gemeinschaft zu einer Auffahrt zugelassen werden. 

Im Falle mangelnder Einigung entscheidet das Loos über die Reihen- 
folge. Im Laufe des Vereinsjahres eintretende Mitglieder zeichnen sich 
in eine fernere Fahrtenliste ein, und erwerben, soweit es die Verhältnisse 
gestatten, in derselben Weise ein Anrecht auf Theilnahme an einer Fahrt, 
wie die vorher eingezeichneten Mitglieder. 


168 Assmann: Sportliche Ballonfahrten d. Deutsch. Ver. z. Förd. d. Luftschiffahrt. 


Eine Vertauschung der Plätze unter den eingezeichneten Mitgliedern 
ist zulässig, wenn die übrigen Mitfahrenden damit einverstanden sind. 

Vereinigen sich nach c drei Mitglieder zu einer besonderen Korb- 
Gemeinschaft, welche auf eine Fahrt in der festgestellten Reihenfolge 
reflectirt, so zahlt jeder Theilnehmer als Fahrkostenbeitrag 80 M. 

Findet eine gleiche Verabredung nach dazu einer der Reihenfolge nach 
bestimmten Auffahrt statt, so bleibt der Beitrag derselbe wie sub c. 

Führt ein Mitglied in einem und demselben Rechnungsjahre (1. April 
bis ultimo März) mehr als eine Ballonfahrt aus, so ist ausser dem ent- 
sprechenden Fahrtkostenbeitrage noch ein Fahrtkassen-Zuschuss von 10 M. 
zu zahlen. 

Wünscht indess ein einzelnes Mitglied an einer Sonder-Auffahrt 
ausserhalb der Reihenfolge theilzunehmen, so sind 50 M. Beitrag zu 
zahlen; wünscht dies eine Korb-Gemeinschaft von 3 Personen, so zahlt 
jeder Theilnehmer 60 M. 

Solche Sonderauffahrten können nur unter der Voraussetzung veran- 
anstaltet werden, dass ein zweiter Ballon gebrauchsfertig zur Verfügung 
steht, sodass die Reihenfolge der regelmässigen Auffahrten keine Unter- 
brechung erleidet. 

Bei Sonderfahrten wird kein Fahrtkassen - Zuschlag erhoben, wenn 
Mitglieder mehr als eine Auffahrt in demselben Rechnungsiahre ausführen. 


6. Die Anzahl der Theilnehmer an einer Auffahrt soll im Allgemeinen ein- 
schliesslich des Ballonführers vior betragen. Hält der Ballonführer in- 
dess eine Verringerung derselben aus irgend einem Grunde, welcher die 
Sicherheit der Fahrt betrifft, für erforderlich, so hat, wenn eine Einigung 
nicht erfolgt, das Loss darüber zu entscheiden, wer von den Theilnehmern 
auszuschliessen ist. Solchergestalt Ausgeschlossene erhalten einen Vor- 
zugs-Anspruch auf die nächstfolgende regelmässige Ballonfahrt. Die 
übrigen an der Fahrt Theilnehmenden haben den in Folge des Ausschlusses 
entstehenden Ausfall in den Fahrtkostenbeiträgen zu decken. 


7. In den Monaten April bis einschliesslich September soll im allgemeinen 
wöchentlich eine regelmässige Auffahrt erfolgen, doch kann ein bestimmter 
Tag hierfür nur dann festgehalten werden, wenn dies die Witterung und 
der Zustand des Ballon-Materiales gestatten. 

8. Die Auffahrton sollen im Allgemeinen in den ersten Nachmittagsstunden 
stattfinden und vor Sonnenuntergang enden, sodass Entleerung und Bergung 
noch vor Eintritt der Dunkelheit und der Transport des Ballons zur näch- 
sten Bahnstation noch an demselben Tage bewirkt werden können. 

Winscht eine Korb-Gemeinschaft am Vormittage, d. h. zwischen 8 Uhr 
morgens bis 1 Uhr mittags eine Fahrt zu unternehmen, so erhöhen sich 
die Fahrtkosten-Beiträge um die Hälfte, für eine Nachtfahrt aber, d. h. 
zwischen Sonnen-Untergang und Sonnen-Aufgang auf das Doppelte der 
sonst in Frage kommenden Sätze. 

9. Treten einer festgesetzten Auffahrt Hindernisse in den Weg, welche in 
den Witterungsverhältnissen oder in der Beschaffenheit des Ballonmateriales 
ihren Grund haben, so erleiden die Rechte der Fahrt-Gemeinschaft nur 
eine zeitliche Verschiebung unter Wahrung der vorher festgestelten Reihen- 
folge. Kommt indess eine Auffahrt durch Schuld angemeldeter Theil- 
nehmer nicht zu Stande und sind Ersatz-Theilnehmer nicht zu beschaffen, 
so sind die ersteren zur Zahlung der vollen Kosten für Füllung und andere 
Aufwendungen verpflichtet. 


Assmann: Sportliche Ballonfahrten d Deutsch. Ver. z. Förd. d. Luftschiffahrt. 169 


10. 


12. 


13. 


14. 


Der Fahrten- Ausschuss, oder das von demselben beauftragte du jour 
habende Mitglied entscheidet über die Termine für die Fahrten und deren 
Vorbereitung. Die Entscheidung über die Ausführung einer Fahrt steht 
in erster Linie dem Ballonführer zu. Das du jour habende Ausschuss» 
Mitglicd hat auf dem Ballonplatze alle vorbereitenden Anordnungen für 
die Abfahrt verantwortlich zu treffen. Seinen Weisungen ist unweigerlicli” 
Folge zu leisten. Ist der Ballon ordnungsmässig abgewogen, so übernimmt 
der Ballonführer das Commando über denselben. 


, Nach Abgabe des Commandos „Los“ durch den Ballonführer stehen die 


Theilnehmer an der Fahrt im strengsten Sinne unter dem Befehle des 
ersteren. Derselbe hat unter thunlichster Berücksüchtigung der Wünsche 
der Mitfahrenden über die Höhe und Dauer der Fahrt, über Landung nach 
Ort und Zeit, sowie über alle ihm erforderlich scheinenden Massnahmen 
während und nach der Fahrt bis nach der Verpackung des Ballons end- 
gültig zu entscheiden. Einwendungen oder Zuwiderhandlungen gegen die 
Anordnungen des du jour Habenden oder des Ballonführers führen zunächst 
zum Ausschluss von der beabsichtigten Fahrt und auf Grund eines ge- 
meinsamen Beschlusses des engeren Vorstandes und Fahrten-Ausschusses 
zum Ausschluss aus dem Vereine bei Verlust aller bisher eingezahlten 
Beiträge. 

Weder der Verein, noch dessen Organe, ebensowenig der Ballonführer 
übernehmen eine weitere Verantwortung für etwaige Beschädigungen der 
Mitfahrenden, als dieselbe der pflichtmässigen Berücksichtigung aller ge- 
botenen Vorsichtsmassregeln entspricht. 

Der Ballonführer ist verpflichtet, eine gewisse näher zu bestimmende 
Reihe einfacher meteorologischer oder allgemein physikalischer Beobach- 
tungen bei jeder Ballonfahrt auszuführen, wobei er sich von den Mit- 
fahrenden soweit thunlich unterstützen lassen kann. Ausserdem ist ein 
Ballon-Tagebuch zu führen, in welches alle in irgend einer Beziehung in- 
teressant erscheinenden Einzelheiten, womöglich mit Zeichnungen versehen, 
einzutragen sind. Spätestens 8 Tage nach der Fahrt sind sämmtliche 
Aufzeichnungen im Original, oder in sorgfältigen Copien an den Vereins- 
Vorsitzenden abzuliefern. Von photographischen Aufnahmen, welche durch 
den Ballonführer oder die Mitfahrenden gemacht werden, sind ebenfalls 
Copien zur Anlegung eines Vereins-Fahrten-Albums abzuliefern. 

Von Instrumenten sind bei jeder Auffahrt mitzutühren: ein sorgfältig ge- 
prüftes Aneroidbarometer, ein Barograph, ein einfaches Aspiratinusthermo- 
meter und ein Compass; ausserdem die nöthigen Karten. Dieselben 
werden vom Vereine geliefert und im Stande erhalten, sind nach jeder 
Fahrt von den Theilnehmern persönlich mit zurückzubringen und durch 
den Ballonführer an den Ballon-Aufseher im Sportpark abzuliefern. Für 
einen Verlust derselben während einer Balloufahrt bis zum Wiedereintreffen 
der Theilnehmer haben die letzteren voll aufzukommen, falls nicht „höhere 
Gewalt“ den Grund hierfür abgegeben hat. 


Obige Bestimmungen über die Ausführung von Ballonfahrten erkenne 
ich durch meine Unterschrift als für mich verbindlich an. 


Datum Name EE 


170 Assmann: Sportliche Ballonfahrten d. Deutsch. Ver. z. Förd. d. Luftschiffahrt. 


Nach längeren Verhandlungen mit verschiedenen Firmen wurde der 
bekannten Ballonfabrik von August Riedinger in Augsburg der Auftrag zum 
Bau von zwei gummirten Ballons von 1200 cbm Inhalt ertheilt. Die Netze 
wurden bei Troitzsch in Schöneberg-Berlin, die Ventile bei F. W. Müller jun. 
"in Berlin bestellt; beide Fabrikanten waren hochherzig genug, zur Unter- 
stützung unserer Pläne je ein Netz und ein Ventil dem Vereine als Geschenk 
zu überweisen, wofür ihnen auch an dieser Stelle herzlich Dank gesagt sei. 
Die Körbe, von welchen der eine seitens des Commandeurs der Luftschiffer- 
Abtheilung in dankenswertliester Weise gestiftet wurde, wurden in Sagan 
bei R. Rissmann angefertigt. 

So war am 15. Juni, als der erste Ballon von Augsburg eintraf, alles 
zur Montirung bereit, und unter der unermüdlichen Leitung des Herm 
Lieutenant E. von Kleist gelang es, denselben bis zum 18. Juni gebrauclıs- 
fertig zu montiren, sodass er nachmittags Ais Uhr unter den Augen 
Ihrer Königlichen Hoheiten des Prinzen und der Prinzessin Friedrich 
Leopold seine erste Auffahrt ausführen konnte, an welcher Herr Premier- 
lieutenant Neumann von der Luftschiffer-Abtheilung als Führer, die Herren 
Lieutenants von Kleist und Guse als Passagiere und Herr Berson als 
Beobachter theilnahmen. Nun galt es aber, den Ballon so schnell wieder 
zurückzubefördern und gebrauclsfertig zu machen, dass er schon nach 2 Tagen, 
d. h. am Sonntag den 20. Juni bei Gelegenheit des Centenar-Sportfestes, 
dessen Gruppe „Landsport“ im Berliner Sportpark ihre Festlichkeiten ver- 
anstaltete, abermals aufsteigen konnte. Dank der bekannten Energie des 
Herrn Berson gelang dies in der That, sodass am 20. Juni um 3 Uhr aber- 
mals unter den Augen derselben Prinzlichen Herrschaften, welche als Ver- 
treter des Kaiserpaares dem Centenar-Sportfeste beiwohnten, der Ballon 
unter der Führung des Herrn Berson aufstieg, während die Herrn Lieutenant 
von Tiedemann und Ingenieur Lentz als Passagiere, Herr Dr. Süring aus 
Potsdam als Beobachter theilnahmen. Eine dritte Auffahrt fand am Sonntag 
den 27. Juni mit den Herren Baron von Ziegler-Klipphausen, Lentz, Bergner 
unter Führung des Herrn Berson statt. Bei dieser Fahrt wurde, um eine 
Vereinigung der verschiedenen im Sportpark Friedenau heimischen Sports 
anzubahnen, eine Verfolgung des Ballons durch Radfahrer vorgenommen und 
zwar mit so gutem Erfolge, dass der bekannte Radfahrer A. Köcher schon 
nach 4 Minuten, als zweiter unmittelbar hernach Herr Stein und als Dritter 
nach 6 Minuten Herr Denk am Landungsort bei Wustermark nächst Nauen 
eintrafen. Ueber seine Fahrt gab der Erstgenannte folgende Schilderung: 

„Um 4 Uhr 5 Minuten fuhren wir vom Sportpark Friedenau fort und 
nahmen unsern Weg zunächst nach Zehlendorf. Dort untersuchten wir 
genau die Windrichtung und entschlossen uns dann, durch den Grunewald 
nach Beelitzhof zu fahren, um uns dort von einem Fährmann nach dem 
jenseitigen Havelufer übersetzen zu lassen, was indess in Errmangelung des 
Fährmannes nicht ausführbar war. Nach Ueberlegung nnd Zeitnalime 


Assmann: Sportliche Ballonfahrten d. Deutsch. Ver. z. Förd. d. Luftschiffahrt. 171 


sagten wir uns, dass der Ballon bereits aufgestiegen sein müsste, und sahen 
ihn auch bald ungefähr in der Richtung von Schmargendorf hoch am 
Horizont. Nach Beobachtung seines Kurses musste er ungefähr bei Gatow 
oder Pichelswerder die Havel kreuzen. Wir zogen deshalb vor, noch dies- 
seits der Havel zu bleiben und die Schildhornchaussee am Havelufer ent- 
lang zu fahren. Bei Schildiorn sahen wir dann den Ballon direkt über 
uns. Da er jetzt dem Anscheine nach still stand, liessen wir uns nieder, 
nahmen einen hohen Kiefernast als Anhaltspunkt und fluchteten so genau 
den Stand bezw. den Kurs, den der Ballon nunmehr einzuschlagen anfing, 
aus. Infolge dieser Beobachtung mussten wir das jenseitige Havelufer zu 
erreichen suchen, fuhren also nach Pichelswerder, überschritten dort die 
sogenannte Sechserbrücke, durchquerten Pichelswerder und liessen uns dort 
von einem Fährmann nach Pichelsdorf übersetzen. Wir schlugen uns dann 
auf Sandwegen in nordwestlicher Richtung durch bis zur Spandau-Pots- 
damer Chaussee, verfolgten diese etwa fünf Kilometer weit aufwärts, 
wendeten uns dann abermals noach Nordwesten auf Landwegen, durchquerten 
die Ortschaft Seeburg, hatten hier wieder den Ballon immerwährend über 
uns, fuhren weiter nordwestlich, erreichten dann die Hamburger Chaussee 
und verfolgten diese bis Rohrbeck. Hier nalım der Ballon wieder eine 
mehr nördliche Richtung (Finkenkrug) an. Jetzt waren wir in den Sand- 
wegen vollständig festgefalıren, sahen auch den Ballon nicht mehr. Da wir 
nach der Karte das Nutzlose unserer jetzigen Fahrtrichtung einsahen, 
fuhren wir wieder nach der Hamburger Chaussee zurück, um über Nauen 
die Richtung des Ballons wieder zu erlangen. Auf die alte Chaussee zu- 
rückgekehrt, blieb der Ballon unserm Gesichtskreis immer noch fern, musste 
also wohl eine mehr niedere Luftschicht erreicht und dadurch eine mehr 
nördliche Richtung erbalten haben. Jetzt schlugen wir ein sehr scharfes 
Tempo ein und sahen in Wustermark bereits die Durfjugend herausstürmen, 
ein sicheres Zeichen, dass sich dort etwas Aussergewöhnliches ereignete. 
Auf unsere Frage, ob hier vielleicht ein Ballon niedergegangen, rief man 
allseitig: „Dort, dort! Am Ausgange Wustermarks sahen wir dann den 
Ballon in einem Gerstenfeld glatt gelandet. Unter allgemeinem Erstaunen 
meldeten wir uns zur Stelle, worauf wir fulgende Telegramm-Niederschrift 
entgegennahmen: „Köcher als Erster, Stein als Zweiter haben den Ballon 
kaum 5 Minuten nach der Landung abgefasst. Bei Wustermark 7 Uhr 
33 Minuten, den 27. Juni 1897, Berson.“ In schnellsten Tempo fuhren 
wir nun über Spandau und Charlottenburg zum Sportpark Friedenau, wu 
wir um 9 Uhr 15 Minuten eintrafen, um die Depesche dem dortigen Vor- 
stand einzuhändigen.“ 

Am Freitag, den 9. Juli, stiegen beide Ballons zu Nachtfahrten auf: 
der erste, von Herrn Premierlieutenant v. Siegsfeld geführt, mit Herrn 
Ingenieur Lentz um 10 Uhr, der zweite, von Herrn Premierlieutenant 
v. Lekow geführt, mit den Herren Graf von Kessler und Lieutenant 


172 Assmann: Sportliche Ballonfahrten d. Deutsch. Ver. z. Förd. d. Luftschiffahrt. 


Fr. v. Richtliofen zu einer Sonderfahrt um 11 Uhr Abends. Der erste 
Ballon landete nach etwa 14stündiger Fahrt (die, von 8 bis !/s10 Uhr früh 
durch einen „Frühstücksabstieg“ unterbrochen, in zwei getrennte Falırten 
zerfiel) bei Jarotschin in Posen; der zweite ging über die russische Grenze 
und landete nach 12stündiger Reise bei Kalisz in Polen, Dank der Orts- 
und Sprachkenntniss seines Führers, ohne „Sibirien“, wenn auch nach län- 
geren Verhandlungen mit den russischen Grenz- und Zollbehörden. Am 
18. Juli fand bereits die 6te Auffahrt statt; der Ballon landete nach 
4 Stunden mit den HH. Berson, Henneberg und Kap. Ltnt. Lans in. den 
Wäldern bei Briesen, nahe Frankfurt a. O., nachdem 2800 m Höhe erreicht 
worden waren. 





Kleinere Mittheilungen, 


Kapitän Baden-Powell’s Kriegsdrachen. Die Möglichkeit, Drachen für militärische 
Zwecke auszunutzen hat schon seit Jahren die Aufmerksamkeit hervorragender 
Luftschiffer erregt; am nächsten ist der Lösung des Problems aber jedenfalls der 
Kapitän Baden-Powell von den Scots Guards gekommen. Einem Mitarbeiter der 
„Daily Mail“, welcher ihn kürzlich zu diesem Zweck aufgesucht, theilte der Kapitän 
folgende interessante Einzelheiten über seine Versuche mit: 

„Von vorn herein muss ich bemerken, sagte Baden-Powell, dass eine grosse 
Menge militärischer Zwecke erreicht werden könnte, wenn man im Besitze eines 
Apparates wäre, der hoch in die Luft zu steigen vermöchte und dort schwebend 
erhalten werden könnte. Zu diesen Zwecken zähle ich Signalisiren, Photographiren 
und das Emportragen eines Mannes, welcher aus bedeutender Höhe einen Einblick 
in die Stellungen und Anordnungen des Feindes zu gewinnen im Stande sein 
müsste; hauptsächlich waren es diese letzten Ideen, welche mich zum Anstellen 
meiner Versuche veranlassten. 

Fesselballons besitzen eine grosse Menge Nachtheile, von denen der haupt- 
sächlichste der Mangel an Stabilität bei starkem Winde ist. Weht der Wind mit 
etwas mehr Stärke als dreissig (englische) Meilen in der Stunde, so schwankt der 
Ballon so kräftig hin und her, dass er für Beobachtungszwecke unbrauchbar ist. 
Die Mitführung von Ballons ist überdies mit Schwierigkeiten verbunden und das 
nöthige Gas nicht immer leicht zu beschaffen. 

Ich begann mit Drachen verschiedener Arten meine Versuche; nach vielen 
Fehlschlägen gelang es mir einen Drachen herzustellen, der aus einem 86 Fuss hohen 
und mit Cambric (Baumwolltaft) überzogenen, sechseckigen Rahmen aus Bambus be- 
stehend, einen Mann vom Erdboden zu heben im Stande war — nicht sehr hoch, aber 
hoch genug, um zu beweisen, dass meine Theorie richtig war. Ich babe auch meh- 
rere kleine Drachen anstatt eines grossen versucht und bin der Ansicht, dass diese 
sich bei leichtem Winde besser bewähren, bei starkem Winde hingegen würde ich 
einem, durch mehrere Leinen gehaltenen, grossen Drachen den Vorzug geben. 

Selbstverständlich ist mein Drachen noch ein keineswegs vollkommener, aber 
ich bin fortwährend ihn zu verbessern bemüht, und es werden, sobald das Wetter 
es gestattet, neue Versuche bei Aldershot zur Ausführung gelangen. Ich bin durch 
meinen grossen Drachen 100 Fuss hoch emporgehoben worden und habe neun 
stone (à 14 engl. Pfund à 0,453 Kilo) wiegende Sandsäcke bis zu einer Höhe von 
800 Fuss, in welcher sie fast einen ganzen Tag schwebend erhalten wurden, empor- 
steigen lassen, 


Kleinere Mittheilungen. 173 


Zum Signalisiren habe ich einen Verschlussapparat hergestellt, der indessen 
mehr für Manöverzwecke geeignet ist, und mit welchem der Kapitän Tupper in 
Portsmouth sehr befriedigende Versuche angestellt hat. Sein diesbezüglicher 
Bericht an die Admiralität lautet so günstig, dass diese die Fortsetzung der Ver- 
Buche angeordnet hat. Kapitän Tupper fand, dass Mittheilungen zwischen Schiffen 
durch windwärts aufsteigende Drachen sehr gut möglich wären, und eine ameri- 
kanische Zeitschrift empfahl die Legung eines Telephondrahtes zwischen Schiffen 
auf dieselbe Weise. Bisher ist dies letztere meines Wissens noch nicht versucht 
worden, doch balte ich es für recht gut möglich. 

Ich habe auch einige Versuche in Emporheben von Explosivstoffen unter- 
nommen, in der Absicht, dieselbe in Kriegszeiten in feindliche Forts und Erdwerke 
niederfallen zu lassen. Auch in dieser Hinsicht sind meine Versuche von Erfolg 
gekrönt gewesen, ich habe gefunden, dass, wenn die den Drachen haltende Leine 
durch kleinere, in gewissen Zwischenräumen angebrachte Drachen unterstützt wird, 
sie in fast unbegrenzter Länge ausgegeben werden kann, so dass die Entfernung 
bis zu dem Angriffsobject keine Rolle spielt. Eine der wichtigsten Nutzanwendungen 
des Drachens ist aber vielleicht die für photographische Zwecke. Wenn eine 
Camera hoch in der Luft aufgehängt werden könnte, so dass sie ein Bild von dem, 
was sich unter ihr befindet, wiedergiebt, so würde dies zur Entdeckung der Ge- 
schützaufstellung in einem feindlichem Fort, sowie auch zur Herstellung von 
Karten eines unbekannten Geländes von unschätzbarem Werthe sein. Diese Pho- 
tographie, sagte Kapitän Baden-Powell, wobei er das ausgezeichnet scharfe, aus 
einer auf 4UU Fuss geschätzten Höhe aufgenommene Bild eines Hauses mit Um- 
gebung, auf welchem jeder Stein, jede Erhöhung deutlich erkennbar war, vor- 
legte, wird beweisen, was in dieser Hinsicht geschehen kann. 

Ich habe mit meinem Drachen eine Höhe von 1500 Fuss erreicht, von welcher 
aus natürlich eine sehr grosse Fläche sichtbar sein muss und sehr nützliche Photo- 
graphien aufgenommen werden könnten. . 

Ich benutzu gegenwärtig eine Camera, deren Verschluss sich erst nach dem 
Verbrennen eines langsam glimmenden Zünders löst, doch habe ich auch eine 
solche mit einem Uhrwerk eingerichtet, die es mir ermöglichen wird, ein halbes 
Dutzend Aufnahmen in im Voraus geregelten Zwischenräumen zu machen. 

Wie Sie sehen kann ich meinem Drachen viele Vortheile nachrlhmen ; ausser 
den von mir aufgezählten verdient noch die Leichtigkeit, mit welcher er fortgeschafft 
werden kann, Erwähnung. Der ganze Apparat wiegt einschliesslich einiger Reserve- 
theile nur 110 (englische) Pfund und kann bequem von zwei Leuten getragen werden. 

Es werden noch weitere Versuche vorgenommen werden, und ich hoffe 
schliesslich noch einen Drachen herzustellen, der für militärische Zwecke von 
grossem praktischen Nutzen sein wird“. 

(Aus „United service gazette“, Mai, 1897.) Berghaus. 


Zu den Fiugtechnischen Studien von L Popper, Heft I und 3, 1897. Getreu seinen 
schon früher ausgesprochenen Ansichten über den Wellenflug hat auch diesesmal 
der Verfasser diese Flugart als unpraktisch und unökonomisch erklärt und ver- 
sucht, hierfür den Beweis zu erbringen. 

Aber die Methode, die Herr Popper bei dieser Beweisführung einhält, ist 
meiner Meinung nach nicht geeignet zu überzeugen; sie kann höchstens Zweifel 
erregen. 

Herr Popper sucht mit Argumenten, aber nicht durch klare Rechnung auf 
den Leser einzuwirken und ihm seine Ueberzeugung beizubringen, macht aber 
dabei Voraussetzungen, die mit den wirklichen Thatsachen im grellsten Wieder- 
spruche stehen. 


174 Kleinere Mittheilungen. 


So nimmt er (Seite 59) an, es stehe ihm vollständig frei, die Tiefe der Ein- 
buchtung der Welle willkürlich anzunehmen, also auch jene mit der Einbuchtung 
gleich Null. Rine solche Annahme ist aber ganz unzulässig, denn die Tiefe der 
Welle ist eine bestimmte, von der Individualität des Fliegers allein ab- 
hängige Grösse. Ist der Vogel schwer und sind seine Flügelflächen klein, so 
muss er eine sehr tiefe Welle mit kleinem Radius, wie sie z. B. der Specht aus- 
zuführen gezwungen ist, beschreiben; ist der Vogel leicht und verfügt er über 
eine grosse Segeliläche, so geht das Einsinken in die Luft nicht so rasch vor sich, 
wie im ersteren Falle, und die Welle wird weniger tief ausfallen. 

In Folge dieses unrichtigen Argumentes ist der daraus gezogene Schluss 
(Seite 59 u. 60) unhaltbar. — 

Mit ebenso geringer Ueberzeugungskraft scheinen mir die von Herrn Popper 
auf S. 19 u. #0 ausgesprochenen Ansichten zu wirken, ja sie enthalten eigentlich, 
sicher ohne das es der Verfasser wollte, ein Loblied für den Wellenflug, denn er 
giebt darin ausdrücklich die Ausführbarkeit dieser Flugart und die Alöglichkeit 
des durchschnittlich horizontalen Fluges zu, nur meint er der Kraftverbrauch wäre 
übergross; den Beweis dafür ist er aber ganz schuldig geblieben. 

Nach meiner Meinung handelt es sich in der Luftschiffahrt immer ganz be- 
sonders darum, die Möglichkeit des Vorwärtskommens nachzuweisen, und eben 
diese werthvolle Möglichkeit ist beim Wellenflug durch den des Adlers und des 
Aörodroms und durch die Segeltheorie erhärtet, während für den Ruderflug ein 
solcher Beweis nicht vorliegt. 

Herr Popper würde sich ein grosses, seinen schätzbaren mathematischen 
Kenntnissen entsprechendes Verdienst um die Flugtechnik erwerben, wenn er die 
Frage des Wellenfluges an einem praktischen Beispiel behandeln würde. Z. B. lasse 
er einen 100 kg schweren, mit einer Segelfläche von 100 m? ausgestatteten Flug- 
körper einmal als Wellenflieger, das andere mal als Ruderflieger einen Weg von 
1000 m durchschnittlich horizontal zurücklegen und ermittle in beiden Fällen die 
Grösse der erforderlichen motorischen Betriebskraft. Aus einer solchen Rechnung 
würde man unschwer erkennen, welche Flugart die geringste motorische Kraft 
erheischt. 

Ich glaube, die Resultate, welche Professor Miller-Hauenfels fand, werden 
sodann auch von Herrn Popper als vollständig richtig bestätigt werden müssen 
und diese concentriren sich in dem Satze: beim Wellenflug entfällt die Gewichts- 
oder Schwebearbeit gänzlich, während der Ruderflieger von dieser grossen Leistung 
nicht zu befreien ist, daher ist der motorische Kraftaufwand für den Wellenflug 
ungleich kleiner als jener für den Ruderflug. 

Die Praxis kann daher nur den Wellenflug anstreben. 

Wien, 28. Mai 1397. A. Platte. 


Zum Artikel des H. Kreiss in Heft 3. d.J. Die März-Nummer der Zeitschrift 
unseres Vereins entbält einen Artikel von Herrn Kreiss: „Lenkbarer Luftballon 
oder Flugmaschine“, in welchem dieser Herr die Anwendung der Schraube inner- 
halb eines cylindrischen Mantels zur Erzielung eines grösseren Nutzeffectes resp. 
Widerstandes als seine „neue“ Idee zur Verwirklichung sowohl des lenkbaren 
Luftballons, ala des dynamischen Fluges ausgiebt. 

Beifolgend übersende ich die Patentschrift D. R. P. No. 82482, aus welcher 
man ersehen mag, dass ich auf diese Erfindung bereits im Jahre 1894 ein Patent 
erhalten habe. 

Ich war und bin noch der Meinung, dass angesichts der leicht beweglichen 
Materie, welche wir in der Luft vor uns haben, das Schaffen eines grösseren 
Widerstandes erste Voraussetzung der Lösung der Luftschiffahrt sei. Als ich die 


Kleinere Mittheilungen. 175 


Lösung dieses Problems gefunden hatte, meldete ich in den Hauptländern Patente 
an. Ich that das nicht etwa, um sie praktisch zu verwerthen, — ich wusste wohl, 
dass dazu grössere Mittel erforderlich als verfügbar sind — sondern um mir für 
alle Zeiten die Vaterschaft dieser Idee zu sichern. 


Nachdem ich das Patent angemeldet hatte, ging ich zu Lilienthal und setzte 
ihm meine Ideen auseinander. 


Otto Lilienthal hatte grosses Interesse für dieselben und empfahl mir, mit 
denselben auch Herrn Ingenieur Kreiss hier resp. Wandsbeck bekannt zu machen. 
Ich begab mich damals — das sind nun schon 2 Jahre her — zu Herrn Kreiss 
und setzte ihm meine Ideen und Erfindungen an der Hand von Zeichnungen in 
einer langen Conferenz ausführlich auseinander. Auch Lilienthal's Einwendungen 
(die er nebenbei bemerkt später infolge von ihm gemachter Erfahrungen für un- 
berechtigt erklärte) theilte ich ihm mit. 

Man wird es mir nachfühlen können, dass ich das von Herrn Kreiss beliebte 
Verfahren nicht schweigend hingehen lasse. 


Hamburg, den 26. April 1897. R. E. May. 


PATENTSCRIFT 
— Nr. 82482 — 
KLASSE 77: Sport. 


RAPHAEL ERNST MAY IN HAMBURG. 


Luftschiff mit einem in einem Rohr arbeitenden Schraubenpropeller. 
Patentirt im Deutschen Reiche vom 2. October 1894 ab. 


Gegenstand der vorliegenden Erfindung bildet ein an dem vorderen Rohrende 
angebrachter Luftfänger, der einerseits als Tragfläche und andererseits dazu dienen 
soll, dem die Fortbewegung des Luftschiffes bewirkenden Schraubenpropeller die 
Luft in verdichtetem Zustande zuzuführen. 

An dem Vorderende des cylindrischen Rohres ist der Schraubenpropeller an- 
geordnet, der in irgend einer Weise in rasche Umdrehung versetzt werden kann. 
Vor diesem Propeller ist der trichterförmige, unten offene Luftfänger angeordnet, 
der durch geeignete Vorrichtungen auch verstellt werden kann. 

Der Zweck und die Wirkung dieser Anordnung ist nun wie folgt: 

Die Wirkung eines Schraubenpropellers ist abhängig von der Dichte des 
Mediums, in welchem er sich bewegt. Bei einem in Luft arbeitenden Propeller 
wird daher die Wirkung nur eine geringe sein. Man kann aber dadurch eine 
grössere Wirkung erzielen, dass man die Luft unter erhöhtem Druck bezw. in ver- 
dichtetem Zustande zu dem Schraubenpropeller gelangen lässt. 

Der Luftfänger wirkt ausserdem noch in anderer Weise, nämlich als Trag- 
fläche. Bei der Vorwärtsbewegung des Luftschiffes tritt nämlich der Luftstrom 
mit einer gewissen relativen Geschwindigkeit gegen eine aufwärts gerichtete Fläche 
und übt daher gegen diese Fläche einen gewissen Druck aus, den man sich in 
eine Horizontal- und eine Verticalcomponente zerlegt denken kann. Bei schwacher 
Neigung der Fläche wird die Verticalcomponente die bei weitem grössere sein, 
d. h. der relativ gegen die Fläche sich bewegende Luftstrom wird das Bestreben 
haben, die Fläche zu heben. 

Um nun die Möglichkeit zu haben, den auf den Luftfänger ausgeübten Druck 
den Verhältnissen entsprechend verändern zu können, ist der Luftfänger an dem 
Rohre beweglich angebracht. Die Verstellung kann natürlich in beliebiger Weise 


176 Kleinere Mittheilungen. — Erwiderung. 


bewirkt werden. Durch geeignete Verstellung des Luftfängers in Verbindung mit 
dem am hinteren Rohrende angebrachten zweiten Luftfänger kann man das An; 
steigen bezw. Niedersinken des Luftschiffes leicht und sicher bewirken. 

Die Horizontalcomponente setzt zwar der Vorwärtsbewegung des Luftschiffes 
einen gewissen Widerstand entgegen, doch wird dieser Verlust bei Berück- 
sichtigung der gesteigerten Wirkung der in der verdichteten Luft arbeitenden 
Schraube nicht in Frage kommen. 

Patent-Anspruch: 

Luftschiff mit einem in einem Rohr arbeitenden Schraubenpropeller, gekenn- 
zeichnet durch einen am vorderen Rohrende angebrachten verstellbaren halbtrichter- 
förmigen, unten offenen Luftfänger, welcher die Luft der Flügelschraube in ver- 
dichtetem Zustande zuführen und zugleich als Tragfläche dienen soll. 


Erwiderung. 


Herr A. Samuelson hat das von mir angegebene Experiment, wonach es unter 
besonderen Umständen gelingt, einen mit Zeug überspannten Drahtring 
so gegen die Luft zu bewegen, dass er keinen Luftwiderstand gegen die Bewegungs- 
richtung erfährt, einer Kritik unterzogen in der Art, dass er es anders machte als 
ichvorgeschrieben habe und zu einem andern Resultate gekommen ist 

Während bei der vorgeschriebenen Bewegungsart nur ein momentaner Stoss 
erfolgen soll, welcher den king in Bewegung setzt und schon aus diesem Grunde 
im folgenden Zeitmomente kein Zug (Widerstand) gefühlt werden kann und gefühlt 
werden darf, weil die Fäden momentan schlatf! werden müssen, wenn die grund- 
legende Bedingung erfüllt sein soll, scheint Herr Samuelson in ganz willkürlicher 
Weise vorgegangen zu sein. Er zeigt damit, dass er wohl nicht recht verstanden 
hat, worum es sich handelt. 

Dieser Gedanke erklärt mir auch sein allgemeines Vorgehen gegen meine 
Arbeiten, welches er besser durch sachliche Einwendungen ersetzt hätte. 

Im Uebrigen ist es Erfahrungssache, dass sich die heftigste Opposition ein- 
stellt, wenn man eine alte, wurmstichige Theorie angreift. Dies war zu allen Zeiten 
so und die Heftigkeit des Angriffes wird nicht als Kriterium für den Werth einer 
neuen Anschauung dienen können }). 


Kreuznach, den 30. Juni 1397. 
Emil Jacob. 


1) Wir ertheilen Hrn. Dr. Jacob an dieser Stelle das Wort zur Vertheidigung; 
können aber die Bemerkung nicht unterdrücken, dass wir weder seine Ansicht von 
der „alten, wurmstichigen Theorie“ (!) zu theilen vermögen noch sonst uns mit 
seinen sehr gewagten Anschauungen identificiren. Die kedaction. 


-9L TE 


heitachrift für Luftschifährt und Physik der Atmosphäre. 1897. Heft 3/8. 177 


TONA” NIN ef" e ER PRAIDS NENI ey Yu 


Die gleichzeitigen wissenschaftlichen Ballonfahrten vom 
14. November 1896. 


Von Richard Assmann. 
(Schluss.) 


Die nach der Wetterkarte der Deutschen Seewarte vom 14. November 
morgens 8 Uhr entworfene Karte (s. S. 178) zeigt uns Folgendes. 

Centraleuropa war von einem Rücken hohen Luftdruckes überlagert, 
welcher sich von der Iberischen Halbinsel bis nach dem Weissen Meere 
hin erstreckte und im Nordosten sowohl wie über Schlesien und Mähren 
Kerne von mehr als 770 mm Barometerstand besass. Vom Westen her drang 
eine ausgeprägte, theilweise von starker Luftbewegnng umgebene Depression 
ostwärts, an ihrer Vorderseite eine Ausbuchtung bis nach Frankreich und 
Westdeutschland voranschickend; im Osten lag über Russland der Rest 
ciner grossen Depression, welche, vom Weissen Meere her kommend, schon 
mehrere Tage lang einen breiten nördlichen Luftstrom über Westrussland 
geführt hatte, unter dessen Einfiuss überall strenger Frost eingetreten war. 
Die Windriehtungen gehorchten im Westen ausschliesslich der grossen De- 
pression und deren vorgeschobenem Ausläufer: in Paris, Strassburg und 
München herrschte schwacher Südwind; in Mittel- und Ost-Deutschland 
herrschte, aus dem Kerne des Hochdruckgebietes über Mähren kommend, 
leichter Südost, über Polen, dem grossen russischen Depressionsgebiete zu- 
strömend, schwacher West, in Petersburg aus demselben Grunde Nordwest; 
die beiden letzteren Strömungen stammten direct aus den nahe gelegenen Hoch- 
druckgebieten. Die Temperatur lag über Frankreich und Westdeutschland 
wenige Grad über dem Gefrierpunkte, bei Wiesbaden zeigte sich ein kleines 
Gebiet mit mehr als 5°. Die Frostgrenze verlief von Schweden entlang der 
deutschen Ostseeküste, dann südwärts nach München und von dort südost- 
wärts nach der Balkanlalbinsel zu. Ueber Nordwest-Russland lag die Tem- 
peratur unter — 10°, über Schlesien, Mähren, Galizien und Ungarn 6—7 Grad 
unter dem Gefrierpunkte, während über Polen zwischen den beiden Kälte- 
gebieten etwas höhere Temperaturen von — 2 bis — 3° herrschten. 

Der Himmel war im Westen fast überall bedeckt, soweit südliche 
Winde wehten; im Gebiete der südöstlichen, aus dem Hochdruckkerne 
stammenden Strömung dagegen heiter, oder nur durch Nebel verhüllt. Am 
Östrande des Maximums dagegen herrschte allgemeine Bewölkung vor, in 
der Nähe der Depression fiel Schnee. In St. Petersbung war der Himmel, 
nachdem am Vorabend Schnee gefallen war, heiter. 


























Ässmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 179 


Die in unserer Karte eingetragenen Flugbahn-Projectionen der Ballons 
weisen allgemein eine mehr oder weniger beträchtliche Rechts-Abweichung 
von der Richtung des Unterwindes auf. In Paris verläuft die Flugbahn 
fast parallel den Isobaren, ebenso in Strassburg, wenn man die Isobare 
für 7621/s betrachtet. In München dagegen führt die Flugbahn, um mehr 
wie einen rechten Winkel vom Unterwinde abweichend, geradezu in das 
Gebiet hohen Luftdruckes hinein. Man dürfte kaum annehmen, dass der 
Ballon in der mässigen Höhe von 1000 bis 3300 m schon in den oberen, 
dem Hochdruckgebiete zuströmenden Wind gerathen sei; es bleibt deshalb nur 
die Vermuthung übrig, dass sich am Nordrande der Alpen eine gesonderte 
kleine Depression, etwa unter dem bekannten aspiratorischen Einflusse des 
von Nordwest her anrückenden grossen Tiefdruck-Gebietes, gebildet hatte, 
wie sie den Alpenföhn zu begleiten pflegt. Hierauf weist auch die an solchen 
Stationen, welche dem Alpenwall nahe liegen, z. B. in Heiden, beobachtete 
nördliche bis nordwestliche Windrichtung hin. 

Die Flugbalın des in Berlin aufgestiegenen Ballons „Bussard“ wich nur 
etwa 35 bis 40° von der Richtung des Unterwindes ab und fiel so fast 
genau mit der Isobare für 765 mm zusammen; trotz der beträchtlichen Höhe 
von fast 6000 m zeigte sieb keine Spur der sonst nicht selten beobachteten 
oberen Einströmungsrichtung in das Hochdruckgebiet. Die Flugbahn des 
„Cirrus“ lässt sich leider nicht näher ermitteln; auffällig muss es erscheinen, 
dass er, obwohl nahezu gleichzeitig mit dem „Bussard“ aufgestiegen, westlich 
von seinem Auffahrtsorte niedergefallen ist, während er, so lange er erkennbar 
war, deutlich nach NNW zog. Man könnte vielleicht annehmen, dass in der 
von ihm schnell erreichten Höhe von 6000 m in der Nähe von Berlin 
eine dem Maximum zustrebende nördliche Strömung vorhanden gewesen 
sei, welche der „Bussard“ deshalb nicht angetroffen hat, weil er sich bei 
Erreichung der fast gleichen Höhe schon über Mecklenburg befunden hat. 
Aut die Wahrscheinlichkeit dieser Erklärung weisen noch die Beob- 
achtungen über den Zug der Cirren hin, welche über Magdeburg und 
Berlin, wo cirrocumuli bemerkt wurden, aus NW zogen. Die Flugbahn von 
„Strela“ und „Wannowsky“ gehörten deutlich dem östlichen Depression- 
systeme an, welches seinen Luftvorrath vom Ostrande des Hochdruckrückens 
bezog. Die Rechts-Abweichung vom Unterwinde betrug bei Warschau etwa 
60, bei St. Petersburg etwa 80°, sodass auch hier die Flugbahnen den 
Isobaren nahezu parallel wurden. 

Versuchen wir noch, die auf p. 40 mitgetheilten mittleren Geschwir.- 
digkeiten der Ballons in Beziehung zu der Druckvertlieilung zu bringen, 
so ist nicht zu vergessen, dass die angegebenen Wertlie selbstverständlich 
nur als untere Grenzen und als Mittelwerthe der Geschwindigkeiten aller 
beim Auf- und Abstieg durchmessenen Luftschichten gelten können. Bei 
dem Auf- und Absteigen der Ballons kommen die verticalen Bewegungen 
in Abzug von den horizontalen, sodass stets eine Verminderung der letz- 


180 Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 


teren eintritt, abgesehen davon, dass die gemeinhin geringeren Geschwin- 
digkeiten der tieferen Schichten je nach der Dauer des Aufenthaltes des 
Ballons in ihnen den Mittelwerth der ganzen Fahrt ebenfalls herabdrücken. 
Bei unbemannten Registrirballons kann man aber nur aus der Dauer der 
ganzen Fahrt und der gradlinigen Entfernung zwischen Anfangs- und End- 
punkt der Bahn die Geschwindigkeit ermitteln, während vielleicht bedeutende 
Abweichungen von der letzteren vorgekommen, oder gar entgegengesetzt 
gerichtete Luftströmungen passirt worden sind. Nur bei bemannten Ballons 
und sichtbarer Erdoberfläche, welche gute Ortsbestimmungen gestatiet, kann 
man die oben aufgeführten Fehler vermeiden. 

Von fernerer Wichtigkeit ist es, ob sich der Ballon kürzere oder 
längere Zeit in horizontaler Richtung bewegt hat, oder ob er nach Er- 
reichung seiner Gleichgewichtslage bald wieder niedergesunken ist. 

So müssen wir die vom „l’Aerophile“ in den Schichten von über 10000 m 
erreichte Geschwindigkeit vielleicht auf 15 m p. sec. (anstatt den mittleren 
von 12,1 m pro sec.) annehmen und können daraus schliessen, dass die 
heranrückende Depression eine ausserordentliche Höhe gehabt haben muss, 
da bis zu Höhen von fast 14000 m ein Zuströmen der Luft in namhafter 
Stärke stattfinden konnte; allerdings lässt sich, olne die Isobaren für jene 
hohen Schichten zu kennen, nicht entscheiden, ob hier noch ein wirkliches 
Einströmen in den Cyklonenkörper stattgefunden hat. Gegen ein Aus- 
strömen dürfte hingegen die verhältnissmässig geringfügige Abweichung 
von der Richtung des Unterwindes (etwa 40°) sprechen. Der Ballon 
„Strassburg“ fand eiue gleichgerichtete südwestliche Strömung vor, welche 
in der Höhe von 8000 m wohl eine Geschwindigkeit von 12 m pro sec. ge- 
habt haben dürfte, da die mittlere Geschwindigkeit der fast nur aus Auf- 
und Abstieg bestehenden Ballonbahn schon 7.3 m p. sec. betrug. Die 
Wetterkarte giebt für Karlsruhe den „Zug der oberen Wolken“ als aus 
SW kommend an, sodass man wohl schliessen darf, dass auch hier die 
südwestliche Luftströmung bis in grosse Höhen gereicht hat; zugleich wird 
bemerkt, dass die Cirren in der Richtung Süd-Nord gestreift gewesen seien. 
Nach der heutzutage als gültig zu betrachtenden Anschauung, dass diese 
Streifungen als Wolkenwogen aufzufassen sind, welche einem darüber 
liegenden abweichend gerichteten Luftstrom ihr Entstehen verdanken, hätten 
wir Grund, die Existenz eines noch höheren Westwindes zu vermuthen. 
Aus W ziehend wurden auch in Kaiserslautern die Cirren beobachtet, 
deren südwestlich gerichtete Streifung einen höheren Nordwestwind ver- 
muthen liesse. Diese höchsten Strömungen, welche von den Ballons nirgends 
erreicht worden sind, dürften erst dem Systeme des oberen Ausströmens 
aus dem Depressionskörper angehören und müssen demnach in sehr be- 
trächtlichen Höhen, jedenfalls über 14000 m gelegen haben. Die Geschwindig- 
keit des Münchener Ballons „Akademie“ von 7,8 m p. sec. zeigt, dass die 
vermuthlich vorhandene secundäre Depression bis zur Höhe von 3—4000 m 


Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 181 


gereicht haben muss. Leider fehlen noch alle näheren Angaben über die 
Aenderungen der Windgeschwindigkeit mit der Höhe. 

Die mittlere Geschwindigkeit des „Bussard“ vom 4,9 m p. sec. wurde 
schon oben auf Grund der Beobachtungen Herrn Bersons in solche zer- 
legt, welche bis 1500 m Höhe nur 2,5 m p. sec., bis 5000 m aber 4,5 m 
p. sec. betragen hat und erst oberhalb dieser Schicht auf 10 m p. sec. an- 
gewachsen ist. Die grössere Windstärke der höheren Regionen darf aber 
in diesem Fall nicht ausschliesslich als abhängig von der Höhe angesehen 
werden, da constatirt werden konnte, dass auch an der Erdoberfläche der 
Wind zur Zeit der Landung erheblich aufgefrischt hatte. Man muss dies viel- 
mehr wohl auf die inzwischen bis zum Mittag erfolgte weitere Annäherung 
der Depression und die daraus hervorgehende Verstärkung der Gradienten 
schieben. Immerhin ist es wichtig, zu constatiren, dass nahe der Ostsee- 
küste in der Höhe von 5000—6000 m ein kräftiger südlicher Wind von 10 m 
p. sec. geschwindigkeit wehte, während der Zug der Cirren in Rügenwalder- 
münde aus NW, in Swinemünde aus N kam. Auch hier kann man schliessen, 
dass bis zu grossen Höhen hinauf ein kräftiges Zuströmen der Luft zur 
Cyklone stattgefunden haben muss, da zwischen der Höhe von 6000 m und 
der Region der entgegengesetzt ziehenden Cirren noch ein Uebergangs- 
gebiet von beträchtlicher Mächtigkeit vorhanden gewesen sein dürfte; die 
Streifung der Cirren aus N, wie Swinemünde meldet, könnte auf einen 
noch höher liegenden Westwind hinweisen. Jedenfalls gehören beide oberen 
Strömungen dem System der dem Hochdruckgebiete zustrebenden Luft- 
bewegungen an. 

Für die mittlere Geschwindigkeit des „Cirrus“, dessen Flugbahn fast 
ausschliesslich aus Auf- und Abstieg bestand, muss sicherlich ein grösserer 
Werth als 3,4 m p. sec. angenommen werden, zumal er aller Wahrscheinlich- 
keit nach eine zurücklaufende Curve beschrieben hat; doch lässt sich 
Näheres leider nicht ermitteln. 

„Strela“ mit 10,1 m p. sec. und „Wannowsky“ mit 9,1 m p. sec. 
Geschwindigkeit zeigen, dass am Ostrande des Hochdruckgebietes ein leb- 
hafterer Lufttransport nach dem grossen Depressionsgebiete hin stattfand 
als am Westrande in gleicher Entfernung; leider fehlen alle weiteren An- 
gaben darüber, ob die Windstärke in den höheren Schichten eine Zunahme 
oder eine Abnalıme erfahren hat. 

Wir wollen nun den schon oben angedeuteten Versuch unternehmen, 
das vorhandene und kritisch gesichtete Material zur Construction von 
Isothermflächen zu verwenden. Zunächst muss erwähnt werden, dass 
selbstverständlich nur diejenigen Luftschichten in Frage kommen können, 
aus denen mehrere Beobachtungen von verschiedenen Stellen vorliegen; die 
höheren Regionen, in welche nur der „l’Aerophile“ vordrang, mussten 
deshalb ausser Betracht bleiben. Ausgehend von den am Erdboden be- 
obachteten Temperaturen wurden nun thermische Querschnitte zwischen 


182 Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffshrten vom 14. Novbr. 1896. 


den benachbarten Aufstiegsstationen in der Weise angelegt, dass sowohl 
die Ortsveränderungen des Ballons sowie die tageszeitigen Aenderungen der 
Temperatur ausser Betracht gelassen wurden. Man kann sich allerdings 
nicht verhelilen, dass derartige Querschnitte ein wahres Bild der Temperatur- 
vertheilung nicht zu geben vermögen, zumal auch an manchen Stellen mehr 
oder weniger unsichere Interpolationen und Conjecturen nicht zu ver- 
meiden sind, aber es dürfte sich bei der Neuheit derartiger Darstellungen 
und ihrer grundsätzlichen Bedeutung doch verlohnen, diese ersten a@ronau- 
tischen Simultanbeobachtungen in dieser Weise zu verarbeiten. Von Wichtig- 
keit für die richtige Beurtheilung der verticalen Isothermen erschien es, 
auch die Bewölkungsverhältnisse zu berücksichtigen; dieselben sind deshalb 
in den nachfolgenden Querschnittsbildern auf Grund der Angaben der 
Wetterkarte oder der sonstigen Aufzeichnungen mit dargestellt worden. 

Wir gaben im folgenden thermische Querschnitte wieder, und zwar: 

. zwischen Paris und Berlin; 

. zwischen Berlin und St. Petersburg; 

. zwischen Berlin und Warschau; 

. zwischen Paris, Strassburg und München, welche fast auf einer 
geraden Linie liegen; 

. zwischen München und Berlin; 

. zwischen München und Warschau; 

. zwischen Warschau und St. Petersburg. 

Den noch möglichen Querschnitt Strassburg-Berlin dagegen glaubten 
wir wegen seines nahen Zusammenfallens mit dem für München-Berlin fort- 
lassen zu dürfen. 

Fig. 21, Querschnitt zwischen Paris und Berlin zeigt uns folgende 
Eigenthünlichkeiten. 


a Eë Hi Fa 


si O Cn 


Fig. 21. 





A Ra hä Ti 3 é er R 2 ar ei A - s ; p P e — a 
2 u ey ` et, ES e SES e EENG g 
È La Kass ; -3___ Berlin". 
a ılArlea TE BREUER D Q` -Magdeburg 


a S farit MMM 





Die von Paris bis Arlon geschlossene Wolkendecke, deren Höhe und 
Dicke natürlich nur willkürlich gezeichnet werden konnte, da keine ent- 
sprechenden Beobachtungen vorhanden sind, ist über Wiesbaden durchbrochen, 
über Kassel und Magdeburg nur noch schwach vorhanden und fehlt über 





€ 
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Kl 
LK 


Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 183 


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1000 ~ S 


Berlin gänzlich. Die Lufttemperatur an der 
Erdoberfläche ist in Paris hoch und nimmt 
nach Westen hin weiter zu, nach Ostnordost 
aber zunächst ab; bei Wiesbaden liegt eine 
Wärme-Insel mit + 4°, dann aber folgt von 
Kassel an mässiger Frost von steigender In- 
tensität, entsprechend der Verminderung der 
Wolkendecke. Man erkennt hieraus zunächst 
allgemein, dass die niederen Temperaturen 
in Folge der unbelhinderten \Wärme-Ausstrah- 
lung des Erdbodens entstanden sind. Soweit 
die Wolkendecke reicht (bei Arlon ist wahr- 
scheinlich keine eigentliche Wolkendecke, son- 
dern nur Nebel vorhanden gewesen) tolgen 
die Isothermen mit der Höhe in verhältniss- 
mässig weiten Entfernungen aufeinander: über 
Paris ist in den untersten Schichten die Tem- 
peratur-Abnahme eine sehr langsame, desglei- 
chen zwischen 4 und 5000 m; oberhalb dieser 
Grenze aber nimmt die Temperatur rapide im 
Betrage von etwa 1° auf 100 m Erhebung 
ab. Die hohe Temperatur in Wiesbaden be- 
dingt natürlich eine entsprechende Empor- 
wölbung der darüberliegenden Isothermflächen, 
sodass die Nullgrad-Isotherme, welche über 
Paris in 1800 m Höhe, über Arlon in 200 m, 
über Wiesbaden in etwa 1200 m Höhe liegt, 
bei Kassel die Erdoberfläche schneidet. Ueber 
Berlin nimmt nun aber die an sich schon 
niedrige Temperatur zunächst bis zur Höhe 
von 1000 m weiter bis unter — 5° ab, steigt 
aber nun zuerst langsam, dann schneller und 
überschreitet unterhalb 2000 m Höhe den 
Gefrierpunkt. Oberhalb von 2000 m nimmt 
die Temperatur wieder zunächst langsam, dann 
schnell ab, sodass zwischen 4 und 6000 m 
der Werth von 1° aut 100 m fast erreicht 
wird. Doch ist eine Neigung der Isotliermen 
von Westen her nicht zu verkennen, 

Fig. 22, Querschnitt zwischen Berlin 
und St. Petersburg, dessen Richtung mit 
der von Figur 21 einen Winkel von 25° 
bildet, zeigt, wie zunächst nach Nordost zu 


184 Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 


die Temperatur der untersten Schicht bis nahe an den Gefrierpunkt zu, 
dann aber trotz der Nähe der Ostsee wieder abnimmt und die Iso- 
therme für — 5° kurz hinter Memel die Erdoberfläche schneidet. Der bis 
zu dieser Gegend heitere Himmel zeigt wieder Bewölkung, welche bei 
Riga als Nebel erscheint und bei Petersburg wieder verschwunden ist. Die 
Isotherme für — 10° schneidet vor und hinter Riga die Erdoberfläche, in 
Riga selbst herrscht eine Temperatur von — 11°, in St. Petersburg wieder 
— 10°. Die oberhalb der tiefliegenden Luftschicht, in welcher die Tempe- 
ratur mit Höhe abnimmt, durch die Berliner Ballons constatirte Schicht 
wärmerer Luft erstreckt sich, wie die höhere Temperatur von Rügenwalder- 
münde vermuthen lässt, sich dem Erdboden nähernd, nordostwärts bis an 
die Ostseeküste. Dass nicht die Meeresnähe die Ursache der höheren 
Temperatur ist, erhellt aus dem erheblich niedrigeren Werthe von Neu- 
fahrwasser, wo gleichfalls heiterer Himmel und südöstlicher Wind herrscht. 
So erhält die Isotherme für — 5° in diesem Querschnitte eine erhebliche 
Senkung, und dementsprechend sinngemäss auch die für — 10°. Aber auch 
die höher liegenden Isothermen für — 15° bis — 30° zeigen einen aus den 
Ballonbeobachtungen folgenden beträchtlichen Abfall in der Richtung nach 
Nordost zu, obwohl die Temperaturabnalime selbst bei St. Petersburg eine 
geringere ist als über Berlin. 

Noch ausgeprägter erscheint dieser Abfall der Isothermen zwischen 
Berlin und Warschau, wie Fig. 23 zeigt. Die kalte Luft der untersten 

Fig. 23. Schicht reicht hier bei 
6000s De Grünberg bis zum Erd- 
GE boden hinab; darauf 
folgt eine Zone von 
höherer Temperatur, 
welche im '"Zusammen- 
hange mit der über- 
lagernden wärmeren 
Luftschicht stehen 
dürfte. Die obere Iso- 
therme für — 5° steigt 
aus 3000 m Höhe über Berlin steil bis zur Höhe von etwa 400 m über 
Warschau herab; den gleichen Abfall zeigen nach den Ballonbeobachtungen 
(nur die von der Sonnenstrahlung nicht gefälschten Nachtbeobachtungen 
sind berücksichtigt worden) die höheren Isothermen. Ueber Warschau nahm, 
der Annäherung an die östliche Depression entsprechend, die Bewölkung 
wieder zu. 

Fig. 24 zeigt die analogen Verhältnisse auf dem Querschnitte Paris- 
Strassburg-München. Paris wie München hatten bedeckten Himmel, während 
bei und um Strassburg die Bewölkung fehlte, oder doch nur gering war; 
wir finden deshalb am letzteren Orte in Folge der Ausstrahlung eine etwas 


? 





Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 185 


niedrigere Temperatur an der Erdoberfläche mit mässiger Temperatur- 
abnahme bis zur Höhe von 1000 m. Darüber aber nahm die Tem- 


Fig. 24, 





peratur wieder etwas zu. Zwischen Strassburg und München fand sich 
ein umgrenztes Gebiet höherer Temperatur, vermuthlich im Zusammen- 
hange mit der auch auf dem Schnitte Paris-Berlin Fig. 21 bei Wies- 
baden gefundenen Wärmeinsel. Die niedrigere Temperatur von München, 
0°, ist vermuthlich durch die grössere Meereshöhe von München, gegen 
500 m, bedingt; trotz bedeckten Himmels nahm die Temperatur bis zur 
Höhe von 1300 m zunächst auf — 2° ab, dann aber an der oberen Wolken- 
grenze schnell bis auf + 3° zu!). Die Isotherme für 00 verlief von Paris 
aus leicht ansteigend von etwa 1900 bis 2100 m Höhe. Dementsprechend 
zeigen auch die nächsten Isothermen für — 5° und -— 100 ein leichtes An- 
steigen nach Ost zu, während in den höheren Schichten die allgemeine 
Senkung der Isothermenflächen vorhanden ist. 

Der auf der vorhergehend erörterten Richtung senkrecht stehende 
Schnitt München-Berlin, Figur 25, zeigt den Anschluss dieser Temperatur- 
vertheilung an die bei Berlin constatirte.e Am Erdboden sinkt die Tempe- 

Fig. 25. ratur langsam auf 
der ganzen Laune, 
je weiter man sich 
dem Gebiete heite- 
ren Himmels und 
zunehmender Aus- 

strahlung nähert, 
welche bis zur Hölıe 
von über 1000 m 
eine Temperaturab- 
nahme bewirkt. Dar- 
über liegt auf der ganzen Strecke eine wärmere Luftschicht mit Tem- 





1) Die Wolkenschicht ist in unserer Zeichnung zu hoch angegeben worden; 
ihre obere Grenze muss etwa bei 1300 m liegen. 


186 Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 


peraturen über 0°; die obere 9° Isotherme verläuft in etwa 2200 m Höhe 
nahezu horizontal, ebenso die niedrigeren Isothermen in den grösseren Höhen. 
Eine Senkung der Isothermen ist auf diesem Schnitte nicht erkennbar, 


TL 


2000m 0: 


0’ Mile 


RE Bee EE S 
1000. E SS e A E ET n ORO S 


D, TT m mm 


Fig. 26. 


Wesentlich anders stellen sich die Verhält- 
nisse in nordöstlicher Richtung zwischen München 
und Warschau dar, wie Fig. 26 zeigt: auf der 
ganzen Linie war der Himmel bewölkt und die 
Temperatur der untersten Schichten einige Grad 
unter dem Gefrierpunkte. In Folge der bis zur 
Höhe von 2000 m reichenden wärmeren Luftschicht 
über und bei München hatte die Isotherme — 50 
einen beträchtlichen Abfall nach Nordost zu, wel- 
chem sich die niedrigeren Isothermen der grösseren 
Höhe anschmiegten; — 150 fand sich daher in der- 
selben Höhe, wie -+ 0,5° über München. 

Auf der nach NNE gerichteten Linie War- 
schau-St. Petersburg, Fig. 27, sehen wir eine Kälte- 
insel von — 120 dort, wo die Bewölkung ihr Ende 
erreicht hat; dementsprechend senken sich von 
beiden Seiten her die Isothermen nach der Mitte 
zu, während sie in den höheren Schichten horizontal 
verlaufen !). 


1) Die im Obigen gegebenen Darstellungen lassen 
sich für Demonstrationszwecke in äusserst anschau- 
licher Form in der Weise verwenden, dass man eine 
Wetterkarte in grösserem Maasstabe herrichtet und die 
dem entsprechend mit zweckmässiger Ueberhöhung ent- 
worfenen Querschnitte anstatt auf Papier auf den über- 
all käuflichen dünnen und wie Glas durchsichtigen Ge- 
latineplatten aufzeichnet. Mittels einiger kleinen aus 
dünnem Federdraht gebogenen Klemmfüsschen kann 
man alle diese Platten über den entsprechenden Strecken 
der Karte gemeinschaftlich aufstellen und erhält so ein 
sehr gutes Bild der Isothermenflächen. Wendet man 
dasselbe Verfahren für die Darstellung der Flugbahnen 
der Ballons an, so gewinnt auch diese Darstellung, 
welche die verticalen und horizontalen Verhältnisse 


= 
o 
© 
e 
D 
U 





= 0007 


FAAEE i 


52- 


Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 187 


Erst nachträglich wurden die entsprechenden Aufzeichnungen derjenigen 
Höhenstationen herbeigezogen, welche den im Obigen näher besprochenen 
Querschnitten nabe liegen: der Brocken sowohl, wie der Inselsberg liegen 
der Linie Paris-Berlin nicht fern — erstere Station fällt sogar direct in 
dieselbe — Schneekoppe und Glatzer Schneeberg verhalten sich ähnlich 
zur Linie München-Warschau, Trägt man die bei der Morgenbeobachtung 
am 14. November (7*) abgelesenen Werthe in die bezüglichen Querschnitts- 
bilder Fig. 21 und Fig. 26 ein, so findet man Folgendes: 

Brocken Inselberg Sane Oppe Glatzer Schnee- 


1148 m. 914 m. 02 m. berg 1217 m. 
Lufttemperatur 7* — 4,7° — 6,3? — 11,8 —9,1 
Wind ....88W5 SW 4 S 2 SE 4 
Bewölkung . . 9: 8 0 5 


Der Brocken hat trotz seiner um 234 m höheren Lage eine um 1,6° 
höhere Temperatur als der Inselsberg, was eine Temperaturumkehrung in 
der darüber liegenden Schicht wahrscheinlich macht. In der Fig. 21 müsste 
demnach die zwischen 400 bis 1300 m liegende kältere Luftschicht nach west- 
wärts bis oberhalb Kassel verlängert eingezeichnet werden: Inselsberg lag 
innerhalb der Isotherme — 50, der Brocken schon oberhalb derselben. 
Die Temperaturzunabme zwischen 914 und 1148 m Höhe (0,7° für 100 m) 
zu Grunde gelegt, würde man in etwa 1800 m Höhe die Isotherme 00 an- 
zutreffen erwarten dürfen, eine Annahme, welche mit den Beobachtungen 
im „Bussard* (1600 m) gut übereinstimmt. Die durch den Exponenten ! 
als „dünn“ bezeichnete Wolkendecke dürfte nur geringe Höhe über dem 
Berge gehabt haben und wohl nur als örtliche „Wolkenkappe“ zu betrachten 
sein; das Gleiche dürfte für die Bewölkung am Inselsberge gelten. Die 
Windrichtungen SSW und SW entsprechen durchaus denen benachbarter 
Flugbahnrichtungen der Ballons. Die Existenz einer tiefliegenden kalten 
und darüber gelagerten wärmeren Luftschicht zwischen Berlin und Brocken- 
Inselberg erscheint auch durch die Beobachtungen an den Höhenstationen 
durchaus gesichert. 

Anderseits liegen Schneekoppe wie Glatzer Schneeberg nahe dem West- 
ende des Hochdruck-Kernes über Schlesien und Mähren; der erstere Berg 
reichte durch die Wolkendecke hindurch, die letztere Station, welche 200 m 
unterhalb des Gipfels liegt, hatte halb bedeckten Himmel. Von einer Tem- 
peratur-Umkehrung, wie am Stationspaare Inselsberg-Brocken, ist hier nichts 
zu bemerken, vielmehr ist der Unterschied von 2,7° auf 300 m Höhen- 
differenz ein recht beträchtlicher (0,9% auf 100 m). Trägt man diese Werthe 
in den thermischen Querschnitt Fig. 26 (München-Warschau), welcher 


gleichzeitig vor Augen führt, sehr an Lebendigkeit. Die in unserem Artikel in 
aussergewöhnlicher Anzahl gebrachten graphischen Beigaben entstammen einer 
solchen Demonstration bei Gelegenheit eines Vortrages vor dem Allerhöchsten Pro- 
tector unserer wissenschaftlichen Ballonfahrten. 


188 Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 


zwischen beiden Stationen hindurch verläuft, ein, so zeigt sich, dass die 
Isotherme für —10° einen noch steileren Abfall nach Ost zu gehabt hat, als 
angegeben, und dass sie damit der für — 5° ausgezogenen Isotherme nahezu 
parallel wird. Wenn man auch die niedrige Temperatur beider Höhenstationen 
zu einem Theil auf Boden-Ausstrahlung zurückführen kann, so bleibt doch 
die Thatsache bestehen, dass die in weiterer Entfernung sicher festgestellte 
Temperatur der zwischen 1000 bis 2300 m liegenden Luftschicht hier in der 
Nähe des Hochdruck-Kernes noch nicht vorhanden war, was darauf schliessen 
lässt, dass die angenommene abwärts gerichtete Bewegung erst in grösserer 
Höhe ihren Ursprung hatte, und da sie die benachbarten Berggipfel nicht 
traf, in einem nach West zu abwärts geneigten Bette verlief. 


Versuchen wir nun, die im Vorstehenden im Einzelnen ausführlich 
discutirten Beobachtungs- und Registrirungswerthe der ersten simultanen 
internationalen Ballon-Experimente zu einem Gesammtbilde zusammenzu- 
fassen. 

Die Druckvertheilung über Europa bedingte zwei in breitem Bette 
verlaufende Luftströmungen von entgegengesetzter Richtung: über West- 
Europa fiuthete ein an der Erdoberfläche schwacher, mit zunehmender Höhe 
an Geschwindigkeit erheblich wachsender Südstrom, welcher auch noch in einer 
Höhe von fast 14000 m angetroflen wurde — das östliche Central-Europa 
aber wurde von einer kaum weniger mächtigen nördlichen Strömung über- 
weht, dessen Existenz bis zur Höhe von fast 5000 m constatirt werden 
konnte. Beide Ströme flossen in den höheren Schichten nahezu parallel 
den Isobaren der Erdoberfläche, doch zeigte der Südstrom in den höchsten 
erreichten Regionen eine ausgeprägte Ablenkung nach dem Gebiete hohen 
Luftdrucks hin. Ein zwischen den beiden Depressionen liegender Rücken 
mässig hohen Druckes speiste beide Ströme als wohl ausgeprägte „Wind- 
scheide“; sein westlicher Abhang war durch das Vordringen der westlichen 
Depression stark eingebuchtet und wahrscheinlich durch ein kleines örtliches 
Minimum am Nordrande der Alpen unterbrochen. 

In der Nähe des südlicheren der beiden Kerne, welche sich in dem 
Rücken hohen Druckes vorfanden, war die Luftbewegung schwächer, be- 
sonders im Norden und Westen bis zur Höhe von etwa 5000 m, nahm aber 
darüber nicht unbeträchtlich zu. 

Die Lufttemperatur war im Allgemeinen in dem Südstrome bis zu 
mässigen Höhen erheblich höher als in dem Nordstrom; in grösseren Höhen 
jedoch scheint dieser Unterschied, soweit die Beobachtungen halbwegs als 
sicher zu betrachten sind, ganz wesentlich vermindert, wenn nicht gänzlich 
verschwunden gewesen zu sein. 

Ueberall, wo die Ausstrahlung in Folge heiteren Himmels unbehindert 
war, zeigte sich eine nicht unbeträchliche Abkühlung der untersten Luft- 
schichten und oberhalb dieser eine bis zur Höhe von 2500 m hinaufreichende 


Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 189 


Luftschicht von beträchtlich höherer Temperatur, letztere ausschliesslich 
auf den westlichen Druckabhang des Hochdruckgebietes beschränkt, 
während an dessen Ostrande im Gebiete der nördlichen Strömung jede 
Andeutung derselben fehlte. Abgesehen von St. Petersburg, welches aus 
dem nördlichen Hochdruckkeıne seine Luft erhielt, herrschte heiterer Himmel 
ausschliesslich am West- und Nordrande des über Polen und Mähren 
liegenden barometrischen Maximums; allein über Bayern fand sich in Folge 
einer kleinen Depression eine nur in geringe Höhe reichende Wolkendecke. 

Die relative Feuchtigkeit war nördlich von Berlin innerhalb der 
warmen Luftschicht eine ganz ausserordentliche geringe und zwar, was 
besonders bemerkt werden muss, während der Nachtzeit; gleichfalls 
gering, wenn auch nicht in demselben Maasse, zeigte sich dieselbe oberhalb 
der Wolkenschicht über Bayern im Bereiche der dort ebenfalls vorhandene 
ausserordentlich warmen Luftschicht. 

Bringt man die am West- und Nordrande des südlichen Hochdruck- 
kernes sicher constatirten Erscheinungen heiteren Himmels, ausserordentlich 
geringer Feuchtigkeit und einer ungewöhnlich warmen Luftschicht in der 
Höhe von 1300 bis 2500 m in ursächlichen Zusammenhang, so bleibt kaum 
etwas Anderes übrig als die Annahme eines am Westabhange des 
barometrischen Maximums schräg abwärts fliessenden Luft- 
stromes, welcher in Folge von dynamischer Erwärmung die unmittelbare 
Ursache der beobachteten Erscheinungen gewesen ist. Derselbe reichte 
fast überall, soweit er herrschte, bis zum Erdboden herab, und büsste dort 
in Folge der unbehinderten Wärme-Ausstrahlung seine hohe Temperatur 
und mit dieser seine geringe relative Feuchtigkeit ein; nur über Bayern 
wurde derselbe durch eine kleine und wahrscheinlich niedrige Depression 
vom Erdboden fern gehalten, brachte jedoch, obwohl durch die hier herr- 
schende eyklonale Luftbewegung aus seiner Ursprungsrichtnng abgelenkt, 
durch seine hohe Temperatur und Trockenheit deren Wolkendecke in ge- 
ringer Höhe zur Auflösung. Ob in diesem letzteren Falle am Nordrande 
des Alpenwalles etwa Föhnerscheinungen mitgewirkt haben, oder nicht, 
wird sich erst auf Grund der an den Höhenstationen der Alpen angestellten 
Beobachtungen ermitteln lassen TL 

Der Ostrand des Hochdruck-Gebietes ist überall bis zu beträchlichen 
Höhen kalt, die Abnahme der Temperatur mit der Höhe eine beträchtliche; 
es liegt auch kein Grund vor zu der Annahme, dass erst in noch grösseren 
Höhen wärmere Schichten zu erwarten seien. In der Anticyklone selbst 
ist die Temperatur am Erdboden niedrig selbst dort, wo der Himmel nicht 
unbewölkt ist. ° 

Man ist in neuster Zeit bekanntlich gegen die Heranziehung dynamischer 


1) Herr Dr. Erk in München hat die genauero Erörterung dieses Theiles der 
Simultan-Experimente in Aussicht gestellt. 


i90 Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 


Vorgänge bei der Erklärung örtlicher Temperaturerhöhungen mit Recht etwas 
misstrauisch geworden und hat auf die Herkunft der fraglichen Luftströme 
und deren thermische Eigenschaften wieder mehr hingewiesen. Könnte 
man in unserem Falle auch zugeben, dass die allgemein niedrige Temperatur 
des nördlichen Luftstromes ausschliesslich als eine vom hohen und kalten 
Norden her mitgeführte Eigenschaft anzusehen sei, so würde man doch 
schwerlich im Stande sein, die hohe Temperatur am östlichen Rande des 
Südstromes in gleicher Weise zu erklären. Der im breitem Bette über 
Westeuropa hingehende Südstrom brachte in seinen unteren Schichten warme 
und feuchte Luft vom Ocean und vom Mittelmeere herbei; über Nord- 
frankreich aber fand sich derselbe in geringen Höhen schon verhältniss- 
mässig kalt, kälter jedenfalls als über Elsass, Bayern und Norddeutschland; 
die Isotherme 0° lag über Paris in 1800, über Strassburg, München und 
Berlin in 2300 m Höhe; auch die Isotherme — 5° lag über Paris um 
500 m niedriger als über Strassburg und München, während sie über Berlin 
in gleicher Höhe sich befand; erst in grösserer Höhe hatte, soweit die 
Beobachtüngen einen solchen Schluss gestatten, dieses Ansteigen der Iso- 
thermen von West nach Ost sein Ende, um dann weiter nach Ost zu in 
ein starkes Abfallen überzugeben. Vergleichen wir die Lage der Isothermen 
über Paris und Warschau, so sehen wir beträchtliche Unterschiede: in 
1800 m in Paris 00, in Warschau — 150, in 2800 m über Paris — 50, 
über Warschau fast — 20°. Der vom Südstrome im Westen nach dem 
Nordstrome im Osten unzweifelhaft mindestens in den untersten Schichten 
bis zu 5000 m Höhe vorhandene Abfall der Isothermflächen erscheint aber 
in seiner Mitte durch eine nicht unbeträchtliche Hebung über Bayern und 
Norddeutschland unterbrochen, veranlasst durch die Einschiebung einer Luft- 
schicht von einer Temperatur, wie sie in ihrem Urprungsgebiete, dem Süd- 
osten und’ Osten des Erdtheiles, nirgends auf der Erdoberfläche herrschte, 
geschweige denn in Höhen von 1500 bis 2500 m: am Erdboden fanden sich 
dort vielmehr Temperaturen von — 50 bis — 70, in 1500 bis 2500 m Höhe 
aber solche von — 120 bis — 180. Um über München mit einer Temperatur 
von + 3° in 1700 Höhe ankommen zu können, hätte, falls man den Werth 
von 0,50 pro 100 m Erhebung als Betrag der Temperaturabnahme zu Grunde 
legt, eine mit 120 temperirte Luftmasse bis zu jener Höhe aufsteigen und 
horizontal ohne jeden Wärmeverlust nordwärts fliessen müssen: diese 
Temperatur fand sich aber eıst in der Breite von Neapel und Cagliari. 
Die Unwahrscheinlichkeit einer solchen Annahme zwingt uns aber, die 
Frage: „woher stammte die hohe Temperatur über Bayern und Nord- 
deutschand?“ dahin zu beantworten, dass es nur eines Niedersinkens um 
8000 m bedurfte, um die über Warschau liegende Luft in einer Höhe von 
2000 auf +4 10 zu erwärmen. 

Leider aber fehlen uns alle Beobachtungen aus den höheren Schichten 
über dem Gebiete des eigentlichen Maximums selbst! Es ist dies um so 


Assmann: Gleichzeitige wissenschaftl. Auffahrten vom 14. Novbr. 1896. 191 


mehr zu bedauern, da sich hier wohl eine äusserst günstige Gelegenheit 
geboten hätte, für die Beantwortung der vielumstrittenen Frage nach der 
Temperatur in den Anticyklonen und Cyklonen ein Material zu gewinnen, 
welches von allen den Beeinflussungen frei gewesen wäre, welche den Be- 
obachtungen auf Berg-Observatorien stets anhaften. 


Zum Schluss dieser Erörterung über die Resultate der ersten gleich- 
zeitigen Ballonfahrten sei es noch verstattet, auf Folgendes hinzuweisen: 

Die vielfachen Unsicherheiten der Registrir- und Beobachtungsmethoden 
erheischen unbedingt die Anwendung einwurfsfreier Instrumente und zwar 
an allen Stellen, welche sich an der gemeinschaftlichen Arbeit betheiligen. 
Allein die Wahl der Nachtzeit hat eine gewisse Vergleichbarkeit für den 
vorliegenden Fall gestattet — mit dem Aufgange der Sonne dagegen traten 
überall, wo nicht entsprechende Verkehrungen getroffen sind, unverkennbare 
Fehler auf, welche jede Vergleichung zu einer Täuschung machen müssten. 
Wird nieht diese vom Verfasser schon vor der Errichtung der „Inter- 
nationalen Aöronautischen Commission“ bei jeder Gelegenheit betonte Be- 
dingung erfüllt, so sinken die internationalen Ballonfahrten zu einem Sport 
herab, bei welchem es nur darauf ankommt, wer die grössten Höhen 
und die niedrigsten Temperaturen nach Angaben seiner Registrir- Apparate 
erreicht, und mögen die letzteren noch so falsch sein! 


Fischschwanz und Flügelschütteln. d 
Von Arnold Samuelson, Ober-Ingenieur in Schwerin i/M. 

Wenn der Hecht in ruhendem Wasser unbeweglich „steht“, und er 
sodann im Falle des Herannahens einer Gefahr pfeilschnell davon schiesst, 
so legt er seine 4 Seitenflossen an den Leib; die Rücken- und Bauchflossen 
R und B (Fig. 1) können dabei; wegen ihrer Schwäche nur dazu dienen, 
die Dreh-Componente aufzuheben; die Vorwärts-Bewegung geschieht ledig- 
lich mittels der beiden starken Schwanzblätter F und F,, deren Bewegungs- 
muskel fast der ganze Fisch, vornehmlich die hintere Hälfte desselben ist 
Jedes Schwanzblatt kann als für sich allein wirkend angesehen werden, 
da freilich beide abwechselnd in Wirksamkeit treten, aber wohl wenig oder 
garnicht einander beeinflussen. 

Im Anfange seiner Wirksamkeit bildet das Schwanzblatt eine Schrauben- 
fläche von starker Steigung und wirkt ähnlich wie eine Schiffsschraube 
(s. die ausgezogenen Linien, Fig. 2); da es aber nicht rotiren kann, sondern 
oseilliren muss, so kann der Gegendruck des Wassers nur bis zur neutralen 
Mittelstellung der Schwanzflosse im Sinne eines Vortiiebes wirken; die 
Schwanzflosse muss aber, um wieder in die actionsfähige Stellung zu ge- 
langen, über ihre Mittelstellung hinaus nach links, wie in Fig. 2 punktirt 


192 Samuelson: Fischschwanz und Flügelschütteln. 


angegeben, bewegt werden; hierbei wirkt der Gegendruck des Wassers 
unvermeidlicherweise verzögernd auf die Fortbewegung ein. Es dürfte von 
Interesse sein, zu einer Anschauung darüber zu gelangen, worauf es be- 
ruht, dass ein so ungeheurer Ueberschuss der vortreibenden über die zurück- 
haltende Kraft bei dem anscheinend so einfachen Hinundherschlagen des 
Fischschwanzes gewonnen wird. 
Die ausgezogene Doppellinie 
L: Pig. 7. Fir. 2 werde als Horizontalschnitt 
angenansieht. der Schwanzflosse von elementarer, 
aus der Höhe A herausgeschnitte- 
ner Breite gedacht. Der Schlag 
der Schwanzflosse erfolgt in der 
Richtung des Pfeils bei m (vom 
Fisch aus gerechnet). Um eine 
Pig we mathematische Betrachtung anzu- 
"e Grundriss. stellen, müsste aus der Schwimm- 
i geschwindigkeit c des Fisches und 
der Schlaggeschwindigkeit v ein 
Parallelogramm gebildet werden 
u. s. w., um die wirkliche Ge- 
schwindigkeit des Flossenelemen- 
tes relativ zum Wasser zu fin- 
den. Da es sich hier indessen nicht um eine wirkliche Berechnung, sondern 
um die Gewinnung einer Anschauung handelt, so mag nur von der Schlag- 
geschwindigkeit die Rede sein; alles Gesagte gilt dann auch für die durch 
das Fortschreiten des Fisches im Wasser modifleirte Schlaggeschwindigkeit. 
Das Wasser übt gegen jeden elementaren Streifen der Schwanzflosse 
einen normal gegen das Flächenelement gerichteten Gegendruck aus, und 
es giebt für jeden solchen Streifen irgend einen Punkt, welcher als Mittel- 
punkt dieses Gegendiucks angesehen werden kann; der Normaldruck N 
zerlegt sich dann (s. Fig. 2) in N sina und N cos a; erstere Kraft treibt 
den Fisch vorwärts, letztere ebenso wie die durch dieselbe angestrebte 
Drebung um die Längsachse des Fisches wird durch die Rücken- und Bauch- 
flossen Æ und B (Fig. 1) aufgehoben. Der Winkel « ist mit dem Fortschreiten 
des Flossenschlages variabel; bei der grössten Abweichung von der Mittel- 
stellung ist der Winkel am günstigsten, da A sin a dann möglichst gross ist. 
Der Flossenschlag beginnt in deren äusserster Stellung (Fig. 2); es 
werde bezeichnet durch: 
T: die ganze Zeitdauer des Flossenschlages von der ausgezogenen 
bis zur punktirten Stellung (Fig. 2); 
t: die Zeit, welche vom Beginne des Flossenschlages an verfliesst 
bis zu einem Zeitpunkte, in welchem die Bewegung in Betracht 
gezogen werden soll; 








Samuelson: Fischschwanz und Flügelschütteln. 193 


Co 


: der zugehörige Weg; 
S: der ganze während eines Flossenschlages zurückgelegte Weg, 
so dass die Summe aller ds = H ist. 
v: die Geschwindigkeit des Flossenpunktes m in dem Zeitpunkte 
wenn ¢ verflossen ist. 

Somit wächst ¢ von O bis T; wenn die verflossene Zeit irgend eine 
zwischen O und T liegende Grösse t hat, so ist v gleich dem Wegdiffe- 
rential ds dividirt durch das Zeitdifterential dt. Von dem Quadrate der 
Geschwindigkeit in diesem Sinne hängt der Gegendruck N des Wassers in 
„edem Zeitpunkte, somit der Vorschub ab; für den Vorschub N sin a kommt 
freilich noch der Winkel a in Betracht; sin o ist zu Anfang des Flossen- 
schlages am günstigsten (s. Fig. 2), nimmt bei der Mittelstellung bis zu 
© ab und wird bis zur punktirten Stellung immer ungünstiger, somit der 
Fortbewegung melır und mehr hinderlich. Unter Vorbehalt der Berück- 
sichtigung dieses Einflusses hängt der Gesammt-Gegendruck des Wassers 
ab von der Summe aller Geschwindigkeitsquadrate, welche innerhalb des 
Zeitraumes T vorkommen: dieser Gegendruck wirkt in dem Zeitraum bis 
zur Mittelstellung als Vortrieb, in dem Zeitraum von der Mittelstellung 
bis zu Ende als Rücktrieb. Bedingung aber ist dabei, dass die Summe aller 
Weggrössen, welche das Flossenelement in jedem Zeitdifferential zurück- 
legt, gleich dem ganzen Wege 3 sein muss, welchen das Flossenelement 
in der Zeit T zurücklegt. Diese letzte Bedingung kann ausgedrückt werden 


durch die Gleichung: 


7 i f 
S ds = Ñ; oder: f dt = Ñ; oder: f cd = SN. 


0 0 d 
Es sei nun die Zeit T auf einer Abscissenaxe O X (Fig. 3) als 
Länge aufgetragen, so dass O X = T ist; als Ordinaten seien die Ge- 
schwindigkeiten (d. h. die Wegeslängen wie sie in einer ganzen Secunde 
sein würden, wenn die in jedem Zeitdifierential stattfindenden unverändert 
andauern würden) in jedem Zeitpunkte aufgetragen, so dass, wenn auf der 
Abseissenaxe von O an die Zeit ¿ verflossen ist, die Länge der ent- 
l À en, 
sprechenden Ordinate die Geschwindigkeit SS angiebt, welche stattfindet, 
während £ um dt wächst. Die Linie, welche die Endpunkte der Ordinaten 
verbindet, ist das „gGeschwindigkeits-Diagramm“') 








ı) Der hier mitgetheilte Gedankengang ist von mir schon einmal in diesen 
Blättern veröffentlicht. worden, nämlich im Jahrg. 1895 Aug.-September Seite 210. 
Ich behandle mit dieser, so viel mir bekannt, damals neuen Betrachtungs- 
weise, deshalb den Flossenschlag des Fischschwanzes und den Flügelschlag des 
Vogels beim Verweilen an derselben Stelle in ruhender Luft, weil es noch immer 
l.uftphilosophen giebt, welche behaupten wollen, das Quadrat der Geschwindigkeit 
sei nicht im Stande, eine ausreichende Erklärung aller beim Flüssigkeitswiderstande 
auftretenden Erscheinungen, namentlich des letztgenannten Vorganges zu geben. 


194 Samuelson: Fischschwanz und Flügelschütteln. 


Für gegebene Grössen von T und S kann es eine unendlich grosse 
Anzahl verschiedener Geschwindigkeitsdiagramme geben; aber alle müssen 
die Bedingung erfüllen, dass die Summe aller in jedem Zeitdifferential zu- 
rückgelegten Wege = S ist, oder, was dasselbe ist, dass die Summe aller 
Producte aus v mal dt = H ist. Diese Summe ist aber gleich der Fläche, 
welche von der Linie des Diagramms und der Abscissenaxe eingeschlossen 
wird. Bei dem Diagramm Fig. 3 ist z. B. die ganze Zeit O X =T in 
50 Theile eingetheilt und die Mittellinie eines jeden Ordinatenstreifens 
No. 1 bis 49 gezogen. Die Länge eines jeden Ordinatenstreifens be- 
deutet die Geschwindigkeit und kann nach einer beliebigen Einheit, welche 
der links neben der Fig. 3 stehende Masstab angiebt, gemessen werden. 

+? Da nun vorausgesetzt wird, dass 
| Fig. 3 der Flossenschlag, um welchen 
Geschwindigkeils Diagramm es sich handelt, ein aus meh- 
der Schwanzflosse. reren einander gleichen heraus- 
gegriffener sei, so dass Hin- und 
Herschlag in continuirlicher 
Reihenfolge abwechseln, so muss 
die Summe der v.dt vom Be- 
ginn des Schlages bis zur Mit- 
telstellung gleich der Summe 
der v.dt von der Mittelstellung 
bis zur äussersten Stellung sein; 
somit ist eine Linie XL zu ziehen, welche die Diagrammfläche in zwei 
Theile von gleichem Flächeninhalt theilt; die Diagrammfläche O Z K L ent- 
spricht dem Flossenschlage vom Beginn bis zur Mittelstellung und dem 
Vortriebe; die Fläche XYXZL entspricht dem Flossenschlage von der 
Mittelstellung bis zur äussersten Stellung und dem Rücktriebe. Der 
Vortrieb verhält sich zum Rücktrieb (ungefähr und mit 
einigen Modificatiinen) wie die Summe der Quadrate der 
Ordinatenstreifenlängen in der linken Hälfte zu 
denen der rechten Hälfte. 

Die Längen der 49 Mittellinien der Ordinatenstreifen, so wie im Dia- 
gramm Fig. 3 gezeichnet, sind in Tab. 1 (S.195) aufgeführt, und zwar in Sp. 2, 
die den Vortrieb, in Spalte 5 die den Rücktrieb bewirkenden. Die Quadrate 
der Zahlen sind in den Spalten 3, bez. 6 angegeben. Wollte man diese 
Zahlen als direct massgebend für den Vor- bezw. Rücktrieb annehmen, so 
würde ersterer zum letzteren sich verhalten wie 621,50 zu 44,14; zur 
rechnerischen Behandlung des Falles würden freilich noch eine Menge Dinge 
in Betracht kommen, so der variable Winkel a (Fig. 2) und sein erreich- 
bares Maximum, ferner die Vertheilung des Wasserdrucks auf die Flächen- 
elemente der Sclhwanzflosse, sowohl der Länge wie der Höhe nach; endlich 
liegt es nicht ausserhalb der Möglichkeit, dass eine Beeinflussung des oberen 






Samuelson: Fischschwanz und Flügelschütteln. 195 


Blattes durch das untere und umgekehrt im günstigen Sinne stattfindet. Hier 
soll nur das Princip des Quadrates der Geschwindig- 




















Tabelle 1. 
oa | 2 | 83a f «& | & le 
Vortrieb-Diagramm. |  Rücktrieb-Diagramm. 
Ordinate Ringa? 5 Ordinate Longe g 
N der v? N der v 
” Ordinate | j Ordinate 
1 0,5 0.25 | 6 1,2 1,44 
2 16,0 256,00 Ä 7 1,1 1,21 
8 17,0 289,00 | 8 1,0 1,00 
4 8,5 72,25 | 9 
5 2,0 409 | und 
‚folgende bis 
einschl. 
48 
je 
1,0 = 40,0 40,00 
49 0,7 0,49 
Summe 44,0 621,50 Summe 44,0 44,14 





keit zur Anschauung gebracht werden, und es ist ge- 
zeigt worden, dass dieses Princip einen beliebig grossen Über- 
schuss der vortreibenden gegen die rücktreibende 
Wirkung ermöglicht, sofern beliebig grosse Muskelstärke des Mo- 
tors der Schwanzflosse zugestanden wird. 


In Worte gefasst ergiebt sich folgendes: Der schnell schwimmende 
Fisch bewegt die Schwanzflosse durch einen energischen Ruck aus ihrer 
äussersten Stellung bis nahe der Mittelstellung; sodann bewegt er dieselbe 
mit möglichst gleichmässiger Geschwindigkeit weiter in die jenseitig äusserste 
Stellung; letztere Bewegung wirkt unter allen Umständen rücktreibend, 
jedoch kommt dieser Rücktrieb gegen den Vortrieb, welchen gleichzeitig 
die andere Schwanzflosse ansübt, um so weniger in Betracht, je höher hin- 
auf die Geschwindigkeitsdifferenz im Anfange des Flossenschlages gegen die 
nachherige vermöge der Muskelstärke des Fisches getrieben werden kann. 


Beim Fluge der Vögel findet im Allgemeinen ein Luftdruck von oben 
gegen die Flügel nicht statt, denn der Vogel richtet seine Flügelstellung 
so ein, dass der Luftdruck von unten gegen dieselbe wirkt, was ihm immer 
möglich ist, wenn er eine vorwärts gerichtete Bewegung relativ zur Luft 
hat. Im Falle aber der Vogel Veranlassung hat, in ruhender Luft an 
derselben Stelle sich schwebend erhalten zu müssen, tritt eine Bewegung 


196 Samuelson: Fischschwanz und Flügelschütteln. 


der Flügel ein, bei welcher ein Luftdruck von oben unvermeidlich ist. Bei 

dem Bussard z. B., welcher über einem Mauseloch auf Beute wartend sich 

schwebend erhält, erscheint diese rasche Bewegung dem menschlichen Auge, 

welches nur eine beschränkte Anzahl von Eindrücken innerhalb einer Secunde 

aufzunehmen vermag, als: | 
 „Flügelischütteln‘“; 

es handelt sich um eine Analyse dieser Bewegung. 


Der Vogel hat wegen der Raschheit solcher Bewegung nicht Zeit, 
seine Flügelfläche beim Aufschlage etwa zu verkleinern, beim Niederschlage 
dagegen zu vergrössern; bei beiden Bewegungen wirkt die gleiche Flügel- 
fläche, und es kann auch die Concavität der Unterfläche, deren Wirksam- 
keit von Lilienthal in so sonderbarer Weise überschätzt worden ist, sofern 
sie überhaupt vorhanden sein sollte, keinen wesentlichen Einfluss in dem 
Sinn ausüben, dass etwa der Luftwiderstand an sich beim Niederschlage 
unter sonst gleichen Umständen grösser sein sollte als beim Aufschlage. 
Der Überschuss der auftreibenden Kraft über die abwärtstreibende, welcher 
Überschuss genau gleich dem Gewichte des Vogels sein muss!), kommt 
allein durch die Vertheilung der Schlaggeschwindigkeit auf die einzelnen 
Zeitelemente zustande. 

Es sei wiederum die Zeit vom Beginne eines Flügelniederschlages an 
gerechnet auf einer Abscissenachse O X (Fig. 4.) als Länge aufgetragen, 
um darüber das Geschwindigkeits-Diagramm, soweit es nach Schätzung 
möglich ist, zu construiren. Da die Flügel und ihre Schwungfedern elastisch 
sind, so ist es nicht wohl möglich, gleich beim ersten Anrucken die grosse 
Geschwindigkeit und mit ihr den grossen Gegendruck der Luft zu erzielen; 
es wird vielmehr hierzu ein relativ ziemlich langer Zeitraum erforderlich 
sein und die grösste Geschwindigkeit beim Flügelniederschlage wird ver- 
muthlich in die Mitte der Zeitdauer desselben fallen müssen; auch wird zur 
Entwickelung dieser grossen Geschwindigkeit im Ganzen mehr Zeit er- 
forderlich sein, als zum Flügelaufschlage, welcher unter möglichster Ver- 
meidung von Geschwindigkeitssteigerung, im Uebrigen aber möglichst hurtig 
erfolgen muss. Aus diesen Gesichtspunkten mögen von den 50 Zeittheilen, 
in welche die Zeitlinie O X (Fig. 4) wiederum eingetheilt werden mag, so 
zwar, dass die Ordinaten die Mittellinie jedes Zeittheiles darstellen, 30 für 
den Niederschlag, 20 für den Aufschlag disponirt werden. Die Längen 
der 29 Mittellinien des Diagramms für den Flügelniederschlag, so wie in 
Fig. 4 (S. 197) gezeichnet, sind in Tab. 2 Spalte 2 aufgeführt; die Längen 
der 19 Mittellinien, wie in Fig. 4 für den Flügelaufschlag gezeichnet sind, in 


1) Es ist von einem der 'geehrten Mitarbeiter d Bl. behauptet worden, es Bei 
nur ein Theil des Gewichtes an Auftrieb erforderlich; derselbe beansprucht für sich 
auch das unsterbliche Verdienst, der Erste gewesen zu sein, der auf den Einfall 
gekommen ist, das bekannte Spielzeug, deu Schraubenflieger, welchen man ab- 
schnurrt, um ihn hernach irgendwo wieder aufzusammeln, im Grossen als Flug- 
maschine zu verwenden. 


Samuelson]: Fischschwanz und Flügelschütteln. 197 


| Fig. A Tabelle 2 Spalte 5 aufgeführt. Da 

| Ges gel digkeits . Diagramm der Flügelschlag, um welchen es 
zes || MRügee. | dar igel. sich. handelt, als aus mehreren ein- 
Meder -| \ schlages | Aufschlages ander gleichen herausgegriffen vor- 

=: - ausgesetzt wird, so ist die Bedin- 

gung für die. Möglichkeit der Rich- 
tigkeit beider Diagramme die, dass 
die Flächengrössen beider Dia- 
gramme einander gleich sind, oder 
(bei der vorliegenden Annähe- 
rungsrechnung) dass die Summe 








Tabelle 2. 
oai | _ ® j 83 | a | 5 | 6 _ 





Diagramm 
des Flügel-Aufschlages 


Diag ramm 
des Flügel-Niederschlages 


Ordinate Länge v Ordinate Länge v 








der 2 | der 2 
No. | Ordinate g | No Ordinate R 
1 ` 0,0 0,00 | 1 | 0,4 0,16 
2 0,1 oui | 2 3,6 12,96 
3 0,3 009 Is 4,2 17,64 
4 0,4 0,16 4 4,5 20,25 
5 0,5 0,25 5 4,8 23,04 
6 0,7 0,49 6 5,0 25,00 
7 0,9 O81 jo 1 5,0 25,00 
8 1,2 1,44 8 5,0 25,00 
9 1,5 2,25 9 5,0 25,00 
10 2,0 4,00 10 5,0 25,90 
1 2,5 62 | n 5,0 25,00 
12 3,4 156 | 12 5,0 25,00 
18 5,0 2500 | 13 5,0 25,00 
14 13,5 182,25 | 14 5,0 25,00 
15 16,0 256,00 15 4,8 23,04 
16 13,5 182,25 | 16 4,5 20,25 
17 5,0 25,00 17 4,2 17,64 
18 3,4 11,56 18 3,6 12,96 
19 2,5 6,25 19 0,4 0,16 
20 2,0 4,00 Summe: 80,0 873,10 
21 1,5 925 | 
22 1,2 1,44 | 
28 0,9 0,81 
24 0,7 0,49 
25 0,5 0,25 
26 0,4 0,16 
27 0,3 0,09 
28 0,1 0,01 
29 0,0 0,00 





BOSES O EE EE SEED 


Summe: 80,0 125,12 


198 Samuelson: Fischschwanz und Flügelschütteln. 


der Mittellinien oder Ordinaten bei beiden gleich ist. Diese Summe ist bei 
jedem der beiden Diagramme = 80,0 Einheiten des nebenstehenden Mass- 
stabes. Der Gegendruck der Luft verhält sich genau so, wie die Summe 
der Quadrate dieser Zahlen, während in dem Falle der Fischschwanzflosse 
‘der Gegendruck des Wassers nur ungefähr und unter Modificationen nach 
den Quadratzahlen zu bemessen war. Die Summe v? beträgt nach Tabelle 2 
für den Niederschlag 725, 12 Einheiten, für den Aufschlag 373,10. Die 
Kraftanstrengung des Vogels ist nach der Summe beider Zahlen zu be- 
messen, die nützlich verwendete Anstrengung nach der Differenz der beiden 
Zahlen: erstere verhält sich zu letzterer wie 1098,22 zu 352,02; unter den 
gemachten Annahmen wird somit nur etwa 1/3 der ganzen Kraftanstrengung 
des Vogels beim Flügelschütteln nutzbar verwendet. 

Um Missverständnisse zu vermeiden, weise ich zum Schlusse ausdrück- 
lich darauf hin, dass die gemachten Annahmen sowohl in Bezug auf die 
Schwanzflosse des Fisches wie auf das Flügelschütteln eines Raubvogels 
auf quantitative Richtigkeit keinen Anspruch machen; dagegen halte ich 
den Inhalt dieser Abhandlung für einen beachtenswerten Beitrag zu dem 
immer wieder aufs Neue zu führenden Nachweise, dass das Princip: „Der 
Widerstand der Flüssigkeiten richtetsichnach dem 
Quadrat derGeschwindigkeit der inihnen bewegten 
Körper“ alle auf dem Gebiet des Flüssigkeitswider- 
standes auftretenden Erscheinungen ausreichend zu 
erklären vermag. 


Das Gesetz des elastischen Widerstandes. 


Von Emil Jacob in Kreuznach. 

Der wissenschaftlich begründete und praktisch erprobte Widerstand, 
den gegen die Luft bewegte Flächen nach dem Gesetz Fv? erleiden, genügt 
bekanntlich in keiner Weise, die Wunder des Flugs zu erklären. 

In meinen früheren Arbeiten habe ich bereits den Schluss gezogen, 
dass der Widerstand des Flügelschlages nach einem Gesetze erfolgen muss, 
welches nicht auf der Geschwindigkeit, sondern auf der Beschleunigung 
der Fläche beruht. Ich möchte deshalb nachstehend die Formel für diese 
Art des Widerstandes, welche ich den elastischen nannte, ableiten. 

Bevor ich dies aber thue, möchte ich noch einmal die Berechtigung zu 
dieser Art der Betrachtung zeigen und zwar von einer möglichst neuen Seite. 

Es ist unbestritten, dass schwingende Körper die Luft elastisch er- 
regen d. h. der Luft eine Bewegungsform übermitteln, welche sich ganz 
anders verhält, als die Bewegungsform strömender Luftmassen. 

Es fragt sich, welches ist der eigentliche Grund dieser besonderen 
Art der Bewegungsübertragung rep. Erregung? 


Jacob: Das Gesetz des elastischen Widerstandes. 199 


Offenbar doch nur der, dass schwingende Körper in jedem Augenblick 
die Geschwindigkeit ihrer in Bewegung begriffenen Theile ändern? So lange 
kein anderer Grund aufzufinden ist, muss ich es als erwiesen ansehen, dass 
diese Aenderung der alleinige Grund ist. 

=- Denken wir uns z. B. eine schwingende Saite mit 300 Schwingungen 
pro Secunde. So oft dieselbe hin und her geht, geht ein Luftverdichtungs- 
und Verdünnungsvorgang von derselben aus, welcher sich elastisch verbreitet. 

Ist es nun denkbar, dass die Saite bloss in den unendlich kleinen 
Zeittheilchen auf die Luft wirkt, in denen sie etwa die Endpunkte ihrer 
Schwingungsbahn erreicht, also in den Augenblicken, wo die Saite stille 
steht? Sicher nicht. Es ist vielmehr klar, dass sie auf der ganzen von 
ihr durchlaufenen Bahn auf die Luft wirken muss. 

Wenn nun die Aenderung der Geschwindigkeit der allein denkbare 
Grund der elastischen Erregung der Luft ist, so muss umgekehrt geschlossen 
werden, dass jede Geschwindigkeitsänderung eines durch die 
Luft geführten Körpers immer eine elastische Erregung der 
Luft hervorrufen muss. 

Da nun anderseits experimentell erwiesen ist, dass ein Flugthier 
während des Flugs (schwirrende Fliege) auf die Wände von Gefässen 
Druckwirkungen ausübt und diese Wirkungen offenbar auf die Schwingungen 
der Flügel zurückgeführt werden muss, so ergiebt sich zweifellos, dass diese 
Schwingungen nicht von der gewöhnlichen Art sein können, welche nur 
gleich stark positive und negative Stösse erzeugen können, deren Druck- 
Resultante = Null wäre, sondern dass diese Schwingungsart etwas Ein- 
seitiges an sich haben muss, nämlich das was ich mit „excentrisch“ be- 
zeichnet habe. | 

Dies vorausgeschickt und indem ich mich auf meine vorausgegangenen 
Arbeiten beziehe, glaube ich nun die volle Berechtigung erwiesen zu haben, 
der Druck, den der Flügel des Flugthiers an der Luft erleidet, wenigstens 
zum weitaus grössten Theile, auf die Geschwindigkeitsänderung (Beschleuni- 
gung) desselben zurückführen und das Gesetz für diesen Druck entwickeln 
zu können. 

Ich bemerke dabei, dass die Vorstellungen der inneren Vorgänge in 
der Luft immerhin hypothetische sind und nur solche sein können und dass 
der Werth der daraus abgeleiteten Schlüsse hauptsächlich der ist, neue 
Gesichtspunkte zu eröffnen, d. h. neue Wege zu Experimenten zu entdecken, 
zu Experimenten anzuregen und auf andere Weise unerklärliche Thatsachen 
unserem Verständniss zugänglich zu machen. Wenn wir verstehen wollen 
und die inneren Vorgänge nicht sehen können, so bleibt nichts übrig als 
sich Vorstellungen über diese Vorgänge zu bilden und dieselben dann ex- 
perimentell darauf zu prüfen, ob sie möglich sind. 


"c m De un 


200 Jacob: Das Gesetz des elastischen Widerstandes. 


Die nachstehende Ableitung der Formel fällt einfacher aus, wenn 
die constanten Factoren, wie z. B. das spec. Gewicht der Luft zunächst 
nicht berücksichtigt werden. Es handelt sich zunächst nicht um absolute 
Grössen, desshalb kann z. B. statt des Luftgewichts gerade so gut das 
Volumen derselben dienen, wodurch alles einfacher wird und übersichtlicher 
bleibt. Also operire ich nur mit den variablen Factoren. 


Um die absoluten Grössen zu erhalten, genügt schliesslich die Hinzu- 
fügung eines richtig bemessenen Ergänzungsfactors, der aus Versuchen zu 
bestimmen ist. 

Ebenso wie der Schieberwiderstand dem Product der secundlich zur 
Wirkung kommenden (verdrängten) Luftmasse Fw mal der Geschwindigkeit v 
proportional ist, nämlich der secundlichen Bewegungsgrösse An", so ist die 
Entstehung des elastischen Widerstandes durch die auf dieselbe I,uftmasse 
Fv wirkende Beschleunigung a (Acceleration) gegeben, indem eine der 
Bewegungsgrösse Ava proportionale Stosskraft ausgeübt. wird. 

Der elastische Widerstand muss also dem Product aus der Luftmasse, 
auf welche die Fläche direct elastisch (d. i. molekelbeschleunigend) wirkt, 
einerseits und andererseits dieser Beschleunigung proportional sein, näm- 
lich = Fva. 

Wenn nun auch a als völlig variabel anzusehen ist, so möchte ich 
es doch zur Vereinfachung dieser Betrachtung zunächst während ein und 
desselben Beschleunigungsvorganges einer Fläche als constant ansehen. 
Dann ist es gestattet, statt Fv zu schreiben Fat, wenn ich mit t die 
während dieser Bewegung verflossene Zeit bezeichne. 


So ergiebt sich, dass der elastische Widerstand dem Ausdruck F'a t.a 
—= Bot proportional sein muss. Denkt man sich den Weg, den die Fläche F 
bei solcher Bewegung zurücklegt, mit Z bezeichnet, also die dabei verdrängte 
Luftmasse durch den Cylinder oder das Prisma F zl vorgestellt, denkt man 
sich ferner ! in unendlich viele Theile getheilt, so wird jeder Theil Fd? 
(Scheibe) mit einer unendlich kleinen, dv proportionalen Kraft elastisch 
gestossen werden, da der zugrunde liegenden Idee zufolge immer nur der 
Geschwindigkeitszuwachs als elastisch stossend in Frage kommt. 


Bezeichnet man also mit dv den mittleren Geschwindigkeitszuwachs 
der Fläche beim Passiren der einzelnen unendlich dünnen Scheiben, so wird 
die denselben mitgetheilte mittlere elastische Bewegungsgrösse = F’dldv sein. 

Die Summe aller dieser Bewegungsgrössen wird also nur sein = Fldv. 
Dies ist aber noch eine unendlich kleine Grösse. Wie verträgt sich dies 
mit der Entstehung einer Kraft von endlicher Grösse? 

Antwort: Nur die beim Beginn der Bewegung mit dv beschleunigte 
erste Scheibe Fd2 ist als vorher in Ruhe befindlich (als elastisch ruhig, 
d.h. frei von einseitiger Molekelbeschleunigung) anzusehen. Dei jedem 
weiteren Zuwachs um dv ist dies nicht mehr der Fall, da jede Scheibe 


Jacob: Das Gesetz des elastischen Widerstandes, 201 


bei der Ausbreitung der elastischen Bewegung auch grössere Massen Re- 
actionsstösse bekömmt. 

Wenn also das zweite dv auf die Luftmolekel übertragen wird, sind 
diese dann nicht mehr völlig in Ruhe, sondern in retrograder Bewegung. 
Die Stosskraft zwischen der Fläche F und der berührenden Luftscheibe, 
sowie zwischen je zwei aufeinander folgenden Luftscheiben ist dann. d. h. 
allgemein in den folgenden Schichten, also nicht mehr dv proportional, 
sondern = dv -+ Accumulation der Reaction. Diese Accumulation wird, 
sobald die Fläche F einen endlichen Weg zurückgelegt hat, auch eine end- 
liche Grösse, indem zugleich eine endliche Zeit verflossen ist. 

Esist also dieAccumulirung, welche nach einem 
bestimmten Gesetze (f[t]) in der Zeit t erfolgt, zur 
Wirkungebensonöthig, wie die Acceleration selbst. 

Um diese Function der Zeit zu finden, stütze ich mich auf die Er- 
kenntniss, dass der entstehende elastische Widerstand in einer einfachen 
Beziehung zu der Luftmasse stehen muss, welche mit der Druckfläche in 
dynamische Beziehungen tritt, und ich komme so zum Schlusse, dass das 
Kräftefeld (Summe der Producte aus Kraft und Zeit) gemessen ist durch 
den Inhalt eines Kegels, dessen Spitze ein Element der Druckfläche und 
dessen Basis!) die Kugelschale ist, bis zu welcher der Strahlenkegel sich 
fortzepflanzt hat. Allerdings wissen wir vom Schalle, dass dieser Strahlen- 
kegel eigentlich kein Kegel ist, sondern ein sich kelchartig erweiternder 
Körper, dessen Inhalt wir nicht kennen. Wir können aber immerhin den 
reinen Strahlenkegel der Betrachtung zu Grunde legen, denn es ist zu be- 
denken, dass die sich abkrümmenden Strahlen mit dieser Abkrümmung 
immer schwächer werden und auch die Richtung der Kraft immer un- 
günstiger wird, so dass die Gesammtrückwirkung, in der Richtung gegen 
die Druckfläche hin, keine grössere sein wird, als fände der Vorgang in 
einem Kegel statt. Die Kräfte selbst aber (Drucke), welche zu einer be- 
stimmten Zeit OO, ... bestehen, sind gemessen durch die Grösse der 
entsprechenden Kugelschale des Strahlenkegels. Da die Kugelschale wächst, 
wie das Quadrat der Strahlenlänge und diese wie die Zeit, so ergiebt sich 
die gesuchte Function als €. Da nun der Druck zur Zeit t sowohl dem 
Ausdruck at wie auch ausserdem noch (7 proportional ist, so muss er 
dem Producte beider entsprechen, und die Formel für den elastischen Wider- 
stand ist 

We= Fa?°t? oder mit Hinzufügung des noch zu bestimmenden con- 
stanten Ergänzungsfaktors We = Fa? tè R. 


1) Eigentlich ist nicht die Kugelschale in der Entfernung r, entsprechend 
der Zeit t, sondern die Kugelschale in der Entfernung d als Basis zu nehmen, denn 


es ist die Reaction (Trägheit) dieser Kugelschale, welche in der zweiten Hälfte der 
Zeit A auf die Fläche zurückstrahlend die Fläche gerade im Momente erreicht, in 
welchem die directen Strahlen bis r vorgedrungen sind. 


202 Jacob: Das Gesetz’ des elastischen Widerstandes. 


Wollen wir nun vorstehende Formel auf den Flug anwenden, so 
stossen wir auf Hindernisse: 


1. dreht sich die Fläche (der Flügel) dabei um eine feste Axe; 


2, besteht die Bewegung nicht allein aus einem beschleunigten Ab- 
wärtsgehen, sondern auch aus einem verzögerten (ebenfalls nach 
abwärts beschleunigten) Heben. 


Es würde also unzulässig erscheinen müssen, das Gesetz für eine Fläche 
mit einseitiger Bewegung auf eine hin- und hergehende und dabei sich 
drehende Bewegung anwenden zu wollen. Jedenfalls wird die Wirkung 
ihrer absoluten Grösse noch dadurch wesentlich beeinflusst. Es wäre aber 
möglich, dass der Einfluss dieser besonderen Umstände sich nur auf den 
constanten Faktor & erstreckte, aber nicht auf die übrige Relation der 
variablen Grössen. 


Es wird also immerhin interessant sein, zu vergleichen, wie beim Fluge 
der verschiedenen Flugthiere sich Gewicht (Widerstand), Zeit der Schwingung 
und eine daraus und aus der Geschwindigkeit des Flügels berechnete Be- 
schleunigung verhalten. 

Wenn man nämlich die beobachtete Geschwindigkeit (mittlere) des 
Flügels dividirt durch die Zeit der Schwingungsdauer, so wird man eine 
mittlere halbe Beschleunigung resp. eine zur Vergleichung brauchbare Zahl 
bekommen. 

Kennt man auch die Flügelfläche, so hat man alle Daten bis auf den 
Faktor &. 

Da aber der Widerstand We des Flügels durch das Gewicht des 
Flugthiers gegeben ist, so könnte man umgekehrt &% aus den übrigen 
Stücken berechnen. Ä 

Um die Formel also versuchsweise auf den Flug anwenden zu können, 
müsste man Setzen: 


für t die Schwingungsdauer 
für a die aus € und aus der Flügelgeschwindigkeit v berechnete 


Beschleunigung Z 


Das Resultat dieser Anwendung ergiebt sich am besten aus einer 
allgemeinen Betrachtung über die bisherigen Messungsergebnisse: 

Dazu lege ich die Messungen von Mouillard, Marey und Müllenhoff — 
speziell die von letzterem daraus entwickelten Resultate zu Grunde, welche 
v. Parseval in seiner „Mechanik des Vogelflugs“ in knapper, präciser Form 
zusammengestellt hat. 

Dieselben lauten: 

1. Die Flugthiere sind im Allgemeinen geometrisch ähnlich gebaut. 


Jacob: Das Gesetz des elastischen Widerstandes. 208 


Die Verhältnisse der Lineardimensionen sind bei grossen und kleinen 
Fliegern die nämlichen. 
Es ist also nn const 
a 

Dies Verhältniss heisst Segelgrösse des Vogels. 

2. Die Fluggeschwindigkeiten sind bei grossen und kleinen Vögeln 
annähernd dieselben. 

3. Die Schlagfrequenz bei ungefähr gleicher Grösse der 
Schlagwinkel ist umgekehrt proportional den Lineardi- 
mensionen. Homologe Punkte der verschiedenen Flügel 
haben also dieselbe Schlaggeschwindigkeit. 

4. Die Flugmuskulatur nimmt bei grossen Vögeln eher ab als zu. 

Wenn man darnach in Betracht zieht, dass homologe Theile der Flügel 

aller beobachteten Flugthiere — oder wenigsten diejenigen vom gleichen 
Flugtypus — gleiche Geschwindigkeiten haben, dass sogar eine Fliege ihre 
Flügelspitze mit ähnlicher Geschwindigkeit bewegt wie der hunderttausend- 
mal schwerere Geier die seine — wenn man besonders in Betracht zieht, 
dass in Folge dieses Umstandes linear n mal grössere Flugthiere, ins- 
besondere desselben Typus, eine n mal grössere Zeit zu einer Flügel- 
schwingung gebrauchen — und wenn man die äusserst wichtige Thatsache 
beachtet, dass sie damit einen n mal grösseren Druck auf die Flächeneinheit 


erzielen, obgleich die Beschleunigung auf ` sinkt — eben wegen dieser 


n mal grösseren Zeit, in welcher die gleiche Geschwindigkeit erzielt wird — 
so ergiebt sich, dass obige Fassung des elastischen Widerstandes Fa? t? 
auch auf die Flügelwiderstände der Flugthiere passt. 

Am leichtesten ist dies zu sehen, wenn man statt Fa?t? schreibt: 
Fv°t (nämlich v statt at, was unter gewissen Einschränkungen erlaubt 
ist). Dann sieht man sofort, dass der Druck der Schwingungsdauer pro- 
portional ist. 

Die Formel ergiebt also dasselbe, was die in obigen Sätzen zusammen- 
gefassten Beobachtungen und Schlüsse Müllenhoff’s ergeben. Die höchst 
auffallende Thatsache, dass linear n mal grössere Flügel bei gleicher Ge- 
schwindigkeit einen n mal grösseren relativen Widerstand (also pro [_]Cen- 
timeter Fläche) erzeugen als kleinere, ist eine jener zahlreichen Thatsachen, 
aus welcher sich die Unanwendbarkeit des Gesetzes Fv? auf die Flügel- 
bewegung ergiebt. Da aber das Gesetz Fv? für constante Geschwindigkeit 
experimentell als richtig erwiesen ist, so ergiebt sich daraus, dass der 
Flügel keine constante Geschwindigkeit haben kann. 

Auch nach der Meinung v. Parseval’s liegt die Differenz zwischen 
Erfahrung und bisheriger Theorie an dem Widerstandsgesetze Fv?. Daher 
war er geneigt statt Fv? zu schreiben: Alesch Dies würde den Vorgang 
allerdings auch erklären, widerspricht aber den Versuchen, weiche eine der 


204 Jacob: Das Gesetz des elastischen Widerstandes. 


Druckfläche proportionale Zunahme des Drucks gezeigt haben. Auch fehlt 
jeder innere Grund einer solchen nicht proportionalen Zunahme. 

Die Formel Fa?t? erklärt nun auch, warum die n mal grössere 
Flügelbeschleunigung eines kleinen Thiers nicht allein keinen grösseren 
relativen Druck, sondern noch einen n mal kleineren erzeugt, als die n mal 
kleinere Beschleunigung des grossen Thiers nach folgenden Betrachtungen: 

Die Geschwindigkeit, d. h. der Werth von ot ist bei allen Flugthieren 
der gleiche, woraus folgt, dass bei kleineren (grösseren) Thieren a im selben 
Verhältnisse steigen (fallen) muss, wie £ fällt (steigt) oder mit anderen 
Worten: 


a t 
at = constant = — nt = na —. 
n n 


Für den Weg, den ein Element des gleichmässig beschleunigten 
Flügels eines Thieres zurücklegt, gilt die bekannte Formel 


a 


s= — ť 
2 
für den n mal grösseren Weg des linear n mal grösseren Thiers also 
a wë 
ns = — II 
ou | 


oder in Worten: 


der nfache Weg wird in nfacher Zeit bei der Beschleunigung > zurückgelegt. 


Setzen wir daher in die Formel Fa? t’ statt a nur =, statt aler 


nt, wie es den beobachteten Verhältnissen der Natur entspricht, so kommt 
für das grosse Thier We = F (;)° (nt)? = nFa?t? d. h. ein nfacher 


Druck trotz der n fach kleineren Beschleunigung. Wir sehen also, dass 
die Vorstellungen des elastischen Widerstands und die daraus abgeleiteten 
Schlüsse geeignet sind, bisher geradezu und völlig unbegreifliche Erschei- 
nungen zu erklären. 

Die Helmholtz’schen auf dem Gesetze F v? aufgebauten Schlüsse müssen 
mit der Nichtanwendbarkeit dieses Gesetzes auf die Flugerscheinungen von 
selbst fallen, und es wird uns wieder der Trost, dass die grossen Vögel 
nicht, — wie er glaubte — das Grössenmaximum für den Flug darstellen, 
dass die Natur nicht aus diesem Grunde keine grösseren Vögel geschaffen 
hat. Im Gegentheil werden die Bewegungen der Flügel mit der Grösse 
immer sanfter und stetiger, und eine auf Flügelbewegung begründete grosse 
Flugmaschine würde wohl ohne zu grosse Vibrationen arbeiten können. 


Ritter: Bewegungserscheinungen hinter einer vom Winde getraff, Fläche. 206 


Bewegungserscheinungen hinter einer vom Winde getroffenen Fläche. 
Von Friedrich Ritter. 
(Vortrag, gehalten im Wiener flugtechnischen Verein am 19. März 1897.) 


In der Decembernummer 1896 der Zeitschrift für Luftschiffahrt und Phys. d. 
Atmorphäre findet sich ein neuartiger militärischer Fesselballon beschrieben, welcher 
behufs Erzielung einer grösseren Stabilität des 
Ballons im Winde länglich gestaltet und ausser- 
dem mit einem angehängten drachenähnlichen 


ER Hilfs- Hilfs- oder Steuerballon versehen ist. 
P Aa banci- ro. Der Hauptballon ist ca. 6 m dick und 
Y ca. 18 m lang, und der als Steuer dienende 
er Hilfsballon ca. 80 bis 40 m von demselben 
e ER entfernt. 
Dee In der Beschreibung dieses neuen Bal- 
lons ist gesagt, dass wiederholte Versuche, 
den Ballon durch ein ihm näher liegendes Anbängestück zu steuern, zu keinem 
zufricdenstellenden Ergebniss geführt haben. Erst als man sich zum Anbringen 
des weiter entfernten Drachenballons entschloss, erwies sich die Steuerung wirk- 
sam, so dass sie nun, nach mündlicher Mittheilung des Herrn Hauptmanns Trieb 
in der Vereinsversammlung vom 19. Januar, bis zu einer Windgeschwindigkeit von 
25 min der Secunde in befriedigender Weise entspricht. 

Bei näherem Nachdenken über dieses auf den ersten Blick seltsame Verhalten 
des Ballons fielen mir Beobachtungen an Schneewehen, die ich im Winter 1892 
gemacht, ein, welche ein mit diesem Verhalten übereinstimmendes Ergebniss liefern 
und deshalb, wie ich nachstehend auszuführen versuche, in Verbindung mit den 
erwähnten Beobachtungen am Ballon vielleicht einiges Licht auf die Vorgänge 
hinter einer vom Winde getroffenen Fläche zu verbreiten geeignet sind. 

In dem erwähnten Winter habe ich Form und Ausdehnung einiger Schneewehen, 
welche hinter Baumstämmen auf dem Schmelzer Exercierplatze und hinter kleinen 
Zierbäumen auf dem Maria-Theresienplatze in Wien entstanden waren, aufgenommen. 

Trifft der Wind auf einen freistehenden Gegenstand, wie Baumstämme und 
dergl., so bildet sich zunächst vor demselben, wo die in dem vorgelagerten Luft- 
hügel herumziehenden kleinen Wirbel kein Niedersinken des Schnees gestatten, 
ein schneefreier Raum. 

Dieser schneefreie Raum setzt sich zu beiden Seiten des Gegenstandes, weil 
die abgelenkte Luft, mit beschleunigter Geschwindigkeit dahinströmend, ebenfalls 
keinen Schnee zu Boden sinken lässt, als offener Kanal fort. 

Der Kanal schliesst sich aber hinter dem Stamme nicht sogleich wieder; denn 
hinter dem Stamm ist es windstill und die beiderseits abgelenkte Luft braucht eine 
gewisse Zeit, bis sie die verlangte beschleunigte Geschwindigkeit wieder abgiebt 
und die entstandene Lücke des windstillen Raumes, in welche sie keinen Schnee 
hineinzutragen vermag, wieder schliessen kann. 

Hierbei zeigte sich an den entstandenen Schneewehen, dass, wenn der Wind 
schwach blies, die Lücke sich schon nahe hinter dem Stamme, wenn derselbe 
stärker blies, erst in grösserer Entfernung von dem Stamme wieder schloss. 

Im Allgemeinen bewrgte sich die Luft, nach 
der Form der sich ablagernden Schneefäden zu 
schliessen, von den Rändern a und a, der beider- 
seits des Stammes entstandenen schneefreien 
Kanäle aus in daselbst an die Windrichtung a'a 
und aʻa, anschliessenden Parabeln ac’c und oo 


Fig 2. 





206 Ritter: Bewegungserscheinungen hinter einer vom Winde getroff. Fläche. 


weiter; doch war auch eine Bewegung in an diese Parabeln anschliessenden 
S-förmigen Parabellinien ac’d und a,c,‘’d in dem Sinne zu erkennen, dass erst in 
dem etwas weiter vom Stamme entfernten Punkte d die abgelenkten Luftfäden, 
nachdem sie sich vereinigt, auch wieder die frühere gemeinschaftliche Richtung 
des Windes wieder angenommen hatten. 


Nachdem sich die Einwärtsbewegung der Luftfäiden hinter dem Stamme offen- 
bar unter einem gewissen Drucke, welchen die zur Seite gedrängten angrenzenden 
Luftfäden auf die ersteren ausüben, vollzicht, so entstand die Frage, wie gross 
dieser Druck sei. 

Nach der Parabelform der Linien ac und a,c zu schliessen, war derselbe an 
den verschiedenen Stellen der Lufttheilebahn annähernd gleich gross und, da sich 
diese Bahn im Verhältnisse der Windgeschwindigkeiten streckte oder verkürzte, 
von der Grösse der Windgeschwindigkeit unabhängig. 


Ein Vergleich der angestellten Messungen unter einander ergab, dass die die 
Lufttheile nach der Mitte des Kanals horizontal einwärts treibende Kraft ungefähr 
gleich der Schwerkraft gesetzt werden kann, so zwar, dass die Curven ac und gg 
annähernd Parabeln sind gleich den Curven des freien Falls. 

Die unter dieser Annahme nach den Messungen berechneten Windgeschwin- 
digkeiten v stimmen, wie die nachstehonde kleine Uebersicht zeigt, mit den be- 
obachteten Windgeschwindigkeiten überein: 





: Hieraus berechnet Beobach- 
e en E En ED EE, 
Zeit der Beob- ` Entfer- “p tete 
Breite en Wind 
Beob- achtungs- nung 2 ` t2 i nage- 
aa, =: b SEN Fre á schwin- 
achtung ort a=e H dée 
o digkeit 
1892 m m Sek. mp RH 
März 12/14 Schmelz 0.60 0.58 0.062 0.25 21 2mpS. 
= e å 0.35 2.5 0.036 0.19 13.2 
e h 1.05 8.15 0.107 0.83 9.7 | 8—13 m 
ä R Maria-The- Ä p. S. 
resienplatz 4.5 7.0 0.46 0.68 10.3 


Wenn die Entfernung ac = a,c = e hiernach 


b 
e= ø, — 
Vi 
beträgt, 80 ergiebt sich die Entfernung ad = e, welche die Luftfäden hinter dem 
Stamm bis zur Wiederannahme der ursprünglichen Windrichtung zurücklegen, 
nach der parabolischen Gestalt der Linien zu ungefähr Vi mal e, d. i. zu 
PT 
g 


Sollto daher der an dem neuartigen Balon befestigte Hilfsdrache bis zu 
einer Windgeschwindigkeit von v = 25 m p. S. steuernd wirken, so durfte er, da 


der Ballon 6 m dick ist, demselben höchstens bis auf e, = 25 = m nahe 


e =v 


gebracht werden. In der That liegt derselbe nach der Zeichnung um ca. 80 m von 
dem hinteren Ende des Ballons entfernt. 

Dio abgeleitete Formel, sowie die Anschauung, welche zu derselben geführt 
hat, etimmen sonach mit den an dem neuartigen Drachenfesselballon gemachten 
Erfahrungen überein. 


Ritter: Bewegungserscheinungen hinter einer vom Winde getroff. Fläche. 207 


Sieht man, um sich von der Richtigkeit der Formel noch an anderen Beo- 
hachtungen zu überzeugen, zu, wie sich dieselbe, da bewegte Luft und bewegten 
Wasser nach allgemeiner Annahme sich ähnlich verbalten, an der Form der Schiffe 
in Bezug auf deren Steuerungsfähigkeit bewährt, so wird bekanntlich das Hinter- 
theil eines Schiffes nach ähnlichen Sföürmigen Parabeln, wie wir sie an den Schnee- 
wehen beobachtet haben, gebildet, und es wäre deshalb zu prüfen, ob nach der 
entwickelten Formel die Entfernung l, von der breitesten Stelle des Schiffes bis zu 
dessen hinterem Ende, wo sich das Steuerruder und eventuell die Schiffsschraube 
befinden, bei ausgeführten Schiffen so gross ist, dass sich die vom Schiffsvorder- 
theile abgelenkten Wosserfäden bis dorthin wieder vereinigt und die gleiche Rich- 
tung wieder angenommen haben können. 


Nach einigen über Länge } und Breite b der Schiffe, die grösste angewendete 
Fahrgeschwindigkeit e u.s.w. in den Zeitschriften vorkommenden Angaben habe ich 


die nachfolgende Uebersicht der nach der Formel, d. i. nachv=e, Vs = de 


zulässigen Geschwindigkeit e und des Verhältnisses = SE 

v zulässige 
geschwindigkeit zusammengestellt und dabei nach einigen in der Schweizerischen 
Bauzeitung (Vortrag des Schiffsingenieurs Busley in einer Versammlung des Ver- 
eins deutscher Architekten und Ingenieure zu Hamburg August/September 1890) 
und der Zeitschrift Engineering 1897 enthaltenen Daten die Länge }, des Hinter- 


schiffes zu } — 0.42., d.i. zu 42/ der gesammten Schifslänge angenommen. Das 


grösste Fahr- 


Verhältniss > berechnet sich mit Rücksicht auf die nöthige ‚Sicherheit natürlich 


kleiner als 1. 
Grösste Geschwindigkeit 


Bezeichnung | Länge Breite nach ange- Ver- 
dar Formel wendet hältniss 
l b e e i 
zulässig bis zu v 
Schiffe. v v' v 
m m m p.S. mp.S. 
Handelsschiffe 
ältere: Great Eastern . . . . 207.0 25.1 88.8 1.5 0.20 
neuere: englische. . . . . . 60.8 8.0 21.8 6.8 0.29 
amerikanische . | 88.4 10.4 27.5 8.5 0.81 loze 
österreichische . 100.5 18.8 27.5 Tl 0.26 
Kriegsschiffe 
Bauer 82.0 11.0 23.0 77084 
griechische . . . 2. 2 2 ..20.% { 106.0 16.0 944 vi 0.85 } 0.85 
isc] 80.7 15.9 18.8 8.6 0.46 0.89 
RE d 182.0 22.0 26.0 8.7 032} 
g 52.6 10.1 16.5 6.2 0.37 
englische . e 2 2 2.0 119.0 22.9 28.1 94 ou } 0.39 
; 1. 21.0 95 0,46 
österreichische. . . . 2... { oc SH 93.5 98 042 10.43 
französische Torpedoboote . . . 85.0 8.85 21.2 11.0 0.53 
englische Torpedojäger . . . . 67.0 6.7 23.7 14.4 0.60 


Die angewendeten Fahrgeschwindigkeiten oi liegen hiernach in der That 
unter den nach der Formel sich berechnenden zulässigen Geschwindigkeiten. 


508 Ritter: Bewegungserscheinungen hinter einer vom Winde getrof. Fläche. 


Das Verhältniss — ist klein, nämlich 0.2 bis 0.8, bei den Handelsschiffen, 


bei welchen dem Wunsche nach Schnelligkeit der Fahrt die Rücksicht auf spar- 
same Fahrt (geringer Kohlenverbrauch) gegenüber steht. 


H 


. e , i v 
Bei den Kriegsschiffen, wo die Kostenfrage zurücktritt, erreicht CS schon 0.4 


bei den Schlachtschiffen, Panzerkreuzern u. s. w., 0.5 bei den Torpedobooten; und 
bei den am schnellsten fahrenden Torpedojagdbooten kommt sie mit 0.6 der Ein- 
heit ziemlich nahe. 

Nach einer Aeusserung Busley’s in dem erwähnten Vortrage geht man auch 
schon daran, die bisher festgehaltene Regel, dass der Schiffshintertheil kürzer als 
der Vorderteil sein müsse, aufzugeben; dies kommt nach der Formel einer Erhöhung 
der zulässigen Fahrgeschwindigkeit gleich und steht sonach mit der Formel in 
vollem Einklauge. 

Bei den lebenden Schwimmern, den Fischen, sehen wir, was sich nach dem 
Vorigen im Schiffsbau erst zu vollziehen berinnt, bereits verwirklicht; die Länge 
des Fischhiuterleibes ist grösser als diejenige des Vorderleibes und beträgt nach 
Messungen, welche ich an Abbildungen von Fischen vorgenommen habe, durch- 


schnittlich a — 0.58. 


Damit ausser der Schwanzflosse auch die an Rücken, Bauch und Aftertheil 
sitzenden Flossen vom Wasser getroffen werden, sehen wir ausserdem den Fisch- 
leib abgeplattet; die Breite (des Fischleibes ist geringer als dessen Höhe A. 

Die Formel für die grösste dem Fische erreichbare Geschwindigkeit, welche 
nach dem Angeführten 


— 


zagi I ` D 
=. DEEN 


= ës 
= LZ 


geschrieben werden kann, ergiebt, dass der schlankere Fisch dem weniger schlanken, 
der grössere Fisch dem kleineren an Schnelligkeit der Fortbewegung überlegen 
ist. In der That sehen wir, dass das Verhältniss zwischen Länge } und Höhe A: 

bei den von Raube lebenden und auch meistens grösseren Fischen wie Hai, 
Hecht u. dgl. 


lautet und auch 


l 1 
n Toi 9 
dagegen bei den den genannten zur Beute fallenden kleineren Fischen wie 
Häring, Stockfisch, Karpfen u. s. w. nur 


= 1 


h oa bis oga bin 28 
beträgt. 
Ein 5 m langer Haifisch kann nach der Formel, wenn das Verhältniss von Höhe 
f 8 K o 
zur Breite zu qy angenommen wird, eine Geschwindigkeit v bis zu 1.23 u 
—.0.16 
A 


:= 8.8 m i. d. S. erreichen, ist deshalb wohl im Stande einem fahrenden Schiffe, 
wie berichtet wird !), tagelang zu folgen. 





— — 


1) Pokorny, Naturgeschichte. 


Ritter: Bewegungserscheinungen hinter einer vom Winde getroff. Fläche. 209 


Kehren wir zu den Fliegern zurück, so bedienen sich die Vögel, wie man an 
fliegenden Tauben uud Krähen sehen kann, ihres Schwanzes, indem sie ihn Öffnen, 
häufig zur Unterstützung der Flügel, wenn sie ihren Flug verlangsamen oder an- 
halten wollen. Während des eigentlichen, schnelleren Fluges jedoch zeigt sich 
der Schwanz ebenso häufig geschlossen, und es wird denn auch, dass der Schwauz 
den Vögeln als Steuer nothwendig sei, von manchen Beobachtern, so Lilienthal und 
Milla, bestritten. 

Der Vogelleib ist im Verhältniss zur seitlichen Ausladung der Flügel im All- 
gemeinen kurz. Seine Länge beträgt beim Storch, nach den von Lilienthal gege- 
benen Abbildungen ungefähr 0.33 m bei 0.10—0.11 m grösster Dicke. Nimmt 
man die Länge des hinteren Theils zu Zi, der Gesammtlänge an, so kann sich unter 
Berücksichtigung der halben Schwanzlänge von 0.06 m der Storch seines Schwanzes 
als Steuerruder nach der Formel bis zu ungefähr einer Fluggeschwindigkeit von 


»— (0.22 + ug LS = 2 m i.d. S. 


bedienen, während er, wie wir wissen, auch schneller, nach Lilienthal und Milla 
mit 10—12 m i. d. S. fliegt. 

Es würde also die Formel ebenfalls dahin führen, dass sich der Vogel, 
wenigstens während seines schnelleren Fluges, weniger des Schwanzes als der 
hierfür geeigneteren Flügel zur Lenkung seines Fluges bedient. 

Ich weiss nicht, ob ich so weit gehen darf, die Verunglückung des verdienten 
Lilienthal mit den in Rede stehenden Erscheinungen in Zusammenhang zu bringen. 

Nach einem von der Zeitschrift Aöronaute!) über den Unfall mitgetheilten 
Berichte hat bei dem von L. unternommenen Fluge der Wind die obere Seite der 
Flügel zu fassen und dadurch nach vorn und unten umzudrehen vermocht, was den 
Absturz herbeiführte. 

Wohl hatte Lilienthal in gewohnter Weise ein horizontales Segel als Ver- 
ticalsteuer hinten an den Leib geschnallt. Es liegt jedoch die Vermuthung nahe, 
dass das zweite Segel, dessen sich Lilienthal zur Erhöhung der Tragkraft seiner 
Flügel über denselben in letzter Zeit bediente, das freie Spiel des Windes insofern 
behindert hat, dass gerade die obere Seite des Verticalsteuers, bei einer gewissen 
Geschwindigkeit des Fluges, nicht mehr genügend Winddruck empfing, um der ver- 
derblichen Drehung des Flügelwerks nach vorn und unten entgegenwirken zu können. 

Wie der betreffende Bericht anführt, hatte Lilienthal bei früheren Flugver- 
suchen bin und wieder Mühe, einer solchen Neigung des Flügelwerks zum Um- 
kippen mittelst energischer Körperbewegungen entgegenzutreten, es dürfte des- 
halb vielleicht gestattet sein, die schliessliche Katastrophe auf constructive Mängel 
des Flugwerkzeuges, wie es vorstehend versucht wurde, zurückzuführen. 

Auch noch auf andere Gebiete als denen des Schwimmens und Fliegens dürfte 
die aufgestellte Formel Anwendung finden. 

Wenn dem Winds zwei hinter einander liegende du:chbrocnene Wände ent- 
gegenstehen, wie es z. B. im Brückenbau vorkommt, so wird der an der ersten Wand 
vorübergeströmte Wind die dahinter liegende zweite Wand dann voll treff om, wenn 
dieselbe, bei einer Breite b der Stäbe und Bänder der ersten Wand und einer Wind- 
geschwindigkeit v, mindestens um 

o — ,1/% 
i y 
von der ersten entfernt liegt. 


— 


I) Janvier 1897, 


210 Ritter: Bewegungserscheinungen hinter einer vom Winde getroff. Fläche. 


Beträgt diese Breite z. B. bei einer eisernen Brücke b = 0'25 m und wird, 
einem Winddrucke von 150 bis 250 kg p. m? entsprechend, die Windgeschwindig- 
keit zu ungefähr 37 bis 49 m j. d. S. angenommen, so berechnet sich 

e, = 8 bis 11 Meter. 


Bei den Tragwinden einer ein- bis zweigeleisigen Eisenbahnbrücke, welche 
um 4 bis 8 m von einander abstehen, erscheint es hiernach gerechtfertigt, wenn 
z. B. nach der österreichischen Brückenverordnung, die zweite Wand als our theil- 
weise im Windschatten der ersten liegend und deshalb noch etwas vom Winde ge- 
troffen angenommen wird. 

Anderseits ist os bei den um 8, 10 oder mehr Meter auseinander stehenden 
Säulen der Eisenpfeiler eines grossen Thalüberganges kaum anders zulässig, als 
den Wind auf die hinteren Stulen ebenso voll wie auf die vorderen wirkend an- 
zunehmen, wie dies beispielsweise von Seite einer preussischen Verwaltung!) vor 
einiger Zeit vorgeschrieben wurde. 

Bei Versuchen mit Schraubenflügeln hat Wellner?) gefunden, dass Schrauben 
mit wenigen Flügeln günstigere Ergebnisse als solche mit vielen Flügeln liefern, 
weil sich, wie er sich ausdrückt, die Flächen in Folge der „wachgerufenen Luft- 
„strömung untereinander stören und dadurch ihren Effekt schmälern.“ „Der 
„günstigste Fall würden nach Wellner, „dann eintreten, wenn nur zwei und zwar 
„möglichst schmale Flächen im Flügelrade vorhanden wären.“ 

Wenn man erwägt, dass der oben entwickelten Anschauung zufolge die von 
einem Schraubenflügel abgelenkte Luft eine gewisse Entfernung zurücklegen muss, 
bis sich die Luftfäden wieder vereinigt haben und auf den nächstfolgenden Flügel 
voll wirken können, und das diese Entfernung mit der Breite der Flügel zunimmt, 
so ergiebt sich, dass diese hier entwickelte Anschauung mit den von Wellner ge- 
fundenen Versuchsergebnissen in voller Uebereinstimmung steht. 

Es darf hiernach wohl diese Anschauung über die hinter einer vom Winde 
getroffenen Fläche auftretenden Erscheinungen als an vielen Beispielen und Be- 
obachtungen erprobt angesehen werden. Wie ich in früheren Vorträgen?) auf Grund 
zahlreicher Versuche darzulegen in der Lage war, sind zur Erklärung des auf eine 
Fläche entstehenden Winddruckes die Erscheinungen vor der Fläche vollkommen 
hinreichend. Es steht daher mit den Erscheinungen des Winddruckes im Einklange, 
wenn im Vorigen die Vorgänge auf der Rückseite einer vom Winde getroffenen 
Fläche auf Bewegungserscheinungen, welche den Druck auf die Fläche weder 
erhöhen noch vermindern, zurückgeführt worden sind. 





Winddruck und Vogelflug. 
Von Friedrich Ritter. 
(Vortrag, gehalten im Wiener flugtechnischen Verein am 6. April 1897.) 


1. Vogelflug im Allgemeinen. 


In einem früheren Vortrage‘) war ich auf Grund angestellter Versuche in der 
Lage, von Winddrucken besonderer Art, welche unter gewissen Verhältnissen den 
Gesammtwinddruck weit über das gewöhnliche Mass zu steigern geeignet sind, be- 
richten zu können. 

Es sind dies die Nebenwinddrucke und der Rauhheitswinddruck. 


— 





1) Brückenbau bei Müngsten in Rheinpreussen 1891. 

2) Zeitschr. d. öster. Ing.- und Archit.- Vereins 1894. 

8) Zeitschrift f. l.uftschiffahrt u. Ih. d. A. April, Mai 1896, Februar 1897 u, ff. 
4) Zeitschr. f. Luftschilfahrt u. Ph, d, Atm, Febr. 1697 u. ff. 


Ritter: Winddruck ünd Vogelflug. 2li 


Die ersteren stellen sich insbesondere dann ein, wenn einseitig zum Winde 
geneigte Flächen einer Mittelfläche gleichsam als Arme eingefügt sind. Bis auf 
eine gewisse Entfernung von der Mittelfläche zeigte sich in diesem Falle der Wind- 
druck erhöht, so dass derselbe für eine Neigung 9 = 22°80' bei geraden Armen 
gleich dem 3.5fachen, bei nach der Länge etwas einwärts gekrümmten Armen 
0.71 
0.165 

Die zweite Art Winddruck, der Rauhheitswinddruck, zeigte sich durch die 
mehr oder minder grosse Rauhheit der Fläche, auf welche der Wind fällt, und durch 
den Winkel, unter welchem die vom Lufthügel ausgehenden Luftwellen mit dem 
Rande der Fläche zusammentreffen, bedingt. Derselbe machte sich besonders bei 
schwach geneigten Flächen bemerkbar, ist in der Hauptsache einem Produkte 


gleich dem — 4.8fachen des normalen Winddrucks gemessen wurde. 


masina £, wobei a von 1.55 bei Briefpapier als dem glattesten Papier bis zu 


0'34 bei tuchartig rauhem als dem rauhesten Papier sich Andert und m ungefähr 1.4 
beträgt, proportional und erreicht für jeden Winkel e bei einer demselben ent- 
sprechenden Rauhheit der Fläche ein Maximum. 

Die Untersuchung des Rauhheitswinddruckes führte zur 

Erklärung der bekannten Erscheinung, dass unter kleinem 

Winkel vom Winde getroffene flach hohle Flächon einen grös- 

Fig. 1 seren Winddruck als ebene Flächen zeigen, und zwar ergab 

sich in dem Falle, als die Tangente an den Vorderrand der 
hohlen Fläche der Windrichtung parallel, das Krümmungs- 


verhältnis der Hohlfläche somit t = ang ist, der Winddruck 





"er übereinstimmend mit der Erfahrung ungefähr gleich dem 


a 
2-5 fachen des Winddruckes auf eine unter demselben 
Winkel © zum Winde geneigte ebene Fläche. 

Die Flügel des Vogels sind einem Mittelkörper, dem Vogelleibe, seitlich ane 
gefügt. Sie sind im Allgemeinen einseitig unter kleinem Winkel zu dem durch den 
Flug hervorgerufenen künstlichen Winde geneigt, nach der Quere flach hohl geformt 
und können von dem Vogel nach Bedarf auch in der Richtung der Länge flach ein- 
wärts gekrümmt werden, Sie besitzen ferner bei aller Glätte mit Hinsicht auf die 
gerippte Beschaffenheit der Federnoberfläche eine gewisse, ihnen eigenthümliche 
Rauhheit. Es erscheinen sonach beim fliegenden Vogel jene Umstände vereint vor- 
handen, welche nach dem Vorigen eine Erhöhung des Winddruckes auf die Flügel 
hervorzurufen geeignet sind. 

Nachdem die Versuche, den Flug der Vögel auf Grund der gewöhnlichen, an 
vereinzelt vom Winde getroffenen und meistens ebenen Flächen gemessenen Wind- 

drucke zu erklären, nicht zum Ziele geführt haben, möge es im 


Tr Folgenden gestattet sein, die erwähnten Nebenwinddrucke und 

SE den Rauhheitswinddruck zu diesem Behufe heranzuziehen. 

A $ t Hierbei werde vorausgeschickt, dass, wenn die geraden 
f ? Armflächen einer zusammengesetzten Fläche statt um e = 22° 80‘ 


um © = 90%, also senkrecht zum Winde geneigt sind, nach 
den Messungen an dem hier vorgewiesenen vierarmigen Papier- 
kegel so gut wie keine Nebenwinddrucke entstehen. Die 
Neberwinddrucke nehmen sonach, wenn der Winkel e abnimmt, 
zu, und es ist wahrscheinlich, dass sie, wenn e weniger als 
22° Bu: beträgt, grösser sind, als sie nach dem Vorigen für 
g=22° 80' gemessen wurden. Annähernd kann hiernach der 





312 Ritter: Winddruck und Vogelflug. 


Winddruck get nach der Länge einwärts gekrümmte Armflächen vielleicht zu dem 
ee 

9u°— 22 a o5 
Fallversuche an den hier vorgewiesenen, mit feinen Vogelfedern (Eiderduhnen) 
besetzten Papierkegeln haben ferner die nacbbezeichneten Winddrucke ergeben; 
und zwar: 


fachen des normalen Winddruckes angenommen werden. 








— oo — E m e SCENE 


an Kegeln in Theilen von daraus barech: 


Neigungs- Zu und per Flächeneinheit | neter grösstmög- | an den mit Vogel- 
winkel one beobachtete Wind-| licher Werth n federn besetzten 
drucke n 
der Kegel- | Kegeln benbachtetes 
fache v Brief- Paus- Crepe- bei e 
i papier | papier | papier n 


(a = 1.55) (a = 1.28) (a — 0.84) d — 


22° 30' 0.24 0.26 0.33 0.61 0.34 Een bei Fasern lang 
0.34 „ » kur 

15° , 0.18 0.26 0.49 0.29 | 0.28 

10° R 015 F 0.41 026 | 0.24 

70 80, i 0.12 , 0.37 024 | 0.26 


Aus denselben geht hervor, dass der Winddruck auf mit Vogelfedern besetzte 
Flächen bei jedem der untersuchten Winkel e ungefähr dem Maximum des bei 
demselben überhaupt möglichen Winddruckes gleichkommt, wonach die Vogelfeder 
innerhalb gewisser Grenzen zur Hervorrufung eines grossen Winddruckes besonders 
geeignet wäre. 

Versuchen wir es daher, auf Grund dieser Ergebnisse die Geschwindigkeit v 
zu berechnen, bei welcher der Storch, sich unter Ausbreitung seiner Flügel hori- 
zontal vorwärts bewegend, zu schweben vermag. 

Die Flügel seien unter ọ = 27 gegen die Flugrichtung Beneist und der Rauh- 


heitscoefficient a = 0.23 = SI so ergiebt sich in Theilen von ` per Einheit Flügel- 


flächen, wenn diese Flächen einzela dem Winde ausgesetzt sind: 
a) Stosswinddruck, d. i. aus dem elastischen Stosse 
des Windes auf die Vorderfläche des Lufthügels 
. hervorgehender Druck: 
sin? o 


a —= 2 dE D + sin d -= 0.001 
b) Rauhheitswinddruck: 8 


8, A Be e 
Wi Lé cos $ ‚sin N cos "ln 026 — 0.069 





Gesammtwinddruck n =— 0.070 


Da die Flügelflächen nicht einzeln, sondern dem Vogelleibe seitlich angefügt 
dem Winde entgegenstehen und ausserdem von dem Vogel in der Richtung der 
Länge einwärts gekrümmt werden können, so folgt eine Erhöhung dieses Druckes 


auf das p = v0 226 


x 4.8 == 5.5 fache, somit auf 
n = 5.5 X 0.070 = 0.89 


II v = Windgeschwindigkeit, 7 = Gewicht der Raumeinheit Luft, g = Be- 
schleuniguug durch die Schwere, 


Ritter: Winddruck und Vogelflug. 218 


Die nach der Quere flach hohle Gestalt der Flügel erhöht diesen Druck, so- 
la 


1 
weit sich derselbe aus Rauhheitswinddruck herleitet, auf das 2.5 “== 1.86 fache, d.i. 


auf 0.069 


Ces = 10fache des v. Loessl’schen Sinuswerthes. 

An Rundlaufapparaten sind bei ọ = 8° unl flach hohlen Flächen von Lilien- 
thal!) Winddrucke n = 0.21 bis 0.29, von Wellner?), wenn man die Nebenwirkungen 
des Windes durch Verminderung des Winkels um 4° annähernd ausgleicht, Wind- 
drucke n = 0.75 bis 0.90 gemessen worden. Der zu 0.52 berechnete Werth von n 
liegt sonach innerhalb der durch Versuche erhobenen Werthe. 


oder ungefähr das 


Nachdem der Storch, zufolge Lilienthal, auf jeden m? Flügelfläche EK 


-= 8 kg wiegt, so wird, um den Storch schwebend zu erhalten (cos 8° =1 und Ss 


für mittlere Flughöhen gleich Ss gesetzt), eine Geschwindigkeit v des Fluges des 


Storches erfordert von ungefähr 


v3y 0.52 . 8.84 
. — 5 —— v E . 1.0 = E NR E , D. Ð. 
Gë s4 8, d. i.v Lë 116 m.p.S 


Bekanntlich haben Lilientahl und Milla?) diese Geschwindigkeit zu 10.6 bis 
12.4 m, also ungefähr gleich gross berechnet und diesen Werth dem wirklichen 
Fluge des Storches angemessen gefunden.3 


Eine Taube, welche nach v. Loessl‘) bei 0'075 m? Flügelfläche 0'30 kg, also 
0.80 
1 0.075 
bei einer Fluggeschwindigkeit 


Ke 4x84 ` 
- Vin a m p. D. 


schwebend erhalten können. In Wien kann man Tauben bei v= 6 bis 10 m p. S. 
wirklich schwebend fliegen sehen. 

Der Vogelflug erschiene somit auf Gründ der durch Versuche gefundenen 
Grössen des Winddruckes in der That erklärt, der Flug der Vögel, wie wir ihn 
täglich beobachten, böte nichts Räthselhaftes mehr. Indesscen möge, um auch die 
Nebenerscheinungen des Vogelfluges zu untersuchen, im folgenden die Berechnung 
noch mehr im Einzelnen durchgeführt werden. 


= 4 kg p. m? wiegt, würde nach demselben Werthe von n = 0.52 sich 


2. Flugbeginn. 


Damit der Vogel mit seitwärts ausgebreiteten Schwingen in ruhender Luft 
horizontal seinen Flug beginnen könne, ist zweierlei nöthig: Die Fluggeschwindig- 
keit muss zur Hervorbringung eines das Gewicht des Vogels tragenden Winddruckes, 
wie dies vorstehend untersucht wurde, gross genug sein; der Vogel muss ausser- 
dem durch zeitweise mit den Flügeln ausgeführte Ruderschläge hinreichend Kraft 
entwickeln, um den durch die schiefe Stellung der Flügel in der Richtung des Flugs 
vom Winde hervorgerufenen Widerstand, den Flügelwiderstand, zu überwinden. 


1) Der Vogelflug 1889. 

3) Zeitschrift des öster. Ing.- und Arch.-V. 1893. 
8) Die Flugbewegung der Vögel 1895. 

D Die Luftwiderstandsgesetze u. 8. w, 1896. 


214 Ritter: Winddruck und Vogelflug. 


Diese beiden Bedingungen führen, wenn man bei der Kleinheit des Winkels 
e wieder dessen Cosinus = 1 setzt, zu der früheren Gleichung 
q = n. — 
und, wenn W’ den Flügelwiderstand, d das Gesammtgewicht des Vogels bezeichnet, 
W' = Qtgo 
oder, wenn statt W’ die in der Zeiteinheit vom Vogel zu leistende Arbeit W’v ein- 


geführt und = Ai gesetzt wird, 
Si = vige. 
Q G A 
Diese Gleichungen gehen, wenn q = PTF s= und nach v. Loessl n 
; e 42% sie G er, A 
— sin» gesetzt wird, in die bekannten Ausdrücke p7 ES sino cos» und or vig p 


über. 

Auf den durch die Vorwärtsbewegung des Vogelkörpers entstehenden 
Widerstand, den „Stirnwiderstand“, ist hierbei, da derselbe zu Beginn des Fluges 
klein ist, keine Rücksicht genommen. Ebenso erscheint die bei flach hohlen Flügeln 
dem Fluge günstige Vorwärtsneigung der Druckmittellinie gegen die Normale!) 
nicht in Betracht gezogen. 

Vernachlässigt man in den früher erwähnten Ausdrücken für den Winddruck 
auf ebene Flächen angesichts der Kleinheit der Winkel die höheren Potenzen von 
'siny gegen die niedrigen, so ergiebt sich für ebene Flächen 











Stosswinddruck . . . . mn =p É 
8 
Rauhheitswinddruck . . n’ = eas sind 
A e 3 SS sin ie ma Je 
d. i. zus: n = 7 + o sin d 


Sind die Flächen sehr glatt, so dass a grösser als 2 angenommen worden 
kann, wobei ma = K ungefähr 2:5 bis 4 beträgt, so verschwindet in dem Ausdrucke 
für n das zweite Glied gegen das erste; es folgt 


n= sing. 


oder, wenn, was nach dem früheren für gewisse Fälle zulässig ist, p = 2 gesetzt wird, 
n = sin? 
d. h. man gelangt zu der, wenn ich nicht irre, Newton’schen Formel des Winddrucks. 
Ist umgekehrt a kleiner als 2, mit anderen Worten die Fläche mehr oder 
weniger rauh, so bleibt von den beiden Gliedern des Ausdruckes für n nur das 
zweite übrig. Der Winddruck beträgt 


uma Be 
n == — sn — 
2 2 
oder, wenn für mittelrauhe Flächen a = 1, ma = 1.86 gesetzt und ų zu 2.94 ange- 
nommen wird, 


294x186 . 9 E. tb 
a ee E EE 


d. h. man erhält die v. Loessl’sche Sinusformel. 


1) vergl. Vortrag vom 20. Nov. 96 in Zeitsch. f. Luftsch. u. Ph. d. A. Febr. 
1897 u. folg. 


Ritter: Winddruck und Vogelflug. 215 


Sowohl die Newton’sche, als die v. Loessl’sche Winddrucksformel sind somit 
in dem durch die obigen Formeln dargestellten allgemeineren Gesetze enthalten. 

Für den Vogelfiug kommen die Werthe von a, welche kleiner als 1 sind, in 
Betracht. Wenn man den bezüglichen Werth von n in die früheren Formeln ein- 
setzt und durch Multiplication desselben mit 2.5° — VU der nach der Ouere flach 
hohlen Gestalt des Vogelflügels anne trägt, so wird 


a Be WA J» 


DEE £ 
. my 07 1 X 900— 5 
worin nach dem Früheren 3g 84T I? und p zu ungefähr — 4.3 x 900 _yy05 ES 


setzt werden kann. 
Durch Wegschaffung von e aus diesen Gleichungen folgt 


Ire Ya 
v— HIT 4 —= / us 

Z La 

GI VG 


Von den vier Grössen A, 2, q und a, welche nach diesem Ausdrucke die Ge- 
schwindigkeit v bestimmen, kommt die erstere von A = cè 2.5 als Coefficient im 
Product ei vor. Nachdem X für ebene Flächen 1 beträgt, so wird hiernach die Leistung 
des Vogels für den Flug durch die nach der Quere hohle Form seiner Flügel gegen- 
über ebenen Flügeln auf ungefähr das 2.5fache erhöht. 








Die Grösse E = z', welche angiebt, um wieviel in Metern od. dergl. der 


Q 


Vogel mit der für seinen Flug erforderlichen Arbeit sein Gewicht in der Secunde 


zu heben vermöchte, wird durch die Leistungs fähigkeit S = z des Vogels be- 


stimmt, und diese kann, da das die Gesammtleistungsfähigkeit A bestimmende 
Volumen oder Gewicht seiner Muskeln ungefähr im gleichen Verhältniss wie das 
Körpergewicht Q ab- und zunimmt, für Flieger verschiedener Grösse annähernd gleich 
gross angenommen werden. Bekanntlich vermögen auch kleine Thiere, wie Fliegen, 
Mücken u. dergl. ihr Gewicht in der Secunde fast ebenso hoch zu heben wie der 
Mensch und grössere Thiere. 

Im Uebrigen steht ai als ausgeübte Leistung einigermassen dem Belieben 
des Vogels anheim, und da er im Nenner des die Geschwindigkeit v bestimmenden 
Bruches vorkommt, so kann der Vogel, je mehr er sich anstrengt, mit desto ge- 
ringerer Geschwindigkeit seinen Flug beginnen. Für den Storch z. B. berechnet 
sich: 


bei z — 0.5 munda=]1,...v=116 m. 
D e KEE n SE E 98 „ 
en. E, A e, EE Eee a 0: 


Die Leistungsfähigkeit des Vogels nimmt naturgemäss mit der Dauer der An- 
strengung ab. In Wien habe ich eine Krähe in einer Secunde sich 3=5 m hoch, 


eine andere in anderthalb Sekunden sich z = = 2.7 mp. S. hoch heben sehen, 
75 
Lilienthal!) berechnet für den ungünstig fliegenden Storch z = oxi 2m und 


1) Der Vogelflug 1889. 


216 - Ritter: Winddruck und Vogelflug. 


führt an, dass ein Mensch für „kurze Zeit“ sein Gewicht z = 1m hoch p. S. zu 
heben vermöchte. 

Geht man deshalb von der Anschauung aus, dass sich der Flieger nur mässig 
anstrenge, so wird a für Flieger von der Grösse des Storches vielleicht zu unge- 
fähr 0.5 m, für kleinere Flieger mit Rücksicht auf den (vergl. Schmetterlinge und 
Fliegen) vergleichsweise lockeren Bau ihrer Muskeln vielleicht abnehmend bis zu 
28. 0.33 m angenommen werden können. 


Die Werthe GË sind, da das Gewicht Q mit dem Cubus, die Flügel- 


fläche F mit dem Quadrate der linearen Vogelgrösse bei ähnlichen Formen zu- 
und abnehmen, dieser linearen Grösse, also z. B. der Länge ? des Vogelleibes un- 


gefähr proportional, so dass der Quotient gd annähernd von der Vogelgrösse un- 
abhängig wäre. Bekanntlich haben dies die von Müllenhoff, Hartings u. A.!) über 


A 
l ye i 

den Werth des verwandten Quotienten SSC angestellten Untersuchungen bestätigt 

yF 
und nur ergeben, dass derselbe mit abnehmender Grösse des Fliegers ebenfalls 
etwas kleiner wird, was vielleicht auf die bereits erwähnte Lockerheit der Muskeln 
kleiner Flieger zurückzuführen ist. l 

Bezüglich des Rauhheitscoëfficienten a liessen die angeführten Versuche mit 
Vogelfedern erkennen, dass sich derselbe innerhalb gewisser Grenzen dem Bedürf- 
nisse des Vogels anpasst. Nimmt man deshalb, von Darwin’scher Anschauung ge- 
leitet, an, dass überhaupt jeder Flieger mit der für seine Grösse passendsten Flügel- 
d d 
rauhheit a ausgerüstet sei, und setzt mit Bezug hierauf ent =0, so berech- 
0 

nen sich für verschiedene Werthe von q bezw. für verschiedene Grösssen des Fliegers 
folgende Werthe der Geschwindigkeit o: 











2 i s Annähernde Grösse 
E Si v 
Oe f S i des Fliegers. 
m kg p. m?| m p. S. 

1.6 0.2356 0.76 178 66 

7.0 0.250 0.70 99 48 

6.5 0.267 0.64 54 84 

6.0 0.285 0.59 80 24.5 Í 

5.5 0.308 0.54 16.3 175 Singschwan (Marey). 

Ge Soen _ Albatros. 

F A 0.50 9.0 12.5 Storch, Adler. 

4.5 0.364 0.46 5.0 9.0 Krähe, 

4.0 0.400 0.42 2.8 6.4 Taube. 

3.5 0.444 0.39 1.6 4.6 Tburmfalke. 

8.0 0.500 0.35 0.9 3.3 

2.5 0.571 0.33 0.5 2.4 

2.0 0.667 0.30 0.3 1.7 Schmetterling. 

1.5 0.800 0.28 0.18 1.2 Stechmücke, Fliege. 


ı) Marey, Vol des oiseaux 1890. 


Ritter: Winddruck und Vogelflug. 217 


Nach diesen Zahlen nimmt das Erforderniss an Rauhheit der Flügelflächen 


(Werthe = — 1) mit der Grösse des Fliegers ab. Die Mücke und die Fliege als 
0 


kleinste der angeführten Flieger besitzen in der That nicht mehr mit Federn be- 
kleidete, sondern hornartige, fast glatte Flügelflächen. 

Eine Fliege mit den befiederten Flügeln des Adlers, ein Adler mit den glatten 
Tlügeln der Fliege, sie könnten beide nicht fliegen. 

Man erzählt sich von Vögeln, welche, im Winter vom Regen durchnässt, bei 


plötzlich eintretendem Frost, weil sich ihre Flügel mit Eis überziehen, wie gelähmt 
zu Boden fallen. 


3. Dauerflug. 


Wenn der Storch, nachdem er mit v = ca. 11.6 m i. d. S. seinen Flug begonnen 
hat, den Flug beschleunigt, so nimmt die nach dem Vorigen für den Flug aufzu- 
wendende Arbeit im Verhältnisse 





; 2 ` ; ; 
ab; sie würde somit, nachdem ge 1 für den Storch ungefähr 5 beträgt, ungemein 


rasch abnehmen. 


Dieser Abnahme steht jedoch die wachsende Grüsse der bisher vernach- 
lässigten Stirnwiderstandsarbeit, welche mit der dritten Potenz der Fluggeschwin- 
digkeit zunimmt, gegenüber. 

Nach Lilienthal beträgt die zur Ueberwindung des Stirnwiderstands vom 
Storcho bei v = 10.6 m zu leistende Arbeit Qz“ == 0.3 mkg p. S.; sie kann hiernach, 


3 Q 
da sie dem Quotienten o proportional ist und >= — P beim Storch 0.5 m? beträgt, 
q 


für m und kg allgemein zu 

Bee EE 
~ 05 x 10.6 eg  2U00.g 

angenommen werden. 


Für die im Vorigen berechnete Geschwindigkeit v) = 11'6 m ergiebt sich beim 


Storch 
8 
P (H ; 22 ==: 0.10 m 
10.6 4 


und es hat sonach der Storch zu Beginn seines Fluges im Ganzen eine Arbeit 
Z? = Z + 2” = 0.49 + 0.10 = 0.59 m p. S. 
zu leisten. 
er nimmt, wenn v wächst, zu, z” ab. Berechnet man die Geschwindigkeit v,, 
bei welcher ein Minimum von Gesammtarbeit für den Flug des Storches erfordert 
wird, so ergiebt sich ungefähr 
vy = 154m 
Su = 0.07 
z” = 0.23 
Der Storch vermag sonach, indem er seinen Flug von 11.6 m auf 15.4 p. S. 
beschleunigt, die für den Flug nöthige Arbeit von 0.59 auf 0.80 m p. S., also fast 
auf die Hälfte herabzumindern. 


+2" = 2 = 0.30 m p. S. 


218 Ritter: Winddruck und Vogelflug. 


4. Fliegen im Winde. 


Was geschieht, wenn ein in ruhender oder horizontal bewegter Luft horizontal 
mit einem Arbeitsaufwande g = 0.59 bis 0.80 m p. S. fliegender Storch in Luft- 
schichten geräth, welche sich mit z = 0.59 bis 0'380 m p. S. Geschwindigkeit auf- 
wärtsbewegen ? 

Die von dem Vogel zu leistende Flugarbeit wird in diesem Falle offenbar dem 
Vogel abgenommen; er hat nichts mehr zu leisten, sondern fliegt mühelos. 

Höbe’ sich die Luft um mehr als 0.59 bis 0.89 m in der Secunde, so könnte 
der Vogel sogar mühelos aufwärtsfliegen, seinen Flug beschleunigen u. A. mehr. 

Giebt es in dieser Weise und in diesem Masse aufsteigende Luft? 

Wenn der Wind ansteigende Gebäude bestreicht, so ist auch seine Bewegung 
aufwärts gerichtet. Am Brenner in Tirol weht der Wind oft tagelang mit 2.5 bis 
8 m p. S. horizontaler und, wie an den mitgeführten Nebeln erkennbar, ca. 1 m p. S. 
aufwärts gerichteter Geschwindigkeit. In einer solchen Luftströmung, welche man 
bis zu Höhen von 500 bis 1000 m über der Thalsohle beobachten kann, vermag so- 
mit ein Raubvogel mühelos seine Kreise zu ziehen. 

Die Luft des Windes steigt aber auch aufwärts, wenn sie in ihrer Vorwärts- 
bewegung auf Hindernisse, eine Wand, ein Haus u. dergl. stösst. Die Luftfäden 
werden in diesem Fall, wie Zeppelin!) beschreibt, mit „beschleunigier* Bewegung 
„aufwärts“ gelenkt. 

Ueber dem Dachgesims des naturhistorischen Museums in Wien habe ich in 
einer solchen aufwärts gerichteten Windströmurg eine Taube mehrere Secunden 
lang mühelos. dem Winde entgegengewendet, an einer Stelle schweben gesehen. 

Langley?) erzählt von einem Bussard, welcher über der Brüstung einer den 
Potomac in Washington übersetzenden Brücke lange Zeit, dem Winde entgegen- 
gerichtet, ohne Mühe schwebte. 

Bekannt ist?) der mühelose Flug der Vögel bei Wind an der steilen Fels- 
küste von Helgoland, über den Meereswogen, dem Segel eines fahrenden Schiffes 
oder dem Saume einer Waldlichtung. 

Wenn die Luft des Windes an einem solchen Hinderniss in die Höhe gestiegen 
ist, sinkt sie hinter demselben wieder in die frühere Höhe zurück; die Rückwärts- 

bewegung erfolgt jedoch, wie ich in 

— Pig. d einem früheren Vortrage?) ausgeführt 

A T SR a E habe, bei einem nur einigermassen 

| | | starken Winde langsamer als die 
vorherige Aufwärtsbewegung. 

Die durch diese Aufwärtsbewegung an die oberen Luftschichten abgegebene 
Stosskraft wird deshalb durch die darauf folgende Abwärtsbewegung nicht aufge- 
zehrt; es bleibt ein Ueberschuss an nach oben abgegebener Energie übrig, und 
wenn sich mehrere solcher Hindernisse auf dem Boden hintereinander befinden, 
so geht eine beträchtliche Menge von Energie oder lebendiger Kraft, während der 
Wind weht, vom Boden aufwärts in die Luft über. 

Wie weit hinauf diese Energieabgabe, welche Drucke nach oben hervorrufen 
muss, reicht, und wie gross sich diese Drucke gestalten, kann wohl zunächst nicht er- 
messen werden. Indessen konnte man beispielsweise in Wien während der Monate 


I) Zeitschrift d. V. deutscher Ingenieure 1895. 

2) Inteınal work of the wind 1898. 

3) Müllenhof in Zeitschr. f. Luftsch. u. Ph. d. A. 1894. 

4) Ueber Bewegungserscheinungen hinter einer vom Winde getroffenen Fläche, 
Zeitschr. f. Luftsch. u. Ph. d. A. 1897. 


Ritter: Winddruck und Vogelflug. 219 


Januar und Februar 1897 beobachten, dass, während an nebelfreien Tagen!) der 
Wind mit durchschnittlich 8m p. RB blies, die Geschwindigkeit an den Tagen mit 
Nebel, d. i. zur Zeit, als Wolken sich der Erde auflagerten, nur 2 m i. d. 8. betrug. 

Bekannt ist ferner, dass die Geschwindigkeit des Windes, also auch die dem 
Winde innewohnende Energie mit der Höhe über dem Erdboden zunimmt. Für 
Berlin hat z. B. Vettin?) diese Geschwindigkeit: 


nahe am Boden (Wind) . . . ...2...9=6.2m 
600 m darüber cs Il H, 
1400 „ S e, ër ër ër = 9.5, 
2400 „ 2 e Lë e we "e "ett: 
4700 „ $ don Im poa A a e E 
8000 „ A e == 18.7 ,„ 


i. d. Sec. gefunden. 


In Paris?) bläst der Wind auf dem 800 m hohen Eiffelthurm 2 bis 5mal so 
schnell als in dem nur 21 m über dem Boden liegenden meteorologischen Central- 
bürcau. 

Nach in Wien von mir vorgenommenen Messungen weht der Wind am Boden 
durchschnittlich mit ungefähr 2.5 m, in 20—80 m Höhe über demselben mit 4—6 m 
in 1200—1800 m Höhe (Regenwolkenhöhe) mit 12 m i. d. S. 

Es bestehen aber auch direkte Messungen über die vom Winde hervor 
gerufenen Aufwärtsdrucke. 

Lilienthal hat an der Windfahne 8 bis 4%, Langley 4) bei Versuchen über Wind- 
druck im Winde 5° Aufwärtsbowegung des Windes gemessen. 

Auf dem Pariser Eiffelthurm®) ergab sich bei 19 m Horizontalgeschwindigkeit des 
Windes eine lineare Aufwärtsbewegung der Luft von 3 m p. S., eine Richtung auf 
wärts sonach von 9°. 

Ob man nun diese Messungsergebnisse als ein wirkliches Ansteigen der Luft 
oder, wie die obigen Ausführungen vermuthen lassen, als einen sich mit dem 
horizontalen Winddruck zu einem schiefen Druck verbindenden Druck aufwärts 
auffasse, in ihrer Wirkung auf den fliegenden Vogel kommen sich beide Auf- 
fassungen gleich. Wenn deshalb nach obigen Zahlen eine Aufwärtsrichtung des 


85+5+9 
8 


Windes von ungefähr = 6° d.i. ein Ansteigen desselben von ungefähr 


tg 6°—=!/,, angenommen werden kann, so genügt schon ein Wind von ca, 8 bis 6m 
Geschwindigkeit p. S., um den fliegenden Storch zu tragen. Weht der Wind schneller, 
was nach dem Vorigen besonders in grösseren Höhen über dem Erdboden zu er- 
warten ist, so verfügt der Storch oder ein anderer Vogel über soviel überschüssige 
Kraft, dass er mühelos mit dem Winde gleichsam spielen kann. 

„Wenn meine Tauben in Aussee“, sagte mir v. Loessl, „zu Mittag von ihrem 
vormittägigen Ausfluge zurückkommen, so sehen sie durchaus nicht ermüdet aus.“ 

Wenn hiernach schon die Winde des hügeligen Binnenlandes, an dessen Un- 
ebenheiten sich die Kraft des Windes zersplittert, dem Flug der Vögel förderlich 
sind, wie viel mehr wird das der Fall sein, wo, wie im Flachland und in der Nähe 
des Meeres, sich die Winde frei entfalten können! Die grossen Flieger finden sich 
denn auch, nach Lilienthal, an und auf dem Meere, 





1) Nach Aufzeichnungen der meteorol. Centr.- Anstalt. 

2) Vettin in Zeitschr. f. Luftsch. u. Ph. d. At. 1891, Pernter in Schriften d, V. 
z. Verbreitung naturwiss. Kenntnisse, Wien 1892/98. 

3) Centralblatt d. Bauverwaltung 1890. 

4) Experiments in Aërodynamics 1891, 

5) Ztschr. f. Luftsch. u. Ph. d. A. 1891, 


220 Ritter: Winddruck und Vogelflug. 


Es giebt aber noch eine Ursache für die Aufwärtsbewegung der Luft. 

Ueber einem geheizten Ofen steigt die Luft in die Höhe. Trockenes Land, 
welches im Sommer von der Sonne beschienen wird, erwärmt sich schneller als 
feuchte Wiesen oder Wasserflächen. Bei einer Fahrt des Ballons Phönix im Sommer 
18941) wurden in verschiedenen Höhen Aufwärtsbewegungen der Luft von 0.5 bis 
0.8 m p. S., genügend also, um einen Vogel schwebend zn erhalten, beobachtet. 

Versetzt man sich daher in ein Land, wo es, wie unter den Tropen, im Ver- 
gleich zu hier immer Sommer ist, nimmt man dazu die den Austausch der Winde 
begünstigende Nähe von Land und Meer und denkt sich ausserdem die Vögel, 
welche dort wohnen, seit vielen Generationen im Segelfluge geübt, so begreift man, 
wie ein so massgebender Beobachter wie Darwin?) begeistert von den Condoren 
berichten kann, dass sie, „wunderbar und herrlich an einem so grossen Vogel, 
stunden- und stundenlang und anscheinend ohne Mühe, segelnd und gleitend über 
Berg und Fluss dahinziehen.*“ 


5. Schluss (künstliche Flieger). 


Wenn man sich nach diesen Ausführungen frägt: kann der Mensch fliegen, 
d. h. ist es ihm mit Hülfe geeigneter Vorrichtungen möglich, einzeln oder im Ver- 
ein mit anderen durch die Luft fliegend seinen Ort zu verändern, so kann hierauf, 
da der Mensch grösser und schwerer ist ala der grösste Vogel, wohl nur mit Vor- 
sicht geantwortet werden. Es sei deshalb nur Einzelnes hier berührt. 

Was die Herstellung der nöthigen Rauhheit der Flügelflächen betrifft, so 
habe ich hier zweierlei Kegel aus Pauspapier von o = 30° Neigungswinkel. Die 
einen besitzen einen gewöhnlichen, in der Ebene der Kegelfläche liegenden Rand; 
der glatte oder gezähnelte Rand der anderen ist schmal senkrecht zur Fläche 
nach aussen aufgebogen. 

Die letzteren Kegel fallen durch die Luft deutlich langsamer als die ersteren 
zu Boden; der Winddruckscoefficient, bei den gewöhnlichen Kegeln aus Pauspapier 
n = 0.32, ergiebt sich bei ihnen zu ungefähr n = 0.41, es ist somit, ohne gerade 
zu einer Verkleidung mit Vogelfedern greifen zu müssen, möglich, die Rauhheit 
einer Fläche für den Winddruck künstlich zu erhöhen. 

Die Lenkung des Fluges betreffend, welche in hohem Grade dessen Sicher- 


heit bedingt, ist darauf hinzuweisen, dass der Winkel SÉ = «', unter welchem sich 


der Vogelflügel zum Winde einzustellen hat, mit zunehmender Grösse des Fliegers 
kleiner wird. Darwin beschreibt diese Einstellung beim Vogel, indem er vom Flug 
der Condore erzählt?®): 

„Kopf und Hals wurden häufig und scheinbar heftig hin und her bewegt, 
und es schien, als ob die ausgebreiteten Schwingen die „„Stütze““ (fulcrum) bil- 
deten, auf welche die Bewegungen von Hals, Leib und Schwanz einzuwirken hätten.“ 

Die Einstellung erfolgt naturgemäss um so schneller und sicherer, je schmaler 
und in Folge dessen länger der Vogelflügel ist. In der That finden wir, wenn 
wir die Länge } des Fliegerleibes mit der Flügelspannweite L des Fliegers 


vergleichen, dass das Verhältniss bei den kleinen Fliegern (Fliege, Schmetter- 


ling) 2 bis 3, bei den grossen Fliegern (Storch) 5 bis 6 beträgt. Der Albatros. nach 
Lilienthal®) ein besonders geschickter Flieger, hat lange, schmale, „fast säbel- 
förmige" Flügel. 


1) Süring und Berson in Ztsch. f. Luftsch. u. Ph. d. A. 1896. 
2) Langley, Internal work of the wind, 1898. 

8) Langley, Internal work of the wind 1898. 

4) Der Vogelfiug 1889. 


Ritter: Winddruck und Vogelflug. 221 


Mouillard!) erzählt von einem Adler, welcher, vom Sturme erfasst, wegen der 
für den Sturm nicht geeigneten Form seiner Flügel desselben kaum Herr werden 
konnte. Ein anderer Vogel, wie „ein kleines Huhn,“ nur gross, bewältigte den 
Sturm; seine Flügel waren aber, nach Mouillard, „lang und schmal wie ein Zeichen- 
lineal“. 

Die künstlichen Flieger werden hiernach, da sie grösser als der Storch sind, 
voraussichtlich schlankere Flügel als dieser zu erhalten haben. 

Je länger der Flügel, desto stärker werden seine Fasern durch den zu über- 
tragenden Druck gespannt, aus desto festerem und diechterem Material wird 
der Flügel gebaut werden müssen. 

Wenn sich daher aus derselben Ursache schon im vorigen gezeigt hat, dass 
das verbältnissmässige Gewicht q des Fliegers, indem man von Fliege und 
schmetterling zum Storche aufsteigt, etwas stärker als die Leiblänge l zunimmt, 
So wird eine ähnliche Zunahme von q auch, indem man vom Storche zu den 
grösseren künstlichen Fliegern übergeht, vorzusehen sein. 


In der folgenden Tabelle wird das Verhältniss L, als nach der 8ten Wurzel 


von l grösser werdend, angenommen. Es berechnen sich darnach für Flieger, welche 
in Länge und Dicke des Leibes 3, 6 und 18 mal so gross sind als der Storch, 
folgende annähernde Werthe von q, Q, Gw fa U. 8. W. 
































~ — — —r E 
| Flieger- Gewicht Flugbeginn Dauerflug 
Lineare Wes 
Vergrösserung üü: | Arbeits- Ge: Arbeits- 
CS i schwin.) erforderniss Lin, erforderniss 
I lang|dick] q Q [digkeit p 8. digkeit p. 
Storches ] 3 Ip. m? 0.8. we — a 
e ui |zus. ý gi | en [ZUS 
0 “o | Ei A | Zo 1 S 1 Zi 
| 
m | m {| kg kg m m /m/m m m |m | m 
1 (Storch) .. a O88011 8 4 | 11.6 0.49| 0.1010.59 15.4 |0.07| 0.28| 0,30 


3 (Flieger I). .. |1.0 [0.33 AA 124 | 23 |0.59|0.22/0.81 | 28.5 '0.14| 0.42) 0.56 
6 (Flieger ID .. |2.0 [0.67| 60.0| 1080f 36 |0.65|0.89/1.04| 41.8 |0.20|0.62| 0.82 


18 (Flieger II)... [6.0 |2.0 | 207.1 | 33400| 72 0.77) 0:90 1.67 77.7 \0.87| 1.15) 1,52 
| 


Das Arbeitserforderniss für den Flug nimmt nach diesen Zahlen 
mit der Grösse des Fliegers zu. 

Schon bei Flieger I, dessen Gewicht Q = 124 kg ungefähr demjenigen eines 
mit Flügeln bewehrten Mannes (Lilienthal) gleichkommt, in dessen Leib (= 1 m) 
jedoch kaum ein Kind Raum fände, wird z= 0.81 bis 0.56 m p. S. erfordert. Nach- 
dem Menschenkraft bei einigermassen dauernder Anstrengung nur ungefähr z = 0.2 
m. p. S. leistet, so ist ohne Zuhülfenahme von Maschinenkraft oder ohne günstigen 
Wind (Lilienthal) ein künstlicher Flug kaum möglich. 

Bei Flieger II (erwachsener Mensch in liegender Stellung) zeigt sich z auf 
1.0 bis 0.8 m, bei Flieger III (mehrere Personen in aufrechter Stellung) auf ca. 
1.7 bis 1.5 m p. S. erhöht. 








1) L'empire de l'air 1881. 


332 Ritter: Winddruck und Vogelflug. 


Die Anforderungen an die zum Vorantrieb des Fliegers erforderliche Kraft- 
und Arbeitsmaschino steigern sich sonach mit der Grösse des Fliegers. Aufgaben 
solcher Art werden wohl auf anderen Gebieten, z. B. dem des Schiffsbaues gelöst, 
doch dürfte wie dort das Ziel nur schrittweise erreicht und insbesondere, nach 
den obigen Zahlen, von einem Erfolg im Kleinen noch nicht auf einen gleichen 
Erfolg im Grossen geschlossen werden können. 

Günstig erweist sich die erreichbare Geschwindigkeit v, welche schon bei 
Flieger II diejenige eines Eisenbahnzuges von ca. 100 km p. St. übertrifft, günstig 
in Folge dessen auch das auf die Einheit Weglänge bezogene Arbeitserforder- 


niss =, Dieses Erforderniss oder der für den Flug zu bewältigende Wider- 


stand berechnet sich nämlich: 
bei Flieger I (v —=23 —28 m p. S.) zu 40 bis 20°/,, 
» „n I w=36-42 „„ „) n 30 „ 20, 
A „ DIew=72-78,„. „)„ 23 „ 19, 
Der Widerstand nimmt hiernach im Unterschied gegen den Widerstand auf 
Eisenbahnen, wo derselbe bei horizontaler Bahn nach Versuchen auf der französischen 


Nordbahn }): 
bei v=25mPp.9. . . 2 Gë, 8% 


„n eier o o e ee, A 
n Sba ee e E e am a e B 
beträgt, mit der Geschwindigkeit v nicht zu, sondern eher etwas ab, wobei die 
Möglichkeit, einen Theil der Flugarbeit vom Winde verrichten zu lassen, nicht be- 
rücksichtigt ist. 
Der Flieger braucht hierbei keine Bahn und kann sein Reiseziel beliebig wählen. 
Wenn daher die mit der Herstellung künstlicher Flieger verbundenen Schwierig- 
keiten überwunden werden können und es insbesondere gelingt, durch geeignete 
Vorrichtungen Unfälle, wie die Verunglückung Lilienthal's sicher auszuschliessen, 
so unterliegt es, so weit die vorstehenden nur angenäherten Berechnungen schliessen 
lassen, wohl kaum einem Zweifel, dass die Fahrt durch die Luft gegen die Fahrt 
auf dem Erdboden manche Vorteile zu bieten vermöchte. 





Kleinere Mittheilungen. 


Bemerkungen zum „Aeronautical Annual No. 3.“ Das diesjährige amerikanische 
„aöronautische Jahrbuch“ ist seit einiger Zeit erschienen und brachte Infor- 
mationen, die an Wichtigkeit nur von den allerbestenfrüheren Arbeiten erreicht 
werden. Dieselben beziehen sich weniger auf die A&örodynamik, deren Stu- 
dium man in Amerika als für praktische Zwecke schon genügend gefördert 
anzusehen scheint, (auszunehmen sind allerdings einige höchst wichtige ex- 
perimentelle Bestätigungen der schon lang bekannten Lilienthal’schen Tabellen) 
als auf die Aörodromik, deren Erforschung bei uns jetzt, wo wir keinen Lilien- 
thal mehr haben, ziemlich vernachlässigt zu werden scheint, während praktischer 
Erfolg jetzt nur von ihr abhängt. Das neue, handliche Wort stammt von Professor 
Langley und bezeichnet ziemlich dasselbe, was ich in einem vorjährigen Aufsatz 
(„Vogelflug und Flugtechnik*) den zweiten Theil des Problems der Flugtechnik 
nannte, für den mir damals allerdings der Name fehlte. 

In der Aufrechterhaltung der Stabilität der Flugmaschinen haben es im Ver- 
Inuf des vorigen Jahres die Herren Langley, Chanute und Herring soweit gebracht, 


1) Schweizerische Bauzeitung v. 25. August 1894, 


Kleinere Mittheilungen. 223 


dass Professor Langley’s Modell, dass so schwer ist, wie ein massives Fahrrad und 
eine Länge von etwa 15 und Spannweite von gegen 12 Fuss besitzt, 5 Minuten 
lang mit völliger Ruhe und Sicherheit vom Boden aufwärts (vergleiche hiermit die 
Betrachtungen, die Herr Platte im vorigen Jahr an den Zeitungsbericht des ersten 
erfolgreichen Flugs dieses Modells knüpfte) zu fliegen verwag, und nach Prof. 
Langley’s Erklärungen, wenn mit Condensator versehen, dies stundenlang thun und 
so an Höhe des Fluges mit Ballons rivalisieren könnte; dass Herr Herring sich mit 
seinem regulierten Scgelapparat ohne Gefahr im Spätherbst vorigen Jahres einen 
Wind von über 40 englischen Meilen die Stunde anvertrauen konnte, während er 
mit dem besten Lilienthal’schen Apparat das Segeln schon bei einem 20 Meilen- 
wind sehr riskant fand; und dass der von Herrn Chanute erfundene Apparat, wenn 
auch auf ganz andren Principien aufgebaut, doch so stabil war, dass Laien ohne 
jede Uebung Flüge ohne Gefahr damit riskirten. 

Der wichtigste von allen Fortschritten, über welche dieses so erfreuliche 
Jahrbuch berichtet, scheint mir aber der Anfang zu einer Theorie der Windwirkung 
zu sein, die von dem sehr verdienstvollen Herrn Herring stammt und welche hinter- 
her die Wirkung von dessen ohne jede Theorie erfundenem Regulator erklärte. 

Er fand, dass die gefährlichen rücksichtslosen Windstösse ihren Ursprung in 
Wirbeln haben, die wie Miniaturcyclone mit dem Wind fortschreiten und bei grüsserer 
Windstärke den Maschinen so unberechenbar sich durchkreuzende Anstösse geben 
dass die Lilienthal'sche Reguliermethode gegen die in dem Bruchtheil einer Secunde 
sich mehrmals ändernde heftige Einwirkung sich ohnmächtig zeigt. Während der 
Herring'sche Regulator, der aus gewissen generellen Eigenheiten dieser Windstösse 
Nutzen zieht, weil noch nicht patentiert, der Oeffentlichkeit vorläufig noch vor- 
enthalten blieb, möchte ich mit dem Folgenden nochmals meinen eigenen Vorschlag 
zur Aufrechterhaltung der Stabilität („Vogelflug und Flugtechnik*) vom Standpunkt 
dieser neuen Forschungen, die mir damals natürlich unbekannt waren und die 
schon als Prüfstein dienen können, beleuchten. 

Ich bin in der angenehmen Lage, meinen Vorschlag durch Herrn Herring’s 
Entdeckungen gestützt zu sehen. 

Bei ihm ist durch das Wechselspiel der getrennten Propeller und Steuer eine 
Regulierung der Stabilität möglich, die ebenso effectvoll wie die Lilienthal’sche 
Schwerpunktverlegung sein dürfte und sich vielleicht geschwinder bewerkstelligen 
lässt; worauf es aber ankommt, ist: dass man nicht die blitzschnell wechselnde 
Windwirkung direct zu bekämpfen braucht, wie es Lilienthal thun musste, sondern 
die langsamen Pendelschwingungen, in die diese Einwirkungen durch die Hebel- 
wirkung des langen Mastes sich erst übersetzen müssen. 

Letzteres lässt sich natürlich so erfolgreich bewerkstelligen, dass der Wellen- 
flug wahrscheinlich möglichst reducirt werden kann. — 

Zum Schluss bemerke ich noch, dass Professor Langley seine Erfolge nur 
einer Riesenarbeit, in welcher nach seiner eigenen Erklärung ein grosser Theil 
seines Lebens steckt, und einer unerhörten Geduld verdankt und dass an denselben 
jetzt garnicht mehr zu rütteln ist, denn er hat in früheren Stadien seiner Arbeit 
genugsam kennen gelernt, was „kippen“ bei einem Drachenflieger heisst (glücklicher- 
weise auch was die Ursachen davon sein könnten). Sein Stabilitätsprincip ist die 
Wirkung hintereinanderliegender Segelflächen, die sogenannte Interferenz. 

Carl Dienstbach. 


Ueber die Möglichkeit der reinen Aviatik. Mein, im Märzhefie d. J. veröffentlichter 
Aufsatz „Zu den aviatischen Bestrebungen“ hat mir einige abfällig lautende anonyme 
Zuschriften eingetragen und in einem Vortrage, in welchem die Herstellung aviatischer 
Apparate ala der einzige lHoffnuugsanker der Flugtechnik neuerdings bezeichnet wurde 


224 Kleinere Mittheilungen. 


(hatürlich ohne Beibringung eines Beweises für diese Behauptung), hat man meine 
Schriften, welche von jeher die Tendenz verfolgen, rein aviatische Apparate als unmöglich 
und unausführbar hinzustellen, sogar als unpatriotisch bezeichnet! 


Mich haben diese Vorwürfe zwar sehr kalt gelassen, da ich die Warnungen gegen 
unausführbare Projecte, wie sie die Herren Aviatiker bisher zu Tage brachten, sogar 
für sehr patriotisch halte, da sie die Verschwendung von Zeit und Geld für Verwirk- 
lichung technischer Unmözlichkeiten hintanhalten wollen und man es auf die Dauer 
schwer mit ansehen kann, wie der Kredit der Flugtechnik, durch beharrliche Verfolgung 
von Absurditäten, von Tag zu Tag neue Schädigung erfährt und deren Freundeskreis 
sich stetig verringert. 


Indess ist die Zahl derjenigen, welche rein aviatische Apparate erfinden wollen, 
noch immer sehr gross und Viele haben wirklich eine innere Ucberzeugung von der 
Ausführbarkeit solcher Wunderwerke und da ist es denn doch angezeigt, die Schein- 
gründe, welche von den Aviatikern zur Bekräftigung ihrer Idiosynkrasie vorgebracht 
werden, zu erörtern. 


So schreibt ein Anonymus, die reine Aviatik müsse aus dem Grunde möglich 
sein, weil die Maschinen, welche die Menschen cerfanden, viel kräftiger also leistungs- 
fähiger sind, als die Maschine mit welcher die Vögel arbeiten; wenn es demnach auch 
richtig ist, dass der aviatische Apparat bei gleichem Volumen wie der Vogel doppelt 
so schwer wie der Vogel ist, so wird dieses Missverhälnis durch die grössere Kraft 
der Maschine ganz ausgeglichen. 

Die Theorie ist ganz richtig; thatsächlich leisten unsere Maschinen mehr als jene 
des Vogels, aber die Behauptung, dass unsere Maschinen die genügende Leistung zu 
verrichten vermögen, ist durch die Praxis vollständig dementirt. Das Aufsteigen irgend 
eines aviatischen Apparates ist bisher nur dann möglich gemacht worden, wenn man 
accumulirte Kräfte in Anwendung brachte, aber mit continuirlich arbeitenden Ma- 
schinen, hat man bisher auch nicht das Gewicht einer Maus in die Luft gehoben. 

Die Hebung gelang nur dann, wenn man in irgend einer Art den zu hebenden 
Flugkörper künstlich entlastete, oder aber, wenn man die Kraftquelle für den Flugkörper 
von demselben trennte, so dass nur der Flugkörper und nicht auch der Krafterzeuger 
in die Luft gehoben wurde. 

Herr Profosser Wellner hebt mit seinem ganz vorzüglich construirten Propeller- 
apparat 18 kg mit einer Pferdekraft, würde er aber die Maschinen mit ihrem Kraft- 
erzeuger an den Propeller anhängen, so würde diese Masse nicht aufsteigen, denn dieselbe 
wäge mindestens 45 kg und da die Maschine nur 18 kg hebt, so bleiben eben 27 kg 
ungehoben; eine Hebung würde nur dann stattfinden, wenn Herr Wellner eine künstliche 
Entlastung von 28 kg vornähme. 

Der Versuch ergiebt also, dass, wenn man eine Last von 45 kg Gewicht durch eine 
Maschine heben will, dieses nur dann gelingen kann, wenn man das Fluggewicht um 
28 kg künstlich entlastet. Gegen dieses Rechnungsergebniss mit blossen Argumenten 

"ankämpfen zu wollen, ist wohl ganz und gar unzulässig. 

Die Aviatiker stützen sich aber immer nur auf solche Argumente, die dem wirk- 
lichen Rechnungsergebnisse nicht entsprechen und daher die praktische Durchführung 
ihrer Projecte unmöglich machen. 

Der nämliche Anonymus bemerkt weiter, dass die Versuche derjenigen, welche zur 
freudigen Ueberraschung des zusehenden Publikums, künstliche Vögel, Schraubenpropeller 
und Drachenflieger in der That wirklich zum Fluge bringen und somit den augenschein- 
lichen Beweis für die Möglichkeit der reinen Aviatik erbringen, ganz gewiss mehr leisten 
als diejenigen, welche zwar fortwährend gegen die Aviatik predigen, aber es unterlassen, 
ihre Abhülfsmittel, theilweise Entlastung und Accumulatoren, ebenfalls praktisch vorzu 
führen, sie seien somit selbst daran Schuld, wenn man diese Vorschläge unbeachtet lässt, 


Kleinere Mittheilungen. 225 


Nun das ist auch ganz richtig; es würde allerdings dieser schriftlich geführte 
Streit sofort zur Entscheidung gebracht sein, wenn endlich Apparate, die auf Grund 
des Principes der theilweisen Entlastung ausgeführt wurden, versucht worden wären 
und man aus den Experimenten ersehen würde, dass letztere Objecte wirklich andauernd 
und schnell fliegen, während erstere ihre Triebkraft schon nach 10 Secunden vollständig 
verbraucht haben. 

Dass das noch nicht geschehen ist, ist wirklich zu bedauern‘; aber so lange die 
Mittel welche solche kostspieligen Versuche immerhin erheischen würden, nicht vorhanden 
sind, ist es den Befürwortern des Principes der theilweisen Entlastung eben unmöglich 
gemacht, den praktischen Beweis für die Richtigkeit des Principes zu erbringen und 
sie sin] nolens volens gezwungen, durch Vorführung ihrer Gründe und Beweise an die 
technische Einsicht zu appelliren und zu versuchen eine allgemeine Ueberzeugung für 
dieses Princip anzubahnen, denn dann ist wohl kaum daran zu zweifeln, dass endlich 
sich auch die Mittel finden, diese entscheidenden Versuche anzustellen und der Wahr- 
heit zum Siege zu verhelfen. j 

Die Verfechter des Principes der theilweisen Entlastung, welche nach ihrer 
Meinung nur in der Verfolgung dieses Principes die Möglichkeit der endlichen Lösung 
des Flugproblems erblicken, sind daher nothgedrungen veranlasst, durch technische 
Gründe die Unhaltbarkeit der derzeitigen aviatischer Anschauungen bebarrlich zu beweisen. 

Ein sehr scharfer, ja unwiderleglicher Beweis, dass rein aviatische Apparate 
unmöglich sind, ist eben aus den Ergebnissen der Experimente der Aviatiker selbst 
leicht zu erhalten. 

Während bewährte Experimentatoren, wie Herr v. R. Loessl, Professor Wellner, 
Professor Langley etc. nie früher eine Behauptung aufstellen, bevor sie nicht durch den 
Versuch die Grösse der erforderlichen Kraft für eine bestimmte Leistung bis auf ein 
Differentiale genau ermittelten und somit nach beendetem Versuche genau wissen, ob 
es möglich sein wird, die erforderliche Kraft auch ganz oder nur theilweise zu erzeugen 
und weit sie ihre Hoffnungen ausdehnen dürfen, endlich einen continuirlich fliegenden 
Apparat herstellen zu können und so zur feststehenden Einsicht gelangen, dass dermalen 
die Mittel bierzu noch nicht vorhanden sind und vielleicht erst nach langer Zeit oder 
auch gar nicht beschafft werden können, also stets vor zu grossem Sanguinismus warnen, 
sind die Aviatiker viel weniger gewissenhaft und ängstlich. Sie wissen nie genau, welche 
Kraftgrösse sie mit ihren gedrehten Kautschuckschnüren und gespannten Federn aus- 
üben, denn sie messen dieselbe niemals, sondern geben nur Schätzungen an, und be- 
haupten dann, ohne technich gesicherte Annahme dafür zu besitzen, dass, wenn sie eine 
Maschine, die pr. Pferdekraft 25 kg wiegt, hätten, sie ihre Apparate ganz sicher zum 
Fluge bringen würden. Und wenn man die Herren versichert, dass die praktischen 
Mechaniker auf’s bestimmteste versichern, sie könnten solche Maschinen nicht herstellen 
und ihnen dann noch vorrechnet, dass, wenn sie auch solche Maschinen besitzen würden, 
mit denselben doch nicht geflogen werden könnte, so zucken sie nur mitleidig mit den 
Achseln, denn es steht bei ihnen fest, dass, wenn das genügende Geld zur Verfügung 
stände, sie fähig wären, solche Wunderwerke zu schaffen, da sie den Plan dafür be- 
reits im Kopfe festgestellt haben und das Gelingen der Herstellung ausser aller Frage stehe. 

Den blendenden Schein ihrer Flugexperimente darf aber der Techniker so lange 
nicht als baare Münze hinnehmen, als die Maschine, die sammt Hebevorrichtung so gering 
wiegt, dass sie einen Hebeüberschuss liefert, wirklich fertig gestellt und erprobt ist und 
so lange nicht durch Rechnung nachzuweisen ist, dass durch die Verwendung solcher 
Maschinen Flugeffecte zu erzielen sind. Aber solche Beweise beizubringen ist den 
Aviatikern bisher nicht möglich gewesen und daher müssen sie es schon hinnehmen 
dass man ihren Behauptungen gar keinen Glauben beimessen kann u. z. um 80 weniger 
ist dies der Fall, weil die einwandfreie Rechnung gerade das Gegenteil ihrer Behauptungen 
klar nachweist. 


226 Kleinere Mittheilungen. 


Für den construirenden Techniker, welcher die Flugbedingung, dass die hebenden 
Kräfte die zu überwältigende Last überwiegen müssen, erfüllen will, erübrigt also kein 
anderen Ausweg, als, da sich die Maschinenkraft allein für den beabsichtigten Zweck 
als nicht ausreichend praktisch und rechnungsmässig ergeben hat, zur Heranziehung 
von Hülfskräften überzugehen und da andere Hülfskräfte als Gasdruck und Accumula- 
toren nicht vorhanden sind, so ist er gezwungen, es zu versuchen diese Kräfte in seine 
Combinationen einzubezieben und es wird; sich dann auch gewiss zeigen, dass die bis- 
herigen oft sehr sinnreichen Constructionen der Aviatiker, nur durch diese Hülfskräfte 
zu ergänzen und zu vervollständigen sind um sodann als brauchbare Flugapparate auf- 
zutauchen, während sie ohne Benutzung dieser Hülfskräfte ewig unbrauchbare bleiben 
werden. á 

Der ganze Verlauf der bisberigen flugtechnischen Arbeiten deutet darauf hin, 
dass alle Misserfolge nur auf den consequent begangenen Fehler zurückzuführen sind, 
dass man die Körper, welche man zum Fluge bringen wollte, nicht vorher flugfähig 
machte, d. h. dass das Gewicht des Apparates der Kraft angemessen gestaltet wurde, 
was eben nur mit der Hülfskraft eines Entlastungsballons zu erzielen sein dürfte. 

Der zum Fluge zu bringende Flugkörper darf unter gar keinen Umständen specifisch 
schwerer als der Vögelkörper gemacht werden, sonst sind die zu seiner Hebung ver- 
wendeten Maschinenkräfte für diese Arbeit erfahrungsgemäss nicht ausreicbend. 

Nur diese Ergänzung mangelt den besseren aviatischen Projecten und es ist sicher, 
dass sie sodann ihren Zwecken entsprechen werden. 

Ich möchte wünschen, dass diejenigen, welche sich so ausdauernd der Aviatik 
widmen, in Zukunft, statt nur unerwiesene Behauptungen aufzustellen und darauf Projecte 
zu basiren die sich doch als unausführbar erweisen, endlich daran gehen, was sie von 
allem Anfang an hätten thun müssen, die Grösse der Triebkrätte, welche sie aufbrauchen, 
um ihre Modelle zum Fluge zu bringen, wirklich zu messen und nicht blos wie bisher 
ungefähr zu schätzen. Die so gefundene richtige Ziffer wird sie in die Lage bringen, das 
Gewicht, welches die Maschine hätte, welche die nothwendige Kraft auch erzeugen 
kann, festzustellen und dann wird es sich ja in ganz unzweifelhafter Weise herausstellen, 
ob dieses Gewicht so gering ist, dass die erzeugte Kraft es wirklich zu heben vermag, 
oder ob diese Kraft unausbleiblich durch Heranziehung anderer Hülfskräfte noch ergänzt 
werden muss. Das ist, wie ich glaube, der einzig richtige technische Vorgang, welcher 
zur praktisch brauchbaren Lösung des Flugproblems führen wird. 

Wien, den 6. Mai 1897. A. Platte. 


Zur Abwehr. Das Mai/Juni Heft d. J. enthält einen Angriffsartikel des Herrn 
Raphael Ernst May gegen mich, womit ich beschuldigt werde, dessen geistiges 
Eigenthum in meinem in Heft 3. dieses Jahres erschienenen Aufsatze für mein 
eigenes ausgegeben zu haben, und da diese Anschuldigung völlig grundlos ist. so 
enthält dieselbe eine öffentliche Beleidigung gegen mich, die ich nicht still- 
schweigend hinzunehmen gewillt bin. 

Ich habe in meinem qu. Artikel als meine neue Idee, die Beseitigung bezw. 
Verminderung des Widerstandes des Ballons durch Absaugen der Luft von der 
Stirnfläche und Ausschleudern derselben an der Rückenfläche bezeichnet, während 
Herr May mit der ihm Nr. 82482 patentirten Erfindung eine Verbesserung des 
Schraubenpropeller-Effectes bezweckt, durch Combinationen einer Luftsaugfläche 
vor einem in einem Rohr arbeitenden Propeller, welchem dadurch die Luft in ver- 
dichtetem Zustand zugeführt werden soll. Herrscht also einerseits schon völlige 
Zweckverschiedenheit zwischen beiden Erfindungsideen, so liegt andererseits 
sogar eine Gegensätzlichkeit der Principien und der dieselben verwirklichenden 
Mittel vor. Herr May will die Luft vor dem Propeller verdichten, während ich die- 
selbe vor dem Ballon verdünnen will, durch Absaugen; Herr May will, nach seinen 


Kleinere Mittheilungen. 227 


eigenen Worten, einen grösseren Widerstand schaffen, ich denselben thunlichst be- 
seitigen; Herr May erstrebt eine Verbesserung des Propellers, ich diejenige des 
Ballons durch Reduction des Translationswiderstandes. Ueber das Verhältniss des 
Propellers und seiner Wirkung gegenüber dem Ballon, bezw. dessen Stirn- und 
Rückenfläche, besagt Herrn May's Erfindungsidee absolut garnichts und berührt 
diesen Punkt auch nicht im entferntesten. Ä 

Wenn ich in meinem Aufsatze nebenbei ausführte, dass bei Ausführung des 
von mir bezeichneten Princips des vorn Absaugens und hinten Ausschleuderns 
nothwendiger Weise der Propeller innerhalb eines Mantels resp. Rohres zu liegen 
käme, was auch noch von Vortheil für dessen Effect sein könnte, s0 habe ich da- 
mit Letzteres doch nicht als meine neue Erfindungsidee, wie mir von Herrn May 
unferschoben wird, hingestellt und muss gegen diese Insinuation nicht minder Ver- 
wahrung einlegen, als gegen die Anmassung des Herrn May, seine Erfindung und 
Patent auf in einem Rohre arbeitende Schraubenpropeller zu beziehen, denn solche 
sind bekanntlich schon viel früher in Vorschlag gebracht worden. Erfindung und 
Patent des Herrn May ist nur die Combination eines in einem Rohr arbeitenden 
Schraubenpropellers mit vorn angeordneter Luftsaug- und Tragfläche. Dass diese 
Erfindung übrigens eine Utopie ist, liegt für den physikalisch-technisch gebildeten 
Fachmann auf der Hand, denn die Verdichtung des Mediums, worauf Herrn May e 
Idee basirte, ist bekanntlich eine so minimale, dass auch der Effect davon nur ein 
verschwindender sein kann, wogegen Herr May sich eine gewaltige Verdichtung 
der Luft vorzustellen scheint. Der Versicherung des Herrn May. dass er seine In- 
und Auslandspatente nur um die Vaterschaft seiner Idee sich zu sichern genommen 
habe, wird man wohl Zweifel entgegen bringen müssen, da Herr May sich die Autor- 
schaft seiner Idee ebenso gut und billiger durch Niederlegung derselben in einer 
wissenschaftlichen Zeitung hätte sichern können. Wer Patente nimmt, was doch 
eine kostspielige Sache ist, lässt stets erkennen, dass ihm an dem materiellen Vor- 
theil, der Verwerthung seiner Erfindung gelegen ist. 

Dass ich, wie wohl auch Herr Lilienthal, Herrn May, als er vor einigen Jahren 
seine Erfindung mir vorwies, in welcher er natürlich die Lösung des Flugprobleins 
gefunden zu haben wähnte, einige tröstliche Worte, dass seine Erfindung etwas 
Neues enthielte, mit auf den Weg gab, wird man begreiflich finden. Herr May ist 
nicht der erste „Erfinder der Flugmaschine,“ welcher bei mir ansprach, um meine 
Ansicht zu hören; und wie alle diese Erfinder, so hat mir auch Herr May seine 
Sache mit solcher Ueberzeugung vorgetragen, dass jegliche gegentheilige Beleh- 
rung fruchtlos geblieben wäre. Ich habe Herrn May jedoch meine Bedenken gegen 
seine Construction nicht vorenthalten und ihm bedeutet, dass seine Erfindung 
keine Lösung des Flugproblems enthalte, 

Ich muss es den Lesern der Zeitschrift überlassen, wie sie das Vorgehen 
des Herrn May beurtheilen wollen. 


Hamburg, den 25. August 1897. Eugen Kreiss.- 


Erwiderung. 


Im Heft Mai—Juni d. Bl. Seite 176 wünscht Herr Dr. E. Jacob in Kreuznach 
„sachliche Einwendungen“ gegen seine im März-Heft ausgesprochenen Behauptungen 
von mir zu hören; diesem Wunsche wird durch meine Abhandlung: „Fischschwanz 
und Flügelschütteln“ in diesem Hefte insofern entsprochen, als der Fehlschluss des 
Herrn Dr. Jacob, Seite 76 unten, mittels dessen das Princip vom Quadrat der Ge- 


schwindigkeit angefochten werden soll, klargestellt wird. Der betreffende Satz des 
genannten Autors lautet wörtlich: 


228 Erwiderung. 


„Denn ausser allen diesen Gründen kann ich noch einen weiteren ebenso 
durchschlagenden anführen, welcher sich auf die Beobachtung von Marey 
stützt, dass der Aufschlag nur halb so lange währt wie der Niederschlag 
v ist also beim Heben doppelt so gross als beim Niederschlag und daraus 
unausweichlch Fv? vier mal so gross — soweit es von v abhängt.“ 

und dann auf Seite 77, Absatz 38: 

„Diese Beobachtung von Marey genügt allein, die Anwendung des Gesetzes 

Fv? als Erklärung für den Flügelschlagwiderstand zu Falle zu bringen.. Sie 

ist geradezu ein Schlag ins Gesicht für den bisher üblichen Flügelwider- 

standsbegriff“. 

Hieraus erhellt, dass es Herrn Dr. Jacob unbekannt ist, was der Begriff „Ge- 
schwindigkeit“ in der Physik oder Mechanik bedeutet: Wenn die „Geschwindig- 
keit“ variabel ist, wie es beim Flügelschlage eines Vogels der Fall ist, so muss 
die dabei verfliessende Zeit in so kleine Abschnitte (Elemente) zerlegt gedacht 
werden, dass der in jedem derselben zurückgelegte Weg ohne zu grossen Fehler 
als constant angesehen werden kann, so zwar, dass, wenn man einen dieser kleinen 
Zeitabschnitte nochmals wieder in mehrere Abschnitte zerlegen würde, die in diesen 
Abschnitten zurückgelegten Wege einander annähernd gleich sein würden. Die 
Wegeslänge innerhalb des Zeitelementes dividirt durch die Grösse dieses Zeit- 
elemente3 selbst, welche letztere ein kleiner Sekundenbruchtheil ist, heisst „Ge- 
schwindigkeit“. 

Der Widerstand, welchen der bewegte Körper in jedem Zeitpunkte durch 
die Flüssigkeit erleidet, richtet sich nach dem Quadrate der Geschwindigkeit, die 
Summe der Widerstände daher nach der Summe der Geschwindigkeitsquadrate. 

Durch meine Abhandlurg: „Zur physikalischen Grundlage des Fluges“ Heft 
August/Septemb. 1895 d.Bl.S.210 und durch die vorerwähnte Abhandlung in diesem 
Hefte wird klar gestellt, warum daraus, dass die Gesammtdauer des Flügelnieder- 
schlages grösser ist, als die des Flügelaufschlages, nicht im Geringsten geschlossen 
werden darf, dass auch die Summe der Geschwindigkeits-Quadrate dabei kleiner 
ist, dass vielmehr die letztere trotz der längeren Zeitdauer relativ beliebig gross 
sein kann. 

Wenn ich nun auf die übrigen Behauptungen des Herrn Dr. E. Jacob in der- 
selben Weise sachlich eingehen wollte, so wäre das gleichbedeutend mit dem 
Schreiben einer elementaren Mechanik oder rechnenden Physik, allein für Herrn 
Dr. Jacob; dementgegen muss demselben gerathen werden, die ihm fehlenden 
Kenntnisse anderweitig sich zu verschaffen. 

Fernere Erwiderungen in dieser Angelegenheit werden meinerseits nicht 
erfolgen. 

Arnold Samuelson. 


we ii — dsl a era an 


Zeitschrift für Iafischiffahrt und Physik der Atmosphäre. 1897. Heft 9. 229 


Studien über das Ballon-Material mit besonderer Hinsicht auf das 
elektrische Verhalten desselben. 
Von H. Bartsch v. Siegsfeld, Premier-Lieutenant. 


Beanspruchungen des Ballon-Materials bei gefülltem Ballon. 


Es sind bereits Untersuchungen angestellt worden über die Form, 
welche ein Ballon haben müsste, wenn derselbe nur von Kräften beeinflusst 
würde, die von dem inneren aerostatischen Gasdruck herrühren.?) 

Die Arbeit ist an sich interessant, praktisch aber bedeutungslos, da 
hierbei Verhältnisse als massgebend in’s Auge gefasst wurden, welche in 
Wirklichkeit eine ganz untergeordnete Rolle spielen; denn nicht die Bean- 
spruchungen durch den Gasdruck spielen die Hauptrolle, sondern die durch 
den Winddruck hervorgerufenen Kräfte. Bei Ballons von 30—40 m Durch- 
messer würden allerdings die inneren Kräfte anfangen in erster Reihe in 
Frage zu kommen. Mit solchen haben wir es bis jetzt noch nirgends zu 
thun gehabt. 

Die Beanspruchungsweise des Materials durch den inneren Gasdruck 
ist sehr leicht graphisch darzustellen. Es ist hierbei zunächst zu berücksich- 


Fig. 1. 





1) Revue de L’Adronautique 1893 1. 2, Étude sur la forme des Adrostats von 
Edmond Henry. 


2830 v. Siegsfeld: Das Ballon-Material. 


tigen, dass der Gasdruck gegen die Wand des Ballons mit der Höhe über 
dem unteren Niveau des Gases zunimmt und zwar bei Wassertofffüllung 
um etwa 1 kg pro qm, bei Leuchtgasfüllung dagegen um ca. 0,6 kg pro qm. 

Bei einem Ballon von 10 m Durchmesser haben wir also am oberen 
Pol etwa 11 kg pro qm Gasdruck. 

Es braucht wohl nicht besonders bemerkt zu werden, dass der Gas- 
druck stets senkrecht gegen den Ballonstoff wirkt. Nehmen wir, um ein 
Beispiel anzuführen, einen kugelförmigen Ballon von 10 m Durchmesser und 
bezeichnen mit 

k den in einem Stoffstreifen von 1 m Breite auftretenden Zug 
r den Radius, 
p den inneren Ueberdruck, gemessen in mm Wassersäule 


, 1 
(1 mm entspricht 1 kg auf 1 qm = Ioooo Al. 


und berücksichtigen, dass die Beanspruchung des Stoffes in einer Kugel 
dargestellt wird durch die Beziehung 


re] 
mn... k= %2) 


so haben wir als maximale Beanspruchung des Stoffes auf diese Weise 
221/3 kg in einem Stoffstreifen von 1 m Breite. 

Die Beanspruchungen durch Winddruck werden nun erheblich höher, 
und rechnet man hierzu noch die in Folge der Unregelmässigkeit der Be- 
wegung des Ballons auftretenden Beschleunigungsdrucke der Gasmassen, so 
erhalten wir als Drucke pro qm Fläche reichlich den doppelten Betrag des 
mittleren Winddruckes, wie dies leicht an einem im Kabel eingeschalteten 
Dynamometer zu erkennen ist. Der Ort der höchsten Beanspruchung ist 
aus der Stellung des Ballons, der Vertheilung des inneren Gasdruckes und 
der Vertheilung des Winddruckes zu ermitteln. 

In der nebenstehenden Skizze stellt die gestrichelte Linie die Verthei- 
Jung des Gasdruckes, die punktirte die des Winddruckes, die gestrichelte 
und punktirte die des Gesammtdruckes dar. 

Aus der Art und Weise der Wirkung der Kräfte ist ohne Weiteres 
zu ersehen, dass der Ort der maximalen Beanspruchung fortwährend wechselt. 
Demnach ist es geboten, diejenigen Theile des Ballons welche die hohen 
Drucke auszuhalten haben, und diejenigen Organe, welche die Krätte auf- 
nehmen und dem Kabel zuführen, entsprechend zu dimensioniren. 

Ein Material, welches nur 500 kg pro 1 m Breite aushält, wird be- 
reits als nicht besonders fest betrachtet. Bei einer Windgeschwindigkeit 
von 15 m in der Secunde wird die maximale Beanspruchung des Stoffes 


1) Taschenbuch des Vereins „Hütte® vierter Abschnitt VIII; hier ist für s.k 
k gesetzt worden. 


v. Siegsfold: Das Ballon-Material. 981 


75 kg pro m Breite kaum überschreiten. Man hat demnach noch fast 
siebenfache Sicherheit. 
Fig. 2. 





v 
| 
| 


Hierbei ist das Netz und seine Wirkung überhaupt noch nicht in 
Betracht gezogen worden. Es ist anch zweckmässig, dies garnicht zu thun, 
denn in den seltensten Fällen liegt das Netz so korrekt, dass nicht an der 
einen oder anderen Stelle ein erheblicher Theil der Kräfte von dem Ballon- 
stoff selbst, namentlich in der Richtung der Breitenkreise der Kugel auf- 
genommen werden müsste. Auch die Befestigung des Netzes am Ventil 


232 v. Siegsfeld: Das Ballon-Material. 


ruft unter Umständen Kraftwirkungen hervor, welche im Stoff auftreten, 
die sich aber der Grösse und Richtung nach der Berechnung vollständig 
entziehen. Jedenfalls ist die Sicherheit, welche man bei Fesselballons durch 
das Netz hat, nach meinen Wahrnehmungen keinesfalls so gross als man 
im Allgemeinen annimmt. Positive Festelluugen der hier ausgesprochenen 
Ansichten begegnen den grössten Schwierigkeiten. Trotzdem wäre es in 
vielen Fällen von grossem, praktischem Wertlie zu wissen, ob eine grössere 
Elasticität des Stoffes, selbst auf Kosten der Festigkeit desselben anzu- 
streben ist oder nicht. 

Bei einer correcten Function des Netzes ist ein elastischer Stoff 
unzweifelhaft vortheilhaft, indessen darf man in diesem Bestreben aus 
folgendem Grunde nicht zu weit gehen. 

Es wird bei einer starken Dehnung des Stoffes das Dichtungsmittel 
in seinem Zusammenhange in unvortheilhafter Weise beeinflusst, und dies 
beeinträchtigt natürlich die Gasdichtheit des Stoffes ganz wesentlich. 

Weiterhin ist es von Bedeutung, den Stoff in solcher Weise herzu- 
stellen oder die einzelnen Theile derart mit einander zu verbinden, dass 
für den Fall einer Verletzung des Stoffes ein allzustarkes Weiterreissen 
wirksam verhindert wird. Der ersteren Forderung entspricht in ausge- 
zeichneter Weise der Diagonalstoff (die Fäden zweier Stofflagen welche 
mit Caoutchouc-Zwischenlage zusammengewalzt sind, im Winkel von 45° 
gekreuzt). 

Durch Herstellung der Ballonhülle aus einzelnen Feldern kann man 
in der anderen angegebenen Weise wirken. Uebrigens muss bemerkt werden, 
dass bei mässig elastischem Material messerstichgrosse Verletzungen erst 
bei relativ sehr hoher Beanspruchung weiterreissen. Die Herstellung der 
Nähte erfordert eine gewisse Sorgfalt, insofern als es möglichst vermieden 
werden muss, dass dieselben hernach Einschnürungen bilden. In diesem 
Falle werden mitunter bedeutende Kräfte von denselben transportirt, und 
es kann dann leicht kommen, dass die Naht, anstatt eine Sicherheit zu 
bieten, eine gefährliche Stelle der Ballonhülle wird. 

Von wesentlichem Einfluss auf die Brauchbarkeit des Ballonmaterials 
ist die Veränderung der elastischen Eigenschaften des Grundstoftes durch 
das Dichtungsmittel; namentlich wird das Weiterreissen des Stoffes bei 
einer vorhandenen Verletzung durch bestimmte Eigenschatten des Dichtungs- 
mittels bedeutend erleichtert, was natürlich sehr ungünstig ist. 

Fig. 3. Je mehr Fäden bei einem 
vorhandenen Riss und einer Be- 
anspruchung senkrecht der Längs- 
ausdehnung desselben gleichzeitig 
in Zug kommen, desto schwerer 
wird das Weiterreissen desselben 
und umgekehrt im entgegenge- 





v. Siegsfeld: Das Ballon Material, 288 


setzten Falle. Ein glatter Faden und leichtes Schlagen des Stoffes beim 
Weben wirkt in der bezeichneten Weise sehr günstig. 

Aus diesem Grunde sind gewisse Seidenstoffe so sehr vortleilhaft. 

Man sieht hieraus auch ohne Weiteres den Einfluss des Dichtungs- 
mittels; werden durch dasselbe die einzelnen Fäden derart zusammengeklebt, 
dass Schuss und Kette beim Reissen sich nicht übereinander verschieben 
können, so reisst der Stoff wie perforirtes Papier weiter (spröder Firniss, 
alter Caoutchouc). 

Die jetzt zur Anwendung gelangenden Dichtungsmittel sind Firniss 
oder Caoutchouc. Jeder dieser beiden Stoffe hat seine besonderen Vor- 
und Nachtheile. 

Firniss. Vortheile: 

bequeme, einfache und billige Herstellung der Hülle aus rohem 

Stoff, vorzügliche Gasdichtheit, vollständiges Ausschliessen der 

Diffusionserscheinungen, Billigkeit. - 

maschinelle Einrichtung zum Imprägniren desStoffes nicht erforderlich, 

Möglichkeit, fertige Ballonhüllen ohne Imprägnirung viele Jahre 

zu lagern, 

Möglichkeit, alte gefirnisste Ballonhüllen durch geeignete Lösungs- 

mittel von ihrem Ueberzuge zu befreien (namentlich bei Seide vor- 

züglich anwendbar), 

grosse Unempfindlichkeit gegen Witterungseinflüsse; gefirnisste 

Ballonhüllen werden in der Sonne besser, (Dauerbetrieb von Fessel- 

ballons), 

geringe Intensität der elektrischen Eigenschaften. 
Nachtheile: 

Kleben der Hülle, 

Warmwerden derselben durch chemische Vorgänge beim Verharzen 

des Firnisses, mitunter Hartwerden in der Kälte, grosse Vorsicht 

beim Verpacken und Lagern (Lagern der einzelnen Schichten des 

Ballons auf besondere Rahmen, Stoff-Zwischenlagen gegen das 

Kleben erforderlich), 

leichtes Weiterreissen des Stoffes bei hartem Firniss, 

grosses Gewicht der Hüllen, wenn der Firniss nicht eingewalzt ist, 

verschiedentliche Uebelstände bei Verwendung von doppeltem Stoff, 

unvermeidliches Beschweren der inneren Lage mit durchdringendem 

Firniss, welcher zur Dichtung gar nicht beiträgt. 

Gummirter Stoff. Vortheile: 

Leichte Handtirbarkeit des Materials, bequeme Aufbewahrung und 
Beaufsichtigung, 

korrekte Herstellung der Hüllen aus mehrlagigem Stoff, 

geringes Gewicht, 

Herstellbarkeit von Diagonalstoffen. 


284 v, Siegsfeld: Das Ballon-Material, 


Nachtheile: 
Hoher Preis, 
geringe Widerstandsfähigkeit gegen Witterungseinflüsse, namentlich 
Licht, ganz besonders bei unvulkanisirtem Caoutchouc, 
Unverwerthbarkeit älterer Hüllen, 
Verderben beim Lagern, 
leichtes Reissen bei sprödem Caoutchouc, grosse Intensität der 
elektrischen Eigenschaften (bei Seide Funken bis zu 5 cm Länge 
im Innern des Ballons wenn die Stoffe sich reiben). 


Methoden zur Prüfung des Ballon-Materials. 


I. 


Die Prüfung aut Festigkeit von Schuss oder Kette lässt sich ent- 
weder in der Zerreissmaschine ausführen oder dadurch, dass man den Stoff- 
streifen um runde Hölzer wickelt und dieselben in geeigneter Weise belastet. 
Wesentlich ist, dass beim Einspannen des Stoffes keine scharfe Klemmung 
desselben hervorgerufen wird. 

Um die Elasticität des Stoffes zu bestimmen, ist es nur erforderlich, 
die Längenänderung desselben mit der specifischen Inanspruchnahme in 
Vergleich zu bringen. Die Verhältnisse sind so einfach, dass sie hier wohl 
nicht weiter ausgeführt werden brauchen. 


II. 
Die Prüfung in der Trommel bedarf jedesmal der Reduction der Be- 
obachtungen. | 
Formel 1) (pag. 230) lässt erkennen, dass bei gleichem inneren Ueber- 
druck die Beanspruchung des Stoffes ganz verschieden ausfallen kann, je 
nach dem Krümmungsradius der beanspruchten Stoffkugel. 
Der Stoff in der Trommel nimmt nun sehr nahezu Kugelgestalt an 


Fig. 4. 





Druck- Wasser 
oder „Luft. 


und zwar wölbt sich der Stoff bei der " Druckprobe um so stärker, je 


v. Siagsfeld: Das Ballon-Material. 285 


elastischer das Material ist, um so schwächer im entgegengesetzten 
Falle. 

Es kann also leicht vorkommen, dass ein Material, welches eine ge- 
ringere Festigkeit hat, als ein anderes, mit welchem es verglichen werden 
soll, wenn es elastischer ist als dieses, erst bei einem viel höheren Ueber- 
druck zum Zerspringen gebracht werden kann. Da es bei Ballons aber 
nicht sowohl auf die Combination dieser beiden Eigenschaften, welche ja an 
sich zweifellos vortheilhaft ist, ankommt, als auf eine grosse Festigkeit, so 
ist bei der Prüfung des Stoffes die Festigkeit nach der Formel 1) zu be- 
rechnen, nachdem aus dem Durchmesser der Trommel und der Pfeilhöhe 
der Wölbung der Krümmungsradius der gebildeten Kugelcalotte bestimmt 
worden ist. 

Bezeichnen 

h die Pfeilhöhe der Wölbung 
d den Durchmesser der Trommel, 
r den gesuchten Krümmungsradius, so hat man 


Fig. 5. h: £ = £ : 2 r—h 
P S -r= 
j 2 rh — h 1 
d? D 
| "az 


Es empfiehlt sich für einen be- 
stimmten oft benutzten Apparat eine 
einfache Tabelle zu berechnen oder eine 
Curve zu verzeichnen, welche für die 
verschiedenen Werthe von A unmittel- 
bar r abzulesen gestatten. 

Weit zuverlässiger freilich als 
beide angeführten Methoden ist die, 
einen kleinen Probeballon durch inneren 
Ueberdruck zu zersprengen. 

Auch hierbei ist zu beachten, dass 
die Materialbeanspruchung bei gleichem 
inneren Ueberdruck proportional den 

Lineardimensionen zunimmt, dass also z. B. von zwei aus gleichem Material 
hergestellten Ballons der eine bei 200 mm inneren Ueberdruck platzt, wäh- 
rend der andere 2000 mm noch eben aushält, wenn letzterer 1 m, ersterer 
dagegen 10 m Durchmesser besitzt. 

Wenn es nun auch möglich ist, mittels der Trommel unter dem Ein- 
fluss des sich gleichmässig vertheilenden inneren Ueberdruckes Material- 
beanspruchungen hervorzurufen, welche denen im Ballon ähnlich werden, so 


236 v. Biegsfeld: Das Ballon-Material. 


bietet doch die Beobachtung der bei einem bestimmten Ueberdruck eintreten- 
den Blasenbildung kein sicheres Kriterium für das Verhalten des Stoffes 
was die Gasdichtheit betrifft. 


Es muss zunächst bei den Prüfungen derjenige Moment beobachtet 
werden, in welchem die specifische Stoffspannung so gross ist, wie beim 
grossen Ballon im Falle der maximalen Anstrengung. Dieser Punkt tritt 
selbstverständlich weit eher ein, als der Stoff zerreisst. 


Wenn auch für den Grundstoff die erforderliche Sicherheit verlangt 
werden muss, so ist dies doch keineswegs erforderlich für die Gasdichtheit 
des Dichtungsmaterials und namentlich nicht, dass dasselbe noch dicht sein 
muss unter einem 10 bis 100 mal so grossen inneren Ueberdruck, wie er 
in Wirklichkeit in den äussersten Fällen im Ballon vorkommt. 


Es ist hiernach eine kritiklose Benutzung der Prüfungsergebnisse mit 
der Trommel geeignet, die Ausbildung des Ballonmaterials unter Umständen 
in eine falsche Bahn zu lenken. 

Es sollte vielmehr das Prüfungsverfahren mit der Trommel derart ein- 
gerichtet werden, dass auf den Stoff zwar die entsprechend grossen Kräfte 
wirken, nicht aber zugleich höhere Gasdrucke entstehen, als sie im Ballon 
vorkommen. Dies ist offenbar nicht anders möglich als dadurch, dass man 
die Luft oder das Gas nicht direkt den Druck auf den Ballonstoff ausüben 
lässt, sondern dass man die erforderlichen Kräfte hervorruft, indem man 
feste Körper an vielen nahe bei einander gelegenen Stellen jeweilig senk- 
recht gegen die Ballonwand drücken lässt. Am einfachsten geschieht dies, 
indem man unter den Stoff eine guillochirte Platte aus weichem Caoutchouc - 
drücken lässt. 

Die Caoutchouc-Platte ist miteingespannt und die comprimirte Luft 
bezw. das Druckwasser wirkt nur auf diese. Der Zwischenraum zwischen 





Zruck- Wasser 
gder Luft. 


der Platte oder besser den Kanälen in derselben und dem zu prüfenden 
Ballonstoff lässt sich nun leicht mit einem beliebigen Gase von beliebigem 
Drucke anfüllen. Auf diese Weise lassen sich also sehr annähernd die- 
jenigen Bedingungen herstellen, wie sie im Ballon selbst vorkommen. 


v. Siegsfeld: Das Ballon-Materlal. 287 


Die Messung des durch den Rallonstoff hindurch gegangenen Gas- 
volumens ist scheinbar einfach, wenn man nämlich die Diffusionserscheinungen 
ausser Acht lässt. Eine correcte Messung kann aber nur unter Berück- 
sichtigung der durch die Diffusion verarsachten Vorgänge stattfinden. 

Die einschlägigen Messungsverfahren sollen dementsprechend später 
eingehend behandelt werden. 

Die Messung der Festigkeit des Stoffes aus den Ergebnissen der 
Prüfung kleinerer Ballons, welche man unter inneren Ueberdruck setzt, 
bietet den Vortheil, dass man gleicher Zeit das Verhalten der Nähte 
kennen lernt. Was die Dichtheit des Stoffes betrifft, so kann man bei dieser 
Methode sehr leicht zu unzutreffenden Resultaten gelangen. 

Ein ähnliches Verfahren wie bei der Prüfungsweise mit der Trommel 
hier anzuwenden unter Benutzung eines elastischen Hilfskörpers erscheint 
aus vielen Gründen unzweckmässig. 


III. 


Die Prüfung eines Ballonstoffes auf die Leichtigkeit des Weiterreissens 
geschieht am einfachsten in folgender Weise. 

Man reisst einen Stoffstreifen ein, befestigt das eine Ende mit der 
Kante, welche zum Riss führt, in beliebiger Weise und bringt ein Dyna- 
mometer derart an, dass eine irgendwie hervorgerufene Zugspannung durch 
dasselbe sich auf die andere Kante, welche nach dem Riss führt, fortpflanzt. 
Die Angaben des Dynamometers im Augenblick des Weiterreissens liefern 
die erforderlichen Vergleichswerthe. 

Versuche nach dieser Richtung ergeben ganz überraschende Resultate. 
Ich halte diese Probe für eine der wichtigsten und überzeugendsten bezüglich 
der Brauchbarkeit und Sicherheit eines Ballonstoffes. 


IV. 
Messung der Diffusion des Gases durch den Ballonstoff. 


Die Bestimmung der Menge des Gases, welche in der Zeiteinheit durch 
die Einheit der Fläche eines Ballonstoffes diffundirt sowie die der in das 
Innere des Ballons eindringenden Luft erfordert noch Hülfsoperationen. 

Zunächst ist durch geeignete Versuchsanordnungen festzustellen, welcher 
Betrag den Undichtheiten des Stoffes zuzuschreiben ist. Diese können ver- 
ursacht werden durch Löcher oder durch capillare Kanäle. Das Hindurch- 
treten der Gase erfolgt proportional der Quadratwurzel aus der Druck- 
differenz sowie aus dem specifischen Gewicht. Das Hindurchströmen durch 
die capillaren Kanäle dagegen erfolgt proportional der Druckdifferenz und 
nahezu proportional der vierten Wurzel aus dem specifischen Gewicht. 

Da es nun möglich ist, dass beide Ursachen gleichzeitig die Undicht- 
heit des Stoffes hervorrufen, so ist es nicht ohne Weiteres zulässig, den 
Gasverlust, welcher der Undichtheit zuzuschreiben ist, aus einer Messung 


288 v: Siegsfold: Das Ballon-Material. 


herzuleiten, welche mit Luft angestellt wurde. Es ist vielmehr dafür Sorge 
zu tragen, dass an beiden Seiten des Stoffes dasselbe Gas sich befindet, dessen 
Diffusion ermittelt werden soll. 


Aus dem Gasverlust, welcher unter diesen Umständen bei verschiedenen 
inneren Ueberdrucken ermittelt wird, lässt sich leicht bestimmen, welcher 
Art die Undichtheiten des Materials sind. 


Sorgfältige Messungen dieser Art können sehr wichtige Andeutungen 
ergeben für eine technische Vervollkommnung des Materials. 


Sind für eine bestimmte Versuchsanordnung die Constanten der Un- 
dichtheit des zu untersuchenden Stoffstückes festgestellt, so kann die Er- 
mittlung der Diffusionsconstarten erfolgen. 


Es ist zunächst bei der Anwendung dieses Versuches zu beachten, 
dass an beiden Seiten des Stoffes das Gasgemisch möglichst das gleiche und 
stets homogen bleibt. 


Für die Aussenseite des Stoffes ist dies nicht schwierig, für die Innen- 
seite dagegen sind besondere Anordnungen zu treffen. 


Es ist eine dauernde Bewegung des Gases erforderlich, um die Ho- 
mogenität aufrecht zu erhalten. Dies geschieht wohl am einfachsten da- 
durch, dass man den Zwischenraum zwischen der Caoutchoucplatte und dem 
Ballonstoff vermittelst zweier oder mehrerer Leitungen mit einem Behälter 
in Verbindung setzt, und eine entsprechende Circulation des Gases hervor- 
ruft. Wenn nicht sehr starke Beanspruchungen des Stoffes bei den Ver- 
suchen nothwendig werden, so ist es am einfachsten, in den zu prüfenden 
Stoffen 2 Caoutchouc-Schläuche mit entsprechenden Fassungen einzuklemmen, 

Fig. 7. 





andernfalls müssen die Leitungen die Caoutchoucplatte und den Boden oder 
die Wand der Trommel durchsetzen, was natürlich constructiv nicht besonders 
bequem ist. Die Anordnungen sind aus nebenstehenden Skizzen zu ersehen 
(ef. Seite 236). 

Der ganze Charakter dieses Versuches bedingt die Anwendung von 
verhältnissmässig geringen Gasquantitäten. Es wäre ganz besonders vor- 
theilhaft, ein Verfahren zur Messung des specifischen Gewichtes der zu 
untersuchenden Gasmischung zur Anwendung zu bringen, welches gestattete, 


v. Siegsfeld: Das Ballon-Material. 239 


das bei der Messung selbst verwendete Gas ohne Verlust wieder zur Fort- 
setzung des Versuches verwenden zu können. 

Dies ist mit den bisher üblichen Methoden zur Messung des speci- 
fischen Gewichts eines Gases nicht möglich. Man wird daher die Art der 
Messung derart gestalten müssen, dass man das Gas in einen kleinen Ballon 
von ca. 10 bis 50 Liter Inhalt einführt, und diesem durch ein Netz aus 
feinem Drahtgeflecht ein ganz leichtes, leicht zu bestimmendes Volumen giebt. 

Der Ballon wird in dem seine Form behaltenden Netz aufgeblasen. 
Bei einem Ballon von 50 Liter Inhalt erhält man unter Benutzung einer 
Waage, welche fünf mg abzulesen gestattet, das specifische Gewicht des 
Gases auf ca. fünf Decimalen genau, was wolıl den weitgehendsten An- 
sprüchen genügen wird. 

Man kann auf diese Weise aus den Veränderungen des specifischen 
Gewichtes des zu beobachtenden Gases die gewünschten Schlüsse auf die 
diffundirten Quantitäten von Gas und Luft ziehen. 

Es muss aber, wie oben bereits bemerkt, der Einfluss der Undichtheit 
des Stoffes mit in Rechnung gezogen werden. (Fortsetzung folgt.) 


Dr. Wölfert. Si 
Von Karl Müllenhoff. 

Seit einer ganzen Reihe von Jahren sind die Arbeiten des Deutschen 
Vereins für Luftschiffahrt hauptsächlich der Erforschung der Atmosphäre 
gewidmet. Zahlreiche Ballonfahrten sind zumal in den letzten sieben Jahren 
veranstaltet, um die physikalischen Verhältnisse des Luftmeeres zu unter- 
suchen und die von Jahr zu Jahr wachsende Zahl der Mitglieder legt 
Zeugniss dafür ab, dass unsere Gesellschaft mit diesen ihren Bestrebungen 
auf dem rechten Wege ist, indem sie die Luftfahrten für die Zwecke der 
Meteorologie verwerthet. 

Nicht immer war die Thätigkeit unseres Vereines auf diese wissen- 
schaftlichen Aufgaben gerichtet. In den ersten Jahren seines Bestehens 
beschäftigte sich der Verein vorwiegend mit den Problemen der Flug- 
maschine und des lenkbaren Luftschiffes. Namentlich war es das Project 
Baumgarten-Wölfert, das den Hauptgegenstand der Verhandlungen in den 
ersten Vereinssitzungen bildete. Die Versuche, welche Baumgarten und 
Wölfert im Sommer 1881 mit lenkbaren Balluns veranstalteten, hatten die 
besondere Anregung zur Gründung des Deutschen Vereins zur Förderung 
der Luftschiffahrt gegeben. In dem ersten Mitgliederverzeichniss (s. diese 
Zeitschrift I. pag. 63) finden wir demgemäss auch Dr. Wölfert. Nach der 
am 31. August 1881 erfolgten Constituirung des Vereins wurde sodann am 
15. September 1881 in der ersten ordentlichen Sitzung der erste Vortrag 
von Dr. Wölfert gehalten; er sprach über die bisher bekannt gewordenen 


240 Müllenhoff: Dr, Wölfert. 


Versuche mit lenkbaren Luftschiffen und Flugmaschinen (s. diese Zeitschr. I, 
pag. 30). Dr. Wölfert gehörte auch der am 7. Januar 1882 gewählten 
ersten technischen Commission an (s. diese Zeitschrift I. pag. 32) und be- 
richtete in seiner Eigenschaft als Commissionsmitglied über das Butten- 
stedt’sche Luftschiffprojeet (s. diese Zeitschrift I., pag. 94). 

Diese anfangs sehr innigen Beziehungen Dr. Wölfert’s zu unserem 
Vereine lockerten sich allerdings, als die praktischen Versuche mit den 
Constructionen zu keinen brauchbaren Resultaten führten. Der in der 
Sitzung am 11. März 1882 gemachte Vorschlag, den Herren Baumgarten 
und Wölfert eine Beihülfe zur Ausbesserung ihres verunglückten Ballons 
zu gewähren, wurde abgelehnt; eine Sammlung, welche unter den Vereins- 
mitgliedern veranstaltet wurde, hatte keinen nennenswerthen Erfolg und 
Herr Dr. Wölfert trat aus dem Vereine aus. 

Seitdem hat er seinen Plan selbständig auszuführen gesucht und ist 
schliesslich am 12. Juni dieses Jahres zum Märtyrer seines Strebens 
geworden. 

Wenngleich Dr. Wölfert den meisten jetzigen Mitgliedern des Vereins 
nur von Hörensagen bekannt war, so fordert doch die Pflicht der Pietät, 
dass ein Rückblick auf sein Leben und Streben an dieser Stelle gegeben 
werde. 

Dr. Wöltert hatte ursprünglich Philologie und Theologie studirt, war 
dann aber Buchhändler geworden. Im Jahre 1879 leitete er, 28 Jahre 
alt, als Inhaber eine Verlagsbuchhandlung in der Lindenstrasse in Leipzig 
und war ausserdem Hausbesitzer; er erfreute sich durchaus günstiger Ver- 
mögensverhältnisse. Da wurde er durch Baumgarten angeregt, sich der 
Aeronautik zu widmen. 

Im Jahre 1879 hatte Baumgarten, der königlich sächsischer Ober- 
förster war, einen Entwurf zu einem Luftschiff veröffentlicht, das bei 60 m 
Länge einen Durchmesser von 30 m haben sollte (s. diese Zeitschrift VII. 
pag. 100). Da die beschränkten Geldmittel Baumgartens ihm die Con- 
struction im Grossen nicht gestatteten, so erbaute der Erfinder in fast 
fünffach kleinerem Massstabe ein Modell und stellte mit ihm Versuche an. 
Das Modell war 12,5 m lang, 3,75 m hoch und breit. Das Gestell des 
Aerostaten trug zwei Wendeflügelpaare von 2 m Durchmesser, die durch 
zwei Federn von je 0,1 Pferdekraft bewegt wurden, sowie ein Steuerruder. 
Um das Fahrzeug, dessen Ballon mit Wasserstoffgas gefüllt war, in ge- 
ringer Höhe über dem Erdboden in das Gleichgewicht mit der umgebenden 
Luft zu bringen, war am Gestell ein Compensationsseil befestigt. 

Die Versuche mit diesem Modell wurden im Juli 1879 in Grüna bei 
Chemnitz angestellt und zwar bei windstillem Wetter. Die Versuche er- 
gaben, dass in der That bei sehr ruhiger Luft das Fahrzeug seine Lage 
nach jeder beliebigen Richtung verschieben konnte. Es fuhr selbst „mit 
ziemlicher Geschwindigkeit“ der Windströmung entgegen. Bei der von 


Müllenhoff: Dr. Wölfert. 341 


Baumgarten gegebenen Beschreibung der Versuche (s. diese Zeitschrift I. 
pag. 145) vermisst man leider Angaben sowohl über die Schnelligkeit der 
Eigenbewegung des Luftschiffes wie über die Geschwindigkeit der Wind- 
strömung. Auch sonst sind die Angaben Baumgartens keineswegs un- 
anfechtbar und sie wurden daher mit Recht von Kretzschmar und Hänlein 
kritisirt (s. d. Zeitschrift I. pag. 220 und 274). 

Bereits bei diesen ersten Versuchen Baumgartens im Juli 1879 tritt 
Dr. Wölfert als Theilnehmer hervor; beide waren mit dem erreichten Re- 
sultate durchaus zufrieden und haben nun bis zum Jahre 1882 gemeinsam 
weitere Versuche mit grösseren Luftschiffen gemacht. Die Berichteeüber 
die Versuche lassen erkennen, dass eine horizontale Geschwindigkeit von 
mehr als 1 m Geschwindigkeit nicht erreicht wurde; es wurde also nur 
ein recht kümmerliches Ergebniss erzielt. Und dazu traten zweimal sogar 
noch gefährliche Unglücksfälle. 

Am 29. März 1880 sollte der mit drei Gondeln ausgestattete Ballon 
mit drei Luftschiffern emporsteigen (Abbildung s. Mödebeck Handbuch der 
Luftschiffahrt I. pag. 129 Fig. 30 u. 31); jede der Gondeln sollte einen 
Mann aufnehmen. Durch ein Missverständniss wurde aber der Ballon be- 
reits losgelassen, als Baumgarten die hintere Gondel bestieg, während die 
anderen beiden Gondeln, die mittlere und die vordere, unbemannt waren. 
In Folge der ungleichmässigen Belastung richtete sich das Fahrzeug mit 
seiner Längsachse auf, das Gas zerriss an der Spitze des Ballons die Hülle, 
und der Aerostat stürzte aus einer Höhe von 50 m zu Boden. Der Fall- 
schirmwirkung der schlaffen Ballonhülle hatte es Baumgarten zu danken, 
dass er keine Verletzungen erlitt (s. diese Zeitschr. I. p. 287). 

Auch bei der unglücklichen Auffahrt, welche am 5. März 1882 in der 
Flora zu Charlottenburg stattfand, kam Baumgarten ohne Verletzung davon 
(s. diese Zeitschr. I. p. 147). 


Trotzdem alle diese Vorkommnisse nicht gerade sehr ermuthigend 
sein konnten, so liess sich doch Dr. Wölfert nicht abschrecken, sondern 
verfolgte seinen einmal gefassten Plan auch dann noch weiter, als Baum- 
garten im Jahre 1883 in der Irrenanstalt zu Colditz gestorben war. Er 
stieg an den verschiedensten Orten (Berlin, Augsburg, Cannstatt, Ulm, 
London, Wien und zahlreichen andern) auf. Seine Buchhandlung gab er 
auf, opferte sein Vermögen für Verbesserungen und Versuche und erduldete 
Mangel und mancherlei Missgeschick in der Erwartung, dass es ihm ge- 
lingen würde, die Durchführbarkeit seiner Idee durch den Erfolg zu beweisen. 


Trotz der Ausdauer, mit der Dr. Wölfert seine Experimente betrieb, 
waren alle diese Bemühungen doch absolut fruchtlos. Ja, eine genauere 
Prüfung der von Wölfert aufgestellten Constructionsprincipien lässt sogar 
ganz zweifellos erkennen, dass sie in keiner einzigen Beziehung einen Fort- 
Schritt gegen die Arbeiten seiner Vorgänger aufweisen, 


949 Müllenhoff: Dr. Wölfert. 


Die von Wölfert gewählte ellipsoidische Form des Ballons war bereits 
im Jahre 1784 durch Meusnier angewendet und ist weit weniger günstig 
als die von Giffard 1855 angewandte Spindelgestalt. 

Die starre Verbindung zwischen Ballon und Gondel, die Wölfert als 
seine Erfindung betrachtete, war bereits 1870 durch Hänlein in Vorschlag 
gebracht; sie wurde in weit vollkommenerer Weise im Jahre 1884 durch 
Renard und Krebs in Anwendung gebracht. 

Die Anwendung einer besonderen Hubschraube war auch keine Er- 
findung Wölfert’s; es wurde bereits im Jahre 1865 von Hänlein ein Patent 
auf dieselbe genommen. 

Unter diesen Umständen war es durchaus willkürlich und unberechtigt, 
dass Wölfert die Behauptung aufstellte, „dass die Construction des lenk- 
baren Luftschiffes von Renard und Krebs genau diejenige des Baumgarten- 
Wölfert’schen Luftschiffes und derselben unbefugter Weise nachgeahmt 
sei“ (s. diese Zeitschr. III. pag. 347). Dass Dr. Wölfert mit derartigen 
Ansprüchen hervortrat, erklärt sich daraus, dass er eben nicht über das 
erforderliche technische und physikalische Wissen verfügte, das nothwendig 
ist für die Aufstellung brauchbarer Projecte und für die Beurtheilung der 
angestellten Versuche. 

Durch nichts zeigte sich der Mangel an theoretischen Kenntnissen 
deutlicher als durch die Art, wie er die Propellerschraube in Gang setzen 
wollte. Nach dem ersten Entwurfe sollten für diesen Zweck Menschen, 
kräfte verwendet werden!! Erst nach den Versuchen von Renard und 
Krebs verfiel er auf die Anwendung wirksamerer Kıaftmaschinen und ex- 
perimentirte mit Daimler’schen Benzinmotoren von 3, von 5 und schliess- 
lich sogar von 8 Pferdekräften. 

Bereits während der Berliner Gewerbeausstellung im Sommer 1896 
wollte Dr. Wölfert mit seinem Luftschiff „Deutschland“, wie er ankündigte, 
wöchentlich zwei bis drei Aufstiege unternehmen. Doch gelang es ihm 
nicht „das zur Füllung des 875 Kubikmeter fassenden Ballons erforderliche 
reine Wasserstoffgas zu erhalten.“ Nur am 28. und 29. August fanden 
Fahrten statt; der Ballon war so langsam gefüllt, dass das Weasserstoffgas 
stark verunreinigt war; hierdurch war die Tragkraft so bedeutend ver- 
mindert, dass Wölfert selbst nicht aufsteigen konnte. Ein Monteur Wirsum, 
der ein um 30 Kilo geringeres Körpergewicht hatte, trat in die Gondel 
und setzte den Motor in Bewegung. Nach den Schätzungen Dr. Wölfert’s 
betrug die dabei erreichte Geschwindigkeit gegen die ruhende Luft etwa 
8—8,5 m pro Secunde. 

Erst nach Schluss der Ausstellung ae es Dr. Wölfert, einen opfer- 
bereiten Gönner zu finden, der ihm durch eine Summe von 50000 Mark 
die Foıtsetzung der Experimente ermöglichte. Die königliche Luftschiffer- 
Abtheilung übernahm gegen eine entsprecherde Bezalılung die Füllung des 
Ballons und so fanden denn bereits im Mai und Juni fünf Aufstiege des 


Müllenhoff: Dr. Wölfert. 243 


Wölfertschen Ballons auf dem Hofe der Luftschifferkaserne statt. Bei 
diesen Versuchen war Alles nach Wunsch gelungen und es wurde daher 
zu einer neuen Auffahrt eine ganze Anzalıl hervorragender Interessenten 
geladen; Dr. Wölfert wollte durch diesen seinen letzten Versuch die Brauch- 
barkeit seiner Construction beweisen. „Dieses ist meine letzte Fahrt. Ent- 
weder sie glückt, oder ich bin ein todter Mann.“ So sprach er wenige 
Minuten vor der Auffahrt am 12. Juni 1897. 

Kurz vor 7 Uhr Abends waren die letzten Vorbereitungen zur Auf- 
fahrt getroffen und Dr. Wölfert nahm mit seinem Begleiter, dem Mecha- 
niker Knabe, zusammen in der Gondel Platz. Der Benzinmotor wurde in 
Bewegung gesetzt, indessen functionirte er unregelmässig. Zeitweise schlugen 
fusshohe Flammen aus dem Motor, so dass die Gefahr der Entzündung des 
Ballons nahe lag. Punkt sieben Uhr erfolgte der Aufstieg; das Steuer 
war dabei schadhaft geworden. Der Ballon stieg bis auf etwa 1000 m 
Höhe und drehte sich zuletzt mit der Spitze gegen den Wind, es schien, 
als sollte, dem ursprünglichen Plane entsprechend, die Rückfahrt zur Ab- 
flugstelle angetreten werden. Plötzlich entwickelte sich vom Motor aus 
eine Flamme, die am Ballon hinauflief: im nächsten Augenblick explodirte 
der Ballon mit dumpfem Knall und die Gondel sank brennend zur Erde 
nieder. Unter den wenigen, rasch gelöschten brennenden Resten des Ballons 
lagen die fast unkenntlichen, furchtbar entstellten Leichen der beiden Gondel- 
Insassen. 

Es sind somit Wölfert und sein Begleiter Knabe fast genau in der- 
selben Art verunglückt, wie Pilätre de Rozier und sein Begleiter Romain. 
Diese waren am 15. Juni 1785 mit einem Ballon aufgestiegen, der eine 
unglückliche und gefährliche Verbindung von Montgolfiere und Charliere 
war; vergeblich hatte Charles gewarnt: „Freund! Sie hängen ein Pulver- 
fass über Feuer.“ Pilätre de Rozier beharrte bei seinem tollkühnen Plane 
und verwandte unter einem mit Wasserstoff gefüllten Ballon eine offene 
Flamme. Eine ganz ähnliche waghalsige Construction hat auch Dr. Wölfert 
und seinem Begleiter das Leben gekostet. 





Kleinere Mittheilungen. 


Zu A. Samuelsons: „Fischschwanz und Flügeischüttein.“ Herr Samuelson hat im 
Juli/August-Heft eine Abhandlung] und eine; Erwiderung veröffentlicht, welche 
den Zweck haben, darzuthun, dass das Gesetz Fv? genügt zur Erklärung der Er- 
scheinungen des Flügelschlags. 

Den Inhalt seiner Erwiderung, welcher in einem persönlichen Ausfall gipfelt, 
der mich lediglich erheitern kann, ignorire ich und beschäftige mich im Nach. 
stehenden lediglich mit dem Sachlichen seiner Abhandlung, welche mir sehr will- 
kommen ist, da sie mir Gelegenheit zur Discussion giebt, aus welcher allein die 
Wahrheit eich herausschälen kann, 


244 Kleinere Mittheilungen. 


Herr Samuelson hat aus der beobachteten mittleren Geschwindigkeit des 
Vogelflügelschlags — eine andere ist nicht bekannt — ein Diagramm construirt, in 
welchem die Aenderung dieser Geschwindigkeit in ganz willkürlicher Weise er- 
folgt. Er drängt nämlich den Anstieg und das Fallen dieser Geschwindigkeit in 
einen Bruchtheil der zum Flügelniederschlag erforderlichen Zeit zusammen und 
lässt sie dementsprechend unnatürlich hoch worden — bis auf das 6fache der 
mittleren steigen. Dadurch wird nun wohl ein starkes Wachsthum des Druckes in 
einem kleinen Bruchtheil der Zeit erzeugt, aber die Stetigkeit geht dabei verloren, 


Man ersieht aus der vom Verfasser gegebenen Tabelle, dass der eigentliche 
praktisch nur in Frage kommende Widerstand des Vogelflügels (die Ordinate 14, 
15 u. 16) nur in je der Niederschlagzeit entsteht und dass er sogar nur 1/15—!/i6 
der ganzen Schwingungsdauer T andauert (wenn man von den relativ kleinen Zahlen 
absieht). Der Flügel könnte darnach auch nicht mehr einigermassen stetig tragen, 
er bekäme vielmehr nur in einem Zeittheil einen plötzlichen Stoss, um dann 14—15 
Zeittheile hindurch theils von verschwindend kleinen Kräften gestützt, theils von 
grösseren Kräften (beim Aufschlagen des Flügels) niedergedrückt zu werden. Dies 
Alles exclusive der Schwerewirkung, welche besonders in Betracht kommt. 

Um die Zulässigkeit dieser Darstellung noch weiter zu prüfen, ist auch in 
Betracht zu ziehen, dass die Aluskelkraft des Vogels beschränkt ist und wenn die 
Flügelgeschwindigkeit auf das 6fache der mittleren steigen soll, die 6?fache Ener- 
gie nöthig ist und weil dies unter bewandten Umständen auch fast in !/, der Zeit 
geschehen muss, der 6?fache Effect der Muskelmaschine nöthig ist. 


Und diesen Aufwand soll der Muskel plötzlich inmitten der Flügelbahn machen 
um die erzielte Geschwindigkeit sofort wieder zu vernichten d. h. in Wärme zu 
verwandeln, denn eine mechanische Ausnutzung ist nicht abzusehen — und den 
Rest seiner Bahn sozusagen leer zu laufen. 

Ich betrachte diese willkürliche Darstellung des Bewegungsvorganges als 
einen in keiner Weise zu rechtfertigenden Excess, welcher sowohl durch den Augen- 
schein, als durch die Marey'schen Momentbilder widerlegt wird. 

Hier darf doch keine ungezügelte Phantasie walten, welche sich um alle 
anderen Verhältnisse gar nicht kümmert, und eine im höchsten Grade unökono- 
mische Procedur aufstellen, welcho allen Erfahrungen direkt zuwiderläuft, 


Ist dies nicht ein ungehöriger Gebrauch der Mathematik, ja geradezu ein 
Missbrauch derselben? 

Warum hat der Autor nicht die Geschwindigkeit auf das 100 oder 1000fache 
der mittleren wachsen lassen? Er hätte ja damit noch entsprechend mehr erreichen 
können? Wohl nur aus dem Gefühle, dass er mit den gemachten Annahmen bereits 
über die Grenzen des Zulässigen hinausgegangen war. 

Bevor ich nun auf die von dem Autor erlangten Ergebnisse seiner Rechnung 
eingehe, möchte ich zur Erzielung einer kürzeren und präciseren Ausdrucksweise, 
welche zur klaren Einsicht wesentlich beiträgt, festsetzen, daag ich die Summe der 
Geschwindigkeitsquadrate, welche hier die Summe der Produkte aus Kraft und Zeit 
also die Gesammtwirkung während einer Bewegungsperiode ausdrücken — nach 
dem Vorgange von Strassner und v. Parseval bezeichne, nämlich die Gesammt- 
wirkung des Flüselniederschlags mit „Hebefeld.* Die umgekehrte Wirkung beim 
Flügelaufschlage, welche Wirkung nach dem Gesetze Fr? unzweifelhatt berechnet 
und auch vom Autor berechnet worden ist, bezeichne ich mit „Senkefeld.“ Die 
Wirkung der Schwere wie üblich mit „Schwerefeld“. 

Die Gesammtwirkung der Fischschwanzschlagperioden wird zweckwmässig mit 
„Vortriebfelb* und „Rücktrieb* zu bezeichnen sein, 


Kleinere Mittheilungen 245 


Zunächst habe ich nun zu constatiren, dass der Autor beim Fische das „Vor- 
triebfeld“ in diejenige Periode der Bewegung des Schwanzes construirt hat, in wel- 
cher die grosse Geschwindigkeit besteht (wie dass ja nach dem Gesetze Fv? 
sicher logisch richtig ist). 

Dieser Vorgang ist nun merkwürdiger Weise in Parallele gestellt mit dem 
Flügelniederschlag, in welchem gerade die kleinere beobachtete (mittlere) Ge- 
schwindigkeit besteht. 


Das was also beim Vogeldiagramm durch Aufstellung höchst unwahrschein- 
licher — ja geradezu ersichtlich falscher — Bewegungsvorgänge erreicht werden: 
soll, zerstört der Autor — wahrscheinlich unbewusst — durch sein Fischdiagramm. 


In letzterem beweist er das, was jeder nach dem Gesetze Fv? erwarten muss, 
nämlich, dass der raschen Bewegungsperiode der Vortrieb entspricht. Beim Vogel 
soll es aber umgekehrt sein, derselbe soll beim raschen Flügelheben den kleineren. 
Druck erzeugen. 

Aber mit allen diesen Gründen ist mein Einwand nicht erschöpft. 


Selbst wenn man die vom Autor erhaltenen Rechnungsresultate annehmen 
könnte, so wäre doch damit nur ein Ueberschuss des Hebeteldes über das Senke- 
feld erwiesen. Es ist aber zum Fluge nöthig, dass dieser Ueberschuss- 
mindestens gleich dem Schwerefeld ist. 


Die Frage ist also, ob diese Bedingung zutrifft, resp. durch das Gesetz Fv? 
als erfüllt sich berechnen lässt. 

Dagegen genügt es in keiner Weise bloss das Verhältniss zwischen Hebefeld 
und Senkefeld zu berechnen, wie der Autor dies gethan hat. 

Hier möchte ich nun constatiren, dass auch ein so gediegenes Werk, wie 
v.Parseval’s „Mechanik des Vogelflugs,* es vermieden hat, dass Senkefeld überhaupt 
zu berechnen oder auch nur das nach Fv? berechnete Hebefeld mit dem Senkefeld 
in Zahlen zu vergleichen. Warum? Als Antwort kann ich nur die Vermuthung aus- 
sprechen, dass dies geschehen ist, um das Ungenügende des Gesetzes Fw? nicht zw 
grell zu belauchten. Denn etwas Anderes hatte man doch nicht. Dagegen muss 
man Herrn v. Parseval zugestehn, dass er sich dessen voll bewusst war und dieser 
Erkenntniss mehrfach deutlichen Ausdruck gegeben hat. Er gab eben, was er da- 
mals geben konnte. 

Also mein Haupteinwand geht dahin, dass das nach dem Gesetze Fv? be: 
rechnete Hebefeld — umsomehr Hebefeld minus Jenkefeld — lange 
nicht: so gross ist, als. das Schwerefeld, was ich in dem angegriffenen Ar- 
tikel bereits mit andern Worten ausgeführt habe. 

Eben deshalb sah sich auch Lilienthal genöthigt, nach Vergrösserung des 
Kraftfactors zu suchen und fand sie empirisch in den „Schlagbewegungen.“ 

Er gibt ein Wachsthum des Widerstandes auf das 9fache an (bei Versuchen 
mit einem kleinen Apparat), obgleich der Anwachs der Geschwindigkeit seiner Ver- 
suchsschlagflügel nicht auf das Doppelte der mittleren steigen kounte, nach der 
Arbeit seines Mechanismus, nämlich nur auf t = 1,57. Dieser so vergrösserte 
Widerstand lässt sich ersichtlichermassen aueh nicht nach Fv? berechnen, sondern 
muss eine anderweite Ursache haben. Wenn ich nicht vor Jahren auch einmal selbst 
einen Raben gewogen, gemessen und berechnet hätte und mich, ohne die Literatur 
zu kennen, durch eigne Rechnung von der Unzulänglichkeit von Fv? überzeugt 
hätte, so hätte ich mich wohl nicht auf die Suche nach der unbekannten Wider- 
standsquelle gemacht. Ich bin dann später durch die Literatur in meiner Ueber- 
zeugung nur bestärkt worden, 


246 Kleinere Mittheilungen. 


Ueberhaupt wird es doch einleuchten, dass ohne die feste Ueberzeugung von 
der Unzulänglichkeit des Gesetzes Fv? niemand daran denken würde, nach etwas 
Anderem zu suchen. 

Schliesslich wäre noch festzustellen, wie gross sich z. B. nach den Lilienthal- 
schen Berechnungen bei einer Taube die Zahlen stellen würden, wenn die Samuelson- 
sche Bewegung des Flügels möglich wäre. Nach Lilienthal’s Zahlen würde sich das 
Hebefeld zu La des Senkefeldes berechnen. Nimmt man nach Samuelson dann auch 
das 6fache an (dies ist das theoretische Maximum, welches nach seinem Diagramm 
nicht erreicht werden kann), so bliebe das Senkefeld davon abzuziehen, was rund die 
Hälfte ausmachen würde, also bliebe ®/,, der wirklich nöthigen Flügelleistung übrig. 

Also reicht die Annahme des Geschwindigkeitsanwachses auf das 6fache der 
mittleren noch lange nicht aus, eine Erklärung der Erscheinungen nach Fv? zu geben 
und die Widerstandsquelle Fv? bleibt auch trotz so excessiver Annahmen immer 
noch viel zu niedrig. 

Fragt man schliesslich, was einige Aviatiker antreibt, die Anwendbarkeit des 
Gesetzes Fv? auf den Flügelschlag um jeden Preis zu vertheidigen, so weiss ich nur 
die Antwort, dass dieselben keine andere Möglichkeit der Erklärung sehen und 
deshalb eine noch so laute Sprache der Natur und der Experimente nicht beachten. 

Kreuznach, den 18. October 1897. Emil Jacob. 


Literarische Besprechungen. 
james Moans, The aeronautical annual. Boston 1897. 


Der Herausgeber dieses jetzt zum dritten Male erscheinenden Jahrbuchs (8. 
diese Zeitschrift XV, p.26 u.126) hatte im vorigen Jahre den Wunsch ausgesprochen, 
es möchten sich recht Viele mit praktischen Versuchen über die Flugtechnik be- 
schäftigen. In der That ist auch in dem letzten Jahre eine grössere Anzahl von 
Experimenten angestellt worden, als je vorher. Das Ergebniss dieser Versuche war, 
nach Means’ Ausdruck, dass „man der vollständigen Lösung des Problems um einen 
grösseren Schritt näher gakommen ist, als in irgend einem früheren Jahre.* Man 
habe jetzt über die Methode der wichtigaten Specialaufgaben Klarheit gewonnen; eg 
könnten jetzt mit grosser Aussicht auf Erfolg die sämmtlichen Einzelarbeiten von 
verschiedenen Seiten und von zahlreichen Experimentatoren gleichzeitig in Angriff 
genommen werden. — Das Jalırbuch giebt über diese Arbeiten in ergiebigster Weise 
Nachricht. 

Die flugtechnischen Arbeiten der letzten Jahre bewegen sich hauptsächlich 
in drei verschiedenen, aber auf dasselbe Ziel zuführenden Richtungen, nämlich die 
Entwickelung der Flugmaschine, die Versuche über den Segelflug und die Ver- 
besserung des Motors. 
| Beiträge zur Entwickelung der Flugmaschine werden gegeben durch die 
Darstellung der Versuche Langley’s. Das Jahrbuch bringt eine kurze Biographie 
Langley's, sowie einen von Langley selbst gegebenen Bericht über seine jetzt 
bereits 10 Jahre hindurch fortgesetzten vielfachen praktischen Versuche. Sodann 
werden speciell die Experimente des Jahres 1896 in Zeichnungen und Berichten 
dargestellt. 

Bis zum Jahre 1895 hatte Langley nur geringen Erfolg bei den Versuchen 
mit seinen Flugmaschinen und es schien bereits, als wenn nur wenig Aussicht auf 
bedeutende Fortschritte vorhanden wäre. Da kam schliesslich zu einer Zeit, wo die 
Hoffnung schon sehr gesunken war, das Gelingen. 

Die ersten erfolgreichen Versuche mit der Langley’schen Flugmaschine, dem 
Aërodrom No. 5, fanden im Mai 1896 statt. Der Aörodrom ist ein von zwei Schrauben 


Literarische Besprechungen. 247 


getriebener Drachenflieger mit 4 Flügeln. Er wiegt inclusive des Treibapparates 
mebst allem Zubehör etwa 15 Kilo und klaftert 4 Meter. Der Antrieb nach vorn 
und zugleich die Hebung wird durch Luftschrauben von 1 Meter Durchmesser be- 
wirkt. Eine mit Naphtha gespeiste Gebläselampe, ähnlich der bei Klempnern üb- 
lichen, lieferte die Wärme. Ein kleiner Schlangenrohrkessel aus Kupfer diente zur 
Dampfentwickelung. 


Diese Flugmaschine fuhr von einer Plattform, 6 Meter über der Wasserfläche 
des Potomac ab; sie flog zunächst direct gegen den Wind, beschrieb dann einige 
Kreise von etwa hundert Meter Durchmesser und stieg dabei stetig empor, bis 
nach 11/, Minuten der Dampf erschöpft war. Als die Schraube stillstand, war eine 
Höhe von etwa 80 Metern erreicht und die Maschine senkte sich nun langsam und 
ruhig und erreichte das Wasser ohne den geringsten Stoss. Ganz ähnlich war das 
Ergebnis des zweiten Versuches; auch bei ihm betrug die Flugzeit 11/, Minuten 
und die Gesammtlänge der durchlaufenen Strecke wurde. auf 1000 Meter geschätzt. 
Ein im November desselben Jahres mit dem Aörodrom No. 6 angestelltes Experiment 
ergab bei einer Flugdauer von Ui, Minuten eine durchlaufene Strecke von 
1200 Metern. 


Die Versuche über den dynamischen Flug füllen nur etwa 20 Seiten; ein 
fünfmal so grosser Raum ist dem Segelfiuge gewidmet. Chanute berichtet über 
seine sehr zahlreichen Experimente. Er arbeitete in Gemeinschaft mit Herring und 
zwei anderen Genossen. Zunächst wurde mit dem Lilienthal'schen Flugapparate 
experimentirt; nachdem eich dieser als gar zu gefährlich erwiesen hatte, wurde ein 
von Chanute selbst construirter Flugapparat, aus 6 übereinander stehenden Flächen- 
paaren bestehend, benutzt und über 100 Flüge mit demselben ausgeführt. Die 
12 Flugflächen dieses Apparaten waren beweglich; sie regulirten ihre Stellung 
‚automatisch d. h. durch den blossen Winddruck und wirkten derart, dass ihr be- 
weglicher Druckmittelpunkt stets über dem Schwerpunkte lag. Es war dadurch 
eine weit grössere Sicherheit bei den Flugversuchen ermöglicht, als sie der Lilien- 
thal’sche Apparat zuliess, bei welchem der Experimentator seinen Körper während 
des Fluges stets derartig bewegen musste, dass der Schwerpunkt unter dem Druck- 
mittelpunkte der Flügel blieb. | 

Die Vorrichtung wurde im Laufe der Versuche mehrfach umgeändert, zumal 
‘wurde die Zahl der übereinander liegenden Flächen verringert. Von zwölf Flächen, 
die ursprünglich verwendet waren, ging man auf 6 und schliesslich sogar auf 4 
herab. Und gerade die letzteren, aus zwei Flächenpaaren bestehenden Apparate, 
die Zweidecker, wie sie Herring kurz und treffend nennt, haben sich bei sehr zahl- 
reichen Flügen immer wieder bewährt. 

Im Ganzen wurden mit den Chanute schen Apparaten über 300 Flugversuche 
gemacht, die durchweg glücklich verliefen und eine schöne Fortsetzung der von 
Lilienthal begonnenen Arbeiten darstellen. 

Sowohl Chanute wie auch Herring kommen bei der Besprechung ihrer Versuche 
‘wiederholt auf die Lilienthal’schen Apparate und ihre Anwendungen zu sprechen 
und äussern sich stets anerkennend über die Bestrebungen und Leistungen des deut- 
schen Bahnbrechers. Welch hohes Ansehen demselben auch in Amerika zu Theil 
wird, erkennt man daraus, dass von den 14 Aufsätzen des Aeronautical annual sich 
4 speciell. mit den Arbeiten Lilienthals beschäftigen. Means bringt nämlich in 
Vebersetzungen die in unserem Verein gehaltene Gedächtnissrede „zur Erinnerung 
an Lilienthal“ (diese Zeitschrift XV, Heft 12), die Schilderung der Versuche bei 
Rhinow (diese Zeitschrift XIV, Heft 8), die Erörterung über die besten Flügel- 
formen (diese Zeitschrift XIV, Heft 10) und den prächtigen Aufsatz: Unsere Lehr. 
meister im Schwebefluge (Prometheus VII, pag. 55). Karl Müllenhoff. 


248 Literarische Besprechungen. — Berichtigung. 


G. Le Cadet. Sur la variation de l'état électrique de bautes regions de l'at- 
mosphere, par beau temps. Comptes rendus 124, 761—762. 1897. 


Der Herr Verfasser, welcher bereits im Jahre 1898 gelegentlich zweier Luft- 
fahrten die Vertheilung der atmosphärischen Elektricität studirte, hat am 24. März d. J. 
von Lyon aus unter Führung des Herrn A. Boulade eine neue Fahrt unternommen,,. 
hauptsächlich zwecks Erprobung eines neuen Collectors (Ansammlungsapparates) 
der Elektricität. An Stelle des bisher üblichen Wassercollectors wurde ein mit 
Bleinitrat getränkter Docht (mèche) benutzt, der mit Hülfe eines geeigneten Feuer- 
zeugs (briquet convenable) entzündet und dann glimmend an einem Messingdraht 
vom Korbe herabgelassen wurde. Das benutzte Feuerzeug wird nicht genauer ge- 
schildert, war aber auf Grund ausführlicher Versuche derartig ausgewählt, dass: 
das im Korbe vorgenommene Anzünden keinerlei Gefahr für den Ballon bildete. 
Zwei solche Apparate waren in mindestens 80 m Abstand unter dem Korb und mit 
einem Höhenunterschied von bm angebracht, und die Messingdrähte, durch Schwefel- 
stücke isolirt, zu einem Elektrometer geführt. Die ganze Vorrichtung wog nur 2 kg. 
(Der Referent bemerkt hierzu, dass die sonst mitgeführten Wassermassen kein 
todtes Gewicht bildeten, sondern als Ballast verbraucht wurden und die Mitnahme 
eines gleich grossen Gewichtes an Sand entbehrlich machten.) Durch einen Unfall 
an einem der Drähte wurde der Anfang der Beobachtungen verzögert und fand. 
erst in beträchtlicher Höhe statt. Die gewonnenen Zahlen sind: 


Zeit Höhe Potentialgefälle 
1p 12° 1680 Meter + 28 Voltmeter 

1P 15° 1700 , + 82 2 

Ip 17° 1780 „ + 80 i 

1P 19° 1810 , + 8i , 

1P 20° 1850 „ + 82 = 

ip 22° 1880 „ + 29 n 

1p 28° 1900 „ —+ 80 5 

1p 40° 22000 „ + 80 z 

Ip 61’ 2300 , + 29 e 


Bei der Abfahrt um 11a wurde gemessen: 
Am Observatorium in 800 m Höhe: 156 Voltmeter. 
An der Gasanstalt „ 175 „ „226 S 
Der Mittelwerth während der Fahrt betrug am Observatorium + 118 Voltmeter: 
Herr Le Cadet schliesst hieraus, das jedenfalls das Potentialgefälle ober- 
halb 1500 m kleiner ist, als am Boden, und bestätigt damit das Ergebniss seiner- 
früheren Fahrten sowie derjenigen, welche von Berlin aus zur Ergründung luft-- 
elektrischer Verhältnisse unternommen wurden. R. B. 


Berichtigung. 


In dem Artikel des Hrn. Dr. Jacob „Das Gesetz des elastischen Widerstandes* 
in Heft 7/8 d. J. sind leider die nachfolgenden theilweise sinnstörenden Druck-- 
tehler steheı. geblieben, die hiermit berichtigt werden. 

anstatt: soll es heissen: 


Seite 200, Zeile 15 v. oben Ava Fva. 
sw A, , BS auch auf. 
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` Tice für Lnftachifahrt und Physik der Atmosphäre, 1897. Heft 10. 249 


Professor Dr. Leonhard Sohncke f. 


Der erste Vorsitzende des „Münchener Vereines für Luftschiffahrt“, 
der weitbekannte Gelehrte und unermüdlich thätige Forscher Leonhard 
Sobhncke ist vor kurzem aus dem Leben geschieden. Dic vielfachen 
Berührungspunkte, welche der Deutsche Verein zur Förderung der Luft- 
schiffahrt mit dem Verblichenen gehabt, sowie der ausserordentliche Eifer, 
mit welchem sich dieser den Angelegenheiten des „Münchener Vereines für 
Luftschiffahrt“ von seiner Gründung an gewidmet hat, lassen es uns als 
Pflicht erscheinen, dem Andenken des allzufrüh aus seiner Thätigkeit Ab- 
berufenen einige ehrende Worte zu widmen. 

Leonhard Sohncke wurde 1842 in Halle a. d. Saale geboren, promovirte 
ebendort im Jahre 1866 und wurde bald darauf Lehrer am Friedrichs- 
Gymnasium in Königsberg. Nachdem er sich 1869 an der Albertus-Uni- 
versität habilitirt hatte, wurde er 1871 als Professor an das Polytechni- 
cum in Karlsruhe berufen, wo er zugleich die Leitung der Meteorologischen 
Centralstelle übernahm. 1883 erhielt er die ordentliche Professur für Physik 
in Jena und nahm 1887 die Professur an der technischen Hochschule in 
München und das Directorat des physikalischen Ikaboratoriums an derselben 
an. Bald darauf wurde er zum Mitgliede der k. bayerischen Akademie der 
Wissenschaften ernannt. Als in München am 21. November 1889 der 
„Münchener Verein für Luftschiffahrt“ gegründet wurde, wählte man Sohncke 
zu dessen erstem Vorsitzenden, ein Amt, welches er bis zu seinem Tode un- 
unterbrochen innegehabt und mit dem grössten Eifer und der grössten Hin- 
gebung verwaltet hat. Unter seiner kraftvollen und unermüdlichen Leitung 
hat sich der genannte Verein in ganz ausserordentlicher Weise entwickelt, 
was wir aus vollem Herzen anerkennen, obwohl ernste Trübungen in den 
Beziehungen desselben zu unserem Vereine zu unserem Bedauern zu einer 
Entfremdung geführt haben. In dem hierüber gepflogenen Briefwechsel ver- 
trat Sohncke in der ihm eigenen energischen Weise die Anschauungen und 
den Standpunkt seines Vereines, welche nicht immer im Einklang mit den 
unserigen standen. | 

Die wissenschaftliche Thätigkeit Sohncke’s auf dem Gebiete der Mathe- 
matik, theoretischen und experimentellen Physik, plıysikalischen Chemie und 
Kıystallographie, wobei er sich mehrfach mit dem berühmten Hallenser 
Mathematiker Wangerin verband, sind an anderer Stelle besser zu würdigen. 
Uns liegt besonders derjenige Theil seiner Thätigkeit nahe, welcher iha in 
enge Berührung mit atmosphärischen Forschungen bıachte. 


250 Assmann: Professor Dr. Leonhard Sohncke +. 


Seine erste epochemachende Arbeit. dieser Art, entstand in Jena: 
„Ueber den Ursprung der Gewitter-Elektricität und der gewöhnlichen Elek- 
trieität der Atmosphäre“ (1885 bei Fischer, Jena), in welcher die Reibung 
zwischen Eis und Wassertheilchen als Quelle der Elektricität bezeichnet 
und eine abnorm niedrige Lage der Isothermfläche für 0° bei Gewittern be- 
hauptet wurde. Diese Schrift rief mannichfachen Widerspruch hervor, be- 
sonders von Exner in Wien, gegen welchen sich Sohncke mit aller ihm 
eigenen Energie und nicht olıne Glück vertheidigte. Die „Meteorologische 
Zeitschrift“ brachte melırfache Vertheidigungsschriften Sohncke’s; in den 
Sitzungsberichten der mathematisch-physikalischen Klasse der k. bayerischen 
Akademie der Wissenschaften 1890, Band 20 erschien eine „Abwehr“ 
. unter dem Titel „Nachträgliches zur Theorie der Luftelektricität.“ Kleinere 
Aufsätze, wie „Zur meteorologischen Optik“, über das „blaugrüne Flämm- 
chen“ erschienen in der Meteorologischen Zeitschrift. 

Hatte sich Sohncke bei seiner Theorie der Gewitter-Elektricität schon 
wesentlich auf die Ergebnisse von Ballonfahrten, besonders denen Glaisher’s ge- 
stützt, so musste iım das Wieder-Erwachen wissenschaftlicher Ballonfahrten, 
wie es von unserem Verein in Berlin ausging, als ein hochwillkommenes 
Mittel erscheinen, weitere Beweise für seine vielumstrittene Theorie zu finden, 

So sehen wir ihn auch sofort an der Arbeit, als in München ein Ver- 
ein gegründet wurde, welcher, wie wir hier besonders feststellen wollen, 
seine Wurzeln in dem Berliner Verein hatte. Indem nämlich der von uns 
zur methodischen Ausführung wissenschaftlicher Ballonfahrten angeregte, 
allezeit, wo es etwas Grosses zu schaffen gab, bereite Herr von Siegsfeld 
zum Zwecke aöronautischer Experimente nach Augsburg verzog und dabei 
seinen für die wissenschaftliche Forschung im Rahmen des Berliner Vereins 
erbauten Ballon „Herder“ mit sich nalım, gab er den entscheidenden An- 
stoss zur Gründung eines ähnlichen Vereines in München, besonders nach- 
dem ein mit dem Unterzeichneten von langer Hand verabredetes gemein- 
schaftliches Experiment, eine Ballonfahrt von München aus, während der 
Genannte gleichzeitig Beobachtungen auf dem Säntis anstellte, am 19. Juni 
1889 prächtig gelungen war und so den hohen Werth derartiger Versuche 
in das glänzendste Licht gesetzt hatte. Der nach München zurückgeführte 
Ballon „Herder* machte am 10. Juli seine zweite Auffahrt in Gegenwart 
des Prinz-Regenten und anderer Mitglieder des bayerischen Königshauses 
und am 21. November desselben Jahres wurde der neue Verein mit 200 Mit- 
gliedern, darunter sechs bayerischen Prinzen, gegründet; die Vereinsfahrten 
erfolgten dann längere Zeit hindurch ausschliesslich mit dem Ballon „Herder“ 
des Herrn von Siegsfeld und ersterer wurde deshalb in mehrfachen Ver- 
öffentlichungen direct als „die Wiege des Münchner Vereines“ bezeichnet. 
Man verzeihe diese Abschweifung, aber es ist nicht unwichtig, bei dieser 
Gelegenheit die Vorgeschichte des „Münchener Vereines für Luftschiffahrt“ 
klar zu stellen. 


Assmann: Professor Dr. Leonhard Sohncke +. 251 


Sohncke war, wie bei seinem Naturell zu erwarten, mit vollem Herzen 
und ganzer Energie bei dem neuen Plane betheiligt und wurde, da man 
seinen Werth wohl erkannte, sofort zum ersten Vorsitzenden gewählt. Unsere 
„Zeitschrift für Luftschiffahrt,“ bis vor einem Jahre „Organ des Münchener 
Vereines für Luftschiffahrt,“ ist in den ersten Jahren wiederholt in der 
glücklichen Lage gewesen, Beiträge aus Sohncke’s gewandter Feder zu er- 
halten, oder doch über solche, welche an anderer Stelle erschienen waren, 
berichten zu können. Im Jahrgange 1891 brachten wir auf p. 92 ein 
Referat über einen Vortrag über „Einige optische Erscheinungen der At- 
mosphäre“, ferner einen Bericht über von demselben vorgenommene, höchst 
sorgfältige Prüfungen von Aneroiden. Am 2. Juli 1893 unternahm Sohncke 
selbst seine erste Ballonfahrt, bei welcher er während der Nachtzeit in den 
Kronen hochstämmiger Bäume 3 Stunden lang in nicht allzu angenehmer 
Lage ausharren musste. Darauf fasste auf seinen Antrag die k. bayerische 
Akademie der Wissenschaften eine Resolution, in welcher auf die hohe Be- 
deutung wissenschaftlicher Luftfahrten hingewiesen wurde (1893 p. 233). 
Im Jahrgange 1894 p. 135 konnten wir über eine von Sohncke und Finster- 
walder verfasste interessante Arbeit über „Zwei wissenschaftliche Nacht- 
fahrten des Münchener Vereines für Luftschiffahrt* berichten; bald darauf 
brachten wir einen Aufsatz der beiden genannten Forscher „Bemerkungen 
über die bei Ballonfahrten erreichbare Genauigkeit“ (p. 177) und eine Arbeit 
Sohncke’s über „Gewitterstudien auf Grund von Ballonfahrten“, in welcher 
er neue Beweise für die Richtigkeit seiner oben genannten Theorie der 
Gewitter-Elektricität beibrachte (p. 252). Am 15. November 1894 hielt er 
in der Akademie der Wissenschaften eine Festrede „Ueber die Bedeutung 
wissenschaftlicher Ballonfahrten*“ und erreichte durch dieselbe, dass das 
Directorium der Akademie dem Münchener Vereine den Betrag von 1500 M. 
für wissenschaftliche Ballonfahrten überwies. Kleinere Vorträge, wie über 
die Wandergeschwindigkeit der Zugvögel und manche andere lieferten weitere 
Beweise seines hervorragenden Interesses an allem, was in der Atmosphäre 
vorgeht. 

Alles in Allem können wir nur denen beistimmen, welche den Tod 
dieses verdienstvollen, eifrigen, nimmer arbeitsmüden trefflichen Mannes als 
einen herben, schwer zu verschmerzenden Verlust für die wissenschaftliche 
Luftschiffahrt und ganz besonders für den von ihm mit eben so viel Energie 
als Erfolg während 8 Jahren geleiteten Münchener Verein bezeichnen. Sein 
Name und seine Verdienste um die gemeinsame Sache werden auch in 
unserem Vereine nicht vergessen werden. 

Assmann. 


252 Koch: Das Flugprincip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 


Das Fiugprincip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 
Von Gustav Koch. 


Wohl noch zu keiner Zeit hat der begreifliche Wunsch des Menschen, 
die Art der Ortsveränderung der die Luft bevölkernden Geschöpfe auch 
für seine Zwecke zu ermöglichen, so reiche Blüthen getrieben, als gerade 
heutzutage, aber auch noch zu keiner Zeit erschienen der Gegenstand und 
die Consequenzen, welche allseitig an die Existenz von Luftfahrzeugen ge- 
knüpft werden, so wünschenswerth, als eben heute. 

Kein Wunder daher, wenn sich Hoch und Nieder, Berufene und Un- 
berufene, mit der Frage beschäftigen und auf Wege und Mittel sinnen, wie 
solche in praktisch nutzbarer Weise zu lösen. 

Den Luftballon zur Ermöglichung von freien Erhebungen in die 
Luft besitzen wir schon mehr als hundert Jahre; ihn nach dem Willen des 
Führers zu steuern und zu lenken will aber nicht gelingen. 

Der das Princip der Aörostatiker „leichter als die Luft“ ver- 
körpernde Gasballon ist sogut lenkbar wie jedes Fahrzeug, das in Folge einer 
ihm innewohnenden Kraft eine Eigengeschwindigkeit der Bewegung besitzt. 

Aber einem voluminösen Körper, der leichter, oder in Folge anhängen- 
den Gewichtes eben nur gerade so schwer ist, als das ihn allseitig umgebende 
Medium, eine Eigengeschwindigkeit zu geben, ist mit derartigen Schwierig- 
keiten verknüpft, dass man wohl sagen darf, dass mit dem bis jetzt in dieser 
Beziehung Erreichten wir auch schon so ziemlich beim Maximum des Er- 
reichbaren angelangt sind. 

Stärkere Maschinen bedingen in Folge grösseren Gewichtes auch einen 
voluminöseren Ballon und ein solcher grösseren Widerstand der Luft gegen 
die Fortbewegung, darüber kommt man mit noch so sinnreich ausgedachten 
Detailconstructionen nicht hinweg und was will es heissen, wenn auch in 
Folge dessen, statt der bis jetzt erreichten Eigeugeschwindigkeit des Ballons 
von 5—6 Sec.-Met., eine solche von 7—8 erzielt wird? Ein leichter Wind, 
der nur Baumzweige bewegt, ist schon im Stande, ein solches Ballonluft- 
schiff aufzuhalten. 

Angesichts solchen Thatbestandes wurde seitens der erfahrenen Aörotech- 
niker die dem Princip „schwerer als die Luft“ folgende Flugfrage 
wieder in den Vordergruud gezogen und haben sich, während früher dieses 
Gebiet fast ausschliesslich von Amateuren gepflegt worden und daher ein 
Tummelplatz für oft recht ausschweifende Phantasien war, in den letzten Jah- 
ren auch wissenschaftlich gebildete Kreise mit der Lösung dieses bisher sehr 
stiefmütterlich behandelten Problems beschäftigt, so dass heute die Mög- 
lichkeit dynamischer Luftschiffahrt nicht nur nicht mehr bezweifelt wird, 
sondern auch begründete Aussicht vorhanden ist, dass die Ergebnisse der 
verschiedenerseits angestellten Versuche sich zu einem ausführbaren und 
Erfolg versprechenden Flugmaschinenproject kristallisiren werden, 


Koch: Das Flugprineip und de Schaufelrad-Flugmaschine. 258 


Diese Hoffnung stützt sich insbesondere auf die bei der Erforschung 
des physikalisch-mechanischen Vorganges beim Fluge erzielten Resultate, 
und indem ich mich hierüber eingehend verbreite, dürfte es dem aufmerk- 
samen Leser auch klar werden, dass und warum die früher angestellten 
Versuche zur Herstellung von grösseren Flugapparaten einen negativen 
Erfolg haben mussten, oder nur einen Scheinerfolg haben konnten. 


Denken wir uns zunächst eine ebene Fläche (ich sage ebene Fläche, 
weil später auch von leicht gewölbten Flächen die Rede sein wird) 
in ruhiger Luft horizontal gehalten und plötzlich frei fallen gelassen, so 
folgt die Bewegung nach unten gemäss der Schwerkraft, indem die unter- 
halb der Fläche befindliche Luft seitlich ausweicht. 

Dieses Ausweichen der Luft erscheint uns Allen selbstverständlich 
und natürlich; es ist jedoch nöthig diesen Vorgang genau in's Auge zu fassen. 

Würde sich die Luft, nachdem besagte Fläche nicht mehr gehalten 
wird und der Wirkung der Schwerkraft folgen will, rulig verhalten, so 
könnte die Fläche nicht sinken, die Luft würde dieselbe eben so gut tragen, 
wie eine feste Stütze, da keine Veranlassung zu deren Seitwärtsbewegung 
gegeben wäre. 

Nun ist aber die Luft bekanntlich ein elastischer, gasförmiger Körper, 
der sich verhältnissmässig leicht zusammenpressen lässt. 

Sobald also die, Fläche der Stütze entbehrt, drückt sie auf die unter 
ihr befindliche Luft und erfährt dieser Theil der Luft durch den Druck 
eine gewisse Verdichtung. 

Verdichtete Luft hat aber das Bestreben sich ‚wieder auszudehnen, 
in ihr früheres Dichtigkeitsverhältniss zurückzukehren. 

Dies würde auch geschehen, wenn die Fläche plötzlich ilıre Fall- 
bewegung einstellen, die Luft nicht mehr belasten würde. 

Da Letzteres aber ja der Fall ist, da die Fläche, sinkend, weiter auf 
die Luft drückt und die dagegen stehenden Luftschichten, indem sie durch- 
fallen werden, nicht auf die Fläche, sondern auf die unterhalb derselben 
befindliche verdichtete Luft treffen, wodurch Letzere an der Wiederaus- 
dehnung verhindert wird, so bleibt der sich hiebei bildende, der Form der 
Fläche entsprechende und das Ausweichen der Luft veranlassende Stau- 
hügel aus verdichteter Luft unter der Fläche, so lange die Fallbewegung 
dauert, in Permanenz (s. Taf. I, Fig. 1 und 2). 

Es ist dies ein Vorgang, der sich auch bei anderen Gelegenheiten 
abspielt. 

Wird z. B. ein nicht zugespitzter, sondern glatt abgeschnittener 
Pfahl in Erde, Lehm oder Sand u. s. w. gerammt, so bildet sich vor dessen 
Schnittfläche, aus dem Material in das der Pfahl eindringt, ein zusammen- 
gepresster Kegel, der bei fernerer Rammarbeit nicht ausweicht, sondern 
die dem Pfahl fehlende Spitze ersetzt und, wie wenn diese fest mit dem- 


254 Koch: Das Flugprincip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 


selben verbunden wäre, das Eindringen des Pfahles ermöglicht, indem sie 
die weiter entgegenstehenden Massen seitwärts drängt. — 

Zu unserer sinkenden Fläche zurückkehrend, erübrigt noch des Ver- 
haltens jener Luftmassen zu gedenken, welche, nachdem sie durch den 
unterhalb der Fläche befindlichen Stauhügel verdichteter Luft zur Seite 
geschoben werden, auf der Rückseite der Fläche wieder zusammenfliessen. 

Mit Beginn des Sinkens der Letzteren bildet sich, nachdem die Luft, 
wie jeder andere Körper dem Trägheitsgesetz unterworfen ist, unmittelbar 
über der Fläche ein lufiverdünnter Raum, da die Luft eine gewisse Zeit 
braucht, den von der Fläche durchfallenen Raum wieder auszufüllen. 

Diese Luftverdünnung ist jedoch nicht so intensiv, wie die Verdichtung 
derselben unter der Fläche, da die oberhalb der Fläche befindliche Luft- 
säule, schon in Folge ihrer eigenen Schwere, der Fläche nachsinkt. 

Immerhin ist durch die, wenn auch verhältnissmässig geringe Luft- 
verdünnung über der Fläche der durch den Stauhügel an deren Unterseite 
beiseite geschobenen Luft Veranlassung gegeben, an der Oberseite der 
Fläche die bestehende Luftverdünnung durch Zusammenfliessen wiede! 
auszugleichen ?). 

Hiermit kennen wir also das Verhalten der Luft gegenüber in hori- 
zontaler Lage vertical sinkenden Flächen und ist nur noch hin- 
zuzufügen, dass die dem Falle überlassene Fläche in jenem, kurz nach dem 
Beginn der Fallbewegung eintretenden Moment ihre Maximalge- 
schwindigkeit erreicht, in welchem die zum Beiseiteschieben der 
unter der Fläche befindlichen Luftmassen erforderliche Arbeit der den Fall 
beschleunigenden Schwerkraftwirkung gleichkomnit. 

Soll nun eine solche Fläche am Sinken verhindert, oder gar, olıne 
feste Stütze, frei in die Luft erhoben werden, so muss auf irgend 
eine Weise jener sich beim Fall bildende Lufthügel 


1) Tafel I Figur 2 zeigt, eine photographische Aufnahme reproducirend, wohl 
den Stauhügel verdichteter Luft unter der direkt von unten beströmten Fläche, 
ein Wiederzusammenfliessen der Luft oberhalb derselben findet jedoch in diesem 
speciellen Fall nicht statt, da bei dem betreffenden Expariment die Fläche nicht 
dem Fall überlassen war, sondern feststehend von einem Luftstrom von unten ge- 
troffen wurde, welcher durch einen oberhalb der Fläche wirkenden Ventilator er- 
zeugt wurde. 

Die Luft wurde also von oben angesaugt und war daher der seitlich 
des Stauhügels abströmenden Luft keine Veranlassung gegeben, oberhalb der Fläche 
wieder zusammenzufliessen. 

Auch die beiden auf Taf. III reproducirten Photographien zeigen auf solche 
Weise beströmte Flächen, das Bild des Verhaltens der Luft hinter denselben ent- 
spricht daher dem Vorgang bei freier Bewegung der Flächen durch 
die Luft nicht vollkommen; es hat diess jedoch wenig zu sagen, da iu 
Bezug auf Flug in der Hauptsache nur mit dem Vorgang vor und unter dem 
betreffenden Flugkörper zu rechnen ist. 


Koch: Das Flugprincip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 255 


entweder ganz weggeschafft, oder zu einer Art von 
Luftsockel vergrössert werden. 

Ehe ich hierauf des Näheren eingehe, ist es von Wichtigkeit, das 
Verhalten der Luft gegenüber dem Falle überlassenen, aber gleichzeitig 
auch in einer gewissen Horizontalgeschwindigkert befind- 
lichen Flächen zu untersuchen. 

Angenommen, die sinkende Fläche — ca. 8 kg per C] m — habe mit 
5 m per Sec. ihre Maximalfallgeschwindigkeit erreicht und bewege sich nun 
gleichzeitig auch um 5 Sec.-Met. in horizontaler Richtung fort, so wird 
ihre eigentliche Bewegungsrichtung von diesem Moment ab schief, liegt 
aber nicht, wie vielfach noch geglaubt wird, in der Richtung der Diagonale 
des aus beiden Bewegungen construirten Parallelogrammes, sondern, nach- 
dem sich die Fläche nunmehr, einen längeren Wegals 5 Sec.- 
Met. zurücklegend, in schräger Richtung abwärts bewegt und sich 
gegenüber der zu verdrängenden Luft im Falle eines Drachens befindet, 
ungleich weniger geneigt; die Fläche trifft nach 5 Sec.-Met. Bewegung 
nicht auf dem Niveau des unteren Endes der Diagonale ein, sondern wesent- 
lich höher, d. h. die Fallbewegung erscheint vermindert. 

Skizze 1—4 Tafel I veraugenscheinlicht den Vorgang. 

Die erste Figur zeigt eine horizontal stehende, vertical sinkende 
Fläche mit dem sich durch die Belastung der Luft bildenden, den Fall er- 
möglichenden Lufthügel, der durch das, der Fallgeschwindigkeit entsprechend 
schnell erfulgende Seitabwärtsströmen der entgegenstehenden Luftmassen 
bezüglich Form und Verdichtungsgrad in Permanenz erhalten wird. 

Die dritte Figur stellt dieselbe fallende Fläche bei einer gleichzeitigen 
Horizontalbewegung von 5 Sec.-Met. vor. Die Diagonale des aus beiden 
Bewegungsgeschwindigkeiten hergestellten Parallelogrammes zeigt die ideelle 
Fallrichtung: die thatsächliche erscheint stark nach oben gerückt und erreicht 
die sich solcherart bewegende Fläche nach 1 Sec. ungefähr den Punkt X, 
sie hat in derselben Zeit einen längeren Weg, als beim directen Fall 
zurückgelegt, ist aber, als Ersatz für die zur Horizontal- 
bewegung geleistete Arbeit, weniger tief gesunken. 

Dabei -erleidet der Stauhügel gepresster Luft, dessen Böschungswinkel 
mit der Bewegungsrichtung stets gleich sind, eine Formveränderung; die 
Spitze desselben und damit auch das Mittel des Juftdruckes rückt ent- 
sprechend vor und nimmt die aus der Zeichnung Fig. 3 ersichtliche Ge- 
stalt an. 

Mit Zunahme der Geschwindigkeit der Horizontalbewegung wird der 
Staulügel immer mehr keilförmig, bis er schliesslich bei sehr grosser Hori- 
zontalgeschwindigkeit der Flächenbewegung, als solcher ganz verschwindet 
und an seine Stelle ein, durch das bei jeder Bewegung von Körpern durch 
die Luft stattfindende Anhängen und Mitgerissenwerden von 
solcher bedingtes, sowohl durch die stets gleich bleibende Belastung der Luft 


256 Koch: Das Flugprincip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 


durch das Gewicht des Körpers, resp. der Fläche, als auch in Folge der 
nach oben abnehmenden Dichtigkeit der Luft (siehe 
Zeichnung Tafel II) an der Unterseite verstärktes und durch den rapiden 
Wechsel der Luftschichten in Permanenz erhaltenes dünnes Luft- 
kissen tritt, welches ein ferneres Sinken unmöglich macht, ja bei noch 
mehr foreirter Horizontalbewegung sogar, als Consequenzdernach 
oben abnehmenden Dichtigkeit der Luft, ein schwaches 
Erheben der Fläche über die Horizontale zur Folge hat. 


Hieraus ergiebt sich der für die Aörodynamik fundamentale Lehrsatz: 
„Horizontalbewegung schwerer Flächen durch die Luft wird bei wach- 
sender Geschwindigkeit Flug.“ 


Jene Lufthügel- bezw. Luftkissentheorie, schon vor mehreren Jahren 
von mir als physikalische Grundlage der Flugerschei- 
nung bezeichnet, war auch Gegenstand eingehender Untersuchungen und 
Experimente des Herrn Oberingenieur v. Lössl, Vorstand des 
„Flugtechnischen Vereins zu Wien,“ deren Ergebnisse, mathematisch for- 
mulirt, derselbe in seinem im letzten Jahre erschienenen Werke „die 
Luftwiderstandsgetze“ veröffentlicht hat; ein Werk, dem, wenn 
auch noch einige Lücken vorhanden sind, doch unstreitbar bis dato der 
erste Rang in der Fachliteratnr gebührt. 


Eine Bestätigung bis zur Unanfechtbarkeit erhält diese Theorie durch 
die bereits erwähnten, von Dr. Mach in Wien ausgeführten photogra- 
phischen Aufnahmen sichtbar gemachter Luftstromlinien, 
wodurch das Vorhandensein jener, das Flugproblem eines Hauptteiles seines 
Mysteriums entkleidenden Lufthügel und Luftkeile, bezw. SES auch 
für das Auge erkennbar geworden. 


Es sei noch besonders erwähnt, dass sich die symmetrische Gestalt der 
Lufthügel sofort ändert, sobald die Luft bei der Bewegung der Fläche sich 
nicht im Zustand absoluter Ruhe befindet. 


Gleichmässige Luftbewegung in horizontaler Richtung würde allerdings 
nichts ändern (nebenbei bemerkt ist es völlig gleichgiltig, ob sich die Fläche, 
oder die dieselbe umgebende Luft bewegt); aber die Luft, als ein gasförmiger 
Körper von nach oben abnehmender Dichtigkeit, bewegt sich eben nie 
gleichmässig; abgesehen von der hierdurch bedingten, als Regel geltenden, 
mehr oder weniger leicht nach aufwärts zielenden Richtung der Winde 
(gegentheilige, auf meteorologische Ursachen zurückzuführende Windrich- 
tungen sind deshalb nicht ausgeschlossen) erfolgen die Luftbewegungen, 
hauptsächlich in der Nähe des Bodens, mehr oscillirend und in Wellenform, 
so dass jene Stauhügel in der Praxis nicht so scharf abgegrenzt sein können; 
wie auch die verdichtete Luft, aus der sie bestehen, nicht immer im Ruhe- 
stand verharrt, sondern in eine mehr oder weniger wirbelnde Bewegung ge- 
räth, wie aus der Photographie, siehe Zeichnung Tafel I Fig. 2 ersichtlich. 


Koch: Das Flugprincip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 257 


Der Effect, der solcherart gegen Flächen oder Körper anströmenden 
Luft wird jedoch dadurch nur wenig alterirt und erwähne ich diese Details 
nur, weil von gewisser Seite dieser nebensächlichen Erscheinung wegen die 
ganze Lufthügeltheorie anzufechten versucht worden ist. — 

Eine weitere Eigenthümlichkeit im Verhalten der Luft gegenüber 
schweren Flächen mit Horizontalbewegung besteht darin, dass mit der Spitze 
des Keilwinkels, den die belastete Luft bildet, auch dieResultante 
desgesammten auf die Fläche wirkenden Luftdruckes 
immer mehrnach vorne rückt. Es hängt diese Erscheinung mit 
der Ausdehnung der Fläche in der Bewegungsrich- 
tung, in Bezug auf den Vogelflügel mit dessen Breite zusammen. 

Eine horizontalstehende, und sich in einer ein Sinken nicht zulassen- 
den Horizontalgeschwindigkeit befindliche Fläche erfährt unmittelbar 
unterihrem Vorderrand den stärksten Luftwiderstand gegen ihre 
Falltendenz, da die Fläche hier in jedem Moment über neue Luftschichten 
zu liegen kommt und daher, nachdem die Fläche, wie bekannt, bei der 
diessfallsigen Bewegung einen Luftmantel mit sich führt, ein fortgesetztes 
Ueber- und Ineinanderschieben von Lufttheilen stattfindet !). 

Da aber die solcherart erzeugte Luftcompression sich sofort wieder 
auszugleichen bestrebt ist, indem die verdichtete Luft sich in der Folge 
nach unten wieder ausdehnt, so werden die neu herantretenden Luftmassen 
nach unten gedrängt und liegt auf der Hand, dass, je mehr sich die Fläche 
vorschiebt, auch der \Wiederausdehnungsprocess der Luft unter den, dem 
Vorderrand nachfolgenden Flächentheilen fortschreitet, d. h. die Trag- 
fähigkeit der Luft wird mit der Flächenausdehnung 
inderen Bewegungsrichtung eine relativ geringere?). 

Ist die Horizontalbewegung resp. Geschwindigkeit der Fläche eine 
nur mässige, so dass ein gleichzeitiges Sinken nicht gauz aufgehoben, 
sondern nur vermindert wird, so stellen sich wieder jene keilförmigen Luft- 
anstauungen vor der Fläche ein; es zieht sich dabei die Resultirende des 
Luftdruckes vom Vorderrande zurück und fällt mit dem Endpunkt der den 
Lufthügel gleichwinkelig halbirenden, der Bewegungsrichtung entsprechen- 
den Linie zusammen, sie bleibt aber stets „vor“ dem Mittel 
der Fläche, solange diese neben ihrer Fallbewegung 
auch noch eine Horizontalgeschwindigkeit besitzt. 

EinederSchwerkraftunterworfene und dabei mit 
einer gewissen Horizontalgeschwindigkeit sich be- 
wegende Fläche behält deshalb ihre ursprüngliche 
horizontale Lage nicht bei, sondern neigt sich nach hinten. 








1) Von dem an der Oberseite der Fläche stattfindenden ähnlichen Vorgang, 
aber in nicht belasteter, dünnerer Luft, kann aus diesem Grunde ab- 
gesehen werden. 

2) Siehe von Loessl: Die Luftwiderstandsgesetze. 


258 Koch: Das Flugprincip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 


Eine leichte Abwärtsbiegung des hinteren Theiles der horizontal- 
stehenden Fläche würde diesem Uebelstande abhelfen und kam man in 
Folge dessen, und da es anch besondere Schwierigkeiten hätte, bei mecha- 
nischen Flugapparaten nur ganz schmale Flügel anzuwenden, auf die Con- 
struction gewölbter Flächen. 


Betrachtet man eine solche als zusammengesetzt aus mehreren, in 
kleine Winkel zu einander gestellten, ebenen Flächen (siehe Tafel III Fig. 1) 
so würde sich der Luftkeil bei der mit grosser Geschwindigkeit erfolgenden 
Horizontalbewegung jeder einzelnen Fläche der Zeichnung entsprechend 
gestalten. 


Aneinandergereiht würde die Figur der Skizze No. 2 entsprechen. 


Die von dem vorderen Theil seitwärts gedrängte Luft würde dem- 
nach auf den Keil des nachfolgenden Flächentleiles stossen, an demselben 
anprallend sich verdichten und zusammen mit diesem die Tragfähigkeit des 
sich solcherart bildenden und über die ganze Länge der zusammengesetzten 
Fläche sich ausdehnenden Luftkissens erhöhen, jedoch auf Kosten 
der die Horizontalbewegung verursachenden Kraft, 
da die nach rückwärts geneigten Theile der zusammengesetzten Fläche sich 
in drachenartiger Stellung befinden und ein Drachen bekanntlich ole Ab- 
sorption von Windeskraft nicht functionirt. Die Fläche abzurunden, statt 
sie aus vielen ebenen Theilen zusammenzusetzen, ist lediglich eine Con- 
structionserleichterung, ohne besondere weitere Folge. 


Der immerhin bestehende, wenn auch aneine sich in der 
Folge ergebende Gegenleistung gebundene Vortheil 
bei Anwendung gewölbter, statt ebener Flächen: „Die bessere Aus- 
nutzung des Flächeninhaltes“ und die in Folge dieser Erfalnung 
verschiedenerseits angestellten Versuche in solcher Richtung fürderten jedoch 
zunächst einen Irrthum zu Tage, der heute noch viele Fachleute gefangen 
hält. Es wurde nämlich von Hern Professor Wellnerin Brünn 
auf dem benachbarten Spielberge eine leicht gewülbte Fläche in der aus 
der Zeichnung Tafel IV Fig. 1 ersichtlichen Weise schaukelartig aufge- 
hängt, so dass sie auch bei schwankender Bewegung immer ihre horizontale 
Lage beibehalten musste, und dem Winde ausgesetzt. Letzterer strich in 
der Richtung des Pfeiles, also in etwas aufsteigender Balın und da zeigte 
es sich nun, dass die Fläche nicht vom Winde zurück- 
getrieben wurde, sich im Gegentheil demselben ent- 
gegenbewegte, (siehe bildliche Darstellung Taf. IV, ausserdem Bei- 
lage zur Zeitschrift für Luftschiffalit, 1893 Heft X). 

Diese eigentliümliche Erscheinung wurde lediglich als Consequenz 
derparabolischen Wölbung der Fläche betrachtet und wäre 
die logische Folgerung die, dass eine solche horizontalgestellte Fläche ein- 
fach einem leicht aufwärts strömenden Winde preisgegeben, nicht nur nicht 


Koch: Das Flugprineip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 259 


sinken, sondern von diesem gehoben werden und sich sogar der Luftströmung 
entgegenbewegen, also von selbst fliegen müsste, 

Die Unmöglichkeit einer solchen Wirkung des Windes auf eine ein 
gewisses Gewicht besitzende und immerhin einen Körper darstellende ge- 
wölbte Fläche liegt jedoch auf der Hand und ist darum der Grund jener 
Erscheinung des stattfindenden Vortriebes unbedingt wo anders zu 
suchen. 

Sieht. man von der Wölbung der Fläche ab und betrachtet solche, wie 
in der Zeichnung markirt, als eben, so würde der durch das Anströmen 
der Luft sich bildende Stauhügel die angedentete Form annehmen und die 
Resultirende des Luftdruckes sich bei H einstellen. 

Letzteres Verhältniss trifft nun auch dann zu, wenn die Fläche nicht 
ganz eben, sondern leicht gewölbt ist (vergl. v. Lössl „die Luftwiderstands- 
gesetze“), faber das Luftdruckmittel liegt dann nicht direkt über dem 
Punkt H, sondern am Endpunkt der den Stauhügel g'eichwinkelig halbi- 
renden, der Windrichtung entsprechenden und die Sehne schneidenden Linie, 
bei d, wird also in Folge der Wölbung, die dadurch stattfindende vor- 
theilhaftere Ausnützung der Flächenausdehnung in der Bewegungsrichtung 
kennzeichnend, weiter zurückverlegt, wie auch die Dr. Maclı’sehen Photo- 
graphien ausweisen, siehe Tafel III, Fig. 4 und 5. 

Man sieht dabei den frontalen Lufthügel vor der von strömender Luft 
getroffenen gewölbten Fläche noch deutlich ausgeprägt, der untere Theil 
desselben wird jedoch von den nachfolgenden Luftmassen theilweise mit- 
gerissen und dabei gegen das Hintertheil der Fläche gepresst, welche Com- 
pression sich, ihr Vorhandensein bestätigend, in augenscheinlicher Weise 
am Ende der Fläche wieder auflöst. 

Wenn nun auch in letzterem Falle die Fläche in einem grösseren 
Winkel, als bei dem Wellner’schen Experiment angeströmt wird, so bleiben 
die Verhältnisse doch relativ dieselben und kann weder im einen, 
noch im anderen Falle von einer vortreibenden Com- 
ponente des Luftdruckeseine Rede sein. 

Dem unbefangenen Beobachter der Wellner’schen Experimente fällt 
jedoch ein anderer Umstand auf und zwar die ungleichmässige 
Dicke der aus Holz hergestellten Fläche, deren Vorder- 
theil wesentlich stärker ist und nach hinten zu dünn verläuft. 

Der Schwerpunkt derselben kann daher nicht in ihrem Mittelpunkt 
liegen, sodern muss sich im Vordertheil befinden und zwar, nachdem wir 
gesehen haben, dass bei gewölbten Flächen die Resultirende des Luftdruckes 
sich mehr nach der Mitte zuzieht, noch vor derselben d. h. vor dem 
Mitteldes Luftdruckes. 

Bei solchem Thatbestand erklärt sich nun jene Erscheinung, dass 
sich die Fläche dem leicht aufwärts strömenden Winde entgegenbewegte, 
einfach und natürlich. 


260 Koch: Das Flugprincip und die Schaufelrad-Flugmaschine, 


Der weniger schwere, hintere Theil wird zuerst vom Winde gehoben, 
die Fläche selbst dadurch in eine etwas schiefe, nach vorne geneigte Lage 
versetzt und würde dieselbe nun von der schief aufwärts strömenden Luft, 
wie ein Boot von einer Wasserwelle, das schwerere Vordertheil voran, in 
dem Winde entgegenstehender Richtung abgleiten, wenn sie nicht an Drälıten 
aufgehängt wäre. 

Mit der Schiefstellung der Fläche wirkt selbstverständlich auch der 
von unten kommende Luftdruck nicht nur nicht mehr nach hinten, 
sondern nach oben und dem Neigungswinkel der Ersteren entsprechend, 
nach vorne, die Fläche „fällt“ gewissermassen vom 
Winde ab und wird theils durch diesen, theils durch die der Flächen- 
neigung entsprechende Schwerkrafteomponente in die sich bei dem Experiment 
ergebene Position gebracht. 

Da der Neigungswinkel der Fläche nur klein zu sein braucht, um solchen 
Effect zu erzielen, so ist es leicht möglich, dass diess Herrn Professor 
Wellner entgangen ist, zudem auch die jedenfalls zu Tage getretene Rundung 
der Aufhängedrähte als vom Winde verursacht angesehen werden Konnte. 

(Wer mit der Technik der Führung der sogenannten Gaffeloder 
Stagsegel vertraut ist, wird beim Segeln am Winde einen ganz ähn- 
lichen Vorgang finden.) 

Entgegen dieser den thatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Er- 
Klärung jener Erscheinung wurde das beobachtete Sichheben und Vorwärts- 
bewegen der aufgehängten Fläche, obgleich eine ebene Fläche sich be 
gleichen Schwerpunktsverhältnissen auch nicht viel anders verhalten haben 
würde, derart ausschliesslich als Wirkung der Concavität der exponirten 
Fläche, gegenüber der in kleinem Winkel von unten kommenden Luft- 
strömung angesehen, dass man vielfach annahm, es bedürfe nun weiter nichts 
als solche Flächen in leicht rückwärts geneigter Stellung 
mittelst irgend eines Rotationsapparates gegen die Luft zu bewegen, um 
bei äusserst geringem Arbeitsaufwand genügend Auftrieb zu erhalten und 
dieselben mit Allem, was drum und dran hängt, in die Luft zu erheben und 
zum Schweben zu bringen. (Fortsetzung folgt.) 


Studien über das Ballon-Material mit besonderer Hinsicht auf 
Hinsicht auf das elektrische Verhalten desselben. 
Von H. Bartsch v. Siegsfeld, Premier-Lieutenant. 


V. 
Besondere Berücksichtigung erfordert die Lagerungsfähigkeit gefimisster 
Stoffe. Bei der Lagerung derselben macht sich Kleben ganz besonders 
unangenehm bemerkbar. Dasselbe wird um so intensiver auftreten: 


v. Siegsefeld: Das Ballon Material, 261 


1. je höher der Druck ist, welcher auf die betreffenden Schichten 

ausgeübt wird, 

2. je länger die Zeit der Einwirkung, 

3. je höher die Temperatur bei derselben gewesen ist. 

Bei gleicher Temperatur wird man äbnliche Resultate erzielen, wenn 
man den Stoff eine kurze Zeit höheren Drucken aussetzt, wie wenn man 
denselben lange Zeit schwach presst. 

Auf diese Weise habe ich die Eigenschaften der gefirnissten Hüllen 
des Ballons „Herder“ untersucht. 

Es ergab sich, dass für eine Lagerung des Ballons von mehr als ein 
Jahr die auf die Breite von 1,3 m zusammengelegte Hülle in sieben ver- 
schiedenen Rahmen aufgehängt werden musste, welcher jeder für sich die 
auf ihnen liegende Schicht des Ballons trugen. 

Ausserdem ergab sich, dass eine Zwischenlage von Stoff zwischen den 
sich sonst berührenden Firnissschichten nothwendig wurde. Diese Ermitt- 
lungen hatten nur wenige Tage in Anspruch genommen. 


Fig. 8. 





Der Ballon hielt eine ununterbrochene Lagerung von 11 Monaten in 
der angegebenen Weise ausgeführt aus, ohne merklich zu kleben. 

Diese Art der Ermittlung der Eigenschaften von Firniss-Ballons ist 
für die Praxis sehr vortheilhaft. Dieselbe gestattet, eine Lagerungsweise 
des Ballons zu ermitteln, welche einen sehr geringen Raumbedarf erfordert. 

Freilich kommt diese Art der Lagerung was Bequemlichkeit betrifft 
der von gummirten Ballons noch bei weitem nicht gleich. Immerhin macht 
sie aber die sonst so häufig nothwendigen Revisionen entbehrlich. Eine 
längere Zeit der Lagerung ist. bei diesem Ballon nicht vorgekommen. Zu 
bemerken ist noch, dass der Ballon bevor diese Aufbewahrungsweise an- 
gewendet wurde und Transporte und Lagerung durch einen geübten, sehr 
erfahrenen Luftschiffer besorgt wurden, eines Tages durch ungeübte Mann- 
schaften beim Auslegen zum Füllen derart zugerichtet wurde, dass die 


‚262 v. Siegsfeld: Das Ballon-Material. 


Füllung nicht stattfinden konnte. Es ist dies ein Beweis, dass der ver- 
wendete Firniss grosse Neigung zum Kleben hatte.!) 


Lagerung frisch gefirnisster Ballons. 


Wenn grössere Räumlichkeiten zur Lagerung der Ballons nicht ver- 
fügbar sind und die Ballons längere Zeit eng zusammengelegt liegen müssen, 
so kommen mitunter Temperaturerhöhungen vor, welche das Material un- 
brauchbar machen. Dieselben rühren von chemischen Processen her, welche 
bei der Verbarzung des Firnisses vor sich gehen. Da dieselben im wesent- 
in einer Oxydation beruhen, so können sie eingeleitet werden durch Sauer- 
stoffimengen, welche von aussen dem Firniss zugeführt werden, oder von 
solchen, welche in Beimischungen enthalten sind. 


Den hierdurch charakterisirten Umständen entsprechend sind die zur 
Anwendung gelangenden Schutzmassregeln wesentlich verschieden. 


War der Firniss rein und ohne Siccativbeimischung, so kann man den 
frisch gefirnissten Ballon unbedenklich in eine Kiste verpacken, voraus- 
gesetzt, dass durch luftdichte Blecheinlagen eine Zufuhr von Sauerstoff 
aus der Atmosphäre wirksam verhindert wird. 


Enthielt dagegen der Firniss sauerstoffreiche Körper, so wird auch 
bei Ausschluss von Sauerstofi-Zutritt von aussen beim Verpacken des 


Ballons oder beim Zusammenlegen eine mehr oder weniger beträchtliche 
Erwärmung stattfinden. 


Diesem Vorgange kann nur dadurch vorgebeugt werden, dass man 
den Ballon möglichst weit ausbreitet. 

Diesbezügliche Controlversuche wurden angestellt, indem die luftdicht 
abgeschlossene Kiste dauernd mit Kohlensäure erfüllt blieb. Trotzdem 
fand eine nicht unbeträchtliche Erwärmung des Ballons statt. Der Firniss 
enthielt nur geringe Quantitäten Siccativ, Jahreszeit: Winter. Raum: un- 
geheizter Saal. 

Setzt man dem Firniss soviel Siccativ zu, dass ein vollständiges 
Trocknen in wenigen Tagen erfolgt, so genügt ein Zusammenpacken des 
Stoffes von ca. 20 [_]m auf einen Haufen, um in wenigen Stunden eine der- 
artige Erwärmung hervorzurufen, dass Rauchbildung stattfindet und das 
Material unbrauchbar wird. Präcisere Daten sind hier absichtlich nicht 
eingeführt worden, da wohl auf keinem Gebiete der Industrie die Fälschungen 
von Rohmaterialien in ausgedehnterer und raffinirterer Weise ausgeführt wer- 
den, wie auf dem Gebiete der Firnissfabrikation.?) Es hält überhaupt ausser- 


1) Der Firniss war geliefert von der Firma Wolf in Frankfurt a. M. Es ist 
meiner Ansicht nach zweifellos, dass Firniss von der Firma Mack & Co Augsburg 
sich günstiger verhalten hätte. Eine chemische Untersuchung der Materialien hat 
nicht Stattgefunden. 


8) vergl. Handbuch der Materialfälschungen. 


v. Siegsfeld: Das Ballon-Material. 263 - 


ordentlich schwer schon ungefälschtes Leinöl zu erhalten. Trotzdem ist 

dies für die Herstellung eines guten Firnisses von wesentlicher Bedeutung. 
Die Feststellung der hier erwähnten Factoren erfordert eine rutinirte 

Praxis, die einschlägigen Gebiete der organischen Chemie betreffend. 


VI. 

Um gefirnisste Ballonhüllen vom Dichtungsmaterial zu befreien, wendet 
man schwache Natronlauge (billig) oder Terpentin bzw. Benzin an. Bei der 
nöthiger Vorsicht werden selbst ganz ramponirte alte Stoffe fast wie neu. 

Es ist rathsam, ältere Ballons auslaugen zu lassen und sie im Ge- 
brauchsfalle neu zu firnissen. Jede gut eingerichtete chemische Waschanstalt 
führt diese Arbeit schnell und billig aus. 


VII. 
Die Lichtempfindlichkeit von Caoutchouc. 


Fast alle organischen Materialien erfahren durch Lichtstrahlen bei 
dauernder Einwirkung Veränderungen. Der Caoutchouc, vulkanisirt oder 
unvulkanisirt verliert hierdurch seine werthvollen Eigenschaften. Exacte 
Messungen und Bestimmungen liegen hierüber noch nicht vor. Namentlich 
ist bei den bisher bekannt gewordenen Untersuchungen der gleichzeitige 
Einfluss des Sauerstoffgehaltes der atmosphärischen Luft meines Wissens 
nicht festgestellt worden. Für die in neuerer Zeit immer mehr zur Anwen- 
dung gelangenden gummirten Stoffe ist die Ermittelung dieser Verhältnisse 
von grosser Bedeutung, da die Kosten des Materials recht erhebliche sind. 

Die Erfahrung hat gelehrt, dass in Messingbehälter eingeschlossene 
gummirte Stoffe sich über sieben Jahre in äusserlich unverändertem Zu- 
stande erhalten haben, während andere gleiche Stoffe vor Licht geschützt, 
aufbewahrt in Schubfächern in vier bis fünf Jahren unbrauchbar wurden. 
Obwohl wir über die Art der Lichstrahlen welche hierbei zur Wirkung 
gelangen noch durchaus im Unklaren sind, namentlich da wir aus einer 
Anzahl neuerer Versuche schliessen müssen, dass es zur Genüge Strahlen- 
gattungen giebt, die der Wahrnehmung durch das Auge und den früher 
bekannten physikalischen Beobachtungsmethoden entgehen, so Können wir 
nicht ohne Weiteres den Einfluss des Sauerstoffgehaltes der Luft vernach- 
Jässigen. Ob nun das Licht allein ohne Vorhandensein des Sauerstoffs, oder 
ob Sauerstoff olıne Einwirkung des Lichtes den vulkanisirten oder unvulka- 
nisirten Caoutchouc energischer umwandelt, bleibt noch zu ermitteln. 


Versuche über die elektrischen Eigenschaften des modernen 
Ballonmaterials. 
Diejenigen Stoffe, welche durch Reibung am stärksten elektrisch 
werden, sind 
-+ Glas und Seide 
— die Harze. 


264 v. Siegsfeld: Das Ballon-Material. 


Beide Materialien, Seide und Gummiharze, sind in dem neuen Ballon- 
material vereinigt, demnach ist zu erwarten, dass Stofftheile, welche gegen- 
einander reiben, namentlich wenn Seide gegen Gummi in Action tritt, 
kräftige elektrische Erscheinungen zeigen werden. Die Versuche bestätigen 
diese Annahmen vollkommen. 

Es sollen zunächst einige begleitende Nebenumstände angeführt werden, 
welche besonders charakteristisch bei Ballons auftreten, und die ganz vor- 
züglich dazu beitragen, die elektrischen Vorgänge zu einer erstaunlichen 
Intensität zu entwickeln. 

In erster Reihe kommen hier Feuchtigkeitsgehalt der umgebenden 
Luftmassen sowie deren Temperatur in Betracht. 

Es ist Erfahrungsthatsache, dass bei trockener Luft alle Versuche, 
Reibungselektricität betreffend, ungleich besser gelingen als bei feuchter 
Luft. In einzelnen Fällen ist bie Grenze sogar eine ausserordentlich scharfe. 

So hatte ich z. B. die Gelegenheit zu beobachten, dass eine Holz’sche 
Influenzmaschine, welche während warmer nebliger Wintertage im Freien 
oder wenigstens halb im Freien in Function gesetzt werden musste, in ein 
geeignetes Gehäuse mit Trockenvorrichtung eingeschlossen, bei einem grösseren 
Feuchtigkeitsgehalt der Luft als 58°/, nicht in Thätigkeit kam, bei einem 
geringeren als 560/, dagegen stets arbeitete. Es mag dies eine specielle 
Constante des betreffenden Instrumentes sein. Immerhin zeigt diese Be- 
obachtung welchen entscheidenden Einfluss der Feuchtigkeitsgehalt der Luft 
auf derartige elektrische Erscheinungen hat. Nebenbei sei bemerkt, dass 
es gleichgiltig war, ob der Apparat gänzlich verstaubt, oder frisch ge- 
reinigt war. 

Es ist vielleicht nicht ganz correct, wenn gesagt wird, der „Feuchtig- 
keitsgehalt der umgebenden Luftmassen.‘“!) Bezüglich der Entwickelung von 
Reibungselektricität ist es vielmehr die Beschaffenheit der Oberfläche der 
zu elektrisirenden Körper, welche die Hauptrolle bei diesem Vorgange spielt. 
Für Elektricität von so hoher Spannung wie die der Reibungselektricität, 
ist die geringste Spur von Feuchtigkeit an der Oberfläche der Körper, auch 
wenn dieselben als solche vollkommene Isolatoren sind, ausreichend, die er- 
zeugten Elektricitätsmengen schnell weiter zu leiten. 

So sind manche Glassorten, welche leicht Feuchtigkeit aus der Luft auf 
hrer Oberfläche condensiren, nur dann Isolatoren. wenn sie kurz vor dem 
Versuch über der Flamme erwärmt wurden. Alle Körper, welche nur im 
geringsten bygroskopisch sind, sind als Isolatoren unbrauchbar. 

Von allen bekannten Körpern am wenigsten Iıygroskopisch sind die 
Harze. Diese lassen deshalb auch die Erscheinungen der Reibungselektri- 
cität selbst unter verhältnissmässig ungünstigen Umständen am besten her- 
vortreten. 


1) Seiner Zeit habe ich experimentell nachgewiesen, dass mit Feuchtigkeit voll, 
kommen gesättigte, nebelerfüllte Luft als vollkommener Isolator wirkt. 


v. Siegsfeld: Das Ballon-Material. 365 


Je höher die Temperatur der umgebenden Luftmassen, desto grösser 
ist die Wassermenge, welche nöthig ist, um einen bestimmten Sättigungsgrad 
der Luft zu erzielen. Aendert z. B. ein und dieselbe Luftmasse ihre Tem- 
peratur, so wird dieselbe im allgemeinen um so trockener sein, je höher die 
Temperatur ist. Diese Art der Temperaturveränderung ist nun für das 
- Ballongas charakteristisch, besonders bei der Landung. Beim Abstieg des 
Ballons ändert die Luft bzw. das Ballongas seine Temperatur nahezu adia- 
batisch, durch die Compression steigt die Temperatur, die relative Feuch- 
tigkeit sinkt, das Gas ist bei der Landung im allgemeinen sehr trocken. 

Hierzu kommt, dass das Ballongas fast immer sehr stark getrocknet 
zur Füllung gelangt, besonders das Wasserstoffgas ist durch den Chlorcal- 
cium-Trockenapparat, noch mehr aber durch die hohe Compression in den 
Stahlbehältern ausserordentlich scharf getrocknet. 

Hieraus erhellt, dass die Beschaffenlieit des Ballongases, seinem Feuch- 
tigkeitsgehalt nach, der Entwicklung von Reibungselektricität in der grössten 
Mehrzahl der Fälle nur günstig ist. 

Hierzu kommt noch .bei sonnigen Tagen die sehr starke Erwärmung 
des Ballongases. Nach einer diesbezüglichen Messung betrug die Temperatur 
des Ballongases in der oberen Hälfte (19. 6. 89. Ballon „Herder“ ab München; 
Brug, v. Siegsfeld) einige fünfzig Grad über Null, Lufttemperatur + 6° C. 

Zusammenfassend lässt sich sagen: elektrische Versuche mit Ballon- 
stoff sollen bei hoher Temperatur und geringem Feuchtigkeitsgehalt der 
Luft unter vollkommenem Ausschluss jeder irgendwie hygroskopischen Ver- 
unreinigung der Oberfläche der zu untersuchenden Botte stattfinden. 

Ein weiterer Umstand, welcher die Entwicklung hoher Spannungen 
begünstigt, liegt in den sehr grossen Flächen isolirenden Materials, welche 
zur Action kommen. Die Schlagweite der Funken von Elektrisirmaschinen 
wächst nahezu proportional dem Scheibendurchmesser. So immense Flächen 
wie sie der Ballon darbietet, kommen auch nicht annähernd bei irgend einer 
bis jetzt ausgeführten Elektrisirmaschine vor. 

Hiernach liegt die Möglichkeit vor, dass ein Conductor, welcher mit einer 
elektrisirten Ballonstofffläche in geeignete Berührung kommt, sich in einer 
solchen Weise ladet, dass er, entsprechende ÖOberflächenbeschaftenheit vor- 
ausgesetzt, in der Lage ist, Funken von hoher Schlagweite zu liefern. Es 
sollten also diesbezügliche Versuche mut möglichst grossen Stoilflächen an- 
gestellt werden. 

Als leitender Gesichtspunkt für die folgenden Versuche trat ferner die 
Ueberlegung auf, dass es im vorliegenden Falle darauf ankam, die zunächst 
liegenden Möglichkeiten einer Funkenbildung von getährlicher Intensität auf- 
zusuchen, im Versuch darzustellen und damit den Weg zu zeigen, wie diese 
in der Praxis unbedingt vermieden werden kann. 

Zur Zeit sind wir noch nicht in der Lage, Mass und Zahl, Span- 
nung, Quantität und anderweitige begleitende Nebenumstände von elektri- 


266 v. Siegsfeld: Das Eallow-Material, 


schen Entladungen zu charakterisiren, welche im Stande sind, explosive 
Gasmischung zu entzünden. Es fehlt hier durchaus an detanllirten plan- 
mässigen Untersuchungen. Ä 

Soviel lässt sich aus den bisl.erigen Erfahrungen, namentlich aus dem 
Gebiete des Gasmotorenbaues, feststellen, dass nicht die hohe Spannung 
der elektrischen Entladungen, als vielmehr die Quantität derselben auf eine 
sichere Zündung von Gasgemischen günstig einwirkt, und namentlich der 
Umstand, dass mit dem Funken Metalltheile in glühendem bzw. vergastem 
Zustande mitgerissen werden. | 

Wiederliolt habe ich die Beobachtung gemacht, dass Funken von einem 
kleinen Bruchtheil eines Millimeters Schlagweite, aber starker Intensität, 
explosive Mischungen zündeten, während schwache Funken von melır als 
IO mm dies nicht vermochten. Es soll dies nur zum Beweise des oben 
Gesagten dienen, dass in der erwähnten Beziehung Unterschiede in der 
Beschaffenheit des Funkens von erheblichem Einfluss sind. Häufig habe ich 
auch walırgenommen, dass eine grosse Anzahl von Funken schwacher In- 
tensität die Gasmischung nicht zündeten, schliesslich aber doch einmal Zün- 
dung eintrat. 

Mag dies nun seinen Grund darin gehabt haben, dass der Funken 
unterwegs ein Stäubchen angetroffen hat, welches er ins Glühen versetzte 
oder mag dieser Umstand auf sonst welche Ursache zurückzuführen sein; 
jedenfalls scheint unter Umständen selbst ein sehr schwacher Funken die 
Entzündung hervorrufen zu können. Es ist wohl kaum zweifelhaft, dass 
systematisch sachgemäss angestellte Untersuchungen hierüber ausreichende 
Klarheit werden verschaffen können. ` (Schluss folgt ) 





W. de Fonvielle, Secretaire de la Commission Internationale d’A6ronautique: 
Les Ballons-Sondes de MM. Hermite et Besancon et les ascensions internationales. Paris 
1898, Gauthier-Villars et fils. 


Unter obigem Titel ist ein Büchlein von 112 Seiten Inhalt aus dor Feder dcs 
wegen seiner Vielseitigkeit und wegen seines eleganten und geistvollen Stils weit 
über die Grenzen seines Vaterlandes binaus beliebten Schriftstellers W. de Fonvielle, 
der mit Recht in der Vorrede von A. Bouquet de la Grye ein „écrivain de mérite 
qui est du métier“ genannt wird, erschienen, welches die bekannten Versuche von 
G. Hermite und G. Besançon in Paris und die hieran sich anschliessenden ähnlichen 
im Auslanude zu einem interessanten und lehrreichen Gesammtbilde vereinigt. In 
dem ersten Abschnitt „En France“ wird geschildert, wie sich aus den schon seit 
langer Zeit ausgeführten Aufstiegen kleiner Pilotballonse, „ballons perdus“ genannt, 
der Plan entwickelte, solche mit selbstregistrirenden Instrumenten zu versehen, 
dessen Ausführung natürlich erst näher getreten werden konnte, als der bekannte 
Constructeur Richard seine leichteu und billigen, dabei verhältuissmässig zuver- 
lässigen Registrirapparate verfertigte. Gustave Hermite, ein Neffe des gleichnamigen 
berühmten Alathematikers, und Georges Besançon, welcher zuerst wohl den Plan 
Andrées verfolgt hat, den Nordpol mittels eines Luftvallons zu erreichen, begannen 
seit dem Jahre 1892 ihre Vorversuche, indem sie von dem Balkon ihrer Wohnung 
awu Boulevard de Sébastopol aus fast täglich kleine, nur 1 cbm fassende Ballons 


Assmann: W. de Fonvielle, Ballons-Sondes de MM. Hermite et Besancon etc. 267 


mit Fragekarten aufsteigen liessen und dabei neben interessanten Resultaten 
über die Richtung und Stärke der oberen Luftströmungen die wichtige Erfahrung 
machten, dass wen’gstens die Hälfte der Ballons in einem Umkreise von 150 km 
wiedergefunden wurde. Hierdurch ermuthigt, füllten sie grössere aus petroleum- 
getränktem Papier hergestellte Ballons von 113 und 26 cbm, welchen sie einen primi- 
tiven Registrir-Apparat für den Luftdruck und die Temperatur-Extreme anvertrauteu. 
Nach mohrfachen Misserfolgen gelang es ihnen, am 11. October 1892 einen aus Gold- 
schlägerhaut gefertigten Ballon von 90 cm Durchmesser, also kaum 0,5 cbm Inhalt, 
mit einem 150 gr schweren Registrirapparate bis zur Höhe von 1200 m steigen 
zu lassen, wobei der Ballon eine Strecke von 75 km nach Ost zu zurücklegte. 
Weitere Versuche mit Ballons von 4—5 cbm Inhalt folgten nun in kurzer Zeit, wo- 
bei am 28. November eine Höhe von 9000 m erreicht wurde; in 7600 m Höhe wurde 
eine Temperatur von — 10°, in 8200 m Höhe von — 18° und in 6600 m eine solche 
von — 19° gefunden. Man wurde hierbei bald auf die wichtige Einwirkung der 
Wirmestrahlung aufmerkenm, welche durch Erwärmung der Ballonhülle, und dadurch 
auch des Gases, die Ballons in höhere Schichten trieb, als sie nach ihrer Grösse 
und ihrem Gewicht hätten erreichen können. In Folge dessen entschlossen sich die 
beiden unermüdlichen Forscher, an Stelle des bisher bevorzugten Papiers die zwar 
theureren, aber ausserordentlich leichten und erheblich mehr Wärmestrablen absor- 
birenden Goldschläigerhäutchen in Verwendung zu nehmen: so entstand der erste, 
118 cbm fassende, aus Goldschlägerhaut verfertigte Ballon „l’Adrophile“, dessen 
Hülle nur 11 kg, Netz 1 kg und Apparate 6 kg wogen — ohne Zweifel ein Muster 
an Leichtigkeit, welches nicht zu übertreffen ist. Am 21. März 1893 erfolgte dessen 
-erster Aufstieg, bei welchem 15000 m „rohe“ Höhe und eine Temperatur von —51° 
erreicht wurde, am 27. September 1893 ein fernerer, nach welchem er bei der Landung 
verbrannte. Weitere Auffahrten mit dem 180 chm fassenden neuen Ballon „l’Asro- 
phile II“ fanden statt am 20. October 1895 und 22. März 1896, bei deren erster eine 
Temperatur von — 700 in 15500 m gefunden wurde.!) Am 5. August 1896 stieg ein neuer 
Ballon „lAérophile IJI“, aus gefirnisster Seide mit 880 cbm Inhalt erbaut, am 
14. November derselbe zum ersten Mal gleichzeitig mit ähnlichen Ballons in Strass 
burg, St. Petersburg und Berlin, wonach die ferneren internationalen Auffahrten 
vom 18. Februar und 13. Mai 1897 erfolgten. Wenn man die an dem letztganannten 
Tage versuchten, aber gänzlich missglückten Auffahrten zweier kleinerer Ballons 
in Paris ausser Betracht lässt, erfolgten demnach in Frankreich bisher 8 Auffahrten 
von Ballons sondes. 

Im zweiten Capitel, betitelt: „À l’etranger“, wird zunächst erörtert, wie dio 
Deutsche Regierung. richtiger ıresagt, der Deutsche Kaiser, die wissenschaftliche 
Luftschiffahrt unterstützt. An Stelle des bei diesen Experimenten allein genannten Hrn. 
Hauptmann Mödebock, welcher, weil von Berlin abwesend und mit der Luftschiffahrt 
praktisch nicht beschäftigt, ohne jede Beziehung mit den wissenschaftlichen Ballon- 
fabrten in Berlin geblieben ist, hätte hier Hr. Hauptmann Gross genannt werden müs- 
sen, ohne dessen opferwillige und aöronautisch wio meteorologisch geschulte uner- 
müdliche Antheilnahme es niemals gelungen sein würde, das zu erreichen, was erreicht 
worden ist. Hieran anschliessend werden die an anderen Orten erfolgten analogen 
Experimente erörtert. Es soll gewiss keine Schmälerung des unbestreitbaren Ver- 
1) Wie schon wiederholt bemerkt, sind alle von den französischen Forschern 
angegebenen Höhen „rohe“, d.h. ohne Berücksichtigung des Einflusses der Tempe- 
ratur ermittelte; die wahren Höhen bleiben deshalb um 1009—1509 m hinter den 
. „tohen“ zurück. Der wissenschaftliche Charakter dieser Ballonfahrten, sowie die 
Vergleichbarkeit mit den anderswo ausgeführten rechtfertigen den schon wiederholt 
ausgesprocheneun Wunsch, ausschliesslich die „wahren“ Höhen zu Grunde zu legen. 





268 Assmann: W. de Fonvielle, Ballons-Sondes de MM. Hermite et Besançon ete. 


dienstes der Franzosen auf diesem Gebiete bedeuten, wenn wir an dieser Stelle 
einige Irrthümer richtig stellen, welche dem Herrn Verfasser hierbei in Folge un- 
zureichender Information untergelaufen sind. Bei der voraussichtlich grossen Ver- 
breitung des interessanten Buches von Herrn de Fonvielle erscheint es uns aber 
geboten, einer „Legendenbildung* vorzubeugen, welche, wie bekannt, gar zu leicht 
eintritt, wenn Irrthümer unwiderlegt bleiben, welche von einer autoritativen Stelle 
ausgehen. Der Herr Verfasser möge deshalb das Folgende ausschliesslich unter 
diesem Gesichtspunkte beurtheilen. 

Allem Anschein nach hat sich eine gewissermassen nationaler Meinungsver- 
schiedenheit über die Vorzüge der „gefirnissten* und der „gummirten“ Ballons auf 
Grund der in Frankreich und Deutschland gemachten Erfahrungen heraurgebildet. 
welcher auch der Herr Verfasser dadurch Ausdruck giebt, dass er grundsätzlich alle 
aus ganz anderen Veranlassungen eingetretenen Misserfolge unserer Versuche auf das 
Material, auf den Kautschuk zurückführt. Wenn er z. B. auf S. 83 sagt, dass der 
„Cirrus“ am 14. November 1896 aus dem Grunde keine beträchtliche Höhe erreicht 
habe, weil „l’etoffe caoutchoutee n’etait pas imperméable: racornie et fissurée par 
le froid, elle ne tenait point l'hydrogène“, ao ist das ein handgreiflicher Irrthum, 
denn der Ballon Cirrus war ein gefirnisster Seidenballon und seine 
Undichtheit hatte allein ihren Grund in der ausserordentlich starken vorgängigen 
Beanspruchung. Unter dem Namen „Bremse“ hatte er nämlich als Militär-Fesselballon 
bei den Ucbungen auf Helgoland wiederholt das Salzwasser der Nordsee kosten 
müssen, besonders aber dürfte er durch die von ihm vorher ausgeführten 6 Auffahrten 
zu den grössten bisher überhaupt erreichten Höhen gelitten haben, von 
denen 4 16000 m überschritten und eine sich über 21000 m — notabene „wahrer“ 
Höhe — erstreckte. Auch ein gefirnisster Ballon wird allmählich „altersschwach“ und 
thatsachlich hat noch kein französischer Ballon sonde eine solche Reihe von Auf- 
stiegen ertragen! Dass aber die Kautschuck-Dichtung der Ballons, wenigstens was 
deutsche Fabrikate anlangt, die Concurrenz mit den Firnissen jeder Art aufnehmen 
kann, geht daraus hervor, dass der 2600 cbm grosse „gummirte® Ballon „Phönix“ trotz 
29 bis zu den grössten Höhen — 9150 m — ausgeführten wissenschaftlichen Fahrten, 
bei welchen er oft viele Stunden lang Temperaturen unter — 80°, ja bis — 48° aus- 
zuhalten gehabt hat, heute noch, nach 41/, Jahren, in seinem Stoff unverändert und 
vollständig gebrauchsfähig ist; ein anderer gummirter Ballon hat 78 Fahrten aus- 
geführt und wird noch immer weiter verwendet! Im Interesse der Wahrheit würde 
es uns lieb sein, wenn unsere geschätzten Mitarbeiter am gemeinsamen Werke 
jenseits des Rheins von dieser Richtigstellung endlich Kenntniss nehmen wollten 

Unerheblich sind einige Irrthümer des Herrn Verfassers, welcher auf S. 88 
den ersten missglückten Versuch mit dem „Cirrus“ auf den 11. März, statt 11. Mai 
1894 verlegt, auf 8. 89 die Auffahrt am 6. September in Tempelhof, statt in Char 
lottenburg erfolgen lässt. Nicht unwidersprochen aber darf die Notiz bleiben, dass 
am letztgenannten Tage der „Phönix“ nur eine Höhe von 8845 m erreicht habe, 
während thatsächlich in der Maximalhöhe von 6190 m (849.0 nım Luftdruck) eine 
Temperatur von — 26° gefunden wurde. Zu der auf derselben Seite gegebenen Notiz, 
dass Herr Berson bei seiner berühmten Hochfahrt am 4. December 1894 das vom Ver- 
fasser im Jahre 1869 in seinem Werke „Science en Ballon“ vorgeschlagene Verfahren 
der Sauerstoff-Einsthmung gebraucht habe, ist zu bemerken, dass nicht, wie bei der 
unheilvollen Hochfahrt von Tissandier, Croc6-Spinelli und Sivel, Sauerstoff in Gummi- 
säcken, mit atmosphärischer Luft gemischt, sondern comprimirtes reines Sauerstoff- 
gas in einem 1 cbm fassenden Stahlcylinder mitgeführt worden ist. Als der „Vater 
der Idee“, Sauerstoff bei Hochfahrten zu verwenden, galt uns bisher der berühmte 
Paul Bert, doch lassen wir uns gern belehren. Irrthümlich ist ferner die Beschrei- 
bung des bei unseren „Cirrus*-Fahrten verwandten photographischen Registrir- 


Assmann: W. de Fonvielle, Ballons-Sondes de MM. Hermite et Besançon etd. 289 


Apparaten" die Angabe des Zwecken der photographischen Reglstrirung, „um Tem: 
peraturen ohne Benutzung’ einer Vidi'schen Dose zu erhalten“, ist uns nicht ganz 
verständlich; offenbar übersieht Herr de Fonvielle den Zweck des Apparates, welcher 
in der Verwendung des vom Schreiber dieser Zeilen eingeführten Aspirations- 
Princips beruht, welches unbestrittenermassen eine neue Aera in der wissen- 
schaftlichen Luftschiffahrt zustande gebracht hat. Dass die Methode der photogra- 
phischen Registrirung in Folge des bei den ersten Versuchen der Herrn Hermite 
und Besangon eingetretenen Einfrierens der Registrirtinte gewählt wurde, konnte 
Herr de Fonvielle allerdings nicht wissen, dass dieselbe aber allen anderen, auch 
der sonst so vorzüglichen „Russschreibung“, soweit es sich um Experimente bel 
Tageslicht handelt, erheblich überlegen ist, werden wir demnächt ausführlich be- 
weisen, indem wir zeigen, wie stark bei der letzteren durch ein kleines Uebermass 
von Reibung des Schreibstiftes auf dem Papier die Werthe der Registrirungen be- 
einflusst werden können, während gewiss zugegeben werden muss, dags das Licht 
weder einfrieren noch Reibung erzeugen kann. Ungenau ist auch die Angabe, dass 
die Registririung in derselben Weise erfolgt, wie in Kew und Greenwich, ebenso 
wie bei den analogen französischen Versuchen: bei unserem Apparat erfolgt mittels 
eines Steinheil'schen Antiplanet-Objectivs eine fortlaufende photozraphische Auf- 
nahme des Standes der Alkoholsäule im Thermometer und des reibungslos sich 
bewegenden Hebels eines Bourdon’schen Barometers ` die vielfach wundervoll scharfen 
Bilder unserer Registrirungen sind nach der vom Verfasser angegebenen Methode 
nicht zu erzielen. | 

Interessant ist uns die Notiz des Herrn de Fonvielle, dass, wie auf S. 79 an- 
gekündigt wird, kein Geringerer sls Herr Bouquet de la Grye den Plan gefasst hat, 
die „Richtigkeit der Laplace'schen Höhenformel auf photographischem Wege zu 
controlliren“. Es kann uns nur schmeichelhaft sein, mit diesem grossen Gelehrten 
gleichzeitig unser Augenmerk auf diese, bei uns als photogrammetrische 
Höhenmessung bezeichnete Methode gerichtet zu haben. Thatsächlich ist auf 
Veranlassung des Schreibers dieser Zeilen vor länger als einem halben Jahre ein 
solcher Apparat bei der bekannten Firma R. Fuess in Steglitz in Auftrag gegeben 
worden und sind die bisher mit demselben nach seiner Fertigstellung vorgenomme- 
nen Versuche durchaus zufriedenstellend ausgefallen. Es wird uns sehr interessiren, 
zu erfahren, wie die von den Herren Cailletet und Gaumont construirten Apparate 
functioniren!). Ob sich die erhaltenen Bilder bei der doch immerhin verhältniss- 
mässig geringfügigen Höhe auf die Eigenthümlichkeiten des Aussehens der Mars: 
oberfläche, wie Herr de Fonvielle wohl etwas sanguinisch annimmt, beziehen lassen 
werden, ist für unseren Zweck weniger wichtig, als die Thatsache, dass man unter 
günstigen Verhältniesen aus der gleichzeitigen Aufnahme einiger weit von ein- 
ander entfernten markanten Objecte der Erdoberfläche, wie grosse Scen und Fluss- 
läufe, unschwer die Höhe, sicher aber den zurückgelegten Weg des unbemananten 
Ballons bestimmen kann, da wir bisher von unseren Ballons sondes nur den Aut- 
stieg- und Landungsort kennen, aber nicht wissen, ob dioselben nicht auf verschlunge- 
nen Bahnen, deren Keuntniss von der allergrössten theoretischen Bedeutung für 
die Meteorologie sein müsste, ihr Ziel erreicht haben. Auf diesen Zweck eines 
solchen Apparates hat Herr de Fonvielle allerdings nicht hingewiesen, aber er scheint 
uns wichtiger zu sein als der erstgenannte und dürfte auch in vollkommenerer Weise 
als mit dem sehr ingeniös erdachten „Dromographen“ des Herrn Hermite zu erreichen 
sein, welcher auf S. 80 beschrieben wird. 

Wenn Herr de Fonvielle auf S. 41 weiter ausführt, dass die Auffahrt des „Cirrus“ 
am 4. December 1894 keine Resultate ergeben hat, so hat er darin leider Recht — 


1) Ein erster inzwischen erfolgter Versuch ist ziemlich zufriedenstellend ausgefallen. 


270 Assmann: M. ds Fonvlalle, Ballons-Sondes de MM. Hermite et Besançon ete. 


nicht aber darin, dass der Grund hierfür in dem Functioniren der Apparate, oder 
darin gelegen hat, dass der Ballon, wie er annimmt, nur gerinze Höhe erreicht hat. 
Derselbe ist vielmehr, soweit sich bei dem Ausserst klaren Wetter feststellen liess, 
sogar ausserordendlich hoch gestiegen, vielleicht sogar höher als bei irgend einer 
anderen Auffahrt, dass derselbe nach 2°/, Stunden schon wieder, uud zwar in 
nieht zu grosser Entfernung landete, hatte seinen Grund darin, dass ein Apparat, 
welcher bestimmt war, 2 Stunden nach dem Aufstieg ein kleines, im oberen Theile 
des Ballons angebrachtes Ventil zu öffnen, gut functionirt hat. Die erheblichen Kosten, 
welche die Aufsuchung und der Rücktransport des Ballons von Bosnien und Russ- 
land her verursacht hatten, sowie die Thatsache, dass der viele Stunden lang 
währende Aufenthalt des Ballons in den höchsten Schichten der Atmosphäre nach 
Erreichung seiner Gleichgewichtslage keine wissenschaftlichen Vortheile darbot, 
liessen es uns wünschenswerth erscheinen, die Fahrt etwas abzukürzen, zumal wenn 
die Richtung nach der Ostsee zu die Gefahr eines Verlustes des Ballons nahe legte. 
Das Fehlen der Resultate dieser Fahrt aber ist einem jener tückischen Zufälle zu 
verdanken, welche gerade dann, wenn alle anderen Schwierigkeiten glücklich über- 
wunden und unsere Erwartungen demnach besonders hochgespannt sind, uns der 
Früchte unserer Arbeit zu berauben pflegen. Hier lag dieser Fall vor: Herr Beraon 
flog, in Stassfurt um 10h 28m a. m. mit reinem Wasserstoffgas ohne Bogleiter auf- 
gestiegen, in den höchsten bisher von einem Menschen erreichten Regioren und 
musste aller Wahrscheinlichkeit nach, wenn auch nicht direct über Berlin, so doch 
nicht allzuweit davon entfernt passiren, Herr Dr. Süring war um 10h 17m mit 
dem „Majestic“ in Charlottenburg aufgestiegen und hatte einen ähnlichen Kurs 
eingeschlagen, auf welchem er die Höhe von 8344 m erreichte. Da sollte nun der 
„Cirrus“ die beiden mit den besten Instrumenten ausgerüsteten, mit unseren er- 
fahrensten Ballon-Beobachtern besetzten Ballons um ebensoviel überfliegen, ala 
deren Höhenunterschied, fast 6000 m, betrug — eine Gelegenheit zu „synoptischen“ 
Beobachtungen im verticalen Sinne, wie sie so leicht nicht wieder geboten wird! 
Und alles war geglückt, der „Cirrus“ mit unverletzten und deshalb allen Nachprüfun- 
gen unterwerfbaren Apparaten aufgefunden — da passirte dem mit der Bedienung 
des photographischeu Registrir-Apparats am meisten vertrauten Mechaniker, welcher 
alle bisherigen Registrirungen tadellos „entwickelt“ hatte, dass unerhörte Missge- 
schick, dass er, im rothen Lichte der Dunkelkammer die bereitstehenden Schalen 
verwechselnd, das Bromsilber-Gelatine-Papier zuerst in die Fixirlösung, statt in den 
„Entwickler“ legte, sodass an Stelle der mit Spannung erwarteten Curven über 
Luftdruck und Temperatur nur das unverändert weisse Registrirpapier aus dem 
Bade hervorging! „Les indications scientifiques constatées furent done nulles“ sagt 
Herr de Fonvielle mit Recht, aber der Grund hierfür lag auf einem anderen Gebiete ! 
Ebenso berechtigt ist die Klage des Verfassers in der Fussnote an derselben Stelle. 
dass die Curven, welche der Apparat des „Cirrus“ bei seinen höchsten Fahrten ge- 
zeichnet hat, noch nicht veröffentlicht worden sind; dieselben sollten dem z. Z. in 
Druck befindlichen, unsere sümmtlichen wissenschaftlichen Fahrten zusammenfassen- 
den grossen „Ballonwerke“ vorbehalten bleiben. Doch würden wir, falle wir von der 
beabsichtigten Publicationen des Herrn Verfassers Kenntniss gehabt hätten, mit Ver- 
gnügen ihm dieselben zur Verfügung gestellt haben. Ucbrigens hat diese Anregung des 
Herrn Verfassers genügt, um uns zu dem Entschilusse zu bringen, diese Registrirungen 
nunmehr binnen kurzem in dieser Zeitschrift vor dem Ballonwerk zu veröffentlichen. 

Nachdem folgte, was Herrn de Fonvielle nicht wohl bekannt sein konnte, 
die Auffahrt vom 27. April 1895, bei welcher die grösste aller bisherigen Höhen, 
rund 22000 m erreicht wurde und der „Cirrus“ auf der dänischen Insel Laaland nieder- 
fiel, sowie eine weitere am 22. August 1895, bei welcher absichtlich auf eine grosse 
Höhe verzichtet wurde, um ein neues Experiment auszuführen, sodass der „Cirrus“ 


Assmann: W. de Tonvielle, Ballons-Sondes de MM. Hermite ot Besançon ete. 271 


nur 12600 m Höhe und eine Minimaltemperatur von -- 42° erreichte und er in Folge 
des oben genannten Mechanismus zur Abkürzung der Fahrt nach 2!/, Stunden bei 
Briesen, nuhe bei Frankfurt a. Oder, landete. Daran schlossen sich nun die inter- 
nationalen Fahrten vom 14. November 1896 und 18. Februar 1897, bei deren erster 
der alte und wohlbewährte „Cirrus“ versagte und sein Ende in den Bäumen des 
Grunewalds fand, aus deren Aesten er nur in Fotzen zu befreien war. Nun erst 
trat der neue „gummirte Seidenballon* Cirrus II in Thätigkeit, dessen geringe Er- 
folge, wie wir an anderer Stelle nachweisen werden, nicht in dem „Kautschuk“ zu 
suchen sind, sondern ganz andere Gründe hatten. Uebrigens erreichte der „gummirte“ 
Feldballon, welcher, 230 kg schwer, an Stelle des beim Aufstieg geplatzten „Cirrus II“ 
am 18. Februar aufstieg, die für sein Gewicht recht respectable Höhe von 9000 m 
und brachte eine Temperatur-Notirung von — 42° mit herab. Am 14. April stisg 
abermals der „Cirrus Ir auf, um ausserhalb der internationalen Fahrten neue Ver- 
suche, unter diesen solche mit „ausfliessendem Ballast“, anzustellen, wobei er, ob- 
wohl auch hierbei nicht alles glückte. die „wahre“ Höhe von 14700 m und eine 
Temperatur von — 58° erreichte. Nach 4!/, Stunden landete, oder besser gesagt 
„sumpfte* er in der Nähe von Görlitz, denn er schleifie etwa 800 m weit mit allen 
Apparaten durch einen sumpfigen See, wodurch die Registrirungen arg verunreinigt 
wurden. Die photographischesi Aufzeichnungen aber blieben hierbei, abgesehen 
von einigen Flecken, völlig intact! Am 18. Mai endlich wurde der „Cirrus II“, mit 
„ausfliessendem Ballast“ und der von Herrn Kowanko liebenswürdiger Weise über- 
sandten Abfall-Vorrichtung versehen, unter erschwerenden äusseren Umständen auf- 
gelassen, wobei er in etwa 8000 m Höhe bei dem Abfallen des Ballastsackes ein 
Loch im unteren Drittel erhielt, damit zwar noch bis zu 8000 m aufstieg, aber schon 
nach 2!/, stündiger Fahrt im Oderbruch landete. Wahrscheinlich in Folge der bei 
der letzten Auffahrt eingetretenen Verschmutzung und dadurch hervorgerufenen 
Kostbildung an den Axen blieben die Uhrwerke beider mitgeführten Apparate nach 
41 Minuten stehen, sodass nur über eine kurze Strecke der Flugbahn Aufzeichnungen 
erhalten wurden. | 

So liegen bis jetzt 10 Auffahrten unserer Registrirballons vor, von denen 
einer indess die Ergebnisse, wie oben angeführt, verloren gegangen sind. 

Im 8. Capitel „Tb6orie de l'ascension d'un ballon sonde“ stellt Herr de Fone 
vielle die bekannten Formeln und Gesetze über die von einem Ballon erreichbare 
Höhe und dessen Construction in Bezug auf Grösse und Widerstandsfähigkeit e, 
wie Gasdichtigkeit zusammen, wobei abermals die Ansicht über die Minderwerthig- 
keit des „etoffe caoutchoutee* ausführlich zur Erörterung kommt. Die Gründe, 
weshalb Herr Andréco die deutschen Ballonstoffe in Bezug auf Gasdichtigkeit ebenso 
mittelmässig wie in ihrer Widerstandsfähigkeit gefunden haben soll, lagen auf einem 
ganz anderen Gebiete, dessen nähere Beleuchtung hier nicht am Platze ist. That- 
sache ist, wie jeder weiss, dass der gefirnisste Ballonstoff des Andrée schen Polar- ` 
ballons durchaus uicht den von seinen Fabrikanten garantirten Erwartungen ent- 
sprochen hat, aus welchem Grunde Herr Nils Ekholm seine Betheiligung an der 
Fahrt, wie bekannt, aufgegeben hat. Das seitens des Herrn de Fonvielle aber als 
Beweis angeführte Beispiel, „dass die Herren Hergesell und Mödebeck in Strass- 
burg“ — irrthümlicher Weise wird der verdienstvolle Leiter der Strassburger Ex- 
perimente v. Hergesell genunnt, — nur „gefirnisste Stoffe für ihre Fahrten ver- 
wendet und niemals Zerreissungen derselben erlebt hätten, wird dadurch entkräftet, 
dass der neu beschuffte Registrirballon „Langenburg“, welcher bei seiner letzten 
Fahrt eine sehr grosse Höhe erreicht hat und nach I8stündiger Fahrt in Ostpreussen 
gelandet ist, ein „gummirter Seidenballon* aus der Continental Caoutchouc- und 
Guttapercha - Compagnie in Hannover war, und zwar in Stoff und Grösse völlig 
analog unserem „Cirrus Il“, 


972 Assmann: W. de Fonvielle, Pallons-Sondes de MM. Hermite et Besançon etè. 


So bleibt zur Erklärung der „mangelhaften Erfolge“ der Berliner Experimente 
nur noch die Ungeschicklichkeit oder ungenügende Frfahrung der dortigen Ver- 
anstalter übrig und der Herr Verfasser ist so liebenswürdig, dem Monsieur Assmann 
hierüber eine ausführliche Belehrung zu ertheilen. Weit entfernt davon, Herrn de 
Fonvielle hierüber zu zürnen, möchte der Schreiber dieser Zeilen nur darauf auf- 
merksam machen, dass er bisher ebenso oft, wie die Herren Hermite und Besançon 
d. h. 8 mal seine Ballons sondes in die Höhe gebracht hat, ohne dass dieselben 
beim Aufstieg zerrissen. Die Misserfolge der zwei übrigen Fahrten hatten mit der 
mangelnden Erfahrung absolut nichts zu thun, wie an anderer Stelle eingehend 
ausgeführt werden wird. Hier genüge die Angabe, dass bei dem ersten Versuche 
am 11. Mai 1894 ein kleiner Greifanker, welcher die Selbstentleerung des Ballons 
bei der Landung zu bewirken bestimmt war. indem er, 20 m unterhalb desselben 
an der „Zerreiasleine* hängend, an der Erdoberfläche festgehalten, den Ballon aus- 
viebig Öffnen sollte, in Folge des unruhigen, böigen Wetters beim Aufstieg vorzeitig 
in Wirksamkeit trat, indem er an einem Gegenstande der Erdoberfläche für einen 
Augenblick hängen blieb und so die Zerreissvorrichtung zur Wirkung brachte. Der 
zweite Misserfolg aber wurde dadurch veranlasst, dass der neue „Cirrus Il“ in allen 
seinen Theilen mit der Aussersten zulässigen Leichtigkeit, dabei mit einem Netz 
von nur 2,5 kg Gewicht construirt worden war und deshalb für die erste Auffahrt 
mit Leuchtgas gefüllt werden sollte, dessen Auftrieb von 0,7 kg pro Cubikmeter, — 
bei seinem Inbalt von 400 cbm also im Ganzen 280 kg, abzüglich des Gewichtes 
von Ballon 80 kg und Apparaten 15 kg = 235 kg, — das schwache Netz wohl 
aushalten konnte. Durch besondere Umstände indess, welche hier nicht zu erörtern 
sind, wurde in letzter Stunde eine Füllung mit elektrolytisch erzeugtem Wasserstoff- 
gas vorgenommen, dessen Auftrieb bei seiner unübertrefllichen Reinheit 1,1 kg 
pro Cubikmeter überstieg. Als der Ballon etwa mit 250 cbm dieses Gases gefüllt 
war, begann dass Netz, zumal ein etwas böiger Wind mitwirkte, an einzelnen Stellen 
zu zerreissen, sodass man, um ein weiteres Unglück zu verhüten, die Füllung be- 
endigen und, da wegen des Eintreffens der hohen Gäste eine Entleerung und Neu- 
füllung mit Leuchtgas nicht mehr ausführbar war, den kaum zu ?/, seines Volums 
gefüllten Ballon „auf gut Glück“ aufsteigen lassen musste. Der Veranstalter hat 
also durchaus nicht, wie Herr de Fonvielle schreibt, „l'habitude de ne pas gonfler 
eomplötement son ballın-sonde,“ sondern er war nur in dem genannten Falle hierzu 
gezwungen gewesen. 

Die weiterhin gegebenen Anweisungen für die Fesselung und Entfesselung 
der Registrirballons, welche die Herren Hermite und Besançon erdacht und uns in 
liebenswürdigster Weise schon vor längerer Zeit brieflich mitgetheilt haben, sind 
so zweckentsprechend und sachgemäss, dass wir nicht gezögert haben, dieselben 
bei allen unseren späteren Aufatiegen ohne weiteres anzuwenden, da wır der Mei- 
nung sind, es sei völlig gleichgültig, wer eine Einrichtung erfunden hat, wenn sie 
nur ihren Zweck erfüllt! 

Nach einer auch für Nichtfachmänner recht verständlichen Darstellung der 
Laplace'schen Höhenformel, wobei erfreulicher Weise anch unser bisheriges „pium 
desiderium“, die Temperstur-Correction, zu ihrem Rechte gelangt, kommt der Herr 
Verfasser abermals in ausführlicher Weise auf die Sonnenstrahlung und ihren Bin- 
fluss auf die Temperatur des Ballongases zu sprechen. Hierzu sei bemerkt, dass 
bei der ersten unserer „wissenschaftliichen Ballonfahrton* am 28. Juni 1888 durch 
Herrn von Siegsfeld mittels eines ad hoc construirten Apparates in einer Höhe von 
2475 m ein Temperatur-Ueberschuss des Ballongases über die Temperatur der 
äusseren Luft von 56° constatirt worden ist, Der naheliegende Vorschlag, einen 
Ballon mit schwarzer Oberfläche herzustellen, um die grösatmögliche Ab- 
sorptiou der strahlenden Sonuonwärme zu erzielen, hat, wie angegeben wird, die 


Assmann: W. de Fonvielle, Ballons-Sondes de MM. Hermite et Besançon etc. 273 


russischen Mitglieder des Comité aéronautique international veranlasst, einen solchen 
Ballon in Paris zu bestellen; in der Ausführung hat derselbe indess nur eine braune 
Farbe erhalten. Ueber die mit demselben erzielten Resultate ist uns noch nichts 
bekannt geworden. 

Nach interessanten Mittheilungen über die mit einer bewundernswerthen 
Präcision gearbeiteten, von Herrn Cailletet verbesserten Apparate zur Entnahme von 
Luftproben aus den grössten Höhen, kommt der Herr Verfasser auf den Aufstieg 
des Registrirballons „Strassburg“ am 14. November 1896 in Strassburg zu sprechen 
und stellt hierbei die Vermuthung auf, dass die — in unserer Zeitschrift auf p. 96 
näher erörterte, unzweifelhaft auf eine Störung in der Function des Bourdon’schen 
Rohres am Richard’schen Thermographen zurückzuführende Unterbrechung des Baro- 
gramms und Thermogramms auf einer Begegnung des Ballons mit einer in 4—5000 m 
Höhe schwebenden Wolke beruhe. Während Herr Hergesell bekanntlich — s. Mete- 
orologische Zeitschrift 1897 p. 182 — eine warme Luftschicht annahm, in welcher 
der Ballon bei seinem Eintritt einen „Stoss“ erfahren haben soll, welcher eine 
Störung der Registrir- Apparate ausgelöst habe, hält Herr de Fonvielle eine 
Wolke für wahrscheinlicher: nach unserer Meinung haben beide Unrecht, denn wie 
oft sind schon auch von den schnell aufsteigenden Ballons sondes warme Luft- 
schichten und Wolken gekreuzt worden, ohne dass auch nur eine Spur der genannten 
Erscheinung zu bemerken war! Und müsste nicht auf den Ballon herabstürzender 
Regen oder Hagelfall, oder auch ein starker Schneefall in viel ausgiebigerem Masse 
eine plötzliche Verlangsamung des Aufstieges bewirken? Trotzdem sind analoge 
Folge-Erscheinungen bisher stets ausgeblieben. Auch die Möglichkeit, jene eigen- 
thümliche Curve, welche von —80° sofort nach 0° sprang, allein durch Stehenbleiben 
des Uhrwerks im Apparat zu erklären, will uns nicht einleuchten, da dann auch 
das Barogramm, welches auf derselben Trommel gezeichnet wurde, dieselbe Eigen- 
thümlichkeit hätte zeigen müssen. 

Mit dem allergrössten Interesse sehen wir dem durch Herrn de Fonvielle an- 
gekündigten Registrir-Apparat für die Intensität der Sonnenstrahlung entgegen, 
welchen der berümte Altmeister der Aktinometrie, Herr Violle zu liefern versprochen 
hat. Denn es ist kein Gehbeimniss, dass die bisher benutzten, auf dem sogenannten 
„Schwarzkugelthermometer“ basirenden Messungsmethoden äusserst unsichere Re- 
sultate liefern. | 

Hierbei und ausführlicher in dem A Capitel: Les ascensions internationales 
erwähnt Herr de Fouvielle eine ausgesprochene Neigung der Deutschen für nächt- 
liche Auffahrten der Ballons sondes, welche von den Franzosen nicht getheilt 
werde und erklärt es für klüger, mit solchen erst später vorzugehen. Hierauf sind 
wir gezwungen in aller Höflichkeit folgendes zu antworten. Wie Herr de Fonvielle 
auf S. 42 richtig mittheilt, ging die erste Anregung zur Veranstaltung simultaner 
Auffahrten mit Ballons sondes von dem Schreiber dieser Zeilen aus, welcher in 
einem Briefe vom 12. Juni 1896 an Herrn Gustave Hermite eine hierauf bezügliche 
Bitte richtete. Als hierauf der Letztere sein principielles Einverständniss in liebens- 
würdigster Weise mittheilte, aber die Bedingung völlig gleichartiger Instrumente 
stellte, erklärte sich der Unterzeichnete sofort hierzn bereit, falls man für den ersten 
Versuch die Nachtzeit wählen würde, um den völlig uncontrollirbaren Einfluss der 
Sonnenstrahlung, welcher seiner Meinung nach bei den Richard’schen Thermographen 
ein ausserordentlich grosser sei, zu beseitigen. Dieser Grund fand nicht nur in 
Paris, sondern auch bei den später in Folge der Conferenz von Directoren meteoro- 
logischer Institute beigetretenen Forschern in Strassburg und St. Petersburg Aner- 
kennung und Herr de Fonvielle gerade war es, welcher, um Beobachtungen über 
Sternschnuppenschwärme des November zu erhalten, die Nacht vom 13. zum 14. Nov. 
für den ersten Versuch auswählte. Leider blieb bei dieser Veranlassung kein ein- 


274 Assmann: W. de Fonvielle, Ballons-Sondes de MM. Hermite et Besançon ete. 


ziger der aufgestiegenen 4 Ballons sondes noch längere Zeit nach dem Sonnen- 
aufgang in der Luft, sodass man hätte den Einfluss der nunmehr eintretenden di- 
recten Wärmestrahlung studiren können. Bei dem zweiten gemeinsamen Experiment 
am 18. Februar 1897 wünschten die französischen Gelehrten die Zeit 10 Uhr Vor- 
mittags zu wählen und alle Uebrigen stimmten dem bei. Am 18. Mai 1897 aber ging 
die Anregung zur Wahl der Aufstiegszeit kurz vor dem Sonnenaufgang nicht von 
hier aus, wenigstens keinenfalls von Berlin aus, sodass eigentlich von einer beson- 
deren Vorliebe der Deutschen für die Nachtzeit nicht wohl gesprochen werden kann, 
obwohl allerdings nach unserer Meinung alle bisher mit den üblichen Methoden er- 
zielten Resultate den unverkennbaren Stempel der Unzuverlässigkeit an der Stirn 
tragen, allein veranlasst durch die verderbliche Einwirkung der Sonnenstrahlung 
auf die gegen dieselbe in völlig unzureichender ‘Weise geschützten Apparate. Das 
gilt, wohl verstanden, für alle der bisherigen Aufzeichnungen, also auch für 
die unsrigen! Deshalb nützen unserer Sache Auffahrten am Tage so lange 
absolut nichts, bis es gelungen sein wird, Methoden und Apparate zu ersinnen und 
zu construiren, welche diesem Fehler nicht unterliegen. Dieser seiner Ueberzeugung 
hat der Unterzeichnete in wiederholten Schreiben an seine Mitarbeiter in Paris und 
auch an den Vorsitzenden der internationalen Commission, Herrn Dr. Hergesell in 
Strassburg, Ausdruck gegeben und er ist den genannten Herren dafür dankbar, 
dass sie hierauf hin weitere internationale Auffahrten bis nach einer demnächst, 
voraussichtlich im Februar 1898 abzuhaltenden Conferenz eingestellt, sich aber, ein 
Jeder zu seinem Theile, die Aufgabe gestellt haben, bis dahin ein Instrument zu 
construiren und zu erproben, welches von dem verderblichen Fehler zweifellos frei ist. 
Uebrigens spricht weder die Thatsache, dass unsere ersten 6 Auffahrten ausschliesslich 
am Tage stattgefunden haben, noch dass unser photographischer Registrir-Apparat 
unbedingt des Tageslichtes bedarf, für unsere Vorliebe für nächtliche Auffahrten 
Die auf S. 96 bis 100 wiedergebenen Tabellen sind dem Aufsatze des Unter- 
zeichneten in der „Zeitschrift für Luftschiffahrt und Physik der Atmosphäre“ ent- 
nommen, ebenso einige Diagramme , ausserdem ist eine von Herrn Hergesell auf- 
gestellte Tabelle über die corrigirten Temperatur-Werthe, welche der „Aérophile“ 
am 14. November registrirt hat, gegeben. Bei der Besprechung unserer Darstellung 
der von dem französischen Ballon bei dem Aufstiege und dem Abstiege aufgezeich- 
neten bedeutenden Temperatur-Differenzen glaubt Herr de Fonvielle mit der 
kurzen Bemerkung die Sache zu erledigen, „dass dies nichts Ueberraschendes 
sei, indem man lange wisse, dass ein Thermometer beim Aufsteigen zu hohe und 
beim Absteigen zu tiefe Temperaturen gäbe.“ Ohne Zweifel ist dies längst bekannt, 
erklärt aber nicht die ganz gewaltige Differenz von 24°, welche während eines fast 
81/2 Stunden währenden sehr langsamen Sinkens des Ballons zu Stande kam. 
Zum Schluss des Capitels über die internationalen Ballonfahrten bespricht 
der Herr Verfasser in durchaus zutreffender Weise die Aufgaben und Ziele derselben 
und zählt die hervorragenden Persönlichkeiten auf, welche in Paris bereit eind, 
der guten Sache ihre Unterstützung angedeihen lassen. Wenn uns in diesem Ca- 
pitel eines fehlt, so ist es der Name des hochberühmten französischen Luftschiffers 
und Gelehrten Gaston Tissandier, welcher unbestritten als der eigentliche geistige 
Urheber der internationalen Zusammenarbeit auf diesem Gebiete betrachtet werden 
muss und welcher in Anerkennung dieses grossen und fruchtbaren Gedankens zum 
Ebrenmitgliede der Commission internationale aéronautique gewählt worden ist. 
Leider ist ep dem hochverdienten Manne nicht vergönnt, sich der Früchte seiner 
Aussaat zu erfreuen, da schwere Krankheit ihn von der Aussenwelt und was in ihr 
vorgeht wohl für immer trennt. Aber um so weniger sollte man seine Verdienste 


vergessen! Assmann. 
RENNEN Bus 


Zum Artikel: Koch. 
Tafel I. Tafel II. 


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Fig. I Prof. Wellner's Versuch mit einer 
im Wind aufgehängten Fläche. 
a. Ruhezustand. b. Effect des ım der Pfeilricht. C da- 
gegen strömeuden Windes. x Resultirende des Luft- 
druckes gegen die Fläche. e. Schwerpunkt der Fiäche. 
f. Bewegungsrichtung der vom Wind getroffenen Fläche. 
Fig. II. Das entspr. Verhältniss in Bezug 
auf die künftige Schaufelradflugmaschine 
bei rückwärts geneigter Flügelstellung. 
a. Tragflächen. b. Schaufelrad, c. Schwerpunktslage, 
d. Resnltirende des Luftdruckes. 
Fig. III Excentrischer Schirm mit Kniegelenk 
in der Pfeilrichtung nach unten bewegt. 
Badiee Lat? Se TuflterhinIint Hol X b. Resultirende Stellang der Schirmfläche, 


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— hen zë jez meer ropra, TK 


baren bangnoneig ap: zz di ar) 





Zum Artikel: Koch. 








Tafel VIII. 












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Tafel V. 





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Zeitschrift für Luftschiffahrt. Heft X. 


` Tiet für Jvitsctbiet und Physik der Atmosphäre. 1897. Heft ti. 215 


Das Flugprincip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 
Von Gustav Koch. 
(Fortsetzung.) 

Solche Rotationsapparate sind in erster Linie die bekannte Luft- 
schraube und ausserdem das aut letzteres Versuchsergebniss hin in den 
Jetzten Jahren von Herrn Professor Wellner in Brünn in Vorschlag gebrachte 
Segelrad. 

Erstere zeigt um eine verticale Achse gruppirte, leicht gegen den 
Horizont geneigte Flächen, welche sich beim Drehen der Achse mit dem 
erhobenen Theil gegen die Luft bewegen. 

Das Letztere präsentirt sich als ein mehr langes als hohes Schaufel- 
rad mit beweglichen, aus mit Segeltuch überspannten Rahmen bestehenden 
Schaufeln, welche bei der Rotation des Rades mittelst Excenter derart 
verstellt werden, dass sie jeweils am obersten und untersten Theil des 
Rades eine zur Bewegungsrichtung leicht nach hinten geneigte Stellung 
einnehmen, wobei das Tuch bei der Rotation des Rades durch den Luft- 
druck eine gewölbte Form annimmt, während die das Vorder- und Hinter- 
ende des Rades passirenden auf- und abwärtsgehenden Schaufeln in einer 
dem Radkranz entsprechenden Lage sich befinden und die Luft einfach 
durchschneiden. 

Beide Apparate wären wohl geeignet in dem besprochenen Sinne zu 
wirken, da die Schaufel- und Flügelflächen bei ihrer Rotation, die Einen 
immer, die Anderen während der entsprechenden Bewegungsphasen, die 
nothwendige, aus vorerwähntem Experiment hervorgehende, leicht nach hinten 
geneigte Stellung einnehmen und in natürlicher Folge dieser ihrer Schief- 
stellung die zur beständigen Erhaltung der Luftverdichtung, aus welcher 
die Luftkissen bestehen, erforderlichen Luftmengen von oben wegnehmen. 

Der Effect ist aber doch nicht der erhoffte, kann es auch nie 
sein, denn während die im Winde aufgehängte Fläche stetsvonneu 
anströmenden Luftmassen bestrichen wird, welche jenes trag- 
fähige Luftpolster oder -Kissen zu bilden und dadurch zu erhalten im Stande 
sind, dass ihre Bewegungsgeschwindigkeit, in diesem Falle also die Wind- 
geschwindigkeit, eine grössere ist, als diejenige, mit der die gepresste oder 
verdichtete Luft, aus welcher das Luftkissen besteht, sich wieder ausdehnen 
will, bewegen sich die Flügel der Luftschraube und die Schaufeln des Segel- 
rades relativ immerin ein und derselben Luftsäule oder 
Luftcylinder; wenn nun auch unter den betreffenden Flächen sich 
ähnliche Luftkissen bilden, wie solche als tragende Unterlage für horizontal 


276 Koch: Das Flugprineip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 


bewegte Flächen dienen, so befindet sich doch das Ganze, da auf der 
Stelle bleibend, in derselben Lage, wie die eingangs besprochene, in 
ruhiger Luft dem Fall überlassene Fläche; es bilden sich eben unter 
den, durch die Rotation der Apparateerzeugten Luft- 
kissen wieder jene, das Sinken bedingenden Luft- 
hügel, welche dem Schwebenim Wege stehen. 


Soll ein mit schiefgestellten rotirenden Flächen ausgestatteter Apparat 
in rubiger Luft frei schweben, oder gar sich frei vom Boden erheben, so 
genügen keine dünnen Luftkissen, es muss vielmehr, 
wie bereits erwähnt, ein richtiger compacter Sockel aus 
je nach dem Gewichte des Apparates mehr oder weni- 
ger stark verdichteter Luft unter demselben her- 
gestellt werden, welcher, indem er behufs Neutralisirung der per- 
manent erfolgenden Wiederausdehnung der Letzteren continuirlich erneuert 
wird, dem Flugkörper als Unterstützung dienen kann. 


Wie schnell die \Wiederausdehnung verdichteter Luft erfolgt, und 
welche Luftmassen dazu gehören, die betreffende Pression in jedem Moment 
immer wieder zu erneuern, resp. zu unterhalten, weiss jeder Techniker, 
der schon mit Ventilatoren zu thun hatte. 


Dass, um diesen Zweck zu erreichen, es nicht empfehlenswerth ist, 
bei Schrauben von mässigem Durchmesser die Flügel in nur ganz kleine 
Winkel zur Bewegungsrichtung zu bringen, liegt demnach auf der Hani; 
wir lernen dies auch aus den Beobachtungen in der Natur; die direkt auf- 
fliegende Taube z. B. fächert die Luft mit steilstehenden Flügeln nach unten, 
so dass der Staub unter ihr aufwirbelt. Viele grössere Vögel sind bekannt- 
lich unvermögend, sich ohne Hilfe des Windes vom Boden zn erheben; sie 
sind eben ausser Stande, den tragenden Luftsockel zu 
erzeugen. 


In Oesterreich glaubt man der Natur dadurch ein Schuippchen schlagen 
zu können, dass man die zweiflügeligen Schrauben recht gross macht, 
so dass sich unter den concaven, in kleine Winkel gestellten Schrauben- 
fligeln wohl jene, bei der Horizontalbewegung solcher Flächen auftretenden 
Luftkissen bilden müssen, die mehr Kraft und Arbeit kostende Erzeugung 
von Luftsockeln aber erspart werde. 


Das auf solche Weise erzielte Resultat (mit Schrauben von 6m D wurde 
bei einem Kraftaufwand von 2 HP und einer Rotationsgeschwindigkeit an 
der Peripherie von 50 Sec.-Mtr. ein Auftrieb von 60 kg gewonnen) 
ist aber nur scheinbar günstig, denn bei grösserem Kraftauf- 
wand und vermehrter Rotationsgeschwindigkeit steigt der dabei erzielbare 
Auftrieb nicht im gleichen Verhältniss, sondern wird geringer, es 
folgt ein Flügel zu rasch nach dem anderen und trifft noch auf die durch 
den vorangegangenen Flügel bereits in eine schiefabwärts zielende Bewe- 


Koch: Das Flugprineip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 277 


gung versetzte Luft, wodurch eben wieder auf den, aus nach unten ge- 
drängter Luft sich bildenden Luftsockel hingearbeitet ist. 

Maxim, der rühmlichst bekannte Ingenieur und Flugtechniker, er- 
zielte mit 5 Met. grossen Luftschrauben, bei einem Kraftaufwand von nahezu 
400 HP, nurnoch ca. 3 kg Auftrieb per HP. 

Es gibt nun allerdings für diesen Zweck günstigere Formen von Schrau- 
benflügeln, als sie von Maxim angewendet worden, allein über die Noth- 
wendigkeit der Erzeugung von Luftsockeln unter den horizontal rotirenden 
Schrauben, nachdem sich die Anwendung solcher von 25 und noch mehr 
Met. Durchmesser von selbst verbietet, kommt man nicht weg und wenn 
es auch ganz wohl möglich erscheint, dass mit Luftschrauben und Dynamo- 
motor, welch Letzterem die elektrische Kraft vom Boden aus zugeführt 
wird, der also die schwere Kraftquelle nicht mitsich 
führt, Ballon-captif-artige Erhebungen in der Luft ausgeführt werden 
können, so ist dadurch eben nur ein bei ruhiger Luft gut functionirendes 
Aequivalent für den Ballon-captif geschaffen, das aber, wie dieser, an am 
festen Boden stationirte Hilfsapparate gebunden, vom prakticabeln Luftschiff 
noch sehr weit entfernt ist. 

Bei bewegter Luft dürften derartige Apparate kaum zu gebrauchen 
sein, da der Effect der Luftschrauben durch Seitenwind benachteiligt wird, 
ebensowenig darf man hoffen, durch Schiefstellen der Schrauben neben dem 
Hub auch noch eine Seitwärtsbewegung zu erzielen. Ein solcher Apparat 
würde, wenn nicht gleichzeitig die motorische Arbeit bedeutend vermehrt 
wird, von seinem nun schiefstehenden Luftsockel abgleiten und sinken. 

Nach alledem ist nicht wohl anzunehmen, dass es jemals gelingen 
wird, ein Menschen oder sonstige Lasten tragendes Luftfahrzeug zu 
ersinnen, das aus eigner Kraft sich frei vom Boden erhebt und ein im 
voraus bestimmtes, entforntes Ziel erreichen könnte. 

. Die eingangs erörterte Art und Weise wie eine zweckdienliche Wider- 
stands- und Tragfähigkeit der Luft gewonnen wird, weist aber von selbst 
den Weg, auf welchem dieses Ziel, sofern nur von direkter, senkrechter 
Erhebung vom festen Boden abgesehen wird, wohl erreichbar erscheint. 

Wie früher erklärt und nachgewiesen, sinkt eine horizontalstehende, 
dem Fall überlassene Fläche um so langsamer, je schneller sie gleichzeitig 
in horizontaler Richtung sich fortbewegt, ja sie würde bei einem, von ihrem 
Gewicht und Flächenausmass abhängigen Grad von Geschwindigkeit der 
Horizontalbewegung überhaupt nicht mehr sinken. 

Wir stehen daher jetzt vor der Frage: „Was gehört dazu, 
einen vogelähnlichen Körper in der Luft auf ökono- 
mische Weisein diezum Fluge nothwendige Geschwin- 
digkeit zu versetzen?“ 

So einfach die Beantwortung erscheint, so hat doch die Ausführung, 
da die Steuerungsfrage damit verbunden (gewölbte Flächen 


278 Koch; Das Flugprincip und die’ Sehaufelrad-Flugmaschine. 


lassen sich überhaupt nicht olme Weiteres in horizontaler Stellung ünd 
Richtung in der Luft tortbewegen, sondern haben die Neigung ihren Weg 
entspsrechend der Wölbungscurve zu nehmen) ihre besonderen Schwierig- 
keiten. 

Die erste Bedingung ist, dass der betreffende Körper schwerer sein 
mass, als das ihn umgebende Medium und so schlank, bezw. spitzverlaufend 
gebaut, dass der Widerstand der Luft, resp. der Luftstoss gegen das Vor- 
dertheil des Körpers bei dessen Bewegung durch die Luft, auf das geringst- 
mögliche Mass beschränkt wird. 

Des Ferneren wissen wir, dass, von der Kugelform abgesehen, ein 
Körper nur dann mit der Spitze voran seiner Wurf- und Flugbahn folgt, . 
wenn dessen Schwerpunkt sich in seinem Vordertheile 
befindet, wie dies bei den cylindrischen Projectilen und in noch ausge- 
sprochenerer Weise beim Pfeile, Bolzen, Wurfspiess u. s. w. der Fall ist. 

Auch beim Vogel trifft diese Anordnung zu, insbesondere erscheint 
während des durch vorausgegangene Fallbewegung oder Flügelarbeit herbei- 
geführten Schwebefluges sein Schwerpunkt, gegenüber dem Mittel der Trag- 
flächen, Flügel und Schwanz, oft ganz unverhältnissmässig weit nach vorne 
gerückt, so dass man die Empfindung hat, das doch immer in seinen Flü- 
geln hängende Thier müsse kopfüber zu Boden fallen. 

Wie jedoch der Mensch und jedes Thier, wenn in, oder zunächst 
ihres Schwerpunktes aufgehängt, durch Muskelcontraction sich um Letzteren 
drehen, gewissermassen sich aufbäumen können (das Sichdrehen stürzender 
Katzen in der Luft, um auf die Füsse zu fallen, ist ebenfalls auf ein solches 
Manöver zurückzuführen), so ist auch der Vogel hiezu im Stande und, zwar 
umsomehr, als der, wie bereits erwähnt und nachgewiesen, unter dem Vorder- 
rand seiner Flügel stärkere Luftdruck, resp. der an dieser Stelle grössere 
Widerstand der Luft gegen die Falltendenz des Körpers, gegenüber dem 
relativ geringeren Luftdruck unter dem hinteren, grösseren Theile der Trag- 
flächen, die Ausführung einer solchen Drehung begünstigt. 

In Folge dieses, während der Flugbewegung ausgeführten Manövers, 
wodurch sich der Vogel aus der seiner Schwerpunktslage entsprechenden 
nach vorne geneigten Lage vorübergehend in eine horizontale, oder schief 
aufwärts zielende Position zwingen kann (Wellenflug), wird der Luftdruck 
unter dem hinteren Theile der Tragflächen wesentlich vermehrt, die Resul- 
tirende desselben rückt in Folge dessen und da der Gesammtluftdruck unter 
dem Vogel in solchem Falle nur gleich dessen Gewicht sein kavn, 
nach hinten, hinter den Schwerpunkt des Vogelkörpers, und erscheint nun- 
mehr dessen Arrangement ähnlich wie bei einem Schirm mit ex- 
centrischangebrachtem Stocke. 

Wie nun das Dach eines solchen, wenn der Stock mit der Hand rasch 
abwärts bewegt wird, sich nach der Stockseite hinneigen will und nur durch 
einen von der Hand ausgehenden Gegendruck davon zurückgehalten werden 


Koch: Das Flugprincip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 279 


kann, gerade so drängen auch die Vogelflügel, den Schwerpunkt des Thieres 
an Stelle des Stockes des excentrischen Schirmes gesetzt, beständig nach 
vorne, so lange der schwebende Vogel jenes excentrische Arrangement durch 
seine, für das Auge nicht erkennbare Arbeit der durch Muskelcontraction 
bewirkten Drehung um seinen Schwerpunkt beibehält. 


Dass ein solcher Art functionirender, vogelartig aufgetackelter, schlank 
gebauter Körper, dessen gewölbte Tragflächen für sich schon die Neigung 
haben, sich ihrer Wölbungscurye ensprechend nach vorne zu bewegen, ohne 
weiteren grossen Kraftaufwand in der Luft sich fortbewegen und be- 
schleunigen lassen müsste, bezw. die einmal angenommene Geschwindigkeit 
der Bewegung, auch wenn der hintere Theil der Tragflächen unter die 
Horizontale hinuntergedrückt und das Ganze in eine nach hinten geneigte 
Lage gebracht wird, nur verhältnissmässig langsam verlieren kann, dürfte, 
nachdem dabei nur der Widerstand der Luft gegen die nur geringe An- 
griffspunkte bietende Stirnseite (eventuell noch ein Minimum Flächenwider- 
stand) zu überwinden ist, Jedermann einleuchten, kann auch täglich beim 
Fluge der Tauben beobachtet werden. 

Tritt aber das umgekehrte Verhältnis, Druck-Mittel der 
Tragflächen vor dem Schwerpunkt ein, so hat der Apparat 
die Neigung, sich rück wärts zu bewegen und es benötligt eine Flug- 
maschine solcher Art, worunter alle Schraubenaäroplane (Flug- 
apparat mit durch die Schwerpunktslage drachenartig nach hinten 
geneigten Tragflächen) auch die Maxim’sche Flugmaschine zählt, „selbst 
zum Horizontalflug erfahrungsgemäss ebenso viel 
Kraft, als erforderlich ist, den betreffenden Apparat 
ohne gleichzeitige Horizontalbewegung und ohne Hilfe 
von tragenden Flächen freivom Boden zu erheben.“ 


Es liegt diess auch auf der Hand und ist nur verwunderlich, dass 
die Herren Mathematiker bei ibren Berechnungen des Fluges die rück- 
wärts zielende Componente der Schwerkraftwirkung, 
welche in solchem Falle für sich einen Factor bildet, ganz ausser Acht 
gelassen haben, ja zum Teil mit dem Hinweis darauf, dass die Schwere 
auch in diesem speciellen Fall nur direct nach unten wirke, geradezu leugnen. 


Und doch ist es dasselbe Verhältniss, wie wenn eine Kugel auf eine 
schiefe Ebene gesetzt wird. In solchem Falle ruht ein Theil des Gewichtes 
der Kugel auf der schiefen Ebene, ein anderer, dem Neigungs- 
winkel der Letzteren entsprechender Theil drückt 
seitwärts und es muss, soll die Kugel nicht abrollen, eine diesem 
Theil der Schwerkraft gleiche Seitenkraft aufgewendet werden. 

Soll ein Flugkörper mit durch die Schwerpunktslage nach hinten ge- 
neigten Flächen nur fallschirmartig senkrecht sinken, so 


muss die nach hinten zielende Componente der Schwere, welche bei ca. 7° 


280 Koch: Das Flugprincip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 


Neigung der Flächen ca. !/ıo des Gewichtes des betreffenden Apparater 
beträgt, durch eine gleiche Kraft aufgehoben werden. 

Dann sinkt aber der Flugkörper erst vertical. 

Nehmen wir als Beispiel die Maxim’sche Flugmaschine (siehe Taf. V 
Fig. 2.) 

Dieselbe hat ein Gewicht! von ca. 4000 kg mit ca. 500[_JM. Trag 
flächen, welche in einem Winkel von 7° zur Horizontalen stehen. 

Der rückwärts wirkende Theil der Schwere beträgt dabei 1/10 = 
400 kg; das Ganze, als Kugel auf einer entsprechenden schiefen Ebene 
gedacht, müsste an einem von der Kugel ausgehenden und etwa über eine 
am oberen Ende der schiefen Ebene angebrachte Rolle laufenden Seile eir 
gleich grosses Gewicht angehängt werden, um die Kugel am Abrollen zı 
verhindern. 

Die Arbeit, welche der Motor der Maxim'’'schen Flug: 
maschine zu leisten hat, damit dieselbe, freischwebend 
gedacht, nicht rückwärts abgleite, sondern vorerst 
nur vertical sinke, ist somit gleich derjenigen, welche 
erforderlichist, ein Gewicht von 400 kg frei vom Boder 
zu erheben. 

Nun erzielte Maxim mit seinem 400 HP starken Motor und 2 Luft- 
schrauben & 5 Mt. Durchmesser nur einen Luftdruck von durchschnittlich 
ca. 30 mm Wassersäule, gleich einem Hub von ca, 1200 kg und es 
entfällthievon bereits ein volles Drittheil auf die- 
jenige Arbeit, welche geleistet werden muss, dass 
sich der Apparatin der Luftnichtrückwärtsbewegt. 


Rollt derselbe auf ebener Bahn, wie es in Baldwin’s Park bei den 
Versuchen der Fall war, so fällt jene rückwärts wirkende Schwerkraft- 
componente weg und es dient der ganze Effect der 400 HP der Beschleu- 
nigung, so dass bei ca. 20 Sec.-Met. Geschwindigkeit und Aufdrehen der 
vorderen, bezw. hinteren Steuerflächen nicht nur ein Erheben der betreffen- 
den Fahrrollen von den Schienen, sondern auch, bei geringer Zunahme der 
Geschwindigkeit, oder, wie es bei den Versuchen der Fall war, unter Bei- 
hilfe eines schwachen Gegenwindes (der Schienenstrang, auf dem sich der 
Apparat bewegte, war derart bogenförmig angelegt, dass man unter allen 
Umständen in einem gewissen Moment Gegenwind haben musste) ein Er- 
heben des ganzen Gewichtes des Fahrzeuges wohl möglich ist. 


Aber nur auf ganz kurze Zeit, unter rascher Ab- 
sorption der durch die Bewegung angesammelten le- 
bendigen Arbeit, da, nachdem durch Forcirung der Geschwindigkeit 
der Eigenbewegung, oder Hinzutreten der Windgeschwindigkeit, die Re- 
sultirende des Gesammtluftdruckes nach vorne rückt, mit dem Moment der 
Erhebung vom Boden, der nur eintreten kann, wenn das Mittel des Luft- 


Koch: Das Flugprineip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 281 


druckes direct über oder vor dem Schwerpunkt des Apparates liegt, 
(lo des Gewichtes des Letzteren nach hinten zieht und bremst 1). 

Den Schwerpunkt beim Schraubenaöroplane nach vorne zu verlegen 
geht nicht an, da sich in diesem Fall der Apparat mitsammt den Flächen 
nach vorne neigen würde. 

Aber auch die Placirung des Schwerpunktes direct unter dem Druck- 
mittel der Tragflächen stösst auf Schwierigkeiten, deren erste ihren Grund 
in der von der Bewegungsgeschwindigkeit des Apparates und der Luft, 
resp. des Windes abhängigen Veränderlichkeit des Druck- 
mittels hat. 

Genaue Balance zu halten erweist sich daher in solchem Falle, ange- 
sichts der Mannigfaltigkeit der Bewegungsweise der Atmosphäre, bald schwan- 
kend, bald in Wellenform, äusserst schwer, ja. man darf sagen, geradezu 
unmöglich. 

Auch bei Seeschiffen sind Schwankungen nicht zu vermeiden, während 
aber hier die Nachtheile derselben verhältnissmässig leicht überwunden 
werden, ist dies beim Schraubenaöroplane durchaus nicht der Fall; eine 
Neigung nach vorne bedeutet einen Verlust an Höhe, eine solche nach 
hinten hat zwar ein momentanes Aufsteigen zur Folge, da aber dann so- 
fort der der Rückwärtsneigung entsprechende Theil des Gewichtes nach 
hinten zieht und bremst, so redueirt sich die Geschwindigkeit der Bewegung 
und damit die Tragfähigkeit der Luft ganz bedeutend, während speciell 
bei Anwendung gewölbter Tragflächen, angesichts der nothwendigen hohen 
Schwerpunktslage, die Gefahr des directen Absturzes nahe liegt, wie wir 
dies bei dem beklagenswerthen Ende des Herrn Lilienthal gesehen haben. 

Wollte man, nachdem ein Apparat mit horizontalstehenden Flächen 
nicht, oder nur bei aussergewöhnlich grosser Geschwindigkeit aufsteigen 
kann, um in regulirbarer Weise eine kleine Neigung der Flächen naclı 
hinten herbeizuführen, den hinteren Theil derselben, etwa die Schwanzläche, 
etwas aufrichten, wodurch dieser Theil des in Bewegung gedachten Apparates, 
durch den an und für sich unvortheilhaften Luftdruck von oben nieder- 
gedrückt, belastet würde, so wäre diess gleichbedeutend mit einer Schwer- 
punktsverlegung nach hinten, deren Cunsequenzen nach dem Vorgängigen 
bekannt sind. 


nm ER gen 


I Die Anordnung der Tragflächen bei dem Maxim’schen Flugapparat war, 
unbeschadet der Bewunderung, welche die wirklich ingeniöse Ausführung des 
Ganzen verdient, keine sehr glückliche. 

Besonders war die Mittel- und Hauptfläche in der Bewegungsrichtung zu 
lang (als Vogellügel gedacht zu breit, 15 m) und erschien durch die davor und 
dahinter angebrachten beiden Horizontalsteuer noch länger, so dass dieser Theil 
der tragensollenden Flächen nicht vollständig in Wirksamkeit treten konnte. 

Die Bewegung des Apparates auf den Schienen musste daher unverhältniss- 
mässig forcirt werden, um selbst unter den angedeuteten sonst günstigen Verhält- 
nissen den nothwendigen Auftrieb zu erzielen. 


282 Koch: Das Flugprincip und die Schaufelrad-Flugmaschine, 


Es beruht daher auf Selbsttäuschung, wenn man 
glaubt durch irgend eine Zusammenstellung von 
Flächen beim gewöhnlichen Aöroplane oder Drachen- 
flieger die Nachtheile der Schwerpunktslage hinter 
dem Druckmittel der Tragflächen vermeiden und das 
Krafterfordernissreduciren zu können. 

Der Unterschied bezüglich des motorischen Lei- 
stungserfordernisses beim Drachen- und dem direct 
aufsteigenden Schraubenfliegerliegtnur darin, dass, 
während bei diesem das volle Gewicht des Apparates 
„aber langsam“ gehoben werden muss, bei jenem ge- 
wissermassen nur ein Bruchtheil desselben „aber um 
so viel schneller“ zu heben ist. 

Wie der Vogelnicht durch äussere Einwirkung, sondern 
instinctiv, aber durch eigene Kraft sich in die seiner Fortbe- 
wegung günstige Lage, Schwerpunkt vor dem Druckmittel der Tragflächen: 
versetzt, so muss auch ein mechanischer, den Flug imitirender Apparat 
aus seiner, durch die Schwerpunktslage bedingten vorgeneigten Stellung in 
die dem excentrischen Schirme ähnliche Position motorisch gezwun- 
gen.werden. 

Wie ist nun dies zu ermöglichen ? 

Mit der Luftschraube ist nicht gedient, da deren einfach vor- 
treibende Wirkung, wenn, wie allenfalls bei der Maxim’schen Flugmaschine, 
genügend motorische Kraft vorhanden (thatsächlich war es aber nicht der 
Fall) wohl den Apparat, wie der Wind einen Drachen, aufsteigen machen 
könnte, aber nicht die Möglichkeit bietet, ihn in die nothwendige, arbeit- 
sparende excentrische Lage zu bringen. 

Auch eine leichte Schiefstellung der am Vordertheil eines Aöroplanes 
rotirenden Schrauben würde diesem Zwecke nicht entsprechen. 

Nach vorne geneigt, so dass ein Theil der Kraft nach unten wirkt, 
würde die betreffende Componente der motorischen Kraft nur die tote Last 
des Fahrzeuges erhöhen, während im anderen Falle der nach oben wirkende 
Theil des durch die Schrauben erzielten Luftdruckes von unten dem Luft- 
drucke unter den Flügelflächen des Apparates zuaddirt werden muss, wonach 
sich das gemeinsame Luftdruckmittel als wieder „vor“ dem Schwer- 
punkt liegend ergibt, somit absolut nichts gewonnen ist. 

Wenn man nun auch zugestehen muss, dass eigentlich „Flügelschlag“, 
der neben seiner fallhemmenden Wirkung durch seine vortreibende Kraft- 
componente auch einen eventuellen Mangel an genügender Horizontalge- 
schwindigkeit ersetzen könnte, das richtige Locomotionsmittel wie für den 
Vogel, so auch für mechanische Flugapparate wäre, so stehen doch der An- 
wendung desselben im letzteren Falle nicht allein die bedeutenden techni- 
schen Schwierigkeiten, welche mit der Herstellung grösserer Flügelschlag- 


Koch: Das Flugprineip und die Schaufelrad-Flugmaschine,. 283 


werke verbunden sind, sondern auch der Umstand im Wege, dass wir es bei 
der Luft, wie bereits erwähnt, mit einem ewig unruhigen und oft in den 
verschiedenartigsten Theilbewegungen (Luftwellen etc.) befindlichen Elemente 
zu thun haben, demgegenüber ein stets gleichmässiger Flügelschlag die be- 
denklichsten Consequenzen haben würde. 

Ausserdem bietet auch die motorische Anlage eines Flügelschlagwerkes 
keine Möglichkeit, die, auch in diesem Fall, unumgänglich nothwendige 
Excentricität der Anordnung bezügl. des Schwerpunktes gegenüber den Trag- 
flächen herbeizuführen, bezw. zu unterhalten. 

Schreitet man nun zur Wahl eines anderen motorischen Apparates zur 
Ermöglichung dynamischen Fluges, so ist in erster Linie dabei zu berück- 
sichtigen, dass derselbe, wie aus dem vorstehend Gesagten hervorgeht, zweier- 
lei zu leisten hat: 

I. Das betreffende Fahrzeug, ungeachtet seines excentrischen Arran- 
gements, in relativ horizontaler Lage zu erhalten; 

II. Die in Folge der im erörterten Sinne unterhaltenen Excentricität 
von Gewicht und Tragflächen bereits vorhandene Neigung zur Vorwärtsbe- 
wegung durch Ueberwindung des dem nothwendigen Grad von Bewegungs- 
geschwindigkeit entsprechenden Luftwiderstandes gegen die Stirnseite des 
Fahrzeuges zu unterstützen. 

Hauptsächlich muss ferner darauf Rücksicht genommen werden, dass 
durch die Functionirungsweise des motorischen Apparates die continuirliche 
Neubildung jener Luftkissen unter den Tragflächen nicht beeinträchtigt werde, 
dass das Vehikelnur über freie, nicht über maschinellbe- 
wegte Luft hinweggleite. 

Dieser letzteren Anforderung ist nun, da die motorische Kraft, wie 
beim Vogel, so auch bei der Flugmaschine unbedingt im Vordertheile an- 
greifen muss, besonders beim Schraubenaöroplane schwer zu entsprechen. 

Da die Schrauben immer paarweise angeordnet werden müssen und 
jede einzelne derselben einen Durchmesser von immerhin 4—5 m haben 
muss, so würde durch deren Rotation die Luft unter einem grossen Theil 
der Tragflächen motorisch bewegt, (angesaugt, resp. in wirbelnde Bewegung 
versetzt), und, da dies eine Beeinträchtigung der Luftkissenbildung unter 
den Tragflächen involvirt, in ihrer Wirkung auf Letztere gestört. 

Zu der Einsicht gekommen, dass von der Anwendung von Luftschrauben 
für Flugzwecke wird leider Abstand genommen werden müssen, lag es nahe, 
auch einmal eine Art „Schaufelräder“ mit einem Flugapparat in ge- 
eignete Verbindung zu bringen und die Functionirungsweise einer solchen 
Combination zu untersuchen. 

Die Mängel der bis jetzt bekannt gewordenen Systeme von Luft- 
schaufelrädern, theilweise durch früher gemachte eigene Erfahrungen mir 
nicht fremd, zwangen mich, ein den zu stellenden Anforderungen entsprechen- 
des neues System zu ersinnen, und glaube ich mit dem auf Tafel VI. bild- 


284 Koch: Das Flugprincip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 


lich dargestellten, bereits im Grossen ausgeführten und erprobten Luft- 
schaufel- bezw. Segelrad so ziemlich das Richtige getroffen zu haben. 


Die Schaufeln solcher Räder werden dabei nicht mittelst Excenter un 1 
Hebel in oscillirender, viel Kraft erfordernder Weise verstellt, sondern sie 
rotiren auch, wie das Rad, machen aber bei je einer vollen Tour 
des Letzteren nur je eine halbe Umdrehung und zwar in ent- 
gegengesetzter Richtung. 


In Folge dessen kommen die den tiefsten Punkt erreichenden Schaufeln 
vertical, die den Zenith passirenden tangential zu stehen. 


Dass die auf die untere Hälfte des Rades entfallenden Stellungen der 
Schaufeln dem in erster Linie bezweckten Vortrieb günstig sind, liegt auf 
der Hand, ebenso dass die Horizontalstellung der zu oberst befindlichen 
Schaufel keinen besonderen Nachteil in sich schliesst. 


Aber auch die Stellungen der oberen und vorderen, bei der Rotation 
des Rades abwärts gehenden Schaufeln, ebenso wie diejenigen der dem 
Scheitelpunkt sich wieder nähernden, enthalten, wie die Versuche mit den 
Modellrädern ergeben haben, kein wesentlich ungünstiges 
Moment, da der Luftdruck gegen dieselben in den betreffenden Bewe- 
gungsphasen, angesichts des Neigungswinkels zur Bewegungsrichtung, nur 
ein relativ sehr geringer ist und die Schaufelstellung überhaupt, je mehr 
solche sich vom Scheitel und Tiefpunkt entfernen, nur den, den betreffenden 
Bewegungsrichtungen angepassten Stellungen von Schraubenflügeln ent- 
spricht. 

Dabei kann der Kraftverlust durch Reibung bei dem angewandten 
Drehungsmechanismus der Schaufeln bei einigermassen exacter Ausführung 
(was bei den hergestellten Modellrädern leider nicht der Fall war, da die 
austührende Fabrik sich als der Sache nicht gewachsen erwies) nur unbe- 
deutend sein, indem, da die Schaufeln der Bewegungsrichtung des Rades 
entgegengeseizt rotiren, der stärkere Luftdruck am äusseren Ende der 
Schaufeln die Drehung derselben begünstigt. 


Der angewandte Mechanismus hat diese Drehung weniger herbeizu- 
führen, weniger eine Kraft zu diesem Behufe nach den Schaufelachsen zu 
transmittiren, sondern es wird, eher im umgekehrten Verhältniss, die vor- 
handene Neigung der Schaufeln, sich in der der Rotationsrichtung des Rades 
entgegengesetzten Richtung um ihre Achse zu drehen, durch denselben 
zweckentsprechend regulirt. 

Der Eiffectverlust an motorischer Kraft kann daher bei dem in Vor- 
schlag gebrachten System nicht von Bedeutung sein und zwar um so weniger, 
als bei den in Anwesenheit mehrerer eiviler und militärischer Ingenieure 
angestellten Proben mit den ausgeführten Exemplaren dem Fluge un- 
günstige Richtungen der bewegten Luftmassen sich 
nicht erkennen liessen. 


Koch: Das Flugprincip und die Schaufelrad-Flugmaschine, 285 


Der vortreibende Effect der Schaufelräder dürfte demnach die auf den 
Durchmesser derselben reducirte Arbeitsleistung des Motors nahezu er- 
reichen. 

Bei den Versuchen mit den Modellrädern ergab sich, in Folge der von 
den examinirenden Ingenieuren constatirten mangelhaften Ausführung der- 
selben, ein mittels Dynamometer gemessener Verlust von gegen 35 Procent. 

Ein besonderer, bei der Adoptirung dieses Systems sich ergebender 
wesentlicher Vortheil, der aber bei Versuchen am festen Boden nicht zu 
Tage treten kann, liegt in der Leistung der den Scheitelpunkt der Räder 
in Vorwärtsbewegung passirenden Schaufeln. 

Da die Räder, als Theile des ganzen in Bewegung befindlichen Fahr- 
zeuges, ebenso wie dieses, der Schwerkraft unterworfen sind, so gilt für 
die horizontalstehenden Schaufeln dasselbe wie für die Tragflächen: es bilden 
sich unter denselben, während dieser Phase ihrer Rotation, Luftkissen, d. h. 
sie erfabren einen Luftdruck von unten, der in diesem Falle um so stärker 
ist, als die Schaufeln sich schneller vorwärts bewegen, als es das Fahr- 
zeug thut. (Schluss folgt.) 


Studien über das Ballon-Material mit besonderer Hinsicht auf das 
elektrische Verhalten desselben. 
Von H. Bartsch v. Siegsfeld, Premier-Lieutenant. 

(Schluss.) 
Die Zündung von Gasgemischen durch Funken setzt ein an ziemlich 
enge Grenzen gebundenes Mischungsverhältniss voraus. Bei Leuchtgas und Luft 
liegt dieses etwa zwischen 1:5 bis 1:12. Man sollte demnach erwarten, dass 
namentlich ein aus einer Oeffnung austretender Gasstrom durch den Funken 
nuri schwer zu zünden sei. Das Gegentheil wird aber beobachtet. Dies hat 
in folgendem Umstande seinen Grund. Lässt man in reinem Leuchtgase 
die Funken irgend eines Apparates überspringen, so beobachtet man sofort, 
dass die Schlagweite eine erheblich geringere ist als in der Luft. Das Gas 
setzt dem Strome einen erheblich grösseren Widerstand entgegen als Luft. 
Da nun die Entladungen stets den Weg des geringsten Widerstandes 
einschlagen, so erhellt, dass der Funke sich im Allgemeinen an der Grenze 
des Gasstromes bilden wird; mithin gerade in der Zone, wo die Wahr- 
scheinlichkeit am grössten ist, dass er durch explosives Gemisch geht. 
Dieser Umstand erhöht aber ganz wesentlich die Sicherheit der Zündung 
von Gasgemischen durch elektrische Funken, da mehr oder weniger grosse 

Unregelmässigkeiten derselben wohl sehr häufig vorkommen. 
Vor der Hand kann man wohl sagen, dass wo auch immer Funken 
von merkbarer Intensität und messbaren Dimensionen in Gasgemischen 
übertreten können — am besten lassen sich obige Angaben vielleicht zu- 


286 v. Siegsfeld: Das Ballon-Material. 


sammenfassen, wenn man sagt: deutlich hörbare Funken —, die Ex- 
plosionsgefahr thatsächlich vorhanden ist. 

Diese verhältnissmässig präcise Fassung der Aufgabe macht nun die 
Untersuchungen sehr leicht. 

Zwei Stücke Ballonstoff sind ausreichend, Instrumente nicht er- 
forderlich. 

Das eine Stoffstück ist am Oberschenkel wie ein Trommelleder be- 
festigt, dadurch ist es einmal gut gehalten und hat eine Temperatur von 
ca. 30°, zum Ueberfluss kann man sich noch in die Sonne stellen; mit dem 
andern, das an zwei Enden gefasst wird, streicht man über das erste. 
Lässt man es los, so bleibt es zunächst haften. Zieht man es von einem 
Ende aus weg, so knistern die Funken äusserst lebhaft und der Stoff setzt 
dieser Manipulation einen merkbaren Widerstand entgegen. 

Hierbei ist Gummi auf Seide gerieben. Nähert man nun dem weg- 
gezogenen Stück den Finger — gleichgiltig, von welcher Seite — so be- 
kommt man aus ein bis drei Centimeter Distanz Funken. 

Zwar habe ich mit diesen Funken eine Gasflamme nicht anstecken 
können, trotzdem ist mir dies noch kein Beweis, dass dies unmöglich ist. 

Im Dunkeln sieht man, dass beim Entstehen eines solchen Funkens 
die Elektricität aus einer Fläche von ca. 6 cm Durchmesser dem Aus- 
gangspunkte der Entladung zuströmt. Freilich sind dies nur sehr geringe 
. Quantitäten von Elektricität, welche hier in Frage kommen. Vorzüglich 
müssen diese Entladungsrayons auch sichtbar zu machen sein mittels der 
v. Bezold’schen Methode durch Bestäuben mit Lycopodium und Mennige, 
wie in allen ähnlichen Fällen. 

Die gummirten Seiten auf einander gerieben, ebenso die seidenen, 
geben keine merkliche Elektricität, obwohl bei der Prüfung mit dem Elek- 
troskop — im Laboratorium des Herrn Professor Börnstein — im ersten 
Falle ein geringer Ausschlag der Blättchen einmal beobachtet wurde, 
was auch einem Zufall zugeschrieben werden kann. 

Die seidene Seite von doppelt gummirtem Seidenstoff, auf rohem Seiden- 
stoff gerieben, wird elektrisch, ebenso auf Baumwolle gerieben. Starke 
Blektricität erhält man durch Streichen der gummirten Seite mit der 
trockenen warmen Hand. Im Dunkeln zeigt sich in allen diesen Fällen 
ein intensives Leuchten. 

Diese Versuche, welche stets leicht wiederholt werden können — nicht 
zu hohen Feuchtigkeitsgehalt der umgebenden Luft vorausgesetzt — zeigen 
zur Genüge, dass man es hier mit einer sehr kräftigen und ausgiebigen 
Elektricitätsquelle zu tlıun hat. 

Weiterhin ist es von Bedeutung‘, zu erfahren, ob und unter welchen 
Umständen Entladungen aus einem grösseren Rayon, als den oben an- 
gegebenen Kreisen von 6 cm Durchmesser erhalten werden können. Am 
nächsten liegend ist die Anwendung des Princips des Elektrophors. Ein 


v. Siegsfeld: Das Ballon. Material, 887 


Metallkörper von nicht zu geringer Dicke wird isolirt auf den in diesem 
Falle negativ geladenen Stoffstreifen gelegt. Sobald man mit einem ab- 


Fig. 9. 






ısolırender 


Aand griff 






Ableitung 





Meallkörver 





mE O GENE GEM E ` emm ` gem G ` gegen ` gp ` emm OEE E D SAMEN EEE Gm D ` wm ` zeg 





as geladen. 


leitenden Draht oder dem Finger die obere Seite dieses metallenen Körpers 
berühren will, erhält man einen kräftigen Funken negativer Elektricität, 
welcher in seiner Intensität der Entladung aus nahezu dem vollen Rayom 
entspricht. Dieser Fall ist dem Vorgange nach vollkommen identisch mit 
dem Berühren des Ventils, wenn dieses sich auf elektriseh erregte Stoff- 
theile gelegt hat. Es genügt bei den beträchtlichen Dimensionen desselben 
eine nur geringe elektrische Erregung des Stoffes, um einen zur Zündung 
des Gases vollkommen ausreichenden Funken zu erhalten. Die dauernde 
Ableitung der Elektricität desselben nach der Erde ist hiernach eine sehr 
zweckmässige, ja nothwendige Massregel. 

Weiterhin können aus dem elektrisirten Ballonstoff. grössere Mengen 
von Elektricität gesammeit werden, wenn man einen Conductor von nicht 
zu geringen Dimensionen über dieselbe hinführt, ein Fall, der durch im 
Ballon liegende Leinen oder dergl. wohl eintreten kann, obwohl hierfür die 
Bedingungen wohl selten gegeben sind. 

Aus alledem resultirt die in vielen Fällen sehr erhebliche Gefahr des 
neuen Materials, falls nicht geeignete Massnahmen zur Beseitigung der- 
selben getroffen sind. | 

Vor allem erscheint es in hohem Masse bedenklich zu sein — nament- 
lich bei seidenen Ballons — irgendwo, auch an den kleinsten Stellen, eine 
Ungleichartigkeit der Stoffe, welche sich berühren oder reiben können, zu- 
zulassen — selbst die Leinen können den Stoff kräftig elektrisch erregen; — 
in der obigen Aufzählung war der Versuch, den Gummistoff mit Leinwand 
zu elektrisiren, vergessen. Ein Bedecken des Stoffes mit einer vollkommen 
leitenden metallischen Schicht ist bis jetzt noch nicht gelungen. Ist diese 
Massregel unvollkommen ausgeführt, so kann es leicht kommen, dass bei 
stattgehabter Elektrisirung die. Entladung aus einem sehr grossen Rayon 
eintritt, was natürlich ungünstig ist. 


288 v. Siegsfeld: Das Ballon Material, 


Selbst unter der Voraussetzung, dass die Innenseite des Ballons nur 
Gummi, die Aussenseite nur Seide enthält, kann folgendes eintreten: 

1. Einzelne Theile der inneren Gummirung nutzen sich ab, die Seide 
tritt zu Tage. In diesem Falle können die blosgelegten Stellen kräftig 
elektrisirend wirken. 

2. Die äusseren Theile werden durch irgend welche Zufälle elektrisch. 
Diese Wirkung ist voraussichtlich nicht intensiv, aber sehr schwer der 
Beurtheilung zu unterziehen. 

Also auch diese Anordnung gewährt keineswegs unbedingten Schutz. 

Dennoch sind wir in der Lage, allen diesen grossen Uebelständen in 
einfachster und wahrscheinlich vollkommen sicherer Weise zu begegnen. 

Wie oben gesagt wurde, hängt die Möglichkeit der Elektrisirung von 
Flächen ab von deren hygroskopischem Zustande. 

Ein stark hygroskopischer Körper ist beim besten Willen nicht zu 
elektrisiren. Macht man die beiden Seiten, besonders die innere, hygro- 
skopisch, so ist an eine Gefahr, durch Reibungselektrieität und deren Wir- 
kungen das Ballongas irgend wann zu entzünden, nicht mehr zu denken. 
Es ist wohl nicht zweifelhaft, dass bei geeigneten Proben Stoffe dieser 
Eigenschaft, welche auch das Material nicht ungünstig beeinflussen, ge- 
funden werden. 

Nach den bisherigen Proben und den Erfahrungen mit dem Drachen- 
bailon entspricht eine 10°/,ige Chlorcalcium-Lösung, innen und aussen dünn 
aufgetragen, dem angestrebten Zwecke vollkommen. 

Diese Anwendung der Lösung hat bisher zu Anständen keine Ver- 
anlassung gegeben; auch ist ein häufiges Imprägniren nicht nothwendig. 


Die elektrischen Eigenschaften gummirter Baumwollenstoffe. 


Es unterliegt keiner Schwierigkeit, die Bedingungen festzustellen, 
unter denen auch die Baumwollenstoffe starke elektrische Erscheinungen 
zeigen. 

Es war bereits oben erwähnt, das Trockenheit des Materials Grund- 
bedingung für das Hervorrufen von Reibungselektrieität sei. 

Die Baumwollen- und Leinen-Stoffe gelten im Allgemeinen als Halb- 
leiter. Trocknet man sie dagegen sorgfältig, so werden sie zu schlechten 
Leitern. Der Nachweis ist sehr einfach zu führen. 

Ein Elektroskop aus Seidenpapierstreifen ist hierfür ausreichend. Ladet 
man dasselbe und berührt es mit einem Bindfaden oder Streifen, So ver- 
schwindet diese Elektricität sehr schnell. Desgleichen, wenn man dasselbe 
mit der gummirten oder der nicht gummirten Seite von Baumwollen- 
Ballonstoff berührt. Alles dies unter normalen Verhältnissen und unter 
Bols Feuchtigkeitsgehalt ausgeführt. 
| Trocknet man dagegen diese Materialien intensiv dadurch, dass man 
sie einer warmen trockenen Luft von etwa 50°/. aussetzt, etwa in der 


v. Siegsfeld: Das Rallon-Material. 289 


Nähe einer mässig warmen Lampenglocke, und bringt sie noch warm mit 
dem geladenen Elektroskop in Verbindung, so erscheint ihre Leitungs- 
fähigkeit noch vergrössert. Die Leitungsfähigkeit nimmt aber sehr schnell 
ab, sobald sie erkaltet sind. Unter Anwendung dieser einfachen Mittel 
erscheinen sie nahezu als vollständige Isolatoren. 

Die Spannung des Elektroskops bei einem Ausschlag der. Streifen von 
60° schätze ich auf etwas über 1000 Volt, da sich schon aus dem Elek- 
trophor-Teller beim Ertheilen dieser Ladung, Funken bis 1 mm Länge 
ziehen lassen. 

Bedingungen dieser Art kommen beim Ballonfahren öfter vor. 

Die in den höheren Schichten herrschende sehr grosse Trockenheit 
der Luft wirkt, namentlich unter dem Einfluss der Sonnenwärme, auf eine 
starke Austrocknung des Materials. Ist dann das Gas auch ausreichend 
trocken, was namentlich bei Wasserstotffüllung aus Stahlbehältern der Fall 
ist, so erhalten wir sehr schlecht leitende Ballonhüllen und Netzwerk. 

In diesem Zustande weist nun das Material erstaunlich starke Er- 
scheinungen auf. 

Gewöhnliche Leinewand, Streifen von gewöhnlichem E 
werden durch Reiben an Gas oder der gummirten Seite von Ballonstoff 
bis zum Funkensprühen elektrisch. Desgleichen, wenn die nicht gummirte 
Seite des Ballonstoffes an der gummirten Seite desselben gerieben wird. 

Die Elektricität verbleibt in diesen Materialien verhältnissmässig lange. 

Ich benutzte bei diesen Versuchen als Elektrophor ein Stück solchen 
Ballonstoffes. Der Ballonstoff verblieb über 7 Stunden elektrisch, so dass 
der Elektrophorteller für die Versuche noch ausreichend geladen wurde. 

So ist es auch leicht möglich mittels dieses Stoffes einen Condensator 
herzustellen. Man braucht denselben nur auf Staniol zu legen, und eben- 
solches — unter Freilassung eines erforderlichen Randes — auf den Stoff, 
um die beabsichtigte Wirkung deutlich erkennen zu können. 

Eine Flaschenladung ohne metallische Belegung nach dem Charakter 
der zerlegbaren Leydener Flasche liess sich nicht erzielen. 

Nachdem der Condensator geladen war, so dass er Funken bis zu 
1 mm Länge gab, wurden die Belegungen, welche, namentlich an der gum- 
mirten Seite, ziemlich fest an dem Stoff hafteten, unter Funkensprühen ent- 
fernt und kurz darauf wieder auf den Stoff gebracht. Es zeigte sich nun- 
mehr, mit dem oben angegebenen Elektroskop geprüft, keine Spannung 
wieder. Wohl aber functionirte der Apparat sehr wohl als Elektrophor. 

Weiterhin dürfte von Interesse sein zu wissen, von wie starken 
Spannungen der Stoff durchschlagen wird. 

Von Funken von über 5 mm Länge wird der Stoff glatt durchschlagen, 
bei geringeren Schlagweiten scheint sich‘ die Elektricität unter leichter 
Funkenbildung auf der Oberfläche des gummirten Stoffes zu verbreiten und 
es bleibt noch die Erklärung zu geben, wie es möglich ist, beim Reiben 


290 v. Siegsfeld: Das Ballon-Material. 


von mehreren Stoffen aufeinander, Funken von mehreren cm Länge 2 
erhalten. 

Wir haben es hier mit einer Condensatorenwirkung zu thun. Die aı 
einander geriebenen und elektrisch wirkenden Stoffe haften leicht zusamme: 
Die auf beiden Stoffen vertheilten Elektricitäten sind auf Schichten ve 
theilt, die ausserordentlich nahe aufeinander liegen. 


Wir nehmen an, dass die trennende Schicht im Wesentlichen Lu 
ist. Da nun die Spannungsdifferenz in einem Condensator proportion: 
ist dem Abstande der Platten, so folgt, dass wenn die Stoffe auseinande 
gezogen. werden, die Spannungsdifferenz zunehmen muss. 


Wenn z. B. der anfängliche Abstand 0,1 mm betrug bei einer Spaı 
nungsdifferenz von 100 Volt, so wird nach dem Auseinanderziehen der Stof 
bei einem Abstande von 10 mm die Spannung 1000 Volt betragen. 


Nun ist es bekannt, dass die Funkenlänge viel schneller wächst, a 
die Spannungsdifferenz. Es ist also ersichtlich, dass wenn Anfangs übe: 
haupt eine bemerkbare Ladung vorhanden war, beim Auseinanderziehe 
der Stoffe je nach den anfänglichen Bedingungen in einem ganz bestimmte 
Abstande, die Funken zum Ueberspringen kommen müssen. 


Diese Ausführungen gelten natürlich nur solange in voller Streng 
als die Abstände der Flächen im Verhältniss zu ihrer Ausdehnung klei 
bleiben. Angenähert gelten sie aber für alle Fälle wo Reibungselektriciti 
erzeugt wird. Die dabei erreichten hohen Spannungen rühren wenig« 
von der Reibung selbst her, als von der Art und Weise, wie die auf de 
Oberfläche der elektrisirten Körper angesammelten Elektricitätsmengen vo 
einander getrennt werden. 


Hiermit dürften im Wesentlichen die elektrischen Eigenschaften d« 
gummirten Baumwollenstoffes gekennzeichnet sein. Es erübrigt dann, ähı 
liche Ermittlungen für gefirnisstes Ballonmaterial anzustellen. 


Die Imprägnirung mit 10°%/o iger Chlorcaleium-Lösung vernichtet auc 
nach scharfer Trocknung alle obigen Erscheinungen, 

Ob dieses Verfahren für alle Fälle ausreicht, bedarf aber noch de 
experimentellen Bestätigung, namentlich für den Fall, dass der Ballon m 
Wasserstoff aus Stahlflaschen geiüllt ist. 

Setzen wir in den Stalilflaschen einen Druck von 100 Atm. vorar 
und nehmen an, dass das Gas in den Flaschen mit Feuchtigkeit gesättig 
ist, also eine relative Feuchtigkeit von 100°/o hat, so wird dasselbe nac 
dem Expandiren auf Atmosphärendruck nur noch 1°/o relative Feuchtigke 
haben. Dies ist eine ganz aussergewöhnlich grosse Trockenheit, und € 
lässt sich im Voraus wohl schwerlich beurtheilen, ob die hygroskopische 
Eigenschaften des Chlor calciums auch in solchem Falle ausreichend sini 
um das Entstehen von hochgespannter Elektrizität zu verhindern. Die: 
beziügliche Versuche erfordern grössere Einrichtungen. 


v. Siagsfeld: Das Ballon-Material. ogi 


Versuche mit gefirnisstem Seidenstoff ergaben Resultate, welche denen 
des gummirten Baumwollenstoffes ziemlich ähnlich sind, nur dass bei diesem 
Stoff schon ein geringerer Grad von Trockenheit ausreicht, um merkliche 
Elektricitätserscheinungen hervorzurufen. 

Vorläufige Versuche über die Ableitung der Elektricität aus elektri- 
sirten, mit Chlorcalcium imprägnirten Stoffen durch imprägnirte Schnüre 
scheinen zu ergeben, dass, falls der Ballon in der Luft eine stärkere 
Ladung erhalten hat (auf andere Weise als durch Reiben), die Gefahr 
der Funkenbildung noch nicht völlig ausgeschlossen ist. 

Diesbezügliche Versuche würden besser in etwas grösseren Dimen- 
sionen mit Versuchsballons gemacht werden. 

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Ballonstoffe, sobald man sie 
mit anderen Körpern zu einem Elektrophor zusammenstellt. 

Gewöhnlich gummirter Baumwollenstoff ergiebt hierbei — ohne vor- 
her scharf getrocknet zu sein — Funken bis zu 1 cm Länge. Eine Flaschen- 
ladung ist, wie früher schon bemerkt wurde, im Allgemeinen nicht zu erzielen; 
dagegen ist dies möglich, wenn der Stoff vorher scharf getrocknet wurde, 
Ueberhaupt zeigen die Details der Versuche häufig Unregelmässigkeiten, 
welche ohne Berücksichtigung des Feuchtigkeitsgehaltes in der Luft und 
der mit den Stoffen vorgenommenen Manipulationen sich oft ohne Weiteres 
nicht erklären lassen. Wenn auch eine Flaschenladung erzielt und con- 
statirt ist, so ist es mir jedoch nicht gelungen eine Entladung derselben 
nach Art der zerlegbaren Leydener Flaschen zu erzielen. 

Es scheint also die Art der EE auf Ballonstoffen 
eine unmittelbare Gefahr nicht zu bieten. 





Das Aluminium-Luftschiff ©. Schwarz. 
Von Hauptmann Gross. r 


j 
Am 3. November, Nachmittags 3 Uhr stieg vom Tempelhofer Felde 
ein von dem verstorbenen Herrn Schwarz aus Aluminium hergestelltes, 
angeblich lenkbares Luftschiff auf, in dessen Maschinenraum der Schlosser 
Jagels, ein unlängst entlassener Soldat der Luftschiffer-Abtheilung, sich 
befand. Dasselbe fiel nach noch nicht 6 Minuten dauernder Fahrt, wobei 
es vom Winde getrieben 2,5 km zurücklegte, zwischen Schöneberg und 
Wilmersdorf zur Erde nieder, wobei es vollständig zusammenbrach, während 
es dem Insassen gelang, sich durch einen Sprung aus dem Schiffe bei der 
Landung zu retten. 
So die nackte Thatsache gegenüber den spaltenlangen, theilweise un- 
richtigen, theilweise absichtiich aufgebauschten Berichten der Tagespresse. 
Da es nicht ausgeschlossen erscheint, dass trotz des wenig günstigen 
Erfolges dieser ersten und letzten Fahrt des Luftschiffes, die doch recht 
kostspieligen Versuche mit einem neu zu erbauenden Schiffe wieder unter- 


292 Gross: Das Aluminium-Luftschiff C. Schwarz. 


nommen werden könnten, so liegt es im Interesse aller Betheiligten, wenn 
über diesen ersten Versuch authentische Nachrichten vorliegen, und ein 
rein sachliches, durch keinerlei Interessen getrübtes Urtheil über den Erfolg 
von sachverständiger Seite gefällt wird. 

Das Aluminium-Luftschiff C. Schwarz war ein nach einem bis in das 
kleinste Detail durchgerechneten Projecte genial erbautes Meisterstück 
moderner Metallarbeit, durch dessen Bau zunächst nachgewiesen worden 
ist, dass derartige grosse und leichte Hohlkörper constructiv möglich sind, 
eine Thatsache, die mit Recht bisher angezweifelt wurde. 

Auf die Detailconstruction hier einzugehen verbietet die Discretion: 
aus den mit Genehmigung der Frau Schwarz beigegebenen bildlichen Dar- 
stellungen des Luftschiffes und des Maschinenraumes, welche nach photo- 
graphischen Aufnahmen hergestellt sind, ist die allgemeine Construction 
des Luftschiffes genügend klar. Die Grössenverhältnisse desselben waren 
folgende: Länge 41 m, Durchmesser des eylindrischen Theiles 13,5 m, Cubic- 
inhalt 3250 m?. Die Hubkraft des Schiffes mit reinem Wasserstoffgas betrug 
ca. 3300 kg, wobei es ausser sich selbst noch eine Person und ca. 130 kg 
Ballast zu heben vermochte. 

Die Füllung des Luftschiffes erfolgte nach einem vom Erfinder Schwarz 
ersonnenen Principe und gelang in wenigen Stunden, nachdem bei zwei 
früheren Füllungen es nicht gelungen war, die Luft genügend aus dem 
Hohlraume durch das Gas zu verdrängen. Die Gasdichtigkeit dieses Luft- 
Schiffes war keine genügende, indem es über Nacht ca. 300 cbm Gas verlor. 
Es soll indessen nicht bezweifelt werden, dass die Näthe der Aluminium- 
Bleche durch eine eingelegte Packung gasdichter hergestellt werden könnten, 
als dieses bei der ersten Anfertigung der Fall war: auch kann dieser Ballon, 
welcher 2 volle Jahre leer gestanden hat, wohl einige Löcher erhalten 
haben, sodass hierdurch die ungenügeende Gasdichtigkeit veranlasst sein kann. 

Nachdem der Ballon am 2. November gefüllt und am 3. nachgefüllt 
worden war, wurde er aus seinen Stützen gehoben und durch Mannschaften 
aus der Ballonhalle an den Halteleiner auf das freie Feld gezogen (Fig. ı 
und 2). Das Wetter war für einen ersten Versuch nicht gerade günstig zu 


Fig. 1. 





Gross: Das Aluminium-Luftschiff C. Schwarz. 298 


nennen, indem ein mässiger Ostwind von 5—6 m pro Secunde welıte. Der 
Himmel war vollständig mit sehr tief liegenden Wolken bezogen, aus denen 
zeitweise ein feiner Staubregen fiel. Der Versuch konnte indessen der 
Undichtigkeit des Ballons wegen nicht verschoben werden. 

Ehe ieh auf die Fahrt selbst eingehe, möchte ich über den Motor und 
die Treiborgane des Luftschiftes das Erforderliche berichten. In dem mit 
dem Gerüst des Schiffes stir verbundenen Maschinenraum (siehe Fig. 3) 


Fig. $. 





war der gleichfalls im Wesentlichen aus Aluminium-Legierungen erbaute 
Daimler’sche Benzinmotor untergebracht. Derselbe hatte bei ca. 400 kg 
Gewicht eine Kraft von 10—12 Pferdestärken. Durch Uebertragung 
mittelst Treibriemen wurde vom Motor die ca. 3 m grosse Schiffsschraube 
am hinteren Theile des Maschinenraumes, sowie 2 kleinere seitlich am 
Schiffskörper angebrachte Schrauben bewegt (siehe Figuren 1, 2 und 3). 
Die grosse Schraube war mit ihrer Achse verschiebbar, wodurch die feinere 
Steuerung erfolgen sollte, während ein Wenden des Schiffes durch Abstellen 
einer Seitenschraube erreicht werden sollte. Maschine und Treib-Organe 
funetionirten, solange das Luftschiff auf seinen Stützen gelagert war, zur 
Zufriedenheit. Sobald nun aber das gefüllte Luftschiff sich selbst trug, 
traten jedenfalls geringe‘ Deformationen ein, sodass die Maschine mit ihren 
Wellen nicht mehr absolut parallel zu den Wellen der Schrauben lag, wo- 
durch ein unregelmässiger Gang der Maschine veranlasst wurde und nament- 
lich die Treibriemen das Bestreben haben mussten, von ihren Weten 
abzugleiten. Dass der Wind die Treibriemen herabgeweht habe, wie -in 


294 Gross: Das Aluminium-Luftschiff C. Schwarz. 


allen Zeitungen zu lesen war, ist ein directer Unsinn, denn in einem frei 
mit dem Winde fliegenden Ballon giebt es keinen Wind. 

Als der Maschinen-Schlosser — Ingenieur ist dieser Mann nie ge- 
wesen — Jagels den Motor angehen liess, traten sehr heftige Erschütterungen 
im ganzen Schiffskörper ein, so dass diese schon meiner Ueberzeugung nach 
genügen konnten, die Treibriemen der Schrauben zu lockern. Für wenige 
Augenblicke war das Schiff befähigt, solange seine 3 Schrauben arbeiteten, 
dem Winde die Stirn zu bieten, also etwa 5—6 m Eigengeschwindickeit 
zu entwickeln, wobei es von Mannschaften dicht über der Erde gehalten 
wurde. 

Hierauf wurde auf Ansuchen des p. Jagels das Luftschiff, welches 
während dieses kurzen Versuches stark Gas verlor, höher gelassen. Als 
hierbei die Maschine plötzlich aussetzte, erfasste der Wind die Breitseite 
des Ballons, welcher sich nun aus den Händen der Mannschaften frei 
machte und ziemlich rapide aufstieg. Hierbei traten sehr erhebliche 
Schwankungen des Schiffes auf, indessen stellte sich dasselbe. wie Fig. 4 
zeigt, bald horizontal. Jagels bewahrte bei dem 
Aufstieg durchaus seine Ruhe und Kaltblütigkeit, 
was um so anerkennenswerther ist, als derselbe 
noch nie in einem freifliegenden Ballon sich be- 
funden hatte, und versuchte den Motor wieder in 
Gang zu bringen, was ihm auch für wenige Se- 
cunden gelang. Der Ballon, welcher inzwischen 
sich drehend vom Winde ziemlich schnell entführt 
wurde, kehrte unter dem Einfluss der Schrauben 
seinen Schnabel in den Wind, so dass alle Zu- 
schauer den Eindruck gewannen, als würde er nun 
gegen denselben ankämpfend zurückkehren, in- 
dessen versagte in diesem Momente die Ma- 
schine abermals, angeblich weil die Treibriemen 
von den Wellen fielen. Man sah nun das Luftschiff in den tief- 
liegenden Wolken verschwinden und nach ca. 6 Minuten hinter den 
Häusern Schönebergs aus den Wolken wieder auftauchen und zur Erde 
fallen. Eine Besichtigung am Ort ergab den kläglichen Anblick, welchen 
Fig. 5 (S. 295) darstellt. Der so schöne stolze Bau war vollständig zer- 
knickt und zerbrochen, das Gas war längst aus den zahlreichen klaffenden 
Löchern entwichen. Der Luftschiffer Jagels hatte sich bei dieser Fahrt 
durchaus sachgemäss benommen, er hatte, sobald er einsah, dass die Maschine 
nicht mehr zu gebrauchen war, diese ausgelöscht, dann als der Ballon in 
die Wolken stieg, das Ventil geöffnet. Dass er den Ballon bei der Landung 
irgendwie geführt habe, davon kann keine Rede sein, er hatte das Glück, 
an einer geeigneten Stelle zur Erde zu fallen und konnte sich durch einen 
Sprung aus dem Maschinenraum retten, noch ehe der Ballon über diesem 


Fig. 4. 





Gross: Das Aluminium-Luftschiff C, Schwarz, 295 


zusammenkrachte. Aus Ort und Zeit der Landung ergiebt sich ene Fahr- 
geschwindigkeit, oder was dasselbe ist, eine Windgeschwindigkeit von 7 m 
pro Secunde in der Höhe der Wolken, d. I, in ca. 300m Höhe, 


Fig. 5. 





So war der thatsächliche Verlauf dieses recht rudimentären Versuches; 
Alles was sonst noch von den Zeitungen hinzugesetzt ist, beruht auf Irrthum 
oder Entstellung. 

Fragen wir uns nun, was hat dieser Versuch gezeigt und erwiesen? 

Das wichtigste, ja eigentlich einzige Ergebniss ist, dass dieser Ver- 
such gezeigt hat, es sei möglich, ein Luftschiff in starrer Form ganz aus 
Aluminium zu erbauen, es zu füllen und zum Aufstieg zu bringen. 

Der Versuch hat ferner bewiesen, dass die Maschine nicht genügend 
leistungsfähig und vor alen Dingen nicht betriebssicher genug ist. Mit 
der maschinellen Ausstattung konnte dieses Schiff etwa 5—6 m Eigen- 
bewegung pro Secunde erzielen. Dieses Resultat ist als ein negatives zu 
bezeichnen, da nach den Rechnungen der Maschinen-Ingenieure die Eigen- 
geschwindigkeit des Schiffes wenigstens 10 m pro Secunde betragen sollte, 
und eine geringere Geschwindigkeit praktisch keinen Werth besitzt. Es 
hat sich ferner gezeigt, dass Luftschiffe in starrer Form ungemein zerbrech- 
liche Fahrzeuge sind, die bei jeder Landung, wenn ein Aufstoss des Schiffes 
auf die Erde nicht vermieden werden kann, scheitern werden. Da ein 
solches Luftschiff in ungefülltem Zustande nicht transportabel ist, so wird 
es, wenn es nicht in seinen Hafen zurückkehren kann, unbrauchbar sein. 
Solange also einem Luftschiffe nicht eine so vollkommene Lenkbarkeit 
ertheilt werden kann, dass es unter allen Umständen zurückkehren kann, 
solange sind Luftschiffe in starrer Form verfehlte Constructionen. 

Obgleich es nur mit Freuden begrüsst werden muss, wenn die Ver- 
suche zur Lenkbarmachung des Luftschiffes praktisch fortgeführt werden, 
denn selbst bei einem negativen Resultate kann man dabei viel lernen, so 
sind doch diese Versuche so kostspielig, dass es andererseits die Pflicht des 
Sachverständigen ist zu warnen, leichtfertig an solche Constructionen heran- 
zugehen, deren Erfolg keine Wahrscheinlichkeit besitzt. Wie ich es erklären 


298 Gross: Das Aluminfum-Luftschiff C. Schwars. 


und entschuldigen soll, dass ein so kostbares Stück, wie das Schwarz’sche 
Luftschiff von einem Mann geführt wurde, der nie vorher eine Ballonfahrt 
gemacht, geschweige denn eine solche geführt, darüber bin ich in Ver- 
Jegenheit; ich könnte nur anführen, dass durch den Tod des Erfinders eine 
Art Nothlage herbeigeführt worden sei. Dem p. Jagels Vorwürfe zu machen, 
wie dies von Reiten der Interessenten geschehen ist, dass er des Bcheitern 
des Schiffes veranlasst habe, wäre falsch: der Vorwurf trifft die, welche 
diesem Mann ihr Behiff anvertranten und ihn ohne jede Vorkebrung für 
die Landung fahren liessen. 





Die Führang des Freiballons, 
Von @ress, Hauptmann der Luftsehißer-Abtheilung. 


(Vortrag gehalten in der Sitzung des Deutschen Vereines zur Förderung der 
Luftschiffahrt am 22. November 1897.) 


Seitdem der Deutsche Verein zur Förderung der Luftschiffahrt diese selbst 
praktisch anszuüben mit gutem Erfolge begonnen hat, darf die Befähigung zur 
geschickten Führung des Ballons nicht mehr ein Monopol Weniger und zwar zumeist 
der Offiziere der Luftechifer:Abtheilung bleiben, vielmebr liegt dem Vereine jetzt 
aueh die Pflicht ob, sich aus seinen Mitgliedern heraus eigene neue Ballonführer . 
heranzubilden. 

Die Führung des Ballones, der bei seiner Fahrt mehr noch dem Wechsel des 
Elementes, in dem er sich bewegt, ausgesetzt ist als ein Schiff, welches den Ocean 
durehkreuzt, lässt eich zwar nur praktisch erlernen; indessen wird diese Praxis der 
Führung des Ballons sich nur der schnell und sicher aneignen können, welcher die 
Gesetze kennt, deren Einfluss sein Ballon unterworfen ist. 


Ehe wir daher daran gehen, einige Schulfahrten für unsere neuen Ballonführer 
auszuführen, sei es mir gestattet, einen oder mehrere Vorträge hier über die 
Theorie der rationeilen Führung des Luftballons zu halten. 


1. Bleiohgewichte-Gesetze des Ballons. 

Ein Luftballon unterliegt hinsichtlich seines Gleiehgewichtes in der Luft dem 
bekannten „Archimedischen Princip*: Jeder Körper wird im Wasser um so viel 
leichter als das verdrängte Volumen Wasser wiegt. Dasselbe gilt auch für die 
Luft: Jeder Körper verliert soviel an Gewicht in der Luft, als das durch ihn ver- 
drängte Volumen Luft wiegt. Wiegt also dieses verdrängte Volumen Luft mehr 
als der Körper, so wird er in dieser aufsteigon müssen. 

Ein Luftballon ist nun ein solcher Körper, der vermöge seines geringeren 
specifischen Gewichtes ale die Luft in dieser aufsteigen muss und je nach der 
Grösse der Differenz der Gewichte eine mehr oder weniger grosse Last mit sich 
emporzuheben vermag. 

Folgende Formel A =V (d—d') — G drückt mathematisch die Gleichgewichts- 
Bedingung des Ballons aus, wobei A den Auftrieb in kg, V das Volumen des 
Ballons in cbm., d das specifische Gewicht der Luft, d das des Füllgases und G das 
tote Gewicht des Ballons mit Allem, was drum und dran hängt, bezeichnet. 

Wenn also diese Factoren constant blieben, so müsste der Ballon unter der 
Voraussetzung, dass der erste Ausdruck auf der rechten Seite der Gleichung grösser 
als der zweite ist, bis in das Unendliche zum Himmel emporsteigen. 


Gross: Die Führung des Freibalions. 297 


Aber die Natur hat auch hier dafür gesorgt, dass wie die Bäume so auch 
Ballons nicht bis zum Himmel wachsen. Es giebt in der Gleichgewichts-Formel 
einen Factor, welcher beim Aufstieg immer kleiner wird, während die übrigen 
Werthe dieselben bleiben. Es ist dies die Differenz d—d'. Die Dichtigkeit der 
Luft sowie die des Füllgases nimmt nämlich mit jedem m Erhebung bekanntlich 
ab, und hiermit auch der Werth der Differenz (d—d'), da Luftdruck und Höhe im 
umgekehrten Sinne sich ändern. Es wird daher bald eine Höhe von dem Ballon 
erreicht werden, wo V (d—d') = G also A=0 wird oder mit anderen Worten: der 
Ballon wird aufhören zu, steigen, er befindet sich, wie der Luftschiffer sagt, in 
seiner Gleichgewichts-Zone. 

In dieser müsste er nun, wenn sich nichts an ihm oder um ihn änderte, 
weitorfliegen, wie das Segelschiff auf dem Ocean. 

Indessen dem ist leider nicht so, vielmehr ist sein WHeichgewicht im Luft- 
Ocean den mannigfaltigsten und complicirtesten Störungen unterworfen, die dem 
Ballonführer die Leitung sehr erschweren, ja theilweise unmöglich machen, Be- 
trachten wir zunächst die Ursachen dieser Gleichgewichts-Störungen. 


2. Störungen des Gleichgewiohtes des Ballons in der Luft. 


Wir theilen diese Störungen: 
1. in solche, welche vom Gase herrühren und zwar: 
a. durch wechselnden Luftdruck; 
b. durch wechselnde Temperatur, 
c. durch wechselnde Feuchtigkeit. 
2. in solehe, welche durch das Ballon-Material hervorgerufen werden 
und zwar: 
a. durch Gasundichtigkeit der Hülle (Diffusion), 
b. Gewichtsveränderungen unter dem Einflusse der Feuchtigkeit und 
Temperatur, 
8. in solche, welche durch besondere Zustände der Atmosphäre 
erzeugt werden, also dureh besondere Witterungserscheinungen. 

1.a. Der Luftdruck nimmt, wie wir schon wissen, mit jedem m Erhebung 
des Ballons ab. Das im Ballon enthaltene Gas hat mithin das Bestreben, 
sich. auszudehnen und würde, wenn man dem Ueberdrucke keinen Abfluss 
gestattete, schliesslich die Hülle, die nur verhältnissmässig geringe Festig- 
keit besitzt, zersprengen. Es muss daher dem sich ausdehnenden Gase 
ein Austritt gestattet werden, und dieses geschieht beim Freiballon durch 
den principiell offen bleibenden Füllansatz, welcher hierfür eino in rich- 
tigen Verhältnisse zur Grösse des Ballons stehende Weite besitzen muss. 

Um ein Beispiel zu nennen von der Grösse dieser Ausdehnung, sei er- 
wähnt, dass ein 1000 cbm fassender Ballon in 1000 m Höhe 114 cbm nur 
in Folge des geringeren Luftdruckes zum Füllansatz ousetieet, 

Bei der Landung wird dieser Ganverlust direkt sichtbar, indem der 
untere Theil des Ballons schlaf wird. 

I.b. Die Temperatur hat auf das Ballongas einen wesentlichen Einfluss, 
und zwar 80, dass zunchmende Wärme dasselbe stark ausdehnt, amehmende 
es zusammenzieht. Es werden also durch Temperaturwechsel dauernde 
Gasverluste erzeugt. Hierbei spielt die strahlende Wärme der Sonne eine 
Hauptrolle, welche ja durch jede Wolke, welche vor die Sonne tritt, 
wesentlich beeinflusst wird und überhaupt in gıossen Hühen besonders 
stark wirkt. 

Um ein Bild von der Grösse dieses Einflusses zu geben, sei erwähnt, dass 
jeder cbm Gas sich bei einer Temperatur-Zunahmg von 10C, nach Regnault 


298 Gross: Die Führung des Freiballons. 


um? Lac seines Volumens ausdehnt. Ein Ballon von 1000 cbm Inhalt 
würde also z. B. bei einer Temperatur-Zunahme von 20°C. — und diese 
Zunahme ist nur die mittlere — um ca. 78 cbm an Volumen zunehmen 
müssen, oder vielmehr, da er dieses nicht kann, 78 cbm Gas zum Füllansatz 
ausstossen. Also auch dieser Einfluss bedingt eine Oeffnung am Ballon. 
Der umgekehrte Fall tritt natürlich ein, wenn das Gas sich wieder abkühlt. 


1.c. Die Feuchtigkeit spielt insofern eine Rolle, als feucht werdendes Gas 
schwerer wird, trockenes Gas ein geringeres Gewicht besizt. Da während 
der Fahrt namentlich bei Berührung von Wolken wechselnde Feuchtig- 
keit entsteht, so giebt auch dieser Punkt Veranlassung zu Gleichgewichts 
störungen. 


2.a. Gleichgewichtsstörungen, welche durch das Ballon-Material bedingt werden, 
bängen natürlich in erster Linie von der Güte und tadellosen Beschaftfen- 
heit des Materials, in Sonderheit der Ballonhülle, ab. Es ist selbstver- 
ständlich, dass ein alter morscher oder gar mit Löchern behafteter Ballon 
nicht lange in der Luft schwebend zu erhalten ist. Aber auch der vor- 
züglichste Ballon verliert dauernd durch die Diffusion des Gases an seiner 
Oberfläche an Auftrieb, da bekanntlich Wasserstoffgas selbst durch Metall- 
bleche hindurch diffundirt. 


Die Gewichts-Zunahme des Ballons durch Belastung mit Regen, Schnee, 
Eis, Reif und Feuchtigkeit kann eine sehr erhebliche, namentlich bei 
grossen Ballons, sein. Beim Abschmelzen oder Abtrocknen solcher Nieder- 
echläge an der Sonne kann die Gewichts-Erleichterung hierdurch. wieder 
zu grossen Gleichgewichts-Störungen führen. 


8. Hierzu treten nun Gleichgewichtsstörungen, welche durch besondere 
Witterungserscheinungen entetehen. 


2.b 


a. Einfluss der Wolken. 


Wolken sind condensirter Wasserdampf, sie sind daher schworer als die Luft 
und sinken dauernd zu Erde nieder, ohne dass das menschliche Auge dieses be- 
merken kann, da sie sich stets von Neuem bilden und die fallenden Theile sich 
auflösen. 


Die Wolken üben einen abkühlenden Einfluss auf das Ballougas aus und be- 
lasten ihn ausserdem häufig mit Feuchtigkeit Ein lang andauernder Aufenthalt 
wird daher in denselben mit dem Ballon nicht möglich sein. 


Geschlose ene Wolkenschicht. 


Bei dem Eintritt in die Wolken steigt der Ballon zunächst rapide, weil das 
vorläufig noch warme und trockene Gas in der kälteren nassen Luft der Wolken 
besser trägt. Dann aber, wenn das Gas sich ebenfalls EEN hat und feucht 
geworden, ist fällt der Ballon dafür um so schneller. 


Tritt der Ballon an die Oberfläche der Wolken, so schwimmt er oft lange Zeit 
auf derselben, er kann zunächst noch nicht in die wieder leichtere warme, trockene 
Luft hinein, bis auch er sich wieder erwärmt und getrocknet hat. Dann aber steigt 
er stetig und ruhig bis in seine Gleichgewichts-Zone hinauf und fährt in dieser 
viel gleichmässiger als unter der Wolke. Beim Fall tritt das Umgekehrte ein, er 
prallt auf der Wolkenoberfläche wie ein Ball auf dem Wasser ab und schwimmt 
längere Zeit auf derselben, ehe er jn die Wolke selbst hineinfällt. Dann aber nimmt 
die Fallgeschwindigkeit rapide zu, sobald sich der Ballon abgekühlt hat. 


Gross: Die Führung des Freiballons, 299 


Cumulus-Wolke. 


Ganz wesentlich anders sind die Einflüsse einzelner sogenannter Cumulus- 
Wolken. Sie verdanken ihre Entstehung aufsteigenden Luftströmen, sie sind daher 
auch in stetiger Umwälzung begriffen, im Gegensatz zu der Stratus-Wolkenschicht, 
welche in sich gleichförmig mit dem Winde sich verschiebt. Bin wildes Durchein- 
anderrasen der Wolken-Moleküle charackterisirt die Cumulus-Wolke. Der Ballon 
kommt nur selten in diese Wolke hinein, nur wenn sie sehr grosse Ausdehnung 
besitzen, kann er sie nicht umgehen oder überspringen, was er sonst thut. Es ist 
dies so zu erklären, dass diese Wolken durch ibre eigene Bewegung der Luftmassen 
in sich dem Ballon einen Widerstand entgegensetzen. Man könnte sie mit schwimmen- 
den Eisbergen im Ocean vergleichen. In ihrer Nähe sind Wirbel vorhanden, die 
den Ballon oft Hunderte von Metern emporheben und zu Pendeluugen Veran- 
lassung geben, die sonst der freie Ballon gar nicht kennt. 


Gewitter-Wolke. 


Die Cumulus-Wolke ist die Trägerin des Gewitters. 

Dar Gewitter ist die dem Ballon gefährlichate Wettererscheinung. Man wird 
stets gut thun, ihm zu entgehen zu versuchen, indem man entweder vor dem Ge- 
witter schnell landet oder über dasselbe zu fliegen versucht. Bei dem Ausbruch 
des Gewitters pflegen sehr starke und unregelmässige Winde aufzutreten, auch sind 
ja Hagel oder strömender Regen die gewöhnlichen Begleiterscheinungen desselben. 
Die Gefahr eines gewaltsamen elektrischen Ausgleiches zwischen Ballon, und 
Wolken erscheint nicht ausgeschlossen, Elmsfeuer an den Metalltheilen des Ballons 
(z. B. am Anker) sprechen dafür. (Schluss folgt.) 





Kleinere Mittheilungen. 


Kritische Bemerkungen. Unter dem Titel: „Ueber die Möglichkeit der reinen 
Aviatik“ liess Herr A. Platte kürzlich einen Artikel erscheinen, der so aggressiv 
vorgeht, dass Schreiber dieses sich versucht fühlte, durch eine gelinde Kritik des- 
selben den abweichenden Meinungen wieder etwas mehr Spielraum zu verschaffen. 
Er hoffte, seine „Mittheilungen aus amerikanischen Veröffentlichungen“ würden ihn 
einer solchen Aufgabe entheben, doch scheinen sie den erwarteten Effect nicht 
gehabt zu haben, denn, obschon lauter nüchterne Thatsachen enthaltend, wurden 
sie von Herrn Platte auf das unbefangenste totgeschwiegen. Herr Platte scheint 
von Hargrave, von Herring, von Langleys grossen, mit continuirlichem Dampfmotor 
fliegenden Modellen, bei denen Kraftverbrauch etc. wissenschaftlich exact ge- 
messen wurden, nichts zu wissen. Das würde Unterzeichneter ihın gern vergeben, 
wenn er nicht die Existenz von Maxim so harmlos ignorirte; denn die andern 
könnte man ja verbältnissmässig als Bagatellen auffassen. 

Auf Grund ziemlich umfassender Studien über Maxims Arbeiten (die sich 
leider bis jetzt nur aus englischen Quellen schöpfen zu lassen scheinen !) ist Unter- 
zeichneter in der Lage, Herrn Platte davon zu unterrichten, dass Herr Maxim wenn 
er nicht die „terra incognita“, den Wind zu fürchten hätte, jeden Moment seine 
erste Luftreise mit einer Geschwindigkeit von 86 englischen Meilen in der Stunde 
antreten könnte. Im Fall man an der Möglichkeit der Länge dieser Fahrt zweifeln 
möchte, liesse sich, von sonstigen Argumenten abgesehen, vorschlagen, dass Herr 


1) Für Herrn Ritters Ansicht vom Vorzug rauher Flügel wäre eine gewisse 
Stelle im „Century magasine“ sohr belehrend. 


800 Kleinere Mittheilungen. 


Maxim den einen der 8 Passagiere, die seine Maschine bereits durch die Luft be- 
förderte, zu Haus liesse und anstatt dessen das gleiche Gewicht Naphts mehr mit- 
aähme. (Der Maximsche Condensator ist ein Erfolg). Zur Noth liesse sich auch der 
andere zurücklassen ; man sieht, es ist gar kein Grund zu dieser Sorge vorhanden 
um 80 mehr aber zu jener, .dass die drei kühnen Aöronauten nicht wieder lebendig 
zur Erde kämen. — Unterzeichneter gestattet sich, Herrn Platte den Standpunkt 
von Herrn E. Kreiss zu der Erwägung zu empfehlen, dass, wenn solch eine ganz 
entgegengesetzte Anschauung überhaupt gefasst werden Konnte, die seinige ent- 
schieden nicht mit dieser Schärfe zu behaupten ist. | 

Jener liegen thatsächlich zwei gesunde Gedanken zu Grunde: Herr Kreiss hat 
erkannt, dass, wenn als Hauptsache die Stabilität der Maschine und dann die nöthige 
Geschwindigkeit der Flächen (bei sehr spitzem Berührungswinkel) gegen die 
Luft erreicht ist, der Kraftbedarf nur eine kleine Rolle spielt. Warum er dies ob- 
stinat nur mit seinem abstract verdrehten Begriff vom Schraubenflieger durchsetzen 
will und gegen andere Ideen so intolerant ist, mag seine Sache bleiben, uud es 
ist hier nicht der Ort, darauf, wie auf seine sonstigen Trugschlüsse einzugehen. 
Der Satz aber soll hier ausgesprochen werden: dass es sich beim Fliegen ganz 
in letzter Linie um die Tragkraft der Luft, sondern vor allem um die Behauptung 
der Stabilität und sicheres Landen (dann kann man ohne Motor schon, Gott weiss 
wie weit, von einem Ballon aus fliegen) und in Bezug auf die Motorfrage um Ueber- 
windung des gesammten Stirnwiderstandes handelt. Gegen diesen spielt der Wider- 
stand der Tragflächen selber gegen die Vorwärtsbewegung bei den grossen Ge- 
schwindigkeiten, um die es sich beim Flug handelt, nur die kleinste Rolle, das 
Tragen versteht sich somit schon von selbst!). Aber stelle einmal jemand z. B. 
einen Motorwagen her von so leichtem Gewicht, wie die Flugmaschine haben muss 
und verlange von ihm, er solle, auch auf ebenem Wege die Geschwindigkeit ent- 
wickeln, welche die Flugmaschine haben muss, so wird er sehen, dass die Sache 
nicht so einfach, wohl aber theoretisch ganz leicht verständlich und nur praktisch 
schwer auszuführen ist. (Was nutzt uns, möchte ich fragen, denn eigentlich diese 
ganze verwickelte Rechnungstheorie à la Dr. Jacob etc., bringt sie uns dem Ziel 
des praktischen Erfolges denn auch nur im geringsten näher?) Unmöglich aber 
ist sie gewiss nicht; Unterzeichneter hatte noch diesen Sommer Nachricht von 
Herrn Herring aus Chicago, dass dessen Benzipmotor (bestimmt für eine Aörocurve 
von Lilienthal’schen Dimensionen) der leider seitdem durch ungenügende Kühlung 
in seiner ersten Gestalt verdorben ist, mehr Kraft entwickelte, als irgend gebraucht 
wurde, von Maxims Erfolgen im grossen ganz zu schweigen. 

Man sieht, die Amerikaner übernehmen jetzt wieder einmal, wie schon manch- 
mal in der Technik, die Leitung, und beuten (wie sie selbst gestehen) aus, was 
wir durch Lilienthal, den sie hochachten, ihnen geliefert haben. Hätte Lilienthal 
selber etwas mehr amerikanischen praktischen Intinkt gehabt, und etwas weniger 
von seiner ja so unendlich sympathischen, deutschen, künstlerisch genialen Ver- 
senkung in die Naturbeobachtung, die ihn verleitete, es allzukühn den Störchen 
ganz gleich nachmachen zu wollen, so hätten wir ihn noch und er wäre schon 
weit. Aber so sollen wir die Augen nicht dagegen verschliessen, dass uns die 
Amerikaner jetzt was lehren können. Bezüglich auf Herrn A. Samuelson’s (dessen 
originelle und klare Theorie ich schätze) Ausspruch von Lilienthals sonderbarer 
UVeberschätzung des Nutzens der Flächenwölbung möchte ich (ohne Bezug auf den 
betreffenden Zusammenhang) hier soviel erwähnen, dass im Verlauf der letzten 
Jahre alle Amerikaner incl. Maxim, der sich lange sträubte, die Benennung Aöro- 
plan mit Aörocurve vertauscht haben. Um zu Herrn Platte zurückzukehren, möchte 








1) Wenn der Berührungswinkel dem Wind stets angepasst wird. 


Kleinere Mittheilungen 301 


ich in Kürze als meine unmassgebliche Meinung aussprechen, dass er mit seiner 
theilweisen Entlastung einen complicirten, gefährlichen Ballon erzielen wird und 
nichts weiter. Der „Wellenflug“ ist ein Hirngespinst und bietet gegen den horizon- 
talen eo wenig Vortheil wie eine wellenförmige gegen eine horizontale Eisenbahn. 
Er entspringt nur aus der, wie Herr Samuelson sich hübsch ausdrückt, allzu „phi- 
losophischen“ Tendenz mancher Denker, welche die Theorie des Fluges garnicht 
complieirt genug machen zu können glauben. Wenn man die Trugschlüsse nur 
hinter der nöthigen Complicirtheit versteckt, lässt sich auch die Möglichkeit des 
perpetuum mobile mit allem Scharfsinn und Wissenschaftlichkeit beweisen. Herrn 
Buttenstedts Auffassung, der bei Bethätigung seiner unerschöpflichen Spannungs- 
theorie auf terra firma uns ohne weiters mit diesem nützlichen Instrument beglücken 
könnte, ist ein Beispiel hierfür. Zum Schluss möchte ich noch bemerken, dass 
wer je auf einem Fahrrad seine Kraft mit der des Windes (bei der minimalen An- 
griffsfläche, die dieser am menschlichen Körper findet) gemessen hat, schwerlich 
aut die Idee einer tbeilweisen Ballonentlastung, (die theoretisch beim Bergauffahren 
sicht zu verachten wäre) gerathen würde. Beim leichtesten Wind oder irgend 
lebendigem eignem Temperament würde er sich dafür bestens bedanken, denn der 
'Schneckengang ist nicht jedermanns Geschmack. Dass auch diese höchst einfache 
Analogie übersehen wurde, ist wieder ein Beweis dafür, wie oft die Herrn Flug- 
theoretiker vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen. — 


Hieran möchte ich noch einige interessante Beobachtungen des Mövenfluges 
anschliessen, die ich kürzlich vom ÖOceandampfer aus machen konnte. Auf dem 
Deck eines solchen Schiffes befindet man sich so hoch, daag man die Vögel in Schnaren 
zu hunderten fast in greifbarer Nähe bat und da sie gegen den Wind zu fliegen 
haben, um beim Schiff zu bleiben, machen sie einem das Studium fast so bequem, 
wie sie mit aller Absicht nur könnten. Es kam mir wieder recht zum Bewusstsein, 
in welch „hundert Gelenken zugleich“ solch ein Mövenflügel sich regt. Jeden 
Moment ein neues Bewegungsbild,, das sich kaum je zu wiederholen scheint, soviel 
Combinationen sind möglich. Die Bewegungen sind so leicht und elastisch und 
‚sensitiv „leggiero“, dass man sie eigentlich nur mit denen der Hand eines geülten 
Pianisten gut vergleichen kann. Für die Schwierigkeit des Segelfluges ist oft so 
recht charakteristisch ein nervöses Zittern, das immer ab und zu einen oder beide 
Flügel überläuft (womit dem Vogel nicht gerade die modernen „Nerven“ zuge- 
sprochen werden sollen). Das Segeln ist auch alle Augenblicke durch etwas Schlagen 
unterbrochen, manchmal ist dieses kaum zu bemerken, oft scheint sich der Vogel 
durch einen einzigen Schlag nur auf der einen Seite heben und wieder in Position 
bringen zu wollen. Die Richtung des Flugs ist zum Theil ganz regellos und scheint 
im einzelnen gänzlich von Cen veränderlichen Eigenschaften des Segelwindes ab- 
zuhängen, plötzliches Drehen, Heben oder Senken, Seitwärtstreiben sind ganz selbst- 
verständlich. Wenn gar die Füsse auch noch ausgestreckt werden müssen, um das 
Gleichgewicht zu bewahren, macht der Vogel einen ganz „echauffirten“ Eindruck. 


Jedenfalls erscheint mir sicher: wenn man den Vogelflug genau nachahınen 
und praktische Resultate erzielen will, was ich überhaupt für eine prekäre Sache 
halte, darf man es sich nicht an einer so naiven Art und Weise, wie sie von Lilien- 
thal angewandt wurde, genügen lassen. Gewiss aber erinnern diese Möven nie an 
was anderes, als an einem regulirten Drachen; man möchte sich oft nach der Schnur 
umsehen. Charakteristisch für das ganze Bewegungsbild ist eine gewisse gespannte 
Starrheit in der ausgestreckten Flügelform, verbunden mit intensivstem Leben in 
allen einzelnen Gelenken. Grade hierdurch verkörpern diese Möven besser als 
irgend was andres den Begriff des „Schwurgvollen.* — 

New-York, October 1897. Carl Dienstbach. 


802 Kleinere Mittheilungen. — Berichtigung. 


Mitnahme von Material zu einer Ballon-Neufüllung. Ueber die Möglichkeit, eine 
genügende Menge von Chemikalien im Ballon mitzunehmen, um das zu einer Neu- 
füllung erforderliche Gas zu erzeugen, die schon einmal in dieser Zeitschrift 
(Bd. XV, S. 282) erörtert wurde, hat der Chemiker, Ingenieur John Landin 
in Stockholm, kürzlich einen Vortrag gehalten, in welchem er zu dem Ergebniss. 
kommt, dass die Mitnahme sowohl von Eisen und Schwefelsäure, als auch von Na- 
trium urthunlich sei, da von dem ersteren 77 kg, vom Natrium 28 kg erforderlich 
sind, um 1 kg Wasserstoff zu entwickeln. Dagegen empfiehlt der . Vortragende 
Lithium, von dem 7 kg mit der erforderlichen Quantität Wasser 1 kg Wasserstoff 
zu liefern vermögen. Obgleich der Preis des Lithiums jetzt ein so hoher ist, dass 
von einer praktischen Verwendbarkeit für diesen Zweck vorläufig noch keine Rede 
sein kann, glaubt Herr Landin doch, dass, wenn erst ein Bedürfniss vorliege, neue 
Lithionquellen erschlossen werden würden, ähnlich wie es mit dem Thorium der Fall 
war, das vor der.Erfindung des Gasglühlichtes zu den seitensten Elementen gehörte, 
während jetzt durch die Verwerthung von thoriumhaltigem Monacitsand aus Brasilien 
und Nordamerika, sowie durch verbesserte Herstellungsmethoden der Preis bedeutend 
gesunken ist. Der Vortragende wios. insbesondere auf den Lithionglimmer Lepidolit 
hin, von dem eine Probe gus Utö eiien Gehalt von 5°67°/, Lithiumoxyd aufwies, 
d. h. ebensoviel als der Thoriumoxydgehalt des brasilianischen Monacitsandes beträgt, 

An eine Verwirklichung dieses Projectes ist in absehbarer Zeit nicht zu 
denken, denn nbgesehen davon, dass die Kosten des reinen Lithiums auch nach. 
dem Eintreten dieser prophezeihten günstigen Umstände immer noch viel zu hoch 
und das Gewicht des mitzuführenden Lithiums immer noch recht beträchtlich 
— etwa !/, kg für jeden Cubicmeter Ballonvolumen — sein würde, bleibt zu beden- 
ken, dass eine Neufüllung in unbewohnten, namentlich in arktischen Gegenden, die 
Herr Landin speciell im Auge hat, selbst wenn der erforderliche Wasserstoff vor- 
handen wäre, noch eine ganze Reihe anderer Schwierigkeiten darbietet, die in 
dieser Zeitechrift nicht erst besonders aufgeführt zu werden brauchen. 

O. Baschin. 


l Berichtigung. 
In Heft 9 sind einige Druckfehler stehen geblieben, die hiermit berichtigt 


werden. 
Seite 24! zwischen Zeile 4 und 5 von unten fehlen dio Worte: 
„werden muss“ .. 


anstatt: soll es heissen: 
Seite 215 Zeile 8 von unten P. F 
Seite 246 Zeile 7 von oben Senkefeldes Schwerefeldes. 


 Initschrift für Laftschiffahrt nnd Physik der Atmosphäre. 1897. Heft 12. ` 303 


Das Flugprincip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 
Von Gustav Koch. 
(Schluss.) 

Die tragende, dem System auch den Charakter von Segelrädern ver- 
leihende Wirkung der den Scheitelpunkt passirenden Schaufeln kann nach 
Belieben verstärkt und abgeschwächt werden, je nach- 
dem durch entsprechendes Manövriren mit dem betreffenden Mechanismus, 
die Schaufeln den Zenith der Räder in einer mehr oder weniger nach vorne 
oder rückwärts geneigten Stellung passiren. 

Es involvirt dies die denkbar günstigste Art der 
Steuerung desFahrzeugesnichtnurinderverticalen, 
sondern, jenachdem nur mit dem einen oder anderen 
Rad, resp. mit dem deren Schaufelstellung reguliren- 
den Mechanismus manövrirt wird, auch nach rechts 
und links. 

Es bietet diese sich solcherart ergebende Möglichkeit den Auftrieb 
während der Bewegung des Luftschiffes nach Bedarf zu verstärken und ab- 
zuschwächen, das willkommenste Aequivalent für die vom Vogel zu dem- 
selben Zwecke beliebig prakticirte Vergrösserung oder Verkleinerung seiner 
Tragflächen, wie auch durch einseitiges Manövriren Schiefstellungen des 
Fahrzeuges behufs Steuerung herbeigeführt, oder, wenn durch äussere Ein- 
wirkungen oder Verkehr im Innern veranlasst, ausgeglichen werden können, 
was ohne Schwierigkeit selbst automatisch wirkend ausgeführt 
werden Kann, 

Ein weiterer Factor, mit dem beim Schaufelradluftschiffsystem zu 
rechnen ist und der als weiterer und Hauptvortheil desselben ausschlag- 
gebend in die Waagschale fällt, indem er die Bedingung, das Fahrzeug 
trotz der Excentricität im Verhältniss von Schwerpunkt und Druckmittel 
der Tragflächen, in relativ horizontaler Lage zu erhalten, erfüllt, ist die 
„Reactionskraft“, de „Drehwirkung des Motors“. | 

Die rückwirkende Kraft, der Rückstoss des Motors, (dieselbe Kraft, 
welche beim Einschraubenaäroplane dessen Seitwärtsneigung nach der der 
Rotation der Schraube entgegengesetzten Richtung bewirkt) will das Fahr- 
zeug um die Achse der Schaufelräder nach hinten drelien, inden sie mit 
der der Wirkung der Letzteren gleichen Energie das Vordertheil des 
Vehikels hebt und das Hintertheil niederdrückt, das Ganze hintüberkippen 
machen will. 

Dies ist jedoch nicht möglich, da die Luft unter den Tragflächen, von 
welch letzteren der grössere Theil sich hinter der Achse der Schaufelräder 


304 Koch: Das Flugprinceip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 


und hinter dem Schwerpunkte des Ganzen befindet, dagegen 
drückt. 

Das motorische, nicht durch directe oder indirecte Schwerpunktsver- 
schiebung nach hinten herbeigeführte Niederdrücken des Hintertheiles des 
Fahrzeuges muss aber, da letzteres freischwebend und sich mit einer ge- 
wissen Geschwindigkeit fortbewegend zu denken ist, der Apparataber 
die Luft ausschliesslich nur mit seinem Gewichte be- 
lasten kann, ebenso wie die besprochenen Muskelcontractionen beim 
Vogel, entlastend auf das Vordertheil desselben wirken, d. h. das 
Vordertheil hat einen geringerenals denseinem Ge- 
wichte entsprechenden Luftdruck unter sich und es ist 
daher das Vehikel, nachdem es in Folge der Drehwirkung der Reactions- 
kraft des Motors aus der durch die Schwerpunktsverhältnisse bedingten, 
nach vorne geneigten Lage, in eine horizontale Stellung gezwungen 
wird und die Tragflächen, gemäss ihrer, dem excentrischen Schirme ähnlichen 
Anordnung am Körper des Fahrzeuges, hebelartig nach vorne wirken, in 
intensiver Weise geneigt, sich, wie Letzterer, dem hinten bestehenden Ueber- 
druck der Luft durch Abgleiten von demselben nach vorne zu entziehen. 

Da die Reactionskraft des Motors, so lange solcher in Thätigkeit ist, 
constant wirkt, so tritt auch dieses, die Vorwärtsbewegung begünstigende 
Verhältniss in Permanenz, mag der betreffende Apparat sich in horizontaler 
oder auch in einer leicht nach hinten geneigten Stellung befinden. 

Es ist dies besonders für letzteren Fall von grösster Wichtigkeit und 
daher nothwendig, bei diesem Punkte noch etwas länger zu verweilen. 

Erinnert man sich des Vorganges bei dem eingangs erwähnten Ver- 
suche mit der von Herrn Professor Wellner auf dem Spielberge bei Brünn 
schaukelartig aufgehängten, gewölbten Fläche, welche von dem schief von 
unten kommenden Winde getroffen nicht zurückgetrieben wurde, sondern 
sich hebend, denselben entgegenbewegte und vergleicht man den betreffenden 
Vorgang mit den Verhältnissen, welche bei unserem, durch die Reactions- 
kraft des Motors in eine leicht nach hinten geneigte Stellung gebrachten 
und in Vorwärtsbewegung befindlichen Flugapparat obwalten, so fällt die 
Aelhnlichkeit dieser Verhältnisse sofort in die Augen (siehe Tafel IV) sobald 
man berücksichtigt, dass das bei © im Schwerpunkt concentrirt gedachte 
Gewicht des Apparates im gegenwärtigen Fall nicht ausschliesslich direct 
nach unten drängt, sondern, da man sich die Masse der Flugmaschine in 
rascher Vorwärtsbewegung zu denken hat, in der Richtung der Diagonale, 
des aus den beiden Bewegungsgeschwindigkeiten (Horizontalgeschwindigkeit 
ca. 15 Sec.-Met. und Maximalfallgeschwindigkeit ca. 8 m per Sec.) sich 
ergebenden Parallelogrammes, also in nach vorne schief abwärts zielender, 
ungefähr dem Pfeile Sı entsprechender Richtung wirkt. 

Man könnte hier einwenden, dass auch beim Schraubenaeroplane, wenn 
demselben durch den Flug einleitendes Abrollen von einer schiefen Ebene 





"on "aw: 


Koch: Das Flugprincip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 8C6 


eine gewisse Anfangsgeschwindigkeit gegeben ist, in diesem Falle das in 
Bewegung befindliche Gewicht der Diagonale des betreffenden Geschwindig- 
keitenparallelogrammes entsprechend wirken müsse und die Schwerkraft da- 
her auch keine Componente nach hinten abgeben könne. 

Dem ist jedoch keineswegs so. 

Denken wir uns einen Schraubena@roplan mit durch die Schwerpunkts- 
lage nach hinten geneigten Tragflächen in einem Winde von ca. 15 Sec.- 
Met. Stärke frei in der Luft und die Luftschrauben von einer Leistungs- 
fähigkeit, dass sie die zurücktreibende Wirkung des Windes und diejenige 
der betreffenden Schwerkraft-Componente gerade aufheben, so bleibt der 
Apparat, vom Boden aus gesehen, an einem Punkte in der Luft stehen, er 
schwebt, ohne scheinbar eine Eigengeschwindigkeit zu besitzen. 

Dass in solchem Falle der der Flächenneigung entsprechende Theil der 
Schwerkraft, wenn auch in seiner Wirkung für das Auge nicht erkennbar, 
nach hinten zieht, liegt auf der Hand. 

Mag nun auch der Wind nachlassen, schwächer werden, so dass die 
motorische Kraft des Apparates überwiegt und dieser sichtlich vorwärts 
strebt, so bleibt das Verhältniss doch ganz dasselbe; der Aöroplan will, nach 
wie vor, rückwärts und muss mit Gewalt vorwärtsgeschoben werden, wie 
auch eine Kugel durch einen bestimmten Kraftaufwand wohl eine schiefe 
Ebene hinaufgerollt werden kann, aber ungeachtet der thatsächlichen Be- 
wegung nach oben mit dem der Neigung der Balın entsprechenden Theil 
der Schwerkraft permanent, der Bewegungsrichtung entgegen, nach unten zieht. 

Könnte der Schwerpunkt einer solcherart situirten Kugel constant 
indem, dem oberen Ende der schiefen Ebene zuge- 
kehrten Theile derselben erhalten werden, so würde sie 
nicht nur nicht ab-, sondern aufwärts rollen, ein Experiment, das man 
in jedem Cirkus oder Variete von Akrobaten ausgeführt sehen kann. 

Wenn nun auch bei der durch die Reactionskraft des Motors be- 
wirkten, nach hinten geneigten drachenartigen Flügelstellung und der an- 
genommenen Eigenbewegung des Flugapparates die Flugrichtung eine hori- 
zontale, oder leicht aufwärts zielende wird und daher die gegen die Flächen 
anströmende Luft diese thatsächlich nur in einem kleinen Winkel trifft, so wirkt 
der Druck der Luft gegen die Flächen, angesichts des erörterten Zusammen- 
wirkens der beiden Factoren, Schwere und Horizontalgeschwindigkeit doch 
geradeso, als wenn die Flächen von einem Winde getroffen würden, der 
in der Richtung der Diagonale des erwähnten Geschwindigkeitenparallelo- 
grammes weht. 

Herr Lilienthal meinte vor einigen Jahren in der Zeitschrift für Luft- 
schiffahrt in einem Aufsatz über den Vortheil der Wölbung der Tragflächen, 
dass sich der gewölbte Vogelflügel in Folge dieses seines Profiles 
beim Schwebeflug stets gewissermassen auf dem Gipfel 
einer vonvornekommenden Luftwelle tefinde, 


306 Koch: Das Flugprineip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 


Der Vergleich ist, wie aus den vorhergegangenen Ausführungen her- 
vorgeht, ganz. zutreffend, nur spielt: dabei die Flächenformation nicht die 
ihr von Herrn Lilienthal vindieirte Rolle; denn befände sich beim Schwebe- 
flug der Vögel der Schwerpunkt. der Thiere nicht vor, sondern unter oder 
gar hinter der Resultirenden des Luftdruckes gegen die Unterfläche der 
Flügel, so wäre eine Horizontalbewegung olıne Arbeitsleistung ganz un- 
denkbar, ob der Wind nach oben zieht und ob die Flügel gewölbt oder 
flach sind. 

Zum Schwebeflug gehört eben ausser einer aufwärts zielenden Luft- 
strömung als Hauptsache die erzwungene Schwerpunktslage vor dem Luft- 
druckmittel gegen die tragenden Flächen; setzt man dann statt der quasi 
Iuuftwelle, auf deren Gipfel der Vogel beim Schwebeflug sich befindet und 
von welcher er nach derjenigen Richtung abgleiten 
will, von der der Schwerkraftwirkung der geringere 
Widerstandentgegentritt, die erwähnte, vom Equilibristen durch 
Schwerpunktsverlegung aufwärts rollende Kugel. und vergegenwärtigt man 
sich wieder den Fall bezüglich der von Professor Wellner aufgehängten 
Fläche und das Verhältniss bei der durch den Motor in Geschwindig- 
keit. erhaltenen und durch dessen Reactionswirkung aus der ihrer Schwer- 
punktslage entsprechenden vorgeneigten Stellung in eine horizontale oder 
leicht nach hinten geneigte Position gezwungenen Flugmaschine, deren 
Schwerpunkt nunden für die Resultirende des Luft- 
druckesgenommenen Gipfel der LilienthalschenLuft- 
welle (oder der Kugel) hinter sich lässt, so tritt die Ana- 
logie des physikalischen Vorganges in allen diesen Fällen deutlich zu Tage; 
man gewinnt ein richtiges Bild von dem eigentlichen Wesen des Fluges 
und sieht, dass und warum der lebende Vogel, der sich event. ganz im 
Falle der Wellner’schen Fläche befindet (ein directes Abgleiten von der 
schief aufwärts zielenden Luftströmung verhindern, wie in diesem Fall die 
Aufhängedrähte, so in jenem die, den Vogel zwar noch in einer um ein 
Minimum nach vorne geneigten Stellung belassenden, aber ihn doch, gegen- 
über der Windrichtung, in eine drachenartige Lage zwingenden Muskelcon- 
tractionen) in leicht aufsteigender Luft ohne sichtbare Arbeit, fast mühelos 
dahin zu schweben im Stande ist, man lernt aber auch, dass die Heran- 
ziehung der Reactionskraft des Motors zur Nutzleistung sich als ein nicht 
wohl ersetzbares Haupterforderniss dynamischer Luftschiffahrt erweist +). 


1) Auch „Buttenstedt“ ist in seinem Werke „Das Flugprincip“ der Er- 
kenntniss desselben nahe gekommen; er meint jedoch, dass die Muskelcontractionen 
beim schwebenden Vogel eine elastische Spannung des Flügel- 
materiales bezwecken und glaubt in einer sich solcherart kennzeichnenden „Ma- 
terialarbeit“, wie er es nennt, die Lösung des Problems gefunden zu haben, während 
die beobachtete Spannung der Federn am Vogelflügel gerade auf durch Muskel- 
contraction resp, Drehungsmanöver um den Schwerpunkt 


Koch: Das Flugprincip und die Schaufolrad-Flugmaschine, 807 


Es dürfte hierdurch als erwiesen betrachtet werden, dass bei der vor- 
gängig beschriebenen Anordnung und Functionirungsweise der Flugmaschine 
selbst bei drachenartie nach hinten geneigter Stellung der Fläche eine 
rückwärtszielende Componente der Schwerkraft nie vorhanden ist und der 
Widerstand der Luft gegen die Beibehaltung der Geschwindigkeit, nachdem 
derselbe im Falle der Wellner’schen Fläche durch eine geringfügige Schwer- 
kraftcomponente mehr als paralysirt wird, nur klein sein, und denjenigen 
gegen die Stirnseite des schlank gebauten Apparates, wenn dessen Rück- 
wärtsneigung nicht bedeutend ist, nur um ein Geringes erhöhen kann. 

Mag die Fläche horizontal stehen, oder nach hinten geneigt sein und 
ob die Bewegungsgeschwindigkeit des Apparates gross oder kleiner ist, die 
Resultirende des Luftdruckes bleibt immer, Dank dem Zusammenwirken 
der Actions- und Reactionskraft des Motors (bei grösserer Kraftentfaltung 
des Letzteren steigert sich auch die Reactionskraft in gleichem Grade) 
hinter dem Schwer punkt und es erscheinen solcherart die Vor- 
bedingungen zum Fluge in naturgemässer Weise erfüllt. 

Den praktischen Beweis erhalten wir, wie schon früher bemerkt, täg- 
lich bei Beobachtung des Taubenfluges; man sieht solche oft und viel in 
langgestreckter Bahn durch die Strassen ziehen, ohne Flügel- 
schlag, mit, je nach der Geschwindigkeit, mehr oder weniger stark nach 
hinten geneigten Flügeln. 

Würde die Rückwärtsneigung der Flügel bei der schwebenden Taube 
durch die Schwerpunktslage herbeigeführt, so wäre eine so langsam er- 
folgende Abnahme der in der Bewegungsgeschwindigkeit liegenden leben- 
digen Kraft nicht möglich, da wie nun bekannt, in solchem Fall ein dem 
Neigungswinkel der Flächen entsprechender Theil des Gewichtes des Vogels 
stets nach rückwärts ziehen und stark bremsen würde. 


bewirkten, vermehrten Luftdruck unter dem mittleren und 
hinteren Theile der Flügelflächen hinweist, dessen Resultirende da- 
durch, als Hauptzweck der Action, hinter den Schwerpunkt verlegt wird. 
Der bezügliche, den meisten Fachmännern mysteriös erscheinende Theil der Butten- 
stedtschen Theorie dürfte hierdurch seine berichtigende, natürliche Erklärung 
finden. 

Man sieht daraus, welch vorzüglicher Beobachter Buttenstedt ist, während 
er dagegen in der Definition des Beobachteten weniger glücklich erscheint. 

Wie Herr Buttenstedt seine Theorie in die Praxis umzusetzen beabsichtigt, 
ist mir nicht bekannt; aber bestünde Erstere zu Recht und wäre der Zweck der 
betreffenden Muskelcontractionen des Vogels beim Schwebeflug nicht die Re- 
gulirung der Schwerpunktslage gegenüber dem Mittel des Luftdruckes, sondern 
jene elastischen Spannungen der Flügei, so wäre gerade und ausschliesslich die 
die Ausnützung der Reactionskraft des Motors (als Aequivalent der thierischen 
Muskelcontractionen) ermöglichende Schaufelradflugmaschine diejenige mechanische 
Combination, welche jene, als eine Bezleiterscheinung der motorischen Regulirung 
der Schwerpunktslage auftretenden elastischen Spannungen im Flügelmaterial zu 
bewirken geeignet erscheint. 


808 Koch: Das Flugprincip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 


Auch das Ergebniss der in jüngster Zeit vielseitig angestellten Ver- 
suche mit gut construirten Drachen, bei denen der Wind und der Zug 
der Schnur an Stelle der beiden Factoren, Horizontalgeschwindigkeit und 
Schwerkraft, tritt und welche in leicht aufsteigendem Winde derart func- 
tionirten, dass sie bei fast horizontaler Lage nahezu den Zenith über dem 
Standplatz des Experimentirenden erreichten, weist darauf hin, dass im 
analogen Fall der Flugmaschine der Stirnwiderstand der Luft in Bezug auf 
die tragenden Flächen sich auf ein Minimum reducirt. — 

Die Regulirung der Wirkung der bei keinem anderen Flugmaschinen- 
system zur Ausnützung kommenden, daher verlorenen Reactionskraft des 
Motors, auf welche aber zwecks Erfüllung der Bedingung, 
unter der sich Körperinder Luftaufvogelartig öko- 
nomische WeiseinGeschwindigkeit versetzen lassen, 
nicht verzichtet werden kann, deren Heranziehung zur Nutz- 
leistung sich geradezu als eine „conditio sine qua non“ für dynamische 
Luftschiffahrt charakterisirt, kann auf zweierlei Art erfolgen: einmal durch 
entsprechende Verlängerung oder Verkürzung des Schwanzes, indem derselbe 
vor- oder zurückgezogen wird, was einer Verlängerung oder Verkürzung 
des Hebels von der Achse der Schaufelräder bis zum Schwanzende gleich- 
kommt (auch eine Verbreiterung oder Zusainmenschieben des event. fächer- 
artig zu construirenden Schwanzes würde denselben Zweck erfüllen), oder 
durch ein entsprechendes Manöver mit dem Mechanismus an den Schaufel- 
rädern. — 

Das Krafterforderniss zur Beibehaltung der Geschwindigkeit 
der Bewegung eines solcherart construirten und dementsprechend functio- 
nirenden mechanischen Flugapparates kann nach den vorangegangenen Aus- 
führungen nur ein relativ geringes sein und würde, wären wir im 
Stande ein dem schwebenden Vogel ähnliches Gebilde mit, im Verhält- 
niss zur Länge, nur ganz schmalen Flügeln herzustellen, wenig mehr be- 
tragen, als zur Ueberwindung des Widerstandes des Luft gegen die Be- 
wegung des Körpers der Flugmaschine nöthig ist. 

Da aber ein für Menschenbeförderung dienlicher Flugapparat sehr 
grosse Dimensionen haben muss und das uns zur Verfügung stehende Ma- 
terial in Bezug auf Festigkeit, resp. Ersparung relativ todten Gewichtes, 
andere, als so einfache Constructionen, wie der Bau der Vögel zeigt, be- 
dingt, so wird auch bei den künftigen Flugmaschinen ein, das Verhältniss 
zur Kraft- und Arbeitsleistung des Vogels bei Ueberwindung der Stirnwider- 
stände übersteigendes Mass motorischer Energie erforderlich sein. 

Der vermehrte Kraftbedarf wird von verschiedenen Seiten bauptsäch- 
lich der nothwendigen Verspannung der Tragflächen, welche mittels Stahl- 
draht oder dünnen Dralitseilen bewerkstelligt wird, zur Last gelegt. 

Dies ist jedoch nur insofern richtig, als das Verspannungsmaterial 
eben auch Flächen darstellt, welche den ihren Dimensionen und der Be- 


Koch: Das Flugprincip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 809 


wegungsgeschwindizkeit des Fahrzeuges entsprechenden Luftwiderstand 
erleiden. 

Denselben aber X mal höher zu taxiren, wie dies vielfach geschieht, 
ist jedoch absolut keine Veranlassung geboten, wenn der Apparat sonst 
richtig construirt ist und dementsprechend functionirt. 

Den schlagenden Beweis liefert der Lilienthal’sche Flugapparat, dessen 
durch zahlreiche, ziemlich starke Drähte bewerkstelligte Verspannung, ja 
sogar die herunterhängenden Beine des Fliegers, ein wesentliches Hemmniss 
bei den Versuchen keineswegs abgegeben haben. 

Die gesammten Stirnwiderstände würden bei der, der Photographie 
des Modelles entsprechenden, in einem Mafsstabe von ca. 1:100 ausgeführt 
angenommenen Schaufelradflugmaschine, wenn um 1—2 Grad nach hinten 
geneigte Lage und eine Bewegungszeschwindigkeit in horizontaler Richtung 
von ca. 15 Mt. per Sec. angenommen wird, so dass der Apparat schwebt, 
im höchsten Fall ca. 70—80 ke betragen, zu deren Ueberwindung, resp. 
zur constanten Erhaltung der angenommenen Geschwindigkeit, wenn von 
allen, desshalb durchaus nicht zu unterschätzenden Constructionsvortheilen 
abgesehen wird, eine Maschinenleistung von höchstens 25 Pferde- 
kräften effectiv erforderlich wäre. 

Man könnte hier einwenden, dass wenn mittels Lufischrauben bei 
einem Arbeitsaufwand von 2 HP ein Luftdruck von 60 kg erzielt worden 
ist (siehe S. 276, Heft 11 d. J.) das Krafterforderniss von ca. 25 HP um 
einen Luftgegendruck von 70—80 kg zu überwinden, ausserordentlich hoch 
sei und solcher Umstand keineswegs zu Gunsten der Schaufelräder spreche. 

Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass ersteres Versuchsergeb- 
niss nur den auf der Stelle erzielten Auftrieb beziffert; wenn ein 
Gewicht von nur 50 kg per Sec. 1 Met. hoch zu heben gewesen 
wäre, würde das Arbeitserforderniss ein wesentlich höheres gewesen sein. 

Nun muss bei der Schaufelradflugmaschine im angeführten Fall der 
sich auf 70—80 kg belaufende Stirnwiderstand während des in 1 Sec. 
zurückzulegenden Weges von ca. 15 Met. in jedem Moment über- 
wunden werden, was gleichbedeutend ist mit der Aufgabe 
ein solches Gewicht in 1 Sec. ca. 15 Met. hoch zu heben. 

Dazu würde eine auf Luftschrauben übertragene Motorarbeit von 
25 Pferdekräften bei Weitem nicht hinreichen; der Vortheil bei Anwendung 
von Schaufelrädern liegt daher auf der Hand. 

Die Grösse der etagenartig am Körper des Fahrzeuges angebrachten 
Tragflächen, ca. 250[] Met. (wie der erreichbare Grad von Horizontalge- 
schwindigkeit der Eigenbewegung des Flugapparates die zulässige Breite 
der Tragflächen bedingt, ebenso ist Ersterer auch bei der Bestimmung des 
Zwischenraumes etagenartiger Flächencombinationen massgebend und zwar 
muss die Entfernung der unteren von der oberen Fläche mindestens so gross 
sein, dass bei Einzeichnung des hetreffenden idealen Luftkeiles — siehe 


810 Koch: Das Flugprincip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 


Tafel VIII Figur 1 — der Vorderrand der unteren Fläche nicht in den 
sich solcherart ergebenden Rayon der oberen hineinragt) würde bei der an- 
geführten Bewegungsgeschwindigkeit eine Gesammtbelastung von ca. 2000 kg 
zulassen, d. h. ein solches Gewicht schwebend erhalten und nun geht mein. 


„Vorschlag“ 


dahin, einen solchen ersten Versuchsapparat mit der doppelten, event. sogar, 
wenn auch nur für wenige Minuten Dauer, mit der dreifachen Maschinen- 
stärke auszurüsten, behufs praktischer Erprobung des Systems und zum 
Zwecke der Gewinnung von Erfahrungsdaten bezüglich der auf solche Weise 
erreichbaren höchsten Bewegungsgeschwindigkeit , woraus dann sichere 
Schlüsse auf die Maximaltragfähigkeit des Fahrzeuges gezogen werden 
können. 

Obschon sich nun verschiedene andere Motorarten, ihrem Wesen nach 
besser für Luftschiffahrtzwecke eignen dürften, als gewöhnliche leicht aus- 
geführte Schiffsdampfmaschinen, würde ich doch für den Anfang 
der Verwendung einer letzteren für Hochdruck mit Expansion den Vorzug 
geben. 

Die Vortheile, welche andere Motorarten bieten, dürften durch die 
erprobte Zuverlässigkeit der Dampfmaschine, besondersin diesem 
speciellen Fall, reichlich aufgewogen werden. 


Den nöthigen Dampf würde event. ein, etwa nach dem System der 
Dampferzeuger für Dampffeuerspritzen, für hohen Druck con- 
struirter, incl. Armatur und Wasserfüllung kaum mehr als 400 kg schwerer 
Kessel (die berühmte Firma Merryweather and Sons in London wäre be- 
reit, einen bezüglichen Auftrag auszuführen) liefern, wobei für die ersten 
Versuche von einer Speisung während der Fahrt abgesehen werden kann, 
indem eine Dauer derselben von wenigen Minuten für den Anfang voll- 
kommen genügt. 

Sieht man dann, welche Geschwindigkeit erreicht wird, so kann event. 
das Gewicht des Apparates durch Mitnahme von Speisewasser und Heiz- 
material successive erhöht und die Versuche länger ausgedehnt werden. 

Die Abfahrt hat von einer stark geneigten schiefen Ebene zu erfolgen. 

Beträgt das Gefälle z. B. 1:8, so würde der Apparat einmal durch 
die Arbeit des Motors und dann noch besonders durch die Wirkung von 
(le des Gewichtes des Fahrzeuges beschleunigt und dürfte daher die nöthige 
Anfangsgeschwindigkeit in wenig Secunden erreicht sein. 

Erfolgt sodann durch den Führer die entsprechende Manipulation mit 
dem Mechanismus der Schaufelräder, so dass die den Zenith der Letzteren 
passirenden Schaufeln in dem betreffenden Moment in eine nach hinten ge- 
neigte Stellung kommen, so wirken dieselben stark hebend (der solcherart 
zu erzielende, den vortreibenden Effect der Schaufelräder verhältnissmässig 
wenig vermindernde Auftrieb kann auf mehrere hundert Kilo gesteigert 


Koch: Das Flugprincip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 8il 


werden, was aber nur in Ausnahmefällen nothwendig werden dürfte) und 
das Fahrzeug, ohnehin durch den in Folge der Schiefabwärtsbewegung er- 
zeugten Luftdruck von unten gegen die Flügel kaum noch das Geleise be- 
lastend, beginnt sich von demselben zu entfernen und, da die Fahrt zu- 
nächst noch immer leicht abwärts geht, sich nun erst recht beschleunigend 
frei in der Luft fortzubewegen. 

Das Aufsteigen desselben kann auf zweierlei Art herbeigeführt 
werden: entweder durch Vermehrung des Auftriebes durch die Schaufelräder, 
oder dadurch, dass durch Zurückziehen der Schwanzfläche der Hebel von 
der Achse der Schaufelräder bis zum Schwanzende verkürzt und dadurch 
der Reactionskraft des Motors mehr Spielraum gelassen wird, so dass 
der Apparat in eine leicht nach hinten geneigte Lage kommt. 

Die solcherart herbeigeführte Neigung nach hinten braucht nur 
eine ganz minimale zu sein, da das Aufsteigen des Apparates 
weniger wie beim Drachen, durch den Stoss der Luftströmung gegen eine 
schiefe Ebene erfolgt, wobei bekanntlich der horizontale Theil der Luft- 
stosswirkung verloren geht; der Aufstieg erfolgt vielmehr, da sich wie 
bereits bemerkt, die Widerstandsverhältnisse der Luft, abgesehen von dem 
Einfluss der nach oben abnehmenden Dichtigkeit derselben, stets gleich 
bleiben, nach welch’ immer einer Richtung schwere Körper oder Flächen 
in derselben- bewegt werden, im Gegensatz zu den bisherigen Annahmen, 
aber analog der betreffenden Erscheinung in der Natur, so lange die vor- 
ausgesetzte Geschwindigkeit anhält, annähernd in der Richtung der Neigung 
der Tragflächen. 

Die in diesem zweiten Fall zur Beibehaltung der Geschwindigkeit 
nöthige grössere Kraft wird entnommen: einmal vorübergehend der bei der 
vorangegangenen Abwärts- event. Horizontalbewegung aufgespeicherten 
lebendigen Arbeit: oder auch es kann solche rein als Leistung des Motors 
betrachtet werden, so dass also der das Schwebevermögen übersteigende 
Theil der vorhandenen motorischen Kraft dem Aufstieg zu Gute kommt. 

Derselbe wird daher, der Motorstärke entsprechend, verhältniss- 
mässig langsam vor sich gehen. 

Die ersten Flugversuche sollten unbedingt in geringer Höhe „über 
Wasser“ angestellt werden und dürfte es zu empfehlen sein, auch die 
Landung, wenn ich mich so ausdrücken darf, so lange auf dem Wasser zu 
bewerkstelligen, bis die durch die Praxis gewonnenen Erfahrungen ein ge- 
fahrloses Landen am festen Boden zulassen. 

Schwerverständlicher Weise hat der Senat der „Vereinigten Staaten 
von Nordamerika“ den von einem Mitglied vor 2 Jahren gestellten Antrag 
der Fixirung einer Staatsprämie für ein erstes brauchbares Luftschiff in 
Hinsicht auf den Mangel an genügender Sicherheit, welcher einem 
solchen Fahrzeug im Anfang, so lange noch die Uebung in Führung und 
Steuerung fehlt, naturgemäss anhaften muss, vorerst noch abgelehnt. 


812 Koch: Das Flugprincip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 


Es dürfte sich daher verlohnen den Fall eines plötzlichen Versagens 
des motorischen Apparates der in Vorschlag gebrachten Flugmaschine in 
Erwägung zu ziehen. 

Ist derselbe während der Fahrt durch irgend welchen Zufall ausser 
Wirkung gesetzt, so kommt sowohl die vorwärts treibende Kraft, wie 
die die Horizontalstellung bedingende Reactionskraft des Motors in Weg- 
fall und ist das Vehikel dann ausschliesslich der Schwerkraft und dem 
Winde preisgegeben. 

Diese beiden Elemente stehen aber gewissermassen mit einander auf 
dem Kriegsfuss, wie wir bei der Erklärung des Verhaltens strömender Luft 
gegenüber freischwebenden schweren Körpern oder Flächen gesehen haben. 

Erstere kann unter den, aus dem Vorangegangenen bekannten Um- 
ständen den directen Fall wesentlich verlangsamen. 

Zieht man nun in Betracht, dass die Schaufelradflugmaschine sich bei 
einem Versagen des Motors, in Folge der nun fehlenden Reactionskraft 
derselben, sofort der Schwerpunktslage gemäss nach vorne neigen, in 
eine ungefähr der Figur 3 Tafel VIII. entsprechende Stellung kommen und 
in solcher sich schief abwärts bewegen muss, so leuchtet ein, dass hiebei 
die Tragflächen in ganz anderer Weise von der Luft getroffen werden, als 
dies beim Horizontalflug der Fall ist. 

Es befinden sich dieselben gegenüber der Bewegungsrichtung in stark 
drachenartiger Lage, wobei besonders das Vordertheil der Tragflächen einen 
bedeutenden Luftdruck erfährt, so dass sich der Apparat, da die Resulti- 
rende des gesammten Luftdruckes nun vor den Schwerpunkt derselben 
verschoben erscheint, wenn die Schwanzfläche nicht wäre, nach kurzer Dauer 
der Schiefabwärtsbewegung nach hinten neigen und in der Folge, abwechselnd 
bald vor, bald rückwärts, in schaukelnder Bewegung nach unten sinken 
würde. Das Vorhandensein der Schwanzfläche macht aber nicht nur ein 
Neigen des Fahrzeuges nach hinten unmöglich, sondern durch den Construc- 
tionsvortheil der Beweglichkeit derselben nach oben ist der Steuermann in 
der Lage, die dem Fall seine Directive gebende Neigung des Apparates 
nach vorne, event. auch dem Winde entgegen, nach Belieben zu reguliren, 
während das unterhalb des Hintertheiles des Flugkörpers angebrachte, ver- 
ticalstelende Steuersegel ein Ausweichen nach rechts und links und damit 
auch einigermassen die Wahl der Ankunftstelle am Boden ermöglicht. 

Die im Unglücksfalle thatsächliche Hinderlichkeit der Schaufeln der 
Räder erscheint dadurch vermindert, dass Letztere nicht fest auf ihrer 
Achse aufgekeilt sind, sondern durch Mitnelimer in Rotation versetzt werden, 
so dass solche beim Niechtfunetioniren des Motors sich der Luftbewegung 
anschliessen und, durch diese fortrotirend, wenig Widerstand verursachen. 

Auch beim freien Fall kann daher ein solches Fahrzeug, vorausge- 
setzt dass die tragenden Flächen intact bleiben, nicht senkrecht, oder gar 
gestürzt, sondern in.schiefer Richtung, ein wenig von der horizontalen Lage 


Koch: Das Flugprineip und die Schaufelrad-Flugmaschine. 813 


abweichend, am Boden ankommen und es ist Sache des Führers, den be- 
treffenden Winkel möglichst zu reduciren, so dass das auf Rädern mon- 
tirte Vehikel einfach am Boden anrollt. 

Etwas Anderes wäre es freilich, wenn die Flügel brechen, in solchem 
Falle wäre eine Katastrophe unausbleiblieh. 

Wir wissen jedoch genau, welche Widerstandsfähigkeit z. B. Stahl- 
röhren von dieser oder jener Wandstärke, aus welchem Material wohl die 
Stangen der Tragflächen herzustellen sein werden, besitzen, und es dürften 
derartige Urglücksfälle, da Collisionen denn doch gar zu leicht vermieden 
werden können, wohl nicht zu befürchten sein. 

Aus dem im Verlaufe meiner Abhandlung Dargethanen, dürfte, wie 
ich hoffe, nicht nur die Charakteristik des Fluges, die physikalische 
Grundlage, auf der sich diese Naturerscheinung vollzieht, klar geworden 
sein, wir wissen auch, dass und warum alle bisherigen Bestrebungen, 
Apparate zn ersinnen, mittels deren wir vogelgleich das Reich der Luft zu 
durcheilen vermöchten, ein günstiges Resultat nicht haben konnten. 

Versuche mit in kleinem Mafsstabe ausgeführten Modellapparaten, 
namentlich von Schraubena@roplanen, die ganz hübsch functioniren, sind schon 
vielhundertfach angestellt worden, da die Studien fast aller Flugtechniker, 
die dem Problem ernstlich nachgehen, damit abzuschliessen pflegen. 

So hat z. B. noch im vorigen Jahre der amerikanische Professor der 
Physik Mr. Langley das Resultat eines in letzterer Richtung ange- 
stellten Versuches veröffentlicht und es werden an die Im Aussicht gestellten 
Ausführungen im Grossen hohe Erwartungen geknüpft. 

Das Ergebniss kann aber kein anderes sein als 
bei dem H Maxim’schen Versuche. 

Mr. Langley’s kleiner Apparat ist geflogen, da die durch eine kleine 
Dampfmaschine geleistete Arbeit auch hingereicht hätte, das Gewicht des- 
selben direct von Boden zu erheben (1!/⁄4 HP, ca. 15 kg Apparatgewicht); 
aber bei einem Versuche in grossem Mafsstabe verändert sich das Ver- 
hältniss von Kraft zur Leistung eben sehr bedeutend, wie wir aus den 
früheren Ausführungen ersehen haben. 

Auch eine Schaufelradflusmaschine als funetionirendes Modell im Kleinen 
herzustellen. hätte keinen Werth, wenn auch weniger der Kraftfrage halber. 

Es ist noch Niemand gelungen, einen toten Vogel, unter Fixirung 
des Verhältnisses von Gewicht und Tragflächen, wie solches beim Schweben 
des lebenden Thieres zu Tage tritt, in gleicher Weise zum Fliegen zu bringen; 
esfehlt eben daszur Beherrschung der Wirkung der 
Schwere nöthige Intellect und wenn auch durch die Anwendung 
von Schaufelrädern und die in solchem Falle zur Nutzleistung herangezogene 
Reactionskraft des Motors einer Flugmaschine das mechanische Mittel ge- 
boten ist, den betreffenden Apparat in der Weise des Vogels, unter Wahrung 
der Stabilität der Stellung des Fahrzeuges, in Bewegung zu versetzen, so 


814 Koch: Das Flugprincip und die Bchaufelrad-Flugmaschine. 


fehlt doch noch der Ersatz des thierischen Instinetes in Beherrschung der 
zur Verfügung stehenden Kräfte. 

Das funcetionsfähige Modell einer Schaufelrad- 
flugmaschine muss daher so grosssein, dass es min- 
destens den Steuermann aufzunehmen und zutragen 
im Stande ist. 

Weit entfernt zu glauben mit meinem Entwurf eines solchen Luftfahr- 
zeuges bereits Vollkommenes geliefert zu haben, sehe ich mich doch, auf 
Grund meiner langjährigen Studien und Versuche, zu der Erklärung be- 
müssigt, dass nach meiner vollen Ueberzeugung nur auf diesem Wege 
ein Flugversuch wirklich gelingen kann. 

Haben wir erst einen gelungenen Versuch hinter uns, so 
werden sich die heute noch zersplitterten Kräfte aller an dem Flugproblem 
arbeitenden Techniker vereinigen und Verbesserungen nach allen Rich- 
tungen Schlag auf Schlag folgen. 


Einige Ergebnisse spektroskopischer Beobachtungen. 
Von Dr. Th. Arendt in Barlin. 


Anlässlich der zweiten internationalen Ballonfahrt sind von mir am 
astroplysikalischen Observatorium zu Potsdam an mehreren auf einander 
folgenden Tagen, vom 15. bis 19. Februar cr., mittelst des Spektroskops län- 
gere Beobachtungsreihen über das veränderliche Aussehen gewisser Absorp- 
tionslinien tellurischen Ursprungs zur Bestimmung des Wasserdampfgehaltes 
der Atmosphäre ausgeführt worden. Abweichend von früheren Messungen, 
über welche ich im Decemberhefte 1893 dieser Zeitschrift!) Bericht er- 
stattet habe, ist in dem vorliegenden Falle, wo mir ungleich vollkommenere 
instrumentelle Hilfsmittel, Dank der Liebenswürdigkeit des Directors jener 
Anstalt, des Herrn Geheimrath H. C. Vogel, zur Verfügung standen, im 
Anschluss an eine umfangreichere Untersuchung aus den Jahren 1895 und 
96 ein genaueres Verfahren zur Intensitätsbestimmung der Linien zur An- 
wendung gebracht worden. Ueber die neue Methode, wie über die Brauch- 
barkeit und Bedeutung derselben für die Physik der Atmosphäre habe ich 
bereits früher an anderen Orten Mittheilungen veröffentlicht. Zum leichteren 
Verständnis der später aufgeführten Zahlenreihen soll der von mir betretene 
Weg bei der Ausführung der Beobachtungen hier noch einmal in Kürze 
beschrieben werden. 

1) Th. Arendt: Die Verwendung des Spektroskops zum Studium der Atmos- 
phäre. p. 291—805. — Die Schwankungen im Wasserdampfgebalte der Atmosphäre 
auf Grund spektroskopischer Untersuchungen. Annalen der Physik und Chemie. 
N. F. Bd. bp 1896. p. 171—204. — Die Bestimmung des Wasserdampfgchaltes der 
Atmosphäre auf Grund spektroskopischer Messungen. Meteorol. Zeitschrift 1896, 
p. 376—390. 


Arendt: Einige Ergebnisse spektroskopischer Beobachtungen. 815 


Ich schicke einige Angaben über die instrumentellen Einrichtungen 
voraus, deren Kenntnis für das Folgende von Wichtigkeit ist. Das Spek- 
troskop bestand aus zwei Fernrohren von 37 mm Objectivöffnung und 400 mm 
Brennweite; dieselben waren auf einem starken Holzgestell unveränderlich 
befestigt. Zur Erzeugung .des Spektrums diente ein Metallgitter, welches 
mit der Rowland’schen Theilmaschine hergestellt war; es wurde stets die- 
selbe Seite von dem direct reflectirten Spaltbilde zur Beobachtung benutzt. 
Bei einer Länge von 80 mm und einer Breite von 53 mm enthält die 
Gitterfläche auf jeden englischen Zoll 14436 Striche; somit beträgt die 
Entfernung je zweier Striche 0.0017596 mm; zur Verwendung kam ledig- 
lich das Spektrum der dritten Ordnung, welches bei Weitem das licht- 
stärkste und beste war. Die Beobachtungen geschahen bei unveränderter 
Lage der beiden Fernrolhre zu einander, welche einen Winkel von 30° mit 
einander bildeten. Die Justirung des Instrumentes, das in der grossen 
Kuppel des Observatoriums vorübergehend Aufstellung gefunden hatte, so 
wie die Einstellung des zu beobachtenden Spektrums und die Ausführung 
der Messungen geschah unter Berücksichtigung aller der Vorsichtsmass- 
regeln, welche bei derartigen Untersuchungen in der Physik gebräuchlich 
sind. Zur Erzielung eines möglichst lichtstarken Bildes war zwischen 
Heliostat und Spaltöffnung in den Gang der Lichtstrahlen noch eine 
grössere Concentrationslinse eingeschaltet worden. 

Das Charakteristische der von mir, auf Anrathen des Hrn. Prof. G. Müller, 
ausgeführten Methode besteht nun darin, dass nicht Intensitätsverhültnisse, 
sondern Intensitätsunterschiede zur Beurtheilung gelangten. In ähnlicher Weise, 
wie in der Astronomie gebräuchlich, definire ich die Bedeutung einer Hellig- 
keitsstufe in der folgenden Weise: Wenn von zwei nicht allzu weit von 
einander entfernten Spektrallinien die eine ebenso häufig wie die andere als 
die intensivere erscheint, so sage ich: es findet vollkommene Gleichheit 
zwischen beiden statt, es ist „kein“ Stufenunterschied vorhanden. Wird aber 
die eine Linie bei wiederholter Besichtigung häufiger als die andere für 
die stärkere erklärt, so nenne ich den Intensitätsunterschied „eine“ Stufe. 
Ist es auf den ersten Blick und bei erneuter Prüfung zweifellos ersichtlich, 
welche von den beiden Linien die intensivere ist, so unterscheiden sich nach 
meiner Definition die Linien um „zwei“ Stufen. Eine noch deutlicher in die 
Augen springende Differenz wird als „drei“ Stufen bezeichnet. Noch weiter 
zu gehen ist im Allgemeinen nicht ratlısam, weil dann die Sicherheit der 
Beurtheilung gänzlich aufhört; nur in Ausnahmefällen wird man einen Luten- 
sitätsunterschied von „vier“ Stufen direct schätzen dürfen. 

Vergegenwärtigt man sich nun das Bild, welches das Spektroskop bei 
verschiedenem Sonnenstande in der Gegend bei D dem Auge darbietet — 
das von mir untersuchte Spektrum liess im günstigsten Falle, also bei 
grosser Zenitdistanz der Sonne für gewöhnlich, oder bei hohem Sonnenstande 
und sehr grossem Wasserdamptgelalte der Luft zwischen Dı und Di 


316 Arendt: Einige Ergebnisse spektroskopischer Beohachtungen. 


10 Linien tellurischen Ursprungs erkennen, — so unterliegt es keinem Zweifel, 
dass den Hauptanhalt bei der Beurtheilung der atmosphärischen Linien der 
Grad ihrer Schwärzung ausmacht, welche in stärkerem Masse als ihre Ver- 
breiterung Aenderungen unter verschiedenen meteorologischen Verhältnissen 
erfährt. Die Vergleichung wird um so zuverlässiger ausfallen, je weniger 
die in Betracht kommenden Linien auch in der Breite verschieden sind. Vor 
Allem war es wichtig, bei der Schätzung nur scharfe Linien zu benutzen. 

In ähnlicher Weise wie in der Astronomie ein System von Funda- 
mentalsternen aufgestellt wird, deren Helligkeit: man mit grosser Genauig- 
keit ermittelt, und an welche die Gesammtheit der übrigen Sterne durch 
Differenzmessungen angeschlossen wird, sind hier von einer Reihe unver- 
änderlicher Spektrallinien von verschiedener Stärke die Stufenunterschiede 
genau bestimmt worden. Bei der Auswahl dieser Linien, welche die An- 
haltspunkte für die späteren Messungen boten, ist ausser der Schärfe auch 
die möglichst gleichmässige Vertheilung derselben über das Spektrum be- 
rücksichtigt worden. Den Ausgangpunkt bildeten die schwächsten Linien, 
an welche immer stärkere angeschlossen wurden; doch waren die Fest- 
setzungen nicht immer so zu treffen. dass die auf einander folgenden Linien 
stets nur um eine Stufe differirten; in solchen Fällen wurde der Stufenunter- 
schied durch Vermittelung von Hilfslinien bestimmt. 

So entstand die folgende Skala. Die Vergleichungen wurden seiner 
Zeit sowohl von Herın Müller wie von mir vielfach wiederholt, um die 
denkbar grösste Sicherheit in der Stufenfolge zu erreichen. Die Skala, welche 
jetzt vorliegt, kann als zuverlässige Grundlage der Messungen betrachtet 
werden. In der Uebersicht sind die Vergleichslinien in aufsteigender Stärke 
aufgeführt; zur leichteren Unterscheidung sind dieselben mit römischen Ziffern 
bezeichnet -worden; um ferner die genaue Lage im Spektrum zu kennzeichnen, 
sind die Wellenlängen beigefügt, wie ich dieselben in der Abhandlung 
Müller’s!) vorgefunden habe. Die letzte Columne gestattet einen Einblick in 
die Intensitätsunterschiede der Linien in Bezug auf die schwächste; zahl- 
reiche Vergleichungen liegen diesen Wertlien zu Grunde (Tab. A). 


D-Gruppe (Tab. A). 


Bezeichnung Wellen- Stufenunter- Bezeichnun Wellen- „Stufenunter- 
der Unien länge a Se SE der ren lange a CG = 
I 590.286un 0 VIII 592.812up 19 
II 592.249 8 IX 691.653 21 
III 689.963 6 A 590.598 23 
IV 689.146 7 XI 595.301 26 
Vv 591.087 11 XII 595.703 27 
VI 595.844 14 XIII 593.499 28 

VH 593.001 18 NIV b94.886 29 


cn 


1) G. Müller: Photometrische und spektroskopische Beobachtungen, angestellt 
auf dem Gipfel des Säntis. Publicat. d. astro-physik. Observatoriums zu Potsdam 
Bd. VIII, 1898, 


Arendt: Einige Ergebnisse spektroskopischer Beobachtungen. 817 


Im Zusammenlhange mit dieser Scala sind mehrere Wasserdampflinien 
in kurzen Unterbrechungen beobachtet worden. Bei früher ausgeführten 
Schätzungen waren fortlaufend sechs dieser Linien auf ihre Intensität ge- 
prüft worden; während der kurzen Beobachtungsreihe im Februar wurden 
der Zeitersparniss wegen für die Dauer der einzelnen Messungen nur drei 
Linien, welche von mir kurz mit d, e und f bezeichnet wurden, zur Schätzung 
herangezogen, und zwar verhältnismässig schwache, da sonst bei zuneh- 
mender Zenithdistanz der Sonne die Grenze der Scala bald überschritten 
worden wäre. Auch darf nicht unerwähnt bleiben, dass in einzelnen Fällen, 
in denen d eine zu grosse Intensität besass, nur e und f messend weiter 
verfolgt und der Werth für d durch Interpolation ergänzt wurde, Ich führe 
dennoch hier alle sechs Linien auf, da deren Kenntniss bei derartigen 
Bestimmungen mir besonders bemerkenswertlhi erscheint, Die erste Columne 
gibt die Bezeichnung derselben wieder, wozu die ersten Buchstaben des 
Alphabets in kleinerer Schrift gewählt: wurden; dann folgen die Angaben der 
Wellenlänge und schliesslich wie oben die Intensitätsunterschiede in Bezug 
auf die schwächste der Absorptionslinien; die Anordnung der Tabelle ist 
nach abnehmender mittlerer Stärke derselben ausgeführt worden. 


; S r- e 
Bezeichnung Wellen- E Ta Bezeichnung Wellen- Dee 
der Linien länge zug auf f. der Linien länge zug auf f. 
a Dä). O0äuu 9.6 d 593.240 6.5 
b 591.936 9.1 © 595.820 2.2 
c 590.177 8.1 f 695.890 00 


Diese Linien wurden nun durch Schätzung in die Scala der Ver- 
gleichslinien zu verschiedenen Zeiten des Tages eingefügt, und zwar wurde 
dabei in der Art verfahren, dass sowohl die nächst intensivere, als die nächst 
schwächere Vergleichslinie bei der Beurtheilung berücksichtigt wurde. 

Ueber die Zuverlässigkeit solcher Messungen gewährt &ine genauere, 
von mir durchgeführte Untersuchung, welche man in Wiedemann’s Annalen 
vorfindet, ein sicheres Urtheil; meine Berechnungen, bei denen ich mich 
auf 76 Beobachtungreilen stützen konnte, ergaben als den wahrscheinlichen 
Fehler einer Schätzung 

v = + 0.45 
Stufen. 

Die folgenden Zusammenstellungen enthalten die Beobachtungsergeb- 
nisse innerhalb der Zeit vom 15.—19. Februar cr.; bei der Verwerthung 
der Resultate sind lediglich die Mittelwerthe der Zahlengrössen für d, e 
und f zu Grunde gelegt worden; um die Zahlen nicht zu sehr zu häufen, 
habe ich auch nur diese Werthe, mit Ausnalıme des letzten Tages, mitge- 
theilt; gleichsam als Beispiel enthalten die auf diesen Tag bezüglichen 
Angaben alle Beobaclıtungsdaten. Zunächst findet man die Zeit der Beob- 
achtung — in Ortszeit — eingetragen, dann folgt die derselben ent- 
sprechende scheinbare Zenithdistanz der Sonne; unter Berücksichtigung der 


318 Arendt: Einige Ergebnisse spektroskopischer Beobachtungen, 


letzteren Zahlen gelangt man bei Benutzung einer Tabelle von Laplace, 
von welcher sich ein Abdruck in der Dissertation von Herrn Maurer vor- 
findet, welcher hier verwendet wurde, zu der von dem spektroskopisch 
untersuchten Lichtstrahle zurückgelegten Wegstrecke innerhalb der Atmo- 
sphäre; diese Zahlen füllen die dritte Columne aus. Dabei ist zu bemerken, 
dass diese Angaben sich sämmtlich auf diejenige Atmosphärenschicht als 
Einheit beziehen, welche vom Lichte bei der Zenithdistanz der Sonne gleich 
Die vierte Zeile enthält die Ergebnisse der 
Messungen in der Form !ja (d 4 e+ f); weitere Einzelheiten werden 


0 durcheilt worden wäre. 


später ihre Erklärung finden. 


Mittlere 
Potsdam. 
Zeit, 


Febr. 15. 


h m 
8 50.0 pm 
4 00 
10.0 
20.0 
80.0 
88.5 


Febr. 16. 


h m 
2 51.5 p m. 

8 2.0 
12.5 
21.5 
81.0 
41.0 
50.5 
4 0.0 
10.0 
20.0 

27.0 


Febr. 17. 


h m 
10 10.0 a m. 
141 15.0 
12 0.0 


h m 

2 10.0 p.m. 
25.0 
42.0 
60,0 


Scheinbare 


Zenith- 
distanz 


der Sonne 


0 
79.4 
80.7 
82.0 
83.8 
84.5 
85.8 


0 
12.6 
18.8 
74.9 
15.9 
71.0 
78.1 
19.8 
80.5 
81.8 
88.1 
84.0 


69.6 
65.5 
64.8 


68.8 
20.1 
dÉ 
12.2 


Tabelle B. 
Beobachtete Berechnete 
Weglänge Linien-Intensität 
(e Lë Fett 
0.29 9.8 10.8 
6.96 11.8 11.1 
6.83 12.8 12.2 
8.02 18.8 18.8 
9.52 15.8 15.7 
? 20.8 
8.31 15.0 15.6 
8.54 16.5 16.2 
8.77 16.8 16.7 
4.03 17.5 17.8 
4.86 18.2 18.1 
4.74 19.8 19.1 
6.24 20.8 20.8 
6.85 21.5 21.7 
6.69 28.5 28.7 
7.80 26.5 26.4 
8.80 28.8 28.8 
2.85 24.5 24.5 
2.39 21.8 21.6 
2.29 21.8 21.0 
2.75 21.3 21.2 
2.91 21.8 21.9 
8.17 22.7 28.0 
8.24 28.7 28.4 


Beob.— 
Berech. 


— 1.0 
+ 0.7 
+ 0.6 

0.0 
— 0.4 


— 0.6 
+ 0.8 
+01 
+02 
+01 
+ 0.2 

0.0 
— 0.2 
— 0.2 
+01 

0.0 


0,0 
— 0,3 
+ 0.3 


+01 
— 0.1 
— 0.3 
+ 0.8 


Arendt: Einige Ergebnisse spektroskopischer Beobachtungen. 


Febr. 18. 


h m 
8 35.0 
40.0 
45.0 
50.0 

9 0.0 
8.0 
15.0 
25.0 
86.5 
51.5 
11 2.5 
12 5.0 
h m 
12 50 
2 85.0 
50.0 
8 0.0 
14.0 
25.0 
85.0 
40.0 
45.0 
50.5 
4 0.0 
5.0 


Febr. 


19. 


Mittlere 
Potsdam. 
Zeit. 


h m 
8 81.0 
86.0 
41.0 
46.0 
51.0 
9 0.0 
10.0 
20.0 
85.0 
45.0 
50.0 
h m 
2 510 
8 0.0 
10.0 
20.0 
80.0 
60.0 
4 0.0 
10.0 


19.2 
18.5 
11.9 
11.3 
76.2 
16.2 
74.5 
18.4 
12.8 
10.8 
69.8 
68.8 


68.8 
10.6 
12.0 
18.0 
74.5 
75.7 
76.9 
17.5 
78.1 
78.6 
79.8 
80.4 


Schein- 
bare 
Zenith- 
distanz 
derSonne 


WW 
19.8 
78.6 
78.0 
17.4 
16.8 
15.8 
14.6 
18.5 
12.0 
111 
63.7 


0 
71.9 
72.8 
18.8 
14.9 
76.1 
18.4 
19,7 
81,0 


Tabelle B. 

6.19 

4.96 

4.66 

4.46 

4.12 

8.85 

3.69 

8.46 

3.25 

2.97 

2.87 

2.25 

2.25 

2.98 

8.20 

. 8.88 

8.69 

8 94 

4,88 

4.68 

4.74 

4.94 

6.48 

5.79 

Weg- 
länge 

d 
6.24 28 

4.94 27.5 

4.70 26.5 

4.49 25.5 
4.80 26 

4.01 24.5 

8.71 24.5 
3.48 24 

8.20 23.5 

3.06 235 
2.25 20 
818 21 

8.84 21.5 
3.54 22 

8.77 23.5 
4.09 25 
4.86 27 

6.48 27.5 
6.13 28 


819 
(Fortsetzung.) 
28.8 28.9 — 01 
28.2 28.0 + 0.2 
27.7 . 27.1 + 0.6 
27.5 26.5 + 1.0 
25.2 25.8 — 0.1 
28.2 24.4 — 1.2 
28.0 28.9 — 0.9 
22.5 28.1 — 0.6 
22.5 22.4 LO. 
22.0 21.5 + 0.5 
20.8 21.2 —04 
20.0 19.1 + 0.9 
20.0 18.9 +11 
21.2 21.2 0.0 
21.2 21.9 — 0.7 
21.8 22.6 — 0.7 
28.2 28.5 — 0.8 
24.0 ` 24.2 —0.2: 
25.0 25.5 — 0.5 
26.8 26.1 +07 
27.2 26.8 +04 
27.8 27.4 +04 
29.0 29.1 — 0.1 
80.0 80.1 — 0.1 
Beobachtete Berechnete Beob.— 
Linien-Intensität Berechn. 
e f ld Lett 
25 21.5 24.8 24.1 + 0.7 
22.5 20 28.8 23.3 0.0 
21.5 19.5 22.5 22.7 — 0.2 
21 19 21.8 22.2 — 0.4 
20.5 18 21.2 21.8 — 0.6 
19.5 17.5 20.5 21.0 — 0.5 
19.5 17.6 20.5 20.8 + 0.2 
19 17 20.0 19.7 + 0.8 
18.5 16.5 19.5 19.1 + 0.4 
18.5 16 19.3 18.7 + 0.6 
15.5 18.5 16.8 16.7 — 0.4 
16 14 17.0 17.6 — 0.6 
16.5 14.5 17.5 18.0 — ().5 
17.5 15.5 18.3 18.5 — 0.2 
18.5 16.5 19.5 191 +04 
20 17 20.7 20.0 + 0.7 
22 20 28.0 22.0 +10 
22.56 20,5 28.4 28.5 — 0.1 
24 22 247 254 — DI 


320 Arendt: Einige Ergebnisse spektroskopischer Beobachtungen. 


Die Beobachtungsreihe wurde abgebrochen, sobald der Grenzwertli der 
Scala von der schwächsten Wasserdampflinie erreicht war, oder Wolken und 
Nebelschichten das Licht der Sonne derart schwächten, dass kein scharfes 
Spektrum mehr zu erreichen war; so erklärt sich die Ungleichheit in der 
Anzahl der Beobachtungen an den verschiedenen Tagen. Schon ein flüchti- 
ger Blick auf die Tabelle zeigt die grosse Verschiedenheit des Wasser- 
dampfgehaltes der Atmosphäre an den einzelnen Tagen ` ich verweise zu der 
Erkenntniss nur auf die bei fast gleicher Weglänge des untersuchten Licht- 
strahles innerhalb der Atmosphäre gewonnenen Werthe vom 15. Februar 
4b 20m und 16. Februar AN 20”; hier betrug die mittlere Intensität 26.5, 
dort 13.8; oder man vergleiche die Resultate bei gleicher Zenithdistanz der 
Sonne von 80°.4 vom 16. und 18. Februar, welche die Intensitäten 21.5 
und 30.0 ergaben. 

Um indessen alle bei verschiedenem Sonnenstande, also bei ungleicher 
Weglänge, ausgeführten Messungen unter einander vergleichbar zu machen, 
ist die Kenntnis des Zusammenhanges zwischen den verschiedenen Weg- 
Jlängen in der Atmosphäre und den dadurch bedingten Stufenwerthen not- 
wendig. Nach Cornu und Müller ist die Zunahme der Linienintensität der 
Vergrösserung des Luftweges direct proportional. Unabhängig von den Be- 
trachtungen der Genannten habe ich mehrfach im Jahre 1895 gegen Ende 
der warmen Jahreszeit eine genauere Prüfung über die Zulässigkeit solcher 
Annahmen ausgeführt. Es wurden an heiteren, fast wolkenlosen Tagen, an 
denen möglichst gleichmässige meteorologische Verhältnisse vorausgesetzt 
werden konnten, fortlaufend spektroskopische Beobachtungen angestellt. Um 
dann einen Einblick in die bestehenden Gesetzmässigkeiten zu gewinnen, 
wurde zunächst das graphische Verfahren zur Anwendung gebracht, indem 
man in ein rechtwinkliges Liniensystem die vom Lichtstrahlle in der Lutt 
durchlaufenen Wegstrecken als Albscissen und die entsprechenden Stufen- 
werthe der Linien als Ordinaten eintrug; die Verbindungslinie der End- 
punkte der letzteren näherte sich einer Geraden. Man ist somit be- 
rechtigt, den Verlauf nach der Methode der kleinsten Quadrate durch eine 
Gleichung von der Form: 

J = ax +b 
darzustellen, wo y die beobachtete Linienintensität, æ die Weglänge, in der 
bisher benutzen Einheit ausgedrückt, a die Stufenveränderung bei der Ver- 
grösserung des Weges um die Einheitsschicht und d eine Constante bezeichnet, 
deren Grösse wesentlich durch den Anfangswerth der Scala bedingt ist. 
Meine Untersuchungen über die Gültigkeit des Reductiunsgesetztes stützen 
sich auf Messungen, bei denen die Aenderungen im Sonnenstande an dem- 
selben Tage nahe 25°, von 53° bis an 82°, betrugen; dennoch erschien 
es mir wünschenwerth, das Studium über noch grössere Standunterschiede 
des Tagesgestirns auszudelinen. Da nalıte indessen der Winter, wodurch ich 
gezwungen wurde, die weitere Untersuchung auf den nächsten Sommer zu 


Arendt: Einige Ergebnisse epektroskopischer Beobachtungen. 821 


verschieben; dann machte meine im April erfolgte Versetzung nach Berlin 
die Ausführung des gefassten Planes zur Unmöglichkeit. 

Um nun die zu verschiedenen Tageszeiten angestellten spektroskopischen 
Bestimmungen direkt untereinander vergleichbar zu machen, dürfte sich dar- 
nach das Vorhandensein zweier Beobachtungen bei möglichst abweichendem 
Sonnenstande schon als ausreichend erweisen. Bei Berücksichtigung mehrerer 
Messungen werden jedoch nicht allein die Einflüsse der Unsicherheiten der 
einzelnen Schätzungen auf das Gesanmtresultat erheblich verringert, sondern 
man wird dann auch einen Einblick in die mehr oder weniger ungleich- 
mässige Vertheilung des Wasserdampfes in der Atmosphäre erlangen können. 

Das zuletzt angedeutete Verfahren habe ich in dem vorliegenden 
Falle zur Anwendung gebracht; aus dieser Berechnung gingen in Tabelle B 
die Columnen 5 und 6 hervor; die erstere enthält die nach der Formel be- 
rechneten Intensitäten, während die letztere die Unterschiede zwischen beob- 
achteter und berechneter Intensität angiebt; wie man sieht, sind die Ab- 
weichungen meist nur geringe. Bemerkenswerthe Unregelmässigkeiten zeigt 
ledirlich die letzte Zahlenreihe vom 18. Februar. Wirft man aber einen 
Blick auf das Beobachtungsmaterial, welches während der Ballonfahrt von 
Herrn Berson an jenem Tage gesammelt wurde, so erkennt man, dass der 
Wasserdampfeehalt der Atmosphäre eine äusserst ungleichmässige Verthei- 
lung aufwies; der Liebenswürdiekeit des Herrn Professor Assmann verdanke 
ich die folgenden Angaben hierüber. 


Tabelle C. 


Febr. 18. 
Höhe über a über 
N y m Meere: Junsidruck FRE n Meeres- 
Beob.-Zeit de Al a Dunstdruel Beob -Zeit Ge Dunstdruck 
m mm m mm 
h m h m 
10 9,5 a.m. 45 42 1 80 p.m. 2322 3.0 
17.0 406 4.6 31.0 _ 2610 2.5 
44.0 770 2.6 1 53.0 2725 2.8 
il 6.0 962 1.7 2 3.0 2878 2.5 
28.0 1081 1.9 25.0 8131 8.0 
37.0 1180 2.9 48.0 8400 2.4 
43.5 1273 3.2 8120 83700 2.0 
58.0 1520 8.6 31.5 8878 1.8 
12 0.0 1590 8.2 4 80 4306 1.8 
18.5 p. m. 1764 3.4 14.0 4527 1.6 
46.0 2050 2.6 | 


Es dürfte verfrüht erscheinen, vor dem Bekanntwerden des übrigen, 
von anderen Gegenden im Ballon gesammelten Materials über Temperatur 
und Feuclitigkeit der Luft jetzt schon auf den Ursprung dieser Erscheinung 
genau einzugehen. Indessen, fasst man die Ergebnisse meiner Untersuchung 
an den namhaft gemachten Tagen in das Auge, welche für die Schicht- 
einheit die folgenden Stufenwerthe ergab: 


822 Arendt: Einige Ergebnisse spektroskopischer Beobachtungen. 


1897 Februar 15 a = 1.29 1897 Februar 18 à w. 8.54 
s 16 2.40 a 18 p.m. 3.14 

F 17 a m. 6.10 . 19 a m, 2.45 

17 pem. 4.45 „. 19pm 2.66 


so lässt sich nicht leugnen, dass. Luftströmungen von stark abweichendem 
Charakter geherrscht haben. Doch kann ich die Bemerkung nicht unter- 
drücken, dass bei tiefem Sonnenstande, wie hier, der Einfluss der unteren 
Luftschichten, welche grössere Unterschiede sowohl in der Temperatur wie 
im Feuchtigkeitsgehalte innerhalb kleinerer, benachbarter Gebiete — im 
Sommer mehr, als im Winter — aufzuweisen pflegen, diese Zahlenwerthe 
nothwendigerweise auch etwas unrichtig gestalten musste. 

Beabsichtigt man auf Grund spektroskopischer Schätzungen zahlenmäs- 
sige Angaben über die in einzelnen Luftschichten in grösserer Entfernung 
von der Erdoberfläche auftretenden Wasserdampfmengen wie gewisse 
Aufschlüsse über dortige Temperaturverhältnisse zu erhalten, so würde 
man auf folgendem Wege wohl Resultate erzielen können. In ähnlicher 
Weise wie bisher der veränderliche Charakter der Absorptionslinien 
des Wasserdampfes ermittelt wurde, kann man auch die Intensitäts- 
schwankungen der Sauerstofflinien, die ja bekanntlich in eigenthümlichen 
Gruppen auftreten, nach demselben Verfahren studiren, nur mit dem 
Vortheile, dass die Gesammtmenge jenes Gases für die Schichteinheit 
als constante Grösse betrachtet werden kann. Bei immer gleichen meteo- 
rologischen Zuständen würde man bei mehrfacher Wiederholung der Mes- 
sungen an den einzelnen Tagen bei denselben Sonnenständen auch zu 
übereinstimmenden Resultaten gelangen. Indessen infolge der Temperatur- 
ungleichheiten innerhalb einer bestimmten Luftsäule, welche in verticaler 
Richtung beträchtliche Schwankungen zeigen kann, werden erhebliche Massen- 
verlagerungen der Luft, also auch der Mengen des Sauerstoffes, eintreten, 
über welche uns umfassendere spektroskopische Beobachtungsreihen an den 
betreffenden Tagen in geeigneter Bearbeitung Auskunft geben werden. Be- 
trachtet man aber solche Messungen der Wasserdampf- wie Sauerstofflinien, 
die zeitlich nahe liegen, im Zusammenhange, so wird man Schlüsse in dem 
oben angedeuteten Sinne ziehen können. 





Die Führung des Freiballons, 
Von Gross, Hauptmann der Luftschiffer-Abtheilung. 
(Schluss.) 


Einfluss der Jahreszeiten. 

Sommer und Winter sind für das Ballonfahren die geeignetste Zeit, letzterer 
noch mehr, da die Wetterlage in dieser Jahreszeit eine constantere ist, als in 
den Uebergangs-Jahreszeiten Frühling und Herbst, wo innerhalb weniger Stunden 
das Wetter sich leicht ändert. Der Herbst und der Frühling hat den Vorzug meist 
stärkere Luftströmungen zu besitzen, der Sommer die Gefahren der Gewitter und 
rapiden Wolkenbildung, der Winter nur den Nachtheil des kurzen Tages. 


Gross; Die Führung des Freiballons. 823 


Tag und Nacht. 


Wahrend der Ballon bei Tage dauernd dem Wechsel von Temperatur und 
Feuchtigkeit ausgesetzt ist, fährt er bei Nacht viel ruhiger und gleichmässiger. 
Er fällt bei Nacht sehr langsam und steigt rapide, während er umgekehrt bei Tage 
rapide füllt und langsamer steigt. Nur die Uebergänge von Tag zu Nacht und um- 
gekehrt, wo der Wechsel der Temperatur und namentlich auch der Feuchtigkeit 
ein sehr bedeutender sein kann, sind für den Ballon schwierig zu überstehen und 
erfordert sehr viel Geschicklichkeit des Führers. Nach Sonnen-Untergang will ein 
Ballon sehr ungern zur Erde herabsinken, und schwimmt lange Zeit in geringer 
Höhe über der Erde. Es erklärt sich diese Erscheinung daraus, dass über der Erde die 
Abkühlung der Luftmassen schnell vor sich geht, also eine relativ kalte und daher 
schwere Luftschicht lagert, in die der noch warme Ballon nicht einzutauchen ver- 
mag. Bei Sonnen Aufgang gewinnt der Ballon sehr bald an der Erwärmung der 
Sonne neue; Kraft, er hält sich viele Stunden in ruhigem sanften Steigen, bis sein 
Gas sich nicht weiter mehr erwärmen kann, und die während der Nacht angesammelte 
Feuchtigkeit verdampft ist. 


Die Führung des Ballons während der Fahrt. 


Der Aufstieg muss mit dem so abgewogenen Ballon erfolgen, dass der- 
kelbe baldmöglichst, also in geringer Höhe (etwa 2—3C0 m) seine Gleichgewichts- 
Zone erreicht. Hier muss der Ballon baldmöglichst vertical zur Ruhe gebracht 
werden, also durch ganz geringe Mengen von Ballast ein meist sofort eintretender 
Fall parirt werden. 

Bei der jetzt erst in Kraft tretenden Führung sind es nun zwei Hauptgesetze 
und Forderungen, welche für den Führer die Richtschnur seines Handelns bilden 
müssen: 

1. Die „Erhaltung der Kraft“ also des Traggases und des Ballastes und ferner 

2. Der Ballon muss stets voll gefüllt erhalten bleiben, da er sonst nicht auf 

die Führung reagirt. 

Beide Forderungen stehen zumeist im Gegensatz, es muss also zwischen bei- 
den das günstigste Compromiss abgeschlossen werden. 

Die erste Forderung bedingt möglichst tief liegende und horizontale Flug- 
bahn des Ballons, da mit jeder Erhebung ein Gasverlust bedingt ist und grössere 
Mengen Ballast erfordert werden, anderseits fordert die zweite Bedingung einen 
dauernden Anstieg des Ballons, da nur hierdurch Gasverluste wieder ausgeglichen 
werden können. Es ergiebt sich hieraus, dass die Flugbahn eines vorzüglich ge- 
führten Ballons eine ganz allmählich ansteigende Curve ohne tiefe Wellen bilden 
muss, deren Culmination unmittelbar vor dem Abstieg zur Landung liegt. 

Die Führung des Ballons erfordert eine dauernde Aufmerksamkeit des Führers 
auf die verticalen Bewegungen des Ballons sowie auf die Witterungserscheinungen, 
deren Wirkungen auf den Ballon womöglich schon vor ihrem Eintreten parirt bezw. 
ausgenutzt werden müssen. Jeder Fall des Ballons ist sofort durch Auswerfen 
möglichst geringer Ballastmengen aufzuheben. Je später dieser Ballastauswurf er- 
folgt, um so grösser wird er sein müssen, da die lebendige Kraft des Falles, welche 
parirt werden muss, dauernd wächst. Man lasse den Ballon im Allgemeinen 
nicht schneller fallen als kleine Schnitzel leichten Papieres fallen (ca. 1—3 m pra 
Secunde). Sobald also solche ausgeworfenen Papierschnitzel zu steigen scheinen, 
werfe man Ballast, bis dieselben wieder fallen. Durch zu starken Ballastauswurf 
wird der Ballon unnöthig hoch getrieben und kostet dann von Neuem Ballastopfer, 
um ihn in dieser Zone zu halten. Das ganze Kunststück der Führung unter nor- 
malen Verhältnissen beruht in der richtigen Remessung des Ballastwerfens. Im 


924 Gross: Die Führung des Freiballons. 


Allgemeinen wird man das Ventil nicht ziehen, um den Ballon in eine tiefere Zone 
zu bringen, man wird vielmehr, wenn man dieses beabsichtigt, den von selbst be- 
ginnenden Fall nicht sofort aufheben. Hat man aber das Ventil einmal gezogen, 
um tiefer zu fahren, so wird man dauernd von ihm Gebrauch machen müssen, um 
den Ballon in dieser tieferen Zone zu halten; denn der durch Ballast schliesslich 
wieder ins Gleichgewicht gebrachte Ballon, der nun nicht mehr voll ist, strebt 
unweigerlich wieder empor und zwar über seine frühere Gleichgewichtslage, wenn 
man nicht sofort wieder das Ventil zieht. Ein solches Fahren (negatives genannt) 
besteht hiemit in einem dauernden Wechsel von Ballast und Ventil-Gebrauch, wird 
also sehr lange nicht ausführbar sein, da die Tragkraft bald verbraucht sein wird. 


Der Kampf mit den Wolken. 


Bei Wolkenbildung wird die Führung des Ballons ganz wesentlich compli- 
eirter als bei reinem Himmel. Ist die Wolkenschicht vollständig geschlossen, san 
wird es, wenn die Wolkenschicht nicht zu tief über der Erde liegt (über 1000 m), 
gelingen den Ballon lange Zeit, vielleicht dauernd, unter den Wolken zu halten. 
Allmählig wird er sich den Wolken nähern und es ist nun schr genau zu überlegen, 
ob man versuchen soll oder kann durch die Wolken hindurchzustossen, da ein 
längerer Aufenthalt in der Wolke nicht möglich, cin weiteres Fahren unter der- 
selben nur mit häufigem Gebrauch dea Ventils möglich sein wird. 

Will man den Versuch machen, durch die Wolke zu dringen, so muss man 
zunächst überlegen, wie hoch man den Ballon noch treiben darf, um die zum 
Abstieg erforderliche Ballastmenge zu behalten. Diese muss man nun zunächst 
einmal aus dem noch vorhandenen Ballast-Vorrath ausscheiden, der Rest bleibt für 
den Kampf mit der Wolke disponibel. Genügt dieser, um durch die Wolke zu 
kommen, so wird der Ballon über dem Wolkenmeer längere Zeit ohne Ballastopfer 
in Folge der Erwärmung des Gases sich halten lassen, reicht er dagegen nicht 
aus, bleibt also der Ballon in der Wolke stecken, so ist die Fahrt zu Ende, der 
Ballon muss landen, während er sonst noch längere Zeit unter der Wolke hätte 
gehalten werden können. , 

Bei dem Durchdringen der Wolke muss der Ballon durch energisches Ballast- 
werfen in rapidem Anstieg erhalten werden, damit das Ballongas nicht Zeit findet, 
sich zu stark abzukühlen und feucht zu werden. Ist der Ballon durch die Wolken 
gedrungen und hat sich nach dem Schwimmen auf denselben erwärmt, so muss 
man darauf rechnen, dass er nun ohne Ballastopfer noch bedeutend steigen wird. 
Dies kann leicht 1000 m betragen. Der einmal mit den Wolken aufgenommene 
Kampf muss consequent und energisch durchgeführt werden, jede halbe und matte 
Massregel ist bier falsch. 

Sind die Wolken nicht geschlossen, sondern verdecken nur zeitweise die 
Sonne, so soll man möglichst bald versuchen, dieselben zu überspringen, wenn 
dieses überhaupt möglich ist, da das dauernde Ballastwerfen bei wechselnder 
Besonnung mehr erfordert als ein einmaliges energisches Ballastopfer. 


Regen, Schnee cte. 


Erhält der Ballon während der Fahrt Regen oder Schnee, so muss die zu- 
nehmende Belastung des Ballons durch Ballast ausgeglichen werden. Ist dieser 
nicht ausreichend hierzu, so muss gelandet werden. 


Unwetter. 
Vor einem aufziehenden Gewitter und Unwetter ist es das beste, rechtzeitig 
zu landen, wenn man sieht, dass dasselbe den Ballon einholt; oder man muss über 
dasselbe steigen, was indessen nur bei sehr grossem Ballastvorrath gelingen dürfte. 


os 
td 
or 


Gross: Die Führung des Freiballons. 


Die Orientirung während der Fahrt. 


Dieselbe macht gar keine Mühe solange man die Erde sieht, vorausgesetzt, dass 
man gute Karten (Generalstabskarte 1:100000) und Compass besitzt. Sobald man aber 
einmal durch Wolken unter dem Ballon die Orientirung auf längere Zeit verloren hat, 
ist e9 oft sehr schwierig, dieselbe wieder autzufinden. Um dieses zu erleichtern, 
muss man dauernd orientirt sein, so lange man die Erde noch sieht, über klug- 
richtung, Geschwindigkeit des Windes oder was dasselbe ist, der Fahrt, Tendenz 
der Winddrehung und Geschwindigkeits-Aenderung in verschiedener Höhe. Hierzu 
ist der Weg des Ballons über der Erde auf der Karte durch Bestimmung absolut 
sicherer Punkte, welche senkrecht unter dem Ballon liegen, festzulegen und die 
Zeit ihres Passirens auf die Minute genau zu verzeichnen. Hiernach ist aus Zeit und 
Weg die Fahrgeschwindigkeit pro Minute zu errechnen und von vornherein zu be- 
stimmen, wo voraussichtlich der Ballon zu bestimmten Stunden sein wird, wann er 
grössere Flüsse, Eisenbahnen, Städte, Seen etc. passiren wird, wann event. die 
Grenze oder die See erreicht werden wird u. s. w. Hierüber sind genaue Notizen 
von vornherein zu machen, um die Auftiudung der Orientirung später zu erleichtern. 
Jede Lücke in den Wolken, wobei die Erde stückweise zu sehen ist, muss benutzt 
werden, um mit Hülfe des Compasses die Flugrichtung festzustellen und zu con- 
trollien. Nach der scheinbaren Bewegung der Wolken im Vergleich zum Ballon- 
schatten oder zur Sonne zu urtheilen hüte man sich wohl, sie ist eben nur scheinbar. 
Fährt z. B. der Ballon schneller, als die in gleicher Richtung unter ihm ziehenden 
Wolken, so scheinen diese entgegengesetzt zu ziehen. Gelingt es nicht die Orien- 
tirung wieder zu finden, so muss eine Recognosceirung der Erde vorgenommen 
werden, noch ehe die Wefahr vorliegen kann, dass man z. B. die See erreicht 
hat. Hierzu lässt man den Ballon durch die Wolken fallen, bringt ihn dicht über 
derselben ins Gleichgewicht, event. am Schlepptau fahrend, und ruft nun Leute unten 
an, die man nach der nächsten grösseren Stadt oder Bahnstation befragt. Hierauf 
Kann man dann event. die Fahrt fortsetzen, oder es kann 1 Mann ausgesetzt und sein 
Gewicht durch Aufnahme von Ballast ersetzt werden. Dies ist indessen nur bei 
ruhigem Wetter und unter Hülfeleistung von Menschen möglich, Man muss sich 
hierbei aber bewusst, sein, dass, der Ballon seire frühere Culminationshöhe über- 
schreiten wird, 


Der Abstieg. 


Wenn der Ballast bis auf das zur Landung ertorderliche Quantum verbraucht 
ist, oo beginnt der Abstieg, sobalü jetzt der Ballon zu fallen beginnt; event. wird 
das Ventil gelüftet, wenn der Abstieg aus irgend einem Grunde Eile gebietet. 
Wieviel Ballast für den Abstieg reservirt werden muss, ist sehr verschieden, je nach 
der Temperatur und Bewölkung. Unter normalen Verhältnissen wird für einen 
mittelgrossen Ballon (LVU cbm) pro LUUU m Höhe 1 Sack à 16 kg genügen, wobei es 
gelingen wird, den Ballon am Schlepptau über der Erde ins Gleichgewicht zu bringen. 
Muss jedoch der Ballon eine schwere, womöglich nasse Wolkenschicht noch durch- 
tallen, so werden 2 X. pro Ju m nicht zu viel gerechnet seiu. Bei schwierigem 
Landungsterrain ist nun noch 1—2 S. zur Fortsetzung der Fahrt am Schlepptau 
zu rechnen, um bis zu einem geeigneten Lanudungsterrain zu gelangen. Es wer- 
den also 3—4 3. Ballast zu reserviren sein, um aus 2000—2500 m Höhe eine gute 
Laudung bewerkstelligen zu können. 

Ehe der Abstieg beziunt, muss das Schlepptau herabgelassen sein und Ordnung 
im Korbe geschaffen werden. Ventil und Reissleine sind klar zu machen, Ballastsäcke 
herein zu nehmen und handgerecht aufzuhängen. Der Landungsort muss jetzt schon 
generell ausgesucht werden, z. B. ob hinter oder vor einem Fluss, Wald, Stadt 
Dorf etc. Hieraui lässt man den Ballon fallen, bis die Fallgeschwindigkeit mehr als etwa 


326 Gross: Die Führung des Freiballons. 


2 m pro Sec. beträgt, bis Sand nach oben wirbelt; dann erst mildere man den Fall durch 
Ballast. Der Ballon aber darf jetzt unter keinen Umständen mehr steigen ; sollte dieses 
der Fall sein, so ist sofort das Ventil energisch zu ziehen. So versuche man stufen- 
weise herabzugehen, bis auf etwa 560 m. Nun ist die Landungsstelle genauer aus- 
zuwählen. Alsdann wird der Ballon bis auf das Schlepptau fallen gelassen. Die 
Reissleine wird ausgeklinkt. Dicht vor der Landungsstelle angelangt, wird das 
Ventil voll aufgezogen und der Anker gleiten gelassen. Sobald der Korb die Erde 
berührt, wird die Reissleine gezogen. 


Benehmen bei der Landung. 


Ruhe, kaltes Blut, ein offnes Auge und blitzartig schneller Entschluss und 
dessen Ausführung sind Grundbedingung. Nur der Führer hat Anordnungen zu 
treffen, nur auf dessen Commando dürfen Massnahmen getroffen und darf gehandelt 
werden. Vor allen Dingen keine Unentschlossenheit, lieber eine falsche Maassregel 
consequent durchgeführt als hin und herschwanken. Der Führer verteilt die Rollen, 
ein Herr bedient das Ventil und den Ballast, ein anderer die Reissleine und den 
Anker. Der Führer commandirt nur. Ist der Korb dicht über der Erde, so erfolgt 
das Commando Achtung! Klimnzug! worauf alle einen kurzen energischen Klimm- 
zug an den Korbleinen ausführen. Es ist Ehrensache, was auch passiren möge, 
im Korbe zu verbleiben, bis der Führer das Aussteigen anordnet. Bei einer Schleif- 
fahrt soll Jeder auf den Andern achten, da die Verletzungen hierbei fast stets 
durch Uebereinanderfallen der Personen erfolgen. Man gruppirt sich neben ein- 
ander, Kopf nach vorn, auf dem Leibe liegend und reisst die Reissleine möglichst 
schnell herunter. Kommen Hindernisse in den Weg (Bäume, Mauern, Häuser etc.) 
so duckt man sich tief in den Korb hinein. Functionirt die Reissleine nicht, eo 
muss das Ventil klaftend geöffnet erhalteır werden. Hierbei lösen sich die Per- 
sonen ab, da diese Arbeit sehr anstrengend ist. 


Das Landungsterrain. 


Das beste Landungsterrain ist ein freies unbebautes Feld oder Wiese, kleine 
Gräben sind hierbei gut, da in ihnen der Anker hält, Bäume sind störend, wenn 
sie dichter stehen (z.B. Obstanpflanzungen). 

Wald ist schlechtes Landungsterrain, da für den Ballon selbst sehr gefähr- 
lich, er wird bei einer Landung auf den Baumkronen und namentlich bei dem Bergen 
meist sehr schwer beschädigt; für Personen liegt keine Gefahr vor, da der Ballon 
meist sofort festeitzt. 

Wasser ist im Sommer nicht gefährlich, im Winter oder Herbst und Früh- 
jahr der Kälte wegen unangenehm. Der Ballou schwimmt ausgezeichnet auf dem 
Wasser, der Korb wird hierbei etwa bis zur Hälfte eingetaucht. 

Gebirge ist schwieriges Landungsterrain, da es hier sehr genau auf das 
Treffen der Landungsstelle in einem Thale oder einer Schlucht ankommt. 

Moor und nasse Wiesen sind für die Landung sehr ungeeignet, da oft 
Menschen nicht an den Ballon herankommen können, man überfliege daher diese 
Terrainstrecken am Schlepptau. 

Dörferund Städte sind unter allen Umständen zu vermeiden, da eine 
Landung hier bei Wind direct gefährlich ist, es ist also stets hinter dem Dorf 
etc. zu landen, nie dicht davor. 

Sehr erechwert wird die Landung bei tief liegenden Wolken oder gar bei bis 
zur Erde reichendem Nebel; hier muss das Gehör ersetzen, was das Auge nicht sieht. 


Sohluss. 


Sie werden aus dem, was ich Ihnen heute nur In grossen Zügen über die 
Theorie der Führung des Ballons vortrug, ersehen haben, dass oa wohl eine Füh- 


Gross: Die Führung des Freiballons. 327 


rung des Ballons heut zu Tage giebt, dass man von einem geschickten Ballon- 
führer verlangen kann und muss, dass er seinen Ballon in der Windrichtung dahin 
führt, wo er es will und ihn dort auch vor Anker bringt, so dass weder das 
Alaterial noch das Personal beschädigt werden. 

Wir haben jetzt mit den beiden Vereins - Ballons 20 Fahrten bereits vorge- 
nommen, das Material ist wie neu, die Mitreisenden alle heil und ohne die geringste 
Beschädigung gelandet. Ich weiss, meine Herren, dass ich in Ihrer Aller Namen 
spreche, wenn ich hierfür den Herren Führern unseren wärmsten Dank und unsere 
Anerkennung ausspreche. 

Denjenigen aber, welche sich befähigt fühlen. ein so verantwortliches Amt 
auf sich zu nehmen, rufe ich den Luftschiffer Gruss „Glück ab“ zu und werde 
mich freuen in ihnen wissbegierige und schneidige Schüler kennen zu lernen. 


Kleinere Mittheilungen. 


Ein Schiesspulver-Motor. Mit dem folgenden stellt Unterzeichneter der allge- 
meinen Ausnutzung eine Idee zur Verfügung, die sich bei seiner eignen flugtech- _ 
nischen Arbeit „neben am Weg“ fand und deren Verfolgung ihn zu weit von diesem 
ableiten würde, — 

Gegenüber den thermodynamischen wohnt den Motoren, die auf chemischer 
Action beruhen, die Möglichkeit weit grösserer Kraftäusserung im Verhältniss zum 
Gewicht bei. Während aber einerseits die Chemiker ungeachtet ihrer sonstigen 
erstaunlichen Erfolge noch nicht zwei Flüssigkeiten entdeckt haben, deren Zu- 
sammenkommen sofort eine immense Gasmenge erzeugt, führten andrerseits Ex- 
perimente mit fertigen festen Explosivstoflen noch nicht zu praktischen Resultaten. 
Zum Zerstören hatte man die Kraft zur Verfügung, aber nicht zum Schaffen. Trotz- 
dem existirt der Schiesspulvermotor eigentlich schon seit langen Jahren. Die Er- 
findung der Maxim’schen Schnellfeuerwaffe kann man als Datum seiner Geburt an- 
setzen. Nur wenige Zuthaten zu solch einem (in den kleineren Kalibern ausser- 
ordentlich) leichten Apparat!) sind erforderlich um einen Motorvonfastun- 
srenzten Möglichkeiten fürdie Flugtechnik zu liefern, obschon 
die geräuschvolle Action dabei in Kauf genommen werden muss. Die Patronen- 
hAnder müssen keine Geschosse enthalten und möglichst wenig ohne den Explo- 
sivstoff wiegen. Sodann muss eine Einrichtung erfunden werden, die ebenso schnell 
wie die Patrone ein kleines Quantum Wasser auseinem Reservoirin den 
Lauf als Ladung einführt. Ebenso ist eine Vorrichtung, um die Feuergeschwindig- 
keit zu erhöhen oder zu erniedrigen, erforderlich. Der Strom dieser Wasserschüsse 
trifft in geeigneter ziemlich tangentialer Richtung gekrümmte stählerne kleine 
Schaufeln, mit denen der Reifen eines grossen aber leichten Rades besetzt ist. 

Das wichtigste und vielleicht schwierigste Problem bei diesem neuen Motor 
dürfte sein: das abgeschossene Wasser ohne Verdunstung oder Verdampfung wieder 
aufzufsangen und durch leichte Kühlröhren dem Reservoir wieder zuzuführen. 

Dieses letztere könnte auch zum Niederschlagen der Pulverrückstände dienen, 
während die Wasserladung eine starke Erhitzung des Laufs hindert. Ueber solche 
Punkte' kann natürlich nur das Experiment entscheiden. Die Möglichkeiten der 
Kraftentwicklung im Verhältniss zum Gewicht von Motor und Material sind aber so 
riesenhaft, dass sich Experimentiren hier wohl lohnen dürfte?). Dies wäre 
ein Motor für eine Flugmaschine mit kleinen schnell kaufenden Hubschrauben oder 
einen Ballon. Bei diesen beiden Systemen fällt das schwierige Gleichgewichts- 
problem weg, wie überhaupt das Flugproblem sich enorm vereinfacht, sobald man 
sich dabei Kraftverschwendung erlauben darf. Vorschlagen möchte Verfasser: Eine 


1) Hier sah ich einen auf einem Fahrrad montirt, der nicht viel über halb 
so schwer erschien wie ein deutsches Infanteriegewehr. 
2) Die Sache ist so einfach, dass die Kosten wohl nicht sehr hoch sein würden. 


328 Kleinere Mittheilungen. — Vereinsnachrichten. 


Flugmaschine, bestehend aus nur dem obigen Motor und zwei kleinen in entgegen- 
gesetzter Richtung laufenden Hubschrauben. 

Der Führer muss sich ziemlich unterhalb der Schrauben, die bei ihrer 
schnellen Drehung vom Wind wenig beeinflusst werden, befinden.' 

Durch die leichteste Verschiebung seines Körpers lenkt er die Maschine nach 
beliebiger Richtung, ohne dass sonstige Steuereinrichtungen nötig wären! Zu be- 
denken bitte ich nun folgenden Punkt: Wer von den Lesern hat wohl noch nicht 
eine dicke Hummel mit grossem Gebrumm (und entsprechender Kraftvergeudung. 
die sich die Insecten allerdings leisten können) an einem Fleck schweben, im 
nächsten Moment aber ohne jede Vermittelung wie eine Kugel horizontal fort- 
schiessen sehen?. So verhält sich die soeben vorgeschlagene Flugmaschine. 

Wenn sie im Stand ist, sich mit ihren kleinen heulenden Schrauben nur 
15 Secunden über einem Fleck schwebend zu erhalten, so vermag sie aber bei 
einer kleinen Schwerpunktsverschiebung von seiten des Führers auch wie ein 
Geschoss seitwärts wegzusausen und eine unglaubliche Strecke in kürzester Zeit 
zurückzulegen. Im Fall mein obiger Motor also nur für kürzere Arbeitszeiten prak- 
ticabel sein sollte, ist er desshalb noch lange nicht nutzlos. 

In einer Hinsicht wird die beschriebene Fiugmaschine ihren Ursprung vom 
„Schiessgewehr“* nicht verleugnen: dass es nicht räthlich ist damit zu „spielen“, 
denn eine vorsichtig zu erwerbende grosse Geschicklichkeit wird dazu gehören, 
den Operator davor zu bewahren, wie eine Kanonenkugel an seiner Bestimmung 
oder auch wo anders anzukommen. 

Am besten wird er den Flug in der Nähe des Ziels nach aufwärts richten?) und 
durch Mässigen der Motorkraft (Verringerung der Feuerzeschwindigkeit) langsam nie- 





dersinken. Das wird allerdings in der ersten Zeit nicht sehr nane beim Ziel sein. 
New-York, November 1897. Carl Dieustbach. 
Vereinsnachrichten. 


Oberrheinischer Verein für Luftschifahrt. 


Bericht über die Versammlung vom 16. November 1897. 


Die Versammlung beehrten» durch ihre Anwesenheit Se. Excellenz Freiherr 
von Falkenstein. commandirender General des XV. Armeecorps und General- 
major von Bojanowsky. 

Der 1. Vorsitzende, Major v. Pannewitz, eröffnete die Versammlung und 
theilte mit, dass Seine Durchlaucht Fürst Hohenlohe-Langenburg, Statt- 
halter von Elsass-Lothrivgen, dem Vereine als Mitglied beigetreten und zugleich 
die Protection über den Verein angenommen habe, eine Nachricht, die mit grosser 
Freude begrüsst wurde. 

Herr Lieutenant Fingerhuth hielt darauf einen auf reichem Quellen- 
studium beruhenden Vortrag ünver „Die Luftschiffertruppe der I. französischen Re- 
publik“, welcher mit Beifall aufgenommen wurde. 

Anschliessend bieran sprach Herr Dr. Hergesell über die neueren Drachen- 
versuche auf dem Biue Hill Observatory in Amerika. Der Vortragende sprach sich 
in sehr anerkenneuder Weise über die Leistungen der Amerikaner aus, glaubte 
aber in dem meteorologischen Drachenballon ein noch vollkommeneres Mittel zu 
haben, um dauernde Beobachtungsreihen in verschiedenen Höhenschichten zu erhalten. 

Herr Hauptmann Moedebeck machte darauf einige Mittheilungen über den 
am 8. November in Berlin stattgefundenen Versuch mit dem Aluminium -Luftschiff 
von David Schwarz unter Vorzeigung von Stoffproben und Photographien des 
Luftschiffes. 

Schliesslich wurde vom Vorsitzenden eine Beschlussfassung über die Zahl 
der Abonnements auf die lllustrirten a&ronautischen Mittheilungen hervorgerufen 
und mit Einstimmigkeit der Versammlung dieselbe auf wenigstens 100 Exemplare 
festgesetzt. Moedebeck, 1. Schriftfübrer. <} 


1) Ausser einer Windfahne hinten, welche die Rolle der Befiederung beim 4 
Preil spielt. 

2) Durch Verlegung des Schwerpunktes nach hinten; die lebendige AL i 
verhindert dass dies zu einer Rückwärtsbewegung führt. I \ 


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