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Full text of "Zeitschrift für Medizinal-beamte 2.1889"

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LIO'S 

ZS' 

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ZEITSCHRIFT 


für 


MEDICIN AL-BEAMTE. 


Herausgegeben 

von 

Dr. H. Mittenzweig Dr. Otto Eapmund 

Gerichtl. Stadtphysikus in Berlin. Reg.- und Med.-Rath in Aurich. 

Dr. Willi. Sander 

Med.-Rath und Direktor.der Irrenanstalt Dalldorf*Berlin. 


1889 . 



Berlin NW. 

FISCHER’S MEDIC. BUCHHANDLUNG 

H. Kornfeld. 




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I n halt. 



.Kilt Kr,].’liüH('!' im Obduktionen . i7l 

Ifrau», (In, J>ie üntüdoginclic Ora^aftH^t «lcuv Iivfeitii)ö«kittnkhtalen «C '21^1 


Coitihvck, Dr„ ''^m-sehJtfg Äur\Tfo?chföbraiiig vier 'Abweisung 

vorn '22. November 1888 . . . 


Dy rrnfurthv ,Ih. M.» Olosson zur Hebatninenfrjtgc, mit Rücksicht auf 
icu < keularerlass vom 22. Novwnbw ; 1888 ...... 

1'itvpCH, Dr., Ein ßalswirbolbruelv ..... .. . . . 

Ftvlk f, C'rofhr Offener Brief . . V . V v V .. .. . . . . . . 
F M., Die BandwunmaUtfll im Handverkauf . . ^. , 

»32. Versammlung Deutscher Naturiorecbfer üiid Aewje 
in Heidelberg vwn 3-7.—33 Septombto- }$$$ , . 

. , A, ■Ahthftilü'njr für gerichtliche''Medioin (2m Organi¬ 

sation de* 'Unterricht* in iDy goricbtlichim Medicm; 
wix'kung itraUicher Sach vpnddndiger bei Ausfall: 


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rang de» d?nf«dlvom8heruag»ge«etkee> vorn &. »To|iU J y -/! 



deiiglekhen ß. Ahtliaüimg .fihr Hygiene (Ueber ßaeferien 
öaid KjeaiikSieitsgilPtc’, Einfluss 4er fhrasverimreiiii- 
gitiigh« aurdie; Steriiiichkrit 4 ÖerigrietAtftv Uiiusystein 
ftll^eiaeine Kiuftkenhäuser, Vorhalte« der Tuber- 
kelhamlliati liu Erdboden, MilxhnfUid lafhktton von 
der Lunge aus) ... ...... 

.* Bem«tkang<vn isn dem Falle AUiteftÄWoig'«; Fragliche 
V : ;?;Lv/ Opium vergiftnhg durch, ei, o Baudwurm mittel ; . ... 

Ftlclts!. $r. Neuere Katfcoverfttlschungen . . , . . . . . 

Frvedlftnder, 1)r., Die Hebamnionpriifung im Jahr» ’{8*ö. . 

Herwig, itr-i Ein Fall von Bromvergiftang . % : . . 

2Ht>o.ir.ee. Ö?. r Acute Schwefelkohlenstoff-Vergiftung mit tödtlicbom 

Ausgange.. . ... 

KifcUsebe'i'. Dr. S. ; Ein Beitrag zu den Psychosen de» chr.'uhwhen '• .!• 

köbolisinh* • '. . . .... 

Katayarna, Dr., Die Uutorsueinmg einer blut.vetrl8cbtigen Mi*?«» 

Le« ffen, Df., Jahres-Siwiitfite-Boricbt pro 1888' ... 

Lisa» er. Dr., Zur Diagnose der Habfwiibel-Ah'rlekriogfm. ■; ’M~ : -k- . LAv i . 
Matth«*, Dr, Leber die neu« Anweisung für die Hobammöu zur , 
tviitung des Kindbettfii-bor- vriui 22. November 38*” . 

Miteeuzweig, Dr., Bericht über den wmferen Verla«*' dn« in 

dos vorigen Jahvgyng* mitgethoilten (Borl ^ wKS g 2 ” 


m 

m 

178 

m 

217. 

222 






IV 


Inhalt. 


Seite 

257 


431 

159 

436 


46 

110 

189 


Mittenzweig, Dr., Mord durch Strychnin-Weizen. 

„ „ Subdurale Blutung aus abnorm verlaufenden Ge¬ 
hirnvenen . 

„ „ Zur Diagnostik der traumatischen Anämie . . . 

„ „ Fragliche Opium Vergiftung durch ein Bandwurm¬ 
mittel*) . 

Nesemann, Dr., Ueber Pemphigus-Erkrankungen in der Praxis einer 
Hebamme nebst Bemerkungen über Pemphigis acutus neona¬ 
torum .102, 148 

Rapmund, Reg.- u. Med.-Rath, Dr., Das Preussische Medicinalwesen 
nach dem Haushalts-Etat für das Jahr 1889/90 .... 

„ Die diesjährigen Verhandlungen des Preussischen Abgeord¬ 
netenhauses über den Medicinaletat. 

„ Die Hygiene und ihre Bedeutung als Wissenschaft . . . 

„ Vorläufiger Bericht über die VII. Hauptversammlung des 
Preussischen Medicinalbeamten - Vereins (Reformbewe¬ 
gungen im ärztlichen Stande, Formulirung von Obduk¬ 
tionsprotokollen, sanitätspolizeiliche Aufgaben zur Siche¬ 
rung gesundheitsgemässer Geburts- und Wochenbetts¬ 
pflege, der Entwurf des neues Civilgesetzbuches vom ge¬ 
richtsärztlichen Standpunkte, Abänderungsvorschläge zum 

Taxgesetze vom 9. März 1872 . 329 

Schilling, Dr., Einjährige Erfahrungen über die Verwendung der aus 
Kreismitteln gekauften Carbolsäure in den Händen 
der Hebammen.106 

* „ Vorsätzlicher Kindesmord oder durch epileptisches 

Irresein bedingter Ertränkungstod.180 

* „ Zur Trichinose .289 

Schlegtendal, Dr., Zur Durchführung der „Anweisung“ vom 22. No¬ 
vember 1888 . 292 

Schmidt, Dr. Arth., Versuch, den Inhalt der Anweisung zur Verhütung 
des Kindbettfiebers vom 22. November 1888 in der 

Form eines „Auszuges“ zu bringen.205 

„ „ Einiges über die gegenwärtigen Hebammenverhältnisse 

im Kreise Steinau. 65 

„ „ XV. Jahresversammlung des Deutschen Vereins für 

öffentliche Gesundheitspflege zu Strassburg. (Die 
hygienischen Verhältnisse und Einrichtungen m Elsass- 
Lothringen, Massregeln zur Erreichung gesunden 
Wohnens, Anstalten zur Fürsorge für Genesende, 
Verhütung der Tuberkulose, Eisenbahnhygiene in Be¬ 
zug auf die Reisenden).391 

Silomon, Dr., Die Einführung der Anweisung für die Hebammen vom 

22. November 1888 in die Praxis. 80 

Strassmann, Dr. F., Statistischer Bericht der Unterrichtsanstalt für 
Staatsarzneikunde zu Berlin vom April 1886 bis October 1888 

98, 140, 169 

Stüler, Dr., Ueber die obligatorische Untersuchung der Schweine auf 
Trichinen mit besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse 
des Kreises Zauch-Belzig nebst Vorschlägen zur Verbesserung 264 
Tacke, Dr., Zur Casuistik der Erwerbsunfähigkeit nach Verletzung 

318, 353, 369 

Weiss, Dr. Alb., Zur Casuistik des Kampfes gegen den Geheimmittel¬ 
unfug .132, 311 

Wiedner, Dr., Selbstmord oder Körperverletzung mit nachfolgendem 
Erhängen des Verletzten? Höchst seltene Missbildung des 
Atlas. 72 


+) IrrthümUcher Weise Ist in No. 11 dieser Zeitschrift KrelsphysÜnis Dr. Tacke als 
Verfasser der fraglichen MtttheUung genannt. 




















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Ah -1 fehl, Dr. f\, Di£\/.Re‘ovgarö«ation- des Belknußeaw^«/?^, Khtwtßf. 

di)Ar n(:Ut>n F^hfuin menordnun^ 
lierieh t der für tiehurtsshiUh 


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Die Verbrexii*ng de> Htf}ipof*ohals* ‘«der pliarniazeatiHehen Aßsfeilteil ! 

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Zh«tÄndö; ; ^^v .i^bthfönkie Mw;. gericbtlicW Madidri- , !{$, titti 

•H*bftcn xn e n - Ra 3 **>>d *-r lBHft-o .. » .... ..122 

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11 o.fmann* Prof vot,V*; rgilhtng‘ mit ToiVkirÄchiw v . '. .. ‘; ^ ÜM 

K>vtÄ-y4m.a,' '}0^0 .' um&: Iftiit.ptobe,' f$£j v '^ileiu^ilr.•,. 

Vergiftung . ... » . , . 2‘A 

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St«3 jiimtmivpr Bonc-hntiis , , . . . 

Magmi* i .tkaV Di 1 * Ö^' lwM.iöfetitJsfvia<sr 

wegungen .. .. . 

\) i'dif iu. Mohn Usehrift .. . . 

Meij'le. I»f. ??.. lipitfadi-u ftjt Fleibflibc-scimuen ... . 

M «xidoT. Frof., Bobet rcflentorisehe Pupilteneham* • • • • - ■ 

Moli, I)r;. A., per Hypnolirfruue .. .. . . 

No r •Vitra nn, Dt. Afoilles, Cofier die Begebungen der Thyuin*lritee y.u 

pUttzHclum Td«.te»<»lkn iio Vv u8-..er. 

• 0.e-vt«.rr*i<-h«« <• h *»* Sanität - « «i'ii, >'Uv : neue 'WochenKöimft . - 
.I.^.ö 3 vy««föVxk.'y 4 un V: Pref. JDjv, Üjtfwjstt airugft noch tiieht besrlirii'beite 
Veränderungen 5« der hober hoi acuter fämjbtfar- nwi Äiseniß- 

Twgiftung . .. 

Reü«*» Rbcht^chnta der (»''VVosknuikpH ......... 

Silbermann. I)r. O...lieber Ais Auftreten ntultipier intravitnlor Blut 
germmmgeb nach acuter Intoxicahion durch Chlorsäure Hairc, 
Arsen. I'lni'-rJmr imd einige anclcT!.- Bl u( gifte 
Snt; oi <> v. k i. J.«r. A, #£‘/mo‘ ein äusSAj es. Kocjn'rleiden xtir «teuten Pttou- 
iwwie 'ühren :. ... ......... 

Thono j.»i>.on H.. Die mrölbtne •■t^ftiihepv.ä»:iä^nUjUj(ig i . . , vVx^’vV/;»;' 

Tieu« an n -0ft 1 1»er, Uic ckemj>«he uwd »picrowajpiat^-Wktvriofogi^hiV 
Untersuchung fies W»wm'.v£ . . . ..... 

t 7 yfelt»an n». Dr V.. ßanjfe. derlttygjene V ; 


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Si i']i« n, tij*hya«t'gta}iht»ohü Untcrsucliuogen an öeiatpskruakiw 


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Kleinere UlttheUörttgen. 

AnstarkeHdc Kritnkheitnn, Jtyswgbptfieht von . . . ; . . 

Approbation als A rzt, Zurilc.ktnthiu«; <ka .... 

Auf alle»-hfu.'Vistou Befehl VeVfVcltliJiteniKahilluiig, ändert 
; ; J diu Qiuilität einur HitittiiritfiöUen llÄndiung?. ;. . / . , 

B.eg'Iaubigung Mutliche, imvatürztjichei Atteste . 

(j^Bgreea, Internat./uued. IÄ9Ö ... 


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•.•'«wC. 




VI 


Inhalt. 


Seite 

Curpfuscher, Bestrafung derselben wogen fahrlässiger Tödtung ... 49 

Desinfection von Abfallstoffen, über die praktische.4J1 

Fleischbeschauer, Verpflichtung der, zur fortlaufenden Führung der 

polizeilich vorgeschriebenen Listen über ihre Thätigkeit . . 86 

Gebühren der Medicinalbeamten für Abtenstudium bezw. Termine 63, 161 

Halswirbelverletzung, gerichtsärztliche Literatur über. 86 

Hebammen, Nachhülfekurse für.274 

Hygienisches Institut, Einrichtung eines solchen nebst Professur 

in Halle a./S., Marburg und Königsberg i./Pr. 48, 86, 119, 437 

Impfschutz.210 

Impfzwang, Einführung in Frankreich. 210 

Infecti onskrankheiten, zur Lehre der.207 

irre, die offene Pflege für ungefährliche t . . 438 

Kinder, Beschäftigung derselben ausserhalb der Fabriken. 85 

Leichenschauhaus, Statistik des Berliner . . 20, 48, 161, 272, 322, 405 

Magendarmprobe.272 

Maximaldosen von starkwirkenden Giften, Anfertigung von Recepten 

bei Ueberschreitung derselben. 85 

Med icinalbeamten des Reg.-Bezirks Düsseldorf, die 38. Conferenz 239 

Medicinalbeamten-Verein, der Mecklenburgische.162 

Mikroorganismen, der Einfluss der Ventilation auf in der Luft suspendirte 440 

— — im todten Körper, über das Schicksal pathogener . 439 

— — über die physikalische Einwirkung von Sinkstoffen 

auf die im Wasser befindlichen.442 

Prüfungszeugniss, Zurücknahme des einer Hebamme ertheilten . . 273 

Recepte, Anfertigung bei Ueberschreitung der Maximaldosen von 

starkwirkenden Giften. 85 

Reichs-Pharma co poe-Kommission.437 

Rundschau der Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medicin und öffent¬ 
liches Sanitätswesen.238 

Schulhygiene als obligatorischer Unterichtsgegenstand in Oesterreich 210 

Schwindsucht, Arbeiten über die, von Dr. Cornet.438 

Staatsprüfung für Chemiker.275 

Stadtphysicat Köln pro 1887 50 

Steilschrift, die Einführung der, in die Schulen.209 

Sublimat und Jodoformverbandstoffe, Carbolwasser, Kalkwasser und 
Cachoupillen gehören nicht zu denjenigen Zubereitungen, deren 
Feilhalten und Verkauf nur in den Apotheken gestattet ist . 274 

Tollwuth, Verbreitung der, im Deutschen Reiche während aes Jahres 1887 87 

Tuberculose in Deutschland, über bodenbeständige VerbreitungsVer¬ 
hältnisse der.208 

Typhus- und Cholerabacillen, Lebensfähigkeit der.207 

Vergiftungen, Todesfälle durch solche in England. 88 

Zwiebelbonbons gehören nicht zu denjenigen Zubereitungen, deren 
Feilhalten und Verkauf nach der Kaiserlichen Verordnung vom 
4. Januar 1875 nur in den Apotheken gestattet ist ... . 48 


Verordnungen and Verfügungen. 

1888, 9. Octbr. Ausführungsbestimmungen der physikalisch - techn. 

Reichsanstalt in Charlottenburg betr. die Prüfung 

und Beglaubigung von Thermometern.123 

„ 10. * Circular-Erlass, betr. Berichte über die Revisionen der 

Privat-Irrenanstalten. 92 

„ 12. „ Circular-Erlass, betr. Abänderung der Vorschriften für 

die ärztliche Vorprüfung. 92 

„ 31. „ Circular-Erlass, betr. Zulassung zur ärztlichen Prüfung 127 

„ 22. Novbr. Circular-Erlass, betr. Anweisung für die Hebammen 

zur Verhütung des Kindbettfiehers. 26 



























Inhalt. 


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1888, N-'VM-, 

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!t 14. Juni. 


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Girca!ar-£rläs*> r betr. Gründung von Wöchneriimon- 
A^ylen ........ ..... 0J$ 

i ocidaKEriass* befcr, Maßnahme« gegen Verludi- 

tui^p £pideüiisöht2a 

Cerebrospinalis. ; J / . . : v ; . /Ää 

%>Uiu«ter;.£ VTagung, hott, Ab|xi^ituö,a Sitzungen 

der Aerztelröimmern am Wöhrmfcs «Jii^.Ö1>orpr^ident.oii- 90 

Circular-ErlKas;, tr$Lr.; Benfcbt. ü W- die Unter -^uzuiliüng- 
koty Vhrlrütorn der Aerztotämmeni atu ^ 25. und 
2ft; i888 $t4fifjgehm.deh|öri.. VörTjaiiidlutiifen 

ilct k wi^mschafilichoii Bopui^km für äm Modi- 
' ;; : 50 

• . I^tr- die bohuft Ertbeilung von 

l,i}\e}&hp>tewn crfardorlieheu Resehirintgmtgen über 
die Tüdesurmdien atv . . * . ; . . ‘ <, ' 90 

Bekanntmachung de* Roicbskuny.lm r beto\ Anstalten 
zum^rocknen -'und. E&u$föm- imgngßtbier Yhierfelle, 
sowie die Vorbleiung-;- .Verzinnung.* : und Vor- 
zinkudg?a.iiHlalten 94 

Circular - SrlaHK, .l^fcrV.: ; 

• Metbndcy ;cl<&s? i; yjebtf<jfi^hfcen#r. ; j%3; * - - .’> ( -94. 

Ivfi«isterial V<>riil%iing, »can4. 

pharm," auf den Fir nteuschiitierh 4<* . Wvigisten 2K* 
Circulat - Erlass, boti . gesunde >m»i gcdalirlofte Be- 

schaden heit der Ärbeltj^ Aalagon 24$ 

Circular - Erlass. Imtr, -v'. -. : - 

•von Geist eskmaken hes. Gctsin^chtnin]iG.rt in .Nichte ". 

krenaiistalten. * . J ÖS 

irircuktx - Erlass, boti. Caneoshdems - PHichtigkeit des 
Kleinhandels mit Drogueii und chemischen Präpai* 

raten. ... lßf* 

Circular • Erlass, botr« Physicate -(5ut*u;liten bei Pen- 

sionirung von Gendarmen . . . . / 284 

Verfügung des König! Polizei- Präsidenten in Berlin, 
botr. Vomehtemassrogoln zur Verhütung enter Uoher- 
t.mgtmg der TnbercbloHO in _;IViv. 254 

Circular - Erlist, betr. BeJcäjariptuug der \ r «rhreit\i3ag 
der Schwindsucht in Straf* ßeiätigemmr und Bes- 
snningsanstalteu . . . . . .. . , . . MG 

T Verfitgurrg. botr. neu com^x c?nlrte Apo¬ 
theken im Falle des f LV>d^P^’^ ’ äjkk -. 

fcheker55 v;«r Ablauf dejr ersten icdh> iraüie > v 214 

Circniar* Kvhxm r betr. Vorschriften über die Kiiiridr 

tung und den Betrieb der Spiegelbidiiganshtitexi . 279 

Circular - ErJa,sß,; bctr .Vurvv<ibdung ym ^ W^Nergas 1 * 

•für Heiz** Beleuchtmign- und Bremwweckc > . . 2bl 

•Cirmdiir*F»Aä6, bäfcr:erwendung von mgm, Knust- 

IjÄfffc-izfü fcet^gej&dhöii C Cp v 7 . * 288 

botr, Ergänzung de^ 

Öt*Kcblasses tinu IS. Mai 18*4, ) .. C/ i- ;••*,•• 

toti: i :a !t3r:d.C& s . ‘ .. > . ' 


H; Olribv; 



» 4 «« 







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Inhalt. 


D i ▼ e r s e. 

Seite. 

Bekanntmachungen des Preuss. Medicinalbeamtenvereins 96, 168, 287, 328, 448 

Briefkasten. 63 

Necrolog auf Prof. Soyka. 97 

Personalien . 31, 61, 94, 127, 166, 215, 255, 285, 327, 367, 447 

Zur Recension eingegangene Literatur. 31, 60, 214, 285, 447 

X. Internationaler medicin. Congross zu Berlin 1890 413 

XV. Versammlung des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheits¬ 
pflege .162 

Hygienische Section der 62. Versammlung Deutscher Naturforscher und 

Aerzte zu Heidelberg.286 


■* 


Druck der Fürstl. prlv. flofbuchdruokerel (F. Mltxl&iT), ßudoleUdt. 










Jahrg. 2 . 


Zeitschrift 

für 


1889. 


MEDICINALBEAMTE 


Hennagegeben Ton 


Dr. H. MITTENZWEIG 

Gericht!. Stadtphysiktu in Berlin. 


Dr. OTTO RAPMUND 

Reg.- und Medicinalrath in Aurich. 


and 


Dr. W1LH. SANDER 

Medicinalrath und Direktor der Irrenanstalt Dalldorf-Berlin. 


Verlag von Flscher’s medic. Buchhdlg, H. Kornfeld, Berlin NW. 6. 


No. 1. 


Enehrlnt am t. J«d«n iTfoniU«. 

Preis jährlich 6 Hark. 


1. Januar. 


Original-Mittheilungen: 


INHALT 

Seite 1 


Bin Wort Aber die Nachprüfungen der 
Hebammen. Von Dr. Bauer ... 1 

Bericht über den weiteren Verlauf des 
in No. 4 des vorigen Jahrgangs mit 
gethellten (Berliner) Falles von Ge 
sundheit*-Beschädigung durch Bin 
athmung von Blausäure. Von Dr 
Mlttenzwclg. 

Die Bandwurmmittel lm Handverkauf 

Von Dr. M. Freier. 

Kleinere Mitteilungen .... 


Seit* 

Referate: 

E. Kaufmann, Dr. med. Die Sublimat- 

ln toxi cation., . . 20 

Kunkel. Ueber Kohlenoxyd Vergiftungen 

und Nachweis.22 

Dr. K. Katayama. Ueber eine neue 
Blutprobe bei der Kohlenoxyd Ver¬ 
giftung .23 

Dr. Klnkeael. The hymen ad a proof 

of virginlty.24 

_ Verordnungen und Verfügungen. 26 

15 Literatur.«i 

20 Personalien.»i 


Ein Wort Uber die Nachprüfungen der Hebammen. 

Von Dr» Bauer, Kreisphysikus zu Mörs. 

Von bestimmter Seite war die Ansicht ausgesprochen worden, 
dass in den Nachprüfungen, Hehammenzeitnngen allein nicht 
alles Heil fiir den Stund der Hebammen zu finden sei. Sie 
müssten vielmehr nach einer gewissen Anzahl von Jahren wieder 
einige Zeit in die Anstalt zurück, nm practisch Neues einzuüben, 
Vergessenes wieder aufzufrischen. Dazu würden sich die Ferien 
(der Anstalten) in so fern gut eignen, als dann in den Gebär- 
Anstalten doch Hebammen nöthig wären und die Verpflegung 
vielleicht kostenfrei von der Anstalt übernommen werden könnte. 
Wenn hei dem Ueberfluss an Wehmüttern eine Vertretung der 
die Ferienkurse mitmachenden Hebammen überhaupt noch nöthig 
wäre, könnten zu diesem Zwecke junge Hebammen aus der An¬ 
stalt geschickt werden. Auf diese Art könnten, ohne dass Heb¬ 
ammen, Gemeinden in Verlegenheit geriethen, und ohne dass 
grössere Geldmittel, als jetzt die Nachprüfungen mit allem, was 

k 
















2 


Dr. Bauer. 


dram und dran hängt, erfordern, aufzuwenden wären, die Heb¬ 
ammen der Provinz im Zuge gehalten werden. 

Dieser Vorschlag gab zu folgenden Erwägungen und Er¬ 
örterungen Veranlassung, deren Veröffentlichung ich im Interesse 
der Sache für zweckmässig halte. 

Zunächst bin ich der Ansicht, dass vor Allem eine Auf¬ 
besserung der materiellen Lage der Hebammen noth thut. Die 
auf dem Lande üblichen Gebühren stehen in keinem Verhältnisse 
zu den Mühen und Anstrengungen, welche die Hebammen zu er¬ 
tragen haben. Soll der Mensch und noch dazu das Weib für 
höhere Pflichten ausgebildet und tüchtig gemacht werden, so 
muss er zuerst wenigstens äusserlich so gestellt werden, dass er 
nicht mit der bitteren Noth fortwährend zu ringen und zu 
kämpfen hat. Die Landhebammen haben nach meiner Erfahrung 
nur eine sehr kümmerliche Existenz, und von einer so armen 
Person von so dürftiger Bildung den Sinn für eine Art von 
höherer Wissenschaft erwarten ist einfach zu viel verlangt, und 
wenn sich eine solche Zumuthung in Gestalt einer Hebammen¬ 
zeitung naht, die an sich bei der grossen Zahl von Hebammen 
eine gewinnbringende buchhändlerische Speculation zu werden 
verspricht, so heisst dies nach meiner Erfahrung Steine Btatt des 
Brodes reichen. Dass die Concurrenz der Hebammen durch Be¬ 
schränkung des Niederlassungsrechtes in heilsamer Weise ver¬ 
mindert werden könnte, halte ich für möglich, zumal die],'Anzahl 
der Geburten, welche nach einem statistisch zu ermittelnden 
Procentsatze steigt, den besten Maassstab für das Hebammen-Be- 
dürfniss abgäbe. 

Fürs zweite ist meines Erachtens der nächste und natür¬ 
lichste Weg zur Ausbildung der Hebammen die alljährlich 
wenigstens ein Mal durch den Physikus vorzunehmende Unter¬ 
weisung derselben. Von der dreijährigen Nachprüfung habe ich 
nur einen negativen, nämlich den Erfolg gesehen, dass die Heb¬ 
ammen vor dem vollständigen Rückschritt bewahrt und veranlasst 
wurden, wenigstens das Noth wendigste nicht gänzlich zu ver¬ 
gessen. Daraus folgt aber für mich keineswegs, dass die Nach¬ 
prüfung durch den Physikus wegen Erfolglosigkeit überhaupt auf¬ 
zugeben sei; vielmehr ist es das Zeitmaass, welches zu ändern ist; 
ich sehe in dem geringen Erfolg nur die Mahnung, die an sich 
richtig und gut gedachte Einrichtung zu verbessern und zwar 
in der Weise, dass der Unterrichtsversuch, anstatt zu selten, 
vielmehr rechtzeitig angestellt und die richtige Methode des 
Unterrichtes gefunden wird. 

Angenommen der Physikus erhielte für die Hebammen¬ 
prüfungen, die Revision der Schulen etc. eine angemessene Er¬ 
höhung seines Gehaltes, in welcher alle Reisekosten und Ge¬ 
bühren eingeschlossen wären, und der Medicinalbeamte könnte 
dann einen regelrechten jedes Jahr abzuhaltenden Unterrichts¬ 
kursus der Art einrichten, dass zunächst das Lehrbuch gründlich 
durchgenommen, die Unterweisung am Phantom (soweit dies an¬ 
geht) damit verbunden, das Desinfectionsverfahren practisch ein- 



Ein Wort iilifr di• • NiMÜtpKOViug<-i- .d«r H^l-.anüt'x'm 

■ 

geübt. würde, so müsste es «locli stmüerbaf xugeben., wenn auf 
diese Weise keilte Auffrischung ul*d Rnfosiiguttg lienntuisse 
erreicht würde! 

0er ^kviiikiis ist, weil et: zuglejelr praetbeher Arzt ist. der 
in dem priuvr iscb*«.•.Lehen stehendeAteff iciuaI beamte, weichem 
die Aufsicht' öfcsr>ji^ di>. t%i)ei’Wa^ld.Qg dev Kt>. 

l ; ■' Jf ^Hieuo'; 

iTesnnvlbeirswesens ohiiegj. Er ist für'di* Hebamme die.-nächste 
wisseaschaftiithe für den Einzetiail Recfuüiaßhi# 

ahzul^eji J ;,j|af.li : . .sieh zu holen hat Darum Mt der 

Physiküs auch äriBaaHürhrhe und nächste Lehrer -der-. Heb¬ 
ammen. und söine oigünrlkMae Aufgabe ist- es. die an sich ver- 
Mi'fnissmfe:-.ig fiüeMfg ungeeigneten Kenntnisse, welche die Heb¬ 
amme au« -der Lelirmmtalr. mit bringt., m befestigen und .zu. 
vertiefen Ich will hier nur ein Beispiel sUiflihim Die meisten 
jungen Hebammen erliitllen jetel uns der Lthranviait in ihrem 
f^stnck ü. ^ curn 

A^eldite sie &uv Bereiftuig vm DeHtrifHrfiouPHnscliTioget) vhr- 
. .•whhd^ii./öölbin. Irii heb» über bis jetztnoch keine einzig», au* 
gehende Hebamme »ich meldee sehen, w$feh<? 'ferne-' ^äh^re^iehnt:- 
rtfö? von der MMchhüg. und llandhabtmg diesem gefährlichen • 

■ iStbifeiDam.^ö|*tgehabt hatte! Au# 
idiesettt^Vüntifexinid hm Wirh^^ vnrziibßugeii, habe : 

ich den Hebammen meines. Kreise* di» -Weisung <nl heilt, die 
Bereitung \\m Carbüll> : isimg»n ntitfer3as&eh : nhd hliö~ 

selben ''hÄdhhiis* ffejgi Apötheken .,'.;• 
zjl entnehme«!*). 

Es ist ein fjnrev-schied ztrMchen einer. 'Lehmnatali ■■ 'find <i*m 
;praetBcheT»L?ebenl und dieser ünkrschled erzeugt 
. den Hebammei» dl» meist aus dürftiget). VerliäUnissK» 

stumme»; s<> krasse- TJing^taitmigeir'der Perron, der 'Anschauung, 
der Intelligenz mal de* Wüllens., dass mir ■ ein Einblick .in • die. 
Wirklichkeit.. wie: ihn der Phyrikus hat, den Drad, von redii- 
cirender verkümmernder Mhcbt erlcedibf :,i lässt- vvelche die 
äussere» ' Verhältnisse, der Umgoug. die ; Gewöhn heil ousiiberi 
Man -vergleiche nur emwftl dir AD. vie die Hebamme in der 
■ 'Lehranstalt angelernt wurde < s*eb zu waschen, und wie sich. 

■diesej- Ausser«* wt<-.biigr Akt m Hanse der Hidi/imme oder der 
Gebärenden. WöOhhlüfrb; Nlfzibht. florf ;dic.?zvVebb^^^t^0V : 

Mmc und Ebncbtäfngeft, fitid hibr ribtlek'-hi. nocii;. nicht 
ein besonderer WaeDirmpi'. -Wir ufr eine, Hchüseel,'au* der später 
wieder die. Familie isei., vort .tmdemt Dingen zu gfisebwoigeni- 
Die LehrauataU bildet, ein liärmomshbft“ • '■•■■■■■■ 

besten ^;bmbfhngen ;ymit »len;: besinn 'Jh^irkriiftvu.. .AfBrrfridbhA* >. , 

Ob:-)’ nnd Btiterhebamnien etc vereiokt •; 

voi-sorgiidisre im.d zweekniAesigsiv" ihr 'M ' ' J|j 

*} NaD»d‘?6». iitZWi:;rit‘.-a die Minist: V/»rt M :'* •• > 

1888 eutft efnanw lnst.rnt.tum Üetr. <H«i iiej^ratieli ü.;- Oirfi:!ii?eiff 
Hfebathiü^n gog»\t('u Im*., . wird des i')& * . 

Hamlliatung des 8taffo^ Am Hebamuiwr^ ^ ' 





4 


Dr. Bauer. 


richtete und vorbereitete Culturinstitut tritt das ungebildete, un¬ 
wissende Weib ein, um die Hebammenkunst zu erlernen. Dass 
dieses Ziel in den meisten Fällen in relativ kurzer Zeit erreicht 
wird, ist keineswegs ein Beweis für die Leichtigkeit der Er¬ 
lernung an sich, noch auch für die Gelehrigkeit und Anstelligkeit 
der Frauen aus dem Volke, sondern vielmehr ein Zeugniss für 
die Präcision der Lehr-Maschine und die prägende Kraft ihrer 
Stempel, welche aus einer rudis indigestaque moles in kurzem 
eine gangbare Münze, eine „approbirte“ Hebamme schafft. 

Die Brauchbarkeit aber und Leistungsfähigkeit der Heb¬ 
ammen kann sich erst im practischen Leben erweisen. Dort wird 
es sich zeigen, wie tief der Unterricht in der Anstalt Wurzel 
gefasst hat, ob und wie die Hebamme vor AUem gewillt und 
bereit, dann auch wirklich im Stande ist, das Gelernte anzu¬ 
wenden, die Mängel, die Hindernisse, die Vorurtheile, die Dumm¬ 
heit, welche ihr entgegentreten, zu bekämpfen und zu überwinden, 
das Ideal der Lehranstalt festzuhalten, in die eigenen häuslichen 
Verhältnisse, in die der Gebärenden und der Wöchnerinnen hin¬ 
einzutragen, mit den früheren Gewohnheiten zu brechen und ein 
neues Leben anzufangen. Ein solcher Umschwung muss sich 
auch äusserlich zeigen, und der Physikus wird, wenn er einen 
Blick in die Wohnung, die Familie der Hebamme thut, sehr bald 
wissen, wess Geistes Kind sie ist, wie sie es mit der Reinlichkeit 
an ihrem eigenen Körper, mit der sauberen Haltung ihrer In¬ 
strumente etc. meint und hält. Die Art, wie die Hebamme die 
Gebärenden und Wöchnerinnen bedient, oft unter den schwersten 
Mühen und Anstrengungen bei Tag und Nacht, bei Wetter und 
Wind der Versuchung ausgesetzt, dem alten Schlendrian ihrer 
Vorgängerin wieder zu huldigen, die Dinge nicht so ernst zu 
nehmen und lieber laufen zu lassen, die Art, wie die Hebamme 
dieser verlockenden Versuchung widersteht, wird sehr bald er¬ 
kennen lassen, mit wem man es zu thun hat. Und nun vergleiche 
man die ersten Jahre einer jungen und braven Hebamme mit der 
späteren Zeit! Es sind nur äusserst wenige, welche wirklich 
tüchtig bleiben, die weitaus grösste Anzahl erlahmt und erliegt 
den erdrückenden äusseren Verhältnissen. Allein, auf sich selbst 
angewiesen, des Haltes und Geleises entbehrend, welche die 
Lehranstalt bot, muss die Hebamme suchen, sich mit den Er¬ 
eignissen abzufinden und ist froh, wenn sie Kundschaft erhält, 
wenn sie den Anschauungen einer zahlreichen Kundschaft huldigen 
darf. Sie ist froh, sich und den Gebärenden manche Umständ¬ 
lichkeit und Belästigung, manche Kosten ersparen zu können, 
denn „das nehmen die Leute übel“ „das sind sie nicht von früher 
gewöhnt“ etc. 

Kurz die Eiluft, welche zwischen der auf das beste einge¬ 
richteten Lehranstalt und der nackten Wirklichkeit des Lebens 
besteht, welche sich gähnend aufthut, sobald die Hebamme aus 
dem künstlichen Zustand der Cultur in einen sehr oft rohen 
Naturzustand zurückkehrt, diese Kluft zu überbrücken, kann nur 
die Aufgabe des practischen Arztes, in Sonderheit des Physikus 



Kin WortJlb.t?r die Nfubpriiliintfon .der Hviimunioü. r> 

sein. Er wird in seinen Prüfungen, die vorherrschend nur den. 
Oharaeter dc-r Beleb rang habep keimen, ah die natürliche» «ptf. 
wklicben Zustände der Dinge. an. seine eigene« Evfehrnnge« im 
Verkehr mit den Bebämmeit hei g eburtsM!fliehe« Fällen. sowie 
an die Jdittheiltatge« behw Oöliege«, der practisrlie« Aerzto. sn- 
knfipfeu und den Hebamme« erläitteiii, IV ie die Theorie und 
Praxis der Schtile -ini' die Wirkliche« und i» vielen Beziehnogen 
ganz versnMedeaen Verhaft n;Kae des- Lebern- .&nz«wenäen. und 
durehzufülireu sind 

Und mit dieser «»fijtriieben, itnentheiirUclier» wiseetmöbafL 
liehen ..Stütze und Hülfe, mti dem Phygikiis hat man einen, nur 
alle drei Jahre atetiÄnd&iid«h vrissensehaftlichtin Verkehr für 
zweckmässig und ausreichend gehalten? Jedenfalls musste man 
ÖherzoagJ sein, dass? dah r was die Hebamme in der Lebr^Aastalt 
gelernt hatte, die epten dpi Jahre sicher. Vorhalte. Wer aber 
di« Hebammen in der Praxis sieht und beobachtet, der • ■ wird 
bald gewahr werden V ; dT*8 schon nach einem -Jahre VieleB ydh 
dem Wissen und Können dm; Anstalt mehl mehr vorhanden, ver¬ 
gessen Mer. gänzlich Wj«h ist. So veiivlistend wtikt 

das Löben atif den neu angelegte« OuHiirboden; binnen Jahres- 
trist ist vieles Unkraut wieder aufgeschossen, nianehes Pflänzchen 
verwelkt Ich denke v dann iM es Zeit, das Land einmal wieder 
mnzupflüge« tmd von neuem anszusäeu. Dann wird auch die 
Ernte nicht ausbieiben und der Pkysikns wird eine fort¬ 
schreitende und erfreuliche Arbeit mul keine entmutbigende zu 
verrichten, haben. 

Unter dieser Vomnssetzong, aber auch nur unter dieser, 
dürften dann spezielle Ferienkaf'se in den Lehranstalten, die 
meinetwegen alle drei Jahre w ei tere« Nutzen 

verspreche». Niemals 'aber werden «i«? den »'.echt-zeitig-xu wieder- 
holenden IJaterHcht des Physik«s ersetz;«« köniioiy Denn die 
Hebammen werden in den Ferienkurse« in; de» Anstalt doch nur 
einen verhältniasmüssig schmalen Ausschnitt voni fJansren wieder 
miterleben. unter Verhältnisse«, die. wie gesägt, sich wesentlich 
von denen, - des - wirklichen Leben* drausse« unterscheiden, Ver¬ 
hältnisse. welche das 'Mitsorgen, da* selbstständige Denken und 
Handeln der Hebamme wesentlich erleichtern oder gänzlich .Ab¬ 
nehmern. .: Berücdcriehttgf ;fl|aw ausserdem die grosse. Zahl der 
Hebammen, so dürften ;;o viele Frauen in diesen Caraen' zn- 
sammMßtrbme«,- dass lut du- Ein - 5 > ■ 

scheidenes Theij -an der -|»rarti$ch< u Uebong nou -#■ 

fallen wird. Ob• sich; das' Verlassen der Wnhu--Jtz<‘s tt n 

nur auf wenige Tage, wthi hoch >*» ihden» tVehh 
mache» wird. wird .ahiawarteu sein h m uichr .•;- 
als- es ,scheint, den • Frauen der t^;KO^v ; -lkcru«e, die • »> : . 

eine, bestimmte Pepoii .goWbhhtauch ;L\ji)hiTT 
gehend, eine ganz frenule 

lässigen Hebammen werden wahf>- Hjft awffl MHBMMr 7 

kurse einige ihrer Kunden ver)ie<-•-• • falls 

noch etwa die Reise- etc. Kosten, wi>tfhe^vi diesen lii- 


- s * 





6 


Dr. Mittenzweig. 


bunden sind, zu tragen hätten, einen empfindlichen materiellen 
Verlust erleiden, welcher die Lernlust nicht gerade erhöhen 
dürfte. 

Was das Neue anlangt, welches die Hebammen in den 
Kursen practisch einzuüben hätten, so müsste dies Neue wenigstens 
so beschaffen sein, dass es die Zustimmung aller Hebammen- 
Lehrer für sich hätte und in Form eines gemein gültigen 
Nachtrages dem Lehrbuch einverleibt werden könnte. Da das 
Lehrbuch für eine bestimmte Zeit die feste Grundlage für den 
Unterricht und cfie Praxis der Hebammen bildet, so liegt auch 
in seiner gründlichen Kenntniss und Befolgung der Schwerpunkt 
der Hebammenkunst. Die vornehmste Aufgabe der Lehrer wie 
der Medicinalbeamten kann daher nur die sein, für eine genaue 
Kenntniss und sachgemäße Anwendung des Lehrbuches Seitens 
der Hebammen Sorge zu tragen. Ich glaube im Vorhergehenden 
näher begründet zu haben, wie gerade der Physikus der geeignete 
Medicinalbeamte ist, das erfolgreiche Weiterlernen im Lehrbuch 
und die Anwendung seiner Regeln auf das practische Leben in 
seine leitende und fördernde Hand zu nehmen. 

Zum Schlüsse fasse ich meine Ansicht dahin zusammen: 

1) Zunächst thut eine Aufbesserung der Hebammengebühren, 
namentlich auf dem Lande noth. Eine Beschränkung des Nieder¬ 
lassungsrechtes entsprechend dem Bedürfnisse erscheint ausführbar 
und wünschenswerth. Erst Brod und dann eine Hebammenzeitung. 

2) Nur ein jährlicher, wenn nöthig halbjährlich zu wieder¬ 
holender Unterricht durch den Physikus kann die bis jetzt ver¬ 
misste Durchbildung der Hebammen, eine sorgfältige Aneignung 
und Befolgung des Lehrbuches, die Anpassung des Anstalts¬ 
unterrichtes auf das practische Leben vermitteln. 

3) Nur nach vorausgegangener Unterweisung der Hebammen 
durch den Physikus werden Ferienkurse in den Hebammen-Lehr- 
anstalten Nutzen haben, ohne jene von zweifelhaftem Werth für 
die wirklichen Verhältnisse bleiben. 

4) Practisch-Neues, welches die Hebammen Lehranstalt ein¬ 
übte, müsste die Zustimmung sämmtlicher Hebammen-Lehrer für 
sich haben und dem Lehrbuch in Form eines gemeingültigen 
Nachtrages oder sonstwie einverleibt werden. 


Bericht Uber den weiteren Verlauf des in No. 4 des 
vorigen Jahrgangs mitgetheilten (Berliner) Falles von 
Gesundheits - Beschädigung durch Einathmung von 

Blausäure. 

Von Dr. Mittenzweig. 

Den Lesern, welche sich jenes Falles erinnern, werden Mit¬ 
theilungen über den weiteren Verlauf desselben nebst einigen 
sich bei dieser Gelegenheit darbietenden allgemeineren toxikolo¬ 
gischen Betrachtungen von Interesse erscheinen. 




Bericht til»er tlon weiter«']» Verkitt »']»■•/-. in No, 4 des v^rigeir-Jabr^. ote. 7 

■Der Verlauf war; wie i® dm» Müncijeher .Falle* langwierig* 
Eine Besserung kam -imv sehr allmäUlicli bei geeigneter Diät 
und 'jLebesau^ise.. 'Und . «rat : anter dem Einfluss eines mehr als 
nlttimmiätltehea Aufenthaltes. au der See. m Form eines lang¬ 
samen Buckganges der; ■ rd.jet'tiveu, ww de satiH#iven Er- 
bcheuuuig«» «:»’ Stande; •'■ ; .'• ■' •; </; ■ 

Im VöfdergrwKle ilot objectiveii Erachcuiungeh Banden, wie 
wollt mich ‘.rinnoriidi. Storung«» des rirmilatiön. Zuerst hatte 
bei einer Herz-Cntemjelnuig afcu 6. F^biitT^r 188B Dr. L. Arhytb-. 
mieeu wuhrgenorenten.Dermiäeimt helle- uiou? Befund am H. und 
.am 9. Februar ergebe»; - ..Die Krequeux- tief Pulses Wechsel) 
ätark; w nun Patient stäh einer Anstr»äigftäg nutm^og^H hat. j&gl 
der Fulb und wechselt in fienug Btr i^'eqtfeux. Ijiteiieitjit, Härte 
und CurVß Die HeivMampiung riirki ein wenig zu weit nach 
recht«,. Sowie vielleicht mu-li nach »bön v'utv Der Lfei'äsios« ist 
ilusserd maii. ; Die Kentityn bind rein. jedoch wediMluden 
CliaräRtmu ,^teh einigen »»meilen Dopjteitönmi hörs. umT zählt 
das Öhr iei;-?ere. wimiger kritftige, weichere, iasd ; 've^«:diwi»deöde.. 
Töne« vnn weiekcnMti« und .wieder e.uiige • vollständig : -anstiMben, 
Dann wieder sefge« dieaeibeu lmri um! scharf eiö.nm alsbald 
wieder.:.)» der: bewhnebeTiH) Welfe sm weelmeln/ 1 Alsdann 
wurde bei ^atienf Vom 

9. Ft'hnmt. ab vollständige körperliche Ruhe ringvlisUen hatie. 
v^jü niurr miseibr FmB-A uWriüBeu daa .Vitrbft'ndeufein eioea ge- 
apaltenhi» au der Herzspitze und vua Dumpfheit der Tline 

fe^tgrsteBt: Darauf wurde wo» dersefbeß 
JVittorifj!? am 10 März. nachdem Patient- eiitf kurze 
gangeh war; hmaerkt, das« seine GefietdÄfarbe «ehr biaw und im 
yyrgleutli zu der am 1 März vorhauden govvesenrn gänzlich ver¬ 
ändert war end da«« in Ijuhohi. Grade Taojtyrardie Hiwland Bene 
«lsWliHt liölen, in den März und. April.. wiedei zwei von mir ange- 
stellte DnBn^hfthtutgeU. m?t dem Ergebnis». dass ich wieder 
Ai hythmteeti walirttahm ; Endlich haben 4mol* den FtFispliysikus 
Br. ,£ ilöterstmbungöit etattgefumlfm, ivfei deren Ergebniss die 
Beft»i dufteste be^ägmio rmPw’ni %% Mai * Dtttersuclunig 

desHerzens (nachdem Patient •UUigere . Äeit. gegangen war') ev- 

giebt,:..; 1.) eine ziemikdi erhebliche Verbreiterung der 
dämpfürig ha«fa die Föne sind revny ätter in Ihrer 

Freuuenz bbdemtend gesteigert, 3) die Intensität d^o;T«b;g, ;: #e.c4'' 
seit W jim bald rin4 di<selben demücb hart und sehr frequent, 
bä 1.4 weicher roeBi ':i*n ; ; o■ 

werden nidif .feite« und v.v.,äii on»/.. }-. ( .• t -. i. 

■einige -Mähe. RÖiläB4r'; : 'eiö^ii)|^4r.;nnt*-.rni %*, ;iuni 
„am v|||;(i^.;wäF der fieräfecKlug■ ver.stl.vkr, * ; k veGBrui; 

ein rascherRWeuhärd ib der FfhtiBräi:' ätttl dev 
Herzschlags, am wivh s. ?. . .• 

Hemdxte nor ang.dientet; um 3. hu. t f9Vr 

künden in der Intensität und der Fr yttfitrü der-, j 
20. duui: bald haitcro, f»ald ■weiche?, 
in der Frequenz wesigtu denöich “ o ;•••■•< ■ 





8 


Dr. Mittenzweig. 


1. Juli eine besonders starke Tachycardie mit Unregelmässig¬ 
keiten in der Frequenz der Herztöne geringeren Grades und da¬ 
gegen am 2. und 6. Juli wieder deutlicher ausgesprochene Arhyth- 
mieen,“ endlich unter’m 10. October — „bei einer Untersuchung 
am 25. September Unregelmässigkeiten in der Frequenz des 
Pulses insofern, als in anomaler Weise eine bald schnellere, 
bald langsamere Aufeinanderfolge der einzelnen Pulswellen sich 
bemerkbar machte.“ Auch die sonstigen Symptome, die zeit¬ 
weilige bläuliche Verfärbung des Gesichts und der Lippen, die 
Kälte der Hände und die immer wieder in Zeiten der Ruhe be¬ 
obachtete Verlangsamung des Pulses bis auf 56 in der Minute 
und die schon beim Ersteigen geringfügigster Anhöhen 150 er¬ 
reichende Beschleunigung desselben, besserten sich erst im Ver¬ 
laufe von Monaten und nicht ohne dass zeitweilige Rückfälle 
wiederholt und noch bis in die jüngste Zeit hinein vorkamen. 

Hand in Hand mit dem Rückgang der objectiven Erschei¬ 
nungen trat die Besserung auch im Bereich der subjectiven ein. 
Insbesondere verringerten sich allmählich die Dauer und die In¬ 
tensität der Ohnmachtsanwandlungen. Der das Bewusstsein in 
Mitleidenschaft ziehende schwanke Zustand blieb nicht mehr ein 
Tage und Stunden lang anhaltender, sondern beschränkte sich 
im Verlaufe der Monate mehr und mehr darauf, dass nur noch 
auf halbe Minuten den Patienten Empfindungen befielen, als ob 
er die Herrschaft über seine Glieder verlöre, als würde er nieder¬ 
stürzen, als fühlte er nicht den Stuhl, auf welchem er sass, und 
dergleichen. Muskelleistungen, schnell hinter einander ausge- 
führte Bewegungen oder längere Zeit fortgesetztes Stehen oder 
Gehen oder das Halten von Gegenständen mit den Armen, 
steigerten die Anwandlungen, welche andererseits schwanden, so¬ 
bald der Körper in die wagerechte Lage gebracht wurde. 
Ausserdem liess der mannigfache Wechsel des Zustandes ver- 
muthen, dass auch eine Abhängigkeit desselben von der jeweiligen 
Temperatur, dem Wassergehalt, der sonstigen Zusammensetzung 
und der Bewegung der atmosphärischen Luft bestand. Insbe¬ 
sondere gewann es den Anschein, als ob der Zustand relativ 
besser dann wäre, wenn solche Witterungsverhältnisse obwalteten, 
rücksichtlich welcher sich annehmen liess, dass dieselben einer 
ausgiebigeren Sauerstoff-Einathmung Vorschub leisteten und 
ausserdem nicht mit heftigeren Einwirkungen auf das Verhalten 
der Blutgefässe der Haut einhergingen. Immerhin war auch bei 
günstigster Witterung Patient noch im September ausser Stande, 
länger, als ungefähr drei viertel Stunde lang das Gehen ohne 
erheblichere Zunahme der dann auch objectiv in Form von Un¬ 
zulänglichkeit der Circulation erkennbaren Anwandlungen fort¬ 
zusetzen. Dessgleichen restirten lange die zeitweiligen abnormen 
Empfindungen in der Herzgegend, welche nach der Beschreibung 
des Patienten solcher Art sind, als ob schnell hinter einander 
einzelne heftigere Contractionen, gefolgt von einer längeren 
Pause, stattfänden. 



Bericht über den weiteren Verlauf des in No. 4 des vorigen Jahrg. etc. 9 


Nachdem somit der Verlauf sowohl des Münchener, als auch 
unseres Falles als einigermassen übersehbar vor uns liegen, 
werden sich im Anschluss an den bezüglichen Artikel des vorigen 
Jahrganges noch einige Betrachtungen über die Aehnlichkeit der 
Symptome der beiden Fälle verlohnen. Allerdings war von 
vornherein eine bis in alle Einzelheiten ausgeprägte Congruenz 
derselben nicht zu erwarten. Schon Eusemann schreibt in 
seinem Handbuch der Toxikologie, Berlin 1862, Seite 106: „Von 
Hasselt erinnert mit Recht daran, dass es zwei einander voll¬ 
ständig gleiche Fälle von Vergiftung nicht giebt.“ 

Immerhin erhellt, was zunächst den Münchener Fall betrifft, 
Nachstehendes: Die Folgen der Vergiftung äusserten sich in 
erster Reihe in Form von Störungen des Allgemeinbefindens. Die 
Münchener Krankengeschichte schildert diese Störungen, indem 
dieselbe zum Beispiel anführt: „Die Kranke bekam während der 
Fahrt einen leichten Ohnmachtsanfall“ und „die Kranke kehrt 
von kleineren Wegen jedes Mal äusserst erschöpft und nur mit 
Nachhilfe zurück.“ Die Münchener Krankengeschichte lässt 
ausserdem erkennen, dass insbesondere das Nervensystem und im 
Bereiche desselben auch das Gehirn und dieses unter Erschei¬ 
nungen von gesteigerter Reizbarkeit betheiligt war und dass 
ferner Störungen, und zwar Erscheinungen von Schwäche, von 
Erschöpfung und von Unbeständigkeit im Bereiche der Circulation 
hervortraten. Dass das Gehirn eine gesteigerte Reizbarkeit 
zeigte, ergiebt die Münchener Krankengeschichte insofern, als 
dieselbe unter den Symptomen aufführt: „fast absolute Schlaf¬ 
losigkeit,“ „Schlaf äusserst kurz, von schweren Träumen und 
dem Gefühl des Versinkens unterbrochen,“ „Zusammenfahren bei 
Geräuschen“, „zeitweiliger Kopfschmerz“, „Innere Unruhe, die 
Neigung, fortwährend die Lage zu wechseln.“ Dass ferner der 
Kreislauf des Blutes Erscheinungen von Unzulänglichkeit und 
abnorme schwanke Zustände darbot, erhellt ebenfalls aus der 
Münchener Krankengeschichte, und zwar im Hinblick darauf, dass 
dieselbe in der Reihe der Symptome anderweitig aufzählt: „eine 
äusserst auffällige, jedoch mehrfach mit Röthung wechselnde 
Blässe des Gesichts, wechselnde Frequenz des Pulses, Kleinheit 
desselben, auffällige Schwäche der Herztöne“, „grosse Herz¬ 
schwäche, das Gesicht ist sehr blass, jedoch oft schnell wieder 
congestionirt, Füsse und Hände kühl“, „Unruhe besonders nach 
dem Essen“, „auffallend schwache Herzthätigkeit, stark wechselnde 
Füllung der Blutgefässe im Gesicht“. 

Unter die somit aus der Münchener Krankheitsgeschichte in 
die Augen springenden Gesichtspunkte „Unbeständigkeit und Un¬ 
zulänglichkeit im Bereich des Kreislaufes des Blutes und ge¬ 
steigerte Reizbarkeit (Hyperästhesie) im Bereich des Gehirns“ 
sind die Störungen, welche nach den Einathmimgen in dem 
Berliner Falle auftraten, ebenfalls unterzubringen. Denn dass 
insbesondere im Bereich der Circulation unseres Patienten ab¬ 
norme schwanke Zustände Platz gegriffen hatten, erhellte schon 
aus dem oben beschriebenen objectiven Krankheitsbilde hinläng- 



10 


Dr. Mittenzweig. 


lieh. Inwieweit ausserdem bei unserem Patienten eine durch das 
Gift herbeigeführte Steigerung der Reizbarkeit im Bereiche von 
Gehimfunctionen sich geltend gemacht habe, bleibe dahingestellt. 
Jedenfalls waren im Wesentlichen die Folgen der Gesundheits¬ 
beschädigung darauf hinausgelaufen, dass die Versorgung des 
Gehirns, eventuell auch zugleich per circulum vitiosum diejenige 
der Herz-Kranzgefasse, mit dem erforderlichen Sauerstoff in ab¬ 
normer Weise ungleichmässig und zu Zeiten geradezu unzuläng¬ 
lich geworden war. 

Die sich weiter aufdrängende Frage, welches Organ im Ein¬ 
zelnen das am ersten und am meisten bei der Herbeiführung 
dieser Unzulänglichkeit betheiligte war, berührt nicht die that- 
sächliche Feststellung des ursächlichen Zusammenhanges der 
Einverleibung des Giftes mit der Gesundheitsbeschädigung an 
und für sich. Im Gegentheil lässt der derzeitige Stand der 
Toxikologie es angemessen erscheinen, dass man es bewenden 
lässt bei einer so allgemein, wie möglich, gehaltenen Aufstellung 
der Kriterien, wie eine solche oben erbracht ist. Denn wenn 
Patient noch mehr Blausäure, als geschehen, bezw. das einge- 
athmete Quantum in einer kürzeren Zeit eingeathmet und auf 
diese Weise durch eine noch stärkere Einwirkung des Giftes 
einen noch grösseren Schaden und eventuell sogleich den Tod 
davongetragen hätte, so wäre ebenfalls die Anerkennung des 
ursächlichen Zusammenhanges an sich unabhängig gewesen von 
der Frage, deren Beantwortung auch dann noch nach dem Stande 
der Wissenschaft zweifelhaft geblieben sein würde, welches unter 
den einzelnen Organen den schwersten und den am meisten ver- 
hängnissvoll gewordenen Schaden erlitten habe. 

Immerhin mögen zur Illustration der Wirkungen der Blau¬ 
säure im Anschluss an die dieserhalb bereits in den früheren 
Artikel aufgenommenen Citate noch die nachstehenden eine Stelle 
finden. Eulenberg in seinem Handbuch der Gewerbehygiene, 
Berlin 1876, schreibt Seite 382: „Die Blausäure besitzt noch in 
höherem Grade, als Kohlenoxyd die Eigenschaft, den Sauerstoff 
aus dem Blute zu verdrängen. Wird mit Blausäure gesättigtes 
Blut in einer Absorptionsröhre über Quecksilber mit reinem 
Sauerstoff behandelt, so wird dieser nicht absorbirt, auch die 
Farbe des Blutes nicht verändert. Wird dagegen mit Sauerstoff 
gesättigtes Blut in einer Röhre über Quecksilber abgesperrt, so 
dass sich keine Luftblasen über dem Blute befinden, so wird 
durch Zugabe von flüssiger Blausäure allmählich Gas entbunden, 
welches aus Kohlensäure und Sauerstoff besteht; letzteres waltet 
so weit vor, dass ein glimmender Span darin fortglüht, wenn 
vorher die Kohlensäure durch Kali weggenommen ist. Zu diesem 
Verhalten der Blausäure dem Sauerstoff des Blutes gegenüber 
kommt aber noch ihre directe Wirkung auf die Nervencentren.“ 
Husemann 1. c. schreibt pag. 48: „In den meisten Fällen übt 
das mit giftigen Stoffen geschwängerte Blut auch einen 
nicht zu übersehenden Einfluss auf die Wandungen der 
Venen und Arterien aus, deren Function und Nutrition ge- 



Bericht ilher A'it weiteren Yarl»«f ÜA*»,bi 4 dos vorige« .laln-g. etc. 11 

stört Wird,' wäs .;M;'4% : ^Bed^tö^.u-welcfee die Beschaffenheit 
and Th&tigkeit. der geflammten ihriislationsurgaue and des Blateti 
seittat liir de» Stoffwechsel lind die yön dle^iü abhängigen Ver¬ 
hältnisse des Ot'^atusmnAv häibßn, da& Auftreten maanigfacher 
AlIgemeiu-KrscheinHngen zm: Folge habet» mues (sog, Aite- 
rautiaj. Auch davon abhängig sein, 

wie z. B. durch f^lusung^ 4ie i;yftno(i»ch(m 

Ersclieimuigmi bei Btausäm-evergit'müg sich erkläret».“' ^’ F. A. 
Falck in seinem .der. pmkt Toxikologie» Stuttgart 

1880. schreibt Seite 107: „Auf die Cireul u ti o osorgätte über» 
die Oyangifte eilte intensive Wirkung aas.“ h. Hermann 
schreibt in sei item Lehrbuch der experira. Toxikologie, Berlin 
1874, Seite 203: f ,I)ie Wirkungen der Bl dbsituffe sind 
offenbar durchweg sulche auf nervöse Centralorgane“ 
und Seite 295; tnan an., dass dieRiegen wart der 

Blausäure die respiratorißchen Vorgänge in den Ge¬ 
weben erschwert oder hindert,, so lassen sich a 11 o Er¬ 
scheinungen ableiteu. In den Gang!ienzeilen der Warm¬ 
blüter. welche diese Vorgänge keinen Augenblick ent¬ 
behren können, tritt durch jene Wirkung dieselbe; 
Erregung auf, wie bei den anderen Arten de» localen 
Be»pfrötjonsstörnag rt , sowie mit Bezug Uieräuf Seite 296: 
„Ganglihae CentralappaTa te können schön durch einen 
Grad der Erschwerung der Gewebaathmur.g heftig leiden, 
den andere 'Organe, z B. die Muskeln noch gar nicht 
merken.“ 

Was ferner die Symptome der Blausäurevergiftnng betrifft, 
so werden als solche r&ckaichtlich der Fälle, in welchen eicht 
sogleich der Tod emtrat, von FTusemaun 1. t. pag. 717 ange¬ 
geben; ,, Zusammenziehendes Gefühl im Schlunde, Nausea, ü(>- 
proseion der Brust, PaipitÄtinneR. Schwere ins Kopf, Schwindel, 
Gedaukeßverwirrnug.' Rerah.seUutig de?- Muskelkraft.' 4 , sowie 
ferner von Fa3ek 1 >■. pag, 196; v .Kratzen im Halse, Schwere 
im Kopf, Schwindet ÖVhelkdfU A^^^fPrastljekletamung; Mnakel- 
sdhwächo“. Diese angeführten ßoscheinengea waren hoi dimerem 
•Patienten nach /der^ während und nach 

den ßinathuiungeu vorhanden. Diesen Erschwoupgen pflegen die 
mehr bedrohlichen, ziemlich plötzlich in den födtlieh verlaufenden 
Fällen zu folgen. Falck, au der soeben aflgefiUirten Stelle, 
fährt nach dem Whrtfe; ^MtokeisehWäcite’V. fort; ,,Die Resphratfon 
erfolgt-■■■.■keuchend, mühsam, der Puls ist verlangsami, pKStsüdt 
Btürzf der Vergiftete bewusstlos zu Boden und verÄllf in, 
.allgemeine Convulsionen, '4fci$ära jedoch nicht lange, 

sondern machen bald der aXlgbihßniööL : Pikte/’: 
desshalb — glücklicher Weise tmoer Patient idchf lueöwo----: / 
gestürzt und nicht in die welcdse tödiffohen. ' 

gang «inleiten, verfallen ist, so ist .doch v woM .möglich. a 

Znstaud bis dicht vor den Moment, in welchem da 
stürzen hätte erfolgen müssen, im Verlaufe der währ • ; 

Stunden geschehenen Eiilathimmgen gediehen war uu> • • 

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*tv?;r j'tV'V', '-.’A.-.' *,.v * /.*• .*•« - •: • v V--.* . >':• * ■'■•w.v/- 4 -VaW- 'i v •- . • > ■ 




12 


Dr. Mittenzweig. 


vor dem Niederstürzen und vor den Krämpfen und der Paralyse 
nur mit genauer Noth und vielleicht nur dadurch bewahrt blieb, 
weil er wiederholt sein Gesicht von den Höhlen der Leiche, so¬ 
bald ihm gar zu schlecht zu Muthe wurde, ab wandte. Somit 
erscheint für das toxikologische Verständniss wesentlich, dass 
man nicht die Intensität der Blausäure-Vergiftung in solchen 
Fällen desshalb unterschätzt, weil dieselbe nicht eine Demonstra¬ 
tion ad oculos durch den tödtlichen Ausgang erfahren hat. 

Andererseits drängt sich die Frage auf: Kann die Rede 
sein von einer chronischen Vergiftung mit Blausäure ange¬ 
sichts der Flüchtigkeit, Zerlegbarkeit und Eliminirbarkeit dieses 
Giftes? Diese Frage wird zu verneinen sein, insoweit man den 
Begriff „chronische Vergiftung“ in dem im Allgemeinen üblichen 
Sinne versteht. Denn wo noch am ersten chronische Cyan-Ver¬ 
giftungen gesucht werden könnten — nämlich bei Gelegenheit 
der fabrikmässigen Erzeugung der Blausäure-Präparate — wird 
man de facto nur repetirende acute Intoxikationen finden. Was 
aber für uns in Frage kommt, verdient die Bezeichnung, welche 
für solche Fälle Casper eingeführt hat: „Protrahirte Wirkung 
eines Giftes“. Und gerade wegen der Zerlegbarkeit und Elimi¬ 
nirbarkeit der Blausäure werden ceteris paribus repetirende 
acute Vergiftungen nach Art der oben gedachten, d. h. in 
längeren Zeiträumen einander folgende Einverleibungen geringerer 
Mengen der Blausäure Gesundheitsbeschädigungen chronischen 
Charakters weniger leicht hinterlassen, als eine einmalige Ein¬ 
verleibung eines grösseren Gift-Quantums, wie eine solche in 
unserem Falle durch die anhaltend drei Stunden lang fortge¬ 
setzten Einathmungen an einer reichlich die Blausäure ab¬ 
gebenden Quelle erfolgt ist. 

Denn dass thatsächlich diese Abgabe reichlich war, beweist 
schon der intensive Geruch, welchen die Leiche verbreitete, so¬ 
bald sie auch nur in den Obductions-Raum hereingefahren wurde, 
sowie ferner der Umstand, dass eine Aufnahme des Cyankalium 
in ganz aussergewöhnlich grossen Mengen stattgefunden hatte. 
Hinzukommt, dass für das Freiwerden der Blausäure aus dem 
Cyankalium in der Leiche die Verhältnisse die denkbar günstig¬ 
sten waren. Man vergegenwärtige sich in dieser Beziehung das 
chemische Verhalten des Cyankalium, wie dasselbe von Eulen¬ 
berg in dessen Handbuch der Gewerbehygiene, Berlin 1876, 
Seite 384, folgendermassen geschildert wird: „Wird Cyankalium 
mit Wasser behandelt, so bildet sich stets Blausäure, worauf 
die Laboranten sehr zu achten haben. Auch an der Luft zer- 
fliesst das Cyankalium unter Entwickelung von Blausäure; schon 
aus diesem Grunde ist dessen sorgfältigste Aufbewahrung ge¬ 
boten. Cyankalium entwickelt schon durch den Einfluss der 
feuchten atmosphärischen Luft Blausäure. Wird das Cyan¬ 
kalium per os aufgenommen, so beschleunigt die im Magen 
enthaltene Säure das Zerfallen des Cyankalium, und die Ent¬ 
wickelung von Blausäure veranlasst dann die Vergiftung.“ 



Bericht über den weiteren Verlauf des in No. 4 des vorigen Jahrg. etc. 13 


Ausserdem mag in den Fällen, in welchen zwar repetirend 
Einverleibungen von Blausäure erfolgen, jedoch auf ein Mal 
immer nur ein geringes Gift-Quantum aufgenommen wird, die 
individuelle Empfänglichkeit sich durch Gewöhnung in ähnlicher 
Weise, wie bei Morphinisten, Arsen-Essern oder dergleichen Per¬ 
sonen abstumpfen. An dieser Stelle erledigt sich auch im 
Uebrigen die Frage, wesshalb so selten Wirkungen der Blausäure 
nach Art der in Rede stehenden zur Beobachtung gelangen, bezw. 
öffentlich bekannt werden. Denn erstens sind schon an und für 
sich die Anlässe zu Vergiftungen mit Blausäure selten im Ver¬ 
gleich mit solchen zu Vergiftungen mit Kohlenoxyd, Jodoform 
oder ähnlichen anderen mehr im häuslichen oder gewerblichen 
Leben oder als Medicamente vorkommenden Giften. Zweitens 
hat die intensive Giftwirkung der Blausäure zur Folge, dass die 
bei weitem meisten der schwereren Fälle sogleich tödtlich ver¬ 
laufen, so dass schon desshalb nichts über Beschädigungen 
chronischen Charakters verlautete. Schreibt doch mit Recht 
Hermann 1. c. pag. 288, bezw. 295: „Die Blausäure ist unter 
allen bekannten Giften das stärkste. Ein Tropfen wasserfreier 
Blausäure, mit einer kleinen Hautwunde in Berührung kommend, 
hat, wie mehrfach beobachtet ist, augenblickliches Niederstürzen 
zur Folge.“ Die Blausäure ist aber auch, wenn dieselbe mittels 
der Athmung ein verleibt wird, geeignet, die giftige Wirkung in 
intensiver Weise hervorzubringen. Husemann schreibt hierüber 
1. c. pag. 712: „Das Zerbrechen von Blausäure enthaltenden 
Flaschen hat durch die Dämpfe mehrmals den Tod herbeigeführt. 
Auch schon das unvorsichtige Riechen an solchen Flaschen, so¬ 
wie unvorsichtige Versuche mit Blausäure überhaupt (Bertin) 
können Opfer fordern“. Drittens werden bei denjenigen Gelegen¬ 
heiten, wo noch am ersten die nicht sogleich tödtlichen Fälle 
Vorkommen, nämlich wo fabrikmässig Blausäure-Präparate herge¬ 
stellt werden, zwar wiederholt kleinere, jedoch bei den dort in 
Benutzung befindlichen Vorkehrungen nicht drei Stunden hindurch 
auf ein Mal an einer so reichlich, wie jene Leiche, das Gift ab¬ 
gebenden Quelle gleich grosse Mengen eingeathmet. 

Schliesslich erübrigt noch eine Ergänzung der schon in dem 
bezüglichen Artikel des vorigen Jahrgangs begonnenen Umschau 
auf dem interessanten Gebiet der sonstigen Casuistik von Ver¬ 
giftungen, bei denen in analoger Weise Nachwirkungen, Folge¬ 
zustände, Nachkrankheiten auch noch, nachdem das Gift in dem 
betroffenen Organismus bereits zerlegt, bezw. aus demselben be¬ 
reits eliminirt ist, fortdauern. Schon Husemann äussert sich 
über Vorkommnisse dieser Art 1. c. pag. 57 dahin: „Die Ge¬ 
nesung, mag sie nun mehr allmählich oder plötzlich zu Stande 
kommen, ist keineswegs immer eine vollständige, selbst wenn die 
Gesammtquantität des Giftes eliminirt wird. Denn wenn auch 
dem Grundsätze „„cessante causa cessat eflfectus““ zufolge nach 
Ausscheidung des Giftes keine weitere Wirkung desselben sich 
mehr entwickeln kann, so sind damit doch die durch dessen 
Wirkung schon zu Stande gekommenen Functions- und Er- 



14 


Dr. M. Freyer. 


nährungs-Störungen nicht sofort beseitigt, und manche organische 
Läsionen, sowie die verschiedensten functioneilen Alterationen 
der Circulation, Innervation u. s. w. bleiben als mehr oder weniger 
dauernde Zustände zurück. Wie die mannigfachen Ernährungs¬ 
störungen in Folge entfernter Wirkung, welche wir in § 35 an¬ 
deuteten, keineswegs alle danach aussehen, als ob sie in kurzer 
Frist zur Ausgleichung kämen, so“ u. s. w. „Viele andere 
zurückbleibende Störungen, z. B. Gastralgie nach Kupferver¬ 
giftung, Gliederschmerzen nach Arsenikvergiftungen, Gesichts¬ 
verzerrung nach Belladonna- oder Digitalis-Vergiftung, Impotenz 
nach Bilsenkraut-Vergiftung, gefährden das Leben gar nicht 
direct, aber sie bestätigen den Satz, welchen schon Paulus 
Zacchias im 17. Jahrhundert aussprach: 

Venena, nisi occidant, relinquunt saepe insignem ali- 

quam noxam.“ 

Der Artikel des vorigen Jahrgangs nahm bereits Bezug auf 
die Nachkrankheiten, welche zufolge von Einwirkung von 
Kohlenoxyd Vorkommen. Ferner gehören hierher die sich als 
fettige Metamorphose des Herzens, der Leber, der Nieren v sowie 
der Körper-Muskulatur charakterisirenden Nachwirkungen von 
Chloroform, auf welche bereits Casper aufmerksam gemacht 
und welche in neuerer Zeit Ungar experimentell beobachtet hat, 
und zwar auch, nachdem die Einathmung des Mittels nur unge¬ 
fähr eine bis zwei Stunden angedauert hatte (Cfr. Berliner klini¬ 
sche Wochenschrift, 1884 No. 5, Seite 77). Ein ferneres Beispiel 
dafür, dass Beschädigungen des Nervensystems chronischer Art 
schon durch eine einmalige Aufnahme einer toxischen Substanz 
bedingt werden können, liefert der in den Annales m6dico- 
psychol. 1885 von Planat beschriebene Fall, in welchem eine 
Vergiftung mit Kampfer Störungen verursacht hatte, deren 
Dauer sich auf mehrere Monate erstreckte. Auch die nach 
Schlangenbissen vorkommenden Bewusstseinsstörungen seien 
erwähnt. (Cfr. Obersteiner, die Intoxikationspsychosen, Wiener 
Klinik 1886, Heft 2, Seite 37 und 38). Ferner erfuhr ich über 
Cocain, dass im Anschluss an eine aus Anlass einer Zahn¬ 
operation geschehene Einverleibung desselben ein schweres chro¬ 
nisches Nervenleiden eine vorher gesunde Frau befallen habe. 

Im Uebrigen ist von besonderem Interesse, dass es mehrfach 
in Fällen der in Rede stehenden Art vorkommt, dass die chro¬ 
nischen Erscheinungen nicht sogleich nach Schwinden der acuten 
anftreten und dies selbst in Fällen, in denen sich beträchtliche 
und hartnäckig andauernde Ernährungsstörungen im Gehirn dem¬ 
nächst heraussteilen. Es ist nicht nothwendig, dass in Form 
einer erkennbaren Symptomenkette eine Ueberleitung des acuten 
in das chronische Stadium stattfindet Am meisten sind in dieser 
Beziehung das Kohlenoxyd und das Jodoform instructiv. In 
Betreff des ersteren äussert sich Obersteiner 1. c. pag. 37 
folgendermassen: „Bei der Kohlenoxydvergiftung kann die Geistes¬ 
störung sich unmittelbar an die primäre Bewusstseinstrübung an- 
schlie8sen oder aber — wie dies sehr häufig der Fall int — es 



IHo ÖM.miwurmruUtel \m Hiviv'Uvrkii-ril' $ 

erholen «ich die Personen anscheinend, und erst nach einem nahe¬ 
zu normalen Intervall T>;m eiöef Wnchc oder' noch mehr beginnt 
die eigentliche' PsyehoBw. Kreiere Fälle sind .günstiger, als die 
der zweiten Aid. Manche Fälle kommen allerdings zur Heilung, 
doch geheti iKdöjrfe'/ttÄck; wenige» Monaten zu Grunde, und zwar 
hat man dann wiederholt erweichte .Stellen in der (ifehirnsuh- 
stanz vorgetuudeu. Jedenfalls handelt o Bich also dabei um 
eine sehr beträchtliche Krnälmingsstöruüg in» Gehirn. Ich möchte 
hier »öf-eiae Uehereiitatiiumung mit anderen rasch einwirkendan 
Schädlichkeiten, uämoötlieh Traumen, hin weise«,/-•.8#..halte- ich 
bekt»el«w#e naefagewieseu. dass jene Fälle p» HöckeniDarka* 
Ersschilttemug, in denen gleich nach dem Insult keine auffälligen 
Symptome b^tanden, sonden* diese erat nach ansebemend oor* 
irialer ?5wijtehenperiode zum Ausdruck gelaugten, meist ungünstig 
verlaufen.. 1& - darf nicht Äberaehen worden. Jobs maneho Per¬ 
sonen, welche eine Kolüeöi^fä^^ftttng dttfehgenmdht. haben, 
ohne gerade dauernd gdätrage^ört < 2 « sein, doch einen leichten, 
nie mein - _g»nk 8chwinden»ien ptistigeft Defect davöiifcragen. 1 * In 
Betreff' des Jodoform führt dereel.be Autor I. c. pag 41 au. 
„dass gelegentlich schon nach einmaliger Application von Jodo¬ 
form in m&ssigek Iloeis geistige Störungen auftreten und zwar 
merkwürdigerweise mitunter erst nach acht Tagen oder noch 
später; Boi det Säctiou hat man iiii Centralnervensysteni keine 
deutlichen Verändertingen gefunden,“ 

Das Jodoform liefert zugleich ein vortreffliches Beispiel da¬ 
für, innerhalb welcher Breiten individuell dijk EmpfänglfchkeH | 
gegen Gifte verschieden ist. ^Wordeö doch Belum uaeb Doeen 
desselben von 1 Grm. Vergiftttngs-FrscheiTumg^.oi beob&chft&k 
während in anderen Fü 1 fenvtOÖ / find .■ • ‘iöplhsf ;.Stift; Grm, Vertrsgä# 

werden lOfr Obe rst einer ibid). 

. : • • • ' ■ • ■ 

Oie Bandwurmmittel im Handverkauf.*) 

Von fir. Bf. frwjrsr, K'm«pbyMiktt» in Htofctirs. 

lieber die jiälfeitete Verabfolgung von Bandwurmmitteln in 
de« Apotheken ist erat- neuere» Datmas. unter dem b Juli 1884. 
**ino Minister!al Verfügung ergangen, in welcher atisdrück lieh hor- 
vorgehdbeii wird, dass Kusse, Corte* Granati, Bbizoma Filiois 
„und andere sogenannte Bandwurmmirtet als Drogne« Von de« 
Apothekern auch ohne ärztiicM das Publikum 

verabfolgt worden dürfe«, da. diese StdffW bJGiF 
je tilgen gehören, welche — als etarl wirkende Melk/- 
rannte s— nur auf ärztltuki: schriftliche \Cer«*riln»tng aKv 
gegebeß werden sollen. 1 ' 

Während man änd.lioherae)tP die Uandwucountfiei 
pharmakologischer und vornehmlich praktischer 1-. 

*) Vurgßtmgea iiu v, is«>no.:haI'tlichen V’nr'H» *• .. 1 

4. Uecpmbor 






16 


Dr. M. Freyer. 


durchaus differente Stoffe und eine Bandwurmkur immerhin für 
einen „forcirten Eingriff“ (Strümpell) hält, fasst jene Ministerial- 
verfügung diese Stoffe nicht als starkwirkende auf. Dieser Auf¬ 
fassung hat sicherlich die allgemeine Erfahrung zu Grunde ge¬ 
legen, dass bisher scharfe oder gar tödtliche Wirkungen seitens 
jener Stoffe nicht bekannt geworden sind. Selbst von dem jetzt 
gebräuchlichsten Bandwurmmittel, dem Extr. Filic. mar. aeth., 
hat man so oft mangelhafte Wirkungen gesehen, dass dieser 
Misserfolg, den man meistens der Mangelhaftigkeit des Präparates 
zuzuschreiben genöthigt war, jene ministerielle Auffassung nur 
um so gerechtfertigter erscheinen lassen muss. 

Allein gerade das letzterwähnte Mittel — und von diesem 
will ich besonders sprechen — wird von den Aerzten denn doch 
nicht als ein so harmloses Medicament, wofür es nach jener Ver¬ 
fügung ebenfalls gehalten werden müsste, angesehen. Wir er¬ 
innern uns, dass man das Extr. Filic. in früherer Zeit in sehr 
kleiner Dosis zu verordnen pflegte. Nach der Arzneiverordnungs¬ 
lehre von Waldenburg und Simon vom Jahre 1873 sollte man 
einem Erwachsenen 0,5—2,0 und dieses noch in zwei Portionen 
getheilt geben. Erst in neuerer Zeit, als man dahinter kam, dass 
das als Geheimmittel von dem bekannten Bandwurmhändler 
Richard Mohrmann vertriebene Bandwurmmittel aus einer sehr 
grossen Portion des Extr. Filicis, das dazu noch möglichst frisch 
und aus guten Kräutern bereitet sein musste, bestand, ist es 
Brauch geworden, auch ärztlicherseits grössere Dosen von diesem 
Mittel zu verordnen, und man kennt jetzt als übliche Dosis bis 
10,0, neuestens nach Gerhardt sogar bis 16,0 für den Er¬ 
wachsenen. Hat man jedoch selbst bei dieser erhöhten Dosis 
gefährliche Nebenwirkungen im Allgemeinen bisher nicht be¬ 
obachtet, so bin ich dennoch überzeugt, dass Jeder von uns 
wenigstens die Möglichkeit solcher Nebenwirkungen befürchten 
und einen Patienten, dem eine so grosse Dosis verordnet worden, 
mindestens unter Augen behalten wird. Noch vorsichtiger wird 
man sicherlich trotz dieser erlaubten grossen Dosen bei Kindern 
verfahren und überzeugt Bein, dass man ein ganz junges Kind 
mit einer zu grossen Dosis jenes Medicamentes direkt gefährden 
könnte.*) 

In Folge eines Vorfalles, der sich im vorigen Jahre hier 
zugetragen und der zur gerichtlichen Erörterung desselben ge¬ 
führt hat, bin ich in die Lage gekommen, auch der Frage nach 
der gefährlichen Seite des genannten Mittels näher zu treten. 

Einem Kinde von 2 8 / 4 Jahren waren im Laufe der Morgen¬ 
stunden 10 Bandwurmkapseln eingegeben worden, von denen 8 je 
1 Gramm Ertr. Filic. und 1 Gramm 01. Ricini und 2 nur reines 
Ricinusöl enthielten. Das Kind wurde alsbald somnolent, verfiel 
in Schlaf, war nach dem Erwachen noch geistig benommen, ver¬ 
wirrt und, wie es der Mutter schien, „wie gelähmt“. Es konnte 


*) Rauschähnliche Zustände habe auch ich bei Erwachsenen nach dem 
Mohrmann'sehen Mittel gesehen. (Mittenzweig}. 



FHft l|jt Handverkauf. 


n 


sieb nicht mehr vom Bet te erbeben, g riff unruhig mit, den Händen 
umher, bekam UTianfborlich^n Singiiliue und. sein Zustand wurde 
yoa Stunde au Stunde aehlmmeL Abends erhielt es- noch ein 
horaöopatiifsebes Medikament, doch Mlöd die Schwäche im Laufe 
der N&ehf stetig ai. ;efe schienen auch noch krampfartige Er- 
scioimiQgerx ardgetreien m sein, und schon am nächsten Morgen, 
also kaum '20 Stunden nach dem Einnahmen der Kapseln, ver¬ 
schied das Kind, 

Ich W'IH liier gleich hinzufhge«, dase die Sectio« einen 
hjperämischefi Heizmiafid der Magen* and Darajsch leimhaut 
sowie venöse Stauung in fast allen Organen, voröfelnulieh io Herz. 
Lungen nml Gehirn ergehen hat , während durch die chemische 



'pik gangbare«; plmraMdtologischeH Lehrbücher wissen Todes- 
fälle, dift.etwa; 'fuiy>ß'.;'BaJhÄWttrtamiitteJspeziell durch das Estr, 
F’ilic. herbeigeführi worden Wären., nicht •anzüt'librea. Es lag 
mir .daher ob-,- d&ft zu erbringen, dass 

dieses Mittel Biaisäi>hlich geeignet sei. rüder Brost Anden 'selbst 
tödtiieh m wirken, 

lu der neuere« Literatur wiis! aus dem Jahre 1882 «her 
eilten Pall an« ' Amerika 'lieriehtdt^,S& w r eleh:göt ein Mann von 
30 iialiren nach tÄner durch• > r e4&Tbj^ : ; ; 't^ ; ' jLtätäi orhaitenen 

fk«ns von l l l’nzon t ■=•- 4&_2- iTmmm .statt 1 1 /' Dvaehmrm 


von l 1 -. Unzen j» 43,2 : :'Öni'mnt v ..statt VL Drachmen 
5,4 Gramm), die er in 2 PörfirnjA« eitmahmi 14 Stunden nach 
d*n zweiten Portion verstarb, 

Ira .Anschluss m dieoeo Fall werden von einem englischen 
Arzte.: Spencer ÜobjNld**)i mehrere Fälle erwähnt, in welche« 
schwerere Vefgiftüngseracheidiöigwh «ach d^ßV .Ge»aas des JEstr. 
FUtc. aufgefcreten nekn. tintcr Ariderem Gelbsacht, bot einem Er¬ 
wachsene« nach 7,2 Gr»Ä (JeiHteb'VtfrwpTtUig bei einem. Knaben 
von 7 Jahren nach 3,0 Granu» der E'xnwctor; und andere 
schwerere Symptome uaeh ca, 10 Graiant 



gestellt hat und nafi'h wßjeher er nach dem Gennas von 4 Gramm 
des dotdigein^ wirksameren Preparateis simm 

Erbreche« und DhrcitfaH:. «och SetrvvjhdeL Gittern am• ganzen 
Kdrper, Äufstossen. L'oRapsoi«cbetBnngen und schliesslich eine 
einsf findige Uhnm^oo. davongetvagew. 

H. Meäcke***) beobachtete 'in einem Falle nach :o- 
da« TSytmktaa Eiweiss und CfHnder im Harn, und 


B The foncet, 1882, Vn{. U. K 630. 

**) lbid Ü. m. 

***} ZeiMtr- f. klia. M«dlc„ 188», Ud, 6. 
t ) Prag, owui WiicbcDftchr, No, 41, 4B3& 





18 


Dr. M. Freyer. 


richtet von einer 26 jährigen Frau, bei der sich nach 17 
Gramm ansser Erbrechen und Diarrhoe ein ungeheures Schwäche¬ 
gefühl, Ohnmächten und schliesslich ein soporöser Zustand von 
30 Stunden Dauer einstellten, aus welchem sie nur mit Mfthe zu 
erwecken war und nach welchem sich noch vorübergehend Amau- 
rose und Pupillenstarre auf dem linken Auge zeigten. 

Endlich sind aus Anlass des hier beobachteten Falles und 
indirekt auf meine Anregung in dem Berliner pharmakologischen 
Institut Thierexperimente mit dem Extr. Filic. angestellt worden, 
deren Resultate in einer Dissertation*) niedergelegt sind. Nach 
denselben steht es fest, dass Kaninchen durch 2,5—5,0 des Ex- 
tractes getödtet werden, und zwar ist die Wirkung theils eine 
direkte auf die Magen- und Darmschleimhaut, theils eine toxische 
auf das Centralnervensystem. 

Somit ist die Giftwirkung dieses Medicamentes als erwiesen 
anzusehen und unsere Besorgniss, mit einer zu grossen Dosis ein 
Menschenleben zu gefährden, eine durchaus gerechtfertigte. 

Steht letzteres aber fest, sind wir genöthigt, genau zu dosiren 
und selbst unter bestimmten Sorten des Präparates, wie z. B. 
zwischen unserem und dem Livländer Präparat, zu unterscheiden, 
so ist es eben so unzweifelhaft, dass dieses Medicament nicht in 
den Handverkauf der Apotheken hineingehört. 

Nun ist es zwar durch dieselbe, oben erwähnte Ministerial- 
verfügung den Apothekern untersagt, die Bandwurmmittel „in 
bestimmter Form und Dosis, mit Gebrauchsanweisung versehen“, 
anzuempfehlen und im Handverkauf abzugeben, weil es sich dann 
nämlich um die Ausübung einer ärztlichen Thätigkeit handeln 
würde, die ihnen schon durch die revidirte Apothekerordnung 
vom 11. October 1801 verboten ist. Allein vorausgesetzt auch, 
dass dieses Verbot in den Apotheken strikte beobachtet würde, 
so dürfte es sich dennoch bei jeder beliebigen Abgabe dieses 
Mittels im Handverkauf, gleichgültig ob in Gelatinekapseln und 
in signirten Cartons, oder in Fläschchen bez. Krücken, stets um 
eine „bestimmte Form und Dosis“ handeln. Denn das Publikum 
kennt zwar Zittwersaamen und Wurmkuchen und kauft davon 
für ein bestimmtes Geld, wie es etwa für 10 Pfg. Brustthee oder 
für 20 Pfg. Ricinusöl kauft, aber es kennt doch nicht das Extr. 
Filicis. Glaubt es daher, ein Mittel gegen den Bandwurm 
brauchen zu sollen, so verlangt es in der Apotheke schlechtweg 
etwas gegen den Bandwurm, und der Apotheker verordnet in 
diesem Falle selber das Extr. Filic. und verabfolgt es in der ihm 
beliebten Dosis. 

In dem hier so Übel abgelaufenen Falle war das Bandwurm¬ 
mittel von einem Apotheker aus Baiern bezogen. Trotz der 
Mittheilung, dass es sich um ein Kind von 2 8 / 4 Jahren handele, 
erhielten die Eltern desselben eine Portion, wie sie sonst für 
einen Erwachsenen abgegeben wird, weil eben besondere Portionen 


*) Wilhelm (Juirll: Experimentelle Untersuchungen über die Wirkung 
des Extr. Filic. maris. Inaug.-Diss. Berlin, 1888 . 



Die ßand'wurmmittel im Handverkauf. 


19 


für Kinder hier nicht vorräthig gehalten werden. In anderen 
Apotheken giebt es allerdings anch Portionen für Kinder. So 
annoncirt die Hofapotheke Boxberger zn Bad Kissingen (z. B. im 
ärztl. Central-Anzeiger No. 21, 1888): Rp. Extr. Filic. Boxb. 15 
bis 20 (infant. Va dos.) ad. caps. elast. S. Nüchtern in 1 St. ohne 
Laxans zu nehmen.“ Was bedeuten aber in diesem mystischen 
Recept die Zahlen 15—20? Sind das Gramm? Sollen Kinder 
also die halbe Doeis, d. h. 7 1 /,—10 Gramm erhalten? Anch 
Kinder von 2 3 / 4 Jahren? Das Bandwurmmittel des vorher er¬ 
wähnten Baierischen Apothekers wechselt übrigens in seiner Zu¬ 
sammenstellung ganz nach Willkür: bald sind in den Schachteln 
eben so viele mit Extract, wie mit Ol. Ricini gefüllte Kapseln 
enthalten, bald sind die ersteren in der grösseren Mehrzahl, bald 
sind Extract und Ol. Ricini in den Kapseln zusammengemischt 
und endlich sind auch Kapseln angetroffen worden j die die 
doppelte Portion reinen Extractes enthalten haben. Wo bleibt 
da die Berücksichtigung der Dosis? Für das sog. „Genfer Band¬ 
wurmmittel“ giebt der betreffende Autor die Dosis der einzelnen 
Kapseln zwar nicht an, doch sagt er wenigstens in der beige¬ 
fügten Gebrauchsanweisung, dass Personen von 6—10 Jahren 
6, 8—10 Kapseln, solche von 10—15 Jahren 10—15 Kapseln 
und darüber hinaus alle Kapseln verwenden müssen. Ob Kinder 
unter 6 Jahren von dem Gebrauch des Mittels überhaupt ausge¬ 
schlossen sind, ist nicht zu erfahren; nur heisst es in der Ge¬ 
brauchsanweisung an einer Stelle, dass bei Kindern „die Zu¬ 
ziehung eines Arztes erwünscht“ sei. Uebrigens finden wir auf 
die eiwünschte Zuziehung des Arztes mehrfach in solchen An¬ 
preisungen des Mittels hingewiesen. So annoncirt Kahle’s 
Apotheke in Königsberg i. Pr.: „Das beste Mittel, um unter 
ärztlicher Anleitung den Bandwurm sicher und gefahrlos zu 
entfernen, sind“ etc. Doch wird trotz der erforderlichen ärzt¬ 
lichen Anleitung nicht verfehlt, dem Carton eine Gebrauchsan¬ 
weisung beizufügen. Man sieht hier eben das Gefühl der Un¬ 
sicherheit, die Möglichkeit und Befürchtung einer gefährlichen 
Nebenwirkung hindurchblicken, und die Apotheker dürften gewiss 
zufrieden sein, wenn ihnen die Verantwortlichkeit für einen etwa 
Übeln Ausgang durch die Entziehung dieses Mittels aus dem 
Handverkauf wieder abgenommen würde. Denn, wird wenig ge¬ 
geben, so wirkt das Mittel nicht ausreichend und das Publikum 
legt den Misserfolg der Mangelhaftigkeit des Präparates zur 
Last; wird aber viel gegeben, so kann eben sehr erheblich ge¬ 
schadet werden. 

Berücksichtigen wir somit auf der einen Seite den Umstand, 
dass eine Bandwurmkur immerhin als ein nicht gleichgültiger 
Eingriff der Beurtheilung und Controle des Arztes zu unter¬ 
liegen hat, auf der anderen Seite die Thatsache, dass durch ein 
Zuviel der Dosis oder durch eine zufällige Veränderung der Be¬ 
zugsquelle des Präparates leicht schlimme Folgen, ja selbst der 
Tod des Individuums herbeigeführt werden können, und beachten 
wir endlich die allgemeine Erfahrung, dass das Publikum so 



20 


Kleinere Mit th ei km gen. — Referate. 


leicht geneigt ist, das Vorhandensein des Bandwurms anzunehmen, 
wo gar kein Bandwurmleiden vorliegt und somit sich sehr oft 
ganz unnütz einer Bandwurmkur unterzieht: so muss man nach 
den nunmehr gewonnenen Erfahrungen die Ueberzeugung ge¬ 
winnen, dass den Bandwurmmitteln keineswegs und am wenigsten 
dem Extr. Filicis andern Medicamenten gegenüber jene eximirte 
Stellung gebührt. Es wäre daher zu wünschen, dass dieselben, 
vor Allem das Extr. Filicis, künftighin unter diejenigen Stoffe 
aufgenommen würden, welche nach der Ministerial-VerfÜgung vom 
3. Juni 1878 ohne schriftliche Ärztliche Verordnung an das 
Publikum nicht verabfolgt werden dürfen. 


Kleinere Mittheilungen. 

In das Berliner Leichenschauhaus eingelieferte Leichen 


pro 

November 1888. 


Monat 

i 

1 

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o 

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Männer || 

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Erhängt | 

Ertrunken || 

Erschossen | 

Vergiftet || 

durch Kohlen-I 

dunst ge8torb.| 

Erfroren || 

Verletzt ohnell 

Erschiessen || 

Unbekannte 

Todesart 

Innere 

Krankheiten 

Erstickt | 

Verbrannt || 

Summa | 

November j 

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[62 


Hygienische Cnrse für Verwaltnngsbeamte. Nach Verfügung des Herrn 
Ministers des Innern vom 10. December v. J. findet in der Zeit vom 14. bis 
26. Januar im hygienischen Institute in Berlin ein zweiter Cursus für Verwal- 
tungsbeamte in derselben Weise wie im December v. J. statt. 


Referate. 

Dr. med. E. Kaufmann , Docent der pathologischen Anatomie in 
Breslau: Die Sublimatintoxication. Breslau, Verlag von 
Wilhelm Koebner. 1888. 

Diese höchst zeitgemäße Arbeit zeichnet in lichtvoller Darstellung das 
Bild der Sublimatintoxication, wie es den bisherigen Forschungen und Be¬ 
obachtungen entspricht und bringt auf Grund eigener Thierexperimente eine 
Erklärung des Wesens der pathologischen Erscheinungen, wie sie Kaufmann 
aus seinem eingehenden Studium gewonnen zu haben glaubt. 

Die beste Empfehlung welche die Arbeit Kaufmannes erhalten hat, sind 
die lobenden Worte, in denen sich Virchow in der hiesigen medicinischen 
Gesellschaft ausgesprochen hat. In ihnen liegt aber gleichzeitig die Kritik 
über die Folgerungen, welche K. über das Wesen der Sublimatvergiftung aus¬ 
gesprochen hat. Und da ich Gelegenheit gehabt habe, sowohl die Sublimat- 
vorgiftungen des vorigen, wie die Cyanquecksilbervergiftung des diesjährigen 
Winters von Virchow im pathologischen Institute selbst zu sehen und zu 
studiren und Virchow darüber zu hören, so glaube ich ein Recht zu be¬ 
sitzen, Vircbow’s Ansicht zu der meinigen zu machen, und dies um so 
mehr, als die Schlussfolgerungen Virchow’s aus den gewonnenen Resul¬ 
taten am Menschen folgen und diese Art der Schlussfolgerung bekanntlich für 
die gerichtliche Medicin die grundlegende namentlich bezüglich der Ver¬ 
giftungen bilden soll. 






HeferatiV 


Kaufmann giöhfc A. mirön historischen Rückblick, behandelt dann imtev 
li • die . Qawkaüli^n’e'rgift-oiiier beim Menschen, geht cmter C die : bisher er¬ 
schienenen Arbeiten aber QuöcksUhervergijftnng kritisch durch und bringt 
ü afefc tf **&£ aige wm 

Dem Mvitoml ^ fiöckl\%kefi möcht# ich dos Ergebnis 

einer t Verhandlung (l&> ’Medieiöodbeamfen - Turnus des Begiemiigsberirker 
Dteriilorf, üufligehisteh dahin -au#- .. 


d^vfte&hr (ler •_Sts*bli^ir>Muto.^i^f ; »iir)ii. in rblge ^>mer Anwendung fcur Scheidern— 

itfi*fcpülattg> " . .. ’ ... • . . . .!*?!: •{< l‘i'£ ' v; .... ... ; : ’. '7 , ,•.'; 

Im %weiten Abschnitt .stellt Kaufmann üav inoi^ehticbc Material von 
^vibümat.v^rgiftotiig ausatnmeTi: et giebt sodann te klibfeche und -Am ■ putfro- • 
lugi^fe-Hi^tin^iaehe Biiä dieser Erkmnk\mgK- tun! Todewf, 

K macht auf die grosse individuelle Verschiedenheit der d^fWirku^ auf-' 
uierfeam, die wir ja ancii hei so mannigfaltiger* Vergiftungen anderer Art 
antreffriV und mdwirft dann düs Bild der Qnecfeöhei^l*dfe^e. v /r 
Darnach sind die andh-ücndsten und relativ regelnm^vig^teu die Ver¬ 
änderungen im V •? r«! n nun g*tnud n * . 

Bei frischer Tergiftuhg hndei rieh starke Köthmtg auf den ver»dTOdvmH) 
Abschnitten, meistens im Dickdarm, bei einem Älter von. einiger* Tagen ein 
Zustand von 8a|fc]fö^ oder Sublinmtdiphtherie .^Suhlmiate'Qliti« nach 

VirchovL Auch Käut’uuv-ün hehl die LocaHs.uti.on an den Schleimhaut 
kämmen, den Höhen der wli und der $e|>ta dm* Bangtm hervor (orbu* 

graphisch»' Zeichnung YiVchhw'sf And; er vbrgknchf, dio pntboJngrVheü 

Pb.Ü4n it'A :'flASv^ tflaflm’i flAiim-i rnil i]ain V<*1 cvthtO 


Falten. i\&s. gm^ojä: fletfttfo ''mit den Vitf nthye o/miu vertieft. 'V 

Wi'rugm tjousiant sind «lio NiorenroräptJoreitgfln. 

,}>if Njoviin suid\|pWs ; »snd -woich. dio Rinde iM füuswror.l ent lieb Mw«, 
gggi;« dio TfSt&itpii goOtrHe MartetslrataH?. sefowf 


Verlaute, gerader, erster* dem gcnnitulfcucr Hartikanäle. Mikio^koptsdi scigt 
sich nun, dass «Uhm» Sttmeti ao* knlüon- -und . : [.diospbvrsan rem-vK*äV:%ät$wp.''• 
Dieser ist ttiftijs h» Form von dmsigv.n mid. »tuorpbi?«. »us d.ntkirigläiixeudim 
Kugttlu oder TRatteln lioetob*nuien Klumpen, ('keiJ* in Form fciak'Bnuger At«e 
fininngeniai^en gebildet Diese Kalknmssen finden j»»p 4 in der Rinde and 
/.war in den gewundenen wie geraden Canälclnni. lut J>l.rigoa <. r «*b Wtk 

Bild der acuten parencbyniatö-eri Nephritis.“ Dieselbe Kalkeier*' Kr>tU:i sv-h 
bei Vergiftnng mit Aloin, ‘»»veerin m-d Bisniiitnunt sobttdrien»!. 

I'tevo/f itmchti- .1 <«».»> Kalkintwcfa! ojü dem KedksebWund der Knochen ' 
in Veritimiiing. uml adeli Vtveliow ;deht djeee A-iaiogi*' enit .uidoie!» Knwbeii- 
erklWikustgön, 7m erwähnen, wäre vielifitht m \1ies»»r Stelle di<> Darstellung 
uiid AbbiJdüng vni, Lcv*üi-*r, der in Seinem Atin-. ‘dor gericlitliehm) Meilieiit 
inp«.-..ri<träjcaii^t' dMf: bewkrelltt. nickt nipe ATbsontlnroiig in 


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tUltigcr fou ' i,hieck..dl{ ‘'hrW^J w 

ich tüedbe^üg>i# Ynch>vv, •: 

gestellte* Forv i ;vt*huu,, ^ 

■ '^ch^f ! dTntersV'hoi^ d^f H)**i*vy -o 
und ‘ : : 

BehberOhtitng;'.>%<?* Auge Jrthtt’c^ 



22 


Referate. 


Dieser letzte Fall, bei dem es sich um eine Cyanquecksilbervergiftung 
handelte, ist bereits in der Berliner klinischen Wochenschrift nach einem 
Vortrage Virchow’s referirt worden. Da ich indess persönlich Gelegenheit 
hatte, diesen Fall schon vorher von V. demonstrirt zu sehen und V. dabei 
noch einige allgemeinere Gesichtspunkte von gerichtsärztlichen Interesse her- 
vorgehoben hat, so will ich hier nach dieser Darlegung referiren. V. hob 
Folgendes hervor: 

Die Quecksilberpräparate besitzen eine gewisse Grundwirkung, welche 
eine Uebereinstimmung der von ihnen erzeugten anatomischen Ver¬ 
änderungen zur Folge haben. Selbst ihre ätzenden Präparate bedingen einen 
Gegensatz zu der Wirkung der gewöhnlichen Aetzgiite z. B. der Laugen, 
welche dort ihre Wirkungen entfalten, wo sie zuerst mit dem Körper in Be¬ 
rührung treten. Diese wirken bei der Einführung per os in den ersten Wegen, 
meistens mit einer Grenzstation, welche am Pylorus liegt. Denn bis hierher 
reichen gewöhnlich die geätzten Partien nach unten hin. Dagegen finden sich 
Veränderungen bei Vergiftung mit Quecksilber, auch mit den ätzenden Queck¬ 
silberpräparaten, meist nicht im Oesophagus und Magen, sondern erst in den 
Därmen, namentlich im Dickdarm und selbst hier an einzelnen umgrenzten 
Stellen, während dazwischen fast gesunde Schleimhaut zu liegen pflegt. Dies 
erklärt sich dadurch, dass selbst diese corrosiven Verbindungen nicht durch 
Oberflächen-Contact, sondern erst durch die Aufnahme in die Circulation zur 
Wirkung gelangen. Sie haben darin mehr Aehnlichkeit mit den drastischen 
Arzneimitteln z. B. dem Crotonoel. 

Nicht der Magen, sondern der Dickdarm, zuweilen erst das Rectum zeigt 
die stärkste Wirkung, und es gewinnt oft den Anschein, als ob hier am Ende 
des Verdauungsschlauches eine Injection mit dem Arzneimittel gemacht wäre. 
Man darf eben nicht aus der blossen topographischen Anordnung der Wirkung 
Schlüsse auf die Art der Einführung ziehen. 

Die Veränderung zeigte sich 1) als spastische Kontraction der befallenen 
Darmtheile, welche nur am Rectum fehlte, wo die angehäuften Faeces dieselbe 
mechanisch verhinderten; 

2) als sehr starke Röthung, welche die Folge einer bis zur Hämorrhagie 
gesteigerten Hyperämie und als erstes Stadium der Entzündung, der Enteritis 
mercurialis aufzufassen ist; 

3) als diphtherische Erkrankung verschiedenen Grades. Im Bereich 
dieser ist nur das Schleimhaut-Epithel trübe gefleckt und von Gallenfärbung 
gelblich tingirt, oder die Schleimhaut selbst trübe geschwollen durch diphthe¬ 
rische Infiltration, oder die diphtherischen Stellen sind bereite ulcerirt und 
mortificirt, namentlich an den verengten Stellen bis in die Submucosa hinein. 

Hätte man diese Vorgänge im Oesophagus, so würde man sie für Ver¬ 
ätzungen z. B. durch Schwefelsäure nehmen können. An diesen diphtherischen 
Stellen sammeln sich die Mikroorganismen an, während man doch a priori 
glauben sollte, dass das Gift gerade diese Plätze vor ihrer Ansiedelung 
schützen müsste. 

Von den Nieren gilt das oben Gesagte. Sie boten makroskopisch keine 
Veränderung, wenigstens keine, die auf Kalkablagerung hinwies. Dagegen 
mikroskopisch fanden sie sich stark mit Kalk imprägnirt. Die gewundenen 
Kanäle der peripherischen Rinde und der Bertini’schen Säulen sind mit 
Kalkconcrementen erfüllt. Der Kalk liegt innerhalb der Lichtungen, meist in 
grossen Körnern, nicht in krystallinischen Abscheidungen, sondern in glas¬ 
artigem Zustande, die Epithelien sind nicht verkalkt. Zieht man das Wasser 
aus den Präparaten ab und setzt Schwefelsäure hinzu, so erhält man Gyps- 
krystalle. 

Eine Parallele mit dieser mercurialen Kalkniere findet sich bei grössern 
Knochentumoren, bei denen ebenso wie bei chronischem Mercurialismus das 
Skelett leidet, die Knochen brüchig und porös werden und die Nieren Kalk- 
abscheidungen enthalten. Mittenzweig. 


Kunkel. Ueber Kohlenoxyd-Vergiftung und Nachweis. 
Sitzungsberichte der Würzburger Phys. med. Gesellschaft, 1888. 
Sitzung vom 8. April 1888. 



Kefenifte. 


Vüri, hat in b*mwrkm*worthejr vivragchi chtunLscbe Ättatflioataii ru 

Hoden,. durch welche der Nachweis von Kohleaoxjdgvw bei Ver^fta&gärr 
)ei4it>*r und wUn4o»t^Ji«> j*bo.^y»/* ; eäji nicht/Hoch Ä\jv«rl&5«iger ttls die« bhd*ii£ 
durch :«$ |^f'pr5^'tlf^feboila &$t F&Ü gefülur 

werden kann \ / v - S@! Ä % fi; ^ ’/ 

Et tlnult Üjfe von &m Angc^^veqc iä 3*} wetehtr bm 

Auj^nahtiekö der MmehuB^ dmitlich *Sä<U bgLi äiuroV ViudVbimg der 

Ni^Bfftchlag^. • verschwinden- uwl bl solche, dm sich Jmv^aaför,; oft »wt wmiU 
einigen Siimdeu ausbU^eo, ftto auch Woabm Mng ^«cUviHfrh 

Zar Ä^fiXUruGg *eüM dem Jfeü tmt4?n?u6bmidim 

Blot« sowohl* ab* von iWtiehig^n anderen gelinden Blute Verdftn«i*5h^en 1 ’iait, 
10 d^tillirt. Wtwae^ 

- • :l)ie- Htaactidneik' id,i i^} heViisen gerifignmi dtagtiostischeii W^rth, dienen 
aber immerhin als VtHtdruböö* 

.£:••.&; Ij 'ErvrÄrmett in siedendem Wa^er; die Farhe der Coagula i*i verschieden, 
aber sehr schnell vetgö öflielt . . k ; :;V/ ; \. V ’ * v v *l\ ,’-.\\ /*V- ■: * 

>v i) Zu^t^en Von. .8ftl|n*W#&ure;. die, Koalition isi jiu Moment .ganz 

aber ebenfalls je ehr schnell. rergJtagli$b. 

3j Zusatz von 10—12 Tropfe« sdnßr ^ proennt igen Fertig ank&lsum - 
Lösung und dann einigen Trßpfexi £K»igstttur% bi». Kiim r^iitlirhon. Niederschlag; 
die Fteactiöu ist brauchbar« aoer ■ : 

4j Gleiches Volitsnen NfttriuinsulfaUÖjsiuig', halbes* Volumen Essigsäure: 
R?action weniger brairelibar, und ätirth tergätegheher als & 

h) Zusatz von gesät tißier xVlämtlfrutng mid dahn ÄtaiubnUk; w&oigar 
gut ah j$ und 4, 

tbe R^uctionen ad hl*iud durchau* hmuchbur und werihvoll. 

1 # 3•* ,* uässn^ Tanrii&K>mu£ bis zu deutlich auftrotender Fällung: 
Ueberschuss i*f unmtSdlich; Re&ction- enidieinit sofort» : wird bei 5—6 et&ndigaSrn 
Stehen deutlicher und ist nach Wochen noch von.;gleiebe^ 

; ; ist nicht van 

• m langer Bauer aJU bei 1. * ' 

, S und 4) Zihbchlorid wtd Sublimat wi l~-2V£ ViÖ^pbg) Äw Reaetionen 
dauern durch viele 

;&) Plat-iiachlorid m.^0^ böBuugv gleichen Vöhuimö J^swixg und BJut ; 
zwar brauchbar, $ber nwfcber vergänglich. • .• 

I)ie angeföbrien Ünmi&chen Eeactionen haben atiiii insofoiTi einen Vor* 
zug var 'd^r d|>elttr*tiiinal}>'ö, ’IÜk ; diese bei Anwesetibmt von uni er 30°^ Kohlen* 
oiydhii,uvogio»vin keine bc«t]mrnb v DiAgnoae mehr zuiiisst, während die 
chani^cbeti' Hesactionhn 'noch - b#i ' KohlenoxydhääiogJohm bestimmte Et* 
scheimmgen geben. .;'.- -~hu„ : ':-, 


Dr. K, Katäyama. l>bt*r ^ine_ aeu« ).*v.j <Ur 

K»hk‘noxj4vergiftmig. Laboratorium des xmlboiogisehet} 
lu. 5 titut^s in Berlin. Vireliow’s Ai*ehiv, B4, H i, Heft L 'S, Wb 

Verf ; jpfclA ffwüMihst Me,«ü '«relHtünilige' krit»«*life Vßöersicil. Uber d(« 
bfeherigiwr Methoden 'xnui Sacbwei«? Am KöMenö.tyde« hu ttluite \ind bßaebreibt 
dttftn die von ihm m diewsti J5»ecke iiasgearbeitet*) Motbode, darin bestehend, 
tlase da»* koWenoxJtdbaltijte Blut nach Zmat« sfioor omiigc&rbencBi Sobwefeb 
iKOunohicun und Ewtgstee eitw «cbön hellröthe Farbi» Unnniiint, während da* 
f^na4«.^^|jrStaS^^ «si&r wird. ••• ; ; ; • ’ • ., ■ 

|)a8 ony^ce^bfitht^ ^»vefelawiildifi!u*B .erhält:AnflSaen eon 
2ji nünwo geptttverbjtt» »Sftbiretbl i» 100 iHsebein iarbloisenj Scbwofelainiu<mi\iat 
odet eb» ä,9 ili' IftO ^elbecn SßhwAfelaininoftiuü). ... •_... 

Al# lÜ^itfsäaTe dient gewöhnliche äU% ,' ' \ ; ' 

Pie Än«mbnmg willst geschieht in folgetnaai Wefee. -. 

Man verdünnt ( n.«u. def zti ‘untersuchenden ' iftdtft». 
teni ncter liorh möglichst reinem WaMer.'giesnt 10 qjrip 'ifctr- 
in ei» Biagenaglne. wetzt »uerat, Ö.'i oern clee - ’' 

und cl&nn Ö.Ü—0.3 com Es«igvüure hü r.\n schwach «iu«> . 5 .: 

mischt ilort-b leiebtt« längsame» t —SrnftHges: Umkobren 
gesf:blo»:cnen (ilaees. ''■'■■'■ •'>;•■'■'!;v'6 '■• . '."/•, V-V-> 






24 


Referate. 


Oder man träufelt 5 Tropfen des zu untersuchenden Blutes in ein 
Reagenzglas mit 10—15 ccm Wasser, schüttelt leicht um, setzt 5 Tropfen 
gelbes Schwefelammonium und 7—10 Tropfen, eventuell auch mehr Essigsäure 
bis zur schwachsauren Reaction und mischt dann schwach durch. 

Heftiges Umschütteln ist in allen Fällen streng zu vermeiden. 

Bei dem kohlenoxydhaltigen Blute zeigt sich in beiden Fällen eine schön 
rosenrothe Färbung der Flüssigkeit unter gleichzeitiger Bildung und Aus¬ 
scheidung von feinen Flöckchen, während das normale Blut unter Flöckchen¬ 
bildung grüngrau oder röthlich grüngrau wird. Der Unterschied in der Farbe 
und den ausgeschiedenen Flöckchen zwischen normalem und vergiftetem Blute 
ist nach 24 Stunden noch sehr deutlich im Reagenzglase zu bemerken. 

Verf. macht ferner noch darauf aufmerksam, das zu untersuchende Blut, 
wenn es vor der Ausführung des Versuches einige Zeit gestanden hat, mit 
einem Glasstabe leicht umzurühren, damit die Blutkörperchen, welche sich zu 
Boden gesenkt haben, wieder gleichmässig vertheilt sind, und nur soviel 
Essigsäure zuzusetzen, das die Blutlösung schwach sauer reagirt. 

Verf. hat zur Feststellung der Empfindlichkeit normales und kohlen¬ 
oxydhaltiges Blut in verschiedenen Verdünnungen gemischt und nach der 
spektroskopischen, der Hoppe-Seyler'sehen und seiner Methode behandelt; 
aus Vergleichung der Tabelle ergiebt sich, dass eine Verdünnung von 1 Kohlen¬ 
oxydblut mit 5—7 normalem 3—ö—7 Tage altem Blut stets noch eine deut¬ 
liche Reaction nach des Verf. Methode ergab, während die Hoppe-Seyler- 
sche und die spektroskopische Probe bei der 4 fachen Verdünnung die Grenze 
der Empfindlichkeit erreicht hatten. 

Werden die nach des Verfassers Methode mit Schwefelammonium und 
Essigsäure behandelten Blutverdünnungen nach 24 Stunden abfiltrirt, so 
reagiren die Filtrate sauer und zeigen im Spektroskop eine Verdoppelung des 
Kohlenoxydhämoglobin- und Schwefelmethämoglobin-Spektrums bei vergiftetem 
Blute, oder ein Spektrum von reducirtem Hämoglobin bezw. Oxyhämoglobin 
und Schwefelmethämoglobin bei normalem Blute. — tz. 


Dr. Kinkeael. The hymen ad a proof of virginity. Dublin 
joumal of medical Science; 1888, June, p. 520. 

Verf. bespricht in der Einleitung eines grösseren vor der medicin. Ge¬ 
sellschaft in Dublin gehaltenen Vortrages zunächst den gegenwärtigen Stand 
der Frage über den Befund des Hymens; während nach der früher gütigen 
Ansicht der Gerichtsärzte das Hymen int&ctum als Beweis der Virgo intacta 
galt, wurde neuerdings dieser Beweis nicht mehr als vollgiltig angesehen. 
Verf. bringt 4 Fälle bei, in welchen er noch Hymen intactum vorfand, trotz¬ 
dem der Beischlaf wiederholt und oft stattgefunden hatte. 

1. Fall. Eine 24—25jährige Prostituirte, bei welcher im 17. Jahre zum 
ersten Mal Beischlaf vollführt wurde, welche dann längere Zeit mit ihrem 
ersten Liebhaber gelebt, dann im Barackenlager in Alderschot sowie in Galway 
als vulgivaga ihre Zeit abwechselnd mit Soldaten und Matrosen und im Ge- 
fängniss zugebracht hatte, wurde in das Polizeigefängniss abgeliefert. Die¬ 
selbe litt an sekundärer Syphilis und Condylomen, die äusseren Genitalien 
befanden sich in einem nichts weniger wie jungfräulichen Zustand, das Hymen 
war gut entwickelt und vollkommen unverletzt; da Patientin auch 
noch an gonorrhöischer Vaginitis krankte, so musste ein Spekulum eingeführt 
werden, und beim Einführen desselben wurde das Hymen durchbohrt. 

2. Fall. Patientin leidet angeblich an Amenorrhöe. Aeussere Genitalien 
jungfräulich, Hymen unverletzt; endlich nach eingehender Untersuchung ge¬ 
steht Patientin dass sie vor 3 l / 2 Monaten Beischlaf ausgeftthrt hat. 

3. Fall. Patientin im Momente der Entbindung. Orificium uteri voll¬ 
ständig ausgefüllt mit dickem Hymen, und nur eine ganz kleine Oeffnung 
vorhanden, aus welcher die Amniosflüssigkeit langsam herausträufelte. Nacn 
Erweiterung mit dem Finger leichte Entbindung. 

Nach Angaben der Patientin hatte dieselbe früher allmonatlich zur Zeit 
der menses grosse Schmerzen, doch waren menses nie eingetreten, und war 
dieselbe vor 10 Jahren operirt worden, nach welcher Zeit menses regelmässig, 
schmerzlos und reichlich eingetreten waren. 



Verordnungen und Verfügungen. 


25 

4. Fall Patientin, I para, über 40. Jahre alt; bei der Entbindung« Hymen 
ungeheuer voluminös, reicht von portio anterior bis vor die Urethra und 
hängt theilweise aus der Vagina heraus. 

5. Der fünfte, dem Verf. von einem Collegen mitgetheilte Fall, ist wohl 
nicht klar und verdient vorliegend keine weitere Beachtung. 

Bei gerichtsärztlicher Untersuchung und Begutachtung ist also neben 
dem Hymen auch der sonstige Befund genau festzustellen, damit man aus dem 
Gesammtxustand ein möglichst vollständiges und genaues Bild erhalte. 

—tr 


Verordnungen und Verfügungen. 

Massnahmen gegen die Verbreitung des epidemischen Kopfeenickkrampfes 
(Meningitis cerebrospinalis epidemica). Circularerlass des Ministers 
der geistlichen u. s. w. Angelegenheiten vom 23. November 1888 

M. No. 8319 (gez. von GosslerVan sämmtliche König]. Oberpräsidenten. 

Wie au6 den über die Gehirn-Rückenmarkshaut-Entzündung oder den 
Kopfgenickkrampf (Meningitis cerebrospinalis) angestellten Ermittelungen un¬ 
zweideutig hervorgeht, ist diese Krankheit verschleppbar und ansteckend und 
bringt dieselbe den von ihr Befallenen verhältnissmässig häufig den Tod oder 
andauerndes Siechthum, insbesondere führt sie oft zu Taubheit und bei Kindern 
zu Taubstummheit. Es ist daher eine wichtige Aufgabe der Sanitätspolizei, 
der Verbreitung der Krankheit so viel, als nur möglich, entgegenzutreten. Zu 
diesem Zwecke bedarf es folgender Massnahmen: 

1. Die Aerzte müssen verpflichtet werden, jeden zu ihrer Kenntnis» ge¬ 
langten Fall der genannten Krankheit ungesäumt der Orts-Polizeibehörde 
des Ortes, an welchem derselbe vorgekommen ist, anzuzeigen; 

2. Die erkrankten Personen sind so weit, als thunlich, von anderen abge¬ 
sondert zu halten. 

3. Kinder aus einem Hausstande, in welchem ein Fall der Krankheit be¬ 
steht, sind vom Schulbesuch fern zu halten. Die Vorschriften, welche 
in der zur Circular-Verfügung vom 14. Juli 1884, betreffend die 
Schliessung der Schulen bei ansteckenden Krankheiten, beigefügten 
Anweisung hinsichtlich der zu Ziffer la daselbst genannten Krank¬ 
heiten gegeben sind, haben auch auf den Kopfgenickkrampf sinngemässe 
Anwendung zu finden. 

4. Die Krankenzimmer, die Auswurfsstoffe, die Wäsche (namentlich auch 
Schnupftücher), Kleider und die während der Erkrankung benutzten 
sonstigen Effekten des Kranken sind nach allgemeinen Grundsätzen 
vollständig zu reinigen und zu desinficiren. 

Dem entsprechende Bestimmungen empfiehlt es sich für alle Landes- 
theile im Wege der Polizei-Verordnung zu erlassen, und ersuche ich Ew. Ex- 
cellenz ganz ergebenst, hienach die dazu erforderlichen Veranlassungen für 
den Umfang der dortigen Provinz gefälligst zu treffen und mir seiner Zeit 
von den erlassenen Bestimmungen Kenntniss zu geben. 

Zugleich bestimme ich, dass in Betreff der in Krankenanstalten vor- 
kommenden Fälle von Cerebrospinalmeningitis die in der Circular-Verfügung 
vom 3. April 1883 — I. No. 5817 M. — enthaltenen Anweisungen über die 
Anzeigepflicht, Xsolirung und Desinfection bei Fällen ansteckender Krankheiten 
ebenfalls zur Geltung zu bringen sind, und wollen Ew. Excellenz gefälligst 
Sorge dafür tragen, dass die betreffenden Anstaltsvorstände hiervon Mit- 
theuung erhalten. 

Endlich bemerke ich ganz ergebenst, dass der Mangel an Klarheit, 
welcher nicht selten in der Diagnose der Krankheit besteht, es im Falle des 
tödtlichen Ausgangs der letzteren wünschenswerth erscheinen lässt, dass eine 
Sektion der Leiche erfolgt, und sind daher zweckmässig die betheiligten Bed 
hörden mit Anweisung dahin zu versehen, dass dieselben in vorkommend» 
geeigneten Fällen der Ausführung der Leichenöffnung thunlichst VorsctdT 
leisten. ^ 


j 



26 


Verordnungen und Verfügungen. 


Anweisung flr die Hebammen zur Verhütung des Kindbettfiebers. 

Circular-Erlass des Ministers für geistliche u. s. w. Angelegenhei¬ 
ten vom 22. November 1888 M. N. 1732 (goz. von Gossler) an sämmt- 
liche König], Regierungspräsidenten. 

Nachdem reichliche, vielseitige und zuverlässige Erfahrung die von der 
Wissenschaft längst gewonnene Lehre, dass das Kindbettfieber in fast allen 
Fällen mit grosser Sicherheit und verhältnissmässig geringen Mitteln verhütet 
werden kann, bestätigt hat, erlasse ich hiermit eine Anweisung zu denjenigen 
Massnahmen, mit welchen fortan die Hebammen bei Ausübung ihres Berufes 
gehalten sein sollen, die verderbliche Krankheit von den ihrer Sorge anver¬ 
trauten Frauen abzuwenden. Indem ich Ew. Hochwohlgeboren ergebenst bei¬ 
geschlossen ein Exemplar der Anweisung mit dem Ersuchen zugehen lasse, 
gefälligst die erforderlichen Veranlassungen zur Durchführung der ertheilten 
Vorschriften zu treffen, will ich noch besonders den hohen Werth und Ernst 
<ier Aufgabe hervorheben. 

Die Entstehung des Kindbettfiebers ist nicht, wie diejenige der meisten 
anderen ansteckenden Krankheiten, an eine besondere Ursache gebunden, 
welche nur unter gewissen Umständen an einem Ort zur Einwirkung gelangt, 
sondern beruht auf dem Eindringen stets und überall verbreiteter Krankheits¬ 
keime in den mütterlichen Organismus, für deren Entwicklung Mangel an 
Reinlichkeit die hauptsächlichste Bedingung ist; es rafft daher seine Opfer 
Jahr aus Jahr ein in den verschiedensten Gegenden dahin. Alljährlich bringt 
es, wie aus statistischen Erhebungen zu erschliessen ist, im preussischen Staate 
Tausenden von Wöchnerinnen den Tod, anderen Tausenden Siechthum und 
Elend für immer oder doch für lange Zeit. Bei dem Verluste handelt es sich 
um ein Haupt der Familie, in welchem dieselbe, Mann und Kind, zumal das 
Neugeborene, der Gattin, der Mutter, Ernährerin und Erhalterin beraubt wird. 
Es wird durch die Krankheit so häufig, wie kaum von einer anderen, das 
Glück der ganzen betroffenen Familie zerstört. Tritt ferner ein Fall von Kind¬ 
bettfieber auf, so kann dasselbe gerade durch diejenige Person, welche berufen 
ist, in den Zeiten der Gefahr Beistand zu leisten und welche das Vertrauen 
der Hilfsbedürftigen besitzen soll, nämlich die Hebamme, am leichtesten wei¬ 
terverbreitet werden. Wird diesem Unglück rechtzeitig dadurch vorgebeugt, 
dass der Hebamme die weitere Ausübung des Berufes zeitweilig untersagt wird, 
so können dadurch für solche Zeit doch sowohl anderweitige Nothstände für 
die Bevölkerung entstehen, indem der letzteren, namentlich in dünner bewohn¬ 
ten Landstrichen, der Hebammenbeistand erschwert oder selbst entzogen wird, 
wie auch missliche Verhältnisse für die Hebamme, welche dabei ihres Erwer¬ 
bes verlustig geht, erwachsen. 

Diesen unheilvollen Zuständen ein Ende zu machen, muss somit für alle 
betheiligten Personen von grösster Wichtigkeit sein und als eine der gebiete¬ 
rischsten Aufgaben der Verwaltung des Gesundheitswesens empfunden werden. 
Die Arbeit an ihr wird sich um so erfolgreicher und dankbarer erweisen, mit 
je grösserer Peinlichkeit die gegebene Anweisung befolgt werden wird. 

So wenig Macht vorhanden ist, die einmal zur Entwicklung gelangte 
Krankheit zu einem glücklichen Ausgange zu führen, so gewiss ist die Aus¬ 
sicht, durch das vorgeschriebene einfache Verfahren die Entstehung derselben 
zu verhüten, indem ihre Keime aus Allem, was nur irgendwie von Aussen her 
mit den Geburtsorganen in Berührung kommen kann, durch sorgfältigste 
Reinigung soviel als möglich beseitigt und im Uebrigen mittelst der desinfici- 
renden Carbolsäure unschädlich gemacht werden. 

Dass letzteres thatsächlich erreicht wird, ist durch die Erfolge an den 
Gebäranstalten der preussischen, wie anderen Universitäten unwiderleglich be¬ 
wiesen, in welchen trotz mancher besonders widriger und schwieriger Um¬ 
stände die Krankheit, früher der Schrecken dieser Institute, das Verderben 
ihrer Wöchnerinnen, Dank der sorglichen Ausbildung und Durchführung der 
Verhütungsmassregeln nur noch höchst vereinzelt — an manchen in Jahren in 
keinem oinzigon Falle — entsteht. Wenn auch den Hebammen in der priva¬ 
ten Ausübung ihres Berufes nicht sämmtliche in den Anstalten benutzte Mit¬ 
tel in gleicher Vollkommenheit zu Gebote stehen, so wird es ihnen doch 
überall möglich sein, die hauptsächlichsten derselben, welche auch für sich 
allein als in der Regel ausreichend zu erachten und welche in der Anweisung 
vorgeechrieben sind, zur Anwendung zu bringen. 



Verordnungen und Verfügungen. 


27 


Da ausser dem Kindbettfieber bei Gelegenheit der Geburt und des 
Wochenbettes noch andere Krankheiten durch die Hebammen übertragen wer¬ 
den können und unter solchen Umstanden leicht einen schweren Verlauf 
nehmen, aber auch mit denselben Mitteln, wie jenes, vermieden werden können, 
so ist die Anweisung auch auf die Massrogeln zur Verhütung dieser Krank¬ 
heiten ausgedehnt worden. 

Um die durchgängige Beachtung der Vorschriften möglichst zu sichern, 
wollen Ew. Hochwohlgeboren gefälligst Sorge dafür tragen, dass die Anwei¬ 
sung nebst einer Belehrung über die vorstehend angedeuteten Gesichtspunkte, 
welche bei dem Erlasse verfolgt wprden, sowohl in dem Amtsblatt und in den 
amtlichen Publikations-Blättern der Kreise zur Veröffentlichung gelangt, als 
auch jeder Bezirks- wie freiprakticirenden Hebamme in einem Druckexemplar 
gegen Empfangsbescheinigung zur strengsten Nachachtung und zur Aufbe¬ 
wahrung bei ihrem Lehrbuch eingehändigt wird. Dabei sind die Hebammen 
ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen, dass durch diese Anweisung die 
Vorschriften der geltenden Ausgabe des Preussischen Hebammen - Lehrbuches 
und der in demselben enthaltenen Instructionen im Sinne der Bestimmung des 
§ 5 zu Ziffer 3 der Allgemeinen Verfügung, betreffend das Hebammenwesen 
vom 6. August 1883 abgeändert und ergänzt werden. Ferner bestimme ich, 
dass bei den ordentlichen Nachprüfungen der Hebammen jedesmal der Inhalt 
der Anweisung zu einem Gegenstände der Prüfung und, falls dieselbe nicht 
eine befriedigendes Ergebniss liefern sollte, auch eingehender Belehrung durch 
den Kreisphysikus und dass hierüber in der aufzunehmenden Registratur ein 
besonderer Vermerk gemacht werden soll. Auch empfiehlt es sich, den Ver¬ 
brauch von Desinfectionsmitteln seitens der einzelnen Hebammen soweit als 
thunlich einer Controle zu unterziehen. 

Ich darf die zuversichtliche Erwartung aussprechen, dass Ew. Hochwohl¬ 
geboren, durchdrungen von der Wichtigkeit der Sache, auf die vollkommenste 
Beobachtung der hiermit getroffenenen Bestimmungen mit allen zur Verfügung 
stehenden Mitteln halten werden und sehe über die Art der Durchführung und 
die Erfolge desselben einem gefälligen, durch Vermittelung dos Herrn Ober¬ 
präsidenten einzureichenden Berichte zu Ende des Jahres 1889 entgegen. 

Anweisung für die Hebammen zur Verhütung des Kindbettfiebers. 

Zum Zwecke der Verhütung des Kindbettfiebers, sowie anderer anstecken¬ 
der Krankheiten im Wochenbett, treffe ich in Ergänzung und theilweiser Ab¬ 
änderung der Vorschriften des Lehrbuches der Geburtshülfe und der Instruction 
für die Preussischen Hebammen die nachstehenden Bestimmungen: 

§ 1. Die Hebamme befleissige sich zu jeder Zeit und in allen Stücken 
der grössten Reinlichkeit. Insbesondere beobachte sie dieselbe streng in jedem 
Gebär- oder Wochenbettzimmer und namentlich an ihren Händen, Armen und 
Oberkleidern. 

An Stelle der hierauf bezüglichen Vorschriften des Hebammen-Lehrbuchs 
in den beiden letzten Sätzen des § 62 und im § 97*) treten diejenigen der 
§§ 2, 3, 6, 11—16 dieser Anweisung. 

§ 2. Bei Ausübung ihres Berufs trajje die Hebamme nur solche Kleider, 
deren Aermel so eingerichtet sind, dass die Arme bis zur Mitte der Oberarme 
hinauf unbedeckt gehalten werden können. Das Oberkleid soll vorn ein¬ 
schliesslich des Brusttheils von einer weiten Schürze aus hellem, waschbarem 
Stoff völlig und andauernd bedeckt sein. 

Die Schürze, welche* die Hebamme vor der ersten Untersuchung einer 
Kreissenden oder vor einer inneren Untersuchung einer Wöchnerin anlegt, darf 
nach der letzten Wäsche noch nicht benutzt und soll bis zu ihrem Gebrauch 
von den übrigen Kleidungsstücken der Hebamme abgesondert aufbewahrt wor¬ 
den sein. 

§ 3. Bevor sich die Hebamme zu einer Entbindung oder zu einer Wöch¬ 
nerin begiebt, torge sie dafür, dass ihre Fingernägel kurz und rund beschnit- 

*) Betrifft die seitens der Hebammen im Allgemeinen wie besonders bei 
Geburten zu ‘beobachtenden Vorschriften hinsichtlich der Reinhaltung ihrer 
Kleider, ihrers Körpers insonderheit ihrer Hände, sowie ihrer Gerätnschaf- 
ten u. s. w. v. 




28 


Verordnungen und Verfügungen. 


ten sind und glatte Ränder haben; jedesmal entferne sie den Schmutz unter 
den Nägeln und aus dem Nagelfalz, sowie aus etwaigen Hautschrunden an den 
Händen, und wasche sie gründlich die Hände und Vorderarme, bei welchen 
Verrichtungen sie eine geeignete Hand* und Nagelbürste und Seife anzuwen¬ 
den hat. 

§ 4. Bei Ausübung ihres Berufs führe die Hebamme stets ausser den in 
§ 96 Abs. 1 des Hebammen-Lehrbuchs und § 11 der Instruction vorgeschrie¬ 
benen Geräthschaften noch die folgenden mit sich: 

a) eine reine, waschbare, nach dem letzten Waschen noch nicht gebrauchte 
hellfarbige Schürze, mit welcher die ganze vordere Hälfte aes Kleides 
bedeckt werden kann; 

b) Seife zum Reinigen der Hände und Arme; 

c) eine geeignete, reingehaltene Hand- und Nagelbürste zu demselben 
Zweck; 

d) ein reines, nach dem letzten Waschen noch nicht gebrauchtes Hand¬ 
tuch; 

e) 90 Gramm verflüssigter reiner Carbolsäure (Acidum carbolicum purum 
liquefactum der Pharmakopoe) in einer Flasche, welche die deutliche 
und haltbare Bezeichnung „Vorsicht! Carbolsäure! Nur gehörig ver¬ 
dünnt und nur äusserlich zu gebrauchen!“ stets haben und stets dicht 
verschlossen gehalten werden muss, nebst einem geeigneten Gefäss zum 
Abmessen von je 15 und 30 Gramm der genannten Säure. 

Ausserdem muss sie den in Nr. 4 des § 96 bezeiclmeten Thermometer 
nicht nur „wo möglich“, sondern gleichfalls stets mit sich führen. 

Die mitzuführende Spülkanne (Irrigator) soll 1 Liter halten, eine geeignete 
Marke zur Abmessung von 1 / a Liter haben und mit einem passenden Kaut¬ 
schukschlauch von 1 —1\ 8 Meter Länge versehen sein. Am zweckmässigsten 
ist der Boden der Spülkanne platt und besteht dieselbe, sowie die zugehörigen 
Ansatzröhren, aus Glas; jedoch sind auch Spülkannen aus Weissblech 
brauchbar. 

§ 5. Die Hebamme ist für die Reinheit ihrer Gerätschaften stets ver¬ 
antwortlich, desgleichen für die sichere Aufbewahrung der Carbolsäure, welche 
derart stattfinden muss, dass die Säure keiner anderen Person zugängig ist. 

An Stelle der im § 96 Abs. 2 des Hebammen-Lehrbuchs enthaltenen 
Vorschriften*) über die Reinhaltung der Gerätschaften treten die Bestim¬ 
mungen in § 8 Abs. 2, §§ 12 und 13 dieser Anweisung. 

§ 6. Die innere Untersuchung einer Schwangeren, Kreisenden oder 
Wöchnerin darf von der Hebamme niemals anders, als mit völlig entblössten 
und gereinigten Händen und Vorderarmen ausgefÜhrt werden. 

Bevor die Hebamme eine solche Untersuchung oder Verrichtung vor¬ 
nimmt, bei welcher sie mit den Geschlechtsteilen der zu Untersuchenden oder 
mit einer Wunde in der Nähe dieser Theile in Berührung kommt, sorge sie 
dafür, dass ihre Aennel nur die obere Hälfte der Oberarme bedecken und nicht 
tiefer sinken können. Sodann wasche sie gründlich unter Anwendung der 
Hand- und Nagelbürste und von Seife ihre Arme und Hände mit lauem Wasser, 
welches, wenn möglich, durcbgekocht sein soll, und trockne nie dieselben 
mittelst eines reinen Tuches ab. In der gleichen Weise verfahre sie darauf 
bei der zu Untersuchenden mit den äusseren Geschlechtsteilen und den Nach¬ 
bartheilen der letzteren, wobei zum Abtrocknen auch reine Wund-Watte oder 
Jute, dagegen niemals ein Schwamm angewendet werden darf. 

Ausserdem halte die Hebamme, wo es sich um eine Entbindung handelt, 
und wo nur irgend die Verhältnisse es gestatten, darauf, dass die Kreisende 
mit reiner, vorher erwärmter Leibwäsche, sowie mit eben solchen Bettbezügen 
und Unterlagen für das Geburtslager und ferner für das Wochenbett versehen 
wird. (Hierdurch wird die Vorschrift in § 105 Abs. 1 des Hebammen-Lehr¬ 
buchs über die Kleidung der Gebärenden vervollständigt.) 

Nach diesen Vorbereitungen desinficire die Hebamme ihre Hände und 
Vorderarme durch gründliches Waschen in Carboiverdünnung (§ 7). Nunmehr 

*) Es war hier das Auskochen der Instrumente mit Car bol-Wasser mit 
nachfolgendem Einschmieren mit Carbolöl und Abwaschen mit warmem Wasser 
vorgescnrieben. 



V*srflrdnungen uiul Verfügungen. 


29 


8tsi, alm nun ancij alsbald führe m die üntWHHelmng der Schwangeren. 
Kremende« oder WSehhertii aua. ; .■ . ' . 

•|. Wc in der g«gv'nwS.rt.igen Anweisung, von Carbpl Verdünnung diu 

«teile ist. -vird daniniär'stet* diejeaigo Flüssigkeit, verstanden, welche aien die 
riebuname in folgender Wa ise hergestellt hat: 

Sie mißcht sorgfältig; iü je 3 Liter-■ Wasser dfj Gnuiiui der •rertlüseigteu 
iein<as CarbolÄm» !i$4),und awar derart. da*w sieh die Süiue. ^reiche «twas 
schwerer aU Waaaw t^t.i nicht auf dem Boden dew ^itffehgefäiwe» atmtat. ct>p- 



;ujod_ *ivehrD>attgpm ^fJ^töixeQ- (feiVdbch. Iri ovnos Schüssel darf da* 

uu&/tt ; Q$er, ;bö^yüidig<}n> TJsurÖhren to : 
guaet£t Dagegen darF da*Wasser nie¬ 

mals >*> dm Spülkanne erfolgen* weil die »Saun? sonst, ohne dio nöthige Ver- 
Minmmg örfahfevi haben, Ä .Äbtos*-. gelange?»,Ln diesem Zustande 
$en Körpert heil schwer Ix^chMigeii kann. 

§ :ffc der ersten Ünteraucbung mm Krtnaerideu bereite die Hebamme 
2 Liter CarhoI^erdanTiung 

Davon bringe sie in die Spüjkaxum. in wiche nie vorher die m dov 
teVzteron ggkftrigtm Ansatarohren v den Katheter und die Naboisehmirdeh^ore 
gejagt lmt. nach Vewahhiö^ Nchlauahes soviel, dos« die bezoichnelen :0a«- 
rütfechufUm von der IHü8H%k«nt vOllig Aher-decki sind ; Wird eine derselben 
benutzt < so wird .«ie na^ii dein Gebrauch sorgfältig W& Swfe {^waschen, ab- 

getrocknet Ur*d *viod^ m dw*- %tfUkatmu «üriickgelegt > tfad in deryeHben bla mt 
Beendigung. doa Gc&idiaftcs auf bewahrt. Wird die SpiÜkmvae tlvl Emepnt^mg(i»i): 
oder B^pütu&gftn gebraucht* sind die Gerätschaften samrnt der Öirliolver- 
dttmumg in einem iUidern GefasÄ unterzubringeo. 

Dmi Rest — etwa 1 •• • * Liter — der Verdünnung bringe die Hebamme zu 
gleichen Thmien in äSchüsHelü. Die eine derselben dient zur orstnmligen Dosh 
mfeetkm «kr Hände und Arme der Hebamme (§ ti 4. Absatz).. die andere - .zur 
Reinigung .Semdher« vor und mich, jeder weiteren Untersuchung der Kreisen - 
den t»dsr ^tlmrideucn, sowie jadm* .ndpatif^n Vumchtiing der Hebamme* ber 
welcher (etztmt? mit den 0e^c3d«cht^rthrileh ääter einer Wunde tn 3er SÖr^ii 
d*>rs»ilbon m Borühnmg* kommt 

$ 9/ T^uch der Geburt t?päie die tJelptmiiLrf vor dem Kerriciiteri <$** 
WbcUötüugörii die £u*mecen li^cUech^theö» der Eftt.bufldeömr mit reineim 
laumn. vorher tiurchgekochtem ab und trockne dieselben mitielst eine 4 * 

i^ines Tuches oder reiner Wund-Wutte^^ oder vÄrLv.P';..: : ./; 

Wasser von derselben Hesehatfend^it ist bei der Reinigung der U*- 
.schiedit«tfaeiie zu verwenden, mdtbe in de« §§ 12J Abs. 2, ISO Abs. i< lÄo, 
<f>4. ‘371 und 40i>*) dt^s Hobamm«m L*chrb«ichB aogvordnet wird 

§ 10. AüÄsplllungen d«»* .5w^j^i^H; : >>d v or-• Sau^^rijtsiiu^^ iy r 
darf afe Hebamme ojhna '^ ärztlicho ^ iix den durch da^» Lehrbucb 

bestunjnteii FälJon vornchtoen. Daboi hilf >?Je überaH anskvtt VA'a«!?^ dif 
.C'arbolv-erdÜftsiung äjizüvfenden. : v '• v ; • '• ^ 

t<etetere Vorwxhrift lieäobt- sieb - .. in>d.^»^»dei‘y äu : f dn> uv 'tUv, |^; U$7 : 



*) Die befcn^tFenden $§ beziehen >-•:)'* >.<v» i>.. yi'.u-u e 
Wir^hoöliött uik! beim Anlegen des , wvnö. hui ’ 

kleinejrm thunmrissen enlzündiiehen und 

:Ä«i»igutigen- der än^Keröti Hhfex^.4]beilr 

genannten §§ befreffOb rOutuimer? s 

iikifl 9 'Xli ‘ttdd D&eH der Gehurt (nach 'l^erjt^.ihöie- der, 3 

>>höub.‘ r binm-ZttrtckMeikm von Eihaui - . 

#^'';^^rk^chei) und Verletzungen «U 
krankungen der Sclieide üihl äuSaeren 1 >o* ifi) 

Fäulniss überg^gargenem Frficbten An^|il 

und Einspritzurigen in die GebArmuttm 






30 


Verordnungen und Verfügungen. 


§ 11. Die Hebamme vermeide jede unnöthige Berührung der Geschlechts- 
theile einer Wöchnerin oder eines mit Wochenfluss verunreinigten oder irgend 
eines übelriechenden, fauligen oder eiterigen Körpertheiles oder sonstigen Ge¬ 
genstandes von solcher Beschaffenheit (Geschwür, ausgestossene todte Frucht, 
Wochenbett-Unterlage u. A. m.) und enthalte sich so viel, als nur möglich, 
jeden Verkehrs mit Personen, welche an einer ansteckenden oder als solche 
verdächtigen Krankheit, namentlich Kindbett-, Faul- oder Eiter-Fieber, Gebär¬ 
mutter- oder Unterleibs-Entzündung, Rose, Diphtherie, Scharlach, Pocken, 
Syphilis, Schanker, Tripper, Unterleibs- oder Flecken-Typhus, Cholera oder 
Ruhr leiden. 

§ 12. Hat die Hebamme mit ihren Händen oder Gerätschaften die Ge¬ 
schlechtsteile einer Wöchnerin oder einen mit Wochenfluss verunreinigten 
Gegenstand berührt, so soll sie jedesmal sofort sich selbst in derselben Weise, 
wie siö es vor der ersten Untersuchung einer Kreisenden zu thun hat, (§ 6) 
und zwar unter Anwendung der Hand- und Nagelbürste, die Gerätschaften 
aber eine Stunde hindurch, wie bei der Geburt, 8) reinigen und desinficiren. 

§ 13. Ist der Wochenfluss übelriechend, faulig oder eiterig oder hat die 
Berührung mit einem Gegenstände dieser Beschaffenheit stattgehabt oder leidet 
die Person, welche die Hebamme mit ihren Händen oder Gerätschaften be¬ 
rührt hat, an einer der in § 11 bezeichneten Krankheiten, so soll die Heb¬ 
amme die Reinigung, wie in § 12 vorgeschrieben ist, ausführen und ihre 
Hände und Arme schliesslich mindestens fünf Minuten lang mit der Carboiver¬ 
dünnung sorgfältig waschen, die benutzten Gerätschaften aber vor dem Ein¬ 
legen in die Carboiverdünnung eine Stunde lang auskochen. 

§ 14. Hat sich die Hebamme in der Wohnung einer Person befunden, 
welche an einer der nachgenannten Krankheiten oder an einer als solche ver¬ 
dächtigen Krankheit leidet, nämlich an Kindbett-, Faul- oder Eiter-Fieber, Ge¬ 
bärmutter- oder Unterleibs-Entzündung, Rose, Diphtherie, Scharlach, Pocken, 
Flecken - Typhus oder Ruhr, so darf sie eine Schwangere, Kreisende oder 
Wöchnerin nicht untersuchen oder auch nur besuchen, bevor sie nicht die 
Kleider gewechselt und sich, wie im § 13 vorgeschrieben ist, gereinigt und 
desinficirt hat. 

§ 15. Befindet sich eine der im § 14 bezeichneten kranken oder ver¬ 
dächtigen Personen in der Wohnung der Hebamme oder ist in der Praxis der 
Hebamme eine Wöchnerin an Kindbettfieber, Gebärmutter- oder Unterleibs- 
Entzündung oder an einer als solche verdächtigen Krankheit erkrankt oder 
gestorben, so hat die Hebamme sofort Verhaltungsmassregeln von dem zu¬ 
ständigen Kreisphysicus einzuholen und vor dem Empfange derselben sich 
jeder beruflichen Thätigkeit zu enthalten. 

§ 16. Pflegt die Hebamme eine an Kindbettfieber, Gebärmutter- oder 
Unterleibs-Entzündung oder an einer als solche verdächtigen Krankheit leidende 
Wöchnerin, so darf sie während dieser Zeit die Untersuchung einer Schwange¬ 
ren gar nicht und die Untersuchung oder Pflege einer anderen Wöchnerin 
oder einer Kreisenden lediglich im Nothfalle, wenn eine andere Hebamme 
nicht zu erlangen ist, und auch in diesem Falle nur dann übernehmen, nach¬ 
dem sie ihren ganzen Körper mit Seife gründlich, womöglich im Bade, abge¬ 
waschen und ausserdem sich, wie im § 14 vorgeschrieben ist, gereinigt, des¬ 
inficirt und frisch bekleidet hat. 

§ 17. Die Kleider, welche die Hebamme bei der Untersuchung oder dem 
Besuche einer Person, die an einer im § 14 bezeichneten oder als solche ver¬ 
dächtigen Krankheit leidet, getragen hat, dürfen mit anderen Kleidern der 
Hebamme nicht zusammengebracht und müssen gründlich ausgekocht und mit 
Seife ausgewaschen oder mittelst strömenden Wasserdampfes in einem Dampf- 
Desinfections-Apparat desinficirt werden, bevor dieselben weiter gebraucht 
werden dürfen. 

§ 18. Leichen oder Bekleidungsgegenstände von Leichen berühre die 
Hebamme niemals. Hat sie solches trotz dieses Verbotes gethan, so ist sie 
verpflichtet, wie im § 16 vorgeschrieben ist, zu verfahren. 



Literatur. — Personalien 


n 




Der durch Erlas* das H. Miniator» der 11 . s, w. Medieinalan^oJegenheiton 
vom I>S Docember 1888, M. Nr. sätnmtticban Königl. Regierungspräsi- 

denten mitgetboUte Bericht Aber di« unter /.«xlobaug »oo Vertreter» der 
Aer*t«b*oi«iit'ru'gef8hrtöB Verhandlungen der Wissenschaftlichen Deputation 
für das Stedlrtttulweseo ln dar Sitzung ton» 24., 25, und 28« Defcober 1888 
musste «regen Mangel an liiurtt für die nächste ’Nunmidr zurückgeseUt werden. 


iiMw 


WM- 


m* 


t iieratiif. 

(Dw Redacl ioß zur EeeeDsiüö viflgegaugm) 

! D>. R. y. Ktftfft-Kbiug-. Lohrbi.c!) ,*lor pKyoJdftJile Dritt»; umg.- 

arbeitete Aofiage. Stuttgart. Vertag 'von^rdiiiÄnd -'Bnke.-' 1888. 

'JS: Vf. freyer. Prof, der Physiologie an der Universität Jena: Der Pyp- 
nousmus. Berlin. Verlag von trfilyrftder 4882. 

H. Derlei!'«? . Die ftritdeckttug d<t;< Hypnoiwriiik Berti» Verlag vm. 

tiehriidor Paetel. 1881. 

4, Job. 0. Sftllis, Vorstand des Ätabui&fcönuuiH für Mecbanö- nöd. Pirrtrb'* 
tberapie in Bmlen-Baden: Der tluemehe Magnetismu*. J»«prta* ÄVtät ; . 
Oönther’e Verlag. . . ' 

Hans Kmd, rulfsarit tun lAndtwlcrankenhans i« Hirn: Leber Öo 
v.iebungen swiscliffn Hypnotismus unrl cerebraler Blntfttlluug Wiee 
bade». Verlag von X F. Bergmann. 1885. 

«. Carl Lomhroso, Prof, au der Universität Turin der Verbrecher. 
In deutscher Bearbeiiiuig ■von Pr, M. 0: Prilntcel, 8.Miititb<ruth. mH 



bearbeitet und venue/nil cot» Pr. Carl Lit nah, Cl^.tate<in,€ä*Med. - Ua-th.,■. 
(esBor tlör aeroJitiichcn Mclkic etc. Achte Auflage.' Kr'-ter Band. 
ötoiogiseb/iT Thfttl. Berti.fi l88j. Verlag von Augunf Fliv^ehwald. 

8: l)r. » W tvfcii Die 'pbivortjirl^Tj, 1- Lieferung. - Berlin 18811. Verlag 
«•cm Augu nt HirjäChvald. 

tt Pr,ösorg^ ^rAäeudtytff, (* Prof, in Dorpat: Pio getkiiUjeh-’ 
ebemisehe FnniPrtung v<>» fliftun. Dritte völlig imigetudMiste Äoffage. 
Jiöttmgen. Vjmdeitböeidi »nd Rijprecbt.s Verlag. 188 *. V 

P ß r s ö n a I i e n, 

Anszet^hfliiu^m; 

Verii^Ji«? n: Dfift €:bittakter al^ S&ni i ät«rafcb; vier* pjraklrtcb^n 
Amten Sr. V&rri^^ph5 ijö/? Dr. Canr&d Kü*ior m ßerUti* Ön 7»dr a>i&bk 
fid pr> ay femmin und 

Drv h\ Botin. — iW ftoih« Aiilcrot dtJii' ‘^VTv'^^T^ '4-^T■ 

Süüiöife: dotti ordöötlicbBn Prr>fesor Oöh : Med. ßf/ Mo» 1 o t\ ln 

Uftufrw&td, \km Krowphy«5k»j»-; Sai'u'tätoalh Th. Bb>i*cH 7>u Stwblini, sowie. 
\\$vü ytraktiftoboii Anteil M.: teitäiÄp Ih\ " Htä 
?urt ul iiiid l)V: WogwhrtMlrf in ftoiUo, dör -Etoth'ü Adic^rordeu 
IV. Cl&ssrj,: »leto prüfet : Nmheim niid dem 

ordontlichiTft Proitevu Th, in - })#ti IvroneTiordeH 

Sfjd^urat a. B Dr, Fro^-i in H^rborn. 

IMe xrhti i **■ v.rib.^ilt z nr A;nloir ü ni?: : &ük. Ri tt ink renzy h 



Bö-iripchon Verdictv^torijcn^ voto bbilige.« 



Stern do^ TCainerl. Oentor ^ 

oifTio.u^rkreu »es . OvJbö.^ tÜ.or. Koniai. ltaii . • • ; ... 

_s t c. \ -i er«, u« r u -i-i •.v...J*^54* 1 j%‘ 


GöueiuHirzt und Le,bar*6 S>, Majestät 

1X1 ; d%‘ 


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Personalien. 


8 chen St. Mauritius und Lazarus-Ordens: dem dirigirenden Arzt des 
Lazarus-Krankenhauses Sanitätsrath und Professor Dr. Langenbuch in Berlin 
und des Tunesischen Iftikhar-Ordens III. Glasse: dem praktischen 
Arzte Dr. Kleist in Berlin. 

Ernennungen and Versetzungen: 

Ernannt: Der ordentl. Professor Dr. Lichtheim zu Königsberg i/Pr. 
zum Medicinalrath und Mitglied des Medicinalcollegiums der Provinz Ost- 
preussen; der praktische Arzt Dr. Schlegtendahl in Lennep zum Kreis* 
physikus des Kreises Lennep; der bisherige Kreis Wundarzt des Kreises 
Elberfeld Dr. Berger zu Elberfeld zum Kreisphysikus des Stadtkreises Elber¬ 
feld; der bisherige Kreis Wundarzt Sanitätsrath Dr. Seyferth zu Langensalza 
zum Kreisphysikus des gedachten Kreises. 

Versetzt: der bisherige Kreisphysikus des Kreises Goldberg-Haynau 
Dr. Leo in Goldberg in gleicher Eigenschaft in den Kreis Lüben. 

Verstorben sind: 

Die praktischen Aerzte: Dr. Wendenburg in Mücheln, Dr. Cruppi 
in Rybnick, Dr. Berger in Halle a/S., Sanitätsrath Dr. Lender in Berlin, 
Dr. Boecking in Osterfeld, Dr. von Przyjemski in Schildberg, Dr. Callam 
in Stolp, Heise in Göritz, Dr. Hilbert in Königsberg i/Pr., Dr. Kreis in 
Dahme, Kreiswundarzt Bondick in Boreck, Sanitätsrath Dr. Meng es in 
Limburg a/L., Dr. Praetorius in Alf, Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Roser 
in Marburg, Generalarzt Dr. Schubert in Berlin, General- und Regiments¬ 
arzt Dr. Ebmeier in Potsdam und Geh. Sanitätsrath u. Königl. Badearzt 
Dr. Orth in Ems. 

Vakante Stellen: *) 

Kreisphysikate: Insterburg, Putzig, Filehne, Witkowo, Neutomischel, 
Schildberg (Meldung bis Ende d. M. bei der Königl. Regierung in Posen), 
Münsterberg, Sagan, Goldberg - Haynau (Meldung beim Königl. Reg.-Präs, 
in Liegnitz bis zum 4. Januar), Merseburg, Liebenwerda, Langensalza, Eckarts¬ 
berga, Geestemünde, Uslar (Meldung beim Königl. Reg.-Präs. in Hildesheim 
bis zum 31. Januar), Soltau, Hümmling, Adenau (Meldung beim Königl. 
Reg.-Präs, in Koblenz bis Ende d. M.), Daun, Saarlouis und Oberamt Gammer- 
tingen (Meldung beim Königl. Reg.-Präs. in Sigmaringen bis zum 4. Januar). 

Kreiswundarztstellen: Fischhausen, Darkehmen, Heiligenbeil, Heyde- 
krug, Oletzko (Meldung beim König]. Reg.-Präs. in Gumbinnen bis 4. Januar), 
Tilsit, Karthaus, (Meldung beim Königl. Reg.-Präs. in Danzig bis zum 
4. Januar), Loebau, Marienwerder, Marienburg, Tuchei, Graudenz, Anger¬ 
münde, Templin, Friedeberg, Ost- und West-Sternberg, Bütow, Dramburg, 
Schievelbein, Bomst, Schroda, Wreschen, Strehlen, Ohlau, Hoyerswerda, Reichen¬ 
bach, Grünberg, Oschersleben, Wanzleben, Wernigerode, Worbis, Langensalza 
(Meldung beim Königl. Reg.-Präs. in Erfurt bis 15. Januar), Recklinghausen, 
Höxter, Lübbecke, (Meldung beim Königl. Reg.-Präs. in Minaen bis 15. Januar), 
Warburg, Lippstadt, Meschede, Hanau, Hünfeld, Kleve, Bergheim, Rheinbach, 
Wipperfürth, Elberfeld, St. Wendel und Waldbroel. 


Briefkasten« 1. Halten es die Leser für wünschenswerth, dass in dieser 
Zeitschrift die Frage der Aufnahmeatteste für die Irrenanstalten behandelt wird? 

2. Da £ 10 des Gesetzes vom 9. März 1872 keine Vorschrift ist, nach 
welcher liquidirt werden kann (M. V. vom 12. 11. 73) und da für den Vor¬ 
besuch im Sinne des § 6 des Gesetzes nach der Rundverfügung des Justiz¬ 
ministers vom 14. August 1876 das unerlässliche Kriterium die Besichtigung 
der zu untersuchenden Person bildet, so wird gefragt, nach welchem § zu liqui- 
diren ist, wenn Besuche zu anderen Zwecken z. B. zur Akteneinsicht, zur Be¬ 
sichtigung eines Hauses etc. gefordert werden. 


*) Wo ein bezüglicher Vermerk fehlt, sind die Stellen entweder noch 
cht ausgesc hrieben oder die officielle Meldefrist bereits aljgelaufen. 

Diesem Hefte liegt ein Prospekt der Heilanstalt für Nervenleidend 
on Dr« med« Oscar Eyselein ln Blankenburg a/H« bei« 

Verantwortlicher Redacteur: Dr. H. Mittenzweig, Berlin, Winterfeldtstr. 3 

Druck der Fürttl. prtv. Hofbuchdruckerei F. Mitslaffl BudoUtadt. 





Jahrg. 2. 


Zeitschrift 

für 


1889. 


MEDICINALBEAMTE 


Herausgegftben von 


De H. MITTENZWEIG 

GerichtL Stadtphysikus in Berlin. 


Dr. OTTO RAPMUND 

Reg.- und Medicinalrath in Aurich. 


and 


Dr. WILH. SANDER 

Medicinalrath und Direktor der Irrenanstalt Dalldorf-Berlin. 


Verlag von Fischer’s medic. Buchhdlg, H. Kornfeld, Berlin NW. 6 


No. 2. 


Erscheint an» 1. Jeden IWonmte« 

Preis Jährlich 6 Mark. 


1. Febr. 


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Seite 

Original-Mittheil ungen: 

Glossen zur Hebammenfrage, mit Huck* 
sieht auf den Circular - Erlass vom 
22. November 1888. Von Dr. M. 


Djrenfarth.33 

Die gerichtsärztlicbev Th&tigkelt der 
Preusslschen Medlclnalbeamten. Von 

Dr. Blokusewftkl.36 

Ueber die neue Anweisung für die 
Hebammen zur Verhütung des Klnd- 


LTs 

Seite 


bettfiebers vom 22. November 1888. 

Von Dr. MtttJies.43 

Das Preussische Medioinalwesen 
nach dem Staatshanahalta-Etat 

für das Jahr 1889/90 46 

Kleinere Mittheilungen.48 

Verordnungen und Verfügungen. 50 

Literatur.60 

Personalien.61 

Briefkasten.63 


Glossen zur Hebammenfrage, 

mit Rücksicht auf den Circuiar-Erlass vom 22. November 1888. 

Von Dr. M. Djrrenfurth, Kreisphysikus in Bütow. 

Gewiss wird, was Herr College Bauer in diesen Blättern 
über die sehr mässige Einsicht und Fassungsgabe, sowie über den 
sehr grossen Nothstand unter den Hebammen geäussert, jeder von 
uns unterschreiben. Audi der Vorschlag, die Nachprüfungen 
jährlich abzuhalten — vielleicht könnten aus den Protokollen 
die umständlichen, zeitraubenden und der Behörde ohnehin be¬ 
kannten Personalien weggelassen werden — verdient vollen Bei¬ 
fall; denn wäre nicht die Furcht vor der Prüfung — wer weiss, 
ob eine von ihnen auch nur einmal im Jahre im Hebammenbuch 
nachschlüge! Dagegen steht zu bezweifeln, oh die gewünschten, 
und an sich auch sehr wünschenswerthen Wiederholungskurse in 
den Lehranstalten durchführbar sein möchten; es dürfte nicht 
leicht sein, die dazu erforderliche Zeit und — Herberge für die 
Hunderte von Hebammen einer Provinz zu beschaffen. 

Der neue Circuiar-Erlass zur Verhütung des Kindbettfiebers 
wird unter den Wehmüttern einen Ach- und Wehschrei hervor- 
rufen, da er dem alten lieben Schlendrian ein Ende machen und 












34 


Dr. Blokusewski. 


sie zum täglichen Verkehr mit ihren gehassten Feinden: Carbol, 
Seife und Nagelbürste anhalten will. Gewiss begrüsst jeder 
Arzt die Anweisung vom 22. November v. J. als eine grosse That 
gegenüber jener mörderischen Krankheit. Indessen werden wir 
gut thun, uns allzustarken Hoffnungen auf einen schnellen Erfolg 
der Verordnung nicht hinzugeben. Wer in einer längeren Praxis, 
namentlich auf dem Lande, die Hebammen kennen gelernt hat, 
wird einräumen, dass an der Indolenz, Unreinlichkeit und Un¬ 
wissenheit der Mehrzahl derselben auch die heilsamsten Mass- 
regeln scheitern müssen. Man kann diese Frauen eintheilen in 
eine Unzahl beschränkter und eine sehr dünn gesäte Zahl kluger. 
Die letzteren sind aber fast eben so gefährlich, als die ersteren. 
Tappt die dumme Hebamme oftmals, selbst nach vieljähriger 
Thätigkeit über die Beschaffenheit des vorliegenden Kindestheils 
im Dunkeln, verwechselt den Steiss mit dem Kopf und der 
Schulter und schickt entweder zu früh oder zu spät nach dem 
Arzt, so überschätzt die Gescheute ihr Wissen, erlaubt sich 
dreiste Eingriffe, wie Wendungen und Entfernung von Aborten 
und sträubt sich aufs Heftigste gegen die Zuziehung des Ge¬ 
burtshelfers. (Von denen, welche in den Zeitungen Damen „Rath 
und Hilfe für diskrete Angelegenheiten“ verheissen, wollen wir 
hier ganz absehen). Eine wirklich unterrichtete und dabei ge¬ 
wissenhafte und bescheidene Hebamme gehört zu den seltenen 
Ausnahmen.*) Wie sollte es auch anders sein, da diese Frauen in 
ihrer überwiegenden Mehrzahl den niedrigsten Volksschichten 
entstammen! Welche Lockung bietet denn der Eintritt in eine 
so mühselige und kümmerliche Laufbahn Frauen aus gebildeteren 
Ständen? Auf dem Lande wenigstens haben sie es meist nur mit 
blutarmen Tagelöhnerinnen zu thun, wo sie für eine vielstündige 
Arbeit mit höchstens 2 Mark oder einigen Metzen Kartoffeln 
entlohnt werden und fast überall den Kampf mit Pfuscherinnen 
zu bestehen haben, während in der Stadt der Wettbewerb der 
gelernten Hebammen den Ertrag schädigt. Oder sollte das Ge¬ 
halt von 50 Mark jährlich, den Bezirkshebammen aus Kreismitteln 
ausgesetzt, zur Erlernung des Berufs sonderlich ermuntern? Ein 
besserer Stamm könnte meines Erachtens nur durch eine Ver¬ 
doppelung oder Verdreifachung des Gehalts herangezogen werden. 
Hierzu aber reichen die Kräfte der einzelnen Kreise meistens 
nicht aus, und müsste die Provinz den Mehrbetrag auf bringen. 
Vielleicht empfiehlt sich ein allmähliches Hinaufrücken in höhere 
Gehaltsstufen je nach dem Ausfall der Nachprüfungen. 

Durch die neue Verordnung aber erfährt die finanzielle Lage 
der Gebärhelferin noch eine wesentliche Verschlimmerung. 90 
Gramm soll sie zu jeder Entbindung mitbringen und auch ziem¬ 
lich verwenden; dieselben kosten im Handverkauf in der Apotheke 
1 Mark**). Da sie aber nicht jedes Mal erst nach der oft Meilen 

*) So traurige Erfahrungen haben wir doch nicht gemacht. (D. Red.) 

**) In der Receptur; im Handverkauf stellen sich dieselben wesentlich 
billiger und wird sicherlich jeder Apotheker 500 gr. Carbols&ure ffir höchstens 
3 Mark abgeben, so dass 90 Gramm noch nicht 60 Pfg. kosten. (D. Red.) 



Die gerichteärztliche Thätigkeit der Preußischen Medicinalbeamten. 35 

weit entfernten Apotheke laufen oder schicken kann, sobald sie 
zu einer Kreisenden gefordert wird, so muss sie sich doch bei 
Zeiten und mindestens mit dem fünffachen Betrag versorgen, 
welche einen Aufwand von 5 Mark erheischen — ein Capital, 
welches die wenigsten immer gleich zur Hand haben; jedenfalls 
erleidet durch derartige Ausgaben der ohnehin schon dürftige 
Gewinn eine solche Schmälerung, dass der Hebamme kaum einige 
Groschen übrig bleiben, und daher die Versuchung nahe liegt, 
am Carbol zu sparen. Eine Schein-Desinfection aber ist fast noch 
schlimmer, als gar keine. Häufig sind auch die Fälle, wo wegen 
bitterer Armuth die Hebamme keinen Pfennig Honorar erhält — 
dann muss sie noch baaren Schaden tragen. 

Nach meiner Ansicht könnte daher das neue Verfahren seine 
segensreichen Folgen erst dann entwickeln, wenn den Hebammen 
die nöthige Menge Carbol aus der Kreiskasse nach vorgängiger 
Anweisung durch den Physikus frei geliefert würde. 


Die gerichtsärztliche Thätigkeit der Preuesischen 
Medicinalbeamten. 

Von Dr. Blokusewski, Kreispbysikus in Aurich. 

Da es interessant sein dürfte zu erfahren, in welchem Ver- 
hältniss die Medicinalbeamten in den einzelnen Kreisen bezw. 
Theilen der Preussischen Monarchie in Anspruch genommen wer¬ 
den, habe ich versucht aus den Berichten der Regierungs-Medi- 
cinalräthe eine Uebersicht darüber zusammenzustellen. 

Leider musste ich mich hierbei auf die gerichtsärztliche 
Thätigkeit beschränken, weil die Angaben über die sanitäts¬ 
polizeiliche Thätigkeit entweder nur allgemein gehalten oder 
nach wenig einheitlichen Gesichtspunkten zusammengestellt sind. 
Als Maassstab für die gerichtsärztliche Thätigkeit habe ich die 
Obductionen und Gemüthszustandsuntersuchungen ge¬ 
nommen, sowohl weil diese die wichtigsten sind, als auch haupt¬ 
sächlich, weil über die sonstige gerichtsärztliche Thätigkeit der 
Medicinalbeamten in den Berichten meistens nicht genügend Auf¬ 
schluss gegeben ist. Die betreffenden Zahlen sind von mir in 
nachfolgender Uebersicht zusammengestellt, wobei ich bemerke, 
dass, wo nichts anderes angegeben ist, die Zahlen sich auf die 
Jahre 1883—85 beziehen. Ein Stern bei der Zahl bedeutet, dass 
nach dem betreffenden Sanitätsbericht die Angaben für das eine 
oder andere Jahr fehlen, so für: Greifenberg, Apenrade, Flens¬ 
burg für 1884; für Otterndorf, Lehe, Bielefeld für 1885; Kiel, 
Wandsbeck für 1884 und 1885, für Wandsbeck fehlt in Bezug 
auf Gemüthszustandsuntersuchungen auch 1883. 




Dr. Blokus?vw?tki 


Uebersicht I 


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Di? gevichteärxtiliche Thätigköit der PreusaxBchen MediclntiH)eamten< 87 


Fortsetzung j 


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Was nun die Obduetiohei) aybeiaivgl, so jjeigt dkss üebsr- 
siebt W$em$ auf die einzelnen Kreise* dass die relativ melstett 
Qbdüctionen uuftveieen : 


3) flie östlichen Kreise diw Monarchie überhaupt und unter 
'' diesen besonder die .m der russischen Grenze oder doch 
sehr nahe damu foiegcncn, z. B, Heydekrng, Tilsit, Niede- 
raust, L.vck;. JohanrnsWi-g, .Ortetsburg. Neidenburg, TLom, 
Tarhovvm, Beutben' und Kattowitz; bei den 3 letzteren 
kommt 'albd'dlnfe unoli die Industrie tu Betracht, 


ductittfitm iin Qatoii m erreichen, x. .fL Bnhiiäv .Bdchttta. 
Hagen, Duisburg,- Hkse-ti, Gladbach nnd Baarbnickeu, 

?>) (He grossen Städte und derefi Landbözirke, hier wiederum 
abgesehen ntu Berlin, besonders diejenigen eW Östena. wie 
Breslau, Königsberg, Danzig, Thon*; wewiger .diejenigen des 
Wesi.>-ns, wie jBtfttt, Düsseldorf. Aachen*« ferner die in der 
7Äf?' pW8?f' z. B. Niederbaraim, 

Teltow. 

Aus obiger ; ü#er»i*<bt- geht .weiter .-jheiTror, dass von den an¬ 
geführten 880 Kreisen 

5? tdiS',;* jährlich .0—1 Obdoetiouen babeu, 

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m - . V 5—1 o 


50 15,8% 


10-20 


^ y =, 10l n k'-T;k; tätet m , .. ' „ 

Die; 7 Kreise mit jährüeh Bl?#r Öb»Iuctioöen sind dt* 
Stadtkrefce Königsberg, Danzig, Breslau, der Landkreis Breslau 
umt die Kreise Posen, WaMenbacöLJfentben; Berlin ist bei öie> 
ser ^n^TOmefifttelitihg ausser gelässeu. Börüc^pichtigl 

mau ferner,’vdass i?“ ^L-^iK-zeit Posen i 

and l&hhhViTTUT- aI f^brtnigsbhzli'kes Anrieh sich 
Mf die Kreide vor ihrer _ hiedsiiöheHv v 7»€*i^fc -sici> recht 

Wk'U ? 1 i*Ti }/nlil Ai-itr Ak/i (I 1’ 1-1 ' IvA.'li'iinTkaHltln' kt ,< U 4 


bessevTcH Gr.iöniwnieAtioriamittel, ^Ixhe yr,Schu LrigkHton *?•, 
zweiter Geriehtsarzt bintroten kv-.-T 


Die vorher erwähnte AtmaT,: - :•-. * , 

nach Westen zeigt sich noch eie ■ ■ 

jährlichen Durchschnitt nach den Ikgieruiige b> : 
rechnet und ergieht sich dabei ; hetrfolgb 






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Dv. t31oku,-r5wntri. 

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gofOgt ist. >ri 'M£t- *i»p aHHuUiH^e A1)JUi!ißiift 

VOM 'tt&etl Westet. Pjäo Aiaialurie ist jedoch hiei Weitem 



zfr feohö^i’ $»d. Le!2&*fe VVi'O^tfaMo :&o|iftg#v das* hem* AoV 
fiüidei» --wiifpr Leicht*- der V»: s r<hudit. ireilider Schuld weniger leirhl 

i •:.• _ 1* ....,' __ i ^ - -irr. ^ ' a«: .•...,„, . ~ i . i; .v.,, fXi ... 



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f,j • öniixinubtdü^tk Vitr ditt ^ahn 1 l8X’i?—>fa, hfeö rijeijfc.t ’ im : Roielis- J 
w*feKiM^rUclifm SlatislMien. kml- 18*7 ti Jj& 


- Justiz* 



Die gerichtsärztliche Thätigkeit der Preussischen Medicinalbeamten. 41 

über die Vertheilung der Aerzte nach den einzelnen Regierungs-Be- 
zirken (siehe Uebersicht II). Es ist ja auch natürlich, dass durch 
die bei einer günstigeren Vertheilung der Aerzte vorhandenen 
Möglichkeit einer leichteren und schnelleren Erreichung ärztlicher 
Hülfe einerseits der tödtliche Ausgang schwerer Körperver¬ 
letzungen eher verhütet, sowie andererseits die wirkliche Todes¬ 
ursache durch eine ärztliche Bescheinigung sicherer festgestellt 
und dadurch der Verdacht einer gewaltsamen Todesart häufiger 
ausgeschlossen werden kann. Die Richtigkeit dieser Ansicht zeigt 
sich recht deutlich beim Vergleich der vier Spalten der Ueber¬ 
sicht II unter einander und findet man z. B. in den dichtbevöl¬ 
kerten und reichlich mit Aerzten versehenen Industriegegenden 
Arnsberg, Düsseldorf, Cöln trotz der erheblichen Zahl gefähr¬ 
licher Körperverletzungen dennoch eine verhältnissmässig niedrige 
Zahl der Obductionen. Eine Ausnahme in dieser Hinsicht macht 
zweifellos Berlin, wo die grosse Zahl der Obductionen bei 
günstigen ärztlichen Verhältnissen und regem Verkehr ihren 
Grund sicherlich hauptsächlich darin hat, dass eine grosse Zahl 
unbekannter Leichen, insbesondere von Selbstmördern, obducirt 
wird, bei denen in anderen Gegenden höchstens Leichenschau, 
häufig auch nicht einmal diese stattfindet. Ein ähnliches Ver- 
hältniss mag auch in den anderen grössten Städten der Monarchie 
stattfinden. 

In Betreff der Gemüthszustandsuntersuchungen zeigt 
Uebersicht I, dass in den einzelnen Kreisen die Physiker im 
Allgemeinen recht selten hiermit betraut werden; auffallender 
Weise sogar auch in denjenigen Kreisen, in denen grössere Irren¬ 
anstalten vorhanden sind und in denen entsprechend dem Um¬ 
stande, dass viele Entmündigungen erst nach Aufnahme der 
Kranken in die Anstalten stattfinden, die Zahl der Untersuchungen 
eine verhältnissmässig grosse sein müsste. Am stärksten tritt 
dieses hervor in den Kreisen Frankenberg, Wolfhagen, Bonn, 
Marburg, Düsseldorf, Cöln, Soest, Schlawe, Oberbarnim, Saalkreis, 
Brilon und Lippstadt. Auch in den Kreisen Schwetz, Schleswig, 
Posen, Neustadt, Tecklenburg, Münster und Merseburg ist nur ein 
geringer Einfluss der hier vorhandenen Irrenanstalten auf die 
Zahl der von den Physikern besorgten Gemüthszustandsunter¬ 
suchungen bemerkbar und nur in den Kreisen Breslau, Merzig, 
Göttingen, Brieg, Teltow, Niederbarnim, Wohlau und Kreuzburg 
werden die Physiker mehr in Anspruch genommen. Wie gross 
aber die Thätigkeit des Physikus in einem Kreise sein kann, in 
dem eine Provinzial-Irrenanstalt liegt, zeigt" der Kreis Merzig. 

Vergleicht man die Zahl der Gemüthszustandsuntersuchungen 
der einzelnen Regierungs-Bezirke untereinander, wie nach¬ 
folgende Uebersicht III sie angiebt, so zeigen sich auch hier be¬ 
deutende Unterschiede. Dieselben sind aber keineswegs an die 
geographische Lage der einzelnen Bezirke gebunden und finden 
auch nicht, wie Spalte b der Uebersicht zeigt, in der im Allge¬ 
meinen von Osten nach Westen zunehmenden Zahl der Geistes¬ 
kranken in den einzelnen Regierungs-Bezirken ihre Erklärung, 



42 Df. Jtfatthee. 


Uebersicht III. 


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lediglich darauf Äuruivfc^MfuJiieii, dass. na# 
de« gesetzlichen Bestimm u-Wgei'j (lew Tiiohter bei EütmüadigufcgeG 
die Wahl des .SMdJvmtättdlg# fwfrMit. Wh*, gross die Zahl 
der Von ansgefdbrten ttat#«ü#itngea fet;» #h#lt 

aufc de« Ais gaben der Bnnehte fiir di> ßef.-Bezirke- Fofedafti • tanl 
Mm'iwz, vv.»«ach nöter ■2U7 bezw. bß Fällen 1.(18 bezw. $4 mal 
Irren* mul andere Aerzt* mit Oeniiitlj.s/.nstandsuiitei-suciVncigett 
beauftrag worden sind:. g.Aetmli# wird m; mr# au# wo mä^ms 
verhalte«. da die Zahl der überhaupt lhitevsu#t# bedeutend 
hoher sei« müsse . äia # der U#e?si#t ahgeigehen fei, heeondera g 
itii Weste«, \# öow#l dw Zahl der li-teä, als an# die Zahl 
der Ijrenanstalt'.n und der in denselben Öatergehraeh't#: ein* • 
grossere ist und aller W«hvK#emIi#keH nach- - die daselbst 
herrschende« günstigeren Vermügtoisverhalmisse und dadurch bc*o 
dingten Mubgereii Vemibg^svefwaltung# von '8efetesfcraÄke.n 
viel bJt#:’.£h#mnd#ühg# gehen müssen, als 
im Oste«; Eib wird mteimsp.ni -eei«, na#’ vielleicht 3 Jahre« 
zu sehen, ob der. bezügliche Mimstmiy]-.'Erlass vom 31. Mai 1887 
eine Ariidening in dieser hervorgmife«' hat, oder ob 

im Isegenthcil die Physiker nicht noch seltener mit solchen 
IJntorsäohuugmii betraut -worden sied 




nöUß Anweisung f!tr die Hebapimen etc. 


43 


Ueber die neue Anweisung für die Hebammen zur Ver¬ 
hütung des Kindbettfiebers vom 22. November 1888. 

Von Krokplsysitass Bf. MtiUim io Ghonuck. 

Erst deu mehrfache« Anregungen deiv AeHätekammerci blieb 
eSvvörbeli&U«^ Bfidiiifnisse nach eiber DesiBy ; 

'feedibnävöi^cliriti für die Hebammen, der neueren AsOfßßk eUt- 
sprecbend aBztjlitifefl död wiiie solche zum Erscheine;!) zu bringen; 
die* Aerxtßkamm^rn haben in, der fevimn Zeit ihres BestdhMö > 
das erreicbt, wns wob) in hunderten von Berichten der MediiuinfJ- 
beamten, '.«eit mehreren Jahren angestrebt ist. 

Ist mm hi der mtueii .,ÄiiwefK5öif .föv die Hebammen zur 
VerhUtüDg des lündtiettöeh&i^“ Vom 2*2. November v. J. auch 
das gegeben, was niatt erwarten konnte-,'. «ad was konnte und 
musste ;^Hn;id ,diißtfei‘-eiwdi't.i?ii. r . h , , . 

Vor Allem musste, man erwarten, dass iS .in TOtevhriften der 
pemUcKst-en.. moderdeu Jbhfhinuig;^ würden und in 

diesem Punkte hat mau sieh nicht getlnsch). gesehen, in am- 
faaseddwteV \V»ise nidd ^ uüsgefuhrt. 

Man konnte aber a.öch aUnehnjen, dass die Abweisung bei 
derselben WirkmmkeH der 

wftttle aut eine leichte HorbÄ Nach § 8 

d Jk » 1 ^ 4 . 4 >MVS ^ f. 1 in ■ Jt .'Jk -«rC Vl .V * :>j.S V% 



reichend sein wurde, :ÖaM ghldtreü Öt) g Add. o&rhoiio^ diese 
ftÜ & knstcTi riacb der Ä rzenftitJive f«i t Fo- man kann Wahl da.m»t 



lassen, also piiter propter 80 P%,1) In den östliche» Provinzeu. 
abgesehen von den grossen wird man sich verstehen 

mbsBen, die Desiiiieetioiisraitttd, tun deren Anweaduag überhaupt 

abxugebefi ans Kreismitteln ? dbnts bei der 
schlechte» ^«ah|dug der Hebammen kann a»:m wicht verlängert, 
sie soDien noch die Oarholsäiiiv bezahlen und • ehe das Publikum 
Geld dafür auagiebt. lieber. h!e!br es bei »einen m sehr belieb* 
teil Pfusdihebamnien die Alles ■billigem .ataeheii. Adgeuoiitum 
dass jin Kreise circa 2000 Gebnrtetv'Vorkommen» so kostet dir 
Dmnlectior» alMrr 1000 Mark; bei Aimehdbng voii Sublimat-" ; 
pastiUen {100 IPaat, — Ü.oO Mark) dagegen bei iLösung, die 
noch nicht aöthig ist deho ea würde sieltbt' 1 jit und 1 lit 



g 1 ei n he Wirksamk eit 
täewifM fallen 


üb imtiaber die Anleitung iü dev geeignetesten )•'...- 
geben ist, die für die Hebammen die leicht, verständlich- > = 

’ 

5 (iffe i)i<^Vi^zugl!cbo Bemerkung der auf. 8 ; ä 4 » 

• • \ r * - 

■•■••■ >?■ tffHSSr . 




44 


Dr. Matthes. 


sichtlichste und man nicht besser den kurzen kategorischen 
Styl angewandt hätte, wie er sonst in derartigen Anleitungen 
beliebt ist, ist eine Frage, die sich entscheidet nach dem Bildungs¬ 
grade der Hebammen, denen man diese Vorschriften unterbreitet. 
Für die östlichen Provinzen, deren jammervolle Zustände in dem 
Hebammenstande hinlänglich durch grössere Berichte bekannt sind, 
ist die Vorschrift zu lang, in dem Styl zu complicirt. Ich bin 
überzeugt, dass von den Hebammen des Kreises in dem ich 
wohne, auch nicht eine im Stande wäre, einigermassen, nachdem 
sie es gelesen, zu reproduciren, was die einzelnen §§ enthalten. 
Ich will nun nicht behaupten, dass diese Hebammen intelligent 
zu nennen wären, aber sie sind nicht schlechter wie sie die 
meisten Kreise Posens und Preussens haben werden. 

Auf welche Weise gedenkt man diesen Hebammen, — das 
übrige Preussen wird auch tausende derselben Gattung haben, 
— die neue Anleitung beizubringen? 

Durch Selbststudium? indem man jeder ein Exemplar be- 
händigt? Davon ist Nichts zu erwarten. Also auf dem bisherigen 
Wege durch den Physikus. Etwa auf die Weise, dass er die 
Anleitung in den Nachprüfungsterminen, zu denen jede Bezirks¬ 
hebamme alle 3 Jahre kommt, vorträgt, das hiesse die Sache ad 
calendas gräc. verschieben, abgesehen davon, dass die frei practi- 
cirenden Hebammen, die wohl oft den Aufforderungen zur Nach¬ 
prüfung Folge leisten, aber eigentlich wohl nicht dazu gezwungen 
werden können, wenigstens lässt sich die Verpflichtung aus den 
bestehenden Bestimmungen nicht ohne Weiteres herleiten,*) von 
der Neuerung verschont blieben. Schliesslich würde ja wohl die 
Anordnung dahin getroffen werden, dass die Physiker in ausser- 
gewohnlicher Weise alle Hebammen in einem Jahre darin zu 
instruiren hätten. 

Aber würde das helfen? Es ist in neuerer Zeit der Vor¬ 
schlag gemacht worden, um die Hebammen auf die Höhe der Zeit 
in der Asepsis zu heben, dieselben zu einem klinischen Cursus 
abzuordnen, um hier durch tägliche Anschauung alle Regeln und 
Handgriffe zu erlernen, da der Autor (Kr.-Phys. Dr. Freyer- 
Stettin, in der Schrift „wie ist unser Hebammenwesen rationell 
zu bessern“) der Ansicht ist, dass die Hebammen in der Aus¬ 
bildungszeit nicht Zeit und Gelegenheit hätten, die Asepsis zu 
lernen. Man kann zu unseren Hebammeninstituten und ihren 
Leitern das Vertrauen haben, dass sie zu beurtheilen wissen, was 
sie vor Allem ihren Schülerinnen beizubringen haben; ja wenn 
sie weiter gar Nichts lernen, das müssen sie lernen, dafür müssen 
sie Verständniss zeigen! Herr Dr. Freyer ist im Irrthum, wenn 
er glaubt, dass desshalb die Hebammen nicht antiseptisch sind, 
weil sie es nicht gelernt haben oder im Lehrcursus lernen 
könnten. Wesshalb sie es aber nicht durchführen in der Praxis, 
liegt einmal in der Schwierigkeit, in den armseligsten Verhält- 


*) Doch! Im § 5 des Min.-Erl. vom 6. Aug. 1888 heisst es ausdrücklich 
,Alle Hebammen sind gehalten etc.“ 




die.ft< 5 UWWriv£t?uigr ftir die HuUintiftun f*tt\ 


nkse» auch nur <!»*« besolseidensp^ A«?^ftcht i n von Reinlichkeit 
Genüge zu't-titfuj ptätosT' hi dem geringen läi tgeii, dag sie erlyOten, 
l);i' Hanj-. I ge wicht aber liegl darin,"dass sie. in der-Praxis 
zu wenig:: Axiregiwtg und AyMcftt l#ben ; Erlaubt ^iwL^enft^ ^dttgs: 
von. dem g**'vimlr«*f*Ä PerSöBat eine« Institutes lang« «iie 
Pritt^nl# ■ ; der »öihigen Sorgfö’lt würden be- 

Mbaelil*ffe $fjeden- ohne die tägliche Anregung und Uoafcrrde des 
AisftestS rVm V.SI* viel t«#hr bedftrteu afe dfe Ifdbanun^i d<?|* 
Laud^ einer g(dnheii Mi ; egimg r die Tie|}einlvf: nb jahre i&^dlnial 
die Asepsis von einem Ärzte auafiihreü und ihr eigene« Verhalten 
eent.ro liren sehen. Oder ist das nicht m fiel.'..gesagt V . Con- 
trolirt wirklich .jeder Arzt die ■.-Hebamme? Wie oft s|>rechm 
nicht• Interessen der l;‘m:ris mit und der Am sucht mit der 
Hebamme es 


v erd erben, und breitet über deren Tlmn 
«öd Vf reiben den Mantel der christlichen Liebe. Wie. nbei lässt 
sieh. nun di#e OoiiHxde, dfes»;fdr^^ta'te' 
regüng erzielen? Die; .Hebamme ist nicht.- allein wahrend und 
kurz mi'h der Geburt zu eönMdiren: auch an den Früchten 
ihfes Baudelim kann rr«n sic erkeuneq; 

’ ^yn hoKteM frei lieh' diö :Ö#tltiilnijai^|j Vf©^.- WücUeubßtt- 
erhranktutg^ ;|edev TudeaiaH kt dg» 

gmdifel v$IJ&dfr Geschieht es .regelmässig? : Mim kftW'ttrokl 
ßiiVisägeü.' manchmal geschieht, ©sWnitO" jkäh wundert $c$i f ','maih 
ek geschieht Und seihst. Wiarir die Meldung erfolgt, was? folgt 
Meist Nichts, Ayist- 

Lage feprzustellen. wii- die. Sache, gelegen, noch die Aetiologk 
des Fallesgm emiiren, ; Dehn.■■'■■ßittt'i.'-#irsfL apc|s nicht glauben, 
dass sich derartige Aachen durch Vi-rmUte'ücog der- Kmsiiölisreb: 
behxirjdeh. fcsjtsMleö/iaeseli? v ’’ V 

Ich k«jm »<»• die Cdiitfole mir «W^ dhnkeul dass d«r Ph^sikus 
ifi! fni-tge;setzten persönlichen 'Verkehr" mit den Hebammen M«»ht. 
dass er .de öfter siehU vieUeicln zu.2 oder 3 vereinigt. Uon- 
fftreuzeii abiisitr au die sich BelelmUigßi* ktiüfdm Die grossen 
Entfernungen verbieten es, dars* die Hebammen so häufig de» 
AFeg zur KreissLidt zunuiklegeu, daher miiea sieh der Beamte 

selbst auf den Weg: mäeheitftiid Wäiidgriehrer spieion. Mau |«f 
schmr liiag^t darüber einig, dass die Amtsaüefühnmg der Physiker 

eifie HT?detf> sein mit*wv,*kl .$&,• 

cs i$\ tktjwg, >■ ■ • ■• 

Kccv< »ermdi- 

sciieiVBeffilMiog^u iic-cH’bt ck h ->* > ■ i v v, ze.n 
vminigdh<U;p diesrhz 

HehHmmenflage weiter ?v> 'Vculrtcn: Mäh 

atu utu dhric U »eiv 

iind.«cimenst.c, <ik. lu-nc Vj|i?A.ru<u; -te 


Sache viel eint ••' u •'A ; . : 

Tticbl vorhaoden elmi 

Da es uetterdiim-’- fdtt» grWö^fr-iiÄ 

Physiker eimmU o* -\ :-:M 




46 


Staatshaushalts-Etat 1889/90 des Freuss. Medicmalweßens. 


anstalten zu revidiren und zur Aufnahme Atteste auszustellen, 
sei es wie hier, um Hebammen zu belehren, dass dies nur ge¬ 
schieht um die Physiker pecuniär besser zu stellen, (siehe Sitzungs¬ 
bericht des Centralausschusses der Berl. ärztl. Bezirksvereine 
v. 19. Septbr. v. J. Discussion Mendel-Berlin), so erkläre ich 
von vornherein, nicht pro domo gesprochen zu haben, (was wohl 
zur Genüge daraus erhellt, dass der Beamte auf Eeisen zu Haus 
in der Praxis das einbüsst, was er an Diäten gewinnt; er lebt 
aber meist von der Praxis und ist auf diese angewiesen,) halte 
aber so lange den von mir beregten Weg für den einzig richtigen, 
bis mir ein besserer gezeigt wird. 


Das Preussische Medicinalwesen nach dem Staatshaushalts-Etat 

für das Jahr 1889/90. - 

Das Bild., welches der Herr Finanzminister in seiner Etatsrede vom 16. 
Januar d. J. von den preussischen Finanzen entwarf, war ein so günstiges und 
glänzendes, dass man wohl erwarten durfte, neben den im Etat des Cultus- 
ministeriums vorgesehenen sehr erheblichen dauernden Mehraufwendungen von 
über 20 Millionen Mark für das Elementarunterrichtswesen, für Verbesserung 
der äusseren Lage der Volksschullehrer, ihrer Wittwen und Waisen, für Ge* 
haltsverbesserungen der Geistlichen u. s. w., auch solche für die seit Jahr¬ 
zehnten als dringend nothwendig anerkannte Reform der den jetzigen An¬ 
sprüchen der öffentlichen Gesundheitspflege keineswegs mehr entsprechenden 
Stellung der Kreismedicinalbeamten eingestellt zu sehen. Diese Erwartung ist 
aber auch in diesem Jahre wiederum getäuscht worden, denn der neue Etat 
zeigt gegen den vorjährigen nur insoweit eine allerdings bedeutsame Verände- 

n , als Stellenzulagen bis zum Betrage von je 900 Mark für Kreisphysiker 
esonders schwer zu besetzenden Stellen vorgesehen sind. In der Begrün¬ 
dung hierzu heisst es: 

„Bei den durch anderweite Kreiseintheilung verkleinerten Kreisen haben 
sich die Einnahmen aus den gerichtsärztlichen Geschäften entsprechend ver¬ 
mindert und sind die Aussichten auf Praxis, welche sich dem von auswärts in 
einem kleinen, mit Aerzten bereits ausreichend versehenen Ort berufenen 
Kreisphysikus darbieten, in manchen Gegenden äusserst ungünstige. Die Be¬ 
setzung derartiger Stellen stösst daher fortgesetzt auf Schwierigkeiten. Das¬ 
selbe ist der Fall bei Erledigung von Physikaten in solchen Gegenden, in 
denen die Bevölkerung arm, der Dienst aber wegen der Boden- und klimati¬ 
schen Verhältnisse besonders anstrengend ist und einträgliche Nebenämter, 
welche dem Physikus übertragen werden könnten, nicht vorhanden sind. Die 
Besetzung solcher Stellen mit geeigneten Personen wird sich nur ermöglichen 
lassen, wenn den in denselben zu berufenden Physikern ein grösseres Einkom¬ 
men aus Staatsfonds zugesichert werden kann. Es besteht die Absicht, in den 
bezeichneten Fällen Stellenzulagen bis zum Betrage von je 900 Mark zu ge¬ 
währen und ist zu diesem Behufe die Summe von 24 000 Mark in den Etat 
eingestellt worden. Durch Absetzung der Besoldung einer entsprechenden Zahl 
entbehrlicher Kreiswundarztstellen hat eine neue Belastung der Staatskasse 
vermieden werden können.“ 

Die Einstellung der vorgenannten Summe zu Stellenzulagen für die 
Kreisphysiker ist insofern von Wichtigkeit, als daraus hervorgeht, dass die 
König!. Staatsregierung die Kreiswundarztstellen im Allgemeinen für entbehr¬ 
lich hält und andererseits die durch Aufhebung derselben ersparten Besol¬ 
dungen zu Gehaltsverbesserungen der Physiker zu benutzen gedenkt, mit wel¬ 
cher Verwendung bekanntlich früher der Herr Finanzminister nicht einverstan¬ 
den war, sondern die Zurückffthrung der auf diese Weise ersparten Summen 
an die Staatskasse beanspruchte. 



Staatshaushalts-Etat 1889/90 des Preuss. Medicinalwesens. 


47 


Im Uebrigen zeigen die einzelnen Positionen des Etats für das Medicinal- 
wesen im Vergleich zu denjenigen des Voijahres*) wenig Veränderungen. Es 
sind ausgeworfen: 


1. Für Besoldungen der Mitglieder der Provinzial- 
Medicinalkollegien, der Itegierungs - Medicinal- 

räthe u. s. w.Mk. 240 429,— 

2. Für Besoldungen der Stadt-, Kreis- und Bezirks- 

pbysiker, Kreiswimdärzte u. 8. w. f 740 162,97 

(darunter die obenerwähnten 24 000 Mk. für 
Stellenzulagen) 

3. Für Wohnungsgeldzuschüsse der Regierungs-Me- 

dicinalräthe. , 22 275.— 

4. Zur Remunerirung eines Medicinalassessors bei 

dem Polizeipräsidium in Berlin, sowie der Büreau- 
und Kanzlei - Hülfsarbeiter bei den Provinzial- 
Medicinalkollegien. „ 12 598.— 

5. Für Büreaubedürfnisse der Medicinalkollegien, so¬ 

wie zu Reisekosten und Tagegeldern für auswär¬ 
tige ausserordentliche Mitglieder der Provinzial- 
Medicinalkollegien. * 8 422,— 

6. Zur Remunerirung der Mitglieder der Commis¬ 
sionen für die Staatsprüfungen der Aerzte, Zahn¬ 
ärzte, Apotheker, Physiker und zu sachlichen 

Ausgaben bei denselben. „ 130 000,— 

7. Für Unterrichts-, Heil- und Wohlthätigkeits-An¬ 
stalten, besonders an Zuschuss für das Charite- 

Krankenhaus . , 213 326,32 

8. Für das Impfwesen (Remunerirung der Vorsteher, 

Assistenten u. s. w. der Impfinstitute, sachliche 

Ausgaben der letzteren, Impfprämien u. s. w.) . 74 661,— 

9. Für Reagentien bei den Apothekenrevisionen . „ 1 900,— 

10. Für Unterstützungen von Medicinalbeamten und 

deren Wittwen und Waisen. „ 45 000,— 

11. Zu Almosen an körperlich Gebrechliche zur Rück¬ 
kehr in die Heimath, sowie für arme Kranke . „ 900,— 

12. Für medicinalpolizeiliche Zwecke**). „ 28 500,— 

13. Zu verschiedenen anderen Ausgaben (Quarantaine- 

anstalten, Aussterbebesoldungen u. s. w.) . . . „_50 620,83 


Zusammen: Mk. 1 568 795,12 
im Vorj ahre: » 1 537 880,12 

demnach mehr: Mk 30 915,— 

Diese Mehrausgaben werden, abgesehen von den erhöhten Ausgaben für 
ärztliche Staatsprüfungen (15 260 Mark), denen jedoch eine entsprechend 
höhere Einnahme aus dem letzteren gegenübersteht, hauptsächlich bedingt: 

1. durch die neu zu errichtende Stelle eines Regierungs-Medicinalrathes 
bei der am 1. Juli 1889 neu zu gründenden Regierung in Kiel; 

2. durch die in Folge der Ueberhäufung von Dienstgeschäften des Re¬ 
gierungs - Medicinalrathes in Berlin erforderliche Anstellung eines 
dauernden Hülfsarbeiters (4500 Mk. Gehalt) und 

3. durch die Remunerationen der Vorsteher (3000 bez. 3500 Mark) und 
Assistenten (750 bez. 1000 Mark) der neu zu errichtenden Impf- und 
Lympherzeugungs-Instituten zu Hannover und Köln, sowie durch die 
sachlichen Ausgaben (Leihgebühren für Kälber, Wartung, Fütterung, 
thierärztliche Untersuchung derselben, Unterhaltung des Inventars, 
Kosten der Verpackung und Versendung der erzeugten Lymphe u. s. w.) 
für diese Anstalten (12 685 Mark). 


*) Vergleiche No. 2 der Zeitschrift Jahrg. 1888, S. 61. 

**) Für veterinärpolizeiliche Zwecke 150 000 Mark; 22 535 Mark, also 
beinahe so viel wie die obige Summe, mehr als im Voijahre. 













48 


Kleinere Mittheilungen. 


Ausserdem sind im Etat noch die Besoldungen von einem neuen Bezirks- 
physikus in Berlin und von je einem zweiten Pnysikus in Köln und Königs* 
berg mit je 900 Mark ausgeworfen. Die Errichtung dieser Stellen wird theils 
durch die fortschreitende Vermehrung der Einwohnerzahl der genannten Städte 
(besonders bei Berlin), theils durch die besonderen Aufgaben, welche die bei¬ 
den zuletzt genannten Städte als Festungen an die Sanitätspolizei stellen, be¬ 
gründet und für die Stadt Königsberg ausserdem noch der Umstand angeführt, 
dass dieselbe wogen ihrer Lage in einer Grenzprovinz im Osten des Staates 
der Einschleppung von Epidemien aus Russland leichter ausgesetzt ist. Die 
hierdurch entstehende Mehraufwendung wird übrigens wie die Stellenzulagen 
der Physiker durch die Absetzung der Besoldungen entbehrlicher Kreiswund¬ 


arztstellen gedeckt. 

An einmaligen Ausgaben für das Medicinalwesen sind — abgesehen von 
denjenigen für Universitätszwecke (darunter auch je ein Lehrstuhl und Institut 
für Hygiene in Halle a/S. und Marburg) — nur diejenigen für bauliche und 
innere Einrichtungen der neuen Impf- und Lympherzeugungs-Institute zu Han¬ 
nover und Köln, sowie für Ankauf eines Grundstückes in Berlin behufs Ver- 
grÖ8serung und Arrondirung des Charite -Grundstückes in Anschlag gebracht. 


Kleinere Mittheilungen. 

In das Berliner Leichenschanhans eingelieferte Leichen 


pro 

December 1888 . 



1888 ||788||48o|fl41|j88|{69||38{|28l|l42|89|42|34| 6 |—1112 105 149 |34|l0|733 


Die Errichtung eines Hygienischen Instituts und Begründung einer 
Professur für Hygiene ist in dem bevorstehenden Etat für die Universität 
Halle a/S. und Marburg vorgesehen. Für die Besetzung der an der zuerst 
genannten Universität zu errichtenden Professur soll das jetzige Mitglied des 
Kaiserlichen Gesundheitsamtes Regierungsrath Dr. Renk zu Berlin in Aussicht 
genommen sein. 

Zwiebelbonbons gehören nicht zu denjenigen Zubereitungen, deren 
Feilhalten und Verkauf nach der Kaiserlichen Verordnung vom 4. Januar 
1875 nur in den Apotheken gestattet ist: In der Untersuchungssache wider 
den Drogisten L. in 0. wegen Feilbietens und Verkaufs von 0. Tietzes Zwie¬ 
belbonbons und dadurch statt gehabter Uebertretung der Kaiserlichen Verord¬ 
nung vom 4. Januar 1875 hat das Königl. Provincialcollegium zu Kiel nach¬ 
folgendes Gutachten abgegeben: „Ihrer Form nach gehören Bonbons nicht zu 
denjenigen im Verzeichnis A der betreffenden Ordnung aufgeführten Zuberei¬ 
tungen zu Heilzwecken, deren Feilhalten und Verkauf nur in Apotheken ge¬ 
stattet ist. Die chemische Untersuchung der Zwiebelbonbons hat ergeben, dass 
dieselben keine Stoffe des Verzeichnisses B der Kaiserlichen Verordnung ent¬ 
halten, vielmehr aus Zwiebelsaft und Zucker bestehen. Es liegt mithin keine 
Uebertretung der Kaiserlichen Verordnung vom 4. Januar 1875 vor, ebenso¬ 
wenig wie dies beim Verkauf und Anpreisen von Malzextractbonbons, Rettig- 






















Jvkn«ore Mitteilungen. 


40 


bonboitä,• Wutsifara^nbmbon^ u. $. w. -statthak* Apf Grund; dieses Gutachtens 
erfolgte Fniispmhung de? betretende» Brog&teu. 


. 

Bestrafungen y<m^ Cttr^f»$eherii wegen fahrlässiger Tödtung? 

1* fein Ciirpfuscher war von der Strafkammer wegen ßihrJä^iger• T6d tung 
vemrthpUt. weil er den; Tod mite» von ihm an *ehw«m*r Dipbtherilis be- 
.handelten Kiiides:;|aduir^T[t : ' b^ebkmntgt , habe., dass er es tmterlassm) hafte, 
■d)&\ Kraiifeoriiimier•• • grliSng;•'w.• Iftftw und 'dm• Krltfti*5Mistajul-des Kinder 
m erhalten, Die Weigege^i vmi ihm tdiigidcgte Hoviskm hl vom liblekfe* 
gereicht verwarfen : pritl c* in dein IJ^heib? de^aelhen Vom Sef N 

toinber 1888: 

r Womi die Strafkammer aummmt. dä*s di»? ' l'^nter-. 

lasaüngen dew weicher' d*W Kind inseine jRehandlOTg ; 

geDöimuoü butte, den Tod <1 es Kinde*-; ‘ beschleunigt äti- 

init festgest^IH, dass er zu dom Eint^tte dtebCi Erfolge vHi<oteh> 
mitgewirkt hat, al* er vmivsadvte, fl&sAder Tod frrümreitigcdridep 
ist, g|| or hu Falle einer ^arhgmiumfcti ärrllmlmtv Ihdmndiung»' wenn, 
diese kein»/ Heilung gebracht hätte* QuigetreU 1 « wäre, i^.drcitVinl 
dfe Sirnfkamtnor üeii Giutn^Äte auf* du«* der Causahiexu» einer 
H&mÜiing (»der V. nU?rHauung, mit einem PJrfolge schon dam» vorliego. 
w|:V;: wütth;-'-<lie Hnndltihg befcw, ; . u.titcCrhfesüng: nicht di« alleinige, **imüHwu/ 
ndr mitwirkwide Uirwudto m dem cingetrotenen ßtfolgc? wavw 
ferner der frühere Tod de« Kirnte*. auf die Venn*H^hung durch 
den Angcktag^tt /üxücke&fiihtU so fek ea hierfür rechtlich 
ob raüglieherweine der Tod des an der Diphtheritis erkrankten Kin¬ 
des auch ohne die falsche Behandlung des Angeklagten in hinein 
spateren Zeitpunkte, ^ingefreten-, oder bei saehgemässer Behandlung 
viel! ui ehr, gdüz v.n verhüten gewesen wäre. Selbst wenn» was nicht 
•der F&U,. festge^elH trftro, dass das Kiivd an der schweren Kmuklumt 
auch bei .^achgoin^kn , ' , Be4iüiidiui)g hätte sterben müssen, würde ohne 
ftecütöiiTthuin angenommen sein, d®^ der Tod $tek Kindes in Folge 
der var.hwidrig«m Behandlung dt« Angeklagten; abgetreten sei. wenn 
der Tpd in Folge dessen irfthier erfolgte, ala er sonst eihgetireien 
wäre. Diener Tod bleibt imn^r ein von de«} ArigeSdagten verschob 
deter, und der C%-ä«alne|tu^ i firare» .Tode und der 

Fahrlässigkeit. des Augek»ägt;eo ist auch durch kelue fremde Causa- 
litat; unterbrochen * 

2. Der schon mohrtaefi wegen '• ;Curpfti«chorei Aeötraft; fl, Pr. W\ H . 
(Döctor Philätlelphide) vsu BerJJp war b^chuldigtv durch Pabrl&^igkeit 
den Tod eines acht Wochen alten Kindes herboigctithri zu haben, Pw 
. Arfbe hatt«e ^ 
um ein Mittel für ihr 

-«PIliVPlPiLTw 

:i 0,01 gr. vßrschrielien und die Tvtixi ’dcpi•.Kind^^m- . 

7 IJht Naclunittags je ein Pulver :m ^ gfdien. ilm älw?r /vbr.-Küiyabe;*^-' 
dritten Pulvers über den Zu^Uind ife Kixidek--stu bNrichteu. Bä* nur mit 




mept gah ; uhd % m, ^ $ -pMfyüi 

detnselben Abohd >*\ ♦u^intt.cn \dAjJ b<» 

unruhigte den -i ^Hi-h'te : Vb:Putgi- *1 M»»r- ** - * 

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ter, der Jip. U . Uax- W; UiV K^ct 

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liiitev keinen 1 • 


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Ucbor die V«»urJb.db»4V o*^*.v5*ipni»iin» 
diegendeji Ceb^a^rm^ d/n- * /*■> 

iS der Zeitschrift (J 188-S ’ : : »ÜU} i;Hri».ht^: 



50 


Verordnungen und Verfügungen. 


Morgen wurde Frau H. durch das Röcheln ihres Kindes geweckt und fand 
dasselbe im Sterben liegend. Der herbeigerufene Arzt erkannte sofort, 
nachdem ihm das fragliche Recept vorgelegt und der Sachverhalt erzählt 
war, dass das Kind an den Folgen einer Morphiumvergiftung leide. Alle 
von ihm angewandten Gegenmittel waren vergeblich, am Abend des fol¬ 
genden Tages trat der Tod des Kindes ein. Gegen den pp. H. .. p 
wurde die Anklage wegen fahrlässiger Tödtung erhoben, und derselbe von 
der ersten Strafkammer des Landgerichtes I zu Berlin in ihrer Sitzung 
vom 13. December d. J. zu 2 Jahren Gefängniss und sofortiger Verhaftung 
verurtheilt. Beide Gerichtsärzte geben ihr Gutachten übereinstimmend 
dahin ab, dass das Kind zweifellos an einer Morphiumvergiftung 
verstorben sei, da 0,02 Morphium nach den Erfahrungen der Wissenschaft 
vollständig genüge, um den Tod eines Kindes herbeizuführen. Das Recept 
des Angeklagten habe zwar die Maximaldosis für Erwachsene nicht über¬ 
schritten, aber jeder auch noch so wenig gebildete Arzt werde sich hüten, 
einem Kinde solche Gaben von Morphium zu verordnen. 


Stadtyhyslkat Cöln pro 1887 von Dr. Leuffen. 

In meinen Bereich fielen im Laufe des Jahres 1887: 

10 vollständige gerichtliche Obductionen. 

6 gerichtliche Inspectionen resp. auf Anordnung des Richters vor 
der regulativmässigen Beendigung abgebrochene Obductionen. 

5 Assisen-Termine. 

1 Untersuchung betreffend event. Saamenflecke und Gutachten. 

3 Heildienerprüfungen. 

2 Trichinen-Revisionen. 

Die Befugniss zu letzteren beruht nämlich darauf, dass bei Einführung der 
obligatorischen Fleischschau in Cöln im Jahre 1878 die dem zuständigen Stadt- 
Kreispbysikus übertragenen Befugnisse von demselben wegen mangelnder Seh¬ 
tüchtigkeit nicht übernommen werden konnten und daher durch Verfügung der 
Königlichen Regierung in Vertretung auf mich den Stadtkreiswundarzt über¬ 
tragen wurden, — welchem Umstande dann die beifolgende, hier wohl 
ziemlich noch allgemein gebräuchliche kleine Broschüre ihren Ursprung ver¬ 
dankte das Examen der amtlichen Fleischschauer (Cöln 1878). 

Die vorbemerkten Revisionen betrafen drei Trichinen-Befunde, die sich 
unter 54865 im hiesigen Schlachthause im vorigen Jahre geschlachteten 
Schweinen ergeben haften. Die Zahl der hiesigen fleischschauer beträgt 36, 
ausserdem existiren 2 Vorsteher. 


Verordnungen und Verfügungen. 

Be rieht Ober die unter Zuziehung von Vertretern der Aerztekammern am 
24*9 25. und 26. October 1888 stattgefundenen Verhandlungen der Wissen¬ 
schaftlichen Deputation für das Medicinalwesen. Durch Circularerlass 
des Ministers für Medicinalangelegenheiten vom 15. December 1888 
(gez. v. Gossler) M. N. 9895 sämmtlichen Königlichen Regierungspräsidenten 
zur gefälligen Kenntnisnahme mitgetheilt. ) 

Nach § 3 der Allerhöchsten Verordnung vom 25. Mai 1887, betreffend 
die Einrichtung einer ärztlichen Standesvertretung, sind zu den Sitzungen der 
Provinzial-Medicinal-Kollegien und der Wissenschaftlichen Deputation für das 
Medicinalwesen, in denen allgemeine Fragen oder besonders wichtige Gegen¬ 
stände der öffentlichen Gesundheitspflege zur Berathung stehen oder in denen 
über Anträge von Aerztekammern beschlossen wird, Vertreter der Aerzte¬ 
kammern Als ausserordentliche Mitglieder mit berathender Stimme zuzuziehen. 

Nachdem die Aerztekanmiern die Wahlen dieser Vertreter vollzogen, 
haben in den Provinzen bereits im Laufe des Sommers 1888 Sitzungen der 


*) Um diesen Bericht in dieser Nummer vollständig bringen zu können, 
mussten eine Anzahl weniger wichtiger amtlicher Verfügungen für die nächste 
Nummer zurückgesetzt werden. (D. Red.) 



Verordnungen und Verfügungen. 


51 


Medicinal-Kollegien unter Zuziehung der ausserordentlichen Mitglieder stattge¬ 
funden. Am 24. October 1888 begann im Ministerium der geistlichen, Unter¬ 
richts- und Medicinal-Angelegenheiten die erste Sitzung der Wissenschaftlichen 
Deputation für das Meaicinalwesen unter Zuziehung folgender 12 von den 
Aerztekammem gewählten ausserordentlichen Mitglieder: 1. Arzt Dr. C rüg er 
aus Insterburg, 2. Arzt Dr. Lisa au er aus Danzig, 3. Geheimer Sanitäts-Rath 
Dr. Körte aus Berlin, 4. Professor Dr. Krabler aus Greifswald, 5. General- 
Arzt Dr. Henrici aus Posen, 6. Geheimer Medicinal-Rath Professor Dr. Förster 
aus Breslau, 7. Sanitäts-Rath Dr. Hüllmann aus Halle a. S., 8. Regierungs - 
und Geheimer Medicinal-Rath Professor Dr. Bockendahl aus Kiel, 9. Sanitäts- 
Rath Dr. Saxer aus Gosslar, 10. Sanitäts-Rath Dr. Morsbach aus Dortmund, 
11. Kreis-Physikus Dr. Grandhomme aus Höchst, 12. Geheimer Sanitäts-Rath 
Dr. Graf aus Elberfeld. 

Der Staats-Minister Dr. von Gossler begrüsste die neu eingetretenen 
ausserordentlichen Mitglieder mit einer besonderen Ansprache, worauf der 
Direktor der Deputation, Wirkliche Geheime Rath Dr. Sydow die Leitung 
der Verhandlungen übernahm. 

Auf die Tagesordnung der Sitzung war von dem Minister gesetzt: 

1. die Berathung der Grundsätze, deren Beachtung bei Anordnungen 
der Verwaltung zur Verhütung einer gemeinschädlichen Verun¬ 
reinigung öffentlicher Wasserläufe vom Standpunkt der öffent¬ 
lichen Gesundheitspflege für erforderlich erachtet wird. 

2. die Erörterung der s. g. Schularztfrage. 

Die Vorbereitung für die Sitzung war in der Weise erfolgt, dass die 
Deputation im Sommer vorher für jeden der beiden Gegenstände der Tages¬ 
ordnung eine Uebersicht der einzelnen zur Erörterung zu stellenden Grund¬ 
sätze und Einzelfragen nebst einer Einleitung dazu entworfen, und der 
Vorsitzende zwei Referenten, je einen aus der Zahl der ordentlichen und je 
einen aus der Zahl der ausserordentlichen Mitglieder, ernannt hatte, welche er¬ 
sucht wurden, unabhängig von einander ira Anschluss an die entworfene 
Uebersicht ein schriftliches Referat auszuarbeiten. Dies Material wurde als 
Vorlage für die Sitzung gedruckt und sämmtlichen Mitgliedern vor derselben 
zugefertigt. In der Sitzung wurden sodann die von den Referenten zu den 
Einzelfragen aufgestellten Thesen nebst den dafür in den Referaten enthaltenen 
Motiven berathen, die dazu im Laufe der Verhandlung gestellten Aenderungs- 
Vorschläge erwogen und danach die Beschlüsse gefasst und protokollirt. 

Erster Gegenstand der Tagesordnung 
(Flnssvemnreinlgung). 

Die Beschlüsse der Deputation. 

Vom Standpunkt der öffentlichen Gesundheitspflege ist es erforderlich, 
dass die Verwaltungsbehörden bei den Anordnungen zur Verhütung einer ge¬ 
meinschädlichen Verunreinigung der öffentlichen Wasserläufe*) folgende Grund¬ 
sätze beachten. 

I. 

Gemeinschädliche Verunreinigungen öffentlicher Wasserläufe entstehen: 

1. durch Infektionsstoffe, 

2. durch faulnissfähige Stoffe, 

3. durch toxisch wirkende Stoffe, 

4. durch andere Stoffe, weiche den Gebrauch des Flusswassers zum 
Trinken, zum Hausgebrauch, in der Landwirthschaft oder in der 
Industrie beschränken oder die Fischzucht gefährden. 


*) Der Ausdruck „öffentliche Wasserläufe“ ist hier nicht im Sinne 
des Allgemeinen Landrechts verstanden, wonach den Gegensatz davon die nicht 
im Eigenthum des Fiskus stehenden, d. h. die nicht schiffbaren Vfasserläufe 
(„Privatflüsse“) bilden (Thl. II. Tit. 15 A. L, R. §§ 1 ff. Ges. v. 28. Februar 
1843, § 3 G -S. S. 441), sondern in dem Sinne, dass alle fliessenden Gewässer, 
welche von den Menschen benutzt werden können, dahin gehören, sie mögen 
im Eigenthum des Fiskus oder in dem Eigenthum von Privatpersonen stehen., 



52 


Verordnungen und Verfügungen. 


Zu 1, Infektionsstoffe können enthalten alle aus den menschlichen 
Wohnungen oder deren Umgebung herrührenden Schmutawässer, also nicht 
blos die Fäkalien (Koth und Urin), sondern alle im menschlichen Haushalte 
gebrauchten und aus demselhen wieder zu entfernenden Wässer sowie die 
Niederschlags- und Reinigungswässer von Höfen, Strassen und Plätzen. Das 
Gleiche gilt von den Abgängen aus Schlächtereien und aus solchen Gewerbe¬ 
betrieben, welche Lumpen, Felle, Haare oder thierische Abfälle verarbeiten. 
Die Verwaltungsbehörden haben deshalb dafür Sorge zu tragen, dass alle 
solche Schmutzwässer und Abgänge den öffentlichen Wasserläufen soweit dies 
irgend thunlich erst zugeführt werden, nachdem dieselben zum Zwecke der 
Unschädlichmachung einem von der Aufsichtsbehörde als geeignet anerkannten 
Verfahren unterworfen worden sind. 

Zu 2. Hinsichts der zu 1 gedachten Schmutzwässer und hinsichts der¬ 
jenigen Abwässer aus gewerblichen Anlagen, welche nicht unter Nr. 1 feilen, 
aber fäulnissfähige Stoffe enthalten, ist darauf zu achten, dass solche 
Abwässer den öffentlichen Wasserläufen erst in völlig geklärtem Zustande zu- 

f eführt und in den letzteren soweit verdünnt werden, dass eine stinkende 
äulniss später nicht eintreten kann. 

Alle Abwässer dieser Art, auch die Strassenwässer sind fäulnissfähig und 
demgemäss zu behandeln. 

Die Feststellung von Grenzwerthen für den Gehalt der gereinigten Ab¬ 
wässer an fäulnis8föhigen Stoffen verschiedener Art mit Rücksicht auf Temperatur 
und Bewegung des Wassers ist nothwendig. 

Vorläufig ist der zulässige Grad der Verunreinigung danach zu bemessen, 
dass unverkennbare Anzeichen stinkender Fäulniss, wie Fäulnissgeruch und 
Entwickelung von Gasblasen auch beim niedrigsten Stand des Flusswassers 
und bei höchster Sommertemperatur fehlen müssen. 

Die getrennte Beseitigung der Fäkalien macht die übrigen Schmutzwässer 
nur unwesentlich weniger fäulnissfähig. 

Zu 3. Toxisch wirkende Stoffe kommen und zwar nach den gegen¬ 
wärtigen Erfahrungen nur als mineralische Gifte (Arsenik, Blei) und betreffs 
der gewerblichen Abwässer in Betracht. Sehr geringe Mengen sind unschäd¬ 
lich. Es wird darauf Bedacht zu nehmen sein, dass die Grenze durch Sach¬ 
verständige bestimmt festgesetzt wird, innerhalb deren die Zuführung solcher 
Stoffe in die öffentlichen Wasserläufe zulässig sein würde. 

Zu 4. Auch durch andere als die zu 1 bis 3 bezeichneten 
Stoffe können Wasserläufe so verunreinigt werden, dass das Flusswasser zum 
Gebrauch als Trink- und Wirthschaftswasser, für andere Industrien und für 
die Landwirtschaft unbrauchbar oder die Fischzucht gefährdet wird. Es gilt 
dies insbesondere für Zuflüsse von Färbereien, Soda-, Gas- und anderen chemi¬ 
schen Fabriken, Abgänge von Parafin und Petroleum, heisse Kondensations¬ 
wässer, Chemikalien, welche zur Klärung und Desinfektion von Abwässern 
gedient haben u. 8. w. 

Entscheidend für die Frage, ob die Zuführung dieser Abwässer in die 
Flüsse mit Rücksicht auf so geartete Stoffe erst von einer vorhergehenden 
Reinigung abhängig zu machen sei, bleibt der Satz, dass das Flusswasser in 
seiner Klarheit, Farblosigkeit, in Geschmack, Geruch, Temperatur und Gehalt 
an gelösten Mineralstoffen (Härte) nicht wesentlich verändert sein darf. 

Allgemein anwendbare, in bestimmten Zahlen ausgedrückte oder die 
Grenze sonst, genau bezeichnende Bestimmungen darüber, wann dies anzunehmen 
sei, sind bis jetzt bei uns nicht aufgestellt. 

Da übrigens die Rücksicht auf die Gesundheit dabei nur selten in erheb¬ 
licher Weise und nur mittelbar, meist aber nur Vermögensobjecte in Betracht 
kommen, werden die verschiedenen Interessen in ihrer Wichtigkeit gegen¬ 
einander verständig abzuwägen sein. 

Insofern Flusswasser als Trinkwässer verwendet werden soll, ist es 
wünschenswerte dass die für die zulässigen Veränderungen festzustellenden 
Grenzwerthe dabei zur Anwendung kommen. 

II. 

1. Die Haushaltung« - und Abtritts Wässer, sowie die Niederschlagswässer 
von Höfen, Strassen und Plätzen können nach den bis jetzt gemachten Er- 



A ; et : m-djlungtu> um! /ÄS 

fahrmtgfcft mit den. u^ii^ehent» ■#;lAvgelogf. < ' n ’ Maßgaben a> töüitfiicÜg 1 n\u 
oölhig #eremigi werdvn. 

'•/ ■,' ;!;;; a\v «br ,$rüri 1 eii durch da*./Nw In&kÜ 6 n.^to.^VHt 
an* 1 iTmlriLsHiUliigei« &t.n!'en eoweu befreit, »hisy die Ableitung -i*m 
K ieselwfeot in öilöuttjohe Wu^m’^nte ohne Weiteres geschehen 

,v 



n^ nur teilweise nachträgliche. 

Faulmert m v?-chUion, imiaa die Menge tim FhiHWmü&rs ansreielum, • 
41« .*.^3^hü0Ö^iir zu vordti ruwh; andernfalls muss da* 

Wa^i'.v noch '•inet* genügenden- Zusatz ein#* filaTnifcsxvidrig^n 

. ■ - u l . *i,. '.. ... : i\’ t ... _ * 



Bi ■HHÜlii 

incfxf ^ avquImk 

• /$v-'-’Pb?.''^ 1; ' -'Sitte• gelten te geweiddiehe A-hW^er ;j». 

gleicher Weke. 

. ., |p/ •;x^tr.'. .^niülfÄtl^hmintiig^n:. sitta bei beiden V^rfahrfor 

/I u u*tf Uö zöitf^ig; drr Ort ihrer Anlage, ihre Kahl imd iUrv' Benützung 
sind zu k^.utr«>liireti; Zahl und ßotmkung möglichst. einKUscfar&nk'Hi.- 

4,. 'V;3päeKeaitejig^vürtiilu-rm -.ailfc^n.; tortlaufend aut* ihre 'aus- 
rniciieiidö W ! cr kaumbei l hontellirt wwlen. . . ., v ’\, . 

. te Wte^chaftiicho Deputation innunt ^ ^Wtiind , für die 

Reinigung der Abwässer ynn den zu »Skt/ l Nr 4 oben aütefithxten Stoßen 
Vorschläge zu machen; au^ dem^dbeii truuinhs aus welchem solche Vorschläge 
in Betetf dot anorgaidachon Verutmjiuigungtm von ihr hiditi gefordert« worden 
sind. (Vergl, Vorlage Seite 2,) 

ni 

Ob ein Fhw* durch 1 n feki i o n **f o t fe «0 venuimnigt ist, da«&, sine Ab- 
hülfe de& txo^iebetidöii ^a^tandhH erforderÖch wir.^ c l^®d man Auf*f?raii^ einer 
haktöriojoijpscbOn üntei'sufjhüng dm Flu^wässer* an deh verschiedenen dabei 
in Betracht komm enden.\te4te'«n Vergleich mit den Abw&wmi an dte 
Jtekt* an welchem V*e in den Flu^ Vdiigelötet wrfrdan, etkennch.. 

&imeräQm wird da« 
nutzung des Wmtöts zxi b 

■ »uwf . _ l jpppi ^ BBHPVMBVBRilBj^B^PliWRPP 

ÄikHemiich kann auch die Thate;a<tb>> ^ da»* sAjch^ •Ädhdn'.: 

geben uihI w 

-v— -BBBBBIBWi. PHBH HHI 

gänge aü« KraitenhäiL«^rii.; üt.^ ;Wclu^’hüuderi mSf 

iafelkiiohs kranken f^rsdnen her rühren/ b\t< VoidiÄmi^t^irr fHul r» '[%* flthigot 
Stoff« im Öebermiiöte wird man daran erkennen, viaig 4 ü$ Flus$w^tet er- 
heblioh gefärbt oder «?er3chlaxomf oife* sinkend wird, Vfl* .Auf^t^h -' • 

Oäwblä^u äu^ dim am Boden de* Fius*e» ubgelagerton Schlamm i^ i?iii unv 





Ob Endlich ö-nd^xe d^tartige -S;fei/'in/ ♦%;!> in »Je»* -Vfi'VVü 
«ji- AbwÄseern wtrd aiw ’4ei /o;ngetiet^o< ? » , r n> 


?4I^?t5mlen sieb Ctebeii., 


m : - 


Die Beuidiienut>g Auier geplant m in 0^? 

genieimichädUehe VennRernfgimg 

ritriblDett lai)« .lütter ^e^ck^ic^t^ttiff.'def jpv; 

wayser and ■•.der-.beabsijditigten VorKehnjuAi. t*i.< ®t» 

iiffr ip oWgeu l'ln»eo »vJ'geJilöUten b' 



mm* 

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1 


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54 


Verordnungen und Verfügungen. 


V. 

Es ist wünschenswerth, dass eine Kommission eingesetzt wird, welche 
dafür zu sorgen hat, dass die noch fehlenden wissenschaftlichen Unterlagen 
für eine definitive Regelung der Maassnahmen zur Reinhaltung der öffentlichen 
Wasserläufe beschafft werden. 

Begründung. 

Die Beschlüsse I, II, III und IV enthalten die Antworten auf die der 
Deputation unter den gleichen Nummern vorgelegten Fragen nach Erörterung 
der von den Referenten gemachten Vorschläge. Eine Vergleichung der beiden 
Referate ergiebt, dass m keinem wesentlichen Punkte zwischen ihnen eine 
Meinungsverschiedenheit herrschte. In der Sitzung trat ebensowenig eine 
solche hervor. 

Bei Redaktion der Beschlüsse ist der Gedanke leitend gewesen, dass die¬ 
selben möglichst vollständig und möglichst übersichtlich die Grundsätze dar¬ 
legen sollen, auf deren Beachtung Seitens der Verwaltungsbehörden es 
ankommt, um die Gefahren sicher zu erkennen und wirksam zu mindern, 
welche die Verunreinigung der Flüsse für die Gesundheit der Menschen und 
andere allgemeine Interessen mit sich bringt. Es ist deshalb in den Text der 
Beschlüsse Manches hinübergenommen, was die Referenten in der Begründung 
ihrer Thesen vorgetragen hatten. Es ist aus demselben Grunde die Gruppirung 
der zu beachtenden Grundsätze in erster Linie nicht nach dem äusseren Ur¬ 
sprung der gemeinschaftlichen Abgänge — Haus- und Wirthschaftswässer, 
Strassenwässer, Gewerbewässer —, sondern nach der Eigentümlichkeit der 
die Verunreinigung verursachenden Stoffe — Infektionsstoffe, fäulnissfähige, 
giftige, andere verunreinigende Stoffe — erfolgt. 

In der Kennzeichnung der 4 verschiedenen Arten dieser Stoffe sind die 
Beschlüsse den Ausführungen der Referenten beigetreten. 

In Beschluss 1. ist von den zu 1 genannten Abgängen nicht wie im 
Referat gesagt, dass sie „infektionsverdächtig* seien, sondern dass sie In¬ 
fektionsstoffe enthalten können, weil der erstgedachte Ausdruck in der 
Veterinärgesetzgebung (Reichsgesetz, betr. die Abwehr und Unterdrückung von 
Viehseuchen, vom 23. Juni 1880, R.-Gesetzbl. S. 153) eine andere Bedeutung 
hat, als hier beabsichtigt gewesen ist, ihm zu geben. 

Den Abgängen aus solchen Gewerbebetrieben, welche Felle, Haare oder 
thierische Abfälle verarbeiten, sind als gleichwerthig in Betreff der Infektions¬ 
stoffe noch die Schlächtereien und die Gewerbebetriebe, welche Lumpen ver¬ 
arbeiten, hinzugefügt worden. 

In Beschluss I. zu 2 (fäulnissfähige Stoffe) ist am Schluss bemerkt worden, 
dass die getrennte Beseitigung der Fäkalien die übrigen Schmutzwässer nur 
unwesentlich weniger fäulnissfilhig mache. Dies gilt nach der Ansicht des 
Kollegiums, es mögen die Fäkalien durch Abfuhr oder durch ein s. g. Separat- 
syßtem oder sonst wie getrennt von den übrigen Schmutzwässem beseitigt 
werden. 

In Beschluss I. zu 4 ist der Satz des ersten Referats gestrichen, Inhalts 
dessen „in einzelnen zwingenden Fällen* davon sollte Abstand genommen 
werden können, dass Wasser eines öffentlichen Wasserlaufs in einem für Haus¬ 
haltungszwecke verwendbaren Zustande zu erhalten. Es wurde anerkannt, 
dass dieser Satz keine genügend bestimmten Anhaltspunkte für die von der 
Verwaltungsbehörde in den einzelnen Fällen zu treffende Entscheidung an die 
Hand gebe. Was darüber zur Zeit zu sagen ist, wird in dem Beschuss I. 
zu 4, so wie er jetzt lautet, kundgegeben. 

Sobald es gelungen sein wird, für Flusswasser, welches als Trinkwasser 
verwendet werden soll, bestimmt erkennbare Grenzwerthe der zulässigen Ver¬ 
änderung festzusetzen, werden auch diese Grenzwerthe zur Amwendung kommen 
müssen, um im Verwaltungswege zu bestimmen, ob und unter welchen Ma߬ 
gaben eine Verunreinigung mit den zu 4 bezeichneten Stoffen zuzulassen sei. 

Der Beschluss II. ertheilt die Antwort auf die zweite der Deputation 
vorgelegte Frage, in wie weit nämlich die Einleitung unreiner Flüssigkeiten 
in öffentliche Wasserläufe durch vorherige Anwendung eines Reinigungs¬ 
verfahrens zulässig gemacht werden kann und behandelt zu diesem Zweck die 
Wirksamkeit der verschiedenen Reinigungsmethoden gegenüber den ver¬ 
schiedenen Arten von Schmutzwässern. 



Verordnungen und Verfügungen. 


verfahren“ und ein * geeignete* chemiaehc^ Verfahrens 2 we.de aber aijtww*- 
dem . twcb'-itit -, Bbdtmii.ltratbm' als eine beKmdeei} Art dm wirksamen und 
deshalb 2u»ulii«»Emd^Q ' : Ut$r : Ö^i^ic^iod i$t 

mdes&isur em schexribarer Wie dir müiiälu'jbft Verbandbtng' wg$h, und wie 
eine j^sniuere YürgidcKaug dfcr ^grjlödtaiÄaß b^dter ^eftra&r erkennen lässt, 
hat ^ ÖöH^nÄltriti^ti allerer Betracht ge* 


der Voirlage).;' -^ kömmt.; nach b$dsst Heferateu. darauf an* ob «Jae 
Yerfcltfvm unter dm Utostündm) des koukrcten Fallbeil» g^eigiiei^ tat. IHek 
•war auch die Ansicht der Imputation. £chcra im B^chlujis 1..'ist deshalb zuI 
uusgedrückt mmlenyan zu wendend e Verfahren von der Aufsicht*-', 
behfrrde als geeigtiet unerkaitht «ein muss. Im -Uebrigen herrschte:. dätfiW'; 
völlige» ^aiverstilndnis», ' ihm. em zweckmtls8ige> Beriesdungsretfahron. uucb 
jetzt noi'h als das vam sanitären Standpunkte best* Kemigungsmittel zu be 
zeichnen »^u Die Erörtermig stellte de^ Weiterer» <1&a klar, -dtes Ver&bjren 
trüber zugleich ‘ftl* die einzige, vollkommen wirksame Desinfektion* *• und 
Bein*«guiig^'methode der unreinen AI»wilder m» mwm OrU $oihm deüselheö 
die Fäkalien beigemischt waren/ Än^ehen und eine Reinigung der Abwteru 
in anderer WMse in dev Rege], nur dann für ^amchond wachtet wunie 
wenn der Mksrgchlusa, der Fäkalien von den Abwämmi durch Einrielilung 
eine^ugut organiöhlen .Abiuhn^atamifc .thuulicl^t sicher gestellt. wünhv Jetzt 
wird nach den neueren Fx^Cibrungen Rinc Reinigung der Abwässer,, mich wetiri. 
denselben Filkalien beigomisdit sind, durch geeignete, mit mechan^eben Ein¬ 
richtungen- verbimdenif chemische Verfahret» mttm* ^owisfceti Beduigutigen • ate 
für den **l)itären Zweck tt-n^tüc-bemi Dhx istin dem Bwchln^ TI, 

zu I und 1J. a-usg^ro^h'd»\Amd'- -Uhtet Nyr ttv und Nr. -‘i und 4 *md zugleich 
die WctiiuguJVgeyt.- m&Ü&iM ,. *n beachten send.. 

It» Nr. T b das Bösch 1\J8HC81L sind ausserdem noch zwei he*owT«re Punkte 
herr/itgnlMdam. fs 5srf, sum&cbtft gesagt; - / 

!>iu Rinmguf^ (durch m»ubanis<:h • Chemisette Verfahren) muss 
in zweekxmV^ig angelegten oinb ^ ft liehen Anstalten geschehen. 
Damit hafdm fabelte Annahme aiilg!^ sollen, als ob Tür die 

•Abwässer-eines Orts Kiö r vor rieh tmigon/ weidje aijf jedem einzelnen Grundstück 
angelegt sind, genügen könnt*?«, \w eine ^rfolgmidie Rciinigiuig herbeiziiflilirön 
Es würde durch aajeim VöiTichtiingen jode sichere KVihtro 11 e; üher die Würk- 
sanik^ii ih& VeHhbicn^ unmöglich gemacht wnrdojh Andcrer^ciU wird rlureh 
die Fassung m gelä^Hcn. au chmm gr^ama Orte für ver^climdene, einheitlich 
7AiP&Mnw!n&\fax*U* Bezirke mehrere fCS&rbas^UK e. r, w. einrmichtfm. Sodan» 
ist der Nr It» hoch Ufer Satz augei^igt*: ' ( , : • ; 

Durch die Aubilxifungwo:« Sihlaunumav^^» düdvvn :emc Scluldlieli 
^ " • 'koRw.-nmbt he.^org^mf^u’*! ‘ T ** 4:: !* J - 4 ': 1 , ' ‘l’*/-" 

Dfesan Satz hior aoszu^prechnn» obwohl er mit der FluH^.veninre t nigtmg^frage 
• ■ nfeht utmiittetbar ?amrbmt>n.hängt, erschien wünseben« werth.- Nach ..den; neueret) £rJ 
Erfalirungen ^oll ^chon dm Bcsseitigimg der .'e^höW^cben- •NfocTersehlfttfo i;-V :: -. 

i .»Vifl ‘ir (?i »>n tritUV, 1 , k.r%.. Vii. ’X 5 /ii ..f. 


aichf. i?ia' somhirn auch Gefahren fifr tife tjfesmuiJheit 'tiw ’ 

wohrier erzougen. 


Aoch: Wer, ^i«3^ Aon: ÄunföiirüngBn (f«r 









56 


Verordnungen und Verfügungen. 


Aufsichtsbehörden von Amtswegen einzuschreiten sei. Von einer Seite wurde 
bei der Berathung noch darauf hingewiesen, dass die Antwort auf die Frage, 
ob die thatsächli chen Voraussetzungen zum amtlichen Einschreiten in 
einem bestimmten Falle vorlägen, oft recht zweifelhaft sein dürfte. Das 
ausserordentliche Mitglied Dr. Graf aus Elberfeld glaubte insbesondere das 
Citat des zweiten Referenten auf Seite 26 der Vorlage über den Zustand der 
Wupper und seiner Einwirkungen auf die Gesundheit der dortigen Bewohner, 
wie folgt, berichtigen zu sollen: 

aus statistischen Tabellen sei zu konstatiren 

a) dass im Jahre 1885 Elberfeld eine Gesammteterblichkeit von 
20,28 pro mille, darunter 6,91 pro cent an Infektionskrankheiten 
hatte, dass die Kindersterblichkeit im ersten Lebensjahre 14,92 
auf 100 Lebendgeborene betrug, dass also nach der „Münchener 
Statistik über 17 deutsche Grossstädte“ Elberfeld in der Kinder¬ 
sterblichkeit die erste, in der allgemeinen Sterblichkeit die 
zweite, und im Verhältnisse der Infektionskrankheiten die 
sechste Stellung einnahm; 

b) dass Barmen aus dem Durchschnitte der Jahre 1882—85 eine 
Sterblichkeit von nur 22,78 hatte, dass die Typhus-Sterblichkeit 
eine geringere war, als in der Mehrzahl der rheinisch-westfälischen 
Städte; dass die Kindersterblichkeit ebenfalls geringer war, als 
in Düsseldorf und Cöln, dass die letzte Cholera-Epidemie in der 
Thalsohle 18 pro mille Erkrankungen zeigte, während die Seiten- 
thäler 37 pro mille Erkrankungen lieferten, dass die Brunnen der 
Thalsohlo zu 19,8 pro cent verwerfliches Wasser lieferten, während 
dasselbe bei 26,5 der an den Abhängen gelegenen Brunnen der 
Fall war; dass also trotz dem unzweifelhaften Vorhandensein 
einer grossen Menge faulender Stoffe ein direkter Einfluss auf die 
allgemeine Sterblichkeit und auf die Häufigkeit von Infektions¬ 
krankheiten nicht nachgewiesen ist. 

Die Beschlüsse IV. und V. stimmen ganz mit den Sätzen des ersten 
Referats unter denselben Nummern überein und gaben zu keinerlei Erörterung 
Anlass. Der Beschluss IV. verweist im Wesentlichen nur auf das unter den 
Nummern I. bis III. Gesagte. Beschluss V. betont, dass es wünschenswerte 
sei, durch eine von den staatlichen Centralinstanzen eingesetzte Kommission 
die Forschungen fortzuführen, durch welche die noch fehlenden wissen¬ 
schaftlichen Unterlagen für eine definitive Regelung der Massnahmen zur Rein¬ 
haltung der öffentlichen Wasserläufe beschafft werden können. Nähere 
Vorschläge darüber zu machen, erachtete die Deputation als nicht im Rahmen 
der ihr gestellten Aufgabe liegend. 

Zweiter Gegenstand der Tagesordnung 
(Schularztfrage). 

Die Beschlüsse der Deputation. 

I. 

Zur Sicherung einer ausreichenden Beachtung der Seitens der Schul¬ 
hygiene zu stellenden Forderungen ist es nothwendig, dass ärztliche Sachver¬ 
ständige in grösserem Maasse als bisher bei der Ausführung der Schulaufsicht 
betheiligt werden. 

II. 

Eine solche Betheiligung ist erforderlich 
1. in Bezug auf die konkreten Verhältnisse der einzelnen Schulen 

und zwar 

a) bei Errichtung neuer Schulen in Bezug auf die Prüfung des Bau- 

S jlatzes und seiner Umgebungen, sowie auch des Trinkwassers, 
emer in Bezug auf die Baupläne einschliesslich der inneren Ein¬ 
richtung und auf die Bauabnahme, 
b) bei bestehenden Schulen in Bezug auf die Umgebungen und das 
Trinkwasser, die Beschaffenheit der Luft und der Beleuchtung 



Verordnungen und Verfügungen. 


57 


in den Schulzimmern, die Subsellien und die Lehrmittel, die all¬ 
gemeine Reinlichkeit, die Beschaffenheit der Abtritte, die Heizung 
und Ventilation, die Spiel- und Turnplätze; 

2. in Bezug auf den Gesundheitszustand der einzelnen Schüler 

a) thunlichst bald nach der ersten Aufnahme eines Kindes in die 
Schule, 

b) während des späteren Schulbesuchs, insbesondere bei ansteckenden 
Krankheiten und zwar sowohl bei chronischen (Grind, Krätze, 
Augenentzündung, Tuberkulose, Syphilis), als bei akuten (Pocken, 
Scharlach, Diphtheritis, Masern, Keuchhusten, Genickstarre, Ruhr, 
Typhus); 

8. in Bezug auf die Lehrer durch Betheiligung an den Lehrerkonferenzen 

und an dem Unterrichte in den Serainarien. 

Die grössere Betheiligung der Aerzte an der Schulaufsicht soll auch dazu 
dienen, die durch die Schulen für die Gesundheit der Schüler etwa hervor¬ 
gebrachten Schäden im Allgemeinen weiter zu erforschen. 

III. 

Dass städtische Verwaltungs- oder andere Aufsichtsbehörden einen Arzt 
als Mitglied in die Schuldeputationen und Kommissionen oder bei höheren 
Schulen in die Kuratorien wählen, ist wünschenswerth. Vorzuschreiben, dass 
es überall geschehen müsse, erscheint bedenklich, da es zur Zersplitterung 
der Kräfte des Arztes, namentlich wenn derselbe ein beamteter Arzt ist, 
führen kann. 

IV. 

In Betreff der Einrichtung der ärztlichen Schulaufsicht sind vom medi¬ 
zinischen Standpunkte aus folgende Vorschläge zu machen: 

1. Die Baulichkeiten und Einrichtungen der Schulen sowie deren 
Umgebung sind vom Arzt in periodischer Wiederkehr zu unter¬ 
suchen. Es ist dabei ein nach einem vorgeschriebenen Formular 
aufzustellender Fragebogen zu benutzen und an die Vorgesetzte 
Schulaufsichtsinstanz vom Arzt einzusenden. In einem Zeitraum 
von 3—5 Jahren soll jede Schule mindestens einmal nach dieser 
Richtung revidirt sein. 

2. Der Gesundheitszustand der Schüler ist soweit als thunlich bald 
nach Beginn jeden Schulhalbjahres einmal vom Arzt zu unter¬ 
suchen. Soweit es sich um solche Schüler handelt, welche zum 
ersten Male in eine Schule eintreten, hat der Arzt jeden einzelnen 
zu besichtigen und die etwa vorhandenen Mängel festzustellen. 
Bei allen anderen Schülern ist die Untersuchung jedes Einzelnen 
nicht erforderlich. Es kommt nur darauf an, dass der Arzt durch 
Rücksprache mit dem Lehrer, durch Einsicht der Klassenbücher 
und alsdann, soweit nöthig, durch Untersuchung einzelner Schüler 
ermittelt, ob in der Schule Massregeln zu treffen seien, um 
grössere Schäden zu verhüten. 

Iiu Uebrigen bewendet es betreffs der ansteckenden Krank¬ 
heiten auch für die Schulen bei den bestehenden besonderen 
sanitätspolizeilichen Vorschriften. 

3. Zur Sicherung des Erfolges der ärztlichen Untersuchung und An¬ 
regung zur Abhülfe ist zu 1 von der Aufsichtsbehörde, zu 2 von 
dem Schulvorstande oder Direktor dem Arzt Über das Veranlasst« 
Mittheilung zu machen, welchem freisteht, Beschwerden gegen 
das Verfügte bei der höheren Instanz anzubringen. Ein Recht 
zu selbständigen Anweisungen an die Lehrer hat der Arzt nicht; 
nur insofern es sich bei ansteckenden Krankheiten darum handelt, 
einem kranken Kinde den sofortigen Schulbesuch zu verbieten, 
hat er den Lehrer darum zu ersuchen und wird solchem Er¬ 
suchen sofort Folge zu leisten sein. 

4. Die Vorgesetzten staatlichen Verwaltungsbehörden bestimmen, 
welche Aerzte, unter welchen Bedingungen und für welche 
Schulen sie bei der Schulaufsicht nach den obigen Massgabon zu 
betheiligen sind. 



58 


Verordnungen und Verfügungen. 


Besondere Schulärzte 6ind nur bei gesonderten Schulan¬ 
stalten mit Alumnaten und in grossen Städten erforderlich. 

Für einzelne Untersuchungen in besonderen Fällen sind ge¬ 
schulte Spezialisten zu empfehlen. 

V. 

Die obigen Bestimmungen gelten znnächst für alle öffentlichen Schulen; 
für Privatschulen und für Anstalten, in denen Kinder unter 6 Jahren aufbe¬ 
wahrt oder verpflegt werden, aber nur soweit die Zahl der vorhandenen 
geeigneten Aerzte es gestattet. 

B e g r.ü n d u n g. 

Der Beschluss I. bejaht in Uebereinstimmung mit der Ansicht beider 
Referenten die der Deputation zur Beantwortung vorgelegte erste Frage, ob 
es zur Sicherung einer ausreichenden Beachtung der Seitens der Schul-Hygiene 
zu stellenden Forderungen nothwendig sei, dass ärztliche Sachverständige 
in grösserem Maasse als bisher bei der Ausführung der Schulaufsicht be- 
theuigt werden. Zu einer besonderen Erörterung von Zweifeln gab diese Frage 
keinen Anlass. 

Schwieriger gestaltete sich die Herbeiführung einer erschöpfenden und die 
verschiedenen — sanitären, pädagogischen und pekuniären — Interessen gleich- 
mässig berücksichtigende Antwort auf die zweite Frage: 

in welchem Maasse erscheint eine solche Betheiligung erforderlich? 

Die Vorlage theilte diese Frage in zwei Unterfragen: 

1. Auf welche in hygienischer Beziehung besonders wichtigen Punkte 
hat sich die ärztliche Beaufsichtigung der Schulen zu er¬ 
strecken? und 

2. Welche Vorschläge sind für die Art und Weise der Einrichtung 
der ärztlichen Schulaufsicht vom medizinischen Standpunkt aus 
zu machen? 

wobei darauf hingewiesen ist, dass bei der Erörterung beider Unterfragen die 
Verschiedenheit der Verhältnisse der Schulen zu berücksichtigen sein dürfte. 

Die Erörterung an der Hand der von den beiden Referenten ausgearbeiteten 
Referate ergab bald, dass beide Gruppen von Unterfragen nicht füglich ganz 
auseinander gehalten werden können. Die Deputation Knüpfte die Berathung 
deshalb mehr an die Reihenfolge der in den Referaten aufgestellten Thesen 
und deren ausführliche Motivirung an und berücksichtigte bei Redaktion ihrer 
Beschlüsse nur fortgesetzt, dass dieselben die Antwort auf die gestellten Fragen 
in thunlichster Vollständigkeit enthalten müssten. So kamen die Beschlüsse II. 
bis V. zu Stande. 

Der Beschluss II. entspricht der These II. des ersten und den Thesen 2—7 
des zweiten Referats, soweit dieselben nicht schon die Art und Weise der 
Einrichtung der erweiterten ärztlichen Schulaufsicht im Einzelnen zu be¬ 
stimmen suchen. Es stellte sich in keinem Punkte ein grundsätzlicher Wider¬ 
spruch gegen die genannten Thesen heraus. Die Meinungsverschiedenheiten 
erstreckten sich vielmehr nur auf Einzelheiten vom Standpunkte der Ausführ¬ 
barkeit und der Zweckmässigkeit oder es wurden Ergänzungen gewünscht zur 
Vermeidung von Missverständnissen. 

Der Beschluss erklärt unter la die Erweiterung einer ärztlichen Mit¬ 
wirkung zunächst für erforderlich bei Errichtung neuer Schulen in Bezug auf 
die Prüfung des Bauplatzes und seiner Umgebung, sowie auch des Trinkwassers, 
ferner in Bezug auf die Baupläne, einschliesslich der inneren Ein¬ 
richtung und auf die Bauabnahme. Die zuletzt unterstrichenen Worte sind 
bei der mündlichen Berathung den Vorschlägen der Referate hinzugefügt, um 
insbesondere die Subsellienfrage schon rechtzeitig der ärztlichen Beachtung zu 
unterstellen. Uebrigens wMirde darauf hingewiesen, dass im Centralblatt für 
die Unterrichts Verwaltung, Jahrgang 188o, S. 258 eine Verfügung an die 
Regierungen in Danzig, Marienwerder, Bromberg, Posen und Oppeln veröffent¬ 
licht w r orden ist, durch welche dieson für die am häufigsten vorkommenden 
Baufälle für ländliche Volksschulen ausgearbeitete Projekte mitgetheilt werden, 
welche als Anhalt für die Bearbeitung der einzelnen Entwürfe dienen sollen. 



Verordnungen und Vertilg nagen, i$ 

DerBeschluss föhrt diut«. -unter. 1 b d iejouigoji' Funkte a«f* welche. bei 
bestehoodeivSchulen ärztlicher MitaufsL iü bedürfen Auch hier ist 'keim» 
Meiniiugstersebledanheit hervorgetretoa, 'Wenn 4spi zweite Referat der „Dins-:. .. 
baiiten * bestehender Schulen noch besonders gedachtUirL so wt- zu IrtvmnrVäu, 
dass ;4u r *tdbea in dem Beschloss nur deshalb nicht .werter erwähnt jritrd. weil, 
wenn dhV Bedürfnisse und Mängel einer bestehenden Schuh» r.u einem Umbau 
f&htehv.jäas .«l^.föuw'feltg de* Beäckldsse« tb. sich ergiftbt, wie nach all den 
dort »ng&gftWtwn Riehtungo« der Arztdarauf zn achten h»t v dass ihm be¬ 
merkte» Mängidh. durch den ITttibäu wirklich AbhffltV gescheite, 

ln Sbr Kr; 2 hÄt der B^cldus* die These H S #* ersteo Beforuts etwas 
mtwHlbürt. insofern dieselbe die Auffassung «ulies*. als solle der Aufnahme 
jedos Kindes in «in* Schule eine ärztliche Früfung «eines GosuadheiiszostaudiM 
v<riiiiorgehoii Es Word* aneiltannt, dass diA» otaersetts ols eine unzulässige 
Einmischung in die vnuerun Angelegenheiten der Familie uufgefaasi. wurde-« 
könne. andererseits. über auch abgesehen vielleicht von einzelnen grössem» 
SiildteR ünuusfäUirbur sei« würde. 

Dagegen ward’h allsolMg hefvorgehtiben. wie wichtig «a ISr dite gedämmte 
Schulleben der jvintler sein mässe, schon bei ihrem Eintritt in die Schute fest- 
zostelien, welche gesundheitlichen Mängel dein Einzelnen unbitten. Gerade, 
dadurch werde der ret.'Mzeitigon Veriiötuug weitefer Schaden auf die. leichfeste 
Weise vorgebeugt, werden, Bios Ziel aber werde der Lehrer ohne ärztliche 
Mitwirkung nicht erreichen. Die Deputation wählte danach die Fassung ihres 
Beschlusses, welche den praktischen Schwierigkeiten .ite Durchführung einer 
solchen Massregel zwar Rechnung trägt, xugbtch aber betont, wie wichtig und 
neulich sie sei. 

ln Kr. 3 des Beschlüsse* 11. ist die These II. Kr. .4 des ersteh. Referat« 
äberotqmmehund in Verbindung damit die These U des zweite« Referat'' er¬ 
wogen. Die Letzten? wurde in dpt Fassuing, /ba Öeseldussos} III. äogeBorösten. 
ln Beschluss 0. ist am Endo noch eine Iterniwhiing aulgonomntbri. Wedelte 
Muhlich mit der These Ü Nr, 1 ilos;;<^^R,'Eeferüts ilboCeinstiinutK . 

Der BeschlussIV; enthält, einft Reibe von J^inznlvoirscblägen fibor die Art 
und Weise der Einrichtung der ärvilieWjt Schulaufsicht, 'dtfb'prtclit nltö tiaupt- 
idicltlicii der zweiten der dor Deputation vorgolegten, oben ■ .jnitgethoilton 
Unterfragen. Es wwdew durch diesen Beachte«* die These 11t des ersten 
Referate, die These«, SrrS des. »wetten Hefe rate und ein grosser Thoii dpr auf 
tüesciben bef.figlic.tfen bf^rrütKiendon Ausführungen Aor bei dem Referate erledigt. 
Sofern «s sich um Abweichungen von diesen Tmvian .und Ausführungen bändelte 
ist Folgendes zu bemerken. . - • • , > ,; ' 

Der erste Vorschlag nimmt den wichtigen, in These 3 und 4 d* «woitrai 
Referat« zum Ausdruck gebuchten und in den Motiven des ersten, Referat* 
ebenfalls angeregten (Jcdänkeh auf, (lass die Ergebnisse jeder ärztlichen Revb 
«ion einer Schulanstalt in einem PTOtökoJi»aon einem brwrirnmten Forumkit 
(Fragebogen) fextgost^flt werden sollen. Es wird ferner indrin Vorschläge 
fibcroinstimffjend mit beiden Referaten eine periodisebe- Wiederkehr #.o|oher 
Revisionen in Aussicht genommen, dabei aber den Schwierigkeiten Jftr Durch- 
ffihmug dieaer Massregel durch TUe Gestaltung ein 91 ’ niohijJihrigen Frist für 

ihre Wicdorholung thnnikhst zu hegegtinn gesuchte < 

tfeiwr gleich lange Frist konnte freilich in dem zweiten Vorschläge W 
treffs der firztlieben Lnterenekuiig des !i#.nndheitzÄU«t(tndes der Schüler nicht 
zugelassen ; : ^ßirAen«;;"W.<mn dieselbe fiberhanyt einen >V«rrth hftbon «11. Hirn 
wird 'Abf.’.^flmrwindtmg det Hraktischcn Schwierigkeiten, welche siel) gegen 
die. AiiPthlu'lmrkcif ft«« dem Mangel geeigneter Acrzte und der grossen 'Zahl 
der Schüler, und Schaler, an» der Lage der Schulen n. ». w, ergeben, von der 
Dejuitation dadurch erhofft. dass scharf in da» Attgr? gofaest wird, wie die 
itrztlicln? Mitwirknng nicht auf eine Behänd Iung der'winzelüe«^ 
einmal auf genftue ärztliche Unters-ucbung dcmelljen, sondern mv : dü'tW%.* 
richten »oll, zu ermitteln, ob tu der Schule Maorcgebi «u trefftt, vty> 

grössere sanitfire Schäden tu verhüten Dio Deptitiition ist 
in solchfitt. Schranken gehalten* --- wona änCh, in 
Aerzten reich niivgcBtatleien Jfihdljcheu ÖtteeUftiten hüfthter un/< 

Ln dünn bevölkerten Bezirken — die ärzdiche Mitwirkung, und zvur 
irgend thunlieh am Beginn jedes Halbjahre* — rieb dördiftih'-Ui i**,*/' 


•JVÄf 

dl«, 



fiO 


Literatur. 


verständig durchgeftthrt, für die Schule wie für die Schüler als nützlich er¬ 
weisen werde. 

Das Verfahren beim Ausbruch ansteckender Krankheiten in einem Ort 
wird durch die vorgeschlagenen Massnahmen nicht berührt. Hinsicht» dieses 
Verfahrens bleiben die allgemeinen sanitätspolizeilichen Bestimmungen mass¬ 
gebend. 

Der dritte Vorschlag hat zum Zweck, den praktischen Erfolg der ärzt¬ 
lichen Mitwirkung thunlichst zu sichern und die Frage der ärztlichen Exekutive 
in einer die Interessen der sämmtlichen Betheiligten berücksichtigenden Weise 
zu erledigen. Er schliesst sich an die in den Referaten enthaltenen Vor¬ 
schläge an. 

Der vierte Vorschlag stellt als Grundsatz auf, dass die staatlichen 
Verwaltungsbehörden zu bestimmen haben, welche Aerzte, unter welchen Be¬ 
dingungen und für welche Schulen sie bei der Schulaufsicht nach den obigen 
Massgaoen zu betheiligen seien; nimmt an, dass besondere Schulärzte nur hei 
gesonderten Schulanstalten mit Alumnaten und in grossen Städten erforderlich 
sein werden, und empfiehlt für einzelne Untersuchungen in besonderen Fällen 
geschulte Spezialisten. Die Deputation war der Ansicht, dass es nicht ihre 
Aufgabe sei, speziellere Vorschläge zu machen; sie hält es für ausreichend, 
zu betonen, dass die Bestimmung darüber, auf Grund welcher Unterlagen die 
geeigneten Männer für diese Thütigkeiten zu finden seien, von den staatlichen 
Verwaltungsbehörden getroffen werden müsse. 

Von dem Vorschläge in der These 2 des zweiten Referats, sämmtliche 
Schulen eines Bezirks durch eine Kommission, welcher ausser dem Diri¬ 
genten der Anstalt ein Baumeister und ein Arzt angehören müssen, in Bezug 
auf ihre bauliche und schultechnische Einrichtungen einer Revision zu unter¬ 
ziehen, nahm die wissenschaftliche Deputation Abstand, da derartige, die An¬ 
gelegenheit leicht erschwerende Vorschriften sich nicht füglich allgemein 
ertheilen lassen. Ebenso berührt die in These 8 behandelte Frage, wem die 
Kosten für die ärztlichen Schulrevisionen aufzuerlegen sein würden, nicht den 
Geschäftskreis der Deputation, welche sich ebenso einer Erörterung der 
These 10 daselbst enthalten hat. da die Frage, wie weit die ärztlichen Schul¬ 
atteste für Schul Versäumnis« und Dispensation massgebend sein sollen, nicht 
das Gebiet der Schulaufsicht berührt. Nur die Frage, ob und in wie weit an 
dieser Aufsicht Aerzte zu betheiligen seien, konnte den Gegenstand der Ver¬ 
handlungen innerhalb des für dieselben gegebenen Rahmens bilden. 

Der Beschluss V., welcher sich auf die Bemerkung am Ende der in der 
Vorlage uns mitgetheilten Uebersicht der Einzelfragen bezieht, ist davon aus¬ 
gegangen, dass die öffentlichen Schulen in erster Reihe der besonderen Fürsorge 
bedürfen, welche in der erweiterten Betheiligung von Aerzten bei der Schul¬ 
aufsicht liegen würde. Hier ist die grösste Zahl der Kinder untergebracht; 
hier dürften auch die Gefahren für die Gesundheit der Kinder am Ehesten 
entstehen. 

Berlin, den 21. November 1888. 

Die Wissenschaftliche Deputation für das Vedixinalwesen. 

Sydow. Skrzeczka. Virchow. Olshausen. Westphal. Leyden. Koch. 

Pistor. Kersandt. Gerhardt. Schönfeld. 


Literatur. 

1. Dr. R. Gerstäcker- Neu-Breisach. Hygienische Bedeutung der Re- 
vaccination. Separatabdruck aus der deutschen Vierteljahrsschrift für 
Gesundheitspflege. 

2. Derselbe: Ueber das Verhältnis der Vacdna zur Variola. Sonder¬ 
abdruck aus deutsche Medicinal-Zeitung 1880. Nr. 20. 

2. Derselbe: Zur Administration der Impfung. Separatabdruck aus 
Gulenberg's Vierteljahrsschrift. 



Personalien. >u 


4. Derselbe: Ein Pall von psychischer Epilepsie. Sspaiatobdrock aus 
Zeitschrift für Psychiatrie Bo. 45. 

5. Derselbe; lieber den Tori durch (.(ewefsrsuhwwunden in geriehts- 

ärztlieb.er Beziehung.. Konderabdj'iuk ausden Üöii*eJmit für HojlkumbD 
Band VIII,. Verlag yoii ’l'eiujriky Io Prag. ■>_• .: 

6 Dr; 35. Cugnr, Professur in Bonn: Idi? Bedeutung der goric.htlichoti 
M edlem und deren Btellong auf dkütediVh Hochschulen, Bepartd»3K?.reek 

aus Eulenbui^h yiwtei.urhrsebrift.FA-if ^ 


P e r $ 0 n a I i e n. 

Aoszoichnaßgeus i 

Verliehen: Der Charalftrr als bkeheimei Medicinalrath: dem 
Professor Br. Quincke in Kiel und Dt. .lucohson in Berlin; als Sanität-- 
ratiu den KrtuspIvysiKeri» Bri WjMfixiwii ih Ehlingen tind Br. Siihrtiff in 
NeüS«, tlöh-jri-.iktirieben Aerztüh Br. Buht» in Tiegenhof, Dr. Luther 

in Luckvuiwalde, Br- Aüfmcht in, Magdeburg 

und Br Lmseovbflurrg }n .Ä^lK'n.^tAi'.l.c-V'.yV "... ,* S\>,. 

I hr ttotUa Adlhrofdätt 3n.;jüiftäke -na|> d»r Shlrieif^; dthö; Heb. 
Mts3;-Rath 'in Breslau, dem urd. 3 J rofes«dr Dr. Goltz 

in Strswsbiirg »jE-V dem Gehohneö Medicusahuth und Profeftsot Br. Gräfe in 
Balte a;3.; tjwäf, Gphwhieh. und Regieronifsrafb .Brl Schultz- 

Hohne, in Mindo»; ."».'.'der Bo th.a .Adlerhrdeu IV, Classo: dom Stabs- und 
Bataindfriftrat Ihr. Giyiirh in Stettin; dem Kreisphysibus und Medicinali-ath 
Dr. .fhnart in Insterburg, den Oebeimejfi AJedichiairätheii Dr. v. Wild in 
Cassel um! Br. Wulff in. Der Jm ; den Ereisphyrikern Siuüfäisrath Dr. Drucker 
in Keekluiigtbaugeo, Sa;i:tHt<r>rib Dr. i'riodrjeh in Hameln, Sajutütsnitb Dr 
Muinhof ,rn Plt^cliea hnd öfeheimen Sarutfiterath Dr. iSiimmerWaifi'n in. lJÜ?' 
.seidotf; den orrl, Profftjgh^en lh', öchwiad'be in Breklab utid 
Königsberg ifPr*i dem CaotonaltP^W Dr. Knol 1 in EnaisheiTtri den Öborst&bs- 
ärzthii ’2 (.'lasse imil ßhgintontsärztea Dr. Andrea in Karlsruhe, Dr. Batzot 
f r In Kolmir, Dt. LtchtechJag in Koblenz, Dr. Lihdbättthn in Bängter. Dr. 

Mit der in Foaou, Dr. 'Mahls*' in Saarbrücken, Dr. Metzler in Darmstadt., 

in StrtLssbarg I/E. und Dr Ktahf in 
Cassel, sowie- dem Stabsarzt Dr. Scheibe m Berlin und dem Marinestabsarzt 
Dr. Wen di in Wilhelmshaven,. 

Den Kronenorden II. Clu.«-*; dem Geh. Medicinaimth Professov Dr. 
Nasse in Bonn, dem Generalarzt 2. CWe and Corp.sarzt Dr. Opitz in 
Königsberg tf Pr.'; den Krone tu.«; den 1TI ('lasse; dem Prof. Dr, Killa zu 
Marburg, de« Olversbibsaizteti 1 Claas« sind Regimentsärzten Dr. Berger in 
Oblau, ib, Alande in Meraebürg.Dr.Tieyfcnovr in Cassel, Dr. Weh er in > 
Glogau thnd Dr. Zimmernmnn in Mainz. ..;v ' 1 , 

Erneannngem und Vsmtjstmgcift i 

Ernannt.- Der seitherige Krfeiswtiudum de- Kreise-: Vetveu Dr. Halle 
au Ebsdorf unter vorläufiger Beladung -.eine* AVobnsitzc,', zum Kreisphysifcus 
des Kreises Soltau; der seither mit. der Verwaltung «i«x Physxkats de« Kreises 
Darkehmen beauftragte pralriisehö Arzt DfeBttjbtpon i» Baifkebajen zum Krei«- 
pbysikus «Ims«* Kreise»; der eeitirnngc bmswunda'rzt Dr m 

bötg znm Krekphysikns des Ki«i^'Müte6jb»beK,-ld^r seiHo.>Vgf 
Dr. Lie b er f tu Sagan zum 1?rebrphysikin; des Kroisy.- «Kh. I 

Arzt.- Dr. Kfelkoff zu CöUcda unter Itelassung .in seinoui C' .. ... .; 
pbysikus des Kreise» EfkurBbciga. d,.* triy-ric?»-,A'c-nvv-'. ; - 

arzteteUe dt» Elteises Guhtan Dr P^pe ln 'IV-hirnan r.um • 

Kreiset, d« praktiacbe Arst IH : cf uder in Lahsphy unt.er 
Wohnsitze zum Kreiaphysikss 4h» Kreist* Wittgenstein i 
Dr TiUoeksn zu Sairrlmps: ztftH Kreisfihysikuy des K«'isW 





62 


Personalien. 


Uebertragen: Die einstweilige Verwaltung der Kreiswundarztstelle 
Oschersleben dem prakt. Arzte Dr. Glass daselbst, sowie diejenige der Kreis¬ 
wundarztstelle des Kreises Flatow dem prakt.’Arzte Dr. Poschmann daselbst. 


Das Fähigkeitszeugniss znr Verwaltung einer Physikatsstelle haben im 

IV. Quartal 1888 erhalten: 

Die praktischen Aerzte: Dr. de Camp zu Lauenburg, Reg.-Bez. Köslin, 
Dr. Claussen zu Heide, Reg.-Bez. Schleswig, Dr. Curtze zu Ballenstedt in 
Anhalt, Dr. Dütschke zu Falkenberg in Lothringen, Dr. Eickhoff zu Braun¬ 
fels, Reg.-Bez. Koblenz, Dr. Heinrichs zu Dremmen, Reg.-Bez. Aachen, Dr. 
Henning zu Schlawe, Reg.-Bez. Köslin, Dr. Holfelder zu Wernigerode, Reg.- 
Bez. Magdeburg, Dr. Lehnen zu Hillesheim, Reg.-Bez. Trier, Dr. Löhleinzu 
Berlin, Dr. Meyen zu Labes, Reg.-Bez. Stettin, Dr. Müller zu Insterburg, 
Reg.-Bez. Gumbinnen, Dr. Pape zu Tschirnau, Reg.-Bez. Breslau, Dr. Roth er 
zu Torgau, Reg.-Bez. Merseburg, Dr. Rost zu Leipzig, Dr. Salomon zu Dar- 
kehmen, Reg.-Bez. Gumbinnen, Dr. Schirmeyer zu Osnabrück, Dr. Wanke 
zu Rummelsburg, Reg.-Bez. Köslin, Dr. Westrum zu Hoya, Reg.-Bez. Hanno¬ 
ver, Dr. Zumwinkel zu Laar, Reg.-Bez. Köln. 


Verstorben sind: 

Die praktischen Aerzte: Dr. Stock in Conz, Kreiswundarzt a. D. und 
Sanitätsrath Dr. Jansenius, sowie Dr. Kyll in Honnef, Dr. Koehnen in 
Dormagen, Dr. Ludw. Auerbach in Trier, Dr. Ehrenberg in Kremmen, 
Cario in Loebnitz, Kreisphysikus und Sanitätsrath Dr. Reche in Kosel, Ober¬ 
stabsarzt a. D. und Kreisphysikus Dr. Düsterhoff in Lissa und Oberstabsarzt 
a. D. Dr. Puhlmann in Potsdam, Dr. Denicke in Lüneburg, der Geh. Me- 
dicinalrath und ord. Prof. Dr. Nasse in Bonn, Dr. Lauffs, Arzt am Vincenz- 
Spital in Aachen, Dr. Geuenich in Düren und Geh. Sanitätsrath Dr. Mar¬ 
tins in Berlin. 


Vakante Stellen:*) 

Kreisphysikate: Insterburg, Putzig (Meldung bis zum 15. Febr. beim 
Königl. Regierungspräsidenten in Danzig). Königsberg i/N. (nördlich), Filehne, 
Witkowo, Neutomischel, Schildberg (Meldung bis Ende d. M. bei der Königl. 
Regierung in Posen), lissa (Meldung bis zum 18. Febr. bei der Königl. Re¬ 
gierung in Posen, Abth. d. Innern), Goldberg-Haynau, Kosel, Merseburg, Lie¬ 
benwerda, Geestemünde, Uslar, Hümmling, Adenau, Daun und Oberamt (Jam¬ 
mertingen. 

Kreiswundarztstellen: Fischhausen, Darkehmen, Heiligenbeil, Heyde- 
krug, Oletzko, Tilsit, Karthaus, Marienburg, Loebau, Marienwerder, Graudenz, 
Angermünde, Tempiin, Friedeberg, Ost- und West-Sternberg, Bütow, Dram- 
burg, Schievelbein, Bomst, Bromberg, Strehlen, Ohlau, Hoyerswerda, Reichen¬ 
bach, Grünberg, Münsterberg, Sagan, Wanzleben, Wernigerode, Worbis, Zie- 

S mrtick, Langensalza, Recklinghausen, Höxter, Lübbecke, Warburg, Ljppstadt, 
eschede, Hanau, Hünfeld, Kleve, Bergheim, Rheinbach, Wipperfürth, Elberfeld 
und St. Wendel. 


*) Wo ein bezüglicher Vermerk fehlt, sind die Stellen entweder noch 
nicht ausgeschrieben oder die officiellen Meldefristen bereits abgelaufen. 



Briefkasten. 

II t l * f fc ä s !t o n. 

Antwort «.d 1. Diö Flüge dpr .VufnaliSiieatte&ie für die Imnumtulfcen 
hat bereit: iw. anderen medicmisi’beu Bl&ttera eine derartige Erörtmvtvg g*r . 
fund»«, da*; uiue. neue Besprechung an dieser Steile nur Del ins Feuer giessen 
und den Streif der Parteien in. <Vft*sre wehr der Wissenschaft gewidmete 
Zeitschrift liinöhttragen würde 

Man »an«« die Frage der Gültigkeit der üfttJicheo Attest* «»ndern rini 
der Frag«'»Jet amtlichen Beaufricbtiguug der Privat»lneaanMuHör» durch den 
Kreieph/tiik'iiJ, «ad vor aljeii Dü»g*Ji' nifosefe M^r ärztlichen BeaKiteu das he* 
twhUgte Steodesgelfelid.umerer mthiafiatliobe» College« schonen. Wir würde« 
der gesaüi'öite« im Sfäatö und nji» selbst nur schaden, 

iVöttf) ,*$?:• hpe «nsere&öllegen enlfremden ^ölltäß«;* r 9«nn nach ««Bern eigene» 
Erfahrungen werde« wir doch wohl da«« übert;iristiniOTen f dit-ss wir ohne 
colfegrale' Fülilimg wit dön praktischem Äerstun und ohne deren volle Unter- 
ijtüteujig f8r di* sanitäre .Hebung nur wtshig Ersfarieesliehee 

lewten köomttt.- djßäe» pmktteohfn Zwecke* ViTBleii tutten 

wir. Überall die Hube und deri Frieden in»«»ursm äriWHdiefl Sthud« fordern 
ta wollen, soweit unser amtliches eigenes Standesinterewie und ätaodeegefilbl 
es erlaubt, , 

Antwort ad 2. Die Beantwortung dieser Frag« Btöest gegenwärtig 
noch auf grosso Schwierigkeiten, da es nicht gut möglich ist, ohne 
grösseres Material derselben sachlich naher rn treten, und alle theoretischen 
Rafsonncments ins Wasser fallen würden. ' •'. ' ‘ 

Um daher für eine spätere Discustipn «ine Unterlage sal gewihfleiit 
empfiehlt es sieh eovjoi wie möglich das >nw chlägigr* Material, das hie und 
d.i zerstreut in dem Fache der Mcdicinalbeainten ruht, «ns Tagedlebf r.t» 
zieh«), *n sammeln und zu sichten, und. gestatten «vir uns öls ersten Beb 
trag dieser Art nachstehenden Vorgang zu wteriten. 

1) Auftrag Om Amtsgerichts; 

tri der Strafsache gegen M. Wege« Erpveasung sind Sie zutu Sach¬ 
verständigen ernannt und werden au Ihrer Vernehmung auf Antmg de» 
KönigV. Amtegerichts .auf iien 14. Januar 38.. geladen. 

Sie wolle« vorher die Act en zu (jirer 1 ii i’o r.uvat> on in der 
Oeftfebtssf , bf©ib<rrö:i einsehPti. /' ;,ri . 4 . / •'*•' 

Die» ist geschehe») und wurde Ib.iuidirt: 
für »len Vorhcsui h zur Akioneitusicht am 18. Januar 8 .Mark. 

Fuhrkoxteo 2 . 

Für den l’erjnm am. 14..; : danimr , . ft 

. •••.'• • ' ; ; F«bj kosten 2. v '/i ; ' '•. ^ 

''V,,'. ÜFMark, ■, • ./•,; . 

Diese Ußbübreureclmung wurde. angewiesen • .4#d' gezahli,. aburi in J»r 
Felge traf nächi*teheod(‘ “Verfügung Vöin Aßifesgcriidit. tdn v. . 

In Sache« gegen M, mul ihnen für eine« tau18. dämmtd. ,1. st&ttgt- 
habteu Vörbe^uch zur Acteiieinsidii ä llark Gebühr and 2 Mark Fuhtfcoiten- 
enteciiittligung, äsusaiuihen 5 Mark gezahlt wonluu. Seite*» de» .Kovrisor? tot 
dieses moairt Worden, und kamt diesy* {leh'lbr nicht pftsairen, /, ■ 

Njtich S ;6 des ; .;V'ö'tö- ’9. und d««r Vj-t 

17 Septcriihcr 1272 hctretfeiui ilieGir-hührCrt der iMödicurv- 
iwur in der durch Absatz 2 des $ Ü ^egohfidfeii* Beshiirö - — 
besuch «in«. Öehöhr Von ä Mk, zu, diC*e Gebühr wird 
jede aüsiterhalh Ihrer Wöliuewg viiigeuottaueno Besieh:. .=>;• 
suchenden Pen»oriu vzerni ditwu Ffeichtignng zu der ’ 

EriuittelUiig erftifiorlich waärv•■;•' ; ' , *. ’ ’ • ctW*. 

-X-V; 'Vertilgung »Icä Bort« Jufttir-miuister» vor« ■- •$&' 

8. 190). Auf Vorbefluebo »»rr Äcte«oinsieht thnltU. $ % 
für ÄloiHcinalljOttJute kiMhu Anwondvoig • 

Sie werden deshalb uufgefordert. die filr -den Vorher;> , • •.. -."4 

ihnen aezahUo Uelnlhr ■ von 3 wir, «nd d«; Fnbrkh$4jBavii^^'^^V^^ 

5 Mack binnen «iner Worho nach Empfang dieser ' 1 

Königliche lJerichts-lCtee irntei Vorlegung dieser Vevfii; • 



e-ri'^ip» 

;>*i - Vr^'r 

V'i<: ^, *e>- • 

,V .. rij.' j .SJkV^ 

■ . 

• .v*5>’ • * 


W'\ir ' 



64 


Briefkasten. 


schaftliche Quittung des Rendanten und Oberbuchhalters zu zahlen, oder unter 
Mittheilung obiger Angaben postfrei einzusenden, widrigenfalls dieserhalb 
Zwangsvollstreckung angeordnet werden muss. 

Gegen diese Verfügung wurde geltend gemacht: 

Dem Königl. Amtsgericht erwidere ich auf die mir unter dem 9. Mai 
d. J. gewordene Aufforderung zur Rückzahlung von 5 Mark Gebühren für 
einen Vorbesuch, dass ich gesetzlich zu der Forderung von 5 Mark Gebühren 
zu dem Vorbesuch vom 13. Januar berechtigt zu sein glaube. Sollte das 
Königliche Amtsgericht dies indess in Gemässheit der Verf. des Herrn Justiz- 
Ministers vom 14. August 1876 nicht anerkennen, so ersuche ich ergebenst um 
Festsetzung der Gebühren nach einem anderen gesetzlichen Modus. Da ich zu 
diesem Vorbesuch zur Acteneinsicht circa 2 Stunden verwandt habe, so dürfte 
analog der Liquidation anderer Gutachter, z. B. Apotheker, Chemiker, Bau¬ 
meister etc. eine Gebühr von 4 Mark für diesen Zeitaufwand angemessen er¬ 
scheinen, sowie für Droschke L Klasse eine Auslagevergütigung von 2 Mark, 
in Summa also 6 Mark. 

Darauf traf folgender Bescheid ein: 

„Auf Ihre gefällige Eingabe vom 20. d. M. erwidern wir Ihnen ergebenst, 
dass wir z. Z. nicht in der Lage sind, die Gebühren für den Termin am 
14. Januar d. J. anderweit festzusetzen. Denn dies würde nur geschehen 
können, wenn der Termin (einschliesslich der Informationszeit) länger als 
3 Stunden gedauert hätte. (§ 3 des Ges. vom 9. März 1872.) Nun hat aber 
nach Ihrer eigenen Angabe die Information ca. 2 Stunden gedauert, während 
der Termin selbst wohl kaum eine Stunde gewährt haben wird. Wenigstens 
lässt sich dies heut nicht mehr feststellen. Im Ganzen wird also die für eine 
Erhöhung der Gebühr erforderte Zeit von 3 Stunden nicht erreicht.“ 

Da mir vor Jahren in einem andern Gerichtsbezirk bereits ein ähnlicher 
Bescheid zugegangen war, so habe ich mich, um unnütze Schreiberei zu ver¬ 
meiden, hierbei beruhigt, obgleich ich die Ueberzeugung habe, dass diese 
Auffassung des Amtsgerichts und des Gerichts überhaupt eine irrthüm- 
liche ist. 

Die Motivirung meiner Ansicht erspare ich mir auf eine spätere Zeit, 
theile aber vorläufig eine mir gemachte Notiz des Collegen Wiener mit, 
welcher mich aufmerksam macht auf die Entscheidung des Reichsgerichts vom 
19. April 1888 (Juristische Wochenschrift No. 23 u. 24 S. 215), wonach der 
medicinische Sachverständige für Geschäfte, die er ausserhalb des Termins im 
Aufträge des Gerichts in seiner Wohnung ausführt, Entschädigung zu be¬ 
anspruchen berechtigt ist neben der Gebühr für die Wahrnehmung des nach¬ 
folgenden Termins. 


Notiz: Den Herren Kollegen danken wir für die reichliche Zusendung von 
überaus schätzenswerthen Beiträgen, bitten aber, es entschuldigen zu wollen, 
wenn dieselben zum Theil erst in den nächsten Nummern Aufnahme finden 
können. Auch wir hegen den Wunsch, dass die eingesandten Arbeiten recht 
zeitig und frisch zur Veröffentlichung gelangen, der uns zugemessene Raum in¬ 
dess tritt, wir dürfen es wohl mit Genugthuung sagen, diesem unseren Streben, 
alles recht schnell in Druck zu bringen, jetzt mehr denn je entgegen. Wir 
tragen uns deshalb mit dem Gedanken, die Zeitschrift recht bald m vierzehn¬ 
tägigen Intervallen erscheinen zu lassen und werden diese Angelegenheit schon 
im April d. J. in der Vorstandssitzung besprechen. 

Die Redaction. 


Diesem Heft liegt eine Beilage „Aufforderung zum Abonnement auf 
den Oesterreichischen Sanitfttsbearaten“ bei. 


Verantwortlicher Redacteur: Dr. H. Mittenzweig, Berlin, Winterfeldtstr. 3. 
Druck der Fürstl. prly. Hofbucbdruckerel F. Mi Ult ff), Rudolstadt. 





Jfrhrg. g« 


ISStK 


für 



i >■ 


ReransgegvVju voo 

Dr, H. MJTTENZWEIG Dr. OTTO RAPtöÜND 

GtficbÜ. Sladtph)Sikus in Berlin. lieg«- u;kJ Aledicinah^th u> Aucicii. 

and 

ßr, W1LH. SANDEK 

MtdiciuAlrath uiui Direktor der trr^naireMj; D.ilid.uf Berlin. 


Verlag von fischer's medic. Buchhdlg, H. Kornfeld, Berlin WW. 6 


No. 3. 


£rnfh«itM «m I- Jrfleii Männin* 

Preis fährUah 6 Kark. 


11 


I TV II Ä L T * 


V /: V " •■■■ ’ /;• ••/ ■■ v !, H‘ • Seite 

Ori^ii^i^KHtheUungrern: 
kTr<t$<*s iii^r Hin g^enwärtigea üeb' 

a aiiii ütirerli h I1 Tb .fc.ftrtftteltifrii 

- Wm Qr. tiihndte .y ~\ ^ 

’M bmoyrt b^W/f&irfter*«riötaung rnu 
ErhÄngtm den Ter- 
letotejQV S&H-.htiA «tiUeirn Missbildung 

Men Ate 9*Jti Br* Wiener . . . 72 

fynfüftmttg Äer Anwebran^ tar die 
Htebamroo« rt>ta 28. November IBStf 
in die rtuiU. Vtiro llr. 8U<mum BO 

KÜbUx#?* M i t fche*ü«xiRfta . . . 8* 


Heit'« 


Referate: 

«fohmuti Liitfwlg Cn*|ier 4 « Hcnnbiudi djar 
gerlcktUebon MedJclp . . v V - . 

Prof. W. PmlwytfeoUfey joö. üebeK 
'•einige, noch öictit basolitiübene .VWy • ':• ;-yy 
kndernageii tu der Leb/err bei *fc*t*r 
Phosphor und AjrftetUkYergUXmig . 

Prof, v. Huimamu Vevgutnng mit: TalK 
kürettben. ... .. . . „• , „ v. 

I>r. Heriuaon Vl?rw4$ 9 
PhyBlolngii»ob« nn4 t^vstffcÄlteche 

Daten and Tabellen V.yy v ,-v’ . ; 
Tetordnung-ßJJ uüd VBrfügxiiajatÄ» * 
Pexsoaaiiaxx . . - . . . »1 

Preo»8, lÄoütcljiBiij^axnt^nv^eid üb 


d« 


8H 

bt 

<* 




I Einiges Uber die gegenwärtigen Hebammen Verhältnisse 

im Kreise Steinaii, 

unter Berücksichtigung der „Anweisung“ vom 22. November 1888. 

Von Or. Arthur Schmidt, . Kwwpbyanni* in Stmimn .i-Oüw. 

-/ v ?A\ der Auvveisimg Oi»- die Hebammen zih* V^rhütttAig; des, 

Ivindbetttreb^ höbet* der No. 2 dieser ZeiteeliviftW zwei 



bedetilciieh/ ; auch i *»?hild$rn : ■'sie die socialen - 


itb^ gia.nboo in diesen 

H.I?id«mls«Her'' • für -: W^^'^T»WtÜirl]«rkell der inninr» ItbsuuK^ 
Ordnung zu finden.. Im BesondrreD wird auch bet'vor • 
ohne, eine AendPrwtg lu iinsoretn MedtohitUwev o ,1b- ,A»t 


v v < . . > .’. ?.’ •« ’r •• v;-A f i >•; 


BÄwa 


: i uriiu.n.:!l 


wgMSKm ' 

. < r j& 







66 


Dr. Arthur Schmidt. 


nicht in succum et sanguinem der Hebammen übergehen könne; 
nur wenn der Physikus als Wanderlehrer seinen Kreis bereise 
und Hebammen-Conferenzen abhalte, sei etwas Erspriessliches zu 
erwarten. 

Nach diesen Auseinandersetzungen müsste man annehmen, die 
ministerielle Anweisung sei eine Frühgeburt, welche erst in 
einem späteren, besseren Zeitalter ausgetragen, das Licht der 
Welt erblicken durfte, wenn nicht mehr „Carbol, Seife und 
Nagelbürste hassende Wehmütter“, sondern aus den besseren 
Ständen sich rekrutirende Diakonissinnen der Geburtshülfe im 
Sinne Brennecke’s, sachverständige Hülfe in Kindesnöthen ge¬ 
währen werden. Mein auf eine zwanzigjährige private und amt¬ 
liche Thätigkeit basirter Standpunkt in dieser Frage ist ein 
anderer und glaube ich im Interesse der Sache zu handeln, wenn 
ich ihm an dieser Stelle Ausdruck gebe: Ich halte, — obwohl 
ich schon in der seiner Zeit von Wiener redigirten Zeitung für 
Physiker für die Nothwendigkeit einer Medicinal-Reform, im Be¬ 
sonderen einer Erweiterung der Befugnisse der Physiker unter 
Abschaffung der Kreiswundärzte etc. eingetreten bin — auch 
unter der gegenwärtigen Gesetzgebung die „Anweisung“ 
zur Verhütung des Kindbettfiebers für sehr wohl und ohne 
erhebliche Schwierigkeiten durchführbar. 

Zunächst der Kostenpunkt: Die Redaction hat bereits in 
einer Anmerkung auf Seite 34 und 43 a. a. 0. angedeutet, dass 
in genannten beiden Aufsätzen die Kosten für die bei einer Ent¬ 
bindung aufzuwendende Menge an Carbolsäure mit 1 Mark, bezw. 
mit 80 Pfg. zu hoch berechnet sind. Aus dem Wortlaut auf 
Seite 35 und 43 ist der Schluss zu ziehen, dass in den von den 
beiden Herren Collegen verwalteten Kreisen die Desinfections- 
mittel bisher nicht von den Kreisverwaltungen getragen werden. 
Im diesseitigen Kreise ist dies schon seit mehreren Jahren ein¬ 
geführt; jede Bezirkshebamme ist im Besitze einer von mir aus¬ 
gestellten Anweisung zur Entnahme der erforderlichen Desin- 
fectionsmittel, der Apotheker gewährte anfänglich 50 °/ 0 , später 
25 °/ 0 Rabatt und liquidirt 1 / 4 jährlich in die Kreiskasse. In 
Folge der durch den in Rede stehenden Minist-Erlass zu er¬ 
wartenden Steigerung im Consum an Carbolsäure erklärte der¬ 
selbe sich neuerdings bereit, den Preis für 500 gr. Carbolsäure 
auf 3 Mark herabzusetzen. Danach würden 100 gr. 60 Pfg., 
60 gr. also 36 Pfg. kosten. Nur so viel wird aber in der 
Regel bei einer Geburt verbraucht werden, da zwei Liter 3°/ 0 
Lösung im § 8 der Anweisung zu bereiten vorgeschrieben ist 
Da die Geburtenziffer im hiesigen Kreise in den Jahren 1885 bis 
87 = 901, 920 und 928 (1887 = 37,19°/^) betrug, so wurde an¬ 
genommen, dass wegen relativen Unbemitteltseins der Gebärenden 
etwa bei 600 Geburten die Desinfectionsstoffe seitens der Heb¬ 
ammen auf Rechnung des Kreises anzuwenden sein werden. Wo, 
wie im hiesigen Kreise, nur eine freipracticirende Hebamme vor¬ 
handen ist, welche die Kosten für Carbolsäure selbst tragen oder 



Einiges ik i!, geg^nwürtigoo HebaamjoMV^rhättnisse im Kreise Stoimui, 6? 

von den Interessenten entziehen mussy dürfte obige Ziffer ehör zu 
hoch als zu niedrig bemessen sein; es würden also höchstens 
600 x M Pfg. — 21 <5 : Mark auf den Kreis von 25000 Einwohnern 
entfallen» Die K reis verwalten?; hat sich auf meine Anregung 
sofort bereit erklärt,-'Ä' Kisten '., M zahlen, Es ist kaum an- 
zimehmeri, dass bei gehöriger Motivirung andere Kreisverwaltungen 
in dieser Hinsicht-sieb ablehnend verhalten werden, denn der hiesige 
Kreis hat nur einen mittelmlisaigen Wohlstand, grosse Kreise 
werden allerdings die 4 —^faelift Staune zu entrichte» haben, 
indessen Ist $u ßi'wdgeh, dass mit der grösseren Bevölkeruugs- 
zifier durfehschhiftlkh die Steuerkraft entsprechend steigt Aber 
auch das Vorhandensein einer grösseren Menge frei ptacfioitender, 
d. h vom Kreise nicht atigestellter und äubventiönirter Heb¬ 
amme» scheint mir via materielles Hindernis« für die Durch- 
ftUirttng der „Anweisung“ nicht abzugeben. Der weniger b.$* 
mitteita 'Tben -der' Bevölkerung wird sich eben an die. Bezirks» 
hebammen in erster Reibe wenden, sobald ihm bekannt sein 
wird, dass von diesen die nunmehr . voigeschrielw. Desinfbctions- 
stoffe •' gratih ; yerabreieht -werden, Uebrigcno kähh über die 
VerpflidituJig auch dieser m> E» iiir die Wochefibett-Gesund- 
beiteplhsge im Allgemeinen nicht zuträglichen and eventuell 
wieder jtl ■zuschaifenden" — Ontegorie von Hebammen zur Be¬ 
schaffung und Anwendung der jetzt t «rforderVichen Desmfectiöns- 
mitte.1“ nach dem Inhalt des § 5, Abs. 4 der allg. Verfügung 
vom 0. August 1883 gar kein Zweitel obwalte»;; die nöthigen 
Zwangsmittel: gieM der § Öan die Hand.' v ’ 

• Was .zweiteus die'.Form' und den Inhalt der „Anweisung“ 
anlaiagt, an bin dhli zwÄr auch der Meinung, d&ss sie ohne Er- . 
lüuternug Ihr viele Hebammen kaum verständlich sein dürfte; 
dass keine der mteUigentere» bei einfachem Durch lesen den 
Inhalt beg-reilm sollte, wie Matth es meint, kann ich nicht, an- 
nehme». feh thefte dieHebaaimen nicht, wie Dy re« furth a. a. 0., 
in- n eim :DhzaM Besdmiükter“ und eine „sehr dttan gesäte Zahl 
Kluger'- eia, habe vielmehr aJs Physikus im Kreive Soidin, Reg- 
Bez. FmukJfüjrf. 'wie hier, gefunden, dass etwa ein IlrittheÜ zu 
den Ave^Ldud^yn, mit leichter Aiffßi^nugsghbe Versehenen zu 
rechne« ist; von den übrigen zwei Drittheilen ist die weit über¬ 
wiegende Zahl swAr mitteimdsrig begabt, doch foribiläunga- 
fähig, die Zahl der BcsehrÄhkfvn ist dagegen glücklicher Weise- 
sehr Äör»b Zn den letzteren rechne 

denen - der Versuch. sie in den Nachprüfung . s . 
fr. 0» fdi^Kh At«liändigtmg dee P^er^ei^bhbn: 
oder: - efwa der von mir «1 oh % eingeführten H hr. ;{ 

Dt.. (Im • ; • ■ . • 

nur' Eit»«' solche vorhMtdeh}.> Ahhßlieh" wer >itß - dLA ,£ 
iir d^h: •aief&$ien Kreisen dejr MoahTChie li!% -eh 

Gruppe der Verständige® wird de« Inhalx ffej 
eventuell hach wiederholter Dnrchlestujg des w 

- '/.?'* ’J: 

V J Auw. <J*r Warum Huchr v 




68 


Dr. Arthur Schmidt. 


exemplares sehr wohl begreifen. Es entsteht die Frage, wie ist 
dem Gros der zweiten Gruppe der mittelmässig begabten auf die 
beste und zweckdienlich schnellste Weise das Verstehen der An¬ 
weisung beizubringen? 

Obwohl das Kindbettfieber verhältnissmässig nur selten 
epidemisch auftritt, — ich wenigstens habe in den letzten 10 
Jahren nur zwei Epidemien von drei bezw. von sechs Er¬ 
krankungen zu bekämpfen gehabt — so ist es doch selbstredend, 
dass man die nothwendige Instruction nicht bis zu den Nach¬ 
prüfungen verschieben kann; der coetus III würde derselben erst 
Ende 1891 theilhaftig werden. Es bleibt daher nur übrig, die 
Hebammen baldmöglichst gruppenweise zu genanntem Zwecke 
vorzuladen. Allerdings fehlt hierzu m. E. jede gesetzliche oder 
reglementarische Unterlage; weder giebt der § 5 der allg. Verf. 
vom 6. August 1883 hierfür einen Anhalt, noch auch der § 10, 
Absatz 5 der „Instruction“ im Hebammenlehrbuch, Seite 304*). 
Nichtsdestoweniger ist die Sache durchführbar, wenigstens für 
die Bezirkshebammen; dieselben sind in der Regel entweder durch 
Kreisstatut oder durch seitens des Landraths bestätigte Verträge 
der den Hebammenbezirk bildenden Gemeinden und Gutsbezirke 
in ein segensreiches Abhängigkeitsverhältniss gebracht und werden 
unzweifelhaft der von der Kreisverwaltung ausgehenden Auf¬ 
forderung zu einem Termin vor dem Physikus Folge leisten. 

Für den hiesigen Kreis ist in dieser Hinsicht soeben folgen¬ 
des vereinbart worden: Sämmtliche Bezirkshebammen werden 
durch den Landrath abtheilungsweise, innerhalb vier Wochen, 
an 4 von mir festgesetzten Terminen zur Erläuterung und 
practischen Einübung der in der „Anweisung“ enthaltenen Vor¬ 
schriften beordert; die über eine Meile von letzterer entfernt 
wohnenden erhalten eine Versäumniss- bezw. Reiseaufwandsgebühr 
von 2—3 Mark. Ausserdem wird in dem von Matthes an der 
»Anweisung“ vermissten „kurzen, kategorischen Styl“ ein in 
zehn Sätze gebrachter Auszug aus der Anweisung gedruckt und 
nach der Instructionsstunde den Hebammen behufs Einheftung in 
den aus Kreismitteln bereits gelieferten Hebammenkalender aus¬ 
gehändigt; dieser Auszug ist so eingerichtet, dass ein Blick in 
denselben ausreicht, jederzeit dem schwachen Gedächtniss nach¬ 
zuhelfen. Das Uebrige ergiebt sich von selbst. Wenn man *die 
Anfertigung der zwei Liter 3°/ 0 Carboilösungen, das Vertheilen 
derselben auf Spülkannen und zwei Schüsseln und die übrigen 
vorgeschriebenen Handgriffe die Hebammen einzeln ausführen 
lässt u. s. w., so kann ich mir nicht vorstellen, wie nicht möglich 
sein sollte, innerhalb ein bis zwei Stunden das ganze Geheimniss 
dieser neuen, nur beim ersten Einblick einigermassen schwierig 
erscheinenden Anweisung den nicht geistig beschränkten Heb- 


*) § 10. Ihrem Berufe nach soll jede Hebamme: 

5) den Aufträgen der Obrigkeit, welche sich auf die Unter¬ 
suchung Schwangerer und Entbundener beziehen, unweiger¬ 
lich und gewissenhaft Folge leisten. 




70 


Dr. Arthur Schmidt. 


Fühlung mit dem Physikus, z. B. bei Ueberreichung der jähr¬ 
lichen Geburten-Listen, gewöhnte, sie zur ordnungsmässigen An¬ 
zeige des Kindbettfiebers verpflichtete, die Säumigen bestrafen 
liess und dergl. mehr. 

Im Allgemeinen werden ferner die Hebammen um so eher — 
die Verdauung des Inhaltes der Anweisung vorausgesetzt — ge¬ 
willt und im Stande sein, dieselbe sachgemäss anzuwenden, je 
mehr man für die Aufbesserung ihrer materiellen Lage sorgt. 
Dass sich in dieser Beziehung manches thun lässt*), geht zum 
Theil schon aus dem oben Angeführten hervor. Es sind jedoch 
noch zwei Momente, welche zu besprechen vielleicht nicht ohne 
Nutzen ist: Nach Inhalt des Aufsatzes von Dyrenfurth finden 
sich die ländlichen Hebammen vielfach im Kampf mit den 
Pfuscherinnen; das ist richtig, jedoch nicht überall. Man, d. h. 
der Medicinalbeamte, muss die letzteren nur bekämpfen, und die 
Einnahmen der Hebammen werden nicht ferner geschmälert werden. 
Seit ich in den letzten Jahren die Hebammen veranlasst habe, 
mir alle Fälle von gewerbsmässiger Pfuscherei rechtzeitig (Ver¬ 
jährungsfrist drei Monate!) zu melden und seit ich zu dreien 
Malen Untersuchung und zum Theil Bestrafung bis zu 50 Mark 
herbeizuführen im Stande war, sind die nicht zünftigen Con- 
currentinnen thatsächlich aus dem Felde geschlagen. 

Ferner’ ist es Aufgabe der Medicinal-Beamten, dafür zu 
sorgen, dass den Hebammen die Gebühren für Entbindung und 
Wartung zahlungsunfähiger Personen nicht entgehen. Die 
contractlichen Anstellungs-Bedingungen enthalten gewöhnlich — 
auch im hiesigen Kreise — einen etwa folgendermassen lautenden 
Paragraphen: „Die . . . x hat mangels einer Vereinbarung An¬ 
spruch auf taxmässige Gebühren, welche für Arme mit dem 
niedrigsten Satz seitens des Orts-Armenverbandes zu 
entrichten sind.“ Dieser letzte Theil des Paragraphen steht 
jedoch in der Hegel nur auf dem Papier, da die Hebammen, wenn 
sie es überhaupt wagen, ihre Forderungen an genannte Verbände 
einzureichen, gewöhnlich abgewiesen werden. In Wirklichkeit 
sind die qu. Verbände nur verpflichtet, für erklärte Ortsarme zu 
zahlen; darunter sind aber fast nur Frauen, die wegen hohen 
Alters nicht in die Lage kommen, einer Hebamme zu bedürfen. 


Zettel zu versehen, auf welchem bemerkt ist: „Carbol-Oel* („4°/ 0 "); 
,Carbol-Wasser („2°/ 0 * oder ,5°/ 0 “) zur Waschung, 

Dies sind die wichtigsten Yorslehtsmassregeln snr Verhütung des 
Kindbett-Fiebers. 

Unter Hinweis auf die §§ 96, 97, 408 des neuen Hebammen-Lehrbuchs 
wird allen Hebammen die strengste Befolgung der genannten Vorsichtsmass- 
regeln eingesch&rft. 

Steinau a/O., den 6. Juli 1880. 

Königliches Kreis-Physikat. 

Gegen eine Hebamme wurde wegen nicht sorgfältiger Anwendung des¬ 
selben im Dezember v. J. ein Strafantrag gestellt. 

*) Die Bezirkshebammen erhalten von Kreiswegen u. a. 80 Mk. pro anno, 
nach 15j&hriger Dienstzeit alle 5 Jahre um je 10, in maximo bis 100 Mark 
steigend, nach 30 jähriger Dienstzeit eventuell Unterstützung bezw. Pension. 



Einiges ü. d. gegenwärtigen Hebammen Verhältnisse im Kreise Steinau. 71 

Das Hauptcontingent der sogen. Zahlungsunfähigen oder Armen 
stellten das theils zahlungsfähige, theils zahlungsunfähige Prole¬ 
tariat, kleine Häusler und Handwerker u. dergl. Diesen steht 
die Hebamme in der Regel macht- und rathlos gegenüber, sie ver¬ 
zichtet schliesslich auf den Lohn ihrer Arbeit. Es ist deshalb 
auf meinen Antrag im hiesigen Kreise folgende Einrichtung 
getroffen: Alle Bezirkshebammen reichen */. jährlich eine 
Liquidation der Gebühren für Entbindung und Wartung sogen, 
zahlungsunfähiger Personen an das Kgl. Landrathamt ein; das 
Letztere fordert die Armenverbände zum Bericht auf mit 
der Folge, dass 1) die von den Armenverbänden für noch 
zahlungsfähig erklärten Personen verklagt und, wenn Klage 
fruchtlos, dieselben für Ortsarm erklärt, 2) dass die Gebühren 
für diese letzteren, sowie für die von den Armenverbänden von 
vorn herein für zahlungsunfähig ’ Erklärten von qu. Verbänden 
durch das Landrathamt eingezogen Werden. Auf diese Weise 
geht den Hebammen nichts an ihren taxmässigen Gebühren und 
Wegegeldern (20 Pfg. pro Kilometer) verloren und dürfte sich 
dieser Zahlungsmodus vielleicht zur Nachahmung auch in anderen 
Kreisen empfehlen. 

Resumiren wir, so erscheinen die der Ein- und Durchführung 
der Anweisung für die Hebammen zur Verhütung des Kindbett¬ 
fiebers a) in der Schwierigkeit der Form und des Inhaltes der¬ 
selben, b) in dem behaupteten Mangel an Begabung und in dem 
socialen Nothstand der Hebammen und c) in der Höhe der Kosten 
der Desinfectionsmittel scheinbar entgegenstehenden Hindernisse 
nicht so bedeutend, dass sie sich nicht überwinden liessen. 

Die erste Vorbedingung für eine gedeihliche Anwendung der 
neuen Vorschriften ist und bleibt die Sorge für das materieUe 
Wohl der Hebammen; Besserung der Einnahmen befreit dieselben 
von dem Druck schwerer Haus- oder Feldarbeit, schafft Lust zur 
Ausübung des Berufs und Zeit zur Fortbildung. In dieser Hin¬ 
sicht kann, wie ich durch Schilderung der Hebammen-Verhältnisse 
im Kreise Steinau dargelegt zu haben glaube, der Medicinal- 
beamte vieles thun, wenn er den wünschenswerthen Ein¬ 
fluss auf die Kreisverwaltung besitzt und dafür sorgt, dass die 
bestehenden Gesetze und Verordnungen in Wirksamkeit treten. 
Mit Tadeln wird wenig geholfen. Darum nur frisch an’s Werk, 
es wird schon gehen! Ideale Zustände werden wir allerdings nie 
schaffen, das Kindbettfieber wird auch durch die neue 
„Anweisung“ nicht immer verhütet werden, aber ich gebe 
mich der Hoffnung hin, dass in zehn Jahren eine ziffermässige 
Abnahme desselben zu constatiren sein wird. 



72 


Dr. Wiedner. 


Selbstmord oder Körperverletzung mit nachfblgendem 
Erhängen des Verletzten? Höchst seltene Miss¬ 
bildung des Atlas. 

Dr. Wiedner, Kreisphysikus in Kottbne. 

Die Brüder A. und Gr. Fz., von denen der erstere 12, der 
andere 6 Jahre alt, waren am 16. Okt, 1881 Nachmittags von 
Hanse zusammen fortgegangen. Bei einbrechender Dunkelheit 
kehrte der jüngere Knabe allein zurück. Als sich die Eltern, 
Tagearbeiter, nach dem Verbleib des älteren Sohnes erkundigten, 
erhielten sie die Antwort: „Wir haben im Fz.’chen Garten mit 
mehreren Jungens Erhängen gespielt. Wenn die andern Jungens 
von A. aufgehängt worden* waren, hat er sie auch immer wieder 
aus der Schlinge befreit, als sich aber A. selbst aufhängte, sind 
wir alle davongelaufen.“ . 

Die Eltern stellten sofort, namentlich auch in dem Fz.’schen 
Garten, Nachsuchungen an, und setzten dieselben in Pausen 
während der ganzen Nacht fort; fanden ihren Sohn aber erst 
Morgens gegen 6 Uhr an einem Baume hängen, der nur 200 
Schritte von ihrem Wohnhause entfernt in dem bezeichneten 
Garten stand. Er war ganz steif. 

Der Vater selbst machte bei dem Amtsgericht des Städt¬ 
chens Z., seinem Wohnorte, die Anzeige von dem Todesfall mit 
den erwähnten Umständen und fügte hinzu, dass sein verstorbener 
Sohn an Epilepsie gelitten und den Gedanken sich zu erhängen 
wohl schon längere Zeit mit sich getragen habe, wenigstens habe 
er zufällig einmal gesehen, wie derselbe mit einem Strick in der 
Hand sich fortzuschleichen suchte. Letzteren habe er ihm aller¬ 
dings fortgenommen, glaube aber doch fest, dass sich sein Sohn 
selbst erhängt habe. Eine gleiche Aeusserung soll der Fz. auch 
seinem Nachbar gegenüber, den Maurer W., gemacht haben, 
als derselbe zu ihm gekommen war. um sein Beileid zu be¬ 
zeugen. 

Da demnach dem Amtsrichter der Selbstmord unzweifelhaft 
erschien, so wurde die Besichtigung der Leiche ohne Zuziehung 
eines Arztes vorgenommen. Das hierüber aufgenommene Proto¬ 
koll lautet: • 

„An der Kleidung der Leiche nichts Auffälliges. Am Halse 
findet sich eine deutliche Strangmarke von 1 / e Cm. Tiefe, welche 
dicht unter dem Kinn nach beiden Seiten bis zu den Ohren ver¬ 
läuft, von da ab jedoch an Sichtbarkeit zurücktritt. Im Uebrigen 
keine Verletzungen am Körper. Aftergegend und Schenkel sind 
mit Koth besudelt. Die braunroth gefärbte Zunge zwischen den 
wenig geöffneten Lippen sichtbar. Bräunlich rothe Todtenflecke 
auf dem Rücken, in der Bauchgegend und an deu Ober¬ 
schenkeln.“ 

Bei dieser Leichenbesichtigung äusserte zwar Fz., sein 
Sohn könne sich nicht selbst erhängt, haben: da er aber keine 
besonderen Gründe für diese seine geänderte Ansicht angeben 



oiiiosr förp8rv-orlötViüt^ mH na^htViJ^etidon) Krhftb^öjd &!•?. 7U 

konfrte und auch die Veriielnauiir «der Knabe», wBl.eJie an! «lei» 
k- Fz. zuletzt gi%ielf erbrachte, 

Sb wurde der BeidAigurig^ebidn ertheitGuml die Leiche bei* 
gesetzt 

«i dem Stiläleben um< . 

lierzWäidiWlrren, jIahk der Maurer W. de» Ted dee Knaben V. Fz. 
heibei^eiillrt habe. Die «tmjgßheiftbue# Vernehmungen bewieaftu 
aber vielfach über deii Knabe» und die Todea- 

arf. desselbei) geschwatz!. habe, jedoch•'■ nichts von seiner .Schuld. 
an der!'. Tode desselben. 

Kachelem die ganze Angel egmiheit' vom 4. Sept. 188Ö bis 
t. De«: 1885. w«* sie noch einuml durch eine BeHchwei^ der 
Muti "V- des Verstorbenen angeregt weiden war, gernhi harte, ging; 
am 12. dftiti 188.0: ein SchmUten des Arbeiters G. bei dein Amts¬ 
gericht in Z. ein de* Inhalts, dass sieh der Maurer W. des 
Mordes . an dem Knaben A, Fx ihm gegen0her beznrhttgt 
habe Bei seiner sofortigen eidlichen V«::rnohit?mjg erklärte G. 

Gestern Kaehrtiitfag kafft der WV Ä^lc&dir Jierunterg^komtnßn 
auasah. m mir. . während idb ln teGKaite der Stadt^ auf afem 
Felde arbeitete, und bettelte iäi&li iüä • leb 

ihm. &&$, gr arbeiten daOge, danji werde ev auch Brod haben. ; 
Darauf klagte er über .seifte traiirlge liftge dnd/'wib ßr >dqvfp|^ 
wl^ensbiüM'ii gequält, werde, wobei er mir Folgendes erbdhoi*; 

„An de»i betrotfenden Äbp«d<? sei gier ;&j Fz. auf stAnem, des'A^gd 
Hdfte- gewe.se« nM bube seinem Jiirigetireinen Fiitzbogeit weggiv V 
nomramen Deshalb habe er ihm einen Kaizeul{ 0 t:d' gegcbt-it 
Seine 'Frau habe dag« bemerkt, da&r sei: noch Iaiige nicki genug • ■ 
gewemi.g Bald «lanuif g*ei der F 2 . ! »ehe d«ügö wieder auf Heibbth 3 
Hoft» m^uhiimem Shinmehr bube ßir fte« *Iungen an de» Fragen 

gepairki und, ihn gegoti eihuvi aiiFglom;Hofe liegende« 'Soibtftju 

gejubtemlerf.. in .Folge de« H«dligkeit des Ato**es sgi dem 

Kitalftm der Kopf zur Se^e .gesunken jiiid dei^elbe iiabe Aiebl 
wieder. . Föiuteijg ;: if4- „und da war ibiu das 

Genick gebammett/’V Ei habe nu» zunächst den Kbaben in sein 
Bieneii$chaiiei' ge^bJepttF; ihn dbdudt uni t l Öhr Äbencte, da Gr 
Sehiriet'zentitdTfie nmsg*:&to>?seu, in den Stall getragen und dort mit 
Stroh bcqieCki Er und sxdiiß Fmu oeien nicht zu Bett gegangen, 
um ''aufzumerken, was die Pz.Aehen .Eheleute des verseh'wundenen 
.Junge« wegen. thun würden, ifjur-d t% Morgen* habe er dann 
Wfthrgeiiomiüeii, dass dieselbe», Gtue|t4^m;.:.4e:' : dlg;'.gÄ^e Gegend 
duGdisueht hätten. sich in ihr Haus begaben. d^t bHbo er de« 
Knaben, von dem er angenommen. (bm et ilmc GedO'A' od@r timm. ,:-,; 
gelähmt habe, am Kirsch ha um im FVsdiß« G»ff&JV' ' • 

um dadiWeh/dfr drobeftden Strafe zn entgehon l »>r- Kimi^ f *by ^:, . 

doch gelobf (nid sei orst durch Erhängei mnf 
koiuioort.“ 

Mit dieser Selbstbezöditignug, die W, selbem 
n-de sieJit und durch einen späo-r anznföhivni 1 
entkräften sucht stimnu bis zu dem Punkte, wo •; •* - 
daK Bieuenschauei' getiugen buhen soll resp. ■ 



74 


Dr. Wiedner. 


des G. Fz. genau überein, welche derselbe bereits am 25. März 
1882 in Gegenwart seines Vaters vor dem Richter gemacht hat. 
Der Knabe will diese Aussage aus Furcht vor dem W. ver¬ 
schwiegen haben, der ihn, als er aus dem Bienenschauer zurück¬ 
kam, hinter einem Holzstoss entdeckte und mit Todtschlagen be¬ 
drohte, wenn er von dem, was geschehen, das Geringste erzählen 
würde. Frau Fz. führt aber in einem Briefe an das Amtsgericht 
vom 1. Dec. 1885 an, dass ihr Sohn G. ihr schon 3 Tage nach 
dem Tode seines Bruders die Sache genau so erzählt habe, wie 
er am 25. März 1882 ausgesagt, und noch heute ändere er kein 
Wort, obgleich er jetzt 10 Jahre alt ist. 

Dieselbe Darstellung wie G. Fz. giebt der ebenfalls am 
25. März 1882 in Gegenwart des Maurers W. vernommene vier¬ 
jährige Sohn desselben, dem nach der Selbstbezüchtigung des W. 
der verstorbene A. Fz. den Flitzbogen weggenommen hat. 

Die Auslassungen beider Kinder machten dem Richter den 
Eindruck, als ob dieselben angelernt worden seien. W. selbst 
legte Verwahrung gegen die Richtigkeit derselben ein. 

Interessante und nicht aufklärbare Widersprüche enthält 
schliesslich noch der Alibi-Beweis, den W. in Folge des G.’schen 
Briefes und dessen Aussage antrat, und der seine Entlassung 
aus der Haft herbeiführte, in welche er sofort am 12. Juni ge¬ 
nommen worden war. 

Die P.’schen Eheleute, welche in N. wohnen, sagten nämlich 
übereinstimmend aus: „Seit mehreren Jahren arbeitet W., nach¬ 
dem er sich von seiner Familie getrennt hat, bei uns als Dienst¬ 
mann. Er hat während dieser ganzen Zeit unsera Wohnort nur 
einmal verlassen und zwar vor längerer Zeit, um von seiner 
Mutter, die ausgewandert ist, Abschied zu nehmen, bestimmt aber 
nicht an jenem Tage, dem 11. Juni d. J., an welchem er mit 
dem G. zusammengetroffen sein soll. An diesem Tage hatte ich, 
der P., Geschäfte in 0., und als ich von dort zurückkehrte, fand 
ich die Arbeit gethan, welche dem W. aufgetragen war; was 
unmöglich war, wenn derselbe 6 Stunden abwesend gewesen wäre. 
Soviel Zeit ist mindestens erforderlich, um von N. nach der 
Stelle zu gelangen, wo G. gearbeitet hat, und wieder zurück; 
und ich fand W. bei meiner Rückkehr von 0. zu Hause. Noth 
hat W. bei uns nicht gelitten, denn er hat stets mit uns an 
unserem Tische gegessen. 

Die Frau P. fügt ihrer Aussage noch besonders hinzu: „An 
dem Tage, an welchem mein Mann in 0. war, habe ich W. 
wiederholt bei der Arbeit gesehen, auch war er beim Mittags¬ 
tisch anwesend.“ 

Diesen Aussagen gegenüber stehen diejenigen eines 13jährigen 
Knaben und eines 10jährigen Mädchens, welche behaupten, den 
W., wenn auch nicht mit Bestimmtheit am 11. Juni, so doch um 
diese Zeit und zwar in der Mittagsstunde in der Nähe von 
Z. gesehen zu haben. W. sei ihnen heruntergekommen er¬ 
schienen. 



Selbstmord oder Körperverletzung mit nachfolgendem Elrh&ngen etc. 75 


Jede der in Frage kommenden Personen erklärt ausdrücklich, 
den W. ganz genau zu kennen. 

Die Aussage des G. hatte zur Folge, dass die Leiche des 
Knaben A. Fz. am 24. Juli 1886, nachdem dieselbe also 
4 s / 4 Jahre in der Erde gelegen hatte, behufs gerichtlicher Ob- 
duction ausgegraben wurde, und eigab die letztere folgenden 

Leichenbefund: 

Ein schwarzgrauer Stoff, welcher stark durchfeuchtet war 
und bei Berührung zerfiel, bedeckte ein wohl erhaltenes Skelett, 
an welchem die Knochen regelmässig geordnet durch eine 
schmierige, mehr schwarze Masse zusammengehalten wurden. 

Nur das Brustbein lag auf der Wirbelsäule. An der inneren 
Seite der unteren Extremitäten haftete eine schwarze zusammen¬ 
hängende Masse, welche sich ebenso wie die vorher erwähnte, 
schmierig und fettig anfühlte und beim Zerreiben zwischen den 
Fingern ein feinkörniges Gefüge zeigte. 

Nachdem noch die Grösse des ganzen Skelett’s und einzelner 
Knochen festgestellt worden war, woraus auf ein Lebensalter 
von etwa 12 Jahren geschlossen werden konnte, wurde folgender 
wesentlicher Befund erhoben. 

No. 10. Bei Herausnahme der Halswirbelsäule, was, um den 
Zusammenhang der einzelnen* Wirbel nicht zu stören, durch Ein¬ 
führen eines Holzstäbchens in den Wirbelkanal geschieht, folgen 
nur die 6 unteren Wirbel, während der Atlas in zwei seitliche 
Hälften auseinanderfällt. 

Die ersteren sind ebenso wie die Brust- und Lendenwirbel 
und das Kreuzbein unversehrt; auch an den Rippen sind keine 
Verletzungen aufzufinden. 

No. 11. Die beiden Hälften des Atlas, welche der gericht¬ 
lichen Asservation übergeben werden, zeigen an den vorderen 
Trennungsflächen Unebenheiten, welche aber ein genaues An- 
einanderschliessen der getrennten Flächen nicht hindern, sondern 
vielmehr eine festere Vereinigung derselben begünstigen. Hinten 
zeigt die linke Hälfte des Wirbels einen deutlichen Einschnitt, 
in welchen die rechte mit einer Spitze eingreift. Die hinteren 
Trennungsflächen sind glatt. 

No. 12. Verletzungen finden sich weder am Schädel noch 
an einem der übrigen bisher nicht genannten Knochen. 

In unserem vorläufigen Gutachten erklärten wir, d ass .ein 
Bruch im vorderen Bogen des Atlas vorliegt, der nur 
den zu Stande gekommen sein kann; dagegen die TrennH^^^^^S, 
hinteren Bogen eine krankhafte Bildung ist. 

Gegen dieses Gutachten stiessen uns jedoch stltiNjP 
denken auf. Wir erbaten uns deshalb von der Kör^ 
anwaltschaft zu L. den der Leiche entnommenen * 
dessen eingehender Besichtigung berichteten w' 
wir unser vorläufiges Gutachten bei der Missbili 
nicht aufrecht erhalten. Ob die Trennung desi 
Lebenden zu Stande gekommen oder durch Ver~ 



76 


Dr. Wiedner. 


vermögen wir ohne genaue Kenntniss der übrigen Umstände 
überhaupt nicht zu entscheiden. 

Nach dieser Erklärung wurde ein motivirtes Gutachten von 
der Königl. Staatsanwaltschaft eingefordert mit besonderer Be¬ 
rücksichtigung der Frage: 

Ob die Vorgefundene Trennung des ersten Halswirbels 
(Atlas) einen Schluss auf eine an dem Knaben A. Fz. verübte 
Gewaltthätigkeit zulasse. 

Gutachten. 

Die beiden Hälften des ersten Halswirbels (Atlas) fanden 
sich von Weichtheilen entblösst, stark durchfeuchtet in einer 
schmierigen Masse. Der rechte Halbbogen läuft hinten in eine 
Spitze aus, welche in einen entsprechenden deutlichen Einschnitt 
des linken Halbbogens eingreift. Beide zeigen in ihren hinteren 
Abschnitten eine ganz abnorme Bildung auch darin, dass sie 
plattgedrückt sind und dadurch niedriger erscheinen als gewöhn¬ 
lich. Die Trennungsränder zeigen keine Spur von schwammiger 
Substanz. Daher kann ein Zweifel darüber, dass an der Stelle 
des Höckers in der Mitte des hinteren Bogens (tuberculum 
posterius) eine knöcherne Vereinigung nicht stattgefunden hatte, 
gar nicht aufkommen. 

Der vordere Bogen dagegen ist,- abgesehen von seiner Breite 
in der Mitte, welche bedingt ist durch einen spitzen Vorsprung 
an der unteren Kante und von der Tiefe der Gelenkgrube für 
den Zahn des 2. Halswirbels (Epistropheus), sonst regelmässig 
gebildet. 

Unter Berücksichtigung, dass nach dem Entwicklungsgänge 
der Wirbel aus einer vorderen und einer hinteren, aber nicht 
aus zwei seitlichen Hälften zusammenwächst, ferner dass die 
vollständige Verknöcherung im vorderen Bogen in dem Alter des 
Verstorbenen längst beendet sein musste, da dieser Vorgang der 
Regel nach im 3. Lebensjahre abläuft, lag der Schluss, welcher 
seine besondere Stütze in der anscheinend unregelmässigen Be¬ 
schaffenheit der Trennungsflächen fand (No. 11), sehr nahe, einen 
Bruch im vorderen Bogen des Atlas anzunehmen*). Auf Grund 
der vielfach festgestellten Thatsache, dass es kaum je gelingt an 
der Leiche einen Knochenbruch zu erzeugen, musste dann auf die 
Annahme, dass dieser Bruch erst nach dem Tode herbeigeffihrt 
sei, zurückgewiesen werden. 

Die Eigenthümlichkeiten, welche diesen ganzen Fall characte- 
risiren, forderten natürlich dazu auf, in der Litteratur nach einem 
Analogon Umschau zu halten, und es fand sich ein Citat bei 
Hyrtl, nach welchem der sehr seltene Fall vorkommt, dass 


*) Anm. der Redaction: Nach Hertwig, Lehrbuch 1888 resp. Köl liker 
verbinden Bich die selbstständig gebliebenen Bogenhälften centralwärts von 
dem Zahnfortsatz unter einander durch einen Gewebsstreifen mit selbstständigem 
Knorpelstück, welches im ersten Lebensjahre einen besonderen Knochenkem 
entwickelt, im 5—6. Lebensjahre mit den Seitenhälften verschmilzt und den 
vorderen Bogen bildet. 



Selbstmord oder Körperverletzung mit nachfolgendem Erhängen etc. 77 

der Atlas durch die ganze Lebensdauer in zwei seitliche Hälften 
getrennt bleibt. Dasselbe wurde die Veranlassung, die Königl. 
Staatsanwaltschaft um Zusendung des der Leiche entnommenen 
Wirbels zu ersuchen. 

Nachdem derselbe nunmehr sorgfältig gereinigt worden war, 
wurde das Bild von seiner eigentümlichen Beschaffenheit ein 
sehr viel klareres. 

Betrachtet man die Trennungsflächen, so zeigen dieselben 
oben und vorn einen deutlichen Rand von compacter Substanz, 
der an ersterer Stelle sogar ziemlich breit ist. Werden die 
Hälften genau aneinander gelegt, so erscheinen zwei deutlich 
getrennte Knochenwülste, zwischen denen eine Lücke bleibt, die 
sich nach oben zu einer deutlichen Spalte erweitert. Diese ganze 
Lücke kann nur durch eine Zwischensubstanz, entweder Knorpel 
oder Bindegewebe, ausgefüllt gewesen sein. Die Mitten der 
Trennungsflächen, von denen die rechte leicht convex, die linke 
dem entsprechend leicht concav ist, zeigen sehr kleine und spar¬ 
same Oeffiiungen der Knochenkanälchen, daher wird auch hier, 
wie vorher, eine Bindesubstanz angenommen werden müssen. 
Demnach wird weiter zu folgern sein, dass auch die übrigen 
Theile der getrennten Flächen durch eine gleiche Substanz ver¬ 
einigt gewesen sind. Ist diese Substanz von Knochenleisten 
durchsetzt gewesen, so können dieselben nur sehr zart gewesen 
sein, wie die ziemlich weiten und eng aneinander liegenden Oeff- 
nungen der Knochenkanälchen an diesen Stellen beweisen. 
Weder diese zarten Knochenstrahlen noch die weiche Bindesub¬ 
stanz vermochten aber der Verwesung Widerstand zu leisten, und 
so bleibt zunächst die Möglichkeit, dass die Trennung des 
Wirbels in zwei seitliche Hälften das Resultat der Ver¬ 
wesung ist. 

Da eine solche Möglichkeit also nicht ausgeschlossen werden 
kann, so wird sich aus der Vorgefundenen Trennung des Atlas 
allein ein Schluss auf eine an dem Knaben A. Fz. verübte Ge- 
waltthat nicht herleiten lassen; es fragt sich doch aber auch, 
ob dieser Befund eine solche widerlegt, und daher erübrigt, auf 
die von der Königl. Staatsanwaltschaft gestellte Frage näher 
einzugehen. Bei dieser Gelegenheit wird gleichzeitig erwogen 
werden müssen, ob die Erzählung des W., wie sie der G. 
mittheilt, an Unwahrscheinlichkeiten oder gar Unmöglichkeiten 
leidet. 

Ein Bruch des verknöcherten und regelmässig gebildeten 
Atlas ist nach der Erfahrung beim Erhängungstode durch Selbst¬ 
handlung ausgeschlossen. Beim Erhängen durch fremde Hand 
besonders mit nachfolgendem Druck auf die Schultern der Auf¬ 
gehängten sind Brüche der Halswirbel mehrfach gefunden worden, 
allerdings in der Form, dass der Zahn des epistropheus abge¬ 
brochen und der Atlas verrenkt war. Ein solcher Befund ist 
hier nicht erhoben worden. 

Bei der bewiesenen ganz krankhaften Bildung des Atlas, 
dessen Hälften im vorderen Bogen nur durch besondere Binde- 



78 


Dr. Wiednor. 


Substanz und vielleicht sehr zarte Knochenleisten zusammengc- 
halten wurden, musste offenbar ein Zerreissen dieses Bindemittels 
leichter zu Stande kommen, als ein Abbrechen des Zahnes des 
Epistropheus, daher würde es sich erklären lassen, dass derselbe 
unverletzt geblieben war, selbst wenn man dem W. unterlegen 
wollte, dass er eine Nachhülfe, wie Druck auf die Schultern oder 
Zug an den Füssen des von ihm angeblich erhängten Knaben hat 
in Wirksamkeit treten lassen. Man wird unbedenklich aber auch 
zugeben können, dass in diesem ganz besonderen Falle schon die 
Zerrung des Kopfes und der mittelbare Druck des Strangwerk¬ 
zeuges, ein Strick, genügte, um durch das blosse Aufhängen 
die Continuitätstrennung des ersten Halswirbels herbeizuführen. 

Da W. die Wiederkehr der Eltern des A. Fz. zum Zwecke 
der Fortsetzung ihrer Nachsuchungen erwartete, so hatte er ein 
Interesse, den Tod des Knaben, dem er, um sich selbst vor Strafe 
zu schützen, den Anschein geben wollte, als habe er sich selbst 
erhängt, möglichst schnell herbeizuführen. Es liegt also die 
Vermuthung durchaus nicht fern, dass er, um ein stärkeres Zu¬ 
sammenziehen der um den Hals des Knaben gelegten Schlinge 
zu bewirken zu einer der bezeichneten Nachhülfen versucht 
worden ist. Sehr fest war die Schlinge nicht angelegt, denn die 
Strangmarke hatte, wie der Richter fand, durchaus den Verlauf 
wie sie bei Selbstmördern in der Regel gefunden wird. Er¬ 
drosselt und dann erst aufgehängt war der Knabe nicht, da in 
diesem Falle die Strangmarke einen graden Verlauf rings um 
den Hals gehabt hätte. Einen so schwer verletzten Knaben aber 
widerstandslos aufzuhängen, wird als möglich sich nicht be¬ 
streiten lassen. 

Demnach wird zugegeben werden müssen, dass der Knabe 
Fz. durch fremde Hand erhängt und dadurch die Trennung des 
ersten Halswirbels in die Vorgefundenen zwei Theile, also am 
Lebenden, zu Stande gekommen ist. 

Nach der durch G. wiedergegebenen Erzählung des W. hat 
dieser den A. Fz. am Kragen gepackt und gegen einen Holz¬ 
stubben geschleudert. Diese Handlung lässt die Anwendung 
einer grösseren Gewalt zwar voraussetzen; aber an Sicherheit 
gewinnt diese Voraussetzung nicht, wenn der nach dem Hinfallen 
des Knaben sofort eingetretene Zustand berücksichtigt wird, 
dessen Beschreibung in Bezug auf alle einzelnen Umstände 
von medizinischer Seite kein Widerspruch entgegengestellt 
werden kann. 

Mit welchem Körpertheile der Knabe zuerst auf den Stubben 
aufschlug, ist nicht gesagt. Auf diesen Theil musste die Kraft 
des Stosses und der Widerstand, welchen der Stubben leistete, 
voll einwirken. Wäre dieser Theil der Schädel gewesen, so 
würde ein Bruch an demselben kaum ausgeblieben sein. Ein 
solcher ist jedoch nicht gefunden worden (No. 12). Bei dem 
Fehlen jeder Erscheinung einer Quetschung an dem äusseren 
Körper, welche dem Richter bei der Leichenbesichtigung nicht 
hätte entgehen können (?). wenn sie nicht etwa durch die als 



Bcflljstnuw! K$rpom<v.lmut}ig mit «*achIVdg*-*HiU‘i*s. Kr Eingru cfo. To 
Tmlteni^eke beaetebueteh HanfVferf&röuögen verdeckt war, wird; 



Ei» ÄHisehiageft iftit diesem KbrpeHkeil auf jsSb^; barten Gegen¬ 
stand ist aber migetaeiii geeignet.. durch Gc- 

hirnerschfttterung m erzeugen. Diese wurde genügen, uni die 
Haltlosigkeit des Kopfes (in dem Briefe den 0 . mit .,.bammeln“ 

iiu» . 13 atu ria&ijt *1 KV- 



nämlich, er habe den Knaben gegen ll tJfrr Abends, weil er 
Sehinersienstöne auestiess, aus dem IBVBn^üeiuuier nach dem Stall 



Eßtebel 

i il . 

ko würde ttidlt zu verst eben sein, dass der Knabe nicht geschrieen 
haben solite.- 

Daa llßvej’niögen desselbeii an stellen und die angegebene 
Vermntlmng dee IV ^ er habe demselben Genick oder Krenz geV 
lähmt. ivrmieu m und für sich dir Annahmeeiner Qnetscfuujg 
dea Kütlsmnrka als Wirkung dp* Stosen« irad AnfBChlagene bei 
denv ganzen Bau des Atlas, der eine mtdir fe(Drnde Bewegb’chkeit 
geetettete, viel. näher legen, als die Annahme einer von tieferem 
coma begleiteten Gehij’oerseiiüty’rurig Erwägt; man jedoch, dass 
von dem W nicht berichtet wird, es sei Erhrer.lien bald nach 
dem HiufaUen bei dertt A. Fz. aiifgetrotci*, eünv Erscheinung, 



brechen i>*dv Erbchütterüngeß des Gehirns. kdcbtere;ri Gmdes kaurn 
je thhlh, dageg^a; sein Ausbleiben hei deciim^wi 
die Begeh ist, ■&> wird nur der Schloss $|h \sghtav';- 

Wurde‘ dagegen die. V^aomtztüig einer Quetschung des jf|p| 
mark-A welche laicht mit einet Zerreissußg der Brndesubstanz im 
vorder»® Bögbh;-. de£;\A$&A bewirkt durch Aupresseu d^seiiten 



ÜBBS 


Wirkling des GegenseMages auf da* 
schwächt :werdeft/8^iB.,V.ä»d; : die tieS^rf 

A. FA,, welche nach der Darstellung-4«t W. 1 ^ ' 

gedauert haben muss, garnieht zu * ^ 

ilaeh dieser Darstellung hat aMVlpa Vie'rBibt^.m 
Folge des eigentbiimlichni Baues d v ? 

Halsmarks m Stande gekommen ob v-ltej 

der BtiidMubstanz int vorderen iteg^§m»dbv.u 
schevaUchkeit ihr sich, vielmehr Uberdir Aj># 

Vereinigung des Atlas mit dem 

■ -- -' . . . •- .• • v->*•LdkSw 


SB3 



80 


Dr. Silomon. 


Baudapparat eine so feste war, um ein stärkeres Ausweichen 
der beiden seitlichen Theile des Wirbels zu verhindern, und die 
Erzeugung einer starken Gehirnerschütterung zu begünstigen. 

Gleichviel jedoch, welche von diesen unmittelbaren Wir¬ 
kungen der Gewalthat, die W. angiebt an den Knaben A. Fz. 
vollzogen zu haben, zugeschrieben wird, so steht doch soviel 
fest, dass der Tod weder nach einer dieser Verletzungen, 
noch nach Gesammtwirkung beider sofort eintreten musste, ja 
die Möglichkeit nicht absolut auszuschliessen ist, dass im 
Falle reiner Gehirnerschütterung das Leben erhalten werden konnte. 

Wenn also W. dem G. erzählt hat, der Knabe lebte noch 
als er ihn aufhing, und derselbe ist erst durch Erhängen 
um’s Leben gekommen, so spricht auch gegen diese Angabe nichts. 

Demnach geben wir nach Erwägung aller möglichen und 
zulässigen Umstände des Falles folgendes Gutachten ab: 

1) Die Vorgefundene Dehiscenz im vorderen Bogen des krank¬ 
haft gebildeten Atlas, welcher der Leiche des A. Fz. ent¬ 
nommen worden ist, ist eine ebenfalls krankhaft vorgebildete 
und möglicherweise durch Verwesung der Zwischensubstanz 
bewirkt. 

2) Ein Schluss auf eine an dem Knaben A. Fz. verübte Ge- 
waltthätigkeit lässt sich daher aus diesem Befunde nicht 
herleiten; jedoch widerlegt derselbe eine solche Möglichkeit 
auch nicht. 

Die Sache ist, soweit bekannt, nicht weiter verfolgt worden. 


Die Einführung der Anweisung für die Hebammen 
vom 22. November 1888 in die Praxis. 

Kreisphysikus Dr. Silomon in Norden. 

Ohne Zweifel wird der neue Schritt, die Antisepsis allgemein 
in die Hebammenpraxis einznführen, zahlreiche Besprechungen 
veranlassen und ist der Anfang dazu bereits in der vorher¬ 
gehenden Nummer dieser Zeitschrift gemacht. Vielleicht verlohnt 
es sich, von verschiedenen Seiten auch die Mittel und Wege an¬ 
zugeben, mit denen man zu dem erstrebten Ziele zu kommen 
sucht und hierzu soll dieser Artikel einen Versuch machen. 

Die Hebammen-Verhältnisse in der Provinz Hannover 
sind wohl wie überall. Nur ungebildete Frauen geben sich zu 
dem harten Berufe her, in die oft schwer erreichbaren Wohnungen 
der bäuerlichen Arbeiter - Bevölkerung im Dunkel der Nacht 
und auf schlechten Wegen zu wandern und stundenlang dort unter 
ungemüthlichen Verhältnissen zu verweilen, um dafür eine äusserst 
kärgliche Belohnung zu erwarten. Wie wenig lohnend der Ver¬ 
dienst der Hebammen oft ist, dafür möge als Beispiel angeführt 
werden, dass in meinem Kreise vor Kurzem eine Hebamme wegen 
Altersschwäche in das Armenhaus wandern, eine zweite fort¬ 
laufende Armen-Unterstützung bekommen musste und eine dritte 



ßinliiliHiag rW Anweisung für rj io Hebammen vom 22. Nov ot«: jf 

midi bei Gelegenheit der Nachprüfung um ein Almosen bat*) 
Etwas, besser sind die V.erbältmsiK» in den Städten, aber auch 
hier Ist der Erwerb der 'Hebammen keineswegs immer ein so be 
i.ieHteödrv tun denselben ein sicheres und Msmcbendes Aua-- 
komme« zu gewähren. Unter diesen katm natürlich 

nicht ejwartet werden, dass sieh in kurzer £mt. ei« Hebammen- 
stand entwickelt, wie ihn der Beruf eigen t lieh erfordert. Viel¬ 
mehr isi bei allen neuen Massnahmen vorläufig damit zu ieehiienv 
dass .Einsicht' und Verstiindtties bei: den Hebammen mir tkdJwödse 
vorausgesetzt werden darf. v ./\vJ 

Für die 'hiesigen Verhältnisse stand. nun von vomherem'i&ti,• 
dass die durch die neuen Vorschriften erwachsenden Unkosten 
uiclit v;.i< den Hebammen selbst getragen, werden können. 
Ebensowenig lassen aich diese Iben den betreffenden Familien auf- 
er legen Vk Hebamme bekommt jetzt A U Mark für die Ge¬ 
burt. Nach 4$r lti<MgelfeHHeu. Deceinber 

18Ö0 kaniv die^lbe nun allerdlugs für Ferwendang derjenigen 
■ • welche >ik* in.; (Bonässbcif ihrer • IM«wfcanw«uuing {* 

stets mit sieb an -führe«''■ verjdikhret^ fot.. uR. auch für die. ver- 
hrancbteJi vJ^lDfe^tjonscafiÖFl, den I J /.,lachen Apothekenpreis be¬ 
rechnen. aber fi'dw« jetzt bleibt manche Geburt-unbezahlt: und 
würde die Hebamme noch mehr verlangen, so dürfte dieser Fall 
vielieicht noch Mfei eint.reton und dre letztere ausser der ihr zu- 
Rtghendc« Gbbnhr dann auch noch ihrer haaren Auslagen für 
OarboisMüre verlustig gehen. Solcher Unsicherheit darf die Heb¬ 
amme nicht iMisgesetzt werden. Sol! sin ■ pflichtgemäss für aus¬ 
reichende Desmtectinn sorgen, so müssen ihr die Mittel dazu 
frei zur Verfügung stehen. 

Auch die Lage der Hebainmeu. vor dem Gesetz ist nicht au 
übersehen. : Bedenk 1: man, dass dieselben bei 'Unterlassung der 
vobj^ bestraft werden sollen, und dass sie 

«llh ans diesem Gründe bei etwaigen. Erkrankungen und Todes¬ 
fälle« ihrer Wdchberinnb« vov ö^cht wegen Fahrlässigkeit zu 
verantworte« haben; m ist es am ho dringender geboten, ihnen 
die strenge Beobachtung der in der Anweisung gegebenen Vor¬ 
schriften möglichst, zu erleiditern. 

Din DiirehtiiUruug der Anweisung bat aber nicht nur ein 
«peoitiiles' Interesse für jede Wöchnerin und jode Familie, sondern 
auch eine orfacnieitif 1 Bedeutung für jedes Gemeinwesen besonders 

• künftighin KUt^iiijtjr*.- ^ «1* tJ*m 

in yl^n ietzfom Jobrön riim >V^rtf3L^M»ft>iiä«iijg’ go- 

mcIgt? fuiii niiGri 

u| niu (■tehalt-von 40 l&tirk. all* 5 .Jahr uta 
v»w M) Mark «loigcmi; 

iiy fein* vniii AuBfiyll iWr NBchprüftnfg &bhh»#i%r v ^ • 

cV «cp Fal L d#X: ' itiviahigkeil nach EorÄ'clcfji^^e.wi;%•• 

Uufendo tifttanffc$t*ufig vöit 10 Ukrfc| von zpr 3 

; rit^g^ndr . ’ v /,' ; > 

df BoHchaffimt; fjfev orior«Ierliclioti Tjfäi:SV«f •/ {xr^> 

. .mioctJopefftii^l: .v ' ’ 

«•) bei Hetöci» ifcO deir StiLbivcU)ui*ig^n i Mark• TAgi.*gek!er txid v 

nach 4or ilebaujmontejt^ V v ; ! / : ^ ‘ 



82 


Dr. Silouion. 


ira Hinblick darauf, dass durch den Tod oder das Siechthum 
einer an Wochenbettfieber erkrankten Frau in nicht seltenen 
Fällen eine ganze Familie der öffentlichen Armenpflege anheim 
fällt und die letztere dadurch in viel höherem Maasse belastet 
wird, als durch die Uehernahme der verhältnissmässig geringen 
Kosten zur Beschaffung der erforderlichen Desinfectionsmittel. 

Diese Anschauungen habe ich vor dem Kreisausschuss meines 
Kreises, zu dessen Sitzung der Landrath mich in entgegen¬ 
kommender Weise eingeladen hatte, vertreten und daraufhin 
folgende Vorschläge entwickelt, welche dem Kreistage behufs Be¬ 
willigung der erforderlichen Geldmittel in seiner nächsten Sitzung 
vorgelegt werden sollen. 

Wenn man berücksichtigt, dass die Hebammen auf dem Lande 
meist von der nächsten Apotheke ziemlich entfernt wohnen, so 
ist es zweifellos am zweckmässigsten, denselben einen grösseren 
Vorrath an Carbolsäure auszuh&ndigen. Dies könnte nun in 
grossen Flaschen geschehen, aus denen sich dann die Hebammen 
selbst die für jede Geburt erforderliche Menge von 90 Gramm 
in kleinere Massflaschen einfiillten. Bei diesem Verfahren ist 
aber die Gefahr nicht ausgeschlossen, dass durch Unvorsichtigkeit 
der ganze Vorrath einmal verschüttet wird, denn auch das Ein- 
füllen erfordert eine gewisse Geschicklichkeit und ausserdem ist 
es für die Hebammen handlicher, die Carbolsäure gleich abge¬ 
messen in der für jede Geburt vorgeschriebenen Menge vorräthig 
zu halten, ln Folge dessen habe ich nach Rücksprache mit den 
hiesigen Apothekern vorgeschlagen, für jede Hebamme einen ver- 
schliessbaren, mit entsprechender Aufschrift versehenen Kasten, 
ähnlich wie solche zum Verschicken von Bierflaschen gebraucht 
werden, anfertigen zu lassen. In einem solchen Kasten lassen 
sich eine Anzahl von Einzelgläser leicht, sicher und dauerhaft 
verpacken und richtet man denselben für 24 Flaschen ein (22 für 
Carbolsäure und 2 für Carbolöl, sämmtlich ä 90 Gramm) so 
würde die Mehrzahl der hiesigen Hebammen, die durchschnittlich 
nicht mehr als 40 Geburten im Jahre haben, mindestens x / 2 Jahr 
mit ihrem Vorrath an Desinfectionsmitteln auskommen. Die 
Stadt-Hebammen, welche meist eine grössere Geburtenzahl haben, 
können ihren Kasten aber ohne Schwierigkeit öfter im Jahre 
neu füllen lassen, da sie Apotheke am Orte haben. Wie gross der 
Verbrauch der Carbolsäure im Jahre sein wird, lässt sich vor¬ 
läufig nicht genau schätzen. Zunächst wird man annehmen müssen, 
dass jede Geburt auch 90 Gramm erfordert. Findet vielleicht 
einmal die Hebamme bei ihrer Ankunft die Geburt schon beendet, 
so kann es das nächste Mal Vorkommen, dass sie wiederholt um¬ 
sonst gerufen wird, sich nach vorgenommener Untersuchung bald 
wieder entfernt und in der Zwischenzeit vielleicht die zubereitete 
Carboiverdünnung umgeschüttet wird. Ausserdem sind in den 
§§ 10, 12—14, 16 und 18 verschiedene Möglichkeiten angegeben, 
welche einen erheblichen Bedarf von Carbolsäure erforderlich 
machen. Die Erfahrung muss also erst lehren, wie viel wirklich 
durchschnittlich pro Geburt gebraucht wird. 



Die Entführung der Auweinuap für die Hebammen vom 22. Nov. etc 83 


Wird Tbn dem Kreistage der von mir gemachte und von 
dein ' Kmaaussekttss aceeptirie Vorschlag angenommen, .so ist 
damit auch die CbictroJ e über deh Yerhr&itßh der Desmfer.tiöas-. 
mittel «ehr hiesigen Regieniögriheitirk ist den 

Hebammen vui’ges^iit’hen. mit dem aiysitriieh im Monat Januar 
dem Krei^phv^ikus jettr ßeHaion . •eiö«t»e»^ö«!äifn . ^^ebttofeßr». 
bezw. Oebtudsveyzeiebrnsseu gleichzeitig eigen Nachwei8 r ) Über, 
die Menge der während de* betraffe^p ^firhraachteij 

einzureiehe«., Dieser Naehweivf ist tiatiidit’h 
am leidite^teii -zu erbringen* wen»' die . «eiztefeh bach meinem 
Vorschläge aus öffentlichen .Mitteln beschafft werden« • Werden 
die Btebammen dann bei Gelegenheit vtlö^ -K^chprfffbtig - darauf 
aufmerksivm gemacht, dass es nicht. auf. dfe Menge der Ü&rboK 
sSure, swiidefü auf die richtige Verweiultmgderselben aokomioe,- 
so liegt es nicht üt$lsihBereich • der.- AV'ahm'h^hriidjhkeij,. dass die' 


herauskomrot. Aach <mw anderweitjge Vera»usffung der Carboi« 
säure kann nicht dtedefttenff ins. Gewicht i»Ue.&. Es i*t ja wdtl 
anznnelimeu, dass hier und da Quacksalbem gel^ebeTs werden i 
wird und dass die Hebammen mit ihrem l^rhobwasser bei kleinen 
Verstauungen aushelfen werden, «her ich glaube nicht, dass dies 
von Belang sein wird. jv . ■>. 

Was mm die Kosten äobetrifft, üo stellen sic® dieselben 
für den hiesigen Kreis 

a) an einmütigen Aitegnbeb: 

1. 2‘6 Küsten ii 8 ML . 184 ML ~ P%. 

2 . 10 Mä^ggtindprd 80 P%. . . 36 ,. BO , 

•1- 500 .Flasche»ä öOör. (blau, eingebrannt: 

,.Aeusseri!di‘- ran! eckig) A J& Pfg. . 75 =■— „ 

Summa: 205 ML 80 Pfg. 

m an .jährlichen -Aufgaben: 

L^ Drnffillöug von jSÖff Gläsern fä Pfg. . 25 Mk. ^ Pfg« 

2. 8Ö-v RUogy. Add. carbol. liquefaci. 

(dtiychKchnittlicli 000 Entbindungen) . 10(3 , — , 

•<C Pa uschsumme für zerbrochene Gläser 

Ausbesserung der Kaste» etc. . . 20 „ —- „ 

Summ».: .450 Mk. —Pfg. 

Also fast genau 50Bfg, für iede Entbindungi' Bei diesem 
Aiisclilftg ist rfihmend hervor zu heben, da^|öfein/4ih Apotheker 
behufs Durehfiihnrag der . Anweisung in der gexvlinsrhten Weise 
zu ^rhebiißhen Opfern bereit erklärt habeny denti nach der 
mmmm Upfen 00 gr - Arid. csrbolic. liqtief. mit Wägung und 
Glas 1.25 Mk. 

BehfiÖk .ftim-tLr Kfiiohr.nng Miwdawtg 


Heecbcdnigitug ilfs Äpethekerj. r •.,?* V. J 

mHtrf (M*; 5 (.gtm tW, eit«-, falb 
mtcntgejijicn geliefert 'äitfl,, d»*rr';> d.»v 

m«iödavoriteber$. Magistraica' &■:*% 


v; : * w|b 




84 


Tn&m. , re MiHhojjuugwi. 


worden, iro Laufe der ^nnate Jauiiar und Febniar säim»tliehe 
Hebammen ihre» Bezirk* in derselben Weise wie bei den regel¬ 
mässiger? and dieselben unfe£ Ans- 

b&ndjgnng '.der Anweisung hezftgliei» der- .darm jgegebeinep. Vor¬ 
schriften. eingebend zu beleb', ei). Diese; Termine' sind von mir 
bereits at.«gebalten and habe ich in denselben die Hebammen be¬ 
sonders darauf aufmerksam genmchu- ddss aBe Ä^rste und Be¬ 
hörde« amblbib imgewieeen seien, jode»; m Uore ßehauältutg-. 
gelangenden . bezw. /u ftmr Kmniiim kommenden Fall von 
Woob«nh*^$Pber dem ;j$8th«drg^fcr lvFen>:p%^|fen§ arwuzeigen und 



früher ist nämlich seitens des Mesigen Kegienmgsprüstdenteri 
vergesebrieben (durrb Verlegung vom Covern her v. J.)- dass 
in 'sulchen Fällen - der Kret.spb.vsiku* sofort- von dem Uahdraths- 
amte be.zw.■.. Magistrate mit Unterjuditiinigeit m Ort and Steife 
ite.nifrragt werden «ms*. Wettet hin. bähe'; ich die Hebammen 
daran erinnert, dMS .de bei keiner Cfehnrt- wisse« könnten, ob 
nicht in der nächste« Stoitde dev Arzt zugezogn» werden «diese. 

• «M yj y. A i\ -Äi.fcVt If .-1 «T tVw* W» i I 4*4 .*» (l 't A L. . i .'2 ~ I. t. 21* m. mi 



dass *‘s sich bei Dia■cbiubntng der fvagdfehen Anweisung- keines' 
wegs darum bündele, die Hebammen zu belästigen nnd sie in 
steter Augst und Sorge vor de? Polizei zu orbalteh. somlern dass 
Aerste und Hebammen einträchtig zusammen wirken sollten. Er¬ 
krankungen der WöeUnentitie« zu verboten und dass die Hebammen 
gegen ««gerechte IfescbuldigUtiggn tbuftlicbst auf meine- Unter¬ 
stützung rechne« könnten. 

Die Hfbanimeft schienen de« .Ernst der Sache zu begreife?? 
und derselben die erforderliche Aufmerksamkeit zu schenket»; nt» 
der gewfiöschfr Erfolg eintreten wird , muss die Ankunft lehren. 

Kleinere Mittheilunoen. 

IW »Hütcrc Verlauf beti-, «las EingewaiHlt ,*dle Amtifeh* Bflgtttitbiiruitg 
«rbrÜtlirHllcfeör .Atteste**» cf. No. 7 : ««<1 d; gw) 1888 Hwser 
V: Auf nv«aw> tudenru 4 Afib ur. Ägt'gfibtMje Erklärung (VC So, 7 diowt 
Ztu^clirlb: votu jfe 1) cHiieit leb 4> d. ä4- «g vetw Pra*iitlor?feu «i« ÄutT(iedfa«ng, 
du? dir dfe - K»^tii<iit*fcipfi tfri4 .eth»UdiWi» 10 Mark ■sofQrt zurücka«- 



ruhigpri uiid f^hat ich mir uotörm Kht 1 fyi/4 

rtiBierK Da lotzU‘rc his Jiooto- üMh Afeu»/* v ^ v.u«*** 
^augen/ Ao hat* Ich ‘öricK^ ? * : ' v 

. jedoch. iltor dftr Pr%iuoiit tiii^rn) Vy 

mir *infordert*, woJciiem tet ^ * 








Ktatngre Miithöllungen. 


durch Pttßiilichntthiii^ fcw Rieben, ist nnschww za schließen, 
te- in dei $ ngelegenhiit zwGeberi Minister und PvMdftnt^p T^rhÄ^daft wurde, 
sowie aits der Tlmfe^bö, d&Rs ich zur Hftekxabiung der 1Ö Marie nicht* wieder 
uvifget<»rdert worden 'bin, diu Folgerung gerechtfertigt ersehemt. du$ft -dieA(*f- 
hissungde#' FV1l*Hl*otea voo> Mi runter nicht geibejli worden ist.’ i}&mu& karnt 
logiBch weiter ge^bl'OwterV - worden, dass meine' unter den vorgeiegenen l/ru* 
■dfindeu vollzogene BegUiiibigin^ eine zulässige.. war. Wäre sie ph nicht ge- 
wesen, ao w?tr nseme * Handlung, eine unrechtmässige, und für eine nnmiio* 
mäßige Handlung hätte äet Herr Minister eine Gebühr nicht ymmreo. lawu 
kennen, ' -- ‘ : '-V /: .. ,, ?V'' ’* ^ 

Hieran ankrmptvnd ori&ube ich mir , nicht mu mit •meiner., richtigeren 
Aoslagüug zu K*okt*fe^iHÄv sondern weil ptSjudicivend für alle ähnliche -Fälle, 
den . Worte' mm vom 81. April 1888 datiamden Verfiigimg des 
Mmiötemunh, M, TWh .‘in ft'produciren.. soweit sie für den in likle 
F&U s?Qh fhte^e*## ikfc *i& üt in Frage gekCrmmen f ixt wieweit die Schlau* 
bestimmung im £ 30 dir* Ciesetzes vorn 9, März 1872 über die den Morlicinab 
tumviUen für dh ßeaöfguiig- geGohtsärztlicher Geschäfte zu gewährenden Vor- 
gütungem wonach in den nfthor Ix-zeiclmeton -Fällen, wenn «ich Bedenken gegen 
die.' Angöm^eiihej.t r}o* ii^mdirbn Betragen ergaben, die FesUüzuüg der an* 
weisenden Gvhfihr . ß^gierung Gau Immorkeitt rat . taich 

der gegenwärtigen i. 4 ge dejr Gesetzgebung noch Anwendung finden kann, Der 


Zwei fei wgnröd beruht darin. dass der $ \X der Gehührenhräoung ' vom {ly. dum 
.1878 zwar dm Ta X v o r« rr fa riften de* Gesetzes \om 9. Marz 1872 unir^ht 
evhaJt#v «ihr $ 10/: o»4 p^en-Üich die'- Sehl^b^tminiang/v. 
desselben jedoch keine eigentliche T ay. v o r «e h r ift enthält . .. . . . . 

Wl«; die Motivg zo der rnohmrwSlmten Ik^timmung uu $ 10 hervor hehan t he- 
rüht dieHelbe auf der amd rüeklichen ilt wtigmig, dam für diejenigen ini .Gu^feö 
♦ iojQjicfef vermin der len Fälle, in weichen ch darauf an kommt, die Gebühren 
innerhalb der ^zeichneten Grenzen zu arbitrirom dio V«rwaltimgsh<>hO!^cm die 
« Fetzsetzüug am meisten geeignete,, Organe sind, so dass ihnen die dettm- 
tivh Entsehoidürrg mit Vertrauen ftbeö aasen werden darf Daher wird ^floch 
nicht ait^.er .icht gelten werdexi düfieii. da*#* wenn die* Sach Geständigen - 
gebQhr nicht dem Staate, semdern einer zahlungöpflicht/geu Partei zur Last 
fttlJt. dieser fetet^ren gegenüber die von der Regierung xtnsgegaagnne ÖÄlAttiren* ‘ 
hvisotznng auch in einem ^ylchen .Falle, n i c h t a U v. n d gütig airousoheii 
ist. cs viel mehr .UnküHunmen Weiht f gegen di»d he gcnliis^ $ 4 des 
«ft'Zc« vom ie Jmu V~' r t' { * die gericiitUij'lfiie' Entscheidung aoziirafen.' 1 *) 

Dr Wiener 

Boscftäit^uug um Kbufm« uut;^r{ii>M* 4«r Fabrikisn. Nach nin«hi Vir«. 
UiwiC.d^w üfpzs« JÖ. Septdmijtir 18^8 heKiehen sioli 

Ksnctjx-Oewerbeordmmg ttbor die ßö> 
fißliÄiTigunjf dar Kiodw: i« |*til>Hk«n nur a«l‘ die Kinderarbeit tnnerha.ll) tihim 
nicht über anf die aun«chiib«slich aH>werhalb de« Fabtik- 
EiablwsMüftnte «tij^ndijßilö BeiichSfti^ünsr Arbmttfr otlor Kinder. 

Die fidschftilitfungr ''fO«r / K^V|den!i i« einer Wohnung, wöselbtd dar öewerbebe- 1 
trieb nicht iaurilonätfig g^rlmht. iift diwcb die Heicht^Ofewerljaordnung nicht 
bo*chränkt. • ••• i'V:/ 


Äaferti)rungr von fteveirtei! bei üeberselHeÜung dor MatlmÄbloKeu ron 

s«a rk wirk enden ßiften. Nach einen) Xb^ll -äm. ftsibjNlgCidiüh^ ’t $txiütmüa. 
vom 27. Saptnniber 1.^80 gehört, «? föv j^gäfxt Ajiwfhnlcier, «?S er irritijä^nl -ider 

• jbiertea' * 9 Öemi Veriaalb der fraglichen Ange¬ 
rn ir in Nu. 7 und 8 j»ro 188 b <b.'r Zeit^idmft 
insieht über die amtliche Beglaubigung fyrivat- 


s»äp3Ää' 




. 

II 





*6 


Kleinere Mifctheilungeu. 


Gehilfe, zu derbei Ausübung seines Berufes untet allen ümst&ndeu — auch 
wottß eine bnzügHohGlnatrg&foti nicht exiatirf -—gebotenen Umsicht nnd Sorg¬ 
falt. starkwirkende Gifte in aüsaorgewöbnlich übermässigen Dosen nicht ohne 
die besondere Erklärung des Arztes, dass «r bewusst dicee ftbetniaAeige Dosis 
veraehneben habe;'dein Kranken; au vgrabr<acben.; er dies. «tv hat 

er strafrechtlich gleich dem Arzt#*, «reichet das Ftec-ept; vetefthriiblK'n hatte, ihr 
die Folgen einzuatehtm 

IHe garlühfeärztMehe tfteratur aber Verletzung der »Halswirbel wird 
vn nftchster 2eit jn Eulge des jüngst in Berlin vethaodhlten und noch in dar 
Schwotns liegende» Falles Kelch voraussichtlich recht hepchtensw'erth vreislen- 
Au« 4« j« der heutigen Nummer veißtiuivtlichten ,Artikel von l>v 



r' öiW noch ein anderer von L>r.. Xuftsner. ■ Kreiaphj'sikua und 
^s\nitäi»smth in Koabhi-.*' Diagnose ^uär Ter» . 

t’ügftng nnd sind weiter.' Kiimomftuigeo rar Uiimustjlr dieser Verletzungen sehr' 
erwünscht,;. ■’■■. -' ' i ' • • ' \' 

piuvin AusaicJu gönorainOne Errichtung eioes bjgieni*cltet> Instituts 
nebst einer ordeßtlkhw! Professur der Hygiene in Halle a/S. and Marburg 
ist-von der ßadgatkcnuisnssion des Abgeordnetenhauses abgelehnt worden. 

SCuracfcimhsne dor Approbation als Arzt. Gegen den Prmüdoecni 
Dr med 8C zu B . weicher von der Strafkammer des dortigen I>andgmeht* 
wagen Entwendung von Bfieftnatkeii rechtskräftig zu 8 JMönaten öeßtnflniah 
und Sjhhrigem Ehrverluijt verartbeüi worden war, hatte die znsiAadigeTer-d 
waltnugabehörde auf Grund dos § 53 der GoworbeördiiUng die Kluge auf 
Zurücknahme der Approbation als Am, Wundarzt und Geburtshelfer für die 
Dauer de« Ehrverlustes erhoben und der Beztrksaösschüfts di&tptu KlagaottAge 
geuvltss erkannt, ln dopr Urfheite letr.teÄwurde aoflgethhrtr ddiMts die 
Entziehung de> Approbation keineswegs nur ausgesprochen w^rdt-!) dürfe, wenn 
ein Arzt steil in Bezug auf seinen Beruf einer ehrlosen Handlung schuldig ge* 
macht habe. sondera «ine solche Zurücknahme auch dann gerech t fertigt sei» 
wem» der betreffende Arzt derjenigen moralwohtmt Integrität -entbehre. welche 
für deh ärsstUcfaen Beruf erfordert. Wird. Bass letzteres aber im vorltegmuloti 



Untersuchung und dem Umstande, dass» eHi dersepie in einer Vermögen 0 
befrötdefti welche ihm sehr wohl gestattete, «üftem Saiätneleifot' ilurfeh Ankauf 
der Marken tu genügen, den besten Beweis gegeben.* Gegen dieses Erkennt¬ 
nis« legte der Beklagte die Berufung ein, ihden* «f au^hrle, dass der § 83 
der Gfewßjbootdöung nur un besonderenStAödftitetewsae d«ss ävstliehen Berntes 
aber keineswegs itu allgermeiHen ÖffentlichenloWesso die Zurücknahme der 
Approbation giwtatte and daher ein 2«summenluuig der Thafcsaehen, welche 
die Zurücknahme rechtfertigen rolle», mit den hrztHeben Stamleeiutere.ssen 



ans: djRnseiiöm nicht gefolgert werden, Durch t-rtlieil dös fll, Senats >1 «k 
Ö bmvörwaltuagiigericliM vom LT. Jane;« dt. J. ward» jedoch dins« Berufung 

nfii) Hif; VArAnf.«fVh*nfiiffli£ hilft fAti Cr f. ftar Hfrfthiitttti.ai ( JsA-rtfvIiiiahrvf 


. § $0 ..-<Üöi HübM'lbeordiwmg in erster Hinte zui Wu^r mty dor fliehe» Stnnik«* 
ehre erlassen worden sei »war richtig, ulnn . 
dieser Standesehro im varliagondexi Falle > : 

durchaus gerdchtfertigt. Dabei könne «.«, 
klagte in dm That von einer Sarnou'lmuhie 

. . 

\<nti«litt»g »tolr Elefoehbeachauer “'•'a' 

|iotla»(M«ii ■;wr|Wdtri»Nip«' Osten Uber thr< • *'V -: .,v 

dev |CS'.jtÜitöÄ t.$'tffe.hrUfii “;•• Diucb t’ulüteivej-ii d*'‘ 0 .; - >> 




Kl«äiw*r*< Mjtthmbmg: 


sowrte durch eia später dtt%u «riaseM»* Reglement, v ow lä- Mai 1885 sind die 
Fteisuhfawschiiuer w Aber ihn* ThtUigkrit. au fiUiron. 

Hei einer am 18. -Juli 1888 rorgctjömmenAu pf.feei lieben Revision fand sich 
nun, dass d.«r dortige Fieisehovsclmuer N. die hei,redenden Listen nur bi« zutu 
Februar geführt hn.iL' i-fugho 'd&ti auf 30 Mark (lohLtrafo evdnt 8 Tage Haft 
lautenden polmuLicfrdö Strafbsfebi beantragte der betraffenda Fleisobbuschaoar 
gerichtliche Entsclieiduag und ais er voui Schdft'öögericht zu 11. vemribeilt 
worden w«r, erhob er Öoruhmsr. und wurde von' der Strafkwimaer des Land* 
^erichts an V» frA’iig^ro^bflälAuf die gegen diese Entecheidang; »eiteft» der 
Staat aanw-Duelm ft »-mgoH-gte fieviajnn stellte jedoch de? Straf*wn&t des 
Kammergerichla nieder Aufhebung ilfir Torentüdieiduag da* Erkenntnis« 
des ScJjöt}hb|fbricht« 0wf!r feer und .zwar - Mit; ■fo]gpnd<tr Begründung: »Oie 
VerordüiiRtg sownhl. :wib ;-d&ü dazu orguhgifne ttogieujont sei im »iffeatliühöo 
JntereaHe .«ri.w«eM, llauj>Uw«*ek dei'floiben sei di« uchriftlicbe Nindaijegimg der 
Resultato der mikroekopischeu Imtersudvuugen. sowie Controk* darüber.,• «b 
der bdtreffenfde Pleischheschttu^r ahöh ftichtt mehr als sechs Schweine an einem 
Tage JDxttsrsnche, und «ich kein':? ÜebergrHD in ein fremde* tiebiet eebuhüg 
ntadhe. OiSr VoriWriohbär hat den Angeklagten am deswillenfreigesprochen, 
weü tdüht in der Vwcurddnag ftuag^cycben «ei» binnen Wüicher &ftit die 
Ausfüllung der -List« bewrirkt sein mQäwV der Angeklagte übwdieH ein Notiz*' 
buch füint», in welche-« «>■ Heb seitjo Notizen täglich mache und «-nach 
jederzeit die Liste, auszufiiüeu im Stande sei Pie«« Entscheidung beruht auf 
vüi'er rechtsirrthümlichon Auffassung der ‘Verorduu.Dg aowohl wie dea Regle- 
ment«. Aus der das»?lbat. getroffenen ItestiBnmmg, wonach dii?Revision .jeaer- 
zeit^ vörg«!u>f|juie& werdew könne, folge mit Bestimmtheit, Am behufs Var- 
nähme dieser Revimun die Listen am Schlüsse Jedes Tages ausgntlttllt werde« 
müssten. Dhse. ein. privatim geführt*» Notizbuch die Slellw einer cusiliuhou 
Liste nicht vertreten könne. beddrfe keioer näheren Ausföhrung/ 


Verbreitung der Tollwutb im Deutschen Reiche wÄbread des Jahres 

1887, Nach dem int Kaiserlichen Oesrnndheitsamte bearbeiteten Jähr^berichi 
über diu Verbreitung von Thierseuchen im Deutschen Reicho (aracJuenen im 
Verlag vön dultuB Springer, Berlin |§88) rimi im Jahre 1887 zwar weniger 
Erkrankung«!! au Tollwnm bei de« Tbieruu vorgekbmmon als im Vorjahre, 
dieselben haben rach aber auf mehr Bezvric« vhrtueiR. Die Seuche hot »onsit 
im Allgemeinen an Heftigkeit etwa» verloren, ubor an. Arafbroitung gewonnen.. 

Au Tollwuth erkrankt, und gefalle n sind Ä56 'Filiere gegen 578 d. s. 
22 ä% 8«;,, weiuger als im Vorjahre. Die Fälle vettheilen sich nach den «Sn-' 
»einen Thierarten auf 423 Hunde, 4 Kat*«m. t» ITerde, Ä)9 Stück Rindvieh, 
t> Schafe, I Ziege und 17 Schwein« 

Von der Seuche betroffen wurden wie in*. Vorjahre: Pmissen, 
Bayern, Königr, Sachsen, öldenbtirg, Biamiscliweig, Hamburg. KlKa«S'Lothnngun; 
ausserdem Baden, Aieekknburg^ScWerin und Anhalt, wänrend das- ün Vor¬ 
jahre betroffene Fürateftt hum ^chwaTaburg-Sondershauseu ini Berichtsjahre 
verschont geblieben ist, Din Falle vertheilen »ich auf 40 Regierungs* u. sw 
Bezirke, 181 Kreise ‘.de., 100b (bämtrinden etc. 

Die meisten Toll wntkfliJJo «ind wie inj Vorjahreermittelt in den 
Regierungsbezirken fjombirinen fitü), Brnmberg U)S$j PtoQii (02): auaserdem 
wurden stark betroffen Königsberg (48j und Lothringun (29), withrend in dem 
im Vorjahre stark versnuvhlen Reg.-Bei. öp|veii* bedeufeud weniger Fälle vor- 
gekomme» «nd i28 gttg«« 'Mt , Vop dsn einrelhsR Kreiseti etc. weisen auch 
in diesem Jahre ri^l« »öUwuthfhllfi auf: Schroda (28), Ihowraziaw (i9(, N«iden- 
burg (80h «Feeatland dtp, öoldap (JÖ), dagegen waren dis Krutse Lyck (7 gegen 
20) und 0»uiT$&» i Övtjn H» gegirä Pij t.tn ßerifhtsjahee weniger x*u« der 
S-'niche heimgeeucht. , . j\. ‘ • 

W» die ¥<*rlireitnng der S^uelie tpetfiell unter den Hunden 
.^ -<wy.r/. - |KV.« vorwattend die ÖsUibhen Oebiete 

V■-i tb r '«iwden; deneben tritt, indaus eine stArkere 
~ '** '''’-kf' <V»Ui:h«irf und an der fr»ö*S«i»ehen Ifrence-. 

-wti '»••XliWilii .d*» Bkäch.e*« io der Nähe der See» 

, , .».fandet*, ln der stärkst verseuchten 
*(>«jr-o ■’.'-A« . i) södlich der VVarthe und westlich der 





RMnerC Mittbailungen 


Oder bin Eftck^ng gegiei» .itfcs Vorfahr. Auch sind vier OräizkreiW' (Bmaen. 
I^ntöcbxft , Sidnldbisrg uud Kbdipön \, P.)verschont .geblkdiid), Währetfä rm 
Vorjahre nur einer, döt Kreis MmdsI, früher nei g«;-l>]-oh<>»> v< .iv, der auffallen¬ 
der Weise irn Berichtsjahre ; «d einem der:;^^^F:’h;e^dftuid> gMcind«! ist- 
Im Kömgiydeh .Sachsen ist, das. ganze (iis*nzg»»bfcd gegen OüHtehroioh, juihuv- 
uonmien die Aintahanptmannfcehaft fiantz.r®, betmifeig In RajTrti (ai»weh"lie*y- 
lich ii«jt Walz) >ind f> Grenz- und H der Grenze tamm^hbavin itezvrke •vofseoeJtr. 
Von den itnkerhf'imsehen Staaten sind haoptaSddich Rothntigöü '; demnÄoltisi 
da.« Elaass sowie die ItezirlcaHombm-g iind^ rirtna*'ftn& ftv. der bayj^sichnd BfiUa 
von der Seuche keuhgesaeht worden • and die letztere vim hier <x\\* über den 
Rhein bis zürn badischen Amtsbezirk Ettlingen Vörgedriuigen.. Im Ttordwebta 
lieben SboCljengobieti* bildete der östlichste TImil de* Hamburgi'ichon Vor- 
waltiingsbezirkflK (füest lafide den Hauptherd. !>i» einzelium !äbr«wbitttn 
scheinen aut den Verlauf and die Verbreitung der 'foHwuth koiftoa Einhuw. 
gebubt zu haben. Der Irnstund jedoch, dass bei wi-mmt d^e miH^eu Tel! 
wutbfklle,mitoi 1 den Hunden in den Greuzgebibtath vcrgekoniuteH «i)id, läwd 
ebenso wie im Vorjahre Eifischleppimg aus dein Auslände ,alis Bsoptgiwid t% 
<brs Auftreten der Seuche irn Reiche finnehm.m, wjo ».lonn auch bei eitter nicht 
unerheblichen Anzahl von, Fallen derartig*- Riftsc-hjeppnngöri ainflieh tust- 
gestellt sind. 

Von U e ho r t rjigoivg dor: Voll wuThg ftivl Jlenfseb.un durch den Bi«* 
wuihkrankör Bunde vmd 'Vdfe .ßuitHM?Kalte konnte die 

Incubati6iJSi!ä.oer picht genau t'ekig^tölll »erden., in Jlon abdemr drei 

iT^nktibg Mi 'iWv R) Wochen hnzw. 7 Meaattynhch dn«v 
B£e%, ÄVesrR dies©'-lS^i;'4örvErfi^iilrdnj^np''-'Ah<!ib siobwlclif incbt* «jiRb yinjkfe-' 
kommemifi TollwutiTltUle heim Manscht»» nwfiossi, so gestattet sie doch immer¬ 
hin einen Schluss auf die Wirksamkeit <irt zur Zeit im t.>eut.sehf<n Reiche 
geltenden diesbezüglichen voteni!ä.qi<>liseiHchüTj Alflus?egelu mul muss demnach 
<?©r dmeh die letztareu erzielte Keirutz gegen die Gebert viignog der Tollwutli 
aitf Menitclien AR ©in sühr guter 1 bttadcfenet. vrer> len. S 'J\' 


TodüsfiUta durch Vergiftungen iu England 

dos Ki»^b0)«wbiir * 
gefrmde&e Bowes 
dOH Tmies&fle d 
st>n(Giftmord), 
kott. oder Verseht 

II .^JBB|pBW |P BW[pWI|pi 

imiavdd und zwar hui b4 Fällen iu iahrläsfiiger Weite, Wt'.VJ Fallen in selbst 


inreb Vb-rgdtauigen vorgekummen. wovon 2 <lnrch dritte l'ur- 
; :in seibstmörderisehfir Absicht und 3ßU durch Fabitäsaig' 
HP§3>5e '.ajlulltnissmSssig grösste Zahl dlwn>r Todckfölfc (14«) 
ru^en jftit Opiom- und Morph iftimlijUtigcb X’rlijMimt^tn vev- 

intRdömthßr Abiicbt. Die niiebst höchste Zitier vmsort *li© TodvRthlk* in Folge 
\s,>k ftloi vöfgii’twngen auf (101) j sfiMinitlich durch FahVllissigkait;. bedingt (.bee 
sohdorK h^. ArlmUohi m^Rleiwq«w-, Srhvirotelkansie- <?tc. Fahnkün). Klecsalz 
lOkd^kjwhl-.VifrsFiiiildÄttr l*.i aml '.dnreh T'ahrläasigkeit’ühd i?7 mal l?ei BülWtinord 
den Tod. Anlfidlejiti J«ndlfeb die hohe .Zähl *l<ir Tödösfitllo iliVfcb Vftjrii 
giftamgeo Ganzen 51, dwrühtor in seliist/iir>rderi«ci«ii 

Absicht und *2d dtirch .Fahrlässigkeit Diese ziemlrch hohe Ziffer von tödt- 
lichw Carholsiiurp yorgiRriugeh: ist ancli t'iir die hiesigen VerJiil)tni>!>f> nidd 
unwichtig. hoKondörk imlpfwhlick auf die ndniet^ippi’; 

22 . NovomW v, J- T durch wolcho die unverdünnte iarbojsame .ib- {teninlW: 
ticmsmiftol fftr den ÖeRrauch der Hebammeti allgemein h|»jjeführf ist ; . Daös 
es picht ohne ßefafat ist r , döit Hebammen unvefiilUiüta t^rböisSnre in 
Hwd w geliei), wird Nimami bezweifeln, hat doch wt Rh vcrgängfeitön .lAbtT 
der bayrischo Ohorinedicinaiaussehuss aus dieseiu Rmndu einen bnzitglichon 
Antjjtg auf: <Re ;Glgeamine Einflilimng des godanhtan MUtcis in dipHidjainmeLv 
pra^\|^e')pni^inRfi|t. Mit TKilebsielit -«iidi citio gedcherte Üarch- 

f\ilirun|r dör oben »-rwähnte» Änrweiswng ist- r«< dahor um so ij.ifbwendiyer die 

; tt!«.krbw ftQ/ 

tl'ibri • .• ••' < r x itek-s» ■■■ -.-n.i .>5>V ' 

Vom.- ■ •• > 


ran 



Referate. 


89 


Referate. 

Johann Ludwig Casper’s Handbuch der gerichtlichen Medicin. 
Neu bearbeitet und vermehrt von Dr. Carl Liman. Achte 
Auflage. Erster Band: Biologischer Theil. Zweiter Band: 
Thanatologischer Theil. Berlin 1889. Verlag von August 
Hirschwald. 

Der massgebende Autor auf dem Gebiete der gerichtlichen Medicin hat 
seit zwei Jahren seine Thätigkeit als Gerichtsarzt am Berliner Landgericht 
aufgegeben; aber eine lange Reihe gesammelter Erfahrungen, die noch heute 
von ihm geübte Lehrthätigkeit als Professor der gerichtlichen Medicin und 
die praktischen Arbeiten im forensischen Institute setzen ihn noch gegenwärtig 
in den Stand, die neu auf tauchenden Fragen unserer Wissenschaft mit dem 
Secirmesser an der Leiche und mit dem Experimente am Thiere, mit Mikros¬ 
kop und Spectralapparat am Arbeitstische des Laboratoriums zn verfolgen 
und dieselben auf Grund eigener Kenntniss und Prüfung zu beantworten. 

Das Lehrbuch des berühmten Casper unterscheidet sieb in mancher 
Hinsicht von demjenigen, welches von Hofmann geschrieben und von dem, 
welches unter Maschka’s Leitung entstanden ist. 

Seine wesentlichste Eigenschaft ist ihm aufgeprägt durch die vorzügliche 
Casuistik, welche in seinen Text erläuternd und ergänzend eingewirkt und 
welche auch in dieser Auflage dadurch berücksichtigt ist, dass einzelne Fälle 
durch neue ersetzt, andere neu eingefügt sind. 

Aber auch der Text selbst ist nicht unverändert geblieben, einige Stellen 
sind gekürzt, andere geändert, noch andere frisch erstanden. Und als be-* 
sonderer Vorzug dieser Auflage ist hervorzuheben, dass die neuere Literatur 
wesentliche Berücksichtigung erfahren hat. 

Liman ist mit Aufmerksamkeit den Forschungen der Jetztzeit gefolgt 
und hat an manchen Punkten, welche über ältere und jüngere Fragen von 
Neuem aufgeworfen waren und welche Fundamente der gerichtsärztlichen 
Lehren ins Schwanken zu bringen drohten, das klärende und vorläufig ent¬ 
scheidende Wort gesprochen, gestützt auf langjährige eigene Erfahrung und 
auf selbstgewonnenes und gereiftes Urtheil. 

So dürfen wir auch von dieser achten Auflage mit Recht behaupten, 
dass sie den alten Casper'sehen Standtpunkt — die empirische Beobachtung, 
die naturwissenschaftliche Methode in der Bearbeitung der gerichtlichen 
Medicin streng durchzuführen, Hypothesen und traditionelle Vorurtheile nach 
Möglichkeit zu beseitigen, auf Grund möglichst eigener Erfahrung und Be¬ 
obachtung eine klinische Bearbeitung der gerichtlichen Medicin zu erstreben — 
gewahrt hat und dass nichts versäumt ist, um auch die Errungenschaften der 
Neuzeit auf dem weiten Gebiete der gerichtlichen Medicin, welche in allen 
Specialfächern der Medicin überhaupt wurzelt, zu verwerthen und damit das 
alte Caspe r'sche Lehrbuch auf der Höhe der heutigen Zeit zu erhalten. 

Mittenzweig. 


Prof. W. W. Podwyssotzky jun. Ueber einige noch nicht 
beschriebene Veränderungen in der Leber bei akuter 
Phosphor- und Arsenikvergiftung. Petersb. medic. Wochen¬ 
schrift 1888, Bd. 24. S. 211. 

Verf. hat in sehr eingehender Weise die Frage der Fettdegeneration der 
Leber und Neubildung von Leberzellen experimentell an Meerschweinchen 
studirt. Zu diesem Zwecke spritzte er den Thieren unter die Haut des Halses 
oder den oberen Theil des Rückens 1 °/ 0 Phosphorbutter oder 1 °/ 0 wässrige 
arsenigsaure Natronlösung ein. 

Dosen von 0,0005—0,001 und sogar 0,002 einmal täglich wurden von 
den Thieren einige Tage, selbst Wochen hindurch gut vertragen, wenn auch 
Vergiftungserscheinungen (allgemeine Schwäche, Zittern des ganzen Körpers etc.) 
auftraten; dagegen gingen die Thiere ein, wenn an 5—6 Tagen hintereinander 



Referat*. 


Einspritzungen von je Ö;Ö03 gemacht wurden; tödtlich/■wwlrtan .emmaiig» 
Einspritzungen von Ö,Ö05 und 0,01 binnen 10—6 Stunden 

Bei der Section der akut vorgifteten oder am 3.—ir—5. Tage einge- 
gangeneu Thiere zeigten sich auf der Leber gel biich-weisse, runde oder un¬ 
regelmässige eiförmige Flecken von verschiedener Grösse vom Umfange einas 
Stecknadafkopfes hie *.u dem «iner Linse. Die Fleck*« • «open nicht ganz 
oberfi&chJteh, sondern drangen auch einigennaseen in die Tiefe des Organs; 
ebenso fanden sich auch in der Leber selbst ähnliche abgegrenzte weisslicbe 
Ineelchen, welche fast ganz blutleer erschienen. U 

Die Frisch heiatisgeschnittenen Stöcke der Leber wurden in Müller 'scher 
oder Flemming’schfir Flüssigkeit gehärtet und die Schnitte gefärbt, 

Ans der UttterimchuBg derse^ nach dem Verfa^cr folgendes. 

Arsenik und Phosphor, in Dosen vetv 0,ÖÖ5 bis 0.01 unter dk< Haut go~ 
bracht, USdte» Me^clrifßihck^/ifiV.^S^iOr^^itden,^ wobei-.: -in- doo Organen 
uM insbesondere in der Leber noch köhie Föttmetamorphose einiritt.; 

in der Leber bilden sich um tlmse Zeit kleine begrenzt« werislieh-gislba 
nekrotische. Hoerde des LebergevebesV welche ilqareh direkte giftige W’irknng 
dos Arsenik« und de« Phosphors auf das F«itprotoplasma erzeugt werden"; 
die Gifte werden von dem Orte der subkutanen Eirmihrüng nach der Leber 
verschleppt. 

Die Leber hält in hecvovragfinder Weise gegenüber de» anderen Organen 
und wie es scheint, den grösser*« Thcü idos im Blut cifkuLtenden Äreeaiks 
and Phosphors zurück 

Das Epithel der ßyiengdngo zeichnet sieh durch eine bedeutend grössere 
WiderStandsÄthigkeiT, gogtjnOböjr dem Arsenik und Phosphor aus als die ab- 
sendernden Lebemdlou, 

Der. ia giftigen’ Mengen im Blut« cirkulirende« Arsenik und Phosphor 
bedingen die Zerstörung einer grossen tjuantitö-t von rotben Blutkörperchen 
Und .eine Leberfällung uer Mih. mit Schollen und Körnchen von Blutpigment. 

Wenn die Thiere nach einer einmalige« grössere« Dosts Arsenik oder 
Phosphor oder nach 0—5 tägigen «düDeren Dosen der Gifte nicht «ingehen, 
sonden« am Leben bleiben, so wertlen die nekrotirirlen Partien des Lebar- 

g jwehes süqudstriri, vorkleinern sich «tufeuweise., und es treten nougebUdote? 

mdegewßbe, aeugebildete Kanüle Und benachbarte in Wucbernng gerathende 
nofJDöle Lohötr-Jillon an ihre Stellen. 

Fettmetemoipboso des Lebergewebe« erscheint erst am Schldsaü der ersten 
2+ Stunden nach Einführung des Giftes, wobei aber nicht die todteft Leber- 
zollen des nekrotische« Hcerdf« «li&ser Metamorphose unterworfen sind, sondern 
die Leberzelten, welche dieser. Heerd umgeben und welche rieh ür dem be~ 


uuetamorpbose uUtiirivorien wiytieu. öjegohtge Zftifefe wafoht? vorher neicroti- 
airte, anterLtegi nkhtiucbr der Pattdegcneratiou. 

Hürnntugeo hrtirtohgerutehe Ew-störiing und Nfekteiie einzelner Tfaotle des 

oümm -Thaile* dÄl^Mgowoheä und zwar 
zum Ersatz des Verlustes nicht i*ur durch önugfihildetes Puidegowebe ( sondern 
aftch durch oengebildetv GalleuVanäle mit Balkou töp LobcrreUeuy, ; jedoch 
ohne den typischen Bau des LoberiUppchon«. 

Aitf Grundder von früheren Forschern (KlttbH, Mäöch, Masebka 
w. A.y gegebenen pathologisch - an a! ofiiiscbt-ü Beachroibuirgwi der weisstieh- 
gelhHc-hUn inselchen auf der Leber von liüdfl 

Vergiftung gestorben sind f .ist V*rf - UtTo‘., vUzr.^j>3', 

orl^ha««ü;:li<Kii>d^te: tfematoefe/U» jedenfalls ist hui der 

Obdiiktion von Monst‘hen, wUluhe • PK>fAt»-- oder -V i-'-unik verg.Ut'iojs. 
chronrichfer oder akuter , gestorben siwii. die te-bor eine) eingehende« 
logisch-ftaatomisehen Cntersuehung zu . >u» K'l.vh,» v,. x di\> k»*l. 

Fettmetaicorphose der Loher and Neuh' duc*' fe.-n l .eh>.--n- -fen- -u. <• htvtfhu. 








Referate. 


»1 


Prof. V. Höfmann. Vergiftung mit Tollkirschen, Aus dem 
Institute für gerichtliche Medicin in Wien, mitgetheilt von 
0r PÄliÄttf Wiener klinische Wochensehrift 1888, No. 5 

s. m. 

Kä»jh' öfeBUBf «*b isri Wald.« gv^pötickten Beer.?» erb&t&te' Bativat .mtei 
Krschewtmgeö, «lift sielt ' als Atröpinvergiftnng chäralctonwrtrit Durch Magen-VQ 
airaspfÜtiag yüff&m; sabdreichet thejls iioch nnvewobrte. theiD gefatafce 

A«ri iPniihliFcrtr-hsfiri fiOvri.l .!3ä«i\An, 


. Pilocar- 

ptaiujekt^one» erwiesen sieh von günstiger ftTrfouig. 

tut «tarwleu M^t-nspülwasae'r, der Harn 

d* eftfteu Tages, sowie ein Stuhl von, Abend des erste». Tage«, zur Ver¬ 
fügung; da das entere wegen Anwesenheit der Beeren nichts besonderes 
biete« '£»*«>&!;. -:^>ürd!e«/iiihr die beide» leiteten eingehend untersucht. 

fl»»« betrag ea. 400 ccm. war leicht geiriibt, gelb, mit geringer bläu¬ 
licher Fluorescenz. Durch meiuiägige^iStihlie» w'arde *•»: stark alkalisch, tief- 
gelb and auffallend Qhöreecirehd Zur Sachwewung roh Atropin witrite der; = 
zunächst ungesäuerte Harn und der hierauf wieder ialfcsliewte mit 0 hlörofertß 
auegeschiittelt. ’ <, 7 .‘ ;>/• >V-Vj 77 

Der Auszug aus dem sauren Harn .bmterlie** heim Verdampfen einen ao- 
fang? hartigen «ach einigen Tage» dzw.hl>g 'faej^t-attaasA werdenden Rück- , 
stand; der RuchatAnd 'w<iat -der von Abniikhem 

Äv^Reiv tryät^llexrte prüfet und gab &as •«»teg. AlkmS^idreaktihn', beide Ats>- 
züge zeigt«» keinerlei, intdriwtw'.'.he Wctowg* wöbpäber geübrten die Kataen 
heftig nach-dem Mutr'Äüfelfl. 7 X ’. •• ■'"•’• .’ 7 '. 7 : 7 £ 777 'y 7 >. 7 ' • ' .’• ' 

Ätrhjim war *kw in deui Hanio nicht wääetüi^ml 
Der Stuhl blieb 5 Monat«? in einem bedecktea Becdr^tws stehen und 
wurde dann wie üben der Bam mjt ’ Chloroform äusgerchnttelt. Die saure 
A»se«kültlt»ig ergab stark btaun gefärbten Riichsfajisd, welcher in alfcoßo! ■ 
haltiges-» Wasser gelöst , mit ßleuteetat gefSjHh, FiltrAt mit ScoVrefelwneseratoff 
entbleit, filtrirt und eingedampft wurae. Das au l dem Filter bleibende 
Schwefeibtei ergab beim Answaecheh mit Aikohd und Aiumoujakwaeser eine 
sebwachgelW ub?»ng mit scLAn 

Die alkäbxhv. Auaschötbilang gn.t «»wu ferystaÜiäischete Rückstand mit 
zweiieilc« ehe&awsr einige Stunde» äoöäderhder roydriatierdier Wirkung des 
Atrcpim. Ea war also den durch dt» Darm binduTchgeitwefeo Beeren, Prucht- 
Seismi lind während ihre« Wegew tächi isüwtnilictm Airopin entzogen 

worden Und auch da» in dem Stuhl enthaltene Atropin trotz der Aufbe- 
waWung in faulender Substanz (Koth) nicht ganz «erntet worden, 

<i*n Vergiftungen mit Tollkirsche ist aber cotem tter Ateopinwiitung 
auch noch auf einen anderen Be*UndthetI, «te» Scbttlerwwil der Atropa 
Belladc-n.ua zu achten. Derselbe har. r»ar mit der gütigen Wirkung nichts 
zu ibo», aber er find«t rieb i» allen Tb eilen der PHanie, m auch in dem Ex- 
.trauktu, jedoch cd :r.t m dem reinen Alkaloid,.*» daa«--al»c< durch dae Fehlen 
oder VorbaaAeiö.eifi desselben die eine oder ander« Vergiftung ausge¬ 
schlossen isA. 

>y • fK- *>u >«!akosul, identisch «uf, dein r' 4 /n Efckmasn 

eilten ScopoleUn und Amgereichnet durch 
fiicniak- und älkehnlhssltigan Lbsung. Die 

- 3 .SU dtf ( ■rs%x>p *,:-■■ •■( .t. HU . v .• m ^ und ds-r wtren KotbttUft«hfittehmg erhal- 


;fö£ 4 te 4 iätÄ<;- S;j."riv &»>{>*<■* 
. V*Arff V-Xti-i: ütb 

\sX0U Coitlv ifert't- aojwr.'yh 1 

■jif. • 'üA/fia » -üt» ’ <)ut) 

&t&4io. R*>äa*sbÄ< 
fty 

%w&ef|%r««yiAA)C& * TOlffifLl 



’A-j 

'./Un? hin. bei A^rg)ft\uigen ia Bar« 

•i'g-v-. :om h Aul'die Farbstoffe der Pffäiu«n 
‘sei» denselben, auch gp eiuem 
• >ang 4i)f Alkaloide doch eine» indirekten 
e-h#w .-.«ban dftßj klinischen Beffaud die Ver« 
iser. :■ ' ■ . _t 2 . ; = 






92 


Verordnungen und Verfügungen. 


Dr. Hermann Vierordl Anatomische, Physiologische und 
Physikalische Daten und Tabellen. Jena, Verlag von 
Gustav Fischer 1888. 

Die Daten und Tabellen bezwecken eine Feststellung des ziffermässigen 
Materials der normalen Anatomie und Physiologie und sollen einmal dem klini¬ 
schen Arzte einen leicht zu handhabenden Anhalt gewähren, andererseits aber 
auch bei speciellen Fragen wissenschaftlicher Natur Auskunft geben. Auch 
das pathologische Material hat Verfasser berücksichtigt, soweit das auf diesem 
Gebiete Feststehende eine Verwerthung zuliess. 

Das gesammte Material theilt sich in drei Abschnitte, den anatomischen, 
physiologischen und physikalischen Theil und enthält in einem Anhänge 
praktisch-medicinische Analekten. 

Das Buch trägt einem vielseitig gefühlten Bedürfmiss Rechnung und wird 
nicht nur dem Studirenden und dem praktischen Arzte, sondern auch dem 
Lehrer und namentlich dem Literaten ein willkommenes Nachschlagebuch 
werden. 

Besonders empfehlenswerth scheint mir sein Besitz auch für den Gerichts¬ 
arzt zu sein, da es in seinem Inhalt die wichtigsten und die verschieden¬ 
artigsten Daten enthält, deren Kenntniss der Gerichtsarzt sich so oft mühsam 
aus schwer zu beschaffenden Werken beschaffen muss. Um so gewichtvoller 
ist diese Gelegenheit der Orientirung, als ihre Sicherheit stets durch eine 
sorgfältige Quellenangabe geleistet wird. 

Mittenzweig. 


Verordnungen und Verfügungen. 

Berichte Uber die Revisionen der Privat-Irrenanstalten. Erlass des 
Herrn Ministers der etc. Medicinal-Angeleg enheiten (gez. in 
Vertr. Nasse) vom 10. October 1888, an sämmtnche Königlichen Re¬ 
gierungs-Präsidenten. 

Unter Bezugnahme auf den Erlass vom 19. Januar d. Js. — M. d. J. 
No. 14771, F. M. I. No. 66 M. d. g. A. No. 274 H, - betreffend die Privat¬ 
irrenanstalten, ersuche ich Ew. Hoch wohlgeboren ergebenst, fortan zum 
1. April jeden Jahres — zunächst also am 1. April 1889 — eingehenden 
Bericht über die Ergebnisse der im vorhergegangenen Jahre gemäss den Be¬ 
stimmungen unter II des vorerwähnten Erlasses ausgeftthrten ordentlichen, 
event. auch der ausserordentlichen Revisionen der im dortigen Bezirk vor¬ 
handenen Privat-Irrenanstalten gefälligst zu erstatten. 

Da aus diesen Berichten zugleich hervorgehen wird, welche der Privat- 
Irrenanstalten neu errichtet worden sind, will ich von der durch Verfügung 
vom 10. Mai 1870 angeordneten Anzeige über jede einzelne Konzessionirung 
einer Privat-Irrenanstalt von jetzt an absehen. 


Abänderung der Vorschriften für die ärztliche Vorprüfung. Erlass des 
Ministers der etc. Medicinal-Angelegenheiten (eefc. von Gossler) vom 
12. October 1888 an die Königlichen Universitäts-Kuratorien. 

Mit Rücksicht auf die Bekanntmachung vom 17. Januar d. Js., betreffend 
die Abänderung der Vorschriften für die ärztliche Vorprüfung vom 2. Juni 
1888, — Zentralblatt für das Deutsche Reich Seite 9 — bestimme ich hier¬ 
durch im Einverständnisse mit dem Herrn Reichskanzler, 

dass im Falle des Nichtbestehens in dem 5. Prüfungslache (§ 7. Absatz 4 
der genannten Bekanntmachung) für jedes der beiden Halbfächer 
Botanik und Zoologie die ertheute Zensur in dem Zeugnisse über die 
ärztliche Vorprüfung zu vermerken ist. 

Ew. Hochwohlgeboren ersuche ich ergebenst, die dortige Kommission 
für die ärztliche Vorprüfung hiervon gefälligst in Kenntniss zu setzen. 



Verordnungen und Verfügungen. 


m 


firlMung von Wöchnerinnen-Asylen. Circular-Ktla«» des Ministe»? 

der etc. Medlefnal Angelegenheiten vom 2 m. November 1883 (gee. 
vdp 6 asslevji öjj sämmtfiche 

■■Dtv AenitahaHnner dsr Previps: Katvorzugsweise von der Auf- 

fa&ra&g geleitet, düs» 6s schwierig «ad theüwäisounmöglich ist* in den 
Wocheostubcn der inneren VolksseuiehteK jstr^nge Antieeptik zti Eben, ferner 
im Interesse dpr Fortbildttng der Hebaiuinen die Präge der Gründung Von 
Wöchnennnen-Asylen in Aftrfguag gnbraebt Zbnftchst i«t dieselbe von der 
A erat »kämm er für 'dis- .0041 ». und mduetrioreichfcu Landschaften der¬ 

art ins Auge gefasst worden, düse in den Asylen bedürftige Frauen für die 
Zeit der Entbindung und dos Wochenbetts unentgeltliche Amnahme finden -und 
die Hebammen des Ortes unter belehrender Aufsicht des An»taltsarZWsdie(|' V: 
Entbindungen leite», sowie das Wochenbett ■aberwaeheu sollen. »tu so übdr 4 
alle Fortschritte aut“ dein Gebiete der Geburtshilfe und dem der Pflege der 
Wöchnerin wie auch der Neugeborenen, auf dem Laufenden erhalten zu 
werden. 

Bevor ich dieser Angelegenheit »Aber trete, ist es mir erwünscht, auch 
die übrigen Aevztek3,nuuern y sowie die iu GemÄssheit des § 3 drar AUerMch- 
ston Verordnung vom 2& Mal 18&7, WtTelPend die Einrichtung einer ärsrfiehen 
Standesvertretnng. erweiterten Provinzinl- MedteiRal-Collegien über das huf'dem 
gedachten Gebiet« hervorgotreten« Bedürfnis*;, wwic die ZweckraftsBjgkttit und 
die Ausführbarkeit der in Vorschlag gebrachten»ranstältüngen oder etwaiger 

_ _« .v .. ■ .... ^ T* ■ i _i ^ 1,,\ a r~- • 


tS 


thätigkeit. au büren.,> , , . 

Demnach ersuche ich Ew. EsceUenr. ganz ergebenst. gefKJligst .die 'stfor*' 
derliche» Veranlassungen für dem Lhüfkiig der tiöi-tig^fe Provinz *n fttrffen und 
mir seiner zeit die Ergebnisse der stattgehahten Verhandhtngen mitzntheUen. 


Abhaltung der Sitzungen der Aerstekaoiraero am WohnsUx der Ober* 
Präsidenten. Verfügung de» Minister« der etc. Modicinalangelegen- 
heiten (gez. v. (;.>**h?r) com 30, November 1888 N. 9243 an den Vor¬ 
sitzenden, .dar htmtöübäßaet. der£bc-mpi<m«£'ft- Galt. San.-Bath Dr. Graf au 



*18 

■‘ißMMsm 


m\i 

tt 


d. .1..No. 146—Vife* ifr lüsinenrErla^vyöüi SO. August ,. _... 

der Aerztekoiumer dov r»ori*iz Hwsea-Nüsaau der Antrag, die Sitzungen der 
Äerztekunimör in iVunfcfuit n;M , akbalten zu dürfen,, unter Hui Arie änf f l 
der Ällerhüclirfen Vwfprdüüiig vom 28;.: 'Mai 1887 übgelehni tmd darauf bingn- 
wiesen wordoo i»t , äaa« die Aerztekamnmr mit dem Oberfnärfdenten, dessen 
Aufsicht riß «ntorriellt ist. auch änwaerlieb in möglichst naher l»«ri«hmxg 
biftibe»: müsse. , ■.. .' ; 

’Wwoj'V in dem vorerwAbuton Krlmsse gleichzeitig ausg«äpro«beti worden \ 
int. da:it. in einem ciirr/.eineri Falle awsnafamsw«i«*> aut beeunderer Genehmigung" 
des Gbor-PfSsiden tun eine Sitzung der Asrztekammer boz. deren Vorstandes 
aussorbrtU? CasselN abgebwlfcen werden dürfe. *» vin- . 
des OW-tVAetdenten gedacht, welche allerdings, in •••rn*k. « v V’V 
Gber-PrAshlenteu bezüglich der, seiner Aufsicht «nldSr^öM 
i;p; ZÜHteht, von welcher .jedoch vdraueskbtUch nur in gsVu: 
üiditorfilllnn OobnuirJh gemocht worden wird. 


Die Jtehuis Ertheünng roa LsicbeopSssen tivFprAeflielibo Uom. 
nigaugen Ober die Todesnrsiächen etc. messen sm 
stellt sein j Mio isterla)- V er f ö g u b g de» Mini«tc.?v 'l ru‘ rfc AI edfif'' 





94 


Personalien. 


M. d. g. A. X. No. 7839 
M. d. I. n No. 8849 
M. d. I. n No. 8183 
F. M. I No. 1015 


— eine Ergänzung des früheren vom 6. April d. J. 

— darstellt und dass eine .schon daraus sich in zwei- 


M. d. g. A. M. No. 3898 

felloser Weise ergiebt, unter den „beamteten Aerzten“, welchen nach dem 
ersteren die Ausstellung der Bescheinigungen über die Todesursachen etc. be¬ 
hufs Ertheilung von Leichenpässen übertragen worden ist, lediglich die Kreis¬ 
physiker zu verstehen sind. 


Anstalten zum Trocknen und Einsalzen nngegerbter Thierfelle, sowie die 
Yerbleiangs- Verzinnurigs- nnd Yerzinkunra-Anstalten sind genehmungs- 
pflichtig« Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 2. Januar 1889 
(gez. i. Y. von Bötticher) Reichsgesetzblatt 1889 No. 1. 

Der Reichstag hat in seiner Plenarsitzung vom 14. December v. J. be¬ 
schlossen dem Beschlüsse des Bundesraths betreffend die Aufnahme der An¬ 
stalten zum Trocknen und Einsalzen ungegerbter Thierfelle, sowie der Ver- 
bleiungs-, Verzinnungs- und Verzinkungsanstalten in das Verzeichniss derjenigen 
gewerblichen Anlagen, welche nach Bestimmung des § 16 der Gewerbeordnung 
rar das deutsche Reich (Reichs-Gesetzblatt 1883 S. 177) einer besonderen Ge¬ 
nehmigung bedürfen, (Bekanntmachung vom 16. Juli 1888 Reichs-Gesetzbl. 
S. 218, s. No. 9 der Zeitschrift 1888 S. 279) die Genehmigung zu ertheilen. 


Massregeln bei der jüdischen Methode des Yiehschlachtens« Circular- 
Erlass des Ministers der etc. Medicinal - Angelegenheiten (gez. 
v. Gossler) und des Ministers des Innern (gez. Herrfurth) vom 14. Januar 

1889. --- *** Königliche Regierungen. 

Zur Vermeidung unnöthiger Thierquälereien bei der jüdischen Methode 
des Viehschlachtens (Schächten) sind neuerdings hier und da mehrfache Mass¬ 
regeln getroffen, deren allgemeine Durchführung, soweit es die örtlichen Ver¬ 
hältnisse gestatten, erwünscht erscheint. 

Insbesondere ist Folgendes zu beachten: 

1. Das Niederlegen der grösseren Thiere soll hauptsächlich durch Winden 
oder ähnliche Vorrichtungen bewerkstelligt werden. 

Diese Winden sowie die dabei gebrauchten Seile etc. sollen halt¬ 
bar sein und stets geschmeidig genalten werden, so dass die Aus¬ 
führung ohne Verzug erfolgen kann. 

2. Während des Niederlegens soll der Kopf des Thieres gehörig unterstützt 
und geführt werden, damit ein Aufschlagen desselben auf dem Fussboden 
und ein Bruch der Hörner vermieden wird. 


3. Bei dem Niederlagen des Thieres soll der Schächter bereits zugegen 
.sein, um unmittelbar darauf die Schichtung vorzunehmen. Letztere 

soll sicher und schnell ausgeführt werden. 

4. Nicht nur während des Schächtungsaktes, sondern auch für die ganze 
Dauer der nach dem Halseinschnitte eintretenden Muskelkrämpfe soll 
der Kopf des Thieres festgelegt werden, da andernfalls der bewegliche 
Kopf des in Muskelkrämpfen liegenden Thieres nicht selten in der 
heftigsten Weise am Boden aufgeschlagen und namentlich an den 
Hörnern verletzt wird. 

5. Endlich soll die Schächtung nur durch erprobte Schächter ausgeführt 
werden. 

Indem wir die Königliche Regierung hierauf aufmerksam machen, 
empfehlen wir die weitere Veranlassung nach Massgabe der örtlichen Ver- 


Personalien. 

Auszeichnungen: 

Verliehen: Der Charakter als Geheimer Medicinalrath: dem 
Regierungsrath Dr. Krieger in Strassburg i/Eisass und dem dirigirenden Arzt 
der chirurgischen Abtheilung des Augusta-Hospitals a. o. Professor Dr. Küster 



Personalien. 


• V/V V'' v 


95 


in Berlin* 4 ]s C'?h*>im**r Sft.&tf&trruth: den pritefctacheo Amt ÖajütAumth 
Dr; Möijöt M? KiStn; :&k tsraXh: den. RroL^byeifeii* Jir/KrAfft in 

rb::^ iueUuirg i3»n praktischen Asrsten Dr, Z<iUdi*ui ünuntetub Dr^i 

ÄVfcking 510 $:/pfe Max A Hnifivii in Berlin, ih /Ki&ht*:r in B*uü»n o/Sojil,. 

Dr Sm^ö'ne'r in Oroß«efehn ’ ; xmi Kraa#rnnd'arsri s'h io Liters- 

D&* : '-ör6äak-r^ üz de* Rötben Adlorordeo«-.mit EinUonlaüb; dein 
StaAUdnitü^feT und Minister dei goiathchf?« iuttmichi* und M^dkiuAb 
angelegenbwieTi v on {röstet* .i«r Rotfee A^d^rördeh: 

' .dem' vom imäi^ 

Dr: Landgraf m Berlin, dom Sreii^by^iktiijfft. t> ftt Befarond 

#ü Sagen imd dem’InÄbeiigen- : . v Kro5^'* and lyaritonaJa^t Pv, Cu!mann in 
Er«tein — Der Krii)jpiett^td«0 III* Clisrff.: Sanjt&täratti 

Dr Nöld«cb;en \ti DnoWn - 'W: Kl*ü>, i3^v■.'J1 }€ö rKönig! 
Haueordetie von Ffbfe^ Q&hemfen Saäitfttat&th Professor 

Dr Tob old m Berlin,flov/ie »k-m Geneniland H. Kidöse mid Hegiroentearzt 
Dr: Sohr^d*? in Berlin- 

Die ErUobrnöö erbhruit zur Anlegung: tled.lShrenkmiÄWt ULCIg^ 
des FUMb RohoiwoUernÄchen . t{&0£Qräei)g: dem Oberfdab- und 





Kr^ph^ikr(4 • Um \>* 

A \;U*rn *urr, H (•ui^pb.fUk^H ol** dferjfrÄaDg«? * 

Ym^ttÜe 4 »* xb'C K r'<»'i)c Waxvfcsr da- 
üMtft wdgfif ti# auni t de* ifi-eta* und ö^rKreiannnik. 

kM Uv : uint.ne.b ‘ : V(\ '■#&%'?$ ;Kr<&$V^k'X'» dee itofee? 

Zu *U 3bHr*Kt1leiMi!5<:{ie^ M vVgn^jvrd 4e#' K » !.***tickf-i*« • > 

•h e tj.y%fii|*1^.'Vffi'wi : ‘9i ^iüd mniont; t# #*n/ ■ b 

' »* yt>J*fc. ß:>vtiV t>*) Ätrrii-St* *£•'' ^^ 4Ui& 

..au- 'IfefU'a ? *. Dr::/fwfc Med^R^tb mid vorn*, fytöh ifk ^i^. T 
»JiBr liafev wid •• .^'U; TföpVv* ., fX/ib/ .%%;• R^tfe ii>^d ’ 

vtirU*. ^tu, ‘M'ieii?k 4l lifUiej'u-'au; Öy . ' Kj^g: - 

.r v ^(ibb V.ivl ‘H< t/f.,.- 

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Personalien. — Preussischer Medicinalbeamtenverein. 


96 


Verstorben sind: 

Die praktischen Aerzte: Sanitätsrath Dr. Noll in Hanau, Dr. Marp- 
mann in Esens, Unterarzt Dr. Wiesner in Berlin, Richard Gotthard in 
Brandenburg a/H., Oberstabsarzt Dr. von Scheven in Wandsbeck, D*. 
Schönenberg in Köln, Dr. Averbeck in Laubbach, Prof. Dr. Petruschky 
Oberstabsarzt I. Kl. a. D. in Königsberg, Dr. Schnabel, Kreisphysikus a. D. 
in Breslau, Dr. Hagemann in Frielendorf, Dr. Bernegau in Rheinberg, 
Dr. Schirks in Remscheid, Kreiswundarzt Dr. Leder in Lauban und Ober¬ 
arzt a. D. Dr. Rieb au in Görlitz. 

Vakante Stellen:*) 

Kreisphysikate: Insterburg, Putzig, Königsberg i7N. (nördlich), Filehne, 
Witkowo, Neutomischel, Schildberg, Lissa, Goldberg-Haynau, Kosel, Uslar, 
Hünonling, Adenau, Daun, Oberamt Gammertingen (Meldung bis zum 10. März 
beim Königl. Regierungspräsidenten in Sigmaringen), Nordhausen und 
Waldenburg. 

Kreiswundarztstellen: Fischhausen, Darkehmen, Heiligenbeil, Hey de- 
trug, Oletzko, Tilsit, Karthaus, Marienburg, Loebau, Marienwerder, Graudenz, 
Angermünde, Templin, Friedeberg, Ost- und West-Sternberg, Bütow, Lauen¬ 
burg i/P., Drämburg, Schievelbein, Bomst, Bromberg, Strelilen, Ohlau, Hoyers¬ 
werda, Lauban, Reichenbach, Grünberg, Münsterberg, Sagan, Jerichow I, 
Wanzleben, Wernigerode, Worbis, Sangerhausen, Ziegenrück, Langensalza, 
Recklinghausen, Höxter, Lübbecke, Warburg, Lippstadt, Meschede, Hünfeld, 
Kleve, Bergheim, Rheinbach, Wipperfürth, Elberfeld und St. Wendel. 


Notiz« Auf mehrfach privatim an mich von Collegen ergangene Anfragen 
über Beurtheilung von Erwerbsunfähigkeit nach Verletzungen habe ich meist 
unter Hinweis auf Dr. L. Becker: „Anleitung zur Bestimmung der Arbeits¬ 
und Erwerbsunfähigkeit nach Verletzungen. Berlin 1888 bei Enslin,“ hin weisen 
dürfen und mache ich deshalb auf diese in der Praxis sehr verwerthbare Ab¬ 
handlung noch einmal dringend aufmerksam. Mittenzweig. 


Preussischer Medicinalbeamtenverein. 


Mit Rücksicht auf den Beschluss der vorjährigen Hauptversammlung, 
wonach der Vorstand beauftragt ist, 

„bis zur nächsten Jahresversammlung die nöthig er¬ 
scheinenden Abänderungsvorschläge zu dem Taxgesetzo 
für die Medicinalbeamten eventuell unter Hinzuziehung 
geeignet erscheinender Vereinsmitglieder vorzuberathen 
und der Versammlung zur Beschlussfassung vorzu¬ 
legen*, 

werden die Mitglieder des Preussischen Medicinalbeamtenvereins gebeten, der¬ 
artige Vorschläge betreffs Abänderung des Taxgesetzes unter Beleuchtung 
wichtiger Principienfragen wie unter Beifügung etwaiger in dieser Hinsicht 
seitens einzelner Verwaltungs- oder Gerichtsbehörden getroffenen Ent¬ 
scheidungen dem Unterzeichneten Schriftführer des Vereins bis zum 1. April 
d. J. gefälligst mittheilen zu wollen. Vorträge, Discussionsgegenstände oder 
sonstige Wünsche für die diesjährige Hauptversammlung bittet der Vorstand 
gleichfalls bis zu dem obengenannten Termin bei dem Schriftführer anzu¬ 
melden. 

Der Vorstand des Preussischen Medicinalbeamtenvereins. 

Im Auftr. 

Dr. Rapmund, Schriftführer des Vereins. 

Reg.- und Med.-Rath in Aurich. 


*) Wo ein bezüglicher Vermerk fehlt, sind die Stellen entweder noch 
nicht ausgeschrieben oder die officiellen Meldefristen bereits abgelaufen. 


Verantwortlicher Redacteur: Dr. H. Mittenzweig, Berlin, Winterfeldtstr. 3. 
Druck der Füntl. prtv. Hofbuchdrucker«! (F. MltxUff), BudoleUdt. 









Heransgegeben voa 

' 

Dr. H. MITTENZWEIG ff OTTO RAPMUND 

Gericht! Stadtphyrikus in ftetHn* Reg,* und Medidhalraih ip Aumh 

• '• uod v X vV 

Dr. WIUH, SANDER 

MedirinaJndh »ad Direktor det Irteö&nstait DÄltdorf-Bfirtia« 


Verlag von Fischör’s medic. Buetihdlg, H. Kornfeld, Berlin NW. 8 


ErACts^fui am X. 

Freia Jährlich 6 Mark. 


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11 a 


Kleinere JWÜttheUwasr^fi . . * - i 

Hefeara te: Y^; 

Iten«*, riit Üö<s6iiwd»)iö5 4 p« Geistes- 

|nt*n*t»n . 

ZltbvH* Hntftr 

*m,'btti«fced'4fr tV*teteMrwiten . * . 

ftoTtsckrUte do? Frankenpilege, tim Ver¬ 
lag* vtiö : 'ftedheroSltKihband- 
Jung ueo rur&6f0uij*&v •>!■, 
paÄustoröjii'tilrchi" $«nit£t<rw?3en % t nö«iö 
Waeheftac&tiffcj . .. .. ; • . . ; . 

fJ$r o«d« Jftir dos 

»jfalü • ’iiS- . i-\ v*>. v -V ,’j«*.'•« , . . L . 

I>r> 4< Villach iiADdwf»ri»^r>)tich der 
gftä&mteu Meiilirir» . . 

Vfurotdiiungen und VeritognikKexi. 
Pej^oiaaltaa . . » . 


Rtaiistifcrik&r $evt$M 

für ft iU* ts ä r?» Hkxinät zu riftito 
yr/ rji &6fc>1t&c %kbs. 

Yvu Ißr, PHt* AtrAKHmaim . . ; 
trabst bi^Vti»*]Ür fcmdcung<m iü Üet 

Fräkifc $\ö*i IH^bamto« nebst 
trongdu &£«* ?eio|tli<£84. «a$tft 0 äöö- 
n&torsun. Vou 0f 4 . . 

Znt Vl&gtiaSÜ der iJabwtrbeU***: 

IHnruugew. Yw tto*,Xä$mr . . , 
Einjährig* Erfahr Mftgfc# «i?t V»r 

vwdttng der an# && 

kmftm OatbnUiur£ }?f-Äi 
4<r Hebauiöjtfi\. Vnti ftr* ft«*h?tiSn«f 
Hin BaiswLrbeUÜJitcb. Viiti üiv Etv*r* 
Die tXiaw^hsi^ V^ihis^rX\nn^ dm 
Preuaiii «eben Ab^eordnfctfctihaij- 
sa? Vtfcer dun J&fcaleinaiet&t. . 5 . 


Professor l>r. Isidor 

Hmra am Üfl. Aprii 

Kohl;:■••• .: . .. 

$ij* $$ttfer Von .& teis Imt s&i* itäiß &Bt &k 
und HaktHriolü^st* gewiHnieX «?>d *ol • • 

Afltt'df.Hii geliefert 

Seine gedfegenen AhhnmUm*'iea- üt*' 
wa^r, (..ftnalisatiöii die- EntAv?eK*fvjn;; : > 

pilzittifttK30 giften Natme» de»- -W. 
und sein Ifeheiisw»!••'.• ;.-•••: s. . 

aöäplekanrrtwi m\ tosÜä ' 

“'Möge' l er irn «rafev 

die ilnt in den Tod geirfefeni . ■• ! 










98 


Dr. Fritz Strassmann. 


Statistischer Bericht der Unterrichtsanstalt für Staats¬ 
arzneikunde zu Berlin vom April 1886 bis October 1888. 

Von Dr. Fritz Strassmann, Assistentsarzt. 

Das Material, welches der Unterrichtsanstalt in der Zeit, 
die ich hier bespreche, zu Gebote stand und somit dem folgenden 
Bericht zu Grunde liegt, besteht nach der vor dem Beginn dieses 
Zeitraums stattgehabten vollständigen Abtrennung der gericht¬ 
lichen Sectionen, zum wesentlichsten Theil aus denjenigen in das 
Leichenschauhaus polizeilich eingelieferten Leichen, bei denen 
die Staatsanwaltschaft eine Veranlassung zur gerichtlichen Ob- 
duction nicht findet, und die dann, wenn keine Angehörigen Ein¬ 
spruch erheben, zu Unterrichtszwecken dem Institut zur Verfügung 
gestellt werden. Daneben waren wir durch freundliche Ueber- 
lassung seitens* des klinischen Instituts für Geburtshülfe in der 
Lage über eine Anzahl Leichen neugeborner Kinder zu verfügen 
und somit auf dies für den Unterricht in der gerichtlichen 
Medicin so nothwendige Material nicht ganz verzichten zu müssen. 

Es liegt auf der Hand, dass die uns polizeilich zur Ver¬ 
fügung gestellten Leichen überwiegend Fälle von Selbstmord, 
von Verunglückung, von mehr oder weniger plötzlichem Tod aus 
inneren Ursachen darstellen, also abgesehen von Mord oder Todt- 
schlag dieselben Fälle wie sie unter anderen Umständen zur ge¬ 
richtlichen Obduction Anlass geben. Nur zufällige äussere bei 
der polizeilichen Untersuchung ermittelte Momente sind es meist, 
die diese Leichen statt auf den gerichtlichen Sectionstisch dem 
forensischen Institut zuführen, die aber ihr Interesse für die 
gerichtliche Medicin nicht vermindern. Es mag daher gestattet 
sein, die an diesem Material gemachten Beobachtungen, die ver¬ 
einzelt zu einer Mittheilung nicht auffordern würden, doch aber, 
wie ich glaube, zum Theil nicht ohne Werth sind, zu besprechen. 

Abgesehen von den erwähnten Neugebornen und einigen 
äusserer Gründe wegen eingelieferten Leichen sind in dem be¬ 
sprochenen Zeitraum im Ganzen 208 Sectionen im forensischen 
Institut ausgeführt worden, unter denen 91 mal Selbstmord, 
35 mal Verunglückung, wozu noch 5 Fälle vom Tod im Rausche 
kommen würden, 75 mal Tod aus inneren Ursachen vorlag. In 
2 Fällen von Ertrinken musste es zweifelhaft bleiben, ob Selbst¬ 
mord oder Verunglückung. Die Selbstmörder hatten 28 mal Gift 
gewählt (1 Arsen, 12 Cyankali, 2 Morphium, 10 Oxalsäure, 
1 Phosphor, 1 Leuchtgas*), 1 Kohlenoxyd) 1 den Tod durch Er¬ 
stechen, 6 durch Ertränken, 13 durch Erschiessen, 37 durch Er¬ 
hängen, 2 durch Halsschnittwunden und 4 durch Sturz aus der 
Höhe, unter letzteren 4 war die eine Person sicher geisteskrank 
gewesen, die zweite hatte wahrscheinlich unter dem Einfluss von 
Fieberdelirien — es fand sich eine croupöse Pneumonie — ge¬ 
handelt. Die Verunglückung hatte 1 mal durch Erstechen, 2 mal 


*) Ueber den Selbstmord durch Leuchtgas, dessen Vorkommen bestritten 
wurde, siehe auch Liman, Vierteljahrssclmft Band 44, S. 108. 



Stati'sf&choi' Bemht- dw- Unloffic^tsunstalt filr* iSteAtsfirzttelkoride Gtc. SH 


durch Evstidkea. 3 mal' durch Ertrinken. ‘ä toäV dtirch Schwtjfijl- 



wav 


tiou eine natürlich* nach wie*, sind tU«^ i]r ?iiW erste 

Bericht^jalÄr fallenden 3f> bereit* ih der Dissertation voirF 
0. • baaeferiobeit. worden und sollen deshalb .bteV. 

nicht nochmals beridirt werden. 

Unter den «eittfen BeobäFht^t^ 4$ sind zunächst besonders'-' 



angenieidei wird, bietet aus leicht ersiehtliehm Gründen -^*~,es 

1% l\vwl /\l4 . ■» s4 Arnuisfi! <e IltlV ftil ., r.l »■ i » t J-1 ' fj» iä.'» <>-J W ■ tv ; d 



mmm in 

leichtem Unwohlsein öder auch im Verlauf:' einer rhron^ctoätU 
Krankheit, die aber dureha«.^ nicht so weit vm^riwliritten schien, 
um das Eintreten des Todes erklären m, können-. Meistens and 
auch m in. unsere« FiUlen, limlet man bei solchen angeblich 

Diekdarm' 



Aimusebaltsu wären iVnoe-r 2 Fälle (33 und 34). in dehtm 
bei weit vorgekclirifter$ev Fänliüss ein durchaus negativer Ob- 
duetioiisbefund «rhalteu wurde. 

Unter d&n übrige« 41 Fällen fand sich in überwiegender 
Zahl. (24 mal) die' Todesiji*$<die im Geffcs^vdem Stimmen «eine 
'!hv»biehttirtgon 'iiriotbrn mi dom-i) »hr nnüstejl S»:'-h? : ifo telters 
nl..M ihm jOOtylbütm) Tod. Aic<*t K< y• Abrvtr ::: ‘.) / r • in. so 
iif.jgov« 3. t 4 < . . ■ ■ ■ -.•■:■■■ tagende 

. •■ t n • • - ••' •• ! 'ä •: ’•*'• :t.is als 

i U snche des jsi•>< /:>*111•: >) Tode* zuKmmdu. Selbst wenh nma .alle 
aofiolmrirlitw l^dr'ul-^ö.- *>=••: •'< ir .••♦•</o.<!. ihm däriÄ 4bigfc t die 
Kinojamteh»«« m-t rr-t orrt mmb ,>\v' der Mitralis, .-■<>'• eit sie 
sieh mb riduhaff ifäl&gSPm&t*' f ■■■■■• ferner alle .ÄmmrysiBM 


und sjtiiütauer» 
ultreub-'ö «nznimibj^p 
Fälle«, ahsö ffebi 




Adoirtitdb vriF '$0 
ifiäs^igv«. Eird^rilnrif 

S‘i&legl£ '•;;£fi|m b'b’- 


ittb-fanz rhu: ISodäHeriitiH 
• •• •. in unter 41 
'%*Ui1nr (Statistik. : / 

ijK32jaS5^&Qr», . W • - 0 .. '-v*GG-c.-y- 

;) reeh» zweck> 

1 sc würden 

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abzu- 

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100 


Dr. Fritz Strassmann. 


(No. 35) 51 jähr. Mann. Endocarditis aortica, Insufficienz, 
Hypertrophie des linken Ventrikels, Lungenoedem; (36) 30jähr. 
Mann. Endocarditis aortica et mitralis, Stenose der letzteren, 
Insufficienz der Aorta, Hypertrophie des linken Ventrikels, 
Lungenoedem; (37) 44jähr. Frau Endocarditis mitralis, Stenose 
derselben, allgemeine Stauung. 

Unter den 9 übrigen Fällen (38—46) war 7 mal der Anfangs- 
theil der Aorta mit den Abgangsstellen der Kranzarterien resp. 
diese selbst in ihrem Verlauf besonders ergriffen. Aflfection des 
Herzmuskels (interstitielle oder Erweichungsprocesse) wurden in 
keinem dieser Fälle bemerkt, 2 mal bestand zugleich Schrumpf¬ 
niere. Im 8. und 9. Falle handelte es sich um weit verbreitete 
allgemeine Arteriosklerose. Dem Geschlecht nach waren von 
diesen 9 sechs Frauen im Alter von 43, 56, 60, 63, 74 und 75 
also durchschnittlich von 62 Jahren; 3 Männer von 41, 53 und 
53, also durchschnittlich von 43 Jahren. Irgend welche statis¬ 
tische Verwerthung dieser Zahlen liegt mir ihrer Kleinheit 
wegen natürlich fern, sie stimmen in sofern mit Key-Aberg’s 
umfangreicher Zusammenstellung überein, als auch dieser für die 
der Endarteriitis erlegenen Frauen durchschnittlich ein höheres 
Lebensalter erhielt; dagegen bestätigt seine Statistik die allge¬ 
meine Meinung von der überwiegenden Betheiligung des männ¬ 
lichen Geschlechts an der Arteriosklerose, der unsere Zahlen zu 
widersprechen scheinen. 

Seine 2. und 4. Gruppe, Herzruptur resp. Aortaruptur im Zu¬ 
sammenhang mit endarteriitischen Veränderungen, sind in unseren 
Beobachtungen nicht vertreten, seine 3.: Ruptur nicht traumati¬ 
scher Aneurysmen an der Aorta resp. deren Aesten mit Aus¬ 
nahme derer ira Gehirn, repräsentirt 1 Fall (47) einen 40 jähr. 
Arbeiter betreffend, dessen Obduction ergab: 

In der rechten Brusthöhle 150 Ccm seröser Flüssigkeit, starke 
pleuritische Verwachsungen rechterseits, in denselben weit ver¬ 
breitete dichte Eruptionen von miliaren Tuberkeln. Rechte 
Lunge total comprimirt. In der Spitze einige käsige Herde; im 
Oberlappen der linken Lunge ausgedehnte tuberkulöse Phthise, 
im Unterlappen starkes Oedem. Im Herzbeutel eine das Herz 
umschliessende Masse geronnenen Blutes, ca. 400 cbcm. Klappen 
des Herzens unversehrt, keine Hypertrophie. Aus dem Herz¬ 
beutel führt ein sternförmiges, zerrissenes, blutunterlaufenes Loch 
in einen über faustgrossen Hohlraum, den aneurysmatisch ausge¬ 
dehnten Bogen der Aorta; in demselben theils dunkleres ge¬ 
ronnenes Blut, theils entfärbte gelatinöse Massen. Der Sack ist 
vorn mit dem Brustbein dicht verwachsen, die zweite Rippe an 
ihrem dem Sack zugekehrten Ende etwas verdünnt. Stauung in 
Milz, Leber, Nieren, Magen. Compression der Trachea (Säbelform). 
Halsnerven anscheinend intact. 

Zur 5. Gruppe endlich, die spontanen Apoplexien umfassend, 
wären 3 Fälle zu rechnen: 

(No. 48). 45 jähr. Mann. Erbsengrosse frische Blutung im 
Pons, Arteriosclerose an der Hirnbasis in Aorta und Koronarien, 




Stutiati-tyhor BoricM (ior T. nt<^iri»• hi11 Hie ^it-atsuzneikiwUf» ptv 


Hyper» rophie Up linke» Ventrikels. -d^|»}»elseit-igre Granulainlrn- 
jjhie m&ssigeii Grades. No. 40. 44 Jahr. Arbeiter. Atherei*) der 

Aor»a, Konuwrieu and Hirnarterieii, Hypertrophie des linken 
Ventrikeisi irisclief haselnuesgrosser 

iHsrdibnteh in den vierte« Veutrikel, in dem sieb grossere Bint- 
roengeu finden, geringere im Aquädactns, #ö»j- drUtpr und den 
Seiteuventjrlkeln, Mo. 50. 58 jühr. ; Man«,. fKOdröphie heHOHde.rx 
des , Artcribedevose «peeiull der Mrparterimi, 

erbsestirosse frische Blutung vorn - Sink* im P<m&, 'Selmwiipfniei-e. 

weiteren 


.!$£• des Gefö-sssystefft.s, dk m den 

8 d 2 ttefi«ttdrifä wurde« mid geh. Tod Jkt- 

beigedthrl halten, waren 1 mal abJU'nue Enge d^' A&tts, (lOjäb'r. 
MAiih !«i| BMattttioft nöd Hypertrophie des linken Ventrikels); 
1 mul (52) eine Ahsehtd8?üd i(U«|mt|nbehe kolossale^ Bmhypor- 
tropbie (37 jährc . Maüh,{ Tkobtef, Steming in de« Bauehorgunen. 
Lmigenoedem), Final. (5S):(eine totale •8ytSßdhte : ?Äl BerzfeenteL 
(85jfUir. Marm, Wia^UfM des Herzens; Ludgenoedem. ; hUeren- 
iodiirationk I mal ein Mm % fibrinöse» o'^rica^itiaeheR Exsudat 
(v.. 200 nbcm. bei einer. 78 jäkr. Frau Mo. 84). 1 mal Hmdilau*- 
tiufi köd Hypertroph je b^i hüchgr^igör ICyj^hmiköliöiäß (27,4^, 
Frau; Mb. i mal der gkdeh# ^furdl; comkiiiirt mit ^rfttt«i&r8 
atrophie beider Nieren (ausserdem- Lmigonoedm. • Fettfieber mit 
geringer •Schnimpftrag, 57 jähr. Man« No. 5*0? X mal Herriiyper- 

tro |Mv bei Kieren-aivkPüiJtiivking M|äö, zuglefek «sit^gfeeprodn«he.v 
Fett degeneration des Herzotis, Fefctfebbr .und. allgemeiner Hydrops. 
(4Ajähv. Afanii No. 57); endlich 1 mal hei einem 38 jähr. Manne 
eilte hochgradige Verfettung des Hmmöskeia rteken Ällgemeiuer 
Anämie, als deren Ursache sieh ein 2ei#ftkreb« 4# Bia^e er¬ 
gab (Nu. 58) 

tiüverhaltiussmAssig' häufig '8 mal, t»'Gänze« (No. 50 —00), 
bestand die Üiwhe de» plötzlichen Todes in einer cfoupöseu 
Pneumonie, 1 mal war dieselbe herelta in Lungenbrand tiberge¬ 
gangen, es fand sich eine feste Infiltration des rechten Ober¬ 
lappens und in dpreh Ontrum: ^ige• gigröaee Höhl« mit zerfetzten 
Wänden und stinkendem Inhalt neben imtrider Pleuritis. 7 mal 
war eine frische Ajfeotion ’ r 

Stadium der rotheu, 5 mal dei giaueu HepatieatioUc H mel Wsi 
der i^ehte ' Ußterlappen, 2 mat der > .• ei;- Oheri.KPJ>£u, 1 mal >:’.•» 
linke üöteiiappen. 1 mal fs*v» - gj^riunTe iiokr Longe . 
griffen. Befände, die auf iäm • •.-« 

liefen, (Affecrion der Hiru- . .: . ■ . «ff? ln . 

1 rnai bestand neben der Pne; - ;.i - 

Aorta; das Alter der dimfhw-m.<- pt? 

86 , 44 , 50 , 54 . 55 , 56 
Behauptung Vibert’s, der i . ; 
auf Greise und Alkobolisten oj-.-.-o--:, 



102 


Br. Ne8emann. 


Ueber Pemphigus-Erkrankungen in der Praxis einer 
Hebamme nebst Bemerkungen Uber Pemphigus acutus 

neonatorum. 

Vom Kreisphysikus Dr. Nesemann in Soldin. 

Bei gelegentlicher Anwesenheit in Berlinchen, einer Stadt 
meines Kreises, wurde ich durch einen dortigen Kollegen, Herrn 
Dr. Isbary, darauf aufmerksam gemacht, dass daselbst seit 
einiger Zeit pemphigusartige Erkrankungen Neugeborener vorge¬ 
kommen seien. Sämmtliche Fälle waren aus der Praxis einer 
Hebamme und zum Theil letal verlaufen; in einem Falle hatte 
sich die Krankheit evident als contagiös erwiesen. 

Aus dem sanitätspolizeilichen Interesse, welches dieselbe 
hierdurch erlangt, leite ich die Berechtigung her, gerade an 
dieser Stelle über dieselbe zu berichten. 

Die Mittheilungen über die einzelnen Erkrankungen ver¬ 
danke ich der Güte der dortigen Kollegen Herren Dr. Isbary 
und Dr. Zietlow. Nach den Angaben des Letzteren dauerte die 
Krankheit vom Mai 1887 bis Frühjahr 1888. Er beobachtete im 
Ganzen 7 Fälle, welche sämmtlich in der Praxis einer Hebamme 
S. vorkamen. Von den erkrankten 7 Kindern starben zwei, eins 
direct an der Krankheit, das andere an complicirender Bronchitis. 

Das Alter der erkrankten Kinder betrug 2—4—6 Wochen, 
die Dauer der Erkrankung etwa 4—8 Wochen. 

Die Blasen hatten gewöhnlich die Grösse eines Stecknadel¬ 
kopfes bis zu der eines Markstücks und fanden sich in der After¬ 
gegend, auf der behaarten Kopfhaut, im Gesichte, auf dem Bauche, 
seltener auf dem Rücken und in den Armbeugen; ziemlich frei 
blieben die Beine. 

Nur in dem zuerst beobachteten Falle, wo Verdacht auf Lues 
bestand, waren zunächst die Fusssohlen und Handteller befallen. 

In 3 Fällen kamen auch Blasen auf der Mundschleimhaut vor. 

In 3 Fällen, von denen zwei tödtlich verliefen, war der 
ganze Körper ohne irgend eine freie Stelle mit Blasen bedeckt, 
welche sich ablösten, so dass die epidennislose Haut ein dunkel- 
geröthetes Aussehen zeigte. Der Verlauf der Eruptionen war 
gewöhnlich folgender. Es erschienen auf der Haut zunächst ge- 
röthete Flecken, auf diesen bildeten sich dann punktförmige, 
blasenartige Hervorbuchtungen, aus welchen innerhalb 24 Stunden 
die Blasen entstanden. Der Inhalt derselben war zunächst 
krystallhell, nach einigen Tagen getrübt, niemals aber reineitrig. 

Die Blasen waren zunächst prall gespannt, später schlaffer, 
von runder, selten in die Länge gezogener Gestalt; sie traten 
erst zerstreut auf, standen in Folge von Nachschüben aber bald 
dichter bei einander. Die erste Eruption dauerte ungefähr 4—6 
Tage; während dieser Zeit bildete sich bereits die zweite Gruppe 
und so fort bis etwa zu 5 und mehr Eruptionen. 

Bei allen Kindern zeigte sich Appetitmangel, Verdriesslich- 
keit, unruhiger Schlaf, theilweise auch Schlaflosigkeit, Schmerz. 
Abnahme an Gewicht, Kräfte-Konsumption. 



fhdfof;. W 1 ? vEi. k i u n inm£<*o 4 ä •. der: ftaxfe ; 3ft&fjjoiüö «ac; 103 

Fieber wurde nicht imrm*i beobHuhtet, hielt rieh in de» lixlv- 
lick-verlahiehdöii Fälle» aber-aiif-einer Ij.Hn v,,u beinahe 40". 

Oie m o imohochteto.ö Füllet) erfolgte H«ilntur .traf, nie rnner 
Eiterung oder «VeerliwöivbilitmiS" eHC sondern durch Ebfr<a;j<Uui'g 


. ; vrarite ; iß einem Falle Brohehitfe; in einem 
anderen. Diarrhoe beobachtet. . • ^ 

ln dem ftnge^proehhüeii X^alle; Jrad 4 

ganzen 

Körper ein. 

Die mir vom Kollegen fsfottry getünchte»' 3iiUheilvjiige.il ge- 

witinun »taflnfvl) v»#w4r »vtriPrt ; Wim K «liik 


Kind nhr S l>ge pdh der öebuDK indem sieh, am 

Kirni. Ö—'8 Blasen entw.it -knHeu. Am Tage darauf fanden sich 
etwa eia. halbes Dutzend derselben Blasen im Besiehto und aal 
dem Körper; hi deu uüchntfolgejiden Tagen wurden besonders die 
uatee, ferner die Beiins der liüekati, die HÄhdc und ziilelzt der 
behaarte 3po$»£' .befall«»» if-Sjt \-;' - '.' ' ,’K/,, 'A:'\-- 

tdeSlasen htdietv die Qrö.%e. 

eines Pferaiigolhckb, dehnten sieh aber im Batde vbp^ 24 Stißiden 
zu der t^röoso eihos Mark» biss Thaleratjibks ahsö; An denBteiieai 
dev ntühK wo soimiIbtertrigö an^htroteh -pik&% ia|r das öorhim 
in ioto eatbUijtsi da. • Äh .;3-'Fijsg^i i ft ; ddrpi^ite?i;H8md sticsg&n 
sich, die Nägel ab. Am i>. Tag»* der Erkrankung zeigten sich 
auf der ScltieiRibiUit des. harten 

weiche platzten und ftbejrflächlic.hc. ulveni zurück licsHcir 

Der Verlauf vier Bl^en-ErnpBonca war hn Äligememen der, 
dass die Blumen: • piatÄteri. und sich mit^ Achomixiggrönen Borken 
bedeckten. 

Ihm Befinden des Jamles. welche- sonst, ohne- Störung die 
Brust nahnK.. ^w'bhf’Uh^' war 

und wenig Schlaf hatte« Die Stühle, waren einige Tage grün 
und enthielten viel Csh Kuba mbJ bei ; - -•■;■ 


genommenen JM 
krankung, web 
3 Wochen. 

Der 25 weite 


m »» 



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V Der .dritte 

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der Erkrankung zu 

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v.- ,-...; •/ äBesJ 

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104 


Dr. Lissner. 


Ein am 7. Mai geborenes Kind des Lehrers B., welches nur 
4 Pfund wog und anscheinend frühzeitig geboren war, bekam 
8 Tage nach der Geburt Blasen, zuerst im Gesichte, dann auf 
dem Rumpfe und den Extremitäten. 

Der Arzt fand das Kind im Gesichte und auf dem übrigen 
Körper mit theils frischen, theils geplatzten Blasen, theils mit 
Borken bedeckt; zwei Nägel hatten sich abgelöst. 

Es bestand daneben akuter Magen- und Darmkatarrh mit 
Erbrechen und grauen schleimigen Stühlen. Fieber wurde bis 
zu 39° beobachtet. Die Ernährung geschah theils durch Brust- 
theils durch Kuhmilch. 

Das Kind starb am 24. Mai an Entkräftung. 

Der 5. Fall betraf das am 21. Juli geborene und von der 

Geburt an mit Brust ernährte Kind des Lehrers M. 

Am 3. Tage traten bei demselben die ersten Blasen auf dem 

Rücken und an der Hand auf, welche sich ausserordentlich 

schnell vergrösserten, schon nach einigen Stunden platzten und 
das Corium frei zu Tage treten Hessen. Die Haut löste sich 
dann in solchen Fetzen vom Körper, dass nach etwa 8 Tagen 
nur ganz kleine Hautpartien sich noch normal verhielten. Da¬ 
bei war die Verdauung gut, es bestand kein Fieber, nur Prostra¬ 
tion, welcher das Kind am 7. August erlag. 

Dies wären die zur ärztlichen Kenntniss gelangten Fälle. 
Alle diese Erkrankungen charakterisiren sich als Pemphigus und 
zwar der akuten Form. 

Nach Aussage der Hebamme S., an deren Fersen sich alle 
12 Fälle geheftet hatten, sind nicht mehr Kinder erkrankt, ich 
habe jedoch Grund, diese Angabe nicht für zuverlässig zu halten. 

Es dürfte erwähnenswerth sein, dass in der ziemlich um¬ 
fangreichen Praxis der mir als nicht sehr zuverlässig bekannten 
Hebamme zu verschiedenen Zeiten auch Reihen von Wochenbett¬ 
fiebererkrankungen vorgekommen sind, und dass sie in Folge 
dessen schon mehrmals veranlasst worden ist, auf Wochen ihre 
Thätigkeit einzustellen. Insoweit scheinen die Angaben der 
Hebamme richtig zu sein, als es sich um die Reihenfolge der 
einzelnen Erkrankungen handelt. 

Es sollen nämlich nicht alle ihrer Pflege unterstellten 
Kinder der Reihe nach erkrankt, sondern zwischen den einzelnen 
Erkrankungen oder Gruppen von solchen stets eine grössere oder 
geringere Anzahl von Kindern gesund geblieben sein. 

Für das Jahr 1887 sind indessen die Angaben nicht ganz 
genau. 

Im Jahre 1888 erkrankte das am 19. April geborene Kind, 
drei andere, am 19., 20. und 22. geborene dagegen nicht, das am 
26. geborene erkrankte, drei, am 27. und 30. geboren, blieben 
gesund, das am 14. Mai geborene bekam den Blasenausschlag. 

Es blieben nun 37 Kinder gesund, erst das am 21. Juli ge¬ 
borene erkrankte. 

Nach dieser Zeit soll kein Fall mehr vorgekommen sein. 



Zur - Diaga*w der Halswirbel -VtMdeizmTgerj. 


Von den» älteren Hebra und Anderen wurde zwar das Vor- 
kommen eine« j acuten Pemphigus ir&nz geleugnet,, nach. Beobach- 
.tciog' tdiier -grossen. Anzahl ..durchaus acut vöL-hiüfender Fälle ist. 
indesnen Mieser Sfdmipunkb : von den neueren Autoren: wohl all * 
gemein verlassen worden 

S«> findet sqVih in de« Heueren Lehrbüchern der diant- sowie 
der Kinde» krtiAkbeiren Bemphiguu ac.utu* als besonders be¬ 
schriebene Form, 

lieber das Wesen derselben Hebern# freilich die Ansichten 
mehr oder minder aneehuindei m gehen. 

• • : ’ V; : Ä--ni: dr ; .fForNäi«iiig folgt.) ■/ 


Zur Diagnose der Halswirbei-Verletzungen. 

Voi) Dr. JJsjsner, fens • -uml saniUitsratii (Kostcii!. 

Der vieibesjn'odtene Fall Kelch beweist; die grosse diagno¬ 
stische Schwierigkeit der, Halswirbel -Brache und -Verrenkungei) 
und zugleich die ausschlaggebende Wid)tjglje|j| eiuei. richtigen 
Diagnose für die gmchtsärztlinhe. Beurtheibiiig solcher Fälle und 
ihrer thatsäch lieben • I ikteb' •'be..UjKkjpt«.faiiB ': Foigezii^täude, ln dem 
Falle Kelch stehen zwei Parteien v..m Sachverständigen einander 
gegenüber: die »dne t fetter Führung des -Professor Div. Sonnen- 
bürg, behauptet,, das* ein Halswirbel-Bvtjd} nebst seinen Folgen 
hei der angeblich Misshandelieu vorhäudejf gewesen sei; die 
andere, unter Führung vuu• Gehe .Halb v. ' B^r graati.ir, Dr. Wag¬ 
ner- KAinlg^hüpte^'^-.lettghüKlüberhÄiiid den: finlswirhei-Brueh und 
smdit die dnt-cii die iip.aiaueeb der 


und ju.w in allen Einzelheiten. unbekannt' i4> buch' Weitereft 
auszuspreeUe». Inh diabe nur darauf lüinveiseh wollen. wie Wich¬ 
tig es in solchen Fällen tiir den llerieldsarzf ist. du* Diagruw 
möglichst nur aus »len objektiven Zeichen m stellen, hnd -subjetv 
live Angabfu nur mit grösster Vorsicht t- ;... 

suche. dass. dK-' ßhm»#*n 'tM - Albte• nm. ft&iAw : 

fessor SftnÜÜi^urg von borv‘ , rragfu>.»lei- Seife tu Zweifel gegoget» 
wird. VeI ; Hiila-ü*ei.. lro.lt ^hAhAtten. <iüd direi bitl- 

iiche -Kritik kl nben« 


Dasnec, - IDni 

Hüb>,wirbe||pÄjip»r mBgefbuilrV Ai >.•' 
Haiadbtteii. 1 HD;; .{ i'fo^r. 

geführt wc-riDtu.. dubs Hl»pwuH?n.--d*> UK 
geschützten : 

Fälle von H 
n itl't eiiiep 0fi($j u 
mit Erweichung 


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106 


Dr. Schilling. 


durch Sturz aus grosser Höhe; der zweite, Seite 163, einen 40 
Jahre alten Mann, welchem aus dem zweiten Stockwerke eines 
Hauses ein mit Sägespähnen gefüllter Sack auf den Kopf gewor¬ 
fen wurde. Der Verletzte starb erst nach 22 Tagen. Es fand 
sich in der Gegend des siebenten Halswirbels ein Bluterguss, 
der sechste Halswirbel vom siebenten getrennt, stand über den¬ 
selben um einen Finger breit hervor; nach Eröffnung der Wirbel¬ 
säule zeigte sich der Bogen des sechsten Halswirbels hinter den 
Gelenkfortsätzen in einem Splitterbruch abgebrochen; im Wirbel¬ 
kanal bis auf den vierten Brustwirbel herab ein grosser Bluter¬ 
guss, das Rückenmark breiig weich und platt gedrückt. Die 
anderen zwei, von Liman erwähnten Fälle (Seite 135 und 335) 
betreffen Verletzungen der Rückenwirbelsäule, gehören also nicht 
in unsere Besprechung; mit den Wirbel Verletzungen sind ausser¬ 
dem, wie in den allermeisten Fällen auch, so bedeutende ander¬ 
weite Zerstörungen verbunden, dass diese Fälle für die Würdi¬ 
gung der Rückenmarkverletzungen im Allgemeinen nicht ver- 
werthbar sind. Eingehender behandelt Professor Hofmann in 
seinem Lehrbuch, dritte Auflage von 1884, Seite 457 die Hals¬ 
wirbelbrüche in Bezug auf ihre Entstehung und Folgen: „Ver¬ 
letzungen der erwähnten Art bewirken in den meisten Fällen 
entweder augenblicklichen oder bald eintretenden Tod in Folge 
der meist unvermeidlichen Quetschung deB Rückenmarkes; doch 
sind Heilungen durchaus nicht selten, namentlich bei sehr jungen 
Individuen.“ Die geringere Gefahr, welche Halswirbelbrüche bei 
„sehr jungen“ Individuen hervorruft, lässt sich nur dadurch er¬ 
klären, dass geringere Gewalt zur Entstehung von Frakturen und 
Luxationen bei sehr jugendlichen Leuten hinreicht, dass also bei 
ihnen auch nicht so ausgebreitete Zerstörungen, wie Quetschung, 
Zerreissung des Halsmarks, eintreten. Diese letzteren geben 
natürlich die Entscheidung, und wo einmal ausgebreitete Läh- 
mungserscheinungen oder unverkennbare Gehirnsymptome vorhan¬ 
den sind, da wird auch die Wiederherstellung schwerlich zu er¬ 
warten sein. (Fortsetzung folgt.) 


Einjährige Erfahrungen über die Verwendung der aus 
Kreismittein gekauften Carbolsäure in den Händen der 

Hebammen. 

Kreisphysikus Dr. Schilling in Gr. Wartenberg. 

Nihil fit e nihilo. 

Die vielfach bereits besprochene Anweisung vom 22. No¬ 
vember 1888 wird zweifellos ihre segensreichen Wirkungen aus¬ 
üben, sobald der Arztstand in toto, soweit er von Geburtshelfern 
vertreten ist, mit bestem Beispiele vorangeht und die Hebammen 
mit ihrer Indolenz oder Superklugheit sowie das Publikum zu 
den modernen Anschauungen der Wundbehandlung bekehrt und 
eine Uebertragung dieser fundamentalen Sätze auf das Kurbett 



ßinjo,!«-ige Vw-vmibüog der all;* Sj«*i9»nitfcoln «tc. 10? 

ist 



terner, durch freie Besdmffuiig der eiforderlieMn Sub^lrate die 
Mittel den Hebammen jeder Zeit in die Hand zu gehen, 

Die. Belehrung . yfftcf Mck an den HnbnttiraeaV weiche zwar 
keine .: 

Frayer in phiuis«Hn>r Sprache «ach gesegneten! 

Kreise sind, griffe.ßHietIx rmoh 2—4 Btnnden TOÜsiehn, zumal 
zwei Drittel der 25 He bau» me« dem jungewl. in antiseptiscken 
Anschauungeft göadbnlten Nachwuehse an^lsöre«; Hwa 4 Heb- 

ünt rtfaiv '.iifjüirt u it fit* w i rrl il &t‘ I n Ikaii rt & fcU&fTittÄ i «£*> 



tarnte im Vorjahre durch eine, schriftliche- Belakrimg (nach Für- 
hvmger) gemacht-; der HebiimnTeiikÄieuder -von ; .Pfeiffer ist viel- 
trieb verbreit ei, und seblie&slidi isr der Boden durch Wintert 
gedruckte Arbeit 1 filier das KindbetMielier 2 

Dem Dtddpunkte bat der nrit nicht Jjb»^& 8 *.iv- nefdibittati». 



fittilfg Bit Qt; |m> partu zugeldlltgi, rin liuatititm. Wfinlies geiifigte, 
nach der groben Rehugrjng mit. Suite und Bürgte wenigstens die 
unterxmdiebde Band zu dexintiriretil Ifftr w#tetr| Zwecke war 
nicht gesorgt..'. -^aj 



(lärhölSänre 1 DU Mark 52g 3100 iKh 


Diät: *«$r die. -Hälfte, der Hebnrten nach den Bisten ( 1 er Heb¬ 
ammen in Abzug bringen fcgmi, weit etwa 20 (t uneheliche Ent- 
mn-lüngen -durch >ue.nanil oder durah IBuscheriHiie» geleitet werden 
und eine sehr grosse Zahl ohne Hebtuiuneu (oder kur post par¬ 
tum) verläuft*'Str: M#hv^ji 2 oDv» Wbh&iMr • $*»ig min 40 %$-. 

fiOü Mark Dev k'ciow. W^tat iiSlM’liih lOful .'Mhrk für Hidb- 


MVAlIBgfUt .MUlU'iUVfi. 't^.UtvtVf . «Vj •TT.VW« 

für neue Bsstrumee ••.'.■,• 
ßs stelm atsii 2(H* Mark .\w 

*.1r.l<fc.« r'H> 1 • i'r * v r « I 4 i <V. i. 1 > . 1 »-A » • : t i 


mehr zu bewillig e ,v-- -t 

Die vorjährig* • . ^ • . : 

lehrt, dass ohne stränge ßnitij g’ ■ 
kommen, indem eine 0 rbttiniuc diu f ' 
säöüV; verschenkt. >$.v- vOseiio 






*} Asm», der R 

vi>ri Btetike, C- 

und fi'X h'.O um ifiM • ■ • 


UK&lf - 





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hSktOr- 

rfiOil- 






108 


Dr. Elvers. 


Eile vergisst, die dritte 20 Tropfen in ein Liter schmutziges 
Wasser schüttet, die vierte aus Hass vor dem Geruch der Säure 
nicht gebraucht etc. Zur Controle war vorgeschlagen, dass jede 
Hebamme in ein Büchlein jede Geburt mit Namen, Datum und 
verwandtem Carboisäurequantum eintragen sollte. Der Verbrauch 
konnte aber nur gelegentlich bei den Hebammen direkt beauf¬ 
sichtigt werden, bei denen ärztliche Hülfe während der Geburt 
verlangt wurde. Es ergab nun der eingeforderte Jahresbericht, 
dass nur 5 ( x / ö ) Hebammen nach Verbrauch der ersten Lieferung 
neue Carbolsäure verlangt hatten und dass alle Controlbüchlein 
summarisch wie die Tagebücher geführt waren; nämlich in der 
Weise, dass die Hebammen bei dem Schluss des Jahres nach der 
Zahl der Geburten die Carboisäuremenge, welche verbraucht sein 
sollte, niedergeschrieben hatten. Deshalb ist es nothwendig, 
dass die Anweisung vom 22. Nov. zugleich Allgemeingut der 
Aerzte wird, welche ausser Belehrung und Beispiel auch Aufsicht 
über den etwaigen Gebrauch üben und im Tagebuche einen 
Vermerk machen sollen. Kann und wird indessen der hinzuge¬ 
rufene Arzt stets diese Controle üben? 

Eine Bemerkung zu der Anweisung möge hier noch Platz finden. 
Warum soll nach § 8 das für die Instrumente der Hebamme be¬ 
stimmte ‘/ 2 Liter 3 °L Carbolsäure in der Spülkanne vorerst auf¬ 
bewahrt und später bei Benutzung des Irrigators in ein anderes 
Gefäss geschüttet werden? Warum wird das für den instrumen¬ 
talen Gebrauch erforderliche Quantum nicht gleich in einen Tel¬ 
ler etc. gegossen, da die Hebamme den Irrigator vielfach wäh¬ 
rend der Geburt gebrauchen muss zum Klysma, zu Ausspülungen 
der Scheide, zum Ueberrieseln der Genitalien etc.? Werden Cathe- 
ter und Spttlrohr und Scheere von x / 2 Liter Flüssigkeit des Irri¬ 
gators vollständig bedeckt? 

Genügen in jedem Falle oder meistens 90 gr.? In einem 
kürzlich erlebten Falle von Placenta praevia bei einem ungeber- 
digen 18jährigen Mädchen jedenfalls nicht, welches wegen der 
Blutung von der Hebamme bereits wiederholt untersucht war, 
welches sich selbst mit seinen schmutzigen Händen trotz des Ver¬ 
botes in die Scheide fuhr und auf nacktem Stroh liegend bei 
meiner Ankunft mehrere Strohhalme in der Scheide barg. 

Oft wird die Hebamme sparen können, z. B. wenn sie zu 
spät kommt. Ist das aber die Minder- oder Mehrzahl? Ver¬ 
zögerte Geburten, verschleppte Querlagen, Blutungen, Aborte, 
eitrige Ausflüsse erfordern entschieden mehr Gramme. Bezüglich 
der Nothwendigkeit der Scheidenausspülung vor der ersten Digi¬ 
taluntersuchung, welche in der Anweisung nicht verlangt wird, 
trete ich auf die Seite der Aerzte, welche die Scheide nicht ir 
mer frei von infectiösen Keimen halten. 

Natürlich dürfen die Aerzte die auf Kreiskosten geliefert* 
Carbolsäure der Hebammen bei ihren Eingriffen nicht anrühreti. 
(Eine derartige Beschränkung würde viel zu weitgehend und aur.li 
vollständig undurchführbar sein. D. Red.) 



Km liHUwirbol-BhtclH 109 

Da also DO Gramm gar oft nicht ausreichen werden, »o ist 
es mdhwendig darauf luosiuwirken, dass wie «s bereite üblich i«t, 
Jede besser »ituirte Frau ihren eigenen Irrigator, so auch ihre 
. eigne Carbolsäiire besitzt Dennauch aut diese Waise wird die 
Kreiekastfe entlastet werden. ' ‘ •; ;• ^ / \i 

Zum Schluss erlaube ich mir zur Yerljeasertmg' jter pekuafS-- 
reit Verhältnisse .«ftü; ,dtet Reinlidikdt 

BÄhitÄtsi.'^üies Dr. Fuhr matin 4ös Bre.sJan aiizuRUiren< welche 
a ilgemeide y^hrettung verdient, dass es’ d^fe '$tr:ehej>. einer Äerzte» 
assoeiätio» sei» Sollte, die schlecht sitnirten Hebammen von dem 
Feld- uM Khcheisdieiisi: zu befreien und' «Uifi'ir im Hause in- 
dilstrieö Während ihrer freie» Zeit zu bwclräBigeih und zwar mit 
einer Arbeit, der kein grober Schmatz, anklehi, resp, den Arbeits¬ 
produkte« einen der Mühe entsprechenden' Absatz zu ermöglichen.*) 

Ein Halswtröet griich. 

Vom Kreitph^ibti» »f, Elvers in Waren.. 

1>ä in Betreff! der Verletzungen der Halswirbel in No. ft die- 
N*-i- Zeitschrift der Wunsch aosgesprachen wtrd nach weitere« 
Icmsmidtuigen wx Oasuistik dieser Verletzungen,«!) theile ich 
nachfolgende» Fall iß Folgendem mit,- 

Rin in der Meektehtefrgiseken Nebenäßstait ^esLÄiidatiieitv 
hausen tnifc ; iīdfi^e.tt.-^beiteti : besebiftigtor Detinirter war beim 
Heneinfahren semiglöcklich vom Fuder getsllen; dass ein Hals- 
wivbelbruch sofort angenommen; Werden nnisste, obwohl keine 
Dislocation und keine. FVactnr brtlich eicher coöKtötirt werden 
keimte. Es war sofort nach dem Falt totale Räraplegte einge¬ 
treten und gänzliche Anästhesie^ 3er ^lähmten l’heiie, ferner 
Dähmung von Blase and MaMdafra imd Anfhöten aller Reflex- 
tiiktigkeit. Die Respiration war «ehr erschwert, der Pols klein 
und langsam, anfangs erhöhte Tempm*atüi\ welcher bald t^ävdiea 
iSibkeit. ••i--: re: •; tfebid bestand volle? Bewusstsein. 

Ub&$ ••rior-Tiotv der .Ailmuditv.dtwerdr». 

oaob Hfl 

■ * iiukte» nicht :<or er-vicitr .djrztUcheh 

• ■ • • ■ -'O Min it R<i). » /••iruigte, 80 

(i Brunn, 

den ...... out* ■• oHten und 

>PPIS®^ 

'M Mp tr'.v 

/ .‘W'g* 

'*■ 

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JämMufli:,;. 

a ' 


^uvjui<jjeowo., wie uacn- 


b r^y ruv •■ dritten. {heilweise 
v":b.- d-yccmu; um oberen Rande 
■ ! ging nach 
■ *» dem 53, 

*- f rd, iS ite’V >»•)>. • V «iriirdnuag 

>, •,.■■«■ Verordnung 


mmm 








110 Die diesjährige Verhandlung des Preußischen Abgeordnetenhauses etc. 


und 4. Wirbel und den hinteren oberen Rand des Körpers des 4. 
Der Querfortsatz des 3. war rechts abgebrochen. An der Frac- 
turstelle waren die Knochen stark beweglich.“ Ich möchte glau¬ 
ben, dass das Fortbestehen der Zwerchfellathmung darauf zu 
schieben ist, dass die Fractur so schief ging und auf der linken 
Seite der N. phrenicus noch functioniren konnte. 


Die diesjährige Verhandlung des Preussischen Abgeord¬ 
netenhauses Uber den Medicinaletat. 


In der am 14. März d. J. stattgehabten 34. Sitzung des Ab¬ 
geordnetenhauses gelangte der Medicinaletat zur Verhandlung und 
wurde hierbei neben Aerztekammern, Aerzteordnung, Apo¬ 
thekergesetzgebung, Geheimmittelunfug u. s. w. auch die 
Stellung der Kreisphysiker und die Medicinalreform ein¬ 
gehend erörtert. Die Nothwendigkeit der letzteren wurde wie¬ 
derum ebenso wie in früheren Jahren allseitig anerkannt, und 
besonders die Gehaltsaufbesserung und Pensionsberechtigung der 
Kreisphysiker als ein dringendes Bedürfniss erachtet. Hoffen wir, 
dass der von dem Abg. Dr. Graf ausgesprochene und von den 
Abgg. Dr. Langerhans und von Pilgrim unterstützte Wunsch 
endlich in Erfüllung gehen möge und „in den nächstjährigen 
Etat eine Summe eingestellt werde, durch welche die Gehälts- 
und Pensionsverhältnisse der Physiker so geregelt werden, dass 
man die Leistungen eines Gesundheitsbeamten auch wirklich von 
ihm fordern kann; und dass mit dieser Gehaltsverbesserung auch 
gleichzeitig eine Erweiterung ihrer amtlichen Thätigkeit und eine 
Erhöhung ihrer Wirksamkeit Hand in Hand gehe.“ 

Wir lassen im Nachfolgenden den stenographischen Bericht 
unter Wegfall bez. Abkürzung der für die Medicinalbeamten weniger 
in Betracht kommenden Stellen folgen: 


Abg. Dr. Graf (Elberfeld): M. H.! Es ist eine wenig dankbare Aufgabe, 
alljährlich denselben Klagen Ausdruck geben zu müssen; man kann sich aber 
derselben nicht entziehen, wenn die Ursachen dafür unverändert fortdauem. 
Die Aerzte sind es nun schon einmal gewöhnt, dass neben den beiden älteren 
Schwestern Kirche und Schule unser Medicinalwesen immer in Finanz¬ 
fragen gewisseren assen die Stelle eines Aschenbrödels einnimmt. Für die 
älteren Mitglieder dieses Hauses brauche ich das wohl nicht erst weiter ziffer- 
mässig zu belegen; dagegen einem neuen Hause gegenüber wird es doch gut 
sein, mit Zahlen hervorzutreten: 

Der Cultusetat betrug im Jahre 1870 die Summe von 18 Millionen; da¬ 
von kamen auf den Medicinaletat l’/j Millionen. Heute, wo der Cultusetat 
auf 91 Millionen gestiegen, haben wir dieselbe Summe, oder, wenn ich ganz 
genau rechnen soll, noch 40000 Mark weniger. Freilich sind gegen das Jahr 
1888 80000 Mark mehr eingestellt worden, aber woraus setzen sich diese 
30000 Mark zusammen? Wir haben zuerst 15000 Mark in einer durchlaufen¬ 
den Ziffer; sie setzen sich in Einnahme und Ausgabe aus den Examinations- 
gebühren zusammen, und beweisen also nur weiter, was schon mehrfach ange¬ 
führt worden ist, dass die Ueberproduction an Medicinern immer noch im 
Fortschreiten ist. 19000 Mark sind für Impfungsinstitute eingestellt; das ist 
allerdings ein sehr löblicher Zweck, hat aber mit den directen practischen 
Aufgaben der öffentlichen Gesundheitspflege nichts zu thun. Wir finden nun 
24 000 Mark im Etat zur Verbesserung der Stellen von solchen Kreisphysikem, 



m V^baivJIxiöjf fif y > IVsM.skdmn Abgeordnetenhauses ek\ tlt 

welcla tu |/eniger bevölkerten PUinoton ihre Tlitltigktil ausübcn und daher 
einer Unterst utzuryg bedürfen. Woher aimud rrjan aIhv dies** Summe 7 Nicht 
eiwa. tiuft anderen Sta’4t^O)itt4n> Aofyferii. m^n. hat'312ÖÖ. Mark. dadorch $<k 
X p&rt. daman i& Kmkwi.(mJar/,tet^ ^hfgeitigen hat . un&.;vb& 

^iÖ0(J: Mark Verden dann 24000 -Mark an Kr^^hy^iker M ' J 

;^örch ’iliesi; Kindelhu.'g von 24 0f>0 Mari; ist.' .ab^r :?<.üta:*.>$ 4ei iWgx.eru% der 
•^irhaüdeae Nothet^af ganz, ^vorden.. tmd Idi hegräsße 

n/urifinüich »Irshalii clie .?luiy.ttjillu(ig- ‘dioöscor Süwftie,.' fet rts. ifonn - so frag* »db 

: '.~V htfufce noch möglich^' MoiE Aut^insdi : > 

(ieau mi 1«ui \h Iwanitan üjrffdH >dn/.ü f Jiioae BuamtHi ohne PtjnsionRberech- 
• tigmiß. ohne Fürsorge für Ilm* R^iHen, w*d j^.aitf dne geradezu armselige 
■fiutSchädigung. .■ N . Womi* ~~*.«& • mö^eo wir nun fragen — liegt; 

dä**’? R$ liegt: tuohfc an mj*arui Herrn CdU inisler; ha? «ein Interesse 
für den ärztlichen Htaiul diis eftcru doeRmimtnk ht bekam*!-, dass er einen 
Entirörf dev Medicmahrefot-ni *e.hbn fi«*iX fertig' gestellt, und Vir haben 

nrich neulich ln Fiagdn de* iriedieiniscfe^n nffimentUeh desVygie* 

machen fJnfertkhtä« dhw* &$ip Interesse wieder tetjUigt goselum. E« Ji<igt 
au eh hiebt am AVgeordüefcenhanse, t)m Abge r /rduetcmhaiis hat seit langen 
hp.irou mit tjleberemstimimmg aller Parteien diesem Wunsche Ausdruck goga 
im. theik Htütaehweigerab >vK? in den letzten Jah/en» theils auch in ganz ue- 

..i.ü_ d^^t., 4 . 7 ._.Vw’ : *i&iA.-'XL tam ictvii so^o u^u 



Man «ollte Ruch Wäartken. düse in äle*ero .iahrfe Ah 1 Fihan^lage dm 
St&fttos etl&dht ‘ haben würde, wie nfun ändert) XV^igun dos jCii.dÖJ».'so. bereit- 
willig entgegengekeü)tuen ist s auch den Ar^j?lrtic.lieih'' foyr g©r • 

n•«••[•( ?m werden. Wir verengen für diV Kemn nicht ein auskömmliches* 

«äölüi ) f iiht^r ifliia 1 rnniafrfj’ aMr A,*axpli».nmvri Srn*» .. d>ic*i «■w» ri^yi 



be^urrj. U^b&lter hiebt mir darin* dass die Beamtttn selbst xnfrteden sind, son- 
liaiii auclif dä^ ibr Vei'haltni^H äu den niehtbumntMtm Aer^tön ein svcsentlieb 
kp vr\r j$w bei auw mit unter der Fall i>t. 

WS:. '. ihtiv vem‘hkderfe Vars?uche gemacht worden^ die OohtUter' aut‘ 

imÜFectem Wege vorbe^em. Müh geht damit um. das inipiwevsen, welches 
gtigjihwürtig ^hidurch. da^s en den Oeiheijaden Übertragen kt, vielfach in die 
HUiKle dei prftciikcheb Aerxte gelegt ist, wieder in die Räude der Krbi 8 j>hysn^ 
ker /urückztücgen. K* ist, cino Frage ob da*; (^dz von I 87 J|, x»*]clie> 4 a* 
Inijtfwnösfo den (hrnioiiideu übergalb und e 4 damit in-vmln» Fäilön den B&ordt^n 
entre^g, ein richtiges 'war. Eine- strenge- .OurcbrdliritmR-jener Ma^rngel vrtirde • • 



t ragen sind. Auch hier wird s>cl> tieltMb l JiblHtgkeU gegeu 
brniniteten ÄerätA ni^bt'vterniciden 'Idiseii; ; f -''' : ^'•*- 

IMm.' ä&s nw ywbiltu^s ^V>Vxc!v#i•:l^rrnrr^u.' tijfri 


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95iV 


'j&fc. nun; ri>S‘aVJrt>;^‘ HC tirtnrpr. 






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XU ‘ 'hat ^udi 

Wjh bibiy« 

ßmwk^ 

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Ü«fs:S^ 



J Oi« Vtirbtuvlh^. de* ITfn>.*ai*ebpfl. A ^ooniAe{ 4 »atjiai 4 Hfy ; . £t.c.: 

besitze überhaupt öine pro*sw- 0 Uubwürdigkeitv u*d dm giebfc ibm in Bcyug. 
auf die KrkngUüg von Privatpraxis einen nicht b em*h tagte u. Vorsprung. ' 

Dev grÖsHte Uebefetanü, vr^efeii A^t^f|Äbfl #uUbenvind^ baC . 
der hier *vhßn vielfach angrefühne. die tiehorpr«uluetv&fc v ^n Af-izimv 
fein »ehr Üfegt. ferh&i 4 io .der.. KintBhruMg^Tet*'' KrK*r*y 

k.öw fc asseu. Die Knuiketskaweti-' .«>» .-egewt«ich- >ie auch in- allgmueiuet) ge¬ 
wirkt haben . haben dermoch dbö^ a^gf^&ndeü "Arxi in eine schwinrige L^gi> 
veranbst, indem de ihm die brml» ft*m der Praxi* genommen. nhd den he. 
tnüteivden Th eil, der ßovftlkftrutig ■:$.». ^inxeloe Arirzte; die *digesfmltca Kaj-^er* 
aride ? ge^ri^eii hat Ittjt mmiere ferner au l’ebethandnohm^h G e 


Ti‘h b<rdfb ? d»a^ hier ein Rexehfcg^etz H&kl emo 
Hc^ennir lasser» wird. Eia yir^ 'lisl; tter 

f.« ...i .. .,• .1.1.," i M.:_ ^ a ,~ __. i.-ii. i - i - 




wiVd^Anrip^rin ist ein *i>lir' differentes- -Mittel, <vck)n^ hier atrttaititalö ?'voii 
etien Apotheken clrm Publikum.Aufgeboten wird. K> i;d d,«.-: mir ein Beizet- 
von violVtiü liier giebtPÄ «ui den einen Weg: will uum d^B Scböte <lm 



(fef K^orü^ien‘ .yerotöähJife• V : b*p 18*6 riMUhide* 'St ^t#h*/‘öanit• • suidx*dife$y 

neueren differenten .4r/fieitnitfel tiutgeiipDiumn werden. 

MV H. v ölte diese Dinge .die ihre grosse Tragweite filr die (tesimdheit * 
pflege überhaupt hgboiw ziohon d*m Aerztostand in Mitleidenschaft. dev junge 
Arzt sieht sich immer hantiger dazu gedrängt, irgend ein Spmalfacbzu er* 

' greifen. und die t-hdklir liegt nahe, da«a mit dem Uebeiliandnehmondes Spe¬ 
cial isteiiUmms mn i* hei i>n c glücktiehenveiM 1 noch unbekannte Reklame weitst 
Platz greife Es rat* eine ai>l>wtire Krim,, wohin- unser Aerstemtond zu, iibonvin- 
deu hatv Ich!. bip- : ••wird pie iiboiwviiuien, abe*r es inUisen uns $aau 

auch fÖd Mittet m iio Hkud gagsfefcn werden. Wir rufen nicht imeh .Staais- 
hülfe, nivhf mvh feeVPrmw wir nur das Recht, dass 

un^er? frei ge wählt c Vertretung zu den einzelnen Aerztou sagen darf; das 
schickt <\v\t .nicht-; da- v.olhm wir nid)i? Wir wollen Jen freien Wettbewerb 
in unserem Stamm »»mmgetasiet. wi*seiri wir wollen aber ilir denselben nur 
sbh-be Wöge -ofth;d- . die de* SüirKlo/t svürdig ‘ind Solche Schranken 

werden dann auch den Xndnvng vtan solchen Efouieftteu än.fböreii machen, 
welche ctW;i. rdtvV' vomidasst. fühlen d>o< nfmi, am* de- <Mvsi-lnH1a -wegan ..Modiciii 
zu Ktudiren..' ln dtmem Shme würden sie auch ein Miftej gn-emddie reber* 

'|p^fia v e.tmac’r^ ■'' fi ‘ /, ’’" r ‘ : "' M ’ 



weibu gar kerne ivechtc, .il> »Tutens ij.cli .Ai>:t y.vl unnnut^ — nun, £t*V wh^ii. 



Urs '>.tveiigori‘o PriocipH führt., b\ che 
Üa 4 J utn ]A der Wunsch dnr \< 

V* ist mi; ja rächt unbekannt, da*k 
legen Wider^pnu h erhellen %viv/( ; a 

dum> , nxif dtm “ B iy * ; V: 

duiig tltlr' V’orfratitäg ffor 'Äfitzt# ilate ;i?i;•; *.ü;xd ''%v ;v 

ttoateten : y } 

.W’it'kjönneri unj*mrrtv Hwi C-yltn k kfe}Ak ‘<- r ' : ^ »'•.' ‘y.Y-vb'y 
f8r. ak^in:^jlTmv dofi«# er un« .fe TnariM- he* 

liö^V jtVIee’e m'* ^u- idc ! ’ * »h. ; . 

A^iffr g^boüt '«vinh Aul' tlic-* : ev : df^üV:.>iv * r mv *. vif 






The dio«iiUirigfr Verhandlung tb* Preußische» Abgc< 


eiuö cJ out sehe Ä«s a k e o mit unjg, davon Gr^ndztigo auch bereif* ajaf d#tt 

ripil* tf*fr Koicbvtug hat in seiner Resolution, vom 
i hmi j’S*Ü «airus. B^r^itwüligk.^il erklärt« hierbei initzuwirken, und ich darf 
jot^iV wvth} • m$. die preu^ivehoi'ftegierung die Bitte richten, «bitte sic ihre etjp 
w «chtig* Stimme im \ ‘erhebt» dauntv aiiier Vorlage im ReteW. 

lu£*'' •.>fßcUt^ dieses Werk auch ; unser?» Senn Ctiltna- 

m'miüii* gftlihgvjfv, der deutschen Aeriie sicher .sein. 

Udr remm#re nueh dahin r ich bitte um EiiirfteJUmg einer Summe in den 
niich?;ten Kbit , durch Welche die OehidteverhiUnisjec? der Physiker so geregelt, 
worden, dass man die» -Leistungen eines öemiulheit^beaiuten auch wirklich von 
ihnen fordern kann; ich wünsche ferner eine Eepöhmg ihrer renaicmöveriiiUt- 
tii'w und eine Fe«t^teUani^ ihrer -amtlichen Ubmj>dtfa5M^. $ür Brh'feiniii^'' ijjirejr 

Wirksamkeit; darni. könneti; und inji^eri mr an /%}& auch : . ff-röttowe.- •AiSbtfSek 
virngmi stellen 

Ich bitte ferner aber auch nm g^se^/g»»beri. v c-he' Fftr*tfrge ti\r item Stand 
Vier praktischen Aorzte doredv das Reich-; lidb# Ansprüche änlle« an eie im 
Examen und' im- .toben gemacht werden ; aber damit letztere» möglich wird, 
muss auch ihre A r Urtretnög mit den nötkig^n RucMeii aufegtwtatm sein. 

.1$^ %t • nicht _ allem - tfidtxUjg 'für die Aerztts Rindern für 


Si«? alle, für ii&s ganze YataHamb [BruvbJlf 

Ahg- Ur, LuTi^erhan v-BevIm: M: Jt?ii will in Anbetrachtddr l)e- 

schäfelage nur- wenige .Worte • sagen, ich srhß^e mich dem Kollegen Dr: 
G t af yollstantiig an in Bezvebung auf deh W unsch aiach ei was beferer Für* 
ptorge für die Physiker, gerade aus dom Grunde, den Herr Dr^ Giaf hervor- 
gohotren. hat, damit sich mit den Hygbia etwa* efogeh<*mha Us'cMftigen 
kdnne«i Jetzt haben i duwdbo?i aUerdiin^ nur ern au^ei'arfienÖuh u ri bedeutcm 
im . Gehalt, und ihre A»it*arbeite» 'entfertttfii *ie doch dfvmt •i*'*r Arbeit für 
tW tägliche iirrjcL 

by^ Betreff der atideretf 'Forderung • Itexri^KSks ,’;M v&P' kann. loh mich 
ihm ab^t nicht umschließen. Ich sollte meinen, ^*^ir rilii» Kogulimng vier 
th^crbcoidnung doch dem Beichvtage Überließen; dahin gehört die ganze 
Angideg^oheit. Ja. auch . eliiigö» Grüitäiln. die er angeführt haf, kann ich mich 
nicht ah^chliewBOn; Et l*hhauidot wenn man überhaupt lTir die Aercte sowohl 
als auch f(u da< Publikum morgen will, so mitane mau der Venreump. »tot 
Aerobe eine gewinn Macht gchm. und diew* Macht soll ,*.u weit gehen, 
biw^B^hrten Aerztou sagen konuu: da« schickt sich nicht, da* (st nicht würdig 
döb- Stande- Af^'ne das wurde «ach meiner Ansicht eine Macht sein, 

iÜÖ viel /n gv*m i-t. ich bin iiicht der MVfmung. daen jeder Stand eine he» 





114 Die diesjährige Verhandlung des Preussischen Abgeordnetenhauses etc. 


vention Gift bekommt. M. H., ich erinnere Sie daran, dass das schlimmste 
Gift, das Sie überhaupt haben können, einfach jeden Augenblick von einem 
Photographen oder von einer Handlung photographischer Gegenstände zu 
haben ist. Da wollen wir uns doch nicht um so kleine Gegenstände, die 
möglicherweise bei missbräuchlicher Anwendung Unzuträglichkeiten hervor¬ 
bringen, zu weitgehenden Verordnungen hinreissen lassen. 

Auch in Betreff des Geheimmittelwesens, und in Bezug auf die Kur¬ 
pfuscherei sollten wir doch recht vorsichtig sein. M. H., wir alle, Aerzte und 
Nichtärzte, machen täglich die Erfahrung, dass diejenigen Mittel, die gerade 
von den Kurpfuschern zuerst gebraucht sind, jetzt die Hauptmittel der Aerzte 
sind. Viele von uns gebrauchen die Massage, meine Herren; das ist von den 
alten Streichfrauen erlernt, die man früher in meiner Jugend benutzte. Das¬ 
selbe ist von der Wasserkur zu sagen. M. H., auch das haben wir von 
Pfuschern gelernt, wenn wir es auch vielleicht etwas besser anzuwenden wissen. 

Ich will in keiner Weise den Kurpfuschern das Wort reden, indessen, 
m. H., es ist doch falsch, wenn man sagt, nur derjenige, der berufsmässig 
eine Zeit lang seines Lebens zur Erlernung irgend eines Gegenstandes ge¬ 
braucht hat und der officiell anerkannt ist, versteht das allein. Ich sehe in 
der That nicht ein, warum andere Leute, die dasselbe studirt haben, wenn 
auch nicht gerade auf Universitäten, wenn auch nicht gerade als regelmässig 
eingeschriebene Studirende, nicht auch etwas lernen sollten und dass die nicht 
auch in der Konkurrenz berücksichtigt werden sollten. 

Also, m. H. ich glaube, wir beschäftigen uns lieber mit der Frage nicht; 
sie iBt eine sehr weitläufige und sehr schwierige Frage. Wir lassen sie einfach 
da entscheiden, wo sie entschieden werden muss, nämlich bei den gesetz¬ 
gebenden Faktoren, die in Betreff der Gewerbeordnung allein mitzusprechen 
haben, d. h. im Reichstage und Bundesrath. Wenn wir von hier aus eine 
Pression durch unsere Regierung auf den Reichstag ausüben wollten, ich 
glaube, es wäre das nicht der richtige Weg. 

Abg. Olzem geht auf den Geheimmittelunfug näher ein und erklärt, 
dass die Bekämpfung desselben durch PolizeiVerordnungen, wie dies von ver¬ 
schiedenen Regierungen in jüngster Zeit angestrebt werde, durchaus unpraktisch 
sei, da der Geltungsbezirk dieser Polizei Verordnungen ein viel zu enger und 
auch die Ansicht über die Tragweite wie über die Rechtegültigkeit derselben 
eine sehr verschiedene sei. Er wünsche daher, dass der preussische Kultus¬ 
minister seinen Einfluss bei der Reichsregierung zur Geltung bringe, um eine 
endgültige Regelung der Geheimmittelfrage herbeizufahren. Gleichzeitig bittet 
er um Auskunft über den jetzigen Stand der in Aussicht gestellten Reform 
der Apothekergesetzgebung und schliesst hieran den Wunsch, dass die 
Verordnung vom 7. Juli 1886 betreffend die Uebertragbarkeit der Concessionen 
neu errichteter Apotheken vom Kultusminister in rechtsgültiger Weise inter- 
pretirt werde und zwar sowohl in Bezug auf ihre rückwirkende Kraft, als 
auch bezüglich ihrer Handhabung in solchen Fällen, wo innerhalb der ersten 
10 Jahre ein Concessionar stirbt. 

Kultusminister Dr. v. Gossler: M. H.! Die Fragen, welche an mich 
gerichtet sind, hängen untereinander nicht unmittelbar zusammen und sind 
deshalb auch einzeln zu beantworten. 

Was die Anregungen des Herrn Abgeordneten Dr. Graf betreffs der 
Stellung der Kreisphysiker anlangt, so glaube ich, wird bei der Be- 
rathung des Antrages v. Schalscha die richtige Stelle sein, meinerseits diese 
Bemerkungen zu beleuchten. 

Ueber die Geheimmittelfrage ist meines Wissens im Reichstage von 
verschiedenen Seiten, auch seitens der Rcichsregiemng, verhandelt worden; die 
Angelegenheit hat sich etwas vorwärts bewegt. Wie die Herren, welche sich 
damit beschäftigt haben, wissen werden, steht, die Sache unmittelbar im Zu¬ 
sammenhang mit der Verfügung vom 4. Januar 1875, betreffend den Verkehr 
mit Arzneistoffen Diese Verordnung soll nach Ansicht der Reichsregierung 
einer Revision unterworfen werden. Es ist dazu im Reichsgesundheitsamte ein 
Entwurf ausgearbeitet worden, welcher auch bereits an die Königlich Preussische 
Staatsregierung gelangt, vom Herrn Handelsminister begutachtet und dann an 
mich gekommen ist. Ich habe ein Gutachten eingeholt von der pharma¬ 
zeutischen Kommission und der wissenschaftlichen Deputation für das Medicinal- 




Di? tiiwjfibngp ,yerhandl»Mj(? «bi» Prou^iscbpn Abgeordnetenhaus««* etc. ltS 


wwsn, Die letzter«? haf gestern beftjit»eh »md:ich hoffe, tu verMUniseitiiiäsig 
kurzer Zeit in! ii«*r Lhgfi Iktf'-’s^WiVidii* Gutachten Pr-eusisen« vomibemten. 

WW -die ApotliekorgfisetzgöbuHg betrifft,- *o bin ich mit der AdpT 
arbeitung eines Entwurf* für ein z» erlassende* FtfeicbHgPHetR ziemlich znsn 
Absehlwis gelangt und ich. • hoffe;- in kurzer Zeit, w*?nu ich die Zustimmung 
des Staatfiministerinms findfty d'en Entwarf an den Hoirn lleiehxkamler hinQber- 
golangen zu lassen. Öl* die!&tebe treiUch so raech» wie d«j.r Herr Vorredner 
wttnaeM, zu erledigen sein trird. vzago Ich nicht zn entscheiäwu 

Was den AHerhößhstgn Erla«s mm 7. Juli JS8G i'mwt y'wsäim . Zirkular- 
vArfhgTMg vom &1. desselben Mount* betrifft wegen Uebertragnng POfl 
K.önaeaeifjhöB! aolCber Apotbfeken, seit deren Errichtung nocdi nicht zehn 
Jahre verflossen sind, so bildet der Umfang der Anwendu?^ dies«« B^stitntHnng 
der« fiegertBiuhd näherer Erwägung für mich. ötk'; : «w» Reihe' 'vori 

Bedenken zu entschehleu, and du ich anvorb^itct apreuheV hiu ^ch acigeq' 
Isiicklihh nicht in der Lage, meine. Entscheidung fcat»ulegen>?äber^ich Miim 
mir gt^tf+äwllrtig’ halten, dass «ine Reibe von Vertllgüngen in '»inzcinwi Fallen 


meine Entscheidung fcst»uiegen>-. äbet- ich ranze 

!P .. HH|.. . *.' \ vonVerfhg'öj^ 

etwas stark eingegriften liaban in das ^mfctiffebe Leben und ich muss daher 
die Frag«' einer neuen Erwägung ontorzudjt'n, •'•*-. Das wäret« wohl die fragen, • 
die ah mich gerichtfit sind; Uv ••• jAi/V/'.Ui. • v • ■ 

War die IotztgeUörfcen Ausfhlirungen hcthl^tr so khim ich mit Fitmde 
aus der Rode des Herrn Abgeordneten Ölzhm entnelTniön» da*ser die Rechla- 
gülligkeih der Uolizeivivrordriuiigen befret'fonti da* Anpreisen von 
Gnhn'iiamittcln. nicht anzwBtfolfc i|w, meyge Kmmtjus» reicht, sind 
auch ui diesem Finne Urthoi!»' d«H< Kaninifirgerichls und 'von 1‘lovuiziaJge- 
richten org-ingon. Allerdlnjpj ist> wie noch der- Herr Vorredner ganz richtig 
ausgofdlul htth dieses Vergehn« nur «in Nothbehötf. Ich dring« natürlich abf 
den Erlas», cdnar Aitgeomnum Mswwejäpeh. AW io. ganz wirkungslos ist. auch 
dieser Snliriit ni«\ht Mit Recht :bat' der : Har ’Vorredner- liervorgehohen, 

dass in der hauptct-iult isclifiir Presst? rlie GebfilttHuiUehUipreküngen, namentlich, 
sovoait hes« küldi xd gut «vjC; garj»eht mehr zu finden 

sind. Sic haben sich iurii* kgesag«;« io eine Reihe, von Drcrinzbiorganon* 
unter «Heren werdfto' nnfüiheh «iqpnigen Woi-zog», die in Berlin den grössten 
Leserkrnb finde«.: ‘ ‘ .•* . ■ . ' - ; ■ • 

Ich. kann mich In diosont Augenblick nicht entsinnen, ob ich die 
I’rovinzialbehbrdett öngt*wi»ben habe, auch der Richtung bin .ihr«i Aufmerk- 
sumkeit der 5bche angfcdeih*« an lassen. Sollte das nicht der Fall sein , wfte 
äkhyjifsichh konstatw«*» l^t» m werde ich diW FrovinriaTbehörden. airwcisen, 
nach dem Vorgang des EU*rtin»>r r'cdizeipräriilinms auf diesen Punkt auch ihr«" 
Aufmerksamkeit m richten. , ( ' . "{ * ; , 

des- fiiiizöiprävidiUöis 

iu ßnrÜn agBbfdt^|ö-v «n tri «si echwer zu sagen, nh die Ma&Srfigel «^rifks^uj bt 
oder nicht. Ich habe dii!8(.*iln v damals «uigortgt, «rnd zwar, wenn ich mich 
recht cnUino*', nach dem Vorgaug von Karlsruhe*. Abrn ich lukhe doch den 
Eindruck, mifr mne g,«n• * ffi&ifti' - ■ . ■ 

weli id?Ä. .'^s« 

•«(».• 'ßl*eri» , eiitt»ian:i ; .tlie' •venu loh mioh Unheil Vn 

Auftrag crluilleii. sich h'it?*.«ch /n 

Sehlidjgtmgen «juiner •/>■• *.-* ; .>**t •••*<1 *-<*in<^ **»■!•«*•■ '*'* *:. •• ■•'*> 

Ahg. v. f’i Igrini - .UtsKieo: M. ff., *iu, de«-. M-« 

antwortung der Frage 

Renrtbnug il«» -Antrags v; ^hAfttc'bii in .Aufcufcut 

dies allehthlb ahwart«», % ich roivb «hör . 

will ich mich darauf b«v- - \0 r 

Icli biit in imdrn*! 

Wir halmn thinuils 

fahren, in w«deher Form •••* ■•; >■■ t ■ 

nm,«if..'i*dsri<n W-*he gia ■ - ■ ■ • ■ *■ • : / 

hohe und o.i •* .in- V--*ri- . ■• ■• ■■'' 

ms-:*, au d-.il *i**l»U*M.*k ; - 




116 Die diesjährige Verhandlung des Preußischen Abgeordnetenhauses etc. 

Nun, m. H., wenn man einmal eine Angelegenheit für wichtig hält, so 
glaube ich, muss sie immer wieder hier vorgebracht werden, bis die Erfüllung 
dieser Wünsche eintritt. Die Kreisphysiker sind ja bisher hauptsächlich auf 
ihre ärztliche Praxis angewiesen; ich möchte auch nicht, dass sie sich davon 
ganz lossagen. Da aber die Pflichten der beamteten Aerzte von Jahr zu Jahr 
grösser werden durch die vielfachen Anforderungen, die unsere neuere Gesetz¬ 
gebung an sie stellt, so liegt es in der Natur der Sache, dass sie ihrer Privat¬ 
praxis nicht mehr die nöthige Aufmerksamkeit zuwenden können. Dazu 
kommt, dass, wenn sie ihre Schuldigkeit als beamtete Aerzte voll und ganz 
thun, sie sehr leicht mit ihrer Privatpraxis in Kollision gerathen; es kann 
nicht fehlen, dass sie davon immer mehr einbüssen, je mehr und je stärker 
sie auf die öffentlichen sanitären Verhältnisse halten. 

Darum ist es also wichtig, wenn der Kreisphysikus seine Schuldigkeit 
thun will, dass er nicht zu sehr bekümmert zu sein braucht um die Abnahme 
seiner Praxis; deshalb ist eine höhere Besoldung, als er bisher hat, durchaus 
erforderlich. 

Es kommt dazu, dass der Kreisphysikus eine Menge von Aufgaben hat, 
die ihn auch vielfach mit den Gemeinden in Kollision bringen; es kann nicht 
fehlen, dass ein gewisses Odium hier und da auf ihn fällt, und seine Selbst¬ 
ständigkeit unter diesen Umständen in Gefahr ist. Zur Beseitigung dieser 
(Jefahr gehört vor allen Dingen ein auskömmliches und festes Einkommen. 

Ich möchte deshalb mir den Vorschlag erlauben, dass, wenn es irgend 
möglich ist, dem Kreisphysikus ein Gehalt von anfangs 600 Thalern 
und dann steigend bis vielleicht 1200 und 1400 Tnaler gewährt 
werden möge; dann kann er in Ruhe die Abnahme seiner Praxis mit an- 
sehen und braucht um sein tägliches Brod nicht mehr besorgt zu sein, wie es 
heute der Fall ist. 

Nun kommt noch eine Frage dabei in Betracht, die der Herr Minister 
damals besonders betonte. Es ist durchaus nothwendig und wichtig, dass die 
Pension der Kreisphysici festgestellt werde. Nach ihrem jetzigen Einkommen 
fällt die Pension so mager aus, dass die beamteten Aerzte gehalten sind, um 
nur einigermassen leben zu können, bis in ihr höchstes Alter ihren Beruf zu 
behalten; darunter leidet aber der öffentliche Dienst ganz gewaltig, und es ist 
daher die allerhöchste Zeit, dass man darauf Bedacht nimmt, die älteren 
Herren, die ihren schweren Beruf nicht mehr erfüllen können, bald in Pension 
gehen zu lassen, und zwar in eine Pension, von der sie auch wirklich 
leben können. Jetzt behalten sie ihr Gehalt von 900 Mark so lange wie 
möglich, und wenn sie ihre Praxis nach und nach in Folge ihres Alters ver¬ 
loren haben, so sehen sie ihr Gehalt nunmehr als einen wesentlichen Theil 
für ihren Lebensunterhalt an. Ich glaube, das ist ein grosser Schaden, den 
wir dadurch dem Lande bereiten. Eine einigermassen auskömmliche Pension 
der Kreisphysici würde eine Menge von älteren Herren beseitigen, die jetzt 
ihre Schuldigkeit nicht mehr thun können, so gern sie es auch wollten und 
so sehr tüchtig sie auch gewesen sind. Das Alter fordert aber seine Rechte, 
und wir sehen, ich zum Beispiel in meiner nächsten Nähe, dass die öffentliche 
Gesundheitspflege sehr wesentlich darunter leidet. Daher betone ich nochmals 
und richte die Bitte an den Herrn Minister, so bald es die finanzielle Lage 
erlaubt, diesen Beamtenstand der Aerzte zu berücksichtigen, die Reorgani¬ 
sation der beamteten Aerzte sehr bald vorzunehmen, wie uns das 
in Aussicht gestellt ist — es ist das bisher an dem Geldpunkt gescheitert — 
und dafür zu sorgen, dass den beamteten Aerzten auch eine Stellung im Leben 
bereitet wird, die die Autorität, die sie einmal haben, hebt und stützt. Bis 
jetzt ist es leider so, dass, wenn der beamtete Arzt seine Schuldigkeit thut, 
er immer wieder in Kollision kommt mit dem Publikum, und er verliert 
selbstverständlich an Ansehen, wenn er sich bemühen muss, seine Privatpraxis 
gewissermassen zu erbetteln. Darauf kommt es schliesslich hinaus. Steht er 
aber so, dass er frei sich bewegen kann und seine Schuldigkeit thut nach 
allen Seiten, ohne sich zu bekümmern um den täglichen Lebensunterhalt, dann 
wird seine Autorität gestützt, und wir können uns versichert halten, dass dann 
junge Kräfte an Stelle der alten treten und ihre Aufgabe rüstig in die Hand 
nehmen, so dass im ganzen Lande unsere sanitären Verhältnisse wesentlich 
gebessert werden. 



Dig' d.i(s»jft,brigo Verhajtdlung de* Preüssischon Abgeordnetenhauses etc. 117 


Das war der Grund • weshalb ich nochmals für «ine (fehftl {»Verbesserung 
der Kreispbjnjiker dtis Wort ergreifen musste. {Rravo.j r 



24000 Mark ausrcdolien würde. :/Er beantragt dsjanr, als Bernte 

neration für die irr xokibm ilegendnn sieb niedwirwrwud m ,\»rztd »«.^willigen, 
wh. ein ganz empfindlicher und drückenster Mangel an Aersten W/nteht wie 
% ft. in vielen ifeig# ifo^ Ostgremo de* Staatfls Jleg»mifln Kr^Mdä. Rabei 
wirft er 4'te; Prsige auf, ob nicht ähnÜdh .witi bol der Peph««re die Htudenten 
der Mediün bei Verleihung von ^tipeudfeu and dergleichen verpflichtet 
worden könnten, »ich für diese §e>'4brüng von TJnterstlitzu«g<?ß eint» 
von Jahren der Regierung *ur V*t*fßg»ug' :sü stellen und an solchen Xhttm 4«s 



duTchfiibrlrurar Vorschlag:, in.- lihnticher Wai*e wird z. R, auch lief tl«d^ ^blfcs* 
schrtllehrern verfahrend Kindlich bftteb der ftudner iiu Interesse der Land 
hdvü)itöpdng h*s mit. Rücksicht auf die 



der Antrag des Korn.» v. Schalschn ausgeht, kan» naturgemäß« der .Modieiimk 
venrultung tun^ atsgyiöjiatbitKiber "Aicht wem &» ist durchaus ein •' wichtiges' 
Interesse r«lr die MediciriulverwsOtuhgv jl<»*s Möglichst auch in den dünn- 

1 tn .1 r.ir. •Vlorln tri «_• dlvv iV/ii i tßi nk t C. K F ftlli oi i'i ff O ri killt Cvi* rl 11 A.-tn« a 



lattdfce hefindetCj besonders Ulndem gewettüher^(vpu welchen ertahmngsinässig 
vielfach. Seuchen worden. Gerade 

Uerf v. Sclialsc h a wjijd, wobl i»t i|öt hÄgVy gewesen sein, in OberschleKien 
diese Erfahrung näher ko mitchon..'»ml sich dt*>- '.ganzen Tragweite bewusst, zu 
worden, die der Fwtee’ithio wohnt. --■£•• ‘d 'w" v :d'' • . ’ ' ' 

__ Uakrt A„.- , A*~ ■■Air. 


Wogtet* ich .mich' *i» wrlnii^iV >ia.^ ist ih*r Vorschlag, du* 

24000 Mark •— Welgho für Ivreiephysjker nipht ab: 

Mehrforderung lief: Ka^utftl.l2& * ^»dem and er weit bei 

diesem Titel bhrduHgespart worden ~ m änderen Swockwn zu verwenden. 

Da muss ich in der That : ; lton Weg, den Hx. v. Sehalscha 

Ihnen verzeichnet, nicht einzuschlagAu.■ 85e kfmnpii, Wenn «0 die Bemerkimgen 
und den dlspoaitiven Tbcil des Etat« bssen. klar daran« erk«mnite/«bissAst^ch 
um einen yerlegenbali!!»vorec.lilag 4eg; MedicinaVvorwaUung händelt. jfäh fein 
vor die sehr ernste Präge gestellt worden, ob o* nicht oötJtwdndig ist. in 
Physikatsbozirken, iii welchen di« Physiker keine naturgeirt8e«e Nährsitene ftie 
de«, dhw,e Heauilon im Jti>borewfte ;>&«*■■■ ^ ; cHäictb9iWnt'<iätds<g' besser zu stellen. 

A f TP. - — «...'. .‘ n'. ifl/i J t.i iVrtVt'n l’.f . 1 Ä tj 11 »i t IWi/lk kl mw . inl< kl a.Si Oiin.A I 



frtechp.ra RMff •:vitw • au .»Uiw flvrtim 

^irui' \ity Mchrfrtrb# ?. r lV it* IhüVig 



f*tiratd>ticigt 

u Uift.U 1 t» /iVWiVs.V.n.-tintl, 

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i Md ßjfik WttrjtHfffi, *yj&: •' 

WWlvAV (,V^ 


Mrihniruj l^dr#^ in 
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KVl^iirrf> 




118 Die diesjährige Verhandlung des Preussischen Abgeordnetenhauses etc. 


Besoldung einzelner Physiker und einige kleine Organisationen, die im Tit. 2 
ausgedrückt sind, zu gewinnen. Ich habe mich dafür entschieden, dass es 
richtiger ist, lieber 52 Kreiswundarztstellon oingchen zu lassen, als auf die 
Durchführung der Pläne, die ich habe, zu verzichten. Es ist unmöglich, dass 
die Physiker, selbst in leidlich gut gestalteten Kreisen, heute noch die grosse 
Praxis fuhren, die sie früher gehabt haben. Früher war es in vielen Kreisen 
ein besonderer Vorzug, einen Arzt zu besitzen, der Physikatsbeamter war; 
heute wird er in manchen Kreisen gemieden, weil der Physiker den Leuten 
des Kreises unbequem geworden ist. Er darf nicht mehr vorübergehen an 
gewissen Unzuträglichkoiten, wie sie auf vielen Gebieten Vorkommen, — ich 
will beispielsweise anführen, bei Fabrikationsanlagen, bei öffentlichen Wasser- 
läufen, Verunreinigung von Brunnen u. s. w. — er muss diese Unzuträglich* 
keiten anzeigon. Freunde gewinnt er sich dadurch nicht. Er wird dafür 
natürlich in thesi gelobt, aber im einzelnen geht man ihm aus dem We$e. 
Ausserdem verlange ich, wie ich schon andeutete, von den Kreis- 
medicinalbeamten viel mehr als früher. Ich glaube, es ist ein 
dringendes Interesse, dass wir diese sehr wichtige Beamten- 
klasse einigermassen besser dotiren. Mein Ehrgeiz ist im Maximum 
nur auf ein Einkommen von 1800 Mark gerichtet, ich glaube, dass ich auf 
Grund der beantragten Bewilligung in etwa 40 Fällen vielleicht auf 1500 Mk. 
komme. Das ist nicht viel, m. H., aber es ist doch immer wenigstens etwas, 
um den Physiker gegen die schwerste Noth zu schützen. Die Zahl der Physi¬ 
ker, welche so gut wie keine Praxis haben, sich auch gar keine erwerben 
können aus verschiedenen Gründen, ist leider nicht imbeträchtlich. Dies führt 
mich auf eine Frage, welche die geehrten Herrn Vorredner auch angeregt 
haben: die Frage der Pensionsberechtigung der Physiker, welche 
ihnen jetzt versagt ist. Die Bedeutung der Ponsionsfähigkeit der Gehälter der 
Physiker ist von sehr grossem Gewicht für die Medicinalverwaltung. Es ist 
schon vorhin angedeutet, ich glaube von dem Hm. Abg. v. Pilgrim oder einem 
der Herren: es ist unter Umständen dringend nothwendig, emen bejahrteren 
Physiker von seinen Amtsgeschäften entbinden zu können. Es kommt z. B. 
vor, dass die Gerichtsbehörden wünschen, dass mit der Leitung der gerichts¬ 
ärztlichen Functionen eine andere modern gebildete, frischere Kraft betraut 
werde. Es ist dringend wünschenswerth, dass man dazu gelangt, unter sol¬ 
chen Umständen einen Physiker auch ausserhalb der Formen des Disciplinar- 
verfahrens zu entfernen. Das letztere ist immer sehr peinlich, zumal alten ver¬ 
dienten Männern gegenüber, welche nur wegen vorgerückten Alters ausser 
Stande sind, ihres Amtes pflichtmässig zu walten. Das Verfahren muss aber 
Platz greifen, weil die betreffenden Beamten ohne Pension aus ihrem Amte 
auszuscheiden haben. Für andere Beamtenkategorien geben die modernen 
Gesetze eine ausserordentliche Erleichterung dadurch, dass man einen Beam¬ 
ten, wenn er das 65. Lebensjahr vollendet hat, also ungefähr in den Besitz 
des Anspruchs auf Gewährung der Maximalpension getreten ist, der bekannt 
lieh mit dem 40. Dienstjahre ein tritt, in einer ganz, wenn ich so sagen darf, 
unauffälligen und nicht verletzenden Weise entfernen kann. Diese Vorschrif¬ 
ten den Physikern gegenüber anzuwenden, bin ich nach sehr eingehenden Er¬ 
wägungen nicht in der Lage, weil nach dem Wortlaut und der Entstehungs- 
geschidite der Novelle zum Pensionsgesetz immer eine gewisse Relation 
zwischen dem Ansprüche auf Pension und zwischen dieser unfreiwilligen, auf 
Grund des vollendeten 65. Lebensjahres eintretenden Entfernung besteht. Ich 
glaube, es würde ein grosser Fortschritt in unserer Verwaltung erzielt werden, 
wenn diese Frage nach den Andeutungen, die ich und andere Herren hier 
gegeben haben, ihre Erledigung fände. Es ist ein allgemeines und nicht zu 
verkennendes Interesse, unsere Physiker besser zu stellen und ihnen dann auch 
die Pflichten aufzuerlegen, deren Erfüllung wir im öffentlichen Interesse von 
ihnen fordern müssen. 

Wie bei Bereitstellung der 24000 Mark die Organisation von mir ge¬ 
dacht ist, darüber hat Hr. v. Schalscha Gedanken ausgesprochen, welche mir 
fern liegen. Ich habe vielmehr sämmtliche Regierungspräsidenten aufgefordert, 
nach sorgfältigen Erwägungen in Anbetracht der Nothlage einzelner Bezirke, 
aber auch in Anbetracht der sehr geringen zur Verfügung stehenden financiel- 
len Mittel mir zur berichten, wo solche Physiker vorhanden sind, denen im 




Kleinere Mtttheiiungen. -- 


Kleinere Mittheilungen. 

Die« von der Budget&onutmskm des Abgeordnetenhauses abgekdurie Er* 
rlcht«iig filnes liygionlschen Instituts nebst : mdentlieher Professur der 
Hygiene iir ilaikv a.5. und Marburg sind auf Antrag der Abgeordneten fJröf 
vun 'Döugia^, |>r‘ Graf und Genossen in der 37.: Sitzung des AbgdotdnoW* 

■■ mmmmm irni \ MMür ~ 'W' 1 ' ^~ " 


iia.isw y>7fti -■>. Mürz 1889 genehmigt worden: Auf die bezüglich«^ Verband - 
luageu. hoi wpjeben besonder« die Hygiene undihre BcdeiiWhg ul« Wissen¬ 
schaft «?iner .nngeboteJei: und U<)eVi4't i»t*A‘*w«ant«JO KriHdvfnhg Unterzogen wurde, 
v;••»••!ou wir in Jur' »UcbsWü NümiwH-wortk^köianbm. 


Referate. 

Keuss, Henn/um. Kgl. Bayrischer ßez.-A*st»>soi:: Der .Rechts 
schätz des (."feiste«]?, ratik eu.. •. Leipzig,cifeswhfer^W-he Buch!) 
:•••'■ M.k\ 

■ «ne vorliegende über 
... ' ■ . ei'iAeingehende Be 

■ ' • ; Zig. .t.iigidegenUieh< 

' . eines Irr•<>»■ - bosi't/,«? 
.•«•(.heilt werden, glaub 
versichert, zu halten 


•/: ' ->4 «rudern un störe. t.ftglidntti 
Ivtoy b^AV,'. fJnsore Itren, auf dwhi 
’fjjjüfa, ‘•Äir.os {'.'«Unisiobtigivng. ; Wem« 
(•^;V #<«• Menge «erlraubiäiidnt 

rühm bebt- ‘ucra'.imo 




120 


Referate. 


bildet Schleswig-Holstein). Bei der Scheu vor möglichen Kosten werden oft 
genug frische Fälle von nicht gemeingefährlichem Charakter zu Hause gelassen 
und fallen in Folge dessen nicht so selten der Unheilbarkeit anheim; und 
andererseits werden Gemeingefährliche oft genug in Folge von Mangel an Platz in 
den Anstalten zu Hause verpflegt — in wie vielen Fällen, das wissen wir Alle. 
So wäre es denn in der That an der Zeit, einmal eine Centralstelle für das Irren¬ 
wesen zu schaffen, der aber nicht Commissionen zur zeitweisen Aufsicht beizu¬ 
geben sein würden (ein mindestens jnonatlich stattfindender Besuch (Art. 42) 
der in familieller Pflege befindlichen Irren durch die beamteten Aerzte er¬ 
scheint, auch abgesehen von den enormen Kosten, nicht erforderlich), sondern 
wie in Nordamerika und England: Ständige Irreninspectoren. Die Be¬ 
richte derselben, die Eintragungen in die betr. Journale der Anstalten, Fami¬ 
lien etc. müssten ihrem wesentlichen Inhalt nach durch Druck veröffent¬ 
licht werden, so dass das ganze Irrenwesen sich als ein durchsichtiger geord¬ 
neter Zweig der Verwaltung darstellt. 

Reussgiebt als Gegenstand eines Irrengesetzes an: Bestimmungen über die 
Anstalten (Aufnahme, Entlassung, Aufsicht, Art der Beschränkung) und analog 
über die familielle und Colonien-Verpflegung, Rechtsmittel ; Verfügungsfähigkeit 
der Irren; Kosten und Gebühren; Schluss- und Strafbestimmungen (72 Art.). 
Wozu ein Einführungsgesetz; (6 Art.). Bezug genommen ist auch, und sind 
im Anhang wiedergegeben, das französische Gesetz (v. 1838) und der neueste 
Entwurf, das englische, New-Yorker, das holländische (1884 mit Ueber- 
setzung), Genfer (1838), Neufchätersche (1879), norwegische (1880 mit Ueber¬ 
setzung), schwedische (1883 mit Uebersetzung), der italienische Entwurf (1884, 
mit Uebersetzung). Von Deutschland finden sich nur Bestimmungen aus Bayern, 
Bremen, Sachsen-Weimar. Eine synoptische Tabelle, Entsch. d. Verw. u. Ge¬ 
richte und ein Verzeichniss der (sorgfältig benutzten) Literatur sind ange¬ 
hängt, und ein historischer Ueber blick vorangeschickt. 

Ueber die einzelnen §§ kann debattirt werden. So über die betr. Priva¬ 
tive Anstalt, deren Existenz überhaupt ja nicht unbedroht erscheint; über irre 
Verbrecher (Ref. ist diametral entgegengesetzter Ansicht als Reuss.); über die 
Strafbarkeit der verheimlichten Anzeige eines Falls von Irrsinn u. A. Jeden¬ 
falls wünschen auch wir dem Buche zahlreiche Leser und der Sache den er¬ 
wünschten Erfolg. Kornfeld. 


Ziehen, Theodor Dr.: Sphygmographische Untersuchungen 
an Geisteskranken. Jena. Gustav Fischer. 1887. 67 S. 
m. 43 Holzschnitten im Text. 

Nach einem historisch-kritischen Ueberblick mit erschöpfender Literatur- 
Angabe beschreibt Ziehen seine Methode und Modifikation bei der Anwen¬ 
dung des v. Mamono w’schen Apparats. Die Untersuchungen ergaben eine Reihe 
interessanter Schlüsse, aus den wir einzeln hervorheben: lntellectuelle Vorgänge 
von denen als solche verändern die sphygmographische Curve (bei Geistesge¬ 
sunden wie Geisteskranken) nur, insofern sie von Erregungsaffekten begleitet sind. 
Pathologische Erregungsaffekte, sowohl maniakalische als melancholische rücken 
die erste Secundärelevation höher hinauf und vermindern den Curvendikrotismus 
etwas. Die auf Angioparese oder verminderte Leistungsfähigkeit des vasomo¬ 
torischen Centrums beruhende Pulsform stellt sich als stark dikrote Curve mit 
sehr spitzen Gipfeln dar; die auf Angiospasmus zeichnet sich durch ver¬ 
ringerte Dikrotie aus. Keiner Psychose und keinem psychopathischen Zustand 
läsÄ sich eine bestimmte, sphygmographische Curve so zuordnen, dass jene 
ohne diese nicht vorkämen; sondern die sphygmographische Curve drückt nur 
die grade bestehenden Erregungsaffekte und den grade bestehenden Zustand 
des vasomotorischen Centrums aus. Angioparetische Pulscurven treten beson¬ 
ders häufig einerseits bei progressiver Paralyse der Irren (namentlich im para¬ 
lytischen Anfall, im Status epilepticus und im Delirium tremens), andererseits 
bei den auf affektiven oder sexuellen Excessen beruhenden functionellen Psy¬ 
chosen, namentlich Paranoia und Nervosität in späteren Stadien auf. 

Kornfeld, 



BefetÄU’.; 121 

Im Verlage van Fischers metiicilttwher Buehhaudhmg, W. Korn¬ 
feld, Berlin NW. tf. siud heu einchfeuert: Fovt^chr.iM.e dev 
Krankenpflege, redigirt von Ih\ Caesar Eeimattn.- F«y- 
Äuer «ml Hermauu Gruadke, Ingenieur: 

t»i<v .ZnltM-hriff erscheint am t . jede? Monats und hat. folgenden Probiert: 
Ille i^rf^hTittc« dar JCninkenpfiege 4 stelktn sieh „die Aulgabey aßd Pp- 
iitevkfnsÄrMhp.n Neuerangeii und Yerhe^enutyti von cliinirfr^ctien , «rfhojuG 
dfeekeH v- oiitfeeheu and ■elcctro^tbertip^ötjee.heni Imdrunundpn. v.oij ?{tniü\.t»- 
geritlben, Kruhkentransportmittaln, von neuen Verhauddoflor.;, Mcdictuneideu, 
Nubnnigsuiitteir n. s, Vr zur Kenntrdss ihrer .Le-ser w LniigmV, 

{n Anschluss dp diest? Miitheilungen, werden!--'^rtVi'itir-iiin^on ■ 
Andrer übe):; die befcy Oegenst&nds rftferirt, fhmle die der Miturbflitßr in 
Origiualjirti'kHln Wricbtet weiden. } y • 1 • . - , 

Vereinfachungen , welche die Anlage von Ä’d^äl$in,:v{^tüd]h^i x uagpn t 
VentilaMönon und der qdt den Imtituten meist «usamnienhtijigendeft ßade- 
Anetalte.n wohlfeiler machen, wie iiberhanpt jeder Ävt Verhftsleiung dergl 
Kinriehttmgeii. vor allem Sh hygienischer Banelnmg, wird besonderes Augoriimerk 
rugewendot werden; auRsmlctn werden wir gpnze Anlagen uuifbergdtiger 
Knuikeninstitnt« beschreiben. V;.; 

Schliesslich beabsichtigen wir auch, unseren- Lesern ab und zu unsere 
nnd anderer Krlubmng über Erzielnmg ..und Ausbildung^de? Pflege - -imd 
.Krankenwarteperr-OTinls und dergl. vaitzuthoiion, uni den 'Kreisen, für welche 
diese Bföttor bestimmt sind,' auch nach dieser nfltzei«,;' 

Als neu«. ■ Wneheuschrifi. kt ins Leben- .grebrete«: Da* 

re i o IGis u h £ Sa ail $i aveae«, Orgsm fiir die Buhticatipmi« ddp 
: k. k. abersreu SanifiUsi-afhes, isdiglrt'.W ftK$»1 mpf*. ; ! 

iiihrer des obersten Sanitäteratlies» (Beiblatt zur ‘Wiener 
kliuisehbu Wocheasdinft} mit KachateiieBdeat IVograiüm; 
ßlelOTundsfitzo der öÖ>?ntlicltTO tiesundhoit^d^^ bulnVn m ^^enwilrtlget 
Zeit für die Ausübung des ?Ar.tlicbeh Bcmfea - 61110 «eiche Bwlmtung erlkifa^K- 
da^o^^Txk'.dhr'.smiiotn . *?»$-..di»«j' Or>rftd«äliW-. 

weder-iu» Ki>nkvnbette des fibxelhen Patienten., hoch in feiner -Wirksam keil 
ui» hubkundigor tiecjitbor von Familie« oder Gorpomliönott, von «humunden 
utUn Bttuttsbenürden, unbeachtet lassen kann and darf. y-y; 

ln Folge der sieb «fein erweiternden und vertiefenden wiseoTwebaftlicheti 
• tnindiagen dwr Hygiene. oder 0eshhdheits Whrp bat die ftncMhrihgende 
.Vnwontbmjz derselben zum Wehle de» Fin:-,einen. und der (tesanuHtheit über 
haupt, iijebiÄdiide'rc alter ihre plantaässigiy Hethälrgung in der Affen ti¬ 
liche« Varwaltong bei den Itfebörden »riid in d en Gemeinden durch 1#- 
stelJte ^hi^tspfgat^! —> der SanütatsdidnHsowübl ah ffroftnig Ais ad 
■Iähttit:wesentlich gewonnen. ' .//.'•■ 

Obwohl die Oesundheitslebre an den BiediciniscbeA Faeultäten 
' Öestev^rweiüW vyir-t ■ 

AC sie#e-. tMsf.h-we|?f|r . 
-dü ng’« '*■$&; -'Qffyn (lielf *a• 

. .. lieddhPiVgyt; 0. 

kann» . . 

.sß^-r*'.!»?ijifrsi|<:y:.v ',^(*\fSi<kAy^!vryd--* : ' :>■ nnscmju Blähe, 
wftfehfv, füdi'.t $<$i o>ei •• r.tlV^a i-l. einen 

HÜhfr r--,> .:•• ., ■ ■ * 

dieselbe : ,i- 

littinm v»; fdujj r-y ■ .' - ^ 

rath <mp>r t4‘r ; ^^bv3l*r .Mit- 

Hinkti»d > Mh Jw-w vitvr ■■■■. . 

beson<le.'‘’ie. <ih> 

gotrag*.ns^»r,>,i>!; kann. 

. • > / * J. l V.; ar:nw 





122 


Referate. 


Dieses Beiblatt „das österreichische Sanitätswesen“ wird dem¬ 
gemäss nebst den officiellen Publicationen des obersten Sanitäts¬ 
rath es, welche insbesondere für alle Sanitätsorgane von Bedeutung sind, die 
möglichst rasche Verlautbarung aller wichtigen behördlichen Er¬ 
lässe sanitären Inhalts, sowie periodische Uebersichten über 
interessante oder belangreiche sanitäre Verhältnisse und Vor¬ 
kommnisse im Reiche bringen. In letzterer Beziehung werden die 
Wochenausweise der 57 Städte und Gemeinden mit 15000 und 
mehr Einwohnern in Oesterreich über Geburten und Todesfälle unter 
Specification der letzteren nach Todesarten, nach der Bearbeitung der k. k. 
statistischen Centralcommission, von Woche zu Woche, ferner die 
Verhältnisse der Krankenbewegung in allen grösseren Kranken¬ 
häusern des Reiches von Monat zu Monat, weiters Uebersichten über die 
Verbreitung der Infektionskrankheiten in allen Ländern des Reiches 
in vierwöchentlichen Perioden regelmässig zur Veröffentlichung gelangen. 

Eine weitere Aufgabe dieser Blätter wird es sein, den Leser über den 
Stand der Gesetzgebung sowie der Judieatur auf den wichtigsten Ge¬ 
bieten des Sanitätswesens fortlaufend zu informiren, über wichtige hygie¬ 
nische und sanitätspolizeiliche Zeitfragen Abhandlungen aus der 
Feder bewährter Fachmänner zu bringen, alle bedeutsamen Ereignisse 
auf dem Gebiete des Gesundheits- und Medicinalwesens des In- 
und Auslandes, unter ganz besonderer Berücksichtigung der epidemio¬ 
logischen Forschungen und Thatsachen nach Möglichkeit zu fixiren, endlich 
den Standes- und Personalverhältnissen der Aerzte, und insbe¬ 
sondere der öffentlichen Sanitätsorgane, eine besondere Aufmerksam¬ 
keit zuzuwenden, und daher auch über Veränderungen im Personalstande 
derselben, über erledigte Stellen für Aerzte u. s. w., mit thunlichster 
Beschleunigung zu berichten. 

Die Form dieser Blätter, ebenso wie ihr dargelegter Inhalt, sollen es 
ermöglichen, dass den öffentlichen Sanitätsorganen und Allen, welche sich für 
die Entwicklung des Sanitätswesens in unserem Vaterlande interessiren, eine 
mit jedem Jahrgange abschliessende Sammlung authentischer Publi¬ 
cationen über die im Laufe jeden Jahres erschienenen Sanitätsverord¬ 
nungen, sowie verlässlicher Daten über alle wichtigen sanitären 
Begebenheiten zur Verfügung stehe, und dass hiedurch die Einheitlichkeit 
in der Handhabung des Sanitätsdienstes und in der Pflege der sani¬ 
tären Angelegenheiten gefördert werde. 

Auf diese Weise hoffen wir, diese Blätter zu einem Sammelpunkte 
der ernsten Bestrebungen Aller zu machen, welchen die berufsmässige Pflege 
des allgemeinen Gesundheitswesens obliegt, oder welche an einem 
lebendigen Fortschritte in der Entwicklung des Sanitätswesens 
aufrichtigen Anthei] nehmen. 

Indem wir mit diesen Vorsätzen in die Oeffentlichkeit treten, laden 
wir alle Fachgenossen von Nah und Fern ein, durch reichhaltige 
Beiträge den Gehalt dieser Blätter zu erhöhen und uns im Interesse 
der Förderung des öffentlichen Sanitätswesens, sowie der Ge- 
sammtheit der öffentlichen Sanitätsorgane des Reiches, in unserem 
Unternehmen, für welches bereits hervorragende Männer der hygie¬ 
nischen Wissenschaften sowie der Sanitätsverwaltung uns ihre 
eifrige Mitwirkung zugesagt haben, thatkräftig zu unterstützen. 


Der „Neue praktische und billige Hebammen - Kalen¬ 
der“ für das Jahr 1889! 

zeichnet sich bei billigem Preise dadurch aus, dass er alle überflüssigen Bei¬ 
gaben vermeidet, dagegen aber alles das gut geordnet enthält, was für jede 
Hebamme unentbehrlich ist. 

Derselbe ist erschienen bei E. Staude, Verlagsbuchhandlung, Berlin W. 
und dürfte seine Anschaffung für die Hebammen seitens der Herren Krei 
physiker Empfehlung verdienen. 

Mittenzweig. 




Verordnungen und Verfftgungfun 


Dr, A. Viitarel Handwörterbuch der fefamtüfj Medizin, 
I Band. Stuttgart, Vertag von Ffjrdiaaßd 

Guter Vjila/{et-li t^iinög hat sieh <liß jüngere .GolebrteYJWt'Jt der Modl¬ 
ern vereinigt Zur Htrrunegabe eines Handwörterbuches der geeeifttiiten Metliein. 
Die Namen von B}»gin?Gryy Beetz, Behrend, PetrT^rs'e?» r ,i. Pntenkel, 
Gad, 61 udk, OfiVti»a.nn, GWttWtadt iurd die ^<>1^ Biftiho der Ver¬ 

bündeten blirgt' allem »cdtoii dirför., dass düs'-;grosse Wbj- 
senschaftBchc und praktwciie Bedeutung : .ge«djnnea'' ; |si^^r^:.^ vorliegende 
erste Band rechtfertigt. Sn'-vollern tTtdhr^ge dxtWe , ,Yy •" 

Der. erste Band beginnt mit Aachen und endet mit H;,-Ge«>-Tntchelorrtnjr' 
{dtie. %jt enthüll auf S92 Seiten ä() viel &&e AVissänswertucn, dass hm jeder, 
der kui^e ßelahrung über einen Gegeastand südlit, diosdibe luiclit und ge¬ 
nügend darin linden wird. ■' ;. v ''• y ->.< y : y-V:y 

Des Vensoveiuriss der US Mitarbeiter de« 1 Bandes gfebt olim klare An- 
gahe der Autören der einzelnen Artikel, södas« d*r Wörterbuch «elbst die 
Nunien jucht zut wiederholen braucht, was dem Ganzen einen angeneluiii-flin- 
böitücben Cbaracter aufelrückt. 

Auf Einzelheiten eirtzugeheß, verbietet vorläufig die Art des Werkes, Erst 
der anhaltende Gebrauch wird etwaige Mängel aiifeuweisen vermögen, und *s 
Wird wesentlich Sache dos Lesers selbst; sein, diese Mängel zu finden und an 
zuständiger Stelle zutu Nutzen des Handwörterbuches geltend zu machen. 

__ Mittenzwpig, 

Diö Medictaischo Monatsschrift, ijerauftgegehitn von Itegm't, 
Einhorn, Giwitsmatitt, Ho^enbeimor, Jacqby, Klotz, 
Krug\ Melt^eri ..Sfcyoi;, v. Kamäghr und Seitapöinger^ 


Verfiigtmpn 

St^IfcÄ^fcV tsisü. viit! Thitrf»itMtt*;iofrw. A 





124 


Verordnungen und Verfügungen. 


bunden «ein, sofern die Grenzen der zu erwartenden späteren Veränderungen 
der Angaben ermittelt werden können. 

| 2. Zulassung. 

Zur Prüfung zugelassen sind mit Quecksilber gefüllte Thermometer aus 
Glas; die Prüfung anderer Thermometer wird nur insoweit übernommen, als 
Bestimmungen dafür im Folgenden vorgesehen sind oder als in besonderen 
Fällen die Reichsanstalt es für zulässig erachtet. 

Die Beglaubigung beschränkt sich in der Regel auf Quecksilber¬ 
thermometer zu ärztlichen Beobachtungen, auch unter diesen sind Maximum¬ 
thermometer von der Beglaubigung ausgeschlossen. 

I. Quecksilberthermometer für ärztliche Beobachtungen. 

§ 8. Anforderungen bei Prüfung ohne Beglaubigung. 

Aerztliche Thermometer, deren Prüfung verlangt wird, sollen folgenden 
Anforderungen genügen: 

1. Die Theilung soll nach Zehntelgraden der hunderttheiligon Thermo¬ 
meterskale fortschreiten und mindestens von -4- 36 bis + 42 Grad reichen. 
Die Länge des Intervalles von einem Grad soll nicht kleiner als 3,5 Milli¬ 
meter sein. 

2. Die Theilung soll ohne augenfällige Eintheilungsfehler ausgeführt 
sein und so zu der Kapillarröhre liegen, dass an allen Stellen eine unzwei¬ 
deutige Ablesung möglich ist. 

3. Um bei Einschlussthermometern Verrückungen der Skale erkennbar 
zu machen, soll seitlich von derselben auf dem Umschlussrohr eine Strich¬ 
marke angebracht sein, welche sich mit dem Theilstrich für 38 Grad zur 
Deckung bringen lässt. Auch soll dieser Strich bis zu dem an das Um¬ 
schlussrohr sich anlegenden Theil des Skalenstreifens heranreichen. 

4. Die Theilung soll in dauerhafter Weise ausgeführt, deutlich numerirt 
und mit der Angabe „Hunderttheilig 11 , „Centigrad* oder einer ähnlichen un¬ 
zweideutigen Bezeichnung versehen sein. 

5. Das Thermometer soll an wenig auffälliger Stelle eine Geschäfts¬ 
nummer tragen; auch ist die Aufbringung eines Geschäftsnamens, einer 
Handelsmarke oder dergl. zulässig. 

6. Maximumthermometer sollen durch ihre Bezeichnung als solche ge¬ 
kennzeichnet sein. 

Aerztliche Thermometer mit Theilung nach Fahrenheit können nach 
Ermessen der Reichsanstalt zur Prüfung zugelassen werden. 

§ 4. Art und Umfang der Prüfung. 

Die Prüfung bedingt bei einem Skalenumfang von 14 Graden oder 
weniger die Vergleichung der Angaben des Thermometers an mindestens 3 
Skalenstellen mit den Angaben eines Normalthennometers, bei grösserem 
Skalenumfang können die zu prüfenden Stellen entsprechend vermehrt 
werden. Bei Maximumthermometem tritt zu den ersten Vergleichungen eine 
Wiederholung an mindestens 2 Skalenstellen. 

§ 5. Bescheinigung und Kennzeichnung. 

Ergiebt die Prüfung, dass die Fehler der thermometrischen Angaben 
0,2 Grad im Mehr oder Minder nicht übersteigen, so wird über den Befund 
eine Bescheinigung ausgestellt und auf das Thermometer eine laufende 
Nummer nebst einem Kennzeichen der vollzogenen Prüfung aufgeätzt. 

Ein Maximumthermometer, dessen Angaben bei wiederholten Ver¬ 
gleichungen in derselben Temperatur um mehr als 0,1 Grad von einander 
abweichen, erhält keine Prüfungsbescheinigung. 

Die Bescheinigung über die Prüfung giebt die zeitigen Fehler der 
thermometrischen Angaben in Zehntelgraden an. Als Kennzeichen der voll¬ 
zogenen Prüfung dient ein Adler, welcher in der Nähe des Theilstriches für 
38 Grad aufgeätzt wird. 

§ 6. Anforderungen bei Beglaubigung. 

Aerztliche Thermometer, deren Beglaubigung verlangt wird, sollen 
ausser den Bestimmungen unter § 3, No. 1 bis 5 noch den folgenden An¬ 
forderungen genügen: 

1. Die Theilung darf nach unten hin nur bis -+- 20 Grad, nach oben 
hin nur bis + 50 Grad ausgedehnt sein. Auch soll in der Nähe dee Eis- 



Verordnungtra tmd Verfügung«« 


125 


Punkt«-. tdxiE Hültstheihing vorhanden sein, welche mindestens von — 0,3 bis 
f- 0,3 £rl'«*t 


2, $«4 Ther«n«ano<er sott oben zugasdimolzen und ohne aufgvkittofwn 
HüLsonkctpf:Xür''1^ ; m»cbiuig,, /.> . K yij ^ 

li üns oisiTß Ehdei dei XapfliAre aöJt| frei Achtbar »ein- ’\-'y \ , 

7,- Axj. und Umfang der BrOlung. 

Boi Thenn nnwdera, ifeatp verfangt: wird« tritt zu der 

V;«rgt<wchunj(fbn ruit einem -^m'msilthbi-idwnvter gemäss der 
Bestimmung unter § 4 diu Knniltelung der zn‘erwartomlen spateren Ver- 
ändfffufjg«) der Angabe«^■•.: Diese Enuittätung bedingt anhaltende Erwärmung 
und wenigsten!: 3. gkso-mtferfe Bestimmungen des Eispunktes während einer 
Zeit v«rf (ötwtk 20 Tagen. 

|f *. Art der Begiauldgimg. 

Ergiebt diu Trüfnog dnt^ zur Beglaubigung vorgelegten Thermometers, 
das« «eirke ^JtdgH-btm um «idtit melu als .0,15 örad zu niedrig oder um nicht 
mwhr als 0,05 Gntd ztt hoch. eimU .sowie rhws spätere. Ver&ndmwjimj .. Mn 
mehr aU 0,1 (jir&d in cfliAwit ;ge wissen grhesore» Zeiti-vuiux tnft- 'hiuToielteivddt £&; 
Sicher heit ausgvwcblosseo «öid< •<’ wird das Thermometer geftteinpelt , mw 
ladfed4e ^p5*tehM‘ und die JahteszjiW itei Priifmrgm»%elözt, -«»w}^ ein« 
scliritilnein? Beglaubigung iHÜgegfetivn. Die letztere bekundet, das« föv die 
■ ~ v «wartendou 

; wiprdgrif ^ies,f|:ät 

^ ..., .... v ........ . . „ zeitigen Eispunkte* und dhy Fehler der ge» 

prüften ,'^aFensteUen irr Hunderisteigraden «n. .'Uyy . ', 

Ais Htempclzeichan dient auf der Kuppe des Thermometers ein fftnf- 
stiuhüger SUmn und auf dem Mantel des Rohres das Bild des Reicheadieis 
von einer Ellipse mnsehloHseti; unter dem Adler erhält die Jahreszahl, über 
demselben die bildende Nummer ihren Platz. 

II. Q u e c k s i I b er t h e rmom eie r fö r a ji de v e als iirzt liehe 

Beoft ’jvßdi tatfgteHi '. 

§ T Anförderwngei!. 

Quecksilberthermoineter für andere als ärztliche ßeobftvhtongftn werden 
zur Pr Ölung zugel&ssen, wenn die dort Vorschriften ent er § ■!. No. 2 bis 
entsprechen, doch sind ausser Tbeihnigen »ach < der Uunderttbeiligen Skale 
(No. 4) auch solche noch Fahrenheit oder Iteaumur rruläsoig, teriter genügt 
th>w di«? unter No. 3 Btt Einseh hisstherraomfcter vorgesehene StricltBiurke 
it irgend eitreni Strich der Skale zur Deckung gehrrteht werden kiteu.i ; Die ; 



HS 

mit 



: $t 1(1. Art und Umfang der PrÖ^g. 

Die Brüte ng erfolgt durch Vergleichim|fen rnit dem Noromlthennoaißter, 
geeigtipten Falls kann sie auch durch Calihrimug, Ermittelung der thenno 


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126 


Verordnungen und Verfügungen. 


111. Andere als Quecksilberthermometer. 

§ 12. Weingeistthermometer aus Glas. 

Auf die mit Weingeist, Holzgeist oder dergl. gefüllten Thermometer aus 
Glas finden die Vorschriften unter § 9 bis 11 sinngemässe Anwendung. 

§ 13. Zeigerthermometer. 

Zeigerthermometer, bestehend aus einem ringfbnnig gobogenen Rohr, 
das mit Weingeist, Holzgeist oder dergl. gefüllt ist und dessen Bewegung 
auf einem Zifferblatt mit Skale angezoigt wird, werden zur Prüfung zuge¬ 
lassen, sofern über das Vorhalten von Thermometern gleicher Einrichtung 
und gleichen Ursprungs hinreichende Erfahrungen bei der Reichsanstalt vor¬ 
liegen und die Bedingung des § 3 No. 5 erfüllt ist. Ueber die Art und den 
Umfang der Prüfung entscheidet die Reichsanstalt. 

Aerztliche Zeigerthermometer, d. h. solche, deren Theilung mindestens 
von 4- 36 bis -f- 42 Grad reicht und nach Fünftel- oder Zehntelgraden fort¬ 
schreitet, werden an wenigstens 4 Skalenstellen mit dem Normaltnermometer 
verglichen. 

Ueber den Befund der Prüfung wird eine Bescheinigung ausgestellt, 
welche die zeitigen Fehler höchstens bis auf Zehntelgrade angiebt. Aerzt¬ 
liche Zeigerthermometer, deren Fehler 0,2 Grad im Mehr oder Minder über¬ 
steigen, erhalten keine Bescheinigung. Zur Kennzeichnung der vollzogenen 
Prüfung wird an geeigneter Stelle ein Reichsadler auf das Gehäuse aufgedrückt. 


Gebühren. 

§ 14. Prüfungsgebühren. 

Es werden erhoben: 

A. Bei ärztlichen Thermometern: 1. für Prüfung eines ärztlichen 
Quecksilberthermometers durch Vergleichungen an 3 Skalenstellen 0,60 M.; 
2. für Prüfung eines ärztlichen Manmumthermometers durch Vergleichungen 
an 3 und wiederholte Vergleichungen an 2 Skalenstellen 0,70 M.; 3. für Be¬ 
glaubigung eines ärztlichen Thermometers nach Vergleichungen an 3 Skalen¬ 
stellen nebst Untersuchung der Veränderlichkeit der Angaben 1,20 M.; 4. für 
jede weitere Prüfung einer Skalenstelle bei beglaubigten Thermometern 
0,25 M., bei anderen ärztlichen Quecksilberthermometern 0,15 M.; 5. für 
Prüfung eines ärztlichen Zeigerthermometers durch Vergleichungen an 4 
Skalenstellen 1,00 M.; wird die Prüfung auf mehr als 4 Stellen ausgedehnt, 
so erhöht sich die Gebühr für jede weitere Stelle um 0,20 M.; 6. für die 
Prüfung eines ärztlichen Thermometers, welches die zugelassene Fehlergrenze 
nicht einhält, 0,20 M. 

B. Bei anderen Thermometern aus Glas: 7. für jede Eispunkts¬ 
bestimmung 0,15; 8. für eine Prüfung einer Skalenstelle durch Vergleichungen 
in Temperaturen über 0 bis einschliesslich 50 Grad 0,25 M., diese Gebühr 
ermä8sigt sich auf 0,15 M., sofern die Fehlerangaben nur auf Zehntelgrade 
verlangt werden; 9. für Prüfung einer Skalenstelle durch Vergleichungen in 
Temperaturen unter 0 Grad bis zu —20 Grad hinab 0,50 M., über 50 bis 
einschliesslich 100 Grad 0,40 M., über 100 bis einschliesslich 200 Grad 0,50 M. 
über 200 bis einschliesslich 300 Grad 0,60 M v 

C. Im Allgemeinen: Für Calibrirungen und sonstige unter No. 1 bis 
9 nicht aufgeführte Prüfungsarbeiten, sowie für die Prüfung anderer als der, 
dort genannten Thermometer werden Gebühren nach Massgabe der aufge¬ 
wendeten Arbeit erhoben und wird dabei für jede Arbeitsstunde eine Gebühr 
von 1,50 M. angesetzt. 

Für Aufätzung einer Strichmarke oder einer anderen vorgeschriebenen 
Bezeichnung wird eine Gebühr von 0,10 M. berechnet. Für Aufbringung der 
laufenden Nummer, für Stempelung, sowie für Ausfertigung einer Beschei¬ 
nigung oder Beglaubigung gelangen besondere Gebühren nicht zur Erhebung. 

Bemerkung über die Abfertigung von Thermometern. 

Die Abfertigung von ärztlichen Thermometern wird in der Regel in 
höchstens 3 Wochen, gerechnet vom Tage des Einganges der Sendungen an, 
bewirkt werden, sofern die letzteren nicht mehr als etwa 100 Thermometer 
enthalten. Sendungen von nicht mehr als 15 Stück lassen sich meistens in 
kürzeren Fristen erledigen, Sendungen von mehr als 100 Instrumenten bean- 



Personalien. 


127 


sprachen längere Zeit. Für andere als ärztliche Thermometer wird die Zeit 
der Erledigung durch den Umfang der erforderlichen Prüfung bedingt, allge¬ 
mein gültige Fristen der Abfertigung lassen sich deshalb hier nicht fest¬ 
setzen, doch wird die Erledigung der Sendungen von mässigem Umfang auch 
in diesen Fällen meistens in etwa 3 Wochen zu bewirken sein, sofern nicht 
etwa für die Prüfung noch einige Vorkehrungen getroffen werden müssen. 

Für die Reihenfolge der Abfertigung ist der Tag des Einganges der zu 
prüfenden Thermometer allein massgebend; besondere Wünsche von Be¬ 
theiligten auf schnellere Erledigung ihrer Sendungen können im Allgemeinen 
nicht berücksichtigt werden. 


Zulassung zur ärztlichen Prüfung. Erlass des Ministers der etc. 
Medicinalangelegenheiten (gez. im Auftr. de la Croix) vom 31. Octo- 
ber 1888, an sämmtliche Universitäts-Kuratoren. 

Nach § 4. Abs. 4 Ziffer 3 der Bekanntmachung, betreffend die ärztliche 
Prüfung vom 2. Juni 1883 ist die Zulassung zur ärztlichen Prüfung durch den 
Nachweis bedingt, dass der Kandidat nach vollständig bestandener Vorprüfung 
noch mindestens vier Halbjahre dem medicinischen Studium gewidmet hat. 

Betreffs derjenigen Fälle, in welchen ein Kandidat die Vorprüfung mehr 
oder weniger lange Zeit nach dem Beginne eines Semesters abgelegt bat, 
konnte es zweifelhaft werden, in wie weit ein solches Semester auf die nach 
Erledigung der Vorprüfung nachzuweisende Prüfungszeit in Anrechnung ge¬ 
bracht werden könne. 

Einem hierüber mit dem Herrn Reichskanzler getroffenen Ueberein- 
kommen gemäss wird letzteres in der Regel nur dann geschehen können, 
wenn die Vorprüfung vor dem äussersten Termin für die Immatrikulation 
bestanden wurde und nur ausnahmsweise bei dem Obwalten besonderer Ver¬ 
hältnisse, wenn die Vorprüfung erst nach diesem Termine erledigt wurde. 

Gesuche um Bewilligung einer Abweichung von dem oben als Regel be- 
zeichneten Grundsätze werden auf dem in § 27 der Bekanntmachung, 
betreffend die ärztliche Prüfung vom 2. Juni 1883 vorgezeichneten Wege 
erledigt. 

Ew. Hochwohlgeboren wollen hiervon den Studirenden der Medicin mit 
der Mahnung gefälligst Kenntniss geben, dass sich dieselben zur Vermeidung 
einer späteren Verzögerung der Zulassung zur ärztlichen Prüfung die recht¬ 
zeitige Erledigung der Vorprüfung angelegen sein lassen. 

Da aber, wie hier bekannt geworden, in mehreren Fällen der erste 
Termin für die Ablegung der ärztlichen Vorprüfung in einem Semester erst 
nach Ablauf der für die Immatrikulation festgesetzten äussersten Frist anbe¬ 
raumt worden ist, wollen Ew. Hochwohlgeboren gefälligst dahin wirken, dass 
bei der dortigen medicinischen Fakultät auf die im Vorstehenden mitge- 
theilten Verhältnisse bei Ansetzung der Termine für die ärztliche Vorprüfung 
fortan Rücksicht genommen wird. 


Personalien. 

Auszeichnungen: 

Verliehen: Der Character als Wirklicher Geheimer Ober- 
medicinalrath mit dem Range der Räthe erster Klasse: dem Generalstabs¬ 
arzt der Armee und Chef des Sanitätscorps Dr. von Coler zu Berlin; als 
Sanitätsrath: den praktischen AerztenDr. Fontheim in Sycke, Dr. Brandes 
in Hildesheim, Dr. Rump in Münster i/W., Dr. Schantz in Witten, Dr. Lotz 
in Frankfurt a/M., Dr. Liman in Nauen Dr. Burkart in Bonn und Dr. 
Pütter in Stralsund. 

Die Erlaubniss ertheilt zur Anlegung: des Ritterkreuzes des 
Königl. Schwedischen Wasa-Ordens: dem Assistenzarzt Dr. Ludwig in 



128 


Personalien. 


Halle a/S.; des Ritterkreuzes H. Klasse des Herzogi. Braunschweigi¬ 
schen Ordens Heinrich des Löwens: dein Oberstaos- und Reg.-Arzt Dr. 
Stahl zu Frankfurt a/O.; des Türkischen Medschidje-Ordens II. Klasse: 
dem ausserordentl. Prof. Dr. Schweninger in Berlin. 

Ernennungen und Versetzungen: 

Der bisherige commissarische Verwalter der Kreiswundarztstelle des 
Saalkreises Dr. Hoffmann zu Halle endgültig zum Kreiswundarzt des ge¬ 
dachten Kreises; der praktische Arzt Dr. Cordes zu Dorsten unter Belassung 
an seinem Wohnorte zum Kreiswundarzt des Kreises Recklinghausen und der 
bisherige Kreiswundarzt des Kreises Cosel Dr. Bleisch zu Cosel zum Kreis- 
physikus des gedachten Kreises. 

Versetzt: der Kreisphysikus Dr. Blumenthal zu Militsch in gleicher 
Eigenschaft in den Kreis Insterburg. 

Verstorben sind: 

Die praktischen Aerzte: Dr. Gittermann in Hannover, Sanitätsrath Dr. 
Fischer in Berlin, Kreiswundarzt Dr. Kux in Erkelenz, Dr. Köhler in Rag- 
nit, Dr. Mangold in Köln, Honemann in Büsum, Prof. Dr. Brock in Göt¬ 
tingen, Dr. Klein in Königsberg i/Pr., Kreisphysikus a. D. Medicinalrath Dr. 
Bickel in Wiesbaden, Dr. Joh. Heinr. Schmidt in Frankfurt a/M., Sanitäts¬ 
rath Dr. Mosler in Gleiwitz i/Schl., Oberstabsarzt Dr. Berkofsky in Prenzlau, 
Prof. Dr. Gscheidlen in Breslau, Dr. Zaczek in Zoppot, Dr. Cruppi in 
Bockenem, Dr. Markers in Ruhrort, Dr. Woltering in Münster i/V., Vogel 
in Trochtelfingen und Dr. Schädla in Oelsburg bei Peine. 

Vakante Stellen:*) 

Kreisphysikate: Putzig, Königsberg i/N. (nördlich), Filehne, Witkowo, 
Neutomischel, Schildberg, Lissa, Goldberg-Haynau, Militsch (Meldung bis 
zum 12. April beim Reg.-Präs. in Breslau), Waldenburg, Nordhausen (Meldung 
bis zum 5. April beim Königl. Regierungs-Präs, in Erfurt), Uslar, Hümmling, 
Adenau, Daun, Oberamt Gammertingen. 

Kreiswundarztstellen: Fischhausen, Darkehmen, Heiligenbeil, Heyde- 
krug, Oletzko, Tilsit, Karthaus, Marienburg, Loebau, Marienwerder, Graudenz, 
Angermünde, Templin, Friedeberg, Ost- und West-Sternberg, Bütow, Lauen¬ 
burg i/P., Dramburg, Schievelbein, Bomst, Schroda (Meldung bei der Königl. 
Regierung, Abtheil. d. Innern zu Posen), Bromberg, Strehlen, Ohlau, Kosel, 
Hoyerswerda, Lauban, Reichenbach, Grünberg, Münsterberg, Sagan, Jerichow I, 
Wanzleben, Wernigerode, Worbis, Sangerhausen, Ziegenrück, Langensalza, 
Höxter, Lübbecke, Warburg, Lippstadt, Meschede, Hünfeld, Erkelenz, Kleve, 
Bergheim, Rheinbach, Wipperfürtn, Elberfeld und St. Wendel. 


Erklärung zu No. 8, 1889. S. 94. 

Auf Wunsch des Herrn Prof. E. v. Hofmann füge ich dem Referat S. 94 
No. 3 (jem hinzu, dass der Aufsatz über *Vergiftung mit Tollkirschen* zwar 
im Institut des Herrn Prof. E. v. Hofmann ausgeführt, aber sonst durchaus 
eine selbstständige Arbeit seines Assistenten des Herrn Dr. Pal tauf ist. 

Dr. Mittenzweig. 


*) Wo ein bezüglicher Vermerk fehlt, sind die Stellen entweder noch 
nicht ausgeschrieben oder die officiellen Meldefristen bereits abgelaufen. 


Verantwortlicher Redacteur: Dr. H. Mittenzweig, Berlin, Winterfeldtstr. 3. 
Druck der Fürttl. prlv. Hofbuchdruckerei (F. Mltzlaff), Rudolstadt. 






imißiis 




Hersnggtigehen tos 


Dr. QTTO RäPMÜWD 

Reg. «BÖ Medkinalralh in Aanch. 


De H. MITTENZWEIG 

GenchÜ. Sudtphysikus in Berlin 


Dr. WO.H. SANDER 

Medirinslrath nad Direktor 4« irrjuausult Dalldorf-Berlin. 


Yeriag von Fischers mediCi ßuehhdig, H. Kornfeld, Berlin NW. 6 


i % Jini«« 9f£Ha»t* 

’&XQÜ jährlich 6 • Hjirk, 


Original-J&i itheilungrea; 

Otoftdf Äi das iM 'Pwfe*$ox 
v , Itir* fxft . , v: , * ... . 

?nr C.N^äistik ilü€ Kajaptes gegeo cJen 

Voa Xn* Altert 
; *y > '• •£%* **v , ' . 

; vSiatiitlÄcher Bwjrfdbt der tytrterrjc&fe'- 
AUBtüU. füt HUfttaar^Hd^UDde äü ££riiß 
\6tü April bi» -Oototar ,i&& 

V ou Ifty 1?*Y*at 4Htfi*muaäii » . . • . 

üjs n ln der 
ij&ef ;ICieF£>fci5im»j bebal Bemer- 
PewphJgits unutus nvo~ 
iiAtiiCiite, , Voh i?r^ ^bemann a yV.; 
Xur ; ^i>^Av^; . rd^t ficüswirbaM'er- 
tetem'tgrxO. Vop liif', Ussavr . .. 







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RH 
















130 


Dr. Falk. 


Das Missfallen richtet sich dort gegen die Bestimmungen 
über die Revisionen der Privat-Irrenanstalten. Dabei wird an¬ 
scheinend vorausgesetzt, dass hier durch jenen Ministerial-Erlass 
etwas ganz neues geschaffen sei; es scheint nicht erwogen zu sein, 
dass diese Institute von jeher, wie alle Einrichtungen der öffentlichen 
Gesundheitspflege, der Controle der Staatsmedicinal-Beamten, 
einschliesslich der Kreis-Physiker, unterstanden haben, und 
wenigstens in und nahe der Hauptstadt, von wo das Schriftstück 
datirt ist, waren auch die Kieismedicinalbeamten zu eingehenden 
Visitationen der Privat-Irrenanstalten immer angehalten, und man 
wird ihnen doch nicht jetzt diese Obliegenheit nehmen wollen, 
wo allseitig, erst jüngst wieder im Landtage, die Nothwendigkeit 
der Stärkung der medicinalamtlichen Stellung anerkannt worden 
ist. Welche Widrigkeiten wären ermöglicht, wenn auch noch 
andere Persönlichkeiten mit der regelmässigen Revision betraut 
werden sollten! 

Jenes Gesuch verlangt aber als Regel Revision durch einen 
besondem „psychiatrisch vorgebildeten“ ärztlichen Commissar. 
Ja, welche psychiatrisch vorgebildete Persönlichkeiten sollen den 
Medicinal-Beamten entgegengestellt werden? Vielleicht kann jeder 
angestellte Staatsmedicinal-Beamte schon als gehörig psychiatrisch 
vorgebildet gelten, weil er doch eine theoretische und praktische 
Prüfung in Irrenheilkunde abgelegt hat. Allem Anschein nach 
ist dort eine Vorbildung als Irrenanstalts-Arzt gemeint; nun dann: 
in einer privaten oder einer öffentlichen Anstalt, als Hilfsarzt oder 
als Leiter? Welcher Zeitraum dieser Beschäftigung wird für aus¬ 
reichend erachtet? Sind übrigens nicht auch eine ganze Anzahl 
unserer Medicinal-Beamten in Irrenanstalten ärztlich thätig ge¬ 
wesen? 

Die Herrn Petenten meinen: „Revisionen von Irrenanstalten 
sind äusserst schwierig durchzuführen.“ Nun, dem entgegen sei 
es gesagt, dass besondere Schwierigkeit wohl nur verhältniss- 
mässig wenige, grosse Privat-Institute zu bieten vermöchten, und 
in diese kann jetzt der Beamte anlässlich der Begutachtung von 
Neuaufnahmen, Entmündigungs - Vorbesuchen u. a. m. kommen, 
also auch ausser den Revisionen oft genug, um in das Anstalts¬ 
getriebe aufmerksam zu schauen. Aber man sehe auch, wohin 
sich nach den gütigen, durchaus begründeten Bestimmungen die 
Revisionen zu wenden haben: Wesentlich sind es hygienische und 
administrative Dinge. Da handelt es sich nicht um feine Hirn- 
Diagnosen, die im weiteren Verlaufe der Krankheit bestätigt oder 
— ad absurdum geführt werden, nicht um kühne Prognostik, die 
der Erfolg krönt oder Lügen straft, nicht um therapeutisches Ex- 
perimentiren. Grade in diese Materien könnte ein psychiatrischer 
Specialist einzudringen geneigt sein, wodurch aber die Aerzte der 
revidirten Anstalten nichts weniger denn „ermuthigt, in dem 
schweren, verantwortungsvollen und aufreibenden Berufe auszu¬ 
harren“, sich fühlen dürften. Es ist von andrer Seite darauf 
hingewiesen worden, dass auch auf den Krankheitszustand geach¬ 
tet und darüber berichtet werden soll; nun da handelt es sich 




Offerier Briet 


einfach thails ' der OeMtskrankfioit überhaupt 

(und dies ist den B^mtey ;tiö allgemeinen hinreichend ermöglicht), 
theils uia zusammenfassende Bebilderung des Verhaltens der 
Kray keß; ob rüJiig, isolirt, reinlich, ( dgi Hf ''.,N :. V : 

Also aiag es getrost, beim bisherigen Modus bleibe», der 
meines Wissens noch nirgends Schade» gestiftet hat; die Verlas* 
ser Ä Gesuches scheinen solches auch zu empfinden und wo!iß» 
allenfailö nißkt sammtliche Mediemal-Beamte von döo Anstalts- 
Reyhupnefi Äur^fcwdiseJi, nur ntaeht es dort Pei», dass die Kjots- 
Physiker als Revisoren fiingireo sollen; sie möchten nur den Re-. 
gieniugs-Mödiciaalr&tli auiÄssßü, 

Nun, die Revifitooen der privat-Ifrenanstalf.Qn sind meist 
nicht sö besonders anregend, dass die Physiker tieferes EntÄttcken 
davon empfinden sollten; sie liegen aber diesem fechäffce jeder 
Zeit mit der nämlichen 'Anitatreue and Clowissenhafiigkeit wie 
allen ihren anderen Bemfearbeiteii oiy. Besonders emplehlens- 
werth kamt übrigens für alle.Betheiligt,o«, auch dein Physikas,. ein 
Brauch «mcheineii, nach welchem von den jetzt votgeschriebenen 
12 Jalmesrevisioneß die eine vom Ftegim-iuagstath, die andere vom 
Pljysikim vorgenommen wird. Rn Gesuche Sott. bew& wir: Der 
Regiertingsrath dürfte jedenlails geeigoeteir als - 


sein, denn „bei jenem darf nine grössere Erfahhing und; grossere 
Vorsicht vorausgesetzt werden.“ Was bereßhügt dortv ünyottucb- 
tigkeit der Physiker bei den Revisionen Änsaaehmen? Rind dort 
Beispiele bekannt? Ich und eine ganze Anzahl von mir des¬ 
wegen consnltirtßr Amtsgenossen weis« davon nichts; und wir 
stehen diesen Verh^Mieft.%^ 

Ist doch zu erwäbneo, dass, abgeMlibn yofi der individuell ver¬ 
schiedenen Fähigkeit* «ich Erfahrttngß»; zu nutze zu machen, diese 
sich vornehmlich aus der tätige der Beobachtungszeit, d. h. der 
Dienetjahre, und aus dem Umfange des Beobachtungsgebietes, 


d. h, der Grösse und Eigenart des VerwaRaagsbestrkea, heran»- 
bildet; beideH steht aber auch so manchem Pfeysftas;i#HgreiftoÄ 
zu Gebote. Nach dort beliebter Ausdrftckswieise bat der Kreis- 
physikuf? dem Änstaltearzte gegenüber die „genögcrc Äiiksjurl tät“; nun, 
alle Achtung vor dem höheren Ansehen des höher»?» Beamten; 
wenn aber wirklich, wovon ich gerade kein Beispiel zur Hand 
habe, ein Physikus hier nicht de» erforderlichen Grad von Au¬ 
tor?!» • ••■• m ■ m 

PersöiUieiikr-it, Olch t •<*$$% des Äfirtes gdegeü 

habe». - 

mit ■ könnte es doch wohl 

zwei» tieulich: i ; Viw- 

hältvor- tt m huJ.U!u‘U jdlicht- 


her Kruste £.>öc 


132 


Dr. Weiss. 


Zur Casuistik des Kampfes gegen den Geheimmittelunfug. 

Von l)r# Albert Weiss, König], Regierungs- und Geheim. Medicinalrath 

in Düsseldorf. 

(Aus „Eulenberg’s Vierteljahrsschrift, 49 Bd. 4. Heft und 50. Bd. 1. Heft“). 

Zur Kennzeichnung und thunlichsten Steuerung des unbefugten Vertriebes 
von Arznei- und Geheimmitteln diene nachstehende Zusammenstellung von ge¬ 
richtlichen Urtheilen, welche in den Jahren 1886/87 im Regierungsbezirke 
Düsseldorf gegen Uebertretungen folgender gesetzlicher, bezw. pohzoilicher 
Vorschriften ergangen sind. 

11 Der Kaiserlichen Verordnung vom 4. Januar 1875 (R.-G.-BL S. 5). 

2) Der Kaiserlichen Verordnung vom 3. Januar 1888 (R.-G.-B1. S. 1). 

31 Des Reichs-Strafgesetzbuches (§ 367 No. 3 u. 5). 

4) Der Regierungs-Polizei-Verordnung vom 7. December 1853 (Amtsbl. 
S. 684), republ. 19. März 1887 (Amtsbl. S. 149). Dieselbe lautet: Wer unbe¬ 
fugter Weise irgend welche Stoffe als Heilmittel gegen Krankheiten oder 
Körperschäden öffentlich anpreist, oder als ein solches Heilmittel verkauft 
oder feilhält, wird mit einer Geldbusse von 3 bis 10 Thalern bestraft, vor¬ 
behaltlich der durch die sonstigen gesetzlichen Bestimmungen verwirkten 
strengeren Strafen. 

5) Der (nur auf dem linken Rheinufer) gültigen französischen Gesetze 

a) vom 21. Germinal des Jahres XI: 

Art. 86: Alle gedruckten Ankündigungen und Anschläge, welche Ge¬ 
heimmittel zur Anzeige bringen, sind, gleichviel unter welcher Be¬ 
nennung dieselben dargeboten werden, streng verboten; 

b) vom 29. Pluviose des Jahres XIH: 

Diejenigen, welche den Bestimmungen des Art. 36 des Gesetzes vom 
21. Germinal des Jahres XI., die Polizei des Apothekerwesens be¬ 
treffend, zuwiderhandeln, werden im zuchtpolizeilichen Wege verfolgt 
und mit einer Geldstrafe von 25 bis 600 Francs und überdem im 
Rückfalle mit Einsperrung von mindestens 3 und höchstens 10 Tagen 
bestraft. 

Beide vorgenannten Gesetze sind nach der Entscheidung des Reichs¬ 
gerichts vom 25. Mai 1882 (Rechtsprechung, Band IV. S. 512), sowie des 
Königlich Preussischen Kammergerichtes vom 11. November 1886 (Zeitung des 
RheinprouRsischen Amtsrichtervereins 5. Jahrgang No. 10 und 12) noch heute 
(auf dom linken Rheinufer) zu Recht bestehend. 

Ein gleiches gilt nach derselben Entscheidung des Reichsgerichtes auch 
(und zwar für den ganzen Regierungsbezirk Düsseldorf, also einschliesslich der 
rechtsrheinischen Kreise desselben) von der (bei 4) angeführten Regierungs- 
Polizeiverordnung. 

Denn hier bleiben, wie dies überzeugend nachgewiesen wird, gerade weil 
die Vorschriften des § 367, 3. R.-Str.-G.-B., eine Strafbestimmung für das 
Anpreisen von Heilmitteln nicht enthalten, und diese Materie durch das Straf¬ 
gesetzbuch nicht berührt ist, die vor Erlass des letzteren ergangenen gesetz¬ 
lichen Vorschriften und Verbote in Kraft. 

Zuerst folge nachstehende Uebersicht: (Siehe nebenstehende Tabelle.) 

Die ergangenen Erkenntnisse lauten im Wesentlichen, wie folgt: 

I. Bei einer am 6. Mai 1886 zu Pr. im Aufträge der Kgl. Regierung zu D. 
durch den Reg.- u. Medizinal-Rath und den Hofapotheker N. N. vorgenomme¬ 
nen Durchsuchung wurden in dem Lagerkeller des Angeklagten die nachbe- 
zeichneten Gegenstände aufgefunden und als Arzneimittel, deren Verkauf nicht 
freigegeben, beschlagnahmt: 

ll Fenchelhonig, 

2) Daubitz Magenbitter, 

Eisenlebertnran, 

Lestomac, 

5) Hustenicht, 

6) Weisser Fruchtbrustsaft von J. W. Becker, Frodeberg in Breslau 
mit Gebrauchsanweisung. 

7) Augenwasser, mit Gebrauchsanweisung. 



Zw Cawisiifc de* Kampfes gegen den (lelieimmittelunfug. 


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1.1 1 1 Feftcbelhonig, 

: 2) KisenleWthran. 

ty) fluütenio-iifj I 

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134 


Dr. Weiss. 


No. 


Gegenstand 



(Droguist.) 

XIX. I Gifte und starke Arzneien 1 — Landgerichts D. 40 4 

(Jodkali, Chinin, Chlo- 
ralhydrat, Brechwein¬ 
stein, Zincmn sulfuri- 
cum). (Grosshandel?) 

(Droguist.) I 

XX. Brandt’s Schweizerpillen. 1 — Desgl. E. 20 2 

XXI. Russischer Spiritus, Wach- 1 — Schöffengerichts E. 100 20 

xxn. holder-und Fliederex- 1 — Landgerichts E. 20 2 

XXin. tract, Flüssigkeit ge- 1 — Oberlandesgerichts. 10 1 

gen Frostbeulen, Chi- 20 2 

na-Essenz, Malzex- 
tract mit Eisen. 


Angeklagter giebt zu, die unter 1, 8, 5 und 6 aufgeführten Waaren feil- 

f fehalten zu haben und bestreitet dies nur von den übrigen (2, 4 und 7), die 
ediglich zu seinem persönlichen Gebrauche bestimmt gewesen. 

Dieser. Aussage musste mangels Gegenbeweises Glauben geschenkt werden. 
Dagegen war der ferneren Behauptung des Angeklagten, dass der Ver¬ 
kauf jener Waaren allgemein freigegeben, nicht beizutreten. 

Unzweifelhaft ist zunächst das Feilhalten des Fenchelhonigs, eines 
aus geringwerthigem Honig, Malzextract und Fencheloel hergestellten Präpa¬ 
rates, nur in Apotheken gestattet, nach der Kaiserlichen Verordnung vom 
3. Januar 1883 (R.-G.-B1. S. 71). 

Auf die Nummern 3, 5 und 6 treffen die Voraussetzungen der Kaiserl. 
Verordnung vom 4. Januar 1875 (R.-G.-Bl. 8. 5) zu. 

Nach § 7 dieser Verordnung wird für die Anwendbarkeit des § 367 
Ziff. 3 Strafgesetzbuches nur erfordert, dass die fragliche Zubereitung nach 
einer der im Verzeichnisse A. aufgeführten Arten als Heilmittel hergestellt und 
abgegeben ist, ohne Unterschied, ob die betreffende Zubereitung aus arzneilich 
wirksamen oder aus solchen Stoffen besteht, welche an und für sich zum 
medicinischen Gebrauche nicht geeignet sind, und ob die verwandten Stoffe 
an und für sich dem allgemeinen Verkehre freigegeben sind, oder ob dieselben 
nur in Apotheken feilgehalten werden dürfen. 

Nachdem in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen hier allein 
massgebenden Gutachten der beiden vernommenen Sachverständigen ist der 
„Eisenleberthran“ eine Mischung von benzolsaurem Eisen mit gering¬ 
werthigem Leberthran. Derselbe fällt sonach, da die Zubereitung und das 
Feilhalten der hier fraglichen Waaren als „Heilmittel* nicht wohl bezweifelt 
werden kann, unter die Gattung „flüssige Arzneimischungen für den inner¬ 
lichen Gebrauch 14 . 

„Hustenicht“ ist Malzextract mit Auszug von Süssholzwurzel, somit 
nicht reiner „Malzextract“, und unter die Gattung „Arzneiextracte“ gehörig. 

„Weisser Fruchtbrustsaft“ ist ein Zuckersyrup von schwach zwiebel¬ 
artigem Geschmack vermischt mit einem schwachen Auszuge einer gerbstoff- 
haltigen Pflanze (Capillum veneris), somit „Arzneisyrup“ und nicht „reiner 
Fruchtsaft“ oder „weisser Zuckersyrup“. 

Der Angeklagte ist sonach der Uebertretung aus § 367 Ziff. 3 Straf¬ 
gesetzbuches schuldig. 

Mit Rücksicht auf die mehrfachen Vorstrafen des Angeklagten wegen 
der gleichen Uebertretung erschien das verhängte Strafmaass angebracht. 

Der Kostenpunkt ergiebt sich nach § 497 Str.-Pr.-O. 











Zur Casuisdik dfea Tüiiapfe grajen den (jeheiinmittejumug 


im 


II. KrlsönnliJiss! du? Bc.bdJ'feivgerifchjt? zu 1). vom 28. Juli 1860. 



and i« dW KuhI-vti YüruirtUuilfc und zwtur mH (tilgender Begründung ■. 

Per Angeklügfev giöbt -in, Im «GifooiUl;U«ingolr• vom 17. AprU d. .1. dtc 
•iOgftnittstdi‘fi „ LSviimit sch>:>n Schwu«i''’>{'.'lU , vf * emplV.bitm xu hüben, 

.tfuciideoi der AiigyklHgifi schon. Vw Jahren wögen de« uulffiftigfeo Ti>f- 
kaufe 4tefe Küw h*t ■&: nunmehr. wie m- aiigiebt. iteh 

-i t. i .■ t ' . i. : ttr •». ; i.v **•.«. 3 . . ii _„v-. i». 



Frankfurt am Mai tu >..d»kk**tj : w : ivhnvn.ii.>)io Kahhtng an ihn . ortolgk. E* 

kan» dahibg^stulU. 'Weiber., ob dntvl» dWses durch der Ah- 

geklagte mm Jfcfttttfrijig:' v/egsn nniiufiigt<MT F^ülmlten^ xm 
vorbw iLf*>n will. din An wundHark eit des ^ 1 ite Kiuserl. Veroivljrumg vorn 
.Ittjiiur 1875 W/av. lies § -Vdl Stv.-M.-B, uusgt^clilc^seu vard, ria der Äuge- 
'klagte /.ugaben m^ v da^s atidt in soim*r Woknmsg H(vhwöisei 7 >illen verkauft 
W or&ju Mxui tnnl 2 wWrm> Verlauft* 4er iofc/Mt» Monate. 



v'hiiA 


m 


‘.itii 


T»ie -fe.prnifiong «Jdi Sdb.wofew'pUl.8» durch Annoncen 

im soditti« eine TfeAntretung 

voro Dtkfeulfe j#o3, und mit E&ek»eb.t dn^wif^ -das« AhgokltÄirf schon mm 
mal wugen Tt^V&ttfos;Ares«; Piilen S?ostvait wegen de« 



IJJ. Krkoaufcnls« des Sch0)'4 'b g<» r i cht»'xii ö. vom ■<- 'Sov-enihpr 

Dur Agent N. N. m N. wurde der XJfeertrßtung der rölhseivetüiÄ^tftg : 
vom 7. Decumbör l$S$’ (wegen unbefugter Anproisunjr von Hpilmittelo) für 
schuldig erkllirt, deshalb *n einer Geldstrafe von 15 Maik, im Ummrmfigeife 
falle 7rt einer Hitftstrafe von einem Tage und bi die IviMte.n. v»'.turtbr : iH.- f und 
'dies vit '.folgt 'Vomrflndotc. 

l?et Ifechtjldigfe huf fm ., Generalanzeiger' 4 unter der. liebfiiycbrlft 
,Wft'rft«p9Ä'.’ jrtwl ••Siä?pfcl«hjng;* angekniidtgt. er *jgn VerhAuf aedifer 

n ^i’li w: ^t VrPit Yisll i>rr ^ t» sviiil ili^vof waroAy, 

Verkauft 


■&MH 


l)a no^mr?h 4vb iiU^M riffon^Heber< Bblf lern 

ab Bt/ihniHel. gegen »md '^.UrtUclie Leiden ih«gej>rio^en 

und wr<hni mul,da- ftneij-b)- d^r. Aöitoru::^ »luu'b der» Iliriwijis aui 



inid zwar 


IV. Er. 


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IR jl, 


InBtanz 
nanntfün 
VKirurtkeilfc 









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136 


Dr. Weise. 


Per Behauptung des Angeklagten in der zweiten Instanz, dass in der 
von ihm ausgegangenen Annonce der vom Urtheil erster Instanz festgestellte 
Thatbestand nicht gefunden werden könne, konnte nicht näher getreten werden, 
da nach §§ 357, 368 Str.-Pr.-O. das Urtheil, gegen welches der Angeklagte 
Berufung nicht eingelegt hat, nur hinsichtlich des verhängten Strannaasses 
die Rechtskraft nicht beschritten hat, im Uebrigen aber rechtskräftig ist, und 
auch § 343 Str.-Pr.-O. dem von der Staatsanwaltschaft eingelegten Rechts¬ 
mittel die Wirkung, dass die angefochtene Entscheidung auch zu Gunsten des 
Angeklagten abgeändert oder aufgehoben werden könne, nur insoweit beilegt, 
als dieses Rechtsmittel selbst das Urtheil zum Gegenstände seines Angriffs macht. 

Die Berufung gegen das Strafmaass, welches als zu niedrig bezeichnet 
wird, erscheint aber durchaus unbegründet. 

Denn wenn das Urtheil erster Instanz auch irrig annimmt, der Ange¬ 
klagte sei noch nicht wegen gleicher Uebertretung bestraft, während er that- 
s&chlich bereits zwei Mal deshalb zu Geldstrafen verurtheilt war, so ist für 
die vorliegende Verurtheilung die Strafe doch für angemessen zu erachten, weil 
die fragliche Annonce in einer Weise abgefasst ist, dass sich daraus nicht 
unmittelbar, sondern nur mittelbar für den Leser die Annahme ergeben kann, 
es habe dadurch auf die Heilkraft der Schweizerpillen hingewiesen werden 
und eine Anpreisung derselben stattfinden sollen. 

Bei der Erfolglosigkeit der Berufung waren die Kosten nach § 505 Str.- 
Pr.-O. der Staatskasse zur Last zu legen. 

V. Erkenntniss des Schöffengerichts zu D. vom 15. Okt. 1886. 

Der Agent N. N. zu N. wurde des unbefugten Feilhaltens von Arzneien 
für schuldig erklärt, deshalb zu einer Geldstrafe von 10 Mark, im Unver¬ 
mögensfalle zu einer Haftstrafe von einem Tage und in die Kosten des Ver¬ 
fahrens verurtheilt und zwar mit folgender Begründung: 

Der Beschuldigte hat innerhalb der letzten 3 Monate vor Eröffnung des 
Verfahrens dahier ohne polizeiliche Erlaubnis sogenanntes Weissmann’s 
Schlagwasser feilgehalten und verkauft, und zwar nicht als blosses Präser¬ 
vativ-, sondern auch als Heilmittel gegen Schlagfluss-Erkrankungen, wie sich 
aus dem Inhalte der den Käufern als Anpreisung und Gebrauchsanweisung 
mit verabfolgten Brochüren ergiebt. 

Dieses Schlagwasser gehört aber nach seiner Erscheinungsform unzweifel¬ 
haft zu den im Verzeichnisse A zur Verordnung vom 4. Januar 1875 (R.-G.-B1. 
S. 5) aufgeführten Zubereitungen, da es eine flüssige Arzneimischung zum 
äusserüchen Gebrauche ist. 

Der Beschuldigte war daher nach § 367 No. 3 Str.-G.-B. zu bestrafen. 

Das Strafmaass entspricht den Umständen des Falles. 

Ueber die Kosten ist nach § 497 Str.-Pr.-O. entschieden. 

VI. Erkenntniss des Schöffengerichts zu E. vom 4. Febr. 1887. 

Der Kaufmann N. N. zu N. wurde der Uebertretung gegen § 367 No. 3 
Str.-G.-B. für schuldig erklärt, deshalb mit einer Geldstrafe von 20 Mark, im 
Unvermögensfalle 2 Tagen Haft und in die Kosten verurtheilt und dies, wie 
folgt begründet: 

Der Angeklagte hat gegen die polizeiliche Strafverfügung, durch die er 
mit 20 Mark Geldstrafe, event. 2 Tagen Haft belegt wurde, weil er in seinem 
Geschäftslokale Geheim- und Arzneimittel, deren Handel nicht freigegeben ist, 
feilgehalten, Widerspruch erhoben. 

Die Beweisaufnahme ergab Folgendes: Im Geschäftslokale des Angeklagten 
wurden bei einer ärztlichen Revision einige Schachteln „Vorbeugungsmittel“, 
sowie eine Dose Salmiakpastillen polizeilich beschlagnahmt. 

Letztere fallen unter die Kategorie „Arzneipastillen“, das „Vorbeugungs¬ 
mittel* unter die „Arzneisalben“, welche nach § 1 der Verordnung vom 
4. Januar 1875 nur in Apotheken feilgehalten werden dürfen. 

Zwar hat Angeschuldigter eingewandt, dass das „Vorbeugungsmittel“ 
nichts anderes sei, als Cold Cream. Unter letzterem Namen aber ist dasselbe 
nicht feilgehalten, daher der Einwand zu verwerfen. 

Hiernach musste thatsächlich festgestellt werden, dass der Angeklagte in 




Zur Cfusuistü in» Kampfi*' gpgoii tim '»phmmmiltal unfug. 


<rt»>eiii OpKi'!iärt.«lokAlp AnuiQK»» feHgritAUw Imt. _ <1 r»r<»ri Handel nioht frsig*- 
gi'lten j*E — Üpberti'otnng gegoß § .?6? No. 3 $tr,-Ö.-ö. 

; I.‘>vHßr|)al!i f>r*e!iien öok? GeliUifikfe v«iß 30 Marls, evsntl. 2 Tag« Haft 
imii der Ktwten angmnWefj>ii , ' 

'Vli. Krlf^rifitnl.V'. ,}«* SfthftftVn'göi-irbt* sn IX v o ut-25. Fr.br. 1887. 

f);>r Ki&pi(.i:tiui N. N. m N. womle dpi- VjXb&rireturig der .Regierung»- 
i'olp^’b' •'ror.hti.fig > 7. Docernbpr 1853 .ffir Pchtddig prkiärf., 'deshalb zu einer 

«5'ifU.b.U« \on 20 Marl;, ;;i*s rnwmri)gi\n>falte %u 2 Tagen Haft und in di# 

Kc*ipn vflrurtjliPiJ^ T : ^:v ; 'V'X " T .■ 

X>rrArtgbktagte ü»i guständi«'. im „Anzeiger'' ins November v. J. Fnlgendos 

t i , ■ . i •# • . •» l . /•» 7: rT l •/r„ k _ jl, Ti ? ..r. J___ 


'«jtf Beiimiitoi angepriosen bat. 

VIII. Krkniiiot rn r? <I h, ;Sebnfi>iigor ieH f s zu D vom 15.. h/pHl 388?.. 

■'Rer Dvöjrnfe.t Tf* N.‘ zu $f: wurde der Üebertmuhg d*»s § 3fi? No. 5 
Sh.-G :!1 und 0.<r hAdsevlkhen. Verordnung vom 4> Januar 1875 für schuldig 
erfcchi'H.. dbsüiüir’mi. eitler Gokhfrafe von 150 Mark, Im Vßvnnuögenstalle xn 
m', jfÜ^ /Ko^teti verurtheilt. V rv. c ;; ' ' ; 

lat Pebruär 3. J. wunfc- bfci'.irinör bei dem Ang^klägten yor^ööOmns<?äien 
Rcvimdii;eingericTitftter (^ifttiohrank, ^&r/cb Adm* 
^gflcheu iulutU, vor^mvden Im Laden und 
nicht vorhanden. 

Bei Rnrch*uchtwg' Angeklagte: zwei auf -.dem-. 

Jloib veisehictfscHo Thfuen als alte Abtritte, und ftföioto diese Thüren erst 
dann,, als da* .^wali^txne. : Eröffbnn'-'&ng* droht- -würde. in den Abtritten vrord^ 
Verdkcjit%oft. nicht vdrgeftmdeiu ThlU daseJbsfc bemerkt, 

die dor Angcikiagte .glfJähfalL? erst nach; st&ttgehabier Androhung öffnet«. V 
ju dio-^m Gelasse . wurden •- mschfedeue Arzneimittel iindstark wirkende 
t/iite durch einander Hegend anfgeiuDden, und zwar dl« Ajzftjgmnttel in so 
kleinen AI»mgonv dass von wpljh Großhandel vötf tagend nicht die Rede sein 
kormto- 

An&ekUgtor j£&taiv;l <w : h dta.$e Amiotan und Gifte verkauft m haben, 
Mi£ RöckHicht' auf di>f?e» gewerbHroIU^ige * und gömeingetlibrricbe Trei ben 
dö? . Angeklagter» würde egen Verkaufs von Ar?Jnei*n5itelÄ. : wt& Cieldetrafe von 
106 Mark und wiegen nicht vot^cbrifi>v»iiLssig;er AafheWährung von Giften eine 
Geldstrafe M^rk für gerechtJfertigt ei^htet urtd daher auf eine Ge 

sanirnt^lehl^lrate von 150 Mark, tvvenfj. SO Tagen Haft erkannt. 

Die KntscliuHlun^ wegen der Kosten beruhte auf § 497 Sh'.-Pr.-O. 

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Ibe Isauileule N ‘ S •;- • . A*m 

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138 


Dr. Weiss. 


Geschäfte hergestellt und verkauft, dieses Mittel auch von ihnen im Blatte 
bekannt gemacht werde. Sie behaupten jedoch, dass der Verkauf des „Kräuter- 
Block-Malzes“ nicht strafbar sei, da letzteres nicht im Verzeichnisse A. der 
Verordnung vom 4. Januar 1875 aufgeführt und somit der Handel mit dem¬ 
selben freigegeben sei. 

Diese Behauptung ist jedoch eine irrige, denn das von den Angeklagten 
feilgehaltene „Kräuter-Block-Malz“ wird nach deren eigenen Angaben zum 
Theil aus conzentrirten Extracten der besten und heilsamsten Kräuter her- 

f estellt. Hierunter sind „Zubereitungen als Heilmittel“ zu verstehen, deren 
eilhalten und Verkauf nach § 1 der Verordnung vom 4. Januar 1875 nur in 
Apotheken gestattet ist, und kommt es nach dem genannten Paragraphen 
nicht darauf an, ob diese Zubereitungen aus arzneilich wirksamen oder aus 
solchen Stoffen bestehen, die an und für sich zum medicinischen Gebrauch 
nicht geeignet sind. 

Die Angeklagten haben sich mithin einer Uebertretung gegen § 367 
No. 3 Str.-G.-B. und § 1 der Verordnung vom 4. Januar 1875 schiudig gemacht 
und waren in Gemässheit der genannten Bestimmungen zu bestrafen. 

Bei Festsetzung der Höhe der Strafe hat das Gericht erwogen, dass die 
Angeklagten bisher noch nicht bestraft sind und sich in dem guten Glauben 
befanden, dass der Verkauf von ,,Kräuter-Block-Malz“ freigegeben sei. 

Die Verurtheilung der Angeklagten zu Strafe hat zur Folge, dass ihnen 
auch gemäss § 497 Str.-Pr.-O. die Kosten des Verfahrens zur Last fallen. 

X. Erkenntniss des Schöffengerichtes zu D. vom 27. Mai J887. 

Der Kaufmann N. N. zu N. wurde der Uebertretufig der Regierungs- 
Polizei-Verordnung vom 7. December 1853 für schuldig erklärt und deshalb zu 
einer Geldstrafe von 15 Mark, im Unvermögensfalle 3 Tagen Haft und in die 
Kosten verurtheilt. 

Angeklagter war beschuldigt und geständig, im „Generalanzeiger“ 
Migränestifto“, angeblich aus. reinem Menthol bestehend, als „jeden Kopf¬ 
schmerz sofort lindernd“ angepriesen zu haben. 

Nach dem eidlichen Gutachten des Sachverständigen bestehen diese Stifte 
jedoch nicht aus reinem Menthol, vielmehr enthalten sie Menthol und eine 
allerdings nicht bedeutende Beimengung von Paraffin. 

Angeklagter war daher nach der Kaiserlichen Verordnung vom 4. Januar 
1875 als Kaufmann zum Verkauf der Migränestifte nicht berechtigt, mithin 
auch zu deren Anpreisung nicht befugt und demgemäss nach obiger Polizei¬ 
verordnung zu bestrafen. 

Die durch richterlichen Strafbefehl festgesetzte Geldstrafe von 15 Mark 
ev. 3. Tagen Haft erschien angemessen und den Kostenpunkt bestimmt § 497 
Str.-Pr.-O. 


XL Erkenntniss des Schöffengerichtes zu C. vom 16. Juli 1887. 

Der Droguist N. N. zu N. wurde der Uebertretung der Regierungs-Polizei- 
Verordnung vom 7. December 1853 für schuldig erklärt und deshalb unter Auf¬ 
erlegung der Kosten zu einer Geldstrafe von 30 Mark, an deren Stelle im 
Nichtzahlungsfalle für je 5 Mark 1 Tag Haft tritt, verurtheilt. 

Angeklagter, als alleiniger Inhaber der Firma N. N. zu N. war be¬ 
schuldigt, im „Generalanzeiger“ zu C. sogenannte „Hy drops-Essenz“ als 
Heilmittel gegen Wassersucht angepriesen zu haben. Angeklagter gab zu, 
das fragliche Inserat, durch welches in jedem Stadium sichere schnelle Heilung 
der Wassersucht durch „Hydrops-Essenz“ versprochen wird, unter Vermittelung 
der Annoncen-Expedition N. N. zu N. eingerückt zu haben, bestreitet aber die 
Rechtsbeständigkeit der erwähnten Regierungsverordnung vom 7. December 
1858 gegenüber den Vorschriften der Gewerbeordnung. 

Dies Bestreiten ist jedoch unbegründet. Auf Grund des Art. 36 des 
Gesetzes vom 21. Germinal des Jahres XI und des Gesetzes vom 29. Pluviose 
des Jahres XH1, welche noch zu Recht bestehen, war die Königliche Re¬ 
gierung — wie auch das Kammergericht in dem Erkenntnisse vom 11. Novem¬ 
ber 1886 (Zeitung des Rheinpreussischen Amtsrichtervereins, 5. Jahrgang, 
No. 10 und 11) angenommen hat —- zum Erlasse obiger Verordnung befugt, 
und sind insbesondere durch § 367. No. 3 R.-Str.-G.-B. die Bestimmungen jener 



Zui Casundik des Kampfe:* gegen den Gnhoimmittohuthjg.. 1 tUl 

^röiwtee» wfljGhis das Aiilsöudigon von Kdlmifctcln yorl^ftt^n, nicht ittifgeholiftn 
iOj-j.^ohorr, n>ko 26). 

June liegierungsvorordzumg verbietet aber daa uabofügto FiuHddtan und 
Ängrown von ijeitmittaln. '•; " •'.'.- 

r uludugt ist tWf wa«-;nicht i»rto.«bt ist. Erlaubt ist aber da»; FoUlnotcti 

von Ajpäxioj- ,\taÖ Axdr dedlmdgön, did (ojf • Örwjid deiÖßwerdwB p. : 

or(Wü£ vii©Approbation ot-litngt lütt!®»«-./' ÄjndhßliAttt- 

pmhbsgium oder eine t7eneß*i«ion, Öer knß) , ‘ - . * ; • :'£ • 

Dies« Approbation ’M bejntzon- hat der Angeklagte nicht ßmnj*.i sstv lio- 
havipteu gtuw&gL V • ’ - • , 

iV.'Uinacii ist wwiusen,- .hü* nr ‘»bigt» {»«gkmögaTm'rrJnaBg 'ahnrtw^fts; 
bat. Er w».v dsdie»' wogen Ijßdmidrefcung-Ku vöniribeÜßn/cyöio Kuer* 

lumntfi Strafe emdü«n mit Rücksicht anf serne vielfachcit VopfträftiR tibnüchev 
Art. angemessen mul dm Kfcßdfcn troffen ihn geniäUs $ 49? Strb-Pr.-O. - /y-i'V; •""? 

SU. Erkenntnis» des 8cb?>ff<usg* ric.b U zuC. vom 14. Septembet 1887. 

Der Blicker und Wirth N. R zw N. würde wegen^ unbet^hn; Ankön-- 
digwng eines Heiinattet« zu niftftr Geldstrafe von 10 Mark e.v. % Taget; tiaft 


vorarfhei.H. 



geiiuiintpa 

..... . JPIHIL,.. .. !.■■■■ .PH 

D'icHoriieih durch polizeilicheStrafverfiigung tun'Grand der Uegjemngs- 
vn Ordnung vom 7. Beonoiher lA r *d mit 10 Mark Geldstrafe bestraft, bat er 
gegen diese Verfügung Einspruch «rüobßn. Dieser Einspruch ist nißfet gh- 
rechtfertigt. 

..Ejra^ :'li«)feidHeben Gesetzen vom 21. Gsnoitt&l XI und 

2f>. P.wu-'iul XlB , u-wv. d#>j* vomngdxoge.ri^u Rogrnriinj^v^rofdjatmg feit dtxt 
Vaii t&rbotHn.. y \ _ 

ife yal£be tind Alter Ütfr gttren. Kriiivkbeileii eiürifoblen^ Mittel 

' ^1.:^ • V. __~~ .11_ :.-vA^ ' Al*.'- . 



Diet-e Kriterien treffen i>ei dem vom Angeklagten hinpfohhinon „Eisen- 
wein ,f der, .wie er «einst zugiebt, aus einer Anzahl verschiedenartiger Stoffe 
zusatiitMongespkt ist. 

A ägohlagtei war dahet wegen Zuwiderhandlung gegep vorgenannte Ge¬ 
sotz.*’ ?.o Wttmfrn und hat nach $ 4W">. Str.-Pr.-O. die Kosten -des Verfahrens 
zu thtgwi. 

Klü. Erk Au u töjkä d»s Schdff esgorichts in ,J)/ ; yottk'-h- J. : uli 1 . 887 ,.' 

Der Kaufmann N N. zu B; wird dos üftbefo^dn ARptvasctis von Beii- 
raittftl« Rlr »chüh% «klilrt und : d»ihaih^ .^!u^ dähhr: Gcldstmfe von-SO Mark, im 
Unvfttmh^nsfiill.C; xh.|l Taghn ynriittltcdlt.. 

:. ; ,Äesjge.W0jgt.ifp,.' ist gcs&ndig , im ^ütineralanzeigeD' Mttlznxtractprtiparat« 
mB >!& Behütals Hnilmdt^l für Brn*t wud Lungen- 



4.; J;uiuar I870rjur in Apotlieke« 
soweit, unbefugt, ith der Verkauf 
Iticrhach WäV Angeklagter 


7. ;Oot‘omher .1875 und § ,i der awu»et 
aü bestrafen., ,J _•' .•■'y\V 7 '.\ ■ 



ie Entscheidung wogon der 


'K'öitpA wiVAifd "mr tmm 

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SSäfiK^ 





140 


Dr. Fritz Strassmann. 


Statistischer Bericht der Unterrichtsanstalt für Staats¬ 
arzneikunde zu Berlin vom April 1886 bis Oktober 1888. 

Von Dr. Fritz Strassmann^ Assistenzarzt. 

(Fortsetzung). 

4 mal wies die Seetion das Bestehen einer tuberculösen 
Lungenphthise nach; als Todesursache ergab sich lmal (No. 67) 
eine Embolie der rechten Pulmonalarterie, augenscheinlich von 
Thromben im rechten Herzohr ausgehend; 3 mal (No. 68—70) 
fand sich nur Lungenoedem ausser der Phthise, und musste die 
Todesursache in dieser gesucht werden. Aehnliche Fälle haben 
Strecker u. A. Lesser*) mitgetheilt. Das Alter unserer Tuber¬ 
kulösen betrug übrigens 45, 50, 60 und 64 Jahre. 

Weitere 4 Fälle plötzlichen Todes repräsentiren Affectionen 
des Verdauungsapparates, 2 mal lag eine Perforations- Peritonitis 
vor, als deren Ursache sich lmal bei einem 35jähr. Mädchen 
(No. 71) ein rundes Magengeschwür herausstellte, das andere Mal 
(No. 72) bei einem 53jähr. Mann bildete die Perforationsstelle 
ein rundes Geschwür des Duodenum, das übrigens ungewöhnlich 
tief, fast am Beginn des Jejunum sass, also an einer Stelle, an 
der man die Einwirkung saurer Flüssigkeit eigentlich nicht mehr 
erwarten sollte. Bei einem 40jähr. Mann (No. 73) fand sich 
eine starke Lebercirhose (mit Ascites, Icterus, Milztumor), die zu 
einer tödtlichen Magenblutung geführt hatte. Der Magen war 
prall gefüllt mit geronnenem Blut, und die Lungen wiesen eine 
ausgebreitete Blutaspiration auf. Der vierte Fall betraf einen 
20jähr. Mann (No. 74) der mehrere Tage lang unwohl gewesen, 
dann plötzlich an Herzschlag gestorben sein sollte: Die Seetion 
ergab einen eingeklemmten rechtseitigen Schenkelbruch. 

Endlich fanden wir bei einer 39 jähr. Frau (No. 75), die öfters 
schwere Anfälle von Hemicranie gehabt haben sollte und plötzlich 
gestorben war, einen fast faustgrossen Tumor in der Hirnrinde im 
hinteren Theil des rechten Scheitel lappens, dicht an der Mittel¬ 
linie. Die mikroskopische Untersuchung ergab ein Gliom. 

Die 5 Männer (No. 76—80), bei denen der Tod dem Polizei¬ 
bericht zufolge, im Rausch eingetreten sein soll (sämmtlich 
zwischen 30—45 Jahren) boten fast durchweg, abgesehen von 
dem 3 mal notirten Alcoholgeruch des Mageninhalts, keine Be¬ 
funde, die für diese Todesart hätten verwerthet werden können. 
Nur 1 mal fanden sich Ecchymosen auf den Lungen. Auch auf 
den chronischen Alcoholismus zu 'beziehende Veränderungen 
fehlten in 2 Fällen, von denen in einem der Befund durch Fäulniss 
allerdings bereits erheblich verdunkelt war. In den 3 anderen 
bestand Fettleber, daneben 2 mal chronische Entzündung der 
weichen Hirnhaut, lmal war diese völlig intact, dagegen fand 
sich eine Pachymeningitis interna mit starker Vascularisation 
der neugebildeten Membranen, sowie Verwachsung von Schädel 
und Gehirn. In diesem Falle bestand auch braune Herzatrophie 
und beginnende Schrumpfniere. 


*) Vierteljahrsflchrift Band 48, S. 43. 




ii IVtsü: 

iiimMt$** Wi$&. ^liife beSoJtdbvn. dund) 



Manubriun», das. mjtere Fragment nach • olx?« ismi- tmiteu dislocivt, 


kanaV tin^ Frufitnr ^^t '$$äm schien Eippf- «liebt au ilirem 
WieUelftßsatJS.■, ". y . \ ?' .'.' J ,\'\ \ ,' , - 'V . ■•.. 

In sieben weiteren Fa lieb Innu* «Ui Stur?, you fiör Ringer 
Höhe stetige! wutlen.- einmal auf «len stehi*riHsti Fi^boden im 
epUeptiseUeri Anfall, die Übrigen Mal« mehrere. Stuten hinab. 
Einmal (No. 8äi fand, such ausser Hautabseb.üribngM «ad Sugü- 
Mionen m'_ Kntff und Bey?ch keine Vhrietzsrßg, m musste eia 



SehVälbtonoskel, dariijiter Mehrere sielt kreitöösuie Fissüreü im 




oiüe Wtu^itbmfge Fiasuf in der /Schuppe des Schläfenbeins, quer 
durch die Pyramide bis m die Basis reichend; bei beiden auf 


ater: der Dar. 

% Biutj La 

ugenbedem, ' Eridiieb (No, Stfs eine 

des Hintevlsi 

lUptbeiftH- \\ 

Uberseite. die sieh- iu diu Baals von 

auch vorn t 

ii» zur Sch 

tdfenbeiiipyram'Hle fbrteetztcc Blut- 

zwischen X>t 

ira and Bh 

m , bluike IttWtvat-ion der : I%yu4t.' 


kleinen Wütigen Äerirtotmeruugeii der benaebbarteB Hsiwubataflz 
an der 'Baak des, SehldfehlÄppsns, 1iaseiuüssgtt>vae Kertrummerung 
des illntevhattpU&id>eus dev Fissur grosse 

Blutung in die K/jpfbaöt, Limgenoedem — Tod nach 18 Stauden. 
jj||Pift beiden letzten Fälle No, 87 und 88 zeigten d®fe| 


•■> v.fn.notaj^ ein 

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flpSta$& 1 



und Mi.B 1 ..o 1 
Bruch den -tinkeir PomPy. 


IXt? 


■X: 


_?■ V' 





142 


Dr. Fritz Strassmann. 


ausgedehnte Fettembolie der Lungen. 5 mal war die Todesursache 
Ruptur innerer Organe und zwar: 

(No. 90) grosse Leberruptur, mehrfache Rippenbrüche, Blutung 
in Brust- und Bauchhöhle. (No. 91) Bruch des linken Ober¬ 
schenkels, der Rippen, Blut in Bauchhöhle, Brusthöhle, Herz¬ 
beutel, Zerreissung des Zwerchfells, der Milz, Leber und Nieren, 
am Herzen und im Innern der Lunge*). (No. 92) Complicirter 
Bruch des Ober- und Unterkiefers, des linken Oberschenkels und 
Oberarms, des rechten Oberschenkels, der 2. und 3. Rippe beider¬ 
seits. Blutung in die linke Brustfellhöhle, Zerreissung der Aorta 
dicht unterhalb des Bogens. Das obere und untere Fragment 
zeigen ziemlich scharfe Ränder, stehen etwa 1 cm auseinander. 
Einriss der Pleura an der Rupturstelle. (No. 93) Dreieckiges 
Stück der linken Hälfte der Hinterhauptsschuppe ausgebrochen, 
von diesem ausgehend mehrere sagitale Fissuren durch die Basis, 
stichwundenartiger Riss in der Dura, Hirn unverletzt; doppelter 
Bruch der 2.—4. Rippe beiderseits, links mit Perforation der 
Pleura. Grosse Blutmassen in der linken Brusthöhle, grosse zer¬ 
rissene Höhle im Unterlappen der linken Lunge nach dem 
Zwerchfell zu sich öffnend, im Innern bis an die Spitze des 
Unterlappens reichend. Blutathmen, oberflächliche Risse in der 
rechten Niere und an der Oberfläche der Leber. (No. 94) Selbst¬ 
mord: unbedeutende Hautwunde über dem rechten Ohr, colossale 
Zertrümmerung von Schädel-Dach und Basis, die in eine grosse 
Anzahl (38) mittlerer und kleiner zum Theil noch durch die 
Knochenhaut mit einander verbundener Knochenstücke zerfallen. 
Totale Diastase der Lambdanaht, mehrfache Zerreissungen der 
Dura; durch eine derselben und durch die nach aussen davon 
befindliche Knochenlücke ist zertrümmerte Hirnsubstanz getreten; 
grosse Mengen Blut in der linken Pleurahöhle, Riss im absteigen¬ 
den Ast der Aorta, der dieselbe fast ringförmig getrennt hat, 
auch in der rechten Brusthöhle viel Blut, der rechte obere 
Lungenlappen in grosser Ausdehnung zerrissen, mehrere Einrisse 
an der convexen Fläche des rechten Leberlappens; einige grössere 
Zertrümmerungen am vorderen Rande der Unterfläche. 

Fanden wir hier Rupturen innerer Organe und Kopfver¬ 
letzungen combinirt, so waren in den 4 folgenden Fällen die 
letzteren allein vorhanden. 

(No. 95) ziemlich scharfe Hautwunde auf der linken Seite 
des Kopfes, Bluterguss in die Kopfschwarte, darunter ein drei¬ 
eckiges Stück der linken Schläfenbeinschuppe ausgesprengt, doch 
nicht dislocirt, die dasselbe umgebenden Fissuren strahlen in die 
mittlere Schädelgrube aus, harte Hirnhaut unverletzt, Blut 
zwischen ihr und der Pia, Contusion des linken Schläfelappens. 
(No. 96) Selbstmord, Geisteskranke. Bruch des linken Schlüssel¬ 
beins und Unterschenkels, Schädel unversehrt, flächenhafter 
Bluterguss zwischen harter Hirnhaut und Gehirn, mehrere kleine 


*) Genauer mitgetheilt: Viorteljahrsschrift Band 48, S. 887. „Centrale 
Rupturen innerer Organo“. 



StaifaiiacUrä* Bericht der Untcrric.htHaTi9t;\it für hi^at^ar^ncilOAnik 6to, 14$ 




Herdy blutiger Zertrümmerung io der Rinde der rechtes Hemi¬ 
sphäre, Bluterguss in die Vierhügel mit Düi'ielibrUieb in den Aquä- 
dueias, Hjtit Im 4. Ventrikel, Speisemässeli iih Oesophagus, Kehl- 
kop.t Luftröhre und ßruucliien, diesellteu zum Theil vollkommen 
vm^opfeujl läämg’dU stark ausgedehnt. 

lX*r Bali ist »o doppelter Hiusicht interessant-, erstens als 
Beispldk mner ohne Verletzung des «Schädels eingetretenen Gon* 
tusibn der Mirasubstanz und Apoplexie iu dieselbe, deren trau¬ 
matischer Ursprung nach dorn von v. Bergmann aütgesteUteo 
Gnuidsatz durch die glei#ze.ttlge intermeningegie Blutong sicher 
getollt werden könnte, ferner weil die leigbe l^desümache in 
ihm wie in dem schon oben erwähnten Falte Mb 8 %^ Erstickung -; 
durch Bpeißeraassen v?ar, die in Folge der Kopiyerlbfczung eis 
brocken and im Zustande iter, Bewusstlosigkeit nsplrirt wurden. 
Dass es, Mch nicht tun eine {K>HtmoTt^e Knt}iWi^Qg des Magen¬ 
inhalt« in die Luftwege handelte. Hoben wir m. diesem wie in 
eingnt spÄtereri balle- wo nicht^ Kcdd^erlöteuhg. sohd^n Tranken- 
heit die Ursache des Erbrechens Und der Aspiration war, mit 
Rücksicht auf das tiefe Ei'ndÄien Ffitesigfceit bis in die 
kleinsten Lnftwe.g« angeßoniinen. 

CSo- 97 s ,Selbstmord: kleine bis auf den Knochen gehende 
Wunde der Längsincch ziemlich io der '.Mitte. des Stirn¬ 

beins. setzt stell dnröb dfß Basis entlang der Urtef* galli fort, 



Kopfverletzungen vor. Was die. Häufigkeit de« Limgenoede.ros bei 
< I «Mise I Iren aiüangl, sh ist. dasselbe wie ersichtlich unter TA"Mal e?s 
dreimal aufgetrCten. 



von d<\r %i \ 

(No- : ^äUrwtinde itber. iM* 
Kjiwheu Bnofb «t««, StP 

herum fite in Umtwbanc i - , „- 
dach fest 3£bbg von de- R&dL um 
roten Bruen nfl iteteb; ir-e 

ein, denyiv v;uw Tiieii Z-vv>.-te 
1 räjtmmraji^'t der H iirn^u 1 *1 •-; p.v-; 






144 


Dr. Fritz Straßsmann. 


Den Beobachtungen von Sturz schliesst sich Fall 93, einen 
Mann betreffend, dem eine schwere Kiste den Schädel zerschmet¬ 
tert hatte, an. 

Bei ihm fanden wir eine 10 cm lange scharfrandige Wunde 
am Hinterhaupt, zwei kleinere Einrisse über dem linken Auge, 
eine Längsfractur der Schädelbasis von rechts hinten (am Hinter¬ 
hauptsloche rechts vorbei) nach links vorn verlaufend und sich 
auf das Schädeldach vorn und hinten etwa 5 cm über die Säge¬ 
fläche fortsetzend, so dass die Schädelbasis in zwei fast gleiche 
Hälften zerfällt. Blutung in das Kleinhirn, multiple Petechien 
im rechten Streifenhügel. 

Der Fall muss wohl als einer derer von Beratung der Basis 
bei plötzlicher Compression des Schädels aufgefasst werden. Diese 
Beratungen verlaufen nach dem, was wir gesehen, zumeist trans¬ 
versal, in Form der sogenannten Charnierbrüche; Längsfracturen, wie 
im vorliegenden FaU, bilden das entschieden seltenere Vorkommen. 

Es würden dann weiter folgen 6 Fälle durch Ueberfahren 
von Wagen. 

Der erste derselben (No. 100) zeigte Blutunterlaufungen an 
Brust, Bauch und Kopf, mehrfache Rippenbrüche rechts und links 
ohne Verletzungen der Pleura, einzelne kleine Risse der rechten 
Lunge, Pneumothorax, Hautemphysem. Bei No. 101 fand sich allge¬ 
meine Anämie, grosses Extravasat in der Bauch- und rechten 
Brusthöhle, colossale Zerreissung des rechten Leberlappens an 
seiner unteren Fläche, mehrere ganz abgerissene Leberatücke 
liegen frei in der Bauchhöhle; die Lebervenen ziehen als isolirte 
Stränge quer über die zerrissene Substanz, die Pfortader an ihrem 
Eintritt in die Leber quer durchrissen; erbsengrosses Loch im 
rechten Zwerchfell, mehrere kleine Contusionen der rechten 
Lunge; oberflächliche horizontale, zackige Einrisse der rechten 
Niere ohne Verletzung der Kapsel; spaltförmige Wanddurchtren- 
nung an der hinteren Fläche der Blase. Bei No. 102 ergab sich ein 
Bruch der untersten Rippen links, eine Ruptur der Milz, ober¬ 
flächliche Einrisse der linken Niere an ihrer vorderen Fläche, 
Bluterguss um Niere, in Blase und Bauchhöhle (l‘/ 2 1). Bei No. 103 
Blut in Brust- und Bauchhöhle, Zerreissung der linken Lunge, 
der Milz, grosse Zerreissung der Leber rechts unten, der rechten 
Nebenniere in zwei Stücke, das obere der Leber, das untere 
der rechten Niere anliegend; mächtiger Bluterguss um die letz¬ 
tere. No. 104 zeigte: Blut in der linken Pleura und Bauchhöhle 
und im Herzbeutel, mehrfache Rippenbrüche, Zerreissung im Mus¬ 
kelfleisch des linken Herzventrikels, in den Lungen, ausgedehnte 
Zertrümmerung der Leber, oberflächliche Niereneinrisse. Im 105. 
Fall, der noch 24 Stunden nach dem Ueberfahren gelebt hatte, 
fand sich ein Splitterbruch des linken Oberarmes, eine Diastase 
der linken Kreuzbeinbeckenfuge mit Blutung in die Musculatur; 
eine Zerreissung des Mesenteriums am Ansatz an das Colon des- 
cendens; thalergrosses Loch mit blutdurclitränkten Rändern, 
auch der angrenzende Darm mit Blutungen bis in die Schleim¬ 
haut durchsetzt (l 1 /, 1 Blut in der Bauchhöhle). 



Stafel ixijw Berithi <Ipt l T nb?mebtsan«-talt filr StHalsarzneikumJei etc. '145 


letzte Fall i&t kemirznlieben als eiu neues Beispiel you 
längerem- 'Leben nach einen Verletzung, die, wie man meinen 
$|Jlte y . de». „sofortig*» Tod bedingen musste. 

Aßlmfiöhe ?ei*Ander»ögen: Blut in Herzbeutel und Bauch“ 
luihle:horizontaler, 1 ein '.langer .Einriss im rechten Vorhof nahe 
der Eittfltüäodüng der linken Hohlvene; Bruch der 2.—0. Rippe 



trem&feiihlf roehii?xe $-^8v:.*n» tiefe s&gittale yEihnsse am rechte?? 
Lebeflapjien, wies dev erste ifNo. 106) de? der Eisenbahn 

Uebertahreneö auf Öie beiden anderen-'. zeigten weit köehg?«^ 
digew; &r*tb«ung»m. No. 107 Ahreiäsungdes Huken Fusses. "das 
Fragment hängt nur hochdurch, einige Söhnen mit dem hhtlgeti 
Körper zusammen; SplUterbrueh ;.un linken Fussgelenk, am linken 
Oberschenkel und rechten Unterschenkel; Luxatio snlvcoracoidea 
des rechten Oberarmes snit Zurtlckbieibeu des ahgeri&sene« Tut», 
ext; in der Oe<onfcpfaime; : Brlle.Jte,' zu'» Theil doppelt, der meisten 
Rippeumvi des Beckens; zwei die Kepfschwarte ämehdriugfende 
Hautwunden, HÄutemulj^soüi, zwei Risse der linken Lunge % ent¬ 
sprechend perforireudett Rippenverietzuhgcn, eiu Längsriss an der 
CoiumyiUü des liukep. Eeberlapjpeu?; nberä&chliche Einrisse der 
1 iükeh Niere. Blnt&tlöbei? AMaue. No. lOB'Abreissuug des Sin¬ 
ken Oberarmes, der nur durch einige Hantbrücken verbunden ist, 
dek linken fusses; der rechten grossen Zehe, mehrere Haatwun- 
deo an der Stirn, doppelter Bruch fast aller Rippen, Diastase der 
Symphyse, Zemdüsung der Blase an ihrer Vorderwand, de? rech¬ 
ten. Lunge H* ihrem Ober-, der Huken in ihrem Unterlippe»; 
lUntathinevi. 

Während diese beiden letzten Fälle ^oeb auegedehutc HuttL 
Verletzungen zeigen, smdeolche — eiße Ergelie-muJrg, die schon 
mehrfoch betworgeboivon. — in den meisten übrigen Fällen von Tod 
durch siitmpfe fiew&lt gering gewesen oder haben fast ganz ge*- 
fehlt» trotz gewaltiger inucrer ZerBtÜrungmu 

Was die letzteren, die Eupturen innerer Organe anlangtv 
so s*nd dieselben bei Zafeammmircchncn aller Falle von Tod. 

dup%r 1$ IVhv'iClmflpt syB%%?Ä^r,' 

Neunmal waren Wirlewungeti fldr Leber vorbendeu, nlid zwar fünf¬ 
mal Zie ^ömmenu.igOi , you ni?ht Weht zu chüractevisü'en- 

dein Verlauf .döWbib) 1 um.i. .v,a--o p. Oer-iibn.$mn sagittal 
ge^t^Utk v Flache; nur 

in T Richtung. 

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146 


Dr. Fritz Strassmann. 


Oeffnung. Zwerchfell, Aorta und Blase waren je 2 mal (darunter 
eine Blasenruptur ohne Beckenbruch), die Nebennieren und das 
Mesenterium lmal betheiligt. 

Yon den beiden durch Erstickung Verunglückten ist der 
eine (No. 109) bereits oben erwähnt worden, ein Mann, der an¬ 
scheinend in der Trunkenheit erbrochene Massen aspirirt hatte, 
die die Luftwege weithinein erfüllten. Der 2. (No. 110) morgens 
früh auf einem Stuhle sitzend, todt aufgefunden, war an einem 
grossen Stück Schinken erstickt, das fest in den Rachen einge¬ 
keilt, den Eingang zum Kehlkopf verstopfte. Bei diesem, ebenso 
wie bei einem früher beschriebenen Falle von plötzlichem Tod 
durch chronische Endarteriitis, der gleichfalls in sitzender Stel¬ 
lung aufgefunden wurde, fand sich ausgedehnte Hypostase an der 
Vorderfläche des Rumpfes mit zahlreichen Ecchymosen, die auf 
dem blassen Rücken völlig fehlten; es sind dies also 2 neue 
Fälle, die das Zusammentreffen von Hypostasen und Ecchymosen 
in gleich auffallender Weise bestätigen, wie die früher von mir 
mitgetheilten! Unter den 3 Erfrorenen (No. 111—113) haben wir 
bei im Allgemeinen ziemlich negativen Befund (Lungen etwas 
blutreich) einmal auffallend hellrothe Todtenflecke constatiren 
können. 

Der durch Erstechen Verunglückte (No. 114) hatte sich 
beim Uebersteigen eines eisernen Gitters die rechte Vena sapheDa 
verletzt und sich aus dieser verblutet. Der Selbstmörder (No. 115), 
der durch Erstechen mit einem Taschenmesser geendet hatte, 
zeigte: 

Drei schlitzförmige, wenig klaffende Stichwunden in der Ge¬ 
gend der linken Brustwarze, von denen die beiden oberen den 
4., die untere den 5. Zwischenrippenraum durchbohrt. Von jenen 
trifft die eine in den Herzbeutel, dringt in unveränderter Breite 
durch das Muskelfleisch des linken Ventrikels in der Mitte seiner 
Vorderwand hindurch, tritt, an der hinteren Fläche schmäler ge¬ 
worden, wieder hinaus, durchbohrt den Herzbeutel an seiner hin¬ 
teren Fläche mit wenig blutigen Bändern-, wählend die Ränder 
der vorerwähnten Wunden stark Blutdurchtränkt sind. Die 
andere obere Wunde tritt durch das epicardiale Fett ohne den 
Herzbeutel zu eröffnen, an den Vorderrand des Oberlappens der 
linken Lunge, den sie schräg von unten nach hinten und oben 
durchbohrt; die untere Wunde durchdringt den Herzbeutel und 
endet im Muskelfleisch des linken Ventrikels an seiner Spitze, 
ohne in die Höhle selbst einzudringen, etwa 2 1 Blut in der lin¬ 
ken Pleurahöhle, etwas Blut im Herzbeutel. 

Die zeitliche Reihenfolge der Stiche dürfte der Ordnung, in 
welcher sie hier aufgeführt worden sind, gerade umgekehrt ent¬ 
sprechen. 

Unter 11 Ertrunkenen hatten wir 6 (No. 116—121), die nach 
nur kurzem Aufenthalt im Wasser wieder herausgebracht worden 
waren. Indess war auch bei diesen keineswegs durchweg (über¬ 
einstimmend mit den Erfahrungen Hofmann’s und Paltauf’s) 




Btatisüsclier Bericht ^fÖ?;S^fe»ü£to^umlö' ütfc. liT 


ein Jur ffttribken ^^»cactefktise^eir. $e«tiöüät»6füilid iw erbeben. 
Vielmehr war 3mal, 2 mal bei 7— 8jii]mge» Kindern, einmal 
bei einem Erwachsenen, 4er Rfcfend ein negativer. Pie drei 
anderen Sectionen $eigie» da* ty}»ieebe Bild; stark^ ausgedeimt^ 
Longen, die s^br.jri^S; an ^Fiuswifkeit waren, (und l^bWttwigeB’-Ia-! 
halt in .den Lnftwegeß- land eieb W&sBer im Mageiij lnial 
die von A. Les ser beschriebene ScMelmerf&Hnög der kleinsten 
Luftwege iß grosser Ausdehnung, Io efnbäj FaBy in dem die 
reckte Lunge frei; die linke mit der Brustwand verwachsen war, 
konnte rieb wicht, wie Paltaut' -angiebt. und «In diagnostisches 
ZeIebeß Aem: Lungtiedefri gegenüber empfiehlt, einen geringeren 


Flusstgketfegehalt der adhuerenteu Lunge enngtatire«. Starke 
riämsclurnt mit Ruusu'lüug an Penis Und Serottun i*t nur einmal 
notirf, geringe)-« (trade von euti* an&eriita besonders aa. den 
0,beraeheiik;ej|n fanden sieb bei Ert-raükcneö, ebenso wie bei 
andeien Leiebfen, Öfters, Auch eine gleich dnggednbhte 
baut , wie in jenem Falle, wurde mehrfaeb bei anderen Todesar- 
fen, bei zwei Erschossenen «iui einem Erbäugteu constatirt Süi 
Ertrunkener zeigte ganz oberflädt liehe Haut'wunden an der Beugte 
seito des. linken .fJutcraiw«. als Spure» einer versuchten. DüjrcW 
sehneidnng der Pukadem (Ko. 121). 

Die fiinf anderen Leichen (No. 1.22 —12t») batten mehrere 
Wochen hft Wasser gelegeiö. Ikw LuHgenbefund war bei ihnen 
durchweg negativ , nur bei einer Leiche; die eich längere Zeit 'iß. 
einem teiira|»bgen 6ee-v der dann später zugoftvrim war, Mötüden 
Imrio, fanden. .i8!eh;^Söj^ammbö8t^'#b.eii4 , ' Lungen 

wnd.cfn.#oea^'£j|sM)iMhji>dn im Magen, Kia anderer Fhfl war von 
Mexesee. ' -weU er (neben, einer 'Smu^tLck'eh Frucht, im Uterus 
mid Nugtwuhöeü m Unken Obmclmiket) eine ausgedehnte Zer- 
trümmtunmg des Bchädeldaebes. der Basis und des Gesichtes 
zeigte, durch die SGbl-aube eifiee Datöpförs bewäkt -..war,,•:**•: 
Di«' waren in keher der Bedbacbfcimgen 

von dmr:Korm abweicholid, ' , -riririri.,'- \ ' 

%>h mmomi Dl Ersrdioeeebeu hatten^ In 

die bef 

-0. kb'hiH 

fdorU.bjTie fb-'thrut)gf<?v Uiinitten VeJ-bfuüHt.tVü Hcbw^vrz-tnounen 

Ü (ter.Mnd«* war Hiebt, zu bohier- 
ben. Xii-nmi* bfud A%*ebw^d^wij®. riri -ri : .' - \ 

Der . • ■ . .. . . . >ii dursb der :>. n.tr.r- 

Biifcai 

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in jfrb.fjV ^ K%ej( 

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rijpk. ta ffftrzn*'-«.-.-■ ;-.fc : '•!••><*■ <p.\im 

^vtrinrn, durch- dU’I •' V i • - UoK«*t .riuo~ 

tiike.L: ’ L\v zri , < - i ^ 1 . 4 , 




148 


Dr. Nesemann. 


Herz und linker Pleura, Lungenödem rechts. Drittens durch den 
5. Intercostalraum, Herzbeutel, linken Ventrikel von vorn unten 
nach hinten oben, Herzbeutel, die linke Lunge, am Hilus eintre¬ 
tend, am oberen Rand des Unterlappens austretend, durchbohrt 
die Costalpleura und endet zwischen 7. und 8. Rippe in der Nähe 
der Wirbelsäule links. Blut in der Pleurahöhle und Herzbeutel, 
Lungenödem rechts. — Im 4. Falle bestanden 2 Schussöflhungen 
am 4. und 5. Intercostalraum, 2 entsprechende Wunden am Herz¬ 
beutel, 2 an der Vorder- und Hinterfläche des rechten Ventrikels, 
2 Ausschussöflhungen am Pericard. Weiter durchbohrt der eine 
Schusscanal die rechte Lunge; die Kugel findet sich dicht an der 
Haut zwischen der 8. und 9. Rippe, der zweite das Zwerchfell, 
verläuft an der Hinterfläche des rechten Leberlappens, die Kugel 
liegt im Netz. 

Lungenödem fand sich hier bei Verletzung des rechten Ven¬ 
trikels nicht, unter den 3 Verletzungen des linken Ventrikels 
war es zweimal vorhanden. Die Schussöflhungen am Pericard 
und an der Pleura erschienen durchweg mehr in Form eines queren 
Schlitzes; am Herzmuskel waren sie rundlich. Der Grösse nach 
nahmen sie von vorn nach hinten allmählich ab; nur im 3. Falle 
wurden sie bedeutend grösser, die Hautwunde hatte hier 5 mm; 
die Wunde in der hinteren Pleurawand 2 cm im Durchmesser. 

(Fortsetzung folgt) 


Ueber Pemphigus-Erkrankungen in der Praxis einer 
Hebamme nebst Bemerkungen Uber Pemphigus acutus 

neonatorum. 

Vom Kreisphysikus Dr. Nesemann in Soldin. 

(Fortsetzung und Schluss) 

Während für H. von Hebra 1 ) Pemphigus acutus gleichbe¬ 
deutend ist mit Pemphigus malignus, diphtheriticus, gangränosus, 
und ihm wohl der Verlauf deswegen nur als ein acuter gilt, 
weil er so bösartig und oft letal ist, beschreibt Kaposi 2 ) den 
Pemphigus acutus (Blasenfieber) als eine Krankheit, bei welcher 
in acuter Weise und mit einem acuten, auf einige Wochen be¬ 
schränkten Verlaufe mit oder ohne Fiebererscheinungen Blasen 
d. i. erbsen- bis bohnengrosse und grössere, mit wasserheller 
Flüssigkeit gefüllte Efflorescenzen in unregelmässiger Weise zer¬ 
streut, im Gesichte, am Stamme, den Extremitäten auftreten, 
welche Blasen nach Bestand von einigen Tagen eintrocknen und 
nach Abfallen der Borken rothe, später pigmentirte Flecke 
zurücklassen.“ 


*) Wredens Sammlung kurzer medicinischer Lehrbücher VII. 1884. 
Seite 283 ff. 

*) Pathologie und Therapie der Hautkrankheiten von Professor Moritz 
Kaposi, Wien und Leipzig 1886. 



Feber Pemphigim-Erkrankungen in der Praxis einer Hebamme etc. 149 


In ähnlicher Weise äussern sich J. Neumann 8 ), Gerhardt 4 ), 
Henoch 6 ), Juergensen*), Eichhorst 7 ), Steiner 8 ) und Andere, 
wenn sie auch in einzelnen Punkten, je nach dem Character der 
von ihnen beobachteten Fälle, auseinander gehen. 

So wird der Verlauf theils als fieberlos, theils als von hohem 
Fieber begleitet, geschildert, der Blaseninhalt theils hell und 
serös, theils getrübt und eitrig, theils mit, theils ohne Borken¬ 
bildung, der Ausgang meist als günstig, theilweise aber auch 
als letal. 

Auch in dieser Hinsicht sind die oben beschriebenen Fälle 
von Interesse, da sie gewissermassen Beispiele für die möglichen 
Variationen im Auftreten und Verlaufe der Krankheit bilden. 

Man hat den acuten Pemphigus zwar auch bei Erwachsenen 
beobachtet, derselbe tritt jedoch vorwiegend bei Neugeborenen 
und Säuglingen auf und ist daher auch direkt als Pemphigus 
neonatorum bezeichnet worden. (Henoch, Ahlfeldt 8 ). 

Es findet sich bei allen Autoren erwähnt, dass die Krank¬ 
heit in grösseren und kleineren Epidemien, feiner auch endemisch 
Vorkommen kann. Derartige Epidemien und Endemien, welche 
meist in Gebärhäusern und Kinderkliniken, aber auch ausserhalb 
derselben in der Privatpraxis beobachtet wurden, sind von 
Steffen®), Hervieux 10 ), Olshausen 18 ), Mekus 18 ), Abegg 11 ), 
Roeser 11 ), Ahlfeldt 8 ), Moldenhauer 14 ), Koch 15 ), Klamm 1 *) 
und Anderen beschrieben worden. 

Nach Kaposi ist des älteren Hebra Einwand, dass früher 
bei manchen Epidemien, welche für Pemphigus gehalten worden 
sind, Verwechselungen mit Variola modificata, Varicella bulbosa, 
Erythema bulbosum, Herpes Iris und circinnatus, selbst mit Eczem 
und Urticaria bullosa, endlich auch, wie Kaposi hinzufügt, mit 
Impetigo contagiosa stattgefunden haben, ohne Weiteres richtig. 

Kaposi selbst hat zwar epidemisches oder endemisches Auf¬ 
treten des Pemphigus acutus nicht beobachtet, zweifelt aber, 


*) Lehrbuch der Hautkrankheiten. Wien 1870. Wilhelm Braumüller. 
S. 175 ff. 

4 ) Lehrbuch der Kinderkrankheiten. Tübingen 1881. 

5 ) Vorlesungen über Kinderkrankheiten Berlin 1881. Hirschwald. 

6 ) Lehrbuch der speciellen Pathologie und Therapie. Leipzig 1886. 
Veit & Co. 

7 ) Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie. Wien und Leipzig 
1885. Urban u. Schwarzenberg. 

*) Archiv für Dermatologie und Syphilis. Klinische Studie über den 
Pemphigus im Kindesalter. 

9 ) Archiv für Gynäkol. V. Bd. 1. S. 150. 

10 ) Berliner klinische Wochenschrift 1866. Eine kleine Epidemie von 
acutem Pemphigus. 

n ) Gerhardt, Kinderkrankheiten. 

19 ) u. ia ) Archiv für Gynäkologie. Bd. 1. 

,4 ) Henoch Kinderkrankheiten. 

1A ) Jahrbuch für Kinderheilkunde 1873, S. 413 und 1875, S. 245, 
lö ) Oesterreich. Jahrbücher für Päd. 1872, II, Annal. S. 205. 



150 


Dr. Nesemann. 


nachdem zahlreiche Fälle von gewichtigen Autoren beschrieben 
worden sind, nicht mehr an dem Vorkommen derselben. 

Ein theilweise noch streitiger Punkt in der Pemphigus- 
Frage ist die Contagiosität des Pemphigus acutus, welche nament¬ 
lich von dem jüngeren Hebra, Henoch.und Bohn 17 ) geleug¬ 
net wird. 

Die ganze Art der Verbreitung der Krankheit, theils epide¬ 
misch in geschlossenen Anstalten oder innerhalb der Bevölkerung 
(so bei der von Ahlfeldt und Moldenhauer beschriebenen 
Epidemie in und um Leipzig), theils endemisch innerhalb einer 
Ortschaft musste die Annahme eines Contagiums nahe legen. 

Auffallend musste es erscheinen, dass die Krankheit mit 
Vorliebe in der Praxis bestimmter Hebammen auftrat, wie dies 
von allen neuen Autoren bestätigt wird. Besonders lehrreich 
dürften die von Dohrn und Koch 18 ) veröffentlichten Fälle sein, 
mit denen auch der Eingangs dieser Abhandlung beschriebene 
Berlinchener Fall fast übereinstimmt. 

Nach Dohrn erkrankten bei einer Wiesbadener Hebamme 
im Jahre 1875 in der Zeit vom 25. März bis 13. Juli von 65 
unter ihrem Beistände geborenen Kindern 41 an Pemphigus, von 
welchen 7 starben. 

Die Erkrankungen befielen nicht alle Kinder der Reihen¬ 
folge ihrer Geburt nach, es blieben vielmehr zwischen einer 
Anzahl von Erkrankten einzelne Kinder gesund. Da trotz aller 
Sorgfalt und Reinlichkeit von Seiten der Hebamme die Er¬ 
krankungen nicht aufhörten, enthielt sie sich 4 Wochen lang 
ihrer Praxis. Nach Wiederaufnahme derselben erkrankten von 
9 neugeborenen Kindern wieder 3, so dass sie es vorzog aber¬ 
mals sich auf 4 Wochen ihrer Thätigkeit zu enthalten; leider 
wieder ohne Erfolg. Da ihr von 6 Neugeborenen wieder 3 er¬ 
krankten, legte sie nochmals ihre Praxis nieder. Mit diesem 
Zeitpunkte schneidet leider der interessante Bericht ab. 

Koch hat ebenfalls im Jahre 1873 bei einer Hebamme 
6 Fälle und im Jahre 1875 bei derselben Hebamme 23 Fälle 
beobachtet, welche ebenso hartnäckig sich an die Person der 
Hebamme knüpften wie in dem Dohrn’schen und dem oben be¬ 
schriebenen Falle. 

Ein derartiges Gebanntsein der Krankheit an den Wirkungs¬ 
kreis einer bestimmten Person lässt sich doch kaum anders 
erklären als durch die Annahme eines Contagium, welches der 
betreffenden Person anhaftet und durch dieselbe auf ihre Pfleg¬ 
linge übertragen wird. 

Auch die auffallende Thatsache, dass einzelne Kinder oder 
ganze Gruppen derselben übersprungen werden, kann diese An¬ 
nahme nicht hinfällig machen. 


,7 ) Jahrbuch für Kinderheilkunde IX, S. 304. Bedenken gegen die 
Contagiosität des Pemphigus acutus neonatorum. 

18 ) Archiv für Gynäkologie 1875, Bd. III. Jahrbücher für Kinderheil¬ 
kunde X. SIS. 





Uflhcr rea>|»lu^iiit'Krkrttlikuag«n u> dw o{jji4f Jtlfti»^a^röe:. c^c. Kil 

Schon die Erfahrung, da«» fast Huesekitbssdieh die heujge- 
barenen Kinder, mit welchen ja die Bnb&mme m »ehr innige * 
Berührung ktgntot, erkranken. während. ihre ■ Geschwister und 
Angehörigen gcHtmd bleiben, Weist .darauf hin, dass das etwaige, 
OoiiUgititn • wenig haftbar und .'nur. «ater besonder/?, günstigen 
Um,ständen Üfeerträgbarlbäk '-■■'■$&; Wii$ daher wohl gewiaeer dßih- >' 
gangspfnrten im seiner lavh»biit i» den Körper hediirfeny wie 
diese!hert darcii Sehnmden and • ; Exdöidationen' gewiss hei einem 
Tkeile der Neugeborenen Vfnit&nd.en wind,. während sie,hei rinetn 
anderen fehlen. 

Das Uoatagiuni kann ferner an hesthnmttehf ulelif immer ge¬ 
brauchten Kleidungsstücken tüii; in 

deren Wirkungskreme .die Erkrankungen Coi’kisgöitiico, haften, V 

Die direkte Uebnrtragbarkuit der Kraökhdt ist aber auch 
daroh Ueberimvfung des Blaseniuliaite -mn Eliser and Vidat 
(s. Crerhardt, Lehrbuch der : '.'K^k!i^t«tt}' naebgewtesen Würde». 

Fenier erwähnt Koch, das» es ihm gelungen sei* sich selbst 
eine Blase iiberzuiinjifen. 

Der Genannte berichtet auch noch gwai Vorkommnisse, 
welche sowohl für die ('onf-agioaität der Krankheit v als auch da¬ 
für Zengstes ablöpiKiiase; die betretteiide ifebamme selbst 
Trflgerfa,’■ 

Einiöfil war bei einem »tä Phimose;Itehaftetfe#; Knaben, an 
dessen Genitalien die Hobaimmr Mchwejsiieji längere Zeit mani- 
puürt halte, gerade an dieser SteBe die einte Eruption erfolgt, 
in fcineni. Anderen Falle erkrankte eine egwaebsemi Frau, welche 
sieh an einem von der Hebamme in ihrem Berufe benutzten 
Händtnnhe das GesinUt Vä»- ^ welcher 

zunächst im Gesichte. «öft-rak 

Sühr beweisend fär dijS" 'i«t auch 

der oben verzeichnet«; Fall. 

Wie dort erwähnt, bekam die Amme des ebenfalls an Pemphigus 
auch auf «kr Mundi-ch lei mhaut erkrank i en Kindes zunächst eine 
PeinpjtagüiKBiÄae auf der Brn-jc ; \ 

Ob uttti die von Rächl, Kaposi* Assistenten, im BlAsen- 
inhalt«; gefumteueu 8c!dmmeljH)ze oder die von üenjine’ 9 ) 
gefundenen Kokken das Oontagium bewirken, mag vorläufig 

dabing'. •••>>•?*, e« m d« ■••• tty*» i\ 1 -■ ■ <■ ■ fchi - if c:olM 



1^1; h- i fn hi ihn nfVui.»)/ 

durch dir Uebaoime in den vou 
beklagt dieser (die 

187b ' : - , 

poÜze; • . . . 

eine ögfitftf beätiigjlkbe Anängb 

•••/-. 

**.) iCuriioinittCl!'' tVv»C<(f. 


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T*£r* 5 **** 2 r 





152 


Br. Liaaner. 


Contagium sei mehr als zweifelhaft und das Hebammen-Lehrbuch 
kenne für die Erkrankung keine Anzeigepflicht. 

Auch heute besteht noch nicht die Anzeigepflicht und es ist 
auch fraglich, ob diese allein genügen würde, im gegebenen Falle 
einer ähnlichen Verbreitung der Krankheit durch die Hebamme, 
wie in den beschriebenen Fällen, zu verhindern. 

Es wäre nun wohl wünschenswerth, dass einer Verschleppung 
der Krankheit, welche bei der Schwere einzelner Fälle und dem 
nicht seltenen tödtlichen Ausgange durchaus nicht als harmlos 
angesehen werden kann, wenigstens insofern gesteuert werde, 
dass die Verschleppung nicht auf den gewissermassen amtlich 
concessionirten Wege durch die Hebamme erfolgen kann. Den 
meisten Nutzen würde ich mir indessen von Massregeln versprechen, 
durch welche die Hebammen überhaupt verhindert würden, einen 
grossen Theil ihrer Thätigkeit, wie dies wenigstens in hiesiger 
Gegend der Fall ist, der Wartung der Neugeborenen zu widmen. 

Es ist in Folge dieses Missbrauchs denn auch, wie ich es 
beobachtet habe, vorgekommen, dass eine Hebamme, welche allen 
ihren Pfleglingen täglich selbst den Mund reinigte, alle der Reihe 
nach mit Soor infizirte. Wer steht nun dafür, dass eine unserer 
Durchschnitts-Hebammen nicht auch einmal diphtheritische Mund- 
affectionen für harmlos hält und die Krankheit ausser auf andere 
Neugeborene auch auf die ihrer Pflege anvertrauten Frauen 
überträgt? 

Ist der Gedanke ferner so ganz von der Hand zu weisen, 
dasB zwischen den Pemphigus-Erkrankungen Neugeborener, welche 
ja auch theilweise in septischer Weise verlaufen, und septischen 
Puerperal-Erkrankungen ein Zusammenhang möglich wäre, zumal 
da ja bei letzteren auch Pemphigus Vorkommen kann 21 )? 


Zur Diagnose der Halswirbel-Verletzungen. 

Von Dr. Lismer, Kreisphysikus und Sanitätsrath (Kosten). 

(Fortsetzung und Schluss.) 

In den Lehr- und Handbüchern der Chirurgie werden die 
Brüche und Verrenkungen der Halswirbelsäule mehr oder weniger 
ausführlich besprochen und die Diagnose, sowie die Prognose er¬ 
örtert. So hat z. B. Professor Albert diesen Verletzungen in 
seinem Lehrbuch, 1878, im Band II, Seite 45, eine ausführliche 
Besprechung gewidmet und Gurlt eine grosse Zahl Fälle von 
Halswirbelfrakturen in seinem bekannten Buche über „Luxationen 
und Frakturen“ gesammelt. Alle diese Schriftsteller w r eisen auf 
die grossen Schwierigkeiten der Diagnose der Halswirbelbrüche 
hin und heben die schwere Zugänglichkeit der tief in dicken 
Weichtheilen liegenden Halswirbel für die genaue Palpation und 


äl ) Winkel, Pathologie und Therapie des Wochenbetts. Berlin 1878, 
Hirschwald. 



Zur Diagnose der Sabwirbel-Verielznngen. 


wm 

7v-'*^v<Xx: 


die l ! iwicherhe.il hei Igelstellung- dev Crepitatiou hervor*) Sie 
liebten ihre Beipöliungen wesen tl ich '.'darauf, das» wirklich vor- 
hamle.ne Briiclm nicht, übersehen Uhd verkamii werde«. Dagrgen 
liehen sie 1 (was bei der ^'stematisdieu Abhandlung ftbet* 'Balfwir- 
helhrireho ättrlj sehr uaftwlieh iöt) nieht h dass nicht so 

gansc:keltert.'Fülle Vorkommen, 1 « welche;* Wirlwihntche als vor¬ 
handen angenommen opd behandelt werden, dir tliatsdebiich gar 



wird die Freude ImbduV *ob;he Fäjie, welche ifgt&t* 



gütig des MiäghandeMtlVö eiiitritt, in die. tietalii' kommen, ein 
fälSehes UrtiiHl Sieh ZU bilden, und vor tüncht in eine sehr 
pejttiiidje Lage gegenüber etwaigen tTegetimwihvarst^wligen .sü; 
mtheii. Diese Srwftgimgeoi lassen ra als nicht ganz iinertllbssig 
ersdlWtten*- dass ick den innMoIgendeu Falt veröfFeuiliehe. w*d~ 
ehe»-Jak im Jahre i8S2 z«; begutachten hatte: 

Der 15 Jahre alte lüiabe Ignatz V. aus Alt- B. diente seit 
mehrere». • Mrttta.ten als Hütejunge bei dem Wigib 36. in Am 



Är»tter, ',^lnbd letztere grade abwesend war. als schwer krank 
und ÄUseheMeflii verletzt, abgeiaderi. Am 29.Sepiemb^r begab 
sieh die Mutter nach N.-, um sich über die.Erits.tehtmg- der Krank¬ 
heit ihre« Holmes zu erkundigen umi erMir daselhat von der 
Dienst hidrDiaft, dass Ignatz Cy am 21. Septtnaher erkrankt und 
„dass esüknauf demjMde beim Viebhfiten jmmit sei. 1 ' Der 



Sprüchen. Ein Knecht batte am 21 . Beptvtsb& .den- Ignatz anf 

VorgefUnden and »&ch Hause 
geehrt; dabei habe Ignatz den Kopf ganz nach hinten gehalten 



worden; der 


d sbU in die eine Treppe hoch gelegene Wob* 

nung;. d^^lpll^'..OUnd jode L:.:. . ••:>;: v* k <‘:j*.c--v '■"•> 

Dr. K c,m .. i ..- t , 

«ine d Un,:fy v > &hpfhaltting «Ubr. hmm-ckt, Ao< -i?;. S.-iO.-y.ov.*; *^§ 



mmmm 



154 


Dr. Lissner. 


fand sich nach Dr. H. „im unteren Dritttheil der Halswirbelsäule 
eine Zusammenhangstrennung derart, dass die oberen zwei Dritt- 
theile nach vorn verschoben waren, so dass sie mit dem unteren 
Dritttheil einen nach hinten offenen stumpfen Winkel bildeten. 
Der unterhalb der Zusammenhangstrennung liegende Halswirbel 
war derart aus seinen Verbindungen gelockert, dass er durch 
leichten Fingerdruck hin- und herbewegt werden konnte.“ (Be¬ 
richt des Dr. H. an die Kgl. Staatsanwaltschaft.) 

Ferner fand Dr. H. unterhalb des hinteren Theiles des rech¬ 
ten Darmbeinkammes zwei parallel verlaufende, streifenartige 
Blutunterlaufungen und in der rechten Lendengegend eine etwa 
3 mm breite, 3 cm lange, schräg verlaufende, von gradlinigen 
Bändern begrenzte Blutunterlaufung. 

Am 30. September fand Dr. H. den Ignatz zum ersten Male 
bei Bewusstsein; bis dahin hatte er stets heftig delirirt. An 
demselben Tage konnte zum ersten Male mit dem Knaben gericht¬ 
lich verhandelt werden; ein Versuch der Gerichtskommission, dies 
am 28. September zu thun, missglückte vollständig, da der „Knabe 
im Fieberparoxysmus zu liegen schien, schrie, jammerte und phan- 
tasirte.“ Unter der Behandlung des Dr. H. erholte sich der 
Knabe. Wegen des Verdachtes, dass Ignatz C. von anderen 
Hirten oder Beinern Dienstherrn misshandelt worden sei, wurden 
von der Kgl. Staatsanwaltschaft Ermittelungen angestellt, welche 
zu folgendem, von mir erstatteten Gutachten führten: 

Am 19. November, also etwa zwei Monate nach der in Frage 
stehenden Erkrankung des Ignatz C., habe ich denselben in 
meiner Wohnung untersucht und folgenden Befund festgestellt: 
Er ist ein ziemlich kräftiger, massig gut genährter Knabe von 
etwas stupidem Gesichtsausdruck. Er beantwortete an ihn ge¬ 
richtete Fragen sachgemäss, doch etwas zögernd und langsam, so 
dass ich den Eindruck hatte, als ob der Knabe etwas schwer¬ 
hörig sei. Objectiv lässt sich jedoch an beiden Ohren nichts 
nachweisen. Der Knabe ist jetzt vollständig gesund und munter, 
frei von irgend welchen Lähmnngserscheinungen, sei es der in¬ 
neren Theile, z. B. Harnblase, Mastdarm, sei es der Gliedmassen. 
Ist er doch seiner Angabe nach heut bei ziemlich hoch liegendem 
Schnee und recht schlechtem Wege von Alt-B. bis hierher, etwa 
12 Kilometer, zu Fuss gegangen und macht denselben Weg wie¬ 
der zurück! Im Halse und Nacken durchaus nichts Unregel¬ 
mässiges zu finden, die Domfortsätze der Wirbel normal hervor¬ 
tretend und nirgends beweglich, ebenso wenig die Querfortsätze, 
soweit sie überhaupt der Betastung zugänglich sind. Der Kopf 
nach allen Richtungen normal beweglich, lässt sich sowohl passiv 
in jede physiologische Stellung bringen, als auch activ durch den 
Willen des Untersuchten. Bei keiner dieser Bewegungen ist 
Schmerz vorhanden, auch weder Störung bei den Athmungs- noch 
bei Schluckbewegungen. Alle Functionen sind bei dem Ignatz C. 
in vollster Ordnung, insbesondere der Appetit und die Verdauung. 

Bei Gelegenheit der Untersuchung des Ignatz giebt seine ihn 
begleitende Mutter an, ihr Sohn habe früher viel an Ohrenfluss 



Zur Diagnose der Halswirbel-Verletzungen. 


155 


und dabei an Kopfschmerzen gelitten. Vor etwa einem halben 
Jahre habe er durch mehrere Tage den Hals vollständig steif 
und nach der Seite herumgedreht gehalten und dabei über hef¬ 
tige Schmerzen im Nacken und Halse geklagt. Unter Anwendung 
von Wärme sei der Anfall nach einigen Tagen vorübergegangen; 
der Knabe sei dabei stets bei Bewusstsein gewesen und umher¬ 
gegangen, auch habe er nicht phantasirt, aber vor der Krankheit 
viel über Kopfschmerzen geklagt. Am Sonntag vor der Erkran¬ 
kung ihres Sohnes, also am 17. September, Bei ihre Mutter in N. 
bei dem Ignatz, also ihrem Enkelsohne, gewesen und habe die 
Nachricht zurückgebracht, der Ignatz leide wieder sehr stark an 
Kopfschmerzen. Dass Ignatz an Krämpfen oder anderen mit Be¬ 
wusstseinsstörung verbundenen Zuständen gelitten habe, darüber 
weiss die Mutter nichts anzugeben. 

Der Knabe Ignatz C. schildert seinen Krankheitszustand aus 
dem Frühjahr ebenso wie die Mutter, giebt an, ab und zu an 
Kopfschmerzen zu leiden und behauptet, nicht zu wissen, dass er 
am Tage seiner Erkrankung von irgend Jemandem geschlagen 
oder überhaupt gröblich behandelt worden sei. Als ich den C. 
auf die Blutunterlaufungen hinwies, welche die Gerichtskommis¬ 
sion an ihm festgestellt hat, gab er an, dass dieselben vielleicht 
von Verletzungen herrührten, welche er sich beim Hinfallen auf 
einen Stein zugezogen habe. 

Die gerichtsärztliche Würdigung des Falls wird vor allem von 
der Beantwortung der Frag abhängen, an welchem Krankheitszu¬ 
stande der Knabe Ignatz C. Ende September gelitten habe. Es 
lassen sich folgende Krankheitssymptome aktenmässig nachweisen: 

1) Kopfschmerz durch mehrere Tage vor dem Ausbruch der 
Erkrankung (Aussage der Mutter über die von der Grossmutter 
berichteten Kopfschmerzen). Die Aeusserung des Dr. H., die An¬ 
gabe des C., bereits vor Beginn seiner Krankheit an Kopfschmerzen 
gelitten zu haben, sei nicht unbedingt glaubwürdig, muss ich auf 
Grund dieses Aktenmaterials für nicht zutreffend halten, die 
Kopfschmerzen sind in der That nicht anzuzweifeln. 

2) Hohes Fieber. Dr. H. gab noch am 30. September, also 
zur Zeit, als das Bewusstsein wieder zurückgekehrt und der Knabe 
vernehmungsfähig war, die Körperwärme auf 39° an. Dieselbe 
ist also in den vorhergegangenen Tagen, an welchen die Krank- 
heitserscheinungen so erheblich schwerer waren, höchst wahr¬ 
scheinlich noch höher gewesen. 

3) Delirien und vollständige Bewusstlosigkeit. Der am 25. 
September in die Wohnung der Mutter gebrachte Knabe phan- 
tasirte noch am 28., so dass die Gerichtskommission unverrich¬ 
teter Sache wieder abreisen musste; Dr. H. fand den Kranken bei 
seinen fast täglichen Besuchen stets heftig delirirend. 

4) Höchst auffallende Kopfstellung. Der Kopf ad maximum 
in den Nacken gezogen, so dass die Fläche des Hinterkopfes mit 
der Fläche des Rückens einen spitzen Winkel bildete. 

Wenn auch genauere Angaben über manche wichtige Symp¬ 
tome, wie Pulse, Stuhl Verstopfung, Erbrechen, Lähmungserschei- 



15ß 


‘Dr. Lissner. 


muigen, Krämpfe, fehlen, so genügen die oben genannten Zeichen 
doch, um mit grösster Wahrscheinlichkeit eine entzündliche Af- 
fection der Gehirnhäute bezw. des Gehirns, besonders an dessen 
hinterem Umfange anzunehmen. Auch Dr. H. spricht in dem Be¬ 
richte an die Kgl. Staatsanwaltschaft von „Erscheinungen, welche 
durch eine Alfection des Gehirns, insbesondere der Gehirnhäute 
hervorgerufen“ waren. Dr. H. leitet diese Gehirnaffection von 
einer Verrenkung im unteren Dritttheil der Halswirbelsäule und 
einem Bruch eines oder mehrerer Halswirbel her und schliesst 
dies aus den oben angeführten, von ihm festgestellten Befunden. 
Ich bedaure lebhaft, der Ansicht des Dr. H., dessen Beobach¬ 
tungsgabe ich sonst sehr hoch schätze, nicht beitreten zu können. 
Es ist allerdings höchst wahrscheinlich, dass der Knabe Ignatz C. in 
der Zeit nach dem 21. September d. J. an einer Gehirn- und Rücken¬ 
markshaut-Entzündung (Meningitis cerebro-spinalis), der sogen. 
Genickstarre, gelitten hat, ich halte aber die traumatische Veranlas¬ 
sung für durchaus unerwiesen, sogar für höchst unwahrscheinlich. 

Dass die genannte Krankheit vorhanden war, ergiebt sich 
aus den oben angeführten Symptomen. Dass sie aber nicht 
durch die von Dr. H. behauptete Verrenkung der Halswirbelsäule 
nebst Bruch eines oder mehrerer Wirbel entstanden sei, dafür 
sprechen folgende Momente: 

1) Der Kopf des Ignatz C. hing, als der Knecht P. den Ignatz 
am 21. September auf dem Felde traf und ihn nach Hause führte, 
ganz nach hinten; er habe „etwas Zusammengewachsenes, Verkrümm¬ 
tes“, erklärte der Knabe. Tags darauf wurde Ignatz nach Kosten 
zum Arzte, Dr. K., gebracht, welch letzterer eine abnorme Kopf¬ 
stellung an C. nicht bemerkt zu haben behauptet. Ausserdem ist 
Ignatz in die 1 Treppe hochgelegene Wohnung des Dr. K. ohne 
jede Unterstützung gekommen. Es scheint also im Beginn der 
Krankheit die so höchst auffallende und von Dr. K. doch nicht 
leicht zu übersehende Kopfhaltung des Kranken nicht fortwährend, 
sondern nur zeitweise vorhanden gewesen zu sein, was entschieden 
gegen Entstehung aus äusserer Veranlassung spricht. 

2) Der jetzige Zustand des Ignatz. Eine so vollständige Hei¬ 
lung, ohne zurückbleibende Lähmung, ja ohne alle Schwächeerschei¬ 
nungen ist bei Verrenkung nebst Bruch der Halswirbelsäule, wenn 
auch nicht ganz unerhört, so doch ausserordentlich unwahrscheinlich. 
Eine so vollständige Wiederherstellung erscheint, abgesehen von den 
schwierigen Heilungsbedingungen der Wirbelknochen und -Bän¬ 
der nur denkbar in Fällen, wo keine Zerstörung des Rückenmar¬ 
kes, aber auch keine Dislokation, kein Druck auf die Rücken¬ 
markshäute und auf das Mark selbst, sei es durch Knochenbruch¬ 
stücke, sei es durch Blutergüsse stattgefunden hat. Aber grade 
Dr. H. nimmt eine sehr bedeutende Dislocation bei Ignatz C. an, 
gerade er leitet die schweren Gehirnerscheinungen vom Druck 
auf die Nervencentra her. Der Umstand, dass schwere Delirien 
von mehrtägiger Dauer, vollständige Bewusstlosigkeit, hohes 
Fieber bei dem Knaben Ignatz vorhanden gewesen sind, spricht 
zweifellos für eine so ernste Betheiligung des Rückenmarkes und 



Zur Diagnose der Halswirbel-Verletzungen. 


157 


des Gehirns, dass eine so vollständige Wiederherstellung ohne 
irgend welchen bleibenden Nachtheil nicht erwartet werden konnte. 
Und diese vollständige Wiederherstellung war auch nicht etwa 
die Folge einer lange dauernden Behandlung, sondern zwei Monate 
nach der Erkrankung war der Knabe schon im Stande, eine 
Strecke von 24 km. zu Fuss zurückzulegen; zu dieser Zeit liess 
sich keine Spur der fiberstandenen Krankheit mehr finden! 

3) Eis liegen mehrere Angaben in den Akten vor, dass 
Ignatz C. vor seiner schweren Erkrankung nicht ganz selten an 
Kopfschmerzen gelitten hat. (Angaben des I. und der Mutter.) 
Der Dienstherr B. giebt sogar an, Ignatz habe während der letz¬ 
ten Tage vor der Erkrankung selten vernünftig gesprochen. Auf 
den im Frühjahr erlittenen „Anfall“ des Ignatz ist wohl kein 
Gewicht zu legen, da es sich wahrscheinlich um einen sogenann¬ 
ten Schief hals, Caput obstipum, aus rheumatischer Veranlassung 
gehandelt hat. Wichtiger ist vielleicht die Angabe der Mutter 
über den früher wiederholt aufgetretenen Ohrenfluss, verbunden 
mit heftigen Kopfschmerzen. 

Aus alledem geht hervor, dass bei Ignatz C. mehrfache, 
allerdings leichtere Erscheinungen von Seiten des Centralnerven¬ 
systems vorhanden gewesen waren, und dass der schweren Er¬ 
krankung im September ein mehrtägiger gedrückter, benommener 
Zustand des Gehirns vorangegangen ist. Bei einem derartig 
„organisch belasteten“ Knaben war die Erkrankungswahrschein¬ 
lichkeit an einer Gehirn- und Rückenmarkshautentzündung im¬ 
merhin eine recht grosse. Diese Krankheit tritt hier zu Lande 
durchaus nicht selten auf, in manchen Jahren ist sie epidemisch. 
Obgleich sie unter allen Umständen ein sehr gefährliches Leiden 
darstellt und selbst in den günstig verlaufenden Fällen dauernde 
Nachtheile nicht selten Zurückbleiben, z. B. Taubheit, Geistes¬ 
schwäche, so kommen doch, und oft gerade unter den ungünstig¬ 
sten Lebensverhältnissen, vollständige Genesungen ohne irgend 
welche nachtheilige Folgen vor. Ein solcher glücklicher Verlauf 
würde also meines Erachtens bei dem Ignatz vorliegen. 

Hat nun der Knabe Ignatz C. an einer Meningitis cerebro¬ 
spinalis gelitten, so ist ferner zu erörtern, ob diese Krankheit 
durch eine äussere Gewaltthat veranlasst worden sei. Der Be¬ 
fund, welchen Dr. H. durch das Betasten der Halswirbelsäule 
festgestellt hat, scheint mit voller Sicherheit für eine Gewaltthat 
zu sprechen. Ich bin jedoch zu der Annahme gezwungen, dass 
Dr. H. einem Irrthum unterlegen ist. Denn erstens heilen, wie 
oben schon ausgeführt, Verletzungen der Halswirbelsäule von der 
Schwere wohl kaum jemals vollständig, und ohne dass sie schwere 
Schädigung, ja Siechthum zurücklassen. Zweitens ist nicht recht 
zu begreifen, wie die von Dr. H. geschilderte Kopfstellung bei 
den von ihm behaupteten Verletzungen der Wirbelsäule habe zu 
Stande kommen können. Wenn die oberen zwei Dritttheile der 
(nach vorn konvexen) Halswirbelsäule so nach vom verschoben 
sind, dass sie mit dem unteren Dritttheile einen nach hinten 
offenen, stumpfen Winkel bildeten, so konnte der Kopf schwerlich 



158 


Dr. Mittenzweig. 


so weit ad maximum in den Nacken hineingezogen werden, dass 
die Fläche des Hinterkopfes mit der des Rückens einen spitzen 
Winkel darstellte. Durch eine solche Dislocation hätte der Kopf 
vielmehr nach vorn geschoben und der Hinterkopf höchstens in 
einen stumpfen Winkel zum Rücken gestellt werden können. Da¬ 
gegen ist die von Dr. H. bei Ignatz C. Vorgefundene Kopfstellung 
ganz characteristisch für die Meningitis cerebro-spinalis, bei welcher 
eine krampfhafte Starre der Nackenmuskeln stets vorhanden ist. 
Drittens wäre es bei der Annahme, dass eine Gewaltthat den 
Ignatz C. getroffen habe, doch höchst auffallend, dass der Knabe 
so gar keine Ahnung eines solchen Ereignisses haben sollte. 
Dr. H. giebt an: „Auf wiederholtes Fragen, ob ihn Jemand ge¬ 
schlagen habe, gab er einmal an „die Kuhhirten haben mich 
gewürgt.“ Im nächsten Augenblicke verfiel er jedoch wieder in 
seine Delirien. Also auf wiederholte, jedenfalls an mehreren 
Tagen gestellte Fragen erhob der Kranke nur einmal diese Be¬ 
schuldigung gegen die Kuhhirten, verfiel aber bald wieder in 
seine Delirien. Diese Beschuldigung characterisirt sich demnach 
als eine vom Delirium hervorgerufene. Heisst es doch im gericht¬ 
lichen Protokoll ganz ausdrücklich: „Erst als dem Ignatz C. vor¬ 
gehalten wurde, dass er im Fieber phantasiert und hierbei von 
Hirtenjungen, die ihn gewürgt, gesprochen hätte, schien die Er¬ 
innerung an den von ihm geschilderten Vorfall auf der Wiese zu 
erwachen.“ Dagegen schildert Ignatz am 30. Oktober, an wel¬ 
chem Tage er dem Richter den Eindruck macht, dass „er im Be¬ 
sitz des Erinnerungsvermögens sich befindet“, ganz genau den 
Hergang seiner Erkrankung, behauptet erst auf dem Felde sehr 
starke Kopfschmerzen bekommen zu haben u. s. w. Er und die 
anderen Kuhhirten seien stets gute Freunde gewesen und er habe 
gar keine Veranlassung einen Strafantrag gegen dieselben zu 
steUen. Und als Ignatz vom Richter darauf aufmerksam gemacht 
wurde, dass er in Fieberphantasieen davon gesprochen, dass die 
Hirten ihn geprügelt hätten, erklärte er, dass er sich dies im 
Fieber eingebildet haben müsse. Durch all’ diese Aeusserungen 
werden das angebliche Ringen und Balgen der Hirtenknaben mit 
einander und das Umfassen der Schultern des Ignatz durch einen 
13 jährigen Kameraden als ganz unschuldige Handlungen erwiesen. 

Auf eine erlittene Gewaltthat deuteten dagegen die von 
Dr. H. beschriebenen, oben geschilderten Verletzungen des Ignatz 
unterhalb des hinteren Theiles des rechten Darmbeinkammes, so¬ 
wie in der rechten Leistengegend hin. Diese Verletzungen sind 
durchaus unbedeutender Natur. Erheblicher ist das Haut-Emphy¬ 
sem, welches nach der Schilderung des Dr. H., in allerdings sehr 
geringer Ausdehnung, in der Gegend der dritten und vierten 
rechten Rippe vorhanden gewesen sein soll. Alle diese Ver¬ 
letzungen können aber dadurch entstanden sein, dass der bewusst¬ 
los auf der Erde liegende Hirtenknabe von seinen Kühen getreten 
worden sei, wobei ich allerdings hervorheben muss, dass es nicht 
leicht vorkommt, dass ein ruhiges Thier ungejagt auf einen da¬ 
liegenden Menschen tritt und ihn verletzt. Die Verletzungen können 



Zur Diagnostik der traumatischen Anämie. 


159 


aber auch, wie es Ignatz C. selbst ausgesprochen hat, durch Sturz 
des Bewusstlosen auf einen Stein oder Baumstamm entstanden sein. 

Es kann meine Aufgabe nicht sein, alle Möglichkeiten für 
die Entstehung der Blutunterlaufungen am hinteren, unteren 
Theile des Körpers, sowie des Haut-Emphysems hier durchzu¬ 
sprechen. Ich begnüge mich damit zu behaupten, dass alle diese 
Verletzungsspuren mit der angeblichen schweren Verletzung am 
Halse des p. Ignatz nicht im Zusammenhang stehen, und dass ihr 
Vorhandensein auf die wirkliche Existenz einer so schweren Hals¬ 
wirbelverletzung in keiner Weise schliessen lässt. 

Auf Grund obiger Erwägungen gebe ich mein Gutachten dahin ab: 

1) Ignatz C. hat im letzten Dritttheil des Monats September 
1882 höchst wahrscheinlich an der sogenannten Genick¬ 
starre, einer Entzündung der Gehirn- und Rückenmarks¬ 
häute (Miningitis cerebro-spinalis) gelitten. 

2) Die Entzündung ist aus innerer Veranlassung, nicht in Folge 
einer Gewaltthat entstanden. 

3) Der Ignatz C. ist jetzt wieder vollständig gesund, die 
Krankheit hat also keine der im § 224 des Strafgesetzbuches 
vorgesehenen Folgen gehabt. 

4) Das Haut-Emphysem an der rechten Brustseite, sowie die 
Verletzungsspuren an der rechten Hüfte des Ignatz C. sind 
zweifellos Folgen äusserer Gewaltthat, stehen jedoch nicht 
mit den Erscheinungen von Seiten des Centralnervensystems 
nicht in ursächlichem Zusammenhang. 

5) Nach meiner Ueberzeugung sind die von Dr. H. behaupte¬ 
ten schweren Verletzungen der Halswirbelsäule höchst 
wahrscheinlich gar nicht, sicherlich jedoch nicht in dem 
behaupteten Umfange vorhanden gewesen. 


In Folge obigen Gutachtens sind die von Seiten der Staats¬ 
anwaltschaft angestellten Ermittelungen über die Erkrankung des 
Hirtenknaben aufgegeben und die Acten bei Seite gelegt worden. 


Zur Piagnostik der traumatischen Anämie. 

Von Dr. Mittenzweig. 

Die gerichtliche Section eines kräftigen Mannes, welcher 
nach einer Quetschung der Bauchgegend im Verlaufe von acht 
Tagen unter den Erscheinungen innerer Verblutung verstarb und 
bei welchem sich bei der Obduction neben den Zeichen der Ver¬ 
blutung als Quelle derselben eine Zerreissung der Leber vorfand, 
gab mir Veranlassung, das Blut auf das Vorhandensein von kern¬ 
haltigen rothen Blutkörpern zu untersuchen. 

Die nach der Ehrlich’schen Methode behandelten Präparate 
des Leichenblutes, welches 48 h. post mortem bei Gelegen¬ 
heit der Obduction entnommen worden war, liess mit Leichtigkeit 
die specifische Färbung der einzelnen Forrabestandtheile er¬ 
kennen und bot durch das Vorkommen rother kernhaltiger 
Blutkörper den bestimmten Hinweis auf die Todesursache durch 



160 


Br. Mittenzweig. 


Anämie. Ja, noch mehr. Die abnorme Grösse dieser kernhal¬ 
tigen Blntkörper wies ferner darauf hin, dass diese Anämie be¬ 
reits eine schwere, irreparable geworden war. 

Das emgeschlagene Verfahren war folgendes: 

Es wurde aus der frisch aufgeschnittenen Vena cruralis 
mit einem Glasstabe ein Tröpfchen Blut auf ein Deckglas ge¬ 
bracht, ein zweites Deckglas darauf gelegt, und es wurden nach 
der gleichmässigen Vertheilung des Blutes zwischen denselben 
die Deckgläser in wagerechter Lage auseinander gezogen. Nach¬ 
dem die Präparate lufttrocken geworden, wurden sie bei 120 0 C. 
eine Stunde lang erhitzt und mit Eosin-Nigrosin-Aurantia-Gly- 
cerin 24 Stunden lang gefärbt, mit Wasser abgespült und in 
Canadabalsam untersucht. Das Haemoglobin der rothen Blut¬ 
körper hatte sich orange, der Zellenleib der weissen bläulich, die 
eosinophile Granulation der weissen purpurroth, sämmtliche Kerne 
hatten sich intensiv schwarz gefärbt. 

Unter den rothen Blutkörpern, deren Form gut erhalten 
war und deren Delle sich durch grössere Blässe bemerklich 
machte, traten einzelne Formen auf, welche sich durch einen tief 
schwarz gefärbten Kern und einen grossen orangegelben Zellen¬ 
leib auszeichneten. 

Diese kernhaltigen rothen Blutkörper stehen hiernach den 
Megalocyten sehr nahe, deren Vorkommen Ehrlich constant bei 
pemiciÖ8er Anämie beschrieben hat. 

Ehrlich selbst hat bei verschiedenen Fällen von traumati¬ 
scher Anämie kernhaltige rothe Blutkörper von normalem Typus 
(Normoblasten) beschrieben. (Berl. klin. Wochenschrift 1883 No. 1 
und 1880 No. 28). Ob diese Fälle letal verlaufen sind, lässt 
sich aus dem Berichte nicht ersehen. 

Aus dem von mir berichteten Falle lässt sich sonach die 
Vermuthung aufstellen, dass die causa mortis eine schwere 
Anämie gewesen ist, welche aus der einfachen traumatischen Form 
im Verlauf von wenigen Tagen in die perniciösie umgeschlagen war. 

Von forensischer Bedeutung dürfte besonders der Umstand 
sein, dass sich auch im Leichenblute die specifische Färbbarkeit 
der einzelnen Formbestand theile erhält und dass die mikrosko¬ 
pische Untersuchung solchen Blutes auch noch Tage lang nach 
dem Tode ein positives Resultat ergiebt. Dieses Resultat haben 
mir auch andere und selbst Fälle von Untersuchung recht fauli¬ 
gen Blutes ergeben. 

Auch nach anderer Richtung hin ergiebt die Ehrlich ’sche 
Blutfärbung Resultate, von denen sich hoffen lässt, dass sie Anhalt 
bieten dürften zur Unterscheidung von Menschenblut und dem 
Blute der Säugethiere. 

Ich will hier nur vorläufig anführen, dass das Vorkommen 
und die Färbung der eosinophilen Leukocyten in dieser Hinsicht 
eine gegründete Aussicht zu versprechen scheint. 

Die Färbung ist leider eine zeitraubende, und ist ihr Gelin¬ 
gen von manchen Einzelheiten abhängig, welche noch nicht ge¬ 
nügend geklärt sind. 




162 


Referate. 


aus, und dass sich die Verrichtung als solche nicht anders qualificirt, auch 
wenn sie im Allerhöchsten Aufträge stattgefunden hat.*) 

Dr. Wiener. 


Die XV. Versammlung des deutschen Vereins für öffentliche Gesund¬ 
heitspflege findet in Strassburg im Eisass vom 14.—17. September d. J. statt. 


Der Mecklenburgische Medicinal-Beamten-Verein hat am 5. Oktbr. 1888 
zu Güstrow unter dem Vorsitze des Medizinalrathes, Kreisphysikus Dr. Elvers 
getagt. Anwesend waren die Herren Bark-Rehna, Elvers-Waren, Grie- 
warck-Bützow, Havemann-Dobbertin, Karsten-Hagenow, Reuter-Güstrow, 
Scheven-Malchin, Schuchardt-Sachsenberg, Unruh-Wismar, sowie der 
Geheime Medizinalrath Professor Dr. Schatz-Rostock als Gast. Herr Schatz 
sprach „über die Empfängnisszeit“ und „über Lebensfähigkeit und Lebend- 
Geborensein“, Herr Griewarck über „Verordnung betreffend das Impfwesen,“ 
Herr Barck über „die Aufsicht über die Hebammen“, Herr Karsten über die 
Frage „In welcher Weise können die Kreisphysiker dem Auftreten und der 
Verbreitung epidemischer Krankheiten wirksam entgegentreten.“ 

Der Verein, welcher sich zur Zeit auf die Medizinalbeamten von Mecklen¬ 
burg-Schwerin beschränkt, hofft in Zukunft auch auf den Beitritt der Collegen 
in Mecklenburg-Strelitz. 

Seine nächste Versammlung ist für Oktober d. J. in Rostock bestimmt. 


Referate. 

1. Dr. Gillet de la Tourette. Der Hypnotismus und die ver¬ 
wandten Zustände vom Standpunkte der gericht¬ 
lichen Medicin. Deutsche Uebersetzung. Hamburg, 1889. 

2. Dr. Weife in Prag. Die forensische Bedeutung des 
Hypnotismus mit besonderer Beziehung auf das öster¬ 
reichische Strafgesetz. Prager medicinische Wochenschrift 
1888. No. 47—51 und 1889, No. 1—3. 

1. Wer sich mit dem obengenannten Gegenstände noch nicht genauer be¬ 
schäftigt hat, findet in dem Buche von Gillet de la Tourette eingehende 
Auskunft. Der Hypnotismus ist besonders von den Franzosen cultivirt und 
findet bei diesen ohne Zweifel das geeignetste Beobachtungsmaterial; denn die 
Hysterie ist die Grundlage desselben und diese wie ähnliche Nervenkrankhei¬ 
ten treten wenigstens in den Pariser Anstalten in so reichen und bunten For¬ 
men auf, wie dies wenigstens in Deutschland nicht der Fall sein dürfte. Man 
lese nur die Arbeiten der französischen Irrenärzte über Hysterie, Somnambulis¬ 
mus und dergl. nach! Man könnte fast behaupten, der Hypnotismus sei nur 
ein neues Symptom der Hysterie, welches je nach dem Beobachter und dem 
Object eine verschiedene Entwicklung erlangt habe, anders z. B. bei der 
Schule von Nancy, als bei C har cot und seinen Schülern. 

Dass dem Hypnotismus objective, nicht willkürlich zu erzeugende Wahr¬ 
nehmungen zu Grunde liegen, ist von zuverlässigen deutschen Beobachtern be¬ 
stätigt. Es ist anzuerkennen, dass auch Gillet sich bestrebt hat, sein Thema 
wissenschaftlich zu behandeln. Ohne Zweifel lassen sich eigenthümliche Zu¬ 
stände im Gebiet der Hirn- und Nervenfunctioneri künstlich hervorrufen, die 
sogar die weitgehendsten Folgen nach sich ziehen. Man darf sich jedoch nicht 
wundern, dass hierbei in Frankreich Dinge zu Tage treten, welche über unsere 
nüchterne Erfahrung hinausgehen. Man kann sich des Eindruckes nicht er¬ 
wehren, dass der Acteur, wie sein Sujet, der eine mit gläubigem Herzen, das 
andere mit weiblicher Hingabe, uns Dinge vorzaubern, welche bei uns unmög¬ 
lich sind. Beim kritischen Durchlesen des Buches stossen ausserdem unserem 

*) Anm. der Red. Neben dem formellen Rechte besitzen wir aber noch 
ein nobile officium, auf welches wir nicht verzichten möchten. 



Verordnungen und Verfügungen. 


163 


Sinne mancherlei Widersprüche auf. Nur zu oft wird z. B. gesagt, dass Aus¬ 
nahmen von dem regelrechten Verlauf der Hypnose Vorkommen, dass manches 
Individuum nur von demselben Mann und nach öfterer Wiederholung hypnoti- 
sirt werden könne, bei anderen öfters directer Widerstand auftrete u. s. w. 
So soll sich ein Mädchen in der Hypnose entkleiden, nält aber nach wenigen 
Augenblicken beschämt inne; in einem andern Falle erklärt ein Mann, dass 
er auch in der Hypnose keinen Schuldschein unterschreibe, und so sind der 
Fälle mehrere, wo das Medium nur dasjenige thut, was ihm passt. Ganz un¬ 
glaublich sind für uns ferner die Mittheilungen von einem Doppelleben, einem 
Monate anhaltenden sogenannten „ second 6tat “ u. s. w. In der Klinik wer¬ 
den allerdings Schaustellungen geschickt inscenirt; Giftmorde, Pistolen-Atten¬ 
tate, Liebesscenen mit dem Hausgeistlichen u. s. w., aber in Wirklichkeit 
scheint derartiges nicht vorgekommen zu sein, selbst nicht in Paris, wo doch, 
wie eingehend geschildert wird, öffentlicher Unfug mit hypnotischen Vorstel¬ 
lungen an der Tagesordnung und die Sache somit hinreichend bekannt ist. 
Nur Nothzuchtsfälle wurden gelegentlich auf hypnotische Lethargie bezogen, und 
sind derartige Fälle jedenfalls denkbar, wenn auch naheliegend ist, dass 
Frauen und Mädchen auf diese Weise einen Fehltritt zu verschleiern suchen. 

So sehr sich besonders in Frankreich die öffentliche Meinung über die 
Möglichkeit erhitzt hat, dass willenlose Hypnotisirte zu allen erdenklichen 
Verbrechen abgerichtet werden können, bez. im wehrlosen Zustande allen Ver¬ 
brechen preisgegeben sind, in der Praxis hat der Hypnotismus bisher noch 
keine grosse Bedeutung gefunden. Gleichwohl dürfte der Gerichtsarzt manche 
werthvolle Belehrung in dem Buch von Gillet de la Tourette finden, schon 
wegen seines reichen Inhalts, der eine neue Welt erblicken lässt. Dasselbe ist 
ausserdem fesselnd und frei von dem trockenen Gelehrten tone, sowie ganz in 
dem Geist unseres leicht erregbaren Nachbarvolkes geschrieben. 

2. Die Arbeit von Weifs ist erheblich kürzer, behandelt jedoch den Stoff 
in ähnlicher Weise und anscheinend in Anlehnung an das Buch von Gillet. 
Alles das, was in der Hypnose begangen werden bez. sich ereignen kann, wird 
ausführlich aufgezählt und eingehend besprochen, wirklich vorgekommene 
Thatsachen aus der gerichtlichen Praxis sind aber auch hier nicht angeführt. 
Vollständig beizustimmen ist jedenfalls dem Verfasser, wenn er verlangt, dass 
der Gerichtsarzt mit den Erscheinungen, Folgezuständen u. s. w. des Hypno¬ 
tismus bekannt sein muss. Auch die Forderung, dass öffentliche hypnotische 
Schaustellungen zu verbieten seien, ist durchaus gerechtfertigt. 

Dr. Silomon-Norden. 


Verordnungen und Verfügungen. 

Aufnahme und Unterbringung von Geisteskranken bez. Geistesschwachen 
in Nicht-Irrenanstalten. Circ.-Erlass des Ministers der geistlichen 
u. s. w. Angelegenheiten vom 5. März 1889, M.-N. 9891 (gez. von Goss- 
ler) an sämmtliche Königl. Regierungspräsidenten. 

Der Regierungspräsident zu Coblenz hat die Frage in Anregung gebracht, 
ob es als zulässig erachtet werden kann, wenn, wie es im dortigen Bezirk der 
Fall ist, geistesschwache (blödsinnige) Personen oder andere Geisteskranke in 
gewöhnlichen Krankenhäusern, Armen- und Siechenhäusern etc. untergebracht 
werden, ohne dass hierzu eine besondere Erlaubnis nachgesucht und ertheilt 
wäre, und ob nicht derartige Anstalten, wenn sie geistesschwache etc. Personen 
aufnähmen, den Bestimmungen des Cirkular-Erlasses vom 19. Januar v. J., be¬ 
treffend die Privat-Irrenanstalten, zu unterwerfen seien. 

Aus einem auf diesseitige Veranlassung erstatteten Bericht lässt sich als 
das Ergebnisß der angestellten näheren Ermittelungen entnehmen, dass sich im 
vorigen Jahre in fünf Anstalten des Bezirks 14 geisteskranke bez. geistes¬ 
schwache Personen befanden und zwar je 4 in einer Privat-Krankenanstalt 
und einer mit Korporationsrechten versehenen Krankenanstalt, eine in einer 
Krankenanstalt, welche einer Kirchengemeinde gehörte, 3 in einem Armhause, 
2 in einem städtischen Hospital, ohne dass diese Anstalten als Privat-Irren- 
Anstalten konzessionirt oder als Irrenanstalten bisher behandelt wären. Von 
diesen 14 Kranken wurden 11 als geistesschwach (blödsinnig etc.), eine als 
mit „einfacher Geistesstörung 4 * behaftet bezeichnet, über 2 Kranke fehlte eine 



164 


Verordnungen und Verfügungen. 


genauere Angabe. Zeitweise aufgeregt waren hiervon 6, bei einer war zeit¬ 
weise Einschliessung nothwendig; entmündigt waren 5 dieser Personen. 

Obgleich dieselben von den Geistesgesunden nicht getrennt untergebracht 
waren, hatten sich Missstände, so weit zu ermitteln war, aus der Art der Unter¬ 
bringung bisher nicht ergeben. 

Trotzdem erachtet der Bericht eine allgemeine, grundsätzliche Regelung 
der Verhältnisse der in Nicht-Irren-Anstalten jeder Art untergebrachten Geistes¬ 
kranken (einschliesslich der Geistesschwachen etc.) für nothwendig und macht 
für eine solche diejenigen Vorschläge, welche sich aus dem abschriftlich ange¬ 
schlossenen Berichtsauszuge ergeben. 

Wenngleich anzuerkennen ist, dass in höherem Grade geistesschwache 
Personen (Blödsinnige, Idioten) auch vom rechtlichen Standpunkte den Geistes¬ 
kranken zuzurechnen sind und dass die Art der Unterbringung derselben in 
Anstalten eine Ueborwachung Seitens der Staatsbehörden erheischt, so bietet 
eine allgemeine Regelung dieser Angelegenheit doch wegen der Mannigfaltig¬ 
keit der in Betracht kommenden Verhältnisse grosse Schwierigkeiten dar und 
würde schon mit Rücksicht auf die grosse Anzahl der Personen, um die es 
sich handeln dürfte, eine tief einschneidende Wirkung ausüben können. Nach 
der amtlichen Statistik befanden sich in Preussen in Anstalten, welche keine 
Irrenanstalten waren, an Geisteskranken (Geistesschwachen etc.): 


im Jahre 

in Armen-Siechen- 
häuscrn etc. 

in allgemeinen Kran¬ 
ken-Anstalten 

Zu¬ 

sammen 

1878 

918 

3066 

8984 

1879 

344 

3016 

3860 

1880 

661 

2835 

3496 


Hierbei sind anscheinend die Anstalten für Blinde, Taubstumme, Epileptische 
nicht mitgezählt, von deren Pfleglingen eine Anzahl zugleich geisteskrank sein 
dürfte. 

In vielen Fällen wird der Aufenthalt gewisser Arten von Geisteskranken 
in Nicht-Irrenanstalten für die sonstigen (geistig gesunden) Insassen derselben 
mit Nachtheilen nicht verbunden sein, dagegen steht zu befürchten, dass eine 
zu weitgehende Beschränkung der Nicht-Irrenanstalten betreffs der Aufnahme 
geisteskranker Personen die Lage der letzteren nachtheilig beeinflussen könnte. 

Es erscheint mir daher, bevor ich die Vorschläge des Regierungspräsi¬ 
denten zu Coblenz in nähere Erwägung ziehe, nothwendig, zunächst festzu¬ 
stellen, wie die in Rede stehenden Verhältnisse in den übrigen Bezirken der 
Monarchie liegen. 

Ew. Hochwohlgeboren ersuche ich demnach ergebenst festzustellen, wie 
viele Geisteskranke (einschliesslich der Schwachsinnigen, Blödsinnigen, Idioten) 
sich in den einzelnen Anstalten (abgesehen von den Irrenanstalten) des dor¬ 
tigen Bezirks zur Zeit befinden, welcher Art die Geisteskrankheit der einzelnen 
Kranken ist, ob dieselben entmündigt sind oder nicht, ob sie zeitweise aufge¬ 
regt sind, zeitweise oder dauernde Einschliessung oder Anwendung sonstiger 
Zwangsmittel bei denselben nothwendig ist, ob bezw. welchen Behörden von 
ihrer Aufnahme Anzeige gemacht ist und ob die Geisteskranken mit den 
übrigen geistesgesunden Pfleglingen zusammen wohnen oder sich in besonderen 
Abtheilungen befinden. 

Betreffs der Idioten-Anstalten sind nur summarische Angaben unter Be¬ 
zeichnung des Characters der Anstalt (ob privat, communale etc.) erforderlich. 

Ew. Hochwohlgeboren ersuche ich ergebenst, gefälligst unter Mittheilung 
der Ergebnisse dieser Feststellungen zur Sache zu berichten und sich über die 
von dem Regierungs-Präsidenten zu Coblenz gemachten Vorschläge zu äussern 
bezw. anderweite Vorschläge gefälligst zu machen. 

Dem gefälligen Berichte sehe ich in Jahresfrist entgegen. 

Anlage. 

Coblenz, den 28. November 1888. 

p. p. 




Verordnungen und Verfügungen. 


Für nof&weÄdig halte ich o», die Vorschriften für die GnMut krank oh ; • 
Auch auf die Hoisto« schwachen aunzudolmen, weil letztere —wenn Jäüb& 
gewöhnlich ruhig und frei sich bewegend — vermöge ihrer tMKioßschwätihe 
nicht i«i Stande sind, für sieh seihst m sorgen, nacht veröiogon, hei mangoU 
hal'ter Nege und ßeharnilntig att fechtor Stelle jso klagen, and ehtenöndTgt, 
nicht einmal das Becht zur 'Klage besitwau.. Wegen dieser Haltlosigkeit; der 
GöUtfii * Uh tf ac h e » erscheint v* mit insbesondere hethweodig, iloa» die Tor-; 
wtehur aller Anstalten '■■+ . mögen diese Änstalfeo oihen Nimieh tr&gi^i, •wnlcheir 
sie' w»?itenund möge« sie Steatsrc‘.?erat>4nfl?', Iforporatipn*- oder iMvat ^Äti- 
ßtalten seih — ven>ftfüht«t werden, von jedet votSbergidjende« oder fhwiciraid«» 
Aufnahme >riiu>s l/oislcs kr anhen oder eines dreistes sch wachen in ihr« An 
state binnen ‘24 Stunden nach det Aufnahme der OrixjroliKmbnhördo des Be¬ 
zirks, in welchem die Anstatt liegt, und hinnen d Tagon nach der- Aufnahme 
dom Styat,fen.imajW dt» Landgericht ®-,in dessen Besdrfc diu Aröd&lt, Regt, An- 
zeige 7 .« loachan. ^7* -- ' . t 

Eine gleiche Verpflichtung dürfte auch allen Personen 'aaikueri.'gen sein, 
welche; einzelnefroistezVran kn öder öejstekshhwaehe zur Pflege in ihr 
Raus iiuihc-bafwa. 

In. diesen Anzoigec wurde zugleich ftiumgeiien -und durch iiratiirhes At¬ 
test. zu beiegeh arm, ob die Auf'gentwnjehen vomutBichtlieh heilbar oder un-, 
heifhar ;■< ob sie viirilbetgßhfeti.d oder dawe/öd lö der angemetdetestt Pflogostelle 
hleihuh, ztt welcbrsw Fflegoaatzc Veraiüftgsung uiid Koaten sie 

aufgenoumieu sind 

Dies« Ajttzeigmi' winde di« Ort.'jipliaelbfthörde durch TerMiittelung das 
hfHjdfÄtbes dem Kröisphyaikus rnitzuthepen habt:». welcher- nach Äflleitimg 
der Ümislerial - Vertagung vom 17. Januar it 3/ pifle ««.i'bgecriäsHe Aufsicht 
aber die Pflege dieser'tTnglßckUcheu trii föhren hat. ••' ‘ \ 

Um ferner allen möglichen Missbräuchen und bchidicben Arihaahtnen vttr- 
aubeügen, erscheint mir die Anordnung noibwendig, das« alle Personen '*£r\ 
sowohl Privatpersonen, wie Vorsteher Von Aaste!Ceti —, welche öeihtopkranke 
oder tledsteaachwache in Pflege nehitücfj wollen, verpflichtet werden, eine 
Konzession nadazusuther., in welcher ein mitverantwortlicher Haus- rt-sp. 
Anstalt*-Arzt namhaft y.u tufwhen ist, falls der Naebr.uehende seliist nicht Arzt 
ist. Dieser Arzt, würde eine von der Aufsichtebehörde zvEflÄBseiide Anweisung 
zu befolgen haben., durch welche er namentlich zu verpflicht«« ist, in uabe¬ 
stimmten Zeiträumen siuuiütlieho m der Anstalt hafiodliclre Rävuue au be¬ 
sichtigen. 

• 7 " pp. ' PI». i _ ^ 

Der Regienmg*-Präsident, 
gez, von Putt ha m er. 


Konzoseions • Pfttehtlgkejt des Kleinhandels mit Dregwen und chemischen 
Präparaten. Circular-Erfass d#s Minif.ter-& fffrgeis triebe u. s. w. 
Angelegenheiten vetn I» März 1889, \f. N, 627 igS*. vor Oossler) an 
sämmtliche König’., ric-gäeiungsprftsidenteii. 

Ungeecdifet der hreroete In ded letate» J«dii»n a.URgeßhfcen strengen Kyn- 
trole und der häufig erfolgten ßefitrafaBg der den Kleinbandel mit Arznei- 
wauren und t*ift«n botreibenden Drogisten und jdaterifttisteh wegen Debertrc- 
timg det • Kaiserlivhen Verordnung vom 4. .hrnuar 187"* über den Verkehr mH 
Arsaeuaitteln berw. des g H67 Ziffer & dcs St.-G.-B, tet os bisher nicht gelungen 


dem vingwetzHcben Treibe« der genannten Gpseiiäftsleute, das sich in einer 


febertretungen auch bei mebifaebcn Wiederholungen mir irAt v*t 
nissmAssig goriagen tdeldstrafi; oder kurzen Eaftstrafc* geahndbJ! . te 

aber durch die Eboahmen .an* den begangenen Uebedrotungtn. b aviia pt 

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166 


Personalien. 


ist oder doch bald durch neue Uebertretungen gedeckt werden kann, und 
letztere erfahrungsgemäß gleichfalls von keinem erheblichen Nutzen gewesen ist. 

Auf Grund dieser Erfahrungen glaubt der Polizei-Präsident sich für eine 
einschneidendere Bestrafung bei dergleichen Uebertretungen aussprechen zu 
müssen und hält es zu diesem Behufe für erforderlich, dass die Personen, 
welche den Kleinhandel mit Drogen und chemischen Präparaten betreiben, 
unter diejenigen Gewerbetreibenden aufgenommen werden, welche den Bestim¬ 
mungen in § 35 der Gew.-Ordnung gemäss bei Eröffnung ihres Geschäftsbe¬ 
triebes der zuständigen Behörde hiervon Anzeige zu machen haben und denen 
von dieser die Fortsetzung des Gewerbebetriebes untersagt werden kann. 

Obwohl es im öffentlichen Interesse wünschenswerth erscheint, dem sei¬ 
tens der Drogisten und Materialisten betriebenen ungesetzlichen Kleinhandel 
mit Arzneiwaaren und Giften entgegen zu treten, auch nicht in Abrede gestellt 
werden darf, dass unter den hierorts obwaltenden Verhältnissen diesem unge¬ 
setzlichen Treiben mit den durch die geltende Gesetzgebung den Behörden 
überwiesenen Befugnissen nur in unvollkommenem Masse gesteuert werden kann, 
so würde auf eine Abänderung der bezüglichen gesetzlichen Bestimmungen, 
namentlich im Sinne des Polizei - Präsidenten diesseits doch nur dann Bedacht 
zu nehmen sein, wenn sich hierzu ein allgemeines Bedürft)iss herausgestellt 
haben sollte. 

Ew. Hochwohlgeboren ersuche ich demnach ergebenst, sich mit Rücksicht 
hierauf gefälligst darüber zu äussern, ob und in wie weit sich die Unzuläng¬ 
lichkeit der in Betracht kommenden bestehenden gesetzlichen Bestimmungen 
auch im dortigen Bezirke bemerkbar gemacht hat, und bejahendenfalls Vor¬ 
schläge zu machen, auf welche Weise den Uebertretungen der in Rede stehen¬ 
den Gewerbetreibenden in wirksamerer Weise als bisher zu begegnen sein 
möchte. Die Beibringung eines thatsächlichen Materials, welches zur Mitthei¬ 
lung an den Herrn Reichskanzler geeignet ist, wird mir besonders erwünscht sein. 


Personalien. 

Auszeichnungen: 

Verliehen: Der Character als Geheimer Sanitätsrath: dem 
Sanitätsrath Dr. Paetsch in Berlin; als Sanitätsrath: dem praktischen 
Arzte Dr. Joh. Schmidt und dem Kreisphysikus Dr. Wilbrandt in Frank¬ 
furt a/M., den praktischen Aerzten Dr. Strauch in Frankfurt a/O., Dr. Ziele- 
wicz in Posen, Dr. Harnier in Kassel, Dr. Selberg, Dr. Bartels und dem 
gerichtlichen Physikus Dr. Mittenzweig zu Berlin. Der Rothe Adler¬ 
orden II. Klasse mit dem Stern: dem'Geheimen Rath Prof. Dr. Ritter 
von Nussbaum in München und dem Generalarzt I. Klasse a. D. Dr. von 
Stuckrad in Berlin; der Rothe Adlerorden HI. Klasse mit der 
Schleife: dem Kreisphysikus Sanitätsrath Dr. Rünger in Linden b. Hannover 
und Sanitätsrath Dr. Wolff in Schwedt a/O.; der Kronenorden II. Klasse: 
dem Geh. Sanitätsrath Kreisphysikus a. D. Dr. Wüstefeld in Neustadt i/Schl.; 
der Kronenorden HL Klasse: den Geh. Sanitätsräthen Dr. Blumenthal 
in Ilfeld und Dr. Gabriel in Berlin, sowie dem Kreiswundarzt Dr. Knispel 
in Murowana-Goslin. 

Die Genehmigung ertheilt zur Anlegung: des Ritterkreuzes 
I. Klasse des Grossherzogi. Badischen Ordens vom Zähringer 
Löwen: dem Oberstabs- und Regimentsarzt Dr. Winkler in Carlsruhe, sowie 
des Ritterkreuzes II. Klasse mit Eichenlaub desselben OrdenB: den 
Oberstabs- und Regimentsärzten Dr. Batzer in Colmar, Dr. Andräe in Carls¬ 
ruhe und Dr. Ehrlich in Rastatt 

Ernennungen und Versetzungen: 

Ernannt: Der Custos am Hygienemuseum der Friedrich-Wilhelms-Uni¬ 
versität zu Berlin Dr. Petri zum Regierungsrath und Mitglied des Kaiser¬ 
lichen Gesundheitsamts; der Privatdocent Dr. Strübing zu Greifswald zum 
ausserordentlihcen Professor daselbst; die Privatdocenton Dr. Müller zu 
Berlin und Dr. Schiefferdecker zu Bonn zu ausserordentlichen Professoren 
der medicinischen Fakultät zu Bonn; der bisherige Assistent am Hygienemuseum 
Dr. von Esmarch in Berlin zum Custos desselben, der praktische Arzt Dr. 



Personalien. 


167 


Krause in Hultschin zum Kreisphysikus des Kreises Neustadt i. O./Schl. und 
der Reg.- und Med.-Rath Dr. Dieterich in Posen zum Dirigenten des Königl. 
Impf instituts daselbst. 

Versetzt: Der Kreisphysikus Dr. Bräutigam in Sulingen in gleicher 
Eigenschaft in den Kreis Königsberg i/Neum. (nördlich). 

Das Fähigkeitszeugnlss rar Verwaltung einer PhyslkatssteDe haben Im 

I. Quartal 1888 erhalten: 

Die praktischen Aerzte: Dr. Hafemann zu Schinfliess, Dr. Hassenstein 
zu Aimerburg, Dr. Hoffmann zu Halle a. 8., Dr. Ilberg, Dr. Wachs und 
Dr. Kahnt zu Berlin, Dr. Kind zu Fulda, Dr. Meyer zu Gardelegen, Dr. 
Stolzenburg zu Kreutzburg L O./Schl. und Dr. Voigtländer in Düsseldorf. 

Verstorben sind: 

Die praktischen Aerzte: Dr. Lichtenberg in Bremerhaven, Wirkl. 
Geh. Ob.-Med.-Rath und Generalstabsarzt a. D. Dr. von Lauer, Dr Stübing 
und Dr. Felix Freund in Berlin, Sanitätsrath Dr. Halle in Ahlden, Dr. Am¬ 
brosi in Tapiau, Marine-Assistenzarzt Dr. Machenhauer bei Samoa, Dr. 
Kessler in Wollin, Dr. C. Brettschneider in Berlin, Dr. Braunsteiner 
in Bacharach, Oberstabsarzt a. D. Dr. Clauditz in Hildesheim, Dr. Worch 
in Schreiberhan, Dr. Schramm in Friedenau bei Berlin, Dr. Ahns in König¬ 
stein, Generalarzt a. D. Dr. Telke in Thorn und Dr. Molk in Sigmaringen. 

Vakante Stellen:*) 

Kreisphysikate: Putzig, Filehne, Witkowo, Neutomischel, Schildberg, 
(Meldung bis zum 15. Mai bei der Regierung in Posen, Abth. des Innern), 
Lissa, Goldberg-Haynau* Militsch, Waldenburg, Nordhausen, Uslar, Hümmling, 
Sulingen (Meldung bis zum 6. Mai bei dem Königl. Reg.-Präs. in Hannover), 
Adenau, Daun, Oberamt Gammertingen. 

Kreiswundarztstellen: Fischhausen, Darkehmen, Heiligenbeil, Heyde- 
krug, Oletzko, Tilsit, Karthaus, Marienburg, Loebau, Marienwerder, Graudenz, 
Angermünde, Templin, Friedeberg, Ost- und West-Sternberg, Bütow, Lauen¬ 
burg i/P., Dramburg, Schievelbein, Bomst, Schroda, Bromberg, Strehlen, Ohlau, 
Kosel, Hoyerswerda, Lauban, Reichenbach, Grünberg, Münsterberg, Sagan, 
Jerichow I, Wanzleben, Wernigerode, Worbis, Sangerhausen, Ziegenrück, 
Langensalza, Höxter, Lübbecke, Warburg, Lippstadt, Meschede, Hünfeld, 
Erkelenz, Kleve, Bergheim, Rheinbach, Wipperfürth, Elberfeld und St. Wendel. 


Ergebene Bitte an die Herren Collegen. 

Ich beabsichtige eine möglichst genaue Statistik des Medicinalpfuecher- 
thums im Preussischen Staate aufzustellen und bitte die Herren Collegen ganz 
ergebenst, mir, soweit es ihnen möglich, statistische Angaben über das oben¬ 
genannte Thema nach folgender Tabelle gütigst zusenden zu wollen: 


N am e, 

falls er angegeben 
werden kann. 

Eigent¬ 

licher 

Stand. 

Kurirt 

seit? 

Welche 

Krankheiten? 

Bemerkungen über 
Heilmethode, Ein¬ 
kommen, Preise 
etc. 







Dr. Hejnaeher, 

Kreisphysikus zu Rosenberg, Westpreussen. 


*) Wo ein bezüglicher Vermerk fehlt, sind die Stellen entweder 
nicht ausgeschrieben oder die officiellen Meldefristen bereits abgelaufen. 




168 


Preußischer Medicinalbeamtenverein. 


Preussischer Medicinalbeamtenverein. 


Der Unterzeichnete Vorstand hat in seiner Sitzung Tom 12« April d. J. 
beschlossen, dass die 

Siebente Hauptversammlung des Vereins 

am II. und 12. September d. J. in Berlin 

stattfinden soll. 

An Vorträgen sind bis jetzt angemeldet und für die diesjährige Tages¬ 
ordnung angenommen: 

1. Der Entwicklungsgang im Preussischen Medicinalwesen. IL Theil. 

Die Reformbeweguogen im ärztlichen Stande. Herr Reg.- u. Medi- 
cinalrath Dr. Wernich in Koeslin. 

2. Ueber Formulirung von Obduktionsprotokollen« Herr Kreisphysikus 

Prof. Dr. Falk in Berlin. 

3. Ueber Puerperalfieber vom sanitätspolizeilichen Standpunkte aus. 

Herr Kreisphysikus Dr. Philipp in Berlin. 

4. Zum Entwurf des neuen Civllgesetzbuches vom gerichtsärztlichen 

Standpunkte aus. Herr gerichtl. Stadtphysikus Sanitätsrath Dr. 
Mittenzweig in Berlin. 

5. Ueber eine Frage aus dem Gebiete der Schulhygiene. Herr Kreis- 

physikus Dr. Schröder in Weissenfels. 

6. Abänderung» - Vorschläge zu dem Gesetze vom 9. März 1872 be¬ 

treffend die Gebühren der Medicinalbeamten. Herr Reg.- und 
Medicinalrath Dr. Rapmund in Aurich. 

Zur Besichtigung sind in Aussicht genommen: Die Allgemeine Deutsche 
Ausstellung für Unfallverhütung, falls dieselbe noch geöffnet sein sollte und 

die städtische Kläranlage in Potsdam (Röckner-Rothe’sches System). 


Der heutigen Nummer der Zeitschrift ist für die Mitglieder des Vereins 
je ein Exemplar des von dem Unterzeichneten Schriftführer im Aufträge des 
Vorstandes ausgearbeiteten Kommentars zum Gesetze vom 9« März 1872 bei¬ 
gefügt und werden dieselben mit Rücksicht auf den Beschluss der vorjährigen 
Hauptversammlung nochmals gebeten, an der Hand dieses Kommentars etwaige 
Abänderung»-Vorschläge zu dem gedachten Gesetze bis zum 15. Juni d. J. 
dem Schriftführer des Vereins gefälligst einsenden zu wollen. Auch ist die 
Mittheilung einschlägiger, in den Kommentar nicht aufgenommener Ministe- 
rial-Verfügungen, gerichtlicher Entscheidungen etc. sehr erwünscht. 

Anderweitige Vorträge oder Diskussionsgegenstände, sowie sonstige, die 
diesjährige Hauptversammlung betreffende Wünsche bittet der Vorstand gleich¬ 
falls bis zu dem obengenannten Termin bei dem Schriftführer anzumelden; 
desgleichen werden diejenigen Mitglieder, welche mit dem jährlichen Vereins¬ 
bettrag noch rückständig sind, freundlichst ersucht, denselben innerhalb der 
nächsten 14 Tage einzuschicken. 


Der Vorstand des Preussischen Medicinalbeamtenvereins. 

Im Auftr. 

Dr. Rapmand, Schriftführer des Vereins. 

Reg.- und Med.-Rath in Aurich. 


Verantwortlicher Redactenr: Dr. H. Mittenzweig, Berlin, Winterfeldtstr. 3. 
Druck der Fürst], prlv. Hofbuchdrnckerel (F. Mltslaft), Rudolstadt. 





Jahrg. 2. 


Zeitschrift 

für 


1889. 



Reransgegeben rav 


Ot H. MITTENZWEIÖ 

GfcfkiiÜ. SUdtphyriku* io Berlin. 




Dr, OTTO RAPMUND 

Rtg. md Mcdicinshskth in Aurich, 


D?. WILH. SANDER 

%f£äfcwalmk und Direktor der Irrenanstalt Dalldorf-Berlin, 


Vertag von FiscWs medic. Buchhdlg, H. Kornfeld, Berlin NW. 6 





• 

. : 

§11 

6. i 

Bmlielat am 1. Jeden UfoitAi«. 

Freie jährlich 6 Hark. j 

L Juni. 

W;fi 

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1«1 

. ^ 

INHALT: 



. HeCtA 

Ori«Mia2*VUti)«Utuzffea:- 

der Uhterrjehte* 
SöfetaU rar zu Berlin 

*<an AptU ‘MM-, Ua Oktober Vm. 

Dr> $ihi Hin&tfsnitxn . . . W 

£1# ialter für Obduktionen Von. 

.Or< . Ksiokisfte^ftft! c . v ‘ v , . lli 

iU?X3fitexiita^WQ &iixet 6) öt v©rrtÄobtJgfln 
Msiwe. Von DV. Stanfjfrtl 17ti 

ftärukre Kä ffeeverfälschna^ Von ßr. 

fe'. Weite . . . , . . r(H 

VdrsÄtAliöher Klmlcsmord ©der dttreb 
4pi!*j> tische* fne#e!ii Imdtagtw fir- 
iranknuicatod. Vop Kr&ispfcys/kri» Ihr. 

Storni«#. . . . ■ m 

j£br«&-8&uttätj~Berfcht pro l$88. Von 
Bduiitütsratb Br* J.euffMi . . . .*. 184 

Pie Hygiene und ihre Bedeutcog 'kts 
WiS3v>naohiB. tföri Dr. &«£&»*<). v l«tt 


.Belte :'jte 

VeTsnöh. dan Inhalt der Amvelimug 
rar Verhütung de* 
vom 22. Kövhr. 1888 in der Form 
eine# »Auwragt?** zu bringen. Von 
K-reiaphyslkvip Dr* Arthur srOfnl»H , 20» 
Kleinere KftttheUuttflren . . ♦ » . 207 
Befexsted 

Dr. iUllirt de in Tomate, Der HypniO' 
tJsmWM nnd die wwmKUeifi £u*t$iuh* &} 
voca Bfciuiri punkte' tiw gerichtlichem 
Mfldiulu ..... l*to 

!>r« HL Äggntt», Die Sktstebixng der 
rwflefctorisrliÄii ßtiyll tert bevegiihgtn. 213 
Verorcinlitten und Verfägtmgrim 2i't 
Literatur . . * . * y . » • * * * *14 
Deutscher ITereUi fhr dffeuüidhe 
öes^dh^it#spA«sr^ ;* :» r * » > , 2ib 
Peisönalierj . . . . . 2p> 


Statistischer Bericht der Unterrichtsanstalt für Staats* 
arineifcunde z» Berlin vom April 1886 bis Oktober 1888. 

Von Dr. Prlt* A<MM<a.nau*?.t 

(Fortsetzung und Hdiluss ) 

Ünter 9 Koytseh u *s wuud e n- waren d gleichfalls mit. dem 
Revolver beigebraoUt worden und zwar hatte 5mal die rechte 
tfeliUife (131—i;fü.) und lirml (136.) die Stirn rechte von der Mit¬ 
tellinie die AnsätWteJk 4er \\dffe g\%ildei.' •■..Dfe:;.Bia»fcwuttdp war 
entweder . rundlich ' $ ipt: ; 



gingen. tob Ihr (de aus. Nu io *m«n . 
schlitzförmige AussdmsHddnun - in u r Kant 1 ■"■ : W& 
Fäiien tuvtd sich tte Projeetil aode. <•••« 
der unverletzt,en Haut in der A.,r-.-'t-i* - ithone. atu 
war eiurnal kmsmuid, ein and)-i;u.:i no.tn- div:k-t 






170 


Br. Fritz Strasstaann. 


waren unregelmässige, dreieckige Knochenstttcke herausgesprengt, 
immer war die Knochenverletzung an der Ansschussstelle grösser 
als an der Einschusstelle, 4 mal unter 5 gingen Fissuren von der 
Ansschussöffming aus meist transversal zum Scheitel oder zur 
Basis ziehend, lmal circular um den Schädel herum. Auch in 
dem Falle von Stirnschuss gingen von der kreisrunden Aus- 
schussöflhung in der Siebbeinplatte Fissuren in der Basis aus. 
In einem Falle bestand ein Vorkommen, auf das unter Anderen 
Messerer hingewiesen: ohne jeden Zusammenhang mit Einschuss¬ 
oder Ausschussöfinung, eine isolirte Zertrümmerung des Daches 
beider Augenhöhlen, die nach Lösung einiger mit Himsubstanz 
und Durafetzen bedeckten Knochensplitter frei Vorlagen. Im 
übrigen fand sich je nach der Höhe der Schusswunde entweder 
ein Schusscanal quer durch das Gehirn oder derselbe verlief der 
Hirnbasis entlang und hatte diese zertrümmert Im 1. Falle be¬ 
sonders tiefen Sitzes der Wunde war der Keilbeinkörper quer 
durchschossen. 

Die drei übrigen Selbstmörder hatten eine grössere Waffe 
(Pistole) gewählt und dieselbe lmal im Munde (colossale Zer¬ 
trümmerung des Schädels); einmal (138) an der rechten Schläfe 
(grosse Hautwunde in Form eines 5strahligen Sternes, der Schädel 
rechts in 2 grosse und zahlreiche kleine Stücke, ebenso die Basis 
vielfach zersprengt, mehrfach Zerreissungen in Dura und Hirn mit 
starker Pulverschwärzung; Kugel im Foramen lacerum links) und 
einmal (139) an der rechten Stirn angesetzt (grosse Oeffhung im 
Schädel über dem rechten Auge, durch die man das Gehirn in 
weitem Umfang freiliegend sieht; Schädeldach und Basis in eine 
grosse Anzahl grösserer und kleinerer Knochenstückchen zersprengt, 
das Gehirn zum grossen Theil in einen zertrümmerten Brei ver¬ 
wandelt, theilweise bereits ausgeflossen, an der rechten Handwur¬ 
zel ein 1 cm langer, mit Blut verklebter Schnitt, der die Arteria 
radialis total durchtrennt hat). 

In den beiden letzten Fällen bestand Pulverschwärzung der 
Haut; Lungenödem konnte bei einer der Kopfschusswunden notirt 
werden. 

Von den 34 Erhängten sind die 6 ersten bereits an anderer 
Stelle von mir besprochen worden; bei den 31 (146—176) seit¬ 
dem Beobachteten war die Strangmarke 5 mal überwiegend weich, 
26mal überwiegend pergamentartig; 3mal zeigte sie einen hyper- 
ämischen Zwischenstreifen. Ihr Verlauf war 19 mal symmetrisch 
von vorn nach hinten aufsteigend und zwar nur 2 mal den Nacken 
ganz durchschneidend; 17mal ein Stück desselben freilassend. 
In zwei dieser Fälle fand sich unter dem typischen symmetrisch auf¬ 
steigenden Streifen noch ein zweiter circulär den Hals umgeben¬ 
der. 5 mal verlief die Strangmarke von links unten nach rechts 
oben, 4 mal von rechts unten nach links oben, eine Partie unter 
dem rechten resp. linken Ohr freilassend; 2mal von hinten nach 
vorn oben einen Ausläufer nach oben zum Kinn entsendend, end¬ 
lich lmal (Erhängen auf dem Bauch liegend) horizontal um Hals 
und Nacken, unter dem linken Kieferwinkel in Fingerbreite unter- 



Sfcitistisch&r Bericht cfor- Unlm-ichlsaiwtaJt' mi $taü.t«tm>f«knnclo etc. ITl 

brocken, Mit Ausnahme eines Falles, in welchem die Strang* 
marke, tmtec dem stark hervortretendeu Ailam^dfl lag, verlief 
sie .{ferner kvmehai Zungenbein und. Kehlkopf resp dicht über 
dem letztere«: in jenen) Falle fand sich ein zaekigev Bn»ch des 
Eu^kmtrptds vorn wfe obeti nach unten verlanidtd'^n neu übri¬ 
ge« 18 in (lenen sich gleichfalls Brüche vovfsindeu, be~: 

^S^elböti sich anf die oberen 8ehildki|i)rj*ej[lbrtaätge 
und die gi’ftssen Zangembemhdruef. «uduudt^ Brilelm 

nur ti»v«d; Üftayfoae der lntima der Carotis kamen tlto«! Zar Be-;; 
ohAchMiiig, Fechyinoffes auf der Oonjtmetiva waren f maLaiif der 
Lüuge gleichML 4 mal vorhanden; ebenso oft fandtdf sich die- 
schon oben bei Nivt 10 besprochenen Kecliymooeo im Bereiche der 
HypöölÄSC äii de« Lbitere&ttemitäten. Die Zunge war 4 mal ein* 
geklemmt, eine sehr starke Etektemitmng tierwtdbftD fend sieb 
übrigens auch bei einem durch H(^lhhmfJl%;pptklleh ^ftorbeitea 
Mann, Sperma an oder in der Orotra fend Steh bet Erhängten 
wie auch tie.i anderen Todestaller. ofi,: eine Krocflpu nie. Bei 
einem Falle ergab die innere fhifersiichung .eine noch später zu 
erWähn'^hct^ Qxalsänrcyergiftnng (Nb. 174% ein änderet hatte nach 
potisseilicher Emitteiimg vorher einen Vergift«ngsverKireh mit 
.Koitiorioxyd gemacht, der jedoch spectroskoidstdi. nicht mehr naclj- 
zuvrisen war (No. 17hi. Bei einem ffc Falle (No, 1.7*5) fand sich 
auf der Stirn eine mit Heftpflaster verklebte, niimgelmässig vier-; 
sfcrablige Wunde in di* 'Tiefe bis auf die Knochen reichend, am 
Grunde derselben auf dem unvetdel.zten Stirnbein aufsttzeiid eine, 
zu fd&tteu Selteihe deformirte Kugtd. 

ifer hrste (No; 177) der tlareh Hais«chuittwündeii uiugö- 
kßöisiehcu Solbstindrdrrr zeigte eine fast horizontal «ealaufetnie 
klaffend SehÄwdhde dhfc Hadaes, die die Trachea zwischen; t, 
und '■% Elisge^^ vidl^tündig dorchtrennt hatte; es fand sieh Blut in 
Luftwegen und Lungen, die grossen llaksgelasse waren unverletzt. 
Ferner waren vwhandrm d zerfetzte Stichwunden überNfum und 
iinkehi Auge, idije po'-riV)irrende Wunde itl der Magengrube, unter 
der die Leiter sfteltrfacite oberiM* tedte y \iraj^rti£d>;. : Wtuttteö 
zeigte j zahlrtdehe öbertiänliiidbe nicht prforireöde VmdätÄHngen 
in der Näiie der grdf^h, und an deu Seiten des Bauches; 
mehrere parallel verlautende dberiiliehlich*; Stdiaittwuiiden aru 
linken Arm. •(«>,•' l7||wW|tti ein* : M cm lange, klaffende, 

horizontal jSaiaachniftwnndn 4af,fL.gj ; isitf.<ja, suj^illirtew ßän? 
dom auf, »wteebon Zungeobei« und Kehlknpfi den M- hyotbyreoi- 
deur äarchtreflfieniL die beide» SteniokteidoaiÄatoldli; anschnei- 
de««!. Kehlkopf, Luftröhre tted grosse Gefössc tioveiselul lassend; 
% gleichfalls.' horizontale Wunden an der Bdttg^lte heidei' Hand¬ 
gelenke mit Blut verklebt, rechte die A, nümria%^ dap 
reit Thetl der oberiläcblichen Mnsketeelmcrp 'links de , 
die Arterta radialis und uInaris durcbirewientL end i v - 

scbemliche Lrsacbe des Selbstmordes eine diiflteePord ;»>y# 

die Perforation eines runden Magengeschwürs enist; 

Dev Tod war hier 'jedenfalls durch die zuerst hy: 

Wunden des Handgelenkes berbeigeftlhrt worden, ce • > 



172 


Dr. Fritz Strassmann. 


zur Ausführung des Halsschnittes Zeit liessen, ebenso wie oben 
ein Fall erwähnt wurde, in dem ein Mann nach Durchtrennung 
der A. radialis noch Zeit gefunden hatte, sich einen tätlichen 
Kopfschuss zuzufügen (No. 139). Bechnen wir hieran anschliessend 
alle unsere bisher erwähnten Fälle von combinirtem Selbst¬ 
mord zusammen, so sind es unter 91 Selbstmördern im Ganzen 
7 und zwar: 

1. Halsschnittwunden nach Stichwunden in Kopf 


und Bauch ....... No. 177 

2. Halsschnittwunden nach Durchschneidung der 

Pulsadern.No. 178 

3. Kopfschuss nach Durchschneidung der Puls¬ 

adern . No. 139 

4. Erhängen nach Erschiessen. No. 176 

5. Erhängen nach Vergiftungsversuch mit Koh¬ 

lenoxyd . No. 175 

6. Erhängen nach Vergiftungsversuch mit Oxal¬ 

säure . No. 174 

7. Ertränkung nach Versuch der Durchschneidung 

der Pulsadern. No. 121. 


Zufällig fand sich, wie ersichtlich hier bei unseren beiden 
Fällen, ein horizontaler Verlauf der Halsschnittwunde, entgegen 
der alten Anschauung, dass ein solcher für Mord, ein schräger für 
Selbstmord spricht; bekanntennassen trifft auch das letztere nicht zu. 

Die durch Leuchtgas und Kohlendunst Getödteten (179 
und 180) zeigten beide hellrothe Farbe der Totenflecke, der 
Muskeln, des Gehirns und spectroskopisch kohlenoxydhaltiges 
Blut. Bei den beiden durch Schwefelwasserstoff (181 und 
182) Verunglückten (sie waren in eine mit Pferdedünger gefüllte 
Grube gestiegen und sofort tot) fand sich spectroskopisch norma¬ 
les, im übrigen auffallend dunkles Blut, die Fäulniss war nicht 
gerade besonders vorgeschritten. Bei den Selbstmördern, die 
Morphium genommen hatten (183 und 184), war der Befund ein 
ganz negativer, auch an den Pupillen. 

Von den 10 Sectionen, die Oxalsäurevergiftung er¬ 
gaben (185—194), wozu als 11. noch die vom Erhängen nach 
einem Vergiftungsversuch (174) kommen würde, sind die 5 ersten 
(185—189) bereits in der Dissertation von Münzer*) beschrieben 
worden. Von den 6 anderen fand sich bei 5, die 3—4 Tage 
post mortem secirt wurden, jedesmal das typische Bild der Oxal- 
säurevergiftnng, wie es bei der mehrere Tage nach dem Tode 
vorgenommenen Untersuchung erscheint: Verätzung des Verdau- 
ungsapparates bis zur Cardia, am stärksten im unteren Oesopha¬ 
gus, der Magen von aussen grau durchscheinend; innen mit sauren 
braunen Massen zersetzten Blutes erfüllt, die Schleimhaut gröss- 
tentheils fehlend, sodass die weisse Submucosa mit blauschwarzem 
Venennetz vorliegt; wo sie noch vorhanden, in eine schleimige, 
bei Wasseraufguss flottirende, leicht abspülbare Masse verwandelt; 

*) Ueber Oxals&urerergiftung. Berlin, 1887. 









Statistischer Bericht der Unterrichtsanstalt für Staatsarzneikunde etc. 173 


im Darm Schwellung, Röthung und flüssiger Inhalt; Hyperämie 
der Niere (lmal microskopische Hämorrhagien), Krystalle von 
Kalkoxalat in ihnen, Magen und Duodenum in Form von abge¬ 
brochenen rombischen Säulen, in Wetzsteinform oder in mehr 
amorpher Gestalt; in einem Falle, in dem auch die Aetzung der 
Halsorgane besonders stark war, hatte sich die Säurewirkung 
durch den Magen hindurch auf Zwerchfell, Lunge, linke Niere, 
Herz und Aorta geltend gemacht; nur in einem 2 Tage post 
mortem secirten Fall (194) fand sich bei sonst gleichem Befund 
keine Erweichung der Magenschleimhaut, dieselbe vielmehr nur 
besonders auf der Höhe der Falten geröthet, geschwollen, mit 
etwa 7a Dutzend schwarz-rother Blutungen durchsetzt, mit reich¬ 
lichem, fest haftenden blutigen Schleim bedeckt, ohne Aetzung 
oder Substanzverlust. 

An der Spitze der Vergiftungen steht bei uns die durch 
Cyankali mit 12 Fällen, 10 derselben (195—204) boten das 
typische Bild derselben dar, mehr oder minder starker Bitter- 
mandelgernch, hellrothe Totenflecke, blutiger Inhalt im Magen, 
die Magenschleimhaut mit fest anhaftendem blutigem Schleim be¬ 
deckt; sich seifenartig anfühlend, stark gequollen und diffus hell- 
bis dunkel-, bis braunroth gefärbt, microskopisch fand sich sehr 
starke Hyperämie der Schleimhaut, Blutungen in dieselbe, in den 
obersten Partieen starke Quellung der Drüsen und Zwischendrü¬ 
sensubstanz durch blutige Flüssigkeit. Mehrfach fanden sich 
Aetzungen in der unteren Speiseröhre, 2 mal Ecchymosen auf dem 
Herzen, einmal zugleich mit einem hämorrhagischen Infarct der 
Lungenspitze. Abweichend waren 2 Fälle (205 und 206), bei 
denen die Todtenflecke nicht hellroth, der Magen blass, wenn auch 
mit Schleim bedeckt war. Die Erklärung dieser Abweichung er¬ 
gab sich bei Bestimmung der Reaction des Mageninhalts, derselbe 
war einmal schwach, einmal stark sauer; es entfiel hier also die 
Wirkung des Alkali’s und nur die der Blausäure konnte zur Gel¬ 
tung kommen. Uebereinstimmend mit Hofmann ergaben also 
auch unsere Beobachtungen, dass die hellrothe Farbe der Toten¬ 
flecke eine Wirkung der Alkali’s ist. In einem Falle konnte die 
Zeit zwischen Vergiftung und Tod bestimmt werden; hier war 
letzterer momentan eingetreten. 

Bei der Vergiftung durch arsenige Säure (204) war der 
Tod 8—14 Stunden nach der Einnahme erfolgt; die Obduction ergab: 

2 qcm grosse flächenhafte Blutung unter dem Endocard und 
mehrfache Petechien unter der Pleura. Der Magen ist mit gelb¬ 
licher Flüssigkeit erfüllt, seine Schleimhaut im Ganzen trübe, ge¬ 
schwollen, gelblich, an der unteren Fläche nahe dem Pylorus eine 
thalergrosse stark hyperämische Stelle mit Hämorrhagien und 
einzelnen kleinen wie aphthös aussehenden Geschwüren, im 
Grunde dieser Partie eingesprengte gelbe Körner, das Microskop 
zeigt die Tetraeder der arsenigen Säure; Dünndarm geschwollen, 
Follikel vergrössert, im Dickdarm 2 kleine Geschwüre, überall 
flüssiger Inhalt, Magendrüsen und Leberzellen körnig, zum Theil 
verfettet. 



174 


Dr. Blokusewski. 


Die Obduction der Phosphorvergiftung (208), bei der der 
Tod gleichfalls nach einigen Stunden eingetreten sein muss und 
wo angeblich zugleich auch Strychnin genommen sein sollte, 
ergab: 

Haut nicht icterisch ohne Blutungen, Herz sehr schlaff, mit 
einzelnen kleinen Blutungen unter dem Pericard, im Magen grosse 
Massen röthlichen, dünnflüssigen, sehr stark nach Phosphor riechen¬ 
den, im Dunkeln leuchtenden Brei’s; die Schleimhaut im Fundus 
deutlich gelb gefärbt, geschwollen und getrübt; die peripheren 
Zone der Leberläppchen erscheinen etwas gelb, im Uterus ein 
8monatlicher Fötus, Placenta fest anhaftend; microskopisch fand 
sich Verfettung der peripheren Zonen der Leberacini in mässigem 
Grade, die Epithelien der Magendrüsen trübe ohne Verfettung, 
die Herzmuskeln etwas gekörnt, Querstreifung zum Theil undeut¬ 
lich, auch die Epithelzellen der gewundenen Hamcanälchen er¬ 
scheinen wie bestäubt. Die Injection des Mageninhalts beim 
Frosch war ohne Erfolg, ebenso wie die chemische Reaction mit 
Schwefelsäure und Kalichrom; so dass also der gleichzeitige Ge¬ 
brauch von Strychnin ausgeschlossen werden konnte. 

Die Untersuchung des Fötus auf phosphorige Säure ergab in 
diesem, wie in einem früheren Falle von Phosphorvergiftung, in¬ 
dem ich sie gleichfalls ausgeführt hatte, ein negatives Resultat. 


Ein Kopfhalter für Obduktionen. 

Von Dr. Blokusewski, Kreisphysikus in Aurich. 

Bei einer Obduktion ist unzweifelhaft der schwierigste Akt 
die Durchsägung des Schädels, zumal wenn dieselbe ohne ge¬ 
nügende Assistenz ausgeführt werden muss. Auch kommen durch 

Abgleiten der Säge nicht selten Ver¬ 
letzungen der Hand vor, die mindestens 
störend sind. Zur Vermeidung dieser Uebel- 
stände hat gewiss mancher Kollege, ebenso 
wie ich, das Bedürfiiiss nach einem Kopf¬ 
halter zur Fixirung des Kopfes empfunden. 
Ein brauchbarer Kopfhalter muss aber 
meines Erachtens so construirt sein, dass 
der Kopf nicht nur sicher fixirt, sondern 
auch der fixirte Kopf leicht gedreht und 
in jeder erforderlichen Stellung schnell und 
sicher festgestellt werden kann. Diesen 
Anforderungen entspricht der von mir con- 
struirte Kopfhalter. 

Wie aus Fig. I ersichtlich, besteht 
derselbe: 

1) auB einem Schraubengestell, wie es zur Befestigung von 
Beckenstützen am Operationstisch benutzt wird. Dasselbe 







Ki» KftjpiliAltftr für Obduktionen 


kann an jedem Tisch befestigt werden oder auch an einem 
Brett (ScÄneötMr tt flergL), wie man es aha Unterlage 
ffir die Leiche häufig .benutzen .nnwa-, 


2) aus dem ej^stliehe» Kopfhaitör: Derselbe wird gebildet 
durch 2 moM fe^ernde B^noben, die jn Pelotten aus- 
laufen, welche aber »tfr nach einer Seite, dem Fassende, 
vmpriugen und mit kleinen Stacheln versehen sind. 


Die beldeu Branchen sind in ihrem unteren Drittel durch 
eine leicht gebogene Stande verbunden, deren eiines Ende 
bei & m einem Ch an ü e r' tfegfs; während das ander» durch 
die Branche D hindurckgeffthrt und nd» aiaer Flttgelr 
*chraube versehe» ist. Durch Anziehen dieser Fiiiget- 
schraube werden die Branchen emiyidor genähm; . 

3) aus dem Zahnrad B, das die Drehbarkeit des Halters 
bewirkt und dnreh den Stellbaken 0 fixirt wird. Der 
letztere greift mit mehreren entsprechende» Zähnen in 
; it deh Rand des Zahnrades ein und wird duTcb eme da¬ 
neben befindliche Feder so dagegen ge^eäsh- dass es eisat 


S IDruofees auf das rechtwinkelig verlängerte Ende des 
StellhakertH bedarf. um ihn vom Rade absmheben, Für 
diesen Druck genügt der Baumen; sobald man denselben 
■ - ; abriebt, sehuappt der Stvllhäkcn sogleich von selbst fest 
4ÜB, Die eifie der erwähnteis Branchen ist mit dem 
Zahnrad aus einem Stück gearbeitet, während die andere 
'Ö ■ r «itt. ..'3^90:- - ist. 

Ilm den Kopfhalter bequemer transportireii zu können, ist 
derselbe 1». einzelnen Thailen gearbeitet, die aber mit wenigen 
Handgriffen zusammengesetzt und in einem nicht sehr grossen 
Kasten bequem untergebracht. werden können^ wie es Fig. fi zeigt. 


0f. u. 

Der zusaramengestellte Kopfh^Ucv wird so benützt, 
nach Znrftcksciüagen der•> Weiehthuii« der Kopf /wisob n* 
PeiAH^tt .geferächt*wiiiU so-dass difcfW et wa ii.de) 
za liegen kommen. Äis&änn wird die ptiit'i-Fchraont- -. 
stark augezogen, dass der Kopf unbeweglich in dcu !/<-i 
h&ögfi ob er dabei zugleich auf de« ?b?hwdüu^Ntt^ f 
glefchgdiÜgv Will man nach Durchrfignng dt» vöriUdÄ 
den seitlichen lind hinteren The.il du i ‘h«: 

dem Üaunien der rechten Hand, old:»* dhvSdge hu; Tt^ 







176 


Dr. Kuniyosi Katayama. 


legen, auf den Stellhaken C, dreht mit der linken, auf dem Kopf 
liegenden Hand den letzteren bis zur gewünschten Stellung, zieht 
den Daumen zurück, und ist dann durch Eingreifen des Stell¬ 
hakens der Kopf in der ihm gegebenen Stellung fixirt. Besonders 
bequem erweist sich die leichte Drehbarkeit für etwaige zurück¬ 
gebliebene Knochenbrücken. Da an dem ganzen Kopfhalter kein 
Theil gegen das Kopfende vorspringt, kann die Säge unmittelbar 
an den Branchen geführt werden, so dass diese zugleich der Säge 
zur Richtung dienen. Ein Abgleiten der Säge ist fast ganz auf¬ 
gehoben, zum Mindesten kann die hinter den Branchen liegende 
linke Hand nicht verletzt werden. 

Herr Stadtphysikus Sanitätsrath Dr. Mittenzweig, dem der 
Kopf halter zur Prüfung in der Morgue vorgelegt wurde, schreibt 
darüber folgenderraassen: „Der von Herrn Dr. Bl. mir zur Prüfung 
übersandte Kopfhalter hat sich als sehr brauchbar erwiesen. Ich 
schraubte denselben an den gewöhnlichen Secirtisch an und be¬ 
festigte den Kopf der Leiche nach dem Zurückschlagen der Weich- 
theile zwischen den beiden Branchen des Apparates. Nachdem 
dieselben durch Anziehen der Schraube den Kopf fest gefasst 
hatten, vermochte ich bei einfachem Fixiren mit der linken Hand 
die Säge sicher zu führen und schliesslich auch durch Weiter¬ 
stellen des Zahnrades den Kopf so weit zu drehen, dass ich auch 
an den Hinterhauptstheil mit grösserer Bequemlichkeit als sonst 
die Säge bringen und dort führen konnte. Die Arbeit wird durch 
den Kopfhalter so weit erleichtert, dass man nur den dritten 
Theil der sonstigen Mühe aüfzuwenden hat, und das Sägen so 
gesichert, dass ein Ausgleiten der Säge fast ganz verhindert wird.“ 

Die Firma Vetter & Lücke, Berlin, Münzstrasse 18, fertigt 
den Kopfhalter zum Preise von Mk. 21 ohne, Mk. 24 mit Etui 
an. Die einzelnen Theile sind nummerirt und liegt eine Anwei¬ 
sung zur Zusammenstellung bei. 


Die Untersuchung einer blutverdächtigen Masse in der 

Brandasche. 

Von Prof. Dr. Kuniyosi Katayama. 

(Aus dem gerichtlich-medicimschen Institut der kaiserl. Universität zu Tokio.) 

Am Ende Januar 1889 fand ein 24jähriger Mann M. bei 
dem Feuerausbruch in seiner Wohnung darin sein unglück¬ 
liches Ende. Bei der Untersuchung der Leiche fand ich die 
grössten Theile des Kopfes und der vier Extremitäten ganz ver¬ 
ascht, die übrigen Körpertheile an der äusseren Oberfläche ganz 
und in der Tiefe mehr oder weniger verkohlt. Der Brustkorb 
war in der Gegend des Brustbeins geplatzt und die inneren 
Brustorgane nicht mehr darin. Bauchorgane noch erhalten. Die 
Identität der Leiche wurde durch die Anzahl (28) und Be¬ 
schaffenheit der noch intakt gebliebenen Zähne konstatirt (Ein 



Die Untersuchung einer bhitverdrichf.igori Marse in der ftnituWähe. 17? 

Backzahn w«r mit Silber und ein anderer mit Outtapercha ploro- 
biri). Iift jtrr IterafdeU -.rlider^ Leiche hMotem'' «sh- •• m@&*' 

röre; ^ciityarzbraujißv tb^f^ .vwrkohUe, eb bis taiistgrosse. kltiöipige 
Massen,, welche 'mit; viel A^fie und KoMe vermengt waren. leb 
betrachtete diei^i Massen alia die beim fterplateeu des Brustkorbos 
eifosseMa Blhtauisaeiu. Einige Anwesende bezweifelten jedoch 
diese-Vermuthuög. Leider wurde.; die • .Leiche mit dieser blutver- 
däohtfge«, Masse ohne weiten? Ühtermtchung. beeidigt, 
/•>^ve.:Nä^feb^ilch • fand ich wieder eine fthnlictow Äfaase in der 
Asche^ betretbwden Fundortes. Bei dtesför Süliwarabraunen 

ALwe sielin^kdi folgende Veimdie an: 

öfter» wiederholten Venmeheu. aus df&^er Masse 
H-ftü bemerkte ich nur Wenige; ^rysfHLlähn- 

liebe, unregelmässige Massen 5 ); aber keine regelmässigen 
Häioiuk.rystalle. Also iand sich kein sicherer Beweis de« 
Vorhandenseins vom Rlnifarbstoffb in dieser Masse. 

2, Tliesu stbwai7 ( braime Masse bftefL in Cön«^niiirter Gyan- 
kaüjdsrcng und kaltgesättigter Boraxlosiing noch. nach mehreren 
Tagen an löslich. ' ^ 

s. Dagegen löste sie sich in verdünnter Xaironlnuge 
und tm EiSesaigi' zwar nicht am 


iSesMgi Zvvar nicht am erste;« 
am zweiten bis dritten Tage. Die alkalische 
Lösung zeigte nach Zusatz von Scb-wafajAm'tnon sofort 
ein sehr deutliches Spectrum.des reduc.irf.en Hämatins. 
Ftel 4er eRsigsaoren LöRnng sah ich ohne weitere Rebactdiuug 



■■■■j . _.P_HP_ 

redueirteu Hämatin lösung gelang -mir baeh der regelrechteö Öe : 
liandhttig 5 ) ohne Schwierigkeit. 

Äüs dieser Thatsache erhellt erstens, dass die schwarz- 
braune Masse aus Blut bestanden hat. und zweitens, 
dass die Veränderung dleanr Blutmasse der Veränderung 
eines Blutes ungefähr gleich kam, welchen eine Stunde 
lang einer Hitze von etwa. 140* (L aus genetzt war. 

Dieser praktische Fallist ein guter Beweis der 
Richtigkeit meiner Angabe 5 *), welche Natronlauge und 
Eisessig als das beste Lösungsmittel Dir eine hoch er- 
hitzfe Biutmasse vorschlug und das Spectrum des redu- 
cirien Hämatins als ein in der gerichtsärztlichen Praxis 
recht ompfeh I ens wert.hr * Bp« 1 1 • m h • 


*| Moi»e Arbeit ,L“et>»>r 
yor*el»eden hoher Temperat 


zu 

MeJ. t4»& N. F. 
*)'RI*ada. 

*) ßb$*oiia. 


xj. ix. 2 . 


r ■ '.irt'ii 

iftfate» 'icliuiche 

iwMIHBMr 

M§p P |>g 


*.*>* 


rm\ 




178 


l)r. Fricke. 


Neuere Kaffeeverfälschung. 

Von Dr. E. Fricke, I. Assistent der Versuchsstation Münster i./W. 


Mit dem gesteigerten Consum des Kaffees und mit dem er¬ 
höhten Preise, welchen dieses für die Menschen unentbehrliche 
Genussmittel erfahren, hat man von jeher nach billigen Pro¬ 
dukten gesucht, von denen man sich einen Ersatz ftir den Kaffee 
versprach. 

Ebne ganze Reihe von Früchten und Samen einheimischer 
wie fremder Vegetabilien ist unter oft, recht Vertrauen erwecken¬ 
den Reklamen als Ersatz für Kaffee empfohlen; ja sogar man¬ 
chen Produkten mit einem hohen Gehalt an Protein und Kohlen¬ 
hydraten ein höherer Nährwerth als echtem Kaffee beigelegt 
worden. 

Da jedoch allen den bekannten Surrogaten die charakteristi¬ 
schen Bestandteile des Kaffees — das Coffein und die Kaffee¬ 
gerbsäure, welche in Gemeinschaft mit dem ätherischen Oele ein¬ 
zig die physiologische Wirkung bedingen, fehlen, so sollte das 
Publikum sich jeder Anpreisung eines Surrogates gegenüber ab¬ 
lehnend verhalten. Die einzige Aehnlichkeit, welche zwischen 
Surrogat und echtem Kaffee besteht, ist allein in dem brenz¬ 
lichen Gerüche und Geschmacke ihrer Extrakte zu suchen. 


Zu den neueren Surrogaten und Vorkommnissen auf dem 
Gebiete des Kaffeemarktes gehören: 

1) Der sogenannte Congo-Kaffee. 

Eine hiervon von mir untersuchte Probe ergab folgende Zu¬ 
sammenstellung der Trockensubstanz! 


Rohprotein .... 28,25 °/ ( 

Fett.1,24 „ 

Holzfaser .... 20,29 „ 
Gerbsäure .... 0,66 „ 


Zucker u. Dextrin . 3,39 °/' 

Stärke etc.41,49 „ 

Asche .... 4,83 „ 

Wässeriger Extrakt 21,55 „ 


Aus der Zusammensetzung der Waare liess sich vermuthen, 
dass dieselbe durch Rösten Von ausgemahlenen Phaseolusbohnen 
hergestellt war, wie denn auch eine spätere Zusendung der natür¬ 
lichen Bohnen diese Vermuthung bestätigte. 

Ich bin nicht in der Lage, Auskunft darüber zu geben, ob 
grosse Mengen dieses Surrogates bereits auf den Markt gebracht 
sind, jedenfalls steht fest, dass man bei dem Eintreffen der 
ersten Lieferungen von der Reellität der Waare überzeugt war. 

Obgleich der nicht sehr einladende Geschmack des Auf¬ 
gusses dieses sogenannten Congo- Kaffees die Verwendung des¬ 
selben in unvermischter Form nicht wohl zulässt, so ist doch 
diesem Surrogat einige Aufmerksamkeit zu schenken, da dasselbe 
möglicherweise zum Vermischen mit echtem gebrannten und ge¬ 
mahlenen Kaffee Verwendung finden kann. 

2) Ein anderes Surrogat ist der Kunst-Kaffee, von dem 
zwei hier untersuchte Proben folgende Zusammensetzung hatten: 





teuere Kaffeeverfälschung. 


179 


Erste Probe 


Letzte Probe 


Wasser.5,14 °/ 0 

Stickstoff-Subst..10,75 „ 

Fett.2,19 „ 

Stickstofffreie Extraktstoffe . 76,76 „ 

Holzfaser.3,96 „ 

Asche ........ 1,20 „ 

Coffein. 0 „ 

Wässeriger Extrakt 29,88 °/ 0 


1,82 °/ 0 
17,90 „ 
2,03 „ 
64,21 „ 
10,83 „ 
2,27 „ 
0,94 „ 

24,85 Yo 


Die erste Probe erwies sich als ein Gemisch von Weizen¬ 
mehl mit etwas Syrup; die zweite als ein Gemisch von Weizen¬ 
mehl und Lupinen, dem Coffein in Substanz zugesetzt war. 

Durch die mechanische Beimengung von Coffein in Substanz 
kann der Werth dieses Kunstproduktes als Kaffeesurrogat nicht 
wesentlich erhöht werden, weil die physiologische Wirkung des 
Kaffees wesentlich durch das ätherische Kaffeeöl und die Gerb¬ 
säure mit bedingt ist. 

Man bringt den Kunst-Kaffee in einem matt und glänzend 
gebrannten Zustande in den Handel. Wenngleich die Kunst¬ 
kaffeebohnen für sich allein durch die grosse Begelmässigkeit 
der Form äusserlich zu erkennen sind, so wird dieses im Ge¬ 
misch mit echten Kaffeebohnen schon schwer halten. 


3) Eine weitere Unsitte im Kaffeehandel bildet das Glasiren 
der Kaffeebohnen, welches darin besteht, dass man den Kaffee¬ 
bohnen während des Brennens bis zu 25 °/ 0 ihres Gewichtes 
Stärkesyrup aufsprengt. 

Durch diese Manipulation lassen sich mangelhafte Kaffee¬ 
sorten verdecken; anderseits wird das Gewicht durch den werth¬ 
losen Stärkezucker vermehrt und gleichzeitig eine Verdunstung 
des Wassers verhindert, so dass in einem gleichen Gewichte 
glasirter Kaffeebohnen viel weniger werthvolle Kaffeesubstanz 
vorhanden ist als von nicht glasirten gebrannten Bohnen. Das 
Glasiren der Kaffeebohnen bedingt daher eine nicht geringe 
Uebervortheilung des Publikums. 

Eine Probe des zum Glasiren gebräuchlichen, Wer unter¬ 
suchten Stärkesyrups ergab: 26,45 °/ 0 Wasser, 45,80 °/ 0 vergähr- 
baren Zucker, 27,21 °/ 0 unvergährbare Stoffe und 0,54 °/ 0 Mine¬ 
ralsubstanz. 

Da dem Stärkezucker von einigen Seiten sogar gesundheitsschäd¬ 
liche Eigenschaften zugeschrieben werden, so ist das Glasiren der 
Kaffeebohnen auch von diesem Gesichtspunkte aus zu verwerfen. 

Die vorstehend erwähnten neuen Vorkommnisse lassen den 
Rath gerechtfertigt erscheinen, die Kaffeebohnen roh, im natür¬ 
lichen Zustande einzukaufen und das Brennen selbst zu besorgen. 









180 


Dr. Schilling. 


Vorsätzlicher Kindesmord oder durch epileptisches Irr¬ 
sein bedingter Ertränkungstod ? 

Kreisphysikus Dr. Schilling in Wartenberg. 

Die 30jährige Knechtsfrau A. steht unter der Anklage, ihr 
12 Wochen altes Kind vorsätzlich am 7. Juni in einem Teiche 
ertränkt zu haben. Die Anklage stützt sich auf angeblich frei¬ 
willige Aussagen der Beschuldigten vor dem Gendarm, Amts¬ 
vorsteher und einem Förster; bei der gerichtlichen Vernehmung 
dagegen will die Angeschuldigte, am Garten sitzend, von Krämpfen 
überrascht sein und das Kind in das Wasser haben fallen lassen. 

Der Vorgang war etwa folgender: 

Am Vormittage des 7. Juni brachte die über Leibschmerzen, 
Appetitlosigkeit und Verdrehtheit klagende Frau ihrem Manne 
das Frühstück, ging dann nach Hause zurück und verliess bald 
mit dem Säuglinge, welchem sie aus Mangel an Nahrung mit 
Zucker nährte, die Wohnung. Zwei Stunden irrte sie im Walde 
umher, gelangte dann an den zum R. Teiche führenden Graben, 
warf absichtlich, als der Zucker verzehrt war (nach Aussage der 
Polizei) oder liess das Kind im Krampfzustande (nach dem ge¬ 
richtlichen Verhör) in das Wasser fallen. Sie sah das Kind sich 
unter dem Wasser bewegen; bei dem Versuche, es herausznziehen, 
wurde sie von Krämpfen überfallen. Nach dem Erwachen ging 
sie in den Wald, aus dem sie nach einer Stunde zurückkehrte, 
um ein dem Kinde um den Hals gewundenes Tuch zu holen oder 
nach eigner anderer Aussage aus unbewusstem Grunde. Sie ging 
darauf, ohne das bereits gelockerte Tuch an sich genommen zu 
haben, in den Wald zurück, brachte dort zwei Tage und Nächte 
zu und wurde am 9. Juni Nachmittags von pflanzenden Frauen 
entkräftet aufgefunden. Aus dem Walde wurde sie von ihrem 
Manne nach Haus gebracht; auf Befragen, wo das Kind geblieben 
sei, gab sie zur Antwort, es einer Kühe hütenden Frau übergeben 
zu haben. 

Da der Mann sofort Anzeige von dem Abhandengekommen¬ 
sein seines Kindes erstattet hatte, so wurde die Polizei requirirt, 
welche am 10. Juni unter Führung der Frau, und unter Be¬ 
gleitung des zuständigen Försters das todte Kind im Teiche 
auffand. 

Der Gendarm berichtet in seiner Meldung die vermeintlichen 
Angaben der Frau A. bei ihrer Vernehmung dahin: „als der 
Zucker verzehrt war, nahm ich das Kind und warf es lebend in 
das Wasser.“ Es heisst dort aber weiter, sie leugnete anfangs 
und gab an, sie sei krank gewesen (!). Auf die Frage, wo sie 
das Kind verloren habe, erwiderte sie, dass sie es nicht mehr 
wisse. — Der Amtsvorsteher berichtet: sie sei zwei Stunden im 
Walde umhergerirrt; dann habe sie, an den Graben gekommen, 
das Kind in denselben geworfen mit der Absicht, es zu ertränken. 
Hier setzt die A. bereits hinzu: „als Grund für diese That kann 
ich nur angeben, dass ich überhaupt zu dieser Zeit nicht 
gewusst habe, was ich machte.“ Der Förster, welcher das 




VorR*U5rJtrb^r Kiinifosntortl oder durch ejidc^ii^rhe- hrttM» bwiingtar <*U\ 18! 


Kaöd suchen half* erzählt: .„Als ich ihr mit 4«ra8i ; flicke eindring¬ 
lich zuredete, werden sie nun sagen, wo sie ihr Kind gelassen 
ImbepV antwortete sie, dass ihr Kind während der Krämpfe ans 
ihrem SofcööM in däs Wasser gefallen sei.“ 

Im Termin am 15. Juni erzählt m vor Gericht: „Kadi dem 
Gapge »um Frühstück bin ich in das Hans znrückgekehrt, habe 
das Mtore Kind angezogen und bin mit dem jüngeren in das 
Freie geangen. Ich weiss hiebt, wie ich dazu gekommen bin* 
mit meinem Kinde in dev Riciitft»g nach dem Teiche zu gehn. 
Wenn n\if doch demand an jenem Clpönerstage begegnet wäre, and 
mich zunickgörufon hätte,;^8b ^Srde ick m der von mir be¬ 
gangenen That nicht gekommen ge«!' Die Fmsfcellersi'rau X. f 
die mich bei dom Vor Ubergehn sah, hätte mir doch zimifen 
können, dass ich zimiekkehren solle; ich habe sie damals nicht 
geaebn, ich war damals Überhaupt krank.. Als ich an den Graben 
nach 2 Stundeu gekommen war, habe ich mich an den Grabe» 
gesetzt und nach einer Weile das Kind von meinem Schomsa i» 
das Wasser gleiten lassen. Ich bestreite, dass ich das Kind ab- 
sichtlich fallen Hess. Ich . habe nämlich am Graben sitzend die 
Krämpfe bekommen und weis« nicht, ob das Kind in Folge eines 
SchwÄchezastandes oder in Folge davon, dass ich eingenickt bin. 
in das Wasser gefallen ist. Bevor ich mich an den Graben 
nifedergösetzt habe, bin ich von Krämpfen noch nicht befallen 
gewesen. leb habe gesehn, wie das Kind hermiterglitt ; iGrhabtj 
noch eine Weile dort gesessen und bin dann in den Wald ge¬ 
gangen. Ich habo auch mit meiner Gand nach demsel bei» ge¬ 
griffen, konnte ah^r- dasselbenicht mehr erreichen, wenn ich 
nicht Gefahr laufen sollte, selbst ta das Wasser zu fallen. Erst 
am Abend, als es schon dunkel war, bin ich noch einmal heran- 
gegangen, um mir ein Tuch zu holen. Mit Gewissheit weiss ich 
allerdings nicht anzugeben,was ich wollte, denn ich hatte noch 
immer die Krämpfe.welche' mich nur vorübergehend freilieasen. 
Wenn aar yorgeleMteü wird, dass ich früher von den Krämpfen 
Nichte gesagt habe, so erwidere ich darauf, dass ich es deshalb 
nicht gesagt habe, weil ich nicht gefragt bin.“ 

Auf die Frage des Untersuchungsrichters, warum sie dem 
Gendarm früher erzählt habe, das Kind in das Wasser geworfen 
zu haben, entgegnet, sie: „Ich weks nicht, wie ich dazu gekommen 
bin.“ Ferneraui die Frage, waruin demselben eihgerönmt- 
habe, das Kind sbelohDfeb iss Wasser beworfen «u haben; „weil 
ich fürchtet**, dass mcU ?b.<r Gotekyo; +.&*}% würde/' 

Auf die gleich. 

Aussage gem*G;r »>’• 

Uran gehabt und ich v. 

An einer 4 >m»r ■ 1 - - ; - 

Donnerstag bereife ftrhjhj: als. fe.f> -.W 
bekommen. Dass b;h die Krädrafc. 
nachträglich lind zwar nu><ji< • 

Freitag«- da, // u.« 

mich nämlich »;• / 




182 


Dr. Schilling. 


Ich habe in meiner Kindheit vielfach die Krämpfe gehabt. 

Ich weise nicht, warum ich die Leiche des Kindes nicht aus 
dem Wasser herausgenommen und nach Hause getragen habe, um 
dieselbe begraben zu lassen. Auch war ich ganz verdreht, ich 
weiss nicht, was ich gemacht habe.“ — 

Da sich die früheren und letzten Aussagen der A. direkt 
widersprechen, so stellte der Untersuchungsrichter die Frage an 
die Sachverständigen: 

Ob es möglich ist, dass die Angeschuldigte sitzend am 
Grabesrande von Krämpfen befallen gewesen und in diesem 
Zustande hat bemerken können, dass ihr das Kind vom 
Schoosse in den Graben gefallen sei und dass sie sich nach 
dieser Wahrnehmung zur Wiedererlangung des Kindes in 
den Graben habe bücken oder in den Graben habe treten 
können? 

Zunächst musste die Bezeichnung Krämpfe erläutert werden. 
Einen Fingerzeig dafür, dass es sich bei der Angeklagten um 
eine Epileptica handele, gab ein frischer Biss in der linken 
vordem Zungenhälfte, welchen ich an der Frau bemerkte, als sie 
am Sectionstage zur Recognoscirung der Kindsleiche vorgeführt 
wurde. Die fernere Bestätigung ergaben die Akten, in denen 
der Mann von typischen klonischen Zuckungen an Händen und 
Füssen, von Schaumbildnng vor dem Munde und von Verlust des 
Bewusstseins erzählte, an welchen die Frau wiederholt seit 
Jahren gelitten habe. Besonders bezeichnend sind die Worte: 
„In dem Krampfzustande schäumt sie aus dem Munde und schlägt 
mit Armen und Beinen um sich; vor 3 Jahren hatte sie sich in 
solchem Zustande aus dem Hause entfernt und wurde erst nach 
3 Tagen bei einer Bekannten aufgefunden.“ 

Es handelte sich also nicht blos um die Neurose Epilepsie 
in diesem Falle, sondern um eine Frau, welche Jahre lang und 
nach ihrer eignen Aussage von frühester Jugend her an Epilepsie 
und ihren Folgen gelitten hatte, also psychisch degenerirt war. 
Sie galt als still, wortkarg, von gedrückter Stimmung, wie eine 
Zeugin sagt. Der Mann musste fortwährend die Herrschaft 
wechseln, weil die Frau kränkelte und nicht arbeiten konnte. 

Die psychisch veränderte Epileptica leidet aber bekanntlich 
nicht nur an intellectuellen Störungen, welche Schwachsinnigkeit, 
Verwirrung und Umneblung des Bewustseins mit tiefer geistiger 
Verstimmung und Gedächtnisschwäche im Gefolge haben, sondern 
es stellen sich besonders in Anschluss an convulsive Anfälle 
Depressionszustände mit der Unfähigkeit zu denken und mit 
stunden- bis tagelangem Stupor ein; ferner kommen elementare, 
psychische und sensorielle Störungen vor und nach dem Anfalle 
zur Beobachtung, auch transitorische Erscheinungen psychischer 
Art zur Entwicklung. Alle drei Gruppen von geistiger Störung 
bezeichnen wir der Kürze wegen als epileptisches Irresein. 

Krafft-Ebing fasst die Bedeutung der Epilepsie für den 
Gerichtsarzt in den Satz zusammen: 

„Der statistische Erweis, dass die Mehrzahl der Epileptiker 



Vorsätzlicher Kindesmord oder durch epileptisches Irrsein bedingtes etc. 183 


temporär oder dauernd psychisch erkrankt ist, rechtfertigt 
die Forderung, dass überall, wo ein Epileptiker vor Gericht 
steht, die Frage der Zurechnungsfähigkeit von Gerichts¬ 
wegen festgestellt werden muss.“ 

Die Erscheinungsformen sind in praxi mannigfaltig, aber ge¬ 
meinsam ist allen diesen Zuständen die Trübung des Bewusstseins 
bis zur Aufhebung des Selbstbewusstseins. Die psychische Um- 
dämmerung geht allmählich nach Stunden oder Tagen in 
klares Bewusstsein über. Das Bewusstsein ist getrübt, die 
Erinnerung stets lückenhaft oder ganz defekt; oft ist die Er¬ 
innerung unmittelbar nach dem Anfalle vorhanden, geht aber 
dann verloren. Eis scheinen dies Fälle zu sein, sagt Krafft- 
Ebing, in welchen dem psychischen Zustande ein epileptischer 
Insult folgt 

Die Frage des Richters, ob die Angeschuldigte während der 
Krämpfe das Kind hat in den Graben fallen sehn und sich zur 
Wiedererlangung hineinbücken können, müsste verneint werden, 
wenn eine blosse Epilepsie vorlege, da in dem rein epileptischen 
Anfalle das Bewusstsein fehlt und damit freiwillige bewusste 
Handlungen ausgeschlossen sind, die Frage ist aber zu bejahen, 
wenn ein kurzer epileptoider Insult bestand. Da das erstere 
nicht der Fall war und das zweite bei den Widersprüchen nicht 
zu beweisen, obwohl anzunehmen ist, so kann diese von richter¬ 
licher Seite gestellte Frage nicht bestimmt mit Nein oder Ja be¬ 
antwortet werden. Diese Frage des Untersuchungsrichters ist 
aber bei der Beurtheilung dieses Falles, bei welchem die Klar¬ 
legung des Geisteszustandes und zwar des gestörten Geistes¬ 
zustandes zur Entlastung in den Vordergrund tritt, irrelevant 

Die Arbeiterfrau befand sich am 7. Juni, wo ihr altes Leiden 
mit Kopfschmerz und Verdrehtsein von Neuem hervortrat und 
ihre Ueberlegung und ihr Bewusstsein trübte, in einem abnormen 
Geisteszustände, so dass sie unbewusst handelte und für ihr 
Handeln keine oder lückenhafte Erinnerung behielt. Es hatte 
sich geistige Verwirrung ihrer bemächtigt bereits vor dem Aus¬ 
bruch der Convulsionen am Nachmittage der That, dieselbe be¬ 
stand noch mehrere Tage nachher. Der Gemütszustand war 
durch die lange Dauer des Leidens perpetuirlich gedrückt. 
Die Mitarbeiterinnen schildern sie als still, wortkarg und moros. 

In ihrem verworrenen Zustande geht sie nicht direkt zum 
Teiche, welchen sie in 1 / 8 Stunde anstatt in 2 Stunden hätte er¬ 
reichen können, sondern irrt umher — ich weise nicht wie ich 
dazugekommen bin mit meinem Kinde in der Richtung zum 
R.-Teiche zu gehn —, bis sie der Graben am Weitergehn hindert; 
auch wirft sie dort nicht, wie es eine Mörderin thun würde, ihr 
Kind sofort in das Wasser und entfernt sich rasch von dem Orte 
ihrer That, sondern sitzt dort, bis sie von Convulsionen über¬ 
rascht wird, wobei ihr das Kind entfällt. Sie will mit offnen 
Augen das Kind zuckend in dem Wasser gesehn haben und ihm 
nachgegangen sein, aber es gelingt ihr nicht, es zu erhaschen. 
Das Gedächtniss verlässt sie hier, daher ihre spätem sich wider- 



184 


Dr. Leuffen. 


sprechenden Angaben. Nach dem Erwachen aus dem Krampf¬ 
zustande geht sie in den Wald, kehrt am Abend zurück, ohne 
zu wissen weshalb — „mit Gewissheit weise ich nicht anzugeben, 
was ich wollte, denn ich hatte immer noch die Krämpfe, die 
mich nur vorübergehend frei Hessen.“ Dann bleibt sie zwei Tage 
und Nächte im Walde liegen, spürt erst in der Nacht, dass sie 
sich gebissen hat, wird dann entkräftet und unklare Antworten 
gebend aufgefunden. Das Kind sei verloren gegangen oder sie 
habe es einer Hüterin übergeben. Als sie von den pflanzenden 
Frauen aufgefordert wird, das Kind zu suchen, senkt sie den 
Blick und sagt Nichts. In Folge der Krämpfe, setzt sie später 
hinzu, bin ich so dumm und weiss nicht, wo ich bin. Auf die 
Drohungen vor dem Förster, welcher sie schiessen würde, wenn 
er sie Wer träfe, erwidert sie: „Nun dann bin ich todt“ 

Nach mehreren Tagen klärt sich ihr Sinn, sodass sie das 
richterliche Verfahren begreift und nun wahrheitsgetreue, ihre 
ersten (wahrscheinlich aus Ja oder Nein auf vorgelegte Fragen 
bestehenden) Angaben corrigirende Aussagen macht, welche dem 
Gericht als Lüge oder absichtliche Täuschung imponiren, in 
der That aber der Ausfluss ihres wahren derzeitigen geistigen 
Zustandes sind. 


JahreS'Sanität8-Bericht pro 1888. 

nach dem Schema der Ministerial-Verfügung vom 8. Juli 1884, 

erstattet von 

Sanitätsrath Dr. Leuffen, Königlicher Stadt-KreiHwundarzt, 
stellv. Stadtpnysikus zu Cöln a. Rh. 


Gluleltung. 

Die Gestaltung des Stadt-Weichbildes Cöln hat durch die am 
1. April 1888 vollzogene Eingemeindung einer Reihe von bisherigen Vororten 
Cölns eine grosse, tief in alle Verhältnisse eingreifende Veränderung erfahren, 
(cfr. Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Cöln, Mittwoch, den 7. März 1888, 
Stück 10, Seite 59, No. 119). 

Das Weichbild der Stadt Cöln, welches bis dahin einen Flächen¬ 
inhalt von 

980 Hektaren 

besessen hatte, ist jetzt auf einen solchen von 

10774 Hektaren, 

also das Zehnfache, vergrössert und zeigt im Durchmesser 

von Süden nach Norden 19,9 Kilometer, 

, Osten , Westen 14,8 „ 

und ist demnach heute fast 2 mal so gross als wie das Stadt-Weichbild Berlin 
(5920 Hektar). 

Kapitel I. 

Die meteorologischen Beobachtungen erfahren hierselbst durch 
die grossen Spezial-Institute eine Bearbeitung und Veröffentlichung, die auch 
dem Medicinal-Beamten zu Gute kommt, und sind dieselben in beiliegender 
Tabelle wiedergegeben. 



Jahres-Sanitäts-Bericht pro 1888. 


185 


Kapitel 11. 

Die diesjährigen Tabellen bilden ein aussergewöhnlich interessantes 
Bild der 


Bewegung der Bevölkerung. 


Während das Jahr 1888 begann mit einer 

Kinwotaner-Zabl von 175181 } j ^ 9 wett»] 1 ' } Kö P fen > 

zeigte der Monat April nach der Eingemeindung eine Einwohnerzahl von 

not aar 1 127107 männl. 1 
261446 J 234339 weib] J Köpfen. 

Im Mai stieg die Bevölkerung auf 262894 } q 78 “Sb” 1 ’ Seele "’ 

0ß i AQA | 129404 männl. . 

• 264090 \ 134686 weib] * 

q/»c/\cq \ 129878 männl« „ 

■ ^ ööü5 * / 135180 weibl. 

QßßnaQ I 132120 männl* v 

• 266093 / 133978 weibl. , 

cieo qi o \ 132529 männl. „ 

• * bb *™ / 134384 weibl. 

2674^2 \ 1*^799 männl. „ 

■ ^ b74ÖZ j 184653 weibl. 

9 £o i t:Q i 133642 männl. , 

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und schloss 

Im Dezember mit einer Zahl von 270659 J J 3 * 390 » 

wie die beiliegenden statistischen Aufstellungen nachweisen. 


„ Juni 

* Juli 

«» August 

* September „ 
„ Oktober „ 
„ November . 


Kapitel 111. 

Der allgemeine Gesundheitszustand, insofern aus den beiliegenden 
Tabellen ein Rückschluss auf denselben gezogen werden kann, darf als ein im 
grossen Ganzen günstiger bezeichnet werden. 

Dem Physikate kamen zur Anzeige von 

Pocken: 1 Fall im September in Deutz; es waren dieselben als modi- 
ficirte bezeichnet und wurde der Kranke, ein Pionier, im Militär- 
lazareth behandelt; 

Typhus: Abdominal-Typhus wurde gemeldet in Cöln, im September 
6 Fälle, im Oktober 1 Fall, im November 3, Dezember 2, in Summa 
12 Fälle; 

Fleck-Typhus von Ehrenfeld 12 Fälle, wovon 3 starben; 

Rückfallfieber 1 

Cholera > kein Fall angelneidet; 

Ruhr J 

Diphtheritis: angemeldet im August 2, Oktober 1 , November 3, in 
Summa 6 Fälle; 

Scharlach: es wurden angemeldet im Mai 2 Fälle, im Juli 6 , im 
August 11 , September 3, Oktober 6 , November 6 , Dezember 14, 
in Summa 48 Fälle; 

Masern: es wurden in Alt-Cöln nur 4 Fälle (November-Dezember) 
gemeldet. 

Epidemisch traten dieselben auf in Cöln-Riehl im Oktober, wo bis 
zum 31. Oktober nach einer Anzeige des Dr. Decker im Ganzen 26 Kinder 
im Alter von 6—7 Jahren erkrankt waren; jedoch war kein Todesfall vorge¬ 
kommen und brauchte die Schule nicht geschlossen zu werden. 

Ebenso traten um dieselbe Zeit in der Schule der Humboldt- 
Kolonie zu Cöln-Deutz die Masern epidemisch auf bei 30 Kindern, von 
denen zur Zeit der Anmeldung (29. November 1888) 16 bereits wieder genesen 
und 1 gestorben war. 

Von den in den Elementar-Schulen Cölns gefundenen anstecken¬ 
den Krankheiten sind ausser 26 Fällen von Krätze (1 Fall) und Grind 
(25 Fälle), von Herrn Dr. Samelson 81 Fälle und von Herrn Dr. Schmitz 



186 


Dr. Leuffen. 


3 Fälle, in Summa 84 Fälle (in 16 Schulen) von granulöser Augenent¬ 
zündung festgestellt. 

Ueber Kindbettfieber gelangte an das Physikat kein Bericht; Ober 
Syphilis nur die Hospital - Tabellen und der Bericht der Dr.Dr. Esch- 
Waltrup und Wolfs üoer die Untersuchung der Prostituirten im hiesigen 
Munizipal-Gefängniss, welche beide beiliegen. 

Ueber Ursprung, Ursache und Verlauf der vorerwähnten Krankheiten 
fehlen nähere Angaben in den an das Physikat gelangten Special-Berichten, 
jedoch ist überall ausdrücklich betont, dass die sämmtlichen Desinfections- und 
sonstigen Vorsichts-Vorschriften aufs Strengste ausgeführt worden sind. 

Die dem Physikate zugegangenen Special - Berichte über das Impf¬ 
geschäft im Jahre 1888 wurden in vorschriftsmässiger Bearbeitung erledigt. 

Kapitel IV. 

Der allgemeine Character der menschlichen Wohnungen der 
Stadt COln hat sich seit dem Falle der alten Stadt-Mauern und der dadurch 
hervorgerufenen ausserordentlichen Bauthätigkeit aufs Günstigste verändert. 
Auch in der Verbesserung der Altstadt hat sich ein neues Leben entwickelt. 

Die Kanalisation der Stadt nimmt ihren stetig voranschreitenden 
Verlauf. 

Eine neue Bau-Polizei-Ordnung für die Bauten in den Städten — 
auf Grund des § 11 des Gesetzes über die Polizei-Verwaltung vom 11. März 
1850, G.-S. S. 265 — vom 2. Juni 1888 nebst Anhänge regelt die sanitären 
Anforderungen. 

Das Strassen-Polizei-Reglement vom 20. November 1868 ist durch 
Verfügung des Königlichen Polizeipräsidenten nach Berathung mit dem Ober- 
Bürgermeister-*Amte und mit Genehmigung der Königlichen Regierung vom 
1. Februar 1889 ab auch auf die eingemündeten Vororte ausgedehnt. 

Kapitel V. 

Es wurden dem Physikate die Analysen des Wassers von 

10 Brunnen 

zur Begutachtung vorgelegt, und mussten diese sämmtlichen Brunnen als ge¬ 
sundheitsschädlich geschlossen werden. 

Die Grundsätze, nach welchen bei der Beurtheilung des Trinkwassers 
hierselbst verfahren wird, lehnen sich an die Beschlüsse der „Allgemeinen 
Sanitäts-Kommission“ in den Sitzungen vom 2. und 13. August 1884 über die 
Entnahme und Feststellung der Untersuchung des Brunnenwassers nach be¬ 
stimmtem Schema: 

1) „Quantitative und qualitative Bestimmung — in Graden oder nach 

Stärke der Reaction. 

2) Eventuell ist die mikrosoopische Beschaffenheit zu erläutern und über 

Geruch und Aussehen des Wassers sich zu äussern; die Feststellung der 

„Härte* kann unterbleiben. 

8 ) Werden salpetrige Säure und Ammoniak, wenn auch nur Spuren, nach- 

f awiesen, so ist das Wasser unbedingt zu verwerfen. 

, ür die Salpeter-Säure wird als Grenzwerth die Zahl 8 in 100000 Theilen 
angenommen. 

5) Bei Chlor und den organischen Substanzen wird von der Feststellung von 
(entscheidenden) Grenzwerthen abgesehen, jedoch dieselben in der Analyse 
vermerkt.“ 

Das Hauptgewicht der Untersuchungen der Trinkwasser liegt noch immer 
auf der chemischen Untersuchung und wird die bacteriologische Unter¬ 
suchung nur ausnahmsweise vorgenommen, wenn der Nachweis speoifischer 
pathogener Infectionsstoffe von Wichtigkeit ist. 

Kapitel TI. 

Die Untersuchung von Nahrungs- und Genussmitteln und Ge¬ 
brauchs-Gegenständen befindet sich vorzüglichen Untersuchungs-Anstalten 
anvertraut, deren Specialberichte veröffentlicht werden. 

Die obligatorische Trichinenschau, die bisher unter der Aufsicht 
der Königlichen Polizei-Direction stand, wurde in die Verwaltung der Stadt 
übernommen (Stadtverordneten-Sitzung vom 19. April 1888) und einem beson¬ 
deren, neu anges teilten Thierarzte unterstellt. 



Jahres-Sanitäts-Bericht pro 1888. 


187 


Der § 5 der Ausführung»-Verordnung vom 7. October 1878 ist jedoch in¬ 
sofern in Kraft behalten, als Anstellung und Wechsel in dem Personal der 
Fleischbeschauer zur amtlichen Kenntnisnahme mitgetheilt werden. Demnach 
starb im Laufe des Jahres 1888: 1 Fleischbeschauer; 5 schieden theils frei¬ 
willig, theils unfreiwillig aus und wurden 6 neue ernannt. 

Da die Zahl der Fleischbeschauer jedoch die gestellten Anforderungen 
nicht mehr zu bewältigen vermochte (es wurden im Jahre 1888 62211 Schweine 
im hiesigen Schlachthause geschlachtet, darunter 95 als finnig und 2 als 
trichinös constatirt, gomäss directem Berichte des Königlichen Kreisthierarztes 
Herrn Rothenbusch an das Physikat), so wurden gegen Ende des Jahres 
noch 3 neue Fleischbeschauer angestellt, so dass zu Ende des Jahres 1888 
2 Vorsteher und 39 Fleischbeschauer ihres Amtes walteten. 

In den Vororten werden die Schweine von dortigen Fleischbeschauern 
untersucht, so lange, bis die Herstellung des neuen öffentlichen Schlachthauses 
die Privatschlächterei auch dort aufhebt. 

Das Physikat wurde nur zu einer Fleischbeschauer-Prüfung in 
Anspruch genommen, nämlich zu der eines Metzgers aus Opladen, der die be¬ 
tredende Kenntnis» in seinem eigenen Interesse zu erwerben wünschte und sich 
als ein sehr intelligenter Mann erwies. 

Kapitel ¥11« 

Gewerbliche Anlagen sind aus dem hiesigen Wirkungskreise des 
Physikates gänzlich ausgeschieden und keine darauf bezügliche Beobachtungen 
zu berichten. 

Kapitel ¥111. 

Ueber Bau und Einrichtung neuer Schulen, Turnplätze, die Resultate 
der halbjährlichen Schul - Revisionen durch die Kommunalärzte, Ferien- 
Kolonien etc. sind die ausführlichsten Nachweisungen eingereicht. Eine 
Schliessung von Schulen aus sanitätspolizeilichen Gründen war nirgendwo 
erforderlich. 

Kapital IX. 

Die Bewegung und die Vorkommnisse in den hiesigen Straf* 
Anstalten, die Aenderung in dem Arrangement der ärztlichen Functionen er- 
giebt die beiliegende Uebersicht. 

Kapitel X« 

Die Fürsorge für Kranke und Gebrechliche befindet sich in unserer 
Stadt auf der höchsten Höhe und blüht im edelsten Wetteifer zwischen Be¬ 
hörden und Privaten. Zahlreiche Anstalten sind Zeugen davon und geben von 
der Wirksamkeit der wichtigsten derselben die beiliegenden Tabellen Kunde. 

Die A. J. Maassen’sche Privat-Irren-Heil- und Pflege-Anstalt in Cöln- 
Lindenthal ging am 1. Juli 1888 durch Kauf in die Hände der Alexianer- 
Genossenschaft von Aachen über, welche die Vorgefundenen männlichen Kranken 
übernahmen, während die weiblichen grössten theils in der Anstalt der 
Schwestern vom H. Joseph in Neuss Aufnahme fanden. 

Die neue Alexianer-Anstalt in Cöln-Lindenthal wurde am 3. Oktober 1888 
der ersten Revision unterzogen und konnte günstig darüber berichtet werden. 

Kapitel XI. 

Von den bestehenden Bade-Anstalteu nimmt noch immer das „Hohen¬ 
staufen-Bad* den ersten Rang ein. Es musste jedoch aus der Hand der 
Actien-Gesellschaft in den Besitz und die Verwaltung der Stadt — unter An¬ 
wendung des ihr statutmässig zustehenden Rechtes — übernommen werden, da 
sich herausgestellt hatte, dass die Anstalt nur dann wiederum leistungsfähig 
werden könne, wenn der Kapital werth derselben auf ein gewisses Mass zurück- 
geführt sein werde. 

Kapitel XII. 

Die Thätigkeit des Physikus bei der Leichenschau wird vorwiegend in 
Anspruch genommen behufs des Transports von Leichen durch die dabei er¬ 
forderlichen, nach Massgabe der Ministerial-Verfügungen vom 19. Dezember 1857, 
6 . Aftfil und 8. Oktober 1888 auszustellenden Leichen-Pässe. 

Von den Lelchenhkusern ist es besonders die „städtische Morgue*, 



188 


Dr. Leuffen. 


das Leichen- und Obduktions - Haus auf dem städtischen Kirchhofe zu 
Melaten, die das Interesse der Medicinal-Beamten erregt. Als diese „Morgue,* 
entgegen den schweren Bedenken und energischen Protesten der Königlichen 
Ersten Staats-Anwaltschaft und der Physikats-Beamten — in specie einer von 
mir in Folge persönlicher Einsicht der Pariser Morgue dem Oberbürgermeister- 
Amte unterbreitete Abrathung —, von ihrer bisherigen, seit undenklichen Zeiten 
immer im Beringe der Stadt (in der Nähe des Rheins) gelegenen Stelle auf 
den Kirchhof zu Melaten, d. h. damals ausserhalb des Stadt-Weichbildes, einige 
wenige Meter unter 2 Kilometer entfernt von der Stadt, verlegt wurde, er¬ 
laubte ich mir darauf aufmerksam zu machen, dass die wenig reizenden 
Existenz-Bedingungen dieses Aufenthaltsortes der Erlangung eines, doch unbe¬ 
dingt erforderlichen, möglichst intelligenten und körperlich kräftigen Leichen- 
Aufsehers, — der ausser den sonstigen im Leichenhause an ihn herantreten¬ 
den Obliegenheiten auch als Gehülfe bei gerichtlichen Geschäften und Obduk¬ 
tionen zu fungiren habe — immer hinderlich sein würden. 

Die thatsächlich eingetretenen und noch bestehenden Verhältnisse sind 
leider Bestätigungen meiner Befürchtungen. 

Die Neu-Anlage eines jüdischen Kirchhofes in Cöln-Ehrenfeld konnte 
in Bezug auf das in’s Auge gefasste Terrain zustimmend begutachtet werden. 

Kapitel XIII. 

Aerste sind während meiner Verwaltung des Physikates neu angemeldet: 
Dr. Simon, Dr. van Perlstein, Dr. Quos, Dr. Steiner, Dr. Kirch- 
gaesser und Dr. Albersheim. 

In Folge bereits mehrfach im März, April und Mai eingetretener längerer 
Verhinderung und späterer schwerer Erkrankung des Stadtpnysikus wurde der 
Stadtwundarzt mit den Physikats-Functionen des Stadtkreises Cöln (jetzt ein¬ 
schliesslich der neu eingemeindeten Vororte) in Stellvertretung betraut, 
und fiel demselben demgemäss die vorliegende Berichterstattung zu. 

Von Quacksalbern verspricht in den öffentlichen Blättern ein neuer 
„Magnetopath* das gläubige Publikum von allen Leiden zu befreien. 

Die Prüfung zum Fähigkeits-Zetigniss als „geprüfter Heildiener* 
incl. Zahnausziehen und Operiren der Hühneraugen unterzogen sich 2 Personen 
und 1 Person behufs Erlangung zur Bezeichnung als „geprüfte Hühner¬ 
augen-Operateur in,* sämmtlich mit erwünschtem Resultate. 

Apotheken. 

Die nach der Eingemeindung der Vororte nöthig gewordene Neu-Auf- 
stellung der Liste der Apotheken-Besitzer des nunmehrigen Stadt-Weich¬ 
bildes Cöln zeigt 28 Namen. 

Ihren Eigenthümer hat gewechselt die Löwen «Apotheke, die aus 
den Händen des Herrn R. Schneider in die des Herrn R. Brockmüller 
übergegangen ist. 

Von dem sehr lebhaften Wechsel im Apotheker-Gehülfen-Personal 
zeugen 78 geforderte Attestirungen. 

Concession zur Errichtung einer neuen Apotheke in Ehrenfeld ist 
dem Apotheker J. P. R. Heyd aus Frankfurt a. M. ertheilt. 

Die Errichtung einer solchen in der südlichen Neustadt ist bewilligt.. 

Droguen-Revisionen sind nicht erfordert worden. 

Hebammen. 

Das nach der „Eingemeindung* neu aufgestellte Personal-Verzeichniss der 
im nunmehrigen Stadt-Bezirk practicirenden Hebammen zeigt 98 Namen. 

Sie wurden sämmtlich einer vorläufigen orientirenden Vorstellung unter 
gleichzeitiger Untersuchung ihres Instrumentariums, ihres Lehr- und Tagebuchs 
unterworfen. 

Auch wurde einer Jeden ein Exemplar der Ministerial-Anweisung vom 
22. November 1888 zur Verhütung des Kindbettfiebers unter erklärender, dem 
speciellen Auffassungsvermögen angepasster Belehrung, zu strengster Nachach¬ 
tung und Aufbewahrung in ihrem Lehrbuch, gegen eigenhändige Empfangs- 
Bescheinigung mitgetheUt. 

Eine unvermuthete Revision der augenblicklich bestehenden 16 Privat- 
Entbindungs-Anstalten ergab mehrfache Unzuträglichkeiten, die ^poroto- 
kollarisch gerügt werden mussten. 



Die Hygiene und ihre Bedeutung als Wissenschaft. 


189 


Die im September 1888 anberaumten Prüfungen der bez. Hebammen 
hatten nicht stattfinden können, und sind für das Jahr 1889 entsprechende 
Ersatz'Bestimmungen getroffen worden. 

Gerichtsärztliche Geschäfte. 

Gerichtliche Obduktionen.8. 

n Inspektionen.3. 

„ Termine, resp. Assisen . . 6 . 

, Haft-Fähigkeits-Exploration 8 . 


Die Untersuchungen und gutachtlichen Berichte, Atteste, Leichenpässe, 
sog. Beglaubigungen, sowie die unendliche Reihe der zur schriftlichen Kennt- 
nissnahme zugehenden Anmeldungen pflichtschuldigst anzuzeigender Krank¬ 
heiten sind seit der „Eingemeindung“ zu einer fast unzubewältigenden Höhe 
gestiegen. 

Dazu steht augenblicklich der in dem Gesetz vom 9 . März 1872 zuge¬ 
billigte Entgelt nicht mehr mit den Leistungen im Einklang. 

Abgesehen von der üborgrossen Zahl der unter den § 1 fallenden Ver¬ 
richtungen ist es besonders die Thatsache, dass die eingemeindeten Vororte, 
die bis zum 1. April 1888 sämmtlich Fuhrkosten-Entschädigungs-Berech- 
tigung genossen, letztere vom 1 . April ab vollständig verloren, da jene nun¬ 
mehr zum Stadt-Weichbilde gehörig zu behandeln seien. 

Bei den Eingangs bemerkten enormen Entfernungen werden durch vor¬ 
stehende Thatsachen die Pflichten des Physikates oft recht kostspielig Air den 
Medicinal-Beamten und überschreiten nur zu oft weit die ihm für die Leistung 
selbst zugebilligten Gebühren. 


Die Hygiene und ihre Bedeutung als Wissenschaft.*) 

(Verhandlungen des Preußischen Abgeordnetenhauses in den Sitzungen am 

4. und 5. Mir* d. J.) 

In keiner Session des Preussischen Abgeordnetenhauses ist 
die Hygiene in Bezug auf ihre Bedeutung als Wissenschaft einer 
so eingehenden Erörterung unterzogen als in der diesjährigen. 
Die erste Veranlassung hierzu gaben die bekanntlich am Ende 
vorigen und zu Anfang dieses Jahres im hygienischen Institute 
zu Berlin zum ersten Male abgehaltenen hygienischen Kurse 
für Verwaltungs- und Schulbeamte, für deren Einrichtung 
dem Kultusminister seitens der Abgeordneten Graf Douglas, 
Graf Clairon d’Hausonville, von Pilgrim und Gerlich in 
der Sitzung vom 4. März der wärmste Dank ausgesprochen wurde. 
Nur der Abg. Virchow stimmte auffallender Weise in diesen 
Dank nicht ein. Nach seiner Ansicht gehörten derartige Special¬ 
kurse für Verwaltungsbeamte und andere Personen nicht zu den 
Aufgaben der Universitäten, und würde durch ihre Einrichtung 
nur ein immer weiter gehendes Verflachen des Unterrichtes auf 
letzteren herbeigeführt, das nicht wenig nachtheilig auf den Ge- 
sammtcharakter des Unterrichtes einwirke. Ausserdem müsse er 
bestreiten, dass jeder beliebige Verwaltungsbeamte in so kurzer 
Zeit zu einem Sachverständigen in der öffentlichen Gesundheits- 

*) Wegen Raummangels musste der vorstehende Artikel bis zur heutigen 
Nummer zurOckgesetat werden. 




190 


Die Hygiene and ihre Bedeutung als Wissenschaft, 


pflege gezüchtet bezw. ein wirkliches materielles Verständnis auf 
diesem Gebiete erlangen könne. Jedenfalls sei es für die be¬ 
treffenden Beamten viel nützlicher, sich eines der ausgezeichneten 
Handbücher über Hygiene anzuschaffen und durch fleissiges Studium 
desselben, durch häuslichen Fleiss ihre Kenntnisse über hygie¬ 
nische Fragen zu ergänzen bezw. zu erweitern, als grosse Reisen 
zu den in Rede stehenden Kursen zu machen. Dem gegenüber 
wurde dagegen von sämmtlichen vorher genannten Rednern mit 
Recht hervorgehoben, dass es gerade für Verwaltungsbeamte mit 
Rücksicht auf die Entwicklung der Industrie wie auf die bren¬ 
nenden Fragen über Reinhaltung und Wasserversorgung der 
Städte, über Wohnungshygiene, Anlage von Schlachthäusern etc. 
ungemein wichtig und nothwendig sei, die grundlegenden Bedin¬ 
gungen der Hygiene aus eigener Anschauung kennen zu lernen, 
um für solche Fälle, wo an sie von Amtswegen die Prüfung der¬ 
artiger Fragen herantritt, denselben nicht vollständig als Laien 
gegenüberzustehen. 

Eine längere und höchst interessante Debatte über die Be¬ 
deutung der Hygiene entspann sich sodann am folgenden Tage, 
den 5. März, bei Gelegenheit der Berathung über die von der 
Budgetkommission gestrichenen Posten für die neu zu errichten¬ 
den hygienischen Institute in Halle a/S. und Marburg, deren 
Wiedereinstellung in den Etat von den Abgeordneten Graf Dou¬ 
glas, Dr. Graf und Genossen beantragt war. In dieser Debatte 
traten sich zwei grundsätzlich verschiedene Anschauungen gegen¬ 
über, von denen die eine, durch die Regierung und durch die 
Antragsteller vertretene, die Hygiene als selbstständige Wissen¬ 
schaft. anerkannte und in Folge dessen für jede Universität die 
Errichtung eines eigenen, mit einem hygienischen Institute ver¬ 
bundenen Lehrstuhls als unbedingt nothwendig erachtete, wäh¬ 
rend von anderer Seite, insbesondere von dem Abg. Virchow, der 
Hygiene die Berechtigung als selbstständige Wissenschaft ent¬ 
schieden abgesprochen und vor einer übertriebenen Auffassung 
von der ausserordentlichen Bedeutung derselben für die medici- 
nische Wissenschaft wie für das allgemeine Wohl der Menschheit 
gewarnt wurde. Den Höhepunkt der Berathung bildete eine längere 
Rede des Kultusministers, in welcher derselbe mit voller Ueber- 
zeugung und grosser Wärme für die Genehmigung der gestrichenen 
Position eintrat und gleichzeitig ein vorzügliches Bild von dem 
ganzen Entwicklungsgang der Hygiene, ihrer segensreichen Wirk¬ 
samkeit und grossen Bedeutung besonders für das praktische 
Leben, der Nothweudigkeit ihrer weiteren Ausdehnung etc. gab. 
Mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der fraglichen Verhandlungen 
geben wir dieselben im Nachstehenden nach dem stenographischen 
Berichte wieder unter Wegfall bezw. Kürzung der unwichtigeren 
Stellen: 

Abg. Dr. Graf (Elberfeld): M. H.! die in der Budgetkommission vorge¬ 
nommene Streichung der auf die Hygiene bezüglichen Positionen hat in wei¬ 
teren Kreisen grosses Befremden erregt; denn sie bezeichnet das Verlassen 
eines bisher auch vom Abgeordnetenhause unangefochtenen, mindestens gut ge¬ 
heissenen Systems. 



Die Hygiene und ihre Bedeutung a h Wissenschaft. 


191 


Wir müssen zunächst die Vorfrage erledigen, ob alle Universitäten resp. 
Fakultäten mit demjenigen auszurüsten sind, was die Studenten nothwendig 
gebrauchen bezw. ob der Lehrstuhl für Hygiene überhaupt ein für Studenten 
nothwendiger ist? 

Den äusseren Grund dafür hat Ihnen eben schon der Herr Berichterstatter 
erwähnt, dass nämlich die Hygiene ein obligatorischer Examengegenstand ist. 
Ich will darauf hier nicht weiter ein gehen, obschon es natürlich ein schwer¬ 
wiegender Grund für unsere Ansicht ist. Sachliche Einwendungen gegen 
die Nothwendigkeit der Hygiene als eines obligatorischen Gegenstandes sind 
bis jetzt, so viel mir bekannt ist, hier im Hause nur seitens des H. Abg. 
Dr. Virchow im Jahre 1884 erhoben worden. Derselbe sagte damals, die 
Hygiene und die gerichtliche Medizin seien nur angewandte Wissenschaften, 
welche weder selbstständige Methoden noch selbstständige Objekte in der 
Untersuchung haben; der Student solle also die Grundlagen hierfür an den¬ 
jenigen Stellen lernen, wohin sie gehören, beispielsweise in den Kollegien der 
Anatomie, Chemie, Mikroskopie etc. Ich gebe dem H. Abg. Dr. Virchow 
unzweifelhaft darin Recht, dass dies für die Grundlagen eine völlige Gültig¬ 
keit hat; aber eben so richtig ist es auch, dass sich auf diesen Grundlagen 
im Laufe der Zeit eine selbstständige Disziplin entwickelt hat, welche mit Zu- 
hülfenahme der Gesetzeskunde, der Statistik im Zusammenhänge gelehrt und 
geübt werden muss. Wenn der H. Abg. Dr. Virchow gestern den Verwal¬ 
tungsbeamten den Rath gab, sie möchten das, was sie zu wissen nöthig haben, 
aus Handbüchern lernen, so bin ich doch überzeugt, dass er denselben Hin¬ 
weis für die Mediziner nicht geben wixd. Der Gesundheitsbeamte wie der 
praktische Arzt, welche berufen sind, die Ursachen der Volkskrankheiten zu 
ermitteln, diese Krankeiten zu verhüten und zu bekämpfen, welche über ge¬ 
sundheitswidrige Zustände und sanitäre Einrichtungen ihr Urtheil abgeben 
sollen, können das nur auf Grund einer genauen Kenntniss der Untersuchungs¬ 
methoden, nur wenn sie solche gesehen und geübt haben.- 

Ueber die grosse Bedeutung der Öffentlichen Gesundheitspflege sollte 
eigentlich kein Zweifel bestehen. Der hohe wirthschaftliche Werth der Ge¬ 
sundheit und Arbeitsfähigkeit, die finanziellen Verluste, welche hohe Krank- 
heits- und Sterblichkeitsziffem immer mit sich bringen, sind schon so oft be¬ 
rechnet und hervorgehoben worden, dass ich wohl füglich hierauf einzugehen 
verzichten kann. Es ist ja jedem von Ihnen ohne weiteres klar, welch ein 
hohes Gut in jeglicher Beziehung die Gesundheit ist; dass es aber den Mass- 
regeln der öffentlichen Gesundheitspflege gelungen ist, jene Ziffern der Krank¬ 
heit und Sterblichkeit wesentlich herabzudrücken, das beweist Ihnen in Deutsch¬ 
land, um Beispiele anzuführen, die Herabdrückung der Sterblichkeitsziffer in 
Elberfeld-Barmen seit Herstellung guter Wasserleitungen, ebenso in neuerer 
Zeit die Ziffern in Neustadt-Magdeburg, welches seit Inkommunalisirung, seit 
Vereinigung mit der Altstadt sich eines rationellen Wasserbezuges von einem 
höheren Funkte der Elbe erfreut, — und das stimmt alles in einer solchen 
Weise mit den englischen Erfahrungen überein, dass ein Zweifel an der Rich¬ 
tigkeit der stattgehabten Schlüsse wohl nicht bestehen kann. 

Nun könnten Sie sich sagen: das betrifft nur die Städte, lasst die für 
eich sorgen, was geht dass das platte Land an! Es wäre aber nichts ver¬ 
kehrter als so zu argumentiren. Typhus und Cholera, sodann die grosse Geissei 
des Menschengeschlechts, die Lungenschwindsucht, treffen das platte Land 
nicht minder wie die Städte. Wenn wir im Kampf gegen diese Krankheiten 
auch noch in den Anfängen stehen, so sieht jeder von Ihnen, dass nur die 
genauere Kenntniss derselben zum Ziele führen kann, — und wir sollten es 
doch wahrhaftig nicht vergessen, dass deutsche Forschung es war, welcher der 
Nachweis gelungen ist, dass es die kleinsten Lebewesen, die sogenannten 
Bazillen sind, welche die Ursachen jener Krankheiten abgeben. Nur die ge¬ 
naue Kenntniss der Lebensbedingungen jener kleinsten Lebewesen kann 
uns zu den Massregeln führen, sie zu vernichten. Heute stehen wir schon auf 
dem Standpunt, dass wir wissen, wie sie zu zerstören sind, wenn sie sich 
ausserhalb des menschlichen Köipers befinden, und so durch die Methode der 
Desinfektion dürfen wir auch honen, dass wir Fortschritte machen werden bis 
zu einem gewissen Grade auch für den Zeitpunkt, wo sie schon in den Körper 
eingedrungen sind, für die Behandlung der Krankheit selbst.* 



192 


Di© Hygiene und ihre Bedeutung als Wissenschaft. 


Nachdem Redner noch mit wenigen Worten auf die Noth wendigkeit der 
Schulhygiene eingegangen ist, fährt er fort: „Thatsächlich hat Deutschland 
in den letzten zwanzig Jahren auf dem Gebiet der öffentlichen Gesundheits¬ 
pflege grosse Fortschritte gemacht, nicht nur in der Forschung, sondern auch 
in praktischen Massnahmen. Durch Vereine und Vorträge, durch Zeitschriften 
und Handböcher, sind die Kenntnisse dieses Gegenstandes in weite Kreise ein¬ 
gedrungen. Namentlich sind seitens der Städte Millionen verausgabt worden 
tür Krankenhäuser, Schulhäuser, Schlachthäuser, für Wasserversorgung und 
Kanalisation, und ich brauche wohl nicht daran zu erinnern, dass gerade in 
dem Orte, in dem wir uns befinden, in Berlin, die Kanalisation in Verbindung 
mit der Berieselung, unter wesentlicher Mitwirkung des Herrn Abg. Dr. Vir- 
chow, die grössten Triumphe gefeiert hat.- 

M. H.! Eine solche Wissenschaft, wie die Hygiene, mit dem enormen 
Einfluss auf das Wohl und Wehe des ganzen Volkes, mit ihrer weittragenden 
finanziellen Bedeutung kann wohl einen Platz an jeder Universität bean¬ 
spruchen, ist doch die Kenntniss und Förderung derselben die schönste 
Pflicht eines jeden Arztes. Wenn die Behandlung und Heilung des kranken 
Menschen für den praktischen Arzt zugleich Gegenstand des Erwerbes ist und 
sein muss, — hier liegt eine Thätigkeit für ihn vor, welche seinen Privat¬ 
interessen entgegengesetzt ist; er hilft die Krankheiten verhüten. Damit die 
deutschen Aerzte immer in der Lage sind und sich bereit finden lassen, sich 
in den Dienst einer solchen Sache zu stellen, so dürfen Sie ihnen das nicht 
verkümmern; Sie leisten sich und Ihrer Familie damit den grössten Dienst. 

Ich ersuche Sie, die Positionen, welche gestrichen sind, wieder in den 
Etat einzustellen. (Bravo!) 

Abg. Graf zu Limburg-Stimm: M. H.!-Der H. Abg. Graf hat 

mit seiner ganzen Deduktion offene Thüren eingerannt, d. h., er hat Dinge 
nachgewiesen, von denen ein jeder von uns vollkommen überzeugt ist. Aber 
über den Kern der Sache ist er mit zwei Sätzen hinweggegangen. 

Dass die Hygiene eine wünschenswerthe und nothwendige Wissenschaft 
ist, bestreitet keiner von uns. Dass die Forschungen auf dem Gebiete der 
Hygiene, wie sie Leute wie Pettenkofer und Koch gemacht haben, eine 
Ehre für Deutschland sind und dem Lande Nutzen gebracht haben, das weiss 
jeder Mensch, das braucht uns, so dankenswerth die Wiederholung dieser 
Din^e ist, eigentlich nicht erst eingeprägt zu werden. Dagegen darauf kommt 
es hierauf gar nicht an, sondern es kommt darauf an zu fragen: ist es noth- 
wendig, dass jede einzelne Universität eine Forscherstelle bekommt für diese 
Wissenschaft? und das bestreite ich. Ich habe dem H. Abg. Graf mit 
doppelter Aufmerksamkeit zugehört, nicht so sehr, um ihn widerlegen zu 
können, als weil ich mir sagte: es ist doch möglich, dass er als Arzt mir eine 
Sache sagt, ein Argument bringt, woraus ich ersehe, dass meine Stellung eine 
falsche ist. Er hat aber in keiner Weise irgend etwas dazu angeführt. Er 
hat den Preis der Hygiene gesungen im ganzen, — damit war ich mit ihm 
einverstanden — aber er hat mir nicht nachgewiesen, warum auf jeder Uni¬ 
versität jeder Student die Forschungsmethode der Hygiene selbst durchmachen 
muss; dass kann ich eben nicht einsehen. Er hat uns gesagt, was alles die 
Hygiene geschaffen hätte: die Lehre von dem Abwässern, die Wissenschaft, 
wie man die Ventilation machen muss, wie man die Heizung machen muss, 
die Wissenschaft, wie man dem Typhus und anderen Krankheiten entgegen¬ 
treten könnte, die auf Bakterien beruhen. Ja, m. H., da werden Sie doch 
mit mir unterscheiden: da giebt es die Arbeit des Forschers, der im Labora¬ 
torium die Dinge feststellt, die grossen Gedanken aufstellt, dann darnach die 
praktischen Versuche angiebt. Wenn dann die Versuche sich bewährt haben, 
werden dem Praktiker die Massregeln vorgeschrieben. Alle die Massregeln, 
welche die grossen Forscher wie Pettenkofer, wie Koch, erdacht haben, 
die Meister in der Sache, kann ein gebildeter Arzt, wenn er Studium gemacht 
hat, anwenden; ja, in den meisten Fällen wird es sogar möglich sein, daas ge¬ 
bildete Laien die auf Grund dieser Forschungen gemachten Anweisungen aus¬ 
führen; denn woher sollten sonst die Verwaltungsbeamten in der Lage sein, 
die betreffenden Massregeln auszuführen? Wenn das wahr ist, und wenn der 
H. Abg. Dr. Graf mir in seiner ganzen Ausführung nicht nachgewiesen hat, 



Die Hygiene und ihre Bedeutung als Wissenschaft. 


198 


wie es nothwendig ist, dass jeder einzelne 8tudent die Forschungen selbst 
ausführt, dann bleibe ich auf meinem Standpunkt stehen.- 

Unter den medizinischen Studenten riebt es ganz verschiedene Klassen; 
die eine Klasse ist die höhere; das sind Leute, die sich mit der Zeit zu 
Forschern ausbildcn, aber die andern werden alle praktische Aerzte, und von 
diesen praktischen Aerzten, die nachher viel zu thun haben, glaube ich nun 
und nimmermehr, dass die Herren in der Lage sein werden, selbst die 
Forschungsuntersuchungen weiter zu machen, sondern diese Herren müssen 
nur durch ihre Vorbildung so weit gebracht werden^ dass sie dasjenige gut 
verstehen können, was von den Forschern entdeckt wird.- 

Ich resümire mich dahin, dass ich Sie bitte, bei den Beschlüssen der 
Budgetkommission stehen zu bleiben. Ich lehne es ab, dass wir irgendwie 
eine Feindseligkeit gegen Forschung und Wissenschaft im ganzen haben. Ich 
bin mit dem H. Abg. Graf in seinem Vortrag, in seinen Ausführungen voll¬ 
kommen einverstanden, aber natürlich nicht in seinem Petitum, weil er eigent¬ 
lich gar nichts für sein Petitum bewiesen hat. Ich finde, dass die Hygiene 
eine bedeutende Wissenschaft ist, dass sie gepflegt werden muss, aber ich bin 
der Meinung, dass es genügt, wenn dazu Stätten geschaffen werden, wo die 
bedeutenden Forscher ihrer Arbeit nachgehen und fernere Entdeckungen machen 
können zum Wohle der Menschheit. Diese Stätten sind geschaffen, und ich 
bin der Meinung, dass für die praktische Anwendung genug geschieht da¬ 
durch, dass Lehrstühle an den bisherigen Forschungsstätten existiren, und dass 
es möglich sein wird, den anderen Studenten, wenn sie nur eine gründliche 
medizinische Vorbildung haben, die nöthigen Kenntnisse in der Hygiene zu 
geben, auch ohne dass sie die Forschungsmethode selbst durchgemacht haben. 
Ich bitte Sie demnach, m. H., bei dem Beschluss der Budgetkommission stehen 
zu bleiben. — — Ich habe heute noch gar nichts gehört, was mich zu der 
Meinung bringen könnte, dass die Forderungen, welche die Königliche Staats¬ 
regierung stellt, unbedingt nothwendig sind. Ich halte es für sehr schön, aber 
für einen Luxus, und darum bitte ich Sie: lehnen Sie dieselben ab. 

Abg. Graf Donglas dankt zunächst dem Minister für die Einstellung 
dieser Forderung und erwähnt, dass die Streichung derselben seitens der Budget¬ 
kommission allgemeines Befremden und zwar nicht nur in den davon zunächst 
betroffenen Kreisen erregt haben. Es handle sich hierbei um eine so wichtige 
Angelegenheit, dass finanzielle Gesichtspunkte zurücktreten müssten. Wie 
sehr die hygienischen Anschauungen ins Volk gedrungen seien, das habe die 
hygienische Ausstellung gezeigt und werde die in diesem Sommer stattfindende 
Ausstellung für Unfallverhütung, die mit jener so viel Verwandtes habe, von 
Neuem beweisen. Jedenfalls müsse es auf alle diejenigen Männer, welche im 
Lande ihre besten Kräfte dem Dienste der öffentlichen Gesundheitspflege 
widmeten, entmuthigend einwirken, wenn man sich hier scheue, wenige Tausend 
Mark zu gleichen Zwecken zu verwenden. 

Dadurch, dass man nur an einzelnen Universitäten hygienische Lehr¬ 
stühle gründe, würden die Studenten gezwungen, verschiedene Universitäten zu 
besuchen; was für viele derselben oft mit schweren Opfern verbunden sei. 
Dass sich aber ein Arzt durch Privatstudium aus Büchern die erforderlichen 
naturwissenschaftlichen und hygienischen Kenntnisse verschaffen solle, sei voll¬ 
ständig verkehrt, denn in einer Stunde könne man durch eigene Anschauung 
mehr lernen, wie aus einem ganzen Buche. 

Ausserdem genüge es nicht, dass nur an Centralstellen Aerzte vorhanden 
seien, welche die hygienischen Untersuchungsmethoden etc. studirt haben, 
sondern jeder Arzt müsse mit diesem Wissen bekannt sein, damit genügend 
ausgebildete Kräfte zu Gebote stehen, um den grossen Epidemien wirksam 
entgegen zu treten. Redner fährt dann fort: „Seitens das Reiches ist durch 
die neuere Gesetzgebung alles geschehen, um der Nothlage der minder be¬ 
güterten Klassen entgegenzutreten; aber Noth und Armuth führen zu den 
allerbeklagenswerthesten Zuständen, wenn sich Krankheit zu ihnen gesellt. 
Und wenn die Reichsregierung so freigebig diese kolossalen Mittel bewilligt, 
um der Noth entgegenzutreten, so wollen wir in der That unserer Regierung 
die Mittel nicht verweigern, um den Krankheiten entgegenzutreten, soweit es 
irgend möglich ist. 

Und was ist denn der Tenor bei allen den Herren, die dagegen ge- 



194 


Die Hygiene und ihre Bedeutung als Wissenschaft. 


sprochen haben, auch gestern? Fast ausschliesslich ist auf die finanzielle 
Seite Nachdruck gelebt. Dem gegenüber möchte ich erwähnen, wie auch 
sohon gesagt worden ist, dass früher durch Unkenntniss viele Hunderttausende 
verschwendet worden sind, z. B. in der Verwendung von sehwefeliger Säure, 
übermangansaurem Kali, Eisenhydraten etc. Wenn wir auf der einen Seite 
für monumentale Gebäude so enorme Summen aufwenden können, so sage ich: 
wenn irgend wo, so liegt gerade hier die Bereitstellung von Mitteln am aller¬ 
meisten im Interesse des Volkes! 

Nun möchte ich noch auf eine weitere Zahl aufmerksam machen. Petten- 
kofer weist darauf hin, dass die Mortalität in Wien SO pro Mille beträgt, und 
ef sagt nun, wenn es gelänge, diese Ziffer auch nur um 1 pro Mille zu redu- 
ziren, so würde dadurch in Wien dem Publikum jährlich 1400000 Mark er- 
spart werden, die die Erkrankungen und Todesfälle jetzt kosten. Dank den 
vorzüglichen Einrichtungen, die wir in Berlin haben, und die, wie ich ent¬ 
schieden anerkennen muss, gerade unserem Herrn Kollegen Virchow mit zu 
verdanken sind, ißt, wie oben erwähnt, die Mortalitätsziffer von 29 pro Mille 
vor einigen Jahren mehr und mehr gefallen und beträgt heute etwa 22 pro 
Mille. Wenn Sie diese Zahl ansehen und dann die Grösse von Berlin mit der 
von Wien in Vergleich setzen, so werden Sie finden, dass das Plus, welches 
früher in Berlin fiir Krankheit mehr ausgegeben werden musste und uns zur 
Zeit erspart wird, jährlich, gering veranschlagt, 9 Millionen Mark beträgt. 
(Hört! hört!) M. H., ich habe mich hier zunächst lediglich auf die wirth- 
8chaftliche Frage beschränkt; ich habe nur Mark gegen Mark gerechnet; aber 
wie hoch wollen wir die Gesundheit unserer Mitbürger und mr Leben, das 
unbedingt indirekt mit in Frage kommt, in Rechnung setzen!? M. H., so 
schließe ich mit der Bitte an Sie alle, wollen Sie nicht die Verantwortung 
auf sich nehmen, welche in einer Ablehnung dieser Forderung der Regierung 
liegen würde! (Lebhafter Beifall.) 

Abg. Dr. Drechsler spricht seine Verwunderung darüber aus, das gerade 
die Landwirte gegen diese Forderung seien. Die hygienischen Institute 
könnten fiir die Landwirtschaft von grösstem Nutzen sein. Untersuchungen der 
Abwässer, Ventilationsvorrichtungen und dergleichen spielten beim landwirt¬ 
schaftlichen Betriebe eine grosse Rolle. Besonders wichtig sei das Gebiet der 
praktischen Bacteriologie. Nachdem man durch mikroskopische Untersuchungen 
die Ursachen der Krankheiten erforscht habe, könne man leichter den Er¬ 
krankungen Vorbeugen. Der in Berlin kürzlich versammelt gewesene Miloh- 
wirthschafUiche Verein habe in einer Resolution auf die Wichtigkeit der 
bacteriologischen Forschungen für die Milchwirtschaft hingewiesen und die 
Errichtung von Instituten mit allen notwendigen Untersuchungsinstrumenten 
gefordert. Ein Hauptinstitut in Berlin genüge nicht, die Arbeit müsse ge¬ 
teilt werden. Auf welcher Stufe der Entwickelung stände die Landwirt¬ 
schaft heute noch, wenn nicht vor 40 Jahren die Agriculturchemie* als ein 
neuer Zweig der Wissenschaft begründet wäre; damals hätte man nicht Mühe 
und Kosten gescheut, um dieses Gebiet weiter auszubanen. Die Landwirte 
hätten alle Ursache, der Regierung für diese Forderung dankbar zu sein und 
dieselbe zu bewilligen (Beifell.) 

Abg. Dr.lWtndthorst: M. H.!-In der Sache hat die Diskussion bisher ein 

volles Einverständmss dahin ergeben, dass die Hygiene als Wissenschaft auf der 
Universität gelehrt werden soll und muss; dass wir derselben Grosses verdanken, 
und niemand ist im Zweifel gewesen, dass wir alles zu tun haben, um die¬ 
selbe zu fördern. Auf die Bedeutung derselben für die Mediziner, fiir den 
Verwaltungsbeamten, für die Landwirtschaft lasse ich mich deshalb auch in 
diesem Augenblick nicht ein. Es sind diese Gesichtspunkte hervorgehoben 
worden, und nach der Rednerliste zu urteilen, werden wir auf diese Punkte 
auch noch von anderen hingewiesen werden. Der Graf Limburg-Stirum 
hat sehr Recht, wenn er sagt, dass auf diesem Gebiete ja Einverständnis sei, 
und dass ee sich hier lediglich darum handele, in welcher Weise die hygienische 
Wissenschaft gelehrt werden soll. Da hat er gemeint, es genüge, wenn auf 
einzelnen grösseren Universitäten das Nötige in dieser Hinsicht geschehe; 
dann könnten diejenigen, welche sich besonders für Hygiene interessirten, zu 
diesen Universitäten sich wenden; und ein in den Elementen der medizinischen 
Wissenschaften genügend befähigter Arzt würde auch aus guten Büchern das 



Die Hygiene und ihre Bedeutung als Wissenschaft. 


195 


Nöthige lernen können. Dass im alleräussersten Nothfall, m. H., dies einzelnen 
gelingen könne, bei den erforderlichen allgemeinen medizinischen Vorkennt¬ 
nissen aus Büchern sich zu unterrichten, will ich nicht leugnen. Solches ist 
der Fall fast auf allen Gebieten des menschlichen Wissens. Es giebt immer 
einzelne ganz bevorzugte Talente, welche wesentlich durch Selbststudium auf 
Grundlage von Bücbem das Nöthige lernen. Das sind aber Ausnahmefälle; 
wir müssen uns an die Regel halten. So lange wir nicht generell auf das 
Selbststudium hingewiesen werden, müssen wir das Studium auf der Universität 
für nothwendig erachten und es auch als den Weg anzusehen haben, auf dem 
die mittelbegabten Menschen — und die sind die Regel — ihr Ziel erreichen 
können. Da bin ich nun der Meinung, dass gerade diese hier in Frage befind¬ 
liche Wissenschaft nicht allein für die Mediziner, sondern für die Verwaltungs¬ 
beamten, auch für die Juristen von Wichtigkeit ist, die sich der richterlichen 
Karriere, der kriminalistischen insbesondere, zuwenden; dass ferner die Land- 
wirthe Gelegenheit haben müssen, sich auf diesem Gebiete umzusehen, und 
ich meine sogar, dass es gar nützlich sein dürfte, wenn auch die verehrten 
Mitglieder dieses Hauses sich diesem Studium etwas widmen möchten, und 
wäre es auch nur, um endlich zu der lebendigen Ueberzeugung zu gelangen, 
dass im Abgeordnetenhause vom Standpunkte der Hygiene aus Wandel ge¬ 
schaffen werden muss. Das wird aber jetzt mit Erfolg nur geschehen können, 

wenn wir die nöthige Zahl von Anstalten dieser Art haben,-und kann ich 

nun und nimmer zugeben, dass man einzelne Universitäten bevorzugt und 
gleichsam zu Universitäten erster Klasse machen will, um daneben die anderen 
in die zweite Klasse zu bringen. Die Häufung der Studirenden namentlich in 
Berlin, auch in Leipzig, ist keineswegs etwas Erwünschtes. Wenn wir diese 
so überladenen Universitäten einigermassen betrachten* und auf das richtige 
Verhältnis zurückführen wollen, so wird dazu wesentlich dienen, wenn me 
kleineren Universitäten besser ausgestattet und in Folge dessen an denselben 
wissenschaftfich dasselbe erreicht werden kann. Die allgemeine Verbreitung 
wissenschaftlicher Tüchtigkeit in Deutschland hat dann wesentlich ihren 
Grund, dass wir so viele und auch selbst in kleineren Staaten gutgepflegte 
Universitäten hatten und haben. Ich möchte keine derselben eingehen lassen, 
im Gegentheil würde eine neu gegründete Universität in Westpreussen oder 
Posen für einen grossen Gewinn halten und glaube, dass dieselbe eine legiti- 
mere Vertretung germanischen Sinns in den polnischen Gegenden herbeiführen 
wird, als alle anderen Massregeln.- 

Ich meine deshalb, wir könnten die von der Regierung geforderte Summe 
in dem Betrage, welchen die Regierung verlangt hat, wohl bestehen lassen. 
Aber ich muss entschieden dagegen Verwahrung einlegen, dass man denjenigen, 
welche sich etwa dazu nicht entschlossen, also insbesondere auch dem verehrten 
Kollegen Grafen Limburg-Stirum, nicht irgendwie vorwerfe, er sei nicht 
ebenso bereit, die Wissenschaft überhaupt und die Hygiene insbesondere zu 
fördern, als wir anderen auch. Er hat nur andere Anschauungen über diesen 
Punkt und über die hier fraglichen Mittel, als wir; aber seine Liebe für die 
Wissenschaft ist nicht geringer als die unsrige, und das zu konstatiren, ist 
wichtig für alle Welt; denn es soll niemand behaupten, dass es einen Deutschen 
geben könnte, der nicht voll und ganz bereit ist, das zu thun, was für die 
Wissenschaft zu thun ist. 


Abg. Dr. Virebow: M. HJ-Was die hygienischen Anstalten und 

Professuren, anbetrifft, so gönne ich an sich auch jeder Universität ihre hy¬ 
gienischen Einrichtungen. Wenn ich aber in der Budgetkommission schon ge- 
nöthigt war, mich ein wenig gegen die Regierung zu wenden, und hier das 
Wort ergriffen habe gegen die Ausführungen meiner Nachbarn, so geschieht 
das, weil ich glaube, dass die öffentliche Gesundheitspflege immer noch von 
gewissen Seiten her etwas stark verzärtelt wird; man schmeichelt ihr so viel, 
dass es stellenweise etwas über das Mass hinausgeht, und es deshalb einiger- 
m&ssen zweckmässig erscheinen dürfte, dieses Mass ein wenig zurückzusetzen. 


M. H.! Die öffentliche Gesundheitspflege ist auf zwei Wegen so sehr 
in den Vordergrund des öffentlichen Interesses gerückt worden, wie sie gegen¬ 
wärtig steht. Der eine Weg ist der rein praktische, den man in England 
betreten bat, der in England seit Dezennien mit dem grössten Eifer verfolgt 



196 


Die Hygiene und Un o 'Bedeutung als ;Wi*>ensdiaft., 


worden ist, «ad der uns die schönsten Vorbilder goüotert bat Itegenhbar 
diesem praktischen Woge hat, man nachher «He mehr wissotiächafbliche Seite 
der cmzetnen Fragen in die Hand genommen, and 0« spul auf diesem Wege 
unzweifelhaft (»ehr wichtige Dinge gfitVmfev worden. Ich will moachat an 
Pästbub erinnern, derden heutzutage körne Öakteru?» 

mehr de. novo entstehen, sondern dass -wu alle auf erblichem Wege gebildet 
werden, und der dadurch eine at^ertirdoittli^h gTO«»e und ßBtscIieidende Ein* 
Wirkung gehabt hat, die" wabiwätfMtB^h.'& : ^tt^'hi»d»rt!<snL'ItdeJit «.üfbörtm•' 
■wird, Bich geltend zu machön; dnr dann eise>» «weiten.grossen. ■‘■schritt in He- 
Ziehung auf die Schutzimpfung mftohto, jadem er einen Weg der Unter- 
tsucbtmgcn eröffnet^,'; der «1» dahin :«ehr spütflvch betreten war. 0:«&n ißt 
Pettohhofei gehomnxerv T»nd hat eine Reihe von chemischen Methoden aiw- 
gebildet, welche iite genauere Erforschung zahlreicher Prohfcnjc g«RtRitet, 
Endlich ist fiurr Koch gekommen und hat uns verbesserte Methoden iiit. die 
bakteriologische' Forschung gelehrt. X)iese beiden Sei.tott, die pr&ktmlH; und 
die wisseTischattikhe, worden wohl noch lange in einem gewiiwen dtspumton 
Verhältnis zu einander sieben and «war einfach deshalb, weil die Praxis ganz 
ausserordentliche Dimensionen. angenommen hat» Sie erstreckt, sich beinahe 
auf das ganze Leben des Menschen, und wenn Sie’z. B. in unser hygienm-hex 
Museum gehen, so werden Sie sehon, da.« ob fchon so grost* geworden kt, «<* 
voll von allen mßgliehoR Dingen, dass, wenn noch ein Jahrhundert ditritbw 
hingcht, daraus wahrKcheinlich eine kleine Stadt, geworden sein wird. Es wird 
«las wohl als w y arnendef« Berspiel ihip die Zukunft diwtnhen, und man wird die 
Trennung «wischen den architektonischen Aufgaben, die die ßdeutliche i lenund- 
töifspftege ätellt, viiid den medizinischen mehr betonen mussear. Immerhin 
glaube ich nicht, daas|(tw uiögHch sein w'irdv dass alle diese Dinge jemals von 
einem Mann gelehrt werden, und dass alles in eine Hand gelegt, werden ksrnn, 
Dos ist der Orund, weshalb wir alten Mediziner tim- nicht reckt dazu ent* 
schlieseen künnön. zu ««.geh; die .Affeötlicbe Gesundheitspflege oder die Hygiene 
ist, sine WigHenschaft, Nach unserer Meinung ist sie eins Mehrheit >/öb 
W iss4n*ch»ff «■>v«, und aus dieser' Mehrheit; scheiden sich d&tra allwdings je 
nach der besonderen Begabung des einzelnen Manne* und seianr sonstigen 
Entwickelung, des einzelnen Lehm», auch die Wege. 'Dias hat sich auch 
praktisch gezeigt, und e» ist faktisch noch keine einzige Universität -Vor¬ 
händen, wo ein einziger Lahier «len gesummter« Körper der Hygiene In sich 


rapribswtirte, Mögen Sie die bedeutendst«« und grösstefi Lehrer nehmen, 
ien ük irn Stande, dieses alles zu beherrschen und : r iit skb 
wiederaugehen. Daraus, tu. H„ glaube ich, geht, hervor» dass es öu; Irrfehum 


ist, wann, man sich vöratellt» das alle« liesse sich, vereinfachen «öd auf ein¬ 
fache Verhältnis»«? zutSckführenj im Gegentheil, e» '#ird kriiner eine gewiss« 
ManaigfaStigkftit bestehen bleiben. 

Bei uns in Hreusseu ist öS ja leicht begreiflich, dass wir, nachdem wir 
in Herrn Koch, unseren speziallen Landsmann, dtui Vertr^tff einer so hervor* 
ragenden und bedcufungayhllhö Richtung besitzen^ (lie über dßn Rahmen der 
«öffentlichenGcsusdbeitspäcge hinaus in die allgemeine und spezielle Patho¬ 
logie intidhurgreift, hauptsächlich nach dieser Richtung hin die. Entwickelung; 
der Wissenschaft erblicken, lode**,.■ meine Heh»h^ «?eh •' djjd . Bftkteriolögie ist 
A« sieb huf «bis Methode, eine Methode der Unlertfüchung, 
ein Objekt: richtet» da* *h eich der menwbl5c.h.m Orgunieatiou freui%tfig ?*jt, 
ein botanisches Objekt, welche* also auch gbuutt g&nomfoM mheov Zweige «ior 

tb'.».. iL. ... uz« 4,?.. ~i 'i £±£ 


dass man Uupm hilft und ' in- iiuv Wissenschaft und däi -g;Ö8thiehfc 

von allen möglichen Seiten. 

Wenn Sie nun glauben sollten, memeHörren, es wdre nftthig, zu diftwetn 


kerne Beziehung zu der B’mge der bahteriologi:- i . ■ ;;* •. 
iBt hmar, wenn wir hier statt f hygienisches W ••• ■ 

Institut“. Die Bakteriologie ist. aber alhuäblieV . -«Og-mmm 
■iei rorztigUchen Mothodenii welche He« S öch bc 




hin- V^|d8»iB»ic1i^./ 19? 

mögliche» AusteSten ^ötetv«'if4. Wi»v hkbeäi Jtj den leisten Jahren die aus¬ 
gezeichnetster! - Entdeckungen der Art ans Kliniken bervorgshcot sehen, wir 
hat-en afe a.u» pathologische« Instituten harvorgehen «eben, wir haben sie so- 
Privatürzten mache« tebBft. Sie *&•. ailmsUriich so weit verbreite! 
whrdeai ;dsi^; 68^ um Bakteriofegie. m botreibHh. nicht mehr eines hygienischen 
Ihstityis hhdhrii: l^ikanu betyntm, daäs gerade die beiden Universitäten, die 
hier iß Krug® ytehea» Hälfe Und Marburg/sichgaro. ausgezeichneter Bakterio¬ 
loge« • ,gHr<hwh'» welche die besten Arbeiten auf. diesem (iebiete geleistet und 

wldhii^e/Eirsf'decktmgeu gMaaehh haben* ; •■£>;%■ V- '.■ \\ y.. /,:• y-Vt 

- — Es gab eine gewissr" Zeit, an die Bakteriologie: etwa* Neue» war. Dos 
ist sie iMS« glücklicherweise nicht oiehr; sie hat sich ausgedehnt, ihre Methoden 
sit^. ÄUgnAteLfe b«karaat gewwden, ** gfebt zuWeichn (telebrte, weteiue mit 
gt^iafter'Sicherheit in Bakteriologie arbeiten: somit ist für diese Seite -ttet 
CntersucVumg ein sehr viel geringeres B'edÖriajss vorhanden. 

Wua die anderen Seifen der Untersuch »hg ugbetrifFt, so hat nach dom 
E^ltwicknlufigsgwiige, den ich vorbte-xfebüderte, durch das Vorbild von 
Pjäffcfunk^ler dte chemische Untersuchung eine besonders grosse Bedeutung 
gewönne», Mtüv kann in diesem Buh*® sageni es gieht auch eine chemische 
»t .blttTi m. H,: die chemischen Unteivhchtmgeu, welche 

für die ÖtfhntHehft tJosundhritspfiege ongestelit werden, haben.gar nicht» eigen- 
•: thittiillh&uä rutj'äich. sie unterscheiden rieb in nichts von deoijrwigen, was die 
lernte Öbftrhätu^t eu leisten hat : sie werden auf dieselbe Weise angestent 
*>o .amiere chemisch» imtenmchvmgen, • !»«* e>nsige t . was dabei etwa gelehrt 
Wanten (liuas. sind abgekürzte Methoden, gewisse BequeTidkhkeitsitiotliodeti, 
die mhn mit SchneUigkeit anstflllon kan«, üm vorlÄuSge Besultate xu erhalten 
ödet- grobe Verhältnisse ?« konstefiViur. während die feinsten. Untersuchungen 
gemen so angestellt worden müssen, wie sie in einem gewöhnlichen chemischon 
Liibonitofinni angestelU werden. Daher irriteracHeidet sich auch das. chemische 
I^bciiaf-oriimi.mhüs hygienischeR Institute -i»mcht» von dem chemischen Labora- 
tonen, welche-! überhaupt vorhaqtion sind. 

. "M. H., nun habe ich in. der BudgötUonuiussion jiisgrixlhrt, und ich muss 
sagrm, ich w-siss mt'hfc, wie inan das widerlegen xriJl; wenn bei einer üxurermtfit 
der allgemein chembcbe U«ferriefet afö: w^i auafgebildet ist, dass jeder Btudeut 
in aöeur ehemiscbnh äjabrmLttirtiim praktlsche« Unterricht tindun kann, und 
wenn ferner jeder Student, gleichviel, bei welchem Professor, ob hoi einem 
Botaniker oder bei einem Patholögejv öder einem Hygieniker praktisch«* 

gemessen fcansq dwnti ist alles geschehen, was Ifc 
dhwer Beriehutig nöthig ist,, Da bniuübt. man nicht eine Häufung der Institute, 
hvatichtnicht ein »weites bakteriologisches. nicht ein zweites chetafechw 
Institut, dtvs ist nicht so nothwendig. Karin mttn es herstelien, ja, ich will 
aiicb der« an rieh theoretisch nicht widersetzen. - - Jedesmal mos« man aber 
eiütetee tiniceraität darauf iuisehei/., oh ein- Snüzialbedürfniss dazu vorhanden 
ist, eine neue Professur xu begründen, namentlich wie hier, ein Ordinariat, — — 
und müsseu die Wünsche von Universitäten zurückgewieeen werden, die 

rieh iltT neue Forderungen bloss auf das Vorbild anderer bmrfon können.-Ich 

meine, man kann von der Kftötglicbon Staateregierung yerlahgen, diws sie 
jedesmal das konkrete BcdÖPftiisa darlogt und hur dem konkreten ifodöifaii» 
ihre Fordeningen «inpaari - - 

Man darf «nf der andorni Seite, wieget • '-di«w oian 

alles, was in irgcarl oiner Richtung uIb in da« (Ifiluet dCr Hygiene hineioMlsnd 
bojteiclmet wird, Auch unter dtetnenw:hlIcheMyg(«nft:bringt. Ibrirr Dr. Drechsler 
hat uns vorfe.r die au •'«jeh eohr richtigen (leeirihtepwäikte 4er SanitAtapoliiiei 
der Tiifere, d«r YeterinilrjiMiizeL, anob nocli aufgxdührt. Al*esr glücklicher 
Weis» sind ah; Unseren Thierarznetechiden besondere Blinrichtüjvgen dafhr ge^ 
schaffen worden. Unseje Berlhter thierfl-rxilicittiä Hochgchulo feaxtet eia bakte- 
riolögwchte Institut ; e« wird da vortteftftcli gearlieitet.. Allein wir können 
nicht darauf Ausgehe», daas etwa .auch ut ,tem hygieffhehon Institut zu Halle 
• liUhgehseuehe bic. zuin OegenstamS der-Unter-. 

.••_ : r : '• ' ■'/ jj’’ • '' J .' _ '•• 

'• • ' H., sind es,, welche ich der übertriebenen Auf- 

. welche vielfach gehegt worden ist. Bestatten 
w*> Ätei’^liibtc'y m« tewh eine allgemeine Bemerkung, Wnun nAmlteb 

/ • 




Die Hygiene und ihre Bedeutung als Wissenschaft. 


188 


von der ausserordentlichen Bedeutung der öffentlichen Gesundheitspflege ge¬ 
sprochen ist, so wirft man meiner Meinung nach etwas zu sehr dasjenige 
durcheinander, was eben auf dem alten Wege der Empirie — ich darf viel¬ 
leicht sagen: auf dem englischen Wege — erzielt worden ist, und das, was 
durch die neuen Forschungen zu Stande gebracht worden ist. Die neue Hy¬ 
giene profitirt von dem Ruhm und den Leistungen der alten. Was sie selbst 
bis jetzt gemacht hat, das sind sehr grosse und wissenschaftliche Dinge, aber 
praktisch ist davon recht wenig geworden. Es hätte ja sehr nahe gelegen zu 
erwarten, dass die Bakteriologie etwas Aehnliches, wie das antiseptische Ver¬ 
fahren, welches eine so gewaltige Revolution in der Chirurgie und den be¬ 
nachbarten Wissenschaften herbeigefübrt hat, und von dem man sagen muss, 
dass seit Jahrtausenden nichts gleich Wohlthätiges für das Menschengeschlecht 
geschaffen worden ist, leisten würde. Sie wissen, das antiseptische Verfahren 
ist entdeckt worden, als die Bakteriologie noch keinen Lehrstuhl hatte, als sie 
noch nicht so anerkannt war, nur auf dem Grunde des Pasteurschen Ge¬ 
dankens, dass jeder Pilz seine Vorfahren haben muss. Diese einzige Voraus¬ 
setzung hat der antiseptischen Lehre zum Ausgangspunkt gedient. Die Be¬ 
wegung in Bezug auf die Reinigung der Städte, alles, was damit zusammen- 
hängt, ist begonnen worden, ehe überhaupt die Bakteriologie auf den Plan 
getreten ist; alle die Ansätze, welche gemacht worden sind, um die Hygiene 
der Wohnungen, die Krankenhausbauten und dergl. vorwärts zu bringen, sind 
schon vorher dagewesen. Ich würde Ihnen eine lange Liste vorführen können 
von grossen und bedeutungsvollen Unternehmungen, welche auf dem alten 
Wege der englischen Praxis durchgeführt sind. Und wenn heute meiner hier 
in Beziehung auf die Berliner Verhältnisse in nur zu schmeichelhafter Weise 
gedacht worden ist, so muss ich ausdrücklich Zeugniss dafür ablegen, dass 
wir auch aiif dem Wege der englischen Praxis vorwärts gegangen sind. Ich 
bilde mir etwas darauf ein, dass es mir gelungen ist, meine Mitbürger zu 
Überzeugen, dass wir diesen Wog betreten mussten. Wir haben bei der Ge¬ 
legenheit auch ein paar bakteriologische Untersuchungen gemacht, — es war 
das nicht ganz unerheblich für einzelne Fragen — indessen das Hauptsäch¬ 
lichste, was wir gethan haben, ist geschehen auf dem Wege einer gesunden 
Empirie und eines rationellen Verfahrens, welches sich auf die Erfolge der 
Vorgänger stützte. Dasselbe Verfahren wird noch lange Zeit zu empfehlen 
sein, und ich möchte Sie bitten, dass Sie in der Beziehung ein klein wenig 
gerecht sind gegen die ältere Schule im Vergleich zu der neueren. In Bezug 
auf das, was wirklich für das Wohl der Menschheit erreicht ist, hat unzwei¬ 
felhaft die ältere mehr geleistet als die neuere. Aber ich erkenne mit Ver¬ 
gnügen an, dass die junge in der kurzen Zeit auf dem wissenschaftlichen 
Wege so viel erreicht hat, dass ich mich der Hoffnung hingebe, sie werde 
künftig siegreich diese Konkurrenz bestehen können. Nur muss man vorläufig 
die Resultate nicht übertreiben, als ob mit Sicherheit für die nächste Zeit 
schon grosse Revolutionen in Bezug auf die Sanitätspolizei in der Behandlung 
der epidemischen Krankheiten ointreten müssten. Wir wollen froh sein, wenn 
wir mit dem alten Verfahren recht viel epidemische Krankheiten abhalten. 
Ich muss aber sagen, dass für alle diejenigen Seuchen, welche sich dadurch 
nicht abhalten lassen, z. B. für die Diphtherie, auch in dem neuen Verfahren 
keine Hülfe gefunden ist. So stehe ich auf dem Standpunkt, dass ich nichts 
weniger als ein Feind dieser Anstalten bin, aber dass ich doch gegenüber der 
etwas übertriebenen Auffassung, welche sich in der Gründung von immer 
neuen Ordinariaten kund thut, ein wenig zu langsamerer Entwicklung rathen 
muss, (Bravo!) 


Kultusminister Dr. ton Goesler: M. H.!-Nach den Ausführungen des 

Herrn Vorredners ist die Hygiene nicht als eine Wissenschaft zu betrachten, 
sondern als eine Mehrheit von Wissenschaften, beziehungsweise Methoden. Ferner 
ist darauf hingewiesen, dass das hygienische Institut ein bakteriologisches sei, 
dass die Kochsche Stellung sich wesentlich identificire mit seiner specieilen 
bakteriologischen Methode, und wenn auch der Name zuletzt und zu Anfang 
nicht immer genannt worden ist, so leuchtet doch überall der Gedanke dnrch, 
dass die Stellung, welche wir, sei es die Regierung, sei es die Landesvertre¬ 
tung zu Professor Koch einnehmen, wesentlich bestimmend für uns sein könnte, 
uns für oder gegen hygienische Institute auszusprechen. 



Die Hygiene und ihre Bedeutung als Wissenschaft. 


m 


M. H., ich habe hiermit das Thema gestellt: ich will nicht speciell pole- 
misiren; ich werde die Entwickelung der Hygiene und den gegenwärtigen Zu¬ 
stand unserer Institute, und unseres Lehrganges darstellen einmal im Hinblick 
auf die von dem Herrn Grafen Limburg-Stirum aufgeworfene Nützlichkeits¬ 
frage und sodann mit Bezug auf den principiellen Widerspruch des Herrn 
Abgeordneten Dr. Virchow. 

Abg. Dr. Virchow hat mit Recht darauf hingewiesen, dass die Ent¬ 
wickelung unserer Hygiene eine lange, weit zurückliegende ist, dass wir auf 
diesem Gebiet vielfache Anstrengungen und zwar mit Erfolg gemacht haben, 
ehe wir das Wort Hygiene recht in den Mund genommen hatten. Ich kann 
die Züge, die er diesem Bild gegeben hat, mit leichter Mühe vermehren; ich 

{ glaube, ich habe insofern auch das Recht dazu, weil, wie das auch auf dem 
etzten Wiener Kongress ausgesprochen ist, die Entscheidung in hygienischen 
Fragen der Verwaltungsbeamte hat, und dieser daher, mag er nun in der 
Unterrichtsverwaltung stehen wie ich, oder im praktischen Leben die Ver¬ 
pflichtung hat, sich, soweit es geht, über die grundlegenden Fragen, welche 
auf hygienischem Gebiete eintreten, ein sachgemässes Urtheil zu verschaffen. 

Unsere ganze preussische Medicinalverwaltung, die meines Erachtens zu 
den erleuchtetsten in den civilisirten Staaten stets gehört hat, beruht durch¬ 
aus schon auf dem Gesichtspunkte der allgemeinen Gesundheitspflege. Sie 
mögen Instructionen ansehen, für welche Behörden Sie wollen, so werden Sie 
immer finden, dass nicht das Heilen der Krankheiten, sondern vorzugsweise 
das Beobachten und Vorbeugen der Krankheiten die Aufgabe ist, welche den 
Medicinalbehörden gestellt worden ist. Wenn dies aber auch so ist, so haben 
wir doch in Preussen uns einem beglückendem Stillleben hingegeben und sind 
erst aufgerüttelt worden durch die gewaltigen Erfahrungen bei • der Cholera 
des Jahres 1830 und der Jahre 1848 bis 1859. Wir haben diesen Erscheinungen 
zum Theil rathlos gegenübergestanden und sehr viele Massregeln ergriffen, die 
wir heute als verkehrt, thöncht und kostspielig bezeichnen müssen. In un¬ 
seren Gesichtskreis sind ferner die grossen Kriege gekommen; wir haben so 
furchtbare Verluste in den Napoleomschen Kriegen gesehen durch den Hunger¬ 
typhus, wir haben den Krimkrieg studirt, wir haben schmerzliche Erfahrungen 
gemacht 1866, und wir haben unsere letzten Erfahrungen noch in dem Jahre 
1870/71 gemacht. Wir haben gefunden, dass in den letzten Kriegen, wo eine 
ganz ungewöhnliche Anzahl von Menschen angehäuft worden ist, wo recht 
schwere ansteckende Krankheiten, wo Typhus, Ruhr etc. auftraten, es doch 
durch eine erleuchtete und zielbewusste Sanitätsverwaltung möglich geworden 
ist, durch eine angemessene Evakuirung der Kranken und angemessene Für¬ 
sorge die unerhörten Verluste, die in früheren Kriegen uns und auch anderen 
Nationen zu Theil geworden sind, auf ein im ganzen recht bescheidenes Mass 
zurückzuführen. 

Darüber hinaus hat unsere Kulturentwickelung der Medicinalverwaltung 
und der Kommunalverwaltung grosse Aufgaben gestellt. Der Industriegross¬ 
betrieb über und unter der Erde, das Zusammenströmen grosser Menschen¬ 
massen in grosse Städte hat naturgemäss die Augen auf die Schädlichkeiten 
hinlenken müssen, welche ein solcher Gewerbetrieb, ein solches Zusammen¬ 
wohnen von vielen Menschen mit sich führt. Wir haben zum Theil empirisch 
versucht, diese Schwierigkeiten zu heben, wobei einzelne Kommunen sich hohe 
Verdienste erworben haben. Ich kann hier Berlin in erster Linie nennen, 
aber auch Danzig ist vor allem nicht zu vergessen. Es ist das zum Theil in 
überraschender und glänzender Weise gelungen, zum Theil mit übersehbaren 
Mitteln, wie in Danzig, zum Theil mit einem enormen Kostenaufwand, wie in 
Berlin, — darin liegt kein Vorwurf — wir haben Berlin in dieser Hinsicht zu 
danken; denn es ist der grossartigste Versuch, den, soweit meine Kenntniss 
reicht, je eine Kommune gemacht hat, und die Opfer, die gebracht sind, 
kommen der ganzen civilisirten Welt zu gute. Nun haben wir, wie Herr 
Dr. Virchow ganz richtig hervorgehoben hat, die ersten wissenschaftlichen 
und praktischen Anregungen auf diesem Gebiet überwiegend von England er¬ 
fahren. Wir haben aber auch in Deutschland die Hände nicht in den Schooss 
gelegt. Schon vor einer Reihe von Jahren hat die Versammlung deutscher 
Naturforscher und Aerzte, wenn auch mit Widerstreben, eine Sektion für Ge¬ 
sundheitspflege gebildet; wir haben einen deutschen Verein für öffentliche Ge- 



200 


Die Hygiene und ihre Bedeutung als Wissenschaft. 


8undheit8pflege mit seiner vortrefflichen Vierteljahrsschrift, wir haben daneben 
einen Verein für Gesundheitstechnik, und diese Vereine sind es hauptsächlich 
gewesen, denen wir eine zielbewusste Organisation der kommunalen Gesund¬ 
heitspflege verdanken. 

Wenn Sie mit mir dieses Bild überschauen, so werden Sie finden, dass 
überall zum Theil sehr anerkennenswerthe, zum Theil sehr erfolgreiche, aber 
immerhin nur vereinzelte Anstrengungen gemacht sind, und dass aas, was uns 
in Deutschland fehlte, ein Zusammenfassen aller dieser einzelnen Beobachtungen 
war, und ein Prüfen derselben nicht bloss in der Aussenwelt, sondern, wie es 
auch geschehen muss, im Laboratorium. Es trat dies für jeden, mochte er 
Arzt oder Verwaltungsbeamter sein, als ein erstrebenswerthes Ziel vor Augen. 
In diesen Zuständen ist Wandel geschaffen worden, vorwiegend, soweit ich es 
übersehe, durch 3 Ereignisse: durch die Gründung des Instituts von 
Pettenkofer in München, durch die Errichtung des Reichsgesund¬ 
heitsamts und durch die hiesige Hygieneausstellung. — Es bildet 
meines Erachtens in der Geschichte der Münchner Universität ein Ruhmesblatt, 
dass dieselbe zuerst die Vorträge über Medicinalpolizei durch Vorträge in der 
Hygiene ersetzt und letztere nicht nur zu einem Gegenstand des Facultäts- 
examens gemacht, sondern auch einen besonderen Lehrstuhl hierfür er¬ 
richtet hat. Die von Pettenkofer damals getroffenen Einrichtungen sind 
auch für uns die Grundlage und der Ausgangspunkt geworden. Auch wir 
haben im wesentlichen sein Programm angenommen; wir haben Vorlesungen, 
verbunden mit praktischen Kursen, wir haben Laboratorien für vorgerückte 
Praktikanten und schliessen eine weitere Fortbildung für Physikatsbeamte an. 
Was Pettenkofer geleistet hat, auch ohne die Bakteriologie zu kennen und 
zu treiben, ist wohl, wie ich glaube, Deutschland und der Welt bekannt; 
ich darf wohl hier gleich einschalten, dass in keinem Masse die Verdienste des 
Münchener Instituts oder die Verdienste Pettenkofers verkümmert werden 
dürfen, wenn auch die bakteriologische Methode erfunden und weiter ausge¬ 
bildet worden ist. 

Auf München folgte Leipzig — dann kam das Reichsgesundheitsamt 
auf Grund der Ihnen bekannten Bestimmungen der Deutschen Verfassung. 
Dasselbe trat ins Leben, und ich kann sagen im Widerspruch mit den wissen¬ 
schaftlichen Kreisen Berlins; aber auch hier entschied sich der Praktiker für 
die Einrichtung und Entwicklung desselben, als eines berathenden Organs für 
die Regierung. Es ist dasselbe auch von hohem Interesse geworden für die 
Entwicklung der deutschen hygienischen Institute. Neben einer Abtheilung 
für Statistik hat man ein chemisches und ein hygienisches Laboratorium ein- 

B mchtet; das chemische Laboratorium beschäftigt sich hauptsächlich mit der 
ntersuchung der Nahrungs- und Genussmittel, aas hygienische Laboratorium 
mit den Sachen, welche der Hygiene im übrigen zu Tneil werden, mit Luft, 
Wasser und ähnlichen Sachen. In dieses letztere Laboratorium trat Koch 
ein, mit den Methoden und Apparaten, die er sich in seinem bescheidenen 
Kreisphysikat in Wollstein geschaffen hatte, und beschäftigte sich wesentlich 
mit der Frage der Infektion und Desinfektion. Als die grossen Erfahrungen, 
welche das Keichsgesundheitsamt in überraschend kurzer Zeit machte, auch 
publicirt und nutzbar gemacht werden sollten im Interesse der allgemeinen 
Medicinalverwaltung, zeigte es sich, dass in der That weder praktische Aerzte 
noch sonst genügende Persönlichkeiten vorhanden waren, die im Stande waren, 
eine Reihe von Methoden zur Feststellung von Infektionskrankheiten anzu¬ 
wenden, und es übernahm nun im Drange der Noth — und das war für mich 
eine sehr wichtige Erfahrung — das Reichsgesundheitsamt die Aufgabe eines 
Lehrinstituts, hinübergehend über seinen ursprünglichen Zweck. Es wurden, 
um den Gefahren, die die Cholera unseren Grenzen entgegenbrachte, zu begeg¬ 
nen, nicht allein von den Militär-, sondern auch von den Civilverwaltungen 
aller norddeutschen Staaten Civilärzte hergesandt, welche sich mit aen 
Forschungsresultaten und Methoden des Reichsgesundheitsamts vertraut machten. 
Die Hygieneausstellung brachte nun auch dem grossen Publikum 

die Bedeutung des Reichgesundheitsamts klar vor das Auge-und als dieselbe 

zu Ende ging, kam die Verordnung vom Juni 1883, die Bestimmung über die 
anderweitige Regelung der medicinischen Prüfungen, und in die 4 ’**** 
ärztlicher Prüfungsvorschriften war ausdrücklich die Hygiene als ein 



Die Hygiene und ihre Bedeutting; ale- Wisseheebö-fX 


;J01 




tr, rischer ExAmatog'egfmrtani! HufgenomWim. ich stetid mm damals, ohne 
einen Pfennig ötdd hinter tair a(> haben, ^f»r de* ö^i tch mich ange¬ 

sichts der HygieneauasteUuug eßtAchKcvaen sollte, dieten ßMötinmitüngen dos 
Reichs. denen wir uns als Preusse» nicht, entziehen Mn«en,mti' 50 ^dit, nach» 
/.nksmimen, daw ich versuchte, Vorl£8Mti|ren ibebrftf rache» Inhalts Über die 
Hygion».» einmtrichten and dieselben yielleiicijt tuii einiceTnen experiroenteifei 
Kfiuntnissen ans anderen Institttten-su verafbeh, oder ob ich versuchenköHte, 
angeeichte den grossen Eindrucks, welchen attf baten, wie auf Kenner die 
Hygtene&usstellisng gemocht hatte, einer» 

Wege m leiten, und diesen Anschauungsunterricht mit versuchen and m;t sm 
schibdehon Beohachtungsjnethoderi aiwatirtatteii,. jnft anderen Worten et wo* 
eute-nriehte», was man mit dem Nameai eines Instituts für akademische? 
Zweck«- bezeichnet. Ich habe wieh damals für, das letzt<nre entschieden nnd 
habe mit «ehr geringen Mitteln. aber Dank des Ed tgcgenkaminens durch sabl 
reiche Fabrikanten« Verw-altungs- and PHtratpersonen, unterstätet durch ojdsr 
Willige Herren innerhalb und ausserhalb meine* Ministeriums sine schon 
dauaalis ««gewöhnlich grosae Siminhipg last kostenlos Sir den pmissischen 
Staat iwafiusjongesteOt. Sie hoben das Jahr darauf au meiner grossen Frondr 
mir- rUeten Zweck SÖOO Mark bewilligt, und als das alte öeweirbeuisfifut 
frei wiirdo, Äuch die •.’erbftUnifeRwSsaig geringe« Mittel gewährt, -001 nün In¬ 
stitut zu tehftffen, welche* sowohl ein Laboratorium ate auch ein Mcseimi 
onthftU, ejiiir JUusemn, welches eine Hntorbig« ihr den Aswchauungsuntemcht. 
bilden soDte; XW l'rogThmu, welches ich am l Februar 1884 vor Ihnen 
entrollte init gtussem Zagen und gross«r Voraicht, habe ich eu meiner‘Freude 
irt dav i'taxbr bewahrt gefunden, imd. die wenigen Worte, di« ich damals ge 
.sagt habe, enthalten das Kesnltat auch meiner heutigen Anschauung und 
mtetoSr heutigen Erfahrung, , £ 

Wir IiöImj» Dank Ihre« EntgegfenkoiameÄs ööch ih Dflttingnn und in 
BreebiU kleine Institute eingerichtet, und ich bin nun in der Lago -- indem 
Ich auf den andren Tbeil uieintu Aueföhrnogen übergebe )>nd vielleicht 
mitoebe. trythitnier und Vnmrtlieilc bevicbtigon kaon^fhnftn an der Hand 
dor mir riiVliegendeu sehr wrgßlUigen Horiiehte^ maen kuraen Abriss *<i gobmi, 
wie diese hygienische». Institute und VöTlosmtgen sich gestaltet haben. SD* 
werden daraus nach meiner festen IJebersougursg «rsebim. da m -He bakterio 
logische Seit* in dar Thal einen recht bescheidenen Raum ekmininit. 

Die Lehrthätigkoit ist irn wesentliche.« zunächst ftli -Studirendo bestimmt, 
und die Vorlesungen können ihrem Inhalte nach sich nur an dag alte 
Pettenkofer'äche Programm aöschHösseh. Weto» man, wie Pettonkofnr, 
davon ausgeht, dass die Hygiene mit alten 'ik'nyenigcu {higen.stSnden rieh au 
IwdVwsrtn hat, welche einen Einfluss auf di«Ctesunabeii de* Menschen von 
aussen hör Üben, däiui haben Sie ungefähr den Kahme». in dom »Ich dip. 
HygienenVorlesungen bewegen nahsson, ^nächst- wird dw. gesunde Mensch 
als da» zu beobachtende Objekt eingenommen, und um« trägt Heb: wo lebt 
er ‘f in wiriehe» Verhältnissen lebt er, sei es in seiner Wohnung, sei es in 
seinem O^werleriretrieb? und man fragt stichwblefite» Eijiftiiä» haben diem 
äusseren Vdhältntess auf die (kenaabeit des Menschen V ; Danach gliedert 
«ich von *itib«t - man kann an dieser oder jene* Stoße. Anfängen — die 
Sache ungefähr wie folgt:, diwmarv auf die Wmföcrvorsc/fgung, auf die buff 
im PreUm und in der Wohnung büiwhm^t, Vebt^htiöns- und H«i*ungsfnigt*n 
erörtert. Kbiöatiilogte «itwcULtettd,, dann ihm Botten.'ItetMebtefc,- da« ■Vwb&ltnbo 
<te8 Steden-** eu .tnfektiiiiufkraiikbf'.iten: die Dealftfektionsstolte •s»-hl/«SHeti sich 
unmittelbar an, .^ 1 « h*bW d^h .«fie N»b *'H 

liiogsimjttol, die Abfalktoffie, die Beseitigung derselben durch TUeselfelaar etc., 
Scbil^ny ii?a»kBnhäkiisor. Leiehonwesen, Hewerbehygiene. Emähriingsiiiittel. 

ibc Sachen liegen scheinbar auseinander und doch, wenn Sie in 

^ eibmal die^ »pecroll, ihu:, vori 
s «ine ganr einbeitlicbe 
Materien bindurebgeht. 



Akt* y?Wi>sä(öili<J: in einem nebeober gehenden 

y i; : 

7 * r •: i•; r , v J/.V X..-. 8: .'j -!'■?;. ■ 

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202 


Die Hygiene und ihre Bedeutung ab Wissenschaft. 


Kursus, der vielleicht alle Woche einmal stattfindet, und welcher unter der 
Leitung eines Privatdozenten oder ausserordentlichen Professors steht. Was 
aber den jungen Leuten mit der grössten Sorgfalt in den Unterrichtsstunden 
gezeigt wird, ist Anschauungsmaterial — hier in Berlin glücklicherweise in 
reichster Fülle in Anlehnung an das Museum. Es wird hier für jede Vor* 
lesung eine grosse Anzahl von Modellen und sonstigen Gegenständen in den Vor¬ 
lesungssaal nineingetragen und wenn Sie sich einmal eine solche Vorbereitung 
mit ansehen, werden Sie sich freuen, welche interessanten Objekte den jungen 
Leuten vorgeführt werden. In den anderen Universitäten fehlt es natürlich 
daran, aber dort ersetzen das, soweit die Herren es irgend mit ihren geringen 
Mitteln leisten können, grosse Anschauungsbilder. Es steht für uns alle, die 
wir uns mit diesen Fragen beschäftigt haben, fest, dass ohne eine sorgfältige 
Anschauung keine Hygiene gelehrt werden kann. An diese Vorlesungen rar 
Studirende schliessen sich hier in Berlin und in gewissen bescheidenen Ver¬ 
hältnissen auch in anderen Universitäten sogenannte Kurse an, Kurse, wie sie 
auch in anderen klinischen Instituten in der Medicin gehalten werden — also 
für vorgeschrittene Studirende, für Doktoranden, für fertige Aerzte, die sich 
weiter ausbilden wollen, für Medicinalbeamte, Militärärzte. — Ich habe von 
Anfang an ebenso wie im Reichsgesundheitsamt versucht, die Medicinalbe- 
amten in den Kreis der Hygiene wieder einzuführen, und ich habe im letzten 
Jahre wieder zwei Kurse zu 14 Tagen gehabt, die den ganzen Tag erschöpfen, 
an welchen 20 Beamte theilgenommen haben. Es wird dort in planmässiger 
Weise die neuere Gesundheitspflege durchgenommen, und das Entscheidende 
sind auch hier Demonstrationen und Exkursionen; es vergeht kein Tag, an 
welchem nicht die letzten Stunden des Tages, bezw. des Abends benutzt« wer¬ 
den, um unsere Anstalten in und bei Berlin zu betrachten. Ich bin aber noch 
weiter gegangen, getreu meinem Programm vom Jahre 1884 und getreu 
meinem Versprechen, welches ich im vorigen Jahre hier gegeben habe. Ich 
habe auch für Verwaltungsbeamte, sowie für Schulbeamte und Lehrer in 
diesem Winter Kurse hier einrichten lassen.- 

Das Resultat ist nun, in. H., dass an diesen Kursen weit über 1000 
Herren bereits theilgenommen haben, ungefähr 1000 Aerzte, darunter ungefähr 
700 Civilärzte. Ich habe die Zahl nur angeführt, um die Bedeutung der ganzen 
Sache für unser Vaterland hinzustellen und doch darauf hinzu weisen, dass es 
in der That nicht eines Drängens von oben nach unten bedurft hat, um dieses 
Herbeiströmen zu ermöglichen, sondern es ist umgekehrt noch niemals ein 
Professor gewesen, welcher nicht das mehrfache von den Anmeldungen zu den 
Kursen hatte zurückweisen müssen. 

Wir hier in Berlin und ebenso auf den anderen Universitäten sind 
meines Erachtens nach verpflichtet gewesen, nicht bloss die Lehrthätigkeit 
— ich habe das gestern schon ausgeführt — in Aussicht zu nehmen, sondern 
auch daran festzuhalten, dass im Interesse der Weiterentwickelung der Wissen¬ 
schaft und im Interesse der Medicihaiverwaltung und der öffentlichen Gesund¬ 
heitspflege auch für wissenschaftliche Untersuchungen Raum, Zeit und 
Stätte geboten werden muss. Diese Untersuchungen, deren Titel ich mir habe 
ausziehen lassen — sie liegen jetzt vor mir — beweissen ebenfalls, dass nur 
ein verhältnissmässig bescheidener Theil auf dem Boden der Bakteriologie er¬ 
wächst, und dass die meisten Arbeiten sich auf alle Zweige der Hygiene be¬ 
ziehen, von der Kleidung an bis zur Ventilation der Eisenbahnwagen. Das 
sind scheinbar alles sehr kleine Sachen, aber abgeschlossene Untersuchungen. 
Wir haben hier sehr wichtige Untersuchungen z. B. über Oefen; eine ganze 
Reihe von Oefen werden in Folge dessen ausgeschaltet aus dem praktischen 
Gebrauch, und so gehen solche Untersuchungen, durchaus anschliessend an die 
praktischen Bedürfnisse, weiter. Diese Publikationen sind meistens in der 
Zeitschrift für Hygiene erfolgt, haben aber auch in anderen Zeitschriften eine 
Stätte gefunden. 

Ausserdem haben wir, wie ich schon im Jahre 1884 gesagt habe, einen 
grossen Werth darauf gelegt, dass die Kommunen in jedem hygieni¬ 
schen Institut einen tüchtigen Berather finden. Das ist hier in 
Berlin in vollem Masse der Fall; es handelt sich in Berlin nicht bloss um eine 
einmalige Auskunftertheilung, wie sie an der Hand der von mir stets vervoll¬ 
ständigten Bibliothek geboten wird, sondern zum Theil auch um sehr erheb- 



Die Hygiene und ihre Bedeutung als Wissenschaft. 


203 


m 


m 


liehe' ißU Experimenten versehene tJntersuchimgSB, NainontHch hat die Stadt 
Berlin hier Yv'asserunterauchungcn machen lassen., ebenso Potsdam und Posen; 
TO« diesen «ehr w-j»gensöhftfti{cbß» Üntewtochunge« h&ngt. nachher das Wohl 
und Wehe roh Millionen unter r«v»tär>doB ab, jodenladls hängen auch grosse 
Summfttv davon ah, oh die Ilotermuchnngen zveckmiiasig und richtig atiäge- 
fahrt weide«. Ebenso 'habe ich und der Sriegsmiureter in allen schwierigen 
Fragen, welche mit Experimenten verbunden waren, mich des Rathe« des 
hiesigen Institute* bedient. In GÜttin^n und Breslau Hegen die Sachen im 
wesentlichen ebeuaö. natürlich, id bescbeicleceron VerhültnUaea. ither auch 
dort kann ich konstatirerij dfus» in dem MbbtUeb»»« Lebe« diese Institute be¬ 
reit». als ein wahre* BcdihrfoW «mpfumiea werd^äv “ •- 

Nun will ich mich jetzt nicht weder vertiefen, -~ da« würde mir nicht 
bebendere austehe«, — in wie wejt die Hygiene »1*. eiae WiaseaRchaft 
au betrachten iftt, Ich b»U* sie dafür, andere halten sie nicht, dafür. — 

Ich habe mir • auch ihdmriite«vWitvjtwit^Sßhen l^ofesseren, die nicht hygie¬ 
nische LehrstÖhlts; beklaiclaö. v«nAehM?l, und ich kaBU yth-siehern, da«? es 
darunter recht ausgezeichnete ronommirte Forech<*i giebt. die. voll davon durch- 
drangen sind, da*« die Hygiene durch ihr Auftreten in den. letzten 20 lRhr.cn 
das Recht auf. den Hatnen emep WiseeKKCImft nmt auf eine «elbstatändige 
Stellung ia den DündpUueo der Tiniversitüten eatschiiHien erworbCtt hat. 

Aber auf ein*», machte ich hier »uröckomajea^ veil es wichtig ist, 
um da» Vwfahrerji nach welchem ich versuche, dwv Vewaltuttg auf diesem 
Gebiet* zu leiten, in ibiM»' richtig lacht tu 4eH*m- dke ist di«? vom Herrn 
Grafen Limbtttg-Stiruiii und auch vom Herr« Abg. Vlrtihow berührt« 
Frage- «ach »S«r differenten Stellung '/.wischen den Hewn Vot terikofei- iiind 
Koch, M H,, ich habe mich mit d«f vielfach ,hw.ch6fligt>. ' Nach 

meiner Mwnofig Hegt, zwischen ilutou Kein Widerspruch vor, soureei! sie wr- 
g&nien Sieh gegenseitig, ich habedeshalb.^ sdcH in Be¬ 

ziehung auf di* gesanuute Anffassong der Hygiene wenn »nrii otw«« geeinigt 
oder genähert, gleichwohl in ihren Lieb!snipbeMhhftijfmn|r( 3 ii etwa« getrennt 
gehalten hahen. gar kein Bedenke» gehübt, im vollen EJnvernßhtnö«. wie inh 
gisLube, mit beiden Herren, meine Berulungvc so (äa/.'irichien. *ta*r ji*<W der 
Herren zu seinem vollem Recht kommt. Barm hat Herr Abg, Yvruh.öW | 
Recht: diu» Gebiet der Hygiene kt heute bereits ao gross, da»» nicht jedot •; 
alles auf dlraem Gebiete leisten kann. Ich habe deehülb für Rrest&ü den 
firtihnren Göttinger Hygieniker genoffimen, der. «ftlbslidändig zu dem geworihiR 
ist, wd* er geleistet hat, wesentlich aber »nf Koeh’sChetu Badeu Hiisht- Dci 
.jetzige Lehrer in Güttingen ist na* der Potten^offtv'schein fVofWötenstilnde 
nenopgegangea. bat »'um aber wcrentlich auch mit det Koch’achoiü Methode 
y^rttuut. gemacht ln Kbel»bd Greifswald sind K och'sehe Schtilef, in llav- 



daa« für die pmissiscbe .Unterricht** und McdicjuftlverwaHung hier »rg«w4«#.-;'{, 
erkennbare und gretthtwe; Büfefenaen aicM ßsistiren, “ , 

Wenn ich nun imn Schi aas komme. <<o masa icli nur darüber klar werden: 
was beabsichtige ich denn ui.it der Einrichtung. von hygienische» 
VorTet«sg«tn und hygienische Instituten f ■ lm habe mb mir die 
Sache so zurecht gelegt, was die Aerzt« Jüibetriflt. daaa die Sache ungefÄhr 
eben»» liegt wie mit, den Juristen. Ich habe es immer als Aufgabe des juristi¬ 
schen Unterricht« betrachtet, da«» der Xweck desselben. Ist, juuge Lento juri- 
»tisch denken zu lehren, Sie sollen die Umgebung, in die m treten, unter 
■das Schema von Reeht*vwhi1tt»i«ien bringen, »ei es, p|g* die VethäitrtMse so 
sind, wie »in liegen soßeiJ, oder «hw*«de doHh irgeud etwa« gestört werden. 
Ebenso habe ich mir gedacht. — und darin bestärkt«« »lieh die Eindrücke, 
die ich nkl&chea Hnterhaititnges wik paktiseho« Mtsbzsneni gehabt habe. 

— dass fe*. «in« «dl» und wichtig« Aufgal»» ist, junge -Leut«, die praktische 
■ Aj»^_yn!tiiK^:0^mi hygienisch denken *u ieitrmt, :Rie sollen • 4«» Blick 
ftÄhi»t % «!Hydi!a«i- <|r ,4|^t .t^upbaog ’4e» ^anscheB. Der Mensch soll nicht erst 
fÖf «V aKthageii, whwr m krank M, ewndero vor alleti Bingen, wp H get 



iJM/RWv 


:^;.'vvvS ; 


mem 






204 


Dr. Schmidt. 


wohnen, und wo andere Ereignisse schädigend eintreten, in der That eine 
sehr schwere Aufgabe. 

Ich gehe nun nicht so weit, dass jeder junge Mann mit allen Methoden 
ausgerüstet sein soll, wenn er ins praktische Leben tritt; aber der Anschau¬ 
ungsunterricht, der ihm zu Tbeil wird, wird ihn befähigen, in der Praxis die 
Erscheinungen sich richtig zurecht zu legen.- 

M. H., ich gehe auch noch weiter. Ich kann mir sehr wohl vorstellen, 
dass wir dahin kommen können und vielleicht auch kommen müssen, dass in 
einer auf den Anschauungsunterricht begründeten Weise auch die Verwaltung«* 
beamten und Lehrer einen hygienischen Unterricht empfangen.-Der Ver¬ 

waltungsbeamte ist berufen, zu entscheiden, ob Kanalisation, ob Abfuhr, ob 
Rieselfeld und Klärungsanlage und alles, was dahin gehört; er muss entscheiden, 
ob eine industrielle Anlage genehmigt werden kann, er muss eine Ahnung 
haben, wie die Schutzvorrichtung ist, die Ventilationseinrichtung. Alle diese 
Fragen kann er meines Erachtens nur lösen, wenn er wenigstens einen An¬ 
schauungsunterricht auf diesem Gebiete gehabt hat.- 

Um das Bild abzuschliessen, halte ich daran fest, dass auch bei der Aus¬ 
bildung der Baumeister und Ingenieure nicht genug die angewandte Hygiene 
getrieben werden kann. Wir Wagen mit Recht über viele kostbare Anlagen 
an öffentlichen und Privatgebäuden, über Ventilation und Heizung, wir klagen 
über vieles andere mit Recht, was sich auf dem Gebiete der Gewerbehygiene 
befindet, und ich glaube, es ist durchaus nothwendig und nützlich, im Interesse 
des Staates namentlich, auch diesen wichtigen nategorien eine etwas ge¬ 
sichte tere Bildung zuzuführen. Wir sind da meiner Meinung nach auf dem 
besten Wege. 

Ich will schliessen. Das bitte ich in erster Linie festzuhalten, dass die 
Bestimmungen des Deutschen Reichs uns nöthigen, einen Lehrstuhl für Hy¬ 
giene zu errichten. Ich wüsste nicht, wie ich als preussischer Unterrichts¬ 
minister meinen anderen Kollegen gegenüberstehen soll, wenn ich sagen 
würde: Preussen will nicht, oder hat kein Geld, um auszuführen, was das 
Reich bestimmt hat. Die Frage kann sich nur darum drehen, ob Institute 
mit diesem Lehrstuhl zu verbinden sind. Im allgemeinen wird man diese Frage 
zu bejahen geneigt sein, wenn man sich gegenwärtig hält, dass ein Institut 
nach unseren Begriffen schon vorhanden ist, wenn es mit Anschauungsmaterial 
versehen ist. Dazu gehören natürlich ganz ausserordentlich wenige Verrich¬ 
tungen, und ich denke nicht daran ? die grossartigen Einrichtungen Berlins 
übertragen zu wollen auf andere Universitäten. Das wäre ein Missgriff und 
würde innerhalb der Staatsregierung auch zurückgewiesen werden.- 

Ich will jetzt nicht über den Begriff des angewandten Faches polemi- 
siren, aber wir müssen jedenfalls daran festhalten, dass die Hygiene seiest ein 
grundlegendes Fach ist, weil es einen wesentlichen Theil des Prüfnngs- 
pensutne bildet. Wer in der Hygiene nicht besteht, kann nicht voller Arzt 
werden. Er muss diese Abthetfung nochmals durchmachen, und in diesem 
Sinne, glaube ich, habe ich Recht, die Hygiene ist bereits als grundlegendes 
Fach für die ärztliche Prüfung anerkannt. 

Ich weiss nicht, meine Herren, ob es mir gelungen ist, an der Hand dieser 
mehr einfachen Darlegungen, die ich versucht habe nicht polemisch zu ge¬ 
stalten, Ihnen klar zu machen, dass wir hier eine Sache betreiben, diä weit 
über den Rahmen und den Kreis der Herren, die hier versammelt sind, hinaus- 
geht — eine Sache, die, soweit ich es verstehe, für die Entwickelung unseres 
Staates und Volkes in Zukunft von ausserordentlicher Bedeutung sein wird. 
Ich bin der Meinung, dass die hygienischen Institute die Brenn- und Central¬ 
punkte sind, wo alle auf die Gesundheit der Menschen und auf die Verhält¬ 
nisse eines gesunden Menschen bezüglichen Angelegenheiten ihre wissenschaft¬ 
liche Bearbeitung finden müssen, und zwar in der Weise, dass die Erfolge, 
sei es für den Unterricht, sei es für die wissenschaftliche Forschung unmittel¬ 
bar dem praktischen Leben zu gute kommen. 

Ich glaube, ich gehe nicht zu weit, wenn ich sage: bewilligen Sie die 
Mittel, meme Herren, die Zukunft wird es Ihnen danken. (Lebhaftes Bravo). 

Nachdem noch der Abgeordnete Dr. Seelig gleichfalls für 
die Bewilligung der Position eingetreten war, wurde dieselbe mit 
grosser Majorität genehmigt 



Versuch, den Inhalt der Anweisung zur Verhütung Kiadbettfiebera etc* 205 


Versuch, den Inhalt der Anweisung zur Verhütung des 
Kindhettfiehers vom 22. Novbr. 1888 in der Form eines 

„Auszuges 1 zu bringen 

Vuti Krmspbyrükus i)r. Schmidt in 8Wfla.il 

Mein in Növ 5i dieser Äeitsctmft zum Abdruck gehntehf^x Artikel; »Eini¬ 
ge« Öber die gegetiwtirtigi;ri Hebaßmien • VerhäHniHHe im b reine »Steinau 4 hatte 
die 'iiw«{wJ'.;ng /.ahheicher Schreiben seitens verschi^ivn-.T 0<ilkgf>u zur Folge 
Diwwdhon «öfchMb&u tlieilf* Aucrketui urigen meiner kurzen KrAfternngeh, theil« 
AnfrageUj bezw. Wftnsche, |»et?,tere wWafen zumeist di» Z'iK»ftdiing des von 
«lii- Seite ’fö a, ». ö. erwähnten , A.itfttttffe*.' aus der viel bö*pi-oc&otio usai 
wder Tc*rnt ifc«« Inhaltes nicht imtuüx' auefkenneml kritfsMoit Anwee 
sungfilf Äie ifidrwnirjen »v Veihiltung.di?« Kunlbettfiehers. So schreibt n, A, 
..einer der Herr«»; College». »fob würde- .einen- kurzen Auszug aus d«r. Abwei¬ 
sung itl*' «ehr jataktiseh halten. Da Sin sieb schon lAn^virttlktf«: -Sache he-/ 
faset haben,w fird.« »s mich iftUxrßijsireu zu sehen, wie Sie di« nuch lixftrner Att> 
sicht nicht ganz loio hfce Aiitgabe gkbWt Inxliun etc.* 

Das» die Aufgabe nicht gan* leicht ist, habe ich bei der Bearbintung der 
Sftohe auch »»ijxfaadaft; der von mir i^efeTt^tc* .Auszug“ soll nur ein VVr- 
s$eh zur Lösung der Aufgabe; Iren HiiyptAnweiaung':bi '-elne 
iekhf fasslich» und im BcsondereiQ Ab»i*chtUch<< V&tip ouftuizwftngsn - sei»» 
ffierbei glaolde igh den auf «üö Pflege Ojftei ^wdbbtt£ob»r--Kr{iiik»n olutcb iirer 
fäebstrtjmen b«zftgbbhf»n § ixl der Anweisung nicht boruoksiebtigen «u dUri'eu, 
da ich bei Anordmmg der lagt % 16, von der Hebatam»^ uflterEnthaliung i»d«r 
Irt-rtiflicbon Thätigkoit von «ein zuständigen . Exeisphyßtkns einy.ahölendeji » Vei- 
hstliangsiuasf-regein* tl ic n eit»re Pflege der krankon WÖchoerin ««lh:<tmlnnd 

lt«r Tt*ti*Li-m«w >» ttfilniSltio ifAVtnÄt«»»- *1 b <(b> VAi-Mitsamt««*»*» 


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hatrefl'enuen llebanuWo. >c geJ,mAas ig yerltiaikn v si, h,. die t/dmtos»t«ung 
§:lg ; nicht winiretöft lassen, wftrde, Ebenso wurde, nicht pUne Absicht anf 


' yfcv ‘ ’/Jx '&s 


■ 


Erwahuung dteir <lv3r Kleider in einem Dampf • D^mfcciions- 

Ä|ipamfe: (§ ifj, a&? Vmtfi Üurt'l^chnittiicki imrm* grimm StMten vorhandenen 
Vnrrichtmtg, veraebMt. Dagegen vnirde der Inhalt «tet jm der Anweisung aut- 
grtaahlteix, vielfachen, auf das Bebauimeii> Lehrbuch Paragraphen 

in zwei Anmerkimgeti unterhalb de« T6*te« de» A u£fcug»& ernheit}ich zusammen^ 
gestellt * niri den Hebammen da« zeitraubende, niöglichervteiee aneh verwirrend 
wirkende Nachöchlagen und Aufenchen derselben itjii- $0is eiispar Wh 

Da mir nicht genügend Druck - Exemplare zur jiefrfciiignng der amsge- 
fiproclienen 'V^'toch.e auf ITeWseuduug saldier zur A r ötRigung Stehen, wähle 
ich den Weg rbir Mlttbeilung de« ^Au8zug<^ u an- iftelle .u»d Umb den- , 
selben UieruateT folgen: 

Ausiüq am #r Anweisung für die Hetmmmöo mir V^HiQtung des 
Kindfrettilebers" vom 22 . Hovsmlwr IBÖ 8 

t\« Vor^ während nnd nach 4«r OelmrU 

}. '.Eeinlichkeit. m Hämleti uad Artnim, \m ilem mit Aufschlag- 

^:{<yerwjhenett Öberkleid» und der diesem vöitjtg bedocketiden, 

• W 8 ik*n r köl\tarhi$i.m Schrlrze. 

&r Au&gange »u einer K^iÄWöhdön oder ’Wöchnerin; 

VVtfsebvmg der •Vdrd^niriäie juft Beüe und reiner 

,v Krtg^dbftrfttev r*. , \ l ‘‘ "* ** - * , 

;Kt \A : u^r’:-ffe» im l.»hrbüch-, vhrge«<jh'riebeiiöi üeräthto «aidt stets mib 
zufthrtm: / ^ a ’.' . ,. r-C'-v-- •' 

a) Eine reine Wsk«eh - Schürfe,. b)- Seife, c) eine Ni^elbÜnte^ ';4 : V : ^- 
reinoH [fandtueh, e) 90 Gram in voirftfl^igte reim Carfeeii^ati^ % 
vo/Hclirift8r?iäÄ5tig l^zeichneter Flasche, f) ein Me^geRt>s mit Theil 
Atiicb fttr 15 und für 30 Criiumn, g) dor TlieiTuorneter. ^ 

IT." V O r ^ e A er ersten innere n V n t c iufenn g ein» Sdhwjin 

S>v. < i*\ % % ■ . \)4f if. ■ m 

•ö. •->/ v .* \ " ^ » j’y'Z ' 

>o dr<»‘üu'ag Übr Bäude uw V^nJer Arnie mit durch* 

iÄsifc 'imi hiUtfpt 5»awbt»r ahtrockueH, 


. w.w|w ’.-a • , t ' , . .. ^».' 1 |V* 

)>• \>rM. rW«s>'b.ti'a| übr HAufls urv) Vonäftr-A 

iV-. •‘«Ute null fliUiit»; saubi 


- ' IIMI-A: 






fc06 


£>r. Schmidt. 


c) Waschung der äusseren Geschlechtstheile ebenso; — abtrocknen 
mit reinem Tuch, Wundwatte, auch Jute (kein Schwamm!). 

d) Herrichtung eines reinen Geburtslagers. » 

e) Erstmalige gründliche Waschung (Erste Desinfection) der 
Hände und Vorder-Arme mit Garboiverdünnung in Schüssel I. 

Vorschrift: Bereite für jede Geburt 2 Liter 3°/ 0 ige Carboiver¬ 
dünnung (80 Gramm Carbolsäure auf 1 Liter Wasser, gut umzuschütteln). 
Hiervon schütte: 

1) In die Spülkanne */s Liter ; 

lege hinein: Ansatzröhren, Katheter und Nabelschnur-Scheere. 

2) In Schüssel I . . 8 / 4 Liter; 

zur ersten Desinfection der Hände und Arme. 

3) In Schüsssel II . . 3 /, Liter; 

zur Reinigung der Hände und Arme vor und nach jeder nachfol¬ 
genden Untersuchung oder Berührung der Geschlechtstheile. 

V. Nach der Geburt: 

a) Abspülung der äusseren Geschlechtstheile mit reinem, lauem 
Wasser; abtrocknen wie oben No. IV, c. *) 

b) Ausspülung der Scheide oder Einspritzung in die Gebärmutter nur 
auf ärztliche Anordnung oder wo solche das Lehrbuch vorschreibt. **) 

c) Herrichtung eines reinen Wochenlagers. 

B« Bei Wöchnerinnen und bei Kranken: 

VI. Nach Verunreinigung mit gewöhnlichem Wochenfluss sind: 

a) die Hände und Arme sofort mit Seife und Bürste abzuwaschen und 
mit Carboiverdünnung zu desinficiren, wie vor jeder Geburt (No. 
IV, b und e). 

b) die Geräthe abzuwaschen und eine Stunde in Carboiver¬ 
dünnung zu legen. 

Vn. Nach Verunreinigung mit übelriechendem, fauligem oder eite¬ 
rigem Wochenfluss, desgleichen nach Berührung bezw. Verkehr mit 
Personen, welche an Kindbettfieber, Faul- oder Eiter-Fieber, Gebär¬ 
mutter- oder Unterleibs-Entzündung, oder welche an Rose, Diptheritis, 
Scharlach, Pocken, Flecken-Typhus oder Ruhr leiden, sind: 

a) die Hände und Arme mindestens ö Minuten in Carbolver- 
dünnung zu desinficiren, 

b) die Geräthe, vor dem einstündigen Einlegen in Carboiverdünnung, 
eine Stunde lang auszukochen, 

c) vor dem Besuch einer Schwangeren, Kreissenden, oder Wöchnerin: 
die Kleider zu wechseln; diese sind von anderen Kleidern abzuson¬ 
dern und durch Auskochen mit Seife zu desinficiren. 

Nach Berührung, bezw. Verkehr mit Personen, welche an Syphilis, 
Schanker oder Tripper, an Unterleibs-Thyphus oder Cholera leiden, genügt die 
Reinigung der Hände und Arme und der Geräthe, wie vorstehend unter a und 
b angegeben. 

*) Anmerkung zu No. V, a. In gleicher Weise nimm reines laues 
Wasser zum Abspülen der Geschlechtstheile: 1) bei dem Wechsel der Unter¬ 
lagen, 2) vor Anlegung des (reinen) Katheters, 3) bei kleinen Dammrissen, 4) 
bei Geschwulst und Entzündung der äusseren Geschlechtstheile, 5) bei ein¬ 
fachen (nicht venerischen) Geschwüren der Schamlippen und der Scheide. 

**) Anmerkung zu No. V, b. Die im Lehrbuch angeordneten Ausspü¬ 
lungen und Einspritzungen in Scheide oder Gebärmutter: 

1) bei Blutungen in der Schwangerschaft (nach Herausnahme der Watte¬ 
kugeln, bei dem Zurückbleiben von Eihaut- oder Mutterkuchen- 
Resten, — unzeitige Geburt, Frühgeburt —) L 

2) bei Blutungen, während oder nach der Gehurt (bei vorliegendem 
Mutterkuchen, bei Scheiden - Rissen, bei ungenügender Zusammen¬ 
ziehung der Gebärmutter nach der Geburt), 

3) bei venerischem Schleimfluss oder venerischen Geschwüren in der 
Scheide und in den äusseren Geschlechtstheilen, 

4) bei stinkendem, durch faultodte Früchte verursachtem Ausfluss sind 
nicht mit Wasser, sondern mit Carboiverdünnung zu machen I 



Kleinere Mittheilungen. 


207 


VIII. Bei jedem Fall von Kindbettfieber, Gebärmutter- und Unterleibs - Ent¬ 
zündung oder einer als solche verdächtigen Krankheit sind, unter 
Enthaltung von jeder Berufstnätigkeit, sofort Verhal- 
tungsmassregeln von dem Kreis- Physikus, im Besonderen auch betreffs 
der Pflege der Wöchnerin, einzuhoien. 

IX. Berührung von Leichen oder Leichenkleidern ist untersagt. 

Alle Hebammen sind angehalten, gemäss § 5, Abs. 2 der Allgemeinen 
Verfügung vom 6. August 1888 betreffend das Hebammenwesen, sich bei der 
Ausübung ihres Berufes genau nach den in vorstehendem „ Auszuge“ enthal¬ 
tenen Bestimmungen zu richten. 

Steinau, a/O., den 18. Februar 1889. 

Der Königliehe Landrath. 

von Loeper. 

Der Königliche Krelsphyslkiuu 

Dr. Schmidt. 

Uebrigens ist der vorstehende Auszug auf vier Seiten starken Carton- 
Papier es — aere perennius — gedruckt und so eingerichtet, dass er in den 
Heoammen - Kalender eingelegt bezw. mittelst einer Schnur befestigt wer¬ 
den kann. 

Möge er bei den Herren Collegen, wenn nicht Beifall, so doch eine der 
Schwierigkeit der Aufgabe entsprechende nachsichtige Berurtheilung finden! 


Kleinere Mittheilungen. 

Lebensfähigkeit des Typhus- und Cholerabacillen. Nach den von Prof. 
Dr. Uffelmann in Rostock über die Lebensdauer dieser beiden Krankheits¬ 
erreger in Fäcalmassen angestellten sehr interessanten Versuchen besitzt der 
Typusbacillus eine grosse Widerstandskraft inmitten sich zersetzender Fäcal¬ 
massen. Er vermag sich in ihnen unter Umständen gewiss volle vier Monate 
lebend zu erhalten; ja, es ist anzunehmen, dass die Lebensfähigkeit noch viel 
länger dauert, weil er in gewissen Proben nach Ablauf dieser Zeit noch in 
erheblicher Zahl vorhanden war. Aber seine Lebensfähigkeit ist in Fäcal¬ 
massen nicht stets dieselbe. Von Einfluss scheint zunächst die Temperatur zu 
sein, bei weicher die letzteren aufbewahrt werden. Denn nur in einem von 
den Uffelmann 'sehen vier Versuchen enthielten die bei weniger als -h 10° 
gehaltenen Proben Typhusbacillen ebenso lange, wie die bei mehr als 17° ge¬ 
haltenen; und ausserdem ergab sich, dass in den ersteren die Zahl der Ba¬ 
cillen viel geringer wurde, als in den letzteren, obschon beide aus derselben 
gut geschüttelten bezw. verrührten Mischung hervorgeholt worden waren. Es 
ist deshalb wohl anzunehmen, dass in den bei mehr als 17° gehaltenen Proben 
eine Vermehrung von Typhusbacillen eintritt, wenn sonst die Bedingungen 
günstig sind, während, in den bei weniger alB 10° gehaltenen Massen von 
einer Vermehrung nicht die Rede sein kann. 

Der Cholerabacillus bleibt dagegen im menschlichen Fäces, bezw. 
Fäces und Urin höchstens vier Tage lebensfähig, wenn dieselben annähernd so 
gehalten werden, wie die Fäcalmassen in einer Abortgrube oder einem Kübel 
bezw. einer Tonne. In der Regel stirbt er weit früher ab, nämlich mit dem 
zweiten bis dritten Tage, oft schon mit dem Ablauf des ersten. Er hält sich, 
wie es scheint, länger lebensfähig in einem Fäcalgemische, welches bei einer 
Temperatur von mehr als 16°, als in einem solchen welches kühler (bei weni¬ 
ger als 9°) aufbewahrt wird; auch kann man ihn länger in den Massen nach- 
weisen, welchen er in grosser Zahl zugesetzt wurde, als in denjenigen, welche 
ihn nur in sparsamer Zahl enthielten. 

(Centralblatt für Bacterien- und Parasitenkunde 1889 No. 15 cl 16.) 


Zar Lehre der Iafec ti enskrankhetteM bringt Dr. Hüppe (Wiesbaden) 
einen sehr wichtigen und neuen Beitrag. Derselbe impfte Mäuse und Meer¬ 
schweinchen mit einem allenthalben in der Erde vorkommenden Bacillus, der 



208 


Kleinere Mittheüuagen, 


ilosserlich dem Milzbrandbad11 us sehr ähnlich, aber .de«seü infeetiösv Eigen- 
schalten nicht besitzt. Obgleich die Impfungen mit dienern Baeillu* gar keine 
otler tmr «iae geringe örtliche Wirkung hervörbmchfen, (towjesetj sieb denbovl) 
die vorher damit geimpften Tbiere widemfaridtfföbigbr g*&eu eine folgende 
Mikbrandhnpfung. Hieraus ziöht H Tippe den Schluss, dass man mit zweitel- 
los artverwandten .echten' Saprophyteo selbst, söbr «sinpillngliche Thiers gegen 
zweifellos höchst infecti&se Batterien schützen kann, Diu bd aber n»r -mög,- 
lieh, wenn die örunrlfonur derEtoms^paltung bei beiden die gleiche ist, d, h. 
also mit anderen Worten tejchtR anderes, ul* diu* der phylogenetische Beginn 
dor Infection im SaprOphytihnaj« liegt nnd »teh die pathogencuri Bucterkm aus 
den Saprbphyten entwickelt Italien, wobei .$« '.zvH^nit’.änMasnRtalflf^ tdmben 
tnüE&söä ob : .etwa die »huJenien MitebrandbatdUeö wiHrliob pbylogepetfeh /ans 
den Sa^itophyten oder aus einer geivieinsaoieii noch «iibckwinteii 

Stammform entütiüicie« sind..-and- noch daraus öntsteheu können. 

Noch Hüppe eröffnet «lie von ihm enmtinlte Tbatsachf» ausserdem noch 
eine Aussicht zum biologischen. Verst&ndniaaa einer bis jetzt selu einseitig iu‘t- 
g*da.*sk-h oder nurtnit Worten über br ückten Erfahrung der EpMlfflmologju. 
nümlieh die überall btotßtigte Erfahrung, da»s in den endeiuischeu ßer.irfeeu 
die Eingeborene« :aiu besten g^geri die emknuische» {nfectioiislcmjdtiieitön ge¬ 
schützt sind. Bik. jetzt habe i»an j« solchen FifUvm ganz ftligimmin ' vfotf '/IHs* 
Position gfteproclteB, oäwf wu» bah»? «utr #0 om« vötH.i*:sgt^fang;eni> schwerere 
oder leichtere Erkrankung .tH*' Impfschutz gedacht; dft über die Parasitmi von 
Krankheiten wie Cholera und (ielbheberzwoiteVloa »«* örtlich vorhandenen 
Saprophyten entwtAnde», «o sei die .Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, 
dass die weniger virulenten Stmmnarten in ihren endemiecheu Bezirken noch 
rahig AVöitßr o»d duas gerade die dauernden Beziehungen zu dürarti- 

ge«. an eich luwmkwen Arten, auch ohne irgend welche Krankheit «u vsmr- 
f mpfeebuiz yb*Mhep können. Diese Annahmesei mit Rücksicht 

keine willkürliche und erkläre bews.ee 
als idle anderen hi-diengen Ansichten den relativen Schutz, welchen sich alle 
iKjBgeboröheii in erfreuen und der verloren geht, wenn 

die'direkten Beziehungen zum enileoibchc« Gebiete einig« Zeit unterbrochen. 
werden. Die örtliche Disposition der epidemiologische» 'Erfahrung scheine 

wsiuhitwi,* s^u Cni, » M .u, w..n kv »lakh tli.v* * ä.it.+ t *,*k in'Jrve' nM.ilaWiii' 



lieber httdenstSndige Verbreitung*vorhSltnfsw der Tuberkulose io 
Doetecblund hat Prof, Dr. pinkeln bürgiflbiinj «inen interessahten V r or- 
trag auf dem diönjUhrigen vom April in Wiesbaden tagenden Kon¬ 

gresse jhr üiimrv* Mission gehalteny;Die v»>ii ih» üi dieser Hinsicht Angestellten 
statirtiseben flrmittelungen betreffen dio Atö»f4*eheh Staaten mit Aurta&bme 
m Mecklenburg und Württemberg, wo bezüglich der LandWvölkerung noch 
keine Tfnlcsur»vcben-5tati»tik besteht. Diasidoe» umtinisen die .lahre 1877 hh 
1886, jedoch ist. nur die weibliche Bevölkerung bejite&sicbtigt, weil bei «ei 
männlichen durch den Einfluss der verschiedenartigen Beschäftigungen aef die 
Edieteh,iing äm dönVfirjiiuf der Todesursache die Beziehung den- letzteren au 
den ßoiifonvbrhältuiitsjBn^leichtverdunkelt, wird Ein grelles Maximum in Be¬ 
zug auf die SterbUchkoit an Schwimlsucht weist der Kreis Meppen aiif, näm-0 
lieh 72 Todösffükv auf je llUök) Einwohaer. Aehnlicb steht es im Gäroeshei - 
zogtbma Oldonhurg. Dabei gehört der td<engenaa»te Kreis zu den dünnhevöl-' 



falle an .Schwindsucht auf JÜOOti Kwiwo 
gere MortuJitAMziHer als der K»«s Mei<pe> 




Eleinare Mitthellungsii. 


209 


AI« Haupt Ursachen für die grössere Verbreitung dar Tuberkulös« werden 
von Finketn lvur g die mangelhaften AbfluHsverhältnisHe de« Bodeitvirdasrers, bzw. 
•)*>; in manchen tiegenden stagnironden Grund wassers bezeichnet. Er stützt- Hielt 
hierbei auf die Tngteache, in Huiland der Trockenlegung verocI»V.. 
rlener Bezirke die Sterblichkeit der Tuberkulös« abgonommen, während .dieselbe 
umgekehrt imrheinischen Schiöfergebirgß, auf dem oberen Taunus.■■und au!'. 

1 dem Wftstwwuld«. wo dem Wasserabflüsse Hindernisse entgegonstehen, zngn- 
nommen hat. Auch in einem Thnile von Thüringen, dem sogenannten Eich« 
thlde, setzt die ßodnniorniaUon dem Ähflnsse des Wassprs Schwierigkeiten enb- 
gegen und findet inan daher hier gleichfalls_ einegroBse Pbthiri» - MbrialU&t, 
■als in der Umgegend. - Nach Osten hin scheint Adch dagegen der Einfluss der 
Vemmipfung üöd dftr Bodenfeuehtigk^ ««»10h mehr m verringern, 3a fast 
.vhlMTntdig m edrUeren, denn in dftfit fehchte» $ied*mmgen des WeichseJge- 
bwUw a, B. iiu ftegiprattgsborifko Mftrienwerder sinkt die SterbHelilwIt an 
Schwindsucht unfein Minimum herab. Die Ursache dieses günstigen .Verhält-, 
nisses muss In den Unterschieden «wischen den Hosdr- i^dTiefeaooren gwsmsbt 
werden. Erster« haben eine ganz andere Flora und Fauna, und ihre Böden- 
analyse liefert ganz anders Ertrelmisse als in den TiefjHOörea, Bei den lots- 
teren kommt iiu«sOrdeta noch in Betracht, dass «ich diOHOlboB in fortdkuorR- 
dem Austausch mit den sie alljährlich übewebwemmöndeft flössen befinde« 
und »ich hier in Folge dessen nicht ein so nacht,heiliger Einfluss der Boden¬ 
feuchtigkeit geltend macht wie dort, wo das Grundwassm stet« etagmrt. 

Nach dem Meer« m nimmt fast überall die Sterblichkeit an Tuberkulose 
.d>. Andererseits ergeben die Höhenlagen nicht 4 tfogQnstigon Einfluss in 
Bezug auf die Verbreitung der Tuberknlow*, den man innen sonst allgemein 
zuzuBchroibe« pflegt. Bo ist 2, B. auch der- Kreis Waldenburg, in welchem 
bekanntlich das angeblich schwindmiehtafrae liörtiersdort' Hegt. auffallend l*e- 
la-stet. Nur am Harze, wo die AhfttisfiverhäHwißsp de« WüStijgjiß: günstigere sind, 
?j9igt sich eine Abnahme der Schwindsucht. . ' ' ■ ■ 


Die EinfBhruiig der Steösehrlft ln die SeHirle« wird von 0r. Schu¬ 
bert, Augenarzt in jiVimbctg in mnem Aufaut« öW»: Heftlaj|h und Schreib- 
rkbtwrtg {Zeitschrift für Schidgcaundheitspfiege TB8Ö No. 2) wann empfofilen, 
da dieselbe dea grossen Vorzug besitze, dass sie nicht in sich selbst, m ihrer 
Technik, die Keim« zuia Schiefsitz, Schiefwachi* uiul zur Kurzsichtigkeit borge, 
wie dies bei der beute Üblichen Schiefschrift der Fall sei. Von dsp bahn 
Schreiben Überhaupt in Betracht kotumenden Hel’tliigen, — der geraden und 
schrägen Mittenlage bezw. der geraden uhd schrägen fteebtsläa« — sei die 
schräge Mittenlage nur dann als zulässig zu erachten, wenn hierbei stets eine 
Heftdrohung von HO — 40" eingehattco werde, während dl« Eeehtslagen als 
gesußdliedsschädlii'h verworfen werden müssen, da sie nicht allein ein» 0- för¬ 
mige Krümmung der Wirbelsäule nach links, sondern auch Kumfiehtigkelt der 
Kinder, besonders auf dein rechten Auge, zur Folge haben Darin liege aber 
gerade «lio gröMso Gefahr der Schiefscbrift, dass ae in diesen als gefährlich 
anorkannten HeftJagpn gx?.M:hjieben werden könne und dies nicht öinmal inv 
•Schulzmtmer durch di»? Aufticht- des Lohrcre. geschweige denn bot des "Quua- 
aufgabon, wo jede Aufsicht fehle, zu verhindern sei. Ander« dagegen die 
SteH*cb*ifH SUeselhe orswi«g;e die durch Messungen als weitaus beste für 
die: Kft^^h&Hsng; ete. &m Senalkindf* nachgowieseue gerade Mittenluge de». 
Heftes, da nie ja einer andern Heftlagc gar ruent geschrieben werden könne und 
mit ihm- Einführung dürfe man daher sicher «ein. dass auch daheim, ohne 


iittehiage und damit ohne Seitwärts- 

MjpBHMttfe- »fau jte-'*'hvb”.!eu >*Urd«- Der Einwand der Gegner, das« 



H.vndcrh sich auch hout-e noch viele 
■ iAiv.-v, u„.i * urdangs di«. Ketgijngyin habe, «eine 

• <: Die VortheiU» der Schrägschrift der 

• o j Möglichkeit, mit rlerselhen Behnaller 

’• komme q * m der SelrolB riioht ar», 


'VA'-' 



210 


Referate. 


hier müsse derjenigen Schrift bezw. Heftlage der Vorzug gegeben werden, bei 
welcher Auge und Rückgrat am wenigsten gefährdet sei und dass sei die 
Steilschrift. 


Das Oesterreichische Unterrichtsministerium beabsichtigt, in 
Folge einer Anregung des obersten Sanitätsrath in den Lehrer-BildongsanstaJten 
die Schulhygiene als obligatorischen Unterrichtsgegenstand einzu führen, da¬ 
mit die Lenrer die Schulkinder und Schullocalitäten in gesundheitlicher Hin¬ 
sicht besser als bisher beobachten können. 

(Oesterreichischer Sanitätsbeamte 1889 No. 5). 


Einführung des Impfzwanges in Frankreich. Durch einen ministeriellen 
Erläse soll künftighin jedes Schulkind bei seiner Aufnahme in die Schule die 
erfolgte Impfung oder die überstandenen Blattern durch ein Atteet ausweisen 
und nach dem zehnten Lebensjahre ausserdem der Reraccination unterzogen wer¬ 
den. Auch die Schüler der Mittelschulen, Lehramtszöglinge und Lehramtscan- 
didaten etc. haben Bich künftig über die erfolgte Impfung auszuweisen. 
Durch diese Verordnung ist die obligatorische Impfung in Frankreich sozu¬ 
sagen eingeführt. (Wiener El. Wochenschrift). 


Impfschutz. Die Wirksamkeit der Schutzpockenimpfung wird am besten 
illustrirt durch nachfolgende vergleichende Uebersicht der Pockentodesfälle 
pro 1887 und 88 in denjenigen Ländern, wo Zwangsimpfung durchgeführt ist, 
gegenüber denjenigen, welche nur facultative Impfung kennen. Darnach starben 


von 100 000 Einwohnern an Pocken: 

1887: 1888: 

in Deutschland (Zwangsimpfung).0,18 0,08 

„ Dänemark „ 0,0 0,0 

, Schweden-Norwegen, 0,0 0,0 

, Oesterreich - Ungarn (facultative Impfung) . 58,87 54,05 

, Russland , , 53,59 28,15 

, Frankreich , , . 16,70 19,19. 


Referate. 

Dr. Gilles de laTourette in Paris. Der Hypnotismus und die ver¬ 
wandten Zustände vom Standpunkte der gerichtlichen 
Medicin. Autorisirte Deutsche Uebersetzung. Hamburg 1888. 
Verlagsanstalt und Druckerei A.-G. (vorm. J. F. Richter) 1889. 

Das vorliegende, zeitgem&sse, uns in Deutscher Uebertragung gebotene 
Werk des Dr. De la Tourette, eines Schülers von Charcot, beschäftigt 
sich mit dem Hypnotismus, vom gerichtsärztlichen Standpunkte aus betrachtet, 
und legt die Gefahren nahe, die für das Publikum durch missbräuchliche Anwen¬ 
dung des sich in Frankreich, besonders in Paris immer mehr verbreitenden 
Hypnotismus entstehen können. 

In einer geschichtlichen Einleitung, aus der wir erfahren, dass schon 1784 
die durch den König von Frankreich eingesetzte Kommission zur Untersuchung 
und Begutachtung des von Messmer betriebenen thierischen Magnetismus zu 
der Ansicht gelangte, dass mit Weibern im magnetischen Schlaf Missbrauch 
getrieben werden könne, sehen wir, wie wechselnd im Lauf der Jahrzehnte das 
Schicksal der Lehre vom Magnetismus, vom Hypnotismus war, wie selbst die 
TAcademie de Mädicine in Paris noch 1840 den Magnetismus ganz verwarf, 
wie dann die Lehre von dem Magnetismus oder Hypnotismus 1860 in der 
Akademie von Neuem auftaucht, wie der Hypnotismus, zu schmerzlosen Ope- 







Referate. 


2X1 


rationen benutzt, vergeblich gegen das Chloroform ankämpft, bis endlich die 
ganze Lehre vom Hypnotismus Ende der 70 er Jahre durch Charcot in Paris, 
durch Heidenhain, Grützner, Preyer u. A. m. in Deutschland neuen 
Aufschwung und feste Begründung erhielt. 

De la Tourette hebt hervor, dass der Hypnotismus ein rücksichtsloser 
Enthüller der Hysterie geworden sei. Wie die Hysterischen den grössten 
Bruchtheil der zur Hypnotisirung geeigneten Individuen stellen, so seien es 
auch in fast allen Fällen, die zu gerichtlichen Begutachtungen Veranlas¬ 
sung gegeben hätten, weibliche Hysterische gewesen, die in Betracht ge¬ 
kommen seien. 

Jedenfalls seien es stets nervös Belastete, die in gerichtlich medicinischer 
Hinsicht zur Begutachtung kämen. Verfasser bestreitet geradezu, dass 
Hypnotismus sich bei durchaus Gesunden hervorbringen lasse. 

Des Weiteren folgen nun eingehende Auseinandersetzungen über die Vor¬ 
gänge bei der Hypnotisirung, über die verschiedenen Mittel, hypnotischen 
Schlaf hervorzurufen, wobei es von Bedeutung sei, dass, wie schon allein 
Druck auf das Ovarium bei gewissen Hysterischen ein Aufhören der Anfälle 
bewirke, es Punkte am Körper gäbe, deren Berührung allein sofort hypnotischen 
Schlaf hervorbringe. Die Wichtigkeit dieser Thatsache für mögliche miss¬ 
bräuchliche Ausnutzung derselben liegt auf der Hand. 


Nachdem dann in eingehender Weise, wohl hier und da in etwas über¬ 
breiter Art, die verschiedenen hypnotischen Zustände: Der kataleptische, der 
lethargische und der somnambule Zustand besprochen sind, nachdem Verfasser 
zugegeben hat, dass zwischen diesen drei Zuständen natürlich auch vermit¬ 
telnde Formen vorkämen, nachdem erneut betont ist, dass es sich vor Gericht 
stets um hysterische Personen handle, dass kein Gesunder gegen seinen Willen 
hypnotisirbar sei, dass die grundlegende Erscheinung und Bedingung für alle 
Fälle die erhöhte neuro-muskuläre Erregbarkeit sei, wird nun besonders die 
Gefahr geschildert, die darin liege, dass in der Hypnose Handlungen aufge¬ 
tragen, befohlen werden könnten, die nachher thatsächlich ausgefBhrt würden, 
ohne dass an die Umstände irgend eine Erinnerung bleibe, unter denen der 
Auftrag ertheilt ist, auch nicht an die Person, die den Auftrag gegeben hat. 
Dabei sei von Wichtigkeit, dass sogar bestimmte Handlungen auf fernere Zeit 
hin aufgetragen werden könnten, die dann thatsächlich nach Tagen, ja nach 
Wochen ausgeführt würden. 

Das könne in gerichtlicher Beziehung von grosser Bedeutung werden. 
Aber dieser Gefahr steht nun gleich als beruhigende Thatsache der Umstand 
gegenüber, dass die Erinnerung an einen etwaigen im Schlafzustand ertheilten 
Auftrag in einem 2ten Schlafzustand in der Regel wieder zum Auf leben ge¬ 
bracht werden kann! Dies Erinnerungsvermögen im 2ten Schlafzustand bildet 
eine wirkliche Gefahr für den, der die Suggestion zum Verbrechen ausge¬ 
übt hat. — f 

Uebrigens ist dem Verfasser noch kein *Fall eines in Folge von Suggestion 
ausgeübten Verbrechens vorgekommen. Dagegen wird eine Reihe von ver¬ 
brecherischen Handlungen, die im hypnotischen Zustand begangen sind, er¬ 
örtert. Stets handele es sich bei den gerichtlichen Gutachten um Fälle von 
Nothzucht. Am leichtesten sei die Nothzucht in lethargischem Zustand mög¬ 
lich. Denn der Lethargische sei ohne jedes Bewußtsein, gleichsam nur noch 
ein Ding, eine Beute des ersten Besten. — Auch bei dem Kataleptiker ruhe 
die Verstandsthätigkeit meist ganz und gar, doch sei er für Suggestionen em¬ 
pfänglich. Der Somnambule könne sich, sogar mit gesteigerten Kräften ver- 
theidigen, leiste aber leicht den Suggestionen Folge. 

Jedenfalls fehle bei Nothzuchtversuchen in der Lethargie und im Som¬ 
nambulismus jede Erinnerung an die Vorgänge während des Schlafes beim 
Erwachen. 


Ist das Verbrechen im Somnambulismus begangen, so könne man, im 
Gegensatz zum Zustande der Lethargie, in einer zweiten Hypnose die Erinne¬ 
rung daran wieder auffrischen. 

Der Verfasser bedauert mit Recht, dass in Frankreich im Gesetz noch 
die Lücke bestehe, dass unsittliche Angriffe gegen Bewusstlose nicht zur 
Strafe kommen, gleichviel, ob sie an selbst bewusstlos Gewordenen oder an 
bewusstlos Gemachten begangen seien —•, und kommt zu den Schlusssätzen; 



212 


Referate. 


Der Hypnotismus köno© für Behandlung der ausgesprochenen Hyeterie 
von grösstem Nutzens©»»;^ könne aber auch veranlagt© Hysterie zürn Aus¬ 
bruch bringen. Öefarßge neryöae, hysterisch© AnfAl je lMl({et» 4»iD6 Gefii.hr der 
planlosen hypnotischen \Kx^omnenio T -wie sie in Frankreich massenhaft vor- 
getiOBJÖJe» 'würden» eiriß viel grössere Gefahr, wie die Möglichkeit des Vor¬ 
kommens von Nothzucbt im hypnotischen Zustande darstoUje. Pie Gefahr ver- 
brecbetischör Scsgostionon sei gering, weil eben der Verbrecher nicht die 


te Sicherheit habe,, dass' sein Suggerireo nicht beniusköinroo. 

Ir verlangt dann Bestirmmmgen (fili Frankreich), dass der Hypnotismus 
nur von .Aarzton abgowomiet, werden dürfe; derartige Bestimmungen seien 
©h©nw> wirddig, wie solche Ihr den l'etjsaaf goföhriieh^s Ärzehdien.Es 
gsnöge uicht (ihr Frankreich), strenge ihe /Britthnniungen über unbefugte 
Ausübung der Heilkunde anzuwetidc». Fis raäsflten, wie in Oesterreich nnd 
Italien, auch in Frankreich die Stfegtlichen. hypnotischen Vbrstelhtngnn. die 
öflentlichoo Sitzungen dsr Gesellschaften für MttmieÜamuB^vßrhoten werden. 

tVid wie in den Gesetzgebungen aller an dem civilisirfeh Länder solche 
Bestimunmgeri vorhanden seien, so verlangt Verfasser auch für Frankreich Xu- 
satzhestimmungm zum Code pönal bezüglich der $ittliehkeitsverbrochen, di« in 
hypnotischen und verwandten Zuständen, also «r. Bewusstlosen begangen sind. 
Wer wollte ihn) da nicht beipftsebten ? Man !<?«© nur und staune, welche 



dt© «ich gegenseitig sogar hek%mpft^;Biil’'iu]^^gltcbe» fteokuue &fe‘ö«Rchäft« 
betrieben. Anzeigen lese In von so unsinnigem Inhalt, dass man zu tfäurnbu 
glaube; alle möglichen Krankheiten würden’in sog. .Klinikon Wir Msgaeüs- 
im«’* behandelt, wöbet uüf Ott schlummmidi krankbitfte nervöse Anlagen 
zur Entfaltung gebrachtwüriteri; besonders gesebch© Vloa bei Kindern, die. in 
die öffenthehen ’Siiztrngön der GheeBscKafton für Maguetismtts jaitgenORrineit 
würden. Es ginge sowedt- dass von vSeiten jener Gcsidlschafton and eiüzeljter 
Geschäilsmagnetisfturo geradezu vor den Anraten, gewarnt würde. ‘ i 

Es kann bei der Fülle hochinteressanten Inhalt©» des Werk*».nur Jedem, 
der diese Dinge de« Näheren kermon lernen will, goratben werden, nie oft 
fast unglaublichen, am Ausgang dos 19. Jahrhunderts doch wirklich ver¬ 
kommenden Thatsacbon au Ort und Stelle nachzuleson. 

Kreisphysikus Br. M ae-^mann. 


Dl*. H. Magnus, a. o. Professor der Aitgeithejlkttfid« in Breslau: 
Die Entstehung der refiecfeoriseliett' Ptipillenbewe- 
gung-en. Farbige- Taffe) und Text, Breslau 1889 . J. U. Kerxi’s 
Verlag. 

Di« Anatoasi© und Physiologie der Nurrenkörne wird, utvhr und mehr 
Gemeingut der Äonste, und matxwoedero di» Physiologt© und Pathologie der 
rellectorisciMMi Pupillpnbcwegungpa arsohKeaac» uns ein Gebiet, auf welolmu 
jeder, döf «ich opw.i©li«r mit Öeluritkmikbfdteft lavjchSftigti völlig orisntirfc 
sfiir «oUte. 

Magen« lüetht iift seiner Tafel die GolegmiNu de* .Solbriiwteröohi» in 
vachlicbof und ansohadljchstci' und führt mri in flljcrsiohÜtchot l)«r- 

stellung dh) ftlifttottrischett VecbäBtri&ee, die physiologische Pupillehraaetion und 
ihre pathologisch©)) ffcswdignen vor Augen 

Sein Schema ist ab klar und anscliau ! ge¬ 

übten Physiologen und Am 
Kern© der Xccommodation, 
di© Hahnen un Moryue 
werden. 




Verordnungen und Verfügungen. 


213 


Verordnungen und Verfügungen. 

Die Bezeichnung „Cand. pharm.“ auf den Firmenschildern der Drogisten« 

Verfügung des Ministers der geistlichen etc. Angelegenheiten 
vom 26. Januar 1889 (gez. im Aufträge de la Croix). 

Auf den Bericht vom 19. Dezember v. J. betreffend die Beschwerde des 
Apothekers A. in S. über die auf einigen Firmenschildern von Drogisten da¬ 
selbst vorhandenen Auzeichnung „Cand. pharm.“ erwidere ich der Königlichen 
Regierung bei Rückgabe der Anlagen, dass die Freisprechung des Drogisten N. 
seitens des Königlichen Landgerichtes zu F. nach Lage der Sache gerecht¬ 
fertigt erscheint, da die Bestimmung des § 147 No. 3 der Gewerbeordnung sich 
auf Fälle der hier vorliegenden Art nicht bezieht. Zugleich mache ich jedoch 
auf die Entscheidungen des Königlichen Ober-Verwaltungsgerichtes vom 14. 
Dezember 1878 (Endscheidungen Bd. 4 S. 342 ff.) und 9. Februar 1881 (Minist.- 
Blatt f. d. i. V. S. 80), sowie den mittelst Circular-Erlasses vom 2. Februar 
1884 abschriftlich mitgetheilten Erlasses vom 15. Februar 1882 aufmerksam, 
wonach dem N. und den übrigen Drogisten die Bezeichnung als „Cand. pharm.“ 
auf dem Strassenschilde etc., falls nach den örtlichen Verhältnissen die Mög¬ 
lichkeit vorliegt, dass dadurch Personen in den Glauben versetzt werden, die 
Handlung sei eine Apotheke und befasse sich mit der Zubereitung von Arz¬ 
neien, durch die Ortspolizeibehörde würde untersagt werden können. 


Gesunde und gefahrlose Beschaffenheit der Arbeltsrftume gewerblicher 
Anlagen. Circular-Erlass des Ministers für Handel etc. vom 28. Fe¬ 
bruar 1889 an sämmtliche Königliche Regierungs-Präsidenten etc. 

„Durch meinen Erlass vom 7. April 1874 ist sämmtlichen Königl. Regie¬ 
rungen und Landrosteien Folgendes zu besonderer Beachtung empfohlen worden. 

„Die Anforderungen, welche auf Grund des § 107 (jetzt § 120) der R.- 
Gw.-O. hinsichtlich der gesunden und gefahrlosen Beschaffenheit der Arbeits¬ 
räume zu stellen sind, können zwar auch für bestehende gewerbliche Anlagen 
durch allgemeine Verordnungen oder specielle Verfügungen zur Geltung ge¬ 
bracht werden. Die Durchführung solcher Anordnungen wird indessen häufig, 
namentlich soweit die vorhandenen Uebelstände in baulichen Einrichtungen 
ihren Grund haben, daran scheitern, dass sie mit verhältnissmässigen Opfern 
für die Unternehmer verknüpft sind. Es ist daher von Wichtigkeit, Vorsorge 
zu treffen, dass gleich bei der ersten Einrichtung jeder gewerblichen Anlage 
dem Schutze der Arbeiter gegen Gefahren für Leben und Gesundheit, nament¬ 
lich in baulicher Beziehung, die erforderliche Berücksichtigung zu Theil werde. 
Bei denjenigen Anlagen, welche unter den § 16 R.-Gw.-O. fallen, bietet das 
Goncessionsverfahren hierfür eine ausreichende Handhabe. Bei allen übrigen 
Anlagen aber kann der Zweck nur erreicht werden, wenn mit der baupolizei¬ 
lichen Genehmigung für ein Gebäude, welches für eine gewerbliche Anlage 
bestimmt ist, dem Unternehmer zugleich auch die auf Grund des § 107 (jetzt 
§ 120) R.-Gw.-0. zu stellenden Anforderungen zur Beachtung mitgetheilt wer¬ 
den. Um dies zu ermöglichen, werden, soweit die bestehenden Baupolizeiord¬ 
nungen nicht etwa schon ausreichende Vorschriften enthalten, im Wege der 
Bezirks- oder Ortspolizeiverordnungen Bestimmungen zu treffen sein, wonach 
gleichzeitig mit dem Anträge auf Ertheilung des Baukonsenses für jedes Ge¬ 
bäude, welches für einen gewerblichen Betrieb bestimmt ist, 

Art und Umfang des letzteren, Zahl, Grösse und Bestimmung der 
Arbeitsräume, 

deren Zugänglichkeit, Licht- und Luftversorgung, 
die Maximalzahl der in iedem Raume zu beschäftigten Arbeiter und 
die aufzustellenden Maschinen 
angegeben werden müssen. 

Die gleiche Verpflichtung wird für die Fälle auszusprechen sein, in wel¬ 
chen ein bereits vorhandenes Gebäude für einen gewerblichen Betrieb in Be¬ 
nutzung genommen werden soll. 

Die Ortspolizeibehörden werden auf Grund dieser Vorlagen, unter Be¬ 
rücksichtigung der für einzelne Categorien gewerblicher Anlagen etwa beste 
"*»den allgemeinen polizeilichen Vorschriften und soweit nöthig unter sach¬ 
kundigem Berath in jedem einzelnen Falle zu prüfen haben, welche Anfor- 



214 


Verordnungen und Verfügungen. — Literatur. 


derungen auf Grund des § 107 (jetzt 120) R.-Gw.-O. zu stellen und dem 
Unternehmer unter Hinweisung auf die Strafbestimmungen des § 147 No. 4 
das. als solche zu bezeichnen sind/ 

Der Umstand, dass bei den in letzter Zeit vorgekommenen Fabrikbrän¬ 
den nicht selten Arbeiter in grösserer Anzahl ihr Leben eingebüsst haben, 
lässt vermuthen, dass die in Vorstehendem zu thunlichstem Schutze der Arbeiter 
gegebene Anleitung nicht überall die gebührende Beachtung gefunden hat. 

Ew. etc. bringe ich deshalb die Bestimmungen mit dem Ersuchen in Er¬ 
innerung, die in Betracht kommenden Behörden von Neuem auf dieselben hin¬ 
zuweisen. — In Ergänzung derselben bemerke ich, dass bei Neuerrichtung von 
Fabriken namentlich darauf hinzu wirken ist, dass den Arbeitern mehrere Aus¬ 
gänge aus den Arbeitsräumen ins Freie zu Gebote stehen, dass also bei Hoch¬ 
bauten Treppen und Ausgangsthüren in ausreichender Zahl angelegt werden, 
ferner dass die Fenster die erforderliche Grösse besitzen, um im Falle einer 
Feuersbrunst als Ausweg benutzt werden zu können, sowie dass Thüren und 
Fenster aussenhin aufschlagen. 


Neukonoessionlrte Apotheken Im Falle des Todes des betreffenden Apo¬ 
thekers vor Ablauf der ersten zehn Jahre. Verfügung des Ministers 
der geistlichen etc. Angelegenheiten vom 23. Apnl 1889 No. 1882 

(gez. von Gossler). 

Auf die Eingabe vom 2. März d. J. erwidere ich Ew. Wohlgeboren, dass 
die Allerhöchste Ordre vom 8. Jjjli 1886 und die darauf ergangene Circular- 
Verfttgung vom 21. desselben Mts. die Frage nicht .betroffen hat, ob in ge¬ 
eigneten Fällen beim Tode eines koncessionirten Apothekers der Wittwe wäh¬ 
rend ihres Wittwenstandes bezw.' den mindeijährigen Kindern desselben bis 
zu ihrer Grossjährigkeit zu gestatten ist, die Apotheke durch einen qualificirten 
Apotheker verwalten zu lassen. In dieser Beziehung sind vielmehr, wenn Ew. 
Wohlgeboren die Mitunterzeichneten gefälligst in Kenntniss setzen wollen, die 
vor Erlass der Allerhöchsten Ordre vom 8. Juli 1886 und der darauf ergan¬ 
genen Circular-Verfügung vom 21. Juli desselben Jahres ergangenen Bestimmun¬ 
gen *) massgebend geblieben. 


Literatur. 

(Der Redaction zur Recension eingesandt.) 

1. Geh. Med.-Rath Dr. W. Roser, weiland Prof, der Chirurgie in Marburg. 
Wie entstehen die Brüche? Ist ein Unterleibsbruch als Unfall zu be¬ 
trachten? Marburg, 1889. N. G. Eiwert sehe Verlagsbuchhandlung. 

.2 F. Ahlfeld. Die Reorganisation des Hebammenwesens. Entwurf 

einer neuen Hebammenordnung. Separatabdruck aus „ Zeitschrift für 
Gehurtshülfe uud Gynäkologie/ B. XVL Heft 2. 

3. Dr. Albert Weiss, Geh. Med.-Rath in Düsseldorf. Der Impfausschlag 
nach Thierlymphe im Jahre 1887. Separatabdruck aus Ergänzungsheften 
zum Centralblatt für allgemeine Gesundheitspflege. Bonn. Emil Strauss. 

4. Dr. med. Albert Moll-Berlin. Der Hypnotismus. Berlin 1889. Fischer’s 
Med. Buchhandlung, H. Kornfeld. 

5. Dr. F. Tiemann, Professor in Berlin und Dr. A. Gärtner, Professor 
in Jena: Die chemische und mikroscopisch-bakteriologische Untersuchung 
des Wassers. Braunschweig 1889. Verlag von F. vieweg & Sohn. 

6. Dr. S. Uffelmann, Professor in Rostock: Handbuch der Hygiene 
Mit zahlreichen Holzschnitten. Erste Hälfte. Wien und Leipzig 1889. 
Urban & Schwarzenberg. * 

*) Revidirte Apothekerordnung vom 11. Oktober 1801 f 4 bezw. 

Allerhöchster Erlass vom 9. Dezember 1827, wonar 1 - “i wtoii- 

girten bezw. koncessionirten Apothekers währ^ ' 

den minderjährigen bis zu ihrer Grossjälirigk i 

durch einen qualificirten Apotheker verwalten 



Deutscher Verein für öffentliche Gesundheitspflege. — Personalien. 21S 


Deutscher Verein für öffentliche Gesundheitspflege. 

- ;■ i i r( - 

Fünfzehnte Versammlung 

ZU 

Strassburg i. E. 

in den Tagen vom 14. bis 17. September 1889 

(unmittelbar vor der am 18. September beginnenden Versammlung Deutscher 
Naturforscher und Aerzte in Heidelberg), 

Tagesordnung: 

Samstag, den 14. September. 

I. Die hygienischen Verhältnisse and Einrichtungen in Elsass-Lethriugen. 

Referent: Geh. Medicinal-Rath Dr. Krieger (Strassburg i. E.). 

II. Maassregeln sur Erreichung gesunden Wohnens. Bsrloht Asr auf der 
lststen Versammlung erw&mtsn Commission. 

Die Verhandlung eingeleitet durch die 

Referenten: Oberbürgermeister Dr. Miguel (Frankfurt a. M.), 
Oberbanrath Professor Baumeister (Karlsruhe). 

Sonntag, den 15. September. 

Ausflag nach dem O&ilienberg oder nach der Eohkölügsbtirg bei Schlett- 
stadt oder nach dem Hohbarr bei Zabern. Auch ist eine Besichtigung 
der Jllboobsrasssrablsituag bsi Erstein in Aussicht genommen. 

Montag, den 16. September. 

III. Anstalten sur Fürsorge für Genesende. 

Referenten: Geimrath Professor Dr. v. Ziemssen (München), 
Bürgermeister Back (Strassbarg i. E.). 

IV. Maas gregein rar Bekäumfong der Schwindsucht. 

Referent: Professor Dr. Beller (Kiel). 

Dienstag, den 17. September. 

V. Eisenbahnhvgiene in Besag auf die Reisenden. 

Referenten: Eisenbahndirector Wiehert (Berlin), 

Professor Dr. Löffler (Greifswald). 

Beitrittserklärungen zu dem deutschen Verein für öffentliche Gesundheits¬ 
pflege (Jahresbeitrag 6 M.) nimmt der Unterzeichnete entgegen. 

Frankfurt a. X., Mai 1889. 

Der Btändige Secret&r: 

Dr. Alexander Spiee», 


Personalien. 

Auszeichnungen t 

Verliehen: Der Character als Geheimer Sanit&tsrath: dem 
Sanitätsrath Dr. Lent in Cöln; als Sanit&tsrath: den KreisphyBikern Dr. 
* r orn#eld zu Grottkau und Dr. Felsmann zu Neisse, sowie den praktischen 
Weisgenberg zu Görlitz, Dr. Typke zu Werder, Dr. Knbn, 
*|fte-Arzt zu Wartenburg O./Pr. und Dr. Schwarzenberger in Elbing. 


216 


Personalien» 


Der Rothe Adlerorden UL Klasse mit der Schleife: dem Ober¬ 
stabsarzt a. D. und bisherigen Regimentsarzt Dr. Asch6 zu Brandenburg; der 
Rothe Adlerorden IV. Klasse: dem Kreisphysikus Sanitätsrath Dr. Joes- 
ting in Halberstadt. — Der Kronenorden III. Klasse: dem Geheimen 
Sanitätsrath Dr. Wägen in Berlin und dem Oberstabsarzt a. D. Dr. Ewald 
in Neisse. — Das Kreuz der Ritter des Königlichen Hausordens von 
Hohenzollern: dem Direktor der geburtshölfl. Klinik, Medicinalrath Prof. 
Dr. Werth zu Kiel. 

Die Genehmigung ertheilt zur Anlegung des Ehren-Grosskom- 
thur-Kreuzes des Grossherzogi. Oldenburgischen Haus- und Ver¬ 
dienst-Ordens: dem Generalarzt I. Klasse und Corpsarzt des Garde-Corps 
Dr. Leuthold in Berlin. 

Ernennungen and Versetzungen: 

Ernannt: Der praktische Arzt Dr. Coester in Neumarkt zum Kreis¬ 
physikus des Kreises Goldberg-Haynau mit dem Wohnsitz in Goldberg und 
der praktische Arzt Dr. Wiese in Schlodien zum Kreisphysikus des Kreises 
Filehne; der bisherige Oberamts-Physikus Dr. Lauchert in Sigmaringen zum 
Regierungs- und Medicinalrath bei der dortigen Regierung, der seitherige 
Kreiswundarzt Sanitätsrath Dr. Leuffen zu Köln zum gerichtlichen Physikus 
des Stadtkreises Köln und der Apotheker Kowalewski zu Königsberg i/Pr. zum 
pharmaceutischen Assessor des König!. Med.-Collegiums der Provinz Ostpreussen. 

Versetzt: Der Kreisphysikus Dr. Vanselow Schlawe als Polizeistadt« 
physikus in den Stadtkreis Köln und der Kreisphysikus Dr. Wegner zu 
Triebsee (Kreis Grimmen) in gleicher Eigenschaft in den Kreis Lissa. 

Verstorben sind: 

Die praktischen Aerzte: Dr. Lorenz in Eberswalde, Dr. Bühring in 
Krefeld, Dr. Seemann in Brüssow, Dr. Pieper in Olfen, Dr. Böhler in 
Hohenhameln, Dr. Korioth in Finsterwalde, Sanitätsrath Kreisphysikus Dr. 
Wolff in Erfurt, Geh. Sanitätsrath Dr. Abarbanell in Berlin, Dr. Vallen¬ 
der in Brauweiler, Dr. Lepper in Annen, Dr. Heissen in Apenrade, Medici¬ 
nalrath und Kreisphysikus Dr. LaUtz in Montabauer und Dr. Witzei in Kassel. 

Vakante Stellen:*) 

Kreisphysikate: Putzig, Schlawe, Grimmen (Meldung bis zum 8. Juni 
beim Königl. Reperungs - Präsidenten in Stralsund), Witkowo, Neutomischel, 
Schildberg, Jarotschin (Meldung bis zum 20. Juni bei der Regierung in Posen, 
Abth. des Innern), eine Bezirksphysikusstelle in Berlin (Meldung bis zum 20. 
Juni bei dem Königlichen Polizei - Präsidenten daselbst), Militsch, Waldenburg, 
Nordhausen, Erfurt (Meldung bis zum 3. Juni beim Königl. Regierungspräsi¬ 
denten daselbst), Uslar, Hümmling, Sulingen, Fulda (Meldung bis zum 3. Juni 
bei dem Königl. Reg.-Präs, in Cassel), Montabaur (Meldung bis zum 15. Juni 
beim Reg.-Präs. in Wiesbaden), Adenau, Landkreis Köln (Meldung bis zum 15. 
Juni beim Königl. Reg.-Präs. in Köln), Daun, Oberamt Gammertingen. 

Kreiswundarzt stellen: Fischhausen, Darkehmen, Heiligenbeil, Heyde- 
krug, Oletzko, Tilsit, Karthaus, Marienburg, Loebau, Marienwerder, Graudenz, 
Angermünde, Templin, Friedeberg, Ost- und West-Sternberg, Bütow, Lauen¬ 
burg i/P., Dramburg Schievelbein, Bomst (Meldung bis znm 21. Juni bei der 
Königl. Regierung, Abth. d. Innern in Posen), Schroda, Bromberg, Strehlen, Ohlau, 
Kosel, Lublinitz (Meldung bis zum 3. Juni beim Königl. Reg. - Präsidenten in 
Oppeln) Lauban, Reichenbach, Grünberg, Münsterberg, Sagan, Militsch, mit 
dem Wohnsitz in Sulau (Meldung bis zum 3. Juni bei dem Königl. Reg.-Präsi- 
denten in Breslau) Jerichow I, Wanzleben, Wernigerode, Worbis, Sangerhausen, 
Ziegenrück, Langensalza, Höxter, Lübbecke, Warburg, Lippstadt, Ifeschede, 
Hünfeld, Erkelenz, Kleve, Stadtkreis Köln (Meldung bis zum 15. Juni bei dem 
Königl. Reg.-Präs. daselbst), Bergheim, Rheinbach, Wipperfürth, Elberfeld und 
St. Wendel. 


*) Wo ein bezüglicher Vermerk fehlt, sind die Stellen entweder 
nicht ausgeschrieben oder die officiellen Meldefristen bereite 

Verantwortlicher Redacteur: Dr. H. Mitten zweig, Berlin, 

Druck der FAntl. prlv. Hofbuchdruokerel <F. Mltadaf* 



1889. 


Jfthrg, 2« 


für 



Dn ft MITTENZWE1G 

ChttkkÜ, Stvitphytttcus Io Berlin, 


Beraaagegebeo ron 


Dr. OTTO RAPMUND 

R«s- und Mediciaalrath in Aurich. 




•;*=..;v:W';;vi;; s :Dr. wiia. SANDER 

Medldn&bvtb •azA Direktor der IneatnwaJt Dalldorf-Berlin. 


Vertag von finherts medic. Buc’nhdlg, R Kornfeld, Berlin NW. 6. 


No. r. 


HvmKmIi^ mm i. J«!«» 

Frei» jährlich 6 Mark. 


1. Juli. 




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Noiih eiuVor^cMfcg Uttt DoicfcfrihniJöfc 
ü<sk Anweisung vom 25, Vovfav 
Vno. Br. foni&lcfc . . . , £ 23 Ö 

Kleinere Mittheii'aiag&a ;; r ■> « ■ ♦■ sRsa 


B-Bferftt-e* 

Tr WW» X>fO lieorgiiolaÄtloja Sets 
Heb^oweaweseaii, ttnrwurf' ‘ eiitef 

B&bftmiüdttOr<lnnti£r r • 240 
Pr afyKHor C#**re Umbr&tfmr Ver¬ 
brecher Je afttfc ropo lugte edier , *r«f 
Höher und jaristisdhn* Uesiehmig . 247 
Uv, ÖeeYfiT C«?wta Wte I«<häut man 
steti die Schwindsucht? . , 26$ 

Verordn an gen und Verffcgwagä» - 5IU 


Personalien 




Ein Fall vor. Brom Vergiftung. 

Von Br. tlonvlg» KwfcpliVMfott 2ü I,ebe i/IL 

Am Abend des 21. Oetoher ISS« wurde- itsh bd zufälliger 
Anwesenheit ün Dorfe 1). zti der iOj^hp^ei) ; .itfäthn<ie V. geraten. 

Im Dürfe herrschte seif HirngM Zeit vhw kss dahin daceU&ös gut' 

fönd eben* 

falls Das Fiebeif war mäsaig (nacli 

meinem etwa:0p$ r die Halscditifiiiiiiißg, die MaBtkdn 

waren nur wfenig ^esobwölloii nad zeigten dteuiöii Belag, auch v ! 
der BaulattsselBAg war e& massig starker Während wl : tS&swi^-' 
Befunden die KtaöfeH#^ weiche'sich am J& -mkrsi'.. li«^eri?bÄr;'-;H- 
gemacht uatfce, aUv edse dötekaiis leichte aßausehen war, war das 
Allgemein befinden der sonst für ihr Alter sehr krdftigeü Paticntih^gg^ 
dagegen ein sehr bedrohliches. sie lag ki einmn eöidaähiilichen 
Zustande mit halb gedtfneten Augen, sebwacbem /adeafürmigeD 



Aritipyreticum 

;.Ä,AiBtMiiit4rn.m xngWi#v fidäclibereitetes Natt, benzoic. mit Tinet. 
riud. •• Rinn»! Patientin nur noch wenig nehmen 







Di\ Hörwig. 


konnte. Sie war schoß bald nicht mehr im Stande, die Scböttei- 
mixtur herunter zü schlucken. am folgenden Morgen um b‘/ 2 I hr 
fand ich sie im voUständigeu Ooluiiis, und ist wie kurz darauf 
verstorben. •' /V. 1 \ ' 

; : Nachdem i$t in mein# budo-rigen TUät i gkeit vier grössene 

1878*77 zu Minden i/W. 
eine ausser?^deQtlicH .schwere, beobachtet hatte, war mir dieser 
Fall VöUi g (merkiÄrlich, imd um^te ick tagelang über denselben 
nach denken: So sprach ödGanch wiederholt, davon und erfüllt* 
nur* ««fällig durch den hie*dgen.r Aimöieker Herrn V-., dass 
Patientin vor meinem Bruche folgende Vemdnung“ gereicht 
war: ;Rj«. • Rai. - broinat." ,%e:- smpl. 30,0 Ag. dest, 80,0 und 
«war m det Weise, dass j Esslöffel dieser Mixtur mit 1 :Thee-* 
Jtiifi*! • AgV cfcinsui; -0a# ''jgldnisclit und dann rasch ver¬ 

schluckt wurde. Ein im Porto wohnender Sditdmiaehar hatte 

lieh dieselbe d£U l)ö0>#Völ^^ y#lähgeu mar Anwendung. 

Nach spätereh-:iien - ti;Pri»fessor-.Polsfco r ff in 
Götfcihjgjdi ist mkiin^Umeio da«« das Kind bei jeder Darreichung 
0,045 fir#gewordeues Brom erhalten, möglicherweise jedoch auch 
0,203 in drei Pos^ö. Wie nfl dem Mjtde elngegeben ist, ist 
nicht ganz klar featgedthlU. Mir sagte der Vater, ehe ich den 
Full zur Atizeige hrÄchte, er habe am ZL dem Kinde am Tage 
drei Gaben' in jrvveisMnsilichen Znaedheurätuneu gegeben (also in 
A Stunden 0,135 s%%k 0,200 reines Brom), vor dem Richter' sagte 
er 5 Tage später ans, er habe in Aür Nacht. expe, und bet Tage 
zw# Gaben gegeben. Ich nehme an, dass die mit zuerst ge¬ 
machte Angabe die richtige ist, sonst aber dürfte man nur noch 
annehmen, dass dos Kind ausser diesen drei .Gabelt ber#t& in der 
vorhergehenden Nacht eine erste und im gmim- also vier Posen 
bekommen. 

In m hiesigen Apotheke wurde die Einzeldoeis -an freiem 
Brotü auf 0,038 berechnet Pie Differenz mit de* Besiimrmmg 
des Herrn Prof. Dl. .'PdlBthrlT'liegt in der Annahme des Th#“ 
iöffelgebnliee au 4 oder zu ,1 Gramm- Jedenfalls kann man an« 
nehmen, daa« die Leute hei nicht ärztlich verordnei-e« Mittel«,- 
an deten nnbedingt-e Bhltkfafl §ie glaubeii und denen sie. irgend¬ 
welche schädliche Folgen auch niemals Zutrauen, reichlich zn- 
geiuesseit haben. Ich nehme deshalb au. dass das Kind 0,045 
freie« Brom in 2d gr Lösung and drei solcher Dosen innerhalb 
4 Btnndeu bekommen hat; aber auch dreimal 0,036 würden völlig 
genügend gewesen sein. 

Nachdem ich die Anwendung' des. vorgenannten Mittels iu 
Erfahrung gebracht, Aügeublick daran, daas 

dasselbe ab- ■$«&:' n&d- gnfr 

schloss mi' f. ns^h 3, 

Die ExhiuiiNt'a^ 2. $nv#tekrt-. 

also 11 'T • •■ • *••!■•: < -U D 

schauer n. >••. fm'rr., ^ •• •**4i &aj& - •■'■'• •■ v -v.;t»k• ; •■ 

frisch h- wo ».-ine/ •■- . , ■> • . o nGvGy 




Ein Fall von Bromvergiftung. 219 

Ausdehnung. Aus dem Sectionsprotokolle hebe ich nur folgende 
Nummern hervor: 

18. „Der Magen ist äusserlich von blassröthlicher Farbe. 
Die Gefässe der kleinen Krümmung, sowohl Venen wie Arterien, 
lassen sich bis in ihre kleineren Verzweigungen verfolgen. Die 
Venen an der grossen Krümmung sind bis zu deren 2. und 3. 
Ordnung deutlich mit Blut gefüllt. Die äussere Oberfläche des 
Magens ist glatt. Der Magen wird hierauf an der grossen Krüm¬ 
mung, der Zwölffingerdarm an der vorderen Seite aufgeschnitten. 
.Es findet sich in ihnen ein trüber, braunröthlicher, dünnflüssiger 
Inhalt von fadem Geruch und saurer Reaction von 18 ccm Menge. 
Dieser Inhalt wurde sofort in ein mit No. 1 bezeichnetes Glas- 
gefäss gethan. Ausserdem wurden einige Tropfen dieses Inhaltes 
zur mikroskopischen Untersuchung zurückgestellt. 

19. „Die mit reinem Wasser abgespülte Schleimhaut des 
Magens und des Zwölffingerdarmes ist annähernd ein mm. dick 
von gelbbräunlicher Farbe. Die Oberfläche ist glatt und hat 
schwache Runzelungen. In derselben finden sich zahlreiche theils 
punktförmige, theils stecknadelkopfgrosse Blutaustritte, welche in 
Gruppen von 2—7 mm. Grösse zusammenstehen. Sie sitzen nur 
in der Schleimhaut, die tieferen Gewebe sind nicht betheiligt, 
wie Einschnitte in dieselben erweisen. Sie finden sich vorzugs¬ 
weise an der grossen Krümmung, an der hinteren Magenwand, am 
Ausgang des Magens und im Zwölffingerdarm.“ 

Nicht bemerkt war in dem Protokolle eine mir sehr auf¬ 
fällige Farbenveränderung des Magens und Dünndarmes an der 
Luft; die anfangs blasse Farbe der Aussenwand ging ziemlich 
rasch in ein helles röthlichbraun über, eine Veränderung gänzlich 
verschieden von der durch Oxydation des venösen Blutes hervor¬ 
gebrachten, wie sie an den meisten Leichen zu beobachten ist. 
Ferner fehlt in dem Protokoll eine Bemerkung darüber, dass der 
Mageninhalt von röthlichen Streifen durchsetzt war. 

Es verdient noch hervorgehoben zu werden, dass Verände¬ 
rungen des Herzmuskels nicht aufgefunden wurden. 

Die Obducenten, gaben ihr vorläufiges Gutachten dahin ab: 

1) „Die Obduction hat die Todesursache nicht ergeben. 

2) „Die Möglichkeit einer Vergiftung ist nicht ausgeschlossen, 
obgleich die Anhaltspunkte für dieselbe nur sehr gering 
sind. Solche Anhaltspunkte sind überhaupt nur zu finden 
in den Vorgefundenen kleinen Blutaustritten in der Schleim¬ 
haut des Magens, die jedoch auch auf eine andere Einwir¬ 
kung als solche durch Gift zurückzuführen sind.“ 

Die mikroskopische Untersuchung des Mageninhaltes mit 
einem Winckel’schen Trockensystem 7,, welche ich in Gemein¬ 
schaft mit dem ersten Obducenten in meiner Wohnung vornahm, 
ergab das Vorhandensein von zahlreichen Magenschleimhautepi- 
thelien und von weissen und rothen Blutkörperchen. Letztere fehlten 
in keinem Gesichtsfelde und waren bis zu 12 in einzelnen vor¬ 
handen, wobei zu bemerken ist, dass die untersuchte Menge etwa 
eine Meile weit transportirt und anscheinend durchgeschüttelt war. 

16 * 



220 


Dr. Herwig. 


Der makroskopische Befand sowohl wie der mikroskopische 
hatten also das Vorhandensein einer hämorrhagischen Magenent¬ 
zündung evident erwiesen. Ans den verschiedenen in meinem 
Besitz befindlichen klinischen nnd pathologisch-anatomischen Lehr- 
und Handbüchern habe ich nicht ersehen können, dasB hämorrha¬ 
gische Magenentzündungen zu den pathologisch-anatomischen Be¬ 
funden des Scharlachfiebers gehören. 

Als ich mich nunmehr an das Studium der Literatur von 
Bromvergiftungen machen wollte, fand ich, dass es eine solche 
eigentlich gar nicht gab. In meinen drei gerichtlich-medicinischen 
Handbüchern, Casper-Liman, Maschka und Hoffmann steht 
gar Nichts davon. In Werber’s Toxicologie*) fand ich S. 58 
folgenden Satz: „Dem Jod sehr nahe steht das Brom, welches in 
Substanz ebenfalls heftige Gastroenteritis, ähnlich den Mineral¬ 
säuren erzeugt.“ In Husemann’s Arzneimittellehre 2 ) steht S. 268: 
In grösseren Mengen verschluckt, bedingt es Corrosion und Ent¬ 
zündung der Magenschleimhaut und kann Collaps und Tod her¬ 
beiführen.“ („Collaps und Tod“). — 

Durch die gütige Beihülfe des zuletzt genannten Autors, 
meines verehrten Lehrers, kam mir Frank’s Magazin 8 ) in die 
Hände, aus welchem ich (Seite 387—400) der Hauptsache nach 
das Folgende entnehme: 

Thierversuche und Versuche an gesunden Menschen ergaben 
folgende Resultate: Eine Katze, der nur 1 Tropfen unverdünntes 
Brom in den Mund geschüttet war, starb davon in 6 Tagen; bei 
der Section zeigten sich Respirationsorgane, Darmkanal und Leber 
entzündet. — „In grossen Gaben wirkt das Brom als ein heftig 
irritirendes corrodirendes Gift, um so heftiger je concentrirter es 
gegeben wird; es entsteht Aufstossen von Bromdämpfen, in kurzer 
Zeit treten Vomituritionen und heftiges Erbrechen von weiss- 
lichem mit Speichel vermischtem im späteren Verlaufe blutig ge¬ 
färbtem Schleim ein; eine heftige Magenentzündung entwickelt 
sich, an der die Thiere in einigen Tagen in einem Zustande der 
grössten Schwäche und allgemeinen Abmagerung, bisweilen leichten 
convulsivischen Zuständen starben; der Appetit liegt bei diesen 
Gaben völlig darnieder, der Durst nur mässig, es findet Ver¬ 
stopfung oder Abgang von dunkelbraunen aashaft stinkenden 
Fäces in sparsamer Quantität statt — Unmittelbar nach seiner 
Einverleibung wurde der Puls immer beschleunigt, aber nach 
kurzer Zeit schon wieder normal, in einigen Fällen wurde er so¬ 
gar um einige Schläge langsamer, z. B. bei Verfasser selbst, als 
er an einem Tage jede Stunde 2 Tropfen Brom in 1 halbe 

>) Lehrbuch der praktischen Toxicologie von Dr. A. Werber, Erlangen 
1869. - 

*) Handbuch der gesummten Arzneimittellehre von Dr. med. Th. Huse- 
mann, 2. Aufl., Berlin 1888. — 

*) J. Frank, Magazin für physiologische Arzneimittellehre etc., Bd. 1, 
Leipzig 1846. — 

Jeden der geehrten Herren Leser, der sich näher informiren möchte, 
bitte ich das Original, das wohl in jeder Universitätsbibliothek zu finden sein 
wird, nachzusehen. 



Ein Fall von Bromvergiftung. 


221 


Unze Wasser gelöst nahm.“ — „Als freies Brom oder Brom¬ 
wasserstoffsäure findet sich das Brom nicht im Blute.“ — In 
grösseren Gaben entsteht Schwindel und ein nauseoser Eindruck. 
In den grössten Gaben ist der Eindruck aufs Nervensystem ein 
mehr lähmender, es entsteht höchste Niedergeschlagenheit, vor¬ 
übergehende Erweiterung der Pupillen in einigen Fällen auch 
vorübergehend verlangsamter Puls; im weiteren Verlaufe zeigte 
sich das Nervensystem weniger beeinträchtigt, die Thiere bleiben 
bloss niedergeschlagen und sterben bisweilen ohne alle nervösen 
Symptome, bisweilen nach leichten Convulsionen in einem Zu¬ 
stande grosser Erschöpfung.“ 

Für die Beurtheilung unseres Falles sind folgende am er¬ 
wachsenen gesunden Manne gemachten Beobachtungen von be¬ 
sonderem Werthe: Von einer Lösung von 6 Tropfen auf 1 halbe 
Unze Wasser (also 0,3 auf 15,0 oder in zweiprocentiger Lösung) 
bewirkten 6 Tropfen auf 1 Unze Wasser verdünnt, also 0,0012 
auf 30 bei leeren Magen genommen, Bauchkneipen mit dünnem 
diarrhoeartigen Stuhlgang. Dasselbe trat ein, als in Wieder¬ 
holungsfällen 15 Tropfen, also 0,003 auf 30 Wasser genommen 
wurden und auch nach Speisegenuss bewirkte die wiederholte 
Einfuhr von 0,004 (im ganzen wurden 4,0 Lösung, also 0,08 
Brom genommen) dieselben Symptome. — Der diesjährige preu- 
sische Medicinalkalender giebt als Dosis des Broms an 0,003 bis 
0,01—0,03 zweimal täglich, wir würden also 0,06 als höchste 
Tagesdosis für den Erwachsenen anzusehen haben, und hier hat 
das scharlachfieberkranke Kind 0,106 oder auch 0,145, ja viel¬ 
leicht sogar 0,203 reines Brom innerhalb 4 Stunden bekommen. 
Die Concentrirung war auch eine erhebliche: nämlich 0,036 auf 
19 oder 0,045 auf 20, während wir soeben sahen, dass bereits 
0,0012—0,003 auf 30 bei einem gesunden Manne mit leeren 
Magen Darmerscheinungen hervorzubringen im Stande sind. 

Fassen wir die Hauptpunkte des Falles zusammen, so ergiebt 
sich: Das nicht schwer erkrankte Kind verfiel nach der Brom¬ 
darreichung in Collaps und verschied in demselben; die Dosis 
war als Einzeldosis mindestens viermal zu hoch, als die Gesammt- 
dosis in vier Stunden, fünf bis siebenmal (oder auch selbst zehn¬ 
mal) so hoch, als sie es innerhalb 24 Stunden hätte sein dürfen. 
Die Section ergab fast leeren Magen und eine hämorrhagische 
Magenentzündung. Collaps und Magenentzündung das sind auch 
die Resultate der Thierexperimente, und an einer Bromvergif- 
dung kann somit kein Zweifel bestehen. 

Die Frage, ob die heftige Magenentzündung als Todesursache 
anzusehen sei, ist von den Obducenten verneint worden, ich 
würde sie in diesem Falle unbedingt bejaht haben, wenn auch 
mit wesentlicher Rücksicht darauf, dass sie als Complication zum 
Scharlachfieber hinzukam. 


Eine gerichtliche Verfolgung des Falles ist nicht eingetreten, 
die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren eingestellt, einmal weil 



222 


Dr. Jaenicbe. 


sie nicht recht zu wissen schien, wer zu verfolgen sei und ferner 
auch wohl, weil nach der Fassung des vorläufigen Gutachtens ein 
verurtheilendes Erkenntniss nicht zu erwarten stand. — 


Acute Schwefelkohlenstoff-Vergiftung mit tödtlichem 

Ausgange. 

Von Dr. Jaenicke, Kreisphysikus in Templin. 

Acute Schwefelkohlenstoff-Vergiftungen mit tödtlichem Aus¬ 
gange sind bisher sehr selten beobachtet worden. Die gebräuchlich¬ 
sten Lehrbücher der gerichtlichen Medicin von Maschka, von 
Hofmann und Casper-Liman erwähnen bei den Vergiftungen 
den Schwefelkohlenstoff gar nicht, obwohl derselbe gegenwärtig 
in den Gummi- und Kautschukfabriken eine ziemlich bedeutende 
Rolle spielt und leicht zu Vergiftungen Veranlassung geben kann. 
Es dürfte daher gerechtfertigt erscheinen, wenn ich folgenden 
Fall, den ich in meiner Praxis zu beobachten Gelegenheit hatte, 
und der Gegenstand einer gerichtlichen Untersuchung wurde, der 
Oeflfentlichkeit übergebe. Der Obduktionsbericht lautete, wie 
folgt: 

I. Geschichtserzählung. 

Am 12. Juli 188 . . wurde der 36 Jahre alte Schuhmacher¬ 
geselle August Frömmrich aus Liebenthal i./Schl. wegen 
Betteins und Landstreichens verhaftet und am Nachmittage des¬ 
selben Tages gegen 4 Uhr dem hiesigen Gerichts-Gefängniss 
überliefert. Wie die Zeugen einstimmig bekunden, befand sich 
der Genannte bei seiner Einlieferung in betrunkenem Zustande, 
doch herrschen über den Grad der Trunkenheit bei den einzelnen 
Zeugen verschiedene Ansichten. Der Hülfsgefangen-Aufseher C., 
der die Aufnahme des Fr. zu bewirken hatte, sagt in dieser Be¬ 
ziehung (p. 7 v.) aus, dass der letztere „sichtlich betrunken ge¬ 
wesen, hin- und hergeschwankt und äusserst stark nach Schnaps 
gerochen habe, bei der Aufnahme seiner Personalien an der in 
dem Inspectionszimmer befindlichen Barriere sich habe festhalten 
müssen und dass ihm verständliches Sprechen schwer geworden 
sei.“ Bei seiner zweiten Vernehmung vor Gericht (p. 75 v.) 
spricht, derselbe C. jedoch von einem „offenbar etwas ange¬ 
trunkenen Menschen“ und erklärt ausdrücklich, dass der Fr. 
wohl den Eindruck eines „angetrunkenen, nicht aber den 
eines schwer betrunkenen Menschen gemacht habe.“ Der 
Gefangenen-Aufseher G. erklärt (p. 92 v.), dass Fr. offenbar an¬ 
getrunken, aber nicht betrunken gewesen; der Calfactor K. 
sagt (p. 97 v.) aus: „Fr. war wohl angetrunken, aber nicht sehr 
stark, er sprach ganz vernünftig und konnte auch ohne Hülfe sich 
fortbewegen.“ Der Zeuge H. endlich, der die Personalien des 
Fr. im Gefängniss aufzunehmen hatte, behauptet (p. 124 v.), der 
letztere sei „stark angetrunken, jedoch nicht sinnlos betrunken 



Acute Schwefelkohlenstoff-Vergiftung mit tödtlichem Ausgange. 22S 


gewesen“, da er auf die an ihn gerichteten Fragen richtige Ant¬ 
worten gegeben habe und die Treppe ohne Hülfe heruntergegan¬ 
gen sei. — Nachdem Fr. seine Personalien angegeben, wurde er, 
da seine Kleider voll Ungeziefer waren, von dem Hülfsgefangenen- 
Aufseher C. und dem Calfactor K. in die im Kellergeschoss be¬ 
findliche Reinigungszelle gebracht, in der er sich zunächst auf 
einen Schemel niederliess. In dieser Zelle befand sich ausser der 
Badewanne der zum Reinigen der Kleider bestimmte Apparat, 
der im Wesentlichen aus einem Blechkasten besteht, auf dessen 
Boden sich eine Filzschicht befindet, die wieder von dem oberen, 
leeren Raume des Apparates durch eine durchlöcherte Blechplatte 
abgesondert ist. Soll dieser Apparat in Funktion gesetzt werden, 
so wird Schwefelkohlenstoff, eine sehr übelriechende und schnell 
verdunstende Flüssigkeit, auf die Filzschicht gegossen. Die sich 
nun rasch entwickelnden Schwefelkohlenstoff-Dämpfe dringen durch 
die durchlöcherte Blechplatte in den oberen Raum des Apparates, 
in den inzwischen die zu reinigenden Kleider gethan wurden, 
und vernichten in kurzer Zeit alles Ungeziefer. Zur Vermeidung 
des Entweichens der Schwefelkohlenstoff-Dünste taucht der Deckel 
des Apparates beim Verschliesen des letzteren in eine isolirende 
Wasserschicht. — 

Während nun das Wasser zum Bade des Fr. in der Küche 
gewärmt wurde, geriethen C. und G., welche inzwischen die mit 
Schwefelkohlenstoff gefüllte Flasche aus dem Vorrathsschrank 
entnommen hatten, darüber in Streit, wer von ihnen die Reini¬ 
gung des Gefangenen vorzunehmen hätte, und da sie sich nicht 
einigen konnten und der hinzugekommene Assistent Fl. ihnen 
hierin auch keinen Rath ertheilen konnte, so ging der Hülfs- 
gefangenen - Aufseher C., um sich Information zu holen, nach 
dem Gericht, während der Assistent Fl. mit dem Calfactor K. 
sich in die Küche begab. Wo G. blieb und was mit der Schwe¬ 
felkohlenstoffflasche gemacht wurde, ist aus den Akten mit Sicher¬ 
heit nicht zu ersehen, da die Aussagen der Zeugen Fl., K., G.. 
und C. in dieser Beziehung auseinander gehen. Nur scheint fest¬ 
zustehen, dass der Fr. in der Zelle ohne Aufsicht blieb, dass 
später ein erheblicher Theil des Schwefelkohlenstoffs aus der 
Flasche fehlte und dass statt dessen Wasser in die Flasche ge¬ 
gossen war. — 

Als C. vom Gericht zurückkehrte — es waren inzwischen 
nach K.’s Angabe (pag. 98) etwa 25 Minuten verflossen — gingen 
C. und K. wieder in die Reinigungszelle, wo sie den Fr. an der 
Erde liegend und in einem sonderbaren Zustande vorfanden. K. 
sagt hierüber (pag. 19): „ich hielt den Fr. zuerst für betrunken, 
muss aber bemerken, dass ich bei meinem Eintritt sofort einen 
intensiven Schwefelgeruch wahrgenommen habe“, und (pag. 19 v.): 
„bei meinem zweiten Eintreten in den Reinigungsraum war er 
(Fr.) ganz hülflos, er konnte weder recht gehen noch stehen und 
sprach kein Wort, nur einzelne unverständliche Laute brachte 
er heraus.“ C. erklärte (p. 15): „Fr. befand sich noch in der¬ 
selben Stellung, wie ich ihn verlassen hatte; nur schien sich sein 



224 


Dr. Jaenicke. 


Zustand verschlimmert zu haben, wie ich aus seinem Stöhnen zu 
schliessen glaubte“, und (pag. 76): „ich bemerkte sofort bei 
meinem Eintritt in die Zelle einen vorher von mir nicht wahr¬ 
genommenen unangenehmen Geruch“, sowie (p. 76 v.): „es fiel 
ferner uns beiden (C. und K.) auf, dass Fr. sich inzwischen zu 
seinem Nachtheil verändert hatte und augenscheinlich viel krän¬ 
ker und leidender war, als vorher. K. wollte ihn auch, wie er 
mir mittheilte, als er vor mir in die Zelle getreten, auf dem 
Boden liegend gefunden und nur mit Mühe aufgerichtet haben.“ 
Am ausführlichsten aber schildert der Assistent FL den Zustand 
des Fr. mit den Worten (pag. 80 v.): „wie wir (Fl., K. und C.) 
eintraten, lag Fr., vom Schemel heruntergefallen, am Boden; er 
war gar nicht mehr im Stande, bei seiner Auskleidung irgend¬ 
wie behülflich zu sein, er reagirte auf Ansprechen des K. in 
keiner Weise mehr, sondern brummte nur noch unverständlich; 
er war fast vollständig bewegungslos geworden und beispielsweise, 
wie er in’s Bad gebracht werden sollte, nicht in der Lage, seine 
Beine hochzuheben, er musste vielmehr förmlich in das Bad gleich 
einem regungslosen Körper hineingelegt werden.“ — 

Um diese Zeit bemerkten auch G. und dessen Ehefrau auf 
dem Flur vor der Reinigungszelle einen intensiven Geruch nach 
Schwefelkohlenstoff (pag. 73 und 94). Auf welche Weise dieser 
sich entwickelt hatte, ist aus den Zeugenaussagen mit Sicherheit 
nicht zu entnehmen. Es wird in den Akten nur die Vermu- 
thung ausgesprochen, dass Fr. möglicherweise von dem Schwefel¬ 
kohlenstoff getrunken und das Deficit durch Zusatz von Wasser 
ersetzt haben und dass der Geruch in der Badezelle und auf 
dem Flure alsdann von den Ausathmungen des Fr. hergerührt 
haben könne. Es ist aber unseres Erachtens nicht einmal mit 
Sicherheit erwiesen, dass die Schwefelkohlenstoff-Flasche während 
der Zeit, als Fr. allein in der Zelle war, in der letzteren wirk¬ 
lich gestanden hat. Der Assistent Fl. und der Calfactor K. haben 
sie, obwohl sie längere Zeit sich in der Zelle aufhielten, nicht 
gesehen (p. 18 v., 19, 80 v„ 98 und 98 v.). 

Nachdem Fr. in’s Bad gebracht war, ging C. zur Apotheke, 
um neuen Schwefelkohlenstoff (in einer anderen Flasche) zu holen. 
Als er nach etwa 1 / t Stunde zurückkehrte, sass Fr. noch entklei¬ 
det in der Badewanne (p. 8 v.) „fast bewegungslos, hin und 
wieder stöhnend.“ Während des Aufhaltens im Bade „schlief er 
mit offenen Augen und erschien vollständig geistesabwesend. 
Er war wie gelähmt und konnte kein Glied am Körper rühren.“ 
Sein Athem roch stark nach Schwefelkohlenstoff. Da er „fast 
leblos“ erschien und „sich gar nicht selbst behelfen konnte“, 
holte nun C. noch einen Gefangenen herzu und trug mit diesem 
und dem K. den nur mit einem Hemde bekleideten Fr. nach einer 
Detentionszelle, wo letzterer auf einen Strohsack niedergelegt 
wurde. Das war etwa um 5 1 /, Uhr. Der Zustand des Kranken 
verschlechterte sich jedoch von Minute zu Minute. Er schlief 
ununterbrochen, athmete schwer, wurde gegen 7 Uhr sichtlich 
bleicher und zeigte einige Erschütterungen in der Brust (p. 9), 



Acute Schwefolkohleostoff-Vergiftung mit tödtlichem Ausgange. 225 


Hein Athem roch jetzt noch intensiver nach Schwefelkohlenstoff. 
Die Folge dieser Verschlimmerung des Zustandes wurde in Ab¬ 
wesenheit des Gefängnissarztes der mitunterzeichnete Dr. J. her¬ 
beigeholt. Derselbe fand den Fr. (pag. 55 und 71) auf einer 
Pritsche und zwar auf dem Rücken liegend, mit einem Hemde 
bekleidet und mit einer wollenen Decke zugedeckt. Beim Be¬ 
treten der Detentionszelle fiel sofort ein eigenthümlicher, wider¬ 
licher Geruch nach Schwefelkohlenstoff auf, der, wie eine genaue 
Untersuchung ergab, hauptsächlich von der Ausathmungsluft des 
Fr. herstammte. Auf Befragen erklärte C., dass der Geruch der¬ 
selbe sei, der in der Reinigungszelle herrsche und dass er von 
dem in der letzteren verbrauchten Schwefelkohlenstoff her¬ 
rühre. — Die Erscheinungen, welche Fr. darbot, waren nun fol¬ 
gende: Er lag gänzlich bewusstlos mit geschlossenen Augen und 
vollständig unbeweglich auf dem Rücken, seine Gesichtsfarbe war 
sehr blass, seine Glieder erschienen schlaff und fielen, wenn man 
sie aufhob und dann losslies, wie leblos herunter. Ueber dem 
ganzen Körper bestand eine vollständige Empfindungs- und 
Schmerzlosigkeit, wie sich dadurch zeigte, dass sowohl beim 
oberflächlichen, wie bei tiefem Einstechen mit einer Nadel in die 
Haut der verschiedensten Körpertheile keine Schmerzäusserung 
erfolgte. Die Reflexerregbarkeit war vollständig erloschen; denn 
es traten bei den erwähnten Versuchen mit der Nadel und beim 
starken kneifen der Haut nicht die geringsten Bewegungen ein 
und bei Berührung der Hornhaut des Auges mit dem Finger er¬ 
folgte kein Zucken der Augenlider. Die Pupillen waren starr, 
etwas mehr als mittelweit, an beiden Augen gleich gross und 
reagirten nicht im mindesten auf Lichteinfall. Der Athem war 
beschleunigt und schnarchend, jedoch vollständig regelmässig und 
auch gleichmässig, der Puls ebenfalls etwas beschleunigt, jedoch 
kräftig und nicht aussetzend. — Da der Zustand des Kranken 
zunächst zu keiner Besorgniss Veranlassung gab, so wurde nur 
für frische Luft und gute Lagerung desselben Sorge getragen 
und angeordnet, dass jede Veränderung des Zustandes sofort ge¬ 
meldet werden müsste. Darauf begab sich der mitunterzeichnete 
Dr. J. mit C. und dem Gerichtssekretär P. in die im Keller be¬ 
findliche Reinigungszelle, in der ein so penetranter Geruch nach 
Schwefelkohlenstoff herrschte, dass ein längeres Athmen in der¬ 
selben unmöglich gewesen wäre und dass der Sekretär P. die Zelle 
deshalb sofort verlassen musste. Auf die Frage, ob Fr. sich in 
dieser Luft längere Zeit aufgehalten habe, gab C. eine bejahende 
Antwort und setzte hinzu: es kann wohl eine halbe Stunde und 
darüber gewesen sein. Auf die weitere Frage, ob er und der 
Calfactor K. es denn in der Reinigungszelle beim Baden des Fr. 
hätten aushalten können, erwiderte C., sie hätten des starken 
Geruches wegen abwechselnd die Zelle verlassen müssen, um 
frische Luft zu schöpfen. (Die später pag. 77 von C. aufgestellte 
Behauptung, das abwechselnde Hinausgehen sei erst erfolgt, nachdem 
Fr. in die Detentionszelle gebracht war und hier unter Anleitung 
des Sanitätsrathes Dr. Dz. künstliche Athembewegungen gemacht 



226 


Dr. Jaenecke. 


wurden, muss schon deshalb als unrichtig zurückgewiesen werden, 
weil C. die obige Bemerkung zu dem Dr. J. schon um 8 Uhr 
Abends machte, während Herr Sanitätsrath Dr. Dz. erst gegen 
9 Uhr im Gefängniss erschien und erst nach 9 Uhr die künst¬ 
lichen Athembewegungen vornehmen liess). Der Dr. J. machte 
darauf dem C. noch Vorwürfe, wegen seines Verhaltens und 
sprach Herrn Sekretär P. gegenüber seine Verwunderung darüber 
aus, dass der Reinigungsapparat sich in demselben Raume be¬ 
fände, in dem die Gefangenen gebadet würden. — 

Als gegen S l j 2 Uhr das Befinden des Fr. sich wieder ver¬ 
schlechterte, holte C. den Gefängnissarzt Sanitätsrath Dr. Dz. 
herbei, der Folgendes constatirte (pag. 69 v.): „Fr. lag regungs¬ 
los und, wie eine mittelst eines Lichtes an den Pupillen ange- 
steUte Untersuchung ergab (?), bereits fühllos: ebenso war der 
Puls nicht oder nur sehr schwach zu bemerken.“ Es wurden so¬ 
fort künstliche Athembewegungen ausgeführt, wobei ganz beson¬ 
ders jener widerliche Geruch nach Schwefelkohlenstoff bemerkt 
wurde, sowie Reibungen des ganzen Körpers vorgenommen und 
Einspritzungen von Aether gemacht (p. 9). Der Kranke schien 
sich hiernach zu erholen, Puls und Athem besserten sich, er 
sprach jedoch zunächst kein Wort. Nach einiger Zeit (etwa 3 
Stunden p. 9) antwortete er auf die Frage des K., ob er trinken 
wolle, mit „ja“, worauf er schluckweise Wasser trank. „Gegen 
Morgen trat eine weitere Besserung des Zustandes ein, es schien 
ihm zeitweise das Bewusstsein zurückzukehren und er stiess her¬ 
vor, dass er Herz- und Kopfschmerzen hätte. Gleich darauf 
wurde er aber wieder wie bewusstlos.“ Um 4 Uhr Morgens 
machte er dem C. durch Zeichen verständlich, dass er zu trinken 
wünsche; gegen 6 Uhr verschlechterte sich sein Aussehen wieder; 
gegen 7 Uhr ging C. nochmals zum Dr. Dz., der Selterswasser 
und eine Medicin verschrieb. Als er zurückkehrte, „war Fr. 
sichtlich schlechter geworden, trank aber noch etwas von dem 
Selterswasser. Mit Ausnahme des Wortes: „Trinken“ sprach er 
auch jetzt nichts, er wies öfter auf die Magengegend hin, als 
müsse er Schmerzen haben.“ Gegen 8*/, Uhr Morgens starb er 
ohne jeglichen Todeskampf. — 

Von Wichtigkeit sind bezüglich des Verhaltens des Fr. wäh¬ 
rend der Nacht vom 12. zum 13. Juli noch die Aussagen des 
Strafgefangenen B. und des Calfactors K. Ersterer giebt (pag. 
86) an: Gegen l 1 /, Uhr Nachts schlug Fr. zum ersten Male die 
Augen auf. Um 3*/, Uhr fing er zuerst zu sprechen oder zu¬ 
nächst zu stammeln an. Nach und nach wurde ihm offenbar das 
Sprechen leichter; was er aber sagte, war noch schlecht zu ver¬ 
stehen. Gegen 5 */ 2 Uhr sagte er, dass er Kopfschmerzen und 
Herzschmerzen habe, wobei er die Hand gegen die Herzgegend 
hielt. Er äusserte dabei auch ferner: „„Ich habe mir verbrannt, 
ich habe nicht Bescheid gewusst.““ Diese Worte wiederholte er 
mehrere Male. Auf die Frage, was die Worte bedeuten sollten, 
antwortete er nicht, da sich sein Zustand gleich wieder verschlech¬ 
terte. Er hörte überhaupt auf, deutlich zu sprechen und phan- 



Acut« Schwefelkohlenstoff'-Vergütung mit tödtlichem Ausgange. 227 

tasirte nur noch in unverständlichen Worten und Lauten.“ Der 
Calfactor K., der fast die ganze Nacht bei Fr. gewacht hatte, 
sagt (p. 90) aus: „Fr. war sehr schwach und sprach kein Wort, 
er konnte offenbar nicht; mehrmals sprach er zwar einige Worte, 
aber so undeutlich, dass ich sie nicht recht verstehen konnte; 
nur einmal sprach er ziemlich deutlich die Worte: „„Das Herz 
schmerzt mich so und der Kopf.““ Ausserdem glaubte ich auch 
einmal die Worte zu hören: „ „ich habe mich verbrannt und habe 
es nicht gewusst.““ Ob ich aber richtig verstanden, kann ich 
nicht sagen.“- 

Bei der am Todestage (13. Juli) vorgenommenen Besichti¬ 
gung des Leichnams durch den Richter wurde constatirt, dass be¬ 
reits in den Armen die Todtenstarre eingetreten und dass eine 
erhebliche Menge Kothes aus dem After geflossen war. — 

Der Gefängniss-Arzt Dr. Dz. stellte hierauf am 13. Juli ein 
Attest aus, wonach der Fr. an einer acuten Alkoholvergiftung 
gestorben (p. 5), modificirte aber noch an demselben Tage in einem 
zweiten Attest sein Gutachten dahin (p. 11), dass nicht allein ein 
übermässiger Alkoholgenuss, sondern zum nicht unwesentlichen 
Theile auch die Einathmungen von Schwefelkohlenwasserstoff 
(soll wohl heissen: Schwefelkohlenstoff!) an dem durch Herzläh¬ 
mung erfolgten Tode des Fr. schuld gewesen wären. Als Ur¬ 
sache dieser Meinungsänderung giebt er bei seiner gerichtlichen 
Vernehmung vom 25. Oktober (p. 70 v.) hauptsächlich an, dass 
verschiedene Krankheitserscheinungen des Fr. mit einer reinen 
Alkoholvergiftung gar nicht vereinbar gewesen seien, wie bei¬ 
spielsweise seine bleiche Farbe und Blutarmuth an der Ober¬ 
fläche des Körpers, die vollständige Gefühllosigkeit und vor 
Allem das vollständige Fehlen jeder Art von Congestion nach 
dem Kopfe, welche letztere bei schwerer Betrunkenkheit stets her¬ 
vorzutreten pflegte. Während Herr Dr. Dz. aber am 25. Oktober 
erklärt, dass der Tod des Fr. nicht durch Trinken, sondern nur 
durch Einathmen von Schwefelkohlenstoff erfolgt sein konnte, 
weil bei der Obduktion keine erhebliche Entzündung des Magens 
und Schlundes zu constatiren gewesen und der specifische Geruch 
des Schwefelkohlenstoffs im Magen gefehlt habe, ändert er dies 
Gutachten, hauptsächlich mit Rücksicht auf später zu erwähnende 
Versuche des Apothekers A. und auf die Angaben und Vermu¬ 
thungen der Zeugen P., FL, C., B. und K. am 4. Novbr. (p. 95) 
dahin ab, dass die Vergiftung nicht durch Einathmen, son¬ 
dern durch Trinken des Schwefelkohlenstoffs erfolgt sei.- 

Auf Veranlassung der Königl. Staatsanwaltschaft zu Pr. 
wurde nunmehr am 16. Juli die gerichtliche Obduktion der 
Leiche vorgenommen, die folgende, für die Beurtheilung des 
Falles wichtigen Punkte ergab (p. 23 u. f.): 

1) Die Leiche des etwa 40jährigen Mannes ist von kräfti¬ 
gem Knochenbau, gut entwickelter Muskulatur und mitt¬ 
lerem Fettpolster. 

2) Die Farbe ist im Allgemeinen schmutzig-hellgrün, an 
den Seitentheilen der Brust und des Bauches, sowie an 



228 


Dr. Jaenicke. 


den abhängigen Partieen der Arme schmutzig-rothbraun; 
im Gesicht, am Halse und am Rücken schmutzig-dunkel¬ 
grün. Am ganzen Körper finden sich zahlreiche, dunkel¬ 
grüne, baumförmig verzweigte Streifen. Die Oberhaut 
ist zum Theil in zahlreichen grossen Fetzen von der 
Haut abgelöst, zum Theil durch mit Wasser gefüllte 
Blasen abgehoben. Auf Einschnitten in die dunkelbraun 
und dunkelgrün gefärbten Partieen erscheint das Gewebe 
blass und es ergiesst sich nur aus den durchschnittenen 
Hautvenen etwas dunkles, flüssiges Blut. Der ganze 
Körper ist unförmlich angeschwollen, die Haut knistert 
überall auf Fingerdruck. 

3) Die aussenfläche des Magens ist glatt und glänzend, von 
theils röthlich-gelber, theils schmutzig-grünlich-gelber 
Farbe; Gefässe lassen sich an ihr nicht erkennen. Die 
Schleimhaut des Magens ^erscheint, nachdem sie mit reinem 
Wasser abgespült ist, vollständig unverletzt, von theils 
gelblich-grauer, theils, namentlich an den hinteren Par¬ 
tieen, grünlich - grauer Farbe. Gefässe sind an ihr nir¬ 
gends mit Deutlichkeit zu erkennen. Die Schleimhaut 
des Magens ist nicht verdickt und nur wenig gerunzelt. 

45) Die Speiseröhre wird nahe am Halse unterbunden, dicht 
über der Ligatur durchgeschnitten und herausgenommen. 
Sie erscheint an ihrer Aussenfläche unverletzt, von braun- 
rother Farbe. Aufgeschnitten ist sie vollständig leer. 
Ihre Schleimhaut ist zart, unverletzt, von röthlich-grauer 
Farbe, ohne erkennbare Gefässe. 

49) Der Schlund ist frei von fremden Körpern; seine Schleim¬ 
haut sowie die des Gaumens ist zart, von schmutzig- 
graurother Farbe, ohne erkennbare Gefässe. — 

Nach Beendigung der Obduktion gaben die Unterzeichneten 
ihr vorläufiges Gutachten dahin ab, dass die Obduktion die 
Todesursache nicht ergeben habe. Auf die Frage des Richters, 
ob der Tod des Obducirten durch eine Vergiftung vermittelst 
eingeathmeten oder genossenen Schwefelkohlenstoffs erfolgt sein 
könnte, gaben die Unterzeichneten, und zwar, wie hier gleich 
hervorgehoben werden soll, hauptsächlich mit Rücksicht auf die 
vorher an dem Fr. bei Lebzeiten desselben constatirten Krank¬ 
heitserscheinungen, sowie die übrigen schon bekannten Umstände 
des Falles, diese Möglichkeit bezüglich der Einathmung von 
Schwefelkohlenstoff zu, behielten sich aber ein definitives Gut¬ 
achten bis nach Ausführung der chemischen Untersuchung der 
asservirten Leichentheile vor. Letztere wurden alsdann dem 
gerichtlichen Chemiker Herrn Dr. B. zu Berlin übersandt, der 
unter dem 21. August (p. 33) in einem längern Gutachten aus¬ 
führte, dass sich weder Alkohol noch Schwefelkohlenstoff in den 
asservirten Leichentheilen gefunden habe, dass aber das Nicht- 
auffinden von Schwefelkohlenstoff ebenso wenig gegen die Mög¬ 
lichkeit einer Schwefelkohlenstoff-Vergiftung spreche, wie das 
Nichtauffinden von Alkohol als Beweis gegen das vormalige Vor- 



Acute Schwefelkohlenstoff-Vergiftung mit tödtlichem Ausgange. 229 


liegen von Alkohol in den Organen anznsehen sei (pag. 36), da 
sowolil Schwefelkohlenstoff wie Alkohol sich sehr leicht zer¬ 
setzten und verflüchtigten. Auch Phosphor, Cyan, Arsen, me¬ 
tallische Gifte und Pflanzen - Alkoloide fanden sich in den 
Leichentheilen nicht vor. Dr. B. kommt dann zu dem Schlüsse: 
„Es dürfte somit der negative Ausfall der Untersuchung auch in 
Bezug auf Metallgifte und Alkoloide als unterstützendes Moment 
dafür dienen, dass ein sehr flüchtiges und zersetzbares, aus dem 
Körper sich schnell ausscheidendes Gift den Tod des Fr. veran¬ 
lasst habe.“ Dem Wunsche des Herrn Dr. B., den dem Gefan- 
genen-Aufseher G. abgenommenen Schwefelkohlenstoff auf eine 
eventuelle Verunreinigung durch Schwefelwasserstoff unter¬ 
suchen zu lassen, wurde seitens des Gerichts nachgekommen und 
ergab die von Herrn Apotheker A. hierselbst vorgenommene 
Untersuchung, das der Inhalt der G.’schen Flasche zu ft / 6 aus 
Schwefelkohlenstoff, zu V« aus reinem Wasser bestand und dass 
der Schwefelkohlenstoff frei von Schwefelwasserstoff war. — 

Auf Veranlassung des Königl. Amtsgerichts hierselbst wurden 
sodann durch den Apotheker A. am 3. und 4. Novbr. noch fol¬ 
gende Experimente angestellt (p. 91): 

1) Es wurde in einem verschlossenem Baume eine offene 
Porzellanschale mit 100 Gr. Schwefelkohlenstoff aufgestellt und 
unberührt 7 Stunden lang stehen gelassen. Nach Ablauf dieser 
Zeit waren 65 Gr. Schwefelkohlenstoff verdunstet, dass Zimmer war 
mit einem unangenehmen Geruch nach Schwefelkohlenstoff erfüllt, 
dieser Dunst übte aber auf Herrn A. nach einem 5 Minuten lan¬ 
gem Einathmen „keine das gesundheitliche Wohlbefinden wirk¬ 
lich beeinträchtigte Störung“ aus. Hieraus schliesst Herr A., 
dass aus einer enghalsigen, nicht verschlossenen Flasche von 
etwa 400—500 Gr. Inhalt im Zeitraum von ®/ 4 Stunden unter 
sonst gleichen Verhältnissen höchstens 20 Gr. Schwefelkohlenstoff 
verdunsten werden und dass die Wirkung, die eine so schwache 
Dunstentwicklung auf den Gesundheitszustand eines Menschen 
äussem könne, nur eine sehr geringe sein werde. — 

2) In demselben verschlossenen Baume wurden 4 grosse 
offene Schalen aufgestellt, deren Boden und Seitenwände vorher 
mit Werg ausgelegt waren. Auf diese Wergmasse wurden als¬ 
dann 500 Gr. Schwefelkohlenstoff gegossen. Nach */ 4 ständigem 
Aufenthalt in diesem Baume waren die Wirkungen der Ausdün¬ 
stung auf den gesundheitlichen Zustand des Herrn A. erheb¬ 
licher, als im ersten Versuche; er bekam einen benommenen Kopf, 
der Geruch des Schwefelkohlenstoffe wirkte viel unangenehmer 
auf das Geruchsorgan und war viel intensiver, er haftete noch 
einige Stunden lang an den Kleidern. Beim Verlassen des Bau¬ 
mes verschwand die Benommenheit ziemlich rasch. — 

3) Beim Untersuchen des Inhalts der G.’schen Flasche ver¬ 
spürte Herr A., der zu dieser chemischen Untersuchung einen 
grossen Theil des Tages verbraucht und dabei wiederholt direct 
in die warmen, aufsteigenden Schwefelkohlenstoff-Dämpfe gerochen 


*♦« 



230 


Dr. Jaenicke. 


hatte, eine erhebliche Benommenheit des Kopfes, es war ihm so 
zu Muthe, als ob er eine allzuschwere Cigarre geraucht hätte. — 

Schliesslich wurde auf Ersuchen der Unterzeichneten am 2. 
Mai des folgenden Jahres noch folgender Versuch ausgeführt 
(p. 131). Der im Gef&ngniss befindliche Reinigungsapparat wurde 
in die Zelle getragen, in der Fr. gebadet worden, die Filzschicht 
wurde mit 275 Gr. reinem Schwefelkohlenstoff“ (etwa ebensoviel 
als in der G.’schen Flasche gefehlt hatte) besprengt, der Apparat 
alsdann verschlossen und stehen gelassen, nachdem die isolirende 
Wasserschicht vorher beseitigt worden war. Als sich nach Ver¬ 
lauf einer Stunde, während welcher die Zelle nicht geöffnet wor¬ 
den war, der Richter, der Protokollführer, die Gefangenen - Auf¬ 
seher G. und R. und der mitunterzeichnete Kreis-Physikus wie¬ 
der in die Zelle begaben, bemerkten sie in derselben einen zwar 
nicht sehr intensiven, aber deutlichen Geruch nach Schwefel¬ 
kohlenstoff, der vorher dort nicht wahrgenommen wurde. Nach 
Verweilen von 5 Minuten verspürte der Richter eine gewisse Be¬ 
nommenheit des Kopfes, der R. Uebelkeit und Benommenheit im 
Kopfe, der G. Kopfschmerzen und Schwere in den Beinen, Dr. J. 
Benommenheit im Kopfe, etwas Uebelkeit und Schwere in den 
Beinen. Nach Verlauf von abermals einer Stunde und 25 Min. 
war der Geruch nach Schwefelkohlenstoff in der Zelle stärker, 
aber lange nicht so intensiv, wie am 12. Juli Abends, als der 
Unterzeichnete Kreis-Physikus die Zelle betrat. Nachdem sich 
der Richter und der Dr. J. jetzt 15 Minuten in der Zelle aufge¬ 
halten, verspürten beide starkes Herzklopfen, beschleunigten, un¬ 
regelmässigen, zuweilen aussetzenden Puls (der Richter 80, Dr. J. 
100 p. m. bei wiederholten Zählen und ruhigem Sitzen), Benom¬ 
menheit und Schwindel im Kopfe, Schwere in den Gliedern, Dr. 
J. ausserdem einen Druck in der Herzgegend und leichte Uebel¬ 
keit mit der Neigung zum Erbrechen. Als hierauf der Deckel 
von dem Reinigungsapparat abgehoben wurde, entströmte dem 
letzteren ein höchst penetranter, betäubender Schwefelkohlenstoff¬ 
geruch, der die Anwesenden zum schleunigen Verlassen der Zelle 
nöthigte. — 

H. Gutachten. 

Die eigenthümlichen und so plötzlich auftretenden Krankeits- 
erscheinungen, welche dem Tode des vorher gesunden, kräftig 
gebauten (Nr. 1 des O.-P.) und erst 36 Jahre alten Fr. voraus¬ 
gingen, mussten von vornherein den Gedanken an eine stattge¬ 
habte Vergiftung nahelegen. Dass diese letztere lediglich eine 
Folge übermässigen Alkoholgenusses gewesen, war nicht anzu¬ 
nehmen; denn einmal scheint der Fr. nach der Aussage der mei¬ 
sten Zeugen bei seiner Einlieferung in das Gefängniss nicht sinn¬ 
los betrunken, sondern nur mässig berauscht gewesen zu sein und 
anderseits entspricht der Symptomencomplex, den der Genannte 
vor seinem Tode darbot, keineswegs dem durch übermässigen 
Alkoholgenuss hervorgerufenen Krankheitsbilde, wie auch Herr 
Sanitätsrath Dr. Dz., der anfänglich die Diagnose auf acute Al- 



Acute Schwefelkohlenstoff-Vergiftung mit tödtlichem Ausgange. 231 


koholvergiftung gestellt, diese Diagnose aber noch an demselben 
Tage verworfen hatte, sehr richtig hervorhebt. Dagegen musste 
der Umstand, dass der Athem des Fr. vor dessen Tode stark 
nach Schwefelkohlenstoff roch und dass in der Reinigungszelle, 
in der Fr. sich längere Zeit aufgehalten, ebenfalls ein sehr inten¬ 
siver Geruch nach Schwefelkohlenstoff bemerkt wurde, eine Ver¬ 
giftung durch letztgenannten Stoff wahrscheinlich machen. Die 
Obduktion hat nun allerdings nichts ergeben, wa9 für eine solche 
Vergiftung sprechen könnte und auch die chemische Untersuchung 
der asservirten Leichentheile führte zu einem negativen Resultat; 
jedoch können diese beiden Momente im vorliegenden Falle 
keineswegs für massgebend angesehen werden. Denn einerseits 
war die Verwesung der Leiche bei der Obduktion in Folge der 
grossen Julihitze bereits so weit vorgeschritten (No. 2. der O.-P.), 
dass die eigentliche Todesursache mit einiger Sicherheit über¬ 
haupt nicht mehr aufgefunden werden konnte, und anderseits ist 
der Schwefelkohlenstoff, wie auch der Chemiker Herr Dr. B. an- 
giebt, ein so flüchtiger und leicht zersetzlicher Körper, dass er, 
selbst wenn er vorher in grösserer Menge im Körper des Obdu- 
cirten vorhanden gewesen wäre, zur Zeit der chemischen Unter¬ 
suchung (d. h. 4—5 Wochen nach dem Tode!) längst verschwunden 
sein musste.) Aber obwohl somit weder die Obduktion noch die 
chemische Untersuchung in diesem Falle Aufklärung verschaffen 
konnte, glauben wir dennoch mit Sicherheit behaupten zu können, 
dass Fr. an einer Schwefelkohlenstoff-Vergiftung gestorben ist. 
Hierfür sprechen ausser dem bereits oben erwähnten Umstande, 
dass der Athem des Genannten stark nach Schwefelkohlenstoff 
roch und dass die Luft in dem Reinigungsraume intensiv mit 
Schwefelkohlenstoff-Dünsten geschwängert war, hauptsächlich die 
Symptome, die an dem Fr. vor seinem Tode wahrgenommen wur¬ 
den. Diese stimmen nämlich in allen wesentlichen Punkten genau 
mit dem durch eine acute Schwefelkohlenstoff-Vergiftung erzeug¬ 
ten Krankheitsbilde überein und dieses letztere wiederum ist so 
charakteristisch, dass es in seiner Gesammtheit durch kein an¬ 
deres Gift hervorgerufen werden kann. 

Eine Schwefelkohlenstoff-Vergiftung kann nun in zweifacher 
Weise herbeigeführt werden: l) durch Einathmung der Schwe¬ 
felkohlenstoff-Dämpfe und 2) durch innerlichen Genuss des flüssi¬ 
gen Schwefelkohlenstoffes. Es entsteht daher hier die Frage, auf 
welche Weise der Tod des Fr. herbeigeführt wurde, eine Frage, 
auf deren Beantwortung richterlicherseits ein grosses Gewicht 
gelegt zu werden scheint. Da nun acute und tödlich verlaufene 
Vergiftungen durch Schwefelkohlenstoff bisher sehr selten be¬ 
obachtet wurden, so hat sich der mitunterzeichnete Kreis-Physi- 
kus der Mühe unterzogen, die Literatur über diesen Gegenstand, 
soweit sie ihn durch die Gefälligkeit des Herrn Prof. Dr. Lieb¬ 
reich zu Berlin zugänglich gemacht werden konnte*), genau zu 

*) Ausnahmsweise, der Seltenheit des Falles wegen, sei die Literatur hier 
angeführt: Sapelier: 1) Etüde sur le sulfure de carbone. Le Mana 1885 ; 2) 
A. N. Douglas: Med. Times and Gazette of 1878 (vol. II. p. 360); 3) The 



232 


Dr. Jaenicke. 


studiren, und theils auf Grund dieser Information, theils mit Rück¬ 
sicht auf die näheren Umstände des Falles sind die Unterzeich¬ 
neten zu der Ueberzeugung gelangt, dass Fr. in Folge des Ein- 
athmens von Schwefelkohlenstoffdämpfen gestorben ist. Um diese 
Annahme wahrscheinlich zu machen, muss vorausgeschickt werden, 
dass die Symptome einer Schwefelkohlenstoff-Vergiftung verschie¬ 
dene sind, je nachdem die Vergiftung durch Einathmung oder 
durch innerlichen Genuss des Schwefelkohlenstoffs erfolgte. Wäh¬ 
rend nämlich im letzteren Falle die Erscheinungen von Seiten 
des Magen-Darmkanals in den Vordergrund treten und hauptsäch¬ 
lich in Uebelkeit, Aufstossen, Würgen und Erbrechen, Kollern 
im Leibe, Auftreibung des letzteren, Drang zum Urinlassen, 
Blutpissen, heftigem Brennen im Schlunde und Magen bestehen, 
denen erst in zweiter Reihe die Erscheinungen von Seiten des 
Central-Nervensystems sich anschliessen, werden beim Einathmen 
des Schwefelkohlenstoffs in erster Linie das Central-Nervensystem, 
die Respirations- und Circulationsorgane krankhaft ergriffen; es 
stellen sich Schwindel, Benommenheit und Schmerzen im Kopfe, 
Betäubung, dann Lähmungserscheinungen, Erlöschen der Bewe- 
gungs- und Empfindungsfähigkeit, der Reflexerregbarkeit, tiefe 
Bewusstseinsstörung, beschleunigter Puls und Athem, Herz- und 
Lungenlähmung ein. Verwerthen wir nun diese Erfahrungen für 
den vorliegenden Fall, so muss sofort auffallen, dass bei Fr. 
seitens des Magens und des Darmes nicht die geringsten krank¬ 
haften Erscheinungen auftraten: er hat, obwohl er ein ziemlich 
erhebliches Quantum Schwefelkohlenstoff zu sich genommen haben 
müsste (denn nach G.’s Angabe fehlte in dessen Flasche etwa so 
viel, als gewöhnlich zu einer einmaligen Benutzung des Reini¬ 
gungsapparates gebraucht wurde (p. 132), weder Aufstossen noch 
quälendes Würgen, noch Erbrechen, noch Kollern im Leibe oder 
eine Auftreibung des letzteren gezeigt. Er hat ferner, als er 
auf kurze Zeit zur Besinnung kam, nicht über Brennen im 
Schlunde und Magen, sondern hauptsächlich über Kopf- und 
Herzschmerzen geklagt und dabei die Hand gegen die Herz¬ 
gegend gehalten (Zeuge B. p. 86 v.). Hierzu kommt noch, dass 
bei der Obduktion weder am Schlunde noch in der Speiseröhre 
und im Magen die geringsten krankhaften Veränderungen aufge¬ 
funden wurden (No. 21, 45, 49 d. O.-P), während sonst, wie auch 
zwei von dem Unterzeichneten Kreis-Physikus im Gemeinschaft 
mit Herrn Apotheker A. an Kaninchen angestellte Versuche er¬ 
gaben, mindestens lebhafte Röthung und Injection des Schlundes, 
der Speiseröhre und des Magens beobachtet werden. Diese Er¬ 
scheinungen konnten auch nicht etwa in Folge der Verwesung 


Lanzet 1886 vol. II 4) Bernhard, Berl. klin. Wochenschrift 187t No. 2; 5) 
Husemann, Handbuch der Toxikologie 1862 Berlin; 6) Eulenberg: Die 
Lehre von den schädlichen und giftigen Gasen 1865, Braunschweig; 7) Der¬ 
selbe: Handbuch der Gewerbehygiene, Berlin 1876; 8) Hirt: Gewerbekrank¬ 
heiten in von Ziemsens Handbuch* Band I. Leipzig 1875; 9) Falck: Lehr¬ 
buch der pract. Toxikologie, Stuttgart 1880. — (Nicht zu vergessen ist Le¬ 
wine Toxikologie. Redaktion.) 



Acute Schwefelkohlenstoff-Vergiftung mit tödtlichexn Ausgange. 283 


der Leiche verschwunden oder unkenntlich geworden sein; denn 
wenn die Leiche auch äusserlich (No. 2 d. O.-P.) die Zeichen 
einer weit vorgeschrittenen Verwesung darbot, so waren die 
inneren Organe der Brust- und Bauchhöhle noch verhältniss- 
mässig gut erhalten, so dass eine irgendwie erhebliche Injection 
oder Entzündung von den oben genannten Organen sicherlich 
noch hätte nachgewiesen werden können. Das Einzige, was 
dafür sprechen könnte, dass Fr. den Schwefelkohlenstoff getrun¬ 
ken, sind die Worte, die er nach B.’s Angabe gesprochen haben 
soll: „Ich habe mir verbrannt, ich habe nicht Bescheid gewusst.“ 
Indessen ist auf diese Worte unseres Erachtens kein grosses Ge¬ 
wicht zu legen, um so weniger, als sie eben nur B. gehört haben 
will, während der ebenfalls anwesende K. nur glaubt, sie ein¬ 
mal gehört zu haben, aber ausdrücklich hinzusetzt: „Ob ich aber 
richtig verstanden habe, kann ich nicht sagen. Auch glaube ich, 
dass Fr. ohne Bewusstsein war und nur auf Minuten dasselbe 
zurückkehrte“ (p. 99 v.). Wenn schon aus dieser Differenz der 
Angaben hervorgeht, dass die erwähnten Worte nicht sehr deut¬ 
lich gesprochen sein konnten, so muss für den Sachverständigen 
die Aussage des K. sehr Adel glaubwürdiger erscheinen, als die 
des B. Denn es ist kaum anzunehiqen, dass eiii so schwer und 
meist bewusstlos Kranker, wie Fr., mehrmals „ganz deutlich“ 

kurz hinter einander einen längeren Satz sprechen wird.- 

Ausser diesen mehr wissenschaftlichen Gründen glauben wir 
aber auch andere aus den Akten anführen zu können, welche 
gegen die Annahme sprechen, dass Fr. den Schwefelkohlenstoff 
getrunken habe. Zunächst würde es sich, wenn letztere An¬ 
nahme richtig wäre, gar nicht erklären lassen, woher der inten¬ 
sive Geruch nach Schwefelkohlenstoff stammte, der um 8 Uhr 
Abends, also nach 2 x / 2 Stunden, nachdem Fr. in die Detentions- 
zelie geschafft worden war, von dem Secretär P. und dem Unter¬ 
zeichneten Kreis-Physikus in der Reiniguugszelle wahrgenommen 
wurde. Denn dass dieser Geruch etwa noch von den Ausat¬ 
mungen des Fr. während seines Aufenthaltes in der Zelle hätte 
herrühren können, ist bei der Intensität desselben, bei der Länge 
der Zeit, die inzwischen verflossen war, bei der grossen Flüchtig¬ 
keit der Schwefelkohlenstoff-Dämpfe unter gleichzeitiger Berück¬ 
sichtigung des Umstandes, dass die Thür der Reinigungszelle 
wiederholt offen gestanden hatte und auch um 8 Uhr Abends 
offen stand, undenkbar. Ebensowenig konnte der Geruch etwa 
in Folge einer später, d. h. nach Wegschaffung des Fr. aus der 
Badezelle, stattgehabten Benutzung des Reinigungsapparates sich 
entwickelt haben, da nach der übereinstimmenden Aussäge von 
C. und R. der Apparat bei dieser Gelegenheit mit Hülfe des 
Gefangenen N. (der allein mit dem Apparat umzugehen wusste!) 
vollständig vorschriftsmässig angewandt und namentlich mit 
einer isolirenden Wasserschicht versehen wurde (p. 77 u. 98 v.), 
so dass Jetzt Schwefelkohlenstoff - Dämpfe aus ihm nicht ent¬ 
strömen konnten“, wie C. noch ganz besonders hervorhebt (p. 77). 
Die Annahme des Richters ferner (p. 94), dass Fr. selbst das 



234 


Dr. Comnick. 


Wasser aus der in der Badezelle befindlichen Holzkanne in die 
G.’sche Flasche gegossen haben könnte, nachdem er von dem 
Inhalt getrunken, wird unhaltbar durch die bestimmte Aussage 
des Calfactors K., dass in der Holzkanne gar kein Wasser ge¬ 
wesen, dass letztere sogar inwendig ausgetrocknet war (p. 115 v.), 
dass ferner Wasser aus der Isolirschicht des Reinigungsapparates 
desshalb nicht zugegossen sein konnte, weil letzteres stets 
schmutzig gefärbt gewesen, während das Wasser in der G.’schen 
Flasche ganz rein gewesen sei, und dass sonst überhaupt kein 
Wasser in der Badezelle vorhanden gewesen. Schliesslich darf 
unseres Erachtens nicht übersehen werden, dass aktenmässig nicht 
einmal mit Sicherheit festgestellt worden ist, ob die G.’sche 
Flasche wirklich in der Reinigungszelle gestunden hat. Der 
Assistent Fl. und der Calfactor E. haben sie jedenfalls nicht ge¬ 
sehen, und G. behauptet, dass C. sie in die linke Rocktasche ge¬ 
steckt habe (p. 93). Als C. sie der Frau G. zurückgab, fehlte 
ein merklicher Theil des Inhalts und es war statt dessen 
etwa V« Wasser zugegossen (p. 79). Berücksichtigen wir alle 
diese Momente und erwägen wir ferner, dass es an sich nicht 
sehr wahrscheinlich ist, dass Jemand, selbst in der Trunkenheit 
von einer so stark und übel riechenden, sowie Schmerzen und 
lebhaftes Brennen im Schlunde und im Magen hervorrufenden 
Flüssigkeit ein grösseres Quantum gemessen oder gar nach dem 
Genüsse das Fehlende durch Zusatz von Wasser ersetzen würde, 
so müssen wir zu dem Schlüsse gelangen, dass Fr. den Schwefel¬ 
kohlenstoff nicht getrunken hat. Mit dieser Annahme würde auch 
die positive, dem Unterzeichneten Kreis-Physikus gegenüber ge¬ 
machte Angabe des C. in Einklang stehen, dass der Geruch in 
der Badezelle von dem verbrauchten Schwefelkohlenstoff her¬ 
rührte, dass Fr. sich in diesem Dunste wohl über eine halbe 
Stunde aufgehalten habe und dass er (C.) und E. des starken 
Geruchs wegen abwechselnd aus der Badezelle hätten heraus¬ 
gehen müssen. — 

Es bliebe nunmehr nur noch übrig zu ermitteln, auf welche 
Weise sich die starken Schwefelkohlenstoff-Dämpfe in der Bade¬ 
zelle entwickelt haben konnten. An drei Möglichkeiten wäre 
hier zu denken. 1) Es konnte die G.’sche Flasche offen gestan¬ 
den haben, so dass die Dämpfe aus derselben frei entweichen und 
sich dem Raume der Badezelle mittheilen konnten; 2) es konnte 
diese Flasche umgestossen sein und ein Theil des Inhalts sich 
auf den Fussboden ergossen haben; 3) es konnte Jemand, viel¬ 
leicht in der Absicht, die Eleider des Fr. zu reinigen, einen 
Theil des Inhalts der Flasche auf die Filzschicht des Reini¬ 
gungsapparates gesprengt und aus Unkenntniss unterlassen haben, 
den Rand des Apparates mit Wasser zu füllen und den Deckel 
fest zu schliessen. — Nach den A.’schen Versuchen werden wir 
die beiden ersten Annahmen als unhaltbar zurückweisen müssen, 
weil in beiden Fällen die Gasentwicklung zu gering gewesen 
wäre, um in kurzer Zeit eine so deletäre Wirkung ausüben zu 
können, wie sie bei Fr. eingetreten ist. Auch haben die Zeugen- 



Noch ein Vorschlag zur Durchführung der Anweisung vom 22. Nov. 1888. 235 


Aussagen nichts ergeben, was für die eine oder die andere der 
beiden Annahmen sprechen könnte. Dagegen kann die dritte 
Möglichkeit sehr wohl Vorgelegen haben und sie ist, unseres Er¬ 
achtens, auch allein im Stande, den Vorfall in der Badezelle zu 
erklären. Wie die Versuche von A. ergeben haben, war die Ent¬ 
wicklung von Schwefelkohlenstoff - Dämpfen eine sehr viel inten¬ 
sivere, als der flüssige Schwefelkohlenstoff auf Werg gesprengt 
wurde, und auch bei dem am 2. Mai im Gefängnisse vorgenommenen 
Versuche entströmten dem Reinigungsapparate, als der Deckel 
desselben aufgehoben wurde, höchst intensive Dämpfe. Letztere 
waren entschieden stärker, als die bei den A.’schen Versuchen 
entwickelten, weil die lockere Filzschicht in dem Reinigungs¬ 
apparate eine viel feinfaserige, also die Verdunstung mehr be¬ 
schleunigende Masse darstellt als Werg und weil die Filsmasse 
vorher schon wiederholt mit Schwefelkohlenstoff getränkt war, was 
die Geschwindigkeit der Verdunstung ebenfalls wesentlich för¬ 
dern musste. Zu berücksichtigen ist hier ferner der Umstand, 
dass die A.’schen Versuche in der kühlen Jahreszeit, im Novbr., 
in einem ungeheizten Raume angestellt wurden, während der in 
Frage stehende Vorfall sich im Juli ereignete, wo die Verflüchti¬ 
gung des Schwefelkohlenstoffs durch die hohe Lufttemperatur 
wesentlich begünstigt werden musste. Erwägen wir endlich, dass 
Fr. sich in der mit Schwefelkohlenstoff stark geschwängerten 
Luft nach der Zeugenaussage wahrscheinlich über eine Stunde 
(von 4—5 1 / 1 Uhr) befunden hat, dass dieser Aufenthalt genügte, 
um eine schwere Schwefelkohlenstoff-Vergiftung herbeizuführen, 
dass die giftige Wirkung in diesem Falle um so eher eintreten 
musste, als der p. Fr. betrunken war und sein Gehirn sich da¬ 
durch in einem Zustande krankhafter Erregung befand, so müssen 
wir zu dem Schlüsse gelangen, dass die schweren Vergiftungser¬ 
scheinungen, denen Fr. erlegen, sehr wohl durch dass Einath- 
men der Schwefelkohlenstoff-Dämpfe entstanden sein konnten. — 
Nach diesen Ausführungen geben die Obducenten unser defi¬ 
nitives Gutachten über die Todesursache des Fr. dahin ab, dass 
der Genannte in Folge einer Vergiftung durch Schwefelkohlenstoff, 
und zwar höchst wahrscheinlich durch Einathmen des letzteren, 
gestorben ist. 


Noch ein Vorschlag zur Durchführung der Anweisung 
vom 22. November 1888. 

Von Dr. Comnick, Kreisphysikus in Striegau. 

Dass die Anweisung für die Hebammen vom 22. November 
1888 freudigst zu begrüssen ist, und dass der Erlass einer ein¬ 
heitlichen Desinfectionsvorschrift für den Preussischen Staat einft 
Notwendigkeit war, darüber herrscht wohl kaum ein ZweifeU 
gegenteilige Stimmen sind wenigstens bisher in unserer Zeif 
schrift nicht laut geworden. 



236 


Dr. Comnick. 


Und dass doch im ersten Augenblick recht erheblich schei¬ 
nende Schwierigkeiten sich der allgemeinen Durchführung dieser 
Anweisung entgegenstellen, dafür sprechen die schon mehrfach 
in der Zeitschrift aufgenommenen Ausführungen von Medicinal- 
beamten, von denen eine jede neue Vorschläge zu Tage bringt. 

Worin beruhen nun eigentlich die Schwierigkeiten? Wenn 
wir von nebensächlichen und leicht zu beseitigenden Uebelstän- 
den absehen, worunter ich z. B. die Länge und nicht immer über¬ 
sichtliche Stylisirung rechne (kurze Auszüge erscheinen auch mir 
das beste Palliativ dagegen), so sind es nur zwei Umstände, 
welche an der Möglichkeit einer strikten Durchführung zweifeln 
lassen, einmal unser Hebammenmaterial und dann — der leidige 
Kostenpunkt. 

In ersterer Hinsicht ist ja unbestritten, dass vieles, sehr vie¬ 
les zu wünschen übrig bleibt; im Grossen und Ganzen scheinen 
nach den Mittheilungen von Dyhrenfurth, Matthes und Silo- 
mon (abgesehen von den Weheschreien in anderen medicinischen 
Zeitschriften und den Erörterungen auf Kongressen) die Verhält¬ 
nisse anderwärts noch ein gut Theil schlechter zu sein, als in 
unserem Regierungsbezirk; denn meine Erfahrungen decken sich 
fast völlig mit denen des Collegen Schmidt, der im gleichen 
Bezirk thätig ist, allerdings auch in seinem früheren Kreise die¬ 
selben relativ günstigen Erscheinungen gemacht hat. 

Und doch halte ich so ohne Weiteres auch bei unserem Heb¬ 
ammenmaterial, das also zu dem besseren des Preussischen Staa¬ 
tes zu gehören scheint, eine Durchführung der Anweisung nicht 
gesichert. 

Gewiss ist die Mehrzahl der Hebammen intelligent genug, 
dass man ihnen eventuell nach wiederholter Vorladung den Zweck 
und die allgemeinen Bestimmungen der Anweisung eintrichtern, 
dass man ihnen die nöthigen Handgriffe lehren und sie sich wird 
tadelfrei von ihnen vorexerciren lassen können. 

Doch wird damit Alles geschehen sein? Werden sie darum 
von Stund an den alten Adam ausziehen und genau nach der 
Anweisung verfahren? 

Gewiss nicht; um dieses zu thun, ist mehr erforderlich als 
Intelligenz und gute Abrichtung; es bedarf da ausserdem einer 
gewaltigen moralischen Grundlage, eines beständig lebendigen 
Pflichtgefühles, und diese Grundlage ist sicher unter den unteren 
Volksklassen relativ seltener vorhanden als Intelligenz, sie lässt 
sich auch in den 6 oder 7 Monaten des Hebammenkurses nicht 
anlernen und verkümmert im harten Kampf ums Dasein mehr 
und mehr. Nur wo opferwilliges Pflichtgefühl und Intelligenz 
vereint sich finden, da wird die Anweisung auch genau befolgt 
werden, ohne dass besondere andere Massregeln nothwendig sind. 

Wo Verständniss allein vorhanden ist, das Pflichtgefühl aber 
nur rudimentär entwickelt, wird der alte Schlendrian beibehalten 
werden; die Hebamme wird die ihr auferlegten Unbequemlichkei¬ 
ten nach Möglichkeit zu meiden suchen, zumal sie ja bei dem 
grössten Theil des Publikums kein Verständniss für ihre bedeu- 



Noch ein Vorschlag zur Durchführung der Anweisung vom 22. Nov. 1888. 237 


tendere Mühewaltung findet. Sicherlich wird sie Karbolsäure an¬ 
wenden, um dem Wortlaut der Vorschrift zu genügen und ihr 
Gewissen zu beruhigen, ob aber immer und in der gehörigen Con- 
centration bleibt billig zu bezweifeln. Nur wenn der Arzt zur 
Entbindung hinzugerufen, wird sie schleunigst die Anweisung in 
ihrem Gedächtniss wieder auffrischen, mit zurückgeschlagenen 
Aermeln, in tadellos sauberer Schürze und triumphirend auf die 
vorschriftsmässig bereiteten Lösungen weisend, den Arzt empfangen, 
und sicher auch durch ihre Beschlagenheit in jedem einzelnen 
Paragraphen der Anweisung und die Gewandtheit ihres Vertrages 
(intelligent aber nicht besonders pflichteifrige Hebammen sind 
immer zungenfertig) bei der Nachprüfung dem Physikus Achtung 
abnöthigen. 

Wodurch ist nun aber das Pflichtgefühl heranzuziehen, und 
wenn vorhanden, zu erhalten und zu stärken? 

Da das Pflichtgefühl im Allgemeinen im umgekehrten Verhält- 
niss zur Menge der auferlegten Pflichten und im geraden Ver- 
hältniss zur (möglichst klingenden) Anerkennung derselben steht, 
so werden gewiss alle Schritte, welche zur Hebung der materiel¬ 
len Lage des Hebammenstandes gethan werden, eine gewisse 
Wirkung erzielen. 

Noch grösser wird die Wirkung ausfallen, wenn direct eine 
Prämie auf die Gewissenhaftigkeit der Hebamme gesetzt wird. 

Von diesen Erwägungen ausgehend, habe ich an den Kreis¬ 
ausschuss meines Kreises den Antrag gestellt, zunächst 600 Mark 
jährlich zur Vertheilung an die Hebammen des Kreises auszu¬ 
werfen. 

Die Vertheilungen unter die einzelnen Hebammen soll von 
dem Landrath und Kreisphysikus jährlich vorgenommen werden 
und sollen dafür, ob und wieviel eine Hebamme erhält, mass¬ 
gebend sein: 

1) Die Ziffer der geleisteten Geburten.*) 

2) Der Umstand, ob sie ihre Praxis hauptsächlich unter armer 
Bevölkerung oder auch unter wohlhabenden Bevölkerungs¬ 
klassen ausübt und 

3) hauptsächlich der Grad von Gewissenhaftigkeit, mit dem sie 
den Pflichten ihres Amtes, insbesondere der Anweisung vom 
22. November 1888 nachkommt. 

Die Hebamme soll also wissen, dass sie bei ungenügender 
Pflichterfüllung keinen Anspruch auf eine Prämie hat, und dass 
die Höhe derselben mit ihrer bewiesenen Gewissenhaftigkeit 
wächst; es erhebt sich nur die Frage, in welcher Weise wird man 
die Pflichterfüllung einer Hebamme ausreichend kontrolliren können. 

Ich gebe zu, dass man zu einem allgemeinen Urtheil bei den¬ 
jenigen Hebammen wird gelangen können, mit denen man häufi¬ 
ger bei geburtshtilflicher Praxis in Berührung kommt; auch gilt 
bis zu einem gewissen Grade das „an ihren Früchten sollt ihrj 
sie erkennen.“ / 


J 


*) Anm. der Redaktion. Hohe oder niedrige Ziffer? 



238 


Kleinere Mittheilungen. 


Wie steht aber der Physikus den Hebammen gegenüber, die 
weit von seinem Wohnort ihre Thätigkeit austiben, die er viel¬ 
leicht nur bei Gelegenheit der Nachprüfungen sieht? 

Ich habe, um hier zum Ziele zu kommen, noch den Zusatz¬ 
antrag gestellt, dass mehrere Reisen im Jahre, die nur zum Zweck 
der Revision der Hebammen zu unternehmen sind, auf den Kreis¬ 
etat übernommen werden. Es wird sich dann ermöglichen lassen, 
eine jede Hebamme im Jahre ein oder mehrere Male zu revidiren. 

Natürlich wird man vom Physikus nicht verlangen können, 
dass er ähnlich wie der Kerner’sche Feuerreiter das Feuer, so 
die Entbindung wittert, und prompt jedesmal die zu revidirende 
Hebamme bei einer Entbindung überrascht; er wird sich bei sei¬ 
nen Revisionsreisen begnügen müssen, die Hebammen bei ihren 
täglichen Wöchnerinnenbesuchen (die ja meist Vormittags abge¬ 
halten werden, sofern die Hebamme nicht bei einer Kreissenden 
sitzt) aufzusuchen und mit der Plötzlichkeit einer Elementar¬ 
katastrophe vor der Hebamme zu erscheinen.*) 

Hier wird er sich überzeugen können, ob Hände und Finger¬ 
nägel sauber gehalten, ob die Kleidung vorschriftsmässig ist, ob 
die Hebamme ihre nothwendigen Geräthe und Carbolsäure mit 
sich führt, und vor Allem wird er sehen, wie die Wöchnerin ge¬ 
halten ist. 

Ab und zu wird es ja auch der Zufall fügen, dass er bei 
einer Revision die Hebamme bei einer Kreissenden findet, um so 
vollständigeren Einblick wird er dann in die Zuverlässigkeit der 
Hebamme gewinnen. 

Auch kann bei derartigen Revisionsreisen der Physikus sehr 
gut, wie Matthes will, den Wanderlehrer spielen, auch diese 
belehrende Thätigkeit darf sicher nicht ausser Acht gelassen werden. 

Doch lege ich immerhin das Hauptgewicht auf den Sporn, 
den die Gewissenhaftigkeit der Hebamme durch das Damokles¬ 
schwert einer unvermutheten Revision erhält, einer Revision, von 
der die Hebamme wohl weiss, dass ihr Ausfall ihr Anrecht auf 
eine Prämie schmälern oder ganz auf heben kann; die Gewissheit, 
falls sie für zuverlässig befunden wird, 50—60 Mark eventuell 
am Jahresschluss ausgezahlt zu erhalten, wird den Eifer der 
Hebammen mehr wecken, als jedes andere Mittel es vermöchte. 


Kleinere Mittheilungen. 

Die Rundschau der Yierteljahresschrift für gerichtliehe Medicin und 
öffentliches Sanit&tswesen. Neue Folge. I. Band. Supplements - Heft 1889 
beschäftigt sich auch mit den Arbeiten des Medicinalbeamtenvereins und der 
Zeitschrift für Medicinalbeamte und frägt dabei verwundert: „Wo aber sind 
alle übrigen berechtigten Anregungen, wo sind die anscheinend so triebkrfif- 
tigen Ansätze zur Förderung und Entfaltung des Medicinalbeamtenstandes 
hingerathen? Es hat sich doch damals nicht um eine begehrliche, zudring¬ 
liche Fluthwoge, um einen blossen petulanten Einfall gehandelt, dem lediglich 
abgewinkt zu werden brauchte, nachdem in den zuständigen höheren Regionen 

*) Anm. der Redaktion. Was würde Publikum und Arzt zu dieser Ma߬ 
regel sagen? 



föleifome Mittbeilungern 


m 


$tr&mmgsuj eiJitfaten, oder die Hoffnungen mt t»we nah»» 
Älwlp;öa^i3P^raicäiUrcxh »ehr berechtigte uödJ;pgralC1jc)iö'Schwift*-. 
rigkmten auf einige %eii umwallet und verdunkelt wurden * 

Worin bat darin der Verein gefohlt? Soll er i nun er und luitrier 
wieder leere« Stroh dreschen, «m nur einzelnen unzufriedenen, \mm 
*.ies Vereins einen' angenehmen Kiteel m 'bereiten? Oder ist f* fck>bi üttigu- • 
m^Ksoner, vortbeilhaitor uml wiiitüger, wenn in und durch den Verein tb^f • 
^hlicbw Material mmm mongetragen,.geordnet und kritisch beleuchtet wird, 
ntu dadiirch ihr einen, späteren OesaiiniutvormarKch auf dergarr/ei) Linie der 
Reform eine sichere unof unwülgrleghar« rhterlage äu gewinnen? Baas aber 
nfccb dieser Richtung hin von dein ffan ^ . 

und sorgfältig gearbeitet und I0^mt äJe erHt kürzlich 

mchienene äugend mühsame, ütni%^öu^e Bchtvnlte Arbeit von Kaps 
moml über da» Taxgesetz, welche^^f; Anhalt zur 

Discusston dienen soll. 

Freilich bringt auch di«vo Arbeit nicht den ftigcr.ilicheyi uervus mrimi, 
die fehlenden Vf^ Millionen Murk, aber #ifc wird doch mmn nicht zu veraclv 
tenden Banatem bilden für 'dem Beweis, Am* die?* Summe schHessVch einmal 
geopfert wötdou mul». 

Ancb in täfer Zmtselirift für^ Medfciuaftüarnte vrxmimh die ßiindsehau 
den Fingerzeig däriiber. wn« dh? ;Tjir : ' ; 'Pr}can'. über 

W^eti r Inhalt und l&üä&P) einer rmd -Reor^hinatinn';. V^-' 

kern u«d untevsteHl der H^iakfion *&$&£ die de^e riF solche 

Aeu^orujßgeß au& fvüeksicht für die ma^geboxiden Kreise uriterdrückte. 

Al? ob di<* massgebenden itrmm sich über einen' 
uml Vbrsfcft Kigcn rn der Medicinalbeamtcorofbr/ii au imkl^grn hatten upd als 
ob die nmm •Meuh^nalretVim nicht schon g^nugorid Anbeir geboten h>ltte r die 
mo^eineu'.Wiiuscho und Khigen umgehend ym fteUnid'rteri. Gerade Falk, der 
in «pv zarter Weise «mgegriffen wird, hat Hieb doch dmplmziiglich mannhaft um 

un*wm SMtung gemacht ' V > . 

Wir halten m tßelir für uhgpptelgt* ■huw&etöe Piinfcte, welche gotude bren¬ 
nend werdet«, zu studiren und zu bewrechao, ah- den schon ^kannten Wust 
vrm tdp«n Über Wesen, Inhalt nntl lacude durch neuen »udViicbtharon Nach¬ 
wort*- m ^nritf hreii1 

■.; / ' : ■ v ■'. ; -■ MitienÄw«Mg, 




M* ®8; Onnfcreiw der SfedicfrmJbmi^ten de« Begieruog« - Bezirks 

llfi»9o1dorf 'fa^id am '1% April d X iii den RSumen der Qe^tlsehaft «VeromV 
linier Vorsitz des und Regiemngsi-athu^ T)t% 'VV .> is > 

Vowtzhmier hßgrftösie di^ Theiiwehmer (28) r*ßd eri^hihn«?nen GiMe und ga>» 
Milth^iliiTig von der- Yerleiitiimg des Charaktere ^tniUiifcraih an-di^-Cfdlogen 
Sehr uff r rJ^uep uiui Wic^etbe^ - Splingöß. ÖeihhhchÄt Widmato derselbe 
wannet Abschi^djsworto m das bi^heriiie Vere^nsmitgljed Br- PeiniÄun^ÖriG 
tbuher^i welcher girier ^hterüLVori^Ä hach Bonn Folge lÄii. # 

Dircob)r Üei* doirtigun Priy^inrial-Heiiamtalt, ; ’ \ 

ffiöri#! 

Vetsaminlhng 

Januar übm Ai# Verh0\mg ;dce ^hÄb^ttficfee.f$, sowie deren Kekäim'G 
macbihig m dnh Sroisblätteiii und der Prüfung bei dun erdenk 

liehen ^tüfungmi der Hebnmtoeu. 2i '.Die R«r?»>-Verf. vom ^8. Januar-.1380 be¬ 
treffend Hohammenkaleriifef; 3i Circuiär'Vort. Kgl. Regierung vom In. I>e?.br/ 
1H88 bctr^ffnnd Vereidigung dfrr Hehumtu^h 5) Ami^hlattv^rorfhiviug yotö 1A; 
Februar 1880 belreft^ntf 
21. Dezemlmr Jv^SS r mp. 

Behandlung der Ueniök4arre 
Vaft'. vom 24. Januar über »lie liümiTtafe, ; ; .äet'.: b4ihh^••;.. 

Hag^eriiiig8-Vedl ^«>iÄ ^ ^ ■ 

Hausirer. 9) AmUhlHfeveeordxmng v'öni 11. Februar 18 
Arsneien dorcti Thierärzte. 10) ÄmUblattvexordiHing 
über homäopathisebe Ärzueiveroninungeii. 







240 


Kleinere Mittheilungen. — Referate. 


Hierauf hielt College Wiesemes-Solingen ein Referat über VolkFsanatorien 
für Tuberkulose. Ref. ging von dem Grundsätze aus, dass jeder Tuberkulöse 
eine Gefahr für seinen Nebenraenschen bilde; bei der grossen Anzahl von 
Tuberkulösen in dem hiesigen Regierungsbezirke müsse etwas geschehen für 
diese Kranken, die ja grösstentheils dem Arbeiterstande angehörten und 
mittellos seien. Zu diesem Zwecke halte er die Errichtung von Volkssana¬ 
torien nothwendig, wo die Kranken in geeigneter Weise verpflegt-, behandelt 
und beobachtet würden. Er halte zu diesem Zwecke, da es in hiesiger Ge¬ 
gend gegen Tuberkulose immune Gegenden überhaupt nicht gebe, Schlebusch, 
Cleve und einzelne Punkte an der Ruhr für geeignet. Seines Wissens sei der 
Realisirung eines solchen Sanatoriums für Tuberkulose in Honnef a./Rhein auch 
schon näher getreten und beabsichtigt man daselbst eine aus Glas und Eisen con- 
struirte Gebäulichkeit zu errichten. Zur Erreichung der Deckung der Kosten 
sollten die Wohlhabenden, welche das Sanatorium benutzten, herangezogen 
werden, im Uebrigen Provinz, Gemeinde und Krankenkassen eintreten. Refe¬ 
rent befürwortete demnach den Vorschlag auf Errichtung von Sanatorien. 

Correferent Alb er s- Essen glaubt dem Anträge des Referenten nicht bei¬ 
treten zu können. Den Zweck, den solche Anstalten hätten, könne man nur 
billigen und gewiss seien solche Anstalten ein Bedürfoiss. Indessen sei man gewiss 
nicht in der Lage dasselbe zu befriedigen, wenn man bedenke, dass der Regie¬ 
rungsbezirk Düsseldorf mit 1 789 000 Seelen, zum Mindesten 20 000 Tuberku¬ 
löse umfasse. Diese grosse Anzahl von Kranken könne überhaupt nicht unter¬ 
gebracht werden in Sanatorien. Wenn aber auch nur ein Theil derselben 
untergebracht werden sollte, so müssten ganz erheblich grosse Anstalten errichtet 
werden und den Leuten zum längeren Gebrauche von 1—2 Jahren zur Ver¬ 
fügung gestellt werden. Eine solche Einrichtung würde mit ganz enormen 
Kosten verbunden sein und die Erfolge nach den bisherigen Beobachtungen 
auch gewiss nicht solche sein, dass man den Kostenaufwand empfehlen dürfe. 
Zeigten doch die Gemeinden noch vielfach Renitenz gegen viel billigere 
und unbedingt nothwendigere hygienische Einrichtungen (Leichenhäuser, Lei¬ 
chenwagen, Epidemiebaracken und Desinfectionseinrichtungen). So ideell also 
der Zweck sei, so wenig sei die Ausführung zu erwarten in absehbarer Zeit. 

Conferenz stimmte nach längerer Debatte den Anschauungen des Corre- 
ferenten zu und verwarf den Antrag des Referenten. 

Hierauf berichtete Dr. Wiesemes-Solingen über seine Theilnahme an 
dem hygienisch-bakteriologischen Cursus im hygienischen Institut zu Berlin. 

Als Gegenstand zur Besprechung für die nächste Conferenz wurde „ sani¬ 
tätspolizeiliche Controle des Milch Verkehrs“ bestimmt und übernahm Dr. 
Pül len-Grevenbroich das Referat. 

Zum Schlüsse vereinigten sich die Theilnehmer, um noch einige Stunden 
in Frohsinn und Heiterkeit zu verleben und trennten sich dann mit dem 
Wunsche auf fröhliches Wiedersehen. Dr. Albers-Essen. 


Referate. 

F. Ahlfeld. Die Reorganitation des Hebammenwesens. 
Entwurf einer neuen Hebammenordnung. 

Ahlfeld, der competente Beurtheiler und Freund unseres 
Hebammenwesens bricht gegen Brennecke eine neue Lanze, 
indem er dem Vorschläge desselben, Gebärasyle zu schaffen, ent¬ 
gegentritt mit dem neuen Entwürfe einer Hebammenverordnung 
fftr das Königreich Preussen und einem Anhänge zur Regelung 
der Wochenbettshygiene in der ärmeren Bevölkerung. 

In dem Entwürfe behandelt Ahlfeld die acht Hauptpunkte. 

A. Behörden. 

1. Das Hebammen wesen im Königreich Preussen untersteht 
dem Ministerium des Kultus und der Medicinal-Angelegenheiten. 



Referat©, 


24! 


2. Innerhalb der Provinzen stehen die Hebammen unter der 
Aufsicht der Königl. Behörden, der Directoren der Königl. 
Hebammenlehranstalten und der Kreisphysici. 

B. Stellung der Hebammen zum Staate. 

1. Sämmtliche Hebammen werden von der Behörde angestellt 
und erhalten einen Bezirk zugewiesen. 

2. ln Ortschaften und Bezirken, in denen mehrere Heb¬ 
ammen angestellt sind, findet eine örtliche Trennung der Thätig- 
keit nicht statt. 

3. Die Bezirke sind entsprechend den örtlichen Verhält¬ 
nissen und der Bewohnerzahl so einzutheilen, dass eine Hebamme 
des platten Landes durchschnittlich zwischen 30—50 Geburten, 
eine Hebamme in kleineren Städten durchschnittlich 80 Geburten, 
die der grossen Städte durchschnittlich 100 Geburten im Jahre 
zu besorgen hat. 

Die Entfernungen im Bezirke sollen vom Wohnorte 
der Hebammen aus nicht mehr als 5 Em. betragen. 

C. Bedingungen zur Erlernung der Hebammenkunst 

1. Eine Lehrtochter soU zwischen 20 und 30 Jahre alt, 
körperlich vollkommen gesund sein; auch sind Personen von ab¬ 
schreckenden Aeussern zurückzuweisen. 

2. Die Vorbildung muss mindestens der Ausbildungsstufe + 
einer raehrklassigen Volkschule entsprechen. Besonderes Gewicht 
muss auf die geistigen Fähigkeiten, besonders auf die Fähigkeit 
zu beobachten gelegt werden. 

3. Der gute Leumund muss durch ein Zeugniss der Ortsbe¬ 
hörde und des zuständigen Pfarrers bescheinigt werden. 

Mädchen, die ausserehelich geboren haben, bedürfen eines 
Dispens der Königl. Regierung. 

D. Die Auswahl einer Lehrtochter. 

1. Eine jede Person, welche den obigen Bedingungen entspricht, 
kann sicli zur Aufnahme als Lehrtochter in einer der Hebammen¬ 
lehranstalten des Königreichs melden. 

2. Den Gemeinden steht es frei, für den zugehörigen Bezirk 
eine Lehrtochter zu präsentiren. 

Die Auswahl der Lehrtochter steht vor Allem dem Kreis- 
physikus zu, der seine Entscheidung unabhängig von der 
Ortsbehörde zu treffen hat. 

3. Stirbt die Hebamme eines Bezirks, erkrankt sie so, dass 
nach Aussage des Kreisphysikus eine Wiederherstellung nicht zu 
erwarten ist, erreicht sie das Alter von 65 Jahren oder wird die 
Stelle aus einem anderen Grunde vacant, so ist eine junge Heb¬ 
amme im Bezirk anzustellen, (neue?) 

4. Das zuständige Landrathsamt schreibt die Stelle im Kreis¬ 
blatte aus; die Ortsbehörden des betreffenden Bezirks haben 
für ausreichendes Bekanntwerden dieses Ausschreibens Sorge 
zu tragen. 


Ä 



242 


Referate. 


5. Sind im Bezirke oder in den Nachbarbezirken geeignete 
Bewerberinnen vorhanden, so sind diese den auswärtigen Bewer¬ 
berinnen vorzuziehen. 

6. Die Bewerberinnen haben sich persönlich dem Königl. 
Landrathe vorzustellen und sind die am besten qualificirten 
Candidatinnen dem Ereisphysikus zur Prüfung nnd körperlichen 
Untersuchung zuzuweisen. 

Findet sich eine Bewerberin im Bezirke nicht, so ist das 
Ausschreiben zu wiederholen und auch in den nachbarlichen Be¬ 
zirken genügend bekannt zu machen. 

Ist auch dieser Weg ohne Erfolg, so ist das Ausschreiben 
im Regierungsblatt zu veröffentlichen und ein weiterer Bewerb 
anzuregen. 

E. Bedingungen zur Aufnahme in die Hebammen- 

lehranstalten. 

1. Die Meldungen zur Aufnahme in die Hebammenlehran- 
stalt Bind durch die Eönigl. Landrathsämter an die Eönigl. Pro¬ 
vinzial-Regierungen zu richten, von wo aus an den Director der 
zuständigen Hebammenlehranstalt die Zulassungsurkunde nebst 
den zugehörigen Akten einzusenden sind. 

2. Der Director der Hebammenlehranstalt unterwirft die 
eintretende Lehrtochter einer nochmaligen Prüfung und ist be- 

+ rechtigt, die Lehrtochter zurückzuweisen, wenn diese Prüfung 
sehr ungünstig ausfällt oder wenn im Verlaufe der ersten Wochen 
die Lehrtochter sich als nicht qualificirt erweist 

F. Ausbildung der Hebammenlehrtöchter und Fort¬ 
bildung der Hebammen. 

1. In jeder Provinz soll mindestens eine Hebamraenlehran- 
stalt bestehen. Dieselbe muss genügend Unterrichtsmaterial be¬ 
sitzen, um eventuell sämmtliche Lehrtöchter der Provinz anszu- 
bilden und für die angestellten Hebammen der Provinz einen 
Fortbildungskursus abhalten zu können. 

2. Der Unterricht wird von dem Director der Hebammen¬ 
lehranstalt, von einem zweiten Lehrer oder Repetenten und der 
Oberhebamme geleitet 

3. Der Unterricht dauert 9 Monate. Die Lehrtöchter, welche 
die Prüfung nicht bestehen, haben noch 3 Monate weiter zu leimen. 

4. Vier Wochen hindurch findet ein Repetitions - Eursus für 
die Hebammen der Provinz statt, sodass jede Hebamme im 5. 
Jahre eingezogen werden muss. 

5. Als Stellvertretung für die zum Repetitions-Eursus Ein¬ 
berufenen treten die Hebammen der Nachbarbezirke ein. 

Ist dies unthunlich, so hat durch Vermittelung des Eönigl. 
Landrathsamtes der Director der Hebammenlehranstalt eine Hülfe- 
hebamme für die Zeit der Abwesenheit aus der Zahl der noch 
nicht angestellten aber bereits geprüften Hebammen vorzuBchlagen. 

6. Alljährlich findet eine Eontrolle sämmtlicher Hebammen 
eines Ereises durch den Ereisphysikus statt. Diese Visitation 



Referate. 343 


kann am Orte der Hebamme oder in der K^e^pdt vorgenommen 
werde» 

7. Am Schlüsse- des Tjeln kursa« findet eine Prüfung der 
Ijehrtöchter statt,infolge welcher denseibe« die Approbation er¬ 
lheilt werden kann; Die Pruttings - Commisi-ion besteht aus dein 
Direotor der Lehranstalt. als Vorsitzenden, einem Cvtmmissar der 
Regierung und dem am Orte befindlichen Kteikfüi|knk. 
Zu priifen liaben nur der Dirednr der Lehranstalt und der ß«F 

derselbe», . " 7 b- 7-7/ 7 - X.yi> S.-’S ■ 

8 . Beim Abgänge ati?? der Anstalt erhalten die ßehamnmn 

ein vollsUndig^ IrssiriHßentariuin. wenn solches nicht in der (»e- 
oieuide, in rtiederLiseen' wollen, in 

trang rotiändenrj^ff .; > • 7 . : : 

G. PfUcMon der ßebarotne iro Berufe. 

1 . Kachdem die'^ ßebaumje beim zuHifindigen KönigK LaiiÜ- 
rfithsantt« vereidigt, meidet, eie sich., bei dem Küuigb Krej*pK?~ 
aikus und •stellt sieb dem Omvoretamfo,- wie dem Ortsgeistiiehun 
vor. Letzterer hat die mmairgeKieiite Hebamme m imterwersoiv 
wie aia sich bei der eilig nothw^mUg. werdende» Tante eiatö neu- 
g^bonmen Kindes zu verhalten b&V, ^ . 

; 2 , : Hebamme seidenJfeibsn gegtdjfibdr fh»undJicb find 
attvdrkoiBtroend. streng in Be#ng7&ßf Pfiirbt tm Amte, gr- 
verschwiegen urof nüchtern: -Oen gegenüber 

trete sie ehrerbietig auf. folge g.euau den Anforderungen derselben 
und ftiite siefo die Öi'enzefi limr Hebünnraenpflicbten zu iiber- 
.seUre.itenF:. ' 'f 

\ ln Be.zug aut die 0i*infe.eiion bei Fntcrsuehiing Schwän¬ 
gern, Gebärender.: find.. AVfichtmrim'ttsiV hat sieb die Hebamme 
streue: an die anliegende Besiuß'CtionBOt’dnung äij halten. 

4. Jeder Fall von schwerem Fieber in der Öeburt und im 
Wochenbette, -sowie der Tod der Frau - ist dem ICreisphysikn« 
brieflich oder mifodifoh hifineti 24 Stnndeu mitzutfiCsldn. 

% Die Hebämme hAt 4c1r dauernd \m Bezirke iinfeuhalten, 
sodas«sie Tag ratd Nacht leicht zu linde« ist. 

Beabsichtigt die Hebamme ihre Stellung im Bezirke auf'zu- 
gebbrg so hit .iie ein halbes Jahr. vorher zu körnigen, 

d. Tii«, Hebammen tabol len sind in den ersten 'tagen nach 
stnifgfdtabfoF Entbindung stmifiHM und 4er Wochcnbettsiiencbt ? 
redifebtfo dnzut.tagen. War ein Arzt zur Geburt, anwesend oder 
besuchte derselbe die F.rafi im WüübenbeU|| si> iM dem Ärzte 

H. Von dem Einkommen der Hebamme und von den 
Verpflichtung*!) der Hebamme gegenüber den Orts- 

1 . Die : .Geineifidpn:.. i>»;d.rikte• buben ßh dfo flt?tVctr»t>treu 

die Kosten für :l : ; zu 

tragen und einen U»er- 

.•/•: ii ■ 77■ JV:'-777. Fr-'; y.•"'•. '7' ■ •' •.. . 




ü4# 


Rcfpvato. 


fUr 'Wk die, Hebamme die unoß%eltjich« Eßtlbndüß^ uad Wd<Ut«tlr: 
betfspdege der öfteDtliehßtt örtsarmen -zu. ubm'iehman. - 

•2. Im Uebrigeo dswEcdid Be baut me nach folgender Taxe 
lhjuidiren, 

E u> w ix ft eine r Heb a m m eh tax e. 
i. Für jede Entbindung, unabhängig von der Dauer der öe- 
hurt und der Tages- und Nachtzeit. 3—20 JVIk. 

Die niederen Sätze .‘'fordert,' die Hebamme bei wenig 



mnothweudighät, ai« Klystiereetzenc JuiespiUtingeu 
machen, Krnd baden u. s. w 

Die HbUe de.-, Salzes bestimmt j» zweifelhaften Fällen 
die OytsbehÖrde, .'fr - f~ /jA: ■ 

8. B'lir eimm Besuch ittßiftüjBh and AVochen- 

fettszelt ^- -1.dt) Mk. 

.4,,vrnFttf_CIy»hm oder Eingiessting oder Än«spüiuag atwser der 
: Debrnts- und Wochen beltszeil 0,0 —LA Mk. 

3, In Dietrikterr in weleliep dieHeFAmmen eiii 

genügendes Auskommen nicht haben, tritt Staatssubvention ein. 
Anträge sind durch das Kiinigl. 'Landv»;titaamt m die- zuständige 
Regierung ZUsteRen, 

4. Die Reißen zö den tUIlsIlirlich sUttfinde&deii Cofltroleii 

am Wahdurhi des Kreisplgvsikus hat die Hebamme; selbst zu 
bezahlen. 

’• ' J5. 'Während der Abwesenheit 2-iiV deii RgjmtRionskiJvaen ist 
die 'RteHyetiir^enldJfehgiame, an Wohnung und Errät f reizuhalten. 

6. Die Hebamme bezieht je nach dCT ?jahr idre:r Dienstjahre 
eine Pension, sobald sie infolge von Krankheit und vorgerückten 
Alters die Thätigkeit dauernd eiiistclleft muss 

A n h a u g. 

Regelung der WoehenbeUshygieae in der ärmeren Be¬ 
völkerung ita Eusummenhange mit der staatlichen E-in'r 

richi.nng. 



■.. ^ . _ _J|.. 

Hygiene und RÖOge der Uhbeiuitiellen ^dckrtoritliutn zu: reget«, 
"Dies kötmie etwa in folgende Weise geschehen: 
i , jeden Hebaflämendietrikt, «Hier, sind die örtlichen 


H 


VerhöJtuisae guustige, für deren mehrere, wird. eine 
„Helfenn il eruannt. 

Diese Helinrj», ein Mitglied des vaterländischen Fraiten- 
vejreias 'odbr eine . nun Vw-ob* 

. i.’i tliifVli abbl’i; .-*-t •-» > ^ 2' 1 i lD .. ’ L'/. i .. 


Person des Distrikt« 
des Pfarrer*, die Fr»-* - j 



Referate. 


245 


rers etc. — muss sich um die Wochenbettspflege der 
armen Bevölkerung ihres Distrikts bemühen. 

2) Zu diesem Zwecke untersteht ihr ein Depot von Bett¬ 
wäsche, Unterlagen, Kinderwäsche, Wochenbettutensilien, 
Desinficientien etc. 

3) Schon vor der zu erwartenden Geburt hat die Helferin, 
sobald von der zu Entbindenden der Wunsch ausgespro¬ 
chen, sich über die Verhältnisse zu orientiren und die 
vorläufigen Schritte zu thun; zu bestimmen, wie viel und 
welche Wäsche nöthig sein wird, wie Mann und Kinder 
während der Wochenzeit gepflegt, wo event. die Kinder 
untergebracht werden können; wie die Ernährung der 
Wöchnerin zu regeln. 

4) Wenn auf Antrag des Arztes statt der Hebamme eine 
Wärterin die Pflege übernehmen muss, so muss der Hel¬ 
ferin aus der Kreisstadt eine solche durch den Frauen¬ 
verein zugewiesen werden können. 

5) Wo staatliche oder communale Entbindungsanstalten be¬ 
stehen, oder wo auf privatem Wege Gebärhäuser für die 
ärmere Bevölkerung eingerichtet sind, soll, sobald 
schwere künstliche Entbindungen zu erwarten sind, oder 
die Frauen schon vor der Entbindung krank waren, die 
Hülfe dieser Anstalten in Anspruch genommen werden. 
Der Helferin fiele dann die Aufgabe zu, für die Familie, 
wenn nöthig, Sorge zu tragen. 


Vorstehendem Entwürfe dürfen wir voll und ganz zu¬ 
stimmen, wenn sich im Einzelnen auch manche Abänderungen 
als nothwendig erweisen möchten. 

Da ich zur Zeit nicht mehr Kreisphysikus bin und damit der 
praktischen Ueberwachung des Hebammenwesens fern stehe, also 
auch nicht in den Verdacht kommen kann, pro domo zu sprechen, 
so glaube ich, einzelne Punkte, welche die Kreisphysiker be¬ 
treffen, herausnehmen und vornehmlich besprechen zu sollen. 

Ich wende mich 1) gegen Punkt A. No. 2, zu welchem Ahl- 
feld erläuternd hinzufügt: 

„Es muss dem Director der Hebammenlehranstalt ein 
grösserer Einfluss als bisher gegeben werden. Er ist der¬ 
jenige Sachverständige, welcher die Hebammen am besten 
zu beurtheilen vermag und unabhängig den Hebammen 
gegenüber steht, während der Praxis treibende Kreisphysikus 
dies nicht sein kann. Da es eine Anzahl Kreisphisici giebt, 
welche überhaupt keine Geburtshülfe getrieben haben und 
treiben, so muss schon aus dem Grunde eine sachverstän¬ 
dige Person verhanden sein, welche in fraglichen Fällen 
entscheidet.“ 

Ich muss diese Ansicht Ahlfeld’s bestreiten und für den 
Kreisphysikus eine wichtigere Stellung fordern, als Ahlfeld sie 
ihm zuertheilt. Denn die meisten Kreisphysiker treiben geburts- 



246 


Referate. 


hülfliche Praxis, alle sollten sie treiben oder wenigstens 
ausreichend getrieben haben. Jeder Physikus muss die Ge¬ 
burtshülfe und das Hebammenlehrbuch so beherrschen, dass er 
dem Hebammenlehrer gewachsen ist. Sollte dies nicht der Fall 
sein, so sollte der Staat diese Bedingung in Zukunft stellen. 
Der Kreisphysikus steht auch seinen Hebammen gegenüber selbst¬ 
ständig da, es müsste denn eben ein sehr trauriger und unwür¬ 
diger Physikus überhaupt sein. 

Der Kreisphysikus kennt oder kann und soll seine Heb¬ 
ammen, ihr Leben und Wirken am besten kennen. Er hat Ge¬ 
legenheit, sie täglich zu beobachten und täglich bei Arzt und 
Publikum über sie Erkundigungen einzuziehen. 

Er muss ferner auch in seinem Kreise die massgebende und 
alleinige Aufsicht über die Hebammen führen. Denn andernfalls 
würde seine Autorität bald untergraben und die ihm unterstellte 
Hebamme ohne Zügel, Zaum und Halt sein. 

2. D. No. 3. Der Ausdruck „junge Hebamme“ soll wohl stehen 
für „neue Hebamme.“ 

3. F. No. 6. Wenn Ahlfeld sagt: „Ich möchte die jetzige 

Hebammennachprüfung durch die Kreisphysici nur als eine Con- 
trole ansehen und sie in dieser Beziehung auch beibehalten 
wissen. Eine Bedeutung als Fortbildungs-Unterricht oder Repe¬ 
titionskursus lege ich denselben nicht bei“-so muss ich 

ihm auch hierin widersprechen. 

Nach meinen Erfahrungen im Reg.-Besirke Düsseldorf haben 
die Hebammen dort recht viel bei ihrer Revision gelernt, resp. 
Gelegenheit dazu gehabt. Kreisphysiker, welche ihre Hebammen 
und deren Bedürfnisse und Anschauungsweisen kennen, scheinen 
mir im Gegentheil eher im Stande zu sein, in kurzer Zeit ihre 
Untergebenen zu belehren, als der Anstaltsdirector, dem immerhin 
die ländliche Hebammenpraxis eine Terra incognita bleiben dürfte. 
Und von den ländlichen Hebammen spricht Ahlfeld doch in 
erster Linie. 

In dieser Beziehung muss ich auch zu F. No. 7. das Wort 
nehmen und die Forderung stellen, dass für die Prüfungs-Commis¬ 
sion ausser dem Director und dem Regierungs-Commissar nicht 
der am Orte befindliche Kreisphysikus als drittes Organ fungirt, 
sondern ein Kreisphysikus der Provinz, mit der Massnahme, dass 
dieses Glied der Commission für jede Prüfung resp. jedes Prü¬ 
fungsjahr aus einem anderen Regierungsbezirk gewählt wird. 

Diese Massregel würde nach vielen Richtungen hin für die 
Commission, für die Kreisphysiker und die Hebammen selbst einen 
glücklichen Einfluss ausüben. Es könnte dafür die lästige und 
schwer durchführbare Massregel der Zuziehung der Anstalts- 
directoren zu den Nachprüfungen in den Kreisen in Wegfall 
kommen. 

Wenn ich hiermit meine kurzen und wenigen Einwendungen 
gegen den Entwurf selbst schliesse, so kann ich nicht t mhin, als 
warmer Freund unseres Hebammenstandes den Entwurf- einer 
Hebammentaxe zu begrüssen. Zu ihm nehme ich 



247 

nicht das Wort, weil ich hoife,..;*rla ^m der Hebammen- 
Zeitung; eine eingehende B®|treehhng bilden wird: 

Auf jeden Pal! komien wir Ahlfeld für Heine Arbeit 
dankbar sein, da sie ms in den iiimimi Punkten aus der Seele 
gesprochen ist, 

Mittenzweig. 


Professor Cß&are Lombroso m Turin, Her. VVr^ ao- 

<}*ropojr»gischei\ ärztlicher und jinistieeherBezielnm^ ; 
In .Deutscher BearbeitUiig von Saiiitätsrath IM M 0. Frankel; 
mit fonvort xm &rtä lk. jur. Kircbenheim. Hambttrg 1887. 
Verlag von J. F. Dichter. 

'. Wärky:/4^ :^ho«' m mehreren Haliankckeii Auflagen er- 

s>*hi on.cn, auch. bc.Uoö iu .dafe--P^te5«i«che':' üborsefet ist, wird in seiner Deüt- 
ajöher /■ V ehertragimg vor? einem Vorwort* deb Prof. Dr. jur, von Kirchen“ 
heim Mgi* „Nicht das Verbrechen fesolC 

Iifc rdie Person dos Votbrechera*. Ziel aller 
Studien in. diesem W^k feb" den Verfasser die Erkönntijijfe 4*lr Eigenart 
Am Mensehen,; weicher Stmfthatm. weicher Verbrechen. begeht, die Eiforv 
'olumg der Uraaciu-«, die ihn mm Verbrechen treibet) : E^ ist da?. Werk rin* 
in Öberaae ’• sw’g^arner WÄ ^Jiarbeite'te Nattrrg^«chiclife ; *feä Terhrechers. 
'(^nnxhfOMö -gackt in dein Werk nuoh%uwmaen, dass der Verbrecher mh gana 
..hf^n'dfors*.gearteter Mensch Ui. Es ladet das Werk nicht, «lir.dkaa .Fadunaun^ 
(in dteiöern Fall: den Mrishm* MWicittor, Aüthrc^>t>Jog^ 

bildeten zur Prüfung der m ihm entwiek^Hcn AiiHi banvngen ein Wer ilhh 
deo ScbHn<8tbVgcruGgnri dos Verfassers nicht ansühlbwoir kann, wird doch M 
d*ra Studium dos Werken eine Fülle von fiewaig v5ü8animOig»dra^enejr, mtet- 
eksantert 8eoba^htuöj|OQ finden* wird vfielfecho Änr^gung iu wÄr|fit^i- 
denken erhalten, wird jc'dc^fsdl« äo* : Buch - twHt tihw 
ordentlichen FIcikh de;- V^rfas^r* i\m «lei Hand legen* 

£mr Verfasser, der iu deiner Vorrede • betont, n&m en ihm -zuerst gehmgen 
sei, die Begriftsimtcrejhiede zwischen fbun geborenen — -und dem fvclegeiv 
hoitk-Vortnrochor bestimmt fo»t 2 U«tdJlm, bespricht' mtävhzh im , sr.d^' Thri'i 
des Werke* die ersten Spuren aufdämroemderi ' Wesem ( ,in/ 

der Welt der niederen Organfemen, dann in der Bfitteciv tauf Tierwelt über* 
haupt ßr kann auf Grund der zahlreich gegebenen f^^piete rHir aiii dicnan 
behaupten: Pas* uns dio Natur da^ Beispiel der un erliliflielfebm ÜrfÖhllö^igkeit 
und der grössten 0fiu^Jtt>IicJbfe^Jt cWbfefcet.. Aoph lii Tltikommt Be 
trugf Diebstahl, Tötung von ja. man ist im Shvndo, Thioiw verbrocherißche 
Neigungen onzuorafehort, »io ffö gewissen vVjtfbrc^ ab»W 

richten, Im Ameblrms? daran folgt die Betrivcidiuig d?>, Verbrechens bei 
•!Jrv5lkem und Wilden. • Wir sehen* dass bei TJrvÖjfefor* *og&r eine Vergötte¬ 
rung g^mm^r Verbrechen vorkommt und w zeigt «ich, ,<W* bei ihm Wilden 
wahr-fv Vörittwhen Handlimgeo gegen Herkommen und Brauch geltet!, Am* 
hingegen oft d»e, [ywu#. wir heute als Verbrechen mmhm, '. gebetener 'Brauch 
war. V^wib^e gegen landot>i1blicbc und religiöse (bd»röoche, gegen fiewidin- 
h«]f "fev.^n^nta^tbare,, nUmliltlJejf g|^}e^^»i, gött-' /• 

Sithc.r Ihr er sieb o»w/nbou bähte, waren verhreeherit<cho Haudlungim. An« 
dorer^('d> wir die. ^:b.M<.^lic>is(t ; en Sitten nh . pietAt volle liefet ayftrnten :. 

&*), ■ 'venn unl^r doii BaMit iiuf Snunitnj. der lebei^lit'itdi:^^ '9'tdpf . dift Sftbne 
b-rioi vJ:o-r . b*ae*it <o.o> bnfwk^ni 'er • wi'frlgetötet. diV Kinder cer^peken ihn 
- • :iu Loch d#mt im iTedkeitas ün Etesa^te'Ä;,#et ~ 

*Xhi v n Stfrnmien; ursprüngiieb mebt äl* Varbwbon 
ulü etwa« Biihmlicbee, Er**» v/urdc der' 

. / ■•'-^v »d t o i / ^iUlairv, dm Si>imnrK«. als Unrecht angeRoheö: Fremde rturfto 

i vi >o f > # l/«;oibiiAW*.^ *mgt min des Winteren“ sde äos dem Begriff 

ti n in Fo)gf> der Macht der Häuptlinge, deren 




24$ Referate. 

Interessen. durch Diebstahl am Stammeaeigonthum goechlHligi wnnlori, t\ip\ 
Theii uw «Uhu verbrecherischen Drange der Rache heraus der Ursprung der 
Sl raten hor/obdten ist, Er \ommt zu dorn .Schluss, d&*a S i t Üi chk o[f cauinj£ 
Si ttf ichta^gwet**, ebenso immhügtfnti grö^töidhmD <u»> d?n> -VerV 

htwhen, zuiiädisi nn* dein Drange• iiaeh Rä'^fee, dmmAf^gaAgmf sind, Noch 
hmrt# *teht et in dem {««tifcut der St^wwiförid^?, H&t ttör ur- . 

Juntix auf Grund j£lf$ \^|^niaon«<iöJft; Würde hüCh beute, 
besonders ln heissen Llinäern, der Mörder freig«vproehen. der Dieb verurfheUt, 
Ehe u?a Will- Lönt brosp eine ^awmih .Art des alten BacheguRih1* nöeh ßndßu 
ia dem Wohig^folUni das PuMikum* ftfenr die V'eruTllbwiung* vine* -selbst Om#t€*«- 
kranken! 

Während «Via n^ue juristisch^an>htnpuVdgiHehe Schule den 
Verbracher frH Crank^n betra^Jitert wbetV will : f deswegtm ihn 
für immer ünscbU&Ueh maefaen wolle durch UntCThrmgnng in geeigneten 
Anstalten, kotmiie 4&r Widerstand gegen ii»>se AulTa^ang rauf* dem 

alten, tief in jedem .Menschen seh hmimenidon Racbegefühl, da* gern tu grau- 
.sanier Weise au eh den leiden sebeu m?\chtt\ durch den .ludere gelitten haben. 
Und weiter .meint LorabrQsj); Dw Erinnerung daran, das?, die Justb, oft &r 
Ausfluss der Launen eines Despoten, ftttet .mtni# iVieöters, oduv der Vqlk^hddrm- 
schalt, war, erklürt, warum wie YftÖtar noch ,mcW vott 
Recht der ^Konigliehen Gnädig und von der so .»W^ckvidrig^ä, vofderbHebait 
und der. befreit haben, ' tivm hr4*v 

bemerkt dann des Weiteren ? äi&H auch hi$ $qbph üefcr Muügj&M*. 

.»tttliciheini.' 'AhömaJieri £.ü • beobachten Ami f törfdjg nmu '-bniVaVtSrW^cli^ßn^h : W0r" : 
Vfßchefi nennt,• «o Zürn. .Raclm, Eifersucht Lüge. Gvaufcauikint und dorgl mehr, 
Welche sittlichen •Anomalien- unter dom Kinflv^s j>^*qtjde£ Erhebung Uwntigt 
wvftfcn können; und zwar erziele diese ßessemug umns Ui’ajvrtVnglich m*L]< eilten 
OmrakDri leichter, wenn körperliche Anomalien: äSiedrige- Stirn* abstechoode 
Öhren, A^mmelrio dos Gesichtes und dwrgh mehr fehlen. 

Bei einer gewissen Zahl der Verbrecher also dafIren die htotm Anlagen 
von den ersten Loborufjuhr»m her, gleich vieR öt> mhlfchc Belastung vor banden 
ist oder nicht. Oder, mit anderen Worten a&sgedrüekt: E* gjehi Vi*b>, di* 
durch gubot Erziehung vom Verbrechen nicht' abgeh&ltvn werden Hier meint 
nun .Löfnbros'o; Die Ehen der Alkohol ist und Verbrecher müssten verboten 
sein.. Statt der Bwernnpanstaltcn tTir solche Kinder, welche 
Lombrost? für VerdorDnissanMÄltcn hüft; verlangt 

rische Irate, Asyle ftir lebenüd&ngllii|[e Uober)^dj|ü%i »üöralfoidi- '$ininlccaO v ; 
voin Verbrecheim. Denn diejenigen JMIenMi^iihurder, die mit perierfthp 
Nittuftrieben geboren seien, vermöge >'ir^cSli3li %\\ iuidcm; viobl 

ahev vei die Emehnng nn Stande, wn mit guter 

Kind vor dem Ußhergawg der kindlielieti Untugvriden in geHöhuhcitMiiüjssij?a*. 
Laster m ■behüten.. ’ :••v..'V '' ^V;X;:f 

Im IV Th eil folgt nun yamiiebst .«ta«?- Ergebnis der pathologisoli-antcmii* 
schon Untei^ichuhgejni, und def MeÄSungeti aij \ r ^rbri'chevn >:‘ h o ir» h t os o ^ 
siebt -»wat selbst ‘«iw 4 dks?t alte l rdewißhungdit i»u it&ntm rlücli nicht 

den Erwartungen ont>prDcbou. die man an ?le ffobnupfl habe. kann. jj$&. doch 
auf Gmnd .aii^erordontiich. groHxm hö» 1 HcL?>{g misgcmHatcp KMcriak : 

gowWo Reliauidungvm wohl begründeg. Es ergiebt der %*bä,4t*L 

ranni . die» Sahüdelcapaci ta t Äor Verbrecher, besonders der Diebe. 
l;m G. a uxen kleinot ist wie hei Gesunden ü)id Ir roh. I>ann dodem rieh, 
bei ilon fcls;bwmtlPrs Verschiuel^mg dor K&hfe, 

Worro^Who am GliviiHV vr^ber fTcigiuithiKfiaiÄ; es >ei 

ya) bemerken, d^vs in allen di^en VinbÜfuiWeii die irren »dt den Gasund^n 
naher ettode^ wjV> den Vf<rV»vech^rn. nicht in SUu wn. vor^roze^ 

könne, wenn man Viedfetik^ dafK ^iti gro«^^ ‘Tlnoi der |mm nicht ko» Oeburi 
an wv he^haflan ^ii; wä.hH>u<i bei den VhtrbrtH-keni gerade Gögeutheit dßr 
F.dl -ci. 

1 )jpif Verbrecher: bey.ügln.h der 

Ino deji niederen Raten nah^ 

Tn glaiohor WeW feigen nun :lr»giii»en >b * .'' 

der 'Kjitigcw«ide4 ;W'' 'wurden ; .' vpo. fa^t 4fKlO « . r ^ 

gegeben; dfe KVgqbYiisöe sind aUerdtegV ül uUiiV^ * 



ftpfeialö. 


249 


).i oiui.TOHu unter Anderem behauptan 0 Üinnau, dass die Arm breite bei 
Verbrechern meist grosser sei ab; diu Kuri>öi lang«. Als Zeichen der typischen 
Verl>recl>prph.y'ji()gn*>»ni6 gt«bt LwiebjöHo ;aA‘. Enorme Bntwicke3ung dar 
Kindlede, ^jj&rKchfoit d»H T3fti?twucfii>ea t FöUe des Haupthaare* (webei nu "l«*> 
uterketi; dass dtmkeie Haar ui& thw <*>funhe vnrk mumt bei Verbrecbern 

als biondes —jv b» «trelter tinie Wbrwfecilpfi«'», it'iehendb Stirn, Schielen nnd 

twiirtiitt. »4 V» uAVTtnfiu Hilkc/iVrla diäF kfti'iinfviiH«! vürWiili^f r ftiitV’ - ' 




ywliönixui«}. &b**r «ei ^ 5 M$l *ooft &v ^ö^fefj^-CXj^vnÄ^r |$&ö 

rs auch $bt*r den VmimMdmrm gleielmm unterder &r>int*0& Arbb>knUm 
dewjbeii.- *egelrtMdite,‘v ;j^büd.äta Gesichter »jM Sß)l\ä4öb AMr Jtötr. 

halten lasse »ich dock,* '- ^hm die tjpi«tfUe V 

?jabm?^rn*o bei ehrliche« f^st rcj^Judi^ig bei uriehrHrhetj Deuten vbr- 

.fron int#. Der ölißlt TOrmtb»^ den güUmemm Verbrecher am Deutlichsten, 

AJies da* hew^LsH dem Verfasser, iIurh wii oh bei dem Verbrecher 
'-uit vine*n Menschen *u Ürnu haben, dfcn entweder. .Entbieteluri..g!«*- 
b £ ttt m üu g 4 dar irrwofheue Krank heit* bcaoodors .d’fir NhrventrWir 
tren, j»ehon vor *omi<r Geburt in einen anomalen, dem d*s hrir u 
U hutich^ütiVtfr*v;4?.t hat, — kurz, irt.pt einem wirklich’ .eb.rqf 



ui. ihr* v’riPntivfintiHchkeit gfrgim phyvd**dio Schmevsmm, 

ilhkit :ho BriötiieVi bei denyHb^h/ (tber du* htohge Yurkfuitoittti Vbö: 
hmk xkiki. &&gi mekt\ Trohe 4m- Jetoü lim Ym 



Die auffallend blbdige tiink^liilndigkeit erklärt (ler V'friik^r oU Folge 
Vfe? lj£l)e.nri£g*u$ dmleblitmai Ji^kijphS.v^ii 'der Verbrecher 

5?üid rechte yffLrksr' 45 fs\t\viclci^}elfVerbrecher 

rrital^F mit dAtO r-MPli Ürt'ri ikiK famitA MW.fcids * hellt' »rni ilmVf Imknii liÄkirn 



lemig de* geborenen Vi^bre^he^ auchÖhnck^ijttigkhit 
gegen den eigenen Tod. D&far Sprocke mich Vier mb&ltxüsemiUaig öft "bei 
Verbrechern verkommende Selbstmord. Ich ubmgehe die geistreichen Aasem- 
viuduraetzungen über iief\i|ile n/nd , IWden^tbafteji der Yerhrvcln*r v «her ihre 
Moral f riber die RücktAUigieit der Verjb^öeirOrttatUt, dm uiurter wi^lei hervoii^ 


KaaliiHit und Letcht^irm der Verbrech«invelt r Uber ilire llnvor^iriitigkeit ithä 
über ihr nicht Iolgenelitigfcs Denken an Ort und St die . 

KI.^ iiho ki>tmen die Kapitel über GamierspYaöhe t Uber die n'andsol) 2 itt der 
VerlVrOcb^, über die DiUvattn det* TerVrdchbr^ltiVÖ^^ <fe*' ti&oViepwÖ^eii - 
nur angotrihrt. wetden. Naebdeui alle /iieee Dinge eine eingehendo Besprochmjg 
gefim^rtU b&to.$ö* kouinit h. o u» brOir^ö zxi xlür P>örteröng üben Aä^ Verhöltnv»^ 
dn>4 Mi^r»4irtWIi»«II^ijrre^sroiirw vnm nngeV#omn>i! Verbivejiorthnmi B^ido^, Mora- 
Ywhr^b«rth ; nXii käme • > heivSS r Siwri ? wifc bol MUun^ni 


vtir im«1o Gr'b b>’im weitdichon G^chlocht als A-Cwpip, alvnt dio l-roytitutioi 

. • mA.\• #H <;*v*> ‘ü J i: 1 wtx■ fyhi ; A h? Gteilea Fülje*. 



H&> 




25Ö 


Referate. 


ebenso oft beim moralischen Irresein, wie beim Verbrecher beobachtet. Eben¬ 
so sei die Faulheit, das frühe Auftreten böser, grausamer Neigungen beiden 
gemeinsam. Beide Zustände, Verbrechen und Moral-Insanity, beruhen nach 
Lombroso im Grunde auf dem Entwickelungsgang einer Krankheit; doch 
könne moralisches Irresein auch durch vernachlässigte Erziehung entstehen. — 
Lombroso sucht dann des Weiteren nachzuweisen, dass auf dem Gebiete 
der Epilepsie beide Zustände, Verbrecherthum und Moral-Insanity Zusammen¬ 
treffen. Bei Epileptikern finden sich vielfach die Anomalien, wie sie für den 
Verbrecher festgestellt sind. Ja man habe sogar (Tonnini) in dem Missver- 
hältniss der beiden Gehirnhälften eine Ursache der Epilepsie gesucht. 

Die Epilepsie trete ja in sehr verschiedener Form auf; allen Arten der¬ 
selben aber seien die Familienmerkmale des Verbrechers: Asymmetrie, einsei¬ 
tiges und stumpfes Empfinden eigen. 

Schon Trousseau habe behauptet: Ohne Anstand dürfen wir jedes Ver¬ 
brechen, dem nicht Geisteskrankheit, Alkoholvergiftung oder Aehnliches zu 
Grunde liegt, für einen epileptischen Anfall halten! — 

Für Lombroso sind unzweifelhaft das angeborene Verbrecher- 
thura und die Moral Insanity nichts weiter als Varianten der 
Epilepsie! 

Beweis dafür sucht er auch in ihrer Widerstandsunfähigheit: Die mora¬ 
lisch Irrsinnigen seien unfähig, gewissen Impulsen zu widerstehen; im Normal¬ 
zustand würden die bösen Triebe gezügelt, sei es durch Furcht vor Strafe, 
durch Religion, durch gute Sitte, durch unausgesetzte geistige Gymnastik; 
aber alles das vermöge nichts über den moralisch Irrsinnigen, wie über den 
geborenen Verbrecher; das sei der Grund, warum die Letzteren immer wieder 
rückfällig würden. 

So seien Rachedurst, Prahlen mit dem Verbrechen, Trunksucht, Spiel und 
Wollust die einzigen, den Verbrecher bewegenden Triebe. Der Verbrecher 
wisse wohl, was Gerechtigkeit ist, habe aber kein Gefühl dafür! 
Seine Moral, seine Religion seien Zerrbilder im Dienste seiner Leidenschaften. 
Wohl könnte nun ein und dasselbe Individuum Verbrecher und irrsinnig sein; 
die Verschiedenheit des Bildes könne eine sehr mannigfaltige sein, je nachdem 
die eine oder die andere Partie der Hirnrinde krankhaft ergriffen sei. Zweifel¬ 
los aber meint Lombroso aus Allem den Schluss ziehen zu können, dass so¬ 
gar die scheusslichsten Verbrechen einen physiologischen, auf thierischen 
Trieben beruhenden Zustande entspringen, der sich beim Menschen in Folge 
der Erziehung oder aus Furcht vor Strafe zwar abgestumpft, aber unter dem 
Einfluss vonKrankheit, von Liebesrausch, von schädlichen Beispielen und der¬ 
gleichen mehr plötzlich wieder hervorbrechen kann. 

Der schlimmste Charakterzug des Verbrechers, der angebo¬ 
rene böse Muth, könne geradezu als ein Zustand verlängerter 
Kindheit angesehen werden. 

Das Verbrechen trete demnach wie eine Naturerscheinung, — die 
Philosophen würden sagen: wie eine nothwendige Erscheinung — auf, 
gleich denen der Geburt, des Todes, der Geisteskrankheit, von welcher es oft 
eine traurige Abart bilde. — 

Das Ausgeführte dürfte wohl hinreichen, das Studium des vorliegenden 
Werkes einem Jeden, selbst bei von den Schlussfolgerungen abweichenden An¬ 
schauungen, doch empfehlenBwerth erscheinen zu lassen. Niemand wird das 
Werk ohne ausserordentliche Anregung zu weiterem Nachdenken über diese 
wichtige Zeitfrage aus der Hand legen. 

Kreisphysikus Dr. Massmann. 


Dr. Georg Cornet, prakt. Arzt in Berlin und Reichenhall. Wie 
schützt man sich gegen die Schwindsucht? Heft 77 der 
Sammlung gemeinv. wissenschaftl. Vorträge, herausgegeben von 
Rud. Virchow, Hamburg. Verlagsanstalt und Druckerei A.-G. 
(vorm. J. F. Richter) 1889. Einzelpreis 80 Pfg. ! 

Cornet, der auf Grund eigener Untersuchungen im Koch 'scheu 1 
ratorium die von Koch aufgestellte Theorie über die Verbreite 



Verordnungen und 


S v\v‘: 


JiM. 

Sciiwinrläuchfjibaktorien iu^tiitijft gefunden k*t. *las-.i nämlich ni^irfals tfin’; 
fVaehliön .Ö , j>6rf}äehj»n «der F tÜHeigkcifeO die Bakterien - Kt^ti teslöseii 


•ind in die Luft üKerg^hcfi, folgort diirans, de** . dw . wv-.^lswMidsÜubtigffi' 
;MwgöitUi«eU» Liift tee>^ y«id Absotift viiigefäbi Hnh Hei 



,’v.;:-;, Vapi' «liweHj : äbkh<)fuiiiKt uusj «iiiufieijlt €.orA«t- ä Vsjcbeug'nigwiiiMw- 
v;.;*|i-lit' .vm Ortgirn.J «ell.st «>.u-.»*uli^<o : 4«<1 um! w<riciic> bereite/in iW 
uiu! Lieuwi '•VeriiriiMdo^ «Jt#'lib&igl. Pbliaei-Prässidiüto« von bt*r'Hn*i für du- kri- 

Ausdruck gefunden bube*! 

• • ' : k’.''kW i ttkri^WAlgi •:. : '.i' ■ 


m. 


va*en h renanstalten iiuen 


i -fe »ft! 


Verordnungen und Verfügungen. 

Veranda«# ites 
imeek«. Ci 



Ki>. iHC 7 Mv t. a 




gelu^anhuiten (jgez. v'Jtt »ids-iier) u.n d 
in Veirtr» Magdeburg)- ro.w 2'x Mai 18f|| 

BegieruTig>'Prk.s,i4witeb; nob*t ftericbf der Kterepäiseben Wiusi 
AktiengoVellijclij.ift m Hftrde vom Ti. .Mai. löS-9. 

Smi. item 5idu© IM|4 t uä besonders in NwiiiJÖmka die fterstelJuiig und 
Vt-rwondung der unter de<u ge<«em«itiion Namen »Wam-cgtete Äusiuume*r/,u- 

kl >.• /»I f rlrAt> < L - t r it ■•> OnürT.-.L! ’ftte «S J\ fi. ri rl .-.Lt ..... n /.). ^ 



^uii»djirif?nife Benutzung für .technische und •niotoiuööbe •Zw'öck^.v'd.-or OWerW 
tbäügkuil getreten, , ' ; - ' j, 

3wm UmtüBUgexx bestehen tth Wesentlichen ato W^erstotf und Köhlen- 
oxyd. Das eigentliche Wu^ergas wird durch .fern Wirkung überhitzten 
Wasseräaiiipfo auf glühende Kohlen oder Koksklein — ohne Luftsui’ühmng — 
erzeugt und in Nordamerika meist durch Beimiaf^ Kohleit- 

wasserstoife, die vorzugsweise auü Petroleum-RiicbdAudon. hergest-ellt werden, 
leuchtflihtg gemacht (oarhurirt).. Um da* Wasserg&s ter U!ühlh.ht tauglich 
zu machen, i&xxt man es in uncarhurirtem Zustand, wte b^Yielrweke zu 
Essen a Rh., Dortmund und a. a. D. f unter PahnejeiuvAehuVr Afagnosia.- Ker/eu 
anstreten, diu kiumufönmg über dem Xam|nmhrcnuer atrfgehangt «ind. 

Abwekbend von dem W^ötgiu vverdeii die fmt " hut" id technischen 
Zwecken verwendeten. sogenannten •; lia(äfiäeh^ Generator- 
msseir- Motor-. Dow*oti- r WtlsrmgÄH u, au m\) im Zug- oder öehlÄsegenerator 
durch gleichzeitig^ Einieiten Von kufU amt Wai^erclampf m glühende Koiilch 



hmm Wa^ergaa bi.y zu 40 l '/ <r und betragt Irei den HuiteWv^ergasarten w der 
Kegel ST2—2t °V W<^gen FCofalonotydgelialts ..und der hud völligen Cie- 

ruchlosigkeit des und • Haihsu^ dertm VeTOendtiTig un 

ivljtagluuuij liehen namentljcb hoi Icin^^etk GasJoitungeri Nohr geiUhTlich er« 
AHheinen. Auf d &r anderen fkite hioteo dkw fyiü&rtMx ihter 

ifea^knifh J4w /Vigr^t^ftWg ürnil kiirin^.. 

woghrt örmr. Heiligkeit t>ei Mit\ei"Wf>rtbuiig ;y-^--r^inEbHtQff''^V 

abföi^n^meiht' in' ;tmtur^ichilt3Mmdü V»jitiiÄile Btr die fee^^rhfJÄtigkeih H; 



l ' W 'JiH i Päteirtnkd , in^ctiaftigtoH ■. \ 

y:#b : \Vn^eräUhg ki der ttef 


<txO&Vx<ZiX. 





252 


Verordnungen und Verfügungen. 


In den vereinigten Staaten von Amerika, wo das Wassergas zur Strassen-, 
Hotel- und Fabrikbeleuchtung in umfangreicher Weise benutzt wird, ist aus 
der einschlägigen Unfallstatistik die weit grössere Gefährlichkeit dieses Gases 
im Vergleich zum Verbrauch des gewöhnlichen Leuchtgases unmittelbar nach¬ 
gewiesen. Man bat deshalb seitens der dort betheiligten Einzelstaaten beson¬ 
dere Vorsichtsmassregeln ergriffen und hauptsächlich darauf Bedacht ge¬ 
nommen, zur Verhütung von Erstickungen die Gegenwart des Wassergases in 
der Athmungsluft wahrnehmbar zu machen, sowie den Kohlenoxydgehalt des¬ 
selben zu vergeringern. Auch die Schweiz ist vor Kurzem, durch Unglücks¬ 
fälle dazu veranlasst, gleichen Massnahmen näher getreten. 

In Ansehung der guten technischen und wirthschaftlichen Erfolge, welche 
die Wassergasfabrikation in Deutschland neuerdings begünstigt hat, wird eine 
weitere Zunahme der Anwendung des in Rede stehenden Brennstoffs voraus¬ 
sichtlich bald zu erwarten und deshalb der Angelegenheit auch eine hygie¬ 
nische Bedeutung für die Zukunft nicht abzusprechen sein. Soweit hier be¬ 
kannt, wird das Was9ergas in der heimischen Industrie gegenwärtig zum 
Schweissen der Eisenbleche, zum Heizen der Martin- und Schweissöfen und in 
Schraiedfeuern (Essen a./R., Fürstenwalde, Hörde, Warstein, Oberschlesien), 
ferner zum Glasblasen (Gelnhausen bei Kassel), zum Schmelzen von Flüssen 
und Metallen und zum Glühen von Farbkörpern (Frankfurt a./M.), sowie zum 
Sengen der Seide und sonstiger Gespinnste und Gewebe (Elberfeld, Barmen 
und a. a. 0.) erfolgreich benutzt. In der Mischung des Dowsongases findet 
es unter Anderem zum Speisen der Gas-Kraftmaschinen für das Kleingewerbe 
in Hannover Verwendung. Neuerdings ist man auch in Erörterungen über 
den Gebrauch des Generator-Wassergases bei dem Dampfkesselbetrieb eingetreten. 

Zur Beurtheilung der Frage, inwieweit es im Interesse der öffentlichen 
Gesundheitspflege geboten erscheint, die Erzeugung oder Verwendung des 
Wassergases gewissen polizeilichen Beschränkungen zu unterwerfen, wird es 
zunächst erforderlich sein, über Art und Umfang der gegenwärtigen Verwen¬ 
dung dieses Gases im Inland noch genauere Kenntniss zu erlangen. Insbeson¬ 
dere wird es darauf ankommen, zu erfahren, ob dasselbe nur zu industriellen und 

g ewerblichen Zwecken oder etwa auch in den Haushaltungen zu Beleuchtungs-, 
eiz- und Kochzwecken, in Strassen und öffentlichen Anstalten zur Beleuch¬ 
tung verwendet wird; ferner ob Anlagen bestehen, in welchen Wassergas in 
grösserem Umfang behufs Abgabe an die Consumenten gewerbsmässig norge- 
steilt, endlich ob bereits Gesundheitsschädigungen infolge der Verwendung von 
Wasserstoffgas festgestellt worden sind. 

Ausserdem würde es uns erwünscht sein, Ew. Hochwohlgeboren Auf¬ 
fassung darüber kennen zu lernen, ob es nothwendig und zweckmässig er¬ 
scheint, eine allgemeine polizeiliche Regelung der Erzeugung und Verwendung 
des Wassergases für das Reich herbeizuführen, und auf welchem Wege even¬ 
tuell ein ausreichender sanitärer Schutz zu bewirken sein würde. Dabei wäre 
gleichzeitig zu erörtern, ob die Verwendung des Wassergases zu rein tech¬ 
nischen, besonders zu hüttenmännischen Zwecken überhaupt zu beanstanden 
sein würde, falls nicht langgestreckte Gasleitungen in der Nähe von Wohnge¬ 
bäuden hierzu nothwendig werden. 

Hinsichtlich etwaiger Massnahmen zum Schutze gegen die gesundheits¬ 
schädlichen Wirkungen kommt zunächst in Frage, inwieweit es sich recht- 
fertigen lässt, die gewerbeordnungsmässige Genehmigungspflicht der Gasbe- 
reitun^s- und Gasbewahrungsanstalten (§ 16 der Gewerbeordnung) auf die neu 
zu errichtenden Wassergas-Anstalten, und vor Allem auf Beleuchtungsanlagen 
dieser Art, auszudehnen und deren Betrieb ständig zu überwachen. 

Im Weiteren unterlassen wir nicht, darauf aufmerksam zu machen, dass 
in Nordamerika angeregt worden ist, bei der öffentlichen Verwendung von 
Wassergas nur solches zuzulassen, dessen Kohlenoxydgehalt unter lö °/ 0 bleibt. 
Für das Inland ist ein bezüglicher Höchstgehalt von 8 °/ 0 vorgeschlagen. In 
Bezug auf die im Auslande üblichen Mittel der Carburirung und der durch 
Wasserdampf bewirkten Herabminderung des Kohlenoxydgehalts fragt es sich, ob 
die hierauf etwa zu richtenden Massnahmen bei dem Mangel billiger Petroleum- 
Rückstände und dergleichen im Inland wirtschaftlich durchführbar sein müssten. 

In einem Kreisschreiben des Bundesraths der Schweizerischen Eidge¬ 
nossenschaft an die Kantonsregierungen vom 13. Juli v. J. ist unter Anderem 



Verordnungen und Verfügungen. 


253 


die Anbringung von Gascontroleuren oder ähnlichen Vorrichtungen, welche daß 
etwaige Entweichen des Wassergases in bewohnte Räume augenscheinlich 
machen sollen, empfohlen, von anderer Seite jedoch als nicht genügend zuver¬ 
lässig und wirksam erachtet worden. 

Die alleinige Befolgung eines in der einschlägigen Literatur häufig ge¬ 
machten Vorschlags, zur thunlichsten Verhütung von Erstickungsgefahren das 
geruchlose Wassergas durch Vermischung mit einem stark riechenden Körper 
aus der Reihe der Mercaptane (Thio - Alkohole oder Alkyl - Sulfhydrate), mit 
einem flüchtigen Kohlenwasserstoff, mit Naphtalin, Nitrobenzol etc. übel¬ 
riechend zu machen, ist ebenfalls als unzureichend angefochten worden. Auch 
wird es noch nicht erprobt sein, welche Verbindung aus der Mercaptan-Reihe 
sich gegen Oxydations- und sonstige Zersetzungseinflüsse als beständig zeigt, 
und ob dieselbe etwa nach bestimmten äusseren oder inneren Eigenschaften 
leicht und zuverlässig in jedem Mengenverhältnis gekennzeichnet werden kann. 

Ew. Hochwohlgeboren ersuchen wir ergebenst, nach diesen und ähn¬ 
lichen Gesichtspunkten unter Zuziehung des Königlichen Gewerberaths ge¬ 
fälligst Erhebungen anstellen und uns deren Ergebnis zugleich mit Ihrer gut¬ 
achtlichen Aeusserung zur Sache, sowie mit den daran zu knüpfenden Vor¬ 
schlägen, demnächst zugehen zu lassen. 

Bericht. 

Die bis jetzt im In- und Auslande von unserer Gesellschaft errichteten 
Wassergasanlagen funktioniren zur vollen Zufriedenheit, welche bedingt ist 
durch die einfache Bedienung der Apparate im Betriebe, durch die regel¬ 
mässige Gasproduktion derselben, absolute Sicherheit der Apparate gegen Ex¬ 
plosionsgefahr und durch die Billigkeit des Gases. 

Die von uns hergestellten Wassergasapparate arbeiten mit vollkommener 
Betriebssicherheit. Der Betriebsarbeiter hat nur nöthig von Zeit zu Zeit ein 
Steuerrad zu drehen, durch welches die Schieber und Ventile in richtiger 
Reihenfolge geöffnet und geschlossen werden, je nachdem Wassergas oder 
Generatorgas dargestellt werden soll etc. etc. 

Was die Anwendung des Wassergases zu metallurgischen Zwecken an* 
langt, so ist constatirt, dass durch die hohe Flammentemperatur und durch 
die Reinheit dieses gasförmigen Brennstoffs raschere Arbeit und bessere 
Qualität erzielt werden als bei der Anwendung anderer stickstoffreicher Gas¬ 
arten. Die Beleuchtung mittelst Wassergasglühlicht (in den kammförmig an¬ 
geordnete Gruppen von Stiften aus Magnesia durch die selbst nicht leuchtende 
Wassergasflammen glühend gemacht werden) gewinnt stetig zunehmende Ver¬ 
wendung, da dieses Licht anderen Beleuchtungsarten gegenüber grosse An¬ 
nehmlichkeiten bietet. 

Das Licht ist ruhiger als eine Steinkohlengasflamme und elektrisches 
Glühlicht, weil bei demselben ein Flackern und Zucken nicht Vorkommen 
kann, indem eine grössere Menge fester Masse intensiv und ruhig leuchtet und 
dadurch das Auge sehr geschont bleibt. Die Verbrennungsprodukte des Wasser¬ 
gases sind absolut unschädlich, sie bestehen aus Kohlensäure und Wasserdampf. 

Aus dem gewöhnlichen Steinkohlenleuchtgas kann man den Schwefel¬ 
kohlenstoff nur theilweise und nur mit grossen Kosten entfernen, indem gleich¬ 
zeitig dem Leuchtgas ein grosser Theil seiner Leuchtkraft genommen wird. 
Man lässt deshalb den Schwefelkohlenstoff im Leuchtgas. 

Beim Wassergas dagegen kann der Schwefelkohlenstoff bis auf Spuren 
entfernt werden, ohne dass die Flammentemperatur, welche bei der Wasser¬ 
gasbeleuchtung massgebend ist, im Mindesten beeinträchtigt wird. 

Was ferner die Erstickungsgefahr betrifft, so ist dieselbe bei Anwendung 
der von uns getroffenen Vorsichtsmassregeln ausgeschlossen. 

In erster Linie ertheilen wir dem Gase durch Mercaptan — eine I0°/ o ige 
Lösung — einen penetranten Geruch, welcher dem Gase in der Wassergasan¬ 
stalt durch einen Apparat beigebracht wird, der so construirt ist, dass er das 
Gas stete gleichmässig stinkend macht, doch bleibt es jedem Verbraucher von 
Wassergas anheimgestellt, das von ihm zu verwendende Gas noch intensiver 
übelriechend zu machen Zu diesem Zwecke schalten wir einen einfachen 
Apparat im Hausgang in die Leitung ein. 

Dieser Apparat bezweckt gleicnzeitig, in der Hausleitung vorkommende 
Undichtigkeiten oder das Offenstehen von Hähnen sofort anzuzeigen und den 



254 


Verordnungen und Verfügungen. 


dadurch entstehenden Gefahren vorzubeugen. Es dürfte sich empfehlen, den 
Beamten der Gasanstalten bei der regelmässigen Aufnahme des Uhrenstandes 
zur Pflicht zu machen, die Füllung des Apparates und das Funktioniren des Dich- 
tigkeitsanzoigers zu controliren, erforderlichenfalls neue Flüssigkeit nachzuf&llen. 

Bekanntlich entstehen bei Anwendung von Leuchtgas die meisten Un¬ 
glücksfälle, wie Explosionen, Erstickungen etc. dadurch, dass wenn man den 
Gashahn an der Lampe scbliessen will, derselbe bei etwas unvorsichtigem 
Drehen der Hand wieder etwas geöffnet wird, oder auch, dass der Hahn, 
wenn der Arretirungsstift im Hahnküken abgebrochen ist, zu weit herumge¬ 
dreht wird. In beiden Fällen wird Gras austreten. 

Bei Wassergasbeleuchtung können dieselben Handhabungsfehler keine 
Nacbtheile herbeiführen; es würde nämlich in beiden oben angegebenen 
Fällen das ausströmende Wassergas sich sofort wieder an dem noch weiter 
glühenden Magnesiakamm entzünden, den der Glühkamm bleibt noch 22 
Secunden nach dem Absperren des Gases in glühendem Zustand. 

Die Zimmer und Küchenöfen, welche für Wassergas angewandt werden, 
sind mit Schutzklappen und kleinen Zündflammen an jedem Brenner ver¬ 
sehen; so dass auch hier an ein Austreten von Gas nicht zu denken ist, be¬ 
ziehungsweise wird das Austreten unverbrannten Gases in die Wohnräume 
durch die getroffenen Vorsichtsmassrogeln unmöglich gemacht. 

Die Beimischung von Mercaptan ist im Verhältniss zum Gasvolumen 
eine so geringe, dass bei der Verbrennung des Gases nicht die geringsten 
Spuren von schwefliger Säure nachgewiesen werden konnten. Wir haben von 
Hausfrauen, welche das Wassergas seit drei Jahren täglich verwenden, über 
die Einfachheit der Bedienung, über die vollständige Russfreibeit der Flamme 
und auch sonst in jeder Beziehung die günstigsten Urtheile gehört. 

Wird Wassergas in Fabriken zu metallurgischen Zwecken und zur Be¬ 
leuchtung verwendet, so ist hier ein besonderes Stinkenmachen des Gases 
überhaupt nicht erforderlich, denn sein Geruch ist auch ohne Anwendung von 
Mercaptan oder anderen Stinkstoffen schon unangenehm genug. 

Die von Herrn M. Geitel, Ingenieur im Kaiserlichen Patentamte, er¬ 
scheinende Arbeit „Ueber das Wassergas und seine Verwendung in der Tech¬ 
nik“ haben wir, soweit dieselbe bis jetzt uns zugänglich ist, mit grossem 
Interesse gelesen. Den Ausführungen des Herrn über die Anwendung des 
Wassergases zu Heizzwecken und seine billigen Herstellungskosten schliessen 
wir uns aus unserer Erfahrung an. Nur durch Gasheizung kann die jetzige 
enorme Kohlenvergeudung beseitigt werden. 

Die von Herrn Geitel ausgesprochene Gefährlichkeit des Wassergases 
in Folge seines höheren Kohlenoxydgehalts ist ausgeschlossen, wenn die ein¬ 
fachen von uns vorgesehenen Vorsichtsmassregeln beobachtet werden. Dass 
die Anwendung des Wassergases trotz seines höheren Kohlenoxydgehalts durch 
die grossen Vortheile, welche dasselbe bietet, immer mehr zunimmt, dafür 
spricht auch die Thatsache, dass der Staat Massachusetts, der letzte Staat der 
amerikanischen Union, welcher das Wassergas für Städte noch nicht zuliess, 
seit einiger Zeit die Anwendung desselben freigegeben hat. 

Vorsiehtsmassregeln zur Verhütung einer Uebertragung der Tuberkulose 
in Privat Irrenanstalten. Verfügung des Königlichen Polizeipräsiden¬ 
ten in Berlin (gez. von Richthofen) vom 12. April 1883 an die Vorstände 

der dortigen Privatirrenanstalten. 

Durch Dr. Georg Cornet’s Untersuchungen über die Verbreitung der 
Tuberkulose unter Leitung des Geheimen Medicinalrathes Prof. Dr. Robert 
Koch ist festgestellt worden, dass nur der getrocknete Auswurf der an der 
Lungenschwindsucht Erkrankten oder derselben Verdächtigen den Gesunden 
verderblich wird und zwar, sobald derselbe fein verstaubt der Athmungsluft 
beigemischt und so dem menschlichen Körper zugeführt wird, lfm die auf 
solche Weise vermittelte Uebertragung von Tuberkelbacillen, welcke bekannt¬ 
lich die Tuberkulose weiter verbreiten, thunlichst zu verhüten, sollen Tuber¬ 
kulöse (Schwindsüchtige) angehalten werden, niemals in ein Taschentuch, auf 
den Fu88boden oder an die Wände, sondern lediglich in ein für diesen 
Zweck bestimmtes Gefäss, Spcinapf oder Speiglas, auszuspeien; besonders sei ein 
Handspeinapf zu empfehlen; um die Verunreinigung des Bodens etc. zu verhüten. 



Verordnungen und Verfügungen. — Personalien. 


25& 


Eine Desinfektion des Auswurfes durch die früher üblichen Mittel hält 
Dr. Com et für überflüssig, da der Sublimat z. B., wie längst kekannt ist, 
Tuberkelbacillen überhaupt nicht unschädlich mache, die Karbolsäure zu 
diesem Zweck aber nur unter Beobachtung grösster Sorgfalt in der Anwen¬ 
dung zuverlässig wirksam sei. Die Speisegefässe seien täglich nur mit kochendem 
Wasser zu reinigen, der Auswurf aber mit dem Waschwasser in die Aborte zu 
befördern; Sand oder Sägespähne zur Bestreuung des Bodens der Speinäpfe zu 
benutzen, sei nicht empfehlenswerth, da auf solche Weise dem Trocknen und 
der Verstaubung des Auswurfes Vorschub geleistet werde; eine geringe Menge 
Wasser in den Gefässen sei nicht zu verwerfen (Zeitschr. f. Hygiene Bd. 5, S. 191 ff.). 

Auf Grund der für das Gemeinwohl so wichtigen Ergebnisse der Cor- 
net’schen Untersuchungen und mit Rücksicht darauf, dass Geisteskranke 
nicht selten an Tuberkulose (Schwindsucht) erkranken, ersuche ich Ew. pp. 
ergebenst, für die Zukunft folgende Vorschriften für Ihre Privat-Irren-Anstalt 
im Interesse der übrigen, Ihrer Obhut anvertrauten Kranken beachten und ge- 
gefältigst zur Ausführung bringen zu wollen. 

1) Offenbar Tuberkulose sind, soweit thunlich, von anderen Kranken 
abzusondern. 

2) Sämmtliche Kranke, welche an dieser Krankheit leiden oder der¬ 
selben verdächtig sind, werden streng angehalten, lediglich in mit 
wenig Wasser am Boden bedeckte Speigefässe den Auswurf zu ent¬ 
leeren. Jene Gefässe sind täglich mindestens einmal mit siedendem 
Wasser zu reinigen, der Gesammtinhalt wird in die Aborte entleert. 
Etwaige Besudelungen des Fussbodens, der Lagerstellen, der Wände etc. 
werden, soweit möglich, sofort mit siedendem Wasser oder in 
anderweit zweckentsprechender und zuverlässiger Weise entfernt, be¬ 
sudelte Gebrauchs- und Bettwäsche wird entfernt und ausgekocht. 

3) Bettstücke, Matratzen, Decken etc., sowie alle Gebrauchsgegenstände, 
welche Schwindsüchtige benutzt haben, sind nach Massgabe der dies¬ 
seitigen Polizei-Verordnung vom 7. Februar 1887, betreffend Desin¬ 
fektion bei ansteckenden Krankheiten zu behandeln, beziehungsweise 
den hiesigen städtischen Desinfektions-Anstalten zu übergeben, soweit 
nicht etwa Auskochen angängig ist. 

4) Auch die Desinfektion derjenigen Zimmer, in welchen Schwindsuchts- 
Kranke gelegen haben, erfolgt nach dem Abgänge der Letzteren 
durch Entlassung oder Tod nach Massgabe der vorerwähnten Be¬ 
stimmungen. 


Personalien. 

Auszeichnungen: 

Verliehen: Der Character als Geheimer Sanitätsrath: den 
Kreisphysikem und Sanitätsräthen Dr. Klostermann zu Bochum, Dr. Kreuss- 
ler in Brandenburg a./H., Dr. Heilmann in Krefeld, Dr. Strauss in Barmen, 
sowie dem praktischen Arzte Sanitätsrath Dr. Morsbach zu Dortmund; als 
Sanitätsrath: den Kreisphysikem Dr. Schirmeyer zu Osnabrück, Dr. 
Höchst in Wetzlar, sowie dem Kreiswundarzt Dr. Hachenberg in Neuwied 
und dem praktischen Arzte Dr. Ellebrecht in Lechenich. 

Der Rothe Adlerorden IV. Klasse mit Schwertern: dem Marine¬ 
stabsarzt Dr. Renvers in Wilhelmshaven; der Kronenorden III. Klasse: 
dem praktischen Arzt Sanitätsrath Dr. Bredow in Danzig. 

Die Genehmigung ertheilt zur Anlegung des Ritterkreuzes des 
Königl. Rumänischen Ordens Stern von Rumänien: dem praktischen 
Arzt und Badearzt Dr. Lahusen in Sylt; des Komthurkreuzes mit dem 
Stern des Grossherzogi. Sächsischen Hausordens der Wachsamkeit: 
dem Corps- und Generalarzt Dr. Leuthold in Berlin; des Ritterkreuzes 
1. Kl. des Herzogi. Anhaitischen Hausordens Albrecht des Bärens: 
dem praktischen Arzte und Hofarzt Sr. Königl. Hoheit des Landgrafen von 
Hessen Dr. Hartmann zu Hanau; des Komthurkreuzes II. Kl. d es Herzogi. 
Sachsen-Ernestinischen Hausordens: dem Geheimen Medicinalrath Prof. 
Dr. Lewit in Berlin und des Ritterkreuzes deR Königl. Portugiesi¬ 
schen Christusordens: dem praktischen Arzt Dr. Wolff m Berlin. 



256 


Personalien. 


Ernennungen nnd Versetzungen: 

Ernannt: Regierungsrath Dr. Renk, Mitglied des Reichsgesundheits¬ 
amtes in Berlin zum ordentlichen Professor in der medicinischen Fakultät 
zu Halle a./S.; der Direktor der Provinzialirrenanstalt Dr. Pelmann in Bonn 
zum ordentlichen Professor der dortigen medicinischen Fakultät unter Verlei¬ 
hung des Charakters als Geheimer Medieinalrath; der praktische Arzt Dr. 
Schmolk in Rastenburg zum Kreiswundarzt des gleichnamigen Kreises. 

Versetzt: Der Kreisphysikus Dr. Blokusewski in Aurich in gleicher 
Eigenschaft in den Kreis Militsch; der Kreisphysikus Sanitätsrath Dr. Hoff¬ 
man n in Meseritz in gleicher Eigenschaft in den Kreis Waldenburg und der 
Kreiswundarzt Dr. Wolff in Garzweiler in gleicher Eigenschaft in den Kreis 
Elberfeld-Mittmann. 

Verstorben sind: 

Die praktischen Aerzte: Dr. Pitzner in Nordstemmen, Dr. A. Bern- 
hardi in Eilenburg, die Geheimen Sanitätsräthe Dr. Behrend und Dr. 
Gabriel, sowie Dr. Adler in Berlin, Geheimer Sanitätsrath und Kreisphysikus 
a. D. Dr. Küpper in Trier, Dr. Lorenz in Eberswalde, Dr. Sticke in 
Niederdodeleben, Dr. Einem in Stade, Dr. Schrömbgens in Kaldenkirchen, 
Dr. Guttermann in Duderstadt, Generalarzt Dr. Kuhn zu Potsdam; Kreis¬ 
wundarzt und Oberstabsarzt a. D. Dr. Heck in Gross-Tychow, Marinestabsarzt 
Dr. Brandstetter zu Berlin; die Sanitätsräthe Dr. Secki und Dr. v. Kac- 
zorowski in Posen; Dr. Leyser in Schwersenz, Kreisphysikus a. D. und 
Sanitätsrath Dr. Adloff in Schönebeck und Dr. Reuther in Kitzen. 

Vakante Stellen:*) 

Kreisphysikate: Putzig, Schlawe, Grimmen, Witkowo, Jarotschin, 
Schildberg, Neutomischel, (Meldung bis zum 10. Juli bei der Regierung in 
Posen, Abth. des Innern), eine Bezirksphysikusstelle in Berlin, Meseritz, 
Nordhausen, Erfurt, Uslar, Hümmling, Sulingen, Fulda, Unterwesterwaldkreis, 
Adenau, Landkreis Köln, Aurich (Meldung bis zum 10. August beim Königl. 
Reg.-Präs. in Aurich), Daun, Oberamt Gammertingen und Sigmaringen. 

Kreiswundarztstellen: Fischhausen, Darkehmen, Heiligenbeil, Heyde- 
krug, Oletzko, Tilsit, Karthaus, Marienburg, Loebau, Marienwerder, Graudenz, 
Angermünde, Templin, Friedeberg, Ost- und West-Sternberg, Bütow, Lauen¬ 
burg i/P., Dramburg Schievelbein, Bomst, Schroda, Bromberg, Strehlen, Ohlau, 
Kosel, Lublinitz, Neustadt in Ob.-Schlesien, Striegau (Meldung bis zum 10. Juli 
beim Königl. Reg.-Präsidenten in Breslau) Lauban, Reichenbach, Grünberg, 
Münsterberg, Sagan, Militsch, mit dem Wohnsitz in Sulau, Jerichow I, Wanzleben, 
Worbis, Sangerhausen, Ziegenrück, Langensalza, Höxter, Lübbecke, Warburg, 
Lippstadt, Meschede, Hünfeld, Erkelenz, Kleve, Stadtkreis Köln, Bergheim, 
Rheinbach, Wipperfärth, Grevenbroich und St. Wendel. 

*) Wo ein bezüglicher Vermerk fehlt, sind die Stellen entweder noch 
nicht ausgeschrieben oder die officiellen Meldefristen bereits abgelaufen. 


Die Herren Physikatecandidaten, welche circa 14 Tage vor der münd¬ 
lichen Prüfung hier eintreffen, finden Gelegenheit zur praktischen Uebung der 
gerichtsärztlichen und psychiatrischen Aufgaben, insbesondere zu mikrosko¬ 
pischen Untersuchungen 

in dem gerichtlichen Phyeikate, Communication No. 19, 

und wollen Sich mit ihren diesbezüglichen Wünschen rechtzeitig wenden an 


Dr« Mittenzweig, Winterfeldt - Strasse 3. 


Hierzu als Beilage: Prospect über „Der Preossisclie PI 
von Sanitätsrath Dr. Schlockow in Breslau. 2. Auflage. * * 
Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin. : t * 


Verantwortlicher Redacteur: Dr. H. Mittenzweig, Berlin 

Druck der Fürst!, prlv. Hofbuchdruckerel (F. MltzlafTi, * 





Jahrg. 2. 


1889. 


für 



Herausgegeben von 

De H. MITTENZWEIG Dr. OTTO lUPMUND 


ia Berlin, 

Reg,- und Mediciiuiraih m Auricb. 

t; : * v -! X'tJX 'Va 



Dr. W 1 LH. SANDER 

Mtdicjaalmtli und Direktor der Inetunit&h DtUdorf-Berlio, 


Verlag von Fischer's rnedic, Buchhdlg, H. Kornfeld, Berliii NW. 6- 




Eneb«l«( am 1 . Joden Itloimüu 

Praia jährlich 6 Hark. 


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Origuial-JCitÜx^litmg^jai i 
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nebst Torsvhiig'nb Verböseoniiig^n. 
Vön J>r, Htöfer': v. ... , . ... ... 

Klflitte/a , . . 

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bangen d^r' *rUyu»üi»drÖH» cu pltfia- 
Ucfcita m Wwfcr 

:'•• betUM d^r ODfeeUaiTliaiT inr Geburta- 

faöJf« tjj»d Öynitkdioijib »jft Berlin. 378 
Verordn aa#en und Vert^gajijftdn 
Idtera&ur • lvvy^:>i ■» - - 

i«*™ . :. ■. • ... ■-x'Y . • 


2TÖ 


3T7 


*7* 

,. . § _ _ ßss* 

Personalien * V *■ » ¥8$ 

Programm der VXL Hauptver¬ 
sammlung de»PrauÄB. Medicinal- 
beamten verein» . * . # S87 




Mord durch Strychnin-Wsiam 

Von ür. Jtiltouaweigv 

Wiewohl die Literanir keiner? Mangel an VergiftUngos mit 
Strychnin oder ' aufwefetv so ist 

doch, die Zahl der StiyekauiiBmde; keine grosse, und eg dürft'» 
deelsalb die YeröBontjichung eines Falles von Interesse sein, 
welcher wo wohl 4«Ä|a»^ Art der Ausführung, als durch die 
Wahl des 8ti7elinioh^'tij^.' : 'kßlte}a, durch den regelrechten: Ver¬ 
laut" der Erscheinungen, wie durch das klassische Bild der Ob- 
düctioB ein bßmerkenswCTther geworden ist. 

f >w Fall ist iulgendef gewesen: 

Am Itt. .laedar 18.. war die anssetehelich geborene, sieben 
Jnlire afle .Johauna H: unter■ UiBaraudoo/gestorben, welche den 






p. •ibei den Ansthlj der OMnctioU 

i*. ftyVd. ergab int WfeBentUcheü naelt- 




ib 





258 


Dr. Mittenzweig. 


Die Mutter Catharina H., welche bereits das eine uneheliche 
7jährige Kind Johanna hesass, war zum zweiten Male unehelich 
schwanger und hatte den Entschluss gefasst, die 7jährige Tochter 
Johanna aus der Welt zu schaffen, weil sie in Sorge darüber 
lebte, wie sie zwei uneheliche Kinder ernähren sollte. Sie kaufte 
deshalb in einer Apotheke für zehn Pfennige Giftweizen und gab 
denselben ihrer Tochter Johanna in zwei fast gleichen Hälften 
ein. Am 12. Januar liess sie die eine Hälfte und als sie keiner¬ 
lei Wirkungen spürte, in der Frühe des 13. Januar den Rest des 
Weizens von dem Kinde nehmen. Dies geschah auf der Kammer, 
auf welcher sie mit dem Kinde und der 14jährigen Dienstmagd 
Minna S. schlief. Als die S. am 13. Januar gegen 6 Uhr Mor¬ 
gens erwachte, richtete sich die Johanna H. im Bette auf und 
sagte: „Minna, meine Mama hat mir wieder Babelchens gegeben.“ 
Die S. begab sich nach unten, wo sie die Mutter des Kind<m 
beim Kaffeetrinken traf. Nach einiger Zeit hörte sie das Kind 
laut schreien, machte die Mutter hierauf aufmerksam, und diese 
holte nunmehr das Kind in die Küche herunter, wo sie ihm ein 
Kleid anzog. Während sie es auf dem Schosse hielt, zitterte es 
heftig und schrie noch eine Zeit lang, bis die Besitzerin des 
Gutes herbeigekommen war. Dann sagte es unter fortwährenden 
Zittern: „Mama, ich weiss, wovon es kommt, das kommt von den 
Babelchen, die du mir gegeben hast“. Der gleich darauf eben¬ 
falls hinzugekommene Besitzer glaubte, das Kind, welches die 
Beine von sich streckte, ganz steif war und noch immer mit den 
Armen zitterte, habe ein Nervenschlag gerührt, und liess einen 
Nachbar rufen, um es in die benachbarte Stadt in ein Kranken¬ 
haus zu schaffen. Ehe derselbe indess seinen Wagen herbeige¬ 
holt hatte, war das Kind — gegen 7 Uhr Morgens — gestorben. 

Gleich bei ihrer polizeilichen Vernehmung gestand die un¬ 
verehelichte H., dass sie ihr Kind vergiftet habe. Sie habe dem Kinde 
die Strychninkörner zum Essen gegeben, und wenn sich dasselbe 
weigerte, dieselben zu nehmen, es durch Nebenreichen von Zucker¬ 
plätzchen (sog. Babelchen) bewogen, auch die bitteren Körner zu 
essen. In solcher Weise gelang es ihr, dem Kinde das bitter 
schmeckende Gift beizubringen. Das Kind starb am 13. Januar 
und wurde am 17. Januar gerichtlich obducirt. Das betreffende 
Protokoll lautet: 


Ä) Aeussere Besichtigung. 

1. Die Leiche des weiblichen, circa 7 Jahre alten Kindes 
ist 108 Cm lang, von zartem Körperbau, guter Muskulatur und 
guter Ernährung. 

2. Die Farbe der Haut im Gesichte und an den Füssen ist 
grauweiss, fast am ganzen übrigen Körper hellroth, besonders sar 
turirt roth am Rücken, doch ergeben Einschnitte an den rothe& 
SteUen nirgends im Gewebe frei liegendes Blut 

3. In allen Gelenken findet sich auffallend starke * 
starre. 



Mord durch Strychnin-Weixoii. 


259 


4; Der Kopf ist dicht Gedeckt mit hellblondem, 22 cm lan¬ 
gem Haar. Verletzungen sind au demselben nicht aufzutuiden 

5. Seine natiklicheo. Oefliiungen sind frei von Fremdkörpern. 

6. Beide Ohrmuscheln sind aulf&üead bleich. 

7. Die Augerj-sddejrabÄat. ist bieieh, di» .Hornhäute- sind 
etwas getrübt, die graubiauea Aügeb habe« o weite Pu- 




Die Nasenlöcher sind etwas .feucht. 

9, Die Lippen heihotfe die Sohl.er.mintut der Lippen und des 
Zahntieisdics gramweim Die■ZmtgeuspiiÄe- liegt fest eingeklemmt 
zwischen den auf-, einander stehettdini Zahnreiheu. 

10, Der Hals ist frei beweglich und ohne Verletzung 
seiner lt ^ 



halbst, etwas 

Id, Die Änasereh sind nnverletzt. 

14, Beide Fussgelenke sind Msuerst stark gestreckt. 

15. Beide Hände .stehen in auffallend abnormer Stel¬ 
lung (klaueuartig gekrallt), die Finger im MiUclhaud- 
Fingergelenk überstreckt, in den beiden Frrjgcrgelen- 
ken stark gebeugt, 

10. Ara Hficken keine Verletzung, die Wixbdsäüfe frei be¬ 
weglich. 

* 17 . Der After stellt Ulfen und ist nicht beschmutzt. 

ß) Innere Besichtigung, 

Da das Kind muthmasslich vergiftet ist. so beginnen wir 
I. mit Eröffnung der Brust' und Bauchliöht<?. 

18. Die Bauclideeken haben -eine nufesige Fetfecliicbt, die 
Mnskulatur ist etwas iit’Urotli, der Bauciifejifibetiug glänzend, 
glatt und durchschemend. 



rosa gefärbt, ein frenider Inhalt ist in der Bauchhöhle nicht 
vorhanden. 

SO) Das Zwerchfell sfelit beiderßeits hinfef dar 5 . Kippfe 
•) Organe der Bandih&hfe 

2). Nachdem die;3pei?ierohrt> ober halb des M s^munuhdefe imu 
der Zwölffingerdarm oitfet.Ualb des Oalle»teiügaqges doppelt nüter- 
,bs»deu und Spofeerdhf« Darm «wssekeit-den Ligaturen durch- 
trennt raod, wird ^ 'keraüdgeäehiiBeä,; 

! h-" finden sich keine VerändetiiEigen 
litt»■ 4 Füllung der Venen. 

i Ofamni einer : gelblichen schleimigen. 

"§. in walelHj? walase and gelbe Partikel anspeiidirt 
höj nig ‘.ozalühleiide TUeile sind im Ala gen 





260 


Dr. Mittenzweig. 


nicht aufznfinden. Ebenso wenig macht sich ein besonderer Ge¬ 
ruch geltend. Sein Inhalt färbt Lackmuspapier roth. 

24. Die Innenfläche des Magens wird ausgebreitet und genau 
besichtigt. Auch hierbei finden sich keine verdächtigen fremden 
Körper vor. Mit dem Messer lässt sich grauer Schleim ab¬ 
kratzen. Die Schleimhaut selbst ist grauweiss mit einem Stich 
ins Gelbliche, dabei durchscheinend und nicht getrübt. Die Ge- 
fässe sind mässig injicirt, die Drüsen nicht vergrössert oder ge¬ 
färbt, die Schleimhaut nicht verdickt. 

25. Magen und Mageninhalt werden in ein mit A bezeich- 
netes Glasgefäss geschüttet. 

26. Die Milz ist 10 cm lang, 7 cm breit und 2 cm dick, 
von rothbrauner Farbe, glatter Oberfläche und fester Consistenz. 
Auf den graurothen Durchschnitt tritt wenig Blut. Das Gewebe 
ist roth und fest, mit zahlreichen hirsekorngrossen und grösseren 
grauen Milzbläschen durchsprengt. Die Milzbalken treten wenig 
hervor. Aus den durchschnittenen Gefässen lässt sich etwas 
dunkelrothes Blut ausdrücken. 

27. Die linke Niere ist 9 cm lang, 4 cm breit und 2 cm 
dick, glatt, mit leicht abziehbarer Kapsel, röthlich grau und fest. 
Beim Herausnehmen traten 10 cm dunkelrothen syrupsdicken 
Blutes aus. Auch auf den Durchschnitt tritt viel Blut. Die 
Nierensubstanz ist röthlich grau, die Gefässzone der Rinde wenig 
hervortretend, die Schnittfläche glatt glänzend und nicht ge¬ 
schwollen. Die Marksubstanz ist dunkelroth, die Zone der ge¬ 
raden Harnkanälchen wenig hervortretend. Die Schleimhaut der 
Nierenkelche, des Nierenbeckens und des Harnleiters glatt, grau 
und spiegelnd. 

28. Die linke Nebenniere klein, derb, aussen gelblich, innen 
grau und bräunlich roth. 

29. Die entsprechenden Organe rechts haben dieselbe Be¬ 
schaffenheit. 

30. Die Harnblase enthält einige Tropfen klaren Urins, ihre 
Schleimhaut ist stark gewulstet und rosa-weiss. 

31. Bei Herausnahme des Darmes fällt die starke 
Füllung der Mesenterial-Gefässe auf. Im Uebrigen ist 
die gesammte Darmpartie äusserlich nicht verändert. 

32. Der Zwölffingerdarm enthält viel, dem Magen¬ 
inhalt ähnlichen Schleim von rothgelber Farbe, seine 
Schleimhaut ist unverändert. 

33. Er nebst Inhalt wird in das Gefäss A. gethan. 

34. Bei Eröffnung des Dünndarms finden sich in den 
oberen Theilen, im Leerdarm nur vereinzelte, im untern 
Theil, im Krummdarm, dagegen grössere Mengen rothge- 
färbter Weizenkörner, welche zum Theil zermalmt, zum 
Theil noch ganz sind. Ausserdem findet sich im unter¬ 
sten Theil des Dünndarms brauner Brei nebst zahlrei¬ 
chen Spulwürmern. Die Schleimhaut des Dünndarms ist 
mit rothbraunen Schleim bedeckt und auch selbst so ge¬ 
färbt, im Uebrigen nicht verändert. 



Mord durch Siryclimn-Woixw. 


261 


Dünndarm liebst Inhalt wird nach Entfernung der Spul¬ 
würmer in das Gtdkss Ä, gethan. 



We.I^eiikörner auf gefunden. Seine Schleimhaut:• 
ändert. 

36. Der Masidarm ent,hält gleiche». breiigen K<d:k r -mm 

Sdtleimhaut ist, iinveNtnderi 

T>i« t.*w |^tat heraßBgendminetii m»d tritt auch 


hierbei.'viel diekflössigets, flntikelrotlie& Blut -aus äeb'0eßti»seo äuk 
ist. 18 cm breit. Ifl m buch und 5 eni dick, glatt, hr&uurötli^ 
Auf den giuur6t|jan glatten Dmehsehüiit triff adel' Blut. Die 


;;\^eherinaeln sind zähircieli, • doch. kMn»'. Die Gatlenbianfr enthält 
braune flüssige Galle, 

38. Die BäuehstmidieldrÖKe ist derb and rathgrati. 

$!>, Die Gewisse d# Baudihöbie 

dunkolrot.hes Blut. 

; 

b) Organe der Brusthöhle, ■ ' 

•dpi- Nach EutiWatjuig dos »ttverietzten Brustbeins liegen die 
Organe der Brusthöhle normal, die bRiuliehen Lungea bedecken 
zm»v Tbeil den Hensbeuteh in de« Brastfellskeken kein ungehöriger 
Inhalt, 

41. Im Herzbeutel 13 ßm einer sehwachrüthljcheii, tasr 
klaren Flüssigkeit, seine Jxtnentfädie ist glatt 

42. Das Herz entspricht der Grösse der geballten Faust des 

Kindes, ist puitairroth, fest, mit stark &rA]üayoii^k;'.:dtts ; ' 

rechte Herz fast leer, das linke enthüll in den Vorkammera 
w enig dickflüssiges dünketrothes Blut, Die' K&nmxerelng&nge sind 
fftr 2 Finger .divrcbgängig. 

Bei© HeraüBnehmen des Herzens fliesst viel dnnkelrofhes 5 
Blut uns deit grössen. Gefässen • dm. • tprferieUeii' K tappen 
Behlieeseri .wasserdicht. Die Heritmuskulat^ 'graft* 

roth, der innere Herzüherzug zart, und :;I>aa Gleiche 

gilt ron den halbmöndfonnigfen und den' zipfelige« 

13. Dte grossen Gefässe und NeiTenstrdnge am Halse sind 
unverletzt, die Venen stark iüit dtek'flttadgem. Blute gefällt. 


SM* ^«B^chlldflfÖse ist mifcteJgro«s, Maturoth. 

In Mund- ntfd Euchenhohle kein Ungehöriger Körper. 
Die Zunge m der Spitze gerothet, an den Seitenrändem mit 
Zaltneuidriickea versehen. Die Schleimhaut, dys Bchtaöäca blauroth, 
dje Mandeln ktein, gratiroth und glatt T VS**. -. •- 



und Dot'ti öhre enthalten fiel' gäben gmnen 
;*ö MvuiiVwu* cd grmrrath niit starker Füllung der 

h9hIÜ 

, .UuK'y.oi sind gross, knisternd, stahlblau, glatt; 
■Hp|.v- Schnittfläche tritt nur bei Druck 


VttBKaSä 






262 


Dr. Mittenzweig. 


aus den grösseren Gefässen dickflüssiges, dunkelrothes Blut aus, 
während sich aus ihren Luftröhrenästen wenig weisslicher Schleim 
ausdrücken lässt. Die Schleimhaut letzterer ist röthlich grau. 
Die Brustdrüse ist mässig gross und grauweiss. 

II. Eröffnung der Kopfhöhle. 

49. Bei Durchschneidung der weichen Schädeldecken fliesst 
fast kein Blut ab. 

50. Das Schädeldach ist 17 cm lang, 12 V 2 cm breit, die 
Dicke der Knochen beträgt 1 */ a bis 6 mm. Ihr schwammiger 
Theil ist stark mit Blut gefüllt. Die Nähte der Schädelknochen 
sind verwachsen, Verletzungen am Schädeldache nicht aufzu¬ 
finden. 

51. Die Aussenfläche der harten Hirnhaut ist wenig uneben, 
ihre Gefässe sind mässig mit Blut gefüllt. Der obere Längsblut¬ 
leiter enthält wenig flüssiges Blut, auch die Innenfläche der 
harten Hirnhaut ist glatt und glänzend. 

52. Die weiche Hirnhaut ist zart, ihre venösen Gefässe sind 
stark mit Blut gefüllt, sie lässt sich leicht und glatt vom Ge¬ 
hirn abziehen. 

53. Die Gehirnwindungen sind kräftig und rundlich, die 
Furchen eng. 

54. Die obere Gefässplatte ist zart, ihre Gefässe, wie die¬ 
jenigen der Seitengeflechte, enthalten wenig Blut 

55. Die Seitenkammern enthalten wenig röthliche, klare 
Flüssigkeit. 

56. Die Rinde ist graurosa. 

57. Das Mark schneidet sich fest, hat viele rothe abspülbare 
Blutpunkte, welche stets von Neuem auftreten. 

58. Seh- und Streifenhügel haben ebenfalls viele Blutpunkte. 

59. Desgleichen die Vierhügel. 

60. Das kleine Gehirn ist auf dem Durchschnitt grauröthlich. 

61. Die weiche Hirnhaut an der Basis zart. 

62. Desgleichen die Gefässwandungen der Arterien. 

63. Brücke, verlängertes Mark und Himschenkel besetzt mit 
vielen kleinen Blutpunkten. 

64. Die Blutleiter an der Basis enthalten viel dunkelrothes 
flüssiges Blut 

65. Weder an der Schädelbasis noch am übrigen Skelett 
finden sich irgendwelche Knochenverletzungen. 

66. In ein zweites Glasgefäss B. werden Blut und Theile des 
Gehirns, der Leber, des Herzens, der Lungen, Nieren und Milz 
gefällt. 

Beide Gefässe werden hierauf mit Pergament fest verschlossen, 
bezeichnet und dem Herrn Untersuchungsrichter übergeben. 

Sodann geben wir unser vorläufiges summarisches Gutachten 
dahin ab: 

I. Bei dem obducirten Kinde ist eine chronische oder acute 
Erkrankung eines Organs nicht vorgefunden worden. 



Mord durch Strychnin-Weizen. 


263 


n. Dasselbe ist mit höchster Wahrscheinlichkeit durch Ver¬ 
giftung mit Strychnin-Weizen gestorben. 


Chemische Untersuchung. 

Die Untersuchung der zerkleinerten Leichentheile geschah 
nach der von Dragendorff vorgeschriebenen Methode. Es wurde 
durch Digeriren mit sehr verdünnter Schwefelsäure ein saurer 
Extract hergestellt, derselbe nach dem Concentriren mit starkem 
Weingeist behandelt, die alkoholische Lösung von dem Rückstand 
abfiltrirt, der Alcohol bei Wasserbadtemperatur verjagt und der 
so gewonnene Extract zunächst mit Petroleumäther, sodann mit 
Benzol und zuletzt mit Chloroform ausgeschüttelt. Der rück¬ 
ständige wässrige saure Extract wurde sodann mit Ammoniak 
deutlich alkalisch gemacht, sofort mit frisch destillirtem Benzol 
übergossen und unter tüchtigem Umschütteln auf 40° erwärmt. 
War Strychnin vorhanden, so musste dasselbe in diese Benzol¬ 
lösung übergehen und demnächst durch die sogen. Stiychnin- 
Reaction erkannt werden. Um jede Verunreinigung, die in diese 
Benzollösung übergehen konnte, zu entfernen, wurde dieselbe 
noch einmal mit verdünnter Schwefelsäure ausgeschüttelt, in 
welche das Strychnin übergehen musste, die saure Lösung von 
der Benzollösung getrennt und aus ersterer durch Zusatz von 
Ammoniak das Alkaloid abermals frei gemacht und der alkali¬ 
schen Lösung sodann nochmals durch Behandeln mit warmem 
Benzol etwa vorhandenes Alkaloid entzogen. 

Es zeigte sich dabei, dass beim Verdunsten derjenigen Ben¬ 
zollösung, welche aus dem Inhalte des Glases A. genommen war, 
keine Reaction auf Strychnin wahrgenommen werden 
konnte, während bei der Behandlung des aus B. stammenden 
Benzolrückstandes eine, wenn auch sehr schwache, Strych- 
ninreaction eintrat. 

Die Reaction auf Strychnin wurde in der Weise vorgenommen, 
dass das Benzolresiduum in reine concentrirte Schwefelsäure ge¬ 
legt wurde. Ein Theil dieser Lösung wurde in einem Porzellan¬ 
schälchen in conc. Schwefelsäure eingetragen und dieser Mischung 
ein kleiner Krystall von saurem chromsaurem Kalium beigegeben. 
Im Falle A. zeigten sich in diesem sauren Reactionsgemisch die 
für Strychnin so charakteristischen Farbenerscheinnngen nicht, 
während im Falle B. eine zwar schwache, aber deutlich 
wahrnehmbare Blaufärbung des Reactionsgemisches, die all¬ 
mählich roth wurde, auftrat. 

Ferner ist hinzuzufügen, das sowohl nach Angabe des Apo¬ 
thekers, von welchem angeblich der Weizen gekauft war, als nach 
dem Ergebniss der mit solchem Weizen vorgenommenen chemi¬ 
schen Untersuchung 10 Gramm dieses Weizens, welche den Preis 
von 10 Pfg. haben, 125 Weizenkörner mit 2 Centigramm Strychnin 
enthalten. 

In dem gerichtsärztlichen Gutachten war hervorgehoben wor¬ 
den, dass 1) das 7 jährige Kind in zwei Portionen innerhalb 24 



264 


Dr. Stüler. 


Stunden 10 Gramm Strychninweizen mit 2 Centigramm Strychnin 
nach eigener Angabe der Angeklagten erhalten hatte, dass 2) 
nach der zweiten Gabe nach Aussage der Zeugen Erscheinungen 
bemerkt waren, welche als Symptome der Strychninvergiftung zu 
bezeichnen waren und dass das Kind unter diesen Erscheinungen 
gestorben war, 3) dass die Obduction in diesem Falle zwei 
charakteristische Befunde ergeben hatte, nämlich a) eine auf¬ 
fallende Form der Todtenstarre und b) neben der Anilinfärbung 
des Dünndarminhalts den Befund einer grossen Anzahl von 
Weizenkörnern. 

Hervorgehoben zu werden verdient ferner der Umstand, dass 
sämmtliche Körner Strychningehalt nicht mehr besassen, c) dass 
nur relativ wenig Strychnin in den Organtheilen nachgewiesen 
werden konnte. In letzterer Beziehung ist an den Ausspruch 
Dragendorffs zu erinnern, wonach man noch häufig in der 
Leber Strychnin vorfindet, wenn Magen- und Darminhalt das 
Gift nicht mehr nachweisen lassen. 

Bei der auch von Liman hervorgehobenen schnellen Ausschei¬ 
dung des Strychnins war es nicht zu verwundern, dass auch in 
unserm Falle der Export des Strychnins aus dem Körper so 
schnell vor sich gegangen war. Wir konnten jedoch die Quan¬ 
tität des genossenen Giftes nach der Analogie des Gehaltes an¬ 
deren Strychninweizen’s berechnen. 

Gleichzeitig aber schloss sich die Kette der einzelnen Fak¬ 
toren mit solcher Sicherheit, dass mit Bestimmtheit das Gutachten 
auf Vergiftung durch Strychnin abgegeben werden konnte. 


Ueber die obligatorische Untersuchung der Schweine auf 
Trichinen mit besonderer Berücksichtigung der Verhält¬ 
nisse des Kreises Zauch-Belzig nebst Vorschlägen zu 

Verbesserungen. 

Von Kreis-Wundarzt Dr. Stfller in Belzig. 

Als im Jahre 1886 ein Gebot ausging von der Königl. Re¬ 
gierung, dass jedes geschlachtete Schwein auf Trichinen zu unter¬ 
suchen sei, da kamen viele Landleute zu mir mit der Bitte, dass 
ich ihnen Unterricht ertheilen möchte. Ich entschloss mich hierzu 
und habe seitdem den Fleischbeschauern ein besonderes Interesse 
gewidmet. Es sei mir nun auch gestattet meine Erfahrungen an 
Hand der mir gütigst zur Verfügung gestellten Akten des Königl. 
Landrathsamtes in Nachfolgendem kurz niederzulegen und Ge¬ 
sichtspunkte zu etwaigen Verbesserungen aufzustellen. 

Geordnet ist die obligatorische Fleischschau für die Provinz 
Brandenburg durch die Polizei-Verordnung vom 26. Mai 1880 
mit dem Reglement für öffentl. Fleischbeschauer und durch die 
als Zusatzbestimmung hierzu erschienene Polizei-Verordnung vom 
2. Februar 1886. 



Ueber die obligatorische Untersuchung der Schweine auf Trichinen etc. 265 

Sehen wir uns zuerst einmal das Material, ans dem die 
Fleischbeschauer hervorgehen, näher an. In unserem Kreise 
waren nach den amtlichen Nachweisungen pro 1887 bei einer 
Schlachteziffer von 34487 Schweinen 168 amtliche Fleischbe¬ 
schauer in Thätigkeit. Von diesen gehören 58 theils den besseren 
Klassen, theils dem Kaufmannsstande, theils denjenigen Hand¬ 
werkern, die zu ihrem Berufe sowieso geschickt« Finger brauchen, 
theils dem weiblichen Geschlecht an; Handwerkern mit grö¬ 
berer Beschäftigung 35; Leuten, welche schwere und schwerste 
Arbeit verrichten, 58. Der Stand von 17 liess sich nicht fest¬ 
stellen. Ich habe etwa 50 dieser Personen zu Fleischbe¬ 
schauern ausgebildet, weiss daher, welche Schwierigkeiten es 
macht, die ungelenken Finger eines Maurers oder Schmiedes ein 
Präparat machen und mit dem Mikroskop glimpflich umgehen 
zu lehren. Und wie schwer fällt es, den seit Jahren des Lernens 
ungewohnten Köpfen das unumgänglich nothwendige Wissenswerthe 
einzutrichtern. Es gehört oft eine geradezu fabelhafte Geduld 
dazu. Desto wünschenswerther erscheint es, ein besseres Material 
für dies verantwortungsvolle Amt heranzuziehen. Männer, die 
nur an schwere Arbeit gewöhnt sind, sollten von vorn herein 
zurückgewiesen werden. Wenn die Lage der Fleischbeschauer 
aber eine so ungünstige bleibt, wie sie es in vielen Amtsbezirken 
unseres Kreises ist, so wird es kaum möglich sein, bessere Kräfte 
für den Fleischbeschauerposten zu gewinnen. Das ist wohl auch 
der Grund, weshalb die Schullehrer sich von dieser Beschäftigung 
so fern halten, obgleich die Königl. Regierung der Anstellung 
derselben kein Hinderniss in den Weg zu legen scheint. Unter 
unsern 168 Mann ist nur ein einziger Schullehrer. Will oder 
kann der Lehrer selbst nicht, so möge er doch seine Frau oder 
event. erwachsene Töchter sich die Fähigkeit zur Verwaltung 
eines derartigen Amtes erwerben lassen. Viele werden sich gern 
eine Nebeneinnahme verschaffen und die Zubusse zur Wirthschaft 
mitnehmen, die unter günstigen Verhältnissen doch einige Hun¬ 
dert Mark betragen kann. Ich möchte besonders die Frauen auf 
diese kleine Erwerbsquelle aufmerksam gemacht haben. Die 
Polizeiverwaltungen und die Physiker werden froh sein, ein 
besseres und darum zuverlässigeres Material zu bekommen, wäh¬ 
rend sie jetzt vielfach gezwungen sind, aus Mangel an Bewerbern 
zu nehmen, was sich ihnen bietet. 

Eine wichtige Frage ist die der Bezahlung der Fleischbe¬ 
schauer für ihre Mühewaltung. Die Königl. Regierung hat in 
§ 8 des Reglements festgesetzt: Die Gebühr für die mikrosko¬ 
pische Untersuchung und Stempelung eines geschlachteten 
Schweines, sowie die Ausstellung des bezüglichen Attestes 
(§§ 1, 4, 5 der Verordnung) beträgt eine Mark. 

Die Polizeibehörden solcher Bezirke, in welchen hauptsäch¬ 
lich nur zum eigenen Gebrauch geschlachtete Schweine zur Unter¬ 
suchung gelangen und die Trichinen - Untersuchung für den 
Fleishbeschauer nur eine Nebenerwerbsquelle bildet, sind jedoch 



266 


Dr. Stüler. 


ermächtigt, mit Einwilligung der betheiligten Fleischbeschauer 
die Gebühr auf einen geringeren Betrag festzusetzen. 

Damit ist also eine Grenze nach oben hin gegeben. Es 
wird wohl auch kaum Jemand an dieser Festsetzung mäkeln 
wollen; der Preis ist durchaus angemessen. Das Fehlen einer 
unteren Preisgrenze giebt aber zu Missbrauch vielfach Ver¬ 
anlassung. 

Es bestehen bei den Polizeiverwaltungen 2 Ansichten über 
die Honorirung der Fleischbeschauer, welche sicherlich beide 
ihre Berechtigung haben. Die Ebnen sagen: wir müssen die 
Untersuchung den Leuten so bequem und so billig wie möglich 
zu machen suchen. 

Ersteres wurde dadurch erreicht, dass für den ganzen Poli¬ 
zeibezirk eine Anzahl Fleischbeschauer angestellt und jedem Ein¬ 
gesessenen die Wahl unter denselben freigelassen wurde. Daraus 
ergab sich denn das Zweite von selbst. Denn die Fleischbe¬ 
schauer, anstatt durch gütliche Abmachungen einander zu ver¬ 
pflichten, einen bestimmten Satz für jede Untersuchung zu nehmen, 
unterbieten sich jetzt in schamloser Concurrenz. So z. B. weist ein 
Amtsbezirk (G.) in der amtlichen Nachweisung für 1887 4 Fleisch¬ 
beschauer auf. Diese haben untersucht 708 Schweine. Für jede 
Untersuchung nehmen sie im Hauptort des Amtsbezirks 40 Pfg. 
und weniger. Ein Beschauer untersucht das Schwein in einer 
Colonie, eine Wegstunde von seinem Wohnorte entfernt, für 
75 Pfg. In einem Vorwerk desselben Amtsbezirks ist der dort 
wohnhafte Beschauer verpflichtet für 25 Pfg die Untersuchung 
zu machen; dafür bezahlte allerdings die Gemeinde die Ausbil- 
dungskosten. 

In zwei Amtsbezirken, (R. und B. b/Tr.), die beide dem¬ 
selben Amtsvorsteher unterstellt sind, wirkt eine Ueberzahl von 
Fleischbeschauern. EJs ist denselben hier allerdings eine Preis¬ 
grenze nach unten hin gezogen: sie werden bei der Anstellung 
verpflichtet, nicht weniger wie 50 Pfg. für die Untersuchung zu 
fordern. Das wäre ja an sich ganz gut, wenn diese Grenze 
innegehalten würde; ob sie es aber bei der grossen Concurrenz 
wird? Sicherlich nicht! 

Die Menge der Beschauer wirkt naturgemäss sehr un¬ 
günstig auf die Einnahmen der einzelnen. In dem einen der 
beiden Amtsbezirke (B.) haben 1877 10 Fleischbeschauer 1044 
Schweine untersucht, mithin einer rund 104 Stück. Es ist 
in der That nicht recht ersichtlich, warum hier eine solche 
Häufung von Fleischbeschauern beliebt wurde, derart dass in drei 
Dörfern mit 222, bezw. 205, bezw. 167 geschlachteten Schweinen 
je 2 Fleischbeschauer sitzen. In dem anderen Amtsbezirke (R.) 
dessen Ortschaften allerdings ziemlich weit auseinanderliegen, 
haben 6 Fleischbeschauer 473 Schweine untersucht. Das sind 
pro Mann 79. Hier sind wenigstens die Dörfer nur mit je einem 
Fleischbeschauer beglückt, doch hätte für zwei derselben, die 
kaum 1 Kilometer auseinander liegen, Einer völlig genügt. EJine 
Analogie finden wir in einem anderen Amtsbezirke. 8 Fleis 



Hebe* cUe öbHgsitorische Uptenmoliung -k-r Schweine auf Tricliiöen etc. 267 

besschauer theilteft sieh in die tbiteTsuditing von 074 Schweinen, 
d. i 84 pro Kopf. Aneh ^ sfeöi ln einem Dorfe. wo 
Thier» 
bezirk 



tufigen häufig nicht klar gemacht, welche 

Arbeit von* Pimsehbo&ek;iuvr- gefordert wird- Er muss in der 
Regel selbst- zu detaJicJlilachteüdejt Umgehen und Mdi dje Fteiscli- 
proben •heracwecbneider:.,\ Dabei ist er an eine besdmiote Staude 
gebunden, muss ni.*M »r 


noch nicht zur Unter* 

eucimng tenig ist. %n d»irohm»isterä fiat er Proben voii 7 ver- 
geblödenen, voi^echtiebmiea Stellen Cst er nur einigerroftösen 
gewissenhaft so begnügt er sieb nicht mit der Anfertigung nur 


eines Präparates von je eint«* Fleisehprobe, sandern fertigt 2--1* und 



auszttstelleji, eine Bemerkung in Sein Buch eüizti tragen. Dann 
erst, nachdem er ^wtiüimente gehörig gesäubc^ bAt katm 
er nach Haiise gehen. /Daa ist eine ganze Menge Afböit, unÄ; 
dazu kommt uo*di di# grösst 1 Yerantwurtttaig- ; ;./. . - 

Wenden wir ntnV emen Blick auf die Kestert,:. welche in der 
Kegel aufgeweudet tvbrden müsgen, um ifök ^bigkeitszeugnies 
für Flei>'e,hbeschcHH‘V ?x erlangen. 

.. Ein guten- Mikroskop nur wirklich gnte sind 
M verwJUideß — WßöigKfe®B : ., , . .' . . . / . . 

Iifetnimente zitm Präparntanfertigeji, Glaser, Stom - 
• peh zusammen etwa ; . . . . . . . . . . 

' : V , , . 

PHtfungsgehuhr und Stempel für dijb Zeugnisse , 

Weti^ateas 5 Tage ArbeitsversäuRimsis! ö, 1,50 . 

Buch zum Lernen wenigstens , .. ... . . 


45,00 M. 

Ä - 

HW 
7,5t 1 ., 

im „ 

1,00 „ 


Sa. 70,00 AL 

Dazu treten jii fielen Fällen noch Reise- and Mehrkosten, 
oft auch solche für Nachtquartier, wenn die Wohnung des 
Sc-hiÜAiX'ts m wnit von 4«' des E^hHrs entfernt liegt. • . . 

l'tB, (ikse Koste»; ohne Zinsen wieder . berartsznböngmi [ imise 
jeder FfeisebbesdiiUter iti dem einen der. oben erwähnt«*!.« Asma- 
bezirk» (R,) 458 Schweine ä. 50 Plg. nntemtrhen. d. ii, er m-naa 
2 .Jahre umbnnst. arbeiten! Das ist denn d(»di etwas zu.Adöl 
verlangt, — — — 

We-im also die Uiitet^ucViungskosten herabgesetzt werden 



fei )i?i; Sh'litisheit,, welche gew? 
Hunlfe jta,-|fetyh erkauft-? 




268 


Dr. Stüler. 


Ich glaube kaum. Mithin sollte man ohne zwingenden Grund 
diesen Satz nicht unterschreiten. In besonders armen Gegenden 
mag ja mit Rücksicht auf die Unbemitteltheit der Einwohner die 
Gebühr auf 50 Pfg. ermässigt werden. Ich gebe gern zu, dass 
es vielen kleinen Büdnern und Taglöhnem schwer wird mehr zu 
entrichten, besonders da das Schlachten in die verdienstlosere 
und zugleich anspruchsreichere Winterszeit fällt. Das seien aber 
nur Ausnahmsfälle. Und dafür dann auch keine Ueberzahl von 
Fleischbeschauern! 

Gegen Eines möchte ich besonders Verwahrung einlegen, 
nämlich, dass die Kosten der Untersuchung bei den Fleischern 
herabgesetzt werden, wie dies namentlich in den Orten der Fall 
ist, die einen lebhaften Fleischhandel nach den naheliegenden 
Städten Potsdam und Berlin treiben. Gerade diese Händler mit 
ihrem schnellen Umsatz von Geld in Waare und Waare in Geld 
brauchen eine Ermässigung am allerwenigsten. Mir scheint es 
gleichgültig zu sein, ob ein Verkaufsschwein Mk. 100,50 oder 
Mk. 100,75 oder Mk. 101 kostet. — 

Schamlose Concurrenz, wie solche bei dem Material, aus dem 
die Fleischbeschauer hervorgegangen, sind stark zu befürchten 
ist, lässt sich am besten durch eine feste Eintheilung der Amts¬ 
bezirke in Schaubezirke vermeiden. Dieselbe ist sehr zu em¬ 
pfehlen. Sie besteht in vielen Städten und Amtsbezirken und 
hat bisher zu Klagen keine Veranlassung gegeben. 

Da die Schlachtstunde am Tage vorher dem Beschauer mitzu- 
theilen ist (§ 3 der Verordnung vom 26. Mai 1880) so wird sich 
in den bei Weiten meisten Fällen, wenn mehrere Schweine an 
einem Tage geschlachtet werden, zwischen den Besitzern und 
dem Beschauer ein Abkommen treffen lassen, um Verzögerungen 
der Untersuchung zu verhindern. Zu gleichem Zwecke ist, 
es räthlich dafür zu sorgen, dass sich benachbarte Beschauer 
auf Verlangen gegenseitig vertreten. Einige Fleischbeschauer 
unseres Kreises haben dem Publikum dadurch Erleichterungen 
verschafft, dass sie ihre Frauen lernen und als Stellvertreter 
vereidigen Hessen. 

Andere Polizei-Verwaltungen haben ein Einsehen gehabt und 
sind von der Ansicht ausgegangen, dass, soweit es die Verhält¬ 
nisse der Bevölkerung zuliessen, dem Fleischbeschauer für seine 
Mühewaltung und Verantwortung auch eine annähernd genügende 
Entschädigung gewährt werden müsse. Ich halte diesen Stand¬ 
punkt für den richtigeren. Es Hegt einmal in der Natur des 
Menschen, dass er eine Arbeit, die gut bezahlt wird, auch lieber 
verrichtet als eine schlecht bezahlte. Darum sollte man auch 
dafür Sorge zu tragen suchen, dass der Fleischbeschauer, der 
dazu bestellt ist, die heimtückische und fürchterliche Gefahr einer 
Trichinenepidemie von den Bewohnern seines Bezirks fern zu 
halten, seine vorbeugende Thätigkeit mit einer gewissen Freudig¬ 
keit und Liebe zur Sache ausübt und nicht sorglos und nach¬ 
lässig. Hierzu ist eben der einfachste und gewöhnlich wirk¬ 
samste Weg der, ihn einigermassen anständig für seine Leistur" 



im 


11Ortkvf&iichmiftMer Sehwoim* Auf Tetehiifen $U\- v 269 

zu luMöriren. Lieber gar keine Fi eiscUbescbaner als • .$iiRüv«r~ 
Üisaige. Denn das Publikum wird -durch das Dasein derselben 
io Siebeiiieit gewiegt un*l surgl sieh nicht um Bölbstständig zu 
treifeiide Vm-sicntsm^regein. . 4. . ’ -. \: : • \ 


nme 



Wk'derbe.lt ist mir von FleiselibeseUaberij der Wunsch danach 
auagesj/rotken wurden. Dies Leute hatten das im benachbart e-ii 
Jemhow’dT;-l&ebie; gesehou. Die Rosten werden für unseren Kreis 

r. ... i' .1...... _ ... -‘Vi ' ■'i nnr'■ :-;y- i i .. ... t -?• 



etwa 110—idä 



unter der Bediiigang. dass die aGzüsehäftende^ upti,scher» instrit- 
' mente zuvor dem MstEuäigen Pbysi^ts- zur Prüfung auf ihj|; 
Tauglichkeit zugestellf würden. 

.13m Pji PÄäri^nii «Im* *iv. 1 «rian» iWJifeir 



e mikroskopische 

die Anstellung des injzfigl Atteares bets&gfc eine 



'DalersuchuBg gelangen,- miü die Trichinen -Unterencbung für den 



die Aicbfihr’ aiif einen geringeren.-ftefriMf•'foettMsetasöra 

Kh Ri m Meiner Keimtuiss geknmnien. divsg eit.t Amte-vorsteber 
(P b. Bim einer. I .ehm wittwe, weicher er die ArDtellwig versprochen 
lifttte,, und die diesem .Versprühen trauern!,;digh der Vorschrift*- 



sie uirht »ÄStellöR pochend, dass ßiue 




27Ö 


J)r. f 



anderen BewolmFr Ä$s Dorfes emen gefügigeren Flei^ehbe- 
schauer «achte 


z» belehre« gesucht Pie Folge -Mr 
nur, dass ich —~ ; die Praxis in seinep Familie verlor. ; 

flas BeklAge»8«-e.vt'beste' «i&hei ist, dass im Publikum das 
Vertrauen in die Rechtlichkeit eines solchen Amt*Vorstehers lind 
der Bel^fdeü überhaupt erschüttert wird. Darum epeheiai 
es mir doppelt wimschenswertU. dass eine Berufung an das Land- 
rhthsitüit;; dulcii für die Vorschriften des? § 1 dea ßeglejnents ef- 
thhgiklit werde, damit, dergleichen Ungerechtigkeiten und tliiHuv 
rafl^^öydftiindert werden können.: 
tu § 1 des Äö^TLeöleii^L;; ‘ : Jß9ar. ,ö.tö : 

nüoilic'li heissi cs: „Die Zahl der für ■■•jeden Amte-, bezw, 
städtische« Polliaeihezirk oder einzeln» Thgite derselben anzu- 
stelieuden Fieischbeachaner wird von der Polizeibehörde nach 
Bedüriöiss bestimm^ wobei du von aubzngehe.o /ist, dass ein Fleisch- 
beschauer an einem Tage in. der Rege! nicht mehr als das. 



Anntelhusgi 

besujhaaer, ihre Anzahl für einen bRstbujiitec. Bezirk etc. völlig 
in die Hand des AiutsYorsteisers gelegt. Daraus sind die ohe.» 
gezeigt»« Miaistilndp jndÄpvuugbß, X»e AnttsVorsieUer, unbekannt 
mit der Höhe des Heiteiis des Fleisclihe^clmncts änizii\veudenden 
Kapitels, • und. der 

sich daraus /'ergebenden Ehinahnic-Ä. machten yoTochuedentlifeh 
Missgrife; aie schüfen an^ii nianeluual thüpfth -Attsteilmlg eines 
zweiten Beschaue rs, zu der sie durch gehasmge Voi'sjiiegehmgen 
etes&lhor neidischer ©ehieindeniitgUedeT bestihnint wurden, ganz 
imnöth^ ' . ' . ^ v : -_ y f\ 

hliiderb wird Üpm LaDdrat-ksÄiüte v 
hccht, Ip dessen Akten jederzeit ohne Mühe sich die Bedürfaifes- 
£rag». für die Bezirke festste*i«» lässt . - -f ’ 

Vom StÄfiidpmikrc der Kröis-Medieinaroeainten b&La&rc* ich 
noch, dass dem rtepartemente-TUierfirzt das Recht der Prüfung 
zttMi Fl ei ÄtddieHchauer fretetehf und nichtrhloss dem Phjsikus des 
betr, Kreises. Letzterem entgeht dadurch die wichtige persönliche 
Bekanhtechsft mit dop Pleigehbeseh&ßern seines Kroisen, au der 

i !' «V 'Tt'r.ii . iV4r.Br» 1 ,*,-k n itom ilirt UrtlK»t tZ ditVA lii 



ptfiteagen der Hebamme» durch den JueL-Physikue sollten auch 
Nachprüfungen dir die^ yi^sebWchavier y»vgd#myhen werden» 
welche in - bestimmte]« ••'• •••; •.*... iteKfp 

durch den 





Ueber die obligatorische Untersuchung der Schweine auf Trichinen etc. 271 


müssten, nm zu verhindern, dass die Fleischbeschauer die mühsam 
erworbenen Kenntnisse so schnell wieder vergessen. Es wäre 
gelegentlich der Nachprüfungen auch ein Hauptaugenmerk zu 
richten auf die Beschaffenheit der Miskroskope, welche die 
Fleischbeschauer besitzen. Denn so empfindliche Instrumente 
nehmen leicht Schaden in Händen, die an grobe Arbeit gewöhnt 
sind, und mit einem zerbrochenem Instrument entdeckt kein 
Mensch Parasiten im Fleisch. Gewissenlose Beschauer aber wür¬ 
den aus Scheu vor den Reparaturkosten durch das zerbrochene 
Mikroskop ein Stück Fleisch besichtigen und den unkundigen 
Leuten Vortäuschen, sie wären wirklich im Stande vorhandene 
Trichinen zu finden. Die Möglichkeit dieser Einrichtung ist 
schon in Abs. 4 des § 6 des Reglements für die öffentliche 
Fleischbeschau vorgesehen. Sie müsste nur noch obligatorisch 
gemacht werden. 

Ich fasse kurz meine Wünsche noch einmal zusammen: 

1. Sorge für besseres, gebildeteres Material zur Auswahl 
der anzustellenden Fleischbeschauer namentlich dadurch, 
dass die Lehrer bezw. deren Frauen und gebildetere ein¬ 
zelstehende Frauen auf diesen Erwerbszweig aufmerksam 
gemacht werden. 

2. Eine Preisfestsetzung, welche unter möglichster Rück¬ 
sichtnahme auf die wirtschaftliche Lage der Schlach¬ 
tenden den Fleischbeschauern eine, den gehabten Kosten, 
die Zeit- und Arbeitsaufwand und der Verantwortung 
annähernd entsprechende Vergütung gewährt. 

3. Besserung der Lage der Fleischbeschauer durch eine den 
berechtigten Ansprüchen des Publikums für Bequemlich¬ 
keit nicht entgegenstehende Einschränkung ihrer Zahl. 

4. Einteilung der Amtsbezirke und Städte in Schaubezirke, 
deren jeder einem Fleischbeschauer anvertraut wird, so¬ 
weit dies noch nicht geschehen ist, mit der Einrichtung 
gegenseitiger Stellvertretung in Behinderungsfallen. 

5. Erhöhung des Eifers der Fleischbeschauer durch Aus¬ 
setzen einer angemessenen Prämie für das Auffinden eines 
trichinenkranken Schweines. 

6. Die Möglichkeit für die Fleischbeschauer gegen unzweck¬ 
mässige Handhabung des § 1 des Reglements durch die 
niederen Polizeibehörden an das Landrathsamt zu ap- 
pelliren. 

7. Zwangsmässige periodische Nachprüfungen der öffent¬ 
lichen Fleischbeschauer und ihrer Instrumente durch die 
Physiker. 



272 


Kleinere MiHheihingen. 


Kleinere Mitteilungen, 

In <äas Berliner Lei<$hensebanhaus eingeliefe rte Leichen 

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April, Mal, Juni 1889. 


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schrift van Nfcoem: m din DKeutssiei] der M ftgeiidarmiirohe *uü ün&.fe^^tkuöctH 
^ohlasse:■-’lm Ganzen sind• es also 9 Fälle, .hei welchen der Mäg<vn myd *mo$.b 
auch itef tMtmkamd beim sicher todt geborenen Kindo 

gern Luft ((.u^mengen*?) enthflJttm bat, eine That^udie,auf Grund Ir-r^n.ttian-, 
die MageiiprohV' lu diesen Füllen für unzuverlässig“; erklären mm-' Dh bau. 
ist in allen vliesen Fällen int hi uterin in den Högemlarmkanätl.•' 'ütägtävmxnmi ’• 
worden.. Eine ki)rn?Üiebe Eintreibung der Luft in den Magen pemt partum> 
utwa durah \Viederi»elobangsver«uche T ist sie hör auszuHchliesHeiu da to Kind 
;unter unserer Aufsicht geboren kt arid sicher an ihm keine Emblaaungiifc ge-. 
macht Worden ?i:ncb a 

Dagegen muss ich einem anderen Vorwurf begegnen, dar* 

Loft sieh erst post partum als Fftwlmssgu* Ln Magen entwickelt hübe; ; Dm r 
Ejnwrf, welcher um so mehr Berocbtigtüig als inline Styce 

tiorien mehl unenittidbar post partum, sondern er.*! 1 ;> —48 SUmdmi danach 
gemacht worden sind.. Ich will wurme hst ojrwtibßtfri, dass alle Leichen frisch 
waren und weder ausrai noch an den brtnomn ör^uiop die gurhigfite Spur 
von Fiiulnis.wr«ebeinuug{^n zeigten. Für solche LeicWn war bb vor Kur 
zem zugogobö«, dass h]<> k do .Füniuissgus im M&gtfn enthalten können» naidv 
dem Brifslau durch -.mM',^ Irnttc, di^i* fitzt ^:Ähn: 

wenn die Leiche in hochgradiger Fäulnis* begriffen ist, sielt un Tunern des 
•Mägen'* und-.Darios entvyiebidb ZUloson bestüiigte durch neue Espen-- 
meiite den Satz Rreslau's un d be wies, das* erst Lei hochgradiger Faul-. 
niftSy- wenn ' vlie • Lcmgen Hchoir mit FauVniasbkwen durebsötzt sind, ^ieh Faul- 
jiii» 8 g«s im Innern de?, MVigendanukaiiaJis entwirkeJu kann. In neuerer Zeit 
'and zwei Falle fXjjli; Mi\tt 0 rtkwe|g und Htr,iH>imairtv l^kannt gemacht 
worden, wnlcJbe auf d^nb^b^.BUek .cUesu j»] 
zu er^chötleni iut Stande -ind. 

• .• g. : beobiuditbte .LuftblS^ ini Mxigän ^inÄ' 

welche« ruh emur Helmnuue nrst ‘eine. d f * r (Sehuit önd ikugeh- 

lieh IfefeipR, .UttR. ä'6xi ■ unrarleUhni- Eiliauteo lierauBgehommou ward und < 

in a n u hat vor .Kurzen einen scheinbar noch be wnisendoroh Fall gesehen,* 

der F-otgo hitdne iMittenzweig) Aiu«ihme v das*;,^;.ftihk f 
in iphnoim .Fafle- -rm FünVafesgaso.genandhlt haben konnte, an, imleui er behauptet , 
da^s liishor der Beweib nicht erhraeM .(fäa ga^Lildopdp Mikroorgarnsnien sieh 
friibxettig im Magemiarn ika.mil I>ie^ rühre daher, weil 



i 





Kleinere Mittheilungen. 


273 


den obigen Fälle haUe ich nicht für beweiskräftig genug, um die 
alten Anschauungen von der späten Gasentwicklung umzustossen. 
Bakteriologische Untersuchungen müssen das entscheiden.* 
Hierauf möchte ich bezüglich meines Falles erwidern: 

1. Die von mir gemachte Beobachtung betrifft den Fall eines Neuge¬ 
borenen, das nicht nur angeblich eine Stunde post partuni 
leblos aus den unverletzten Eihäuten herausgenommen ward, sondern 
es ist gerichtlich constatirt worden, dass dem wirklich so war. 

2. Es wurde mir schon von Ungar entgegengehalten, dass Neugebo¬ 
rene noch stundenlang nach der Geburt zum Leben gelangen könnten, 
ohne dass sie inzwischen geathmet hätten. Ich habe darauf auch 
heute nur zu erwidern, dass ich mich dieser Anschauung nicht an- 
schliesse, obgleich sie von unserem bedeutendsten Gerichtsarzt unter¬ 
stützt wird. 

3. Habe ich von Anfang an nicht allzu grossen Werth auf die Erklärung 
gelegt, auf welche Weise die Gasansammlung in meinem Falle im Magen 
des Neugeborenen zu Stande gekommen ist. Ich kann Winter sogar 
noch mittheilen, dass bei der Wöchnerin in der Charite bald nach 
ihrer Aufnahme ein Erysipel beobachtet worden ist, dass vielleicht 
schon das Fruchtwasser gasbildende Bakterien enthalten haben könnte. 
Ich kann ihm andererseits mittheilen, dass ich durch Herrn Professor 
Müller-Bonn schon damals auf die verdienstvolle Arbeit von Esche - 
rich-München hingewiesen worden bin und dass ich sofort eben¬ 
falls die Beantwortung der Bakterienfrage in die Hand genommen 
habe. Ich kam, wie ich bereits Ungar gegenüber andeutete, zu 
demselben Ergebniss wie E. und habe deshalb die Einzelheiten da¬ 
mals nicht angeführt. Allerdings habe ich sie Winter seiner Zeit 
mündlich mitgetheilt und namentlich hervorgehoben, dass sich unter 
den von mir gewonnenen Bakterien auch die stinkenden grünen 
Colonien befanden zum Theil mit, zum Theil ohne Verflüssigung 
der Gelatine. 

Alles dies musste mir für den Augenblick genügen als Erklä¬ 
rung für meine Annahme, dass so frühzeitig gas bildende Fäulniss- 
Bakterien im Verdauungsschlauche zur Wirkung gelangten, und 
diese meine Ansicht ist durch Winters Entgegnung um so weniger 
erschüttert, alsEscherich darauf hin weisst, dass wesentliche Momente 
dafür sprechen, dass die Bakterien sowohl vom Munde als auch 
vom After aus in den Verdauungsschlauch einwanderten. 

Mir genügt für die Schätzung der Magendarm-Schwimmprobe die ein¬ 
fache aber nicht wegzuleugnende Thatsache, dass sich im Magen des 
betreffenden Neugeborenen Gas vorgefunden hat, trotzdem das 
Kind positiv nicht Luft geathmet hat. 

Uebrigens darf ich hinzufügen, dass wir Berliner Gerichtsärzte uns die 
Stichhaltigkeit der Lungenprobe nicht erschüttern lassen und dass wir 
nur in den Fällen, wo hochgradige Fäulniss überhaupt eine sichere Beur- 
theilung ausschliesst, auch von der Lungenprobe keine Auskunft über Leben 
oder Tod in und bei der Geburt für das Neugeborene erwarten, aber auch nur 
in diesen Fällen. Denn in der Praxis ist uns bisher weder der Einwand der 
Luftaufnahme durch Schultze’sche Schwingungen, noch der intra-uterinen 
Gasathmung jemals gemacht worden. Natürlich muss der Gerichtsarzt auch 
diese Vorgänge kennen, aber rechnen braucht er kaum mit ihnen. 

Schliesslich will ich noch darauf aufmerksam machen, dass Winter 
weder in der früheren noch in der jetzigen Arbeit erkennen lässt, dass er die 
Sorgfalt bei der Ausführung der Lungenprobe anwendet, welche vom Regu¬ 
lativ mit Recht gefordert wird und welche allein die Sicherheit der Beobach¬ 
tung garantirt. 

Mittenzweig. 


Zurücknahme des einer Hebamme ertheilten Prüfungszengnisses. Die 

Zurücknahme der Zulassung zum Gewerbebetriebe kann gemäss § 53 Abs. 2 
der Reichsgewerbeordnung erfolgen, wenn aus Handlungen oder Unterlassungen 



274 


Kleiner« Mifcthoil nngen, 


des Gewerbetreibenden klar erhellt, dass derselbe die bei Erthoilung der Zu¬ 
lassung nach Vorschrii't der Gewerbeordnung Imzw. der durch dieselbe auf¬ 
recht whftlteoen luodeegtoetzlichen Bestimmungen vorausgesetzten Eigenschaftes 
webt wehr besitzt. Basa diese Handlungen oder Unterlassungen auf einem Ver- 
schnJäe« des Oewerbötreibenden herüben, Ui jsuie dann erforderlich* wenn «itt- 
liehe Eigonachafteit desselben in Frage komme«, nicht dagegen, wo es sich 
um KeriDta»»88 und technische Fettigkeiten handelt. Insbesondere kann die 
Zurücknahme des' einer. Hebamme e-rtheilten Prüfungszcugnisses ausgesprochen 
werden, wenn aus deren, Verhalten bei den nach der ilinisterifdTWprdnung 
vom 6. August T883 vorzunebme.ndfin regelmässigen Naehweistmgen borror- 
geht, daAä dieselbe sich nicht mehr im Besitze der gesetzlich vorausgesetzten, 
für ihren Beruf trrfordnriiöhen. Kennfcmase und Fertäj^ette« befindet, 0b diese 
Unfähigkeit eine verschuldete oder eine unverschuldete ist, kommt nicht in 
Befeucht, iErkenßtüis» des Obervorwaltwngngerichtcs. 111 Monates, 
vom 7. März. 1889}.,,;;;; .Vv-'. ' «;• ••• 


Naehhßlfekurse fßr Hebammen. Nachdem der Direktor der Hebammen- 
lehransbtit an Hannover auseigenw Invtintive in den letzten Jahren mehrfach 
Naehbttlfefeurai fftr. .die Hebammen der Städte Hannover und Linden, wie 
eines Thöllös dös Landkreises Hannover mit sichtlichem Erfolge abgehalten, 
sind solche seitens des Königlichen Begierwigsprfisidenten auch für die fihrigen 
HebamtnAn des Regierungsbezirks Hannover biijgefhhrt tmd bat sich das Lam 
desdirektornnn mit: Rücksicht auf den unverkennbaren Katzon derartiger Kurse 
für das Gemeinwesen gern bereit erklärt, zu deren Eirichtiuig die Hand zu 
hieben. AuCh die Kreikverbünde «find der Angölegenhait durch Bereitstellung 
von Geldmitteln ontge^etigekomtnen und «erden nunmehr iw Laufe dos Juli 
und August d. J. zwei je 21 Tage dauernde Nftehhülfekutse abgehalten werden, 
uw. den Hphiimnien das früher Erlernte wieder klar- vor Augen zu führen und 
sie vor alleffl hl>er die Ursache und Verbreitung des Woehenbettfiebere wie über 
die Möglichkeit, dasselbe zu. verböte«, und Über die richtig» Anwendung der 
DesinfektifufSinaÄsrcgcln genau zu isiatniiren. Dass solche Nachhülfekurse von 
nachhaltigerem Erfölge .-sein Wkrden als dw aller drm Jahre durch die Kreis- 
Physiker ^orzuwebmemten kurzen Nachprüfungen der Hebammen, dürfte wohl 
zweifellos sein mid ist daher nur zu nhnsch.en, dass dieserben aticb itt; den. 
übrigen Regierungsbezirken der Monarchie eingoführt •werden.' 


Sublimat» und Jodoform Verbandstoffe, Oarbblwasser, Knlkwasser 
und Caehouplllen gehören nicht zu denjenigen Zubereitungen, deren Feil* 
halten und Verkauf such der Kaiser!. Verordnung vom 1. Januar 1875 

nur in den Apotheken gestattet Ist i Geleganttich ernfir v» den Brogunfaand- 
Inngen zu Wiesbaden vorgenommeuon Revision war man u. », auch auf Suh- 
llmatverbandstoffo, Jodolbrmyerbandstotte, & t»roc. Carholwaaaer und Gacbon- 
pillen gestossen, and da diese Präparate nach Ansicht der Revisoren zu den¬ 
jenigen Arznehniihd.it zu zählen smeu, Almen Verkauf nur Ajtothekeni gestattet 
ist, war ein Strafbefehl gegeii den butrftffoiadi® Drogisten; v^ftiig#aV ; Da« 
König!. ScliÖftoBgerlebt bestätigte deuaolbon auf Grund dos- KreDpbysikatM- 
öötttchtens, die Strafkammer »fis Suborwfbitrium dw Mcdlct- 

Uolcollegium«.'Und sprach den Angeklagten juif; Grund dieses Gutachtens frei, 
du fiaeh dem letzteren dio erwähnten Präparate keine Arzneimittel im Sinne 
de» Gi»et«cv> sind und der Verkauf ..-.derselben daiiar auch den Drogisten 
freisteht. . . 



eingefährt sind iimd dwnnack im Verzeichnis ,fc ; 


nmnuan vsrmno&wm. ma nm bjw ummmm •:W\ 

welche nicht heilende, sondern kraukmiwihende, *ou wu/ut 

Organismen von der Wunde abbalten wiloit, v < 





Kleinere Mittheilungen. — Referate. 


275 


auch überall im Detail von Drogisten, Händlern mit Gummiwaaren, chirurgi¬ 
schen Instrumentenmachern ebenso wie in den Apotheken ohne besondere 
ärztliche Vorschrift verkauft. Das 5 proc. Carbolwasser und das Kalk¬ 
wasser seien allerdings flüssige Arzneimischungen im Sinne der Verordnung 
vom 4. Januar 1875, die jedenfalls in das Verzeichniss A. gehörten, indessen 
diene Carbolwasser auch zur Desinfektion, so dass den Drogisten der Verkauf 
desselben nicht entzogen werden dürfe, ebensowenig der Verkauf des Kalk¬ 
wassers, da dasselbe auch ein beliebtes Mittel für Brandwunden unter Bei¬ 
mischung von Thymol und Leinöl sei. Die Cachoupillen welche dem Wort¬ 
laute nach unter dass Verzeichniss A. fielen, seien kein Arzneimittel und 
dürften daher ebenfalls verkauft werden. Die Pillenform sei eine zulässige 
und offenbar aus Zweckmässigkeitsgründen gewählte, ausserdem käme Cachou 
aber auch noch in anderer Form in den Handel. 


Der Direktor der wissenschaftlichen Deputation für das Medicinal- 
wesen Wirkl. Geh. Rath Dr. Sydow wird der Deutschen medicinischen 
Wochenschrift zufolge am 1. Oktober d. J. sein Amt niederlegen, welches er 
nach seinem Ausscheiden aus der Stellung als Unterstaatssekretär im Kultus¬ 
ministerium bekanntlich beibehalten hatte. Voraussichtlich dürfte der jetzige 
Unterstaatssekretär Nasse an seine Stelle treten. 


An massgebender Stelle wird die Einführung einer besonderen Staats¬ 
prüfung für diejenigen Chemiker beabsichtigt, welche als Vorsteher von 
Lebensmittel -Untersuchungsämtern angestellt werden oder sich sonst amtlich 
der Untersuchung von Lebensmitteln unterziehen wollen. Die Verhandlungen 
hierüber schweben schon seit langer Zeit und dürften ihrem Abschlüsse nahe sein. 


Referate. 

Dr. F. Tiemann, Prof, an der Universität in Berlin und Dr. A. 
Gärtner, Prof, an der Universität in Jena: Die chemische 
und mikroskopisch-bakteriologische Untersuchung des 
Wassers. Zum Gebrauche für Chemiker, Aerzte, Medicinal- 
beamte, Pharmaceuten, Fabrikanten und Techniker. Mit vielen 
Holzstichen und 10 chromolithographischen Tafeln. Braun¬ 
schweig, 1889. Verlag von Friedrich Vieweg & Sohn. gr. 8; 
705 S. Preis: 15 Mark. 

Wenn sich das vorliegende Werk als dritte Auflage der im Jahre 1866 
von Kübel herausgegebenen Anleitung zu Wasseruntersuchungen ankündigt, 
so kann dies wohl kaum anders als ein Ausdruck rücksichtsvoller Pietät gegen 
den verdienten Verfasser der ersten Ausgabe aufgefasst werden. Für diese 
Auffassung spricht schon die äusserliche Erscheinung des Buches — die Ku- 
bel’sche Anleitung zählte Belbst in ihrer zweiten, im Jahre 1874 von Tie- 
kann besorgten Auflage nur 184 Druckseiten gegenüber der fast vierfachen 
stärke der jetzigen Ausgabe — vor allem aber die vollständige, auf viel brei¬ 
terer Grundlage ausgeführte Umarbeitung seines Inhaltes, durch welche sich 
dasselbe als ein durchaus neues und selbstständiges Werk charakterisirt. Wäh¬ 
rend nämlich in den früheren Auflagen fast ausschliesslich die chemischen 
Wasseruntersuchungs- Methoden berücksichtigt waren, werden in der jetzigen 
auch die mikroskopisch-bakteriologischen Methoden der Wasseruntersuchungen 
in so erschöpfender, den wissenschaftlichen Erfahrungen und Anforderungen 
der Neuzeit nach allen Richtungen hin Rechnung tragender Weise behandelt, 
dass das Buch unfraglich der dankbarsten Aumahme in allen betheiligten 
Kreisen sicher sein kann und zwar um so mehr, als demselben ausserdem noch 
0in besonders für die Praxis sehr wichtiger Abschnitt über die Beurtheilung 



276 


Referate. 


der chemischen und mikroskopisch-bakteriologischen Befunde mit Rücksicht 
auf den Werth der natürlichen Gewässer in hygienischer und technischer Be¬ 
ziehung hinzugefügt worden ist. 

Zur Bearbeitung der Anleitung haben sich die beiden Verfasser in der 
Weise vereinigt, dass der chemische Theil (I. Theil) von Prof. Tieinann, der 
mikroskopisch-bakteriologische (II. Theil) von Prof. Gärtner verfasst worden 
ist, die Bearbeitung beider Theile jedoch insoweit eine gemeinsame gewesen, 
als es der einheitliche Charakter des Buches erheischt hat. Der letzte Ab¬ 
schnitt über die Beurtheilung der chemischen und mikroskopisch - bakteriolo¬ 
gischen Befunde (III. Theil) ist dagegen von den Verfassern durchaus gemein¬ 
sam bearbeitet und aus eingehenden Erörterungen zwischen denselben hervor¬ 
gegangen, wodurch der Inhalt dieses Theils nur an Werth und Bedeutung 
gewinnen konnte. 

Im ersten, den chemischen Untersuchungsmethoden gewidmeten Theile, 
wird zunächst die Beschaffenheit der natürlichen Wässer (Meteor-, Quell-, 
Brunnen-, Bach-, Fluss- und Seewasser) wie deren, durch die Aufnahme fremder 
Stoffe aus der Luft und dem Boden bedingten, stetem Wechsel unterworfenen 
Zusammensetzung bezw. Verunreinigung in klarer und fesselnder Weise erör¬ 
tert und sodann nach kurzer Besprechung der bei Entnahme von Wasser¬ 
proben für die Untersuchung zu beobachtenden Vorsichtsmassregeln auf die 
einzelnen qualitativen und quantitativen chemischen Prüfungsmethoden des 
Wassers übergegangen. Grundsätzlich sind hierbei nur solche Verfahien auf¬ 
genommen, über deren Bedeutung und Tragweite sich der betreffende Ver¬ 
fasser vorher durch eigene Versuche Aufschluss verschafft hat und deren Werth 
und Anwendbarkeit durch Genauigkeit der Resultate, Einfachheit der vorzu¬ 
nehmenden Operationen und möglichst geringe dazu erforderliche äussere 
Hülfsmittel bedingt werden. Diese streng sachgemässe Sichtung der zahl¬ 
reichen chemischen Wasseruntersuchungs - Methoden, von denen ein grosser 
Theil sich für die Praxis als vollständig werthlos erwiesen hat, kann nicht 
genug anerkannt werden; dabei sind die einzelnen Untersuchungsmethoden in 
möglichst einfacher und doch streng wissenschaftlicher Form beschrieben und 
durch die beigedruckten Abbildungen wie insonderheit durch zahlreiche er¬ 
läuternde Beispiele sehr anschaulich und leicht verständlich gemacht. 


In dem zweiten, dem mikroskopisch - bakteriologischen Theile, 
wird uns eine hochinteressante und inhaltsreiche Arbeit geboten, welche in 
dieser Ausführlichkeit und Vollständigkeit kaum irgendwo anders vorliegen 
dürfte und in welcher ebenso wie in dem ersten Theile des Werkes der Prak¬ 
tiker mit Sicherheit jede Aufklärung findet, deren er bei Wasseruntersuchun¬ 
gen bedarf. Mit Rücksicht auf die Neuheit der bakteriologischen Wissen¬ 
schaft sind ihre für die Wasseruntersuchung wichtigen Errungenschaften zu¬ 
nächst ausführlicher dargelegt und hierauf erst die mikroskopischen und bak¬ 
teriologischen Untersuchungs-Methoden eingehend beschrieben Wir lernen ausser 
den letzteren in diesem Abschnitte daher nicht nur die verschiedenen Arten der 
zahlreichen im Wasser vorkommenden lebenden niederen Wesen, ihre Menge, 
Herkunft, sondern auch ihre Lebens- und Vermehrungsbedingungen im Wasser, 
ihre Eigenschaft als Krankheitserreger wie ihre Verbreitungsweise durch das 
Wasser u. s. w. kennen und alles dies wird in so treffender, lebendiger, durch 
vorzügliche chromolithographische Zeichnungen unterstützter und dabei allen 
Anforderungen und dem jetzigen Stande der Wissenschaft durchaus gerecht 
werdenden Weise dargestellt, aass dadurch das Interesse des Lesers im hohen 
Grade gefesselt wird. 


Im dritten Abschnitt über die Beurtheilung der chemischen und 
mikroskopisch-bakteriologischen Befunde wird von den Autoren 
gleichsam das Facit aus den vorhergehenden Erörterungen gezogen und in 
kurzgefassten Sätzen diejenigen Anforderungen präcisirt, welche an Genuss-, 
Wasch- und Spülwasser wie an Wässer zu technischen Zwecken zu stellen 
sind. Eine kurze Anleitung zur schnellen Auffindung gröberer Verunreinigungen 
des Wassers nebst Angabe der hierzu erforderlichen Gerfttbe und Reagentien 
für die physikalische und chemische Untersuchung bezw. der Utensilien für 
die mikroskopische und bakteriologische Untersuchung ist als höchst schätz¬ 
bare Zugabe beigefügt. 



Referate. 


277 


Es würde den Referenten zu weit führen, auf die Einzelheiten dee vor¬ 
züglichen Werkes einzugehen; dasselbe kann allen denjenigen, welche Wasser¬ 
untersuchungen anzustellen und sich über die dabei einzuschlagenden Wege 
zu informiren haben, als zuverlässiger Rathgeber aufs Wärmste empfohlen 
werden. Dass die Ausstattung des Buches nichts zu wünschen übrig lässt, ist 
bei der Verlagsbuchhandlung nicht anders zu erwarten. 

Rpd. 


Dr. Achilles Nordmann in Basel. Ueber Beziehungen der 
Thymusdrüse zu plötzlichen Todesfällen im Wasser. 

Correspond.-Bl. f. Schw. Aerzte, No. 7. 1889. 

Verf. hatte Gelegenheit, die Leiche eines 20jährigen Rekruten zu seciren, 
der beim Baden, nachdem er nur 2—3 Minuten im Wasser zugebracht und 
spontan wieder ans Ufer zurückgekehrt war, plötzlich am ganzen Leibe blass 

g eworden und nach einigen langen Athemzügen pulslos und mit cyanotischem 
©sichte zu Boden gestürzt war. Trotz sofort angewandter Wiederbelebungs¬ 
versuche gelang es nicht mehr, den Verunglückten wieder ins Leben zurückzurufen. 

Bei der Section wurden nur Erscheinungen vorgefunden, die in ihrer Ge- 
sammtheit den Tod wohl als Erstickungstod auffassen Hessen, die aber 
auch bei anderen Arten plötzlichen Todes ausnahmsweise gefunden werden 
könnten, und als abnorm fiel noch eine persistente hyperplastische 
Thymusdrüse auf. 

Es lag nahe, zunächst noch an einen Tod durch „Neuroparalyse* zu 
denken. Allein Verf. erinnerte sich, etwas Aehnliches in einem Sectionscursus 
bei Herrn Prof. v. Recklinghausen gesehen zu haben, der, hierüber um 
Auskunft ersucht, ihm über drei ähnliche, einen 13jährigen Knaben und 2 
junge Männer betreffende Fälle berichtet, in denen der Tod ebenfalls plötzlich, 
während und unmittelbar nach einem kurzen Aufenthalt im Wasser eingetreten 
war und die Necropsie neben einem negativen Resultat nur beträchtliche Ver- 
grösserung der Thymusdrüse ergeben hatte. 

In gerichtsärztlicher Beziehung hat man in ähnlichen Fällen bisher 
wohl ausnahmslos einen neuroparalytischen Tod angenommen, doch an einen 
etwaigen Zusammenhang einer Thymushyperplasie mit der Todesursache nicht 
gedacht. Und doch will es Verf. scheinen, als ob ein solcher Zusammenhang 
nicht ganz von der Hand zu weisen sei. Einmal besitzen Personen mit Thy¬ 
mushyperplasie meistens eine sog. lymphatische Constitution, vermöge deren 
ihr Köq>er überhaupt eine geringere Widerstandsfähigkeit gegen äussere Ein¬ 
wirkungen zu zeigen pflegt; alsdann sei die hyperplastische Thymusdrüse wohl 
geeignet, Respiration und Circulation zu beeinflussen und unter gewissen Um¬ 
ständen dyspnoetische Anfälle hervorzurufen (Virchow), bei Säuglingen sogar 
einen plötzlichen Tod herbeizuführen (Grawitz), so dass die Lehre von einem 
Asthma thymicum noch keineswegs ganz aufgegeben sei. Ferner sei an eine 
acute Schwellung dieses Organs durch stärkere Absonderung und Ansammlung 
seines Secrets, z. B. während der Assimilation der Nahrung, zu denken, und 
endlich könne es plausibel erscheinen, „dass eine durch den Aufenthalt im 
Wasser bedingte Contraktion der Hautgefässe mit sich anschliessender innerer 
Congestion und Steigerung des Blutdrucks zu einer in der Leiche nicht mehr 
so prägnanten hyperämischen Schwellung der Thymus, sowie mittelbar zum 
letalen Ende die Veranlassung gegeben habe. 11 

Dieser letzte Erklärungsversuch will auch uns noch am plausibelsten er¬ 
scheinen, und ist es jedenfalls wünschenswert!^ künftighin bei Sectionen auf 
ähnliche Befunde zu achten. 

Frey er-Stettin. 



278 


Referate. 


Bericht der Gesellschaft für Geburtshülfe und Gynä¬ 
kologie zu Berlin (Sitzung vom 22. April 1887). Aus dem¬ 
selben ist unter andern Nachstehendes für den Gerichtsarzt 
bemerkenswerth: 

1. Ein Kind mit beginnender Spontanamputation des rechten Unterschen¬ 
kels wurde von einer gesunden Ilpara normal ausgestossen; die Heb¬ 
amme hatte beim Herausholen des rechten Fusses einen Widerstand ge¬ 
fühlt, welcher bei stärkerem Ziehen mit dem Gefühl des Zerreissens von 
Eihftuten plötzlich nachgab. Um den rechten Unterschenkel war ein Stück 
der Eihäute geschlagen, nach dessen Entfernung sich ein scharfer, die Haut 
durchdringender Einschnitt in der Mitte des Unterschenkels, denselben 
circulär umgebend, fand. Der abgelöste Eihautetrang ergab sich als ein 
doppelter Amnionstrang, dessen Höhle sich durch Auf blasen noch darstellen 
liess; derselbe inserirte sich in der Gegend des Ansatzes der Nabelschnur, 
und musste jene durch die Amnionhöhle verlaufen sein; die Stelle, wo 
kein anderes Ende ausgerissen war, liess sich nicht mehr auffinden. Der 
Unterschenkel des Kindes war nach der Geburt stark ödematös und zeigte 
nur rudimentär entwickelte Zehen; auf der grossen Zehe zeigte sich noch 
der eingetrocknete Rest eines dünnen Amnionstranges. 

2. Das Schädeldach eines Kindes, welches nach viertägiger Geburt bei einer Ipara 
mit engem Becken mittelst schwerer hoher Zange entwickelt war, hat folgende 
Geschichte. Während der Geburt schon konnte man fühlen, dass der innere 
vordere Winkel des linken Scheitelbeins durch die enorme Configuration 
die Kopfhaut von innen durchgespiesst hatte. Bei der Section zeigte sich, 
dass infolge der starken Configuration am Sin. coronarius das Periost 
vom vorderen Rand des linken Scheitelbeins durch starkes Unterschieben 
des Stirnbeins abgerissen war. Die hohe Zange, welche im queren zum 
Durchmesser des Kopfes angelegt war, hatte das linke Sche^elbein stark, 
das rechte weniger eingebogen und ersteres ausserdem in der Sutura squa- 
mosa von dem Schläfenbein abgesprengt. (Dr. Winter.) 

3. Ein Fall von Kindesmord, von Professor Falk. 

Am 27. September wurde in dem Hofaborte eines Hauses der Stadt 
G. eine von Fäulniss merklich ergriffene Kindesleiche vorgefunden. Der 
Verdacht der Mutterschaft dieses Kindes lenkte sich alsbald auf eine im 
Hause bedienstete Magd. Diese hatte noch im Hochsommer der ihr die 
Gravidität auf den Kopf zusagenden Brodherrin gegenüber ihren schwangeren 
Zustand geradezu geleugnet, zur Verheimlichung auch sich roth geschminkt. 
Ihre eigenen Aussagen nach Auffindung des Leichnams werde ich (Falk) her¬ 
nach erwähnen und will daraus nur voranschicken, dass sie als Tag ihrer Ent¬ 
bindung den 23. des voraufgegangenen Monats angegeben hat. Die gericht¬ 
liche Obduction der Leiche fand am 4. October statt, und es ergab die 
äussere wie die innere Besichtigung begreiflicherweise erhebliche Zer¬ 
störungen durch Fäulniss; es seien deshalb als erwähnenswerthe Befunde 
nur folgende angeführt: 

Länge 50 cm, Gewicht nahezu i kg, Geschlecht anscheinend männlich. 
Bei leichtem Zuge lösen sich die oberen Extremitäten im Ellbogen- und 
Handgelenke. Die Haut ist überwiegend kupferroth, an der unteren 
Körperhälfte grünlich; vielfach ist die Oberhaut abgelöst. Das Gesicht ist 
unkenntlich, die Schädelknochen in ihren natürlichen Verbindungen ge¬ 
lockert. Am Halse keine sichtbare Verletzung, aber am Bauch und in aer 
linken Leistenbeuge sind die Decken geplatzt und Därme vorgefallen. Von 
Nabelschnur nichts vorzufinden. Von den Unterleibsorganen sind Magen 
und Pancreas nicht mehr mit Sicherheit zu unterscheiden. Die Milz zer- 
fliesst in einen grünlichen Brei. Die Leber ist weich, grün, blutleer. Auch 
das noch leidlich erhaltene Herz enthält kein Blut. Besonders ist natür¬ 
lich der Befund der Lunge hervorzuheben. In der Pleurahöhle kein Trans¬ 
sudat. Beide Lungen sind fjanz tief in die Brusthöhle zurückgesunken, von 
grünschwärzlicher Farbe; vielfach ragen bis linBengrosse Luftblasen unter 
dem Brustfell hervor. Nirgends erkennt man mit Luft erfüllte Lungen¬ 
alveolen. Mehrfach kriechen Maden an den Lungen herum. Zunäclis* 



Verordnungen uhdVerÖggngeri, 279 

schwimmen Unde Lungen xusaiiim^R wd |edo ttir sich, auch nachdem eia 
irturfcor Fijngi»rdrnck auageübt worden i^t, nicht nand&r mich .jeder der 
5 Läppen ilir «ich ; dicv^chaittflilche ^ wemiiuh trouke^ Ea werden 

tum ttthlrfeichc ^ii.hplenralo Üiwld/iÄen ang^toch^ und ihum che Lappen 
in zahlreiche Stückchen zei^cVddtteij- m ^ipkt mm hlmf wiegende Mehr¬ 
zahl der Stückchen im W^er tuyter, von Jedem Lap|K?ö .halten aidi hur 
wenige noch gerade au dhr ^ aWr auch »lJe*e dmV gloich- 

massig kupferrothgrün oder grBiiStfhwurz, letieritfahliehi Uh & \veoSen durch- 
aus atelektatwcb ^ tiptz der v<u-gescjüittonen Fävilrü»«, 3 konnte ni&n noch aut 
Sicherheit erkenn^u, da*$ 4te (geringe) Sehwmraf&higkeit eben lediglich 
durch den ITiulÄiöspröci^» bedingt wui*}, letzterer der, Fall nur in jiiyrw 
c.oinplicirte ; v jddenfüli*; aber keine FCillong dor AIndien darch iu vivo 
respirirte huft vorlag, m sich int Weseotuckeu um Lungen von fötalem 
Zustand handeite. 

Ich erklärte demnach, wie in den meisten derartigen Füllen, d&as sich 
kein sichern* Zeichen von selLgtetundigem Leben de» (etwa 9 monatlichen) 
Kinder habe nachweisen laaseu (Fortsetzung folgt). 


Verordnungen und Verfügungen. 

Vorschriften aber die Errtchtang: und den Betrieb der Splegelbelegas- 
st&iten. C i r c u U rr.E r 1 a'sk;-d $#'' H efitia Alitnaturs für Handel und Gp- 
werbe,(iY. gez. Mugrfetarg) vom 18. M »j 1889 B. No. 2098 an aämintliche 
,. König!. Ite^njngspr&siilenten. A;.. 'A.i 


Hw. Hochwohlgeboten• übeTsetule ich antei ein Exemplar der Vor- 
robriften über die .Einrichtung pikt den Betrieb der iSpie^clbelp^austalton init 
dooi ergebenster;. Ersuchen. 5ü«e Vorschriften gegenüber den uu Bezirk bo* 
steheudM öder nö’ck äptsi^beBiien Queckaöber-SpiegelfcpifcgitnHtaltöu durch auf 
ötwpd dw | iSÖ Ab*» S der Gewerbe- Ordnung zu orlossende Verfügungen 
zur Bufchnübrung m briugett, - • . ■ ■ 

■.Hierbei bemerke ich ergebenst., ä(m Ab weich tingon von diesen Vor¬ 
schriften da zugvdaaw.'.n werden können, wo besondere Eigerttbümlicbkeiten der 
B6tri*hssi&itiß oder des Betriebes nach ?ackver$tK.ndigeiu. Gutachten güuatige 
oder 7 *enigsten* ebenso günatige Bedingüngen ihr die Geauudbeit der Ar¬ 
beiter darbieteo, wie sie durch die Verschuft •. o ■ fci-fordert-- .werden, sowie dass 
für bereits bsslbhende Anlagen Hoberg^gsyorschriitei, wnlche die iu Betracht 
kommenden Verhültmase billig berücksichtigen, nicht attsgcscLiossnn sind. 


Vorschriften Aber die Einrichtung and den Betrieb der Spfeeelbeleg» 

■:•■•.;■/'• A/ anatalten. ; vA;;:'' 

Ü i. LHe •ilerstellung von i,|uecksi]borspiegehi darf ppr in, ftänmen, 
welch«} tii cbenOr Erde belegen sind und Rnteptncnend kühl gehalten werden, 

ertblgsn, '. .’ - - , 

(de Fehstet aller Räume, in welchen die Möglichkeit, tancr Entwieke- 
lupg 7bfi Qlaeckiöibnriiiimpf und -staub vor liegt (ijnecJcsilbia'gei'iUirliche Räum?»), 
müssen nach -Norden liegen. 

2 Ir. den Arboihsnimueo dürfen Quccksilhcrvorrüth« nicht '-gelagert 
weiden. f/!e, Ao{bewahrung von tjiiecksilbcr hat in eitlem besondnreti Ruum«, 


w.e A.ibcf nur das Belegen der Glagtafeln, in dem 
}r.i)> VTbeiten, welche mit dem Trocknen der bn- 
«i'id. vorgenopimen werden. Die B5ume dürfen 
!>,.hi'i«rft«men nicht, hi unmittelharor Verbindnnpr 


Jj m-, . 

i ’f' - <•K.i«».h‘mvij;ii ln .ilswtU»’* Eacyklopftdit» 1881 nnsi .Hof- 

tbxh-f« Mcdidn, 1881., S. Ö4.1. 



280 


Verordnungen und Verfügungen. 


stehen. Die Thüren, welche die Verbindung derselben unter einander und 
mit anderen Arbeitsräumen herstellen, müssen guten Schluss haben, geschlossen 
gehalten werden und sind nur dann und so lange zu öffnen, als die Arbeit 
dieses erforderlich macht. 

Der Aufenthalt nicht beschäftigter Personen, sowie der Aufenthalt der 
beschäftigten Personen vor und nach der Arbeit und während der Pausen in 
diesen Räumen ist nicht zu dulden. 

Das Wischen, (Putzen, Reinigen) der Glastafeln ist im Belegraume inso¬ 
weit gestattet, als die letzte Fertigmachung der Gläser zum Belegen dieses un- 
abweislich erfordert. 

§ 4. Beim Anwärmen der Wischtücher ist die Verwendung von Kohlen¬ 
öfen in allen Arbeitsräumen untersagt. 

Im Belagraume und anderen durch Quecksilberverwendung gefährlichen 
Räumen dürfen zum Anwärmen von Tüchern nur solche Wärmevorrichtungen 
(kleine Petroleumöfen u. a.) benutzt werden, bei welchen ein Ausstrahlen von 
Wärme und eine Erhitzung benachbarter Luftschichten auf das geringste 
Maas beschränkt bleibt. Werden hierzu Petroleumöfen verwendet, so dürfen 
die Verwendungsgase nicht in den Arbeitsraum, sondern nur in einem Schlot 
entweichen. Jede direkte Heizung dieser Räume ist untersagt. Die Erwär¬ 
mung der Luft bei Kälte und ebenso die Abkühlung der Luft bei hoher 
Sonnenwärme ist für diese Räume nur durch Einführung vorgewärmter bezw. 
abgekühlter Luft zu bewirken. Die Temperatur der eingeführten vorgewärm¬ 
ten Luft darf niemals H- 15° C. (12° R.) überschreiten. 


§ 5. Soweit die Witterung und der Gang der Fabrikation es erlaubt, 
sind die Fenster der durch Quecltsilberverwendung für die Gesundheit gefähr¬ 
lichen Räume vor und nach der Arbeit möglichst offen zu halten. 

§ 6. Die Grösse der Beleg- und Trockenräume ist so zu bemessen, dass 
pro Kopf der darin beschäftigten Personen in den ersteren ein Luftraum von 
mindestens 40 cbm, in den letzteren von mindestens 30 cbm entfällt. Die 
Höhe der Räume muss mindestens 3,5 m betragen. 

Durch eine nicht auf natürlichen Temperaturdifferenzen beruhende, wäh¬ 
rend der Arbeitszeit wirksame Ventilationsvorkehrung (Anwendung einer 
Lockfeuerung ausserhalb der Räume, eines Gas-, Wasser- oder anderen Motors) 
ist dafür Sorge zu tragen, dass die Luft der Beleg- und Trockenräume bei 
geschlossenen Fenstern und Thüren durch Zu- und Abführung von mindestens 
60 cbm Luft pro Kopf und Stunde während der Arbeitszeit fortlaufend er- 
erneuert wird. Die frische Luft ist in die oberen Luftschichten der betreffenden 
Räume einzuleiten. Die Absaugung der Luft ist so einzurichten, dass die 
unteren Luftschichten zuerst abgeführt werden. Zu- und Ableitung dürfen 
nicht an derselben Wand angebracht werden, sondern müssen sich möglichst 
gegenüber liegen und so eingerichtet sein, dass Zug vermieden bleibt. Der 
Arbeitgeber ist verpflichtet, diejenigen Controlapparate zu beschaffen, welche 
von dem zuständigen Aufsichtsbeamten als erforderlich bezeichnet werden, um 
festzustellen, ob die vorhandene Ventilationsanlage den gestellten Anforderun¬ 
gen entspricht. 

§ 7. Die Temperatur der Luft in den Beleg- und Trockenräumen ist 
möglichst gleichmässig zu halten. 

Erreicht an einem Tage die Temperatur der Luft in diesen Räumen die 
Höhe von 25° C. (20° R.) und darüber, so ist die Arbeit einzustellen und an 
diesem Tage nicht wieder aufzunehmen. 

ln jedem Beleg- und Trockenraume ist ein Thermometer anzubringen, 
an welchem durch eine in die Augen fallende Marke die zulässige höchste 
Temperaturgrenze bezeichnet ist. Das Thermometer ist in Kopfhöhe und nicht 
an einer Umfassungswand oder in der Nähe einer Thür oder eines Fensters 
anzubringen. 

§ 8. Der Fussboden der Beleg- und Trockenräume muss aus glattem 
Asphaltbelag, ohne Fugen, Ritzen und Sprünge bestehen, mit leichter Neigung 
zu einer Sammelrinne mr das auf den Boden gelangende Quecksilber und mit 
Sammelbecken. 


In Lagerräumen, Wischräumen und anderen die Gesundheit der Arbeiter 
nicht gefährdenden Räumen ist die Benutzung gewöhnlicher eiserner Oefen gestatte! 



Verordnungen und Verfügungen. 


281 


§ 9. Die Wände der Beleg- und Trockenräume Bind, sofern sie aus 
Mauerwerk bestehen, glatt zu verputzen. Wände aus Holz müssen aus ge¬ 
hobelten, gut gefugten und verkitteten Brettern hergerichtet sein und an der 
Decke und am Boden dicht schliessen. Wände und Decken sind mit Oelfarbe- 
anstrich zu versehen und allwöchentlich abzuwaschen. 

§ 10. Die Belegtische und Trockengestelle müssen so eingerichtet sein, 
dass das beim Antränken der Zinnfolie, beim Uebergiessen derselben mit 
Quecksilber, beim Pressen der belegten Platten und beim Trocknen der Spie¬ 
gel abflies8ende Quecksilber möglichst schnell in die aufgestellten Auffangbe¬ 
hälter gelangt. Nach Schluss der täglichen Arbeitszeit ist der Belegtisoh 
sorgfältig von Quecksilber zu säubern. 

Die Auffangbehälter sind so einzurichten, dass sie vollkommen ver¬ 
schlossen sind, bis auf eine enge, dem Einlass des Quecksilbers dienende Oeff- 
nung. Die Anbringung von Filtrireinrichtungen ist nur in den Behältern 
selbst, nicht auf den Belegtischen gestattet. 

Das Anreiben (Antränken) der Zinnfolie mit blossen Händen ist den Ar¬ 
beitern zu untersagen. 

§ 11. In Belegräumen und in allen sonstigen Bäumen, in welchen Queck¬ 
silber verwendet wird, ist die peinlichste Sauberkeit und Vorsicht zu be¬ 
obachten. Jedes Verschütten und Verspritzen von Quecksilber ist möglichst 
zu vermeiden. 

Der Fussboden solcher Räume ist vor Beginn der täglichen Arbeit nach 
voraufgegangener Pause reichlich mit Wasser zu besprengen und täglich nach 
Schluss der Arbeit nach reichlicher Besprengung mit Wasser auszukehren. 
Kehricht, sowie der Inhalt vom Sammelbecken im Fussboden ist täglich aus 
den Arbeitsräumen zu entfernen und in verschlossenen Behältern aufzubeben. 

Mit dem Auskehren solcher Räume dürfen in der Regel nur Personen be¬ 
auftragt werden, welche im Uebrigen bei der Arbeit mit Quecksilber nicht 
in gefährliche Berührung kommen. Wo dieses ausnahmsweise nicht aus¬ 
führbar sein sollte, ist dafür zu sorgen, dass die Arbeiter mit dem Auskehren 
häufig, mindestens wöchentlich abwechseln. 

g 12. Zur Reinigung von Quecksilberabfällen sind, soweit dieselbe in 
den Beleganstalten selbst und nicht in besonderen Läuterungsanstalten ausge¬ 
führt wird, gläserne Scheidetrichter zu verwenden. 

Die Reinigung quecksilberhaltiger Tücher, Lappen und Anreibeballen ist 
in gleicher Weise oder durch Auswaschen zu bewirken. Das Ausklopfen sol¬ 
cher Tücher, Lappen und Anreibeballen ist untersagt, sofern es nicht auf 
mechanischem Wege in verschlossenen gegen Staub vollkommen undurchlässi¬ 
gen Behältern ausgeführt wird; auch sind gebrauchte Tücher möglichst häufig 
durch neue zu ersetzen. 

Die vorstehend bezeichneten Reinigungsarbeiten dürfen nicht in den Ar¬ 
beitsräumen vorgenommen werden. In dem Aufbewahrungsraum für Queck- 
silbervorräthe sind sie gestattet. 

g 13. Eine Beschäftigung in quecksilbergefährlichen Räumen darf nur 
solchen Personen gewährt werden, welche eine Bescheinigung eines approbirten 
Arztes beibringen, dass nach dem Ergebniss der körperlichen Untersuchung 
besondere Umstände, welche von der Beschäftigung in einer Spiegelbelegan¬ 
stalt aussergewöhnliche Nachtheile für ihre Gesundheit befürchten Hessen, 
nicht vorliegen. 

Die Bescheinigungen sind zu sammeln, aufzubewahren und dem nach 
g 139 b der Gewerbeordnung zuständigen Aufsichtsbeamten auf Verlangen 
vorzulegen. 

§ 14. In Beleg- und Trockenräumen dürfen Arbeiter in den Monaten 
Oktober bis einschliesslich April nicht länger als 8 Stunden, in den Monaten 
Mai bis einschliesslich September nicht länger als 6 Stunden täglich be¬ 
schäftigt werden. 

Nach Ablauf der Hälfte der täglichen Arbeitszeit in diesen Räumen ist 
eine mindestens zweistündige Pause zu gewähren. 

Eine anderweite Beschäftigung der Arbeiter seitens des Arbeitsgebers 
ausser der vorstehend bezeichneten Zeit ist nur dann zulässig, wenn sie nicht 
in Räumen erfolgt, welche durch Quecksilberverwendung die Gesundheit der 
Arbeiter gefährden. 



282 


Verordnungen und Verfügungen. 


Für Anlagen, in welchen Quecksilbererkrankungen der Arbeiter häufiger 
Auftreten, kann auf Antrag des nach § 139b der Gewerbeordnung zuständigen 
Aufsichtsbeamten die Maximalarbeitszeit von 8 bezw. 6 Stunden täglich für 
die Arbeiter in Beleg- und Trockenräumen verkürzt werden. 

§ 15. Der Arbeitgeber hat die Ueberwachung des Gesundheitszustandes 
der von ihm in gasundheitsgefährlichen Räumen beschäftigten Arbeiter, einem 
dem Aufsichtsbeamten (§ 139 b der Gewerbeordnung) namhaft zu machenden 
approbirten Arzte zu übertragen, welcher in zwei Wochen mindestens einmal 
eine Untersuchung der Arbeiter vorzunehmen und den Arbeitgeber von jedem 
Falle der ermittelten Quecksilbererkrankung in Eenntniss zu setzen hat. Der 
Arbeitgeber darf Arbeiter, bei welchen eine Quecksilbererkrankung ermittelt 
ist, zu Beschäftigungen, bei welchen sie mit Quecksilber in Berührung kommen, 
bis zu ihrer völligen Genesung nicht zulassen. 

§ 16. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, ein Krankenbuch zu führen oder 
unter seiner Verantwortung für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Ein¬ 
träge durch den mit der Ueberwachung des Gesundheitszustandes der in ge¬ 
sundheitsgefährlichen Räumen beschäftigten Arbeiter beauftragten Arzt oder 
durch einen Betriebsbeamten führen zu lassen. 

Das Krankenbuch muss enthalten: 

1. Den Namen dessen, welcher das Buch führt; 

2. Den Namen des mit der Ueberwachung des Gesundheitszustandes be¬ 
auftragten Arztes; 

3. Die Namen der erkrankten Arbeiter; 

4. Die Art der Erkrankung und die vorhergegangene Beschäftigung; 

5. Den Tag der Erkrankung; 

6. Den Tag der Genesung, oder wenn der Erkrankte nicht wieder in 
Arbeit getreten ist, den Tag der Entlassung. 

Das Krankenbuch ist dem Aufsichtsbeamten, sowie den zuständigen Medi- 
cinalbeamten auf Verlangen vorzulegen. 

§ 17. Der Arbeitgeber hat alle in den durch Quecksilberverwendung 
gefährlichen Räumen beschäftigten Arbeiter mit vollständigem, möglichst an¬ 
schliessendem Arbeitsanzuge aus glattem dichtem Stoff ohne Falten und 
Taschen, mit einer Mütze und mit gut anliegendem Schuhwerk zu versehen. 
Jedem Arbeiter ist eine besondere, für ihn passende Arbeitskleidung zu überweisen. 

Der Arbeitgeber hat dafür Sorge zu tragen, dass die Arbeitskleider stets 
nur von denjenigen Arbeitern benutzt werden, welchen sie zugewiesen sind, 
und dass dieselben nach wöchentlichem Gebrauche stets gereinigt und während 
der Zeit, wo sie sich nicht im Gebrauche befinden, an den für sie zu be¬ 
stimmten Platze aufbewahrt werden. 

§ 18. Ausserhalb der gesundheitsgefährlichen Räume, doch in der Nähe 
derselben, ist für die in denselben beschäftigten Arbeiter ein nach Geschlech¬ 
tern getrennter Wasch- und Ankleideraum und getrennt davon,. sofern die 
Arbeiter nicht ausserhalb der Anlage speisen, ein Speiseraum einzurichten. 
Beide Räume müssen sauber gehalten und während der kalten Jahreszeit ge- 
heitzt werden. 

In dem Wasch- und Ankleideraum müssen Gefässe zum Zweck, des 
Mundausspülens, die etwa ärztlicherseits für erforderlich gehaltenen besonderen 
Mundspülwässer, Seife und Handtücher, sowie Einrichtungen zur Verwahrung 
derjenigen gewöhnlichen Kleidungsstücke, welche vor Beginn der Arbeit abge¬ 
legt werden, in ausreichender Menge vorhanden sein. 

In dem Speiseraum oder an einer anderen geeigneten Stelle müssen sich 
Vorrichtungen zum Erwärmen der Speisen befinden. 

Der Arbeitsgeber hat den in gesundheitsgefährlichen Räumen beschäftigten 
Arbeitern Gelegenheit zu gewähren, wenigstens einmal wöchentlich ein warmes 
oder kaltes Bad (je nach dem Wunsche des Arbeiters oder nach ärztlicher An¬ 
ordnung) zu nehmen. 

§ 19. Der Arbeitgeber hat eine Fabrikordnung zu erlassen, welche eine 
Anweisung hinsichtlich des Gebrauches der im § 17 bezeichneten Kleidungs¬ 
stücke und hinsichtlich der Vorsichtsmassregeln beim Arbeiten mit Queckr 1K * 
für die in gesundheitsgefährlichen Räumen beschäftigten Personen, nam*" 
aber folgende Vorschriften enthalten muss: 



Verordnungen und Verfügungen. 


283 


1. Die Arbeiter dürfen Branntwein, Bier und andere geistige Getränke 
nicht mit in die Anlage bringen. 

2. Die Arbeiter dürfen Nahrungs- oder Genussmittel nicht in die Ar¬ 
beitsräume mitnehmen, dieselben vielmehr nur im Speiseraum auf¬ 
bewahren. Das Rauchen und Schnupfen im Arbeitsraume ist zu 
verbieten. Das Einnahmen der Mahlzeiten ist den Arbeitern, sofern 
es nicht ausserhalb der Anlage stattfindet, nur im Speiseraum gestattet. 

3. Die Arbeiter haben die Arbeitskleider in demjenigen Arbeitsräumen 
und bei denjenigen Arbeiten, für welche es von dem Betriebsunter' 
nehmer vorgeschrieben ist, zu benutzen. 

4. Die Arbeiter dürfen erst dann den Speiseraum betreten, Mahlzeiten 
einnehmen oder die Fabrik verlassen, wenn sie zuvor die Arbeits¬ 
kleider abgelegt, die Haare vom Staube gereinigt, Hände und Ge¬ 
sicht sorgfältig gewaschen, die Nase gereinigt und den Mund ausge¬ 
spült haben. 

Das Tragen langer Bärte ist untersagt. 

§ 20. In jedem durch Quecksilberverwendung die Gesundheit der Ar¬ 
beiter gefährdenden Arbeitsraume, sowie in dem Ankleide- und dem Speise¬ 
raum muss eine Abschrift oder ein Abdruck der §§ 1—19 dieser Vorschriften 
und der Fabrikordnung an einer in die Augen fallenden Stelle aushängen. 
Jeder neu eintretende Arbeiter ist, bevor er zur Beschäftigung zugelassen 
wird, zur Befolgung der Fabrikordnung, von welcher ihm ein Exemplar aus¬ 
zuhändigen ist, bei Vermeidung der ohne vorhergehende Kündigung eintre¬ 
tenden Entlassung zu verpflichten. 

Der Betriebsunternehmer ist für die Handhabung der Fabrikordnung ver¬ 
antwortlich und verpflichtet, Arbeiter, welche derselben wiederholt zuwider¬ 
handeln, aus der Arbeit zu entlassen. 

§ 21. Neue Anlagen, in welchen Quecksilberspiegel belegt werden sollen, 
dürfen erst in Betrieb gesetzt werden, nachdem ihre Errichtung dem zu¬ 
ständigen Aufsichtsbeamten (§ 139 b der Gewerbeordnung) angezeigt ist. Der 
Letztere hat nach Empfang dieser Anzeige schleunigst durch persönliche Re¬ 
vision festzustellen, ob die Einrichtung der Anlage den erlassenen Vorschriften 
entspricht. 

§ 22. Im Falle der Zuwiderhandlimg gegen die §§ 1—21 dieser Vor¬ 
schriften kann die Polizeibehörde die Einstellung des Betriebes bis zur Her¬ 
stellung des vorschriftsmässigen Zustandes anordnen. 


Verwendung von sog. Kunstkaffee zu betrügerischen Zwecken. Circular- 
Erlass des Minister für Handel und Gewerbe (gez. in Vertr. Madge- 
burg) C. No. 3029 und des etc. Medicinalangelegenheiten (gez. in Vertr. 
Nasse) M. No. 5200 vom 14. Juni 1889 an sämmtliche KOnigl. Regierungs¬ 
präsidenten. 


Seit einiger Zeit werden durch die Firma J. Heckhausen & Weies, 
Maschinenfabrik und Graviranstalt zu KOln a/Rh. unter den Namen „Gasaens 
Kunstkaffee* künstliche Kaffeebohnen in den Handel gebracht, welche den 
gebrannten natürlichen Kaffeebohnen so ähnlich sind, dass eine betrügerische 
Beimengung zu den letzteren stattfinden kann. 

Nach der von einem Chemiker ausgeführten Analyse enthalten die er¬ 
wähnten künstlichen Bohnen: 

Wasser und Feuchtigkeit . . . 2,26 °/o 

Aether-Extrakt.2,78 , 

Wasser-Extrakt. 27,58 , 

Stickstoffhaltige Bestandteile . 11,46 , 

Zucker.1,94 „ 

.1,77 , 

......... 0,55 , 

Metalle sind nicht nachgewiesen worden. In der 
r iel (Eisenblau färbender) Gerbstoff mit Harz. Der 
von Lupinen, das Kaffein aus Kola-Nüssen her. 



V 









Verordnungen und Verfilgungen- — Literatur. -— Poraöiialiei* '2B5 

Zugleich geben wir Ew. Hochw*ohlgelieren ergebRnst iuiheitn, meine des 
Ministers der geistlichen pp. Angelegenheiten 'voröVwübntnn Erlasse den i’hy- 
«ücera erneut in Erinnerung sü Wingem 




,' .» 1 ’' ’ .■ L i t e r a t u r. 

(Der Redaefion zur IWieosf# eingö^vudt) 

1. M en.de, :fl. Dr., Kfeistdiysikw* -und-KanitÄts»th 4n Rinbock; i.ciUiukm 
Rir Eieiscbt^cbauer; fein heck A8^. H. Jlblers Verläse ;(>. Knothp/ 

2. Sir H. Thompsou in London; Die moderne iAnghgnyei-brunnoDgr. Aus 
dem EnglischenObertrageu rtm Dr.; F*awi Cohti^ ptukl. Arzt inTjeriln. 

; Eisch*E* hfedicimscbe liuchhamllung (HG Eört^stdVi 

M. EHleHberg, H.i Br. Geh, Ober - M:etueinak~ith ui. Bonn üml Dt TM 
H u eh» Direktor de# Ealk-TAoki - t»;ywin&4unn<- *u Ueriv«. .{Mlruigöwdiid- 


heÜÄjebre l)ie Schule und das Unterricht* wesen vom hygienischen 



Lieferung eruchienen. 


^frr 

— 


Person afifi.it-*' 


AnsselcbnuBgen j 

Verliehen; [>er CbarüiCter als Oohermcf Mvdieinajratii: dem 
ordimtliohn «.ßrofätoör Dr. Frcibe-rra vhn la Valette 3t. George und dfiui 
Ungibntng«• ■and Meduntialrath Dr. Wagner in Wiesbaden-, als Geh. Sani- 
tätöraib: «Ich 'HanitlU«r%Üieu OfvKJistner in Berlin. Dr, Bollert hi Bum-: 
melsburg, KrOoiphysikue I>r. de Rhyter in QoökcnbrOek uiul Dr. Jtob, Schult» 
au Frankfurt. n!Q,i uls fiaüitiktftiath: den praktischen Aenstes -ßiV.-St-irM'ttl» , 
und Beltf in Borliii, De. De*;!' 'iw Jiflldrungen und Dr. Brok.her io Köln. 

Der Eoibo Adleibddon in,Klasse en-if-, dy:? Schieffe: dem Geh;; 
Mndieiriali^..fb fef. Dn Rondcb in Berlin; dßr RMbn ÄdlflröVdiiri {V, • 

JUnsaöf dem San.i.tÄt»mtb ETdiänhysikn« Dr. ftttacke in Stendal und Krew- 
Wundarzt Sanltätsrath . "Dr. .FrAnkel ln Öherschlesien; denselben Orden mit 
Schwertern; den MivrinsistHMfiraton Dr. Eiste und Dr. Weis«, — Iku 
Rronehörian II. denj Geh. Medicinal- und Beg.'-Snth Dr. 

m Brodau; der Krohhsofckn IV. Klasse am weisseh iiande mit 
achwärr.er Kjnfiiseung; dem Marinestabaarzt Dr. Terc-szb iew icx;. den¬ 
selben Orden mit St;b'#ej:tciia; dem Manne-AasiMenzäl^t J. Kl. Dr. Arendt. 

' Ernetmuttg^u nnd Versetzungen: .. -.-i:' y 

Ernannt; Der «3.ebsi«ohe Geh. Modieinalrath und Referent im Mini¬ 
sterium de« Innern Dr; Lehmann .m- Dteede« ist au in aueHCrordpnf.linht'ri 
Afitgliede de« Gesundheitsamt auf die Zeit p| zum Ablauf de« Jahre« 1891; 
der bisherige Kreiswuiularzt Dt... Lemke in -Örini,T«n zion Krt&iphysikus diese« 
Kreises; der praktische Arzt Dr. Go*;fce mWurthit zum Kfeiewundar/.t des 
Kreises Fnüik«<n»st«üi; der biafaerige Kreis^nindarzt, Dr. Schwenkenbeeber 
zn .Erfurt zum Kreispbyuikus de« Stadt- und Landkreises Erfurt, 'der bisherige 
' Krefewimfargt. de* Krake« Nktdftfbanm», Dr. «i«L tlA«l>kr aat Sätotäm 




< gfeclacbt^f) Kiidfies xrod der biisherige 
Dr. Hömmftcteh in Selter« ttntnr Brdaawing sc io es Wohnsitzes zun« Ktnis-; 
jihyrikus de« Uuterwnit.orwald-KreisfM. 

iH-f c'fDii.ii/u x %u Vertraltuug einer BIij6fkatsideI.fe haben ln» 

il. 'inartal 1889 erhalten: 

Di»- (iivit/’i. io.» r,«•'-/[,. Dr. Arbeit in Manepliurg. Dr. Becker in 

in Skaiagirren, Dr. BorntrSger in Berlin, Dr. 



2Sii Personalie®. 

Brüning in Buer, Dr. Cohn ä» Beydekfug, Di,Behaert in Osterfeld, Dt, 
Bybtfwßki in Bütow, Pr. Ebsteinia Breslau, Dr. Forst reute* in Heia- 
riehirw&lde, Pr. Görke in Wartha, Dr.Heinema&ft in Frankeaberg, J)r, 
Herme in Burg, Pr,. Hera borg Sn Berlin, Pr. Sühn in Moringen, Df. Lieb - 
h er i z ttt Fmnkfort sa/M., Br Mayer m Beerfelden, Be. Möller in Straeshurg 
in» Elsas«, Pr, Östmawn in Altona, Pr. Panienaki in Meta, Dr. Unsens 
bin.th ln Marbufg,. Dr. SchatteDberg in Magdeburg, Dr. Sehmolek in 
Raatehburg, Pr. August Wagiter in KönigshMte. 

Verstorben sindt 

Die praktischen Aerste: Pr Dronlujuu in Mew« in Westpreussen, Dr. 
Roborth ia>«j Kreiaphyaiktw SaaktÄtsokth Dr. Wilbrand VA Frankfurt &./M.« 
Saiut&fasrath Dr, Abekiog in Berlin, Dt'. Dottman« ia ÄJiWam, Dr. Kruse 
in Aerzeu, Dr. Hölisr In mnglnaborg, De. Berti and in Koblenz, Br. Pa eilen 
in Perresheim, Dr. Jahn in Näsyjsberg, Dr. Bauer in Lüttringhausen, Dr, 
Rcgling in Kordenburg, Dr. Bunker in Oebisfelde, Stabsarzt Dr. Jung- 
»Ickel in Magdeburg, Dr. Fe fers in AllendcrrJ (.Arnsberg), Dr. Burekharfc 
in Gerbatedt, Snmtätsrath Br. Maokiwitz in Mühlhausen, Krei«phy«ikns Dr. 
Neuiann in Schwerin &./W. und P?, Krönidr ia Beelitz. 

Vakante SteUcH.^) 

KreiHph.) säkate; 2. Stadtpbysikat in Königsberg j./Pr., Putzig, Sehlawo. 
Witkowo, Jafptsschi*, iScbtldberg, Schwerin, a. W. • (Meldung bal der König!* 
Regierung in Pose» hir zura IS. August), Meatonüschel, eine 8ewrk*physjkTiS' 
staue in Berlin, Meserita, Uslar, Hümmling (mit 900 Mark Stellenzulage), Su¬ 
lingen (mit 600 Mark Stellenzulage), Fulda, Dannenberg, eventuell verbanden 
mit der dirigirenden Arztatolle am dortig>*n Johanniter-Kraokenhausö mit 
1200 Mark Gehalt (Meldung beim Königl. Regierungspräsidenten in Lihiebtire 
hie zum 25. Auguat.), Stadtkreis Frankfurt a./M. T (Meldungen biß zum 5. August 
bei dem Königl. RegiemngBpT&aidenten in Wiesbaden), Adenau, Xandlö^ia 
Köln. Eeil^enhafen (Meldung bis '30.. August beim König]. Regierungnpräsir 
(tonten da ^'^Kteswigb . Aurich mit 900 Mark Stellenzulage (Meldung hör zürn 
Si, August beim König!. Reg.-Präa. in Aurich), Daun, Qberamt Bamtneftingen 
Und Sfgmariagea (Bewerbung bei dem König). Reg.-Präs, in SjgJßadögen bis 
Willi 26. August). ‘ 

KTsiswandarztatelleu; Fiachhausen, Darkehinen. Hmligeobeil, Hey-L> 
klug, öletzfco. Tilsit^ Karthamt, Marienborg, Loebau, Marlenwerder, Granden*, 
Belgärd, örimtaöo, Nwdi-rbatrdui, Angernilnde, Templin, Friedeberg, Ost- arid 
Wesl-Sternborg, Bütow, Lswenburg i/P,, Dwunburg, Schiovelbein, BomsV Schrotla, 
8»'otubwff f Stfeblen, ÖhJ&U, Kosel (Bewerbung »is zuni 15. August bei dem 
König!. Rog.-Fteideaten io Oppeln), Lubtiniia,Neustadt in Ob.-Schlesieu, Strie- 

f au, Laubfth,. Rejehenbach, örünberg, Mfinfeterb erg , Sagen, Miütsch, mit dem 
Vchnsitz in Sölau, Jenchow 1, WaaizMies. Erfurt, Worbis, Sangerhausen, ffiegen- 
rück, Laugenttal^Ä, Hölter, Lültberkfij Warhurg, Lippst&dt, Meschede, Ufln/eld. 
Erkelonz, Kleve, Stadtkreis Köln, Bergheim, Wipperfürth, Grevenbroich und 
St Wendel. 

*f We ein bezüglicher Vermerk fehlt, sind die Stellen entweder noch 
nicht ausgeschrieben oder die officiellen Meldefristen bereite abgelaufen. 


Hygienische Section der 62 . Versammlung deutscher Naturforscher 

und Aerite .tu Heidelberg, 

Die Unterzeichnete Commisaion ersucht die Herren CoUogen, urn mög¬ 
lichst frühzeitige Anmeldung von Vorirflg'en nod Demohstratieusn, damit eehon 
bald «in vorläufiges Programm der VWniutdlungeTi d*r Sectlön l>flkah*»t gege¬ 
ben werden kann. 

Gärtner, Jena. Knaoff, Heidelberg. Weralek. tttwiöa 



Die Hauptversammlung des Preussischen Medicinalbeamtenvereins. 287 



der 


VII. Hauptversammlung 

des 

Preussischen Medidnalbeamten - Vereins 

am 1L und 12. September 1889 

zu 

BERLIN 

im grossen Hörsaale des Hygienischen Instituts 

Kloatermtrasme 30. 


Dienstag, den 10. September. 

7 Uhr Abends: Gesellige Vereinigung zur Begrüssung bei Sedl- 
mayer (Friedrichstrasse 172). 

Mittwoch, den 11. September. 

9 Uhr Vormittags: Erste Sitzung im Hörsaale des Hygienischen 
Instituts. 

1. Eröffnung der Versammlung. 

2. Geschäfts- und Kassenbericht} Wahl der Kassenrevlsoren. 

8. Der Entwicklungsgang Im Preussischen Medielnalwesen. 

IL Die Reformbewegungen im ärztlichen Stande; Herr 

Reg.- u. Medicinalrath Dr. Wernich in Koeslin. 

4. Ueber Formulirung von Obduktionsprotokollen; Herr Kreis- 

pbysikus Prof. Dr. Falk in Berlin. 

5. Die Sanitätspoliseilichen Aufgaben zur Sicherung gesund* 

heitsgemässer Geburt«- und Wochenbettspflege. Herr Kreia- 

physücus Dr. Philipp in Berlin. 

1Vach Schluss der Sitzung: Besichtigung der Allgemeinen 
Deutschen Ausstellung für Unfallverhütung verbunden mit 
eventuell gemeinschaftlichem Mittagessen in der Restau¬ 
ration des Ausstellungsparkes. Das Nähere wird am 
Sitzungstage mitgetheilt werden. 

9 Uhr Abends: Gesellige Vereinigung bei Sedlmayr (Friedrich¬ 
strasse 172). 



288 Die Hauptversammlung des Preussischen Medicinalbeamtenvereins. 

Donnerstag, den 12. September. 

9 Uhr Vormittags: Zweite Sitzung im Hörsaale des Hygieni¬ 
schen Instituts. 

1. Zum Entwurf des neuen Clvllgesetzbuches vom gerlchtsärzt- 

liehen Standpunkte aus; Herr Kreisphysikus und Sanit&tsrath 
Dr. vou Haselberg in Stralsund. 

2. Vorstandswahl und Bericht der KassenreTtsoren. 

3. Veber eine Frage ans dem Gebiete der Schulhygiene; Herr 

Kreisphysikus Dr. Schröder in Weissenfels. 

4. Abänderung«'- Vorschläge zu dem Gesetze vom 9. März 1872 

betreffend die GebOhren der Medicinalbeamten ; Herr Reg.- 
und Medicinalrath Dr. Rapmund in Aurich. 

Nach Schluss der Sitzung : Zwangloses Mittagessen im Caf6 
Bellevue (Potsdamer Platz) und hierauf Fahrt nach 
Potsdam behufs Besichtigung der städtischen Kläranlage 
(Röckner-Rothe’sches System). Das Nähere wird am 
Sitzungstage mitgetheilt werden. 

9 Uhr Abends: Gesellige Vereinigung bei Sedlmayr (Friedrich¬ 
strasse 172). 


Indem der Unterzeichnete Vorstand auf eine recht zahlreiche 
Betheiligung seitens der Vereinsmitglieder, sowie auch seitens 
derjenigen Collegen hofft, die dem Verein bisher noch nicht bei¬ 
getreten sind, bittet er, etwaige Beitrittserklärungen, Anmel¬ 
dungen zur Theilnahme an der Versammlung oder sonstige 
Wünsche demnächst dem Schriftführer des Vereins gefälligst an- 
zeigen zu wollen. 

Berlin, im Juli 1889. 

Der Vorstand des preussischen Medicinalbeamten-Vereins. 

Dr. Kanzow, Vorsitzender, Dr. Rapmund, Schriftführer, 

Geh. Medicinal- u. Regierungsrath in Regierungs- und Medicinalrath in 

Potsdam. Aurich. 

Dr. Schulz, Dr. Wallichs, 

Polizei-StadtphytikuB, Sanit&terath und Kreisphysikus und Sanitätsrath in 
Direktor des König!. Imph-Instituts in Altona. 

Berlin. 

Dr. Mittenzweig, 

Gerichtlicher Stadtphyeikus und S&nitätsrath in 

Berlin. 


Hierzu ein Prospect: Sammlung „Gerichtlich» lfl 
Obergutachten“ herausgegeben von Sanitätsrath Dr« D. 

Verantwortlicher Redacteur: Dr. H. Mittenzweig, Be-* 



Druck der Füretl. prlv. Hofbnchdruokerel (F. Mltz, 


Jahrg. 2. 


Zeitschrift 

fflr 


1889. 


MEDICIN ALBEAMTE 


Heraasgegeben von 


De H. MITTENZWEIG 

Gericht!. SUdtphyiiku* in Berlin. 


Dr. OTTO RAPMUND 

Reg.* und Medidnalrath in Aurich. 


ui 


Dr. W1LH. SANDER 

Medidnalrath Direktor der Irrenanstalt Dalldorf-Berlin. 


Verlag von Fischers medic. Buchhdlg, H. Kornfeld, Berlin NW. 6. 


No. 9. 


Eroekelat mm 1. Jeden Jlomta. 

Freia Jährlich. 6 Mark. 


1. Septbr. 


INHALT: 


Seite 

Oriffinal-Mittheilungen: 

Zar Trichinose. Von Dr. Schilling . . 289 
Zar Darohfährang der »Anweisung 1 * vom 
22. November 1888. Von Dr. Schleg- 

tendal.292 

Die ätiologische Gruppirong der Infeo- 
tlonskrankheiten. Von Dr. Braun . 299 
Zur Casnlstlk des Kampfes gegen den 
Gehe immittel anfug. Von Dr# Albert 

Welss .811 

Zar Casnlstlk der Erwerbsunfähigkeit 
nach Verletzung. Von Dr. Tacke . 818 


Seite 

Kleinere Mittheilungen .322 

Referate: 

Dr. Oskar SUbermann. Üeber das Auf- 
treten multipler lntravltaler Blutge¬ 
rinnungen nach acuter Indoxlkatlon 
durch chlorsaure Salze, Arsen, Phos¬ 


phor und einige andere Blutgifte . . 823 
Dr. II. Mende. Leitfaden für Fleisch- 

beschauer.323 

Bericht der Gesellschaft fär Geburts¬ 
hälfe und Gynäkologie zu Berlin. 324 

Personalien .32? 


Zur Trichinose. 

Von Dr. Schilling, Kreisphysikus in Wartenberg. 

Trotz der obligatorischen Fleischschau wird alljährlich von 
kleineren oder grösseren Epidemieen von Trichinose berichtet, 
deren Ausbruch nicht immer durch ein Verschulden und Ueber- 
sehen des vereidigten Fleischbeschauers herbeigeführt wird, son¬ 
dern weit öfter durch Unachtsamkeit des ungläubigen Publikums 
und Nichtberücksichtigung polizeilicher und sanitätspolizeilicher 
Vorschriften. Dass es aber Aufgabe der. executiven Polizei sein 
muss, das trichinöse Schwein nicht bloss mit Beschlag zu be¬ 
legen, sondern sofort zu vernichten und aus dem Gesichtskreise 
zu bringen, ehe davon gegessen werden kann, dafür liefert die im 
letzten Frühjahr in unserem Kreise aufgetretene Trichinose von 
fünfzehn, theils sehr schweren Erkrankungen, welche längeres 
Siechthum und in vier Fällen den Tod von Familienvätern zur 
Folge hatte, deren Familie zum Theil der Commune zur Last 
fallen, den besten Beweis. 

Bereit* vor einigen Jahren wurde ein trichinöses Schwein in 
''««gegend von V. geschlachtet und, wie man sich triumphi- 

20 














290 


Dr. SehillHig. 


read erzählt«, attf s^SÄO^glerigtsiife Weise h^t Söfte gn^hafft and 
ohne Naehtbeil verzehrt. ..Hierauf pocht« man auch diesmal,'als 
am 26. Februar «in ausserordentlich rMebüeh von Trichinen 
durcheetztes Schwein anlgeftmden und als m^enie^bar be^eschset 
wurde. Trotz hoher Entschädiguiig aus der Versiciieroop-Kasse 
ist das Fletsch zweifellos zürn grossen Thfeli vo® Besitzer au 
Verwandt« verschenkt oder an Fremde verkauft. köre, vermehrt; 
auch in anderen Städten B. and Ö. traten in einer verwandten 
und inzwischen verzogenen Familie Erkrankungen ein, die von 
zngeschicktem Fleisch herrührten; denn die im April eingelötet« 
gerichtliche Untersuchung förderte von dem vergrabenen Schweine 
nnr Haut. und Knochen, wenig Fleisch, als Ueberresie zu Tage*. 
Diejenigen, welche das trichinöse Fleisch roh tthd in grösserer 
Menge genossen hatten, erkrankten am schwersten und starben; 
dae, wefebe es „gekocht 4 ' genossen hatten, winden von den be¬ 
kannten Beschwerde») ergriffen. 

Auffallend ist die Reihenfolgtr und das gehäufte Auftreten 
an bestimmten Tagen, eine Erscheinung, die einen inneren Zu¬ 
sammenhang haben muss. 

Am 18 . März erkrankten 2 Personen (verschiedener Familien). 

,, 21. „ o : " {derselben Familie). 

n 1 . April „ -4 ... (verschiedener Familien 1 

o ’ 

• $ *f*v D :i *f- '• - n ^;r:;-r . . »> ?? 

5 .' „ „ & , (derselben Familie). 

Da die Erkrankten. theBweifri in einer Familie zusammen- 
wohhteiu m ist es klar, dass eie m gleicher Zeit, von dem 
Fleische assen und, gleichzeitig eriuitßkten- in den übrigen weit 
zahlreichem Fällen trat, aber auch theilwelwt gleichzeitige F.r$ 
fa-ankuttg uinv obgleich sie an versuhmdenen Tagen das Fleisch 
verfehlt hatten, auch zu wiederholten Malen davon gegessen. 

Immerhin fällt die lange Inkubation vom 26 , Februar bis 18 , 
März mit . 2 ; 0 ' Tagen auf. Bei der in dieser jäeitachrift im Tor- 
jalire beseturiebenen Trichinose in Inowrazlaw wurden, schon nach 
ö Tügea die ersten Fälle entdeckt die letzten traten schon nach 
fünftägiger Zwischenzeit; ein. 

Der kurzem oder längere Zeitraum - vom Getunt bis zum 
Ausbruch der Krankheit, kurz die Inkubation, hängt bei der In¬ 
vasion des bei der Trichinose bekannt«»! mul gewi&semassen 
-B>jBh;kh* 4 t»kfaniest offenbar von bestimrateni abgr Ulfe 
bisher unzulänglich bekannten Bedingungen ab. £.Die Zahl und 
Lelmtisiähigkeit der in den Magen g€ilangenö«a Trföhmen 7 die 
V»nmeliriHigsföhigkeh vier Brut, die Besistenz des Individuums 
(wie zu denken?) di« Indolenz und andererseits Achtsamkeit auf 
die jmwfen Krabkheits^vmntoroe bestimmen entschieden den Be¬ 
ginn des Leidens. 

:' v. : ;; •: Bei den 
mannigfaltigste!? 

Lehrbüchern am* • 

de» Scharlach liCTsss ^ zum H o ■ - j- 
v«m Strümpell dir ink'dci 




Zar Trichinose. 


291 


noch kürzer. Kunze zählt 2—24 Tage, Trousseau kennt sogar 
24stündige Dauer. Gehrhard neigt zu der Ansicht, dass eine 
kurze Inkubation mit der Ansteckung eines beginnenden Schar¬ 
lachfalles, lange Inkubation mit der Ansteckung eines abgelaufenen 
Scharlachfalles Zusammenhänge. Bei einer voijährigen Scharlach¬ 
epidemie, welche ich bei etwa 40 Personen in einer Gemeinde 
erlebte und genau notirte, kürzte sich die Ansteckungsdauer von 
9 Tagen innerhalb 3 Wochen auf 5 und schliesslich in der Mehr¬ 
zahl auf 2—1 Tag ab. 

Bezüglich der Trichinose spricht Wolff von einer grössem 
oder geringem Empfänglichkeit und schiebt die Schwere der Er¬ 
krankung nicht auf die Zahl der in den Magen gelangten 
Trichinen. Nach Leuckart neigen Kinder unter 14 Jahren 
weniger zur Trichinose als Erwachsene. Nach Gerl ach werden 
junge Thiere vorzugsweise befallen. 

Die Polizei-Verordnung für Schlesien vom 21. Juni 1878 betr. 
Verhütung des Genusses trichinösen Fleisches enthält zunächst 
für den Privatmann die Verpflichtung, jedes Schwein untersuchen 
lassen zu müssen, dann für den Fleischbeschauer, den amtlichen 
Brennstempel (Namen etc.) auf verschieden auszuwählende Kör¬ 
perstellen des trichinösen Schweines zu drücken. Die Unter¬ 
suchung wird von den Beschauern in hiesiger Gegend mit Eifer 
geübt, schon der Prämie wegen, welche die Höhe von 15—20 
Mark erreicht; jedoch sind Fehler in der Untersuchung nicht 
ausgeschlossen, wenn man bedenkt und beobachtet, dass oft eine 
grosse Zahl von Präparaten negativ ausfällt und doch Trichinen 
vorhanden sind. Indessen sind diese Ausnahmen selten und ge¬ 
wiss ungefährlicher als der unüberlegte und doch absichtliche 
Genuss reichlich durchsetzten trichinösen Fleisches. Im Handel 
genügt der Stempel nicht, wenn Einschmuggelei geschieht, wie 
die Epidemie in Inowrazlaw darthut. 

In unserm Falle war zweifellos § 4 obiger Verordnung nicht 
zeitig in Anwendung gebracht — wo wäre sonst das Fleisch an 
den Knochen etc. geblieben? — welcher lautet: „Soweit die Be¬ 
nutzung trichinösen Fleisches nicht zulässig ist, hat die Vernich¬ 
tung unter polizeilicher Aufsicht in der Weise zu erfolgen, dass 
das Fleisch in kleine Stücke zerschnitten und in 2 Meter tiefe 
Gruben vergraben wird, nachdem dasselbe zuvor mit ungelöschtem 
Kalk bedeckt worden.“ — Es kann § 4 nur Garantie leisten, 
wenn natürlich die Vernichtung mit aller Strenge und zwar 
frühzeitig vollzogen wird. Die gründlichste Beseitigung würde 
zweifellos in dem Verbrennen der Reste, welche nicht benutzt 
werden dürfen, geboten sein, wenn dies Verfahren nicht zu um¬ 
ständlich und mit Unannehmlichkeiten verknüpft wäre. 



m 


I)v, Schl<»gt.oncI^t. 


Zur Durchführung der „Anweisung"' vom 22. Novbr. 1888. 

\ - ton IW'v $ehitf#t<rnäAl.,. Kfei*,pJ«yHika? in Letiin?i>. 

' • i m >» 4 « W ; i-ta ^/».v* ■ ■• vt /I K je 4 -i /i 


: : •; | f&c .vAowttlfsimß? n\r Y*rhiHin*g des fviödbettfiobets“ vom 



^dbutigon den ^Wßilfgeii tböSiliely^t anzn- 

lassen. Biese Zeiieehrift bat. iu deti vorigeß Hummern schon 



gebe» über die Sehrttt^. welnbe im messeiflge« Physikaiebezirka 
(Landkreis I^nriep. itud Staöxkreis Remscheid) gethän sind«; m 

«f he*Y>V» lif»li 4 <10 W'ti'ÄV'ii '/I *\<xlvrilh b rt vir aVi 



ich hoife, d&nutdeiß eiben odfsi' jiKäe'/jn Herrn Kollegen einen 



;MRp^^.,IHKPIHRHHPRPR||RH|H 

Rechte gqtvöffjtifc zit haben. Bie Behiong, das« «Ue hierorts ho- 
st$ib6sehcm Massn&hMh öt)6i;aB M ä«)|feli1öiö semtiy lliegt; mir 
lern. % Igliübergebe (ReseThau vielmehr der OeffeiitliclilcMt. insbö- 
sondere den Herren Kollegen, lediglich „zur gefälligen Kennt- 
<n^;iaUxne‘V die „Nachaektung“ gau?. anheinigfebeiul, 

Kurz vor Sriaös der genannten „Anweiftimg“ war hier (fer 
den hingen PhyBikatebezirk imigrafämle öiÄgificlio' Aerzfe- 
Vemn" gegründet worden. Ir dem Bestreben sowohl eine mög¬ 
lichst praktische'. • Diircktu fmrag.'2g.xW&ttttifc als auch mich der 
Unteisthixmig der sähimtUcheö; ■;&« versiebernv 

Mg ich deö siisßs ixn Aej'zfevereiii Boxy rnu der Bitte,. dass gigfi 
der Verein als solcher: der Angelegenheit berathend annehmen 
mögev Bit - der grössten BereltwilligkeitVgingen symmtnehe 
Herren darsmif «1h. Behoji am eretew AkeM <2, Febr.j wurde be- 




«etorieb. ttnd es mü nick die Besjvreebimg narnentliclr auf die 
MöglielOkeit and die Art trhd Weise aksdeinreii, wie die Pritvel- 
j;ien der- bereitere , Anweisang - ire die Praxis übertrage« werden 
Vönnwj,“ . 

: . 't\ «fü- ’ uj.\ 1 „r* - *^ i 





Zur Durchführung der Anweisung vom 22. Novbr. 1888. 293 

Vormachen; entweder muss der Medicinalbeamte die Nachprüfungs¬ 
termine beschleunigen und energisch exerciren, oder die Gemeinde¬ 
ärzte müssen hier eingreifen; c) betreffend die ständige Kon¬ 
trolle der Hebammen: der Nachweis des Carboigebrauches ist 
nicht massgebend; am besten müssen die Aerzte stets kontrolliren 
und etwaige Verstösse sofort anzeigen. Der Verein möge in 
diesem Sinne bei allen Kollegen des Kreises vorstellig werden 
(d. h. bei sämmtlichen Vereinsmitgliedern und bei den 3 Kollegen, 
welche sich dem Verein nicht angeschlossen haben). 

Das Resultat der Verhandlungen war die einstimmige An¬ 
nahme folgender Anträge: 

1. Für die entstehenden Mehrkosten müssen die Kommunal¬ 
verbände aufkommen, sofern dieselben nicht den betreffenden 
Familien zur Last gelegt werden können. 

2. Der bergische Aerzteverein erklärt es für unbedingt 
nothwendig, dass die Hebammen durch praktische Belehrung in 
das Wesen und in die Handhabung der antiseptischen Methode 
eingeführt werden, und bezeichnet als den besten und sichersten 
Weg hierfür die Veranstaltung von regelmässigen Instruktions¬ 
stunden, in denen die Kommunalärzte die Hebammen ihres Be¬ 
zirkes sowohl theoretisch belehren, als ganz besonders durch Vor¬ 
machen und Zeigen praktisch einüben. Die Hebammen sind zum 
Besuche derselben von Seiten der Behörde anzuhalten. 

3. Der Verein veranlasst die Aufstellung eines Verzeich¬ 
nisses der nothwendigsten Massregeln, welche die Hebamme in 
ihrem Berufe zu beobachten hat. Diese Anleitung ist so kurz 
und knapp zu fassen als möglich. Sie soll auf unzerstörbarem 
(Leinen-) Papier gedruckt werden und soll von den Hebammen 
alle Zeit mitgeführt und eventuell dem Publikum vorgezeigt 
werden. 

4. Für die Entwertung eines solchen Verzeichnisses wird 
eine 3gliedrige Kommission gewählt. 

5. Der Koramissionsentwurf wird allen Mitgliedern recht¬ 
zeitig zugestellt. 

C. Am 4. Mai findet eine ausserordentliche Sitzung statt, 
behufs Berathung des Kommissionsentwurfes. 

Es sei mir gestattet, einige erläuternde Sätze hierzu aus 
meinem Bericht an das Königliche Landrathsamt vom 6. Mai zu 
entnehmen. 

ad. 1. Der Verein konnte nur eine principielle Entscheidung 
treffen. Die praktische Durchführung ist wohl den verschiedenen 
Kommunen zu überlassen. 

ad. 2. Die Instruktionsstunden betreffend, insbesondere ob 
dieselben von den Medicinalbeamten oder von den Kommune¬ 
ärzten abzuhalten seien. „Es erschien förderlicher, dass die 
Aerzte des jeweiligen Bezirkes dieselben übernehmen, um die 
Hebammen besser kennen und würdigen zu lernen, mit denen sie 
ihr Beruf zusammenbringt. Ausserdem stehen der Abhaltung 
durch die beamteten Aerzte gewichtige Gründe entgegen. Wäh¬ 
rend die Hebamme wohl gezwungen werden könnte, einem In- 



294 


Dr. SdbteKtoroUl. 


stvnklioBsterJßine ati Ihrem Wohnorte beiziiwobnen, Taan 

ihr uieht zttiniithetU die Reisekosten nhd den Zoltverltet ta bbiUU 



tiberiße!ü«ött boflte" : %^äril^n ; 'ätjs. 'H$b«uttirn'ien' .^üirclf ■ 
yhydKus äugewie»eü weftieö. dein Tercnirio bfi^ii'tViihoevi, und den 
■ Termin würde em best! mint kü erwählender Arzt des Kommunai- 
verbandes aidiaüen. Die fJnkeKten fiesehriiakteti sidi nufer’ 
üimm Umständen nur auf ^^VerbitRttiBsmüssig- kJciite AöalbgtV 
die durch alle Bestallung nitd RezahJ«a^ des 
entstünde.“ 



ämter, wollen*., in 

üer HOifiiußg,„das* hei der gt-toüudi Bedeiitaiigv welche eine 
möglichste Verhütung' die«-■■.dü«(ibdtdebe^'-.für..'aite Theije der 

D . 1 . I ' .! b r . * 1’VV. 1.- ^I'it I ..<1. . >1lrtA rrnviMi-Ai'.i-ti'iVi r* ' -'Jf «V« «Yrvwi h'Bl 



Debet- das Resultat in den B--jyger>>)etetev-, 

Bezirken ■tat noch' kein Beruht ly er-dai ten, da dar Bericht: 
hierüber für dieselben noch. a.»$$teUU 

Wad imi den dB Punkt anlangt, m hefieth. ■ 



|S ..- __.-...___. 

gelegnuheit zur eiustinjmigeü Ammhim.* toji - - fölge^e» 



in eine?; ^nf^preieln^dieB Anzahl alif Kh?tpa des Kreises |*thböfct; 
wurden und läutert: 

Die, nofii^eridigatea Verba 1 :|t^UrU 

'amme in ihrem Berufe. 



nd.Nägeil 

%. Sorge inv Zimmer der W^thneHö fär gute Birft und gufe* 
liefifi 



gescbdeheiie Menge (’arbolwasfer - {Vergehe § 8 der 
..Anweisung*»! 

.■% I^atdnietw Du Deine Hände und Nägel-gfjbidh«ib gereinigt, 




Zur Durchführung der Anweisung vom 22. Novbr. 1888. 


295 


7. Erst jetzt untersuche die Wöchnerin! 

8. Nach der Untersuchung reinige Deine Hände wieder in 
vorgeschriebener Weise! 

9. Diese Reinigung der Hände wiederhole vor und nach 
jeder weiteren Untersuchung! 

10. Nach Beendigung der Geburt reinige die Wöchnerin und 
sorge für reine Leibwäsche und für neue, reine und 
zweckmässige Unterlage! 

Diese „Verhaltungsmassregeln“ dürften Manchem übermässig 
kurz erscheinen, einem Andern enthalten sie vielleicht schon an¬ 
scheinend zu viel Ueberflüssiges. Es ist eben schwer, hierin das 
Rechte zu treffen, und für unsere Massnahmen, für den knappen 
Inhalt unserer „Verhaltungsmassregeln“ ist zu beachten, dass sie 
nur ein Theil der Gesammtmassnahmen sind und insbesondere der 
in den Instruktionsstunden erwarteten Ausfüllung, Ergänzung 
und Erklärung harren. 

Näheres über den Zweck ihrer Verwendung findet sich end¬ 
lich in nachstehend abgedruckten Schriftstücken, von denen a) 
und b) Begleitschreiben, sind und zugleich mit den „Verhaltungs¬ 
massregeln“ den Hebammen und Aerzten durch die Bürgermeister¬ 
ämter zugefertigt worden sind, während c) eine öffentliche Be¬ 
kanntmachung ist, welche einige Tage nach erfolgter Zustellung 
der Karten an die Betheiligten im hiesigen Kreisblatt erschien 
und in regelmässigen Zwischenräumen wiederholt zum Abdruck 
gelangen soll. Auf diese amtliche Bekanntmachung noch beson¬ 
ders hinzuweisen, liess ich endlich im Lokaltheile des Kreis¬ 
blattes eine Mittheilung abdrucken, welche die Leser dieser Zeit¬ 
schrift zur Vervollständigung unter d) vorfinden. 

Lennep, 10. August 1889. 

Anbei erhalten Sie ein Exemplar der für die Hebammen des 
Kreises gedruckten „Verhaltungsmassregeln“. Dieselben be¬ 
zwecken nicht, dass Lehrbuch und die Ihnen schon früher zuge¬ 
stellte „Anweisung zur Verhütung des Kindbettfiebers“ über¬ 
flüssig zu machen. Dieselben sollen vielmehr den Hebammen 
eine kurze, aber ganz klare und ganz genaue Regel für ihr Ver¬ 
halten bei der Geburt geben. Die Hebammen sollen diese 
Anleitung stets bei sich führen; dieselbe ist deshalb auf 
festem, unzerreisslichem Papier gedruckt. Die Hebammen sollen 
der Anleitung genau folgen und alle ihre Vorschriften aufs 
Völligste zu erfüllen sich bestreben. In dem Falle, dass das 
Publikum ihnen Schwierigkeiten in den Weg legt, sollen die 
Hebammen diese Anleitung vorweisen können, damit das Publi¬ 
kum sehe, dass es Wille der Behörden ist, dass die Berufsarbeit 
der Hebammen von jetzt ab in anderer Weise vor sich gehen 
soll als früher. 

Bei dieser Gelegenheit werden die Hebammen nochmals aufs 
eindringlichste ermahnt, sich die Anordnungen der genannten 
„Anweisung zur Verhütung des Kindbettfiebers“ ganz und genau 
einzuprägen und dieselben vor Allem auch stets auseuführen. 




Di\ Sejilegtanrl&l 


Eh sind mir Fälle: zu Öhren gekommen, t i1i denen iiie Hebammen 
theüs aas Unkenntnis^ tlwils sogar ans direktem Ungehorsam 
liioselben niolit heiblgt. ioÖK'tf.' 

kh «malme und warne hiermit dje 
Mal«.. Ich h&be dfe VÄtfaeliferuiig der Aerak des Kreises, dass 
sie den Behörde» beistehen werde» und die l'hircUführnti'g der 
genannten „Äwt4srtüg‘t üherwadmu wo Hm- loftren mir von 


L eil !ie|. r ! :U»- :-Äiägu2l ■-' ; 

Hiermit gesfaUo ich nur, zaghieb im Aufträge des Herrn. 
Landrath- Knenigs Ido?« ihnen ein Exemplardei'ftk die Hek 
aiiime» des Kieises gedruckte» ^yerliaftungsn^assregel» etc/' zu 

iiherso.tiue.il. 

Diese Anleitung, welche vom bergisdien Aerzteverein aus- 
gear heitet ist,- soU deu Hebanmten die ljündiftihrüng der rofoifete- 
rieikni ^Anweisung 1 vom 22, Nov. y. ,i. erl eich lern. 

Indem wir Ihnen eheöi'aik ein Exömpkk .znkommen lasse», 
sind Sie \s der Lage, 'genau zu wissen: was zu Ikwimchtftn den 
Hebammen vorgöuehrteben ist. Hs wird -ohne Zweifel etich -Ihrun 
eine. HewisseusptUehi feeih^ die iJurohfültrung der p. „Anweisung* 1 
an Ihrem Theüe mit zu iiherwarifeo und damit das aUgemehi» 
Beste m kyntwillijen- ,'$UliisA;' Stefetv- Praxi« 
Kcniunventioiien hegognen. so vvoltenSie goBUJigst die schuldige 
Hebamme Äußert zur Anzeige kringem Der pfeteraöfehrieto wird 
die erferderlielieu SchvHfe thnn, die Hebdbstne ^ id^en«<diaft 
zg : «eUfe« bfizw. das Strafe eiialire« gegen dieselbe m veranlass-m 
Nur ein gememB<mies Zusammenwirken• wird, rs ermöglichen; die 
Aimmadung und MkMbbtUhgeiner «r» 
stn-iessliclien und segensrei elfen Zn geHtdlteii, 

Ergebenst 

Per Kreisphysikus Pr. 8. 


• ; •' Lennep. 12. August. 1189. 

Hip' 'die : ; OtdAifttp. wgbdic der Hgsundfofir und dem. liUihsfb 

der Fr?»neu -nnli ho »fet »; ■ -• •. »ui ikftkbhf 

geringste Ma-ss . - s 

Und eingehend tf» 

gHm.in.t, 

Die unferte« *n* m» i.:-Lf*xi$a--?r.; 


wm%i 




Zur Durchführung der Anweisung vom 22. Novbr. 1888. 


297 


hieran, unterstützt von den Berathungen des bergischen Aerzte- 
vereins, den Hebammen noch besondere Ermahnungen und In¬ 
struktionen zukommen lassen. 

Das Publikum, namentlich aber die Frauen werden hier¬ 
durch von dem Geschehenen im Allgemeinen in Kenntniss gesetzt. 
Wir hoffen, dass die Frauen, zu deren Nutz und Frommen diese 
Massnahmen getroffen sind, sowohl die Hebammen bei deren Be¬ 
mühungen unterstützen und deren Wünschen bereitwilligst ent¬ 
sprechen, als auch mit darauf sehen werden, dass die angeordneten 
Massnahmen in jedem Falle zur Anwendung kommen. Die Heb¬ 
ammen sollen die ihnen von uns zugestellten Instruktionen stets 
bei sich führen und sind angehalten, dieselben auf Verlangen 
dem ihre Hülfe in Anspruch nehmenden Publikum vorzuweisen. 

Die Hebammen ermahnen wir, den Instruktionen alle Zeit 
aufs Sorgfältigste Folge zu leisten, da wir Zuwiderhandlungen 
unnachsichtig zur Strafe ziehen müssen, andererseits aber ihnen 
stets in dem Bestreben, die Anordnungen durchzusetzen, behülf- 
lich sein werden. 

Den Herren Aerzten wissen wir Dank für ihre bisherige 
eifrige Unterstützung und Förderung. Wir geben der Hoffnung 
Kaum, dass dieselben uns in der wichtigen Angelegenheit 
auch weiterhin unterstützen wollen. Wie die Aerzte den Heb¬ 
ammen in Zweifelsfällen gern mit Rath zur Seite stehen wer¬ 
den, so werden sie auf der anderen Seite berufen sein, die 
Durchführung der „Anweisung“ mitzuüberwachen. Wir richten 
deshalb das Ersuchen an die Herren Aerzte, ihnen bekannt 
werdende Contraventionen Seitens der Hebammen dem Kreis- 
physikus sofort zur Anzeige zu bringen. 

Der Landrath: Der Kreisphysikus: 

Koenigs. Dr. Schlegtendal. 


Lennep, 12. August 1889. 

Unter den Erkrankungen, deren Auftreten von den Aerzten 
von jeher am meisten gefürchtet wird, stehen die Krankheiten 
mit an der ersten Stelle, welche sich zuweilen an die Nieder¬ 
kunft anschliessen und gemeiniglich unter dem Namen 
„Wochenbett“- oder „Kindbettfieber“ bekannt sind. Eben 
diese selben Erkrankungen nehmen aber wiederum unter denen 
einen hervorragenden Platz ein, deren Verhütung und Bekämpfung 
die neuere Medicin angestrebt und mit dem grössten Erfolge er¬ 
reicht hat. Besonders klar finden wir die durch die sogenannte 
antiseptische Methode erreichten Erfolge in den Statistiken 
der grossen Gebäranstalten ausgeprägt; auf viele Hundert Ge¬ 
burten folgt kaum noch einmal ein Kall von Wochenbett-Erkran¬ 
kung. — Diese Erfolge galt es nun auch thunlichst ausserhalb 
der grossen Anstalten anzustreben; auch in den Städten und auf 
dem Lande sollen diese Krankheiten mehr und mehr vermieden 
werden. — Den Aerzten ist die Bedeutung der neuen Lehre 



298 


Dr. Braun. 


längst in Fleisch und Blut übergegangen. Es kam also darauf 
an, auch die Hebammeu und alle Frauen damit bekannt und 
vertraut zu machen. In dieser Absicht hat der Minister der geist¬ 
lichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten im November 
v. J. eine sehr eingehende und genaue „Anweisung“ an die Heb¬ 
ammen ergehen lassen, welche denselben neue Vorschriften für 
ihre Berufsarbeit ertheilt. In weiterer Ausführung des ministe¬ 
riellen Erlasses haben sich im Laufe dieses Jahres die zustän¬ 
digen Kreisbehörden mit der Frage beschäftigen müssen, wie 
die genannte „Anweisung“ am besten, am einfachsten und am 
sichersten in die Praxis zu überführen sei. Auch der „bergische 
Aerzteverein“ hat mit Freuden seine Mitwirkung geboten und 
konnte als Resultat seiner Berathungen den Behörden eine Reihe 
von sehr praktischen Vorschlägen übergeben. — Nachdem nun¬ 
mehr diese Arbeiten einstweilen einen Abschluss gefunden haben, 
und nachdem die Hebammen des Kreises genaue Aufklärungen 
und Anweisungen bekommen haben, halten es die Kreisbehörden 
für angebracht, das Publikum, vorzüglich die betheiligte Frauen¬ 
welt, von dem Geschehenen in Kenntniss zu setzen. Sie haben 
deshalb eine Mittheilung hierüber veröffentlicht, auf welche noch 
besonders hinzuweisen, der Hauptzweck dieser Zeilen ist. Die 
Bekanntmachung wendet sich in erster Linie aufklärend an die 
Frauen, ohne — was in der Natur der Sache liegt — in’s Ein¬ 
zelne einzugehen. Sie weist vor Allem darauf hin, dass die 
Berufsarbeit der Hebammen vielfach eine andere als 
früher sein soll! Die Frauen sollen wissen, dass die Heb¬ 
ammen hierzu verpflichtet sind und deshalb auch andere An¬ 
forderungen stellen müssen in Bezug auf manche zu erbittende 
Hülfsmittel; sie sollen aber auch wissen, dass eine jede Frau 
Recht und Anspruch darauf hat, von der Hebamme so be¬ 
handelt und bedient zu werden, wie es die medicinische Wissen¬ 
schaft jetzt lehrt und wie es der Staat von ihnen fordert. — 
Wir schliessen den aufrichtigen Wunsch an, dass das begonnene 
Werk segensreich wirken möge. Es wird dann manche Mutter 
und Gattin den Ihrigen gesund und wohl erhalten bleiben, die 
nach den bisherigen Erfahrungen schlimmer Krankheit, wenn 
nicht gar frühem Tode verfallen wäre. 

Die Zeitungen des Kreises werden gewiss gern ihre Hülfe 
und Mitwirkung gewähren durch Veröffentlichung und weiteste 
Verbreitung der „Bekanntmachung“, auf die wir oben hinge¬ 
wiesen haben. S. 


Dank der bereitwilligen Unterstützung aller Betheiligten ist 
soweit ein einfacher und übersichtlicher und doch Erfolg ver¬ 
sprechender Apparat geschaffen worden, der die Durchführung 
der ministeriellen Anweisung anstrebt und auch dauernd unter 
Aufsicht hält. 

Ueber die Vertheilung der durch die Anwendung der Car- 
bolsäure etc. entstehenden Mehrkosten sind Seitens der Kommunen 
meist Beschlüsse im obigen Sinne gefasst. Auch haben die Bür- 



Dio ätiologische Gruppirung der Intoctionskrankheiten. 299 

germeisterämter vielfach die Hebammen-Zeitung beschafft, des¬ 
gleichen den Hebammen-Kalender. 

Aus dem Verbrauch von Carbolsäure auf regelmässige Anti- 
septik zu schliessen, schien uns unthunlich. Wir glaubten die 
Kontrolle dem Publikum und besonders den Aerzten weit besser 
anvertrauen zu dürfen. 

Die Zeit wird lehren, ob das, was wir hoffen und wünschen, 
erreicht wird. Unsere Massnahmen haben aber jedenfalls darin 
eine grosse Gewähr, dass sie das Resultat der Verhandlun¬ 
gen vieler mit der Praxis in Stadt und Land in lang¬ 
jähriger Arbeit genau vertraut gewordener Männer ist. 
Ihnen, den Herren Kollegen, weiss ich für ihre Bemühungen 
hierbei aufrichtig Dank. 


Die ätiologische Gruppirung der Infectionskrankheiten. 

Von Kreisphysikus Dr. Braun aus Bolkenhain. 

(Vortrag, gehalten am 19. Mai 1889 in der Versammlung der Medicinalbeamten 

des Reg.-Bez. Liegnitz.) 

Unsere Anschauungen über das Wesen der Infectionskrank¬ 
heiten haben in den letzten Jahren einen vollständigen Umschwung 
erfahren. Vergleichen Sie die Bücher unserer Wissenschaft aus 
den 70 er Jahren z. B. die I. Aufl. des Zierassen’schen Sammel¬ 
werks (Infectionskrankeiten 1874) mit einem neueren Lehrbuche 
z. B. von Strümpei 1888, so erkennen Sie, dass sich unsere Ansichten 
über die Natur dieser Krankheiten fast Punkt für Punkt ge¬ 
ändert haben. Und dies bezieht sich nicht nur auf ihre Ursachen; 
sondern mit der grösseren Klarheit unserer ätiologischen Begriffe 
haben sich auch unsere Ansichten über das Wesen der Krank¬ 
heiten gewaltig verändert. Früher zusammengeworfene Krank¬ 
heitsbilder sind als verschiedenartig erkannt worden; fern stehende 
Krankheiten sind als zusammengehörig verschmolzen; wir sehen 
jetzt, wie eine Krankheit auf dem Boden der andern entsteht, 
und wie schlummernde Keime einer längst geheilt geglaubten 
Krankheit diese nach Jahren in neuer Gestalt wieder auf leben 
lassen können. Ich hoffe im Laufe meines Vortrages diese Be¬ 
hauptungen durch Beispiele beweisen zu können. 

Für uns Sanitätsbeamte sind diese wissenschaftlichen Er¬ 
forschungen von grösster Bedeutung, da wir den Feind um so 
besser bekämpfen können, je besser wir seine Lebensweise erkannt 
haben, und da dieser Kampf gegen die Seuchen und ihre Ursachen 
ein Hauptgegenstand der öffentlichen Gesundheitspflege ist. Mögen 
wir praktisch damit vielleicht weniger beschäftigt sein, als wir 
wünschen, so soll es trotzdem bei uns nicht an redlichem Streben 
fehlen, dieser Aufgabe gewachsen zu sein, wo und wann immer 
sie an uns herantritt. 

Wenn ich es wage, vor Ihnen die Infectionskrankheiten zu 
gruppiren, so versteht sich wohl von selbst, dass ich nicht im 



300 


Dr. Braun. 


Staude bin, llmen viel Neues vorzuführen; vielmehr setze ich das, 
was ich weiss, auch bei Dinen als bekannt voraus. Auch ist 
mein Wissen ein sehr lückenhaftes; aber ich glaube doch, dass 
es für uns nützlich sein wird, in der noch recht flüssigen Materie, 
welcher mein Thema angehört, gewisse Punkte als terra firma 
festzustellen. 

Wenn wir auf Grund unserer heutigen Kenntnisse die In- 
fectionskrankheiten in einzelne Gruppen Zusammenlegen wollen, 
so muss der Gesichtspunkt, von welchem aus dies geschieht, 
kein äusserlich zufälliger, sondern ein für die Krankheiten wesent¬ 
licher sein; wir können die Krankheiten z. B. nicht nach ihrem 
Sitz eintheilen. Wir würden dann Schwindsucht, Lupus und 
fungöse Gelenkentzündung, die zusammengehören, auseinander 
reissen; wir würden Gelenkrheumatismus und gonnorrhöische 
Gelenkentzündung zusammenwerfen. Wir können die Krankheiten 
auch nicht nach ihrem Verlauf eintheilen z. B. in fieberhafte und 
fleberlose Krankheiten. Dies sind Aeusserlichkeiten, welche 
wechseln können. Der Gesichtspunkt, nach welchem wir die 
Krankheiten gruppiren, muss für dieselben unter allen Umständen 
und bei jeder Lokalisation charakteristisch sein; er muss es er¬ 
möglichen diejenigen Krankheiten unter gemeinsamem Gesichts¬ 
punkte zusammen zu fassen, welche ihrem innem Wesen nach 
einander nahe stehen, mögen ihre äussern Erscheinungen auch noch 
so sehr differiren. Das Wesentliche für die Infectionskrankheiten 
liegt nun in ihren Ursachen; denn die Infectionskiankheit stellt 
den Kampf des Organismus mit einem eingedrungenen Feinde 
dar; sie ist die Folge eines mehr oder weniger beträchtlichen 
Stückes der Lebensgeschichte gewisser niederer Pflanzen, welche, 
wie sie wissen, zu den Pilzen gehören und welche die Infections- 
krankheit als Reaction des Organismus auf ihr Schmarotzerthum 
in demselben bedingen. Diese Reaction des thierischen Körpers, 
diese Krankheit ist verschieden, je nachdem die Vegetations¬ 
vorgänge jener Pilze verschieden sind, und ich hoffe Dinen be¬ 
weisen zu können, dass Aehnlichkeit in den Vegetationsverhält¬ 
nissen der Pilze auch Aehnlichkeit der von ihnen abhängigen Krank¬ 
heiten bedingt. Ist meine Behauptung wahr, so müssen nahestehende 
Pilzgruppen verwandte Krankheitsgruppen bedingen. Wo dies 
nicht klar ersichtlich ist, da reichen unsere Kenntnisse nicht aus, 
um die Verschiedenheiten in den Pilzen zu verstehen; diese Ver¬ 
schiedenheiten müssen aber existieren. 

Wir haben also die Pflicht, die Infectionskrankheiten nach 
den sie veranlassenden PDzen zu gruppiren, und diese Pilze 
theilen sich zuvörderst in zwei Gruppen: In Hyphomyceten und 
in Scihzomyceten, in SprosspUze und in Spaltpilze. Diese 
beiden Pilzarten haben ganz verschiedene Lebensverhältnisse und 
rufen dementsprechend ganz verschiedene Krankheiten hervor. 

A. Hyphomyceten, zu denen die Schimmelpilze und die 
Sprosspilze gehören. 

Die Schimmelpilze bedingen eine Gruppe von Krankheiten, 
welche in der menschlichen Pathologie keine grosse Rolle spielen 



DU* i5tk<loc*»n:lie iJnipmnj'ngitr-r hitVctioiisknuiteli^k-n. 


301 


und übhy das ^tadiusi der Puriosa einöi-geikr und ders Expeiimeiites 
HridereifieitB kaum hiuausgekoinnien sind, . Uewisse Aspergillus- 
und .■Mu.eor--Art.au kottUßÜ, wen« ste itf die Biutbabn geräflieboder 
wen« ihre $pun-ii t*Uig<?at«hraet werden, Krankheit^erscliamungen. 
(midien. Ich gehe darüber hinweg und erwähnt-, «lass von 
grhsgieryp Wichtigbeit iur uns /,'- \ . ■ • - • >, d; J . 

d'|d :S?^d^piizß «ad und unter diesen die Öididnt^ 

ötdium lädtii wK Ihueu allen bekaniit. Nicht identisch damit - *d 
nie früher geglaubt —. über derselben Gattung ungehörig sind 
die Sprossjiilae, weicht? verscMede'Qr ilautkmjkiieiteo »nregeip 

immüdi ’ MmMm 
i*. Aehorioa 8t lidnldmi, welcher Favus- cuödit. 

ti TrichonhetOn tonsniait» die ITi^adje drvi Herrtef 



nätus, des ilingwurro*, wnlchf?:Krankheit auch vielfach bei 
urisern Hausfchiere« vörkorarut ^ das ^idtmäul der Ktübet\.l 
Wiederholt habe ich in meiner Praxis gesehen, dass ganze 



L Miansportjo hn-tw* die Drssicbeder-Pity-Hastis ‘versicoior, 
Endlich 

tl OidhUn albicans, der Soorpüz. 

Diese Pilze brauchen' zu ihrem 'Leben den Sauerstoff der 
Luft; sie machen Haut- und Selileimhautkranklieitetr, sie bilden 
zahlreiche- Sporen und sind dosh&ll» «ussQVurdmiihV.h anste-ekeud. 
Ihn lokale Yeruichtnug dieser PHzr deshalb hygienisch ge¬ 
boten. mögen deren Spoyferi in tteii Kämmen und Pürsten tfe- 
Fri^öre- oder im Kubstalie sich hetindeir Dir mit Farns he* 
hafteiert Kinder sind bis zu ihrer .Heilung vom 8olntlbtfsi»ch 
uoszüsdi Hesse«. 

An. diene Pilze sebüess? eich ei» Strahlenpilz, dev Anti(»o- 
my cos-Pilz, dessen Namen ieH nur antllbre um die 
un>ei'm'System eiazuverieihen, 

Ih Wichtiger ist. die zweHe hier iu Betracht ■ koromend»- 
Pilzart, die .der Spaltpilze.' Diese theilen sich ihrer Form naeh 
iiii^okkesiv.'Sjpitilteh' undverü- 



aber diese/iMepeiloldtiitg hat Tb > üjv 
W (•; es scW<v, die Leben* ver-gängc ■ 

difiereut sind, uhd da tim entÄtU.erh*',mh"ähb^AÄi.i| 


ntspfj« 


Theiluug u. 1 . 

den Meivictjtsjii'.-.-.iu:--r üpSggQt*- ' 




gl 



302 


Dr. Braun. 


Pflänzchen nämlich, welche so gewaltige Volksseuchen zu Stande 
bringen, sind äusserst zarte Gebilde, die sich durch geeignete 
Mittel leicht zerstören lassen, nur die Sporen, welche der Er¬ 
haltung der Art dienen, sind ungemein widerstandsfähig gegen 
grosse Hitze und grosse Kälte, gegen Feuchtigkeit und Aus¬ 
trocknung und gegen unsere Desinfectionsmittel. Aus diesem 
Grunde besitzt die Eintheilung der Spaltpilze in Sporen bildende 
und ( nicht Sporen bildende eine grosse Wichtigkeit für uns 
und, da diese Eintheilung sich fast deckt mit der in Kokken und 
Bakterien, so ist diese Eintheilung nicht nur naturwissenschaft¬ 
lich sondern auch praktisch besonders für den Medicinalbeamten. 
Allerdings nehmen manche Forscher an, dass auch Kokken Sporen 
bilden und zwar endogene Sporen. Diese Annahme ist aber 
durch nichts bewiesen, ist im Gegentheil unwahrscheinlich, und, 
so lange sie nicht bewiesen ist, muss sie, weil mit der leichten 
Zerstörbarkeit der Kokken im Widerspruch stehend, bei Seite ge¬ 
lassen werden. 

Wir unterscheiden also Kokken und Bacillen; letzteren reihen 
wir die Spirillen an. Demnach gruppiren wir die eigentlichen 
Infectionskrankeiten in I. Kokken-, H. Bacillen-Krankheiten. 

I. Kokken-Krankheiten. 

Die 1. Gruppe dieser Krankheiten wird veranlasst von den 
Eiterkokken also dem Staphylococcus pyogen, aureus, seltener 
albus, noch seltener citreus und dem Streptococcus. 

Diese Kokken bilden, soweit bekannt, keine Dauersporen und 
sind deshalb, wenn auch nicht ganz leicht zu vernichten, doch 
lange nicht so widerstandsfähig als die Sporen bildenden Bak¬ 
terien. Dagegen zeichnen sie sich durch ihre Ubiquität aus. Es 
ist Ihnen ja bekannt, dass überall auf der bewohnten Erde in 
Luft, Wasser und Boden Pilzkeime Vorkommen und überall unter 
ihnen die Eiterkokken. Durch kleine Wunden, Kratzeffekte, ja 
durch die gesunde Haut können sie in den Organismus eindrin- 
gen, um daselbst Entzündung und Eiterung zu erregen. Die 
Form der von ihnen bewirkten Eiterung scheint auch hier ab¬ 
hängig zu sein von der Wachsthumsform der pathogenen Pilze, 
Der Staphylococcus wächst in Gestalt von Trauben und die von 
ihm erregte Eiterung bildet umfangreiche Abscesse, welche, so 
weit natürliche Hindernisse (Fascien Knochen) nicht im Wege 
stehen, die Kugelform anzunehmen streben. Der Streptococcus 
wächst in Ketten. Die von ihm verursachte Eiterung hat eine 
streifenförmige Gestalt; dieselbe breitet sich zwar langsam aus, 
ist aber mehr befähigt, tief in die Organe einzudringen. Diese 
Eiterpilze erregen also in unserm Körper eitrige Entzündung. 
Panaritium, Phlegmone. Sie circuliren im Blut und machen 
Pyaeraie, und, falls die Herzklappen irgend eine kleine Läsion 
aufweisen, Endocarditis ulcerosa. Im Knochen sind sie die Ur¬ 
sache der acuten infektiösen Osteomyelitis. — Wenn andere 
Krankheitserreger Schleimhautwunden gemacht haben, so dringen 
sie nach; sie sind die eigentliche Ursache der secundären Eite¬ 
rungen, der brandigen Entzündungen, welche sich oft an Typhus, 



Die iitiolotfircHe (*nt}')'iniri{T <lsr Tj t feetionIfl)»>it»>n, 303 

T>ii>btliftritis und ao Angina BcarlatmoM ansehllesgen, so dass 
Beubner mit. Hecht behaupten könnte, seiten sterbe ein Kind 
ftn Soariatlna, sondern die afeuasHire Infeetion mit Kitei-kokken 
werde.,ihm- 'verderblich. Sic sehen Mer Beiapieie.; von Misch»#*- 
tektiöii, BefeMöM dafiMj wie auf dem Boden der einen Krankheit, 
eine .andere, entsteht- Dasselbe Vorhlftuiss finden Sie bei tteV 
cmipdfffiu Hnöntnotäd, webibe vcranlaset wird dm-eh später m er¬ 
wähnende; ■ Mikroorganismen Sie finden- die Pneumokokken 
massenhaft ine Sputüia- aber oft schon 'frliltzeitig, vielleicht (wie 
in einem meinet' Fälle-) schon am dntten Krankheitetage sehen 
Sie zwischen diesen., üMatunOfsoccßti ihnen Streptococcus liege«. 
Das sind die Fälle, welche m 7 QefolVr Mud, einen Luögeftabscesff 
'/.ti bekommen. Aehiiüoh verhält es sich mit der Äcuftdären 
Pleuritis. Die gewöhnliche Pleuritis kerosa M keine Irifectionsfr 
krankhmt Im sHrdsen Kksudat haben andere und höbe ich nie. 
mal* Mtkroorgaätenu'U gefunden. Wandert älMV voM tlM^l^aikeß 
Lunge, von feiner eariösen Kippe her tun Kiter^tels i» MM 
Bruslie 11 rannt, so bekotttmen wir ein DahM’ ist die 

sfMti»;dkfe fBebfitm iiach I/ungeBentzüHdiißg. .«it'fig«, ; 

Mit. dein Streptococcus identisch oder ihm nahe verwandt, 
.jedenfalls durch unsere OntinuuehjutgsRod.hode 'nicht von ihm zu 
imterscheide.ü int ddr K^ttencöcgu* des EriHypela^ / 

Ich will diese Betfawjhtungen nicht, weiter ausdebnen: aber 
Sie. «eben, schon au diesen Betephieo. welche «ich im folgenden 
vermehren werden, dass bei wiSst'usnbafÜidon uetiolügischer 
(rruppierurtg der fufecttoitökrankhotten vieles; efig zu emandev ge¬ 
legt, wer da« muss, was früher fern von eiaander stand. 

2. : Zm "i. ..Q-Vitppe dieser AbthMtuhg also der Khkketir 
kr&nkboifeij gehören die nirht EHerttng erregende?! patho¬ 
gener» Kokken 

a) Die Pneunumia crouposa wird gewöhnlich vevanlasst 
durch di# FräBked'ßche« Dlplococetts; iadesHeu scheint «s ztvoi 
Arten von mfefttiöser cröftpiksdr LttngöiKmfÄiMduhg gebet», von 
denen die zweite Art durch den Fried Vättder’schen JPneumo- 
cocchs, eigen flieh .einen kurzen Bacillus, verankert; wird. Es ist 
min ihr die Entstehung der lm»j^U‘mfzh@duRg von gross«!- Wich* 
tigkeü. dass bBi.de Mtkrooi-gänisiijoo normaler Weise in der 
Kasetihölile und' Mi Rachen vegetiren und. dass dieselben bei 
acutem Gebiete 

Inferno»? der Lunge yoo Nasen- and Mmu • . • ,o ;> . 

notdriieh sehr beghiiMigf — Ja gleicher wb 7 

lectiun sehe ermoglicbt. wenn, wie cs 
gelahgi der FrveiUähdfer’sche PneumöCöcifue in dm. 
dwekenfüllujig «ijies. iGetbngnisses vegetirt. Dia W^f 
c tfthigkeH des Körper». wird, wie Experimente 
ddroit. Erkblpmgo« erheblich vemituderk ufe 
die. Ktatikhaif sehr oft- 

. vr ^hthut. und ja gdwtteenhÄHyeu auch. ist. - 
it) Wabrs(:heiulich identisch mit dem 
mococcns i*t der die epidemische M«ningi1.»> 




304 


Dr. Braun. 


verursachende Mikroorganismus, so dass beide Krankheiten aetio- 
logisch zusammen gehören und nur der Ausdruck der verschie¬ 
denen Lokalisation derselben Krankheitsursache sein würden. 
Wahrscheinlich dringt der pathogene Coccus nicht durch die 
Blutbahn, sondern direkt vom Pharynx oder der Nasenhöhle aus 
zu den Meningen. Auf diese nahe Beziehung zwischen Lungen¬ 
entzündung und Genickstarre bitte ich die Herren Collegen in 
ihrer Praxis zu achten, ob sich dieselbe nicht auch in der Art 
des gemeinsamen Auftretens zeigt; denn eine theoretische Be¬ 
hauptung kann nur dadurch zu einer naturwissenschaftlichen 
Thatsache werden, dass sie empirisch erhärtet ist. Gewöhnlich 
macht der Coccus natürlich Pneumonie, seltener aber auch Me¬ 
ningitis. Mir, der ich wenig epidemische Meningitis zu beobachten 
Gelegenheit habe, hat es doch so geschienen, als wenn zwischen 
dem Vorkommen dieser beiden Krankheiten sehr nahe Beziehun¬ 
gen beständen. 

c) Dieser Gruppe gehört drittens der acute Gelenkrheu¬ 
matismus an mit seiner nahen Beziehung zur gewöhnlichen En- 
docarditis. Der Krankheitserreger des Gelenkrheumatismus muss 
von der Gruppe der Eiterkokken streng geschieden fwerden, da er 
in seiner Wirkung auf den Menschen sich wesentlich anders ver¬ 
hält, er nicht eitrige Gelenkentzündung, nicht ulceröse Endocar- 
ditis macht, wie die vorige Gruppe, sondern die verrucöse Form 
hervorzubringen scheint. Man hat zwar aus afficirten Gelenken 
Staphylococcus und Streptococcus gezüchtet; aber die Frage ist, 
ob dies Mischinfektionen, ob es Fälle von echtem Gelenkrheuma¬ 
tismus waren; denn gerade bei dieser Krankheit zeigt sich, dass 
aetiologische und symptomatische KranklieitsbegrifFe sich nicht 
decken. Wir betrachten den Gelenkrheumatismus als eine be¬ 
sondere Krankheit, erzeugt durch einen specifischen Krankheits¬ 
erreger, und wissen nebenbei, dass ähnliche multiple Gelenkent¬ 
zündungen auch durch andere Mikroorganismen bedingt sein 
können: durch den Pneumococcus, durch den Eitercoccus z. B. im 
Puerperalfieber, durch den Mikroorganismus des Scharlachfiebei 
durch den Gonnococcus. — Diese multiplen Gelenkentzündungen 
sind aber aetiologisch streng von der Krankheit zu trennen, 
welche wir acuten Gelenkrheumatismus nennen, und seitdem man 
sich an diese Trennung gewöhnt hat, zeigen sich auch klinisch 
sehr bedeutende Unterschiede: besonders die Neigung zu Vereite¬ 
rung und die geringe Wirksamkeit der Salicylsäure bei den mul¬ 
tiplen Gelenkentzündungen des Puerperalfiebers, des Scharlachs, 
der Gonnorrhöe. 

3. Die dritte Gruppe der Kokkenkrankheiten wird gebildet 
durch die Gonnorrhöe, welche bewirkt wird durch Infection 
mit dem bekannten Gonnococcus. Es liegt mir fern, auf diese 
Krankheit hier einzugehen; ich will nur erwähnen, dass die 
Wiener Schule, z. B. Neumann in seinem unlängst erschienenen 
vorzüglichen Werke, ferner Maximilian von Zeishl die ätiolo¬ 
gische Stellung des Gonnococcus Neisser leugnen. Die meisten 
Aerzte und ich sind von dieser Stellung überzeugt, und wir 



Pit‘ iUiolo^-cho <lrup|»5nrn^ thvr fii^rtionskraBklioit.^^^ ÜU5 

Wiewen, das» eine grosse Gruppe von K.rankheit.spröze»HOft ätiolo¬ 
gisch Jupiter die Heri •schält de« Öonno«i^epa föllt» dass dem;tf»e 
akw tth'hi. blos, wie früher gogkauht,. elfte lek&le Wirksamkeit 
fär- kAQir jabrzeliüpe. hindiireh^^ olmbEt- 
«ebrnuogGii fcu machen, in der Harördlire Aflfgeliren, um dann 
noch be«a Coitus ibfeeöds ,zu wirken.- Er kann hei der Vitt 

Form zu den tr&urigfdefl Folgen Öttuen, 
iHoist öicht nutev stttrmjselifen Ei^oheiigmgen, sondern seliieiehcud 
/.) Pen» nml ParaittetriU-s. i'wmiitfl, Tubebahsoessen;, er ...bewirkt/ 
bet dem dann g&svteiiitii Kinde -'dlt5.d0ffeiwi-öri:i«jei - Memistorum. Er 
kauf! hei dem, ai» Tripper Erkrankten ztt mehr oder wemger 
schwerer EntzJmdungdes Kuiegtdenks. seihst mehrerer Gelenke 
führen. Dar Ö^bhoedßCüs kann demnach die TJraache eißer ftüt- 
gemeinen sei»- 

IE EHe zweite Abt hei lang der 8paltpikkmükheiten 
wd bewirkt durch die -Bakterien, und dm-ch die ihnen nahe¬ 
stehende« Spirillen. 

1. Die ende Onippe dieser Abthej fang steht in Ihren Ve- 
getÄÜüneverlPütJiifseii noch den Kokken mthe, weil die dazu ge--, 
hörige». Pilze» wenigstens in imsenu Klima kein« Sparey bilden, 
so weit die Wis«ensehäft dies bis jetzt hat testete!len kbnneri 
Wie die Kokken pflanzen, sie «ich also nur durch Tttoilung .fort, 
rtml tefttthmi?flafch- VermelrrTrag 1 zwar ausgehpdt^c EpE 

ilemien veranU««^: aber »de hinter lassen, nach, dem Erl&sefl*» 
der Epidemie keine latenten Keime. Eine neue Epidemie kann 
»Isd.:nifthf .;*&# selbst enistehfen, sondern • ist gebunds« ‘ün die 
Einsehiepimftg^eines «eneia lndiksduania. . V , " ; 

k) Würde der Konjimsbaeillrs in imsovin Vaterlande 
Sporen bilden, so -würden diese den Winter über dajtcni und die 
Keime zu einer neu«?« Sommerepidetiu* geheb; Weil der Komma- 
banlitte, keine Sporen bildet, mttsa jede Cdtoierftepidemie neu ein- 
gHsrhieppt Werdern Das (lift derselben läset sieh durch nusere 

zeridbrea: wln 

Nie wissen, genügt dazu schon die. Austroeknung, — m wenig 
widerstaüdstfilug sind diese NpirÜlmr 

hj 'Gacz khnlndj verijält es «*eh siieni Anacbetoe nach mit 
den Recurrens'8piril Icd Auel) sie machen abgeschlossene 
Epidemien welche, einmal' erlösche», nicht, wdederkehreii. bis das 
Ki^gm ilöipMKtdffe wird; attck sie sind durch Desinffee- 
tion leicht zu zeratjörefl 

cd Der Lot'fle.rVhD Diphf.-burie-Bf- ■ > i i >• • 

fhümlißhkdt. idemäls tief in das Deweb< 
htfoeE Wie rfnfl |^^; : «rw : Hhttt.' wurde,, die pfortet} öu- U|K'“' 
dringenden Eiterkökken. bahnt and. bereitet 
Der Diphtherie-Badlliis bilde? keine Sp»o'?nk knM# 
weder in Im Körper rler 

ihn zum Tbeii flehfl;emj>fkiigHcben Thiere fl« iCgflfl 
ecliweinehe», IGemeu Yögoi, Hühner. Taub• s • • » 

her kann er auf Menschen übeftr^geh werdri« TUju 
in der Milch ei&eü«ehr geeigftebert Klhrimdme hhfljj 




306 


Dr. Braun. 


diese Verbreitungswege bei Epidemien zu achten. Seine Stel¬ 
lung als Erreger der Diphtheritis ist indessen noch unsicher, 
und mir ist sie um so zweifelhafter, da dieser Bacillus keine 
Sporen bildet, da deshalb die von ihm veranlassten Epidemien 
in sich abgeschlossene sein müssten, während doch bekanntlich 
die Diphtheritis bei uns endemisch ist und durch kein Klima be¬ 
einflusst wird. Ohne nachweisbare Einschleppung taucht hier 
und da ein sporadischer Fall auf, welcher zu ausgebreiteten 
Epidemien die Ursache abgeben kann, und ist eine Epidemie er¬ 
loschen, so finden sich gerade bei der Diphtheritis immer noch 
Nachzügler. Dieser Verlauf der Epidemien würde einen Sporen 
bildenden Mikroorganismus erwarten lassen und das ist der 
Löff 1 ersehe Bacillus nicht. 

Die übrigen pathogenen Organismen bilden Sporen, deren 
Bedeutung für die Sanitätsbeamten ich anfangs betont habe; 
deren Wichtigkeit für die Entstehung von Epidemien oft Jahre 
lang nach dem letzten vorgekommenen Krankheitsfall ich nicht 
weiter besprechen will: wo eine Spore zurückbleibt, da 
bleibt der Krankheitskeim zurück. Auch hier bleiben wir 
unserm Princip treu, die Mikroorganismen nach ihren Lebensarten 
zu gruppiren, und wir erwarten, dass ähnlich vegetirende Bacillen 
ähnliche Krankheiten produciren. Wir trennen deshalb die 
Sporen bildenden Bakterien in zwei Gruppen: in fakultative 
Saprophyten und in echte Parasiten. 

2. Die zweite Gruppe der Bacillenkrankheiten wird dem¬ 
nach verursacht durch Sporen bildende fakultative Sapro¬ 
phyten, also durch Sporen bildende, stäbchenförmige Spaltpilze, 
welche nicht nur den thierischen Körper als Nährboden benutzen 
können, sondern welche auch und wahrscheinlich sogar haupt¬ 
sächlich ausserhalb des thierischen Körpers, sei es im Erdboden 
oder im Wasser oder auf Pflanzen vegetiren können. 

a) Dahin gehört zuerst der Milzbrand, dessen Lebensvor¬ 
gänge so recht den oben genannten Bedingungen entsprechen. 
Der Milzbrand ist Ihnen so wohl bekannt, dass ich nur wenige 
Punkte hier zur Sprache bringe. 

Der Milzbrandpilz lebt gewöhnlich als Saprophyte auf feuch¬ 
ten Wiesen und deren Pflanzen, kann aber den thierischen 
Körper als Nährboden benutzen, wenn er in diesen z. B. mit 
Grünfutter gelangt. Er würde nun starker Austrocknung, z. B. 
bei der Heubereitung nicht widerstehen können, wenn er nicht 
Dauerformen, Sporen bildete, was jedoch nur bei sehr hoher 
Wärme, bei 80° C. eintritt. Es ist ja zweifellos, dass auch bei 
uns im Freien diese Temperatur an manchen Sommertagen, wenn 
die Sonne prall den Boden bescheint, erreicht wird, wenigstens 
für einige Stunden, — und längere Zeit braucht der Pilz für die 
Sporenbildung nicht Deshalb können seine Sporen bei der 
Fütterung trocknen Heues in den Körper des Kindes gelangen. Der 
Milzbrand des Rindes ist dementsprechend fast stets ein Darmmilz¬ 
brand, welcher zu allgemeinen, typhösen Infectionserscheinungen 
führt. Der Milzbrand ist für die verschiedenen Thiere sehr ver- 



Die ätiologische Gruppirung der Infectionskrankheiten. 807 

schieden giftig: Hunde, Vögel, Amphibien sind immun; die Ratte ist 
immun, die Maus dagegen sehr anföllig; sie stirbt sicher in ca. 36 
Stunden nach der Impfung. Der Milzbrand des Menschen ist 
selten Darmmilzbrand in Folge des Genusses milzbrandkranken 
Fleisches. Gewöhnlich ist er ein Impfmilzbrand, sei es über¬ 
tragen durch den Stich einer Fliege, sei es, dass die Bacillen in 
eine Wunde (z. B. beim Abledern an Milzbrand verstorbener 
Thiere) gelangen. Die Empfänglichkeit des Menschen für das 
Gift ist eine mittlere; oft verläuft er günstig, meistens lange 
nicht so perniciös wie bei Rindern und Mäusen, und es scheint 
als ob der menschliche Körper keinen recht geeigneten Nähr¬ 
boden für die Pilze abgäbe, weshalb die Milzbrandstäbchen, 
welche im Körper des Menschen gewachsen sind, oft verkümmert 
erscheinen. 

Sowohl andere pathogenen Pilze, als besonders auch den Milz¬ 
brand kann man durch verschiedene Mittel, z. B. durch Einwir¬ 
kung hoher Temperatur ihrer Giftigkeit berauben. Die Impfung 
mit diesem ungiftigen Milzbrand giebt einen unsichem Schutz 
gegen den giftigen Milzbrand. Aehnlich kann die Abschwächung 
des Schweine - Rothlaufs erreicht werden. Die Virulenz der 
Wuth-Mikroben schwächt Pasteur durch Eintrocknung ab und 
dadurch, dass er sie durch den Organismus gewisser Thiere hin¬ 
durchzüchtet. 

b) Dem Milzbrand stehen nahe der Schweine-Rothlauf, 
der Rauschbrand, die Wildseuche, deren Mikroorganismen 
wohlbekannte Bacillen sind. Dieselben stehen der menschlichen 
Pathologie fern und deshalb übergehe ich sie. 

c) Zu dieser Gruppe gehört ferner daB maligne Oedem, 
dessen Bacillen sehr verbreitet in der Natur leben z. B. in 
Schmutzwasser, in Gartenerde. Sie bilden endständige Sporen. 
Durch Verunreinigung von Wunden besonders complicirter Frac- 
turen verursachen sie schwere, brandige, mit Gasentwickelung 
einhergehende Entzündungen; zweimal sind sie durch subcutane 
Injectionen eingeimpft worden. Wie es scheint, sind sie die Ur¬ 
sache der Hadernkrankheit, einer malignen Entzündung der Lun¬ 
gen und Pleuren mit Oedem des mediastinalen Zellgewebes, 
welche Lumpensortirerinnen in Folge des Einathmens der Sporen 
dieser Bacillen befällt. 

d) Ebenfalls in der Erde führt ein saprophytisches Dasein 
der Tetanus-Bacillus. Gerade durch das Studium dieses Pilzes 
sind unsere Anschauungen über die Wirkungsart der pathogenen 
Pflanzen geklärt worden: 

Ein Theil der Mikroorganismen wirkt rein mechanisch wie 
z. B. der Milzbrand-Pilz, welcher das ganze Thier mit allen Or¬ 
ganen, allen Blutgefässen dicht erfüllt und gradezu mechanisch 
tödtet. 

Die meisten Pilze aber haben eine mehr toxische Wirksam¬ 
keit. Ihre Lebensthätigkeit ist gebunden an eine eigentümliche, 
für jede Pilzart verschiedene Zersetzung der Eiweisskörper, als 
deren Produkte toxische Ammonium-Basen, Ptomaine, entstehen. 



308 


Dr. Braun. 


So entsteht, wie Brieger dargestellt hat, durch den Tetanns- 
bacillus das giftige Tetanin, welches den Wundstarrkrampf be¬ 
wirkt. 

Der Tetanusbacillus lebt also in der Erde, und Wunden, 
welche mit Erde verunreinigt sind, geben Anlass zu Wundstarr¬ 
krampf z. B. das Einreissen eines Splitters beim Kegelschieben, 
das Eintreten eines Steines beim Barfnssgehen. Auch beim 
Pferde wird der Wundstarrkrampf fast nur nach Verletzung der 
Hufe beobachtet. 

Mir scheint übrigens solch eine Wunde für das Eindringen 
des Bacillus in unsem Körper nicht einmal nothwendig zu sein: 
So hat unlängst ein College aus Görlitz einen Fall von günstig 
verlaufenem Tetanus veröffentlicht bei einem Mann, der betrunken 
die Nacht über im Freien gelegen hatte. Er deutet diesen Fall, 
wie ich glaube falsch, als Tetanus durch Alkohol. Ich habe 
einen ähnlichen Fall behandelt: Ein Mann, der sich morgens 
vollkommen nüchtern in seinem Garten auf die Erde gelegt und 
daselbst einige Stunden geschlafen hatte, erwachte mit richtigem, 
heftigem Tetanus, der nach drei Tagen mit Genesung endete. 
Nicht der Alkohol, sondern das Liegen auf der Erde ist das 
beiden Fällen Gemeinsame und scheint mir das Massgebende für 
die Ursache zu sein. Man muss annehmen, dass Tetanusbacillen 
in die Körper der auf der Erde liegenden Männer gerathen sind; 
wahrscheinlich wurden die Pilze oder ihre Sporen eingeathmet. Ist 
Letzteres zutreffend, so müssen wir annehmen, dass diese schnell 
in den Organismus gelangten Pilze, deren Eingangspforte, nicht 
eine Wunde, sondern die Lunge war, schnell Infectionserschei- 
nnngen machen können, dass sie aber schneller vom Organismus 
überwunden werden, weil sie nicht, wie bei der Verwundung mit 
einem Splitter oder einem Steine, ein Depot im Körper besitzen, 
von welchem aus neue Hilfstruppen nachrücken und die Besiegten 
ergänzen können*). Vielleicht sind ähnlich die Fälle von rheu¬ 
matischem Tetanus zu erklären, für deren Aetiologie uns noch 
dass Verständniss fehlt, und es könnten vielleicht Fälle, wie 
die beiden oben erwähnten, dazu dienen, die ätiologische Einheit 
dieser Krankheitsbilder herzustellen. 

e) Endlich füge ich dieser Gruppe noch den Typhus- 
Bacillus ein, welcher Sporen bildet, und ausser im menschlichen 
Körper frei in der Natur, besonders im Wasser und ganz vortrefflich, 
wie die meisten dieser Bacillen in Milch gedeiht. Dieser Nach¬ 
weis allein musste die Pettenkofer’sche Grundwassertheorie 


*) In der Diskussion bemerkte Herr Med.-Rath Dr. Philipp, dass die 
von dem Redner gegebene Erklärung über die Entstehung jener beiden Er- 
Erkrankungen an Tetanus zur Voraussetzung hätte, dass Pilze oder Sporen 
durch einen Luftstrom aus einem feuchten Medium emporgerissen werden 
könnten. Diese Annahme widerspreche aber den Erfahrungen des Herrn Geh. 
Rath Koch. Dieser Einwand wurde vom Vortragenden als sehr berechtigt 
zugegeben, dabei aber betont, dass eine andere Entstehung des Tetanus sehr 
unwahrscheinlich sei und dass seiner Ansicht nach die Möglichkeit, dass aus 
trocknem Erdreich mit den emporsteigenden Nebeln auch Spoien oder Spalt¬ 
pilze emporsteigen, nicht so ganz von der Hand gewiesen werden könne. 



Die ätiologische Gruppirung der Ini'ectionskrankheiten. 


309 


über den Haufen werfen. Alles, was den Typhus betrifft, ist 
Ihnen so bekannt, dass es Eulen nach Athen tragen hiesse, wenn 
ich in dieser Versammlung Weiteres darüber sagen wollte. 

3. Die dritte Gruppe der bacillären Krankheiten verdankt 
ihr Dasein echten Parasiten, welche nur im thierischen Kör¬ 
per vegetiren und ausserhalb desselben nur alB Sporen leben 
können. 

Alle hierher gehörigen Bacillen haben ein ausserordentliches 
langsames Wachsthura, und dem entsprechend sind die von ihnen 
verursachten Krankheiten langsam verlaufende, chronische Krank¬ 
heiten, falls nicht einmal massenhaftes Pilzmaterial in die Blut¬ 
bahn und durch sie in den ganzen Körper gelangt, wo dann durch 
gleichzeitiges Auskeimen ein schwerer und schneller Verlauf be¬ 
dingt wird. 

Zu dieser Gruppe gehören: 

a) Die Tuberkulose. Der Tuberkelbacillus bildet Sporen 
sowohl im Körper, besonders- in den Lymphdrüsen, als auch ganz 
besonders im Auswurf also ausserhalb des Körpers. Dadurch 
wird das Sputum der Phthysiker so gefährlich, weil es die 
Sporen enthält, welche widerstandsfähig sind gegen Siedehitze 
und Eiseskälte, gegen den sauren Magensaft, gegen Fäulniss und 
endlich gegen die Austrocknung, so dass sie sich nach dem Ver¬ 
trocknen des Sputums in alle Winde zerstreuen und überall hin 
den Keim der Krankeit verbreiten können. 

Als echter Parasit durchaus auf den thierischen Körper und 
seine Temperatur angewiesen, ist der Tuberkelpilz im Stande fast 
alle Warmblüter zu befallen, nicht nur den Menschen, sondern 
auch Rinder Schafe, Pferde, Mäuse, Affen. Gelangen die Bacillen 
massenhaft in die Blutbahn, so verursacht ihre Entwickelung in 
vielen Organen das Bild der acuten Miliartuberkulose. An sich 
hat der Tuberkelbacillus ein sehr langsames Wachsthum. Ausser 
in den Lungen entfaltet er, wie Sie wissen, seine verderbliche 
Wirksamkeit beim Menschen am häufigsten im Gehirn, ferner 
in den Knochen und den Gelenken als Ursache der fungösen Os¬ 
titis und Arthritis, endlich in der Haut als Lupus. 

b) Der Lepra-Bacillus ist dem Tuberkelbacillus anschei¬ 
nend nahe verwandt. Im Mittelalter besass die Lepra eine un¬ 
geheure Verbreitung; gegenwärtig ist sie in Europa beschränkt 
auf wenige Gegend Norwegens, Finnland’s und Süd-Spaniens. 
Auch der Lepra-Bacillus ist ein echter Parasit, bildet Sporen, 
hat ein sehr langsames Wachsthum und scheint nur beim Menschen 
vorzukommen. Bei- diesen vegetirt er mit Vorliebe in der Haut 
und im Nervensystem, wonach man zwei Formen des Aussatzes 
unterscheidet. 

c) Es schliesst sich hieran der Lustgarten’sche Syphilis- 

Bacillus, dessen Stellung noch unsicher und dessen Lebensweise 
noch ungenügend bekannt ist. 4 

d) Endlich gehört hierhin der Rotz-Bacillus, ebenfalls 
ein echter Parasit. Auch er hat ein sehr langsames Wachs¬ 
thum. Nach seiner Impfung macht er Tage lang nur örtliche 



310 


Br. Weiss. 


Erscheinungen, und es vergehen Wochen und Monate, ehe das ge¬ 
impfte Thier dem Pilze erliegt. Während dieser Zeit kriecht 
der Pilz in den Ge websinterstitien weiter, ohne in den Blutstrom 
zu gerathen. 

Ueberblicken vir nun noch einmal die oben begründete Ord¬ 
nung der Infectionskrankheiten, so stellt sich dieselbe folgender- 
massen dar: 

I. Abtheilung: Hyphomyceten als Krankheitserreger. 

1. Gruppe: Schimmelpilze. 

2. Gruppe: Sprosspilze als Krankheitserreger. 

1. Favus. 2. Herpes tonsurans. 3. Pityriasis versicolor. 

4. Favus. 5. Unterabth. Actinomycose. 

II. Abtheilung: Schizomyceten als Krankheitserreger. 

▲. Kokken •Krankheiten. 

3. Gruppe: Eiter-Kokken. 

1. Phlegmone. 2. Pyaemie. 3. Endocarditis ulcerosa. 4. Osteo¬ 
myelitis. 5. Secundäre Eiterungen. 6. Erisypelas. 

4. Gruppe: Nicht Eiter bildende Kokken: 

1. Pneumonie. 2. Meningitis epidem. 3. Rheumatismus artic. acutus. 

5. Gruppe: Gonnococcus: 

1. Gonnorrhoe. 2. Arthritis gonnorrh. 3. Para- et Perimetritis 
gonnorrh. 4. Ophthalmia neonatorum. 


B. Bacillen* Krankheiten. 


a) Nicht Sporen 
bildende. 


b) Sporen bildende Bacillen. 

a) Facult. Saprophyten. b) Echte Parasiten. 


6. Gruppe. 

1. Cholera. 

2. Febris recurrens. 

3. Diphtheritis. 


7. Gruppe: 

1. Milzbrand. 

2. Rauschbrand, 
Schweinerothlauf etc. 

3. Malignes Oedem. 

4. Tetanus. 

5. Typhus. 


8. Gruppe: 

1. Tuberkulose. 

2. Lepra. 

3. Syphilis. 

4. Rotz. 


Anhang. 

Unbekannte Krankheitserreger: 
Acute Exantheme. Hundswuth. 



Zur Casuistik des Kampfes gegen den Geheimmittelunfug. 


311 


Eine Anzahl Infectionskrankheiten sind unerwähnt geblieben, 
theils ätiologisch wohl bekannte, um nicht noch weitläufiger zu 
werden, theils solche Infectionskrankheiten, deren Erreger wir 
noch nicht kennen. • Zu diesen gehören vor allem die acuten 
Exantheme. Diese neunte Gruppe wird sich mit unserer fort¬ 
schreitenden Erkenntniss auflösen, indem sich ihre Glieder den 
vorigen Gruppen einreihen. 

Wie ich anfangs sagte, habe ich wenig Neues geboten; aber 
ich habe versucht, das Bekannte nach einem System zusammen¬ 
zustellen. Ist Manches in dem Gerüst, das ich aufgebant habe, 
nicht ganz richtig, so giebt doch schon der Versuch, ein Gebiet 
geordnet zu überblicken, unsern Gedanken grössere Klarheit. 


Zur Casuistik des Kampfes gegen den Geheimmittelunfog. 

Von Dr. Albert Weiss, Königl. Regierungs- und Geheim. Medicinalrath 

in Düsseldorf. 

(Aus „Eulenberg’s Vierteljahresschrift, 49 Bd. 4. Heft und 50. Bd. 1. Heft“). 

(Fortsetzung). 

XIV. Erkenntniss der Strafkammer des Landgerichtes zu E. vom 

24. September 1887. 

Der Droguist N. N. zu E. wurde unter Annahme der Berufung und Auf¬ 
hebung des angegriffenen Urtheiles des Schöffengerichtes zu E. vom 2. Juni 
1887 für überführt erklärt, im April ej. zu E. Arzneien, deren Handel nicht 
froigegeben ist, ohne polizeiliche Erlaubnis feilgehalten zu haben, und des¬ 
halb in eine Geldstrafe von 10 Mark ev. 1 Tag Haft und in die Kosten beider 
Instanzen verurtheilt. 

Bei einer im April ej. in den zu dem Droguengeschäfte des Angeklagten 
gehörigen Lajjer- una Ladenräumen vor^enommenen polizeilichen Durchsuchung 
hat der dabei zugezogene Sachverständige eine Reihe von Substanzen als unter 
die Kaiserliche Verordnung vom 4. Januar 1875 fallend beanstandet und deren 
Beschlagnahme veranlasst. 

Demnächst wurde gegen Angeklagten durch polizeiliche Strafverfügung 
eine Geldstrafe von 80 Mark ev. 3 Tagen Haft festgesetzt wegen Uebertretung 
gegen § 367, No. 8 Str.-G.-B. 

Vorgefunden wurden in den Geschäftsräumen: 

1. Cort. Chinae pulv. (1 kg). 

2. Calcaria phosphor. pur. (ca. 2 */ 2 hg). 

3. Fruct. Sabadill, excort. (ca. 1 kg). 

4. Fruct. Colocynth. pulv. (ca. 50 g). 

5. Bulb. Scillae pulv. (ca. 250 g). 

6. Folia Stramoniae conc. (ca. 3 g). (Vergl. Verz. B. der Verordnung 
vom 4. Januar 1875). 

7. Muskauer Heilsalbe \ (15 bez. 20 Schachteln) von 

Muskauer Blutreinigungspillen f Apotheker Maas in Muskau. 

8. Hexenschusspflaster (16 St.) von Apotheker Schollini in Flensburg. 

9. Blutroinigungsthee (14 St.) von Prof. Dr. Lallemand. 

10. Mariazeller Magentropfen (25 Flaschen). 

11. Tonische Essenz (9 Flaschen) von Hensel. 

12. Carlsbader Brausepulver (47 kl. 20 g Schachteln). 

13. Flüssige Frostseife. 

14. Kummerfeld’s Waschwasser. (Vergl. Verz. A. obiger Verordnung) 

15. Salicylsaures Mundwasser. (Vergl. Min.-Erl. 2./8. 79.) 

16. Jodoformgaze. (Verz. B. obiger Verordnung.) 



312 


Dr. Weiss. 


Nachdem Angeklagter die richterliche Entscheidung angerufen, wurde er 
durch das angegriffene Urtheil von der gegen ihn erhobenen Anklage kosten¬ 
los freigesprochen. 

Diese Entscheidung beruhte auf der thatsächlichen Feststellung, dass die 
unter No. 1—14 genannten Substanzen nur im Lagerraum vorgefunden seien, 
und ein Beweis dafür, dass Angeklagter dieselben im Kleinhandel verkauft 
oder auch nur feilgehalten habe, als erbracht nicht erachtet werden könne, 
ferner auf der Erwägung, dass die im Lagerraum Vorgefundenen Präparate 
No. 13, 14 und 15 nach Ueberzeugung des Gerichtes nicht specifisch Heil¬ 
zwecken dienten, sondern als kosmetische Mittel anzusehen seien, deren Ver¬ 
kauf im Kleinen ein Verbot nicht entgegenstehe. 

Die gegen dieses Urtheil form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist 
begründet. 

Wenngleich nämlich bezüglich der Substanzen von 1—14 durch die Be¬ 
weisaufnahme in der Berufungsinstanz die thatsächlichen Feststellungen der 
Vorinstanz als richtig bestätigt worden und bezüglich dieser Substanzen auch 
jetzt ein Nachweis dafür, dass sie im Kleinhandel vom Angeklagten verkauft 
oder feilgehalten worden wären, nicht erbracht, mithin ein Verstoss gegen die 
Kaiserl. Verordnung vom 4. Januar 1875, bezw. gegen § 367, No. 3 St.-G.-B. 
nicht nachgewiesen werden konnte, und auch in Bezug auf No. 15 der Auf¬ 
fassung der Vorinstanz, dass dasselbe nur ein kosmetisches Mittel darstelle, 
beizupflichten ist, so musste dagegen bezüglich No. 14 (Kummerfeld’sches 
Waschwasser) und No. 13 (flüssige Frostseife) die Entscheidung zu einem an¬ 
deren Resultate gelangen. 

Thatsächlich steht nämlich fest, dass diese beiden Substanzen sich im 
Ladenraume vorgefunden haben, und dass Angeklagter sie in der Absicht und 
zu dem Zwecke, sie im Kleinhandel zu verkaufen, dort aufgestellt hatte. 

Sonach ist erwiesen, dass ein Feilhalten derselben im Sinne des § 1 
mehrerwähnter Verordnung stattgefunden hat. 

Da nun, wie der Sachverständige bekundet und der Angeklagte einräumt, 
das Kummerfeld'sche Waschwasser auf der Gebrauchsanweisung gegen 
„Hautausschläge“ und „Flechten* und die Frostseife gegen „Frostbeulen“ 
empfohlen wurde, da ferner nach dem Gutachten des Sachverständigen Ersteres 
unter die im Verzeichnisse A der Verordnung aufgeführten „Flüssigen Arznei¬ 
mittel für den äusserlichen Gebrauch“, Letztere unter die ebendaselbst ge¬ 
nannten „Arznei-Linimente“ zu subsummiren sind, und endlich da „Hautaus¬ 
schläge“, „Flechten und Frostbeulen“ Erscheinungen krankhafter Natur, eigent¬ 
liche Leiden sind, und folglich Mittel, welche sie zu beseitigen, zu heilen ge¬ 
eignet sein sollen, als Heilmittel im eigentlichen Sinne des Wortes angesehen 
werden müssen, so steht thatsächlich fest, dass Angeklagter „Zubereitungen 
als Heilmittel“ feilgehalten hat, welche zufolge § 1 der Kaiserl. Verordnung 
vom 4. Januar 1875 als Heilmittel nur in Apotheken feilgehalten werden 
dürfen, dass er also dem Handel nicht freigegebene Arzneien, während er eine 
polizeiliche Erlaubnis hierzu nicht besass, leilgebcten hat. 

Er musste sonach der Bestrafung aus § 367 No. 3 Str.-G.-B. unterliegen 
und zufolge § 497 Str.-Pr.-O. die Kosten beider Instanzen tragen. 

XV. Erkenntniss des Kammergerichts vom 17. Oktober 1887. 

Die in der Strafsache gegen den Chemiker N. zu N. wegen Uebertretung 
der Regierungspolizei-Verordnung vom 7. Dezember 1853, der Kaiserl. Verord¬ 
nung vom 4. Januar 1875, und des § 867 No. 3 Str.-G.-B. von der Staatsan¬ 
waltschaft gegen das Urtheil des Landgerichtes zu D. vom 14. Juni d. J. ein¬ 
gelegte Revision muss für begründet erachtet werden. 

Dem Berufungsrichter ist zwar dahin beizutreten, dass die obige Polizei- 
Verordnung und der § 367 No. 3 Str.-G.-B., da sie nur das unbefugte öffent¬ 
liche Anpreisen und Feilhalten von Heilmitteln, welche dem allgemeinen 
Handelsverkehre nicht freigegeben sind, bei Strafe verbieten, allein auf solche 
Arzneistoffe und Zubereitungen Anwendung finden, deren Debit die Kaiserliche 
Verordnung vom 4. Januar 1875 und 3. Januar 1883, beziehentlich die der 
ersteren Verordnung beigefügten Verzeichnisse A. und B. ausschliesslich den 
Apotheken vorbehält. 

Die thatsächliche Feststellung des Berufungsurtheils ist jedoch insofern 



Zur Oasuistifc Kampfes g«gt<n Sen Oeheramittelimfug. 3V3 


mangelhaft, uls tüesölbe sfajb arif du*. Erkl&rung bescl£rß.Bkt, ; jea* seV nicht fpst- 
gcsU'ilt. «.las« der vom Aagekiagti l n öffentlich) ieilgebotem; und als vorzüglich-- 



. .. .- ÄjyQtbökött 

halten t*t. 

Es h£tte> vielmehr positiv histgei'teHt werden tgtlfiseD, d&ts derselbe zu 
■ kn im Veramhrriiw A. der Kaiser!. Yerordrunig rau 4- «lamiat 1375 dem 


allgemeinen öandfelsregiHier freigegebeuun »Fruchtsäft««^ imd nicht etwa zu 

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Anpreisung ent bitltene T^icHunHigv dass der Trauben - Itrusfv 

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nicht genügt. 'A ;/ , Y<' ' ‘ ’ • ' ‘ ‘ ■\ f xv . • ' V,*' <f v 

Da,s ße rufu&g*uirihöÖ mu^tö deshalb nebst den demselben zu Grunde 
liegenden Negativ • Pe^i-elluagitn . aufgehoben ;.W& die Suche zur undtwoiteu 
üehaiviilun^ und J<biteehtuduiig 7 welche letztere auch über di.-v Kmton der Itevi- 
•• 8u^m«tauV' .zfe-Vti^äen %mn wfräy m*ch $ $\M Str.-Fr.-lt in die fiefuturigbiji^taav. 

KYb Erkängtiii«* den Kaaim^rgerichts tmn .10... Oktober 1887. 

. v ^RvdakUmr N-^ 3m It wcgcri jÖfctöof* 

tretiwg iivx ■ Win ’-7b Iß^^Hnnbev . : tB53 gfigim da« 


Urtbeil def? LariilgerkhU zu IX vom H. Juni d. J. von der St;wteamraitechaft 
wegen Verletzung obiger 'Verordnung durch Nichtanwendung, sowie d es § fi 
K.-XX-Ö. und der Kaiserl- Verordnimg Wro 4, Jantiar durch u&richtigft 

Anwendung eingelegte Revision muss •. für begründet erachtet werden 

Itehx ,lfefUfung«jichter ;M awai dann, tieizutreten, ■ &&$*. »ach den allge¬ 
meinen der uml dem '§ 367 

No. $ SfcrXt-ß. der Verkauf und -A&& Feilfojdtetf von Arzneist/dVen nur insoweit 
verboten und strafbar ist. afe -dieselben■-nicht dein freien Handrlsverkchre 
unterliegen, and in dieser IX^nbnng ^lie Bestimmungen der Kateerliclton 
Verordnung vom 4. Januar 187^ pia>^i<gf>hend mi<L 

Kfi 'ist auch znzugeben. das.* diu Polizei -Verordnung vemt 7/ DoceiuVer 
185*1 wenn sie nur denjenigen mit Strafe bedroht, welcher uuindngter Weis*» 
Stoffe ab Heilmittel gegen Krankheiten o.&ßr. ; • &i^behEd.en verkauft* feilhElt 
oder öff»mtliüh anpreist, im Wörtlichen auf dem Standpunkte det allge- 
iU4>in<m Oesel^bung stellt. k ; .‘V;- i vV';, 

F'ftf «li^.;|3iVtecJiöidiaag der vorliegomien Strafsache erübrigt aich cJe§hali> 
eine nähere KnVforung der Frage 

ob die Regkrungvui nicht auf Grund der §§ Ö Lit. f und II des Ge- 
*oix%v vom 11, .Mlirz |ÄS0 ; uueh befugt find, im sanitätspoUzeilichen 
d\e Act der .Ausübung des Vertriebes von A*v,nef$toffen, 
pultet wenn der Hand/*) uiit denselben freigegeben ist, w det Wulse 
*U b^Xhrlinken., d.^ eine öffentfiche Anjiroiswüag »oledier Stoffe itx 
fikvrmm öronzen v«*rboten und mit Strafe bedroht wird. 

Pagegv)« dürfte der ßerüfungsrich,t <er fl uni «ti einer ynuapreclumg zu ge- 
langen., nirht ungeprüft .lassen, oh der im r D- Anxßiger“ unter verantwort- 
liuh*u i’tedaktou) des Angeklagten , als Heilmittel. gegen'..: fthaumat-ra/nus und 
Gicht augepriceene 'Englische Special-Liquenr des DivDaniels wirklich zu 
denjenigen ÄrznketoffVui oder Xuhereitun^OTi gehört, deren Händel durch die 
Kaiserliche Yerordnung vom. 4. freigeg^bcfn ist. 

V^nnochte er dies nicht^>,p' beurth^D»o rpusate or von 



Negati vfestet cd) nng 
die Kosten der 



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XVII. Erkenntnias do* HvhhfV*ng.&nc\%t *-zu D. v6n«, 18.. ; -ftj.n-.il .188?; 

Der Dpogaiet N- N kt gostTuulitf. 'drei JahreVhuig -ogeimmiU^ R om¬ 
ni fu^hati'ne.w’x Angf'flWiU^t .wr^icrtigt. .-»ml : verkauft >.u Uaban tfei* 
Mnjor von wejclim' *.no AngeHtglen, beengen bat be- 

/Äengtß, iifc»a dta& r th$b Wrkrlixfta. / F^bun^ unrt 

äa&* .<$*; feitet sowohl ivui Vriw m. : Evl^ get‘raiv:htfm 

Selini^mni an <fei Angeu k*ta. 



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ordnuug vom ?*- peemftwr 1853. 



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XVfU .Erkenn-tni** den .Sch&ftöng «ricJkt-* ?.it D. vom lö. April IHH7. 

.Auf Örrinff v3.as GestÄndn»»«« de» Angeklagten, l>"vogw*ten •#.. N., in Vor- 
bindtmg mit der Aussage dt» Apothekers S. ist dir erwiosun oraclitet, .dass 
Ajigftklti^tej in. muht rediisverjährfer Zeit kii .D bei •1*ff Aud’tu>wabruhg vn» 
Giften dm deshalb «rgantrc'wm Verofdaang-ou mchf. btdol'gi hat . strafbar auch 
. & Mi M $ stv.-ii.-n; 

litt w? *i$i vorliegend ledig lieh 'uat ' dnäf Eintrag 

.gong' der {»»ftecheiöe bandelt;, m im eint (uddstmte von 20 Mark, evem. 4 
- iTagrat Haft fttr. äwgom«s«Yn emehtet. .:.:■■%< ; .• ' .■• 

Dagegen tsfc drir Angeklagte von der Au*c*htddigiing. Anne«® '.feilgehaHfln 
und verkauft zu habe«, als nicht fti^rfiJKrt. tVelgdajifrocijen worden. 

Dor Angeklagte hat don Nachweis geffitirt, dass «i Grossvorkatif tritt 
Arzneimitteln treibt, und die bei ihm vorgebindenen Aran«m’*iwä hat er oft«» 
tut laigerratttiu?» nicht aber bn Gesdj&fblokaie auf bewahrt. Ein Feilhalte« im 
Sinn« des $ 518» No. ü Str.-G.-li, liegt ilenmfteU nicht vor. Du ahor der Öross- 
bantkd mit Amtohnittvln nicht hach der Kjuweriiebiat Vertirdneng vom 4- 
.buniHJ 1875 varhoteä ist, so war döf Angeklagte: fveigesproeben. 

Wen« der Ajtetheker N, auch btdsnndet, dass nach seiner Ansicht die 
vorhandenen QuantititfeBO eih«ü Verkaufe iRi Grossen yi keiner Woise «nt- 
eprik-hen, ad konnte dfwaotn {'m-tende kem Uews.eht beigelegt werden. Denn 
ehunal sind die vorgafundniten Quantitäten hbothaupi umbtInsigesttdH. urid 
dann schreibt da» Gesetz eitt u.ietlrigrit.es Quantum nirgends vbr. 

Die Koshm wüten dem Angeklagten *wih §497 jftr-Pri-CX aufauerleceu. 
(Vergl bei XIX). 

XpC; Erkenntniss des Landgerichts zu D, f rim Juni. 1887. 

Die Staatsbehönle hat gegen voretehendes Urthnil (NtC^^XVDI,), soweit 
dasselbe den Angeklagten von der Anschuldigung dot. Fi ilhulten* von Ar».- 
neion. idie dom freien Verkehre ent zogen sind. frowjilScht, in <U>r gOsetziichen 
Form und Frist Lleruhmg eingelegt. 

ltei%3ieb dieser Bets'.huldigi.uig hat die Vorlinndlurig TI. Im?tun? Folgeti- 
dns ergfebtm. V: ’•. 

- V Del d»>r Durchsuchung vomi 19. Februar d. J sind im Hg^errAntne des 
AngeyAgt-iti ‘driA Anzahl von Heilmitteln, sowie Driogpou und chottukehe« 
iisfc^fesh : ’ftefeKtran|cev»:’. h^r don' Braug solcher gefunden worden, deren 
.toifthtH*» • .*K#«»irrili 4 >ik« ‘V’nroirdriitaK voaj 4, Januar 1875 nur 

den Äriothekejri gestattet. ; • , 

•• .• ^'w^th’W '^-a: betreibt,, miw sage hon, diese 

vorbrihöitonen ArzneioutteJ in seinem Lager gtihaht. itn (laben. Er etiitat. sich 
aber damuL da»« er diesolbon nur ihi btrossiuu ' 
vertwoben mm. 

Nach Eekldrang dös Zengt-ti, Apotheke 
dem Än^oklag'WK votgwfundnneü, ,>hw _ ,. .... 

Qofcvdvtten dnrcban» nicht solchen, wie; sie b» (v.' 

Ea fanden sich darunter Quant!tfitfsu, deren 
träge reprA«önliren. Beeogen waren beiejtiivlios V. • v^.A 
Cbriti» SO Driauau Stoffe, welche sdn 





Zar Casuistik des Kampfes gegen den Geheumhitteluufxig 


iwvcr n 


in vSagTOsgesfiliEil^n nielit gekauft und nur im Kleinhandel vertrieben würden 
k linnen. Von anderen Vorgefundenen Arzneimitteln, so von Breth Weinstein, 
(..‘hloraibydrat bekundet Zeuge, da>w dieselben überhaupt nicht m den 
Grosshaadel kämen, sondern von jedem Apotheker selbst zubereitut. würflet). 

Wenn ferner isn Besitze des Angeklagten -dch Arznei«), wie Zineorn 
»ulfuricum und Chlorolhydwt befunden, welche ebne slrsttikhe' Verordnung' 
selbst so»' Apothekern jücht abgegeben werden dikfen, so weist das Yarhftn» 
densoin derselbendarauf"hin. das* dieselben gerade: für den K'leinverkauf und 
zwar an solche Pers/meiii. heetimnti waren, welche rieh eine ärztb'che Anwei¬ 
sung nicht verschaffen können oder wollen. 

Angeklagter hat eingewendet, dass, wenn «c auch kleinere Quantität*« 
von Arzneistonen wirklich verkaufthabe, damit nicht aüsgeschiossen «ei, dass 
er mir Grosshandel betrieben habe, und. zur ?Wntt'fÄÖtZ.ähg Heiher Behauritutig 
beauirttgto ei Beweiserhobung dahin, dass auch vcfti l^dnotendfm Grusshattd- 
lern Wüaren in ganz geringen Mengen abgegeben wörde«. :t3|«ir b'tnihver»tÄh.- 
dige, Droguiet N., beriÄtigto, dass einzelne ArzneiHtoÜe, welche bei den* Auge* 
klagte« gefunden wovden sind, unter Umstanden ndph von GTOSflh&ttdletnltu 
kleinen tjoantitäten verkauft wftrdeo, indem «n Ihr eolche in ihren Liste« den 
Preis für 100 Gramm und für das Ktk» bejrtimmtert. : ivV/ ; 

Der Bezug von Chinin in einer Menge von SO Wnuotti fällt nach dijiouf 
Ansicht sicht unter _ den GiOöshamM. 

Wenn auch die Möglichkeit vor liegt, <Ui« t einzelne kleinere Posten von 
Gröäskiinfieutaa abgeswtjrt werduör demc. 0 esc.hÄften dort Bh&trikier de* 

GroüshandfcJ« ssö «irtsaohen» so t4Ä man briden Letzteren, oam entlieh io 
Bezug auf Arzneimittel doch, timnet voiaek, duks ifa VethSltnise« zur Verweis 
düng und zur Wirkung d«r einzelnem Stofto grosse oder doch werth volle 
WhArenvorrathe aingesetset oder angescha.®. und auf Lager gelriihet «fferden. 

Dass die Einwendung' des Angeklagten, er. habe solche Yorrätbo be- 
setfstih und die vhirhandeiian «eien zufiUlig u»r Reste gewesen, dar Wahrheit 
ettb^W'tcht, »jt nicht «nzunshmen, da e« eigenartiger Zufall wäre, wafsn |iflöich.' 
zeitig »tue ganze Anzahl solcher Stoffe bis auf die kleinen g«ribgw«tjii)^ 3 sv 
QmuitilAten ausg^gangan wkreu, und w-<ril Angeklagter auch gestllndiich kleine 
QuäntitäteJi, wie die Pacturesi öle angehen, bezogen hat. 

Aus diesen Uinst&nden h»fc da»! Gericht die Ueherzeugnng gewönnen,, 
♦lass die vorgöfundenOü Arnneiöü itir den Kleinhandel bestimmt warft», und 
dass Angeklagter ; h<irbdifc Absicht gehabt hat, dieselben iiö Kleinhandel 

za veirkanfen/sHindera hoMio auch verkauft hat.,, . 

Einedass auöfi Gfoashändler kleine WüareiJpüsteh 
aliKeben, erechien aüz diesen ßröhden urierheblich, irad musste dev dem ent¬ 
sprechende Antrag des Vertheidigers abgelehnt werden. 

Augefeklgter ist ri&lraehr hinreichend öberföhTt, hn Januar und Februar 
d. J. «a 1)^, ««tgegen den Boftimmungen der Ksibcrltcben Verordnung vom 4, 
Januar IBI.'Y, Arzneien, deren Handel nicht, 'freigegeben ist, vorkanft zu haben; 
Uebertretung gegen § 116? NovlV Str.-G\-B. G v ' Vy -_•• J' 

Mit Rücksicht auf die Gefahr, welche for Ändere dadurch erwachsen 
kann, dass ihn«« ypm Angeklagten Arzneimittel überhaupt und. ohne ärzf- 
libhc Verordnung &beria*sec werdeiu örsclssint eine GnUkttmin von 40 Mark, 
event. ein<3 Haftstrafe von 4 Tagen angemessen. . ^ ; - ; 

Bw Benjfang war somit *t&ttzugebfin, und das örstv. Urtheil, soweit es 
angegritlBn ist, autzuhebem ' •- 

Nach § 46? Str.-Pr^Cb werden dem Angeklagte» die Kosten des V*»' 
fahrens auiVfegt. 

XX Erkenntnis* de» Landgericbf.e zu E.-vom ‘20. \Nc.v bT. 188ß, 
i).: •: . N. wurde -wcgna widnirrecb'tJichen .Wsknu!« vo« 

(Aa nAf' 5 ' Set, ?. e-lsbr jVtflAn «lineb Crthnil de» Schößerigericht« zu E, »«»m 
jl . v.i • ddstrafn von 20 Mark, event. 2 'Pagen Haft ver* 

o*<d .fhhli in d*r Flnvuftingsinstanz fBr »ngemeeften ewrelitet 

. bi ■■ . •■ - -»1. bei XI 2. Abschnitt). 

vl > . w chfiffengfcficlita: zu -E. voni 5. .Mai 188?. 


\• v 1 f,*A ; /<i!ly-, (*ii«-:* •.’ • ,W*i.'' 

'*? AWm'\' t Vx.ii'hTi.yti'.H \V\ *• j . • • • .• 



316 


!)«•> Wme. 


cxtrakt, (1) FUederextrakt, e) Röseobonig, f) Ffimiin Citrbnini 
: ' 0 eine -Htlsalgk^it gegon Fröstbeolon, h) CblHarinde. ij Cbina- 

tvsMtfjüt,, i) fesgmanüVchß Zahnpasta gögen Zahns'Chinorznn, 1) flüssige 
OarbpIsSuMr und tu) Kiimii>erf‘«]<)'ncbo‘j Wasch wjwivr; 
i.lor Angsfeiagt« lirognenh&jullor A.: 

' Malzextrakt tult Eisetizusftte 

in ihren, öflscfe&ftelokai»«, rc ,<p, J.agmanwn*n IkUgebaltcm zu buhen. 

Bezüglich de» zweiteu Anpokbigton «rauhtet* $§| Gericht ein© RtvWbj 


Fbisehf? zufällig übrig geblieben sei, Glaube» »khftnkte. Bor Angeklagte A. war 
dati«rft-Kwix«pir«cti<>n- 

Was den .Angeklagten C angeht, -o tasebwu derselbe nur in vier Fällen 
der iöip %Mt Last gelegte« UebertiMüiig Ktebttklig, «ttö zwui-;, 


I* Dös y^fbo't^i3f%c>ü 'Yer katiis yöti fussiachetu Spiritu», -welcher unter 
«ite lii der X0ßf0$$ ?öm 4.: Januar ISTS aufgeiührtph flüssigen Arzneimittel 
zum. ilüSaerlichen (febmiich fallt (Tincturao spirihsosue nieilicinalctf). 

Der Einwand des Affgeklagten, dass er mit besagtem Mittel Grqss]ra»i»lel 
getrieben habe,. u?t hinfällig, W8ti *n» dem Mach verständigen Zeugen Dtv 
N. N. nur ca, 3(K) Graiam vr>rp.efiv«den wurden,- ein Quantum, welch®; den 
Handel mit getmunter Fiussigk.at .nicht ah Grösahandel tjuaiihoren kann. 

2. and H. Bezüglich des Wacbholdeibeaten- und Fliederextrakltw sohlosa 
sich daa Getietit den Ausföhrungetv des SachverstÄndiget) I)r. N< Ab an. aus 
welch# heryor-gibg. das» diese Extrakt» ihm B$«|&BgBWßi8f, nach zu den 
durch genannt» Verordnung vorbotenen Afzneiex takten, BJetmct* mediiiin&liai 
gehören, nicht . Aber, #ie Angeklagter hebapptet, zu :$$£•: ' »•Syinjpi;/ 

und Suuei“. weltshe svitt die au» frischen Frachten ansgepvwstön Säfte mit 
oder s»hne Z.ucker/.usa tz urc-i-wsc».. 

4. Die Flüssigkeit gego« Frostbeulen ist als. zu den in mehrfach er- 

e .„ Ar.r - 



Zmnicbiöi käöii .dm? Vmkavtf von ^ fi0^igir?r ;®arbobaure aut* item Gnui^ 
Bichl mti.-''^eij'• *Uy vn*gm i\rm- föHtdi&tfonhcit in trockenem Zu¬ 
stande fcftttrfli döir rfe »ich bofmdnt, entfernt werden 

kam* und dwhoG um ste vark/uitlicb /.u '. machen« tma aufgelönt werdou xmiss. 

I?v< ciii^öTi) yrollt(> ymui eine ^U&.t-öoia t 

die in tix/okenetti ZiistaHtiiA. freig^gebcn.. über mir in düs^igem hn Kleinhvindel 
vM^rkrurfiieh iBily au ihm unto* K ilkr genaimten V^ordumig verbotfineu iiüs*igen 
Aiv.Beiriii^cimrigen rechnen. 

{Diejf'Ut nur irrthümlicb angeiiiliri wordeB. ;• r^ ; , f 
Femun tnfcricum eifervescens üt, weil nicht jti der \\>Kn;drmng geuaniH f 
freige^lien. • ’Ä 1 ’ • 'v.y ; -.y.V.,-; : VdT > ri' v;v ' 

l-Mnarinde betreffend, schenkte das kleiicht dek z4u^la,ssutigtVri dea 
Angecijigten, iiw er dieselbe nur zur Herstellung von Bittorli<jmniren auf Ltiger 
geh&tteh tobe, ölauhen« während bezfigliöh der' ,'Glüh^kefik.', ähg^ouinien 
wurt^s Mmh -dte&e zur 

Getränke falW 

.W^ -«ehHö^3lich ^ und dii» ;^imuVierfeldVnhe 

nngühtj &) v$>nd';-dlißK(ffb^n -Äk nicht m dwi yerbo^nien 

Awtewfttj^ö' xu .rftehrum. ’^ V:; ’ . ‘.v \ 1 ; 

Bei der --mväti ’-in • HHimhl der AngrAk lugte 

C. ^ejion rnehrfoch; wngen -UeWtrütung tWv Vernrduurig vorn 4, Jxijiuur 1^75 
IjöWrüft worueti ist 

er^efateu demnach die erjkännte Stmlh ^ 1<K> Mark, eKtmt, 20 Tngen 
H&fi ( V^rgl. bei IvXTLf 

XXIi Ertennt nix* de» Liendgeri^h 
Die iu tojgu der «owbh] seitens 
auch dm AngddagtA'in C. form- 

emeuerte ßewefeaufo^htni* bat ein von 
angegriffenen ürUieik* de» • v ^htSlf<mgtn , ichtj« ^ 
weKouDibh Torscldedühu» B^ultat «tjfdbeu.- 




Zur Orei-stil. wfa Kinujifoi gegen den < ’iVdieiimniHelofil'ng. 317 

VCa» zunächst «Jeu Aijgoltlagten C. fetriftl, so sf^ht ftwl, dn** vp« din» 
rlf*Vt benannten Substanzen in seinem T.udohtokill mirt-hinUOssan/.. Oergibahfns 
Xiihtipasta, Waseh wasser und tljirtßgo Cw-tioIsÄur^ ror^o- 

joadkin ivewVvn siml, während dai» lebrige mcIy in drm» im füutbrhaitse »h»s 
Nnber»htvit»«i* bofiiiiDiclion Lager vomud 

lau«-■ Getickt- geht, nun von der Ajisfcbt aus, das:, biwiiglmh'-der: auf Lugof 
l«üftöfiVieben Wahre« k$fc hd Klein- 

häadol /eiigcbnW waren, da dar Begriff de«-. •H’oiibftHor»?# die ifnuiitlelbarkeit 
öor ^iigädn|fJi#Wm8ir -fW ..welches ■’ 

nicht, gegeben kt, jjo bt-ngc die Wiwtd - auf Läget' liegt. V 

K-« fehlt«? so.iiO'h Wiiglic?« .H'i'fu JfebcifeiliWüi ein jüm Tlid,!l»v 

•daaü*&£%?; '% #fe.Metkanil und tw 
könnt* mitlun iu Ife/idi? eyif Prüfung dar ferneren Pi-agen, ob 

ftirwfi ktttjstajiwn t troigegiibcn MiMnUotfer röcht, WWK' Ob Aug'skbigi er wirk lieb 
I giutyft. t-teiH oder tticht, gtuns abgesehen worrkm. 'f'-’v-V ", 

Ämb«* -.»fegt -iW:Sftche. hinsiieht beb der vorgebahntmi in. tatfehruum orr- 
ti.-'biiidennn .Substonkep. I>ie Thatsaehe. dass itlieaeUiilw an dieuem Ort- aufg«- 
sfelU waren, n-bllatä-mlig» nm die tlebstrzoiigung *h bogi-ilndon mul di« 

tb»i.U::).o.blic!.i, Feststellung zu teehtCotdigcM, düs» sic r,ui« linthitielbaron Vorkanf 
urr das Pufeikuni bereit und bostimint w^r»n, dacs <ifco bftfeigjk-h ihrer ein 
fVilltiilte-e im Sinne ,Us Gesetze* thateäehlie.b vorgeiogen bat 

sfenäeh dieFl-nge zu prüfen, ob fiifebell'bn «ntbr eine der Kate- 
gonotv der Kaiycirl. Verordnung vorn 4. Januar l.$?i?» feilen oder nicht, 

Itiösfe FrÄgo war zü bejahen fär die ffeinkesfertz,' da ^ibsfdbiy.i&rfeb dpi« 
Gutachten der Sackverstitiidigiin, wie auch dev, Nittur dm ifeehe «ach slchdap- i 
stellt als 01 r.• Mixtur« tnedicinali« in um internum füf, A der gedachte« 
Verordnung), dagegen ?,o verneine« fiii »lio drei Übrigem Sufohiossui find zwar 
für Rerginarm's Zahnpasta . and. das Kuairne,rfeld v seb ,v Wrisehwusecr aus dem. 
Grunde, -weil difefeib«n ihrer ganzen Zusammmt«^ .;fc»ier geeignet 

noch l.öftiiuiut sind, irgend welchen Heilzwecken »u dkr»:«, koudrwn fediglii'Ji 
gonn.HimUich mdittwente SchÖriheitsniittel liarstellen, irnd Vür die tliissige 
CtrUoMitte aus dem Grunde, -weil nicht rlargetban ist. das« das VorJbiUtmV« 
de»-. ^i«MwV i a»-»wi Chrbbl - geweaen, dass die Mischung ul* unter 

I.it A. der erwabtiten Virrordnung falleiid betraebter werdon müsste, vrelniehr 
angÄnonunc« werden diffc- dass die AufHteung de* Carbola nur ku dem Zweck 
nnd nur bi» zit dcni Maaw erfolgt ist, dass dessen Verkauf. dt*r an -sich froh- 
gt^febo« 'ist, itt kleinen Mengen überhaupt- mßgl,ich wurde. 

Au* dem Gesagten folgt, du*, der AngelLtgtg-C, «UlordingK -durch Fei!* 
biwtntt der C ; Uina»>iMicw: gegeu $ aJ$T:$riiß ,’ftr.sG ,-B, vorst^sqn und dieser]taH« 
«u bcitirahtQj tiü X^br^jarhl»8rvb^htu^F.i^iui ^ar. 

Änl^ngend d«tn Ängoklitgtea ..iV,, *b stellt ,fest v daas in sninrn Verkaaf*- 
lokal eij.e Fbochje Mälzesttiikt mit i-ut ■/, vorg-dundi'n worden ist. eine 

öüüatgo Ät-knelttuSchttrig für d«nj 3ttnnrJieie B trübyaach, welche uutcr Lit, A. 

• !->- «n'biwn’.ii.bntun Yvr.mlmtrig mitbio dein- freien .Gondel enUogen ist. 

Won« nun Aljgckiagter bchuu{.im., '^. haji:dele. eich hier «m ein Objekt, wet- 
cij<fe eor mobreren .btiiren zmh Gebniuch fltr «eir/e Fairjilii» angoschafft worden 
oiid ruiUllifc- übrig gHdieboo o i. bat da.* i/pricht sich dieser Auff'assung ini 

nUdik:.ig««ßhtS«i(R»wii künnoh. titiliuohr auch hier 
aus dm . Tbatsuttbe, di*“ \agekltigtisr dir^er AVaare in «eiuein Yerkuaislökal. v 
euieif Mat?: lingewjf.s.jri likt, die Scbltisstolgfinrng^ gezogeh, das# er dieses ib der 
\v.->;-id im'! re ib-m Zweck gethau but : ; dieselbe dem- FubKkum feilzuldeteß. 
Im, tJeg«.,v.-.-At f ;o 'm der Kpfsuiuiiätthg dos ss > -bf*rfe«gpri<?^ffich€(n' .firkenntuisee.» 

daher <Ur Angckfugto der iVbertrotung gpgen $ Wu So.-3 Str,-G,-B. 
sr/hobJig orkbVrl. und bv-tOnft werdeti Und zwar urit 10 Mk, Geld, oy, 1 Tag {iufl. 
i i ,' . ^ ,v * dnrSrwfd imn *2ö Mark, eyorit-. 2 Togen IWt wurde be- 

*j?6^|[lgl< fre’ üi HthiksicHt gc*ogün, dass derselbe wepqn ilhn 

nuridt^vvÖrboHti'aft ist.-,- ■'*■ .a "Vb '■ 

tr> kw.-yrifi de.- K'*«te4r i’oigt an* 407, --*«*-> •• ; t.f.-I i r. O. 

• icri rrii. ! ..'?.gcii<-b<, zu y«>r s dO.- »S»p-. 

" : ‘y ' - •>’■»«.b»ir f8d7. '■■'.-. 

" ! i) , v /•«, ü'- «'üü f jp'g» 1 « dtte liriheil der StrAfkÄnilnier *) ft* 

iV.Atb' -• c- nwi 1-1. Juli 18^7 fNo. XXU.l eingelegte Re- 




318 


Dr. Tacke. 


viuion wird Verworfen; die Kosten werden dem Angeklagten zur Last gelegt. 

Die Revision ist form- und fristgerecht eingelogt. 

Es wild Beschwerde erhoben, weil nicht festgestellt und nicht erwiesen 
sei, was Angeklagter stets bestritten habe, dass er die Chinaessenz verkauft 
und feilgeboten, während er stets nur zugegeben, dass er die Essenz zur Her¬ 
stellung von Liqueuren benutzt habe, was nach der Verordnung vom 4. Januar 
1875 gestattet sei. 

Nun heisst es aber in dem angegriffenen Urtheil: »Anders liegt die 
Sache hinsichtlich der vorgenannten im Ladenraum Vorgefundenen Substanzen“ 
(zu diesen gehörte die Chinaessenz), »die Thatsache, dass dieselben an diesem 
Orte aufgestellt waren, genügt vollständig, um die Ueberzeugung zu begründen 
und die thatsächliche Feststellung zu rechtfertigen, dass sie zum unmittel¬ 
baren Verkauf an das Publikum bereit und bestimmt waren, dass also bezüg¬ 
lich ihrer ein Feilhalten im Sinne des Gesetzes thatsächlich Vorgelegen hat.“ 

Ferner hat das Urtheil festgestellt, dass die feilgehaltene Essenz sich als 
eine Mixtura medicinalis in usum intemum, also nicht als Essenz zur Anfer¬ 
tigung geistiger Getränke zum Hausgebrauch darstellt. 

Hiermit hat der Vordorrichter für erwiesen erachtet, dass Angeklagter die 
Chinaessenz als Arzneimittel feilgeboten hat und ist zu dieser tatsächlichen 
Feststellung ohne ersichtlichen Rechtsirrthum gelangt. Der Angriff stellt sich 
demnach als verfehlt heraus. 

Betreffs der Kosten war § 505 Str.-Pr.-O. massgebend. 


Bei richtiger Handhabung der bestehenden Gesetze lässt sich hiernach 
im Kampfe gegen dieses geradezu gemeingefährliche Unwesen zwar mancher 
Erfolg erzielen. 

Ein vollständiger Sieg dürfte aber erst dann zu erreichen sein, wenn 

1. der gesammte Arzneivertrieb wieder in die deutsche Apotheke zu¬ 
rückverwiesen und gleichzeitig 

2. auch den Apotheken und dem Grosshandel allos öffentliche An¬ 
preisen von Heil- und Geheimmitteln gegen bestimmte Krankheiten 
verboten wird (wie dies für den Regierungsbezirk Düsseldorf durch 
Polizei-Verordnung vom 9. Mai 1888 bereits geschehen ist). 

(Fortsetzung folgt.) 


Zur Casuistik der Erwerbsunfähigkeit nach Verletzung. 

Vom Sanitätsrath Dr. Tacke, König]. Kreisphysikus in Wesel. 

Nachstehender Fall von Erwerbsunfähigkeit nach Verletzung 
dürfte nicht ohne allgemeines Interesse sein, und lasse ich des¬ 
halb die aktenmässige Darstellung desselben folgen. 

An das Königl. Eisenbahn-Betriebsamt. 

Dem Königl. Eisenbahn - Betriebsamt übersendet der Unter¬ 
zeichnete ergebenst gemäss Aufforderung des Schreibens No. A. 
5280 m. betreffs des Rangirarbeiters Wilh. R. nachstehendes 
ärztliches Attest. 

Aerztliches Attest. 

Der Unterzeichnete bescheinigt, hierdurch, diuw 
arbeiter Wilh. R. der hiesigen Betriebskran* 
lieh noch an den Folgen einer infeetiösi*' 
leidet, die alle Weichtheile des linken V 




Zur Cu.suistik clor Erwerbsunfähigkeit nach Verletzung. 


319 


Haud in Mitleidenschaft gezogen hatte. Wegen der sehr ver¬ 
wickelten Anlage der Weichtheile an Vorderarm und Hand ge¬ 
stalten sich derartige Entzündungen, zumal wenn dieselben wie 
in diesem Falle auf Infektion durch faulige oder ranzige Stoffe 
beruhen, zu den schwersten chirurgischen Krankheiten, die selten 
ohne Absetzung des betreffenden erkrankten Gliedes verlaufen. 
Durch eine grosse Anzahl sehr tiefer, mehrmals in Chloroform¬ 
narkose ausgeführter, ausgedehnter Einschnitte mit weitgehender 
Drainage ist es endlich gelungen, das Aeusserste zu verhüten 
und die Lebensgefahr zu beseitigen. Augenblicklich besteht noch 
ein Eitergang am Vorderarm eine Hand breit unterhalb des 
Handgelenks, der von dem Ellenbogen nach der Speichenseite 
des Vorderarms durch die tieferen Lagen der Muskeln und Sehnen 
des Vorderarms direkt quer über die Knochen führt. Ein zweiter 
Gang geht ungefähr von derselben Stelle an der Ellenbogenseite 
nach dem Handgelenk unter der Haut hin. Beide Eitergänge 
sondern noch eine massige Menge einer dünnen, eitrigen Flüssig¬ 
keit ab. Durch die lang andauernde Entzündung bezw. die 
Eiterung, sowie durch den hierdurch bedingten Nichtgebrauch ist 
ein mit einer lähmungsartigen Schwäche verbundener Muskel¬ 
schwund, sowie eine allgemeine Gelenksteiiigkeit an den Gelenken 
des linken Vorderarms und der linken Hand eingetreten, beson¬ 
ders ist letzteres der Fall am linken 4. bis 5. Finger, mit den 
übrigen Fingern ist Patient heute zum ersten Male im Stande 
kaum sichtbare active Bewegungen zu machen. Die Knochen 
und Sehnen des linken Armes sind bei der Erkrankung desselben 
unbetheiligt geblieben, indessen nur in so fern, als dieselben 
nicht vereitert sind. Vielfache Verwachsungen der Sehnen unter 
sich und mit ihrer Umgebung sowie Ausschwitzung in die Sehnen¬ 
scheiden sind nachweislich vorhanden. Die Erwerbsunfähigkeit 
des p. R. ist hiernach für das nächste Vierteljahr nach 
der 13. Woche eine völlige. Ob dieselbe nach Ablauf dieser 
Zeit sich erheblich gebessert haben wird, lässt sich zwar an¬ 
nehmen, jedoch nicht mit Bestimmtheit voraussetzen. Jedenfalls 
dürfte es sich empfehlen am 1. Mai d. J. ein weiteres Gutachten 
über den Verlauf der Krankheit einzufordern. Sollte sich in¬ 
zwischen der Zustand des p. R. wider Erwarten bessern oder 
verschlimmern, so würde ich das Königl. Eisenbahn-Betriebsamt 
davon benachrichtigen. Dr. C. 



Beglaubigte Abschrift. 

K. H. dem Betriebsamt 

mit der ergebensten Mittheilung zurück, dass der p. R. von irgend 
welcher Operation Abstand nimmt und dass sonach das Heilver¬ 
fahren als beendet anzusehen ist. Der Grad der Erwerbsfähig¬ 
keit, welcher keiner Aenderung mehr unterworfen sein wird, be¬ 
trägt in Anbetracht der WinkeJstellnng des kleinen Fingers der 
*Wten Hand und der dadurch behinderten Greif- und Fassbewe- 



320 


Dr. Tacke. 


Der p. R. dürfte sich trotzdem zur Verwendung als Stations¬ 
arbeiter etc. oder auch als Bahnwärter sehr wohl eignen. 

gez. Dr. C. 


Gutachten 

über die Grösse des Verlustes an Arbeitsfähigkeit, 
welche der Eisenbahnrangirer W. R. in Folge der Ver¬ 
letzung seiner linken Hand erlitten hat. 

W. R. selbst giebt an, dass er anfänglich an den Spitzen seines 
4. und 5. Fingers nur eine unbedeutende Verletzung gehabt habe. 

Auf diese sei eine Zellgewebsentzündung der ganzen Hand 
und des unteren Theils des Arms mit Ausgang in Eiterung gefolgt. 

Diese Eiteransammlung unter der Haut wurde vom Arzt, 
wie dieses die Kunst vorschreibt, mittelst wiederholter Ein¬ 
schnitte entleert. So hat R. allein an der inneren Handfläche 
7 bis 8 Hautschnitte bekommen, welche an den dort zurückge¬ 
bliebenen Narben noch erkannt werden können. Eine solche 
Narbe befindet sich auch zwischen den beiden letzten Fingern, 
welche sich zur innern und äusseren Handfläche hin gabelig in 
einer Länge von etwa 2 cm theilt. Die bedeutendste Narbe be¬ 
findet sich aber an der inneren Seite und dem unteren an das 
Handgelenk stossenden Theil des linken Unterarms. Hier be¬ 
merkt man eine 2 cm breite nach oben gabelig getheilte 5 cm lange 
eingezogene Narbe und eine zweite mehr linienförmige, ungefähr 
ebenso lange Narbe neben dieser und nach der Armspindel zu. 

Die Folgen der Vereiterung und späteren Heilung durch 
Bildung von Narben sind folgende: 

1. Der kleine Finger der linken Hand steht zwischen dem 
ersten und zweiten Glied (Phalanx) unbeweglich in einem 
spitzen Winkel und ebenso steht das dritte Glied des 4. 
Fingers (Ringfingers) mit dem 3. Glied in einem unbe¬ 
weglichen stumpfen Winkel. 

Diese Verunstaltung und Unbeweglichkeit von zwei 
Gelenkverbindungen des 5. und der 2. Gelenkverbindung 
zwischen dem 2. und 3. Glied (Phalanx) des Ringfingers 
sind eine Folge der Narbenbildung bezw. durch die Ver¬ 
wachsung der Seimen unter sich, mit den Sehnenscheiden 
und den Binde- resp. Zellgeweben, worin sie gelagert 
sind, entstanden und ebenso können 

2. sämmtliche Finger der linken Hand nicht bis auf den 
Handteller gebeugt werden, sondern sie bleiben trotz der 
grössten Anstrengung 3 bis 4 cm vom Handteller ent¬ 
fernt, so dass der Verletzte die Hand nicht schliessen, 
keine sogenannte Faust machen resp. ballen kann. Dazu 
kommt 

3. der schwache Druck, den die verletzte Hand in Folge 
der entstandenen Muskelschwäche nur ausüben kann. 
Dass diese Schwäche nicht simulirt sein kann, erkennt 



Zur Casuistik der Erwerbsunfähigkeit nach Verletzung. 


321 


man auch an der Spannung, welche auf der Rückseite 
der betr. Handhaut und Sehnen und in der unteren 
inneren Fläche des linken Vorderarms die Gegend der 
Narben und der Beugesehnen erleidet. 

Der Druck bezw. die Kraft der linken Hand ist meinem 
Gefühl nach (einen Druckmesser besitze ich nicht) kaum auf den 
10. Theil derjenigen einer mittelkräftigen Mannesfaust zu schätzen. 
Dazu kommt nun noch, dass die Finger bei noch so grosser An¬ 
strengung ihr gewöhnliches Ziel, d. i. die innere Handfläche nicht 
erreichen, sondern es ist ihr ganzer Besitz an Kraft erschöpft, 
wenn sie noch 3 bis 4 cm von derselben entfernt sind, wobei 
denn auch noch auf die Wagschale zu legen ist, dass die beiden 
letzten Finger wegen der erwähnten Gelenkverwachsungen in 
stark flektirter Stellung der Ausübung vieler Hantirungen ge¬ 
radezu im Wege stehen. 

Gemäss obiger Beschreibung und genauer Auseinandersetzung 
der Folgen, welche die Handverletzung des p. R. nach sich ge¬ 
zogen hat, gebe ich mein Gutachten dahin ab, dass derselbe 
selbe alle solche Arbeiten nicht in vollem Maasse und Umfang 
d. i. nur zum Theil verrichten kann, wozu 

1. zwei vollkräftige Hände gehören und 

2. auch solche nicht verrichten kann, bei welchen ein feines 
und sicheres Fassen kleiner, dünner Gegenstände als z. B. 
beim Schneider die der Nadel mit der einen und des 
dünnen Tuches mit der anderen Hand, nothwendig ist. 

Nach dieser Fassung muss ich mein Gutachten dahin präci- 
siren, dass ich kein Handwerk kenne, zu dessen Ausübung, zu 
dessen Erlernung p. R. tauglich wäre, und dass er auch als 
Tagelöhner auf viele Arbeiten stossen wird, an deren Ausübung 
er mehr oder weniger oder ganz und gar gehindert ist. 

Zum Schluss erlaube ich mir noch anzuführen, dass die 
Glieder welche an einer etwas bedeutenderen Verletzung oder 
umfangreicheren Entzündung mit darauf folgender Zellgewebseite¬ 
rung gelitten haben sehr empfindlich gegen Kälte bezw. Frost 
sind. Die betr. Hände zeigen sich dann derartig .schmerzhaft, 
dass dieselben kaum zur Arbeit zu verwenden sind; und was die 
Heilbarkeit anbetrifft, so ist eine vollkommene nicht möglich, eine 
leichte Besserung der Hand aber in Betreff ihrer Beweglichkeit 
und Kraft halte ich indess im Laufe der Zeit unter Beihülfe 
von entsprechender Uebung noch für möglich. 

W. den 10. Oktober 1888. 

Eides-Versicherung. 

gez. Der Koni gl. Kreisphysikus T. 


Abschrift. 

Dem Königl. Eisenbahn-Betriebsamt 

erlaube ich mir in Beantwortung des unter A. 3002 UljL an mich 
gerichteten Schreibens, eine Aufforderung zur Gegenäusserung auf 



m 


Kleinere Mittheilungen. 


das in der Anlage beigefügte Berafungsgutachten vom 10. Ok¬ 
tober 1888 des Königl. Kreisphysikus und Sanitätsraths Herrn 
Dr. T., die verminderte Erwerbsfähigkeit des früheren Rangir- 
jetzt Stationsarbeiters Wilhelm R. wohnhaft zu F. betreffend, 
ergebenst Folgendes darzulegen: 

Zunächst bemerke ich im Anschluss und Gegensatz zu den 
S. 2 und 3 des vorliegenden Befundberichts Seitens des Königl. 
Kreisphysikus und Sanitätsraths Herrn Dr. T. gemachten Wahr¬ 
nehmungen, wie die alleroberflächlichste Besichtigung auch sicher¬ 
lich bestätigen wird, dass die ursprüngliche Verletzung nur den 
4. und 5. Finger der linken Hand betroffen hat und dass bei dem 
unsagbaren und nicht zu beseitigenden jahrelang in den obersten 
Hautschichten aufgespeicherten Schmutz einer Arbeiterhand von 
diesen Verletzungen aus alsbald eine infectiöse Entzündung 
schwerster Art ausging, welche im Umsehen den ganzen Arm bis 
zur Achselhöhle ergriffen hatte. Diese Entzündung war also 
sekundärer nicht primärer Natur. 

(Fortsetzung folgt.) 


Kleinere Mittheilungen. 

In das Berliner Leichenschanhans eingelieferte Leichen 


pro 

InU 1880 . 


Monat 

1 Zur Morgue 

Männer | 

Frauen 

Km3er || 

© 

fl 

© 

U 

o 

© 

fce 

fl 

© 

£ 

GO 

fl 

50 

Beerdigt || 

Erhängt 

Ertrunken || 

Erschossen || 

Vergiftet || 

^lurch Kohlen-|| 

dunst gestorb | 

Erfroren | 

Verletzt ohne 
Erschiessen 

Unbekannte II 

Todesart || 

Innere 

Krankheiten 

Erstickt | 

Verbrannt | 

CD 

Juli 

68 

46 

12 

8 

2 

¥ 

20 

7 

18 6 

3 


— 

14 

7 

17 

i 

Fl 

68 


Anzeigepflicht von ansteckenden Krankheiten. Die dem Arzt aufer¬ 
legte Verpflichtung zur polizeilichen Anzeige der Erkrankung eines Patienten 
an ansteckender Krankheit wird schon durch die auch nur vorläufige Ansicht 
des Arztes von dem Vorhandensein einer solchen Krankheit begründet. (Er- 
kenntniss des Kammergerichts, Strafsenat vom 15. December 1887; Jahres¬ 
schrift f. Entsch. d. K. G. Bd. VIII. No. 84 S. 194). 


Schlussakt betr. das Eingesandt „die amtliche Beglaubigung privat- 
ärztlicher Atteste“. (No. 7 und 8 pro 1888 und No. 3 pro 1889 dieser Zeitschrift). 
Unterm 26. April 1889 erhielt ich vom Ministerium nachstehenden Bescheid: 

„Auf Ihre Vorstellung vom 30. Mai v. J. hebe ich die Verfügung des 
Herrn Regierungs-Präsidenten zu Marienwerder vom 24. v. J. pp. hier¬ 
durch auf. Uebrigens bemerke ich zur Nachachtung für künftige Fälle, 
dass der Ihrerseits von dem p. K. erhobene Gebührenbetrag mit Rück¬ 
sicht auf die Lage des Falles als ein sehr hoher bezeichnet werden muss.* 
Hiernach hat der Herr Minister meine Auffassung der Sache approbirt. 

Dr. Wiener. 






Referate 


Referate^ 

fAfiwitött ms t)lMrmakolfl£fceU«*i Iiifttlfiii <}»r l'Hlvcrsilät ßlrtitfftiu) 

Dr. Dakar SHiiermann, prftkt. Ani in Bresian. 
trfMHP multipler- intravilftler XUntgerinnurjgi*«. h'?u‘Ij 
ftkr« 1 1 -r Intoxication durch Chlorsäure Salze.*-..Arsen, 
Fltospiso^ and einige andere Blatgifte. Vii*clie^^!0^ri;- : 

m. WiM 288 ft- ■ ' ; ■ • ■ ' ■ 

■ 

Bokaötitliüh g«&eir Thimr natffr Injektion latektUrUmen ptfer fremdartigen 
lilufes, ebtMife’o MenN<;iv*m nach Laumilduttransfusicu, wenn *h nicht sofort 
st.nd.Kih. -.uoU+r Heu Erscheinungen der; Hilmogiobiimrie, .BysjitHfe, Erfeecheri und 
blutigen• zuweilen auch ujrfe ;Qopynliii6n^n «n Qhxiidq, 

daffir die }m der Sektion geftyidenön Ölutgerhhi^ift^ön Örtlich gemellt. 

Puter gleichen Ev^:heinungoii #ieht' mm Thiere tidi Einwirkung anderer 
Ageutien, m nach ölyceöm ^OTclieliv etc>y 

rh tirunde gehen. duhoV dciat de» ^iferoxb^ 

zu etgründon, ah hierbei ebimfalfe {htmölütgenni iuiigen &1« ah* eigen t>- 
Uche TcHiHsursaelie iximxmthm mü fond ?Iim mniiehzt iur die Emvnv« 

fcüng des Natr. chloric. bedbiigi*. i Mein er nach ilösntm Injektion oansiant 
starke BlutiuÜe Im reghkm Hmim, HP;4 £b €tovi$, Sur Pförtadur und <ten anderen 
venösen lfegchgefässen, dann Kiütgerinniingeu in den gonunnfen Organen, 
ferner Bhdunginx In den^ inrngen. Niereu, der Miigen' midi kd Miaut f. 

uncl endlich st«fe eine dunkeUv Vierförhuug der liren^bfeebi hi- denNiereo; : -l>«?-" 
efesehtete/'- : XHiy& •ÄW«fifeT[ii.>^ waron xii&e '(.» 

Fiirlning?;motk>deu ( besonder* durch Fhrinnig mit ndo^feroU» und E«oin, in 
den feinem Lungenasten, in der ScMeiiiilnint t>e^öc«^©r^ 

Fundus vtemgfcr, zahlreich hi der des Darme*, nebf* h&ufig dagegen als Vetr 
likung* m den Ttahokcln des .&» wenigsten sebihvdid» tu der L-eher 

nadizuweisen. 

A rmer aut die genatmfeii Agöntien uiehnte/ nm Wt f. seihe Iktersudmn- 
geü auch Huf Ar s sen und Phosphor uau v dm ja ein gleiches Kbaukheitshild ver¬ 
ursachen, und fand auch hier tii einen 

ganz wesentlichen Axifheil an dein Eintritt des* Todes vimliekon zu müsstm 
glaubt.. 

vil 'ictcv *etzt. Vorf.. auch -bei rtMereu BktgUtem wie Kohienosjdgas; 
SeU^Anßfengift Ptc. vofi^k» und welchen der 

]|fcfc^ Befund aa^gehreitefe Blntinigcn ttud Tnfarcinrjageu ur 

den ' verachmdenxUi Organen sav/ic aüanljge.klkrfe. -StÄmmgäi», m den venösen 
-ergieWt' Hir yiwdachtig, ..da^ «xe niit Iu4*avifelen (?orinnuDgen 

e.inliergeheir. 

ifetficir» ein fo ibg^^ian^ja zn Mix iw. <L { lut j\*n «i- ?..m . . 

umgekehrt vri:> < u. •■'• • vm n 

v(»fitttdmmgan -.c- •> nrl-.-mv-vA: ivk>:;> .- 

puvguri&e. ä>^' % 



324 


Referate. 


in erster Linie bestimmt ist. Die beigegebenen, von dem Verfasser selbst ent¬ 
worfenen Zeichnungen sind sehr instruktiv und erhöhen den Werth des auch 
sonst gut ausgestatteten Schriftchens. Rpd. 


Bericht der Gesellschaft für Geburtshülfe und Gynä¬ 
kologie zu Berlin (Sitzung vom 22. April 1887). Aus dem¬ 
selben ist unter andern Nachstehendes für den Gerichtsarzt 
bemerken8werth: 

(Schluss). 

Höchst wahrscheinlich hätte, wenn die Dienstmagd S. in ihren Aus¬ 
sagen zurückhaltend gewesen wäre, wie in der Mehrzahl solcher Fälle, die 
Angelegenheit alsbald nach der Obduction ihren Abschluss durch Reposition 
der Acten gefunden; das Geständniss der S. hat aber eine andere Wendung 
zur Folge gehabt. 

Während ich es für höchst wahrscheinlich hätte erachten dürfen, dass 
es sich um Geburt eines todten oder sterbenden Kindes handelte, oder 
richtiger, dass keine extrauterine Athemthätigkeit bei dem S.’schen Kinde 
stattgefunden habe und vielleicht nur Beiseiteschaffung des kleinen Leich¬ 
nams beabsichtigt war, so stellte sich der Fall nach den wiederholten, im 
Wesentlichen miteinander übereinstimmenden Aussagen der S. jenen meinen 
Vermuthungen entgegengesetzt dar. Das Geständniss der S. lässt sich im 
Nachstehenden zusammenfassen: 


Sie hat, nicht ganz ohne Absicht, eine vorzeitige Entbindung herbei¬ 
zuführen, am 22. August stark getanzt, dann am folgenden Mittag heftige 
Leibschmerzen verspürt, ihre Kammer aufgesucht, die Gardinen vor den 
Fenstern zugemacht und in stehender Stellung, mit dem Rücken gegen 
einen Schrank, die Entbindung erwartet. Letztere erfolgte sehr schnell, 
das Kind sowohl wie die Nachgeburt fielen auf den (mit Ziegelsteinen aus¬ 
gelegten, mit einer dünnen Cementschicht versehenen) Boden. Das Kind 
lebte, und zwar hörte sie es deutlich wimmern; deshalb hob sie es auf, 
fasste es „in ihrer Aufregung an den Hals und drückte ihm, um das 
Schreien zu verhindern, die Kehle zu“, bis es nicht mehr schrie und kein 
Lebenszeichen von sich gab. Dann wickelte sie es mit der Nachgeburt in 
einen Lappen und packte es, um sicher zu gehen, unter das Deckbett. Am 
Abend legte sie Kind, Nachgeburt und Lappen in einen Kücheneimer und 
schüttete es am anderen Morgen in den Abort, wo es dann am 27. Sep¬ 
tember gefunden worden ist. 

Nur der Vollständigkeit halber erwähne ich, dass nicht etwa eine 
pathologische Selbstbezichtigung einer Unschuldigen vorlag; auch der 
Gerichtshof hat ihr vollen Glauben geschenkt, so dass eine Verurtheilung 
zu 2 */ 4 Jahren Gefangniss erfolgt ist. 

Es gilt nun, die scheinbare Incongruenz von Geständniss und Leichen¬ 
befund zu beleuchten. 


Zuvörderst spricht das Fehlen von Spuren manueller Gewalt am Halse 
durchaus nicht gegen die Angabe der Thäterin; jene konnten entweder 
schon durch die cadaveröse Zerstörung verwischt oder bei nur kurz dauern¬ 


der Einwirkung der lädirenden Hand überhaupt nicht zum Ausdruck ge¬ 
langt sein. Viel wichtiger ist, da die partielle Schwimmfähigkeit nur durch 
Fäulnissgase bedingt erscheint, die Luftleere der Lungen trotz deutlich 
wahrgenommener Lebens-, vor allem trotz deutlich vernommener Athem¬ 
thätigkeit, und so schliesst sich dieser Fall an frühere an, wo ebenfalls, 
obwohl das neugeborene Kind zweifellos derartige hörbare Laute von sich 
gegeben hatte, luftleere Lungen in der Kindsleiche vorgefunden wurden. 
Wenn auch in manchen derselben Verwesungs- oder anderseits entzündliche 


Processe in den Lungen nicht gehörig berücksichtigt sein mögen, so bleibt 
doch immer, auch nach kritischster Sichtung, eine Reihe von Fällen übrig, 
die, von zuverlässigsten Beobachtern untersucht, darthun, das sogar nach 
ausgiebiger Luftathmung luftleere, d. i. rein atelektatische Lungen ge- 




Referate. 


fiuvden wurden, und in trefflicher Arbeit bat E; V. n^ur iien;Jtt^haiiminus 

Atfelektä^e ' "feliarjjöiegt^ im. 

Lichte KorHChung wird mwr FhM Anfflfcömmfm • crliöut-J. fttfrärftfot Ui 

'TV&e ^der Öetäimcb^; ^ ao 

Kiadö die *i$. «.bw/x^cliid Ä-WiÄiÄr 

:i£m*frrbci i? HehrvUn i>c?.oiehnc^ T nicht etwa, wio ji^p e* wohl hin- und da 
y.u nrkkireu versin-bt JuU, ebne ß<Mheriigpn^^|^^^^M|lgIicb. durch 
>1 üd Eadi^iilifthlp. ^riihu..Uon^ . Luit oder durch Vtmüizwi* der 
iTfut.bfanb-r in ScJt^t-hgufig^n ohne R^|.)Jr:^fi()udlhUigkeit äic& tlarsf eilen* 
ci0n/i^rtt Austrcnlmng von Luft durch dbi ÖlotAis iiaeh yorgd»gi'get’ S^IViü)?'. 
der: ^dyoqltm durch iuBgeathmefö 41 »fjvorauhWt;• ; 5%jiey 
U* durch Ungar hinmehoml tVdtge^lJi:.;, wie die dann uio C'udavpr vor&u> 
föftärndii liiiftiem; ihr Lungen d^dinrcji v^rur^aebt &t, d&s* bei 
H^ifimfclirm.- äfn3 noch antviiKröüd^ 7 H^aetlöu die Titden* Älvwlon X*nt* 
Vift=iiß.«ft- LaR rüffen* deä in den Lringoac;ij>i]iarotii cir^ilimid^h Blüfos ab- 
Horbrri wird, für woldnm Vorgang dk hol Naufirebrn^on f&m hnsoh<fcrR 
onfcwirkelUi Widerstandskraft, die Tenadfftt dps Herzona zn Station komiüL 
Nur f3r«cheiöt in unserem Fülle ein Uutmchied von früheren gcriehls- 
Sr/diicbmi und ötperiinenteilen Bealmebtüngeii * yv eiche, letztere, ebtmßiils 
böi nicbl.jgahÄ reifen Föten Lesomlef* gluckten, mvoforu, nfe: es ^kb bei 
diesenmeist um aJlimihliuboro di&irhng rler..R^pttätion • gehatjdelt 'hdben 
^mg- - 1 (iid^rfeti auch Für die AuftWung de«. Vorgang bei dem S .acheii 
. Kinde bieten . experimentelle rptorfiuclirmgeti -ümii&'ruie Riebt*ehfmiv • Ich. 
selbst habe Uotdtte früher (Archiv für expeiimenteile jhttliologie Bd. 7) 
dargetluin, wie bei den plötzlichen manmdlou Eingriffen ^tranßuhrcudnr 
Art auf den Kehlkopf* speciell bei Erwhrgmig^prficedureiv ausser aJsbaldigcui 
Conectpum/tTi aufgehobener Ventilation des Blutes sofort du» .Wirkung' nuf 
periphere Endigungen' der Nervi laryngei zur Geltung kommt, deren trän- 
maii^ ho Reizung roflectori8eh StiiteUtnd der Athmuu^ m ^KkfiptfatiQit; zur 
Folge hat,. Derartige Bpobaehtimeou an den gewöhnljcben verruche.thbueu 


p‘- ’ 

HRSf 


- 


•rVfeitelja.hwi.'ikriff ’ R'w* . ojN^$ip(M 
wä n. f. m. A9: 

wienlef volllstiindig »tplpkUifwJx v'»*K^‘ ,, 'e 
V) Viei’MiaiirHscinifl fiit geyruiflkfev 
:«) £>t-.sg). “ 5887 . Heil 1 , 



326 


Referate* 


Kronecker und Meitzer nur Gloss<roharyngeus-Reiz, welch letzterer bei 
derartigen manuellen Erstickungsangriffen auf den Hals ausser Spiel bleibt. 

Selbstverständlich steht dem hier besprochenen Falle eine Reihe 
anderer gegenüber, wo kurz zuvor lebend geborene Kinder, in ähnlicher 
Weise getödtet, vollkommene Aufblähung der Lungenzellen mit atmo¬ 
sphärischer Luft bei der Section erkennen lassen. 

Schliesslich unterlasse ich nicht, darauf hinzuweisen, dass, obwohl das 
Kind durch Sturzgeburt aus dem Körper der stehenden (mittelgrossen) 
Kreissenden auf ziemlich harten Boden fiel, wahrscheinlich auch die Nabel¬ 
schnur zerriss, doch keinerlei Schädelbrüche hervorgerufen wurden. 

Im Anschluss an obigen Vortrag theilt Winter einen ähnlichen Fall, 
mit, wo sich bei einem ausgetragenen Kinde, welches nachweislich 6 Stunden 
gelebt und geschrieen hatte, bei der Section die Lungen so luftleer fanden, 
dass sie ohne Herz und Thymus untersanken und nur einige den Rändern 
entnommene Partien schwammen. 

Dann geht er darauf ein, in wie weit die von Breslau aufgestefiten 
Sätze sich durch seine pathologisch-anatomischen Befunde bei Neugebornen 
bestätigen lassen und führt gegen die Behauptung Breslau’s, dass sich 
im Magen und Darmcanal todtgeborener Kinder keine Luft finde, die 
Thatsacne an, dass er bei 5 Todb- und bei 8 Sterbendgebornen Luft im 
Magen und 4 mal auch im Darmcanal gefunden habe. Die letzteren rechnet 
er den Todtgebornen gleich, weil sie in einem so hochgradig asphyktischen 
Zustand geboren wurden, dass sie weder athmeten noch schluckten. 

Die Ursache für die Luftaufnahme bei den Todtgebornen sieht er im 
intrauterinen Luftschlucken, wie es durch Tympania uteri, durch Luftein¬ 
führung bei Wendung, Zange, auch bei Gesichtslage und Seitenlage der 
Mütter möglich gemacht war. 

Bei den sterbendgebornen Kindern wäre möglich, dass die energischen 
Schultze* sehen Schwingungen, nach Art des von Kehrer vertretenen 
Inspirationsmodus Luft in den Magen eingetrieben hätten, aber auf Grund 
von Experimenten an den Leichen Neugeborener weist er diesen Modus ab 
und zieht auch hierfür die Erklärung des intrauterinen Luftschluckens 
heran, wofür sich in seinen Fällen auch immer eine Ursache leicht nach- 
weisen liess. 

Winter glaubt, dass die forensische Medicin bei der Verwerthung 
der Magen-Darmprobe hiervon Notiz nehmen müsse, einmal weil sich in 
Fällen mit crimineller Mithülfe halbsachverständiger Personen, wenn auch 
selten, Gelegenheit zum Lufteintritt in den Genitalcanal ergebe und weil 
auch zuweilen bei spontanen Geburten, am leichtesten wohl bei Gesichts¬ 
lagen Mehrgebärender, hierzu Gelegenheit gegeben werde. 

Herr Falk hat die Magenprobe oft angewandt, kann ihr aber keine 
besondere Bedeutung beilegen, da sie nichts beweist für die Frage, ob das 
Kin d gleich oder später post partum geboren ist. Vielleicht liesse sich 
aus der Ausbreitung der Luft im Darmcanal Material für die Beantwortung 
dieser Frage gewinnen, wenn nicht die Resorption, auf welche Meyer hin¬ 
gewiesen, dabei störend wäre. Sehr oft hat Herr Falk die Lungen mit 
Luft gefüllt gefunden, während Magen und Darm leer waren. Die Lungen- 
athmung wird aber früher ausgelöst als die Schluckbewegung. Ferner 
bleibt noch unentschieden, ob die Luft durch Schlucken oder bei der Aspi¬ 
ration in den Magen gelangt. Falk selbst nimmt das erstere an, nach 
den Untersuchungen von Runge kommt aber auch bei notorisch todtge¬ 
bornen Kindern Luft in den Magen durch die Schul tze* sehen Schwingungen. 

Herr Winter zieht die Beweiskraft des von Runge mitgetheilten 
Befundes von Luft im Magen n&ch Schultze'sehen Schwingungen so lange 
in Zweifel, als er nicht weiss, dass derselbe sich vorher duren Inspection 
überzeugt habe, ob der Magen nicht etwa schon vor Anstellung des Ex¬ 
periments Luft enthalten habe 

Herr Carl Rüge weist darauf hin, dass es allerdings unerlässlich sei, 
die Antecedentien der zu solchen Experimenten verwendeten Kinder zu 



Personalien. 

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Herr Falk halt trotz djer niftnnigfachßn Bödenfeen die fcmtg^tpniW 
noch für die relativ besartfe. Z:--'' 

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Personalie w 

Au8zelti)iDanf»tt; 

Verlieben? Bor Charakter alt» Üeheim»:r Sknitfttst&th: d«u 
Hanitölsmtli Df. Joatö» ia Münster; als Sanitüt« Ntth;•.«lein. Kreisarzt-Dr, ■ 
BiAdOft m iliigami und dem praktischen Arzt« Dr AnhmKftuig i,n iÜWlij. 

.. ; D« Rötlje Ad’er'ords'» f.v, Klass«: dein Rugierung'»- und MedlCinal- 
ratfa Dr. HB l k e r üud dein Geheim an Medieiiialratb Dr! tWcraziti üi Münster; 
tisr Krouenerden TV. Klasse: den praktischen Anraten Df. Ritscher in 
LHütarbarg «ad L*r Kraun in 'Meta. 

Di« OfcnekiaugUög orttieiit. zur Aalegühg; dt».«reitan Kltiwse der 
.dzitien Stufe Üe® Ordati« dttr Btr&bloudßa Sonn« SivBohoit d« Sultan 
foa ZAiizibar; dem Marine^Obet»t(tbs- uivl öeSchnradorarit Df. Üroppo au 
Bord S.■' M. S- »Leipzig*. V.'../. ':.,. ; 


• ■ Ernennungen und Versetzungen: 

Ernannt: Dar bisherige ausserordentliche Professor Dr. tlarnnck in 
Halle &. Y§tu»le zum ordentlichen Professor ns•• der niedicinuolien Fakultät, 
JoriMdbet; der Oberstabsarzt a. I). Hot hei in Patzig zum Erebpbjrsikui' des 
Kreises jetzig, der praktische Arzt Dr, Sa ho zu Ober-Glogau untor Bolawsung 
au «einem Wohnst t» »um Eteiswundflrzt de« Kroisos Neustadt in Oberscblesien; 
der tÄsberige KreiK«Tjrßdiirzt Dr, Esch-Walt rup zn Köln ?.nm Krossphjsikus 
d# Lah<ÜS^jw& Köln lind der praktisch« Arzt Br.. Flatten zu Köln zixni 
Kreiswaftdäritt. dos Stadtkreises Köln» der praktischeArzt Dr. Behrendt zu 
Slodägitves zuihKreiwimdartt dos Kreises Niederung, 

' ! >^'-¥'Ars«!li4^ö er Kroürpbvsikuft lir. K tslltti th Freystodl als Bozirkspliystky* 
fib: Hen 5L Efeairi nach Berlin: ' ' . -v ?<■ 

tieberf ragen, Die kommissarische Verwaltung der Kreiswncdanctstell« 
d«5 Kfttis.» Ziegenrück: dem praktischen Atzt« Dr. Zepter in Brieg. 

Verstorben »lud: 

Die praktischen Aerzte Dr. Sneider in Remels, Dr. Biie#tfIl in Echte, 
Dr. G. Pau'iv in Berlin, Dr. Lange und Generalarzt.>. H. Dr. Kremers in 
Wiesbaden, Dr. Mette in NHsharkleaK. Br. Wachemuth in Waisrode, Dr. 
Riiv.bmann in 8t.msbutg b.Uckertnarck, >%nitfttsratb Dr. Baruch in Bader* 
ljötn, Dr. Bjenehgräber in Gommern, .Dr, Dannail in fb&x&titmih 



Sanitätwratb £>r.. SchietTordockor in KiSnigshf/rg i./Ib , 

WiesfiotOwaki in Wreschcn, Dr. Dahkaoipff in 

Stabsarzt Dr .lenne in Berlin. . 


3m. 


Kreisphysil 
werbnuig bis zum 




Tsk&nfe Stwloa: *) 




■ V- 





*) Wo «n bezüglicher Vdrnierk feKt, 0 <¥d die $i*ÜUn 
nioht aiaigesehriebwi oder di« -officieilen kbidernsten 






328 


Personalien. 


Schlawe, Kolberg (Bewerbung bis zum 21. Septbr. beim Königl. Reg.-Präs. in 
Cöslin), Schwerin a./W. Witkowo, Jarots^hin, Wreschen, Schildberg mit 750 Mk. 
Stellenzulage (Meldung bei der Königl. Regierung in Posen bis zum 3. Septbr.), 
Neutomischel, Meseritz, Freystadt (Bewerbung bis zum 5. September beim 
Königl. Reg.-Präs. in Liegnitz), Uslar, Hümmling mit 900 Mark Stellenzulage 
(Bewerbungen bis zum 20. Oktober beim Königl. Reg.-Präs. in Osnabrück), 
Sulingen (mit 600 Mark Stellenzulage), Fulda, Dannenberg, Zeven, Stadtkreis 
Frankfurt a./M., Adenau, Heiligenhafen, Daun mit einer Stellenzulage" von 
900 Mark (Bewerbung bis zum 5. September beim Königl. Reg.-Präs. in 
Trier), Oberamt Gammertingen und Sigmaringen. 

Kreiswundarztstellen: Fischhausen, Darkehmen, Heiligenbeil, Heyde- 
krug, Oletzko, Tilsit, Karthaus, Marienburg, Loebau, Marienwerder, Graudenz, 
Belgard, Grimmen, Niederbarnim, Angermünde, Templin, Friedeberg, Ost- und 
West-Sternberg, Bütow, Lauenburg i/P., Dramburg, Schievelbein, Bomst, Schroda, 
Bromberg, Strehlen, Ohlau, Kosel, Falkenberg in Oberschlesien (Bewerbungen 
bis zum 5. September beim König]. Reg.-Präs. in Oppeln), Lublinitz, Striegau 
Lauban, Reichenbach, Grünberg, Münsterberg, Sagan, Militsch, mit dem Wohn¬ 
sitz in Sulau, Jerichow I, Wanzleben, Erfurt, Worbis, Sangerhausen, Langen¬ 
salza, Höxter, Lübbecke, Warburg, Lippstadt, Meschede, Hünfeld, Erkelenz, 
Kleve, Landkreis Köln (Bewerbungen bis zum 10. Septbr. beim Königl. Reg.- 
Päsidenten in Köln), Bergheim, Wipperfürth, Grevenbroich und St. Wendel. 


Wir bringen noch einmal die Tagesordnung der Versammlung des „Deut¬ 
schen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege 46 in Strassburg im Eisass in 
Erinnerung. 

18. September: Begrüssung im Civilkasino, Sturmeckstaden 1. 

14. September: Erste Sitzung im Rathhause. 

15. September: Ausflug nach OdiHenberg, Mennelstein und Barr. 

16« September: Zweite Sitzung im Rathhause. 

17« September: Dritte Sitzung im Rathhause. 


Programm der VII. Hauptversammlung des Preussischen Medicinal- 

Beamten-Vereins. 

10, September. 

7 Uhr Abends: Gesellige Vereinigung zur Begrüssung bei Sedlmayr (Fried¬ 
richstrasse 172). 

11, September, 

9 Uhr Vormittags: Erste Sitzung im Hörsaale des Hygienischen In¬ 
stituts, — Besichtigung der Allgemeinen Deutschen Aus¬ 
stellung für Unfallverhütung. 

9 Uhr Abends: Gesellige Vereinigung bei Sedlmayr. 

12, September, 

9 Uhr Vormittags: Zweite Sitzung im Hörsaale des Hygienischen In¬ 
stituts, — Mittagessen im Caf6 Bellevue (Potsdamer 
Platz) und hierauf Fahrt nach Potsdam. 

9 Uhr Abends: Gesellige Vereinigung bei Sedlmayr. 


Verantwortlicher Redacteur: Dr. H. Mittenzweig, Berlin, Winterfeldtstr. 3. 
Fürstlich pbiy. Hofbuchdiuckerci (F. Mitzlatf), Rudolstadt. 






Jfthrg. 2. 


1889. 


Zeitschrift 

für 

MEDICINALBEAMTE 


Herausgegeben von 


Dr. H. MITTENZWEIG 

GeöcblL Stadtphysikus in Berlin. 


Dr. OTTO RAPMUND 

Reg.- und Medkinalrath in Aurich. 


Dr. W1LH. SANDER 

Aledidnalrath und Direktor der Irrenanstalt Dalldorf-Berlin. 


Vertag von Fischer’s medic. Buchhdlg, H. Kornfeld, Berlin NW. 6. 


No. 


10 . 


Snckclat am 1. Jeden Monate. 

Preis jährlich 6 Hark. 



Oktbr. 


DieHauptVersammlung’ desPreuss. 
Medicinal beamten vereine ... 839 
Die Hebammenpräfang lm Jahre 1889. 

Von Dr. Friedlinder.848 

Zur Caauistlk der Erwerbsunfähigkeit 
nach Verletzung. Von Dr# Tacke . 363 
Referate: 

Die Verbreitung des Hellpersonals, der 


Seite 

pharmazeutischen Anstalten und des 
pharmazeutischen Personals lm Deut¬ 
schen Relohe.369 

Dr. R. v. Krafft-Eblng. Lehrbuch der 
Psychiatrie auf klinischer Grundlage 
fär praktische Aerzte und Stadlrende . 361 

Verordnungen und Verfügungen • 36ü 
Personalien .367 


Original-Mittheilungen: 


INHALT 

Seit« 


Preußischer Medieinalbeamten -Verein. 


Vorläufiger Bericht über die VII. Haupteversammlung am II. und 
12. September im Hygienischen Institut in Berlin. 

Nachdem am Dienstag, den 10. September, Abends die 
Begrüssung der zur Versammlung eingetroffenen Mitglieder bei 
Sedlmayer (Friedrichsstrasse 172) stattgefonden hatte, erfolgte 
am Mittwoch, den 11. September, Vormittags 9*/ 4 Uhr 

I. 

Die Eröffnung der VII. Hauptversammlung 

durch den Vorsitzenden des Vereins, Herrn Geh. Medicinal- und 
Regierungs-Rath Dr. Kanzow. Erschienen waren über 70 Mitglie¬ 
der. In Vertretung des wegen Abwesenheit vom Orte verhinderten 
Herrn Ministers für geistliche etc. Angelegenheiten von Dossier 
beehrte der Herr Unterstaatssekretär Nasse die Versammlung 
mit seiner Gegenwart, desgleichen nahmen die Herren Geh. Ober- 
medicinalräthe Dr. Kersandt und Dr. Skreczka, sowie der Herr 

33 












330 Die Hauptversammlung des Preussischen Medicinalbeamtenvereins. 


Direktor des Reichsgesundheitsamtes Köhler und der Geheime 
Medicinalrath Dr. Schönfeldt an derselben Theil. 

Nach herzlicher Begrüssung der Anwesenden gedachte der 
Vorsitzende der im verflossenen Jahre verstorbenen Mitglieder: 

Dr. Bickel, Kreisphysikus a. D. und Medicinalrath in Wiesbaden, 

„ Düsterhoff, Kreisphysikus in Lissa (Posen), 

* Gemmel, Geh. Medicinal- und Reg.-Rath in Posen, 

„ Kley, Kreiswundarzt in Rahden (Westphalen), 

„ Kronisch, Kreiswundarzt in Bromberg, 

„ Meyer, Kreisphysikus in Liebenwerda, 

* Nötzel, Kreisphysikus und Sanitätsrath in Kolberg, 

* Reiche, Regierungs- und Medicinalrath in Marienwerder und 

* Wolff, Kreisphysikus und Sanitätsrath in Erfurt, 

zu deren Andenken sich die Versammelten von ihren Sitzen erhoben. 

II. 

Geschäfts- und Kassenbericht. Wahl der Kassenrevisoren. 

H. Reg.- und Med.-Rath Dr. Rapmund (Aurich): Trotz des 
grossen Anzahl von Mitgliedern, welche der Verein im Laufe der 
Geschäftsjahres leider durch den Tod verloren hat, ist seine Mit¬ 
gliederzahl seit dem vorigen Jahre wieder um 14 gestiegen und 
beträgt zur Zeit 448. 

Die Einnahmen haben 2432 Mark 67 Pfg., die Ausgaben 
2409 Mark 95 Pfg. betragen, so dass ein Ueberschuss von 22 Mk. 
72 Pfg. verbleibt, durch welchen sich das Vermögen des Vereins 
auf 2830 Mark 32 Pfg. erhöht, wovon 2607 Mark 67 Pfg. zins- 
lich belegt sind. 

Dem von verschiedenen Vereinsmitgliedern geäusserten Wunsch, 
die Zeitschrift künftighin monatlich zweimal erscheinen zu lassen, 
stände der Vorstand nicht unsympathisch gegenüber, halte die 
Angelegenheit aber noch nicht für so spruchreif, um schon jetzt 
der Versammlung bestimmte Vorschläge vorlegen zu können. 
Jedenfalls sei es aber für eine etwaige spätere Erledigung dieser 
Frage wünschenswert, wenn die Vereinsmitglieder derselben 
näher treten und ihre Ansicht darüber entweder heute oder im 
Laufe des nächsten Geschäftsjahres zum Ausdruck bringen würden. 

Eine Diskussion knüpfte sich an diesen Bericht nicht an. 

Zu Kassenrevisoren wurden die Herren Kreisphysiker 
San.-Rath Dr. Lindow (Prenzlau) und Dr. Gleitsmaun (Naum¬ 
burg) gewählt. 


HI. 

Der Entwickelungsgang im Preussischen Medicinalwesen. II. Die 
Reformbewegungen im ärztlichen Stande. 

H. Reg.- und Med.-Rath Dr. Wernich (Cöslin): Es ist eine 
weite, nicht immer ebene Bahn, welche die Entwickelung des 
ärztlichen Standes in Preussen seit Erlass des Medicinal-Ediktes 
vom Jahre 1725, durch welches derselbe am entschiedensten als 
eine Staatseinrichtung legalisirt worden ist, bis zum Jahre 



Die- 3Taaf>tvi;r^amöilmi^ 331 

•■• v/i-.v * ■ •.» ••' - v • '/.j.. l v- ••■•;•' j *.'.'*■.•?r r<y?>£ 

.- ■ 

ZurUekgreiegt hat wo t!1<> Bosü’ebungcri, ihn als tV-ie« 
Stand Ahsohiiiss durch die 

lyfvnigl. VerotHh£«g» •. die Fn-iehtime einer Kranichen 

Stiuidesvertrefting erhalten hebou. in deren ± 2 du» kam-tormig 
aller hVa.gen «&4 Beruf 

oder die* Förderung auf dte 

-dev IfrztBchk« StahüPsinte^sräi 
gelichtet autd, dem ftysekäfisk reise derfrej aas? «len väiurat- 
lictuhi Bern fcgaBta&cn gdWäh 1 Wu A*r«Mk&jBph&rft zugfeWlepeo wird. 

In. Breuspwr wie iii allen andern Ttcutsclirri "Btitt.deÄ'rt.aateJl- 
hat die Medinüiaigosefzgefmng- schön sehr t'fiih. <)<*n Btamlpuokl 
angenommen. daäw die Ausübung der Hei 1 k.undr nicht dem 
K^erimeptmur \feiles 3^?elnen *UberlÄi^«Är'>!F^^^rr '■’ 
das« dejjenigßfv'veh'.hev sieb die Sorge fftr Lehe» und- «Seftnnäheit. 
seiner Mitbürger mm Beruf erwählt, auch die Somme jener Erfah¬ 
rungen und Methoden mithyingeij-soll, die vmi.t Genevn.tiunert, .-e.fr 
Jahrhunderten aJc Wi^eji^ebafz angvhäuft wurden, IfieHer Stand* 
(»unkt wird besonders üt dem bereit*''mväh'öteft -MHlicbial-FMikt 
vom 27. September J ? 2?» vmfreiefi, durch. welches bestimmte 
Prüfungen für die verstldedeiien ,Me.dieina.ipci-«unen vorgesehne- 
hea und gl ei eilfertig .j«*.trd«*}m Ziinft.se Hraßken. zwischen den 

Tuannigfaftigen mir Ausübung der Heilkunde'zugelaksenep Berfifk- 
kiHegomiv <prumuvirte- praktische Acrzie und Operateure. pronio- 
virte prakti^hA ^A^'^- odtjf Bediket\ nicht promovjrteB 
prakdfscbe AeHit<Ä '•^tMlt : wdhd'&rS:h#i •: : fi4ä i( lwind’är^te; und Aftfitär- 
arzf.e) mm ^ Wfll ‘ dicht m verwaftdevn, dass diene 

ungleiche Berufsausbildung wie die unausbleiblichen und tmmi!- 
hfAlVchen . dßrZnUitschraiikerf dteu ao 

gescyiaffenef! Zustand ha.bl zg eine?« sehr uhhetiiedigciideji, die 
Geisse! de*r$ptdtö& h^f^h^ibifteiuidfsii machten, aber erst ifer ßfe- 
«efägBhung hctröffend die a'tf Aü n(f gwbrft«frei heit ’fm 

,)tkhn> ISfi war es Vorbehalten, in dieser Richtung hin durch den 
Fall dev . Ximftsrhmnken «ine wirkliche llnwiUzting hemm*- • 
rufen und die: Möglichkeit wie N'otliwHiidigla*it. yitirr. Wiedeiwer- 
einigmigf (t*?r ^ »ftltivlicltdh; Zweige der WfksVjiißdngft. zur AiKu'-- ;: 
kcraigugzg sehiiessli^li . in dep neuen, Älftssiftca-, 

fiöitm- fmü IhüHimgKotdMwg■ vom 2S; Juni l$2a Ihren Ausdruck 
fand. I.Vnrch diese Kabiiutsor'dre erkHsmte »He MedicinällieliördP 
diA WissetjHUhaft ■yfilhü^^jg; «h «i^. vmi 

der Ausübung der Kunst und verhtilgtC für. diese •»;•;; ■ - 

der praktischen Befsthigpug' luui. ein ÄppröhittkißsiiMkic!: 

Mittelst eines nmficuüscii-klinischen als .rnjtiejst ehw:; -di-i 
klhiischer! Ktii'sus. .Nur..diese^Acrzte wnimzur Aosübui;;. . ; ■ 

und Äu^reir FnixF ln iht;ern ganzen rtfifnüge höre»••'tijB-'t tugtS* 
öffentlichen Stellen befölsigt: .gieJrhzoitig aber auch — 

Jedem, dev es heggUtJc. ^erowlgftii Bath und thlefaifirfe 

ert.heilen. 

Mit dem anfkeimefnien Hewussi r:cjn seiner 
spaferbiii auch der ärzt.lichf Stand' m den Strudel ■ 
mnngeti hincingezogMU und afkißihalficu in Deutschlafid •.WfJ 




332 Die Hauptversammlung des Preussischen Medicinalbeamtenvereins. 

deD Jahren 1848—50 Bezirksvereine, Gauvereine, Landesvereine 
der Aerzte ins Leben, die eine demokratische Reorganisation des 
gesammten Medicinalwesens im Sinne der Virchow’schen Reform 
forderten, „weil es sich für freie Männer von selbst verstehe, dass 
sie ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nähmen.“ Aber ihre 
Bemühungen, unter sich eine Art Centralisation einzurichten 
bezw. sich über alle Fragen der Medicinalreform zu einigen, er¬ 
wiesen sich in der Folgezeit als vergeblich: die fraglichen Ver¬ 
eine hörten auf zu tagen oder bildeten sich zu wissenschaftlichen 
Verbänden um, ohne die socialen Fragen des ärztlichen Standes 
in ihren Berathungen noch weiterhin zu berücksichtigen. 

Inzwischen wurde durch Kabinetsordre vom 22. Juni 1849 
das gesammte Medicinalwesen mit Ausschluss des Militär-Medi- 
cinalwesens dem Kultusministeriunl überwiesen und damit dem 
Ministerium des Innern der ihm seit dem Jahre 1817 verbliebene 
Theil dieses Gebietes besonders dasjenige der Sanitätspolizei ge¬ 
nommen. Die notorische Folge dieser Vereinigung war eine 
grosse Reihe sanitätspolizeilicher Verfügungen der neu zuständig 
gewordenen Centralinstanz, die sich aber durchgehends nur auf 
das beamtete Medicinalpersonal bezogen, die Angelegenheiten des 
ärztlichen Standes dagegen unberührt liessen. Wichtig für den 
letzteren war in dieser Zeitepoche nur der § 200 des Preussi- 
schen Strafgesetzbuchs vom Jahre 1851, der den Zwang der ärzt¬ 
lichen Hülfeleistung verfügte. 

Dem im Jahre 1863 seitens der Regierungen in Baden, 
Bayern, Braunschweig und Sachsen gegebenen Anstoss zu 
einer anderweitigen Regelung ihres gesammten Medicinalwesens 
und zwar auf der Grundlage einer Betheiligung von gewählten 
Vertretern des ärztlichen Standes folgten die Vorschläge der 
Naturforscherversammlung zu Hannover im Jahre 1865 betreffs 
Centralisation der Bestrebungen auf dem Gebiet des Aerztewesens 
und der öffentlichen Gesundheit, die allerdings erst 4 Jahre 
später in der am 6. Juni 1869 zu Eisenach stattgehabten ver¬ 
einigten Sitzung der Kommissionen für Medicinalreform und 
öffentliche Gesundheitspflege zum Beschluss erhoben wurden. 

In dem gleichen Monat ist die norddeutsche Gewerbeord¬ 
nung Gesetz geworden und auf dem Boden dieses Reichsgrund¬ 
gesetzes mit seinen späteren, weniger wichtigen Aenderungen vom 
1. Juli 1883 haben sich die jüngeren Reformbewegungen im 
ärztlichen Stande naturgemäss halten müssen. Weder Einträch¬ 
tigkeit noch Befriedigung blickt uns aber aus den centralisirten 
Vereinen wie aus den Coalitionen der bisher Vereinslosen zu 
dem durch die Reichsgesetzgebung bisher Erreichten entgegen 
und es iBt bekannt, dass sich im Aerztevereinsbunde von Anfang 
an zwei Strömungen gegenüber standen, deren eine unter Führung 
von Herrn E. Richter zunächst nur die Befreiung des ärztlichen 
Standes von allen Fesseln und Verpflichtungen gegen den Staat 
ausgesprochen wissen wollte, während die andere es betonte, dass 
die dem ärztlichen Stande gemeinsam obliegenden Aufgaben nur 
durch organisch geregelte Beziehung der Aerzte zum Staate er- 



Diö Häuptv«^»\müJung ite Preuaswchcji Modicütolböi^ ttffr vornns* 33Ü 

fiiJ.lt werde» könnten. .Seitdem die einaätl^bghen Tirehier’.sdmü 
Resolntiijjten auf dern II. Itcytseben Aerztetago (1874) abgefeimt 
wurdet^ ist kein Aerztetag vergangen. •' auf ■'welß&em'Vmgö jiriflpfe- 

«Ä. Wm Ausdmck gelangt 
wSpj- :bfe:;;^-: : '^e»er Be^eMtng dutdi.die ,Ä tiu&hifle des Kotwurfs 
einer äi’ztHelle» $t ; aiid*sordirhJig am l, Juli 18$ä in Nürn¬ 
berg fein Vurtäii%i*r Abseblass erreicht wurde, Eine üöidift 
Staiideaerdunng sollte bewirken, dass mtMs 'des Staates die Or¬ 
ganisation der Aerzfe stjH geschlossenes Öanze, als Körpta’sdbait 
anerkannt «ml die Errichtung einer Vertretung. . dürel» ärztUeM 
Lhlegirt-e {A**,V5fftekamnw*i) bei Oe^etzeavuibeieituiigen und bei den 
Venvairnngsbefiürden gewiihrr. werde.. Im gewiss«'» Sinne ist die- 
neibe jetet aoch ; ia PreusseiH ebp.s*o'..wfc' '.m'-Ägoa- andern 
Hbtitsehen Staaten ins Leben geHoHA *äbreüd bekamitlißli die 
Rekdisregimmg es abgefeimt Mt, die CirgmimHeu des ärztlichen 
»Standes für das giüMe Reich einbeitfietr. zu regeln und eine A rt 
A’orporatioii“ desselben.. z« • anhato-.- Her Ruf nach n»n>ora- 
önjasreehten ist 'es jedenfalls eines be¬ 

festigten und gebdbdBftör-.BbtödjgA'wftTitgör,.; das bisherErreichte 
autiiditig anzaerkenne» als an der 'Forde- 

nmg Uejänzutreten „Jeder mikssÄ v# kdnsßt- Arbeit leben köjniwen^ 

In der allerletzte» Zeit hört nmn vfeüach dk AMbÄ 
•lass die idealen Renfrebüttge» desärztliche» .Stand»* in Folge 
des stärkeren •; iut«.vesae'»lcaiap^'' einen ^nvAsen Jtüoitga^ ^ 
litten Mtteii, nüd die handwdrk.Hiiiäee)igeji dieör ■ 

amtwikaiiiselien Aettzte, der mehr, ao 

ganz selten tmter den Deatschen Aerzteir tt«getrc»fen würden. 
Leider ist diese Ansiebt in gewisser Hinsicht berechtigt u$| 
zwar sind es keineswegs die jüngeren Aer$A weiche auf^ äsr p 
Suche nach Praxis sich iö. dieser Weise an ihreiri erhabeheu Be* ; 
rufe YereüjitltgehgAoHd^u es giebt auch eine Anzahl älterer, auf 
der Hübe Ab* Erfolges eheudev Aei'zfe, saiiireiche Spe- 

dialidfeft.^ krztliehe Leiter von sagenarmfeß Polikliiuken und 
Pidvatklmikett etc,, denen‘ derartige AnscMimngtm gfeieheani in 
Fleistck. und Blot llberzu^aben beg!ajic&. (iegen dfoaea EifidHfcgen 
des . Aftienkanismus“ kann nicht zeitig genug gewarnt werden. 
amieroiHeits verdienen alle dieyeatggß Ref(«mbt'H}.t-ebungeß volle, 
llbrechtigußg and IJnfbratfttjtnilg', weihte bezwecken* den^ ÄrzH 
liehen Beruf au» seiner wirtMcMtVlfche» ünmöndlgkdit (jplns* 
zuscMfeöj nud den Amten HMpuög ib ihren ttescbärtsregiMern 
Pi» - geregeltes oder bKW.fjräukt.crefe Kredit“ rmd *sitt auf ubge- \ 

‘ Etttti.sifüng -»/Ihin vor . 

allein ein geeinigte»' Vergehet» gegen wirkliche und be>.- 
Absicht, gegen prelleefe *it eH>ptel|eA. Biese Iferforaibe-r.»* ebt«>»y;eit 
stehen mit der Huirmnirat kbineewog» im Widerspruch, dem» ifen' ; :e 
jetzig» 1 » leider iutulig zu Tage tieicnden Kraßkeneo .<.\>'u 
die »hr ^kd toi Auge Mühn. (doii. I^rfiis der öyv.tiliihei* 

MiUfefeistimg m niedrig wie möglich zu drüekeTj, kau» m»r dm tdr ' 
foälitioö der Almzte. mit ßrtblg eutgegetigetrefeu waoMri 
stellt man sich die Vereine gleichsam als Hochschuh i fi« - 



334 Die Hauptversammlung des Preussischen Medicinalbeamtenvereins. 


wirtschaftliche Ausbildung ihrer Mitglieder vor, dann wird eine 
ganze Reihe von Reformfragen naturgemäss anderen Instanzen 
zufallen, z. B. die Specialistenfrage den medicinischen Fakultäten, 
denen zweckmässig die Entscheidung überlassen bleibt, wer sich 
künftighin als Specialist bezeichnen darf oder nicht. 

Die Universitäts-Einrichtungen sind die Lichtseite unseres 
Medicinalwesens und nach diesen hin sollten sich besonders die 
Blicke jener missvergnügten Radikalen richten, welchen freie 
Entwicklung des Standes noch immer gleichbedeutend deucht mit 
Lossagung von allen Verpflichtungen gegen den Staat; denn 
man kann die Lehre und Pflege der medicinischen Wissenschaft 
und Kunst auf Kosten des Staates nur unter der Voraussetzung 
wirklich logisch gesetzlich begründet und gerecht finden, wenn die 
Früchte beider für alle Mitglieder des Staates nutzbringend und 
erreichbar werden. Wo die formlose Gewerbefreiheit statthaft 
befunden wird für die Anwendung der Kunst, da kann es mit 
ihrer Erlernung und Ausbildung nicht anders sein. 

Die ganze Frage der Medicinalreform gehört in unserer 
Zeit der öffentlichen Gesundheit zu und ist die Zeit bereits ge¬ 
kommen, wo dem Arzt eine praktische Wirkung auf dem Gebiete 
der Hygiene unter Eröffnung neuer Wirkungskreise und neuer 
Arbeitsplätze eingeräumt ist. Wenn sich auch nicht verkennen 
lässt, dass der ärztliche Stand unter der Ungunst der Reichsgesetz¬ 
gebung in seiner gesicherten und hochgeachteten Stellung gefährdet, 
sowie allen Kämpfen und Gefahren des durch die Freilassung 
der Praxis ins Ungemessene gesteigerten Wettbewerbes ausgesetzt 
ist, so kann man demselben doch nicht die Anerkennung ver¬ 
sagen, dass er sich noch immer durch Gewissenhaftigkeit und 
Pflichttreue, uneigennütziges Streben und Wissenschaftlichkeit der 
Achtung werth bewiesen hat, welche sein Beruf erheischt. An 
den Vorständen der Aerztekammern wird es sein, in Zukunft 
etwaigen Verletzungen der Pflichten und der Würde des Standes 
mit Ernst und Strenge entgegenzutreten und es nicht zuzulassen, 
dass der Stand unter das ihm zukommende Niveau sinke oder 
auch nur in öffentlichen Misskredit gebracht werde. 

H. Kr.-Phys. San.-Rath Dr. Wallichs (Altona) erklärt sich in 
allem Wesentlichen mit dem Vorredner einverstanden, bemerkt 
jedoch, dass es sich in Nürnberg nicht um eine Standesordnung, 
sondern um einen Entwurf zu einer AerzteOrdnung gehandelt 
habe, über die erstere sei erst auf dem letzten Aerztetag in 
Braunschweig verhandelt worden. Mit Bezug auf die Vereins¬ 
bestrebungen wolle er weiterhin hervorheben, dass der ärztliche 
Stand in der Gegenwart von erheblichen Gefahren bedroht 
werde, deren Ursache hauptsächlich in der Freigebung des Ge¬ 
werbes, in dem Krankenkassengesetz und in dem starken Zu¬ 
drang zum ärztlichen Studium zu suchen sei. Diesen Gefahren 
zu begegnen, sei das Ziel der Vereinsbestrebungen, und wenn 
hierbei die Unterstützung des Staates verlangt werde, so geschehe 
dies nicht im Interesse des ärztlichen Standes, um demselben 
gleichsam sein Brot zu sichern, sondern nur im öffentlichen 



Die Hauptversammlung des Freussischen Medicinalbeamtenvereins. 335 

Interesse, denn gerade durch die hierbei in Betracht kommenden 
Zustände werde das Allgemeinwohl mindestens ebenso stark wie 
der ärztliche Stand geschädigt Insbesondere sei dies bezüglich 
der Freigebung der ärztlichen Praxis der Fall, welche von der 
Mehrzahl der Aerzte für einen Fehler gehalten werde. Wenn 
die Aerztevereine eine Abhülfe gegen die Kurpfuscherei für noth- 
wendig erachten, so wolle man keineswegs die gutartige Laien- 
hülfe, sondern die das öffentliche Wohl durch die schamlose Art 
des öffentlichen Anbietens, durch deu Geheimmittelunfug u. s. w. 
in grossartigem Maasse schädigende Pfuscherei treffen. Dass die 
Aerztekammem, wie der Vortragende meine, mit den bisherigen 
Befugnissen im Stande sein werden, die dem ärztlichen Stande 
in seinem inneren Verhalten drohenden Gefahren mit Erfolg ent¬ 
gegenzutreten, glaube er nicht, wolle es jedoch hoffen. 

IV. 

Ueber Formulirung von Obduktionsprotokollen. 

H. Kr.-Phys. Prof. Dr. Falk (Berlin): Das Gebiet der ge¬ 
richtsärztlichen Thätigkeit, speciell dasjenige der Obduktionen 
ist den Medicinalbeamten bis jetzt von den praktischen Aerzten 
am wenigsten bestritten. 

Früher nahm der zweite Sachverständige als obducirender 
Arzt eine mehr untergeordnete Stellung ein; jetzt ist derselbe 
aber mit dem ersten Gerichtsarzt, dem protokollirenden, voll¬ 
ständig gleichgestellt und hat vielleicht sogar die bedeutsamere 
der beiden Funktionen, da eine gute Technik bei der Ausführung 
der Sektion weniger leicht die Unterlaufung von Irrthümem zu¬ 
lässt. Eine andere Frage ist dagegen diejenige, ob es überhaupt 
nöthig sei, dass bei den gerichtlichen Obduktionen zwei Sach- 
vertändige fungiren? Es genügt z. B. bei Leichenbesichtigungen 
ein Sachverständiger, desgleichen bei Entmündigungen; auch bei 
pathologisch - anatomischen Sektionen, bei Sektionen im Aufträge 
von Lebensversicherungen u. s. w. wird nur ein Sachverständiger 
gefordet. Man sagt zwar, dass 4 Augen mehr sehen alB zwei; 
aber Irrthümer werden dadurch auch nicht immer vermieden, 
wohl aber eine freiere Bewegung des Sachverständigen verhindert. 
Jedenfalls erscheine diese Frage einer Erwägung werth. 

Was weiter die Art der Obduktion anlangt, so sind die 
Obducenten hier an sehr strenge Vorschriften gebunden, deren 
Grundaufbau jedoch ein vollkommen richtiger ist. Insonderheit 
muss an der Vorschrift, möglichst alle Organe und Gewebe zu 
untersuchen, unbedingt festgehalten werden; denn wie oft drängen 
sich im späteren Verlauf der Untersuchung der richterlichen 
Behörde eine ganze Reihe Fragen auf, deren Beantwortung nicht 
möglich sein würde, wenn nicht zur Zeit der Sektion alle Organe 
untersucht worden wären. Einige Punkte des Regulativs könnten 
jedoch modificirt werden und würde es sich z. B. empfehlen, bei 
der Sektion der Neugeborenen die Magen - Darmprobe zu berück- 



336 Die Hauptversammlung des Preussischen Medicinalbeamtenvereins. 

sichtigen; bei derjenigen von Erwachsenen die Freilegung des 
Gallenganges besser nach Lesser’s Vorschlag auszuführen. 

Bei der Protokollirung sind die Gerichtsärzte gleichfalls 
an strenge Normen gebunden. Es soll nicht nur das Kegelwidrige, 
sondern auch das Normale genau beschrieben und Ausdrücke wie 
„normal“ und „regelmässig“ sollen nicht gebracht werden. In 
letzterer Hinsicht empfiehlt es sich dagegen, ein etwas freieres 
Verfahren zu gestatten, bei dem Obduktionsbericht wird ja auch 
nur das Wichtige wiedergegeben, warum soll dies bei der 
Sektion selbst nicht ebenfalls erlaubt sein? Der Einwand, bei 
der vorgeschriebenen genauen Beschreibung aller Organe, auch 
der normalen, werde nicht so leicht etwas übersehen, bezw. der 
Obergutachter mitunter aus der Beschreibung eines derartigen 
Organs noch etwas Anderes als der Obducent entnehmen können, 
ist ebenso hinfällig, wie diejenige, dass die Beschreibung der 
normalen Organe für den Gerichtsarzt gleichsam als Uebung 
dienen könne. Andererseits empfehle es sich, bei Verletzungen, 
die von aussen nach innen oder aus einer Höhle in die andere 
laufen, die Beschreibung nicht, wie jetzt vorgeschrieben ist, bei 
den verletzten Theilen jedesmal abzubrechen, sondern dieselbe 
zusammenhängend wiederzugeben. 

Wenn man sieht, dass die Formen des Rechtsverfahrens 
immer neuen Aenderungen unterworfen werden, so ist es jeden¬ 
falls nicht unberechtigt zu erwägen,* ob nicht auch bei diesem 
kleinen Theil des Rechtsverfahrens, dem gerichtlichen Obduktions¬ 
verfahren, eine gewisse Modifikation angebracht sei. 

H. Stadt-Phys. San.-Rath Dr. Mittenzweig (Berlin) steht 
bezüglich der Ausführung der Obduktionen auf dem entgegen¬ 
gesetzten Standpunkte von dem Vorredner und hält es für unbe¬ 
dingt geboten, dass zwei Gerichtsärzte wie bisher mit dieser 
Thätigkeit betraut würden, nicht nur, weil vier Augen doch mehl’ 
sehen als zwei und die obducirende und protokollirende Thätig¬ 
keit für einen Arzt zu anstrengend sei und zu viel Zeit beson¬ 
ders auf dem Lande und im Winter beanspruche, sondern auch 
weil die beiden Gerichtsärzte sich bezüglich ihrer Kenntnisse, 
Erfahrungen u. s. w. in wünschenswerther Weise ergänzen. Auch 
betreffs der Beschreibung der Organe müsse an den Bestimmungen 
des Regulativs festgehalten und der Ausdruck „normal“ verpönt 
werden. Uebrigens lasse das Regulativ nach dieser Richtung 
etwas freieren Spielraum, als der Vorredner meine. Schliesslich 
wünscht der Redner unter Bezugnahme auf einen Specialfall, 
dass die Monita der Medicinalkollegien häufiger als jetzt von 
der wissenschaftlichen Deputation revidirt würden, damit der 
Physikus, welcher in seinem Rechte sei oder zu sein glaube, 
auch vorkommenden Falls Recht bekommen könne. 

H. Kr.-Phys. Dr. Fielitz (Querfurt) wünscht, dass die Ab¬ 
schriften der Obduktionsprotokolle und Obduktionsberichte den 
Physikern jedesmal mit den bezüglichen Monitis von den Ober¬ 
behörden zugesteUt würden, worauf 



Di^ Haapi viVvtruTiiJuilg A** M''ftdidiialV^;itui^nvpnu(s^- *37 

H. Reg.~ mi«i Med.-Rath Di Rajvmiiod /Aiind>| erwidert, 
tbu* di^ : büridts tun vied#» Regienrnge» feepRöiie öiuf «i« in 
dit^ei; Beziehiuig ausgesprochener Wunsch rich.eviich auch bei 
dt»ü übrigen Ifogierimgen 

H. Kr.-Phys. Dr. Schi-.<><l<*r (WebHenJfeis) efViiDcf jedesmal 
Alwdirift des Obduktinüsprotökrdfe vom dji^feräält dte- 

selbe, während 

H. Stadt • f*ft|isu Sarg-Rath I>r. MittwUzwrig (Borlin) dien 
liir Berlin mit Rücksicht auf die grosse Zahl von .Obduktionen 
für nunwsl^hrbay erklär* : weuig&tens habe er ln soiidten Fälicw 

bezahlen' müssen. -. yyk ;T •' 

IVr Kv -Phys. Dr. Seuinidt (Steinau)- hat dieselbe ~£tMroi*g 
wie 5ti (teii»#ö}g ^maehtv stimmt im Uebngeii ftbek^der Äü-y' 
rieht des \ ortmgf.mde?t bei undglaubt sogar., dass: ein Qbdiioem. 
bei Sektionen eolmuller (eilig würde, 'besondere in solcheii 'F&lfatv, 

wo der Ängwogvue zweite * »erichtsarzt nicht dir nOUtig* tech- 
uisijhe: Gewandtheit; besitzt. 

U: Kri-Phy*. - Prof. Dr; Falk (Beilim bemerkt zum Schlug 
däna ':?& ök$Lt ; nlataill ahkÄJit* ob litt» SekkJar* btugeDoder weniger 
hinge dauere, smuluru lediglich da rauh ob eria Obrtucent für $n$ 
lachend zu halten mVlUt hälfe äu dieser Hinsicht au geiuer 
Änsiebt fest: firn Kiiimündigüngou genüge auch ein Sadiverstä»- 
•Hgor. ohne dass die ID'üokolhj ervtri öChlecuter oder zweck¬ 
widriger seien. . Bei der jecri getordur]^ .Beschreibung auch der 
noi malen Befunde löge die Gefahr nabei dass sich ein gerichls- 
MPi .Jargon: heran.-bUdc. der perhorrescirt werden müsse. 
Jmleufaitg|:;i(^ä *lcb 'öi: : oa,eicB : Regulativ manches veceiöfaclieü; 

lEirwt\ifj>Ug<< Pmwt'i,) 

V. 

- - ■ . . . i . ■ : •• • i •; , . 

Die Aufgahen zur Sicherung geahndheitspmässer Geburt« - und 

Wochenhetispffegd. 

ff. Kr - Phys. Dr Philipp (Berlin p Die zurrst vmi Böhr, 
dann in iiettester.'.'Zeit namCurtludi von Duopold und Ehlern ge- A 
lieferten atatisffecluni Arbeiten ; Ulrei’ 4ei:r *?Toti a%; Mhreheßbuttf*- 
eikrankutigen und;.dli(tsi : ' ; ilaiü«e«(ü.e,- von Frauen in 
Folge von öriburf innl' Wbcdienboii siech und zu vreiteren (je-, 
bui t*'» Ußfaiiig Werden, veriangnu gebieterisch grössere Fürsorge 
für die Sicherung. geaim.lhe.it^gemiissor fiebdrtpp ; ' . : ■ 

beitem Bis jetzt i*<t dieselbe nur eine, geringe, 
liehe Bfcstiroiäuugeu* Welghe ii&« gitw>.Debersteh.en' 

; §t;!liÄftP*i^d)iU , geö:,y itameUilich Be^fjmmtiugeU Uber die 
iigong S^wuhg^er in der Industrie. Ebe'nsb fUi# 4 Uis "o»v . ’ 

Niedi-rkommeif; der Fmuen in engen. ungeeignet«u Rdumoiu 
verhindern. gesetzliche Bestimmungen über die •- 
Nchath-nhedt der Wocbeiistubeu ergehen. Zugleich 
dimg von Oebityasylen Sorge zu trügen; diese '■•-.• 
wehdeii kieiuMi Stüdfuft durch IJniwaudluiig dvu 
jetzt kiernlieh .übcmll. der« Aüfrirdüruitgöu nicht muh] 




338 Pie Hauptversammlung des Preussischen Medicinalbeamtenvereins. 

Kommunalkrankenhäusern beschafft werden. Besondere Aufmerk¬ 
samkeit ist der Neugestaltung des Hebammenwesens zuzuwenden; 
die jetzigen Hebammen sind im Grossen und Ganzen nicht den 
Anforderungen entsprechend. Um besser vorgebildete Hebammen¬ 
lehrtöchter zu gewinnen und die sociale Stellung dieser wichtigen 
Personen zu heben, wird vorgeschlagen, dass unter Aufhebung 
der jetzigen Verhältnisse Hebammen nur für eigene Kosten aus¬ 
gebildet werden sollen, dass die Lehrkurse entsprechend ver¬ 
längert und mit poliklinischer Ausbildung verbunden sein sollen, 
dass ferner die Hebammen aus öffentlichen Fonds auskömmlich 
besoldet werden und für sie eine Altersversorgung eingerichtet 
werde. Die Aufsichtsbehörde für dieselben ist der Physikus, von 
dem auch die nothwendigen regelmässigen Nachprüfungen abzu¬ 
halten sind. Für zurückgebliebene Hebammen sind Repetitions- 
kurse an den Hebammenlehranstalten einzurichten. 

In der lebhaften, am zweiten Sitzungstage fortgesetzten 
Diskussion, an welcher sich besonders die H. Kreis-Physiker 
Dr. Frey er (Stettin), San.-Bath Dr. Litthauer (Schrimm), Dr. 
Blokusewski (Militsch), San.-Rath Dr. Wallichs (Altona), San- 
Rath Dr. Meinhof (Pieschen), Stadt-Phys. San.-Rath Dr. Mitten - 
zweig (Berlin) und Reg.- und Med.-Rath Dr. Rapmund (Aurich) 
betheiligten, fand die von dem Vortragendem gestellte Forderung 
bezüglich der Errichtung von Gebärasylen und des Erlasses von 
gesetzlichen Bestimmungen über die Grösse und Beschaffenheit 
der Wochenstube ebensowenig Anklang als der Vorschlag, dass 
sich künftighin die Hebammen auf eigene Kosten ausbilden und 
aus Staatsmitteln auskömmlich besoldet werden sollten. Auch die 
Ausführbarkeit dieser Vorschläge wurde bezweifelt, da deren 
Verwirklichung zu viele Hindernisse entgegenständen. Um sich 
ein sicheres Urtheil darüber bilden zu können, ob und nach 
welcher Richtung noch besondere Massnahmen auf diesem Gebiete 
erforderlich seien, müsste zunächst die Wirkung der neuen Des¬ 
infektionsanweisung vom 22. November 1888 abgewartet werden, 
vor allem sei aber eine genauere Morbididitäts- und Mortalitäts¬ 
statistik über das Vorkommen des Wochenbettfiebers erforderlich, 
denn die bisherigen Angaben darüber könnten als zutreffend nicht 
erachtet werden. 

In einer Specialdebatte der einzelnen Vorschläge des Vor¬ 
tragenden einzutreten, wurde von der Versammlung abgelehnt 
und nach Schluss der Generaldiskussion folgender von den 
H. Dr. Litthauer (Schrimm) und Dr. Wallichs (Altona) 
gestellter Antrag: 

„Der Verein preussischer Medicinalbeamten hält eine sorg¬ 
fältige, amtlich anzuordnende Statistik der Erkrankungen 
und Todesfälle im Wochenbette für dringend nothwendig“ 
mit grosser Majorität angenommen. 

Nach Schluss der Sitzung (2 Uhr Nachmittags) fand die 
Besichtigung der allgemeinen Ausstellung für Unfallverhütung unter 
sachkundiger Leitung des Herrn Ingenieurs Tesnow statt, nach 



Die iUu]><rvTr^i m mlung «ie* üiviiieinsdhetunteiiveroittsv %$£ 

•deren Beendigung «ifb die Mitglieder zji einem zwanglosen 
Mittagessen 'm tle.r Restauration dea AusbtdliuigsparkeK ver¬ 
einigten 

: . . ; 

Zweiter Sitzuxigstäg. \'..h ■$ , 

Bonno&tag, 4 $a 12 , September 18 S$ y ?otMtitag.s 0 Uha 

I 

Zum Entwurf des neuen Civilgesetzbuches vom gerichtsärztlicben 


Di ?..;vu H«eelberg (Stralsund); TJer 


Standpunkte aus. 



buelies für das • Deniseln? 

1.Aüsjnmchsveijdhrtmg,, 

% ßeHtimrouag#>v b^i d*nen .-./psychisch**- Mainente •• diuöfrAv * 

•■ gehend- sfed^l;'-"•*• ■ ' 

und tTnterijaJuwgsptiidit des nn- 

Rp-: oholidieu Vaters. 

Oie erste (Truppe, betragend § 150 pnA JS;/dee Entwürfe .>.• : 

greift reir» ve.miögeitsreeistiieb. bei dem Arzte ein-: und berührt 

_ l_ . „-i ■ AJ .. vjTH ..#L ’X A. -J J’•• A \ .' V--A. . -.- : i. • •.A -£i >. iA: \ '■ 'j "\ ' ■-£> *V ' •" * '.-ir ‘ ~ 


m 3 ttrnppeiir 





Oie beiden anderen Knippen Imriihre» uns (feriehtKärzte m 
JiervmT^gendei; Weise. K. : -• \ A V,-A': ! ;A;' ‘’A;A 

■ 0e>41Äm#udg8W v welchen psyeblöche Momente A : 

massgebend sind: 

Ipvanf bezieht) Aldi die 2-.V. -28 f Al—y l, 70g, 1440 bis 
1445 und 1739. Willetis - und G e- 

vsdliäftsfahigkejtr ; .V 

bür 



lwtfiab**' .und- üet ri^ . AAA 

Mit dieser FtiKsaug ist derlanggekegte Wimseb der (>ericlits- 



•:s \'.S: ->•'a '<•%{je :r<•»>’£ 
■ 






340 Die Hauptversammlung des Preussischen Medicinalbeamtenvereins. 


Auch Mittenzweig, Roth in Belgard haben sich für 
Aenderung des § 28 erklärt und der Aerztetag einen ebensolchen 
Beschluss gefasst. 

Der Vortragende ist für den Mendel’schen Vorschlag und 
schlägt mit ihm folgende Fassung vor: 

„Eine Person, welche wegen Geisteskrankheit nicht 
im Stande ist, für sich oder für ihr Vermögen ' 
gehörig zu sorgen, kann entmündigt werden.“ 

Eine dem entsprechende Aenderung müsste dann auch § 64 
des Entwurfs erfahren und ungefähr so gehalten sein: 

„Dasselbe (Geschäftsunfähigkeit) gilt auch von einer Person, 
welche, wenn auch nur vorübergehend, in einem Zustand 
von Bewusstlosigkeit oder krankhafter Störung der Geistes- 
thätigkeit sich befindet, für die Dauer dieses Zustandes.“ 
Ein weiterer uns Gerichtsärzte angehender Paragraph ist § 708: 
„Hat eine Person, während sie des Vernunftgebrauchs beraubt 
war, einem Anderen einen Schaden zugefügt, so ist sie hierfür 
nicht verantwortlich. Sie ist jedoch für den Schaden ver¬ 
antwortlich, wenn der Vernunftgebrauch durch selbst¬ 
verschuldete Betrunkenheit ausgeschlossen war.“ 

Mendel wendet sich gegen den letzten Satz, erinnert daran, 
dass Morphinismus und Syphilismus selbstverschuldet sein und 
auch Geistesstörung hervorrufen können. Er will neben Abände¬ 
rung des Ausdrucks „des Vemunftgebrauchs beraubt“ den Ab¬ 
satz 2 des § 708 ganz gestrichen haben. Die Selbstverschuldung 
bei der Trunksucht sei kein sicher nachzuweisendes Merkmal; 
nicht Jeder, welcher Alkohol geniesse, könne wissen, wie viel 
er vertragen könne. Der verschiedene Alkoholgehalt der Ge¬ 
tränke könne täuschen und sei es eine bekannte psychiatrische 
Erfahrung, dass zu verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen 
Umständen bei demselben Individuum der Alkoholgenuss sehr 
verschiedene Wirkungen hervorbringen könne. Die verschiedensten 
Gemüthsbewegungen, die verschiedensten Störungen de? Nerven¬ 
systems Hessen den Alkohol anders wirken wie vorher. 

Der Vortragende schliesst sich dieser Mendel’schen Auf¬ 
fassung an, ebenso mit Marcus der weiteren Forderung Mendel’s, 
dass, wie bei Geisteskranken und Verschwendern, auch bei Ge¬ 
wohnheitstrinkern die Entmündigung unter gewissen 
Bedingungen gestattet werde. „Die von den Irrenärzten 
verlangte Möglichkeit, einen der Trunksucht Verfallenen muss 
gewährt werden, nicht blos, weil er sich und Andere gefährden 
kann, sondern auch wegen des moralischen und finanziellen 
Schadens, den der Gewohnheitstrinker in seiner Familie ausübt.“ 
Der § 1739 des Entwurfs endUch sagt: 

„Ein Volljähriger, welcher durch seinen geistigen oder 
körperlichen Zustand ganz oder theilweise verhindert ist, 
seine Vermögensangelegenheiten zu besorgen, kann zur 

Besorgung dieser Angelegenheiten-einen Pfleger 

erhalten.“ 



Dk' ]^jt.u|;treraHUuüivHi^ $0 FVeusHisehe*i Modiciualbeiunt^uvereiiis. 341 

Zweifellos handelt es «ich in diesem Paragraphen um 
Geistesschwache, und Mendel stellt hierbei di»*. Sätze .««£ 
dikis sei tind 

dafis von alle» Geisteskrankeu es gerade, di« Geist^sschwaelieii 
si«4v welche ;tn> d?:ii^tm.d»step der V'ömmndjseha.ft bedürfen. Er 
will deshalb in diesej» Ihtra^-apli die Werter .yoUugeu oder" 
gestrichen hüben und die Oei-st^ssehwaeheif unter Vormundschaft 
gestellt sehen. 

Detjy.yortrag^^/.^laaht-.,.. dass .Mendel ißit seietf Aa-- 
stihftuttng Äeclil. hat und doas gerade^'die/Formen der Irafeiljifeis, 
der phmfUtia sesUiäi sich 'ss$t recht J^y^cClje 

Die §§ 11*10—144?« des Entwurfs, Welche von der Ehe- 
scheldung -handela, gehen mich der Ansicht Jos; V or trage »den 
die (JeritfiV&reta nichts an, da &> doch w$kl ' 

Juristen ist: zu befinden, ob eine Ehe wegen GeBt^skr&bkUeU 
des einen Tlieils m scheide» m . wh es das p,- L, R, Thl 0.. 
Tit 1 § M& f är 'Raserei mul W&tm&ijm zwlAsM, Wenii sfe über 
ei» Jahr ohne währscheMiehe HoöVuutg auf Xfessetung foridaner». 

Eheliche Abstammung und Ent erhftltüugspfHr.ht, dos 
uaehelichen Vaters. 

Per yorti'Äpßdh my$hnt zUu&ehsfc die bis heute' gesl fenden 
Bestimmungen des Preuss. L. Xi, des KhemldniHseimn vivilgesetz- 
bue]ie^ r des geftieiueit IfeeUtA and des /Gesetzes vom 

24, April 18Ai. 

An Steile aller dieser ftestiimmmgett oehnveu der § 1467 
des Entwarf eines bin gef Heben Gesowbuebes für in der Ehe 
geborene Kinder und der ;4 1-772 für traehellcha Kinder gleich- 
massig als Empläupi^zeir die Zeit vom 1dl bis zürn am), Tage 
vor dom Tage dev Geburt des'Kindes mit Eilisch hiss sowohl des 
18 K als des 300. Tages an. kv£;-'V 

ftlu Motiv« ^is dem | 1467 betonen, das«: die Aöaichthu ilhsr 
di« Empföngnispzcit nach dem jeweiligen Stande der .Wieaeu- 
sdtaft dem Weidbsel wntm worfeu seieri, d?t^ aber die gesetztkbe 
ihr* dien Juristen einen absoluten 

müsst' Per Umlaug dieser gesetgüchen- .Bmpfän^nisszvit sei in 
den ¥er,%*hiedöhe» 'Rechtem versiihjeden dem.'Ä 

tilg^vegelaiasß^e Em- 
pfUugiilsszeif die Zeit zwischen dem 2 l<>. und 2 k<*. Tage von der 
Gebürt ilm hfüideA angenommen; mit.;.Rücksicht aberd^;. 
Interesse dos Kindes und die Ehre der Ehefrau, und V- ?'oV 
der Familie drabe der •Entwurf 

AusdehrmiYg gegeben, dasH dieselbe Bolphe, ailerdiapi nur «eiten 
vorkotiimendv Fälle mit umfangt. In welchen ein Kl : schon ;,„ 
Aitfapge dtiS 7V bezw, erst am fönte d<& gehöret» wird.- 

' Gegen diese Paragraph*« d& «ad. •ge^eu die Mo-; 

sive hat he-anidors OUhänseryhdi uufgelelmt imd •• '.■ <ig\ 

1. Wenn man Athöien für lieben nehme, müsse i«?* 
der Einid^i^i|.ssäieit früheiy etwa auf löo Kis f6h://E$ 

" werden, A 



342 Die Hauptversammlung des Preussischen Medicinalbeamtenvereins. 

2. Wolle man die Lebensfähigkeit berücksichtigen, so müsse 
etwa der 195. Tag als frühester Termin gelten. 

3. Die obere Grenze der Empfängnisszeit müsse auf 320 
oder 328 Tage festgesetzt werden. Das Mindeste wären 
310 Tage und daneben für Wittwen die Zulässigkeit des 
Wahrscheinlichkeitsbeweises einer 320tägigen Dauer. 

Auch von der Berliner Gesellschaft für. Geburtshülfe und 
Gynäkologie sei eine Kommission niedergesetzt, welche die Fragen 
beantworten solle, ob es Fälle giebt, welche einer strengen Kritik 
Stich halten, in denen ein Kind vor dem 180. Tage oder nach 
dem 300. Tage gerechnet vom Conceptionstage ab lebend geboren 
werden kann. 

Der Vortragende führt die Ansichten der Geburtshelfer über 
diese Frage an, so die Veit’s, Sehroeder’s u. s. w. Nach 
diesen sei es zweifellos, dass ein reifes Band etwa innerhalb 
240 bis 320 Tagen nach der letzten Periode geboren werden 
könne (Schroeder). Aber gerade Schroeder sagt: „dass man 
die Häufigkeit derartiger Fälle nicht überschätzen dürfe und 
jedenfalls nur nach genauer Prüfung aller einschlägigen Ver¬ 
hältnisse eine derartige Spätgeburt annehmen könne.“ 

Diesen Ansichten der Geburtshelfer werden die Anschauungen 
und Aeusserungen der Gerichtsärzte entgegengestellt. So erklärt 
sich Säxinger mit den gesetzlichen Bestimmungen einverstanden; 
Hofmann führt allerdings verschiedene Fälle von Spätgeburten 
an, schliesst seine Abhandlung aber mit den Worten: „so dürften 
obige Bestimmungen (die bis jetzt gültigen Gesetze) das Richtige 
getroffen haben. Caspar-Liman endlich erklärt entschieden, 
dass Fälle von mehr oder erheblich verlängerter Dauer der 
Schwangerschaft (mehr als 300 Tage) nirgends durch genaue 
Beobachtungen festgestellt seien und eine derartige Annahme im 
concreten Gerichtsfalle unstatthaft sei. 

Der Vortragende ist der Ansicht, dass man folgend diesen 
Anschauungen der bewährtesten Gerichtsärzte mit den Fest¬ 
setzungen des Entwurfs sich begnügen könne, und schliesst mit 
den Worten Marcus’: „dass mit Sicherheit nicht festgestellt ist, 
dass durch diese Frist zu Unrecht ein Schaden entstanden sei.“ 

Die Diskussion bewegte sich ausschliesslich um die Fassung 
des § 28, die Entmündigung einer Person betreffend. 

H. Med.-Rath Dr. Siemens (Lauenburg) ist der Ansicht, 
dass für gerichtsärztliche Zwecke der umfassendste Ausdruck der 
beste sei. Er hält es dennoch für besser statt des Mendel- 
schen Ausdrucks „an einer Geisteskrankheit“ zu sagen: „an einer 
krankhaften Störung der Geistesthätigkeit“ und dem betreffenden 
Paragraphen folgende Fassung zu geben: 

Eine Person, welche an einer krankhaften Störung der 
Geistesthätigkeit leidet, kann entmündigt werden. 

Durch diese Fassung würde der genannte Paragraph auch 
die angeborenen wie die aus einer Intoxikation hervorgegangenen 
Geisteskrankheiten umfassen; jedoch dürfte es sich empfehlen, 
die Trunksucht in den Motiven noch besonders hervorzuheben, 



Die Hauptversammlung dos Preussischen Medicinalbeamtenvereins. 843 

desgleichen die in Folge von Syphilis entstandene Geistes¬ 
krankheit. 

H. Kr.-Phys. San.-Rath Dr. Wallichs (Altona) schliesst sich 
der Ansicht des Vorredners an und wünscht, dass besonders der 
Ausdruck „des Vernunftgebrauchs beraubt“ als ein sehr unglück¬ 
licher beseitigt werde, während 

H. Kr.-Phys. u. San.-Rath Dr. Kornfeld (Grottkau) den¬ 
selben lieber beibehalten sieht, da der Ausdruck „geisteskrank“ 
nicht auf Idioten angewendet werden könne. 

H. Stadtphys. San.-Rath Dr. Mittenzweig (Berlin) ist mit 
den Vorschlägen von Siemens einverstanden, glaubt aber, dass 
auch den Juristen eine Concession zu machen, ebenso wie es im 
§ 51 Str.-G.-B. geschehen sei. Der Begriff „Geisteskrankheit“ 
sei kein abgegrenzter und dem Richter daher noch zu motiviren, 
in wie weit die Geisteskrankheit den Vernunftgebrauch ausschliesst. 

H. MecL-Rath. Dr. Siemens (Lauenburg) glaubt, dass dies 
dem Richter zu überlassen sei. In dem betreffenden Paragraphen 
heisst es auch nicht „ist zu entmündigen“ sondern „kann ent¬ 
mündigt werden.“ 

H. Direktor des Reichs-Ges.-A. Köhler (Berlin) stimmt mit 
dem Vorredner in der Richtung überein, dass dem Richter be¬ 
züglich der Entscheidung über die Entmündigung volle Freiheit 
gelassen werden müsse. Andererseits sei aber die Entmündigung 
etwas so Wichtiges, dass die Grenzen derselben so eng wie mög¬ 
lich gezogen werden müssten und in dieser Beziehung erscheine 
ihm der Ausdruck „krankhafte Störung der Geistesthätigkeit“ 
zu weitgehend und es im allgemeinen Interesse wünschenswerth, 
in dieser Hinsicht wenn möglich engere Grenzen zu ziehen. 

H. Med.-Rath Dr. Siemens (Lauenburg) meint, eine der¬ 
artige Einschränkung könnte durch den Zusatz „dass die 
Person nicht im Stande sei, ihre eigenen Angelegenheiten zu 
besorgen“ erreicht werden. Es müsse aber dem Richter über¬ 
lassen bleiben, das aus dem Gutachten des Sachverständigen 
gleichsam herauszulesen, und daher könne er auch einen der¬ 
artigen Zusatz nicht empfehlen. 

H. Kr.-Phys. Dr. Litthauer (Schrimm) schlägt die sofortige 
Einsetzung einer Kommission aus der Mitte der Versammlung vor 
behufs Berathung einer anderweitigen Fassung des fraglichen 
Paragraphen und zwar unter Berücksichtigung der in der heutigen 
Diskussion laut gewordenen Wünsche und Ansichten. 

H. Reg.- u. Med.-Rath Dr. Rapmund (Aurich) hält einen 
solchen Zusatz, wie Siemens eventuell vorschlägt, für durchaus 
nothwendig; derselbe bilde gewissermassen eine Direktive für 
das von dem Sachverständigen abzugebene Gutachten, analog dem 
im § 51 des Strafgesetzbuches für die hier in Frage kommenden 
Fälle gegebenen Zusatz „in welchem die freie Willensbestim¬ 
mung ausgeschlossen sei.“ Der Richter werde sich doch niemals 
bei dem einfachen Gutachten, ob der zu Entmündigende geistes¬ 
krank sei oder nicht, beruhigen, sondern dem Sachverständigen 



344 Die Hauptversammlung dos Preussischen Medicinalbeamtenvereins. 

stets die Frage vorlegen, ob und inwiefern die Geisteskrankheit 
die Entmündigung bedinge. 

H. Kr.-Phys. Prof. Falk (Berlin) ist entschieden gegen einen 
derartigen Zusatz, ebenso wie H. Kr.-Phys. Dr. Schmidt (Steinau); 
gerade der erwähnte Zusatz des § 51 habe unter den Gerichts¬ 
ärzten keinen Anklang gefunden und sich keineswegs als zweck¬ 
mässig erwiesen. 

Der Litthauer’sche Vorschlag wird von der Versammlung 
nicht acceptirt; desgleichen findet eine Abstimmung über eine der 
vorgeschlagenen Fassungen des § 28 nicht statt. 

n. 

Bei der jetzt folgenden Vorstandswahl wurde der bis¬ 
herige Vorstand durch Akklamation wieder gewählt und hierauf 
nach Bericht der Kassenrevisoren dem Schriftführer Decharge 
ertheilt. 


m. 

Abänderungs-Vorschläge zu dem Gesetze vom 9. März 1872 
betreffend die Gebühren der Medicinalbeamten. 

H. Reg.- u. Med.-Rath Dr. Rapmund (Aurich): Die Erörte¬ 
rung der Tagesfrage ist eine heikle und auch eine nebensäch¬ 
liche im Vergleich zu der viel wichtigeren Frage der Medicinal- 
reform. Deshalb hat der Vorstand des Vereins dieselbe in den 
vorhergehenden Jahren stets von der Tagesordnung zurückge¬ 
stellt, so lange nicht die letztere einer gründlichen und ergie¬ 
bigen Besprechung unterzogen war. Nachdem dies aber im Jahre 
1886 geschehen ist, kann man auch den Nebenfragen näher treten, 
nur darf man dabei das Hauptziel: eine den jetzigen Ansprüchen 
der öffentlichen Gesundheitspflege entsprechende Stellung der 
Medicinalbeamten, nicht ausser Acht lassen. Selbst eine noch 
so günstige Aenderung der Taxe wird die Medicinalreform keines¬ 
wegs überflüssig machen; wäre die letztere den Wünschen der 
Medicinalbeamten entsprechend bereits durchgeführt, so hätte 
man vielleicht mit der bisherigen Taxe noch auskommen können. 

Nachdem Redner sodann einen kurzen Ueberblick von der 
Entstehungsgeschichte des Gesetzes vom 9. März 1872 gegeben 
hat, geht er auf die Nothwendigkeit einer Abänderung desselben 
näher ein, die sich schon dadurch dokumentire, dass selten ein 
Gesetz seit seinem Bestehen zu so zahlreichen nachträglichen 
Verfügungen der betreffenden Verwaltungs- und Justizbehörden 
und zu so häufigen Entscheidungen der Gerichtshöfe Veran¬ 
lassung gegeben habe, wie das in Rede stehende. Fast jeder 
Paragraph, insonderheit aber der § 1, hat sich bei der späteren 
Handhabung als ergänzuugs- bezw. erläuterungsbedürftig erwiesen. 
Dabei stehen sich häufig die Auslegungen der einzelnen Para¬ 
graphen, je nachdem sie von der einen oder der andern Behörde 
gegeben sind, schroff gegenüber und herrscht in dieser Beziehung 
auch zwischen den hier hauptsächlich in Betracht kommenden 



I>i*T de» Mod^iria]i>««mtei!vm'hi.«. 345 

Ressortn»hdstem (Cu I tos-, Justf z - und Land wirt-bseha’fts-IIinist er) 
kein« Beispiel« 

ErtellgeWieseU wird. 



vuti den «ach Massgabe desselben uQ^digeitllbt* 



M_ 

uüd häufig nur ilje noangeiiehnifc Folge hilf, die 
beüvftendeu Beamten wegen der ihnen (kraue m wachsenden' 
Oonisienöiv nul Ceineifele-. Sohni-Verfcianden etc, oder mit Privat¬ 
personen in ihren JüaxVsemnahFueii einptfimUieh zu .schädigen. 
Andrerseits sind etwaige Bestrebungen; die Sfell.img der Kreis- 
Physiker iliiecH Zuwendung grösserer ^portelHmmimien anfziv-. 


mit 



• die» X. B. dh J vorjährigen Mli#Uud:ije.)-i;ussi’ betreßs di*r Aufnahme 
vfut (irtnste^krankuii. in doti Pfivatfrrun^tmtaiteu uitil hutreftg dif 



allerdings nach Ansicht, des Redners nicht -gerechtfertigten Sturm 
der Entrüstung hetvivrgeltdlieri haben,' denn •■•durch die fraglichen 
Verfügungen kt. .nur ein in vielen 1 Bezirken bereits zu Kraft 
bestehendef- Verfahren sankfioiiirt worden: und keineswegs ein, 
$imu« geschaffen " 'h*m 

Auch di*’. Hiitn- veixchunicnui'. in dura Gesetze ansge wmf euer 


^fe'biihiviisatze kann hsrid mehr ah zoitgeniass «rächtet werden 
Schon tiei der Bbrntluwtg des. Gesetzes im Jahre l$f§ sind ii;t 
dieser Beziehung Bedenken laut, geworden; seitdem ist der Werth 
des Leidesno'dt mehr gesunken, dagegen sind die Ansprüche 
und damit die Arbeit. gestiegen, welche z, R.Vdii den ; M*iftcirmK ' 



ve)‘langt wcrdeu. 

. ^R^er/'-urwÄhtilv. CBdRfh wjeh. bl^.i|»-' ; Uubßl8tand bei dem ge¬ 
dachten (resrtze Den Mangel featatehUhder Gebührensätze für 
' .die itäiißg ^^i^rlc^hreüduh> ilitftf Jfatur nach giejehü 

artigen amtlichen Verrieb tungen wie Priiiüng ;• y#t - 

scbau-ni. Vorprüfungen von Möbainnren etn i)re C %e d.e/.m ist,.,.. • 
dass in dem einen Jieperungahezirk ei?i luid • ••• • 



der andeCq Jüeütunghiö verletzen. : / ' : ; f L AC 

c-li.-'c die ishithwendigkeit einer Abandon^ ;• . 
Lage durfte, daher kaum eine Ajemuii^HVörsclueeefdaer hg* 

\h ■ Ai- /;'*;i 'Jbh*)■ I■ WA*$>vf •;• *.•';• 'V..-v * >•-to,.- •• - /•.- -V,:. 




.JSCV 





346 Die Hauptversammlung des Preussischen Medicinalbeamtenvereins. 

schwieriger ist dagegen die Frage, nach welcher Richtung hin 
diese Abänderung zu erfolgen hat. Damit kommt Redner auf 
den zweiten, specielleren Theil seines Vortrages: auf die von dem 
Vorstande gemäss des vorjährigen Beschlusses unter Mitwirkung 
verschiedener Vereinsmitglieder entworfenen Abänderungsvor¬ 
schläge, welche der Versammlung heute zur Beschlussfassung 
vorgelegt sind und folgendermassen lauten: 

1. Dem § 1 ist bezüglich der Gebührenansprüche der Me- 
dicinalbeamten für medicinal- und sanitätsgesetzliche Ver¬ 
richtungen an ihrem Wohnorte eine bestimmtere und Ein¬ 
wendungen ausschliessende Fassung zu geben. 

2. Bei gerichtsärztlichen Geschäften ausserhalb des Wohn¬ 
ortes (§2 1) sind die Tagegelder und Reisekosten in 
derselben Höhe wie in allen anderen Fällen (§ 2 II) 
zu gewähren. 

3. Bei den in den §§ 3 und 6 vorgesehenen Amtsverrich¬ 
tungen sind, falls dieselben am Wohnorte der Kreis- 
medicinalbeamten stattfinden, auch die etwa veraus¬ 
lagten Fuhrkosten zu erstatten (Ausdehnung der König¬ 
lichen Verordnung vom 4. November 1874 auf alle 
Ortschaften). 

4. Die im § 3 No. 1 bei Abwartung eines Termins für 
Ueberstunden festgesetzte Gebühr von 1 Mark 50 Pf. ist 
auf 2 Mark zu erhöhen und sowohl für die Zeit zu 
gewähren, wo bei kürzeren oder längeren Unterbrechungen 
der Termine der betreffende Sachverständige nicht in 
der Lage gewesen ist, in der Zwischenzeit seine gewöhn¬ 
liche Beschäftigung wieder aufzunehmeu, als auch für 
diejenige Zeit, welche derselbe bei Abgabe eines münd¬ 
lichen Gutachtens vor dem Termine zu seiner Vorberei¬ 
tung (Aktenstudium, mikroskopische, chemische oder bak¬ 
teriologische Untersuchungen u. s. w.) aufgewandt hat. 

5. Für die Besichtigung und Obduktion eines Leichnams 
(§ 3 No. 4) ist die Gebühr ohne Unterschied, wie lange 
derselbe begraben oder im Wasser u. s. w. gelegen hat» 
auf 20 Mark festzusetzen. 

6. Die Gebühren für den vollständigen Obduktions¬ 
bericht sind unter Wegfall der darüber im § 3 No. 5 
gegebenen Bestimmung künftighin nach § 3 No. 6 zu 
bewilligen. 

7. Der Zusatz zu § 3 No. 6 ist dahin zu ändern, dass 
neben der für schriftliche, wissenschaftlich begründete 
Gutachten vorgesehenen Gebühr von 6—24 Mark eine 
besondere Gebühr von 2 Mark für die Stunde für den 
zur Vorbereitung des Gutachtens (Aktenstudium, chemische, 
bakteriologische, mikroskopische u. s. w. Untersuchungen) 
erforderlich gewesenen Zeitaufwand, sowie eine solche 
von 3 Mark für jede in der Wohnung des Sachverstän¬ 
digen aus gleichem Anlass vorgenommene Untersuchung 
einer Person in Anrechnung gebracht werden darf. 



Die Hauptversammlung des Preussischen Medicinalbeamtenvereins. 347 

8. Der Satz für Kopialien ist auf 40 Pf. für den Bogen zu 
erhöhen und in derselben Höhe auch für diejenigen Fälle 
zu bewilligen, wo sich der Kreismedicinalbeamte zur 
Reinschrift von sanitäts- und medicinal polizeilichen Be¬ 
richten oder Gutachten fremder Hülfe bedient hat, falls 
demselben hierfür nicht ein Pauschquantum gewährt wird. 

9. Der § 4 erhält eine Fassung, wonach dem bei der Be¬ 
sichtigung und Obduktion eines Leichnams zugezogenen 
zweiten Medicinalbeamten für den Bericht die Hälfte 
des dem ersten Gerichtsarzt zugebilligten Geldes ge¬ 
währt wird. 

10. Die im § 6 vorgesehene Gebühr für Vorbesuche ist auf 
6 Mark für den ersten derartigen Besuch zu erhöhen. 

11. Für chemische Untersuchungen (§ 8) ist nach Maassgabe 
des damit verbunden gewesenen Zeitaufwandes 2 Mark 
für jede Stunde zu gewähren. 

12. Wo irgend angängig, sind besonders bei den gleichartigen, 
häufig wiederkehrenden Amtsverrichtungen, z. B. Vor¬ 
prüfungen der Hebammenschülerinnen, Prüfungen der 
Fleischbeschauer u. s. w., die Gebühren durch festbe¬ 
stimmte Sätze im Gesetze zu regeln. 

13. Bei einer Abänderung bezw. Neufassung des Gesetzes 
empfiehlt es sich, dasselbe nur für die Medicinalbeamten 
unter Ausschluss der Veterinärbeamten zu erlassen. 

Die einzelnen Abänderungsvorschläge werden von dem Vor¬ 
tragenden eingehend motivirt. Bei Fesstellung derselben hat 
sich der Vorstand thunlichst innerhalb derjenigen Grenzen ge¬ 
halten, welche in dieser Beziehung durch die Reichs-Gebühren¬ 
ordnung vom 30. Juni 1878, sowie durch das Preussische Gesetz 
vom 24. März 1873, betreffend die Tagegelder und Reisekosten 
der Staatsbeamten, gezogen sind. Aenderungen, welche den hier 
gegebenen Bestimmungen zuwiderlaufen, müssen von vornherein 
als aussichtslos angesehen werden. Redner bittet daher die Ver¬ 
sammlung, bei etwaigen Anträgen diesen Gesichtspunkt stets im 
Auge zu haben und nicht zu weitgehende Forderungen zu stellen. 

In der darauf folgenden sehr lebhaften Diskussion, an welcher 
sich besonders die Kreisphysiker Prof. Dr. F alk (Berlin), Dr. Peukert 
(Merseburg), San.-Rath Dr. Meinhof (Pieschen), Dr. Herrmann 
(Hirschberg), Dr. Blokusewski (Militsch), San.-Rath Dr. Wallichs 
(Altona) u. s. w. betheiligten ergab sich im Allgemeinen ein 
volles Einverständnis mit den vom Vorstande vorgelegten Ab¬ 
änderungsvorschlägen. Dieselben wurden bei der Abstimmung 
fast einstimmung angenommen und nur insofern eine kleine Ab¬ 
änderung beliebt, als Nr. 5 den Zusatz erhielt: 

* Desgleichen für die abermalige Besichtigung und Zer¬ 
gliederung eines bereite früher secirten Leichnams,“ 
und Nr. 11 mit Rücksicht auf Nr. 4 gänzlich im Wegfall kam, 
sowie in Nr. 13 die Worte „Apotheker und Chemiker“ hinter 
Veterinärbeamten eingefügt wurden. 



348 


Dr. Friedländer. 


Nach Schluss der Sitzung (Nachmittags 2 Uhr) fand zu¬ 
nächst ein einfaches Mittagessen in Caffe Bellevue (Potsdamer 
Platz) statt und hierauf gemeinschaftliche Fahrt nach Potsdam 
und Besichtigung der dortigen städtischen Kläranlage (Birkner- 
Rothe’sches System) unter der liebenswürdigen und sachkundigen 
Führung der Herren Stadtbaurath Vogtt, Stadtrath Jähne und 
Architekt Peschgess daselbst 

Rpd. 


Die Hebammenprüfung im Jahre 1889. 

Von Kreisphy8iku8 Sanitäterath Dr. Friedlfinder in Lauenburg i./Pommern. 

Diese Prüfung bezieht sich zum ersten Male auf die Anwei¬ 
sung zur Verhütung des Kindbettfiebers vom 22. November 1888, 
und musste man bei dem geringen Bildungsgrade vieler Heb¬ 
ammen mit Spannung das Resultat, besonders dasjenige der Land¬ 
hebammen, erwarten, so einfach und leicht fasslich die Anwei¬ 
sung auch ist. 

Ich hatte einige Monate zuvor alle Hebammen des Kreises 
zu mir kommen lassen, hatte ihnen gezeigt, wie nunmehr ihre 
Schürzen, Nägel, Hände und Arme bei Ausübung ihres Berufes 
beschaffen sein sollen, wie sie Karbolsäure mit Wasser zu ver¬ 
mischen und auf Spülkanne und 2 Schüsseln zu vertheilen hätten; 
ich hatte ihnen dann die in der Anweisung vorgeschriebenen, auf 
Kosten des Kreises besorgten, neuen Instrumente einzeln über¬ 
geben und endlich Paragraph für Paragraph vorgelesen und er¬ 
läutert. Die Anweisung selbst wurde ins Lehrbuch geheftet und 
in das neue Tagebuch vorgedruckt, und wurde ihnen in jeder 
Weise zum Bewusstsein gebracht, dass ohne genaue Kenntniss 
der Anweisung nunmehr der Beruf einer Hebamme nicht er¬ 
füllt werden könne. 

Zur Nachprüfung wurden wie alljährlich ein Drittel der 
Hebammen und darunter solche vorgeladen, die vom Lehrinstitut 
das Prädikat „recht gut“ erhalten und sich auch in der Praxis 
gut bewährt hatten. — Sie sollten so erscheinen, wie es die An¬ 
weisung bei Ausübung ihres Berufes vorschreibt. — 

Sie kamen mit weissen, reinen Schürzen, die das Oberkleid 
vorn vollständig und dauernd bedeckten, Aermel und Nägel 
waren vorschriftsmässig und sie machten und vertheilten auch 
das Karbolwasser ganz der Anweisung gemäss, so dass an den 
praktischen Sachen nichts zu tadeln war. — Aber der theore¬ 
tische Theil der Prüfung fiel um so mangelhafter aus. — Schon 
den § 6 der Anweisung konnte keine einzige Hebamme richtig 
angeben, und der Inhalt und Unterschied von § 12 bis § 16 war 
allen vollends unbekannt! — Einige dieser Hebammen hatten 
selbst auch für die einfacheren Paragraphen kein Verständniss 
oder erlangten dieses erst, nachdem ihnen wiederholentlich 
Erklärungen gegeben worden waren. 



Die Hebaminenprüfung im Jahre 1889. 


349 


Meine Unzufriedenheit wurde noch dadurch gesteigert, dass 
ich in den Tagebüchern meist weniger als 60 Gramm Karbol¬ 
säure bei einer Entbindung notirt fand, obwohl ihnen die Säure 
vom Kreise geliefert und ihnen aufgegeben und gezeigt worden 
war, sofort bei einer Entbindung 60 Gramm zu verwenden. Der 
geringe Verbrauch der Karbolsäure wurde zwar dadurch ent¬ 
schuldigt, dass oft keine Schüsseln zu erlangen gewesen sein 
sollen (auch Mischgefässe und durchgekochtes Wasser soll oft 
nicht zu haben sein), aber sie wurden darauf aufmerksam ge¬ 
macht, dass wenn sie auch nur eine Schüssel hatten, sie dieselbe 
nach der erstmaligen Desinfektion noch gleichsam als zweite 
Schüssel zu den weiteren Untersuchungen hätten benutzen können. 

Ein so ungünstiges Resultat der Nachprüfung hatte ich nicht 
erwartet, wenigstens nicht von den besseren Hebammen. Sie 
haben alle die Prüfung noch ein Mal in diesem Jahre zu wieder¬ 
holen. — 

Aber ich glaubte auch dafür sorgen zu müssen, dass sie die¬ 
selbe, deren Gegenstand dann ausschliesslich die Anweisung zur 
Verhütung des Kindbettfiebers sein soll, endlich ein Mal bestehen, 
indem sie sonst laut Bestimmung unseres Herrn Regierungs¬ 
präsidenten keine Geldunterstützungen erhalten dürfen. — 

Ich gab ihnen daher sowohl zur Erleichterung der Re¬ 
petition als des Verständnisses folgende Belehrungen (die 
hier angeführt werden, weil sie zu demselben Zwecke auch von 
anderen Physikern gebraucht werden könnten, indem dadurch 
das Verweisen auf Paragraphen, welches vielen Hebammen das 
Verständniss erschwert, vermieden wird): 

Zunächst sind die ersten 10 Paragraphen einzuüben, von 
denen aber 5 nur das enthalten, was ihnen gezeigt wurde, 
und zwar: 


§ 2. Schürze und Aermel, 

§ 4. und 5. Die neuen Geräthe und ihre Aufbewahrung 
(Karbolsäure!) 

§ 7. und 8. Karbolverdünnung und Schüsseln, 

so dass von diesen 10 nur noch 5 Paragraphen übrig 
bleiben und zwar: § 1, 3, 6, 9 und 10. 

§ 1. enthält nur allgemeine Bestimmungen (Einschmieren mit 
Karbolöl genügt jetzt nicht mehr!) 

§ 3. Hände, Nägel und Vorderarme vor dem Fortgehen v 
Hause jedesmal mit Bürsten und Seife zu reinigen, 

§ 6. hat 7 Abtheilungen! und zwar: 

1) Die Hebamme versichere sich, dass sie bis Üf 
die Hälfte der Oberarme völlig entblösst blefljf 

2) sie wasche ihre Hände und Arme mit 
Nagelbürste, Seife and lauem, wenn 
durchgekochtem W 


mit / 

J 






350 


Dr. Friedländer. 


3) und trockene sie mittelst eines reinen Tuches ab, 

4) dann wasche sie ebenso die äusseren Geschlechts¬ 
und Nachbartheile der zu Untersuchenden, 

5) und trockne letztere mit Wundwatte oder Jute (nie 
mit einem Schwamm!) ab; 

6) dann besorge sie reines Lager und reine Wäsche 
und schliesslich 

7) wasche sie unmittelbar vor der Untersuchung ihre 
Hände und Vorderarme gründlich mit der Karbol¬ 
verdünnung, die noch nicht zuvor benutzt sein darf. 

§ 9. Nach der Geburt sind die äussern Geschlechtstheile mit 
lauem, vorher durchgekochtem Wasser abzuspülen und 
mit reinem Tuch oder Wundwatte oder Jute abzutrocknen, 
ebenso bei andern Waschungen der äussern Geschlechts¬ 
theile (z. B. in der Umgebung der Harnröhrenmündung 
vor dem Katheder einlegen und bei Darmrissen), 

§ 10. bei Ausspülungen und Einspritzungen ist nur Karbolver¬ 
dünnung zu gebrauchen (aber nur nach Lehrbuch oder 
ärztlicher Anordnung!) 

Erst nachdem diese 10 Paragraphen gut eingeübt waren, 
wurde fortgefahren: 

§ 11. hat 2 Abtheilungen, und zwar: 

1) Die Hebamme vermeide jede unnöthige Berührung 
von gewöhnlichem Wochenfluss, 

2) besonders aber vermeide sie jeden verdächtigen 
Wochenfluss, auch sonst eitriges, fauliges, wie Ge¬ 
schwür, todte Frucht und ebenso jede an einer an¬ 
steckenden Krankheit leidende oder verdächtige 
Person. Solche Krankheiten sind besonders: a) alle 
zum Kindbettfieber gehörigen Krankheiten: Kind¬ 
bett-, Faul- oder Eiter-Fieber, Gebärmutter- oder 
Unterleibs-Endzündung, und b) Rose, Diphtherie, 
Scharlach, Pocken, Syphilis (Schanker, Tripper), 
Unterleibs- oder Flecken-Thyphus, Cholera und 
Ruhr. 

§ 12. Hat die Hebamme aber dennoch sich der Berührung 
von gewöhnlichem Wochenfluss ausgesetzt, so hat sie 
sich sofort ganz so wie sonst vor der ersten Unter¬ 
suchung einer Kreisenden zu reinigen, und gebrauchte 
Instrumente eine Stunde lang zu desinficiren, 

§ 13. betrifft diese Berührung aber übelriechenden, fauligen, oder 
eitrigen Wochenfluss oder einen mit Eiter versehenen 



Die Hebammenprüfuog im Jahre 1889. 


851 


Gegenstand oder eine Person mit einer der genannten 
Krankheiten, dann ist nicht bloss ebenso wie vor 
der ersten Untersuchung einer Kreisenden zu reinigen, 
sondern ist noch die letzte Karbolwaschung minde¬ 
stens 5 Minuten lang auszudehnen, und sind Instrumente 
eine Stunde anszukochen und dann eine Stunde mit 
Karbol Verdünnung zu desinficiren; 

§ 14. und 17. betreffen die Kleider, und zwar: 

§ 14. sie zu wechseln, und 

§ 17. sie von andern zu sondern und zu desinficiren. — 

Der Kleiderwechsel ist erforderlich bei Aufenthalt der 
Hebamme in der Wohnung einer Person, die an einer der an¬ 
steckenden Krankheiten leidet oder verdächtig ist. — Zu 
diesen Krankheiten gehören die obengenannten, nur mit Aus¬ 
nahme von Syphilis (Schanker, Tripper), Unterleibs-Typhus 
und Cholera. 

Es bleiben jetzt schliesslich nur noch die 3 Paragraphen, 

§ 15, 16 und 18. 

§ 15. vom Physikus Verhaltungs-Massregeln einzuholen, und 
zwar: 

1) bei Kindbettfieberkrankheiten in der Praxis der 
Hebamme, und ausserdem noch 

2) bei Rose, Diphtheritis, Scharlach, Pocken, Flecken- 
typlius oder Ruhr eines Kindes oder irgend einer 
Person in der Wohnung der Hebamme, 

§ 16. bei Pflege einer Kranken, Hebammendienste nur im 
äussersten NothfaUe und dann auch nur nach Des¬ 
infektion des ganzen Körpers (womöglich im Bade) und 
darauffolgendem Kleiderwechsel zu versehen, und 

§ 18. Leichen und Sachen von Leichen nicht zu berühren, 
sonst Desinfektion des ganzen Körpers und Kleider¬ 
wechsel. 

Mit Hülfe dieser Notizen sollten sich die Hebammen die An¬ 
weisung zu Hause gründlich einüben, und werden sie dann vor¬ 
aussichtlich nicht nur die Nummern, sondern auch den Inhalt 
der einzelnen Paragraphen beherrschen. 

Wenn diese Hebammen dann aber auch den Anforderungen 
genügen, sagte ich mir, dann wird erst ein Drittel unserer Heb¬ 
ammen der Anweisung entsprechend handeln, während die 
Nachprüfung des letzten Drittels, nach 2 Jahren wahr¬ 
scheinlich der diesjährigen ähnlich sein und dann noch 
zeigen wird, dass keine der betreffenden Hebammen bis¬ 
her die Lehren der Anweisung habe befolgen können, 
weil sie sie nicht verstanden hatte! — 



352 


Dr. Tacke. 


Ich glaubte daher dagegen handeln zu müssen, und bean¬ 
tragte, unter sachgemässer Begründung der Gefahren der Ver¬ 
zögerung, beim Kreisausschusse, einer jeden Land-Hebamme des 
Kreises eine Prämie von 30 Mark auszusetzen, falls sie noch in 
diesem Jahre die Prüfung in Bezug auf die Anweisung zur Ver¬ 
hütung des Kindbettfiebers vor dem Physikus bestehen würde. 
Es wurde dem Anträge gemäss auch beschlossen, und werden 
voraussichtlich alle (?) Hebammen des hiesigen Kreises, wenn 
auch zum Theil erst nach mehrfacher Wiederholung der Prüfung 
resp. Belehrung, wohl spätestens 1890, die Antiseptick bei 
Entbindungen so weit anwenden, als es die Anweisung verschreibt 
und es unter den ungünstigen Wohnungs-Verhältnissen von armen 
Tagelöhnern möglich ist. 


Wenn ich nun, nach den gemachten Erfahrungen von dem 
geringen Fassungsvermögen der Hebammen frage, ob die vielfach 
vorgeschlagenen Reformen des Hebammenwesens, welche bedeu¬ 
tende Kosten und Mühen verursachen würden, die vorhandenen 
Mängel, und ganz besonders diejenigen des Hebammenwesens 
auf dem platten Lande, zu verbessern im Stande sind, so 
glaube ich doch entschieden Nein sagen zu müssen. — Denn mit 
der Steigerung der Anforderungen wird die Zahl der Hebammen 
in kleinen und armen Dörfern ab- und die der Pfuscherinnen 
z unehmen, und werden alle diejenigen Hebammen, die eine Nach¬ 
prüfung in einem Lehr-Institute nicht mehr bestehen, nicht ein¬ 
fach von der Bildfläche verschwinden, sondern sich in das ziem¬ 
lich geschützte Lager der Winkel-Hebammen flüchten, in welchem 
jede Controle aufhört. 

Wir haben hier leider schon Erfahrungen dieser Art ge- 
gemacht; die von uns für unbrauchbar befundenen und daher ab¬ 
gesetzten Bezirkshebammen blieben in der Praxis, und die Zahl 
unserer Hebammen hat nur deshalb in den letzten Jahren abge¬ 
nommen, weil ich diejenigen Personen, die sich zur Ausbildung 
meldeten, auf ihre Vorbildung und Begabung näher prüfte und sie 
für ungenügend erachten musste. — Personen mit einem höheren 
Bildungsgrad verschaffen sich leicht eine andere, bessere Exi¬ 
stenz, als diejenige einer Landhebamme ist. 

In Bezug auf die jetzt vorhandene Einrichtung der Nach¬ 
prüfung eines Drittels der Hebammen (die wohl alljährlich auf alle 
und jährlich auf einen anderen Abschnitt des Lehrbuches 
sich beziehen müsste, so dass in einer bestimmten Zeit das 
ganze Lehrbuch zu wiederholen wäre), bemerke ich nur, dass wir 
Physiker schon jetzt das Recht haben, diejenigen Hebammen, 
deren Wissen oder Verhalten den Anforderungen einer Nach¬ 
prüfung nicht genügt, in vierteljährlichen Pausen so oft zu citi- 
ren, bis die Nachprüfung endlich bestanden ist, also die be¬ 
obachteten Mängel und Lücken möglichst beseitigt sind. 



7iiu An* &rawW w r*fj* h ȣ kiS* ruivh V^tlf4:um^. &VJ 

Zur Cäsülfttik der Erwerbsunfähigkeit nach Verletzung, 

V^ain '55)iX)\-tSl^isitfa l)r, fVttHsjdtyükns in Wmad. 

f *•' < • V * S . l •,;( a’jf.'i 

Wie; der Aä^tisdieitr i?ytl, efgcbefe wird* betiu- 

ilen sieb uSchf an der innere« H a n«l f 1 Seh «.-4er- K 0 £,; IfoUI- 

hft»4 oftäf dem Handteller S ( fIanHiJu 1 m strbeti, sondern 
dieselbe« befinden sinh anf detn Kfielcenäer linken Mitte thnnd, 
sin»! geräti0Tigig>ter Art mul sanunUich vollständig vev- 

schieb) ich, kfmum also naturj^mäss, da sie nicht. wie Herr 

■£&$& nngseht, in Ufer Hblilhaudi somlw'n aiü' dein Handrilekeh 
Hegen umt mit Seimen oder Knochen nickt verwachsen Rind, 
die; l^t^ög^fölugkeit tüid Brauobbarkeir der Hand in irgend 
einer Wren* nicht behindern oder überhaupt Beschwerden irnichen. 
Wesentlich anders läge die Satihm wenn sieh die erwähnt#» 8 
Hatiptruitben in der .Bohlhand wirklich befanden, Wo sie durch 
den m er leidenden fhuckadfimenzbait und so $«r BfAtibk- 

havkait hinderlieh werden komiten; Die beiden kleinen Verschieb- 
licUen |fc d$r Bphlligüd liegen und ganz glatt 

and ^er^bi^HJiBk sind* scheint Herr' jh\ T, übersehen zit haben, 
wenigstens sind dieselben in dem Gutachten rächt erwähnt. 

Die Bauptnarbe, welche «ich zwischen Hing- und % Finger 
beßndar. iheiH sich nicht gabelig nach dem Handrikken und 
der BoMhaad, sondern um» nach letzterer hin und zwar geht 
dieselbe bis kr,um in die HohlUänd hinein, die ihrwegliohkeit des 
Gelenkes; zwischen h und 5. Finger fet durch dieselbe kaum ge- 
Äflö’tt im Vergleich zum stdhen Gelenk, der rechten Hand. I»m 
bedeuterrsie Narbe soll sieh aber nach Herrn Pr. T. ca? der 
i.nobren iiiAsn Daumen; Seite dicht oberhalb des linken Hfthdge- 
lejsks belindejn dieselbe ist angeb lieh 2 .cm breit. thciU aich 
nach oben gnhHg, ist 5 cm lang und «mg «ah gort, d. h. yffe 
wgcMgu- Dieselbe ist nun in wie man tn|t 

blossen» Auge mühelos sehen kann, nicht 2 rrm umniev« 2 3 «Mit 
breit, nicht ö cra, sondern nur 2 CHI lang Und ebenso wie dir in 
fast gleicher Höhe und parallel zu derselben s.uccessive buch der 
inneren KleiuftÄger»e|te m liegenden ■ ; = -.c-e ; - - •. • . 

linieuformiger nicht ' gabliger Bf -■■ di 

' • 'sidjicblich und nicht etwa mit den d;»ftit»bg !iog*"i;h>« 
gaiiCi». Sehnen und Knochen verwach :v,i 
liegen in der Längsriciitsing und hiebt etwa •> 

} u ittung des Gliedes, was wehi beim i 1 ,' . •■ •>>■••• . • 

Da Herr Df, T bisher von ukht 
evwähräbk,%*rbe'n ;,^p^|i^e:Dlifaglbt : m» gesjliy 

muss üfovi wohl .uniGurtek’i, dass er t.tic wirkHeb 
wbiab • Öh.bfttii<5hbäfk«if, 'ü*f ciiiikeh /fhßd auf ite 
digelt Narben zurückfähn. Ich entluG; wie •' 

um du der Hand des Berichtes weiter gu 

f'j Ahihi-rk.nU}' Zur KrDjTvrvm^ ‘liews •’.'•■ *•.« vü^fj^ 

Ivlage biaraute |icchtsatii^ü.i,t den t Kil ‘'0$$ 

•im (*.i>hrd.if.cEswn.RibI^keh- der:-Kund- weiHfatefiten Ii.rig;kf 
Oileimr sitih auf alle Ver*ifa!feltt>t»Äjf..''dar: e; x %»$, ' 





354 


Dr. Tacke. 


Der kleine Finger der linken Hand steht im Gelenk 
zwischen dem 1. und 2. Gliede absolut unbeweglich in einem 
spitzen Winkel. Die absolute Unbeweglichkeit ist unbestreitbar 
und nicht etwa durch die vorerwähnten, sondern durch die an 
diesem Finger selbst befindlichen tiefen mit Sehnen und Knochen 
verwachsenen Narben sowie durch den theilweisen Schwund und 
die Verwachsung der Gelenkknorpel selbst bedingt. Was in¬ 
dessen die Stellung des Fingers im spitzen Winkel betrifft, so 
entspricht diese Angabe abermals nicht der Wirklichkeit, wie 
Jeder ohne Weiteres (und so auch der p. R. selbst zuge- 
standenermassen) sieht. Der Winkel ist genau ein rechter und 
in dieser Stellung nicht in dem Masse hinderlich als wie in der¬ 
jenigen eines spitzen Winkels. Das 3. Glied des 4. Fingers steht 
mit dem 2. Glied allerdings in einem leicht stumpfen Winkel, 
jedoch ist dasselbe nicht etwa unbeweglich, sondern passiv be¬ 
weglich, wenn auch in mässigem Grade. Diese Stellung ist be¬ 
dingt durch die stattgehabte Verletzung der Fingerspitze, die eine 
Entzündung des Gelenks und bleibende Verdickung desselben von 
0,25 cm im Vergleich zu rechts zurückgelassen hat. 

Es können ferner nicht sämmtliche 4 Finger der linken 
Hand, sondern nur die 3 mittleren augenblicklich nicht ganz 
vollständig gebeugt werden, der Daumen, und dies ist wohl zu 
bemerken, konnte bei der von mir am 29. Oktober 1888 vorge¬ 
nommenen Untersuchung mit seiner Spitze activ bis an den 
Handteller gebeugt werden, er ist im 2. Gelenk bis */ 10 der 
Norm activ beweglich. Die Spitzen der 3 übrigen Finger bleiben 
nicht etwa 3—4 cm, sondern nur 1,5 bis 2 cm vom Handteller 
entfernt. Diese nicht vollständig genügende Beugestellung ist 
zum Theil eine Folge der bestehenden Verwachsungen der ober¬ 
flächlichen und tiefen Beugemuskeln unter sich und mit den 
Knochen, zum Theil eine Folge der durch den Nichtgebrauch 
der Hand entstandenen Muskelschwäche. Hätte der p. R. den 
ihm meinerseits wiederholt und dringend ertheilten Rath, die 
linke Hand so viel wie nur möglich zu gebrauchen, befolgt, so 
hätte sich das Ergebniss der mehrere Monate hindurch persön¬ 
lich fortsgesetzten electrischen Behandlung nicht wieder etwas 
verschlechtert, sondern stetig gebessert, wie man dies bei intelli¬ 
genten und gutgewillten Patienten fast regelmässig sieht. Wenn 
nun Herr Dr. T. den bei seiner Untersuchung vorhandenen Druck 
mit der linken, verletzt gewesenen Hand kaum auf */,„ desjenigen 
einer mittelkräftigen Mannesfaust bezw. der rechten Hand des 
p. R., welche durch den fast ausschliesslichen Gebrauch der¬ 
selben sehr kräftig geworden ist, berechnet, so muss ich dieser 
Schätzung entschieden widersprechen. Der Druck mit der linken 
Hand, der niemals gleichkräftig ist wie der mit der rechten, be¬ 
trägt nach meiner Schätzung nicht */ 10 , sondern # / 1(l bis 7 / 10 der 
normalen linken bezw. rechten Hand. Im Uebrigen ist bei dieser 
Schätzung nicht ausser Acht zu lassen, dass der gute oder böse 
Wille des p. R. ein beträchtliches und schwer controlirbares 
Mittelglied bei den Beugungen der rechten, sowohl wie der 



Zur Ca^ai-Uik der ErwerbdüntÄlugkoit uadi Verletzung 


3&5 


linken. Hand biUet, insuler« derselbe bei Prüfung der reckte» 
Hand das AOeräusserste leistet,: -währe»'! w bei. derjenigen der 
linken geÖisRentiißli hinter Zttißckbföht 

Was Herr DiteTi bis zmiFAlisätzauf S, e 3er -JBerutüngs- 



werbsuniähig gehalten werden, da er nicht; im Utende sek 
alte, solche Arbeiten, 2» denen zwei. völikfäft jjre HAmlo ge- 
Uhren. in y ul lern' Masse riiüi XUnfftttgr d. h. suur Hvn Tneii: zü 



brauchsiähige Finger,, -las macht. önachsmenü weiter gar keinen 
Unterschied aiss 

Wie gtt'U und '.Metier dev 3*. ft. mit der linke» Hand eine 
Nadel; fassest und halte», drehe« »ad wenden kamt, das «u zeigen, 
war 4 ; hoiteüOi'ih »oph. finden. Rö sei hier 



kurnrneili , gleich isl. Deir '■'$■, : 'M. schien selbst erstaunt, wie gilt er 
derartige Haudrimgeu ausfuhre» 

Der folgende Absaig der Berüfnügssehrift ans obige« Grün¬ 
den tva. a^ fällt in sieh selbst zusammen. Wenn es auch in 
eiözelhen Fällen• vdrkuuuu.t, dass schwer verletzt gewesene Glied¬ 
massen mehr als gesund« ufttet der'^ FSawirkung der Kälte 
leiden, bezvn durch die erhöhte EmjmmLljehkeif gegen nieilrlge 



veiiig begründet 

bewiesen. 

Zur lUlken 



ebendaselhvit aöi linken Unterarm . 
rechts in der Mitte 




356 


Dr. Tacke. 


rechts dicht oberhalb des Handgelenks. 

links. 

rechts über der Mitte der Mittelhand ohne Druck . . 

links. 

rechts über dem Mittelhandknochen des Daumens . . 

links. 

rechts 1. Glied des Daumens. 

links. 

rechts 1. Glied des Zeigefingers. 

links. 

reckts 2. Glied. 

links. 

rechts 1. Glied des Mittelfingers. 

links. 

rechts 2. Glied. 

, links. 

rechts 1. Glied des Ringfingers. 

links. 

rechts 2. Glied des Ringfingers. 

links. 

rechts über den Mittelhandfingergelenken. 

links. 


16 

cm 

16 

V 

21 

yy 

20,25 

yy 

22 

yy 

21,5 

yy 

7 

yy 

7 

yy 

6,75 

yy 

6,5 

yy 

57a 

yy 

57, 

yy 

67s 

yy 

67* 

yy 

67* 

yy 

67a 

yy 

6 

yy 

6 

yy 

57, 

yy 

57 8 

yy 

20 

yy 

197* 

yy 


Der an verschiedenen Stellen hierbei sich zeigende geringe 
Unterschied entspricht den natürlichen Verhältnissen, unter denen 
der linke Arm und die Hand immer etwas schwächer sind als 
die rechte obere Extremität. 


Ab- und Adduktion vollständig frei wie rechts, Beugung wie 
rechts, Ueberstreckung im linken Handgelenk nicht ganz so weit 
möglich wie rechts, Pronation wie rechts, Supination um ein Ge¬ 
ringes hinter der rechten Hand zurückbleibend. Die rechte Hand 
fühlt sich gerade so kalt an wie die linke. 

Nach den vorstehend gemachten Darlegungen hält sich der 
Unterzeichnete für verpflichtet, die Erwerbsunfähigkeit des p. R. 
mit 15°/ 0 wegen der Winkelstellung des kleinen Fingers abzu¬ 
schätzen. Was die etwas geringere Brauchbarkeit des 3. mitt¬ 
leren linken Finger angeht, wie sie nach der Untersuchung vom 
29. d. Mts. augenblicklich noch vorliegt, so hätte dieselbe längst 
ausgeglichen werden können, falls der p. R. sich inzwischen mehr 
mit der linken Hand beschäftigt hätte; diese geringe Brauchbar¬ 
keit ist mit 5 bis 10°/ 0 vollauf entschädigt. 

Es hängt lediglich von dem Willen des p. R. ab, dieselbe 
durch flei8sigen Gebrauch der Hand oder durch Fingerübungen 
auszugleichen, bezw. zu beseitigen. Da die Verwachsungen 
zwischen den Beugemuskeln unter einander nicht so derber 
Natur sein können, als dass sie den Uebungen nicht alsbald nach¬ 
geben sollten. Die electrische Erregbarkeit der Unterarmmus¬ 
kulatur ist vollständig normal. gez. Dr. C. 


W., den 30. Oktober 1888. 





















Zur cter /Eru'c>t*Uf;unfölj%teit nat$ VoH^tÄnng. 357 

W.. de« 10 Kovember 1888, 

Entgegnung 

Anä, : KÖt|igU■ .Kurtteiih^isiV:'^ Dr. T auf -da? Gutm\hteq des Stahs- 
' aretea Herr« J)r. V. vom • 80. Oktober 1888. 

Da.« Gutachten de* Herrn Dr. (. lmnde.lt zunächst' Uber 
meine .angebliche. Vonreehslüng der -Häuinarhcn an der inneren 
toi» denen hü der {inneren Fläche der Hand. Ob dieselben 
Utt£ ]&#&$. V sVeii)r-rseits oder des Dopistön beruhen. 

Will ich nicht;;■; et>tscfe^j[iifeib ; da ich nur mehr eine Abschrift 
von meinem Origlnnl|aLachtr*n besitze. Diese Hautnarben sind 
aber ohne all?* Bedeut ütig Und selbst einem Laien ist die Vpr- 
weeiiselüug sofort erkenuföir. Ich erkläre hiermit, dass alle Haut- 
nHeben an der Hand und sbtbst d|e an der Ulnar - Seite der 
vorderen dicht über dem Handgelenk gelegene« Fläche des 
Unterarms, und mit den Htderliegeiulgw Sehnen und Muskel?! 
leidit vcrwachsöflo und darum bei Bewegung dor betr. Tbette 
«Ich eioziebende» Narben ohne alle Bedeutung fiu tlie Folgen der 
UerietajiDg Und reäp, de# däntacb ehtstandeueij • Fiitiüiidimg sind, 
Me' Angaben, welche Heit Dr. & libdr die von ihm vbrge« ; om- 
lyiessiujgeTi und die £&£$; d^j^itättnarhe'ii. macht,. ei^eheimm 
mir deshalb, in der.Sache selbst ohne jede Bedeutung und irgend 
welche- Folgen laeseu sieh hieraus nicht ziehen 

Nur das wenige, was .Herr Dr. V. am Schlüsse weine» f?«t;ie.hhm>- 
•?$*#. die .tblgeiischwcre Zelfgewebseniziindiiirg '.gesagt hat gehört 
löbriieri Bert Dn t-t leitet dieselbe folgendermasstm .ftte-;;' 

■'^^tmächäF -l^erkb ich. dass die .urügröngHche'.^bHöifettiiig ; - 
w. dt'c' L wi(l b. Finger der linken Hand betroffen hat und 
d?»ss bei dem u?e^gl>Ai:eB und nicht zif beseitigenden jahrelang in 
de« obersten Häufschichten aufgespeißberteu Schmutz einer 
Arbeiterliaiid. Von ditvsetii Foorl.etzritig.en an» alsbald eine infektiöse 
Entzündung schwerster Art ausgiug, welche im Dmsöhen dtm 
ganze« Arin bi» za}' A<'hseIli?ihie erg7'itl‘iui hatte '* 

■ - Iph bemerke hierauf das*. wenn eine solche Entzündung des 
zwischen. alle Bestaudtheile der Hand- und des Unterarm» sich 
liiöeinschiebcnden Zellgewebes Vorgelegen hat und diese Entzün¬ 
dung, wie Herr Dr. <,’. sagt, schwerster Art. gewesen, ist, eine, 
«ol ehe Ewizund an g i uv luev — nnd liier ist das aiigeaschemlich 
<ior Fall • • ' T;; -■ '• . Hm-i 

rücke« • mel '- m geb#<neit: ’>edtnett der. '.0^*U 

gelenke • . < ■ - ..--j.-L .-i v.^_*;>h /oiL ^-nr^em- ; ••>•;>••/•■: . 

sowie de? .* 

(Ihei-zerigen keim ein.- JwlItrAti'iO d.x 

gew'ebes vvei ; harter. nyrbiger Uesisienz 

durch ^tekwirkung auf die z yr»*»'tm« : os JP- 

fibrösen Gebilde tj**i tLüjii und dev Aiv; • 1 

und Muskeln alimäMjg dmeH \SöHcite(tuUff]>-. 

seht, ah Hnmu -V/c : 

Wildebharetit ■'rheih* ünn e« n«riiei’0!deiti11*:U >:*? 




358 


Dr. Tacke. 


nismus der Hand lahm legt. Die letztgenannte Störung ist in 
noch stärkerer Weise in unserem Falle durch die zugleich mit 
der Zellgewebsentzündung eingetretene Sehnenscheidenentzündung 
hervorgebracht, was man in der geringen Verschiebbarkeit und 
Verdickung der auf dem Handrücken und im Handteller in ihren 
Scheiden verlaufenden Sehnen erkennt. Der glattwandige Kanal, 
in welchem sonst die Sehnen mit Leichtigkeit hin- und hergleiten, 
ist durch die Produkte der Entzündung mehr oder weniger zum 
fest angehefteten starren Strang geworden, welcher die Bewe¬ 
gung im hohen Grade erschwert. 

Ich muss deshalb fest auf meinem alten Gutachten bestehen, 
insofern es die Folgen der Verletzung und der darnach aufge¬ 
tretenen Zellgewebsentzündung schwerster Art (siehe Gutachten 
des Herrn Dr. C.) anbetrifft. Die wichtigsten Funktionen der 
Hand, wiederhole ich hier nochmals, als da sind: das Ergreifen, 
Festhalten und jene so mannigfachen combinirten Bewegungen 
ihrer Finger sind bei dem p. R. in dem Grade beeinträch¬ 
tigt, dass ihm die Hand dadurch im Wesentlichen unbrauchbar 
geworden ist; er kann die Axt und Säge nicht mehr führen, 
schwere Holzstücke nicht mehr handhaben, er kann sich beim 
Besteigen eines Gerüstes nicht mehr mit der linken Hand fest- 
halten, er ist selbst nicht mehr im Stande gewöhnliche körper¬ 
liche Arbeiten zu leisten, die jeder Arbeitsmann auszuführen hat; 
er kann nicht Lasten tragen und heben, weil er mit der Hand 
nicht fest zufassen kann, er kann keine Karre schieben, nicht 
einmal einen Besen führen u. dergl. mehr und wird auch zu 
solchen Arbeiten voraussichtlich entgegen der Ansicht des Herrn 
Dr. C., niemals die Hand wieder gebrauchen können, indem die 
von Herrn Dr. C. angeführten Heilmittel, Uebung und Electrici- 
tät, die nur auf Muskeln, nicht auf Verwachsungen wirken, er- 
fahrungsgemäss wenig nutzen. R. wird nicht im Stande sein, 
irgend ein Handwerk zu erlernen, da sämmtliche Handwerke, 
wenn sie nicht eine energische Kraftwirkung beider Hände er¬ 
fordern, wie das Zimmerhandwerk, zu ihrer Ausübung gerade die 
geschickte Benutzung der Finger voraussetzen. 

Zum Schlüsse gestatte ich mir noch auf einige zum Theile 
bereits im Laufe dieser Entgegnung erwähnte Irrthümer in dem 
Gutachten des Herrn Dr. C. zurückweisen. 

1. Herr Dr. C. behauptet, dass ich die Schädigung der 
Hand allein von den Hautnarben abgeleitet habe. 
Hierauf muss ich erwidern, dass ich an verschiedenen 
Stellen meines Gutachtens ausdrücklich betont habe, 
dass die schweren Folgen für die Brauchbarkeit der 
Hand allein oder doch in ganz hervorragender Weise 
aus der Zellgewebsentzündung, welche nach Herrn Dr. 
C. schwerster Art war und bis zur Achsel hinaufreichte, 
in der darauffolgenden Eiterung und der Verwachsung der 
Sehnen mit ihren Scheiden und in der Narbenbildung in 
dem die Sehnen und Muskeln umlagernden und verbin¬ 
denden Zellgewebe bestanden habe. Nur eine Hautnarbe 



Mur Tutfüfctfc <Lor Ervvovi^UHlrtliigkcii fl.ioii V,ir'«atsuiug. — Reihrat*. 35» 

macht davon eine Ausnahme, n&rajiiek die am unteren 
Tlidlc des Dnterarmist, welche bereits erwähnt ist. Die 



je&n alle schlimmen 
Folge« iur die Brauöhbatkojf der Hand nur von den 
.Hautnarben her, so fei diese Annahme tliatsächüeb un¬ 
richtig ' Bemerket will ich indessen dass ich It vorher 
nie gesehen mid von seiner Krankheit und Verletzung 
üibhtu gewagt habe, kk führte die Haut narben nur als 

Beweis dafiir auydass er *» einer ZpH^uw'ebsenUdndUHg 
gelitten haben tdifeste, deren Eiterprodukt durch Eihr 
schnitte au den' WireßV-uden Stellen, bk zu Welchem 
^i|^|l|fe^^^#i|p^fjöj^UögrA'orgedrungött sein musste, 
entleert, sei, 

‘ a. Eier spitze Winkei des kleinen Fingfers des p. 1h besteht, 
wie der Ao^etfechein ergeben wird, bei riiddignr VfessMug 
und so lange er nicht durch passive Streckung zu einem 
. rechten ergänzt wird, in der Thal. ;;. V:/.; 
ich glaube durch vorstehende Entgegnung dem Gutechtea 
des Herrn I)r. C. meine rein such liehe Ä »sieht gegen über gestellt 
zu habet}. gez Dr. T, 

t Fortsetzung folgt.) 


Referate. 


sin 


Oie Verbreitung des Heilpersonais, der pharmazeutischen Anstalten 
pharmazeutischen Personals im Deutschen Reichel “ 


arbeitet im Kaiserlichen Oesimdheitsamto. BcrMa-; 
Verlag von Julius Springer. 

Am l. April lf^7 haben im 'gjiMäii Deu) *t>h on Reiche Erbfeb.thgah tihbr JK 
Zahl -kr Aorzte {eimo hh der Dbindfirztci, Hebammen, Heilgolüilhyu. ferner übor 
ylure KrmikC)fi|*fl.c , go- upfl )ia« nicht approbir.te, dis Hcijkinifd gcA^rhenjVfsig 
uo-übeiro'io fViOonal, endlich über die 2fcbi der Thietüiv.lo, Apotheken wo« 
[datrtoazOtdiHeheii Fenmuen stattgefumbm. Pie Ergabuissiv rtieHor Aufnahme 
Svifiii vom tftViaoriieheD tks'uPdbßit«A»jk* in einer mit S UeberäichtHkvi.rt.on Vör- 
sohonen Arbeit VferötthntRcht.. jfeu Tabellen ist eine Bcapreehiiug Vomnßtechiebt. 

•• v.•.!){».. tlesa.mmteibl ÜtA approbirten, in tlmn» Berufe thtttign.it 
Aorzte belief *Wt im Deutschen Reiche auf lii&24, danmtur HASS Cfeilfirzte 
und, l&fe IJIb&ärzte; von ersteroh Waren 581 in und fttr Art- 

• j cDc.-' ■ l .; < •._ i _* l . . - -T- jii - . wß» - r. ■? l » .'-i •» , l 



, ergfmcfl- püt • rtÄf vorigem, 
l«ög. VOib Jahre 1876 hat die Zabl der A «rate bftrAchtßch zugVnömtheu, und 
o*n ?6.a %< während Apb pifenl{i^^gv.:'}i^\cing«dt}ir a»t- 
spröcheiiäßit ZtdtraOme iuu- tlio lll : 0 /„ wueln». fnde-ww» lws^fettnltt« i?ich ’die 
Vemuihrtlnß auf <iie CT ; lH«*»rtin Vtctuiiuiden qöt. 5000 und tftöhr KinWohnoro, in 



der Aev»te ttfe in xkh.'vestjichou be*>bac.ht<;t WordIhn. 



360 


Referate. 


Für die Aerzte der Landstädte (d. h. mit weniger als 5000 Einwohnern) 
und Landgemeinden ist der räumliche Umfang der ärztlichen Thätigkeit 
in Durchschnittszahlen für jeden Bezirk berechnet. Darnach hatte die Land¬ 
bevölkerung in den 6 östlichen Provinzen Preussens und den beiden Grossher- 
zogthümern Mecklenburg durchschnittlich den weitesten Weg zum Arzte zu¬ 
rückzulegen, den kürzesten in Waldeck, Reuss j. L., im Königreich Sachsen 
und in Baden. Innerhalb Preussens wohnten die Aerzte kleiner Gemeinden 
am dichtesten in den Regierungsbezirken Wiesbaden und Köln, am weitesten 
von einander entfernt im Regierungsbezirk Köslin; dort kam auf 42, hier erst 
auf 425 qkm ein Landarzt, d. h. ein Arzt in einer Gemeinde mit weniger als 
5000 Einwohnern. 

Was das Verhältniss der Aerzte zur Einwohnerzahl betrifft, so ge¬ 
hörten die kleinen Gemeinden in Waldeck, dem hamburgischen Staate, Olden¬ 
burg, Hessen, zu den am besten mit Aerzten versorgten, innerhalb Preussens 
diejenigen der Provinz Schleswig-Holstein; fasst man aber alle kleinen und 

G rossen Gemeinden zusammen, so war nächst den Gebieten der 3 freien Städte 
as bäderreiche Waldeck und Hessen-Nassau am meisten mit Aerzten bedacht. 
Die wenigsten Aerzte im Verhältniss zur Einwohnerzahl gab es in den 
Regierungsbezirken Gumbinnen, Marienwerder, Köslin, Oppeln, Bromberg und 
Posen. Auf einen Arzt kamen durchschnittlich in den kleineren Gemeinden 
5663; in den mittelgrossen (mit 5000—20000 Einw.) 2138, in den grossen 
Gemeinden 1604 Einwohner, dagegen kam z. B. in den kleinen Gemeinden des 
Regierungsbezirks Köslin erst auf 14 000 Personen ein Arzt. 

Von den grossen Städten des Reiches (mit 20 000 und mehr Einw.) 
hatte Wiesbaden die meisten Aerzte, demnächst die 5 Universitätsstädte Bonn, 
Greifswald, Heidelberg, Göttingen, Freiburg und innerhalb Preussens Neisse, 
Trier, Posen; die wenigsten Aerzte fanden sich in Linden bei Hannover, Rix- 
dorf bei Berlin, Altendorf und Borbeck bei Essen und — excl. Militärärzte — 
in Spandau. 

Die mittelgrossen Städte (mit 5000—20 000 Einw.) hatten im Osten 
der Preussischen Monarchie durchschnittlich mehr Aerzte als in vielen Regie¬ 
rungsbezirken des Westens. Im Allgemeinen zeigt ein Blick auf die die 
Aerztevertheilung darstellende Karte, dass auf die Zahl der Aerzte, nament¬ 
lich in den ländlichen Bezirken, die Wohlhabenheit der Bevölkerung von 
grossem Einfluss ist; unter 2 annähernd gleich dicht bevölkerten Kreisen hat 
immer der wohlhabendere mehr Aerzte. 

Ausser den Aerzten übten noch 669 approbirte Medicinalpersonen als 
„Wundärzte“ oder unter entsprechendem Namen die Heilkunde aus, relativ 
die meisten in Württemberg und einzelnen thüringischen Staaten. Auf Preussen 
kamen deren nur 63. Endlich beschäftigten sich gewerbsmässig mit der Be¬ 
handlung kranker Menschen 1713 im Deutschen Reiche nicht approbirte Per¬ 
sonen» Hierunter sind jedoch nur solche gezählt, welche dies Gewerbe be¬ 
hördlich angemeldet oder öffentlich angokündigt hatten. Weitaus die meisthn 
dieser Personen kamen auf die grossen Städte, wo ihre Zahl seit 1876 um 
fast das Vierfache zugenommen hat, namentlich waren Lübeck, Hamburg und 
die grossen Städte des Königreich Sachsen reich daran. 

Die Hebammen haben sich im Deutschen Reiche seit der letzten Zäh¬ 
lung, d. h. in 11 Jahren, von 33 134 auf 36 046 also um 8,8 °L y etwas schwächer 
als die Bevölkerung, vermehrt; neuerdings wurde erst aut 1300 Einwohner, 
damals schon auf 1290 eine Hebamme ermittelt. Umgekehrt wie bei den 
Aerzten sind hier die Landstädte und kleinen Landgemeinden bedeutend 
besser als die mittelgrossen und grossen Gemeinden bedacht. Vergleicht man 
die Zahl der Hebammen mit der Zahl der im Jahre (1886) geborenen Kinder, 
so ergiebt sich, dass in Waldeck, Baden, Hessen, Hessen-Nassau schon auf 17 
bis 27 Geburten eine Hebamme kam, dagegen im Staate Hamburg auf 115, 
im Regierungsbezirk Bromberg auf 118, im Regierungsbezirk Posen erst auf 
126 Geburten. Am reichlichsten waren in Preussen nächst Hessen-Nassau und 
Hohenzollern die Provinz Hannover und die Regierungsbezirke Erfurt und 
Kolberg mit Hebammen versehen, obgleich in den Regierungsbezirken Kassel 
und Osnabrück eine Abnahme gegenüber der früheren Zählung eingetreten ist. 
Die beträchtlichste Zunahme (um 126 °/ 0 ) zeigte sich in Berlin. Im ganzen 
Königreich Preussen kamen durchschnittlich auf 200 qkm 11 Hebammen neben 



Referato. 


361 


4 bis 5 Aerzten; auf je 10 Hebammen kamen in den kleinen preussi- 
schen Gemeinden etwa 2, in den mittelgrossen Städten 7 bis 8, in 
den grossen Städten 12 Aerzte. 

Die Zahl der geprüften Heildiener hat sich in Preussen seit der letzten 
Zählung vermindert, die meisten waren in Berlin (500) und den Regierungsbe¬ 
zirken Magdeburg (614), Potsdam (158), Düsseldorf (150), Wiesbaden (148) ansässig. 

Eine Zählung der berufsmässigen Krankenpfleger und Kranken¬ 
pflegerinnen hat in dieser Vollständigkeit 1887 zum ersten Male stattge¬ 
funden. Das katholische Krankenpflegepersonal war hiernach mehr in den 
Landgemeinden und Landstädten, das evangelische mehr in den grossen Städten 
in Thätigkeit. 

Die Zahl der Apotheken belief sich im Deutschen Reiche auf 4416, sie 
hat seit der letzten Zählung nur um 6 °/ 0 zugenommen, am beträchtlichsten 
in Berlin (48 °/ 0 ), ferner in Schlesien (11 °/ 0 ), in Schleswig-Holstein (fast 
11 °/ 0 ) u. s. w., am wenigsten hat sich der Bestand in den Provinzen 
Hannover und Hessen-Nassau geändert. Von den grossen Städten des Reiches 
zeichneten sich am Zählungstage Metz, Colmar, Strassburg, Mühlhausen i./E. 
und Hanau durch die meisten Apotheken (1 auf noch nicht 5000 Einwohner) 
aus, wogegen verhältnissmässig die wenigsten (1 auf mehr als 13 500 Einw.) 
sich in Braunschweig, Magdeburg, Berlin, Breslau und Halle befanden. Die 
meisten Apotheken im Verhältniss zur Einwohnerzahl fanden sich nicht in den 
grossen, sondern in den mittelgrossen Städten des Königreichs Preussen. 
Unter ihnen ragten wiederum die der Regierungsbezirke Kassel, Erfurt, Danzig, 
Aurich und Osnabrück hervor. 

Der Betriebsumfang der Apotheken liess sich nach der Zahl der 
darin thätigen pharmazeutischen Personen bemessen. Etwa der vierte Theil 
aller Apotheken — einschliesslich Filialen — wurde vom Geschäftsinhaber 
allein ohne pharmazeutisches Hülfspersonal, etwa der dritte Theil mit 2 und 
mehr, der Rest nur mit einer pharmazeutischen Hülfsperson, Gehülfe oder Lehrling, 
betrieben. Seit der letzten Zählung hat sich die Zahl der Apothekerlehrlinge 
um mehr als 60 °/ 0 , die der nichtapprobirten Gehülfen um 36 °l 0 vergrössert. 

Die Verbreitung der Apotheken im Deutschen Reiche im Verhältniss zur 
Einwohnerzahl, ebenso die Vertheilung der Hebammen ist kartographisch 
durch Farbenabtönung und Schraffirungen der Kreise etc. möglichst dargestellt. 

Dr. Rpd. 

Dr. R. v. Krafft-Ebing. Lehrbuch der Psychiatrie auf klini¬ 
scher Grundlage für praktische Aerzte u. Studierende. 
3. umgearbeitete Auflage. Stuttgart 1888. Verlag von Ferdi¬ 
nand Enke. Gross 8°. 716. S. Preis 15 Mark. 

Ich habe die früheren Auflagen der Psychiatrie des Verfassers nicht 
eingehend durchgearbeitet. Kann ich daher keinen Bericht darüber liefern, 
wie sich diese „umgearbeitete“ Auflage zu den früheren Auflagen verhält, so 
freut es mich andererseits, gleich an die Spitze meines kurzen Referates mit 
voller Ueberzeugung den Ausspruch setzen zu können: Wollte ich als Stu¬ 
dent zum ersten Mal oder als practischer Arzt erneut mich mit 
der Psychiatrie beschäftigen, ich würde zunächst kein anderes 
Lehrbuch zur Hand nehmen, wie das vorliegende. Klar, streng 
wissenschaftlich, wo nöthig eingehend breit, an anderen Stellen wieder klassisch 
knapp geschrieben, führt es den Leser in dieses, dem Anfänger doch nicht 
immer leicht fallende Gebiet in sicherer, grundliegender Weise ein, bietet es 
auch dem schon mit der Psychiatrie vertrauten Kollegen eine höchst fesselnde 
Wiederauffrischungs-Lectüre, wie es zugleich eine Fülle von Anregungen zu 
weiterem Nachdenken an die Hand giebt. So hält der Verfasser voll und 
ganz, was er in der Vorrede sagt: Das Buch soll ein brauchbarer Führer sein 
für den Hörer der Klinik, wie für den ärztlichen Praktiker. Ich möchte hin¬ 
zufügen: Auch der Medicinalbeamte wird — er ist ja übrigens gewiss ärzt¬ 
licher Praktiker vor Gericht — mit voller Befriedigung und mit grossem 
Nutzen in Bezug auf specielle Fragen von dem reichen Inhalt Kenntniss nehmen. 

Neu aufgenommen ist in diese Auflage, wie Verfasser in der Vorrede mit¬ 
theilt, das neurasthenische Irresein und der Morphinismus. 



362 


Referate. 


In drei Büchern (1. Band) wird der Inhalt uns gegeben. Im ersten Buch 
führt uns der Verfasser in das Studium der Psychiatrie ein. Das 2. Buch 
giebt die allgemeine Pathologie und Therapie des Irreseins. Im 3. Buch 
folgt dann die specielle Pathologie u. Therapie. 

Bezüglich des 1. Buches möchte ich hervorheben, dass bei der Besprechung 
des anatomischen Baues des Gehirns alles Ueberflüssige, nicht einigermassen 
Sichergestellte fortgelassen ist. Andere, zweifellos feststehende Thatsachen 
werden gebührend betont; so z. B. sagt Verfasser: Die neue Experimental¬ 
physiologie ergiebt zweifellos, dass die elementaren Vorgänge der Wahr¬ 
nehmung und Bewegung an bestimmte Rindenterritorien gebunden sind. Seh¬ 
region, Hörregion, Sprachcentrum sei zweifellos sicher gestellt; unsicher seien 
noch die Behauptungen bezüglich der Regionen für Geschmack, Geruch und 
Gemeingefühl. Hier betont denn auch der Verfasser ganz bestimmt, dass es 
widersinnig sei, Verstand, Gemüth und Willen als besondere Seelenvennögen 
hinzustellen; das geistige Leben ist ein einheitliches, untheilbares. Die Erinne¬ 
rungsbilder verschiedener Territorien müssen miteinander in Beziehung treten, 
um allgemeine Vorstellungen daraus zu bilden; eine anatomische Verbindung 
der verschiedenen Territorien sei also nöthig und anzunehmen. („Associations¬ 
bahnen.“) 

Nachdem dann einige ausserordentlich scharf durchdachte und klar ge¬ 
schriebene Kapitel uns mit psychologischen Vorbemerkungen, mit der Sonder¬ 
stellung der psychischen Krankheitszustände innerhalb des Gesammtgebietes 
der Hirnkrankheiten (psychische Erkrankungen sind diffuse Erkrankungen der 
Hirnrinde, speciell der Grosshirnrinde; — aber andererseits: Psychose ist 
nicht nur Krankheit des Gehirns, sondern Krankheit der Person, 
krankhafte Veränderung der Person), mit der Wichtigkeit des Stu¬ 
diums der Psychiatrie, mit den Schwierigkeiten beim Studium der psychischen 
Krankheiten, sodann mit Analogien des Irreseins (Affecte, motivirte Depression bei 
Gesunden etc.) bekannt gemacht haben, folgt am Schluss des 1. Buches ein 
kurzer, aber doch hinreichend umfassender geschichtlicher Abriss der Psychia¬ 
trie, an dessen Schluss Verfasser sagt: Die Psychiatrie ist noch immer eine 
descriptive Wissenschaft, noch keine erklärende; und bezüglich der Krank¬ 
heitsformenbezeichnung, bezüglich der Eintheilung der Psychosen sagt Ver¬ 
fasser: Die dürftigen Ergebnisse der pathologisch-anatomischen Forschung ge¬ 
statten noch nicht die Krankheitsbilder pathologisch-anatomisch zu bezeichnen. 

Im 2. Buch folgt, wie bemerkt, die allgemeine Pathologie und Therapie 
des Irreseins. 

Bei Besprechung der elementaren Störungen der Gehirnfunktionen im 
Irresein — Vorgänge in der affectiven Seite des Seelenlebens: im Gemüth, — 
Vorgänge in der vorstellenden Sphäre: im Verstand, in der Vernunft, im Ge¬ 
dächtnis, — Vorgänge in der psychomotorischen Seite: Triebe, Wille, — bei 
Besprechung also der Anomalien des Fühlens, Vorstellens und Strebens betont 
Verfasser erneut, dass damit die Lehre vom einheitlichen Seelen¬ 
leben nicht aufgehoben sei, dass nur eine Seite der psychischen Leistung 
besonders hervortrete, sich als besonders gestört, als vorwiegend krankhaft 
verändert erweise. Besonders hervorzuheben sind die Bemerkungen, die Ver¬ 
fasser im 4. Kapitel in Bezug auf Störung in der motorischen Seite des Seelen¬ 
lebens (Triebe u. Willen) macht: Das physiologische Leben kennt einen Er- 
haltungs- und einen Geschlechtstrieb (,,Hunger und Liebe regieren die Welt“); 
das krankhafte Leben schafft keine neuen Triebe, wie man lange 
Zeit fälschlich annahm (sog. Mord-, Stehl- u. Brandstiftungstrieb u. s. w.); 
es kann die natürlichen Triebe nur vermindern oder steigern, 
oder in perverser, veränderter Weise zur Aeusserung gelangen 
lassen. Damit ist die Lehre der sog. Monomanien vom Verfasser abgethan. 

Weiter sind ausserordentlich klar, scharf und unterrichtend die Kapitel 
über Sinnestäuschungen, d. h. also über die psychosensoriellen Störungen. Es 
folgen Kapitel über: Störungen der sensiblen Funktionen, der motorischen 
Funktionen, Störungen im Gebiet der vasomotorischen Nerven (Präcordial- 
angst; geradezu klassische Schilderung der Folgen derartiger Angstzustände) —, 
sodann über trophische Funktionsstörungen, secretorische Funktionsstörungen; 
schliesslich werden Störungen im Bereich der vitalen Funktionen besprochen 
(Eigenwärme) [Psychosen sind im Grossen-Ganzen fieberlose Gehiraerkran- 



Referate. 


363 


kungen; aber Zerstörungen gewisser Hirnrindengebiete haben Einfluss auf 
Eigenwärme; auch halbseitige Temperaturunterschiede kommen vor] Puls, 
Verdauung, Assimilation, Respiration, Gesammternälirung, Körpergewicht, 
Schlaf.) Hier sagt Verfasser zum Schluss des 1. Abschnittes: 

Die Mehrzahl der Psychosen ist nichts anderes als der Ausdruck von 
schweren Ernährungsstörungen, an denen das Gehirn theil nimmt. Gerade 
dieses Schlusskapitel des ersten Abschnittes zweiten Buches wird jedem Leser, 
auch dem psychiatrisch erfahrenen, zu weiterem Nachdenken reichlich An¬ 
lass geben. 

Im zweiten Abschnitt dieses Buches behandelt Verfasser dann zunächst 
die Ursachen des Irreseins. Hier hebe ich nur folgende Sätze hervor: Als 
Ursache wirkt in der Regel eine Mehrheit von Faktoren zusammen. Die an¬ 
scheinend letzte Ursache ist oft schon als Krankheitssymptom aufzufassen. Die 
Anamnese ist ganz besonders wichtig und sehr genau festzustellen; die¬ 
selbe muss die ganze geistige und körperliche Individualität und Lebensge¬ 
schichte umfassen. „Keine Krankheit giebt es, die so erblich ist 
ausser der Tuberkulose.“ 

Mit Wahrscheinlichkeit meint von Kr afft behaupten zu können, dass 
das Irresein zunehme; die moderne Gesellschaft habe in der That „zu viel 
Nerven, zu wenig Nerv.“ — Bei Besprechung des Vorkommens der Psychosen 
in den verschiedenen Lebensaltern erwähnt Verfasser auch die von Kahlbaum 
und Hecker aufgestellte Form der Hebephrenie. von Krafft-Ebing scheint 
die Berechtigung, diese besondere Krankheitsform aufzustellen, fraglich. (Auch 
die Katatonie Kahlbaum’s wird an betreffender Stelle [Tetanie, Katalepsie] 
gar nicht erwähnt). Ich werde am Schluss des Referates darauf zurückkommen. 

Ein „Klimakterium des männlichen Geschlechtes“ aufzustellen 
und daran besondere Alterspsychosen der Männer zu knüpfen, scheint dem 
Verfasser biologisch, wie klinisch nicht zulässig zu sein. Diese Psychosen ge¬ 
hörten in das Gebiet der senilen Psychosen, seien dann, wenn sie zwischen 
dem 50. bis 60. Jahre aufträten, durch senium praecox zu erklären. Ich 
möchte mich dieser Auffassung anschliessen. Bei Besprechung der Berufs- und 
Lebensverhältnisse der Kranken (mit dem Kopf arbeitenden Menschen sind 
mehr disponirt) erklärt von Krafft eine Reform des Unterrichtswesens 
für zeitgemäss. 

Den höchst interessanten Abschnitt über Erblichkeit (Atavismus; Gesetz 
des Polymorphismus oder Transmutation; Regeneration durch Kreuzung mit 
gesundem Blut), über Einfluss der Erziehung etc. wolle man an Ort und Stelle 
lesen; es ist einer der besten Abschnitte des ganzen vortrefflichen Werkes. 
Bei Besprechung der gelegentlichen Ursachen des Irreseins (im Gegensatz zu 
den prädisponirenden Ursachen —) betont Verfasser in dem Abschnitte über 
Epilepsie: dass die vertiginöse Form der Epilepsie der Integrität 
des geistigen Lebens bedenklicher sei, verhängnisvoller als die 
convulsive Form. Dieser, ja schon von anderer Seite festgestellte und 
wohl allgemein gültige Satz verdient auch grade in gerichtsärztlicher Thätig- 
keit vollste Beachtung. 

In dem Abschnitt Über die Erkrankungen der weiblichen Geschlechts- 
theile als Ursache des Irreseins hebt der Verfasser, nach meiner Ueberzeugung 
mit vollstem Recht, hervor, dass wenn auch der Einfluss der Krankheiten der 
Geschlechtsorgane beim Weibe nicht zu unterschätzen sei, es doch andererseits 
eine ganz irrige Anschauung sei, annehmen zu wollen, die uterinalen Psychosen 
hätten stets eine eigenartige Färbung des Krankheitsbildes, sie müssten jedes¬ 
mal erotischen oder hysterischen Charakter haben. 

Des Weiteren betont der Verfasser, dass die Erkrankungen der Ge¬ 
schlechtsorgane bei Männern nur eine geringfügige ursächliche Rolle spielen; 
in der Regel seien derartige Erkrankungen schon Symptome eines angeborenen 
neuropathologischen Zustandes oder eines erworbenen (Excesse, Onanie) neuro* 
pathologischen Zustandes. 

Damit aber will von Krafft die ursächliche Bedeutung von geschlecht¬ 
lichen Ausschweifungen keineswegs unterschätzt wissen. Diese Bedeutung sei 
keine geringe, von Krafft betont dann auch bestimmt, dass bei sexualen 
Psychosen selten Geruchshalluzinationen fehlen. 



364 


Referate. 


Des Weiteren erklärt Verfasser: 

Cessiren der Lochien oder der Milch post partum ist Symptom, nicht 
causa morbi! 

Die sogenannten puerperale Manie, die ganz mit Unrecht so genannt 
werde, insofern das puerperale Irresein, das meist zwischen 5. und 10. Tage 
post partum ausbreche, gar keine specifische Form des Irreseins darstelle, 
wenn schon es allerdings häufig unter dem Bilde einer Manie verlaufe, — 
also diese sogenannte Mania puerperalis biete durchaus nicht vorherrschend, 
wie immer noch angenommen werde, im Delirium der Manie einen erotischen 
Zug dar. — Uebrigens hat auch von Krafft nach seiner Erfahrung die 
Ueberzeugung gewonnen, dass die sogen. Melancholia puerperalis prognostisch 
ungünstiger sei, als die sogen, puerperale Manie. 

Nachdem dann das Irresein durch Intoxikationen (Alkohol, Narkotika 
[Tabak] Blei, Quecksilber, Brom etc.) besprochen ist, folgt im dritten Ab¬ 
schnitt des zweiten Buches die Lehre vom Verlauf, Dauer, Ausgang und der 
Prognose der psychischen Krankheiten. 

Hier erhebt Verfasser mit Recht den Klageruf, dass wir über die 
prämonitorischen Erscheinungen des Irreseins erst dann Posi¬ 
tives wissen werden, wenn die Psychiatrie Gemeingut der prak¬ 
tischen Aerzte geworden ist. 

Sodann betont Verfasser ganz bestimmt: 

Es sei durchaus nicht wahr, dass immer ein melancholisches 
Vorstadium da sei. Wer wollte nach eigener Erfahrung dem widersprechen? 
Ein solches Vorstadium ist sicherlich nicht immer da. 

Ich lasse wieder weiter einige Hauptzüge folgen: 

Die Morbidität der Irren ist eine grössere als die der Geistesgesunden 
von gleicher Altersklasse. 

Eine Immunität bietet das Irresein gegenüber keiner Krank¬ 
heit. (Carcinom scheine seltener bei Irren vorzukommen, wie bei Geistes¬ 
gesunden). Die Diagnose der interkurrenten Krankheiten sei oft schwieriger, 
wie in der Kinderpraxis (Bewusstseinsstörung, Schmerzlosigkeit in einzelnen 
Fällen und dgl. m.). 

Geisteskranke starben 5 mal häufiger an Tuberkulose, wie Geistesgesunde. 
Man lese auch diesen höchst anregenden Abschnitt im Original. Bemerken 
will ich nur noch, dass von Krafft-Ebing die Frage, ob Othämatome stets 
durch mechanischen Insult entstehen, offen lässt, welcher Auffassung ich mich 
nach meinen Erfahrungen nur anschliessen kann. 

Bezüglich der Prognose meint von Krafft: 

Selten ist es möglich, mit voller Sicherheit die Prognose zu 
stellen. In besseren Anstalten kämen 20—60 °L Genesungen vor. Je länger 
die Dauer der Krankheit, um so ungünstiger aie Prognose. Die Mahnung, 
jeden Fall concret zu beurtheilen, kann man nur als vollberechtigt an¬ 
nehmen und befolgen. 

Die Frage, ob, wie Dittmar, Ripping u. A. behaupten, eine in den 
Verlauf einer bereits bestehenden Psychose fallende Schwangerschaft die 
Prognose zu einer fast absolut hoffnungslosen mache, welcher Auffassung 
Erlenmeyer auf Grund von 4 günstig verlaufenen Fällen widerspricht, lässt 
von Krafft offen. Referent hat darüber keine massgebenden eigenen Erfah¬ 
rungen. Dagegen kann von Krafft behaupten, dass nach statistischen Zu¬ 
sammenstellungen bei Weibern Irresein auf erblichem Grunde um 60 °/ 0 häu¬ 
figer sei als bei Männern. 

So, in gründlichster Weise seine eigenen reichen Erfahrungen ausnutzend, 
die Beobachtungen anderer Forscher und Kliniker benutzend, fährt der Ver¬ 
fasser fort, giebt uns allgemeine Diagnostik (— Geisteskrankheiten sind nicht 
nur Krankheiten des Gehirns, sondern der Person; die psychologische Diagnose 
muss zur anthropologischen vertieft werden —), Diagnose der Genesung 
(— wichtig, volle Einsicht in die überstandene Krankheit! —) und im An¬ 
schluss daran ein Schema zu Geisteszustandsuntersuchungen (für Anamnese und 
Statuspräsens; dazu Durchschnittsschädelmasse), das Vielen willkommen sein 
wird. Es folgt allgemeine Therapie; hier betont von Krafft, dass die 
psychisch kranke Person individualiter zu behandeln sei. 



Referate. 


365 


Bei Besprechung der Prophylaxe der Geistesstörungen im zweiten Kapitel 
dieses Abschnittes spricht Verfasser ausgezeichnete Erziohungsgrund- 
sätze aus. Hier folgt denn auch bei Besprechung der Behandlung im Beginn 
des Irreseins eine (gewiss berechtigte, Ref.) Klage des Verfassers über 
die vielfach noch bestehende Unwissenheit der praktischen Aerxte 
auf dem Gebiete der Psychiatrie; Warnung gegen K&ltwasser&n- 
stalten und Chloral! Viele Kranke kämen als caput mortuum 
zu spät in die Anstalten! 

Wenn aber Verfasser am Schluss dieses Kapitels sagt, dass nicht in 
Irrenanstalten gehörten: Ruhige secundäre, psychische Schwächezustände, 
Paralytiker in den Endstadien ihrer Krankheit, Trunkfällige, verbrecherische 
Irre, — so kann ich dem nur bedingt zustimmen. Trinker gehören in Trinker¬ 
asyle, vorausgesetzt, dass diese baulich und ärztlich im Stande sind, auch Deli¬ 
ranten zu beherbergen und zu behandeln; verbrecherische Irre (wilde Männer?) 
gehören in besondere Anstalten, auf die wir freilich noch lange werden warten 
können; aber Paralytiker in den Endstadien und secundäre psychische Schwäche¬ 
zustände werden doch oft in guten Anstalten, zumal in guten Privat¬ 
anstalten besser verpflegt werden können, wie es zu Haus möglich sein 
dürfte. Betont wird dann der (nicht oft genug zu wiederholende — Ref.) 
Satz: „Den Kranken soll die Nothwendigkeit der Aufnahme offen mitgethoilt 
werden. * Ob und wann im Einzelfalle davon abzuweichen ist, abgewichen 
werden darf oder sogar muss, kann, nach des Referenten Ansicht nur der er¬ 
fahrene Irrenarzt entscheiden. 

An die Spitze des Kapitels über die Behandlung der ausgebildeten Krank¬ 
heit stellt von Krafft mit Recht den Satz: Möglichst sparsam mit dem Blute 
Geisteskranker umzugehen. Die Besprechung der in Botracht kommenden Arz¬ 
neimittel, im Besonderen der Schlafmittel, ist eine ausserordentlich klare, 
durchsichtige. Von Werth ist die Mittheilung, dass von Krafft da, wo bei tief 
anämischen Kranken Morphium und Opium versagen, Morphium mit Chinin 
verbindet. (0,25 Morph, in 5,0 Glycerin gelöst; 1,0 Chinin, bisulphuris in 15,0 
Aq. destill.; beide Lösungen gemischt und filtrirt. 1 Spritze = 0,0125 M. u. 
0,05 Chin. injicirt). 

Die Mahnung, mit Chloral vorsichtig zu sein, wird jeder auf dom Gebiet 
der Irrenheilkunde Heimische unterschreiben. 

Vom Urethan hat Verfasser kaum je Erfolg gesehen. 

Man lese die hochwichtigen Erfahrungssätze über weitere Schlafmittel 
im Lehrbuch nach. 

Bei der Besprechung der Tonika scheint dem Referenten neben der all¬ 
gemeinen Faradisation, neben dem „kalten Wasser* 4 eine Bemerkung über die 
Massage als Heilmittel gewissen Psychosen gegenüber zu fehlen. 

Ich muss mich in Bezug auf das dritte Buch, specielle Pathologie und 
Therapie des Irreseins, kurz fassen. 

Aus der Besprechung über psychische Behandlung möchte ich nur den 
Satz hervorheben: 

Die Isolirzelle ist in der Hand des erfahrenen Arztes ein wichtige« Heil¬ 
mittel, wenn jeder Contact mit der Umgebung nachtheilig ist. Schlies«- 
lich warnt von Krafft — mit vollstem Recht — vor verfrühter Entlassung. 
So sehr mich das Buch gefesselt hat, muss ich mich doch kurz fassen und kann 
nur noch Folgendes hervorheben. Nach Verfasser ist Aotiologie zur Eintheilunß 
der Psychosen nicht zu brauchen. Das einzig mögliche Princip der Eintei¬ 
lung der Psychoneurosen bleibt das klinisch-functionelle. Dem Ver¬ 
lauf nach unterscheidet von Krafft primäre und secundäre lrresoinnzuHtändo. 
Genesungsmöglichkeit ist im Allgemeinen nur in den primären Zuständen: 
Melancholie, Manie, Stupidität und Wahnsinn vorhanden. 

Aus dem Besonderen muss ich noch Folgendes hervorheben: 

Für von Krafft ist jeder Melancholische gemeingefährlich 
(raptus jeder Zeit möglich; Angriff gegen sich und andere; Referent kann 
diesen Satz nur unterschreiben). An dieser Stelle betont von Krafft auch, 
dass die Zwangsjacke durchaus kein Schutz gegen Selbstmord ist. (Kopf 
gegen die Wand u. A. ra. Referent). 

Dass von Krafft überhaupt jedes Zwangsmittel verwirft, versteht sich 
von selbst! „Mechanischer Zwang ist nur erforderlich, wenn aus Heilgründen 



366 


Verordnungen und Verfügungen. 


horizontale Lage (bei tiefer Anämie des Gehirns) nötbig ist, ferner bei anhal¬ 
tender Onanie, und bei gewissen Verletzungen der äussorlichen Leiden.“ 

Was soll ich, mit vollster Ueberzeugung — noch mehr zur Empfehlung 
des Buches sagen? Man lese die klassische Schilderung der Entwickelung 
einer Paranoia, man überzeuge sich von der, gewiss vielen Kollegen er¬ 
wünschten Schilderung der Neurasthenie, — kurz nach allen Seiten hm wird 
man voll befriedigt werden. 

Bei dem Kapitel: „Hypochondrisches — Irresein“ meint von Krafft 
mit Recht: „Die Streitfrage, ob Hypochondrie zu den Neurosen oder Psychosen 
gehöre, dürfte allenthalben im letzteren Sinne entschieden sein. 

Wenn ich schliesslich etwas an dem mir sehr lieben Buch aussetzen 
darf, so ist es Folgendes: In den Kapiteln der beiden vorletzten Abschnitte, 
wo es sich um chronischo Intoxikationen (Alcoholismus chronic., Morphinismus), 
sodann um Delirium acutum, Dementia paralytica, Lues cerebralis, Dementia 
senilis, sodann im letzten Kapitel: Moralisches Irresein — erscheint die Be¬ 
handlung des Stoffes im Ganzen etwas gedrängter, kürzer gegenüber früheren 
Abschnitten. Dafür sind allerdings diese betreffenden Schilderungen um so 
formvollendeter und geben im knappen Gewände alles Wissenswerthe in klar¬ 
ster Uebersicht. Dr. Berthold Massmann. 


Verordnungen und Verfügungen. 

Bekämpfung der Verbreitung der Schwindsucht in Straf-Gefangenen- und 
Besserungsanstalten» Cirkular-Erlass des Ministers des Innern vom 

15. April 1889 an sämmtliche König]. Regierungs-Präsidenten etc. 

Euer pp. übersende ich anbei Abschrift eines Gutachtens der wissen¬ 
schaftlichen Deputation für das Medicinalwesen vom 13. März d. J., betreffend 
die Bekämpfung der Verbreitung der Schwindsucht in öffentlichen Anstalten, 
mit dem ergebensten Ersuchen, das darin bezeichnete Verfahren in den Straf-, 
Gefangenen- und Besserungsanstalten des dortigen Bezirks, mit den durch die 
lokalen Verhältnisse bedingten Massgaben anwenden zu lassen. 

Gutachten: 

Gemäss dem hohen Erlass von 15. Februar er. verfehlt die Unter¬ 
zeichnete wissenschaftliche Deputation nicht, über die in dem Bericht des 
Polizei-Präsidenten vom 24. Januar er. vorgetragenen Vorschläge zur Be¬ 
kämpfung der Verbreitung von Schwindsucht in Gefängnissen nachstehend sich 
gutachtlich zu äussern. 

Nach den bisher geltenden Anordnungen sollen die Spuckgläser der mit 
Schwindsucht behafteten Gefangenen mit einer Auflösung von Sublimat oder 
Karbolsäure gefüllt und die Spucknäpfe in den Krankenzimmern häufig mit 
reinem Sand versehen werden, dem Karbol beigemischt ist. 

Der Bericht des Polizei-Präsidenten hebt mit vollem Recht hervor, dass 
diese Bestimmungen eine zeitgemässe Aenderung erheischen. Denn sowohl 
Sublimat wie Karbolsäure sind giftige Substanzen; deren Aufstellung gerade 
in Gefängnissen erheblichen Bedenken unterliegen muss. Ueberdies ist die 
Wirksamkeit beider Substanzen, um Tuberkelbacillen unschädlich zu machen 
und damit deren Uebertragung auf gesunde Gefangene zu verhindern, eine un¬ 
sichere. Endlich haben die im hygienischen Institut hierselbst unter Leitung 
von Geheimrath Koch angestellten Untersuchungen zu dem Ergebniss ge¬ 
führt, dass für die Uebertragung der Tuberkelbacillcn auf Gesunde nur der 
getrocknete Auswurf gefährlich ist, indem derselbe fein verstäubt der Ath- 
mungsluft zugeführt und durch dieselbe in den gesunden Körper aufgenommen 
werden kann. 

Hiernach erscheint die Desinfektion des Auswurfs durch chemische Stoße 
weder erforderlich noch räthlich. Vielmehr ist dafür Sorge zu tragen, dass 
der Auswurf sich nicht getrocknet der Luft heimischen kann. Zu diesem 
Zwecke ist zu verhindern, dass der Auswurf des Brustkranken auf* Fussboden, 
Wände, Wäsche oder in Taschentücher entleert wird, er soll vielmehr in 
Spuck^läser gesammelt und diese häufig entleert und mit kochendem Wasser 
gereinigt werden. 



Personalien. 


367 


Auf diese Thatsache und Deduktion stützt sich der Seite 6 des Berichts 
formulirte Antrag: die Verwendung des Sublimats für den in Rede stehenden 
Zweck ganz zu untersagen. 

Wir schliessen uns diesem Anträge als vollkommen begründet an und 
haben zu den angeschlossenen Vorschlägen zur Verhütung der Verbreitung 
der Schwindsucht in Gefängnissen Folgendes zu bemerken: 

1. Der Auswurf soll weder in Taschentücher noch in dem Aufenthalts¬ 
raum, sondern in die überall aufzustellenden Spucknäpfe entleert werden, 
welche letztere etwas Wassef enthalten. 

Wir stimmen dieser Vorschrift durchaus bei und halten es auch für sehr 
zweckmässig, wenn, wie es vorgeschlagen ist, alle Strafgefangenen, welche 
husten, an diese Art des Auswerfens gewöhnt werden. 

2. Alle Zellen, in welchen hustende Gefangene untergebracht waren, 
sollen bei etwaigem Wechsel der Insassen sorgfältig gereinigt und nach den 
bestehenden Vorschriften sorgfältig desinficirt werden. 

Diese Bestimmung dürfte auf die Zellen solcher Insassen zu beschränken 
sein, welche nach dem ärztlichen Urtheile an der Tuberkulose erkrankt, oder 
derselben verdächtig waren. 

8. Die Anschaffung eines geeigneten Desinfektionsapparates für die Straf¬ 
anstalten ergiebt sich als nothwendige Folge. 

4. Gefangene, welche nach ärztlicher Feststellung tuberkulös erkrankt 
sind, welche aber noch arbeiten können, sollen bei der Anfertigung von Ge¬ 
brauchsgegenständen soweit thunlich nicht beschäftigt und von den gesunden 
Gefangenen möglichst ferngehalten werden. 

Auch diesen Vorschlägen schliessen wir uns an. 

Berlin, den 13. März 1889. 

Königliche wissenschaftliche Deputation für das Medicinalwesen. 


Personalien. 

Auszeichnungen: 

Verliehen: Der Charakter als Geheimer Medicinalrath: dem 
Regierungs- und Medicinalrath Dr. Köhler in Stralsund; als Geh. Sani- 
tätsrath: den praktischen Aerzten und Sanitätsräthen Dr. Saxer in Goslar, 
Dr. E. 0. Croner in Berlin; als Sanitätsrath: den Kreisphysikern Dr. Georg 
in Paderborn und Dr. Munsch zu Bocholt, den praktischen Aerzten Dr. Stei¬ 
niger in Dransfeld, Dr. Künne in Elberfeld, Badearzt Dr. von Brunn in 
Lippspringe, Dr. Kranz zu Nordwalde, Dr. Mayweg in Hagen. 

Der Rothe Adlerorden II. Klasse mit Eichenlaub: dem General¬ 
arzt I. Klasse a. D. Dr. Loewer, bisher Corpsarzt des XI. Armee-Corps; der 
Rothe Adlerorden IV. Klasse: den Oberstabsärzten a. D. Dr. Buch in 
Danzig, Dr. Rose und Dr. Kiesow in Hannover, dem praktischen Arzt 
Sanitätsrath Dr. Hoffmann in Leer, dem ordentlichen Professor Dr. Eberth 
in Halle a./S., dem Regierungs- und Med.-Rath Dr. Alten in Lüneburg, 
Medicinalrath Dr. Köllner in Hannover, dem Königl. Badearzt, Sanitätsrath 
Dr. Michaelis in Bad Rehburg, dem prakt. Arzt Dr. Hiltermann in Hove¬ 
stadt; der Rothe Adlerorden IV. Klasse mit Schwertern am weissen 
Bande mit schwarzer Einfassung: dem Marine-Oberstabsarzt Dr. Groppe an 
Bord Sr. M. Sch. „Leipzig“; der Kronenorden II. Klasse: dem General¬ 
arzt II. Klasse a. D. Dr. Roland in Posen; der Kronenorden ID. Klasse: 
dem Oberstabsarzt a. D. Dr. Varenhorst in Aurich und dem Geh. San.-Rath 
und Direktor der Provinzial-Irrenanstalt Dr. Meyer in Osnabrück. 

Die Genehmigung ertheilt zur Anlegung: des Komthurkreuzes 
H. Klasse des Herzogi. Sachsen-Ernestinischen Hausordens: dem 
praktischen Arzte Geh. Hofrath Dr. Franz in Langenschwalbach; die Ritter¬ 
insignien I. Klasse des Herzogi. Anhaitinischen Hausordens 
Albrechts des Bären: dem praktischen Arzt Dr. Roth in Frankfurt a./Mi 

Ernennungen nnd Versetzungen: J 

Ernannt: Der ausserordentliche Prof. Geh. Med.-Rath Dr. Schaafr 
hausen zu Bonn zum ordentlichen Prof., der praktische Arzt Dr. Pflegw 

i 



368 


Personalien. 


in Plötzensee zum Kreis Wundarzt des Kreises Nieder-Barnim; der praktische 
Arzt Dr. Kleinert in Koschmin zum Kreisphysikus des Kreises Koschmin; der 
praktische Arzt Dr. Nebler zu Hundsfeld zum Kreiswundarzt des Kreises 
Striegau, der praktische Arzt Dr. Marx in Wanfried zum Kreisphysikus des 
Kreises Fulda, der praktische Arzt Dr. Hey dl off in Erfurt zum Kreiswund¬ 
arzt des Stadt- und Landkreises in Erfurt, der bisherige commissarische Ver¬ 
walter der Kreiswundarztstelle des Kreises Höxter Dr. Kluge in Steinheim 
endgültig zum Kreiswundarzt des gedachten Kreises; der bisherige commissa¬ 
rische Verwalter der Kreiswundarztstelle des Kreises Fulda Dr. Kind zu 
Fulda zum Kreiswundarzt des gedachten Kreises. 

Versetzt: Der Kreis - Physikus Dr. Doepner in Schmiegel in gleicher 
Eigenschaft in den Kreis Meseritz und der Kreis - Physikus Sanitäts - Rath 
Dr. Risse in Allengtein als Polizei-Stadt-Phyaikus in den Kreis Königsberg i. Pr. 

Verstorben sind: 

Die praktischen Aerzte: Kreiswundarzt Sanitätsarzt Dr. Köhler in 
Kassel, Dr. Danziger in Hermsdorf, Geh. San.-Rath Dr. Schiefferdecker 
in Königsberg, Kreis-Physikus und San.-Rath Dr. Merner in Preuss. Stargard, 
Kreiswundarzt und Sanitäts-Rath Dr. Bense in Nienburg a./Weser, Prof. 
Dr. Jacobsohn in Königsberg i. Pr., Kreiswundarzt Dr. Zacharias in 
Garasee, Oberstabsarzt a. D. Dr. Tillich in Lieberose, Prof. Dr. Voltolini 
in Breslau und Geh. Sanitäts-Rath Dr. Gabriel in Berlin. 

Vakante Stellen:*) , 

Kreisphysikate: Allenstein, Niederung, Preuss. Stargard, Schlawe, 
Kolberg, Schwerin a./W., Witkowo, mit 900 Mark Stellenzulage (Bewerbung 
bis zum 5. Oktober bei der Königl. Regierung in Bromberg), Jarotschin, 
Wreschen, Schildberg mit 750 Mk. Stellenzulage, Neutomischel, Schmiegel (Be¬ 
werbung bei der Königl. Regierung in Posen, Abth. d. Innern, bis zum 
5. Oktober), Freystadt, Saalkreis Halle, Uslar, Hümmling mit 900 Mark Stellen¬ 
zulage (Bewerbungen bis zum 20. Oktober beim Königl. Reg.-Präs, in Osna¬ 
brück), Sulingen, mit 600 Mark Stellenzulage, Dannenberg, Zeven, Stadtkreis 
Frankfurt aJM., Adenau, Heiligenhafen, Daun mit einer Stellenzulage von 
900 Mark, Oberamt Gammertingen und Sigmaringen. 

Kr eis wundarztstellen: Fischhausen, Darkehmen, Heiligenbeil, Heyde- 
krug, Oletzko, Tilsit, Karthaus, Marienburg, Loebau, Marienwerder, Graudenz, 
Belgard, Grimmen, Angermünde, Templin, Friedeberg, Ost- und West-Sternberg, 
Bütow, Lauenburg i/P., Dramburg, Schievelbein, Bomst, Schroda, Bromberg, 
Wreschen, Strehlen, Ohlau, Kosel, Falkonberg in Oberschlesien, Lublinitz, Lauban, 
Reichenbach, Grünberg, Münsterberg, Sagan, Militsch, mit dem Wohnsitz in 
Sulau, Jerichow I, Wanzleben, Worbis, Sangerhausen, Langensalza, Lübbecke, 
Warburg, Lippstadt, Meschede, HÜnfeld, Unterwesterwald-Kreis, Cassel, 
Erkelenz, Kleve, Landkreis Köln, Bergheim, Wipperfürth, Grevenbroich und 
St. Wendel. 


*) Wo ein bezüglicher Vermerk fehlt, sind die Stellen entweder noch 
nicht ausgeschrieben odor die officiellen Meldefristen bereits abgelaufen. 


Meine Wohnung befindet sich jetot: Friedrichstrasse 130 und 
bitte Ich Beiträge für die Zeitschrift dorthin adressiren zu wollen. 

Dr. Hflttenzwelg. 


Verantwortlicher Redacteur: Dr. H. Mittenzweig, Berlin, Friedrichstr. 136. 


Fürstlich prlv. Hofbuchdruckerei (F. Mltxlaff), Rudolstadt. 







INHALT 


Seite 

Oriffinal-Mittheilunffen: 

Zar C&flulstlk der Erwerbsunfihlgkeit 
nach Verletzung. Von Dr. Tacke . 369 
Fragliche Oplamverglftung durch ein 
Bandwurmmittel. Von demselben . 375 
XV» Jahresversammlung des Deutschen 
Vereins für Öflentl. («esundheitspflege 
xn Strassburg I. E. vom 14.—17. Sep¬ 
tember 1*89 . 391 

62. Versammlung deutscher Katarfor¬ 
scher und Aente in Heidelberg vom 

17.—23. September 1889 . 401 

Kleinere Mittheilunffen • . . . . 4U5 


Referate: 

Dr. med. A. Moll. Der Hypnotismus . . 405 
Dr. J. Uffelinann. Handbuch der Hy¬ 
giene .408 

Dr. A. Sokolowskl. Kann ein äusseres 
Körperleiden zur acuten Pneumonie 

führen?.411 

Heldenhain. Sturzgeburt?.411 

Lltteratur .41 i 

Personalien.41- 

X. internationaler medidnlscher Con- 
greas. Berlin 1890 . 413 


Zur Ca8ui8tik der Erwerbsunfähigkeit nach Verletzung. 

Vom Sanitätsrath Dr. Tacke, König], Kreisphysikus in Wesel. 

(Fortsetzung und Schluss.) 

Abschrift. 

D., den 14. Januar 1889. 

Absender Kreisphysikus Dr. Z. betr. Unfall R. 

Der ehemalige Rangirarbeiter W. Fr. R., 33 Jahre alt, ha 
sich am 13. er. bei mir zur Untersuchung gestellt und habtbdp 
die Ehre, im Nachfolgenden über den Befund zu referire^d^r 
die aus demselben gezogenen Schlüsse darzulegen. 

Die ursprünglich leichte Verletzung, die der p. EtfpT 
11. November 1887 zuzog, eine Quetschung der Weichthaf^ 

Finger der linken Hand, verschlimmerte sich währal 
handlung derartig, dass wegen eingetretener Blntvent 
dadurch hervorgebrachter Eiteransammlungen im F 
Hand und des Vorderarms eine grössere Anzahl von’ 
















370 


Dr. Tacke. 


in die erkrankten Theile zum Entleeren des Eiters und zum Er¬ 
schlaffen der angespannten Theile nothwendig wurde. Alle diese 
Operationswunden sind heute verheilt 

Der objektive Befund war folgender: 

Der linke Vorderarm misst an seiner dicksten Stelle 24 cm, 
der rechte ebendaselbst 25 cm. In der Mitte des Gliedes beträgt 
der Umfang links 21 ‘/ 2 cm, rechts 23 cm. 

Es hat mithin ein mässiger Muskelschwund stattgefunden, 
der als dauernd zu betrachten sein dürfte; er ist die Folge des 
Nichtgebrauches des linken Armes und letzterer selbst wurde 
bedingt theils durch die lange Erkrankung, theils durch direkte 
Behinderung der Muskelbewegung, die nicht in vollem Masse 
möglich ist. 

Der linke Vorderarm kann ebenso gut wie der gesunde 
rechte pronirt, d. h. derartig nach der Daumenseite hin gebracht 
werden, dass der Daumen nach unten hin gerichtet erscheint. 

Die Supination, d. h. die entgegengesetzte Bewegung, wobei 
die Daumenseite der Hand nach auswärts gewandt wird, so dass 
der Daumen gerade nach oben steht und der Handteller nach 
oben gerichtet erscheint, ist nicht mehr im vollen Umfange aus¬ 
führlich, sie bleibt um den dritten Theil eines rechten Winkels 
hinter der Norm zurück. 

Die Bewegung und Streckung (flexio et extensio) der linken 
Hand im Handgelenke ist die normale. 

Kommen wir jetzt zur Hand selbst, so findet sich auf allen 
Seiten derselben sowie am Vorderarm eine grosse Anzahl von 
Narben, welche von den s. Z. gemachten Operationsschnitten Rest 
geblieben sind. 

Von allen diesen Narben ist nur eine einzige für unseren 
Fall von Bedeutung, und zwar die in der Hohlhand gelegene, 
2 cm lange und quer, nicht im Verlauf der Flechse, sondern 
gerade gegen dieselbe verlaufende. 

Diese Narbe ist mit der sie umgebenden Haut in Grösse 
eines Quadratcentimeters eingezogen nnd deutlich mit der um¬ 
liegenden Flechse des oberflächlichen gemeinschaftlichen Beugens 
der vier Finger (Muse, flexor quatuor digit. communis sublimis) 
und deren Sehnenscheiden verwachsen. 

Hierdurch wird bedingt, dass die genannten Muskeln nicht 
voll wirken und die vier Finger nicht völlig in die Hohlhand 
einschlagen können; dies ist auch passiv pressiv nicht zu bewerk¬ 
stelligen; bei allen desfalls angestellten Versuchen bleiben die 
Enden der Finger gegen 4 cm von der Hohlhand entfernt. Der 
kleine Finger hindert mehr als er nützt, da er total steif, ver¬ 
krüppelt und im spitzen Winkel, im ersten und zweiten Gliede 
unbeweglich gebeugt ist. 

Auch die Beugung des Goldfingers in seinem letzten und 
vorletztem Gelenke ist eine erheblich bescliränkte namentlich im 
letzten Gelenk. 

Die Beugung zwischen dem ersten und zweiten Gliede des 
Zeigefingers und Mittelfingers ist beinahe die normale, während 



Zur Casuistik der Erwerbsunfähigkeit nach Verletzung. 371 

die Beugung des Nagelgliedes zum zweiten Gliede um ä / 8 ge¬ 
ringer ist, als sie sein soll. Der Daumen allein ist völlig normal. 

p. R. kann also mit der linken Hand nicht zufassen, dünne 
und kleine Gegenstände nicht halten, aber ebensowenig wegen 
mangelnder Kraft in der linken Hand mit schweren Gegenständen 
hantiren, er hat zur Verfügung nur den Daumen und die nicht 
völlig normalen Zeige- und Mittelfinger der genannten Hand. 

Eine grosse Besserung wird weder durch den Gebrauch der 
Hand noch durch operative Eingriffe zu erhoffen sein. 

Ich halte deshalb den p. R. um 30°/ 0 in seiner Gewerbs- 
fahigkeit geschädigt., so dass demselben noch 70°/ 0 derselben 
verbleiben. 

Der Königl. Kreisphysikus Z. 


An den Vorsitzenden des Königl. Schiedsgerichts. 

In dem Gutachten des Königl. Kreisphysikus Geh. Sanitäts¬ 
rath Dr. Z. vom 14. v. Mts. ist die Arbeitsfähigkeit des Eisen- 
bahnrangirers R. aus W. abweichend vom Unterzeichneten abge- 
schäzt. 

Dieselbe soll nur um 30°/ 0 vermindert sein, während ihm 
70 °/ 0 erhalten geblieben sein sollen. Dieser Schätzung kann ich 
aus folgenden Gründen, die ich bereits in meinem Gutachten 
vom 10. November 1888 dargelegt habe, nicht bei treten. In dem¬ 
selben habe ich nachgewiesen. 

1. Dass der Rangirer R. zu keinem Handwerk, welcher Art 
dasselbe auch sein mag, fähig ist, weil wie auch aus 
dem Gutachten des Herrn Kreisphysikus Dr, Z. ersichtlich, 
dem ich in der Schätzung der aus der Entzündung und 
Eiterung abgeleiteten für die Verwendbarkeit der Hand 
nachtheiligen Folgen vollständig beitreten kann, die 4 
Finger der linken Hand 4 cm von der Hohlhand Zurück¬ 
bleiben und bei aller verwendbaren Kraft, wenn dieselbe 
auch passiv unterstützt wird, nicht oder nur unbedeutend 
näher gebracht werden können. 

2. Dass p. R. auch nicht einmal als Tagelöhner im vollen 
Umfange diejenigen Arbeiten verrichten kann, welche 
gemeiniglich einem solchen zugemuthet werden. Um seine 
Stellung in der Eigenschaft eines Handwerkers und 
Tagelöhners nach den ihm noch möglichen verschiedenen 
Verrichtungen genau darzustellen, zähle ich aus meinem 
früheren Gutachten diejenigen Arbeiten auf, welche von 
ihm nicht oder nur unvollkommen geleistet werden 
können. Diese sind: 

p. R. kann die Axt und Säge nicht mehr führen, 
schwere Holzstücke nicht mehr handhaben, er kann sich 
beim Besteigen eines Gerüstes nicht mehr mit der linken 
Hand festhalten, er ist selbst nicht mehr im Stande ge¬ 
wöhnliche körperliche Arbeiten zu leisten, die jeder 



372 


Dr. Tacke. 


Arbeitsmann auszuführen hat, er kann nicht Lasten 
tragen und heben, weil er mit der linken Hand nicht 
zufassen kann, er kann keine Karre schieben, nicht ein¬ 
mal einen Besen fuhren und dergl. mehr und wird auch 
zu solchen Arbeiten voraussichtlich niemals die Hand 
wieder gebranchen können. 

3. Obgleich ich mit dem Herrn Kreisphysikus Dr. Z. in 
der Beschreibung der Folgen, welche aus den vorherge¬ 
gangenen krankhaften Prozessen der Hand entstanden 
sind, übereinstimme, so möchte es doch für die Beur- 
theilung des Falles von einiger Bedeutung sein, wenn 
ich meine abweichende Meinung in Bezug auf Art und 
Weise, wie und wodurch die Steifheit (Ankylose) Form- 
veränderungen und die übrigen schädlichen Folgen ent¬ 
standen sind, kurz hier anführe. 

Herr Kreisphysikus Dr. Z. beschuldigt hauptsächlich die in 
der Hohlhand gelegene Narbe, behauptet, dass dieselbe aus einem 
mehr quer gerichteten Schnitt entstanden und deshalb die da¬ 
runter gelegenen Sehnen und Sehnenscheiden verletzt und mit 
der Umgebung verwachsen seien. 

Nach meiner Untersuchung und genauen Betrachtung dieser 
Narbe, sowie auch aus der Darstellung, welche Dr. C., der die 
Einschnitte selbst gemacht hat, über letztere giebt und die auch 
der Verletzte p. R. selbst bestätigt hat, so sind dieser wie auch 
alle übrigen Einschnitte in länglicher, dem Verlauf der Sehnen 
paralleler Richtung auf eine vorsichtige Weise ausgeführt worden. 
Die Ursache aller Veränderungen an der linken Hand ist viel¬ 
mehr, wie ich in meinem früheren Gutachten wiederholt ange¬ 
führt habe, die im Zellgewebe von der Hand bis zur Mitte des 
Oberarms verlaufende infektiöse Entzündung, eine Entzündung, 
welche Dr. C. in seinem Gutachten ausdrücklich als eine schwer¬ 
ster Art hervorgehoben. Dass derartige Entzündungen, besonders 
wenn sie infektiöser Natur und schwerster Art sind, immer oder 
doch fast immer eine Verlöthung der Muskeln unter sich, der 
Sehnen mit den Sehnenscheiden und der Gelenkkapseln hervorrufen, 
darüber berufe ich mich auf die Zeugnisse von Dr. L. Becker 
(Anleitung zur Bestimmung der Arbeite- und Erwerbsunfähigkeit 
nach Verletzung, Berlin 1888, Verlag von Ens 1 in, S. 91, sowie 
Lehrbuch der speciellen Chirurgie von F. König, Berlin 1879, 
II. Band, S. 716 — 729 Billroth, Allgemeine chirurgische 
Pathologie und Therapie, Berlin 1880, S. 325—331 und endlich 
Hueter-Lossen, Grundriss der Chirurgie, Leipzig 1888, Vogel 
Seite 97—112). 

Wenn nun also aus Vorstehendem ein so bedeutender Grad 
von Arbeitsunfähigkeit ersichtlich ist, was auch von Herrn Dr. Z. 
wenn auch nicht in der Aufzählung der einzelnen zur Unmög¬ 
lichkeit gewordenen Bewegungen und Verrichtungen, sondern nur 
in einer allgemeinen Darstellung anerkannt ist, so muss man doch 
nothgedrungen eine grössere Arbeitsunfähigkeit resp. einen ge¬ 
ringeren Procentsatz von noch übrig gebliebener Arbeitsfähigkeit 



37S 


Zur C&mtbtik 'li'i Ktvi*rü*!injr>fubiglte}* nact) 'Yov)<jt*/UTVg. 

/ V V «- * : • v:' •&. 'A v t «j * V^' i J $$ 5 * *' * -- 

■ 

annehitte». als m vm Hen*n Kreispbyßikus Br. 

Z., geschehen i4i Meines BrabiitOüs ifliisste eine solche Ah- 
.«cMtgnng» nachdem ein Am die Verletzung genau dargestßflt 



AMiigiiag lö': die Hand eiftfes einzelnen At^tö,s za yerlegeti. 
W.. den I Februar 1880. 

Der Königt, Kreisphysikus T. 


Entscheidung des SchiödsQerichts 

in der Unf ä 1!-Vevs'iehernugssae he des Rangirarbeiters 

Wilhelm Franx R /"'•/< 

t _ _Vv wider - , 2 ■ 

dio Eisenbahn-Di rektinn. 



Annahme des örades der vorhandenen Erwerbsunfähigkeit von 
S0% v die Rente des'■Klüger«- und «war voio l. Oktober 1888 ab 


bis auf \¥eifcere& ; n«fv einen Betrag von 12,1«) Mark, monatlich, M 
144,04 Mark ‘jährlich festgesetzt, wird. iDer weitergdiemk An¬ 
trag des Klagers ebeasii xvie der Antrag der Rekiägfeti auf An¬ 
rechnung der Hälfte dieser Rente vom 1 Oktober t. J. big heute 
nnf den bezahlten Lohn, wird abgewiesen. Die Kosten des Ter- 
fobrens vor den? Sebiedsgerieht^yy'Ci^fh'.' : 4.er Beklagten auferlegt. 


ThaihestanäX 

Beim Ausladen; eines schweren eisernen Oefässes am 11. 
November 1887 erlitt auf Station M der Rangtrarbeiter Wilhelm 
R. eine .(Jituteehung der Weidtftbeile des 4. und 5; Fingers der 
linken Rand .( Bi. 2 der Flejinakten) Nach Dag# dfer fömittolungen 
ist die Annahme «msgeschlossen^ dass p, tt sich die Verletzung 
vorsätzlich z«gt?«f>gen habe {Bl. Hl—-IS der Balmakten). Die Aue* 
Stellung des .Jahresverdienstes des Verletzten (Bl 16 der Bahn- 
ftkten) beziehnngßwetee anderer Arbeiter in gleicher Beschäfti¬ 
gung — R. 'war erst seit 26. D^emhftr in Dienst der Verwal¬ 
tung IBL 7 der BahhÄkteu)— ergab bei 854 Arbeitstagen durch- 
ach tu t,t lieb 2,11 Mark. TageaverdietiHt.— 

Das augfSihrlielie ärztliche-Attest vom Si -Tamur 1888 
der Bähii&kten) hebt hervor, dass die ErwerRuufö.bigteuif dm? 'Sv..;',: 
ftir ,$^;ftäebj3t& Vierteljahr nach der 13. Worb*- noch ein» -VjlMte'R* 



die Dauer der Verpflegung im .Krankenheu4e »«VhtfM*»® 
gegen würde tlh- diese Zeit dem Vater des '>;rLj«Ln obnb.3 






374 


Dr. Tacke. 


der Grad der Erwerbsfähigkeit in Anbetracht der Winkelstellung 
des kleinen Fingers der linken Hand und der dadurch beliinderten 
Greif- und Fassbewegungen 85 °/ 0 betrage. — 

Dem entsprechend wurde die Rente berechnet auf 10 °/ 0 von 
770,15 Mark (Bl. 34 der Bahnakten) und durch Bescheid (BI. 40 
der Bahnakten) vom 14. September 1888 auf 77,02 Mark jährlich 
oder 6,45 Mark monatlich festgestellt. Gegen diesen am 18. 
September 1888 zugestellten Bescheid richtete sich die Berufung 
des Klägers vom 15. Oktober 1888 (Bl. 2 Sch.-Akten.) Kläger führte 
dabei aus, dass nicht nur die linke Hand, sondern auch der 
untere Theil des linken Armes in Mitleidenschaft gezogen sei 
und nach Lage des Umfanges der Verletzungen er als völlig er¬ 
werbsunfähig gelten müsse, da er zudem auch keinerlei Hand¬ 
werk mehr zu erlernen vermöge. — 

Die Beklagte beantragte Verwerfung der Berufung, indem sie 
sieh auf das ausführliche Gutachten des Dr. C. vom 30. Oktober 
1888 (Bl. 43 der Bahnakten) bezog und sich zur Rentenerhöhung 
auf 25 °/ 0 bereit erklärte (Bl. 8 der Sch.-Akten); das Reichsver¬ 
sicherungsamt habe in ähnlichen Fällen 20 bezw. 15 °/ 0 zu¬ 
gebilligt. 

In der Sitzung vom 19. Dezember 1888 (Blatt 15 der 
Sch.-Akten) erging der Beweisbeschluss auf Erstattung eines Gut¬ 
achtens durch den Kreisphysikus Z., während am 16. Dezember 
(Bl. 19 der Sch.-Akten) der Kreisphysikus T. bereits eine Entgegnung 
auf das Gutachten des Dr. C. fertiggestellt und eine Abschrift 
des ersten Gutachtens des Dr. T. (Bl. 25 der Sch.-Akten) seitens 
des Klägers zu den Akten überreicht wurde. — 

Am 14. Januar 1889 erstattete der gerichtstheilig ernannte 
Gutachter, Kreisphysikus Dr. Z. sein Gutachten (Bl. 31 der 
Sch.-Akten), welches schliesst mit den Worten „Ich halte den R. 
um 30 °/ 0 in seiner Erwerbsfähigkeit geschädigt, so dass dem¬ 
selben noch 70 °/ 0 derselben verbleiben.“ 

Beklagte erklärte darauf hin gegen die Zubilligung einer 
entsprechenden Rente keinen Einspruch erheben zu wollen (Bl. 
37 der Bahnakten). Der Kläger verlangte Zubilligung einer 
höheren Rente und Ermittelung derselben durch die Sektion 
einer Berufsgenossenschaft (Bl. 40 der Sch.-Akten) indem er ein 
weiteres Gutachten des Dr. T. vom 3. Februar 1889 mit einer 
Kritik der Erklärung des Dr. Z. (Bl. 41 der Sch.-Akten) vorlegte. 


Gründe: 

Es hat in überzeugender und von dem Gericht anerkannter 
Weise der Gutachter Dr. Z. sich über den Umfang der dem 
Kläger entstandenen Verletzungen und Beschädigungen ausge¬ 
sprochen. Die widerstreitenden Ausfüllungen des Sanitätsraths 
Dr. T. vermögen diese objektiven Feststellungen des Dr. Z. nicht 
auszuräumen und lediglich unter Zugrundelegung der im Rahmen 
des Gutachtens verbliebenen, objektiven Angaben war der Procent¬ 
satz der Rente gerichtsseitig zu bemessen. 




tmd der Arbeitgeber >b;b itudif deeken, 

Die '.'Eiitsdteuluvig Über di« Kosten stützt sich suir § 52. Abs. 
5 des Unfall Ab>rä}«hwm$gs^eiKf>.. 

t r rkuttiXrick,v v ttiii^ip' Siegel£ • des Sehieds- 

geridits. 

V ; -'•; Der Vorsitzende. 


Fragliche Öpiumvergiftung durch ein ßandwürmmittel. 

Von ilori^nl Kor*. 

Da in tienerer Zeit mehrere Fälle von Vergütung diu«)i 
'Kxfiätitoiti iUkds maiis veröffentlicht .sind, p dürfte acsrh tj?u-h- 
ijgherides-Dutnehfen erneutes Interesse für diese Ar! von Ver¬ 
giftungen bDten. 

Dem aeJtUtnUgvvtitizigjHhrigen kräftigen, sonst g«Mindt:n Kant* 
niauu *». F. versrimob. Dr. T. am 2ti5 Oktober J8S1 gegen den 
Bandwurm ft/lgendes feeeje: 

Estracti FUieis judli. 10,0 

M. Be ad vitrüm arifieiu amplp mstructtun et A0,0 
gmnmatiH« eajme. S auf einmal' 

: v ' ; ' für BorTn F. 


. : F; drug Reoefd seilet Abende iw die' 

Selbst der Besitzer S. die; Ariiäied-f/aii^tligt» Und dom F r&ifr^ 
gab. Am andorn Morgen nahm F. gegen t : ■ db- 
in; z>vei Obfauiii eofört biBtereinandet pie MiHtOf ivAv 
nml sah i\mh. wie der Sohn von einem ebeibbjb *:-Tb » ,/> 

Apotheke ontnomTneneti ltidrrusöi etv a einen 
eiiiualim (foL riet 7) Nach Verlauf einer 
merkte dieselbe, dass der Buhn im D«sieht 

r •... " :.*; • . * “öI.C- £*VVv **■ >.’■ ; v^. - 




m& 

5i£ö* . 





876 


Dr. Tacke. 


Sohn klagte über abscheuliches Jucken und rieb Bich über die 
Arme. Nach Verlauf einer weiteren Viertelstunde fand sie ihn 
ganz ruhig und, wie ihr schien, schlafend. Die Röthe des Ge¬ 
sichts hatte nachgelassen, war aber noch nicht ganz geschwunden. 
Die Mutter hatte kein weiteres Bedenken, verliess das Haus und 
ging zum Markt. Als sie nach his 8 / 4 Stunden zurückkehrte, 
fand sie ihren Sohn ganz blass mit Schweisstropfen im Gesicht, 
wie todt daliegen. Es wurde zu Dr. T., Dr. L. und Dr. P. 
geschickt. Zuerst erschien Dr. T., dann nach einer Viertel¬ 
stunde die beiden letzteren (fol. 41). Der F. lag lang aus¬ 
gestreckt im Bett, war leichenblass über den ganzen Körper, 
Herzschlag war deutlich zu hören, Puls zu fühlen, beide etwas 
schwächer, Puls etwas weicher, indess sonst waren sie normal 
und regelmässig. Das Athmen war mit dem blossen Auge gar 
nicht wahrzunehmen und nur durch Zufühlen mit dem Finger 
unter den Rippenbogen konnte Dr. T. „eine ganz leise und in Ab¬ 
sätzen erfolgende Bewegung des Zwerchfelles“ wahrnehmen. Die 
Pupillen waren auf das äusserste zusammengezogen, noch enger 
als ein Stecknadelkopf breit. Die Gefässe im Umkreis der Horn¬ 
baut, welche unterhalb der Bindehaut verlaufen, waren ziemlich 
stark injicirt. Das Bewusstsein war ganz und gar erloschen, und 
auf Kneifen, Stechen, selbst auf Berührung der Hornhaut entstand 
keine Reaction. Der wiederholt gezählte Puls zeigte 104—110 
Schläge in der Minute. Dr. T. suchte sofort die künstliche Ath- 
mung durch Heben und Senken der Arme, begleitet von einem 
Druck auf die Bauchmuskeln, einzuleiten. Die Athmung kam 
darauf in Gang. Es wurden weiterhin Injectionen von Hoffmanns- 
tropfen subcutan gemacht, und der Magen mittelst der Magen¬ 
sonde ausgespült. Es entleerten sich ausser dem eingegossenen 
Wasser einige Bröckelchen der genannten Arznei, welche jedoch 
in den Akten nicht genauer beschrieben sind. Dies Ausspülen 
wurde 4—5mal wiederholt. Später, sagt Dr. T. (1. c.), als sich 
bei der Untersuchung des Herzens eine Blutstauung, namentlich 
der rechten Herzkammer, ergab, wurde ein Aderlass etwa von 
einem Teller Blut gemacht. Der Zustand des Patienten hatte 
sich durch diese Bemühungen dahin geändert, dass die Athmung 
zwar selbstständig erfolgte, aber in einer Weise, wie sie mit dem 
Namen des Cheyne - Stockes’schen Phänomens bezeichnet wird. 
Gegen vier Uhr Nachmittags wurde die Athmung mehr normal, 
hatte aber einen mit Rasseln begleiteten trachealen Charakter. 
Während der ganzen Zeit hatte sich das Bewusstsein nicht ein¬ 
gestellt und die Reactionsfähigkeit des Körpers sich nicht ge¬ 
bessert, die Unfähigkeit zum Schlucken dauerte fort Gegen 
fünf Uhr erweiterte sich die linke Pupille, dann noch mehr die 
rechte, die Injektionsröthe der Hornhaut erblasste, das Gesicht 
zog sich schief krankhaft auf die linke Seite, und es trat der 
Tod ein. 

Die beiden andern Aerzte Dr. L. und Dr. P., welche mit 
Unterbrechungen den Kranken bis zu seinem Tode beobachteten, 
schildern die Krankheitserscheinungen im Ganzen in gleicher 



Fragliche Opiumvergiftung durch ein Bandwurmmittel. 


377 


Weise. Dr. L. constatirt im Einzelnen noch eine abwechselnd 
kleine und grosse Beschaffenheit des Pulses und abwechselnde 
Unregelmässigkeit desselben. Es habe die Hautfarbe gewechselt 
zwischen leichenähnlich und ganz dunkelblau. 

Dr. P. stellt fest, dass auch einige Tassen schwarzer Kaffee 
mit der Magensonde eingeführt worden seien. In Bezug auf die 
Todesursache sind Dr. T. und Dr. L. übereinstimmend der An¬ 
sicht, dass eine Vergiftung mittelst eines narkotischen Giftes vor¬ 
liege. Stabsarzt Dr. P. sprach sich nicht für Einwirkung eines 
narkotischen Giftes aus, sondern hatte Verdacht auf Blausäure 
und allenfalls Chloroform. Auch hielt er es für möglich, dass 
gar keine Vergiftung vorliege, sondern dass es sich um einen 
unterdrückten Hautausschlag (Scharlach) gehandelt habe. 

Die Section der Leiche fand am 10. Oktober statt und er¬ 
gab im Wesentlichen Folgendes: 

A. Aeussere Besichtigung. 

Die Leiche ist 174 cm lang, von kräftigem Knochenbau, 
gut entwickelter Muskulatur und gutem Ernährungszustand. — 
Auch der Bauch zeigt eine ziemliche Auftreibung. Aus der 
Nasenüffnung ist rothe Flüssigkeit geflossen. 

B. Innere Besichtigung. 

1. Bauchhöhle. 

Es wird ein Schnitt bis zur Schambeinfuge geführt, welcher 
die Bauchhöhle sofort eröffnet und den Nabel an der linken Seite 
umgeht. Es drängen sich sofort viel Darmschlingen hervor, die¬ 
selben sind durchgehend von blassgrauer und blassbrauner Fär¬ 
bung, glatt und glänzend und stark mit Luft gefüllt. 

Das Zwerchfell reicht rechts bis zum fünften Rippen¬ 
zwischenraum. 

Das Netz ist blass, nur wenig fettreich, die grossen Venen 
enthalten wenig Blut. Die Oberfläche des Magens sieht glänzend 
glatt aus, zeigt eine braunrothe Färbung. Die Cardia ist braun- 
roth und graugelb gefleckt. Es wird hierauf der Magen in seinem 
obern uud untern Ende doppelt unterbunden. Um dies mit Sicher¬ 
heit ausführen zu können, und da die Unterbindung wegen der 
aufgetriebenen Darmschlingen sich schwierig erweist, wird jetat 
das Brustbein entfernt. Der Magen enthielt 35 Cubikcentimeter 
einer trüben braunen Flüssigkeit, in welcher einzelne dunkele, 
schwarzbraune Partikelchen schwimmen. Weder rothes noch 
blaues Lakmuspapier wird durch dieselbe verändert. Die Farbe 
der Schleimhaut ist gelblich braun und zeigt besonders in der 
Nähe des Pylorus verwaschen röthliche und grünliche Flecke. 
Die Drüsen besonders in der Nähe des Pförtners bilden zahl¬ 
reiche, ungefähr hirsekorngrosse Erhabenheiten von der Farbe 
der entsprechenden Schleimhautpartien. Vom Mageneingang aus 
erstrecken sich fünf grauweisse Streifen nach dem Fundus zu, 
welche einhalb bis ein Centimeter breit und acht bis zehn Centi- 



378 


Dr. Tacke. 


meter lang sind. Sie verlaufen nahezu parallel. Die Schleim¬ 
haut ist an diesen Stellen dünner als sonst, das Epithel mehr¬ 
fach durch kleine Luftblasen abgehoben. An zwei Stellen be¬ 
finden sich inmitten dieser blassen Streifen kleine rothgefärbte 
Stellen, welche bei Fingerdruck ihre Farbe nicht verändern. 

Der Magen nebst Inhalt wird in ein neues reines Glasgefäss 
gethan und dieses mit einer Schweinsblase zugebunden und versiegelt. 

Es ist noch zu erwähnen, dass die genannten schwarzbraunen 
Partikelchen die Finger bräunlich grün färben. 

Die Milz ist lö 1 ^ cm lang, 10 cm breit, 3 cm dick, stark 
gelappt, von schwarzgrüner Farbe, glatter glänzender Oberfläche, 
sehr weich, fast zerfliessend, von einer Struktur ist mit dem 
blossen Auge nichts zu erkennen. 

Die Maasse der Nieren sind 14, 7 */ g und 3 1 /* cm. Die 
Kapsel ist leicht abziehbar, von dunkelrother Farbe, glatt glän¬ 
zender Oberfläche, mit spärlichen Venensträngen versehen, leicht 
zu schneiden. Die Rindensubstanz ist braunroth, die Pyramiden¬ 
substanz dunkler gefärbt. Das Nierenbecken ist blassroth. Die 
Nebenniere klein, innen und aussen von hellbrauner Färbung. Die 
rechte Niere und Nebenniere verhielt sich durchweg wie die linke. 

Die Harnblase ist blass, sie enthielt 63 Cubikcentimeter trüber 
gelber Flüssigkeit. Letztere wird in ein besonderes Gefäss gethan, 
welches in gleicher Weise wie dasjenige für den Magen verschlossen 
wurde. 

Die Schleimhaut der Blase ist glatt, glänzend, in der oberen 
Partie gelblich, in der untern Partie bläulich roth gefärbt. Man 
bemerkt zahlreiche grössere und kleinere mit Blut gefüllte Gefässe. 

Der Mastdarm zum Theil grau, zum Theil schmutzig braun¬ 
roth verfärbt. Die Schleimhaut desselben zeigt dasselbe Ver¬ 
halten; er enthält eine geringe Menge Koth. 

Der Zwölffingerdarm war von aussen gelblich gefärbt mit 
verwaschenen rothen Flecken, die Schleimhaut ist graugelb. Der 
Inhalt desselben ist dünnflüssig gallig. 

Es werden 35 Cubikcentimeter Darm in das Gefäss zum 
Magen gelegt und dann dieses wieder wie vorher verschlossen. 

Die Dünndarmzotten und Falten sind blass und klein. Die 
äussere Oberfläche des Dünndarms ist durchgängig blass, hin 
und wieder mit verwaschenen blassrothen Flecken. Der Inhalt 
im oberen Theile gelblich, weiterhin gelblichgrau. 

Der Dickdarm ist von graugrüner Farbe, hin und wieder 
verwaschen rothe Flecken; Inhalt kothig, Schleimhaut durch¬ 
gängig blass. Drüsen klein. 

Das Gekröse zum Theil blass, zum Theil gelblichroth und 
braunroth gefärbt. Die Gekröse-Drüsen meist klein und blass, 
braunroth gefärbt. Die Gefässe leer. 

Die Leber hat folgende Maasse: 27, 22 und 7 Centimeter. 
Die Oberfläche ist dunkelgrün gefärbt, glatt und glänzend. Die 
Leberläppchen von der gewöhnlichen Grösse, hin und wieder 
ist der Rand derselben heller gefärbt wie die Mitte. Der Ueber- 
zug der Leber ist leicht abziehbar, leicht zu schneiden. 



Fragliche Opiumvergiftung tlurch ein Bandwurmmittel. 379 

Ueber die Schnittfläche, welche glatt ist, fliesst kein Blut, 
sie ist von griinbrauner Färbung. Die Pfortader ist schmutzig 
braunroth und leer. Die Gallenblase enthält eine ziemliche 
Menge flüssiger braungelber Galle. 

Die grossen Gefässe der Bauchhöhle sind fast leer, die 
Beckenknochen sind unverletzt. 

2. Brusthöhle. 

Die Brusthöhlsäcke sind leer. 

Die Lungen haben sich ziemlich zurückgezogen und sind 
nirgendswo verwachsen. 

Die Farbe des Herzbeutels ist blass, er enthält spärliches 
Fett, er enthält keine Flüssigkeit. 

Das Herz ist 12 Centimeter lang, 11 Centimeter breit, es 
ist glatt und welk, es ist mit spärlichem Fett bedeckt. 

Die rechte Atrio-Ventricularöffnung ist bequem für drei 
Finger durchgängig. 

Dieselbe Oeffnung links für zwei Finger durchgängig. Die 
rechte Herzhälfte war leer. Die linke Herzkammer und der 
Yorhof enthalten zusammen einen Esslöffel dunkeln klumpigen 
Blutes. Aus den geöffneten Lungenvenen ergiesst sich viel Blut 
von gleicher Beschaffenheit. 

Wasser, welches in die Aorta und hierauf in die Lungen¬ 
arterie des regelrecht aufgehängten Herzens gegossen wird, fliesst 
nicht ab. Die innere Oberfläche des Herzens, sowie die Sehnen¬ 
fäden und Klappen sind blutig inbibirt. Das Herzfleisch ist blass, 
fast gelblich. Die Kranzgefässe sind leer. 

Die rechte Lunge hat eine glatte glänzende Oberfläche. 
Die Färbung ist im oberen Lappen blass, braunroth und grünlich 
marmorirt. 

Im untern Lappen herrscht die grüne Farbe vor. Beim 
Durchschnitt ergiesst sich weniges dunkel, kirschrothes Blut über 
die Schnittfläche. Dieselbe ist glatt, im unteren Lappen schwarz- 
roth, • im obem Lappen braunroth gefärbt. Die Lungen knistern 
sehr wenig. Das hervorquellende Blut enthielt sehr wenig kleine 
Luftblasen. Die Schleimhäute der Luftröhrenäste sind dunkel 
braunroth gefärbt. 

Die Bronchialdrüsen sind klein, weich und schwarzblau. 

Die linke Lunge verhält sich durchweg wie die rechte. 

Der Kehlkopf ist leer. Die grossen Gefässe am Halse 
sind leer. Die Drüsen des Halses sind etwas geschwollen und 
schiefrig. Die Nerven des Halses sind blass. 

Die Zunge lag hinter den Zähnen. 

Die Mandeln sind klein und grau, der Kehldeckel ist blass, 
die Schleimhaut des Kehlkopfes und der Luftröhre ist durchweg 
dunkelbraun roth gefärbt. Die Speiseröhre war leer. Die Schleim¬ 
haut blass. 

3. Schädelhöhle. 

Die Schädeldecken sind durchweg blass. Die Schädelknochen 
des Daches sind aussen wie innen, wie auch in der Diploe blass. — 



380 


Dr. Tacke. 


Der Längsblutleiter der harten Hirnhaut war in seinem oberen 
Theil leer, in seinem hintern Theil befand sich ein lockeres 
schwarzes Blutgerinsel. 

Die Oberfläche der harten Hirnhaut ist glatt, bläulich blass, 
nicht gespannt, durchscheinend, nur in den abhängigen Partieen 
enthalten die grösseren Venen etwas flüssiges Blut. 

Die weiche Hirnhaut zeigt sich besonders in der Nähe der 
Gefässe etwas weisslich getrübt. Dieselbe lässt sich ziemlich 
leicht abziehen. Ihre Gefässe sind in den hintern Partien^stark, 
in den vordem wenig mit dunkelflüssigem Blute gefüllt. 

Die Vorderhörner waren sehr klein, die Hirnkammer fast 
leer. Die Bindensubstanz blass, grau, die weisse Substanz trocken, 
rein, weiss, zeigt nicht sehr zahlreiche Blutpunkte. — Die Sylvische 
Wasserleitung, die vierte Gehirnkammer leer. Die grossen Gehirn¬ 
ganglien, die Brücke, das verlängerte Mark, die Vierhügel, das 
kleine Gehirn hatten die ihnen zukommende blassgraue, beziehungs¬ 
weise weisse Färbung. Am Schädelgrunde verhielten sich die 
Hirnhäute wie oben. Die Hirnnerven waren blass. 

Hiermit erklären die Obducenten die Obduction für ge¬ 
schlossen und lassen sich wie folgt vernehmen: 

Aus der Obduction ist über die Todesart des J. F. nichts 
festzustellen. Auf Befragen: 

Nach dem uns vorgelegten Recept, in welchem 10 Gramm 
Extracti Filicis maris aetherei und 5 Gramm Extracti rad. 
Granatorum spirituosi angegeben sind, ist die erlaubte Dosis 
nicht überschritten und halten wir das nach diesem Becept ge¬ 
arbeitete Medikament, auch in einer Dosis genommen, nicht fiir 
geeignet, den Tod eines Menschen herbeizuführen. 

Es wurden ferner Theile von Herz, Leber, Nieren, Milz, 
sowie Blut in ein Gefäss gefüllt, die drei Gefässe mit dem 
Gerichtssiegel verschlossen und in Verwahrung genommen. 

Dem Chemiker K. in D. wurden nunmehr neun verschiedene 
Asservate mit dem Aufträge übergeben, die Untersuchung der 
Leichentheile dahin vorzimehraen, „ob und welche Giftstoffe die¬ 
selben enthalten, ob letztere quantitativ zur Herbeifülirung des 
Todes genügten, ob dieselben sich ferner in den in der Wohnung 
des Verstorbenen einerseits, sowie in den bei dem Apotheker 
anderseits beschlagnahmten Medikamenten vorfinden, sowie ob 
diese letztem Stoffe den ärztlichen Recepten gemäss sind. Gleich¬ 
zeitig soll der ausgepumpte Mageninhalt in den Bereich der 
Untersuchung und Begutachtung gezogen werden.“ 

Dr. K. verzögerte, obgleich eine sofortige Inangriffnahme der 
Analyse erforderlich gewesen wäre, weil das Auffinden des ver- 
mutheten Giftes durch dessen langen Contact mit den Leichen- 
theilen eifahrungsgemäss grössere Schwierigkeiten bietet, die 
Analyse längere Zeit und berichtete erst nach 2 Monaten (am 
12. Januar 1882), dass er die Analyse bis zur Isolirung etwa 
vorhandener Gifte durchgefuhrt habe, so dass eine Zersetzung 
nicht mehr zu befürchten sei. Am 22. Januar berichtet er, dass 
die Untersuchung nunmehr zum Theil beendet und dass es ihm 



Fragliche Opium Vergiftung durch ein Bandwuruimittel. 


381 


gelungen sei, in einzelnen Objekten (No. 1. 2. 3. 5) Morphium 
nachzuweisen. Einen ausführlichen Bericht über die Analyse 
gibt Dr. K. am 10. März und behauptet, dass er in den Leichen- 
tlieilen und in dem Rest der asservirten Medicin Narcotin und 
Morphium gefunden und Morphiumkrystalle daraus hergestellt 
habe. Die beschlagnahmten Standgefässe, enthaltend Extract. 
rad. Granatorum und Extr. Filicis maris, seien dagegen frei von 
diesen Stoffen gewesen. 

Die wichtige Frage jedoch, ob in den Leichentheilen die 
beiden verschriebenen Substanzen Extr. Filicis maris und Extract. 
Granatorum enthalten gewesen, hatte Dr. K. zuerst sehr ober¬ 
flächlich und wenig sachgemäss behandelt, kam dann aber nach 
wiederholter Aufforderung, sich über diese Frage durch erneute 
Untersuchung zu überzeugen, zu dem Resultat, dass Extr. Filicis 
maris vorhanden, Granatwurzelextract jedoch nicht in den Leichen¬ 
theilen vorhanden gewesen sei. 

Nach Kenntnissnahme dieser gutachtlichen Aeusserungen des 
Dr. K. hielt Kreisphysikus Dr. M. es für angezeigt, den Antrag 
auf eine Kritik des Verfahrens des Dr. K. durch einen andern 
Chemiker zu stellen. 

Apotheker Dr. B. beleuchtete in Folge dessen das Gut¬ 
achten des Dr. K. und kam zu dem Schluss, dass der Dr. K. 

1. für den Nachweis von Narcotin keine Beweise erbracht 
hätte, 

2. dass die von demselben angegebenen Reaktionen den Be¬ 
weis für das Vorhandensein des Morphiums überzeugend 
und unzweifelhaft nicht erbringen. 

Ferner, 

dass die Erklärung des Sachverständigen, dass in den 
untersuchten Leichentheilen kein Granatwurzelgerbstoff, 
demnach auch kein Granatwurzelextrakt enthalten ge¬ 
wesen, auf Irrthum basirt und unrichtig sei. 

Schliesslich, 

dass der Inhalt der von Dr. K. abgegebenen Objekte, 
welche seiner Angabe nach das aus der Leiche des 
p. F. abgeschiedenen Morphium enthalten sollen, kein 
Morphium sei. 

Der Erste Staatsanwalt ersucht nunmehr das Königliche 
Medicinal-Kollegium unter Uebersendung der Akten um gefällige 
Erstattung eines Superarbitriums über die von dem Chemiker K. 
fol. 44—51. 68. 77—79 act, und B. fol. 107. 110—125 act, ab¬ 
gegebenen Gutachten unter Berücksichtigung der Erklärungen des 
Königlichen Kreisphysikus Dr. M. fol. 38. 68 act. 

Die noch in Asservation befindlichen Stoffreste — angeblich 
Morphiumkrystalle — wurden beigefügt. 


Gutachten. 

In dem Gutachten vom 10. März 1883 hatte sich Dr. K. zu¬ 
nächst die Aufgabe gestellt, 



882 


Dr. Tacke. 


1. sämmtliche Objekte für sich auf organische Gifte, speziell 
Objekte, namentlich auf Morphium zu untersuchen. 

2. Die Reaktionen der Granatwurzelrinde und Farnkraut¬ 
wurzel zu studiren, soweit dieselben in dem vorliegenden Falle 
in Betracht kommen konnten. 

Dr. K. hatte zur Untersuchung folgende Objekte erhalten: 

1. Magen und Darm nebst Inhalt, 

2. Lunge, Leber, Niere und Milz, 

3. einen Nachttopf mit Excrementen, 

4. ein Fläschchen mit Urin, 

5. ein Fläschchen mit Etikette, in welchem das Arznei- 
• mittel enthalten war, 

6. ein Gläschen, signirt Extr. Filic. aeth., 

7. ein Gläschen, signirt Extr. cort. rad. Granat., 

8. eine Papierkapsel mit einer feuchtpulverigen Masse, 

9. ein Gläschen mit Oel. 

Folgen wir nunmehr den einzelnen von Dr. K. vorgenommenen 
Untersuchungen. 

1. Untersuchung von Magen, Darm und Inhalt. 

Nach vorheriger Zerkleinerung dieser Theile und Mischung 
des Festen und Flüssigen unterwarf K. zwei Drittel der Mischung 
der Untersuchung. Ein Drittel stellte er als sogenanntes gericht¬ 
liches Drittel bei Seite. Eine Gewichtsbestimmung fand nicht 
statt. Die Mischung wurde mit Wasser und Salzsäure im Dampf¬ 
bade einige Stunden digerirt. Nach Trennung des Flüssigen 
vom Festen durch Coliren wurde die flüssige Masse im Wasser¬ 
bade auf 290 ccm abgedampft und der Rückstand mit der vier¬ 
fachen Menge Alkohol versetzt. Nach längerem Stehenlassen 
das Ganze filtrirt, der Alkohol abdestillirt und die übrig ge¬ 
bliebene Flüssigkeit nach D. (gerichtlich-chemische Untersuchung 
der Gifte) untersucht. K. schüttelte die erhaltene schwarzbraune 
Flüssigkeit mit einem Petroleum-Aether, trennte diesen darauf 
mit Hilfe eines Scheidetrichters ab und brachte darauf die Flüssig¬ 
keit mit Benzin und dann mit Chloroform in Berührung, fügte 
darauf Ammoniak zu, schüttelte wieder mit Petroleumäther, dann 
mit Benzin und Chloroform. 

K. erhielt so, genau nach dem Gange von D., sechs ver¬ 
schiedene Auszüge. 

a) aus saurer Lösung: 

1. Petroleumäther-Auszug, 

2. Benzin-Auszug, 

3. Chloroform-Auszug, 

b) aus ammoniakalischer Lösung: 

4. Petroleumäther-Auszug, 

5. Benzin-Auszug, 

6. Chloroform-Auszug. 

Diese verschiedenen Auszüge konnten nun nach D. ver¬ 
schiedene organische Gifte enthalten. 

So konnte aus der sauren Lösung der Chloroform-Auszug, 
Papaverin und Narcein; aus der alkalischen Lösung der Benzin- 



Fragliche Opiumvergiftung durch ein Bandwurmmittel. 


388 


Auszug: Narcotin und und Codein, der Chloroform-Auszug eventuell 
Morphium enthalten. 

Die erhaltenen ätherischen Auszüge wurden in Glasschälchen 
vertheilt und auf dem Wasserbade zur Trockene verdunstet. Die 
Rückstände darauf zunächst mit Gruppen, dann mit speziellen 
Reagentien auf die genannten Alcaloide untersucht. K. unter¬ 
stellte, dass wenn ein Opiat in dem Mageninhalt vorhanden ge¬ 
wesen, eine der genannten Opium-Alkaloide auf die erwähnte 
Weise nachgewiesen werden müsse. Es gelang ihm nun angeb¬ 
lich, von den obigen Alkaloiden Narcotin und Morphium, aber 
nur diese, nachzuweisen. Auf welche Art er aber das Narcotin 
nachgewiesen, gibt er nicht an, so dass wir die Gegenwart von 
Narcotin als nicht erwiesen ansehen müssen. 

Es gelang ihm nicht, Morphium in dem Chloroform-Auszug 
der ammoniakalischen Lösung aufzufinden, wohl aber glaubte er, 
den Nachweis dafür gefunden zu haben, durch Anwendung von 
Amylalkohol nach vorheriger Behandlung der Lösung mit ge¬ 
brannter Magnesia. Nach stattgehabter Filtration, Versetzen mit 
einem Tropfen Salzsäure, wurde zur Aufsuchung des Morphiums 
die amylalkoholhaltige Lösung auf verschiedene Glasschälchen 
vertheilt und zur Trockene verdunstet. 

K. gibt nun folgende Reaktionen des Morphiums an: 

1. Der mit verdünnter Salzsäure aufgenommene Rückstand 
in einem der Schälchen gab mit Phosphor-Molybdaensäure sofort 
einen starken Niederschlag von gelblichweisser Farbe, der nach 
Zusatz von concentrirter Schwefelsäure eigenthümlich gelbgrau¬ 
braun gefärbt wurde. Hierdurch ist aber nach unserer Ansicht 
die Gegenwart von Morphium nicht erwiesen. Der auf diese 
Weise erhaltene Niederschlag darf nicht gelbgraubraun, sondern 
muss blau gefärbt werden. Phosphor-Molybdaensäure ist ein 
allgemeines Reagenz, namentlich auf giftige und nicht giftig¬ 
stickstoffhaltige Alkaloide. 

2. Der mit Salzsäure versetzte Rückstand schied aus einer 
verdünnten Lösung von Jodsäure in Chloroform lösliches und 
dieses violett färbendes Jod aus. Diese Reaktion können wir 
wiederum nicht für beweisend anerkennen. Das Ausscheiden von 
Jod aus einer Lösung von Jodsäure und Erkennen des aus¬ 
geschiedenen Jods durch Chloroform ist einer grossen Zahl orga¬ 
nischer Körper eigenthümlich. 

8. Der in einem Schälchen enthaltene Rückstand färbte ein 
Säuregemisch von concentrirter Schwefelsäure mit 1 / ?00 Salpeter¬ 
säure eigenthümlich rothbraun mit einem Stich ins Violette. Auf 
diese Weise behandelt, färben sich aber eine Anzahl Alkaloide 
rothbraun. Das reine Morphium färbt sich mit salpetersäure¬ 
haltiger Schwefelsäure violett, später am Rande grün und nach 
längerer Zeit wird die Färbung orange. 

4. Der Rückstand in einem Schälchen mit sehr verdünntiMj 
Salzsäure aufgenommen, dann wieder abgedampft, gab mit dpr 
Lösung von neutralem Eisenchlorid eine grüne Färbung. JB 
längerem Stehen verschwand die grüne Farbe. Dieses 'ij|fli 



384 


Dr. Tacke. 


nicht, wie Dr. K. meint, die Reaktion des Morphiums, sondern 
kommt bei Gerbstoff enthaltenden Extrakten vor, wenn dieselben 
mit Salzsäure und Amylalkohol behandelt werden. Morphium 
wird auf diese Art durch blaue Färbung erkannt. 

5. Dr. K. will Morphium nachgewiesen haben durch Zusatz 
von Zucker und concentrirter Schwefelsäure zu einem Rückstände 
und Auftreten einer hellkirschrothen Färbung. Diese Eigenschaft 
besitzen aber eine grosse Zahl anderer Stoffe, z. B. der im Bitter¬ 
klee enthaltene Bitterstoff des Menyanthein. 

Dr. K. hält diese fünf von ihm vorgenommenen Reaktionen 
auf Morphium für die wichtigsten, namentlich No. 2 und 4, und 
gibt an, er habe dieselben verglichen mit dem Verhalten gegen 
eine Lösung von reinem salzsauren Morphium. Verschiedene 
andere von D. angeführte Reaktionen führte er nicht aus, um 
angeblich Material zu sparen. Er unterliess aber gänzlich die 
vorgeschriebene quantitative Bestimmung des angeblich nach¬ 
gewiesenen Morphiums, ebenso wie die in Aussicht gestellten 
physiologischen Versuche. 

Es erscheint daher die Anwesenheit von Morphium in den 
Leichentheilen No. 1 durch die Reaktionen des Dr. K. nicht 
bewiesen. 

2. Untersuchung von Lunge, Leber, Nieren und Milz. 

Dr. K. bemerkt, dass das Gefäss, in welchem diese Theile 

enthalten waren, vollständig zertrümmert in D. angekommen sei. 
Die Reste wurden gesammelt und zur Untersuchung verwendet, 
ohne das gerichtliche Drittel zu asserviren. Nach dem oben be¬ 
schriebenen Gange wurde der Amylalkohol-Auszug dieser Leichen- 
theile zur Trockne verdunstet und mit Phospor-Molybdaensäure, 
Jodsäure, salpeterhaltiger Schwefelsäure, Eisenchlorid, Zucker 
und Schwefelsäure die in verschiedenen Schälchen befindlichen 
Rückstände geprüft. Die einzelnen Reaktionen sollen bei den 
Auszügen nicht so scharf ausgesprochen gewesen sein, wie bei 
dem Objekte Nr. 1. Doch hielt K. die Gegenwart von Morphium 
auch in diesen Leichentheilen für erwiesen. Für uns aber ist 
dieser Beweis ebensowenig geführt wie in Ansehung des Ob¬ 
jektes No. 1. 

3. Untersuchung der Excremente im Nachttopf. 

Von den Excrementen, deren Gewichtsmenge nicht angegeben 

worden ist, wurden zwei Drittel der Untersuchung unterworfen. 
Dieselbe wurde ganz in derselben Weise wie bei den beiden 
vorher behandelten Objekten vorgenommen. Hier will es nun 
Dr. K. gelungen sein, in dem amylalkoholischen Auszug der 
ammoniakalischen Lösung Narcotin nachzuweisen. Beim Behandeln 
mit concentrirter Schwefelsäure will er nämlich nach längerem 
Stehen eine rothe Färbung wahrgenommen haben. Narcotin wird 
aber von concentrirter Schwefelsäure mit gelber Farbe gelöst, 
welche erst auf Zusatz einer Spur Salpetersäure carmoisinroth 
wird. Ferner will er wieder Morphium durch die Reaktionen 
von Phosphor - Molybdaensäure, Jodsäure, salpetersäurehaltiger 



Fragliche Opiumvergiftung durch ein Bandwurmmittel. 385 

Schwefelsäure, Eisenchlorid und Zucker mit Schwefelsäure erkannt 
haben. Diese sind aber, wie wir bereits ausgeführt, kein Er¬ 
kennungszeichen für Morphium, und halten wir daher die Gegen¬ 
wart von Morphium im Objekt No. 3 für nicht erwiesen. 

4. Untersuchung des Urins. 

Die Menge des Urins ward nicht angegeben, aber als eine 
geringe bezeichnet und ganz zur Untersuchung verwendet. K. 
will hier nur durch die Reaktion mit Jodsäure die Anwesenheit 
von Morphium nachgewiesen haben, da alle übrigen Reaktionen 
der vielen Zersetzungsprodukte wegen nicht nachzuweisen wären. 
Da aber diese Reaktion für uns nicht beweisend ist, so halten 
wir auch die Anwesenheit von Morphium für nicht constatirt. 

5. Untersuchung des Medicinrestes. 

Das Gläschen soll nur 2—3 Decigramm enthalten haben. 
E. spülte diesen Rest in einem Becherglase aus, versetzte mit 
einigen Tropfen Salzsäure uud erwärmte; unterwarf einen Theil 
der Lösung der Untersuchung auf Alkaloide und will deutlich 
Narkotin-Reaktion erhalten haben, ebenso Morphium in nicht un¬ 
bedeutender Menge, namentlich durch die Reaktion auf Eisen¬ 
chlorid (dunkelgrüne Färbung), erkannt haben. Wir können nur 
wiederholen, was wir bereits mehrfach über den Werth der vor¬ 
genommenen Reaktionen gesagt haben und halten den Nachweis 
des vorhandenen Morphiums und Narcotins nicht für erbracht. 
Wir vermissen aber hier eine Aeusserung der Experten, ob dieser 
Arzneirest der Receptformel vor Allem entsprochen, ferner eine 
genaue Beschreibung der sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften 
desselben. 

Die ganze Untersuchung dieses Objektes hätte sich aber, da es 
sich wesentlich um die Ermittelung vermutheten Opiats (Opium¬ 
extrakt) handelte, ohne die geschehene umständliche Behandlung 
einleiten lassen. Wenn der Rest in dem Arzneiglase mit etwas 
Wasser ausgespült worden, das Filtrat darauf mit Eisenchlorid 
versetzt worden wäre, so würde bei Gegenwart von Opium eine 
blutrothe ins bräunliche spielende Farbe wahrgenommen worden sein. 

6. Untersuchung des Granatwurzelextraktes. 

Dieselbe wurde ganz nach dem oben beschriebenen Verfahren 

von D. vorgenommen und ergab ganz wie die 

7. Untersuchung des ätherischen Farrenwurzel- 
Extraktes ein negatives Resultat. Die 

8. Untersuchung eines weissen Pulvers ergab ein feucht¬ 
gewordenes Brausepulver, bestehend aus Zucker, Natron und 
Weinsteinsäure. 

9. Das Fläschchen mit Oel 
enthielt Ricinusöl. 

Gegen die Untersuchungen 6—9 walten Bedenken nicht ob. 

Es concludirte Dr. K. in seinem Gutachten (fol. 51), dass es 
ihm gelungen sei, Morphium und Narcotin nachzuweisen und zwar 
in folgenden Objekten in „ziemlich erheblichen“ Mengen: 



386 


Dr. Tacke. 


1. Im Magen, Darm nebst Inhalt (Obj. 1) Morphium und 

Narcotin. 

2. In den Excrementen (Obj. 3), Morphium und Narcotin. 

3. In den Medicinresten (Obj. 5), Morphium und Narcotin, 

dagegen 

4. In Lunge, Leber, Nieren (Obj. 2) nur Morphium. 

5. In dem Urin (Obj. 4) ebenfalls nur Morphium. 

Wir haben bereits bei der Betrachtung der verschiedenen 
Untersuchungsmethoden der verschiedenen Objekte nachgewiesen, 
dass der Beweis für das Vorhandensein der genannten Gifte 
nicht erbracht erscheint; bei der Unzuverlässigkeit der Arbeit 
des Dr. K. ist es aber durchaus nicht ausgemacht, dass that- 
sächlich in den Leichentheilen kein Morphium enthalten gewesen 
sein könne. 

Zur Entscheidung der Frage, ob das Morphium als solches 
oder in Form eines Opiates in den Körper gelangt sei, versuchte 
Dr. K. den Nachweis von Meconin und Meconsäure zu liefern. 
Dieses gelang ihm nicht; er glaubte aber wegen der angeblich 
ausgesprochenen Narcotinreaktion die Frage dahin zu beantworten, 
dass das in den Leichentheilen und der Medicin nachgewiesene 
Morphium nicht als solches, sondern in Form von Opium (Tinctura 
oder Extr. Opii) in dieselben gelangt sei. Dr. K. sagte in dem 
Schluss seines Gutachtens, der Tod des F. sei durch Opium oder 
ein Opiat herbeigeführt, dessen wichtigste und wirksamste Be¬ 
standteile Morphium neben Narcotin in allen Leichentheilen 
nachgewiesen worden sei. K. hielt dafür, dass dieses Opiat durch 
die Medicin, welche der Hauptsache nach aus Extr. cort. rad. 
Granatorum und Extractum Filicis bestand, in den Körper gelangt 
sei. Dr. K. hatte aber keineswegs den positiven Beweis fiir die 
Anwesenheit von Extract. cort. Granatorum in den Resten der 
Medicin und in den Leichentheilen erbracht. Es wurde ihm 
nunmehr auf Veranlassung des Dr. M. am 23. Mai aufgegeben, 
den Nachweis von Extr. cort. Granator. in den Medicinresten und 
den Leichentheilen zu liefern und eventuell das gerichtliche 
Drittel zu der Untersuchung zu benutzen; zugleich wurde ihm 
die Frage gestellt, ob die gerbsaure Reaktion allein das Vor¬ 
handensein des Granatwurzelrinden-Extraktes liefere, wie er dies 
in seiner Auslassung vom 27. April erwähnt hatte. Darauf er¬ 
widerte Dr. K., dass er sich in dieser Beziehung zu einem Irr¬ 
thum bekennen müsse, denn wie die letzte Untersuchung ergeben 
habe und das Studium der Granat- und Opium-Reaktionen, sei 
die frühere Reaktion lediglich auf Rechnung des Opiums und 
des dasselbe begleitenden Filix-Farbstoffes zu setzen. Es habe 
sich nunmehr darum gehandelt, die der Granatwurzelrinde eigen- 
thümliche Gerbsäure nachzuweisen und die Reaktionen dieser, 
sowie der Opiumgerbstoffe festzustellen. Diese Untersuchung nun 
bewirkte Dr. K. in der Art wie die der Leichentheile und be¬ 
hauptet, Opium-Extrakt und Granatwurzel - Extrakt unterschieden 
sich dadurch, dass ersteres mit Eisenchlorid eine röthlichbraune 
Fällung, letzteres eine grünlichschwarze Fällung mit diesem 



Fragliche Opiumvergiftung durch ein Bandwurmmittel. 387 

Reagenz gebe. Das Verhalten der beiden Extrakte ist aber in¬ 
sofern verschieden, als dieses Reagenz bei Opiumauszügen nur 
eine röthlichbraune Färbung nicht Fällung hervorbringen darf, 
da das Opium Gerbstoffe gar nicht besitzt. Extr. cort. 
Granatorum wird durch Eisenchlorid bläulichschwarz gefällt. 
Dr. K hat somit den Nachweis, dass Extract. cort. Granat, in 
dem Medicinrest enthalten gewesen, nicht erbracht. 

K. untersuchte darauf das sogenannte gerichtliche Drittel 
des Objektes No. 1, indem er dasselbe mit Wasser und Salzsäure 
auszog, den filtrirten Auszug auf dem Wasserbade auf 75 ccm 
eindampfte, dann zur Ausscheidung von Leim Alkohol zusetzte 
und das Ausgeschiedene durch Filtriren von der Flüssigkeit 
trennte. Nachdem der Alkohol abgedunstet, schüttelte K. die 
wässerige Lösung mit Aether aus. Nachdem dasselbe verdunstet, 
wurde es in Wasser aufgenommen, filtrirt, das Filtrat mit Eisen¬ 
chlorid versetzt und trat nach der Ansicht von K. die oben be¬ 
schriebene Reaktion des Opiums auf. Darauf giebt er sein Gut¬ 
achten dahin ab, dass in den untersuchten Leichentheilen kein 
Granatwurzel-Gerbstoff, also kein Granatwurzel-Extrakt enthalten 
gewesen. Da aber Opium-Extrakt mit Eisenchlorid keine Fällung, 
sondern nur eine röthlichbraune Färbung hervorbringen darf, so 
verdankt der von K. bei der letzten Untersuchung erhaltene 
Niederschlag, welcher nicht weiter untersucht worden ist, jeden¬ 
falls einer andern Ursache seine Entstehung. Aus diesem Grunde 
ist es nicht erwiesen, dass Opium-Extrakt in dem Magen nebst 
Inhalt enthalten war. 

Der Inhalt der uns mit den Akten übermittelten drei Glas¬ 
schälchen, welche versiegelt und mit I. II. III. bezeichnet waren 
und nach Angabe des Dr. K. aus den Leichentheilen hergestellte 
Morphiumkrystalle enthalten sollten, unterwarfen wir folgendem 
Untersuchungsverfahren. 

Von dem Inhalte eines jeden Schälchens wurden einige Par¬ 
tikelchen abgelöst und auf das Objektivglas gebracht und bei 
320facher Vergrösseruug betrachtet. Hierbei zeigten sich nur 
verhältnissmässig wenige krystallähnliche Körper, viele amorphe 
Massen und das baumwollfaserige eigenthümliche Gebilde viel¬ 
leicht von dem Filtrirpapier herrührend, welches mit dem Nieder¬ 
schlage abgeschabt auf dem Schälchen anklebte. Die krystall- 
ähnlichen Körper wurden mit den farblosen geraden rhombischen 
Prismen wirklichen Morphiums verglichen, mit denen sie keine 
Aehnlichkeit hatten. Die chemische Untersuchung zeigte, dass 
Eisenchlorid keine Blaufärbung ergab, Molybdaenschwefelsäure 
färbte nicht violett, Jodsäure wurde nicht reducirt, Chlorwasser 
färbte nicht gelblich, Ammoniak darauf nicht roth. Die einzige 
Reaktion, welche durch salpeterhaltige Schwefelsäure sich kund 
gab, war die Rothfärbung beim Erwärmen. Diese Rothfärbung 
wandelte sich aber nicht wie beim Morphium in eine orangen¬ 
farbene um. — Die drei uns überschickten Schälchen, in welchen 
das von K. hergestellte krystallisirte Morphium sich befinden 
sollte, enthielt mithin kein Morphium. — 



388 


Dr. Tacke. 


Die auf Betreiben des Dr. M. von dem Apotheker E. B. er¬ 
forderte und von diesem am 11. Januar 1883 erstattete Kritik 
des K.’schen Gutachtens beleuchtet in streng wissenschaftlicher 
Weise das K.’sche Verfahren. B. kommt, nachdem er die einzelnen 
Reaktionen und die K’schen Schlussfolgerungen geprüft hat, 
sowohl in Ansehung des behaupteten Nachweises des Morphiums 
in den Leichentheilen und den Medicinresten, wie in Bezug auf 
die angeblich bewiesene Abwesenheit von Granatwurzel-Extrakt 
in denselben, zu gleichen Schlussresultaten wie wir. Die einzelnen 
von B. vorgenommenen Reaktionen sind von uns zur Kontrolle 
wiederholt worden und haben wir uns von der Richtigkeit der¬ 
selben überzeugt. Wir können uns demnach auch im Einzelnen 
seinen Ausführungen vollständig anschliessen. In dem am 15. Januar 
1883 erstatteten Nachtrags-Gutachten, betreffend die Morphium- 
krystalle in den drei Glasschälchen, stimmt das Gutachten des 
B. mit dem unserigen überein, auch er ist der Ansicht, dass 
Morphium-Krystalle in dem Inhalt der Schälchen nicht vor¬ 
handen sind. 

Kreisphysikus Dr. M. hatte sich am 21. März 1883 über die 
Todesart des F. dahin geäussert, dass 

1. auf Grund der Krankengeschichte, des Resultats der 
Leichenöffnung und der chemischen Untersuchung mit 
Sicherheit anzunehmen sei, dass F. an einer akuten 
Morphiumvergiftung gestorben sei, 

2. dass das tödtliche Morphium in der Arzneiflasche ent¬ 
halten gewesen, welche Dr. T. behufs einer Bandwurm¬ 
kur verschrieben, welche der Apotheker S. angefertigt 
und der Verstorbene selbst in Empfang genommen. 

Es frage sich, da nur der Apotheker und der Verstorbene 
mit der Arznei in Verbindung gekommen sei, wer von Beiden 
das Morphium in das Gläschen gethan habe. 

Dr. M. bedauert, dass die chemische Untersuchung nicht habe 
ermitteln können, ob in dem Arzeigläscken Ext. Filicis maris und 
Extr. rad. Granat, vorhanden gewesen, denn dann hätte sich eine 
in der Apotheke vorgekommene Verwechselung mit einem Opiura- 
präparat für eines dieser Mittel von vornherein ausschliessen 
lassen; dass Extr. Filicis maris vorhanden gewesen, ginge mit 
Sicherheit aus der Beschaffenheit des Mageninhalts hervor, da 
dieser einzelne dunkele schwarzbraune Partikel enthielt (No. 4 
des Protokolls), welche die Finger bräunlichgrün färbten — eine 
charakteristische Eigenschaft der Filicis maris. 

Für Extract. Granatorum fehle aber leider dieser Nachweis, 
da er weder bei der Obduktion noch bei der chemischen Unter¬ 
suchung habe geführt werden können. 

Dr. M. schliesst aber auch für dieses Präparat eine Ver¬ 
wechselung mit Morphium oder mit einem Opiumpräparat aus. 
Es könne dabei nur entweder das Morphiumsalz selbst oder das 
Extractum Opii oder die Tinctura Opii in Betracht kommen. 



Pragtiehe öphmivtirgifttitig durch ein Bandwtimmittel, .‘189 

Die Morpbiumsatze seien ein weisslicheK Pulver nnd kannten 
mit dein dicken hyanne» Granatwurzel*Extrakt nickt gut ver¬ 
wechselt werden, 4» sie schon äusserliclt zu verschieden seien, 
nicht minder^ die Tinc^utä Opii, '• 

Das Ojjiop-Extrakt sei ein bräunliches trockenes Pulver, 
welches indess die Feuchtigkeit leicht änziehe und dann zusammen-;' 
balle, so dass cs f»t Aeusseren einige Ähnlichkeit mit dem sehr 
eingedickten Gränatworzel - Extrakte ; bekuminen kbrrne. Beide 
Medikamente ständen aber sichtlich getrennt in jeder geordneten 
Apotheke,; und wie der^ habe, stände« sie in 

der ßMfom Apotheke in gaiiz verschiedenen Schränken, sogar 
in verschiedenen Räumen Es sei daher kaum glaublich; dass 
dem apprübirteu Apotheker ^ eise so grobe Verwechselung 
habe ^orkommeu ]ktinseu: 

Dr. M. kommt daher zu dem Schloss, dass eine Terwechselnng 
der Medikamente in der Apotheke nicht vurgekornmen und dass 
8. heiiu Anfertigciv der an und flu* eich itnsehädliehen Arznei 
dak (angobHek ^vörgelußd’ene) Morphlüm nicht in die Flasche 
gethan habe, 

Dr. M. hatte bei Abfassung dieser gutachtlichea Aeussening 
die Analyse 4ns Dr, K. als zuverlässig kttgbsehe'n; ttnd als er- 
wies^m betrachtete dass Morphium in den Leichentheileii und den 
MedMihresteß vorhanden gewesen. Nachdem wir nunmehr gezeigt, 
bahnt», dass diese Annahme nicht erwiesen, erscheine die sub 1 
und 2 anigestellten Ansichten Dr- JC: htefÄIIigy Dieses unser 

llrtheil bezieht sich aber in Bezug auf No. 1 nur auf die ße- 
hatiptnng, dass ausser der Obduktion und der Krankengeschichte 
auch „die chemische Analyse“ berechtige anztmehnten,- dass 
der Tod de* «ei. Die EranKeiD 

^pcliichte fipriOM alierdiugH auf das 'Deutlichste filr 'Morphium- 
‘ >W?r:• seheh''i»■ <pn 'Fall E, alsbald nach der Ein- 
Gefucht* und des Körpers, starkes 
.„alfechenlichec Haotjuckeo" — was als.spezifisch für Murphinm- 
vergdftnng' onzusehen Ist —, tlubesimiHcbkeit, verlangsamtes un¬ 
regelmäßiges Athraeu, schnell wechselnder miregelmässiger Puls, 
tiefstes Ch»öiA % also ganz das: klinische BUd einer akuten 
Moridiiumvergiflung emtr.eteh, Und das Ergebuiss der Obduktion 
stimmt, mit diesem- Bilde vollkommen überein. Wenn nach aus 
d#jIfeflütde der Ohduktion ein direkter Schluss a«f Mörphmm- 
vorgiftdUg, nkbf gezogen' werden darf, so bietet doch dieselbe 
nidfd; 4oh göringsteö Anlass zfl ; dthep;':' en-tguf^nsidh'kmtbfl- Aft^yhk/ 
oder etwa zur Annahme einer anderen Tode: • || 

Mit Dr, M. bedauern wir sehr, das» os von Th. K. nicht #<§$**** 
lieh gemacht worden ist. Exiraot, cort rat - • ! 

Lfiichßntheilen und den^ Mhdicinresten nhßhznwaiactt ,1% in• 
dieser seiner Initiative von Dr' K. hfeilnr 0 
ist derhelli« schuldig geblieben. 

Auch die Aewwetamgen des Dr. E- übe» die : 

Aussehen- der in Betracht kommendeHy zur 



390 


Dr. Tacke. 


gekommenen Präparate — Extr. Opii, Tincturä Opii und Morphium¬ 
pulver — sind vollständig begründet und schliessen wir uns der¬ 
selben an. Wir wollen hier noch eines Versuches erwähnen, 
welchen wir auf Form, Gestalt und Verhalten dieser Körper 
selbst gemacht haben. Dr. K. hat angegeben, dass in dem Arznei¬ 
fläschchen nur 2 bis 3 Decigramm enthalten gewesen. Wir 
fertigten nun 2 Lösungen an, die eine bestehend aus 1 Gramm 
Extr. Opii und 2 Gramm Extr. Filicis aeth. Die zweite Lösung, 
bestehend aus 1 Gramm Extr. cort. rad. Granatorum und 2 Gramm 
Extract. Filic. aeth. (Das Opium-Extrakt wurde in etwas Wasser 
gelöst. Extr. cort. Granat, in mit wenig Wasser verdünntem 
Weingeist) Nach dem Umschütteln der ersten Lösung bildete 
sich ein dickliches Gemenge, welches Bich kaum aus dem Glase 
entfernen liess. Die zweite Mischung dagegen war nach dem 
Umschütteln vollständig homogen und flüssig und liess sich mit 
Leichtigkeit ausgiessen. Wäre erstere Mixtur von dem Patienten 
eingenommen worden, so wäre jedenfalls eine viel bedeutendere 
Menge in dem Glase zurückgeblieben. 

Wie nun aber das tödtliche Gift in den Körper des F. hinein- 
gekommen ist, vermögen wir nach Lage der Akten nicht anzu¬ 
geben. 

In Erledigung des uns gewordenen Auftrags, ein Super¬ 
arbitrium über die von dem Chemikern K. und B. abgegebenen 
Gutachten unter Berücksichtigung der Erklärungen des König¬ 
lichen Kreis-Physikus Dr. M. abzugeben, fassen wir das vor¬ 
stehend Ausgeführte in folgenden Sätzen zusammen: 

1. Auf Grund der Krankengeschichte in Verbindung mit dem 
Obduktionsresultat ist zu vermuthen, dass der Tod des 
F. durch ein Opiumpräparat erfolgt ist. 

2. Der von Dr. K. behauptete sichere Nachweis von Narcotin 
und Morphium in den Leichentheilen und den Medicin- 
resten ist indess nicht erbracht. 

3. Weder der Beweis für die Abwesenheit von Granatwurzel- 
Extrakt in den Leichentheilen und Medicinresten, noch 
der Beweis der Anwesenheit desselben in den Asservaten 
ist durch die Arbeit des Dr. K. geliefert worden. 

4. Der Inhalt der uns zur Prüfung übermittelten drei Schäl¬ 
chen enthielt keine Morphium-Krystalle und beruht die 
entgegenstehende Meinung des Dr. K. auf Irrthum. 

5. Auf Grund des Aktenmaterials ist es nicht mög¬ 
lich festzustellen, auf welchem Wege das Gift 
dem F. zugekommen ist. 



XV. .)rtbreBvei-wimi)ilu3i»j Jw l). Vemut. >'üt Mi nii. <:tv. ..'«91' 

XV. lahresvcrsammfung d«s Deutschst! Vergiß für ötfsnt 
liehe Gesundheitspflege zu Strasshufg fjgt vom 14.—15 

September IB89> 

(0 r i.g i n ii l- B * t i e }* i. j 

Tfäßfc, zfihlreiqir Vorv^Hram.i un g in dsm ChiK^itio* am Frei¬ 

tag Abend den 15- September, wurde durch de?* für dm folgenden Tage 
ilienstlieb O^hiuderfai Kaiserlichen Stittitniitm Für*t von tlononloh^ inv 
griissfcy der 'die lÖitgKcdef de*. Vbt*un£ *U *0cximdlioitstiringer “ i wd!k;umm*aTu.wsr 

Krstr Stt^üng Samstag; den H Sopi ?ü\ iw; r. 

Die Sitzung fand ln doü« üiilmm Saale- des Statillinuso* am tivog^jf<W 
Flut A statt und wurde durch den Vorsitzenden, OborOögenlem- Andrea*: Meyer 
(flabihurgj ertftfnöt, ; . J ; ^ A r 5 


dos Bür#ennex&t$t* B 

ylü 1 ^ V?>rtdi?^ und niitliKraUttung de* 

Bechen^ebu h>l»erir btÄ ä&iteus *b'* Iw. Spie- > - Franktbid 

a/M, .extdfiiltd&* ; iö)ii ör*k\fi Oej^ttsUwht“Ah?)* 


Tagesordnung: 

I. fite fijglftnfscbön VnrliJtttnlHÄe ümi Et»r 1 «blöngeit in Etauäs - f Mhrtüicon, 

EL Reg,- und ßeK, Modizmal'Rath Tin K r i>ge r (Straßsburg): derselbe 
entledigte ./pcit Au ^dja Bild des Standes der ööentliehen (iesiiiid- 

heitäpflegn hx .KW^a’T^tbringen , DamenUicli ■ mmmufc- ate (fee in 

Folge derfrilherei*. ■ sich' knderweit gestaltet habe, Als itii fljbrigen 

DetitsoWandA 1 in umf^ender Wei^e. ;.Aus der Fülle *bv M.iteria.b 'hier, nur 
einige kurze Andeuttagen: ^ : a'',-’’;. 

Schon eriiielfrm äie StÄdte Meto tad 

Stra&>biirg Wasserleitungen, vcm letzterer, 20 km lang, von den Vogesen 
kommend. cOstiiten bis zum BeUigovangfr - Butiujfc i(u Jahre 1 X 70 zahiroteho 
P'undsifteke.-jetzt nur 'wenige- {teste*. Aus den? Mittelalter stauuueu: dos 
• grosse : Bilrgerho^ldtal, dessen Kfichenxettel noch hjaate ia Kruft, stohl. *hi* 
WaiscmbauN, die St. Marx-Stiftung, die Ordnung der Aussiltzigen und — wij>;- 
noch wmrtl?voller — das VjÄlmi• üLe^ . üi' ; i; 

bürg ebotiso, wie, anderweit, auf Kranken- und andere humanitäre Anst&tfcrj 
übergegaugeu isf. Au* den .Jahren t Töl dl bezeugen 2 dickleibige Foli¬ 
anten: ...Mninoriale T'dllegii ^antt 4 tts if «fe Arbeitslust^ ein^ «ne Äor^foi?, Bato 


waltung; fet ii.ocJi fn;*iitö.iTt Kraft timl venru^/frgrairdlegüfjde ({imdze 
Oofcotze über «liü iüedi»d?ibdlun/ und phavma^iim|öjöfh Faeiis.'dmlen, p^| Aeiztn., 
ÄpüttiukexiA Hebarumen' 'und , '$$ 10al«l<^eme/its iuyalubt^. w. 

CtaimOde>i id dln K>rchh<Mc »t. drgl., ^vebdnm 

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392 XV. Jahresversammlung des D. Vereins für öffentl. Gesundheitspflege etc. 


Sonderheit verdient die Illhochwasserleitung bei Erstein*), etwa 25km 
oberhalb Strassburg genannt zu werden, welche nahezu vollendet, die bisher 
Strassburg im N.O. u. S.W. und zahlreiche Dörfer überschwemmenden Hoch¬ 
wässer des Illflusses mittelst eines schiffbaren, den Rhein-Rhone-Kanal über¬ 
schreitenden Kanales in den Rhein abzufiihren bestimmt ist. 

Betreffs der Entwässerung, Reinigung und Wasserversorgung 
der Städte wurde u. a. hervorgehoben die Neu-Kanalisirung von Colmar und 
Bischweiler, die centrale Wasserversorgung Strassburgs aus dem Grundwaeser 
des Rheinthaies, vollendet 1879, sowie der Bau von 7 Wasserleitungen in anderen 
Städten und von 161 in Landgemeinden während der Jahre 1877—1888; 31 
weitere derartige Anlagen sind im Bau begriffen und zu 57 die Entwürfe 
fertig gestellt. Schwimmkanalisationen sind dagegen nirgends vorhanden. 

Die Einführung des Schulzwanges (1871) sowie eine Anzahl von Be¬ 
stimmungen über die Anlage, Einrichtung und Ausstattung der Schulhäuser 
(1876) verftniassten den Neu- und Umbau vieler Hunderte von Schulhäusern, 
zum Theil mit Staatsbeihülfe. Gleichzeitig wurde die Beschäftigung von 
Kindern unter 12 Jahren in Fabriken verboten; diejenige von schulpflichtigen 
Kindern im Alter von 12—14 Jahren von der Genehmigung der Schulbehörden 
abhängig gemacht. 

Kommissionen zur Untersuchung ungesunder Wohnungen und Logir- 
häuser unter Zuziehung Sachverständiger funktioniren auf Grund französischer 
Gesetzgebung (von 1850 u. 1855) im Ganzen zur Zufriedenheit. 

Die Beaufsichtigung gewerblicher Anlagen erfolgt auf Grund des 
§. 16 der Reichs-Gewerbe-Ordnung; die der Etablissements dangereux et 
incommodes auf Grund der vorher erwähnten französischen Gesetze aus der 
Zeit der Republik. 

Den vor 1820 existirenden 42 öffentlichen Schlachthäusern wur¬ 
den 25 neue hinzugefügt, desgleichen wurde die Fleischschau eingeftthrt 
und wird dieselbe in den Städten durch die Thierärzte, auf dem Lande 
durch Laien ausgeübt. Der Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genussmitteln 
u. s. w. ist durch das Reichsgesetz vom 14. Mai 1879 geregelt. 

Die Wohlthat des früher unbekannten Impfzwanges wird allgemein 
empfunden; schon seit 1885 sind zwei animale Landes-Impf-Anstalten in 
Strassburg und Metz eingerichtet. 

Die Hospitäler und Hospize (Pfründner-Anstalten), etwa 130 mit 
12000 Betten, stehen unter neugeregelter Staatsaufsicht. Besonders zu er¬ 
wähnen sind die neuen klinischen Gebäude zu Strassburg in der Nähe des 
alten Bürgerhospitals mit Wasch- und Desinfektions-Anstalt, und die Bezirks-, 
Armen- und Krankenhäuser in Bischweiler. 

Auf dem Gebiete des Irrenwesens ist zu registriren die Vergrösserung 
der in deutsche Verwaltung übergegangenen einzigen elsässischen Irrenan¬ 
stalt Stephansfeld um das Doppelte unter Hinzuziehung der Zweig-An¬ 
stalt Hördt; dieselbe kann jetzt 1300 Kranke aufhehmen und ist somit die 
grösste Irrenanstalt Deutschlands. Ausserdem ist eine psychiatrische Klinik 
in Strassburg für 120 Kranke erbaut; ferner bat Lothringen eine neue An¬ 
stalt in Saargemünd für 500 Betten errichtet. Eine aus geistlichen Vereins¬ 
mitteln 1876 gegründete evangelische Blödenanstalt zu Bischweiler nimmt 
etwa 10O Zöglinge aller Confessionen auf. 

Auch bezüglich der Besserungs- und Strafanstalten wurde seit 
1870 Erhebliches geleistet (Neubau eines Besserungshauses zu Hagenau für 
4—500 Knaben, Arbeitshaus zu Pfalzbur^ durch Umbau alter Kasernen für 
300 Pfleglinge, Zuchthaus-Zellenbau zu Ensisheim mit 220 Isolirräumen u. s. w.) 
und im Vereine mit einer zweckmässigeren Verpflegung der Insassen eine 
wesentliche Besserung betreffs der Gesundheitsverhältnisse in den betreffenden 
Anstalten erreicht. 

Eine obligatorische Leichenschau fehlt; vielfach wurde jedoch eine 
beschränkte Leicnenschau eingeführt (Besichtigung der ärztlich nicht behandel- 

*) An der am Montag Nachmittag, den 16. September, unter der sach¬ 
kundigen und liebenswürdigen Führung des Ministerialraths Fecht statt¬ 
gehabten Besichtigung der fraglichen Anlage hat Berichterstatter theilgenommen. 
Die offenbare Nützlichkeit und Vortrefflichkeit der Anlage fand allgemeine 
Anerkennung. 



XV. Jahresversammlung des D. Vereins für öffentl. Gesundheitspflege etc. 893 

ten Gestorbenen), die sich ungefähr über 25 °/ 0 der Bevölkerung ausdehnen 
dürfte. Leichenhäuser sind nicht vorhanden. 

Auf dem Gebiete der Medicinal-Gesetzgebung wurde das Aerzte- 
Wesen wie in Deutschland geregelt (1872); die Niederlassungsfreiheit der 
Apotheker aufgehoben (1877), die deutsche Pharmakopoe eingeführt 
u. 8. w., nur die Kaiserliche Verordnung über den Verkehr mit Arzneimitteln 
ist mit Rücksicht auf ihre bevorstehende Umarbeitung bisher nicht in Wirk¬ 
samkeit getreten. 

Das Hebammen wesen wurde auf Grund der Gewerbeordnung in 
diesem Jahre durch eine neue, die französischerseits begründete längere Aus¬ 
bildungszeit beibehaltende Hebammenordnung umgeändert. 

Neu ist endlich die Anstellung von Medicinalbeamten (Medicinal- 
referenten, Kreisärzten) unter Beibehaltung der Cantonal- (d. i. Armen- und 
Impf-) Aerzte. Die Obliegenheiten der Kreisärzte entsprechen ungefähr den¬ 
jenigen der preussischen Kreisphysiker; die Prüfungsordnung der letzteren 
ist auch für die ersteren massgebend. Die in ganz Frankreich vorhandenen 
(im Eisass schon seit 1810) als technische Beiräthe der Behörden fungirenden 
Gesundheitsräthe*) bestehen weiter, nur die Statistik ist ihnen abgenommen 
und dem statistischen Büreau des Ministeriums überwiesen. Die Arbeiton der 
Gesundheitsräthe wie des statistischen Büreaus werden in den trefllichen 
Jahrbüchern der Medicinal-Verwaltung für Elsass-Lothringen veröffentlicht. 

II. Massregeln zur Erreichung gesunden Wohnens« 

Die von der XIV. Versammlung des Vereins gewählte Kommission**) 
zur Vorberathung der von dem damaligen Korreferenten Oberbaurath Prof. Bau¬ 
meister gemachten technischen Einzelvorschlßge hatte als Ergebniss ihrer 
Berathungen nachfolgenden Entwurf reichsgesetzlicher Vorschriften 
zum Schutz des gesunden Wohnens zur Beschlussfassung vorgelegt: 

I. Strassen und Bauplätze. 

§ i. 

1. Die Anlage, Verbreiterung oder Veränderung einer Strasse darf nur 
auf Grund eines von der zuständigen Behörde festgesetzten Bebauungsplanes 
erfolgen. 

2. Bei Festsetzung des Bebauungsplanes für einen Ortsbezirk muss ein 
angemessener Theil des ganzen Flächeninhaltes als unbebaubarer Grund für 
Strassen, Plätze oder öffentliche Gärten freigehalten werden. 

3. Der Bebauungsplan kann für bestimmte Strassen oder Strassentheile 
das Zurücktreten der Baufluchtlinien hinter den Strassenfluchtlinien (Vorgärten) 
sowie die Einhaltung seitlicher Mindestabstände zwischen den Gebäuden (offene 
Bauweise) vorschreiben. 

4. Zur Aufhöhung der Strassen und Bauplätze dürfen nur Bodenarten 
verwendet werden, welche frei von gesundheitsschädlichen Bostandtheilon sind. 

II. Neuherstellung von Gebäuden. 

§ 2 . 

1. Die Höhe eines Gebäudes darf an der Strasse nicht grösser sein, als 
der Abstand desselben von der gegenüberliegenden Baufluchtlinie. 

2. Die zulässige grösste Höne der an Höfen gelegenen Gebäudewände, 
welche mit den im § 7 vorgeschriebenen Fenstern versehen sind, beträgt das 


*) Die Kreisgesundheitsräthe von Strassburg, Colmar und Metz füngiron 
zugleich als Bezirks-Gesundheitsräthe; eine den preussischen Medicinal- 
Kollegien analoge Einrichtung existirt nicht (s. Börners Reichs-Med.-Kal. 1889 
n. Th. S. 66). 

**) Dieselbe bestand aus dem Oberbürgermeister Miquel (Frankfurt), 
Oberbaurath Prof, Baumeister (Karlsruhe), Oberingenieur Andreas Meyer 
und Baupolizei-Inspektor Bargum in Hamburg, Stadtbaurath Peters (Magde¬ 
burg), Stadtbaumeister Stübben (Köln), Sanitätsrath Dr. Spiess und Stadt- 
baurath Behnke in Frankfurt a./M. 



394 XV. Jahresversammlung des D. Vereins für öffentl. Gesundheitspflege etc. 


Anderthalbfache des mittleren Abstandes von der gegenüberliegenden Begren¬ 
zung des unbebauten Raumes. 

3. Die mittlere Breite eines Hofes, auf welchen Fenster gerichtet sind, 
darf nicht unter 4 m bemessen werden. 

4. Ein Zusammenlegen der Hofräume benachbarter Grundstücke behufs 
Erzielung des vorschriftsmässigen Abstandes oder der vorschriftsmässigen Min¬ 
destbreite ist statthaft, insofern die Erhaltung der Hofräume in unbebautem 
Zustande gewährleistet wird. 

5. Jeder unbebaut bleibende Theil eines Grundstücks muss zum Zweck 
seiner Reinigung mit einem Zugang von mindestens 1 m Breite und 2 m Höhe 
versehen sein. 

8 3 . 

1. Für Baustellen, welche bereits höher beziehungsweise dichter bebaut 
gewesen sind, als die Vorschriften in § 2 zulassen, treten im Falle eines Neu¬ 
baues folgende erleichternde Bestimmungen ein: 

Die Höhe eines Gebäudes darf an der Strasse das Anderthalbfache 
des Abstandes bis zur gegenüberliegenden Baufluchtlinie und an den 
Höfen das Dreifache der Hofbreite betragen. 

Die Hofbreite darf bis auf 2,5 m eingeschränkt werden. 

2. Bei Anwendung dieser Bestimmungen darf jedoch eine Verschlechte¬ 
rung der früher vorhanden gewesenen Luft- und Lichtverhältnisse des be¬ 
treffenden Grundstückes keinenfalls herbeigeführt werden. 

§ 4 . 

Ein Neubau ist nur dann zulässig, wenn für die genügende Beschaffung 
von gesundem Trinkwasser, sowie für den Verbleib der Abfallstoffe und Ab¬ 
wässer auf gesundheitlich unschädliche Art gesorgt ist. 

§ 5 . 

1. Die Zahl der erforderlichen Aborte eines Gebäudes ist nach der An¬ 
zahl der regelmässig in demselben sich aufhaltenden Menschen zu bestimmen. 
In der Regel ist für jede Wohnung ein besonderer, umwandeter, bedeckter und 
verschliessbarer Abort anzulegen. 

2. Jeder Abort muss durch ein unmittelbar in das Freie gehendes be¬ 
wegliches Fenster lüftbar sein. 

3. Aborts-Fallrohre müssen aus undurchlässigen Baustoffen hergestellt 
und in der Regel als Luftröhre über das Dach hinaus verlängert werden. 

4. Die Fussböden und Decken der Ställe, sowie deren Trennungswände 
gegen Wohnräume sind undurchlässig herzustellen. 

5. Das Gleiche gilt für die Fussböden, Decken und Trennungswände 
solcher Geschäftsräume, hinsichtlich derer erhebliche gesundheitliche Bedenken 
vorliegen. 

6. Die Verwendung gesundheitsschädlicher Stoffe zur Ausfüllung der 
Fussböden und Decken ist verboten. 


IH. Neuherstellung der zu längerem Aufenthalt von Menschen 

dienenden Räume. 


1. Räume, welche zu längerem Aufenthalt von Menschen dienen, müssen 
eine lichte Höhe von mindestens 2,5 m haben. 

2. Höher als in dem vierten Obergeschoss, d. h. im vierten der über 
dem Erdgeschoss liegenden Stockwerke, dürfen Wohnungen nicht hergestellt 
werden. 

§ 7. 

1. Alle zu längerem Aufenthalt von Menschen dienenden Räume müssen 
bewegliche Fenster erhalten, die unmittelbar in das Freie führen. Erleich¬ 
ternde Ausnahmen sind zulässig, wenn auf andere Weise eine genügende Zu¬ 
führung von Luft und Licht gesichert ist. 

2. In jedem solchen Räume soll die lichtgebende Gesamnitfläche der 
nach der Vorschrift in Abs. 1 nothwendigen Fenster mindestens ein Zwölftel 



XV. Jahresversammlung des D. Vereins für öffentl. Gesundheitspflege etc. 395 


der Grundfläche betragen. Für Geschäftsräume und Dachkammern sind Er¬ 
leichterungen zulässig. 

8 8 . 

1. Der Fussboden aller Wohnräume muss über den höchsten Grund¬ 
wasserstande, im Ueberschwemmungsgebiete über Hochwasser liegen. 

2. Die Fussböden und Wände aller zu längerem Aufenthalt von Men¬ 
schen dienenden Räume sind gegen Bodenfeuchtigkeit zu sichern. 

3. Wohnungen in Kellern, d. h. in Geschossen, deren Fussboden unter 
der Erdoberfläche liegt, sind nicht zulässig. 

4. Zu längerem Aufenthalt von Menschen dienende Räume, insbesondere 
einzelne Wohnräume, dürfen in Kellern nur unter der Bedingung hergestellt 
werden, dass der Fussboden höchstens 1 m unter, der Fenstersturz mindestens 
1 m über der Erdoberfläche liegt. — Erleichterungen sind statthaft, insofern 
die gewerbliche Verwendung der Räume eine grössere Tief läge erfordert. 

IV. Benutzung der zu längerem Aufenthalt von Menschen 

dienenden Räume. 

§ 9 . 

1. Alle zu längerem Aufenthalt von Menschen bestimmten Räume dürfen 
nur nach ertheilter Genehmigung zu diesem Zweck in Gebrauch genommen 
werden. 

2. Diöse Genehmigung ist bei Neu- und Umbauten insbesondere dann 
zu versagen, wenn die betreffenden Räume nicht genügend durchtrocknet sind. 

§ 10 . 

1. Gelasse, deren Fenster den in § 7 gegebenen Vorschriften nicht ent¬ 
sprechen, dürfen als Wohnräume nicht benutzt werden. 

2. Vermiethete, als Schlafräume benutzte Gelasse müssen für jedes Kind 
unter zehn Jahren mindestens 5 cbm, für jede ältere Person mindestens 10 cbm 
Luftraum enthalten. In Miethräumen, für welche nach § 7, Abs. 2 Erleichte¬ 
rungen zugelassen sind, müssen immerhin, wenn sie als Schlafräume benutzt 
werden, auf jedes Kind unter zehn Jahren mindestens 0,1 qm, auf jede ältere 
Person mindestens 0,2 qm lichgebende Fensterfläche entfallen. Kinder unter 
einem Jahre werden nicht mitgerechnet. 

3. Diese Bestimmungen treten für bestehende Gebäude erst nach fünf 
Jahren in Kraft, können jedoch nach Ablauf von zwei Jahren bei jedem Woh¬ 
nungswechsel in Wirksamkeit gesetzt werden. 

4. Angemessene Räumungsfristen, deren Beobachtung nötigenfalls im 
Zwangsverfahren zu sichern ist, sind von der zuständigen Behörde vorzu¬ 
schreiben. 

§ ii. 

1. Räume, welche durch Verstösse gegen die vorstehenden Bestimmungen 
der §§ 2 bis 8 oder sonstwie durch ihren baulichen Zustand gesundheitswidrig 
sind, sollen auf Grund eines näher anzuordnenden Verfahrens für unbrauchbar 
zum längeren Aufenthalt von Menschen erklärt werden. 

2. Werden aus diesen Gründen ganze Häusergruppen oder Ortsbezirke 
für unbenutzbar erklärt, so hat die Gemeinde das Recht, den vollständigen 
Umbau zu veranlassen oder vorzunehmen. Es steht ihr zu dem Zweck bezüg¬ 
lich aller in dem umzubauenden Bezirk befindlichen Grundstücke und Gebäude 
die Zwangsenteignung zu. Für das Enteignungsverfahren sind die Landesge¬ 
setze massgebend. 


Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten als Mindestanforderungen und 
schliessen weitergehende Landes-, Provinzial- und Lokalverordnungen nicht aus. 

Der Erlass von Ausführungsbestimmungen steht den Landesbehörden zu. 

Die Handhabung dieses Gesetzes liegt überall den Baupolizeibehörden ob, 
sofern nicht durch die Landesgesetzgebung anderweitige Bestimmung ge¬ 
troffen ist. 



396 XV. Jahresversammlung des D. Vereins für öffentl. Gesundheitspflege etc. 


H. Oberbürgermeister Miquel (Frankfurt a./M.) als Referent: Die von der 
Kommission fonnulirten Schlusssätze sollen lediglich Mindestforderungen reprä- 
sentiren und es den Einzelstaaten überlassen bleiben, über dieselben hinauszu¬ 
gehen. Die Kommission hat sich in ihrem Entwürfe hauptsächlich auf Be¬ 
stimmungen über die Neuherstellung von Gebäuden beschränkt; im Bau¬ 
wesen kann überhaupt nur allmählig vorgeschritten werden. Jedenfalls ist die 
Gesetzgebung auf dem Gebiete desselben in Deutschland im Allgemeinen schlecht 
und buntscheckig, wenn auch viele der neueren Bauordnungen im Gegensätze 
zu den früheren die sanitäre Seite mehr berücksichtigen. Eine Reichsbauord¬ 
nung, welche nur die gesundheitliche Seite behandelt — und eine andere ist nach 
der Reichsverfassung ausgeschlossen — wird die grösste Wirkung haben, denn 
sobald sich der Reichstag mit einem derartigen Entwürfe beschäftigt, wird die 
Aufmerksamkeit der ganzen Nation auf die Wohnungsfrage hingelenkt werden, 
und sich nicht nur die Kommunal Verwaltungen der grösseren Städte, sondern 
auch alle Gemeinden, Einzelstaaten etc. mit dieser Frage beschäftigen. 

Mit blossen Bauvorschriften ist nach Ansicht des Redners nicht gedient; 
denn die besten Wohnräume können durch die Art der Benutzung schäd¬ 
lich wirken. Vor allem handelt es sich darum, die kleinen Wohnungen zu 
verbessern und zu vermehren; der Satz des Dr. Schwabe, je geringer die 
Einnahme, je grösser sei verhältnissmässig die Ausgabe für Wohnung, ist 
völlig zutreffend. Die Stadt Frankfurt hat für ihre kleineren Beamten Mieths- 
wohnungen bauen lassen und damit sehr gute Erfahrungen gemacht; die Woh¬ 
nungen sind gesund und trotz einer entsprechenden Verzinsung billiger als 
andere kleinere Miethswohnungen. Einer Ueberfüllung der Wohnungen 
muss durch gesetzliche Vorschriften entgegengetreten werden; England, Frank¬ 
reich und Belgien sind uns mit solchen Gesetzen erfolgreich vorangegangen. 
Bei langsamem Voranschreiten wird keine merkliche Vertheuerung eintreten, 
ebensowenig wie dies nach den Verordnungen betreffend die Schlafstellen der 
Fall gewesen ist. 

Sociale Fragen würden zwar nie vollständig gelöst, aber die aus den 
Wohnungs-Missständen hervorgehenden Uebel würden jedenfalls durch den 
vorgeschlagenen Versuch der Lösung immer mehr gebessert werden. 

Der Korreferent H. Oberbaurath Prof. Baumeister (Karlsruhe) hebt 
ebenfalls hervor, dass die Kommission nur Mindestforderungen aufgestellt hat, 
die aber ebensogut in den dichtbebautesten Theilen grösserer Städte wie in 
den Dörfern durchgeführt werden können. In Bezug auf Licht und Luft für 
das Weichbild der Städte andere Anforderungen zu stellen als für das Erwei¬ 
terungsgebiet desselben oder für die kleineren Städte und das platte Land, sei 
in einem Reichsgesetz nicht durchführbar. 

Bei der nunmehr beginnenden Durchberathung der von der Kommission 
aufgestellten Schlusssätze, entwickelte sich eine sehr lebhafte, mehrstündige 
Diskussion, an welcher sich ausser den beiden Referenten die Herren Stadt¬ 
baumeister Stübben(Köln), BaumeisterHartwig(Dresden),Baupolizei-Inspektor 
Bargum (Hamburg), Oberbürgermeister Bötticher (Magdeburg), Rechtsan¬ 
walt Dr. Strauss (Duisburg), Sanitätsrath Dr. Hüllmann (Halle a./S.), Stadt- 
Stadtbaurath Quedenfeld (Duisburg), Oberbaumeister Zweigert (Essen), 
Prof. Dr. Löffler (Greifswald), Bürgermeister Back (Strassburg) und Andere 
betheiligten. Sämmtliche §§ des Kommissions-Entwurfs wurden nach Ableh¬ 
nung der Gegen-Anträge fast einstimmig und unverändert angenommen nur 
mit der einzigen Modification des Schlusssatzes Abs. 3, dass die Handhabung 
des Gesetzes nicht allein den Bau-, sondern auch den Gesundheits-Polizei¬ 
behörden obliegen solle. Schliesslich wurde der Ausschuss beauftragt, die 
Beschlüsse dem Reichskanzler zur weiteren Veranlassung zu überreichen. 


Zweite Sitzung Montag, den 16. September. 

III. Anstalten zur Fürsorge für Genesende. 

H. Geheimrath Prof. Dr. von Ziemssen (München) erörtert unter Dar¬ 
legung der geschichtlichen Entwickelung der Reconvalescenten-Pflege in Frank¬ 
reich, England und Deutschland und die Einrichtung der in Deutschland bezw. 



XV. Jahresversammlung des D. Vereins für öffentl. Gesundheitspflege etc. 397 

Oesterreich vorhandenen Anstalten (München, Frankfurt a./M., Strassburg, 
Lichterfelde, Heinersdorf und Blankenburg bei Berlin, Nürnberg, Schwabe- 
Stiftung in Leipzig, Währing bei Wien) das Wesen und die Bedeutung, sowie 
die Nothwendigkeit der Begründung solcher Anstalten für Reconvalescenten in 
sachlicher und überzeugender Weise und schloss seine Ausführungen mit dem 
Wunsche, dass Jeder dazu beitragen möge, den grossen und edlen Gedanken 
der Verwirklichung zuzuführen, für die unbemittelten Genesenden eine Stätte 
zu schaffen, wo sie dasjenige finden, was dem Wohlhabenden im Kreise seiner 
Familie geboten wird: eine dem Körper wie dem Gemüth gleich wohlthuende 
Pflege. 

Der Korreferent H. Bürgermeister Back (Strassburg) knüpfte hieran einige^ 
Mittheilungen über die in Strassburg unter dem Namen „Hospital Lovisa“ be¬ 
stehende Anstalt. Dieselbe verdankt ihre Entstehung (1876) einem Vermächt- 
niss ad hoc von 850 000 Mark seitens eines Bürgers und ist auf einem in dem 
Vorort Ruprechtsau gelegenen Landgut von 436 Ar mit Park, Wiesen, Obst¬ 
und Gemüsegarten unter Erbauung zweier Pavillons für Männer und Frauen 
nach dem Vorbilde von Vincennes eingerichtet. Die Anstalt besitzt 60 
Betten; aufgenommen werden unentgeltlich: Kranke aus dem Bürgerhospital, 
Kranke aus der Stadt und skrophulöse Kinder; auch dient sie als Ferien¬ 
kolonie. Ausserdem finden Personen gegen den Verpflegungssatz von 2,40 Mk. 
Aufnahme. Die Gesammtzahl der Pfleglinge betrug seit dem 1. Juli 1880 
4472 mit 94 148 Verpflegungstagen. Die Verwaltung ist eine möglichst ein¬ 
fache; dem Anstaltsarzt liegt die Verpflichtung ob, die Anstalt täglich zu be¬ 
suchen. Nachdem Redner noch ergänzend erwähnt hat, dass zur Zeit die 
Stadt Dortmund im Begriff steht, eines der Familienhäuser der städtischen 
Waisen-Anstalt zu einem Heim für männliche Genesende unter dem Namen 
„Kaiser Friedrich Heim“ einzurichten, geht er näher auf die Kosten derartiger 
Anstalten ein. Dieselben betrugen für die Strassburger Anstalt pro Kopf und 
Tag 1,75—1,80 Mk., welcher Satz eine merkwürdige Uebereinstimmung mit 
München (1,80 Mk.) und Berlin (1,75 Mk.) darbietet. Ein Reconvalescenten - 
Haus soll keine Kaserne, kein Gasthaus, kein Krankenhaus, sondern einen fami¬ 
liären Charakter besitzen und deshalb empfiehlt es sich nicht, dasselbe für 
eine grosse Anzahl von Pfleglingen einzurichten. Durchschnittlich kann man 
nach den bisherigen Erfahrungen darauf rechnen, dass aus dem Krankenhaus 
Entlassene 20 Tage in einem Genesungshause zu verpflegen sind. Der Redner 
schliesst mit dem Wunsche, dass durch die heutigen Verhandlungen die öffent¬ 
liche Aufmerksamkeit mehr als bisher auf diesen Gegenstand gelenkt und der¬ 
selbe nicht mehr von der Tagesordnung verschwinden möge. 

In der darauffolgenden Diskussion berichtet H. Dr. Custer (Zürich) 
Über die in Genf und Lausanne, H. Prof. Dr. Guttstadt (Berlin) über die auf 
den Berliner Rieselfeldern eingerichteten Reconvalescentenhäuser, sowie H. Geh. 
Med.-Rath Dr. Krüger (Strassburg) und H. Stadtbaumeister Maurer (Elber¬ 
feld) über die demnächst in Mühlhausen i./E., bezw. in Elberfeld zu errichten¬ 
den Anstalten und beschliesst hierauf die Versammlung folgende Resolution: 

„Der Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege nimmt die 
Mittheilungen der Herren Referenten über die Anstalten zur Für¬ 
sorge für Genesende mit Dank und unter völliger Anerkennung des 
in ihren Vorträgen und Thesen*) für die Behandlung der Frage ein¬ 
genommenen Standpunktes entgegen.“ 


*) Dieselben lauten: 

„1. Heimstätten für Genesende sind für grössero Gemeinwesen eiii drin¬ 
gendes Bedürfniss. 

2. Für dieselben sprechen nicht bloss ärztliche, sondern auch sociale 
und administrative Erwägungen. 

3. Die Einrichtung und Unterhaltung solcher Anstalten ist nicht Aufgabe 

des Staates oder der Gemeinden, sondern ist der Vereinsthätigkeit und dec: 
Privatwohlthätigkeit zu überlassen. m 

4. Es erscheint zweckmässig, die Heimstätten den Krankenhäusern aniH 

gliedern und mit einer möglichst einfachen, aber sachverständigen Verwalter 
zu versehen. | 


i 



398 XV. J ahr es Versammlung des D. Vereins für öffentl. Gesundheitspflege etc. 

IV. Üeber Verhütung der Tuberkulose« 

H. Prof. Dr. Heller (Kiel): Die Krankheit führt in der Statistik den 
Namen Schwindsucht, doch deckt sich dieser Name nur mit der bei Erwach¬ 
senen auftretenden Form der Tuberkulose. Schon früher wurde die Schwind¬ 
sucht für ansteckend gehalten, aber erst Koch und Baumgarten ist es im 
Jahre 1882 gelungen, als zweifellose Ursache derselben einen pflanzlichen Orga¬ 
nismus, den Tuberkel-Bacillus, nachzuweisen. 

Von allen Krankheiten fordert die Tuberkulose die meisten Opfer, in 
Deutschland durchschnittlich jährlich 150 000. Von 10 000 Personen erliegen 
derselben z. B. in Gotha 25, in Strassburg 35, in Wien 77, in Remscheid 88. 

Am schärfsten wüthet die Tuberkulose im Lebensalter von 16 bis 20 
Jahren. Für 43 °/ 0 aller in diesen Jahrgängen Gestorbenen ist sie die Todes¬ 
ursache, während Kinder in den ersten Wochen von der Tuberkulose frei sind. 

In den Städten ist die Krankheit verbreiteter als auf dem Lande; indessen 
ist die Sterblichkeit in einzelnen Gegenden, z. B. in Hohenzollern, unter der 
Landbevölkerung grösser als unter den Städtern. 

Die Tuberkulose ist die ansteckendste Krankheit. In dem Auswurf eines 
Schwindsüchtigen von einem Cubikmillimeter zählt man eine Million Bacillen; 
mit einem Hustenstoss werden 30 Millionen im Laufe eines Tages, dem¬ 
nach, bei nur einmaligem Auswurf in einer Stunde 720 Millionen Bacillen ent¬ 
leert. Zahlreich gehen die Krankenpflegerinnen an der Tuberkulose zu Grunde; 
62 °/ 0 sterben daran, und haben dieselben daher bei ihrem Eintritt in den 
Orden im Alter von 17 Jahren im Durchschnitt nur eine Lebenserwartung von 
19 Jahren, während die letztere bei Personen von gleichem Alter 41 Jahre 
beträgt. 

Ausser durch die Schwindsüchtigen in Anstalten und in der Familie wird der 
Ansteckungsstoff durch die Milch der Kühe in hohem Masse übertragen und 
ist es daher um so ei^enthümlicher, dass Schwindsüchtigen zuweilen eine 
Milchkur angerathen wird. Im Kieler Schlachthause waren im Jahre 1880 
14 °/ 0 der Kühe tuberkulös, in Hohenzollern 50°/ o . Redner kommt zu fol¬ 
genden Schlüssen: 

1. Die Tuberkulose ist die wichtigste Krankheit überhaupt, da sie unter 
den Todesursachen den höchsten Procentsatz liefert; sie ist die wichtigste 
Krankheit in volkswirtschaftlicher Beziehung, da die an ihr Leidenden meist 
nach langem Siechthume mit verminderter oder aufgehobener Erwerbsunfähig¬ 
keit zu Grunde gehen. In dieser Zeit sind sie die Quelle der Ansteckung für 
Andere. 

2. Die Bekämpfung der Tuberkulose ist von Staat und Gemeinde aufs 
Entschiedenste zu betreiben; sie verspricht sehr bedeutende Verminderung, 
wenn auch kaum völlige Ausrottung. 

3. Die Ursache der Tuberkulose ist der Koch’sche Bacillus; sein Vor¬ 
kommen ausserhalb des thierischen Organismus ist noch nicht nach gewiesen, 
wohl aber vermag er seine Ansteckungsfähigkeit lange zu bewahren. 

4. Der Bacillus der Tuberkulose wird erworben: 

al Durch Vererbung; sie ist von geringer Bedeutung. 

b) Durch direkte oder indirekte Uebertragung von anderen tuber¬ 

kulösen Menschen. 

c) Durch direkte oder indirekte Uebertragung von tuberkulösen 

Thieren, besonders durch deren Müch und zur Nahrung 
dienende Theile. 


5. Der familiäre Charakter der Heimstätten macht es nicht wünschens¬ 
werte, dass den einzelnen Anstalten eine zu grosse Ausdehnung (über 100 
Betten) gegeben werde. 

6. Geeignet zur Aufnahme sind in erster Linie die Reconvalescenten 
von acuten Krankheiten, von Verletzungen und Operationen, dann auch Wöch¬ 
nerinnen, in zweiter Linie an chronischen Krankheiten Leidende, wenn die¬ 
selben acute Verschlimmerungen erfahren haben. 

7. Principiell ausgeschlossen sind Geisteskrankheiten, Epilepsie, ekel¬ 
erregende, chirurgische und Hautleiden, Lues und Alcoholismus. 

8. Als nothwendige Vorbedingungen für die Aufnahme ist eine gute 
sittliche Qualification zu fordern. 11 



XV. JahresverBammluiig des D. Vereins für öffentl. Gesundheitspflege etc. 399 


5. Massregeln gegen die Verbreitung der Tuberkulose: 

zu 4 a Sichere Massregeln undurchführbar. 

zu 4 b Schulhygiene (Desinfektion des Auswurfes von Lehrern und Kindern, 
regelmässige nasse Reinigung und häufige Desinfektion der Schul¬ 
räume). 

Errichtung von Desinfektionsanstalten durch die Gemeinde mit Aus¬ 
bildung von Leuten in der Desinfektionstechnik. — Wiederholte 
Desinfektion von Wohnungen und Gebrauchs-Gegenstände tuber¬ 
kulöser Kranker, obligatorische Desinfektion der Wohnungen und 
Geräthe an Tuberkulose Gestorbener. 

Ueberwachung von Ammen, Hebammen, Krankenwärtern und -Wärte¬ 
rinnen auf ihre Gesundheit. 

Ueberwachung mit Zubereitung und Verkauf von Nahrungsmitteln 
beschäftigter Personen, Ausschliessung von Hustern. 

Sorgfältige Hygiene von Krankenhäusern, Gefängnissen, Waisenhäusern 
und ähnlichen Anstalten. 

Belehrung der Bevölkerung. 

zu 4 c Strenge obligatorische Fleischschau. Feststellung aller tuberkulös be¬ 
fundenen Thiere in Betreff der Abstammung; thierärztliche Ueber¬ 
wachung der Stallungen, aus welchen tuberkulöse Thiere stammen. 

Vernichtung tuberkulös befundener Thiere (mit höchstens theilweiser 
Entschädigung); Ueberwachung des Milchhandels. 

In der Diskussion machte H. Sanitäts - Rath Dr. Dettweiler (Falken¬ 
stein) darauf aufmerksam, dass die Krankheit in den meisten Fällen durch den 
Auswurf auf den Fussboden und in das Taschentuch, wo er trocknet, ver¬ 
stäubt und von anderen eingeathmet wird, ansteckend wirkt und empfiehlt in 
erster Linie den Gebrauch seines transportablen Taschen-Spucknapfes, welchen 
er zirkulieren lässt, oder eines ähnlichen zweckmässigen Apparates, deren sich 
die Kranken in ihrem Interesse wie in dem ihrer Mitmenschen bedienen 
müssten. Im Uebrigen seien die Spuckgefässe, in welche der Auswurf entleert 
wird, stets feucht zu halten. 

H. Dr. Cornet (Berlin) bestätigt die Mittheilungen des Vorredners und 
ergänzte dieselben aus seiner Praxis; ebenso 

H. Prof. Wyss (Zürich), welcher mittheilte, dass selbst Alpenkühe nicht 
völlig tuberkelfrei seien. 

Die Versammlung fasste schliesslich folgende Resolution: 

„Der Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege nimmt mit 
Dank von dem Vortrage des Herrn Professors Heller über die Ver¬ 
hütung der Tuberkulose Kenntniss und hofft von der Verbreitung 
der in diesem Vortrage und durch die Verhandlungen angeführten 
Thatsachen über Entstehung und Verhütung der Tuberkulose, dass 
die Erkenntniss von der Nothwendigkeit der Beachtung und Ein¬ 
führung der ip diesem Vortrage vorgeschlagenen Massregeln mehr 
und mehr bei Behörden und Privaten Eingang findet/ 


Dritte Sitzung am Dienstag, den 17. September. 

V« Eisenbahn-Hygiene in Bezug auf die Beisenden. 

Referent H. Geh. Baurath Wiehert (Berlin): Die Berücksichtigung der 
Wünsche des Publikums und die Sorge für das Wohlbefinden der Reisenden 
findet ihre Grenzen in den Betriebsverhältnissen und in den Einnahmen der 
Eisenbahnen aus dem Personenverkehr. Die Verwaltungen sind stets bestrebt, 
allen Wünschen der Reisenden thunlichst entgegenzukommen, indessen be¬ 
kämen die letzteren auf der Fahrt oft das sogenannte „Eisenbahnfieber*, wel¬ 
ches wiederum die heterogensten „Beschwerden* verursachte. 

Redner schildert nunmehr die bestehenden Zustände, zum Theil mit 
trocknem Humor und gab dabei eine ungemein klare, umfassende Uebersicht 
über die diesbezüglichen Erfahrungen und Bestrebungen der preussischen Staats¬ 
eisenbahn-Verwaltung. Die Vortheile und Nachtheue der einzelnen Wagen- 
arten (Coup6s, Durchgangs- undAbtheilungswagen) und deren Errichtungen (auch 



400 XV. Jahresversammlung des D. Vereins für öffentl. Gesundheitspflege etc. 


der Aborte) werden eingehend besprochen. Grundlegend für alle Einrichtungen 
ist der dem einzelnen Reisenden zu überweisende „Luft-, Boden- und Sitz¬ 
raum. Es betrügt der Luftraum für jeden Platz in der ersten, zweiten und 
dritten Fahrklasse 1,9, bezw. 1,28 und 0,84 cbm, die Bodenfläche 0,86 bezw. 
0,58 und 0,38 qm und die Sitzbreite 0,8 bezw. 0,6 und 0,5 m. Durchschnitt¬ 
lich ist aber nur der vierte Theil der Plätze in den Eisenbahnzügen besetzt, 
so dass dann dem einzelnen Reisenden ungefähr das Vierfache des vorher 
angegebenen Luftraumes zur Verfügung steht. Was die Sitze anbelangt, so 
muss man dieselben, so lange es nicht Normalmenschen giebt, für Durchschnitts- 
Menschen herstellen; auch die Form der Rückenlehne ist schwer so zu ge¬ 
stalten, dass grosse und kleine, dünne und dicke Menschen sich gleich gut an¬ 
lehnen können. Die Polsterung in der ersten und zweiten Wagenklasse dämpft 
das Geräusch. Ebenso wichtig wie die Schonung des Gehörs ist die 
Schonung der Augen. Darum ist das Lesen im Zuge zu Unterlassen und 
es dient nur dem Interesse der Gesundheit des Reisenden, wenn die jetzige 
Beleuchtung (durch Fettgas) in den Coup6s das Lesen nicht gestattet. 

Zu den schwierigsten Fragen gehörten die der Lüftung und Heizung. 
Man ist jetzt dahin gekommen, die Dampfheizung als die beste allgemein 
einzuführen. Redner geht sodann auf die Errichtung der Raucher- und 
Nicht-Rauchercoupees über und fährt dann fort: „In den Frauencoupös ist 
gleichfalls das Rauchen verboten; dies wurde früher für selbstverständlich ge¬ 
halten, aber das Rauchverbot stellte sich mit Rücksicht auf die Rauchlust 
russischer und anderer Damen als nothwendig heraus (Grosse Heiterkeit). 
Gegen die Benutzung der Coup6s für Nichtraucher seitens der Damen ist 
geltend gemacht worden, das ebenso wie die Damen das Recht für sich in 
Anspruch nehmen, unter sich zu bleiben, dies auch den Herren zugestanden 
werden müsse. (Grosse Heiterkeit.) Die angenehme Einrichtung der Coupes 
für Säuglinge mit Vorrichtungen zum Milchkochen mag für diese sehr nütz¬ 
lich und für andere Reisende sehr wohlthuend sein, ist aber meines Wissens 
noch nirgends eingeführt.“ (Stürmische Heiterkeit.) 

Nach den Bestimmungen müssen auf Wunsch nur eines Reisenden die 
Fenster auf der Windseite geschlossen werden; es besteht also ein Recht auf 
frische Luft und es bleibt den Reisenden überlassen, sich über das Oeffhen 
der Fenster in Güte zu einigen. 

Grössere Bequemlichkeit gewähren luftige Aussichtswagen, wie solche 
besonders in den österreichischen Alpengegenden im Gebrauch sind; für wohl¬ 
habende Reisende Salonwagen, bezw. zweckmässig eingerichtete Kranken¬ 
salonwagen zur Fahrt nach den Kurorten, sowie Schlafwagen; für ein¬ 
zelne Strecken gibt es Restaurationswagen, welche aber die Züge zu 
stark belasten. 

Zur Hilfeleistung bei Erkrankungen und Unfällen werden Verbands¬ 
stoffe und Medicamente mitgeführt. Nach jeder Benutzung der Wagen durch 
Kranke ßndet eine Desinfektion statt; bei Epidemieen werden die grössten 
Vorsichtsmassregeln angewandt. 

Redner schloss seine AufÜhrungen mit dem Bemerken, dass wie auf allen 
Gebieten, so auch auf dem Eisenbahnwesen ein steter Fortschritt zu konstati- 
ren und es zu erhoffen sei, dass weitere Errungenschaften der Technik und der 
Erfahrung es ermöglichen werden, den Reisenden noch mehr Bequemlichkeiten 
und Vortneile im Eisenbahnverkehr zu gewähren. 

Der Korreferent H. Prof. Dr. Loefflor (Greifswald) bespricht zunächst 
die Ventilation in den Eisenbahnwagen unter Bezugnahme auf die Arbeit 
Wolfhügels über die Lüftung der Eisenbahnwagen. Er fordert im Be¬ 
sonderen die Einführung von Luft-Zuführungs- und Luft*Sauge-Apparaten, 
welche eine 25—30 malige Luft-Erneuerung per Stunde ermöglichten und führt 
dabei die Ergebnisse diesbezüglicher Versuche an, welche im Winter 1887/88 
von dem Königl. Kriegsministerium und der Eisenbahndirektion in Berlin an 
Verwundeten-Transportwagen angestellt worden sind. 

Hierauf geht Redner auf die Frage des Schutzes der Reisenden gegen 
Ansteckungsgefahr ein, verlangt die Anbringung von Spucknäpfen in den 
Eisenbahnwagen und grössere Sorgfalt in der Beschaffung guten Trink- 
wasserB auf den Stationen. 



62. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Heidelberg. 401 


ln der Discussion, an welcher sich ausser den Referenten insbesondere 
die Herren Oberingenieur Meyer (Hamburg), Prof. Rietschel (Berlin), Prof. 
Gärtner (Jena), Ingenieur Henneberg (Berlin), Generaldirektionsrath Mahlo 
(München) betheiligten, wurde die Forderung nach besserer Ventilation, Be¬ 
leuchtung (womöglich elektrischer) und Trinkwasser (auch in den Eisenbahn¬ 
wagen selbst) betont und dabei die Frage angeregt (Rietschel), ob nicht 
Warmwasserheizung der Dampfheizung vorzuzienen sei. 

Mit lebhaften Dankesworten an die Referenten schloss der Vorsitzende 
die Versammlung. 

Die Präsenzliste zählte 257 Mitglieder. Die Betheiligung an den für 
die einzelnen Sitzungstago festgesetzten Besichtigungen bemerkenswerther 
hygienischer Einrichtungen in Strassburg (Bürgerhospital, Kliniken, Schlacht¬ 
ung. Viehhof, Markthalle, neue Realschule, Hospiz Lovisa, Universitätsgebäude, 
Wasserleitung u. s. w.) und nächster Umgebung (Irrenanstalt Stephansfeld, 
Bezirks-Armen- und Krankenhaus sowie Blödenanstalt in Bischweiler, Besichti¬ 
gung der UlhochWasserleitung in Erstein) war eine äuserst rege. Von den 
Festlichkeiten sind ausser dem üblichen Festessen zu erwähnen: Die gross¬ 
artige Beleuchtung des Münsters und ein Sonntags-Ausflug in die Vogesen 
auf den Odilienbenberg, Mennelstein und nach den mit deutschen (!) 
Fahnen überreich geschmückten Städtchen Barr. Die vielfachen Berüh¬ 
rungs-Punkte mit der einheimischen Bevölkerung Hessen erkennen, dass 
die Worte des Herrn Unterstaatssekretair von Schraut an dem Festessen in 
dem grossen Aubette-Saal am Kleber-Platz nicht ohne Berechtigung waren, die 
Worte: „Ja m. H., es wird voller Frühling werden im Reichslande, langsam 
zwar, aber so sicher, wie es Frühling geworden ist in den Deutschen Landen 
seit Wiederherstellung von Kaiser und Reich. 

Steinau a/O., d. 5. Oktober 1889. 

Dr. Schmidt (Kreisphysikus). 


62. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in 
Heidelberg vom 17.—23. September 1889. 

(Original-Bericht.) 

A. Abtheilung für gerichtliche Medicin. 

I. Zur Organisation des Unterrichts in der gerichtlichen Medicin. 

H. Geh. Med.-Rath Dr. Liman (Berlin): Redner beklagt, dass ein eigent¬ 
licher Unterricht in der gerichtlichen Medicin gar nicht existire, noch weniger 
ein eigentlicher klinischer Unterricht in dieser Disciplin. In dem besten der 
bezüglichen Institute, in Berlin, fehle es an Material und an Zuhörern, sodass 
deijenige, der etwas lernen wolle, sich nach Wien oder nach Frankreich wen¬ 
den müsse. Den Nothschrei, den Ungar dieserhalb im verflossenen Jahre aus- 
gestossen, sei ungehört verhallt ; man müsse deshalb den Missstand immer von 
Neuem urgiren. Bei den Fakultäten fehle leider das Verständnis für diesen 
Gegenstand, da man die gerichtliche Medicin für eine Selbstständige Wissen¬ 
schaft nicht ansehen wolle. Selbst aus dem Staatsexamen ist sie entfernt 
worden. Und trotzdem setzt der Gesetzgeber voraus, dass der Arzt so weit 
vorgebildet sein müsse, um ein sachverständiges Gutachten abgeben zu können. 

Redner denkt sich die anzustrebende Organisation folgendermassen: 

I. An jeder Universität sei ein Ordinariat zu errichten. Dies er¬ 
heische nicht allein die Würde der Wissenschaft, sondern auch der 
Umstand, dass der Student ein Colleg nicht zu besuchen pflegt, in 
dessen Gegenstand eine Prüfung nicht stattfindet. 

2. Der Professor der gerichtUchen Medicin müsse gleichzeitig prak¬ 
tischer Gerichtsarzt sein und in den Grossstädten in welchen Einer 
nicht Alles leisten könne, eine Assistenz haben, aus der später die 

G rösseren Physikate und die Professuren zu besetzen wären. 

las gerichtliche und polizeiliche Material müsse dem Lehrer zur 
Verfolgung stehen. Jetzt dürfe man nicht einmal mehr die gericht- 



402 62. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Heidelberg. 


liehen Sektionen vor Zuhörern ausführen und die Untersuchungen 
am Lebenden seien bisher überhaupt noch nicht Material für den 
Unterricht gewesen, obwohl dies Behr leicht geschehen könne, wenn 
der Lehrer gleichzeitig Arzt am Untersuchungsgefängnis sei. 

D iskussion: 

H. Reg.- und Med.-Rath Dr. Wernich (Cöslin) bemerkt, dass wohl ins 
Auge zu fassen sei, an wen wir uns mit' etwaigen Anträgen zu richten 
hätten. Von den Universitäten sei in dieser Beziehung nichts zu erhoffen, da¬ 
gegen werde bei den Centralbehörden unser Ruf nicht ganz unbeachtet bleiben, 
vielmehr bei der Medicinalreform seine gebührende Berücksichtigung finden. 

H. Geh. Med.-Rath Dr. Lim an glaubt noch eher etwas zu erreichen, 
wenn man sich an das ärztliche Publikum und an die Presse wenden wollte. 

H. Hofrath Prof. Dr. Kn au ff (Heidelberg) glaubt seitens der oberen Be¬ 
hörden in dieser Beziehung im Ganzen eine wohlwollende Haltung bemerkt zu 
haben und meint, die Bewegung müsse von Preussen ausgehen, die süddeut¬ 
schen Staaten würden dann gern nachfolgen. In der Presse, sofern man diese 
zu Hülfe nehmen wolle, müssten die leitenden Gesichtspunkte im grösseren 
Rahmen behandelt werden. Jedenfalls stehe auch für ihn fest, dass Theorie 
und Praxis in eine Hand gelegt werden müssten. Das Eine könne man 
allerdings jetzt schon voraussehen, dass für die kleinen Universitäten die 
Beschaffung des Unterrichts-Materials ihre Schwierigkeiten haben würde. 

H. Geh. Med.- und Reg.-Rath Dr. Schwartz (Cöln) bemerkt, dass in 
Sachsen die Hoffnung vorhanden sei, dass bezügliche Professuren demnächst 
eingerichtet werden, und hofft, dass mit der Organisation des Medicinal-Wesens 
auch dieser Gegenstand seine Erledigung finden werde. 

II. Mitwirkung der ärztlichen Sachverständigen bei Ausfflhrung des 
Reichs-Unfallversicherungs-Gesetzes vom 6. Juli 1884. 

H. Geh. Med.- und Reg.-Rath Dr. Schwartz (Cöln): Redner erörtert, wie 
der behandelnde Arzt meist der erste sei, der die näheren Umstände des 
Palles genauer kennen lerne und wie sein Urtheil oft das allein massgebende 
sei. Von demselben hänge oft das Wohl und Wehe einer ganzen Familie ab. 
Nach der 13. Woche gehe dann die Angelegenheit auf die Berufs-Genossen¬ 
schaften über. Diese haben ihre Vertrauensärzte, die ihre Interessen wahr¬ 
zunehmen haben und deren Urtheil dann massgebend werde für die Entschei¬ 
dungen über Dauer des Heilverfahrens und Höhe der Rente. Gelangt nun die 
Sache an die Schiedsgerichte, so sei ein Obergutachten oft unumgänglich, und 
solche Obergutachten sind gerade bei Unfällen häufiger nothwendig, als in 
Civil- und Kriminalfallen. Den Schiedsgerichten stehen aber besondere Sach¬ 
verständige nicht zu Gebote. Wollten sie sich an die Medicinal-Collegien 
wenden, so würden diese hierzu nicht ausreichen, auch würde es schon wegen 
der oft erforderlichen Untersuchung des Beschädigten, womöglich in dessen 
Wohnung, sein Missliches haben. Universitätslehrer und Hospitalärzte haben 
die Abgabe solcher Gutachten meist aus Mangel an Zeit abgelehnt. Redner 
hält es daher für empfehlenswerth, wenn mit solchen Gutachten der Medici- 
nalbeamte und zwar, da solche Gutachten oft das gesammte medicinische 
Wissenschaftsgebiet berühren, unter Zuziehung von Specialisten und 
dem behandelnden Arzte betraut würde. Etwas Aehnliches bestehe be¬ 
reits im Bereich des französischen Gesetzes. Eine vollständige Krankenge¬ 
schichte des ersten, behandelnden Arztes fehle meistens. Dies komme haupt¬ 
sächlich daher, dass für diese ersten Atteste nichts gezahlt werde *). Das sei 


*) Im hiesigen Regierungsbezirke besteht bei den der staatlichen Unfall¬ 
versicherung zugewiesenen Betrieben aus dem Ressort der allgemeinen Bau¬ 
verwaltung die Vorschrift, bei jedem Unfall, gleichgültig, ob derselbe voraus¬ 
sichtlich eine längere Arbeitsunfähigkeit als 13 Wochen bedingen wird oder 
nicht, sofort ein ausführliches ärztliches Gutachten von dem behandelnden 
Arzte einzuziehen, für welches der letztere selbstverständlich die gesetz- 
mässigen Gebühren erhält. Damit ist eine feste und werthvolle Unterlage ftbr 
alle späteren ärztlichen Begutachtungen des Unfalls gewonnen und hat sich 



62. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Heidelberg. 403 

zu ändern; überhaupt seien zu diesen Arztstellen nur die besten Aerzte zu 
verwenden und daher eine Submission hierbei zu verhüten. 

Diskussion; 

H. Kreisphys. Dr. Gerönne (Cleve) bemerkt, dass den Berufs-Genossen¬ 
schaften an die Hand zu geben sei, sie mögen sich möglichst frühzeitig an die 
Vertrauensärzte wenden. 

H. Prof. Dr. Guttstadt (Berlin) hält es für erforderlich, dass 

1. die Angaben der Angehörigen unter eidlicher Erhärtung gemacht 
würden, und dass 

2. zur Sicherung der Diagnose das Chloroformiren für nothwendig er¬ 
achtet werde. 

H. Geh. Med.- und Reg.-Rath Dr. Schwartz bemerkt ad. 1 dass den 
Schiedsgerichten das Recht der eidlichen Vernehmung wohl zustehe, den Be¬ 
rufsgenossenschaften allerdings nicht. 

H. Dr. Terfloht berührt die Frage, ob das Maass der Erwerbsunfähig¬ 
keit vom Gutachter in Prozentzahlen anzugeben sei. 

H. Geh. Med.-Rath Dr. Li man hält dies für unbedingt nothwendig. Der 
Gutachter soll eben in seinem Gutachten sein Urtheil abgebon, nicht den 
blossen Thatbefund, wie ihn im Gegensatz zu seiner Auffassung die wissen¬ 
schaftliche Deputation für das Medicinalwesen und Mendel wollen. 

H. Bez.-Arzt Dr. Kugler (St. Blasien) schliesst sich dieser Auffassung an. 

III. Demonstration einer neuen Lungen - Athemprobe der Neugeborenen 

auf volumetrischem Wege. 

H. Dr. H. Bernheim (Würzburg): Redner hebt hervor, dass die allbe¬ 
kannte Lungenschwimmprobe bisher alle anderen Proben siegreich aus dem 
Felde geschlagen und auch ihre officielle Anerkennung, wenigstens in Preussen 
und Oesterreich, gefunden hat. Die Differenz im specifischen Gewicht zwischen 
der fötalen und nicht fötalen Lunge ist das Resultat dieser Probe, die auf 
grob empirischer Methode beruht. Der ihr zu Grunde liegende Gedanke könne 
aber auf würdigere Weise zur Geltung gebracht werden, indem man denselben 
in eine mehr mathematische Form bringe, und dies könne durch einen ein¬ 
fachen Apparat in wenigen Secunden geschehen. 

Dieser Apparat, den er Pyknometer oder Dichtigkeitsmesser genannt*), 
ist ein Volumeter mit ballonartigem Recipienten, an dessen einer Seite eine 
mit Stöpsel verschließbare Oeflhung für das einzufuhrende Lungenstückchen 
sich befindet, während die Kuppe des Ballons in eine mit einer sehr genauen 
lOOtheiligen (ccm und Zehntel) Skala versehenen Röhre ausläuft, die oben 
ebenfalls mit einem Stöpsel luftdicht zu verschliessen ist. Beim Gebrauch 
wird der Ballon bis zum untersten Strich der Skala mit Brunnen- oder Leitungs¬ 
wasser gefüllt, horizontal gewendet, durch seine Oeffnung ein Stücken, vorher 
auf einer kleinen Waage genau abgewogenes Lungengewebe eingeführt, und 
wieder gerade gerichtet. Das Wasser ist nun in der Röhre um so viel empor¬ 
gestiegen, als an Volumen von dem Lungenstückchen verdrängt worden ist. Be¬ 
zeichnet man die Anzahl der Theilstriche (Verdrängungszahl), die als ccm in 
Grammen ausgedrückt werden könne, mit b, während man das vorher ver¬ 
mittelst der Waage festgestellte Gewicht des Lungenstückchens mit a bezeichnet, 

so ist das specifische Gewicht = . Das specifische Gewicht der fötalen 

Lunge kommt dem der Leber gleich, das 1,1 beträgt, während dasjenige der 
geathmet habenden Lunge 0,8 ausmacht; man wird also mit dem Pyknometer 
stets Zahlen finden, die den genannten gleichkommen, je nachdem man es mit 


dies Verfahren besonders bei denjenigen Fällen bewährt, wo anscheinend nur 
leichte Verletzungen Vorlagen und diese sich erst späterhin als schwerere und 
eine über 13 Wochen hinausgehende vollständige oder theilweise Erwerbsun¬ 
fähigkeit bedingende herausstellten. Dr. Rpd. 

*) Bei Geissler in Bonn für ca. 6 Mark zu haben. 



404 62. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Heidelberg. 


fötalen oder geathmet habenden Lungen zu thun hat und diese Zahlen sind 
nach den vielen Proben, die Redner angestellt, so constant, dass sie forensisch 
volle Gültigkeit beanspruchen dürfen. Zu berücksichtigen seien natürlich nach 
wie vor Fäulnissblasen und Atelektase; erstere würde man durch Anstechen 
mit der Nadel zu entfernen haben, während man atelektatische Stellen aus- 
schneiden und von den übrigen Partieen die mittleren Werthe bestimmen 
würde. Redner will seiner Probe vor der bisher üblichen hauptsächlich des¬ 
wegen einen Vorzug vindiciren und sie daher zur officiellen Einführung em¬ 
pfehlen, weil sie durch ihre Zahlenwerthe ein mehr wissenschaftliches Resultat 
liefert. Immerhin bringe Bie zum forensischen Beweis ein Mehr, und: in foro 
superflua non nocent. (Bei der vorgeführten Probe betrug das Gewicht des 
Lungenetückchens = 2,8 Gramm, die Verdrängungszahl zz 3,8, mithin das 

specifische Gewicht = = 0,8.) 

3,8 

Diskussion: 

H. Hofrath Prof. Dr. Knauff (Heidelberg) frägt, ob die Menge der Luft 
zu berechnen sei und ob solche Untersuchungen überhaupt an Föten gemacht 
seien, insbesondere wie viel Luft in einem oder in wenigen Athemzügen auf¬ 
genommen werde und dergl. mehr. 

H. Dr. H. Bernheim antwortet, dass die Menge der Luft sich jeden¬ 
falls feststellen lassen müsse, dass aber alle diese Versuche noch zu 
machen seien. 

IV. Ueber anatomische Befunde beim Erstickungstode. 

H. Hofrath Prof. Dr. Knauff (Heidelberg): Gelegentlich eines concreten 
Falles, bei dem es sich um ein Neugeborenes handelte, das in das Wasser 
eines schlammigen Grabens hineingeboren war, suchte Vortragender auf expe¬ 
rimentellem Wege der Frage näher zu treten, ob Luft und Flüssigkeiten schon 
durch zufällige mechanische Einwirkungen (Zerrungen, Druck, Manipulationen 
seitens der Mutter, ähnlich den Schultze'sehen Schwingungen u. dergl. mehr) 
in die Respirationswege der Kindesleiche eingeführt werden können. Er 
forschte zunächst nach den Volumsverhältnisssen der Athmungsorgane vor 
der Athmung und fand an Querschnitten durch den Kopf und die übrigen 
Körpertheile nach der Gefriermethode behandelter Kindesleichen, dass unter 
normalen Verhältnissen ausser an Mund und Nasenhöhle im ganzen übrigen 
Respirationstraktus kein Lumen existirt. Schon am Rachen sieht man den 
weichen Gaumen und Zungenrücken der hinteren Rachenwand dicht anliegen 
und kann nur noch die Winkel neben den Wölbungen dieser Organe erkennen. 
Larynx und Trachea zeigen ein glattes, scheidenförmiges Verhalten, indem 
sich die Pars membranacea faltig-zackig gegen die Pars cartilaginea einschiebt. 
Grössere und kleinere Bronchien gestalten sich ähnlich, während mittlere und 
kleinste Bronchien eine mehr circuläre Form haben. Die Infundibula endlich 
enthalten Spuren von Fruchtwasser. Bekanntlich sind nur wenige Athomzüge 
nöthig, um Luft zu den Alveolen zu treiben. Aber auch die genannten Mani¬ 
pulationen (am bekanntesten die Schultze’schen Schwingungen) bewirken, 
schon wegen der Elasticität der Knorpel, ein Einströmen der Luft bis in die 
Alveolen, ohne dass der dadurch horbeigeführte Zustand von dom Effekt einer 
vitalen Aktion zu unterscheiden wäre. Vortragender hat eine schon lange ab¬ 
gestorbene Frucht nach der Geburt noch 2 Tage liegen lassen, sie dann am 
Kopfe erfasst und mehrmals heftig geschüttelt, desgleichen an dem einen und 
dann an dem andern Arm ergriffen und sie wiederum mehrmals geschüttelt, 
und konnte dann Luftgehalt der Lungen nachweisen. Vornehmlich verliere die 
Trachea jene Scheidenform, und da auch oft, jedenfalls öfter als man glaube, 
der Tod durch Aspiration von Geburtsflüssigkeit eintrete, so habe sich Vor¬ 
tragender gewöhnt, vor jedem anderen Beginnen zunächst die Trachea dop¬ 
pelt zu unterbinden, dicht unter dem Larynx und weiter nach unten, um sie 
dann auf ihren Luft- bezw. Flüssigkeitsgehalt zu untersuchen. 

In Betreff des Eintretens von Flüssigkeit in die Luftwege hebt Vor¬ 
tragender hervor, das Wasserleichen, so lange sie noch am Boden treiben, 
bei den Unebenheiten des Flussbettes bald mehr nach der Oberfläche gehoben 
werden, bald wieder tiefer sinken und somit verschiedenem Wasserdruck aus- 



Klm ucut, Miithe 11 rmgen * 


Referate. 


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uni Fittssigknit in die bujlhenge ointrete« lu^en,, hat • I&hIh&i 1 , 



yrege und in den’ Klagen zu fördern 

V%)ttiuget)der flieht daher aus seinen Vorgehen den S< 1 lfuss, rlß^ unui 
den'bi»h*>ng^:-.Lohreji ufcw&t• tnibe 

IJiskueVion: 




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Referate. 


Dr. mBd Albert Motl m BltÜh, Der Hy|>m>iifcnins. Fiseliers 

PMIÜ Bur lihaudhii^. H. KontfttJd. Berlin, 1880. Wr. 8. 


210 Seiten. Pjr^l^ 4,^0 


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406 


Referate. 


so. Denn nur in gerichtsärztlicher Hinsicht war in jenem Buche vom Hyp¬ 
notismus die Rede. Alles Andere wurde als bekannt vorausgesetzt. Da kann 
man ein Werk, wie das vorliegende in der That nur freudig begrüssen. 
Schwirrt doch der Hypnotismus uns im letzten Jahrzehnt so um die Ohren, 
dass auch der beschäftigst^ Praktiker und der angestrengtest thätige Medici- 
nalbeamte nicht umhin kann, sich einmal mit dieser Disziplin eingehend zu 
befassen. Aber welches von den vielen Büchern soll nun zum gründlichen 
Kennenlernen und zur sachgemäßen Beurtheilung über Werth und Unwerth 
dieser Dinge genommen werden? Wie Sand am Meere giebt es der Schriften über 
Hypnotismus schon. Da kann Referent mit voller Ueberzeugung sagen: man 
greife zum Moll. Verfasser sagt selbst in der Vorrede: „Viele Werke der 
letzten Zeit hätten bald nur der therapeutischen, bald nur der foren¬ 
sischen Seite und Bedeutung des Hypnotismus einseitig Rechnung getragen; 
ihn habe der Gedanke geleitet, dem Leser dieses Buches eine Uebersicht über 
das Wichtigste auf dem ganzen Gebiet des Hypnotismus zu bieten.“ Und 
diese Absicht erfüllt uns der Verfasser in vollstem Masse. In 9 Abschnitten 
wird uns Geschichtliches, Allgemeines, Symptomatologie, Theoretisches etc. 
des Hypnotismus in klarer, auch nicht Medicinern, soweit diesen ein Ver¬ 
stehen möglich ist, fasslicher Weise vorgetragen. Dass Moll bei Abfassung 
seines Buches nicht nur daran gedacht hat, für Mediciner zu schreiben, son¬ 
dern sich der Hoffnung hingab, dass auch andere Gebildete (er dachte wohl 
besonders — und mit Recht — an Juristen) sein Werk lesen dürften, geht 
nicht aus der Vorrede hervor, wohl aber aus den Anmerkungen, in denen er 
medicinische Bezeichnungen für Nicht-Mediciner erklärt, weiter daraus, dass 
hier und da sogar einzelne Muskelnamen übersetzt, erklärt werden. Darum 
denke aber Niemand von den Herren Kollegen, es sei irgendwie und irgendwo 
deshalb der Wissenschaftlichkeit des ganzen Werkes Abbruch geschehen. 

Moll war selbst in Paris bei Charcot, dann in Nancy, um die sogen. 
Nancyer Schule an Ort und Stelle kennen zu lernen; er hat zahlreiche eigene 
Versuche angestellt, auf Grund deren er „Bekanntem manches Neue zufügen“ 
konnte, kurz, er steht auf Grund seiner eingehenden Vorstudien an den 
Quellen mitten im Gebiet auf einem völlig freien, objectivem Standpunkt, von 
dem aus er uns seine Ansichten entwickelt. — Wenn trotzdem mir, dem Re¬ 
ferenten, einzelne Dinge nicht klar geworden sind, so z. B. das Seite 69 und 
70 citirte Experiment, dann die Bemerkungen über das sogen, automatische 
Schreiben (S. 104 und 105) mir nicht einleuchten wollen, so mag das zum 
Theil daran liegen, dass hier der Verfasser vielleicht etwas ausführlicher in 
seinen Auseinandersetzungen hätte sein können. 

Es ist nun kaum möglich, in einem kurzen Referat den ausserordentlich 
reichen, zusammengedrängt und doch fast überall eingehend und klar darge¬ 
botenen Inhalt wiederzugeben; man müsste dann eben den Inhalt zum Theil 
gradezu abschreiben. Ich kann nur einige kurze Bemerkungen machen, die 
hinreichen dürften, Jeden, der sich mit dieser Materie beschäftigen will, zu 
veranlassen, das Buch selbst in die Hand zu nehmen. 

Moll steht auf dem Standpunkt, dass es falsch sei, glauben zu wollen, 
man könne lediglich durch sogen, somatische Mittel, durch Sinnesreiz allein, 
jemals die Hypnose herbeiführen; stets müsse zur physiologischen Wirkung 
eine psychologische — Gedanken — Vorstellungsbeeinflussung hinzukommen. 
Entschieden ist die Methode, welche am meisten sich an die psychologische 
Beeinflussung halte, die beste, um zum Ziel zu kommen; doch hänge Alles 
stets von dein einzelnen Falle ab. Zu hypnotisiren sei jeder geistig gesunde 
Mensch, intelligente Menschen leichter, wie dumme. Geisteskranke seien viel 
schwerer zu hypnotisiren, wie Geistesgesunde. Die Nationalität mache keinen 
Unterschied. Kinder unter 3 Jahren seien gar nicht, unter 8 Jahren schwer zu 
hypnotisiren. Weder Neurasthenie, noch blasses Aussehen, noch Hysterie, noch 
allgemeine Schwäche gäben eine besondere Disposition zur Hypnose ab. 

Hier steht Moll in gradem Widerspruch nach seinen Erfahrungen zu 
Gilles dela Tourette, der (siehe Referat im Juni-Heft d. J.) grade be¬ 
hauptet, dass Hysterische ganz besonders zur Hypnose geeignet seien. — 

Sogar gegen den Willen einer Person, nicht nur ohne Willen der 
Person sei eine Hypnose möglich. Man habe Soldaten in Gegenwart von 



Referate. 


407 


deren Vorgesetzten, gegen den Befehl der Vorgesetzten: Nicht einznschlafen, 
doch hpynotisirt. — 

Dahingegen gäbe es auch wieder Menschen, die trotz lebhaften Willens 
und Wunsches, hypnotisirt zu werden, doch refraktär seien, nicht in Hypnose 
gebracht werden könnten. 

Ich übergehe die Symptomatologie (Abschnitt HL) im Wesentlichen, be¬ 
merke aus jenem Abschnitt nur, dass nach des Verfassers Auffassung von Be¬ 
wusstlosigkeit in der Hypnose gar nicht die Rede sein kann. Eine Be¬ 
wusstlosigkeit, wie z B. in der Ohnmacht, findet in der Hypnose niemals statt. 
Aber eine Bewusstseinsstörung ist da; des Weiteren tritt eine Willenshem¬ 
mung ein, welche die Hypnotisirten bei sonst erhaltenem Bewusstsein nach 
ihren eigenen Erklärungen zu jedem Widerstand unfähig machte. Darum aber 
ist der Hypnotisirte kein willenloser Automat in der Hand des Experimen¬ 
tators; der Wille des Hypnotisirten äussert sich in mannigfaltiger Weise; er 
ist herabgesetzt, aber nicht ausgeschaltet. 

Das ergiebt sich schon daraus, dass sich in der Hypnose oft 
Widerstand gegen Suggestionen äussert. Je mehr eine in der 
Suggestion zugemuthete Handlung dem Charakter des Hypnoti¬ 
sirten widerspricht, desto grösser ist der Widerstand gegen diese 
Handlung. 

Die tief Hypnotisirten haben meist das Bewustsein, zu schlafen, wie 
man es auch im Traume ab und zu hat. Aber auch sie, die ganz tief 
Hypnotisirten, scheinen ab und zu noch einen selbständigen Gedankengang 
zu haben. 

Wie sollen wir uns nun, fragt Verfasser im 4. Abschnitt (Theore¬ 
tisches), die Erscheinungen des Hynotismus erklären? 

Er kommt zu dem Resultat: Hypnose kann als ein Zustand aufgefasst 
werden, in dem der normale Verlauf der Vorstellungen gehemmt ist; ob die Vor¬ 
stellungen sich auf Bewegungen oder auf Sinneseindrücke beziehen, ist ganz 
gleichgültig. Fremde Vorstellungen (suggerirte) können durch die eigenen 
Vorstellungen nicht zurückgedrängt werden. So kann z. B. die aufge¬ 
nommene Idee, den Arm nicht heben zu können, nicht, wie im 
wachen Zustand, sofort durch die entgegengesetzte Vorstellung 
bekämpft werden. 

Es handelt sich weiter in der Hypnose um eine Veränderung der Auf¬ 
merksamkeit. Die active Aufmerksamkeit ist gestört. Immer aber ist fest¬ 
zuhalten: Keine Suggestion ist möglich ohne Bewusstsein; nur Störung des 
Bewusstseins ist da, insofern z. B. Dinge gesehen werden, die nicht vor¬ 
handen sind. 

Weiter, sagt Moll, kommen wir bis jetzt nicht in den Erklä¬ 
rungsversuchen. Alle physiologischen oder anatomischen Erklärungsver¬ 
suche, dass die Hypnose durch Anämie oder Hyperämie oder durch partielle 
Hyperämie des Gehirns bedingt sei, haben gar keinen Werth. 

Es führt zu weit, die weiteren Abschnitte (V. zur Simulationsfrage; VI. 
Verwandte Zustände) zu berühren; Jeder wird des Interessanten in ihnen im 
Ueberflu8s finden. Aus dem VII. Abschnitt dagegen (Medicinisches) hebe ich 
hervor, das Moll entschieden für Anwendung des Hypnotismus als 
Heilmittel eintritt; die Gefahren des Hypnotismus seien sehr über¬ 
trieben worden. Das lange Fixiren eines Gegenstandes (Braid'schen Ver¬ 
fahren) könne ja mal nervös machen; ebenso könnten aufregende Suggestionen 
unter Umständen Nervosität zurücklassen; man brauche ja keine aufregenden 
Suggestionen zu geben. Im Allgemeinen aber kann Verfasser nur sagen: Die 
mangelhafte Technik einzelner Experimentatoren ist gefährlich, 
nicht der Hypnotismus als solcher. 

Nothwendig sei vor dem Erwecken stets absolutes Desuggestioniren. 
Und darin grade werde ausserordentlich gefehlt. 

Nachdem dann die sogen, funktionellen Neurosen als die zur Behand¬ 
lung mit Hypnose geeigneten Krankheiten genannt sind — (nach Moll sind 
besonders geeignet: verschleppte Fälle von Veitstanz, Menstruationsanomalien, 
Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und viele andere funktionelle Störungen) — 
nachdem Moll bestimmt erklärt hat, dass er keine Contraindikation kenne, 
erhebt er sich zu den Schlusssätzen: Der therapeutische Erfolg sei desto 



408 


Referate. 


besser, je tiefer die Hypnose sei; seiner Ueberzeugung nach werde die Hyp¬ 
nose manches Heilmittel überleben, dessen Ruhm heute die Spalten medici- 
mscher Blätter fülle; dass man vor allen Dingen aber die Hypnose 
nicht als letztes Zufluchtsmittel, sondern rechtzeitig bei jenen 
Zuständen anwenden solle. — 

Dieser Abschnitt mit seinen geistreichen weiteren Bemerkungen, dass die 
Psychologie überhaupt in der Medicin das Zentrum, der Mittelpunkt der ge- 
sammten Therapie werden müsse, ist grossartig schön geschrieben. 

Auf den reichen, hochinteressanten und ausserordentlich zum weiteren 
Nachdenken anregenden Inhalt des vorletzten 8. Abschnittes (Forensisches) 
kann ich nur hinweisen. 

Im letzten (9.) Abschnitt giebt uns der Verfasser einen gedrängten Ueber¬ 
blick über den sog. thierischen Magnetismus, über die sogen, über¬ 
sinnliche Gedankenübertragung, über Hellsehen, Sinnesverlegung, 
Fernwirkung der Medikamente etc. 

Der Verfasser verwahrt sich aber ausdrücklich dagegen, als 
ob er auch nur eine dieser im 9. Abschnitt erwähnten Beobach¬ 
tungen als exakt anerkenne. Nur wegen des historischen Zusammen¬ 
hanges mit der Geschichte des Hypnotismus habe er sie erwähnt, damit 
Jeder wisse, was damit gemeint sei. Dafür kann man dem Verfasser 
nur sehr dankbar sein. Sonst findet Moll überall mannigfache Fehler¬ 
quellen und die Experimente seien grösstentheils recht man¬ 
gelhaft. 

Mit warmen Schlussbemerkungen, dass die Wissenschaft sich des Wei¬ 
teren der Lehre vom Hypnotismus bemächtigen müsse, dass „die Haupt¬ 
stütze des Charlatanismus von jeher die Indifferenz der Ver¬ 
treter der Wissenschaft gewesen sei“, dass man freilich strenge Be¬ 
dingungen stellen müsse, durch keine Autorität sich hinreissen 
lasse, Thatsachen ohne Beweise anzuerkennen, — endet der Ver¬ 
fasser sein Buch, dessen lehrreiche Lektüre nicht warm genug empfohlen 
werden kann. 

Dr. Berthold Massmann. 


Dr. J. Uffelmann, a. o. Prof, und Vorstand des hygienischen In¬ 
stituts an der Universität in Rostock. Handbuch der Hy¬ 
giene. Mit zahlreichen Holzschnitten. Wien und Leipzig. 1890. 
Urban & Schwarzenberg. Gr. 8; 852 S. Preis: 20 Mark. 

Bei dem grossen Interesse, welches in unserer Zeit von allen Seiten der 
öffentlichen und privaten Gesundheitspflege entgegengebracht wird und wel¬ 
ches eine so breite und tiefgehende Strömung erzeugt hat, dass sich ihr Nie¬ 
mand, der zu öffentlicher Fürsorge berufen ist, entziehen kann, ist es nicht zu 
verwundern, dass in rascher Aufeinanderfolge immer neue Werke über Hygiene 
erscheinen, so dass ein eigentlicher Mangel auf den ersten Blick nicht vorhanden 
zu sein und ein Bedürfniss nicht vorzuliegen scheint. Bei näherer Erwägung 
indessen, insbesondere, wenn man den grossartigen Aufschwung in Betracht 
zieht, den die rasch emporblühende Bakteriologie in unseren Tagen macht, 
wenn man beobachtet, wie grade diese Disziplin in mannigfacher Weise die 
wissenschaftliche Gesundheitslehre mächtig beeinflusst und vielfach umgestaltend 
auf die grundlegenden Principien derselben einwirkt, wird man dem Bestreben, 
diese Errungenschaften und Fortschritte zusammenfassend darzustellen, eine 
gewisse Berechtigung nicht versagen können. In diesem Sinne begrüssen wir 
mit besonderer Freude das neue Handbuch von Professor Uffelmann, dem 
rühmlichst bekannten Hygieniker, der als selbstständiger Arbeiter und Forscher 
seine hervorragende Begabung für dieses Gebiet bereits oft bewiesen hat und 
daher in erster Stelle berufen ist, den gegenwärtigen Standpunkt der wissen¬ 
schaftlichen Geaundheitslehre zu schildern. 

Die Anordnung des Werkes ist so getroffen, dass nach einer kurzen Ein¬ 
leitung und gedrängten Uebersicht der Geschichte und Litteratur der Hygiene 



Referate. 


409 


sogleich mit der Abhandlung der allgemeinen Bedingungen, die fördernd oder 
schädigend auf das Leben und die Gesundheit des Menschen einwirken, be¬ 
gonnen wird und dieselben je nach ihrer Wichtigkeit in grosseren oder klei¬ 
neren Abschnitten erörtert werden. 

Im ersten, der hygienischen Bedeutung des Sonnenlichts gewidmeten 
Abschnitt lernen wir die fördernde Eigenschaft desselben als Anregungsmittel 
för die Nerventhätigkeit und den Stoffwechsel kennen, andererseits aber auch 
den gesundheitsschädigenden Einfluss des Lichtmangels, insbesondere auf den 
kindlichen Organismus. 

Der zweite Abschnitt bringt eine ausführliche Schilderung der Luft in 
Bezug auf ihre chemische Zusammensetzung, ihren Gehalt an Staub, Pilzen 
und gasigen Verunreinigungen, ihre Beschaffenheit im Innern der Städte, an 
den Küsten und in den Bergen wie in Bezug auf ihre Bedeutung für die Ge¬ 
sundheit der Menschen, der sich eine erschöpfende Darstellung der technischen 
Untersuchungen der Luft mit Rücksicht auf ihre Best an dt heile (Sauerstoff, 
Stickstoff, Kohlensäure, Ozon etc.), ihren Feuchtigkeitsgehalt, auf die Quantität 
und Qualität des Luftstaubes (Mikroparasiten) etc. unter eingehender Kritik 
der verschiedenen Methoden anschliesst. 

In dem folgenden Abschnitt über das Wasser werden zunächst die ein¬ 
zelnen Arten desselben (Regen-, Grund-, Quell-, Moor-, Sumpf-, Flusswasser), 
wie ihre hygienische Bedeutung als Trink- und Nutzwasser besprochen und 
sodann nach Erörterung der vom gesundheitlichen Standpunkte bezüglich der 
Qualität und Quantität des Wassers zu stellenden Anforderungen auf die 
Untersuchungs - Methoden desselben in chemischer und bakteriologischer Be¬ 
ziehung übergegangen. Die Frage, welche Prüfung die werthvollste sei, nament¬ 
lich ob die chemische grössere Bedeutung habe, als die mikroskopisch - bakte¬ 
riologische, wird sehr richtig dahin beantwortet, dass eine die andere zu er¬ 
gänzen hat und keiner der unbedingte Vorzug eingeräumt werden darf. Dabei 
wird noch besonders hervorgehoben, dass die Untersuchung auf pathogene 
Mikroparasiten sofort und ohne Aufschub nach der Entnahme des verdächtigen 
Wassers erfolgen muss, da die fraglichen Pilze zum Theil in gewissen Wässern 
nicht lange persistiren und andererseits von den anderen, in jedem Wasser 
mehr oder minder zahlreich vorkommenden nicht pathogenen sehr rasch ver¬ 
nichtet werden. In Bezug auf die Verbesserung und Reinigung imreinen und 
verdächtigen Wassers durch Filtration kommt Verfasser nacn Beleuchtung der 
verschiedenen Methoden zu dem Schluss, dass eine allen Forderungen der 
Hygiene entsprechende Filtrationsvorrichtung noch nicht gefunden ist und für 
die Filtration im Grossen vorläufig noch immer diejenige mit gutem Filtersand 
die beste bleibt. 

Bei der Besprechung der Wasserversorgung wird eine Anzahl be- 
merkenswerther Anlagen in verschiedenen Städten erwähnt und in einem An¬ 
hang zu diesem Abschnitt nicht mit Unrecht auf die oft grade bei Kranken 
stattfindende missbräuchliche Benutzung des aus unreinem Fluss- oder Teich¬ 
wasser gewonnenen Eises hingewiesen. Wenn auch pathogene Bacillen . 
noch nicht im Eis nachgewiesen sind, so ist die Möglichkeit ihres etwaigen 
Vorhandenseins doch keineswegs ausgeschlossen. Jedenfalls steht fest, dass 
verschiedene Pilze, z. B. Milzbrandbacillen, Pneumoniekokken, ziemlich hohe 
und anhaltende Kältegrade überdauern und ist daher in allen Fällen, wo das 
Eis direkt genossen werden soll, nur das aus destillirtem Wasser gewonnene 
Krystall-Eis zu empfehlen. 

Im nächsten Abschnitt wird die Hygiene des Bodens abgehandelt und 
bereits hier auf die Beziehung desselben zu bestimmten Krankheiten (ende¬ 
mischer Kropf und Kretinismus, Malaria, Dysenterie, Tuberkulose, Typhus, 
Cholera, Cerebrospinalmeningitis) näher eingegangen. Verfasser betont als 
eine der wichtigsten Aufgaben der Gesundheitspflege, die Verunreinigung 
und Feuchtigkeit des Untergrundes, welche beide in gleicher Weise gesund¬ 
heitsschädigend einwirken, zu verhüten und zu beseitigen. Trockenhaltung 
des Bodens mittelst Drainage und Kanalisation, sowie Reinhaltung desselben 
mittelst rationeller Beseitigung sämmtlicher Abfallstoffe sind die wirksamsten 
Mittel hierzu. 

Entsprechend der Wichtigkeit einer richtigen Ernährung für die Ge¬ 
sundheit ist dieser Gegenstand sehr ausführlich bearbeitet. Sämmtliche Nah- 



410 


Referate. 


rungs- und Genussmittel, ihre Aufbewahrung und Zubereitung, ihre Beziehung 
als Krankheitsursache und ihre Untersuchung finden hier eine gründliche Er¬ 
örterung. Zum Schluss wird die Ernährung gewisser Bevölkerungsgruppen, 
Soldaten, Gefangenen, Armenhäuslern etc. geschildert. 

Bei dem Abschnitt über Hautpflege kommen Bäder und Kleidung zu ein¬ 
gehender Besprechung; bei denjenigen über Hygiene der Wohnungen: Hei¬ 
zung, Beleuchtung und Ventilation; auch für die hygienische Untersuchung der 
Wohnungen findet sich hier eine vortreffliche Anleitung. 

Der nächstfolgende Abschnitt ist der Hygiene der Ortschaften ge- 
gewidmet, wobei die Aptirung des Terrains för Stadterweiterung, die Neuan¬ 
lagen von Strassen und die Beseitigung der unreinen Abgänge — Abfuhr 
und Kanalisation — in erschöpfender Weise behandelt werden. 

In dem jetzt folgenden Abschnitt über Begräbnisswesen wird die 
Frage, ob Feuerbestattung der jetzt üblichen Beerdigung der Leichen in 
gesundheitlicher Linsicht vorzuziehen sei, entschieden bejaht, denn wenn auch 
die BegräbnisspJätze nicht mehr in so schlechtem Rufe wie vor 10 Jahren 
stehen, so können dieselben doch besonders bei unrationeller Anlage und bei 
nicht richtiger Handhabung der Beerdigung sanitäre Gefahren mit sich bringen. 
Gleichwohl glaubt Verfasser, dass die Leichen Verbrennung mit Rücksicht auf 
die Rechtspflege und öffentliche Sicherheit keinen allgemeinen Eingang finden 
kann und hält dieselbe nur bei besonderen Gelegenheiten anwendbar, z. B. bei 
schweren Epidemien, um deren Weiterverbreitung zu verhüten. 

Krankenpflege und Krankenhäuser finden in zwei weiteren Ab¬ 
schnitten eine sachgemäße Erörterung. 

Zu den in praktischer Beziehung wichtigsten Gegenständen der wissen¬ 
schaftlichen Gesundheitslehre gehört unstreitig die Verhütung der Infektions¬ 
krankheiten. Man braucht nur einen Blick auf die Statistik der jährlichen 
Todesfälle an ansteckenden Krankheiten zu werfen (im Jahre 1886 starben 
z. B. in allen deutschen Städten über 15 000 Seelen 6,6 pro mille der Lebenden 
an Infektionskrankheiten), so bedarf es keines weiteren Beweises, dass in der 
Bekämpfung dieser Seuchen der Schwerpunkt aller hygienischen Bestrebungen 
liegen muss. Und seitdem man mit immer wachsender Bestimmtheit nach- 
weisen kann, dass die meisten derartigen Krankheiten durch Mikroparasiten 
veranlasst werden, ist der Kampf auch aussichtsvoller, als je zuvor. Mit 
besonderer Sorgfalt und Ausführlichkeit ist von dem Verfasser daher in 
zwei Abschnitten die Aetiologie und Prophylaxis der Infektions¬ 
krankheiten behandelt. Die pathogenen Mikroorganismen, ihre Mor¬ 
phologie, Biologie wie ihr Vorkommen und ihre Wirkung auf andere Orga¬ 
nismen werden ebenso wie die allgemeinen Grundsätze für generelle und in¬ 
dividuelle Schutzmassregeln gegen die fraglichen Krankeiten eingehend und 
sachkundig erörtert und der Desinfektion als fundamentalen Massnahme für 
die Unschädlichmachung von Infektionsstoffen ein besonderes Kapitel ge¬ 
widmet. Nunmehr folgt die Darstellung der einzelnen hier in Betracht 
kommenden Krankheiten Tuberkulose, Abdominaltyphus, Cholera, 
Malaria, Dysenterie, Diphtheritis, Flecktyphus, der akuten Exan¬ 
theme (Masern, Scharlach, Blattern unter Berücksichtigung der Impfung), 
Syphilis, Puerperalfieber und Epizootien (Milzbrand, Rotz, Perlsucht und 
Wuthkrankheit) und finden selbstverständlich überall die in der allerletzten 
Zeit gemachten Forschungen und Neuerungen vollste Berücksichtigung; fehlt 
doch bei der Tuberkulose selbst das Spuckfläschchen von Dettweiler nicht. 
Die Stellung des Verf. zu dem Pasteur’schen Impfverfahron gegen Hunds- 
wuth, welches er als eine thatsächliche Errungenschaft bezeichnet, die sich 
immer mehr als solche herausstellen wird, dürfte übrigens nicht auf allseitigc 
Zustimmung rechnen. 

Die Hygiene des Kindes, bereits früher vom Verfasser in einem be¬ 
sonderen Handbuch bearbeitet, findet in einem folgenden Abschnitt eine sehr 
eingehende Besprechung, bei welcher auch die Geburts- und SterblichkeitsVer¬ 
hältnisse des Kindes, wie die Physiologie seines Wachsthums entsprechend be¬ 
rücksichtigt werden. 

Schulhygiene, Gewerbe- und Berufshygiene, Hygiene der Ge¬ 
fangenen und Reisenden beschliessen das Werk. 



Referat*. — Litteratur. 


411 


Der reiche Inhalt de> Handbuchs, der im W-rst ebenden nur in seinen 
hauptsächlichsten Punkten berührt werden kennte. \ erblinden mit einer crx>^en. 
auf hewonderung>würdigem Fleiss Ivruh enden Gründlichkeit um! leicht öler- 
sichtlichen Anordnung, wird dem<ell*en * weife', los einen hervorragenden Platz in 
der hygienischen Litteratur sichern und die wohlverdiente weite Vorlveituns» 
unter den Studirenden, sowohl wie unter den Aeriten und Sanität>U\unten ver- 
schaffen. Dasselbe ist nicht ein blosses Nachschlagewerk, uiu sich über alle 
hygienischen Fragen zu belehren, sondern es bietet zugleich eine Fülle werth- 
vollen Materials zur selbstständigen weitereu Forschung, welche durch die er¬ 
schöpfende Angal»e der Litteratur wesentlich erleichtert wird. 

Die Ausstattung des Buches ist eine recht gute: die U igxyebenen xahl- 
reichen Holzschnitte erläutern den Text in wirksamster Weise. 

Rpd. 


Dr. A. Sokolowski, ordinir. Arzt am Heilip-Geist-Hivspiul in War- 
schau. Kann ein änsseres Körperleiden zur acuten 
Pneumonie führen? Berl. kl in. Wochenschrift. No. ;>9. 1880. 

Verf. beschreibt einen Fall von Trauma. l>ei welchem ein 14 jähriger 
Bursche, auf Kopf und Brust stark geschlagen und von einer hohen Wand ge¬ 
fallen. unter Symptomen von starker Gehirnreizung und fibrinöser IhuHiinonie 
(rechte Lungenspitzel schwer erkrankte und nach kritischer I/ösiuig der letz¬ 
teren wieder genas. 

Von Wichtigkeit bei diesem Falle ist dem Verf. weniger der Umstand, 
dass nach einer Läsion des Kopfes, selbst beim Fehlen äusserer Verletzungen» 
Gehirnerschütterung oder Hyperämie der Gehirnhäute entsteht, als vielmehr 
die Thatsache, dass nach Schädigung des Brustkastens mich Pneumonie, 
wiewohl jetzt als infektiöser Prozess erkannt, entstehen könne, Verf. be¬ 
ruft sich hierbei auf die in den bezüglichen Arbeiten von Kochs und Falk 
niedergelegten Beobachtungen sowie auf die experimentellen Arbeiten von 
Litten, und vergleicht die Aetiologie des in Rede stehenden Prozesses mit 
den gleichen Fällen, in denen nach einem Trauum des Lungtni)mrenchytns die 
Entwickelung einer Lungentuberkulose beobachtet ist. 

F rey er- Stettin. 


Heidenhain. Sturzgeburt? Vierteljaliresschrift- für gerichtliche 
Medicin etc. 51. Bd. Heft 2. S. 381. sp. 

Verf. berichtet von einem Fall von Scheitelbein Verletzung eines Notige- 
borenen, den er durch absichtliche Todtung entstanden erklärt und wendet 
sich dabei gegen die Frey er'sehe Lehre, die heimliche Geburt habe die Ver- 
muthung einer Ohnmacht in der Geburt für sich. 

Die Ansicht des Verf., dass nach dem Sturze ergiebige Athombewegungon 
nicht mehr möglich waren, ist, wie in Hoffniann's Leinhuch der gerichtl. 
Medicin, 2. Aufl., pag. 690 dargothan ist, irrthüiulich. 

Drs. 


Litteratur. 

(Der Redaktion zur Recension cingesandt.) 

1. Dr. J. Rosenthal, Professor der Physiologie und Gesundheitspflege 
in Erlangen. Vorlesungen über die öffentliche und private Gesund¬ 
heitspflege; 22. verbesserte und vermehrte Auflage. Mit 72 Abbildungen. 
Erlangen 1890. Verlag von E. Besold. 

2. Arbeiten aus dem Reichsgesundheitsanit. V. Band, 8. Heft. 
Berlin 1889. Verlag von Julius Springer. 



412 


Personalien. 


Personalien. 

Auszeichnungen: 

Verliehen: Der Charakter als Geheimer Medicinalrath: 
dem Oberstabsarzt I. Klasse und Regimentsarzt Prof. Dr. Fraentzel in Berlin; 
als Geheimer Sanitätsrath: dem Sanit&tsrath Dr. Ribbeck in Berlin; 
als Sanitätsrath: den praktischen Aerzten Dr. Moritz in Wadern, 
Dr. Bessel, Dr. Moses und Oberstabsarzt a. D. Dr. Döring in Berlin, Knapp¬ 
schaftsarzt Dr. Wagner in Königshütte und Dr. Appel in Brandenburg a./H. 

Der Rothe Adlerorden II. Klasse mit Eichenlaub: dem General¬ 
arzt I. Kl. und Corpsarzt des VII. Armeecorps Dr. Krulle in Münster, sowie 
dem General-Stabsarzt der Armee Wirklichen Geheimen Ober-MedicinaJ-Rath 
Dr. von Coler in Berlin; der Rothe Adlerorden III. Klasse mit der 
Schleife: dem Oberstabarzt a. D. Dr. Müller zu Mannheim und dem 
Generalarzt II. Klasse und Corpsarzt des IX. Armeecorps Dr. Gähde in 
Hannover; der Rothe Adlerorden HI. Klasse: dem ordentlichen Professor 
Dr. Völkers in Kiel und dem Oberstabsarzt Dr. Jacobi in Dresden; 
der Rothe Adlerorden IV. Klasse: den Oberstabs- und Regimentsärzten 
Dr. Hecker in Dresden, Dr. Luck in Wesel, Dr. Rulle in Cöln, Dr. 
Alfermann in Detmold, Dr. Bassin in Wesel, Dr. Breithaupt in Minden, 
Dr. Brümmer in Hildesheim und Dr. von Linstow in Göttingen, den Stabs¬ 
und Bataillonsärzten Dr. Müller in Dresden, Dr. Weber in Minden und Dr. 
Zwicke in Goslar; dem Kreisphysikus Sanitätsrath Dr. Thomssen in 
Kauppeln, den praktischen Aerzten Sanitätsrath Dr. Claussen in Itzehoe 
und Medicinalrath Dr. Pingier zu Königstein im Taunus; der Rothe Adler¬ 
orden IV. Klasse mit Schwertern am weissen Bande mit schwarzer 
Einfassung: dem Marinestabsarzt Dr. Weiss am Bord Sr. Maj. Kreuzer¬ 
fregatte „Carola“. 

Der Kronenorden II. Klasse: dem Generalarzt H. Kl. und Regiments¬ 
arzt Dr. Krautwurst in Berlin und dem Geheimen Medicinalrath Professor 
Dr. König in Göttingen; der Kronenorden HI. Klasse: dem Ober¬ 
stabs- und Regimentsarzt Dr. Förster in Münster und dem Oberstabs- und 
Garnisonarzt Dr. Kleon in Dresden; der Kronenorden IV. Klasse mit 
Schwertern am weissen Bande mit schwarzer Einfassung: dem Marineassi¬ 
stenzarzt Dr. Arendt am Bord Sr. Maj. Kreuzer „Schwalbe*. 

Die Genehmigung ertheilt zur Anlegung: des Kommandeur¬ 
kreuzes des Königl. Italienischen St. Mauritius und St. Lazarus- 
Ordens: dem General- und Regimentsarzt Dr. Valentini in Berlin; des 
Komthurkreuzes des Grossherzoglich Mecklenburg-Schwerin’gcben 
Greifen-Ordens: dem General- und Corpsarzt Dr. Knoevenagel in Kassel; 
des Ritterkreuzes II. Klasse mit Eichenlaub des Grossherzoglich 
Badischen Ordens vom Zähringer Löwen: dem Stabsarzt Dr. Gerst- 
acker in Berlin; des Kaiserlich Russischen St. Laurentius - Ordens 
II. Klasse: dem Sanitätsrath Dr. Blumenthal in Berlin; der Königlich 
Württembergischen silbernen Jubiläums-Medaille: dem Kreisphysikus 
Badearzt Dr. Marc in Wildungen; des Ehrenritterkreuzes I. Klasse des 
Grossherzogi. Oldenburgischen Haus- und Verdienstordens des 
Herzogs Peter Friedrich Ludwig: dem Geheimen Sanitätsrath und Kreisphysikus 
Dr. de Ruyter zu Quackenbrück. 


Ernennungen und Versetzungen: 

Ernannt: Der Unterstaatssekretär im Ministerium der geistlichen etc* 
Angelegenheiten Nasse zu Berlin zum Direktor der Königl. wissenschaffcl. Depu¬ 
tation für das Medicinalwesen; der Kreisphysikus Sanitätsrath Dr. von Hasel- 
berg zu Stralsund zum Regierungs- und Medicinalrath daselbst; der prak¬ 
tische Arzt Dr. Dütschke zu Oelsburg bei Peine zum Kreisphysikus dos 
Kreises Aurich; der Oberstabsarzt a. D. Dr. Wolff zu Froystadt zum Kreis¬ 
physikus des Kreises Freystadt in Schlesien. 




Personalien. — X. internationaler medicinisclier Gongress. 


413 


Physikatsprttfong haben bestanden im III. Quartal: 

Die praktischen Aerzte Dr. Alfred Friedlander in Berlin, Dr. Janssen 
in Thorn, Dr. Kleinert in Koschmin, Dr. Kluge in Steinheim; Dr. Mar¬ 
sch and in Wehlau, Dr. Müller in Stassfurt, Dr. Noll in Hanau, Dr. Reimer 
in Mühlhausen i. Ostpr., Dr. Röder in Königsberg i. Pr., Dr. Romeik in 
Benkheim, Dr. Schulz in Spandau, Dr. Vogelgesang in Dalldorf und 
Dr. Wolff in Joachimsthal. 


Verstorben sind: 

Die praktischen Aerzte San.-Rath Dr. Schwarzenberger in Elbing; 
Dr. Blenke in Günthersdorf, Dr. Schmalle in Vetschau, Kreiswundarzt 
Sanitätsrath Dr. von Mengershausen in Celle, Marinestabsarzt Dr. Blie- 
dung in Berlin, Geh. Sanitätsratb und Kreisphysikus Dr. Kerstein in 
Herford, Sanitätsrath Dr. Anton Müller in Berlin, Dr. Bauer in Lüttring¬ 
hausen, Dr. Bartel in Düsseldorf, Dr. Czerwinski in Grimmen, Kreisphysi- 
ku8 Dr. Kleine in Gostyn, Dr. E. Zeising in Breslau, Oberstabsarzt Dr. 
Möser in Rawitsch, Dr. Paul Veith in Breslau, Dr. Ha dl ich in Pankow, 
Dr. Lpers in Emden, Dr. Elkemann in Voerde, Dr. Irle in Weidenau und 
Dr. Andreae in Frankfurt a./M. 

Vakante Stellen:*) 

Kreisphysikate: Allenstein, Niederung, Preuss. Stargard mit einem 
Gehalt von 1400 Mark (Bewerbung bis 5. November beim Königl. Reg.-Präs. 
in Danzig), Schlawe, Kolberg, Franzburg mit Stadtkreis Stralsund (Be¬ 
werbung bis zum 18. November beim Königl. Reg.-Präs. in Stralsund), 
Schwerin a./W., Witkowo, mit 900 Mark Stellenzulage (Bewerbung 
bis zum 5. November bei der Königl. Regierung in Bromberg), Jarotschin, 
Wreschen, Schildberg mit 750 Mk. Stellenzulage, Neutomischel, Schmiegel, 
Gostyn (Bewerbung bei der Königl. Regierung in Posen, Abth. des Innern, bis 
zum 5. November), Saalkreis Halle, Uslar, Hümmling mit 900 Mark Stellenzulage 
Sulingen, mit 600 Mark Stellenzulage, Dannenberg, Zeven, Herford, Stadtkreis 
Frankfurt aJM., Adenau, Heiügenhafen, Daun mit einer Stellenzulage von 
900 Mark, Öberamt Gammertingen und Sigmaringen (Bewerbung bis zum 10. 
November beim Königl. Reg.-Präs. in Sigmaringen). 

Kr eis wundarztstellen: Fischhausen, Darkehmen, Heiligenbeil, Heyde- 
krug, Oletzko, Tilsit, Karthaus, Marienburg, Loebau, Marienwerder, Graudenz, 
Belgard, Grimmen, Angermünde, Templin, Friedeberg, Ost- und West-Sternberg, 
Bütow, Lauenburg i/P., Dramburg, Schievelbein, Bomst. Schroda, Bromberg, 
Wreschen, Strehlen, Ohlau, Kosel, Falkenberg in Oberschlesien, Lublinitz, Lauban, 
Reichenbach, Grünberg, Münsterberg, Sagan, Militsch, mit dem Wohnsitz in 
Sulau, Jerichow I, Wanzleben, Worbis, Sangerhausen, Langensalza, Lübbecke, 
Warburg, Lippstadt, Meschede, Hünfeld, Unterwesterwald-Kreis, Cassel, 
Erkelenz, Kleve, Landkreis Köln, Bergheim, Wipperfürth, Grevenbroich und 
St. Wendel. 


X. internationaler medicinisclier Congress. 

Berlin 1890. 

Die am 17. September 1889 in der Aula der Universität zu Heidelberg 
Btattgehabte Versammlung von Delegirten behufs Berathung der Organisation 
und der vorbereitenden Organe des X. internationalen medicinischen Congress es 
hat zu folgenden Ergebnissen geführt: 


*) Wo ein bezüglicher Vermerk fehlt, sind die Stellen entweder noch 
nicht ausgeschrieben oder die officiellen Meldefristen bereite abgelaufen. 



414 


X. internationaler medicinischer Congress. 


1) Die Versammlung war einverstanden, dass der Congress am 4. August 
1890 zu Berlin eröffnet und am 10. August geschlossen werde.*) 

2) Der vom vorbereitenden Comitö im Anschluss an den Vorgang der 
früheren Congresse ausgearbeitete Entwurf eines Statuts und Pro¬ 
gramms wird angenommen (siehe nachstehend). 

3) Als Mitglieder des Organisation» - Comites wurden erwählt fol¬ 
gende Personen: 

Vorsitzender Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Virchow 

Stellvertreter i * * „ „ von Bergmann 

des l „ „ Ti n Leyden 

Vorsitzenden ( „ * „ * Wald eye r. ~ 

Als Generalsekretär wurde ernannt Dr. Lassar. 

Dieses Comite hat die Befugniss, Ehrenpräsidenten und Schrift¬ 
führer zu ernennen, auch das Redactions-Comit6 zu bestellen. 

4) Für jede der einzelnen Abtheilungen (Sectionen) des Congresses 
soll ein besonderes Organisation» - Comitö aus neun Mitgliedern 
bestehen, welches die Vorbereitung der Sectionssitzungen bezüglich 
der wissenschaftlichen Aufgaben und der Theilnehmer zu besorgen 
hat. Jedem dieser Comitäs gehört ein geschäftsfuhrendes Mitglied 
mit dem Wohnsitz in Berlin an. Den einführenden Vorsitz über¬ 
nimmt 8. Z. das hierzu von dem Abtheilungscomite bestimmte Mit¬ 
glied. (Das Verzeichniss vergl. nachstehend). 

5) Mit dem Congress soll eine internationale medicinisch - wissen¬ 
schaftliche Ausstellung verbunden werden, deren Vorbereitung 
das Organisations-Comitä übernimmt. 

Statut und Programm. 

Art. I. Der X. internationale medicinische Congress wird am Montag, 
den 4. August 1890 in Berlin eröffnet und am Sonnabend, den 10. August 
geschlossen werden. 

Art. II. Der Congress besteht aus den approbirten Aerzten, welche sich 
als Mitglieder haben emschreiben lassen und ihre Mitgliedskarte gelöst haben. 
Andere Gelehrte, welche sich für die Arbeiten des Congresses interessieren, 
können als ausserordentliche Mitglieder zugelassen werden. 

Die Theilnehmer zahlen bei der Einschreibung einen Beitrag von 20 Mk. 
Sie werden dafür je ein Exemplar der Verhandlungen erhalten, sobald die¬ 
selben erschienen sind. Die Einschreibung geschieht bei Beginn der Ver¬ 
sammlung. Sie wird auch vorher geschehen können durch Einsendung des 
Beitrages an den Schatzmeister unter Angabe des Namens, der Stellung und 
des Wohnortes. 

• Art. III. Der Zweck des Congresses ist ein ausschliesslich wissen¬ 
schaftlicher. 

Art. IV. Die Arbeiten des Congresses werden in 18 Abtheilungen 
(Sectionen) erledigt. Bei der Einschreibung haben die Mitglieder anzu¬ 
geben, welcher oder welchen Abtheilungen sie sich vorzugsweise anschliessen 
wollen. 

Art. V. Das Organisation» -Comitö wird in der Eröffnungssitzung des 
Congresses die Wahl des definitiven Bureaus veranlassen, welches bestehen 
soll aus einem Vorsitzenden, drei Stellvertretern desselben und einer unbe¬ 
stimmten Zahl von Ehrenvorsitzenden und Schriftführern. 

In den constituirenden Sitzungen der einzelnen Abtheilungen wird jede 
Abtheilung einen Vorsitzenden und eine genügende Zahl von EhrenVorsitzen¬ 
den erwählen, welche letzteren abwechselnd mit dem Vorsitzenden die Ver¬ 
handlungen zu leiten haben. Wegen der verschiedenen Sprachen wird aus 
den ausländischen Mitgliedern eine entsprechende Anzahl von Schriftführern 
ernannt werden. Die Verpflichtungen derselben beschränken sich auf die 
Sitzungen des Congresses. 

*) Die nächstjährige Hauptversammlung des Preussischen 
Medicinalbeamten-Vereins wird in Folge dessen mit Rücksicht auf den 
Beschluss der diesjährigen Versammlung entweder am 1. und 2. oder 11, und 
12. August 1890 stattfinden. D. Red. 



X. internationaler medicinischer Congress. 


415 


Nach dem Schlüsse des Congresses wird die Herausgabe der Verhand¬ 
lungen durch ein besonderes, von dem Vorstande zu bestimmendes Redactions- 
Comite besorgt werden. 

Art. VI. Sitzungen des Congresses und der einzelnen Abtheilungen 
(Näheres Vorbehalten}. 

Art. VII. Die allgemeinen Sitzungen sind bestimmt: 

a) für Verhandlungen, betreffend die Arbeit und die allgemeinen 
Verhältnisse des Congresses; 

b) für Vorträge und Mittheilungen von allgemeinem Interesse. 

Art. VIII. Verhandlungen der Sectionen (Formulirung Vorbehalten). 

Art. IX. Vorträge in den allgemeinen, sowie in etwa anzuordnenden 
ausserordentlichen Sitzungen sind Denen Vorbehalten, welche von dem Organi- 
sations-Comite dazu ersucht worden sind. 

Vorschläge, welche die künftige Thätigkeit des Congresses betreffen, 
müssen vor dem 1. Juli 1890 bei dem Organisation»-Comitä angemeldet 
werden. Letzteres entscheidet darüber, ob diese Vorschläge geeignet sind, 
auf die Tagesordnung gesetzt zu werden. 

Art. X. Alle Vorträge und Mittheilungen in den allgemeinen und Ab- 
theilungs - Sitzungen müssen vor dem Schlüsse der betreffenden Sitzung schrift¬ 
lich an die Schriftführer übergeben werden. Das Redactions-Comit4 entscheidet 
darüber, ob und in welchem Umfange diese Schriftstücke in die zu druckenden 
Verhandlungen des Congresses aufgenommen werden sollen. 

Die Mitglieder, welche an Discussionen theilgenommen haben, werden 
ersucht, vor dem Ende des Tages den Schriftführern einen schriftlichen 
Bericht über die Bemerkungen, welche sie während der Verhandlung gemacht 
haben, zuzustellen. 

Art. XI. Die officiellen Sprachen aller Sitzungen sind Deutsch, Englisch 
und Französisch. 

Die Statuten, sowie die Programme und Tagesordnungen werden in 
allen drei Sprachen gedruckt. 

Es ist jedoch gestattet, sich für ganz kurze Bemerkungen in den Sitzungen 
einer anderen Sprache zu bedienen, falls eines der anwesenden Mitglieder 
bereit ist, den Inhalt solcher Bemerkugen in einer der officiellen Sprachen 
wiederzugeben. 

Art. XII. Einleitende Vorträge in den Abtheilungen sind in der Regel 
auf die Zeit von 20 Minuten zu beschränken; in der Discussion sind jedem 
Redner nur 10 Minuten zugemessen. 

Art. XIII. Der fungirende Vorsitzende der Sitzungen leitet die Verhand¬ 
lungen nach den in derartigen Versammlungen allgemein angenommenen 
(parlamentarischen) Regeln. 

Art. XIV. Studirende der Medicin und andere Personen, Herren und 
Damen, die nicht Aerzte sind, sich aber für die Verhandlungen der betref¬ 
fenden Sitzung besonders interessiren, können von dem Vorsitzenden der 
Sitzung eingeladen werden oder auf Ersuchen Erlaubnis erhalten, der Sitzung 
als Zuhörer beizuwohnen. 

Art. XV. Mittheilungen oder Anfragen, betreffend Geschäftssachen ein¬ 
zelner Abtheilungen, sind an die Vorsitzenden dieser Abtheilungen zu richten. 
Alle übrigen Mittheilungen und Anfragen sind an den Generalsekretär 
Dr. Lassar, Berlin NW., Karlstrasse 19, zu adressiren. 

Virchow. von Bergmann. Leyden. Waldeyer. 


Verzeichnis der Abtheilungen und ihrer Organisations« 

Vorstände. 

(Das geschüftaführende Mitglied Ist dnroh fetten Druck beselchnet.) 

1. Anatomie: Flemming—Kiel, Gogenbaur—Heidelberg, Hasse—Breslau, Bert* 

Wig —Berlin, His—Leipzig, v. Kölliker—Würzburg, Kupffer—München, 
Merkel—Güttingen, Schwalbe—Strassburg. 

2. Physiologie und physiologische Chemie: Aa Bois• Beymond — Berlin, 

Heidenhain—Breslau, Henscn—Kiel, Hüfner—Tübingen, Hoppe-Seyler— 




Jahrg» 2, 


1889 , 


Zeitschrift 

fljr 

MEDICINALBEAMTE 


Herausgegeben von 

De H. MITTENZWEIG Dr. OTTO RAPMÜND 

GerichtL Stadtphysiku* in Berlin. Reg.* und Medicinalrath in Aurich. 

u4 

Dr. W1LH. SANDER 

Medicüudrath und Direktor der Irrenanstalt Dalldorf-Berlin. 


Verlag von Fischer’s medic. Buchhdlg, H. Kornfeld, Berlin NW. 6. 


No. 12. 


Erscheint am 1. Jeden Monsta. 

Freia J&hrlloh 6 Hark. 


1. Dezbr. 


INHALT 

Seite I 


Original-Mittheilungen 
Ein Beitrag zu den 

chronischen Alkoholismus. Von Dr. 

S. Kallseher.417 

Bemerkungen zu dem Falle Mitten- 
zwelga: Fragliche Opiumvergiftung 
durch ein Bandwurmmlttel. Yon Dr« 
Frejrer.480 

Subdurale Blutung aus abnorm ver¬ 
laufenden Gehirnvenen. Von Dr« 

Mittenzweig.481 

62« Versammlung deutscher Naturfor¬ 
scher und Aerzte in Heidelberg vom 
17.—28. September 1889 . 488 


Seite 


Kleinere Mittheilnngren .437 

Referate: 

Dr. H. Thompson« Die moderne Leichen¬ 
verbrennung ..442 

Dr. Wiener. Sammlung gerichtlich medl- 

cinlscher Obergutachten.444 

Prof. Mendel. Ueber reflektorische Pu- 

plllenstarre •.444 

Dr. Heldenbaln. Erwiderung anf die 
Besprechung der Heldenhain’sohen 
Arbeit Sturzgebnrt.445 

Verordnungen und Verfügungen . 445 

Litteratur .447 

Personalien.447 


Ein Beitrag zu den Psychosen des chronischen 

Alkoholismus. 

Von Dr. S. Kalischer, Assistenzarzt an Dr. Richter’s Heil- und Pflegeanstalt 

in Pankow. 

Krankheitsgeschichte. 

K, Porzellanhändler, ist am 7. Februar 1854 geboren und 
stammt anscheinend aus gesunder Familie. Seit 5 Jahren ist er 
verheirathet und hat ein 4jähriges gesundes Find. Schon seit 
seinem 19. Jahre neigt er zum Alkoholismus. Vor 6 Jahren soll 
er auf seinen Vater mit einem Messer losgegangen sein. Ueber- 
liaupt zeigte er sich in den letzten Jahren sehr nachlässig, rück¬ 
sichtslos, erregbar, jähzornig und brutal; er vertrank in letzter 
Zeit all sein Geld, das er im Geschäft einnahm. Seit mehreren 
Wochen machte sich bei ihm eine psychische und körperliche 
Schwäche geltend; er litt an Magen- und Darmkatarrh, Tremor 
alkoholicus, Unruhe, Schlaflosigkeit und an Halluzinationen; bald 
sah er 50 kleine Würmer; bald sah er Spatzen, nach denen er 

2 « 




















416 


X. internationaler medicinischer Congress. 


Strassburg, Kühne—Heidelberg, Ludwig—Leipzig, Pflüger—Bonn, v. Voit— 
München. 

8« Allgemeine Pathologie nnd pathologische Anatomie: Arnold—Heidelberg, 
Bollinger—München, Grawitz—Greifswald, Heller—Kiel, Ponfick—Breslau, 
v. Recklinghausen—Strassburg, Vlrohow— Berlin, Weigert—Frankfurt a. M., 
Zenker—Erlangen. 

4. Pharmakologie: Binz—Bonn, Böhm—Leipzig, Filehne—Breslau, Jaffö— 
Königsberg, Liebreioh— Berlin, Marme—Göttingen, Penzoldt—Göttingen, 
Schmiedeberg—Strassburg, Hugo Schulz—Greifswald. 

5« Innere Medicln: Biermer — Breslau, Gerhard — Berlin, Kussmaul—Heidel¬ 
berg , Leube—W ürzburg, Leyden — Berlin, Liebermeister — Tübingen, 

Mosler—Greifswald, Naunyn—8trassburg, v. Ziemssen—München. 

6. Kinderheilkunde: He&OCh— Berlin, Heubner—Leipzig, Kohts—Strassburg, 

Krabler—Greifswald, Ranke—München, Rehn—Frankfurt a. M., Soltmann— 
Breslau, Steffen—Stettin, Ungar—Bonn. 

7. Chirurgie: Bardeleben—Berlin, ▼. Bergmann— Berlin, Czerny—Heidelberg, 

König—Göttingen, v. Lotzbeck—München, Schede—Hamburg, Trendelen¬ 
burg—Bonn, v. Volkmann—Halle, Wagner—Königshütte. 

8« Geburtshilfe und Gynäkologie: Fritsch—Breslau, Gusserow—Berlin, Hegar— 
Freiburg, Hofmeyer—W ürzburg, Kaltenbach—Halle, Löhlein—Giessen, 
Martin— Berlin, Olshausen—Berlin, Winckel—München. 

9« Neurologie und Psychiatrie: Binswanger—Jena, Emminghaus—Freiburg, 
Erb—Heidelberg, Flechsig—Leipzig, Fürstner—Heidelberg, Graßhey— 
München, Hitzig—Halle, Jolly—Strassburg, Laehr—Berlin-Zehlendorf. 

10. Augenheilkunde : 0. Becker—Heidelberg, Eversbusch—Erlangen, v. Hippel— 
Giessen, Hirschberg—Berlin, Leber—Göttingen, Michel — Würzburg, Schmidt- 
Rimpier—Marburg, Schweigger —Berlin, v. Zehender—Rostock. 

11. Ohrenheilkunde: Bezold—München, Bürkner—Göttingen, Kirchner—Würz¬ 
burg, Kuhn—Jena, Luoae— Berlin, Magnus—Königsberg, Moos—Heidelberg, 
Schwarz—Halle, Trautmann—Berlin. 

12. Laryngologie und Rhinologie: Beschomer—Dresden, B. Fränkel —Berlin, 
Gottstein—Breslau, A. Hartmann—Berlin, Jurasz—Heidelberg, H. Krause— 
Berlin, Michael—Hamburg, Schech—München, M. Schmidt—Frankfurt a. M. 

18. Dermatologie und Syphiligrapliie : Caspary—Königsberg, Doutrelepont— 
Bonn, Köbner—Berlin, Lassar —Berlin, Lesser—Leipzig, Lewin—Berlin, 
Neisser—Breslau, Unna—Hamburg, Wolff—Strassburg. 

14. Zahnheilkunde : Busch— Berlin, Calais—Hamburg, Hesse—Leipzig, Fricke— 
Kiel, Holländer—Halle, Miller—Berlin, Partsch—Breslau, Sauer—Berlin, 
Weil—München. 

15. Hygiene: Flügge—Breslau, Gaffky—Marburg, Graf—Elberfeld, F. Hof¬ 
mann—Leipzig, R. Koch—Berlin, Pirtor— Berlm, v. Pettenkofer—München, 
Wolff h ügel—Götti ngen, Uffelmann—Rostock. 

16. Medicinische Geographie uud Klimatologie (Geschichte u. Statistik): 
Brock—Berlin, Dettweiler—Falkenstein, Falkenstein—Lichterfelde, Finkeln¬ 
burg—Bonn, Guttstadt—Berlin, A. Hirsch —Berlin, Lent—Köln, Wenzel— 
Berlin, Wernich—Cöslin. 

17. Gerichtliche Medicin: Falk—Berlin, Günther—Dresden, v. Hölder—Stutt¬ 
gart, Knauff-Heidelberg, Lesser—Breslau, Liman —Berlin, Reubold—Würz¬ 
burg, Schönfeld—Berlin, Skrzeczka—Berlin. 

18. Militär-Sanitätswesen: Abel—Stettin, v. Coler—Berlin, v. Fichte—Stutt¬ 
gart, Grasnick—Berlin, Grossheim—Berlin, Krooker— Berlin, Mehlhausen— 
Berlin, Mohr—München, Roth—Dresden. 


Verantwortlicher Redacteur: Dr. H. Mittenzweig, Berlin, Friedrichstr. 136. 


Fürstlich priv. Hofbuchdruckerel (F. Mltzlaff), Rudolstadt. 




Jahrg. 2» 


1889, 


Zeitschrift 

fQr 

MEDICINALBEAMTE 


Herausgegeben von 

De H. MITTENZWEIG Dr. OTTO RAPMUND 

GerichtL Stadtphysiku* in Berlin. Reg** und Medidnalrath in Aurich. 

Dr. WILH. SANDER 


Medidnalrath und Direktor der Irrenanstalt Dalldorf-Berlin. 


Verlag von Fischer’s medic. Buchhdlg, H. Kornfeld, Berlin NW. 6- 


No. 12. 


Brteheliit mm 1. Jedem NonaU. 

Preis Jährlich 6 Hark. 


1. Dezbr. 


INHALT: 


Seite 


Origin&l-Mittheilungen: 

Ein Beitrag zu den Psychosen des 
chronischen Alkohollsmns. Von Dr* 

Se Keuscher.417 

Bemerkungen zu dem Falle Mitten¬ 
zweigs: Fragliche Opiumvergiftung 
durch ein Bandwurmmittel. Von Dr. 

Frejrer.480 

8ubdurale Blutung aus abnorm ver¬ 
laufenden Gehirnvenen. Von Dr. 

Mittenzweig.481 

62. Versammlung deutscher lfaturlbr- 
scher und Aerzte in Heidelberg vom 
17.-28. September 1888.438 


8elte 


Kleinere Mittheilungen.437 

Referate: 

Dr. H. Thompson. Die moderne Leichen¬ 
verbrennung .442 

Dr. Wiener. Sammlung gerichtlich medl- 

cinlscher Obergutachten.444 

Prof. Mendel. Ueher reflektorische Pu¬ 
pillenstarre •.444 

Dr. Heldenhain. Erwiderung auf die 
Besprechung der Heidenhain'sehen 
Arbeit Sturzgebnrt.445 

Verordnungen und Verfügungen • 448 

Litteratur .447 

Personalien.447 


Ein Beitrag zu den Psychosen des chronischen 

Alkoholismus. 


Von Dr. S. Kalisclier, Assistenzarzt an Dr. Richter's Heil- und Pflegeanstalt 

in Pankow. 


Krankheitsgeschichte. 

K., Porzellanhändler, ist am 7. Februar 1854 geboren und 
stammt anscheinend aus gesunder Familie. Seit 5 Jahren ist er 
verheirathet und hat ein 4jähriges gesundes Kind. Schon seit 
seinem 19. Jahre neigt er zum Alkoholismus. Vor 6 Jahren soll 
er auf seinen Vater mit einem Messer losgegangen sein. Ueber- 
liaupt zeigte er sich in den letzten Jahren sehr nachlässig, rück¬ 
sichtslos, erregbar, jähzornig und brutal; er vertrank in letzter 
Zeit all sein Geld, das er im Geschäft einnahm. Seit mehreren 
Wochen machte sich bei ihm eine psychische und körperliche 
Schwäche geltend; er litt an Magen- und Darmkatarrh, Tremor 
alkoholicus, Unruhe, Schlaflosigkeit und an Halluzinationen; bald 
sah er 50 kleine Würmer; bald sah er Spatzen, nach denen er 

39 














418 


Dr. Kalischer. 


schoss; er schlug den Hausdiener, weil er die vermeintlichen 
Spatzen nicht aus dem Schnee bringen wollte; auch wurde er 
wiederholt sinnlos betrunken aufgefunden. 

Status praesens: 

12. März 1889. Patient ein mittelgrosser, kräftig gebauter 
Mann, hat ein stark geröthetes Gesicht, das an der linken Seite einige 
weisse vitiligo-artige Flecken der Haut zeigt; auch ist die linke 
Hälfte des Bartes erheblich grauer und weisser wie die rechte; 
ebenso ist das Haupthaar namentlich am Scheitel und an der 
linken Kopfhälfte ergraut. Die Gesichtshälften sind sonst gleich, 
und die Muskeln beiderseits normal innervirt. Die Zunge wird 
gerade herausgestreckt und zittert ein wenig. Die Pupillen sind 
mittelweit und reagiren gut auf Akkomodation, wie auf Lichtein¬ 
fall. Sensibilität, Motilität wie Reflexerregbarkeit zeigen keine 
Anomalien, • nur sind die Paiellarreflexe etwas gesteigert. Die 
motorische Kraft ist erhalten, der Gang gut und sicher. Die 
Sprache ist gewöhnlich gut, nur beim Nachsprechen längerer oder 
schwererer Worte zeigt sich Silbenstolpern. Der Urin enthält 
weder Zucker noch Eiweiss. Der Augenhintergrund zeigt keine 
Anomalien. Die Sinnesorgane funktioniren normal. Die Unter¬ 
suchung der innern Organe ergiebt nichts Abnormes. Die Ar¬ 
terien zeigen keine auffallende Rigidität. — Psychisch zeigt 
Patient eine völlige Apathie. Spontan spricht er gar nicht; völlig 
stumpfsinnig sitzt er oder steht er da, ohne irgend welches Interesse 
für die Vorgänge seiner Umgebung zu zeigen; auf Fragen ant¬ 
wortet er lächelnd, und geht aus seinen Antworten hervor, dass 
er völlig unorientirt ist; er kennt das Datum nicht, glaubt, hier 
in einem Hotel zu sein und im Jahre 1888 zu leben; oft ver¬ 
steht er die Fragen nicht, wiederholt oder vergisst sie, ehe er 
antwortet. Rechnen kann er schlecht; 13 mal 13 ist gleich 163. 
Krankheitsgefühl hat er nicht; er hält sich für völlig gesund, giebt. 
zwar zu, viel Bier, doch nie übermässig getrunken zu haben; 
ohne Interesse und ohne jede Spontaneität im Denken, Wollen oder 
Handeln ist er meist zufrieden und indifferent oder heiterer Stim¬ 
mung. Der Schlaf ist ein guter, ebenso der Appetit. 

25. März 1889. Patient ist etwas lebhafter und gesprächiger, 
doch immer noch über Zeit und Ort sehr mangelhaft orientirt; 
bald glaubt er, in einem Hotel zu sein und hält den Arzt für 
einen ihm von früher her bekannten Gastwirth, bald glaubt er 
wegen Halsschmerzen in einer Krankenanstalt sich zu befinden; 
er kann den Namen des Kaisers, oder den des Oberbürgermeisters 
und anderer bekannter Personen nicht nennen, obwohl er jahre¬ 
lang Berliner Bürger ist; sein Urtheil ist ein recht kindisches 
und scheinbar beschränktes; auch sein Gedächtniss ist lückenhaft 
und schwach; er vergisst nach wenigen Minuten, was man zu 
ihm gesprochen hat. 

6. April 1889. Patient drängt stündlich und täglich auf 
seine Entlassung, da er nach Hause müsse, trau sein Geschäft zu 



Ein Beitrag zu deu Psychosen des chronischen Alkoholismus. 419 

besorgen; doch lässt er sich ruhig und leicht von Stunde zu 
Stunde, Tag zu Tag, Woche zu Woche vertrösten und jeder Ein¬ 
wand, sei er noch so thöricht und unbegründet, findet bei ihm 
Glauben; er ist mehr orientirt und klarer, wenn er auch noch gar 
keine Krankheitseinsicht und Kenntniss der Zeitverhältnisse zeigt; 
er beschäftigt sich mit Lektüre, geht viel im Garten spazieren 
und befindet sich körperlich wohl; mitunter äussert er den 
Wunsch, in ein Lokal zu gehen, und Bier zu trinken. Zweimal 
machte er einen Fluchtversuch nach einem zur Anstalt gehörigen 
Garten über den Zaun. 

20. April 1889. Patient ist immer heiterer und zufriedener 
Stimmung; er denkt und spricht wenig von seinem Geschäft, 
seinen Angehörigen, der Zukunft etc. In einem Briefe fordert er 
seine Frau auf, ihn abzuholen; die Handschrift ist unsicher und 
zittrig, enthält orthographische Fehler, viele Worte sind doppelt 
hinter einander geschrieben. Zur Beschäftigung zeigt er sonst 
keine Neigung; er isst mit einem gewissen Heisshunger sehr 
hastig und auffallend viel. 

Mai 1889. In heiterer, sorgloser Stimmung lässt sich Patient 
nach wie vor durch die einfältigsten Gründe zum Hierbleiben 
bewegen; von den Mitkranken lässt er sich allerlei unsinnige 
Ideen aufdrängen; Krankheitsgefühl fehlt noch immer. Von den 
Sachen (Zeitungen, Büchern), die er Messt, weiss er absolut nichts 
anzugeben. 

Juli 1889. Er schreibt täglich mehrere Briefe an seine 
Frau, dass sie ihn abhole, ohne sich darüber zu wundern, dass 
weder seine Frau noch irgend eine Antwort eintrifft. Der Gang 
ist etwas unsicher, die Sprache zeigt mitunter auch bei einfachen 
Worten, wenn er schnell oder erregt spricht, Unsicherheit und 
Stolpern. Appetit und Schlaf sind gut. Das Gedächtniss ist 
immer noch schlecht, er vergisst leicht, was man ihm vor kurzem 
gesagt hat. Zeitweise ist er deprimirt, weil er so lange vom 
Geschäft fort sei, beruhigt sich jedoch bald wieder und lacht 

1. August 1889. Patient zeigt seit einigen Tagen eine zu¬ 
nehmende Veränderung; er ist weniger heiter und lebhaft, meist 
ruhig und theilnahmlos; er isst weniger, zeigt in allen seinen 
Bewegungen eine Unsicherheit und Langsamkeit und geht mit¬ 
unter wie benommen umher; verwundert und fragend blickt er 
denjenigen an, der eine Frage und sei es die einfachste, an ihn 
richtet, dann versucht er zu antworten, bewegt aber kaum die 
Lippen und bricht mitten in der Rede ab; in seinen Handlungen, 
beim Essen und Auskleiden ist er ebenfalls sehr unsicher, zögernd, 
ängstlich und langsam, so als schien ihm jede Willensäusserung 
schwer und bedenklich. 

12. August. Die Benommenheit des Patienten nimmt schnell 
zu, er sitzt stundenlang, halb ängstlich halb fragend vor sich 
hinstarrend da, blickt nur mitunter wie erstaunt und verlegen 
um sich, antwortet gar nicht oder mit einzelnen Worten, die an¬ 
deuten, dass er die Frage nicht verstehe; er muss zum Essen, 



420 


Dr. Kalischer. 


An- and Auskleiden angehalten werden und lässt mitunter Urin 
unter sich. 

20. August. Patient muss nunmehr andauernd zu Bett 
liegen und ist völlig stuporös, spricht gar nicht, reagirt auf An¬ 
reden gar nicht, auf Nadelstiche kaum merkbar; theilnahmslos 
und mit leerem Gesichtsausdruck blickt er vor sich hin, ohne 
spontan die geringste Bewegung auszuführen. Das Gesicht ist ge- 
röthet, die Plipillen sind sehr weit und reagiren auf Lichteinfall 
schwach, die Haut ist von Schweiss bedeckt, die Temperatur 
nicht erhöht Die Glieder und Muskeln sind schlaff und setzen 
passiven Bewegungen nicht den geringsten Widerstand entgegen. 
Das Schlucken ist erschwert; flüssige Nahrung (Milch, Wein, 
Bouillon) wird ihm esslöffelweise zugeführt. Stuhlgang und Urin 
lässt der Kranke unter sich. 

30. August. Patient schluckt wieder besser, blickt etwas 
verständnissvoller um sich, zeigt jedoch noch keine Spontaneität. 
Allmählich antwortet er zögernd und stammelnd, fängt an, seine 
Bedürfnisse von selbst zu verrichten, zu essen etc. Nun erzählt 
er, er wisse nicht was ihm gewesen wäre, aber er sei schwer 
krank gewesen, und besinne sich, dass er nicht habe essen noch 
sprechen können; alles habe ihm gefehlt; jetzt gehe es besser; 
etwas besonderes gesehen, gehört oder gedacht habe er in der 
Zwischenzeit nicht. Patient steht auf, spricht jedoch noch wenig 
und fühlt sich sehr matt. 

2. September. Patient wird unruhiger, redet wieder mehr 
und zeigt Gedächtnislücken sowohl für die jüngst erlebte Zeit, 
wie für die frühere Vergangenheit. Dabei besteht tremor manuum 
et linguae. Abends Temperatur 39,2. Doppelseitige Pneumonie 
der untern Lappen mit pleuritischem Seitenschmerz. (Milch, Wein, 
Bouillon etc.). Patient erholt sich nach einigen Tagen mit Ein¬ 
tritt der Lösung und wird wieder klarer, freier und lebhafter, 
sodass der Zustand demjenigen gleicht, wie er bei dem Kranken 
vor Eintritt des stuporösen-komatösen Stadiums anhaltend be¬ 
stand. Patient, der inzwischen von der Privat-Abtheilung auf 
die Kommunal-Abtheilung verlegt ist, wo er mit 100 anderen 
Kranken Hof, Aufentshaltsraum etc. theilt, empfindet diese Ver¬ 
änderung kaum: er verkehrt mit den neuen Kranken ebenso wie 
mit den früheren, spielt Skat etc.; meist ist er freundlich, heiter, 
zufrieden, spricht von seiner Entlassung fast gar nicht, sucht 
jedoch heimlich, einen Brief an seine Frau zu befördern, in wel¬ 
chem er sie um allerlei Esswaaren, Tabak, Pfeifenköpfe etc. 
bittet; auch in dem Briefe schreibt er nichts von Entlassung. 
Zuweilen klagt er, dass er nicht gut schlafe und verlangt eines 
Tages Chloral, weil er in der Zeitung gelesen habe, dass das 
so ein gutes Schlafmittel sei; sein Appetit und körperliches Be¬ 
finden sind befriedigend und bessern sich täglich. 

Den 15. Oktober. Die Gesichtshaut ist stark geröthet, nur 
auf der linken Hälfte, namentlich am untern Augenlid zeigen 
sich weisse vitiligo-artige Flecke. Der Bart und das Kopfhaar des 
Patienten sind zum Theil ergraut und weiss, namentlich an der 



Ein Beitrag zu den Psychosen des chronischen Alkoholismus. 421 

linken Seite. Die rechte Stirn des Patienten weist eine 2—3 cm 
lange quer verlaufende Narbe auf, die von einem Schlag her- 
r&hren soll, den seine Frau ihm hei einer Schlägerei mit einem 
Glasgefäss gab. Die beiden Gesichtshälften sind gleich und wer¬ 
den gleich gut innervirt; die Zunge wird gerade herausgestreckt 
und zittert ein wenig, ebenso wie die ausgestreckten Hände. Die 
Sprache ist etwas unsicher, und namentlich bei schnellem Sprechen 
und schweren Worten tritt Silbenstolpem auf. Die Pupillen sind 
mittelweit und reagiren gut auf Licht wie auf Akkomodation 
(sowohl wenn das Licht central, wie wenn es von den Seiten 
einfällt). Das Gesichtsfeld scheint an den beiden temporalen 
Hälften ein wenig eingeschränkt (Prüfung ohne Perimeter); der 
Farbensinn, wie Augenhintergrund zeigen keine Anomalien. Die 
rechte Pupille ist zeitweise um ein weniges grösser als die linke. 
Gleschmack, Geruch, Gehör sind gut; die Sensibilität wie Reflex¬ 
erregbarkeit ist überall erhalten, und sind die Patellarreflexe 
beiderseits gesteigert. Die motorische Kraft ist in Händen und 
Beinen herabgesetzt., in den oberen Extremitäten zeigt sich auch 
eine Ataxie geringen Grades. Der Gang ist sicher, Romberg- 
sches Phänomen nicht vorhanden. Fussclonus besteht nicht Die 
innem Organe scheinen intakt, der Leberrand steht rechts etwas 
tiefer als gewöhnlich. Subjektiv klagt Patient über zeitweise 
auftretenden schmerzhaften Wadenkrampf, und über häufigen 
Drang zum Urinlassen (Nachts muss er 3 mal dazu aufstehn). 
Der Ernährungszustand und Schlaf, Appetit sind befriedigend. 
Der Urin enthält weder Eiweis noch Zucker. 

Eine Unterhaltung mit dem Kranken wird in folgendem 
wiedergegeben: 

Wie alt? 35 Jahre, ich bin am 7. Februar 1854 geboren. 

Wie lange sind Sie hier? Auf dieser Abtheilung 3 oder 4 
Wochen; in die Anstalt kam ich Ende März, also 6 Monate. 
Waren Sie in den früheren Jahren krank? Ich hatte nur Sod¬ 
brennen und Magenkatarrh. 

Weshalb kamen Sie in die Anstalt? Ich war krank, was mir ge¬ 
fehlt hat, weiss ich nicht mehr, ich soll augenkrank ge¬ 
wesen sein. 

Sind Sie jetzt krank? Nein, ich bin völlig gesund, es geht mir 
sehr gut. 

Waren Sie in der Anstalt hier krank? Drüben auf der andern 
Abtheilung soll ich lungenkrank gewesen sein. 

Besinnen Sie sich darauf, dass Sie damals nicht sprechen konnten? 
Ja, ich hatte wenig Stuhlgang, und das kam dann alles zu¬ 
sammen; wie es kam, weiss ich nicht; ich hatte damals 
Schmerzen im Rücken; ich glaubte,’ ich würde überhaupt 
nicht mehr gesund werden, ich habe nichts gesehn, noch 
gehört, dachte nur an zu Hause. 

Weshalb assen Sie nicht? Ich war zu schwach und krank und 
konnte kaum die Hand erheben, auch fehlte mir die Sprache. 
Wie lange dauerte dieser Zustand? Einige Monate. Damals war 
die schwere, schreckliche Periode; ich konnte nicht einmal 



422 


Dr. Kalischer. 


weinen, heute kommen mir gleich die Thränen in die Augen, 
wenn ich Besuch bekomme. 

Ist Ihr Gedächtniss gut? Ja, jetzt ist es gut, wie ich krank war, 
da war es ganz weg, nun ist alles wiedergekommen. 

Wie wurden Sie krank und wodurch? Es kam daher, weil man 
mich wieder nach hinten auf die Wachstation gebracht hatte. 

Sind Ihre Eltern und Geschwister gesund? Ja, vollkommen. 

Welches Datum haben wir? 15. September 1889. 

Wann war der Krieg mit Frankreich? 1870. 

Schlacht bei Sedan? Weiss ich nicht. 

Geburtstag Kaiser Wilhem I.? Weiss ich nicht. 

Wie heisst die Hauptstadt von Italien? Milano, Mailand? 

11 x 11 = 121, 13 x 13 = 157. 

Wann haben Sie sich verheirathet? Am 16. Dezember, es sind, 
jetzt 6 Jahre her, also im Jahre 1882, nein 1883. 

Wie steht es mit Ihrem Geschäft? Das weiss ich nicht. 

Was wollen Sie jetzt anfangen? Ich will nach Hause, zu meiner 
Frau, ins Geschäft zurück. 

Wie sind Ihre Vermögensverhältnisse? So lange ich zu Hause 
war, habe ich ein gutes Geschäft gemacht. 

Haben Sie viel getrunken? Ich war niemals betrunken, obwohl 
ich, wenn ich meine Kunden (meist Gastwirthe) besuchte, 
viel mit ihnen trinken musste. 

Wieviel tranken Sie täglich? 6 Glas Bier. 

Tranken Sie Schnaps, Branntwein? Ja, zu Hause zum Frühstück. 

Hatten Sie mal Delirium? Niemals. 

Gefallt es Ihnen hier besser als in der Privatanstalt? Nein! 

Weshalb nicht? Nein, weil ich so oft Urin lassen muss, alle 
paar Minuten und Nachts 3 mal, das kommt von dem an¬ 
deren Essen, von den vielen Suppen. 

Kennen Sie noch die Kranken, mit denen Sie in der Privatan- 
stalt verkehrten? Die meisten Namen habe ich vergessen, 
Herrn Plath kenne ich noch (der Herr heisst Flach), ich 
habe ja lange mit ihm gewohnt. 

Sind die andern Leute hier gesund? Nein, irrsinnig, das sieht 
man doch schon. 

Weshalb sind Sie auf dieser Abtheilung? Ich weiss nicht. Das 
ist städtisch, dafür bezahlt die Stadt. Der Inspektor redete 
mir etwas vor, und führte mich hierher, und deshalb bin 
ich hier. 

Haben Sie beim Militär gedient? Ich wurde wegen Krampfadern 
nicht genommen. Auch hier habe ich oft Wadenschmerzen, 
wenn ich bloss liege im Bett. 

Was hat der Prediger neulich vorgetragen? Ich weiss nicht 
mehr, er sprach von Gott und Jesu. 

Wie viel Pfennige sind 27 Mark? 270 Pfennige. 

Den 25. Oktober. Patient ist völlig ruhig, zufrieden, klar 

und heiter; er ist wieder völlig orientirt und spricht fast gar 

nicht von seiner Entlassung; er beschäftigt sich wenig und spielt 

zuweilen Karten oder liesst Zeitung; auch körperlich nimmt er 



Ein Boitrag zu den Fsychoson des chronischen Alkoholismus. 423 

sichtlich zu; die Sprache zeigt noch immer eine geringe Störung, 
das Gedachtniss ist lückenhaft, und zeigt Patient in seinem Wesen, 
Reden, Thun und Lassen noch die Zeichen eines Stumpfsinns und 
Schwachsinns leichteren Grades. 

Den 1. November. Patient nimmt körperlich zu; auch 
geistig wird er etwas regsamer, lässt jedoch freiwillig nur selten 
Willensäusserungen und Wünsche hören und ist meist heiterer 
Stimmung. Die meisten Flecken an der linken Wange sind fast 
völlig geschwunden, die linke Hälfte des Schnurrbarts, die früher 
fast ganz grau-weiss war, ist nun wieder ebenso dunkel wie die 
rechte Hälfte, welche jedoch erheblich voller und dichter ist; 
auch an der linken Kopfhälfte fallen die weissen Haare mehr und 
mehr aus, sodass auch sie den Farbenton der rechten wieder 
mehl' erreicht hat. 


Epikrise. 

Es handelt sich hier um einen 35jährigen Mann, der seit 
seinem 19. Jahre er. zum Alkoholismus neigt und seit einigen 
Jahren bereits die Zeichen des Alkoholismus chronicus zeigt, die 
sich unter anderem in Tremor, chronischem Magenkatarrh, vor¬ 
zeitigem Ergrauen der Haare, Unruhe, Reizbarkeit, Jähzorn und 
roher Gesinnung, wie Vernachlässigung seiner geschäftlichen und 
häuslichen Interessen äusserten. In den letzten Monaten war 
dann häufiges Trunkensein, Schlaflosigkeit, Sinnestäuschungen des 
Gesichts, Vergesslichkeit und zeitweilige Verwirrtheit hinzuge¬ 
treten. In der Anstalt, bei plötzlicher Entziehung der Alkoholica, 
zeigte der Kranke völlige Unorientirtheit, Verwirrtheit, Willen¬ 
losigkeit, Gedächtnisschwäche, Gemüthsabstumpfung und eine 
Sprachstörung leichteren Grades; eine erhebliche Bewusstseins¬ 
trübung bestand nicht. Nach einigen Wochen schwand die Ver¬ 
wirrtheit und die Unorientirtheit; der Kranke wurde klarer, leb¬ 
hafter, heiterer und war nur noch etwas vergesslich, gedächtnis¬ 
schwach, sorglos und gemüthsstumpf. Nachdem diese Besserung 
Monate lang anhielt, entwickelte sich ziemlich plötzlich (in 
wenigen Tagen), ohne dass eine erklärliche äussere Ursache vor¬ 
lag, ein stupor-artiger Zustand mit völliger Benommenheit des 
Sensoriums, so dass der Kranke sprachlos, bewegungslos, willen¬ 
los und reaktionslos 8 bis 10 Tage lang dalag und Urin und 
Stuhlgang unter sich liess. Dieser Stupor schwand wieder ziem¬ 
lich plötzlich und hinterliess nur eine summarische Erinnerung. 
Nachdem der Kranke kurz darauf eine leichte Pneumonie (wahr¬ 
scheinlich hypostatischer Natur) durchgemacht hatte, erholte er 
sich in einigen Wochen wieder völlig und es blieben nur Ge- 
müthsstumpfheit, Apathie, Gedächtnissschwäche und eine allge¬ 
meine intellektuelle Schwäche leichteren Grades zurück. 

Im vorliegenden Falle haben wir es offenbar mit verschie¬ 
denen Zuständen zu thun. Zunächst handelt es sich um den 
Grundzustand des chronischen Alkoholismus, der mit seiner Ge¬ 
müthsabstumpfung, Willenlosigkeit und Gedächtnissschwäche etc. 
jedenfalls schon lange vor den Exazerbationen und Komplikationen 



424 


Dr. Kalischer. 


der Erkrankung bestand nnd nach Ablauf der akuteren Störung 
wieder unverändert und andauernd zum Vorschein kam. Von 
den akuteren vorübergehenden Störungen, die sich auf dem Boden 
dieses chronischen Alkoholismus entwickelten, zeigte sich zuerst 
ein Erregungszustand mit einzelnen Sinnestäuschungen des Ge¬ 
sichts; an diesen schloss sich ein bei Alkoholisten nicht selten 
zu beobachtender Symptomenkomplex, der aus Verwirrtheit, Un- 
orientirtheit, Vergesslichkeit, Gedächtnissschwäche, Gemüthsstumpf- 
heit, Willenlosigkeit bestand und einige Wochen anhielt. Mehr 
als diese vorübergehende Unorientirtheit und Verwirrung inter- 
essirt uns der nach dem mehrere Monate anhaltenden Besse¬ 
rungszustande plötzlich einsetzende stuporöse, comatöse Zustand 
des Kranken, welcher 10 bis 14 Tage anhielt. Die Form des 
Stupors, die der Kranke damals zeigte, können wir wohl zu 
keiner Gruppe besser zählen, als zu denjenigen Psychosen, die als 
akute Erschöpfungszustände oder asthenische Psychosen, Inani- 
tionspsychosen etc. vielfach zu einer Gruppe zusammengefasst 
werden und die schon durch die gemeinsame Aetiologie, den häu¬ 
figen Uebergang in einander, die ähnlichen Ausgänge, die gün¬ 
stige Prognose, ihre Zusammengehörigkeit verrathen. Zu ihnen 
gehört der grössere Theil derjenigen Psychosen, die als akute 
halluzinatorische Verrücktheit (Westphal), acuter halluzinato¬ 
rischer Wahnsinn (Meynert) asthenische Verwirrtheit, akute 
halluzinatorische Manie (Mendel), akute Verwirrtheit (Wille), 
akuter Stupor, Stupidität, Dementia acuta, primäre heilbare De¬ 
mentia, akutes asthenisches Delirium, Dementia generalis acuta, 
akute Verworrenheit etc. beschrieben sind; auch das Delirium 
acutum wird von manchen Autoren diesen Formen zugezählt, in 
denen es sich um funktionelle lähmungsartige psychische Schwäche 
mit Reizerscheinungen und Erregungen handelt. Die Schwäche 
äus8ert sich in Erschwerung bis Aufhebung des Ablaufs der 
psychischen Vorgänge, in Benommenheit, tiefer Trübung des Be¬ 
wusstseins bis Aufhebung der Reaktion, Perzeption, wie jeder 
inneren psychischen Thätigkeit. Die Reizungserscheinungen be¬ 
stehn in zahlreichen Sinnestäuschungen (sensorielle Verwirrtheit 
und Stupor) in illusorischen Perzeptionen, psychischen Halluzi¬ 
nationen, traumartigen Vorstellungsdelirien, Ideenflucht etc., auch 
die motorische Sphäre kann betroffen sein (Bewegungsdrang, Mus¬ 
kelspannungen etc.). Indem nun bald die Schwäche- und Läh¬ 
mungserscheinungen, bald die Reizungsvorgänge mehr in den 
Vordergrund treten, überwiegen, mit einander gemischt auftreten, 
einander ablösen, entstehn die mannigfachsten Stadien und Formen 
dieser Erkrankung, die bald das Bild der maniakalischen Erregung, 
der Verwirrtheit (aus Mangel an Perzeption oder durch Illusionen 
und Halluzinationen), der allgemeinen Verrücktheit, des agitirten 
-Blödsinns, bald das des Stupors, der akuten Demenz, der melan¬ 
cholischen Depression, der kalatonischen Verrücktheit, der De¬ 
mentia paralytica, des postepileptischen Irreseins etc. Vortäuschen 
können. — Eine der häufigsten Erscheinungen im Verlaufe dieser 
Psychosen bildet das stnporöse Verhalten der Kranken, das eine 



Ein Beitrag zu den Psychosen des chronischen Alkoholismus. 425 

verschiedene Ursache und Begründung haben kann, wenn auch 
die Regungslosigkeit, der Mangel des Bewusstseins der Aussen- 
welt, das Fehlen der Perzeption und jeder spontanen Bewegung 
bei oberflächlicher Betrachtung diese Zustandsformen als gleiche 
erscheinen lässt. Wir können zwei Formen des Stupors unter¬ 
scheiden. 

In der ersten Gruppe handelt es sich um aktive Reiz¬ 
erscheinungen auf dem Gebiete der Sinnesthätigkeit (Halluzina¬ 
tionen und Illusionen) und der Assoziationsvorgänge und Vor¬ 
stellungen (traumhafte Delirien, visionäre Träume, psychische 
Halluzinationen etc.); diese trüben das Bewusstsein, das auch 
meist ohne dies in einem Zustande erschwerter, verlangsamter 
Thätigkeit und funktioneller Schwäche sich befindet, in mehr 
oder weniger starkem Grade. Zahlreiche lebhafte Sinnes¬ 
täuschungen können das Bewusstsein so absolut in Anspruch 
nehmen, dass sie jede Perzeption, jeden Willensvorgang hemmen; 
zwar fehlt dass Bewusstsein der Aussenwelt, aber hinter dem 
starren leeren oder ängstlich gespannten Gesichtsausdrucke spielen 
sich die lebhaftesten und energischsten Seelenvorgänge ab. Je 
nach dem Inhalte und der Stärke der Vorstellungen und 
Sinnestäuschungen sind die Muskeln bald schlaff, bald bis zur 
Pseudokatalepsie und Flexibilitas cerea gespannt. Eine Reak¬ 
tion, selbst auf schmerzhafte Eindrücke findet nicht statt, da das 
Bewusstsein anderweitig in Anspruch genommen ist und die 
psychischen inneren Vorgänge eine unüberwindliche Hemmung 
bedingen. 

Anders liegen die Verhältnisse bei der zweiten Gruppe der 
Stuporformen, in denen es um wahre Bewusstlosigkeit, völlige 
psychische Insuffizienz, mangelnde Erregbarkeit, akute Demenz 
sich handelt. Hier wird meist wie in unserem Falle, nach einem 
kurzen Stadium von Willenlosigkeit, Benommenheit, Rathlosig- 
keit und Verwirrtheit, bei völligem Stimmungsmangel, Abulie 
und oft auch Anästhesie die psychische Thätigkeit völlig auf¬ 
gehoben. Nicht ein gesteigertes Innenleben hält hier die Reize 
von aussen ab, sondern eine primäre Betäubtheit und Trübung 
des Sensoriums, eine Erschöpfung und Funktionsschwäche der ge- 
sammten Hirnthätigkeit, die weder ein Bewusstsein von den 
Reden und Vorgängen der Umgebung noch eine affektive Regung 
oder eine Willensreaktion aufkommen lässt Wie im Sopor 
liegen die Kranken da, lassen oft Stuhl und Urin unter sich, die 
Muskeln sind schlaff und der Ausdruck der vollständigen gei¬ 
stigen Leere deutet auf Aufhebung der cerebralen Vorgänge und 
gehemmte oder erschwerte Leitung in sämmtlichen cerebralen 
Bahnen. 

Diese Form des Stupors zeigt insofern Uebergänge zur er- 
steren Gruppe, als auch hier namentlich im Beginn oder bei der 
Lösung, wo die Bewusstseinsverdunkelung und Trübung nach¬ 
lässt, episodische Reizungserscheinungen in der Form von Sinnes¬ 
täuschungen und Vorstellungsdelirien auftreten können; fast nie 
werden aber, weder bei diesen Stuporformen noch überhaupt in 



426 


Dr. Kalischer. 


den andern Stadien der oben genannten Psychosen die wech¬ 
selnden Elemente der Delirien und Halluzinationen dauernd 
weiter entwickelt, fixirt, verbunden und zu einer anhaltenden Be¬ 
wusstseinsfälschung verarbeitet. Und hierdurch schon unter¬ 
scheiden sich all’ diese Formen von der einfachen chronischen 
Verrücktheit (Paranoia), die mitunter auch scheinbar akut, mit 
Halluzinationen sich äussera kann. Die beschriebenen beiden 
Formen des Stupors zeigen nur graduelle Unterschiede, je nach 
dem Grade der Bewusstseinslähmung und der Zahl und Stärke 
der Beizerscheinungen; und wir können Schüle und Andern 
nicht beistimmen, die nur in der zweiten Gruppe den wahren 
und echten Stupor sehen wollen, während sie die erste Form als 
halluzinatorischen oder psychischen Stupor, als Pseudostupor zu 
bezeichnen pflegen. Wir bezeichnen im Anschluss an die An¬ 
sicht Westphals mit Pseudostupor jene Stuporzustände, die bei 
der primären chronischen Verrücktheit nicht selten sind, und in 
denen die Kranken ohne hochgradige Benommenheit noch Bewusst¬ 
seinstrübung ihr abnormes Verhalten psychisch motiviren; sie 
stehen da unter dem Einfluss einer Wahnidee oder Sinnestäu¬ 
schung (meist ängstlichen oder religiösen Inhalts), die ihnen ihr 
abnormes Verhalten, Schweigsamkeit, Regungslosigkeit, Bewegungs¬ 
losigkeit anbefiehlt; dabei ist das Bewusstsein der Umgebung 
und der Aussenwelt erhalten, nur die Reaktion im Sinne der be¬ 
stimmten Wahnideen oder Sinnestäuschung gefälscht; mit Absicht 
und Bewusstsein nehmen diese Kranken eine Haltung ein, die 
mit den andern Stuporformen äusserlich oft völlig übereinstimmt. 

In dem beschriebenen Falle handelte es sich um einen akuten 
stuporösen Zustand, der zur zweiten Gruppe der beiden ge¬ 
nannten Stuporformen gehört und dem Bilde der Dementia acuta 
nahe kommt; ohne erhebliche Reizerscheinungen trat die psy¬ 
chische Lähmung bis zur völligen Aufhebung des Bewusstseins 
der Aussenwelt und aller inneren Vorgänge ein, um ziemlich 
plötzlich wieder zu schwinden. Weder zum Beginn noch beim 
Ausgang zeigten sich irgend welche Halluzinationen, Illusionen, 
Vorstellungsdelirien etc.; es fehlte jede qualitative Verfälschung 
des Bewusstseins; — so gleicht dieser temporäre Lähmungs- oder 
Hemmungszustand einem vorübergehenden allgemeinen Verlust 
der Residuen und Erinnerungsbilder aller psychischen und psy¬ 
chomotorischen Vorgänge und kann insofern mit einer generellen 
Amnesie oder als amnestische Demenz (Tiling) verglichen werden, 
wenn auch diese Bezeichnungen und psychischen Funktionen des 
Erinnerungsvermögens ebensowenig die Gesammtstörung, welche 
hier vorliegt, wie andere complizirte psychische Vorgänge über¬ 
haupt erklären und begründen. 

Rechnen wir den beschriebenen stuporösen Zustand zur 
Gruppe der Dementia acuta etc., so stehen wir damit auch in 
Uebereinstimmung mit den Ansichten, welche Tiling (Ueber die 
bei der alkoholischen Neuritis multiplex beobachtete Geistesstö¬ 
rung. Allgem. Zeitschr. für Psych. Bd. 48. Heft 2 und 3. 1889) 
geltend macht. Derselbe kommt nämlich nach Zusammenstellung 



Ein Beitrag zu den Psychosen des chronischen Alkoholismus. 


427 


und Durchsicht der einschlägigen Literatur wie auch auf Grund 
eigener Beobachtungen zu dem Schlüsse, dass zur alkoholischen 
Neuritis resp. Bückenmarkserkrankung (überhaupt bei chronischem 
Alkoholismus) in der Regel eine Geistesstörung in Form von 
Amnesie, oder amnestischer Demenz tritt und dass bei vehementem 
Verlauf und bei Exazerbationen auch Verwirrtheit und episo¬ 
dische Wahnideen und Sinnestäuschungen hinzutreten, die wieder 
schwinden ohne eine dauernde Bewusstseinsverfälschung zu hinter¬ 
lassen. Die Benommenheit und Verwirrtheit führt er für die 
Mehrzahl der Fälle weniger auf krankhafte Produktivität (Hallu¬ 
zinationen, Illusionen, Assoziationsvorgänge etc.) zurück, als auf 
einen blossen Funktionsausfall, auf Erschöpfung, Verlangsamung 
und Aufhebung der psychischen Vorgänge. In schweren Fällen 
dieser Art wird amnestische Aphasie, völlige Amnesie, Coma, 
Exitus letalis beobachtet. Die Symptome, welche den Alkoho- 
listeu oft von andern chronischen Geisteskranken unterscheiden, 
wie Indolenz, Mangel an Initiative, Apathie, Gedächtnisschwäche 
bei relativ erhaltener Kombinationskraft, überdauern meist die 
akuten Komplikationen und Exazerbationen des chronischen Alko¬ 
holismus, wie es auch bei unserm Kranken der Fall war. 
Wir müssen unsern Fall zu den schwersten rechnen, da 
nicht nur amnestische Aphasie und allgemeine Amnesie, son¬ 
dern Aufhebung aller psychischen Vorgänge bis zum Coma 
auftrat; und zwar trat dieser Erschöpfungszustand mit den Aus¬ 
fallserscheinungen ohne auffallende sensible und motorische Er¬ 
scheinungen auf (wie Neuritis, Rückenmarksfunktionen etc.) Schon 
Freund (Klinische Beiträge zur Kenntniss der generellen Ge¬ 
dächtnisschwäche, Arch. f. Psych. Bd. XX. 2. Heft 1889), der 
auch die Amnesie als hervortretende psychische Störung bei alko- 
lischer Neuritis beschreibt, bemerkt, dass diese Amnesie auch bei 
Alkoholisten beobachtet werde, die ausser dem Tremor keine 
motorischen noch sensiblen Störungen zeigen. Auch Tiling sah 
generelle Amnesie und amnestische Demenz bei Alkoholisten, bei 
denen nur Paresen oder allgemeine motorische Schwäche ohne ausge¬ 
sprochene neuritische Lähmung bestanden. In unserm Falle trat 
zugleich mit dem psychischen der motorische Funktionsausfall ein, 
und die allgemeine motorische Schwäche (resp. Willenslähmung 
oder Hemmung) schwand ziemlich plötzlich, ohne dass irgend ein 
Anzeichen auf Neuritis oder Rückenmarksaffektion hinwies. Und 
wir können daher Korsakow (Die psychischen Störungen bei 
der alkoholischen Paralyse und das Verhältniss derselben zu den 
psychischen Störungen bei Neuritis multiplex nicht alkoholischen 
Ursprungs; — confer, die Arbeit Tilings) nicht beistimraen, 
wenn er jede alkoholische Lähmung oder Schwäche auf Neuritis 
zurückführt, die nur häufig durch das Ueberwiegen der psychi¬ 
schen Erscheinungen verdeckt und übersehen werde. Auch die 
Ansicht Korsakow’s, dass die psychischen Störungen, wie vor¬ 
übergehende Verwirrtheit, Amnesie, Stupor allen Formen von 
Neuritis multiplex eigen seien, scheint mir von Tiling widerlegt 
zu sein, der eben nachwies, dass jene amnestische Geistesstörung 



428 


Dr. Kalischer. 


nur bei Alkoholismus vorkomme, also dem chronischen Alkoholis¬ 
mus zuzuschreiben sei. Amnestische Aphasie, allgemeine Am¬ 
nesie, stupor-artige Zustände, akute halluzinatorische Benommen¬ 
heit, Verwirrtheit, tiefe Bewusstseinstrübungen, Unorientirtheit mit 
und ohne Halluzinationen, Illusionen nnd Delirien sind bei Alko- 
holisten vielfach beschrieben (Moeli, Fischer, Strümpell, 
Loewenfeld, Bernhard, Oppenheim, Vierordt, Müller, 
Goffroy, Grainger-Stewart, Lilienfeld, Schulz, Wit- 
kowski, Eichhorst, Minkowski, Wille, Babille etc.). Meist 
handelt es sich dabei um episodische und vorübergehende Zu¬ 
stände bei chronischen Alkoholisten, welche die Aetiologie ihrer 
Erkrankung durch die auffallende Stumpfheit des Gemüthes, 
Unorientirtheit, Gedächtnissschwäche, Energielosigkeit, Willen¬ 
losigkeit verriethen ohne Zeichen des sonstigen Blödsinns wie er- 
erhebliche Urtheils- und Verstandesschwäche zu zeigen; meist 
waren allerdings sensible und motorische Störungen neben der 
temporären allgemeinen Gedächtnissschwäche, und den andern 
psychischen Störungen in den akuten Stadien nachweisbar. 

Was die Erinnerung in unserem Falle anbetrifft, so war sie 
für den Zustand des Stupors nur eine ganz summarische; der 
Kranke erinnerte sich, dass er schwer krank war und nicht 
sprechen konnte, weise aber sonst nicht, was in ihm und um ihn 
vorging; auch in den späteren Wochen kehrte die Erinnerung 
an das in diesem akuten Stadium Erlebte nicht wieder; er war 
bewusstlos, perzipirte nichts, und vermuthlich hatte er weder 
Sinnestäuschungen noch Delirien, oder wenn es der Fall war, 
waren die Vorstellungen so schwach, dass sie nicht den Grad er¬ 
reichten, welcher nöthig ist, um sie zu bewussten zu machen, sie 
mit dem anderweitigen Inhalt des Gesammtbewusstseins zu ver¬ 
binden, kurz sie in das Gedächtniss aufzunehmen und zu fixiren. 
Die Erinnerung pflegt bei den Erschöpfungspsychosen, sei es 
dass sie mit Stupor, Halluzinationen, Illusionen oder einfacher 
psychischen Schwäche und Funktionsausfall verlaufen, bald sum¬ 
marisch, bald partiell zu sein, bald gänzlich zu fehlen. Mitunter 
erinnern sich die Kranken an einzelne Erscheinungen des Aussen- 
lebens oder der innern Vorgänge, die zu einer Zeit auf traten 
(im Beginn, bei der Lösung oder Remission der Erkrankung), 
wo die Bewusstseinstrübung eine minder hochgradige war; auch 
kann die Erinnerung unmittelbar nach der Erkrankung in der 
Rekonvaleszenz vorhanden sein, um dann wieder zu schwinden, 
oder sie fehlt anfangs und tritt erst nach völliger Genesung all¬ 
mählich ein. Oft bleibt Einzelnes aus der schweren Krankheits- 
periode in der Erinnerung und wird dann noch von dem Ge¬ 
sunden ohne sein Wissen und Wollen modifizirt und gefälscht, 
indem er in das Zusammenhangslose und Regellose mit der er¬ 
wachenden Vernunft Zusammenhang hineinzubringen strebt und 
logische Begründung und Erklärung nachträglich für abrupte 
Ideen und triebartige Handlungen sucht, die damals gar nicht 
oder ganz anders motivirt auftraten und nur wirr uud unklar 
ihm vorschweben; mitunter wissen die Kranken auch ein ganzes 



Ein Beitrag zu den Psychosen des chronischen Alkokolisnius. 429 


Mährchen von der visionären Traumwelt zu erzählen, welche sie 
in der halluzinatorischen Benommenheit oder in dem Vorstellungs¬ 
delirium beherrschte. 

Als Ursache für die verschiedenen Stuporzustände bei den 
Erschöpfungszuständen wurden bald Ernährungsstörungen des Ge¬ 
hirns, bald Anämie mit eonsekutivem Oedem, bald fluxionäre Zu¬ 
stände mit erhöhtem Hirndruck angeführt. 

Wir haben in Vorstehendem nur die eine Aeusserungsweise 
des chronischen Alkoholismus näher betrachtet, und wollen dabei 
nicht unerwähnt lassen, dass fast alle gewöhnlichen Formen des 
Irreseins sich auf der Basis des Alkoholismus entwickeln können. 
Während in manchen Fällen die Symptome ein bestimmtes, sich 
stets wiederholendes und auf die Aetiologie mehr oder weniger 
hinweisendes, spezielles klinisches Bild gewähren (Delirium tre¬ 
mens, Mania gravis potatorum, transitorische Furorzustände, Rap¬ 
tus melancholicus mit Selbstmordversuchen, alkoholischer Eifer¬ 
süchte - Verfolgungs- und Grössenwahn, alkoholistische Pseudo- 
Paralyse, Alkohol-Epilepsie etc.), begegnen wir in andren Fällen 
der gleichen Symptomengruppe, wie sie in den verwandten For¬ 
men der Geisteskrankheit aus andern Ursachen bekannter oder 
unbekannter Art auftritt. Zu dem oben beschriebenen Bilde des 
chronischen Alkoholismus können die verschiedensten interkurri- 
renden und komplizirenden, auch progressive Hirnaffektionen und 
Psychosen hinzutreten; so ist es auch für unsem Fall nicht aus¬ 
geschlossen, wenn auch wenig wahrscheinlich, dass zu dem Zu¬ 
stande im Laufe der Jahre das Bild einer progressiven Demenz 
mit oder ohne Lähmungserscheinungen hinzutrete. In den Fällen, 
wo eine primäre Schwäche Paranoia (Verrücktheit) sich auf 
Basis des Alkoholismus entwickelt, äussert sich die Schädigung 
und Degeneration mehr psychisch als körperlich, und selten tritt 
hier der Tod durch die Kachexie ein, wie es in andern Fällen 
des chronischen Alkoholismus der Fall zu sein pflegt; als charak¬ 
teristisch für den Alkoholismus werden in diesen Formen hervor¬ 
gehoben: der Wahn ehelicher Untreue, die Beeinträchtigung durch 
die nächsten Personen, die primär auftretende intellektuelle 
Schwäche, der häufige Ausgang in Demenz, die ethische Degene¬ 
ration, die Leichtigkeit und Lebhaftigkeit der halluzinatorischen 
Erregung, Häufigkeit der Geschmacks- und Geruchshalluzinationen 
neben den Gehörstäuschungen etc. 

Protrahirte Stuporzustände und förmliches Coma sind 
übrigens auch im Anschluss an Delirium tremens beobachtet 
worden. 

Zum Schluss weisen wir noch auf die seltsame Veränderung 
in der Farbe der Haut, des Bartes und der Haare hin, die be¬ 
sonders auf der linken Seite des Gesichts und Kopfes hervortrat; 
einige Hautstellen, wie die betreffenden Haare wurden während 
des Aufenthalts in der Anstalt zusehends grau und weiss. Nach¬ 
dem der Kranke sich wieder psychisch und körperlich erholt hatte, 
traten die weissen Hautflecken mehr zurück, und die weissen 
Haare an Kopf und Bart der linken Seite fallen jetzt aus, sodass 



430 


Dr. Freier. 


die linke Barthälfte, wenn auch weniger dicht und voll als die 
rechte, doch nunmehr dasselbe dunkle Kolorit zeigt wie diese. 
Sonstige trophische, motorische und sensible Anomalien wurden 
ausser den in der Krankheitsgeschichte erwähnten Wadenkrämpfen 
(die jetzt auch seltener sind) nicht beobachtet. 

Eine Canities prämatura, wie sie bei Geisteskranken und 
speziell bei Idioten mit anderen Difformitäten vorkommt, pflegt 
in der Regel gleichmässig vertheilt zu sein; es dürften vielleicht 
hier in unserem Falle nervös-trophische oder vasomotorische Ein¬ 
flüsse zu Grunde liegen. Ergrauen der Haare bei Neuralgien 
und Lähmungen ist von Berger in einem Fall von Hemiplegie 
auf der gelähmten Seite, und von Enlenburg und Seelig- 
müller bei Supraorbitalneuralgie im Verbreitungsbezirk der 
Nerven beschrieben. 


Bemerkungen zu dem Falle Mittenzweig’s*): Fragliche 
Opiumvergiftung durch ein Bandwurmmittel. 

Von Kreisphysikus Dr. Freyer in Stettin. 

Beim Lesen des obigen, in der vorigen Nummer dieser Zeit¬ 
schrift publizirten Falles dürfte es wohl kaum Jemandem noch 
zweifelhaft sein, dass es sich dort vermuthlicli nicht um eine 
Opiumvergiftung, sondern um eine Vergiftung mit dem ge¬ 
reichten Bandwurmmittel gehandelt hat. Dass überhaupt 
eine Opiumvergiftung in Frage kam. lag wohl nur daran, dass 
einerseits die Vergiftungserscheinungen, unter denen der betref¬ 
fende starb, noch die meiste Aehnlichkeit mit einer Opiumvergif¬ 
tung darboten, während es andererseits nach dem damaligen Stande 
der Erfahrungen über das Extract. Filic. den an dem Falle be¬ 
theiligten Aerzten gar nicht in den Sinn kommen konnte, dass 
der beschriebene Symptomencomplex auch zu einer Vergiftung 
mit Extract. Filic. passen und selbst die gereichte Dosis geeignet 
sein könnte, den Tod eines Menschen herbeizuführen. Nach mei¬ 
nen Darlegungen jedoch „über die Giftwirkung des Extract. Filic. 
maris aether.“ in den Therap. Mon.-Heften 2 und 3 d. Jahrg.**) 
ist als erwiesen anzusehen, dass die giftigen Wirkungen jenes 
Stoffes narkotischer Natur sind und sich vorwiegend, wie auch 
in dem obigen Falle, durch Kollapserscheinungen dokumentären. 
Wenn auch die Dosis des Mittels die für einen Erwachsenen üb¬ 
liche war, so wissen wir jetzt, dass die Wirkung des Präparates 
von verschiedenen Umständen und nicht am wenigsten gewiss 
auch von der individuellen Disposition des Patienten abhängt, so 
dass unter Umständen selbst die übliche Dosis schon schwere 


*) Irrthümlicher Weise ist in No. 11 dieser Zeitschrift Kreisphysikus 
Dr. Tacke als Verfasser der fraglichen Mittheilung genannt. 

**) Siehe auch Ztschr. f. Medizinalb. No. 1, 1889: „Die Bandwurmmittel 
in» Handverkauf* von demselben Verf. 



Fragliche Opiumvergiftung durch ein Bandwurmmittel. 


431 


Vergiftungserscheinungen bewirken und der einmal eingetretene 
Kollaps auch zum Tode führen kann. Der pathologisch-anato¬ 
mische Befund hat, wie ich gezeigt habe, nichts Pathognomones; 
von ihm werden wir daher eben so wenig Beweisendes erhalten, 
wie für gewöhnlich von der chemischen Untersuchung, so lange 
es der letzteren nicht gelingen wird, selbst bei Resorption nur 
geringer Mengen des Stoffes diesen durch chemisch wohl cbarak- 
terisirte Körper nachzuweisen. Wir werden aber heutzutage bei 
der Beurtheilung eines solchen Falles zunächst wenigstens die 
Möglichkeit einer Vergiftung durch das dargereichte Band¬ 
wurmmittel in Betracht ziehen und ein Opiumpräparat auch 
nicht einmal als vermuthlich vorhanden annehmen, wo selbst 
die hierauf gerichtete chemische Untersuchung ein solches nicht 
hat nachweisen können. 


Subdurale Blutung aus abnorm verlaufenden Gehirnvenen. 

Von San.-Rath Dr. Mlttenzweig, gerichtl. Stadtphysikus in Berlin. 

(Nach einem in der psychiatrischen Gesellschaft zu Berlin gehaltenen Vortrag.) 

Die Quellen der nicht komplizirten subduralen Blutung sind in der Mehr¬ 
zahl der Fälle in den Sinusvenen des Gehirns zu suchen, sobald es sich um 
Hämorrbagien der Neugeborenen handelt, dagegen in den neugebildeten Ge- 
fässen der Pachymeningitis, sobald wir es mit Hämorrhagien bei Erwachsenen 
zu thun haben. Diese Anschauung, als deren Hauptvertreter Virchow anzu¬ 
sehen ist, hat bis in die Gegenwart hinein die deutsche Medizin beherrscht, 
und wenn auch die Lehre von der Pach. interna selbst, welche von Virchow 
und Kremiantsky auf eine primäre Entzündung des inneren Duralblattes 
basirt ist, durch die Lehre Huguenin’s und die Untersuchungen Sperlings 
und Anderer nicht erschüttert ist, so haben sich doch mit der Zeit gewichtige 
Stimmen geltend gemacht, welche auch für die subduralen Blutungen der Er¬ 
wachsenen eine grössere ursächliche Betheiligung von Venenzerreissungen be¬ 
tont haben. Ich nenne insbesondere von Bergmann, welcher im § 260 
seiner Lehre von den Kopfverletzungen sagt: „Die Blutergüsse in den sogen. 
Sack der Arachnoidea stammen vorzugsweise aus denjenigen Venen, welche 
von den oberen und seitlichen Theilen der Gehirnhemisphären aus der Pia 
zum Sinus longitudinalis ziehen. Dieselben reissen einfach ab, ein Abreissen, 
welches natürlich nur durch eine bedeutende Verschiebung des Gehirns in toto 
zu Stande kommen kann. Da es in einigen Fällen auch ohne Knochenver¬ 
letzung beobachtet worden ist, beweist es, zu welch’ hochgradiger Veränderung 
ihrer Form die knöcherne Schädelkapsel befähigt ist, ehe ihre Elastizitäts¬ 
grenze überschritten wird/ 

Huguenin, welcher die entzündliche Genesis der Pach. int. aus der 
Dura nicht acceptirt, fand in einzelnen Fällen die Quelle der primären Blu¬ 
tung auf und macht in dieser Beziehung besonders darauf aufmerksam, dass 
die Hirnvenen am Sinus longitudinalis oft erweitert, förmlich varikös, ihre 
Wand in der Folge verdünnt und zum Reissen geeignet sei. Es zeigt sich, 
dass diese Verhältnisse sehr häufig zusammenfallen mit Hirnatrophien, durch 
welche eine stärkere Füllung der Sinusvenen bedingt wird. Die Wandungen 
dieser Venen finden sich ferner bei Dementia paralytica und bei Encephalo- 
malacia senilis mit Hirnatrophie im Zustande weitgehender fettiger Metamor¬ 
phose. Auch Thrombose solcher Venen an der Sinusmündung hatte in einem 
Falle einen Riss im peripherischen Venenstück zur Folge gehabt etc.“ 

Zu diesen von Huguenin aufgeführten Momenten, welche eine isolirte 
Zerreisung der Sinusvenen begünstigen, möchte ich den abnormen Verlauf 
dieser Venen als weitere Prädisposition zur Zerreisslichkeit hinzufügen, ge- 



432 


Dr. Mittenzweig. 


1 


stützt auf mehrere Fälle, welche ich gelegentlich der gerichtlichen Sektionen , 

zu Gesicht bekommen und namentlich auf einen Fall, den ich von Herrn j 

Dr. Langerhans seziren sah. 

Herr Geheimrath Virchow hat mir Erlaubnis zu dessen Veröffentlichung 
crtheilt, wofür ich ihm auch hier meinen Dank ausspreche. 

Die Leiche des 60jährigen Wilhelm ßeschmidt, welcher am 30. VIII. 88. 
nach einer leichten Fall-Verletzung mit Erscheinungen einer Gehirnblutung 
auf die Klinik des Herrn Professor Westphal aufgenommen wurde und am j 

5. IX. 88. starb, wurde am 7. IX. 88. sezirt. I 

Das Sektionsprotokoll lautet in den wesentlichen Punkten: „Grosser ^ 

kräftig gebauter männlicher Leichnam mit sehr reichlichem Fettpolster. 

Diagnose: Hämorrhagia intermeningealis permagna dextra, Hydrocephalus 
internus, Oedema permagnum hemisphäreos sin. (Encephalomalacia alba), 

Hämorrhagia punctata (Encephalomalacia rubra) corporis quadrijjemini, tha- j 

lami optici dextri. Degeneratio grisea funiculi posterioris. Obesitas univer¬ 
sal». Hepatitis interstitialis chronica partial». 

I. Kopf höhle: Schädeldach dick und schwer. Ueber die Höhe des 
Scheitelbeins geht eine scharfe frontale Linie. Von dort an beginnt Osteo¬ 
porose der Tabula interna nach hinten. Dura rechts stärker gespannt als 
links. Die linke Hälfte hat ihr gewöhnliches blutreiches Aussehen, die rechte 
ist missfarben, dunkelschiefrig. Die Innenfläche über der linken Hemisphäre 
hat matten Glanz. Beim Spalten der rechten Dura über der rechten Hemis¬ 
phäre fliesst Blut ab. Zwischen den Hirnhäuten reichliche Mengen frisch ge¬ 
ronnenen Blutes, ca. 200 g, Arachnoidea mit Blutfarbstoff imbibirt. 

Ueber den Scheitellappen eine Hämorrhagie in der Arachnoidea. 

An der vorderen Centralwindung sitzt 4 cm von der Längs¬ 
spalte des Gehirns entfernt ein kleiner fester geronnener Pfropf 
einem Gefässe auf. ' 

Auch an der Basis findet sich in der vorderen und mittleren Schädel- 
grube viel geronnenes Blut zwischen den Hirnhäuten. In der vorderen 
Schädelgrube haben die Gerinnsel zum Theil ein bräunliches Aussehen. Auch ^ 

in der linken vorderen Schädelgrube etwas Blut. 

Jenem fest anhaftenden geronnenen Blutpfropf an der Arach¬ 
noidea entspricht ein abnorm inserirendes Gefäss an der Dura, dem 
ebenfalls geronnene Blutmassen fest anhaften. 

Die Seitenventrikel sind stark erweitert. Ependym am linken Hinterhorn 
mit punktförmigen Hämorrhagien durchsetzt. Die Arachnoidea lässt sich ohne 
Substanzverlust abziehen Am linken Hinterhorn ist die dem Ependym anlie¬ 
gende weisse Substanz vollkommen erweicht. Rechts sind die Schnittflächen 
wenig, links stark feucht. Im mittleren Ventrikel ist die anliegende Hirnschicht 
ebenfalls erweicht, mit punktförmigen Hämorrhagien durchsetzt. Besonders 
stark betroffen ist die Gegend des Aquaeductus Sylvii und der Vierhügel. Die 
hämorrhagische Erweichung erstreckt sich rechts auf mehrere Millimeter in 
den Thal, optici» hinein. Die Gefässe an der Basis sehen sehr zart aus. In 
den Hintersträngen finden sich die GolTschen Stränge makroskopisch deut¬ 
lich grau.“ ( 

Als wichtig für die Entstehung der subduralen Blutung ist die Auffin¬ 
dung der beiden Venenstümpfe an der Arachnoidea und an der Dura in einer ' 

Entfernung von 4 cm von der Längsspalte zu vermerken, da es bisher ander¬ 
weitig nicht gelungen ist, einen so sprechenden Befund zu gewinnen. 

Es ist ja einleuchtend, dass ein derartig abnormer Verlauf einer Cere- i 

bralvene der Konvexität, insbesondere nach den Untersuchungen von Berg- * 

mann's über die Elastizität des äusseren Schädeldaches, zur ZeiTeissung der 
freiliegenden Uebergangsstellen besonders in den Fällen prädisponiren musste, 
wo eine leichte Erschütterung die Schädelkapsel von der Gehirnoborfläche 
entfernte und damit die nackte Cerebralvene zerrte. 

Es war mir nunmehr darum zu thun, die Häufigkeit festzustellen, mit 
der ein solcher abnormer Vorlauf der oberen Cerebralvenen vorkommt, und 
ich verdanke der Unterstützung des Herrn Geheimrath Waldeyer sowie der¬ 
jenigen meiner Kollegen im hiesigen Gerichtsphysikat das Resultat, dass ich 
200 harte Hirnhäute zu sammeln und eine kleine Statistik aufzustellen ver- ^ 

mochte. 



Subdurale Blutung aus abnorm verlaufenden Gehirnvenon. 


483 


ln der Literatur findet sich ausser einzelnen Andeutungen nichts hierüber. 

Nur für die seitlichen und unteren Cerebralvenen ist ein solcher früh¬ 
zeitiger Uebergang auf das Gewebe der Dura bekannt. An dieser Stelle indcss 
interessirt dies nicht oder nur wenig, da die Basis bekanntlich einen andern 
Elastizitätsindex hat als die Konvexität. 

Auch Herr Geheimrath Braune-Leipzig, an den ich mich in dieser An¬ 
gelegenheit um Auskunft wandte, schrieb mir, dass ich für meine Untersuchung 
noch ein freies Feld finden würde. 

An 200 Hirnhäuten Erwachsener fand ich in 59 Fällen im Bereich des 
Sinus longitudinalis einen solchen stark ausgesprochenen abnormen Verlauf 
der vorderen Cerebralvenen, dagegen nur 9 Fälle mit inarkirtem Verlauf der 
hinteren Cerebralvenen (Browing). Die Venen sprangen von der Arachnoidea 
über auf die Dura und klebten gleichsam dem inneren Durablatte mehr oder 
weniger fest an, um schliesslich in den Sinus longitud. zu münden. 

Es warf sich mir jetzt die zweite Frage auf, wie das Vorkommen dieses 
abnormen Verlaufes zu erklären sei. Hatte ich es mit Cerebralvenen zu thun 
mit ursprünglich abnormer Anlage oder mit Anastomoson zwischen Cerebral¬ 
venen und abnormen Duravenen des inneren Durablattes? 

Auf Grund der vergleichenden Untersuchung an Neugeborenen und ganz 
jungen Kindern kam ich zu der Annahme, dass diese Verlaufsbildung mit der 
ursprünglichen Venenanlage dos Fötus und mit irgendwelchen interkurrirenden 
Zirkulationszuständen in Zusammenhang stehen, welche das Gehirn des Fötus 
oder der Kinder nach der Geburt treffen. 

Denn mit wenigen Ausnahmen findet man das innere Blatt des neuge¬ 
borenen Kindes am ganzen Sinus long. entlang mit mehr oder weniger langen 
verzweigten und an der Mündung breiten Duravenen versehen, und nicht 
selten golingt es beim vorsichtigen Abheben der Dura von dem Gehirn, die 
dünnen Fäden im Bereich der Konvexität zu erspähen, welche von der Arach¬ 
noidea zur Dura hinüberlaufen und in diese Duravenen münden. 

Man darf' somit wohl annehmon, dass diese Anastomosen zwischen Dura 
und Arachnoidea bei vorkommendem Bedürfhiss sich erweitern, dass in sol¬ 
chen Fällen diese Duravenen des Kindes persistiren und dann Veranlassung 
zu dem beschriebenen Verlaufe geben. 

Wenigstens scheint mir diese Erklärung die plausibelste zu sein. 

Auch der Umstand spricht wohl für diese Auslegung, dass die Fibrae 
transversae, welche an der Innenfläche der Dura liegen, einen ähnlichen Ver¬ 
lauf nehmen, wie diese spezifischen duralen Venen dos Neugeborenen, denn es 
erscheint mir die Annahme gerechtfertigt, dass diese Querfasern wenigstens 
zum Thcil von obliterirten Duravenen ihren Ursprung herleitcn. 


62. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in 
Heidelberg vom 17.—23. September 1889. 

(Original-Bericht.) 

B. Hygiene und Medizinalpolizei. 

Bei einem Bericht über die auf der diesjährigen NaturforsclierverHamm- 
lung geführten Verhandlungen über Gegenstände aus dem Gebiete der Hygi- 
ono verdient eine ganz besondere Berücksichtigung der in der dritten all¬ 
gemeinen Sitzung von Herrn Prof. Dr. Brieger (Berlin) gehaltene Vortrag: 

Ueber Bakterien und Krankbeitsgifte. 

ln dom behandelten Thema treten naturgemäß die den Medizinalbcamten 
wesentlich interessirenden Krankheiten, die Infektionskrankheiten, in den 
Vordergrund, die, wie der Vortragende gleich zu Anfang bemerkt, sogar immer 
grössere Erweiterung auf Kosten zweier anderer grosser Krankheitsgruppen, 
der Stoffwechselkrankheiten und der Neurosen, erfahren. Bei der Betrachtung 
der spezifischen Krankheitserreger wird consequenterweise weiter gefragt nach 
den Wegen, den dieselben nehmen, um in den Körper zu gelangen, nach dem 



434 62. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Heidelberg. 

„Wie“ ihrer schädigenden bez. todtbringenden Wirkung, nach der theilweisen 
oder vollen Immunität mancher Individuen. 

Die rein mechanische Verbreitung der Mikrobien in dem Körper genügt 
nicht, um die Krankheitserscheinungen zu erklären, vielmehr muss der Che¬ 
mismus der Bakterien in den Vordergrund gestellt und nach ihren eigenen 
Stoffwechselprodukten geforscht werden. Als solche sind aus der Reihe 
der aromatischen Körper verschiedene Stoffe dargestellt worden, die für sich 
giftig und fäulnisswidrig wirken, somit „dem ferneren Anwachsen ihrer Er¬ 
zeuger halt gebieten“. Für gewöhnlich paaren sie sich im Körper, z. B. mit 
Schwefel- oder Glykokolsäure, zu unschädlichen Doppelverbindungen; bei 
herabgesetzter Lebenskraft jedoch wird dies weniger vollständig geschehen, 
woher man auch bei manchen Infektionskrankheiten die aromatischen Sub¬ 
stanzen, insbesondere die der Karbolsäure, in vermehrter Ausscheidung findet. 

Wichtiger als die aromatischen sind die basischen Stoffe, deren gif¬ 
tige „Toxine“, deren ungiftige „Ptomaine“ genannt werden. Sie bilden 
sich bei der Zerspaltung der Eiweisskörper, wobei die Bakterien die Rolle der 
Fermente zu spielen scheinen, und schon bei der ersten Eiweissspaltung im 
Akte der Verdauung, bei den Peptonen, sind Toxine, so das Peptotoxin, ge¬ 
funden worden, das niedere Thiere unter schweren Vergiftungserscheinungen 
tödtet. Viele andere Toxine und Ptomaine bilden sich bei den weiteren Ei¬ 
weisszersetzungen , wobei sich zeigt, dass durch die bakterielle Einwirkung 
sonst ungiftige normale Bestandteile des Körpers in starke Gifte übergeführt 
werden können (Neurin aus Cholin und Methyguanidin aus Kreatin). 

Die Betheiligung der Ptomaine und Toxine an den gastrischen und ner¬ 
vösen Beschwerden, insbesondere nach Genuss verdorbener Nahrungsmittel, ist 
eine ganz unzweifelhafte. So sind bei Vergiftung durch Speisemorcheln das 
Neurin, bei Wurstvergiftung das Neuridin, bei den Miesmuscheln das Mytilo- 
toxin als Träger der Giftwirkung gefunden worden. 

Von besonderem forensischem Interesse sind die im todten Körper 
sich bildenden Ptomaine und Toxine wegen ihrer Aehnlichkeit mit pflanz¬ 
lichen Alkaloiden. Die Toxine erscheinen am siebenten Tage der Ver¬ 
wesung; unter ihnen ist das schon in geringer Gabe sehr giftige Mydalein 
besonders bemerkenswert. 

Ein klares Verständnis« endlich für die schweren Krankheitserscheinungen 
der meisten Infektionskrankheiten gewinnen wir erst aus der chemischen 
Energie der pathogenen Bakterien. Auch aus den letzteren hat man bereite 
verschiedenartige Toxine dargestellt, wie das Typhotoxin und das Tetanin. 

Vortragender streift zum Schlüsse seines Vortrages Bouchard’s Lehre 
von der Selbstvergiftung des menschlichen Körpers, indem er daran 
erinnert, dass es ihm selber gelungen sei, aus menschlichen Gehirnen das 
so giftige Neurin darzustellen, während Kossel das in allen drüsigen Orga¬ 
nen vorkommende, der Blausäure verwandte Aden in entdeckte, das im Blute 
Leukämischer in beträchtlicher Menge kreist, im Blute Gesunder jedoch fehlt. 
Er weist ferner auf die eigenthümliche Fähigkeit mancher bakterieller Stoff¬ 
wechselprodukte hin, „durch ihre blosse Anwesenheit im lebenden 
Organismus manchen Infektionsträgern die Wege der Invasion zu 
ebnen“, so der Stoffwechselprodukte der Cholerabazillen für diese selbst und 
der Typhusbazillen für die Bazillen des malignen Oedems. Er berührt endlich 
die Immunitätsversuche Pasteur’s und seiner Schüler sowie die erfolg¬ 
reich durchgeführten gleichen Versuche mittelst abgetödteter Kulturen patho- 

f ener Bakterien, und schliesst mit dem Hinweis, dass das therapeutische 
iel nach Vervollkommnung rationeller, d. h. spezifischer Heilmethoden 
erst erreicht werden wird, wenn es gelungen sein wird, durch Einverleibung 
eines chemisch wohl charakterisirten bakteriellen Stoffwechselproduktes Immuni¬ 
tät zu erreichen. 


Aus der Abtheilung für Hygiene: 

I. Sind die Flnssvernnreinignngen durch grosse Städte an einer erhöhten 
SterbiichkeitstntensitBt dicht unterhalb derselben statistisch nachweisbar? 

H. Dr. H. Bernheim (Würzburg). Redner führt znnächst aus, dass 
weder die chemische, noch die bakteriologische Untersuchung des Was¬ 
sers »ins genügenden Aufschluss über die Frage der Flussverunreinigung bisher 



62. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzto in Heidelberg. 435 

zu geben im Stande sei. Die chemisch nachgewiesenen Chloride und Nitrate 
bilden nur den Indikator der Verunreinigung, ohne uns anzugeben, was in 
dem Wasser schädlich ist, und die bakteriologischen Resultate zeigen nur 
den Grad der stattgefundenen Sedimentirung an, als welche die sog. Selbst¬ 
reinigung anzusehen sei. In letzterer Beziehung vermag selbst eine starke 
Stromgeschwindigkeit nicht zu verhindern, dass sich Schlamm an den Ufern 
festsetzt, der später trocknet und in die Luft emporgehoben wird. Der Nach¬ 
weis einer Gesundheitsschädigung durch Flussverunreinigung überhaupt könne 
daher nur durch die Statistik geliefert werden und zwar durch die Sterb¬ 
lichkeitsintensität. die zwar durch ungleiche Geburtsfrequenz und un¬ 
gleichen Zuwachs zwei wesentliche Fehlerquellen darbietet, die aber wenigstens 
vergleichbare Zahlen liefert. Dazu ist aber erforderlich, dass zuvor die 
Normalsterblichkeit erforscht werde. Indem Vortragender die Stadt Altona 
als Beispiel seiner diesbezüglichen Betrachtungen wählt und nachweist, dass 
hier die akuten Infektionskrankheiten, bes. die der Verdauungsorgane, und 
hier wiederum insbesondere der Abdeminaltyphus, die Ursache der er¬ 
höhten Sterblichkeit bilden, hält er es wenigstens für wahrscheinlich, dass 
die letztere auf die Flussverunreinigung zu beziehen sei. 

Diskussion. 

Dr. Stamm (Wiesbaden) bemerkt, dass seit der Einleitung der Kanalisa¬ 
tion in den Golf von Neapel dort auch der Abdominaltyphus herrsche, wäh¬ 
rend früher ein gesundes Wohnen dort war. Dasselbe sei mit dem Gelbfieber 
am Hafen von Havanna und Rio de Janeiro der Fall. 

H. Prof. Dr. Gaffky (Giessen) weist darauf hin, dass Flusswasser, beson¬ 
ders in kleinen Städten, vielfach zum Trinken, Spülen etc. benutzt werde. 

H. Dr. Simon (Danzig) und H. Reg.- u. Med.-Rath Dr. Wernich (Kös¬ 
lin) sind der Ansicht, dass dies für Altona, welches filtrirtes Wasser besitze, 
nicht in Betracht komme. 

H. Prof. Dr. Guttstadt (Berlin) hält die Methode der Beurtheilung der 
Sterblichkeitsverhältnisse, bes. der Säuglingssterblichkeit, für sehr schwierig, auch 
seien Fremdenverkehr und Todesursachen zu berücksichtigen. 

H. Prof. Gaffky (Giessen) erinnert an das Beispiel von Magdeburg-Neu¬ 
stadt und zeigt, wie verschiedenartige Faktoren hierbei in Betracht kommen. 

H. Prof. Dr. Löffler (Greifswald) hält es für verfrüht, jetzt schon Schlüsse 
aus solchen statistischen Nachweisungen zu ziehen; jedenfalls sei die Trink¬ 
wasserfrage noch sehr zu studiren. 

Der Vortragende bemerkt schliesslich, dass seine Auseinandersetzungen 
nur den Gang solcher Untersuchungen ungefähr angeben sollten. 

II. Ueber das geeignetste Bausysteni für allgemeine Krankenhäuser« 

H. Dr. Aufrecht (Magdeburg): Derselbe führt zunächst aus, dass von 
den drei in Betracht kommenden Systemen, Korridor-, Baracken- und Pavillon- 
System, das Korridor-System bereits vollkommen verlassen ist, von dem 
Baracken-System die Zeltbaracke sich in der Nacht, die Holzbaracke im 
Frühjahr und Herbst zu kalt erwiesen hat, die Steinbaracke endlich wegen 
ihres wesentlichsten Theiles, des Dachreiters, nur eingeschössig ausführbar und 
entweder einen für die Kranken nicht gedeihlichen zu starken Luftzug oder 
bei gewissen Temperaturverhältnissen, wie im Sommer, oft gar keinen Luft¬ 
zug erhält. Es bleibt somit nur das Pavillon-System, und zwar ein solches 
mit künstlicher Ventilation, als das einzig richtige übrig. Zur künst¬ 
lichen Ventilation sei als bestes wiederum das Pulsions-System zu wählen, 
weil man vermittelst desselben die Luft aus irgend einem benachbarten Garten 
herholen könne und nicht, wie es bei den Baracken geschieht, auf die Luft 
der nächsten Nachbarschaft angewiesen sei. Statt der Flügel- seien Schrau¬ 
ben-Ventilatoren zu verwenden, weil dieselben kein Geräusch verursachen. 
Das Warmwasserheizsystem sei im Souterrain anzubringen. 

Einen wesentlichen Faktor bei jedem Krankenhause bildet eine gute 
ärztliche Fürsorge; es soll daher die Zahl der Krankenbetten die 
Ziffer 600 nicht übersteigen. Die Betten sind etwa auf 10 Pavillons zu ver¬ 
theilen und die letzteren mit Verbindungsgängen zu versehen, damit sie 



436 62. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzto in Heidelberg. 

bequem zu erreichen sind und die Beaufsichtigung des Wartepersonals etc. 
leichter zu führen ist. 

Schliesslich ist auch der Kostenpunkt zu berücksichtigen, der sich für 
Pavillons, die im Gegenzatz zu den Baracken zwei- und dreistöckig gebaut 
werden können, erheblich geringer stellt, wie die Beispiele von Friedrichshain 
und Moabit lehren. 


Diskussion: 

H. Prof. Dr. Guttstadt (Berlin) hebt hervor, dass zwar seitens des Kriegs¬ 
ministeriums das Pavillon-System befürwortet worden ist, dass aber der Staat 
im Uebrigen keine Normen hierüber aufgestellt hat. In Betreff der Ventila¬ 
tion bemerkt derselbe, dass nach autoritativer Feststellung das Pulsionssystem 
auch bei den Schulen neben der Heizvorrichtung Platz greifen soll. 

Vortragender bemerkt auf eine Anfrago vom Geh. Med.-Rath Dr. 
Schwartz (Köln), wie es für kleine Anstalten zu halten sei, dass diese sich 
zu holfen suchen müssten, so gut sie könnten. 

H. Dr. Stark (Wien) hält auch das Pulsions-System für das un¬ 
bedingt beste, sowohl was Quantität, als auch was Qualität der Luft betrifft. 
Nur sei für eine richtige Temperirung der Luft und Abführung derselben 
in den höheren Schichten Sorge zu tragen. 

H. Prof. Dr. Gärtner (Jona) bemerkt, dass auch das Korridor-System 
selbst für grössere Städte noch zweckmässig sein könne, wie viele Militär- 
Lazaretlie beweisen. Zu berücksichtigen seien Kostenpunkt und Entfernung 
von der Stadt; in letzterer Beziehung seien mehrere kleinero Krankenhäuser 
in der Nähe der Stadt besser, als ein grosses in weiter Entfernung von der¬ 
selben. Auch mit dem Normalmaass der Luftmenge pro Kopf (60 kbm.) sei 
wohl herunter zu gehen. Für das Pulsions-System endlich komme es noch 
darauf an, wo das Gebäude liegt. Wünschenswerth sei jedenfalls, wenn beide 
Bausysteme sich vereinigen Hessen. 

H. Prof. Dr. Guttstadt (Berlin) regt noch die Frage an, ob bei kleinen 
Krankenhäusern die Unterbringung der Wirthschafts- und Krankenräume in 
einem Gebäude durchaus zu verbieten sei. 

H. Stabsarzt Dr. Krocker (Berlin) sieht in der Fussbodonheizung, 
selbst für mehrstöckige Gobäude, den wesentlichsten Faktor für die Ventilation. 

H. Dr. Bernheim (Würzburg) wünscht den Luftkubus für Kranken¬ 
häuser noch nicht herabgesetzt zu sehen. 

III. Ueber das Verhalten der Tuberkelbazillen Im Erdboden. 

H. Prof. Dr. Schottelius (Freiburg i./Br.): Die Sporen der Tuberkel - 
bazillen besitzen, wie bekannt, eine sehr lange Lebensdauer. Wie lange sie 
sich ausserhalb des Körpers erhalten können, ist aus dem Verhalten des 
Sputums bekannt; nach Koch monatelang, und selbst im faulenden Spu¬ 
tum bleiben sie noch 23 Tage wirksam. Nach Baumgarten-Völsch scheint 
die Fäulniss eine Abschwächung zu bewirken. Redner hat viele Lungen tuber¬ 
kulöser Menschen in Holzkästen, deren Wandungen der Dicke der Sargwändo 

S leichkamen, in der üblichen Gräbertiefe von 5 Fuss vergraben und nach 2 1 /» 
ahren untersucht. In allen Fällen konnten noch Tuberkelbazillen 
naohgewiesen werden. Andere Spaltpilze waren nicht dabei, nur sehr 
viel Sporen. Die gefundenen Tuberkelbazillen waren gut ausgebildet, nicht 
etwa verkrüppelt, und Hessen in ihren Leibern Stellen erkennen, die für Sporen 
anzusprechen waren. Es Hessen sich aus ihnen Kulturen züchten, und auch 
Infektionsversuche an Kaninchen und Meerschweinchen gaben positive Resultate. 
Der Vortragende hält hiernach die bisherige negativen Befunde in Abwässern 
von Kirchhöfen etc. nicht für beweisend. Jedenfalls sei noch mit dem Erd¬ 
reich, in dem Tuberkulöse begraben gelegen, zu experimentiren. Die patho¬ 
genen Kulturen werden bekanntermaßen mit der Zeit immer schwächer, so 
dass es schwer ist, ihre pathogene Eigenschaft zu erhalten. Da sie sich aber 
in dem Erdreich so lange erhalten, so müssen gewisse Dauerformen existiren. 
Auch sind noch die Verhältnisse zu berücksichtigen, welche sich beim Aufent¬ 
halt der Spaltpilze im Erdboden bilden, sowie die Bedingungen zu erforschen, 
unter welchen die Spaltpilze etwa wieder virulent werden. 



Kleinere Mittheilungen. 


437 


Diskussion: 

H. Prof. Dr. Gärtner (Jena) bemerkt, dass er sich viel mit Untersuchungen 
des Bodens in der Nähe von Gräbern, bes. nach Exhumirung, beschäftigt und 
gefunden habe, dass die Anzahl der Bakterien dort keine stärkere sei, als 
sonst in der Erde. Auch in und um den Kirchhof sei die Anzahl der Bak¬ 
terien eine gleiche. Ob die letzteren vom Sarge in den Boden eindringen, 
sei daher noch sehr fraglich. 

H. Prof. Dr. Löffler (Greifswald) möchte noch keine Schlüsse für die 
Praxis gezogen wissen, zumal da wir noch gar nicht wissen, ob abgeschwäcbto 
Bazillen überhaupt wieder virulent werden können. 

Der Vortragende bemerkt, dass es ihm bei seinen Untersuchungen 
zunächst nur auf die prinzipielle Frage ankam, ob die pathogenen Pilze in 
der Erde überhaupt fortkoinmen. Es sei besonders die Frage, ob etwa die 
Temperatursteigerung in der Erde einen Einfluss auf die Tuberkelbazillen 
ausübe. 


IV. Ueber Milzbrand-Infektion von der Lnnge ans. 

H. Dr. Büchner (München): Die Milzbrandbazillen erzeugen, in zwei 
verschiedenen Zuständen der Lungenoberfläche zugeführt, zweierlei Krankheits¬ 
erscheinungen: in Stäbchenform bilden sie Pneumonie, als Sporen eine 
allgemeine Infektion. Wyssokowitsch und Flügge haben bei ihren 
Experimenten mit Typhusbacillen und Eiterkokken gleiche Resultate erhalten. 
Auch der Diplococcus bewirkt bei Kaninchen eine allgemeine Infektion, in 
abgeschwächter Form dagegen entzündliche Erscheinungen. 

Die Milzbrandstäbchen zeigen sich in frischem Blute weniger wider¬ 
standsfähig, als in anderen Medien, die Sporen dagegen keimen in demselben 
aus. Sie sind nun junge Stäbchen und sind vermuthlich durch ihren jugend¬ 
lichen Zustand widerstandsfähiger. Indem Vortragender dies auf die Infektion 
an wendet, macht er sich von dem Vorgänge bei derselben etwa folgende Vor¬ 
stellung: die zu Grunde gehenden Stäbchen geben Zellinhalt ab, der reizend 
wirkt; die jugendlichen Bazillen dagegen thun dies nicht oder wenigstens sind 
ihre Stoffe weniger reizend oder lähmend. Andererseits wirkt auch die Ent¬ 
zündung wieder auf die Stäbchen zurück und mag ihren Zerfall fördern. 

Eine Diskussion knüpft sich an diesen Vortrag nicht. 

Frey er (Stettin). 


Kleinere Mittheilungen. 

Für den im nächsten Jahre in Berlin stattfindenden Internationalen 
medizinischen Kongress ist im Etat des Reichsamts des Innern ein Zuschuss 
von 80000 Mk. zur Bestreitung der Kosten für die erforderlichen Vorbereitun¬ 
gen und für die w ürdige Repräsentation gegenüber den zu erwartenten zahl¬ 
reichen und hochansehnlichen Gästen ausgesetzt und auch bereits von der 
Budget-Kommission ohne Widerspruch bewilligt worden. 


Eine ausserordentliche Professur für Hygiene ist von der Universität 
Königsberg i/Pr. eingerichtet und dem Privatdoceuten Dr. Karl Fränkel, 
Assistenten am Hygienischen Institut zu Berlin und Verfasser des bekannten 
Lehrbuchs * Grundriss der Bakterienkunde u übertragen worden. Derselbe wird 
indessen erst im Frühjahr nach Königsberg übersiedeln. 


Die am 11. Oktober d. J. im Kaiserlichen Gesundheitsamte zu Berl 
sammengetretene Reichs-Pharmakopoe-Kommission hat nach 14tägi w 
rathung ihre Sitzungen am 26. Oktober beendigt und ist der vom Kommt 
Ausschuss im Juni vereinbarte Entwurf zu der dritten Ausgabe 


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438 


Kleinere Mittheilungon. 


Pharmakopoe im Wesentlichen angenommen worden. Von nouoren Arznei¬ 
mitteln haben, wie verlautet, nur diejenigen Aufnahme gefunden, deren Wirk¬ 
samkeit durch hinreichende Erfahrung erprobt ist und deren Zusammensetzung 
bezw. Identität sicher festgestellt werden kann. Der fragliche Entwurf unter¬ 
liegt zur Zeit der endgültigen Redaktion durch das Kaiserliche Gesundheits¬ 
amt und wird sodann dem Bundesrath zur Beschlussfassung vorgelegt werden. 
Der letztere entscheidet auch über die Frage, ob die neue Pharmakopie in 
lateinischer oder in deutscher Sprache erscheinen soll. Hoffentlich fällt die 
diesmalige Entscheidung nicht wieder zu Gunsten der lateinischen Sprache aus 
wie im Jahre 1882 und erhalten wir endlich ein „Deutsches Arzneibuch“ statt 
einer „Pharmacopoea Germanica Editio tertia.“ 


Um den von dem praktischen Arzt Dr. (*• Cornet in Berlin in neuester 
Zeit verfassten, auf eingehenden wissenschaftlichen Forschungen beruhenden 
drei Arbeiten Ober die Schwindsucht mit Rücksicht auf ihren hohen Werth 
die grösstmöglichste Verbreitung zu geben, hat der Minister für geistliche 
Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten eine grössere Anzahl dieser Druck¬ 
schriften angekauft und sind von den beiden Schriften: „Die Verbreitung 
der Tuberkelbazillcn ausserhalb des Körpers“*) und „die Sterb¬ 
lichkeitsverhältnisse in den Krankonpflegerorden“**) je ein Exem¬ 
plar 8ämmtlichcn Regierungs- und Medizinalräthen, Medizinalkollegien und 
Kreisphysikern überwiesen und von der dritten Schritt „Wie schützt man 
sich gegen die Schwindsucht?“***) je ein Exemplar sämmtlichen Königl. 
Oberpräsidenten, Regierungspräsidenten, Regierungs- und Medizinalräthen zur 
Verfügung gestellt worden. Auch an die evangelischen Diakonissenanstalten 
und Mutterhäuser der katholischen Krankenpfleger ist eine Anzahl der zuerst¬ 
genannten Druckschrift zur Vertheilung gelangt. 


Die offene Pflege fflr ungefährliche Irre bildete am ersten Sitzungstage 
der am 26. und 27. September d. J. zu Kassel abgehaltenen Jahresversammlung 
dos Deutschen Vereins für Armenpflege und Wohlthätigkeit den 
letzten Gegenstand der Tagesordnung. Der Berichterstatter H. Landesdirektor 
Graf von Wintzingerode (Merseburg) führte aus, dass bei dem stetigen 
Wachsen der Zahl der Irren an eine Entlastung der Anstalten gedacht werden 
müsse, um für die schwerkranken und gemeingefährlichen Irren Platz zu 
schaffen. Dazu eigne sich am besten das Offen-Thor-System und die offene 
Pflege der Irren in Familien mit Anschluss an eine bestehende Anstalt, beides 
sei nicht nur billiger, sondern habe sich auch in jeder Weise bewährt und 
werde von den Aerzten fast allseitig als vorzüglich anerkannt. Es gelte über¬ 
haupt die Schranken zu beseitigen, welche die Geisteskranken jetzt noch 
vielfach von den Gesunden trennen. Die Scheu vor dem Irrenhaus beruhe 
hauptsächlich darauf, dass dasselbe von den Laien noch vielfach für ein Gc- 
fängniss gehalten werde; dieses Gefängnisartige müsste demselben genommen 
und den Irrenanstalten der Charakter des Krankenhauses gegeben werden. 
Berichterstatter fasst schliesslich seine Ausführungen in folgenden Sätzen zu¬ 
sammen, denen auch der durch Krankheit verhinderte Mitberichterstatter 
Dr. Paetz, Direktor der Provinzialirrenanstalt in Altscherbitz, in seinem ge¬ 
druckten Korreferate beistimmte: 

1. Es ist die allseitige Errichtung von Universitäts-Irrenkliniken behufs 
sorgfältiger Ausbildung der Aerzte in der Irrenheilkunde anzustreben 
bezw. zu unterstützen, damit die rechtzeitige Erkennung und zweck¬ 
dienliche Versorgung der in akute Geistesstörung verfallenen, sowie eine 
sachgemäse Ueberwachung und Behandlung der als unheilbar und nicht 
gemeingefährlich aus den Anstalten entlassenen Kranken ermöglicht und 
gesichert werde. 

*) Separatabdruck aus der Zeitschr. f. Hygiene 1889, Bd. V, S. 191—331. 

**) Desgl. 1889, Bd. VI, S. 65-96. 

***) Heft No. 77 der Virchow’schen Sammlung gemeinverständlicher 
wissenschaftlicher Vorträge. 



Kleinere Mittheilungen. 


439 


2. Neu zu errichtende öffentliche Irrenanstalten sind als agrikolo Anstalten 
im Pavillonstile zu bauen derart, dass auf dem Terrain eines Land¬ 
gutes an eine kleinere Zentralanstalt, welche nach dem Muster moderner 
Irrenanstalten einzurichten ist und aus den nöthigen Anfnahmo-Ueber- 
wachungs- und Lazareth-Abtheilungen zu bestehen hat, sich räumlich 
getrennt, wenngleich in bequemer Verbindung mit derselben eine nach 
dem Offen-Thor-System eingerichtete Handwerker- und Ackerbaukolonie 
für die zuverlässigeren Kranken anschliesst. Aeltere geschlossene An¬ 
stalten sind nach Möglichkeit mit agrikolon Einrichtungen zu versehen 
und dem Offen-Thor-Sy steine anzupassen. 

3. Für unheilbare, nicht gemeingefährliche und der Anstaltspflege nicht 
mehr bedürftige Kranke, deren Zurück Versetzung in die heimatlichen 
Verhältnisse lucht möglich ist oder aus ärztlichen Gründen unthunlich 
erscheint, ist die Unterbringung in fremden Familien, das sogenannte 
System der familiären Irrenpflege im Anschluss an eine bestehende Irren¬ 
anstalt empfehlenswert!*. 

4. Unheilbare, sieche und dauernd arbeitsunfähige Kranko sind zur Ent¬ 
lastung der agrikolen Anstalten in besondere Pflege oder Siechenhäuser 
unterzubringen. 

In der Diskussion bemerkte H. Geh. Oberreg.-Rath Dr. Blenk, Direk¬ 
tor des Preussischen statistischen Bureaus in Berlin, dass mit der nächsten 
Volkszählung wahrscheinlich wenigstens in Preussen eine Aufnahme der an 
geistigen Gebrechen leidenden Personen stattfinden werde und man dann vor¬ 
aussichtlich auch die Frage, ob die Zahl der Irren zunehme oder nicht, sicherer 
als jetzt entscheiden könne. 

H. Prof. Dr. Guttstadt (Berlin) führte verschiedene Fälle an, wo die 
Unterbringung von Irren in Familien auch ohne Anschluss an eine bestehende 
Anstalt mit grossem Erfolge durchgeführt sei. Eine ausgedehntere Anwendung 
dieser familiären Unterbringung von Geisteskranken scheitere aber daran, dass 
die Aerzte meist nicht psychiatrisch ausgebildet seien. Irrenkliniken beständen 
allerdings schon an 7 Hochschulen, dieselben würden aber wenig besucht, weil 
Psychiatrie nicht zu den Prüfungsgegenständen des medizinischen Staatsexamens 
gehöre. Nothwendig sei auch die Beseitigung der noch vielfach im Publikum 
herrschenden Ansicht, als ob die Unterbringung von angoblich Irren in einer 
Anstalt eine Schädigung ihrer Gesundheit zur Folge haben könne. Diese An¬ 
sicht sei ebenso unbegründet wie diejenige, dass bei der Aufnahme in Irren¬ 
anstalten Freiheitsberaubungen vorkämen und trage nur dazu bei, die recht¬ 
zeitige Unterbringung von Geisteskranken in eine Anstalt zu verhindern bezw. 
zu verzögern und dadurch die Heilung dieser Kranken wesentlich zu erschweren. 

Unter Erklärung des allgemeinen Einverständnisses mit dom Inhalte der 
von dem Referenten aufgestellten Thesen, sah die Versammlung von einer 
Abstimmung über dieselben wegen ihrer technisch-medizinischen Einzelheiten ab. 


Ueber das Schickgal pathogener Mikroorganismen lm todten Körper. 

Je mehr wir in die Lebens- und Wachsthumsbedingungen der pathogenen 
Bazillen eindringen, um so eher haben wir auch Aussicht, Aufklärung über 
die Art und Weise der Uebertragung der einzelnen Infektionskrankheiten, ob 
direkt von Individuum zu Individuum oder durch ein Medium anderer Art 
wie Luft, Wasser, Nahrungsmittel u. s. w. zu erlangen und um so näher 
kommen wir damit dem Ziele, die fraglichen Krankheiten in wirksamer Weise 
bekämpfen zu können. Von grosser praktischer Bedeutung ist daher die Frage, 
ob die pathogenen Mikroorganismen sich auch in Leichen weiter vermehren, 
oder ob und wie bald sie ihre Virulenz in denselben verlieren und zu Grunde 
gehen. Bisher lagen nach dieser Richtung hin, abgesehen von dem Milzbrand- 
Bacillus, nur wenige wissenschaftliche Aufzeichnungen vor und hat sich Dr. 
v. Eßmarch, Kustos am hygienischen Institut zu Berlin, ein besonderes Ver¬ 
dienst dadurch erworben, dass er durch eingehende und exakte, drei Jahre 
hindurch fortgesetzter Untersuchungen eine Klarstellung der obigen Frage 
versucht hat. Seine Untersuchungen erstreckten sich auf neun verschiedene 
Arten von pathogenen Bazillen: Mäusesepticämie, Schweinerothlauf, Milzbrand, 
Hühnercholera, malignes Oedem, Tuberkulose, Tetanus, Cholera und Typhus und 


d 



440 


Kleinere Mittheilungen. 


wurden dabei möglichst die natürlichen Verhältnisse nachgeahmt, um auf diese 
Weise thunlichst praktisch verwerthbarq Ergebnisse zu erzielen. Die mit den 
verschiedenen Bazillen infizirten Thiere (Mäuse, Meerschweinchen, Kaninchen) 
wurden in Folge dessen nach erfolgtem Tode und nach Feststellung der Todes¬ 
ursachen durch Deckglaspräparat, theils an der Luft, theils in der Erde (ver¬ 
schieden tief) oder im Wasser liegen gelassen und dann nach bestimmter Zeit 
kleine Theile von den Organen, in denen sich die Bakterien bei dem Tode in 
grosser Menge gefunden hatten, oder von anderen Körpertheilen entnommen 
und sowohl durch mikroskopische Untersuchung mittelst Deckglaspräparat, 
als durch Plattenkultur und vor allem durch Thierimpfung, dem sichersten 
und bequemsten Mittel, festgestellt, ob die gesuchte Bakterie noch vorhanden 
und noch virulent war oder nicht. Das Resultat sämmtücher ausführlich be¬ 
schriebenen Versuchsweisen ist, dass bei der grössten Anzahl der pathogenen 
Bakterien und höchst wahrscheinlich wohl bei allen ähnlich organisirten 
Krankheitserregern eine Weiterentwicklung derselben schon bald nach dem 
Tode des Wirthes aufhört und dass darauf fast regelmässig ein baldiges Zu¬ 
grundegehen derselben erfolgt und zwar tritt das letztere schneller ein bei 
rascher und intensiver Fäulniss, z. B. bei höherer Temperatur, oder wenn die 
Kadaver im Wasser liegen, langsamer dagegen bei niedriger Temperatur oder 
in tieferen Bodenschichten. Die Ursache dieses raschen Zugrundegehens liegt 
nach dem Verfasser in den meisten Fällen in der Ueberhandnahme der schneller 
und kräftiger wachsenden, nicht pathogenen Fäulnissbakterien, welche die 
schwächeren pathogenen Bazillen einfach erdrücken und überwuchern. 

In hygienischer Beziehung lässt sich aus diesen Untersuchungen folgern, 
dass ein Vergraben von Thieren, die an Infektionskrankheiten wie Milzbrand 
u. s. w. eingegangen sind, ein gutes Mittel ist, um weitere Infektionen von 
dem Kadaver aus zu verhindern und wird damit auch die jetzige Anschauung 
Über die geringe Gefahr der Kirchhöfe in Bezug auf die Weiterverbreitung 
von Infektionskrankheiten durch ihre Luft oder Abwässer von Neuem bestärkt. 

(Zeitschrift für Hygiene, 1889 Bd. VII, H. 1, S. 1-34.) 


Der Einfluss der Ventilation auf in der Loft snspendirten Mikro¬ 
organismen« Trotz der vielfachen Untersuchungen über das Vorkommen der 
Mikroorganismen in der Luft, über ihr Verhalten je nach der Jahreszeit, Wind¬ 
richtung u. s. w. ist die Frage, durch welche Mittel man die Luft keimfrei 
machen und erhalten kann, verhältnissmässig wenig bearbeitet; insbesondere 
ist noch nicht experimentell untersucht, ob und in welchem Masse die Ven¬ 
tilation, welche nach der allgemein herrschenden Anschauung in der Luft 
schwebende Bakterien beseitigt, dazu wirklich im Stande ist. H. Dr. Stern 
hat nach dieser Richtung hin im hygienischen Institut zu Breslau sehr exakte 
Versuche angestellt und fasst die Ergebnisse derselben wie folgt zusammen: 

1. In ruhiger Luft senken sich die von uns verstäubten Keime rasch zu 
Boden; bei Anwendung feinen Schulstaubes ist die Luft bereits nach 
1 1 / ä Stunden keimfrei. Noch leichteres Material (feinster Woll- und 
Hadernstaub, Schimmelpilz-Sporen) erfordert naturgemäss eine längere 
Zeit, um sich abzusetzen. 

2. Die meistens übliche Ventilationsstärke, welche einer ein- bis drei¬ 
maligen Lufterneuerung in der Stunde entspricht, macht die Zimmer¬ 
luft nicht oder (bei Winterventilation) doch nur ganz unwesentlich 
schneller keimfrei als das blosse Absetzenlassen. 

3. Eine weitere Steigerung der Ventilationsgrösse, wie sie aber praktisch, 
ohne direkten Zug hervorzurufen, kaum durchführbar ist, vergrössert 
allmählich den Einfluss der Ventilation auf die in der Luft schweben¬ 
den Keime. Die Grenze, bei welcher eine kräftigere und raschere Wir¬ 
kung beginnt, dürfte für unser Versuchsmaterial etwa einer sechs- bis 
siebenmaligen Lufterneuerung in der Stunde entsprechen. 

4. Eine schnelle und vollständige Fortführung der Keime aus der Luft von 
Wohnräumen lässt sich nur durch kräftigen Zug erreichen. 

6. Eine irgendwie beträchtliche Ablösung von Keimen vom Fussboden, von 
den Tapeten, Möbeln, Kleiderstoffen u. s. w. erfolgt selbst durch die 
bei starker Durchlüftung der Zimmer auftretenden Strömungen nicht. 



Kleinere Mittheilungen. 


441 


6. Die Entwickelung von Wasserdampf ist nicht im Stande, in der Luft 
suspendirte Keime rasch und vollständig niederzuschlagen; jedoch be¬ 
schleunigt sie das Absetzen derselben iu freilich nicht sehr beträcht¬ 
lichem Masse. 

Für die Praxis ergiebt sich hieraus der Schluss: dass die einmalige Des¬ 
infektion der Luft eines zur Zeit nicht bewohnten Zimmers allerdings 
durch sehr kräftige Zugluft erreicht werden kann, noch besser, sicherer und 
zweckmässiger aber dadurch, dass man dasselbe behufs Absetzenlassen sämmt- 
licher Keime 12—24 Stunden völlig geschlossen hält, sodann den Fussboden 
nass — am besten mit 1°/^ Sublimatlösung — aufwischt und darauf zur wei¬ 
tern Desinfektion der Möbel u. s. w. schreitet. — Dagegen haben die Ver¬ 
suche, wie ein bewohntes Zimmer, z. B. ein Krankenzimmer, dauernd keim¬ 
frei gehalten werden kann, keinen sichern Weg gezeigt; denn eine starke 
Ventilation ist wegen des unvermeidlichen Zuges praktisch unausführbar, auch 
zur Ablösung der an Möbeln u. s. w. haftenden Keime, wie bereits erwähnt, 
nicht ausreichend. Hier bleibt also nichts Anderes übrig, als prophylaktisch 
zu verfahren, d. h. jede Erregung von Staub, an dem ja zumeist die Keime 
haften, zu verhüten und Fussboden, Möbel u. s. w. nicht trocken abzukehren 
bezw. abzustäuben, sondern mittelst einer sicher wirkenden antiseptischen 
Lösung (l°/oo Sublimat) nass aufzunehmen bezw. abzuwaschen. 

(Zeitschrift für Hygiene 1889, VII. Band 1. Heft S. 44-75.) 


Veber die praktische Desinfektion von Abfallstolfen hat Dr. Sigis¬ 
mund von Gerlöczy (Deutsche Viertelj. f. öffentl. Gesundheitspfl. XXL Bd. 
8. H. 1889) Versuche angestellt, ans denen er folgendes Resum6 zieht: 

1. Sublimat verdient als Desinfektionsmittel für Exkremente und Keh¬ 
richt offenbar bei Weitem nicht jenes Vertrauen, welches man demselben auf 
Grund der älteren Desinfektionsversuche entgegen bringt. Zur Desinfektion 
des Inhaltes von Senkgruben kann dasselbe überhaupt nicht in Betracht kom¬ 
men, weil selbst die konzentrirteste flüssige Lösung desselben Exkremenstoffe 
von gleicher Menge nicht zu desinfiziren vermag. Auch zur Desinfektion 
frischer Exkremente müsse man überaus viel davon verwenden, was den 
Nachtheil der Kostspieligkeit zur Folge hat. Zieht man ausserdem noch in 
Betracht, das Sublimat in den Händen von Laien, ja auch in denen des zur 
Desinfektion verwendeten Dienstpersonals zu Vergiftungen Anlass geben kann, 
so wird dasselbe in der grossen Praxis der Desinfektion nicht als ein empfeh¬ 
lenswertes Mittel erscheinen. 

2. Dagegen ist besonders Kupfervitriol als vielversprechendes Des¬ 
infektionsmittel hervorzuheben. Die Versuche ergaben, dass dieses Mittel die 
Kanalflüssigkeit schon in einer Quantität von 1:100 ganz reinigt und geruchlos, 
ja selbst dauernd steril macht und dass dasselbe, in gehöriger Menge angewendet 
(und die Billigkeit dieses Mittel gestattet dies), auch den Inhalt von Senk¬ 
gruben und um so mehr frische Exkremente desinfizirt. Vorzüge von Kupfer¬ 
vitriol sind noch: dass es verhältnissmässig sehr wohlfeil, sowie nicht so sehr 
giftig ist und vermöge seiner auffälligen Farbe nicht leicht zu Irrthümern 
Anlass bietet. Jedenfalls verdient dasselbe, dass die Behörden damit in grös¬ 
serem Masse Versuche anstelle n. 

3. Ebenso nachdrücklich ist als Desinfektionsmittel die aus Asche be¬ 
reitete Lauge (2 Raumth. Holzasche mit 1 Raumth. Wasser ausgelaugt) zu 
empfehlen. Starke Lauge desinfizirt frische Exkremente, auch wenn sie kalt 
ist. Siedendheisse Lauge aber muss zu den wirksamsten und am schnellsten 
wirkenden Desinfektionsmitteln gezählt werden. 

4. Krystallisirte Karbolsäure verdient nach den Versuchen bei der 
Desinfektion weniger Beachtung, als Kupfervitriol oder Lauge, und zwar um 
so weniger, da der Preis derselben, im Verhältniss zu ihrer nachgewiesenen 
mässigen Wirkung, ein sehr hoher ist. 

5. Rohe Karbolsäure ist als Mittel zur Geruchlosmachung werthvoll. 

6. Die in neuester Zeit zur Desinfektion empfohlenen Mittel, nämlich 

Kreolin und a-Oxynaphtoesäure, können für die Desinfektion von den nacfay 
stehenden Abfallstoffen nicht in Betracht kommen. ■ 



442 


Kleinere Mittheilungen. — Referate. 


Auf Grund dieser Untersuchungs-Ergebnisse bringt Verfasser für die Des¬ 
infektion von Abfallstoffen folgende Verfahren in Vorschlag: 

a) Desinfektion und Geruchlosmachung von Senkgruben. Die 
vollständige Desinfektion von Senkgruben kann nur in ausserordentlichen 
Fällen beantragt werden; wie z. B. in Cholerazeiten, bei den zuerst auftau¬ 
chenden Fällen, wenn das Exkrement in den Abort geschüttet wurde. Zur 
Desinfektion empfiehlt sich dann eine starke Lösung von Kupfervitriol, und 
zwar mindestens 40 kg Kupfervitriol pro Kubikmeter Senkgrube (Kosten circa 
20 Mk.). 

Zur Geruchlosmachnng empfiehlt sich rohe Karbolsäure, und zwar auf 
einen Kubikmeter wenigstens 20 kg (Kosten ungefähr 6 Mk.). 

b) Desinfektion und Geruchlosmachung von Kanalflüssigkeiten. 
Als Desinfektionsmittel sollte Kupfervitriol im Grossen versucht werden. Schlam¬ 
mige, stark stinkende Ausgussrinnen können mit roher Karbolsäure geruchlos 
gemacht werden; und zwar benehmen schon 2 Theile von rohem Karbol 1000 
Theilen Schmutzwasser den Geruch. 

Die Kanalöffnungen und Schlammbehälter werden am zweck¬ 
mäßigsten durch Ausspülen mit Wasser, eventuell mit Zinkvitriol oder rohem 
Karbol geruchlos gemacht und rein gehalten. 

c) Trockener Strassenkehricht ist zu befeuchten und schneilaus 
der Stadt zu entfernen. In den Wohnhäusern, auf den Stiegen und in den 
Höfen sollte es aber nicht gestattet sein, Karbolkalk aufzustreuen, sondern 
sollte der Staub und Kehricht lieber durch fleissiges Fegen und Aufwaschen 
mit ZinkvitriollÖ8un^ (10°/ 0 ) entfernt resp. unschädlich gemacht werden. 

d) Desinfektion frischer Exkremente. Zur Desinfektion der Darm¬ 
entleerungen ist eine starke Lösung von Kupfervitriol zu empfehlen, und zwar 
wenigstens 1 g Kupfervitriol auf 100 kcm Exkremente. Noch angezeigter ist 
es, die Exkremente mit dreifacher Menge siedender Lauge (1 Th. Asche auf 
2 Th. Wasser) zu desinfiziren. Billig und gut desinfizirt auch noch Kalkmilch 
(1 Th. Kalk in 20 Th. Wasser gelöscht) im beiläufigen Quantum von */ 5 bis 
V 10 des Exkrementes. 


Uaber die physikalische Einwirkung von Sinkstoffen auf die im Was¬ 
ser befindlichen Mikroorganismen, hat Dr. Bruno Krüger im hygienischen 
Institut m Berlin zahlreiche Versuche angestellt, die zu dem Ergebniss führten, 
dass fein vertheilte, chemisch indifferente Substanzen, wie z. B. Holzkohle, 
Coaks, Sand, Thon, Schlemmkreide, Ziegelmehl u. a. in Wasser gebracht zwar 
einen grossen Theil der in demselben enthaltenen Bakterien auf rein mecha¬ 
nischem Wege zu Boden führen, dass aber diese Wirkung eine viel bedeuten¬ 
dere ist, wenn zu der mechanischen Wirkung noch die chemische, z. B. durch 
Zusatz von Holzasche, Kalkmilch allein oder unter Zusatz von roher schwefel¬ 
saurer Thonerde hinzutritt. Zur Reinigung von Wässern werden daher auch 
die letzteren Stoffe im Allgemeinen den Vorzug verdienen, während die rein 
mechanisch wirkenden Substanzen, wenn überhaupt, dann nur zur Unterstützung 
jener Verwendung finden können. 

(Zeitsmirift für Hygiene 1889; VII. Band, 1. Heft S. 86 — 115). 


Referate. 

Sir H. Thompson in London. Die moderne Leichenverbren¬ 
nung. Aus dem Englischen übersetzt von Dr. Paul Cohn in 
Berlin. Fischer’s medizinische Buchhandlung (H. Konifeld). 
Berlin 1889. Gr. 8. S. 67. Preis: 1.75 Mark. 

Der Verfasser, Präsident des von ihm im Jahre 1874 ins Leben gerufenen 
Vereins „The Cremation Society ofEngland u , versucht in obiger Brochüre das 
Thema der Feuerbestattung in populärer Weise zu beleuchten und die gegen 
dieselbe erhobenen Einwände zu widerlegen. Im ersten Abschnitt werden die 
Anfänge wie die weitere Entwickelung der ganzen Frage historisch dargestellt 



Referate. 


448 


unter besonderer Berücksichtigung der diesbezüglichen Bestrebungen des 
oben genannten Vereins in England, die allerdings infolge der grossen 
Schwierigkeiten, welche sich bei der dort herrschenden orthodoxen Rich¬ 
tung sowohl von Seiten des Publikums und der Geistlichkeit, als auch von 
Seiten der Regierung einer Einführung der Leichenverbrennung entgegen¬ 
stellten, bisher nur von verhältnissmässig geringem Erfolge begleitet gewesen 
sind. Ueberhaupt dürfte die Ansicht des Verfassers, dass die Leichenverbren- 
nung in einigen Theilen Europas bereits eine fest begründete Einrichtung sei, 
eine ziemlich gewagte sein gegenüber der Thatsache, dass trotz aller Propa¬ 
ganda bis Ende 1888 nach seinen eigenen Mittheilungen in England im Ganzen 
53 (die erste im Jahre 1885), in Italien 788 (die erste im Jahre 1876) und in 
Deutschland (Gotha) gegen 700 (die erste im Jahre 1879) Feuerbestattungen 
stattgefunden haben. 

Der zweite Abschnitt bringt eine eingehende Schilderung der Vorzüge 
der Leichenverbrennung in gesundheitlicher, ästhetischer und ökonomischer 
Beziehung. Während nach den jetzigen Anschauungen die Kirchhöfe in Bezug 
auf ihre sanitären Gefahren im Allgemeinen nicht mehr so rigorös beurtheilt 
werden wie vor 10 Jahren, steht Verfasser auf dem Standpunkte, dass dieselben 
trotz aller gesundheitspolizeilicher Vorsichtsmaßregeln bei ihrer Anlage und 
Benutzung, sowie trotz aller Desinfektion infektiöser Leichen dennoch eine 
häufige Quelle von Krankheiten für die umwohnende Bevölkerung bilden und 
die Feuerbestattung daher als schnellstes und wirksamstes Mittel, den Körper 
nach dem Tode sicher und unschädlich aufzulösen, der Beerdigung unbedingt 
vorzuziehen sei. Ferner würden durch die erster© Tausende von Morgen 
Landes, welche jetzt als Begräbnissplätze dienten, einer besseren Verwerthung 
zugänglich gemacht und die Kosten der Bestattungsfeierlichkeiten erheblich 
verringert (?). Auch aus ästhetischen Gründen verdiene die Verbrennung der 
Leichen vor den das Gefühl verletzenden Stadien der Verwesung den Vorzug, 
desgleichen gebe dieselbe allein die Möglichkeit, die „geläuterten Ueberresto 
der gläubigen Christen den geheiligten Stätten ihrer Kirche zurück zu er¬ 
statten 44 , was jetzt aus Gründen der öffentlichen Gesundheitspflege unzulässig 
sei. Verfasser erkennt dabei die Schwere des Einwandes, dass durch die 
Loichenverbrennung etwa vorhandene Beweismittel einer stattgehabten Ver¬ 
giftung oder sonstigen gewaltsamen Todesart vernichtet werden könnten, im 
vollsten Masse an, glaubt aber, dass dies durch eine gesetzlich geordnete 
Leichenschau — ärztlicher Todtenschau auf Grund persönlicher Anschauung 
und Beobachtung; in zweifelhaften Fällen mit Eröffnung der Leiche — sicher 
zu verhüten sei und dass durch die Einführung einer derartigen Leichenschau 
sogar die öffentliche Sicherheit erheblich verstärkt werde gegenüber den 
jetzigen Verhältnissen, wo Tausonde von Leichen ohne vorheriges Beibringen 
eines ärztlichen Ältestes alljährlich bestattet würden. Er erwartet endlich 
kein rasches Schwinden der vielfachen Vorurtheile und ist zufrieden, wenn nur 
die Leichenverbrennung als gesetzmässiger Vorgang anerkannt und ihre Vor¬ 
nahme gestattet wird, sobald die gesetzlich dafür vorzuschreibenden Be¬ 
dingungen erfüllt werden (facultative Feuerbestattung). 

Als Anhang sind die Statuten und sonstigen Vorschriften des gedachten 
Vereins, sowie diejenigen Formulare abgedruekt, welche in Frankreich bei 
jedem Todesfall ausgefüllt werden müssen, bevor eine Beerdigung stattfinden 
darf. Die Ansicht des Verfassers, dass auch in Deutschland eine in ähnlicher 
Weise geregelte ärztliche Leichenschau besteht, ist eine irrthümliche. An dom 
Mangel einer solchen würden daher auch hier alle Bemühungen, der Feuer¬ 
bestattung eine grössere Ausdehnung zu verschaffen, zunächst noch scheitern, 
ganz abgesehen von den schwerwiegenden Bedenken der Rechtspflege und 
öffentlichen Sicherheit, gegen welche die hygienischen Rücksichten unbedingt 
zurückstehen müssen und deren Widerlegung dem Verfasser keineswegs ein¬ 
wandsfrei gelungen ist. Gleichwohl verdient die vorliegende Schrift als 
werthvoller Beitrag für die Klärung der Frage der Feuerbestattung allen sich 
für die letztere interessirenden Kreisen warm empfohlen zu worden und ist 
es daher nur dankend anerzukennen, dass ihr Inhalt auch den deutschen Lesern 
durch eine recht gute Ueborsetzung zugängig gemacht worden ist, 

Rpd. 



Referate. 


444 

Dr. Wiener, Kreisphysikus und Sanitätsrath in Graudenz. Samm¬ 
lung gerichtlich-medizinischer Obergutachten. Berlin, 
Fischer’s medizinische Buchhandlung (H. Kornfeld). 1889. 

Das erste Heft der Sammlung beginnt mit den Verletzungen durch 
mechanische Gewalt und enth&lt a, 10 Fälle von Kopfverletzungen. Fall 1, 2, 
3, 4, 6 und 7 haben die wissenschaftliche Deputation zum Autor, Fall 5, 9 und 
10 sind Facultäts-Gutachten, Fall 8 ist vom Bayer. Medizinal-Komite bearbeitet. 

Trotzdem die Ueberschriften in der Kasuistik Ober die einzelnen Fälle 
genügend orientiren, dürfte es sich empfehlen, den einzelnen Abschnitten eine 
kurze Erläuterung vorauszuschicken, in welcher der Leser über das Geeammt- 

f äbiet des Abschnittes, wie über die einzelnen Kategorien, welche der konkrete 
all erläutert, Ueberblick und Anschauung erhält. Die den einzelnen Fällen 
angehängten Bemerkungen genügen diesem Zweck nicht vollständig. 

Ueber das benutzte Material geben nachstehende Ueberschriften Auskunft: 
Fall 1. Gehirnverletzung. Risse der Gehirnmasse. Apoplexie. — Faustschläge, 
Trunkenheit, Zorn, Lage auf kalter Erde u. dergl. ohne Bedeutung. 

Fall 2. Schlagflus8 durch Schläge gegen den Kopf. — Nicht Blutwallung 
infolge von Rausch oder Riegen. 

Fall 3. Tod durch Kopfverletzung. — Nicht durch Verbrennung. Wirkung 
brennenden Petroleums auf den Körper. Ueber Glaubwürdigkeit jugend¬ 
licher Zeugen. 

Fall 4. Tod durch Wundrose infolge von Kopfverletzungen unerheblicher 
Art nach 9 Tagen. — (Die Erläuterungen Wiener’s zu diesem Fall kann 
ich nicht für treffend erachten). 

Fall 5. Eiterige Meningitis, Gehirnabsceqs, Caries des Felsenbeines. — Nicht 
gewaltthätige Einwirkung. Spontane Erkrankung. 

Fall 6. Wurf mit einer Forke. Tod infolge Schädelbruches, nicht des Ge¬ 
nusses von Stechapfelsamen. 

Fall 7. Schlag auf den Kopf. Verfall in Siechthum. Definition des Begriffes 
„Siechthum.“ 

Fall 8. Tod nach 3 Jahren durch traumatische Rinden-Epilepsie. 

Fall 9. Ohrfeige, Schläge auf den Kopf, als deren Folge Epilepsie eingetreten 
sein solL 

Fall 10. Schussverletzungen des Kopfes. Mord oder Selbstmord. 

Wiener hatdie Gutachten mitSorgfaltausgeeuchtundmitGeschickgeordnet. 
Wir finden als Todesursache bei Kopfverletzung: Kopfrose, hämor¬ 
rhagischen Blutdruck, Gehirnquetschung, Gehirnentzündung traumatischer und 
spontaner Natur. Daneben Trauma mit nachfolgendem Siechthum und mit 
Rinden-Epilepsie. 

Wenn die Kasuistik nicht (ganz erschöpft ist, so gebietet dies die Stärke 
des einzelnen Heftes, in dem wir keinen der interessanten und belehrenden 
Fälle vermissen möchten. Wir können das Heft und damit das ganze Vor¬ 
haben namentlich den Physikatskandidaten warm empfehlen. 


Prof. Mendel: Ueber reflektorische Pupillenstarre. Vor¬ 
trag vom 6. Nov. d. J. in der Berliner medizinischen Gesell¬ 
schaft. (Berl. KL Wochenschrift 1889, No. 47. 

Mendel, der sich um die Erforschung der progressiven Paralyse bereits 
so wesentliche Verdienste erworben hat, hat in dem genannten Vorträge neues 
Material zur Erklärung eines Hauptsymptoinee dieser auch für den Genchtsarzt 
so wichtigen Krankheit geliefert. 

Das Robertson'sche Zeichen, die reflektorische Pupillenstarre, besteht 
darin, dass die Pupillen, ohne jede Erkrankung des Augapfels ein eigentüm¬ 
liches Verhalten zeigen. Sie verlieren die Fähigkeit, sich auf einen in das 
Auge fallenden Lichtreiz zusammen zu ziehen, sie bleiben starr, während sie 
sich bei Einstellung der Augen für die Nähe, bei der Akkommodation und bei 
der Konvergenz der Sehaxen in normaler Weise kontrahiren. 

Auch Mendel konnte durch eigene Beobachtung nachweisen, dass dies 
Symptom bei Tabes und Paralyse häufig auftritt. Von 95 Paralytikern boten 
44, von 110 Tabikern 73 das Robertson'sche Zeichen. 



Referate. 


m 


Schon Erb hob hervor, dass die Stelle, deren Veränderung den Reflex 
aufhobt, die Papille starr macht, in dem Heflexbvig!?» awischen Opticus and 
Oeulomotorius liegen müsse, .1. h. im Zentralapparat. Nach Sey, Retzius and 
Q.udden dienen diesem Reflexe besondere Fasern, die Pupülarfusern. Flourens 
nahm bei Vögeln die Zweihügel, bei Säugethieren die .AT&rhfljgeJ als ZentrOm 
in Anspruch, Budge die innere H&lfte det Vördni^»« Vierhügel Auch 
Magnus folgt dieser Auffassung (TtucIus opticus, Yjerhügd, Meynort'sebe 
Fasern, SphuUtfcevenkern im Oculomotoriuskcrn. 

Knoll’a und Guddan’s Versuche sprachen dagegen 
Guddön nahm das Corpus geniculatum exi. als Zeotrmu dieser Firnem 
in Anspruch. 

Mendel Hess bei neugeborenen Thieren die Iris xusu grOsst-uri Theile 
entfernen und konnte einige dieser Thiere am Leben erhalte«. \ - • 

Nach einigen Monaten zeigten die Thiere, deren Auge nicht vereitert, 
war, keine Veränderung des Sehnerven. 

.Eier musste also angenommen werden, dass ein im Z&utml&ppaf&t etwa 
zu entdeckender Defekt lediglich auf die künstlich hetvörgebrachte Störung 
firner-Funktion.-«tu der F«riph«w d. h. .;&*&$ auf die Ausschaltung der Iris¬ 
bewegung an einem Auge «u beziehen sein. 

In den Fällen, in denen mit Vereiterung des Bulbus Seimervenatrophie 
eintrat, wurde regelmässig, wie in den Gud de n‘ sehen A^omieben mit Exstir¬ 
pation das Bulbus ociüx, dar vordere Vierhügel und das .'Corpus geniculatöm 
•jxteruum der *ntgegeBgos©i*t9n Seite atrophiut'h gofiifldftn. 

Immer fand sich aber auch., was bishex nicht beschrieben, 
ein® Atrophie in dem Ganglion habeuttiae der kranken Seit iß, 

•In den Fällen, wo der Augapfel nrbaltefi blieb, wo im Sehnerven keme 
öder dar ganz Unerhebliche Atrophie nachweisbar' war, Hessen «ich keine Ver¬ 
änderungen an dem »orderen Vierhüg«} »nd aä dem Corpus genicujatuia exter* 


num nach weisen. 


Dagegen fand sich regelmässig eine Atrophie des Ganglion 
httbenultte auf der operirteo Seit«.* 

Makroskopisch istda* Ganglion Warner als dee der gesunden Seite, tuikror 
sköpiscb «ind »eine .Zellen'vnrkiJmumrt. '• • : : : 

Sonach scheint Im Ganglion habenulac ein Zbhitüinfür die Pupillem- 
-gitftg zu liegen 

riackschewTfcäuh bat auch anatomisch und physiologisch »acbgewieHen, 
dass die Fupöierifasoxn d&i TraetUs' opticus in die Glandula pineuJis und.des 
Ganglion habönul&e -gehen. 

Auch dar öüdden'sehe Slera zeigte sich in 5äFWIeu Atrophisch. 

Demnach würde eich als Reflexbahn ergeben: Nervus opticus, Tracht;-?, 
opticus ungekreuzt, zu dem Ganglion habenulae, hintere Kommissur, Guddett- 
scher Kern und von diesem zu den Fasere des Oco lomotorj nssta m me«, 

Mittenzweig. 


• . * . • . . 

Erwiderung auf die Best-reo bang der Heidenhalirisekcir Arbeit Slnrxgeburt, 

Referent*) sagt in der vorigen Nummer dieseu Blatte* S, 411 zu: Heiden- 
h a i n - Sturegebört ? ; 

r Die Ansicht de» Wr&issprs. dass nach dem Sturz« ergiebige Athens- 
bewegungen. nicht mehr möglich waren, ist, wia in Hoffman»'» Lehrbuch 
der ger. Medizin 2. Aufi. pag. GÜO dargethan ist. mthflaiBch,' 4 

Hierauf erwidere Ich icura Fufemidcsv. im 


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woodum, bin ich nicht'- der yoiß Hefe• • .•• ; ... 

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*) Das bflUiSoffcude Boferat; Heiiii'wbu»u kturzgoirurt b» : 
Freycr, «pudern von Dr. MäasmaUA Vgfüiv»t, ' Dm frrfüum *t > 


Ordnung der Referate tu No. U eAtetambm 


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446 


Verordnungen und Verfügungen. 

Verordnungen und Verfügungen. 

Berechtigung der Chef-Aerzte der Militär-Lazarethe zur Ausstellung von 
Leichenpässen« Erlass der Minister des Innern (gez. Herfurth) II 
No. 12101, der etc. Medizinalangelegenheiten (gez. im Aufträge Löwen¬ 
berg) M. No. 8542 und der Justiz (gez. in Vertretung Nebe-Pflugstädt) 1 
No. 3481 vom 11. Oktober 1889 an alle Königl. Regierungspräsidenten. 

In den Zirkular-Erlassen vom 6. April 1888, vom 23. Dezember und 
29. Dezember desselben Jahres ist bestimmt worden, dass nur ein beamteter 
Arzt, d. h ein Kreisphysikus, die zu einem Leichenpasse erforderliche Be¬ 
scheinigung über die Todesursache, sowie darüber auszustellen berechtigt ist, 
dass seiner Ueberzeugung nach der Beförderung der Leiche gesundheitliche 
Bedenken nicht entgegenstehen. Diese Bestimmung erweitern wir dahin, dass 
auch den Chefärzten der Militär-Lazarethe hinsichtlich der in letzteren ver¬ 
storbenen Personen die Befugniss zur Ausstellung der gedachten Bescheinigun¬ 
gen in gleicher Weise zusteht, wie den Kreisphysikern auf Grund der No. 2 
des Zirkular-Erlasses vom 6. April 1888.*) 

Ew. Hochwohlgeboren ersuchen wir ei*gebenst die in Betracht kommenden 
Behörden hiervon gefälligst in Kenntniss zu setzen und wegen der Veröffent¬ 
lichung dieses Erlasses durch das dortige Amtsblatt das Erforderliche zu 
verfügen. 

*) Die von den Vorständen verschiedener A erztekammern gemachten 
Eingaben behufs Abänderung der in dem Erlass vom 23. September v. J. 
gegebenen Bestimmung, wonach nur den Kreisphysikern die Berechtigung zur 
Ausstellung der bei Leichenpässen erforderlichen Bescheinigung zusteht, haben 
die obengenannten Herrn Minister übrigens ablehnend beschieden. Das be¬ 
treffende Antwortschreiben lautet: 

„Durch den von dem Herrn Reichskanzler unter dem 14. Dezember 1887 
veröffentlichten Beschluss des Bundesraths vom 1. Dezember 1887 ist der § 34 
des Betriebs-Reglements für die Eisenbahnen Deutschlands, welcher die Be¬ 
stimmungen über den Transport von Leichen und die Ausstellung von Leichen¬ 
pässen enthält, abgeändert und wir haben in Verfolg dieses Beschlusses unter 
dem 6. April v. J. die erforderlichen Ausführungsbestimmungen erlassen. 

Gleichzeitig und im Zusammenhänge mit dem erwähnten Beschluss ist 
von dem Bundesrath der Entwurf zu »Bestimmungen über die Beförderung 
von Leichen auf Eisenbahnen“ angenommen worden und sind durch ein 
Schreiben des Herrn Reichskanzlers vom 22. Dezember 1887 der diesseitigen 
Königlichen Staatsregierung zugegangen und von uns in Gemeinschaft mit 
dem Herrn Justizminiater durch Erlass vom 6. April v. J. den sämmtlichen 
Herren Regierungspräsidenten bezw. Regierungen behufs weiterer Veranlassung 
zur Kenntniss gebracht. 

Diese „Bestimmungen“ ordnen in Ziffer 2 b an, dass ein Leichenpass nur 
für solche Leichen zu ertheilen sei, für welche eine nach Anhörung des be¬ 
handelnden Arztes ausgestellle Bescheinigung des beamteten Arztes (für Preussen 
also des Physikus) über die Todesursache, sowie darüber, dass seiner Ueber- 
zeugung nach der Beförderung der Leiche gesundheitliche Bedenken nicht ent¬ 
gegenstehen, beigebracht worden ist. 

Unser Erlass vom 23. September, gegen welchen sich die Vorstellung der 
Aerztekammer richtet, ist lediglich eine weitere Folge des vorigen, in Aus¬ 
führung des Bundesrathsbeschlusses ergangenen. 

Da nämlich durch die Bekanntmachung des Herrn Reichskanzlers vom 
14. Dezember 1887 zugleich ein bestimmtes Formular für die behufs des 
Transportes von Leichen auszustellenden Leichenpässe zur Einführung gelangte, 
das durch Erlass vom 19. Dezember 1857, welcher das Leichentransportwesen 
für Preussen regelte, vorgeschriebene Leichenpassformular aber nicht besonders 
aufgehoben worden war, stellten sich insbesondere in den nicht seltenen 
Fällen, wo Leichen theils auf Eisenbahnen, theils auf anderen Wegen zu be¬ 
fördern waren, infolge der verschiedenen Fassung der Leichenpässe Miss- 
8tändo heraus. 

Dies gab Veranlassung, für alle Leichentransporte in Preussen die Be¬ 
nutzung des durch den mehrerwähnten Bundesrathsbeschluss festgesetzten 



Literatur. — Personalien. 


447 


Literatur. 

Zur Rezension sind eingegangen: 

1. Dr. L. Becker: Anleitung zur Bestimmung der Arbeit«- und Erwerbs¬ 
fähigkeit nach Verletzungen. Zweite Auflage. Berlin 1889. Verlag 
von Enslin (Richard Schötz) Luisenstrasse No. 36. 

2. Dr. Otto Ringk: Wie können wir Ansteckungskrankheiten und ihren 
Epidemien mit Erfolg entgegentreten? Berlin W. Hugo Steinitz, 
Verlag. 1890. 

3. Ed. Engel, Lehrer tur Sprache und Gesang: Ueber den Stimmumfang 
sechsjähriger Kinder und den Schulgesang. Hamburg 1889. Verlags¬ 
anstalt und Drnckerei-Aktien-Gesellschaft (vorm. J. F. Richter). 


Personalien. 

Auszeichnungen: 

Verliehen: Der Charakter als Geheimer Sanitätsrath: dem 
Kreisphysikus Sanitätsrath Dr. Lindow in Prenzlau; als Sanitätsrath: den 
praktischen Aerzten Dr. Bosse zu Doinnau (Kreis Friedland; Dr. Hertz in 
Königsberg i/Pr., Dr. Burchard und Kreiswundarzt Dr. Stern in Breslau; 
Dr. Preu in Reichenbach i/Schl.; Dr. Kortmann, Direktor der Provinzial - 
Hebamnienlehran8talt zu Wittenberg; der Rothe Adlerorden 1H Klasse 
mit der Schleife: dem praktischen Arzt Sanitätsrath Dr. Zartmann in 
Bonn; der Rothe Adlerorden IV. Klasse: dem Kreiswundarzt Giese in 
Osterburg; dem bisherigen Oberstabs- und Regimentsarzt Dr. Röber zu 
Halberstadt und dem Sanitätsrath Dr. Wagner in Naumburg a./S. 

Die Genehmigung ertheilt zur Anlegung: des Grosskomthur- 
kreuzes des Grossherzoglich Mecklenburg-Schwerin’schen Greifen- 
Ordens: dem General- und Corpsarzt Professor Dr. Leuthold in Berlin; des 
Grossoffizierkreuzes der Italienischen Krone dem Geheimen Medizinal¬ 
rath Professor Dr. von Bergmann in Berlin. 

Formulars vorzuschreiben, womit sich dann die Abänderung der in dem Erlass 
vom 19. Dezember unter Ziffer 1 und 2 enthaltenen Vorschriften, welche mit 
den für die Ausstellung der Leichenpässe in Ziffer 2b der „Bestimmungen etc.- 
erlassenen in Widerspruch standen, in zweckmässiger Weise verbinden musste. 

Ew. Hochwohlgeboren wollen aus dieser Klarlegung des Sachverhalts 
gefälligst ersehen, welches die Veranlassung zur Abänderung des Erlasses vom 
19. Dezember 1857 in Ziffer 1 und 2 gewesen ist und dass dieselbe keinen 
Grund für die Auffassung bieten kann, als ob ein unsererseits dem ärztlichen 
Stande entgegengebrachtes Misstrauen sich in demselben bekunde. 

Wir können übrigens nicht umhin, darauf aufmerksam zu machen, dass 
die Staatsbehörden von jeher, wenn sie in die Lage kommen, die Beibringung 
ärztlicher Bescheinigungen zu verlangen, in der Regel solche von Medizinalbeamten 
schon deshalb fordern, weil diese Beamten zur Ausstellung solcher Atteste 
verpflichtet und dabei an Vorschriften gebunden sind, welche sie zu besonderer 
Genauigkeit und Gründlichkeit anhalten. Auch macht das Dienstsiegel, 
welches die Physiker führen, ihre Atteste geeignet, auch fern von ihrem Wohn¬ 
sitze vorgelegt zu werden, während das Attest eines Privatarztes da, wo er 
unbekannt ist, ohne Beglaubigung seiner Unterschrift und seiner ärztlichen 
Eigenschaft leicht als unzulänglich erachtet werden kann. 

Was die Unzuträglichkeit betrifft, welche die Aerztekammer von der 
Wirkung unseres Erlasses vom 23. September v. J. befürchtet und die mit 
gleichem Rechte hienach von dem Erlass vom 6. April v. J. in noch höherem 
Grade zu befürchten sein müssten, dessen Bestimmungen in sämmtlichen 
Deutschen Bundesstaaten zur Geltung gelangt sind, so wird abgewartet werden 
können, ob dieselben sich thatsächlich herausstellen werden, in welchem 
Falle es den Staatsbehörden nicht an Mitteln fehlen dürfte, dieselben zu be¬ 
seitigen.“ 



448 


Personalien. 


Ernennungen und Versetzungen: 

Ernannt: Der praktische Arzt Dr. Wolff zu Joachimsthal unter Be- 
lassung an seinem Wohnsitz zum Kreiswundarzt des Kreises Angermünde; der 
praktische Arzt Dr. Erdner zu Schwerin a/W. zum Kreisphysikus des Kreises 
Schwerin; der praktische Arzt Dr. Forstreuter zu Heinrichswalde unter Be¬ 
ladung in seinem Wohnsitz zum Kreisphysikus des Kreises Niederung und der 
praktische Arzt Stabsarzt a. D. Dr. Curtze zu Ballenstedt zum Kreisphysikus 
des Kreises Dannenberg. 

Versetzt: Kreisphysikus Dr. Raabe zu Kammin in gleicher Eigen¬ 
schaft nach Kolberg, Kreisphysikus Dr. Fielitz in Querfurt in gleicher Eigen¬ 
schaft in den Saalkreis mit Anweisung seines Wohnsitzes in Halle a/S.; Kreis¬ 
physikus Dr. Grandhomme in Höchst zum Polizei-Physikus des Stadtkreises 
Frankfurt a/M. unter gleichzeitiger Beauftragung mit der Verwaltung des ge¬ 
richtlichen Physikats desselben Kreises. 

Verstorben sind: 

Die praktischen Aerzte: Dr. Stamer in Vilsen, Dr. Kayser in Halle a/S., 
Kreisphysikus und Sanitätsrath Dr. Joesting in Halberstadt, Dr. Sänger in 
Sulza, Dr. Berth in Beuthen (Reg.-Bez. Liegnitz), Dr. Becker in Billerbeck, 
Dr. Adolph Riesenfeld in Breslau, Dr. Claussen in Roetgen, Kreiswund¬ 
arzt Rudloff in Delitzsch, Kreiswundarzt Hornickel in Setterich, Kreis¬ 
wundarzt Dr. Hillmann in Heinsberg, Dr. Hirschfeld in Königsberg i/Pr. 

Vakante Stellen: *) 

Kreisphysikate: Allenstein, Preuss. Stargard mit einem Gehalt von 
1400 Mark, Schlawe, Franzburg mit Stadtkreis Stralsund, Kammin, Witkowo, 
mit 900 Mark Stellenzulage, Jarotschin, Wreschen, Schildberg mit 750 Mark 
Stellenzulage, Neutomischel, Schmiegel, Gostyn, Querfurt, Halberstadt (Be¬ 
werbung bis zum 6. Dezember beim Königl. Reg.-Präs. in Magdeburg), Uslar, 
Hümmling mit 900 Mark Stellenzulage, Sulingen mit 600 Mark Stellenzulage, 
Zeven, Herford, Höchst (Bewerbungen bei dem Königl. Reg.-Präs. in Wies¬ 
baden bis zum 10. Dezbr.), Adenau mit 600 Mk. Stellenzulage (Bewerbung bis 
1. Januar bei dem Königl. Reg.-Präs. in Koblenz), Heiligenhafen, Daun mit 
einer Stellenzulage von 900 Mark, Oberamt Gammertingen und Sigmaringen. 

Kr eis wundarztstellen: Fischhausen, Darkehmen, Heiligenbeil, Heyde- 
krug, Oletzko, Tilsit, Karthaus, Marienburg, Loebau, Marienwerder, Tuchei 
(Bewerbung bis zum 11. Dezember beim Königl. Reg.-Präs. in Marienwerder), 
Graudenz, Belgard, Grimmen, Templin, Friedeberg, Ost- und West-Stemberg, 
Bütow, Lauenburg i/P., Dramburg, Schievelbein, Bomst, Schroda, Bromberg, 
Wreschen, Strehlen, Ohlau, Kosel, Falkenberg in Oberschlesien, Lublinitz, Lauban, 
Reichenbach, Grünberg, Münsterberg, Sagan, Militsch, mit dem Wohnsitz in 
Sulau, Jerichow I, Wanzleben, Delitzsch, Worbis, Sangerhausen, Langensalza, 
Lübbecke, Warburg, Lippstadt, Meschede, Hünfeld, Unterwesterwald-Kreis, 
Kassel, (Bewerbung bis zum 5. Dezember bei dem Königl. Reg.-Präsidenten in 
Kassel), Erkelenz, Kleve, Landkreis Köln, Bergheim, Wipperfürth, Grevenbroich, 
Heinsberg, Jülich und St. Wendel. 

*) Wo ein bezüglicher Vermerk fehlt, sind die Stellen entweder noch 
nicht ausgeschrieben oder die offiziellen Meldefristen bereits abgelaufen. 


Dieser Nummer ist der offizielle Bericht über die siebente Hauptver¬ 
sammlung des Frenssisctaeu Medizinal beamten Vereins beige¬ 
geben; ausserdem Titel und Inhaltsverzeichnis, sowie für die Mitglieder 
des obigen Vereins ein Bundschreiben des Vorstandes« 

„Wegen Fertigstellung des anliegenden Berichts hat sich die Absen¬ 
dung der Nummer um einige Tage verzögert«“ 


Verantwortlicher Redacteur: Dr. H. Mittenzweig, Berlin, Friedrichstr. 136. 

Fürstlich priv. Hofbuchdruckerei (F. Mitslaff), Rudolstadt. 






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