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(7-429 357
TUBERKUL
UNTER MITWIRKUNG DER HERREN
PROF. ARLOING (Lyon), Pror. BABES (BUKAREST), ProF. Guipo BACCELLI (Rom),
PROF. BANG (KOPENHAGEN), KAISERL. LEIBARZT DR. LEO BERTHENSON (ST. PETERSBURG),
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ProF. COZZOLINO (NEAPEL), PROF. A. CHAUVEAU (Paris), PROF. CORNET (BERLIN), GEH,
MED.-RAT PROF. CURSCHMANN (LEIPZIG), GEH. MED.-RAT PROF. FLÜGGE (BRESLAU), GEH.
MED.-RAT PROF. HEUBNER (BERLIN), OBER-MED.-RATJOHNE (DRESDEN), PROF. DR.S.A. KNOPF
(NEW York), WIRKL. GEH. RAT KOHLER, EXZELLENZ (GÖTTINGEN), DR. KOHLER (HOLSTER-
HAUSEN), PROF, VON KORANYI (BUDAPEST), Dr. LANDGRAFF (BELZIG), ProF. LAN-
DOUZY (Paris), Pror. LANNELONGUE (Paris), SAN.-RAT DR. MEISSEN (HOHENHONNEF),
ERSTER HOFMARSCHALL V. PRINTZSSKÖLD (STOCKHOLM), DR. PYE-SMITH (LoNDON), Dr.
OTT (LUBECK), DR. RANSOME (BOURNMOUTH), GEH. REG.-RAT RIETSCHEL (BERLIN), DR.
RUMPF (EBERSTEINBURG), PROF, A. SATA (OSAKA, JAPAN), Dr. SCHELLENBERG (RUPPERTS-
HAIN I. TH.), GENERALSTABSARZT DER ARMEE SCHJERNING, EXZELLENZ (BERLIN), GEH. BAURAT
SCHMIEDEN (BERLIN), DR. SCHRÖDER (SCHOMBERG), Dr. SERVAES (ROMHILD 1. TH.),
PRIMARARZT DR. v. SOKOLOWSKI (WARSCHAU), DR. E. L. TRUDEAU (SARANAC LAKE,
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Sir HERMANN WEBER (LONDON).
HERAUSGEGEBEN VON
B. FRANKEL, F.KRAUS, E.v.LEYDEN, W.v. LEUBE
REDAKTION: Pror. Dr. A. KUTTNER, BERLIN W. 62, LüTzowpLarTz 6
13. BAND
MIT 2 TAFELN.
LEIPZIG 1909
VERLAG VON JOHANN AMBROSIUS BARTH
DORRIENSTRASSE 16.
Die Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften im Umfange von 5 bis 6 Bogen.
6 Hefte bilden einen Band, der 20 Mark kostet.
Originalarbeiten in größerer Schrift werden mit 30 Mark, Referate in kleinerer
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halten 40 Sonderabdrücke kostenlos geliefert.
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Die Redaktion richtet an die Verfasser von einschlägigen Arbeiten die höf-
liche Bitte, einen Sonderabdruck der jeweiligen Arbeit einzusenden, um eine voll-
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Einsendungen erbeten an Wirkl. Geh. Rat Exzellenz Prof. Dr. E. von Leyden,
Berlin W. 10, Bendlerstr. 30, oder an Prof. Dr. A. Kuttner, Berlin W. 62, Lützow-
platz 6.
Band XIII. | Heft 1.
ZEITSCHRIFT FÜR TUBERKULOSE.
HERAUSGEGEBEN VON
B. FRANKEL, F. KRAUS, E. von LEYDEN, W. von LEUBE.
Redaktion: A. KUTTNER.
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I.
Über Opsonine und deren Verwertbarkeit in der Diagnose,
Prognose und Therapie der Tuberkulose.’)
[Veröffentlichung des haupt- u. residenzstädtischen Bakteriol. Institutes in Budapest
(Direktor: Dr. Bernhard Vas, Privatdozent) und
der VIII. ärztlichen Abteilung des St. Stefansspitales in Budapest (Primarius: Privat-
dozent Dr. Géza v. Dieballa.)]
Von
Dr. Johann v. Szabóky,
emer, Assistent an der Univ.-Klinik in Budapest, derzeit Kurarzt in Gleichenberg.
it der Erklärung des Wesens der Infektion und Immunität befaßt sich
neuestens die Aggressintheorie, die Theorie der Bakteriotropsubstanz
J| und die Opsonintheorie.
Der Begründer der nicht mehr neuen Aggressintheorie, deren Basis die
Krusesche Antilysintheorie ist und welcher die selbständige Leukotoxin- und
Antileukotoxintheorie Detres voranging, ist Bail. Er findet das Wesen der
Infektion in der Aggressivität des Bakteriums, das Wesen der Immunität aber
in dem in den Säften zirkulierenden und das Aggressin neutralisierenden
Antiagressin.
Die Theorie der bakteriotropen Substanz von Neufeld und Rimpau
stimmt in ihrem Wesen mit der Opsonintheorie überein. Die genannten Autoren
fanden, daß in dem von Pneumokokkus und Streptokokkus immunen Serum
bakterienvernichtende Körper nicht vorhanden sind, vielmehr solche Substanzen,
welche auf die Bakterien von solcher Wirkung sind, daß dieselben von den
Leukocyten vernichtet werden können. Diese Substanz wird bakteriotrope
Substanz, das Blutserum aber, welches diese Substanz enthält, bakteriotropes
Blutserum genannt.
Das Wesen der Opsonintheorie besteht darin, daß die Immunität das
Resultat des Zusammenwirkens der Phagocyten und des Blutserums ist, und
wenn auch unleugbar ist, daß die Phagocyten die in den Organismus gelangten
Bakterien vernichten, so sind dieselben nur dann hierzu fähig, wenn das Blut-
D)
serum die Bakterien für die Phagocyten schon vorbereitet hat.
1) Vorgetragen in der Sitzung des Tuberkulosekomitees in Budapest.
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIII. I
210
to
J. v. SZABOKY. der
Ich bezwecke nicht in dieser Abhandlung mich mit allen 3 Theorien
eingehend zu befassen, sondern werde mich nur auf die Opsonintheorie einlassen.
Obwohl die die Phagocytosis fördernde Wirkung des Blutserums in Ge-
meinschaft mit Wright, Gruber und Futaki, vor ihnen aber schon Leish-
mann, Denys und Leclef studierten, müssen wir als den Vater der Opsonin-
theorie doch Wright betrachten, weil er es war, der die neue Theorie aus-
arbeitete, aufbaute und in der Praxis verwertete. — Ganz langsam verbreitete
sich seine Lehre in Europa.
Selbst die gutdeutschen zusammenfassenden Abhandlungen Weinsteins,
Sauerbecks und Joests genügten nicht, um das gehörige Interesse für die
Opsonine zu erwecken. Erst im letzten Jahre begegnen wir je einer konti-
nentalen Veröffentlichung, in welcher man sich mit der Feststellung des Opsonin-
indexes auch praktisch befaßt.
Was ist Opsonin? Was sind die charakteristischen Eigenschaften der
Opsonine? Die Opsonine, welche Benennung vom griechischen tasovi = zum
Essen beschaffen, vorbereiten stammt, ist eine im Blutserum befindliche Substanz,
welche die Bakterien für die Phagocyten vorbereitet, damit sie von denselben
verschlungen werden können. Diese Eigenschaft des Serums nennt Wright
die opsonische Eigenschaft des Blutserums. Diese opsonische Eigenschaft des
Blutserums ist spezifisch, weil sich in demselben für jedes Bakterium separat
Opsonine befinden, welche dann von den verschiedenen Bakterien absorbiert
werden. Die Bakterien werden in dieser Weise sensibil, opsoniert; die Opso-
nisierungsfähigkeit des Blutserums nimmt wohl anderen Bakterien gegenüber nicht
ab, den eigenen gegenüber aber wird dieselbe reduziert (Bulloch, Atkin,
Hektoen, Rudiger). Die obige Eigenschaft der Opsonine illustriere ich mit
folgendem Beispiel: Ein Blutserum, welches bei einer Temperatur von 37° C
5—45 Minuten mit Tuberkelbazillen vermischt war, besitzt den Tuberkelbazillen
gegenüber nur mehr eine sehr geringe Opsonisierungskraft, währenddem dasselbe
z. B. Staphylokokkussen gegenüber die Opsonisierungskraft beibehielt. Sowohl
im normalen Serum, wie im immunen Serum ist Opsonin vorhanden. Die im
normalen Blutserum befindlichen Opsonine sind Normalopsonine. Diese schwanken
zwischen engen Grenzen, verlieren aufgewärmt von ihrer Wirkung und gehen bei
einer Temperatur von o° Cin 10Minuten zugrunde. Die im immunen Serum befind-
lichen Opsonine, die immunen Opsonine, bilden sich derart, daß im Organismus
des infizierten Tieres die die Krankheit verursachenden Bazillen im Wege einer
vermehrten Opsoninbildung eine Gegenreaktion zustande bringen; das Maß der
Gegenreaktion hängt von der Quantität der in den Organismus gekommenen
Bakterien ab, und ist bei solchen Personen, in welchen die Infektion allgemein
ist, eine starke Schwankung konstatierbar. Die immunen Opsonine verlieren
aufgewärmt nicht an Wirkung. Wenn auch die Thermolabilität bezw. Thermo-
stabilität der Normalopsonine und Immunopsonine den Anschein erweckt, daß
die beiden Opsonine nicht identisch sind, ist jene Annahme Wrights, Deans
und anderer viel wahrscheinlicher, daß, da sich im immunen Serum mehr
Opsonine befinden, diese die hohe Temperatur besser verträgt. Die durch die
Warme veränderten Opsonine nennen wir Opsonoid. Die Untersuchungen
BD.XITREFTL OBER OPSONINE UND DEREN VERWERTBARKEIT. 3
Knorrs zcigen, daß die Opsonisierungskraft des Blutserums in 24 Stunden um
die Hälfte abnimmt, der Opsonisierungswert des Blutserums ist bei Zimmer-
temperatur in 6 Stunden nicht größer, als bei 37% C in !/, Stunde und Bines
und Lumiers Untersuchungen ergaben, daß bei 0° eine Verminderung auf ?/,
konstatiert wurde.
Experimente haben erwicsen, daß Opsonine wohl für die meisten Bakterien,
aber doch nicht für alle Bazillen nachgewiesen werden können. Dies beweist
auch die neue Klassifikation Wrights; bevor ich dies aber abhandle, muß ich
in Kürze auf seine eigenen und auf die Beobachtungen Douglas’ abweichen,
weil Wright bei der Klassifizierung auch diese berücksichtigte, laut welchen
manche Bazillen in den Leukocyten eine auffallende Formveränderung erleiden,
andere aber sich sogar auflösen (Bakteriolyse) Wright unterscheidet 4 Klassen
der die Krankheit verursachenden Bakterien. ı. Solche, welche für die bak-
terientötende, bakterienlösende und opsonisierende Einwirkung des Blutserums
sehr empfindlich sind. 2. Solche, welche für die bakterientötende und bakterien-
lösende Einwirkung des Blutserums nur mäßig, der opsonisierenden Wirkung
gegenüber aber äußerst empfindlich sind. 3. Solche, welche für die bakterien-
tötenden und bakterienlösenden Einwirkungen des Blutserums überhaupt nicht,
auf die opsonisierende Einwirkung aber äußerst empfindlich sind und 4. solche,
welche für die erwähnten Einwirkungen des Blutserums überhaupt nicht
empfindlich sind.
Die Experimente Hektoens und Rüdigers haben erwiesen, daß je
flüssiger das Blutserum ist, um so geringer die Zahl der Phagocytierung sei und
wenn auf dieser Grundlage manche auch angenommen haben, daß die Leuko-
cyten ohne Blutserum kraftlos seien, so wurde diese Annahme einerseits durch
Löhlein, Sauerbeck, Davis, Löwenstein und Miss Tunnielieff, die er-
wiesen haben, daß die vom Blutserum gut ausgewaschenen weißen Blutzellen
auch die Bakterien aufnehmen können, andererseits aber jene Erfahrung Lôh-
leins — wonach er die Bakterien auch in 3 Gruppen einteilte!) —, daß sich
gewisse Bakterien selbst unter Serumeinwirkung nicht phagocytieren können,
widerlegt. Das Verhältnis zwischen der Opsonisierungsfähigkeit und der Virulenz
des Bakteriums ist noch nicht geklärt. Während manche behaupten, daß die
Widerstandsfähigkeit des Bakteriums der Opsonineinwirkung gegenüber um so
größer sei, je virulenter derselbe ist, so halten andere es für ausgeschlossen,
daß der virulente Bazillus opsoniert wird. Wenn irgend ein Organismus reichlich
mit Opsonin versehen ist und das infizierende Bakterium trotzdem sich als
virulent erweist, so findet dies darin seine Erklärung, daß die Wirkung der
Opsonine von spezifischen, bakterienerzeugenden Substanzen, von Antiopsonine,
welche offenbar mit dem Aggressin, mit Lysin und Leutoxin identisch sind,
neutralisiert wurde. Es gibt Substanzen, welche die Wirkung der Opsonine
bedeutend beeinträchtigen (Hektoen), so gewisse Salze, Chloroform, Alkohol,
Y 1. Solche Bakterien, welche auch ohne Serum sich phagocytisieren. 2. Solche Bakterien,
welche mit Serum leicht phagocytisiert werden können und 3. solche, welche selbst mit Serum nicht
phagocytisiert werden können,
1 *
> 2 ZEITSCHR. t.
4 J. v. SZABOKY. TUBERKULOSE
Milchsaure, während aber andere, wie z. B. Hefe, Nuklein eine bedeutende
Opsoninvermehrung hervorrufen. |
Jenes Bestreben, welches dahin ausging, die Opsonine mit irgend einem
der bisher bekannten Antikörper zu identifizieren, haben bisher zu keinem
sicheren Ergebnis geführt. Die Thermolabilitit der Normalopsonine ist nicht
genügend zur Identifizierung mit dem Komplement, und die Thermostabilität
der Immunopsonine genügt auch nicht zur Identifizierung mit dem Ambozeptor.
Die Opsonine können auch nicht mit den Agglutininen als identisch betrachtet
werden, weil dieselben mit dem Agglutinin nicht korrespondieren und auch
ihre Empfindlichkeit der Wärme gegenüber verschieden ist. Soviel genügt über
die Opsonintheorie, um so mehr, weil sowohl in der in der Tierärztl. Ztg. er-
schienenen Abhandlung von Aujeszky — von welcher auch ich guten Gebrauch
nahm — alles andere gelesen werden kann, andererseits aber, weil zum Ver-
ständnis des praktischen Teiles — denn mit diesem habe ich mich ja befaßt —
das Gesagte vollständig genügt.
Bevor ich auf die praktische Verwendung der Opsonintheorie tibergche,
muß ich vorher über die Technik der Opsonine und zur notwendigen Begreiflich-
machung gewisser Benennungen einige Bemerkungen zufügen. Ich befasse mich
nicht mit der primitiven Methode Leishmans, auch nicht mit dem von Wright vor-
mals befolgten Verfahren, sondern ich werde in folgendem nur die heute in Gebrauch
befindliche Bestimmungsart beschreiben. Bei Feststellung des Opsoninindexes
ist erforderlich: Normales Serum, Serum des Patienten, Bakteriumemulsion und
rein gewaschene, weiße Blutzellen. Die Blutentnahme geschieht mit einer dünn
ausgezogenen Pipctte, deren weiteres obere Ende eingebogen und auch
diinn ausgezogen ist. Vor der Blutentnahme brechen wir die beiden Enden
der zugeschmolzenen sterilen Pipette ab und stechen das längere Ende unter
den Nagel der vorher schon unterbundenen Fingerspitze; mit dem anderen
Ende der Pipette saugen wir das Blut auf. Jenes Ende der Pipette, welches
wir unter den Nagel gestochen haben, muß 4—5 cm unterhalb des erweiterten
Teiles der Pipette sofort zugeschmolzen werden, das andere Ende aber erst
dann, wenn das Blut ‘schon erkaltet ist und sich zurückgezogen hat; statt des
Schmelzens können die 2 Enden auch mit Wachs verstopft werden, wenn wir aber
das Serum sofort verbrauchen, ist der luftdichte Verschluß garnicht notwendig.
Das entnommene Serum wird mit einer Haarpipette nach Zentrifugierung abgesaugt.
Die Herstellung der weißen Blutzellen geschieht auf folgende Weise: In
die an beiden Enden verschmelzbare Glasröhre oder Glaswalze, in welche wir
vorher eine zu 2 Dritteilen 1/,--1°/,iges zitronensaures Natrium enthaltende
physiologische Kochsalzlösung geben, nehmen wir Blut. Das Blut vermischen
wir gut mit der Lösung und zentrifugieren dasselbe so lange, bis die Blut-
körperchen sich gesetzt haben, die obige reine Flüssigkeit pipettieren wir
ab, das zurückgeblicbene Sediment aber, welches die roten und weißen Blut-
zellen enthält, schütteln wir mit einer physiologischen Kochsalzlösung gut zu-
sammen und zentritugieren dieselbe nochmals. Diesen letzteren Prozeß wider-
holen wir einige Male und saugen dann die an der Oberfläche der Blutkörperchen
rahmartig zum Vorschein kommenden weißen Blutzellen ab, mischen dieselben
——— te A me mu 3
BD.XIDEEFTL ÜBER OPSONINE UND DEREN VERWERTBARKEIT. 5
mit einer physiologischen Kochsalzlösung und benutzen sie als weiße Blutzellen-
emulsion zu unseren Experimenten. In neuerer Zeit wird diese Ausscheidung
weggelassen und werden die weißen Blutzellen mit den roten Blutzellen gleich-
mäßig zusammengeschüttelt verwendet.
Die Herstellung der Bazillenemulsion geschieht auf folgende \Veise: Wir
verwenden entweder vorher schon getötete, getrocknete Bakterien oder aber
nehmen eine Öse voll von Bazillen einer getöteten reinen Agarkultur (laut
den Untersuchungen Sauerbecks ist zu einer Suspension 5 mg Bazillenmenge
erforderlich, Die Bakterien zermalmen wir in einem Achatmörser, und unter
langsamer Hinzumischung einer 0,5—1,2°/ igen Kochsalzlösung verfertigen wir
eine Emulsion.
Die Emulsion muß opaleszierend sein und in je 3 ccm 7—10 Milliarden
Keime enthalten. Die Emulsion muß, wenn in derselben Klumpen oder Knoten
bemerkt werden, zentrifugiert werden. Eine solche Emulsion soll länger als
$—10 Tage nicht gebraucht werden. Campbell behandelt die Tuberkel-
bazillenemulsion vor der Untersuchung mit karbolisiertem Fuchsin und verrichtet
mit den derart gut gefärbten Bazillen, welche auch von den Phagocyten auf-
genommen werden, seine Untersuchungen. Der Vorteil des Verfahrens ist, daß
wir ein besseres Präparat bekommen, wenn wir nicht nach Ziehl-Nellsen,
sondern nach dem einfachen Verfahren Jenners die Blutfärbung vornehmen.
Wenn wir derart die Vorbereitung zur Untersuchung getroffen haben, ist es
am zweckmäßigsten, die Untersuchung mit einer Haarpipette vorzunehmen, deren
oberes Ende ungefähr */, cm im Durchmesser hat, walzenfórmig ist und mit
einer gut schließenden Gummikappe versehen ist; das untere, sehr dünn aus-
gezogene Ende aber soll ca. 15—20 cm lang sein. Der Gang der Untersuchung
ist folgender: Auf der Pipette machen wir mit Tintenstift ein Zeichen und können
solcherweise gleiche Quantitäten von dem zu untersuchenden Blutserum, Bak-
teriumemulsion und weißen Blutzellen aufsaugen, die aufgesaugte Substanz gießen
wir auf eine Objektplatte — es ist am praktischsten eine in der Mitte vertiefte,
zu den Hängende-Tropfenuntersuchungen erforderliche Objektplatte zu ver-
wenden — und saugen, dieselbe zuerst vermengend, wider auf. Nach gehöriger
Zusammenmischung der dreierlei Flüssigkeiten verschmelzen wir das Ende des
Kapillarrohres und legen die ganze Pipette mitsamt der Gummikappe auf 20 Min.
in Thermostat von 37°C. Wir brechen nunmehr das verschmelzte Ende der
aus dem Thermostat genommenen Pipette ab und breiten den Inhalt auf ein
Deck- oder Objektglaschen; das Präparat fixieren wir in einer konzentrierten
Sublimatlösung oder an der Flamme. Die Färbung geschieht entweder nach
Ziehl-Nellsen oder Romanowsky oder aber nach Löffler-Giemsa. In
dem derart gewonnenen Präparate untersuchen wir nun, wie viel Tuberkel- oder
andere Bazillen z. B. in 50—100 weißen Blutzellen enthalten sind; jene Ziffer,
welche bezeichnet, wie viel Bazillen jede einzelne Phagocyte im Durchschnitt
verzehrt hat, nennen wir Phagocytierungswert = „phagocytic count“, jene Ziffer
aber, welche zeigt, um wievieles kleiner oder größer als das Normale der Phago-
cytierungswert des Blutserums irgend einer untersuchten Person ist, nennen
wir Opsoninindex = „opsonic index“. Der Opsoninindex kann also so aus-
6 J. v. SZABOK Y. Garage dy
gerechnet werden, wenn wir den bei der untersuchten Person gewonnenen
Phagocyticrungswert mit dem an der gesunden Person gewonnenen Phago-
cytierungswerte dividieren. Damit ich das Vorgehen bei der Untersuchung mit
einem Beispiele illustriere, wollen wir annehmen, daß wir bei Untersuchung
des mit dem Blutscrum einer normalen Person hergestellten Praparates fanden,
daß in 100 Leukocyten 150 Bazillen vorhanden sind; der Phagocytierungsindex
dieses Serums ist 1,50; in dem Serumpräparat der kranken Person finden wir
in 100 Leukocyten 110 Bazillen, dessen Phagocytierungswert ist also 1,10; 1,10
dividiert durch 1,50 ergibt also 0,75, dies ist der Opsoninindex. Nach Knorr
steigert sich der Phagocytierungswert im Verhältnis zur Suspensionsdichte der
zum Experiment verwendeten Bakteriumemulsion. Das Maximum der Phago-
cytierung tritt nach 1 Stunde ein, nach 2 Stunden aber können genaue
Beobachtungen wegen Degenerierung der Leukocyten nicht mehr durchgeführt
werden.
Betrachten wir nun, wie Wright seine Erfahrungen praktisch verwertet
hat. Die Untersuchungen Wrights zeigten, daß der Wert des Opsoninindexes
der normalen Personen im Durchschnitt der Ziffer 1 entspricht, aber zwischen
0,9 und 1,1 variiert, ferner, daß der Opsoninindex jenes Organismus, dessen
Widerstandskraft irgend einer Bakteriumart gegenüber gebrochen ist, kleiner,
jenes Organismus aber, dessen Widerstandsfähigkeit gesteigert ist, größer ist.
Ich kann mich mit der Herzählung der von Wright bei verschiedenen Krank-
heiten gefundenen Opsoninindexe nicht befassen, sondern verweise nur auf die
zusammenfassende Abhandlung Sauerbecks und werde in folgendem bloß
kurz die auf dem Gebiete der Diagnostik und Heilung erzielten praktischen
Erfahrungen Wrights anführen.
Von diagnostischer Wichtigkeit sind jene Erfahrungen Wrights, in
welchen er erklärte, daß der ständig niedrige Opsoninindex für die lokalisiert
vorhandene Infektion spricht, der schwankende Opsoninindex eine ausgebreitete
Infektion beweist, der hohe Opsonindex aber auf eine abgelaufene Infektion
oder Immunität hinweist. Von diagnostischem Werte sind außerdem jene
weiteren Erfahrungen Wrights, nach welchen das Blutserum irgend eines
infizierten Organismus, wie auch eines kranken Organismus, die Wärme besser
aushält als das normale Blutserum, und so können wir natürlich aus der Höhe
jener Differenz, welche wir gewinnen, wenn wir mit dem aufgewärmten und
nicht aufgewärmten Blutserum einer normalen, kranken oder injizierten Person
arbeiten, auf das Nichtvorhandensein oder Vorhandensein irgend eines Leidens
folgern. So z. B., wenn wir den Wert des Opsoninindexes mit nicht aufge-
wärmtem und aufgewärmtem Blutserum untersuchen, dann folgern wir aus der
Höhe der sich zwischen den beiden Werten ergebenden Differenz darauf, ob
die betreffende Person gesund oder infiziert ist; die kleine Differenz spricht für
die Infizierung. Nach Wright können wir in solchen Fällen, wenn in irgend
einem krankhaften Gewebe mehrerlei Bakterien vorhanden sind, durch Fest-
stellung des Opsoninindexes erfahren, welches Bakterium aktive Rolle spielt.
In der Diagnostik können praktisch noch folgende Erfahrungen Wrights ver-
wertet werden:
BD.XIILBEFTL ÜBER OPSONINE UND DEREN VERWERTBARKEIT. 7
1. Bei den mit Exsudatbildung verbundenen umschriebenen infektiösen
Prozessen (Abscessus ascites) ist der Opsoninindex des Exsudates geringer, als
der des Blutes, 2. erzielen wir bei infiziertem Organismus auch durch eine
abgeschwächte Infektion eine raschere Wirkung als im normalen Organismus.
Die auf dem Gebiete der Heilung gemachten Erfahrungen Wrights zeigen,
daß man eine lokale Tuberkulose heilen kann, wenn man mit entsprechenden
Injektionen die Opsoninproduktion steigert; da aber die Opsonine zu so iso-
lierten Prozessen nicht in entsprechender Quantität gelangen, so muß dies durch
lokale Operationen gefördert werden (Finsenstrahlen, Röntgenstrahlen, lokalisierte
Anwendung von Rubefazientien). Bei allgemeinen Prozessen, welche — eventuell
zufolge Antoinokulation — mit gesteigerter Opsoninproduktion verbunden sind,
ist Ruhe erforderlich und darf nicht injiziert werden, erst später kann man zu
dem Zwecke, damit die Antikörpersäfte die kranken Gewebe durchströmen,
schwache Körperbewegungen und eventuelle Injektionen anwenden.
Bei den Injektionen muß man in der Wahl der Dosis vorsichtig sein; als
Richtschnur empfiehlt er die Berücksichtigung folgender Erfahrungen. Unter-
suchen wir 24 Stunden vor der Injektion und 24 Stunden nach der Injektion
den Wert des Opsoninindexes. Wenn 24 Stunden nach der Injektion der
Opsoninindex dem Werte des vor der Injektion gefundenen Opsoninindexes
gegenüber fällt, dann ist die Injektion schlecht, wenn derselbe aber steigt, dieser '
Steigung aber innerhalb 10 Tagen ein Sinken folgt, dann ist die Dosis zu klein;
nur dann ist die Dosis gut, wenn die in den ersten 24 Stunden nach der In-
jektion auftretende Steigung zum'mindesten 10 Tage anhalt. Wright erfuhr haupt-
sächlich bei Drüsen-, Hoden- und beginnender Lungentuberkulose gute Resultate.
Hiernach gehe ich auf meine eigenen Untersuchungen über. Ich habe
meine Untersuchungen an tuberkulösen, tuberkuloseverdächtigen Patienten und
an gesunden Personen vorgenommen. Bei Bestimmung des Wertes des Opsonin-
indexes habe ich genau das vorgeschriebene Verfahren befolgt. Anfangs habe
ich bei der Blutentnahme das vorgeschriebene, gebogene, an beiden Enden
zugeschmolzene sterile Glas verwendet, später aber habe ich, da meine vergleichen-
den Untersuchungen ergaben, daß kein Unterschied war, wenn ich nach vorher
dem Finger beigebrachten Stichen (mit einer Frankeschen Nadel) das Blut in
eine verstopfte kleine sterile Glaswalze abzapfte, nahm ich dieses vereinfachte
Verfahren in Verwendung; so bekam ich in jedem Falle, oft auch ohne Zentri-
fugierung schönes, reines Blutserum.
Weiße Blutzellen habe ich auf die vorgeschriebene Weise gewonnen, auch
hier habe ich eine sterile Glaswalze — nicht aber ein verschmolzenes Glasrohr —
in Gebrauch genommen. Währenddem ich anfangs mit weißer Blutzellen-
emulsion arbeitete, habe ich später die weißen Blutzellen mit roten Blutzellen
vermengt verwendet.
Die Bakteriumemulsion — welche ich ebenfalls nach Vorschrift anfertigte —
und die weißen Blutzellen habe ich zu jeder Untersuchung neu hergestellt; die
Bakteriumemulsion habe ich vor der Untersuchung nach dem Verfahren Ziehl-
Nellsen gefärbt und erst dann verbraucht, wenn darin keine Bazillenklumpen,
nichtsdestoweniger aber Bazillen in ziemlich großer Anzahl vorhanden waren.
S y OK Y ZEITSCHR. f.
S | J. ve SZABOKY. o ere
Als zweckdienliches Verfahren erwies sich dasjenige von Pottenger, der
zu dem Zwecke, damit die Emulsion gleichmäßiger sei, empfahl, daß wir die-
selbe in einem solchen U-förmigen Glase durchlassen, in dessen Mitte und
engerem Halse zerstückeltes und befeuchtetes Filtrierpapier placiert ist.
Zur Verminderung der dreierlei Substanzen habe ich die vorgeschriebene
unten dünne mit Gummikappe versehene Pipette verwendet, deren Inhalt ich
in der Vertiefung eines zur Hängenden-Tropfenuntersuchung dienenden Objekt-
glases zusammenmischte; nach dicser Prozedur, die man rasch vornehmen muß,
habe ich die Pipette verlötet und dieselbe mitsamt der Gummikappe auf
20 Minuten in einen 37% C aufweisenden Brutschrank gegeben. Dann habe
ich Objektplatten-lräparate gemacht, welche ich nach Fixieren, nach dem Ver-
fahren Ziehl-Nellsen färbte. Ich habe zuerst den Bazilleninhalt von 100,
später bloß von 50 Weißblutzellen festgestellt.
Ich hatte, als ich zu Beginn mit weißen Blutzellenemulsionen arbeitete,
viel Schwierigkeiten; solche bereiteten mir schon die Herstellung von guter
Bakteriumemulsion und die Gewinnung von reinen weißen Blutzellen. Es
geschah sehr oft, daß ich manches Präparat überhaupt nicht gebrauchen konnte,
weil solches entweder nicht in genügender Anzahl weiße Blutzellen enthielt oder
wenig Bazillen vorhanden waren; in einer Weißblutzelle fand ich nur selten
mehr als 1—2 Bazillen.
L An gesunden Personen vollführte Untersuchungen.
An 10 gesunden Menschen habe ich sómal den Wert des Opsoninindexes
festgestellt. Der Opsoninindex war in 11 Fällen netto 1,0, in 40 Fällen vartierte
derselbe 0,90 und 1,10 und nur in 5 Fällen fiel derselbe auf 0,85, resp. er-
reichte die Höhe von 1,15. |
Wenn auch die Resultate meiner Untersuchungen mit jenen Frenchs,
der den Wert des Opsoninindexes bei gesunden Personen zwischen 0,7 und
1,3 variierend fand, nicht übereinstimmen, so stimmen dieselben doch im allge-
meinen mit den Untersuchungswerten von Elisabeth T. Fraser, Biene;
Lissner und Fyshe überein, welche bei gesunden Menschen den Opsonin-
index zwischen 0,80 und 1,20 fanden. Meine Erfahrungen stimmen mit den
Untersuchungsresultaten Potters nicht überein, der den Wert des Opsonin-
indexes auch an gesunden Personen für sehr variabel befand, stimmen aber mit
den Erfahrungen Crace-Calverts, Jahn, S. Stewarts, Peel-Ritchies,
Biene und Lissners überein, die bei kranken Personen große Schwankung,
bei gesunden aber nur eine unbedeutende Schwankung des Opsoninindexes
konstatierten. Ich habe an 4 gesunden Personen innerhalb 20—25 Tagen
häufigere Untersuchungen vorgenommen, deren Resultate die Taballen I, IL, III,
IV aufweisen.
Tabellenerklärung.
Gemischte Kurve, wo zur Bestimmung des Opsoninindexcs gemischte Tbc.kultur gce-
braucht wurde.
-----.-- Bovine Kurve, Bestimmung durch bovine Tbc.kultur.
dat Humane Kurve, Bestimmung durch humane Tbc.kultur,
Die in den Tabellen vertikal angelegten Linien bedeuten den Datum der Untersuchung.
et ns ÜBER OPSONINE UND DEREN VERWERTBARKEIT. 9
Die in den Tabellen horizontal angelegten Linien bedeuten den Wert in Ziffern.
Die in den Tabellen angelegten zwei horizontalen Linien (zwischen 0,8—1,2) bedeuten die
Grenzen der normalen Werte.
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2. An Tuberkulose und auf Tuberkulose verdáchtigen Patienten
vorgenommenen Untersuchungen.
a) Zu diagnostischen Zwecken gemachte Untersuchungen.
Ich habe insgesamt an 110 Patienten zu diagnostischen Zwecken die Fest-
stellung des Opsoninindexes vorgenommen. Von diesen waren 79 tuberkulôs,
2 litten an Lupus erythematodes und bei 29 Patienten war die Diagnose auf
Tuberkulose zweifelhaft Von meinen an Tuberkulose leidenden 79 Patienten
hatten 64 Lungentuberkulose, 7 Lupus vulgaris und 8 waren mit chirurgischer
Tuberkulose behaftet. Von den mit Lungentuberkulose behafteten 64 Patienten
waren 4 abgelaufene resp. verheilte Fälle, von den 60 aktiven Patienten aber
befanden sich 13 in dem I. Stadium des Leidens, to in dem II. und 37 in dem
III. Stadium. Bei der Stadieneinteilung habe ich die neueste, beim allerletzten
Tuberkulosekongreß in Wien angenommene Turban-Gerhardtsche Einteilung
beriicksichtigt.* Von meinen Fällen waren nur 15 solche, in welchen ich die
Tuberkulose bloß auf Grund der klinischen Symptome, event. der Calmette-
oder Pirquetschen Reaktion aufgenommen habe; in allen anderen Fällen hat
entweder der Tierversuch, oder die Tuberkulinreaktion, oder die Positivität der
Auswurfsuntersuchung, oder aber die Sektion die Tuberkulose bewiesen. Bei
meinen in das I. Stadium gehörigen Fällen hat der Wert des Opsoninindexes
zwischen 0,60 und 0,78, bei den in das II. Stadium gehörigen Fällen zwischen
1) In das I. Stadium gehören jene Fälle, in welchen das Leiden geringeren Grades ist, sich
bloß auf einen Flügel erstreckt; bei Erkrankungen beider Flügel über die Clavicula und Spina sca-
pulae, bei einseitigem Leiden über den unteren Rand der II. Rippe nicht hinausgeht.
In das II. Stadium gehören jene milden Fälle, welche sich nicht weiter als auf einen Flügel
erstrecken und höchstens jene schweren Fälle, in welchen sich die Veränderung nicht über einen
halben Flügel erstreckt.
In das III. Stadium gehören die Fälle, welche das II. Stadium überschreiten. Die Kompli-
kationen sind separat zu erwähnen.
10 J. v. SZABOKY. RE SL.
0,57 und 1,22, bei den in das III. Stadium gehörigen Fallen zwischen 0,27 und
1,35 variiert. In 7 Fallen des Lupus vulgaris schwankte der Opsoninindex
zwischen 0,57 und 0,75; von 10 chirurgischen Fällen sah ich 3mal normale
Werte, 7mal stand aber der Opsoninindex zwischen 1,24 und 1,33. Von 4
geheilten Fällen war in einem Falle der Opsoninindex 0,78, in den anderen
Fällen aber schwankte derselbe in den normalen Grenzen; bloß als interessante
Erfahrung will ich horvorheben, daß in 2 von diesen 4 Fällen, in welchen sich
inzwischen der Prozeß erneuerte, der Wert des Opsoninindexes sich vom Normalen
auf 0,77 reduzierte. Wie aus meinen hier angeführten Fällen zu sehen ist,
schwankte der Wert des Opsoninindexes bei meinen tuberkulösen Patienten
nicht ganz selten innerhalb der normalen Grenzen. Zwischen der Größe des
Opsoninindexes und den Stadien war kein Zusammenhang nachweisbar, weil
es dann immer vorkam, daß der Opsoninindex der in dem I. sowohl, als auch
in dem II. und III. Stadium befindlichen Patienten gleichmäßig 0,74 war und
hinwieder kam es vor, daß ein im III. Stadium befindlicher Patient 0,74, ein im
I. Stadium befindlicher Patient aber 0,64 Opsoninindex aufwies. Den über das
Normale hinausgehenden Wert des Opsoninindexes, wie dies Bulloch be-
schreibt, habe ich nicht häufig, zusammen vielleicht in 10—12 Fällen, aber
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immerhin konstatiert; es ist interessant, daß ein großer Teil dieser Fälle ent-
weder rein chirurgischer Natur war, oder aber eine Lungentuberkulose mit
Skoliosis, mit Koxitis oder mit anderen chirurgischen Tuberkuloseerkrankungen
kompliziert war.
Obwohl ich in den meisten Fällen den Wert des Opsoninindexes 2—3 mal
feststellte, sah ich doch nicht jene Anforderung Peel-Ritchies, Jan S. Stewarts
und Brookes erwiesen, daß man zu diagnostischen Zwecken an einem Patienten
mehrere Male den Opsoninindex feststellen muß; die so gewonnenen Werte sind
unbedingt von größerer Beweiskraft; wenn ich aber berücksichtige, daß an
zweien meiner Patienten, an denen ich den Wert des Opsoninindexes innerhalb
einiger Wochen 8—g mal feststellte, wenn auch der Wert des Opsoninindexes
sehr schwankte, aber den Wert des Normalen niemals erreichte (wie dies
Tabelle V, VI zeigt), dann glaube ich, daß ein auf Tuberkulose hinweisender
Wert des Opsoninindexes doch nur beweiskräftig ist.
Interessant waren jene meiner Untersuchungsresultate, welche ich teils
aus rein diagnostischem Zweck, teils an tuberkuloseverdächtigen Patienten bekam.
Von diesen hat in 9 Fällen, in welchen der Opsoninindex einen normalen Wert
zeigte, die spätere klinische Beobachtung oder aber die Sektion tatsächlich keine
BD.XIEREFTL ÜBER OPSONINE UND DEREN VERWERTBARKEIT. LI
Tuberkulose ausgewiesen, in 12 Fällen aber, in welchen der Opsoninindex einen
auf eine Tuberkuloseerkrankung positiven Wert ergab, hat die klinische Be-
obachtung, die Tuberkulinreaktion oder die Obduktion tatsächlich die Tuber-
kulose erwiesen. Es sprechen nur 8 Fälle gegen den diagnostischen Wert des
Opsoninindexes: in diesen 8 Fallen war der Wert des Opsoninindexes 0,86, 1,13,
1,16, 1,12, 0,95, 0,82, 0,99, 1,05, das Vorhandensein von Tuberkulose hat in
3 Fällen die Obduktion, in 2 Fallen die Tuberkulinreaktion, in 1 Falle die
Operation und in 2 Fällen der weitere Verlauf der Krankheit erwiesen.
Ich glaube, daß es nicht uninteressant ist, wenn wir uns mit einigen
dieser Fälle eingehender befassen. Bei einem meiner Patienten, der sich in der
Remmissionsperiode der Anaemia perniciosa befand, war, als man (von den
verdächtigen Temperatursteigungen abgesehen) aus den physikalischen Sym-
ptomen auf Tuberkulose noch nicht folgern konnte und die Sputumunter-
suchung auch keinen Befund ergab, der Wert des Opsoninindexes 0,70; zur
selben Zeit war sowohl die Calmettesche Ophthalmoreaktion, als die Pirquet-
sche kutane Reaktion negativ. Die Obduktion zeigte Anaemia perniciosa und
floride Tuberkulose.
Bei einem jungen Mädchen, an welchem weder die Röntgenaufnahme,
noch auf Calmettesche Ophthalmorcaktion, noch aber bei Pirquetscher
Reaktion auf Tuberkulose gefolgert werden konnte, habe ich nur aus dem
Grunde den Wert des Opsoninindexes festgestellt, weil über der rechten Spitze
von Zeit zu Zeit ein Knistern hörbar war; der Wert des Opsoninindexes war 0,79,
also positiv. Um den diagnostischen Wert der Opsonine an der Patientin zu
beurteilen, habe ich eine Tuberkulininjektion vorgenommen. Nach Injizierung
von 0,2 mg Kochschem Alttuberkulin habe ich schon nach 3—4 Stunden
eine starke klinische Reaktion bekommen. In einem anderen meiner Fälle, in
welchem die klinische Diagnose auf Tabes dorsalis lautete und die Lunge sich
als gesund erwies, war der Opsoninindex 0,78; die dann durchgeführte Calmette-
reaktion und Tuberkulinreaktion (1 mg) hat das Vorhandensein von Tuberkulose
erwiesen.
Ich beabsichtige nur. einen meiner negativen Fälle zu erwähnen. Bei der
ficberhaften Patientin, in welcher sich bei starkem Icterus langsam Ascites
entwickelte und die klinische Diagnose auf Cholangitis und Peritonitis exsudativa
lautete, habe ich den Wert des Opsoninindexes mit 1,13 gefunden. Die
Operation erwies peritonitis tuberculosa.
An zwei an Lupus erythematodes leidenden Patienten war der Opsonin-
index 0,97 und 1,08, also normal.
Bei Anwendung der probatorischen Injektion von Tuberkulin habe ich
in 17 Fällen den Wert des Opsoninindexes untersucht. Von den 17 unter-
suchten Fällen erwiesen sich 15 als Tuberkulose, 2 aber nicht, Die proba-
torische Injektion des Tuberkulins habe ich auf zweierlei Art angewendet. Ent-
weder so, daß ich mit 0,2 mg begann und dann auf 1—5—10 mg stieg, oder
aber anfängliche Dosis (0,2, 1,0 mg) nach je 3 Tagen viermal repetierte.
Von den 15 Tuberkulosefällen ist bei 6 schon nach der ersten Tuberkulin-
injektion klinische Reaktion eingetreten, in diesen Fállen ist auch der Wert des Op-
TUBERKULOSE
12 J. v. SZABOKY. ZEITSCHR. f.
soninindexes schon nach der ersten Injektion stark gefallen (siehe Tabelle VII, VII,
IX, X, XI, XII); anders war dies bei jenen meiner 9 Tuberkulosen, bei welchen
die klinische Reaktion nach der zweiten, dritten, event. erst nach der vierten
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Injektion eintrat; in diesen Fällen war die Haltung des Opsoninindexes inter-
essant, in 7 von 9 Fällen ist nämlich die Abnahme desselben — wie dies die
Tabellen XIII, XIV, XV, XVI, XVII, XVIII, XIX schön beweisen — der
klinischen Reaktion bei weitem vorangegangen, in 2 (XX, XXI) aber erst mit
der klinischen Reaktion zusammen eingetreten. An 2 meiner nicht tuber-
BD.XIILHEFT1. ÜBER OPSONINE UND DEREN VERWERTBARKEIT. 13
kulösen Patienten, an welchen auf Tuberkulin keine klinische Reaktion eintrat,
ist auch der Opsoninindex nicht gefallen, sondern ist vielmehr mit der Größe
der Injektion korrespondierend gestiegen. (Dies demonstriert Tabelle XXII, XXIII).
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2021 22 23 24 25 26 27 28 29
Bevor ich mich mit der prognostischen Verwertbarkeit des Opsonin-
indexes befassen móchte, will ich jene meiner interessanten Beobachtungen
bekannt geben, welche ich dann machte, als ich den Wert des Opsoninindexes
in einer halben Stunde nach der Injektion priifte. Zur Injektion verwendete ich
entweder eine größere oder kleinere Dosis des Tuberkulins oder des C.Spengler-
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schen Vakzins. Diese Untersuchungen habe ich in 18 Fällen nach Injektion
großer Dosen (0,2, I, 5, 10mg) und in 22 Fällen nach Injektion kleiner Dosen
(!/,0000 *)/100000 Mg) vorgenommen. Von den ersteren ist in 12 Fällen (Beispiele
zeigt Tabelle XXXIV, XXXV, XXXVI), in welchen Tuberkulose vorlag, der
| = ZEITSCHR. f,
14 J. v. SZABOKY. TUBERKULOSE
Wert des Opsoninindexes — vorausgesetzt, daß nach 24 Stunden nach Injektion
der großen Dosis eine Abnahme eintrat — schon in einer halben Stunde nach der
Injektion gesunken; in 6 Fällen aber, in welchen Tuberkulose ausgeschlossen
war, nicht (Beispiel Tabelle XL) Von letzteren 28 Fällen ist unter 26 an
Tuberkulose leidenden Patienten ı8 mal der Wert des Opsoninindexes (wie
dies auch in den Tabellen XXIV—XXXII und XXXVII ersichtlich ist) — in
einer halben Stunde nach der Injektion — auch bei den in den Anfangsstadien
befindlichen Patienten gesunken, an 6 mit Tuberkulose nicht-behafteten Personen
aber in keinem Falle (Tabelle XXXIX, XL). Ich glaube nicht zu irren, wenn
ich auf dieser Basis die Folgerung ablcite, daß wir in jenen Fällen, in welchen
der Wert des Opsoninindexes eine halbe Stunde nach Einspritzung, sei es einer
größeren oder kleineren Dosis spezifischen Mittels, sinkt, den Verdacht stark auf
Tuberkulose annehmen können.
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Welche Bedeutung schon an und für sich jener Umstand allein in der Praxis
haben kann, wonach das Sinken des Opsoninindexes nach kleinerer probato-
rischer Tuberkulininjektion schon dann cintritt, wenn von einer klinischen Reaktion
noch keine Rede ist, beweisen einige meiner Fälle. Die beiliegenden
Tabellen XII, XIV, XVI und XVII zeigen einige solcher Fälle, ausführlicher
aber befasse ich mich bloß mit einem solchen Falle. An Frau B. S. (XIII) habe
ich, da bei ihrer Aufnahme die klinische Untersuchung keinen positiven Anhalts-
punkt für Tuberkulose bot, eine probatorische Tuberkulininjektion vorgenommen.
An der Patientin trat nach der ersten und zweiten 0,2 mg Kochschen Alt-
tuberkulininjektion nur ein Sinken des Opsoninindexes ein, aber keine klinische
Reaktion; erst nach der dritten (1 mg) Injektion trat unter bedeutendem Sinken
des Opsoninindexes starke klinische Reaktion ein: in den Lungen starke lokale
Symptome, starke Zunahme des Auswurfes, sehr große Niedergeschlagenheit,
Mattigkeit der Patienten, Temperatur 39,8°, schwacher Puls, vollständige Apathie;
diese Symptome hielten 10 Tage an und erst nach dieser Zeit stieg der Wert
des Opsoninindexes von 0,25 auf 0,85.
Wenn ich in diesen Fällen die Diagnose schon nach Fallen des Opsoninindexes
gestellt und nicht jenen Fehler begangen hätte, vor welchem Wright eindringlichst
warnt, daß wir in der negativen Phase nicht impfen sollen, so hätten wir die Patienten
BD.XILHEFTI OBER OPSONINE UND DEREN VERWERTBARKETT. 15
von solchen Unannehmlichkeiten verschonen können. Diese meine Fälle beweisen
schön, wie vorsichtig wir mit der Tuberkulindosis sein müssen und daß es nicht
zweckmäßig ist, in der negativen Phase zu injizieren und daß die Tuberkulin-
reaktion wahrlich von schädlichen Folgen begleitet sein kann.
Wenn meine Erfahrungen bestätigen sollten, daß wir in einer halben Stunde
nach der Injektion, sei es nach einer kleinen oder großen Dosis, aus dem Fallen
des Opsoninindexes auf Tuberkulose schließen können, dann haben wir in der
Tuberkulininjektion einen solchen diagnostischen Behelf gewonnen, mit welchem
wir auch in den fieberhaften Fällen die Tuberkulose sicher feststellen könnten,
weil ja doch die Injektion von */ 0000 —?*/00000 mg auch in fieberhaften Fällen
unschädlich ist.
b) Auf jene Frage, ob der Opsoninindex prognostisch verwertbar ist oder
nicht, antworte ich in folgendem. In meinen Fällen kann ich die Untersuchungs-
resultate Meakins und Wheelers, nach welchen der höhere Wert des Opsonin-
indexes vielleicht eine bessere Prognose zuläßt, nicht bestätigen, und zwar aus
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dem Grunde, weil einesteils in jenen meiner Falle, in welchen der Wert des
Opsoninindexes das Normale iiberstieg, das Leiden nicht milderen Charakters
war, ich aber andererseits in 2—3 von meinen derartigen Fallen entschieden
einen schlechteren Verlauf sah. Meine eigenen Erfahrungen zeigten eher, daß
der stark gesunkene Opsoninindex eine schlechte Prognose bedeutet. In 6 von
ı2 Fällen hat der Wert des Opsoninindexes zwischen 0,40 und 0,50 geschwankt,
in diesen trat der Tod innerhalb eines Monates ein, in 5 Fällen war die
Schwankung 0,30—0,40, in diesen trat der Tod innerhalb ı3 Tagen ein und
nur in einem Falle war der Wert des Opsoninindexes 0,27, in welchem der
Patient nach 2 Tagen gestorben ist. Tatsache ist, daß man von ı2 Fällen nichts
Sicheres sagen kann; wenn ich aber jene meiner Erfahrungen hinzunehme,
welche ich an 2 nicht tuberkulösen Patienten machte, daß nämlich der Opsonin-
index diesen Patienten gegenüber der Tuberkulosebazillenemulsion selbst einige
Tage vor dem Tode normal war, dann glaube ich, daß meine Erfahrungen
prognostisch doch vielleicht verwertet werden können.
c) 14 Patienten habe ich immunisiert und beobachtete während der In-
jektionen ständig den Wert des Opsoninindexes. Den Wert des Opsoninindexes
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
J. v. SZABOKY.
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1/,, 1, 2 und 4 Stunden nach der Injektion untersucht. Zur Immunisation habe
habe ich in jedem Falle vor der Injektion und nach derselben, am folgenden
Tage festgestellt; bloß in einigen Fällen habe ich den Wert desselben auch
ich in 4 Fallen das Kochsche Alttuberkulin (siehe Tabelle XLI, XLII, SU)
erlsuchtemulsion), (siehe Ta-
Spenglersche P.T.O. (Perl-
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XLIV), in 3 Fällen die C. Spenglersche P.
belle XLV, XLVI, XLVII, in 3 Fällen das C
BD.XIILHEFTL UBER OPSONINE UND DEREN VERWERTBARKEIT. 17
suchttuberkulin) (siehe Tabelle XLVIII, XLIX, L), in 2 Fällen die C. Spengler-
sche T.B.E. (Humanemulsion) (siehe Tabelle LI, LIM, und in 2 Fällen das
C.Spenglersche A. T. O. (Humantuberkulin) (siehe Tabelle LIII, LIV) verwendet.
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Ich gebrauchte nur kleine Dosen, steigerte dieselben nur sehr langsam und
machte die Erfahrung, daß der Opsoninindex bei den verschiedenen schweren
Patienten nach der Injektion sich verschieden verhielt. Bei beginnender
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIII. H
J. y. SZABOKY.
ZEITSCHR. f.
TUBLRKULOSE
Lungentuberkulose konnte ich die Dosis des C. Spenglerschen P.E. bis
auf 0,01 mg steigern und der Wert des Opsoninindexes vergrofierte sich stetig
(siehe Tabelle XLVI,
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gebracht. Dieselben Resultate ergaben die mit C. Spenglerscher P.T.O. und
mit dem
Kochschen- Alttuberkulin durchgeführten
Untersuchungen (siehe
BD.XITHEFTL UBER OPSONINE UND DEREN VERWERTBARKEIT. 19
Tabelle XLIX, XLVII. Als viel stärkere Materien erwies sich das C. Spengler-
sche A.T.O. und insbesondere die T.B.E., bei Gebrauchnahme dieser Sub-
stanzen ist in fieberhaften Fällen nach !/. soon (siehe Tabelle LID, in beginnen-
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den Fällen aber nach Jan das Fallen des Opsoninindexes eingetreten (siehe
Tabelle XLII, LI. Wenn ich nach einer Woche die gleiche Dosis wieder-
holte, stieg der Opsoninindex. Ich will hier weder die Resultate meiner mit
Kochschen, noch mit C. Spenglerschen Impfstotfen erzielten Resultate
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ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
20 J. v. SZABOKY.
detaillieren, sondern ich will bloß hervorheben, daß wir insbesondere mit der
Spenglerschen P.E. und T.B.E. sehr vorsichtig umgehen müssen. Ich halte
die vorgeschriebene Steigerungsskala nicht für richtig, weil meine Erfahrungen
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Die erwähnten unbedeutenden Abnahmen
wurden in der Regel nicht von unangenehmen Symptomen begleitet, boten
aber immer Vorzeichen, welche heftig dann auftraten, wenn ich das erwähnte
zeigen, daß dieselbe zu rasch ist.
BDXITHEFTL ÜBER OPSONINE UND DEREN VERWERTBARKEIT. 21
Fallen nicht vor Augen haltend, in der folgenden Woche die Dosis wieder
steigerte (siehe Tabelle XLVII, LI, L). Auf Grund dessen kann ich also sagen,
daß uns die Feststellung des Opsoninindexes ein wertvolles Kontrollverfahren
zur spezifischen Behandlung der Tuberkulose zur Hand gibt, nachdem wir die
Reaktionen, welche, wie Sahli sehr richtig bemerkt, immer die Schädigung
des Organismus im Gefolge haben, vermeiden können. Eben die mit der
Immunisation parallel angeführten Opsoninuntersuchungen beweisen, wie sehr
man die Tuberkulose mit spezifischen Mitteln schablonenmäßig nicht behandeln
kann, wie schwer es zu individualisieren ist, und wie schwer die gehörige Dosis
zu treffen ist.
Eine geringgradige negative Phase, ein geringeres, I—2 Stunden, event.
I—2 Tage anhaltendes Fallen des Opsoninindexes habe ich während der
Immunisation öfters beobachtet; eine stärkere negative Phase und neben der-
selben subjektives schlechtes Befinden habe ich nur 2 mal gesehen und auch
dies nicht während der Immunisation, sondern nach der probatorischen Impfung
mit Tuberkulin.
Es scheint, daß, trotzdem ich während meiner therapeutischen Behandlung
eine Reaktion nicht beobachtete und den Anforderungen Wrights entsprechend
öfters erreichte, daß der am nächsten Tage nach der Injektion gestiegene
Wert des Opsoninindexes 10 Tage hindurch stehen blieb, ich dennoch nicht
. jene ideale Dosis fand, auf welche nach Wright eine kleine Steigung (false
rise) zustande kommt, die aber auch wegbleiben kann; nach derselben folgt ein
Fallen, welcher am dritten Tage neuerdings eine Steigung folgt; ich sah nur
eine dieser ähnliche, und zwar daß der Index in den ersten Stunden fiel, dann
stieg und diesen Wert einige Tage beibehielt.
d) Ich habe schließlich auch nach jener Richtung hin experimentiert, ob
wir durch die Opsoninbestimmungen einen Anhaltspunkt dafür gewinnen, ob
die Infektion des untersuchten Patienten boviner und humaner Befund sei, oder
wenn doppelte Infektion vorhanden ist, welche die stärkere ist. Zu diesem
Zwecke habe ich bei 5 gesunden Personen 9 mal mit Human- und gmal mit
Bovinemulsion den Wert des Opsoninindexes festgestellt. Meine Untersuchungen
zeigten, daß der Wert der mit Bovinemulsion untersuchten Opsoninindexe
zwischen 0,87 und 1,10, der Wert der mit Humanemulsion untersuchten
Opsoninindexe zwischen 0,89 und 1,12 schwankte (Tabelle II). Danach habe
ich meine Untersuchungen an 17 tuberkulösen Patienten derart fortgesetzt, daß
ich an ein und demselben Patienten den Wert des Opsoninindexes mit Bovin-
emulsion, mit Humanemulsion und mit gemischter Emulsion festgestellt habe.
Meine Experimente ergaben folgende Resultate: Bei 3 Patienten war der Wert
des mit Humanemulsion untersuchten Opsoninindexes normal, der mit gemischter
und Bovinemulsion untersuchte Opsoninindex ergab einen krankhaften \Vert.
Bei 4 Patienten war der Wert des mit Bovinemulsion untersuchten Opsonin-
indexes normal, der mit gemischter und Humanemulsion untersuchte Opsonin-
index ergab einen krankhaften Wert. Bei 10 Patienten zeigte der Opsonin-
index einen krankhaften Wert, wenn es mit gemischter, mit humaner und auch
als er mit boviner Emulsion untersucht wurde; von diesen Fallen hat der
22 J. v. SZABOKY. IN
Wert des mit Bovinemulsion untersuchten Opsoninindexes 7 mal, der Wert des
mit Humanemulsion untersuchten Opsoninindexes 3 mal stärkere Infektion
erwiesen. Wenn ich bei alledem auch in Betracht zog, daß bei jenen meiner
Experimente, bei welchen, sei es nach probatorischer Tuberkulininjektion,sei es nach
kleinen Mengen nach einer halben Stunde (siehe Tabelle XXXVII XXV, XXXII,
ANNI, XXXV, XLIT, XLVI, XLVIL LI) oder am nächsten Tage (siehe
Tabelle X, XL NAT, XV) der Wert des gemischten Opsoninindexes fiel oder
stieg, auch der \Vert des mit Bovin- oder mit Humanemulsion untersuchten
Opsoninindexes fiel oder stieg, ferner auch, daß wenn ich bei der zu dia-
gnostischen Zwecken vorgenommenen Opsoninindex-Feststellung im Werte des
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mit gemischter Emulsion untersuchten Opsoninindexes keine Abweichung fand,
auch der mit Human- und Bovinemulsion untersuchte Opsoninindex einen
normalen Wert zeigte: hätte ich nach alledem darauf schließen müssen, daß
die mit Bovin- und Humanemulsion vorgenommene Opsoninindex-Feststellung
darüber Aufklärung geben kann, ob wir einer doppelten, oder einer Human-
resp. einer Bovininfektion gegenüberstehen.
Diese meine Folgerungen haben meine Tierexperimente, welche ich aller-
dings noch nicht abgeschlossen habe, nicht nachgewiesen. Ich habe 6 gleich-
wiegende Kaninchen intraperitonialiter mit abgewogenen gleichen Quantitäten
von Tuberkulosiskulturen geimpft, und zwar 2 mit rein humaner Kultur,
2 mit rein boviner Kultur, und 2 mit gemischten Kulturen. Vor der Impfung
BD.XHDHEFTL ÜBER OPSONINE UND DEREN VERWERTBARKEIT. 23
habe ich an diesen 6 Tieren, und noch an anderen 3 Kontrolltieren den Wert
des Opsoninindexes separat mit gemischter Human- und Bovinemulsion fest-
gestellt. Nach der Impfung aber habe ich wöchentlich einmal, zusammen fünfmal
den Wert des Opsoninindexes festgestellt. Meine Erfahrungen waren folgende:
Die Werte des sowohl mit Bovin- als Human-, als auch mit gemischter Emulsion
untersuchten Opsoninindexes waren schon am Ende der ersten Woche nicht
normal; während der ganzen Zeit habe ich bei meinen mit den dreierlei Emul-
sionen vorgenommenen Untersuchungen keinerlei Zusammenhang gefunden, je
nachdem die Infektion mit Bovin-, Human- oder gemischten Kulturen geschah.
Zu Ausgang der fünften Woche hat sich das Resultat der Untersuchung nur
insofern geändert, daß ich auf den einzelnen Tieren den niedrigsten Wert des
Opsoninindexes durch jene Emulsion erreichte, mit welcher die Infektion vor
sich ging (siehe Tabelle LV, LVI, LVII, LVII, LEX). Zu dem Zwecke, damit
meine Tierexperimente die an den Patienten erzielten Untersuchungsresultate
bekräftigen sollen, wäre es notwendig gewesen, daß das bloß mit humaner
Kultur infizierte Tier nur mit der Humanemulsion, das bloß mit Bovinkultur
infizierte Tier nur mit Bovinemulsion und daß das mit gemischter Kultur
infizierte Tier sowohl mit Bovin- als mit Humanemulsion einen krankhaften
Opsoninindex ergibt. Diese Erfahrung habe ich nicht gemacht und so haben
meine Tierexperimente nicht bestätigt, daß wir aus dem Resultate der separat
mit Humanemulsion vorgenommenen Opsoninfeststellungen auf den Ursprung
der Human- oder Bovininfektion schließen können. Indem ich voraussetze, daß
ich meine Untersuchungen gut ausgeführt habe, und daß die Technik der
Wrightschen Untersuchungsmethoden nur innerhalb kleiner Fehlerquellen
grenzen, muß ich aus meinen Resultaten folgende Schlüsse ziehen.
1. Der Wert des Opsoninindexes gesunder Personen schwankt zwischen
0,85 und 1,15. An ein und derselben Person häufiger vorgenommene Unter-
suchungen ergaben keinen ständigen, sondern nur einen innerhalb der nomalen
Grenzen schwankenden Wert.
2. Wenn der Wert des Opsoninindexes unter 0,85 und über 1,15 war,
konstatierte ich meistens Tuberkulose. Die Untersuchung hat sich bei 85 von
99 internen Tuberkulosefällen, bei 5 von 8 chirurgischen und bei allen Lupus
vulgarus-Fällen bewährt.
3. Meine parallel mit den probatorischen Tuberkulininjektionen vor-
genommenen Opsoninindex - Untersuchungen zeigten, daß das Sinken des
Opsoninindexes — selbst wenn dasselbe der klinischen Reaktion auch weit
voranging — das Vorhandensein von Tuberkulose bewies. Auf Grundlage
meiner Untersuchungen kann auch angenommen werden, daß das Sinken des
Opsoninindexes in einer halben Stunde nach der Injektion, sei es nach einer
kleinen oder nach einer großen Dosis, ebenfalls Tuberkulose bedeutet.
4. Aus der Höhe des Wertes des Opsoninindexes können wir auf den
Grad des Leidens keine Folgerungen ziehen, es ist aber wahrscheinlich, daß
das starke Sinken des Opsoninindexes eine schlechte Prognose bedeutet.
5. Auch in der spezifischen Therapie bedeutet die Bestimmung des
Opsoninindexes einen Fortschritt, weil wir durch diese Kontrolle die Reaktion
24 v. SZABOKY, ÜBER OPSONINE ETC. ee
häufig vermeiden können, und in der Lage sind, den Grad der Immunität
aproximativ festzustellen. Wenn auch die während der Immunisation auftretende
Opsoninindex-Steigung nicht in allen meiner Fälle die klinische Besserung im
Gefolge hatte (dies zeigt schön die Tabelle VII: trotzdem das Leiden vorgeschritten
st, stieg der Opsoninindex fortwährend), habe ich bei Fallen beginnender Lungen-
tuberkulose doch ziemlich gute Resultate erzielt. Die Feststellung des Wertes
des Opsoninindexes kann als guter Anhaltspunkt insbesondere in vorgeschrittenen
fieberhaften Fallen dafür dienen, ob die begonnene Behandlung ohne Schädigung
des Organismus fortgesetzt werden kann oder nicht; im allgemeinen sehen wir
erst bei diesem Kontrollverfahren, wie schwer die spezifische Behandlung ist,
wie schwer es ist, die gehörige Dosis zu wählen, welche Praxis zur gehörigen
Individualisierung gehört, wie unrichtig die häufige Einspritzung und die rasche
Steigerung der Dosis ist.
6. Meine Tierversuche bieten keinen genügenden Anhaltspunkt dafür, daß
auf Grund der mit Human- und Bovinemulsion vorgenommenen Opsoninunter-
suchungen die doppelte, oder die reine Human- oder aber die reine Bovin-
infektion angenommen werden könnte.
Nach alledem glaube ich, daß die Feststellung des Opsoninindexes bei
der Diagnose der Tuberkulose (Bradshaw und Glynn) eine ziemlich wichtige
Rolle spielt. Es erleichtert in vielen Fällen die Diagnosestellung schon jener
Umstand, daß wir nach der Tuberkulininjektion die Diagnose in !/, resp.
ı Stunde (Fraser) durch das Sinken des Opsoninindexes erzielen können.
Wenn wir hierbei jene Vorteile in Betracht ziehen, welche die Feststellung des
Opsoninindexes in der Therapie der Tuberkulose und event. in der Prognose
der Tuberkulose (French, Clive Riviere, Rotch, Floyd, Neuburger,
Bunch, Balban, Cecil Bosanquet, Bradshaw und Glynn) bieten kann,
dann dürfen wir nicht vor den technischen Schwierigkeiten zurückschrecken.
Ich muß allerdings zugeben, daß die Opsoninbestimmung eine sehr mühsame,
zeitraubende Untersuchung ist, welche eine kolossale Übung beansprucht. Nur
nach einer längeren Einübung ist es möglich, gleichmäßige Resultate zu erzielen,
und dann spielt aber noch immer die Subjektivität einzelner Untersucher eine
ziemlich wichtige Rolle.
Zum Schlusse gehe ich einer angenehmen Pflicht entgegen, als ich den
Privatdozenten Herren Gúza v. Dieballa und Bernhard Vas für die Über-
lassung des Untersuchungsmateriales meinen verbindlichsten Dank ausspreche.
BDXUDDEFIL HENNIG, EINFLUSS DER DEUTSCHEN MEERE ETC. 25
II.
Der Einfluß der deutschen Meere (Ost- und Nordsee) auf die
Tuberkulose der oberen Luftwege.
Vortrag, gehalten auf dem I. Internationalen Laryngo-Rhinologenkongreß zu Wien.
Von
San.-Rat Dr. A. Hennig, Königsberg i. Pr.
i und der Lungen an die französische, italienische und österreichische
CAN Riviera, an den Gardasee oder in die Hühenkurorte der Schweiz Ver-
EE wie auch schon allein der Umstand, daß es nur einer verschwindend
kleinen Zahl von Kranken wegen der bedeutenden Kosten vergönnt ist,
jene Kurorte aufzusuchen, hat mich schon seit Jahren veranlaßt, derartige
Leidende aus dem Norden Deutschlands, bei denen der Prozeß noch nicht
zu weit vorgeschritten war, an die Gestade unserer nordischen Meere, an die
Ost- und Nordsee zu schicken. Ganz besonders wurde ich in diesem Ent-
schlusse durch die ausgezeichneten Erfolge, die dänische Kollegen in ver-
schiedenen Sanatorien und Lungenheilstätten an der dänischen Küste erzielt
hatten, bestärkt. Es gibt daselbst zurzeit nicht weniger als 9, teils fertige, teils
im Bau begriffene Seeküstensanatorien und Heilstätten für Lungentuberkulose,
Skrofulose und chirurgische Tuberkulose und zwar in Refsnäs auf Seeland,
in Juelsminde am Kattegat, in Hellebäk am Sund, in Boserup am Roskilde-
fjord, in Vejlefjord, in Krabbesholm am Skiwefjord und diese 6 Sanatorien
mit insgesamt 661 Betten arbeiten schon seit Jahren, Sommer und Winter
hindurch mit glänzenden Resultaten. Es sind z. B. in dem unter Leitung
Prof. Saugmans stehenden Vejlefjord-Sanatorium unter 1186 binnen 7 Jahren
aufgenommenen Patienten aus allen drei Stadien der Tuberkulose bei So",
Heilungen beobachtet worden, die Dauererfolge übertreffen sogar die von
Turban in Davos erzielten.
Prof. Schepelern, der Leiter des Kysthospitals auf Refsnäs, hält die
Resultate bei der Behandlung der Lungentuberkulose an der Seeküste im
Winter für ebensogute wie im Sommer, da die Kinder den ganzen Winter
täglich an die Luft kommen.
Infolge der ausgezeichneten Erfolge der obengenannten Sanatorien sind
in Dänemark drei weitere für Tuberkulose im Bau begriffen, die schon in
allernächster Zeit eröffnet werden und zwar in Nakkebölle auf Süd Fünen
(122 Betten), in Faksinge am Prästofjord (120 Betten), beide für Männer und
Frauen, und in Louisehöi am Koldingfjord. mit 102 Betten für Kinder bis
zu 15 Jahren.
Aber auch von der Nordsee mehren sich in den letzten Jahren die
Berichte über eine günstige Beeinflussung von Lungen- und Kehlkopftuberkulose
durch das Seeklima, von Helgoland, Norderney, Borkum und Sylt
werden nicht nur Besserungen auch vorgeschrittener Tuberkulosefälle gemeldet,
sondern direkt von Heilungen gesprochen. Schon Beneke hat gesagt: „Die
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20 e = an E o TUBFRKULOSE
Meeresluft am nördlichen mittelländischen Gestade kann eine dauernde Kräftigung
der schwächlichen Konstitutionen nur selten für sich in Anspruch nehmen.
Was man dort atmet, ist sehr verschieden von der Lutt vom Nordseegestade.
Am Strande von Nizza, Mentone, San Remo etc. ist die Luft oft so trocken
und so wenig bewegt, daß man nicht glaubt dem großen Wasserbecken nahe
zu sein. Die Ostsecluft hat schon bedeutend wirksamere Eigenschaften, der
tonisierende Einfluß tritt bei ihr bereits hervor, sobald das Meer und die Luft-
strömungen an den meist bewaldeten Ufern eine genügende Bewegung zeigen.“
Und noch höher schätzt Beneke die Nordseeluft ein, der er den ersten Platz
unter allen gegen konstitutionelle Schwächezustände empfohlenen Behandlungs-
methoden zuspricht. |
In gleichem Sinne äußert sich Dr. Nicolas, Westerland-Sylt, in einem
am 12. November 1907 im ärztlichen Verein zu Hamburg gehaltenen Vortrage
„Winterkuren an der Nordsee“,
Eine geradezu vernichtende Kritik über die französische Riviera spricht
aus den Worten unseres Altmeisters der Laryngologie Moritz Schmidt. „Zu
den ungeeignetsten Plätzen für Schwindsüchtige, besonders für die am Kehl-
kopf Leidenden, gehören die von Frankreich und England so bevorzugten süd-
französischen Orte Mentone, Nizza, Cannes etc., denn die meisten dieser Orte
bieten keinen genügenden Schutz gegen die von Februar bis Ende März ein-
tretenden Kälteperioden. Ganz besonders ist aber der unendliche Staub an
diesen Orten für mich eine absolute Kontraindikation, Hals- und Lungen-
phthisiker hinzuschicken.“
Prof. Tjaden, Geschäftsführer des Gesundheitsrates zu Bremen, sagt in
dem Aufsatze, Nordseeklima und Tuberkulosebekampfung: ,,So günstig die
Wirkung des Nordseeklimas auch bei der Drüsen-, Knochen- und Gelenk-
tuberkulose ist, ihre größere Bedeutung scheint mir bei der Behandlung der
Anfangsstadien der Lungentuberkulose zu liegen, und zwar sowohl bei Kindern
wie bei Erwachsenen.“
Ferner hat der bekannte Rostocker Pharmakologe Kobert, der ehe-
malige Direktor der Brehmerschen Heilanstalten, bei Gelegenheit der letzten
Bäderreise der deutschen Ärzte am 5. September v. J. in Ahlbeck und am
12. Oktober v. J. in der Sitzung des Rostocker Ärztevereins unter voller Zu-
stimmung der Anwesenden sich dahin ausgesprochen, daß zum mindesten die
westliche Hälfte der deutschen Ostseeküste, soweit sie eine schöne Gegend mit
Windschutz und Wald bietet, sehr wohl geeignet ist zur Erbauung von Volks-
lungenheilstätten, von Privatsanatorien für Lungenkranke und von Sanatorien
für Skrofulose und chirurgische Tuberkulose, und zwar alle drei Arten von
Anstalten mit Winter- und Sommerbetrieb gedacht.
Endlich habe ich selbst schon im Jahre 1906 in meinem Buche: „Die
wissenschaftliche und praktische Bedeutung der Ostseebäder“, auf
die großen Vorzüge der Ostsee bei der Behandlung der auf chlorotischer oder
anämischer Basis, auf Entwickelungsfehlern, nach langwierigen Infektionskrank-
heiten oder in der Rekonvaleszenz sich ausbildenden, wie jedoch auch bei der
primären Tuberkulose der Lungen und der oberen Luftwege, und zwar im
BD.XIILHEFT I. EINFLUSS DER DEUTSCHEN MEERE AUF TUBERKULOSE. 27
Sommer wie im Winter hingewiesen, weil wir gerade an ihr in der glücklichen
Lage sind für jede Jahreszeit passende, windgeschützte Kurorte auszuwahlen
und den Einfluß des Seeklimas wesentlich zu modifizieren, den Vorzug herr-
licher Laub- und Nadelwaldungen haben und gerade dadurch unsere Kranken
den rauhen Winden (besonders Ost, Nordost und Südost) im Frühjahre wie im
Winter vollständig entziehen können.
Wir besitzen zwar auf den Nordseeinseln wie an der Ostseeküste einige
Hospize und Heilstätten, aber ausschließlich für Tuberkulosebekämpfung sind
nur vorhanden die seit dem Herbst 1906 arbeitende Nordheimstiftung in
Sahlenburg bei Cuxhaven, die Heilstätte der Hanseatischen Alters-
und Invaliditätsversicherungsanstalt für weibliche Kranke in Wester-
land auf Sylt und die kleinen Kurorte St. Peter und Wawerort an der
Westküste der Halbinsel Eiderstedt in Holstein, im übrigen werden nur
noch in den Kinderheilstätten, in Norderney, in Wyk auf Föhr, wie in
St. Müritz i/M. und in Zoppot Kindertuberkulose in Gemeinschaft mit
Anämien, Chlorose, Skrofulose, Drüsen-, Gelenk- und Knochentuberkulose
behandelt.
Und woran liegt es nun, resp. hat es gelegen, daß sowohl die zahlreichen
Kurorte der Ostsee wie die Küsten der Nordsee und die ihr vorgelagerten ost-
und westfriesischen Inseln wenig oder garnicht zur Bekämpfung der Tuberkulose
herangezogen worden sind? Zunächst in der Unkenntnis der klimato-
logischen Verhältnisse der Ost- und Nordsee, und zwar nicht nur auf
seiten der Laien, sondern besonders seitens der Ärzte, obgleich es schon eine
ganze Reihe wissenschaftlicher Veröffentlichungen über dieses Thema gibt
(Röchling, Nicolas, Tjaden u. A.), aus denen zahlenmäßig ersichtlich, daß
die Kurorte der nordischen Meere in klimatischer Beziehung sich sehr wohl
mit bevorzugten Luftkurorten im Herzen Deutschlands, in der Schweiz und an
den Rivieren messen können; nächstdem in der falschen Auffassung von
Ärzten und Laien, die alles Heil im Meere, in den Strandbädern er-
blickten und den hervorragenden Wert des Seeklimas, der ganzen klimato-
logischen Verhältnisse nicht erkannten. Aber jetzt dürfte es wohl Allgemeingut
aller beteiligten Kreise geworden sein, daß dem Seeklima bei weitem die
erste Stelle in der Behandlung und bei der Heilung aller an die Sec
Geschickten eingeräumt werden muß, und daß die Seebäder selbst
erst in zweiter Linie rangieren.
Dazu kommt noch, daß die meisten Badeverwaltungen den ganzen Betrieb
auf wenige Monate im Sommer zuspitzen, in ihren Führern von einer von
Juni bis September währenden Saison schreiben, auf die schon immerhin zahl-
reicheren Hinweise der Ärzte über den Vorzug der Frühjahrs-, Herbst- und
Winterkuren an der See bei einer großen Zahl von Krankheiten gar keine
Rücksicht nehmen, sondern in allerdings entschuldbarer Kurzsichtigkeit und
Unkenntnis, wohl häufig auch der alten Überlieferung folgend, alles Heil für
die Kurorte in einer kurzen, möglichst geräuschvollen und besuchten Sommer-
saison suchen; keine Sorge dafür tragen, daß Wohnungen, Pensionate und
Hotels von vornherein derartig gebaut und angelegt werden, daß sie sich auch
28
ENT ZEITSCHR. f.
A. HENNIG. TUBERKULOSE
für einen Winterbetrieb eignen. Man mag sich im Gegensatze zu dieser Gleich-
gültigkeit, Schwerfälligkeit und dem mangelnden Akkommodationsvermögen an
unseren nordischen Meeren die mustergültigen Einrichtungen der Riesenhotels
und Pensionate an den Gestaden des Mittelmeeres oder gar der Schweiz an-
sehen, um zu der Erkenntnis zu gelangen, daß wir hier oben noch recht weit
von dem notwendigsten Komfort für Kranke und Schwächliche entfernt sind. —
Aber auch ein nicht zu verkennender Egoismus spielt ganz besonders bei der
Tuberkulose mit. Die meisten Badeverwaltungen wollen gar keine Tuber-
kulösen bei sich aufnehmen, wenigstens nicht offiziell, weil sich dann ihrer
Meinung nach ein Rückgang von anderen Kurgästen, die bis dahin das Haupt-
kontingent gebildet haben, also von Schwächlichen, Rekonvaleszenten und Er-
holungsbedürftigen, einstellen könnte. In diesem Punkte muß man den wohl
im allgemeinen von Laien geleiteten Badeverwaltungen recht geben, aber um-
gekehrt ist es unsere — der Ärzte — Sache, das große Publikum und damit
auch die Badevorstande immer wieder darauf aufmerksam zu machen, daß
eine Ansteckungsgefahr bei geschlossener Tuberkulose, bei Tuber-
kulosen im I. und Il. Stadium mit geringem Bazillenauswurf unter
Rücksicht moderner Hygiene ganz und gar ausgeschlossen ist. Man
mag sich doch z. B. die bekanntesten und am meisten aufgesuchten Schwind-
suchtsstationen der Schweiz ansehen, in denen sich immer zahlreiche Tuber-
kulöse, starke Bazillenspucker im terminalen (II) Stadium befinden, wie diese
Orte trotzdem in den Wintermonaten von Sportfreunden des Ski, des Bobs-
leigh etc. besucht sind. Und all diese Tausende, darunter Sportlustige aus
hohen und höchsten Kreisen, scheuen sich nicht aus Furcht vor Ansteckung
Wochen hindurch der Erholung und dem schönen und gesunden Wintersport
in unmittelbarster Nähe von schwer Lungenkranken, von Bazillenspuckern zu-
zubringen. Gerade in diesem Punkte muß von seiten der Ärzte wie seitens der
Badeverwaltungen eingehende Aufklärungsarbeit im breiten Publikum geleistet
werden. Und wenn dies geschehen sein wird, dann werden auch zum Heile
der Tuberkulósen und zum Wohle der Badeverwaltungen sich in unseren Kur-
orten an der Ost- und Nordsee neben anderen Kranken auch im Sommer und
Winter Tuberkulöse im Anfangsstadium, Tuberkuloseverdächtige einfinden und
auch von den Badeverwaltungen gerne gesehen werden. Dann haben wir ein
schönes Stück sozialer Arbeit getan. Dahin geht mein Streben, das ist mein
Ziel, von dessen sogar baldiger Erreichung ich fest überzeugt bin, wenngleich
es auch noch manchen Kampf kosten, manches Hindernis zu beseitigen sein
wird. Aber je schwerer der Kampf, um so schöner der Sieg.
Welches ist nun aber der mächtigste Heilfaktor in der Bekämpfung der
noch immer schlimmsten Volkskrankheit, der Tuberkulose; ich sage der noch
immer schlimmsten! Denn trotzdem die Sterblichkeit an Tuberkulose in Preußen
von 31,14 auf 10000 Lebende im Jahre 1886 auf 17,26 auf 10000 Lebende
im Jahre 1906 heruntergegangen ist, erliegen dieser Seuche in Preußen allein
doch noch jährlich ca. 65000 Personen von 673669, d. h. ca. 10%, aller
Sterbefälle.
Der machtigste Heilfaktor in der Bekämpfung der Tuberkulose der oberen
BD.XIIREFTL EINFLUSS DER DEUTSCHEN MEERE AUF TUBERKULOSE. 20
Luftwege und der Lungen ist und bleibt neben manchem anderen möglichst
reine, staub-, ruß- und keimfreie Luft. Und wo finden wir eine solche
Luft? Nur auf dem Meere und am Meere und in Deutschland an der Nord-
und Ostsee und sonst nirgendswo. Ganz und gar irrelevant ist dagegen der
Einfluß hoher Wärmegrade, besonders das südliche Klima der französischen,
italienischen oder österreichischen Riviera. Den besten Beweis dafür liefern
die Höhenkurorte Arosa, St. Moritz und Davos, die zahlreichen Sanatorien und
Heilstätten im Herzen Europas, die schon außerordentlich günstige Resultate
in der Heilung resp. Besserung Schwindsüchtiger in dem I. Stadium, wie aber
bisweilen auch noch im II. und III. Stadium aufweisen.
Die Seeluft, das Seeklima der Ost- und Nordsee ist aber von dem
Kontinentalklima Europas wesentlich verschieden und zeichnet sich durch eine
Reihe wichtiger Eigenschaften bezüglich des Einflusses auf Tuberkulose der
oberen Luftwege und der Lungen aus. Dieselben sind: Die Temperatur, die
Barometerschwankungen, die absolute Dichtigkeit, der Ozon- und Sauerstoff-
gehalt, die Luftelektrizität, der Chlornatriumgehalt, die Reinheit, der Mangel an
Mikroorganismen, die Staub- und Ruffreiheit, der Feuchtigkeitsgehalt, die
größere Intensität der Luftstromungen, die abhärtende Wirkung und der
psychische Eindruck.
Fast alle diese Faktoren haben einen mehr oder weniger günstigen Einfluß
auf die Tuberkulosen der oberen Luftwege resp. der Lungen, und nur in Kürze
wollen wir dieselben Revue passieren lassen.
Die Temperatur der Seeluft ist in den Sommermonaten viel niedriger
(bis zu 8°C), im Winter dagegen weit höher (bis zu 6°C) als im Binnenlande;
das Seeklima der Nord- und Ostsee ist mithin milder, gleichmäßiger als das
kontinentale Klima. Neben der Gleichmäßigkeit des Temperaturverlaufes
während eines Tages — es kommen nur geringe Schwankungen zwischen
Morgen, Mittag und Abend, zwischen Tag und Nacht vor — besteht auch nur
ein geringer Unterschied zwischen den einzelnen Tagen; auch der Temperatur-
wechsel von einem zum anderen Monat, ja von einer zur anderen Jahreszeit
liegt stets und immer in mäßigen Grenzen und ist weit weniger plötzlich und
exzessiv als auf dem Festlande. Auch Schnee- und Frosttage sind an der See
weit seltener als im Binnenlande und ganz besonders gegenüber weit südlicher
und im Südosten gelegenen Orten. Diese größere Konstanz der Seeluft-
temperatur wird auch noch erhöht durch die stärkere Bewölkung an der
See, und hieraus ergibt sich der große Vorteil für den Schwindsüchtigen, sich
weit seltener am Meere zu erkälten als im Gebirge oder im Flachlande, sich
viel länger im Freien und zwar auch abends aufhalten zu können als auf dem
Festlande und den Tag weit mehr auszunutzen. Dabei kommt den Kranken
ganz besonders die Staub- und Rußfreiheit, der niedere Keimgehalt
oder die Keimfreiheit der Seeluft zugute, denn da die meisten Kurorte der
Ostsee, wie die Nordseeinseln hauptsächlich unter dem Einflusse nordwestlicher
Winde stehen und sich ferner zum großen Teil in einer Entfernung von 120 See-
meilen und darüber vom nächstgelegenen Festlande in nordwestlicher Richtung
befinden, so ist die Seeluft daselbst absolut keimfrei. Die Süd- und ge-
tre ZFITSCHR. f.
30 A. HENNIG: g © TUBERKULOSE
fürchteten Ostwinde, die reinen Landwinde sind allerdings für die Nordseeinseln
wenig günstig, weil sie schlechte Luft vom Wattenmeer bringen; für die meisten
Ostseekurorte spielen sie eine nur untergeordnete Rolle, da fast alle Ostsee-
bäder mit einem breiten Waldesgürtel umsäumt, in großen, schönen, alten Park-
anlagen gelegen sind, die wie ein Filter gegen jede vom Lande herkommende
Staubverunreinigung der Luft wirken. Daß eine von korpuskulären Substanzen
freie Luft nicht den geringsten Reiz auf die bei Lungen- und besonders Kehl-
kopfleidenden von vornherein erkrankte Schleimhaut der Atmungsorgane ausübt
und schon lediglich aus diesem Grunde wohltuend, reizmildernd wirkt, ist selbst-
verständlich; aber weiterhin wird auch noch durch die Fernhaltung von Staub
und Schmutz von den äußeren Bedeckungen die Hautatmung günstig beeinflußt,
ein ebenfalls nicht zu unterschätzendes Moment für die Gesundheit.
Nächstdem wichtig für die Tuberkulose ist der hohe Feuchtigkeits-
gehalt der Seeluft der gemäßigten Zone, besonders an der Ost- und Nordsee,
hervorgerufen durch die stete Verdunstung einer großen und bewegten Wasser-
fläche, und zwar deshalb, weil ebenso wie die größere Dichte der Luft auch
die mit Wasserdunst ziemlich gesättigte die Wärme besser leitet und dadurch
den Wärmeverlust des Körpers wesentlich fördert. Da aber nun weiterhin die
Hautperspiration bei trockener Luft viel stärker als bei feuchter ist, so ergibt
sich infolge des hohen Wassergehaltes der Luft am Meere eine geringere Ver-
dunstung der Hautoberfläche und mit ihr eine geringere Verdunstungskälte;
hierauf beruht einzig und allein die höchst wichtige Tatsache, daß ein Kurgast
sich weit seltener an unseren nordischen Meeren, selbst an stürmischen Tagen
und bei längerem Aufenthalte auf der See und am Strande, auch abends und
nachts, erkältet, als im Binnenlande oder an anderen Meeren, wo die Haut-
perspiration infolge der trockenen Luft viel stärker und die Verdunstungskälte
wesentlich größer ist. Die mit Wasserdampf gesättigte Seeluft bahnt zunächst
in sehr schonender Weise die Erhöhung des Stoffwechsels an, ohne daß die
gesteigerte Wärmeproduktion eine größere Arbeitsleistung vom Organismus
voraussetzt oder verlangt, sie wirkt mildanregend auf den Körper. Ein
weiterer sehr wichtiger physiologischer Effekt besteht nächstdem in einer be-
ruhigenden Wirkung, und zwar besonders auf die Atmungsorgane durch die
Erweichung, Lockerung und Lösung zäher Schleimmassen vom Naseneingang
bis zu den feinsten Lungenalveolen, wodurch die Ausscheidung derselben er-
Icichtert, die Lungen freier werden, infolgedessen sich die Atmung vertieft,
die Zirkulationsverhältnisse sich bessern, der Stoffwechsel sich steigert. Und
dieser Vorteil wird noch durch den etwaigen Ozon- und Salzgehalt der
Atmungsluft etwas vermehrt. Können wir auch dem Ozongehalt der Lutt,
besonders der Seeluft, keinen direkt günstigen Einfluß auf desinfizierende und
oxydierende Vorgänge im Organismus zusprechen, so hat er dennoch eine
indirekte Bedeutung für uns, weil er als Gradmesser der Reinheit der Luft gilt,
denn je größer sein Gehalt in der Luft, um so sicherer können wir behaupten,
daß die Luft von organischen Beimischungen fast frei ist; denn wo immer
faulende Substanzen vorhanden sind, zersetzt sich das Ozon vermöge seiner
ihm innewohnenden Kraft und verschwindet aus der Luft. Aber nur als Grad-
BD.XIILHEFT1. EINFLUSS DER DEUTSCHEN MEERE AUF TUBERKULOSE. 31
messer darf der Ozongehalt der Luft dienen, denn leider kommen auch, wie
Flügge nachgewiesen hat, in der ozonreichen Luft Mikroorganismen vor.
Ähnlich wie der Einfluß des Ozongehaltes der Seeluft weit überschätzt worden
ist und leider noch immer wird, und zwar besonders von leidenschaftlichen
Nordseeschwärmern, gerade so geht es mit dem Kochsalzgehalt derselben. Die
Seeluft enthält im großen und allgemeinen weder an der Ost- noch Nordsee,
noch einem anderen Meere, weder in den Küsten- noch auf den Inselbädern
Kochsalz, sondern lediglich bei starkem Winde und heftiger Brandung findet
sich Kochsalz in der Luft, aber immer nur in sehr geringer Menge und auch
stets nur in unmittelbarster Nähe des Strandes, dort, wo die wilde
Brandung sich in Gischt auflöst und feinste, kleinste Wasserteilchen in die Luft
schleudert, von wo sie je nach dem Grade des Windes und der Windrichtung
mehr oder minder weit vom Strande fortgetragen werden, aber doch nur auf
relativ kurze Strecken. Also nur an stürmischen Tagen oder an Küsten, an
denen infolge der Strandformation häufiger eine kräftige Brandung tobt, können
wir uns den Genuß und den Vorteil der Einatmung einer fein verteilten Koch-
salzlösung verschaffen, der sich jedoch nur in einer wohltuenden, mildanregenden
Wirkung auf die oberen Luftwege bemerkbar macht, keineswegs aber wesent-
lichen Einfluß auf den Stoffwechsel im allgemeinen, auf Rück- und Anbildung
von Gewebe, von Wärmeproduktion ausübt, wie andere annehmen, denn dazu
sind die eingeatmeten Kochsalzmengen viel zu gering im Verhältnis zu denen
durch die Nahrung aufgenommenen. Unter den oben angeführten Umständen
ist aber die See selbst das natürlichste, größte Inhalatorium der Welt,
die Luft auf und an derselben von einer vollkommenen Reinheit, Staub-, Ruß-
und Keimfreiheit und daher kann schon aus diesen physiologischen Gründen
jedem an Tuberkulose Leidenden, sofern er genügend Kräfte besitzt, um den
Stoffverbrauch, der mit jedem Aufenthalte an der See, in der Seeluft ver-
bunden ist, vollständig zu decken und noch ein kleines Plus anzusetzen, warm
empfohlen werden, besonders solche Orte aufzusuchen, an denen erfahrungs-
gemäß häufiger kräftige Seewinde wehen, an denen das wunderbare Natur-
schauspiel der wildtosenden Brandung oftmals den Gischt über den Seestrand
und die Strandpromenaden treibt und dort Gelegenheit bietet, die Lungen
tüchtig zu ventilieren und sich Gesundheit und Kraft in dem herrlichsten und
kräftigsten Inhalatorium der Welt zu holen. Das ist aber ganz besonders auf
einzelnen Nordseeinseln und in manchen Kurorten an der Ostsee, wie z.B. in
dem an der samländischen Bernsteinküste gelegenen Seebad und Seekurort
Cranz der Fall.
Der therapeutische Wert eines mäßig starken Seewindes ist aber für
Lungenkranke, für Tuberkulosen der oberen Luftwege von großer Bedeutung,
denn neben der Zufuhr einer staub-, ruß- und keimfreien, öfters auch mit
Kochsalz geschwängerten Atmungsluft, durchlüftet derselbe die Kleidungsstücke
und führt die gasförmigen Ausscheidungen des Körpers schneller fort, dann
aber steigert er auch die Wärmeabgabe und den Wärmeverlust in weit höherem
Grade als der obenerwähnte Feuchtigkeitsgehalt der Seeluft. Diese fast un-
unterbrochene Wärme entziehende Eigenschaft der Seeluft, die bei nicht ge-
ER ZEITSCHR. f.
32 | À. HENNIG, | __ TUBERKULOSE
nügender Bekleidung recht erheblich, ja bei zu starkem und uneingeschränktem
Genusse derselben sogar höchst gefahrlich werden kann, ist bei verständigem
Gebrauche von unschätzbarem Nutzen für Gesunde wie Kranke, besonders aber
für Tuberkulóse. Zunächst findet durch den häufigen Kältereiz eine Hebung
und Kräftigung des Warmeregulierungsapparates statt, die glatten Muskelfasern
der Haut und der Fautgefäße ziehen sich kräftig zusammen, die Ernährung der
Haut geht schneller, energischer vor sich; mit ihr hält aber auch eine Steigerung
der Wärme bildenden Prozesse im Körper gleichen Schritt, um den durch die
Haut vermittelten Wärmeverlust zu decken, und zwar kommt der gesteigerte
Stoffverbrauch durch den erhöhten Appetit zum Ausdruck. Infolgedessen sehen
wir jeden Kurgast an der See sich sehr bald weniger stark bekleiden wie im
Binnenlande, weil er sich unbewußt in der Seeluft abhärtet und nicht auf jeden
Wechsel in der Temperatur, der, wie wir oben sahen, an unseren nordischen
Meeren, an der Nord- "und Ostsee, überhaupt sehr gering ist, mit einer Er-
kältungserscheinung antwortet und ferner infolge des gesteigerten Nahrungs-
bedürfnisses auch gewöhnlich an Körpergewicht zunehmen. Aber auch nur
solche Tuberkulösen dürfen an unseren Meeren bleiben, bei denen die An-
bildung von Stoff die Rückbildung um etwas übersteigt; wenn dagegen der Ver-
brennungsprozeß im Organismus nicht vollständig durch die Nahrungsaufnahme
gedeckt wird, der Appetit sich verringert, so ist eine Seeluftkur nicht am Platze
und muß sofort aufgegeben werden.
Die übrigen der Seeluft der nordischen Meere zukommenden Eigen-
schaften, wie die Barometerschwankungen, die absolute Dichtigkeit, die Luft-
elektrizitat haben für die Tuberkulosen der oberen Luftwege keine besondere
Bedeutung und können wir sie infolgedessen übergehen; ihren Einfluß im
allgemeinen habe ich in meinem obengenannten Buche näher beleuchtet.
Weiterhin müssen wir auch noch eines anderen sehr wichtigen Faktors
bei einem Seeaufenthalte gedenken, d. i. der Lichtwirkung, des Sonnen-
lichtes. Die exakte Beobachtung im Tier- und Pflanzenreiche lehrt uns den
gewaltigen Einfluß des Lichtes, speziell der Sonne auf das Leben und Wirken
sämtlicher organischer Wesen auf unserer Erde, die kräftigere Entfaltung aller
Lebenserscheinungen, beim Menschen eine vermehrte Schaffensfreudigkeit, ge-
hobene Gemütsstimmung, erhöhte Lebenslust; wir haben den hemmenden
Einfluß auf die Entwickelung der Bakterien, speziell der Tuberkelbazillen,
unsere ärgsten Feinde kennen gelernt; wir wissen, daß intensive Beleuchtung,
grelles Sonnenlicht besonders den Stoffwechsel des Menschen mächtig anregt,
und zwar werden in erster Linie diejenigen Naturen betroffen, die durch un-
geeignete Wohnung und Lebensweise sich dem Sonnenlichte längere Zeit ent-
zozen haben; ja der Stoffwechsel kann aber unter Umständen so stark werden,
daß lediglich infolge der zu kräftigen Einwirkung des Sonnenlichtes Beschwerden
aller Art, wie Kopfschwindel, Herzklopfen, Appetitmangel und Schlaflosigkeit
auftreten, und daher ist es auch nicht vorteilhaft, sich gleich in den ersten
Tagen eines Seeaufenthaltes viele Stunden den Strahlen der Sonne auszusetzen,
sondern es ist dringend zu empfehlen, sich langsam an diesen mächtigen
Heilfaktor zu gewöhnen. Das Licht wirkt ferner noch auf die Schweiß- `
BDXIILHEFTL EINFLUSS DER DEUTSCHEN MEERE AUF TUBERKULOSE. 33
absonderung, es erhöht sie in warmen, sonnigen Tagen um Bedeutendes und
belebt dadurch den Stoffwechsel; es vermehrt aber weiterhin auch die Kohlen-
säureausscheidung wie die Sauerstoffaufnahme und trägt auf diese Weise ohne
unser Zutun zur Verbesserung der Blutbildung und Blutmischung bei. Und
wo kann die Sonne ihre Gesundheit befördernden Eigenschaften wohl mächtiger
entwickeln als an der See? Nirgends anderswo, niemals in den Schatten
spendenden Waldungen oder in den im Gebirge liegenden Kurorten, in denen
häufig nur wenige Stunden am Tage zum Genuß der allbelebenden Sonnen-
strahlen zur Verfügung stehen. Hat doch Kolberg z. B. viel mehr Sonnen-
scheinstunden im Jahre wie die gepriesenen schweizerischen Höhenkurorte für
Tuberkulose, ein Faktum, das wohl noch kaum in weiteren Kreisen bekannt
sein dürfte, und ähnlich oder gleich ist es in den meisten Scekurorten
der nordischen Meere. Es muß aber noch berücksichtigt werden, daß bei
gleicher Intensität der Sonnenstrahlung wie bei gleich ausgedehnter Wolken-
bildung die auf den Menschen zur Einwirkung kommenden Lichtmengen infolge
der staub- und rußfreien Luft, der stärkeren Reflexion der Lichtstrahlen von
der Meeresoberfläche wie der geringen Absorption vom grellen Sandstrand am
Meere weit größer sind als im Binnenlande; das trifft aber nicht nur, wie
Tjaden meint, für die Nordseeinseln zu, sondern meiner Überzeugung nach
ist dieselbe an der Ostsee noch viel größer, weil der trockene Sandstrand weit
weniger Lichtstrahlen absorbiert als der durch die Flut feucht gewordene.
Luft und Licht, das Seeklima unserer Meere und die alles belebende
Sonne sind die wichtigsten Faktoren zur Heilung der Tuberkulose
der oberen Luftwege und der Lungen in der gemäßigten Zone; sie
überragen in ihrer Wirkung um vieles die bis dahin erzielten Erfolge der viel
gepriesenen Schwindsuchtstationen des Mittelländischen Meeres und der Schweizer
Höhenkurorte, von Madeira und Ägypten und der vielumstrittenen mehrmonat-
lichen Seereisen nach Australien, Südamerika und Asien; sie verweichlichen
nicht den ohnehin schwächlichen, widerstandslosen Organismus, sondern sie
kräftigen, sie beleben den Tuberkulösen, der Auswurf wird leichter, flüssiger
und hört allmählich auf, der Appetit hebt sich, das Körpergewicht steigt,
Nachtschweiße und Diarrhöen schwinden, Heiserkeit und Husten lassen nach,
katarrhalische Erscheinungen, Infiltrationen und Geschwüre der oberen Luft-
wege heilen aus, die abnormen auskultatorischen Erscheinungen auf den Lungen
machen normalen Atmungsgeräuschen Platz, kurzum der Schwerkranke geht
bei richtiger, umsichtiger ärztlicher Führung unter dem richtigen Gebrauche der
unschätzbaren Naturkräfte gewöhnlich seiner Genesung entgegen, aber nicht nur
im L Stadium der Tuberkulose, sondern häufiger auch in vorgeschrittenen
Fällen, und zwar sicherer und billiger als sonst irgendwo in der Welt.
Und diesen wissenschaftlichen Deduktionen über den Heilwert der Ost-
und Nordsee auf die Tuberkulose der Lungen wie der oberen Luftwege im
speziellen entsprechen nun auch die praktischen Resultate, die ich unter dem
Einflusse des Seeklimas in Verbindung mit einer rationellen Behandlung ge-
sehen habe. Was die spezielle Behandlung anbetrifft, so wurde jede derartige
Kur im Frühjahr, Sommer oder Frühherbst begonnen; die Wohnung resp. der
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIII. 3
NN ZEITSCHR, 4.
34 == ae = Bl _ TUBERKULOSE
Schlafraum niemals zu ebener Erde und nur nach Süden gelegen gewählt, auf
vorzügliche Verpflegung ganz besonderer Wert gelegt, anfänglich nur kurzer
Aufenthalt an der See gestattet, dagegen Liegekuren im Walde in der Nähe
der See bevorzugt; erst später, wenn es sich herausgestellt hatte, daß der
Kranke den Aufenthalt an der See gut vertrug, wurde ein längeres Verweilen
im Strandkorbe oder auf dem trockenen Sandstrande liegend gestattet, dazu
kamen Inhalationen von zerstäubtem Meerwasser im Dunstraum (Heryngs
Viersitzer) und Einzelinhalationen mit Guajakol, Perubalsam, Ol. pini pumilionis
Ol. Cupressi etc., lokale Behandlung, innerliche Medikationen, warme Seebäder,
Abwaschungen oder Duschen mit lauem Seewasser und endlich in der warmen
Jahreszeit bisweilen auch kalte Seebäder.
Seit Jahren finden wir in einer Anzahl von Führern von Ostseekurorten
und Nordseebädern als Indikation für die betreffenden Orte Lungentuberkulose
im I. Stadium, Lungenspitzenkatarrh, chronische Lungenaffektionen, chronische
Kehlkopfkrankheiten u. dergl. aufgeführt, ohne daß mit Ausnahme der Ver-
öffentlichungen aus den Kinderheilstätten an den deutschen Seeküsten nähere
Angaben über den Erfolg einer Seeluft- oder Seebadekur bei derartigen Leiden,
über die Zahl der Kranken etc. gemacht worden wären. Nur Herr Kollege
Wohlberg gibt an, daß im Jahre 1905 im Seehospiz Kaiser Friedrich in
Norderney an Lungentuberkulose 13 und an Lungenspitzenkatarrh 78 behandelt,
im Jahre 1906 von 111 Kindern mit Katarrh oder Verdichtung der Lungen-
spitzen 64 geheilt entlassen worden sind.
Nach Tjaden hat sich auch der leitende Arzt des Hamburgischen See-
hospitals, der Nordheimstiftung, über den Erfolg bei Kindern aus tuberkulösen
Familien mit chronischen Katarrhen der Atmungsorgane recht günstig geäußert,
und dieses Resultat ist um so wichtiger, als es sich gerade auf eine Winterkur
(und zwar in einem recht strengen Winter) bezog.
Ferner geben uns auch die Jahresberichte der Hanseatischen Alters- und
Invaliditätsversicherung über ihre Heilstätte für weibliche Lungenschwindsüchtige
in Westerland auf Sylt einen sicheren Beweis für den günstigen Einfluß des
Seeklimas auch im Winter. Dr. Nicolas berichtet aus dieser Anstalt vom
Jahre 1905. Von den aufgenommenen Lungenkranken litten an Husten 116,
derselbe blieb nur bei 14; Auswurf hatten 75, am Schlusse der Kur nur noch
15; bei 13 war blutiger Auswurf, der bei allen verschwand; an Nachtschweißen
litten 78, bei 6 blieb er.
Die von der Versicherungsanstalt für Schleswig-Holstein in St. Peter und
Warwerort an lungenkranken Männern und Frauen gemachten Erfahrungen
sind ebenfalls recht gute und werden baldigst veröffentlicht werden.
Tjaden berichtet über günstige Erfolge des Bremer Vereins zur Be-
kampfung der Tuberkulose mit 15 an offener Tuberkulose Leidenden auf
Norderney: Bei 11 Kranken hatte sich der Zustand während eines dreimonat-
lichen Aufenthaltes und zwar vom I. Dezember bis ı. März derartig gebessert,
daß sie ihre Arbeit wieder aufnehmen konnten.
Ich selbst habe den ersten Lungenkranken im Jahre 1881 im Frühjahr
nach Cranz bei Königsberg geschickt; derselbe blieb mit einigen Unter-
BD.XITHEFTÍ. EINFLUSS DER DEUTSCHEN MEERE AUF TUBERKULOSE. 35
brechungen bis zum Herbst dort und gesundete vollkommen. Seitdem, also
seit 27 Jahren, habe ich, wo es die Verhältnisse gestatteten, alle Tuberkulösen
und Schwindsuchtverdächtigen — und ihre Zahl ist nicht gering — speziell
die Lungen- und Kehlkopfkranken im I. Stadium, Personen mit geschlossener
Tuberkulose oder mit nur geringem Auswurfe an die See, und zwar an die
Ostsee geschickt, anfänglich nur im Spätfrühling und im Sommer, seit einigen
Jahren aber zu jeder Jahreszeit, und ich kann nur sagen, daß die Resultate
quoad sanationem et laborem jenen von Davos, Meran, Mentone, San Remo,
Palermo weit überlegen sind, und daß ich es im allgemeinen für einen großen
Fehler halte, tuberkulöse Lungen- oder Kehlkopfkranke ans Mittelmeer zu
schicken, ganz besonders aber aus Deutschland, falls die Patienten genötigt
sind, wie es doch meist der Fall ist, ihr Brot im Vaterlande zu verdienen;
aber auch die aus südlichen, wärmeren Ländern stammenden Tuberkulósen
sollten zu ihrem Heile das reizmildernde, kräftigende und anregende Klima
unserer nordischen Meere, der Ost- und Nordsee aufsuchen; hier wird ihnen
in der staubfreien, erfrischenden, gesunden Seeluft eher der Stern der Genesung
aufgehen als unter den erschlaffenden, heißen Sonnenstrahlen des Südens, als
in den schönen, aber staubigen Kurorten Frankreichs und Italiens.
Das ist nun wohl so ziemlich alles, was über den Einfluß der Nord- und
Ostsee auf Tuberkulöse veröffentlicht worden ist, und infolge dieser äußerst
spärlichen Angaben stellte ich im Laufe des verflossenen Winters eine Enquete
bei 95 an der Ost- und Nordsee praktizierenden Ärzten Deutschlands, Däne-
marks und Schwedens über die Zahl der an der See behandelten Tuberkulose-
fälle (Tuberkulose der oberen Luftwege, der Lungen, der Knochen und Gelenke
und der Haut), die Art und Weise der Behandlung und den Erfolg derselben
an. Auf meine Umfrage habe ich von einer Reihe von Kollegen ausführlichere
Antworten erhalten, die ich mir vorbehalte später in extenso zu veröffentlichen;
für heute erlaube ich mir, das Fazit derselben in folgenden Thesen nieder-
zulegen:
I. Der Einfluß der deutschen Meere (Ost- und Nordsee), besonders des
Seeklimas auf Tuberkulose der oberen Luftwege, wie der Lungen im Anfangs-
stadium ist sehr günstig, in der Mehrzahl der Fälle tritt Heilung ein; auch das
IL Stadium weist bei längerem Aufenthalte an der See noch stets bedeutende
Besserung auf.
2. Ganz besondere Vorteile von einem längeren Aufenthalte auf einzelnen
Nordseeinseln und in verschiedenen Kurorten der Ostsee haben diejenigen
Tuberkulosen der oberen Luftwege, die sich auf anámischer oder chlorotischer
Grundlage, infolge allgemeiner Körperschwäche im Anschlusse an Skrofulose,
Rachitis oder Infektionskrankheiten entwickelt haben.
3. Die Kurorte der Ostsee eignen sich besonders für schwächliche und
zarte Konstitutionen, die Nordseeinseln mehr für kräftigere Naturen. Im all-
gemeinen sind die Ostscebäder wegen ihrer mehr windgeschützten Lage zu
bevorzugen.
4. Die klimatische Kur kann sowohl an der Ost- wie Nordsee während
des ganzen Jahres gebraucht werden und muß mit einer hygicnisch-diatischen,
Sc?
Weg RE Serien e S ZEITSCHR. 4.
36 HENNIG, EINFLUSS DER DEUTSCHEN MEERE ETC. ` yUBERKULOSE
Inhalations-, medikamentösen und event. lokalen Behandlung verbunden
werden.
5. Die Errichtung von Lungenheilstätten ‘und Sanatorien für Lungen-
und Kehlkopttuberkulose mit Jahresbetrieb an geeigneten, windgeschützten
Plätzen an den deutschen Mecresküsten ist ein dringendes Bedürfnis. |
6. Weit ausgedehnte Tuberkulosen der oberen Luftwege im Verein mit
vorgeschrittener Lungentuberkulose bilden eine Gegenanzeige für einen Aufent-
halt an der See.
7. Bazillenspucker sind von dem Aufenthalte in offenen Kurorten an der
See auszuschließen und dürfen nur in geschlossenen Anstalten untergebracht
werden.
BD.KINGEFTL FRIBERGER, INFEKTIOSITAT DER KLEIDER ETC. 37
III.
Eine Untersuchung über die Infektiosität der Kleider Lungen-
schwindsüchtiger.
(Aus dem Pathologischen Institute, Upsala. Direktor: Prof. Dr. U. Quensel.)
Von
Dr. Ragnar Friberger,
Dozent an der Universität zu Upsala.
ZA le Wahrscheinlichkeit scheint dafür zu sprechen, daß die Kleider,
|| welche Patienten mit offener Lungentuberkulose anwenden, mit Kochs
Ac Bazillus infiziert werden.
Was weniger reinliche Individuen betrifft, so scheint dieses Verhältnis
offen zutage zu liegen. Man braucht bei diesen gar nicht an den infektiösen
Staub zu denken, den Cornet?) fast überall um solche Kranke herum nach-
gewiesen hat. Es genüge daran zu erinnern, daß diese oft den Auswurf vom
Munde mit dem Ärmel, mit einer Schürze oder dergl. abwischen, und daß das
Sputum die Hände beschmutzt, die dann mit den verschiedenen Teilen der
Kleider in Berührung kommen, am meisten natürlich mit den Gegenden um
Knöpfe und Knopflöcher herum sowie an den Eingängen zu den Taschen.
Die Infektion der Kleider erscheint aber bei näherem Nachdenken
unvermeidlich auch für reinliche Kranke, ja, sogar für solche, die in der Hygiene
der Tuberkulose wohlgeschult sind. Ich denke hierbei in erster Linie wiederum
an die Hände als Übertrager des Ansteckungsstoffes. Lehrreich sind hierbei
Baldwins *) Untersuchungen, bei welchen er die Finger von Lungenschwind-
süchtigen mit einer schwachen Bikarbonatlösung abrieb und in dem Sediment
derselben teils direkt durch Färbung, teils durch Tierversuche Tuberkelbazillen
nachwies. Von den 28 untersuchten Individuen waren 10 Privatpatienten, und
bei 8 von diesen wurden positive Resultate erhalten. Die übrigen 18 waren
geschulte Sanatorienpatienten. Das Material von 5 derselben scheint nach dem
Referat — die Originalarbeit ist mir nicht zugänglich gewesen — zu einer
Probe vereinigt worden zu sein; diese fiel positiv aus. Was die übrigen
13 Sanatorienpatienten betrifft, so konnten Tuberkelbazillen im Spülwasser nur
bei 3 nachgewiesen werden.
Baldwins Untersuchung scheint mir ein besonders großes Interesse des-
halb zu besitzen, weil sie zeigt, daß die Hände nicht selten auch bei denen
infiziert werden, die bezüglich der Tuberkulosenprophylaxe als am gewissen-
haftesten zu betrachten sind, wenn auch diese Infektion bei ihnen seltener als
bei anderen Lungenschwindsüchtigen stattfindet.
Man sollte meinen, daß auch ein ganz gewöhnliches Reinlichkeitsgefthl
es dem Lungenschwindsüchtigen verbieten sollte, seine Hände mit dem Aus-
wurf zu beschmutzen, beobachtet man aber die Art und Weise, wie Kranke
— sowohl Lungenschwindsiichtige als andere — mit ihren Auswürfen umgehen,
1) Verbreitung der Tuberkelbazillen außerhalb des Körpers, Ztschr. f. Hvg. 1880, Bd. 5.
2) Philad. Med. Journ. 1898, zit, nach Ztschr. f. Tuberkulose 1900, Bd. 1, p. 256.
ZEITSCHR. f.
EAT — TURERKULOSE
= ee
so erhält man oft den Eindruck, daß diese letzteren für den, der sie expektoriert
hat, nicht so widerlich und ekelerweckend sind, wie für andere. Als ein Bei-
spiel hierfúr kann an einen Fall erinnert werden, den Cornet?) im Zusammen-
hang mit seinen klassischen Untersuchungen über die Verbreitung des Tuberkel-
bazillus anführt — eine Dame aus der höheren Aristokratie, die die aus-
geworfenen Klumpen zwischen den Fingern in ihrem Taschentuch zu zerdrücken
pflegte. Bilden aber auch ähnliche Fälle eine Ausnahme, so scheint es doch,
als wäre nahezu eine Schulung zur Aseptik im chirurgischen Sinne nötig, wenn
nicht bei dem Überführen der Sputa in den Spucknapf und beim Hantieren
desselben die Finger ab und zu infiziert werden sollten, und dies so oft und
manchmal z. B. bei Eile oder Gemütsbewegung so unvermerkt für den Patienten,
daß nicht einmal fleißiges Händewaschen verhindern könnte, daß die Kleider
ihrerseits auf diesem Wege infiziert werden.
Und hiervon abgesehen scheint es, als müßten wenigstens die Teile der
Kleider, die die Vorderseite der Kranken bedecken, in hohem Grade der
Flüggeschen Tropfeninfektion ausgesetzt sein, der, Tag für Tag während
längerer Zeit fortgehend, wenigstens in diesem Fall große Bedeutung beigemessen
werden muß.
In der Tat sind auch die Kleider von Lungenschwindsüchtigen ganz
allgemein als ansteckend angesehen worden. Cornet?) führt Beispiele hierfür
schon aus der Zeit vor der Entdeckung des Tuberkelbazillus und aus ver-
schiedenen Ländern an. An mehreren Orten soll sogar die Ansicht so tief in
das Volksbewußtsein eingedrungen sein, daß man allgemein Kleider, die Per-
sonen angehörten, welche an Lungenschwindsucht gestorben waren, verbrannte
(Portugal, Wien), ja, daß nicht einmal der Ärmste die besten Kleider benutzen
wollte, wenn sie einem Lungenschwindsüchtigen angehört hatten.
Wenn man indessen in der Literatur nach experimentellen Beweisen für
die Infektiosität der Kleider Lungenschwindsüchtiger sucht, so wundert man
sich vor allem darüber, daß nicht einmal in Cornets ausführlichem Handbuch,
Die Tuberkulose 1907, einige solche sich angeführt finden.
Und auch anderwärts in Literaturübersichten und Referatsammlungen ist es
mir nicht gelungen, Untersuchungen zu dieser Frage veröffentlicht zu finden.
Daß solche demungeachtet vorliegen können, will ich natürlich durchaus nicht
leugnen. In seinen allbekannten, 1889 publizierten, umfassenden Versuchen?)
nahm zwar Cornet auch einige Male Proben von den Kleidern Lungenschwind-
süchtiger, teils in der Weise, daß der Staub aus einer Kleiderkiste, oder der beim
Klopfen einer Decke entstehende Staub zur Untersuchung gelangte, teils so,
daß die Jacke eines Lungenschwindsüchtigen mit Brot abgerieben wurde, um
den Ansteckungsstoff aufzusammeln, von allen den Meerschweinchen aber, die
mit derartigem Material geimpft wurden, lebte nur eines hinreichend lange,
und dieses war bei der Obduktion frei von Tuberkulose. Einen Tierversuch
mit Staub, der negatives Resultat ergab, führt auch O. V. Peterson?) an.
) A. a. O., p. 307.
2) Die Tuberkulose Wien 1907, Bd. 1, p. 384 f.
8) Verbreitung der Tuberkelbazillen außerhalb des Körpers. Ztschr. f. Hyg. 1889, Bd. 5.
+) Kliniskt-experimentela studier öfver lungtuberkulosen, Nord. Med. Ark. 1900, no. 30, p. 19.
#DXILHEFTL INFEKTIOSITÁT DER KLEIDER LUNGENSCHWINDSÜCHTIGER. 39
Sollte es sich wirklich nun so verhalten, daß bisher keine Untersuchungen
betreffs der Intektiosität bei den Kleidern Lungenschwindsüchtiger angestellt
sein sollten, so dürfte eine der Ursachen die sein, daß sie als selbstverständlich
angesehen worden ist, so daß man a priori gemeint hat, die Voraussetzungen
für die nötigen prophylaktischen Vorschriften und Maßregeln zu kennen. Bei
der großen Wichtigkeit, welche derartige Vorschriften und Maßregeln besitzen,
ist indessen als Ausgangspunkt Gewißheit unbestreitbar auch der größten
Wahrscheinlichkeit vorzuziehen. Und im übrigen finden sich bezüglich der
Infektiosität der Kleider Lungenschwindsüchtiger mehrere wichtige Einzelfragen,
die der Klarstellung bedürfen, wie der Grad der Ansteckungsfähigkeit, die Frage,
bei welchen Kranken sie am größten ist, etc. Die vorliegenden Untersuchungen
machen keinen Anspruch darauf, eine vollständige Erörterung dieser Fragen
zu liefern, doch dürften sie zu der endgültigen Beantwortung derselben einiges
beitragen können.
Ein anderer Grund, weshalb die Infektiosität der Kleider Lungenschwind-
süchtiger so wenig zum Gegenstand von Untersuchungen gemacht worden ist,
ist vielleicht der, daß eine geeignete Methode zur Gewinnung des Ansteckungs-
stoffes nicht zu Gebote gestanden hat. Mit der Einführung der sogen. Vacuum-
cleaner in den Handel scheint indessen ein gutes Hilfsmittel hierfür gewonnen
zu sein. Die vorliegenden Untersuchungen sind in der Weise ausgeführt worden,
daß mit einem solchen Apparat der Staub aus den Kleidern Lungenschwind-
süchtiger herausgesaugt und dann zur Impfung von Meerschweinchen verwandt
worden ist.
Der Vacuum-cleaner oder
„staubsauger“ (Fig. 1), den ich
benutzte, stammte aus der
Heßleholmer Mechan. Werkstatt
in Schweden und trug den Na-
men „Solidar‘“. Die Luftpumpe,
deren Konstruktion hier von
keinem Interesse ist, wurde mit
Handkraft mittels eines Hebels
(a) betrieben, der auf und nieder
bewegt wurde. In der Beschrei-
bung, die dem Apparat bei-
gegeben war, war für die An-
wendung desselben beim ge-
wöhnlichen Reinigen von Mö-
beln, Teppichen u. dergl. vor-
geschrieben, daß der Hebel
20 mal in der Minute auf und
nieder bewegt werden sollte.
Bei meinen Untersuchungen
wurde, um die Intensität des Fig. I.
Saugens zu erhöhen, in viel rascherem Tempo gepumpt, mit im Durchschnitt
40 R. FRIBERGER. SO REEMULOSE
50 Pumpbewegungen in der Minute. Die Teile des Apparates, die der Staub von
den Kleidern her passieren mußte, bestanden erstens aus einem Mundstück
aus Metall (b) mit einer spaltenförmigen Öffnung (15 x 0,4 cm), das über die
Kleider hin und her geführt und dabei so fest wie möglich auf dieselben
gepreßt wurde. Von diesem Mundstück aus führte ein 5m langer Gummi-
schlauch (cc) zu einem Metallrohr (d), das in einen hermetisch verschlossenen,
kesselartigen Raum (e) im Apparat führte, aus welchem die Luft mittels der
Luftpumpe herausgesaugt wurde. In diesem letztgenannten Metallrohr wurde
der Staub auf einem sterilen Wattepfropf aufgesammelt, der in der inneren
Mündung des Rohres mittels aufgebundener steriler Gaze befestigt wurde.
Außen um die Mündung des Rohrs herum wurde überdies noch ein Beutel
aus dichten Stoff befestigt, um zu verhindern, daß Staub an dem Wattepfropf
vorbeikommen, durch die Luftpumpe aus dem Apparat herausgeblasen werden,
und den mit der Untersuchung Beschäftigten Gefahr bringen könnte.
Die nötige Desinfektion des Apparates zwischen den Versuchen war bezüg-
lich des Metallmundstiickes (b) leicht zu bewerkstelligen, das ganz einfach abge-
schraubt und in üblicher Weise sterilisiert werden konnte. Das Metallrohr (d), das
die Rohrleitung am anderen Ende abschloß, konnte dagegen nicht abgenommen
werden, sondern mit diesem wie mit dem Gummischlauch mußte auf andere
Weise verfahren werden.
Zuerst wurde mittels der Luftpumpe ein großer Eimer Wasser mit großer
Geschwindigkeit durch die Rohrleitung hindurchgesaugt, darauf folgte ein Hin-
durchsaugen von mehreren Litern 1°/,iger Sublimatlösung. Sodann ließ man
eine große Anzahl Bäuschchen reiner hydrophiler Watte hindurchpassieren, und
man hörte hiermit nicht früher auf, als bis die Bäuschchen trocken waren.
Nun wurde der Schlauch auf ein Loch in dem Deckel eines dichten Gefäßes
von Blech aufgeschraubt, das zu einem Teil mit Formalin gefüllt war, und in
das 2 Rohre von außen her bis beinahe auf den Boden führten. Ließ man den
Vacuum-cleaner arbeiten, so wurden zufolge dieser Anordnung Formalindämpfe
durch die Rohrleitung gesaugt. Zwischen den einzelnen Experimenten ver-
flossen fast stets mchrere Tage oder sogar Wochen, und in dieser Zwischen-
zeit wurde ein derartiges Hindurchsaugen von Formalindämpfen zu wieder-
holten Malen, in der Regel jeden Tag, bewerkstelligt. Beim Entfernen des
I'ormalingases vor einem neuen Experiment wurde die Vorsichtsmaßregel be-
obachtet, daß das freie Ende der Rohrleitung durch ein Fenster hinausgesteckt
wurde, damit nicht das Hindurchsaugen der Laboratoriumsluft eine Fehlerquelle
in sich schließen könnte.
Das Metallrohr, in welchem der Staub aus den zu untersuchenden Kleidern
auf die oben angegebene Weise aufgesammelt wurde, wurde unmittelbar vor
jedem Experiment noch in der Weise desinfiziert, daß beide Mündungen mit
einer Gasflamme flambiert wurden, und außerdem wurde das Rohr in seiner
Gesamtheit gleichfalls mit einer Gasflamme eine Weile so stark erhitzt gehalten,
daß ein darauf getropfter Wassertropfen zischte.
Die Kleidungsstücke, die zur Untersuchung kamen, bestanden aus Jacken,
Westen, Frauenröcken, Wolljacken, Decken. Nur solche Kleidungsstücke, die
BD.XITREFTL INFERTIOSITÄT DER KLEIDER LUNGENSCHWINDSUCHTIGER. 41
mehrere Monate lang im Gebrauch gewesen waren, wurden in Arbeit genommen,
und ich suchte in der Mehrzahl der Falle durch Examination des Patienten
betreffs seiner Gewohnheiten etc. festzustellen, für welche Kleider die größte
Wahrscheinlichkeit einer Infektion bestand, die dann auch zu den Versuchen
benutzt wurden. Nur in einem Fall (Fall X) war das untersuchte Kleidungs-
stück, eine Decke, kürzere Zeit, 10 Tage lang, angewandt worden. Die Kleider
wurden stets unmittelbar, nachdem sie von dem Kranken kamen, untersucht.
Fall XI bildete die einzige Ausnahme hiervon, indem die Kleider hier einige
Tage vor der Untersuchung aufbewahrt wurden, dabei aber lagen sie vor
direktem Sonnenlicht geschützt und außerdem fest zusammengerollt und in
mehrfache Lagen Papier eingewickelt. Andere Ausnahmen von den obigen
Angaben finden sich in den Wersuchsprotokollen vermerkt.
Die Kleidungsstücke wurden bei der Untersuchung auf einem großen
Stück Wachsleinwand ausgebreitet, die vor jedem Experiment sorgfältig mit
1°/,iger Sublimatlösung abgewaschen und dann mit reiner hydrophiler Watte
trockengerieben wurde.
Auf den ausgebreiteten Klcidungsstiicken wurde dann das oben erwähnte
Metallstück (b) überall 6, 10—12 oder mehrere Male hin und her geführt und
dabei dasselbe mit beiden Händen so fest wie möglich gegen die Kleider
gedrückt. Es versteht sich von selbst, daß man die größte Aufmerksamkeit
den Eingängen zu den Taschen sowie sichtbaren Flecken widmete. Obwohl
die Kanten des Metallmundstückes abgerundet waren, brachte das eben erwähnte
Verfahren ein nicht geringes Schaben mit sich. Doch stellte sich heraus, daß
einige Flecke nicht vollständig auf diese \Veise zu entfernen waren. Daher
wurde bei den drei letzten Wersuchen einigemal mit dem oberen Teil einer
sterilisierten Pinzette auf solchen Flecken geschabt, wonach das Staubsaugen
aufs neue über denselben vorgenommen wurde.
Die Menge Staub, die aus den verschiedenen Kleidungsstücken erhalten
wurde, variierte sehr. Bisweilen hatten sich große Flocken Staub vor dem
Wattepfropf im Apparat angesammelt, einmal — in Fall IX — so große, daß sie
den dritten Teil des Rauminhaltes eines Trinkglaseg repräsentierten. Diese ganze
Staubmenge wog jedoch nicht voll 2g. Oftmals dagegen wurden überhaupt
keine Staubflocken vor dem Wattcpfropf gefunden, sondern man mußte sich
mit dem Staub begnügen, der den Wattepfropf selbst imprägnierte.
Zu Beginn der Untersuchungsserie wurden Versuche gemacht, Tuberkel-
bazillen in dem erhaltenen Staube direkt durch Färbung nachzuweisen, dies
erwies sich aber als resultatlos. Impfung auf Meerschweinchen war daher not-
wendig, und wurde hierbei auf folgende Weise verfahren.
Die Staubflocken, bezw. in den Fällen, wo keine solche erhalten wurden,
die Teile des Wattepfropfs, die mit Staub imprägniert worden waren, wurden
ungefähr 5 Minuten lang mit 15—30 ccm steriler Bouillon geschüttelt, darauf
durch eine doppelte Schicht steriler Gaze geseiht, welche die, Watte und die
gröbsten Staubpartikel zurückhielt. Die durchgeseihte Flüssigkeit, die ,,Staub-
bouillon“, wurde nun zu Inokulation verwendet, mußte aber unmittelbar vor
derselben sorgfältig umgeschüttelt werden, weil sie rasch sedimentierte. In der
ds ZEITSCHR. f.
42 ¿IRIS iech
großen Mehrzahl der Fälle geschah die Inokulation — wie aus den folgenden
Versuchsprotokollen hervorgeht — intraperitoneal, wobei 4—8 g von der Staub-
bouillon je 2 Meerschweinchen injiziert wurden. Es dürfte kaum nötig sein zu
erwähnen, daß man vor der Injektion durch Wegschneiden des Haares und
sorgfältiges Waschen mit Alkohol und mit Sublimatlösung die Injektionsstelle
desinfizierte.
Bemerkt muß dagegen werden, daß bei den Versuchen, wo viel Staub
beim Saugen aus den Kleidern erhalten worden war, man nicht wagte, die
ganze Quantität Staubbouillon zur Injektion an den beiden Meerschweinchen
zu verwenden, und zwar aus Furcht vor den akuten Infektionen, die viele von
den Tieren innerhalb der nächsten Tage nach der Infektion dahinrafften.
In der Meinung, möglicherweise die ebenerwähnte große Sterblichkeit
vermindern zu können, ohne die inokulierte Staubmenge reduzieren zu brauchen,
nahm ich bei einigen der letzten Versuche die Injektion in 2 Abteilungen
vor. Der Staub wurde in 2 Portionen geteilt, die eine zur Injektion in gewöhn-
licher Weise verwendet, die andere einige Tage lang in dunklem Eisschrank
aufbewahrt, wonach auch sie eingeimpft wurde. Meine Hoffnung war die, daß
die befürchtete akute Infektion hierdurch so gelinde gemacht werden würde,
daß die Meerschweinchen sie leichter überstehen würden, während gleichwohl
die ganze Quantität Staub zur Verwendung kam. Bevor die Untersuchungs-
serie abgebrochen werden mußte, konnten nur 4 Meerschweinchen auf diese
Weise geimpft werden. Von diesen starb ı ein paar Tage nach der Injektion.
Bei einigen der frühest angestellten Versuche war subkutane Injektion an
2 Meerschweinchen gemacht worden, da diese aber beide an akuter Infektion
starben, hörte man mit dieser Inokulationsweise auf.
In etwas größerer Ausdehnung wurden Versuche mit der von O. V.Peters-
son!) angewandten Spraymethode angestellt. In einigen Fällen wurden mit
Staub aus denselben Kleidungsstücken sowohl intraperitoneale Injektion als
Sprayversuche gemacht. Zu dieser letzteren wurde alles verwendet, was nach
der Injektion von „Staubbouillon‘“ übrig war. Dieser Rest wurde mit 300 ccm
physiologischer Kochsalzlösyng verdünnt und unter beständigem Umschütteln,
um die Sedimentierung des Staubes zu verhindern, durch ein kleines Loch in
eine Holzkiste 23 x 25 x 35 cm Größe gesprüht, in welche 1 oder 2 Meer-
schweinchen gesetzt worden waren. Die Sprayapparate, die verwendet wurden,
hatten eine so feine Mündung, daß eine Nadel gerade noch durch dieselbe
hindurchging; hierdurch wurden zwar die Spraytropfen sehr klein, der Staub
aber verstopfte unaufhörlich das Loch, so daß es immer wieder gereinigt wer-
den mußte. Das Sprühen wurde absichtlich so in die Länge gezogen, daß es
30—45 Minuten in Anspruch nahm, und danach mußten die Meerschweinchen
mindestens noch ı Stunde in der Kiste bleiben. Daß sie die Spraywolken ein-
atmeten, ging deutlich aus ihrem wiederholten Niesen hervor. Nicht selten
kamen sie auch heran und bissen in das Sprayrohr, während das Sprayen vor
sich ging. Es versteht sich von selbst, daß sowohl der Sprayapparat als die
Y A. a. O., p. 19.
1905.
BD.XULHEFFL. INFEKTIOSITÄT DER KLEIDER LUNGENSCHWINDSUCHTIGER. 43
Holzkiste zwischen den einzelnen Versuchen sorgfältig desinfiziert wurden. Der
Sprayapparat wurde lange mit 1°/,, iger Sublimatlósung durchspült und übrigens
nach 2 Experimenten kassiert. Die Kiste wurde sorgfältig mit Sublimatlösung
ausgewaschen und darauf in ein Fenster, das Innere dem Sonnenlicht zugewandt,
gestellt.
Nachdem die Inokulationsversuche auf die eine oder andere Weise mit den
Meerschweinchen vorgenommen worden waren, wurden diese sorgfältig getrennt
in zuvor gut gereinigten Abteilungen des Stalles verwahrt, damit eine Infektion
von anderen Tieren her ausgeschlossen sein sollte.
Nach dieser allgemeinen Übersicht über den Gang der Untersuchung gehe
ich zu den einzelnen Versuchsprotokollen über.
Fall I. Kleidungsstücke von Patientin in weit vorgeschrittenem
Krankheitsstadium, die mit dem Sputum nicht vorsichtig gewesen ist.
Positives Resultat.
Aurora L., 23 Jahre alt. Leidet seit 6 Jahren an organischer Herzkrankheit,
ist aber 1905 und 1906 matter als früher gewesen und hat gehustet. Im Sommer 1906
eine Hämoptyse. Sie wurde am 10. XI. 1906 in die Brustklinik des Akademischen
Krankenhauses in Upsala aufgenommen, und dann wurden zur Untersuchung die
Kleidungsstücke und die Decke erhalten, die sie zu Hause angewandt hatte. Sie zeigte
nun ausgebreitete tuberkulöse Veränderungen in den Lungen mit deutlichen Kavernen.
Das Sputum enthielt zahlreiche Bazillen. Sie starb am 16. XII. 1906. Die Sektion
zeigte Synechia pericardii sowie in den Lungen Induration, Kavernen, käsige Bronchi-
tiden und Peribronchitiden und miliäre Eruptionen.
Mit dem aus den Kleidungsstücken der Patientin (Taille und Rock) erhaltenen
Staub wurden die Meerschweinchen Nr. ı und 2 infiziert.
Dem Meerschweinchen Nr. ı, Gewicht 638 g, wurden intraperitoneal am
1. XI. 1906 5ccm auf oben angegebene Weise bereitete „Staubbouillon“ injiziert.
Das Meerschweinchen wurde am 21. XII. 1906 getötet; es wog da 670g. Bei der
Sektion erwies sich die Milz als dicht von stecknadelkopfgroßen und kleineren
graugelatinösen Knötchen durchsetzt. Außerdem fanden sich auf dem Schnitt ver-
einzelt etwas größere und gelblich schimmernde Herde. In dem Ausstreichpräparat
von der Milz wurden Tuberkelbazillen nachgewiesen. An der konvexen Ober-
fläche der Leber und ebenso an der Pleura der linken Lunge Knötchen von dem-
selben Aussehen wie die in der Milz. An der Porta hepatis und im Mesenterium
wurden Lymphdrüsen von etwas weniger als Erbsengröße angetroffen, deren Schnitt-
flächen käsige Partien zeigten. Am Hilus pulmonum eine Drüse von derselben
Größe, aber nur mit graugelatinöser Schnittfläche. |
Dem Meerschweinchen Nr. 2 wurden 5ccm von dem Filtrat subkutan injiziert,
das Tier starb aber innerhalb einiger Tage. Das gleiche Schicksal traf die Meer-
schweinchen Nr. 3 und 4, von denen das eine intraperitoneal und das andere
subkutan mit Staubbouillon von der Decke der fraglichen Patientin geimpft wor-
den waren.
Fall II. Kleidungsstücke und Decke von Patientin, die wenig
Sputum hat und Vorsicht mit demselben beobachtet. Negatives Resultat.
Auguste E., Ehefrau, 32 Jahre alt. Patientin, die sich relativ gesund fühlt,
ist auf und besorgt ihren Haushalt. Sie hustet seit einem Jahr und hat vor einigen
Monaten eine kleinere Hämoptyse gehabt. Sie zeigt Dämpfung und subkrepitieren-
des Rasseln in der oberen Hälfte der rechten Lunge sowie in der Fossa supraclav.
sin., im übrigen aber nichts Krankhaftes an Herz, Nieren oder Verdauungsorganen.
In der letzten Zeit ist die Expektoration spärlich gewesen, und bei der Untersuchung
am 15. XI. 1906 kann kein Sputum erhalten werden. Sie kennt die Natur ihrer
: - ZEITSCHR. £.
4h — | | SR ARABE. o © TUBERKULOSE
Krankheit, beobachtet die vorgeschriebene Vorsicht mit dem Auswurf und erscheint
selbst — wie auch das ganze Heim — sehr sauber und eigen.
Zur Untersuchung wurden teils eine wollene Weste und ein Rock, teils eine
Decke verwendet. Der Staub von allen diesen Sachen wurde zusammen verarbeitet und
mit der Staubbouillon am 17. XI. 1900 die Meerschweinchen Nr. 5 u, 6 intraperitoneal
geimpft. Am 12. I. 1907 wurden die Meerschweinchen getötet und obduziert.
Nr. 5, das bei der Impfung 720g gewogen hatte, wog nun 665g. Es zeigte
nirgends tuberkulöse Veränderungen. Zwischen den Därmen fand sich ein kleiner
Abszess; eine Partie der Leber, die der vorderen Bauchwand adhärierte, war mit
grauen und gelblichen Knötchen durchsetzt, und im Mesenterium fanden sich
geschwollene Drüsen, aber weder in dem Abszeßeiter noch in Ausstreichpräparaten
von den Drüsen oder in Schnitten von ihnen und von der Leber konnten Tuberkel-
bazillen nachgewiesen werden. Auch zeigte die mikroskopische Untersuchung der
Schnitte keine Tuberkeln, sondern nur einfache entzündliche Veränderungen und
Blutungen.
Das Meerschweinchen Nr. 6 wog bei der Inokulation 638 und bei der Obduktion
760 g. Auch dieses zeigte keine tuberkulösen Veränderungen. Einige käsige Partien,
in einem schwartigen Gewebe zwischen der Leber und dem Dickdarm gelegen,
wurden auf Bazillen untersucht, aber mit negativem Resultat. Die Milz war un-
bedeutend vergrößert und zeigte an der Schnitttläche eine große Anzahl miliärer
gelblichweiBer Knötchen, diese erwiesen sich aber bei der mikroskopischen Unter-
suchung als die vergrößerten Malpighischen Körperchen.
Fall III. Decke, von einer an Lungenschwindsucht gestorbenen
Patientin angewandt. — Positives Resultat.
N. N.S., Ehefrau, 50 Jahre alt. Von diesem Fall wurde nach dem Tode
der Patientin durch die Gesundheitspolizei, welche eine Desinfektion in der Wohnung
vornehmen sollte, eine Decke zur Untersuchung erhalten. Eine Sputumuntersuchung
konnte demnach nicht bewerkstelligt werden, der Arzt aber, der die Patientin
behandelt hatte, teilte gütiest mit, daß ihre Lungenschwindsucht vor 5—6 Jahren
diagnostiziert worden war, daß die Patientin während der 3—4 letzten Monate
ihres Lebens bettlägerig gewesen war und ausgebreitete tuberkulöse Veränderungen
in den Lungen mit Kavernen etc. gezcigt hatte.
Nur !/, von der Obertläche der Decke wurde in Arbeit genommen. Mit der
Staubbouillon wurden die Meerschweinchen Nr. 7 und 8 intraperitoneal am 21. XI. 1906
infiziert. Am 12.1. 1907 wurden die beiden Tiere getötet, und die Obduktion
ergab Tuberkulose bei ihnen beiden.
Das Meerschweinchen Nr. 7, Gewicht bei der Infektion 512, bei der Ob-
duktion 565g. Am Peritoneum parietale anterius, entsprechend der Infektionsstelle,
einige erbsengroße, gelb ‘ schimmernde, teilweise käsige Knötchen. Die Milz mit
miliären, graugelatinösen Knötchen durchsetzt. Vereinzelte solche in der Leber. In
dem Oment, das stark verdickt und mit der Leber verwachsen ist, und ebenso im
Mesenterium mehrere fast erbsengrobe, teilweise verkäste Lymphdrüsen. Am Hilus
pulmonum sowie in der oberen Brustapertur angeschwollene und gleichfalls teilweise
verkäste Lymphdrüsen. Einige angeschwollene, aber nicht käsig umgewandelte
Drüsen auch unter dem Unterkiefer. Die Lungen ohne Besonderheiten. In Aus-
streichpräparaten von der Milz wurden Tuberkelbazillen nachgewiesen.
Meerschweinchen Nr. 8. Gewicht bei der Infektion 550g, bei der Obduktion
620 g. Das Oment beträchtlich verdickt; in demselben wie auch im Mesenterium
zahlreiche, mehr als erbsengroße, teilweise käsig umgewandelte Lymphdrüsen. Die
Milz durchsetzt mit gelatinösen Knötchen. Knötchen auch in der Leber und am Dick-
darm. Am Hilus pulmonum und in der oberen Brustapertur angeschwollene und
teilweise käsig umgewandelte Lymphdrüsen. Die Lungen zeigen nichts Bemerkens-
wertes. In Ausstreichpräparaten von der Milz Tuberkelbazillen.
"TT INFEKTIOSITÄT DER KLEIDER LUNGENSCHWINDSÜCHTIGER. 45
Fall IV. Wollene Weste von Patientin, die spärliches Sputum hat
und Vorsicht mit demselben beobachtet. Negatives Resultat.
Jenny J., Mädchen, 19 Jahre alt. Patientin begann während des Jahres 1904
sich müde zu fühlen und zu husten. Seit März 1905 hat die physikalische Unter-
suchung der Lungen ziemlich stationär Dämpfung und subkrepitierendes Rasseln in
der oberen Hälfte der rechten Lunge, sowie etwas Dämpfung an der linken Spitze
ergeben. Bazillen sind im Auswurf nachgewiesen worden, dieser ist aber in der
letzten Zeit ziemlich spärlich gewesen. Patientin genießt Unterstützung seitens der
Upsalaer Fürsorgestelle für Tuberkulöse und ist streng geschult in bezug auf die
Unschädlichmachung des Auswurfes. Sie lebt außerdem in einem wohlhabenderen und
sauberen Heim.
Zur Untersuchung wurde eine wollene Weste genommen, welche die Patientin
2— 3 Monate getragen hatte. Nur wenig Staub, der den Wattepfropf imprägnierte,
wurde erhalten. Am 24.1. 1907 wurden relativ große Mengen Staubbouillon, die
jedoch nur schwach trübe war, den Meerschweinchen Nr. 9 und 10 intraperitoneal
injiziert.
Bei der Obduktion zeigte keines der Meerschweinchen tuberkulüse Verände-
rungen. Nr. 9, das bei der Infektion 575g wog, starb spontan am 25. III. und
wog da 305 g. Das verdickte Oment sowie die mit grauen Knötchen durchsetzte
Milz wurden mikroskopisch untersucht, nirgends aber Tuberkel gefunden.
Nr. 10 wog bei der Infektion 455g. Es wurde am 10. IV. getötet und wog
da 560g. Die Milz hatte dasselbe Aussehen wie im vorhergehenden Fall. Sie wurde
mikroskopisch mit negativem Resultat untersucht.
Fall V. Wolldecke, von einem Patienten mit reichlichem und stark
bazillenhaltigem Sputum angewandt, der jedoch Vorsicht mit demselben
beobachtet hat. Negatives Resultat, wobei jedoch zu bemerken ist, daß
nur Sprayversuche ausgeführt worden sind. Ä
Oskar F., Anstreicher, 30 Jahre alt. Bluthusten mehrere Male, das erste
Mal 1900. Hat in den letzten Jahren wegen Mattigkeit, Atemnot und Husten nicht
arbeiten können. Die rechte Lunge zeigt bei physikalischer Untersuchung Dämpfung
und konsonierendes Rasseln überall; oben sind die Rasselgeräusche groß. Die linke
Lunge zeigt Dämpfung und Rasseln in der oberen Hälfte oder etwas mehr. Sputum
reichlich, enthält zahlreiche Tuberkelbazillen. Patient gehört der Klientel der Fürsorge-
stelle an, ist sauber und reinlich und scheint gewissenhaft die vorgeschriebene Vor-
sicht mit dem Sputum zu beobachten.
Zur Untersuchung wurden teils ein Rock, teils eine wollene Decke verwendet,
und der Staub von diesen beiden Stücken je für sich gesammelt.
Mit dem Staub aus dem Rock wurden intraperitoneal die Meerschweinchen
Nr. 11 und 12 am 3. II. 1907 infiziert, beide aber starben nach 2 Tagen. Sie
wurden obduziert, um als Kontrolle für die Freiheit des Tierstammes von Tuber-
kulose zu dienen, und frei von tuberkulösen Veränderungen befunden.
Mit dem Staub aus der Decke wurde am 2. II. 1907 ein Versuch gemacht,
das Meerschweinchen Nr. 13 mittels Spray auf die in der Einleitung angegebenen
Weise zu infizieren. Das Meerschweinchen, das bei der Spraybehandlung 4758
wog, wurde am 10. IV. 1907 getötet und wog da 4508.
Bei der Obduktion wurden am Hilus pulmonum, in der oberen Brustapertur
und unter dem Unterkiefer Drüsen von halber bis ganzer Erbsengröße gefunden,
die etwas gelatinös durchschimmerten, aber keine kiisigen Partien aufwiesen. In
Ausstreichpräparaten keine Tuberkelbazillen.
Fall VI. Kleid von einem gjährigen Mädchen in weit vorge-
schrittenem Krankheitsstadium und ohne Vorsicht bei der Behandlung
des Sputums. Negatives Resultat. Doch wurden nur Sprayversuche
angestellt.
Olga L., Mädchen, 9 Jahre alt. Patientin befand sich in weit vorgeschrittenem
| a ZEITSCHR. f.
46 Re ERIBERGER. TUBERKULOSE
Stadium von Phthisis mit Kavernen und ausgebreiteten Dämpfungen in den Lungen
und Zeichen von Kehlkopftukerkulose. Einige Wochen nach der Untersuchung der
Kleider starb sie. Sputum reichlich, enthält zahlreiche Bazillen. Enge Wohnung,
in der weder Sauberkeit noch Ordnung herrscht. Von einer Vorsicht in bezug auf
den Auswurf kann kaum die Rede sein. |
Zur Untersuchung wurde ein ganzes Kleid sowie eine Decke verwendet, und
der Staub aus diesen Stücken zusammen verarbeitet. Mittels der Spraymethode
wurden Infektionsversuche an den Meerschweinchen Nr. 14 und: 15 am 6. II. 1907
angestellt. Nr. 14 wog bei der Spraybehandlung 535 g; es wurde am Io. IV. 1907
getötet und wog nun 580 g. Abgesehen von angeschwollenen Drüsen, wurden bei
der Obduktion in den Lungen eine Anzahl grauer Knötchen beobachtet, meistens
von hyperämischen und hämorrhagischen Zonen umgeben. Bei mikroskopischer
Untersuchung zeigte es sich jedoch, daß diese Knötchen nicht den Charakter von
Tuberkeln haben. In den Ausstreichpräparaten keine Tuberkelbazillen.
Das Meerschweinchen Nr. 15 starb spontan am 11. III. 1907. Es zeigte bei
der Oduktion keine tuberkulúsen Veränderungen.
Fall VII. Weste, Kissenbezug und Wolldecke von einem Patienten
in weit vorgeschrittenem Krankheitsstadium, der strenge Vorsicht mit
dem Sputum beobachtet. Negatives Resultat.
N. N. L., Hausdiener, 40 Jahre alt. Patient ist seit einer 1903 durchge-
machten Pleuritis kránklich. Seit 2 Monaten ist er zeitweise infolge hohen Fiebers
bettlägerig. In den Lungen ausgebreitete Dämpfungen und reichliche Rasselgeräusche.
Das Sputum enthält Massen von Tuberkelbazillen. Der Patient ist indessen nach
Angabe des Arztes, der ihn behandelt, äußerst reinlich und vorsichtig mit seinem
Auswurf, um so mehr als er ein zärtlicher Familienvater und sich der Gefahr bewußt
ist, denen seine 5 kleinen Kinder ausgesetzt sind.
Zur Untersuchung wurden teils eine Weste und ein Kissenüberzug, von denen
der Staub zusammengenommen wurde, teils eine wollene Decke verwendet, von
welch letzterer der Staub allein gesammelt wurde. Der Staub von Weste und
Kissenüberzug wurde teils zu intraperitonealer Injektion am 10. IV. 1907 am Meer-
schweinchen Nr. 16, teils zur Spraybehandlung des Meerschweinchens Nr. 17
am selben Tage verwendet. Die beiden Tiere wurden am 4. IX. 1907 getötet und
bei der Obduktion als frei von Tuberkulose befunden. Ein paar Drüsen aus der
Hilus- und der Submaxillargegend des Spraytieres wurden mikroskopisch untersucht.
Aus der wollenen Decke wurde viel Staub erhalten, ungefähr 2 g. Von der
Staubbouillon wurden am 11. IV. 1007 3 g zu intraperitonealer Injektion am Meer-
schweinchen Nr. 18 verwendet, der Rest zur Spraybehandlung des Meerschweinchens
Nr. 19. Nr. 18 wurde am 4. IX. 1907 getötet, Nr. 19 starb 3 Tage nach der
Spraybehandlung, wie die Sektion ergab, an Pneumonie. Die beiden Tiere waren
frei von Tuberkulose.
Fall VIII. Decke von einem Patienten in weit vorgeschrittenem
Krankheitsstadium, der keine Vorsicht gegenüber dem Sputum be-
obachtet hat. Negatives Resultat, doch konnte nur ein Sprayversuch
zu Ende geführt werden.
N. N. H., Telephonarbeiter, 30 Jahre alt. Patient leidet seit 1904 an Lungen-
tuberkulose. Die beiden Lungen zeigen nun Dämpfung und Rasseln in der oberen
Hälfte. Seit einem Monat ist Patient heiser. Sputum bazillenreich. Die Wohnung
ist unsauber, dunkel und eng. Vorsicht mit dem Sputum ist anbefohlen, wird aber
offenbar nicht beobachtet.
Zur Untersuchung gelangten teils eine Jacke und eine Weste, aus denen der
Staub zusammen verwendet wurde, teils eine Decke, von welcher er für sich ge-
sammelt wurde. Die Staubportion von den erstgenannten Kleidungsstücken wurde
am 22. IV. 1907 zu intrapetitonealer Injektion am Meerschweinchen Nr. 20 sowie
BD.XIILHEFTL INFEKTIOSITÄT DER KLEIDER LUNGENSCHWINDSÜCHTIGER. 47
zur Spraybehandlung des Meerschweinchens Nr. 21 verwendet. Mit dem Staub von
der Decke wurde das Meerschweinchen Nr. 22 intraperitoneal injiziert und Nr. 23
besprüht.
Die Injektionstiere starben 3 Tage nach der Injektion. Um zu kontrollieren,
daB der Tierstamm frei von Tuberkulose war, wurden sie seziert und frei von tuber-
kulósen Veränderungen befunden.
Von den Spraytieren starb Nr. 21 spontan am 1. V. 1907. Es zeigte einige
Drüsen von halber Erbsengröße in der Submaxillargegend sowie am Hilus pulmonum,
und in der Bauchhöhle fand sich ziemlich reichlich seröse Flüssigkeit, an Tuber-
kulose erinnernde Knötchen konnten aber nicht nachgewiesen werden, und die
Ausstreichpräparate enthielten keine Tuberkelbazillen.
Das Meerschweinchen Nr. 23 wurde am 4. IX. 1907 getötet und frei von
Tukerkulose befunden.
Fall IX. Weste von einem Patienten mit reichlichem und bazillen-
reichem Sputum. Es ist unbekannt, ob er besondere Vorsicht mit dem-
selben beobachtet hat, er ist aber streng reinlich. Negatives Resultat.
Axel G., Kleinbauer, 28 Jahre alt. Patient hat Symptome seiner Krankheit
erst vor etwas mehr als !/, Jahre bemerkt, wo er heiser zu werden begann. Die
Heiserkeit nahm zu, und Dysphagie hat seit einigen Monaten den Patienten belästigt.
In der rechten Lunge findet sich Dämpfung in der oberen Hälfte oder mehr; in
der Fossae supra- und infraclavicularis ist die Atmung bronchial; Rasseln in der
ganzen Lunge zu hören, aber nicht besonders reichlich. In der linken Lunge
Dämpfung in ungefähr derselben Ausdehnung wie in der rechten, Rasseln aber nur
in der Spitze. Im Kehlkopf findet sich eine große Ulzeration in der Gegend der
Basis des linken Gießkannenknorpels sowie bedeutende Infiltrationen in der Um-
gebung etc. Das Sputum enthält zahlreiche Tuberkelbazillen und ist reichlich; ob
der Kranke besondere Vorsicht mit demselben beobachtet hat, ist unbekannt, er ist
aber die ganze Zeit über aufgewesen und hat sich meistens im Freien mit leichterer
Feldarbeit beschäftigt; auch ist er streng sauber und lebt in guten Umständen.
Zur Untersuchung wurde eine Weste verwendet und aus dieser eine große
Menge Staub, 50—100 ccm, erhalten, der aber insgesamt nur 2 g wog. Der Staub
wurde in 3 Portionen geteilt, wovon eine am 17. X. 1907 zur Bereitung von Staub-
bouillon auf gewöhnliche Weise verwendet und der Rest im Eisschrank aufbewahrt
wurde. Die Staubbouillon wurde in ihrer Gesamtheit zu intraperitonealer Injektion
an den Meerschweinchen Nr. 24 und 25 verwendet. Nr. 24 starb 2 Tage nach
der Injektion und wurde bei der Obduktion frei von Tuberkulose befunden. Nr. 25
wurden am 22. X. 8 ccm Staubbouillon injiziert, welch letztere mit ungefähr ebenso
viel Staub bereitet war, wie ihn das Meerschweinchen am 17. X. erhalten hatte.
Es wog am 17. X. 595 g; am 7. I. 1908 wurde es getötet und wog da 565 g.
Bei der Obduktion wurden zahlreiche Adhärenzen zwischen den Därmen und den
Bauchviszera gefunden, aber keine auf Tuberkulose deutende Veränderungen. Die
Lungen gesund.
Fall X. Decke, 10 Tage lang von einem sehr kraftlosen, apathischen
Patienten in den letzten Stadien der Krankheit angewandt. Positives
Resultat.
Gustav W., Holzhändler, 50 Jahre alt. Die Untersuchung betrifft in diesem
Fall eine Decke, oder genauer gesagt einen Deckenüberzug, d. h. die Laken, in
welche die Decke eingenäht war. Der Patient wurde nämlich in der Brustklinik
des Akademischen Krankenhauses in Upsala gepflegt, und zur Untersuchung wurde
ein Deckenüberzug genommen, den der Kranke ıo Tage hindurch benutzt hatte.
Sein Zustand während dieser Zeit war folgender. In den Lungen hochgradige
tuberkulöse Veränderungen, Verdichtung, Kavernen etc. Das Sputum, das zahlreiche
Tuberkelbazillen enthält, wird in Massen ausgeworfen. Der Patient ist bei völlig
` ada ZEITSCHR. f.
48 o o | R. FRIBRERGER. g f TULERKULOSE
klarem Bewubtsein, aber sehr matt und apathisch. Er transportiert wohl im allge-
meinen den Auswurf direkt in den Spucknapf, eine Vorsicht aber, dabei nicht die
Händen zu beschmutzen, und überhaupt besondere Reinlichkeit beobachtet er nicht.
Er ist dazu zu schwach und matt.
Aus dem Deckenüberzug wurde sehr wenig Staub erhalten, nicht mehr als was
den Wattepfropf im Rohr des Saugapparates imprägnierte. An einem Fleck auf
dem Zeug wurde vor dem Saugen ein wenig mit dem sterilisierten oberen Ende einer
Pinzette geschabt. Mit den Teilen des Wattepfropfes, wo der Staub sich festgesetzt
hatte, bereitete man auf die in der Einleitung angegebenen Weise Staubbouillon, und
diese wurde in zwei gleichgroße Teile geteilt. Der eine derselben wurde am 15. XI.
1907 zu intraperitonealer Injektion an den Meerschweinchen Nr. 26 und 27 ver-
wendet. Die andere Portion sollte den Meerschweinchen nach einigen Tagen in
gleicher Weise, wie das im vorigen Fall geschah, injiziert werden; trotzdem sie aber
im Eisschrank verwahrt wurde, war sie in wenigen Tagen durch das Wachstum von
Bakterien trübe geworden, so daß eine erneute Injektion nicht für ratsam ange-
sehen wurde.
Das Meerschweinchen Nr. 26 wog bei der Injektion 567 g. Es starb spontan
am 4. XII. 1907 und wog da 350 g. Das Omentum majus war in eine feste, mehrere
Millimeter dicke Lamelle verwandelt worden, die mit stecknadelkopfgroßen, gelblichweißen
Knötchen durchsetzt war. Die Milz ist gleichfalls mit solchen Knötchen durchsetzt;
etwas kleinere, graugelatindse Knötchen, bisweilen in kleineren Konglomeraten ge-
sammelt, sind auf dem Peritoneum parietale, an der Oberfläche der Nieren etc. zu
sehen. Die Lungen zeigen einige subpleurale Blutungen, sonst aber nichts von
Interesse. Hinter dem Magen, hinter dem Sternum und in der oberen Brustappertur
liegen angeschwollene Drüsen, einige mit gelben Partien in der Schnittfläche. In
Ausstreichpräparaten von diesen finden sich Tuberkelbazillen. Unter dem Unter-
kiefer gleichfalls angeschwollene Drüsen, aber kleiner und ohne gelbliche Partien
im Schnitt.
Das Meerschweinchen Nr. 27 wog bei der Injektion 555 g; es starb spontan
am 8. XII. 1907 und wog da 350 g. Das in einen Klumpen verwandelte Oment
ist wie die Milz mit dicht zusammenstehenden, teilsweise käsig umgewandelten
Knötchen durchsetzt. In Ausstreichpriparaten von diesen zahreiche Tuberkel-
bazillen. Graugelatinöse Knötchen, vereinzelt und in Gruppen, sind in ziemlich
zahlreicher Menge am Peritoneum parietale, an Leber und Nieren zu sehen. Be-
züglich der Lungen sind, abgesehen von subpleuralen Blutungen, nur einige auf der
Schnittfläche sichtbare, sehr kleine, graue Knötchen zu verzeichnen. Hinter dem
Sternum einige angeschwollene Drüsen, teilweise gelb im Schnitt; am Hilus pulmonum
und am Unterkiefer gleichfalls angeschwollene Drüsen, diese sind aber kleiner und
zeigen keine gelblichen Partien.
Fall XL Weste von einem Patienten mit mäßigen Lungenver-
änderungen (Beginn des Ill. Stadiums)und bazillenreichemSputum. Keine
Vorsicht mit demselben. Negatives Resultat.
‘Erik B., Arbeiter, 35 Jahre alt. Patient soll 1905 eine Influenza durchgemacht
haben und seitdem sich nie wohl gefühlt haben. Im Dezember 1906 hatte er eine
kleine Hämoptyse. Im Sommer 1907 begannen die gewöhnlichen Phthisissymptome
hervorzutreten, doch so gelinde, daß Patient die ganze Zeit über hat arbeiten können.
Von Beruf war er Grobarbeiter. Das Sputum enthält zahlreiche Bazillen, seine
Menge wechselt sehr, ist jedoch nie besonders groß. Die rechte Lunge zeigt Dämpfung
in ihren oberen zwei Dritteln. Subkrepitierendes Rasseln ist, obwohl spärlich, auf der
ganzen Vorderseite sowie in der Fossa supraspinata vorhanden. Die linke Lunge
zeigt Dämpfung und verschärftes Inspirium an der Spitze sowie vereinzeltes Rasseln
im Interskapularraum.
Zur Untersuchung wurde eine Weste genommen, und aller Staub aus der-
BD.XITREFTL INFEKTIOSITÄT DER KLEIDER LUNGENSCHWINDSÜCHTIGER. 49
selben wurde zu intraperitonealer Injektion an den Meerschweinchen Nr. 28 und
29 verwendet, die Inokulation geschah aber auf 2 Male verteilt, wie das in der
Einleitung beschrieben worden ist, am 20. XI. 1907 mit der ersten Hälfte des Staubes,
am 23. XI. mit der zweiten.
Nr. 28 wog bei der Inokulation 495 g, bei der Tötung am 1. II. 1908 545 g.
Die Sektion zeigte Adhärenzbildungen in der Bauchhöhle, aber keine angeschwollenen
Drüsen und keine tuberkulösen Veränderungen.
Nr. 29 wurde gleichfalls am 1. II. 1908 getötet. Fs zcigte eine Reihe dünner
Adhärenzen im Peritoneum, aber keine tuberkulösen Veränderungen in der Bauch-
höhle. Einige Drüsen am Halse und in der Gegend hinter dem Sternum waren
gelinde angeschwollen. Sie wurden mikroskopisch untersucht, tuberkulöse Ver-
änderungen oder Tuberkelbazillen konnten aber nicht nachgewiesen werden.
Im Zusammenhang mit den Versuchsprotokollen dürfte auch zu erwähnen
sein, daß mit Staub von weiteren 2 Patienten die intraperitoneale Injektion an
insgesamt 4 Meerschweinchen vorgenommen wurde, die jedoch alle innerhalb
der nächsten Tage nach der Injektion starben. Bei der Obduktion zeigten sich
alle frei von Tuberkulose.
Insgesamt sind also 14 Tiere gestorben, bevor eine tuberkulöse Infektion
sich hätte entwickeln können; alle sind frei von Tuberkulose gewesen. Auch
bei anderen Untersuchungen hat es sich gezeigt, daß eine solche nicht bei dem
angewendeten Laboratoriumsstamm vorhanden ist. Außerdem dürfte aus den
mitgeteilten Obduktionsberichten von den Fällen mit positivem Resultat mit
ziemlich großer Sicherheit hervorgehen, daß es sich in diesen Fällen nicht um
sogen. Spontantuberkulose bei den Tieren gehandelt hat. Die Ausbreitung der
Krankheit erwies sich nämlich in allen Fällen als überwiegend abdominal im
Gegensatz zu der bei spontaner Infektion gewöhnlicheren Lungentuberkulose.
Zu Beginn dieses Aufsatzes wurde als in hohem Grade wahrscheinlich
bezeichnet, daß die Kleider von Lungenschwindsüchtigen einer Infektion mit
Tuberkelbazillen nicht gut entgehen könnten, und das nicht einmal, wenn der
Kranke Kenntnis von seiner Krankheit und ihrer Ansteckungsmöglichkeiten
besäße und sich bemühte, die übliche Vorsicht mit dem Sputum zu beobachten.
Das Ergebnis der Untersuchungen, über die soeben berichtet worden ist, geht
wenigstens bis zu einem gewissen Grade in einer anderen Richtung.
Zwar haben die Fälle I, III und X gezeigt, daß mit der von mir ange-
wandten Methode virulente Tuberkelbazillen aus Kleidern und Decken, die von
Lungenschwindsüchtigen benutzt worden sind, erhalten werden können, nur in
3 Fällen ist aber die Untersuchung mit den 12 verschiedenen Staubproben,
die von Kleidungsstücken von 11 Patienten erhalten sind, positiv ausgefallen.
Bevor man nun daraus folgert, daß die Kleider von Lungenschwindsüchtigen
weniger ansteckungsgefährlich sind, als man wohl Anlaß haben konnte zu ver-
muten, müssen wir indessen zusehen, ob die Untersuchung wirklich zu dem
Schluß berechtigt, daß die Mehrzahl der untersuchten Kleider nicht virulente
Tuberkelbazillen in für eine Infektion hinreichende Menge enthalten hätten.
Was nun die Art und Weise selbst betrifft, wie der Staub von den Kleidern
entfernt wurde, so geschah dies durch kräftiges Schaben, verbunden mit
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIIL 4
EE adas ZEITSCHR, f.
50 . OR. FRIBERGER, ARK ULOSE
kräftirem Aufsaugen des Abgeschabten. Aller einigermaßen lose sitzender Staub
dürfte hierbei für die Untersuchung erhalten worden sein, wovon denn auch
das veränderte Ausschen des Stoffes nach der Behandlung Zeugnis ablegte:
alle Falten und Sinkel wurden staubfrei, die Farben des Stoffes wurden klar etc.
Wie aber in der Einleitung angegeben wurde, konnte ein Teil der auf
den Kleidern vorhandenen Flecke nicht vollständig mittels der Behandlung bei
den Versuchen entfernt werden. Zu Beginn der Untersuchung unterließ ich nun
ınit Absicht, vor dem Absaugen diese Flecke mit einem scharfen Instrument
abzukratzen, weil ich mir die Infektiosität der Kleider weit größer vorstellte, als
wie sie es nach Ausweis der Versuche war, und weil ich meinte, es würde
ziemlich leicht sein nachzuweisen, daß schon das flüchtige Ilantieren mit den-
selben Gefahr in sich schließen könnte. Es laßt sich daher denken, daß ein
vor dem Absaugen geschehendes cnergisches Kratzen auf denjenigen dieser
Flecke, die möglicherweise aus eingetrocknetem Sputum bestanden, einiger-
malien die Resultate hatte verändern können. Iliergegen spricht jedoch, dab
das Schaben mit dem Mundstück des Saugapparates so energisch während des
gleichzeitigen kräftigen Saugens geschah, daß, auch wenn die Flecke nicht voll-
ständig entfernt werden konnten, so doch wenigstens die oberflächlichste Schicht
derselben hätte mitgehen und hinreichend sein müssen, um die Meerschweinchen
zu infizieren.
Indessen kann auch der Einwand erhoben werden, daß bei gewissen Ver-
suchen nicht all der Staub, der aus den Kleidern erhalten wurde, mittels Tier-
versuche geprüft wurde. Erstens wurde nämlich auf dem Filter von doppelt-
gelegter Gaze, durch welche die „Staubbouillon“ gesciht wurde, das Gróbste
von den Staubpartikeln zurückgehalten, und an ihnen konnte ja Sputum haften.
Ferner konnte bei einigen Versuchen nicht die ganze Quantität Staubbouillon
zu intraperitonealer Injektion an den 2 Meerschweinchen, die für jeden Versuch
bestimmt waren, angewandt werden, weil die Gefahr cines Todes der Tiere
während der nächsten Tage infolge akuter Infektion zu groß geworden ware.
Und schließlich starb doch bei einigen Versuchen das eine der Ticre kurz nach
der Injektion, so daß eine Auskunft betreffs des Tuberkclbazillengehaltes der
ihm eingespritzten Staubbouillon nicht erhalten werden konnte. Diese Einwände
scheinen mir jedoch die Beweiskraft der Untersuchungen nur unbedeutend ab-
zuschwächen. Vor dem Durchseihen war nämlich die Bouillon mindestens
5 Minuten zusammen mit dem Staub kräftig geschüttelt worden, und hierbei
muß, scheint es, sowohl das Sputum, das größeren Staubsplittern anhaftete, von
diesen abgespült als auch überhaupt alles in der ganzen erhaltenen Staubmenge
vorhandene Sputum homogen in der Staubbouillon verteilt worden sein. Wenn
dann ein gewisser Teil von dicser nicht durch Tierversuche geprüft worden
ist, so muß es sich bci der großen Empfindlichkeit der Meerschweinchenbauch-
höhle für tuberkulöse Infektion um cine äußerst unbedeutende Infektiosität bel
dem Staub gehandelt haben, da diese gar nicht zum Ausdruck kam.
Was nun die Tierversuche selbst betrifft, so dürfen die Sprayversuche
eine Sonderstellung einnehmen. Solche wurden zusammen mit intraperitonealer
BD.XIH, HEFT 1.
1908. 5 1
INFEKTIOSITÄT DER KLEIDER LUNGENSCHWINDSUCHTIGER. <
Injektion mit Staub vom Falle VII angestellt, und von den Fällen V, VI und
VII liegen zu Ende geführt nur Sprayversuche vor.
Bei der Anstellung derselben suchte ich, wie in der Einleitung angegeben
wurde, so genau wie möglich die von O. V. Petersson!) angewandte Technik
zu befolgen. Dieser Forscher, der in einer großen Anzahl Experimente die
Methode geprüft, hat mit derselben positive Resultate auch in solchen Fällen
erhalten, wo es sich um relativ kleine Mengen infektiösen Materiales gehandelt
hat. Ich erlaube mir, um die Empfindlichkeit der Methode zu beleuchten,
einige von diesen Fällen anzuführen.
Ein lungenschwindsüchtiger Patient?) mußte während 13 Tagen beim
Ilusten eine mit Griff versehene Glasscheibe von 10 x 17 cm Größe in 10 bis
ı5 cm Abstand vor dem Munde halten. Der Patient hatte die Weisung er-
halten, nie das Glas mit den Fingern zu berühren. Nach Ende der Expositions-
zeit sah man, daß „eine größere Anzahl, kaum stecknadelkopfgroße, grauliche
Flecke dem Glase anhafteten, deren einige noch kleiner waren, und außer den
begrenzten Flecken bemerkte man einen dünnen Belag wie einen Anflug von un-
regelmäßiger Form hier und da auf der Oberfläche des Glases“. Was nun mit
dem Messer von dem Glase abgekratzt werden konnte, wurde sorgfältig in 180 ccm
Wasser verrührt, das dann in eine Holzkiste, in welche 2 Meerschweinchen
eingesetzt waren, eingesprayt wurde. Dic beiden Tiere wurden nach Peters-
sons Angabe infiziert. Mit einem anderen Patienten wurde dasselbe Experiment?)
7 Tage hindurch angestellt. Danach „war das Glas mit einer Menge äußerst
kleiner Flecke und Punkte von der Größe eines größeren Nahnadelóhrs bedeckt.
Alle waren rund und wohlbegrenzt“. Über 60 solche konnten gezählt werden.
Auch hier positives Resultat.
Auch mit Itxkrementen von Fliegen, die unter eine Glasglocke, zusammen
mit tuberkulósem Sputa gebracht wurde, gelang es Petersson, mittels der
Spraymethode Meerschweinchen zu infizieren.
Infolgedessen meint dieser Forscher, daß die fragliche Methode als Reagenz
auf Tuberkelbazillen in völlig dem gleichen Grade empfindlich ist wie eine
subkutane und intraperitoneale Impfung.
Für eine sehr große Empfindlichkeit der Spraymethode sprechen auch
ältere Versuche von Gebhardt.*) Dieses verdünnte Sputum auf 1: 100000,
und 100 ccm von dieser Verdünnung waren genügend, um mittels Spray Meer-
schweinchen zu infizieren.
Sowohl Peterssons als Gebhardts Experimente sind jedoch wesentlich
verschieden von den meinigen. Bei den positiven Versuchen mit sehr kleinen
Mengen tuberkelbazillenhaltigen Materiales, über die ich soeben referiert, hatte
Petersson durch vorhergehende mikroskopische Untersuchung gezeigt, daß
das geringe Material, das in Arbeit genommen wurde, ziemlich stark bazillen-
haltig war. Und das Sputum, das Gebhardt zur Verdünnung verwandte,
1) Kliniskt-experimentela studier öfver lungtuberkulosen. Nord. Med. Ark. 1900, no. 30 u. 33.
2 A. a. O. Nr. 33, p. 20.
3) A. a, O, p. 21.
4) Experimentelle Untersuchungen über den Einfluß der Verdünnung auf die Wirksamkeit
des tuberkulösen Giítes. Virch. Arch. 1890, Bd, 119, p. 127.
4 *
¿RIBERGER ZEITSCHR. £.
52 | | PRAIRIES TUBERKULOSE
enthielt „eine große Menge “Tuberkeclbazillen* Anders stellt sich natürlich die
Sache bei dem hauptsächlich aus Wolle- und Baumwollfasern, kleinen Holz-
splittern und amorphen Körnchen bestehenden Material, womit ich gearbeitet
habe. Hier konnten auch in Staubproben, die bei intraperitonealer Injektion
Tuberkulose verursachten, bei mikroskopischer Untersuchung (so z. B. bei Fall D
keine Tuberkelbazillen gefunden werden. Und wenn diese so spärlich vor-
kommen, so dürfte die Spraymethode, was die negativen Resultate betrifft, nicht
beweiskräftig scin. Es ist ja nur ein ganz geringer Teil von der Sprayflüssigkeit,
den die Meerschweinchen inhalieren oder herunterschlucken. Ich wage daher
betreffs der Fälle, wo nur Sprayversuche haben zu Ende geführt werden können
aus den negativen Resultaten nur den Schluß zu ziehen, daß die betreffenden Staub-
proben wahrscheinlich nicht Tuberkelbazillen in reichlicher Menge enthalten haben.
Gegen mcine Untersuchungen ließe sich vielleicht noch folgender Einwand
erheben. Von mehreren Forschern, besonders Weichselbaum!) und seinen
Schülern, ist gezeigt worden, daß virulente Tuberkelbazillen durch Tierversuche
in Geweben, besonders Drüsen, nachgewiesen werden können, wo eine genaue
makroskopische und mikroskopische Untersuchung keine tuberkulösen Ver-
änderungen ergeben hat, und wo Tuberkelbazillenfirbung negativ ausgefallen
ist. Teilweise infolge weniger reichlichen Tiervorrates führte ich bei meinen
Untersuchungen nicht derartige Inokulationen von den mit Staub geimpften
Meerschweinchen an, bei welchen wohl vereinzelte angeschwollene Drüsen,
ein verdicktes Oment oder dergl. bei der Scktion gefunden wurden, wo aber
spezifisch tuberkulöse Veränderungen nicht entdeckt werden konnten. Wo
indessen eine Veränderung angetroffen werden konnte, die irgendwie tuber-
kulöser Natur verdächtig sein konnte, wurde eine mikroskopische Untersuchung
des Gewebes vorgenommen und in Ausstreichpräparaten nach Tuberkelbazillen
gesucht. Nun dürfte es wohl nicht gewöhnlich sein, daß die Tuberkelbazillen
an allen Punkten im Organismus latent leben, ohne an irgend einem spezifische
Veränderungen hervorzurufen. Und besonders ist wohl ein solches Verhältnis
unwahrscheinlich, wenn so lange Zeit zwischen Inokulation und Obduktion ver-
flossen ist, wie es wenigstens während des letzten Teiles der Untersuchung
geschah — stets über 2 Monate, bisweilen 4 oder mehr. `
Die umständliche Erörterung meiner Fälle mit negativem Resultat schien
mir im Hinblick auf das unerwartete Resultat notwendig. Die Beweiskraft der
Sprayversuche ist zwar beschränkt, werden sie aber mit den Injektionsversuchen
zusammengestellt, die mit 6 verschiedenen Staubproben von 5 Patienten her
angestellt wurden, und die negativ ausfielen, so scheint doch aus ihnen hervor-
zugehen, daß die Annahme der Ansteckungsgefahr bei den Kleidern von Lungen-
schwindsüchtigen keine allgemeine Gültigkeit besitzt.
Es dürfte daher von Interesse sein zuzusehen, wie beschaffen vom
klinischen Gesichtspunkt aus die Krankheitsfalle gewesen sind, deren Kleider
sich so wenig infektiös gezeigt haben.
1) Vergl. Weichselbaum und Bartel, Zur Frage der Latenz der Tuberkulose. Wien.
klin. Wehschr, 1905, Nr. 10 (daselbst weitere Literaturangaben in dieser Frage).
"ae" INFEKTIOSITÄT DER KLEIDER LUNGENSCHWINDSÜCHTIGER. 53
ee nn —— A a —Á —_—
Fall II und IV hatten spärliches Sputum, gegenüber welchem sie im
übrigen strenge Vorsicht beobachteten. Fall VII hatte zwar ein bazillenreiches
Sputum, er war aber äußerst gewissenhaft in bezug auf die Unschädlichmachung
desselben. Betreffs des Falles IX ist unbekannt, ob der Kranke besondere
Vorsicht mit dem Sputum beobachtet hat, und Fall XI hatte infolge seiner
Unbekanntschaft mit der Natur der Krankheit nicht solche Vorsicht beobachten
können, beide aber waren ordentlich und sehr reinlich. |
Einer ganz anderen Kategorie gehörten die Fälle mit positivem Resultat
an. Bei ihnen allen handelte es sich um die letzten Stadien der Krankheit,
kurze Zeit vor dem Tode, wo Kraftlosigkeit und Apathie eine mangelhafte
Reinlichkeit so leicht erklärlich machen. Zwei von den Fällen sind lange Zeit
bettlägerig gewesen; bei diesen waren es die Decken, die infektiös befunden
wurden. Der dritte Fall hatte zwar Kräfte gehabt, um Tags über das Bett zu
verlassen, die Phthise aber im Verein mit einem organischen Herzfehler hatten
doch die Körper- und Willenskraft des Patienten dermaßen gebrochen, daß von
einer Vorsicht bei der Behandlung des Auswurfes nicht die Rede sein konnte;
in diesem Fall waren es die Gebrauchskleider, die zur Untersuchung verwandt
und infektiös befunden wurden.
Klinisch unterscheiden sich demnach die Fälle mit negativem Resultat
höchst beträchtlich von denen mit positivem. Auf der einen Seite Patienten
mit ziemlich wohlerhaltenen Körper- und Geisteskräften, mit dem Vermögen,
die übliche Vorsicht mit dem Sputum oder wenigstens sorgfältige Reinlichkeit
zu beobachten, auf der anderen Scite kraftlose, apathische und daher unsaubere
Kranke. |
Will man bei einer Untersuchung wie der vorliegenden überhaupt den
negativen Resultaten Beweiskraft zuerkennen, und wollte man es wagen, aus
einer relativ so geringen Anzahl Fälle allgemeine Schlüsse zu ziehen, so müßten
sie also lauten: die Lungenschwindsüchtigen, die die Vorschriften der
gewöhnlichen Tuberkulosehygiene betreffs des Auswurfes beobachten,
möglicherweise auch die, welche nur sich gewöhnlicher Reinlichkeit
befleißigen, scheinen ihre Kleider nicht zu infizieren, während
unsaubere Kranke es erwiesenermaßen tun.
Ein derartiges Verhältnis weist offenbar auf Kontaktinfektion als Ursache hin.
Man könnte sich zwar denken, daß diese Kranken mit ihrem reichlichen
Sputum infizierende Tröpfchen in reichlicherer Menge als andere um sich her
verbreiteten. Dazu ist doch vor allem zu bemerken, daß es keineswegs die
Menge des Sputums zu sein scheint, die die Reichlichkeit der Tropfeninfektion
bestimmt, sondern vielmehr die Beschaffenheit desselben. Die Forscher, die
sich mit dieser Frage beschäftigt haben, scheinen ziemlich einig darüber zu
sein, daß es vor allem der leichtflüssige Auswurf ist, der zu infizierenden
Tröpfchen Anlaß geben kann, und nicht in demselben Grade das globöse Sputum,
wie es oft den letzten Krankheitsstadien zukommt.
In Übereinstimmung hiermit hat O. V. Petersson!)in einer Untersuchungs-
1) Om smittofaran från lungtuberkulósa i olika sjukdomstadier. Upsala L.äkaref’s Förh., N. F.,
Bd. 11, Heft 3 und 4, p. 130.
54 R, FRIBERGER, TUBERKULOSE
serie, auf die ich unten noch zurückkomme, gezeigt, daß Kranke im HI. Stadium
— nach Turbans Einteilung — was die Tropfeninfektion betrifft, die wenigst
gefährlichen zu sein scheinen. Bei der Versuchsanordnung, die er anwandte,
wurden bazillenhaltige Tröpfchen von 7 Patienten unter 8 verbreitet, die dem
I. von Turbans Stadien angehörten, von allen die 5 untersuchten, die dem
IL Stadium angehörten, aber nur von 1 unter 6 im III. Stadium.
Schließlich scheint es festgestellt zu sein, daß individuelle Verschieden-
heiten bei den Kranken eine entscheidende Rolle gegenüber der Reichlichkeit
der Tröpfcheninfektion spielen. Es ist ja freilich nicht ausgeschlossen, daß meine
3 positiven Fälle solche sein könnten, die infolge individueller Eigentümlichkeiten
mehr als andere infizierende Tröpfchen verbreiten, näher aber liegt es doch,
den Ausfall der Versuche mit dem augenfälligen Unterschied betreffs der ge-
wöhnlichen Reinlichkeit in Verbindung zu setzen.
Im Zusammenhang mit dieser Verschiedenheit sei es mir erlaubt, auf einen
Umstand hinzuweisen, der die verschiedenen Stadien der Krankheit, in welchen
sich die Kranken befanden, betrifft. O. V. Petersson hat sich in der oben
erwähnten Untersuchungsserie mit der Menge von Tuberkelbazillen beschäftigt,
welche Kranke in den verschiedenen Stadien aushusten, und er ist dabei zu
einer Durchschnittszahl gekommen, die für das Il. Stadium weit die für das
I. und das UL Stadium übersteigt. Und dazu schienen Tierversuche, die der-
selbe Forscher in diesem Zusammenhange mit Sputa von Kranken in verschiedenen
Stadien anstellte, auf eine bedeutend geringere Virulenz bei den Tuberkelbazillen
im III. Stadium der Tuberkulose hinzuweisen.
Stellt man nun meine Untersuchungen hiermit zusammen, so sei zunächst
darauf hingewiesen, daß die 3 Fälle, bei denen ich positives Resultat erhielt,
alle den allerletzten Stadien der Krankheit angehörten. Sehen wir ferner von
den Sprayfällen ab, so finden wir, daß von den 5 Fällen, bei denen intra-
peritoneale Injektion mit negativem Resultat geschah, 2 dem II. von Turbans
Stadien (Fälle II und IV), 3 dem III. (Fälle VII, IX, und XI) angehörten. Hierbei
dürfte indessen daran zu erinnern sein, wie weite Grenzen das III. von Turbans
Stadien hat, verglichen mit denen des I. und IL Während diese beiden mit
ihren relativ engen Grenzen mehr einheitliche Gruppen repräsentieren, umfaßt
das III. Stadium sowohl Fälle mit gutem Kräftezustand, gutèm Ernährungs-
zustand und: überhaupt mäßigen subjektiven Symptomen als auch die rein
desolaten Fälle. Wenigstens die Fälle IX und XI gehören mehr der ersteren
der beiden zuletzt geschilderten Kategorien an.
Meine Resultate scheinen demnach in Widerspruch zu den eben erwähnten
Untersuchungen Peterssons zu stehen, aber dieser Widerspruch ist nur schein-
bar, da es klar ist, daß ein weniger infektiöses Sputum, das von kraftlosen und
apathischen Patienten unachtsam behandelt wird, gefährlicher sein kann als ein
an sich infektiöseres, in dessen Unschädlichmachung man aber gewissenhaft ist
— ein Umstand, auf den auch Petersson aufmerksam macht.
Wenn nun die Kleider stark heruntergekommener Lungenschwindsüchtiger
sich als mit virulenten Tuberkelbazillen infiziert erwiesen haben, so ist schließlich
daran zu erinnern, wie groß die Gefahr ist, die dieser Umstand in sich schließt
PR E INFEKTIOSITÁT DER KLEIDER LUNGENSCHWINDSÜCHTIGER. sg
für die, welche mit den Kleidern hantieren oder sie nach den Kranken benutzen.
Für Kontaktinfektion finden sich vielerlei Möglichkeiten. So kann z. B. das
Abkratzen eines Fleckes mit dem Nagel die Überführung des Infektionsstoffes in
die Mundhöhle vermitteln. Und vom Gesichtspunkte der Cornetschen l.ehre von
der Staubinfektion aus dürfte besonders zu beachten sein, daß erwiesenermaßen
Staub von Kleidungsstücken ein sehr großes „Flugvermögen“ besitzt, und das Tu-
berkelbazillen, die solchen flugfahigen Kleiderstaub begleiten, ziemlich lange ihre
Virulenz beibehalten können. Was den ersten Umstand betrifft, so ist folgendes
Experiment von B. Heymann!) besonders lehrreich. In einen geschlossenen
Raum von ungefähr 3 cbm Rauminhalt wurden mit Bouillon gefüllte Schalen
hineingestellt, so überdeckt, daß die Deckel von außen her mittels Schnüre
abgehoben werden konnten. Die Schalen wurden teils in 120, teils in 170 cm
Höhe über dem Fußboden aufgestelit. Mit Tuberkelbazillen infizierter Kleider-
staub wurde nun auf folgende \Veise verbreitet. Ein Teil von der Wand des
Zimmers war durch einen Beutel aus Mosetigbattist ersetzt Mittels dieser
Vorrichtung konnte eine außerhalb des Zimmers stehende Person in dem Zimmer
Taschentücher, die mit reichlichen Mengen tuberkulösen Sputums beschmutzt
und dann getrocknet waren, in dem Zimmer abwechselnd zusammenpressen
und auseinanderziehen sowie schütteln. Dic Resultate bei den einzelnen Versuchen
variierten etwas, es zeigte sich aber, daß die Bouillonschalen in den beiden
Etagen mit Tuberkelbazillen infiziert worden waren, auch wenn sie 15, 30, ja
in einzelnen Fällen sogar 45 und Co Minuten nach dem Aufhören der Mani-
pulationen mit den Taschentüchern geöffnet worden waren.
Und dieser virulente Staub, der so lange herumfliegt, kann, wie erwähnt,
relativ lange seine Infektiosität beibehalten. Kirstein?) bestrich Lappen von
Wollenzeugen mit tuberkulösem Sputum und ließ sie trocknen. Dann wurde
das Zeug zerschnitten und in einem Kautschukbeutel geknetet, aus welchem
der Staub mittels eines Gummigebläses in eine Glasglocke geblasen wurde.
[lier wurde er auf ausgelegten Objektgläschen gesammelt. Uber diese ließ
man in einem späteren Stadium des Experimentes einen Luftstrom von 4 mm
Geschwindigkeit in der Sekunde hinstreichen, und der Staub, der nun mitging,
wurde als „flugfahig“ angesehen. Dieser flugfahige Staub enthielt nun, wie
durch Tierexperimente gezeigt wurde, virulente Tuberkelbazillen noch nach
5 Tagen, und das trotzdem er während dieser Zeit, in einer dünnen Schicht
ausgebreitet, vor der Wirkung des Lichtes nicht geschützt war.
Im Hinblick auf diese Tatsachen und auf den Umstand, daß, meinen
Untersuchungen nach zu urteilen, hauptsächlich die Kleider von Lungenschwind-
süchtigen in den allerletzten Stadien der Krankheit eine Ansteckungsgefahr in
sich bergen, scheint es notwendig, daß die Forderung einer Zwangsdesinfcktion
der Kleider von an Lungenschwindsucht gestorbenen Personen sowie als Be-
dingung hierfür einer gesetzlichen Anmeldepflicht aller Todesfälle an Phthisis
1) Versuche über die Verbreitung der Phthise durch ausyehustete Trüpfchen und durch
trockenen Sputumstaub. Ztschr. f. Hyg. u. Infektkr. 1901, Bd. 38, p. 21.
2) Über die Dauer der Lebensfähigkeit von Tuberkelbazillen an flugfihigen Stáubchen.
Ztschr, f. Hyg. u. Infektkr. 1905, Bd. 50, p. 186.
ie ve x : Sn ZEITSCHR. f.
56 FRIBERGER, INFEKTIOSITÄT DER KLEIDER ETC. TUBERKULOSE
pulmonum mit aller Energie aufrecht zu erhalten. In Schweden sind diese
beiden Forderungen seit 1904 erfüllt, noch aber dürfte dies nicht in allen
Kulturländern der Fall sein.
Neuerdings hat A. Josefson?) darauf aufmerksam gemacht, daß Kleider
Lungenschwindsüchtiger, besonders schwerkranker, in Stockholm in großer
Ausdehnung schon zu Lebzeiten der Patienten versetzt und dann verkauft werden.
Gewiß geschieht dasselbe in allen größeren Städten und gewiß muß die daraus
entstehende Gefahr hoch geschätzt werden. Vielleicht kann, wie Josefson es
meint, dieser Gefahr durch gesetzliche Vorschriften, insbesondere für die Pfand-
leihgeschäfte, wirksam entgegengearbeitet werden, ohne daß die schwierige
Frage der Anzeigepflicht gegenüber allen an Lungenschwindsucht erkrankten
Individuen berührt wird.
1) Gegen den Versatz und Verkauf von benutzten Kleidern. Tuberculosis 1908.
1908.
des: y. HOLTEN, HEILSTÄTTENERFOLGE UND IHRE KRITIK. 57
IV.
Heilstättenerfolge und ihre Kritik.
(Aus der Heilstätte Friedrichsheim. Dircktor Dr. Curschmann.)
Von
Dr. Kurt von Holten.
Fan letzter Zeit sind wieder mehrere Arbeiten erschienen, die eine Kritik
der Erfolge der Heilstätten darstellen, und die durch die Ungenauig-
| = keiten mehrerer darin enthaltener Angaben zu nachfolgenden Er-
wägungen Anlaß gegeben haben.
Croissant?) hat in seiner Arbeit dic Erfolge der poliklinischen Bchand-
lung Lungenkranker mit den Erfolgen der Heilstättenbehandlung verglichen.
. Er bespricht zunächst, daß Hammer 1902 gezeigt habe, daß der Unterschied
der in Heilstätten Verpflegten und der anderweitig Behandelten kaum ein
erheblicher sei. Im weiteren Verlaufe führt er sogar Hammers Zahlen an,
nach denen einem Erfolge der Behandelten von 74 °/, ein solcher der Nicht-
behandelten von 69°/, gegeniiberstehe. Es ist diese Angabe von E. Rumpf
auf das Überzeugendste widerlegt worden, indem Rumpf?) zeigte, daß den beiden
verglichenen Zahlen ein ungewöhnlich leichtes Krankenmaterial zugrunde lag.
Wir halten es für angezeigt, den Abschnitt hier nochmals abzudrucken:
«Einen Vergleich von 72 in Heilstätten und 55 poliklinisch behandelten
Lungenkranken hat Hammer versucht. Er kam dabei zu dem ihm selbst
überraschenden Resultat, daß bei den Heilstättenkranken überhaupt ein Erfolg
erzielt wurde in 74 °/,, ein voller Erfolg in 35 °/,, daß dagegen bei den nur
poliklinisch behandelten und auf eine zweckmäßige Lebensweise hingewiesenen
Patienten 69 %/, gebessert wurden, 53 °/, einen vollen Erfolg erzielten. „Selbst
wenn angenommen wird“, sagt Hammer, „daß das Material, welches sich
keiner Heilstättenkur unterzog, durchweg ein leichter erkranktes war, bleibt es
auffallend, daß die Differenzen in den wirtschaftlichen Erfolgen keine beredtcre
Sprache führen zugunsten der Ileilstättenbehandlung.“
Wäre das Krankenmaterial überhaupt ein schwereres gewesen, so würden
die Differenzen zugunsten der Heilstättenbehandlung schon deutlicher zutage
getreten sein. Die große Mehrzahl von Hammers männlichen Kranken be-
komme ich in meine Heilstätte. Ich bekomme aber aus keiner badischen Stadt
annähernd ein so leichtes Krankenmaterial wie aus Heidelberg. Im Jahre 1902
bekam ich 47 Kranke aus Heidelberg, davon 42 durch die Poliklinik; von
letzteren gehörten 33 = 78,6 °/ zum I, 7 = 16,6°/, zum Il. und 2 = 4,8 °/, zum
III. Stadium. Von der Summe aller Kranken einschließlich der Heidelberger
gehörten dagegen 303 = 42,6°/, zum I, 152 = 21,3 °/, zum IL und 257 = 36,1 %/,
zum II. Stadium. Bei einem Krankenmateriale, welches zu 78,6°/, dem
I. Stadium angehörte (fast bei allen mußte in Heidelberg Tuberkulin zu Hilfe
1) Croissant, Zur Frage der Dauererfolge der Lungenheilstätten. Münch. med. Wchschr.
1907, Nr. 47.
D Rumpf, Prognose der Phthise. Schröder-Blumenfeld, Therapie d. Lungenschw.
E ae ZEITSCHR. f.
58 i K. Vv. MUT EN. TUBERKULOSE
genommen werden, um die tuberkulöse Natur des Leidens überhaupt fest-
zustellen, während sich bei unseren Kranken des I. Stadiums eine ganze Reihe
mit offener Tuberkulose befand), können aus der nach 1—3 Jahren kontrollierten
Arbeitsfahigkeit gar keine Schlüsse gezogen werden, denn eine Lungentuber-
kulose, deren physikalische Veränderungen sich noch im I. Stadium befinden,
bedingt höchst selten länger dauernde Arbeitsunfähigkeit. Ganz anders liegt
die Sache bei einem Krankenmaterial, wo die II. und III. Stadien überwiegen;
je weiter die Krankheit fortschreitet, desto häufiger und länger treten bekanntlich
Perioden wirklicher Arbeitsunfahigkeit ein. Fine ärztliche Nachkontrolle des
Lungenbefundes kann ich bei der abgeschiedenen Lage meiner Heilstätte leider
auch nur in Ausnahmefallen ausüben, aber die Umfrage der Landesversicherungs-
anstalt Baden führt denn doch eine beredtere Sprache zugunsten der Heil-
stättenbehandlung. Von sämtlichen im Jahre 1900 entlassenen Kranken waren
Anfang 1903, also 2—3 Jahre nach der Entlassung noch 48,8 °/, arbeitsfähig,
es hatten von ihnen aber nicht 4,8°/,, sondern 45°/, dem Ill. Stadium und
26°/, dem II. Stadium angehört!»
Hammer hat in der Generalversammlung des Deutschen Zentralkomitees
1907 entgegnet, Rumpf sei im Irrtum begriffen, wenn er glaube, daß er das
Material, das Hammer in jener Statistik verarbeitet habe, in seiner Heilstätte
behandelt habe. Die größere Zahl der verwerteten Kranken sci in anderen
Heilstätten untergebracht gewesen. Das ändert an der Tatsache nichts, daß
diejenigen Falle, die aus der Heidelberger Poliklinik nach Friedrichsheim kamen,
außerordentlich leicht waren; und wir gehen doch gewiß nicht fehl, wenn wir
annehmen, daß das Material, das von Heidelberg aus an die verschiedenen
6 Anstalten verteilt wurde, bezüglich der Schwere der Erkrankung einiger-
maßen gleich war. Aus diesem Grunde glauben wir, dal die von Rumpf
gemachten Einwände gegen den Vergleich durchaus zu Recht bestehen bleiben.
Als obersten Grundsatz müssen wir für die Aufstellung eines Vergleiches
von Statistiken über Lungenkranke fordern, daß die Kranken nach Stadien
gcordnet sind, sonst hat man selbst bei dem größten Material keine gültigen
Vergleichswerte. Wir wollen daraufhin die in Betracht kommenden Arbeiten
durchsehen. In der Arbeit von Hammer 1902 finden wir keine näheren An-
gaben über das Stadium, in dem sich die Kranken befanden. Ebenso ist es
mir nicht gelungen, in der von Croissant angeführten Arbeit von Ambrosius"
in Hanau Mitteilungen über das Stadium der Kranken zu finden. Ich kann
daher auch auf die Ambrosiussche Statistik nicht näher eingehen. Auf die
Arbeit von Reiche? komme ich weiter unten zu sprechen anläßlich der Kritik
Grotjahns über die Ilcilstätten, die Croissant erwähnt. Dem, was er über
Cornet schreibt: „Noch viel schärfer ist die Polemik, die Cornet schon früher
geführt hatte“, können wir beipflichten. Das, was Cornet über die Heil-
stätten vorbrachte, und wie er es vorbrachte, war keine gerechte und objektive
Kritik mehr, wie sie in ein bedeutenderes wissenschaftliches Werk gchört, das
1) Münch. med. Wehschr. 1903, Nr. 19.
2) Münch. med. Wehschr. 1905, Nr. 15.
EE HEN. STÁTTENERFOLGE UND IHRE KRITIK. 59
war tatsachlich cine Polemik. Auf die Cornetsche Abhandlung cinzugehen,
ist hier nicht der Ort. Doch kónnen wir uns bei dieser Gelegenheit nicht ver-
sagen, unsere Verwundcrung darüber auszusprechen, daß der Ausspruch Cornets
auf dem Wiesbadener Kongreß für innere Medizin: „Sie wissen alle, meine
Herren, wie außerordentlich schwer es ist, überhaupt cinmal eine Tuberkulose
zur Heilung zu bringen“, unwidersprochen geblieben ist. So selten scheint uns
doch die Heilung einer Lungentuberkulose sonst nicht vorzukommen; „auch
heilen Tuberkulosen der Lunge häufig, ja ich glaube außerordentlich häufig
ohne jede Bchandlung“.!)
Was die sorgfältige Arbeit aus der Baseler Poliklinik betrifft, so betont
Burckardt?) besonders, daß der Vergleich zwischen den in Davos und den
nicht dort Verpflegten angestellt sei bei Patienten gleichen Alters und gleicher
Schwere der Erkrankung und führt weiterhin ausführlich den Beweis, daß sein
Vergleich eher zu ungünstig für Davos ausfiele als zu günstig und damit die
Gefahr der Übertreibung vermieden sci.
Wenn wir jetzt die Statistik Croissants betrachten, so sind in derselben
allerdings die Fälle nach Stadien geordnet. Doch müssen wir sagen, daß die
Führung einer Rubrik mit unbekanntem Stadium nicht dazu geeignet ist, den
Wert einer Statistik zu erhöhen. Den bei den Behandelten angeführten Satz
von 9,9°/, kann man noch gelten lassen, aber man kann doch unter den nicht
Behandelten 151 eine Zahl von 55 unbekannten Stadiums, d. h. 36,4 °/, un-
möglich als einen kleinen Bruchteil bezeichnen. Die von Croissant an-
gegebenen Erfolge des I. Stadiums scheinen ihm für die Heilstätten nicht
günstige Resultate zu ergeben, um so mehr als er anführt, daß es durchaus un-
wahrscheinlich sei, daß nur sehr gutartige Fälle unter den Nichtbehandelten scien.
Uns erscheint das nicht so sicher. Es wäre außerordentlich interessant gewesen
zu erfahren, wieviel Kranke des l. Stadiums Bazillen im Auswurf hatten, ferner
bei wie vielen die diagnostische Tuberkulininjektion zu Hilfe genommen werden
mußte, um überhaupt die Diagnose zu sichern. Unter den Kranken von
Friedrichsheim aus den Jahren 1901 und 1902 weisen diejenigen des I. Stadiums,
die bazillenhaltigen Auswurf hatten, nach 5 Jahren einen Dauererfolg von So"/,
der Fälle auf. Ob ein derartiger Erfolg bei der lediglich ambulatorischen poli-
klinischen Behandlung zu erreichen ist, möchten wir, so lange der Gegenbeweis
aussteht, doch stark bezweifeln. Im übrigen verweise ich auf B. Fränkels
Betrachtung der Croissantschen Statistik, in der Fränkel’) nachweist, daß die
Croissantschen Zahlen, sobald die Patienten mit Wiederholungskuren nicht
doppelt gerechnet werden, für die Fälle des I. Stadiums einen Dauererfolg von
85 %/, ergeben, welche Zahl auch mit den Ergebnissen unserer Heilstatte ziemlich
übereinstimmt. Ganz anders sieht auch der Erfolg schon bei den II. Stadien
aus. Da sind von 39 Bchandelten 19 voll erwerbsfähig und nur 6 gestorben,
während von den Nichtbehandelten 9 gestorben und nur 5 voll erwerbsfahig
sind, Was die III. Stadien betrifft, so sind die Zahlen wirklich zu klein, um
1) Winternitz, Blätter f. klin. Hydrotherapie 1902, Nr. 7.
2) Ztschr. f. Tuberkulose Bd. 9.
8) Berl. klin. Wchschr. 1908, Nr. 17,
< a ZEITSCHR. f,
genauere Erörterungen zu rechtfertigen, obgleich auch diese zuungunsten der
Nichtbehandelten ausfallen würden.
Weiterhin hat Croissant die Fälle kontrolliert, die das Material der
Arbeit Hammers von 1902 bilden. Er berechnet als Ergebnis seiner Er-
hebungen einen Erfolg der Heilstättenpfleglinge von 37,1 °/, gegenüber einem
solchen der Nichtbehandelten von 44,4°/,. Wie in der Hammerschen Arbeit
von 1902, so fehlen auch hier jegliche Angaben über das Stadium der Krank-
heit, so daß man sich absulut kein Bild über die Schwere der Fälle machen
kann. Croissant folgert jedoch aus diesem Ergebnis, daß weder ein Gewinn
an Arbeitsfähigkeit noch an Lebensdauer von der Heilstättenkur für längere
Zeit garantiert wird. Um derartige Schlüsse zu wagen, bedarf es wohl zunächst,
wie oben erwähnt, einer gründlichen Sortierung der Fälle nach dem Grade der
Erkrankung, dann aber — wir stimmen hier mit Burckardt völlig überein —
eines viel größeren Materiales, als es die bescheidenen Zahlen von 72 Be-
handelten und 55 Nichtbehandelten darstellen.
Um die Erfolge der hiesigen Heilstätte bei denjenigen Kranken, die uns
von der Heidelberger Poliklinik zugesandt wurden, festzustellen, habe ich diese
Fälle herausgesucht und die Dauererfolge aus den amtlichen Erhebungen der
Landesversicherungsanstalt Baden zusammengestellt.
Dabei haben sich folgende Resultate ergeben:
Von den Kranken des Jahres 1900 waren nach 5 Jahren
S vom (Zahl der Be- erwerbsfühig Renten- | | nicht | ps neues
Stadium handelten) empfänger | ermittelt | Heilverfahren
I 4 4 — — — —
II 3 = I a >
III I — | — I en | As
Von den Kranken des Jahres 1901 nach 5 Jahren
1 3 2 — — — | I
II 4 4 = == = | ==
NI 3 = | = 3 = | +
Von den Kranken des Jahres 1902 nach 5 Jahren
I | 23 16 2 — | I | 4
IT 4 I A I I I | —
mn 1614 | > = | I ES | =
| Von den Kranken des Jahres 1903 nach 5 Jahren
I 49 42 | — | 1 5 | I
II 17 14 2 I (suicid) — —
m | E E E mm e
Von den Kranken des Jahres 1904 nach 4 Jahren
I | 24 | 22 | I | I | = =
II 5 5 | — : — — —
III (2) 1 1 Se E = u
e HEILSTÄTTENERFOLGE UND IHRE KRITIK. 6I
Von den Kranken des Ill. Stadiums aus den Jahren 1902 und 1904 wurden 2
resp. I als zu schwer krank heimgesandt, ohne daß sie eine Kur durchgemacht
hatten. Der Kranke des II. Stadiums aus dem Jahre 1903, der 1907 durch
Sekbstmord endete, war bis zum Jahre seines Todes voll erwerbsfähig. Wir
halben bei dieser Statistik sämtliche Fälle ohne Ausnahme berücksichtigt, die
als aus der Heidelberger Poliklinik gesandt erkennbar waren. Rechnet man
die Zahlen der einzelnen Jahrgänge zusammen — den Jahrgang 1904 lasse ich
weg, weil die Beobachtung sich nicht auf den erforderlichen Zeitraum von
5 Jahren erstreckt —, so erhält man im ganzen 120 Fälle. Von diesen waren
nach 5 Jahren voll erwerbsfähig 88 Fälle, d.h. 73°/, von den Kranken aller
Stadien zusammen. Nach Stadien gesondert würden sich ergeben
Erwcrbsfihige
von den 73 Fällen des I. Stadiums 64 = 87°},
” » 27 „ „ IL „ 21 = 77 |
39 3) 13 3) 3) II. 29 3 = 23 el
Nehmen wir den Jahrgang 1903 gesondert vor, als den einzigen, der
seiner etwas größeren Zahlen wegen eine solche Betrachtung rechtfertigt, so
erhalten wir nach Abzug der nicht Ermittelten für die Kranken des I. Stadiums
einen Dauererfolg von 95,4 °/,, für die des II. Stadiums einen solchen von 82 °/,.
Wenn somit die Summierung aller Zahlen der 4 Jahrgänge das Gesamtresultat
auch ungünstig beeinflußt, so glauben wir doch auch mit den Gesamtzahlen
von 87 °/, Dauererfolgen für das I. Stadium, und 77°/, für das IL Stadium
durchaus zufrieden sein zu müssen. Es ähneln diese Zahlen auch in auffallender
Weise den sonstigen Resultaten der Heilstätte Friedrichsheim. Siehe den Jahres-
bericht 1906 von Dr. Curschmann: Nach 5 Jahren erwerbsfähig
von den Kranken des I. Stadiums aus dem Jahre 1902 . . 86,5%,
3) 3) 9) 3) IL. 3) 29 99 3) 1902 E R 76,1 Sen
Wir können uns daher nach diesen Betrachtungen der Ansicht Croissants,
daß Heilstättenpfleglinge und anderweitig behandelte Tuberkulöse des I. Stadiums
mindestens gleich gute Resultate haben, nicht anschließen.!) Im Gegenteil sind
wir auf Grund unserer Zahlenangaben überzeugt davon, daß die Erfolge in
unserer Heilstätte auch bei I. Stadien die der poliklinischen Behandlung weit
übertreffen. Was die Auswahl der Fälle betrifft, so stimmen wir mit A. Frankel?)
völlig überein, wenn er dafür eintritt, die nur verdächtigen Fälle ohne aus-
gesprochenen Lungenbefund in Walderholungsstätten zu schicken. Demgegen-
über hat es uns erschreckt, die Ausführungen Plehns?) zu lesen, welcher sagt:
Es hat sich ein Betriebssystem in den Heilstätten herausgebildet, welches be-
denklich erscheinen muß. Wir scheuen uns den Heilstätten Kranke zu über-
weisen, welche nachweisbare anatomische Veränderungen bieten, welche Aus-
wurf haben und Bazillen im Auswurf, auch wenn diese Kranken noch durchaus
dem I. Stadium angehören (!, nach dem neuerdings wieder international fest-
gestellten Schema. Kranke des IL Stadiums nach diesem Schema kommen
überhaupt kaum mehr in Betracht.
1) Vergl. auch Curschmann, Jahresbericht der Heilstátte Friedrichsheim 1907.
D Berl. klin. Wchschr. Nr. 17. Diskussion über den Vortrag von B. Fränkel.
3) Ebendaselbst.
62 K. v. HOLTEN. EE
Aufgenommen werden diese Kranken allerdings, aber wir riskieren, daß sie
uns früher oder später, event. bei Wind und Wetter mit einer Hämoptöe zurück-
geschickt werden, weil eben die Heilstätten auf ihre zweckmäßige Verpflegung
und Unterbringung noch nicht eingerichtet sind etc. Ob da nicht doch
bei ganz gleicher Behandlung ein graducller Unterschied in den Erfolgen der
einzelnen lleilstätten vorliegen sollte, der auf äußeren Gründen beruhen könnte?
Jedenfalls muß man sich dagegen wehren, wenn derartige Verhältnisse ohne
weiteres in verallgemeinernder Weise auf alle Hleilstätten bezogen werden. Wir
hiesigen llcilstattenarzte sehen im Grunde jeden Fall nicht gern, bei dem wir
uns nicht nach der ersten Untersuchung bei der Einweisung darüber klar sind,
ob eine wirkliche Lungentuberkulose vorliegt. Wir wollen in unserer Heilstätte
solche Falle nicht haben, weil auch wir der Ansicht sind, daß sie ıhre Arbeit
ruhig verrichten sollen unter ärztlicher Kontrolle, ob etwa die Tuberkulose
manifest wird. Dann erst sollen sie in die Ilcilstätte eingewiesen werden.
Energisch müssen wir jedoch gegen die Forderungen Franckenburgers auf-
treten, welcher die Kranken des I. Stadiums von der Ileilstattenbehandlung
ausgeschlossen wissen will. Er wirit die Kranken des I. Stadiums mit den
Tuberkuloseverdächtigen und den Trägern latenter Tuberkulose zusammen und
behauptet, sie könnten der [cilstattenbehandlung zumeist entraten. Er ver-
einigt damit zwei Kategorien, die wir scharf voneinander trennen wollen. Die
Tuberkuloseverdächtigen und Träger latenter Tuberkulose können der Heil-
stättenbehandlung entraten, die Kranken im ausgesprochenen I. Stadium da-
gegen nicht.
Im Anschluß hieran möchten wir uns noch kurz mit dem Abschnitt des
Grotjahnschen Buches „Uber Krankenhauswesen und Heilstattenbewegung“
beschäftigen, der über die Anstalten für Lungenkranke handelt. Grotjahn
schreibt dort:
Die Lungenheilstätten haben zahlreichen Patienten Segen gebracht; aber
daß sie die Tuberkulose als Volkskrankheit auch nur in bescheidenem Maße
eingedammt hätten, kann nicht behauptet werden. ....... Die Lungenheil-
stätten sind nützlich, ja dringend erforderlich vom Standpunkte der Medizin
und der Therapie. Fraglich ist nur ihr Wert vom sozialhygienischen Stand-
punkte aus; denn das Sinken der Sterblichkeit an Tuberkulose ist auf ihre
Wirksamkeit nicht zurückzuführen. Weiterhin schreibt Grotjahn: Die Zahl
von 40000 Plätzen, die für die Heilbehandlung zur Verfügung Stehen, ist zwar
absolut genommen höchst achtungswert, aber im Vergleich zu der Ausdehnung
der Tuberkulose fast verschwindend. Der lähmende Einfluß dieser Erkenntnis
ist auch in den Kreisen, die in dem im Jahre 1895 gegründeten Zentralkomitee
zur Errichtung von Lungenheilstätten die Spitze ihrer Organisation sehen, be-
merkbar. Das äußert sich zurzeit in der Bevorzugung der Errichtung von
Fürsorgestellen, Tuberkulosemuseen und anderen kleinen Mitteln vor der
Förderung des Baues neuer Anstalten.
Gerade anläßlich der von Grotjahn erwähnten Namensänderung des
Zentralkomitees zur Errichtung von Lungenhcilstátten in ein solches zur Be-
kampfung der Tuberkulose hat B. Fränkel-Berlin betont, es sei bisher von
aere HEILSTÄTTENERFOLGE UND IHRE KRITIK. 63
dem Vorschlage der Namensänderung abgesehen aus der Befürchtung, es
könnte daraus, wenn auch durchaus unberechtigterweise, der Schluß gezogen
werden, daß das Komitee im Verlaufe der Jahre infolge der Angriffe, welche
namentlich im Auslande gegen die deutschen Heilstätten erhoben wurden, die-
selben geringer einschätze als bei seiner Begründung. Nachdem aber auf dem
Internationalen Kongreß in Paris die Bedeutung der Heilstätten im Kampfe
gegen die Tuberkulose durchaus anerkannt sei, sei dieser Grund hinfällig ge-
worden. Wenn man also den Namen des Komitees ändere, so werde an den
Aufgaben desselben durchaus festgehalten. Die Satzungen bestimmten, daß das
Komitee insbesondere auf die Errichtung von Heilstätten für unbemittelte und
minderbemittelte Lungenkranke hinzuwirken habe. Hieran solle nichts geändert
werden. Man wolle in keiner Weise die Mitwirkung des Deutschen Zentral-
komitees bei Errichtung von Heilstätten verringern. Wir können nicht ein-
sehen, wie etwa in diesen Worten, in denen an leitender Stelle die Ansichten
des Komitees zum Ausdrucke gebracht werden, der lähmende Einfluß der Er-
- kenntnis des mangelnden sozialhygienischen Wertes der Heilstátten bemerkbar
werden soll. Wir ersehen im Gegenteil daraus, daß das Komitee seine Zwecke
unentwegt weiter verfolgt, und wenn es über die Errichtung von Heilstätten
hinaus auch anderen Einrichtungen, die mehr der Prophylaxe dienen, seine
Unterstützung zuwendet, kann man gewiß nicht daraus ableiten, daß es sein
Interesse von der als Hauptzweck bezeichneten Mitwirkung bei der Errichtung
von Heilstätten abgewendet hat. Grotjahn schreibt ferner: Die frühere Sicher-
heit und hochangeschene Stellung werde das Zentralkomitee erst dann zurück-
gewinnen, wenn es den Gedanken der Anstaltsbehandlung wieder in den Vorder-
grund der Betätigung stellt. Nur mit dem Unterschiede, daß jetzt die
Asylisierung der Lungenkranken im vorgeschrittenen Stadium ebenso energisch
propagiert werden müsse, wie früher die Hospitalisierung der im Frühstadium
Befindlichen. Er führt die Rede R. Kochs an, die dieser bei Empfang des
Nobelpreises hielt und in der er die Wichtigkeit der Krankenhausverpflegung
gerade der schwerkranken resp. unheilbar Tuberkulóscn darlegt und auch die
Abnahme der Tuberkulosesterblichkeit in Preußen in erster Linie auf die für
die Schwindsüchtigen im letzten Stadium geleistete bessere Fürsorge zurück-
führt. Es sind ja auch in dieser Richtung bereits vielfach Anfänge gemacht
worden und bis 1903 bei 17 Landesversicherungsanstalten Invalidenheime mit
solchen Pfleglingen belegt worden. Es wurde aber von Bielefeldt betont,
die bisher erzielten Erfolge ließen keinen Zweifel daran übrig, daß mit den
gegenwärtigen gesetzlichen Mitteln, d. h. ohne Zwang das Ziel der Tuberkulose-
heime nicht erreichbar sei. Während Grotjahn ferner Hansen-Bergen zitiert,
der sich dahin ausspricht, der Wunsch, die übrigen Mitglieder der Familie vor
der verheerenden Krankheit zu bewahren, vermöge den Wunsch, die Kranken selbst
zu pflegen, zu überwinden, wird von Bielefeldt gerade das Gegenteil für die
deutschen Kranken mit zur Erklärung dafür angeführt, daß die Zahl der in
Invalidenheimen untergebrachten Tuberkulösen dauernd niedrig geblieben sei:
daß nämlich die Familienbande den Kranken stärker beeinflussen als das Be-
streben, seine Familie vor Ansteckung zu schützen. Auch hebt Bielefeldt
64 K. v. HOLTEN. OS
hervor, die Invalidenrente habe eine so große wirtschaftliche Bedeutung für die
Familie, dab die Familienmitglicder selbst einen tuberkulósen Invalidenrentner
lieber bei sich behielten, als ihn unter Verzicht auf die Rente in einem In-
validenheim sähen. Was ferner zu der reichlicheren Besetzung der Pflegestätten
für Tuberkulöse in Norwegen fürdernd und erleichternd beitragen mag, ist das
Bestehen eines Gesetzes, nach welchem die Gesundheitskommission unter Um-
ständen die Befugnis besitzt, einen Tuberkulösen zwangsweise in ein Kranken-
haus zu bringen.
Als weitere Gründe, die den Tuberkuloserückgang erklären, bezeichnet
R. Koch u.a. auch die bessere Kenntnis der Ansteckungsgefahr, welche den
einzelnen veranlaßt, sich nicht mehr ahnungslos der Ansteckung auszusetzen.
Auch hier wird man wohl den lIleilstätten einen großen aufklärenden und
erzieherischen Wert nicht absprechen können, denn durch die 40000 jährlich
in den Anstalten Behandelten wird doch ein gutes Stück Belehrung in die
Familien getragen. |
Ferner führt R. Koch die Abnalme der Tuberkulose zurück auf die Ver-
besserung der Lage der unteren Volksschichten in bezug auf die Wohnungs-
verhältnisse. Grotjahn macht den Landesversicherungsanstalten einen Vorwurf
aus den 33 Millionen, die sie zum Bau der Heilstätten verausgabt haben. Die
zehnfach größeren Summen, die die deutschen Versicherungsanstalten und
Kasseneinrichtungen zum Bau von Arbeiterwohnungen und Kranken- sowie
Genesungshäusern aufgewendet haben, erwähnt er zwar an anderem Orte aus-
führlich, doch scheinen sie nicht in das rechte Licht gerückt im Verhältnis zu
den Ausgaben für die Heilstátten, weshalb wir es für geboten halten, die Zahlen
hier nochmals anzuführen. Ä
Bis!) zum 31. XII. 1905 haben die 31 deutschen Versicherungsanstalten und
die 9 zugelassenen Kasseneinrichtungen Mittel bereitgestellt:
a) zum Bau von Arbeiterwohnungen . . . . +. . 150987145,16 M.
b) zum Bau von Kranken- und Genesungshäusern . 210632127,84 ,,
c) zum Bau von eigenen Heilstätten . . . . . . 36225147,22 ,,
Die Aufwendung für alle drei Zwecke im Jahre 1905 allein betrug zu
a) 17795635,44 M.
b) 32328122,14 ,,
c) 3204141,03 ,,
Sa. 53327899,21 M.
- Wenn man diese Zahlen miteinander vergleicht, kann man gewiß aus den
Summen, die bisher für die Heilstätten verausgabt sind, den Landesversicherungs-
anstalten keinen Vorwurf konstruieren, besonders wenn man bedenkt, was mit
den Heilstätten bisher erreicht ist. Und damit kommen wir zu den Erfolgen
der Heilstätten, wie sie bei Grotjahn dargestellt sind.
Grotjahn schreibt: Aus den zahlreichen Ermittelungen über die in den
Lungenheilstätten erzielten Erfolge sind nur die von Wert, die sich auf wirk-
liche Heilungen oder Besserungen bis zu einem Grade, daß noch im fünften
Jahre nach der Heilstättenkur keine Invalidisierung eingetreten war, beziehen.
1) Zitiert nach E. Rumpf, Die bisherigen Leistungen der Heilstätten. 1907.
BD.X111,HEFT 1.
1908.
HEILSTÁTTENERFOLGE UND IHRE KRITIK. 65
Absolute Heilungen waren nach den Ermittelungen des Kaiserlichen Gesund-
heitsamtes nur bei 3,4 °/, der Heilstättenpfleglinge zu konstatieren. Daß diese
geringe Zahl auf den Gang der Tuberkulose als Volkskrankheit irgend welchen
Einfluß gehabt haben könne, wird niemand behaupten wollen. Aber auch die
Zahl derer, die so gebessert waren, daß sie noch 5 Jahre nach der Kur nicht
invalidisiert zu werden brauchten, beträgt durchschnittlich nur 31 °/,. Die Er-
zielung dieses Prozentsatzes ist nicht so besonders rühmenswert, wenn man
bedenkt, daß die für die Heilstättenbehandlung ausgesuchten Fälle doch nur
solche im Anfangsstadium waren. Daß diese auch ohne Lungenheilstátten-
behandlung noch jahrelang arbeitsfahig sind, pflegt unter den Ärzten, die mit
den bessergestellten Arbeiterkategorien beruflich zu tun haben, seit langem
bekannt zu sein. Es ist unbegreiflich, wie man sich dieser Zahlen jemals hat
freuen können. Sie sind doch eher niederschmetternd und haben für die
Ausbreitung der Tuberkulose wenig zu bedeuten.
In der Tat, das wäre niederschmetternd, wenn die Tatsachen sich so
verhielten, wie Grotjahn sie darstellt. Gott sei Dank liegen sie aber doch in
Wahrheit ganz anders. Reiche, dessen Arbeit Grotjahn in der Literatur-
angabe anführt, gibt an, von seinen 1263 Patienten, die eine Heilstättenkur in
den Jahren 1895—1900 durchgemacht hätten, seien 1904 (also nach 5 —9 Jahren)
noch 57,3 °/, arbeitsfähig. gewesen. Er sagt: Im großen und ganzen schen wir,
daß die im Sanatorium erreichte Aufbesserung standhält, trotz der mannigfachen
Schädigungen, die draußen wieder an die Eutlassenen herantreten, und trotz
der erhärteten Tatsache, daß im Gang der Jahre sichergestellte klinische
Heilungen keineswegs häufig sind. Diese geringen Zahlen klinischer Heilungen
änderten aber an dem praktischen Nutzen, wie er aus den angeführten Zahlen
ersichtlich sei, nichts. Und weiterhin schließt er, die Erfolge der Heilstätten
seien danach zn bewerten, wie die zweifellos günstigen Wirkungen des Heil-
stättenaufenthaltes in dem nach der Entlassung für jeden Arbeiter erneut be-
ginnenden Kampf ums tägliche Dasein sich bewähren. Daß Grotjahn für die
Dauererfolge eine viel zu geringe Zahl angibt, wurde ihm überdies schon 1907 ©
vorgehalten in der Generalversammlung des Deutschen Zentralkomitees. In dem
ganzen Artikel, die Anstalten für Lungenkranke betreffend, steht niemals etwas
über das Stadium der Krankheit, in dem sich die Heilstättenpatienten befinden.
Nur bei der Angabe von 31 °/, Dauererfolgen wird plötzlich behauptet, es seien
nur Kranke im Anfangsstadium gewesen. Ich zitiere hier die Resultate der
Behandlung aus der Heilstätte Friedrichsheim von Dr. E. Rumpf, dessen Mit-
teilung Grotjahn ebenfalls in seiner Literaturangabe anführt. Rumpf schreibt
dort: Daß von allen Eingewiesenen volle 3—4 Jahre nach der Entlassung von
den Kranken des I. Stadiums noch 70°/,, von denen des II. noch 55 °/, von
denen des III. noch 23°/, als arbeitsfähig festgestellt wurden, kann füglich als
allen auf die Heilstätten gesetzten billigen Erwartungen entsprechend und als
besonders schöner Erfolg bezeichnet werden. Zur Beurteilung des Wertes der
Kuren hebt Rumpf hervor, daß das Material der vorliegenden Statistik be-
sonders wertvoll sei, weil es durchwegs ein recht schweres gewesen sei. Nimmt
man trotzdem alle Zahlen der Statistik zusammen, inkl. die des II. und
Zeitschr. f. Tuberkulose. XILL 5
da ZEITSCHR. 1.
HOLTEN. TUBERKULOSE
06 K. v.
III. Stadiums, z. B. aus dem Jahre 1900, wo unter den 544 Kranken 46°},
III. Stadien sich finden, so ergeben sich immer noch 44,3 %/, Dauererfolge, eine
Zahl, die zu den Angaben Grotjahns in grellem Widerspruche steht.
Dieselben Angaben Grotjahns, die hier angefochten werden, hatte der-
selbe schon vor einem Jahre in einem Artikel veröffentlicht: „Über die Krisis
in der Lungenheilstättenbewegung“, und E. Rumpf hatte ihm damals ent-
gegnet: „Bevor Herr Grotjahn einen Artikel „über die Krisis in der Lungen-
heilstättenbewegung‘“ schreibt, von deren Existenz man übrigens sonst nichts
weiß, hätte er doch einen Blick in die Jahresberichte der Heilstätten werfen
sollen. Dort steht fast ausnahmslos, daß die schwerer Kranken stark über-
wiegen und die Anfangsstadien überall die Minderheit bilden. Wenn wir
wirklich nur Anfangsstadien hätten, dann hatten wir 80—90°/, Dauererfolge“.
Das hat aber Grotjahn nicht verhindert, dieselben unrichtigen Angaben in
seinem Buche getrost wieder abzudrucken.
Zum Schluß der betr. Abhandlung hat Grotjahn an erster Stelle folgende
Leitsätze aufgestellt:
1. Die Errichtung von Anstalten für Lungenkranke, die sich im Anfangs-
stadium der Erkrankung befinden, ist in den letzten Jahrzehnten, besonders
im Anschluß an das soziale Versicherungswesen, sehr gefördert worden. Wir
verdanken dieser Lungenheilstättenbewegung zunächst überhaupt die Idee, die
Lungentuberkulose mit Hilfe des Anstaltswesens zu bekämpfen, und sodann
eine großzügige Mobilmachung privater und öffentlicher Kräfte zugunsten der
Anstaltsverbringung lungenkranker Individuen der unteren Volksschichten, —
aber eine erhebliche Verminderung der Tuberkulose infolge dieser Heilstatten
ist nicht eingetreten und ist auch in Zukunft nicht zu erwarten.
2. Dieses zurzeit mehr dunkel gefühlte als klarbewußte Fehlschlagen hat
dazu geführt, auch Anstalten für fortgeschrittene und unheilbare Tuberkulöse
zu bauen. In diesen Heilstätten liegt der entwickelungsfahige Keim für die
Zukunft des Anstaltswesens für Lungenkranke.
Wir können uns dem nicht anschließen: Mag es sein, daß die Verminderung
der Tuberkulose zum größeren Teile nicht auf Rechnung der Heilstätten zu
setzen ist, mag es sein, daß auch die Erfolge der Heilstätten hie und da den
Ansprüchen mancher Ärzte nicht genügen, in den Heimstätten für fortgeschrittene
unheilbar Tuberkulöse allein liegt der entwickelungsfahige Keim für die Zukunft
des Anstaltswesens für Lungenkranke sicher nicht.
Die Landesversicherungsanstalten wünschen von den Ileilstättenkuren cine
Verminderung der Rentenauszahlungen und sind in dieser Hinsicht mit den Er-
folgen zufrieden. Den Kranken, die in der Heilstätte verpflegt werden, kommt
es nur darauf an, daß sie geheilt werden. Und das Bestreben, die heilbaren
Leichtkranken von der Behandlung auszuschließen, bis sie etwa für ihre Um-
gebung gefährlich werden, müssen wir als inhuman bezeichnen. Gerade die
Unterbringung der noch heilbaren resp. besserungsfähigen Kranken in den Heil-
stätten ist es, die die Heilstättenbewegung im Volke populär gemacht hat;
einer Bewegung, die sich nur auf Internierung der Unheilbaren beschränkt
hätte, wäre das niemals gelungen!
GE HEILSTÄTTENERFOLGE UND IHRE KRITIK. 67
Eine Kritik der Lungenheilstatten, selbst eine schonungslose, schadet der
Heilstättenbewegung nicht, wenn sie nur gerecht ist. Aber unbedingt muß man
verlangen, daß der, welcher eine solche Kritik schreiben will, sich über dic
Tatsachen, die bezüglich der Erfolge der Lungenheilstätten veröffentlicht sind,
auf das Genaueste unterrichtet, wenigstens aber über die in der von ihm selbst
genannten Literatur enthaltenen Angaben! Und das hat Grotjahn nicht getan.
Herrn Direktor Dr. Curschmann möchte ich für die Anregung zu dieser
Arbeit, für die gütige Überlassung des Materiales, sowie für das derselben ent-
gegengebrachte Interesse meinen wärmsten Dank aussprechen.
Dä ZEITSCHR. 1.
68 cra. ‘HIFERATER: TUBERKULOSE
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Prof. Dr. Otto Hamann,
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74
REFERATE.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSF
IL REFERATE UBER BÜCHER UND AUFSÄTZE
|. Atiologie und Verbreitung der
Tuberkulose.
E. Ozenne: Des rapports entre les
accidents du travail et quelques
maladies générales ou constitu-
tionelles. (Tub. ext, syph., Cancer.
— Bull. Med. 26.)
Die Ausführungen Ozennes über
den Zusammenhang zwischen Unfall und
chirurgischer Tuberkulose und die De-
urteilung der Entschädigungspflicht decken
sich im allgemeinen mit dem Standpunkt,
den auf dem letzten französischen Chi-
rurgenkongreB der Referent Jeanbreau
einnahm und über den seinerzeit referiert
wurde. H. Grau (Düsseldorf).
9 9
de owe
Drs. Samuel Bernheim et Louis Dieupart-
Paris: La tuberculose chez les
ouvriers raffineurs. (Acad. de Méd.,
Séance du 21. Avril 1908.)
Dans un Dispensaire antituberculeux
placé près d'une Raffinerie, les auteurs
ont observé 150 cas de tuberculose sur
1500 ouvriers. Les femmes sont plus
durement éprouvées que les hommes.
Cette grande frequence de la maladie
serait due moins à une intoxication chimi-
que par le sucre qu’à une action trau-
matique. En effet, les multiples poussières
fines et anguleuses de sucre, qui enve-
loppent constamment les ouvrieurs raffi-
neurs, pénètrent dans les bronches et
dans les alvéoles, v causent des trauma-
tismes fanthracose pulmonaire) tout comme
les poussières métalliques. Ajoutez à
cela que les conditions d'hygiène dans
ces ateliers sont des plus défectueuses,
que les salaires faibles ne permettent pas
aux ouvriers de se nourrir convenable-
ment, et on s’expliquera facilement la
frequence de la contagion bacillaire.
MM. Bernheim et Dieupart ont
observé aussi chez la plupart des ouvriers
raffineurs de graves troubles dentaires.
Un grand nombre d'entre oux étaient
complètement édentés.
Enfin, les auteurs terminent leur
communication en disant que l’évolution
de la maladie se montre particulièrement
grave chez ces travailleurs. Tout comme
chez les diabétiques, la tuberculose prend
chez les ouvriers raffineurs une marche
très rapide et a presque toujours une
issue fatalo.
Feilchenfeld: Über die Verschlim-
merung der Tuberkulose durch
Unfälle. (Dtsch.med.Wchschr., 19.März
Nr. 12)
37 Fille von Verschlimmerung der
Tuberkulose durch Umfälle werden unter
kurzer Angabe der Protokolle mitgeteilt.
Sie sind nach folgenden Gesichtspunkten
geordnet: Das bisher latente Leiden tritt
nach dem Unfall plötzlich in die Er-
scheinung, es treten Komplikationen hinzu,
die Tuberkulose flackert von neuem auf;
als „echte Unfallfolgen“ betrachtet F.
Lungenblutungen, Rippenquetschung und
das Auftreten von Pleuritis. Weiter werden
Fille mitgeteilt, bei denen das Unfall-
ereignis nicht anerkannt wird, da die Tat-
sache der Verschlimmerung fehlt.
Naumann (Meran-Reinerz).
Ravenel: Ätiologie der Tuberkulose.
(Berl. klin. Wchschr., 20. April 1906,
Nr. 16.)
Eine häufige Eintrittspforte für das
Tuberkulosevirus ist der Verdauungskanal.
Es vermag durch die unversehrte Schleim-
haut einzudringen, ohne dort Spuren zu
hinterlassen; am leichtesten findet das
während der Fettverdauung statt. Die
aufgenommenen Bazillen gelangen dann
mit dem Chvlus ins Blut, das sie den
Lungen zufúhrt. Die Infektion vom Darm
aus ist bei Kindern häufig, die Quelle
der Infektion ist die Milch kranker Kühe.
Eine Infektion ist ferner durch Berührung
(Küssen, beschmutzte Hände, Verletzungen
bei Sektionen etc.) möglich, doch spielt
dieser Übertragungsmodus bei der Ver-
breitung der Krankheit nur eine verhältnis-
mäßig kleine Rolle.
Naumann (Meran-Reinerz).
BD.XIM,HEFT 1.
e = 75
A. Most: Die Infektionswege der | sich vergegenwiirtigt, daß die größere Zahl
Tuberkulose. (Berl. klin. Wchschr., | der Schweinekastrierer von Beruf Metzger
24. Februar 1908, Nr. 8.)
Im wesentlichen ist die Tuberkulose
eine Inhalationskrankheit. Fine sehr
häufige Form ist die Halsdriisentuber-
kulose, die mindestens in zwei Dritteln
der Fälle von einer Infektion der Rachen-
schleimhaut und namentlich des lympha-
tischen Rachenringes ausgeht. Gegenüber
der häufigsten Infektion der obersten Luft-
und Verdauungswege tritt die Infektion
der Darm-, Achsel- und Leistendrüsen-
tuberkulose sehr in den Hintergrund. Im
jugendlichen Alter kommt der Lymph-
gefäßapparat als Infektionsweg für Darm-
und Drüsentuberkulose mehr in Betracht.
er a RR a a e o a aoM
Für die Lungentuberkulose aber hat er :
wohl nur beim Kinde eine größere Be-
deutung. Naumann (Meran-Reinerz).
E. Wyssmann-Neuenegg: Über tuber-
kulöse, von den Kastrations-
wunden ausgehende Infektionen
bei Schweinen. (Schweiz. Arch. f.
Tierheilk., Bd. 50, Heft 2.)
Tuberkulöse Schweinekastrierer sind
imstande, die Tuberkulose auf dieSchweine
zu übertragen, sei es, daß die Infektion
durch das im Munde gehaltene Kastra-
tionsmesser, oder sei es, daß sie durch
die Gewohnheit des Abbeißens der Hoden
oder auch durch das Spucken in den
Hodensack, sowie Bestreichen der Wunde
mit Speichel — angeblich um eine raschere `
Wundheilung herbeizuführen — erfolst.
Während dadurch vorwiegend die mensch-
liche Tuberkulose auf die Schweine über-
tragen werden kann, ist in manchen
Gegenden, wo die Kastrationswunden mit
süßer oder saurer Milch begossen werden,
auch eine Infektion durch Tuberkelbazillen
boviner Herkunft in den Bereich der
Möglichkeit zu ziehen. Die Kasuistik der :
Kastrationstuberkulose männlicher Tiere
ist sehr reichhaltig, dagegen fehlte es bis-
her völlig an einer Beschreibung derselben |
bei weiblichen kastrierten Schweinen.
2 Fälle letzterer Art werden eingehend
beschrieben. W. hat bei: genauestem
Studium den Eindruck erhalten, als ob
doch der Typus bovinus des Tuberkel-
bazillus für die Schweine gefährlicher sel,
als der Typus humanus.
sind und öfters mit tuberkulösem Virus
boviner Herkunft in Berührung kommen,
so liest es gewiß sehr nahe, anzunchmen,
daß Messer und Finger dieser Operateure
eine Infektion ebensogut herbeiführen
können, wie z. B. virulente Keime enthal-
tende Kuhmilch oder Menschenspeichel.“
Scherer (Bromberg).
li. Allgemeine Pathologie.
Andr. Beyer: Einige Ergebnisse der
Untersuchungen der Kopenhage-
ner Tuberkulose-Diagnosestation
in den Jahren r901-1907. (Hospitals-
tidende 1907.)
Die Tuberkulosestation fing ihre
Arbeit im Monat Mai 1901 an und wurde
an das Laboratorium des Gesundheits-
amtes (Sundhedskommissionnens Lab.) ge-
knüpft, wurde aber, nachdem im Jahre
1907 an dem „Örcsundshospital“ ein
besonderes Tuberkuloselaboratorium er-
richtet worden war, an dieses verlegt.
Im Verlaufe der 6 Jahre sind
8575 Untersuchungen ausgeführt worden,
von denen die 1788, d. h. 20,9°/,, ein
positives Ergebnis aufwiesen.
B. gibt einige Ergebnisse der Be-
stimmungen des spezifischen Gewichtes
von Tuberkelbazillen an, sowie eine neue
Zentrifugiermethode, die er ausgearbeitet
hat. Zu der Bestimmung des spezifischen
Gewichts sind von der Tuberkulinher-
stellung herrührende Tuberkelbazillen be-
nutzt, und die Bestimmungen sind sowohl
mittels Pyknometer als mittels Volumeno-
meter (Schumann) ausgeführt, indem
beiden Pyknometerbestimmungen 5 g
luftgetrocknete Tüuberkelbazillen (mit
einem Gehalt an 10,2°/, Wasser) und bei
den Volumenometerbestimmungen 10 g
verwendet worden sind. Die Bestimmung
ergab:
mittels Pvknometer spez. Gew. 1,23,
e Volumenometer ` e Sa
B. erwähnt demnächst den großen
- Vorteil, den die Verwendung des Zentri-
„Wenn man | fugierens bei der Untersuchung des Spu-
76 REFERATE.
E _ _ 22 ne
tums auf Tuberkelbazillen darbietet, und
hat zum Vergleich die gewóhnliche Aus-
strichmethode mit Karbol-Fuchsinfärbung
benutzt. Von 126 nach beiden Methoden
untersuchten Proben fand er in beiden
Fällen -> in 98, in 16 viel mehr, und in
4 nicht wesentlich mehr nach der Zentri-
fugiermethode, und in 8 Proben, d. h.
6°/, von sämtlichen Proben, fand er
Tuberkelbazillen nach Zentrifugieren, wäh-
rend dieselben sich bei der Ausstrich-
methode nicht nachweisen ließen.
B. hat dann bei ca. 8000 Proben
seine Methode benutzt und meint an
derselben eine ideale Methode ermittelt
zu haben, indem sie allen Ansprüchen
sowohl auf Schleunigkeit als auf Zuver-
lässıgkeit und Reinlichkeit entspricht.
Nachdem er darauf aufmerksam gemacht
hat, daß man sich mit dem Homogeni-
sieren des Sputums nicht begnügen lassen
kann, weil homogenisiertes Sputum sehr
wohl — ja sogar häufig — schleimig sein
kann, gibt B, seine Präpariermethoden
an, deren neues Prinzip darin besteht,
durch Erwärmung unter Druck, den
er auf eine besonders leichte und prak-
tische Weise beschaffen kann, das Sputum
leichter löslich in alkalisiertem Wasser zu
machen.
Die Probengläser (Präparatgläser von
10 ccm Inhalt, die an die Ärzte in einem
zylindrischen Pappfutteral gesandt werden)
werden mit guten Stöpseln zugekorkt
und ı bis mehrere Stunden in einen
Warmwasserkasten bei ca. 95° C gestellt.
Nach Verlauf der genannten Zeit ist der
Speichel entweder in eine dünnflüssige
wässerige Flüssigkeit umgebildet oder in
eine käseartige Masse erstarrt worden; in
beiden Fällen löst sich aber das umge-
bildete Sputum leicht in alkalisiertem
Wasser, oft sogar in destilliertem Wasser
allein. Zu dem Zwecke wird die Probe
in eine Kochflasche gegossen und mit
2—5 mal seines Volumen alkalisiertem
Wasser (1 g NaOH in 1 l destilliertes
Wasser) versetzt und dann auf einem
Asbestdrahtnetze langsam zum Kochen
gebracht. Die hergestellten Lösungen
eignen sich vorzüglich zum Zentrifugieren
oder Sedimentieren.
Für das Zentrifugieren hat B. eine
Gärtnersche Zentrifuge (durch kleinen
ZEITSCHR. t.
TUBERKULOSE
Elektromotor getrieben mit einer Geschwin-
digkeit von etwa 3000 Umdrehungen
in der Minute) verwendet. Der ausge-
schiedene Bodensatz war äußerst gering,
in der Regel 0,1—0,2 ccm bei ca. 5 ccm
Sputum. Die Reinigung der Kochtlaschen
und Gläser erfolet durch Auskochen mit
roher Natronlauge (40° Be).
Das wesentlich Neue an der Methode
besteht in der genannten Erwärmung unter
Druck. Der Überdruck, den B. in seinen
Probengläsern beschafft, entspricht bei
95°C einem Druck von 0,8 Atmosphären,
und er meint, daß durch diese Erwärmung
eine Spaltung des Mucins erfolgt, indem
die hergestellten Lösungen die schleimige
Beschatlenheit immer eingebüßt haben.
Autoreferat.
C. Constantinescu und V. Gomoiu: Tu-
berkulose desinneren weiblichen
Genitales. (Spitalul 1908, Nr. 4.)
Die Tuberkulose der inneren weib-
lichen Genitalorgane wird relativ selten
diagnostiziert, obwohl dieselbe anscheinend
eine ziemlich häufige Erkrankung ist. Eine
frühzeitige Diagnose ist aber in therapeu-
tischer Beziehung von Wichtigkeit, da
auch in vorgeschrittenen Fällen durch
einen chirurgischen Eingriff gute Resultate
erzielt werden können, wie der von den
Verff. angeführte Fall beweist.
Es handelte sich um eine 25 Jährige,
früher gesund gewesene Nullipara, die
aber von seiten beider Eltern mit Tuber-
kulose hereditär belastet war. Die Krank-
heit war etwa 6 Wochen vor dem Ein-
tritte ins Krankenhaus in Erscheinung
getreten, und zwar mit einer zweiwöchent-
lichen Verspätung der Menses, die dann
sehr reichlich und begleitet von starken
Schmerzen auftraten. Es entwickelte sich
eine mandarinengroße Geschwulst in der
rechten Bauchseite, mit hauptsächlicher
Schmerzhaftigkeit bei Bewegung und Druck;
auch das Harnlassen war schmerzhaft.
Unter der eingeleiteten Lokalbehandlung
gingen die Schmerzen etwas zurück, um
dann wieder mit erneuter Heftigkeit auf-
zutreten. Gleichzeitig bestand ein eitriger
AusfluB aus der Gebärmutter. Die bima-
nuelle Untersuchung ergab hauptsächlich
das Vorhandensein einer großen, die ganze
linke Beckenseite einnehmenden Ge-
BD,X111,HEFT 1,
1908.
REFERATE. 77
schwulst, welche auch in die Vagina sich
bedeutend vorwólbte. Es wurde bei der
Laparotomie ein Konglomerat von größeren
und kleineren, die Gebärmutter umgeben-
den Tumoren, von denen die meisten
mit eitriger Flüssigkeit gefüllt waren,
gefunden. Es bestanden zahlreiche Ver-
wachsungen mit den umgebenden Organen
und dem Netze und war die Loslösung
eine sehr mühselige. Von vielen dieser
Abszesse ergoB sich der Inhalt in die
Bauchhöhle. Beide Tuben waren ver-
dickt und eitrig infiltriert Die Ovarien
konnten nicht aufgefunden werden, da
dieselben wahrscheinlich in den beschrie-
benen Tumoren untergegangen waren.
Nach vorgenommener totalerH ysterektomie
und Präparierung aller Geschwiilste, wurde
per vaginam drainicrt und konnte die
Kranke nach einem Monate geheilt ent-
lassen werden. E. Toff (Braila).
Rudolf Koppel: Über traumatische
Wirbeltuberkulose. Dissertation.
München 1907.
Verf. bespricht den Stand der Frage
der traumatischen Ätiologie der Tuber-
kulose und teilt einen Fall mit, bei dem
sich eine tuberkulöse Spondylitis bei einem
anscheinend Gesunden exquisit nach einem
Trauma und an der Stelle desselben
entwickelt hat. Fritz Loeb (München).
Ferdinand Kaessmann: Über primäre
Nierentuberkulose. Dissertation.
München 1907, 25 p.
In der Zusammenfassung seiner Er-
gebnisse erklärt der Verf. die primäre
Nierentuberkulose für eine relativ seltene
Erkrankung, trotz der gegenteiligen An-
sicht Israels u. a. Meist tritt das Leiden
einseitig auf und greift erst später auf `
die andere Niere über. Die linke Niere
scheint etwas disponierter zu sein als
die rechte.
Die größte Zahl der Erkrankungen fällt
in das dritte und vierte Dezennium. Die
sichere Diagnose ist sehr schwierig, unter
Umständen unmöglich. Die Krankheit
kann sich mehrere Jahre hinziehen. Die
Progr.ose ist äußerst schlecht. Die ein-
zige Therapie, die in Frage kommt, ist
Das weibliche Geschlecht :
wird häufiger befallen als das männliche. |
bei rechtzeitig erkannicr, einscitiger Nieren-
tuberkulose die Nephrektomie.
Fritz Loeb (München).
M. Imhoff-Paris: Influence des injec-
tions de Tuberculine sur la Diazo-
reaction d’Ehrlich chez les tuber-
culeux. (Acad. de Méd., 31. III. 1908,
Presse méd., 1. IV. 1908.)
Tuberkulin ruft keine Diazoreaktion
des Urins bei Individuen hervor, die vor-
her dieselbe nicht hatten. Er glaubt, daß
die Diazoreaktion an die Anwesenheit
Kochscher Bazillen im Blut gebunden
ist; dies Fehlen der Diazoreaktion nach
Tuberkulininjektionen würde also beweisen,
daß diese keine Mobilisierung der Bazillen
hervorruft.
Dr. Rothschild (Soden a. T.).
Baer: Über Deviationen des Larynx
und der Trachea, speziell über
Schrägstand der Stimmritze bei
Lungentuberkulose. (Dtsch. med.
Wehschr., 27. Februar 1908, Nr. 9.)
Der in 27°/, der Fälle beobachtete
Schrägstand derStimmritze und der Trachea
findet seine Erklärung in einer von
schrumpfenden Prozessen ausgehenden
Zugwirkung.
Naumann (Meran- Reinerz).
A. Martin: Zur Genitaltuberkulose.
(Berl. klin. Wchschr., 20. Januar 1908,
Nr. 3.)
Symptomatologie, Diagnose und The-
rapie werden ausführlich besprochen.
Intensive Allgemeinbehandlung, örtliches
Eingreifen unter Schonung nicht erkrankter
bezw. einer Ausbeilung noch fähiger Organ-
teile bilden die Basis der Behandlung.
Naumann (Meran-Reinerz).
Dr. L. Einis-Ekaterinodar: Zur Kasuistik
desreflektorischen Einflussesder
adenoiden Wucherungen.
Aus einer Arbeit, welche in meiner
Übersetzung an anderer Stelle erscheint,
entnehme ich diejenigen Fälle, welche
auch für den Leser dieses Blattes ein
gewisses Interesse haben könnten:
I. ı2 jähriger Knabe von mäßigem
Körperbau und ebensolchem Ernährungs-
zustand konsultierte Verf. zum erstenmal
78
bald nach einer überstandenen diphthe-
rischen Angina und klagte über kont: `
schmerzen und allgemeine Schwäche. Verf. |
untersuchte u.a. den Nasenrachenraum
und stellte nicht besonders stark ent-
wickelte adenoide Wucherungen, welche
die Nasenatmung anscheinend wenig be-
hinderten, fest. Er sprach sich für die
eventuelle Zweckmäßigkeit einer Operation
aus. Da aber der entzündliche Prozeß
im Rachen noch nicht abgelaufen war,
beschlob er, die Adenotomie erst nach
einiger Zeit vorzunehmen. Der Patient
kam nicht zur verabredeten Zeit, sondern
erst nach 2!/, Jahren, und zwar wegen
quälenden und trockenen Hustens, der
seit ca. 15 Monaten bestand und den
Kranken weder am Tage noch des Nachts
zur Ruhe kommen ließ. Die ver-
schiedensten therapeutischen Maßnahmen
blieben ohne Erfolg. Der Patient ver-
sicherte, daß der Husten sich im Anschluß
an eine Erkältung eingestellt habe. Da
weder in den Brustorganen, noch in der
Nase, noch im Rachen und im Kehlkopf
etwas gefunden wurde, worauf man den
so lange bestehenden Husten hätte zurück-
führen können, kam Verf. auf den Ge-
danken, daß die Ursache des Hustens
vielleicht in einer reflektorischen Wirkung
von seiten der oben erwähnten Geschwulst
der Rachenmandel liege, deren Größe,
nebenbei gesagt, dieselbe geblieben ist
wie bei der ersten Besichtigung. Die
Operation wurde ausgeführt. Das Resultat
war folgendes: Unmittelbar nach der
Operation verschwand der Husten wie
durch Zauberschlag. Drei Tage später
stellte er sich aber wider Erwarten wieder
cin, jedoch in Form von schwachen, ziem-
lich seltenen Paroxysmen, deren Zahl und
Intensität rasch nachließen und einen
Monat nach der Operation vollständig
verschwanden.
2. Volksschullehrerin, 20 Jahre alt,
mit blasser Haut, schwach entwickelter
Muskulatur und schwach entwickeltem
Knochensystem (Hühnerbrust und geringe
Rückgratverkrümmung nach rechts, Am
8. August konsultierte die Patientin Verf.
zum erstenmal wegen Schwerhörigkeit
und Ohrensausen, als deren Ursache An-
häufung von Ohrenschmalz erkannt wurde.
Verf. fand bei der Patientin adenoide
REFERATE.
| Vegetationen von mittlerem Grade.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
Im
November des folgenden Jahres kam die
Patientin wicder in die Sprechstunde.
Sie klagte über quälenden, fast ununter-
brochenen trockenen Husten, der nur
während des Schlafes nachließ. Der
Husten soll seit 1 Jahre bestehen und
von einer Influenza zurückgeblieben sein.
Von den Angaben der Patientin konnte
sich Verf. an Ort und Stelle überzeugen.
Die Hustenanfälle waren so häufig, daß
sie im wirklichen Sinne des Wortes der
Patientin beim Sprechen hinderlich waren.
Sie mußte des Hustens wegen ihre Stellung
als Lehrerin, ihre einzige Existenzquelle,
aufgeben. Da Nase, Rachen und Kehl-
kopf keine Abweichung von der Norm
aufwiesen, nahm Verf. an, daß die hyper-
plasierte Rachenmandel die Ursache des
Zustandes war. Am 27. Nov. 1906 wurde
die Patientin operiert, worauf der Husten
schwächer wurde und nach 10 Tagen
vollständig verschwand.
3. Schüler, 12 Jahre alt, mager,
blutarm, mit schwach entwickeltem Brust-
korb. Sein Vater starb im Alter von 40,
die Schwester im Alter von 20 Jahren an
Lungenschwindsucht. Die Atmung ist
nasal, aber doch abnorm. Die Abnormität
besteht darin, daß auf jede regelmäßige
Inspiration eine sakkordierte Exspiration
folgt, welche von einem geringen Geräusch
begleitet wird. Die retrograde Rhino-
skopie ergab Hyperplasie der Rachen-
mandel, welche bis zum oberen Rande
der Choanen reichte. Da andere Ur-
sachen für den bestehenden Krankheits-
prozeB nicht ausfindig gemacht werden
konnten, erblickte Verf. auch in diesem
Falle die Ursache des Leidens in den
adenoiden Wucherungen. Nach der am
22. November vorgenommenen Operation
wurde die Respiration vollständig normal,
und nach einem Jahre teilte der Patient
mit, daß die nach der Operation ein-
getretenen normalen Respirationsverhält-
nisse dauernd normal geblieben sind.
4. Lehrerin, 20 Jahre alt, von hoher
Statur und sehr schwachem Körperbau.
Seit ca. 2 Jahren leidet sie an ununter-
brochenem, trockenem Husten, der jeder
Behandlung trotzt. Die Patientin ver-
sichert, dali sie sich die Erkrankung durch
Erkältung zugezogen habe, und zwar da-
BD.XIILHEFT 1.
108.
REFERATE.
79
durch, daB sie sich vorgenommen habe,
eine Kneippsche Abhärtungskur durch-
durchzumachen. Der Arzt, der die Pa-
tientin in der letzten Zeit behandelt hat,
faBte die Sache sehr ernst auf, und riet
hr, sich in eine Lungenheilanstalt auf-
nehmen zu lassen. Es stellte sich aber
heraus, daB die wirkliche Ursache der
Krankheit wiederum die in Rede stehen-
den Adenoiden waren. Am 15. März 1907
wurden diese entfernt. Unmittelbar nach
der Operation verschwand der Husten
und kam seitdem nicht wieder.
- M. Lubowski (Wilmersdorf-Berlin).
Calmette, Massol et Breton: Sur les
propriétés lécithinophiles du ba-
cille de la tuberculose et de la
tuberculine. (La Lemaine méd.,
8. IV. 1908.)
Das Serum tuberkulóser, nicht kachek-
tischer Menschen oder Tiere enthält eine
bedeutsame Menge Lecithin, während das
Serum Gesunder frei ist. Die Affinität
der Kochschen Bazillen sowie des Tuber-
kulins für das Lecithin spielt möglicher-
weise eine Rolle bei der allgemcinen
Fieberreaktion, sowie bei den lokalen
Reaktionen der Haut und der Schleim-
häute. Denn man kann feststellen, daß
eine Lösung von Tuberkulin, welche kalt
präzipitiert einige Stunden mit lecithin-
reichem Pferde- oder Hundeserum in
Berührung war und eine Stunde auf
58°C erhitzt wurde, seine Fähigkeit ver-
liert die Ophthalmoreaktion hervorzurufen,
während es seine Toxizität bewahrt. Mög-
licherweise beruht auf der Affinität des
Tuberkulins für das Lecithin die Leb-
haftigkeit meningealer Infektionen sowie
die Toxizität des Tuberkulins bei be-
stimmten Tieren, sofern man es direkt
ins Gehirn bringt, während es für die-
selben Tiere — unter die Haut gespritzt —
ungefährlich ist.
Dr. Rothschild (Soden a. T.).
Stoerk: Bemerkungen zur Präzipi-
tation bei Tuberkulose. (Wien.
klin. Wchschr., 12. März 1908, Nr. 11.)
Bei Fortsetzung der Untersuchungen
über die Präzipitation tuberkulöser Sera
ergab sich, daB einige Sera auch ohne
Antigenzusatz nur durch die Beifügung
E, ee =,
' 0,5 °/,iger karbolisierter NaCl-Lösung Aus-
flockung zeigten. Bei nichttuberkulösen
Seras wurde diese Erscheinung niemals
beobachtet.
Naumann (Meran-Reinerz).
Wildbolz: Die kutane und konjunkti-
vale Tuberkulinreaktionam Tiere.
(Berl. klin. Wchschr., 16. März 1908,
Nr. 11.)
Das zur Tuberkuloseinfektion weniger
disponierte Kaninchen ist zum Studium
der Tuberkulinprobe besser geeignet, als
das nur zu empfängliche Meerschweinchen.
Die Augenreaktion verlief stets viel füch-
tiger, während die kutane Reaktion 4 bis
5 Tage anhielt.
Naumann (Meran- Reinerz).
Entz: Über das Verhalten der
menschlichen Haut gegen ver-
schiedene bakterielle Giftstoffe.
(Wien. klin. Wehschr., 19. März 1908,
Nr. 12.)
Vielleicht ist die durch Tuberkulin
erzeugte Kutanreaktion bei Menschen,
ausgenommen vielleicht Neugeborene,
nichts anderes, als der Ausdruck eines
rein örtlichen Reaktionsprozesses der Haut
gegen das eingebrachte Gift, dem spezi-
fische Eigenschaft im Sinne v. Pirquets
nicht ‚zukommt. Für diese Annahme
spricht die Tatsache, daB auch auf andere,
beliebig gewählte Toxine in ca. 50 °/, der
Fälle eine Reaktion erzielt wird.
Naumann (Meran-Reinerz).
Much: Die nach Zichl nicht darstell-
baren Formen des Tuberkel-
bazillus. (Berl. klin. Wchschr., 6. April
1908, Nr. 14.)
Es gibt 2 Formen des Tuberkulose-
virus, die nach Ziehl nicht färbbar sind,
erstens eine Stäbchenform, die teilweise
granuliert ist und zweitens eine Körnchen-
form; hier liegen die Korner unregel-
mäßig in Haufen oder einzeln. Zwischen
beiden Formen gibt es Übergänge. Zur
Färbung benutzte der Verf. teils die alten,
teils modifizierte Grammethoden.
Naumann (Meran-Reinerz).
v. Pirquet: Über das Verhalten der
Haut gegen bakterielle Giftstoffe.
So REFERATE.
(Wien. klin. Wchschr., 23. April 1908,
Nr. 17.)
Verf. polemisiert gegen die von Entz
in Nr. 12 der Wien. klin. Wchschr. ge-
machten Ausführungen, welche die Spe-
zifizitit der v. Pirquetschen Reaktion
anzweifeln. Seine Ausführungen gipfeln
darin, daß er sagt, kutane Reaktionen
auf verschiedene bakterielle Gifte ohne
vorherige Infektion mit demselben Mikro-
organismus gestatten nicht den Schluß,
daß die Tuberkulinrcaktion auch beim
Gesunden eintreten könne.
Naumann (Meran-Reinerz).
Stoerk: Bemerkungen zur Präzipi-
tationbei Tuberkulose. Vorläufige
Mitteilung. (Wien. klin. Wchschr.,
27. Febr. 1908, Nr. 9.)
Ätherextrakte von Filtraten der in
physiologischer Kochsalzlösung aufge-
schwemmten Tuberkelbazillen zeigten nach
Abdampfen des Äthers einen Rückstand,
der in 1/,°/,ig karbolisierter plıysiolo-
gischer Kochsalzlösung aufgenommen mit
dem Serum Tuberkulöser einen flockigen
Niederschlag ergab. Das Serum Gesunder
blieb bei Ausführung der Probe klar.
Naumann (Meran-Reinerz).
Oberwarth und E. Rabinowitsch: Über
die Resorptionsinfektion mit Tu-
berkelbazillen vom Magendarm-
kanal aus. (Berl. klin. Wechschr.,
10. Februar 1908, Nr. 6.)
Bei jungen Schweinen vermögen in
den Magen eingeführte Tuberkelbazillen
bereits nach 24 Stunden in Blut und
Lunge einzudringen. Es ist auch der
Nachweis erbracht, daß Tuberkelbazillen
in den Geweben geraume Zeit latent
bleiben können; konnten doch in den
befallenen Organen nach 3 Wochen weder
makroskopisch noch bei histologischer
Untersuchung sichtbare Veränderungen
gefunden werden, während der Tierver-
such positiv ausfiel.
Naumann (Meran-Reinerz).
: der Klinik
ZEITSCHR. f.
_ TUBERKULOSE
Ill. Diagnose und Prognose.
A. J. Blum: ZurFrage der Bedeutung
der Augen-Tuberkulinreaktion.
{Wratsch. Gaz. 1907, No. 44.)
Verf. hat seine Versuche mit Tuber-
kulintest an 10 Soldaten angestellt. Bei
6 wurde eine negative, bei 4 eine posi-
tive Reaktion festgestellt. Von diesen
letzteren waren 3 jedoch vollstindig frei
von Tuberkulose, während der vierte nur
eine tuberkulöse Aftektion des Hodens
hatte. Wohl aber hatten alle diese Patienten
eine Erkrankung der Augenlider (3 Folli-
kulose und einer Trachom). Es entsteht
somit nicht nur bei Tuberkulose, sondern
auch bei Erkrankung der Lider eine
positive Reaktion bei der Tuberkulin-
einträufelung, und dieser Umstand setzt
den Wert der Reaktion für die Fest-
stellung von latenter Tuberkulose herab.
M. Lubowski (Wilmersdorf-Berlin).
Cassoute - Marseille: Ophthalmoréac-
tion chez les enfants ct en parti-
culier chez les nourrissons. (Arch.
de mcd. des enfants, Avril 1908.)
Der Verf. hat eine Reihe von Unter-
suchungen vorgenommen, um mittels der
Okuloreaktion ausfindig zu machen, ob
die Neugeborenen latente Tuberkulose
mit auf die Welt bringen und ist
zum Resultate gelangt, daß, mit sehr
seltenen Ausnahmen, eine Tuberkulose
nach der Geburt nicht ausfindig gemacht
werden kann. Unter den 80 mit In-
stillationen von Tuberkulintest 1 : 100 bis
200 untersuchten Kindern, zeigte nur ein
einziges positive Reaktion, während bei
6 das Resultat ein unbestimmtes und bei
den übrigen 73 sicher negativ war.
Weitere Untersuchungen haben gezeigt,
daB man mitunter bei ganz sicher tuber-
kulösen Rindern eine negative Ophthal-
moreaktion erhält und wieder in anderen,
wo keine Tuberkulose nachweisbar ist,
eine positive Reaktion beobachtet. Die
Methode ist also nicht derart, daß man
auf dieselbe mit mathematischer Sicher-
heit bauen könnte, doch gibt dieselbe in
sehr wertvolle Fingerzcige.
Fällt dieselbe nach mehrmals hinterein-
_ ander wiederholten Untersuchungen ne-
BD.XIII,HEFT 1.
1908.
gativ aus, so kann mit einer gewissen
Sicherheit Tuberkulose ausgeschlossen
werden. In jenen Fällen, wo die Reak-
tion positiv ausfällt, muß erst eine spätere,
event. auch jahrelange Beobachtung dar-
über Aufschlu8 geben, inwieweit man
auf dieselbe bauen kann.
E. Toff (Braila).
N. A. Filippow: Zur Frage der neuen
Methode der Diagnostizierung
von Tuberkulose (Calmettesche
Augenreaktion). (Wratsch. Gaz. 1908,
No. 9.)
Verf. hat seine eigenen Beobachtungen
an 27 Patienten des Militärhospitals zu
Riga angestellt. Die Patienten lassen sich
in folgende 4 Gruppen einteilen: 1. zwei-
fellos tuberkulöse Individuen (5 mit Lungen-
schwindsucht, 1 mit tuberkulóser Perito-
nitis, 1 mit Hodentuberkulose, 1 mit
tuberkulöser Bursitis, 1 mit seröser Pleuritis
und Spitzenprozeß); 2. Personen, welche
durch die klinischen Erscheinungen, welche
sie darboten, den Verdacht auf Tuber-
kulose rechtfertigten; 3. Personen, welche
mit anderen nicht tuberkulösen Erkran-
kungen behaftet waren und 4. gesunde
Personen mit normaler und kranker Kon-
junktiva. Bei sämtlichen Personen der
ersten beiden Gruppen, ı2 an der Zahl,
wurde die typische Calmettesche Reak-
tion konstatiert mit Ausnahme zweier
morbunden Patienten, bei denen die
Reaktion ausblieb. Der Fall von tuber-
kulöser Peritonitis ist noch in der Be-
ziehung von Interesse, als er überhaupt
der zweite Fall von tuberkulöser Perito-
nitis in der gesamten Literatur ist, indem
ein positives Resultat der Augenreaktion
durch Operation und durch Sektion post
mortem bestätigt wurde. In den übrigen
Fällen (bei nicht tuberkulösen Personen)
blieb die Reaktion mit Ausnahme einiger
Personen, welche an follikulärer Kon-
junktivitis und Trachom in verschiedenen
Entwickelungsstadien gelitten haben, wo
in 5 von 8 Fällen die sogenannte Cal-
mettesche Pseudoreaktion eintrat, aus.
Die Schlüsse des Autors sind folgende:
I. Wir besitzen in der Augenreaktion
ein einfaches, bequemes und unschäd-
liches Mittel zur Diagnostizierung von
Tuberkulose. 2. Das Verfahren besitzt
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIII.
REFERATE.
LU AA a a
00
augenscheinlich cinen hohen diagnostischen
Wert, weil bei sämtlichen Personen,
welche mit Tuberkulose behaftet bezw. auf
Tuberkulose verdächtig waren, die Reaktion
eintrat. 3. Sie gibt bei gesunden Personen
mit normaler Konjunktiva ein negatives
Resultat. 4. Bei Personen mit kranker
Konjunktiva fällt die Reaktion in einigen
Fällen gleichfalls positiv aus, und infolge-
dessen kann die Reaktion bei solchen
Personen als Hilfsmittel zur Diagnostizie-
rung von Tuberkulose nicht verwendet
werden, bis man nicht die Diflerenz
zwischen dieser Pseudoreaktion und der
wahren Reaktion festgestellt hat.
M. Lubowski (Wilmersdorf-Berlin).
J. Lignières: Sur un nouveau mode
de produire chez l’homme tuber-
culeux la réaction de la peau à
l’aide de la tuberculine. (Ctrlbl.
f. Bakt. etc., I. Abt. Orig, Bd. 46,
Heft 4, pag. 373—377-)
L. beschreibt im Gegensatz zu der
Kutisreaktion Pirquets eine Dermo-
reaktion. An der Innenfläche des Ober-
armes wird die Haut mit Seife gereinigt und
mit einem mechanischen Rasiermesser
rasiert (um bei unruhigen Kindern jede Ver-
letzung zu vermeiden). Auf die getrocknete
Haut werden 5— 6 Tropfen unverdünnten
Tuberkulins 1—2 Minuten lang verrieben
(mit einem Kautschuckfinger oder Watte-
tampon). Dann läßt man trocknen.
Bei Nichttuberkulüsen bleibt die
Haut völlig normal, während bei Tuber-
kulósen nach 24 — 48 Stunden eine spe-
zifische Reaktion auftritt. Es entwickeln
sich mehr oder weniger zahlreiche Papeln
von rosa-gelber oder rosa-grauer Farbe,
ev. sogar rot und selbst veilchenblau. An
der Basis der Papeln entsteht ein Hof
von gleicher Färbung. Zuweilen sind die
Papeln so zahlreich, daß sie zusammen-
fließen. Diese Papeln können ohne Spuren
zu hinterlassen nach 4—5 Tagen ver-
schwinden. Es können sich auch Bläschen,
schließlich auch Eiterpusteln mit Krusten
entwickeln. Beim Menschen kommt es
selten zur Bildung von Eiterpusteln, oft
dagegen beim Rind. Die kleinen Bläs-
chen verschwinden nach mindestens
8 Tagen, wochenlang bleibt noch eine
rote oder bräunliche Verfärbung der Haut
6
82
REFERATE.
ZEITSCHR. f.
_ _ TUBERKULOSE
zurück. Während der Eruption empfindet
das Individuum ein Gefühl von leichtem
Jucken. Fieber tritt nie auf, noch andere
Allgemeinerscheinungen.
L. unterscheidet 3 Grade der Kutis-
reaktion:
I. Grad: es entwickeln sich höchstens
10 isolierte Papeln.
2. Grad: es entwickeln sich mehr
als 10 Papeln, von denen einige kon-
fluieren.
3. Grad: die Papeln fließen zu einer
Platte zusammen.
Es wird von Wichtigkeit sein, zu
studieren, ob diese 3 Grade in progno-
stischer Hinsicht eine Bedeutung haben.
Besonders bei jungen Kindern beobachtet
man, daß die Kutisreaktion anfangs dem
I. Grade angehört, um nach mehreren
Tagen zum 2. oder selbst 3. Grade sich
zu entwickeln. Zuweilen bemerkt man
hintereinander 2 oder 3 Eruptionen, so
daß man gleichzeitig nebeneinander die
verschiedenen Stadien beobachten kann.
Die schubweisen FEruptionen dauern
länger als die, welche mit einem Male
entstehen.
Kachektische Tuberkulöse reagieren
viel seltener als nicht Kachektische,
immerhin scheint die Dermoreaktion hier-
bei der Kutisreaktion überlegen zu sein.
Wenn man bei Kachektischen die Reak-
tion öfters wiederholt, so kann man zu-
weilen noch ein präzises Resultat be-
kommen.
Die Vorzüge der Dermoreaktion sind:
Sie ist leicht und ohne Schmerzen
anzustellen. Bei ihr kommt keinelnfektion
vor. Sie ist wohl charakterisiert, wenn
sie positiv ausfällt. Ist sie positiv, so ist
das Individuum sicher tuberkulös; ist
sie negativ, so ist es wahrscheinlich nicht
tuberkulós. Zur Kontrolle soll man dann
die Ophthalmorcaktion vornehmen, welche
die empfindlichste Reaktion ist. Besonders
wichtig ist die Dermoreaktion bei Kindern.
E. Aron (Berlin).
Lautier: Nouveau procédé de cuti-
reaction a la tuberculine chez
l'homme. (Journ. de méd. de Bor-
deaux 12.1. 08; Bull. méd. 22. 6. et
Soc. de Biol. 18. 1.08; Bull. med.
22. 0.)
Fine neue Abart der Hautreaktion.
Lautier bringt auf die — unverletzte —
Haut an der Außenseite des Armes einen
kleinen Wattebausch, der mit 2 oder
3 Tropfen 1°/,igen Tuberkulins (Lille,
Paris) getránkt ist. Darüber kommt ein
Stúck Guttapercha und eine Binde. Nach
24, besser 48 Stunden zeigt sich bei der
Abnahme des Verbandes bei Tuberkulósen
eine Hautreaktion, die polymorph ist und
in den bisherigen Beobachtungen 2 Tage
bis 3 Wochen bestehen blieb. (Vergl.
das Verfahren von Lignicres und Ber-
ger, Bandler und Kreibich und die
Salbenreaktion nach Moro. Ref.)
H. Grau (M.-Gladb.-Holt).
Henri Leroux et Trannoy: De la matité
claviculaire, signe précoce de
linduration du sommet. (Bull. med.
22. 10.)
Der Schallverkürzung bei Perkussion
der Klavikula, die ja als Symptom einer
Spitzendämpfung bekannt, aber im all-
gemeinen wenig beachtet wird, haben die
Autoren die vorliegende Arbeit gewidmet.
Ihnen gab die Perkussion der Klavikula
immer deutlichere und schärfere Resul-
tate, als die der Nachbarbezirke. Die
Schallverkürzung auf der Klavikula fehlte
nie, wenn auch die anderen Spitzen-
symptome vorhanden waren. Meist ging
sie — das ist der wichtigste Punkt, —
allen anderen palpatorischen, perkuto-
rischen Zeichen voraus. Empfohlen wird
die Perkussion mit einem Finger.
Auskultiert man, während man in
der beschriebenen Weise die Klavikula
perkutiert, an der entsprechenden Stelle
hinten, so ist der eigentümlich hohe,
etwas verstärkte und dem Ohre nahe
Klang ein Zeichen für Spitzeninduration.
H. Grau (M.-Gladb.-Holt).
Fernand Besancon et André Philibert:
Recherche du bacille de Koch
dansles urines parlexamen direct.
(Bull. med. 22. 19.)
Die Differentialdiagnose der Tuberkel-
bazillen im Urin besonders gegenüber
Smegnabazillen erfordert starke Entfär-
bung des nach Ziehl unter Erhitzen
gefärbten Präparates: Salpetersäure I:2,
BD.XIT,HEFT 1.
1908,
REFERATE.
83
2 Minuten, absoluter Alkohol 5 Minuten;
ferner den Tierversuch.
Unter 20 Fiillen von Tuberkulose
verschiedener Art fanden B. und Ph.
niemals Tuberkelbazillen im Urin. Nach
den bisher vorliegenden Arbeiten glauben
sie annehmen zu dürfen: direkt im Urin
mikroskopisch nachweisbare Tuberkel-
bazillen sind ein fast sicheres Symptom
der Urogenitaltuberkulose. Nur durch den
Impfversuch nachweisbare (spärliche)
brauchen nicht notwendig von einer sol-
chen herzurühren, sondern können auch
auf Passage vereinzelter Bazillen durch
die intakten Nieren beruhen. Der direkte
mikroskopische Nachweis der Tuberkel-
bazillen im Urin ist also bei einwand-
freier Technik von großem Wert.
H. Grau (M.-Gladb.-Holt).
F. M. Autokratow: Zur Frage der
diagnostischen Bedeutung des
Tuberkulin- Test. (Wratsch. Gaz.
1908, No. 7—9.)
Patienten mit beginnender Lungen-
tuberkulose behandelt man häufig und
sehr lange wegen Erkältung, Neurasthenie,
Magenkatarrh, Anämie etc., und in dieser
falschen Diagnostizierung liegt das tragische
Element des Kampfes gegen die Tuber-
kulose. Indem man an Erkältungskrank-
heiten denkt, läßt man die Patienten zu
Hause sitzen, sich vor Erkältung schützen,
d. h. man entzieht ihnen die Heilwirkung
des Lichtes und der Luft. Zur Beseitigung
vermeintlicher Magenaflektionen verordnet
man nicht selten strenge Diät, wodurch
der Ernährungszustand noch mehr unter-
graben wird. Außerdem wird der Magen
mit verschiedenen medikamentösen Giften
überladen, während er in Wirklichkeit nur
eine möglichst reichliche Zufuhr von
Nahrungsstoffen erheischt. Wenn man
also bei manifester Tuberkulose am häufig-
sten nur als unberufener Zeuge des grau-
samen Spieles des Bazillus mit dem be-
siegten Organismus ist, so ist man bei
latenten Tuberkuloseformen häufig unbe-
wußt Mittäter diescs Bazillus. Aus dieser
verzweifelten Lage kann nach Überzeugung
des Autors, namentlich der Landärzte, nur
das Tuberkulin retten. Infolgedessen hat
Verf. beschlossen, in sein Ambulatorium
folgende Kategorien von Kranken der
ET a
Tuberkulinprobe zu unterwerfen: a) Per-
sonen, welche Spuren von überstandener
Skrofulose (Narben am Halse, Drüsen-
schwellung, geringe Trübungen der Horn-
haut ohne Trachom etc.) aufweisen, b)
Personen, welche mit tuberkulösen Kranken
in infizierten Häusern wohnen, namentlich
Rekonvaleszenten nach Partus, Keuch-
husten, Influenza, Masern, Typhus, Trunk-
sucht, welche Krankheiten bekanntlich die
Schutzvorrichtungen des Organismus gegen
den T.-bazillus vernichten; c) Individuen,
welche auf Erkältung mit Husten, Nasen-
Rachenkatarrh reagieren, weil Erkran-
kungen, wie die eben erwähnten, die
Widerstandsfähigkeit des Organismus gegen
den Bazillus schwächen; d) anämische
Personen. Bei Tuberkulose besteht schon
im frühen Stadium cin gewisser Grad von
Anämie. Die Kranken ermüden rasch,
fühlen sich schwach und unbehaglich,
verrichten mit Mühe körperliche und
geistige Arbeit; e) Personen, welche an
starker Reizbarkeit des Magens mit Er-
brechen oder akuter Dyspepsie mit Auf-
stoßen leiden, namentlich, wenn diese
Affektionen mit Körpergewichtsverlust,
mag dieser noch so gering sein, einher-
gehen. Solcher gastrischer Beginn der
Tuberkulose wird nach Prof. Osler schr
häufig beobachtet; f) Personen, welche
auf eine geringe Beimischung von Blut
im Sputum hinweisen, welche sie ge-
wöhnlich als Nasen- oder Rachenblutung
bezeichnen; g) Personen, welche über
Erregbarkeit des Herzens und der Gefiibe
klagen. Etwas beschleunigter Puls, der
bei der geringsten Anstrengung noch
frequenter wird, Neigung zum Rotwerden
und Erblassen, morgentliche Schweiße sind
nach Gumprecht frühe Symptome der
Tuberkulose; h) Neurastheniker in sämt-
lichen Fällen, in denen für die Neu-
rasthenie keine bestimmten Ursachen, wie
Nephritis, Diabetes, Syphilis, Neubildungen,
Arteriosklerose vorhanden sind, muß man
nach Weinberg auf tuberkulöse Allektion
untersuchen.
Verf. glaubt, daB man durch beharr-
liche Befolgung dieser Regel erstens recht-
zeitig den Tuberkulosebazillus in allen
seinen Schlupfwinkeln entdecken kann;
zweitens würde man nach Verf. mehr
oder minder genau die Kräfte des Tu-
6*
84
berkelbazillus berechnen künnen, was man
bis jetzt zu tun nicht in der Lage war.
Die erste Bedingung eines jeden Kampfes,
folglich auch des Kampfes gegen epi-
demische Krankheiten ist aber, die Kriifte
des Feindes zu kennen.
M. Lubowski (Wilmersdorf-Berlin).
Göbel-Cöln: Erfahrungen mit der
v. Pirquetschen kutanen Tuber-
kulinreaktion. (Münch. med. Wchschr.
1908, Nr 4.)
Verfasser impfte 170Erwachsene und
und 50 Kinder wahllos. Von ihnen
zeigten 127 ein unzweifelhaft positives
Resultat, 93 versagten. Von 17 an
Knochen- und Drüsentuberkulose leiden-
den Kindern reagierten alle mit einer
Ausnahme positiv. Unter 54 an Gelenk-,
Knochen- und Drüsentuberkulose leiden-
den Erwachsenen zeigten 53 einen durch-
aus positiven Ausfall der Probe. Von
31 tuberkuloseverdächtigen Erwachsenen
zeigten 23, von 5 Kindern 3 einen posi-
tiven Ausfall der Reaktion. Von klinisch
tuberkulosefreien Erwachsenen zeigen
keineswegs alle ein positives Resultat.
Verf. sieht erwachsene Individuen, die
auf eine eventuell zu wiederholende,
technisch einwandfreie Impfung nicht
reagieren, als mit aller Wahrscheinlichkeit
tuberkulosefrei an. Ob die Kochsche
subkutane Tuberkulininjektion eine größere
Zuverlässigkeit als die Ophthalmoreaktion
beanspruchen kann, steht noch dahin.
Auch die Injektionsmethode ist keines-
wegs ein Reagens von unfehlbarer Sicher-
heit. Die Methoden v. Pirquets wie
Wolff-Eisners sind wertvolle Hilfsmittel.
Im Kindesalter (t—12 Jahren) ist der
positive Ausfall der Reaktion nahezu
beweisend. F. Köhler (Holsterhausen).
P. 8. Medowikow: Uber die Pirquet-
sche Reaktion. (Wratsch. Gaz. 1908,
No. 12.)
Verf. hat die Pirquetsche Reaktion
bei 225 Kindern angewendet und in
212 Fällen sich von dem hohen Wert
derselben überzeugt. An 13 Kindern
wurde die Impfung wiederholt ausgeführt,
wobei in allen diesen Fällen das Resultat
sofurt dasselbe war, wie bei der ersten
Impfung, was für die Spezifizität der
REFERATE.
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ZEITSCHR. f.
B TUBERKULOSE
Reaktion spricht. Von den 212 Patienten
reagierten auf Tuberkulin 101 bzw.47,6°/,.
Auf Grund seiner Beobachtungen glaubt
Verf., daß die Reaktion auch in pro-
gnostischer Beziehung von Wert sei, da
etwaige außerordentliche Entwicklung der
Injektionspapel dafür spricht, daB der
Organismus energisch gegen tuberkulóse
Infektion noch anzukimpfen vermag.
27 Kinder starben, und die Sektion ergab
bei sämtlichen, die auf die Tuberkulin-
injektion positiv reagiert hatten, Tuber-
kulose, wobei in 6 Fällen das Vorhandensein
von Tuberkulose einzig und allein durch
die Reaktion erwiesen wurde, während
klinische Anhaltspunkte überhaupt nicht
vorhanden waren. Alles in allem stellt
Verf. folgende Schlüsse auf:
1. Die Pirquetsche Untersuchungs-
methode ist zweifellos ein wertvoller Behelf
zur Feststellung der Tuberkulose nicht
nur bei Kindern in den ersten Lebens-
jahren, sondern auch in höherem Alter.
2. Die positive Reaktion ist für die
Diagnose der Tuberkulose ein entschei-
dendes Moment, während negative Reaktion
noch nicht berechtigt, Tuberkulose aus-
zuschließen.
3. Starke Entwickelung der Injektions-
papel kann bis zu einem gewissen Grade
als prognostisches Merkmal gelten, indem
sie von einer bedeutenden Widerstands-
fähigkeit des Organismus gegenüber der
Tuberkuloseinfektion zeugt. Schwache oder
mangelhafte Entwickelung der Papel
sprechen für Herabsetzung der Wider-
standsfähigkeit des Organismus und sind
als ungünstige prognostische Zeichen auf-
zufassen.
M. Lubowski (Wilmersdorf-Berlin).
Collin - Berlin: Über Nachteile und
Gefahren der konjunktivalen
Tuberkulinreaktion. (Med. Klinik
1908, Nr. 5.)
Die verschiedene Empfindlichkeit des
Auges bewirkt bei den einzelnen mit
Tuberkulininstillation Geprüften eine Un-
genauigkeit der Dosierung und gleichzeitig
eine Unzuverlässigkeit der Resultate. Das
positive Ergebnis ist nicht unbedingt aus-
schlaggebend für die Tuberkulosediagnose
und beweist vor allem nur event. eine
tuberkulüse Infektion des Organismus,
BD.XII,HEFT 1.
1908.
nicht etwa eine aktiv-tuberkulöse Er-
krankung. Jede artefizielle Reizung des
Auges verdunkelt das Ergebnis der In-
stillation, so daß das Verfahren für Heer
und Marine von vornherein nicht in Be-
tracht kommt. Das neue Aufflackern der
konjunktivalen Reaktion bei nachfolgender
Tuberkulineinspritzung verhindert eine der
Instillation nachfolgende Tuberkulinkur,
da eine chronische Konjunktivitis nicht
unterhalten werden darf. Schwere Augen-
erkrankungen sind bei der Methode nicht
auszuschließen.
F. Köhler (Holsterhausen).
Moro: Über eine diagnostische ver-
wertbare Reaktion der Haut auf
Einreibung mit Tuberkulinsalbe.
(Münch. med. Wchschr. 1908, Nr. 5.)
Verf. beobachtete nach Einreiben
einer 50°/, igen Tuberkulinsalbe auf die
Haut das Auftreten von knötchenförmigen,
papulüsen Effloreszenzen am Orte der
Einreibung. Die Reaktion ist spezifisch
und harmlos.
F. Köhler (Holsterhausen).
Junker-Görbersdorf: Untersuchungen
über die v. Pirquetsche Tuber- |
Bayard-Aarau: Die Ophthalmoreak-
kulinreaktion bei Erwachsenen.
(Münch. med. Wchschr. 1908, Nr. 5.)
Bei Verwendung von 5—10°/, Tu-
berkulinkisung hält Verf. auch für Er-
wachsene die Kutanreaktion der Oph-
thalmoreaktion wie der Subkutanreaktion
nach Koch für ebenbürtig.
F. Köhler (Holsterhausen).
Reuschel: Vergleichende Bewertung
der Tuberkulinreaktion im Kin-
desalter. (Münch. med. Wchschr. 1908,
Nr. 7/8.)
Verf. unterwirft das Kochsche Fie-
ber, die Stichreaktion nach Escherich
und die kutane Reaktion nach v. Pirquet
einer eingehenden Betrachtung. Die v.Pir-
quetsche Reaktion wird als besonders
zuverlässig betrachtet.
F. Köhler (Holsterhausen).
F. Mendel-Essen: Die v. Pirquetsche
Hautreaktion und dieintravenöse
Tuberkulinreaktion. (Med. Klinik
1908, Nr. 12)
REFERATE. 85
Verf. berichtet über eine Modifikation
des v. Pirquetschen Verfahrens, bestehend
in der Intrakutanmethode. Für die Tu-
berkulinbehandlung empfiehlt er das intra-
venöse Verfahren, da dadurch klarere
Dosierungen und Vermeidung von Kumu-
lationserscheinungen infolge Resorptions-
verzögerung erreicht würden.
F. Köhler (Holsterhausen).
Heinemann: Vergleichende Unter-
suchungen mit der Konjunktival-
reaktion nach Wolff-Eisner und
der Salbenreaktion nach Moro.
(Münch. med. Wchschr. 1908, Nr. 11.)
Verf. warnt vor Überschätzung der
prognostischen Bedeutung der Konjunk-
tivalreaktion. Die Morosche Probe bean-
sprucht die gleiche Wichtigkeit für die
Tuberkulosediagnostik wie die Wolff-
Eisnersche Reaktion. Nach der Kon-
junktivalprobe sah Verf. Konjunktivitis
auftreten, die oft 14 Tage hindurch die
Patienten beliistigte. Die Salbenreaktion
ist stets harmlos, so daß in ihr ein be-
merkenswerter praktischer Vorteil vor der
Konjunktivalreaktion liegt.
F. Köhler (Holsterhausen).
tion nach Calmette. (Ztschr. f. ärztl.
Fortbldg. 1908, Nr. 7.)
Ausführliche Abhandlung über die
diagnostischen Methoden zur Erkennung
der Lungentuberkulose. Versuche mit
1°/, Tuberkulinlösung bei 94 Kindern im
Alter von 3 Monaten bis 15 Jahren.
Auftreten der Reaktion frühestens 5,
spätestens 24 Stunden nach der Einträuf-
lung. Zeitweise längeres Anhalten der
Reaktion. Komplikationen seitens des
Auges wurden nicht beobachtet. Die
Erfolge waren zufriedenstellend. Verf. ist
der Ansicht, daß der positive Ausfall der
O.R. mit größter Wahrscheinlichkeit für
das Vorhandensein eines tuberkulösen
Herdes im Körper spreche, er beweist
aber nicht, daß die in Frage kommende
| Erkrankung auf Tuberkulose beruht.
F. Köhler (Holsterhausen).
REFERATE.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
IV. Therapie.
Allgemeine,
Johann Wolf: Über Heilung der tu-
berkulösen Bauchfellentzündung
mit und ohne Laparatomie. (Inaug.-
Dissert., Straßburg 1907, 80 p.)
Der Arbeit Wolfs liegen 30 Fiille
der Universitiits-Frauenklinik zu StraBburg
zugrunde, die in der Zeit von Mitte 1900
bis Ende 1906 wegen tuberkulöser Bauch-
fellentziindung behandelt wurden, und
zwar 21 operativ, 9 konservativ; 17 ge-
hórten der exsudativen, 13 der trockenen
Form an. Ein Vergleich der operativ
behandelten Fälle mit den exspektativ
und intern behandelten führt den Verf.
zu folgendem Endresultat: Betrachtet man
beide Gruppen in bezug auf ihre Dauer-
resultate ohne die exsudative Form von
der trockenen zu trennen, so findet man
durch Laparatomie 38°/, Dauerheilungen,
durch interne Behandlung aber auch
33°/, Dauerheilungen. Der Unterschied
wäre nicht groß genug, um die Lapara-
tomie zu rechtfertigen und zu empfehlen.
Anders gestalten sich freilich die Resultate,
wenn man die exsudative Form getrennt
von der trockenen betrachtet. Es: finden
sich auf diese Weise durch Laparatomie
bei der exsudativen Form 43°/, Dauer-
heilungen, durch interne Behandlung da-
gegen nur 25°/,. Die interne Behandlung
ergibt aber bessere Resultate bei der
trockenen Form, nämlich 40%, Dauer-
heilungen, wogegen nur 25°/, als Erfolg
der Laparatomie bei dieser Form zu
verzeichnen sind. Sind auch die Resultate
bei der nicht operierten Gruppe weniger
wertvoll, da erstens die Anzahl der Fälle
viel geringer ist und außerdem leichtere
Fälle diese Art der Behandlung erfahren
zu haben scheinen, und da zweitens die
Beobachtungsdauer meist zu kurz war, so
erkennt man doch einen entschiedenen
Einfluß interner Behandlung auf die tuber-
kulöse Peritonitis, welcher den Vorschlag
rechtfertigt, in der Mehrzahl der Fälle
der chirurgischen Behandlung eine interne
versuchsweise vorausgehen zu lassen, und
wiederum der Operation als Nachkur
interne Behandlung resp. Schmierseifen-
und Schwitzkur folgen zu lassen.
Vor |
allem aber mahnen die schlechten Resultate
der Laparatomie bei der trockenen Form
zur größten Vorsicht, da in der Mehrzahl
dieser Fälle im Anschlu an geringe
Manipulationen Kotfisteln mit absolut un-
günstiger Prognose entstehen.
Fritz Loeb (München).
Klotz-Krankenhaus Altstadt Magdeburg:
Uber Yoghurt. (Zentralbl. f. inn.
Med. 1908, Nr. 2.)
In dieser vorläufigen Mitteilung spricht
sich K. über den Wert oder Unwert der
Y.-therapie sehr vorsichtig aus; immerhin
empfichlt er doch, in geeigneten Fällen
Versuche damit anzustellen. Von den
verschiedenen Präparaten zur Herstellung
des Y. bewährte sich am meisten die
Lactobacilline liquide der Pariser Firma
„Le Ferment“, Der eigentliche Erreger
der Y.-gärung ist der sogen. Bac. bulgarus,
ein oflenbar bei uns nicht heimischer
Milchsäurebildner, da er wenigstens in
unserer mitteleuropäischen Sauermilch
nicht zu finden ist. Was nun die Erfolge
der Y.-therapie betrifft, so wurden sie bei
den akuten Toxikosen zunächst vermißt,
in einigen Fällen von chronischer Er-
nährungsstörung dagegen befriedigten sie
durchaus; in einem Falle verschwand
sogar ein chronisches Gesichtsekzem, das
monatelang crfolglos behandelt worden
war, Schon nach wenig Wochen vollständig.
Die Versuche sollen fortgesetzt und dem-
nächst ausführlich veröffentlicht werden.
C. Servaes.
E. Lichtenstein-Univ.-Augenklinik Berlin:
Die Augentuberkulose und ihre
Behandlung. (Therap. Monatsh. 1908,
Heft 1.)
Im ersten Teil seiner Abhandlung
bespricht L. die verschiedenen Formen
der Augentuberkulose, sodann die Dia-
gnose und Prognose. Er erwähnt in bezug
auf die Tuberkulinprüfung, daB bei Augen-
tuberkulose natürlich nur die lokale Re-
aktion von Bedeutung ist; aber gerade
sie wird nicht selten vermißt; die Kutan-
probe und die Konjunktivalreaktion werden
7. 7. einer Prüfung auf ihre diagnostische
Brauchbarkeit unterzogen. Auch thera-
peutisch wurde das Tuberkulin (T. R.)
nach v. Hippels Methode mit dem Er-
BD.XIILHEFT 1.
1908.
folge angewandt, daß in einer Reihe von
Fallen der Heilungsverlauf beschleunigt
wurde. Verf. empfiehlt daher bei schweren
Fällen von Augentuberkulose — mit
alleiniger Ausnahme der prognostisch un-
günstigen Bindehauttuberkulose — einen
Versuch mit der Tuberkulinkur zu machen.
Ähnlich wirksam, wie die letztere, zeigte
sich die Behandlung mit den v. Behring-
schen Präparaten Antitulase und Tulase-
laktin. C. Servaes,
Dr. Swerschewski: Über die Behand-
lung der Tuberkulose des Kehl-
kopfes nach der Methode von
Bier. (Medizinskoje Obosrenie 1908,
No. 4.)
Verf. hat seine Beobachtungen sowohl
an stationären, wie an ambulatorischen
Patienten, deren Zahl im ganzen 18 be-
trug, angestellt. Die Mehrzahl hatte ge-
steigerte Temperatur und mehr oder minder
ausgesprochene Affektion der Lungen und
des Kehlkopfes. In der ersten Zeit
richtete er sich genau nach den Angaben
von Keppler und Pollyak. Die Gummi-
bänder wurden um den Hals des Patienten
möglichst tief gelegt. Der Patient darf
auch nicht den geringsten Schmerz, nicht
einmal Unbehagen, höchstens einen sehr
geringfügigen Druck an der Stelle, wo der
Verband appliziert ist, leichtes Ohren-
sausen und Gefühl von Völle im Gesicht
und in den Augen verspüren. Am ersten
Tage wird der Verband unter steter Be-
obachtung des Arztes für 1 Stunde, am
zweiten für 2, am dritten für 3 etc. bis
15—18 Stunden täglich ohne Unter-
brechung angelegt. Manche Patienten
haben, nachdem sie sich von der nütz-
lichen Wirkung des Verbandes überzeugt
hatten, selbst gegen die Verordnung des
Arztes den Verband fast volle 24 Stunden
ununterbrochen getragen. Zunächst ver-
wendete Verf. Originalgummibänder, welche
er aus Bonn bestellte, dann begann er
gewöhnliche Gummibänder von 2—3 cm
Breite mit durchwirkten wollenen Fäden
zu verwenden. An dem einen Ende
dieses Bandes wurde der Haken, an dem
anderen eine Reihe nebeneinanderliegen-
der Ösen festgenäht. Nach 2—3 Tagen
mußte man zur Erzielung der Stauungs-
hyperämie den Verband um den Hals um
REFERATE. 87
1—2 Ösen enger schließen. Nach 8 bis
15 Tagen war weitere Schnürung nicht
mehr erforderlich, in der Mehrzahl der
Fälle bewirkte sie sogar eine Reihe von
krankhaften Erscheinungen. Mit der Zeit
läßt die Elastizität der Verbände nach,
so daß sie ersetzt werden müssen. Bei
Patienten mit leicht reizbarer Haut muß
man vor der Anlegung des Verbandes
den Hals mit Alkohol abwaschen und mit
Fett einreiben. Was die Gazeunterlagen
betrifft, welche Bier und seine Schüler
empfehlen, so sind dieselben nach Ansicht
des Verf.'s überflüssig. Die Mehrzahl der
Patienten verträgt den Bierschen Hals-
verband leicht. Im Anfang klagen manche
Patienten über Ohrensausen etc.; nach
10—20 Minuten verschwinden aber diese
unangenehmen Erscheinungen. Klagen
aber die Patienten auch dann namentlich
über Schmerzen, so ist es in der Mehrzahl
der Fälle durch die falsche Anlegung
des Verbandes verursacht, indem derselbe
entweder zu hoch angelegt ist und auf
den Kehlkopf oder auf die unter dem-
selben befindlichen entzündeten schmerz-
haften Drüsen drückt oder der Verband
selbst ist zu fest geschnürt, oder ein
Haken drückt zu sehr auf die Haut etc.
In solchen Fällen muß man den Verband
sofort entfernen und nach 3—6 Stunden
wieder anzulegen versuchen. Jedoch
stellten sich in 4 Fällen trotz sämtlicher
Vorsichtsmaßregeln so unangenehme Kom-
plikationen ein, daß die Behandlung mit
dem Bierschen Verbande aufgegeben
werden mußte. So klagte ein 47 jähriger
Patient mit tuberkulóser Kehlkopfaffektion
und erhöhter Temperatur am vierten Tage
über heftige Kopfschmerzen in der Gegend
der linken Schläfe, und er forderte, trotz-
dem unter dem Einflusse des Verbandes
der Husten und die Schluckbeschwerden
bedeutend nachgelassen haben, die Ent-
fernung des Verbandes. Nach 2— 3 Tagen
haben die Kopfschmerzen nachgelassen.
Bei dem zweiten Patienten mit leichter
tuberkulöser Affektion der Stimmbänder
ohne Temperatursteigerung stellten sich
eine halbe Stunde nach der Anlegung
des Verbandes heftige und im höchsten
Grade lästige Schmerzen des ganzen
Kopfes bis zum Verbande ein. Das war
dem Patienten so unangenehm, dal er
88 REFERATE.
nach einigen Tagen die weitere Behandlung
kategorisch ablehnte. Bei dem dritten
Patienten mit hochgradiger tuberkulóser
Affektion des Kehlkopfes nebst steno-
tischen Erscheinungen stellte sich am
dritten Tage hochgradige Verschlimmerung
ein, welche die Tracheotomie erheischte.
In diesem Falle konnte man die Ver-
schlimmerung jedoch keineswegs in irgend-
welchen ZusammenhangmitdemBierschen
Verbande bringen, da bei dem Patienten
so ausgedehnte Veränderungen bestanden,
die an und für sich jeden Augenblick
die Tracheotomie erforderlich machen
konnten. Aber auch dieser Patient ver-
spürte an den ersten Tagen immerhin eine
gewisse Besserung unter dem Einflusse
des Bierschen Verbandes. Der vierte
Fall betrifft einen 22j4hrigen Patienten
mit ausgedehnter tuberkulöser Affektion
des Kehlkopfes. Nach vorübergehender
Besserung trat unter dem Einflusse des
Bierschen Verbandes eine hochgradige
Verschlimmerung hauptsächlich des All-
gemeinzustandes ein. Die Temperatur
stieg bis 39,5%, Die SchweiBe und Schüttel-
fröste nahmen zu. Das Schlucken wurde
erschwert. . Der Verband wurde entfernt,
und nach einiger Zeit trat Besserung ein.
Was die übrigen 14 Patienten betrifft,
so haben sämtliche eine mehr oder minder
bedeutende Besserung davongetragen. Ge-
wöhnlich trat schon in den ersten Tagen
nach der Anlegung des Verbandes Nach-
lassen der Schmerzen, des Hustens und
der übrigen unangenehmen Erscheinungen
von seiten des Halses ein. Die Patienten
lernten sofort den Nutzen der Heilmethode
kennen und unterzogen sich gern dieser
Behandlung. Nicht selten baten die Pa-
tienten nach einer Behandlungsdauer von
2—3 Wochen um Entlassung, indem sie
sich für gesund hielten. Leider ent-
sprachen die objektiven Veränderungen
selten den subjektiven Empfindungen. Der
tuberkulöse Prozeß hörte nicht auf. In
einem Falle wurde allerdings vollständige
‚Heilung erzielt.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
Alles in allem gelangt
Verf. zu dem Schluß, daß die von ihm
erzielten Resultate den Erwartungen, welche
man auf Grund der Angaben der Literatur
auf die Biersche Methode zu setzen be-
rechtigt war, nicht entsprachen. Nichts-
destoweniger kann diese Methode bei
richtiger Anwendung als vorzügliches
symptomatisches Mittel bezeichnet werden,
welches bei tuberkulösen Laryngitiden in
der Mehrzahl der Fälle sehr rasch und
sicher den Husten, die Heiserkeit und die
übrigen Krankheitserscheinungen zu be-
seitigen vermag, und welches wegen seiner
Einfachheit und relativen Unschädlichkeit
der Aufmerksamkeit der Ärzte durchaus
wert ist und weitere klinische Erforschung
rechtfertigt.
M. Lubowski (Wilmersdorf-Berlin).
Zickgraf: Über Saponininhalation
bei Erkrankungen der oberen
Luftwege. (Münch. med. Wchschr.
1908, Nr. 9.)
Verf. wandte mit gutem Erfolge bei
den trocknen Katarrhen der oberen Luft-
wege, besonders bei inzipienten Phthisen
das 1— 2°/, Saponin von Sthamer-Ham-
burg an unter Gebrauch des Thermo-
variator von Bulling. |
F. Köhler (Holsterhausen).
Bunzl: Über einen durch Operation
geheilten Fall von großknotiger
Lebertuberkulose. (Münch. med.
Wchschr. 1908, Nr. 9.)
Interessante Mitteilung über einen
Fall von dem im Titel bezeichneten
Krankheitsbilde bei einem 21 jährigen
Kommis. Diagnose erst durch Inspektion
durch Laparotomie. Die histologische
Diagnose des Tumors lautete auf Tuber-
kulose. Tuberkelbazillen oder Luësspirillen
wurden nicht gefunden. Die Operation
war von vollem Erfolge.
F. Köhler (Holsterhausen).
Band XIII. Heft 1.
ZEITSCHRIFT FÜR TUBERKULOSE.
Beilage für Heilstätten und Wohlfahrtseinrichtungen.
INHALT: V. Tuberkuloscärzte-Versammlung. Von Dr. R. Lennhoff, Berlin 89. — Ver-
schiedenes 95.
V. Tuberkuloseärzte-Versammlung.
Von
Dr. R. Lennhoff, Berlin.
I.
<aie Versammlung der Tuberkuloscärzte, die sonst stets in Berlin stattfindet,
AG wurde ausnahmsweise in diesem Jahre in München abgehalten.
| Schon den 15. Juni nachmittags trafen die meisten Teilnehmer der
ee) Versammlung hier ein und besichtigten, unter Führung von Hofrat Dr. May
und Dr. Scholl und in Anwesenheit der Frau Ministerpräsident v. Podewils die
Walderholungsstätten für Frauen und für Kinder in Holzapfelkreut. Des Abends
versammelte man sich zwanglos im Hofbräuhause. - Münchener Stimmung.
Mit einigem Humor dachte man an sie zurück, als man sich tags darauf vor-
mittags zu den wissenschaftlichen Beratungen in dem Hörsaal der psychiatrischen
Klinik versammelte, der vollkommen alkoholfreien Anstalt des alkoholverpönenden Prof.
Kräpelin.
Hofrat Dr. Ferdinand May, der an der Spitze aller gegen die Tuberkulose
gerichteten Bestrebungen in München steht, leitete die Verhandlungen. Er begrüßte
die Ehrengäste, den Kollegen Prinz Ludwig Ferdinand von Bayern, den Medi-
zinalreferenten der bayrischen Regierung, Geh. Rat Grashey, den Generalstabsarzt
v. Bestelmeyer, der an der Spitze zahlreicher Militärärzte erschienen war, und den
Geh. Med.-Rat Messerer, Vertreter des Regierungspräsidenten.
Prinz Ludwig Ferdinand übernahm mit Worten des Dankes das Ehren-
präsidium, Gch. Rat Grashey begrüßte im Namen der Staatsregierung und über-
reichte dem Generalsekretär des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der
Tuberkulose, Oberstabsarzt a. D. Prof. Nietner, den Michaelisorden 3. Klasse,
Prof. v. Leube-Würzburg erstattete den Behörden den Dank des Zentralkomitees,
dessen Vorsitzender v. Bethmann-Hollweg in einem Telegramm den Verhand-
lungen guten Erfolg wünschte.
Prof. Friedrich v. Müller, der Münchener Kliniker, hielt den ersten Vor-
trag, Zur Diagnostik der Tuberkulose. Es wirkte geradezu wohltuend, von
einem klar und nüchtern beobachtenden Kliniker ein vollständiges Bild aller dia-
gnostischen Möglichkeiten zu erhalten, unter vorurteilsfreier Abwägung ihrer Beweis-
barkeit, ohne Unterschätzung, aber auch ohne Überschätzung irgend eines Symptomes.
Die Diagnostik der Tuberkulose hat zum Ziel die frühzeitige Erkennung der
Krankheit, weil die Heilungsaussichten um so größer sind, je früher eine Behand-
lung einsetzt. Je jünger das Krankheitsstadium, um so geringer die Symptome, mit
um so größerer Sorgfalt sind alle erreichbaren zusammenzutragen. Wir verfügen
über 3 Gruppen. Die allgemeinen Erscheinungen, die örtlichen, Nachweis des
Krankheitserregers oder der durch ihn bedingten Reaktionen. Merkwürdigerweise
fehlen die Allgemeinerscheinungen im Anfang fast nie, bei vorgeschrittener Krank-
heit sehr oft. Zu den Allgemeinerscheinungen des Frühstadiums gehören leichte
Schwankungen der Körpertemperatur, die nur bei regelmäßigen Messungen erkannt
werden, Schwankungen des Gewichtes, Abnahme des Appetites und der Leistungs-
E B ZEITSCHR. f.
90 BEILAGE. + UNERKULOSE
ähigkeit. Doch sind dieselben nur Alarmsignale, die keincrlei sichere Schluß-
folgerungen zulassen. Sie finden sich auch bei Schilddrüsenerkrankungen, schwerer
Bleichsucht, Magengeschwür, Erkrankungen der Gesichtshöhlen, und lange Zeit nach
Mandelentzündungen und Scharlach. Von diesen Krankheiten wei man eben nur,
wann sie beginnen, nicht wann sie aufhören. Es kommt noch eine ganze Reihe
von Krankheiten hinzu; besondere Aufmerksamkeit bedingen die Schwankungen der
Körpertemperatur bei Kindern.
Zur Erkennung der örtlichen Erkrankungsherde in den Lungen bedienen wir
uns zunächst der Beklopfung des Brustkastens. Kleinere tuberkulöse Herde bedingen
noch keine Aufhebung des Klopfschalles, wohl aber nimmt die Tiefe des Klopftons
ab, wodurch er zugleich verkürzt wird. Das geübte Ohr ist für die hierdurch
bedingten Unterschiede schr empfänglich. Voraussetzung ist natürlich, daB zwischen
der Beklopfung der beiden Lungenspitzen Unterschiede bestehen. An sich sind
diese auch noch nicht beweisend. Da sie auch harmlose Ursachen, z. B. Verschieden-
heit der Knochenform haben können. Stärkere Unterschiede beweisen schon mehr.
Von Bedeutung ist auch die Grenze des Lungenspitzenschalles. Herabrücken deutet
auf Schrumpfung. Die Untersuchungsmcthoden sind aber sehr schwierig. So ergibt
die von Krönig bei verschiedenen Untersuchern verschiedene Grenzen, auch die
neueste Methode von Goldscheider bringt uns nichts Neues.
Wichtiger ist die Behorchung der Lungen. Hier muß beachtet werden, ob
Abweichungen von dem normalen Atmungsgeräusch nicht etwa durch Nasenverengerung
bedingt wurden, es ist zu aclıten auf die Unterschiede zwischen Einatmungs- und Aus-
atmungsgeräusch, auf Nebengeriusche, wie Pfeifen, Rasseln etc.
Diese örtliche Untersuchung kann uns lediglich zeigep, daß eine Erkrankung
vorliegt; ob sie frisch oder alt ist, ob sie durch Tuberkelbazillen, Streptokokken oder
Pneumokokken hervorgerufen ist, kann sie uns nicht lehren.
Wir bedürfen also noch des Nachweises von dem Erreger der Krankheit oder
der durch seine Anwesenheit bedingten Reaktionen. Zum Nachweis der Bazillen
gehört in erster Linie das Vorhandensein von Auswurf. Wo solcher nicht entleert
wird, ist man auf den Nachweis der Komplementbindung, des opsonischen Index
oder der Tuberkulinreaktion angewiesen. Die Komplementbindung ist bei der Tuber-
kulose nicht so zuverlässig wie bei der Syphilis. Auch gehört zu ihrer Ausführung
so große Übung, daß man sich ausschließlich mit ihr beschäftigen muß. Daraus geht
aber ihre Unanwendbarkeit für die tägliche Praxis hervor. Der opsonische Index
zeigt an, in welchem Umfange im Blut Stofle bereitet werden, die die weißen Blut-
körperchen zur Phagocytose vorbereiten. Metschnikoff hat uns gezeigt, daß die
weißen Blutkörperchen die Fähigkeit haben, Krankheitserreger in sich aufzunehmen
und zu verzehren. Der Engländer White zeigte, daß diese Fähigkeit wechselt und
von vorbereitenden Stoffen des Blutes abhängig ist. Die beim Gesunden übliche
Zahl ist der Index 1, die Schwankungen beim Gesunden liegen zwischen 0,8 und 1,2.
Fin geringerer Index ist ungünstig, ein höherer günstig zu deuten. Beim Tuber-
kulösen zeigt nun der Index große Schwankungen, schon zwischen der Zeit des
ersten und des zweiten Frühstückes. Auch ist, angesichts der notwendigen Übung,
die Zahl der Fehlerquellen erheblich, so daB diese Methode ebenfalls für die Praxis
wenig verwertbar ist.
Auch die Agglutination, die ein sicheres Mittel zur Typhusdiagnose abgibt,
ist für die Tuberkulose wenig brauchbar.
Bleibt die Tuberkulinreaktion, die alte Einspritzungsmethode von Koch, die
in den meisten Fällen sichere Schlüsse zuläßt, aber gelegentlich bei nicht vorsichtiger
Anwendung gefährlich werden kann. Die zweite ist die v. Pirquet-Wien angegebene
Kutanreaktion. Sie ist ganz ungefährlich, aber nur bei Kindern ganz zuverlässig.
Beide Methoden zeichnen sich dadurch aus, daß sie nur in ziemlich frischen Fällen
wirksam sind. Die dritte und jüngste Methode ist die nacheinander von Wolff-
Eisner- Berlin und Calmette-Frankreich angegebene Ophthalmoreaktion, die darauf
BD.XIIL,HEFT1. e |
En BEILAGE.
beruht, daB nach Einträufelung von Tuberkulinlösung in das Auge beim Tuber-
kulösen eine Augenbindehautentzündung eintritt. Sie ist bisher noch nicht zuver-
lässig und oft nicht ungefährlich für das Auge.
Als letztes kommt noch die Rontgenuntersuchung hinzu, aber mit allen
Methoden zusammen sind wir doch nur imstande, in etwa */, der Frühfälle eine
sichere Diagnose zu stellen.
Über die ee tr der Lungentuberkulose sprach noch beson-
ders Prof. Rieder-München. Zu genauen Untersuchungen bedarf es sorgfältiger
photographischer Aufnahmen. Nur in besonderen Fällen genügt die einfache Durch-
leuchtung und Beobachtung auf dem Röntgenschirm. Diese hat zur Voraussetzung
ausgeruhte, an die Dunkelheit gewöhnte, sehr geübte Augen. Sehr oft ist das
Röntgenbild imstande, vereinzelte, tiefgelegene tuberkulöse Herde aufzudecken, die
mit Horchen und Klopfen nicht zu erkennen sind. Besonders zeigt das Röntgen-
bild auch tuberkulöse Lymphdrüsenerkrankung innerhalb des Brustraumts. Redner
zeigt eine große Zahl von Röntgenbildern, bei denen selbst kleinste Herde deutlich
zu erkennen sind und mit denen sich vor allem auch Behandlungserfolge gut kon-
trollieren lassen. So werden u. a. zwei RGntgenogramme desselben Patienten vor
und nach Heilstättenbehandlung gezeigt. Trotz erheblicher subjektiver Besserung
und großer Gewichtszunahme zeigte das Röntgenbild beträchtliche Weiterverbreitung
des Krankheitsprozesses. Schon auf der Tuberkuloseärzteversammlung im vorigen
Jahre wurde die Röntgendiagnose eingehend besprochen. Es überrascht, wie viel
schärfere Bilder man jetzt schon zu erzielen vermag.
Bei der Besprechung der Vorträge kamen die Praktiker zu Wort.
Prof. Petruschky-Danzig berichtete über seine reichen Erfahrungen mit
Tuberkulinproben, Dr. Köhler-Holsterhausen verwirft vorläufig die Ophthalmo-
reaktion, Dr. Schröder-Schömberg gibt Anweisung zu sorgfältiger Temperatur-
messung in Frühfällen, desgleichen Dr. Röpke-Melsungen, der auch über eingehende
Erfahrungen mit Tuberkulinproben berichtet. Des weiteren sprachen Dr. Sobotta-
Reiboldsgrün, Dr. Landmann, Dr. Francke, Dr. Ranke -München. |
Nachmittags war ein kleiner Kreis der Teilnehmer der Versammlung vom
Prinzregenten zu Tisch geladen. Der 88 Jahre alte Herr unterhielt sich vor der
Tafel angelegentlichst mit den einzelnen Herren, bei Tisch brachte er einen Trink-
spruch auf die Bekámpfer der Tuberkulose aus, nach dem Essen lud er einige der
Herren in sein Rauchzimmer, wo er bei einer gemútlichen Tabakspfeife sich ein-
gehend nach der Statistik der Heilerfolge und dcr Tuberkulosesterblichkeit erkun-
digte und sein Bedauern aussprach, daB so viele in den Heilstátten Behandelte
durch Rückkehr in ihre ungünstigen sozialen Verhältnisse sich wieder verschlechtern.
Die Mehrzahl der Teilnehmer der Versammlung fuhr nachmittags nach Planegg,
um unter Leitung des trefllichen Oberarztes Dr. Krebs die Volksheilstätte für
Lungenkranke zu besichtigen.
II.
Abends kamen die Teilnehmer der Versammlung zu einem fröhlichen Fest-
essen im Restaurant der so schön angelegten Ausstellung zusammen.
Auch am zweiten Verhandlungstage zeigte sich das Interesse des bayrischen
Königshauses an der Tuberkulosebekämpfung. Schon um 9 Uhr erschien der Thron-
folger Prinz Ludwig und übernahm das Ehrenpräsidium. Über 2 Stunden folgte
er den Beratungen mit großer Aufmerksamkeit, besonders als das Fürsorgewesen
besprochen wurde, bei dem weniger medizinische als soziale Fragen in den Vorder-
grund treten. Um 11 Uhr erschien auch Dr. Prinz Ludwig Ferdinand.
Dr. Röpke, Chefarzt der Lungenheilstätte der Staatsbahnen zu Stadtwald-
Melsungen erörtert zunächst die Frage, welche Fälle von Kehlkopftuber-
kulose können in Volksheilstätten mit Erfolg behandelt werden? Redner
berichtet zunächst über die in Heilstätten bei Kehlkopftuberkulose zu erzielenden Erfolge
und über Mißerfolge. Ob ein Erfolg zu erwarten ist, hängt fast ganz von der gleich-
E ; ZEITSCHR. f.
E- a an | 7 a UBEREUEOSE
zeitig bestehenden Lungentuberkulose ab. Bei Lungentuberkulose III. Grades ist
keine wesentliche Besserung zu erwarten. Gute Aussicht bietet Kehlkopftuberkulose
I. Grades in Verbindung mit Lungentuberkulose I. Grades, auch noch Kehlkopf-
tuberkulose II. bei Lungentuberkulose I. Grades. Ist bei Beginn der Kehlkopftuber-
kulose schon vorgeschrittenere Lungentuberkulose vorhanden, so sollten nur fieber-
freie Kranke noch in Volksheilstätten aufgenommen werden. Man wird Erfolge
erzielen, wenn man sich in der Auswahl der Fälle auf mittlerer Linie bewegt und
bei der Behandlung nicht einseitig ist, man muß Allgemeinbehandlung, örtliche
Behandlung und Tuberkulin miteinander verbinden.
Dr. Rumpf-Ebersteinburg macht darauf aufmerksam, daß bei festgestellter
Lungentuberkulose nicht immer auch der Kehlkopf untersucht wird. Daher kommen
oft ungeeignete Fälle in die Heilstätten. Es wäre gut, vor der Einweisung eines
Patienten regelmäßig den Kehlkopf zu untersuchen. Schröder und Koch-Schöm-
berg berichten über Einzelheiten der Behandlung.
Der Vorsitzende teilt darauf mit, daß vom Grafen v. Posadowsky ein
Begrüßungstelegramm eingegangen ist.
Prof. Dr. Kayserling aus Berlin besprach in längeren Ausführungen die bis-
herige Entwickelung der Auskunfts- und Fürsorgestellen für Tuber-
kulöse und deren weitere Ausgestaltung. Anknüpfend an den erheblichen
Rückgang der Tuberkulosesterblichkeit in Deutschland, wenige Jahre nach der Ent-
deckung des Tuberkelbazillus und der Einführung der Arbeiterversicherung (die
Sterblichkeit an Lungenschwindsucht ist von 34,6 auf je 10000 Lebende im
Jahre 1882 auf 19,01 von je 10000 Lebenden im Jahre 1904 gesunken) führte
er aus, daß die Statistik den Weg weist, auf dem man der Tuberkulose Herr wer-
den kann: Einerseits Bekämpfung der Tuberkulose auf Grundlage der Erkenntnis,
daB es sich um eine spezifische Infektionskrankheit handelt und Unterordnung aller
Maßnahmen dem Gesichtspunkte der Infektionsverhütung und andererseits weit-
gehendste Ausbildung der Tuberkulosefürsorge auf dem Boden der Arbeiterver-
sicherung. Jede systematische Organisation einer Seuchenbekämpfung erheischt
in erster Linie die Schaflung von Mittelpunkten, in denen die Tuberkuloseverbrei-
tung festgestellt und von welcher aus die Bekämpfungsmaßregeln einheitlich geleitet
werden. Die Bestimmung als Mittelpunkt der Tuberkulosebekämpfung haben die
Auskunfts- und Fürsorgestellen. Diese haben, nachdem sie auf Anregung von
Dr. Freund, dem Direktor der Landesversicherungsanstalt in Berlin, und dem um
das Fürsorgewesen hochverdienten Ministerialdirektor Althoff zentralisiert wurden,
einen schnellen Aufschwung genommen, besonders dank der Propaganda des Deut-
schen Zentralkomitees. Im Jahre 1905 betrug die Zahl der Fürsorgestellen 42,
gegenwärtig 188. Prof. Kayserling legte in seinen Ausführungen besonderen
Nachdruck auf die systematische Familienuntersuchung, die nahezu in allen
Fürsorgestellen geübt wird. Nach einer Rundfrage des Deutschen Zentralkomitees
wurden i. J. 1907 47098 Menschen in den Fürsorgestellen untersucht, für 28000
der Untersuchten ist auch mitgeteilt worden, wie viel als tuberkulös erkannt worden
sind; die Zahl beträgt 13040, also ca. 50 v. H. Hinsichtlich der Fürsorge für die
Vorgeschrittenen betonte der Redner, daß für diese materiell bisher nur wenig
geschehen sei, und daß dahin gestrebt werden müsse, den vollständig Arbeitsun-
fähigen in Ergänzung der Arbeiterversicherung einen gesetzlichen Anspruch auf das-
jenige Existenzminimum zu gewährleisten, das eine angemessene Krankenpflege und
Prophylaxe ermöglicht.
An diesen Vortrag schloß sich eine umfangreiche und eingehende Besprechung,
bei der Redner aus vielen Städten über die Art und Weise berichteten, wie bei
ihnen das Fürsorgewesen gehandhabt wird.
Dr. Becker schilderte die Fürsorgeeinrichtung in Charlottenburg und betonte
vor allem auch in Übereinstimmung mit Stadtrat Samter den Vorzug der städtischen
Einrichtung, während viele andere Redner den Standpunkt vertraten, daß Privat-
BD.XIHI,HEFT 1. >
1908. | | PEAGE: | 93
organisationen mit ausreichender behördlicher Unterstützung beweglicher wären, auch
lieber von dem Publikum in Anspruch genommen würden, das im allgemeinen in
seinen privaten Angelegenheiten vor den Behörden eine Scheu hat. Zu den Ver-
tretern dieser Ansicht gehörte vor allem Dr. Frankenburger-Nürnberg. Dr. Ranke-
München besprach die Schwierigkeit der Arbeitsvermittelung für Tuberkulúse. Auch
vorgeschrittene Tuberkulöse haben oft noch eine beträchtliche Fähigkeit und auch
die Lust zum Arbeiten. Wartet man, bis die Familie durch die Krankheit des
Mannes zugrunde geht, ein Stück nach dem anderen ins Pfandhaus wandert, dann
ist soziale Hilfe meist sehr schwer. Die Kommisson für Arbeitshygiene der Abteilung
für freie Arztwahl in München hat angeregt, Arbeitgeber ausfindig zu machen, die
statt eines Arbeiters mit voller Arbeitskraft zwei mit halber einzustellen bereit sind,
entweder nebeneinander, oder den einen vormittags, den anderen nachmittags. Man
solle auch an Vermittelung von Heimarbeit für Tuberkulöse denken oder an Heim-
stätten, in denen der Kranke die Kosten seines Aufenthaltes abverdienen kann.
Landesrat Liebrecht von der Landesversicherungsanstalt Hannover berichtet
von schlechten Erfahrungen mit Arbeitsstätten. Freilich wurden dorthin Patienten
überwiesen gleich nach der Entlassung aus der Lungenheilstátte, die Sehnsucht nach
Hause hatten. Prof. Pannwitz hält die Ausnutzung der verbliebenen Arbeitskraft
für eine der wichtigsten Aufgaben. Die preußisch-hessische Eisenbahngemeinschaft
hat mit ihren Heilstätten weit bessere Erfolge als andere Stellen, weil sie in der
Lage ist, ihren Tuberkulösen je nach dem Stand der Krankheit passende Beschäf-
tigung zu geben. Sehr wichtig sind im Anschluß an Heilstätten ländliche Kolo-
nien. Chefarzt Dr. Pannwitz von den Kinderheilstätten in Hohenlychen berichtet
von den dortigen ländlichen Kolonien und der Haushaltungsschule. Die Kinder
werden so ausgebildet, daB sie möglichst einen ländlichen Beruf ergreifen können.
Es wird dann auch noch auf Frankreich verwiesen, wo man gefährdete Kinder in
ländliche Erziehung gibt.
Geh. Rat Kehl von der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz betont die
Wichtigkeit der Fürsorgestellen auch für das Land. In einigen rheinischen Kreisen
hat sich die Landesversicherungsanstalt mit der Kreisverwaltung und den Ärzten zur
Einrichtung eines Fürsorgevereins verbunden.
Nächster Redner ist Stabsarzt Dr. Kuhn-Berlin über physikalische Be-
handlung der Lungentuberkulose vermittels der Lungensaugmaske. Die
Saugmaske hat den Zweck, durch eine in abstufbarer Weise erschwerte Einatmung
der Luftverdünnung im Brustraume und hierdurch eine Ansaugung des Blutes nach
den Lungen hin zu bewirken. Dnrch die Blutfülle der Lungen werden die Krank-
heitserreger abgetötet und durch bessere Ernährung des Lungengewebes rasche Ver-
narbung erzeugt. Sehr wichtig ist auch die Kräftigung der Atemmuskulatur durch
die Widerstandsgymnastik bei ruhig gestellten Lungen, wodurch dauernde bessere
Atmung und Blutansaugung und Schutz gegen Neuerkrankung gewährleistet wird. Von
größter Bedeutung ist ferner die nach dem Maskengebrauch eintretende Weitung des
Brustkorbes, die dadurch zustande kommt, daß infolge der verringerten Zwerchfell-
atmung eine vorwiegende Rippenatmung erzwungen wird. Neben der Hebung der
Herzkraft durch reichliche Durchblutung und Ernährung des Herzmuskels bietet das
Verfahren ferner auch den besten Schutz gegen Lungenbluten durch bessere Ernährung,
Kräftigung und Verdickung der Blutgefäße. Überraschend ist es, daß schon bei
ca. 2 Stunden täglicher Anwendung der Saugmaske, ebenso wie in der verdünnten
Luft größerer Höhen eine Vermehrung der Blutkörperchen und des Hämoglobin-
gehaltes des Blutes eintritt und daß durch die dann gleichzeitig hervorgerufene Ver-
minderung der Blutfülle bezw. der Sauerstoffspannung des Gehirnes ein starkes
Müdigkeitsgefühl und hierdurch guter Schlaf erzeugt werden, wie dieses vom Höhen-
klima ebenfalls bekannt ist. Die theoretischen Ausführungen werden durch Tier-
experimente erläutert. Die Erfolge sind sehr gute.
Eine große Zahl von Heilstättenärzten berichten ‘über ihre Erfahrungen mit
BEILAGE ZEITSCHR. f.
94 Nr ` RE, | | TUBERKULOSE
der Saugsmaske. Sie alle haben wenn auch keine Heilungen so doch, besonders in
schweren Fällen, Besserung quälender Beschwerden, in erster Linie der Atem-
not, gesehen.
Dr. Wichmann-Hamburg spricht über Lupusbehandlung. Da meistens
Lupus von der Nasenschleimhaut ausgeht, so ist auf deren Behandlung das meiste
Gewicht zu legen. Eine einheitliche Behandlung gibt es noch nicht. Auf den
Prozeß selbst wirken Tuberkulin, Finsen- Röntgen- und kRadiumbestrahlung. In
gewissen Fällen leisten sie alle Gutes, doch selten allein. Man muß genau nach
dem KrankheitsprozeB die Behandlungsart wählen oder mehrere miteinander ver-
binden, was den Vorzug hat, daß man von dem einzelnen unschädlichere Dosen
nehmen kann. Die beste Behandlung ist in frühen Fällen die radikale Heraus-
schneidung der kranken Stellen.
Zum Schluß spricht Dr. Curschmann, Chefarzt in Friedrichshain, über die
Frage, inwieweit eine Trennungderoffenen Tuberkulosevondergeschlossenen
in Lungenheilstätten erforderlich und durchführbar ist. Redner erörtert
eingehend alle in Frage kommenden Momente und kommt zu dem Schluß, daß
eine Trennung weder erforderlich, noch durchführbar ist, und alle erfahrenen Prak-
tiker stimmen ihm zu.
Darauf wurden durch den Vorsitzenden die wissenschaftlichen Verhandlungen
geschlossen.
Die Kongreßteilnehmer aber und alle Ehrengäste folgten der Einladung von
Hofrat May zu einem feuchtfröhlichen „Bockfrühstück“, dessen wir alle sicher noch
lange dankbarst gedenken werden.
Am Internationalen Tuberkulosekongreß im September in Washington
wird als Führer der Delegierten für das Reich der Geheime Obermedizinalrat
und vortragende Rat im Kultusministerium Prof. Dr. Kirchner teilnehmen.
Um eine Verständigung zwischen den deutschen Teilnehmern am Kongreß
herbeizuführen, ist es wünschenswert, daß alle, die nach Washington gehen
wollen, ihre Adresse dem Schriftführer des Deutschen Nationalkomitees, Prof.
Dr. Nietner, Berlin W. 9, Eichhornstr. 9, mitteilen.
BD.XHI,HEFT 1.
1908.
BEILAGE.
95
VERSCHIEDENES.
Sitzung der Dettweiler - Stiftung.
In unmittelbarem Anschluß an die
Generalversammlung des Zentralkomitees
zur Bekämpfung der Tuberkulose tagte
am 27. Mai in Berlin das Kuratorium
der Dettweiler-Stiftung unter dem
Vorsitz des Geheimen Medizinalrates
Prof. Dr. Fränkel. Die Stiftung zum
Andenken an den vor einigen Jahren
verstorbenen Dr. Peter Dettweiler ist
zugunsten der Heilstättenärzte errichtet
worden. Die Eigenart der Tätigkeit der
Heilstätte läßt im allgemeinen Interesse
besondere Maßnahmen für ihre Versor-
gung gerechtfertigt erscheinen. Nur wenige
von ihnen können pensionsfähig angestellt
werden. Zum Teil haben sie es durch
Gründung eines eigenen Vereins ermög-
licht, mit der „Viktoria“ einen günstigen
Vertrag für den Abschluß von Lebens-
versicherungen zu vereinbaren. Unab-
hängig von der Sicherung, die Pension
und Versicherung für das hohe Alter
oder für die Hinterbliebenen gewähr-
leisten, soll die Dettweiler-Stiftung in
all den Notfällen eingreifen, in denen
Pension und Versicherung keinen Schutz
gewähren, und solche Fälle können gerade
bei den Heilstättenärzten sehr leicht ein-
treten. Vorläufig ist die Stiftung bemüht,
durch größere Zuwendungen und die
Anwerbung ständiger Mitglieder ein für
ihre Zwecke ausreichendes Vermögen an-
zusammeln.
Beiträge und Anmeldungen sind zu
richten an Herrn Kommerzienrat Cohrs,
Berlin W., Linnestraße 4.
Der Berlin - Brandenburger Heil-
stättenverein für Lungenkranke hielt
am 31. Mai seine 14. ordentliche Gene-
ralversammlung unter Vorsitz des Prof.
Dr. v. Leyden ab. Prof. Dr. Nietner
erstattete den Jahresbericht über die
Wirksamkeit des Vereins und seiner Heil-
stätte Belzig im Jahre 1907. Die Mit-
gliederzahl beträgt 504. In der Lungen-
heilstätte Belzig wurden im Berichtsjahr
655 Patienten (einschl. 118 Bestand aus
26 Freistellen. 558 Patienten kamen zur
Entlassung, die Gewichtszunahme bei den-
selben betrug durchschnittlich 2,9 kg. Bei
31,5 v. H. der Patienten konnten bei
der Aufnahme Tuberkelbazillen nach-
gewiesen werden. Die Zahl der Ver-
pflegungstage betrug 44196, darunter
11063 für Freibetten (8889 für die Bleich-
röder - Stiftung) und 10569 für die
Kinderheilstätte, in der 115 Kinder
(46 Knaben und 69 Mädchen) behandelt
wurden. Die Gewichtszunahme bei diesen
betrug durchschnittlich 2,4 kg. Zur Unter-
haltung der Patienten fanden eine Reihe
von Ausflügen, Konzerten und Vorträgen
statt. Die Verpflegung der Kranken war
stets eine gute. Infolge Verbesserungen
des Küchenbetriebes haben sich die Aus-
gaben für die Verpflegung vermindert auf
1,62 Mk, mit der Personalverpflegung auf
1,83 Mk. pro Person und Tag. Dem
Jahresberichte schlossen sich Berichte des
Damenkomitees und des Vertreters der
Bleichröder - Stiftung an. Letzterer
machte die erfreuliche Mitteilung, daß
bei dem guten Stande der Bleichröder-
Stiftung dem Heilstättenverein in diesem
Jahre wieder eine größere Zuwendung
gemacht werden könne. Den Kassen-
bericht erstattete in Vertretung des Schatz-
meisters Geh. Kommerzienrat v. Oppen-
heim Herr Schalow. Die Bilanz des
Vereinsvermögens schloß ab am 1. Januar
dieses Jahres mit 1137 209,79 Mk. (gegen
1116250,39 Mk. des Vorjahres, Der
Jahres-Kassenbericht pro 1907 ergibt eine
Einnahme von 220506,79 Mk, der eine
Ausgabe von 239066,10 Mk. gegenüber-
steht. Die Ausgabe ermäßigt sich jedoch
um 10097,20 Mk. für nicht angekaufte
Effekten. An Verpflegungsgeldern wur-
den vereinnahmt, von Selbstzahlern
98011 Mk., von Kassen, Berufsgenossen-
schaften etc. 48578,08 Mk. Die Mit-
gliederbeiträge ergaben 7854 Mk, ein-
malige Beiträge 1060 Mk., Beitrag der
Bleichröder-Stiftung 38500 Mk., die
Stiftung der Frau Israel 10000 Mk. Effek-
tenzinsen 4970 Mk. etc. Nach Erteilung
1906) behandelt, darunter 333 männliche. | der Entlastung wurden die satzungsmäßig
Die
Bleichröder - Stiftung unterhielt | ausscheidenden Vorstandsmitglieder, die
96
BEILAGE.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
Herren Dr. Paul Friedländer, Bankier
James Hardy, Geheimrat Herz, Kom-
merzienrat Koppel, Prof. Dr. II. Liep-
mann, Syndikus Dr. Springer, General-
arzt Werner, die Damen Frauen Geheim-
rat Anna Borsig, Gräfin Anna v. Dou-
glas, Geheimrat Ehrlich, Prof. Dr.
Edmund Meyer, Geheimrat Olshausen,
Geheimrat Prof. Dr. v. Renvers, Viebig-
Cohn einstimmig wiedergewählt; ebenso
die Rechnungsrevisoren und deren Stell-
vertreter. Der Etat für das Jahr 1908
wurde in Einnahme und Ausgabe auf
247100 Mk. festgestellt. Aus der dem
Verein genehmigten Silberlotterie konnten
60000 Mk. in den Etat eingestellt wer-
den. Die Gehälter der Beamten wurden
um gegen 2000 Mk. erhöht und ein Arzt-
haus, das etwa 45000 Mk. erfordert, soll
in Belzig erbaut werden. Ferner sollen
noch die langgeplante neue Liegehalle
und ein Röntgenkabinett gebaut werden.
Die Generalversammlung gab ihre Ge-
nehmigung hierzu. Der neue Chefarzt
der Heilstätte Belzig, Dr. Freymuth,
hielt zum Schlusse einen Vortrag über:
„Die spezifische Behandlung der Lungen-
tuberkulose in den Heilstätten.“ An die
Generalversammlung schloß sich eine
Vorstandssitzung behufs Wahl des Aus-
schusses.
Jena. Infolge der Bemühungen der
Professoren Krause u. Gärtner hat sich
vor einigen Monaten mit Unterstützung
der medizinischen Fakultät der hiesigen
Universität, der Gemeindebehörden und
der Krankenkassen ein Verein zur Be-
kämpfung der Lungentuberkulose
in Jena und Wenigenjena gebildet, dem
bereits etwa 800 Mitglieder aus allen
Schichten der Bevölkerung beigetreten
sind. Der Verein hat die Verwirklichung
seines Programms sehr energisch in An-
griff genommen und an die Gemeinde-
behörden ein Gesuch um Überlassung
eines geeigneten Grundstückes im Mün-
chenrodaer Grund zur Errichtung einer
Walderholungsstätte gerichtet. Der Ge-
meinderat hat diesem Gesuch entsprochen
und das gewünschte Grundstück auf
10 Jahre zur unentgeltlichen Benutzung
abgetreten. Zu gleichem Zwecke hat die ;
Druck von Metzger
Firma Carl Zeiß 5000 Mk., die deutsche
Zentralstelle zur Bekämpfung der Tuber-
kulose 8000 Mk. zur Verfügung gestellt,
während sich die Thüringische Landes-
versicherungsanstalt in Weimar zur teil-
weisen Tragung der Verwaltungskosten
bereit erklärt hat.
Neuyork. Die Post Graduate Medi-
cal School (Universität des Staates Neu-
york) hat einen Lehrstuhl für Moderne
Phthisiotherapie geschaflen und unserem
geschätzten Mitarbeiter, Herrn Prof. Dr.
S. A. Knopf, den Lehrauftrag für die
neue Disziplin übertragen. Wie rege man
bei unseren Vettern jenseits des Großen
Wassers die Bekämpfung der Tuberkulose
betreibt, dafür möge als Beispiel dienen,
daß man die Knopfsche Preisschrift
„Die Tuberkulose als Volkskrankheit und
deren Bekämpfung“, die schon in die
allerverschiedensten Sprachen übersetzt
ist, nunmehr auch noch ins Norwegische
und ins Chinesische übertragen hat.
Deutscher Verein für öffentliche
Gesundheitspflege. Nach einer Mittcilung
des ständigen Sekretärs, Dr. Pröbsting
in Köln a. Rh., wird die diesjährige Jahres-
versammlung des Vereins in den Tagen
vom 16.—19. September in Wiesbaden
stattfinden, unmittelbar vor der am 20. Sep-
tember beginnenden Versammlung Deut-
scher Naturforscher und Ärzte in Köln.
Folgende Verhandlungsgegenstiinde
sind in Aussicht genommen:
I. Städtische Gesundheitsimter und
ihre Aufgaben. — Referent: Prof. Dr. v.
Esmarch (Göttingen).
2. Wasserversorgung in ländlichen
Bezirken. — Referent: Geh. Oberbaurat
Schmick (Darmstadt).
3. Die Ursachen der „Nervosität“
und ihre Bekämpfung. — Referent: Prof.
Dr. A. Cramer (Göttingen).
4. Die hygienischen Grundsätze für
den Bau von Volksschulen. — Referent:
Stadtbaurat R. Rehlen (München).
5. Die hygienische Bedeutung städ-
tischer Markthallen, ihre Einrichtung und
ihr Betrieb. — Referent: Stadtbauinspektor
Dr. ing. Küster (Breslau).
& Wittig in Leipzig.
Band XIII. Heft 2.
ZEITSCHRIFT FÚR TUBERKULOSE.
HERAUSGEGEBEN VON
B. FRANKEL, F. KRAUS, E. von LEYDEN, W. von LEUBE.
Redaktion: A. KUTTNER,
L ORIGINAL-ARBEITEN
VI.
Blutuntersuchungen auf Tuberkulose-Immunkörper. IT
(Aus dem bakteriologischen Laboratorium der Stadt Köln, Dir. Dr. Czaplewski.)
Von
Dr. Paul Bermbach, prakt. Arzt in Köln.
Jevor ich etwas näher auf die schon!) beriihrte Frage eingehe, ob bei
Le NO meinen Versuchen eine Schädigung der Komplemente durch die
noch über eine Anzahl von Versuchen berichten, die in derselben Weise wie
früher, aber nur mit Alttuberkulin, ausgeführt wurden.
IT. Serie.
Untersuchung des in der Il. Serie benutzten hämolytischen, reaktivierten
Serums.
e I. 0,5 ccm Ser. ?/, + 1,0 ccm Tub. !/, : keine Hämolyse
2. 0,5 » 33 ie +05 » „ Yes: „ DI
Das schon genannte Kaninchen K ging am 8. L 08 an Marasmus ein.
Makroskopisch lieB sich keine Tuberkulose feststellen. Das kurz nach dem
Tode entnommene Serum wurde durch Erhitzen inaktiviert und vor dem Ge-
brauch reaktiviert.
I. 0,5 ccm Ser. K 1/, + 0,5 ccm Tub. */, : keine Hämolyse
2. 05 » » K'!,+05 » ap, “opt 2 ”
KH 05 » a K ale +05 » „ ne : „ „
4. 05 an a K de +05 » ” CH : , ”
5. 0,5 A3 29 K en + 0,5 > 3 ion „ 3
Das Serum K wurde einem Meerschweinchen (M. VIII) subkutan injiziert.
Zwei Tage, nachdem das Tier getótet worden war, wurde sein Serum in nativem
Zustande untersucht:
I. 0,5 ccm Ser. ?*/, + 0,5 ccm Tub. }',,: völlige Hämolyse
pr ! Loa
2. O5 a „ a + O,I 33 ») Er „ „
1) Leider sind im I. Teil meiner Arbeit einige Druckfehler übersehen worden; es ist zu lesen:
auf p. 184, Zeile 17 „Immunkörper‘ statt „Serumkörper‘“ und auf p. 185, Zeile 37 „Menge“ statt
Waage“.
3) =
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIII, 7
ZEITSCHR. f.
PSE ~ TUBERKULOSE
Kaninchen L (cf. Serie II) wurde am 19.1 08 getötet. Bei der Sektion
fanden sich nur verkäste Inguinaldrüsen am geimpften Hinterschenkel. Das
Serum wurde inaktiviert und reaktiviert.
I. 0,5 ccm Ser. !/ +0,5 ccm Tub. !,, : keine Hämolyse
2. 0,5 „ 33 ve +05 » 5 GE : „ „
3. 0,5 3) „ p" F 0,3 3) 39 REH d 23 39
4. 0,5 ” „ ce +01 a ” he : ” 13
5. 0,5 » ” he +05 5 ” à : ” >)
6. 0,5 „ 23 ae +05 » d E ” It
7. 05 » H 1: +01 , ” Ch ` >, D
8. 05 » >) "ie +02 , » gn „ „
9. 0,5 o ») so +01 5), „ no: H „
Meerschweinchen (M. VID, am 24. I. 08 intraperitoneal mit TB. in Rein-
kultur infiziert, ging am 13. II. 08 zugrunde. Die Sektion ergab eine ausge-
breitete Peritonitis tuberculosa. Serum inaktiviert und reaktiviert:
I. 0,5 ccm Ser. }/ +0, ccm Tub. !/, : völlige Hämolyse `
2. 0,5 » ” Së +01 5), ” oh : T ”
3- O,5 » ” SE +05 » ” eh : ” ”
4. 0,5 3) 2) le + 0,3 ” 29 ns : 39 ”
5. 0,5 » DH E +05 » ” et g ” D
6. 0,5 » „ ER +04 » H ee : ” D
7: O5 » ” gore + 0,3 a 33 EI „ ”
Die folgenden Versuche wurden mit Normalseris angestellt; hiervon
waren M. XII, M. IX, und M. X inaktiviert und reaktiviert worden, wahrend
die anderen Sera in nativem Zustande untersucht wurden.
Meerschweinchen M. XII: | :
I. 0,5 ccm Ser. */, +0,5 ccm Tub. !/, : keine Hamolyse
2. O5 » ” e +01 » ” ES : ” ”
3- 0,5 » D SÉ +05 » ” EI völlige ”
4. 0,5 » 3 Al +05 » » Menge „ »
5. O,5 » D SC +02 ,„ „ [so ° 5) »
6. O5 » „ ls +03 » » SE | „ „
7: 0,5 29 ” H FOT ,, 29 Jer : „ „
8. O,5 » d Gleck + 0,4 » ” Ge ” ”
9. 0,5 „ „ Alès + 0,2 » „ E : „ 33
IO. 0,5 3 „ CH + OI 23 „ Gre : 3 nn
Meerschweinchen M. IX:
1 5 ir. LU: `
I. 0,5 ccm Ser. */, +0,5 ccm Tub. ?/,, : keine Hämolyse
2. O,5 » ” Hi +03 p „ eg : ” ”
O m l; + O l; .
3: 2 ” 2) ¡5 5 ” „ ‚100° „ 3)
Meerschweinchen M. X:
I. 0,5 ccm Ser. */ + 1,0 ccm Tub. !, : keine Hämolyse
2. O5 » ” ech +05 » ” En : ” ”
125
BD.XIII,HEFT 2. |
1908. BEBLUNTERSUFEUNGEN ETC. IT. | 99
Meerschweinchen M. XI:
I. 0,5 ccm Ser. !/ +0,5 ccm Tub. ?*', : völlige Hamolyse
1! 1: à
2. 0,5 „ 39 15 T 0,5 d „ 125 * „ ”
e 1 P 1? : >
3. 0,5 9) 3) i 50 + 0,3 29 3) ¡50 D keine 3)
1; - l’ ;
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Kaninchen ©:
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2. 0,5 ” ” "le + 0,5 ” ” WEE ” ”
3. 0,5 T ” KC + 0,5 ” „ ns „ ”
Kaninchen R;
I. 0,5 ccm Ser. *', + 0,5 ccm Tub. Ir keine Hamolyse
2. O,5 » ” a +05 » „ SE „ ”
Kaninchen S:
I. 0,5 ccm Ser. !, +0,5 ccm Tub. */,, : keine Hámolyse
1/ i à
2. 0,5 3) 39 i5 + 0,5 „ ” :30 ° ” | ”
1 1! .
3. O, 5 „ » la + 0,5 „ „ "um * „ „
O Io. +0 I : unvollständige Hämolyse
4. 95 ” „ 15 95 „ „ ¿50 ° 8 y
1; LÉ
5. 0,5 „ „ Je + 0,5 „ „ [su * 33) ”
1; oo. |
6. 0,5 „ „ + + 0,5 „ „ :100° ” „
In Serie III wurden also, ungerechnet die schon früher erwähnten Sera D
und K untersucht 10 Sera; davon rührten her: '
7 von nicht vorbehandelten normalen Tieren (4 Meerschweinchen, 3 Kanin-
chen); 2 von mit Blut vorbehandelten Tieren (1 Meerschweinchen, ı Kaninchen);
ı von einem tuberkulösen Meerschweinchen. Die Gesamtzahl der Versuche
beträgt in Serie III 55. Meine früher gemachte Beobachtung, daß „bei der
stärkeren Serumverdünnung (!/,,) dann die Hämolyse ausblieb, wenn sie auch
bei der schwächeren (!/,) fehlte“, bestätigte sich bei Serum M. XI nicht. Die
Erklärung hierfür ist nicht schwer zu finden: das Serum wurde in nativem
Zustande untersucht und die in der Verdünnung von TL, enthaltenen Komple-
mente genügten nicht mehr zur Reaktivierung des hämolytischen Serums.
Zur Klärung der Frage, ob das Komplement durch das Tuberkulin eine
Schädigung erfährt, habe ich zunächst das Tierexperiment zu Hilfe gezogen;
ausgehend von folgenden theoretischen Erwägungen: da Serum K anscheinend
Immunkörper enthält, so müssen im Blute eines mit diesem Serum immuni-
sierten Meerschweinchens (M. VIII) Antiimmunkörper auftreten. Bei geeigneter
Mischung der beiden Sera K und M. VIII werden also die etwaigen Immun-
körper in Serum K neutralisiert werden und in der Mischung nur noch Komple-
mente enthalten sein. Dieses Serumgemisch wird sich also zur Entscheidung
jener Frage hervorragend eignen. Leider scheiterte jedoch dieser Versuch schon
vor dem Ziele; der Nachweis von Antiimmunkörpern in Serum M. VIII gelang
mir nicht.
Der sichere Weg scheint mir die rechnerische Nachprüfung der sämtlichen
Versuchsresultate zu sein. Wenn das Tuberkulin die Komplemente schädigt,
so muB das Ausbleiben der Hämolyse von einem ganz bestimmten Mengen-
verhältnis zwischen Tuberkulin und Komplementen abhängig sein; es müssen
7*
ZEITSCHR. f
100 nn Far ea = TUBERKULOSE
also die gleichartigen Versuchsreihen ceteris paribus stets die gleichen Resultate
geben. Es wurde nun, um nur einige Stichproben zu machen, beobachtet bei
Gegenwart von
0,1 ccm Ser. + 0,2 ccm Tub.: 15mal keine, 2 mal völlige Hämolyse
O,I yy » +91 ” si Jw „ 2, $ „
OI» » +0,02 ,, ” > 8 » „ 3 » ” „
Ol » » + 09,005 a » © 3» ” O 5) ” „
Diese Zusammenstellung spricht allerdings für eine Schädigung der
Komplemente durch das Tuberkulin, und zwar entsprechend dessen Konzentration,
trotzdem das eine Postulat, gleiche Resultate in den gleichartigen Versuchs-
reihen, nicht erfüllt ist. In der Serie II ist nun vollends zu erwarten, daß die
gleichnamigen Versuche ausnahmslos dasselbe Ergebnis liefern, weil hier stets
die gleiche Menge eines und desselben Normalserums zur Reaktivierung diente,
nämlich ot ccm, und weil alle Versuche hintereinander innerhalb 3 Stunden
ausgeführt wurden, daher auch der Komplementgehalt der einzelnen Proben
stets derselbe war. Hier wurde nun beobachtet bei Gegenwart von
0,1 ccm Ser. + 0,2 ccm Tub.: 8mal keine, 1 mal völlige Hämolyse
"OT » » +0,02 ,, » "A a „ 4 an II „
Der Zufall ist hierbei ausgeschlossen, weil die Versuche sämtlich bei mehr-
maliger Wiederholung stets gleichmäßig ausfielen. Ich glaube nun gerade mit
Rücksicht auf die letzte Zusammenstellung annehmen zu dürfen, daß nicht das
Verhältnis von Tuberkulin zu Komplement, sondern der Gehalt der untersuchten
Sera an Immunkörpern den Ausschlag gibt. Wenn dem aber so ist, so müssen
sich meine sämtlichen Resultate, ohne daß sich Widersprüche ergeben, in die
folgenden Schemata einfügen lassen, namentlich hinsichtlich der in Frage
kommenden Tuberkulinmengen. In den Zeichnungen sollen die nebeneinander
stehenden senkrechten Stäbe K, I, T bedeuten: Komplement, Immunkörper,
Tuberkulin. Durch die Länge der Stäbe wird die Menge dieser 3 Körper
veranschaulicht.
T
Schema II.
Schema III.
Vom theoretischen Standpunkt aus ist zu erwarten, daß
die Hämolyse nicht eintritt, wenn
I. K =0, oder
pega re BLUTUNTERSUCHUNGEN ETC. II. 101
2. | annähernd gleich oder größer als K, T aber gleich oder größer
als I ist (siehe Schema J);
die Hämolyse eintritt, wenn
I. T =0, oder
2. I = O ist, wobei die Größe von T gleichgültig ist (siehe Schema Il;
die Hämolyse eine unvollständige ist wenn
I. I kleiner als K ist, K — I aber immer noch eine gewisse minimale
Grenze übersteigt; hierher muß T mindestens annähernd gleich I sein,
2. [=K und T kleiner als I ist (siehe Schema III).
In Serie I ist von vornherein mit einer Differenz im Komplementgehalt
der einzelnen Sera zu rechnen, da diese bei ihrer Untersuchung weder gleich-
altrig noch reaktiviert waren. Die Größe von I kann demnach auch hier nur
einen relativen Wert haben. Das ist wieder ein Nachteil der Benutzung na-
tiver Sera, falls diese nicht ganz frisch sind. Wir können somit die I. Serie
bei unserer Berechnung mit den beiden anderen Serien nicht in Beziehungen
bringen. Mit der Größe von K und I muß auch die von T variieren. Der
Versuch, die Resultate der I. Serie den oben aufgestellten Schematen anzu-
passen, ist also zwecklos. Das möchte ich jedoch nicht unerwähnt lassen, daß
sich durch die Variabilität von K allein schon der Widerspruch im Verhalten
von Serum E in Serie I und Il erklärt. In den folgenden Serien ist die Größe
von K konstant, denn von den nativen Seris wurde stets nur 0,1 ccm, d. h.
0,5 ccm einer Verdünnung von !/,, zur Untersuchung verwandt, während zu
den inaktivierten Seris immer nur 2 Tropfen Normalserums = 0,1 ccm behufs
Reaktivierung zugesetzt wurden, ferner waren sowohl die nativen wie die
reaktivierenden Normalsera stets gleich alt, sie kamen in allen Fällen 2 Tage
nach ihrer Entnalıme aus dem Tierkörper zur Verwendung. Die Resultate
haben also hier einen absoluten Wert und lassen sich somit mit jeder beliebigen
etwa noch folgenden Versuchsreihe, wenn dieselbe nach dem gleichen Muster
ausgeführt wird, vergleichen. Der Vollständigkeit halber will ich im folgenden
auch die Versuche mit einer unvollständigen Hämolyse in den Kreis meiner
Betrachtungen ziehen.
In Serie II lassen sich in das I. Schema hineinbringen die Sera K, M. IV,
B und D. Hier ist also I gleich oder größer als K und T, dessen Größe hier
wie bei allen anderen Versuchen dieser Serie zwischen 0,2 und 0,02 ccm
schwankt, gleich oder größer als I oder K.
Dem Schema III entsprechen die Sera L, P, E und M. NL Hier ist I
kleiner als K; T muß mindestens gleich I, kann natürlich auch gleich oder
größer als K sein.
I =o in Serum M. II; die Größe von T ist hier irrelevant.
Da in Serie III die Menge des zugesetzten Tuberkulins in den einzelnen
Versuchen sehr variiert, so dürfte es wohl zweckmäßig sein, die einzelnen Sera
getrennt für sich zu besprechen.
1. Hämolytisches Serum; I=K, T(= 0,2 — 0,02) — K.
2. Serum K; I => K, T(= 0,1 — 0,005) — K.
3. Serum M. VII; I = 0; die Größe von T(= 0,02 — 0,002) ist gleichgültig.
ZEITSCHR. f.
102 P. BERMBACH. TUBERKULOSE
4. Serum L; I — K; T(= 0,1 — 0,002) — K.
5. Serum M. VII; I =0; die Größe von T ist nebensächlich.
6. Serum M. XII: trotzdem hier der Wert von K und I in den ersten
7 Versuchen der gleiche bleibt, sehen wir schon vom dritten Versuche ab
völlige, in den beiden ersten Versuchen dagegen keine Hämolyse eintreten.
Es ist deshalb anzunehmen, daß hier I gleich K ist (siehe Schema III), denn
wäre I kleiner als K oder gleich o, so hätte in den ersten 7 Versuchen ent-
weder nur eine unvollständige oder gar keine Hämolyse auftreten müssen.
Dann aber muß im zweiten Versuche T(= 0,02) gleich oder größer sein als K;
im dritten Versuche dagegen muß T(= 0,01) nahezu gleich O sein! Hier be-
gegnen wir also dem ersten Widerspruch in unserer Rechnung!
7. Serum M. IX: I = K, (= 0,02 — 0,005) => K.
8. Serum M. X: I _- K, T(= 0,2 — 0,02) _- K.
9. Serum M. XI: I=o.
10. Serum Q: Lk T(= 0,1 — 0,025) _- K.
11. Serum R: I > K, T(= 0,1 — 0,05) > K.
12. Serum S: Hier liegen die Verhältnisse ähnlich wie bei Serum M. XII.
Die Größe von K und I kann in den einzelnen Versuchen nicht wechseln, da
die untersuchte Serummenge stets dieselbe ist, und ferner mußK gleich I sein
aus denselben Gründen wie bei Serum M. XI. Es muß darum bei Versuch 3
T(= 0,0125) >= K, bei Versuch 4 dagegen T(= 0,01) bedeutend kleiner
als K sein.
Fassen wir also das Verhalten von T in Serie II und III nochmals zu-
sammen, so finden wir, daß in einem Falle T(= 0,01) bedeutend kleiner als
K, ja fast gleich O ist, im anderen Falle T(= 0,002) — K. Das ist ein Wider-
spruch, der hervorgehoben werden muß und der uns gerade in der III. Serie,
wo die einzelnen Sera mit fallenden Tuberkulinmengen untersucht wurden,
begegnet. |
Zur Erklärung dieses Widerspruchs könnte man allenfalls an eine Differenz
im Tuberkulingehalt der einzelnen Tuberkulinflaschchen denken. Zu einem
ähnlichen Schluß kommt ja auch Wolff-Eisner in seiner Arbeit „Über die
Ophthalmo- und Kutidiagnose der Tuberkulose“. (Beiträge zur Klinik der
Tuberkulose, Bd. IX, Heft 1, p. 105): „bei diesem nicht austitrierbaren Produkt
können auch bei Bezug von derselben Fabrik im Einzelfall leicht Differenzen
der Wirksamkeit vorkommen“ Mir selbst wurden für meine Versuche von
den Höchster Farbwerken vorm. Meister, Lucius & Brüning in einem Zwischen-
raum von 3 Monaten 2 Portionen von Tuberkulinpräparaten liebenswürdigst
zur Verfügung gestellt. Meine Vermutung, daß es sich hierbei um Tuberkulin ver-
schiedener Herkunft gehandelt haben könnte, wurde mir jedoch auf meine Anfrage
von der Firma nicht bestätigt, es wurde mir vielmehr mitgeteilt, daß die beiden
Sendungen von derselben Füllung (Op. Nr. 28) stammten. Nach dieser Auskunft
bliebe nur noch die Möglichkeit übrig, daß auch von derselben Kultur her-
rührende Tuberkulinpräparate, je nachdem sie dem oberen oder dem unteren
Teil der Kulturflüssigkeit entnommen sind und je nachdem längere oder kürzere
Zeit nach deren Umschütteln vergangen ist, in ihrem Gehalt an wirksamen
GE BLUTUNTERSUCHUNGEN ETC. II. 103
Bestandteilen variieren. Ist diese Wahrscheinlichkeit auch sehr gering, so bleibt
doch immerhin zu bedenken, ob es nicht ratsam ist, bei Ausführung der -
Bordetschen Reaktion auf die Benutzung allzu starker Tuberkulinverdünnungen
ganz zu verzichten und sich mit mittleren Verdünnungen zu begnügen, da als-
dann die etwaigen Differenzen nicht allzuschwer in die Wagschale fallen.
Nach den verschiedenen an der Hand der drei Serien gemachten Be-
obachtungen komme ich zu dem Schlusse, daß die mit Tuberkulin ausgeführte
Bordetsche Reaktion sich zwar zur Untersuchung von Blutseris auf Tuber-
kuloseimmunkörper eignet, daß sie aber auch in manchen Fällen Fehlschläge
gibt, die sich sehr schwer erklären lassen — ein Schicksal, das sie übrigens
mit manchen anderen in die Diagnostik eingeführten Reaktionen teilt.
> ZEITSCHR. f.
104 E TUBERKULOSE
VII.
Das Tuberkuloseserum Marmorek.
Von
Chefarzt Dr. F. Köhler,
Heilstätte Holsterhausen-Werden bei Essen Ruhr.
L
lie auffallende biologische Erscheinung der Tuberkulinreaktion in
: ihrer verschiedenen Intensität im tuberkulösen Organismus ist bisher
“4 einer einheitlichen, sicher geklärten Auffassung noch nicht zugänglich.
Nach den eingehenden Untersuchungen von Wassermann und Bruck, die
auch von Lüdke bestätigt, dagegen von Weil und Nakajama, sowie von
L.Rabinowitsch keine volle Zustimmung erhalten haben,!) gelingt es allerdings,
eine äußerst geringe Menge von Antituberkulin im tuberkulösen Herde nach-
zuweisen. Von der Verbindung des Antituberkulins mit dem in den Körper
eingeführten Tuberkulin soll nun das Auftreten der Reaktion abhängen, ins-
besondere soll der Mangel der Reaktion bei Schwertuberkulösen damit erklärt
sein, daß das in die Zirkulation gelangte Antituberkulin bereits in der Zirku-
lation mit dem Tuberkulin zusammentritt und somit eine einseitige Beeinflussung
des Organismus verhindert wird.? Die der Wassermannschen Anschauung
zugrunde liegende Theorie ist geistvoll und gut durchgearbeitet, ob sie in-
dessen sich mit den tatsächlichen Verhältnissen im tuberkulinisierten Organismus
deckt und die volle Grundlage trifft für die auf sicher schwierig analysierbare
Feinheit abgestimmte biologisch-chemische Reaktion, steht noch dahin.
Eins scheint mir allerdings ziemlich sicher festzustehen, und diese Er-
kenntnis ist nicht von unwesentlicher Bedeutung: Die Tuberkulinreaktion
knüpft sich in erster Linie an die Tätigkeit der Tuberkelbazillen selbst,
nicht an das tuberkulöse Gewebe. Denn nach den interessanten Versuchen
von Preissich und Heim, welche Tuberkelbazillen in Kollodiumsäckchen in
die Peritonealhöhle von Versuchstieren brachten und durch spätere Injektionen
von Tuberkulin nachwiesen, daß Fieberreaktion entsteht, scheint die Annahme
wohl gerechtfertigt, daß selbige schon zu beobachten ist, wenn Tuberkelbazillen
nur in einer die Osmose ermöglichenden Membran im Körper vorhanden sind.
Demgemäß scheint in erster Linie die Tuberkulinreaktion an das Vor-
handensein von Giftprodukten der Tuberkelbazillen geknüpft zu
sein, was wiederum die Existenz produzierender Bazillen voraussetzt. Tuber-
kulöses Gewebe ist also zur Entstehung der Tuberkulinreaktion nicht erforder-
lich. Auf Grund seiner im Kaiserlichen Gesundheitsamte vorgenommenen
Versuche stimmt auch Weber dieser Auffassung zu.
Wenn nun auch bei Gesunden gelegentlich Fieberreaktion nach Tuber-
1) Ich verweise ferner auf die sehr bemerkenswerte Arbeit von S. Cohn „Über komplement-
bildende Antikörper und ihre Beziehungen zur Tuberkulinreaktion“ in Berl. klin. Wchschr. 1908,
Nr. 28, nach der auf Grund eingehender Untersuchungen die Natur und Bedeutung der durch die
Bordet-Wassermann-Brucksche Versuchsanordnung nachweisbaren Tuberkuloseantikörper noch
völlig unbekannt erscheinen.
3) Vergl. dagegen ebenfalls S. Cohn, Le
een DAS TUBERKULOSESERUM MARMOREK. 105
kulin, insbesondere aber bei 1 cg überschreitenden Dosen, auftritt, so mag in
einzelnen Fällen angenommen werden, daß zeitweise auch im Kreislaufe bei
Gesunden gelegentlich Gift produzierende Tuberkelbazillen kursieren, ohne daß
diese eine organische Destruktion hervorrufen, sondern vielmehr alsbald wieder
eliminiert werden. Das stimmt ja auch mit der praktischen Erfahrung überein,
daß keineswegs jeder, einer gelegentlichen Tuberkuloseinfektionsgefahr aus-
gesetzte gesunde Mensch nun auch sofort an Tuberkulose erkrankt. Die
Saugmanschen Untersuchungen über die Erkrankungen der Lungen- und
Halsärzte, das Ergebnis der Sektion der Leiche Moritz Schmidts, der von dieser
im Hinblick auf seine jahrzehntelange laryngologische Praxis und scine zahllosen
Untersuchungen tuberkulöser Kehlkopfkranker einen Gewinn für die wissen-
schaftliche Auffassung der Überlebenden erwartete, bilden einen genügenden
klinischen Grund für die Anschauung, daß zur Erkrankung der Bazillus allcin
nicht genügt. Hier liegt ein Angelpunkt für die Unzulänglichkeit bakterio-
logischer Anschauungsform hinsichtlich der praktischen Pathologie.
Weiterhin aber ist die Möglichkeit ebenfalls vorhanden, daß die Fieber-
reaktion Gesunder nach Einverleibung von Tuberkulin auf eine toxische Reizung
des wärmeregulicrenden Zentrums, dessen Erregbarkeit zweifellos recht ver-
schieden bei den einzelnen Individuen ist, zurückzufuhren ist, so daß die Fr-
scheinung in das Gebiet der pathologischen Physiologie, also in die Lehre der
Physiologie des artetiziell pathologisch veränderten Organismus, gehört.
Für die Frage der Entstehung der Tuberkulinreaktion ist neuerdings die
Erscheinung der Ophthalmoreaktion wie der kutanen Reaktion des
Tuberkulösen von Wichtigkeit geworden. Die meisten Autoren glauben an
eine gesteigerte Empfindlichkeit der Zellen des tuberkulösen Organismus, also
des Gewebes, und kommen zu dem Schlusse, daß eine lokale Antikörper-
bildung im tuberkulösen Organismus statthat. Diese Auffassung geht also
über die Wassermannn-Brucksche Auffassung, die eine Antituberkulinbildung
im tuberkulösen Herde selbst annimmt, hinaus. Nun aber ist die Ophthalmo-
reaktion wie die kutane Reaktion nach zahllosen Erfahrungen nicht nur im
Stadium der Entwickelung des tuberkulösen Prozesses zu beobachten, sondern
ebenfalls bei abgelaufenen Prozessen. Es gleicht also, wie Predtetschenski
richtig bemerkt, der Wert der genannten Reaktionen dem der Sektion. Sie
geben keine klinische, sondern eine anatomische Diagnose. Darin liegt die
Bedeutung, aber auch der Mangel der Reaktionen. Es besteht somit die Auf-
fassung zu Recht, daß bei einmal stattgehabter Tuberkuloseinfektion eine über-
empfindliche Reaktionsfähigkeit zum mindesten der Haut- wie der Kon-
junktivalzellen zurückbleibt. Die tuberkulöse Infektion rüstet also nicht
nur die tuberkulös affizierte, sondern auch die gesunde Zelle mit
einer Überempfindlichkeit, welche möglicherweise in der Fähigkeit
gesteigerter Antikörperbildung besteht, aus. Die Bindung des ge-
bildeten Antituberkulins mit dem Tuberkulin führt alsdann zu einer entzünd-
lichen lokalen Reaktion. Indessen ist diese Auffassung noch nicht hinlänglich
cesichert. Eine kritische Erörterung dieser Verhältnisse bchaite ich mir vor.
Für die Tuberkulininjektion und ihre Folgen bleibt nun weiterhin das
e ZEITSCHR. f.
106 F. KÓHLER. TUBERKULOSE
Rätsel übrig, warum die Intensität der Reaktion keineswegs proportional der
Ausdehnung des tuberkulösen Prozesses ist. Es scheint, daß die akuten Prozesse,
speziell die frischen Spitzentuberkulosen, besonders heftig auf eine Tuberkulin-
injektion reagieren, während mit der Ausdehnung des Prozesses, oder vielleicht
besser gesagt mit dem Älterwerden der Lungentuberkulose die Reaktionsfähig-
keit des Körpers abnimmt, so daß gar nicht selten bei schwer Tuberkulösen
die Reaktion völlig ausbleibt, eine Erscheinung, aus der Wolff-Eisner für
seine Ophthalmoreaktion prognostische Schlüsse zu ziehen den Versuch machte.
Mit diesen Ideengängen kommen wir denn auf die Grundlagen, auf denen
Alexander Marmorek seine Theorie und die Gewinnung seines Antituber-
kuloseserums aufbaute.
Nach Marmorek spielt zweifellos die Qualität der Bazillen selbst, ihre
biologische Leistungsfähigkeit eine ausschlaggebende Rolle. Wir haben ferner
in sämtlichen Serumfragen mit dem Begriff der „Gewöhnung“ zu rechnen,
unter der wir biologisch eine Herabsetzung der Giftsensibilität der
Zelle, eine Passivität, uns vorzustellen haben, welche in einer Hemmung der
vital-energetischen Reaktionsfähigkeit der Zellen besteht, und andererseits mit
dem Begriff der „Überempfindlichkeit“, in der wir umgekehrt eine Steigerung
der Giftsensibilität der Zelle, eine Steigerung vital-energetischer Reaktions-
fähigkeit, erblicken.
Die Vorstellung Marmoreks, daß die Tuberkelbazillen, je nach dem
Nährboden, einen verschiedenen Stoff absondern, ist durchaus plausibel, sobald
man die Tatsache festhält, daß der Stoffwechsel und das Produkt desselben,
die Absonderung, abhängig sein muß von der Natur der aufgenommenen
Stoffe. Ob indessen die Verschiedenheit der abgegebenen Bazillenstoffwechsel-
produkte stets die gleiche Giftigkeit für die Bazillen selbst bedingt, ob auf
Grund dieser Dinge eine therapeutische Wirkungsweise in dem tuberkulös
infizierten Organismus errungen werden kann, in dieser Frage muß schließlich
die klinische Beobachtung das letzte Wort sprechen. Jedenfalls reiht sich,
wie ich schon an anderer Stelle hervorgehoben habe, die Auffassung Mar-
moreks von der Verschiedenheit der Absonderungen der Tuberkelbazillen
nach dem Nährboden durchaus in unsere Auffassungen vom Naturgeschehen
ein, ja vielleicht ist hier auf ein Naturprinzip hingewiesen, das in der Zu-
kunft noch zu wichtigen Erkenntnissen führen wird. Meines Erachtens sind
wir geneigt, die gesamte Biologie der Mikroorganismen noch unter
viel zu einseitigen Gesichtspunkten zu behandeln und bei der Ver-
knüpfung derselben mit pathologischen Fragen mikrochemische
Probleme außer acht zu lassen. Die Lehre vom Stoffwechsel der
Bakterien, insbesondere von den Beziehungen der biologischen
Vorgänge in den Mikroorganismen zu den Nährböden liegt noch
im argen, und die Frage nach den Gründen der Schwankungen der
Virulenz der Bakterien und den Beziehungen dieser Schwankungen
zu der Infektion bedarf noch recht gründlicher Bearbeitung.
Der von Marmorek bei der Züchtung von Tuberkelbazillen auf „leuko-
toxischem Serum“ gewonnene Stoff ist zweifellos von den Robert Koch-
delta nie DAS TUBERKULOSESERUM MARMORER. 107
schen Tuberkulinen verschieden. Ob aber die Auffassung Marmoreks, daß
die Wirkung des Kochschen Tuberkulins deshalb einseitig sei, weil es bei der
Immunisierung von Impftieren nur Antituberkulin zu bilden imstande sei, gegen-
über andersartigen Giften der Tuberkelbazillen dagegen naturgemäß wirkungslos
bleibe, zu Recht besteht, möchte ich nicht ohne weiteres annehmen. Die
zweifellos eigenartig verschiedene Wirkung des Kochschen Tuberkulins im
tuberkulösen Organismus hängt meines Erachtens viel inniger zusammen mit
der Verschiedenheit des Charakters der Tuberkuloseinfektion in
den verschiedenen Individuen, welcher seinerseits wiederum von dem
individuellen Verhalten des Körpers gegenüber der bakteriellen
Noxe und von der Giftstärke dieser abhängig ist.
Aus seiner Vorstellung heraus, daß das Kochsche Tuberkulin die Tuberkel-
bazillen zur Absonderung eines Toxins anrege und somit nur eine vorbe-
reitende Rolle spiele, erklärte Marmorek auch die von Buchner, Matthes
und anderen betonte Tatsache, daß Substanzen von ähnlicher Zusammen-
setzung, wie das Tuberkulin, Proteide, Albumosen, insbesondere die Deutero-
albumosen (Matthes), die Reaktion hervorrufen.
Die Züchtung der „primitiven Bazillen‘ unter einem besonderen Nähr-
milieu strebte nun an, den Bazillen auch außerhalb des Organismus einen ähn-
lichen günstigen Nährboden zu gewähren, wie im Körper des Infizierten, und
die Sekretionsprodukte würden nach Marmoreks Auffassung auf diese Weise
am ehesten denen, welche im Körper gebildet werden, identisch werden. Mit
der auf diese Weise gewonnenen Substanz gelang es Marmorek in der Tat,
Meerschweinchen gegen die subkutane Impfung von 1—2 Tropfen einer
schwach opaleszierenden Aufschwemmung von Bazillen zu schützen. Der
tierexperimentellen Grundlage entbehrt also die Methode Mar-
moreks nicht. Indessen ist praktisch damit noch nicht der letzte Schritt
zur Notwendigkeit der Wirkungsweise beim Menschen gegeben. Es liegt das
daran, daß ohne Zweifel der menschliche Organismus in seiner Totalität wie in
seiner Einzelzellenbiologie doch himmelweit vom Meerschweinchenkörper ver-
schieden ist und auch der Tuberkuloseinfektion wie deren Bekämpfung gegen-
über sich durchaus andersartig verhält. Das Meerschweinchen verhält sich
seiner Zellenkonstitution nach zweifellos sehr empfänglich gegenüber der Tuber-
kuloseinfektion, während das im allgemeinen vom Menschen nicht gesagt werden
kann. Vielmehr ist die Empfänglichkeit der einzelnen Menschen gegen-
über der Tuberkuloseinfektion äußerst variabel, ja höchst wahrschein-
lich ist die Empfänglichkeit des einzelnen Individuums zu verschiedenen Zeiten
und unter den verschiedensten Bedingungen schon recht wechselnd.
Somit kann es wohl kaum wundernehmen, wenn die Ergebnisse der
therapeutischen Anwendung des Marmorekserums nicht ohne weiteres ein-
heitliche Resultate gezeitigt haben. Die bakterizide Wirkung kommt in
zahlreichen Fällen sicher nicht zur vollen Geltung. Wenn besonders von Frey
die rektale Darreichung empfohlen wurde, so schieben wir damit wiederum ein
neues Moment ein, das möglicherweise hemmend wirken muß. Wir wissen
nämlich nichts über die Gesetzmäßigkeit der Resorption für die Mar-
ZEITSCHR. f.
108 F. KOHLER. TUBERKULOSE
moreksche Flüssigkeit; ähnlich wie bei der Anwendung von Tuberkulin-
suppositorien!) habe ich mehrfach den Eindruck gewonnen, daß in nicht wenigen
Fällen die Resorption vom Darm eine geringe ist. Es liegt das wohl daran,
daß überhaupt die Darmresorption bei den einzelnen Menschen äußerst ver-
schiedenartig ist, gelingt es doch durchaus nicht in gleicher Weise, z. B. bei
Mastkuren, gleiche ,,Ansatz“erfolge zu erzielen, was nicht allein in der Auf-
nahme der Zellen, der Assimilationsfähigkeit, gelegen sein dürfte, sondern
ebenso in der mangelhaft entwickelten Resorptionsfähigkeit der Darmzotten.
Bekanntlich sind nicht alle guten Esser auch die korpulentesten und die
schlechten Esser die magersten, hier spielen individuelle Vitalvorgänge
der Resorptionszellen zweifellos eine große Rolle. Zunächst also begeben
wir uns mit der Klysmadarreichung des Serums schon auf einen unsicheren
Weg und dann geht die Unsicherheit weiter, wenn wir die Frage beantworten
sollen, ob nun tatsächlich im Organismus das Marmorekserum zu einer
Bakterizidie befähigt ist.
Die klinische Erfahrung läßt dies höchst fraglich erscheinen. Die
Durchsicht der Literatur ergibt, daß die Resultate äußerst ungleich aus-
gefallen sind. Eine Besprechung im einzelnen erübrigt sich wohl, zumal ich
einen großen Teil der vorliegenden Erfahrungen bereits in einem Referate im
„Internationalen Zentralblatt für die gesamte Tuberkuloseliteratur 1906, Nr. 2,
besprochen und literarische Mitteilungen in den ,,Fortschritten der Medizin‘
1906, Heft 29, gegeben habe. Eine vollständige Übersicht der vorliegenden
Literatur habe ich meiner Abhandlung beigegeben, bei deren Anfertigung mich
Herr Dr. Marmorek in Paris in dankenswerter Weise unterstützte. Die Re-
präsentanten der begeisterten Anhangerschaft des Serums sind Frey und Ull-
mann, die Gegenpartei bilden Krokiewicz, Engländer, de la Camp,
Stadelmann und Benfey, Holmboe. Auf der Mittellinie mit Neigung zur
günstigen Beurteilung stehen Hoffa, Monod, Stephani. Die Franzosen neigen
zum größeren Teile der günstigen Bewertung des Serums zu, während man in
Deutschland außerordentlich ungleiche Erfahrungen gemacht hat. Nicht klein
ist die Zahl derer, welche jede Einwirkung vermissen und das Serum unbe-
friedigt verlassen haben. Verhältnismäßig gering ist die Zahl derer, welche
direkte schädliche Folgen nach Anwendung des Serums gesehen haben.
Aber mit dieser Erfahrung ist die Medizin keinen Schritt weiter gebracht, zum
mindesten muß sich zu dem Bewußtsein, dem Kranken nicht geschadet zu
haben, auch die Gewißheit, ihm genützt zu haben, hinzugesellen. Von dieser
ist indessen in vielen Fällen nichts zu merken.
Fasse ich nun die von den verschiedensten Seiten gemachten Erfahrungen
zusammen, so komme ich zu dem Schlusse, daß sich bisher das Serum
Marmorek ein Anrecht auf das Prädikat eines guten, zuverlässigen
Tuberkulosemittels nicht hat erwerben können. Die begeisterten
Anhänger mögen aus zahlreichen Mißerfolgen oder Indifferenz zeigenden Resul-
taten anderer gewissenhafter Untersucher entnehmen, daß ein begeisterter Opti-
mismus, wie so häufig in medizinischen Dingen, nicht am Platze ist, die ener-
l) Vergl. dazu A, Lissauer, Dtsch. med. Wehschr. 1907, Nr. 33.
Ep al DAS TUBERKULOSESERUM MARMOREK. 109
i a nn oe EI
gischen Gegner mögen aus nicht gerade selten beobachteten erfreulichen Er-
gebnissen sich belehren lassen, daß das Serum nicht durchweg schlechte
Resultate zeitigt. Je größer das Material, desto sicherer wird sich ein er-
schöpfendes Bild gewinnen lassen. Auch meine Erfahrungen werden in diesem
Hinblick einen nicht wertlosen Beitrag zu liefern geeignet scin.
IL
Ich habe im ganzen 60 Fálle mit dem Serum Marmorek behandelt
und vor allen Dingen Fälle dieser Behandlungsmethode unterzogen, von denen
ich einen Erfolg durch eine physikalisch-diätetische Kur allein nicht recht er-
wartete. Naturgemäß handelte es sich also um fortgeschrittenere Fälle, bei
denen immerhin eine Hoffnung auf Besserung recht wohl bestand und bel
denen eine Besserung oder ein Stillstand mit weit größerem Rechte dem Serum
zugeschrieben werden mußte, als wenn man leichte Fälle mit der Serummethode
behandelt hätte, bei denen eine Spontanheilung nicht selten erreicht oder bei
denen eine Heilstättenkur allein schon vollen Erfolg zeitigen wird. Die Dauer
der Behandlung betrug 3 mal bis zu 5 . Wochen und mußte dann wegen
zwingender Gründe, nämlich einer evidenten Verschlimmerung, abgebrochen
werden. Zwischen 50—60 Tagen wurden 4, zwischen 60—70 Tagen 2, zwischen
70—80 Tagen 5, zwischen 80—go Tagen 6, zwischen 90—100 Tagen 22,
zwischen 100—110 Tagen 4, zwischen 110—120 Tagen 6, zwischen 120—130
Tagen 4, 157 Tage 1, 171 Tage 1, 184 Tage 1, 194 Tage 1 behandelt.
Die Darreichung geschah per rectum morgens nach Entleerung des
Darmes. Nur in 2 Fällen habe ich versucht, das Serum intravenós zu geben,
was bei einer Dosis von 5 ccm recht wohl gelang. Als ich bei 2 verschiedenen
Patienten 10 ccm injizierte, beobachtete ich kurz hinterher einen Besorgnis
erregenden Kollaps, so daß bei der intravenösen Injektion keinesfalls über die
Menge von 5 ccm Serum hinausgegangen werden sollte.
Die Dosierung war eine verschiedenartige. Meist habe ich anfangs
10 Tage lang täglich 5 ccm Serum per rectum injiziert, dann eine Pause von
10 Tagen eintreten lassen, dann folgte ein Turnus von 10 Tagen mit täglich
Io ccm, dann wiederum 10 Tage Pause, sodann 10 Tage täglich 5 ccm oder
10 ccm, 10 Tage Pause etc. In einer anderen Serie habe ich das Serum ohne
Pause 2tägig zu je 5 ccm oder je IO ccm geben lassen; einzelne Variationen,
tägliche Darreichung, sind ebenfalls gemacht worden und aus den Protokollen
ersichtlich. Abweichungen durch gelegentliche Verhinderung sind ebenfalls
dort notiert. Ein besonderes Schema für die Darreichung als besonders zweck-
mäßig habe ich nicht finden können. Ich glaube, daß die meisten eine 2 tägige
10 ccm-Darreichung recht wohl vertragen, zumal mit verschiedenartiger und
gewiß nicht selten gehemmter Darmresorption gerechnet werden muß.
Es wurden im ganzen 16295 com Serum verabreicht, welche Menge
sich auf die einzelnen Kranken in der in den Protokollen angegebenen Weise
verteilt. Die Möglichkeit, an unbemittelte Patienten das Serum abgeben zu
können, wurde durch die Bereitwilligkeit der Landesversicherungsanstalt Rhein-
provinz sowie der Fabrikkrankenkasse der Gewerkschaft Deutscher Kaiser zur
x ZEITSCHR. f.
IIO Ben allen. SR TUBERKULOSE
Kostenübernahme geschaffen. Die Kosten sind keine geringen, da 5 ccm Serum
sich immerhin auf 2,30—2,50 Mk. stellen, wenn man es von Paris direkt be-
zieht (Apotheke Ferdinand Roques, Paris, Boulevard St. Croix de la Bre-
tonnerie); ein nicht unbedeutendes Quantum stellte uns Herr Dr. Marmorek
bereitwillig unentgeltlich zur Verfügung, wofür an dieser Stelle nochmals unser
Dank ausgesprochen sel.
Die Resultate waren nun äußerst ungleich.
Gehe ich zunächst auf die unerfreulichen Vorkommnisse ein, so ist
zu verzeichnen, daß in 7 Fällen Blutungen während der Kur zur Beobachtung
kamen; in einem Falle war dieselbe so heftig, daß der Kranke in der Blutung
verstarb. Lege ich auch nicht etwa durchweg das Vorkommen von Blutungen
dem Serum zur Last, so ist immerhin bemerkenswert, daß das Serum das Auf-
treten einer solchen nicht verhindern konnte, und daß in keinem einzigen Falle
etwa nach der Blutung sich eine Besserung eingestellt hatte. In einem Falle
(Nr. 5) traten multiple Abszesse auf, obwohl die rektale Methode ausschließlich
zur Anwendung gekommen war, im Anschluß daran maligne Kniegelenkstuber-
kulose, so daß das Bein amputiert werden mußte. Außerdem stellte sich
während der Behandlung Blutung ein und zeitweise Fieber. Derselbe Kranke
klagte schon nach den ersten Tagen der Serumanwendung über starke, neu
auftretende Schweiße, Kopfschmerzen und Brustziehen. Der Kranke befindet
sich zurzeit noch in Krankenhausbehandlung.
In 2 Fällen äußerte sich eine eigenartige psychische Einwirkung.
Einer wies die Zeichen einer geradezu verblüffenden psychophysischen Gleich-
gewichtsstórung auf, über die ich mich bereits eingehend in Brauers ,,Bei-
trägen zur Klinik der Tuberkulose“ Bd. VI 1907 geäußert habe, mit völliger
Verkennung seines schweren Zustandes und mit ausgesprochenem Zwangslachen.
Der Patient ist bald nach der Entlassung gestorben. Der zweite Kranke
wünschte in einer Art von Vagiertrieb an kaltem Winterabend den von hier
etwa Io Stunden betragenden Weg nach Dortmund, in aufgeregter Gemüts-
verfassung, zurückzulegen und konnte nur mit größter Anstrengung beruhigt
werden.
In ı Falle entwickelte sich eine aller Behandlung trotzende Kehlkopf-
tuberkulose. Dazu nahm der schon anfangs bestehende Diabetes sichtlich
zu. Der Erfolg war ein durchaus ungünstiger.
In 2 Fällen entwickelte sich eine sichere Darmtuberkulose, bei ı Falle
blieb die Diagnose des tuberkulösen Ursprunges nicht ganz sicher, es gesellte
sich indessen Appetitmangel und dauernder Kopfschmerz hinzu. In ı Falle
wurde über heftige Unterleibsschmerzen geklagt, welche auf peritoneale
Reizungen bezogen werden mußten.
In 1 Falle entwickelte sich allmählich ein Mastdarmabszeß.
In 12 Fällen trat Fieber auf, bei vorher normaler Temperatur. In
3 Fällen steigerte sich das Fieber bei vorher leichten Temperaturerhöhungen.
In 5 Fällen blieb das leichte und mittlere Fieber völlig unbeeinflußt bestehen,
in 2 Fällen wurde es sehr unsicher beseitigt, während nur in 2 Fällen vorher
bestandenes Fieber beseitigt werden konnte.
ED RESTE. DAS TUBERKULOSESERUM MARMOREK. III
Bezüglich der Lungenveränderungen machte ich folgende Be-
obachtungen: Besserung des Lungenbefundes, zum Teil aber nur sehr
gering, trat ein in 22 Fällen, unverändert blieb derselbe in 18 Fällen, ver-
schlechtert hatte sich der Lungenbefund trotz Serumbehandlung in 20 Fällen.
Eine ausgesprochene Verschlechterung des Gesamtzustandes trat in ı5 Fällen
ein. Besserung subjektiver Beschwerden und Symptome erfolgte in
21 Fällen, unverändert blieb Husten, Auswurf, Atemnot, Appetit etc. in 26 Fällen,
eine bedeutende Verschlechterung dieser trat in ı3 Fällen auf. — Herz-
störungen wurden in auffallender Form nicht beobachtet.
Tod während oder kurz nach der Behandlung erfolgte in 4 Fällen.
Günstiger gestaltete sich unter der Behandlung die Zunahme des Ge-
wichtes in den einzelnen Fällen. Trotz verschlechterten Lungenbefundes nahm
häufig das Gewicht auffallenderweise zu, so daß diese Beobachtung wiederum
mahnt, die Prognose nicht etwa vorzugsweise von der Gewichtskurve abhängig
zu machen. |
Sehr gute Gewichtszunahme (über 3!/,—4 kg) zeigten 17 Fälle,
mäßige Gewichtszunahme (bis 3!/, kg) 16, sehr geringe Gewichts-
zunahme 14, unverändertes Gewicht 5, Gewichtsabnahme 8. `
Fast ausschließlich wurden in den Fällen, bei denen die Untersuchung
das Vorhandensein von Tuberkelbazillen ergeben hatte, auch bei der Ent-
lassung Tuberkelbazillen gefunden, nur in einem Falle bei anfangs vorhandenen
Tuberkelbazillen war der Auswurf bei der Entlassung nicht mehr zu gewinnen.
Ein Fall war anfangs bazillenfrei, bei der Entlassung war der Auswurf bazillen-
haltig. Auf diese beiden letzteren Fälle lege ich keinen sonderlichen Wert,
da bei geringem Bazillengehalt oder bei starker Verminderung des Auswurfes sich
Fehlerquellen für die Beurteilung des Bazillenhustens nicht vermeiden lassen.
Damit hätte ich in Kürze die Ergebnisse charakterisiert. Es leuchtet
aus denselben sofort die eigenartige Unregelmäßigkeit hervor. Zweifellos
ist eine gründliche Besserung nicht mehr in den Anfängen stehender Lungen-
tuberkulose unter dem Einfluß des Serum Marmorek selten, sofern man
darunter eine gleichmäßige Besserung des Lungenbefundes, des Allgemein-
zustandes (Gewichtes), der Symptome (Husten, Auswurf, Atemnot) und der
subjektiven Beschwerden (Brustschmerzen, Stiche, Mattigkeit) versteht.. Dagegen
ist eine Besserung in einer der angegebenen Richtungen im einzelnen Falle
durchaus häufig. Es ist nach 3—4 monatiger Behandlung alsdann noch nicht
zu übersehen, welche Rückwirkungen diese einseitige Besserung auf die Ge-
staltung der übrigen Verhältnisse ausübt. Es ist an sich recht wohl möglich,
daß eine Besserung des Hustens und der Atemnot auf die Tuberkulose der
Lunge durch die veränderten Blutverhältnisse auf Grund regelmäßiger Atmung
weiterhin gutartig einwirkt, auch kann die Möglichkeit, daß eine Gewichts-
zunahme eine Besserung der allgemeinen Widerstandskraft inauguriert, nicht
geleugnet werden; ob die Gewichtszunahme vielleicht schon der Ausdruck der
gesteigerten Leistungsfähigkeit ist, mag auch nicht ohne weiteres von der Hand
gewiesen werden. Trotz alledem aber bleibt es recht unbefriedigend, daß in
nicht weniger wie 38 Fällen sich der Lungenbefund offenkundig verschlechterte,
II 2 TUBERKULOSE
F. KOHLER. ZEIT SCHR. 2
oder aber völlig unverändert ungünstig blieb und nur in 22 Fällen das Wort
Besserung, selbst bei weitestgehender Liberalitat, Anwendung finden konnte.
Aus den erwahnten unliebsamen Vorkommnissen geht ferner hervor,
daß eine allgemeine Verträglichkeit des rektal angewandten Serums nicht
behauptet werden kann. Störungen der Darmtätigkeit bis zur Darmtuberkulose
werden zum mindesten nicht verhindert, in manchen Fällen vielleicht pro-
voziert. Subjektive neue Beschwerden, wie Kopfschmerz, Brustschmerz und
Unterleibsschmerzen, frische Temperaturanstiege kommen zur Beobachtung
und drücken zweifellos ein aufrichtiges Vertrauen zu der Behandlungsmethode
herab. |
Zur richtigen Würdigung der Schlüsse und zum Beleg gebe ich hier
summarisch die Krankengeschichten der 60 Kranken wieder, aus denen
auch manche Einzelheit wichtig sein dürfte.
1. Josef Linnhoff, 45 J., Förster, 18. XII. 06—0. II. 07. Dauer: 54 Tage.
Keine Belastung. 3. Kind. Beginn angeblich vor 4 Jahren mit starkem
Husten, später Auswurf, nach 8 Monaten Blutspucken 14 Tage lang. Vor 2 Jahren
Atemnot, Mattigkeit; vor 3 Wochen noch einmal Blutspucken, Fieber unbekannt.
Befund: R. Scap. verkürzt.
R. Clav.: Reichliche kleinblasige, halbtrockene Rasselgeräusche, unterhalb desgl.
mit Knarren bis VI. Rippe, auch A. L. L. Clav.: Trockenes Rasseln, verschärfte
Atm., unterhalb Atm. verschärft. A. L.: frei. L. Scap.: Trockenes Rasseln bis zur
Mitte, verschärftes Atmen. R. Scap.: Reichliche kleinblasige, halbfeuchte Rassel-
geräusche, nach unten zu abnchmend.
Tbaz.: +; Gewicht: 65 kg, bei der Entl.: 68,5 kg; Tp.: dauernd normal,
höchstens 37°. Viel Husten.
Während der Kur: Komplikationen infolge Durchfälle in der
8. Woche mit starken Kopfschmerzen.
Bei der Entlassung: Klage über Appetitmangel. Kein Husten; mäßiger
Auswurf. Häufig Kopfschmerzen. Patient ist mit dem Erfolg selbst wenig zufrieden.
Befund: R. Clav. und R. Scap. stark verkürzt. Von der III. Rippe ab Ver-
kürzung.
R. Clav.: Trockenes Rasseln und Knarren; unterhalb desgl. mit Giemen, ver-
einzelt, bis IV. Rippe. Dann Atm. abgeschwácht. A. L.: Unreines Insp. L. Clav.:
Geringes Knistern im Insp., abgestuft. Unterhalb Atm. rauh, Knistern. L. Scap.:
Unreines Atmen. Abwärts frei. R. Scap.: Knarren. Abwärts rauh-verschärftes Insp.
— Tbaz.: +.
Modus: 10 Tage täglich 5 ccm per anum; 11 Tage Pause; 10 Tage 10 ccm
per anum; 10 Tage Pause; 7 Tage 5 ccm. Aussetzen wegen Auftritts von Durch-
fällen und Kopfschmerzen. Verabreicht: 185 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Geringe objektive Besserung auf beiden Lungen. Husten
verschwunden. Gewichtszunahme: 3*/, kg. Komplikation: Appetitmangel,
Durchfälle in der 8. Woche mit starken Kopfschmerzen.
2. Adolf Ringelsiep, 28 J., Mechaniker, 27. XI. 06—28. II. 07. Dauer:
94 Tage.
Wahrscheinlich beiderseitige Belastung. 4. Kind. Beginn vor !/, Jahr mit
Stichen, Nachtschweißen, geringem Blutspucken, Husten, Auswurf. 24 Pfd. Gewichts-
abnahme. Fieber unbekannt.
Befund: L. Clav. und L. Scap. verkürzt.
R. Clav.: Knistern bis III. Rippe, abwärts Insp. verschärft. L. Clav.: Reichlich
trockene Geräusche bis IV. Rippe. L. Scap.: Knistern. R. Scap.: Rauhes Atmen,
vereinzelte trockene Geräusche.
SE DAS TUBERKULOSESERUM MARMOREK. 113
Tbaz.: + reichlich; Gewicht: 51 kg, bei der Entl.: 54 kg; Tp.: dauernd
normal, höchstens 37% Wenig Husten und Auswurf. |
Während der Kur: Keine Komplikationen. — Malzextrakt.
Bei der Entl.: Kein Husten, geringer Auswurf. Tbaz.: +.
Befund: Perkussion wie oben.
R. Clav.: Rauh-verschärftes Insp., unterhalb Insp. verschärft, ohne Geräusche.
L. Clav.: Knistern, zähe Geräusche, vereinzelt Giemen, unterhalb feuchte Geräusche
bis zur IV. Rippe. A. L.: Verschärftes Insp. L. Scap.: Knistern, feuchte Geräusche,
Atm. abgeschwächt. Unterhalb vereinzelt feuchtes Rasseln. R. Scap.: Rauhes Atmen.
Modus: 11 Tage 5 ccm; Pause 10 Tage; 3 Tage 10 ccm; klagt über Brust-
ziehen; Pause 3 Tage; 7 Tage 10 ccm; Pause 10 Tage; 10 Tage 10 ccm; Pause
10 Tage; 10 Tage 5 ccm. Verabreicht: 305 ccm Serum Marmorek, per anum.
Am 31. IV. o7 Mitteilung aus dem Krankenhause, daß Operation wegen Mast-
darmabszeB vorgenommen ist.
Erfolg: Geringe objektive Besserung der R. Lunge. Gewichts-
zunahme 3 kg. Komplikation: Nachfolgender Mastdarmabszeß.
3. Max Reintges, 25 J., Reisender, 29. VIII. 06— 22. XII. 06. Dauer:
116 Tage.
Keine Belastung. 2. Kind. Mai 1905 Pneumonie mit nachfolgender Venen-
thrombose im Becken, später Nachtschweiße, viel Auswurf, Fieber anfangs.
Befund: R. Clav. und Scap. verkürzt. Befund bei der Entl.: Keine Schall-
differenz.
R. Clav.: Trockene Rasselgeräusche. R. Clav. frei. Unterhalb unreine,
Bis IV. Rippe Knistern. L. Clav.: knackende Atm. bis III. Rippe. L. Clav.:
Reichliches trockenes Rasseln bis III. Trockenes Rasseln, unterhalb Knacken
Rippe. A. L.: Vereinzeltes Rasseln. bis IV. Rippe A. L.: Rauhe Atm.
L. Scap.: Trockene Rasselgeräusche bis L. Scap.: Knackende, trockene Ge-
zur unteren Lungengrenze. R. Scap.: räusche, rauhe Atm., unterhalb unrein.
Unreines Atmen im oberen Teil. R. Scap.: Unreines Atmen.
Tbaz.: —; Gewicht: 69,5 kg; Beginn | Gewicht: 73 kg.
mit Serum: 19. XI. 06.
Modus: 10 Tage 5 ccm; Pause 7 Tage; 10 Tage Io ccm; Atmung besser,
fast kein Husten, Appetit besser. Verabreicht: 150 ccm Serum.
Während der Kur: Zeitweise leichtes Fieber 37,4—37,6, auch noch bei
Schluß der Kur.
Erfolg: R. Lunge wenig gebessert; leichtes Fieber nicht gehoben;
Atmung, Husten, Appetit gebessert.
4. Franz Götzke, 25 J., Schachtmeister, 19. IX. 06— 14. XII. 06. Dauer:
87 Tage.
Mutter an Phthise +. 5. Kind. Juli 1906 Blutspucken, August 1906 2 mal Blut-
sturz JL und !/, Liter. Husten, Auswurf. Fieber unbekannt. Zeitweise Nacht-
schweiBe.
Befund: R. Clav. und R. Scap. ver-
kürzt.
R. Clav.: Reichlich trockenes Rasseln,
Atm. verschärft. Trockenes Rasseln
Bei der Entl.: R. Clav. und obere
R. Scap. verkürzt.
R. Clav.: Geringe trockene Geräusche
im Insp., bis III. Rippe; Atm. ver-
bis II. Rippe. L. Clav.: Geringes schärft. L. Clav.: Frei. L. Scap.:
trockenes Rasseln im Insp. Sonst frei. Frei. R. Scap.: Verschärftes Insp. im
L. Scap.: Trockenes Rasseln im oberen oberen Teil. Auswurf noch vorhanden.
Teil. R. Scap.: Trockenes Rasseln im Husten abgenommen.
oberen Teil. |
Tbaz.: +; Gewicht: 58,5 kg. | Tbaz.: +; Gewicht: 59 kg.
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIII. 8
ES ZEITSCHR. f.'
114 F. KOHLER. TUBERKULOSE
Modus: Vom 18. XI. 06 ab: 8 Tage 5 ccm; häufig SchweiBe; vom 22. XI.
ab starke Appetithebung und Brustziehen, — Pause 7 Tage; 10 Tage Io ccm; viel
Husten und Auswurf, dann abnehmend, Ausw. lose, keine Schweile. Zeitweise
Tp. 37,4 und 37,6, zuletzt 4 Tage vor der Entl. Verabreicht: 140 ccm Serum
per anum.
Erfolg: Beide Lungen mäßig gebessert. Abnahme des Hustens,
Auswurf nicht verschwunden. Sehr geringe Gewichtszunahme. Tempe-
raturerhöhung unsicher beseitigt.
5. Johann Theiß, 41 J., Walzer, 2. X. 06— 13. IV. 07. Dauer: 194 Tage.
Belastung unbekannt. 4. Kind. Februar 1905 Blutspucken, mehrfach wieder-
holt; Nachtschweiße, Husten, Auswurf, Brustschmerzen, Mattigkeit, Abmagerung.
Befund: R. Clav. und Scap. verkürzt. ; Bei der Entl.: R. Clav. und Scap. ge-
dämpft.
R. Clav.: Rauhe Atm.; reichlich feuchte R. Clav.: Verschärftes Atmen, Knistern
Geräusche; Knarren bis III. Rippe. bis II. Rippe. Dann rauh-verschärfte
L. Clav.: Trockenes Rasseln im Exsp. Atm. A. L.: Rauhes Insp. L. Clav.:
L.Scap.: Vereinzelte trockene Geräusche _TrockenesRasseln; rauhe Atm. L.Scap.:
im oberen Teil. Abwärts Atm. unrein. Rauhe Atm. R. Scap.: Sehr rauhe,
R.Scap.: Reichlichekleinblasige,trockene | verschärfte Atm.
Geräusche; Insp. verschärft. Abwärts |
Insp. unrein.
Tbaz.: +; Gewicht: 67 kg.
Tbaz.: +; Gewicht: 65 kg. Multiple
| Abszesse am R.Fuß, R.Wange,
| R. und L. Knie, L. Handgelenk,
_L. Fußgelenk. — Inzisionen.
Komplikationen durch multiple Abszesse und rechtsseitige Kniegelenks-
tuberkulose. Amputation des L. Beines Mai 1907.
Modus: 10 Tage 5 ccm; starke Schweiße, abends Kopfschmerz, Brustziehen;
Pause 10 Tage; 10 Tage 10 ccm; Pause 13 Tage; 10 Tage 5 ccm; Pause 10 Tage;
10 Tage 5 ccm; Pause; Blutung am 27. 1.07; 10 Tage 5 ccm. Verabreicht:
250 ccm Serum per anum. Während des Auftritts der Abszesse zeitweise Fieber bis 38%,
Erfolg: Lungenbefund gering gebessert. Starke Verschlimmerung
durch Auftritt von multiplen Abszessen mit schwerer Reduktion des
Gesamtzustandes. Rechtsseitige Kniegelenkstuberkulose. Amputation.
6. Gottfried Winkler, 37 J., Schlosser, 27. XI. 06— 7. II. 07. Dauer:
73 Tage.
Keine Belastung. 1. Kind. Seit Herbst 1905 Husten. Blutspucken Mai 1906,
10 Tage lang. Nachtschweiße. Fieber unbekannt. Allmähliche Abmagerung.
Bei der Entl.: Gesamtzustand sehr ver-
schlechtert. R. Clav. und Scap.
stark verkúrzt.
R. Clav.: Abgeschwächtes Infiltrations-
Befund: R. Clav. und Scap. stark ver-
kürzt.
R. Clav.: Rauhes Atmen, trockene Ge-
räusche bis III. Rippe. L. Clav.: Ver- atmen. L. Clav.: Verschärfte Atm.,
einzelte trockene Geräusche bis auch abwärts. L. Scap.: Reichliches
III. Rippe. L. Scap.: Frei. R.Scap.: Rasseln. Giemen. R. Scap.: Rauhe
Vereinzelte trockene Geräusche im Atm. Abwärts trockene Rhonchi.
oberen Teil, rauhes Atmen.
Tbaz.: +; Gewicht: 56 kg. Kein | Tbaz.: +; Gewicht: 56*/, kg. —
Fieber. | Dauernd hohes Fieber, bis
| 30,20
Komplikationen: Fieberauftritt vom 3. XII. 06 an, 37,4—38—39, bleibt
dauernd.
re 2. DAS TUBERKUI.OSESERUM MARMOREK. 115
Modus: Vom 30. XI. ab: 10 Tage 5 ccm; 11 Tage Pause; 2 Tage 10 ccm;
3 Tage Pause; 8 Tage 10 ccm; 10 Tage Pause; 2 Tage 10 ccm; I Tag Pause;
8 Tage 10 ccm. — Gestorben im Krankenhaus am 8. III. 07. — Verabreicht:
250 ccm Serum per anum.
Erfolg: Dauernde Verschlechterung unter Auftritt von Fieber am
3. Tage des ersten Serumklystiers. Tod.
7. Heinrich KieBlich, 37 J., Fabrikant, 21. VII. 06— 20. I. 07. Dauer:
184 Tage. |
Mutter an Phthise +. 2. Kind. Seit Juli 1905 Abmagerung und zeitweise
leichtes Blutspucken. Kur in Davos X. 05—V. 06, hier dauernd gefiebert. Viel
Husten und Auswurf, zeitweise Brustschmerzen. Appetit schlecht.
Befund: R. Clav. und Scap. gedämpft. | Bei der Entl.: R. Clav. bis untere
VorneR. Verkúrzung bis II. Rippe. Grenze und R. Scap. gedämpft.
R. Clav.: Trockenes Rasseln. Unterhalb R. Clav.: Bronchiale Atm., trockene
Atm. bronchial, vereinzelte Rhonchi, Geräusche, unterhalb desgl., auch
trockene Geräusche, nach unten zu- ` Knarren. A. L.: Bronchiale Atm.
nehmend. A. L.: Verschärftes Insp. L. Clav.: Rauhes Atmen, ohne Ge-
L. Clav.: Unreine Atm. Unterhalb räusche. A. L.: Verschärftes Atmen.
leicht verschärfte Atm. A. L.: Frei. L. Scap.: Frei. Abwärts vereinzelte
L. Scap.: Frei. Abwärts frei. R. Scap.: Geräusche, metallischer Beiklang. R.
Knistern. Abwärts vereinzelte Ge- Scap.: Trockenes Rasseln, metallischer
räusche, Atm. rauh. Beiklang, abwärts metallisches Atmen.
Tbaz.: +; Gewicht: 61 kg; leichtes ' Tbaz.: +; Gewicht: 57 kg; dauernd
Fieber. Ä hohes Fieber bis 39°. Tod am
4. II. 07.
Komplikationen: Im Verlaufe auffallend psychische Beeinträchtigung, zu-
nehmende Mattigkeit.
Modus: Styracol-Kur vom 24. VII. 06—7. IX. op Vorsichtige Tuberkulin-
per os-Kur vom 18. IX. 06— 14. XI. 06. Marmorekserum vom 16. XI. an:
10 Tage 5 ccm; Pause 7 Tage; 10 Tage 10 ccm (bei der 8. Injektion hohes Fieber!);
9 Tage Pause; 12 Tage 5 ccm, dann 3 Tage 10 ccm, 3 Tage 15 ccm, 1 Tag
20 ccm, I Tag 10ccm, I Tag 5 ccm. Pause. Verabreicht: 320 ccm Marmorek-
serum per anum.
Erfolg: Dauernde Verschlechterung unter Zunahme von Husten,
Auswurf, Nachtschweißen und Mattigkeit. FortschreitenderSchmelzungs-
prozeB der R. Lunge. Tod am 4. II. 07.
8. Theodor Schmitz I., 19 J., Former, 11. XII. 06— 13. III. 07. Dauer:
93 Tage.
Keine Belastung. 7. Kind. Seit August 1905 Stiche in der Brust, Husten,
Auswurf, kein Fieber, Oktober 1906 ?/, Tasse Blut gespuckt.
Befund: R. Scap. verkürzt. Bei der Entl.: L. Clav. gedämpft.
Unterhalb der L. Scap. Ver-
kürzung.
R. Clav.: Unreines Insp., unterhalb R. Clav.: Unreines Insp., rauhes Atmen.
Atm. abgeschwächt. L. Clav.: Knistern A. L.: Vereinzeltes Giemen. L. Clav.:
im Insp., Exsp. verschärft. L. Scap.: Rauhes, unreines Atmen. Unterhalb
Kleinblasiges Rasseln im Exsp. Ab- Insp. verschärft, ohne Geráusche. L.
wärts frei R. Scap.: Frei. Abwärts Scap.: Giemen; im unteren Teil: Gluck-
frei. sen, feuchtes Rasseln, auch abwärts.
R. Scap.: Leise Atm. Abwärts Knarren
im Exsp.
Tbaz.: —; Gewicht: 52 kg. Fieber bis | Tbaz.: +; Gewicht: 52,5 kg. Fieber
38°, zeitweilig bis 38,5". bis 38— 38,4 — 38,6.
Ch
a ZEITSCHR. f.
116 F. KOHLER. u = TUBERKULOSE
Komplikationen: Akute Exacerbation am 6. III. mit Fieber bis 40°.
Modus: Vom 22. XII. 06 ab: 10 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause; 2 Tage
10 ccm; 10 Tage Pause; 2 Tage 5 ccm. Ausgesetzt wegen dauernden Fiebers und
schlechten Befindens. Verabreicht: 80 ccm Marmorekserum per anum.
Erfolg: Dauernde Verschlechterung mit Fortschritt des tuber-
kulösen Prozesses, besonders L. Anhaltendes Fieber.
9. Johann Wiecharz, 49 J., Dreher, 19. I. 07—22. V. 07. Dauer: 124 Tage.
Keine Belastung. 6. Kind. 1900 Lungenspitzenkatarrh. 1900 und 1901 je
6 Wochen-Kur in Lippspringe. Wenig Auswurf, kein Husten. Keine Blutungen,
Keine Nachtschweiße. Atemnot vorhanden.
Befund: R. Clav. und Scap. verkürzt. ' Bei der Entl.: Keine Schalldifferenz.
R. Clav.: Reichliche kleinblasige, feuchte _ R. Clav.: Kleinblasige, halbfeuchte Ge-
Geräusche, unterhalb Atm. verschärft. räusche, unterhalb unreine Atm. bis
A. L.: Kleinblasige Geräusche. L. Clav.: II. Rippe. L. Clav.: Halbtrockene,
Reichliche kleinblasige Geräusche, unter- kleinblasige Geräusche, abwärts und
halb Atm. verschärft, unrein, Giemen A. L.: Frei. L. Scan: Vereinzelte klein-
bis IV. Rippe. L. Scap.: Trockene blasige Geräusche im oberen Teil. Ab-
Rasselgeräusche im oberen Teil. Ab- wärts frei. R. Scap.: Unreines Insp.
wärts frei. R.Scap.: Vereinzelte trockene . im oberen Teil.
Rasselgeräusche, verschärfte Atm. im
oberen Teil. |
Tbaz.: +; Gewicht: 53 kg; kein Fieber. : Tbaz.: +; Gewicht: 61 kg; kein Fieber.
Modus: 2 Tage 5 ccm vom 23. I. an; 1 Tag Pause; 8 Tage 5 ccm; 10 Tage
Pause; vom 13.11.—6. III. 07: 2t4gig 5 ccm; 10 Tage Pause; vom 16.111.—6.1V. 07:
2tigig 5 ccm; 10 Tage Pause; vom 17. IV.—5. V. 07: 2tigig 5 ccm; Io Tage
Pause; 2 Tage 5 ccm. — Verabreicht: 210 ccm Marmorekserum per anum.
Erfolg: Bei guter Gewichtszunahme ist der Lungenbefund unver-
ändert geblieben. Atemnot gut gebessert, Husten verloren.
10. Wilhelm Busch, 35 J., Packer, 1. II. 07 —10. IV. 07. Dauer: 69 Tage.
Keine Belastung. 4. Kind. Seit 11 Jahren lungenkrank; 1. Kur in Heilstátte
6. V.— 5. VIII. 04. Mehrfach geringes Blutspucken; Atemnot seit 7 Jahren. Mäßig
Husten und Auswurf. Keine Nachtschweile.
Befund: R. Clav. und R. Scap. ver- | Bei der Entl.: Kein Husten. Kein Aus-
kürzt. L. Clav. tympanitisch, ` wurf. Kein Stechen. R. Clav.
L. Scap. verkürzt. | und R. Scap. verkürzt.
R. Clav.: Stark abgeschwächte Atm., | R. Clav.: Rauhe Atm. Diffus trockene
unterhalb vereinzelte kleinblasige Ge- Geräusche, auch unterhalb. A.L.: Frei.
räusche bis III. Rippe. L. Clav.: | L. Clav.: Sehr rauhe Atm., ohne Ge-
Knistern im Insp. Unterhalb Atm. ` räusche. L.Scap.: Rauhes Insp. Sonst
unrein. L. Scap.: Leicht unreine Atm. | frei. R. Scap.: Unreines Insp.
R. Scap.: Unreines Atmen. |
Tbaz.: +; Gewicht: 47,5 kg; kein Auswurf fehlt; Gewicht: 51 kg; nie
Fieber. | Fieber.
Modus: 6.11.—25.11.07: 2tägig je 5 ccm; 10 Tage Pause; 8. 111.—27. III. 07:
2tägig je 5 ccm; Pause; 7. IV.—0. IV. 07: 2tägig 5 ccm. Verabreicht: 110 ccm
Marmorekserum per anum.
Erfolg: Bei verlorenem Husten und Auswurf und mäfiger Ge-
wichtszunahme nur geringe Besserung des Lungenbefundes.
11. Heinrich Kleinebós, 27 J., Feuerwehrmann, 26. I. 07 — 20. IV. 07.
Dauer: 85 Tage.
Keine Belastung. 2. Kind. Seit August 1906 Husten, Auswurf, Mattigkeit,
anfangs starke Nachtschweiße. Fieber unbekannt.
da a DAS TUBERKULOSESERUM MARMOREK. 117
© oa er a IaM =
Befund: R. Clav. bis III. Rippe, auch ' Bei der Entl.: Perkussion wie anfangs.
R. Scap. verkürzt.
R. Clav.: Trockenes Rasseln auf der R.Clav.: Atm. abgeschwächt. Reichlich
Höhe des Insp. Unterhalb verschärfte Knistern. Unterhalb desgl., zum Teil
Atm., reichliche kleinblasige, halbfeuchte mit metallischem Beiklang. A.L.: Feuchte
Geräusche bis III. Rippe L. Clav.: | Geräusche. L. Clav.: Trockene Ge-
Frei. L. Scap.: Rauhes Atmen. R.Scap.: räusche. Unterhalb rauhe Atm. L.Scap.:
Trockenes Rasseln bis zur Mitte, rauhes Trockene Geräusche bei rauher Atm.
Atmen. R. Scap.: Trockene u. zähe Geräusche,
‘ in der Mitte feucht. Abwärts rauhe
Atm.
Tbaz.: +; Gewicht: 65 kg. Leichtes , Tbaz.: +; Gewicht: 64 kg; zeitweise
Fieber 37,5— 38". | noch leichtes Fieber. Auswurf
| verstärkt.
Modus: 10 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause; 20 Tage 2tägig 5 ccm; 10 Tage
Pause; 20 Tage 2tägig 5 ccm. — Verabreicht: 150 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Verschlechterung desLungenbefundes, Beibehaltung leichten
Fiebers, Auswurf vermehrt.
12. Theodor Schmitz II., 22 J., Schlosser, 21. II. 07—27. V. 07. Dauer:
96 Tage.
Keine Belastung. 4. Kind. Seit ı Jahre Stiche rechts, trockener Husten,
Auswurf, mehrfach geringe Blutbeimengungen. Herzklopfen.
Befund: R. Clav. und R. Scap. stark Bei der Entl.: Husten und Auswurf
verkürzt. i wenig nachgelassen. Atemnot.
| R. Clav. gedämpft. R. Scap.
gering verkürzt.
R. Clav.: Abgeschwächte Atm. Unter- R. Clav.: Trockenes Rasseln, Knistern,
halb kleinblasiges Rasseln bis III. Rippe. unterhalb desgl., zum Teil metallisch,
L. Clav.: Abgeschwächtes Insp. Ver- ` bis III. Rippe. Unterhalb und A. L.:
einzeltes Knacken im Exsp. Unterhalb Knistern. L. Clav.: Knistern, auch
rauh - verschärftes Insp., vereinzelte unterhalb, und Reiben, auch in der
trockene Geräusche, L. Scap.: Rauhes A.L. L. Scap.: Trockene u. feuchte
Atmen, ohne Geräusche R. Scap.: Geräusche. — Abwärts verschärfte
Unreines Atmen, vereinzelte Geräuse he: Atm. R. Scap.: Abgeschwächte Atm.
im oberen Teil. Unterhalb geringe trockene Geräusche.
Tbaz.: +; Gewicht: 55 kg; kein Fieber. | Tbaz.: +; Gewicht: 53 kg; kein Fieber.
Modus: 10 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause; 12 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause;
10 Tage 5 ccm; Pause; 10 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause; 9 Tage 5 ccm. — Ver-
abreicht: 255 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Verschlechterung des Lungenbefundes und des Allgemein-
zustandes.
13. Robert Oppermann, 43 J., Fräser, 15. II. 07— 13. V.07. Dauer:
88 Tage.
Vater an Phthise +, 1 Stiefbruder lungenkrank. 2. Kind. Seit 3 Jahren
Auswurf, Husten, allmahliche Abmagerung. Kein Blutspucken. Zeitweise Nacht-
schweiße.
Befund: R. Clav. u. R. Scap. verkürzt. Bei der Entl.: Wenig Husten, viel
| Auswarf. R. Clav. verkürzt.
R. Clav.: Reichliches kleinblasiges Ras- NR. Clav.: Unreines Insp. L. Clav.:
seln. L. Clav.: Unreines Insp. Hinten ` Knistern im Exsp. L. Scap.: Frei.
frei. R. Scap.: Leise Atm.
Tbaz.: —; Gewicht: 55,5 kg; kein Fieber. Tbz.: —; Gewicht: 65,5 kg; kein Fieber.
OEE ZEITSCHR. f.
118 F. KOHLER. TUBLRKULOSE
Modus: Vom 20. II. ©07—12. V. 07 ohne Pause dauernd 2tägig 5 ccm. —
Verabreicht: 200 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Lungenbefund partiell gebessert. Gewicht sehr gehoben.
Auswurf unvermindert.
14. Eduard Riegels, 23 J., Monteur, 11. III. 07—1ı3. VII. 07. Dauer:
125 Tage.
Keine Belastung. 8. Kind. Seit November 1906 Mattigkeit, Abmagerung,
Husten und Auswurf. Zeitweise Nachtschweiße. Fieber unbekannt.
Befund: R. Clav. u. R. Scap. gedämpft. | Bei der Entl.: Keine deutlichen Schall-
L. Clav. verkürzt. differenzen.
R. Clav.: Trockenes Rasseln. Desgl. R. Clav.: Rauhes Insp., ohne Ge-
unterhalb vereinzelt. L. Clav.: Leise räusche; von der III. Rippe ab ver-
Atm. Unterhalb Insp. verschärft. L. einzelte trockene’ Geräusche. L. Clav.:
Scap.: Rauhe Atm. Abwärts vereinzeltes Vereinzelte trockene Geräusche, auch
Giemen. R. Scap.: Rauhe Atm., ohne unterhalb, nicht konstant, bis III. Rippe.
Geräusche. L. Scap.: Unreines Insp. im oberen
Teil. R. Scap.: Verschärftes Exsp.,
ohne Geräusche.
Tbaz.: +; Gewicht: 53 kg. Kein | Tbaz.: +; Gewicht: 57 kg; noch ge-
Fieber. ringes Scapularstechen. Kein
Fieber.
Modus: 41 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause; 58 Tage 5 ccm. — Verabreicht:
495 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Lungenbefund wie Allgemeinbefinden mäßig gebessert.
Auswurf reichlich beibehalten, mittlere Gewichtszunahme.
15. Josef van Aalen, 26 J., Hilfsarbeiter, 1. VL 07—27. IX. 07. Dauer:
119 Tage.
Keine Belastung. Ältestes Kind. Seit 1 Jahre erkältet. Oktober 1906 Blut-
spucken mehrere Tage, ebenso April 1907. Nachtschweiße. Abmagerung. Fieber
unbekannt.
Befund: Obere R. Scap. verkürzt. Bei der Entl.: R. Clav. bis II. Rippe
und R. Scap. verkürzt.
R. Clav.: Unreines, rauhes Atmen. Ab- R. Clav.: Rauh-verschärftes Atmen.
wärts frei. L. Clav.: Giemen, Glucksen. Knistern. Unterhalb diffuse Rauhigkeit.
Trockenes Rasseln bis III. Rippe. L. Clav.: Halbfeuchte Geräusche, Gie-
L. Scap.: Desgl. — Abwärts frei. men, unterhalb desgl., reichlicher.
R. Scap.: Leise Atm. Desgl. in der A.L. L. Scap.: Halb-
feuchte Geráusche, unterhalb geringe
trockene Geräusche. R.Scap.: Trockene
Geräusche, abwärts rauhe Atm.
Tbaz.: +; Gewicht: 54 kg; kein Fieber. | Tbaz.: +; Gewicht: 57 kg; häufige
| Nachtschweiße. Leichte Tempe-
‘raturerhôühung bis 37,4°, dauernd.
Komplikationen: Interkurrente Influenza; Blutspucken Anfang August 1907.
Modus: Vom 5. VI. 07—21. IX. 07 dauernd 5 ccm täglich. — Verabreicht:
525 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Verschlechterung und Fortschritt des tuberkulösen Lungen-
prozesses. Geringe Gewichtszunahme.
16. Johann Spohr, 22 J., Schreiner, 25. V. 07—31. VIII. 07. Dauer:
99 Tage.
Belastung unbekannt. 4. Kind. Seit Winter 1006 Stiche, Herzklopfen, Atem-
not, Husten, Auswurf. Februar 1907 geringes Blutspucken.
Bp SURED Ee. DAS TUBERKULOSESERUM MARMOREK. 119
Befund: R. Clav. gedämpft. L. Clav. | Bei der Entl.: Mäßig Husten und Aus-
verkürzt, R. Scap. verkürzt. | wurf. R. Clav. verkürzt. L. Clav.
gedämpft. Beide Scap. verkürzt.
R. Clav.: Knarrende Geräusche im R. Clav.: Reichlich trockenes Rasseln;
Insp., unterhalb trockene Geräusche mäßig reichlich bis III. Rippe. L. Clav.:
bis III. Rippe. L. Clav.: Trockene ` Trockenes Rasseln im Insp. Unterhalb
Geräusche im Insp., unterhalb reich- : desgl. bei rauh-verschärfter Atm. L.
licher bis IV. Rippe. L. Scap.: Knar- : Scap.: Reichlich kleinblasiges Rasseln,
rende, zum Teil halbfeuchte Geräusche, | im unteren Teil geringer. R. Scap.:
abwärts frei. KR. Scap.: Vereinzeltes | Trockenes Rasseln im oberen Teil.
Knarren. Abwärts frei. ' Unreinheiten im unteren Teil.
Tbaz.: +; Gewicht: 60,5 kg; kein Fieber. Tbaz.: +; Gewicht: 61,5 kg; kein Fieber.
Komplikationen: Fieberperiode vom 5. VI. 07 —14. VI. 07; am o und
10. Juli 1907.
Modus: 29. V.o7—23. VÍ. 07 täglich 5 ccm; 10 Tage Pause; 4. VII. 07
bis 19. VII. 07 täglich 5 ccm, 10 Tage Pause; 30. VII. oz —29. NULL o7 5 ccm
täglich. — Verabreicht: 375 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Fast unveränderter Lungenbefund. Sehr geringe Gewichts-
zunahme. Husten und Auswurf unverándert.
17. Adam Berg, 45 J., Bilderrahmer, 3. IV.07 —3. VII. o7. Dauer: 92 Tage.
Vater an Phthise +. 4. Kind. Januar 1907 Influenza, Allmähliche Ab-
magerung, Mattigkeit, Bruststiche. Wenig Husten und Auswurf.
Befund: R. Clav. verkürzt. Bei der Entl.: Wenig Husten, morgens
| viel Auswurf. Appetit schlecht.
| R. Clav. gedämpft. Verkürzung
| bis II. Rippe; R. Scap. fast ge-
| dämpft.
R. Clav.: Laut verschärftes Atmen. R. Clav.: Verschärftes Atmen. Knistern
Unterhalb Knistern bis III. Rippe. im Exsp. Unterhalb reichliches Knistern
L. Clav.: Verschärftes Atmen. Unter- | und halbfeuchtes Rasseln, zunehmend.
halb frei. L. Scap.: Verschärftes At- | L. Clav.: Bronchialatmen. Unterhalb
men. Unterhalb frei. R. Scan: Ver- | rauh-verschärftes Atmen. L. Scap.:
schärftes Atmen. Mitte: Giemen, | Bronchialer Beiklang; unterhalb rauhes
feuchtes Rasseln. Abwärts Knistern. | Atmen. R. Scap.: Verschärftes Atmen,
| geringes Knistern. Abwärts Knistern.
Tbz.: +; Gewicht: 53,5 kg; kein Fieber. | Tbaz.: +; Gewicht: 57 kg; kein Fieber.
Modus: 10 Tage 5 ccm; 16 Tage 10 ccm. — Verabreicht: 210 ccm
Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Verschlechterung des Lungenbefundes und Allgemein-
zustandes; mittlere Gewichtszunahme.
18. Karl Riegel, 25 J., Diener, 17. VII. 07—28. IX. 07. Dauer: 74 Tage.
Keine Belastung. 3. Kind. Winter 1906—1907 starke Erkältung, Husten.
Allmähliche Abmagerung. Kein Blutspucken, zeitweise Nachtschweiße.
Befund: R. Clav. und Scap. verkürzt. Bei der Entl.: Kein Husten. Kein
Auswurf.
R. Clav.: Unreine Atm. bis II. Rippe, L. Clav. und obere L. Scap. verkürzt.
trockenes Rasseln bis III. Rippe L. R. Clav.: Geringe Unreinheit im Exsp.
Clav.: Trockenes Rasseln. Unterhalb Unterhalb frei. L. Clav.: Frei. Ab-
diffus rauhe Atm. L. Scap.: Trockenes wärts frei. L. Scap.: Leicht rauhes
Rasseln. Unterhalb rauhe Atm. R. Atmen. Abwärts frei. R.Scap.: Frei.
Scap.: Reichlich trockenes Rasseln, auch | Abwärts frei.
unterhalb vereinzelt.
Tbaz.: +;Gewicht:65,5 kg; kein Fieber. | Tbaz.: —; Gewicht: 68,5 kg; kein Fieber.
r ZEITSCHR. f.
120 F. KÖHLER. ` | TUBERKULOSE
Modus: Vom 20. VII. 07—21. IX. 07 dauernd täglich 5 ccm. Verabreicht:
320 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Bedeutende Verbesserung des Lungenbefundes, des All-
gemeinzustandes und des subjektiven Befindens.
19. Karl Brohl, 21 J., Krahnenführer, 16. V. 07—2. XI. 07. Dauer:
171 Tage.
Vater an Phthise +. Seit November 1906 Husten, Auswurf, zeitweise Fieber,
Nachtschweibe. Abmagerung. Mehrfach kurzer Krankenhausaufenthalt. 5. Kind
seiner Eltern. -
Befund: R. Clav. und Scap. verkürzt. Bei der Entl.: R. Clav. verkürzt.
R. Clav.: Unreine Atm. Kleinblasige R. Clav.: Geringe trockene Geräusche,
trockene Geräusche. L. Clav.: Klein- abgeschwächte Atm. Unterhalb feuchte
blasige Geräusche. L. Scap.: Rauhes : Geräusche bis IV. Rippe. L. Clav.:
Insp. im oberen Teil. R.Scap.:Trockenes Geringe trockene Geräusche. L. Scap.:
Rasseln bis zur Mitte. Trockenes Rasseln. R. Scap.: Halb-
| feuchtes Rasseln bis zur Mitte.
Tbaz.: +; Gewicht: 55 kg; Fieber mittel- Tbaz.: + reichlich; Gewicht: 53 kg;
hoch. | zeitweise mäßiges Fieber.
Dauernd wenig Husten und Auswurf, zeitweise Nachtschweiße.
Modus: Vom §. VI.07—24. VI. 07 täglich 5 ccm; ausgesetzt wegen bleibenden
Fiebers; vom 3. IX.— 23. IX. 07 2tägig 5 ccm. Verabreicht: 145 ccm Serum
Marmorek per anum.
Erfolg: Fortschritt des tuberkulösen Prozesses zur Verschlimme-
rung. 2kg Gewichtsabnahme. Gesamtzustand reduziert.
20. Fritz Schöntauf, 23 J., Ackerknecht, 10. VI. 07—30. IX. 07. Dauer:
113 Tage. |
Keine Belastung. 4. Kind. Seit 3 Jahren Husten, Auswurf, NachtschweiBe,
Blutspucken 13. IV. 06 über ?/, l. 22. IV. o7—1. V. 07 Wiederholung. Ab-
magerung.
Befund: R. Scap. verkürzt. | Bei der Entl.: Mäßig Husten u. Aus-
| wurf. R. Clav. verkürzt. L. Clav.
leicht tympanitisch. Verkürzung
bis II. Rippe. Beide Scap. ver-
| kürzt.
' R. Clav.: Verschärftes Atmen. Knistern.
Unterhalb verschärftes Atmen. L.Clav.:
Brorchialatmen, Knistern, bis III. Rippe,
¡ zum Teil metallischer Beiklang. Ab-
R. Clav.: Trockenes Rasseln im Insp.
Unterhalb verschärftes Atmen. L. Clav.:
Reichliche klingende Geräusche, auch
unterhalb. L. Scap.: Klingende Ge-
ráusche. Im unteren Teil geringer.: wärts verschärftes Atmen. L. Scap.:
R. Scap.: Trockene Geräusche, rauhe ' Reichliches Knistern. Verschärftes At-
Atm. Unterhalb Knistern. | men. Mitte: Mittelblasiges Rasseln,
zum Teil Giemen. R. Scap.: Abge-
schwächte Atm. Unterhalb: Geräusche
feucht, zum Teil Glucksen.
Tbaz.: +; Gewicht: 64,5 kg; kein Fieber. | Tbaz.: +; Gewicht: 67,5 kg; mäßig viel
Im Laufe des Septembers Blut- Husten u. Auswurf; kein Fieber.
spucken mäßig reichlich. |
Modus: Vom 15. VI. an täglich 5 ccm Serum bis 30. IX. 07. Verabreicht:
540 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Verschlechterung des Lungenbefundes; mäßige Gewichts-
zunahme. Husten, Auswurf, Schweiße unverändert.
21. Karl Ringk, 33 J, Dreher, 17. VI. oz —17. VIIL. 07. Dauer: 31 Tage.
Mutter an Phthise y. 4. Kind. Seit November 1906 häufig Fieber, Ab-
BD.XI11,HEFT2. DAS TUBERKULOSESERUM MARMOREK. 121
Tous.
magerung, Mattigkeit. März 1007 Blutspucken, auch Mai 1907. Viel Husten und
Auswurf.
Befund: R. Clav. und Scap. gedámpft. | Bei der Entl.: Hohes Fieber. Perkussion
L. Clav. verkúrzt. wie oben.
R. Clav.: Verschärftes Atmen. Trockenes. R. Clav.: Rauhe Atm., trockenes Rasseln.
Rasseln. Unterhalb desgl. vereinzelt, Unterhalb desgl., diffus. L. Clav.: Rauhe
auch in der A. L. L. Clav.: Leicht Atm., geringe trockene Geräusche, auch
rauhe Atm. L. Scap.: Verschärftes | unterhalb, diffus. L. Scap.: Geringe
Insp., geringe trockene Geräusche. R. | halbfeuchte Geräusche im oberen Teil,
Scap.: Rhonchoröses, verschärftes At- | rauhe Atm. Unterhalb verschärftes At-
men. Trockenes Rasseln im Exsp. men. R. Scap.: Abgeschwächte Atm.
Abwärts Rhonchi, Giemen, Knacken. Feuchte Geräusche im oberen Teil.
Tbaz.: +; Gewicht: 60 kg; Fieber bis Tbaz.: +; Gewicht: 60 kg; Fieber
39,1— 40°. dauernd hoch.
Modus: 5 Tage Io ccm per anum; I Tag 5 ccm intravenös; ı Tag
Io ccm per anum; 1 Tag 5 ccm intravenós; 4 Tage 10 ccm per anum; 7 Tage
Pause; 1 Tag 10 ccm intravenös (Kollaps!); 7 Tage 10 ccm per anum. Ver-
abreicht: 190 ccm Serum Marmorek.
Erfolg: Lungenbefund unverándert; Gewicht unverándert; hohes
Fieber unverändert.
22. Peter Faust, 26 J., Schuhmacher, 17. XL o6—22. IV. 07. Dauer:
157 Tage.
Vater an Phthise +. 1. Kind. Vor 3 Jahren „Luftröhrenkatarrh“. Früh-
jahr 1905 und 1906 mehrmals Blutspucken. Abmagerung. Wenig Husten und
Auswurf.
Befund: L. Clav. und L. Scap. verkürzt. | Bei der Entl.: Viel Husten, mäßiger
Auswurf.
R. Clav.: Unreines Insp., verschärftes R. Clav. verkürzt. R. Clav.: Reichliches
und verlángertes Exsp. Unterhalb ver- Knistern bis II. Rippe. L. Clav.: Reich-
schärfte Atm. L. Clav.: Kleinblasiges lich feuchte und zähe Geräusche, bis
Rasseln bis IV. Rippe, rauhe Atm. zur unteren Grenze. IL. Scap.: Desgl.;
L. Scap.: Exsp. verschärft. Abwärts abwärts trockene Geräusche. R. Scap.:
Insp. verschärft. R. Scap.: Frei. Rauhe Atm., geringes Knistern. Ab-
' warts rauhe Atm,
Tbaz.: +; Gewicht: 51,5 kg; kein Fieber. | Tbaz.: +; Gewicht: 53 kg; kein Fieber.
Modus: 24. III. o7—21. IV. 07 täglich 5 ccm, nur am 3. und 4. IV. aus-
gesetzt. Verabreicht: 135 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Lungenbefund unverándert; Allgemeinbefinden kaum ge-
bessert, Husten und Auswurf unverdndert.
23. Heinrich Linnenbecker, 35 J., Pflasterer, 6. IX. 07—26. X. 07.
Dauer: 51 Tage.
Keine Belastung. 2. Kind. Vor 4 Jahren Lungen- und Rippenfellentztindung.
Seitdem nur mit Unterbrechung gearbeitet. Viel Husten und Auswurf, Atemnot,
NachtschweiBe.
Befund: R. Clav. und R. Scap. stark
verkürzt. Unterhalb R. Scap.
deutliche Verkürzung.
R. Clav.: Feuchte Geräusche u. Giemen
bis zur unteren Grenze. Exsp. ver-
längert, desgl. A.L. L. Clav.: Rauh-
verschärfte Atm., auch abwärts L.
Scap.: Vereinzeltes Giemen; unterhalb
reichliche feuchte Geräusche im Insp.
Bei der Entl.: Viel Husten und Aus-
wurf, NachtschweiBe.
R. Clav. verkürzt bis IV. Rippe, R.
Scap. und unterhalb Verkürzung. R.
Clav.: Reichlich feuchtes Rasseln ; unter-
halb zum Teil metallisch. L. Clav.:
Trockene Geräusche, verschärfte Atm.,
unterhalb verschärftes Insp. L. Scap.:
g ZEITSCHR. f.
122 F. KOHLER. TUBERKULOSE
R. Scap.: Feuchte Geräusche u. Giemen,
nach unten abnehmend.
Verschärftes Insp. im oberen Teil. Ab-
| wärts reichliche feuchte Geräusche. R.
| Scap.: Reichlich halbfeuchte Geräusche,
| auch abwärts.
Tbaz.: +; Gewicht: 50kg; kein Fieber. | Tbaz.: +; Gewicht: 50 kg; zeitweise
| erhöhte Tp.
Modus: 5 ccm täglich. Verabreicht: 255 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Verschlechterung des Lungenbefundes und des Allgemein-
zustandes.
24. Wilhelm Wurth, 34 J., Kalibrierer, 24. VIII. 07—30. X. 07. Dauer:
99 Tage.
Keine Belastung. 3. Kind. Seit 1901 lungenkrank. Mehrmals Blutspucken.
Husten, Auswurf, Gewicht schwankend. `
Befund: L. Clav. u. L. Scap. gedämpft. | Bei der Entl.: Geringer Husten u. Aus-
| wurf. Subjektives Wohlbefinden.
R. Clav.: Keinblasiges Rasseln. Unter- L. Clav. u. R.Scap. verkürzt. R.Clav.:
halb stellenweise Knistern. L. Clav.: Leicht rauhe Atm. L. Clav.: Frei.
Knistern. Unterhalb rauh-verschärfte ; Abwärts frei. L. Scap.: Frei. Ab-
Atm. bis III. Rippe. L. Scap.: Ver- . wärts frei. R. Scap.: Rauh-verschärftes
schärftes Atmen. Geringes Knistern, , Atmen.
Exsp. verlängert. R. Scap.: Knistern |
bis zur Mitte.
Tbaz.: +; Gewicht: 54 kg; kein Fieber. | Tbaz.: —; Gewicht: 59 kg; kein Fieber.
Modus: Vom 28. VIII. 07 ab täglich 5 ccm bis 27. IX. 07; ebenso vom
11.—209. X. 07. Verabreicht: 245 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Lungenbefund und Allgemeinbefinden bei guter Gewichts-
zunahme sehr gebessert.
25. Wilhelm Borgmann, 24 J., Dreher, 21. VI.07—12. X.07. Dauer:
114 Tage.
Keine Belastung. 10. Kind. März 1906 Blutspucken, ebenso November 1906,
Januar 1907; anfangs NachtschweiBe, Fieber, Husten und Auswurf. Abmattung.
Befund: R. Clav. u. R. Scap. verkürzt. Bei der Ent: Zeitweise hart-
näckiger Durchfall. Wenig
Husten und Auswurf. R. Scap.
verkürzt.
R. Clav.: Trockenes Rasseln, verschärfte R. Clav.: Knacken. Unterhalb weich-
Atm. Unterhalb sehr verschärftes At- ` verschärfte Atm. mit trockenem Rasseln
men, unreines Insp. bis III. Rippe. bis III. Rippe. A. L.: Vereinzelte Ge-
L. Clav.: Verschärftes Insp., unterhalb räusche u. Glucksen. L. Clav.: Weich-
metallische Geräusche bis III. Rippe. verschärftes Insp., unterhalb rauhes At-
L. Scap.: Unreine Atm. im oberen men, halbtrockenes Rasseln. L. Scap.:
Teil. R. Scap.: Trockenes Rasseln im Rauhes, unreines Atmen. R. Scap.:
oberen Teil. ` Knarrende und trockene Geräusche
über der ganzen Scap.
Tbaz.: +; Gewicht: 57 kg; kein Fieber. | Tbaz.: +; Gewicht: 57 kg; zeitweise
| Fieber und Durchfälle.
Modus: Vom 28. VI. 07— 17. IX. 07 täglich 5 ccm Serum. Verabreicht:
410 ccm Serum Marmorek per anum.
| Erfolg: Verschlechterung des Lungenbefundes und Allgemeinzu-
standes; Auftreten von Fieber und wahrscheinlich Darmtuberkulose.
26. Leonhard Matz, 37 J., Verlagsgehilfe, 6. VIL.07—5.X.07. Dauer:
92 Tage.
Belastung unbekannt. 4. Kind. Seit vielen Jahren Husten. Gewicht schwankend.
BD. XTI,HEFT 2,
1308,
DAS TUBERKULOSESERUM MARMOREK. 123
Befund: R. Clav. u R. Scap. gedämpft. | Bei der Ent: Perkussion wie oben.
Vorne R. Verkürzung bis V. Rippe.
R. Clav.: Abgeschwächte Atm., reich-
lich kleinblasige halbtrockene Geräusche.
Unterhalb desgl. zum Teil metallisch.
Von der III. Rippe ab halbfeucht. L.
Clav.: Frei. L.Scap.: Verschärftes Insp.
im oberen Teil. R.Scap.: Reichliche
kleinblasige Geräusche bis zur unteren
Grenze.
R. Clav.: Kleinblasige trockene Ge-
räusche, weich-verschärftes Atmen. Un-
terhalb metallische Geräusche bis III.
Rippe und vereinzeltes Giemen bei
verschärfter Atm. bis zur unteren
Lungengrenze. L. Clav.: Verschärftes
Insp., auch unterhalb. L. Scap.: Ver-
schärftes Atmen, ohne Geräusche. R.
| Scap.: Trockenes Rasseln, verschärfte
Atm., auch abwärts.
| Tbaz.: +; Gewicht: 55,5 kg; dauernd
| leichtes Fieber.
Modus: 10 Tage 10 ccm; Pause 10 Tage; 10 Tage 10 ccm; Pause 10 Tage;
10 Tage 10 ccm; Pause; 10 Tage 10 ccm. Verabreicht: 400 ccm Serum Mar-
morek per anum.
Erfolg: Lungenbefund unverändert. Allgemeinbefinden bei ge-
ringer Gewichtszunahme unverdndert, Auftritt von leichtem Fieber,
dauernd, mehrfach geringe Blutungen.
27. Heinrich van Overheidt, 34 J., Schlosser, 27. IX. 07—4. I. 08.
Dauer: 100 Tage.
Keine Belastung. 3. Kind. Seit 21/, Jahren Husten, Auswurf, später Herz-
klopfen, Atemnot, Abmagerung, kein Blutspucken.
Befund: R. Clav. bis II. Rippe, R. Scap. | Bei der Entl.: Husten u. Ausw. gebessert,
Tbaz.: +; Gewicht: 53,5 kg; kein Fieber.
stark verktirzt.
R. Clav.: Verschärftes Atmen, Knistern,
Exspirium verlängert. Unterh. Bron-
chialatmen mit Knacken (Kaverne) bis
III. Rippe. Dann stellenweise Brummen,
leicht; ohne Atembeschwerden.
R. Clav. u. R. Scap. verkürzt. Vorne
R. Tympanie bis III. Rippe. R. Clav.:
Knarrendes Insp., unterhalb knarrendes
Rasseln mit geringem Metallbeiklang bis
Giemen, unreine Atm. A.L.: Ver-
schärftes Insp. L. Clav.: Trockenes
Rasseln im Insp. bis IV. Rippe L.
Scap.: Trockenes Rasseln im oberen
Teil, im unteren Teil sehr gering. R.
Scap.: Verschärftes Atmen. Im unteren
Teil rhonchoröse Geräusche. Abwärts
rhonchi. wärts rauhes Insp.
Tbaz.: +; Gewicht: 52,5 kg; kein Fieber. | Tbaz.: 0; Gewicht: 54 kg; kein Fieber.
Modus: Vom 1. X. 07 — 24. XI. 07 2tägig 5 ccm; Pause; vom 28. X. 07
ab 2tägig 10 ccm bis 3. I. 08. Verabreicht: 330 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Lungenbefund und Allgemeinzustand bei geringer Gewichts-
zunahme wenig gebessert.
28. Karl Dreidoppel, 34 J., Heizer, 5.IX.07—5. XII. oz Dauer: 92 Tage.
Vater an Phthise + 3. Kind. April 1906 Influenza, nachfolgend Husten,
Auswurf, Nachtschweiße, Seitenstechen, Abmagerung.
Befund: R. Clav. und R. Scap. verkürzt. | Bei der Entl.: R. Clav. u. obere R.
Scap. wenig heller.
11. Rippe. Abwärts Knarren b. V. Rippe.
A. L.: Vereinzelte trockene Geräusche.
L. Clav.: Sehr abgeschwächtes Atmen,
auch unterhalb. Vereinzelte trockene Ge-
räusche. L. Scap.: Knarrende trockene
Geräusche im oberen Teil. R. Scap.:
Trockenes Rasseln im oberen Teil. Ab-
R. Clav.: Trockene Rasselgeräusche. R. Clav.: Leicht unreines Atmen, ohne
L Clav.: Trockene Rasselgeräusche. | Geráusche. L. Clav.: Kleinblasiges halb-
L. Scap.: Trockene Rasselgeräusche. | feuchtes Rasseln. L. Scap.: Unreines
R. Scap.: Rauhe, verschärfte Atmung. Insp. im oberen Teil. R. Scap.: Frei.
— Husten und Auswurf fehlen
Tbaz.: 0; Gewicht: 64 kg; kein Fieber.
Tbaz.: 0; Gewicht: 56,5 kg; kein Fieber.
E | ZEITSCHR. f.
124 F. KÖHLER. | o TUBERKULOSE
Modus: Vom 6. X. 07—3. XII. 07 2tägig 5 ccm. Verabreicht: 150 ccm
Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Lungenbefund und Allgemeinzustand bei guter Gewichts-
zunahme mäßig gebessert.
29. Gustav Zabel, 36 J., Schuhmacher, 15. X. 07 —20. I. 08. Dauer:
95 Tage.
Belastung unbekannt. 1. Kind. Frühjahr 1907 Bluthusten, auch August 1907;
Husten, Auswurf, Abmagerung, Atemnot.
Befund: R. Scap. oberer Teil gedämpft. | Bei der Entl.: Atemnot zugenommen.
| Viel Husten und Auswurf.
R.Clav.:Kleinblasiges,trockenes Rasseln. | R. Clav. u. R. Scap. verkürzt. R. Clav.:
Unterhalb Insp. weich-verschärft, ver- : Trockenes Rasseln, im Exsp. Knarren.
einzelte Geräusche, diflus, bis zur un- Unterhalb weichverschärftes Insp., Ex-
teren Lungengrenze. L. Clav.: Ver- spirium knarrend bis IV. Rippe L.
einzelte Geräusche im Insp, unterhalb ! Clav.: Unreine, abgeschwächte Atm.,
weich-verschärftes Insp. bis III. Rippe. | unterhalb weich-verschärftes Insp. L.
L. Scap.: Rauh-verschärftes Insp. im | Scap.: Abgeschwächte Atm. R. Scap.:
oberen Teil. Abwärts vereinzelte trockene : Trockenes Rasseln, Knacken. Abwärts
Geräusche. R. Scap.: Rauhe Atm., ver- | weich-verschärfte Atm. — Am 1.XII. 07
einzeltes Glucksen im oberen Teil. : Blutung.
Tbaz.: +; Gewicht: 58 kg; kein Fieber. | Tbaz.: +; Gewicht: 63 kg; kein Fieber.
Modus: Vom 18.X.07 2tigig 5 ccm bis 23. XIl.07. Pause bis 26. XII. 07;
dann 2 tágig 5 ccm bis 18.1.08. Verabreicht: 230 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Bei ziemlich unverändertem Lungenbefund Verschlechte-
rung des Allgemeinzustandes durch zugenommene Atemnot, vermehrten
Husten und Auswurf, interkurrente Blutung. Gute Gewichtszunahme.
30. Eduard Hinte, 31 J., Schlosser, 23.IX.07—25.1.08. Dauer: 125 Tage.
Belastung unbekannt. 6. Kind. Seit Winter 1906 Husten, Auswurf, später
Nachtschweiße, Appetitmangel, matt, kein Blutspucken.
Befund: R. Clav. und R. Scap. verkürzt. | Bei der Entl.: Die Analfistel geöffnet.
Wenig Husten und Auswurf.
R. Clav.: Kleinblasiges Rasseln. Exsp. R. Clav. und R. Scap. verkürzt. R.
verschärft, verlängert. Unterhalb un- Clav.: Vereinzeltes kleinblasiges Rasseln
reines Insp. bis II. Rippe. L. Clav.: im Insp., Exsp. verschärft. Unterhalb
Halbfeuchtes Rasseln, verschärftes At- Exsp. verschärft bis III. Rippe L.
men; letzteres bis III. Rippe. L. Scap.: Clav.: Unreines Insp. L. Scap.: Klein-
Kleinblasiges, trockenes Rasseln. Ab- blasiges trockenes Rasseln im oberen
wärts frei. R. Scap.: Rauh-verschärfte Teil. R. Scap.: Frei. Abwärts frei.
Atm. im oberen Teil. — Analfistel.
Tbaz.: +; Gewicht: 62 kg; kein Fieber. | Tbaz.: o; Gewicht: 68 kg; kein Fieber.
Modus: Vom 20. X. 07 an 2tägig 5 ccm bis 23. XII. 07; 4 Tage Pause;
2tägig 5 ccm vom 28. XII. 07—23. I. 08. Verabreicht: 235 ccm Serum Mar-
morek per anum.
Erfolg: Lungenbefund wenig gebessert, Allgemeinbefinden bei
guter Gewichtszunahme gebessert, Analfistel unverändert.
31. Johann Hilbrans, 32 J., Flaschenbierhändler, 17. X. 07—18. I. 08.
Dauer: 94 Tage.
Keine Belastung. Dezember 1906 Blutspucken, mehrfache Wiederholung.
Husten. Kein Auswurf. Nachtschweiße. Abmagerung.
Befund: R. Clav. verkürzt. Bei der Entl.: Zeitweise mäßige
Blutungen, wenig Husten,
mäßiger Auswurf.
io o a DAS TUBERKULOSESERUM MARMOREK. 125
=— Me CE 2
R. Clav.: Trockenes Rasseln. Unter- R. Clav. bis 11. Rippe, R. Scap. ver-
halb vereinzeltes trockenes Rasseln, kürzt. R. Clav.: Geringes Knistern u.
diffus. L. Clav.: Trockenes Rasseln, unreines Atmen. A. L.: Vereinzelte
bis III. Rippe. A. L.: Desgl. L. Scap.: trockene Geräusche im Insp. L. Clav.:
Trockenes Rasseln. Rauhe Atm. Ab- Leicht unreine Atm., unterhalb weich-
wärts frei. verschärftes Insp. L. Scap.: Rauhe,
unreine Atm. R. Scap.: Abgeschwächte
Atm., abwärts kleinbl. Rasseln, trocken.
Tbaz.: +; Gewicht: 55 kg; kein Fieber. | Tbaz.: +; Gewicht: 58,5 kg; kein Fieber.
Modus: Vom 28.X.07 ab 2tägig 5 ccm bis 17. X1.07; Pause bis 24. XI. 07.
Am 25. XI. 07: 5 ccm; Pause wegen Blutung. 3. XII.—23. XII. 07, 27. XII. 07
bis 2.1.08, 9.1.08— 17.1. 08: 2tägig 5 ccm. Verabreicht: 175 ccm Serum
Marmorek per anum.
Erfolg: Mehrfache interkurrente Lungenblutungen; Lungenbefund
mäßig gebessert; Allgemeinbefinden bei mäßiger Gewichtszunahme
mäßig gebessert.
32. Heinrich Kuhn, 43 J., Bohrer, 2. XI. o7—1. II. 08. Dauer: 92 Tage.
Keine Belastung. Seit längerer Zeit Husten und Auswurf, zeitweise Nacht-
schweiße und Herzklopfen. Gewichtsabnahme.
Befund: L. Clav. u. L. Scap. gedämpft. | Bei der Entl.: Wenig Husten. Kein
Vorne L. Dämpfung bis IV.Rippe. | Auswurf.
R. Clav. verkürzt.
R. Clav.: Verschärftes Atmen. Ver-
einzelte Geräusche im Insp., unterhalb
Insp. verschärft. L. Clav.: Sehr ver-
schärftes Atmen. Vereinzeltes Knacken,
auch unterhalb und in A. L. L. Scap.:
Sehr verschärftes Atmen. Knacken im
unteren Teil. R.Scap.: Rauhes Atmen,
ohne Geräusche.
L. Clav. u. L. Scap. gedämpft. Vorne
L. Tympanie. R. Clav.: Verschärftes
Atmen. Unterhalb weich-verschärftes
Insp. bis III. Rippe. L. Clav.: Fast
bronchiale Atm., ohne Geräusche. Un-
terhalb verschärftes Insp. L. Scap.:
Bronchiales Atmen, vereinzelte trockene
Geräusche, abwärts frei. R. Scap.: Un-
reines Atmen im oberen Teil.
Kein Auswurf; Gewicht: 46,5 kg;
kein Fieber.
Modus: Vom 6. XI. o7 an 2tágig 5 ccm bis 31.1.08. Verabreicht: 215 ccm
Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Lungenbefund wenig, Allgemeinbefinden bei guter Ge-
wichtszunahme mäßig gebessert.
33. Wilhelm Bender, 24 J., Schlosser, 12. VIII. o7—11. IX. 07. Dauer:
31 Tage.
Belastung unbekannt. 2. Kind. Seit April 1907 Nachtschweiße, Husten,
später Auswurf, Kopfschwindel, Stiche; Blutspucken vor 4 Wochen; starke Blut-
armut; Mattigkeit; Abmagerung.
Befund: R. Clav. und R. Scap. verkürzt. | Bei der Entl.: R. Clav. bis II. Rippe,
R. Scap. gedämpft.
Tbaz.: —; Gewicht: 42 kg; kein Fieber.
R. Clav.: Kleinblasiges Rasseln bis R. Clav.: Verschärftes Atmen. Klein-
111. Rippe; verschárfte Atm. A. L.: blasiges halbfeuchtes Rasseln, auch
desgl. L. Clav.: Trockene Rasselge- unterhalb und in der A.L. L. Clav.:
räusche, unterhalb desgl. nur vereinzelt, Reichliches kleinblasiges Rasseln, ver-
hinten frei. schärfte Atm., auch unterhalb. L. Scap.:
Reichliche halbfeuchte Geräusche, zum
Teil mitGiemen, bis zur unteren Lungen-
grenze. R.Scap.: Mittelblasiges Rasseln,
unterhalb trockenes Rasseln.
Tbaz.: +; Gewicht: 53kg; kein Fieber. | Tbaz.: +; Gew.: 53 kg; leichtes Fieber.
| de ZEITSCHR. f.
126 F. KOHLER. TUBERKULOSE
Vom 1.—3. IX. 07 reichliche Blutungen, Magenblutung nicht ausgeschlossen,
unter Fieber.
Modus: 14. VII.— 10. VIII. 07: je 10 ccm; vom 17. VIIT — 10. IX. täglich
5 ccm; Patient klagt häufig über Unterleibsschmerzen. Kein Durchfall. Verab-
reicht: 155 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Erhebliche Verschlechterung des Lungenbefundes und All-
gemeinzustandes, Entwickelung von Fieber und Unterleibsschmerzen.
34. Hermann Gatzky, 28 J., Zeichner, 14. VIII. 07— 19. XI. 07. Dauer:
98 Tage.
Vater an Phthise +; 3. Kind. Seit länger Räuspern, wenig Auswurf, Brust-
schmerz, kein Fieber. Herzklopfen. Mattigkeit. Kein Blutspucken.
Befund: L. Clav. u. L. Scap. zur Hälfte | Bei der Entl.: Kein Husten. Geringer
gedämpft. Auswurf.
R. Clav.: Kleinblasiges Rasseln. Bis L. Clav. verkürzt. R. Clav.: Rauhes,
II. Rippe Knistern. L. Clav.: Trockenes holperiges Insp. A. L.: Vereinzeltes
Rasseln im Insp., unterhalb unreine knacken, L. Clav.: Unreines Insp.
Atm. L. Scap.: Halbfeuchtes Rasseln L. Scap.: Vercinzeltes trockenes Rasseln
im oberen Teil. Abwärts frei. R. im Insp. im oberen Teil. R. Scap.:
Scap.: Knistern im oberen Teil. Ab- Frei. Abwärts frei.
wärts frei.
Tbaz.; —; Gewicht: 61 kg; kein Fieber. | Tbaz.: +; Gewicht: 04 kg; kein Fieber.
Modus: 15. VIII.— 24. VIII. 07; täglich 5ccm; Pause; 4. IX.07— 13.18.07:
täglich 10ccm; Pause; 24.1X.—3.X.07: täglich 10 ccm; Pause; 14.X.—17. XI. 07:
2tägig 5 ccm. Verabreicht: 340 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Lungenbefund und Allgemeinbefinden bei mäßiger Ge-
wichtszunahme und Auftritt von Tuberkelbazillen mäßig gebessert.
35. Wenzel Bröer, 22 J., Schneider, 24. VIII. 07—25. XI. 07. Dauer:
94 Tage.
Keine Belastung. 1. Kind. März 1907 ca. I | Blut gespuckt, allmählich
Husten, Auswurf, Schmerzen in der Brust, Nachtschweile, kein Fieber, Abmagerung.
Befund: R. Scap. verkürzt. | Bei der Entl.: Husten und Auswurf
| bedeutend geringer.
R. Clav.: Trockenes Rasseln im Insp., ` R. Clav. und R. Scap. verkürzt. R.
bis IV. Rippe. L. Clav.: Leicht un- Clav.: Mittelreichlich trockenes Rasseln,
reines Insp. — Sonst frei. unterhalb von knarrendem Charakter
bis III. Rippe. L. Scap.: Vereinzelte
| Unreinheiten im oberen Teil. R.Scap.:
| Geringe trockene Geräusche im oberen
|
Teil.
Tbaz.: +; Gewicht: 62,5 kg; kein Fieber. | Tbaz.: +; Gewicht: 66,5 kg; kein Fieber.
Modus: Vom 27. VIIL—25. IX. 07 täglich 5 ccm; Pause; vom 6. X. bis
15. XL 07 täglich 5 ccm. Verabreicht: 355 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Bei Besserung des Allgemeinbefindens, mittlerer Gewichts-
zunahme, Abnahme von Husten und Auswurf Lungenbefund unver-
ändert.
36. Diedrich Götzen, 30 J., Schachtmeister, 17..VIIl. 07—5. XI. 07.
Dauer: 81 Tage.
* Keine Belastung. 3. Kind. Seit Juli 1906 im Anschluß an Lungenentzündung
Bruststechen, zeitweise Husten und Auswurf, Mattigkeit, kein Blutspucken.
Befund: R. Scap. verkürzt. | Bei der Entl.: Kein Husten. Kein
Auswurf.
i
Perte DAS TUBERKULOSESERUM MARMOREK. 127
R. Clav.: Kleinblasiges Rasseln. Sonst! R. Clav. verkürzt. R. Clav.: Ver-
frei. L. Clav.: Frei. L.Scap.: Trockenes | schärftes, sehr unreines Atmen. Unter-
Rasseln über den ganzen Scap., ab- halb verschärftes Atmen. L.Clav.: Ge-
wärts rauhe Atm. R. Scap.: Unreines | ringes trockenes Rasseln. L. Scap.:
Insp. im oberen Teil. | Rauh-verschärftes Atmen. R. Scap.:
Geringe trockene Rasselgeräusche. Ab-
wärts frei.
Tbaz.: +; Gewicht: 61 kg; kein Fieber. Gewicht: 68 kg; kein Fieber.
Modus: 20.—29. VIII. 07: 5 ccm; Pause; 9.—19. IX. 07: täglich 10 ccm;
11. IX. Pause, ebenso 20. IX.—30. IX. 07; 1.—10.X. 07: täglich 5 ccm; Pause;
vom 21.—30. X. 07: täglich 5 ccm. Verabreicht: 250 ccm Serum Marmorek
per anum.
Erfolg: Bei ungebessertem Lungenbefund Hebung des Allgemein-
zustandes, Verschwinden des Hustens und Auswurfes, gute Gewichts-
zunahme.
37. Mile Pavlovic, 25 J., Platzarbeiter, 16. XI. 07—8. I. 08. Dauer:
54 Tage.
Belastung unbekannt. 8. Kind. Geringe Blutbeimengungen vor 3 Jahren, all-
mählich Husten, Auswurf, Abmagerung.
Befund: R. Clav. u. R. Scap. gedämpft. | Bei der Entl.: Dauernd Fieber über
38°; Durchfälle; rapide Ge-
samtabnahme.—Viel Husten
| und Auswurf.
R. Clav.: Knistern im Insp. L. Clav.: R. Clav. und R. Scap. gedämpft. R.
Unreines Insp. L. Scap.: Unreines Clav.: Kleinblasiges Rasseln, desgl. bis
Insp. im oberen Teil. R. Scap.: Reich- zur unteren Lungengrenze viel. L.
lich trockenes Rasseln, Atm. abge- Clav.: Unreines Atmen, unterhalb rauhes
schwächt. Insp. L. Scap.: Frei. R.Scap : Leise
| Atm. Abwärts frei.
Tbaz.: +; Gewicht: 57,5 kg; kein | Tbaz.: +; Gewicht: 56 kg; dauernd
Fieber. Fieber.
Modus: 10 Tage je Io ccm; Pause 10 Tage; 5 Tage 5 ccm. Verab-
reicht: 125 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Erhebliche Verschlechterung des Lungenbefundes, Auftritt
von dauerndem Fieber und dauernden Durchfällen, rapide Abnahme
des Gesamtzustandes.
38. Wilhelm Nesshöfer, 22 J., Revisor, 26. X. 07—29. 11.08. Dauer:
127 Tage.
‚Vater an Phthise Ÿ. 4. Kind. Sommer 1904 geringe Blutbeimengungen.
Allmählich Husten, Auswurf, Atemnot, Bruststiche.
Befund: R. Scap. verkürzt. Bei der Entl.: Wenig Husten u. Aus-
wurf.
R. Clav. u. Scap. verkürzt. R. Clav.:
Trockenes Rasseln, im Exsp. leises
halb rhonchoröses Glucksen, Giemen, ; ` Gemen, unterhalb trockenes Rasseln
reichlich, bis zur unteren Grenze. L. | bis III. Rippe, dann halbfeuchte Ge-
Clav.: Vereinzeltes Giemen im Insp., räusche. L. Clav.: Rauhes Atmen,
|
R. Clav.: Rauhes Atmen. Vereinzelte
Geräusche, Glucksen im Exsp. Unter-
auch unterhalb. A. L.: Vereinzelte auch unterhalb. A. L.: Vereinzelte
Geräusche. L. Scap.: Vereinzeltes Gie- trockene Geräusche. L. Scap.: Trocke-
men und trockene Geräusche bis zur nes Rasseln, unterhalb vereinzelte halb-
unteren Grenze. R. Scap.: Vereinzelte feuchte Geräusche. R.Scap.: Trockenes
Unreinheiten im unteren Teil. Rasseln. Abwärts verschärftes Atmen,
| vereinzelte trockene Geräusche.
Tbaz.: —; Gewicht:61,5 kg; kein Fieber. | Tbaz. —; Gewicht: 64 kg; kein Fieber,
S ZEITSCHR. f.
128 | F. KOHLER, | o © TUBERKULOSE
Modus: 10 Tage: 5 ccm; 10 Tage Pause; 10 Tage: 10 ccm; 10 Tage Pause
Verabreicht: 150 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Bei ungebessertem Lungenbefund mäßige Gewichtszunahme
und mäßige Hebung des Allgemeinzustandes.
39. Anton Feldmann, 25 J., Bergmann, 30. XI. o7— 20. II. 08. Dauer:
89 Tage.
Keine Belastung. 1 Schwester lungenkrank. 5. Kind. Seit Influenza im
Dezember 1906 viel Husten, Auswurf, Herzklopfen, Atemnot, zeitwcise Fieber.
Blutspucken 20. VII. 07.
Befund: R. Clav. und Scap. verkürzt. , Bei der Entl.: Kein Husten. Wenig
Auswurf.
R.Clav.: Verschärftes Atmen. Trockenes R. Clav. und R. Scap. verkürzt. R.
Rasseln. Unterhalb frei. A. L.: Trocke- : Clav.: Rauhes Insp., verschärftes Exsp.,
nes Rasseln im Insp. L. Clav.: Un- des unterhalb. L. Clav.: Geringe
reines Insp. L. Scap.: Knistern im — trockene Geräusche im Insp. Abwärts
oberen Teil. Abwärts frei. R. Scap.: ' rauhe Atm. L.Scap.: Geringe trockene
Rauhes Atmen im oberen Teil. Ab- Geräusche im oberen Teil. Abwärts
wärts trockenes Rasseln. frei. R. Scap.: Trockenes Rasseln im
Insp. Abwärts frei. „Hat sich seit
| 3 Jahren nicht so wohl gefühlt.“
Tbaz.: —; Gewicht: 70,5 kg; anfangs , Tbaz.: —; Gewicht: 77 kg; kein Fieber.
heftiges Fieber. |
Modus: Vom 3. XII. 07 an 2tägig 5 ccm. Verabreicht: 215 ccm Serum
Marmorek per anum.
Erfolg: Bei unverändertem Lungenbefund starke Hebung des All-
gemeinbefindens mit bedeutender Gewichtszunahme.
40. Wilhelm Ringel, 30 J., Eisenarbeiter, 19. XI. 07 —26. II. 08. Dauer:
100 Tage.
Belastung unbekannt. 1. Kind. Seit Anfang September 1906 Husten, Aus-
wurf; Blutspucken Ende Okt. 1906, vereinzelt Nachtschweiße. Atemnot. Abmagerung.
Befund: R. Clav. und R. Scap. wenig ! Bei der Entl.: Reichlich Husten und
verkürzt. | Auswurf.
R. Clav.: Reichlich kleinblasiges feuchtes R. Clav. und R. Scap. verkürzt. R.
Rasseln, vereinzelt bis II. Rippe. L. Clav.: Knistern. Verschärfte Atm.
Clav.: Halbfeuchtes Rasseln bis IV. Rippe, ; Unterhalb Knistern diffus. L. Clav.:
auch in der A. L. L. Scap.: Klein- Feuchtes Rasseln, auch unterhalb. Atm.
blasiges Rasseln. Abwärts frei. R. leicht verschärft. L. Scap.: Reichlich
Scap.: Rauhes Insp. feuchtes Rasseln. Abwärts Atm. rauh.
R. Scap.: Trockene und halbfeuchte
Geräusche. — Abwärts Atmen ver-
schärft.
Tbaz.: +; Gewicht: 62 kg; kein Fieber. ` Tbaz.: +; Gewicht: 68,5 kg; Tempe-
| raturen sehr labil.
Modus: 10 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause; 10 Tage 10 ccm; 10 Tage Pause;
10 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause; 10 Tage 10 ccm; Pause; 10 Tage 5 ccm. Ver-
abreicht: 350 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Bei unverándertem Lungenbefund trotz guter Gewichts-
zunahme kaum veränderter Allgemeinzustand und gelegentlicher Auf-
tritt von Fieber. |
41. Hermann Fink, 25 J., Schlosser, 23. X.07—31.1.08. Dauer: 101 Tage.
Keine Belastung. 6. Kind. Juni 1907 erstes blutspucken, Juli 1907 Wieder-
holung, später noch 3mal. Wenig Husten und Auswurf, starke Nachtschweibe
später und Abmagerung.
EE 2. DAS TUBERKULOSESERUM MARMOREK. 129
Bei der Entl: Vóllige Heiserkeit.
Schwere Kehlkopftuberku-
lose. Sacch. reichlich +.
— R.Clav. u. R.Scap. verkürzt.
R. Clav.: Trockenes Rasseln im Insp., R. Clav.: Kleinblasiges feuchtes Rasseln,
Exsp. verlängert bis II. Rippe. L. | verschärfte Atm. bis III. Rippe. Von
Befund: R. Clav., obere R. Scap. ver-
Clav.: Trockenes Rasseln, verschärftes da ab Insp. abgestuft. L. Clav.: Ver-
|
|
|
|
kürzt.
Insp. L. Scap.: Rauhes Atmen im schärftes Atmen. Exsp. verlängert.
oberen Teil. R.Scap.: Trockenes Rasseln Unterhalb verschärftes Atmen bis III.
im oberen Teil. Rippe. A. L.: Vereinzelte Unreinheiten .
. Giemen. L. Scap.: Rauhes Atmen,
ech abwärts. R. Scap.: Unreines At-
men. Abwärts frei. — Herz sehr
frequent.
Tbaz.: +; Gewicht: 59 kg; schwerer
Diabetes u. Kehlkopftuber-
kulose; leichtes Fieber.
Tbaz.: +; Gewicht: 65 kg; Spur Sacch.
im Urin. Kein Fieber. Wäh-
rend der Kur: Zunehmende
Heiserkeit, Infiltration der Epi-
glottis. |
Modus: 2tágig 5 ccm. Verabreicht: 200 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Starke Verschlechterung des Lungenbefundes, des All-
gemeinbefindens, rapide Gewichtsabnahme, Ausbildung eines Diabetes
und ausgedehnte Kehlkopftuberkulose.
42. Hugo Momm, 36 J., Steinformer, 8. XI. 07—13. II. 08. Dauer:
98 Tage.
Mutter brustleidend. 1. Kind. Seit mehreren Jahren Husten, Auswurf, Nacht-
schweiBe, 4 mal Blutspucken, zuletzt Juni 1907, Atemnot, Mattigkeit, Abmagerung.
Befund: R. Scap. wenig verkürzt. | Bei der Entl.: R. Clav. und Scap. ver-
kürzt.
R. Clav.: Verschärftes Insp., vereinzelte R. Clav.: Reichlich feuchtes Rasseln.
Geräusche. Knacken von IV. Rippe Giemen. Verschärftes Insp. Unter-
ab. L. Clav.: Reichlich halbfeuchte halb feuchtes Rasseln, verschärfte Atm.
kleinblasige Geräusche bis III. Rippe. bis III. Rippe, dann zunehmend. L.
L. Scap.: Unreines Atmen im oberen Clav.: Trockenes Rasseln. Verschärfte
Teil. Abwärts: Knistern. R. Scap.: Atm. Unterhalb desgl., von der III. Rippe
Frei. ab zunehmend. L. Scap.: Reichlich
trockenes Rasseln. Unterhalb verein-
zeltes Knarren. R. Scap.: Verschärftes
Ä , Atmen. Giemen und Schnurren.
Tbaz.: —; Gewicht: 58kg; kein Fieber. | Tbaz.: ; Gewicht: 66kg; kein Fieber.
Modus: 2tägig 5 ccm. Verabreicht: 230 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Verschlechterung des Lungenbefundes. Allgemeinzustand
bei guter Gewichtszunahme gebessert,
43. Wilhelm Molsbeck, 26 J., Maschinenbauer, 23. I. 08—3. IV. 08.
Dauer: 72 Tage.
Mutter an Phthise +. 4. Kind. Winter 19g06— 1907 starke Erkältung. All-
mählich NachtschweiBe, kein Fieber, viel Husten und Auswurf. Stiche. Zeitweise
Blutspucken, zuletzt 22. IX. 07 ca. ?/, 1.
Befund: R. Clav. und obere R. Scap. , Letzte Untersuchung 16. III. 08:
gedämpft. Wenig Husten und Auswurf.
Kein Fieber.
R. Clav.: Rasselgeräusche. Unterhalb R. Clav. und R. Scap. gedämpft. R.
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIII. 9
130 F. KOHLER. TÜRERKULOSE
und A. L. frei. L. Clav.: Vereinzelte
kleinblasige Rasselgeräusche im Insp.
Abwärts und A. L. frei. L. Scap.: Ver- verschärft. L. Clav.: Reichlich trockene
einzelte trockene Rasselgeräusche im Geräusche, rauhes Insp., bis 111. Rippe.
oberen Teil. R. Scap.: Frei. — Am | L. Scap.: Trockene, záhe Geráusche im
27. I. Blutung. oberen Teil. R. Scap.: Frei.
Tbaz.: +; Gewicht: 51,5 kg; zeitweise | Gewicht: 54 kg; geringes Fieber.
geringes Fieber.
Clav.: Rauhe Atm., vereinzelte trockene
Rasselgeräusche. Unterhalb Atm. leicht
Starke Blutung am 30. III. 08, Wiederholung am 1. und 2. IV., abends ca. 1 L
Erstickungsgefahr. Gelatine. Abbindung der Extremitäten. Subkutane Kochsalz-
infusion. Nacht ruhig. Am 3.1V. 08 morgens sehr starke Blutung, unter der der
Exitus erfolgt.
Modus: Vom 20. II. 08 ab bis 30. III. 08 2tägig 5 ccm. Verabreicht:
100 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Bei geringer Gewichtszunahme und mehrfachen kleinen
Blutungen Tod im schweren Blutsturz nach 72tägiger Kur.
44. Julius Lotz, 27 J., Bahnarbeiter, 7. XII. 07— 14. III. 08. Dauer:
99 Tage.
Keine Belastung. 5. Kind. 1898 1. Lungenblutung. Kuren Herbst 1904,
Sommer 1905. Mehrmals Blutspucken, zeitweise geringes Fieber. Husten und Aus-
wurf. Keine Nachtschweiße.
Befund: R. Clav. u. R. Sean verkürzt. | Bei der Entl.: Wenig Husten, mäßig
L. Clav. bis II. Rippe Tympanie. Auswurf.
R. Clav.: Trockenes Rasseln. Unterhalb R. Clav. und Scap. verkürzt. R. Clav.:
verschärfte Atm., vereinzeltes Knacken Knistergeräusche, Unterhalb Atm. ver-
bis III. Rippe. L. Clav.: Kleinblasige schärft. Von der III. Rippe bis V. Rippe
trockene Geräusche, bis IV. Rippe. L. vereinzelte trockene Geräusche. L.Clav.:
Scap.: Verschärfte Atm. im oberen Teil. | Vereinzelte trockene Geräusche im Insp.,
R. Scap.: Knackende Geräusche im reichlicher bis IV. Rippe. L. Scap.:
oberen Teil. Exsp. verschärft. R. Scap.: Frei. Ab-
wärts Insp. verschärft.
Tbaz.: +; Gewicht: 61 kg; kein Fieber. | Tbaz.: +; Gewicht: 64 kg; kein Fieber.
Modus: 10 Tage 10 ccm; 10 Tage Pause; 10 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause;
10 Tage 10 ccm; 10 Tage Pause; 10 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause; 10 Tage
10 ccm. Verabreicht: 400 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Unveränderter Lungenbefund, gering gebesserter Allge-
meinzustand.
45. Robert Haferkamp, 23 J., Schlosser, 13. XII. 07—19. III. 08. Dauer:
08 Tage.
Keine Belastung. 5. Kind. Seit April 1904 Brustschmerzen, Nachtschweiße,
wenig Husten und Auswurf Kur Dezember 1904 bis März 1905.
Befund: R. Clav. u. R. Scap. stark ver- | Bei der Entl.: Husten u. Auswurf ver-
kürzt. mehrt. Mattigkeit.
R. Clav.: Sehr verschärfte Atm., Exsp. R. Clav. und R. Scap. stark verkürzt.
fast bronchial. Auch unterhalb, mit R. Clav.: Bronchialatmen, auch unter-
metallisch klingendem Rasseln bis III. halb; dazu im Exsp. vereinzelte trockene
Rippe. L. Clav.: Frei. L. Scap.: Ver- Geräusche bis III. Rippe, dann ver-
einzeltes Giemen. Unreine Atm. im schärfte, zum Teil rauhe Atm. L. Clav.:
oberen Teil. R. Scap.: Sehr rauhes Unreine, abgeschwächte Atm. Unter-
Atmen im oberen Teil. halb verschärfte Atm. L. Scap.: Leise
| Atm., vereinzelte trockene Geräusche,
RER ii DAS TUBERKULOSESERUM MARMOREK. 131
besonders im unteren Teil. R. Scap.:
Verschárítes Insp., stellenweise klein-
blasige Geräusche.
Tbaz.: +; Gewicht: 52,5 kg; kein | Tbaz.: + reichlich; Gewicht: 59 kg;
Fieber. kein Fieber.
Modus: 8 Tage 10 ccm; 2 Tage Pause; 2 Tage 10 ccm; 10 Tage Pause;
10 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause; 10 Tage 10 ccm; 10 Tage Pause; 10 Tage 5 ccm;
10 Tage Pause; 10 Tage 10 ccm. Verabreicht: 400 ccm Serum Marmorek
per anum. :
Erfolg: Bei ungebessertem Lungenbefund mäßige Hebung des All-
gemeinzustandes bei guter Gewichtszunahme.
46. Wilhelm Hermann, 29 J., Anstreicher, 21. XII. 07—4. III. 08. Dauer:
71 Tage.
Keine Belastung. 5. Kind. Seit 4 Jahren mäßiger Husten, ohne Auswurf,
Abmagerung, zeitweise Nachtschweiße und Heiserkeit.
Befund: R. Clav. und R. Scap. ver- | Bei der Entl.: Geringer Husten und
kürzt. Auswurf, Atemnot gehoben.
R. Clav.: Weich-verschirftes, unreines R.Scap. verkürzt. R. Clav.: Verschärftes
Insp., bis III. Rippe. Im 4. Inter- Insp., rauhes, verlängertes Exsp. Unter-
kostalraum Knacken bis VI. Rippe und halb unreine Atm. L. Clav.: Ver-
in der A. L. L. Clav.: Verschirftes schárftes Atmen, Exsp. verlángert. Unter-
Insp. bis III. Rippe. L. Scap.: Sehr halb verschárfte Atm. L. Scap.: Ge-
verschärftes Atmen, ohne Geräusche. ringe trockene Geräusche im Insp.,
Abwärts rauhes Atmen. R. Scap.: Un- Mitte, sehr rauhes Atmen. R. Scap.:
reines Atmen. Abwärts glucksende Ge- Rauhes Atmen, vereinzeltes Knistern.
räusche. Abwärts halbfeuchte Geräusche.
Tbaz.: +; Gewicht: 61 kg; keinFieber. | Tbaz.: +; Gewicht: 61 kg; kein Fieber.
Modus: 10 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause; 10 Tage 10 ccm; 10 Tage Pause;
Io Tage 5 ccm; 10 Tage Pause; 5 Tage 10 ccm. Verabreicht: 250 ccm Serum
Marmorek per anum.
Erfolg: Unveränderter Lungenbefund, Allgemeinzustand desgl.
47. Jakob Wey, Wärter, 29 J., 13. XII. 07 —15. II. 08. Dauer: 65 Tage.
Keine Belastung. o Kind. Seit 3 Jahren Schmerzen in der R. Seite,
Husten, Auswurf, schwerer Atem, allmáhlich Abmagerung.
Befund: R. Clav. u. unterhalb, L. Scap. | Bei der Entl.: Mäßig Husten, Auswurf
stark verkürzt. R. Clav. verkürzt. zugenommen.
R. Clav.: Abgeschwächte Atm. Ver- R. Clav. und unterhalb, L. Scap. ge-
einzelte Geräusche im Insp. Unter- dämpft. R. Clav. verkürzt. R. Clav.:
halb vereinzelte trockene Geräusche, Verschärftes Atmen, vereinzelte zähe
sehr verschärfte Atm. L. Clav.: Knacken Geräusche, unterhalb diffus unrein. L.
und Knistern, verschärfte Atm. Unter- Clav.: Leicht verschärftes Atmen; feuchte
halb kleinblasige trockene Geräusche, Geräusche — unterhalb laut verschärftes
verschärftes Insp. bis III. Rippe. A. Atmen, metallisches Knacken bis II.
L.: Sehr verschärfte Atm., kleinblasiges Rippe, dann vereinzelte feuchte Ge-
Rasseln. L. Scap.: Sehr verschärfte ráusche. A. L.: Knacken und Knistern.
Atm. Kleinblasiges Rasseln, auch ab- L. Scap.: Knistern. Mitte: Verschärftes
wärts R. Scap.: Kleinblasiges Rasseln Atmen, unterhalb halbfeuchte Geräusche.
im Insp., besonders im oberen Teil. | R.Scap.: Rauhe Atm., Knacken, Mitte:
Vereinzelte zähe Geräusche. Abwärts
frei.
Tbaz.: +; Gewicht: 51,5 kg; kein Fieber. | Tbaz.: +; Gewicht: 56kg; kein Fieber.
Modus: 2tägig 5 ccm Marmorekserum. Verabreicht: 150 ccm Serum
Marmorek per anum.
g*
ZEITSCHR. t.
132 ___F. KOHLER. TUBERKULOSE
Erfolg: Bei unbeeinfluBtem ungiinstigen Lungenbefunde und zu-
genommenem Auswurf gute Gewichtszunahme.
48. August Brass, 33 J., Handlanger, 14. XII. o7—4y. I. 08. Dauer:
22 Tage.
Vater an Phthise +. 3. Kind. Seit 2 Jahren Schmerzen im Rücken und L.
Seite. Anfangs Nachtschweiße, Abmagerung, Appetitmangel, Herzklopfen, wenig
Husten und Auswurf.
Befund: R. Clav. verkürzt.
R. Clav.: Rauhe Atm., trockene Geräusche; bis III. Rippe rauhe Atm. A. L.:
Unreines Insp. L. Clav.: Unreines Insp., unterhalb verschärftes Insp., geringes
Knistern. A. L.: Knistern. L. Scap.: Knistergeräusche bis zur Mitte. Abwärts frei.
R. Scap.: Trockenes Rasseln bis zur Mitte, rauhe Atm. Abwärts frei.
Tbaz.: +; Gewicht: 59 kg; leichtes Fieber 37,5—37,8— 38,1. |
Patient erhielt 20. XII.—29. XII. 07 täglich 10 ccm Serum per anum. Ver-
abreicht: 100 ccm Serum Marmorek per anum.
Erhebliche Fiebersteigerung am 21. u. 22. XII.: 39,2—39,9—40,1— 40,4.
Nach 3 Tagen Abfall auf 38,5 und 38,3% — Allmähliche Veränderung der
Psyche, will die Anstalt verlassen und zu Fuß bei 10% Kälte nach Dortmund
(ca. 10 Stunden) gehen!
Patient muß als ungeeignet entlassen werden.
49. Johann Drüten, 16 J., Dreher, 8. VI.o7—31.VIl.07. Dauer: 54 Tage.
Keine Belastung. 4. Kind. Seit 2 Jahren Husten, Auswurf, Bruststiche.
Häufig Fiebergefühl, mehrmals Blutspucken.
Befund: R. Clav. u. R. Scap. stark ver- | Bei der Entl.: Dauernd mittelhohes
kürzt. Fieber. Allgemeinzustand sehr
| geschwächt. Viel Husten. Aus-
wurf vermehrt.
R. Clav. gedämpft, R. Scap. stark ver-
kürzt, L. Clav. auch unterhalb tympa-
nitisch. Unterhalb der R. Clav. starke
Verkürzung. R.Clav.: Verschärfte Atm.,
trockene Geräusche, bis zur unteren
Grenze. A. L.: Seltenes Giemen,. ver-
schärfte Atm. L. Clav.: Zähe Ge-
räusche, verschärfte Atm., unterhalb
desgl., metallisch in der Mohrenheim-
grube. Unterhalb zähe Geräusche, auch
in der A.L. L.Scap.: Zähe Geräusche,
vereinzeltes Giemen, laut- verschärfte
Atm. R. Scap.: Trockene und záhe
Geräusche im oberen Teil. Abwärts
| verschärfte Atm.
Tbaz.: +; Gewicht: 53 kg; Fieber | Tbaz.: +; Gewicht: 54 kg; leichtes
37,7 —38,2— 38,0. Fieber bis mittelhoch.
Tod am 21. VIII. 07.
Modus: 11 Tage 10 ccm per anum; 2 Tage 5 ccm per anum; 1 Tag 5 ccm
intravenös; I Tag 5 ccm per anum; 1 Tag 5 ccm intravenös; 5 Tage 5 ccm
per anum; 6 Tage Pause; 1 Tag 10 ccm per anum; 1 Tag Io ccm intravenös
(schwerer Kollaps!), 8 Tage 5 ccm per anum. Verabreicht: 220 ccm Serum
Marmorek.
Erfolg: Bei fortschreitend verschlechtertem Lungenbefund und
Allgemeinbefinden Tod 3 Wochen nach der Entlassung.
R. Clav.: Abgeschwächte Atm. Knistern.
Feuchte Geráusche, namentlich im
Exsp., auch unterhalb bis III. Rippe.
— A. L.: Rauhes Insp. L. Clav.:
Giemen. Feuchtes Rasseln, Schnurren
bis zur unteren Grenze, auch A. L.
L. Scap.: Wie vorne, im oberen Teil.
Mitte: Feuchte Geräusche, geringes
Giemen. R.Scap.: Giemen. Knistern
úber der ganzen Scap.
SE DAS TUBERKULOSESERUM MARMOREK. 133
50. Paul Appeltrath, 21 J., Anstreicher, 31. I. 08—4. V. 08. Dauer:
95 Tage. |
Keine Belastung. 3. Kind. Vor 4 Jahren schwere Brustquetschung. 1. Blut-
spucken September 1907, wenig Husten. Keine Abmagerung.
Befund: R. Clav. und Scap. verkürzt. | Bei der Entl.: Kein Husten. Kein Aus-
Vorne bis III. Rippe Tympanie. | wurf.
R.Clav.: Reichlich feuchtes Rasseln bis Perkussion wie links. R. Clav.: Knistern.
III. Rippe. L. Clav. : Vereinzelte trockene Unterhalb halbfeuchte Geráusche und
Geráusche. L. Scap.: Trockene Ge- Knistern, dann rauhe Atm. L. Clav.:
ráusche, rauhe Atm. R.Scap.: Klein- Rauhe Atm. L. Scap.: Trockene Ge-
blasige trockene Geräusche, Knarren. ráusche. R. Scap.: Knistern, halbfeuchte
Unterhalb Atm. unrein. Geráusche im oberen Teil. Im unteren
| Teil halbfeuchte Geräusche.
Tbaz.: Kein Auswurf; Gewicht: 56 kg; | Gewicht: 57,5 kg; kein Fieber.
kein Fieber. |
Modus: 10 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause; 10 Tage 10 ccm; 10 Tage Pause;
10 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause; 10 Tage 10 ccm. Verabreicht: 300 ccm Serum
Marmorek per anum.
Erfolg: Unbedeutende Besserung des Lungenbefundes und des Ge-
wichtes.
51. Hermann Splitthoff, 47 J., Tagelóhner, 25. I. 08—2. V. 08. Dauer:
99 Tage.
Keine Belastung. 8. Kind. Vor 2 Jahren Blutsturz. Danach Abmagerung,
Nachtschweiße, Luftmangel, wenig Husten und Auswurf.
Befund: Beide Clav. verkürzt. R. Scap. | Bei der. Entl.: Atemnot unverändert.
verkürzt. Wenig Husten und Auswurf.
Keine NachtschweiBe.
R. Clav.: Rauhes Atmen. Vereinzelte | R. Clav. verkürzt. R. Clav.: Rauhe Atm.,
trockene Geräusche, Giemen. Unter- ohne Geräusche, unterhalb Knistern, zu-
halb Insp. verschärft. Von III. Rippe nehmend. L. Clav.: Reichliche halb-
ab vereinzelte trockene Geräusche. L. feuchte Geräusche, rhonchorös, be-
Clav.: Feuchte Geräusche, zum Teil sonders unterhalb. L.Scap.: Reichliche
metallisch, rauhe Atm., Giemen bis halbfeuchte Geräusche, rhonchorös. R.
IV. Rippe. L. Scap.: Feuchte Ge- Scap.: Halbfeuchte Geräusche, bis Mitte.
räusche, zum Teil metallisch, abwärts Dann Atm. verschärft, vereinzelte
frei. R. Scap.: Leise Atm. trockene Geräusche.
Tbaz.: 0; Gewicht: 52 kg; kein Fieber. | Tbaz.: 0; Gewicht: 6o kg; kein Fieber.
Modus: 10 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause; 10 Tage 10 ccm; 10 Tage Pause;
10 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause; 10 Tage 10 ccm; 10 Tage Pause; 10 Tage 5 ccm.
Verabreicht: 350 g Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Bei teilweise gebessertem Lungenbefund Hebung des All-
gemeinzustandes und große Gewichtszunahme.
52. Hermann Possmann, 19 J., Dreher, 25. I. 08—2. V. 08. Dauer:
99 Tage.
Vater an „Asthma“ t. 4. Kind. Seit 4 Jahren Husten, Auswurf, Appetit-
mangel, zeitweise Atemnot, keine Blutung. Keine Nachtschweile.
wurf, keine Nachtschweiße. Appe-
Befund: R. Clav. u. R. Scap. verkürzt. | Bei der Entl.: Kein Husten, wenig Aus-
| tit gut. — L. Clav. u. L. Scap.
|
| verkürzt.
R. Clav.: Unreines Insp., unterhalb | R. Clav.: Verschärfte Atm. Unterhalb
trockene Geräusche bis III. Rippe, ab- : Insp. verschärft, leicht rhonchorös. L.
warts sehr rauhe Atm. L. Clav.: Un- Clav.: Rauh-verschärfte Atm., geringe
| ZEITSCHR. f.
134 F. KOHLER. TUBERKULOSE
reines Atmen. L. Scan: Kleinblasiges ; trockene Geräusche. Unterhalb Atm.
trockenes Rasseln im oberen Teil. R. verschärft. L. Scap.: Rauh-verschärfte
Scap.: Reichliche trockene Geräusche Atm., Knistern im oberen Teil. Unter-
im oberen Teil. halb Atm. sehr rauh. R. Scap.: Ge-
ringe trockene Geräusche, abwärts rauhe
Atm.
Tbaz.: 0; Gewicht: 67,5 kg; kein Fieber. | Tbaz.: 0; Gewicht: 71 kg; kein Fieber.
Modus: 10 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause; 10 Tage 10 ccm; 10 Tage Pause;
10 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause; 10 Tage 10 ccm; Io Tage Pause; 10 Tage 5 ccm
Serum Marmorek per anum. Verabreicht: 350 ccm Serum.
Erfolg: Bei kaum verändertem Lungenbefund mäßige Hebung des
Allgemeinzustandes und des Gewichtes.
53. Gustav Sommerkorn, 48 J., Maurer, 8. II. 08—13. V.08. Dauer:
96 Tage.
Vater an Brustleiden +. 1 Schwester an Phthise +. Ältestes Kind. März 1906
2), 1 Blut gespuckt, Husten, Auswurf, März 1907 nochmals Blutspucken. Seit kurzem
NachtschweiBe.
Befund: R. Clav. u. R. Scap. verkürzt. | Bei der Entl.: Gut erholt. Reichlich
| Husten. Auswurf abgenommen.
R, Clav.: Rasselgeräusche bis III. Rippe. | R. Scap. verkürzt. R. Clav.: Frei. L.
L. Clav.: Knistern. L. Scap.: Trockene Clav.: Vereinzelte Unreinheiten im Insp.
Rasselgeräusche im oberen Teil. R. L. Scap.: Frei. R. Scap.: Leicht un-
Scap.: Vereinzeltes Rasseln. reines Insp. im oberen Teil.
Tbaz.: +; Gewicht: 58 kg; kein Fieber. | Tbaz.: +; Gewicht: 6o kg; kein Fieber.
Modus: 10 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause; 10 Tage 10 ccm; 10 Tage Pause;
10 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause; 10 Tage 10 ccm; 10 Tage Pause; 8 Tage 5 ccm
Serum Marmorek per anum. Verabreicht: 340 ccm Serum.
Erfolg: Bei mäßiger Gewichtszunahme bedeutende Besserung des
Lungenbefundes und des Allgemeinzustandes.
54. Wilhelm Thal, 22 J., Eisenarbeiter, 8. II. 08— 16. V. 08. Dauer:
99 Tage.
Keine Belastung. Ältestes Kind. 9. IX. 07 Blutspucken teelöffelvoll, Husten,
Auswurf, Mattigkeit, Atemnot allmählich entwickelt.
Befund: Vorne L. Verkürzung bis III. | Bei der Entl.: Wenig Husten u. Aus-
Rippe. wurf. Atemnot gebessert. Appetit
gut. Keine Nachtschweiße.
R. Clav.: Exsp. verlängert, hauchende L. Scap. wenig verkürzt. Unterhalb
Atm. Von der IV. Rippe ab klein- Dämpfung. R. Clav.: Leicht-rauhe
blasige Geräusche, Reiben, auch in der . Atm. bis III. Rippe. Dann trockenes
A. L. mit Schnurren. L. Clav.: Bron- Rasseln. A. L.: Rauhe Atm. L. Clav.:
chiale Atm., Exsp. verlängert. Unter- Sehr rauhes Atmen. Schnurren, bis
halb unreine, zum Teil rauhe Atm. |! IN Rippe. L. Scap.: Verschärfte Atm.
Schaben, nach unten zunehmend. R.
Scap.: Leise Atm. Schaben im unteren
Teil. Abwärts Knarren des Insp.
Letzteres bis IV. Rippe. — A. L.:
Reichlich kleinblasiges Rasseln, bron-
chiale Atm. L. Scap.: Vereinzeltes
Giemen und Rasseln, unreine Atm.
Abwärts reichliches Rasseln, Pfeifen,
Schnurren. R. Scap.: Leise Atm., ver-
einzelte Unreinheiten. |
Tbaz.: +; Gewicht: 56 kg; kein Fieber. | Tbaz.: +; Gewicht: 6o kg; kein Fieber.
Modus: 10 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause; 10 Tage 10 ccm; 10 Tage Pause;
10 Tage 5 ccm; Io Tage Pause; 10 Tage 10 ccm; 10 Tage Pause; 10 Tage 5 ccm.
Verabreicht: 350 ccm Serum Marmorek per anum.
ie at DAS TUBERKULOSESERUM MARMOREK. 135
Erfolg: Bei geringer Besserung des Lungenbefundes bedeutende
Besserung der subjektiven Beschwerden und mäßige Gewichtszunahme.
55. Johann Müller, 30 J., Handlanger, 19. II. 08— 18. V. 08. Dauer:
go Tage.
Keine Belastung. 8. Kind. Vor 2 Jahren Lungenentzündung, seitdem kränk-
lich, matt, Husten, Auswurf, zeitweise NachtschweiB.
Befund: R. Clav. und Scap. verkürzt. | Bei der Entl.: Sehr gebessert. Wenig
Husten. Kein Auswurf.
R.Clav.: Leise Atm. Unterhalb trockenes | R. Clav. und halbe R. Scap. verkürzt.
Rasseln im Insp. bis III. Rippe. Ab- R. Clav.: Unreine Atm. Unterhalb ver-
wärts Atm. abgeschwächt. L. Clav.: einzeltes Knacken u. verschärfte Atm.
Atm. abgeschwächt, reichlich trockenes L. Clav.: Unreines Insp. Unterhalb
Rasseln. Unterhalb verschärftes Insp. verschärfte Atm. L. Scap.: Unreine
bis III. Rippe. L. Scap.: Vereinzeltes Atm., stellenweise vereinzeltes trockenes
trockenes Rasseln im oberen Teil. Rasseln. R. Scap.: Unreine Atm. im
Leise Atm. im unteren Teil. R. Scap.: oberen Teil.
Unreine Atm. Vereinzelte trockene Ge-
räusche im oberen Teil.
Tbaz.: o; Gewicht: 65,5 kg; kein Fieber. | Kein Auswurf; Gewicht: 71,5 kg;
kein Fieber.
Modus: 10 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause; ro Tage 10 ccm; 10 Tage Pause;
10 Tage 5 ccm; 10 Tage Pause; 10 Tage 10 ccm. Verabreicht: 300 ccm Serum
Marmorek per anum.
Erfolg: Lungenbefund und Allgemeinbefinden sehr gebessert; starke
Gewichtszunahme.
56. Johann Pyrags, 33 J., Sattler, 22. II. 08—20. V. 08. Dauer: 89 Tage.
Keine Belastung. 9. Kind. Seit !/, Jahr Nachtschweiße, Abmagerung, Blut-
spucken vor 3 Monaten, zeitweise Atemnot.
Befund: R. Clav. u. R. Scap. verkürzt, | Bei der Entl.: Wenig Husten, noch viel
Auswurf, zeitweise Schmerzen in
der linken Seite.
R. Clav.: Leise Atmung. Unterhalb R.Clav. u. R.Scap. wenig verkürzt. R.
abgeschwächte Atm. Insp. abgesetzt Clav.: Vereinzelte kleinblasige trockene
bis IV. Rippe, von da ab reichliches Geräusche. L., Clav.: Geringes Knacken
Rasseln, feucht, auch in der A.L. L. im Exsp. L. Scap.: Rauhes, unreines
Clav.:Halbfeuchteskleinblasiges Rasseln. Insp. im oberen Teil. R.Scap.: Leichte
Unterhalb Atm. rauh bis III. Rippe. Rauhigkeit im Insp. im oberen Teil.
A. L.: Sehr unreines Insp. L. Scap.:
Unreine Atm. im oberen Teil. Halb-
feuchtes kleinblasiges Rasseln im unteren
Teil, auch abwärts. R. Scap.: Unreine
Atm. Rhonchi angedeutet im oberen `
Teil. Abwärts unreine Atm. |
Tbaz.: 0; Gewicht: 63 kg; kein Fieber. | Tbaz.: 0; Gewicht: 64,5 kg; kein Fieber.
Modus: Dauernd 2tägig 5 ccm; Pause vom 1.—4. III. 08; verabreicht bis
18. V.08.' Verabreicht: 200 ccm Serum Marmorek per anum.
Erfolg: Deutliche Besserung des Lungenbefundes bei geringer
Hebung des Gewichtes, des Allgemeinzustandes und der subjektiven
Beschwerden.
57. Hermann Flesch, 36 J., Kesselschmied, 14. III. 08— 30. V. 08. Dauer:
78 Tage.
Keine Belastung. 2. Kind. Vor 7 Jahren erste Lungenblutung ı Tasse,
F ZEITSCHR, f.
136 F. KÖHLER. TUBERKULOSE
desgl. vor 3 Jahren, vor 2 Jahren „Rippenfellentzündung“. Seitdem dauernd Husten,
Auswurf, Abmagerung, Mattigkeit. Zeitweise Nachtschweiße.
Befund: L. Clav. verkürzt, R. Clav. ge- | Bei der Entl.: Bedeutend verschlechtert.
dämpft, R. Scap. verkürzt. Äußerst schwach. Perkussion wie
links.
R. Clav.: Sehr rauhes Atmen. Unter- R. Clav.: Reichliches Knistern, auch
halb reichlich trockene Geräusche bis unterhalb, zum Teil metallisch bis
III. Rippe. L. Clav.: Rauhes, unreines III. Rippe. A. L.: Knistern im Insp.
Insp. L. Scap.: Leise Atm. im oberen L. Clav.: Rauhe Atm. Diffus trockene
Teil. R. Scap.: Reichlich halbtrockene Geräusche bis III. Rippe. L. Scap.:
Geräusche im oberen Teil. Im unteren Rauh-verschärfte Atm. Knistern. R.
Teil leise Atm. Scap.: Zähe und feuchte Geräusche,
unterhalb Knistern.
Tbaz.: +; Gewicht: 55 kg; kein Fieber. | Tbaz.: +; Gewicht: 51 kg; kein Fieber.
Modus: Alle 2 "Tage Io ccm; ohne Pause. Verabreicht: 370 ccm Serum
Marmorek per anum.
Erfolg: Ausgesprochene Mecca des Lungenzustandes
und des Allgemeinbefindens.
58. Ferdinand Thon, 35 J., Schlosser, 29. II. 08—24. VI. 08. Dauer:
117 Tage.
Vater an Tuberkulose +. 3. Kind. Seit Sommer 1904 Husten, Auswurf, ge-
legentlich Blutbeimengung. Kur in Holsterhausen 4. X. 05—16. I. 06. Seitdem
unterbrochen gearbeitet. — Atemnot.
Befund: R. Clav. u. R. Scap. verkürzt Bei der Entl.: Atemnot, Husten, Aus-
| wurf ungebessert.
R. Clav.: Unreines Insp., Exsp. ver- | L. Clav. u. L. Scap. verkürzt. R. Clav.:
schärft. Unterhalb sehr verschärftes Knistern. Unterhalb Atm. leicht ver-
Atmen bis III. Rippe. A. L.: Klein- schärft, ohne Geräusche. L. Clav.:
blasige trockene Geräusche. L. Clav.: Feuchte Geräusche, Giemen im Insp.,
Knistern im Insp. und Exsp. — Bis | unterhalb Atm. abgeschwächt, Knistern
III. Rippe trockene Geräusche. L. Scap.: | bis III. Rippe. A. L.: Atm. leicht ver-
Verschärftes, verlängertes Exsp. im ; schärft. L. Scap.: Feuchte Geräusche,
oberen Teil, lese Atm. R. Scap.: | geringes Giemen bis zur Mitte. Ab-
Sehr verschärftes Atmen, Exsp. ver- warts Atm. verschärft. R. Scap.: Ver-
längert im oberen Teil. Abwärts reich- schärftes Atmen. Unterhalb knisternde
lich kleinblasige halbfeuchte Geräusche. Geräusche.
Tbaz.: +; Gewicht: 55 kg; kein Fieber. | Tbaz.: +; Gewicht: 56,5 kg; kein Fieber.
Modus: Alle 2 Tage 10 ccm; ohne Pause. Verabreicht: 540 ccm Serum
Marmorek per anum.
Erfolg: Objektiver Befund wie subjektive Beschwerden vóllig un-
beeinfluBt.
- 59. Rudolf Swoboda, 27 J., Motorwárter, 18. III. o8—27. VI. 08. Dauer:.
102 Tage.
Keine Belastung. Erkrankte Juli 1907 mit Husten, später Auswurf, Atemnot,
geringe Nachtschweiße, starke Atemnot. Kein Blutspucken. Ältestes Kind.
Befund: R.Clav. bis II. Rippe, R.Scap. | Bei der Entl.: Noch reichlich Husten
verkürzt. u. Auswurf, zeitweise Schmerzen.
R. Clav.: Trockenes Knarren im Insp. | R. Clav.: Feuchte Geräusche, Knistern,
u. Exsp., reichlich, bis III. Rippe. Von unterhalb desgl. reichlich bis IV. Rippe,
da ab trockene Geräusche bis V. Rippe. dann Atm. abgeschwächt, Knistern.
A. L.: Knarren u. vereinzelte trockene A. L.: Knistern im Insp. und Exsp.
Geräusche. L. Clav.: Trockenes Knarren L. Clav.: Reichliches Knistern. Unter-
BD.XIILHEFT? . DASTUBERKULOSESERUM MARMOREK. 137
im Insp., unterhalb reichlich klein- | halbhalbfeuchte Geräusche bis III. Rippe,
blasiges Rasseln, zum Teil mit rauher dann Knistern. A. L.: Rauhe Atm. L.
Atm. L. Scap.: Trockene Geräusche | Scap.: Halbfeuchte Geräusche bis zur
im oberen Teil. Abwärts Atm. rauh. Mitte. Dann rauhe Atm. R. Scap.:
R. Scap.: Vereinzelte trockene Ge- Rauhe, abgeschwächte Atm., feuchte
räusche, im unteren Teil reichlicher. Geräusche im Insp. und Exsp. bis zur
Mitte, dann vereinzeltes Knistern, feuchte
ı Geräusche.
Tbaz.: +; Gewicht: 48kg; kein Fieber. Tbaz.: +; Gewicht: 51 kg; kein Fieber.
Modus: Alle 2 Tage 10 ccm; ohne Pause. Verabreicht: 4So ccm Serum
Marmorek per anum.
Erfolg: Bei mäßig gutem Allgemeinzustand, geringer Gewichts-
zunahme blieb der objektive Befund unverändert, zeigte eher Tendenz
zum frisch-entzündlichen Fortschritt.
60. Johann Sonnenschein, 38 J., Fabrikarbeiter, 29. II. 08—24. VI. 08.
Dauer: 117 Tage.
Keine Belastung. 1 Bruder lungenkrank. Beginn Mai 1902 mit Husten,
Auswurf, geringem Blutspucken. Kur in der Heilstätte Holsterhausen 3. VI. bis
5. IX. 03. Seitdem dauernd gearbeitet, in letzter Zeit schlechtes Befinden.
Befund: R.vorne Dämpfung bisIIL. Rippe, | Bei der Entl.: Husten und Auswurf
L. Clav. u. beide Scap. verkürzt. | mäßig stark.
R. Clav.: Verschärftes Atmen, vereinzelte | R. Clav. und R. Scap. stark verkúrzt.
trockene Geräusche, Exsp. verlángert, | R. Clav.: Feuchte Geráusche, Giemen,
unterhalb rauhe, bronchiale Atm., ver- | leicht rhonchorös, im Insp. und Exsp.
einzelte trockene Geräusche, mit me- Unterhalb Atm. verschärft, besonders
tallischem Beiklang bis IV. Rippe. Ab- im Insp., rhonchorös, bis zur unteren
wärts Atm. rauh, auch in der A.L. Grenze. L. Clav.: Laut-verschärftes
L. Clav.: Sehr rauhe Atm., auch unter- | Atmen, fast bronchial, stellenweise rhon-
halb und in der A. L., hier Brummen chorös, unterhalb Atm. verschärft, rauh,
im Exsp. L.Scap.: Sehr rauhes Atmen, rhonchi, Knacken im Exsp. bis II. Rippe.
zum Teil mit Brummen. Abwärts A. L.: Verschárftes Atmen, ohne Ge-
Brummen im Insp. R. Scap.: Ver- | räusche. L. Scap.: Verschärftes Insp.,
schärfte Atm., Brummen, Schnurren, | Exp. rhonchorös, vereinzeltes Giemen
. vereinzelte trockene Geräusche. Ab- | im mittleren Teil, fast bis zur unteren
wärts sehr rauhe Atm. Grenze. R. Scap.: Lautes Giemen,
' rhonchi, besonders im Exsp., bis zur
‘ unteren Lungengrenze. — Atemnot ge-
| bessert.
Tbaz.: 0; geringes Fieber bis max. , Tbaz.: 0; kein Fieber; Gewicht: 56 kg.
38,5% bis 31. III; Gewicht: |
47 kg; vom 1. IV. ab dauernd |
normale Tp. |
Modus: Alle 2 Tage 10 ccm; ohne Pause. Verabreicht: 540 ccm Serum
Marmorek per anum.
Erfolg: Bei mäßig gebessertem Allgemeinzustand und guter Ge-
wichtszunahme Besserung der Atemnot, Hebung des Initialfiebers.
Lungenbefund unverändert.
Ich habe diesen Protokollen nur wenig hinzuzufügen. Besonderes Inter-
esse erweckt ohne Zweifel der 5. Fall (Theiss), bei dem eine anschließende
eigenartige Durchseuchung des Körpers, charakterisiert durch multiple Abs-
zesse, die in Rücksicht auf die angewandte Rektalmethode nicht etwa auf sep-
> AT | E ZEITSCHR. f
138 F, KOH LER. | | en -TUBERKULOSE
tische Infektion zurückgeführt werden können, und bösartige Kniegelenkstuber-
kulose mit notwendig gewordener Oberschenkelamputation einen recht üblen
Ausgang herbeiführte. Der Kranke litt bei seinem Eintritt lediglich an einer
tuberkulösen Affektion der Lunge und zeigte während der Serumbehandlung
die geschilderte Verschlimmerung. Der Beweis dafür, daB diese dem Serum
als der veranlassenden Ursache zuzuschreiben ist, ist natürlıch kaum zu liefern.
Daß aber die Serumanwendung die ungünstige Entwickelung des ganzen
Prozesses nicht zu hemmen vermochte, ist sicher und bedeutet ein ungünstiges
Zeichen für die Frage der Wirksamkeit. Indessen gab gerade dieser Fall mir
Veranlassung, über eine besondere Frage nachzudenken, deren Lösung nicht
ohne weiteres sich von selbst ergibt. Die Bakterizidie ist zweifellos das Haupt-
erfordernis, welches für die wirksame Bekämpfung der Infektionskrankheit,
welche es auch sein möge, eine Garantie zu geben vermag. Wenn die Neu-
tralisierung des Bazillengiftes, also die antitoxische Praxis, gewiß die Wirk-
samkeit der Bazillen lahmzulegen imstande ist, so wird auf die Dauer dennoch der
Erfolg nur ein halber sein, wenn es nicht gelungen ist, die Quelle der Toxine,
nämlich die Bakterien selbst, im Organismus abzutóten. Die Wirkung des
Kochschen Tuberkulins ist meines Erachtens zum großen Teil deshalb eine
so ungewisse, weil das Tuberkulin nicht die Tuberkelbazillen selbst zu töten
vermag und diesem Erfordernis höchstens nur auf indirektem Wege gerecht
zu werden in der Lage ist, indem es durch die Unschädlichmachung der
Toxine den Körper befähigen soll, nun seinerseits durch eigene Kraft die
Bazillen zur Giftproduktion unfähig zu machen.
Das bakterizide Prinzip ist also zweifellos viel sicherer zur Überwindung
einer Infektionskrankheit, als wie das antitoxische Verfahren, sofern es nicht
gleichzeitig bakterizide Rückwirkungen auf direktem Wege sicher vermittelt.
Aber gerade bei der Tuberkulose scheint mir nach den neuesten Unter-
suchungen ein besonderer Nachdruck für alle Serum- und Antitoxinverfahren
darauf gelegt werden zu müssen, daß das Agens gleichzeitig eine Resorption
oder Beseitigung abgetöteter Tuberkelbazillen gewährleistet. Die abgetöteten
Tuberkelbazillen im Organismus sind keine indifferenten Körper. F. Daels (Med.
Klinik 1908, Nr. 2) hat auf Grund interessanter Untersuchungen sichergestellt, daß
auch abgetötete Tuberkelbazillen die spezifischen tuberkulösen Ge-
websveränderungen hervorzurufen vermögen. Experimentelle Unter-
suchungen über die Wirkung toter Tuberkelbazillen stammen von C. Steinberg
(Zentralbl. f. allg. Pathol. 1902, Nr. 3} Nach diesen beiden Autoren können
abgetötete Tuberkelbazillen, wenn auch in geringem Grade, im Tierkörper im
wesentlichen dieselben Veränderungen hervorrufen, wie lebende Tuberkelbazillen.
Von besonderer Bedeutung sind die Selbstversuche Nösskes, die in einer aus-
führlichen Experimentalarbeit: „EosinophileZellen und Knochenmark, insbesondere
die chirurgischen Infektionskrankheiten und Geschwiilste' (Deutsche Ztschr. f.
Chirurgie 1900, S, 211) und später in einem interessanten Aufsatze in der
Medizinischen Klinik 1908, Nr. 16, niedergelegt sind.
Nach diesen Untersuchungen kann eine Durchsetzung des Gewebes mit
einer lebhaften Infiltration recht wohl durch abgetötete Tuberkelbazillen hervor-
A alle, DAS TUBERKULOSESERUM MARMOREK. 139
gerufen werden, ja es kann zu ausgebildeten Abszessen kommen, in denen als-
dann keine Tuberkelbazillen nachweisbar sind.
Diese Feststellungen lassen es logischerweise als unumgänglich notwendig
erscheinen, daß ein bakterizides Verfahren gleichzeitig eine Aus-
schwemmung des toten Bakterienmateriales gewährleisten muß,
wenn die Möglichkeit ausgeschaltet werden soll, daß dieses noch
tuberkulöse Gewebszerstörungen hervorbringt.
Ich glaube, daß auf diese Frage bisher noch nicht genügend hingewiesen
ist und daß dieser Forderung im Interesse therapeutischer Zuverlässigkeit mehr
wie bisher Rechnung getragen werden muß. Daß auf dem Versagen gegen-
über dieser Notwendigkeit manche Mißerfolge des Marmorekserums beruhen,
welche durch Auftreten neuer, unerwarteter Infektionsherde charakterisiert sind,
dafür läßt sich bisher gewiß kein Beweis, der stichhaltig wäre, erbringen. Immer-
hin aber sind die Erfahrungen dazu angetan, die Tatsache der keineswegs garan-
tierten Ungefährlichkeit abgetöteter Tuberkelbazillen, solange sie im Organismus
vorhanden sind, im Auge zu behalten.
Bezüglich der Dauererfolge meiner beschriebenen 60 Fälle hoffe ich
nach zwei Jahren eingehende Feststellungen bringen zu können.
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E ZEITSCHR, f.
142 Lee ES: TUBERKULOSE
VIII.
Das Antituberkuloseserum Marmorek.
Seine praktischen Erfolge während 5 jähriger Anwendung.
Bearbeitet an Hand der gesamten bisher erschienenen Literatur.
Von
Dr. med. Hermann Frey, Davos,
Spezialarzt für Lungen- und Nervenkrankheiten.
is ist für den vielbeschäftigten praktischen Arzt keine leichte Aufgabe,
+4%| beständig über die Bestrebungen der Tuberkulosetherapie und deren
—45| Resultate auf dem Laufenden zu bleiben. Entweder fehlt die dazu
notice Zeit, oder vielfach auch die einschlägige Literatur; der Praktiker ist dann
darauf angewiesen, sich mit den kurzen Extrakten zu begniigen, die in den
von ihm gehaltenen Zeitschriften zu finden sind. Je nach dem Gesichtswinkel,
unter welchem der Referent jeweilen die Sache betrachtet, wird das Bild ein
mehr oder weniger richtiges sein, und wenn ungliicklicherweise ein abfalliges
Urteil das einzige war, das zur Kenntnis gelangte, dann ist die Angelegenheit
erledigt und die betreffende Therapie verurteilt.
Wie haufig wird aber leider nur der Spur nach, bisweilen ohne griind-
liches Studium und sorgfaltige eigene Priifung, sogar ex kathedra, ein Urteil
abgegeben! Es ließe sich hierfür eine Menge von Beispielen anführen, und
dürfte gerade das Antituberkuloseserum Marmorek und sein bisheriges Schicksal
eine ziemlich deutliche Illustration dazu sein.
Ich habe mir nun die Aufgabe gestellt, in dieser Schrift eine Übersicht
über die bisher mit dem Marmorekschen Serum erreichten Resultate zu geben
und über Herstellung, Anwendungsweise des Serums, sowie über seine theoretische
Begründung zu berichten. Da ich selbst das Serum seit 5 Jahren praktisch
verwerte, und mir auch so ziemlich die gesamte Literatur, welche darüber bisher
erschienen ist, zur Verfügung steht, so sollte es mir möglich sein, ein richtigeres
Bild über den Wert der Marmorekschen Serumbehandlung der Tuberkulose
zu geben, als dies durch die kurzen Einzelberichte, die dem praktischen Arzte
vor Augen kommen, der Fall ist. Die statistische Verwertung muß natürlich
cum grano salis aufgefaßt werden, da die große Verschiedenheit des zugrunde
liegenden Materiales und die teilweise ungenügend referierten Krankengeschichten
keine leichte einheitliche Beurteilung und Klassifizierung gestatteten.
Zu alledem kommt noch die bei aller Sorgfalt nicht zu vermeidende
Subjektivität in der Bewertung der Resultate meinerseits; in zweifelhaften Fällen
habe ich aber stets nach unten und nicht nach oben abgerundet.
Trotz dieser unleugbaren Mängel dürfte die Statistik doch ziemlich klar
beweisen, daß dem Marmorekschen Antituberkuloseserum ein weit hervor-
ragenderer Platz im Kampfe gegen die Tuberkulose gebührt, als ihm bisher
eingeräumt worden ist,
Ee DAS ANTITUBERKULOSESERUM MARMOREK. 143
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31. Prof. Hoffa-Berlin, Das Antituberkuloseserum Marmorek. Berl. klin. Wchschr. 1906,
19. Febr., Nr. 8.
32.* Dr. Krokiewicz und Dr. Engländer-Krakau, Erfahrungen mit Marmoreks Serum
bei der Lungenphthise. Wien. klin. Wchschr. 1906, 15. März, Nr. 11.
33. Dr. F. Röver-Bremen, Uber 25 mit Marmoreks Serum behandelte Fälle von Tuber-
kulose, Beitr. z. Klinik d. Tub. 1906, Bd. 5, Heft 3.
34. Dr. E. Ullmann-Znaim, Uber meine Erfolge mit Dr. Marmoreks Antituberkuloseserum.
Wien. klin. Wchschr. 1906, 31. Mai, Nr. 22.
35. Dr. Adelstan de Martigny-Montréal, De la valeur du sérum de Marmorek dans le
traitement de la tuberculose pulmonaire. Le journ. de med. et de chir,, Montréal 1906, 9 Juin.
— Tuberculose et sérum de Marmorek, Rapport présenté au Congrès des médecins de
langue française de l’Amérique du Nord à Trois-Rivitres, Juin 1906.
36. Dr. Kohler-Belfort et Dr. Jacobson-Paris, Un cas de tuberculose subaigüe, traité
par le sérum antituberculeux de Marmorek. Bull. gén. de thérap. 1906, 15 Juillet.
37. Dr. Georges Petit-Paris, Le sérum antituberculeux de Marmorek, Rev, int. de la
tub. 1906.
38. Dr. A. Feldt-Petersburg, Marmoreks Antituberkuloseserum. Roussky Vratsch. 1906,
Nr. 28.
— Über Marmorcks Antituberkuloseserum. Vortrag, gehalten den 21. Februar 1906 im
Verein St. Petersb. Ärzte; Ztschr. f. Tuberkulose 1906, Bd. 9, Heft 3.
39. Congrés international de ¡a tuberculose, Paris 1905. Compte rendu, vol. 1.
40. Dr. J. Köhler-Holsterhausen, Das Tuberkuloseserum Marmorek. Sammelreferat. Int.
Centralbl. f. d. ges. Tub.-Literatur 1906, Nr. 2.
41. Dr. A. van Huellen-Berlin, Zur Behandlung der Tuberkulose mit Antituberkuloseserum
Marmorek, Dtsch. Ztschr. f. Chir. 1906, Bd. 84.
42. Dr. L. Steinberg-Wien-Ischl, Über 5 mit Marmoreks Antituberkuloseserum behandelte
Fälle. Wien. med. Presse 1906, Nr. 41.
43* Dr. G. Mann-Triest, Das Serum Marmorek bei Lungentuberkulose. Wien. klin.
Wehschr, 1906, Nr. 42.
44. Prof. Hoffa-Berlio, Über das Marmorekserum in der Therapie der chirurgischen Tuber-
kulosen. Berl. klin. Wchschr. 1906, Nr. 44.
45. Dr. Ullmann-Znaim, Über meine Erfolge mit Dr. Marmoreks Antituberkuloseserum.
Ztschr. f. Tuberkulose 1906, Bd, 10, Heft 2.
46. P. Catz, Le traitement des tuberculoses chirurgicales par le sérum antituberculeux de
Marmorek. La Clinique 1907, 4 Janv., no. 1.
47. Dr. A. Roblot, Sur le sérum antituberculeux de Marmorek. La Revue int. de la tub.,
Janv. 1907.
48. Dr. Henr. Holmström, Bidrag till kannedomen om behandlingen i Finland of tuber-
kulos med Marmoreks antituberculoseserum. Finska Läkaresällskapets Handlingar 1906, p. 461—467.
49.* Dr. R. Sievers, Om behandling i Finland af tuberkulos med Marmoreks antituber-
culoseserum. Finska Läkaresällskapets Handlingar 1906, p. 285—295.
50. Dr. Faraggi-Paris, Tuberculose subaigüe guérie par le sérum antituberculeux de
Marmorek. Le Progrès méd. 1907, 6 Avril, no. 14.
| 51. Dr. G. A. Weill-Paris, Essai sur le traitement de la tuberculose laryngée par le sérum
de Marmorek, Le Progrès méd. 1907, 18 Mai, no. 20.
52. Diskussion in der Berliner medizinichen Gesellschaft, Sitzg. 8, Mai 1907.
A. Neumann. — v. Huellen. — Th. Landau. — A. Hoffa, — Arthur Meyer. — Stadelmann.
Berl. klin. Wchschr. 1907, Nr. 20, p. 645.
53.* Dr. G. R. Rubinstein, Observations sur l’action du sérum antituberculcux de Mar-
morek, Rousski Vratsch 1907, no. 15.
54. Dr. Gustav Baer-Davos, Heilerfolg, Giftwirkung und opsonischer Index bei Behand-
lung mit Marmoreks Antituberkuloseserum. Münch. med. Wchschr. 1907, Nr. 34.
55.* Dr. Emil Bock-Laibach, Erfolglose Behandlung skrofulóser Augenkrankheiten mit
Antituberkuloseserum Marmorek. Wien, med. Wchschr. 1907, Nr. 38.
56. Prof. Th. Pfeiffer und H. Trunk, Uber die Behandlung von Lungentuberkulose mit
Marmoreks Antituberkuloseserum. (Aus der Heilstátte Hörgas in Steiermark.) Ztschr. f. Tuber-
kulose 1907, Bd. XI, Heft 4.
Pan DAS ANTITUBERKULOSESERUM MARMOREK. 145
1908.
57. Dr. F. A. Elsaesser-Hannover, Spezifische Behandlung der Tuberkulose durch passive
Immunisierung. Ztschr. f, Tuberkulose 1907, Bd. 11, Heft 4.
58. Dr. A. H. Freiburg-Cincinnati, A preliminary statement regarding the treatment of
joint tuberculosis with Marmorek’s serum, Amer. Journ. of Orthop, Surgery, July 1907.
59. Dr. Bosanquet et French, The influence of antituberculous serum on the opsonic
index. Brit. Med. Journ. 1907, April 13.
60. Dr. Schenker-Aarau, Meine Beobachtungen in der Tuberkulosetherapie bei der An-
wendung von Marmorekserum. Münch. med. Wchschr, 1907, Nr. 43.
61. Dr. Hermann Frey-Davos, Meine Erfahrungen mit dem Antituberkuloseserum Mar-
morek, III. Serie. Dtsch. med, Presse 1907, Nr. 21.
62. Dr. Wohlberg, Uber Versuche mit dem Antituberkuloseserum Marmorek. Berl. klin.
Wehschr. 1907, Nr. 46. :
63. H. M. Hymans und L, Polak Daniels-Den Haag, Über die Behandlung der Tuber-
kulose mit Marmorekschem Serum. Berl. klin. Wehschr. 1907, Nr. 49.
64. Dr. Ullmann-Znaim, Uber meine Erfolge mit Dr. Marmoreks Antituberkuloseserum.
Dritter Bericht. Ztschr. f. Tuberkulose Bd. 12, Heft 1.
65." Dr. Holmboe-Norwegen, Uber einige Fälle von Lungentuberkulose mit Dr. Marmoreks
Antituberkuloseserum behandelt. Ztschr. f. Tuberkulose Bd. 12, Heft 2.
66. Dr. H. Frey-Davos, Zur Beurteilung des Wertes von Antituberkuloseserum Marmorek.
«Bemerkungen zu Nr. 55.) Wien. med. Wchschr. 1908, Nr. 6.
67. Dr. Clément et Dr. Jacobson-Paris, Un cas de cystite tuberculeuse trait par le
scrum de Marmorek, Gucrison. Journ. des prat. 1908, 8 Février, no. 6.
68. Dr. Ernest Uhry, Une annte de traitement de la tuberculose par le sérum antituber-
culeux de Marmorck. Rev. de med. 1908, 10 Février, no. 2.
69.* Dr. Hohmeier-Altona, Die Behandlung chirurgischer Tuberkulose mit dem Antituber-
kuloseserum Marmorek. Münch. med. Wehschr. 1908, Nr. 15.
70. Dr. Jacobson-Paris, Les effets eloignes du serum antituberculeux de Marmorek. Pro-
grès méd. 1908, no. 23. .
Nachtrag. — Nach Drucklegung dieser Arbeit sind mir noch 6 weitere Publikationen úber
Marmorekserum zugänglich geworden, deren Berücksichtigung in der statistischen Besprechung
jedoch nicht mehr möglich war:
71. Dr. M. Mori-Ise-Japon, Sur le sérum antituberculeux de Marmorek. Chou-Gai Iji
Chimpo, Tokio, 20 Févr., § et 20 Mars, 5 et 20 Mai 1908.
72. Dr. E. Wein, Über Marmoreks Antituberkuloseserum. Vortrag, gehalten in der Gesell-
schaft der Ärzte in Budapest. Orvosi Hetilap 1908, Nr. 21, 22, 23, 24.
73. Dr. F. Guignot-Montpellier, Le sérum antituberculeux de Marmorek dans le traitement
des tuberculoses chirurgicales. These, Montpellier 1908.
74. Dr. A. Catz-Paris, Le sérum antituberculeux de Marmorek. Le Progres méd. 1908,
27 Juin, no. 26. (Sammelreferat.)
75. Dr. Köhler, Klinische Erfahrungen mit Marmoreks Serum an 60 Tuberkulosefillen.
Dtsch. med. Wehschr. 1908, Nr. 29.
76. Dr. P. Glaessner, Über Marmorekserum. Dtsch. med. Wchschr. 1908, Nr. 29.
Nach den glänzenden Resultaten, die mit dem Diphtherieserum von
Behring bei der Behandlung der Diphtheritis erreicht worden sind, war es
sehr naheliegend, daß nun ebenfalls auf dem Wege der passiven Im-
munisierung versucht wurde, der Tuberkuloseinfektion energischer entgegen-
zutreten und ein wirksames Tuberkuloseheilserum herzustellen. Die zahlreichen
Versuche mittels systematisch gesteigerter Tuberkulineinspritzungen beim
Pferd und bei anderen Tieren ein solches Heilserum zu erzeugen, dürften wohl
fast sämtlich als gescheitert betrachtet werden.?)
Zur Erklärung dieser Mißerfolge wurden verschiedene Theorien auf-
gestellt, es dürfte aber, nach den Forschungsergebnissen der letzten Jahre, der
Grund in dem Umstande liegen, daß das „Tuberkulin“ sehr wahrschein-
lich nicht das eigentliche Tuberkulosetoxin ist.
1) So hat sich das auf diesem Wege gewonnene „Serum Maragliano“ in der Praxis noch
wenig Anhänger erworben.
Zeitschr. f. Tuberkulose, XIII. 10
A 2 ZEITSCHR. f.
H FREY. TUBERKULOSE
146
Mit dieser Annalıme ließen sich dann auch die sonst schwer begreiflichen
Erscheinungen der verschiedenartigen Tuberkulinreaktion beim gesunden und
kranken Menschen, sowie speziell beim hochgradig tuberkulösen Rind zwanglos
erklären.
Marmorek ist es nun tatsächlich gelungen nachzuweisen, daß wir bei
dem Tuberkelbazillus vorerst zwei voneinander in tinktorieller, kultureller und
biologischer Beziehung, deutlich verschiedene Stadien zu unterscheiden haben.
Das erste, junge Stadium des Tuberkelbazillus, zeichnet sich durch eine sehr
dünne Fett- und Wachshülle aus und wurde von Marmorek mit dem Namen
„Primitivbazillus“ bezeichnet. Auf den bisher üblichen Nährböden gingen
diese Bazillen rasch in das Il. Stadium über und sonderten dann das bekannte
,Tuberkulin‘ ab, während die Primitivbazillen, allerdings auf besonderen, den
vitalen Bedingungen im Organismus analogeren Nahrbéden,!') einen vom
„Juberkulin‘“ ganz verschiedenen Stoff ausschieden. Dieses, von Marmorck
„luberkulovakzin“ genannte Sekret, wird von dem Autor als das wirkliche
„luberkulosetoxin“ angesprochen, d. h. als dasjenige Gift, das die Tuberkel-
bazillen im Organismus ausscheiden und welches die bekannten toxischen Er-
scheinungen der Tuberkuloseinfektion hervorruft. ?)
Mit diesem, von den bisher verwendeten „Tuberkulinen‘“ ganz ver-
schiedenen Toxin, immunisierte nun Marmorek Pferde. Diese Tiere reagierten
sehr stark auf die Einspritzungen, es brauchte jeweilen 7—8 Monate, bis ein
Immunitätsgrad erreicht wurde, der ein zu therapeutischen Zwecken brauch-
bares Serum lieferte. Nach Beendigung der Einspritzungen läßt man erst
4 Wochen verstreichen, ehe man zur Blutentnahme schreitet, damit das Serum
nicht noch Tuberkulotoxine enthält; vor der Blutentziehung müssen die Pferde
15—18 Stunden hungern, um die Resorptionsvorgänge des Darmes auszu-
schalten. Mit sterilisierten Instrumenten wird das Blut aus der Jugularis ent-
nommen und direkt in sterile Gefäße geleitet, welche, zum Absetzen der Blut-
körperchen, verschlossen in den Eisschrank kommen. Nach 48 Stunden wird
sodann das Serum (stets mit sterilen Instrumenten und Gefäßen) abgezogen, zu
nochmaliger Sedimentierung für einige Tage in den Eisschrank gestellt und
nachher in die Fläschchen?) verfüllt.
Zum Zwecke der fraktionierten Sterilisierung werden die Fläschchen an
3 aufeinander folgenden Tagen im \Vasserbade 40 Minuten lang auf 55° er-
warmt und sind dann, wenn dieselben völlig klar geblieben und der Pfropfen
mit Paraffın luftdicht abgeschlossen worden, zum Versand und Gebrauch fertig.
Das Marmoreksche Serum enthält somit kein Antiseptikum. Dies ist in kurzen
Umrissen die Theorie und Herstellung des Antituberkuloseserums Marmorek.
Der Umstand, daß namentlich bei Lungentuberkulosen so häufig noch Strepto-
kokkenmischinfektion besteht, veranlaßte Marmorek später ein sogen. „Doppel-
1) Sogenanntes leukotoxisches Serum (abgestandenes Blutwasser mit weißen Blutkörperchen)
und Glyzerinleberbouillon, (Marmorck, Antituberkuloseserum und Vakzin. Berl. klin. Wchschr.
1903, Nr. 48.
2) Die früher erzeugten Sera wären somit lediglich ,,Antituberkulinsera'* und keine „Anti-
tuberkulosesera“ gewesen!
8) 5 ccm Inhalt.
Kee DAS ANTITUBERKULOSESERUM MARMOREK. 147 `
serum“ herzustellen, d. h. ein Antituberkulose-Antistreptokokkenserum. Dieses
Serum wurde von Pferden gewonnen, die einerseits in der angegebenen Weise
gegen Tuberkulose und andererseits mindestens 2!/, Jahre lang gegen ungefähr
450 Streptokokkenstämme, die direkt aus dem Sputum Tuberkulöser rein ge-
züchtet worden, immunisiert waren. Das in der letzten Zeit verwendete Serum
(seit nahezu 2 Jahren) ist stets ein solches „Doppelserum“ und sind vielleicht
die von diesem Zeitpunkte an sich mehrenden Erfolge hauptsächlich diesem
Umstande zuzuschreiben.
Die grundlegende neue ae der ,Primitivbazillen“ und des von den-
selben abgesonderten Toxines (Tuberkulovakzin) wurde meines Wissens bis heute
von keiner Seite widerlegt. Ich möchte im nachfolgenden zeigen, was das
auf dieser Grundlage gewonnene Serum in den 5 Jahren, die es praktisch ver-
wertet worden ist, geleistet hat.
Nachdem die mit dem Serum gemachten Tierversuche ziemlich überein-
stimmende positive Resultate ergeben hatten, mußte die Anwendungsweise des
Serums beim Kranken durch vorsichtige und langwierige Versuche ausprobiert
werden, da man bisher absolut keine Erfahrungen in der Behandlung chro-
nischer Leiden mit Serum besaß. Die Schwierigkeiten waren dabei größer,
als man von vornherein erwartete, zumal dem Marmorekschen Serum bei
seinem ersten Erscheinen in der wissenschaftlichen Welt (Académie de médecine?)
ein recht frostiger oder, richtiger gesagt, deutlich ablehnender Empfang bereitet
wurde. Inwieweit diese Haltung berechtigt war, mag der Leser nach Durch-
sicht des vorliegenden Materiales selbst beurteilen. Einem unparteiischen Beob-
achter mußten die damaligen abfälligen Urteile unbedingt als stark verfrüht
und teilweise auf recht schwachen wissenschaftlichen Gründen fußend auffallen.
So sehr in Fragen von solch eminenter Tragweite allzugroßer Optimismus
zu verurteilen ist, so verwerflich ist andererseits Animosität, und daß eine solche
damals in Paris gegen Marmorek bestanden hatte, ging aus dem Verlaufe
jener Sitzung der Académie de médecine?) und dem Verhalten der Presse nur
zu deutlich hervor.
Es hatte nun, wie ich in meiner ersten Publikation über das Mar-
moreksche Serum bereits bemerkte, nach dem geradezu vernichtenden Urteile,
das in der Académie de medecine gefällt wurde, von seiten der Patienten wie
des Arztes ziemlichen Mut gebraucht noch weitere Versuche mit dem Serum
zu wagen. Daß dies der Fall gewesen ist, beweist das Verzeichnis der über
Marmoreks Serum erschienenen wissenschaftlichen Arbeiten, welche bis heute
die stattliche Zahl von 70 erreicht haben und in mehr oder weniger ausführ-
licher Weise über 938 behandelte Fälle berichten. Von diesen 70 Arbeiten
sprechen sich 59 zum Teil sehr bestimmt zugunsten einer spezifischen Heil-
wirkung des Serums aus und nur 11 kommen zu einem ablehnenden Schluf.5)
Berücksichtigen wir noch die Anzahl der als Beleg für die geauberten
1) Bull. de P' Acad. 1903, no. 39—40.
2) 17. Nov. 1903.
3) Es muß noch bemerkt werden, daß von diesen 11 Autoren 7 nur die subkutane, 3 die
subkutane und rektale und nur 1 Autor die rektale Methode angewendet hat.
10*
ZEITSCHR. f.
a et a TUBERKULOSE
Urteile veröffentlichten Krankengeschichten, so enthalten obige 59 zu günstigen
Schlußfolgerungen kommenden Publikationen 833, die negativen Veróffent-
lichungen 105 Fälle. Diese Zahlen allein zeigen zur Genüge, daß es heute
nicht mehr möglich ist mit einigen Phrasen die Heilwirkung des Antituber-
kuloseserums zu bestreiten. Denn, daß nicht alle Autoren zu der gleichen
Meinung kommen, ist zu selbstverständlich, um viele Worte darüber zu ver-
lieren. Man denke doch ein wenig an das Diphtherieserum oder an die
Jennersche Schutzpockenimpfung, wo heute noch einige Dutzend fanatisch
bekämpfen, was Tausenden an Hand großer Erfahrungen zu unumstoflichen
Wahrheiten geworden ist. |
Bei flüchtiger Durchsicht der statistischen Tabellen!) wird dem Leser sofort
auffallen, daß die Ansichten über den Wert des Antituberkuloseserums doch
noch geteilt sind und die Schlußfolgerungen einigemale direkt entgegen-
gesetzt lauten. Wem der Zufall nur bloß einige dieser widersprechenden Ur-
teile zu Gesicht kommen ließ, dem kann man nicht verargen, daß er sich der
ganzen Frage gegenüber ablehnend verhält, zumal in unserer heutigen Zeit, wo
neue Heilmittel und Heilmethoden wie Pilze aus dem Boden schießen.
Bei genauem Studium der zu ungünstigen Schlußfolgerungen kommenden
Arbeiten ist mir unangenehm aufgefallen, daß vielfach die als Beleg angeführten
Krankengeschichten zu knapp angegeben sind. Einige Autoren lassen sich über
ganz unwesentliche, völlig nebensächliche Dinge breit aus und geben dafür über
äußerst wichtige Punkte gar keinen Aufschluß. Es ist daher nur bei wenigen
dieser Arbeiten möglich, sich an Hand der Krankengeschichten ein eigenes
Urteil zu bilden und wir müssen meist die Schlußfolgerungen der Autoren auf
Treu und Glauben annehmen; ohne dabei der persönlichen Überzeugung der
Betreffenden irgendwie zu nahe zu treten, kann man aber aus solchen Kranken-
geschichten — oft gegen die Absicht des Verfassers! — Verschiedenes
herauslesen.
Als ein Beispiel hierfür will ich die Publikation Nr. 55 anführen, wo ich
an Hand eines genauen Studiums der mitgeteilten Krankengeschichten zu einem
etwas anderen Schlußresultat gelangte wie der Autor selbst.?) Gerade bei
erfolglos behandelten Fällen sind genaue Krankengeschichten von größtem
Werte, denn nur dann wird es möglich sein, den Gründen auf die Spur zu
kommen, weshalb die in sehr zahlreichen anderen Fällen wirksame Therapie
versagte.
Ich konnte mich des Eindruckes nicht erwehren, daß verschiedentlich das
„post hoc, ergo propter hoc“ etwas allzu rasch angewendet wurde, speziell bei
einer Krankheit, wie die Tuberkulose, die an Überraschungen nicht gerade arm
ist. Dies könnte nun freilich in ähnlicher Weise auch für die Krankengeschichten,
die eine günstige Serumwirkung beweisen sollen, Geltung haben!
Abgesehen davon, daß vor allem die Zahl dieser letzteren eine ganz
wesentlich größere ist und auch die meisten dieser Fälle viel genauer und
1) Da diese Tabellen allzuviel Raum beanspruchen würden, müssen sie hier weggelassen
werden, doch sollen dieselben in dem erweiterten Separatabzuge Aufnahme finden.
2) Vide hierüber ausführlicher, Quelle 66.
PN ie DAS ANTITUBERKULOSESERUM MARMOREK. 149
ausführlicher beschrieben sind, so dürfen wir auch nicht außer acht lassen, daß
recht oft die Serumbehandlung erst eingeleitet wurde, nachdem alle sonst ge-
bräuchlichen Heilmethoden gänzlich oder doch größtenteils versagt hatten.
Wenn nun in solchen sorgfältig beobachteten Fällen sofort oder doch
ganz kurze Zeit nach der Serumverabfolgung eine wesentliche, oft geradezu
außerordentliche Besserung des ganzen Krankheitsbildes sich einstellt und ähn-
liche Beobachtungen so zahlreich von den verschiedensten Ärzten gemacht
werden, so kann von Selbsttäuschung oder zufalligem Zusammentreffen mit
einer spontanen Besserung doch nicht mehr gut die Rede sein. Da dürfte das
„post hoc, ergo propter hoc“ etwas mehr Berechtigung haben und als Beweis
für eine unzweifelhafte spezifische Heilwirkung gelten können. Daran werden
einzelne negative Resultate nicht viel ändern, wenn sie uns auch freilich die
Frage aufdrängen, aus welchen Gründen die Heilwirkung bisweilen versagt?
Vielleicht bringt uns eine spätere Zeit einmal die Lösung. Man kann nun nicht
einmal in allen als ‚negativ‘ angeführten Fällen von einem „Versagen“ des
Serums sprechen, denn mehrfach handelte es sich dabei eher um ein „Ver-
wischen“ der Heilwirkung durch unangenehme Nebenerscheinungen lokaler und
allgemeiner Natur, die durch die subkutane Anwendung des Serums hervor-
gerufen wurden. Daß dieser Umstand ganz wesentlich mitspielte, geht aus der
Beobachtung hervor, daß seit Anwendung der rektalen Methode die negativen
Resultate viel seltener geworden sind. Ich komme darauf später noch aus-
führlicher zu sprechen. Bei denjenigen Krankheitsfällen, wo das Serum tat-
sächlich in extremis angewendet wurde, beweist der „trotzdem“ eingetretene
Exitus nichts gegen das Serum; die verschiedentlich auch da noch beoachteten
augenfälligen Besserungen dürften doch weit eher zugunsten des Serums
sprechen.
Man darf bei der Beurteilung allerdings nicht den Standpunkt einnehmen,
es müsse ein Serum jeden Fall von Tuberkulose heilen, um als wirksames
Antituberkuloseserum gelten zu dürfen, und fast kommt es einem vor, als ob
diese Auffassung da und dort als Maßstab angelegt worden sei (32).
Technik der Serumanwendung.
Subkutane Einspritzungen.
Nachdem zahlreiche kritische Tierexperimente unzweifelhaft gezeigt hatten,
daß das nach dem früher geschilderten Verfahren gewonnene Serum tatsächlich
ganz besondere, sowohl präventive als auch kurative Eigenschaften gegenüber
der Tuberkuloseinfektion besaß, wurden von Marmorek mit diesem ,,Anti-
tuberkuloseserum“ ganz vorsichtige Versuche am Krankenbette gemacht. Da
aber für die Behandlung chronischer Krankheiten mit antitoxischem Pferdeserum
keinerlei Erfahrungen vorlagen, so mußte durch tastendes Vorgehen erst nach
der geeignetsten Anwendungsweise gesucht werden, um die so wichtigen Fragen
nach den Einzeldosen, der Häufigkeit der Einspritzungen, der günstigsten Körper-
stelle etc. zu lösen.
Anfänglich wurden, dem Wunsche Marmoreks entsprechend, meistens
schwere, teilweise desperate Krankheitsfälle mit dem Serum behandelt und da die
D ZEITSCHR. f.
150 H FREY. TUBERKULOSE
damals, wie bereits gesagt, noch wenig bekannten Erscheinungen der Serum-
krankheit die Beurteilung oftmals trübten, brauchte es geraume Zeit, bis sich
eine gewisse „Technik“ der Serumanwendung herausgebildet hatte.
Die vielleicht nahelicgende Auffassung, daß wir um so raschere und `
sicherere Heilwirkung erreichen werden, je mehr Serum wir dem Körper ein-
verleiben, erwies sich bald genug als nicht zutreffend. Es zeigte sich, daß eine
Dosis von 5ccm von den Kranken meistens ohne jegliche Nebenerscheinungen
ertragen wurde und daß diese Dosis bisweilen täglich wiederholt werden konnte.
In vielen Fällen traten aber meist nach der 3. oder 4. Einspritzung unangenehme
lokale und allgemeine Reaktionserscheinungen auf. Bei der Verminderung der
Einzeldosen zeigte es sich, daß für diese Reaktionserscheinungen die Menge
des Serums merkwürdigerweise gar nicht so sehr in Betracht zu kommen schien,
sondern vielmehr die rasche Aufeinanderfolge der Einspritzungen ausschlag-
gebend war. Es wurde nun versucht, sich mit dem Serum in den Körper
„einzuschleichen“ und mit kleineren Dosen begonnen, Intervalle eingeschaltet,
sowie auch größere Pausen mit den Einspritzungen gemacht. (Serienweise An-
wendung.) Es bildeten sich allmählich verschiedene Methoden heraus, die es
ermöglichen sollten, die Serumnebenerscheinungen zu umgehen oder doch auf
ein Minimum zu reduzieren. Diese sogen. anaphylaktischen Symptome traten
aber dennoch bisweilen in äußerst unangenehmer Weise auf, die verschiedenen
„Schemata“ hatten keinen Bestand und verleiteten leider, wie aus den Kranken-
geschichten da und dort später ersichtlich wurde, bisweilen zum Schablonisieren.
Ich will zur besseren Orientierung trotzdem einige angeben, aber mit der
dringenden Warnung, niemals kritiklos nach irgend einem solchen Schema zu
verfahren, sondern stets sorgfältig zu individualisieren. Diese Warnung mag
vielleicht recht überflüssig erscheinen, ich habe aber bei der kritischen Be-
urteilung der vorhandenen Krankengeschichten gefunden, daß sie gar nicht so
unangebracht ist, wie es auf den ersten Blick scheinen mag.
I. Tag ı Einspr. von 5 ccm, 1. Tag . . . . 4 ccm, I. lag .... 3 ccm,
Die zë, E a ge JEC, à 2s Gy ct a So 353 3: KEE g
Se ap. e a 20 3S EE E EE E
A e TE 5 Or, A eid. EE 3 Tage Ruhepause,
5. + Ruhepause, 4 Tage Ruhepause, 7. Tag .... 5 ccm,
6. „ 1 Einspr. von 5ccm, 9. Tag.... 5 ccm, So ay meee aon e
Tie gn AE y fs: 25) as lO ak meis e EE ON
EC SEN E ON ds D ZER g IO: se ee y
Os. g¢. E % ‘Or. ERP CAE Erste Serie beendet.
10. ,, Ruhepause, 4 Tage Ruhepause, Ruhepause von 8 bis
Il. ,, I Einspr. von 5 ccm, 17. Tag .... 8 ccm. 10 Tagen.
12: TT 4 a ER Lor da. e 20° os (Frey)
Erste Serie beendet. Ruhe- Erste Serie beendet, 14
pause von 10 Tagen. Ruhepause von Io Tagen.
(Jaquerod) (Klein & Jacobson)
7 9
malen DAS ANTITUBERKULOSESERUM MARMOREK. E
Als Ort der Einspritzung wurde von Marmorek zuerst die Bauchgegend
empfohlen, doch veranlaßte der Umstand, daß allfällige an der Einstichstelle
auftretende lokale Reaktionen bei stark Hustenden äußerst schmerzhaft waren,
nach anderen günstigeren Stellen zu suchen. Es wurden die Einspritzungen
an den Armen, den Beinen, auf der Brust und am Rücken versucht, der eine
Autor fand diese, der andere jene Stelle für günstiger. Ich hatte ebenfalls alles
durchprobiert und kam am Ende stets wieder auf die Außenseite des Ober-
armes zurück, da meine Patienten, bei Eintreten einer entzündlichen Reaktion,
daselbst am wenigsten Beschwerden empfanden. Ganz leichte nachfolgende
Massage schien mir sehr günstig auf die Resorption zu wirken und hatte i@h
den Eindruck, als ob dadurch die lokalen Reaktionen vermindert würden.
Von einigen anderen Autoren wurden später ähnliche Erfahrungen gemacht.
Sicher ist, daß auch hierin sehr große individuelle Verschiedenheiten herrschen
und kann nur als Regel gelten, daß man für die Einspritzungen möglichst
Stellen wählen soll, an welchen die Haut leicht abhebbar ist und worunter
nicht stärkere Faszien liegen, die die Resorption wesentlich verzögern und
dadurch das Entstehen lokaler Reizerscheinungen begünstigen.
Daß schon bei der Entnahme des Serums aus dem Fläschchen sowie der
Einspritzung selbst streng aseptisch vorgegangen werden muß, ist selbst-
verständlich. Was die zu verwendende Spritze anbelangt, so ist eine solche
ganz aus Glas (Luer, Lieberg) mit feiner Platin-Iridiumkanüle am empfehlens-
wertesten. Die Injektion dauert damit vielleicht etwas länger, doch ist sie
weniger schmerzhaft, als mit den großen, den 10 ccm haltenden Spritzen ge-
wöhnlich beigegebenen Kanilen. Die Gefahr des Anstechens einer Vene mit
den manchmal darauf folgenden synkoptischen Erscheinungen ist dabei eben-
falls wesentlich geringer. Ich möchte gleich hier noch auf einen wichtigen
Punkt aufmerksam machen. Es kommt bisweilen vor, daB ein Serumfläschchen
nicht vollkommen klares Serum enthält, sondern daß dessen Inhalt bei Schütteln
sich etwas trübt. Diese Trübung wird durch Fibrinpräzipitation verursacht und
ist ein solches Serum subkutan nur nach völligem Absetzen des Präzipitates
zu verwenden, rektal kann es ohne weiteres gebraucht werden.
Rektale Ergießungen.
Da trotz aller erdenklichen Versuche, die später näher beschriebenen
lokalen und auch allgemeinen Serumreaktionserscheinungen zu vermeiden, dies
doch nicht immer gelingen wollte, versuchte ich auf anderen Wegen das Serum
dem Körper einzuverleiben. Die zuerst versuchte Anwendung per os erwies
sich bald genug als absolut wirkungslos und blieb somit nur noch die rektale
Anwendung übrig. Wenn auch gewisse Medikamente wie Chinin, Chloral,
Opium und Morphium erfahrungsgemäß aus dem Rektum in genügender Menge
‘resorbiert werden um wirksam zu sein, so lag doch für das Serum die Frage
etwas anders. Zu meiner eigenen Überraschung ergaben aber bereits die ersten
orientierenden Versuche sehr gute positive Resultate.!) Heute ist es eine durch
die Praxis erwiesene Tatsache, daß das Serum — gewissen theoretischen und
VE Van:
1) Frey, Wien. klin. therap. Wehschr. 1905, Nr. 42.
se ZEITSCHR, f.
152 H. FREY. TUBERKULOSE
experimentellen Gegengriinden zu Trotz — vom Darm sehr gut resorbiert wird
und seine spezifischen Eigenschaften dabei nicht verliert. Die unangenehmen
Erscheinungen der „Anaphylaxice“ fallen bei dieser Anwendungsweise fast völlig
weg. Seit meiner ersten diesbezüglichen Veröffentlichung sind nahezu alle
Versuche mit dem Antituberkuloseserum Marmoreks mittels rektaler Ein-
gießungen gemacht worden und es ist aus den Krankengeschichtentabellen
ohne weiteres zu ersehen, welch wesentlicher Fortschritt dadurch in der Serum-
anwendung gemacht worden war.)
Auch bei den rektalen Eingießungen hat sich im Laufe der Zeit ein
gewisser Applikationsmodus herausgebildet und werden hier ebenfalls „Serien“
gemacht.
Ich will ebenfalls einige solcher Schemata angeben, doch gilt für dieselben
das für die Subkutaninjektionen Gesagte, d. h. man lasse sich dadurch nicht zu
schablonenmäßiger Anwendung verleiten.
5 ccm rektal, täglich 5 ccm jeden 2. Tag. Auf 5 ccm jeden Tag20Tage
2—3 Wochen lang, diese Weise eine Serie lang, dann Ruhepause
dann 8 Tage Ruhepause von 10 Klysmen, dann von 14—20 Tagen.
und neue Serie. 6—8 Tage Ruhepause
und neue Serie.
Es ist sehr empfehlenswert, das Serum vormittags zu verabfolgen, selbst-
verständlich nach vorhergegangener Entleerung des Darmes. Wenn eine spon-
tane Defäkation vormittags nicht erfolgt oder doch nur in ungenügender Weise
eintritt, so ist ein kleines Reinigungsklysma unerläfilich. Um eine möglichst
gute Ausnützung des Serums zu erreichen, benützt man mit Vorteil einen
Nelaton-Katheter als Spritzenansatz. Es gelingt damit das Serum ziemlich weit
in das Colon descendens hinaufzubringen. Dabei bleibt allerdings ein recht
bedeutender Serumrückstand in Spritze und Schlauch zurück, es wurde Nach-
spritzen von aqua dest. oder physiologischer Kochsalzlösung empfohlen. Ich
kann ein viel einfacheres Mittel angeben! Es läßt sich der Rückstand der
Spritze ja sehr leicht vor Gebrauch bestimmen, indem man Wasser mit der-
selben aufsaugt, dasselbe langsam ausspritzt und — Spritzenmündung nach
oben gerichtet — den Stempel zuriickzieht. Wir können nun die in Spritze
und Schlauch zurückgebliebene Flüssigkeitsmenge ungefähr abschätzen, d. h.
die Höhe der Flüssigkeitssäule bestimmen. Wenn wir nun das Serumklysma
geben wollen, so saugen wir mit der Spritze das Serum aus dem Fläschchen,
ziehen aber den Spritzenkolben noch soviel weiter zurück, daß bei Senken
der Spritzenmündung nach unten über dem Serum eine kleine Luftsäule vor-
handen ist. Wenn wir diese Luftsäule etwas größer nehmen, als der vorher
festgestellte Flüssigkeitsrückstand, so können wir auf einmal, ohne Nachspritzen
von Wasser, den letzten Tropfen Serum in den Darm bringen. Auf diese
Weise vermeiden wir jeden Serumverlust und ersparen uns und dem
Patienten eine unangenehme Manipulation und Zeit. Man wird gut tun, das
1) Seit Anwendung der rektalen Methode sind nur 3 Arbeiten veröffentlicht worden, die
zu negativen Resultaten kommen, und auch diese Autoren geben zu, daß das Serum rektal keinerlei
Schädigungen verursachte.
ne
vus DAS ANTITUBERKULOSESERUM MARMOREK. 153
Serum vor Gebrauch etwas anzuwarmen (aber ja nicht erhitzen‘), am besten
indem man das Fläschchen in warmes Wasser stellt und auch die Spritze mit
reinem warmen Wasser vorher ausspritzt. Dadurch werden Darmreizungen
und unangenehme subjektive Empfindungen (leichtes Darmschneiden etc.) für
den Patienten vermieden. Wo die äußeren Umstände es ermöglichen, soll der
Patient nach dem Serumklysma ungefahr ı Stunde in linker Seiten- oder
Rückenlage verbleiben. Wenn trotz aller dieser Maßregeln doch einmal leichte
Darmreizungen auftreten sollten — es wurde dies einige wenige Male beob-
achtet — dann werden dieselben durch Zusatz einiger Tropfen Opiumtinktur
(nach Ullmanns Vorschlag) beseitigt. |
Die Serumklysmata werden auch von Kindern ganz ausgezeichnet ver-
tragen, so daß man ohne Bedenken ziemlich große Dosen anwenden darf,
wenn der Krankheitsfall es erforden sollte.
Kombinierte rektale und subkutane Anwendung.
Es ist ohne weiteres klar, daß einzig die subkutane Injektion eine genaucre
Dosierung ermöglicht und da, wo sie ohne Nebenerscheinungen hervorzurufen
angewendet werden kann, die wirksamere und vor allem auch sparsamere
Methode sein wird. In einigen Fällen hatte sich mir folgendes Verfahren recht
gut bewährt:
Nach Beendigung einer ersten Serie von 10 Klysmata, die in 1—3tägigen
Intervallen (je nach dem erreichten Effekt) gegeben wurden und nach Ablauf
einer 10—14tägigen Ruhepause, wird eine zweite Serie begonnen und zwar:
1. Tag 2 ccm subkutan, 11. Tag 5 ccm rektal,
3 » 5 » rektal, 3 » S5» »
5 » 3 : subkutan, 15. 55 5 » »
7. » 5 ,) rektal, 17. 5, 5 „ subkutan,
9. » 4 „ subkutan, 19. » 5 „ rektal.
Schlub der Serie. Ruhepause von 10—20 Tagen.
Verursacht eine subkutane Injektion irgendwelche lokale oder allgemeine
Nebenerscheinungen, so wird vor vólligem Abklingen derselben keine neue
Injektion mehr gemacht, dafür aber an den betreffenden Tagen ein Serum-
klysma gegeben.
Die oben angegebenen Intervalle von 1 Tag werden selbst-
verständlich sofort vergrößert, sowie der Krankheitsverlauf uns die
Indikation dazu gibt; ebenso werden wir unter Umständen die rektalen
Dosen steigern, wenn wir den Eindruck bekommen, daß 5 ccm nicht deutlich
wirken, aber auch keine Nebenerscheinungen hervorrufen.
Da wird es eben Aufgabe der ärztlichen Kunst sein, in jedem einzelnen
Falle durch sorgfältiges Beobachten aller Symptome, den geeignetsten Ap-
plikationsmodus herauszufinden.
Ich hatte seinerzeit selbst geglaubt, daß wir um so größere Heilwirkung
haben würden, je größere Mengen Serum, resp. Antitoxine, wir dem Körper
einverleiben. Diese Auffassung mochte für einzelne Fälle stimmen, aber bei
vielen anderen Fällen trat das Gegenteil ein.
Wir kennen zurzeit über die intimeren Vorgänge der Serumwirkung im
2 ZEITSCHR. f.
154 H. PREY. TUBERKULOSE
Organismus noch sehr wenig — oder so gut wie gar nichts — denn die ge-
machten hämatologischen Beobachtungen vor, wahrend und nach der Serum-
behandlung sind noch zu wenig zahlreich. Vielleicht geben uns diese später
einmal klarere Indikationsstellungen für die Serumanwendung. Zurzeit sind wir
lediglich auf unsere klinischen Beobachtungen und Erfahrungen angewiesen
und ist mein Standpunkt heute — nach mehr wie sjähriger Anwendung —
folgender: Ich beginne stets mit einer rektalen Eingießung von 5 ccm und
beobachte 1—2 Tage deren Wirkung. Treten keine Nebenerscheinungen auf,
aber auch keine oder sehr geringe Heilwirkungen, so steigere ich sowohl die
Dosis als auch die Häufigkeit der Einspritzungen resp. Eingießungen. Sowie
ich eine deutliche günstige Einwirkung auf den KrankheitsprozeB konstatieren
kann, vergrößere ich die Ruhepausen und warte oftmals mit der neuen Serum-
verabfolgung so lange zu, als die Heilungsvorgänge oder sonstigen günstigen
Beeinflussungen deutlicher werden. Sowie ein Stillstand einzutreten scheint,
gebe ich wieder Serum. Dieses Vorgehen wird auch von Weill empfohlen
und scheinen gerade Larynx- und Augentuberkulosen sehr geeignete Testobjekte
für diese Methode zu sein. Beim Studium des vorliegenden Krankengeschichten-
materiales fiel mir nämlich oftmals auf, daß eine ganz deutliche auf Serum (oft
schon beim ersten oder zweiten Fläschchen!) eingetretene Besserung, bei den
nächsten rasch nachher folgenden Einspritzungen oder Klysmata, ins Gegenteil:
umschlug. Der Umstand, daß von einigen Autoren während der Serumserien
kleine Temperaturerhöhungen und einigemale leichte Gewichtsabnahmen kon-
statiert wurden, die in der Ruhepause zwischen den Serien wieder verschwanden,
legt uns ebenfalls den Gedanken nahe, daß in einzelnen Fällen eine zu häufige
Serumeinverleibung zum mindesten überflüssig, wenn nicht sogar die Heil-
wirkung hemmend sein kann. Damit kommen wir auch auf die so überaus
wichtige Frage nach der „Schädlichkeit‘“ des Serums, die wir zusammen mit
den Erscheinungen der Serumkrankheit oder „Anaphylaxie“ erledigen können,
da sie sich nahezu völlig damit deckt.
Serumnebenerscheinungen.
(Anaphylaxie.)
Kann das Serum schädlich wirken? Diese bei einem neuen Heilmittel
so sehr wichtige Frage wurde seinerzeit von den ersten Beobachtern in Paris
(Dieulafoy, Hallopeau, Le Dentu, Lucas-Championniére) nach einigen
wenigen, zum Teil recht kurzen Versuchen bejaht und schien damit das
Schicksal des Serums besiegelt. Daß dem noch nicht ganz so war, beweisen
die seither veröffentlichten Krankengeschichten und deren Schlußfolgerungen
recht deutlich, da sie doch weitaus in der Mehrzahl wesentlich anders lauten
und von zahlreichen Autoren gerade die „Unschädlichkeit“ des Serums be-
sonders hervorgehoben wird.
Wie läßt sich dieser Widerspruch erklären? Aus den veröffentlichten
Krankengeschichten laßt sich tatsächlich nirgends mit Sicherheit eine durch
das Serum direkt hervorgerufene „Schädigung“ herausfinden, wohl aber treffen
wir öfters Angaben über Serumnebenwirkungen (accidents sériques), die eben
ie as DAS ANTITUBERKULOSESERUM MARMOREK. 155
anfänglich in etwas stark alarmierender Weise gedeutet wurden. Daß ein
hoffnungsloser Lungenkranker „trotz Serum“ doch zu dem vorauszusehenden
fatalen Ende kommt und daher auch nach der Serumanwendung Verschlimme-
rungen des Zustandes eintreten, wird doch nicht etwa als „schädliche Wirkung
des Serums“ gedeutet werden können?
Die unangenehmen Erscheinungen aber, die als: direkte Folge der Serum-
einverleibung beobachtet wurden und zwar namentlich (oder fast ausschließlich!)
bei den subkutanen Einspritzungen, können wir wissenschaftlich doch auch nicht
als schädliche Serumwirkung auffassen. Es sind dies freilich recht unangenehme
Begleiterscheinungen, die aber glücklicherweise nicht immer auftraten und durch
die rektale Serumanwendung so gut wie gänzlich wegfallen. Diese Erscheinungen,
die in geringerem Maße schon bei der Verwendung des Diphtherieserums beob-
achtet wurden, scheinen aber das Urteil der ersten Experimentatoren stark
getrübt zu haben. :
Diese Serumnebenerscheinungen waren teils rein lokaler, teils mehr all-
gemeiner Natur und bestanden in Rótung und Schwellung der Umgebung der
Injektionsstelle, bisweilen in größerer Ausdehnung. Manchmal trat lokalisiertes,
öfters auch allgemeines Erythem auf, ebenso Urtikaria bald leichteren, bald
stärkeren Grades, Schmerzhaftigkeit der geschwollenen Partien, Gelenk- und
Gliederschmerzen, Drüsenschwellungen. Als Allgemeinerscheinungen wurden Un-
ruhe und allgemeines Unbehagen, Tachykardie, Kopfschmerzen, Benommenheit
beobachtet. In einzelnen Fällen traten auch vorübergehende Temperatur-
steigerungen auf, aber meistens nur bei gleichzeitigen lokalen Entzündungs-
erscheinungen. Diese Temperatursteigerungen gingen jedoch gewöhnlich in der
Ruhepause zwischen den einzelnen Serien zurück und machten öfters einer
besseren Temperatur Platz als vor den Einspritzungen bestanden hatte. Die
vereinzelten Fälle von Synkope, die in unmittelbarem Anschlusse an die Serum-
injektionen beobachtet wurden, dürften aller Wahrscheinlichkeit nach durch
Einspritzen des Serums in eine Vene verursacht worden sein.
Diese eben erwähnten lokalen und allgemeinen Erscheinungen, die bis-
weilen sehr unangenehm empfunden wurden, schreckten im Anfange die Patienten
wie auch die Ärzte ab, zumal diese Reaktionen als schädliche Einwirkungen
der spezifischen Tuberkulosestoffe des Serums auf den menschlichen Or-
ganismus gedeutet wurden. Schon lange bevor der wissenschaftliche Beweis
erbracht wurde, daß diese Annahme völlig unrichtig, äußerten mehrere Autoren
ihre Ansicht dahin, daß dies lediglich Reaktionserscheinungen des menschlichen
Organismus auf die fremdalbuminoiden Stoffe des Pferdeserums wären. Es
zeigte sich, daß sogen. ,Normalserum“, d. h. gewöhnliches Serum von einem
völlig gesunden und mit keinerlei Toxinen behandelten Pferde alle oben be-
schriebenen Reaktionserscheinungen erzeugen konnte, sowie eine gewisse Menge
davon dem menschlichen Körper einverleibt wurde. Ein weiterer Beweis für
die obenerwähnte auf klinische Beobachtungen fußende Annahme wurde durch
die rektale Serumanwendung erbracht. Die günstigen Serumwirkungen
blieben sich gleich wie bei der subkutanen Methode, aber die so lästigen Neben-
erscheinungen fielen weg; gänzlich, d. h. absolut in allen Fällen freilich nicht,
S , ZEITSCHR. f.
6 H FREY. TUBERKULOSE
denn es wurde doch noch bisweilen leichte Urtikaria und dann und wann einmal
leichter Gelenkschmerz beobachtet. In einigen wenigen Fallen trat Unbehagen,
leichte Benommenheit und Schwindelgefühl ein, ebenso wurde einigemale etwas
Darmreizung und Tachykardie beobachtet (letztere von einzelnen Autoren ziemlich
häufig, von anderen wieder gar nicht).
Diese Nebenerscheinungen waren aber bei der rektalen Methode stets so
unbedeutend, daß sie tatsächlich praktisch gar nicht in Betracht kommen und
höchstens als willkommener Beweis für die Resorption des Serums angesehen
werden. Eine einzige Ausnahme machte der von Baer!) beobachtete und be-
schriebene Fall. Wir müssen annehmen, daß es sich dabei um ganz abnorme
Resorptionsvorgänge im Darme handelte, verbunden mit einer ausgesprochenen
idiosynkrasie des Patienten gegen Pferdeserum. Auch diese, in Tatsache ziemlich
unheimlichen Serumzufälle, verliefen aber ohne jeglichen Schaden für die Patienten
und dürfen wir ruhig sagen, daß solche Störungen zu den größten Seltenheiten
zählen. Da das Serum einzelner Pferde bisweilen ganz besonders individuell
reizende Eigenschaften besaß, während dasjenige anderer Pferde fast reaktionslos
vertragen wurde, suchte Marmorek diesem Übelstande dadurch abzuhelfen,
daß er das Serum verschiedener Pferde mischte. Das gegenwärtig therapeutisch
verwendete Serum ist jeweilen eine Mischung von wenigstens 3 Pferden; da-
durch werden diese akzidentellen Idiosynkrasien auf ein Minimum reduziert.
Gegen die lokalen Entzündungen und Schwellungen an der Einspritzstelle
haben sich sofortige Umschläge mit kaltem Wasser, dem etwas liquor. alumin.
acet. oder aqua sedativa zugesetzt wurde, recht gut bewährt; die Beschwerden
werden dadurch wesentlich vermindert und gehen die Entzündungen rasch zurück.
Den bisweilen hochgradigen Juckreiz bei den Urtikariaeruptionen hatte ich mit
Erfolg durch Betupfen der Quaddeln mit einer Lösung von 1,0 acid. salicyl
auf 100,0 alcoh. absol. bekämpft.
Die Darmreizungen, die vereinzelte Male bei der rektalen Serumein-
verleibung auftraten, konnten mit einigen Tropfen tet. opii spl. sofort beseitigt
werden.
Es müssen noch einige Worte über die „Abszesse“ gesagt werden, welche
mehrere Autoren auf die subkutanen Serumeinspritzungen beobachteten. Dem
Serum als solchem dürfen diese Abszesse kaum zur Last gelegt werden, sondern
wird m vielen Fällen ungenügende Asepsis die Schuld tragen. Bei sehr
dekrepiden Kranken mit auffallend verzögerter oder fast aufgehobener Re-
sorptionsfähigkeit (und namentlich bei zugleich bestehenden Streptokokken-
Mischinfektionen!) ist auch ohne technisches Verschulden eine Abszeßbildung
möglich; im allgemeinen dürfen wir aber als erwiesen betrachten, daß das
Antituberkuloseserum bei tadellos aseptischem Vorgehen keine Abszesse erzeugt.
Indikationen und Kontraindikationen.
Da die Unschädlichkeit des Marmorekschen Serums heute unzweifelhaft
erwiesen ist, ergibt es sich ganz von selbst, daß jegliche Tuberkulose mit dem
D Vide Quelle 54.
PRA EREA DAS ANTITUBERKULOSESERUM MARMOREK. 157
Serum behandelt werden kann und keinerlei medizinische Kontraindikationen
bestehen.
Vom praktischen Standpunkt aus werden sich nach den bisher ge-
machten Erfahrungen in der Regel frischere Tuberkulosefälle am besten eignen,
dabei scheinen Extensitát und Intensität der Erkrankungen für den Heil-
erfolg eine wesentlich geringere Bedeutung zu besitzen als die Dauer
der Erkrankung.
Bei ganz chronischen Tuberkulosen und speziell chronischen Lungen-
tuberkulosen dürften am wenigsten eklatante Serumerfolge zu verzeichnen sein.
Es geht dies auch ohne weiteres aus dem Charakter des Serums (anti-
toxisches Serum) hervor, so daf wir bei Tuberkulosen im letzten Stadium
mit weit vorgeschrittenen Zerstórungen wohl auf voriibergehende symptomatische
Besserungen des Krankheitsbildes infolge teilweiser Entgiftung des Körpers
hoffen können, in den wenigsten Fällen aber, und dann auch nur bei sehr
langer Serumanwendung, Heilung erreichen werden. Vom praktischen Stand-
punkte aus könnte man daher die Serumbehandlung solcher Fälle als kontra-
indiziert ansehen, wenn wir nicht stets doch die Möglichkeit im Auge behalten
müßten, daß auch scheinbar hoffnungslose Fälle noch gebessert werden können.
Wir dürfen dann nur nicht so ungerecht sein, aus einem Versagen des Serums
bei solchen Kranken auf Wirkungslosigkeit oder gar Schädlichkeit zu schließen.
Wenn aus dem Obengesagten auch hervorgeht, daß somit Fieber und auch
Blutungen keine Kontraindikation für die Serumbehandlung sind, so ist doch
bei Hämoptöe das psychische Verhalten des Patienten auf die Einspritzungen
und die Beeinflussung der Herztätigkeit in jedem einzelnen Falle sorgfältig zu
beobachten und das therapeutische Vorgehen danach zu regeln.
Erfolge der Serumbehandlung.
Wenn wir die Resultate, die mit dem Antituberkuloseserum Marmoreks
erreicht wurden, statistisch zusammenstellen, so erhalten wir folgende Übersicht:
Gesamtzahl der behandelten Fälle . . . . . . . . 938
Davon sind: Heilungen. . . e, der, a TFIO
Wesentliche Besserungen "+ objektiv RER.
subjektiv . . . 314
objektiv . . . 197
Teilw eise Besserungen. = iO. a e dos
; objektiv . . . 145
Unbeeinflußt. . . Tr er a TAS
objektiv . . . 63
Verschlechtert . Lab eo
Gestorben. . . . 5 dea 88
Somit gúnstig beeinflubt bis achat oh Oe te a ee Se CA O7 G
Unbeeinflußt, verschlechtert, gestorben. . . . . . . ca. 33%,
Betrachten wir die Resultate, die bei der Lungentuberkulose und Kehl-
kopftuberkulose einerseits, der chirurgischen Tuberkulose andererseits erreicht
wurden, getrennt voneinander, so bekommen wir folgende Zahlen:
158 H. FREY. TUBERKULOSE
Lungen- und Chirurgische
Kehlkopftuberkulose: Tuberkulose:
Heilunsen.. sos a E e a a à 2 Py
Wesentliche nn Do esa 2 73
Besserungen | subjektiv . . . . . 233; ca. 64°/) 734 ca. 79%
Teilweise rss ne E A |
Besserungen | subjektiv . . . . . 142. 45
Unbeeinflubt | Sy ee ee | ‘|
subjektiv. . . . . 99 43
Ver- Äer zwet eme, aa OA O Ke, 27,
schlechtert l subjektiv . . . . . 59 |
Gestorben. . . . 2 2 22020207
662 Fille. 239 Fälle.
Am günstigsten ist das statistische Resultat der tuberkulösen und
skrofulösen Augenerkrankungen. Von 33 behandelten Fällen sind:
Heilungen . . . . . . . . . 20= 60%,
Wesentliche | objektiv S ` 24,2%)
“ Besserungen J subjektiv go ol KE
Teilweise objektiv 2.02; |
Besserungen E 5 = 15%,
Unbeeinflußt | OBRE < ns
subjektiv . . . . — = of. r
Ver- | objektiv . . . . 1= 3% 2 je
schlechtert J subjektiv . — = Sup
Wir dürfen nicht aufer acht Be dab das Krankenmaterial, welches
diesen statistischen Aufstellungen zugrunde liegt, von demjenigen der Heilstätten-
statistiken ganz wesentlich verschieden ist und daß daher nicht etwa direkte
Vergleiche zwischen den beiden gezogen werden dürfen.!) Weitaus die Mehr-
zahl der mit Serum behandelten Fälle waren schwere Erkrankungen, gegen
welche vielfach schon das ganze therapeutische Rüstzeug, über welches wir
verfügen, aufgeführt worden war und gänzlich oder doch größtenteils versagt
hatte. Die mit der Serumbehandlung erzielten Prozente von Besserungen oder
Heilungen müssen daher entschieden wesentlich höher gewertet werden.
Berücksichtigen wir die Reihenfolge, in welcher die Serumheilwirkungen
am häufigsten auftreten, so sind es ganz entschieden Besserungen subjektiver
Natur, die in den Vordergrund treten: Nachlassen und Verschwinden des
‘schweren Krankheitsgefühles und des Fiebers, Hebung des Appetites (infolge-
dessen auch sehr bald Zunahme des Körpergewichtes), Verschwinden des Nacht-
schweißes, Besserung des gesamten psychischen Zustandes. Ganz besonders
rasch werden auch öfters die Schmerzen beeinflußt; wir stehen bisweilen tat-
1) Es ist mir etwas unklar, was Dutoit mit seinem etwas orakelhaften Satz „Die Statistiken
aller Zonen vertragen in dieser Beziehung den schärfsten Vergleich“ in Nr. ı2 dieser Zeitschrift
meint, Meines Wissens existierte bisher über Marmorekserum keine Statistik, ebensowenig wie über
die „Solution Pantanberge“, Ein Urteil in dieser Beziehung dürfte daher stark verfrüht sein.
Interessant war es mir, daß ich diese Äußerung Dutoits bereits 10 Tage bevor sie in der
Zeitschrift für Tuberkulose veröffentlicht war, auf einem Reklameblättchen von l’antanberge
angeführt fand.
BD eee DAS ANTITUBERKULOSESERUM MARMOREK. 159
190S,
sächlich vor einem Rätsel, wie es möglich ist, daß intensive, lange bestehende
Schmerzen in Gelenken ganz plötzlich auf einige Kubikzentimeter Serum nach-
lassen und verschwinden können, daf hochgradige Dysphagie und intensivste
Lichtscheu mit einem Male wie weggezaubert sind. Wenn auch dann und
wann etwas Suggestivwirkung in Betracht kommen mag, so ist dies doch nur
in ganz vereinzelten Fällen wahrscheinlich und dürfte bei der subkutanen
Serumanwendung die Suggestivwirkung öfters eher eine negative, d. h. die
günstigen Serumresultate etwas trübende, gewesen sein. Gewöhnlich folgte
auf die subjektive Besserung des Allgemeinzustandes Abnahme des Hustens
und des Auswurfes und bald auch der Bazillen, bisweilen allerdings erst nach
ciner vorübergehenden mehr oder weniger intensiven Steigerung der Sputummenge,
Rein toxische Dyspnöe wurde ebenfalls sehr günstig beeinflußt, während die aut
anatomischen Grundlagen beruhende Atemnot wenig und auf alle Fälle ganz
langsam erst mit Änderung des physikalischen Befundes gebessert wurde.
Die anatomischen Veränderungen zeigten sich am deutlichsten und auch
am raschesten bei den chirurgischen Tuberkulosen, sowie bei Kehlkopf- und
Augenaffektionen. Entzündliche Schwellungen, Ulcerationen, Fisteln können
sich innerhalb Tagen schon ganz auffallend bessern und wurde oftmals nach
einigen Wochen eine eigentliche restitutio ad integrum beobachtet. Bei den
Lungenerkrankungen sind es die Dämpfungen jüngeren Datums, die sich bis-
weilen in kürzester Frist aufhellen, während sehr chronische Infiltrations-
erscheinungen und solche mit ausgesprochen fibrösem Charakter sich begreif-
licherweise wenig verändern. Die pathologischen Auskultationserscheinungen
bessern sich manchmal ebenfalls merkwürdig rasch, das bronchiale Atmen ver-
schwindet, verschärftes Atmen wird weicher, die Rasselgeräusche verlieren ihren
konsonierenden Charakter, werden trockener, nehmen an Zahl ab und gehen
ganz zurück. Wenn auch einige Ausnahmen vorkommen, so gilt im all-
gemeinen entschieden der Grundsatz: je älter die Läsionen, je weniger Erfolg
und je frischer die Erkrankung, um so eher Aussicht auf rasche Besserung bis
Heilung.
| Hämatologische Resultate.
Leider sind genauere hämatologische Untersuchungen vor und nach der
Serumbehandlung noch recht wenig zahlreich; die wenigen bisher veróffent-
lichten ergaben aber ziemlich übereinstimmende wichtige Resultate, welche uns
in unzweideutiger Weise die spezifische Heilwirkung des Marmorekschen
Serums beweisen.
Die ersten Befunde wurden von Roever (33) veróffentlicht, welcher
Autor bei einer größeren Anzahl von Serumpatienten das neutrophile Blut-
bild nach Arneth bestimmte und unter Serum vielfach eine deutliche Ver-
mehrung der mehrkernigen neutrophilen weifen Blutkórperchen konstatierte.
Ich selbst habe die námlichen Beobachtungen gemacht, da die Untersuchungen
aber noch viel zu wenig zahlreich waren, so hatte ich bisher über deren Er-
gebnisse nichts veröffentlicht.)
1) Die neueren Forschungen sprechen freilich den Arnethschen Beobachtungen als auf Irr-
tum beruhend, jegliche Beweiskraft ab,
ZEITSCHR. Í.
160 H. FREY. TUBERKULOSE
Bosanquet und French (59) sowie Baer (54) beobachteten das
Verhalten des opsonischen Index bei der Serumkur und fanden ein deut-
liches Ansteigen desselben bereits nach den ersten 3 oder 4 Serumdosen. Nach
den ersteren Autoren erreicht diese Steigerung des opsonischen Index bald ihr
Maximum und bleibt 3—4 Wochen auf dieser Höhe stehen; nach Aussetzen
des Serums sinkt der opsonische Index ziemlich schnell wieder auf das ur-
sprüngliche Niveau herab.
Bei beiden Untersuchungen war das Antituberkuloseserum rektal ver-
abfolgt worden, es bilden somit die ebenerwähnten Beobachtungen einen
weiteren Beweis dafür, daß das Serum spezifsch wirksame Stoffe enthält und
daß dieselben vom Darme aus in ausreichender Menge resorbiert werden.
Schenker (60) sah unter der Serumbehandlung eine wesentliche
Steigerung der Leukocytose.
Die genauesten hämatologischen Aufschlüsse über die Wirkung des Anti-
tuberkuloseserums verdanken wir Pfeiffer und Trunk (56). Diese Autoren
stellten bei ihren Serumpatienten eine bedeutende Zunahme des Agglutinations-
vermögens fest (auf das 2!/,—r1ofache des ursprünglichen Wertes!).
Von ganz besonderer Bedeutung sind die von den gleichen Autoren ge-
machten Beobachtungen, daß Agglutinationsvermögen, Antitoxingehalt
(Methode der Komplementablenkung) und antihämolytische Wirkung des
Patientenserums (d.h. von solchen, die mit Serum Marmorek behandelt worden
sind!) wesentlich größer waren, als dies bei dem verwendeten antitoxischen
Pferdeserum (Serum Marmorek) selbst der Fall war.
Diese Befunde scheinen zu beweisen, daß die Wirkung des: Antituber-
kuloseserums nicht lediglich auf rein passiven Immunisierungsvorgängen
beruht, sondern daß der Organismus selbst durch das Serum zu aktiver Be-
teiligung angeregt wird.
Serum- und Tuberkulinbehandiung.
Es liegt nun ziemlich nahe, die Frage einer „gemischten“ Behandlungs-
weise in den Bereich unserer Betrachtung zu ziehen und zu studieren, ob wir
nicht mit Vorteil die passive (oder doch ganz vorwiegend passive) Immunisierung
vermittels Serum mit der aktiven Immunisierung durch Tuberkuline verbinden
könnten. Die darüber vorhandenen Beobachtungen und Erfahrungen sind jedoch
auBerst spärlich. Die erste Anregung zu einem Vorgehen in dieser Richtung
finden wir bei Richer (11). Daß es gelingen kann, schwere Tuberkulin-
reaktionen durch Serum innerhalb einigen Stunden zu beseitigen, dafür habe
ich ein erstes Mal in meiner Publikation über Serumbehandlung Serie II (21)
ein Beispiel gebracht und seither noch 5 mal Gelegenheit gehabt eine ähnliche
prompte Wirkung zu beobachten (61).')
Pfeiffer und Trunk fanden ebenfalls, daß durch Serumanwendung , die
Tuberkulinwirkung paralysierende Faktoren wirksam geworden sind“, während
1) Eine weitere Bestätigung dieser Beobachtung findet sich auch in der kürzlich erschienenen
Publikation von Stephani und Gourod ,,Tuberculinisition progressive", Congrès l‘rançais de
médecine, Neuvième session,
ro a DAS ANTITUBERKULOSESERUM MARMOREK. 161
Elsaesser zu der Ansicht neigt, daß mit Serum behandelte Patienten auf
Tuberkulin stärker reagierten. Diese letztere Ansicht läßt sich theoretisch sehr
schwer begründen und steht mit meinen auf viele Jahre sich erstreckenden
Erfahrungen völlig im Widerspruche. Ich habe sehr oft Patienten zuerst so
lange mit Serum behandelt, bis ich dieselben von den schweren toxischen Er-
scheinungen ihrer Erkrankung befreit hatte und dann die Tuberkulinkur begonnen.
Dabei fand ich stets eine ganz vorzügliche Toleranz gegen die steigenden
Tuberkulindosen, auch bei solchen Patienten, die vor Serumgebrauch direkt
hochgradig giftüberempfindlich waren. Diese ganze Frage bedarf noch langer
sorgfältiger Beobachtungen, bevor wir es wagen dürfen, eigentliche Schlüsse
und Nutzanwendungen daraus zu ziehen. Ich habe aber die Überzeugung, daß
eine solche kombinierte Behandlungsweise entschieden Aussicht auf Erfolg bietet
und möchte ich zu eingehendem Studium anregen.
Ziehen wir aus den statistischen Tabellen und den Schlußfolgerungen der
verschiedenen Experimentatoren das wissenschaftliche Fazit, so können wir
heute nicht mehr bezweifeln, daß das Antituberkuloseserum Marmorek wirklich
ein spezifisches Tuberkuloseheilmittel ist.
Wenn auch zugegeben werden muß, daß seine nan in
gewisser Beziehung begrenzt ist, so übertraf sie doch in zahlreichen Fillen alle
anderen uns bisher zur Verfügung stehenden Hilfsmittel weitaus. Es stehen ja
freilich der stattlichen Reihe von auffallenden weitgehenden Besserungen und
Heilungen, die vielfach ohne jegliches andere therapeutische Agens als eben
das Serum erreicht wurden, eine kleine Anzahl von Miferfolgen gegeniiber;
bei einer so komplexen Krankheit wie die Tuberkulose, darf uns das aber nicht
allzusehr wundern. Vielleicht kommen wir später einmal dazu, die richtige
Erklärung dafür zu finden; das Antituberkuloseserum deshalb allgemein als
unwirksam zu erklären, geht nicht an, denn ein einziger klassischer Beweis
seiner Wirkung hebt in diesem Falle zehn negative Resultate auf. Solche
klassische Heilwirkungen wurden aber zu viele und von verschiedenen Autoren
beobachtet und beschrieben, um den „Zufall“ zur Erklärung heranzuziehen.
Ein Universalheilmittel für jegliche Tuberkulose ist auch das Serum nicht,
aber wiewohl es mit weniger Pomp und weniger großen Versprechungen. in
die Welt gesetzt wurde, wie gewisse andere Heilmethoden, so hat es in aller
Stille weitaus mehr geleistet.
Wir wollen jedoch auch nicht vergessen, daß die so zahlreichen ein-
gehenden Versuche mit diesem neuen Tuberkuloseheilmittel nur durch die
überaus große Liebenswürdigkeit und Zuvorkommenheit Dr. Marmoreks
möglich waren, indem er sein Serum, dessen Herstellung einen so großen Auf-
wand an Zeit, geistiger Arbeit und nicht zum geringsten auch an finanziellen
Opfern erforderte, jahrelang unentgeltlich zur Verfügung stellte.
Möge der herzliche Dank zahlreicher Ärzte und hunderter von durch das
Serum geheilten oder gebesserten Kranken Dr. Marmorek als kleine Ent-
schädigung gelten für die seinerzeit so mit Unrecht erlittene Unbill.
Die sorgfältigen Beobachtungen mehrerer Jahre haben gezeigt, daß
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIIL LI
otre “os pic r ZEITSCHR. f.
162 FREY, DAS ANTITUBERKULOSESERUM MARMOREK. TUBERKULOSE
Marmorek in der ersten Mitteilung über sein Serum nichts versprochen hatte, das
sich in der Praxis nicht als voll bewahrheitet hátte. Jene executio brevi manu
in der Sitzung vom 17. November 1905 bildet entschieden kein Ruhmesblatt
in den Annalen der Académie de médecine. Et dii minores habeant templum!
Hoffen wir, daf die stete rege Arbeit des uneigennützigen Forschers von weiteren
Erfolgen gekrónt werde.
BDESIILHEFTA, SOKOLOWSKI U. DEMBINSKI, ÜBER SERUM MARMOREK. 163
IX.
Klinische Untersuchungen über das antituberkulöse Serum von
Marmorek.
(Aus der Abteilung f. innere Krankheiten im Hospital z. heiligen Geist, Warschau.)
Von |
Dr. med. A. Sokotowski und Dr. med. B. Dembinski,
Primararzt. Assistenzarzt.
"äm Ende verflossenen Jahrhunderts baute man große Hoffnung auf die
ae We e aie der Tuberkulose und glaubte, daß diese
Yee schwierige Aufgabe auf diesem Wege ihrer Lósung nahe gebracht
eden kónne. Es werden demnach in allen Lándern Europas und vornehmlich
in Deutschland, unter Mitwirkung der sogen. Krankenkassen, zahlreiche Sana-
torien für Phthysiker errichtet. Seit einigen Jahren begegnet man indessen
immer häufiger einer abfälligen Kritik dieser Methode. Man fand, daß in
diesen Heilanstalten vorwiegend nur Kranke im I. Stadium der Tuberkulose
Besserung erfahren, während im IL oder gar im III, die Heilerfolge bei weitem
nicht so ergiebig sind. Dann bemerkte man, daß. selbst in der ersten Krank-
heitsperiode die Besserung keine beständige sei, daß nachträglich häufige Rück-
fälle erfolgen, namentlich bei unbemittelten Kranken, welche ihre Kur nicht
jahrelang fortzusetzen imstande sind und aus der Anstalt in frühere ungünstige
Umstände zurückkehren: Die Heilergebnisse erscheinen demnach ungenügend,
zumal, wenn man die großen Bau- und Unterhaltungskosten der Sanatorien in
Betracht zieht. Daher beschritt man neue Wege zur Bekämpfung der Tuber-
kulose. In Deutschland werden nunmehr kleinere, minder kostspielige Heil-
anstalten errichtet, in Frankreich werden sogen. Dispensaires, d. h. Institutionen,
die bloß den Phthisikern ihre Obhut angedeihen lassen etc., geschaffen. Gleich-
zeitig aber erfolgte auch eine Umkehr zu der im Laufe der letzten Jahre ganz
in Vernachlässigung geratenen spezifischen Therapie. Unter den spezifischen
Methoden sind zweierlei bekannt: die aktive und die passive Immunisierung.
Die aktive kann entweder preventiv mit Behringschen Impfungen, oder kurativ
mittels Kochschen Tuberkulins besorgt werden.
Das im Jahre 1891 entdeckte Kochsche Tuberkulin wurde anfangs mit
großem Entzücken aufgenommen, aber auch recht bald verlassen. Erst in den
letzten Jahren wird es wieder, namentlich in Deutschland, der Schweiz und
anderen Ländern häufiger in Gebrauch gezogen. Bis jetzt kann indessen seine
Anwendung weder vom wissenschaftlichen, noch vom klinischen Standpunkt
als genau begründet betrachtet werden. Es wird sowohl das Kochsche Tuber-
kulin T, TR, BE, sowie auch dasjenige von Beraneck und andere, ohne ge-
hörige Berücksichtigung ihrer Unterschiede und entsprechender Indikationen,
angewendet. Die Theorie der Tuberkulinwirkung ist ebenfalls zurzeit noch
nicht genügend erläutert. Koch erklärt die Wirkungsweise des Tuberkulins
derart, daß unter dessen Einwirkung in der Umgebung des tuberkulösen Ge-
webes hyperämische und exsudative Erscheinungen entstehen, worauf dann
Kr?
er ENER = ` TCL ZEITSCHR. t.
164 AA OO Pr DEN BING: |.. TUBERKULOSE
Nekrose und Elimination des Gewebes erfolgt. In letzterer Zeit suchen
Wassermann und Bruck tiefer in den Mechanismus der Tuberkulinwirkung
einzugehen und erklären ihn auf Grund von Experimenten folgendermaßen:
Das frische tuberkulöse Gewebe enthält stets Antituberkulin. Das eingespritzte
Tuberkulin geht nun in dem tuberkulösen Organismus mit dem Antituberkulin
eine Verbindung ein, wobei das Komplement gebunden wird und Zufluß von
Leukocyten erfolgt. Daraus aber entsteht Zerfall des tuberkulösen Gewebes
mit der ganzen Reihe seiner Begleiterscheinungen: Temperatursteigerung,
Schüttelfrost, Husten etc. als Folgen der Aufsaugung des zerfallenen Gewebes.
Das verkäste Gewebe enthält nach Wassermann und Bruck kein Antituberkulin
und daher ruft das Tuberkulin bei vorgerücktem tuberkulösen Prozesse keine
Reaktion hervor. Die Angewöhnung des Organismus an das Tuberkulin er-
klären Wassermann und Bruck auf diese Weise, daß in dem mittels
Tuberkulins immunisierten Organismus mit der Zeit im allgemeinen Blutkreis-
lauf Antituberkulin auftritt und sich sofort mit dem einverleibten Tuberkulin
verbindet und dieses nicht in den tuberkulösen Herd hingelangt. Diese ganze
Theorie Wassermanns und Brucks wurde indessen von Weil und Besredka
einer näheren Kritik unterzogen. Weil fragt, wie denn Tuberkulin und Anti-
tuberkulin gleichzeitig nebeneinander in demselben krankhaften Herde bestehen
können ohne gegenseitige Einwirkung und Besredka sagt: „Ist es denn nicht
merkwürdig, daß das im tuberkulösen Gewebe entstehende Antituberkulin mit
seiner so ausnehmenden Anziehungskraft auf das eingespritzte Tuberkulin, daß
es dasselbe sozusagen aus den entlegensten Schlupfwinkeln des Organismus
ansaugt, nur wirkungslos dem Tuberkulin gegenüber verbleibt, welches sich
neben ihm im tuberkulösen Gewebe befindet, wie dies aus Wassermanns
Experimenten ersichtlich.“ |
Was nun die klinischen Erfolge anbelangt, so zeigt die Statistik, daß
die Ergebnisse der Tuberkulinbehandlung bei gleichzeitiger Anwendung der
hygienisch-diätetischen Methode gar nicht günstiger sind als die durch die bloße
Anwendung dieser letzteren erlangten. Den sich näher für die Angelegenheit
der Tuberkulinbehandlung interessierenden Leser verweisen wir auf die äußerst
erschöpfende und kritische Arbeit von Dluski.
Die preventive Impfung ist hauptsächlich durch die Behringschen Arbeiten
über die Immunisierung des Rindviehes gegen Perlsucht bekannt geworden.
Die Behringschen Impfstoffe rufen indessen, selbst beim Vieh, keine absolute
und andauernde Immunität hervor. Was den antituberkulösen Impfstoff gegen
menschliche Tuberkulose, die sogen. Tulase, anbetrifft, so scheint dieselbe bis
jetzt noch gar keine Erfolge geleistet zu haben.
Was die passive Immunisierung oder die Serotherapie betrifft, so vermuteten
schon Richet und Héricourt, Bertin und Picq und später Lépine und
Bernheim, daß man Kaninchen gegen Tuberkulose immunisieren könne,
indem man denselben in das Bauchfell Hunde- oder Ziegenblut einspritzt, in
der Meinung, daß die genannten Tiere zu den gegen Tuberkulose immunen
gehören.
Indessen hat Bouchard in seinen Versuchen die Ergebnisse seiner Vor-
BD.XNLĦEFI?. KLINISCHE UNTERSUCHUNGEN ÜBER SERUM MARMOREK. 165
gänger nicht bestätigt und zeigte im Gegenteil, daß bei mit Ziegen- oder
Hundeserum behandelten, tuberkulösen Meerschweinchen der tuberkulöse Prozeß
rascher fortschritt als bei unbehandelten Tieren. Später versuchten Cadiot,
Gilbert und Roger die Tuberkulose mit Serum von Hennen, die damals
ebenfalls als immun galten, zu behandeln; diese Versuche erwiesen sich aber
als erfolglos.
Als nun die obige Methode gescheitert, begann man das Serum von Tieren
zu versuchen, denen man vorher Tuberkelbazillen eingespritzt hatte, in der
Vermutung, daß dieses Serum Antitoxine, nach dem Vorbild des antidiphterischen
und antitetanischen Serums enthalte. Richet und Héricourt untersuchten das
Kaninchenserum. Viquerat spritzte Maultieren Bouillonkulturen von Tuberkel-
bazillen ein und untersuchte dann ihr Serum auf seinen Gehalt an Tuberkulin
und Antituberkulin, wobei er im Beginn der Erkrankung ein Übergewicht des
Tuberkulins und nur Spuren von Antituberkulin fand, in späteren Stadien da-
gegen enthielt das Serum ausschließlich Antituberkulin. Die Versuche, mit
diesem Serum tuberkulöse Meerschweinchen zu behandeln, ergaben in den
Experimenten des Autors positive Erfolge, die späteren Forschungen Richets,
Héricourts, Darembergs, Rutkowskis und anderer haben indessen diese
Ergebnisse nicht bestätigt.
Andere Forscher (Redon und Chenot 1895, Peron 1897) suchten dann
ein Heilserum von nicht mit Kulturen immunisierten Tieren zu erhalten, durch
eine Aufschwemmung aus Sputum, Eiter, oder tuberkulös erkrankter Organe.
Es wurde dieses Serum bei der Behandlung der Tuberkulose, aber erfolglos,
versucht.
Auch die Proben am Serum durch Immunisierung von Tieren mittels
Tuberkulin, ergaben ebenfalls keine günstigen Erfolge. Wernike und Knorr
weisen die Anwesenheit von Antituberkulin im Serum von längere Zeit mit
Tuberkulin behandelten Individuen nach.
Das Serum dieser Individuen gleichzeitig mit einer tödlichen Gabe
Tuberkulin Meerschweinchen eingespritzt, schützte dieselben vor dem Tode.
Boinet (1895) erhielt günstige Resultate bei der Behandlung tuberkulöser
Meerschweinchen mit Serum von mit Tuberkulin behandelten Ziegen. Frisch
aus Neuyork (1897) immunisierte Pferde mittels Kochschen Tuberkulins
(T.R.); das von diesen Tieren erhaltene Serum soll preventive und kurative
Eigenschaften besessen haben. Indessen wurden die obgenannten Forschungen
nicht bestätigt. Bei uns hat Karwacki bei Anwendung des Serums Park-
Davis, nach Frisches Methode bereitet, zweifelhafte Ergebnisse erhalten.
Andere Serumarten, wie das von Bernheim (1894) durch Immunisierung von
Tieren mit filtrierten Kulturen erhaltene, das von Niemann (1896) von mit
alkoholischem Tuberkulinextrakt immunisierten Ziegen und andere lieferten
gleichfalls keine erwünschten Erfolge.
| Zu den berühmtesten Serumarten der letzten Zeit gehören dasjenige von
Maragliano und von Marmorek. Auf dem Kongresse französischer Ärzte
in Bordeaux (1895) teilte Maragliano mit, es sei ihm gelungen, ein kuratives
antituberkulöses Heilserum zu erhalten. Dieser Forscher ist der Ansicht, die
ët REN Se ZEITSCHR. <.
166 de SOKOLOWSKI ENE DENBINSEL _ TUBERKULOSF.
Wirkung der Tuberkelbazillen beruhe auf Ausscheidung durch dieselben
während ihres Lebens von Toxinen, und nach ihrem Tode von Proteingiften,
als Produkten der Bakteriolyse. Maragliano bereitet, von dieser Annahme
ausgehend, einen zusammengesetzten Impfstoff aus von lebenden Bazillen in
flüssige Nährböden ausgeschiedener Toxine (Toxalbumin) und aus in den
Bazillenkörpern enthaltenem Protein. Um das Toxalbumin zu erhalten, läßt
Maragliano 4—6 wöchentliche Boullionkulturen mit einem Glyzerinzusatz durch
einen Chardinschen Filter fließen; das so erhaltene Filtrat filtriert er nochmals
durch eine Chamberlandsche Kerze. Das Protein wird aus den auf dem
Filter zurückgebliebenen Bazillenkörpern ausgelaugt. Zu diesem Zwecke wird
der Filterrückstand getrocknet und in einem Morser pulverisiert, dann Wasser
in der doppelten Menge der Kulturflüssigkeit zugesetzt und das Ganze im
Wasserbade bei 90—95° im Laufe von 3 Tagen zu 10 Stunden täglich belassen.
Nach Abdampfung der Flüssigkeit bis zu !/,, des ursprünglichen Volums und
Durchlassung durch einen Porzellanfilter wird das sogen. wässerige Tuberkulin
erhalten, welches alle Tuberkelproteine enthält. Der Impfstoff vor Einspritzung
besteht aus Toxalbumin mit Protein im Verhältnis von 1:3 vermischt. Dieser
Impfstoff wird Pferden subkutan in ansteigender Dosis von 5—50 ccm ein-
gespritzt. Nach Ablauf von 4—6 Monaten wird den Pferden gegen 3 1 Blut
gelassen, und man erhält daraus ein Serum, welches antitoxische und bakterizide
Eigenschaften besitzen soll.
Was die Behandlung tuberkulöser Kranker betrifft, so applizierte Mara-
gliano sein Serum im Laufe von 6 Wochen, indem er jeden zweiten Tag
1 ccm injizierte und dann die Dosis bis auf 10 ccm steigerte. Im Jahre 1902
veröffentlichte ein Schüler Maraglianos, Mircoli, eine Statistik der mit oben-
genanntem Serum behandelten Kranken. Aus dieser Statistik, die 2897 Kranke
umfaßt, zeigte sich, daB das Maraglianosche Serum günstige Resultate ergibt.
Indessen wurden die experimentellen und klinischen Forschungen Maraglianos
nicht bestätigt. Karwacki unternahm noch unlängst Versuche nach dem Serum
Maraglianos an Kaninchen und Meerschweinchen, wobei es sich zeigte, daß die
tuberkulösen Tiere bei der Serumbehandlung viel rascher mit dem Tode abgingen
als ganz unbehandelte.
Nach Karwacki läßt sich die Serumwirkung auf die Auflösung des
Bazillus im Organismus und demnach auf Vergiftung mit Tuberkelproteinen
zurückführen. Über den klinischen Heilwert des Maraglianoschen Serums
lauten die Urteile aller Autoren, mit Ausnahme der italienischen, ganz abfallig.
Das Serum von Marmorek (1903) hat die größte Anzahl einschlägiger Ar-
beiten zutage gefördert. Dieser Forscher meint, daß das Kochsche Tuberkulin
kein eigentliches Tuberkelgift sei. Um wirkliches Toxin zu erhalten, müssen
seiner Ansicht nach junge Tuberkelbazillen (bacilles a type primitif) auf leuko-
toxischem, mit Leberextrakt gemischtem Serum gezüchtet werden. Das leuko-
toxische Serum erhält Marmorek folgendermaßen: Meerschweinchen wird in
das Bauchfell 10—15 ccm Bouillon eingespritzt, wonach nach Auswaschung des
Bauchfellsackes mit 20 ccm einer physiologischen Kochsalzlösung eine weißliche,
I.eukocyten enthaltende Flüssigkeit erhalten wird. Diese Flüssigkeit wird einem
BD.XILHEFT2. KLINISCHE UNTERSUCHUNGEN ÜBER SERUM MARMOREK. 167
Ochsen gegen 30 mal eingespritzt, wobei für jede Injektion die Leukocyten-
aufschwemmung von zwei Meerschweinchen benutzt wird. Nach Aderlaß erhält
man leukotoxisches Serum. Diesem auf solche Weise bereiteten Serum fügt
nun Marmorek Glyzerinbouillon und Leberextrakt hinzu, indem er diese
letztere als ein Schutzorgan gegen Tuberkelinfektion betrachtet. Auf so zu-
bereitetem Nährboden soll nach Marmorek eine äußerst heftige und vom
Kampfe mit dem Organismus sehr befähigte, an Toxinen reiche Bazillenrasse
erwachsen. Diese Toxine töten Meerschweinchen in einer Dosis von 5—10 ccm.
Durch 5—6 malige Injektion von 5 ccm dieses Giftes kann ein Meerschweinchen
gegen Tuberkulose immun gemacht werden. Ein in solcher Weise immunisiertes
Meerschwein verträgt ungestraft 1—2 Tropfen schwach opalisierender Bazillen-
aufschwemmung. Um antitoxisches Serum zu erhalten, injizierte Marmorek
das Toxin Pferden. Nach 7—8 Monaten erhalt Marmorek ein mit preventiven
und kurativen Eigenschaften ausgestattetes Serum. Sein Serum hat Marmorek
vorerst an Kaninchen geprüft. Es zeigte sich, daß 15 —20 ccm dieses Serums,
3 Tage vor der tuberkulösen Infektion eingespritzt, das Tier immun machten.
Und auch die mit Tuberkulose infizierten und dann mit dem genannten Serum
behandelten Kaninchen lebten bedeutend länger als unbehandelte, oder genasen
sogar vollständig.
Bei Menschen empfahl Marmorek anfangs Seruminjektionen von 5 ccm
einen um den andern Tag und nach 10 Injektionen eine dreiwöchentliche Pause.
Unter dem Einflusse des Serums trat, selbst in schweren Fällen mit hohem
Fieber und Lungenkavernen, zweierlei allgemeine und sogar auch lokale
Besserung ein. Bei wenig vorgerückter Tuberkulose erlangte Marmorek eine
ganze Reihe von vollständiger Genesung; noch bessere Erfolge erhielt er in
Fällen chirurgischer Tuberkulose, bei Pleuritis u. dergl.
Die ersten durch die Pariser Kliniker Dieulafoy, Hallopeau, Le-
dentu u.a. mit dem Marmorek-Serum angestellten Versuche ergaben teils
negative, teils zweifelhafte Resultate. Später indessen erscheint in der Literatur
eine große Anzahl von Arbeiten, welche die Anwendung des Marmorekschen
Serums empfehlen. Im Jahre 1905 hat Marmorek 28 Arbeiten gesammelt,
welche 350 mit Serum behandelte Fälle von Tuberkulin enthalten. Die Mehr-
heit der Autoren, wie Dubard, Veillard, Stephani, Jaquerod, Frey,
Levin u. A. hat günstige Erfolge erlangt. Andere dagegen, wie Stadelmann,
Benfey, Krokiewicz und Englaender hatten bloß negative Resultate zu
verzeichnen. Im vorigen Jahre reichte Monod an die Académie de Méde-
cine in Paris ein Referat ein, worin alle Arbeiten über das Marmoreksche
Serum gesammelt sind. Bis zu jener Zeit belief sich die Zahl dieser Ar-
beiten im ganzen auf 43, worunter 38 der Methode günstig, 5 abfallig lauten.
Diese letzteren enthalten 39 Fälle weit vorgerückter Lungentuberkulose, einige
darunter ganz verzweifelte. In drei Arbeiten unter den genannten sprechen
die Autoren derselben dem Serum jedwede therapeutische Bedeutung bloß
wegen der bei seiner subkutanen Anwendung entstehenden Komplikationen
vollkommen ab. Die zwei anderen betonen, daß das Serum einen verderblichen
Einfluß auf den Krankheitsverlauf gezeigt habe. Die dem Serum günstigen
5 De E E ZEITSCHR. f.
168 A. SOKOLOWSKI UND B. DEMBINSKI. © TUBERRULOSE
Arbeiten enthalten 592 Fälle von interner oder chirurgischer Tuberkulose. In
allen diesen Fällen wurde die Serumbehandlung von den Kranken recht wohl
vertragen oder es kamen höchstens ähnliche Komplikationen wie bei jedweder
Seruminjektion vor: Urtikaria, Hautrötung u. dergl. Das Serum wurde entweder
in subkutaner Injektion oder per rectum angewendet. Diese letztere An-
wendungsweise wird jetzt immer häufiger benutzt, da sie es gestattet, allen
Komplikationen aus dem Wege zu gehen. Monod kommt zu folgenden
Schlußfolgerungen:
I. Die Applikation des Marmorekschen Serums ist ganz unschädlich.
Die jetzt ausgearbeitete, nach vielen mühsamen Versuchen festgesetzte Technik
ist äußerst einfach und leicht ausführbar.
2. Das Serum ist wirksam in allen Formen von Lungen-, Gelenkknochen-,
Drüsentuberkulose etc.
3. Die Wirkung betrifft nach Lewin sämtliche Symptome, sowohl all-
gemeine, als auch lokale: Atemnot, Fieber, Husten, Auswurf, perkutorische
und auskultatorische Erscheinungen und nach Hoffa und van Huellen: den
Schmerz, die Eiterung, die Fisteln bei chirurgischer Tuberkulose.
4. In vielen Fällen zeigte sich die Wirkung des Serums auf alle krank-
haften Symptome dermaßen gründlich, daß manche Ärzte von vollständiger
Heilung und Genesung sprechen.
van Huellen äußert sich über das Marmoreksche Serum folgender-
maßen: , Nach den von Stephani, Dubard, Ullmann, Frey, Hoffa, Rover
und vielen Anderen veröffentlichten Arbeiten und nach einer ganzen Reihe
eigener Erfahrungen, können wir nicht daran zweifeln, daß wir in dem Mar-
morekschen Serum ein spezifisches Mittel gegen die Tuberkulose besitzen.“
Und Prof. Hoffa sagt: „Ich hatte in vielen Fällen Gelegenheit, die
wahrhaft spezifische Wirkung auf den Verlauf der Tuberkulose festzustellen,
und nimmt man daher die Unschädlichkeit dieses Mittels in Betracht, so kann
man ihm keinesfalls eine große Bedeutung in dem Kampfe gegen die Tuber-
kulose absprechen.“
Im Laufe des Jahres 1907 erschien eine ganze Reihe dem Marmorek-
schen Serum günstige Arbeiten, nämlich von: Schenker (Aarau), Hymans
und Polak, Daniels (Haag), Elsaesser, Röver, Weill, Wohlberg u. A.
Um sich ein eigenes Urteil über die Behandlung der Lungenschwindsucht
mit dem Marmorekschen Serum zu bilden, beschlossen wir, einschlägige
Untersuchungen auf der Abteilung für innere Krankheiten im Hospital zum
heiligen Geist durchzuführen. Dies gelang uns nur dank der Gefälligkeit des
Dr. Marmorek, welcher die Güte hatte, uns stets mit der dazu notwendigen
Menge seines Serums!) zu versorgen, wofür wir ihm an dieser Stelle unseren
wärmsten Dank aussprechen.
Nach seiner eigenen Anleitung wählten wir zu unseren Untersuchungen,
soviel dies nur unter unserem Hospitalmaterial möglich war, Kranke in den
mittleren Schwindsuchtsstadien. Denn sowohl diejenigen im Anfangsstadium
1) Es ist dies zu gleicher Zeit ein antituberkulöses und Antistreptokokkenserum.
BD.XILHEFT2. KLINISCHE UNTERSUCHUNGEN ÜBER SERUM MARMOREK. 169
der Tuberkulose, die ja häufig ohne jedwede Behandlung bedeutende Besserung
erfahren, sowie auch Phthisiker im weit vorgerückten Stadium sind wegen all-
gemeiner Erschöpfung für derartige Forschungen nicht geeignet.
Unter 20 Kranken, bei denen wir das Marmoreksche Serum angewendet
haben, bot uns ein einziger (Nr. 44) diagnostische Zweifel. Er hatte zwar Kon-
densationssymptome an der ‚rechten Lungenspitze, aber im Sputum wurden
trotz vielmaliger Untersuchungen keine Kochschen Bazillen nachgewiesen.
Bei allen 19 übrigen war die Diagnose der Tuberkulose sicher (Kochsche
Bazillen im Sputum).
2 Kranke (Nr. 7 und 9) können dem I. Stadium der Tuberkulose (nach
Sokołowski) zugezählt werden (Spitzenkondensation ohne Rasselgeräusche).
9 Kranke (Nr. 3, 8, 12, 14, 15, 16, 17, 19, 20) befanden sich im II. Stadium
der Tuberkulose (Spitzenkondensation mit trockenen oder feuchten Rassel-
geräuschen).
Bei 8 Kranken endlich (Nr. 1, 2, 5, 6, 10, 11, 13, 18) hat die Lungen-
schwindsucht bereits ihr letztes Stadium erreicht (Zerfall und Kavernen).
3 unter den obengenannten Kranken (Nr. 13, 15, 18) boten außerdem
Komplikationen seitens des Kehlkopfes dar (Laryngitis tuberc.).
Die Verhältnisse, unter denen sich alle diese Kranken vor und während
der Serumbehandlung befanden, waren bei allen die gleichen. Gewöhnliche
Hospitaldiät. Eine Krankengruppe (die ersten zehn) wurden im Sommer (Juli,
August, September) behandelt und verbrachten die Zeit in der im Anstalts-
garten errichteten Liegehalle, die zweite (die anderen zehn) im Winter (Oktober,
November, Dezember und Januar) lagen im Krankensaale, wobei derselbe aus-
giebig gelüftet wurde. |
Vor dem Beginne der Serumbehandlung wurden die Kranken einer
genauen ein- oder mehrwôchentlichen Beobachtung unterzogen, wobei ein-
gehend untersucht wurde: 1. Stand der Körpertemperatur, 2. der Puls, 3. die
Atmung, 4. der Husten, 5. Qualität und Menge des Auswurfs, 6. Menge der
Bazillen im Sputum, 7. Allgemeinbefinden nach Kórpergewicht und 8. physi-
kalische Symptome. Im Laufe der Serumanwendung und nachträglich wurde
sorgfáltig beobachtet, ob nicht unter ihrem Einflusse irgend welche Veránderungen
in den obenerwähnten Symptomen stattfanden.
Was die Anwendungstechnik des Serums betrifft, so wendeten wir dasselbe
bei manchen Kranken subkutan, bei anderen per rectum an. Bei subkutaner
Anwendung (10 ccm jeden anderen Tag) wurden gewohnlich die ersten In-
jektionen gut vertragen, aber schon nach 4—5 Injektionen traten folgende
Symptome zutage: Schmerzen in den Gelenken und im Kreuz, Kopfweh, Er-
brechen, Temperatursteigerung bis auf 40%, Urtikaria, recht schwerer Allgemein-
zustand (die Kranken lagen regungslos und stóhnten acht bis zehn Tage hin-
durch). Der Husten und die Menge des Auswurfes nahmen zu, in den physi-
kalischen Erscheinungen waren keine deutlichen Veranderungen wahrzunehmen.
Mit besonderer Heftigkeit traten obige Komplikationen bei Phthisikern im
Il. Krankheitsstadium auf (Nr. 1, 2). Bei Kranken im I. und II. Stadium der
Tuberkulose waren die Komplikationen gelinder und beschrinkten sich auf
| r H TCU ZEITSCHR. f.
Nesselausschlag, Hautrótung (erythema) in der Umgebung der Seruminjektions-
stelle, leichte Gelenkschmerzen etc.
Ahnliche und viel schwerere Komplikationen wie Zyanose, Atemnot,
Kollaps u. dergl. haben fast alle Autoren beobachtet, welche das Serum sub-
kutan applizierten (Krokiewicz und Englaender, Hymans und Polak,
Daniels, Holmstroem, Holmboe u. A.) Seit den Untersuchungen von
Arthus, v. Pirquet und Marfan ist es bekannt, daf die genannten Symptome
nicht auf Rechnung spezifischer Eigenschaften der Serumfliissigkeiten zu setzen
seien; denn normales Pferdeserum ruft nach mehrmaliger Injektion ganz gleiche
Symptome (Anaphylaxie) hervor. Jedenfalls erschwert dieses Symptom in Fallen,
wo man das Serum längere Zeit einspritzen muß, die Sache recht beträchtlich.
Was uns betrifft, so hielten wir bei derartigen Komplikationen die fernere
subkutane Anwendung des Serums ftir unmôglich und entschlossen uns, nur
Rektaleinflößungen nach Frey (Davos) und Mannheim (Berlin) in Gebrauch
zu ziehen.
Diese Einflößungen vollzogen wir nach den -Anleitungen Marmoreks
mittels des Nelatonschen Katheters, welches wir zur Hälfte seiner Lange in
das Rektum versenkten. Auf diese Weise wurden drei Wochen lang einen um
den anderen Tag 10 ccm Serum eingeflößt, so daß man in einer Behandlungs-
serie 120—140 ccm in 12—14 malen verwendete. Nach dreiwöchentlicher Pause
begann man eine neue Einflößungsserie.
Wir kommen nun zur Darstellung der bei der Serumanwendung erlangten
Resultate. Wir beginnen mit dessen Einfluß auf die Körpertemperatur, deren
Verlauf, nach unserer Ansicht, die am meisten objektive Anschauung über die
spezifische Wirkung des Serums treffen kann. Im Laufe der Serumbehandlung
stieg selbst bei rektaler Anwendung bei vielen Kranken (Nr. 4, 5, 6, 7, 8, 10,
15, 16, 18) die Körpertemperatur auf 38% und sogar auf 39,5% und verblieb
auf dieser Höhe die ganze Zeit der Behandlung hindurch. Erst nach Be-
endigung der ersten Einflößungsserie sank die Körperwärme von 37°—38° auf
37° oder selbst darunter bei vier Kranken (Nr. ı, 7, 8, 19). Einer dieser Kranken
(Nr. 7) befand sich im I. Stadium, zweie (Nr. 8 und 19) im IL. und einer (Nr. 1)
im III. Stadium der Tuberkulose.
Bei einem Kranken (Nr. 3, J. S., 18 Jahre alt), welcher sich im II. Stadium
der Schwindsucht befand (Spitzenkondensation mit Rasselgeräuschen), erhielt
sich die Körpertemperatur nach der ersten Einflößungsserie auf derselben
Höhe, wie vor der SS 38 °—38,5°, und sank erst nach der zweiten
Serie auf 36,6°.
Bei einem Kranken (Nr. 2) sank sie zeitweilig von 37,6° auf 37°, stieg
aber nach einigen Wochen wieder an; bei 3 Kranken (Nr. 4, 9 und 20), bei
denen die Temperatur vor der Behandlung fast normal war (37%— 37,2°), sank
dieselbe nach der Behandlung auf 36,2°—36,6° und schließlich bei 11 Kranken
im Il. oder Ill. Stadium (Nr. 11, 14, 15, 16, 17 und 5, 6, 10, 12 und 18) blieb
die Temperatur unverriickt auf der Höhe von 38°— 40°.
Hier muß sofort dazu bemerkt werden, daß unter 5 Kranken, bei
denen die Fiebertemperatur vollständig sank, 4 (Nr. 1, 3, 7,8) im
BD.XHLHEFT?. KLINISCHE UNTERSUCHUNGEN ÜBER SERUM MARMOREK. 171
Sommer in der Liegehalle und nur 1 (Nr. 19) im Winter auf dem
Krankensaale behandelt wurden.
Von anderen Autoren, die sich mit der Einwirkung des Marmorekschen
Serums auf die Körpertemperatur befaßten, hat Waller die meisten Daten
geliefert. Er teilt die Kranken in dieser Hinsicht in 2 Gruppen: zur ersten
gehóren diejenigen, denen mindestens 17 Injektionen einverleibt wurden, zur
zweiten diejenigen, die 10— 12 Injektionen erhalten haben. In der ersten
Gruppe erlangte Waller Temperaturabfall in 38 °/, aller Fälle, in der zweiten
bei 33 °/o.
Dubard (Dijon) erzielte in 4 schweren Fällen mit Fieber bedeutende
Besserung. Jaquerod (Leysin) erzielte nach Anwendung des Serums bei
7 Kranken Temperaturabfall, bei denen die Temperatur trotz längeren Aufent-
haltes im Sanatorium gleich anhielt. Frey (Davos) wendete zuerst das Serum
subkutan an und erzielte bei 5 unter 8 Kranken Temperaturabfall; unter 16 Fällen
rektaler Serumanwendung erhielt er positiven Erfolg 15 mal. Andere Autoren
erhielten ebenfalls Temperaturabfall bei einer mehr oder weniger großen Anzahl
Kranker.
Was den Puls betrifft, so beobachteten einige Autoren, darunter z. B.
Schenker (Aarau) stets Steigerung desselben. Schon nach 2—3 Injektionen
stieg die Pulszahl bei den Kranken Schenkers von 70—80 auf 100— 120,
selbst auf 130.
Unter unseren Kranken stieg die Pulszahl auf 100— 120 und sogar auf
140 bei denjenigen, denen das Serum subkutan gereicht wurde. Von den-
jenigen, denen Rektaleinflößungen appliziert wurden, stieg die Pulszahl nur bei
wenigen, und verblieb bei der Mehrzahl auf derselben Höhe wie vor der Be-
handlung. Die Steigerung der Pulszahl auf 100—120 bei per rectum mit
Serum behandelten Kranken bietet eine üble Prognose, nämlich: 3 Kranke mit
gesteigerter Pulsfrequenz starben (Nr. 6, 13 und 18, alle im III. Stadium der
Tuberkulose) und 3 Kranke blieben ohne Besserung (Nr. 17 im II. und Nr. 2
und 5 im Ill. Stadium).
Pulsverlangsamung erhielten wir nur bei 2 Kranken: Nr. 3 (im II. Stadium),
wo gleichzeitig mit der Besserung anderer Symptome die Pulszahl von 110 auf
go—96 herabsank, und Nr. 4 (I. Stadium), wo die Pulsfrequenz von 100 auf
75—78 abnahm.
In der Atmung bemerkten wir keine beträchtlichen Veränderungen bei
der Serumbehandlung, die subkutan behandelten Kranken ausgenommen, bei
denen häufig Atemnot eintrat, wobei die Atemfrequenz bis 36—40 pro Minute
anstieg. |
Wenden wir uns nun solchen Symptomen zu wie Husten, Auswurfs-
menge, Quantität Kochscher Bazillen im Sputum, so beobachteten viele Autoren,
wie Stephani, Frey u. A., Beschwichtigung des Hustens und Abnahme der
Auswurfsmenge.
Unter den von uns behandelten Kranken verschwand der
Husten vollständig oder wurde ganz unbedeutend bei 7 Kranken:
bei 3 im I. Stadium der Tuberkulose (Nr. 4, 7 und 9), bei 2 im IL Stadium
172 A. SOKOLOWSKI UND B. DEMBINSKI. UDERKULOSE
(Nr. 3 und 8) und bei 2 im III. Stadium (Nr. 1 und 2). Die Kranken, welche
vor der Serumbehandlung fortwährend husteten und narkotische Mittel ein-
nehmen mußten, konnten während der Serumbehandlung ganz gut ohne
jedwede Medikamente fortkommen. Wir müssen indessen hinzufügen,
daß alle diese Kranken im Sommer bei Aufenthalt in der Liege-
halle behandelt wurden. Auf den Auswurf, dessen tägliche Quantität genau
Tag für Tag verrechnet wurde, zeigte sich deutlicher Einfluß des Serums bei
5 Kranken, nämlich: Nr. 8 (im Il. Stadium), wo die Auswurfsmenge von 20 bis
25 ccm pro die fast auf Null herabsank, Nr. 19 (IL Stadium) von 100—120 ccm
auf 50—60 ccm pro die, Nr. wo die Sputumquantität (II. Stadium) von
75 ccm auf 15 ccm fiel, Nr. 2 (II. Stadium) von 50 ccm auf 10 ccm und Nr. 4
(I. Stadium) von 125 ccm auf 5—10 ccm pro die herabsank.
Bei 3 Kranken, welche vor der Serumanwendung sehr wenig Sputum
expektorierten, sank ihre Menge fast auf Null.
Also im ganzen zeigte sich, unter 20 Kranken, der günstige
Einfluß des Serums auf die Auswurfsmenge bei 8 Kranken.
Es muß indessen auch hier bemerkt werden, daß, außer Nr. ı9,
welcher auf dem allgemeinen Krankensaal behandelt wurde, alle
anderen Kranken ihre Kur während des Sommers in der Liegehalle
durchmachten.
Was die Kochschen Bazillen betrifft, so verschwanden dieselben aus dem
Sputum bei keinem Kranken vollständig, trotz Besserung aller anderen Symptome.
Es ließ sich überhaupt keine konstante Einwirkung auf die Zahl der Bazillen
feststellen.
Der Allgemeinzustand und das Körpergewicht hielt gewöhnlich gleichen
Schritt mit der Besserung anderer Symptome. So stieg beim Kranken Nr. 4
(I. Stadium) das Körpergewicht von 62,2 auf 71 kg, bei Nr. 7 (I. Stadium) von
57,6 auf 59,6 kg und bei Nr. 9 (I. Stadium) von 53 auf 53,2 kg, bei Nr. 3
(II. Stadium) von 52,5 auf 55,6 kg, bei Nr. 8 (II. Stadium) von 64,5 auf 67,3 kg,
bei Nr. 19 (IL Stadium) von 58,8 auf 60,4 kg, bei Nr. 1 (III. Stadium) von 57
auf 62 kg, endlich bei Nr. 2 (III. Stadium) von 58 auf 60 kg.
In den physikalischen Symptomen konnten wir bei keinem Kranken
namhafte Veränderungen konstatieren, einen ausgenommen, Nr. 3 (IL. Stadium),
bei welchem nach zweimaliger Behandlung (im ganzen 230 ccm Serum), die
feuchten Rasselgeräusche verschwanden und nur Dämpfung und verlängertes
Exspirium zurückblieben. ß
Was die laryngealen Komplikationen betrifft, so verschlimmerte sich unter
3 Kranken (Nr. 13 Ulzeration an dem linken wahren Stimmband, Nr. 15 — In-
filtration des Kehldeckels, der Hinterwand und des linken falschen Stimm-
bandes und flache Ulzeration am linken wahren, und Nr. 18 — Infiltration der
hinteren Kehlkopfwand und des linken falschen Stimmbandes) bei 2 der Prozeß
beständig bis zum Tode, und bei Nr. 15 erfuhren die Kehlkopfslasionen gar
keine Veränderung.
Im Vergleich mit anderen Autoren, welche, wie Lewin, Dubard,
Schenker, Weill u. A. bedeutende Besserung perkutorischer und auskul-
BD.XUCHEFT?. KLINISCHE UNTERSUCHUNGEN ÜBER SERUM MARMORER. 173
tatorischer Symptome und auch bedeutende Verringerung der Infiltrationen
und Ulzerationen, sowie Beseitigung der Dysphagie bei Kehlkopftuberkulose
erzielten, waren unsere Erfolge in dieser Hinsicht viel weniger günstig.
Nachdem wir den Einfluß des Marmorekschen Serums auf verschiedene
Symptome der Lungentuberkulose erörtert haben, wenden wir uns jetzt den
allgemeinen, bei ihrer Anwendung von uns erlangten Ergebnissen zu.
Unter 20 Kranken erhielten wir Besserung des Allgemeinbefindens und
verschiedener Symptome bei 8 Kranken; darunter:
im I. Stadium der Tuberkulose bei 3 Kranken (Nr. 4, 7 und 9),
im I. Stadium bei . . . . . . 4 Kranken (Nr. 3, 8, 19, 20),
im III. Stadium bei . . . . "kranken (Nr. 1).
Schauen wir diese Kranken näher an:
I. Der Kranke Nr. 4 (O. 30 J. alt). I. Stadium mit Spitzenkondensation
(Zweifel an der Diagnose wegen Abwesenheit von Bazillen im Sputum), erhielt im
ganzen 260ccm Marmoreksches Serum in 2 Serien, darunter 40 ccm subkutan.
Ungemeine Besserung des Allgemeinbefindens, Gewichtszunahme 8,8 kg (von 62,2
auf 71 kg). Die Korpertemperatur sank von 37°—37,2° auf 36,2%—36,6%, die
Pulszahl fiel von 100 auf 76—78, die Atemzahl von 25 auf 16 in der Minute. Der
Husten hörte vollständig auf und die tägliche Auswurfmenge ging von 125 ccm auf
Null zurück. Die physikalischen Veränderungen (Spitzenkondensation) blieben unver-
ändert bestehen: Wiederaufnahme seiner gewöhnlichen Arbeitsbeschäftigung.
Der Kranke Nr. 7 (D. 21 J. alt). I. Stadium mit Spitzenkondensation, erhielt
120ccm Marmorekserum in 12 subkutanen Injektionen. ` Besserung des Allgemein-
befindens, das Körpergewicht stieg um 2 kg, der Husten und der Auswurf sind ver-
schwunden, die Körpertemperatur sank von 37 °—38° auf 36,6°, die physikalischen
Symptome unverändert. Kehrt zu seiner Arbeit zurück.
Der Kranke Nr. 9 (K., 21 J. alt). I. Stadium mit Kondensation der Lungen-
spitzen, erhielt 7occm Serum subkutan. Besserung des Allgemeinbefindens, das
Körpergewicht stieg von 53 auf 53,2 kg, die Körpertemperatur sank von 37°—37,2°
auf 36,2°—36,6°, Husten und Auswurf sind verschwunden, Puls- und Atemzahl,
sowie auch die physikalischen Symptome unverändert. Hat seine Arbeit wieder auf-
genommen.
2. Der Kranke Nr. 3 (S., 18 J. alt). II. Stadium. Spitzenkondensation und
feuchte Rasselgeräusche. Erhielt 250ccm Serum in 2 Serien (20 Rektaleinflößungen
zu IOccm und 5 subkutane Injektionen zu 5 ccm), Besserung des Allgemeinbefindens,
Gewichtszunahme 3,1 kg. Temperatur sank von 38°—38,5° auf 36,6°, Pulszahl von
110 auf 80—06. Es war das der einzige Kranke, bei dem wir auch Besserung der
physikalischen Symptome konstatierten (Verschwinden der Rasselgeräusche). Nimmt
seine Arbeit wieder auf.
Der Kranke Nr. 8 (S., 27 J. alt). II. Stadium. Spitzenkondensation mit feuchten
Rasselgeräuschen. Erhielt 110 ccm Serum subkutan und 120 ccm per rectum:
zusammen 230ccm. Besserung des Allgemeinbefindens, das Körpergewicht stieg
um 2,8kg, Körpertemperatur sank von 38° auf 37,1°—37,2°; Pulsfrequenz von
100—116 auf 100—104. Der Husten hörte auf, die Auswurfsmenge fiel von 20
bis 25 ccm fast auf Null, physikalische Symptome unverändert. Kehrt zur Arbeit
zurück.
Der Kranke Nr. 19 (B., 37 J. alt. II. Stadium. Spitzenkondensation mit
feuchten Rasselgeräuschen. Erhielt 130ccm per rectum. Besserung des Allgemein-
befindens. Gewichtszunahme um 1,6kg. Temperaturabfall von 37°—38° auf
36,8°— 37°. Pulsfrequenz unverändert. Sputumquantität sank von 100—120 ccm
- 7S S e 7 ZEITSCHR. f.
174 | E EH SKI UND B. ES ED: TUBERKULOSE
auf so—6occm pro die. Der Husten hörte nicht auf, so daß Narcotica fort-
gebraucht werden mußten. Nimmt seine Arbeit wieder auf.
Der Kranke Nr. 20 (L., 35 J. alt. II. Stadium. Spitzenkondensation mit
feuchten Rasselgeräuschen. Erhielt 56 ccm subkutan. Besserung des Allgemein-
befindens, Gewichtszunahme um 0,9 kg. Temperaturabfall von 37%—37,2% auf
36,8°—37°. Puls blieb unverändert, die Atmung beschleunigt (von 24—28 pro
Minute auf 30—40) Der Husten verminderte sich, Auswurfmenge unverändert.
Rückkehr zur Arbeit.
3. Kranker Nr. 1 (K., 38 J. alt. III. Stadium der Schwindsucht. An der
linken Lungenspitze kaverne und klingende Geräusche. Erhielt 210ccm per rectum
und 40ccm subkutan. Besserung des Allgemeinbefindens, Gewichtszunahme um 5 kg.
Temperaturabfall von 37,6° auf 36,8°, Puls und Atmung unverändert. Der Husten
hörte auf, die Auswurfmenge fiel von 75ccm auf 15 ccm pro die. Der Kranke ist
zur Arbeit zurückgekehrt. | |
Von den übrigen 12 Kranken erlangte man zeitweilige Besserung bei
einem Kranken im III. Stadium (Nr. 2), keine Besserung bei 5 Kranken im
II. Stadium der Tuberkulose (Nr. 12, 14, 15, 16 und 17), und bei einem Kranken
im III. Stadium (Nr. 5). Gestorben sind 5 Kranke im III. Stadium (Nr. 6, 10, 11,
13, 18). Außerdem starb nach 3 Monaten nach der Serumkur ein Kranker
(Nr. 12), welcher sich während der Behandlung erst im II. Stadium der Schwind-
sucht befand. Ä
Also unter 20 Kranken:
bei 3 Kranken im I. Stadium der Tuberkulose Besserung bei
allen, bei 9 Kranken im IL Stadium in 4 Fällen Besserung, bei 4 Kranken
blieb der Zustand unverändert, 1 Kranker starb; bei 8 Kranken im Ill. Stadium
Besserung in ı Falle, zeitweilige Besserung bei ı Kranken, bei ı Kranken blieb
der Zustand unverändert, Tod bei 5 Kranken.
Also im ganzen von 20 Kranken:
Besserung bei. . . . . . 9 Kranken (45 °/,);
der Zustand unverändert bei 5 Kranken (25 °/,);
gestorben sind . . . . . 6 Kranke (30 °/,).
Hätten wir die Besserung bei 45 °/, unserer Kranken ausschließlich durch
die Wirkung des Serums erlangt, so wäre dies jedenfalls ein recht schöner
Erfolg. Wir meinen indessen, daß ein ausgesprochener Einfluß auf die Besserung
unserer Kranken den Verhältnissen, unter welchen sich dieselben befanden, zu-
zuschreiben ist, wofür als Beweis der Umstand dienen kann, daß von 9 Kranken,
bei denen Besserung eintrat, 7 im Sommer in der Liegehalle behandelt wurden
und nur 2 im Winter im Krankensaale. Deshalb erscheint es uns unmöglich,
sowohl aus den eigenen Erfahrungen, als auch aus den Arbeiten anderer Autoren
bestimmte Schlüsse über die Spezifizität des Marmorekschen Serums zu ziehen.
Die Arbeiten über das Marmoreksche Serum sollten, sowie über alle tuberku-
lösen Serumarten überhaupt, unserer Ansicht nach, auf den experimentellen Weg
geleitet werden. Es müssen die Serumflüssigkeiten auf die Anwesenheit spe-
zifischer Körper geprüft werden nach der Methode von Bordet-Gengon
(Deviation von „Komplement“), von Wrigth (Opsonine), auf Agglutinine u. dergl.
Zwar ist schon in dieser Richtung eine Arbeit von Pfeiffer und Trunk er-
schienen: diese Forscher haben festgestellt, daß unter 6 untersuchten Fällen
BD.XUI HEFT2. KLINISCHE UNTERSUCHUNGEN ÜBER SERUM MARMORER. 175
die Agglutination in 4 Fällen 2'/,—10fach gestiegen ist, während sie in 2 Fällen
unverändert blieb. Mittels der Methode von Bordet-Gengon konstatiert: n
die Verfasser die Anwesenheit spezifischer Körper bei 4 Kranken, bei 2 Kranken
waren diese Körper nicht vorhanden. Der an 2 Kranken vollzogene Versuch
mittels Kochschem Tuberkulin zeigte, daß beide unter der Wirkung des Serums
Marmoreks auf Tuberkulin zu reagieren aufgehört haben. Die Arbeit
Pfeiffers und Trunks, obwohl recht gründlich, enthalt noch jedenfalls zu
wenig Versuche und ist noch nicht soweit nachgeprüft worden, daß sie be-
stimmte Schlüsse über die Spezifizitat des Marmorekschen Serums zu ziehen
gestatten könnte. Endlich ist noch unumgänglich die Wirkung dieses Serums
auf tuberkulöse Tiere zu untersuchen. Zwar behauptet Marmorek, daß sein
Serum eine entschiedene preventive und kurative Wirkung auf tuberkelkranke
Kaninchen ausübe, diese Behauptung erfordert aber dennoch Kontrollbestatigung.
Metchnikoff und Borrel aus dem Institut Pasteur sprechen dem Mar-
morekschen Serum jedwede spezifische Eigenschaft der Tuberkulose des
Kaninchens gegenüber ab.
Schlußfolgerungen:
1. Das Marmoreksche Serum ist bei Rektaleinflößung un-
schädlich.
2. Die subkutane Anwendung des Marmorekschen Serums ist
durch verschiedene Komplikationen erschwert, nämlich: Nessel-
ausschlag, Gelenkschmerzen, Temperatursteigerung u. dergl.
3. Unter der Einwirkung des Marmorekschen Serums tritt in
vielen Fällen von Lungenschwipdsucht, namentlich im I. und
IL Stadium (nach Sokotowskis Einteilung) Besserung des Allgemein-
befindens und verschiedener Symptome der Tuberkulose ein, in-
dessen kommt das häufiger bei im Sommer in der sogen. Liegehalle
behandelten Kranken, als bei denjenigen die im Winter in den
Krankensälen behandelt werden, vor.
4. Aus unseren klinischen Versuchen ist es unmöglich, feste
Schlüsse über die Spezifizitat des Marmorekschen Serums ab-
zuleiten. |
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REFERATE.
177 |
IL REFERATE ÜBER BUCHER UND AUFSÄTZE
IL Allgemeine Pathologie.
S. Kitamura, Path. Inst. des Augusta-
Viktoria-Krankenhauses in Schöneberg-
Berlin: DieStellung derBronchial-
drüsen im lymphatischen System
und ihre Beziehung zum Gang
dertuberkulösen Infektion. (Ztschr.
f. Hyg. u. Int, Bd. 58, Heft 2.)
Durch subkutane Infektion von Meer-
schweinchen mit einer schwachvirulenten
Tuberkelbazillenkultur vermochte Verf. das
schrittweise Vorschreiten der Infektion im
Tierkörper zu studieren. Es zeigte sich,
daß die Bronchialdrüsen keineswegs, wie
Weleminsky behauptet, eine Art Lymph-
herz darstellen, vielmehr erkrankten die-
selben stets nach der Infektion von Lunge
und Milz, erst dann also, wenn die Ba-
zillen bereits durch den Ductus thoraci-
cus bezw. die Trunci lymphatici in die
Blutbahn eingeschwemmt worden waren.
Das gleiche Resultat ergab sich bei Ein-
spritzung von Tuscheaufschwemmungen
unter die Haut bezw. in die Bauchhôühle
junger Katzen. Verf. kann daher die
Angaben Weleminskys nicht bestätigen,
schließt sich vielmehr vollinhaltlich den
Forschungen Beitzkes an. C. Servaes.
H.Toyosumi, Path. Inst. in Bonn: Intima-
tuberkel in den kleinen Lungen-
arterien. Beitrag zur Kenntnis
über die Entstehung der miliaren
Tuberkel der Lunge. (Virch. Arch.,
Bd. 191, Heft 2.)
Verf. untersuchte einen ganz frischen
Fall von Miliartuberkulose der Lungen
und fand die ersten — mikroskopischen —
Anfänge der Tuberkel nicht in den Alve-
olen, auch nicht in den Kapillaren, son-
dern vorwiegend an der Innenseite der
feinsten Arterien. Aus einer lockeren
Vereinigung von proliferierten Endothelien
und Leukocyten entwickelt sich allmählich
ein Thrombus, der das Gefäß schließlich
zur Obliteration bringt. Diese kleinen
und kleinsten Herdchen nun geben —
im Sinne der Lehren Ribberts — be-
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIII.
ständig Tuberkelbazillen in die Blutbahn
ab, so zu immer neuer Entstehung mili-
arer Tuberkel beitragend. Von diesen
Thromben nun schreitet die Entzündung
in das periarterielle Bindegewebe und in
die Alveolen fort. Hier beginnt der
Prozeß durch AbstoBung von Epithelien
und Absonderung von Fibrin in die
Alveolarlumina. Im Kapillarsystem fand
Verf. Knötchen nur selten. Da nun
unmöglich sämtliche Bazillen, ja nicht
einmal der größere Teil, an der Intima
der kleinsten Arterien haften bleiben, so
muß aus dem Freisein des Kapillarsystems
geschlossen werden, daß die Mehrzahl
der Bazillen die Kapillaren ungehindert
passiert und so in den großen Kreislauf
gelangt. C. Servaes.
Beneke u. Kürbitz-Marburg: Ein Fall
von Tuberkulose der Plazentar-
stelle. (Beitr. z. Klinik d. Tub., Bd. 9,
Heft 3.)
Sektionsbefund einer im Wochenbett
verstorbenen Frau, bei der sich eine
hochgradige Tuberkulose der Plazentar-
stelle fand. Bei dem zugehörigen Kinde,
das im Alter von 3 Monaten an einer
Darmverschlingung starb, fand sich im
ganzen Organismus nirgends eine Spur
von Tuberkulose, weder makroskopisch,
noch mikroskopisch, noch im Tierversuch.
Ott.
Prof. Taav. Laitinen-Hyg. Inst. Helsing-
fors: Über die Einwirkung der
kleinsten Alkoholmengen auf die
Widerstandsfähigkeit der tieri-
schen Organismen mit besonderer
Berücksichtigung der Nachkom-
menschaft. (Ztschr. f. Hyg. u. In-
fektkr. Bd. 58, Heft 1.)
Versuchstiere —
Meerschweinchen — erhielten längere
Zeit hindurch geringe Alkoholmengen
(0,1 ccm pro kg Tier) in sehr verdünntem
Zustande in den Mund eingeträufelt. Die
Untersuchungen ergaben nun, daß bei den
Alkoholtieren die normale Widerstands-
kraft der roten Blutkörperchen herab-
12
Kaninchen und
„178
gesetzt war, insofern sic durch Rinder-
serum leichter gelöst wurden. Eine deut-
liche Verminderung der bakterientötenden
Kraft des Blutes war jedoch bei diesen
Tieren nicht nachzuweisen. Hingegen
war die Widerstandskraft der Alkoholtiere
im Vergleiche zu derjenigen der Kon-
trolltiere gegen natürliche (Kaninchen-
seuche) und künstliche (Diphtherietoxin)
Ansteckung deutlich herabgesetzt. Die
Behandlung der Muttertiere mit Alkohol
übte endlich auch auf die Nachkommen-
schaft eine schwächende Wirkung aus,
insofern die von Alkoholtieren geworfenen
Jungen eine größere Sterblichkeit und
zudem eine geringere Wachstums- und
Körpergewichtszunahme aufwiesen, als
diejenigen der Kontrolltiere.
C. Servaes.
Lubenau-Sanatorium Beelitz: Der Ei-
gelbnährboden als Ersatz des
Serums zur Kultur von Diph-
therie- und Tuberkelbazillen.
(Hyg. Rundsch. 1907, Nr. 24.)
Als Ersatz der teueren und oft
schwer zu beschaflenden Serumnährböden
empfiehlt L. Eigelbnährböden, die aus
Fleischwasserbrühe und Eigelb zu gleichen
Teilen bestehen mit Zusatz von 3°),
Glyzerin zur Tuberkelbazillenzüchtung
bezw. 1 °/, Traubenzucker für Diphtherie-
bazillenkulturen. C. Servaes.
Beneke-Marburg: Ein Fall von Luft-
embolie im großen Kreislauf nach
Lungenembolie. (Beitr. z. Klinik. d.
Tub. Bd. 9, Heft 3.)
Sektionsbefund eines Falles, der
während einer Lungenoperation plötzlich
verstorben war. Durch Eröffnung einer
sroßen Lungenvene wurde Luft aspiriert,
die in das linke Herz und von da in die
Hirnarterien eingedrungen war. Ott.
Ill. Diagnose und Prognose.
Louis Renon: L’ophthalmo-reaction et
la tuberculinothérapie. Soc. d’etud.
scientif. sur la tub., III. 08. (Bull. Med.
22.34.)
REFERATE.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
Verf. widmet die vorliegende Mit-
teilung der bekannten Erscheinung des
Wiederaufflammens einer Ophthalmo-
reaktion unter dem Einflusse lokaler Tuber-
kulinreaktion und bringt dazu einige eigene
Fälle bei. ,,In vielen Fällen scheint die
Ophthalmoreaktion nicht die weitere Tuber-
kulinbehandlung zu kontraindizieren.“ Der
SchluBsatz ist sehr vorsichtig gefaßt —
in der Tat führt Verf. selbst einen Fall
an, in dem er wegen der Heftigkeit, mit
der die Ophthalmoreaktion nach Tuber-
kulininjektion wieder aufflammte, die spezi-
fische Behandlung nicht fortzusetzen wagte.
Die Frage harrt noch weiterer Klärung.
H. Grau (Diisseldorf).
Lafite-Dupont et Molinier: La rhino-
reaction. (Journ. de med. de Bordeaux,
16. II. 08 ref. Bull. Med. 22. 23.)
Ein neuer Sprößling der Opthalmo-
reaktion. Das Tuberkulin wurde an be-
stimmten Stellen der Nasenschleimhaut
entweder aufgestrichen oder 10 Minuten
lang durch Tampon fixiert. Die Reaktion
besteht in dem Auftreten einer kleinen
Kruste auf der entziindeten Schleimhaut.
Die Verf. glauben der ,,Rhinoreak-
tion“ ganz besondere Vorzüge vor ihren
Schwestern zuschreiben zu sollen.
H. Grau (Düsseldorf).
Bing: Über den Wert der v. Pirquet-
schen und der Wolff-Calmette-
schen Reaktion im Kindesalter.
(Berl. klin. Wchschr., 16. März 1908,
Nr. 11.) Ä
Der negative Ausfall beider Methoden
läßt mit hoher Wahrscheinlichkeit Tuber-
kulose ausschließen. Die bei beiden
Methoden sich ergebenden Differenzen
erklären sich daraus, daß die v. Pirquet-
sche Reaktion auch latente Tuberkulose
anzeigt, während der negative Ausfall der
Ophthalmoreaktion eine solche nicht aus-
schließt. Die Konjunktivalreaktion ist bei
skrofulösen Kindern kontraindiziert.
Naumann (Meran-Reinerz).
Hamburger: Überden WertderStich-
reaktion nach Tuberkulininjek-
tion. (Wien. klin. Wchschr., 19. März
1909, Nr. 12.) |
Die Injektion von I mg und weniger
BD.XII, HEFT 2.
Alttuberkulin löst bei Tuberkulösen eine
spezifische, diagnostisch verwertbare Reak- |
tion aus. Sie ist dann positiv, wenn sie
4—5 Tage deutlich erkennbar ist. Diese
Stichreaktion ist empfindlicher als alle
anderen bisher bekannten Methoden.
Naumann (Meran-Reinerz).
Klieneberger: Die Ophthalmoreak-
tion auf Tuberkulose, eine zur-
zeit klinisch und praktisch nicht
brauchbare Methode (nebst Be-
merkungen über die v. Pirquetsche
Kutanreaktion) (Deutsche med.
Wehschr., 30. April 1908, Nr. 18.)
Die Beobachtungen des Verf.'s zeigen,
daß ein negativer Ausfall der Ophthal-
moreaktion bei vielen Tuberkulösen, auch
des I. und II. Stadiums, ebenso vor-
kommt, wie positive Reaktionen bei klinisch
Unverdächtigen beobachtet werden. Die
prognostischen Schlüsse, die Wolff-Eis-
ner und Stadelmann aus der Art des
Ablaufs der Reaktion ziehen wollen, kann
er in dieser Allgemeinheit nicht bestätigen.
Naumann (Meran-Reinerz).
v. Pirquet: Zur Diskussion über die
kutane und konjunktivale Tuber-
kulinreaktion. (Berl. klin. Wchschr.,
2. März 1908, Nr. 9.)
Wolff-Eisner: Entgegnung. (Ebenda.)
Prioritätsauseinandersetzungen.
Naumann (Meran-Reinerz).
Necker und Paschkis: Die diagnosti-
sche Verwertbarkeit der Kon-
junktivalreaktion in der Urologie.
(Wien. klin. Wchschr., 5. März 1908,
Nr. 10.)
Ein sicheres diagnostisches Mittel
ist die Methode nicht. Sie vermag jedoch
in solchen Fällen, wo der Bazillennachweis
im Sedimente oder im Tierversuche miB-
lingt, der Diagnose eine große Stütze zu
verleihen. Ihre Einfachheit gibt die
Möglichkeit, aus der großen Zahl ver-
dächtiger Fälle rasch diejenigen auszu-
wählen, bei denen der Bazillennachweis
mit allen Methoden angestrebt werden muB.
Naumann (Meran-Reinerz).
Fertl: Der Wert und die Bedeutung
der Opnthalmoreaktion mit be-
m nn EE
REFERATE, 179
sonderer Rücksichtnahme auf die
militärischen Verhältnisse. (Wien.
klin. Wchschr., 12. März 1908, Nr. 11.)
Die Ophthalmoreaktion hat einen
eminent diagnostischen Wert. Die event.
auftretenden Nebenerscheinungen sind
nicht derartig, daß sie das Verfahren dis-
kreditieren könnten. Die Schnelligkeit, mit
der die Diagnose zu stellen, hat sowohl
für den Patienten hohe Bedeutung, wie
sie auch verwaltungstechnisch wichtig ist,
da sie zur Entlastung der Anstalten bei-
trägt. Naumann (Meran-Reinerz).
Rosenbach: Beitrag zur Konjunkti-
valreaktion. (Berl. klin. Wehschr.,
4. Mai 1908.)
Die Ophthalmoreaktion wird bei
Kindern als ein gutes diagnostisches Hilfs-
mittel betrachtet.
Naumann (Meran-Reinerz).
Stadelmann: Über kutane und kon-
junktivale Tuberkulinanwendung.
(Dtsch. med. Wehschr., 6. u. 13. Februar
1908, Nr. 6 u. 7.)
Betonung des Wertes derv. Pirquet-
schen wie der Wolff-Eisnerschen
Reaktion. Der positive Ausfall der
Ophthalmoreaktion scheint aktive Prozesse,
der positive Ausfall der Kutanreaktion
auch inaktive Herde anzuzeigen. Beide
Methoden, die in praxi am besten neben-
einander auszuführen wären, haben pro-
gnostischen Wert, da sie bei schweren
Prozessen fast stets nur spurweise auf-
treten. Die beiden Reaktionen vermögen
die probatorischen Subkutaninjektionen
von Tuberkulin zu ersetzen. Für die
Diagnosenstellung nicht zu verwenden ist
die in ihrer Bedeutung noch nicht ge-
klärte Spätreaktion bei kutaner Impfung.
Naumann (Meran-Reinerz).
Gaupp: Über die Ophthalmoreaktion
auf Tuberkulose (Dtsch. med.
Wehschr., 13. Februar 1908, Nr. 7.)
Die Reaktion fällt bei rezenten Fällen
mit großer Konstanz positiv aus, während
sie bei vorgeschrittenen Fällen sehr oft
versagt. Sie ist nicht ganz ungefährlich;
besondere Vorsicht ist bei Kindern, die
zu Skrofulose neigen, geboten.
Naumann (Meran-Reinerz).
12*
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cas "9 Pa A _
180
Wolff: Kutane, konjunktivale und
subkutane Tuberkulininjektion.
(Berl. klin. Wchschr., 10. Februar 1908,
Nr. 6.)
Mehrfache Tierversuche an sicher
tuberkulösen Tieren zeigten, daß die
v. Pirquetsche wie die Wolff-Eisner-
sche Methode hinter den Leistungen der
subkutanen Injektion zurückbleibt. Auch
die Erfahrungen am Menschen lassen den
Autor der bisher geübten subkutanen
Methode den Vorzug geben.
Naumann (Meran-Reinerz).
Heine und John: Allergie und Tuber-
kulin-Filtratproben nach v. Pir-
quet-Detre. 145 Fälle. (Wien. klin.
Wchschr., 20. Februar 1908, Nr. 8.)
Von 145 Fällen reagierten QI positiv,
54 negativ. Diese an Kindern gewonnenen
Zahlen beweisen, dal die Reaktion im
Kindesalter nicht so häufig ist, wie beim
Erwachsenen. Unter 77 klinisch Tuber-
kulösen ergab sich 75 mal positive Reaktion;
die 2 Fälle, bei denen die Reaktion aus-
blieb, waren schwer kachektisch. Von
68 nichttuberkulösen Rindern reagierten
52 negativ, 16 positiv. Unter 12 Säug-
lingen im Alter zwischen 14 Tagen und
4 Monaten ıeagierte kein einziger positiv.
In 35 Fällen von Knochentuber-
kulose ergab sich 25 mal bovine Reaktion.
jet 18 Lungentuberkulösen fand sich nicht
ein einziges Mal boviner Typus. Doch
wollen die Verff. hieraus nicht den Schluß
ziehen, daß bei Phthisis pulmonum boviner
Typus überhaupt nicht vorkomme.
Naumann (Meran-Reinerz).
Plehn: Die Ophthalmoreaktion auf
Tuberkulin als diagnostisches
Hilfsmittel. (Dtsch. med. Wehschr.,
20. Februar 1908, Nr. 8.)
Die Arbeit legt Wert auf die Kontrolle
klinisch nicht Tuberkuloseverdichtiger.
Der Verf. kommt zu dem Resultat, dab
die Ophthalmoreaktion auf Tuberkulin
höchst wahrscheinlich nicht spezifisch im
strengen Sinne ist und daß sie weniger
zuverlässig ist, als die subkutane Injektion.
Der Gebrauch stärker konzentrierter Lö-
sungen könne sogar zu unangenehmen
Folgeerscheinungen führen, so daß die |
REFERATE.
. plikationen.
ZEITSCHR. £.
TUBERKULOSE
Anwendung der Methode für die allge-
meine Praxis nicht zu empfehlen sei.
Naumann (Meran-Reinerz).
J. Citron: Die wissenschaftliche und
praktische Bedeutung der Oph-
thalmodiagnostik der Tuberku-
lose. (Dtsch. med. Wchschr., 20. Februar
1908, Nr. 8.)
Die Ophthalmoreaktion läßt bei posi-
tivem Ausfall unter Verwendung von
ı 9/ mem Kochschen Alttuberkulin nahezu
sicher den Schluß auf Tuberkulose zu,
bei Verwendung 2 °/,iger Lösung bietet
sie noch mindestens 80 %/, Wahrschein-
lichkeit, während ihr negativer Ausfall
beim Gebrauch einer 4 °/,igen Lösung
entschieden gegen Tuberkulose spricht.
Bei Patienten, die augenkrank sind oder
waren, muß auf dieses diagnostische Hilfs-
mittel verzichtet werden. Wiederholte
Einträufelungen in dasselbe Auge müssen
vermieden werden. Er rät zur Vorsicht
bei Skrofulösen, die oft überempfindlich
sind und empfiehlt nur frisch hergestellte
Alttuberkulinlösung in Anwendung zu
bringen. Naumann (Meran-Reinerz..
Dr. B. T. Miklaschewski: Einige Wortc
über die Möglichkeit schwerer
Komplikationen von seiten des
Auges bei der Calmetteschen
Ophthalmoreaktion. Aus dem Land-
schaftskrankenhause zu Roslawl, Gouv.
Smolensk, Rußland. (Russki Wratsch
1908, No. 14.)
In der letzten Zeit erschienen in der
medizinischen Journalistik immer häufiger
und häufiger sowohl kurze Berichte, wie
auch ziemlich eingehende Aufsätze über
die Bedeutung der Calmetteschen
Ophthalmoreaktion bei der Feststellung
der latenten Tuberkuloseform in ihren
verschiedenen Manifestationen. Trotzdem
| stets úber zahlreiche Fille berichtet wird,
begegnet man nirgends Hinweisen auf
schwere, für das Auge gefährliche Kom-
Im Gegenteil, überall wird
die Unschädlichkeit dieser Reaktion für
das Auge mit Nachdruck hervorgehoben.
Nur nebenbei wird bisweilen von stärkeren
Auftreten der Calmetteschen Reaktion
gesprochen, ohne daß des Näheren ange-
geben wird, worin dieselbe besteht und
BD.XUILHEFT 2.
1908,
wie lange sie andauert. Verf. hat nun
bei einem geringen Material von 8 Personen,
bei denen er die Calmettesche Oph-
thalmoreaktion angewendet hatte, zweimal
cine auBerordentlich starke Calmettesche
Reaktion beobachtet. In sämtlichen Fällen
hat er vollkommen frisch zubereitetes und
vollständiges steriles Tuberkulintest in
Lösungen von 0,5°/, angewendet und die
Reaktion selbstnach dem von den Autoren
angegebenen Verfahren ausgeführt. In
sämtlichen Fällen haben die untersuchten
Personen keine Klagen über das Seh-
vermögen geäußert. Die Augen waren
bei der üblichen Besichtigung gesund.
Auch fehlten irgendwelche Hinweise auf
eine etwa früher überstandene Erkrankung.
Trotzdem stellte sich in 2 Fällen eine
schwere Komplikation von ` seiten der
Augen ein. In dem einen Falle, in dem
Verdacht auf Darmtuberkulose bestand,
entwickelte sich schwere Keratitis, welche
länger als 10 Tage andauerte und dem
Patienten große Unruhe verursachte. In
dem zweiten Falle entwickelte sich hoch-
gradige Iritis mit allen klinischen Erschei-
nungen dieser Krankheit, die 14 Tage
anhielten. In beiden Fällen tratdie Reaktion
ungefähr ı2 Stunden nach der Probe ein.
Von den übrigen 6 Fällen zeigten 5 die
typische Ophthalmoreaktion, in dem
sechsten Falle blieb dieselbe vollständig
aus. Die erwähnten 2 Fälle, welche so
schwere Komplikationen von seiten der
Augen gegeben haben, veranlaßten den
Verf., von weiteren Experimenten in dieser
Richtung Abstand zu nehmen. Da er
in der ihm zugängigen Literatur ähnliche
Angaben nicht fand, glaubte er, die er-
wähnten schweren Komplikationen auf
irgend eine unaufgeklärt gebliebene zu-
fällige Erscheinung zurückführen zu müssen
und hielt es für nicht ratsam, die beiden
‘älle zu veröffentlichen. In der letzten
Zeit brachte Verf. jedoch in Erfahrung,
daß gleiche schwere Erscheinungen und
sogar noch schwerere auch von anderen
Kollegen selbst in so großen wissen-
schaftlichen Zentren, wie Moskau, be-
obachtet, leider aber noch nicht ver-
üflentlicht wurden. Unter diesen Um-
ständen glaubt Verf., daß bei der Anwen-
dung der Calmetteschen Ophthalmo-
reaktion immerhin Vorsicht geboten sei, |
REFERATE.
|
181
und daB dieselbe wenigstens nicht, wie
es in Rußland vielfach geschieht, in
Ambulatorien angewendet werden dürfe.
M. Lubowski (Wilmersdorf-Berlin).
Reinecke-Leipzig: Ein Beitrag zur
kutanen und konjunktivalen Tu-
berkulinreaktion beim Rinde. (Berl.
tierärztl. Wchschr. 1908, Nr. 18 u. 19.)
Verf. nahm bei 25 Rindern die Haut-
probe allein, bei 4 die Augenprobe kom-
biniert mit der Hautprobe, bei 1 die
Augenprobe allein vor. Das Ergebnis
seiner Versuche war folgendes: Von 25
der Hautprobe allein unterworfenen Tieren
hatte eines leichte Reaktionserscheinungen
seitens der Haut gezeigt. Dieses Tier
war längere Zeit zuvor mit tuberkulösem
Material, das vom Menschen stammte,
infiziert worden, erwies sich aber bei der
Schlachtung als frei von Tuberkulose, Mit
Tuberkulose behaftet waren von den
übrigen keine Reaktion zeigenden 24 Tieren
8 befunden worden, und zwar 2 auf
Grund des Ergebnisses der Schlachtung,
die 6 anderen auf Grund der Nachprüfung
mit subkutaner Tuberkulininjektion. Von
5 Rindern, bei denen die Augenprobe
vorgenommen war, hatten 3 leichte Ent-
zündung der konjunktivalen Schleimhaut
auf dem mit Tuberkulin behandelten Auge
gezeigt. Hiervon wurdenbeiderSchlachtung
2 Tiere tuberkulös befunden. 2 andere
Rinder, welche ebenfalls bei der Schlach-
tung als tuberkulös erkannt wurden, hatten
keine Reaktion gezeigt. Interessant ist,
daß bei dem einzigen gesunden Tiere
ebenfalls die entzündlichen Erscheinungen
im Auge aufgetreten waren. Die in
4 Fällen daneben noch vorgenommene
Hautimpfung lieferte bei allen Tieren ein
vollständig negatives Resultat. Die in den
Versuchen erzielten Ergebnisse lassen es
somit zweifelhaft erscheinen, daß die kutane
und konjunktivale Tuberkulinprobe für die
Diagnose der Tiertuberkulosc eine ähnliche
Bedeutung erlangen werden, wie die sub-
kutane. Auf die prognostische Be-
deutung der neuen Reaktionen geht Verf.
leider nicht ein. Scherer (Bromberg).
Prof. 0. Zuckerkandl-Wien: Die Spal-
tung des Ureters und ihre Be-
deutung fúrdie Klinik der Nieren-
182
— o ——
tuberkulose.
1908, Nr. 3.)
In der Klinik der Nierentuberkulose
entstehen dadurch nichtselten diagnostische
Schwierigkeiten, dab Ureter und Nieren-
becken geteilt sein können und dann
jeder Teil seinen eigenen abgeschlossenen
Nierenstromkreis hat. Dadurch zerfällt
auch die Niere selbst funktionell in zwei
durchaus getrennte Abteilungen, eine obere
und eine untere, die meist durch einen
engen Gang miteinander in Verbindung
treten. Erkrankt nun ein Abschnitt an
Tuberkulose — meist ist es der obere —,
so wird die enge Kommunikation dem:
Fortschreiten der Krankheit auf den
anderen unteren Abschnitt ein
erhebliches Hindernis bieten; es zerfällt
dann die Niere tatsächlich in eine kranke
und eine gesunde Hälfte. Die Kommuni-
kation kann aber leicht durch krümeligen
Fiter, Blutgerinnsel u. a. verlegt werden;
wenn man dann durch Ureterenkathe-
terismus den Urin dieser Niere isoliert
auffángt, so erhält man ein klares, durch-
aus normales Sekret. Zu anderen Zeiten
wiederum ist der Urin dieser selben Niere
trüb, eitrig, dann nämlich, wenn sich die
Kommunikation wieder hergestellt hat.
Dieses gegensätzliche Verhalten der Urin-
absonderung bei einer Niere ist natur-
gemäß diagnostisch von größter Wichtig-
keit, da nur seine Beachtung vor schwer-
wiegenden Fehlschlüssen bewahren kann.
C. Servaes.
P. Schultz-Zehden-Berlin: Die Stellung
des Augenarztes zur Ophthalmo-
reaktion. (Therap. Monatsh. 1908,
Nr. 4.)
Verf. hat in 150 Fällen sciner augen-
ärztlichen Praxis die Konjunktivalprüfung
mit 1- und 2°/,-Lösungen von -Alttuber-
kulin angestellt. Trotzdem die Kranken
an frischen und abgelaufenen Prozessen
des äußeren und inneren Auges litten,
stellten sich nur in 2 Fällen stürmische
Erscheinungen ein, die eine z. T. längere
Nachbehandlung erforderten, Als Gegen-
anzeige der Konjunktivalreaktion sieht
Verf. bei Augenkranken nur frische Ver-
letzungen, frisches Hornhautgeschwürbezw.
geplatzte Phlyktinen an; auch frische
Iritiden wurden nicht instilliert. Die früher
(Wien. med. Wchschr.
REFERATE.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
von anderer Seite berichteten schweren
Schädigungen Augenleidender durch die
Konjunktivalprüfung führt Verf. auf An-
wendung zu toxischer Präparate zurück.
C. Servaes.
Prof Siegrist, Univ.-Augenklin. in Bern:
Zur Frage nach dem Wert und
den Gefahren der Ophthalmo-
reaktion. (Therap. Monatsh. 1908,
Nr. 4.)
Für den Augenarzt hat die Ophthal-
moreaktion nur wenig Wert. Denn einer-
seits weist der positive Ausfall der Reak-
tion nur daraufhin, daß irgendwo im
Körper ein tuberkulöser Herd vorhanden
ist, ohne über das Augenleiden selbst
Klarheit zu verschaflen; und dann können
durch ihn schon vorhandene Augen-
erkrankungen heftige Verschlimmerung
erfahren. Aber auch für ein gesundes
Auge ist die Konjunktivalprüfung nichts
Gleichgültiges; denn auch bei Augen-
gesunden, die Verf. der Reaktion unter-
zog, traten mehrfach heftige pllyktinu-
lire Ophthalmien ein, und in 4 Fällen
schossen nach etwa 8—10 Tagen zahl-
reiche miliare Knötchen auf, die sich
histologisch als echte Tuberkel erwiesen,
die allerdings, wie die Tierversuche er-
gaben, keine Tuberkelbazillen enthielten,
sondern offenbar auf toxischer Basis ent-
standen waren. Durch Einspritzung des-
selben Tuberkulintestes in die vordere
Augenkammer mehrerer Kaninchen gelang
es, in I Falle die gleichen Knötchen
hervorzurufen, die allerdings nach kurzem
Bestehen wieder völlig schwanden, wäh-
rend dieselben bei den Menschen über
Wochen und selbst Monate persistierten.
C. Servaes.
Roepke - Melsungen: Die Ergebnisse
gleichzeitig angestellter kutaner,
konjunktivaler und subkutaner
Tuberkulinreaktionen bei vorge-
schrittenen, initialen und suspek-
ten Formen der Lungentuber-
kulose. (Beitr. z. Klinik d. Tub. Bd. o,
Heft 3.)
Die subkutane Tuberkulinreaktion ist
auch heute noch das souveráne Diagnosti-
kum für die Erkennung der initialen
Lungentuberkulose. Will man ihr An-
BD.XIM, HEFT 2.
1008,
wendungsgebiet einschränken, und die
kutane und konjunktivale Tuberkulinprü-
fung vorschalten, so sind die beiden Me-
thoden gleichzeitig nebeneinander anzu-
stellen. Der gleichzeitige negative Aus-
fall der einmaligen Kutanimpfung mit
unverdünntem Tuberkulin und der vier-
maligen Konjunktivalimpfung am gleichen
Auge mit steigenden Dosen (1—4°;,) be-
weist das Fehlen eines tuberkulösen Her-
des im Körper des Impflings, während
gleichzeitig vorhandene Kutan- und Kon-
junktivalreaktion auf Tuberkulose schließen
lassen, ohne über ihren Sitz und Cha-
rakter zu orientieren. Weichen die Er-
gebnisse der Kutan- und Konjunktival-
impfung voneinander ab, so entscheidet
die subkutane Methode endgültig, ob eine
Tuberkulose vorliegt oder nicht. Ott.
Brecke - Davos: Zur Diagnose von
Schwellungenderendothorakalen
Lymphdrüsen. (Beitr. z. Klinik d.
Tub. Bd. o Heft 3.)
Druckgefühl auf dem oberen Teil
des Sternums, systolische Rauhigkeit auf
oder links neben demselben in der Höhe
deszweiten Interkostalraumes, Pulsverände-
rungen, Stimmbandlähmung, Spinalgie,
Magenschmerz nach Tuberkulineinsprit-
zung bilden einen Symptomkomplex, der
mit Wahrscheinlichkeit auf das Vorhanden-
sein vergrößerter Bronchial- oder Me-
diastinaldrüsen schließen läßt. Das Ergeb-
nis der Röntgenuntersuchung kann die
Diagnose sichern. Krampfhusten und
asthmatische Erscheinung können noch
hinzukommen. Ott.
K. Wólfel: Die konjunktivale Tuber-
kulinreaktion beim Rinde. Aus
dem Veterinärinstitute der Univ. Bres-
lau. (Berl. tierärztl. Wchschr. 1908.
Nr. 21.)
Verf. stellte bei 57 Rindern Ver-
suche mit 1— 5 prozentegen Lösungen von
Alttuberkulin an und erhielt nur in den
seltensten Fällen eine deutliche Reaktion.
Mit 7prozentigen Lösungen waren die
Ergebnisse bedeutend besser, mit IOpro-
zentigen wurden gute Reaktionen erzielt.
Bei Einträufelung unverdünnten Tuber-
kulins reagierten von 10 Kühen eine
kranke und drei verdächtige deutlich, zwei
REFERATE.
| lich, die anderen beiden nicht.
183
verdächtige reagierten zweifelhaft, eine
verdächtige nicht. Von drei klinisch un-
verdáchtigen Tieren reagierte eines deut-
Ferner
wurden 13 kranke Kühe und 3 unver-
dichtige Ochsen subkutan mit Tuberkulin
geimpft und gleichzeitig die Ophthalmo-
reaktion vorgenommen. Bei sämtlichen
Tieren fiel die subkutane Reaktion deut-
lich positiv aus. Bei 11 Rindern war
auch die Opthalmoreaktion deutlich bezw.
sehr deutlich, bei den drei klinisch un-
verdächtigen Ochsen zweifelhaft, bei zwei
klinisch kranken Kühen negativ. Die Kon-
junktivalreaktionen begannen frühestens
nach 3, meist aber erst nach 6—9 Stun-
den und wurden 11—13 Stunden nach
der Einträufelung am deutlichsten. Eine
Temperaturerhöhung oder sonstige Störung
des Allgemeinbefindens konnte nicht fest-
gestellt werden. Die Versuche ergaben,
zusammengefaßt, folgendes:
Nicht alle Tiere, welche auf die sub-
kutane Tuberkulinanwendung reagieren,
geben eine positive Konjunktivalreaktion.
Die subkutane Tuberkulininjektion
übt auf eine folgende Konjunktivalreaktion
keinen erheblichen Einfluß aus.
Die beste Zeit für die Beobachtung
ist die Zeit 12—18 Stunden nach dem
Einträufeln.
Eine Temperaturerhöhung tritt in-
folge der Konjunktivalreaktion nicht ein.
Die Konjunktivalreaktion verspricht
vorerst nicht, eine größere praktische Be-
deutung zu erlangen, weil man niemals
weiß, wieviel von dem eingeträufelten
Tuberkulin lange genug im Auge bleibt,
weil die Diagnose zu sehr von der sub-
jektiven Auffassung des Beobachters ab-
hängt und weil schließlich von skrupel-
losen Interessenten auch noch auf andere,
betrügerische Weise bei strittigen Tieren
eine eitrige Konjunktivitis erzeugt werden
kann.
Der große Vorzug der Reaktion aber
bleibt, daB die Wirkung einer betrüge-
rischerweise vorgenommenen Impfung mit
Tuberkulin in vielen Fällen ausgeschaltet
werden kann, und daß durch die Kon-
junktivalreaktion eine Störung des Allge-
meinbefindens, insbesondere eine Tem-
peratursteigerung nicht hervorgerufen wird.
Es erscheint deshalb der Mühe wert,
184
Mittel und Wege aufzusuchen, um die
vorhin angeführten Mängel des Verfahrens
zu überwinden. (Bedauerlicherwcise wurde
kein einziger der Versuche durch die
Sektion kontrolliert. Ref.)
Scherer (Bromberg).
Moritz Frhr. von Marenholz: Über die
konjunktivale Tuberkulinreak-
tion. Ein Beitrag aus dem Garnison-
lazarett II, Berlin. (Inaug. - Dissert.,
Leipzig 1908. 34 p.)
Zum Zustandekommen der Über-
empfindlichkeit ist das Zusammentretien
von Antigen und Antikörper im Gewebe
erforderlich und es läßt sich die Kon-
junktivalreaktion durch eine lokale Anti-
körperbildung, bei der die Leukocyten
eine hervorragende Rolle spielen, erklären.
Die Hauptergebnisse vorliegender Arbeit
sind folgende: 1. Der positive Ausfall der
Reaktion bei Anwendung einer Iprozen-
tigen Tuberkulinlösung spricht mit ziem-
licher Sicherheit für Tuberkulose. 2. Ne-
gativer Ausfall spricht nicht absolut gegen
Tuberkulose, besonders nicht bei kachek-
tischen Fällen und bei Leuten, die unter
Tuberkulinbehandlung stehen. 3. Eine
ängere Zeit nach der Einträufelung ge-
machte subkutane Tuberkulininjektion ist
imstande, die lokale Reaktion zum Wieder-
aufflackern zu bringen. 4. Die einmalige
Einträufelung erzeugt bei Nichttuber-
kulösen eine Überempfindlichkeit des ein-
geträufelten Auges; es darf niemals das-
selbe Auge zum zweitenmal benutzt wer-
den. 5. Die Konjunktivalreaktion kann
an die Stelle der probatorischen Impfung
nach Koch treten, da sie einfacher, harm-
loser und auch bei Ficbernden anzuwen-
den ist. Fritz Loeb (München).
Prophvlaxe.
Jessen-Davos: Zur Bckimpfung der
Tuberkulose. (Münch. med. Wchschr.
1908, Nr. 5.)
Vorschläge für durchgreifende Maß-
nahmen gegen Tuberkulose seitens der
Behorden: Absolute Anzeigepflicht, Merk-
blätter, Desinfektion.
F. Köhler (Holsterhausen).
C. Sternberg - Bakt. Inst. Brünn: Des- |
infektionsversuche mit Autan.
(Hyg. Rundsch. 1907, Nr. 17.)
REFERATE.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
Die Annehmlichkeit der Autan-Des-
| infektion besteht darin, daß man eines
Apparates und infolgedessen auch einer
geübten Hilfskraft nicht bedarf. Um einen
Raum von 30—40 cbm Inhalt zu des-
infizieren, braucht man nur in einem recht
groBen Gefüße — etwa 501 fassend —
1250g Autan mit der in der Gebrauchs-
anweisung angegebenen Menge Wassers
zu übergießen. Eine Abdichtung von
Türen und Fenstern ist nicht einmal
erforderlich. Wie die Desinfektionsver-
suche ergaben und wie auch nicht anders
zu erwarten war, leistet auch das Autan,
wie alle Formaldehydmethoden, nur eine
Obertlächendesinfektion; doch es wurde
z. B. tuberkulöser Auswurf in offenen
Petrischalen sicher sterilisiert.
C. Servaes.
Aufrecht: Die Fúrsorge fúr Tuber-
kulöse (Fúrsorgestellen-). (Berl.
klin. Wchschr., 27. April 1908, Nr. 17.)
Vorschläge zur Vervollständigung der
im Kampfe gegen die Tuberkulose als
Volkskrankheit schon getroffenen Maß-
nahmen. Die Vorschläge betreflen die-
jenigen Maßnahmen, welche der Über-
führung in die Heilstätte vorauszugehen
haben, beziehen sich auf das Vorgehen
der Heilstätte selbst und namentlich auf
die Fürsorge für die aus der Anstalt
Entlassenen.
Naumann (Meran - Reinerz).
Dr. F. Bjalokur-Jalta: Zur Frage der
prophylaktischen Behandlungder
Lungentuberkulose. (Praktitscheski
Wratsch 1908, No. 14.)
Vor 10 Jahren hat Verf. theoretische
Betrachtungen über die Möglichkeit anti-
tuberkulöserSchutzimpfungen veröffentlicht
und die Theorie aufgestellt, daß Kinder
tuberkulöser Eltern eine gesteigerte Immu-
nität gegen Tuberkulose besitzen. Die
damaligen Betrachtungen über die prophy-
laktische Behandlung der Lungentuber-
kulose gipfelten in folgenden Thesen:
Kinder schwindsüchtiger Eltern werden
stets ohne jegliche Symptome von Tuber-
kulose geboren und können in diesem
Zustande 10, 20 und mehr Jahre leben.
Der Organismus des von schwindsüchtigen
Eltern abstanımenden Individuums scheint
BD.XIIL,HEFT 2.
1908.
somit für die erfolgreiche Wucherung der
Tuberkelbazillen nicht geeignet zu sein,
d. h. Kinder schwindsüchtiger Eltern
kommen mit einer gewissen Immunität
der Schwindsucht gegenüber zur Welt.
Diese Immunität dauert 10, 20 oder mehr
Jahre, worauf das Individuum trotz früherer
blühender Gesundheit und trotz günstiger
hygienischer Verhältnisse der Krankheit
unterliegt. Man kann annehmen, daß der
Organismus der hereditär belasteten Indi-
viduen in jeder Beziehung schwächlich,
in den ersten Lebensjahren jedoch nicht
nur empfänglich für Tuberkulose, sondern
sogar gegen dieselbe gefeit ist. Wenn
man auch annimmt, daß virulente Tuber-
kelbazillen in latentem Zustande sich in
unveránderten Lymphdrúsen des Menschen
und der Tiere aufhalten können, so muß
man auch an eine gesteigerte Immunität
des Organismus denken. Unter normalen
Verhältnissen geschieht die Schutzimpfung
gegen Tuberkulose im uterinen Leben:
das Ovum und das Spermatozoon tuber-
kulöser Individuen sind gegen Tuber-
kulose immun und übermitteln diese
Immunität zunächst der Zellengeneration,
die durch Teilung der Eigenschaft ent-
standen ist und dann dem ganzen Organ,
der Frucht und dem Kinde. Diese Schutz-
impfung geschieht wahrscheinlich mittels
Toxin resp. Protein, welche von den
Tuberkelbazillen in den tuberkulösen
Herden ausgeschieden werden. Die Toxine
bespülen, indem sie in das Blut gelangen,
die Zellen des Organismus und erzeugen
in denselben solche chemische Verände-
rungen, daß sie gegen Tuberkulin immun
werden.
Das bedeutet, daß auch die Zellen
des mit Schwindsucht behafteten Indi-
viduums, welche sich außerhalb der tuber-
kulösen Herde befinden, eine gesteigerte
Immunität gegen Tuberkulose besitzen,
was dadurch bewiesen wird, daß Lungen-
tuberkulose Jahrzehnte bestehen kann,
ohne Metastasen in den übrigen Organen
zu bilden, trotzdem Chancen für eine
reine und erfolgreiche Infektion gegeben
sind. Man gewinnt den Eindruck, als
ob die aktiven Tuberkelbazillen, nachdem
sie eine Tuberkel gebildet haben, ihre
biologischen Eigenschaften ändern und
sich in zur Symbiose fähige Saprophyten
REFERATE.
|
verwandeln. Die mißlungenen Tierexperi-
mente, welche bis auf den heutigen Tag
mit künstlich erzeugter Immunität ange-
stellt werden, vermógen der Kritik in
keiner Weise Stand zu halten. Nur noch
Experimente sind beweiskráftig, in denen
die Tuberkuloseinfektion durch die At-
mungs- und Verdauungswege, und das
nur in milder Weise, vor sich geht.
Von obigen Betrachtungen ausgehend,
glaubte Verf. denSchwerpunkt des Kampfes
gegen die Lungentuberkulose in das Kindes-
und jugendliche Alter, d. h. in dasjenige
Alter zu verlegen, in dem der Organismus
noch die von den gesunden und tuber-
kulösen Eltern geerbte Immunität besitzt.
BekanntlichweigemsichBehring,Marag-
liano u. a., Lungentuberkulose zu behan-
deln und verstehen unter dem Kampfe gegen
die Tuberkulose die prophylaktische Be-
handlung derselben im Kindesalter. Beh-
ring istder Ansicht, daß die Lungentuberku-
lose unheilbar sei. Je nach der Virulenz und
der Anzahl der Bazillen, je nach der
Häufigkeit der Infektion und der che-
mischen, sowie physikalischen Einwirkung,
der die Bazillen ausgesetzt sind, entsteht
entweder eine akute Krankheitsform oder
Skrofulose oder lokale Tuberkulose oder
latente Tuberkulose oder Immunität
gegen Tuberkulose oder aber die Bazillen
verlassen den Organismus, ohne demselben
irgendwie zu schaden. Lungenschwind-
sucht entwickelt sich in denjenigen Fällen,
in denen früher in den Organismus ein-
gedrungene Tuberkelbazillen einen ge-
wissen Grad von Immunität erzeugt haben.
Ist diese Immunität nicht vorhanden, so
entwickelt sich akute miliare Tuberkulose
und nicht Lungenschwindsucht. Alle diese
Betrachtungen beruhen auf logischen Prin-
zipien, sind aber doch nicht so beweisend,
wie die von Prof. Behring bereits er-
zielten experimentellen praktischen Resul-
tate. Es ist ihm gelungen, das Rindvieh
durch Impfung der Kälber mit reinen
Kulturen von menschlicher Tuberkulose
vor Erkrankung an Perlsucht zu schützen.
Dieser Triumph der Wissenschaft muß
von entscheidender Bedeutung für den
Kampf mit der Tuberkulose des Menschen
sein, da zum erstenmal erwiesen ist, daß
Tuberkuloseimpfungen sich praktisch ver-
wirklichen lassen. Verf. ist der Meinung,
186
dab man dem Menschen mitigierte Kul-
turen nicht injizicren soll, da damit eine
gewisse Gefahr verknüpft ist; besser wäre
es, beim Menschen der Natur zu folgen,
In der Natur vollzieht sich die Immuni-
sierung der Frucht in der Weise, daB
die Zellen des Organismus der Frucht
von Siften der Mutter bespúlt werden,
welche Stoffwechselprodukte der Tuberkel-
bazillen enthalten. In der Praxis kann
man diese natürliche Methode dadurch
ersetzen, daß man jugendlichen Personen
von Zeit zu Zeit Tuberkulin einspritzt,
Kinder mittels Milch immunisiert. Tiere
zu immunisieren wird kaum gelingen, da
die Natur uns in dieser Richtung keine
Hinweise gibt. Was die Immunisierung
mit anderen säurefesten Bakterien: Möller,
Friedmann) betritit, so läßt sich darüber
vorläufig noch nichts Bestimmtes sagen.
Alles in allem nimmt Vf. in der Frage
der Immunisierung des Menschen gegen
Tuberkulose folgenden Standpunkt ein:
I. Man kann zweifellos den Menschen
gegen Tuberkulose immunisieren, da wir
in der Natur auf Schritt und Tritt diesen
im Uterus vor sich gehenden Immuni-
sierungsprozeß beobachten.
2. Dielmmunisierung läßt sich augen-
scheinlich mittels Tuberkulin bewerk-
stelligen.
3. Der Zeitpunkt der künstlichen
Immunisierung ist das Kindesalter, wo
noch Spuren der geerbten künstlichen
Immunität vorhanden sind. Es wäre er-
wünscht, daß diejenigen, welche über ge-
eignetes Material und über das geeignete
Milieu verfügen, schon jetzt zur Immuni-
sierung an gesunden Menschen mit Tuber-
kulin schreiten, da man auf die Resultate
sehr lange wird warten müssen. Man
muß in diesem Falle dem Beispiele
Jenners folgen.
M. Lubowski (Wilmersdorf-Berlin).
IV. Therapie.
Allgemeine.
E. P. Friedrich-Kiel: Was können wir
von der Behandlung der Kehl-
kopftuberkulose erwarten? (Med.
Klinik 1908, Nr. 10.)
REFERATE.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
Die 3 Faktoren, welche die Prognose
der Kehlkopftuberkulose und die davon
abhängige Therapie bestimmen, sind die
Form der Kehlkopferkrankung, die Schwere
der Lungentuberkulose und der allgemeine
Ernährungszustand des Kranken. Von
der Stellung der Frühdiagnose hängt aller
Erfolg der Behandlung ab. Bei früh genug
gestellter Diagnose und der richtigen
Auswahl der erforderlichen Behandlungs-
weise, wird der Erfolg nicht ausbleiben
und die Meinung des Verf.’s von der
Heilbarkeit der lokalisierten Tuberkulose
bestätigen. Die lokale endolaryngeale
Behandlung der Frühfälle zur Zerstörung
submuköser Infiltrate ist chirurgisch oder
kaustisch. Auf chirurgischem Wege lassen
sich umschriebene Infiltrate entfernen. Die
Gefahr der tuberkulösen Wundinfektion
darf keine Gegenindikation abgeben. Als
Ergänzung tritt die Galvanokaustik in
Kraft zur äußeren Verschorfung. Aber
auch der galvanokaustische Tiefenstich
verdient bei der Frühform der Tuberkulose
Beachtung. Bei der ulzerierenden Form
der Larynxtuberkulose treten medikamen-
töse Mittel in Kraft. Mit antibakteriellen
Mitteln kann man wohl zuweilen eine
Geschwürsreinigung erzielen, unter beson-
ders günstigen Verhältnissen wohl auch
eine Heilung erlangen. Als souveränes
Mittel steht hier die Milchsäure da.
Geschwüre und von ihnen ausgehende
Granulationen ist sie imstande zur Heilung
zu führen. Andere Ätzmittel, wie Chrom-
säure, Trichloressigsäure, treten gegen
dieses Mittel weit zurück. Gegen die
schweren Komplikationen hingegen kom-
men die Tracheotomie und die Laryngo-
fissur in Frage, welche Operation für den
Tuberkulösen stets einen schweren Eingriff
bedeutet. HiB (Bad Gastein).
G. Kuss: Contribution à l'étude du
traitement des pleurésies puru-
lentes récidivantes par les injec-
tion gazeuses intrapleurales. (Bull.
Méd. 22. 28.)
Bericht über 2 interessante Fälle von
rezidivierender eitriger tuberkulöser Pleu-
ritis, die mit Einblasungen von Sauerstoff
bezw. Stickstoff behandelt wurden. Die
Indikationen, die Verf. nach seinem aller-
dings kleinen Material zum Schlusse unter
BD,XIII,HEFT2.
1908.
aller Reserve als „Hypothesen“ aufstellt,
sind folgende:
J. Bei chronischer, eitriger, rezi-
divierender tuberkulóser Pleuritis mit
schlechtem Allgemeinzustande und fort-
schreitender Erkrankung derselben Seite
kein aktives Eingreifen, da solche Ergüsse
erfahrungsgemáb selbst links lange Zeit
ohne Schaden ertragen werden.
2. Ist der Allgemeinzustand befrie-
digend geworden, der Lungenprozeß zum
Stillstand gekommen, und ist zu befürch-
ten, daß eine tuberkulöse Erkrankung der
anderen Seite durch die übermäßige Funk-
tion ungünstig beeinflußt werde, so emp-
fehlen sich Punktionen mit nachfolgender
Injektion von reinem Sauerstoff. Nach
Resorption des Sauerstoffes muß sich die
Lunge ohne üble Nebenerscheinungen
gut entfalten.
3. Entfaltet sie sich schlecht, oder
flackern die Herde in ihr wieder auf, so
empfiehlt sich die sofortige Injektion von
Stickstoff in die Pleura und auch nach
weiteren Punktionen die Einführung von
Stickstoff bis zu leicht positivem Druck
und Aufrechterhaltung dieses Druckes auf
die Lunge durch weitere wiederholte
Stickstoffinjektionen nach der Methode
von Forlanini. H. Grau (Düsseldorf).
Henri Barbier et C. Leon: Le nuclé-
inate de soude dans la tuber-
culose pulmonairechronique. (Soc.
de thérap., 11. III. 08. Bull. Med.
22. 23.)
Die Autoren haben versucht, durch
Injektion von nukleinsaurem Natron (zur
Begünstigung der Phagocytose) bei 3 Fällen
von Tuberkulose Erfolge zu erzielen.
Indeg blieb ein Fall unverändert, die
beiden anderen wurden im ungünstigen
Sinne beeinflußt (Appetit- und Gewichts-
verlust. Verf. halten diese Therapie
demnach bei chronischen Affektionen, wie
der Tuberkulose für nicht angezeigt.
H. Grau (Düsseldorf).
R. Blondel et D. Labbé: Adenite cer-
vicale tuberculeuse traitée par
l'ionisation jodique. (Soc, de thérap.,
23. III. Bull. Med. 22. 29.)
Ein groBer tuberkulóser Drüsentumor
am Halse eines 18 jährigen Mannes wurde
REFERATE.
en mm
— ee e Á EE PP
187
nach erfolglosen anderweitigen Maßnahmen
mit „Jodjonisation“ behandelt; eine Elek-
trode, mit Jodkalilösung getränkt, wurde auf
den Hals gesetzt, die andere, sehr große auf
das Abdomen — %/, stündige Sitzungen,
2 x,später 1 X wöchentlich, allmähliche
Steigerung des Stromes bis auf 100 (!) Milli-
amperes. Rascher Rückgang des Tumors
bis zu fast völligem Verschwinden, Zwei
Monate nach Beginn dieser Behandlung
Verschlechterung des bis dahin aus-
gezeichneten Allgemeinbefindens, einen
Monatspäter Lungenerscheinungen, rapider
Verfall, Exitus nach weiteren 4 Monaten
trotz aller Gegenmaßregeln. Es handelt
sich danach um Generalisation lokaler
Tuberkulose. Verff. mahnen zur grüßten
Vorsicht bei Anwendung jeglicher lokalen
Behandlungsmethode tuberkulöser Drüsen-
tumoren. H. Grau (Düsseldorf).
Dean Bardswell u. John Ellis Chapman:
Dietetics in Tuberculosis. (Roval
Soc. of. Med., Jan. 1907.)
Versuch einer individualisierenden,
billigen Sanatoriumskost. Rein vegeta-
bilische Diät — die billigste — wird auf
die Dauer nicht gern genommen. Verft.
plädieren für gemischte Rost. Bei leicht
arbeitenden Phthisikern halten sie 134 g
Eiweiß — 3889 Kolorien für wünschens-
weit. Der Kostplan ist so eingerichtet,
daß die Ausgaben I Schilling im Tag
nicht übersteigen. (Solche Aufstellungen
haben keine internationale Gültigkeit, da
die Nahrungsmittelpreise von den Zöllen
diktiert werden. D. R.
Dr. Rothschild (Soden a. T.).
Dr. Smirnow-New Haven: Les Injec-
tions intrapulmonaires de Tannin
contre les hemoptysies. (Semaine
Méd., 8. I. 1908.)
Bei verzweifelten Fällen von Hämop-
töe, bei welchen sich der Ursprungsort
der Blutung exakt in einer Kaverne nach-
weisen läßt, werden mit feinen Nadeln
— nach sorgfältigster Hautdesinfektion —
Tanninlösungen direkt in die Kaverne
injiziert. Verf. berichtet über zwei günstige
Beobachtungen.
Dr. Rothschild (Suden a. T.).
188 REFERATE.
M. Blumenthal-Berlin: Zur Behandlung
gewisser Erkrankungen der Luft-
wege mittels „Pertussin“ Taesch-
ner. (Therap. Monatsh. 1908, Heft 3.)
Verf. rühmt aufs neue „die schleim-
lösende und krampfmildernde Wirkung“
des Pertussins bei akuten und chronischen
Katarrhen der Luftwege, Auffallend war
auch die rasche Milderung des Husten-
reizes und die Erleichterung der Expek-
toration durch Verflússigung des Schlei-
mes, letzteres insbesondere bei Emphyse-
matikern. C. Servaes.
Prof. Martens, Krankenhaus Bethanien in
Berlin: Die BehandlungderGelenk-
tuberkulose. (Therap. d. Gegenw.
1907, Heft 11.)
Verf. gibt einen Uberblick über den
augenblicklichen Stand der Frage. An
die Spitze aller Bestrebungen zur Be-
kämpfung der Gelenktuberkulosen stellt
er die individuelle Prophylaxe: Die Ver-
setzung der Nachkommen tuberkulöser
Eltern unter die denkbar günstigsten
hygienischen Bedingungen. Es gibt aber
auch eine lokale Prophylaxe: das früh-
zeitige Auffinden und die operative Ent-
fernung tuberkulöser Knochenherde, ehe
ein Durchbruch ins Gelenk stattgefunden
hat. In bezug auf die spezifische Wir-
kung des Tuberkulins und des Marmorek-
serums bei Behandlung der Gelenktuber-
kulosce äußert sich Verf. sehr zurück-
haltend; er glaubt nicht, daß mit diesen
und ähnlichen Mitteln (Hetol u. a.) eine
völlige Heilung herbeigeführt werden kann.
Sehr wichtig ıst die Beeinflussung des
Allgemeinbefindens, Hebung der Körper-
kräfte durch gute Ernährung, ausgedehn-
ter Aufenthalt im Freien, Behandlung in
geeigneten Kurorten oder speziellen Heil-
anstalten. Auch auf medikamentöse Be-
handlung wird in geeigneten Fällen nicht
verzichtet; besonders rühmt Verf. die
Schmierseifenkur nach Kapesser.
In bezug auf die lokale Behandlung
wird man sich in jedem einzelnen Falle
nur nach reiflichster Erwägung aller
Chancen für konservatives oder operatives
Verfahren entscheiden können und jedes
einseitige Schematisieren strengstens ver-
meiden. Man wird insbesondere stets
ZEITSCHR. f.
TÜBERKULOSE
Zeitverlust, wenn man mit dem konser-
vativen Verfahren keine günstigeren Er-
gebnisse in bezug auf Heilung bezw.
Funktion des Gelenkes erreichen kann;
denn durch eine Operation kürzt man
das Krankenlager ganz wesentlich ab,
was natürlich in vielen Fällen von un-
berechenbarem Nutzen ist. Über das
Stauungsverfahren nach Bier sind die
Akten noch nicht geschlossen. Die
Funktionsergebnisse sind übrigens bei dem
operativen Verfahren keineswegs un-
günstige und gegen die des konservativen
Verfahrens in vielen Fällen sicher nicht
zurückstehend. C. Servaes.
Tuberkulin. Sera.
Hendrik E. Reeser: Das Tuberkulin.
(Centralbl. f. Bakt. etc., I. Abt., Originale,
Bd. 46, Heft 1, p. 56—67 u. Heft 2,
p. 149—107.)
Klare, historische Übersicht sämt-
licher einschlägiger Arbeiten, welche sich
mit der Herstellung der verschiedenen
Tuberkuline beschäftigen, von der ersten
Kochschen Veröftentlichung aus dem
Jahre 1890 bis zu den Publikationen des
Jahres 1905.
Hierauf gibt Verf. eine ausführliche
Darstellung der Bereitung des Tuberkulins
in Rotterdam. Als Kulturmedium für die
Tuberkelbazillen wird die Glyzerinkartoftel-
bouillon verwendet. Es ist natürlich un-
móglich die Zubereitung des Tuberkulins
in einem kurzen Referat wiederzugeben,
da bei seiner Herstellung jede kleinste
Vorschrift unumgänglich nötig ist. Sie
setzt sich zusammen aus dem Anlegen
der Kultur, dem Sterilisieren, dem Ab-
filtrieren der Bazillen, Eindampfen, Sedi-
mentieren, Sterilisieren und Zentrifugieren.
Je höher die Reaktion nach einer Tuber-
kulinimpfung, um so geringer die Gefahr
einer falschen Diagnose. Verf. legt be-
sonderen Wert darauf, daß die Bouillon
vor dem Eindampfen filtriert wird. Da-
durch werden die Fehlergebnisse stark
verringert, und die Ausbeute sei eine
sehr große. Gleichzeitig werde es er-
reicht, daß die toxischen Nebenwirkungen
stark vermindert werden. In ganz ähn-
licher Weise wie aus Rindertuberkel-
bazillen könne Tuberkulin auch aus Vogel-
|
dann operieren, und zwar sogleich ohne ¡ tuberkelbazillen gewonnen werden. Dieses
BD.XITI, HEFT 2.
1905.
REFERATE,
Tuberkulin ist jedoch als Diagnostikum
für Tuberkulose beim Rindvieh untauglich.
Da Rinder sich an Tuberkulin ge-
wöhnen, d. h. auf eine zweite Injektion,
welche bald nach der ersten vorgenommen
wird, nur selten reagieren, so wurde dies
an Grenzorten benutzt, um kranke Ticre
einzuführen, indem sie vom Eigentümer
vorher tuberkulinisiert wurden. Vallée
riet daher, die Tuberkulineinspritzung
mit einer doppelten Dosis vorzunehmen.
Dann zeigen auch tuberkulinisierte Tiere
eine Reaktion. Zum Schluß erörtert Verf,
die Wertbestimmung des Tuberkulins nach
Koch und Doenitz. Seit 1897. hat das
Ehrlichsche Institut die Kontrolle der
Tuberkulinpräparate übernommen. Nach
Verf. ist die Doenitzsche Methode oft
nicht ausreichend. ŒE. Aron (Berlin).
X. Th. Haverkorn van Rijswijk-Renkum:
Behandeling met tuberculine
Denys. — Uber Behandlung mit
Denysschem Tuberkulin. (Ned.
Tijdschr. v. Geneesk. 1908, H. I, Nr. 4.)
Notizen aus den Krankengeschichten
von 9 Lungentuberkulüsen, die in der
Anstalt des Verf.’s seit Juli 1906 mit
Denys’ bouillon filtré behandelt worden
sind. Ein zehnter Kranker, dessen Lungen-
leiden mit Diabetes mellitus kompliziert
war, wurde in der eigenen Wohnung
behandelt. Dieser und einer der 9 Heil-
stättenpatienten erlagen ihrer Krankheit,
die 8 anderen sind noch am Leben.
Nur bei 4 derselben kann nach Ansicht
des Verf.’s von einem deutlichen günstigen
Einfluß der Tuberkulinkur auf den Ver-
lauf der Lungentuberkulose die Rede sein.
Einer von ihnen, ein sehr initialer Fall,
ist wahrscheinlich geheilt. Verf. ist über
das Mittel nicht sehr begeistert, meint
aber, daß die erzielten Resultate zu wei-
terer Anwendung desselben anregen.
W. J. van Gorkom (Haag).
Arthur Latham: Caseating Pulmonary
Tuberculosis treated by Tuber-
culin (T. R.) and fresh Horse
Serum both administered by the
Mouth. (Royal Soc. of. Med., vol I,
5. III. 1908.) |
Ein 22 jähriger Mann, der an Tuber-
kulose des linken Unterlappens litt, Munate
189
hindurch hoch fieberte und schließlich
Zeichen von beginnender Oberlappen-
tuberkulose auf beiden Seiten zeigte, wurde
mit 10 ccm Pferdeserum und Tag mgr
Tuberkulin, die per os gegeben wurden,
behandelt. Es zeigte sich ein günstiger
FinfluB auf die Temperatur, so daß in
Zwischenriumen von 0—10 Tagen die
Verordnung wiederholt wurde. Nach
viermaliger Wiederholung blieb die Tempe-
ratur normal, das Gewicht hob sich, das
Sputum verminderte sich, der opsonische
Index des Blutes korrespondierte mit der
klinischen Beobachtung.
Dr. Rothschild (Soden a. T.).
Pielicke: Tuberkulin gegen Nieren-
tuberkulose. (Berl. klin. Wehschr.,
20. Januar 1908, Nr. 3.)
Auf Grund der Beobachtung eines
eigenen Falles und unter Berücksichtigung
der Literatur kommt Verf. zu dem Schlusse,
daB die Behandlung der isolierten Nieren-
tuberkulose mit Tuberkulin anscheinend
zuweilen zur Heilung führe. Er hält die
Tuberkulinbehandlung bei doppelseitiger
Nierenerkrankung und Komplikation mit
Lungentuberkulose und ganz besonders
bei Blasentuberkulose für indiziert. Ob
Exstirpation der Niere zu erfolgen hat
oder ob die Tuberkulinbehandlung vor-
zuziehen sei, müsse von Fall zu Fall ent-
schieden werden.
Naumann (Meran-Reinerz).
Dr. S. D. Neporoschni: Über die Wir-
kung des Antituberkuloseserums.
(Archiv biologischer Wissenschaft. 1908,
Bd. 13, Heft 4 u. 5. — Prakt. Wratsch
1908, No. 15.)
Verf. suchte vor allem darüber ins
Klare zu kommen, welcher Art diejenigen
Faktoren sind, die in Aktion treten, wenn
der tuberkulüse Prozeß in Heilung über-
geht. Er überzeugte sich durch seine im
Institut für experimentelle Medizin in
St. Petersburg angestellten experimentellen
Untersuchungen, daß die Verheilung des
tuberkulösen Prozesses beim Meerschwein-
chen, sowie in alten Herden beim Rind-
vieh mit aktiver Phagocytose einhergeht.
Letztere beruht hauptsächlich auf der
Tätigkeit der mononukleären Zellen, welche
unter günstigen Verhältnissen die Tuberkel-
190 REFERATE.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
bazillen nicht nur aufnehmen, sondern in
ihrem Protoplasma zerstören. Weitere
Experimente ergaben, daß sämtliche Mittel,
welche eine Ansammlung von mono-
nukleären Zellen bewirken (Jodpräparate,
Knochenmark- und Milzemulsion etc.) die
Chancen des Kampfes mit dem Tuber-
kulosegift wenigstens in dem Sinne gün-
stiger gestalten, als der Prozeß in mehr
oder minder bedeutendem Grade in die
Länge gezogen wird. Da aber die An-
sammlung von mononukleären Zellen allein
und für sich vollkommenere Resultate
nicht zu sichern vermag, so mußte man
eine Methode finden, welche das digestive
Vermögen dieser Zellen den Tuberkel-
bazillen gegenüber zu steigern imstande
wäre. Nachdem Verf. sich überzeugt
hatte, daß im Körper mittels Endotoxins
emulsierter Tiere solche Substanzen pro-
duziert werden und in das Blutserum
übergehen, welche ihrerseits im Organis-
mus frischer Tiere spezifische Mono-
nukleose herbeizuführen vermögen, stellte
er sich die weitere Aufgabe, durch Wahl
aktiver tuberkulöser Antigene und geeig-
neterer Tierarten ein solches Serum zu
produzieren, welches die höchsten Grade
der Fähigkeit besäße, die phagocytäre
Tätigkeit der mononukleären Zellen zu
steigern und letztere für den spezifischen
Kampf mit den Tuberkelbazillen geeig-
neterer zu machen. Von sämtlichen Tier-
arten haben sich die Hunde am geeig-
netsten erwiesen; die Immunisierung der-
selben wurde mittels des nach der
Methode von Besredka hergestellten
tuberkulösen Endotoxins bewerkstelligt.
Das zur Gewinnung dieser Endotoxine
erforderliche, stark agglutinierende Serum
wird von einem zu diesem Zwecke speziell
präparierten Pferde gewonnen. Sobald
‘die Hunde das Endotoxin in bedeuten-
der Quantität gut zu vertragen beginnen,
beginnt man mit der Einspritzung von
entfetteten Tuberkelbazillenleibern in die
Venen oder in die Peritonealhöhle, dann
mit Einspritzungen nicht entfetteter, son-
dern nur mittels Chloroform getöteter
Tuberkelbazillen. Die Immunisierung be-
ginnt man, sobald die Hunde diese Injek-
tion leicht ertragen und im subkutanen
Bindegewebe nur Infiltrate entstehen, mit
der Einführung von pathogenen, leben-
den, in keiner Weise bearbeiteten Tuberkel-
bazillen in die Venen oder in die Bauch-
hóhle. Dadurch unterscheidet sich der
vom Verf.ausgeübte Immunisierungsmodus
wesentlich von den Methoden von Mara-
gliano und Marmorek, die bekanntlich
gleichfalls antituberkulöse Sera herstellen.
Der gesamte ImmunisierungsprozeB nimmt
einen ziemlich bedeutenden Zeitabschnitt,
mindestens 8 Monate, in Anspruch und
ist trotz strenger Individualisierung mit
großen Verlusten verknüpft. Das auf
diese Weise gewonnene Serum hat Verf.
an Meerschweinchen erprobt, welche mit
2 Kulturen von Tuberkelbazillen von ver-
schiedener Virulenz infiziert waren: die
eine Kultur wurde subkutan, die andere
in die Bauchhöhle injiziert. Bei allen
Meerschweinchen zeigte der Verlauf der
Krankheit deutlich 3 Perioden. Die erste
Periode folgte unmittelbar nach der In-
fektion und äußerte sich durch Steigerung
der Temperatur, Abnahme des Körper-
gewichtes und Hyperleukocytose. Im
II. Stadium ist die Temperatur fast nor-
mal, das Körpergewicht geht nicht mehr
zurück, an Stelle der Hyperleukocytose
tritt Hypoleukocytose. Im III. Stadium
schließlich steigt die Temperatur wieder,
und zwar mit großen Schwankungen fast
unmittelbar zum Tode. Das Körper-
gewicht nimmt ab, während die leuko-
cytáre Kurve, welche vor dem Beginn
dieser Periode sich gesenkt hat, nunmehr
breite, aber unregelmäßige Exkursionen
zeigt. Im ganzen sind 417 infizierte
Meerschweinchen der Behandlung unter-
zogen worden. Die Experimente wurden
verschiedentlich modifiziert, und zwar so-
wohl hinsichtlich der Gesamtquantität und
der Einteilung der Seruminjektionen. Aus
2 Tabellen geht hervor, daB der Gesamt-
prozentsatz der Genesungen 57°/, aus-
macht. Speziell repräsentiert sich das
Resultat der Serumanwendung in folgen-
den prozentualen Verhältnissen: an Tuber-
kulose zugrunde gegangen 20,5 °/,, ge-
tötet und bei der Sektion tuberkulöse
Veränderungen nachgewiesen in 25,5°/,,
keine tuberkulösen Veränderungen nach-
gewiesen (genesen) 57°/,. Schon diese
prozentualen Berechnungen berechtigen
zu dem Schluß, daß die Chancen auf
Erfolg desto größer sind, je früher zur
BD.XHIHEFT 2,
1908.
Serumbehandlung geschritten wird; ferner
geht aus den Tabellen hervor, daß einer-
seits günstige Resultate nicht erzielt wur-
den, wenn die Gesamtquantität des ein-
geführten Serums weniger als 3,6 ccm
betrug, andererseits, daß der Erfolg der
Serumbehandlung nur in denjenigen Fällen
erreicht werden konnte, in denen dieselbe
mindestens 5,5 Monate dauerte, selbst
dann, wenn die Behandlung sehr bald
nach der Infektion begonnen wurde. Von
besonderem Interesse ist auch nach An-
sicht des Vers das pathologisch-histo-
logische Material, welches er von seinen
Meerschweinchen gewonnen hatte, da
durch dasselbe die von dem Verf. aus-
gesprochene Vermutung bestätigt wird,
daß unter dem Einflusse der Serotherapie
eine vollständige Heilung durch Vernar-
bung der tuberkulösen Herde möglich sei.
Die bei den Meerschweinchen beobachteten
pathologischen Veränderungen entsprechen
denjenigen Veränderungen, die durch Ein-
führung von getöteten bezw. dermaßen
geschwächten Kulturen, die dieselben
Meerschweinchen nicht zu töten vermögen,
erzeugt werden. Augenscheinlich voll-
ziehen sich im Organismus unter dem
Einflusse des Serums derartige Verände-
rungen, die denselben befähigen, sich den
vollkommen virulenten Bazillen gegenüber
ebenso zu verhalten, wie den getöteten
oder wenig pathogenen Bakterien gegen-
über. Zum Schluß hebt Verf. einige Tat-
sachen hervor, welche sich zwar nicht
aus seinem Material ergeben, wohl aber
zugunsten der Vorstellung sprechen,
welche er sich über den Mechanismus
der Serumwirkung gemacht hat. Diese
Tatsachen hat er aus den klinischen Be-
obachtungen entnommen, welche er an
den mit demselben Serum behandelten
Patienten angestellt hat. Bei diesen Pa-
tienten bewirkt das Serum eine Reaktion,
deren Intensität von der eingespritzten
Dosis und von dem Allgemeinzustand
des Organismus abhängt. Gerade eine
Steigerung der Temperatur, und das nur
vorübergehend, macht sich erst einige
Tage nach der Injektion bemerkbar, also
im Gegensatz zu der Fieberbewegung,
welche nach der Injektion. von aktiv-
immunisierenden Substanzen eintritt. Diese
verspätete Temperatursteigerung kann man
REFERATE.
eu ee
nicht als Reaktion der samt dem Serum
eingeführten toxischen Substanzen be-
trachten. Weit richtiger ist diese Tempe-
ratursteigerung in direktem Zusammenhang
mit der durch das Serum bewirkten spe-
zifischen Phagocytose zu bringen, welche
die Tuberkelbazillen und die Zellelemente
der Tuberkeln zerstört und Material für
die Resorption schafft, welche mit einer
Steigerung der Temperatur einhergeht.
Eine weitere Erscheinung, welche bei der
erfolgreichen Serumbehandlung hervortritt,
besteht in Schwellung der Lymphdrüsen,
was nach Ansicht des Verf.’s wiederum
zugunsten der von ihm vertretenen
Theorie der aktivierenden Wirkung auf
die cytogenen Gewebe des Organismus
spricht.
M. Lubowski (Wilmersdorf-Berlin).
V. Bücherbesprechungen.
Der Sanitätsbericht über die Armee
(ausschl. Bayern) für den Zeitraum
vom 1. Okt. 1904 bis 30. Sept. 1905 ist
dieses Mal besonders interessant durch
einen zusammenhängenden Rückblick auf
die Gestaltung des Gesundheitszustandes
der Armee im Laufe der letzten Jahr-
zehnte. Er zeigt, daB die Fortschritte,
welche die medizinische Wissenschaft in
dieser Zeit gemacht hat, auch auf dem
Gebiete des Militärsanitätswesens zu zahl-
reichen und schönen Ergebnissen geführt
haben. Ganz besonders treten diese Er-
folge hervor bei denjenigen Krankheiten,
deren Bekämpfung uns die Hygiene ge-
lehrt hat. Der Verlauf, den die tuber-
kulösen Erkrankungen genommen haben,
ist mehrfach in selbständiger Weise aus-
führlich bearbeitet und zum Teil in dieser
Zeitschrift referiert worden. Es erübrigt
daher nur, den Berichtszeitraum 1904/05
zu besprechen.
Bei einer Durchschnittsstirke von
525717 Mann betrug der Tuberkulose-
zugang 1,9°/,, = 1014 Mann, ist also
die letzten 3 Jahre gleich geblieben, nach-
dem er 1890 noch 3,3°/,, betragen hatte.
Er verteilt sich auf die einzelnen Krank-
heitsformen folgendermalsen: akute Miliar-
192 REFERATE.
tuberkulose 25 Mann, Tuberkulose der
ersten Luftwege und Lunge 822, Tuber-
kulose der Knochen und Gelenke 63,
Tuberkulose anderer Organe 104 Mann.
|
Den größten Zugang (2,8°/,,) hatte dies- `
mal das 1. Armeckorps (Ostpreußen), den |
geringsten (1,1°/,,) das 2. Sächsische.
Beim Abgang wurde weitaus der größte
Teil invalide, 139 starben, 31 wurden
wieder dienstfähig, 117 blieben im Bestand.
Die Leichenöffnungen bei akuter
Miliartuberkulose ließen verschiedent-
lich den vermutlichen Ausgangspunkt der
Krankheit entdecken; I mal fand sich ein
alter Käseherd in der Niere, Imal im
rechten Oberlappen eine bohnengroße, :
mit dicker gelber Flüssigkeit gefüllte
Höhle, I mal eine kurz zuvor überstandene
Brustfellentzündung, I mal war die Krank-
heit mit bakteriell festgestellterepidemischer
Genickstarre vereint.
Für die Lungentuberkulose ließ
sich 48 mal erbliche Belastung feststellen,
die Ansteckungsquelle dagegen schr selten:
2 mal wird die Pilege der an Schwind-
sucht gestorbenen Ehefrauen beschuldigt.
Als auslösende Ursache wurden meistens
Erkältungen, zuweilen auch Anstrengungen
im Dienst angegeben. Häufig gingen der
Krankheit andere Erkrankungen der Luft-
wege, wie fieberhafter Bronchialkatarrh,
Lungenentzündung, Brustiellentzündung
u. dergl., unmittelbar voraus. Je 1 mal
schloß sie sich an Syphilis, Typhus,
Malaria, Diabetes, Ruhr und Handgelenks-
quetschung an, je 2 mal an Grippe, Ge-
lenkrheumatismus und Quetschung der
Brust. Von Mitkrankheiten werden alle
möglichen erwähnt; am interessantesten
davon ist, daß bei einem gleichzeitig an
Typhus erkrankten Mann im Auswurf
neben den Tuberkelbazillen Typhusbazillen
nachzuweisen waren bei positivem Widal.
diagnostischen Zwecken wird nur aus
3 Garnisonen berichtet, ebenso über Neu-
ZEITSCHR, f.
TUBERKULOSE
tuberkulin zur Therapie. Sonst bietet
die Behandlung nichts Bemerkenswertes.
Die Tuberkulose der Knochen
' und Gelenke wird mehrfach auf mecha-
nische Verletzungen zurückgeführt, z. B.
2 Rippenerkrankungen auf BajonettstoB
und Quetschung, I Wirbelsäuleerkrankung
auf Fall von der Treppe, 1: Handgelenks-
erkrankung auf Verstauchung, 2 Hüft-
gelenksentzündungen auf Exerzieren und
Sprung über einen Graben, 1 Kniegelenks-
erkrankung auf Fall aufs Knie, 2 Mittel-
fulerkrankungen auf Abrutschen. Die
Behandlung war meist operativ; die Bier-
sche Stauung versagte mehrmals.
An der Tuberkulose anderer
Organe waren beteiligt: das Hirn, die
Hirnhaut, das Bauchfell, Brustfell, die
Niere und dic Blase, die Drüsen, der Hoden
und Nebenhoden, für welche in der Hälfte
Quetschung beschuldigt wird, die Weichteile
des Gesäßes und die Haut am Daumen.
Dem Sanitätsbericht der Armee ist
der Sanitátsbericht úber die Ost-
asiatische Besatzungsbrigade an-
gegliedert. Von der durchschnittlich
27 30 Mannstarken Besatzung ging während
des Berichtsjahres nur 1 Tuberkulose
(Lunge) = 0,36 Dias der Kopfstärke zu;
1 Mann vom übernommenen Bestand starb.
Von den vielen ausgefúhrten sani-
tiren Maßnahmen sei nur erwähnt,
daß in Göttingen, Goslar, Hirschberg,
Pirna, Stuttgart, Chemnitz neue Garnison-
lazarette bezogen und an verschiedenen
Orten die innere Ausstattung der Lazarette
durch elektrische Kraft zu Beleuchtungs-
und Heilzwecken, Röntgenapparate, Licht-
bäder, Operationszimmer, mediko-mecha-
nische Apparate, bakteriologische Stationen
vermehrt wurde. In einer großen An-
zahl von Standorten wurden die Trink-
1 | wasserversorgung und die Abfuhr ver-
Uber Anwendung von Alttuberkulin zu |
bessert, Badeanstalten neu gebaut oder
vergrößert und Desinfektionsapparate be-
schallt. Mühlschlegel (Stuttgart).
Verschieclenes.
Der Kaiser hat aus seinem Dispositionsfond der Robert Koch-Stiftung zur
Bekämpfung der Tuberkulose 100 000 Mk, bewilligt.
Druck von Metzger & Wittig in Leipzig,
A nn e zé
Band XIII. Heft 3.
ZEITSCHRIFT FÚR TUBERKULOSE.
HERAUSGEGEBEN VON
B. FRÁNKEL, F, KRAUS, E. von LEYDEN, W. von LEUBE.
Redaktion: A. KUTTNER.
L ORIGINAL-ARBEITEN
X.
Blutuntersuchungen auf Tuberkulose-Immunkörper. III.
(Aus dem bakteriologischen Laboratorium der Stadt Köln, Dir. Dr. Czaplewski.)
Von
Dr. Paul Bermbach, prakt. Arzt in Köln.
| sie im Handel erhältlich sind, in ihrem Gehalt an wirksamen Bestand-
a teilen variieren, erschien mir wichtig genug, um sie einer Untersuchung
zu unterziehen. Ich wählte hierfür zwei mit der Op.-Nr. 23 gezeichnete
Fläschchen, welche unter gleichen äußeren Verhältnissen aufbewahrt worden
waren. Zur Unterscheidung bezeichnete ich dieselben mit „Tuberkulin I“ und
„luberkulin II“. Die einzelnen, aus je 0,5 ccm Verdünnung des inaktivierten
Serums + 0,5 ccm der Tuberkulinlösung + 0,5 ccm NaCl-Losung + 2 Tropfen
ganz frischen, normalen Meerschweinchenserums bestehenden, gründlich ge-
schüttelten Proben wurden zuerst 6 Stunden lang in den Brutschrank gestellt
und dann mit je einem Tropfen einer konzentrierten Emulsion sorgfältig ge-
waschener Hammelerythrocyten + 0,3 ccm eines homologen hämolytischen
Kaninchenserums versetzt; erst nach weiterem 24-stündigem Aufenthalt im
Brutschrank wurden die Resultate verzeichnet. Ich bemerke noch, daß von
dem benutzten hämolytischen Serum schon 0,2 ccm einen in 2,0 ccm NaCl.
Lösung suspendierten Tropfen jener Erythrocytenemulsion nach 6-stündigem
Stehen im Brutschrank auflöste.
Dem Kaninchen 500 wurden subkutan injiziert am 16. VII. zwei und am:
23. VII. ein Tropfen Alttuberkulin, gelöst in je 1,0 ccm NaCl-Lósung. Am
30. VII. wurde das Tier getötet und sein Serum nach einigen Tagen inaktiviert.
Es ergab sich bei Zusatz von 0,5 ccm Serum 500 in der Verdünnung von
‘lao zu
0,5 ccm Verdünnung von Tuberkulin I von Tuberkulin Il
von Yo schwache Hämolyse keine Hämolyse
völlige „ „ H
völlige ,,
3) ioo
23 RE 23 2)
|
IT 200 If „ ” ”
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIII. 13
SNE x ZEITSCHR. f.
P. BERMBACH. | | | TUBERKULOSE
194
Ich halte mich nach dem Ausfall dieser Versuche fiir berechtigt,
eine Differenz im Gehalte der einzelnen Tuberkulinpräparate, auch
wenn sie von derselben Kultur herstammen, anzunehmen.
Was nun meine bisherigen Versuche (Serie I, II und III) betrifft, so
möchte ich hier unter strengster Beobachtung der an der Hand dersclben
gemachten Beobachtungen bezeichnen:
I. Als sicher Immunkörper enthaltend, das Serum von
1. Meerschweinchen IV und Kaninchen L (beginnende Tuberkulose‘,
2. Kaninchen K (vorbehandelt mit abgetötetem Tub. Bac.),
3. 3 D (vorbehandelt mit Tuberkulin), |
4. a B (vorbehandelt mit Blut) und das zu den Versuchen
der Serie If benutzte hämolytische Serum,
5. Meerschweinchen IX und X, sowie Kaninchen R (nicht vor-
behandelt, normal).
II. Als sicher frei von Immunkörpern, das Serum von
1. Meerschweinchen VII (unkomplizierte, nur auf das infizierte Organ
— Bauchfell — beschränkte Tuberkulose),
2. Meerschweinchen III (Mischtuberkulose; Tuberkulose im Beginn,
Sepsis prävalierend),
3. Meerschweinchen XI (nicht vorbehandelt, normal).
Es wurden also sowohl bei kranken, wie auch bei mit Tuberkulin, ab-
getöten Tub. Bac. und Blut immunisierten, sowie bei normalen, d. h. nicht
vorbehandelten Tieren Immunkörper gefunden — und vermißt! Das kleine
Material gestattet keine klinischen nur für das Tier gültigen Schlüsse. Ich
würde auch, selbst wenn mein Material ein sehr großes wäre, mich hüten,
aus demselben gezogene, ganz einwandsfreie Schlüsse auf menschliche Ver-
hältnisse zu übertragen. Ehe wir überhaupt über den Wert der Bordetschen
Reaktion für die humane Praxis ein Urteil abgeben können, müssen wir über
ein ganz ungeheures Material von Untersuchungen an sicher Tuberkulösen
verfügen. Das glaube ich jedoch schon jetzt behaupten zu dürfen,
daß die Bordetsche Reaktion sich vortrefflich für die Bewertung des
immunisatorischen Effektes einer Tuberkulinkur nutzbar machen
lassen kann. Es kommt nur darauf an, eine Einigung über eine einheitliche
Untersuchungsmethode zur quantitativen Bestimmung der Immunkörper
und eine einheitliche, allgemeinverständliche Bezeichnung der hierbei erzielten
. Resultate herbeizuführen.
Der einfachste Weg, welcher zu diesem Ziele führt, ist das Austitrieren
des zu untersuchenden Serums mit einer konstanten Tuberkulinverdünnung.
Ich lasse hier meine diesbezüglichen Versuche mit Serum 500 folgen:
I. 0,5 ccm Tub. */,, + 0,5 ccm Ser. 500 '/,: keine Hämolyse
2. 0,5 >) ” yer T O, 5 ” ,, ” SE : 33 33
3. 0,5 „ „ Kä + 0,5 ” ” „ EN : „ ”
4.0,5 4, » “To zk OR e » a ‘Jen: schwache ;,
5. 0,5 33 9) eee + 0,5 3) 3) H KEES 3) 3)
O. 0,5 ” 2) ven + 0,5 33 ” 3) u völlige | ”
BD.XII,HEFTS. : | `
ie BLUTUNTERSUCHUNGEN ETC. III. 195
7. 0,5 ccm Tub. Ia + 0,5 ccm Ser. 500 !/,,,: völlige Hamolyse
1 D A
8. 0,5 3) IT Ep F O, 5 33 33 „ ae „ ”
1 e
9. 0,5 2) 3) leg + 0,5 5 ” 3) so: ” d
10. 0,5 39 39 fe + 0,5 2 3) A3 one: ” ”
Entsprechend dem am Schlusse meiner vorigen Arbeit gemachten Vor-
schlage, bei der Ausführung der Bordetschen Reaktion keine allzustarken
Tuberkulinverdiinnungen zu benutzen, damit die (wie ich mittlerweile bewiesen
zu haben glaube, tatsachlich vorhandene) Differenz im Gehalte der einzelnen
Tuberkulinpraparate sich nicht stórend bemerkbar macht, habe ‘ich eine
Tuberkulinverdünnung von !/,, gewählt und glaube damit auch, wie sich im
folgenden herausstellen wird, das Richtige getroffen zu haben. Als den Titer
des Serums 500 bezeichne ich die schwächste. Verdünnung, bei der eben eine
vollständige Hämolyse auftritt, also !/,. Nur die vollständige Auflösung
der roten Blutkörperchen gestattet ein sicheres Urteil über die Wertigkeit des
zu prüfenden Serums. Eine unvollständige Hämolyse kann zu Mißdeutungen
in dieser Hinsicht Veranlassung geben; wenn in den betreffenden Proben zwar
die Flüssigkeit mehr oder minder rot gefärbt ist, aber auf dem Boden noch
eine gewisse Menge roter Blutkörperchen liegt, so kann unter Umständen die
Beurteilung über die Herkunft der roten Verfärbung der Flüssigkeit sehr schwer
sein: das zu untersuchende Serum kann a priori schon rötlich gefärbt gewesen
sein; oder es kann trotz sorgfaltigster Behandlung schon beim. Waschen und
Zentrifugieren der Erythrocyten aus diesen eine minimale Menge Hämoglobin
ausgetreten und zwischen ihnen suspendiert gewesen sein.
Ich nenne nun ein solches Serum, von dem 0,5 ccm einer Verdünnung
von 1:20 mit 0,5 ccm einer Tuberkulinverdünnung von ?/,, bei Innchaltung
der eingangs dieser Arbeit geschilderten Versuchsanordnung den Titer aufweist,
ein „einfaches Antituberkulinserum‘“ Serum 500 ware demnach als ein
vierfaches Antituberkulinserum zu bezeichnen. Ein Serum, welches erst in der
Verdünnung von ?*/,,,, eine vollständige Hämolyse gestattet, wäre ein fünffaches
Antituberkulinserum. Ich schlage für die Bezeichnung ,,Antituberkulinserum“
die Abkürzung „A.S.“ vor, in der Annahme, daß letztere noch nicht ander-
weitig vergeben ist. Es wäre also beispielsweise zu schreiben statt
„Serum x ist ein vierfaches Antituberkulinserum“:
„serum + = 4 A.S.“
Ich bin deshalb von der schwachen Verdünnung I : 20 ausgegangen,
weil die zur Verfügung stehende Serummenge, auch wenn sie klein ist, wohl
stets eine Verdünnung von 1:10, von der dann weitere Verdünnungen an-
gelegt werden müssen, gestattet; auch vermeidet man so die immerhin störenden
Bruchzahlen. Mit einer Verdünnung ?*/,, zu beginnen, halte ich jedoch zur
Ermittelung des Titers für nötig.
Ich habe nun diese Methode auf ihre Brauchbarkeit an einigen anderen
Blutseris erprobt und lasse hier das Protokoll folgen:
a) Patient Roder, 34 jähr. anämischer, hereditär belasteter Schlosser.
Angeblich seit 4 Jahren Blutspucken, Husten, Nachtschweiße, Abmagerung.
Befund: HLO Ronchi. Sputum nicht zu erhalten. Am 23. VIL Blut-
13*
= ZEITSCHR. f.
196 | E BERAMBACH, TUBERKULOSE
entnahme, darauf Impfung nach Pirquet. Vom 24. VII. bis 2. VIIL lebhafte
Cutireaktion. Vom 3. VIIL verlor ich den Patient aus den Augen.
Die Blutuntersuchung nach dem Bordetschen Prinzip ergab:
I. 0,5 ccm Tub. !/,, + 0,5 ccm Ser. ?/,: keine Hämolyse
2. 0,55 », „ E +05 » „ AR „ HI
3. 0,5 „ ” SCH Se 0,5 » 3) aie ” „
4.05 » an “so FOS » 59 so: schwache ,
5.05 » „ SCH +05 » „ KC „ „
6. 05 » ” SCH + 0,5 » 33 a „ „
7.05 » » so F O5 » » "so: völlige »
8. 0,5 » ») SEH +05 » D SEH » ”
b) Patient Otto, 57 jahr. Schreiner, seit Jahren an Anfallen von Husten,
Atemnot, Auswurf, Herzschwiche leidend.
Befund: Obere Lungengrenzen vorn links 2, vorn rechts 3 Finger breit
über der Klavikula. VLO leichte, bis zur 2. Rippe hinabreichende Dämpfung
und verschärftes Exspirium. Überall Ronchi. Untere Lungengrenzen (Brust-
korb ist sehr eng) um einen Interkostalraum nach abwärts verschoben. Auswurf
ohne Tub. Bac. Herzgrenze 1 Finger breit außerhalb der Mammillarlinie.
Puls zuweilen arythmisch. Schon seit Jahren bemerkte ich, daß während der
Zeit, wo die Anfälle am heftigsten waren, eine prallgespannte Hautvene vom
linken Oberarm quer über die Brust zur rechten Sternalwand zog, um sich
daselbst zu verlieren, ein Symptom, welches von vielen als charakteristisch für
Tuberkulose der Bronchialdrüsen angesprochen wird.
Am 7. VII. Blutentnahme und Impfung nach Pirquet. Die Cutireaktion
begann schon am 8. VIL, dauerte bis zum 1. VIIL und war ziemlich schwach.
Die Blutuntersuchung nach dem Bordetschen Prinzip ergab:
I. 0,5 ccm Tub. !/,, + 0,5 ccm Ser. !/,: keine Hämolyse
2. O5 » „ SCH +05 » IT RE » 3
30,5 ss as “hep PROS » y "Mag schwache ,,
4.05 » „ las +05 a ” se ” „
5. 0,5 „ 2 ee + 0,5 IT „ eher vóllige ”
6. 0,5 3) „ ee + 0,5 „ 2) SCH 3 3
c) Patient Weyer, 51 jähr. Schlosser, seit 5 Jahren angeblich Husten,
Auswurf, Blutspucken, Nachtschweiße, Abmagerung.
Befund: VRO groß- und mittelblasiges Rasseln, VL über der 2. bis
3. Rippe verschärftes Exspirium. Im Sputum keine Tub. Bac.
Am 24. VIL Blutentnahme und Impfung nach Pirquet. Vom 25. VII.
bis zum 1. VII. wurde keine Cutireaktion beobachtet, dann verlor ich Patient
aus den Augen.
Die Blutuntersuchung nach dem Bordetschen Prinzip ergab:
. 0,5 ccm Tub. ?*',, + 0,5 ccm Ser. 1/,,: keine Hämolyse .
- 05» H E +05 5 d SC schwache ”
ELE 45 » ley FOS » an Lan" VOllige +
O,5 » ” EH +05 » „ A un: „ ”
O,5 ,, SH Gg +05 ,„ 5 SE Ké =
wm a w N nm
ie BLUTUNTERSUCHUNGEN ETC. III. 197
d) Patient Martin, 18 Jahre, Handlungsgehilfe, Phthisiophob, kein Organ-
befund. Auf Wunsch am 25. VI. Blutentnahme und Impfung nach Pirquet.
Noch 10 Tage nach der Impfung keine Cutireaktion.
Die Blutuntersuchung nach dem Bordetschen Prinzip ergab:
I. 0,5 ccm Tub. Ten + 0,5 ccm Ser. !/,: keine Hämolyse
2. 0,5 IT ” nee + 0,5 2 33 oe ” ”
3.05 ,„ » HMOFOS » an Ha: schwache ,,
4.05 5; ” ee T O5 » 9 hate 39 „
5. 05 5, „ e +05 ,„ IP eat völlige y
€. 0,5 „ 3) + 0,5 3) „ ae „ 2)
7: 0,5 » » ‘isn + O5 » a Yw » D
e) Patient Stein, 40 Jahre, Handlanger. Seit 1903 jedes Jahr Blutsturz.
Jetzt wieder Husten, Hámoptoé. Im Sputum Tub. Bac.
Befund: VR O inspiratorisches Exspirium, VLO verschärftes Inspirium;
am 30. VIL Blutentnahme und Impfung nach Pirquet.
Die Cutireaktion bestand in einer sehr geringen Rótung und Schwellung
der allernächsten Umgebung der Impfstelle, sie dauerte vom 31. VIL bis 7. VIL.
Blutuntersuchung nach Bordet:
1. 0,5 ccm Tub. ?/,, + 0,5 ccm Ser. !/,,: völlige Hämolyse
2.05 » „ Sen +05 » ” or ” „
3. 0,5 » ” Yen +05 » D so: D »
4. 0,5 » ” KE +05 » ” "Tan? „ „
5.05 , ” SEH +05 5 ” ane „ »
6. 0,5 „ „ eee +0,5 » IT E » 9
Eine schwächere Verdünnung wie !/,, ließ sich nicht herstellen, weil zu
wenig Serum vorhanden war.
f) Kaninchen X, mit Hammelblut vorbehandelt, ging dann an Pneumonie
ein. Serum, selbst unverdünnt, für Hammelerythrocyten nicht hämolytisch.
Blutuntersuchung nach Bordet:
1. 0,5 ccm Tub. !/,, + 0,5 ccm Ser. ?/,: völlige Hämolyse
2. 0,5 » » CH +05 » ” 20: „ »
3. 0,5 » » a +05 » 33 hic ” „
4. 0,5 55 „ SC +05 ,„ „ ons: „ „
5. 0,5 „ ” es + 0,5 » „ RT 39 ”
Von den sieben gegen 0,5 ccm Tub. !/,, austitrierten Blutseris zeigten
also alle bei einer gewissen Verdiinnung vóllige Hamolyse. Es kann somit
hier nicht der Verdacht einer die Komplemente schädigenden Wirkung der
Tuberkulinverdiinnung !/,, aufkommen. Ich halte die Verdünnung (?/,,) dem-
nach für die quantitative Bestimmung der Immunkórper für geeignet.
Um kurz zu rekapitulieren, war
Serum 500 ein 4-faches Antituberkulinserum (= 4 A.S
» Roder ,, 7- „ be Kee
» Otto e: Pe 299 E (=:7 AS.
» Weyer ,, 2- ,, > (=2 AS
» Martin „ 5- ,, be (6 AS
198 BERMBACH, BLUTUNTERSUCHUNGEN ETC. III. est
Serum Stein weniger als ein einfaches Antituberkulinserum (< 1 A.S.),
» kan X annähernd ein o-faches a (SOAS)
Nur bei einem Patienten (Stein) stand die Tuberkulose durch den
Bazillenbefund ganz einwandsfrei fest; bei dreien (Roder,. Otto, Weyer)
bestand nur Verdacht auf Tuberkulose im I. Stadium, der letzte Patient
(Martin) war als gesund anzusehen. Auffallend ist allerdings der geringe
Gehalt an Immunkörpern bei Stein. Da wir nach Wolff-Eisner (l. c.) über
den diagnostischen Wert der Cutireaktion bei Suspekten noch kein abschließen-
des Urteil abgeben können, so verzichte ich auf jede SchluBfolgerung aus
meinen Blutuntersuchungen bei diesen drei Patienten, zumal hier eine Be-
ziehung zwischen dem Verlauf der Cutireaktion und dem Immunkörpergehalt
des Serums vermift wurde.
Die Ausführung der quantitativen Bestimmung der Tuberkulose-
immunkörper würde sich also folgendermaßen gestalten:
Von dem zu untersuchenden Serum wird zuerst eine Verdünnung von
1:10 (O,f ccm Serum + 0,9 ccm NaCi-Lósung) und hiervon eine Reihe
stärkerer Verdünnungen zu je 0,5 ccm angelegt. Schlimmstenfalls dürften also
dem Kranken 0,5—1,0 ccm Blut zu entnehmen sein, ein Blutverlust, den wohl
jeder für die aktive Immunisierung in Betracht kommende Patient ohne Schaden
vertragen kann. Zu den einzelnen Verdünnungen werden je 0,5 ccm Tuber-
kulin Y/,, + 0,5 ccm NaCl (zweckmäßiger direkt 1,0 ccm einer 1°/,igen
Tuberkulinlösung) + 2 Tropfen des zur Reaktivierung dienenden Normalserums
zugesetzt. Der Aufenthalt dieser Gemische im Brutschrank soll, nach meinen
Erfahrungen, mindestens 6 Stunden betragen, bevor das inaktivierte hämo-
lytische Serum plus Hammelerythrocyten hinzugefügt werden. Das Endresultat
soll erst nach einem weiteren 24-stündigen Aufenthalt im Brutschrank abgelesen
werden. Bei all meinen Versuchen mit der Tuberkulinlösung von !/,, konnte
eine Hämolyse nach 6 Stunden nirgends konstatiert werden, während sie
nach 24 Stunden in einem großen Teil der Gläschen — bei gleichzeitigem
Fehlen in den Kontrollproben! — vorhanden war. Der protrahierte
Verlauf der Reaktionen legt mir die Vermutung nahe, daß die Angaben
mancher anderer Untersucher über die intensive komplementschädigende
Wirkung des Tuberkulins auf eine zu kurze Beobachtungszeit zurückzuführen ist.
Es würde mir eine große Genugtuung gewähren, wenn die von mir
vorgeschlagene Methode einer Nachprüfung standhielte und in der Praxis Ein-
gang fände.
ls drängt mich, hier nochmals Herrn Kollegen Czaplewski für die
mir in seinem Laboratorium gewährte Gastfreundschaft herzlichst zu danken.
IR.
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XI.
Tuberkulinproben und Tuberkulinkuren.
(Aus der Heilanstalt Hohenhonnef.)
Von
Gan, Rat Dr. med. E. Meißen, leitendem Arzte.!)
Ns ist eine bemerkenswerte Tatsache, daß die Häufigkeit der Todesfälle
ba zc durch Tuberkulose seit einigen Jahrzehnten in verschiedenen Ländern
y Europas eine deutliche Abnahme zeigt. Am frühesten ist dieser
Rückgang der ,weiben Pest“ in England hervorgetreten: Dort ist die Tuber-
kulose-Sterblichkeit, auf 10000 Einwohner berechnet, von 33 im Jahre 1864
auf 18 im Jahre 1904 gesunken, trotz der ausgedehnten Industrie und trotz
dem unfreundlichen Nebelklima dieses Landes. Auch Deutschland, zumal
Preußen zeigt diese Abnahme: In Preußen ist die Tuberkulosemortalität, ebenso
auf 10000 Lebende berechnet, von 32 im Jahre 1876 auf 17—18 im Jahre
1906 gefallen, so daß wir unseren Vettern gleichkommen. Es ist dabei über-
raschend, daß die Abnahme im industriellen Westen wesentlich größer ist als
im agrarischen Osten, und zwar merkwürdigerweise am größten in den Städten:
Einzelne Fabrikstädte wie Barmen und Essen haben seit 20 Jahren trotz ihrer
gewaltigen Vergrößerung ihre Tuberkulosesterblichkeit auf die Hälfte herab-
gedrückt, Elberfeld und Dortmund auf weniger als die Hälfte, Krefeld gar auf
weniger als ein Drittel! Die Tuberkulosemortalität von Danzig, Königsberg
und Stettin sank dagegen in der gleichen Zeit nur auf 84, 80 und 77°/,, das
heißt auf vier Fünftel bis drei Viertel. ?)
Fragt man nach den Gründen dieser erfreulichen Erscheinung, so hört
man heutzutage, wo die Kontagiositát der Tuberkulose stark betont wird, gern
die Antwort, daß die Abnahme auf die größere Sorgfalt in der Beseitigung
des infektiösen Sputums der Lungenkranken und die dadurch verminderte
Infektionsgelegenheit zu beziehen sei. Es ist leider nicht wahrscheinlich, daf
diese besonders von Cornet vertretene Auffassung die wirkliche Ursache trifft:
Der Auswurf der Tuberkulösen ist sicher nicht der einzige Ursprung der
tuberkulösen Infektion, die vermutlich viel mannigfaltigere und verstecktere
Quellen hat, als wir zurzeit annehmen. Es ist auch mit der angeblichen
größeren Sorgfalt in der Behandlung des Sputums keineswegs allgemein so
bestellt, wie gelegentlich behauptet wird: Außerhalb der Krankenhäuser und
Anstalten trifft man wohl eine oft wunderliche Bazillenangst, aber was geschehen
sollte, geschieht meist mangelhaft oder garnicht. Die Bemühungen der Ärzte
1) Nach einem Vortrag, gehalten zu Köln in der rheinisch-westfálischen Gesellschaft für innere
Medizin.
2) Veröffentl. d. Kaiserl. Gesundheitsamtes über die Verbreitung der Lungentuber-
kulose und der entzündlichen Erkrankungen der Atmungsorgane in europäischen Ländern, Bernh.
Paul, Berlin 1899.
H. Weicker, Tuberkulose-Heilstitten-Dauererfolge. F. Leineweber, Leipzig 1903.
B. Fränkel, Die Abnahme der Tuberkulosesterblichkeit und ihre Ursachen. Berl. klin.
Wehschr, 1908, Nr. 12.
S ZEITSCHR. f.
200 E, MEISSEN. TUBERKULOSE
scheitern an der Trägheit und dem Unverstand der Menschen. Darüber sollten
wir uns keinen Täuschungen hingeben.
Träfe die Cornetsche Meinung zu, so müßte sich eine Abnahme der
Tuberkulosemorbidität zeigen. Nun wissen wir aus der pathologischen
Anatomie (Nägeli, Lubarsch, Burckhardt u. a), daß bis weit über 90°/,
sämtlicher Menschen bei der Sektion tuberkulöse Veränderungen aufweisen,
daß wir also in der Tat so ziemlich alle „ein bißchen tuberkulös“ sind, während
doch nur ein viel geringerer Prozentsatz, durchschnittlich ?/,—!/, der Menschen
an Tuberkulose stirbt. Eine Abnahme dieser fast allgemeinen Durchseuchung
ist bisher nirgends beobachtet worden, im Gegenteil, je mehr man bei den
Sektionen darauf achtete, desto mehr wurde sie bestätigt. Weitere Bestätigung
findet sie, wie wir sehen werden, durch die Tuberkulinproben.
Hier scheint nun aber der Ausgang zu einer befriedigenden, wenn auch
vielleicht nicht vollständigen Erklärung der Abnahme der Tuberkulosesterblichkeit
zu liegen: Offenbar ist tuberkulöse Infektion und tuberkulöse Erkrankung, das
heißt klinische Tuberkulose nicht identisch. Wie es scheint, führt die tuber-
kulöse Infektion, aus welchen Quellen sie stammen und welche Eingangspforten
sie wählen mag, fast stets zunächst nur zur Bildung kleiner Herde, zuerst in
den Drüsen. Diese wirken als Schutzorgane, in denen die Bazillen vielfach
allmählich zerstört werden mögen, häufiger aber in einem latenten Zustande
mit stark geschwächter Lebensfähigkeit sich erhalten. Man hat dieses latente
Stadium, das sich wahrscheinlich meist über viele Jahre hinzieht, nicht ganz
zutreffend als eine Inkubation auffassen wollen: Es ist vielmehr ein Zustand,
der zur tuberkulösen Erkrankung führen kann, aber nicht führen muß. Es
kommt für gewöhnlich erst dann zur Entwickelung einer klinischen Tuberkulose,
wenn, abgesehen von konstitutioneller Minderwertigkeit, ungünstige oder fehler-
hafte Lebensbedingungen: gesundheitwidrige Verhältnisse der Wohnung, der
Ernährung, des Berufes und der Arbeit, schädliche Gewohnheiten und Mif-
bräuche, gewisse Krankheiten, traumatische Einwirkungen das auslösende
Moment abgeben. Auf viele von diesen Verhältnissen vermögen wir offenbar
verbessernd einzuwirken, und haben es zweifelsohne tatsächlich durch die groß-
zügigen Leistungen der allgemeinen Hygiene getan. Die öffentliche Gesundheits-
pflege hat zwar die tuberkulöse Infektion nicht nachweislich vermindert, wohl
aber durch Herbeiführung gesunderer Wohnungs-, Ernährungs- und Arbeits-
verhältnisse, durch die Ermöglichung besserer Lebenshaltung die Weiter-
entwickelung tuberkulöser Infektion zu tuberkulöser Erkrankung mit Erfolg bei
vielen Menschen verhindert. Daraus erklärt sich hauptsächlich die Abnahme
der Tuberkulosesterblichkeit, die sicher nicht zufällig gerade in den Ländern
anı deutlichsten hervortritt, die in den volkshygienischen Bestrebungen an der
Spitze stehen. England ist hier dem Kontinent vorangegangen und zeigt des-
halb die Abnahme lange Jahre vor der Entdeckung des Tuberkelpilzes und
damit vor den auf seine Beseitigung gerichteten Bemühungen. Wir sind nach-
gefolgt und haben das Gleiche erreicht. Es ist kein Grund vorhanden, bei uns
nach anderen Gründen zu suchen als in England gewirkt haben. Eine Be-
stätigung liegt überdies darin, daß Irland mit seinen in mancher Hinsicht
BD.KULHEFTS. ` TUBERKULINPROBEN UND TUBERKULINKUREN. 201
—- ee A ee A m -_— a
unerfreulichen Verhältnissen, umgekehrt wie England, nicht eine Abnahme,
sondern eine Zunahme der Tuberkulosesterblichkeit zeigt, und daß das volks-
hygienisch noch sehr rückständige Rußland die höchste Tuberkulosemortalität
von allen europäischen Ländern aufweist.
Wenn uns in Deutschland eine friedliche Weiterentwickelung beschieden
ist, so dürfen wir wohl auf weiteres Absinken hoffen, das allerdings wahr-
scheinlich eine Grenze haben wird, schon weil die soziale Hygiene ideale
Zustände wohl erstreben, niemals aber erreichen kann. Wir Ärzte müssen
natürlich auch die Bekämpfung der Infektionsgelegenheiten ins Auge fassen,
das heißt auf die Beseitigung des Tuberkelbazillus hinarbeiten. Die heut-
zutage übliche, vielfach bis ins Lächerliche geschürte Ansteckungsfurcht, die
den Tuberkulösen fast wie einen Pestkranken ansieht, ist dabei freilich ein
recht ungeeignetes Mittel, eher ein Hindernis, weil sie viele Tuberkulöse ver-
anlaßt, ihre Krankheit zu verhehlen. Furcht ist stets ein schlechter Ratgeber!
Jedenfalls wird die Tuberkulose noch geraume Zeit eine Plage der Menschheit
sein und ihr Studium eine hochwichtige Angelegenheit bleiben. Ihrer Be-
kämpfung geht vorauf ihre sichere Erkennung, die theoretisch und praktisch
von gleicher Bedeutung ist, und wir gelangen damit auf die Tuberkulinproben,
deren neuere Entwickelung hier einer kritischen Betrachtung unterworfen
werden soll.
Das Tuberkulin ist ein äußerst feines Reagens auf das Vorhandensein
tuberkulöser Veränderungen im menschlichen Organismus. Bis vor kurzem
kannten wir nur die subkutane Tuberkulinprobe, die Robert Koch gleich
bei der Entdeckung seines ersten Tuberkulins angab. Sie beruht bekanntlich
darauf, daß die Einspritzung kleiner Mengen von Tuberkulin (ein oder einige
Milligramm) unter die Haut eine entzündliche Reizung in der Umgebung vor-
handener tuberkulöser Herde, sowie Fieberbewegungen bewirkt. Diese Reaktion
zeigt sich, auch wenn die Veränderungen sehr gering sind, also auch bei sehr
vielen anscheinend gesunden Menschen. So fand der österreichische Stabsarzt
Franz, daß über 60°/, der gesunden Soldaten eines bosnischen Regiments
auf 1—3 mg Tuberkulin reagierten. Hier konnte es sich also nur um die
erwähnten kleinen latenten Herde handeln.
Die subkutane Tuberkulinprobe hat manche Bedenken gegen sich:
Gelegentlich tritt die Fieberreaktion mit bedenklicher Heftigkeit auf, so daß ihre
unbedingte Nichtschädlichkeit mindestens zweifelhaft ist. Wegen der erforder-
lichen häufigen Temperaturmessungen ist sie außerdem lästig und umständlich.
Vor etwa einem Jahre zeigte nun v. Pirquet in Wien, daß die Einverleibung
geringer Mengen Tuberkulin in die Haut selbst die Reaktion lokalisiert, so daß
der Vorgang sich an Ort und Stelle abspielt. Das ist die kutane Tuberkulin-
probe. Kurze Zeit nachher fand Wolff-Eisner!) in Berlin, daß man durch
Eintropfen einer Tuberkulinlösung ins Auge, das heißt in den Bindehautsack
in der Conjunctiva eine Reaktion erzeugen kann, die bei tuberkulös Infizierten
auftritt, und der er sowohl diagnostische wie prognostische Bedeutung beimißt.
1) A. Wolff-Eisner, Die kutane und die konjunktivale Tuberkulir reaktion, ihre Bedeutung
für Diagnose und Prognose der Tuberkulose. Ztschr. f. Tuberkulose Tock, Bd. 12, Heft 1.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
202 E. MEISSEN.
Er hat diese Reaktion als die konjunktivale Tuberkulinprobe benannt.
Gleich nach Wolff-Eisner hat auch Calmette in Paris diese Augenprobe
versucht, und sie als Ophthalmoreaktion bezeichnet; man spricht deshalb
vielfach auch von der Calmetteschen Reaktion. Doch hat Calmette selbst
die Priorität Wolff-Eisners ausdrücklich anerkannt, dem sie jedenfalls
gebührt. |
Die Ausführung der neuen Tuberkulinproben gestaltet sich sehr einfach:
Man bringt für die kutane Reaktion einen Tropfen einer 25°/,igen Lösung von
Tuberkulin mittels Tropfglases auf die gereinigte Haut, etwa am Vorderarm,
und ritzt sie dann mit einer Impfnadel oder mit dem für den besondern Zweck
angegebenen v. Pirquetschen Schaber. Nach dem Vorübergehen der geringen
Wundreaktion, entsteht nach etwa 6 Stunden eine Reaktion an der Wundstelle
von verschiedener Intensität: Hyperämie, Infiltration, Exsudation. Die Dauer
dieser Papelbildung ist verschieden; unter Umständen kann sie wochenlang
bestehen. Gelegentlich entsteht sie auch nicht schnell, sondern erst nach einigen
Tagen: Dauerreaktion und Spätreaktion.
Die konjunktivale Tuberkulinprobe ist noch einfacher: Man bringt mit
einem Tropfglas einen mittelgroßen Tropfen einer 1°/,igen Lösung von Tuber-
kulin in den Bindehautsack eines Auges, indem man den etwas zurück-
gebeugten Kopf fest anlehnen läßt, das untere Augenlid abzieht und das obere
gleichzeitig fixiert. Man hat nur dafür zu sorgen, daB der Tropfen im Auge
bleibt, und hält also die angegebene Lage etwa eine Minute lang fest, um
Zwinkern auszuschließen. Am besten macht man die Sache mit einem
Gehilfen, der die Augenlider halt. 6—24 Stunden nach dem Einträufeln tritt
eine entzündliche Reizung der Conjunctiva auf, die verschiedene Intensität
annehmen kann, von leichter Hyperämie bis zu seröser Durchtränkung und
Fibrinexsudation.
Man kann die Reaktionen mit jedem Tuberkulin anstellen; doch erfordern
sie etwas verschiedene Konzentrationen. Es empfiehlt sich das Kochsche
Alttuberkulin zu wählen, das die konstanteste Zusammensetzung hat. Es
empfiehlt sich weiter, nicht wesentlich über die angegebenen Konzentrationen
hinauszugehen, die völlig ausreichen und bei denen man unerwünschte Heftig-
keit der Reaktion vermeidet. Daß man bei Erkrankung der Haut, namentlich
aber des Auges, von den Proben Abstand zu nehmen hat, versteht sich von
selbst. Bei der konjunktivalen Probe dient das zweite Auge zur Kontrolle; eine
bestehende leichte chronische Conjunctivitis beider Augen ist also kein Hindernis.
Bei der kutanen Probe kann man zu gleichem Zwecke eine Hautstelle in der
Nähe der Impfstelle ebenso wie diese behandeln, indem man nicht die Tuberkulin-
lösung, sondern einen Tropfen physiologische Kochsalzlösung oder Borsäure-
lösung aufbringt. Bei Wiederholung der Proben nach kurzer Zeit tritt bei
vielen Leuten, die zuerst nicht reagierten, eine Überempfindlichkeit ein, so daß
man die so erhaltenen Ergebnisse nicht sicher verwerten kann; solche Wieder-
holung ist also zu praktischen Zwecken nicht brauchbar.
*
Ge Ge TUBERKULINPROBEN UND TUBRKULINKUREN. 203
Über die Resultate, die mit den neuen Proben erreicht werden, hat
Wolff-Eisner?) folgende Leitsátze aufgestellt:
1. Gesunde reagieren kutan etwa in der Hälfte der Fälle — also an-
nähernd ebenso häufig wie bei der subkutanen Probe, konjunktival in etwa
1/, der Fälle. Die Reaktion der Gesunden ist häufig eine Spätreaktion, und
es ist wahrscheinlich, daB diese einen latenten Herd anzeigt.
2. Die Tuberkulösen des I. Stadiums reagieren annähernd gleichläufig
kutan und konjunktival — etwa 80°/,. Die konjunktivale Reaktion scheint
durchschnittlich stärker aufzutreten, so daß ihr, mit Rücksicht darauf, daß sie
bei Gesunden seltener eintritt, der größere klinische Wert beizumessen ist.
3. Bei den Tuberkulösen des II. und III. Stadiums wird eine positive
Reaktion immer seltener und schwächer, je weiter die Erkrankung fort-
geschritten ist oder je mehr sie zum Fortschreiten neigt. Dies gilt namentlich
für die konjunktivale Probe.
An die Entdeckung dieser Reaktionen hat sich alsbald eine wahre Flut
von Veröffentlichungen geknüpft, auf die einzugehen zu weit führen würde.
Man wird gut tun, sich zunächst an die Darlegungen Wolff-Eisners!) selbst
zu halten, der den Gegenstand in einem Buche sehr gründlich bearbeitet hat,
auch nach der theoretischen Seite hin über die Natur des Tuberkulins und
seine Wirkungen. |
Es ist zweifellos ein wesentlicher Fortschritt, daß wir zu der immerhin
bedenklichen und umständlichen alten Tuberkulinprobe zwei einfache und
gefahrlose Verfahren bekommen haben. Was nun die diagnostische Verwendung
aller Tuberkulinproben anlangt, so ist nicht recht verständlich, weshalb die
meisten Autoren ihnen auch bei der klinischen Tuberkulose hohen Wert bei-
messen und sich so gebärden, als ob ihre Erkennung erst durch sie ermöglicht
wäre. Eine nur einigermaßen entwickelte Tuberkulose ist doch so leicht zu
erkennen, daß die Tuberkulinproben hier wahrlich erübrigen. Dem erfahrenen |
Arzte werden die gewöhnlichen klinischen Hilfsmittel: die sorgfältige Anamnese,
die genaue physikalische Untersuchung, die Mikroskopie des Auswurfes, viel-
leicht noch die Röntgen-Durchleuchtung auch in schwierigen Fällen fast stets
genügen. Es ist sehr anzuerkennen, daß der „klinische Bakteriologe“, wie
Wolff-Eisner sich nennt, vor der Überschätzung bakteriologischer Methoden
warnt, und den Wert der rein klinischen Untersuchung nicht nur betont,
sondern z. B. die neueren Methoden der Perkussion (Krönig, Goldschmidt)
in seinem Buche eingehend bespricht. Die alte subkutane Tuberkulinprobe
versagt naturgemäß offenbar gerade in schwierigen, zweifelhaften Fällen und ist
zur Diagnose einer klinischen Tuberkulose wenig brauchbar. Denn die
Allgemeinreaktion, das Fieber, sagt über den Sitz der Infektion nichts aus; sie
braucht sich garnicht auf das verdächtige Organ, sondern kann sich auf irgend
einen harmlosen latenten Herd beziehen. Die Probe ist hier ein viel zu feines
Reagens, weil zweifellos auch nicht an Tuberkulose erkrankte Menschen und
Y Wolff-Eisner, Dic Ophthalmo- und Kutandiagnose der Tuberkulose, nebst Besprechung
der klinischen Methoden zur Frühdiagnose der Lungentuberkulose, Beitr, z. Klinik d. Tub., Bd. 9,
Heft 1. C. Kabitzsch, Würzburg 1908.
es ZFITSCHR. f.
204 id __ TUBERKULOSE
Gesunde in großer Zahl reagieren. Die lokale Reaktion ist aber nur in be-
stimmten Fallen wie Lupus, Kehlkopferkrankung u. dgl. einigermaßen zu ver-
werten, für die Lunge selten und mit großer Vorsicht, weil sie unter Umständen
sicher Gefahr bringt. Ähnliches gilt von der kutanen und der konjunktivalen
Probe, nur daB hier bei richtiger Ausführung jede Gefahr fortfällt.
Die kutane Probe hat anscheinend ziemlich die gleiche Empfindlichkeit
wie die subkutane und ist dabei völlig unbedenklich; sie vermag diese also
zu ersetzen. Zu klinisch diagnostischen Zwecken sind beide wenig geeignet.
Eine sehr wichtige Bedeutung der v. Pirquetschen Reaktion kann dagegen
auf einem andern Gebiete liegen, wo sie gerade wegen Ungefährlichkeit be-
sonders geeignet ist: Man sollte sie bei Gesunden und bei nicht tuberkulose-
verdächtigen Kranken fleißig nachprüfen, um über die Verbreitung der tuber-
kulösen Infektion ins klare zu kommen und die Ergebnisse der pathologischen
Anatomie zu ergänzen. Dadurch würden wir eine Grundlage gewinnen, um
endlich zu richtigen Vorstellungen über die Entstehung der tuberkulösen Er-
krankung zu gelangen. Es geht nicht an und entspricht nicht der beob-
achtenden Erfahrung, die Tuberkulose einfach unter die kontagiösen Er-
krankungen einzureihen: Tuberkulöse Infektion und tuberkulöse Erkrankung
sind nicht identisch vom klinischen Standpunkt aus.
Anders scheint es mit der konjunktivalen Tuberkulinprobe zu sein. Nach
ihrem Entdecker würde sie bei klinischer Tuberkulose ein prognostisches
Urteil gestatten, in dem Sinne, daß wir durch sie erfahren, ob der Organismus
ın einem solchen Zustande sich befindet, daß er mit Hilfe geeigneter MaB-
nahmen der Krankheit Widerstand zu leisten vermag. Die bloße Stadium-
einteilung, so wie sie heute beliebt ist, gibt hier nur unbeträchtlichen Anhalt,
weil sie nur die quantitativen, nicht die qualitativen Verhältnisse der tuber-
kulösen Erkrankung berücksichtigt. Man könnte sie allerdings verbessern,
wenn man nach meinem Vorschlage der Angabe des Stadiums jedesmal hinzu-
fügen wollte, ob es sich um eine offene oder eine geschlossene Tuberkulose,
und namentlich, ob es sich um eine fieberlose oder eine fieberhafte, das heißt
mit langwierigem Fieber verlaufende oder zu wiederkehrendem Fieber neigende
Tuberkulose handelt. Der Fieberhaftigkeit nämlich kommt eine ähnliche Be-
deutung zu, wie Wolff-Eisner sie seiner konjunktivalen Tuberkulinprobe bei-
mißt: Ausgesprochen fieberhafter Verlauf bedeutet einen ungünstigen Fall,
dessen Behandlung schwieriger und dessen Aussichten wesentlich schlechter
sind als bei dauernd fieberlosem Verlauf, wo Stillstand und Heilung viel leichter
erfolgen. Entsprechend soll der positive Ausfall der Augenprobe ausreichende
organische Widerstandsfähigkeit bedeuten, der negative deren Mangel. Dieser
Mangel ist jedenfalls ein übles Zeichen. Die positive konjunktivale Reaktion
würde also die Fähigkeit des Organismus beweisen, den Kampf zu führen,
würde uns ermuntern, ihm diesen Kampf zu erleichtern, ihn in geeigneter Weise
zu unterstützen, um vielleicht auch zum Siege zu gelangen. Freilich gilt der
Ausfall der Probe nicht für alle Zukunft, sondern nur für die nächste Zeit;
die Verhältnisse können sich ändern. Aber die Reaktion gibt ihre Auskunft
sofort, während die Beurteilung der Fieberhaftigkeit längere Beobachtung
BD XITBMEFIS. ` TUBERKULINPROBEN UND TUBERKULINKUREN. 205
erfordert, und sie gibt sie auch bei bestehendem Fieber, dessen Bewertung
naturgemäß in sich verschieden ist und sich deshalb recht oft schwierig gestaltet.
Man wird von einer derartigen klinischen Reaktion nicht verlangen, daß
sie ein absolutes Werkzeug sei: Wir müssen mit Fehlergrenzen rechnen. Wenn
aber die Genauigkeit auch im Bereiche von etwa 5°/, schwanken sollte, so
würde das den Wert der Probe nicht aufheben; sie würde eine willkommene
Ergänzung unserer klinischen Hilfsmittel bleiben, die gerade bei der Prognostik
der Lungentuberkulose eine solche Ergänzung brauchen können.
Wir haben nun in Hohenhonnef die konjunktivale Tuberkulinprobe hin-
sichtlich ihrer prognostischen Bedeutung einer Nachprüfung unterzogen. Wir
haben uns dabei möglichst genau an die Vorschriften des Entdeckers gehalten,
wie sie vorher dargelegt wurden, und die Ergebnisse mit der Beurteilung der
organischen Widerstandskraft, wie sie aus der sonstigen klinischen Untersuchung
sich ergibt, in Vergleichung gestellt. Wir haben vorzugsweise solche Fälle
gewählt, wie die rein klinische Beurteilung wenigstens für die zunächst abseh-
bare Zukunft der betreffenden Kranken durch längere Beobachtung ausreichend
begründet war. Das Ergebnis ist eine recht befriedigende Übereinstimmung
mit den Angaben und Darlegungen Wolff-Eisners. Zunächst ist zu betonen,
daß die Probe niemals irgendwie bedenkliche oder auch nur beschwerliche
Folgen hatte; nur in wenigen Fällen wurden Borwasser-Umschläge verordnet,
um die Reizerscheinungen zu lindern. Versagt hat die Probe nur in 3 von
78 Fällen, das heißt hier trat eine ausgesprochene Reaktion auf, obwohl es
sich um schlechte Fälle mit ungünstigem Verlaufe handelte. Das würde einer
Fehlergrenze von etwa 4°/, entsprechen. Diesen Fällen stehen übrigens 2 andere
gegenüber, wo umgekehrt die nach dem sehr schwachen Ausfall der Reaktion
ungünstige Beurteilung durch den weiteren Verlauf sich bestätigte, während sie
rein klinisch nicht so schlecht schien. — Auffallend starke Reaktionen, die
nur selten auftraten, scheinen eine besondere Bedeutung nicht zu haben. Man
hat den Eindruck, daß normale, das heißt mäßig starke Reaktionen am ehesten
ein prognostisch günstiges Urteil erlauben.
Zu bemerken ist, daß in einigen seit längerer Zeit zum Stillstand gelangten
Fällen die Reaktion sehr schwach ausfiel oder auch fehlte. Völlig fehlte sie in
einigen anderen Fällen, die auch klinisch nicht als Tuberkulosen anzusprechen
waren (multipler Lungenabszeß, chronisch-katarrhalische Pneumonie): Wenn sich
die Fälle dem Gesunden nähern, oder wenn es sich nicht um Tuberkulose
handelt, fallt die Probe negativ oder annähernd negativ aus. Das stimmt zu
zu der Angabe Wolff-Eisners, daß von Gesunden nur ?/, konjunktival `
reagieren. Ähnliches gilt aber nun auch für die schweren und schwersten
Fälle. Man könnte das für einen Fehler der Methode halten. Doch lassen
sich diese Extreme wohl stets leicht auseinanderhalten. — Daß alle Menschen,
die konjunktival reagieren, nicht nur tuberkulös infiziert sind, sondern auch
mit großer Wahrscheinlichkeit mehr oder minder aktive Herde haben, ist eine
Schlußfolgerung, die sich schon aus der relativen Seltenheit einer positiven
Reaktion bei Gesunden ergibt. Die praktisch wichtigste Folgerung bleibt aber,
daß ein Patient mit manifester Lungentuberkulose, bei dem die konjunktivale
SE ZEITSCHR. f.
Spe E. MEISSEN. ` _______TUBERKULOSE
Tuberkulinprobe deutlich positiv ausfällt, mit einer Wahrscheinlichkeit von
etwa 25:1 seiner Erkrankung für die nächste Zukunft zu widerstehen vermag
und Aussicht hat, mit Hilfe der üblichen hygienisch-diätetischen Maßnahmen
weiteren Erfolg zu erreichen, vielleicht zum Siege zu gelangen. Es wird sich
empfehlen, die Probe mit Wechsel des Auges etwa alle 6 Wochen zu wieder-
holen, um einen Anhalt für die weitere Beurteilung des Falles zu gewinnen.
Jedenfalls ermuntern diese Ergebnisse zur weiteren Prüfung dieser ein-
fachen und gefahrlosen Probe, und es wäre von nicht geringer praktischer Be-
deutung, wenn sie Bestätigung fände: Zu einem endgültigen Urteil sind größere
Zahlenreihen erforderlich als dem Einzelnen in kurzer Zeit zur Verfügung
stehen. —
In den letzten Jahren hat das Tuberkulin auch zu Heilzwecken wieder
mehr, zum Teil recht begeisterte Anhänger gefunden. Diese berichten von
vorzüglichen Erfolgen, die sie der Tuberkulinkur allein zuschreiben, obwohl
doch gleichzeitig klimatische und hygienisch-diätetische Maßnahmen in An-
wendung kamen. Sie befürworten die Einführung in die allgemeine Praxis,
und betonen doch selbst die Schwierigkeit der Dosierung des zweischneidigen
Mittels im einzelnen Fall und die Notwendigkeit oft wiederholter, genauer
Temperaturmessungen, was außerhalb des Krankenhauses oder der Anstalt nur
ausnahmsweise durchführbar ist. Ihnen gegenüber stehen die Skeptiker, die
trotz eifrigen Bemühens diese glänzenden Leistungen nicht zu erkennen ver-
mögen. Wir verfügen zurzeit wohl über ein volles Dutzend verschiedener
Tuberkuline, deren jedes besondere Vorzüge beansprucht, und zy denen doch
immer wieder neue Modifikationen hinzutreten. Jedenfalls ist die Frage noch
nicht geklärt, ob diesen eigenartigen Giftstoffen wirklich spezifische Heilkraft zu-
kommt. Auch der Skeptiker möchte diese Frage gern gelöst sehen, und würde
dafür gern auf die endlosen theoretischen Darlegungen verzichten, die alle
Tuberkulin-Empfehlungen begleiten, weil es doch mehr auf bewiesene Tat-
sachen als auf beweisen sollende Theorien ankommt. Wir sind also auf
weitere Versuche angewicsen.
Zwei Wirkungen werden dem Tuberkulin zugeschrieben: Eine hyperámi-
sierende auf das „tuberkulöse Gewebe“, im besonderen auf die Umgebung der
tuberkulösen Herde, und eine immunisierende gegen die Wirkungen des
Tuberkelpilzes. Die erste ist unbestritten; auf ihr beruht die lokale Reaktion
der alten und in abgeleiteter Weise auch der neuen Tuberkulinproben. Die
zweite aber ist unbewiesen, solange die Tierversuche nicht klarere, über-
einstimmendere Ergebnisse zeigen. Man erreicht ersichtlich nur eine Immuni-
sierung gegen das betreffende Tuberkulin, nicht einmal gegen andere Tuber-
kuline, ein für den Kranken recht zweifelhafter Gewinn. Ich ziehe es deshalb
vor, mich an die hyperämisierende Wirkung zu halten und darauf allein eine
Tuberkulinkur zu begründen. Jedes Tuberkulin hat seine besonderen Ver-
ehrer. Ich verwende mit Vorliebe das Kochsche Alttuberkulin, das am gleich-
mäßigsten hergestellt wird, und auch sonst wie es scheint am meisten beliebt
ist. Zur Behandlung wähle ich solche Fälle, deren Eigenart ich durch längere
Beobachtung ausreichend kenne, die auch vorwärts gekommen sind, wo aber
mo, mom o ————— O O
BD.XULHEFTS. ` TUBERKULINPROBEN UND TUBERKULINKUREN.
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der Fortschritt dann zu stocken scheint. Bei diesen beginne ich mit sehr
geringen Dosen, oft Bruchteilen eines hundertstel Milligrammes, so daß ich auch
die so genannte Überempfindlichkeit nicht zu fürchten brauche. Denn ich habe
garnicht die Absicht, zu besonders hohen Dosen zu gelangen, weil ich an
eine Immunisierung gegen den Tuberkelbazillus nicht glaube und weil eine
Immunisierung gegen größere Mengen Tuberkulin zwecklos ist. Wie rasch ich
steige und wie hoch ich gehe, hängt vom Verlauf und der Eigenart des be-
handelten Falles ab; genaue Temperaturmessungen und sorgfältige physi-
kalische Untersuchungen geben den nötigen Anhalt. Die Absicht ist, einen
gelinden Reiz auf die erkrankten Stellen auszuüben, ähnlich wie man eine
schlecht heilende Wunde durch geeignete Applikationen anzuregen sucht. Es
liegt nahe, die Behandlung mit der Kuhnschen Maske oder ähnliche Maß-
nahmen in Vergleichung zu stellen. Doch liegt die Sache hier immerhin
anders, und man erreicht niemals eine so „spezifische“ Wirkung auf die er-
krankten Gebiete wie mit dem Tuberkulin.
Ich meine auf diese Weise in einigen Fällen zum günstigen Verlaufe bei-
getragen zu haben, so daß die Ernährung und das Gesamtbefinden sich besserten,
langwierige subfebrile Temperaturen verschwanden, auch örtliche Besserung
hervortrat. Wenn bei den Kranken etwas Suggestion mitwirkte, so war das
jedenfalls nicht schädlich. Doch meine ich die Tuberkulinwirkung allgemein
wie örtlich stets konstatiert zu haben, auch bei sehr geringen Dosen.
Das Ergebnis meiner Beobachtungen kann ich in folgenden Sätzen
zusammenfassen:
1. Die Abnahme der Tuberkulose-Sterblichkeit in England und Deutsch-
land beruht nicht auf einer Abnahme der tuberkulösen Infektion, sondern auf
der Verminderung der tuberkulösen Erkrankung infolge der sozialhygienischen
und sozialpolitischen Fortschritte. Tuberkulöse Infektion und tuberkulöse Er-
krankung sind zu trennen, zur Entwickelung dieser gehören allermeist aus-
lösende Momente.
2. Die subkutane Tuberkulinprobe ist ein schr feines Reagens sowohl für
die tuberkulöse Infektion wie für die tuberkulöse Erkrankung. Sie ist nicht
ganz ungefährlich und überdies für die klinische Diagnose im allgemeinen zu
fein. Für diese eignet sie sich nur in solchen Fällen, wo die auftretende
lokale Reaktion dem Auge oder dem Ohr zugänglich ist.
3. Die kutane Tuberkulinprobe steht an Empfindlichkeit der subkutanen
kaum nach. Sie eignet sich durch ihre Einfachheit und Gefahrlosigkeit ganz
besonders zu Untersuchungen über die Verbreitung der tuberkulösen Infektion,
um die Ergebnisse der pathologischen Anatomie zu ergänzen, und dadurch zu
richtigeren Vorstellungen über die Entstehung der Tuberkulose zu gelangen.
4. Die konjunktivale Tuberkulinprobe ist bei richtiger Ausführung ganz
unbedenklich. Sie eignet sich anscheinend zu prognostischen Zwecken, das
heißt zur Beurteilung der Widerstandsfähigkeit des tuberkulös erkrankten Orga-
nismus: Fehlende oder sehr schwache Reaktion bei manifester Lungentuber-
kulose ist fast stets von übler Vorbedeutung, positiver Ausfall bedeutet mit
=p 17 e ` "RE ZEITSCHR. 1.
208 MEISSEN, TUBERKULINPROBEN UND TUBERKULINKUREN. JUBERKULONE
großer Wahrscheinlichkeit, daß der Organismus noch kampffähig ist und mit
Unterstützung hygienisch - diätetischer Maßnahmen vielleicht zum Siege ge-
langen kann. l
5. Das Tuberkulin ist kein erwiesenes Heilmittel der Tuberkulose. Seine
Anwendung erfordert sorgfältige Überwachung wie sie im allgemeinen nur in
Anstalten und Krankenhäusern möglich ist; sie sollte nur in ausgewählten
Fällen versucht werden nach einem Verfahren, das sich auf die zweifellos vor-
handene hyperämisierende, anregende Einwirkung auf die tuberkulösen Herde
stützt, auf die streitige immunisierende Wirkung aber verzichtet.
BI STRANDGAARD, KONSTITUTIONELLE URSACHEN ETC, 209
XII.
Uber konstitutionelle Ursachen zu Lungenblutungen.
(Mitteilung aus dem Boserup Sanatorium zu Kopenhagen, Dänemark.)
Von
N. J. Strandgaard, Chefarzt.
| auf das Bersten. der fettdegenerierten Wandung in aneurysmatischen
2.3, Erweiterungen der Lungenarterienzweige, die in größeren oder kleineren
ka liegen, zurückzuführen sind, wird nach Untersuchungen, angestellt
von Fearn, Cotton, Peacock, Rokitansky, Rasmussen u. a., allgemein
angenommen. Aus diesem Grunde werden Hämoptysen bei der Lungentuber-
kulose von vielen, z. B. von Gerhardt, geradezu als ein Kavernensymptom
angesehen.
Nach Ansicht der meisten Verfasser, wie beispielsweise Cotton, C. T.
Williams, Harris and Beale und vieler anderer ist die Hämoptyse ein
Symptom, das sich nur ungefähr bei der Hälfte der Fälle von Lungentuber-
kulose vorfindet, was mit der vom Verfasser selbst gemachten Erfahrung über-
einstimmt.
Unter den ca. 1600 Phthisikern männlichen und weiblichen Geschlechts,
die während der Jahre von 1902—1907 an dem Boserup Sanatorium zur Be-
handlung gelangten, war Hämoptyse zu dem einen oder anderen Zeitpunkte des
Verlaufes der Krankheit in 55%, der Fälle vorhanden gewesen, und zwar bei
männlichen Patienten 59, bei weiblichen 30°/,. Alle, selbst ganz kleine Blutungen,
sind mitinbegriffen, während sämtliche zweifelhaften Fälle, in denen das Blut
etwa aus der Nase, dem Ventrikel, dem Zahnfleisch und ähnlichem herrühren
könnte, ausgeschlossen sind.
Die Häufigkeit, mit welcher die Hämoptyse in den verschiedenen Stadien
auftrat, war im I. Stadium 50, im Il. Stadium 59 und im III. Stadium 59%,
(für männliche Patienten 54 bezw. 63 und 61°/,, für weibliche Patienten 46
bezw. 52 und 57°/,). Ferner trat Hämoptyse in 45 bezw. 50, 58, 66, 71, 70
und 79°/, der Fälle ein, je nachdem die Krankheitsdauer bis ?/,, 1, 2, 3,
5, 7, 9 Jahre oder mehr währte. |
In febrilen Fällen wurde Hämoptyse bei 57, in afebrilen Fällen bei
53°/, konstatiert (bei männlichen Patienten 60 bezw. 58°/,, bei weiblichen 55
bezw. 45°/,). Unter den mit Bazillen behafteten Phthisikern betrug der
Hämoptyseprozentsatz 59, unter denjenigen, bei denen Bazillen nicht nach-
gewiesen waren, 46°/, (bei Männern 61 bezw. 52°/,, bei Frauen 55 bezw. 41°/,).
Wie es ja auf der Hand liegt, wird die Neigung zur Hämoptyse demnach
geradezu mit der Verbreitung, Dauer und Intensität stärker. Das Symptom
hat daher auch eine gewisse prognostische Bedeutung. Dieses geht auch daraus
hervor, daß der Hämoptyseprozentsatz — soweit das hier vorliegende Material
in Betracht kommt — 50 bezw. 54, 54, 62, 59, und 70 betrug, je nachdem die
betreffenden Patienten vom Sanatorium als relativ geheilt, bedeutend ge-
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIII. 14
210 N. J. STRANDGAARD. ER
bessert, gebessert, unverändert, verschlimmert entlassen wurden oder
daselbst verstarben {bei Männern 55 bezw. 57, 60, 64, 64 und 75"/,, bei
Frauen 45 bezw. 51, 48, 59, 52 und 61°/,).
Indessen berechtigt der Umstand, daß die Lungentuberkulose ohne jegliche
Spur von Blut im Auswurf verlaufen kann, selbst da, wo der Prozeß in den
Lungen sehr ausgedehnt und von stark destruktivem Charakter ist, während es
andererseits nicht zu den Seltenheiten gehört, daß selbst erhebliche Lungen-
blutungen in Fällen entstehen können, wo die stethoskopischen Phänomene
derartig gering sind, daß man sogar an der Richtigkeit der Diagnose zweifeln
könnte, falls nicht Tuberkelbazillen im Auswurfe sich vorfänden —, zu dem
Gedanken, daß mit der Lungentuberkulose in Verbindung stehende Blutungen
nicht allein auf pathologisch-anatomische Veränderungen, die eine Folge der
Krankheit sind, zurückzuführen sind, sondern, daß auch angeborene oder er-
worbene Eigentümlichkeiten der Konstitution bei einigen Individuen vorkommen,
so daß diese leichter Lungenblutungen als andere, wenn sie von der Lungen-
tuberkulose angegriffen werden, ausgesetzt sind.
Dieses Verhältnis scheint nicht sonderlich beachtet worden zu sein, und
es findet sich auf jeden Fall nicht viel hierüber in der Literatur.
Felix Wolff (1896) ist, soweit bekannt, der erste, der näher.die Sache
berührt. Er fand, daß große Menschen leichter zu Lungenblutungen neigen
als kleine. Unter 100 Männern, ohne Rücksicht auf die Größe, war Hamoptyse
bei 40%/, vorgekommen, bei denen aber, die über 175 cm groß waren, betrug
der Hämoptyseprozentsatz 66°/,, und bei denen, deren Größenmaß 179 cm
überstieg, sogar 89°/,, wogegen der Prozentsatz derer, die ein Maß unter 170 cm
hatten, nur 16°/, war. Unter 100 Frauen war der Prozentsatz 23 ohne Rücksicht
auf die Größe. Wolff ist der Ansicht, daß ein relativ hämophiler Zustand mit
einer größeren Körperlänge verbunden ist und sucht hierin eine Erklärung
dieses Phänomens.
Hans Weicker (1399) hat durch Untersuchung eines erheblich größeren
Materiales, nämlich einer Anzahl von 646 Phthisikern, die Richtigkeit der
\Wolffschen Resultate bestätigen können; 23,9°/, seiner Patienten hatten eine
Körpergröße von 171—180 cm, doch hatten von denen, die Hämoptyse gehabt
hatten, 30,5°/, dieselbe Körpergröße, wogegen die geringeren Körpergrößen
gleichmäßig stark unter Blutern und Nichtblutern vertreten waren. Weicker
sucht nicht nach einer Erklärung dieses Phänomens.
A. Naumann (1901) hat durch Untersuchung von etwas mehr als
100 Patienten unter 35 Jahren nicht gefunden, daß die Wolffschen und
Weickerschen Resultate sich bestätigen. Ebenfalls ergab die Untersuchung
des Brustumfanges und des Brustdurchmessers resp. deren Verhältnis zueinander
sowie zur Körperlänge kein positives Resultat hinsichtlich eines mehr oder
minder häufigen Vorkommens von Lungenblutungen. Das Naumannsche
Material ist jedoch zu klein als daß man darauf bauen könnte, und er gibt
keine detaillierte Auskunft. — In einer anderen Arbeit sucht Naumann nach-
zuweisen, daß die Neigung zur Hämoptyse oft mit einem besonders hohen
Blutdruck zusammenhängt. Ein ähnlicher Gedanke ist bereits früher von
en. PS S KONSTITUTIONELLE URSACHEN ZU LUNGENBLUTUNGEN. 211
Piassietzky ausgesprochen worden. Derselbe meint, daß der tuberkulóse
ProzeB durch Verursachung einer Thrombosierung und Obliteration eines Teiles
der Zweige des art. pulmonalis erhóhten Blutdruck in anderen Zweigen und
konsekutive Hypertrophie des rechten Ventrikels bewirkt, und da dieser am
leichtesten in den afebrilen, mehr gutartigen Fällen, aber weniger leicht in
febrilen und kachektischen Fällen zustande kommt, tritt Hämoptyse leichter in
den erstgenannten als in letzteren Fallen auf. Barbary (1905) meint sogar,
daß der Druck des Blutes stets vor dem Eint.itt einer Hämoptyse erhöht ist,
entweder permanent oder vorübergehend. Auch J. M. Anders (1907) legt
dem kongestiven Moment neben dem ulzerösen und erosiven eine Bedeutung
bei, während C. W. Branch (1906) und L. Flick (1907) gefunden zu haben
glauben, daß der infektiôse Moment (Mischinfektionen) wiederholt eine Rolle
beim Entstehen der Hämoptysen spielt. Keiner dieser Verfasser spricht über
die Rolle, die die Eigenarten der Konstitution für die Pathogenese der Hämo-
ptysen möglicherweise spielen könnte. Mircoli (1901) ist, wie ebenfalls auch
Wolff der Ansicht, daß Lungenblutungen in einigen Fällen auf einer Art
„tuberkulöser Hämophilie“ beruht, und daß diese eine spezielle Ursache zu den
initialen Lungenblutungen ist, die unabhängig von Verletzungen der Atmungs-
wege auftreten, doch erwähnt er nichts von deren eventueller Abhängigkeit von
der Körpergröße.
Soweit bekannt, ist im übrigen in der Literatur nichts mitgeteilt betreffs
Untersuchungen über die größere oder geringere Neigung zu Lungenblutungen
und deren möglichem Zusammenhang mit den Konstitutionseigenschaften der
betreffenden Personen.
Es dürfte daher nicht ohne Berechtigung sein, die Richtigkeit der Behauptung
von Wolff und Weicker mit Hilfe eines größeren Materiales zu untersuchen.
Tabelle I enthält den Hämoptyseprozentsatz auf Grund der Körpergröße
bei 1607 männlichen und weiblichen Phthisikern.
Tabelle L
Körpergröße | Männer Weiber Beide Geschlechter
(cm) | mit | ohne à | mit | ohne | mit ohne ES J
"Blus, Blutg. | lo Blutg. | Blutg. | | KR Blutg. Bl Za d
> 180 | 43 13 |77 EN — | = | — 43 13 Nee
180—176 | 68 42 |62 2 | 2 !50 70 44 | 61
175—171 | 161 100 Se 13 | HI eal 174 ECH 9 q
170—166 | 147 97 |60 64 | 40 he 211 137 | 61
165—161 | 72 69 5 51 105 | 87 ¡55 177 | 156 ¡53
GË 48 | | las
160—156 28 30 87 | 120 |42 115 150 | 43
155— 151 5 8 CG d 61 | 57 |52 Jas 66 | 65 | 50 las
nmn | 4| 8 a 26 | 37 e i a 45 wirt
Zusammen E 528 | 367 ' 59 A 358 | 354 :50 | 886 | 72 r| 55
Aus vorstehendem ist eine auffallende Steigerung des Hämoptyseprozent-
satzes ersichtlich, je nachdem die Körpergröße zunimmt. Zieht man das ganze
Material in Betracht, beträgt der Prozentsatz, wie früher erwähnt, 55°/,, für
männliche Individuen 59, für weibliche 50°/,. Wird das Material in 2 Hälften
1}°
N F . ZEITSCHR. 1.
212 | © N.J, STRANDGAARD. 1UBERKULOSE
geteilt, je nachdem die Größe mehr als 165 cm oder unter 166 cm beträgt,
so zeigt es sich, daß der Hämoptyseprozentsatz 62 bezw. 60 und 62°}, beträgt,
bezw. für Männer, Frauen und beide Geschlechter zusammen, soweit es sich um
die großen Individuen handelt, während der Prozentsatz 49 bezw. 48 und 48°/,
beträgt für Männer, Frauen und beide Geschlechter, soweit es sich um die
kleinen Individuen handelt. Wird das Material in 4 Größengruppen geteilt, so
steigt der Prozentsatz von 47 bei den kleinsten auf 49, 61 und auf 66"/, bei
den größeren und größten, bei einer Teilung in 8 Größengruppen zeigt sich
sogar eine Steigung von 40, bei den kleinsten bis 50, 43, 53, 61, 61, 61 und
77%/,, je nachdem die Körpergröße 155, 160, 165, 170, 175, 180 und mehr
als 180 cm beträgt. Eine ähnliche Steigung findet sich auch bei jedem
Geschlecht für sich vor, insbesondere bei den Männern, bei denen eine ganz
gleichmäßige Steigung von 33°/, bei Individuen unter 151 cm bis 39, 48, 51,
60, 62, 62 und 77°/, bei Individuen von einer Größe bis 155, 160, 165, 170,
175, 180 und über 180 cm zu konstatieren ist. Bei weiblichen Personen ist
eine entsprechende Steigung weniger ausgesprochen, was jedoch auf den kleinen
Zahlen, soweit die höchsten Gruppen in Betracht kommen, beruhen kann.
Jedenfalls läßt sich kaum bezweifeln, daß der Hämoptyseprozentsatz nicht
allein viel größer bei großen Individuen als bei kleinen ist, sondern es ist auch
ersichtlich, daß dieser einigermaßen gleichmäßig proportional mit der Körper-
größe steigt.
Unwillkürlich muß man sich nach einer entsprechenden L.ösung eines
scheinbar so überraschenden Phänomens umsehen.
Zunächst muß man untersuchen, welche Rolle das Alter spielen kann.
Was die niedrigeren Altersklassen anbetrifft, wird ja nämlich die Größe mit
dem Alter zunehmen, und da dieses ja wiederum in einem gewissen Verhältnis
zur Krankheitsdauer steht und dadurch auch zur mehr oder minder großen
Neigung zur Hämoptyse, ließe sich die Abhängigkeit der letzteren von der
Größe vielleicht teilweise hierdurch erklären.
Tabelle II.
Alter Männer Weiber Beide Geschlechter
(Jahr) mit | ohne "a mit | ohne e | o mit | ohne ; ee
Blutg. Blutg. 0 _| Blutg. | Blutg. 9 Blutg. ` Blutg. | ` lo
< 16 8 21 28 13 36 27 21 57 27
16—20 | 68 | 65 SG 49 82 7] di 117 | 147 aa} 40
21—25 | 113 71 OË 93 80 SÉ 206 151 65) 57
26— 30 | 97 78 | 55 80 65 55 177 | 143 | 55
31—35 85 43 | 66 53 39 58 138 82 | 63
36—40 64 27 S 68 40 26 at 57 104 53 ee 64
41—45 | 49 30 | 14 18 al 63 48 e
iI 7 H
46—50 30 23 y ° 10 9 53 ` 40 | 32 56 56
> 50 i 19 9 68 5 I 83 24 | 10 71
Zusammen | 533 : 367 | 59 "Tt 357 EE? | 50 890 | 723 | 55
Aus der Tabelle II ist ersichtlich, daß der Hámoptyseprozentsatz von 270,
bei Individuen unter 16 Jahren auf 44, 58, 55, 63, 66, 57, 56 und 71°/, steigt,
BD. "wë ra KONSTITUTIONELLE URSACHEN ZU LUNGENBLUTUNGEN. 213
je nachdem das Alter 20, 25, 30, 35, 40, 45, 50 und mehr als 50 Jahre beträgt.
Es sind demnach insbesondere die Altersklassen unter 21 Jahren, die einen
besonders niedrigen Hämoptyseprozentsatz zeigen. In den übrigen Altersklassen
variiert der Prozentsatz nur mit geringer Tendenz zum Steigen mit dem Alter.
Das Verhältnis stellt sich ungefähr gleich bei Männern und bei Frauen. Es
sind somit die Altersstufen unter 21 Jahren, die außer Betracht zu lassen sind,
wenn das Verhältnis des Hämoptyseprozentsatzes zur Körpergröße vom Alter
unabhängig untersucht werden soll.
Dieses ist aus Tabelle III ersichtlich, in der nur die Altersklassen über
20 Jahre mitberechnet sind.
Tabelle UL
Männer Weiber Beide Geschlechter
Körpergröße |
(cm) mit | ohne wu mit | ohne D å mit | ohne | e u
ze IE Paten | lo i Blutg. | Blutg. | lo Blutg. ; Blutg. lo |
> 180 A8 | II 78 — — '— 38 | 11 | 18
180—176 1.62 | 33 sf I 2 | 33 63 35 64169
175—171 L 140 | 83 e ke 13 8 ¡62 lez 153 st a 164
170— 166 _ 128 | 75 ch 3 5I | 30 6563 179 105 63} 63
165—161 | 62 59 88 | 58 |60 150 117 |56
52 153 53
160—156 21 18 a 77 88 147 98 106 |48 53
155—151 2 | 3 |40 lsz 49 | 42 E SI ol Ap a,
< 151 o = — |— 16 | 12 GE 55 16 y 12 57
Zusammen | 453 | 282 |62 | 295 295 lk 240 | ras 748 | 522 522 | 59 |
Man sieht, daß der paa was ja auch We? ist, im
ganzen sich etwas hôher stellt, wenn die niedrigen Altersklassen ausgeschlossen
werden, indem der Prozentsatz für das ganze Material 62 bezw. 55 und 59%,
für Mánner, Frauen und beide Geschlechter ausmacht (gegen 59,50 und 55°},
in der Tabelle D Im übrigen ist aber der Prozentsatz bedeutend größer soweit
die Hälfte der Größeren in Betracht kommt, nämlich 65, 62 und 64 bezw. für
Männer, Frauen und beide Geschlechter gegen 52, 53 und 53°/,, soweit die
Hälfte der kleineren Personen in Betracht kommt. Bei den Männern steigt der
Prozentsatz auch ziemlich proportional mit der Größe, indem dieser 40, 54, 51,
63, 63, 65 und 78°/, beträgt im Verhältnis zur Höhe bis 155, 160, 165, 170,
175, 180 und über 180 cm. Bei den Frauen ist ein entsprechendes Verhältnis
weniger ausgesprochen.
Es läßt sich demnach kaum bezweifeln, daß der Hämoptyseprozentsatz
vom Alter unabhängig wirklich in einer oder anderen Weise im Verhältnis zur
Körpergröße steht. Die Möglichkeit, daß die Krankheit, was das hier in Frage
kommende Material anbetrifft, zufälligerweise mehr unter solchen von hoher
Statur als unter solchen von niedriger Statur ausgebreitet und vorgeschritten
sein sollte, kann unberücksichtigt gelassen werden, indem die verschiedenen Stadien
gleichmäßig in allen Größengruppen vertreten sind, ein Verhältnis, das ver-
mutlich nicht mit Zahlen belegt zu werden braucht. Durch Beispiel soll nur
erläutert werden, daß das IIL Stadium unter den Patienten von hoher Statur
!/, aller Fälle ausmachte, während es !/, der Fälle unter den Patienten von
3 ZEITSCHR. f.
214 | 5 N. J. SIR En TUBEREULOSE
kleinerer Statur bildete. Die Krankheit war somit verhältnismäßig am meisten
unter den letztgenannten Patienten verbreitet. Die Frage ist jetzt die, ob es
möglich ist, eine passende Erklärung der Abhängigkeit des Hämoptyseprozent-
satzes von der Körpergröße zu finden.
Daß es sich eigentlich nicht denken läßt, daß diese letztere direkt auf
die Neigung zum Blutspeien einen Einfluß ausüben kann, ist einleuchtend. Es
dürfte daher das richtigste sein, eine Untersuchung anzustellen, ob andcre
Faktoren, die mit der Körpergröße in Verbindung stehen, ein ähnliches Ver-
hältnis zum Ilämoptyseprozentsatze zeigen. Es liegt vor allen Dingen nahe,
zuerst den Gedanken auf die Dimensionen des Brustkastens selbst zu richten,
den Diameter antero-posterior, den Querdiameter und den Brust-
umfang. Der erstere wurde bei 1518 Männern und Frauen in gleicher Höhe
mit dem angulus Ludowici gemessen, der Querdiameter bei 1311 Männern und
Frauen in der Höhe der Pappilärtransversale und der Brustumfang bei 895 Männern
in derselben Höhe, dagegen nicht bei den Frauen, bet denen die Weichteile
eine zuverlässige Messung des Brustumfanges nicht gestatten. Das Verhältnis
des Hämoptyseprozentsatzes zu diesen Maßen sind in den Tabellen IV, V und
VI in der ersten Kolonne für sämtliche Altersklassen aufgeführt, in der zweiten
Kolonne für die Altersklassen von 21—40 und in der dritten Kolonne für die
Altersklassen von 26—35 Jahren. Durch Mitaufführung der beiden letzten
Kolonnen wird vermutlich der Einfluß ausgeschlossen, den sowohl die juvenilen
als auch die senilen Veränderungen in den Brustmaßen möglicherweise haben
könnten.
Aus diesen Tabellen geht hervor, daß eine noch größere Übereinstimmung
zwischen dem Hämoptyseprozentsatz und den Brustmaßen existiert als zwischen
jenem und der Körpergröße. Der Hämoptyseprozentsatz steigt beispielsweise
ganz allmählich von 34 bis 49, 58, 64, 81 und 83°;,, im selben Verhältnis wie
der Diam. ant. post. von weniger als 15 cm auf mehr als 22 cm steigt.
Der Prozentsatz steigt von 29 auf 48, 49, 56, 59, 60 und 100%/,, im selben
Verhältnis wie der Querdiamcter von weniger als 21 auf mehr als 30 cm
steigt, und derselbe steigt von 42 auf 51, 58, 65 und 73°/,, im selben Ver-
hältnis wie der Brustumfang zunimmt von unter 75 auf über 89 cm. Das
Verhältnis ist in bezug auf den Diameter bei Männern und Frauen gleich aus-
geprägt, und die Ausschließung der jüngsten und ältesten Altersklassen von
der Berechnung ergibt keine nennenswerte Veränderung des Verhältnisses. Nur
soweit der Querdiameter in Frage kommt, ist es in den mittleren Altersklassen
(Tabelle V) weniger ausgeprägt, das indessen leicht seine Erklärung durch die
verhältnismäßig kleinen Zahlen findet. Andererseits ist das Verhältnis sehr gut
ausgeprägt, was Diam. ant. post. anbctrifft, bei den Altersklassen von 26 bis
35 Jahren, wo der Hamoptyseprozentsatz von 38 auf 48, 60, 65, 94 und 100°/,
steigt, je nachdem der Diameter von unter 15 bis über 22 cm zunimmt, und
in derselben Altersklasse steigt der Prozentsatz von 50 bis 51, 54, 66 und 71°/,,
je nachdem der Brustumfang von weniger als 75 auf mehr als 89 cm steigt.
I's ist also nicht nur ganz im allgemeinen eine größere Neigung zu
Lungenblutungen bei Individuen von großem Brustmaf als bei solchen von
215
N.
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BD.XII HEFT 3.
KONSTITUTIONELLE URSACHEN ZU LUNGENBLUTUNGE
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: ZEITSCHR. f.
216 N. J. STRANDGAARD. _ TUBERKULOSE
kleinem Brustmaf vorhanden. Der Hämoptyseprozentsatz steigt allmahlich
nahezu für jedes Zentimeter, das die Maße zunehmen.
Tabelle VL
| | Sämtliche Alters-
Brustumfang klassen | He Jahr 20—35 a —
(cm) mit | ohne | 9, mit | ohne e mit | ohne o)
Blutg. | Blutg. | /° | Blutg. Blutg. | lo | Blutg. * Blutg. | *
100— 90 l 100 | 37 | 73 68 | 26 | 72 36 df 5 | 71
89—85 158 | 84 | 65 | 114 | 55 67 67 34 66
84—80 _ 167 128 | 58 123 | 80 61 57 48 | 54
79—75 , "9 75 : 61 46 | 46 50 19 18 | 51
75 | 28 | 39 | 42 8 : |
9 47 3 3
| | 50
Zusammen | 532 | 363 | 59 |
Da eine Erklärung für das hier nachgewiesene auffallende Phänomen nicht
direkt im Maße des Brustkastens selbst gesucht werden kann, liegt es nahe,
den Gedanken auf den Inhalt desselben, speziell auf die Lungen und das Herz
zu richten.
Die Möglichkeit, daß in den Lungen und in deren Verhältnis zu den
Brustmaßen sich eine Erklärung für die Abhängigkeit des Hämoptyseprozentsatzes
von den Körperdimensionen finden ließe, ist nicht sehr wahrscheinlich, wenn
sie auch von vornherein sich kaum abweisen läßt. Daß die Lungengefäße
geradezu dünnwandiger und leichter zum Bersten geneigt sein soliten, je größer
der Brustkasten ist, läßt sich wohl nicht mit Wahrscheinlichkeit annehmen, wie
es auch höchst unwahrscheinlich ist, daß überhaupt irgendwelche Art von
Hämophilie mit den Körper- und Brustmaßen in Verbindung stehen sollte.
Für das zu der vorliegenden Arbeit benutzte Material sind 398 Phthisiker genau
und sorgfältig in bezug auf die Symptome der Hämophilie sowohl bei sich
selbst als auch bei deren Familien befragt worden, aber bei keiner einzigen
dieser 398 Personen ließ sich zweifellose Hämophilie nach gewöhnlicher Auf-
fassung nachweisen. Nur bei 14 zeigten sich vage und unbestimmte Symptome
wie häufiges Nasenbluten, reichliches Bluten beim Zahnausziehen u. dergl., was
sich als Zeichen einer ganz leichten, aber doch höchst zweifelhaften Hämophilie
deuten ließe; von diesen 14 Personen hatten nur 8 Hämoptyse gehabt, die für
keine derselben besonders gefahrdrohend gewesen war, während die 6 anderen
nie das geringste Zeichen von Blut im Auswurf gehabt hatten. Eine speziell
tuberkulöse Hämophilie, wie von Wolff und Mircoli angenommen, ist somit
unwahrscheinlich.
Es ließe sich die Möglichkeit denken, daß eine Krankheit wie Rachitis,
die ja durch Einwirkung auf das Knochensystem ohne Zweifel auf das Körper-
insbesondere auf das Brustkastenmaß Einflu haben kann, ebenfalls derartige
Störungen der Ernährung in den Lungen verursachen könnte, daß daraus
besonders spröde Gefäße entstehen könnten, um so mehr da ja Rachitis angeblich
zur Lungentuberkulose disponieren soll. Wenn dieses sich so verhiclte, müßte
die Hamoptyse besonders häufig bei Phthisikern, deren Brustkasten Mißbildungen
aufweisen, die von einer wahrend der Kindheit durchgemachten Rachitis her-
BD.XUI HEFT. KONSTITUTIONELLE URSACHEN ZU LUNGENBLUTUNGEN. 217
rühren, auftreten. Von solchen Patienten sind für dic vorliegende Arbeit im
ganzen 109 beriicksichtigt worden. Von diesen hatten nur 54 Hämoptyse
gehabt, wogegen dieses bei den restlichen 55 Personen nicht der Fall gewcsen
war, so dab demgemäß Rachitis nicht besonders zur Hämoptyse disponiert.
Es ließe sich ferner denken, daß eine spezielle Neigung zur Hämoptyse
bei den erblich disponierten vorhanden wäre. Der Hämoptyscprozentsatz
war bei dem vorliegenden Material 57"/, bei den tuberkulös disponierten, 53°},
bei den nicht disponierten (bei männlichen Patienten 60 bezw. 58°',, bei
weiblichen Patienten 54 bezw. 46%/,). Es scheint demnach ein wenig größere
Neigung zur Hämoptyse bei den disponierten als bei den nicht disponierten
vorhanden zu sein, insbesondere was die Frauen anbetrifft. Das Verhältnis ist
aber zu wenig ausgesprochen, um demselben besondere Bedeutung beilegen zu
können, wenigstens in dem vorliegenden Zusammenhang und kann unter allen
Umständen nicht leicht in Verbindung mit Verschiedenhciten hinsichtlich Höhe
und Brustmaß gesetzt werden.
Sklerose der Lungenarterienäste, wovon Fälle durch Laache,
Mönckeberg und Schwartz mitgeteilt worden sind, soll sehr selten vorkommen
und dürfte kaum irgendwie mit den Brustmaßen in Verbindung gesetzt werden
können.
Unter den Phthisikern, von denen hier die Rede ist, waren 162 (Männer),
die an chronischem Alkoholismus litten. Von diesen hatten 113 Ilámoptyse
gehabt, demnach 70°/, der Fälle. Es ist also eine besondere Neigung zur
Hämoptyse bei Alkoholisten vorhanden, welches auch mit den seitens anderer
Verfasser gemachten Erfahrungen übereinstimmt, beispielsweise mit denen von
Wolff. Aber auch hier läßt sich nicht leicht irgendwie ein Zusammenhang mit
der Körperhöhe und dem Brustmaß denken.
Es scheint somit nicht viel Aussicht vorhanden, in dem Verhältnis der
Lungen selbst die Ursache zu dem auffallenden Verhältnis zwischen der Neigung
zu Lungenblutungen und den Körperdimensionen zu finden.
Wir richten daher den Gedanken auf das Herz um zu sehen, ob wir in
dessen Verhältnis zum Körpermaß eine Erklärung für das erwähnte Phänomen
finden können. Zunächst sei gesagt, daß Komplikationen mit Herzkrankheit
und Nephritis so selten auftraten — und zwar 37 bezw. 21mal —, daß der
Einfluß dieser außer Betracht gelassen werden kann.
Unter der Voraussetzung, daß die Größe des Herzens mit derjenigen des
Körpers, speziell mit dem Maße des Brustkastens proportional ist, und daß ein
entsprechend passendes Verhältnis zwischen der Größe des Herzens und seiner
Energie sowie des Blutdruckes existiert, speziell die Kraft des rechten Herzens
und der Blutdruck des kleinen Kreislaufes, würde die Abhängigkeit des Himoptyse-
prozentsatzes von den Dimensionen des Brustkastens einigermaßen verständlich sein.
Hans Dictlen hat vermittelst orthodiagraphischer Messungen an zahl-
reichen Gesunden die Größe und die Lage des normalen Flerzens sowie deren
Abhängigkeit von physiologischen Verhältnissen untersucht. Was speziell die
Größe des Herzens anbetrifft, findet er, daß sie mit zunehmender Körpergröße
und Brustmaß wächst. Die llerzmaße zeigen aber auch c'n bestimmtes Ver-
SEN y ZEITSCHR. f.
2 I S N. J- S Į R ANDG AA R D. S TUBERKULOSE
hältnis zu dem Körpergewichte, welches nach den von Dietlen angestellten
Untersuchungen weit ausschlaggebender für die Größe des Herzens ist als die
Höhe und die Brustmaße.
Es dürfte daher das richtigste sein, das Verhältnis des Hämoptyseprozent-
satzes zum Körpergewicht zu untersuchen, welches aus Tabelle VII hervorgeht.
Tabelle VII.
Sämtliche Altersklassen
Gewicht Männer |
Weiber | Beide Geschlechter
(ke) mit | ohne | 4, mit | ohne: „ ' mit ‘ ohne | EEN |
. Blutg. | Blutg. | /0 ` Blutg. | Blutg. ' lo | Blutg. ' Blutg. /0
100—9 1 11 3 : 79 | — | — i — ; II 3 | 79
90-81 e 38 16 | 69 4 — | 100 39 16 71
80—71 | 132 74 64 23 | 7 77 | 155 81 66
70—61 230 156 60 71 . 57 55 301 213 59
60—51 105 87 55 185 174 | 52 _ 290 | 261 53
50—41 16 19 46 65 o 41 j 81 112 42
40—31 | 2 6 | 25 8 | 12 | 40 | 10 18 36
30—21 © L| 4 20 I 1; 68 2 15 12
-— —
Zusammen | 532 | 365 59 | 357 354 | 5° | 889 | 719 | 55
j | Alter über 25 Jahre Alter über 30 Jahre
Esel Männer | Weiber "Bd. Geschl. Männer = Weiber | Bd. Geschl.
m Kee re an
(kg) ¡E Ge EE E EE Eer, E SCHER
2 le ele Tle Bole Elo s Ss wl gi
E | ES ee) |E. 4 ES ES
100—9I rl 3 79 — — =| 11 3 79 10! 3 77: — = = 10 3. 77
go—8I aa 68 3 — 100 31 13 70} 19 8 | 7ol 1) — „| 20 8,71
80—71 95,55 63: 16, 6| 66111, 61) 65 71136 66113; 4 84 40 ` 68
70—61 152 95:62 43 31! 58195126 Bitoz 54 | 66 23' 14 | 62 130 68: 66
60—51 l 51) 38] 57 105. 83; 56156 DI 56, 35 "re 62 sI 55, 97, 80 55
50—41 8: 6 ez 31' 35 | 39 4115 51 2 21 | 23 | à 26 25
N | 49 i ! 5 53
40—31 ou dd ise e, So g RA 3 I 3 I
la AA RA ee) eae) le
Aus vorstehendem ist ersichtlich, daß der Hämoptyseprozentsatz bei
Individuen von 21—30 kg 12°/, beträgt, und daß derselbe dann auf 36, 42,
53, 59, 66, 71 und 79°/, steigt, im selben Verhältnis wie das Gewicht sich auf
40, 50, 60, 70, 80, 90 und 100 kg erhöht. Ein ganz entsprechendes Verhältnis
findet sich bei Männern und Frauen, jedes Geschlecht für sich, und in den
Altersklassen über 25 sowie über 30 Jahre, wodurch der Einfluß des Alters
vermutlich beseitigt wird.
Hier kommt noch hinzu, daß auch der Blutdruck in recht nahem Ver-
hältnis zum Körpergewicht zu stehen scheint, was auch von Waldenburg,
Eckert, Weiß, Sommerfeld, Hensen und Strandgaard angeführt wird.
Der letztere fand bei 612 Phthisikern, daß der Blutdruck (Gärtner) durch-
schnittlich 118 mm bei Patienten betrug, die ein Gewicht von 26—40 kg hatten,
und daß dieser auf 124, 122, 118, 125, 120 und 140 mm stieg, je nachdem
BD.XILREFIS. KONSTITUTIONELLE URSACHEN ZU LUNGENBLUTUNGEN 219
das Gewicht bis zu 50, 60, 70, 80, 90 und 100 kg betrug. Bei den männlichen
Phthisikern war das Verhältnis am ausgesprochensten, indem der Blutdruck in
den genannten Gewichtsgruppen 103, III, 118, 115, 124, 124 bezw. 140 mm
ausmachte, wogegen der Blutdruck bei Frauen 123, 127, 124, 128, 131 und
150 mm betrug. Dagegen ließ sich bei denselben Patienten kein Verhältnis
zwischen dem Blutdruck und der Körpergröße, ebensowenig wie zwischen Blut-
druck und Brustmaßen nachweisen.
Wenn somit sowohl die Größe des Herzens als auch der Blutdruck im
Verhältnis zum Körpergewicht zu stehen scheinen, liegt Grund zur Annahme
vor, daß dieser Umstand jedenfalls zum wesentlichen Teil eine Erklärung dazu
bildet, daß die Neigung zur Hämoptyse mit dem Körpergewicht proportional
ist und dadurch auch indirekt mit der Körpergröße und den Brustmaßen. Was
die letzteren anbetrifft, wäre ein mehr direkter Zusammenhang mit der Größe des
Blutdruckes in dem kleinen Kreislauf doch denkbar. Der auffällige Parallelismus
zwischen dem Hämoptyseprozentsatz und den Brustmaßen könnte sehr darauf
deuten.
Wenn sich die Sache so verhielte, müßte man durchschnittlich höheren
Blutdruck bei Phthisikern mit Hämoptyse als bei solchen ohne Hamoptyse
vorfinden. Das geht ja auch indirekt daraus hervor, daß sowohl Blutdruck als
Hämoptyseprozentsatz das erwähnte Verhältnis zum Körpergewicht zeigen. Bei
den vorgenannten Phthisikern, deren Blutdruck gemessen worden war, fanden
sich, soweit Männer in Frage kommen, durchschnittlich 121 mm bei Blutern,
118 mm bei Nichtblutern vor. Der Unterschied war somit nur gering und
unter den Frauen war der Druck sogar 124 mm bei Blutern, 125 mm bei
Nichtblutern, also das Gegenteil von dem, was man erwarten könnte. Man
darf jedoch nicht vergessen, daß der Blutdruck meistens lange Zcit nachdem
die Hämoptyse stattgefunden hatte, gemessen ist, und daß die Krankheit blut-
druckerniedrigend wirkt; ferner ist die Messung des Blutdruckes kaum genügend
genau, um mit Sicherheit das genannte Verhältnis zu zeigen, und endlich besagt
die Messung des Blutdruckes ja nichts Definitives in bezug auf den Druck im
Lungenkreislauf. Dagegen zeigte sich der Blutdruck bei einer besonderen Klasse
Phthisiker, und zwar bei solchen, deren Krankheit mit einer Lungenblutung,
einer initialen Hämoptyse begonnen hatte, verhältnismäßig hoch, nämlich
durchschnittlich 131 mm bei 51 Männern und 133 mm bei 24 Frauen, während
es sich zeigte, daß der Blutdruck bei Phthisikern im allgemeinen 119 bezw.
ı25 mm bei Männern und Frauen war. Bei 13 Männern mit initialer Hämoptyse
und deren Krankheit nur weniger als ein halbes Jahr gedauert hatte, hatte der
Blutdruck sogar durchschnittlich eine Höhe von 137 mm. Die „Initialbluter“
scheinen demnach speziell hohen Blutdruck zu haben. Daß dieses in diesen
Fällen nicht auf einem durchschnittlich besonders hohen Körpergewicht beruhte,
scheint daraus hervorzugehen, daß das Gewicht für die betreffenden Phthisiker
durchschnittlich 67,4 kg bei Männern und 55,9 kg bei Frauen betrug. Hieraus
scheint hervorzugehen, daß der zuvor angedeutete genaue Zusammenhang
zwischen dem Körpergewicht und der Neigung zur Hämoptyse nicht die einzige
Ursache dazu bildet, daß cine spezielle Geneigtheit zu T.ungenblutungen in
220 N. J. STRANDGAARD. en
gewissen Fällen der Lungentuberkulose vorhanden ist. Ilierauf deutet auch
der früher besprochene hohe Hämoptyseprozentsatz bei den Alkoholisten (70°),
deren Durchschnittsgewicht 71,5 kg (72,8 kg bei denen, die Hämoptyse gehabt
hatten, 68,8 kg bei solchen ohne dieselbe), und deren Blutdruck durchschnittlich
nur 121 mm betrug.
Zum Schluß sei noch bemerkt, dab das hier als Resultat nach Unter-
suchung von 1600 Phthisikern mitgeteilte Resultat vollig mit dem übereinstimmt,
was der Verfasser bereits früher bei Untersuchung von 500 bezw. 1000 Patienten
gefunden hat, welches noch weiter die Richtigkeit der Resultate bestätict.
Diese laßt sich daher kaum bezweifeln, selbst wenn die Zahlen an einigen Stellen
zu klein sind, um daraus einen Schluß zu ziehen.
Es muß also als Resultat dieser Arbeit festgestellt werden, daß die Neigung
zu Lungenblutungen bei Phthisikern nicht allein in einem Verhältnis zum Grade
der Krankheit, insbesondere zum Charakter der pathologisch-anatomischen Ver-
änderungen in den Lungen steht, sondern auch von Verhältnissen der Konstitution
abhängig ist, mdem sie speziell mit dem Körpergewicht, der Körpergröße und
den Brustmaßen wächst und sinkt und daß die natürlichste Erklärung dieses
Phänomens zum großen Teil darin zu suchen ist, daß die Größe und Energie
des Herzens wahrscheinlich in einem bestimmten Verhältnis zu den genannten
Faktoren, namentlich zum Körpergewichte stehen, daß man aber doch nicht
ganz die Möglichkeit ausschlicben darf, daß die Erklärung zum Teil in einem
noch unbekannten Verhältnis zwischen den Körperdimensionen und dem Bau
der Lungen, insbesondere der Lungengcfäße, zu suchen ware. Außerdem ist
die Annahme berechtigt, daß sich, unabhängig vom Gewicht und Maß des
Körpers, Faktoren vorfinden, die eine spezielle Neigung zu Lungenblutungen
bei einigen Phthisikern bewirken können, u. a. habitueller, hoher Blut-
druck und chronischer Alkoholismus, vielleicht auch Mischinfektionen.
Endlich dürften die Lebensstellung und die Lebensweise des Patienten
eine Rolle spielen, indessen liegt eine diesbezügliche Untersuchung außerhalb
des Rahmens dieser Arbeit.
Literatur.
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2 Eee
op e ZEITSCHR. f.
22200 a KRAUSE TUBERKULOSE
XIII.
Tuberkulinverdauung.
Von
Dr. Krause, Hannover,
Spezialarzt für Lungen- und Halsleiden in Sülzhayn.
WEE EJ enn neuerdings die interne Anwendung der spezifischen Tuberkulose-
Tä mittel zu allgemcinerer Verbreitung gelangt, so ist es ebenso natürlich
GE wie erfreulich, daß die bisherigen Erfolge auf diesem neuen Gebiete
nicht nur nachgeprüft, sondern durch vielfache, an großem Krankenmateriale
ausgeführte Untersuchungen auch in einer aller Anzweiflung standhaltenden
Weise unbestreitbar festgelegt werden. Denn wir, die wir in praktischer,
in klinischer Beziehung gute Erfahrungen mit dieser Applikationsart gemacht,
eine wesentliche Bereicherung nicht nur, sondern den häufig allein möglichen
Weg der wirksamen Tuberkulosebekämpfung schätzen gelernt haben, wir legen
auch großen Wert darauf, daß „unparteiische“ wissenschaftlich tätige Kollegen
uns durch theoretische Überlegungen, durch umfangreiche Versuchsreihen den
zur allgemeinen Durchführung erforderlichen Rückhalt bringen sollen. So
freudig wir also jede in dieser Beziehung tätige Betrebung begrüßen und mit
unserer Erfahrung zu unterstützen bereit sind, so müssen wir ebenso unsere
Stimme erheben, wenn nach Versuchen im Laboratorium oder in vitro eine
Verurteilung der internen Tuberkulintherapie ausgesprochen wird. So wurde
neuerdings in einer Veröffentlichung betont, daB eine genaue Dosierung kaum
möglich wäre, eine Zerstörung bezw. Unwirksammachung durch die Verdauungs-
säfte stattfände, und eine Resorption nicht oder doch nur in ganz beschränktem
Maße möglich sei. Auch die geringe Zahl beobachteter Reaktionen wird be-
mängelt. Auf diese Punkte soll in folgendem näher eingegangen werden.
Zuerst über Dosierung und über beobachtete Reaktionen bezw. Heilwirkungen,
sodann über den Einfluß der Verdauungssäfte und die Resorptionsverhältnisse. —
Daß die Genauigkeit der Dosierung schwer zu erreichen ist, wird nicht be-
stritten. Von vornherein ist anzunehmen, daß die intestinal beigebrachte
Tuberkulinmenge nur zu einem Teil die Darmwand passieren und verwertet
werden kann, so daß die Dosis des Mittels in entsprechender, durch lange
Versuche festgestellter Weise erhöht werden mußte. Da aber die Resorptions-
menge je nach den äußeren Verhältnissen und dem Zustand des Verdauungs-
traktus verschieden ist, so wird man auf genaue Beobachtung angewiesen
sein, um danach die fernere Dosierung zu regeln. In therapeutischer Hinsicht
ist diese Schwierigkeit nicht so groß, wie es scheint; man muß sich nur die
moderne Methode zu eigen machen, die durch dauernde Einwirkung kleiner
und kleinster Dosen, ohne ruckweises Vorgchen, das den labilen Gleichgewichts-
zustand des Phthisikers immerhin erschüttert, die Heilwirkung durchzuführen
bestrebt ist. Aus diesem Grunde habe ich auch von der Anwendung zu dia-
gnostischen Zwecken fast stets Abstand genommen, da ich in den verhältnis-
mäßig seltenen Fällen, wo zur Diagnose genaueste Untersuchungen und Beob-
BD.XII,HEFT3, | e
1908, 1 VSERRILDIVERDSDUDG 223
achtung nicht ausreichen, mich mit der altbewährten Probeinjektion begnügt
habe. Wenn in meiner Publikation in der Zeitschrift für Tuberkulose Band X,
Heft 6 Reaktionen erwähnt werden, so sind dieselben nicht aus diagnostischen
Gründen herbeigeführt, sondern sie wurden im Verlauf einer internen Bazillen-
emulsionskur hervorgerufen und waren mir als Begleiterscheinung willkommen,
da die erfolgte Resorption und Wirksamkeit dadurch eine objektive Feststellung
erfuhr. Stärkere Reaktionen zu erzielen, was durch größere Gaben leicht
erreichbar gewesen wäre, fehlte mir jede Veranlassung, aber auch Temperatur-
steigerungen auf 37.5% und 37.6% bei Kranken, die vorher stets unter 37° auf-
wiesen, sind beweiskräftig genug; psychische Einwirkungen und suggestive
Steigerungen sind dadurch ausgeschlossen, daß die Kranken weder wußten,
was und zu welchen Zwecken sie einnahmen, noch bei Injektionen derartige
Erscheinungen zeigten. In einigen Fällen gestaltete sich der Verlauf der
Temperaturkurve nach subkutaner und interner Tuberkulinanwendung voll-
kommen übereinstimmend. Abgesehen von dieser gelegentlichen Temperatur-
steigerung und von den Angaben der Patienten über ihre subjektiven Empfin-
dungen war ich häufig in der Lage, lokale Reaktionen verschiedener Art fest-
zustellen, wie durch das Gehör an Lunge und Brustfell, durch das Auge
im Kehlkopf und an Fisteln, durch Auge und Gefühl bei Drüsenanschwel-
lungen etc.; an allen diesen Stellen konnten die bei subkutaner Anwendung so
oft gesehenen und beschriebenen örtlichen Reizerscheinungen, ihr Entstehen
und Verschwinden beobachtet werden.
Aber, wie schon gesagt, auf alle diese Erscheinungen habe ich kein be-
sonderes Gewicht gelegt: die interne Anwendung der Bazillenemulsion führte
ich nur zu therapeutischen Zwecken durch, und die auf diesem Gebiet
erzielten Erfolge sind das, was mir bedeutungsvoller und ebenso beweiskräftig
erscheint. Und daß ich in der Beziehung nicht allein stehe, daß man dasselbe
auch an anderem Orte gesehen und erreicht hat, beweisen mir die zahlreichen
Mitteilungen von Kollegen aus den verschiedensten Gegenden, zum Teil von
solchen, denen eine langjährige Erfahrung in der spezifischen Tuberkulose-
therapie zur Seite steht.
Daß die Wirkung der Bazillenemulsion vom Darm aus in vielen Fällen
langsamer eintritt, ist wohl erklärlich (und hat mich dazu veranlaßt, wenn
irgend möglich mit einer oder mehreren Einspritzungen zu beginnen und erst
nach Erzielung einer gewissen Wirkung mit Phtysoremid fortzufahren), aber
ein Versagen wird kaum je zu konstatieren sein, wenn man sich an die Grund-
bedingungen und Voraussetzungen jeder wirksamen spezifischen Therapie hält
und nicht in Fällen, wo jede Leistungsfähigkeit des erkrankten Körpers gegen-
über den Giftstoffen seiner Krankheit fehlt, das Unmögliche erwartet. Die
Einzelheiten des Erreichten decken sich in weitgehendem Mabe mit dem bei
der spezifischen Therapie überhaupt Erzielten, welches ja oft und von berufener
Seite geschildert ist. Die Patienten empfinden eine Linderung ihrer Be-
schwerden, sie fühlen sich freier und kräftiger, die Expektoration wird erleichtert,
Nachtschweiße bessern sich oder verschwinden etc., und dasselbe kann man
objektiv konstatieren: die günstige Einwirkung auf Körpertemperatur, Katarrlı,
E ZEITSCHR. f.
224 KRAUSE, | TUBERKULOSE
pleuritische Reizungen, Driisenschwellungen und andere Erscheinungen ist
unverkennbar; besonders leicht aber kann man sich vielfach bei Kehlkopf-
geschwiiren von der Wirksamkeit unserer Therapie überzeugen, indem es sich
mit dem Kehlkopfspicgel verfolgen läßt, wie nach vorübergehenden leichten
Reaktionserscheinungen die allmähliche Vernarbung und Überhäutung der
ulzerierten Flächen vor sich geht.
Lassen sich nun diese praktischen Erfolge theoretisch begründen? oder ist
es berechtigt, der Verdauung, insbesondere dem Pepsin allein oder einem
Pepsinsalzsäuregemisch zerstörende Eigenschaften für in zweckmäßiger Form
eingeführtes Tuberkulin zuzuschreiben? —
Daß solche Bedenken vom rein theoretischen Standpunkt aus, zumal wenn
sie durch sorgfältig ausgeführte Experimente gestützt werden, ihren Wert und
ihre Wichtigkeit besitzen, sei ohne weiteres zugegeben. Ebenso ist nie be-
stritten worden, daß die Pepsinverdauung auf die verschiedenen Tuberkuline
(uns persönlich ist dies in ausgesprochener Weise vom Alttuberkulin, weniger
von der Bazillenemulsion bekannt) abschwächend bezw. zerstörend wirken kann
oder auch wirkt; im Gegenteil haben wir schon vor Jahren diese Wirkung des
Pepsins und der Salzsäure dadurch anerkannt, daß wir die Präparate, mit denen
wir auf den kranken Organismus einwirken wollten, stets in einer (nicht nur
in vitro, sondern auch in vivo bewährten) Form verabreichten, die den Einfluß
der Magenverdauung ausschalten soll und auch tatsächlich ausschaltet.* Die
Kapseln passieren also den Magen in unverändertem Zustande, kommen erst
im oberen Darmabschnitte zur Auflösung und lassen ihren Inhalt erst mit dem
Darmsaft in Berührung kommen. In diesem Darmsaft ist eine nennenswerte
Pepsinwirkung überhaupt nicht mehr vorhanden, da dieselbe an saure Reaktion
gebunden ist, diese saure Reaktion sich aber höchstens in den obersten Darnı-
teilen findet, während der Gesamtinhalt neutral reagiert. Hierzu kommt die
Wirkung der Galle, indem diese, und zwar besonders die Taurocholsäure, aus
dem Chymus das Acidalbuminat niederschlägt, wodurch ein mechanisches
Niederreißen des Pepsins bewirkt wird. „Es findet im Chymus, sobald der-
selbe den Magen verlassen hat, nachweislich keine Pepsinwirkung mehr statt.“
(J. Munk.) Von der bei Tuberkulösen häufig vorhandenen Minderabsonderung
von Verdauungssäften und speziell Pepsin (,„Salzsäurebildung meist, Pepsin-
bildung oft gestört, also auch in den obersten Darmabschnitten geringere
Menge und geringere Wirksamkeit!“ Ott, S. 163—166) soll hier ganz ab-
gesehen, wohl aber kann durch geeignete Art der Verabreichung die Pepsin-
wirkung den Tuberkulinen gegenüber abgeschwächt werden. Durch Milch-
genuß wird bekanntlich die Absonderung des Magensaftes merklich (direkt)
beeinflußt, die Sekretion beginnt später, und das Sekret ist weniger konzen-
triert; verstärkt wird diese Wirkung durch gleichzeitige Darreichung von Fett,
das vom Duodenum aus (Fernwirkung) hemmend auf die Pepsinsekretion wirkt
(„nicht nur weniger, sondern auch pepsinärmerer Saft“, Conheim, die Physio-
logie der Verdauung und Ernährung, S. 56). Diese zuerst von Pawlow am
') Ich beziehe mich, da ich hauptsächlich mit Phtysoremid arbeite, auf dieses Präparat.
BD.XULHEFTS, TUBERKULINVERDAUUNG. ` 32%
Hunde nachgewiesenen Verhältnisse gelten auch für den Menschen. Gleich-
zeitig wirkt das Fett steigernd auf die Gallenabsonderung und beeinflußt auf
diese Weise indirekt die Pepsinwirkung. Um also die (wenn auch unnötig)
gefürchtete, zerstörende Wirksamkeit des Pepsins auf die Tuberkuline mit noch
größerer Sicherheit auszuschalten, braucht man nur das Tuberkulin nicht nach
größeren (insbesondere Fleisch) Mahlzeiten nehmen zu lassen, sondern gleich-
zeitig mit Milch und Fett Am besten bewährt sich die Methode, daß man
morgens als erstes Frühstück Milch, Weißbrod mit Butter und nachher das
Phtysoremid gibt; in dieser Weise wende ich es seit Jahren mit bestem Erfolg
an. Ob die öligen bezw. fettigen Bestandteile des Phtysoremid eine Rolle spielen,
durch Einwirkung auf Pepsin- und Gallenabsonderung, lasse ich dahingestellt.
Jedenfalls haben aber zahlreiche Versuche mit verschiedenen Vehikeln den
Eindruck gefestigt, daß die Resorption vom Darm aus günstig beeinflußt wird;
und zwar vom Darm aus, denn mit der Magenresorption, auf die irrtümlich
immer wieder Bezug genommen wird, kann selbstredend schon wegen der
schützenden Keratinschicht nicht gerechnet werden. Abgesehen davon aber
auch würde die Resorption von der Magenschleimhaut aus fast gleich Null sein,
und nur wenig besser sind die Aufsaugungsverhältnisse im Rektum, wie nicht nur
rein theoretische Erwägungen lehren, sondern Versuche mit rektaler Applikation
im Vergleich zu der internen erwiesen haben. Die Schleimhaut des übrigen
Darmes ist zur Resorption des Tuberkulins durchaus imstande.
Be
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIII. IS
. : ZEITSCHR. f.
= © to TUBERKULOSE
XIV.
Prognosis and Treatment of Tuberculous Laryngitis; an Analysis
of Sixty-one Cases Treated at the Pottenger Sanatorium for Dis-
eases of the Lungs and Throat.
Read before the California State Medical Society, at a meeting held at Coronado,
Cal., April 21—23, 1908.
By
F. M. Pottenger, A.M., M.D., Monrovia, Cal.,
Medical Director of the Pottenger Sanatorium for Diseases of the Lungs and Throat.
Y ntil recent years, tuberculosis of the larynx has been classed along
with tuberculosis of the bowels as the most unfavorable complication
| S which can arise in the course of pulmonary tuberculosis. In fact, it
ee been and still is considered by most observers as fatal. The writer has
heard many able laryngologists say that they never saw a case recover.
In face of such hopelessness, an optimistic contribution on the subject
should be welcomed. Yet I am aware that doubt may arise in the minds of
some of my hearers. Nevertheless, I shall not allow this to deter me from
maintaining that tuberculosis of the larynx is not a hopeless condition, but
one which has failed to yield to treatment because it has been diagnosed too
late, and because when diagnosed, it has been treated wrongly. `
My experience in the treatment of this condition, leads me to say that
the prognosis in tuberculosis of the larynx is little, if any more grave than
that of tuberculosis of the lungs.
The prognosis depends upon:
First, the extent of the laryngeal lesion; second, the location of the -
lesion; third, the extent of the accompanying pulmonary condition, and fourth,
the manner in which the condition is treated and the length of time such
treatment is carried out.
As in pulmonary tuberculosis, so here the extent of the lesion is very
important. An early diagnosis offers greatly increased chances of cure.
Tuberculosis of the larynx always begins as an infiltration. In its earliest
form it is not visible to the naked eye under ordinary conditions, but can be
demonstrated by a tuberculin reaction. This early tuberculosis as recognized
on inspection after a tuberculin reaction presents the same picture to the eye
as the disease usually presents without tuberculin, after it has progressed a
little farther. It appears as a slight hyperæmia or congestion.
The infiltration may remain as such; it may heal out, or it may extend,
break down and form an ulcer. I have no doubt that many of these early
infiltrations heal out, without having been recognized the same as they do in
the lungs, lcaving no recognizable symptoms or visible traces behind them.
Thcse early infiltrations, which are none the less tuberculous, although
they have not ulcerated, are rarely diagnosed as tuberculous. Many do not
cause the patient to consult the laryngologist, and often when they are seen,
ES SW ebe PROGNOSIS AND TREATMENT OF TUBERCULOUS LARYNGITIS. 227
they are treated as chronic catarrhal thickenings, until the patient becomes
dissatished and stops treatment, or until the infiltration becomes more marked
or an ulceration appears showing the true nature of the condition.
The experience of the laryngologist, however, has been almost exclu-
sively confined to the treatment of far advanced conditions, either large infil-
trations or more commonly ulcerations. These, while not hopeless, are very
difficult to treat, and it is not surprising when we consider the disadvantages
under which these cases have been handled and the measures that have been
employed in their treatment, that they have shown so little encouragement to
those who have attempted to treat them.
While the great majority of infiltrations can be apparently cured and
even the severe ulcerations will yield to treatment in a fair proportion of cases
when the condition in the lung is inactive or of slight extent; when the pul-
monary condition is far advanced, alleviation is all that can be hoped for, and
the occasional healing that does take place is the exception.
During the two years between January 1st, 1906, and January 1st, 1908,
in the Pottenger Sanatorium for Diseases of the Lungs and Throat, there were
208 patients who remained 3 months or more, and of these there were 61,
29,3 per cent., who showed sufficient involvement of the larynx to cause
symptoms, or to allow the diagnosis to be made upon laryngoscopic examin-
ation. This does not include many cases of slight infiltration revealed by local
tuberculin reactions. |
In order to illustrate the effect of the various factors eg above
upon prognosis, I have arranged the following tables:
Table 1 show the difference in prognosis according to the extent of
the lesion. Whereas, 96 per cent. of slight and moderately extensive infil-
trations with leerations were apparently cured, only 16,67 per cent. of the
severe infiltrations with ulcerations were apparently cured.
Table I.
Showing difference in prognosis of tuberculous laryngitis according to the
extent of the lesion.
a o m nn HET pera Ee — pra er Es A i E
Extent of Lesion i Cases | KEN | Arrested ! Improved | Unimproved
Slight and modernie in- | |
filtration . 6 T 25 | 24=96 9%, 1=409, — | —
Severe infiltration without | | |
ulceration . oy 6 3=50 %, — 3=50°, | —
Severe infiltration with ulcer- f | |
ation . . . . . . 30 | 5= 16,67 ‘lo I = 3,33 %o | 19= 63,33 “lo 5=16,67 °lo
I
The prognosis also depends very much upon the location of the lesion.
The portions of the larynx which are best supplied with lymph and blood, yield
the most readily, because the protective bodies which are elaborated by the
body cells can be applied more directly. Therefore, a lesion in the interaryt-
enoid space yields much better than one involving the cords or the epiglottis,
as shown in Table II.
15*
| TVer ZEITSCHR. f.
228 © F, M. POTTENGER. TUBERKULOSE
Table II.
Showing difference in prognosis of tuberculous laryngitis according to the
location of the lesion.
Apparently |
No. | Ge Arrested | Improved | Unimproved
Interarytenoid space . . . . 10 | 10=100%, — — —
Int. space and arytenoids . . 13 13= 100 0, — — —
Int. space, aryts. and cords .p 22 6=27,27 Vil. 1=4,55%. | 14 = 63,03 85) 1=455%,
Int. space, aryts. and ventricles | I 1=100°;, — — | —
Int. space, aryts., cords and | |
ventricles: 4 „u... =. o 8 1=12,50%,| 1=12,50%,| 5=62,50°,| 1=12,50 %/,
Int. space, aryts., cords, ven-
tricles and epiglottis . . 7 1=14,28 H — 3=42,86 Dia 3= 42,86 Di
The extent of the pulmonary lesions is of great prognostic importance.
A slight or moderate infiltration will nearly always heal out in a patient in
whom the disease has not seriously undermined the general condition, while
if the pulmonary condition is rapidly advancing and the general strength of
the patient is failing, then more than an improvement on the part of the la.
rynx must not be expected.
A severe infiltration or an ulceration offers a very fair prognosis in cases
with slight pulmonary involvement, or in those cases with more extensive in-
volvement, but where the disease is inactive and the general condition good;
providing, in case of ulceration, the ulcer is so situated as not to cause dys-
phagia and interfere with nutrition. In many cases with advanced pulmonary
trouble, the larynx will heal out although the lungs do not. In rapidly pro-
gressive pulmonary cases, the prognosis in laryngeal complications is bad and
little can be hoped for through treatment, beyond the relief of the most pro-
nounced symptoms.
In my cases, the results classiñed according to stage and activity of the
disease are shown in table III. (See next page.)
We now come to the most important factor in prognosis — the manner
in which the disease is treated. It must be borne in mind that tuberculosis
of the larynx is perhaps always secondary; and, in nearly all instances, se-
condary to tuberculosis of the lungs; so it cannot be treated as a special en-
tity, but must be treated along with the primary focus. No treatment of
tuberculosis of the larynx can be considered that does not comprehend this
broader idea.
I wish to otfer a few suggestions regarding the diagnosis of tuberculosis
of the larynx, for an early diagnosis of this condition is essential to success-
ful treatment. Much of the failure on the part of the laryngologist is due to
the fact that the disease has been treated only in its advanced stage of severe
infiltration or ulceration.
Remembering that tuberculosis begins as an infiltration, and that this in-
filtration often exists for months without ulceration supervening, we should
look upon all infiltrations of the larynx which do not yield to treatment after
ANO.
GE rk PROGNOSIS AND TREATMENT OF TUBERCULOUS LARYNGITIS, 229
Table IIL
Showing the results obtained in the laryngeal complications according to the
pulmonary condition.
Slight and moderate infiltrations
Stage SP rae ees T =
g S Ee | cured ` EE ES Arrested | Improved | Unimproved
First `... a — | |
Second Inactive. . . . |
Second Active . . . . \ I 1=100 ©},
Third Inactive . . . . | 14 14=100°},
Third Active. . . . . | 10 9=90 %/, 1=10°%, |
Severe infiltrations without ulceration
First. or Ge e He oa |
Second Inactive . i
Second Active . . . . |
Third Inactive . . . . | 2 1=50°/, = 507),
Third Active. . . . . : 4 2=50%, 2=50 %,
Infiltration with ulceration
FIRE caca An Sia es!
Second Inactive . | |
Second Active | | |
Third Inactive dE 4 | a= 50%, | | 2=50%/ |
Third Active. . 2.2... 26 | 3=11,54%,1 1=3,85 %, | 17=65,38 | 5=19,23 el
a reasonable time as suspicious. All such should call for a thorough skilful
examination of the chest; and if it be found that a pulmonary lesion exists,
then it is imperative that the exact nature of the laryngeal lesion be deter-
mined.
While I recognize very well that infiltrations occurring in the larynx
during the course of pulmonary tuberculosis are not necessarily of a tuber-
culous nature, yet I also realize that these conditions are tuberculous more
often than is generally believed, and I am positive that when they are present,
it is imperative that a definite diagnosis be made.
Clinical experience shows that careful examination of the larynx of patients
suffering from advanced pulmonary tuberculosis, reveals a lesion in about
50 per cent. of cases; therefore, the seriousness of such infiltrations is evident.
The skilled laryngologist who has the opportunity to examine the throats
of many tuberculous patients, will soon learn to make a diagnosis. For those
who do not have this opportunity, I would suggest the use of the tuberculin
test. The larynx is an ideal location in which to observe the action of tuber-
culin. If the laryngeal lesion is tuberculous, a reaction will show after the
tuberculin has been administered. When Tuberculin is administered, it causes
a local reaction in tuberculous tissue, which can be detected before a general
reaction with temperature appears. This manifests itself as a slight blush with
a small dose, and may even appear as a slight congestion after a larger one.
This usually appears from 8 to 24 hours after a dose of old tuberculin has
been administered, and passes off in from few hours to a day or two thereafter.
ZEITSCHR. f.
The diagnosis in laryngeal cases can usually be made with smaller doses than
those commonly advised for making the tuberculin test, The usual method
consists in administering ?/,, I, 2, 3, 5, 7, and 10 mgs., preferably at night, with
1 day intervening between the doses up to 5, and then about 3 days between
5 and 7, and 7 and 10. The larynx should be carefully examined at frequent
intervals on the day following the injection. The larger doses will rarely be
required. In fact, I have observed laryngeal reactions to follow minute doses
of tubercle vaccines.
More important than the earliness of the diagnosis, the location of the
lesion, and the character of the accompanying pulmonary condition, is the
manner in which the lesion is treated.
I wish at the beginning of this discussion to emphasize the fact that
tuberculosis of the larynx cannot be cured by local application.
Local application may help to keep the parts clean and relieve cough
and pain, but we cannot conceive of them directly and favorably influencing
the healing of the lesion, except as they cause a hyperamia, thus facilitating
the direct application of the curative agents found in the blood and lymph
to the focus of disease.
Tuberculosis is an infectious disease. Its cure is brought about by the
establishment of immunity. The body cells, stimulated by the toxins elabor-
ated by the tubercle bacillus, are put upon the defensive and respond by the
formation of protective substances, which neutralize the toxins and destroy the
bacilli. In this manner, and this alone, is a cure brought about. It matters
not where the lesion is located, whether in the lungs, the larynx, the glands,
the kidneys, or the bones, the disease has the same cause and same pathology,
and its cure is established in the same manner. .
The general treatment of tuberculosis of the larynx, then, is the same as
that of tuberculosis elsewhere, and only differs in so far as those symptoms
which arise from the particular location of the lesions are concerned.
There are three factors in the cure of tuberculosis:
First, the ability of the cells to respond and form protective substances;
Second, the stimulant which excites the cells to form protective sub-
stances; and,
Third, application of the protective substances to the focus of infection.
These principles apply just the same to tuberculosis of the larynx as
they do to tuberculosis elsewhere.
The body cells must be kept healthy in order to be able to furnish the
best response. Therefore, such measures as open air, carefully regulated rest
and exercise, proper food, hydrotherapy, climatic change, and suitable tonics
must be carefully employed.
The stimulant which naturally excites the cells to the formation of pro-
tective substances, is furnished by toxins which are given off from the tubercle
bacillus at the seat of infection. For some reason, in tuberculosis, this stimu-
lant often fails, just why we do not exactly know; but it has been found that
the toxins made from the tubercle bacillus (tubercle bacillus vaccines) can be
dos. PROGNOSIS AND TREATMENT OF TUBERCULOUS LARY NGITIS. 231
introduced artificially into the body and be made to produce the necessary sti-
mulation. Since this stimulation is necessary in order to cause the cells to respond,
the employment of specific vaccines becomes a very important part of treatment.
I wish to emphasize what must now be clear to all: that in the employ-
ment of vaccines, no new toxin is being employed; use is simply being made
of the one which nature uses and without which the cells will fail to be sti-
mulated to the production of anti-bodies.
The method of employing tuberculin and other specific vaccines in tuber-
culosis of the larynx is very simple. The initial dose should be small. The
day following, the larynx should be examined. If there is no reaction (which
shows as a slight hyperæmia or congestion according to its severity) present,
then that day or the next a larger dose may be given. This should be in-
creased until a local reaction occurs. Then another dose should not be given
until all signs of reaction have disappeared; neither should the quantity of
vaccine be increased until the last dose has failed to produce a reaction.
Given in this way, the dosage is absolutely under the control of the physician.
Personally, 1 have learned more of the use and local action of tuberculin and
have had my faith in its curative powers strengthened more, by watching its
effects in the larynx, than by any other phenomenon associated with its ad-
ministration.
The third factor is the application of the protective bodies when formed,
to the seat of the infection. In tuberculosis, the areas of the disease are pe-
culiarly shut off from the circulation, the foci being surrounded by a stagnation
of the body fluids. Careful studies have shown that the fluids which are in
contact with these foci, are very poor in protective substances, owing to the
fact that the fluids change so slowly that the antibodies are all used up in
combating the infection. It is essential then, if possible, to hasten the circul-
ation through the diseased parts and increase the amount of blood in them,
and this can be done by such measures as the application of the sun's rays
after the plan of Sorgo, whereby the patient treats his own throat by using
a laryngeal mirror and focusing the sunlight, reflected by a mirror, upon the
larynx; or by direct application of blue light taken from the sun's rays and
reflected from large mirrors upon the larynx externally.
In this connection, I would like to call attention to the hyperæmia in
tuberculous areas, caused by the local tuberculin reaction. The value of this
hyperæmia produced by tuberculin, has not been fully appreciated.
Theoretically, such a line of treatment is an ideal one and should result
in a cure in all instances, but there are many difficulties to overcome, the
principle ones of which, as 1 see them, are:
First, the cutting off of the blood supply and the tendency to necrosis
on the part of the tuberculous tissue; and
Second, the stagnation of the body fluids in the neighborhood of the
tubercles. These prevent the direct and complete application of the curative
substances to the seat of infection and cause the cure to be produced at a
great disadvantage.
Sep us ZEITSCHR. €
232 F. M. POTTENGER. - TÚBERKULOSE
Aside from these measures, there are others of value such as rest and
cleanliness. Local applications will not cure the disease, but they will relieve
distressing symptoms, and in this manner, give comfort. They should not be
severe in their action. With my conception of the pathology and therapy of
this affection, 1 can see no place for the employment of such remedies as
lactic acid, and in practice, I have never found them necessary. Bland appli-
cations such as Protargol, 5—10 per cent. and Argyrol, 10—25 per cent.,
have given me good service.
I wish also to mention operative procedures, that I may protest against
their employment. They were originally suggested because it was thought
that the knife would remove the focus of the disease; but with greater know-
ledge of tuberculosis, we know that this is impossible; the result of operation
has proven anything but satisfactory. Following operation, the wound often
heals, but in a very short time it breaks out a new and the patient is really
worse off than before, because he has lost tissue and at the same time, gained
nothing. It is always a dangerous procedure to operate in tuberculous tissue,
for the cut ends of the blood vessels are opened and stand ready recipients
of bacilli to carry them to new tissue.
If it is the physicians’ purpose to attempt to cure tuberculous laryngitis,
I can conceive of operative procedures being called for only in the rarest of
instances. If, on the other hand, the purpose is simply to palliate or tempo-
rize, then I can see how operation might relieve a severe dysphagia and make
the patient more comfortable for a time, until ulceration occurs again, which
is usually in a short time.
When ulceration has occurred, the parts should be kept clean, and, if
pain is present, dusting the part with orthoform will often give relief. When
cough is severe, I add !/, gr. of heroin to the orthoform, before dusting it into
the larynx. Cold compresses to the throat at night help to relieve cough,
thus serving a good purpose.
This simple treatment of tuberculous laryngitis has proven to be very
satisfactory. There are other important factors which contribute to its success.
First, the laryngeal infection is treated only as an incident connected with the
pulmonary lesion; consequently, all the rational measures which aid in the cure
of the latter are employed. The second important factor is time. When the
patient is being treated for pulmonary tuberculosis, he expects to devote from
4 to 5 months to I or more years to it, according to the severity of the case,
and consequently, this prolonged treatment affords the laryngeal lesion an
opportunity to heal.
In table IV, I have classified my cases according to the result obtained
and time of treatment. |
In treating these cases in the manner in which it is usually done by the
laryngologist, i. e., as a separate disease, I can see no bright future for tuber-
culous lesions of the larynx; but, regarding them as a part of a tuberculous
lesion elsewhere and treating them as such, offers an opportunity for classifying
tuberculous laryngitis as one of the most curable lesions.
BD.XILHEFTS. PROGNOSIS AND TREATMENT OF TUBERCULOUS LARYNGITIS. 233
Table IV.
Showing average length of treatment according to result obtained.
Results | No. Cases | Average time in months
Apparent cure 32 10— 2/3
Arrested . . 2 9—1/2
Improved!) . | 22 7
Unimproved . : 5 3—2/5
1) 4 of these were treated from 3 to 5 months.
From my study and experience in the treatment of tuberculous laryngitis,
I offer the following conclusions:
First, when tuberculosis of the larynx is diagnosed early, the prognosis
is about the same as tuberculosis of the lung when diagnosed early.
Second, chronic thickening in the larynx always calls for a careful ex-
pert examination of the lungs, to determine the presence or absence of pul-
monary tuberculosis, and if the latter is found to be present, the evidence is
strongly in favour of the tuberculous nature of the laryngeal lesion.
Third, local applications will not cure tuberculosis of the larynx. The
cure comes through the patient’s body fluids,
Fourth, tuberculosis of the larynx is not a separate disease, but a com-
plication, and a rational treatment consists in the treatment of it as a part of
a tuberculous process elsewhere, usually of the lungs.
Fifth, tuberculin and the other tubercle vaccines, intelligently administered,
are of inestimable value in establishing immunity and bringing about a cure
in tuberculous laryngitis.
12 "ITC ZEITSCHR. f.
234 u J- EECH ITCH. TURERKULOSE
XV.
Über das Tuberculinum purum.
Von
Dr. J. Gabrilowitch, Chefarzt in Halila.
“las Tuberculinum purum enthält die wirksame Agens des Alttuberkulins
gap in vollem Maße. Es wird in analoger Weise hergestellt, wie das Alt-
3) tuberkulin, aus Tuberkelbazillenkulturen vom Typus humanus, jedoch
a es durch chemische Reagentien (Xylol, Äther, Alkohol und Chloroform)
das Präparat dermaßen zu verändern, daß es bei subkutaner Anwendung keine
allgemeinen Reaktionserscheinungen mehr hervorruft. Dieses Tuberkulin kann
deshalb in großen Dosen und bei rascher Steigerung der Dosis sowohl bei
Erwachsenen als Kindern angewandt werden. Seine wirksame Kraft entfaltet
es in der Lunge selbst, indem es die katarrhalischen Erscheinungen in sehr
kurzer Zeit zum Schwinden bringt, die Lunge also gewissermaßen austrocknet.
Bei zirkumskripten Lungenprozessen dürften im Durchschnitt 16— 20 Einspritzungen
genügen; bei größeren Prozessen, die einen ganzen Lappen ergriffen haben,
oder bei disseminierten Herden sind 50—60 Injektionen nötig. Klinisch
läßt sich der Heilungsprozeß in klarer Weise verfolgen. Oft erhält man den
Eindruck, als ob es sich um eine Verschlimmerung des lokalen Prozesses handle:
die katarrhalischen Erscheinungen treten reichlicher auf, ebenso die Bazillen im
Auswurf. Das abgeschwächte oder rauhe Atemgeräusch erhält bronchialen
Charakter; das bronchiale amphorischen. Aber ebenso rasch verschwinden
diese Symptome und die Lunge wird rein. Während der Kur bleibt das
Allgemeinbefinden stets gut: das Körpergewicht nimmt nicht ab, die Tempe-
ratur sinkt.
Prophylaktisch wäre die Anwendung des Tuberculinum purum bei hereditär
Prädisponierten oder nach überstandener Krankheit, in der Ernährung herunter-
gekommenen Leuten, von großem Nutzen.
Tuberculinum purum wurde von mir in der Anstalt und in der Privat-
praxis angewandt, immer mit gutem Erfolg. Bei Leuten mit sehr ausgebreitetem
Lungenleiden injizierte ich das T. p. nur dann, wenn bei verhältnismäßig
günstigem Allgemeinbefinden der Lungenprozeß auf einer Lunge beschränkt war.
Im Gegensatz zum Alttuberkulin kann das T. p. auch bei akut oder
subakut verlaufender Tuberkulose Anwendung finden.
Bei Komplikationen von seiten anderer Organe ist das T. p. nicht kon-
traindiziert.
Die günstigsten Erfolge habe ich jedoch bei den unkomplizierten, chronisch
verlaufenden Fällen gesehen.
Auf die Temperatur wirkt das T. p. eher herabsetzend. Steigerungen
als Reaktionserscheinung sind äußerst selten, bei stufenweiser Zunahme der Dosis.
Die Herztätigkeit wird auch in großen Dosen nicht alteriert; der Puls ist
fast nie beschleunigt.
ld ÜBER DAS TUBERCULINUM PURUM. 235
Die Respirationsfrequenz nimmt nicht zu. Gliederschmerzen wurden nicht
beobachtet; ebensowenig Übelkeit oder Erbrechen.
Ich habe nie Schlaflosigkeit, allgemeine Schwäche oder vermehrte Diurese
gesehen.
In 3 Fällen trat etwas Kopfweh auf. Die Haut wird selten affiziert.
Bevor ich Genaueres über den Erfolg der Kur bei meinen Kranken sage,
möchte ich darauf hinweisen, daß die Patienten, nach der klinischen Form der
Krankheit, sich folgendermaßen verteilen. Es gehörten an:
der Tuberculosis sicca . . . . 12%,
8 E catarrhalis. . . 28%,
S x fibrosa . . . . 28%,
= > ulcerosa . . . 160},
,» Bronchopneumonia ulcerosa . 4°},
„ Pneumonia tuberculosa ulcerosa ı12°/,.
Zu den schwereren Formen gehörten somit ?*/, aller mit T. p. behandelten
Fälle; nur 12°/, dürfen als Leichtkranke bezeichnet werden.
Die Bazillen verschwanden aus dem Auswurf bei 59 ”/,, verminderten sich
beträchtlich bei 31 °/).
Die katarrhalischen Erscheinungen in der Lunge verschwanden bei 75°/,,
wurden geringer bei 25°.
Die Temperatur wurde schon während der Kur normal bei 31 °/,; nach
der Kur bei 62 °/,.
Die Anzahl der Injektionen war bei 80°/, der Fälle 20.
Die Kurdauer betrug 40—60 Tage.
Die Anfangsdosis war fast durchweg 0,01 mg.
Die Enddosis 100—200 mg.
Das Körpergewicht stieg während der Injektionskur bei 96 °/,, und zwar
von 1—6 kg.
Der große Vorteil des T. p. besteht jedenfalls noch darin, daß es leicht
in der Privatpraxis Anwendung finden kann, weil keine unerwarteten Reaktions-
erscheinungen zu befürchten sind. E
Als diagnostisches Mittel wird das T. p. in Dosen von !/, mg subkutan
angewandt.
Die Pirquetsche Hautreaktion erfolgt, wenn Tuberkulose vorhanden, bei
der Anwendung des T. p. in unverdinntem Zustand,
Wenn das Auftauchen eines neuen Tuberkulins unter gewóhnlichen Ver-
háltnissen kein Gewinn fir die Wissenschaft ist, scheint das T. p. doch der
Nachprüfung wert, denn der objektive Befund, der allein entscheidend ist, war
sehr giinstig in allen beobachteten Fallen.
«tor
ec ZEITSCHR. f.
230 AS TÜBERKULOSE
XVI.
LITERATUR.
Zusammengestellt von
Prof. Dr. Otto Hamann,
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en FRANKENBURGER, HEILSTÄTTENERFOLGE U. KRITIK. 243
XVII.
Heilstattenerfolge und ihre Kritik.
Bemerkungen von
Dr. A. Frankenburger, Niirnberg.
sinter dem obengenannten Titel veröffentlicht Herr Kollege K. von Holten
“| in Heft 1, Bd. 13 dieser Zeitschrift eine Arbeit, welche sich in 4 Sätzen
Jz auch mit meiner Arbeit: „Zur Frage der Heilstattenbehandlung und
der Anzeigen für dieselbe“ in Nr, 17 und 18 der Münchener Medizinischen
Wochenschrift 1908 befaßt. (Der Herr Kollege hat entgegen allen sonstigen
von ihm zitierten Arbeiten den Ort der Veröffentlichung nicht angegeben.)
Zwei von seinen Sätzen geben mir Veranlassung zur Berichtigung. Der Herr
Kollege schreibt: „Energisch müssen wir jedoch gegen die Forderungen
Frankenburgers auftreten, welcher die Kranken des I. Stadiums von der
Heilstättenbehandlung ausgeschlossen wissen will.“ Eine solche Forderung habe
ich niemals und an keiner Stelle meiner Arbeit aufgestellt. Ich verweise dies-
bezüglich auf meine ganze Arbeit und hebe nur zwei Sätze aus derselben
wörtlich hervor: „Wenn ich Sie nun zu der Ansicht bekehren will, daß wir
künftig andere Patienten oder, um mich gleich präzise auszudrücken, nicht
mehr vorwiegend(!) solche des I., sondern des II. Stadiums in die Heilstätten
schicken sollen, so muß....“ Ferner: „Keineswegs will ich den Standpunkt
vertreten, als seien nun alle Kranke des IL Stadiums wahllos als günstige :
Heilstattenpatienten anzusehen; das sind sie natürlich ebensowenig als
alle Kranken des I. Stadiums.“
Ferner erhebt Herr Kollege von Holten den Vorwurf: „Er wirft die
Kranken des I. Stadiums mit den Tuberkuloseverdächtigen und den Trägern
latenter Tuberkulosen zusammen und behauptet, sie könnten der Heilstätten-
behandlung zumeist entraten. Hier gebe ich gerne den Fehler zu im Interesse
der Kürze mich nicht präzise genug ausgedrückt zu haben. Die These lautet
übrigens im Original: „Die Kranken des I. Stadiums, vor allem aber die
Tuberkuloseverdächtigen und die Trager latenter Tuberkulose können .. . ent-
raten.“ Richtiger hatte ich allerdings geschrieben: Die Tuberkuloseverdächtigen
und Träger latenter Tuberkulosen können der Heilstättenbehandlung immer,
die Kranken des I. Stadiums häufig entraten. Der letzteren Ansicht haben eine
ganze Reihe von Autoren, auch von Heilstättenärzten schon Ausdruck gegeben.
Jedenfalls geht aber aus meiner ganzen Arbeit hervor — ich hoffe wenigstens
klar genug gewesen zu sein — daß ich niemals die Tuberkulösen des I. Stadiums
von der Heilstättenbehandlung ausschließen wollte, sondern vielmehr, wiederum
gleich vielen Heilstättenärzten, mich dafür eingelegt habe nicht auf Grund
einer Untersuchung, sondern genauerer Beobachtung aus den Kranken des
I. und IL Stadiums die geeigneten und bedürftigen Fälle auszuwählen.
Dem Schlußsatze der Arbeit des Herrn Kollegen, zu verlangen, daß der,
welcher eine Kritik schreiben will, sich auf das Genaueste über die in der von
ihm selbst genannten Literatur enthaltenen Angaben unterrichtet, kann ich nur
beipflichten.
16*
244 v. HOLTEN, ANTWORT ETC. e
XVIII.
Antwort auf vorstehende Bemerkungen
des Herrn Dr. Frankenburger.
Von
Dr. K. von Holten.
enn Herr Kollege Frankenburger dem betreffenden Satze in der
i| Originalarbeit dieselbe Fassung verliehen hätte, wie in den vorstehen-
den Bemerkungen, so hätte ich gewiß nichts dagegen vorgebracht.
Denn in der jetzigen Fassung ist der Unterschied zwischen den Tuberkulose-
verdächtigen und Trägern latenter Tuberkulose einerseits und den Kranken
des I. Stadiums andererseits deutlich bezeichnet und dadurch der Sinn des
Satzes sehr wesentlich geändert worden. Gegen die Bedeutung des betreffenden
Satzes jedoch, wie er am Schlusse der Originalarbeit in Nr. 18 der Münchener
Medizinischen Wochenschrift 1908 als zusammenfassende These aufgestellt
ist, muß ich den erhobenen Einspruch jetzt wie früher durchaus aufrecht er-
halten. Übrigens gibt Herr Kollege Frankenburger ja auch die Differenz
in der Bedeutung des getanen Ausspruches in der Originalarbeit und des
gewollten in der vorstehenden Fassung selbst zu, so daß eine weitere Erörterung
sich dadurch erübrigt.
ro
BD.XIII,HEFT 8.
190$.
REFERATE.
245
I]. REFERATE ÜBER BUCHER UND AUFSÄTZE
|. Ätiologie und Verbreitung der
Tuberkulose.
G. Railliet: Portes d'entrée de la
: tuberculose. (Rev. de la tub., Avril
1908, Paris, Masson et Cie.)
Eine gute und vollstandige Uber-
sicht über den gegenwärtigen Stand der
Lehre von den Eingangspforten der tuber-
kulósen Infektion mit ausführlicher Lite-
raturangabe. Die Infektion durch den
geschlechtlichen Verkehr hat keine prak-
tische Bedeutung; ebensowenig die von
der Konjunktiva aus. Infektion von der
gesunden Haut aus ist zweifelhaft, von
der verletzten Haut aus schwierig: sie
verläuft dann meist gutartig, bleibt meist
ürtlich, wird selten allgemein. Die wich-
tigsten Infektionswege sind die Aufnahme
des Tb. mit der Atemluft und mit der
Nahrung: Inhalation und Ingestion. Die
Infektion von den Mandeln und ihrer
Umgebung aus bedarf nach Railliet
noch weiterer Untersuchungen.
Daß man Tiere sowohl durch In-
halation wie durch Ingestion tuberkulös
infizieren kann, ist unbestritten. Ob sich
das Ergebnis ohne weiteres auf die na-
türliche Infektion des Menschen über-
tragen läßt, betrachtet Railliet mit Recht
als unsicher. Ob hier der eine oder der
andere Weg der wichtigste oder wesent-
lichste ist, kann überhaupt schwerlich
durch Tierexperimente entschieden werden.
Es scheint aber, daB man auch beim
Menschen mit beiden Möglichkeiten zu
rechnen hat. Die Gefahr der Infektion
durch eingetrockneten Auswurf ist gering
anzusetzen; mehr Bedeutung haben die
Flüggeschen Tröpfchen, gegen die man
sich aber leicht schützen kann. Milch
von kranken Kühen kann infizieren; ge-
nügendes Kochen nimmt die Gefahr.
Meißen (Hohenhonnef).
H Barbier et M. Bondon: Recherches
statistiqes sur la fréquence de la
tuberculose chez les enfants pa-
risiens méd.
22, 43.)
Eine statistische Zusammenstellung
über die Fälle von Kindertuberkulose, die
vom Januar 1905 bis Mitte 1907 im
Hospital Herold in Paris beobachtet wurden.
Die Berechnung der Mortalität an Tuber-
kulose auf die Gesamtzahl der beobachteten
Todesfälle ergibt für die verschiedenen
Lebensalter Zahlen, die im allgemeinen
mitden Ergebnissen der bekannten Arbeiten
vom Comby, Baginsky, Hamburger
und Sluka u. a. übereinstimmen.
Wichtig erscheinen den Verff. vor
allem zwei Tatsachen: I. Die mit stei-
gendem Alter zunehmende Häufigkeit der
latenten Tuberkulosen im Kindesalter (Tb.
bei der Obduktion als Nebenbefund).
2. Die Notwendigkeit, bei der Berechnung
der Tb.-Mortalität für die verschiedenen
Lebensalter die relative Sterblichkeit des
betreffenden Alters in Betracht zu ziehen
(mit anderen Worten die Notwendigkeit
der Berechnung auf eine bestimmte Zahl
Lebender — wie jetzt allgemein üblich),
dann springt die Tatsache in die Augen,
daß der wirkliche und absolute Verlust
durch Tuberkulose im ersten Lebensjahre
der höchste ist. H. Grau (Düsseldorf).
hospitalisés. (Bull.
Max Plath: Ein Beitrag zur Frage
der Verbreitung und Bekämpfung
der Rindertuberkulose. (Inaug.-
Dissert., Leipzig 1907, 61 p.)
Die Tuberkulose unter den Rindern
hat in den letzten 5 Jahren zugenommen.
Die Schäden, die durch die Rindertuber-
kulose der Landwirtschaft zugefügt wer-
den, sind in den letzten Jahren größer
geworden und zwar weil die Preise der
Nutzrinder erheblich gestiegen sind und
der Erlös aus den erkrankten Tieren
mit dieser Steigerung nicht gleichen
Schritt gehalten hat. Die Tuberkulose
tritt in den Abmelk- und Umschlags-
wirtschaften viel häufiger auf, als in den
Zuchtwirtschaften, d. h. als in denjenigen
Betrieben, in denen der Bedarf an Milch-
vieh durch eigene Nachzucht gedeckt
wird. Die Tuberkulose ist in den Stal-
246
lungen der größeren Landwirtschaftsbe-
triebe verhältnismäßig viel häufiger, als
in den Stallungen der kleineren Betriebe.
Die meisten Rinder zeigen die klinische
Tuberkulose im Alter von 6—8 Jahren
und in den ersten 5 Monaten der Melk-
periode. Daher sind es gerade die
höchstbewerteten Tiere, die mit offener
Tuberkulose behaftet sind. Nach den
Erhebungen des Verf.’s betrug der Verlust
durch die Rindertuberkulose, soweit sie
während des Lebens der Tiere durch
klinische Untersuchung festgestellt werden
konnte, 1. 3 °/, des Wertes der gesamten
in Betracht kommenden Rinder. Zum
Schutze der Landwirtschaft vor größeren
Verlusten infolge der Tuberkulose ist die
gegenseitige Versicherung angezeigt. Zur
Verhütung der Übertragung der Rinder-
tuberkulose auf den Menschen ist die
gesetzliche Bekämpfung der Eutertuber-
kulose und eine Entschädigung für diese
Verluste erforderlich. Im Anschluß daran
ist ein gleiches Vorgehen gegen die über-
haupt mit oflener Tuberkulose behafteten
Tiere angezeigt.
Fritz Loeb (München).
Landouzy: Tuberculose des collecti-
vites (blanchisseurs) dans la ban-
lieue de Paris. (Acad. de Med.
16. VI. 1908. Bull. Med. 22. 48.)
Der Wiischer infiziert sich durch
die Wäsche von Tuberkulüsen, er infi-
ziert dann seine Wohnung, nach seinem
kummt in das Krankenhaus steckt sich
sein Wohnungsnachiolger an. Dieser Zu-
stand wird nicht anders werden, bis die
Tuberkulose anzeigepflichtig und jede
Anzeige von sofortiger Desinfektion der
Wohnung gefolgt ist.
In der Diskussion macht Lance-
raux darauf aufmerksam, daß der Alko-
holismus in der Entstehung der Wascher-
tuberkulose eine Rolle spielt, weil jeder
Wäschereibesitzer auf den Kopf seines
Arbciters pro Tag 40—50 Centime für
alkoholische Getränke ausgibt.
H. Grau (Düsseldorf).
Rappin ct L. Fortineau: Toxines du
bacille de Koch dans le lait des
femmes tuberculeuses. (Soc. de
Biol. 30. V. 1908. Bull. Med. 22. 47.)
REFERATE.
|
| kelbazillenhaltige Milch.
ZEITSCHR, f.
_ TUBERKULOSE
Die Autoren konnten bei tuberku-
' lösen Meerschweinchen durch Injektion
von 5 ccm gekochter Milch von tuber-
kulösen Frauen eine Fieberreaktion her-
vorrufen, die bei Milch gesunder Frauen
oder bei Verwendung gesunder Meer-
schweinchen ausblieb. Die Temperatur-
erhöhung betrug 1I—1?/,% Die Reaktion
wird verglichen mit der Wirkung einer
schwachen Tuberkulininjektion. Die Verii.
schließen auf das Vorhandensein
Tuberkelbazillengiften in der Milch.
H. Grau (Düsseldorf).
von
Armaingand: Decroissance progres-
sive de la tuberculose pulmo-
naire dans les vingt cinq derni-
ères années à Berlin, à Londres,
a Vienne et á Paris. (Acad. de
Med. 7. VIL Bull. Méd. 22. 54)
In den letzten 25 Jahren hat die
Sterblichkeit an Lungentuberkulose in
Paris um mehr als 21 °/,, in Berlin um
35 °/,, in Wien um 45 °/,, in New York
um 41 °/,, in London um 25°/, abge-
nommen Verf. geht noch näher ein auf
die Pariser Verhältnisse.
H. Grau (Düsseldorf),
Eber-Leipzig: Untersuchungen über
den Tuberkelbazillengehalt der
in Leipzig zum Verkaufe kommen-
den Milch und Molkereiprodukte.
(Zeitschr. f. Fleisch u. Milchhyg.,
18. Jahrg., Heft 10.)
Alle zum Verkaufe gelangenden
Molkereierzeugnisse können gelegentlich
einmal Tuberkelbazillen enthalten. Um
festzustellen, wie groB die hieraus für
die Konsumenten erwachsende Gefahr
ist, hat E. seit Frühjahr 1905 die in
Leipzig zum Verkaufe gelangende Markt-
milch, später auch die sämtlichen Mol-
kereiprodukte (Butter, Margarine, Sahne
und Quark) systematisch untersucht und
dabei folgende Ergebnisse erzielt:
Von 70 dreimal im Laufe des Jahres
kontrollierten Milchgeschäften führten 19 =
27,1°/, mindestens einmal eine mehr
oder minder lange Zeit hindurch tuber-
In 2 Milch-
geschäften wurde die Milch bei 2 etwa
3 Monate auseinanderliegenden Probe-
untersuchungen und ın einem der Milch-
BD.XUL,HEFT 3,
1908.
REFERATE. id
247
geschäfte bei jeder der 3 Probeunter-
suchungen tuberkelbazillenhaltig befunden.
Von 210 vorschriftsmábig
Milchproben erwiesen sich
20 = 10,5 °/, tuberkelbazillenhaltig.
VonısountersuchtenButterproben
wurden 18 = 12 °/, tuberkelbazillenhaltig
befunden. 2 große Buttergeschäfte, welche
4 Monate nach der ersten Untersuchung
zum zweiten Male kontrolliert wurden,
führten beide Male tuberkelbazillenhaltige
Butter. i
Von I 50 untersuchten Quarkproben
war keine tuberkelbazillenhaltig.
Bei der Untersuchung der Sahne
von 50 verschiedenen Milchgeschäften
erwiesen sich 3 Proben = 6 °/, tuberkel-
bazillenhaltig.
Von 50 untersuchten Margarine-
proben endlich wurden 2 = 4°/, tu-
berkelbazillenhaltig befunden.
Scherer (Bromberg).
Flensberg: Zur Sanitätsstatistik der
GarnisoninStockholm1878— 1902.
(Stockholm, Norstedt und Söner. 161 S.
Unter anderen Krankheiten ist auch
der Lungentuberkulose ein größerer Ab-
schnitt gewidmet. Sie hat in der letzten
Zeit in der rund 3000 Mann starken
Garnison deutlich abgenommen: für die
Periode 1878—1889 beträgt die jähr-
liche absolute Durchschnittsziffer der
neuen Fälle 22,2; für 1890— 1902 nur
12,2. Diese Abnahme beginnt ziemlich
schnell zu Ende der 1880er Jahre, und
es haben hierzu ganz sicher die zu dieser
Zeit neuerbauten Kasernen und die da-
selbst eingeführten hygienischen Ver-
besserungen in beträchtlichem Grade bei-
getragen. Von den verschiedenen Regi-
mentern weist das (söta Garde-Regiment
die höchste jährliche relative Durchschnitts-
zifler auf, die berittenen Waffengattungen
die niedrigsten.
Im Vergleich mit fremden Heercn
zeigt die Stockholmer Garnison eine un-
gewöhnlich hohe jährliche Durchschnitts-
morbidität, nämlich 5,7°/,,; die ent-
sprechende Ziffer beim deutschen Heere
beträgt nur 2,8°/,, (seit 1897/98 jähr-
lich um 1,9°/,, herum. Ref), dic beim
österreichischen 3,9°/,, und die beim
englischen 4,9 le:
|
|
untersuchten :
insgesamt |
Die Mortalität hat im allgemeinen
20°/, der behandelten Fälle betragen;
da ein großer Teil entlassen worden ist,
ohne daß man ihr weiteres Schicksal
kennt, kann die totale Mortalitát nicht
berechnet werden.
Mühlschlegel (Stuttgart).
Swierstra, Johannes: Kommen in dem
Fleische undin makroskopischge-
sunden Lymphdrisen von tuber-
kulósen Tieren Tuberkelbazillen
vor? Dissertation. Bern 1906.
Die Titelfrage ist für viele Fälle zu
bejahen; die negativen Resultate der
letzten Zeit fielen nach der Auffassung
des Verf.’s aus dem Grunde negativ aus,
weil zu wenig Bazillen an das Versuchs-
tier übertragen wurden.
Fleisch, in welchem sich Tuberkel-
bazillen befinden, ist als schädlich für
den Menschen zu betrachten, solange
man nicht auf eine bessere Weise als
bisher die Unschädlichkeit nachweisen
kann.
Verf warnt vor zu großer Nach-
sichtigkeit in der Beurteilung tuberkulösen
Fleisches. Die Sterilisation ist zu emp-
fehlen:
I. In allen Fällen von Tuberkulose,
welche zu hochgradiger Abmagerung ge-
führt hat.
2. Bei Tuberkulose mit ausgedehn-
ten Erweichungsherden. | Ä
3. Bei Tuberkulose mit Erscheinungen
einer frischen Blutinfektion, auch wenn
nur die Lungen akut infiziert sind.
4. Bei Tuberkulose, bei der die
Knochen auch der Sitz des Krankheits-
prozesses sind.
Bei dieser Sterilisation hat man ferner
auf den Umstand zu achten, daß man
die Stücke Fleisch nicht zu groß, nicht
größer als 2kg nimmt. Bei größeren
Stücken ist die Möglichkeit zu befürchten,
daß das Innere des Fleisches roh bleibt,
selbst wenn man länger als 2 Stunden
sterilisiert. Fritz Loeb (München).
248
Il, Allgemeine Pathologie.
Dr. R. W. Kiparski: Tuberkulose der
Beckenorgane der Frauen. Bericht
auf dem II. Kongreß der russischen
Gynäkologen und Geburtshelfer zu
Moskau. (Russki Wratsch 1908, No. 12.)
Verf. berichtet über die Resultate
seiner Beobachtungen an Frauen, welche
mit tuberkulösen Erkrankungen an der
Genitalsphäre behaftet waren und im
klinischen geburtshilflich -gynäkologischen
Institut zu St. Petersburg behandelt wurden.
Er macht auf die Schwierigkeit der Dia-
gnose besonders aufmerksam. Selbst das
mikroskopische Bild erweist sich häufig
demjenigen einer Neubildung ähnlich.
Prof. Snegirew bemerkt, daß tuber-
kulöser Prozeß in den Adnexen ver-
wechselt wird: mit extrauteriner Gravidität,
mit Pseudosalpynx und mit Malignita.
Das Abdomen ist hier wie bei Malignita
bretthart.
Prof. Grusdew bemerkt, daß Frauen,
welche tuberkulöse Herde beherbergen,
in der Mehrzahl der Fälle auch mit Tu-
berkulose der Geschlechtsorgane behaftet
sind. Gorizontow hatte dies bei Tieren
experimentell nachgewiesen.
Priv.-Doz. Kalabin macht auf die
Wichtigkeit der mikroskopischen Unter-
suchung des Sekrets für die Diagnose der
Tuberkulose der Geschlechtsorgane bei der
Frau aufmerksam. Peritonitis sicca mit
Verwachsungen ist noch kein Zeichen
von Tuberkulose. Die Behandlung des
tuberkulösen Herdes kann sowohl eine
lokale (chirurgische Exzision des Herdes)
wie auch allgemeine, d. h. scrotherapeu-
tische sein. Priv.- Doz. Neelow betont,
daß die primäre Tuberkulose der weib-
lichen Genitalspháre eine häufige Er-
scheinung ist.
Lewitzki (Jalta) empfiehlt bei der
Behandlung der Tuberkulose der Ge-
schlechtsorgane der Frau Sonnenbäder
anzuwenden.
Rosenberg bemerkt, daß die pri-
mire "Tuberkulose der Genitalorgane der
Frauen meistenteils Tuberkulose der übri-
gen Organe begleitet. Die Tuberkulinan-
wendung hätte bei frühzeitiger Diagnose | tuberkulose,
Nutzen bringen können.
REFERATE.
ZEITSCHR, t.
TUBERKULOSE
wäre hier das Spenglersche Tubercu-
linum Test, welches von mit Perlsucht
behafteten Rindern gewonnen wird. Dieses
Tuberkulin wirkt fünfmal so schwach wie
das Tuberkulin von Menschen.
Lewinowitsch bemerkt, daß man
dank der neuen Ophthalmoreaktion mit-
tels Tuberculinum Test beginnende
Tuberkulose diagnostizieren kann.
Bonstedt bemerkt, daß die Tuber-
kulinreaktion nicht sämtliche Kranken
geben.
M. Lubowski (Wilmersdorf/Berlin).
Charles Sandoz: Untersuchungen úber
die Bedeutung d. Sternalwinkels
bei Lungentuberkulose. (Inaug.-
Dissert., Basel.)
Aus seinen Untersuchungen glaubt
Verf. folgende Schlüsse ziehen zu kónnen:
I. Der Sternalwinkel bei Phthisikern
ist individuell sehr verschieden groß, so
daß man nicht imstande ist, irgend einen
konstanten Wert der Abflachung dieses
Winkels bei Phthisikern zu finden.
2. Die Exkursionsgröße in der Ge-
lenkverbindung zwischen Manubrium und
Corpus sterni bei Phthisikern variiert —
in Zahlen ausgedrückt — zwischen O und
20 Graden.
3. Die Verkürzung des antero-
posterioren Brustdurchmessers kann bei
Phthisikern nicht als Ursache eine Nei-
gungsabnahme der den Sternalwinkel
bildenden Ebenen haben.
4. Der Sternalwinkel hat nach den
Ergebnissen der Untersuchungen des Verf.’s
nicht diejenige Bedeutung für die Ent-
stehung der Lungenspitzentuberkulose,
die Rothschild ihm zuschreiben möchte.
M. Lubowski (Wilmersdorf/Berlin).
John McCrae: The pathology of tu-
berculosis in children. (Arch. of
Pediatrics, April 1908.)
Bei Kindern unter ı5 Jahren tritt
die Tuberkulose in 3 Hauptformen auf:
1. Intestinale (Fütterungs-) Tuberkulose
selten; 2. Generalisierte oder Miliartuber-
kulose, ausgehend von einem einige Zeit
latenten Herd und gewöhnlich auftretend
als Knochen-, Gelenk-, Lymphknoten-
tuperkulöse Meningitis oder
Am besten | tuberkulöse Bronchopneumonie; 3. ge-
BD. X11, HEFT 3.
"1908. o REFERATE, 249
meine Lungentuberkulose (bei älteren | Leider wird über die anatomische Be-
Kindern). Infektion mit bovinen Bazillen | schaflenheit solcher Prozesse nur wenig,
wird leichter überwunden als die mit
humanen. Sie befällt gewöhnlich die
Lymphknoten. Milch und Butter von an
Eutertuberkulose erkrankten Kühen ent-
halten wahrscheinlich oft Bazillen.
G. Mannheimer (Neuyork).
Brandts: Über die Wechselbezie-
hungen von Lymphosarkomatose
und Tuberkulose. (Münch. med.
Wchschr., Nr. 14, 1908.)
Verf. erzeugte aus menschlicher
Lymphosarkomatose aus einem festen
Tumorkörper, der mikroskopisch keinen
Anhaltspunkt für Tuberkulose bot und in
welchem keine Tuberkelbazillen zu finden
waren, nach einmaliger Passage im Tier-
körper eine Tuberkulose aus anscheinend
sehr wenig virulenten Bakterien und betont
die Notwendigkeit ausgedehnter Tierüber-
tragungsversuche bei neuen Beobachtungen
von Lymphosarkomatose. Gleichzeitig
wurde bei sämtlichen Tieren Leberzirrhose
gefunden. F. Köhler (Holsterhausen).
Seifert-Würzburg: Lupus und Tuber-
kulose des Nasenrachenraumes.
(Med. Klin., Nr. 16, 17, 1908.)
Im klinischen Sinne ist zwischen
lupös und tuberkulös streng zu unter-
scheiden, natürlich im engeren Sinne.
Literarische und kasuistische Mitteilungen
über die Tuberkulose und den Lupus des
Nasenrachenraumes, Erörterung der Patho-
genese und Diagnose sowie der Therapie.
F. Köhler (Holsterhausen).
A. Poncet et Leriche: Tuberculose
inflammatoire de l'estomac. Tu-
meursetstenosespyloriquesd’ori-
gine tuberculeuse. (Soc. de chirurgie,
20. V. Bull. med. 22, 41.)
Neben der ulzerösen und der hyper-
trophischen Form der Magentuberkulose
unterscheiden die Autoren eine entzünd-
liche Form, die zu adenomatösen Wuche-
rungen oder zur Bildung sklerös-entzünd-
licher Infiltrate führen soll, die diffus oder
umschrieben sein können. Die umschrie-
benen in derPylorusgegend können Stenosen
verursachen. Die Lehre ist ein Ausfluß
der bekannten Poncetschen Theorie.
über die Unterscheidung von den auf
dem Boden eines Ulcus simplex entstan-
denen Sklerosen gar nichts gesagt.
H. Grau (Düsseldorf).
G. Dupond: Un cas de tumeur tuber-
culeuse primitive de la cloison.
(Soc. Franc. de Laryngologie, Otolo-
logie et Rhinologie. Séance annuelle.
Bull. méd. 22, 42.)
Bei einer 60 jährigen Frau fand sich
vorn unten an der Nasenscheidewand ein
gestielter, grauweißer Tumor vom Aus-
sehen eines Schleimpolypen. Die mikro-
skopische Untersuchung ergab Tuberkulose.
Es handelt sich vielleicht um eine direkte
Infektion, da die Frau die Gewohnheit
hatte, in der Nase zu bohren.
H. Grau (Düsseldorf).
C. A. Treuholtz: Forms of tubercle
bacilli which cannot be colored
by Ziehl-Neelsen stain. (Med.
Record 1908, Jan. 11.)
In Anlehnung an die Mitteilungen
von Much u. Michaelides in Bd. 8,
Heft 1 der Beiträge z. Klinik der Tub.
wurden folgende Beobachtungen gemacht:
Auffallend oft zeigte es sich, daß in
Schmierpräparaten aus der Milz von
Meerschweinchen, die mit menschlicher
Tuberkulose infiziert waren, bei Karbol-
fuchsinfärbung keine Tuberkelbazillen ge-
funden wurden, obgleich makroskopisch
Tuberkel in der Milz sichtbar waren
und andere Organe (Drüsen, Hautge-
schwüre) positive Präparate lieferten.
Gramfärbung der Milzpräparate zeigte
einige Bazillen in Körnchen. Wurden
Teile der Milz einige Tage in der Brut-
kammer gehalten, so zeigten dann
| Schmier- und Schnittpräparate säurefeste
Bazillen. G. Mannheimer (Neuyork).
Lüdke-Würzburg: Tuberkulin undAnti-
tuberkulin. (Múnch. med. Wchschr.,
Nr. 15, 16, 1908.)
Der Organismus der Tuberkulösen
pflegt in viel weitgehenderem Mabe mit
Tuberkelbazillen durchseucht zu sein, als
bisher beschrieben ist, so daß die Bak-
teriimie bei der Tuberkulose eine größere
250
Rolle spielt wie die Toxiimie. L. gelang
es, die Wassermann-Bruckschen Anti-
tuberkulinnachweise im tuberkulósen Or-
ganismus zu bestätigen. Bei einem Material
von 41 mit Tuberkulin behandelten Fällen
wies Verf. 17 mal Antituberkulin im Blut-
serum nach. Ferner wurden Versuche
über Antikörperbildung nach Albumosen-
und Peptoninjektionen bei Tieren an-
gestellt und weitere Beweise für den
Albumosencharakter des Tuberkulins ge-
wonnen. F. Köhler (Holsterhausen).
Nösske-Kiel: Zur Kenntnis der Wir-
kung abgetöteter Tuberkelba-
zillen im menschlichen Körper.
(Med. Klin., Nr. 16, 1908.)
Auch abgetôtete Tuberkelbazillen ver-
mögen die spezifischen tuberkulösen Ge-
websveränderungen hervorzurufen, beim
Menschen wie beim Tiere. Charakteristisch
ist die eosinophile Reaktion. Die Unter-
suchungen beanspruchen im Hinblick auf
die Therapie mittels bakterizider Sera
zweifellos Interesse und erfordern Nach-
prüfung. Es wird zu erörtern sein, ob
nicht unter gewissen Umständen eine ein-
greifende Bakterizidie im Organismus ge-
eignet sein kann, schädliche Folgen zu
zeitigen (Ref.) F. Köhler (Holsterhausen.)
Rossolino: Über das Verhältnis des
Ohrláppchens zur Tuberkulose.
(Wien. klin. Wchschr., 28. Mai 1908,
Nr. 22.)
Unregelmäßigkeiten im Bau des äuBe-
ren Ohres sind als anatomisches Degene-
rationsstigma bei Personen mit persönlicher
oder familiärer Anlage für Tuberkulose
häufig. Das Verhältnis der abnormen
Ohrláppchen zu den normalen beträgt bei
Personen, die frei von Tuberkulose sind,
1:4; umgekchrt bei Veranlagung zu Tu-
berkulose ist das Verhältnis 3,25: 1. Das
unregelmäßig gebaute Öhrläppchen (es
werden mehrere Typen beschrieben und
abgebildet) ist nach R. charakteristisch für
eine besondere physische Organisation,
deren wichtiges Merkmal eine vitale
Schwäche der Gewebe bildet, die eine
Prädisposition zur Erkrankung an Tuber-
kulose infolge geringer Widerstandskraft
darstellt. Naumann (Reinerz-Meran).
REFERATE.
ZEITSCHR. 1.
TUBERKULOSE
C. Rubino: Ricerche ematologiche
nella tubercolosi polmonare con
speciali riguardi alle varieta leu-
cocitarie. (Ann. dell Istitut. Mara-
gliano, Bd. 2, Heft 4.)
Hat die Tuberkulose einen beson-
deren hämatologischen Charakter, der
bestimmten klinischen Formen entspricht:
Welche diagnostische und prognostische
Bedeutung darf man ihnen zuschreiben?
125 Fälle wurden untersucht, davon
unterlagen 55 einer vollständigen häma-
tologischen Prüfung, bei den übrigen
wurden nur die Leukocytenvarietäten
geprüft.
Das Ergebnis war:
I. Die Lymphocyten vermehren
sich bei Beginn von Tuberkuloseprozessen.
Wo Lymphocytose vorhanden ist, mul
immer latente Tuberkulose vermutet
werden.
2. Die Lymphocyten vermindern
sich im Verhältnisse, wie andere Mikro-
organismen sich den Kochschen Ba-
zillen zugesellen; in den letzten Stadien
der Krankheit sind sie bedeutend ver-
mindert.
3. Die Iymphocyten vermehren
sich in den Fällen, wo der Prozeß ver-
heilt ist oder zur Heilung neigt (sklero-
siert) zur Vervollständigung dieser Er-
fahrung diene:
a) Bei der Sklerose muß alte Sklerose
von beginnender unterschieden werden.
Im ersteren Falle ist die Vermehrung
der Lymphocyten deutlich, sie ist mit
einem gewissen Grade von Eosinophilie
vergesellschaftet; im zweiten, in dem Hä-
moptöen häufig sind, können die Lym-
phocyten vermindert oder normal sein.
b) Lymphocvtose zeigt sich nicht
bei Sklerose mit Toxiimie, d. h. in den
Fällen, wo die lokalen Veränderungen
ausgeheilt sind oder zur Ausheilung neigen,
während die Allgemeininfektion ihren Fort-
gang nimmt.
c) Lymphocytose ist nicht vorhan-
den bei initialen Herden, die frühzeitig
Mischinfektionen aufweisen.
Mielocyten, Mononukleäre.
Übergangsformen. Diese Elemente
wurden zum ersten Male von Tedeschi,
Romanelli und Rubino auf der Mara-
glianoschen Klinik bei Tuberkulose so-
BD.XII,HEFT 8.
1908.
REFERATE.
wohl klinischer als experimenteller nach-
gewiesen.
Mononukleose ist häufig, jedoch
schwer zu klassifizieren, es kann nur ge-
sagt werden, daß sich
a) die mononukleären Zellen in den |
Anfangsstadien auf Kosten der polynu-
kleären Zellen,
auf Kosten der Lymphocyten vermehren.
Mononukleose findet sich in klinisch
durchaus verschiedenen Formen.
Mielocytänose ist häufig auch
„prätuberkulären“ Stadien.
Diepolynukleärenneutrophilen
in
Zellen sind in den vorgeschrittenen Sta- |
dien der Erkrankung vermehrt, meist in
den Fällen von Toxämie mit oder ohne
Höhlenerscheinungen.
Eine Vermehrung der polynukleären
Leukocyten kann gleichzeitig mit mono- |
nukleären Zellen sowie bei der zuweilen `
zu beobachtenden Hyperglobulie als bei
der spezifischen Toxämie auftreten.
PolynukleäreeosinophileZellen |
vermehrten sich sobald der tub. Prozeß
Heilungstendenz zeigte, nahmen aber ab,
sobald er sich verschlimmerte. Sie sind,
nach dem Verf. anzusehen, als Ausdruck
der Verteidigungskräfte des Organismus,
die sich unter der Einwirkung der spe-
zifischen toxisch-infektiösen Substanzen
entwickeln.
Ortenau (Nervi — Bad Reichenhall)
Leo Minski: Zur Frage der Tuber-
kuloseheilung im frühen Kindes-
alter. (Inaug.-Dissert., Freiburg i. Br.
1908.)
DaB die Tuberkulose im kindlichen
Alter so häufig vorkommt, ist hauptsäch-
lich durch die dürftigen Lebensverhält-
nisse der ärmeren Bevölkerung bedingt,
welche ihren Ausdruck in der unzweck-
mäßigen Wohnung, Ernährung und dem
Mangel an Reinlichkeit finden. Der Ver-
kehr mit hustenden und auswerfenden
Menschen in geschlossenen Räumen stellt
weitaus die häufigste Infektionsgelegenheit
dar. Der Säugling ist dem besonders
ausgesetzt. Eine Begünstigung der In-
fektionsgefahr ruft die schlechte Pflege des
Kindes hervor. Die Prophylaxe hat ziel-
bewußt, einerlei ob sie im Kampfe gegen
die Tuberkulose als Volkskrankheit etwas
erreichen will, oder ob sie als individu-
: elle Prophylaxe bisher leider nur in ge-
| Gefäßruptur
ringem Umfang Erlangtes zu verwirklichen
sich bestrebt, vornehmlich das Kind vor
der Gefährdung durch eine bazillenstreu-
ende Umgebung zu schützen. Gleich-
' zeitigist die durch ererbte oder erworbene
b) in den vorgeschritteneren Stadien
pathologische konstitutionelle Momente
geschaflene Disposition zu tuberkulöser
Erkrankung zu bekämpfen. Im Einzel-
falle wird Gutes unter den jetzigen Er-
kennungsverhältnissen erreichbar sein. Für
den großen Kampf gegen die Tuberku-
lose als Volkskrankheit werden aber ge-
setzliche Hilfen in Gestalt von Wohnungs-
vesetzen, Gesetzen, die sich mit der
Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit etc.
befassen, nicht zu entbehren .sein und
immer wieder gefordert werden müssen.
Fritz Loeb (München).
ErnstSpilleke: TraumatischeLungen-
tuberkulose. (Inaug.- Dissert., Frei-
burg i. Br. 1908.)
Die traumatische Lungentuberkulose
hat wenig charakteristische Erscheinungen.
| Form und Verlauf geben keine Antwort
auf die Frage nach dem ursächlichen
Zusammenhang. Dieser ist zu erschließen
aus dem Nachweis, daß die Lunge bzw.
der Thorax einen Stoß oder Schlag, oder
| daß der Körper eine allgemeine schwere
Erschütterung erlitten hat, wodurch eine
oder Parenchymzerreißung
hervorgerufen werden konnte, daß ferner
zwischen dem Trauma und der Tu-
berkulose ein kontinuierlicher Zu-
sammenhang besteht. Der zeitliche
Zwischenraum zwischen dem Unfall und
dem Auftreten der ersten tuberkulüsen
Symptome kann verschieden groß sein;
3-4 Wochen, entsprechend der Impf-
zeit der Tuberkulose, bei den Fällen,
bei denen Zwischenkrankheit fehlte. Von
höchstem Werte ist es für die Feststellung
einer Verschlimmerung, Kenntnis zu haben
von dem Zustand des Verletzten
vor dem Unfall (Stammrolle, Militär-
papiere), direkt nach dem Unfall und
über den Verlauf der Erkrankung
seit dem Unfall. Auffällige Unter-
schiede in der Raschheit des Verlaufes,
Änderung in der Form der Erkrankung
252
REFERATE.
bejahen die Frage nach ungünstiger Be- `
einflussung. Die durch den Unfall be-
dingte Verschlimmerung der Tuberkulose |
braucht nicht anzuhalten, vielfach ist sie
temporär beschränkt, besonders wenn
der Unfall Veranlassung zur Einleitung
eines spezifischen Heilverfahrens gegeben
hat. War dieses von Erfolg begleitet,
dann ist die Annahme berechtigt, dal
der Zustand der Lunge nach Beendigung
der Behandlung dem Zustand vor dem
Unfall entspricht; in späterer Zeit dann
wieder eintretende Verschlimmerungen
sind dann nicht Unfallsfolgen, sondern
durch den natürlichen Verlauf der Krank-
heit bedingt.
Kirmisson: A propos du rhumatisme
tuberculeux. (Soc. de chirurgie
8. VII. Bull. Med. 22. ss
Ein energischer und wohlbegrúndeter
Protest gegen die Lehre Poncets von dem
tuberkulösen Rheumatismus, speziell deren
wunderliche Verallgemeinerungen, die
in letzter Zeit so zahlreich in den Spalten
Fritz Loeb (München). .
ZEITSCHR. f.
TUPERKULOSE
druckabnahme. Die bei weitem häufigste
von ihnen ist die Tachycardie, die durch
mancherlei Ursachen zustande kommen
kann: 1. auf autosuggestivem Wege, durch
das Bewußtsein, krank zu sein; 2. durch
reflektorische Vorgänge; 3. auf toxischer
Grundlage; 4. infolge Verringerung des
Atemvolums der Lunge; 5. durch krank-
hafte Veränderungen in der Nähe des n.
Vagus (vergrößerte Bronchialdrüsen); 6. in-
folge gesteigerter Funktion der Schild-
drúse; 7. infolge Mischinfektion.
C. Servaes.
G. Zand-Med. Klinik Zúrich: Klinische
Untersuchungen über das Ver-
halten des Blutes bei Meningitis
cerebrospinalis epidemica, Me-
ningitis tuberculosa und Menin-
gitis purulenta non epidemica.
(Virch. Arch. Bd. 192, Heft 1.)
Verf. hatte bei ihren Blutunter-
‘ suchungen in einer größeren Anzahl von
der französischen Zeitschriften zu finden |
| Leukocyten auf der Höhe der Krankheit;
sind („Lipome, Adenome, genu valgum,
Spätrhachitis“ auf entzündlich tuberku-
löser Grundlage).
H. Grau (Düsseldorf).
Devraigne: A propos d’un cas de
pleuresie purulente guerie par
lempyème chez un nouveau-né.
(Soc. d’obstetr. de Paris 2. VII. Bull.
Med. 22. 55.)
Sehr seltener Fall von Staphylo-
und Streptokokken-Empyem bei einem
3 Wochen alten Kinde; Heilung durch
Inzision ohne Rippenresektion. Fistel-
bildung. H. Grau (Düsseldorf).
K. Franz-Garnisonspital Wien: Bezieh-
ungen der Lungentuberkulose zu
funktionellenStörungenderHerz-
tätigkeit, vornehmlich bei Sol-
daten. (Wien. med. Wchschr. 1908,
Nr. 15.)
Die bei Lungenkranken nicht sel-
tenen Stürungen der Herztätigkeit sind
in der Hauptsache auf eine gewisse Hy-
poplasie des Gefäßsystemes zurúckzu-
führen.
Sie äußern sich in Pulsbeschleu- !
nigung, Arhythmie des Pulses und Blut- | Genesung.
|
|
|
|
|
|
Fällen folgende Ergebnisse. Die nicht
tuberkulöse Meningitis ist ausgezeichnet
durch eine Vermehrung der neutrophilen
geht letztere in Genesung über, so macht
die Hyperleukocytose einer Leukopenie
Platz. Die eosinophilen Zellen ver-
schwinden dagegen regelmäßig und günz-
lich aus dem Blute. Die Zahl der roten
Blutkörperchen und der Hämoglolin-
gehalt ist oft vermindert. Die Blutdruck-
verhältnisse entsprechen im allgemeinen
der Norm.
Bei der tuberkulösen Meningitis
ist dagegen die Zahl der neutrophilen
Leukocyten vermindert. Das Verhalten
der eosinophilen Zellen ist verschieden:
teils ist ihre Anzahl hochnormal, teils
vermindert, teils sind sie auch ganz aus
dem Blute verschwunden. Die Zahl der
roten Blutkörperchen ist gegen die Norm
unverändert, der Hämoglobingehalt ver-
mindert. Auch der Blutdruck zeigt keine
Abweichung von der Norm.
Differentialdiagnostisch spricht daher
eine Hyperleukocytose gegen tuberkulöse
Meningitis, prognostisch eine beständige
allmáhliche Abnahme der Leukocvten-
zahl bis zu völliger Leukopenie bei nicht-
tuberkulöser Meningitis für beginnende
C. Servaes.
BD.XITI,HEFT 3.
1908.
REFERATE.
253
E. Joest und C. Noack: Zur Patho-
genese der Lymphdrüsentuber-
kulose. (Zeitschr. f. Infekt.-Krankh,,
Parasitenkunde und Hyg. d. Haustiere,
Bd. 4, Heft 3/4.)
Die hämatogene Infektion der Lymph-
drüsen mit Tuberkulose setzt voraus, daß
sich Tuberkelbazillen in der arteriellen
Blutbahn befinden, daß also die Bedin-
gungen für eine Generalisation der Tu-
berkulose im Organismus erfüllt sind.
Besondere Prädisposition des Lymph-
drüsengewebes für die tuberkulöse In-
fektion vom Blutstrome aus konnten die
Verff. bei ihren Versuchen nicht er-
kennen. Sie halten daran fest, daß in
allen Fällen, in denen die Möglichkeit
einer hämatogenen tuberkulösen Infektion
der Lymphdrüsen überhaupt vorliegt,
gleichzeitig auch die Möglichkeit ihrer
lymphogenen Infektion gegeben ist. Die
hämatogene Infektion einer Lymphdrüse
ziehen sie nur da in Betracht, wo die
Lymphdrüse selbst tuberkulös erkrankt
ist, während ihr Wurzelgebiet frei von
Tuberkulose erscheint. Das Ergebnis
ihrer eingehenden Untersuchungen ist,
daß beim Rinde die hämatogene Tuber-
kuloseinfektion der portalen Lymphdrüsen
in 2,74°/,, beim Schweine dagegen nur
in 0,37 °/, aller generellen Tuberkulosen
vorkommt. Für das Rind ist also die
Möglichkeit der hämatogenen Infektion
der portalen Lymphknoten im Vergleiche
mit der lymphogenen Infektion sehr klein,
für das Schwein aber fast gleich Null.
Für die praktische Fleischbeschau
ergibt sich daraus, daß im Hinblick auf
die große Seltenheit des Vorkommens
der hämatogenen Tuberkuloseinfektion
der Lymphdrüsen kein Anlaß zur Rück-
sichtnahme auf diese Infektionsmöglich-
keit gegeben ist. Scherer (Bromberg).
G. Romanelli: L'indice opsonico e
fagocitico del siero di sangue
di animali vaccinati contro la
tubercolosi. (Ann. dell’ Istitut. Ma-
ragliano, Bd. 2, Heft 4.)
R. arbeitete mit Kaninchen, die er
in 9 Abteilungen teilte. Die 1. Gruppe
wurde behandelt mit Unterhauteinsprit-
zungen von Tuberkelbazillen, die bei 120°
getötet worden waren. Die 2. wurde
eingespritzt mit eiterigem Materiale, das
aus der Abszeßhöhle von Tieren der
I. Gruppe stammte. Die 3. von dem
Eiterherde der 2. Gruppe und so jede
folgende bis zur 0. Gruppe.
AuBerdem wurden einige Kaninchen
und Affen an zwei Stellen der Bauch-
wand mit Material geimpft, das von der
3. Gruppe herrührte.
Das Blut wurde entweder der Ohr-
vene oder der Carotis entnommen und
steril aufgefangen.
Die Bazillenemulsion wurde Agar- oder
Glyzerin-Bouillonkulturen entnommen.
Die Leukocyten wurden von Ka-
ninchen aus pleuritischen oder peritone-
alen Exsudaten gewonnen, die nach Ein-
spritzung einer dicken Aleuronatemulsion
sich gebildet hatten. Die Opsoninprobe
wurde entweder bald nach der Einsprit-
zung oder während der Bildung der
Eiterblase oder nach deren Eröffnung
und Entfernung des Eiters oder endlich
lange Zeit nachher vorgenommen.
Das Normalserum wurde von ge-
sunden Kaninchen oder Affen gewonnen,
die annähernd gleich alt und schwer wie
die zur Untersuchung verwendeten Tiere
waren; ihr Phagocytenindex war durch-
schnittlich 0,8.
Es ergab sich:
I. Es ist möglich, den Phagocyten-
index und infolgedessen auch den Op-
soninindex gesunder Tiere zu erhöhen
durch Einimpfen von Tuberkelbazillen
oder davon herrührendem eiterigen Ma-
teriale.
2. Auf ihre Einführung folgt in den
ersten Tagen eine leichte Verminderung
beider Werte (Wrights negative Phase),
3. Die positive Phase Wrights
wurde in den ersten 6 Gruppen der Ka-
ninchen und bei den geimpften Affen
nachgewiesen.
4. Von der 6. Gruppe ab tritt eine
Änderung der beiden Indizes nicht mehr
ein (Abwesenheit von Bazillenkörpern im
Impfmaterial).
5. Das Blutserum entfaltet seine
stärkste Wirkung zur Zeit der vollendeten
Bildung der Eiterblase, darauf folgt ein
Gleichbleiben von recht langer Dauer
(2 Monate und darüber), dann ein Ab-
sinken und Rückkehr zur Norm.
254
REFERATE
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
6. In den ersten 4 Gruppen dauert ' Verlauf ausgezeichnet und hatte keine
die gleichbleibende Periode
in den späteren.
R. fügt hinzu, daß die Körperwärme
des Tieres ohne Einfluß auf die Schwan-
kungen des Opsoninvermógens des Blut-
serums ist. Phagocyten- und Opsonin-
index haben nichts zu tun mit der Ag-
glutinationskraft des Blutserums.
Ortenau (Nervi— Bad Reichenhall).
C. P.Goggia: Unicismo o pluralismo?
Sul? adattamento del bacillo tu-
bercolare all’ organismo di alcuni
animali. (Ann. dell Istit. Mara-
gliano, Bd. 2, Heft 2.)
C. P. Goggia: Intorno all’ azione es-
plicata dei bacilli tubercolari
coltivati in sacchetti di collodio
nel peritoneo del cane sopra i
poteri difensivi del siero. (Ann.
dell’ Istitut. Maragliano, Bd. 2, Heft 4.)
Seine früheren Untersuchungen haben
den Verf. von der Einheit der Tuberkel-
bazillen durchaus überzeugt; die bei ver-
schiedenen Tierarten gefundenen Bazillen
sind nun Varietäten einer Spezies, die
durch die Veränderung des Nährbodens
entstehen.
G. studierte zunächst die Einwirkung
der Säugetiertuberkulose auf Tauben.
Um die Widerstandsfähigkeit des Orga-
nismus herabzumindern, wurde diesen
Tieren, wie in früheren Untersuchungen,
länger als |
heterogenes Serum endoperitoneal und |
subkutan eingespritzt. Früher hatte G.
normales Ochsenblutserum verwandt, dies-
mal pathologische Sera (von Influenza-
kranken, von Pneumonikern, Typhôüsen,
sowie von Kranken, die an Gelenkrheu-
matismus litten, letzteres wegen seines
hohen auto- und heterolytischen Ver-
múgens) 1—10 ccm wurde 14 Tage lang
alle 2 Tage eingespritzt. Dann wurden
die Tiere mit hochvirulenten mensch-
lichen Tuberkelbazillen infiziert.
Es zeigt sich entgegen der Ansicht
einer Reihe von Untersuchern, daß es
móglich war, wahre spezifische Tuberkel-
gewebszerstörungen zu erzielen, obgleich
doch Tauben gegen menschliche Tuberkel
so widerstandsfähig sind. Die entstan-
dene Tuberkulose war durch langsamen
|
|
Tendenz sich anzubrechen, blieb viel-
mehr auf das Bauchfell und die Bauch-
eingeweide beschränkt.
Das aus ihr gewonnene Material
war imstande, Meerschweinchen zu tuber-
kulisieren.
Ferner experimentierte er an Hun-
den. Direkte Bazillenüberimpfung von
Menschen- oder Meerschweinchen - Tu-
berkel gab geringe Ergebnisse. Er ging
darum nach Metschnikoff, Roux und
Salimbeni vor: Kollodiumsäckchen, in
denen Glasróhrchen staken, wurden mit
Bazillenemulsion gefüllt, hermetisch ver-
schlossen, ins Peritoneum eingeführt, und
bis zu 3 Monaten daselbst belassen.
Dann wurden die Tiere geopfert, aus
dem Inhalt der Säckchen wurden neue
Kulturen hergestellt und Hunden ins Peri-
toneum gebracht.
Es entwickelte sich deutliche Peri-
tonealtuberkulose, die Bazillen unter-
schieden sich in Farbe und Ansehen
wenig von menschlichen Tuberkelbazillen.
Diese beim Hunde akklimatisierten Ba-
zillen wiesen verminderte Giftigkeit für
Meerschweinchen und Kaninchen auf.
Der Beweis ‘für die Umwandlung
desselben Tuberkelbazillus scheint also
erbracht.
Da es nicht angängig ist, am Men-
schen selbst zu prüfen, ob er für Bazillen
seiner eigenen Spezies empfänglicher ist
als die anderer, suchte G. das Problem
auf indirektem Wege zu lösen.
Es wurden 4 homogene Kulturen
von Tuberkulose angelegt, vom Menschen,
vom Meerschweinchen, vom Kaninchen
und vom Hunde. Mittels eines beson-
deren Kunstgrifles wurde bewerkstelligt,
daß jede verwandte Kultur die ungefähr
gleiche Anzahl von Bazillen enthielt. Es
wurde nun das Agglutinationsvermügen
von Seren vorgeschrittener Tuberkulose
auf diese Kulturen geprüft und gefunden,
daB es bei Kaninchen am stärksten,
schwächer beim Hunde und Meer-
schweinchen, am schwächsten beim Men-
schen war (+ “/ig — “/ao gegen + "Ia —
+ ‘/39) Der menschliche Bazillus ver-
liert also durch die Überpflanzung auf
andere Tierarten an Giftigkeit fúr den
Menschen, er modifiziert sich also nicht
BD XILLHEFTS.
1008. ` 7
unbetriichtlich.
weis fiir die Einheit der Tuberkulose.
Galt diese Untersuchung der Erfor-
schung der Einheit der Tuberkulose, so
bezog sich die zweite auf die Immunität.
Der Verf. ging in gleicher Weise
wie bei den Experimenten am Hunde
vor. Es wurden Kollodiumsäckchen mit
Tuberkulose von Sputum oder von Kul-
turen, die in der Peritonealhóhle des
Hundes geweilt hatten, 16, 30 und
go Tage in der Bauchlióhle von Hunden
belassen.
Die Tiere wurden vor der Tötung
zur Ader gelassen, ihr Serum gewonnen
und das Agglutinations-, das Wachstums-
hinderungsvermögen und seine antitoxische
Kraft geprüft.
Es ergab sich eine bedeutende Ver-
mehrung der antitoxischen, eine ziemlich
große der agglutinierenden Kraft, während
die wachstumshemmende Kraft dem Tu-
berkelbazillus gegenüber nicht oder kaum
gesteigert war.
Ortenau (Nervi — Bad Reichenhall).
A. Fedeli: Le associazioni micro-
biche nella infezione tubercolare.
(Ann. dell’ Istit. Maragliano, Bd. 2,
Heft 4.)
F. infizierte Meerschweinchen mit
T'uberkulose entweder nach vorausgehender
oder nachfolgender Infektion mit anderen
Mikroorganismen. Er zog in den Bereich
seiner Untersuchung: Pneumokokken,
Streptokokken, Micrococcus tetrazonus,
Staphylokokken. Er konnte feststellen,
dal Tuberkulose schwerer verlief, wenn
andere Mikroorganismen eingeimpft wor-
den waren, daß andere Infektionen auf
Tuberkulose vorbereitetem Boden leichter
hafteten denn sonst und schwerer ver-
liefen.
Ortenau (Nervi — Bad Reichenhall).
G. Basso: La sieroterapia nelle iriti
tubercolari sperimentali. (Ann.
dell’ Istit. Maragliano, Bd. 2, Heft 2.)
Es wurden Kulturen von Säugetier-
tuberkulose auf Glyzerinserum im Mo-
mente der Verwendung mit physiologischer
Kochsalzlósung emulsioniert und Kanin-
chen in die vordere Augenkammer ge-
bracht.
Die Hiilfte dieser Tiere erhielt |
REFERATE. 255
Ein recht deutlicher Be- | jeden 2. Tag 2 ccm des antibazillären
Serums von Maragliano.
Nach ı!/, monatiger Behandlung
schwanden alle Erscheinungen von Hy-
perámie. Die grauen Knötchen sowie
das Exsudat der Regenbogenhaut hörten
bald zu wachsen auf und begannen nach
2 Monaten ein weißliches Aussehen an-
zunehmen.
Die histologische Untersuchung er-
gab das Vorhandensein sklerosierenden
Gewebes in den verschiedenen Schichten
der Iris.
Die nicht behandelten Kontrolltiere
gingen unter den gewöhnlichen Erschei-
nungen der Bulbustuberkulose zugrunde.
Die entwickelungshemmendeWirkung
des antibazilliren Serums wird nach B.
durch diese Experimente klar bewiesen.
Ortenau (Nervi — Bad Reichenhall).
G. Romanelli: Influenza di pregressa
infezione da diplococco lance-
olato di Fränkel sul decorso della
tubercolosi sperimentale. (Ann.
dell’ Istitut. Maragliano, Bd. 2, Heft 4.)
So zahlreiche Untersuchungen ge-
macht sind über das Wachstum von ver-
schiedenen Bakterien auf Nährböden oder
Geweben, die mit Tuberkulose infiziert
wurden, so wenig ist der Gang der tu-
berkulösen Infektion auf anderweitig be-
reits infizierten organischen Nährböden
studiert worden. Die wenigen bisher
veröffentlichten Arbeiten haben nur zu
unvollkommenen oder ganz unsicheren
Ergebnissen geführt.
Unter Leitung von Mangiagallı
hat R. diese Lücke auszufüllen gesucht.
Er ging folgendermaßen vor: Auf
Bouillonserum, Blutserum und Blutagar
wurden Fränkelsche Diplokokken, die
aus dem Herzblute von infizierten Ka-
ninchen herrühren, 24 Stunden lang ge-
züchtet. Durch wiederholten Durchgang
durch Kaninchen wurden hochgiftige
Kulturen erzielt. Von diesen wurde eine
halbe bis ganze Öse Meerschweinchen
in die Brust und Bauchhöhle eingespritzt.
Es erfolgte eine heftige fieberhafte Re-
aktion, die in 7—10 Tagen abgelau-
fen war.
Bei gelegentlichen Sektionen zeigte
sich jedesmal eine typische Diplokokken-
256
infektion. Stets konnte im Herzblute der
Fränkelsche Mikroorganismus nachge-
wiesen werden.
Hatten die Tiere ihr ursprúngliches
Gewicht vor Beginn des Versuches er-
reicht, was nach weiteren 8—12 Tagen
der Fall war, so wurden sie mit I ccm
(= 0,005 g Bazillen) Bazillenemulsion
behandelte Die Tiere, welchen die
Kokkenkulturen in die Brusthöhle ein-
gespritzt worden war, wurden in die
Bauchhohle injiziert und umgekehrt.
Es ergab sich nun folgendes:
Bei Meerschweinchen,
eine Diplokokkeninfektion durchgemacht
haben, verläuft ı. die experimentelle
Tuberkulose innerhalb 8—12 Tagen mit
höherem Fieber und stärkerer Abmage-
rung als bei den Kontrolltieren, 2. rascher,
auch was die pathologisch anatomischen
Veränderungen betrifit, 3. die experimen-
telle Tuberkulose hat nicht nur die Ten-
denz in der Umgebung der Impfstellen
rasch um sich zu greifen, sondern sich
auch allgemein zu verbreiten und na-
mentlich an den Stellen, wo die Kokken-
infektion sich abgespielt hatte, sich fest-
zusetzen. Besonders zeigt die Pleura der
tuberkulösen Infektion gegenüber ver-
minderte Widerstandsfähigkeit.
Ortenau (Nervi— Bad Reichenhall).
E. Fritzsche-Hyg. Univ.-Inst. Zürich:
Experimentelle Untersuchungen
über
ungen des Tuberkelbazillus zu
einigen anderen säurefesten Mi-
kroorganismen und Aktinomy-
zeten. (Arch. f. Hyg. Bd. 65, Heft 3.)
Die vorliegende Arbeit diente dem
Zwecke, etwas über die Verwandtschaft
der verschiedenen säurefesten Mikroor-
ganismen untereinander auf Grund von
biologischen Untersuchungen zu erfahren.
Es wurde zunächst festgestellt, daß die
verschiedenen Arten der Säurefesten, auf
denselben Nährboden gebracht, einander
im Wachstum nicht hemmten; auch wuchsen
sie auf Nährböden, die schon anderen
Arten der Säurefesten zur Kultur gedient
hatten. Vergleichende Untersuchungen
über die Agglutinierbarkeit der einzelnen
Arten waren nicht durchführbar, weil die
Agglutinationsreaktionen bei den ver-
die biologischen Bezieh- |
REFERATE.
die vorher `
ZEITSCHR. f.
= TUBERKULOSE
schiedenen Aufschwemmungen keine ein-
heitlichen Ergebnisse zeigten. Komple-
mentbindungen ließen sich mit homologen
Stimmen deutlich nachweisen, mit hetero-
logen dagegen nur ausnahmsweise. Da
übrigens auch normale Sera positive Re-
sultate ergaben, so bezweifelt F. die Spe-
zifitit dieser Reaktion. Die wenigen
Versuche Verfs. über gegenseitige Immu-
nisierung lassen zwar bindende Schlüsse
noch nicht zu. Immerhin konnte jedoch
F. eine deutlich verlängerte Lebensdauer
der tuberkuloseinfizierten Meerschwein-
chen nach Vorbehandlung mit Blind-
schleichenbazillen feststellen, während bei
anderen säurefesten (Möller II, Tob-
ler II}immunisierende Eigenschaften nicht
zu erkennen waren, die untersuchten
Aktinomyzesarten(Eppinger und Farcin)
sogar eher eine Anaphylaxie hervorzu-
rufen schienen. C. Servaes.
E. Levy, Franz Blumenthal und A. Marxer:
Experimentelle Untersuchungen
über Tuberkulose. 2. Mitteilung.
Über Immunisierungs- und Be-
handlungsversuche kurzer Labo-
ratoriumstiere gegen experimen-
telle Tuberkulose vermittelst Tu-
berkelbazillen,die durchchemisch
indifferente Stoffe abgetôtet, bzw.
abgeschwächt sind. (Ctrlbl. f. Bakt.
etc. Originale. Bd. 47, Heft 3, p. 289
bis 297.)
Schutzimpfung von Meerschweinchen
durch Tuberkelbazillen, welche durch
Glyzerin, Harnstoff, Galaktose abgetótet
oder abgeschwächt waren. Durch diese
Methode werden die Antigene der Bak-
terien möglichst geschont, wodurch sie
zu Immunisierungszwecken und zur Er-
höhung der Widerstandskraft geeignet
bleiben. Eintägige, abgeschwächte Harn-
stoflbazillen erwiesen sich als ungeeignet,
um die Widerstandskraft gegen Tuberkel-
bazillen zu erhöhen. Besser waren die
Resultate, wenn der kleinen Dosis ab-
geschwächter Bazillen eine große Dosis
abgetöteter Harnstoffbazillen vorange-
schickt wurde. Nur ein Tier war nicht
immun. Die Immunisierung von Meer-
schweinchen gegen hochvirulente Tuber-
kelbazillen ist eine sehr schwierige. Re-
lativ gute Resultate erzielten Verfl., wenn
BD.XIII,HEFTS.
E E 1908. ar
sie auf eine größere Dosis abgetóteter
Bazillen noch mehrere kleine Dosen ab-
geschwächter Bazillen den Tieren injizierten.
Es wurde keine vollstindige Immunisie-
rung erzielt, wohl aber eine Verlängerung
des Lebens. Die Immunisierung mit ab-
geschwächten Bazillen ohne vorherige Be-
handlung mit abgetóteten Bazillen ergeben
viel schlechtere Resultate. Auch die Re-
sultate mit 25 °/, Galaktosebazillen waren
nicht günstiger. Es gelingt also, das
so empfindliche Meerschweinchen
mit der angegebenen Methode ge-
gen Tuberkulose zu immunisieren
und seine Widerstandskraft zu er-
hóhen. Mit Galaktoselósungen abgetôtete
und im Vakuum getrocknete Tuber-
kelbazillen werden in der Scheringschen
Fabrik unter dem Namen Tebean in den
Handel gebracht. Über die Heilversuche
beim Menschen werden Verff. später be-
richten. Kranke Tiere ertragen große
Mengen Tebeans anstandslos. Zum Teil
zeigten die Tiere eine bedeutende Ver-
längerung des Lebens; Schaden verur-
sachten die Injektionen niemals. Bei
ganz großen Dosen traten Abszesse auf,
bei 2 Tieren entstand kurz vor dem
Tode eine Lähmung der hinteren Extremi-
täten. Verf. halten diese Lähmungs-
erscheinungen nicht für eine Folge der
Giftwirkung, sondern für Erscheinungen
sehr langsam verlaufender Tuberkulosen.
Auch Kavernenbildungen wurden öfters
beobachtet. Ferner berichten Vert über
Immunisierungsversuche bei Kaninchen
mit hochvirulenten Tuberkelbazillen vom
Typus bovinus. Die Ergebnisse mit ab-
geschwächten Bazillen (25 °/, Harnstoff)
Kaninchen gegen Tuberkulose schutzzu-
impfen, waren befriedigend, wenn die
Tiere mit abgeschwächten Bazillen intra-
venös vorbehandelt waren. Stets gelang
es, Kaninchen intravenös mit abgetöteten
und getrockneten Tuberkelbazillen voll-
ständig gegen eine nachherige Infektion
zu schützen. E. Aron (Berlin).
R. Kraus und 8. Grosz: Über experi-
mentelle Hauttuberkulose bei
Affen, (Ctrlbl. f. Bakt. etc. Orig.,
I. Abt., Bd. 47, Heft 3, p. 298— 307.)
Aus den Untersuchungen der Vert,
REFERATE,
257 |
versehen sind, geht hervor, daß Tuber-
kelbazillen menschlicher Herkunft sowie
auch Perlsuchtbazillen tuberkulöse Haut-
affektionen bei Affen hervorrufen. Das
Material wurde mittels Skarifikation in
die Haut der Augenbrauen eingebracht.
Nach 10—14 Tagen treten entzündliche
Veränderungen auf, die entweder zu
Zerfalls- und Geschwürsbildung führen,
oder sich zurückbilden. Die Menschen-
tuberkelbazillen rufen nur an der Skari-
fikationsstelle Veränderungen hervor. Die
Perlsuchtbazillen bringen Erscheinungen
hervor, welche sich über die Impfstelle
ausdehnen. Es kommt zu geschwürigem
Zerfall der infiltrierten Hautstellen und
zu tuberkulösen Veränderungen der re-
gionären Lyınphdrüsen, der Parotis und
der Inguinaldrüsen. Schließlich erkranken
Lunge, Milz und Leber, und die Tiere
gehen zugrunde. Auch bei einigen
menschlichen Stämmen traten ähnliche
Bilder ein. Die mit Zerfall einhergehenden
Fälle enthielten nur vereinzelte Tuberkel-
bazillen, während die mit menschlichen
Tuberkelbazillen erzeugten Impfprodukte,
welche nicht zu Zerfall neigen, oft ganz
enorme Mengen von Bazillen aufweisen.
Abbildungen illustrieren dies. Auch die
mit Vogeltuberkulose geimpften Tiere
zeigten enorme Mengen von Tuberkel-
bazillen im Gewebe. E. Aron (Berlin).
Ill. Diagnose und Prognose.
Dr. A. Schiperska: Zur Frage der
diagnostischen Anwendung der
Pirquetschen Reaktion bei Tuber-
kulose. Aus dem Kalinkin-Kranken-
hause zu St. Petersburg. (Russ. Journ.
f. Haut- u. vener. Krankh. 1908, Bd. 15,
Heft 3.)
Verf. berichtet über die Resultate,
welche bei der Anwendung der Pirquet-
schen Reaktion in der Abteilung für haut-
kranke Kinder am Kalinkin-Krankenhause
zu St. Petersburg erzielt worden sind.
Das Tuberkulin stammte aus dem Institut
für experimentelle Medizin und entspricht
dem alten Kochschen Tuberkulin. Die
welche mit sehr schönen Abbildungen | Beobachtungen wurden an 54 Kindern
Zeitschr. f. Tuberkulose XIII.
17
258
REFERATE.
ZEITSCHR. f.
im Alter von 6—15 Jahren und außerdem
an 4 Erwachsenen (Frauen) im Alter von
25, 25, 30 und 35 Jahren angestellt. Es
wurden absichtlich Kranke gewählt, die
weder Erscheinungen von Lupus, noch
solche von Hauttuberkulose hatten. Es
waren darunter 40 Fälle von Favus, 4 Fälle
von Herpes tonsurans, 17 Fälle von
Skabies, je 5 Fälle von akutem und
chronischem Ekzem, 4 Fälle von Psoriasis
vulgaris, 3 Fälle von Furunkulosis und
2 Fälle von im allgemeinen gesunden
Kindern, deren Mütter an Lupus litten.
Die 4 Frauen waren die Mütter von
ekzemkranken Säuglingen. Es hat sich
herausgestellt, daß Kinder von lupus-
kranken Frauen (Lupus vulgaris) im Alter
von Io Monaten bezw. ı Jahre, die
folglich von kranken Müttern geboren
wurden, gleichfalls eine ziemlich bedeutende
Reaktion in Form von erbsengroßen Papeln
gaben, welche ringsherum einen entzünd-
lichen, strahlenförmigen Reifen hatten, und
doch boten diese Kinder weder von seiten
der Haut, noch von seiten der inneren
Organe, Drüsen und Knochen irgendwelche
Veränderungen dar. Bei 2 Kindern mit
Furunkulose im Alter von 6 Monaten und
I Jahre, bei denen stark ausgesprochene
Dämpfung unterhalb der Skapula und
klingende Rasselgeräusche vorhanden
waren, ist es überhaupt nicht gelungen,
die Reaktion zu erzielen. Diese Kinder
sind 14 Tage später unter fortschreitenden
Erscheinungen von seiten der Lungen
gestorben. Die Sektion ergab difluse
Lungentuberkulose. Ferner wurde konsta-
tiert, daß die Skarifikation an der Volar-
obertläche des Vorderarmes ceteris paribus
stärker ausgebildete Papeln erzeugte, als
an der dorsalen Fläche, was annchmen
ließ, daß die Papelbildung von der größeren
oder geringeren Dünnheit der Haut bis
zu einem gewissen Grade abhänge. Kinder
von zarter Konstitution mit dünner Haut,
welche wegen Skabies aufgenommen
wurden und Veränderungen tuberkulöser
Natur nicht hatten, gaben eine stärkere
Reaktion als andere kräftiger genährte
Kinder mit gröberer Haut. Als sämtliche
Kranke auf die Erscheinung des Dermo-
graphismus untersucht wurden, stellte sich
heraus, daß letzterer bei Patienten mit
nn nn nn
_TUBERKULOSE
und bei 2 gesunden Frauen stark ausge-
sprochen war, wobei gerade bei diesen
Patienten die Reaktion deutlicher auftrat
und lánger andauerte. Daraus geht hervor,
daB man bei den diagnostischen Tuber-
kulinimpfungen auch mit der Beschaffen-
heit der Haut selbst, mit ihrer Zartheit,
Feinheit, sowie auch mit dem Grad der
Erregbarkeit der vasomotorischen Nerven
rechnen miisse.
M. Lubowski (Wilmersdorf-Berlin).
Dr. R. Bylsma: Naar aanleiding van
de ophthalmoreactie. Uber die
Ophthalmoreaktion. (Geneesk. courant,
no. 11, p. 62.)
Enthalt einige Literaturangaben úber
Mißerfolge bei der Anwendung der kon-
junktivalen Reaktion, der Verf, ein ,,Re-
quiscat in pace“ zuruft.
Vos (Hellendoorn).
John H. Pryor: The early diagnosis
and treatment of pulmonary tu-
berculosis. (Med. Record 1908,
Jan. 4.)
Verf. meint, es sei die Schuld der
praktischen Ärzte, daß die Sanatorien
meist vorgerücktere Fälle zur Behandlung
erhalten. Es sei die Frühdiagnose daher
von der größten Wichtigkeit. Seine hier-
auf bezüglichen Ausführungen bieten
nichts Neues. Er nimmt entschieden
Stellung gegen die probatorische Tuber-
kulininjektion und warnt vor allzu großem
Vertrauen in spezifische Behandlungs-
methoden.
G. Mannheimer (Neuyork).
Hy. B. Dunham: Incipiency in tuber-
culosis from the standpoint of
sanatoria. (Med. Record 1908, Fe-
bruary 8.)
Verf. beklagt den offenbaren Wider-
willen von Kranken im Frühstadium der
Tuberkulose sich der Behandlung in
Sanatorien zu unterwerfen. Das Staats-
institut von Massachusets mit 350 Betten
ist kaum zu einem Drittel mit Früh-
kranken belegt; ähnlich ergeht es den
Instituten in Neuyork, Rhode Island,
New Jersey und anderen Staaten. Die
späte Diagnose seitens der allgemeinen
Psoriasis vulgaris, Ekzem, Skabies, Favus | Praktiker, meint er, trage mit zu den
BD.XIILHEFT 3.
1908.
REFERATE. - 259
Zustánden bei. Er pládiert fir ausgie-
bigeren Gebrauch des Tuberkulins zu
diagnostischen Zwecken, für schnellere
Schlüssigkeit in der Diagnose und frühere
Zuweisung der Patienten an Heilstátten.
Obwohl die allmähliche Dosensteigerung
bei diagnostischen Einspritzungen vorzu-
ziehen ist, erhielten zu einer Zeit die
Fälle, bei denen sich keine bestimmten
physikalischen Befunde ergaben, eine ein-
malige Dosis von 10 mg. Hierauf re-
agierten !/, mit Temperaturen von 99
bis 100% E, */, mit 100—101, °/,, mit
101— 102, */, mit 102—103 und 7°},
mit 103 und darüber. Die Lösungen
sollten frisch hergestellt werden.
G. Mannheimer (Neuyork).
William J. Butler: Cutaneous tuber-
culin vaccination in the diagnosis
oftuberculosis. (Med. Record 1908,
Feb. 1.) `
Unter 34 Tuberkulósen wurden 24
während der letzten 10 Lebenstage zum
ersten Male der Impfung unterworfen.
Bei 13 blieb die Reaktion aus; bei einem
Fall war sie positiv, ohne daß bei der
Sektion makroskopisch Tuberkulose nach-
weisbar war. — Schlußfolgerungen: Eine
positive Reaktion sichert bei Kindern die
Diagnose auf Tuberkulose. Ein negatives
Resultat ist bedeutungslos in den’ letzten
Stadien der Krankheit. Alte latente
Herde geben manchmal erst bei der
Wiederimpfung eine positive Reaktion.
G. Mannheimer (Neuyork).
Reichmann-Jena: Der Wert der Kon-
junktivalreaktion, speziell beider
Hauttuberkulose. (Med. Klin., Nr.17,
1908.)
R. erzielte sehr befriedigende Resultate
mit der Konjunktivalreaktion, besonders
in einer Anzahl von Fiillen von Lupus.
Ihm scheint ein Parallelismus zwischen
Schwere der Haut- und Schleimhaut-
reaktion mit dem Grade der Reaktion zu
bestehen. F. Köhler (Holsterhausen).
F. Hamburger-Wien: Über die Wir-
kung des Alttuberkulins auf den
tuberkulosefreien Menschen. (M.
med. Wchschr., Nr. 23, 1908.)
Sduglinge reagieren nicht auf Alt-
|
tuberkulin, weil sie fast ausnahmslos tuber-
kulosefrei sind. Gesunde reagieren auf
groBe Dosen, weil sie nahezu nie tuber-
kulosefrei sind. Unverdiinntes oder nur
wenig verdünntes Tuberkulin bewirkt
„Stichreaktion“ auch beim tuberkulose-
freien Menschen infolge Reizwirkung ande-
rer im Kochschen Tuberkulinpräparat
vorhandener Substanzen. Man kann beim
tuberkulosefreien Menschen nicht nur keine
Allgemeinreaktion, sondern auch keine
örtliche Reaktion erzielen, die sich mit
Sicherheit auf Gifte des Tuberkelbazillus
zurückführen lassen. — Die Erklärungen
des Vert is muten etwas sonderbar an und
bedürfen gründlicherer Unterlagen, um
mit Sicherheit zur Zustimmung zu be-
rechtigen. F. Köhler (Holsterhausen).
E. Emmerich- München: Uber die kli-
nische Bedeutung der kutanen
und perkutanen Tuberkulinreak-
tion (nach v. Pirquet und nach
Moro) beim Erwachsenen. (Münch.
med. Wchschr., Nr. 20, 1908.)
Die Salbenreaktion schränkt die Zahl
der positiven Reaktionen bei klinisch tuber-
kulosefreien Individuen gegenüber der
kutanen Reaktion bedeutend ein. Die
Salbenreaktion ist leichter ausführbar als
die kutane Impfung und absolut harmlos.
Die Salbenreaktion versagt bei progre-
dienter Tuberkulose früher als die kutane
Impfung. Da bei der Salbenreaktion auch
latente Herde reagieren, ist dieselbe zu
diagnostischen Zwecken beim Erwachsenen
nur in beschränktem Maße zu verwerten.
F. Köhler (Holsterhausen).
Ranke: Zur Diagnose der Lungen-
tuberkulose. (Münch. med. Wchschr.,
Nr. 22, 1908.)
Bemerkenswerte Beiträge zur Dia-
gnose der Lungentuberkulose auf Grund
von kurz ante mortem und sectionem
gemachten Untersuchungen. Die Einzel-
heiten müssen im Original eingesehen
werden. F. Köhler (Holsterhausen).
Mitulescu: Beiträge zum Studiumder
Ophthalmoreaktion. (Wien. klin.
Wchschr., 14. Mai 1908, Nr. 20.)
M. hat verschiedene Tuberkuline hin-
sichtlich ihrer Stärke bei der Ausführung
17”
260
der Ophthalmoreaktion verglichen und ist
zu dem Resultat gekommen, daß 1: 10000
Höchst gleichwertig ist mit I:1000
Pasteur und 1:250 Calmette Wo
auch nach Ausführung der Kutanreaktion
und der Ophthalmoreaktion noch ein
Zweifel hinsichtlich der Diagnose bestehen
bleibt, rät er Kontrollinjektionen mit Tu-
berkulin an.: Auch ihm erwies sich Tuber-
kulintest Höchst 1:1000 als zu stark,
doch ergab die Verdünnung von I : 10000
ausgezeichnete Resultate.
Naumann (Reinerz-Meran).
Meyer: Über die Verwendbarkeit
der Komplementbindungsmetho-
de zur Diagnose tuberkulöser
Exsudate. (Dtsch. med. Wchschr.,
I4. Mai 1908, Nr. 20.)
M. hat 8 sicher tuberkulüöse Exsudat-
- flüssigkeiten untersucht, konnte aber nie-
mals Antigen in ihnen nachweisen, ein
solcher Nachweis könne schon wegen der
Empfindlichkeitsgrenzen der Komplement-
bindungsmethode nur selten gelingen.
Naumann (Reinerz-Meran).
E. Sobotta-Reiboldsgrün: Die Bedeu-
tung der Konjunktivalreaktion
fürden praktischen Arzt. (Fortschr.
d. Med. 1908, Heft 0.)
Da der positive Ausfall der Kon-
junktivalprüfung das Vorhandensein einer
aktiven Tuberkulose anzeigt, ohne aller-
dings über den Sitz der Erkrankung etwas
auszusagen, so empfiehlt S. ihre allge-
meine Verwendung in der Praxis, und
zwar an Stelle der Auswurfuntersuchung,
deren Ergebnis bei negativem Ausfall
doch stets unsicher und zweifelhaft ist.
Will man aber warten, bis sich die ersten
Bazillen im Auswurf zeigen, dann wird
man oft die günstigste Zeit zur Heilung
verpassen. Durch die Konjunktivalprü-
fung wird die genaue physikalische Lungen-
untersuchung nicht entbehrlich, da doch
nur die letztere über Sitz und Ausdehnung
der Erkrankung Aufschluß gibt.
C. Servaes.
M. Biagi: Ricerca del bacillo di
Koch nelle urine di malati di
tubercolosi polmonare. (Gazz.
d'Osp, Nr. 23, 1908.)
REFERATE.
|
. überwunden.
ZEITSCHR. f.
= TUBERKULOSE
Die Schwierigkeiten, im Urine Tu-
berkelbazillen nachzuweisen, scheinen B.
am besten durch die Methode von Jousset
Er bedient sich ihrer in
folgender von ihm erprobter Weise:
100 ccm Urin werden mittels Ka-
theter von einem in Agone befindlichen
Kranken entnommen, in Erlenmeyer-
schen Kolben aufgefangen, sterilisiert und
mit leicht alkalisch gemachtem Wasser zu
gleichen Teilen gemischt. Von einem
Kaninchen mittels AderlaB in der Menge
von 30 ccm gewonnenes Blut ward dann
zentrifugiert und das übrigbleibende Plasma
von IO ccm unter stetem Schütteln dem
Harne zugesetzt; der Kolben wurde dann
3/, Stunden in einer Temperatur von 18°
belassen. Das entstehende künstliche Ge-
rinnsel, eine gelatinöse Masse wurde dann
auf sterile Gaze, die in einem großen
Trichter ausgebreitet war, gegossen und
so lange komprimiert, bis ein kleines
Fibrinflöckchen übrig blieb. Dasselbe
wurde mit 5 ccm künstlichem Magensafte
(Joussetsche Flüssigkeit: Pepsin 1,0,
Chlornatrium 2,0, Salzsäure 1,0, Wasser
100,0) zusammengebracht und war nach
7 —8 stündigem Verweilen im Thermo-
state (bei 37°) verdaut Der Magensaft
wird durch Dekantieren entfernt, der
Rückstand lange Zeit zentrifugiert und
schließlich auf Deckgläser gebracht. Mit
Ziehl-Gabbet wurde gefärbt. Es zeigten
sich nun in einer Anzahl von Präparaten,
bei weitem nicht in allen, je 3—4 Stäb-
chen einer kurzen, leicht granulierten
Form, welche der Färbung durchaus
widerstand.
Bei einer 2. Untersuchung, bei der
der Urin unter analogen Bedingungen
gewonnen war, war das Ergebnis mit der
ersten durchaus übereinstimmend. Es
handelte sich um Harn eines Individuums,
das eine tuberkulöse käsige Peribronchitis,
aber keinerlei Lesionen des harnbildenden
Systems aufwies.
Da auf diese Weise ein eindeutiges
Urteil über die Natur der Mikroorganismen
- nicht zu gewinnen war, wandte Verf. die
t
|
|
|
indirekte Methode an, indem er die Fi-
brinflöckchen teilte und die eine Hälfte,
wie in den beiden ersten Fällen, unter-
suchte, die andere Kaninchen unter die
Haut brachte. Die Tiere magerten ab
BD.X 111, HEFT 8.
1908.
und gingen bald ein. Bei der Sektion
zeigten sie Tuberkulose der Drúsen und
Mili art. der Leber. Hier zeigten sich
Tuberkelbazillen zwar in geringer Zahl,
aber in der gewöhnlichen Form. Die
spezifische Färbung war ohne weiteres
zu erzielen.
B. zieht den Schluß, daß bei in-
taktem Nierengewebe eben nur eine äußerst
geringe Menge von Bazillen das Nieren-
filter passiert. Er hält die angewandte
Methode für brauchbar, um Tuberkel-
bazillen im Harne festzustellen und helıt
hervor, daß sie in keinem Verhältnisse
zur Schwere der Lungenerkrankung stehen.
Die Methode erfordert größte Genauigkeit
und Geduld. Sie beansprucht außerdem
außerordentlich viel Zeit.
Ortenau (Nervi — Bad Reichenhall).
Julius Malis: Kutandiagnose der Tu-
berkulose bei chirurgischen Lei-
den. Klinische Studie aus der chi-
rurgischen Klinik in Basel. (Inaug.-
Dissert. Basel 1908, 34 p.)
Aus der Darstellung des Verf.'s geht
hervor, daß der klinische Wert der Ku-
tandiagnose der Tuberkulose noch keines-
wegs als gesichert betrachtet werden darf.
Die bis jetzt ausgeführten Untersuchungen
haben meist das gesetzmäßige Auftreten
der Reaktion bei Tuberkulösen und das
Fehlen derselben bei Tuberkulosefreien
nachzuweisen gesucht. Die Frage kann
aber damit nicht gelöst werden. Es be-
darfvielmehr weitgehender Untersuchungen
an speziell ausgewählten Füllen zur Be-
stimmung der Art des Auftretens der
Reaktion und der Differenzen im Reak-
tionsverlauf bei verschiedenen Tuber-
kulösen, sowie zum Nachweis des eventuell
bestehenden Zusammenhanges zwischen
der Intensität der Reaktion und der
Größe oder Akuität der tuberkulösen
Affektionen. Aus den erhobenen Befun-
den geht, kurz zusammengefaßt, folgen-
des hervor:
I. Die kutane Reaktionsmethode
zum Zweck der Diagnostik der Tuber-
kulose ist absolut ungefährlich. Die Re-
aktion verläuft lokal, ohne Störungen des
Allgemeinbefindens.
2. Bei der Anwendung dieser Me-
thode stehen keine Kontraindikationen
REFERATE.
Seas, ee 20i
im Wege Sie ist darum die einzige zu
freien Experimenten am Menschen voll-
kommen geeignete Methode zum Studium
der Tuberkulinreaktion.
3. Mit Ausnahme der fortgeschrit-
tenen Tuberkulösen (bei schwerster Ka-
chexie) reagiert bei Anwendung dieser
Methode positiv jeder Mensch, der mit
Tuberkulose jemals infiziert worden war.
4. Die kutane Reaktion ist sehr
empfindlich und zeigt auch inaktive
Herde an.
5. Der negative Ausfall der Re-
aktion ist von größter diagnostischer und
prognostischer Bedeutung, da er nur bei
Tuberkulosefreien und bei sehr fortge-
schrittenen Tuberkulösen beobachtet wird.
Die Differenzierung der letzteren bietet
dem Kliniker kaum je Schwierigkeiten.
6. Der positive Ausfall der Reak-
tion hat an und für sich fast keine prak-
tische Bedeutung, infolge der hohen Pro-
zentzahl der Tuberkulosen bei Erwachsenen
(Nägeli) Es laßt sich aber mit großer
Wahrscheinlichkeit annehmen, daß die
Stärke der Reaktion mit dem Fortschreiten
der Tuberkulose immer mehr abnimmt,
bis sie, wie das bei den schwersten Tu-
berkulösen der Fall ist, endlich ganz er-
lischt.
7. Auf Grund der gemachten Beob-
achtungen, daß die inzipienten Tuber-
kulösen am stärksten reagieren, die Fort-
geschrittenen, die noch überhaupt zu
reagieren vermögen, am schwächsten,
läßt sich die Möglichkeit vermuten, nach
dem Verlauf der Reaktion das Stadium
der Krankheit gewissermaßen ablesen zu
können.
8. Die sog. „Frühreaktion“ — also
die spezifizierte Überempfindlichkeit wurde
nur bei Tuberkulösen beobachtet. Der
Reaktion der Gesunden fehlt dieses Cha-
rakteristikum; es fehlt aber auch bei einem
Teil der Tuberkulösen (18 °/,). Die Spät-
form bei Tuberkulösen kann noch nicht
erklärt werden.
9. Die Art und Entstehungsweisc
der Spätreaktion bei klinisch Gesunden
ist auch noch nicht vóllig erklärt. |
10. Die chirurgischen Tuberkulüsen
reagieren im allgemeinen viel heftiger,
als die Lungentuberkulósen; sie zeigen
sogar regelmäßig eine Reaktionsform, die
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
bei Lungentuberkulösen als eine seltene
und ungewöhnlich starke beschrieben
wird. Die bei Lusentuberkulüsen als
starke bezeichnete Reaktionsform, wird
bei der chirurgischen nur als cine mitt-
lere bezeichnet etc. Es kommt deshalb
den chirurgischen Tuberkulösen eine re-
lativ günstigere Prognose zu als den
Lungentuberkulösen, was auch in der
Tat der Fall ist.
Fritz Loeb (München).
Einar Key: Om pavisandet af tuber-
kelbaciller i urin. (Hygiea 1908,
Nr. 5.)
In 3 Fällen gab der Befund von
säurefesten Stäbchenbakterien im Harn
Anlaß zu diagnostischen Irrtümern. Ein-
mal wurde die für tuberkulüs gehaltene
Niere exstirpiert und eine bloße chroni-
sche interstitielle Nephritis festgestellt, im
2. Falle wurde die Diagnose schon vor
der Operation auf Ren mobilis mit Hy-
dronephrose berichtigt, auch im 3. Falle
schützte vorsichtige Verwertung des schein-
bar positiven Befundes vor vielleicht ver-
hängnisvollen Folgerungen. In einem,
vielleicht in 2 der mitgeteilten Fälle lag
wohl keine Verwechselung mit Smegma-
bazillen vor, vielmehr machten die Um-
stände eine nachträgliche Verunreinigung
der Urinproben mit fremden Tuberkel-
bazillen währscheinlich. Der Verf. betont
daher die Wichtigkeit äußerst sorgfältiger
Reinigung und Sterilisierung von Spitz-
gläsern, Zentrifugenröhren und Ureteren-
kathetern. Letztere sollten am besten
neu genommen werden. Auch die Not-
wendigkeit des nur in gewissen Fällen
entbehrlichen Tierversuches zur Sicherung
der Ditlerentialdiagnose gegenüber den
Smegmabazillen wird nochmals hervor-
gehoben. Böttcher (Wiesbaden).
0. Medin: Om det kutana tuberkulin-
profvetenligt Pirquet. (Hygiea 1908,
Nr. 4.)
Die Erfahrungen, welche im „all-
gemeinen Kinderhause“ zu Stockholm
mit der Pirquetschen Probe gemacht
wurden, stimmten in allen wesentlichen
Punkten mit den von Pirquet selbst
berichteten überein. Das Material be-
Stand zum weitaus größten Teile aus
262 REFERATE.
Rindern im 1. Lebensjahre. Der Verf.
ist nun kein Anhänger der Behringschen
Hypothese von der häufigen Frühinfektion
und latenten Tuberkulose der Säuglinge,
glaubt vielmehr, daB die in dieser aller-
ersten Lebensepoche infizierten Kinder
im allgemeinen nach wenigen Monaten
zugrunde gehen. Die Erfahrungen, die
er mit Pirquets Probe machte, scheinen
diese Auffassung zu stützen. Von 250
Säuglingen reagierten nur 2 auf die Imp-
fung. Bei dem einen war die Tuber-
kulose auch klinisch nachweisbar, bei
dem anderen trat sie bei der Obduktion
zu Tage. Ein Fall von tuberkulöser
Meningitis, der wenige Tage vor dem
Tode geimpft wurde, reagierte nicht.
Von den anderen Säuglingen, welche
alle nicht reagierten, waren 4—5 ver-
dächtig auf Tuberkulose. 2 davon star-
ben und erwiesen sich als nicht tuber-
kulós. Bei älteren Kindern war die
Reaktion in der Art, wie dies Pirquet
beschreibt, am wenigsten stark bei Lungen-
tuberkulose, stärker bei Drüsentuberkulose
und am stärksten bei Knochentuberkulose.
Vor der Ophthalmoreaktion glaubt der
Verf. warnen zu müssen, weil dieselbe
recht lästige Erscheinungen bewirken kann,
ohne zuverlässiger zu sein als die kutane
Probe. Letztere verursachte bei keinem
der 300 im Kinderhause geimpften Kin-
der irgend welche Unbequemlichkeit.
Böttcher (Wiesbaden).
Josefson: Om de lokala tuberkulin-
reaktionerna. (Hygiea 1908, Nr. 4.)
Während die kutane und die per-
kutane Reaktion mehr kurz referierend
behandelt werden, bespricht der Verf.
die konjunktivale Reaktion auf Grund
eigener Erfahrungen an 86 Patienten.
Die Reaktion trat meist intensiver auf,
als es nach den Angaben von Calmette
und anderen zu erwarten war, die sub-
jektiven Symptome waren bei Anwendung
einer Lösung von !/,,, oft lästig, zuweilen
trat Chemosis, ziemlich oft Phlyktäne auf,
desgleichen Ptosis am reagierenden Auge,
einmal eine leichte Konjunktivitis am an-
deren Auge. Der Verf. schlägt vor, erst
cine Lösung lu zu nehmen, dann, falls
die Reaktion ausbleibt, nach längerer Zeit
lo am anderen Auge zu versuchen.
BD.XII, HEFT 8.
1908.
AAA ed
Die Methode sollte nur in klinisch zwei-
felhaften Fällen und nur bei gesunden
Augen zur Anwendung kommen.
Böttcher (Wiesbaden).
A. Calmette et C. Guérin: Sur la va-
leur spécifique de l’ophthalmo-
diagnostic par la tuberculine.
(Soc. de Biol. 23. V. Bull. Med. 22. 47.)
Arloing hatte auf Grund einer
Reihe von Versuchen behauptet, daß
Kaninchen, die mit Typhus, Diphtherie
oder Staphylokokken vorbehandelt sind,
oder Pferde, die gegen Diphtherie oder
Tetanus immun sind, auf Tuberkulinein-
träufelung positive Ophthalmoreaktion
geben. C. und G. haben diese Resultate
nachgeprüft Bei Typaus bcobachteten
sie in der Tat sowohl im Tierexperiment
wie in der Klinik ziemlich háufig positive
Tuberkulinaugenreaktionen, wenn auch
etwas abweichender Art. Die Autoren
erinnern daran, daf nach den Unter-
suchungen von Arloing und J]. Cour-
mont bei 75 °/, der Typhösen das Serum
auch Tuberkelbazillen agglutiniert. Für
die anderen Infektionen (Staphylokokken,
Pest, Diphtherie und Tetanus) konnten
C. und G. im Tierexperiment niemals
die Arloingschen Behauptungen bestä-
tigen. Hier blieb die Tuberkulinaugen-
reaktion stets negativ.
H. Grau (Düsseldorf).
Garth, Kranich und Grünert-Darmstadt:
Ein weiterer Beitrag zur Oph-
thalmoreaktion bei Rindertuber-
kulose. (Dtsch. tierärztl. Wchschr.,
1908, Nr. 29.)
Durch Schlachtung der Tiere kon-
trollierte Versuche mit Bovotuberkulol,
deren Hauptergebnis ist, daß die Probe
ein zuverlässigeres Mittel zur Erkennung
der Tuberkulose am lebenden Rinde ist,
als der Ausfall der subkutanen Tuber-
kulinprobe, und daß die Ophthalmoreaktion
nach 3 Tagen mit gleichem Erfolge durch
wiederholte Instillation nochmals hervor-
gerufen werden kann, während die kurz
nach
REFERATE.
|
der ersten wiederholte subkutane |
Injektion von Tuberkulin keine Reaktion |
` rechtsseitiger Konjunktivitis und mit po-
bei tuberkulösen Tieren gibt, wodurch
dem Betruge Vorschub geleistet werden
kann. Scherer (Bromberg).
203
C. v. Pirquet und Schnúrer-Wien: Al-
lergie beiTuberkulose der Rinder.
(Monatsh. f. pr. Tierheilk., Bd. 10,
Heft 9.)
Die SchluBsätze der Arbeit fassen
, das Ergebnis der umfangreichen Versuche
in folgender Weise zusammen:
In Übereinstimmung mit den Be-
funden beim Menschen und mit den
Angaben von Vallee, Guerin, Lig-
nieres und Berger für das Rind konnten
wir feststellen, daB das tuberkulöse Rind
in ähnlicher Weise wie der tuberkulüse
Mensch auf kutane und kunjunktivale
Einbringung von Tuberkulin mit lokalen,
charakteristischen Entzündungserschei-
nungen der Haut und Schleimhäute re-
agiert. Rinder, welche auf subkutane
Tuberkulinreaktion kein Fieber zeigen,
reagieren auch nicht auf kutane und kon-
junktivale Applikation von Tuberkulin.
Umgekehrt dagegen können tuberkulöse
Rinder wohl die Fieberreaktion auf In-
jektion der üblichen großen Dosen zeigen,
aber Haut- und Schleimhautreaktion mit
den gegenwärtig verfügbaren Präparaten
vermissen lassen. Der positive Ausfall
jeder der 3 Proben beweist unter allen
Umständen Tuberkulose. Sie unterschei-
den sich nicht grundsätzlich, sondern
nur quantitativ, wobei die Fieberprobe
als die schärfste, die beiden anderen als
schwächer, aber unter sich als ungefähr
gleich scharf anzusehen sind.
Für den praktischen Vorgang der
Tuberkulosetilgung in einem Rinderbe-
stande empfiehlt sich als einfachstes Ver-
fahren, die Konjunktivalreaktion als Aus-
wahlreaktion anzustellen. Bei zweifellos
positivem Ergebnis ist das Tier als tuber-
kulös anzusehen. Bei zweifelhaftem oder
direkt negativem Ausfall der Konjunkti-
valprobe ist die subkutane Injektion aus-
zuführen. Der Vorgang kann in folgender
Weise vor sich gehen:
1. Tag: Einträufelung von Tuber-
kulin in das rechte Auge jeden Rindes,
ausgenommen jener, welche an Konjunk-
tivitis leiden. Bei diesen Tieren ist die
Rutanprobe anzustellen.
2. Tag: Revision. Alle Rinder mit
sitiver Hautreaktion sind als tuberkulös
auszumerzen.
204
3. Tag: Subkutane Tuberkulininjekton
bei allen úbrigen auf Haut- und Augen-
probe negativ oder zweifelhaft reagieren- !
den Tieren. Scherer (Bromberg).
Prophylaxe.
Ondracek-Góding: Erfahrungen über
die Bovovakzination der Kálber
nach Dr. von Behring. (Tierárztl.
Zentralbl. 1907, Nr. 11.)
Auf dem k. und k. Familiengute
Göding wurde bei Kälbern und Kalbinnen
bis zum Alter von 2 Jahren, welche sich
bei der Tuberkulinprobe als unverdächtig
erwiesen hatten, das Behringsche Immu-
nisierungsverfahren angewandt, und zwar
vom Jahre 1904 ab. Am 30. X. 06
wurden dann sámtliche Tiere (insgesamt
247) mit Tuberberkulin injiziert. 8 rea-
gierten, 4 davon waren vor 2?/,, 4 vor
11/, Jahren immunisiert worden. Bei der
ersten Immunisierung wurden bei 5 Kálbern
gefahrdrohende Erscheinungen (Kurzatmig-
keit, Lungenödem) beobachtet, welche
darauf zurückgeführt werden, daß der
Impfstoff erst am zweiten Tage nach der
Zubereitung verbraucht wurde und daß
sich wahrscheinlich in der Emulsion Koch-
salzkristalle ausgeschieden hatten, durch
welche die Kapillaren des kleinen Kreis-
laufs verstopft wurden. Außerdem trat
auch bei vollständig vorschriftsmäßiger
Anwendung bei einzelnen Tieren Schüttel-
frost, Pulsbeschleunigung und Steigerung
der Atmungsfrequenz auf, welche Er-
scheinungen jedoch innerhalb 2 Stunden
wieder verschwanden.
Auf Grund seiner Erfahrungen kommt
O. zu folgenden Schlußsätzen:
REFERATE.
1. Die bisher vorgenommene !/,jähr- |
liche klinische Untersuchung des Milch-
viehbestandes ist beizubehalten, um Fälle
offener Tuberkulose aufzudecken.
2. Die diagnostische Tuberkulinisie-
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
infektionsvermögen des Autans.
(Iherap Monatsh. 1908, Heft 3.)
Verf. erzielte im allgemeinen mit
Autan befriedigende Desinfektionsergeb-
nisse. Nur scheint es ihm erforderlich,
daß alle Gegenstände, die durch Dampf-
desinfektion oder Auskochen nicht leiden,
zuvor aus dem zu desinfizierenden Raume
entfernt und diesen Verfahren unter-
worfen werden. Auch muß der betr.
Raum hermetisch abgeschlossen werden;
und endlich empfiehlt es sich, lieber mehr
Autanpulver zu nehmen, als nach der
Gebrauchsanweisung erforderlich wäre.
Die von der Fabrik neuerdings aus-
gegebenen Tabletten bewährten sich we-
niger; dagegen rühmt Verf. die desodo-
rierenden Eigenschaften des Autanpul-
vers. C. Servaes.
Krankenhauswesen
und Heilstättenbewegung im
Lichte der sozialen Hygiene.
(F. C. W. Vogel, Leipzig 1908. Preis
10 Mk.)
Der Verf. beabsichtigt, von dem ge-
samten Krankenhaus- und Anstaltswesen
Deutschlands ein Bild in großen Zügen
zu geben und aus der überall sich gel-
tend machenden Bewegung für die Er-
richtung von Anstalten zur Unterbringung
kranker oder siecher Personen die Ent-
wickelungstendenzen herauszuschälen. Uns
interessiert an dieser Stelle vorzugsweise,
was er von den Lungenheilstätten sagt;
da heißt es: „Die Errichtung von An-
stalten für Lungenkranke, die sich im
Anfangsstadium der Erkrankung befinden,
ist in den letzten Jahrzehnten, besonders
im Anschluß an das soziale Versicherungs-
wesen, sehr gefördert worden. Wir ver-
danken dieser Lungenheilstättenbewegung
Grotjahn-Berlin:
| zunächst überhaupt die Idee, die Lungen-
rung des ganzen Rinderbestandes ist all- .
jährlich vorzunehmen, um latente Fälle zu
ermitteln.
3. Die Bovovakzination der Kälber
ist bis auf weiteres einzustellen und der
Ausbau der wissenschaftlichen Forschung
abzuwarten. Scherer (Bromberg).
Galli-Valerio, Hyg. Inst. in Lausanne:
Untersuchungen über das Des-
|
|
tuberkulose mit Hilfe des Anstaltswesens
zu bekämpfen und sodann eine großzügige
Mobilmachung privater und öffentlicher
| Kräfte zugunsten der Anstaltsverbringung
lungenkranker Individuen der unteren
| Volksschichten, — aber eine erhebliche
Verminderung der Tuberkulose
dieser Heilstätten ist nicht eingetreten
und ist auch in Zukunft nicht zu er-
warten. Dieses zurzeit mehr dunkel
gefühlte als klar bewußte Fehlschlagen
infolge
BD.XTI,HEFT 3.
Seier REFERATE. 265
hat dazu geführt, auch Anstalten für
fortgeschrittene und unheilbar Tuberkulöse
zu bauen. In diesen Heimstátten liegt
der entwickelungsfähige Keim für die
Zukunft des Anstaltswesens für Lungen-
kranke. Außer dieser Errichtung von
Invalidenheimen zeigt sich als eine zweite
Tendenz zu einer erfréulichen Weiter-
bildung des Anstaltswesens für Lungen-
kranke das Bestreben, die Lungenkranken
unter ärztlichen Kautelen den ihnen ge-
bliebenen Rest von Arbeitskraft ausnutzen
und sie innerhalb der Anstalt arbeiten |
zu lassen. Die Idee des Invalidenheimes
muß mit der Arbeitskolonie zusammen-
treten zur Förderung von Heimstätten
für Lungenkranke, in der diese sich
dauernd aufhalten und ihren Kräften an-
gemessene, ökonomisch wertvolle und den
Anstaltsbetrieb verbilligende Arbeit leisten.
Die tunlichst weitgehende Verallgemeine-
rung solcher Anstalten, die von ükono-
mischen Gesichtspunkten aus durchaus
nicht undurchführbar ist, würde einen
außerordentlich hohen sozialhygienischen
Wert haben und die rationellste und hu-
manste Art der Tuberkulosebekämpfung
überhaupt bedeuten; denn allein die Er-
gänzung des Heilstättenwesens durch ein
Heimstättenwesen ermöglicht zugleich die
Disposition wie die Infektion mit gleicher
Energie zu bekämpfen. Als Vorbilder
für die Heimstätten dürfen nicht die
großen und teuren Anstalten der deutschen
Landesversicherungsanstalten, sondern die
billigen norwegischen Pflegeheime dienen,
da von der Wohlfeilheit des Baues und
Betriebes dieser Anstalten die größt-
mögliche Verallgemeinerung abhängig ist
und außerdem nur in kleinen Heimstätten
der Charakter des Sterbehauses vermieden,
sowie den Insassen ein familiäres Zu-
sammenleben ohne überflüssigen Zwang
geboten werden kann.“ Ott.
H. R. M. Landis: The after-care of
tuberculosis with reference to
employment. (Med. Record 1908,
Febr. 1.)
Besserung oder Heilung Armer ist,
nur von relativem Werte, wenn nicht
weiterhin für passende Beschäftigung ge-
sorgt wird. Sonst sind Rückfälle nicht
zu vermeiden. Für diese Klasse von
AA ES
Patienten sollten Beschäftigungsämter ins
Leben gerufen werden. Während des
ersten Jahres nach Verlassen der Heil-
anstalt sollten sie wenigstens einmal
monatlich untersucht werden und auch
später für eine längere Dauer unter ärzt-
licher Kontrolle bleiben.
G. Mannheimer (Neuyork).
Stern-Disseldorf: Zur Organisation
der Lupusbekämpfung. (Med.
Klin., Nr. 17, 1908.)
Verf. begrüßt lebhaft die Inangriff-
nahme der Organisation der Lupusbe-
kämpfung durch das Deutsche Zentral-
komitee zur Bekämpfung der Tuberkulose
und plädiert für eine Zusammenfassung
aller verfügbaren Kräfte zur Sammlung
großer Mittel, insbesondere für einen Zu-
sammenschluß der kleineren Gemeinden
zu größeren Verbänden, ein Zusammen-
wirken der privaten Wohltátigkeit mit den
Organen der öffentlichen Fürsorge.
F. Köhler (Holsterhausen).
Pütter: Die Fürsorge für Tuberku-
löse (Fürsorgestellen). (Berl. klin.
Wehschr., 25. Mai 1908, Nr. 21.)
P. halt den von Aufrecht gemachten
Vorschlag (Berl. klin. Wchschr., 1908,
Nr. 17), daß dem Armenarzt die Tuber-
kulösenfürsorge übertragen werden soll,
für nicht durchführbar bezw. für unzu-
reichend. Gerade der Mittelstand be-
dürfe der Fürsorge.
Naumann (Reinerz-Meran).
v. Bonsdorff: Ett sätt att oskadlig-
göra sputa. (Finska läkaresällsk.
handi. 1908, Juni.)
Der Verf. hält die Mehrzahl der
Methoden, Sputa unschädlich zu machen,
für nicht sicher genug. Wirklich zuver-
lässig ist nur die Verbrennung. Im Num-
mela-Sanatorium wird dieselbe seit 4?/,
Jahren so geübt, daß man die Innenfláche
gewöhnlicher, emaillierter Spucknäpfe
mit undurchlässigem Papier bekleidet und
dann dieses mit den Sputis verbrennt.
Auf diese Weise kann die Verwendung
der teueren brennbaren Spucknäpfe ent-
behrlich gemacht werden.
Böttcher (Wiesbaden).
a a ts—s—s—s—sSs
2, @ "be ER. dua ¿má ¿Pb A]
ON a dd Me
266
REFERATE.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
Prof. R. Kobert-Rostock: Kann, ja soll | die alljährlich erscheinenden Jahresberichte
man an der Ostseeküste Volks- | der Heilstátten, aus denen hervorgeht,
lungenheilstätten errichten? —
(Dtsch. Ârzte-Ztg. 1908, Heft 1 u. 2.)
K. beschäftigt sich zunächst mit der
allgemeinen Frage: „Hat es überhaupt
Sinn, heutzutage noch Lungenheilstätten
zu bauen?“ Um hierauf eine klare Ant-
wort geben zu können, widerlegt er sechs
Einwände, die in der Hauptsache von
gegnerischer Seite erhoben werden:
I. Durch die Heilstätten wird der Kas-
senarzt nicht beiseite geschoben; vielmehr
arbeiten erstere in vielen Fällen der
therapeutischen Tätigkeit der letzteren
— Tuberkulinbehandlung — vor und
unterstützen seine ärztlichen Maßnahmen.
2. Der Einwand (Cornet und andere),
die Tuberkulosesterblichkeit habe sich
seit Errichtung der Volksheilstätten in
Deutschland nicht weiter verringert, ist
angesichts des offiziellen statistischen Tat-
sachenmateriales unhaltbar; zudem ist in
anderen Ländern (Frankreich), die noch
über keine Volksheilstätten verfügen, die
Tuberkulosemortalität in den letzten Jahren
auch nicht annähernd so gesunken, wie
in Deutschland. 3. Genug oder gar zu
viel Heilstätten besitzen wir in Deutsch-
land durchaus nicht; denn nach sorg-
fältigen Berechnungen können wir noch
nicht einmal den vierten Teil der jährlichen
Tuberkuloseerkrankungen in den Heil-
stätten unterbringen. Wenn einige Heil-
stätten im Winter leer stehen, so liegt |
das teils an unzweckmäßigen Einrichtungen,
zum guten Teil aber daran, daß Winter-
kuren im Laienpublikum, aber auch bei
vielen Ärzten, die
Beachtung noch nicht finden. 4. Daß
manche Heilstätten mit mehr als erfor-
derlichem Luxus gebaut worden sind, kann
zugegeben werden, wird aber von an-
derer Seite (Dr. Freund-Berlin) ent-
schieden bestritten. Bei Neugründungen
braucht man ja nicht in diesen Fehler
zu fallen.
wie von sozialdemokratischer Seite be-
hauptet wird, Wohltätigkeitsanstalten, die |
i.die vorher nicht auf Tuberkulin empfind-
Die Be- :
hauptung, daß die Heilstätten nur leichte `
Fälle aufnehmen und die schweren zu- |
den Arbeitern als Almoscn geben, was
ihr gutes Recht ist. Und 6.
rückweisen, widerlegen aufdasSchlagendste
ihnen gebührende |
| verleibt.
5. Die Heilstätten sind nicht, :
daß über zwei Drittel dem II. und III. Sta-
dium angehören. Und daß auch bei
diesen Schwerkranken die Heilstättenkur
von Nutzen ist, das beweist der Umstand,
daß fast ein Drittel der Bazillenhuster
ihre Bazillen aus dem Auswurf verlieren.
Die deutschen Volksheilstätten finden da-
her immer mehr Anerkennung, auch im
Auslande.
Daß sich im besonderen die Ost-
secküste zum Bau von Lungenheilstätten
eignet, darf aus ihren klimatologischen
Eigenschaften geschlossen werden. K.
erörtert dieselben im einzelnen kurz und
kommt zu dem Schlusse, daß sie auch
in den Wintermonaten zur Behandlung
Lungenkranker günstig sind. Auch die
diesbezüglichen Erfahrungen in den dä-
nischen Küstensanatorien und in Cranz
befriedigen durchaus. K. bezweifelt da-
her nicht, daß die Heilerfolge in zu er-
bauenden Lungenheilstätten der Ostsee-
| küste, falls man nur für windgeschützte
Lage Sorge trägt, denen im Binnenlande
zum mindesten nicht nachstehen werden.
C. Servaes.
Eber-Leipzig: Die Tuberkuloseschutz-
und Heilimpfung nach Prof.
Dr. Heymans, Gent. (Dtsch. tier-
árztl. Wchschr., 1908, Nr. 23.)
Heymans sucht eine Immunisierung
gegen Tuberkulose dadurch herbeizu-
führen, daß er Schilfsäckchen, welche
virulente Rindertuberkelbazillen in trocke-
ner Form enthalten und durch Gelatine-
kapseln vor der Zertrümmerung geschützt
werden, vermittelst eines Troikars an den
Seitenteilen der Brustwand subkutan ein-
Die geschlossenen Kapseln ha-
ben eine Länge von 3, eine Dicke von
3/, cm. Die Impfstellen verhalten sich
| in der Regel vóllig reaktionslos, Tempe-
| ratursteigerungen werden nicht beobachtet.
Die Schilfsäckchen kapseln sich unter der
Haut allmählich ein. 14—40 Tage nach
Einverleibung der Schilfsäckchen beginnen
lichen Tiere auf Tuberkulininjektionen zu
reagieren. Die Reaktionsfähigkeit bleibt
4—6 Monate erhalten und verschwindet
dann wieder. Bei der Schlachtung solcher
HD.XIT,HEFT 3.
1908.
REFERATE.
267
reagierenden Tiere konnten niemals tu- | sich endlich noch zeigen, daß in einer,
berkulöse Herde nachgewiesen werden,
außer in dem bazillenhaltigen Schilfsäck-
chen. Hieraus folgert H., daß von dem
Schilfsäckchen aus eine Imprägnierung
des gesamten Körpers mit den spezi-
fischen löslichen Erzeugnissen der Ba-
zillen stattfinde. Die Impfungen sind
mindestens einmal im Jahre zu wieder-
holen.
Das Verfahren hat sich bei mehr
als 20000 Impfungen als unschädlich
erwiesen. H. selbst hält den Impf-
schutz nur für beschränkt, die Tiere
widerstehen einer Infektion besser als
die nicht geimpften. Fine hinreichend
große Bazillenmenge aber vermag auch
die geimpften Tiere zu infizieren. Dies
ist sowohl durch Versuche mit künst-
licher Infektion, wie mit natürlicher Tu-
berkuloseansteckung der schutzgeimpften
Tiere erwiesen.
3000 auf Tuberkulin reagierende
Rinder haben die Schutzimpfung sämtlich
gut überstanden, so daß an der Un-
schädlichkeit des Verfahrens auch für
bereits infizierte Tiere wohl nicht ge-
zweifelt werden kann. Eine direkte Heil-
wirkung der Impfung auf bereits bestehende
Tuberkulose wird angenommen, ist aber
noch nicht strikte bewiesen. In wenigen
Jahren hofft H. durch seine Methode
die Rindertuberkulose in Belgien aus-
gerottet zu haben.
Eber ist etwas skeptischer veran-
lagt: Er erkennt zwar den großen Vorzug
des Heymansschen Verfahrens, welcher
darin besteht, daB es bei reagierenden
und bei nicht reagierenden Tieren jeden
Alters anwendbar ist und jede beliebige
Wiederholung gestattet, an, findet aber
in dem bis jetzt vorliegenden Beobach-
tungsmateriale keine genügende Stütze
für die Annahme, daß die Tuberkulose
unter den Rindern Belgiens sobald schon
radikal getilgt sein würde. Er empfiehlt,
das Hsche Verfahren mit dem zweifellos
etwas schneller wirkenden v. Behring-
schen versuchsweise insoweit zu kom-
binieren, als die erste Schutzimpfung
nach v. Behring, die in 6— 12 monatigen
Zwischenräumen vorzuzehmenden Nach-
impfungen nach dem Heymansschen
Verfahren zu machen wären. „Sollte es
wenn auch nur beschränkten Zahl von
Fällen frischer Tuberkuloseansteckung, tat-
sächlich eine Heilung bereits vor-
handener tuberkulöser Herde durch
das Heymanssche Verfahren erreicht
werden kann, so würde auch diese Hilfe
in dem ebenso schwierigen als mühe-
vollen Kampfe gegen die Rindertuber-
kulose mit Freuden zu begrüßen sein.
Vor allzuhoch gespannten Hoffnungen
gerade in dieser Beziehung möchte ich
aber doch warnen. Auf jeden Fall
verdientdaslleymansscheVerfahren
auch in Deutschland auf seine Wirk-
samkeit in der Praxis geprüft zu
werden.“ Scherer (Bromberg).
IV. Therapie.
Allgemeine.
Priv.-Doz. Dr. Karl Baisch- Tübingen:
Über die Dauererfolge bei der
Behandlung der Genital- und
Peritonealtuberkulose d. Weibes.
(Arch. f. Gynäkol., Bd. 84.)
Verf. gibt einen kurzen Bericht über
die Literatur der Genital- und Peritoneal-
tuberkulose des Weibes und führt dann
zum Schluß als Resultat seiner eigenen
Beobachtung (100 Fälle) an, daß die
Erfolge der operativen Therapie, in erster
Linie Laparotomie, bei 36°/, Gesamt-
mortalitätverhältnismäßig zufriedenstellend
seien. Damit auch die interne Therapie
alle ihr zu Gebote stehenden Mittel an-
wenden könne, müßten ebenso wie die
Lungentuberkulösen, auch die anderen
Formen der Tuberkulose große und
wohleingerichtete Sanatorien zur Verfü-
gung haben. A. Pinkuss (Berlin).
Dr. Logothetopulos-München: Über Ge-
nitaltuberkulose bei doppelseiti-
gem Dermoidcystom. (Ztschr. f.
Geburtsh. u. Gynäkol., Bd. 61.)
Im vorliegenden, von Prof. Amann
operierten Falle, handelt es sich um eine
relativ frische tuberkulöse Infektion der
Dermoidcysten, wobei Verf. annimmt,
daß von den Genitalorganen zuerst beide
Tuben und sekundär Uterus und Der-
208
moide erkrankt sind.
kulöse Infektion der Tube als sekundär
auf hämatogenem Wege von der Lunge
aus entstanden zu betrachten ist, dafür
gibt hier die Anamnese einer früher ent-
standenen Lungenaflektion einen Anhalts-
punkt. A. Pinkuss (Berlin).
F. M. Pottenger: Upon what does
the cure of tuberculosis depend.
(Med. Record 1908, Jan. 25.)
Die Heilung der Tuberkulose hängt
einerseits ab von der Zahl und Virulenz
Daß die tuber- :
REFERATE.
|
der eingedrungenen Bazillen, andererseits `
von der Widerstandsfáhigkeit des Patienten.
Je größer die letztere, desto mehr Anti-
toxine werden im Körper erzeugt. Hy-
gienisch-diätetisches Verhalten des Pat. `
mag vielleicht im Beginn leichter Erkran- |
Vorgeschrit- |
zur |
kungen hierzu ausreichen.
tenerc Fälle bedürfen hingegen
Produktion genügender Mengen von Anti-
toxinen einer spezifischen Behandlung.
G. Mannheimer (Neuyork).
Emil G. Beck: Fistulous tracts, tu-
berculous sinuses and abscess
cavities, a new method of dia-
gnosis and treatment by Bismuth-
Paste. (Journ. of the Am. Med. Ass.
1908, March 4.)
Durch Einspritzung einer Wismuth-
Vaselinpaste in Fistelednge gelang es,
deren Form und Verzweigungen auf dem
Strahlenbild genau sichtbar zu machen.
Diese anfánglich zu diagnostischen
Zwecken benutzte Methode, die sich als
schmerzfrei und ungefährlich
wurde zu einer therapeutischen Maßnahme,
dic in 14 Fällen gute Resultate lieferte.
Das Wismut wird wahrscheinlich durch
die X-strahlen radioaktiv und veranlaßt
die Bildung von Granulationen. Die
Paste wird resorbiert. Das neugebildete
Bindegewebe vernarbt und obliteriert die
Fistel. G. Mannheimer (Neuyork).
John Lovett Morse: Management and
treatment of tuberculosis in in-
fants and children. (New York
Med. Journ. 1908, Feb. 22.)
Verf. meint, daß in frühester Kind-
| Alkoholinjektionen in den N.
erwies, |
heit sich kaum etwas von irgend einer :
Behandlungsart erhoffen läßt. Er teilt
|
ZEITSCHR. 1.
TUBERKULOSE
die Tuberkulose bei Kindern in 2 Klassen,
die chirurgische (einschließlich der skro-
fulósen und lymphatischen Fälle) und die
viscerale. Für die erstere eignet sich die
Meeresküste und gemäßigtes Klima. We-
nigstens ı Jahr ist für eine Heilung cr-
forderlich. — Kinder von erethischem
Typus, schwach, zart, neurotisch gedeihen
besser im Binnenland mit mildem Klima
und sind vor übertriebenen körperlichen
Übungen zu bewahren. Die von tor-
pidem Typus gedeihen besser an der
Meeresküste; sie vertragen kälteres Klima,
können abgehärtet werden und brauchen
mehr Bewegung. Lungentuberkulose ın
früher Kindheit ist gewöhnlich Teiler-
scheinung einer mehr oder weniger aus-
gedehnten Allgemeintuberkulose, und es
ist weniger von klimatischer Behandlung
zu erwarten. Die Kranken vertragen
Kälte und Abhärtung viel schlechter. Die
ı Diät soll die gleiche sein wie bei Er-
_ wachsenen (Milch, Eier) ebenso die Me-
dikation (tonisch, symptomatisch). Verf.
befürwortet das Unterbringen der Kinder
in Zelte und Sanatorien, der fortgeschrit-
tenen Fälle in Spezialhospitälern, und die
Trennung der Kinder von tuberkulösen
Eltern. G. Mannheimer (Neuyork).
Hoffmann-München: Daueranisthesie
im tuberkulösen Kehlkopf. (Münch.
med. Wchschr., Nr. 14, 1908.)
Selbstanästhesierung bei Kehlkopf-
tuberkulose durch ein Saugröhrchen. Ferner
behandelte Verf. Kehlkopfphthisiker mit
larvngeus
sup., nach dem Vorgange Schlössers
für den N. trigeminus.
F. Köhler (Holsterhausen).
Friedrich-Kiel: Was können wir von
der Behandlung der Kehlkopf-
tuberkulose erwarten? (Med. Klin.,
Nr. 16, 1908.)
In erster Linie ist die allgemeine
gegen die gleichzeitige Lungentuberkulose
gerichtete Behandlung von Wichtigkeit.
Ferner hängt aller Erfolg der Behandlung
von der Frühdiagnose ab. Die lokale
endolaryngeale Behandlung der Frühfälle
zur Zerstörung submuköser Infiltrate ist
chirurgisch oder kaustisch. Umschriebene
Infiltrate und Tuberkulome werden mit
BD.XIILHEFT 8.
1908.
der Doppelcurette entfernt oder mittels |
Galvanokaustik beseitigt. Beider ulzerieren-
den Form der Larynxtuberkulose sind
medikamentöse Mittel von ätzenderWirkung
am Platz. Die Milchsäure hat noch immer
als souveränes Mittel zu gelten. Gegen
die schwere Komplikation mit aussedehnten
Defekten und Granulationstumoren ist die
Tracheotomie, in zweiter Linie die Laryngo-
fissur angezeigt. Selbst in scheinbar ver-
zweifelten Fällen hat die Tracheotomie
zweifelsohne háufig kurative Wirkung. Zum
Schlusse widmet Verf. der rein sympto-
matischen Therapie in Gestalt von Inha-
lationen, Einstáubungen etc. eingehende
Bemerkungen und plädiert warm für die
Auffassung, daß die Tuberkulose des
Kehlkopfes in Tuberkuloseheime hinein-
gehöre, und zwar in solche, in denen eine
sachgemäße laryngologische Behandlung
die allgemeine Behandlung in wirksamer
und förderlicher Weise unterstützt.
F. Köhler (Holsterhausen).
Hinsberg-Breslau: Über kurative Tra-
cheotomiebeiLarynxtuberkulose.
(Med. Klin., Nr. 16, 1908.)
Im Gegensatz zu Besold und Gide-
onsen betont Verf., in Übereinstimmung
mit Moritz Schmidt, die kurative Wir-
kung der Tracheotomie bei der Larynx-
tuberkulose. Allerdings verlangt das Aus-
husten des Sputums nach der Tracheo-
tomie eine erheblich hóhere Kraftleistung
wie vorher, und es ist zu úberlegen, ob
Lunge und Herz diesem Kraftaufwand
gewachsen sind. |
F. Köhler (Holsterhausen).
$
Schrader-Loslau: Spezifische Tuber-
kulosemittel. (Med. Klin., Nr. 17,
1908.)
Der Aufsatz enthält eine Übersicht
úber die Erfolge mit Antituberkulin, Neu-
tuberkulin, Bazillenemulsion Koch, über
Versuche mit Serum Marmorek, Für
das Alttuberkulin betont Verf., daß bei
der diagnostischen Verwendung des Tuber-
kulins jeder im Körper befindliche tuber-
kulöse Herd reagieren könne. Man müsse
somit auf alle möglichen Zufälle bei der
Anwendung des Alttuberkulins gefaßt sein.
Die Indikationen für die Alttuberkulin-
Anwendung mußten erheblich
REFERATE.
einge-
KE
schränkt werden, eine Entfieberung ist
nur selten geglückt. Zu warnen ist vor
Jeder Tuberkulinanwendung bei vorhande-
nen Erweichungsherden. Auch Neigung
zu Blutungen bilden eine Kontraindikation.
Es bleiben also nach Schraders Er-
fahrungen die Frühstadien mit wenigen
Ausnahmen — ohne Fieber — und die
unkomplizierten Fälle des II. Stadiums
für Tuberkulinkuren übrig. Die Produktion
von Schutzstoflen durch den Organismus
selbst kann begreiflicherweise von einem
geschwächten Körper nicht mehr geleistet
werden,
Die Abhandlung wurde im Verein
der Ärzte Oberschlesiens am 27. Oktober
1907 vorgetragen.
F. Köhler (Holsterhausen).
Risacher: Du thymolcamphrécomme
agent de fonte des fongosités tu-
berculeuses. (Thèses de Paris 1907.)
Die Arbeit des Verf.’s gibt eine Be-
schreibung der auf der Abteilung von
Menard in Berck-sur-Mer angewendeten
Injektionsmethode tuberkulöser Abszesse.
Hierzu wird der Thymol-Kampher benutzt,
den man darstellt, indem man ein Teil
Thymol mit zwei Teilen Kampher mischt
und leicht erwärmt; es bildet sich eine dick-
liche, in Wasser unlösliche, in fetten Ölen,
Alkohol, Äther und Chloroform leicht lös- -
liche Flüssigkeit, von 0,957 spez. Gewicht.
Man spritzt hiervon 2—4 ccm in größere,
Iccm in kleinere Abszesse ein, indem
man darauf achtet, keine Vene anzu-
stechen und die Flüssigkeit nur unter
leichtem Drucke ausfließen zu lassen.
Das Mittel bewirkt eine Verflüssigung der
tuberkulösen Fungositäten, ist stark anti-
septisch und viel weniger giftig, als das
zu demselben Zwecke empfohlene Naph-
tolum camphoratum. E. Toff (Braila).
Vaquez: Traitement des épanche-
ments pleuraux récidivants par
les injections gazeuses. (Acad. de
méd., 26. V. 1908. Bull. méd. 22, 42.)
Das Verfahren wirkt in keinem Falle
spezifisch, sondern nur symptomatisch;
aber die Wirkung kann je nach der Art
des Ergusses heilend oder nur bessernd
sein. Bei den serofibrinósen Pleuritiden
auf tuberkulóser Basis gibt die Gasein-
270
REFERATE.
ZEITSCHR. f.
_ TUBERKULOSE
führung nach vorhergegangener Punktion
fast sichere Resultate, besonders wenn sie
gleich beim ersten Rezidiv ausgeführt wird.
Indes gelang es dem Autor auch, durch
zwei in einem Abstande von 3 Monaten
ausgefiihrte Gaseinblasungen eine Pleuritis
zum Stillstand zu bringen, die zwölfmalige
Punktion notwendig gemacht hatte. Ein
weiterer Fall, der in 12 Tagen 4 mal
hatte punktiert werden miissen, kam zum
Stillstand nach der ersten Einblasung.
Ebenso giinstig war die Wirkung bei
zwei hámorrhagischen Pleuritiden.
Von den eitrigen Ergüssen sind nur
die tuberkulösen für das Verfahren geeignet.
Von drei derartigen Fällen des Verfassers
hatten zwei einen befriedigenden Erfolg,
indem dieKranken noch 10 und 18 Monate
nach der Punktion lebten. Die Flússigkeit
war zwar nicht ganz verschwunden, aber
ihre Wiederbildung hintangehalten.
Die Wirkung der Gaseinblasungen
ist eine rein mechanische, eine Druck-
wirkung. Als Medium ist der Stickstoff
das Gegebene, weil er sich sehr langsam
resorbiert. Man muB — im allgemeinen —
etwa ein Volum Stickstoff auf zwei Volu-
mina durch die Punktion entfernter Flüssig-
keit injizieren. H. Grau (Düsseldorf).
Prof. R. Kobert-Rostock: Über den
jetzigen Stand der Heilstátten-
frage für Lungenkranke. (Ztschr.
f. Krankenpfl. 1908, Heft 1 und 3.)
Auf einer Versammlung der Orts-
krankenkassen Mecklenburgs äußert sich
Verf. über den augenblicklichen Stand
der Tuberkulosebekämpfung. Nach einem
kurzen historischen Überblick erörtert er
kurz aber treffend die einzelnen Maß-
nahmen, die zur Überwindung dieser
Volksseuche zurzeit in Anwendung sind:
Ferienkolonien und Heilstätten für Kin-
der, Volksheilstätten und -heimstätten,
Privatheilanstalten und Fürsorgestellen.
Dann geht Verf. zur Beschreibung der
Einrichtung und Bchandlungsweise über,
wie sie zurzeit in den Heilstätten üblich
ist. Da nach Verf.’s Ansicht im Winter
nur bei mildem Frostwetter Freiluft-
Liegekur gemacht werden soll, so emp-
fehlt Verf. für die schlechte Jahreszeit
die Einrichtung eines „Inhaliersales,“ in
dem die Kranken täglich zweimal min-
destens ı Stunde lang plaudernd umher-
gehen und in welchem durch Düsen
von der Decke aus Wasser oder irgend
eine Heilquelle, am besten mit Zusatz
kleiner Mengen aromatischer Substanzen
(Latschenkiefernöl, Eucalyptol oder dergl.),
zerstäubt wird. C. Servaes.
Prof. E. Holländer-Berlin: Die chirur-
gische Behandlung der Schleim-
hauttuberkulose d. oberen Wege,
besonders der Kehlkopftuberku-
lose. (Therap. d. Ggw. 1907, Nr. 12.)
Auf Grund seiner Erfolge mit HeiB-
luftkauterisation bei Schleimhauttuberku-
lose des Mundes und der Nase empfiehlt
H. in solchen Fállen von Kehlkopftuber-
kulose, wo der Luftrührenschnitt notwen-
dig wird, sowie auch bei den Fällen, bei
denen die endolaryngeale Behandlung
keinen Erfolg mehr bringt, die Laryngo-
fissur vorzunehmen und die kranken
Schleimhäute ausgiebig mit Heißluft zu
kauterisieren. Verf. selbst hatte mit dieser
Methode in verzweifelten Fällen mehrfach
Erfolg. C. Servaes.
Schmidt-Halle: Erfahrungen mit dem
therapeutischen Pneumo- u. Hy-
drothorax bei einseitiger Lungen-
tuberkulose, Bronchiektasien und
Aspirations-Erkrankungen. (Beitr.
z. Klinik d. Tub. Bd. 9, Heft 3.)
Die Kompressionstherapie wird nie-
mals zu einer Universalmethode oder auch
nur zu einem Grundpfeiler der Tuber-
kulosebehandlung werden. Sie bleibt für
eine beschänkte Anzahl von Fällen reser-
viert, und in der richtigen Beschränkung
ihrer Anwendung liegt ihr Wert. Unter
diesen Bedingungen aber wirkt der künst-
liche Pneumothorax durchaus segensreich.
Ott.
b) Tuberkulin. Sera.
Prof. A. Moeller-Berlin: Die ambulante
(diagnostische u. therapeutische)
Verwendung des Tuberkulins in
derSprechstunde des praktischen
Arztes. (Deutsche Ärzteztg. 1907,
Heft 22.)
Von je 50 Lungenkranken, die am-
bulant behandelt worden waren, wurden
von den ersteren geheilt 36 °/,, gebessert
BD.XIII,HEFTS.
_ 1908,
56°/,, unverändert blieben 8°/,, während
von den letzteren die entsprechenden
Zahlen lauten 10%,, 60%,, 12%,
außerdem verschlechterten sich 12 °/,, es
starben 6 %/,. Dagegen waren die Erfolge
bei den ambulant und bei den in ge-
schlossener Anstalt mit Tuberkulin be-
handelten nicht voneinander unterschieden.
C. Servaes.
Weicker-Görbersdorf: Das Tuberkulin
in der Hand des praktischen
Arztes. (Wien. med. Wchschr. 1907,
Nr. 47— 51.)
Zunächst erörtert W. kurz die The-
orie der Tuberkulinwirkung; dann be-
spricht er die Auswahl der Fälle, die
Anwendungsweise und die Dosierung.
W. sieht jede Erhöhung über die Norm
auch nur von wenigen Zehntel als Fieber
an und verwertet dies entsprechend bei
der Dosierung: bei leichter Reaktion wird
die Dosis wiederholt, sonst zu der nächst
schwächeren hinuntergegangen. Bei Ab-
nahme des Körpergewichtes sollen die
Einspritzungen solange ausgesetzt werden,
bis das alte Gewicht wieder erreicht ist.
Eigenartig an der Weickerschen
Tuberkulinbehandlung ist, daß in einer
Reihe von Fällen — bei großer Tuber-
kulinempfindlichkeit — mit der ersten
kleinsten Dosis auch schon die Maximal-
dosis erreicht ist.
Als ein brauchbares Entfieberungs-
mittel hat sich W. Kochs Bazillenemul-
sion bewährt. Er beginnt mit !/, 00 mg
(! Ref.) und steigt nur sehr langsam und
mit größeren Pausen zwischen den ein-
zelnen Einspritzungen. Jede Dosis wird
so oft wiederholt, wie sich noch eine
therapeutische Einwirkung zeigt: anfäng-
liche Steigerung, dann langsames Absinken
der Temperatur. Während der ganzen
Behandlungszeit bis zum Eintritt völliger
Entfieberung ist beständige Bettruhe er-
forderlich.
Bei der diagnostischen Einspritzung
dosiert W. in gleicher Weise, wie bei der
therapeutischen, d. h. er beginnt mit
0,01 mg Alttuberkulin und steigt ganz
allmählich bis 5 mg. Temperatursteige-
rungen von 2—3 Zehntelgraden auf
kleinste Dosen sind beweisend.
REFERATE.
271
árzten noch einige Winke, wie sie sich
bei eintretenden Zwischenfillen (Reakti-
onen) den Kassen gegenúber verhalten
sollen. C. Servaes.
M. Wolff-Elberfeld: Tuberkulinbe-
handlung, insbesondere Perl-
suchttherapie, nach K. Spengler
[Davos]. (Wien. med. Wchschr. 1907,
Nr. 52.)
W. empfiehlt warm die Spengler-
sche Behandlung der Lungentuberkulose
mit den verschiedenen Tuberkulinen,
insbesondere den Perlsuchtpräparaten,
unter gleichzeitiger Darreichung von Jod
(entweder JodeiweiB innerlich oder Jo-
thion perkutan, jedoch nicht die Jod-
alkalien). Mit dieser kombinierten Be-
handlungsweise soll es möglich sein,
selbst ganz schwere Phthisen zur Heilung
zu bringen. Komplikationen mit Fieber,
Blutungen, Kehlkopftuberkulose, Albumi-
nurie, Neurasthenie und Hysterie sowie
Pseudoasthma sind keine Gegenanzeige;
doch ist bei Fieber und Albuminurie
große Vorsicht geboten: kleinste Dosen
und lange Pausen; auch muß bei letzterer
wegen der verlangsamten Jodausscheidung
täglich der Harn geprüft werden. Die
Erfolge, die W. mit der Tuberkulin-Jod-
behandlung erzielte, sind seiner Aussage
nach erstaunlich. C. Servaes.
Strelinger: Fünfjährige Erfahrung
über die Schutzimpfung gegen
die Tuberkulose der Rinder nach
v. Behring. Durchgeführt auf den
Gütern Sr. K. Hoheit des Prinzen Ludwig
von Bayern zu Särvär in Ungarn. (Berl.
tierärztl. Wchschr. 1908, Nr. 22.)
Mit den Schutzimpfungen wurde
schon im Jahre 1902 begonnen, und
zwar wurden gewöhnlich nur solche zwei
bis drei Wochen alte Kälber zur Impfung
herangezogen, welche bei der Unter-
suchung durch den Tierarzt gesund be-
funden wurden. Nach drei Monaten
wurde die Impfung wiederholt. Sämtliche
Tiere wurden alljährlich tierärztlich kli-
nisch untersucht und mit Tuberkulin ge-
impft Das Ergebnis war, daß nach 5/},
Jahren 10°/,, nach 4 Jahren 13,8°/,, nach
| 3 Jahren 7,2°/,, nach 2 Jahren 9,4°/,
Zum Schluß gibt W. den Kassen- |
der bovovakzinierten Tiere reagierten.
272 ` E
REFERATE.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
Während vor Einführung der Schutz-
impfung von künstlich aufgezogenen zwei-
jährigen Tieren bereits 50°, Reaktion
zeigten, waren die seit 5*/, Jahren ge-
impften Tiere trotz der in reichem Mabe
gegebenen Infektionsgelegenheit mit sehr
schönem Erfolge imstande, die erlangte
Widerstandsfähigkeit zu bewahren. Bei
diesen günstigen Erfolgen muß es als
überflüssig bezeichnet werden, die neuer-
dings von verschiedenen Seiten empfohlene
jährliche Wiederholung der Schutzimpfung
vorzunehmen.
Eine Kombination des v. Behring-
schen Verfahrens mit dem von Bang
und von Ostertag angegebenen ist zweck-
mäßig. Dabei dürfte aber die Tuber-
kulinprüfung der nach v. Behring ge-
impften erwachsenen Rinder wegfallen
und nur für ganz spezielle Fälle (welche?
Ref.) vorbehalten bleiben. Auch ist die
von Ostertag geforderte, praktisch in
der Landwirtschaft nur sehr schwer durch-
führbare künstliche Aufzucht der bovo-
vakzinierten Kälber nicht erforderlich, da
sie sich unter den gewöhnlichen Verhält-
nissen ebenso günstig entwickeln, wie bei
künstlicher Aufzucht. Sollen jedoch die
Rinderbestände tuberkulosefrei erhalten
bleiben, so sind die Stallungen möglichst
allen hygienischen Anforderungen anzu-
passen und die Tiere, soweit die land-
wirtschaftlichen und Witterungsverhältnisse
gestatten, im Freien zu halten.
Scherer (Bromberg).
Dr. L. C. Kersbergen: Over de speci-
fieke behandeling der Tubercu-
lose. Über die spezifische Behand-
lung derTuberkulose. (Geneesk. Bladen,
vol. 13, no. 8.) |
Verf. gibt eine kurze historische
Übersicht über die Tuberkulinfrage und
widmet den verschiedenen Tuberkulin-
präparaten eine kurze Besprechung. Ins-
besondere der Standpunkt Sahlis wird
eingehend erörtert. Es sei Denys als
großes Verdienst anzurechnen, daß er
aufs neue die Aufmerksamkeit auf das
von Koch verlassene TO gelenkt hat,
und daß er, die Verdünnungen zum Ge-
brauch fertig abliefernd, die Handhabung
des Mittels bedeutend erleichtert hat;
lichen minimalen Anfangsdosen empfohlen.
Verf. bespricht eingehend die Technik, die
Vorsichtsmaßregeln bei der Einspritzung,
die Dosierung, die Indikationen und die
diagnostische Tuberkulininjektion. Er
gibt 65 kurzgefaßte Krankengeschichten,
aus welchen recht erfreuliche Erfolge der
Tuberkulinbehandlung ersichtlich sind.
Vos (Hellendoorn).
Hohmeier-Altona: Die Behandlung
chirurgischer Tuberkulose mit
dem Antituberkuloseserum Mar-
morek. (Münch. med. Wchschr., Nr. 1 5,
1908.)
Irgendwelche Schädigungen destuber-
kulüsen Organismus durch Einverleibung
des Marmorekschen Serums wurden
nicht beobachtet, Verf. hält bei ganz
leichten Fällen von Knochentuberkulose
bei daneben durchgeführter antituber-
kulöser Kur eine Beschleunigung des
Heilungsprozesses durch das Serum für
möglich. Eine sichere Wirkung auf ganz
frische und leichtere tuberkulöse Knochen-
oder Gelenkerkrankungen besteht dagegen
nicht. Bei mittelschweren Erkrankungen
von Knochentuberkulose wurde ein Heil-
erfolg nicht erzielt, ebensowenig eine
Besserung bei schweren Fällen. Das Auf-
flackern alter, längst schlummernder tuber-
kulöser Herde wurde durch das Serum
nicht verhütet. Auch in der Folgezeit
wurde keine Besserung beobachtet. Eine
Hebung des Allgemeinzustandes konnte
im allgemeinen kaum dem Serum zuge-
schrieben werden.
F. Köhler (Holsterhausen).
V. Bücherbesprechungen.
Der Sanitätsbericht über die Kaiserlich
Deutsche Marine für die Zeit vom
1. Okt. 1904 bis 30. Sept. 1905.
Der Krankenzugang ist in ununter-
brochenem Sinken begriffen: er betrug
bei einer Kopfstärke von 40432 Mann
402,4 °/,, (bei der englischen Marine
754,7 Haal, Die Behandlungsdauer belief
sich durchschnittlich an Bord auf 23,9 Tage,
außerdem hat noch Denys die jetzt üb- | an Land auf 18,2. Als dienstunbrauchbar
BD.XUI,HEFT 8.
1908,
oder invalide gingen 47°/,, ab. Gestorben
sind 2,8°/,,, gegenüber 3,2°/, in der
österreichischen, 3,9°/,, in der englischen,
und 6,48°/,, in der amerikanischen Ma-
rine. Die meisten Todesfalle durch Krank-
heit (12 von 66) wurden auch in diesem
Jahre durch Tuberkulose der Atmungs-
organe verschuldet; dazu kamen 4 Todes-
fälle durch Tuberkulose anderer Organe
und 1 Fall durch akute Miliartuberkulose.
Die Lungentuberkulose führte im ganzen
57 Mann zu, davon 30 vom Lande,
REFERATE,
f
23 von Bord in der Heimat und nur —
4 von Bord im Auslande; meist setzte
die Krankheit plötzlich ein, und gewöhn-
lich wurden Erkältungen, Durchnässungen
und außerordentliche Anstrengung im
Dienst als Grund angegeben; erbliche
Belastung war nur bei einer geringen
Anzahl von Kranken mit Sicherheit nach-
zuweisen. Soweit diese Kranken an Bord
zugingen, wurden sie dem nächsten Land-
lazarett überwiesen. Knochentuberkulose
hatte 1 Mann. Mit Tuberkulose an-
derer Organe gingen 16 Mann zu, je
8 vom Lande und von Bord in der
Heimat. Es waren betroffen: 4 mal Hoden
und Nebenhoden, 4 mal Halsdrüsen, 3 mal
das Bauchfell, 2 mal die Nieren, je 1 mal
Gehirn, Darm und Achseldrüsen. Der
an Hirntuberkulose Verstorbene ging zu
mit den Erscheinungen von Hirndruck
und mit zentralen Lähmungssymptomen;
die Lumbalpunktion ergab einen Druck
von 350—380; bei der Leichenöffnung
fand sich im rechten Sehhügel eine wal-
nußgroße, graugelbe, tuberkulöse, in der
Mitte käsig zerfallene Geschwulst, die den
Aquaed. Sylvii nach links verschoben und
zusammengedrückt hatte. Außer der chirur-
gischen Behandlung wurde in einigen
Fällen das Alttuberkulin angewandt.
Die Katarrhe der oberen Luft-
wege und Bronchien zeichneten sich
auch in diesem Berichtsjahre dadurch
aus, daß sie bei den Marineteilen am
Lande doppelt so häufig vorkamen als
an Bord, und an Bord in der Heimat 4 mal
so häufig als an Bord im Auslande. Eine
auffallend große Anzahl dieser Erkran-
ee
wesentlichste Begleiterscheinung wurde
Blutarmut beobachtet. Mit akuter Lungen-
entzündung gingen 136 Mann zu, wo-
von 4 Starben, 2 invalide und 129 wieder
dienstfahig wurden. Auf den Schiffen
in Ostasien kamen auch diesmal die
Lungenentzündungen nur in den kältesten
Wintermonaten und in den heißesten
Sommermonaten vor; ähnlich war es mit
den Brustfellentzündungen, womit
insgesamt 165 Mann zugingen; 141 wur-
den wieder dienstfähig, 23 dienstunbrauch-
bar und invalide, 2 starben. Mit dieser
Krankheit, wie mit Lungenentzündung
wurde das seemännische Personal ent-
schieden häufiger betroffen als das Ma-
schinenpersonal.
Was die Unterkunft betrifft, so haben
von den Linienschiffen die Schiffe der
Kaiserklasse die besten Wohnräume. Am
ungünstigsten sind die Flußkanonenboote
in den Tropen gestellt, so betrug z. B.
auf „Isingtau“ die Durchschnittstempe-
ratur im September hinterschiffs 33°C.
Mit Ausnahme einiger älterer Auslands-
schiffe haben alle Schiffe Dampfheizung
und elektrische Beleuchtung. Die Ver-
pflegung hat durch den Einbau von Kühl-
räumen auf den neueren Schiffen eine
wesentliche Verbesserung erfahren. Be-
sondere Aufmerksamkeit wurde den hygie-
nischen Verhältnissen der Heizergeschenkt;
die allgemeine Einführung der Schwamm-
respiratoren zum Gebrauch bei der Kohlen-
übernahme und in den Bunkern scheiterte
bisher an der Verständnislosigkeit der
Leute. In Wilhelmshaven wurde die
Luftheizung des Lazarettes in eine Warm-
wasserheizung umgewandelt. Dort und
in Cuxhaven wurde eine neue Kaserne
gebaut und belegt. Im Gouvernements-
lazarett in Tsingtau wurde der Pavillon
für Frauen und Kinder bezogen. Das
Mecklenburghaus wurde im ersten Jahre
seines Bestehens von über 1000 Personen
aus der Zivilbevölkerung mit gutem Er-
folg in Anspruch genommen. Die Poli-
kliniken für Chinesen erfreuen sich eines
regen Zuspruches. Die Garnionswasch-
anstalt ist in Betrieb genommen und da-
kungen erweckte den Verdacht auf Lungen- | mit die dauernde Ansteckungsgefahr seitens
tuberkulose, insofern als die katarrhalischen | derchinesischen Wäschereien ausgeschaltet.
Erscheinungen
Lungenspitzen beobachtet
XIII.
wurden;
Zeitschr. f. Tuberkulose.
hauptächlich über den |
als ; russischen Kriegsschiffen wurden im Be-
Von den im August 1904 desarmierten
18
274 REFERATE.
ZEITSCHR. f.
richtsjahr 8 Offiziere und 95 Mann im
Lazarett aufgenommen; ı Mann starb an
Lungentuberkulose. Im Frühjahr 1905
kamen dann die russischen Evakuierten
ins Lazarett, zusammen 12 Offiziere,
201 Mann, 4 Frauen und 2 Kinder; hier-
von starben 4 Mann, ı an Tuberkulose.
Mühlschlegel (Stuttgart).
Tuberculosis, Vol. VII, No. 4.
1.Calmette- Lille: L’ophthalmo-dia-
gnostic de la Tuberculose et son rôle
dans la defense sociale antituberculeuse
enthält einen Auszug aus dem Bulletin
de l'Académie de medecine, betr. die
Sitzung vom 14. I. 1908, und beleuchtet
die Art der Anwendung und dic Bedeu-
tung der Ophthalmoreaktion.
2. Krause- Hannover: Stand der
spezifischen Therapie der Lymphdrúsen-
tuberkulose Ende 1907.
3. Nathan Raw-Liverpool: The
Treatment of Tuberculosis by different
Kinds of Tuberkulin, ausgehend von der
Anschauung, daß die Lungentuberkulose
durch den Bazillus der Menschentuber-
kulose, die chirurgische Tuberkulose da-
gegen durch den Bazillus der Rinder-
tuberkulose hervorgerufen wird und daß
als Heilmittel jeweils das entgegengesetzte
Bakterienpräparat zu verwenden sei.
4. Bollag-Liestal: Tuberkulosege-
setzgebung in der Schweiz.
F. Kóhler (Holsterhausen).
Tuberculosis, Vol. VII, Nr. 5, Mai 1008.
1. Nekrolog auf v. Schrötter. 2. Die
Kutanreaktion auf Tuberkulose (v. Pir-
quet) von Petruschky bringt wesent-
liches Material zur Beurteilung des v. Pir-
quetschen Verfahrens in günstigem Sinne.
3. Lentz, L’Inspection gouvernementale
des Dispensaires antituberculeux en Bel-
= TUBERKULOSE
gique: bringt der von der belgischen
Regierung angestrebten Einrichtung einer
Inspektion für die belgischen Dispensaires
Zweifel an der Zweckmäligkeit entgegen.
4. Auszug aus dem Jahresbericht des
König Eduard Sanatoriums in Midhurst.
5. Das Brehmer-Denkmal in Breslau.
F. Köhler (Holsterhausen).
Tuberculosis, Vol. VII, Nr. 6.
I. Newton - Montclair: Personal
Hygiene in the Prophylaxis and Treat-
. ment of Consumption. Die farbige Be-
völkerung Amerikas, insbesondere Neger
und Indianer, werden von der Tuberkulose
so schwer heimgesucht, weil sie unter
einem plötzlichen Wechsel der Lebens-
weise, unter dem Übergang von dem
rauhen, aber gesunden Leben in der
Wildnis oder in der Sklaverei zu einem
weichlichen Leben in engen Quartieren
bei reichlicher Bekleidung und veränderter
Kost zu leiden haben. Es liegt keine
besondere Empfänglichkeit der Rasse vor.
Dieselben verweichlichenden Einflüsse lie-
gen bei den in Amerika geborenen Kindern
irischer Eltern vor. Die seit Jahrhunderten
in elendesten Verhältnissen lebenden Juden
im östlichen Europa zeigen eben wegen
dieser Gewöhnung wenig Empfänglichkeit.
Die Hauptursache für die Tuberkulose
sucht daher Verf. in den Lebensgewohn-
heiten und in der Umgebung.
2. v. Pirquet: Die kutane Tuber-
kulinreaktion.
3. Hillenberg-Springe: Zur Ser-
viettenfrage in Lungenheilstätten. Verf.
befürwortet den Gebrauch von Seiden-
papier als Serviette.
4. Bollag-Liestal: Tuberkulosege-
setzgebung in der Schweiz.
5. Bezensek: Das Komitee zur
Bekämpfung der Tuberkulose in Bulgarien.
F. Köhler (Holsterhausen).
FERR
mM O
Band XIII
Heft 3.
ZEITSCHRIFT FÜR TUBERKULOSE.
Beilage für Heilstätten und Wohlfahrtseinrichtungen.
INHALT: Heilstättenwesen, Sanatorien und Fürsorgestellen 275. — Verschiedenes 280. —
Personalia 280.
HEILSTÄTTENWESEN,
SANATORIEN UND FÜRSORGESTELLEN.
Über die Betätigung der Landes-
versicherungsanstalt Berlin im Kampfe
gegen die Tuberkulose schreibt die
Voss. Ztg.:
In wenigen Wochen tagt in Washing-
ton der internationale TuberkulosekongreB,
Die Landesversicherungsanstalt Berlin
überreicht ihm eine Denkschrift, in der
sie Rechenschaft über alle ihre Einrich-
tungen zur Bekämpfung der Tuberkulose
ablegt. Die Bestimmung des Invaliden-
versicherungsgesetzes, die den Landes-
versicherungsanstalten das Recht gibt,
Heilverfahren einzuleiten, um drohender
Invalidität vorzubeugen, hat dazu geführt,
daß erfreulicherweise viele Anstalten, und
ganz besonders die von Berlin, weit mehr
ihre Aufgabe darin sehen, vorbeugend zu
wirken, als Renten zu zahlen.
Da unter den Krankheiten, die zur
Invalidität führen, die Tuberkulose an
erster Stelle steht, so ergibt sich von
selbst, daß bei den Vorbeugungsmaßregeln
auch die Bekämpfung der Tuberkulose
die erste Stelle einnimmt. Der Krank-
heit in dem Kreise der Versicherten vor-
zubeugen, stehen der Landesversicherungs-
anstalt verhältnismäßig wenig Möglich-
keiten zur Verfügung, am ausgiebigsten
sind die Bemühungen,
Zeit erwerbsfähig zu halten. Hierfür
sind die Heilstätten in Beelitz ge-
schaffen worden, die größten ihrer Art
in der ganzen Welt.
Sie scheiden sich in die eigentlichen
Lungenheilstätten und die Sanatorien für
chronisch Kranke.
die schon Er- | De
krankten zu heilen, oder doch für lingere | geben hat.
Das gesamte Areal |
ist 140 ha groß; Eisenbahn und Chaussee,
die sich inmitten desselben rechtwinklig
kreuzen, teilen es in 4 Teile; nördlich
der Eisenbahn liegen die Heilstätten,
südlich die Sanatorien, östlich der Chaus-
see liegen die Abteilungen für Männer,
westlich die für Frauen und jede der
4 Abteilungen ist für sich abgeschlossen.
Je zwei und zwei bilden in bezug auf
Verpflegung, Wäschereinigung und ärzt-
liche Behandlung einheitliche Betriebe.
Die Wirtschaftsbetriebe sind derart ver-
teilt, daß Kochküchen, Waschküchen etc.,
in denen weibliches Personal tätig ist, im
Gebiet der Frauenabteilung, Desinfektion,
Maschinenkesselhaus ete., mit m'innlichem
Personal, im Gebiet der Männerabteilungen
errichtet sind. Die Heizung, Beleuch-
tung und Wasserversorgung aller Gebäude
und des gesamten Geländes erfolgt von
einer Zentralkraftstation. Die Einrich-
tungen reichen für insgesamt 1800 Betten
aus. Die Lungenheilstitten sind schon
auf die ursprünglich geplante Höhe von
900 Betten gebracht, in den Sanatorien
sind erst 300 Betten in Benutzung. Es
wird ausdrücklich in dem Bericht hervor-
gehoben, daß die ungewöhnliche Größe
der Heilstiitten bis jetzt nicht zu den
mindesten Unzuträglichkeiten Anlaß ge-
Auf dem weiten Gelände zerstreut
, befinden sich 44 Gebäude. In dem Heil-
: stättenbezirk stehen 2 Pavillons für lungen-
| kranke Männer und 2 für Frauen, das
Wohnhaus des Chefarztes und ein Wohn-
haus für unverheiratete Ärzte, in dem
auch noch die Wohnung für einen ver-
Eh
_276
BEILAGE.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
heirateten Verwaltungsinspektor, der Speise-
saal für das gesamte männliche Personal
und Betriebsräume untergebracht sind.
Es folgen 2 Pförtnerhäuser, cin großes
Werkstättengebäude, die Desinfektions-
anstalt, das Kochküchengebäude und dazu
ein besonderes Kellerhaus und schließlich
das Waschküchengebäude. 352 laufende
Meter Hallen dienen in 7 Gruppen den
Männern zur Liegekur, 254 min 10 Gruppen
den Frauen. Wandelhallen verbinden die
einzelnen Pavillons miteinander. In den
Sanatorien finden wir je einen Pavillon
für Mánner und für Frauen, die grobe
Zentralbadeanstalt, die jede Art von Hy-
drotherapie, Dampf- und elektrische,
Moor-, Sand- und Schwefelbäder ermög-
licht und allein fast */, Million Mark ge-
kostet hat. Neben den übrigen ent-
sprechenden Gebäuden wie in den Heil-
stätten finden wir eine Kegelhalle und
5 Pumpenhäuser, die in Entfernungen
von je 100 m voneinander aus 40 m
tiefen Brunnen das Anstaltswasser liefern.
Ein besonderes Wasserrückkühlwerk führt
der Dampfmaschine das verbrauchte
Wasser wieder zu. Es folgen Bäckerei-
gebäude und Speichereigebäude, das rie-
sige Kessel- und Maschinenhaus, ein
Wohnhaus für verheiratete Bureaubeamte
und eins für verheiratetcs Betriebsper-
sonal, Gärtncreigebäude, Stall und Remise
für 5 Pferde und Wagen, die Kirche
mit 200 Sitzplätzen und schließlich das
Posthaus, das für den Postdienst in den
Anstalten die Reichspost gemietet hat.
Den ärztlichen Dienst versehen zwei
_ Chefärzte, 3 ärztliche Abteilungsdirigenten,
2 Oberärzte und 11 Assistenzärzte. Ihnen
stehen 2 Oberinnen, 5 Oberschwestern,
14 Schwestern, 22 Wärter und 14 Wär-
terinnen zur Seite. An Personal für Ver-
waltung, Aufsicht, Koch- und Wasch-
küchen, Schlächterei und Bäckerei, Ma-
schinenbedienung, Gärtnerei, Wirtschafts-
betrieb der Stationen und Handwerkern
sind über 350 vorhanden. Für alle sind
Anstellungs-, Urlaubsverhältnisse etc. ge-
nau geregelt.
Einige Zahlen geben ein ungeführes
Bild von dem Umfang des Betriebes. In
den Waschküchen werden jährlich rund
1300000 Wäschestücke gereinigt, für die
im Durchschnitt nur das Reinigungs-
material */, Pfennig kostet. Zum Stopfen
der Strümpfe sind besondere Maschinen
aufgestellt, auf denen jährlich etwa 30000
Paar Strümpfe ausgebessert werden. Die
Kosten für jedes Paar betragen ungefähr
3/, Pfennig. In eigener Eismaschine wurden
im vergangenen Jahre ungefähr 160000 kg
Eis erzeugt. Selterwasser, das früher die
Flasche mit 5 Pfennig bezahlt wurde,
wird seit einigen Jahren für 0,7 Pfennig
in der Anstalt selbst hergestellt, wodurch
bei einem Jahresverbrauch von 130000
Flaschen 5590 Mark erspart werden. In
der eigenen Bäckerei sind ein Werk-
meister und 2 Gesellen tätig, diese haben
täglich zu backen etwa 110 Brote zu
3 kg, 1700 Milchbrötchen zu 50 g, 800
Wassersemmeln zu 100 g, 140 Knüppel
zu 30 g, außerdem Spezialgebäcke, wie
Zwieback, Schrotbrote etc. Täglich wer-
den über 500 kg Mehl verbacken. Die
eigene Bäckerei gewährt auch den Vorzug,
daß die Kranken früh und nachmittags
frische Backwaren bekommen können.
Seit Mai d. J. ist auch eine eigene Schläch-
terei im Betrieb, in der ein Werkmeister,
2 Gesellen und ein Hausdiener tätig sind.
Einmal wöchentlich kaufen der Ober-
inspektor und der Werkmeister auf dem
städtischen Zentralviehhof in Berlin le-
bendes Vieh ein; die Schlachtung erfolgt
auf dem Schlachthof. Die Angestellten
mit eigenem Haushalt können durch Ver-
mittelung der Anstalt Lebensmittel zum
eigenen Gebrauch beziehen.
In allen Gebäuden sind Feuerlösch-
einrichtungen vorhanden. Aus dem männ-
lichen Personal ist eine 100 Mann starke
Heilstättenfeuerwehr unter der Leitung
und Führung des Hausaufsehers gebildet.
Sie verfügt über zwei mechanische Leitern,
2 Spritzen, 2 Wasserwagen und 400 m
Schlauch. Außerdem ist mit der Beelitzer
freiwilligen Feuerwehr ein Abkommen
getroflen, daß sie im Bedarfsfalle schnell-
stens erscheinen muß. Für die stete
Hilfsbereitschaft erhält sie jährlich 400
Mark.
In welchem Umfange nun diese
großen Einrichtungen den Kranken nutz-
bar gemacht werden, lehren folgende
Angaben.
Im Jahre 1807 wurde das Heilver-
fahren durchgeführt für 375 Männer und
` BD.XIILHEFT8.
1908.
BEILAGE. 277
65 Frauen bei einem Kostenaufwand ' den, meist weil die Krankheit zu weit
von rund 150000 Mark; von Jahr zu
Jahr stiegen Umfang und Kosten des
Heilverfahrens, bis sie im Jahre 1907
die Hóhe von úber 2250000 Mark er-
reichten fúr 5192 mánnliche und 2393
weibliche Versicherte, d. h. also für rund
7500 Versicherte. Nach den Ergebnissen
der Berufs- und Gewerbezählung von
1895 wurde die Zahl der gegen Inva-
lidität Versicherten innerhalb des Stadt-
kreises Berlin auf rund 450000 Personen
berechnet. Inzwischen ist die Bevólke-
rung Berlins von 1680000 im Jahre 1895
auf rund 2100000 Einwohner oder um
12,5 v. H. gewachsen. Unter Zugrunde-
legung desselben Steigerungssatzes für die
Zunahme der versicherungspflichtigen
Berliner Arbeiterbevölkerung dürfte die
Landesversicherungsanstalt Berlin mit rund
500000 Versicherten zu rechnen haben.
Bei einem Umfang des Heilverfahrens
für 7500 Versicherte würden demnach
fast 1*/, v. H. der versicherungspflichtigen
Bevölkerung Berlins den Segen eines
Heilverfahrens jährlich genießen können.
Diese Maßnahmen für die Erhaltung der
Erwerbsfähigkeit bedingen auch die Auf-
wendung großer Mittel. Im Jahre 1907
belaufen sich die Kosten für Durchführung
des Heilverfahrens auf über 2250000
und sie dürften in Zukunft bis auf 3 000000
anwachsen bei einer jährlichen Einnahme
aus Beiträgen der Versicherten von rund
10000000 Mark. Davon wird bei den
Männern fast die Hälfte, bei den Frauen
über die Hälfte zur Bekämpfung der
Lungenschwindsucht aufgewendet.
Während im Jahre 1897 auf je 100
Behandlungsfälle bei 30 Männern und
27 Frauen erfolglose Kuren entfielen,
sanken diese Zahlen von Jahr zu Jahr
bis auf 11 und 6 im Jahre 1907. Von
79 mit Erfolg behandelten Männer aus
dem Jahre 1897 sind Io Jahre später
noch 36, also fast die Hälfte, erwerbs-
fähig geblieben. Ein beträchtlicher Teil
hat denn auch noch weiter Quittungs-
marken kleben können und dadurch von
den für ihn verwendeten Kosten wieder
abgetragen.
Trotzdem soviele Kranke einem Heil-
verfahren unterworfen werden, müssen
fast ebenso viele Anträge abgelehnt wer-
vorgeschritten ist. Für solche Kranke
hört aber nicht durchweg die Fürsorge
der Landesversicherungsanstalt auf. Ein
großer Teil von ihnen findet in den
Walderholungsstätten Aufnahme, de-
nen die Landesversicherungsanstalt sehr
erhebliche Zuschüsse zahlt, einem anderen
kommen die Auskunfts- und Für-
sorgestellen für Tuberkulöse zugute,
die zu einem großen Teil von der Lan-
desversicherungsanstalt erhalten werden.
Walderholungsstätten und Fürsorge-
stellen zählen auch zu den vorbeugenden
Einrichtungen. Der Vorbeugung dient
weiter die Zahnpflege, die von der
Landesversicherungsanstalt gewährt wird.
Diese hat jetzt ein eigenes zahnärztliches
Institut errichtet, in dem in großem Um-
fange Zähne plombiert und jährlich etwa
2000 Gebisse für die Versicherten ange-
fertigt werden.
Neben all diesen Einrichtungen war
in der Nähe von Berlin noch eine be-
sondere versuchsweise geschaffen, in der
Versicherte Aufnahme fanden, die auf
Grund der Tuberkulose bereits invalidi-
siert worden waren. Dieses Invaliden-
haus ist aber wieder aufgelöst worden,
weil ein dringendes Bedürfnis nicht vor-
liegt. Der großstädtische Arbeiter liebt
zu sehr seine Freiheit und Selbständigkeit
und ist nicht geneigt, sich für seine ihm
noch bleibende Lebenszeit in eine An-
stalt zu begeben, in der seine Freiheit
nicht unerheblich beschränkt wird. Auch
stellen sich die Kosten für den einzelnen
Pflegling so unverhältnismäßig hoch, daß
sich die Aufwendung so großer Summen
für eine geringe Anzahl von Renten-
empfängern nicht rechtfertigen läßt.
Dagegen ist in Aussicht genommen,
an Stelle dieses Invalidenhauses zwei neue
Einrichtungen zu schaffen, die in dem
Kampf gegen die Tuberkulose von großer
Wichtigkeit sind, eine Beobachtungs-
station und eine Station für spezi-
elleTuberkulinbehandlung.Die Beob-
achtungsstation soll einer möglichst sorg-
fältigen Auslese für die in die Lungen-
heilstätteaufzunehmendenPersonen dienen.
Die Station für Tuberkulinbehandlung soll
Versicherten, die in Lungenheilstátten mit
Erfolg behandelt worden sind, nachtrig-
278 BEILAGE. ZEITSCHR. f.
lich einer ambulanten Tuberkulinbehand-
lung zu teil werden lassen.
u
Hesse-Berlin: Arzt und Fürsorge- | =
stelle fir Lungenkranke. (Zeitschr.
f. Krankenpfl. 1908, Maiheft.)
(Genaue Darstellung des Betriebes
in den Berliner Fürsorgestellen.
C. Servaes.
Jahresberichte.
Jahresbericht der M.-GladbacherEin-
richtungen zur Bekämpfung der
Tuberkulose. (1. April 1907 bis
I. April 1908.)
A. Heilstätte (für Frauen).
Zahl der Krankenverpflegungstage: 37 451
Bestand 1. April 1907 . . 81 Personen
Aufgenommen....... 533 e
Bestand 1. April 1908 . . 93 ji
Es wurden also entlassen 521 Personen.
Von diesen wurden vorzeitig, d. h.
mit ciner Kurdauer von weniger als
30 Tagen entlassen:
Wegen vorgeschrittener Tuberkulose 24
Als nicht tuberkulós ......... 5
Aus-anderen Gründen (Heimweh etc.) 21
Zusammen 50
Es kommen also für unsere Statistik
471 Kranke in Betracht. Davon litten an
offener Tuberkulose 77 = 16,33 ln
Über den Kurerfolg gibt folgende
Tabelle Aufschluß; in der A volle, B teil-
weise Erwerbsfähigkeit, C Erwerbsunfähig-
keit bedeutet.
A | B | C
LUS Se a i
2% 12] %
|
Stadium Jl
A
|
uN
É| o
ar
I 1296) ee ssl 24 8,10 9| 3,04
|
II 114 | 71) 62,28 40 35,08) 3| 2,63
62,29; 15 | 24,59
It | 61| 8 113,11) 38
Tr qe 72,61|102' 21,65 27 | 5:73
ern
Erwerbslihig 444 = 94,27 fo
u Kaiserl, Gesundheitsamt.
I + 11 + IL | 10
1UBERKULOSE
Unter 16 Jahren waren von diesen:
` Stadium Séi | Zus. | A | B | C
T,
II 2 | 2
III | 3 | I j I
KERZE
1) Kaiserl, Gesundheitsamt,
B. Walderholungsstätte der Stadt
M.-Gladbach.
Jahrgang 1907.
Betriebszeit: 2. April bis 24. Okt. 1907.
Frequenz: Männer . . 188
Frauen . . 213
Kinder . . 55
Summa 456 mit
7268 Verpflegungstagen.
Durchschnittliche Aufenthaltsdauer
15,9 Tage.
Zugänge: April . . 48
Mai. . . 56
Juni . . 73
Juli. . . 103
August. . 119
September 52
Oktober . 5
Das Krankenmaterial bestand aus
Tuberkulose (offene ausgeschlossen), Chlo-
rose, Anämie, Rekonvaleszenz nach akuten
Krankheiten etc.
C. Waldschule der Stadt M.-Glad-
bach.
Jahrgang 1907.
Betriebszeit: 15. April bis 18. Okt. 1907.
Frequenz: 253 Kinder (111 Knaben,
142 Mädchen), 8 Lehrpersonen mit zu-
sammen 13800 Verpflegungstagen.
Kostenträger waren:
die Eltern 5216 Verpfl.-Tg.
Ein Wohltätigkeitsverein 2190 3
Arm, - Verw. M. - Gladb. 6014
Es litten an:
Anämie . . . . . . . 78 Kinder
Skrophulose . . . o. e. G2
Tb. und Tb. -Verdacht = O 4,
Herzfehler — à 4 we a AI
etc.
Eine Soolbadeeinrichtung wurde im
Laufe des Sommers in Betrieb genommen.
BD.XTILHEFT 9.
1908.
Fúr das náchste Jahr ist eine bedeutende
Zunahme der Besuchszifier und eine Er-
weiterung der baulichen Einrichtungen
zu erwarten.
Jahresbericht des Vereins zur Er-
richtung und Unterhaltung von
Volksheilstátten fúr Brustkranke
in den Niederlanden. 1907.
Dem verstorbenen Vorsitzenden des
Vereins, Dr. Homoet, werden vom
ersten Sekretär Dr. de Josselin de
Jong einige Worte von dankbarem An-
denken gewidmet. Sodann folgt der
Geschäftsbericht.
Der Verein besteht jetzt 10 Jahre,
und seine Stiftung, die Volksheilstätte für
Lungenkranke zu Hellendoorn (dirig. Arzt
Dr. Vos) ist jetzt ungefähr 6 Jahre in
Betrieb. Dem ärztlichen Bericht ist fol-
gendes entnommen: Die Zahl der Pilege-
tage ist noch immer im Ansteigen be-
griffen, erreichte in 1907: 26835, d.h.
73 pro Tag, wobei die Anstalt immer
voll besetzt ist. Der Pflegetag hat ge-
kostet 2,036 Gulden (etwa 3,40 Mk.).
8 Betten werden auf Kosten des Vereins
umsonst belegt. Männer und Frauen
wurden in ungefähr gleicher Zahl aufge-
nommen, und zwar 104 Männer und
108 Frauen; entlassen wurden 107 M.
und 102 F.; in der Anstalt starben 2 M.
und 2 F. Der Aufenthalt der Kranken
hat im Durchschnitt 121 Tage gedauert.
Nur bei 35°/, war erbliche Belastung
nachzuweisen; bei 45 °/, war die An-
steckung anscheinend in der Familie er-
folgt, bei 8°/, in der Werkstätte. Die
Hälfte der Patienten war bei der Auf-
nahme schon mehr als 2 Jahre krank.
Aufgenommen wurden 212, entlassen 213
Patienten. Bei der Aufnahme fanden
sich 33%, im I, 23 °/, im IL, 44 °/, im
III. Stadium. Bei 13°/, der Kranken
hat sich der Lungenbefund während der
Kur soviel gebessert, daß sie aus dem III.
in das II. oder aus dem Il. in das
I. Stadium übergeführt werden konnten.
Über die Resultate der Behandlung bei
194 Kranken wird folgendes berichtet:
In Stadium I aufgenommen 74; po-
sitiver Erfolg der Behandlung bei 67
(90 Tal
BEILAGE.
279
In Stadium II aufgenommen 59;
positiver Erfolg der Behandlung bei 55
(93 °/o);
In Stadium III aufgenommen 61;
positiver Erfolg der Behandlung bei 45
(73 "/o)-
Die Erwerbsfähigkeit besserte sich
im I. Stadium bei 85 °/,, im II. bei 73“/,,
im III. bei 66%, der Patienten.
Tuberkelbazillen verschwanden aus
dem Auswurf: in Stadium I bei 40 °/,,
11: 20% E, arts
Das Körpergewicht der Kranken hat
im Durchschnitt um 6,8 kg zugenommen.
Die Behandlung war die übliche
hygienisch-diätetische. Die Erfolge der
Arbeitskur blieben erfreuliche. Bei der
systematischen Durchführung der Tuber-
kulinbehandlung hat es sich herausgestellt,
daß trotz durchschnittlich etwas kürzerer
Kurdauer, und obwohl die Kranken im
allgemeinen in weniger günstigem Zu-
stande in die Heilstätte aufgenommen
wurden als im vorigen Berichtsjahre, der
Lungenbefund sich in mehr Fällen bes-
serte, der Kurerfolg ein besserer war, die
Erwerbsfähigkeit bei mehreren Patienten
wiederhergestellt wurde, und mehr als
früher die Tuberkelbazillen aus dem Aus-
wurf verschwanden. All dieses kann nur
dem Tuberkulin zugeschrieben werden.
In einigen Fällen wurde das Marmorek-
serum verwendet. Vos (Hellendoorn.)
Jahresbericht der Lungenheilstätte
Oranje-Nassau’s Oord (Holland)
1907: Dirig. Arzt Dr. Schuld.
Geklagt wird über den Umstand,
daß noch immer der Unterschied zwischen
Heilstätte und Krankenhaus vielen nicht
deutlich zu sein scheint. Zu weit vorge-
schrittene Fälle melden sich zur Auf-
nalıme an, und für Sanatoriumbehandlung
geeignete Kranke suchen die zahlreichen
Sommerpensionen auf; die mangelhafte
Desinfektion derselben schließt eine nicht
zu unterschätzende Gefahr in sich. Es
sollen die staatlichen Behörden dieser An-
gelegenheit ihre Aufmerksamkeit widmen.
Im Berichtsjahre sind behandelt
worden 268 Patienten mit 24 272 Pflege-
tagen. Aufgenommen wurden 85 Männer
und 96 Frauen; entlassen sind 88 M.
und 97 F., deren Aufenthalt im Durch-
280
— wut = LS = - Fe Së EE
schnitt 157 Tage gedauert hat. Es sind
4 Männer in der Anstalt gestorben. Im
allgemeinen bleiben die Kranken zu kurz
in Behandlung. Es fand sich rechts-
seitige Erkrankung in 50, beiderseitige in
28, doppelseitige in 95 Fällen; bei 7
Patienten war der Lungenbefund negativ.
Die Erfolge der Behandlung sind: Viel
gebessert 48 °/,, etwas 28%/,, nicht ge-
bessert 19 °/,, verschlimmert 3°/,. Für
die einzeinen Stadien werden diese Zahlen
folgenderweise berechnet: Stadium I 64,
20, 13 und 2°/,; Stadium II 32, 38,
25 und 0°/,; Stadium III 25, 32, 25 u.
11 °/,. Das Körpergewicht der Kranken
hat im Durchschnitt um 6,2 kg zuge-
nommen. Von den 104 Patienten mit
positivem Bazillenbefunde haben 18 die
Bazillen aus dem Auswurf verloren.
Die Behandlung war die übliche
hygienisch-diätetische. Marmorekserum
und Tuberkulin (Beraneck) sind in meh-
reren Fällen verwendet worden. Über
das Marmorekserum wird ein Urteil nicht
abgegeben; das Tuberkulin wird in ge-
cigneten Fällen weiter benutzt. Es wurde
im Berichtsjahre die Arbeitskur in die
Anstalt eingeführt.
Vos (Hellendoorn).
VIT. Jahresbericht der Lungenheil-
stätte zu Putten (Holland).
In der Abteilung für Bemittelte
BEILAGE,
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
(Drs. Haentjens u. Middelburg) sind
behandelt worden 74 Kranke, durch-
schnittlich während 3—4 Monaten. Ei-
nige Patienten sind zu früh abgereist,
von den 69 übrigen gehören 35 zum I.,
29 zum Il, 5 zum III. Stad. Turbans.
Die Kranken kommen immer früher in
Behandlung. Die 35 des I. Stadiums
sind alle in klinischem Sinne geheilt ent-
lassen, von den 29 des II. Stadiums 23.
Daß in den letzten Jahren Lungen-
blutungen selten sind, wird dem Umstand
zugeschrieben, daß gegen die Obstipation
der Patienten vielfach Magnes. sulfur.
verwendet wird; dasselbe Mittel wirkt
tadellos als Hämostatikum. Vor Narko-
ticis wird gewarnt: posthämoptoische
Temperatursteigerung soll ausbleiben,
wenn man nur kein Morphium oder
Kodein anwendet. Die Freiluftliegekur
war während des ganzen Jahres möglich.
In der Abteilung für Unbemittelte
(Drs. Haentjens, Middelburg und
v. d. Horst) sind im Berichtsjahre 89
Patienten behandelt worden, davon 40
im I, 36 im II. und 13 im III. Stadium.
Die meisten Kranken waren bald ambu-
lant. Erwerbsfähig entlassen 52, teilweise
erwerbsfähig 18. Gewichtszunahme im
Durchschnitt 8,1 kg. Der Aufenthalt
einiger Patienten konnte kostenfrei um
einige Monate verlängert werden.
Vos (Hellendoorn).
VERSCHIEDENES.
Für den Internationalen Tuberku-
losekongreß in Washington ist soeben
das Programm eingetroffen. Es sind zwei
'Plenarsitzungen vorgesehen: Montag, den
28. September u. Sonnabend, den 3. Ok-
tober. Präsident Roosevelt beabsichtigt
den Kongreß zu eröffnen und den Vor-
sitz in der ersten Plenarsitzung zu führen.
Jede der sieben Sektionen hält täglich
mit Ausnahme der Plenarsitzungstage
zwei Sitzungen ab. In Verbindung mit
dem Kongreß werden in Washington und
anderen Städten von namhaften Persön-
lichkeiten eine Reihe von Vorträgen ge-
halten werden.
Personalia.
Unser Mitarbeiter Herr Dr. Schellenberg, bisher Oberarzt in Beelitz, ist
zum Chefarzt der Heilstätte „Ruppertshain i. T.“ ernannt worden.
Druck von Metzger & Wittig in Leipzi~.
Band XIII.. Heft 4.
ZEITSCHRIFT FUR TUBERKULOSE.
HERAUSGEGEBEN VON
B. FRANKEL, F. KRAUS, E. von LEYDEN, W. von LEUBE.
Redaktion: A. KUTTNER.
a eee e uMlMŘÁĖĂÁ = = eee
L ORIGINAL-ARBEITEN
XIX.
How to adapt sanatorium methods to treatment of consumptives
at their homes.)
By |
S. Adolphus Knopf, M.D, New York,
Professor of Phthisio-therapy at the New York Post-Graduate Medical School and Hospital; Asso-
ciate Director of the Clinics for Pulmonary Diseases of the Health Department; Visiting Physician
to the Riverside Sanatorium for Consumptives of the City of New York, etc.
Mr. President, Ladies and Gentlemen:—
nn. RT
: his is my first appearance as Professor of the New York Post-Graduate
# Medical School and Hospital before the Clinical Society and the Ma-
SZ triculates of this institution. I cannot let the opportunity pass with-
out expressing to the Board of Directors and the entire Faculty my deep and
grateful appreciation for the great honor they have bestowed upon me by
calling me to fill the important Chair created for the teaching of modern
Phthisio-therapy.
I feel keenly the great responsibility which rests upon my shoulders. I
am called to teach men who will often be not only my seniors, but very
often my superiors in experience as practitioners. However, I trust that, as I
go along in the new field of activity as a teacher, by coming in contact with
such men, although they may claim to be nothing else but general practi-
tioners, I may often learn from them what I may in turn impart to others.
To my mind a teacher who cannot learn from his students has not fully
grasped the meaning of his calling.
It is my ambition, with the help of our distinguished President and the
other members of the Faculty, to make of this new Chair of Phthisio-therapy
a center of instruction worthy of this great school, worthy of this great city
and worthy of a great cause to which the chair is consecrated.
The teaching of the phthisio-therapy of to-day means more than simply
instructing the students in therapeutics of tuberculosis, and when such a
1) Inaugural address delivered by Prof. Knopf at the opening of the course on phthisio-
therapy before the Clinical Society and the Matriculates of the New York Post-Graduate Medical
School and Hospital, June 19, 1908.
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIII. 19
NER ZEITSCHR. f.
282 on OE re, ____ TUBERKULOSE
chair is intended for post-graduate instruction, its importance is many times
greater than when intended for under-graduates. May I therefore say to you,
gentlemen, who are matriculates of our school, if 1 shall have your ear, your
attention and your cooperation, I hope to discuss with you in my weekly
clinics first of all, the early diagnosis of tuberculosis. It seems to me that it
is here that all of us have to learn the most. Next, we shall discuss the etio-
logy as far as it is due to the presence of the specific organism. After that,
we will study the predisposing factors, hereditary and acquired, physical
or social.
It must be our duty to pay a good deal of attention to the social
aspect of tuberculosis, for without it we cannot possibly hope to solve the
problem. We will study the development of tuberculosis in infant and child-
life and study the unsanitary conditions which may be productive of the spread
of tuberculosis in the home, in the school and in the factory. We will study
the duties of the state and the municipality in the control of tuberculosis.
We will carefully discuss the various methods of treatment, such as sanatorium,
dispensary and treatment at home. We hope to have in time a museum or
tuberculosis exhibit to help us to practically demonstrate the prophylactic and
therapeutic means in vogue in institutions and at home, and as my inaugural
address I will attempt to-day to show you in as brief and in as practical a
way as possible, how to adapt sanatorium methods to the treatment of con-
sumptives at their homes.
You will notice that I am using the word sanatorium, and I do it ad-
visedly. I prefer this word to the word sanitarium for the following reasons:
Brehmer, the founder of the first institution of that kind, called it “Heil-
anstalt”, which means a healing institution; and the word “Sanatorium” from
the Latin sanare, to heal, gives certainly a better equivalent to the German
word than the word “sanitarium”. This latter word is derived from the Latin
sanitas, health, and is usually employed in this country to designate a place
considered as especially healthy, a favorite resort for convalescent patients, or
an institution for the treatment of mental or nervous diseases,
I embrace this opportunity to call your attention to the fact that the
word tubercular is equally inappropriate and will not be used in any of
our lectures and discussions relative to tuberculosis. 1 think the word tuber-
cular almost as inaccurate as the word sanitarium when dealing with the sub-
ject of tuberculosis. Tubercular really means an eminence or an elevation,
like a pin head, and may be applied to any disease where the pathological
changes are productive of little nodules tubercular in their form. The word
tubercular is applied to indicate such a pathological appearance, and as you
all know there are tubercular leprosy, a tubercular type of syphilis, and various
other cutaneous diseases which are sometimes described as tubercular, indi-
cating the nodular form.
But when we speak of tuberculosis, the disease due to the specific or-
ganism discovered by Robert Koch and known as the tubercle bacillus, when
using the adjective we should always employ the word tuberculous.
e HOW TO ADAPT SANATORIUM METHODS ETC. 283
To return then to our subject of the sanatorium treatment at home
for the tuberculous patient. Because experience has demonstrated that for the
average tuberculous patient the best and most successful treatment of the
disease is the sanatorium treatment, we shall, when dealing with a patient who
for one reason or another is not to be sent to such an institution, try to
adapt the sanatorium methods to his home.
What is the first and most essential thing in this method of treatment?
It is individualizing; that is to say, treating the patient and not the disease.
The successful phthisio-therapeutist must not only have the implicit confidence
of his patient but he must also know the patient’s character, peculiarities, idio-
syncrasies, and daily habits. You should impress your patient with the im-
portance of telling all his troubles to you, and to nobody else, and after
having told you everything not to dwell any longer on his disease. If other
patients or well meaning friends try to give him advice or tell him of their
woes, he should quietly tell them that he has enough trouble of his own and
that one physician at the time will do him.
In speaking of the home treatment of tuberculosis we must divide our
subject into ambulant and bed cases. The former are up and about and per-
haps even at work and afebrile, the latter mostly confined to bed and room.
Necessity compels us to again subdivide these cases into the well-to-do and
the poor. The first thing in all cases is to see that the patient is properly housed.
Among the well-to-do and those having their own house, one must see to it
that the patient has a number of rooms on the upper floor at his disposal. In
all cases where this is not feasible, select the best lighted and ventilated
room preferably with southern exposure for the patient to sleep in. Even in
the poorest family the patient should have his own bed, and if he is in the
later stage of the disease and obliged to spend day and night in bed nothing
will be so pleasant to him as to have two beds at his disposal, one to rest
in during the day and one to sleep in during the night. The furniture should
be plain or leather covered. Plush furniture and all dust-catching material,
heavy curtains and fixed carpets, should be avoided. Still the room need not
be made cheerless. A few small rugs, washable curtains and some cheerful
pictures to decorate the wall, should be allowed. Even in the case of an am-
bulant patient the physician should be familiar with the invalid’s home envi-
ronments and while, as a rule, he may come to your office it will be in the
interest of the patient that you should see him now and then at his home.
With the absolutely poor, and particularly with the dispensary patients, it is
of course difficult to make frequent visits to the patient's home and we have
to rely on our visiting district nurses. The hygienic measures tending to pre-
vent the spread of tuberculosis for rich and poor, ambulant or bed cases must
of course be virtually the same. At home the patient may use a spittoon
with a large opening or a special cup to receive his expectoration. The re-
ceptacle should be partly filled with water. A stationary spittoon should be
preferably elevated and of course never be without a cover (fig. 1). It has
been sufficiently demonstrated that when flies and other insects have access to
19*
ZEITSCHR. f.
284 S. A. KNOPF. | TUBERKULOSE
‘ig. 2. Authors nickel-plated oval-shaped
pocket flask, manageable with one hand,
THE KNY-SCHEPRER COU., N, V.
Q/5995-B
Fig. 1. Author's elevated spittoon entirely of metal,
the receptacle only visible when in use.
Fig. 4. Method of emptying the flask.
Fig. 3. The same hidden in the folds of a hand-
kerchief.
. dNI wALNdS
SO ATU
Fig. 6. Aluminium frame for
Fig. 5. Johnson € Johnson's pasteboard purse. Seabury & Johnson's sputum cup.
ar ds HOW TO ADAPT SANATORIUM METHODS ETC. 285
tuberculous material they can become the propagators of the disease. When
walking, the patient should use a pocket flask (figs. 2, 3, 4), if he is brave
enough to do so, or expectorate in a pasteboard purse (fig. 5), or piece of
cloth. Experience has taught me that the following method is most willingly
adopted. I tell my female patients to divide their handbags into two compart-
ments and line them carefully with oiled silk. I tell my male patients to have
the right or left pocket of their trousers lined with some impermeable material.
I suggest buying a number of yards of cheap white muslin to cut into squares
resembling handkerchiefs. On starting out in the morning the men fill one
pocket and the ladies one of the compartments of their bag with these make-
believe handkerchiefs, which after having been used to receive the expector-
ation are placed in the oiled silk compartments or pocked lined with oil cloth.
On their return home, the soiled make-believe handkerchiefs are burned, the
pockets or compartments which serve as receptacle for the soiled handkerchiefs
are cleaned and the hands washed thoroughly.
A E N Q/5965
Fig. 7. Pasteboard box for Fig. 8. Pasteboard sputum cup Fig. 9. Aluminium spit
Seabury € Johnson's frame. for use at the bedside. cup for use at the bedside.
For people who live in city flats where the cooking is done over gas it
may be difficult to find a place to burn the cheap handkerchiefs, paper,
or pasteboard spittoons. While thin paper might be thrown into the water
closet, this can not be done with cloths or pasteboard. Individuals thus situated
should use thin paper which can be thrown into the water closet or flask of
metal or glass which should be emptied into the closet and cleaned with
hot water.
The patient is taught always to hold his hand or handkerchief before
his mouth when he coughs or sneezes so as to avoid drop infection. You
will at times, of course, have some patients who do not get well and who
become finally so weak as even not to be able to use a pasteboard cup
(figs. 6, 7, 8) or light aluminium cup (fig. 9) for the purpose of expectorating.
In such instances I advise that the nurse keep a supply of moist cloths within
easy reach of the patient to receive the expectoration. At times the nurse
herself will be obliged to help the patient by holding these cloths before the
patient's mouth. The soiled cloths should always be burned before they get
a chance to dry and the soiled bed and personal linen of the patient should
be manipulated as little as possible in their dry state. If possible the patient
should never be in his room when it is being cleaned or when the bed is
being made. Cleaning the room should never be done by dusting or sweeping;
x ZEITSCHR. f.
286 S. A. KNOPF. TUBERKULOSE
but if, on account of a fixed carpet, sweeping is inevitable, let it be preceded
by throwing moist saw dust or bits of moistened paper on the floor to allay
the dust. The furniture should be wiped with a moist cloth, and whenever
possible cleaning by the pneumatic exhaustive or vacuum process should be
resorted to. This is the ideal method of cleaning the appartments of the sick.
After the general hygiene we come to the personal hygiene of the patient.
The skin should be kept in good condition by weekly warm baths and daily
sponges. Beard and mustache should not be worn at all or be closely out.
As underwear I recommend linen-mesh, heavy weight in winter and light weight
in summer. If, as it happens in some cases, the patient feels cold even with
the heavy weight linen-mesh, I tell him to wear linen-mesh next to the skin,
and an additional cotton, silk or very light woolen garment over it. I prefer
linen-mesh underwear because it dries quickly when the patient perspires. It
produces a constant pleasant friction on the skin, allowing free ventilation and
renders the patient less apt to catch cold. His outside garments should be
comfortable and according to season, light in summer, warm in winter; but
not so heavy as to hinder free movement. All garments restricting free
thoracic or abdominal breathing should be done away with. The high collar
for men and the now very fashionable high collar with bones in them for
‚women, or anything else constricting the neck, are injurious; so are the tightly
laced corset and tight belt. I should like to see ladies’ skirts suspended from
the shoulders and instead of the steel corset I like to recommend a comfort-
able waist. Lastly, 1 don't like to see trailing skirts doing the scavengers
dirty work. These are happily now out of style, at least for street garments.
As the most important therapeutic factor in the modern treatment of
tuberculosis we must consider fresh pure air, and as stated above, we can
make the home treatment most successful when we intimate as far as practic-
able all the salient features of the sanatorium treatment. In these institutions
the patients live outdoors virtually twenty-four hours of the day.
Let us now see how we can imitate this aerotherapy of the sanatorium
treatment in the home of the patient. In summer we have of course all the
windows open and during the day we place our patients in the yard, on the
veranda, or on the roof, whenever and wherever conditions permit us to have
the patient take what is known as the rest cure in the open air. Here he
rests on a reclining chair with a proper knee bend and comfortable back. If
the patient can afford it we get him also a half tent. This half tent is com-
posed of a frame of steel tubing which can be folded together when not in
use (fig. 10). Over this frame strong sail duck is stretched and secured by
snap buttons on the inside, so as to completely protect the patient against
wind and sun. To prevent the tent from being overturned by the wind, the
frame has ground spikes holding it securely. The reclining chair is placed in
this half tent in such a manner that the floor bracing, attached to the frame,
is held down by the chair and this adds to its security. A beach chair of
wicker work can also be made to do the service of the half tent (fig. 11).
After the seat has been removed, the inner walls of the wicker chair are
uses” ads HOW TO ADAPT SANATORIUM METHODS ETC. 287
lined with padding. A reclining chair is placed with its back in the interior,
and the whole arranged so that the patient is protected from the wind and sun.
Whenever the patient is on the chair he should be so comfortable as to allow
complete muscular relaxation.
Mind and body must be at
rest. For poor patients the
simple steamer chair and a
few boards joined together to
replace the costly half tent
will have to answer the pur-
pose. À large, stout um-
brella, such as is often used
at seaside resorts, can be
fastened to the back of the |
steamer chair, and will answer
the purpose where the tent
cannot be provided. The
poor patient in cities will
probably be obliged to re-
sort to the roof for his
rest-cure, as the small yard
of the tenement house, with
many children playing in it, Fig. 10. Half tent with patient resting on metal reclining chair
taking the rest cure.
will scarcely be suitable. I
do not favor the use of the
fire-escape for this purpose.
A recent conflagration in this
city, where many lives were
lost owing to the obstruction
of the fire-escape, showed
the dangerous results of evad-
ing the law in this way. On
the reclining chair in the open
air the patient should remain
during the day whenever he
is not taking walking exer-
cises. In modern American
and also in some European
sanatoria the majority of i e? -—
patients have their beds Fig. 11. Beach chair of wicker work transformed into a half
tent for taking the rest cure on the reclining chair.
moved out on the veranda
during the night and there they sleep often in the coldest weather. The
brilliant results obtained through this method of sleeping outdoors in cold
weather are too well known to all American physicians to need further men-
tion here. What has worried me for years has been the fact that I could
288 S. A. KNOPF.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
provide this open air treatment at night only for so relatively small a number
of patients when there are so many who need it and particularly among the
Fig 12. Dr. S. A. Knopf's window-tent in position, with
patient in bed looking through the celluloid window into the
room, but breathing outdoor air only.
Fig. 13. Dr. S. A. Knopf’s window-tent raised when not
in use,
consumptive poor. I be-
lieve I have been fortu-
nate enough to solve this
problem in a measure by
a modest little invention
which I call a “Window
Tent”. After much ex-
perimenting, modelling
and remodelling the de-
vice, trying to overcome
the defects which I lear-
ned through my own ex-
perience and that of others
in the use of the tent, I
believe to be able to pre-
sent to you to-day a model
as nearly complete and
perfect as possible.
The Kny-Scheerer
Company have kindly in-
corporated all my sugges-
tions in this latest device
and by manufacturing the
tent in large quantities
have been able to reduce
the price so that the con-
sumptive poor, unable to
avail themselves of sana-
torium treatment may be
able to purchase it. Many
of the unfortunate poor,
will, however, not even
be able to pay the mo-
dest price at which the
window tent is now put on
the market, and they, with
the illustrations before
them, may have sufficient
mechanical skill to imitate
the device at very little cost.
As you see, this window-tent is an awning which, instead of being placed
outside of the window, is attached on the inside of the room, It is so con-
structed that the air from thé room cannot enter or mix with the air in the
ges, ss HOW TO ADAPT SANATORIUM METHODS EIC. 289
tent. The patient lying on the bed, which is placed parallel with the window,
has his head and shoulders resting in the tent (figs. 12, 13, 14, 15). By
following the description closely you will see that the ventilation is as nearly
perfect as can be produced with so cheap a device. The tent is placed in
the lower half of an American window but it does not quite fill the lower
half of the frame; a space of about three inches is left for the escape of the
warm air in the room. By lowering the window, this space can be reduced
to one inch or less, according to need. On extremely cold and windy nights
there need not be left any open space at all above the window frame. The
patient's breath will rise to the top of the tent, the form of which aids in the
-
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Fig. 14. View of the window-tent with patient taken from Fig. 15. Diagram showing ven-
the house opposite, tilation of the window-tent.
ventilation. The tent is constructed of a series of four frames, made of
Bessemer rod suitably formed and furnished with hinged terminals, the hinges
operating on a stout hinge pin at each end with suitable circular washers to
insure independent and easy action in folding the same, the Bessemer rod
being hardened to make a stiff rigid frame to insure its maintaining the ori-
ginal form.
The frame is covered with extra thick yacht sail twill, properly fitted,
and having elongated ends to admit of their being tucked in, under and around
the bedding to prevent the cold air from entering the room. The patient
enters the bed and then the tent is lowered over him. Or with the aid of
ZEITSCHR. f.
290 p S. A. KNOPF. TUBERKULOSE
a cord and a little pulley attached to the upper portion of the window, he
can manipulate the lowering and raising of the tent himself. Shutters or
Venetian blinds, whether they are attached on the inside or on the outside of
the window, can be utilized in conjunction with the window-tent as a screen
to intercept the gaze of the neighbors, and in stormy weather as a protection.
The bed can be placed by the window to suit the patient's preference for
sleeping on his right or left side, so that he has the air most of the time on
his face. Another advantage of the window-tent is that it will not attract
attention from the outside. The bed being placed alongside of the window
will be convenient for a majority of the poor who have small rooms. If,
however, the bed must be placed at a right angle to the window, this can
be arranged as well. A piece of transparent celluloid is placed in the middle
Fig. 16. Bulls ærarium inside view, Fig. 17. Bull's ærarium, outside view.
with awning cut away.
portion of the tent to serve as an observation window for the nurse or members
of the family to watch the patient if this is necessary. It also serves to make
the patient feel less outdoors and more in contact with his family. He can,
if he desires, see what is going on in the room. If the window-tent must be
placed at a right angle to the window, the observation glass can be put in
on the side. It goes without saying that, as a rule, patients should not smoke;
when, in exceptional cases, this can be allowed, the danger of the celluloid
window becoming ignited must be impressed upon them, and the greatest
caution urged. I prefer celluloid to ordinary glass for this purpose because it
can easily assume the vaulted form of the rest of the tent, and thus even the
slightest possibility of an air-pocket formation is avoided.
If it is necessary to raise the bed to the height of the window sill, it can
be done with little expense. If the bed is of iron, a few additional inches
of iron piping can be attached to the legs by any plumber, or one handy
with tools; raising a wooden bed can be accomplished with equal facility. If
the window tent is to serve the patient only during the night, the tent can
be pulled up and the bed moved away from the window during the day
aS HOW TO ADAPT SANATORIUM METHODS ETC. 291
and the window closed. Or the tent can be taken from the hooks and put
out of the way.
The window-tent will, of course, be of greatest service to the consump-
tive sufferer in winter. If he is feverish, or his stay in bed is advisable, he
can spend his entire time in the window-tent. If the people are poor, and the
room where the consumptive sufferer lies serves as living room for the rest
of the family, the fact that the well members need not shiver and yet the
patient can take his open-air treatment, is of vital importance in many respects.
While the room will not be quite as warm as if the window was entirely
closed, it will be much warmer than if there was no tent in front of the open
window. Laying aside the economic advantages to a poor family when not
being obliged to heat more than one room,
the patient feels that he does not deprive
his loved ones of comfort and warmth
and that he is less a burden and hindrance
to their happiness. The other members
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Fig. 18. Inexpensive porch, built especi- Fig. 19. Veranda arrangement for the outdoor
ally for outdoor sleeping at home. sleeping at home. |
of the family, on the other hand, feel that they can give the patient all the
air he needs and that he himself need not suffer for their comfort.
Besides the just mentioned advantages there is another benefit derived
from the use of the window-tent arrangement which will add to the patients
physical and mental comfort. His prolonged rest cure in bed will be more
endurable when he is permitted to look out on the street and watch life there,
than when obliged to gaze at the four walls of his room. An important
advantage which the window-tent offers is the following: Patients who can
only be persuaded with difficulty to sleep with the window wide open will not
hesitate when they have this tent as an inducement. Draught, which the
consumptive patient usually dreads, particularly when he perspires and in cold
weather, need not be feared when sleeping in the window-tent. The construction
is such that even should the shoulders be accidentally exposed the tent
walls protect the patient from violent currents of air which may be produced
by leaving opposite doors in the room open. In this respect the window-
i ZEITSCHR. f.
292 S. A. Seer es © TUBERKULOSE
tent even has an advantage over sleeping on porches when they are not
properly inclosed.
Lastly, an important point gained by the use of the window-tent for
consumptives is in regard to drop infection, that is to say, the prevention of
the dissemination of the bacilli through particles of saliva expelled during the
so-called dry cough, sneezing, etc. While as a matter of course, the patient
should be taught to always hold his hand or handkerchief before his mouth,
when he coughs or sneezes, this is not always done, and to limit the possible
infection to the interior of the window-tent is obviously a great advantage.
First, the constant exposure to air and light of the bacilli which may have
been expelled with the saliva and remain adherent to the canvas, will soon
make them innoxious; and secondly, in this last model of our window-tent
the canvas of the tent is attached to the frame by simple bands. Its thorough
cleansing, washing, or disinfecting is thus made easy.
Another very ingenious device which can be applied very easily in a
country town and in small houses is Bull’s aera-
rium. The fact that this device could not as easily
be applied as open air arrangement for the con-
sumptive dwellers in our New York tenement houses
caused me to think out the window-tent just de-
K scribed. The aerarium of Dr. Bull is a double
AW awning attached to the outside of the window with
a special ventilation arrangement. The head of a
cotbed is put through the window and thus the
patient's head rests out of doors (figs. 16 and 17).
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Wull
Mill al
I also take pleasure in showing you some
other inexpensive constructions which can be at-
tached in country homes when one owns his own
house. The inexpensive porch has been devised by Dr. Trudeau, our great
pioneer of the open-air treatment in this country (fig. 18). The veranda
arrangement (fig. 19) for outdoor sleeping and the sleeping sack (fig. 20) owe
their inception to the ingenuity of Dr. Millett who introduced outdoor sleep-
ing in midwinter in the rigorous winter weather of Massachusetts.
In cold weather the patients bed must be covered with a sufficient
number of blankets to assure his absolute comfort and warmth throughout the
night. Still, this covering should not be so heavy as to press down upon the
body and make the patient feel uncomfortable or tire him. The tightly woven
blanket is a better protection than the loosely woven one. The poor, whose
disposal of blankets is, alas, often very limited, it may be valuable advice to
tell them to put several layers of newspapers between the coverings. Outdoor
Life, of December, 1903, recommends to have a dozen layers sewed between
two layers of flannel. This will certainly make a cheap, light and warm
covering. In extremely cold weather the patient, while sleeping in the window-
tent, should wear a sweater and protect his head and ears with a woolen cap,
shawl or woolen helmet, such as shown in fig. 21.
Fig, 20. Dr, Millet's slecping slack.
ber
ra pi HOW TO ADAPT SANATORIUM METHODS ETC. 293
Some patients complain that the bright light awakens them too
early in the morning, and that they have difficulty in going to sleep again.
In such instances I counsel the patient to have some light weight but dark-
colored material (such as black lisle-thread hose) to put over his eyes. This
usually suffices to obviate the inconvenience caused by the bright light.
Ihe consumptive invalid when in bed should be provided with a bell to
communicate with his nurse, relatives or friends who take care of him. He
should, of course, have a small sputum cup or pocket flask handy to receive
his expectoration. I prefer the flask for use in the window-tent, for it seems
to me that any kind of cuspidor which had to stand on the window-sill would
not be as safe, as there is always a danger of its falling. A urinal should
also be placed at the bed side, so that the patient will not have to leave the
bed in the night and be uselessly chilled.
When arranging for the rest cure on the reclining chair during the day,
whether it is in the half tent, in the garden, on the veranda, in the sleeping
sack, on the roof, or on the balcony, one should always bear in mind that
it is much more agreeable and conducive to the wellbeing of the patient
to have a pleasant view to look upon. In building sanatoria
the greatest attention is paid to the proper selection of the place
for the rest-cure gallery or veranda. The more pleasing and
entertaining the outlook from these places, the more certain is
one to keep the patients quiet and restful.
When there is no garden, veranda, porch, nor flat roof, gig. ar.
the window-tent can also be put into service for the rest-cure Woolen helmet
during the day. The bed is moved away and the reclining chair " an
is put in its place. The latter can be raised to the necessary height by wooden
blocks or a platform, and with the aid of blankets and comforters the air
from the room can be excluded and the patient being in front of the open
window breathes only outdoor air. \Vhen beginning this aero-therapy, it is
of course essential that it be done gradually according to the patient’s sus-
ceptibility to cold. Impress upon him that night air is as pure as day air
and begin by placing him in the tent for a few hours at night and in the chair
a few hours during the day. Get him gradually accustomed to living in the
pure cold air, day and night. À hot water bottle for the feet either in bed
or in the chair may often be necessary in extreme cold weather. The
patient's feet must be kept warm if he is to benefit from the open-air treatment.
As an adjuvant in aero-therapy I must not forget to call your attention
to the importance of respiratory exercises. I have taught and practiced these
respiratory exercises for a good many years and described them a number of
times, and may I say that I become more and more enthusiastic about their
utility. I will demonstrate them to you and wish to say that these exerciscs
judiciously taught and carefully carried out, are suitable in nearly all afebril
early and moderately advanced cases. Even in the third stage of the disease
have I seen beneficial results from judicially directed breathing exercises. Most
294 men, E, TUBERKULOSE
careful clinical observations made under Dr. Otis?) at the Massachusetts State
Sanatorium prove conclusively the value of judicially directed breathing exer-
cises in the treatment of pulmonary tuberculosis.
Presuming that you have satisfied yourself that the patient to whom you
are to teach respiratory exercises, is dressed in such a manner that there is
not the slightest restriction around throat, thorax or abdomen, you can begin
your instructions. It goes without saying that you should teach the breathing
exercises always either in the open air, or in a well-ventilated room, preferably
in front of an open window. A locality where the individual, by taking deep
breaths, would only inhale an additional amount of injurious odors or dust is,
of course, not a suitable place to teach breathing exercises. Starting out with
\
Fig. 22. First and second breathing exercises. Fig. 23. Third breathing exercises.
the presumption that we find ourselves in suitable environments for respiratory
gymnastics we teach our patients to assume the position of the military
“attention” heels together, body erect, chest forward, head straight, the palms
of the hands touching the external portion of the thigh. We tell the patient
to keep his mouth closed and to take a slow deep inspiration through the
nose, that is to say, take in all the air possible with one inspiratory move-
ment; to hold his breath a few seconds and then exhale a trifle faster. If
the patient has done this act well, we supplement it by allowing him to raise
the arms to a horizontal position. He does this during the act of inspiration,
remains in that position for a few seconds and while exhaling brings the arms
down to the original position. The act of expiration should again be a little
more rapid than that of inspiration.
After a few days when the first exercise (fig. 22) is thoroughly mastered,
the patient can be taught a second one, which is like the first except that
the upward movement of the arms is continued until the hands meet over the
head (fig. 22). The third respiratory exercise, somewhat more difficult and
1) Otis, Boston Med. and Surg. Journ.,July 19th, 1906, and Transactions of the Nat. Assoc.
for the Study and Prevention of Tub., 1906.
BD.XUILHEFT 4. HOW TO ADAPT SANATORIUM METHODS ETC. 295
requiring more strength and endurance, should not be undertaken until the
first two have been mastered and practiced for several days. The third exer-
cise might be called a dry swim; one takes the same military position of
“attention”, heels together, body erect, and then stretches out the arms as in
the act of swimming, the dorsal surface of the hands touching each other. He
then moves the arms, just as if he were dividing the water; during the act of
inspiration, the hands meeting finally behind the back. The patient remains
in this position for a few seconds, retains the air, and during exhalation brings
the arms forward. This somewhat difficult exercise can be facilitated and made
more effective by rising on the toes during the act of inspiration and descen-
ding during the act of expiration (fig. 23).
Valuable as these exercises with moving of the arms are, they cannot
Fig. 24. Breathing exercise with rolling Fig. 25. Exercises for children in the habit
of shoulders. of stopping. |
be practiced everywhere and at all times without attracting attention. Under
such conditions one must often be content with raising the shoulders, mak-
ing a rotary movement backward during the act of inhalation, remain in
this position, holding the breath for a few seconds and then exhale while
moving the shoulders forward and downward, assuming again the normal
position. This exercise (fig. 24), can be taken while walking and, of course,
very easily while sitting or riding in the open air.
Young girls and boys, and especially those who are predisposed to
consumption, often acquire a habit of stooping. To overcome this the following
exercise is to be recommended. The child makes his best effort to stand
straight, places his hands on his hips with the thumb in front, and then bends
slowly backward as far as he can during the act of inhaling. He remains in
this position for a few seconds, while holding his breath and then rises again
somewhat more rapidly, during the act of exhalation (fig. 25).
Concerning the general directions as to the frequency and order of these
exercises, I can only say here the same that I have said in previous writings
when speaking of aero-therapeutics proper: Commence always with the easier
m : ZEITSCHR. f.
296 S. A. KNOPF. = TUBERKULOSE
exercises and only gradually take the more difficult ones. Repeat the exer-
cises from four to six times either of one kind or the other, or one or two
of each every half hour or so, and continue this practice until deep breathing
has become a natural habit. One rule which is applicable as well to the
predisposed individual whom you teach to breathe to prevent disease as to
the patient for whom you prescribe respiratory exercises as a means of cure,
is the following: Instruct them never to take the exercises when tired and
never to continue them so long as to become tired.
In all chronic forms of tuberculosis I have found the above described
ordinary respiratory exercises of the greatest value. To increase their effici-
ency I have added a few movements to my armamentarium. While we need
not be over-careful and over-precise when teaching respiratory exercises to a
relatively healthy child or a young man or woman, we can not be too care-
ful when the exercises are given to develop the chest capacity and respiratory
function of the tuberculous patient. To increase the efficacy of the respiratory
exercises l add a movement by having each respiratory act, that is to say,
each deep inspiration and corresponding expiration, followed by a second
forced expiratory effort. This is for the purpose of expelling as much of the
supplemental and residual air as possible, which may be effectually aided
by supinating the arms and pressing the thorax with them.
Considering that the amount of tidal air, that is to say, the volume
which is inspired and expired in quiet respiration— is only 500 cc., the com-
plemental air—the volume which can be inspired after an ordinary respiration
— 1,500 cc., and the supplemental or reserved air—the amount which can be
forcibly expelled after an ordinary respiration — amounts to 1,240 to 1,800 cc.,
one can readily see the value, not only of deep breathing, but particularly of
this second expiratory eflort. As to the main contra-indications, let us
remember that a patient in a highly febrile state, or during an acute exacer-
bation of the tuberculous process, or an active hemorrhage, should refrain
from all respiratory exercises. Following haemoptysis all respiratory exer-
cises with movements of arms should be prohibited, at least for a time. On
the other hand, I encourage quiet and deep respiratory movements, a few at
the time, following a prolonged haemoptysis. In cases where the sanguine
expectoration has continued for weeks, these deep, quiet respirations seem to
act as a veritable styptic. Irritating coughs resulting from the attempt to
carry out the breathing exercises, or pleuritic pains resulting from the tearing
of old adhesions, are no contra-indications to the continuation of the respira-
tory exercises. Both cough and pain will cease in a short time. When
the patient has learned to breathe properly through the nose and the air is
relatively pure, cold, warmth, rain, snow and even wind should not prevent
him from carrying out the physician's instructions for breathing exercises.
After aero-therapy comes solar- or helio-therapy, that is to say, the
utilization of the sun in the treatment of pulmonary tuberculosis. You probably
have heard of the views concerning the supposed danger of sunlight in tuber-
culosis recently advanced by Major Charles E. Woodruff of the U.S, Army
SE HOW TO ADAPT SANATORIUM METHODS ETC. 297
Medical Service, particularly his contention that the blond type is especially
susceptible to the dangerous influence of sunlight and that these would do
better in cold than in warm climates, and the brunettes better in warm cli-
mates than in cold, and that the improvement in winter and the well-feeling
in the morning was due to the absence of sunlight. These views were ex-
pressed and treated at large not only in lay papers but also in medical papers.
Those of you who wish to read more about the Major's views, I refer to his
article in American Medicine of June 1907, on “Actinophysiology and Actino-
therapy”, and his editorials on „The Danger of too much Sunlight in Tuber-
culosis”, in the issue of October 1907.
There is no doubt that in tropical countries a newly arrived person who
has been born and raised in Northern climates, be he blond or brunette, un-
less he leads an exceedingly sober and careful life, and protects himself against
the strong actinic rays of the sun and the intense heat of midday, is bound
to suffer and become more easily a victim of endemic and epidemic diseases,
not excluding tuberculosis. And even in our temperate zones in hot weather,
when every one feels better in the shade, it is, of course, absurd to expect a
patient (unless he feels chilled) to remain in the sun and be comfortable.
Every well-equipped sanatorium will not only have rest-cure galleries
exposed to the south, but also such exposed to the north, where patients can
seek the shade and the cool when the sunny side is uncomfortably hot.
To learn the concensus of opinions on this subject prior to the prepa-
ration of my recent paper read on June 6th before the National Association
for the Study and Prevention of Tuberculosis, I adressed some fifty letters to
leading authorities and particularly to experienced phthisiotherapeutists. Nearly
all replied and from forty odd expressions of opinions from men who have a
right to speak authoritatively we learn that the blond do no better in cold
weather or colder climatic regions than those having brown or black hair;
that brunettes do no better in warm weather or warmer climates, that sunlight
is not harmful in cool or cold weather, providing the patient is careful to
protect his head, and that the improvement in winter is to be ascribed to the
cold and not to the absence of sunlight. A similar opinion is held by the
majority in regard to the question that the relative wellbeing of the patients
in the morning is to be ascribed to rest and not to the absence of sunlight.
Concerning solar therapy the majority have declared themselves in favor of it.
It would thus seem that solar therapy is by the majority of men considered
as a valuable adjuvant in phthisiotherapy.
Solar therapy is not good for every one, even in our temperate zone,
but certainly it has proved beneficial in many cases in the hands of others
and my own. The directions I am in the habit of giving my patients regar-
ding the sun when outdoors are something as follows: Never walk in the
bright sunlight without having your head covered; when taking the rest-cure,
have your body bathed by the rays of the sun, but keep your head in the
shade; if the glare of the sun causes your eyes to feel uncomfortable, wear
smoked glases; when you are feverish do not take sun-baths. Should the
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIII. 20
ZEITSCHR. f.
208 S. A. KNOPF. č _ TUBERKULOSE
prolonged exposure to the sun give you headache, cause a rise of temperature,
or make you feel uncomfortable in any way, discontinue these sun-baths until
the physician orders them to be resumed.
I believe in the direct sun-baths for tuberculous patients, but I also
believe that the utmost caution is necessary. I attach so much importance to
this that when ordering sun-baths indoors, I give each patient the following
specific directions:
The sunniest room should be selected for the purpose. Fixed carpets
should not be placed in such a room, and the floor must be kept scrupulous-
ly clean.
In a private house, where neighboring windows are often near, the
arrangement will be somewhat difficult, and low screens may have to be used.
In winter the room should be heated to from 70% to 75% F. By and by the
patient's skin will be less sensitive to the air, and the temperature of the room
can be decreased. The room must always be well ventilated. In summer the
upper part of the windows can be left open.
The patient undresses entirely, but if he complains of cold feet, he may
keep his stockings and even his shoes on until he has become warm enough
and desires to take them off. He first places a warmed sheet around his body,
and then a large blanket; he then lies down on the floor in the sun, the head
in the shade and slightly elevated by a cushion. As he begins to feel the
warmth of the sun, he uncovers himself gradually until the whole of his body
is exposed to the rays of the sun; he exposes his back by turning on his
chest. He remains in the sun-room for from half an hour to two hours,
according to the directions given him by his physician. He may change the
recumbent to the sitting position, or walk about.
Like all curative agents in the treatment of phthisis, sun-baths should
not be taken without the supervision of the physician. Too much exposure
may cause irritating skin troubles. To prevent these the patient should cover
himself with one or two layers of the sheet whenever the sun's rays pro-
duce a slightly burning sensation. Should these coutaneous complications
occur nevertheless, the baths must be omitted for a time and the skin bathed
in warm water and friction with lemon juice applied. Headache or a feeling
of discomfort is the signal to stop, no matter how short a time the bath has
lasted. When there is a temperature above normal (98.6%), sun-baths should
not be taken, and the patient should remain in bed. Slightly feverish patients
may take sun-baths; but when experience shows that the baths are followed
by an elevation of temperature, they must be discontinued.
While taking the sun-bath the patient should do some deep breathing.
If it is not possible to have enough sun-baths while undressed at home,
patients should take them outdoors, dressing in light-colored clothes — never
in black, red or brown—so as to permit the better penetration of the actinic
rays. Patients should always take an umbrella or parasol with them, so that
they may shade their heads, no matter where they take their sun-baths.
To avoid all possible misunderstanding, I wish again to repeat that the
Dee HOW TO ADAPT SANATORIUM METHODS ETC. 299
indication for solar-therapy and its methods of application will depend not
only upon locality (altitude, latitude, and other climatic factors), upon the
season of the year, upon the discase for which it is prescribed, but also upon
the idiosyncrasies, that is to say, peculiar susceptibilities, of the individual.
Never should solar-therapy be resorted to without direction of a competent
physician. The number of sunny days in our temperate zone in addition to
altitude have been heretofore largely our guidance regarding the selection of
climate for our consumptive patients.
To justify my enthusiasm for sunlight as a means to prevent disease,
particularly tuberculosis, and my reasons for advocating solar-therapy as a most
valuable adjuvant in the treatment of consumptives, allow me to repeat what
I said in Chicago the other day.
Those of us who work among the poor in the tenement houses know
“only too well how much more frequently tuberculosis develops in the houses
of the poor, where the majority live, sleep and work in dark rooms, where
the sunshine never enters or rarely. Let me quote in regard to this from
a letter received as recently as May 2d from Mr. Robert W. de .Forest,
President of the New York Charity Organization Society and former Tenement
House Commissioner:
“More than 300.000 persons sleep every night in dark, unventilated
interior rooms in tenement houses in this city. These rooms have no windows
even to adjoining rooms. This state of affairs is largely responsible for the
fact that 10.000 persons die of tuberculosis in New York each year.”
Scrofulous diseases, local, bone, skin and joint tuberculosis we find most
frequently among children of the sunless tenement houses in large cities, rarely
among children reared in the country where they are exposed to a great deal
of sunshine. Thus it would scem that the men dcaling with tenement house
problems and tuberculosis among the masses are in favor of light and parti-
cularly of sunlight as a powerful preventive factor in tuberculosis. There is
no tendency among them to wish to revise the old Persian saying: “Where
sun does not enter the physician enters often.”
The wonderful results obtained in the climatic resorts in the high alti-
tudes of Switzerland are ascribed by close observers to the great amount of
sunshine in those regions, and we may justly claim the same for our own
beautiful climate in New Mexico, Arizona, Southern California, and other
Southern regions, also for the higher regions in the Eastern sections of the
country. |
So much for the ordinary influence of sunlight on the average individual
and the average tuberculous patient in our temperate zones under average
conditions. That there is another side to the question and that Major Woo-
druff is right in some respects no unbiased observer will deny.
The dietetic treatment, that is to say, the proper nutrition of the tuber-
culous patient, is of course a most important factor. My esteemed teacher,
the late Prof. Dettweiler, in whose institution I had the privilege of serving
as assistant, used to say “the kitchen is my pharmacy”. He paid the greatest
20*
ZEITSCHR. f
300 S. A. KNOPF. | TUBERKULOSE
attention to the dietetic management of the patients in his care. The menu
for each day was submitted for his approval previous to its preparation. Con-
cerning “suralimentation”, that is to say, over-feeding, I am willing to confess
that I have modifed my views somewhat during the past few years. It is
well and good to feed patients good and abundantly; but I question the wis-
dom of excessive over-feeding, which so often causes the patient great distress
and produces a sense of disgust for any kind of food. We should be guided
in directing dietetic treatment by the patient's digestive and assimilative powers.
We should strive to have him regain the best weight he had when in good
health or get a good average weight for his height. Increase in weight of
muscular is better than that of adipose tissue. Let us never forget that an
increase of adipose without concomitant improvement of pulmonary lesions is
of little value.
After these preliminaries permit me to give you a general outline of
what I think a good menu for the average consumptive. As soon as the
patient awakes in the morning he should take, while yet in bed, a glass of
hot milk, half milk and tea, or half coffee and milk, with a slice of milk toast.
After a little while he will rise to prepare for his douche, friction or massage,
whatever the physician’s prescription may call for. After this it will probably
be nine o'clock and the patient may take his ordinary breakfast. He should
have eggs, and may have his choice as to the way they may be prepared or
served soft-boiled, poached, raw, etc., or in the form of egg-nog, with or.
without a little sherry, orange or lemon juice (whiskey only when such is in-
dicated). If he is accustomed to a meat breakfast, he should have broiled
steak, chops, poultry, sweet bread, etc., or raw chopped becf. Bread a day
old,—preferably whole wheat bread or French rolls, but not hot—with plenty
of butter or honey, either milk, cocoa, coffee with milk, but not too strong,
or a cup of bouillon, should also form part of the meal. Whether the patient
likes to have his cereals for breakfast or supper may be left to his choice.
Some fruit should always precede his eggs or meat in the morning. If fish
is served in the morning it should be either broiled, boiled or baked.
The patient should take the heartiest meal between the hours of twelve
and two o’clock (four hours after his breakfast). Broths or soups should be
the first course. Oysters and clams are most easily digested raw. Any kind
of fresh fish may be served again at dinner and in any form except fried.
There will be, of course, roast meat of some kind, rare roast beef, mutton,
poultry, etc. Of vegetables, spinach is to be particularly recommended on
account of the large proportion of digestible and assimilable iron. Next to
this in nutritive value come lentils, peas, beans, cauliflower, potatoes. Fresh
vegetables should be given whenever it is possible to have them. Lettuce
and other salads, preferably prepared with lemon juice instead of with
vinegar, are permitted. Light puddings, fruits and nuts may constitute the dessert.
At about four or five o’clock some milk with toast may be taken, or,
if the patient cares for it, he should have a cheese or meat sandwich. At this
times the milk may be replaced by bouillon or chocolate.
ió HOW TO ADAPT SANATORIUM METHODS ETC. 301
The supper should not be quite as voluminous as the dinner; cold or
warm meat, rice with milk or gruel and jellies, fruits, such as grapes which
are particularly good because of their nutritive value, etc. At bedtime again
a glass of milk or some milk-toast.
It is of course impossible to lay down an absolute rule of what to allow
and what not to allow. One must consider the patient’s likes and dislikes;
there are idiosyncrasies for certain dishes as well as for certain medicines. I
have learned to allow my patients occasionally such things as ham, smoked
tongue, and even pickled or salt herring, sardines or sardelles, and I have not
yet found any occasion to regret this practice, for they seem at times to
stimulate the appetite. Experience has taught me that patients can take the
greatest number of eggs without inconvenience and without interfering with
their appetite for their regular meals, by taking them immediately after the
principal meals. Thus, two or even three or four fresh eggs can be taken
twice or even three times a day. When the patient is unable to take them
in the pure state I employ the following method, which has rarely failed me:
In a wine glass with rather a narrow opening pour about half a teaspoonful
of lemon-juice and on top of it put a pinch of pepper and salt. Upon this
break carefully a fresh raw egg and finish with another layer of lemon-juice
with pepper and salt. The patient does not taste anything but the lemon-juice
and the egg goes down the throat like an oyster.
As a rule, I do not favor any so-called food medicines. I am willing to
admit, however, that iron tropon or the simple tropon, which is an albuminous
preparation invented by Professor Finkler of Bonn, and the sanatogen have
rendered me valuable service as an adjuvant in the dietetic treatment of pul-
monary tuberculosis.
I tell my ambulant patients to rest half an hour before and half an hour
after meals. It is not always easy for the patient who is at work to rest half
an hour, so I tell him to get all the rest possible, and I add, “If you do
have to work all the week stay at home in the evening, resting in the open
air, in front of the open window or stay in bed all day Sunday with windows
wide open”.
Hydro-therapy you will find most valuable as a tonic and as a means
to prevent your patient from contracting colds. But you must be careful
with a patient who has never used cold water on his body, and you will find
quite a number of such persons. The surest way to educate the skin and
nervous system to the use of cold water is to begin with frictions of pure
alcohol for a number of days. This is to be followed by frictions with half
alcohol and half water; then, for the same length of time, water alone, and
then you commence gradually with douches of cold water at the ordinary
temperature (40° to 60° F.) as the water comes from the faucet. If the patient
feels chilly after the application of water it is a sure sign that he has not
reacted well and you must temper the water accordingly. To avoid any
serious consequences it is best at first to have the patient take douches when
arising from his bed, to which he should quickly return if the application of
ZEITSCHR. f.
302 | en = TUBERKULOSE
water leaves him with a chilly sensation. When the patient has become tho-
roughly accustomed to the use of cold water and reacts well, he can, in order
to produce a reaction, take a vigorous walk before having his douche. Indi-
vidualizing is of course most important in hydro-therapy. Children and the
aged do not react as well as the middle-aged, and in cold weather douches
should never be given in cold rooms. No elaborate hydro-therapeutic appli-
ances are necessary in order to give a douche. In the families of the poor
the luxury of the douche apparatus is unknown and often they have not even
a bathroom. In such instances I advise the following: Take a large circular
English bathtub, about three feet in diameter and ten inches high, and pour
about five inches of cold or tepid water into it. The bather jumps into the
water, kecping his feet in motion for a few seconds, then a second person
pours one or two pitcherfuls of water quickly over each shoulder, thoroughly
wetting the whole body. It is not at all essential that the head should be
wet at the same time. The douche can, of course, be taken more easily with
the help of a second person to pour the water from the pitcher or water-pot.
If a hose can be attached to a nearby faucet, a douche, bath, or direct jet
can be improvised. If the ambulant patient is obliged to attent to the douche
himself he should proceed as follows: He places a large empty washbowl near
the bed on the floor to stand in, and has a smaller washbowl filled with cold
water placed at the height of the table with a good sized sponge. He may
go to bed first and get thoroughly warm, then rise, remove his night clothes
and take his douche by standing in the larger bowl and squeezing out the
sponge soaked in the smaller basin full of cold water once over his left
shoulder, once over his right, once in front of the neck and once over the
back of the neck. Thus the whole body will be douched. He dries himself
quickly and should he feel chilly he can return to the warm bed.
Now we must devote our attention for a few moments to the symptom-
atic treatment. While I do not believe in senseless drugging of the tuber-
culous patient, I believe that we are not only justified but obliged to relieve
suffering by medication when pain cannot be relieved by any other means.
The conscientious phthisio-therapeutist will always try to get along with
as little medicine as possible. For example, in cough, discipline will be
tried first. Ä
The patient is told to control his cough when he feels that there will
be no expectoration. He should try to accomplish this by using his will
power. By making a short respiratory movement he will also often succeed
in stopping the irritating impulse to cough. Taking a small sip of cold water
or milk will often help, and one may give a menthol tablet or pastille to
allay the constant irritation of the throat. If the cough is painful, small doses
of heroin (1—15 to 1—12 of a grain) or some codeine (1—8 to 1—6 of a
grain) might be given every few hours in a tablet form or solution. To ease
the morning cough which is usually the most troublesome, I have the patient
take a hot orangeade immediately on awakening in the morning. When the
expectoration is very tenacious, some expectorant such as cherry laurel water,
kaa a HOW TO ADAPT SANATORIUM METHODS ETC. 303
Syp. prun., virg. ammonia nuriat, and some glycerine, etc., should be added.
The patient should of course be instructed never to suppress a cough when
he feels that he must expectorate, and never should he, out of false modesty,
swallow his expectoration. Before I resort to internal medication for persistent
and annoying cough, I instruct the patient to inhale with the aid of an ordi-
nary perforated zinc inhaler 5 to 10 drops a few times daily from 15 to
30 minutes of the following mixture: Ol. eucalvpt., menthol, spirit. chloroform.
aa, 38S. When the patient is away from home so that he cannot very well
use the inhaler, he can use the handkerchief for that purpose. If the patient
has no aversion to the odor of creosote, beachwood creosote and alcohol in
the same proportion may be added to this prescription. The creosote alone
or in combination with eucalyptus seems to give particularly gratifying results
as an inhalant in the chronic bronchial Trouble D When the cough is so
violent that it results in a concussion of the whole thoracic cavity, I resort to
the use of a broad flannel bandage bound tightly around the chest so as to
lessen the painful feeling produced by the concussion.
What are we to do for those vague indeterminate pains in the chest?
Before we can give effectual relief we must know the cause of the pain. If
it is due to an acute pleuritic envolvement we must stop breathing exercises,
put the patient to bed and strap the side of the chest where the pain is
located. If the painful sensations are evidently due to the gradual tearing of
old pleuritic adhesions as a result of the newly instituted breathing exercises,
I tell the patient not to mind these occasional stitches as they are simply the
result of increasing pulmonary development. If the pain seems to be deep
seated in the pulmonary tissue or due to intercostal neuralgia I have found
hot compresses during the day, changed frequently, and a cold compress at
night enveloping apices and anterior and posterior portion of the chest, of
great value. In all sorts of thoracic pains, deep seated or superficial, let us,
however, never forget the time-honored remedies of our fathers, dry cupping
and the old fashioned mustard plaster. Particularly, when there is an active
congestive process I have found the: dry cups to do valuable service.
When in the latter stages of the disease these non-medicinal and external
remedies do not suffice to allay the pain, I consider it our sacred duty to
render the suffering patient comfortable by the judicious use of opiates.
We come now to that important symptom, pulmonary hemorrhage. The
psychical treatment of hemoptysis should begin when the patient is seen the
first time. He should be told that a hemorrhage is in itself rarely anything
serious, only one of the phases of the disease not necessarily lessening the
chances of complete recovery. Eearly hemorrhages are sometimes a blessing.
They are often the cause of the patient seeking timely medical aid. The patient
must be warned to kcep quiet at the appearance of blood in the expectoration,
go to bed as soon as possible and send for his physician.
Have we any effectual antihemorrhagic remedy? I do not know of any
1) Beverly, Robinson, Med. Record 1906, Dec. 8.
e ZEITSCHR. f.
304 S. A. KNOPF. _TUBERKUI OSE
except morphine, hypodermically, and an ice bag over the heart. In very
severe cases ligation of the lower and upper extremities is indicated. This
can be easily done with the aid of a flannel band or a large handkerchief or
towel. The value of ergot, acetate or lead, etc., I venture to question. The
suprarenal extract—3 to 5 grains per dose seems to do some good.
While I do not favor a coarse diet which might possibly bring on a
coughing spell followed by a new hemorrhage, I think too much of a liquid
diet and particularly the ingestion of great quantities of milk is injurious,
for it increases the work for the heart which is already in a weakened condition
through hemoptysis. A semi-liquid strengthening diet should take the place of
the milk diet. If there is a fear of an approaching hemoptisis, it should be
anticipated by limiting the ingestion of liquids to the least possible amount.
All patients having a temperature over 100° F. should be in bed. All
those having a temperature over 99 should refrain from exercises, particularly
when the thermometer shows more than physiological increase in temperature
after exercise. I prefer cold sponging to the administration of coaltar pro-
ducts, which as a rule depress the heart too much for the good of the patient.
If rest and cold drinks internally and cold water externally do not suffice
to reduce the temperature, I try moderate-sized doses of quinine for a
few days. If the fever is due to the derangement of the stomach this of
course has to be attended to. The chronically high fever arising from the
secretions of the tubercle bacilli and their associates in the mixed infection, is
the hardest thing to deal with in tuberculo-therapeutics. Antistreptococcic
serum has been of some use in a number of cases. Hypodermoclysis has
likewise been resorted to with some good results. It goes without saying
that the best of all antipyretics is the cold pure outdoor air in which the
patient should be day and night, particularly in the earlier stages of the disease.
To insist upon continued outdoor life in winter when the patient is hopelessly
ill and when he dislikes cold and suffers from it, is to my mind not only useless
but cruel,
Night sweats depend, like fever, usually on the amount of toxines in the
body. The medicinal remedies employed are atropin, agaricin, and pyramidon.
Aerotherapy is as important to prevent night sweats as anything else. As
a dietetic treatment 1 recommend the patient to take a glass of milk and toast
just before retiring and have a glass of milk and some toast placed near the
bed to eat in case he awakens during the night with a feeling of faintness.
Sponging with aromatic vinegar must also be considered a valuable remedy
in hyperhydrosis.
A chilly sensation or a genuine chill in the tuberculous patient must at
once be treated internally by hot drinks, only exceptionally alcoholic, and
externally with hot water bottles and warm coverings.
All digestive disturbances must be attended to. A hyperacidity or
hypoacidity must be treated the same as in any other patient. So must con-
stipation and diarrhoea. The constipation should, whenever possible, be treated
dietetically and hygienically and only if these means fail should laxatives be
Sober ls HOW TO ADAPT SANATORIUM METHODS ETC. 305
resorted to. A diarrhoea due to over feeding or injudicious feeding should be
treated first by cleansing the intestinal tract and by giving it a rest afterwards.
When the diarrhoea is due to the tuberculous invasion we are confronted with
greater difficulty. Careful dieting, bismuth, opium, tannin and other astringent
preparations may have to be resorted to, good claret, hot or cold, thick
nourishing soups, rice, with cinnamon are also helpful. All fresh bread and
pastry should be avoided.
The tuberculous patient is often a bad eater. He complains of lack of
appetite. The psychical treatment should consist in telling the patient that
his digestive and assimilative powers are far greater than his stomach indicates
and he should eat regularly whether he has an appetite or not. Massage is
to my mind one of the best remedies to overcome anorexia. The patients
muscles are exercised without fatigue. In the ambulant cases douches are also
well indicated to overcome a bad appetite. At times, bitters such as cin-
chona tirictures with a little nux vomica are indicated. In pronounced
anemia Blaud’s pills (Pilulae Ferri Carbonatis) ovoferrin, pepto-mangan and
similar iron preparations must be resorted to besides the hygienic and dietetic
measures. l
You have a right to expect from me an expression of an opinion on
the value of culture products. Have we any serum, tuberculine or similar
substances of value in the treatment of tuberculosis? Maragliano’s serum, the
most widely used of all sera, has proved a disappointment. For Koch’s
tuberculin better results are claimed. For my part, I only consent to the
use of tuberculin in the very few rare cases which are at an absolute
standstill and which the hygienic, dietetic and climatic treatment does not
improve. Let us hope that with the simplifying of the method to obtain the
opsonic index in such cases, whatever danger there is now connected with the
administration of tuberculin, may finally be done away with. Of Behring’s
promised new remedy, known as tuluse, we know as yet nothing. So let us
frankly confess that we have no effective specific treatment as yet.
The idea of tuberculosis causing a demineralization has long been a topic
of discussion. It has been shown that workers in chalk and lime are relatively
free from tuberculosis. I have myself always favored giving large quantities
of chloride of sodium to tuberculous patients with the food, and of late I have
added, upon the suggestion of some French authors," the following prescription
to this treatment to counteract the demineralization:
B Calcis carbonitis,
Calcis phosphatis, } aa. 3 I Iss
Sodii chloridi.
M.F. in Chart. No. XXX.
S. Take one in water after each meal.
The patient is to take as little acid as possible and avoid all food which
may cause fermentation. In a number of cases this has proved to me a
1) Ferrier and Binnet, Tribune méd. 1906, July 24. Les Alcalines de la thérapeutique.
: : ZEITSCHR. f.
306 SEN TUBERKULOSE
valuable adjuvant in the hygienic and dietetic treatment. If the administration
of these salts produce diarrhoea, the dose must be diminished or the powders
discontinued. The treatment can, as a rule, be persisted in for a long time
and there is hardly any danger connected with it.
Through the courtesy of Surgeon-General Rixey of the U. S. Navy, I have
come in possession of a preliminary report submitted to him by Surgeon
B. L. Wright in command of the U. S. Naval Hospital for Consumptives at
New Fort Lyon, Las Animas, Colo. 35 cases have been treated by Dr. Wright
at that institution with the succinimide of mercury. The doses in some
instances being as high as two-thirds of a grain. I have as yet no personal
experience with the effect of deep intramuscular injections of the succinimide
of mercury in non-syphilitic, purely tuberculous cases, but the report of
Dr. Wright would indicate that the experiments have certainly been followed
by encouraging results. Of the 35 cases 30 showed improvement evidenced
by reduced pulsation and temperature curve, increased appetite, lessened cough
and gain in weight. I am watching Dr. Wright’s work with great care and
eagerness and if the detailed report of the 30 cases still under observation
will show continued success, [ shall certainly try the mercureal treatment
ere long.
In the meantime I trust that the few hints given to you to-day in regard
to the hygienic, dietetic and symptomatic treatment of consumptives will be
helpful to you in the adaptation of the sanatorium method of treating the
tuberculous in their homes.
A part of the treatment of a patient, whether in the sanatorium or at
home, particularly when he is in the earlier stages of the disease, or con-
valescent, must always be to occupy or entertain him. This portion of the
modern methods of treating consumptives might justly be called “occupation
therapy”.
To discuss the subject in detail would lead.us too far at this moment.
All I can do is to lay down the principles which should guide us in occupying
the patient. Whatever he does should be done in the open air. The character
of the work should not be such as to tax his strength, and not be of sucha
kind as to involve the inhalation of dust.
The patient should never do physical or mental work when tired or
febrile, nor exercise or work to the extent of getting tired or becoming febrile.
It should never be an occupation demanding much stooping or intense, close
mental attention. It goes without saying that time, character and amount of
work should be regulated by the attending physician, and as the word
“occupation-therapy” indicates, the work done by the patient should have for
its main purpose to strengthen him and render him more happy and contented
than he would be likely to be made by a prolonged enforced idleness.
Indispensible in the home treatment of the consumptive is a good reliable
and cheerful nurse who will watch over the invalid in the absence of the
physician and see to it that all the hygienic, dietetic and other directions are
carefully carried out.
BD.XINHEFT4. HOW TO ADAPT SANATORIUM METHODS ETC. 307
In the homes of the poor where the constant employment of a trained
nurse is not possible on account of the expense, the city authorities or some
charitable agency should help the attending physician by placing at his dis-
posal a District nurse who could be helpful in the supervision of such cases.
No community of any size should be without visiting district nurses for its
consumptive poor.
I have not yet said a word on climate and what I have to say on this
subject brings me to the conclusion of my address.
Without depreciating the value of climate as a precious adjuvant in the
treatment of tuberculosis, I claim that the sanatorium treatment, also known
as hygienic and dietetic treatment in special institutions, and in many homes,
is feasible in nearly all of our home climates; but alas, not in all homes.
Therefore, I wish to say that while advocating the treatment at home for those
who cannot or those who do not wish to enter an institution, I plead with all
my heart and with all the earnestness I am capable of with you physicians and
through you with your wealthy philanthropic friends or patients, and the legis-
lators of our own and all the states of this great land, for the establishment
of more state and municipal sanatoria for the treatment and care of the great
number of consumptive poor in all stages of the disease who by reason of
their unhygienic environments or extreme poverty cannot be treated at home.
In face of the indisputable fact that tuberculosis is a curable disease, it
should be a matter of deep humiliation to our statesmen, municipal authorities
and philanthropists that there are at this moment thousands and thousands of
our fellow-citizens suffering from tuberculosis, many of them in the prime of
life, and that they must continue to suffer and die not because their disease
is incurable, but because there are no places to cure it.
It is my intention to embrace the opportunities offered to me as Professor
of Phthisio-therapy of this great institution to appeal to the physicians coming
to us from all over the United States, from hamlets, towns and cities, to enlist
everyone as a crusader against the great white plague in their respective
homes. I trust that the physicians having attended the lectures on phthisio-
therapy at the Post-Graduate Medical School and Hospital will all become
apostles of the gospel of the prevention and curability of tuberculosis and that
they will forever bear in mind that the crusade is one against tuberculosis
and not against the tuberculous, for we as physicians must never allow
phthisiophobia to become the result of the anti-phthisis campaign. On the
contrary, we should forever preach and practice that the honest conscientious
consumptive, taking care with his expectoration, is not a source of infection
and is as safe an individual to associate with as anybody else, and that he
should be treated with the utmost consideration.
_ Those who, as official authorities or private citizens, oppose the establish-
ment of sanatoria or special hospitals for consumptives, must be convinced of
their error. Show them the great educational value of a sanatorium for con-
sumptives. Tell them that any patient who has been in a sanatorium, if even
only for a few months, must of necessity on account of the training he will
> ` e ter TUANE rn ZEITSCHR. f.
208 ENDE, EEN ADAPT SANATORIUM METHODS Eee, TUBERKULOSE
have received become a hygienic factor in the community to which he may
return, inproved or cured. If this simple assurance does not suffice to convert
them from their unjustified prejudice against the establishment of a tuberculosis
institution, show them the statistics of this country and Europe, which prove
that the mortality from tuberculosis among the inhabitants of villages or towns
where sanatoria for the tuberculous are situated has always been considerably
reduced after the establishment of those institutions. The cleanly and sanitary
habits involuntarily imitated by the villagers, have resulted in diminishing con-
sumption in their own midst.
Thus the well conducted and well equipped sanatorium for consumptives
serves not only as an institution to cure, but also as an institution to prevent
the spread of consumption. It can even be demonstrated that the prosperity
of the community which harbors a sanatorium for the consumptive poor has
always been improved thereby. By the cures accomplished in such a sana-
torium, wealthy invalids are almost invariably attracted to the locality.
To prevent the spread of consumption by teaching practical and feasible
hygiene; to overcome the prejudice against institutions for the treatment of
the tuberculous and the prejudice against those who are afflicted with the
disease; to cure when cure is possible; to do what we can to arrest the dis-
ease, prolong life and render comfortable when absolute cure seems impossible;
to relieve the sufferings of the consumptive individual, be it mental, physical,
or social, should be our only aim as true workers in the field of modern
phthisio-therapy.
Sub mi KUHN, PHYSIKALISCHE BEHANDLUNG USW. 309
XX.
Physikalische Behandlung der Lungentuberkulose durch Hyper-
ámie, Lymphstrombeförderung usw. vermittels der Lungen-
Saugmaske.
Referat, gehalten in der 5. Versammlung der Tuberkuloseärzte, München 1908,
von Stabsarzt Dr. E. Kuhn, Berlin.
Mit 2 Tafeln.
Königliche Hoheiten! Meine Herren!
Cut die Theorie der Hyperämiebehandlung der Lungen hier näher ein-
GO zugehen, erübrigt sich, da in neuerer Zeit dieses Thema oft genug
WA erörtert und auch von mir wiederholt ausführlich behandelt ist.?)
Es besteht kein Zweifel, daß eine gute Durchblutung den Organen und
besonders den Lungen den besten Schutz gegen tuberkulöse Erkrankung
gewährt, und ich möchte hier nur noch einmal besonders hervorheben, daß
sich das Verfahren der Hyperämiebehandlung mit der Lungen-Saug-
maske nicht sowohl auf die Erfahrungstatsache der günstigen Beein-
flussung der Lungentuberkulose durch Blutstauung bei Kreislauf-
störungen stützt, als vielmehr besonders auf die Tatsache, daß die
unteren Lungenteile infolge ihrer reichlicheren Durchblutung (und
besseren Lymphdurchströmung) selbst dann noch in der Regel geschützt
sind, wenn in den oberen Teilen bereits weitgehende Zerstörungen
und Kavernen aufgetreten sind.
Der Schutz, welchen die Herzfehlerstauung durch Behinderung des Blut-
abflusses aus den Lungen gewährt, wird durch die gleichzeitig eintretende
Lymphstauung beeinträchtigt, während die bessere Beweglichkeit der unteren
Brustkorbteile und die hieraus resultierende stärkere Blutansaugung deshalb
noch günstiger wirken, weil dabei die Lymphzirkulation befördert und infolge-
dessen die Stagnation und Ansiedelung der Gifte und Krankheitserreger in den
bedrohten Teilen verhindert wird.
Die Saugmaske stellt, wie ich in folgendem näher ausführen werde,
für die gesamte Lunge die Bedingungen her, welche den unteren
Lungenteilen (gegenüber den oberen) größeren Schutz verleihen.
Was die Maske selbst anlangt, so verweise ich des Näheren auf meine
früheren Arbeiten.!)
Es handelt sich um einen Apparat zur Erschwerung der Einatmung,
während die Ausatmung völlig unbehindert bleibt.?)
1) E. Kuhn, Lungen-Saugmaske zur Erzeugung von Stauungshyperämie in den Lungen.
Dtsch. med. Wechschr. 1906, Nr. 37 und Kongr, f. inn. Med., Wiesbaden 1907. Ferner Münch.
med. Wchschr. 1907, Nr. 16 und Kongr. f. Hyg. u. Demogr., Berlin 1907.
2) Das Prinzip dieses Verfahrens hat in anderer Form bereits wiederholt Versuchen in dieser
Richtung zugrunde gelegen. Ramadge (London 1835), welcher beobachtet hatte, daß Asthmatiker
und Kranke, die infolge einer Halsgeschwulst oder dergl. an erschwerter Atmung litten, seltener
tuberkulös werden, ließ durch enge Röhren oder besondere Apparate mit engem Mundstück atmen
und erwarb sich durch seine Erfolge einen Ruf auch auf dem Kontinent. Rationeller war ein
Vorschlag Biers (1902): durch Zudrücken der Nase die Nascneinatmung zu behindern und durch
ZEITSCHR. f.
310 E. KUHN. | | TUBERKULOSE
Die Einatmungserschwerung läßt sich dabei genau regulieren und dem je-
weiligen Kräftezustand des Kranken bezw. der Kraft und Ausbildung seiner
Brustorgane anpassen. Die Maske kann deshalb ohne die geringsten Beschwerden
selbst von den schwächlichsten Patienten stundenlang getragen werden. Be-
züglich des Naheren verweise ich auf die jeder Maske beigefügte Gebrauchs-
anweisung und möchte hier nur noch hinzufügen, daß nach den bisherigen
Erfahrungen eine ca. 2stündige tägliche Anwendung sich für die meisten
Zwecke als genügend wirksam erwiesen hat.
Was nun zunächst das Zustandekommen der Hyperämie anlangt,
so weiß jeder aus dem bekannten physiologischen ,,Müllerschen Versuch“, daß
bei einer Einatmungserschwerung die Lunge mit Blut je nach dem Grade der
Erschwerung angefüllt wird.
Man kann auch analoge Erscheinungen aus der pathologischen Anatomie
heranziehen. Wenn z.B. ein Bronchus verstopft ist, dann entsteht durch die
fortdauernde Saugbewegung des Brustkorbes bei der Einatmung (allerdings hier
zum Teil auch durch die Luftresorption innerhalb des ausgeschalteten Lungen-
teiles) eine starke Hyperämie, wie sie am ausgeprägtesten bei der Erstickung
in die Erscheinung tritt. Von letzterer bin ich bei meinem Verfahren zur
Hyperämisierung der Lunge ursprünglich ja auch ausgegangen.
Ich habe vor einiger Zeit wiederholt auch experimentell versucht, bei
einem Kaninchen einen Luftröhrenast künstlich zu verstopfen und sah stets
schon nach kurzer Zeit, wo der Kollaps durch Luftresorption ebenso wie bei
der Erstickung noch gar nicht oder in sehr geringem Maße vorhanden war,
eine starke Hyperämie in den an der Atmung behinderten Teilen auftreten.
(Näheres siehe Münch. med. Wchschr. 1907, Nr. 16.)
Sodann habe ich einem Hunde ein durchsichtiges Zelluloidfenster in die
eröffnete Brustwand eingepflanzt und ihm eine Saugmaske aufgesetzt. Man
konnte nunmehr die Brustorgane direkt beobachten und sehen, daß die anfangs
rosenrote Lunge im Verlaufe etwa einer halben Stunde dunkler und blaurot
wurde. Ferner zeigte sich, daß auch im Anfange jeder stärker behinderten
Einatmung jedes Mal eine dunklere rote Färbung schattenartig über die Lunge
huschte.!) Diese Erscheinung, sowie die Tatsache, daß im Verlaufe der Ein-
atmungsbehinderung die Lunge immer dunkler wird, lassen sich somit als
weitere Beweise anführen, daß das durch die Maske erstrebte Ziel der Lungen-
hyperämie auch wirklich erreicht wird. |
den Mund frei ausatmen zu lassen, ebenso wie das Verfahren Wassermanns(1904), welcher durch
enge Bornkesselsche Röhrchen die Mundeinatmung erschwerte. Ähnliches haben Walden-
burg u.a. (1874) durch Einatmen verdünnter Luft im pneumatischen Kabinet usw. zu erreichen
gesucht, doch scheiterten alle diese Verfahren schließlich an der Komplizicrtheit oder mangelhaften
Technik bezw. den sie begleitenden nachteiligen Folgen. Eine reine Hyperämie kann nur durch
Erschwerung der Einatmung erzeugt werden, wenn dabei die Ausatmung unbehindert bleibt, zumal
da eine Behinderung der Ausatmung auch infolge der eintretenden akuten Lungendehnung bei tuber-
kulösen Lungenerkrankungen unbedingt zu vermeiden ist. Eine Mundatmung durch Röhren u. dergl.
wirkt aber schiidigend durch Austrocknen der Schleimhäute, ebenso wie eine Behinderung der
Nasenatmung durch Zudrücken der Nasenflügel, Wolffsche Kanülen oder dergl, Als rationell
kann daher nur ein Verfahren bezeichnet werden, welches die natürliche Naseneinatmung so be-
hindert, daß die Luft in der Nase in der nötigen Weise angefeuchtet umd vorgewärmt wird, und
welches zugleich die Ausatmung unbehindert läßt.
D) Bei unbehinderter Einatmung war diese dunkle Färbung nicht zu schen.
EE BEHANDLUNG MIT LUNGEN-SAUGMASKE. 311
Wir haben dann bei verschiedenen Kranken Blutdruckmessungen während
des Gebrauches der Maske vorgenommen, welche allerdings — wie alle Blut-
druckmessungen — nicht beweisend sind, aber doch dafür sprechen, daß der
periphere Kreislauf im allgemeinen leerer wird. Es war immer dasselbe Bild:
Der Blutdruck fällt in den ersten 20—30 Minuten dauernd ab, dann kommen
die üblichen, durch Steigerung des Gefaßtonus oder verstärkte Herzkontrak-
tionen usw. bedingten regulatorischen Schwankungen, die die Kurve natürlich
ändern, aber der Blutdruck steigt in der Regel nicht wieder bis zur anfäng-
lichen Höhe; und alle aufgenommenen Kurven sprechen übereinstimmend
dafür, daß der große Kreislauf gegenüber dem kleinen leerer wird.
Wach Nach Nach Nach Nach Nach Nach
Blutdruck, „ee, 5 10 15 20 25 30 35 Maskenatmung
Y Minuten | Minuten a Minuten) Minuten | Minuten Minuten |
790
780
en
|
:
| |
ol |
E
Blutdruckkurve während des Gebrauches der Saugmaske, (Nach v. Recklinghausen.)
Man kann dies übrigens auch durch Fühlen des Pulses bei den Kranken
gewöhnlich ohne weiteres feststellen, und sehr blutarme Kranke haben manch-
mal auch selbst die Empfindung, daß die peripheren Teile, z. B. Hände und
Füße, unter der Maske (durch Wegsaugung des Blutes nach den inneren Or-
ganen) kühler werden. (S. a. Anm. 2, p. 319.)
Die stärkere Blutfülle der Lungen hat nun, wie bekannt, zum
Zweck, die Bazillen abzutöten!) und gleichzeitig durch die bessere
Ernährung des Lungengewebes eine gute Vernarbung hervorzu-
rufen.
Bei einer Reihe von Patienten des letzten Stadiums, welche die Saug-
maske längere Zeit anwandten, und schließlich an fortschreitender Darmtuber-
kulose starben, habe ich bei der Sektion denn auch stets die Beobachtung
1) Wie groß die bakterizide Kraft.des Blutes ist, hat Marmorek (Berl. klin. Wchschr. 1907,
Nr, 11) an Meerschweinchen experimentell erwiesen. Während bei diesen so sehr für die Tuber-
kulose emptänglichen Versuchstieren die experimentelle Impftuberkulose sonst ausnahmslos zur
tuberkulösen Septikämie führt, blieben Meerschweinchen, die mit tuberkelbazillenhaltigem
Blut arteriell und intraperitoneal geimpft wurden, in fast allen seinen zahlreichen Versuchen gesund.
Daraus geht hervor, daß selbst die Meerschweinchen, welche im allgemeinen fast als schutzlos gegen
Tuberkuloseinfektion gelten, durch ihr Blut die Tuberkelbazillen abzuschwächen und ganz zu ver-
nichten vermögen.
ZEITSCHR. f.
312 Es UE, | TUBERKULOSE
machen konnen, daB die Bindegewebeentwickelung in der Lunge sehr reich-
lich war.)
Ebenso ergab die mikroskopische Untersuchung dieser Lungen, daß ge-
wöhnlich nicht nur die kleinen miliaren Tuberkel, sondern auch größere ältere
Käseherde und Kavernen von reichlichem Bindegewebe durchsetzt bezw. um-
geben und abgekapselt waren. Ausgedehnte käsige Erweichungen oder frische
Einschmelzungen habe ich dagegen nach längerer Behandlung mit der Saug-
maske niemals gesehen. |
Sehr wichtig ist nun, daf bei dieser Hyperámie nicht, wie bei sonstigen
Stauungsverfahren (z. B. nach Bier-Klapp), gleichzeitig eine Lymphstauung
entsteht. Denn unter der Maske wird durch die Ansaugung des Blutes aus
den großen Hohlvenen gleichzeitig der Inhalt des Ductus thoracicus, welcher
in den linken Angulus venosus mündet, aspiriert und somit auch der Lymph-
strom der Lunge, welcher schon durch den Druck des vermehrt in die Lungen
einströmenden Blutes nach vorwärts getrieben wird, auf doppelte Weise gefördert.?)
Die Hyperämiebehandlung mit der Saugmaske steht also in-
folge der gleichzeitigen Beförderung des Lymphstromes in einem
gewissen Gegensatz zu den sonstigen Arten der Hyperämiebehand-
lung, welche gerade bei der Tuberkulose (z. B. der Gelenke) m. E. wegen der
gleichzeitigen mehr oder minder starken Lymphstauung verhältnismäßig häufig
versagen.?)
Die Wirkung der Saugmaske ist aber nicht auf die Hyperämie
beschränkt, sondern sie gewáhrleistet auch in anderen Punkten eine
rationelle Behandlung der Lungentuberkulose.
Wichtig ist zunächst, daß bei diesem Verfahren die Lungen ruhig
gestellt bleiben. Ich möchte das an Hunden demonstrieren, bei welchen sofort
in die Augen fallt, wie unter der Saugmaske der Atemmodus sich in dem
Sinne ändert, daß unter „Hochsaugung“ des Zwerchfelles (sichtbar an der
starken Einziehung der Flanken) ein fast rein kostaler Atemtyp zustande
kommt (s. Tafel J).
Die dünne Zwerchfellmuskulatur kann den Zug der Luftverdünnung bei
der erschwerten Einatmung nicht in dem Maße überwinden, wie bei unbe-
hinderter Atmung; infolgedessen wird zwar der Brustkorb weit gedehnt, doch
bleibt der für die Ausdehnung der Lungen verfügbare Raum (trotz-
dem infolge der stark ausgeprägten Rippenatmung unter der Saug-
maske der Anschein vertiefter Atemzüge erweckt wird!) geringer als
bei freier Einatmung.
Auch bei dem Hunde, welchem, wie erwähnt, ein Fenster in die Brust-
wand gepflanzt wurde, konnte man sehen, wie das Zwerchfell und die Lunge
unter der Maskenatmung nicht so tief nach unten stiegen, wie bei freier Atmung,
Und früher habe ich auch bereits an der Hand eines für diesen Zweck
1) Ein Fall ist ausführlicher publiziert: Münch. med. Wehschr. 1907, Nr. 16.
2) Näheres siehe Landois, Lehrbuch der Physiologie u. a.
3) Aus deniselben Grunde sieht man trotz hochgradigster Herzfehlerstauung in den
Lungen auch zuweilen tuberkulöse Prozesse unaufhaltsam fortschreiten.
SE 4. BEHANDLUNG MIT LUNGEN-SAUGMASKE. 313
hergestellten Lungenmodells diesen Punkt ausführlich erörtert. (S. das Modell,
Dtsch. med. Wchschr. 1906, Nr. 37.)
Ferner hat Waldenburg bereits 1872!) gezeigt, daß beim Einatmen
verdünnter Luft aus der pneumatischen Kammer (was ja physiologisch völlig
identisch ist mit dem Einatmen verdünnter Luft durch Einatmungserschwerung)
das eingeatmete Luftvolumen geringer ist, als bei unbehinderter Atmung, und
ich konnte diese Versuche auch durch Spirometermessungen bei der Masken-
atmung bestätigen.
Beispielsweise atme ich selbst nach einem tiefen freien Atemzug 3500 ccm
und nach einem tiefen Atemzug unter der Maske nur etwa 2850 ccm Luft in
den Spirometer aus.
Bei gewöhnlicher Atmung waren die Zahlen ohne Maske 1800 ccm, mit
Maske 1550 ccm.
Die entsprechenden Zahlen bei einem Unterarzt waren 4300 ccm und
3330 ccm bei tiefer Atmung, und 2400 ccm und 1900 ccm bei oberflächlicher
Atmung. |
Sogar die freie Einatmung ergibt unmittelbar nach Abnahme der einige
Zeit angewandten Maske durchschnittlich etwas geringere Einatmungsluftmengen,
als sich vor der Maskenatmung mittels des Spirometers feststellen lassen, zumal
da infolge des vermehrten Blutgehaltes der Lungen, welcher das geringere
Luftvolumen besser auszunutzen gestattet, das Bedürfnis nach tiefer Atmung
weniger vorhanden ist.
Einigen Aufschlub über diese Verhältnisse gibt uns ferner die Durch-
leuchtung mit Röntgenstrahlen (s. die Abbildungen auf nächster Seite).
Die Röntgenbilder zeigen deutlich, daß bei jeder Einatmung unter der
Saugmaske:
1. das Zwerchfell höher steht;
2. die Lungenzeichnung undeutlicher bezw. die Lungenfelder dunkler
sind als bei freier, unbehinderter Atmung.
Die geringere Zwerchfellatmung wird also auch hier bestätigt, und die
dunkleren Lungenfelder weisen (außer auf vermehrten Blutgehalt) ebenfalls
darauf hin, daß das unter der Maske eingeatmete Luftquantum geringer ist.
Denn während man mit guten Röntgenröhren im Röntgenschirm die bei
freier Einatmung hell werdenden Lungenfelder am Ende der Einatmung durch
Hineinströmen des Blytes wieder dunkler werden sieht, werden unter der Saug-
maske die Lungenfelder auch bis zur Höhe der Einatmung nicht so hell wie
bei einem unbehinderten Atemzug, woraus man schließen muß, daß die Dunkel-
heit der Lungenfelder bei behinderter Einatmung nicht allein dem vermehrten
Blutgehalt der Lunge zugeschrieben werden kann.
Diese „Ruhigstellung“ der Lungen infolge der geringeren
Entfaltungsmöglichkeit unter der Saugmaske (s.auch Anm, I, p. 319 und
Abbild. p. 322) ist aus verschiedenen Gründen von größter Bedeutung;
denn es ist solchergestalt die Möglichkeit gegeben, zur Kräftigung der Atem-
1) Waldenburg, Krankheiten der Atmungsorgane, Berlin 1872.
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIII. 21
ZEITSCHR. f.
314 E. KUHN e TUBERKULOSE
Ein tiefer Atemzug ohne Maske,
Ein tiefer Atemzug mit Maske,
ser us BEHANDLUNG MIT LUNGEN-SAUGMASKE. 315
muskulatur!) und der gesamten Atmungsorgane die rationellste und wirk-
samste Widerstandsgymnastik zu pflegen, ohne, wie bei sonstigen Atem-
übungen, die Gefahren der Lungendehnung (wie Lungenbluten, Verbreitung
des Krankheitsprozesses, Verhinderung der Heilung durch Auseinanderzerrung
der vernarbenden Teile usw.) fürchten zu miissen. Diese Gefahren sah man
bei den gewöhnlichen „Tiefatemübungen“ als so groß an, daß ihretwegen die
so notwendige Kräftigung der Atmungsorgane durch Atemgymnastik bisher
meist gänzlich unterlassen wurde.
Sodann wird durch die Atemgymnastik unter der Saugmaske bei ge-
wissermaßen „ruhig gestellten“ Lungen nicht allein die beste Kräftigung
der Atemmuskulatur ermöglicht, sondern die dabei durch den Hochstand
des Zwerchfelles erzwungenermaßen eintretende, vorwiegend „kostale“
Atmung (s. die Abbildungen der Hunde auf Tafel I) hat infolge der stärkeren
Exkursionen der Rippen naturgemäß auch eine allmähliche erhebliche
Beweglichkeit und Weitung des Brustkorbes zur Folge.
Auf diesen Punkt haben Freund und neuerdings Hart auf Grund
pathologisch-anatomischer Untersuchungen ihre besondere Aufmerksamkeit
gerichtet und sogar vorgeschlagen, zur Erzielung besserer Beweglichkeit des
Brustkorbes die oft in Verknöcherung begriffenen oberen Rippenknorpel zu
durchschneiden, um auf diese Weise die durch mangelhafte Beweglichkeit der
oberen Rippen (bezw. schlechte Durchblutung und Lymphdurchstrómung der
oberen Lungenteile) bedingte Disposition zur Erkrankung der Lungenspitzen zu
beseitigen.
In den meisten Fällen wird sich jedoch durch Atemübungen und weitaus
am zweckmäßigsten durch längere Zeit fortgesetzte Anwendung der Saugmaske,
die nötige Beweglichkeit des Brustkorbes auch ohne operativen Eingriff in
genügendem Maße herstellen lassen, ein Standpunkt, welchen neuerdings auch
Hart vertritt.?)
Wie stark die Weitung des Brustkorbes ist, welche sich durch die Maske
erzielen läßt, sei an Cyrtometermessungen (p. 316— 317) erläutert, welche von
einem jungen 17jährigen Mädchen mit allerdings noch sehr weichem und
elastischem Brustkorb innerhalb zirka 2 Monaten aufgenommen sind. Die Zu-
nahme des Brustumfanges betrug dabei 5!/, cm.
Wenn nun auch eine derartig schnelle Zunahme der Brustweite wohl
nur im jugendlichen Alter zu erreichen ist, so kann man doch fast in allen
Fällen nach längerem Gebrauch der Maske eine oft noch erheblichere
Zunahme des Brustumfanges und der Ein- und Ausatmungsdifferenz auch
schon mittels des Bandmaßes feststellen.) Auch bei den abgebildeten Ge-
schwisterhunden (s. bunte Tafel) ließ sich durch Handauflegen oder schon durch
bloße Vergleichung der nebeneinanderstehenden Tiere ohne weiteres feststellen,
1) Auch das Zwerchfell wird dabei trotz seiner geringeren Exkursionen hervorragend gekräftigt,
da es ja den Gegenzug des verstärkten negativen Druckes naturgemäß durch stärkere Anspannung
beantwortet.
2) Nach einer mündlichen Mitteilung.
3) Daß diese Weitung und Beweglichmachung des Brustkorbes ohne akute Dehnung der
Lunge, Emphysem oder dergl. zustande kommt, versteht sich nach dem Obengesagten von selbst.
21*
ZEITSCHR. f.
316 E. KUHN. TUBERKULOSE
Hinten
Cyrtometrische Brustkorbmessungen
Phthis.pulm.J.
29.1. 07.
(Oben)
Vorn
Hinten
15.V11.07
(Oben)
Cyrtometrische Messungen, welche die Weitung des Brustkorbes bei einem 17jáhrigen
Brustkorb ist schmaler aber zugleich gewölbter geworden und hat an Umfang 51/, cm zuge-
genommen. Mehr-
daß der Hund, welcher einige Monate hindurch durch die Maske
geatmet hatte, einen viel breiteren, die Brustwölbung stärker her-
vortreten lassenden Brustkorb bekommen hatte, gegenüber dem
schmalen Thorax des gleichartigen Geschwistertieres.
Stolzenburg?) u. a. haben bei ihren Patienten diese Wirkung der Masken-
atmung auf den Brustumfang bestätigt. Stolzenburg gibt an, daß bei seinen
Kranken die Atmungsbreite gewöhnlich um 1—3 cm, und die absolute Zahl
des Brustumfanges sogar um 6—8 cm und darüber zugenommen haben.?)
1) Über die mit der Kuhnschen Lungen-Saugmaske in der Heilstätte Slawentzitz gemachten
Erfahrungen. Münch. med. Wchschr. 1907, Nr. 16.
2) Jahresbericht der Heilstätte Slawentzitz, 1907.
ri BEHANDLUNG MIT LUNGEN-SAUGMASKE. 317
——, N |
-Hinten x
10.V11.07.
(Oben)
Vorn.
Hinten
A
22. Vill. 07.
(Oben)
Vorn.
Mädchen in ca. 2 Monaten unter Anwendung der Saugmaske erkenñen lassen, Der
nommen. (Die Maße sind vorn 7 cm unterhalb des Jugulum, hinten über den Anguli scap.
mals verkleinert.)
Sehr merkwürdig ist, daß man, während sonst aus Furcht vor Lungen-
bluten alle Atemübungen gewöhnlich verworfen wurden, bei der Masken-
atmung die Erfahrung gemacht hat, daß Lungenbluten nicht einzutreten
pflegt, ja sogar, daß zuweilen schwere Lungenblutungen unter der Maske
aufhören und fortbleiben. Seit Anwendung dieses Verfahrens habe ich bei den
Kranken der Tuberkuloseabteilung der ı. Chariteklinik niemals mehr Lungen-
bluten erlebt, obwohl die Maske selbst bei den schwersten kavernösen Phthisen
versuchsweise angewandt wurde. Ebenso hat Stolzenburg bei über 100 mit
der Maske behandelten Patienten keine Blutung gesehen,') und Geheimrat
1) Jahresbericht der Heilstätte Slawentzitz, 1907.
en ZEITSCHR. f.
318 EBEN, TUBERKULOSE
Senator teilte mir mit, daß er sogar in einer Reihe von Fällen schwersten
Lungenblutens, in denen alle anderen Mittel versagt hatten, nach Anwendung
der Maske die Blutungen stehen sah. Diese Beobachtung sollte man a priori
um so weniger erwarten, als durch das Verfahren ja die Blutzufuhr zu den
Lungen vermehrt wird. Es bestätigt sich jedoch hier die auch von Bier unter
Anwendung stärkster Saugapparate selbst bei offenen Wunden gemachte Er-
fahrung, daß die Gefäße sich den vermehrten Anforderungen anpassen und
nicht biuten H |
Die Hyperämisierung erfolgt dabei ja auch nicht durch vermehrten Druck
von innen, sondern durch Saugung auf die Gefäße von außen; da ferner die
Gefäße infolge des Blutreichtumes besser ernährt und dickwandiger werden,
so wird es verständlich, daß die Gefäßwand unter diesen Umständen der Ar-
rosion durch den tuberkulösen Prozeß um so besser widerstehen kann.
Auch das Herz wird bei diesem Verfahren durch reichlichere
Durchblutung und Ernährung gekräftigt und durch Verstärkung der
physiologischen Wirkung des Einatmungsmechanismus auf den
kleinen Kreislauf bei nicht allzu forcierter Einatmungserschwerung in seiner
Tätigkeit sogar entlastet.
II, Pulskurve nach !/, stündigem Gebrauch der Maske.
(Der Sphygmograph wurde nach der Aufnahme der Pulskurve I unverrückt auf der Radialis be-
lassen und nach !/, stündiger Anwendung der Maske die Kurve II gewonnen, welche illustriert,
wie der kleine, irreguläre Puls regelmäßig und kräftig geworden ist.)
Man erkennt im Röntgenbild bei stärker behinderter Einatmung sofort an
dem größeren Schatten, daß das Herz und die großen Gefäße (entsprechend
dem im Gesamtthorax herrschenden verstärkten negativen Druck) stärker mit
Blut gefüllt werden; und wiederholt wurde von mir, Stolzenburg u. a. auch
die Erfahrung gemacht, daß Zustände von Herzschwäche sich bei den Kranken
unter dem Maskengebrauch erheblich besserten bezw. verloren.
Die Entlastung des rechten Herzens konnten wir zuweilen sogar durch
unmittelbares Nachlassen des Klappens des II. Pulmonaltones konstatieren; und
die folgende Pulskurve gibt ein Bild von dem auch unmittelbar wirkenden
regulatorischen Einfluß, den die Maske bei manchen Herzschwäche-
zuständen ausübt.
Ein weiterer und ebenfalls sehr wichtiger Heilfaktor ist die
Wirkung der Saugmaske auf die Blutbildungsorgane. Ich habe in
einer besonderen Arbeit (Die Vermehrung der roten und weißen Blutkörperchen
und des Hämoglobins durch die Lungen-Saugmaske und ihre Beziehung zum
t) Näheres ist Münch. med. Wchschr. 1907, Nr. 16 bereits mitgeteilt.
a BEHANDLUNG MIT LUNGEN-SAUGMASKE. 319
Höhenklima, Münch. med. Wchschr. 1907, Nr. 35) an der Hand zahlreicher
Blutuntersuchungen festgestellt, daß infolge der Einatmungserschwerung, ebenso
wie bei der Luftverdünnung im Höhenklima durch den Reiz der vermin-
deften Sauerstoffspannung auf das Knochenmark eine schnell an-
steigende, dauernde Vermehrung der roten und weißen Blutkörper-
chen und eine etwas langsamere aber auch stetige Vermehrung des
Hämoglobins stattfindet.') Dieser Einfluß der Maske, welcher an Schnellig-
keit der Wirkung die sonst üblichen arzeneilichen Blutanregungsmittel bel
Zuständen von Blutarmut und Bleichsucht weit übertrifft, ermöglicht sogar
(ebenso wie durch das Höhenklima) selbst bei normalen Individuen die Blut-
menge zu steigern. |
Von dem oben erwähnten Hundepaar begann der eine ım Alter von
zirka */, Jahr 2—4—6—8 Stunden täglich durch eine Saugmaske zu atmen,
während der andere als Kontrolltier (desselben Wurfes, Alters, Gewichts usw.)
ohne Maske, aber unter sonst gleichen Bedingungen gehalten wurde. Es zeigte
sich, daß der „Maskenhund“ außer der im Laufe der Monate auftretenden
Brustkorbweitung sehr bald gegenüber dem anderen auch eine Vermehrung
der Blutzahlen aufwies, welche bei etwa 4—6stündiger Maskenatmung zirka
1 Million rote Blutkörperchen und etwa 12°/, Hamoglobin mehr ergaben,
und welche bei 7—8stündigem Maskengebrauch auch noch weiter zunahmen.?
(S. die Blutkurven p. 320.)
Ebenso deutlich und ohne weiteres einleuchtend ließ sıch der größere
Blutreichtum des einen Hundes durch Betrachtung der Schleimhäute erkennen.
Die Wangenschleimhaut, das Zahnfleisch etc. zeigten dauernd eine viel inten-
sivere rote Färbung; ebenso war die Ohrhaut dunkler rot und von stärker
gefüllten Gefäßen durchzogen, und auch die Augenbindehäute ließen den
Unterschied im Blutreichtum beider Geschwistertiere gut erkennen. (S. d. Farben-
photographie). i
Diese Wirkung der Saugmaske auf die Blutbildungsorgane ist von anderen
Seiten wiederholt bestätigt. |
Grober berichtete auf dem Kongreß für innere Medizin in Wiesbaden (1907)
von (nachher auch ohne Makse anhaltenden) Vermehrungen der Blutkörperchen
und des Hámoglobins bei blutarmen und bleichsiichtigen Mädchen. Aron
prüfte im tierphysiologischen Institut der Tierärztlichen Hochschule auf Ver-
1) Gegenüber dem Höhenklima hat die Erythrozytenvermehrung unter der Saugmaske,
wie ich a. a. O. ausführte, „den Vorzug, daß die Kranken in der Ebene cinerseits der Schwierig-
keiten der Akklimatisation überhoben sind und andererseits durch die zahlreicheren Erythro-
zyten die sauerstoffreichere Luft der Ebene besser ausnützen können. Dadurch verlangsamt sich
dann die Atmung, und es resultiert, was bei Tuberkulóscn besonders wichtig ist, cine Schonung
und ‚Ruhigstellung‘ der Lungen, wie sie in der dünnen Luft des Höhenklimas natürlich nicht er-
reichbar ist.‘
2) Auch bei dem Hunde zeigte sich, daß bei sehr stark behinderter Atmung, wie ich be-
reits bei den Patientenzählungen geschildert habe, in den Hautkapillaren die Zahl der Blut-
körperchen manchmal bis auf 3—2 Millionen im Kubikmillimeter abnahm. Die peripheren Teile,
Ohr usw., waren dabei infolge der Wegsaugung des Blutes nach den inneren Organen gewöhnlich
ganz kalt anzufühlen. Die Kurve ist deshalb aus Zählungen zusammengestellt, welche morgens
vor der Maskenatmung vorgenommen wurden.
E ZEITSCHR. f.
E. KUHN. TUBERKULOSE
anlassung des Herrn Geheimrat Zuntz an einer Reihe von Versuchshunden
die Ergebnisse nach und fand sie bestätigt.')
Ebenso sah Stolzenburg bei Tuberkulösen der Heilstätte Slawentzitz
und Stähelin auch bei den ambulatorisch behandelten, anämischen und
chlorotischen Patienten der ersten medizinischen Charitépoliklinik z. T. recht
beträchtliche Zunahmen der Zahlen der roten Blutkörperchen und des Hämo-
globins,!) welche auch nach Aussetzen der Maskenbehandlung nur wenig sanken,
und in keinem Falle ganz vermißt wurden.
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Kurve I. ——————— rote Blutkörperchen. ------- Hämoglobin.
Kurve der Vermehrung der roten Blutkórperchen und des Hämoglobins durch die Saugmaske bei
einem Hund. (Gewichtszunahme i, d. Zeit: 18—191/, Pfund.)
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Kurve IL. —- - rote Blutkörperchen. ------- Hämoglobin.
Kontrollkurve bei dem Geschwisterhund desselben Wurfes. (Gewichtszunahme i. d. Zeit: 18!/, bis
19 Pfund.)
(Obige Kurven geben nur einen Teil der mehr als 5 Monate lang aufgenommenen Blutkurven wieder.)
Auch Herr Geheimrat Senator ermächtigt mich mitzuteilen, daß er bei
allen in seiner Klinik mit der Maske behandelten Kranken, bei denen Blut-
untersuchungen vorgenommen wurden, eine Vermehrung der Blutzahlen fest-
stellen konnte.?)
me ~ —- —
1) Noch nicht publiziert, nach einer múndlichen Mitteilung.
2) Mit Plesch habe ich auch begonnen, Bestimmungen der Gesamtblutmenge usw. vorzu-
nehmen; doch haben diese Untersuchungen, abgesehen von einer Vermehrung des Sauerstoffbindungs-
vermögens im Volumenprozent des Blutes, ein bestimmtes Ergebnis noch nicht gehabt, zumal, da
zunächst an zahlreichem Material erprobt werden muß, ob sich mit der Kohlenoxyd- und Kochsalz-
LA
lo
sc
RE 4. BEHANDLUNG MIT LUNGEN-SAUGMASKE.
Auf die Wichtigkeit einer so einfachen Methode zur Blutvermehrung brauche
ich hier nicht näher einzugehen. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß gerade
bei Tuberkulösen die Bekämpfung der Blutarmut vielfach Schwierigkeiten
macht, da die innerlichen Mittel oft versagen,!) und wegen der ohnehin auch
schon im Beginne des Leidens häufig vorhandenen Magenstörungen kontra-
indiziert sind.
In einer früheren Arbeit habe ich auch bereits ausgeführt, daß anderer-
seits der bei diesen Kranken so häufig vorhandene Appetitmangel bei der
Möglichkeit reichlicherer Bereitung von Galle und anderen Verdauungssäften
aus den vermehrten Blutelementen gut beeinflußt werden kann, wie ich das
öfters in ganz eklatanter Weise gesehen habe. Die so notwendige reich-
lichere Ernährung des Phthisikers wird oft überhaupt erst möglich,
wenn die Blutarmut und der dadurch bedingte Mangel an Verdauungs-
säften behoben wird.)
Die Wichtigkeit der vermehrten Produktion weißer Blutkörper-
chen, welche infolge des Reizes der verminderten Sauerstoffspannung auf das
Knochenmark die Erythrozytenvermehrung beim Gebrauch der Maske begleitet
und welche, wie ich hier nachtragen möchte, auch durch Römisch (Arosa) im
Hohenklima *) festgestellt wurde, bedarf ebenfalls keiner näheren Erörterung,
denn die Bedeutung der Leukocyten als Schutzorgane gegen eingedrungene
Bakterien ist durch Metschnikoff und neuerdings durch Wright u.a. genügend
hervorgehoben. Ich möchte deshalb nur darauf hinweisen, daß die Erhöhung
des „opsonischen Index“, welche sich in mehreren Fällen bei Patienten unter
der Maskenanwendung feststellen ließ, und welche in erster Linie wohl durch
„Auto-inokulation“ infolge der innigeren Berührung der Krankheitsprodukte
mit dem Blut bei der Hyperämie zu erklären ist, wahrscheinlich auch durch
die Anregung des Leukocytenapparates noch gesteigert wird.
Schließlich muß ich noch zwei Wirkungen der Saugmaske hervorheben,
welche sich physiologisch — ähnlich der „Bergkrankheit“ in größeren Höhen —
aus der geringeren Sauerstoffspannung des Gehirns (infolge Wegsaugung des
Blutes vom Gehirn bezw. einer allgemein verminderten Sauerstoffspannung)
ergeben. Die eine ist ein Gefühl der Müdigkeit und Schlafneigung.‘)
infusionsmethode einwandsfreie Resultate erzielen lassen. Natürlich würde sich auch mit diesen
Methoden nur die im gesamten Blutgefäßröhrensystem enthaltene Flüssigkeitsmenge, nicht aber deren
Zusammensetzung aus den einzelnen Blutelementen ermitteln lassen. Es soll deshalb an einigen
Versuchshunden demnächst auch noch die Gesamthämoglobinbestimmung durch Auswaschen nach
Welker vorgenommen werden.
1) Zudem wirkt das Arsen nach Jacobj wahrscheinlich auch erst auf dem Umwege durch
Blutkörperchenzerfall und dadurch bedingten Sauerstotfmangel.
3) Wahrscheinlich ist ferner auch die Beförderung der Darmzirkulation und -Resorption
durch die allgemeine Beförderung des Lymphstromes unter der Saugmaske von nicht zu unter-
schätzender Bedeutung für die Hebung des Appetites und Stoffwechsels.
3) Römisch, Festschrift zum 650 jährigen Bestehen des Stadtkrankenhauses Dresden. Dres-
den 1899.
4) Zuntz erklärt die analoge Erscheinung bei der Bergkrankheit ebenfalls durch O,-Mangel
des Gehirns, und diese Erklärung erscheint nach den Ausführungen von Zuntz entschieden plau-
sibler als die von Mosso früher versuchte Erklärung durch verminderte CO,-Spannung, für welche
Mosso bekanntlich den Ausdruck ,,Akapnie™ geprägt hat. Näheres siehe Zuntz usw. „Höhen-
klima und Bergwanderungen“, Berlin 1906 und Mosso, „Der Mensch auf den Hochalpen“,
Leipzig 1899.
E ZEITSCHR. f.
322 e E. KUHN. y TUBERKULOSE
Die Abbildung fs. u.) zeigt, wie ein Versuchstier selbst in der unbequemsten
Stellung, in Gurten hängend, nach kurzer Zeit unter der Saugmaske fest ein-
schläft. Als zweite Wirkung zeigt sich dabei eine ganz erhebliche Verlang-
samung der Atmung oft bis auf 7 oder gar 6 Atemziige in der Minute,
welche (ebenfalls analog einem Symptom der Bergkrankheit) als eine Wirkung
der verminderten Sauerstoffspannung auf das Atemzentrum des Nervus vagus
aufzufassen ist. (Siehe Mosso a. a. OD
Wenn man den Hund dann aufrüttelte, war er nach dem Erwachen nicht
etwa benommen, sondern sofort sehr munter, ein Zeichen, daß nicht Kohlen-
säure-Intoxikation oder dergl. die Ursache des Schlafes war. Mosso hat die
analoge Wirkung bei der Bergkrankheit auch mit der des Morphiums verglichen,
durch welches ja auch eine starke Blutleere des Gehirns erzeugt wird.
Hund unter der Saugmaske schlafend.
Die Atemzüge gehen bis auf 6—7 in der Minute herunter, (Wirkung der Gehirnanämie.)
Diese Schlaf erzeugende Wirkung der Maske, welche von den
Patienten als sehr wohltuend empfunden wird, ist nicht allein bei Zu-
stinden von Schlaflosigkeit willkommen, sondern sie erleichtert auch die An-
wendung des Verfahrens insofern, als die Kranken ruhig liegen und die
Langeweile, welche mit einer Liegekur naturgemäß verbunden ist, weniger
empfinden.
Ich habe mich anfangs gewundert, daß beim Gebrauch der Maske ver-
hältnismäßig wenige das Bedürfnis haben zu lesen oder dergl., bis ich merkte,
daß die Kranken infolge des eintretenden Müdigkeitsgefühles in der Regel lieber
jede Beschäftigung unterlassen.
Die Verlangsamung der Atemzüge, welche auch bei den Kranken
1) Weitere Symptome, wie sie bei schwereren Formen der „Bergkrankheit“ in der Höhe
vorkommen, z. B. Speichelfluß und Erbrechen, kann man beim Versuchstier unter der Maske eben-
falls beobachten, wenn man die Einatmungserschwerung sofort sehr stark vornimmt, ohne das Tier
allmählich daran zu gewöhnen, Bei den Patienten bleiben diese Symptome natürlich aus, da sie
stets ganz allmählich mit der Einatmungserschwerung vorgehen und zu starke Behinderung der
Einatmung jederzeit vermeiden können,
De 4. BEHANDLUNG MIT LUNGEN-SAUGMASKE. 323
manchmal bis auf 8 oder 7 in der Minute herabgehen (s. a. Stolzenburg
a. a. O.) ist schließlich als ein weiteres, die „Ruhigstellung“ der Lunge
förderndes Moment von Wichtigkeit. Und da hierbei ätiologisch eine Ver-
ringerung der Atmungsreize eine Rolle spielt, läßt sich diese Wirkung besonders
bei Komplikation mit Asthma und natürlich auch bei reinem Asthma
bronchiale verwerten. Die Atemnot wird dabei nicht nur durch die bessere
Übung der Brustmuskulatur, durch die Erzwingung der Nasenatmung und eines
physiologisch richtigen Atemrhythmus behoben, sondern die einzelnen asthma-
tischen Anfálle werden auch durch die Herabsetzung der Wagusreize oft in
kurzer Zeit unterdrückt.
Nach der im vorhergehenden geschilderten physiologischen Gesamtwirkung
der Saugmaske, ist es einleuchtend, daß schädigende Einflüsse mit diesem
Verfahren nicht verknüpft sind. Dieses wurde auch bereits in der Debatte
im Verein für Innere Medizin, Berlin 1906 von Exz. v. Leyden und anderen
hervorgehoben und auch Senator, Stähelin, Fürbringer (Braunschweig),')
Stolzenburg usw. haben übereinstimmend bekundet, daß sie niemals irgend-
welche ungünstigen Nebenwirkungen gesehen haben.
Auch subjektiv empfinden die Kranken keinerlei Beschwerden, so daß es
in der Regel eher nötig ist, sie vor allzu eifrigem Gebrauch der Maske zurück-
zuhalten als sie dazu zu ermuntern. |
Ich habe bisher in der Charite im ganzen 75 Patienten mit der Saugmaske
behandelt. Davon scheiden 20 aus, da sie schon mit ganz schwerer, hoffnungs-
loser Darm- und Lungentuberkulose im allerletzten Stadium ins Krankenhaus
kamen. | Ä
Auch bei diesen habe ich prinzipiell die Maske angewandt, um zu beweisen,
daß sie kein Lungenbluten bekämen, und daß keine sonstigen schädlichen Ein-
wirkungen auftreten würden. In keinem Fall hat das Verfahren irgendwie
geschadet, sondern auch bei diesen Kranken verminderte sich Atemnot, Husten-
reiz, Auswurf usw., und sie fühlten sich subjektiv in der Regel so erleichtert,
daß sie manchmal bis wenige Tage vor ihrem Tode die Maske gebrauchten.
Von den anderen 55 Patienten, die in Betracht kommen, gehörten dem
I. Stadium 26 Patienten, dem II. 12 und dem III. 17 an. Von diesen zusammen
hatten 76°/, bazillenhaltigen Auswurf. Verschiedene litten gleichzeitig an Kehl-
kopftuberkulose, Ohrentuberkulose usw.
Die Bazillen resp. der Auswurf waren am Schluß der Behandlung
bei 71°/, der Fälle verschwunden, im I. Stadium sogar bei ca. 90°/).
Alle Patienten mit einer einzigen Ausnahme (im III. Stadium)
nahmen an Gewicht zu, und zwar durchschnittlich in der Woche um
ca. 0,69 Pfund bei gewöhnlicher Charitékost. Dabei hatten rund 82%,
dieser Kranken febrile Temperaturen, nur 10 waren fieberfrei.
Trotzdem also das Krankenmaterial schwerer als in den Heilstätten war
(eine Reihe dieser Kranken war sogar von Heilstätten zurückgewiesen), sind die
Resultate besser, als sie beispielsweise Goetsch unter nur fieberfreien
1) Verein für Naturwissenschaft, Braunschweig, Sitzung 19. Dez. 1907.
E ZEITSCHR. f.
E. REIN: p TUBERKULOSE
Patienten der Heilstätte Slawentzitz !) mit seiner Tuberkulintherapie kleinster
Dosen erreichte, wobei er trotz der hygienisch viel günstigeren Verhältnisse nur
cine durchschnittliche Gewichtszunahme von 0,67 Pfund in der Woche erzielte.
(Ich habe auch eine größere Reihe anderer Patienten ambulatorisch
behandelt, doch sind in dieser Statistik absichtlich nur die in der Klinik genau
beobachteten Fälle ausgeführt.)
Außer dem Schwinden des Auswurfes und der Bazillen sowie der Zunahme
des Körpergewichtes sind natürlich noch weitere Symptome der Besserung zu
bemerken.
Abgeschen von dem subjektiven Wohlbefinden, der Besserung der
Atmung, der Abnahme der Atem- und Pulsfrequenz, dem Aufhören
der Nachtschweiße, des Fiebers usw. beobachtet man meist sehr bald ein
frischeres Aussehen der Kranken infolge der Blutverbesserung.
Der Hustenreiz schwindet (ebenso wie der Auswurf) in allen Fällen
sehr rasch, außer bei frischer trockener Pleuritis, wo durch den anders
gerichteten Zug an der Pleura bei der ungewohnten kostalen Atmung anfangs
der Hustenreiz manchmal stärker wird. Aber auch in diesen Fällen wende ich
die Maske jetzt stets weiter an, da ja auch das Brustfell dem negativen Druck
und damit besserer Durchblutung und Vernarbung unterliegt, und da der
pleuritische Reizzustand durch die schneller eintretende Vernarbung sehr bald
beseitigt wird, wie sich aus dem Verschwinden der Reibegeráusche, des
Hustens usw. ergibt.
Fast regelmäßig habe ich dann unter weiterer Behandlung mit der Saug-
maske-später auch die Funktion des Zwerchfells durch Lösung der Ver-
wachsungen sich in verhältnismäßig kurzer Zeit wiederherstellen oder
erheblich bessern gesehen.
Daß mit dem Husten und Auswurf auch die Rasselgeräusche schwinden,
ist die Regel; doch ist es nicht möglich, in allen Fällen die feinen katarrhalischen
Geräusche in den erkrankten Herden und die Disposition zu lokalisierten
Katarrhen binnen wenigen Monaten oder gar Wochen zu beseitigen. Dazu
gehört eine bindegewebige Abkapselung und Durchwachsung der Herde mit
Narbengewebe, welche Monate, manchmal selbst Jahre erfordert. Es ist des-
halb nötig, und ganz besonders in den Fällen, in denen die gesamten Brust-
korbverhältnisse durch Ausbildung der Atemmuskulatur, durch Weitung und
Beweglichmachung des Thorax usw. erst umgestaltet werden müssen, wo Blut-
armut und Appetitmangel den Stoffansatz und die Produktion der natürlichen
Schutzmittel hintanhalten, wo die Herzkraft und der Blutumlauf darniederliegen,
bis zum vollen Erfolg das Verfahren über Monate, ja selbst Jahre
hinaus anzuwenden.’)
1) S. Beitr, z. Klinik d. Tub, 1908, Bd. 2, Heft 1.
2) Zu berücksichtigen ist ferner, daß bei diesem Verfahren die Hyperiimie keine rein me-
chanische ist, sondern daß sie sich der Patient durch ein Training seines Brustkorbes und seiner
Muskulatur erst verschaffen muß. Deshalb sind zunächst 1—2, manchmal selbst 3—4 Wochen zur
Übung notwendig, che die Saugmaske ihre Wirksamkeit voll entfalten kann, Eine nur wenige
Wochen dauernde Anwendung dieses Verfahrens kann wohl das Blutbild beeinflussen, den Appetit
heben, asthmatische Beschwerden lindern usw., doch ist zur Ausheilung tuberkulöser Herde unbe-
dingt eine längere Behandlungsdauer nötig.
ás BEHANDLUNG MIT LUNGEN-SAUGMASKE. 325
E o Pe = ES BERN
Es ist selbstverständlich, daß das hygienisch-diätetische Verfahren auch
bei dieser Behandlungsmethode als die Grundlage anzusehen ist; ich glaube
jedoch, daß die Behandlung mit der Saugmaske das hygienisch-
diätetische Verfahren, besonders was Dauererfolge anlangt, noch
weit besser gestalten wird, schon allein aus dem Grunde, weil bisher aus
Mangel an einem geeigneten unschädlichen Verfahren der Atemgymnastik für
die so notwendige Kräftigung und Ausbildung der Atmungsorgane so gut wie
nichts geschah.
Zum Schluß weise ich darauf hin, daß auch in anderen Heilstätten usw.
mit dem Verfahren gute Erfolge erzielt wurden. Besonders möchte ich hier
den Jahresbericht von 1908 der Heilstätte Slawentzitz unter Stolzenburg
hervorheben, nach welchem dort 106, d. i. mehr als ein Drittel aller in den
letzten fünfviertel Jahren zugegangenen Patienten, mit der Maske behandelt
worden sind. Wie ich der Statistik!) entnehme, sind die Gesamterfolge, wenn
man die Gewichtszunahmen (0,68 Pfund in der Woche) als zwar nicht aus-
schlaggebenden, aber sicher objektivsten Indikator ansieht, noch besser als sie
dort Goetsch unter nur fieberfreien Patienten erzielte.
Wenn man ferner demgegenüber die an erheblich ungünstigerem
Material im Charitékrankenhause, welches den Patienten natürlich nicht an-
nähernd die hygienischen Vorteile der Heilstätte bieten kann, unter aus-
schließlicher Behandlung mit der Maske erzielten Resultate betrachtet, so
ergibt sich, daß (wiederum unter Zugrundelegung der Gewichtszunahmen,
0,69 Pfund in der Woche) die in der Charite erzielten Resultate die der
Heilstätte sogar noch übertreffen.
Da nun ferner durch die Maskenbehandlung die Brustorgane eine
dauernde Umformung in günstigem Sinne erfahren und da diese einfache
und den Kranken leicht verständliche und sympatische Behandlungsmethode °)
auch zu Hause jederzeit beliebig lange fortgesetzt werden kann, so dürfte der
Nutzen des Verfahrens einleuchtend sein.
1) Beitr. z. Klinik d. Tub. 1908, Bd. 2, Heft 1. Zusammenstellung von Dluski.
2 Es ist mir niemals vorgekommen (ebenso wie dieses auch v. Leyden, Senator,
Stolzenburg, Stähelin u. a. angeben), daß die Patienten diese Behandlungsmethoden als unan-
genehm empfunden hätten.
KC ZEITSCHR. f.
326 o g F. KOHLER, Bu TUBERKULOSE
XXI.
Kritische Abhandlung zur Theorie und Praxis der Ophthalmo-
reaktion nebst Literaturverzeichnis bis 1. September 1908.
Von
Chefarzt Dr. F. Köhler,
Heilstätte Holsterhausen-Werden bei Essen, Ruhr.
Air haben in der Konjunktivalreaktion eine biologische Erscheinung
Al von Interesse zu begrüßen, deren Einzelheiten in Verbindung mit der
"EM Frage der Wirkungen des Tuberkulosegiftes im menschlichen Orga-
nismus noch nicht als geklärt gelten können, die aber geeignet sein dürfte, bei
wciterer biologischer Durchforschung fördernde Erkenntnisergebnisse, speziell
für die Frage der Cellularbiologie bei Infektionskrankheiten, zu liefern.
Die meisten Autoren nehmen an, daß unter dem Einflusse der tuberku-
lösen Infektion des Körpers eine Überempfindlichkeit der Konjunktivalzellen
hervorgerufen wird und eine lokale Antikörperbildung in der Konjunktiva statthat.
Im Gedankengange der Wassermann-Bruckschen Theorie, gegen welche
übrigens neben Weil und Nakajama, Morgenroth und L. Rabinowitsch,
neuerdings Cohn!) sowie Weil und Strauss?) gewichtige Einwände erheben,
würde zutreffendenfalls die unter dem Einflusse der tuberkulösen Infektion des
Körpers erregte Überempfindlichkeit der Konjunktivalzellen und eine lokale
Antikörperbildung in der Konjunktiva mit dem Nachweis von Antituberkulin
einherzugehen haben. Dieser fehlt bisher.
Infolgedessen liegt die Ursache der konjunktivalen Entzündungsprozesse
bei der Ophthalmoreaktion noch nicht klar zutage. Bisher ist man nach unseren
Erfahrungen der Antitoxinbehandlung beim Tetanus und bei der Diphtherie
geneigt, nach dem Zusammentritt von Toxin und Antitoxin auf einen Aus-
gleich, einen Nivellierungsprozeß, nicht aber auf einen Entzündungsprozeß zu
rechnen.
Sieht man zunächst einmal von den Antituberkulinideen ab, so drängt
sich die Frage auf, ob nicht das Tuberkulin allein schon als corpus alienum,
oder spezieller als Bakterieneiweiß, eine Konjunktivalreizung hervorzurufen
imstande ist. In der Tat haben Smithies und Walker?) destilliertes Wasser
an und für sich schon für ein Irritans der Konjunktiven erklärt und auch gegen
Glyzerin als Vehikel sind in diesem Sinne Bedenken geltend gemacht worden.
Wenn Franke‘) als Suspensionsmittel Thymol vorgeschlagen hat, so hat eben-
falls allen weiteren Studien mit dieser Auflösung der exakte Nachweis voraus-
zugehen, daß das Lösungsmittel allein durchweg als nicht irritierend anzusehen
ist. Gewiß kann man annehmen, daß wohl meist die Vehikel, die ich anführte,
als indifferent angesehen werden können, indessen für den einzelnen Fall, bei
dem speziell die Reaktion des Auges für weitere Zwecke maßgebend sein soll,
1) Cohn, Berl. klin. Wchschr. 1908, Nr. 28,
2 E. Weil u. Strauß, Wien. klin. Wchschr. 1908, Nr, 29.
8) Smithies u. Walker, Journ. of the Amer, med, assoc. 1908, vol, 50, no, 4.
‘) Franke, Dtsch. med. Wehschr, 1907, Nr. 48.
o TE KRITISCHE ABHANDLUNG ÜBER OPHTHALMOREAKTION. 327
ist doch dieser Frage besondere Aufmerksamkeit zu schenken, da nach allge-
meiner Erfahrung die Konjunktiven äußerst verschiedenartig auf herantretende
Reize zu reagieren pflegen. Man denke nur an Windzugeinwirkungen oder an
die Einflüsse bei Wasserapplikationen, die bei „Leichtempfindlichen‘ leicht
Konjunktivalreizungen verursachen, oder auch an gelegentliche Augenentzündungen
nach Sonnenbestrahlungen im Sonnenbade oder bei einer Schneepartie, wobei
sich die Konjunktiven der einzelnen Menschen als sehr verschiedenartig irritier-
bar erweisen. Serafini,!) welcher eine große Zahl von positiven Tuberkulin-
Ophthalmoreaktionen bei Fällen von sicher nicht tuberkulöser Affektion sah,
hebt meines Erachtens mit vollem Recht hervor, daß es träge, unsensible,
ferner auch bei Gesunden hypersensible Konjunktiven gebe.
Bringen wir ferner die Erklärung Wolff-Eisners,?) daß in jedem Tuber-
kulin sich Bazillensplitter befinden, mit den Ergebnissen der Nösske schen?)
Untersuchungen, nach denen abgetötete Tuberkelbazillen Infiltrationsgewebe
und Abszesse (ohne Bazillenbefund) hervorrufen können — auch Daels*%) hat
sich in diesem Sinne ausgesprochen —, in Zusammenhang, so liegt hierin für
manche Fälle eine eventuelle Erklärung für die Ophthalmoreaktion, deren Er-
örterung sich zum mindesten lohnen dürfte, ehe man mit Sicherheit in den
Gedankengängen der Antituberkulinbildung im Sinne Wassermanns die Lösung
gefunden zu haben überzeugt sein darf.
Weiterhin legen die interessanten Feststellungen von Cohn,f der bei
12 Typhösen 8 mal positive Ophthalmoreaktion auf Tuberkulin fand, den Ge-
danken nahe, daß bei gewissen Krankheiten eine Überempfindlichkeit
gegen Bakterieneiweiß besteht. Die Beobachtung Cohns findet ihre Be-
statigung durch Courmont,®) der fast immer bei Typhus positive Ophthalmo-
reaktion auf Tuberkulin gefunden hat, und ihm reiht sich Arloing?”) an, der
gleiches bei sekundärer Syphilis beobachtete, sowie Dufour,®) welcher geneigt
ist, eine Uberempfindlichkeit der Konjunktiva in Verbindung mit eruptiven
Affektionen, wie Erysipel, Urticaria etc., zu setzen.
Wenn demgegenüber Calmette?) behauptet, die Typhösen (mit positiver
Tuberkulin-Ophthalmoreaktion) seien gleichzeitig sicher tuberkulös, so fehlt
dieser Erklärung doch jedes Beweisgewicht.
1) Serafini, Med. Akademie zu Turin, 15. XI. 1907.
2) Wolff-Eisner, Brauers Beitr. Bd. 9, Heft 1. Würzburg 1908,
3 Nösske, Med. Klinik 1908, Nr. 16.
D Daels, Med. Klinik 1908, Nr. 2.
$) Cohn, Berl, klin. Wehschr. 1907, Nr. 47.
6) Courmont, Soc. méd. höpit. de Lyon, 12. XI. 1907.
7) Arloing, Soc. méd. höpit. de Lyon, 3. XII. 1907.
8) Dufour, Étude clinique sur l’oculoreaction à la tuberculine, p. 50: «— nous voulons
encore parler de «deux cas que nous avons observés et où le caractère particulièrement intense de
la reaction nous a paru tenir à une ‘sensibilisation’ de la conjonctive, conséquence peut-ctre d'une
affection éruptive des téguments. Il s’agit dans le premier cas d'un trysipèle de la face, et dans le
second, d'une poussée d'urticaire géant.» — p. 51: «ll est peut-ótre permis de faire un rapproche-
ment entre ces réactions et celles qu'Arloing a constatées chez des syphilitiques en pleine efflores-
cence secondaire (plaques muqueuses, roséoles, etc.) Pensant bien, qu'il ne s'agissait pas dans nos
cas d'une coïncidence fortuite, nous nous sommes abstenus dès lors de pratiquer Poculoréaction
dans tous les cas où il existait une affection éruptive (scarlatine, varicelle, rougeole, impétigo, etc.)»
9) Calmette, Bull. méd., 15. I. 1908: «Le bacille typhique n’est peut-ctre virulent que sur
les sujets porteurs de lésions tuberculeuses dans leur système lymphatique.»
e RE ZEITSCHR. f.
_ 328 _ nn = Be. a : ___ TUBERKULOSE
Aber es reihen sich in diesem Zusammenhange noch weitere wichtige
Beobachtungen an. Bei Cohn?) finden wir den bemerkenswerten Hinweis
darauf, daß Kranke, denen Tuberkulin ins Auge getráufelt war, nach später
vorgenommener subkutaner Tuberkulininjektion stets Rötung des Auges zeigten.
Diese Erscheinung wurde bei den bloß Verdächtigen wie bei sicher
Nichttuberkulösen beobachtet. Im Gegensatze zum Verhalten der Nicht-
tuberkulösen hat die Tuberkulineinträuflung bei Tuberkulösen die Wirkung,
eine allgemeine Überempfindlichkeit hervorzurufen in Gestalt positiver Reaktion
am anderen Auge bei einer späteren Prüfung. Eine lángere Zeit nach der
Linträuflung gemachte subkutane Tuberkulininjektion ist also imstande, die lokale
Reaktion am Auge wieder hervorzurufen, oder, falls sie vorher nicht erfolgt
war, zu erzeugen. Cohn spricht dann schon den Gedanken aus, daß die ein-
malige Einträuflung bei nichttuberkulösen Erwachsenen — nicht bei Säug-
lingen — nach genügend langer Zeit im allgemeinen eine Überempfindlichkeit
des eingeträufelten Auges hervorrufe. Bei Tuberkulösen erstreckt sich die
Wirkung meist auch auf das andere Auge.
Im Mittelpunkte dieser Gedanken steht also die unter bestimmten Um-
ständen hervorzurufende Uberempfindlichkeit der Konjunktiva. Wenn nun bei
der Mehrzahl der Tuberkulósen eine 1%,ige, ja schon geringere Lösungen
genügen, um eine Konjunktivalreaktion auszulösen, während bei Gesunden diese
Konzentrationen meist indifferent sind, so kann von einer allgemeinen che-
mischen Reizung der Konjunktiva in weitem Sinne, ohne daß Besonderheiten
für Tuberkuloseinfizierte und wahrscheinlich auch andere Kranke existierten,
nicht die Rede sein.
Wendet man aber bei Gesunden kurz hintereinander steigende Instillations-
dosen an, so reagieren auch Gesunde. Eine gewisse chemische Empfindlich-
keit des Auges gegenüber Tuberkulinlösungen besteht also auch bei Gesunden.
Indessen bei Tuberkulösen scheint diese Konjunktivalempfindlichkeit größer
zu sein.
Sie ist zweifellos endogen-toxischen Ursprunges. Wir wissen nun, daß
bei Gesunden sowie bei einer Anzahl Tuberkulöser die äußere Instillation ohne
Wirkung bleiben kann, jedoch daß eine solche bei nachfolgender Injektion,
subkutan, auftreten kann. Es läßt sich dieses Phänomen wohl nur daraus er-
klären, daß die erste Instillation ins Auge lediglich einen latenten Reizzustand
hervorbringt, der indessen bei geringster Veränderung des Blut- und Lymph-
stromes durch subkutan beigebrachtes Bakterieneiweiß in einen Entzündungs-
prozeß übergeht.
Bei Tuberkulösen, deren Organismus vom Tuberkulosegift mehr oder
weniger infiziert ist, besteht vermutlich vielfach bereits eine Überempfindlich-
keit der Konjunktivalzellen endogenen Ursprungs präformiert. Es
genügt nun eine leise Reizung durch Tuberkulin von außen, eine Summa-
tion der einen latenten Reizzustand bedingenden Stoffe in den
Konjunktivalzellen, um Rötung, Schwellung, Entzündung manifest werden
zu lassen.
1) Cohn, Le
9D. XI HEFT4 KRITISCHE ABHANDLUNG ÜBER OPHTHALMOREAKTION. 329
Diese Überempfindlichkeit der Konjunktivalzellen, die ich für die größte
Mehrzahl tuberkulös Infizierter annehme, trägt meines Erachtens noch keines-
wegs ohne weiteres spezifischen Charakter.
A. Fränkel!) meint, daß vielleicht mit bakteriolysierten Bakterienleibern
gesättigte Individuen eine Empfindlichkeit gegenüber jeder Form von Bakterien-
eiweiß erwerben. Diese Annahme hat vielleicht Berechtigung. Die Empfind-
lichkeit könnte cellular-chemisch oder toxisch-vasodilatatorisch,
möglicherweise auf centralem Wege bedingt sein, worauf ich noch zu-
rückkomme.
Wir konstatieren bei Masern z. B. eine solche Überempfindlichkeit der
Konjunktiva in Gestalt eines nie versagenden Symptomes der Krankheit. Es
gehört die endogen-toxisch bedingte Reizung der Konjunktivalzellen bis zur
Entzündung zum Krankheitsbilde Der ausführlich berichtete Fall Dufours?)
von Tuberkulinophthalmoreaktion bei Erysipel 2 Stunden nach der Instillation
läßt kaum eine andere Annahme zu, als daß unter dem Einflusse der Erysipel-
infektion die tuberkulös bedingte Überempfindlichkeit der Konjunktiva überaus
gesteigert war. Auf die besondere Eigenschaft verschiedenartiger Infektions-
prozesse, eine Konjunktivalüberempfindlichkeit hervorzurufen, ist ebenso zurück-
zugreifen, wenn man die Reaktion der Typhösen wie Syphilitischen auf Bak-
terieneiweiß (speziell Tuberkulin) verstehen will.
. Schon in der Diskussion zu F. v. Müllers Vortrag auf der V. Tuberku-
loseärzteversammlung in München 1908 habe ich angeregt, zu untersuchen,
wie sich eine Deuteroalbumoseninstillation verhalten würde in ihren Wirkungen
auf die Konjunktiva Gesunder und Tuberkulöser. Zurzeit scheint Dufour’)
in dieser Richtung bereits tätig zu sein. Andere naheliegende Untersuchungs-
fragen ergeben sich aus unseren Ausführungen von selbst.
Es beruht keineswegs die Entzündung jederzeit auf Toxin- und Anti-
toxinzusammentritt. Es besteht auch für die Erscheinung der Ophthalmo-
reaktion die Möglichkeit, daß sie durch eine Zellenüberempfindlichkeit
zustande kommt in ähnlicher Weise, wie etwa die Rachenzellen eines passio-
nierten Rauchers leichter zu Halserkältungen neigen können, wie die des Nicht-
rauchers. Bei den Infektionskrankheiten würde die Überempfindlichkeit auf
einen endogen bedingten Ursprung zurückzuführen sein.
Nach diesen Hinweisen bedarf es also meines Erachtens in der Ophthalmo-
reaktionfrage der Lösung des Problems: Beruht die Ophthalmoreaktion
auf einem entzündungerregenden Zusammentritt von Tuberkulin
und Antituberkulin (was ich für sehr unwahrscheinlich halte), oder aber
1) Zit. nach Wolff-Eisner, Brauers Beitr, z. Klinik d. Tub. Bd. 9, Heft 1.
? Dufour, l. c., p. 50: «Mile. A., 26 ans, entrée dans le service le 4. XI. pour un ery-
sipèle très bénin de la face. Tp. 38,1% Le surlendemain déjà, la malade était apyrétique, et toute
trace d’erysipéle avait complètement disparu, L'existence d'un rétrécissement mitral dystrophique,
avec sommet gauche, motivait l’épreuve de l’oculoréaction, qui est pratiquée le 9 Novembre, Deux
heures après déjà, la réaction s'annonce exceptionellement intense; maximum d'intensité le 11.
L'œil gauche présente les symptômes classiques de la conjonctivité aigue: état papillaire de la con-
jonctive palpébrale, fort chemosis, flocons fibrineux abondants dans le cul-de-sac inférieur. Examen
bactériologique: staphylococces blancs. Tp. 38°. Les phénomènes commencent à s’amender, mais
lentement, a partir du 12,
$) Dufour, ibidem, p. 39, Anmerkung 1.
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIII. 22
330 Fe KONTER, TUBERKULOSE
auf einer Entzündung auf Grund von Zellenüberempfindlichkeit der
Konjunktiva gegenüber einer chemischen Noxe und steht diese stets
in einem Antipodenverháltnisse zur Infektion des Organismus, oder
kann sie im allgemeineren Sinne als Bakterieneiweiß charakterisiert
werden?
Es liegt auf der Hand, daß die Aufklärung dieser Dinge recht wichtige,
theoretisch interessante, wie praktisch wertvolle Ergebnisse für die Infektions-,
wie Immunitätslehre bringen wird. Die Anregung zu diesen biologischen
Fragen gegeben zu haben, ist zweifellos ein Verdienst, das der neuen Reaktion
zuzuschreiben ist.
Letztlich ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Auffassung
der Ophthalmoreaktion, daß ihre Beweiskraft fir den streng spezifischen
Charakter bisher durch den Tierversuch nicht sicher und zuverlässig gestützt
ist. Wenn Vallée,!) von dem übrigens der Ausdruck ,, Ophthalmoreaktion“
zuerst gebraucht ist, an einem größeren Tiermaterial die diagnostische Be-
deutung der Erscheinung bestätigt zu haben glaubte und auch Ligniéres?)
von zuverlässigen Resultaten an 200 tuberkulösen Rindern berichtete, so be-
zweifelte Arloing* auf Grund von Tierversuchen den Wert der Reaktionen,
und auch loannovics und Kapsammer,*) ähnlich auch Levy?) bei Hunden,
konnten nur das völlige Versagen derselben im Tierexperiment feststellen.
Nach diesen vorliegenden Veröffentlichungen ist also die tierexperimentelle
Grundlage noch keineswegs gegeben.
Auch muß die Kontrolle der Ergebnisse der Ophthalmoreaktion in vivis
durch Autopsie gewichtige Aufschlüsse geben. Es liegen in dieser Beziehung
eine Reihe von Angaben vor, die ebensowenig das volle Zutrauen zur Zuver-
lässigkeit der Reaktion rechtfertigen. Ich erwähne nur, daß Klieneberger?),
der ein großes Material der Ophthalmoprüfung unterzog, unter 28 Sektionen in
3 Fällen völliges Fehlen von Tuberkuloseerscheinungen konstatierte, bei denen
zu Lebzeiten die Ophthalmoreaktion positiv gewesen war. Außerdem bot ein
Fall die Zeichen ausgeheilter Tuberkulose, der zu Lebzeiten positiv reagiert
hatte. Bourget”) erhob bei 3 Fallen mit positiver Reaktion negative Au-
topsiebefunde.
So darf es nicht Wunder nehmen, daß in den Veröffentlichungen mannig-
fach betont ist, daß klinisch durchaus Tuberkulosefreie in keineswegs geringen
Prozentsätzen positive Reaktionen gezeigt haben. Dufour?*) vermißte bei klinisch
nicht Tuberkulösen zwar meist die positive Reaktion, bei 15%/, aber wurde
positive Reaktion verzeichnet. Klieneberger?) sah bei klinisch Unverdächtigen
1) Vallée, Acad. d. sciences 1907, 3 et 17. VI.; Compt. rend. 1907, t. 144, no. 24.
2) Lignieres, Compt. rend. acad. sc. 1907, t. 145, no. 22.
3) Arloing, Soc. med. höpit., Lyon, 3. XII. 1907; Soc. de biol., 25. I. 1908; Journ. de
physiol. et de pathol. gén. 1908, no. 1.
4) loannovics u. Kapsammer, Berl, klin. Wchschr. 1907, Nr. 45.
5) Levy, Verein f. inn. Med., Berlin, 16. XII. 1907.
6) Klieneberger, Dtsch. med. Wchschr. 1908, Nr. 18.
7) Bourget, Revue méd. de la Suisse Romande 1907, p. 888; Soc. méd., 31. X. 1907.
8) Dufour, Le
9) Klieneberger, Le
"e TT KRITISCHE ABHANDLUNG ÜBER OPHTHALMOREAKTION. 331
23,5°/, positive Resultate. Nach der Tabelle HI von Schenck und Seiffert?)
über 52 Fälle mit klinisch ausgeschlossener Tuberkulose haben von diesen
50°/, reagiert und zwar 5,77°/, auf 1%, Lösung, 21,15°/, auf 2°/, Lösung,
23,08°/, auf 4%/, Lösung. Cohn?) sah bei 192 Nichtverdächtigen bei 1°},
Lösung nach der Instillation 10 positiv, 4 fraglich, 178 negativ reagieren.
Aus diesen kurzen Angaben ist ersichtlich, daß zweifellos eine ganze
Anzahl von Individuen die Überempfindlichkeit der Konjunktiva
gegenüber einer Tuberkulininstillation besitzt, ohne daß es be-
rechtigt wäre, nun auf das Vorhandensein von Tuberkulose zu
schließen. Der Beweis dafür, daß alle solche in Wirklichkeit doch kleine
Tuberkelherde gehabt haben müssen, ist nicht geliefert. Wir werden mit Recht
nicht den Punkt, der zu beweisen ist, als feststehende Voraussetzung nehmen dürfen.
Wenden wir nunmehr den Angaben unsere Aufmerksamkeit zu, welche
den Reaktionsausfall bei Leuten betreffen, die klinisch tatsächlich tuberkulös
gewesen sind, so ist auch hier von einer allgemein befriedigenden Lösung
keine Rede.
Ich’) habe bei 169 klinisch sicher Tuberkulösen bei Positivrechnung
leichtester Rötungen 8 negative Resultate beobachtet. Cohn‘) hatte schon
bei 86 Tuberkulösen 26 Ausfälle, bei leicht- und mittelschweren Tuberkulose-
fällen ca. 6°/, Ausfälle, bei Schwertuberkulösen ca. 50°/, negative Resultate.
Serafini®) vermißte die Reaktion bei sichergestellter Knochen- und Gelenk-
tuberkulose. Klieneberger®) fand bei nachweislich Tuberkulósen nur 63,5%,
positive Resultate. Wollte man nun, im Gedankengange Wolff-Eisners, die
Ausfälle mit dem Fortschritt der Tuberkuloseinfektion des Körpers in Zu-
sammenhang bringen und mit ihm annehmen, daß bei Tuberkulösen des
III. Stadiums die Reaktion nur selten, etwa in 28°/,, auftritt, so liefert die
neueste Arbeit von Röpke’) bei recht gründlicher Versuchsanordnung geradezu
entgegengesetzte Resultate.
Nach Röpke reagieren im III. Stadium konjunktival auf die erste In-
stillation einer 1°/,igen Lösung etwa 50°/,, auf die erste und zweite über 90°/,,
von den ersten Stadien nur etwa ?!/ẹ Bei der zweiten Instillation reagieren
von ersten Stadien rund 44°/,, von den zweiten rund 64°/,, von den dritten
91°/, positiv. Es prävalieren die starken und prompt einsetzenden Reaktionen
bei den manifesten und vorgeschrittenen Stadien. Nach diesen Erfahrungen
erklärt also Röpke logischerweise eine einmalige Instillation für absolut unzu-
reichend. Bei der Wiederholung ergibt sich aber die praktisch verhängnisvolle
Tatsache, daß gewöhnlich auch die inaktiven Herde bei klinisch Gesunden auf-
gedeckt werden.
1) Schenk und Seiffert, Münch. med. Wochschr. 1907, Nr. 46.
N Cohn, Le
5) Köhler, Ztschr. f. Tuberkulose Bd. 12, Heft 1.
#) Cohn, Le
5) Serafini, Le
6) Klieneberger, Le
7 Röpke, Brauers Beitr. z. Klinik d. Tub. Bd. 9, Heft 3. Während der Drucklegung vor-
liegender Abhandlung erscheint an gleicher Stelle eine Erwiderung von Wolff-Eisner, die indessen
gegenüber Röpke doch keine volle Klarheit gebracht hat. Brauers Beitr. Bd. 10, Heft 2.
22*
332 F. KÖHLER. Ro
So ist der Wirrwarr unverkennbar. Daß vollends bei lediglich sus-
pekten Fällen an den Ausfall der Reaktion keine Schlußfolgerungen
geknüpft werden können, ergibt sich nach alledem von selbst.
Es mag nicht unerwähnt bleiben, daß vielleicht in manchen Fällen das
Präparat nicht recht geeignet gewesen sein mag. Das Höchster Präparat ist
ursprünglich wohl wie das Calmettesche zu stark gewesen. Aber dennoch
genügt dieser Einwand keineswegs, um die Resultate in durchweg anderem
Lichte erscheinen zu lassen, besonders wenn man an die zahlreichen sicher
tuberkulösen Fälle denkt, die dennoch keine Reaktion zeigten. In dieser Be-
ziehung sind auch die Mitteilungen von Lipe, Wedd und Hertz!) recht be-
merkenswert. Auch ist nach meiner Erfahrung der Hinweis Siegels?) nicht
unberechtigt, man wisse oft nicht, ob die Reaktion positiv sei, oder nicht. Es
unterliegt zweifellos die Interpretation der Augenerscheinungen nicht selten dem
subjektiven Ermessen. So ist das I. Stadium Letulles?) sicher ein recht
schwankendes Grenzstadium. Letulle unterscheidet: 1. simple rougeur, 2. rou-
geur vive sans exsudat fibrineux, 3. réaction énergique avec exsudat fibrinoide
plus ou moins abondant.
Kann nach diesen Feststellungen begreiflicherweise den weitgehenden
Schlüssen Wolff-Eisners für die Prognose in Verbindung mit dem Ausfall
der Reaktion keinenfalls zugestimmt werden, so miissen weiterhin die Vorschläge,
die man an die Ophthalmoreaktion für die praktische Verwertung, z. B. zur
Ermittelung tuberkulóser Schulkinder etc., gekniipft hat, ablehnend beantwortet
werden.
Ich beschäftige hier mich kurz mit der Frage der Anwendung bei
militärischen Aushebungen.
Nach den vorausgegangenen Ausführungen ist die Zuverlässigkeit der
Reaktion eine zu geringe, als daf man irgendwelche weitgehenden
Schlüsse für praktische Zwecke zu ziehen berechtigt wäre, Ent-
sprechend der berühmt gewordenen Mitteilung von Franz über 60°/, positive
Tuberkulinreaktionen bei subkutaner Einspritzung an dem Material bosnischer
Rekruten wird spáterhin die Angabe Simonins‘) häufig Beachtung finden, daß
er bei neueingestellten Rekruten 40°/, positive Ophthalmoreaktionen beobachtet
hat. Wird man nötig haben, diese 40°/, etwa für den Heeresdienst als un-
brauchbar anzusehen, oder gar unter dem Gesichtspunkte gelungener Früh-
diagnose von Tuberkulose an die Unterbringung in Heilstätten zu denken? —
Ohne Zweifel geht Calmette?) zu weit, wenn er am 14. Januar 1908 in der
Académie de Médecine erklärte: — „que le médecin militaire soit autorisé à
employer cette épreuve. — „Son emploi judicieusement effectué permettrait
de réaliser dans la famille, dans les écoles, dans notre armée nationale, dans
les hôpitaux et dans toutes les collectivités humaines, une sélection, qu'aucun
1) Lipe, Wedd and Hertz, Lancet, no. 4399.
2 Siegel, Laryngol. Ges., Sitzber. Berl. klin. Wehschr, 1908, Nr. 13, p. 672.
3) Letulle, Soc. méd. höpit. Paris, 28. VI. 1907.
4) Simonin, Semaine méd. 1907, no. 48.
5) Calmette, L'ophthalmodiagnostic de la tuberculose et son rôle dans la lutte sociale anti-
tuberculeuse, Bull. méd. 1908, 15 Janvier.
"Te TTT KRITISCHE ABHANDLUNG ÜBER OPHTHALMOREAKTION. 333
autre procédé ne permet d'assurer aussi efficacement, des sujets porteurs de
lésions tuberculeuses en activité.‘
Délorme!) opponierte gegen diese optimistische Auffassung Calmettes
und faßte die Gründe, welche gegen die ausschlaggebende Verwendung im
Heeresdienst sprechen, so prägnant zusammen, daß ich den Originaltext an
dieser Stelle nicht unerwähnt lassen möchte: ‚en apparence précieuse pour le
diagnostic, chez le soldat, des tuberculoses pulmonaires au début, Pophthalmo-
réaction donne lieu communément à des interprétations cliniques et sourtout
médico-légales erronnées, si nombreuses qu’elles contre-indiquent son emploi
par les médecins de l’armée. Les accidents locaux qu’elle provoque du côté
de Poeil, pour rares qu'ils soient, imposeraient encore des réserves à son usage.
Dans un milieu comme l’armée, où par respect pour l’homme, on demande
la suppression des diagnostics écrits sur les billets d'entrée de nos hôpitaux,
il ne semblerait pas permis à un médecin militaire d'infliger à un malade
l’angoisse d'un diagnostic terrible, de la dernière évidence pour lui, vu par lui,
et qui péserait à jamais sur son moral“, —
Ich habe ferner bei meinen zahlreichen Untersuchungen nur zu háufig
die Beobachtung gemacht, daß die Kranken, denen ein Tropfen Tuberkulin
ins Auge instilliert war, nahezu reflektorisch, wenn man nicht dringende An-
weisungen gegeben hatte, mit der Hand oder gar dem Taschentuch an das
Auge herankamen, wodurch bei militärischen Untersuchungen in Anwesenheit
oder Abwesenheit des Arztes nur gar zu leicht artefizielle Konjunktival-
rötungen entstehen können. Schrecken militärscheue Individuen schon nicht
selten vor schmerzhaften Selbstverstümmelungen grausamer Art zurück, um
wieviel leichter würde das Bekanntwerden der Folgerungen aus gerötetem Auge
nach der Tropfeninstillation für die Einstellung in den Heeresdienst einer leichten
Selbstentziehung von diesem Tür und Tor öffnen.
Weiterhin erschweren physiologische Hyperämieen, worauf schon
Röpke aufmerksam macht und was ich nach meinen Erfahrungen voll bestätigen
kann, die konjunktivale Diagnostik.
Gehen wir nun weiter auf die praktische Anwendung der Ophthalmo-
reaktion ein, so ist hervorzuheben, daß, unter Berücksichtigung der eingangs
besprochenen gar nicht so seltenen Ausfälle der Reaktion trotz vorhandener
Tuberkulose, bei zweifelhaftem klinischen Tuberkulosebefund natürlich gar
nichts gewonnen ist, wenn die Reaktion negativ ausfällt. Fällt sie positiv aus, so
ist zwar richtig, daß in zahlreichen Fällen von Tuberkulosen die Reaktion positiv
zu sein pflegt — ich möchte damit Wolff-Eisner gewisse Konzessionen machen,
obwohl andererseits Röpke, wie gesagt, von den ersten Stadien auf die erste
Instillation nur etwa !/, reagieren sah — aber zur Entscheidung kann eine
solche, zahlreichen Fehlerquellen leicht unterliegende Methode
gewiß nicht dienen, zumal sowohl Sitz, wie insbesondere Art, Akti-
vität oder Latenz des tuberkulösen Prozesses durchaus unklar bleibt.
Ja, es ist sogar sicher, daß ausgeheilte Tuberkulose Ophthalmoreak-
1) Delorme, L'ophthalmoréaction et son röle dans la défense sociale antituberculeuse. Acad,
de méd. 1908, 21 Janvier.
ZEITSCHR. f.
334 F. KÖHLER. = TUBERKULOSE
tion zeigen kann. Ich erkläre diese Tatsache so, daß jeder ausgeheilte
tuberkulöse Prozeß einmal ein manifester mit Intoxikation des Organismus und
dadurch bedingter Konjunktivalzellenüberempfindlichkeit gewesen ist. Wenn
ich an dieser Stelle, wie auch schon eingangs mich auf diesen Ausdruck be-
schränke, so möchte ich ausdrücklich hervorheben, daß vorläufig eine nähere
Präzision der Art derselben unmöglich ist und ich es offen halten muß, ob
es sich lediglich um eine cellular-chemisch-protoplasmatische, oder
möglicherweise auch um eine toxisch bedingte vasodilatatorische
Hypersensibilität handelt. In letzterem Falle würden wir auf eine durch
das Tuberkulosegift bedingte Nervenirritabilität zurückzukommen haben,
also auf ein Phänomen, das in anderer Art zweifellos eine große Rolle in der
Tuberkulosepathologie spielt (Nachtschweiß, Temperaturlabilität, psychophysische
Gleichgewichtsstörung). Die Überempfindlichkeit hat bei diesen Fällen aus-
geheilter Tuberkulose den Abheilungsprozeß offenbar überdauert.
Man hütet sich deshalb zweckmäßig wohl, eine manifeste Tuberkulose
bei positiver Ophthalmoreaktion anzunehmen, und noch vielmehr davor, auf
Grund positiver Reaktion eine Heilstättenbehandlung für notwendig zu halten,
vorausgesetzt, daß nicht andere Symptome zu einer solchen drängen.
Mit Recht hat also Predtetschenski!) darauf hingewiesen, der Wert der
Ophthalmoreaktion gleiche dem der Sektion. Sie gibt keine klinische Diagnose,
sondern — ich setze hinzu: „mit großem Vorbehalt“ — eine anatomische Diagnose.
Solange die Reaktion noch keine einheitlichen Resultate ergeben hat und
unter Berücksichtigung der meines Erachtens in ihren Wirkungen im Organis-
mus sich äußerst verschiedenartig geltend machenden Manifestation der Tuber-
kulose kaum jemals geben wird, solange aktive, latente und abgeheilte Tuber-
kulose durch die Ophthalmoreaktion nicht sicher voneinander unterschieden
werden können, solange, was noch besonderer Hervorhebung bedarf, zwischen
Miliartuberkulose und Typhus auf Grund der Ophthalmoreaktion
nicht differential-diagnostische Erkenntnisse möglich sind, solange ist
mit derselben praktisch sehr wenig zu machen.
Es verdichtet sich das absprechende Urteil noch besonders, wenn das
Verfahren selbst als durchaus nicht ungefährlich angesehen werden muß.
Die Durchsicht der diesbezüglichen ophthalmologischen Arbeiten, deren
Autoren sich begreiflicherweise infolge der Heranziehung ihres Spezialorganes
zur Diagnose einer Konstitutionskrankheit, die vornehmlich in einem anderen
- Organe ihren Sitz hat, mit der Reaktion eingehend beschäftigt haben, ergibt,
daß kein einziger die Gefahren verkannt hätte. Es muß ernstlich zu denken
geben, wenn Siegrist-Bern?) bei 4 Fällen nach 8—10 Tagen außer einer
starken Entzündung eine Aussaat von miliaren Knötchen sah, deren histologi-
scher Bau bei Untersuchung exzidierter Stückchen das typische Bild der
Tuberkel zeigte. Er hatte das Tuberkulintest von Lille verwandt, ähnliche
Erfahrungen machte Seligmann-Hamburg* mit einer 1/,°/, igen Original-
1) Predtetschenski, Prakt. Wratsch 1908, no, 1, 2. Referat,
2) Siegrist, Therapcut. Monatsschr. 1908, Nr. 4.
$) Seligmann, Arztl. Verein Hamburg, 28, IN. 1908; Ref. Münch. med. Wchschr. 1908, Nr. 18,
e.” KRITISCHE ABHANDLUNG ÜBER OPHTHALMOREAKTION. 335
Calmette - Lösung. Sollte nicht vielleicht ein Zusammenhang bestehen
zwischen den Bazillensplittern, die nach Wolff-Eisner in jedem Tuberkulin
vorhanden sind, und der Möglichkeit der Erzeugung tuberkulösen Gewebes
auch durch abgestorbene Tuberkelbazillen, im Sinne von Nösske,!) Daels?)
und Steinberg?*) — Stülp*) schrieb eine ausdrückliche „Warnung vor der
Ophthalmoreaktion“, Schiele?) beobachtete ekzematöse Bläschen, resp. tracho-
matöse Follikel, Barbier®) sah bei einem Kinde schwere Keratitis auftreten,
ebenso Rénon.”) Die Zahl der bemerkenswerten Beobachtungen ließe sich
noch außerordentlich vermehren. Ich weise nur kurz auf die Arbeiten von
Adam,?) Brons,?) Collin,!®) Klieneberger,!!) Krause und Hertel!?) hin,
weiteres Material findet sich in den in meinem Literaturverzeichnis angegebenen
Abhandlungen. Von langer Dauer der Konjunktivitis und vom Auftreten schmerz-
hafter Eiterung habe ich mich selbst bei meinen 175 Fällen verhältnismäßig
recht häufig überzeugen können.
Gegenüber diesen vielfachen Erfahrungen sind Wolff-Eisner und
Teichmann meines Erachtens von übertriebenem Optimismus hinsichtlich der
Gefahrlosigkeit des Verfahrens. Ersterer warnt vor der Anwendung der
Tuberkulininstillation bei allen pathologischen Zuständen der Uvea. Tuberkulöse
Veränderungen im inneren Auge gelten ihm als Kontraindikation. Dagegen
erscheint es fast unbegreiflich, wenn Teichmann??”) die chronische Konjunk-
tivitis nicht als Gegenanzeige gelten lassen will Teichmann leugnet wesent-
liche Augengefahren, wiewohl von denen, welche das Auge und seine Pflege
als Spezialorgan erkoren, durchweg die mannigfaltigsten Unzuträglichkeiten
immer wieder hervorgehoben werden. Immerhin scheint sich auch Teichmann
nicht ganz der Frage entziehen zu können, da er angibt, zur Kupierung
schwererer Augenaffektionen zum 2°/,igen Kokain-Adrenalin (1 : 1000) gegriffen
zu haben. Seine Angabe, die stärkeren Reaktionen träten nur bei klinisch
manifesten Tuberkulösen auf, kann ich nach meinen Beobachtungen nicht
bestätigen. Ich habe klinisch manifest Tuberkulöse nicht reagieren sehen und
ebenso leicht Tuberkulöse recht heftige Augenerscheinungen darbieten seben.
Ich bin fest überzeugt davon, daß vom Grade, d. h. von der quanti-
tativen Tuberkuloseinfektion der Ausfall der Ophthalmoreaktion gar nicht so
sehr abhängt, wie von dem qualitativen Prozeß, der bekanntlich außer-
ordentlich verschiedenartig ist. Die Qualität hängt aber erstlich ab von dem
1) Nösske, Dtsch. Ztschr. f. Chir, 1900, p. 211 u. Med. Klinik 1908, Nr. 16.
2) Daels, Med. Klinik 1908, Nr. 2.
3) Steinberg, Centralbl. f. allgem. Pathol. 1902, Nr. 3.
4) Stülp, Klin. Monatsbl. f. Augenheilkunde, März 1908,
5) Schiele, Russk. Wratsch 1908, Nr. 13.
6) Barbier, Soc. méd. hópit., Paris 6. XII. 1907.
7) Rénon, ibid.
8) Adam, Med. Klinik 1908, Nr. 6.
D Brons, Klin. Monatsbl. f. Augenheilk., Jan. 1908.
19) Collin, Med. Klinik 1908, Nr. 5.
11) Klieneberger, Münch. med Wehschr. 1907, Nr. 52 und Dtsch. med. Wchschr. 1908,
Nr. 18.
1) Krause und Hertel, Med. Klinik 1908, Nr. 4.
18) Teichmann, Med. Klinik 1908, Nr. 26.
ZEITSCHR. f.
336 F. KOHLER. | l TUBERKULOSE
Organismus des Menschen selbst und zweitens von der Virulenz des speziellen
Bakteriums. | |
So ist auch Teichmanns Ansicht, daß alles von der Wahl der Tuber-
kulinpräparate und von der mangelhaften Kontraindikationsbeachtung abhänge,
nicht annehmbar. In letzterem Punkte ist ein leiser Vorwurf gegen die nach-
prüfenden Forscher enthalten, zu dem die Literatur über unseren vorliegenden
Gegenstand keinen Anhalt bietet. Was den ersteren Punkt angeht, so scheint
ja zwar Calmettes Lösung!) wie das Höchster Präparat tatsächlich zu stark
zu sein, indessen hat eine ganze Anzahl von Nachprüfern doch mit einer lege
artis präparierten Lösung gearbeitet und ist doch nicht von unliebsamen Er-
fahrungen frei geblieben. Ich habe stets Alttuberkulin Koch benutzt, die
Auflösung selbst in Borwasser I-, 2- und 4°/,ig vorgenommen.
So stehen wir am Schlusse nochmals vor der Frage: Wie soll denn
die Ophthalmoreaktion vorgenommen werden? Es unterliegt keinem Zweifel,
daß ı°/ ige Lösungen, wie Röpke und zahlreiche Untersucher vor und nach
ihm dargetan haben, zu häufig versagen und somit keinenfalls bei zweifelhaften
Fällen den Ausschlag geben können, 2°/,ige Lösungen aber decken mit großer
Wahrscheinlichkeit eine Konjunktivalüberempfindlichkeit auch bei abgeheilten
Tuberkulosen auf. Die entscheidende Frage also, ob das Objekt unserer
Prüfung zurzeit noch wirklich krank ist, bleibt ungelöst. Darauf machte auch
v. Müller-München in seinem trefflichen Vortrage auf der V. Tuberkulose-
ärzteversammlung zu München mit Recht aufmerksam.
Vor allen Dingen aber wird auch gegen die Wiederholung, wenn das
Resultat der ersten Instillation unbefriedigend gelassen hat, zu sprechen sein,
da von Klienebergers?) Patienten bei wiederholter Tuberkulineinträufelung
auf dem gleichen Auge auch von klinisch durchaus unverdächtigen Fällen ca.
78°/, positiv reagierten. Sollte man aber die Wiederholung der Instillation
auf dem anderen Auge machen wollen, so ist der Ausfall hier ebensowenig
entscheidend, da nach vorliegenden Untersuchungen die Lymphstromverbindung
beider Konjunktiven eine „Ansteckung“ mit Überempfindlichkeit von dem
ersten, zum Versuche benutzten Auge zu dem anderen nicht ausschließt.
Zum Schlusse ist endlich nicht zu übersehen, daß eine angestellte
Ophthalmoreaktion eine therapeutische Tuberkulinanwendung ganz wesentlich
erschwert, da jederzeit die Reizung oder Entzündung des Auges wiederkehren
kann unter dem Einflusse der Tuberkulinsummation und ihrer Rückwirkung
auf das Auge. Es erscheint durchaus unangängig, dieser Situation die Kranken
auszusetzen, und ratsam — auf die Ophthalmoreaktion ruhigen Gewissens zu
verzichten. Dem Tuberkulosediagnostiker stehen andere, sicherere und gefahr-
losere Methoden zur Verfügung.
Wenn ich somit die Ophthalmoreaktion für den praktischen Gebrauch,
in voller Übereinstimmung mit Klieneberger, verwerfe, so geschieht es aus
1) Schultz-Zehden, Therap. Monatsh., April 1908, hält speziell Calmettes Trockenprä-
parat, das glyzerin- und alkoholfreie Tuberkulin Höchst für augengetihrlich, Das 1°/,ige Alt-
tuberkulin führte in 150 Fällen 2 mal zu heftigen Reizerscheinungen.
3 Klieneberger, Münch. med. Wehschr. 1907, Nr. 52.
BD.XILMEFT4. KRITISCHE ABHANDLUNG UBER OPHTHALMOREAKTION. 337
eingehender Überlegung und strenger Prüfung der Verhältnisse heraus. Einen
ähnlichen Standpunkt nimmt von Müller-München ein und, soweit mir ein
Urteil gestattet ist, auch mancher andere, der bei den Ergebnissen des Oph-
thalmoreaktion das Vertrauen zur Zuverlässigkeit und zur Ungefährlichkeit
nicht gewinnen konnte. Schroeder-Schömberg, der sich eine Zeitlang viel
von der Methode versprochen hatte, ist nach längerer Anwendung enttäuscht
worden, wie er auf der Tuberkulosearzteversammlung in München erklärte. Mir
ist es ähnlich ergangen, wenngleich ich von vornherein in meinen Publikationen
in dieser Zeitschrift wie in der Deutschen med. \Vchschr. eine gewisse Reserve
bewahren zu müssen überzeugt war.
Werfen wir aber einen Blick auf die außerordentlich reichhaltige Literatur,
die ich hier, um dem Rechte aller, dem Freunde wie dem Gegner, gerecht zu
werden, anfüge, so wird selbst der größte Freund der neuen Reaktion sich
dem Eindrucke, „es wankt der Grund, auf dem wir bauten“, nicht entziehen
können. Ich sehe in den Erscheinungen der Ophthalmoreaktion
einen zweifellosen Fortschritt für die Erkenntnis cellular-biologi-
scher Verhältnisse in Verbindung mit der Infektion des Organismus,
deren weitere Durchforschung unzweifelhaft fruchtbringend sein wird für die
gesamte Infektions- und Immunitätslehre. Dem Entdecker gebührt das Ver-
dienst, einen interessanten Beitrag in dieser Richtung geliefert zu haben,
dessen Wichtigkeit im Interesse objektiver Würdigung und zur Vermeidung
einseitiger Kritik durch die praktische Unbrauchbarkeit nicht geschmälert
werden soll.
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Verein f. inn. Med.. 16. XII. 1907.
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Berl. klin. Wehschr. 1908, Nr. 2.
Die kutane und konjunktivale Tuberkulinreaktion. Ztschr. f. Tuberkulose 1908, Bd. 12, H. 1.
Über Ophthalmoreaktion (richtiger Konjunktivalreaktion), Münch. med. Wchschr, 1908, Nr. 2.
Kontraindikationen der Ophthalmoreaktion in der Ophthalmologie. Berl. ophthalm, Ges., 16. I.
1908; Ref. Berl. klin. Wchschr. 1908, Nr. 8.
Bemerkungen zu v. Pirquet: Kutane und konjunktivale Tuberkulinreaktion. Berl. klin.
Wechschr. 1908, Nr. 9.
‚Die differenzierenden Kutantuberkulinreaktionen. Wien. klin. Wchschr. 1908, Nr. 5.
Gefahren der Ophthalmoreaktion und ihre Vermeidung. Wien. klin. Wchschr, 1908, Nr. 33.
Wölfel, Die konjunktivale Tuberkulinreaktion beim Rinde. Berl. tierärztl. Wchschr, 1908, Nr. 21.
Dv. GEBHARDT, v. PIRQUET-DETRESCHE KUTANREAKTION. 345
XXII.
Über die v. Pirquet-Detresche Kutanreaktion.
(Aus dem städtischen Krankenhaus Heiliger Johann zu Budapest.)
Von
Franz von Gebhardt, Primarius.
$ Men Untersuchungen v. Pirquets zufolge verhält sich die Haut der
SIEB] tuberkulós infizierten Individuen dem tuberkulösen Gifte, dem Tuber-
E | kulin, gegenüber derart, daß im Falle einer Einimpfung des konzen-
trierten oder verdünnten Kochschen Alttuberkulins mit einer Impflanzette in
die Haut an der Stelle des Eindringens des Giftes binnen 8—10 Stunden eine
rosa- oder rotgefärbte Papel entsteht, während an der Haut der tuberkelfreien
Individuen eine solche Reaktion nicht eintritt. v. Pirquet hält seine Reaktion
auf Grund seiner zahlreichen Beobachtungen für spezifisch und laut ihm tritt
eine positive Reaktion nur bei Menschen ein, die eine tuberkulöse Infektion
durchgemacht haben, oder gegenwärtig noch tuberkulös sind; eine negative
Reaktion beweist die Tuberkelfreiheit des Betreffenden. Patienten in sehr vor-
geschrittenem Stadium reagieren nicht.
Das Wesen der Reaktion erklärt v. Pirquet mit dem Begriff der Allergie.
Diese besteht darin, daß der menschliche Organismus auf die Einführung ge-
wisser fremder. Albuminstoffe, z. B. eines Serums verschiedenermaßen reagiert,
und zwar danach, ob der Organismus schon einmal jenes Serum erhalten hat oder
nicht. Ein Organismus nämlich, der bisher keiner Serumbehandlung unter-
worfen wurde, reagiert erst nach 8—14 Tagen mit den unter dem Namen
Serumkrankheit bekannten Symptomen, wie Ausschlägen, Drüsenschwellungen,
Fieber, Gelenkentzündungen, Leukopenie etc., hingegen ein Organismus, der
bereits einmal die Serumwirkung überdauert hat, reagiert bereits auf sehr kleine
Dosen sofort oder nach 2—3 Tagen und zeigt sehr heftige Symptome der
Serumkrankheit. Dieses verschiedene Verhalten nennt v.Pirquet Allergie,
was der Gegensatz der Immunität ist. Solche allergische Organismen sind
gewöhnlich überempfindlich gegen den allergischen Stoff. Bei der Blattern-
impfung zum zweiten Male (Revakzination) spielen sich die Symptome rascher
ab, als beim ersten Male. Und gerade die Analogie der Blatternimpfung über-
trug v. Pirquet bei der Hervorbringung der Kutanreaktion der Tuberkulose.
Ein Individuum, das dieWirkung des Tuberkelgiftes einmal bereits
erlitten hat, reagiert anders, d. i. mit Papelbildung, als ein tuberkel-
freies.
Am 8. Mai 1907 machte v. Pirquet sein Verfahren bekannt, und seit
dieser Zeit haben sich zahlreiche Forscher mit seiner Methode befaßt, die
sämtlich seine Daten bestätigen. Er will dieses Verfahren hauptsächlich in der
Diagnostik der Tuberkulose im Kindesalter anwenden, wo die Zahl der
Tuberkulotiker viel geringer ist. Die höchste Zahl der Erwachsenen reagiert,
hinsichtlich welcher Reaktion v. Pirquet bereits in seiner ersten Mitteilung
andeutet, daß er seine Reaktion bei Erwachsenen nicht für anwendbar hält.
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIII. 23
ZEITSCHR. f.
346 F. v. CEB AS TUBERKULOSE
Detre hatte in der Wanderversammlung ungarischer Ärzte in Preßburg
am 28. August 1907 sowie in der Sitzung des Budapester königl. Ärztevereins
vom 26. Oktober 1907 eine neue Methode bekannt gemacht, mit deren Hilfe
wir einen Einblick gewinnen können hinsichtlich des humanen oder bovinen
Ursprunges der tuberkulösen Infektion.
Wie bekannt, war Smith der erste, der (1898) die vom Menschen
stammenden Tuberkelbazillen von denen der Tiere unterschied, da er zwischen
beiden Bazillenarten mikroskopische, kulturelle und biologische Unterschiede
erkannt hatte, worauf er seine Auffassung über die beiden Typen des nämlichen
Bazillus „human and bovin type“ aussprach. Koch hatte die beiden Arten
1901 als besonders bestehend erklärt, während v. Behring nur Virulenz-
unterschiede anerkennen will. Die Daten neuerer Forscher bestätigen, daß die
Annahme eines humanen und bovinen Typus berechtigt sei, da zwischen diesen
beiden Abarten nicht nur Virulenzunterschiede, sondern auch ständige morpho-
logische, kulturelle und biologische Unterschiede bestehen. (Smith, Ravenal,
Dorset, Kossel, Weber, Heuss.) Namentlich gedeiht, wie Arpád bereits.
1903 im Institute des Professors Preiß bewiesen hatte, der humane Typus auf
der Kartoffel in gelber oder Orangefarbe, während der bovine Typus in weißer
Farbe wächst. Die einzelnen Stäbchen des humanen Typus sind unter dem
Mikroskop schlank, dünn, ihre Kultur wächst auf einer 2 °/,igen Glyzerinbouillon
von amphoterer chemischer Wirkung in Form einer dicken faltigen Haut,
währenddessen die chemische Wirkung der Bouillon sauer wird.
Die Bazillen des bovinen Typus weisen unter dem Mikroskope dickere,
kürzere und unregelmäßige Formen auf, ihre Kultur wächst auf der Oberfläche
der 2°/, igen Glyzerinbouillon in Form einer dünnen, netzartigen, durchsichtigen
Haut und sie produzieren nur wenig Säure. Dabei erscheinen bei der Spengler-
schen Warm- und Kaltfärbemethode die bovinen Typen länger, dicker und
röter, die humanen Typen aber kürzer, violettfarbiger. Bei der Karbol-Fuchsin-
Fibrin- und der Kapselfärbemethode Spenglers erscheinen die Bazillen
beider Arten auf gelber Grundlage charakteristisch als 2 verschiedene Typen.
Bei der Kapselfärbemethode erscheinen die humanen Typen als dünne, schwache
Gebilde, während die bovinen Typen länger und dicker sind.
Die Bazillen des bovinen Typus sind auch virulenter, als die des
humanen Typus. Die Daten von Heuss, Kossel, Weber beweisen, daß
1—2 mg boviner Kultur einem Kaninchen intravenös injiziert, dasselbe binnen
3 Wochen töten, während der humane Bazillus, in derselben Menge injiziert,
eine monatelang währende chronische Tuberkulose verursacht. Mit dem humanen
Typus ist es aber weder durch Einimpfung, noch durch Beimengung zur
Nahrung, noch durch Inhalation gelungen, eine Infektion der Rinder herbei-
zuführen.
Die bisherigen Untersuchungen haben ergeben, daß die menschliche
Tuberkulose durch beide Abarten des Bazillus verursacht werden
kann. Es ist nämlich gelungen, die Typen zu isolieren; genannte Forscher
haben von 56 Fällen menschlicher Tuberkulose bei 49 bloß den humanen Typus,
bei 5 bloß den bovinen Typus, bei 2 beide gefunden. Diese Kulturen wurden
PRATO EETA: v. PIRQUET-DETRESCHE KUTANREAKTION. 347
hauptsächlich aus tuberkulósen Organen von Leichen verfertigt, was ein sehr
langwieriges und monatelang währendes Verfahren erheischt, wo man noch im
Leben des Patienten entschied, ob die Infektion durch den humanen oder
bovinen Typus hervorgerufen wurde.
Detre ist mit seiner Methode bestrebt, zu erreichen, daß wir im Interesse
der Heilung schon zu Beginn der Krankheit feststellen können, ob die tuber-
kulöse Erkrankung in überwiegender Weise durch den humanen oder durch
den bovinen Bazillentypus verursacht wurde, oder ob das gemeinsame Vor-
handensein beider Typen beim Aufbau des tuberkulösen Prozesses mitspielt.
Das Wesen der Methode Detre’s besteht darin, daß er das Filtrat
beiderartiger Tuberkelbazillen nach dem vonv. Pirquet beschriebenen
Verfahren subkutan einimpft. Schon Denys hatte auf den Umstand auf-
merksam gemacht, wovon sich auch Detre oft überzeugte, daß der Organismus
gegen das Kulturfiltrat der Tuberkelbazillen hundertmal, ja tausendmal empfind-
licher ist, als gegen das gewöhnliche Tuberkulin, das, wie bewiesen wurde,
nicht sämtliche Gifte der Bakterien enthält; außerdem sind zahlreiche
chemische und biologische Unterschiede vorhanden zwischen dem aus derselben
Kultur entstandenen Tuberkulin und dem Tuberkulinfiltrat.
Detre nimmt an, daß im Filtrate viel heftiger wirkende Gifttoxine
vorhanden sind, von denen wir nur soviel wissen, daß sie thermolabilen Charakters
sind, daß sie bei längerem Kochen zugrunde gehen, während das Tuberkulingift
infolge seiner Thermostabilität und anderer Eigenschaften eher unter die sogen.
Proteingifte zu reihen ist.
Detre hatte anfangs vom Gesichtspunkte der Immunisierungstherapie mit
subkutanen Injektionen beobachtet, gegen welches der beiden Filtrate die
Tuberkulotiker eher empfindlich sind, und schon seine ersten Versuche haben
bewiesen, daß neben einer großen Zahl gegen das humane Filtrat Empfindlicher
auch gegen das Bovinfiltrat Empfindliche vorhanden sind, ja sogar auch solche,
die eine gleiche Empfindlichkeit gegen beide Filtrate zeigten. Seit der Ver-
öffentlichung der v. Pirquetschen Subkutanreaktion hat Detre seine weiteren
Untersuchungen an den früher mit Injektionen untersuchten Individuen mit
Kutanimpfungen derart bewerkstelligt, daß er auf die Beugeseite des mit Äther
gereinigten Unterarmes der zu untersuchenden Individuen von folgenden 6 Flüssig-
keiten je einen linsengroßen Tropfen mittels eines Haarröhrchens tropfte.
. Kochsches Alttuberkulin.
. Auf Te verdiinntes Alttuberkulin.
. Denyssches Tuberkulin.
. Spenglersches Humanfiltrat.
. Spenglersches Bovinfiltrat.
. 1, %/,ige Karbollósung.
Dann brachte er ihnen mit dem aus Platin verfertigten dünnen, meißel-
förmigen Pirquetschen Instrumente mittels einer plötzlichen Drehbewegung in
der Mitte des Tropfens auf der ein wenig gespannten Oberhaut eine geringe
Verletzung bei; nach 5 Minuten reinigte er die geimpften Stellen mit Watte,
Bei der Vergleichung von erstens und zweitens ergab sich, daß das ver-
25"
Am BR WwW Nm
ZEITSCHR. f.
348 F. v. GEBHARDT. TUBERKULOSE
dünnte Tuberkulin stets eine kleinere Papel verursacht hatte, als das
konzentrierte, woraus Detre folgert, daß die Papel mit Recht als Maß der
Reaktion bei einem und demselben Individuum betrachtet werden könne. Drittens
ist eigentlich kein Tuberkulin, sondern humanes Filtrat, welches er wegen der
Kontrollierung des Spenglerschen Humanfiltrates verwendete. Bei Vergleichung
von viertens und fünftens ergab sich, daß Individuen, die bei dem subkutanen
Verfahren „humane Empfindlichkeit“ zeigten, auch bei der Haut-
impfung auf das Humanfiltrat heftiger reagierten, indem auf der Haut
eine größere Papel entstand. Die bovinempfindlichen Individuen dagegen
zeigten eine größere Bromfiltratpapel.
Jene Filtratwirkung, die hinsichtlich ihrer Stärke die andere überholt,
nennt Detre dominantes Filtrat. Bei den Untersuchungen Detre’s war
mieistens die humane Papel die dominante, viel geringer war die Zahl der Fälle,
wo die bovine Papel dominierte, wodurch der quantitative und qualitative Unter-
schied der beiden Filtrate bewiesen ist.
Detre hält es für sehr wahrscheinlich, daß die Infektion in jenen Fällen,
wo das Humanfiltrat die dominante Papel gibt, durch den human-typischen
Bazillus, wo die dominante Papel hingegen vom bovinen Filtrat stammt, durch
den bovin-typischen Bazillus hervorgerufen wurde.
Detre selbst hat mehr denn 100 tuberkulóse und nichttuberkulöse
Individuen vom Gesichtspunkte der Hautempfindlichkeit gegen das Tuberkulin
und das Filtratum dominans auf die Weise untersucht, daß er die Flüssigkeit
zweitens und drittens der obengenannten wegließ und nur viererlei Flüssigkeiten
einimpfte. I. Kochsches Alttuberkulin, 2. Humanfiltrat, 3. Bovinfiltrat, 4. */, Y, ¡ge
Karbollösung, letztere nur, um die Filtratreaktionen von den durch den
miechanischen Stich etwa entstehenden Reaktionen zu sondern.
An der internen und chirurgischen Abteilung des Neuen St. Johannes-
Spitales habe ich in insgesamt 197 Fällen an tuberkulösen und nichttuberkulösen
Kranken das System v. Pirquet’s bezw. Detre’s angewendet. Ich erhielt in
147 Fällen positive Reaktion, was 74°/, entspricht und mit den Ergebnissen
der übrigen Forscher vollständig übereinstimmt.
Negative Reaktion gaben diean folgenden Krankheiten leidenden Individuen:
I. An der internen Abteilung: II, An der chirurgischen Abteilung:
Enteropsisis . . I Gonitis i S I
Catarrhus ventriculi . I Peritonitis tbc. . I
Tonsillitis I Osteomyelitis chron. . I
Influenza . eet I Perniones 1
Tbc. pulmon. III. 9 Hernia 5
Neuritis . E A8 1 Faux lupina I
Nephritis chron. I Carc. mammae . 2
Enteritis tbc, 2 Osteomyelitis ac. inf. I
Typhus abd. 3 Vulnus contusum . 2
Myorheuma I Nierenblutung . I
Hysteria . 1 Otitis . I
Neurasthenia 3 Caries . I
Peritonitis chron. . 2 Tumor coeci . . . I
Bronchitis I Cholecystitis calcolusa I
| 28 Lipoma femocis I
I
lleitis tbc.
N
N
PRADU ORELE v. PIRQUET-DETRESCHE KUTANREAKTION. 349
Also insgesamt 50 Fälle, 28 interne und 22 chirurgische, gaben nega-
tive Reaktion.
Unter den internen Fällen litten 15 an anderen Krankheiten, 2 waren
verdächtig und 11 vorgeschritten tuberkulös.
Unter den chirurgischen litten 16 an anderweitigen Krankheiten, 1 war
verdächtig, 5 tuberkulös (Peritonitis, Ileitis, Tumor coeci, Caries, gonitis tbc.)
Daraus erhellt, daß unter unseren Fällen bei 31 (= 62°/,) nicht einmal
der Verdacht einer Tuberkulose obwaltete, so daß alle 3 Reagentien ein negatives
Ergebnis boten.
Die übrigen 19 Fälle (= 38 %,) waren solche, wo auch die klinische
Untersuchung vorgeschrittene tuberkulöse Veränderungen zeigte und die Kutan-
reaktion dennoch negativ blieb.
Denjenigen, die wissen, daß die Empfindlichkeit gegen das Tuberkulin
nicht mit der Krankheit, sondern mit der Reaktionsfähigkeit des Kranken
gegen das Tuberkelgift im Verhältnisse steht, werden oben skizzierte Daten
ganz natürlich erscheinen.
Wir wissen seit jeher, daß sich der kranke Organismus in ausgebreiteten
tuberkulösen Fällen an das Gift gewöhnt, wie das unter anderem zum Ausdrucke
gelangt in der hochgradigen Tuberkulintoleranz solcher Patienten. Die Forscher
der probatorischen Tuberkulinproben haben uns auf diesen Umstand längst
aufmerksam gemacht, und so ist es natürlich, daß die Kutanprobe als völliges
Analogon anderweitiger Tuberkulinproben dasselbe Verhältnis aufweist. Die
negative Kutanprobe besitzt demnach keine Beweiskraft, wenn sie
zur Diagnostik einer vorgeschrittenen, ausgebreiteten Krankheit
verwendet wird; ist aber von einem beginnenden Prozesse die Rede, wenn
wir, wie wir sehen werden, gewöhnlich sehr ausgesprochene Kutanreaktionen
erhalten, dann hat unserer Meinung nach die negative Reaktion als tuberkulose-
ausschließendes Moment in der Diagnostik eine wichtige Rolle.
Wir müssen noch erwähnen, daß unter den negativen Fällen viel weniger
manifeste chirurgische als interne Tuberkulose war. Rechnen wir 3 Darm-
und Peritonealtuberkulosefälle ab, bezw. zu den internen Fällen, so bleiben uns
2 alte chirurgische Tuberkulosefälle als negativ reagierend gegenüber 11,
bezw. 14 internen Fällen.
Die Erfahrung bestätigt uns die neuerdings übrigens auch von Freund’)
bestätigte Beobachtung Detre’s, daß die chirurgischen Fälle eine viel
heftigere Reaktion geben und auch viel länger reaktionsfähig
bleiben, als die internen.
Unten wollen wir jene Reaktionen nach der Größe der Papeln grup-
pieren, in denen nur das Kochsche Tuberkulin Wurzel fafte.
(S. Tabelle auf nächster Seite.)
Wie wir aus dieser Tabelle ersehen, hatten wir 61 Fälle, in denen nur
das Kochsche Tuberkulin Wurzel Gite, Und zwar 28 interne und 33 chirur-
gische Fälle.
N) Wien. med. Wehschr., Juni 1908.
ZEITSCHR. f.
350 F, v. GEBHARDT. TUBERKULOSE
Koch (mm) Koch (mm) Koch (mm)
Pyelitis . . . . . . 14 Otitis . + 3 à + « » 6 Fractura pelneos 5
Catarrhus ventriculi. . 10 Spondylitis tbe. 6 Fractura cruris . 5
Tbc. pulmon. III . . 10 Polyarthritis . 5 Fractura femoris 5
Exostosis multiplex . . 10 Lues . EE 5 Osteomylitis . 5
Tumor abdominis . . IO Natronlaugenvergiftung 5 Otitis . 5
Spondylitis dorsalis . 10 Lumbago. 5 Graviditas 4
Pneumonia croup 8 Influenza . 5 Abscessus pubis 4
Peritonitis tbc. 8 Tbc. pulmon. II 5 Peritonitis tbc. . 4
Emphysema, Alkohol 8 Tbe. pulmon. III. 5 Influenza . 3
Pyothorax . 8 Emphysema . 5 Hernia 3
Vulnus contusum 8 Bronchitis capillaris 5 Tumor cœci. 3
Tendovaginitis tbc. . 8 Peritonitis tbe. . 5 Fractura tibiae . 3
Appendicitis 8 Peritonitis tbc. . 5 Pyothorax . 3
Osteomyelitis acuta . 8 Vitium cordis 5 Tumor cœci 3
Epispadiasis 8 Pyelitis 5 Phlegmone 2
Caries 8 Cholelithiasis 5 Gonitis tbc. . 2
Appendicitis 6 Sarcoma pedis . 5 Polyarthritis . I
Fissura Urethrae . 6 Vulnus contusum . 5 Lues I
Paralys. extrem. infer. . 6 Carcin. mammae 5 Vitium cordis . I
Arthritis 6
Unter den internen litten an anderen Krankheiten 14, tuberkulosever-
dächtig waren 7, sicher tuberkulös 7.
Unter den chirurgischen litten an anderen Krankheiten 22, tuberkulose-
verdachtig waren 5, sicher tuberkulós 6.
Aus dieser Zusammenstellung erhellt, daß aus der Größe der Papeln
auf die Natur der Krankheit keinerlei Schluf gezogen werden kann, da
wir bei tuberkelfrei scheinenden Kranken heftige, bei sicher tuberkulósen Indi-
viduen wiederum zur Halfte geringe Reaktionen gefunden haben.
Wir kónnen uns neuerdings darauf berufen, was wir bereits hervorgehoben
haben, daß die Tuberkulinprobe unserer Meinung nach nicht nur die Probe
des Grades der Infektion, sondern daneben auch die Probe der
Reaktionsfahigkeit ist. Wenn wir die Erklarung Detre’s, laut welcher die
beginnenden frischen Infektionen eine heftige, die alteren jedoch eine immer-
fort sinkende Reaktionsfähigkeit besitzen, annehmen, so wird die angedeutete
Unregelmäßigkeit einfach verständlich, womit jedoch der diagnostische Wert
der Reaktion ein Beträchtliches einbüßt. Dem verliehen übrigens schon
v. Pirquet und seine Anhänger Ausdruck, als sie die reine Kochreaktion als
für Erwachsene unverwendbar erklärten.
Zwischen den Daten Detre’s und den unserigen ist ein wichtiger Unter-
schied der, daß wir neben Koch-Papel öfter fehlende Filtratreaktion fanden,
als er.
Möglicherweise kann der Unterschied durch die Verschiedenheit des an-
gewendeten Tuberkulins erklärt werden, da Detre mit Kochtuberkulin eigener
Erzeugung, wir jedoch mit Höchster Tuberkulin arbeiteten.
Es wäre sehr angezeigt, wenn jemand die gebräuchlichen Tuberkuline
in dieser Hinsicht einer eingehenden Untersuchung unterzöge,
Fälle, wo außer der Koch-Papel auch das Humanfiltrat entwickelt war,
cier ad v. PIRQUET-DETRESCHE KUTANREAKTION. 351
das bovine jedoch nicht, hatten wir insgesamt 38. Darunter waren 25 interne
und 13 chirurgische Kranke. Nicht tuberkulós waren 9 interne, 7 chirurgische,
verdächtig 9 interne und 3 chirurgische, sicher tuberkulós 7 interne und 3 chi-
rurgische.
SS
rr en a
| Koch ' Humanfiltrat | Koch ` Humanfiltrat
| (mm) | (mm) (mm) (mm)
Lymphoma + 10 | 8 Tbc. pulmon. I (?) 8 I
Neurasthenia . | 10 5 Exsud. pleur.. . | 6 5
Vitium cordis. . | 10 5 Hernia. . . .| 6 5
Peritonitis tbc. . | 10 5 Typhus abd. . . | 6 4
Catarrh. bronch. . | 10 | 3 Appendicitis . . | 6 3
Ulcus cruris 8 6 Ischias . 6 3
Vitium cordis. . 8 5 Hernia . 6 2
Influenza : | 8 5 Perityphlitis 6 I
Arthritis chron. . | 8 5 Fractura fib. d. . 5 4
Perimetritis i 8 4 Tbc. pulmon, I . | 5 3
Appendicitis : | 8 4 Vitium cordis. | 5 3
Caries pedis ; 8 3 Caries cost, . .| 5 3
Polyarthr. ac.. . | 8 3 Icterus catarrh. 5 3
Emphysema | | 8 | 3 Exsud. pleurit, 5 | I
Arthritis chron, . | 8 | 3 Tbc. pulmon. III 5 I
Tbc. pulmon. II. | 8 | 2 Tbe. pulmon. II. ; 4 3
Typus abdominalis 8 3 I Pneumonia croup | 4 2
Influenza 8 I Appendicitis . . | 3 2
Fissura ani . | 8 | I |
Bei Überprüfung dieser Fälle fällt zunächst auf, daß an unserem Material
jene Eigentümlichkeit, die Detre bei frischer Lungentuberkulose beschrieb, daß
nämlich die Filtratpapel fast so groß, ja größer als die Koch-Papel ist, nicht
wahrzunehmen war.
Doch müssen wir bedenken, daß unsere Spitalsfälle zur Erledigung dieser
Frage nicht völlig geeignet waren, da wir an bettlägerigem und nicht ambu-
lantem Krankenmaterial arbeiteten wie Detre, welch letzteres wir bei der
großen Entfernung unseres Spitals weniger hätten kontrollieren können. Und
zur Nachprüfung dieser Frage ist das ambulante Krankenmaterial berufen. In
unseren teilweise tuberkulösen, teilweise verdächtigen Fällen war hauptsächlich
jener Typus vertreten, den Detre chronischen Typus benannt hat, dessen
charakteristische Eigenschaft ist, daß die Filtratpapel viel kleiner ist als die
Koch-Papel. In dieser Hinsicht bewegt sich die Reaktion zwischen weiten
Grenzen, so war z. B. das Verhältnis der beiden Papeln 8:6 — 8:1. Jeden-
falls können wir die Beobachtung Detres bestätigen, daß in einer gewissen
Anzahl von Fällen nur eines der beiden Filtrate, und zwar in diesem
Falle das humane eine Reaktion hervorgerufen hat, und können in
diesem Hinblick getrost von einer Reaktionsform des humanen Typus
sprechen.
Freilich bleibt vorläufig unentschieden, ob die Reaktion des humanen
Typus tatsächlich auf eine Infektion durch den Bazillus des humanen Typus
hinweist, weil diese Frage nur durch Herauszüchtung der krankheitserregenden
ZEITSCHR. f.
352 F. y. GEBHARDT. O TUBERKULOSE
Bazillen vollständig sicher entschieden werden könnte, wozu aber die Arbeits-
kraft eines Menschen unzulänglich ist. Unserer Meinung nach wird die Frage
in der von Detre angedeuteten Richtung entschieden durch die von mehreren
Seiten unternommenen Versuche, nach welchen tuberkulöse Rinder unter
den beiden Filtraten nur oder hauptsächlich auf das bovine Filtrat reagieren.
Auch unsere Fälle beweisen, daß die Einwendung, als beständen zwischen
den beiden Filtraten nur okzidentale, quantitative Unterschiede, jeder Grundlage
entbehrt, da bei sehr ausdrücklichen humanen Papeln — mit einem
Durchmesser von 6—8 mm — das Bovinfiltrat überhaupt keine Reaktion
gab, während, wie wir später sehen werden, neben kleineren hu-
manen Papeln als 6 mm auch eine bovine Reaktion gefunden werden
konnte.
Fälle, die alle drei Reaktionen gaben, standen uns 48 zur Verfügung.
Und zwar 25 interne und 23 chirurgische.
Unter den internen Fällen litten 13 an anderen Krankheiten, 5 waren
verdächtig, 6 sicher tuberkulös.
Unter den chirurgischen waren 6 nicht tuberkulös, 3 verdächtig und
15 tuberkulös.
Nach der Millimetergröße der Papeln gruppiert:
Koch Human | Bovin | Koch | Haman Bovin
Mephritis chron.. . 14 | 8 e Emphysema . . . | 10 I | I
Alkoholismus. . . 14 8 | 5 Arthritis tbe. . > JO | I | 4
Bronchitis cap. . . | 14 | ge Osteomyelitis tbc. 8 | 11 5
Tabes incipiens . .. 14 5 3 Emphysema endart. 8 6 | 3
Hepatitis hyper . . 14 5 3 Catarrh. ventric. . 8 5 a
Lymphoma tbc. . . 14 ° 5 8 Chlorosis (verdácht.) ' 8 5 1 I
LES e: q e "d e 12 5 6 Caries multiplex . 8 5 3
Lupus . . . . . 10 8 5 Coxitis tbc. 8 5 5
Hernia. . . . . 10 8 4 Carc. mediastini . 8 3 3
Tumor Highmori . | 10 , 8 2 Appendicitis 8 3 S
Hernia . ee 10 8 6 Caries multiplex . 8 3 3
Vitium cordis . . 10 | 6 4 Coxitis tbc. 8 2 E
Appendicitis . . . "10 i 6 TG Pneumonia . a 4 8 Logs 3
Pneumonia cat. . .: 10 | es À I Lymphadenitis tbc. . 8 1 | of
Emphysema . . . 10 5 | | Elephantiasis cruris . 8 ro] :
Tbc. pulmon, II. . 10 5 i 1 Luxatio . 8 I I
Tbe. pulmon. II. ." 10 5 | 3 Arthritis chron. 6 4 4
Fistula ani tbc. . . | 10 S E 3 Spondylitis tbc. . 6 4 I
Caries cost. Empyema ` 10 5 3 Tbe. pulmon, I . 6 3 3
Gonitis tbc. . . . 10 5 4 Influenza 6 2 I
Neurasthenia . . . 10 4 2 Appendicitis 5 8 3
Tumor cœci . . .! 10 4 5 Exsud. pleurit. 5 4 4
Gonitis tbc. . . . 10 4 3 Tbc. pulmon. II. 5 3 3
Tbe. pulmon, II ." 10 I I Caries & 3 3
| | E i
Nach dieser Gruppierung fallt zunächst ins Auge, in wie bedeutender
Anzahl die sicher tuberkulösen Fälle zur dreifachen Reaktion beigetragen haben.
Und noch deutlicher wird es, wenn wir folgende Tabelle betrachten, in welcher
BEES v. PIRQUET-DETRESCHE KUTANREAKTION. 353
die Fälle danach gruppiert sind, wie viel Prozent der nichttuberkulösen, ver-
dächtigen und sicher tuberkulösen Fälle negative, Kochsche, Koch-humane
und Koch-bovine Reaktion aufwiesen.
Interne Fälle 105 Chirurgische Fälle 92
Nicht | . vs | Tuber- Nicht Tuber-
„tuberkulös E kulós AS Verdächtig kulós
Negativ . . . . . . . |15=290 2 St, EE wa 16= 31%, I= go) | Bert),
Koch: + «4 «os > » || I4=27 7=30 | 123 22=73 5 = 42 6=21
Koch-human. . . . . . || 9=18 !9=39 7-2; 7=14 3=25 3=10
| |
Koch-human-bovin . . .!13=26 ,5=22 | 6=19 | 6—12 |3=25 |ı5=52
Zusammen . | SE + 23 . 31 | si o, 12 29
Unter den 31 internen tuberkulösen Fällen sind 6 (= 19°/,), während
unter den 29 chirurgischen tuberkulösen Fällen mehr als die Hälfte, d. i. 15
(= 52°/,) unter die dreifach reagierenden zu reihen.
Da die dreifache Reaktion ceteris paribus auch von der allgemeinen
Reaktionsfähigkeit des Organismus abhängt in dem Sinne, daß wir unter den
auf Koch heftig reagierenden Fällen eher auf Filtrate reagierende stoßen, als
unter den auf Koch schwach reagierenden, so ist es zweifellos, daß der skizzierte
prozentuelle Unterschied wiederum nur ein Ausdruck der bereits erwähnten
heftigen Reaktionsfähigkeit der chirurgischen Tuberkulosefälle ist.
Bei Betrachtung dieser Tabelle fällt auf, daß unter den internen Fällen
die doppelten und dreifachen Reaktionen der nicht tuberkulösen diejenigen der
tuberkulösen prozentuell übertreffen.
Doch darf aus dieser Tatsache keine Waffe gegen die Kutanreaktion
geschmiedet werden, da in diesen Daten die Unzulänglichkeit der Instrumente
der physikalischen Diagnostik zum Ausdrucke gelangt.
Der Umstand, daß die Kutanreaktion, und zwar deren Modifizierung durch
Detre, in den chirurgischen Fällen, wo wir die Dignität der krankhaften Ver-
änderungen sozusagen mit freiem Auge wahrnehmen können, ausgezeichnet
einschlägt, erweckt den Verdacht, daß die Reaktionsdaten, wenn sich eine Ab-
weichung zeigt zwischen dem Ergebnis des klinischen Krankheitsbildes und der
Reaktion, sehr in Betracht zu ziehen sind.
Unter unseren Fällen weisen die sehr heftigen doppelten und dreifachen
Reaktionen der mit Diagnose auf Neurasthenie, Nephritis, Hepatitis hypertroph.,
Arthritis, Alkoholismus, Emphysema, Bronchitis etc. darniederliegenden Kranken
mit großer Wahrscheinlichkeit auf die tuberkulöse Infektion der Betreffenden
hin, welche Infektion in vielen Fällen gerade die Ursache jener Symptome sein
kann, derenthalben die Kranken behandelt werden. Erinnern wir uns nur an
die Neurasthenie der heranwachsenden Individuen, an ihre Magen-
katarrhe, die sich zu zahlreichen Fällen als Vorläufer der Tuberkulose erweisen.
Da wir heute ohnedies annehmen, daß diese diffusen Symptome auf der Ver-
giftung des durch frische Infektion überempfindlich gewordenen Organismus
durch tuberkulöse Gifte beruhen, so werden wir es nur natürlich finden, daß
ZEITSCHR. f.
354 | e TUBERKULOSE
diese Uberempfindlichkeit auch in der kutanen Uberempfindlichkeit gegen die
einzelnen Tuberkuline und Filtrate zutage tritt.
Mein Freund Detre hat mich zur Verôffentlichung folgender Beobachtung
ermáchtigt: Wenn bei Individuen, deren Kutanempfindlichkeit fast gleich Null
ist, durch rasche Filtratdosierung die Toleranzgrenze überschritten wurde, so
stellt eine die Gesamtreaktion hervorrufende Dosis die Kutanempfindlichkeit
der Haut wieder her, so daf das auf das Tuberkulin friiher nicht re-
agierende Individuum auf eine neuere Kutanimpfung die schónsten
Papeln zeigt. (Demonstriert am Arzte-Ferienkurs 1908.)
Dies beweist, daß die Kutanreaktionen einen treuen Spiegel der all-
gemeinen Giftempfindlichkeit des Organismus bieten. Mit ihrer Hilfe gewinnen
wir einen Einblick in den geheimnisvollen Herd des Organismus und kónnen
im gegebenen Falle beurteilen, ob irgendein Symptom hineinpaßt in den
Rahmen, den die durch die Kutanreaktion gegebenen Daten bilden.
Gruppieren wir unsere 48 dreifach reagierenden Fälle nach dem Verhältnis
der Human-bovin-, bezw. der Koch- und Filtratpapeln, so erhalten wir
folgende Daten:
Detre unterscheidet eine dominante Filtratpapel, d. h. die größere unter
den zwei Filtratpapeln, und eine Begleitfiltratpapel. Ist die dominante wesent-
lich größer als die andere, so können wir nach ihm von einer humanen, bezw.
bovinen Reaktion sprechen, im entgegengesetzten Falle von einem gemischten
Reaktionstypus.
Unter unseren internen Fällen gaben 17 humane Reaktion, 4 eine
gemischte, Carcin. mediastini, Arthritis chronica, Tbc. pulm. I, Tbc. pulm. II —
in allen 4 Fällen Papeln mit einem geringen Durchmesser von 1—4 mm;
bovine Reaktion gaben 2, der eine mit Diagnose auf Lues, der andere auf
Pneumonie.
Unter unseren chirurgischen Fällen gaben ausdrücklich humane Reak-
tion 11, gemischte 10, ausdrücklich bovine Reaktion 4. — Lymphoma
colli 14:5:8; Arthritis tbc. 10:1:4; Appendicitis 10:6: 15; Coxitis tbc. 8:2:4.
Auch aus unseren Fällen erhellt die heftige Bovinreaktionsfähigkeit der
chirurgischen Tuberkulose, die nach Detre auch bereits von Heim und John
bestátigt wurde.
Unter den 23 internen Fällen reagierten rein human 17 (= 74°/,), ge-
mischt + bovin 6 (=26°/,), während unter den 25 chirurgischen Fällen rein
‘ human nur II (=44°/,), hingegen gemischt + bovin 14 (=56°/,) reagierten.
In den chirurgischen Fällen ist also die bovin + gemischte Gruppe mehr
als doppelt so groß, als in den internen Fällen.
Dieser Befund stimmt überein mit den direkten Züchtungsversuchen
Raws, der im Gegensatz zu der auch nach ihm human infizierten Lungentuber-
kulose den bovinen Ursprung der meisten Fälle der chirurgischen
Tuberkulose behauptet. |
Es ist übrigens charakteristisch, daß der eine Fall, von dem bisher keine
Rede war, der Koch und bovin reagierte — ohne humane Reaktion —, eben-
falls ein Fall der chirurgischen Tuberkulose — Gonitis tuberculosa — war.
ic ais © v. PIRQUET-DETRESCHE KUTANREAKTION. 355
Unter den dreifach reagierenden Fällen erwähnen wir noch besonders die
Reaktion des Falles 27 — Osteomyelitis tbc. — und des Falles 45 — Appen-
dicitis —, ferner die des Falles 13 — Appendicitis. In den beiden ersten
Fällen überholt die dominante Humanfiltratpapel, im dritten die dominante
Bovinfiltratpapel die Koch-Papel bedeutend an Größe (8:11:5; 5:8:3;
10:6:15); dies sind Beispiele des von Detre beschriebenen akuten Re-
aktionstypus, dessen hauptsächlich charakterisierendes Symptom die außer-
ordentliche Empfindlichkeit gegen das Filtrat ist. Dies betonen wir deshalb,
weil unter den Nachforschern Detre’s Kentzler!) das Bestehen dieses Reaktions-
typus angezweifelt hat.
Als Endresultat können wir aussprechen, daß wir in der modifizierten
Kutanreaktion besonders für die chirurgischen Fälle eine sehr wertvolle
Methode besitzen, wo etwa auch die Indikation eines operativen Eingriffes da-
durch bestimmt werden kann.
Wir halten sie für eine hervorragend wichtige Methode einerseits in
beginnenden Tuberkulosefällen, wo uns andere diagnostische Methoden im
Stiche lassen, andererseits zur Bekräftigung bezw. Ausschaltung der durch
andere Mittel erzielten diagnostischen Daten.
Die klinische Erklärung der einzelnen Reaktionsformen aber ist heutzu-
tage um so schwerer, da wir die klinische Offenbarung der Über-
empfindlichkeit des Organismus nicht zur Genüge kennen.
Durch die Reaktion gewinnen wir einen Einblick in den Brochemismus
des Organismus, doch dürfen wir sie in diagnostischer Richtung nur mit
großer Umsicht anwenden. Diese Umsicht besteht in der vorsichtigen Erwägung
sämtlicher Daten, welche nebst den Kutanreaktionen sonstige Untersuchungs-
ereignisse — Intoxikationssymptome, die Untersuchung auf Anämie, kleinere
Temperaturerhöhungen — bieten. |
Was die außerordentliche Empfindlichkeit der chirurgischen Fälle — die
Veränderung der Form der Reaktion mit dem Fortschreiten der Krankheit,
sowie auch was die humanen, bovinen und gemischten Reaktionen anbelangt —
die Seltenheit der Anwendung des Bovin in internen Fällen — werden Detre’s
diesbezügliche Daten durch unsere Erfahrungen bestätigt.
1) Wien, med. Wehschr. 1908,
ZEITSCHR. f.
356 S. BERNHEIM ET P. id TUBERKULOSE
XXIII.
Valeur therapeutique des tuberculines,')
par MM. les Drs.
Samuel Bernheim et P. Barbier,
President de Œuvre de la Tuberculose Médecin du Dispensaire des Employés des
Humaine Postes, Télégraphes et Téléphones.
Historique.
fiques de Villemin, la découverte du bacille de la tuberculose par
j Robert Koch en Mai 1882 devait jeter un jour nouveau sur le traite-
ment de cette maladie qui constitue le plus terrible fléau des temps modernes,
causant à elle seule plus de trois millions de victimes par an dans tout PUni-
vers. La découverte de Pagent spécifique de cette affection devait donc faire
sortir la thérapeutique antituberculeuse de l’empirisme pour l’orienter vers une
méthode rationnelle, c’est-à-dire spécifique.
Déjà, avant que Robert Koch lui-même n’ait découvert sa première
tuberculine, des essais timides avaient été faits dans cette voie que nous passe-
rons rapidement en revue. En 1883, Daremberg, prenant modèle sur la
vaccination anti-rabique, rend des animaux tuberculeux et se sert de leur
moëlle pour vacciner d’autres animaux. Il n’obtint aucun résultat. En 1885,
Testi et Marzi traitent des tuberculeux en leur faisant absorber des cultures
de Bacterium termo qu’ils considèrent comme antagoniste du bacille de Koch.
En 1886, Cavagnis inocule à des animaux des crachats tuberculeux traités
par des solutions phéniquées de plus en plus fortes. En 1889, Grancher et
Martin emploient des cultures atténuées de tuberculose au moyen desquelles
ils tentent d’immuniser le lapin. En 1890, Courmont et Dor cherchent à
isoler par la filtration les produits solubles secrétés par les bacilles dans les
cultures liquides, dont ils se servent ensuite pour vacciner le lapin; ils en au-
raient obtenu de bons résultats, mais Lépine répétant à son tour leurs expé-
riences, n’obtint aucun succès. La même année, Richet et Héricourt
essayent également de vacciner des lapins avec des cultures de bacilles tués
par la chaleur à 80% En Italie, Maffucci expérimentait aussi de son côté
les cultures de bacilles atténués soit par le chauffage à 70°, soit par le vieil-
lissement.
C’est alors que le 4 Août 1890, au Congrés International de Berlin,
Koch fit sa retentissante communication, où il annonçait la découverte du
remède spécifique de la tuberculose. «Je possède maintenant, disait-il, «le
remède cherché. Quatre cobayes extraordinairement prédisposés à la tuber-
culose résistent, grâce à cette substance, à l’inoculation du virus tuberculeux
et ceux qui sont déjà atteints d’une tuberculose avancée peuvent être guéris
1) Rapport présenté au Congrès International de la Tuberculose, Wasbington, Sept.-Oct. 1908.
PD.XULHEFT4. VALEUR THÉRAPEUTIQUE DES TUBERCULINES. 367
sans que cette substance ait une autre influence sur l’organisme.» Ce n'est
qu'en Janvier 1891 que Koch révéla la vraie nature de son remède: il s'agissait
d'un extrait glycériné tiré de cultures pures des bacilles de la tuberculose,
Aussitôt livrée à la publicité, la tuberculine de Koch ne tarda pas à être
expérimentée dans les hôpitaux de tous les pays. On s’aperçut bientôt que
la lymphe de Koch, loin d'améliorer l’état des malades, l’aggravait le plus
souvent; des cas de mort par généralisation des lésions, signalés par différents
observateurs, et en particulier par Virchow, eurent vite fait de refroidir Pen-
thousiasme de la première heure. En présence des cas désastreux, tout le
monde renonça à la tuberculine de Koch comme moyen thérapeutique; seule
sa valeur diagnostique devait continuer à être utilisée, principalement en méde-
cine vétérinaire où elle devait rendre les plus grands services.
L’échec de la première tuberculine ne devait pas décourager le savant
allemand. Attribuant les accidents observés par certains auteurs à la présence
dans son produit de principes toxiques, il chercha de diverses manières à
modifier son produit pour le débarrasser de ces principes toxiques. Dans une
nouvelle communication du 22 Octobre 1891, il croit avoir obtenu cette tuber-
culine tout à fait pure. C’est la tuberculine épurée qu'il obtient en mélange-
ant sa première tuberculine avec trois fois son volume d'alcool; le précipité est
lavé avec de Palcool à 60°, puis séché dans le vide à 100% Mais Koch re-
connut lui même que les effets obtenus avec cette tuberculine épurée ne diffé-
raient pas sensiblement de ceux que l’on obtenait avec la première.
*
+ 2
Pendant ce temps, d'autres expérimentateurs cherchaient de leur cóté a
purifier également la lymphe de Koch. Dans deux articles, le premier publie
le 11 Avril 1891 dans la «Wiener medizinische Wochenschrift» et le second
le 5 Novembre 1891 dans la « Deutsche medizinische Wochenschrift», Klebs nous
montre comment il est arrive a obtenir une nouvelle substance la tuberculo-
cidine. Sa methode consiste a traiter 5 centimetres cubes de lymphe de Koch
par 100 centimètres cubes d'alcool absolu: le dépôt ainsi obtenu, après avoir
été bien brassé, est filtré, puis lavé avec 100 centimètres cubes d’alcool absolu,
100 centimètres cubes de chloroforme et de benzine. On dessèche ensuite
a 56% On reprend le dépôt, on le mélange avec 100 centimètres cubes de
glycerine à une solution de 0,5 °/, d’acide phénique; on refiltre soigneusement
et on obtient ainsi une solution soluble dans l’alcool, laquelle représente 5 °/,
de la lymphe primitive.
En 1892, Spengler, de Davos, dans un travail publié dans la « Deutsche
medizinische Wochenschrift», nous communique les résultats favorables qu'il a
obtenus en combinant l’action de la tuberculine de Koch la tuberculocidine
de Klebs, dans les proportions de '/,, à Hee de milligramme de la premiere
pour 5 à 20 milligrammes de la seconde.
En 1893, S. Bernheim, au Congrès de la Tuberculose de Paris, annonça
qu'il était arrivé a immuniser des animaux contre la tuberculose par des in-
oculations intravasculaires de cultures de bacilles chauffées pendant une heure
et demie et filtrées. On inoculait ensuite aux malades le sérum de ces ani-
o ZEITSCHR. f.
358 | | | S. BERNHEIM ET P. BARBIER. TUBERKULOSE
maux immunisés. Ce fut là la première tentative faite dans la voie de la
sérothérapie antituberculeuse.
En 1804, un auteur américain Schweinitz, dans le numéro du 8 Dé-
cembre de «Philadelphia médical News», publiait les résultats des recherches qu’il
avait faites en vue d’obtenir l’immunité contre la tuberculose chez les cobayes,
en leur injectant des bacilles atténués. Il était arrivé ensuite à immuniser de
grands animaux (chevaux, ânes, mulets): le sérum des animaux traités lui
parut avoir quelque valeur curative.
En 1895, au Congrés de Bordeaux, un italien Maragliano annonçait
également qu'il avait rendu des animaux réfractaires à la tuberculose par des
injections de toxines retirées des cultures du bacille de Koch.
En Novembre 1896, le Dr. Hirschfelder, de San Francisco, proposait
une nouvelle tuberculine, l’oxytuberculine, laquelle résulte de l’oxydation de la
tuberculine au moyen de l’eau oxygénée.
En 1897, Schweinitz, en collaboration cette fois avec Dorset, nous
décrit une seconde tuberculine, laquelle possédait par elle-même des vertus
curatives.
C’est la même année enfin que Robert Koch, dans un travail paru dans
la « Deutsche medizinische Wochenschrift», annonçait la découverte de sa nou-
velle tuberculine T.R.
Cette nouvelle tuberculine T.R. consistait en une véritable émulsion de
bacilles. Pour l'obtenir, il se servait de cultures desséchées et triturées, qu’il
soumettait à la centrifugation. Le résultat de centrifugation était de nouveau
desséché et trituré puis soumis à une seconde centrifugation. On arrivait ainsi,
par ces opérations successives, à détruire l’enveloppe résistante du bacille, ce
qui permettait a ce dernier de pouvoir être résorbé. Cette nouvelle tubercu-
line de Koch ne fut point accueillie avec Venthousiasme qui avait marqué
Papparition de la première; le monde des auteurs qui l’ont expérimentée fut
par suite moins considérable. Elle ne devait guère donner d’ailleurs de résul-
tats plus encourageants; des cas de généralisation des lésions provoquée par
son emploi devaient également être signalés.
En 1898, Weyl et Wesely indiquent un procédé nouveau permettant
d’obtenir une tuberculine moins toxique. Ce procédé consiste en une modi-
fication apportée à la composition du bouillon de culture: absence d’extrait de
viande, addition d’une forte proportion de glycérine.
Cette même année enfin, au Congrés de Paris contre la tuberculose, plu-
sieurs communications furent faites à ce sujet. Arloing et Guinard, à la
recherche d’un sérum immunisant contre la tuberculose, ont retiré des cultures
du bacille de Koch plusieurs tuberculines qu’ils nomment T.A., T.C., T.D. et
enfin T.B.
À ce même Congrès de Paris, Hirschfelder exposa les bons résultats
qu’il avait obtenus de l’emploi de son oxytuberculine.
Enfin, la communication la plus intéressante fut celle de Denys de
Louvain, qui annonça qu’il avait découvert une tuberculine capable d’exercer
chez le chien infecté de tuberculose une action aussi bien préventive que cu-
da VALEUR THÉRAPEUTIQUE DES TUBERCULINES. 359
rative. Il a commencé à expérimenter cette tuberculine chez l'homme, il a
obtenu dans les formes fébriles des améliorations considérables et méme la
guérison dans un grand nombre de cas.
En 1899, dans un article de la Revue médicale de la Suisse Romande,
Vignerat étudie la nature chimique de la tuberculine qui ne serait d'apres lui
qu’un succinate alcalin. Le traitement de la tuberculose consisterait à em-
pêcher la formation d'acide succinique dans l’organisme.
En 1900, au Congrés International de Médecine de Paris, Middendorp
fit une communication sur la doctrine et la méthode curative de Koch. Pour
lui, le bacille de Koch n’est qu’un simple saprophyte et non l’agent spécifique
de la tuberculose La méthode curative de Koch n’a donc aucune base scienti-
fique; elle est au surplus nuisible et dangereuse.
En 1902, le Dr. Weigert soutenait devant la Faculté de Médecine de
Lyon une thèse très documentée sur les tuberculines. _ Cette thèse est un travail
très complet pour l’époque à laquelle elle a paru.
La même année dans le numéro du 5 Juin du e Centralblatt für Bakterio-
logie», Fritz Thellung publiait une étude expérimentale sur lagglutination du
bacille tuberculeux et sur le traitement de la tuberculose par la nouvelle tuber-
culine de Koch: la valeur diagnostique de l’agglutination du bacille tuberculeux
lui parait douteuse; quant au traitement reposant sur cette méthode, il n’a ob-
tenu que des résultats négatifs chez les animaux en expérience. Le 4 Sep-
tembre 1902, dans la Gazzetta degli Ospedali e delle cliniche, un médecin italien
Figari signalait un cas de guérison par le sérum de Maragliano d’un tuber-
culeux pulmonaire datant de deux ans.
Dans les numéros d'Octobre et de Decembre 1902 de la Revue Inter-
nationale de la Tuberculose, le Dr. Maréchal, médecin des Hôpitaux de
Bruxelles publiait un travail intitulé: Traitement de la tuberculose par l’emploi
combiné des tuberculines et des composés créosotés. La tuberculine qu’il pré-
conisait consiste en une association de la tuberculine T.R. de Koch ou bouillon
filtré de Denys. Cette association remplirait d’après l’auteur, un double but:
action immunisante produite par les corps bacillaires broyés de T.R. et action
antitoxique due aux toxalbumines du bouillon filtré de Denys.
En Mai 1903 également, le Dr. van Beneden faisait a la Société méd.-
chir. de Liège une communication intitulée: « Tuberculines et cures hygiéno-
diététiques.» Sans contester la valeur du traitement spécifique de la tuberculose,
il montre qu'à la période de début la cure hygièno-diététique seule peut suffire.
Enfin, en Juin 1903, dans la Revista de medicina y cirurgica praticas,
Maragliano fait une étude de l'immunisation et de la lutte de Porganisme contre
la tuberculose. S'appuyant sur ce fait que la guérison d’un foyer tuberculeux
localisé laisse en général le malade réfractaire à toute nouvelle atteinte, il a
pensé pouvoir obtenir l’immunité en produisant un foyer circonscrit de tuber-
culose cutanée. Par l’inoculation sous la peau du bras d’une petite quantité
de bacilles morts, il détermine un foyer purulent amicrobien très lent à guérir
(trois ou quatre mois): pendant ce temps, on peut constater l’augmentation
progressive du pouvoir agglutinant du sérum.
* *
*
ZEITSCHR. f.
360 Oe po nus, VUBERKULOSE
Le 18 Novembre 1903, a Académie de Médecine de Paris, le Dr. Mar-
morek faisait une importante communication intitulée: Sérum et vaccin anti-
tuberculeux. La tuberculine ne serait pas, d’aprés lui, la vraie toxine du ba-
cille de Koch: il serait arrivé a isoler cette derniére dont il s’est servi pour
immuniser les chevaux. C’est le sérum des chevaux ainsi immunisés qu’il a
employé dans le traitement de la tuberculose. Cette communication donna
lieu à une deuxième a laquelle prirent part MM. Dieulafoy, Le Dentu,
Monod, Hallopeau. Sauf M. Monod, les autres orateurs déclarent qu’ils
n’ont observé aucune amélioration sous Pinfluence du sérum de M. Marmorek;
le Dr. Hallopeau a méme observé des accidents locaux et á distance.
Le 23 Novembre, le Prof. Béraneck de Neufchâtel faisait à l’Académie
des Sciences une première communication sur sa nouvelle tuberculine. Cette
tuberculine est une tuberculine compléte contenant á la fois les toxines ex-
traites des cultures et les endotoxines provenant des corps bacillaires.
En 1904, dans le numéro du 28 Janvier de la «Deutsche medizinische
Wochenschrift », le Dr. Friedmann, de l’Institut biologique de Berlin, nous donne
les résultats de ses essais de vaccination des cobayes contre la tuberculose
humaine ou bovine au moyen des cultures du bacille de la tuberculose des
tortues: ces essais ont été tres satisfaisants.
En Décembre 1905, nous signalerons également un article publié dans
la Revue Internationale de la Tuberculose par le Prof. Ferran, de Barcelone,
sur l’immunisation des cobayes contre la tuberculose spontanée et contre la
tuberculose expérimentale provoquée par leur bacille. L'auteur est arrivé à
vacciner les cobayes contre la tuberculose en leur injectant des cultures mortes
de bactéries tuberculogènes saprophytes.
À la même époque M. Lignières, directeur de l’Institut bactériologique
de Buenos-Ayres, annonçait qu’il s’occupait de la préparation d’un vaccin anti-
tuberculeux. Il existait, d’après lui, deux types de bacilles de Koch, différents
par leur action pathogène: c’est sur ce fait que sont basées ses recherches
expérimentales. |
Le 6 Mars 1906, devant la Société Internationale de la Tuberculose de
Paris, le Dr. Jacobs de Bruxelles venait communiquer les résultats observés
par de nombreux médecins tant en Belgique qu’en Angleterre, en Suisse et
en France, à la suite du traitement des différentes localisations tuberculeuses
‘par une tuberculine préparée dans son laboratoire depuis 1897. L’auteur in-
sistait sur le nombre élevé des guérisons maintenues telles depuis plusieurs
années, sur la constance des résultats obtenus, ainsi que sur l'innocuité absolue
du traitement, Sur 500 malades qu'il a traités lui-même le Dr. Jacobs a eu
62 guérisons, 209 améliorations, 58 décès; 171 malades ont abandonné le
traitement. A la suite de la communication du Dr. Jacobs, le Dr. Lespinne,
de Bruxelles, vint signaler les heureux résultats obtenus par lui avec cette
tuberculine dans le traitement des tuberculoses cutanées (lupus, gommes, scro-
fulo-tuberculeuses, adénites): certaines guérisons se sont maintenues après deux
années. À leur tour le Dr. Georges Petit et le Dr. S. Bernheim confir-
sr ds VALEUR THÉRAPEUIIQUE DES TUBERCULINES. 361
mérent les résultats favorables obtenus dans leurs dispensaires avec la tuber-
culine de Jacobs.
* xk
Tuberculine de Jacobs.
La tuberculine de Jacobs est un vaccin bactérien provenant d'une émul-
sion de bacilles de tuberculose humaine cultivés sur un sérum spécial, de
virulence toujours identique et contrôlée. On laisse la culture à l’etuve un
temps déterminé; après réduction à chaud dans le vide, jusqu’à réduction à
8°/, du volume primitif, les cultures sont filtrées sur porcelaine et stérilisées.
On étend le liquide de glycérine, et l’on obtient ainsi une liqueur mère, au
moyen de laquelle on fait des solutions de titres différents qui sont placées en
ampoules de verre coloré de 2 centimètres cubes, scellées à la lampe. Ces
ampoules se conservent indéfiniment. |
L’auteur expérimenta d’abord sa tuberculine sur l’animal. Le cobaye
sain supportait sans manifestation morbide une injection sous-cutanée et intra-
péritonéale de 2 centimètres cubes de ce liquide; 5 centimètres cubes ame-
naient des troubles qui disparaissaient plus ou moins rapidement. Un cobaye
tuberculeux mourut en quelques heures après une injection de !/, à 1 centi-
mètre cube. Chez le lapin sain, Pinjection de 5 centimètres cubes ne donnait
qu’un amaigrissement passager; chez le lapin tuberculeux une injection d’un
centimètre cube amena une hyperthermie de 41° à 42% avec mort plus ou
moins rapide. Toutes ces expériences devaient être faites avec la solution
mère. Les autres solutions n’entraînent aucun trouble sérieux chez les animaux
sains; chez les animaux tuberculeux, les injections répétées peuvent amener
des troubles inquiétants, mais le plus souvent passagers. Les autopsies que
l’on a faites d'animaux infectés morts en expérience montrèrent que les foyers
tuberculeux étaient entourés de véritables exsudats leucocytiques qui isolaient
en quelque sorte ces foyers; les leucocytes étaient le siège d’une phagocytose
intense, amenant la destruction plus ou moins rapide des bacilles. Dans les
tissus tuberculeux mortifiés, les masses caséeuses, ce travail ne se produisait
pas; autour des lésions tuberculeuses récentes on l’observait dans toute son
intensité A une période expérimentale plus avancée, on voyait le foyer in-
fecté devenir de plus en plus petit, se nécroser et même finir par être éliminé.
L’intensité du travail phagocytaire autour des foyers tuberculeux est en
rapport avec l'intensité du mécanisme de défense que l’organisme emploie dans
sa lutte contre le bacille de Koch. Cette phagocytose a lieu en effet grâce
à un élément susceptible de se combiner au bacille de Koch et de le pré-
parer à la digestion intra-cellulaire. Cette substance, appelée par Wright
` «opsonine », peut être décelée et dosée dans une goutte de sang en suivant
la technique de Leishman, modifiée par Wright et Douglas: On mélange
dans un tube capillaire un volume de sérum à essayer, un volume d’une
émulsion de leucocytes lavés provenant d'un sang normal et un troisième
volume d’une émulsion de bacilles’ de Koch dans une solution de 0,75 NaCl.
Le tube capillaire scellé est mis à l’étuve pendant dix minutes à 37° puis on
Zeitschr. f. Tuberkulose, XIII. 24
| ZEITSCHR. f.
362 S: PERN ET P: BARBIER: TUBERKULOSE
fait des préparations microscopiques de son contenu. Après une coloration
appropriée, on compte le nombre des microbes phagocytés par les 30 ou 40
premiers leucocytes qui se présentent au microscope. En divisant le total des
microbes phagocytés par le nombre des leucocytes examinés, on obtient le
coefficient phagocytaire. On compare ce coefficient a un coefficient normal
pris comme unité et obtenu par une opération exactement similaire menée
simultanément, mais dans laquelle on a mélangé au volume d’émulsion bacil-
laire et leucocytaire le sérum provenant d'un sujet sain: c’est le rapport de
ces deux coefficients qui constitue Pindex opsonique.
La recherche de index opsonique sera un guide précieux dans le traite-
ment de la tuberculose par la tuberculine de Jacobs. Cet index opsonique
subit, en effet, des variations de hauteur après chaque injection de vaccin bac-
térien. Au-dessous de la normale chez le sujet non traité, il commence par
s'abaisser encore davantage a la suite de cette première injection. C’est ce
qu’on appelle la phase négative, laquelle s'explique par la soustraction à lor-
ganisme d’une certaine quantité de substances protectrices que provoque la
tuberculine en se combinant avec les éléments bactério-tropiques toujours
présents dans le sang. Cette soustraction a pour conséquence une stimulation
cellulaire, d’où formation instantanée et surabondante de substances bactério-
tropiques ou protectrices; c’est la phase positive, caractérisée par le relèvement
de l'index opsonique de sang. Au bout d'un temps variable, Pindex opsonique
a tendance à retomber vers le taux primitif; on doit alors pratiquer une se-
conde injection qui est suivie de la même succession de phénomènes, avec
cette différence cependant que l’immunité atteint un sommet encore plus élevé.
Les choses se passent ainsi dans les cas favorables; mais malheureuse-
ment il n’en est pas toujours de même. Chez les sujets profondément infectés
toute réaction défensive semble être épuisée, et chez ces sujets les tentatives
d'immunisation n’ont comme résultat qu’une diminution plus accentuée encore
du pouvoir défensif, la phase positive manque et l’on ne provoque qu’une
phase négative prolongée: dans ces cas, Pindex opsonique ne se relève pas.
Continuer quand même les injections, ce serait häter la mort du malade, puis-
que chaque inoculation lui enlève une certaine dose de substance protectrice.
La recherche de l’index opsonique du sang, nous guide également pour la
question des doses de vaccin et de l’intervalle entre les injections. Si la dose
de vaccin est trop forte, il y a une telle soustraction de substances protectrices
du sang que le malheureux ne s’en relève pas, qu’il meurt pendant une phase
négative foudroyante. Ce mécanisme nous explique les accidents qui ont
marqué les débuts de ladministration de la tuberculine de Koch. Remarquons,
d'autre part, qu’une injection journalière de petites doses de vaccin manque
également le but; à chaque injection correspond un accroissement progressif
de Pimmunité, mais fatalement il arrive un moment où cette immunité, ayant
atteint son maximum, s’effond sous laction répétée des inoculations. Si Pon
diminue considérablement la dose injectée, la phase négative manque totale-
ment ou passe inaperçue; la phase positive fait également défaut et le degré
d’immunité du malade reste ce qu'il était. Si la dose est suffisante pour pro-
BD. XULHEFT4. vALBUR THÉRAPEUTIQUE DES TUBERCULINES. 363
voquer une réaction, celle-ci porte en elle la guérison ou la mort. La question
de dose est primordiale: trop faible, elle passe inapergue; trop forte elle peut
aggraver l’état infectieux du malade et produire une mobilisation générale des
microbes infectants. Cette question de dose devient encore plus importante
lorsqu'on pratique une série d’inoculations, car on additionne des lors les effets;
on peut obtenir des effets cumulätifs positifs ou bien négatifs, élevant ou
abaissant par échelons successifs le niveau final de l'immunité.
L'examen opsonique est une épreuve scientifique rigoureusement exacte;
elle n’est cependant pas indispensable dans le traitement de la tuberculose par
les tuberculines. En effet, maintes fois, nous avons pu nous guider sur certains
phénomènes cliniques (céphalée, lumbago, fatigue générale, légère ascension
thermique, inapétence, traces d’albumine dans les urines), signes qui nous ont
averti que l’organisme était saturé et qu’on était arrivé au stade du plateau.
Lorsqu'on observe ces symptômes qui surviennent généralement au bout de
50 à 60 piqüres, il faut suspendre le traitement pendant 15 jours ou I mois
et toutes ces légères complications disparaissent comme par enchantement.
Quand Porganisme a éliminé complètement toute l’anti-toxine, on peut refaire
une nouvelle série d’injections en commençant par le titre 1 exactement comme
au début du traitement.
* *
Le lieu d’élection pour les injections de la tuberculine Jacobs est la
région fessiére, par la voie intra-musculaire; linjection est très peu douloureuse,
ne donne qu’une sensation d’engourdissement du membre inférieur qui disparait
en cing ou dix minutes. On peut, comme nous le verrons plus loin, pratiquer
deux injections par semaine en se basant sur certains phénoménes cliniques,
de ou sur l’index opsonique pour déterminer le moment opportun d'une nou-
velle injection. |
Les injections de la tuberculine de Jacobs ne sont suivies d'aucune ré-
action, ni thermique, ni générale, ni locale: sur plus de 60000 injections on
n’a signalé aucun accident. Cette médication jouit donc d’une innocuité ab-
solue. Non seulement, les injections du vaccin bactérien ne déterminent pas
d'élévation de température, mais même certains malades qui étaient fébriles au
début du traitement ont vu leur température s’abaisser rapidement comme Pun
de nous!) l’a observé. La phase négative au début peut cependant, comme
Pa montré Delatre?) se traduire par quelques symptômes cliniques: une cour-
bature légère, quelquefois des fourmillements dans les membres inférieurs,
d'autre fois de la raideur articulaire, un peu d'arthralgie, le sommeil un peu
agité ou au contraire plus profond, un état nerveux qui dure à peine. La
température descend généralement de deux ou trois dixièmes de degré. Au
niveau des lésions, les malades accusent une sensation de tension; les doulcurs
névralgiques, les points de côté sont plus sensibles. Au moment de la phase
1) Drs, S. Bernheim et Martin Saint-Laurent, Congrès intern. de méd., Lisbonne,
Juin 1906,
7) Delattre, Traitement de la tuberculose pulmonaire par la T.J. sous le contrôle de l’examen
Opsonique. Progrès méd., 15 Juillet 1906.
24*
ZEITSCHR. f.
364 S. BERNHEIM ET P. BARBIER. Per Le
positive tous ces petits symptômes disparaissent. Le malade se sent amélioré.
La température cependant, qui était légèrement abaisséc, remonte un peu.
Elle ne reste définitivement abaissée qu’apres un certain nombre d’injections.
Si ces phénomènes suivent les premières inoculations, il n’est pas toujours ainsi
dans la suite. Au bout d'un certain temps, les symptômes d’amélioration se
manifestent carrément et l’on ne voit plus, au moment de la période négative,
qu’une légère augmentation de l’expectoration qui, en même temps,. devient
plus fluide.
* S *
Ces données générales étant connues sur le traitement de la tuberculose
par la tuberculine de Jacobs, voyons maintenant quels sont les résultats
thérapeutiques donnés par cette méthode. Le professeur Jacobs apportait
en 1906 à la Société internationale de la tuberculose une statistique de
500 cas de tuberculose pulmonaire à tous les degrés traités par les in-
jections de tuberculine: Sur ces 500 cas, on comptait 62 guérisons main-
tenues telles depuis plus de 3 ans, 2 ans et 1 an, 209 améliorations, 58 dé-
cès, 171 cas, ayant abandonné le traitement rapidement ou Payant suivi
dans de telles conditions qu'il eùt été impossible d'obtenir un résultat quel-
conque. La méme année au Congrès international de Lisbonne, Pun de nous?
communiquait les premiers résultats qu'il avait obtenus de emploi de la tuber-
culine de Jacobs dans la tuberculose pulmonaire; 12 malades traités depuis
6 mois d'une façon suivie étaient tous en voie d'amélioration. En 1907, dans
la Revue internationale de la tuberculose, Delattre publiait 14 cas de tuber-
culose pulmonaire traités par la tuberculine de Jacobs: dans tous ces cas
l'amélioration était considérable. Dans toutes les observations, on signale sous
influence des injections de tuberculine, l’élèvement très rapide de l’état général
et de la nutrition, coincidant avec le relèvement du taux opsonique. L’un des
premiers symptômes est le réveil de Pappétit qui est parfois excessif: la faim
est impérieuse chez certains malades. On constate en même temps l’amélio-
ration des fonctions gastro-intestinales, la disparition des troubles gastralgiques,
des nausées, des vomissements L’augmentation de poids n’est pas toujours
en raison de cet appétit. exagéré: les malades gagnent en moyen 2 kilos.
Parfois même, il se produit au début du traitement un phénomène paradoxal:
avec le réveil de l’appétit, le malade maigrit. La perte de poids est de 1 kilo,
quelquefois même de 2 kilos pendant le premier mois; mais il ne tarde pas
‘à regagner son poids. Les malades qui étaient fébriles avant le traitement,
voient, sous l'influence des injections, leur température s’abaisser rapidement.
Il est parfois utile cependant de soumettre pendant quelques jours les malades
au repos au lit, ce qui facilite la chute de la température. Avec la fièvre
disparaissent les sueurs nocturnes et le sommeil devient réparateur. Au niveau
des lésions pulmonaires, on constate à la percussion la disparition progressive
des zones de matité, qui sont remplacées plus ou moins rapidement par une
sonorité voisine de la normale. A l’auscultation, on perçoit la disparition ra-
1) Drs. S. Bernheim et Martin Saint-Laurent, Communication au Congrès de Lis-
bonne, Juin 1906.
Braut VALEUR THERAPEUTIQUE DES TUBERCULINES. 365
pide des rales et autres phénomènes stéthoscopiques. L’amélioration des sym-
ptómes locaux se traduit par la diminution de la toux et de l’expcctoration;
les crachats deviennent plus fluides, les bacilles de Koch disparaissent plus ou
moins rapidement.
La tuberculine de Jacobs nc donne pas seulement de remarquables ré-
sultats dans la tuberculose pulmonaire, mais également dans toutes les autres
localisations de la tuberculose. Dans la tuberculose du larynx, sur 15 cas de
la statistique de Jacobs, on a obtenu 11 guérisons contrôlées par des spé-
cialistes. L’hyperémie des cordes vocales, leur tuméfaction, diminuent assez
rapidement sous l'influence des injections; les ulcérations se cicatrisent, laissant
aux cordes vocales leur aspect nacré brillant; la voix revient. Sur 30 cas de
péritonite tuberculeuse de la même statistique, lascite disparaît rapidement, la
fièvre tombe, la diarrhée et les vomissements s’amendent au bout de quelques
injections, en même temps que s'améliorent l’état général et la nutrition. Des
les premières injections, les douleurs abdominales disparaissent; les tumeurs
(gateaux et noyaux tuberculeux) fondent lentement, mais progressivement, sans
laisser aucune trace. On a vu chez la femme la menstruation reparaître même
après plusieurs années d’aménorrhée. Dans l’enterite tuberculeuse primitive de
la première enfance, sur 6 cas de cette même statistique on a signalé 3 gué-
risons, dont une s'est maintenue définitivement depuis plus de 5 ans, une
deuxième depuis 2 ans et demi. Les diarrhées putrides cessent très rapide-
ment sous l'influence des injections. Dans les ostéites tuberculeuses, sur 44 cas
de cette statistique on a constaté 25 guérisons durant depuis 2 ans et plus,
9 guérisons datant d’au moins un an; dans plusieurs cas la mort est survenue
par infection générale ou à la suite de complications. Dans les cas favorables,
l’état général se relève rapidement, au point de permettre à des malades alités
depuis des mois de se lever après 15 jours, 3 semaines. La douleur, souvent
si atroce, dans cette localisation tuberculeuse est un des premiers symptômes
à disparaître; elle est remplacée par un fourmillement dans la région malade.
Les ostéites fermées, c’est-à-dire non fistuleuses, passent à résolution; les os
dégonflent et la peau perd sa rougeur, sa tension. Si Paffection est de date
ancienne, la guérison est plus lente; on peut observer des arrêts dans la gué-
rison avec recrudescence du mal. Il y a dans ces cas réveil des lésions en-
dormies et l’on assiste alors à l’évolution rapide de ces nouveaux foyers. S'il
y a abcès ou collection purulente autour des foyers, quelques ponctions
amènent la guérison sans fistule. Quant aux ostéites ouvertes à fistules, ce
sont souvent des foyers de suppuration entretenus par des séquestres. on doit
dans ces cas intervenir d’abord chirurgicalement pour enlever ces séquestres.
On a signalé des cas de coxalgies guéries sans raccourcissement du
membre, chez les enfants, grace aux injections de tuberculine; des cas de spina-
ventosa qui ont rétrocédé sans suppuration; des cas d’arthrites anciennes à
fistules soumis au traitement à la veille d’amputation soit du bras, soit de la
jambe, soit de la cuisse et qui guérirent complètement, rendant ainsi Pampu-
tation inutile; un cas de tuberculose vertébrale dans lequel le sujet impotent
ZEITSCHR f.
366 S. BERNHEIM ET P. BARBIER. ` ` ` "peter
et souffrant atrocement depuis de longs mois était capable de se lever et de
reprendre ses occupations au bout d’un mois de traitement par la tuberculine.
*
* *
Comme autres localisations tuberculeuses soumises avec succés aux in-
jections de tuberculine de Jacobs, nous citerons également la tuberculose con-
jonctivale, les cystites et les orchi-épididymites tuberculeuses. Dans la plupart
des cas, la guérison a été rapide, avec relèvement des forces, de l’état général
et disparition des lésions. Nous citerons pour terminer les tuberculoses cutanées
(lupus, gommes scrofulo-tuberculeuses, adénites), dans lesquelles les injections
de tuberculine Jacobs ont donné des résultats non moins remarquables. La
statistique rapportée à ce sujet par le Dr. Lespinne à la Société Internatio-
nale de la Tuberculose portait sur 22 cas de lupus, 12 cas de gommes scro-
fulo-tuberculeuses et 4 cas d’adénites tuberculeuses. Dans les lupus, on con-
state dès le début du traitement la régression des infiltrats lymphangitiques
entourant les placards lupeux, d’où diminution immédiate des dimensions
apparentes du lupôme par décongestion des tissus voisins. On constate sou-
vent en même temps l’apparition de cordons de lymphangite avec hypertrophie
du ganglion correspondant. Ces phénomènes de lymphangite disparaissent très
vite et l’on assiste bientôt à laction sur le lupus lui-même. Peu à peu les
placards lupeux ou les nodules isolés diminuent de volume, se recouvrent d’un
épiderme plus épais; il se forme du tissu fibreux cicatriciel entre les néo-
plasmes restants: c’est la marche vers la cicatrisation interstitielle. Dans un
tiers des cas observés par le Dr. Lespinne, la disparition des placards lupeux
s’est faite d'une façon complète; dans plusieurs de ces cas, la guérison s'était
maintenue depuis plus de 2 ans sans récidive. Le même processus s’observe
dans la guérison des gommes scrofulo-tuberculeuses dermiques ou hypoder-
miques traitées par la tuberculine. Les gommes encore crues peuvent dis-
paraître par résorption sans laisser aucune trace appréciable, si ce n’est la
cicatrice. Des nodules rétractés, durs, en apparence guéris ont pu se réveiller
sous l'influence de la tuberculine, mais leur ramollissement se faisait sans au-
cune réaction périphérique malgré l’ouverture à la peau et Pexpulsion presque
en bloc d’un magma solide comprenant tout le tissu gommeux mortifié Quant
aux ulcérations fongueuses en suppuration, on les voyait sécher peu à peu et
guérir par transformation en cicatrices aussi parfaites que possible.
Pour les adénites tuberculeuses, l’un de nous”), dans une communication
a la Société Internationale de Tuberculose, a relaté 21 observations d'adénites
cervicales guéries ou en voie de guérison par le seul emploi de la tuberculine
de Jacobs. Le processus est ici le méme que pour les gommes cutanées.
Dans les cas d'adénites gommeuses crues, on voyait ces adénites, parfois volu-
mineuses, se résoudre peu à peu et disparaître sans laisser aucune trace appré-
ciable. Dans une observation du Dr. Lespinne, il ne restait plus d’une de
ces grosses adénites qu’un petit nodule rétracté, qui put être énucléé avec la
1) Drs. Barbier et Dieupart, Traitement des adénites du cou par la tuberculine. Com-
munication & la Soc. Int. de la Tub., Oct, 1906.
BD.XUIL,HEFT4. I |
1908. AGE SETERAREDNIOUE DES TUBERCULINES, 367
plus grande facilité; l’opération fut des plus simples bien que le ganglion re-
posat sur la carotide. Dans les adénites suppurées, Paction de la tuberculine
de Jacobs était non moins évidente; sous son influence, on voyait se tarir
des suppurations datant de plusieurs mois (observations communiquées par le
Dr. Lespinne). De plus, grâce à la tuberculine, au lieu de ces cicatrices
gaufrées, couturées, rougeátres ou violacées, que l’on observait jadis, témoins
indélébiles de l’ancienne scrofule, on obtenait des cicatrices minces, souples,
finement vascularisées, aussi parfaites en un mot qu’on puisse les désirer.
Aucune observation n’a encore été rapportée concernant les vieilles adénites
sclérosées rétractées; mais il est permis de supposer par analogie avec ce qui
se passe pour les gommes cutanées dans les cas rapportés par le Dr. Les-
pinne, que ces vieilles adénites, en apparence guéries, puissent également se
réveiller et après caséification de leur contenu et ouverture à la peau, expulser
a Vextérieur le résidu de leurs foyers bacillaires.
*
* *
Depuis 2 années et demie, nous avons fait plus de 10000 injections de
tuberculine de Jacobs a des tuberculeux atteints a divers degrés et cela sans
avoir jamais observé aucun accident sérieux. Au bout d'un certain nombre
d'injections (le nombre varie chez les divers individus entre 10 et 40) on
s'apergoit par certains phénomènes que l'organisme est saturé du produit bio-
logique. L’amélioration bien manifeste et continuelle s'arrête: l'état reste
stationnaire et le malade nous signale certains troubles légers (courbature,
cépallalgie, insomnie, lumbago) qui doivent attirer l’attention du clinicien. En
examinant les urines, on trouve souvent des traces indosables d’albumine. A ce
moment l'examen opsonique accuse aussi la phase négative. En tout cas, nous
conseillons à tous les praticiens, même à ceux qui n’ont pas l’habitude de
pratiquer l’examen opsonique, de suspendre les injections de tuberculine pendant
une quinzaine de jours, même quelquefois un mois. I*amélioration constatée
primitivement sous l’influence des injections s’accentue et se confirme. Nous
avons constaté ce fait chez un nombre considérable de tuberculeux, dont l’or-
ganisme était à un moment donné saturé de tuberculine. Après une inter-
ruption du traitement dont la durée varie considérablement d’un individu à
Pautre, on peut reprendre les injections.
Nous avons dit, il y a un instant, que nous avons pratiqué aux Dispen-
saires de l'CEuvre de la Tuberculose Humaine plus de 10 mille injections de
tuberculine Jacobs à des malades arrivés aux différentes périodes. ` Voici
comment nous pouvons résumer une statistique reposant sur une longue ob-
servation et sur un grand nombre de malades traités uniquement par cette
méthode.
a) Tuberculeux atteints au Ier degré et pris dans de bonnes conditions:
Guérison: 70 %/,; amélioration: 15 °/,; état stationnaire: 10%/,; aggra-
vation 5 °/,.
b) Tuberculeux atteints au ms degré et pris dans des conditions satis-
faisantes:
e ~ ZEITSCHR. f.
368 BERNHEIM ET BARBIER, VALEUR THERAFEUTIOUE ETC. TUBERKULOSE
Guérison: 30 °/,; amélioration: 35 °/,; état stationnaire: 25 °/,; aggravation:
10 fo
c) Tuberculeux atteints au Ulm degré mais dont lorganisme offrait une
certaine résistance: |
Guérison: 7 °/,; amélioration: 28 °/,; état stationnaire: 20 °/,; aggra-
vation: 45 °/,.
*
* *
Conclusions. — De cette étude de la valeur thérapeutique des tuber-
culines, que nous nous sommes efforcés de rendre aussi complète que possible,
nous croyons pouvoir tirer les conclusions suivantes:
1° Des deux méthodes d’immunisation contre la tuberculose, l’immuni-
sation passive ou sérothérapie et l’immunisation active ou tuberculinothérapie,
c’est cette dernière méthode qui nous paraît constituer, jusqu’à nouvel ordre,
pour les raisons que nous avons indiquées, la méthode thérapeutique la plus
rationnelle;
2° Parmi les tuberculines, celles qui renferment les toxines contenues
dans les corps bacillaires eux-mémes (tuberculines de Béraneck, de Jacobs)
paraissent posséder les propriétés immunisantes les plus actives;
3° L’action de la tuberculine dépend essentiellement, comme l’a montré
le professeur Sahli, des détails du traitement et de la fagon dont on Pemploie
(augmentation graduelle et prudente des doses, en évitant toutes réactions);
4% La tuberculinothérapie ne peut donner de résultats que chez les sujets
dont la résistance organique est suffisante pour faire les frais de la réaction
défensive qui doit leur assurer la victoire finale;
5% De toutes les tuberculines préconisées et expérimentées, celle du
Prof. Jacobs nous paraît à la fois la plus facile à manier, la moins dangereuse
à administrer et aussi la plus efficace dans le traitement des diverses mani-
festations et des variétés cliniques de la tuberculose. |
SN
O
RD XIN-REFT4. BERMBACH, EIN MECHANISCHES HILFSMITTEL ETC. 369
XXIV.
Fin mechanisches Hilfsmittel zur Bewertung der Pirquetschen
Reaktion.
Von
Dr. med. P. Bermbach, Koln.
Am Verlaufe der Pirquetschen Reaktion sind folgende Vorgänge be-
A sonders in die Augen springend:
sE ; 1. Am Impfschnitt selbst: lebhafte rote oder braunrote Verfärbung
und längere Zeit persistierende Schorfbildung; in der allernächsten Umgebung
des Schnittes schmaler, lebhaft roter Hof.
2. In der weiteren Umgebung des letzteren: Hyperämie, Exsudation und
Infiltration. Dieser äußere Hof bietet in der Mehrzahl der Fälle eine mehr
oder weniger deutliche Ellipse dar, deren große Achse eine Verlängerung des
Impfschnittes ist oder mit diesem parallel läuft.
Die unter 1. genannten Erscheinungen treten — wenigstens nach meinen
Beobachtungen — immer auf und zwar unabhängig von dem Bestehen einer
Tuberkulose; eine besondere Bedeutung glaube ich ihnen nicht zubilligen zu
können. Anders verhält es sich mit den unter 2. genannten Hautveränderungen.
Neben deren zeitlichem Verlauf sind es ihre Intensität und Extensitát, die den
Maßstab zur Bewertung der Cutireaktion abgeben.
Leider ist nun, wie auch Wolff-Eisner!) betont, bei der Beurteilung
des Grades der Reaktion dem subjektiven Ermessen ein nicht unbeträchtlicher
Spielraum gelassen. Das empfindet nicht nur der Beobachter der Reaktion
selbst unangenehm, sondern auch der Fernstehende, welcher sich lediglich auf
Grund einer Beschreibung ein richtiges Bild von dem Grade derselben bilden
muß. Da es unstreitig noch einer großen Fülle von kasuistischen Beiträgen
bedarf, ehe über die diagnostische und prognostische Bedeutung der Kuti-
reaktion völlige Klarheit geschaffen sein wird, so fallen diese Umstände schwer
in die Wagschale.
Ich habe nun versucht, durch einen einfachen Apparat für eine objektive
Beurteilung der Reaktion die Grundlage zu schaffen. Ein ca. 12 cm langes
und 8 cm breites biegsames Kartenblatt mit abgerundeten Ecken ist auf seiner
linken Seite in Zentimeter und Millimeter abgeteilt, während sich auf der
rechten Seite eine Farbenskala befindet, deren einzelne Felder mit Buchstaben
bezeichnet sind. Zur Beurteilung der Extensität der Hautveränderung genügt
es, deren längsten Horizontal- und Vertikaldurchmesser zu bestimmen. Die
Intensität der Reaktion wird mit Hilfe der Farbenskala bestimmt. Die Kon-
struktion dieser letzteren ist nun mit erheblichen Schwierigkeiten verknüpft,
weniger was die Zahl und Art der in Betracht kommenden Farben betrifft —
denn es dürfte sich wohl stets nur um Mischungen von Gelb, Rot, Braun und
Blau handeln —, wohl aber sollen die für die Skala auszusuchenden Farben-
1) Wolff-Eisner, Die Ophthalmo- und Kutandiagnose der Tuberkulose. Brauers Beitr. z.
Klinik d. Tub. Bd. 9, Heft 1.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
370 P. WEBER.
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XXV.
tone den tatsächlichen Verhält-
nissen entsprechen. Die Zu-
sammenstellung der Farben kann
daher wohl nur derjenige über-
nehmen, welcher neben einem
guten Auge über ein groBes Be-
obachtungsmaterial verfügt; es
kónnten sonst vielleicht Farben
in die Skala hineinkommen, die
bei der Reaktion in Wirklich-
keit gar nicht auftreten.
Da nun auf der 80. Ver-
sammlung Deutscher Naturfor-
scher und Ärzte in Köln die
Kutireaktion voraussichtlich
gründlich besprochen werden
wird, so dürfte es sich wohl
empfehlen, bei dieser Gelegen-
heit eine Kommission mit der
Zusammenstellung der Farben-
skala zu betrauen.
*
La +
Ich erlaube mir, ein Muster
meines _ ,, Reaktionschliissels “
beizuftigen.
A Theoretical Objection to the Employment of the Wolff-
Eisner-Calmette Ophthalmo-Reaction for Tuberculosis.
By
F. Parkes Weber, M.D., F.R.C.P.,
Senior Physician to the German Hospital, London, and Physician to the Mount-Vernon Hospital
for Chest Diseases, Hampstead.
i
1) Recueil d’Ophthalmologie, Octobre 1907.
he possible dangers to the eye from trying the ophthalmo-reaction
A have been sufficiently insisted on in recent publications by Kalt)),
ER?) Brunétiére?) de Lapersonne?), Ramsay“, Cates), A. Napier”),
E. Waldstein, O. Stuelp*), R. Polland®, M. Goerlich?*”, and others.
2) Gaz. hebd. des sciences méd. 1907, 29 me Décembre.
9) Rev. franc. de méd, et de chir. 1908, no. 2.
4) Lancet, London, 7th March, 1908, p. 716.
5) Brit. med. Journ., 25th April, 1908, p. 989.
8) Glasgow Med. Journal, January, 1908,
7) Klin, Monatsbl. f. Augenheilk., March, 1908.
Aa A THEORETICAL OBJECTION ETC. 371
Fortunately I have myself seen little of such drawbacks, and my small figures
on the results of the test have recently been contributed to the “Medical
Press”, 12' August 1908. The objection to the routine use of the ophthalmo-
reaction, to which I here wish to draw attention, is based on theoretical con-
siderations.
It is now well-known that even in apparently quite healthy persons, when
the result of the first instillation into the conjunctival sac is negative, a second
instillation, ten days or so later on, often gives a decidedly positive reaction.
Not only is this the case, but a person’s conjunctiva on which the ophthalmo-
reaction has been tried (with positive or negative result), sometimes becomes
reddened or decidedly inflamed if a dose of tuberculin is afterwards injected
under the patient's skin’). In fact, such a subcutancous “inoculation” with
tuberculin has been shown to be capable of producing a reddening or inflam-
mation of the conjunctiva in the eye which has becn previously tested. This
occasional recurrence of conjunctivitis when the patient is afterwards sub-
cutaneously inoculated with tuberculin seems to me to be of especial theo-
retical importance because it furnishes an explanation for the spontaneous
recurrences of conjunctivitis which have been observed in tuberculous patients
a week or more after the ophthalmo-reaction has been tried. In such cases
it is, I believe, an “auto-inoculation” with tuberculin which (having the same
effect as the subcutaneous inoculation just alluded to) is able to reproduce the
conjunctival reaction or even given rise to a chronic conjunctivitis in the eye
in which the ophthalmo-reaction has been tried. Theoretically therefore the
ophthalmo-reaction when tried in tuberculous patients might be expected to
give rise to recurrent attacks of conjunctivitis in the tested eye. In practice,
fortunately, this seems seldom to occur.
It is of course also obvious that the ophthalmo-reaction might be em-
ployed to test whether doses of tuberculin when given by the mouth, as
A. Latham’) has recently given them, are really being absorbed from the
alimentary canal into the blood-stream. If the tuberculin is being absorbed
into the blood, the conjunctiva, on which the ophthalmo-reaction has previ-
ously been tried, might be expected to become inflamed or reddened, just as it
would become were tuberculin (as previously alluded to) to be injected under
the patient's skin instead of being given by the mouth or rectum.
8) Ibid., March, 1908, ;
®) Wien. klin. Wchschr. 1908, Nr. 28.
10) Münch. med. Wchschr. 1908, Nr. 26.
11) See especially on this subject S. Cohn, Berl. klin. Wchschr. 1907, no. 47; and
1908, no. 17. l
1) A. Latham, Proceedings of the Medical Section of the Royal Society of Medicine,
London, March 1908, p. 195.
en E He ERS RR > pre ZEITSCHR. f.
372 KOCHS STANDPUNKT ÜBER MENSCHENTUBERKULOSE ETC. UBERKULOSE
XXV. Kochs Standpunkt in der Frage nach den Beziehungen
zwischen Menschen- u. Rindertuberkulose. (Kongreß in Washington 1908.)
nter dieser Überschrift bringt Pannwitz in der letzten Nummer der Berl. klin. Wehschr.
(2. Nov. Nr. 44) eine authentische, d. h. von Koch selbst durchgeschene und ge-
billicte Mitteilung über die diesbeziizlichen Verhandlungen auf dem Tuberkulosekongrel
in Washington. Es interessiert, aus dieser Darstellung Kochs persönliche Stellungnahme
zu dieser hochwichtigen Frage kennen zu lernen und die Ansichten seiner wesentlichsten
Gegner. Das Ergebnis seiner Auseinandersetzungen faßt Pannwitz in folgenden Leitsätzen zusammen:
1. Koch steht nach wie vor auf den von ihm in London 1901 vertretenen Standpunkte, daß
die Rindertuberkulose auf den Menschen zwar übertragbar sci, daß aber schwere Erkrankungen
durch dieselbe sehr selten hervorgerufen würden.
2. Koch behauptet, und niemand konnte bisher diese Behauptung widerlegen, daß die
Lungentuberkulose der Menschen, welche den Hauptangriffspunkt für alle Maßnahmen der Tuber-
kulosebekämpfung bildet, nicht durch den Bazillus der Rindertuberkulose, sondern durch den
Bazillus der Menschentuberkulose verursacht wird.
3. Koch will deshalb die Maßregeln, welche der Bekämpfung der Menschentuberkulose
dienen sollen, dieser Tatsache angepaßt wissen und nicht die Blicke von dem Hauptangriffspunkt
abgelenkt sehen. Er wendet sich deshalb dagegen, daß man die aus landwirtschaftlichen und öko-
nomischen Gründen gewiß notwendige Bekämpfung der Rindertuberkulose ohne Not mit derjenigen
der Menschentuberkulose verquicken will.
4. Koch hat sich selbstverständlich niemals gegen Maßregeln ausgesprochen, welche die Ver-
sorgung mit Milch und Milchprodukten betreffen, die von Krankheitserregern frei sind oder frei
gemacht sind, schon aus dem Grunde, weil durch infizierte Milch mancherlei Krankheiten, wie
Typhus etc., übertragen werden können. Er wendet sich nur dagegen, daß diese an sich sehr
nützlichen Maßnahmen bei der Bekämpfung der Menschentuberkulose in den Vordergrund gestellt
werden. Er weist dabei darauf hin, daß ja tatsächlich die bisherigen Maßnahmen (Sanatorien,
Tuberkulosehospitäler, Verbesserung der Wohnungen, Spuckverbot etc.) sich gegen die Verbreitung
der menschlichen Tuberkclbazillen richten und schon recht beträchtliche Erfolge erzielt haben.
5. Koch hält zum weiteren Beweise der Richtigkeit seiner Behauptungen ausgedehnte
Untersuchungen nach den von ihm aufgestellten Bedingungen für erforderlich.
6. Unter den anzustellenden Untersuchungen sind die wichtigsten diejenigen, welche den
Nachweis des Vorkommens von Bazillen des bovinen Typs bei Lungentuberkulose zum Zwecke
haben. Diese Versuche sollen am besten mit Phthisikern vorgenommen werden, deren Sputum
längere Zeit und wiederholt untersucht werden kann. Daß man vielfach in den beteiligten Kreisen
die Wichtigkeit dieser Frage noch nicht begriffen hat, zeigt u a. die Tatsache, daß in „The Jour-
nal of the American Medical Association“, in welchem sich der Kochsche Vortrag abgedruckt
findet (cf. p. 1256 ff.) gerade dieser wichtigste Passus ausgelassen worden ist.
Die Gegnerschaft Kochs setzte sich vorzugsweise aus Ticrirzten zusammen, während die
Ärzte ein weniger großes Interesse zu erkennen gaben. Für den Kochschen Standpunkt traten
Theobald Smith-Boston und Tendeloo-Leiden ein. Dab auch Woodhead-Cambridge hin-
sichtlich der gefundenen Tatsachen mit ihm in Übereinstimmung ist, und nur hinsichtlich der
Deutung der Befunde vom Kochschen Standpunkt abweicht, zeigte dessen cinige Tage später in
New York gchaltener Vortrag.
In amerikanischen ärztlichen Kreisen scheint man die ganze Streitfrage über die Beziehungen
der bovinen zur humanen Tuberkulose als eine akademische anzuschen (cf. u. a. The Journ. of the
Amer. Med. Assoc. 1908, 1239). Das ist zweifellos nicht richtig. Diese Fragen müssen unter allen
Umständen geklärt werden, gerade weil sie von außerordentlicher praktischer Bedeutung sind. Denn
es liegt auf der Hand, daß die gegen die Menschentuberkulose zu ergreifenden Maßregeln sich
ganz anders gestalten müssen, je nachdem die Tuberkuloseinfektion beim Menschen vorwiegend vom
Menschen oder vorwiegend vom Rind ausgeht.
Die experimentellen Untersuchungen, welche zur Klärung erforderlich sind, sind nach Kochs
. Ansicht sehr langwierig, sehr mühsam und sehr kostsptelig. Die mit geringen Mitteln ausgestatteten
bakteriologischen Laboratorien können derartige Untersuchungen deshalb nicht in Angriff nehmen.
Dazu sind besondere Einrichtungen und große Mittel erforderlich. Deswegen haben bisher auch
nur das Kaiserl, Gesundheitsamt in Berlin und die Königl. Britische Kommission, für welche diese
Bedingungen erfüllt waren, Resultate erzielt, welche als brauchbar anzuschen sind.
Es ist schr erwünscht, daß in dieser Frage auch von anderen Seiten gearbeitet wird, und
daß dazu ebenfalls ausreichende Einrichtungen und Mittel zur Verfügung gestellt werden. Dazu
kann u.a. die Robert Koch-Stiftung dienen, vorausgesetzt, daß ihr viel größere Mittel zugeführt
werden, als dies bis jetzt der Fall ist. Koch selbst, der in der Sektion V des Kongresses über
die Zwecke und Ziele der Stiftungen Mitteilungen machte, hält ein Kapital von mehreren Millionen
Dollars für nötig, wenn aus den Stiftungsmitteln nicht etwa bloße Beihilfen an einzelne Forscher
gegeben werden, sondern an geeigneten Orten vollwertige, selbständige Einiichtungen für Tuber-
kuloseforschung ins Leben gerufen werden sollen. Koch hofft zum Besten der Sache, daß dieses
Ziel der Koch-Stiftung bald erreicht und damit die in den nächsten Jahren erforderlichen, schwierigen
und umfangreichen Untersuchungen vorzugsweise gefördert werden können,
BD.XII,HEFT 4.
1408.
REFERATE.
_ 373 _
IL REFERATE UBER BUCHER UND AUFSATZE
L Ätiologie und Verbreitung der
Tuberkulose.
K. Pearson: Marital Infection. (Du-
lan & Co., London 1908, 30 p.)
Diese Arbeit über tuberkulüse An-
steckung in der Ehe ist eigentlich verfalit
von dem verstorbenen E. G. Pope,
Arzt des Adirondack Cottage Sanitarium,
Saranac Lake, New York. Sie kommt,
mit Benutzung alles erreichbaren Mate-
rials und unter Aufgebot großer mathe-
matischer Formeln, zu folgenden Ergeb-
nissen:
1. Die tuberkulóse Infektion zwischen |
Eheleuten ist gerade merklich, aber ge-
ringfügig.
2. Ihre Beurteilung ist sehr ver-
dunkelt und erschwert durch die Tat-
sache der Infektion aus anderen, äußeren
Quellen.
3. Das Haften der Infektion hängt
vom Vorhandensein der nötigen „Dis-
position“ ab.
4. Die persönlichen und wirtschaft-
lichen Verhältnisse der Ehelcute sind bei
„tuberkulöser Ansteckung“ in der Ehe
wahrscheinlich mit mindestens */,, die
infektiöse Wirkung des Verkehrs nur mit
1/, anzusetzen.
Diese Ergebnisse decken sich genau
mit denen einer Arbeit aus Hohenhonnef
über Ehe und Tuberkulose (vgl. Bd. VII
dieser Zeitschrift. Sie werden wohl der
Wahrheit entsprechen: Der reine Kon-
tagionsstandpunkt ist ungenügend zur
Erklärung der Entstehung der Tuber-
kulose. Meissen (Hohenhonnef).
il. Allgemeine Pathologie.
W. A. Freund und L. Mendelsohn: Der
Zusammenhang des Infantilismus
des Thorax und des Beckens. |
(Ferd. Enke, Stuttgart 1908, 70 p.)
Die als Infantilismus aufzufassende
zeitige Verknöcherung des ersten Rippen-
knorpels) und ihre Bedeutung für die
Entstehung der Lungentuberkulose ist
bekannt. Verfasser haben nun gewisse,
ebenso zu deutende, aber leichter nach-
zuweisende Veränderungen am Becken
mancher Menschen gefunden, die einer-
: seits wissenschaftlich bemerkenswert sind,
andererseits aber die Aufmerksamkeit
des weniger Geübten auf den Thorax
lenken sollen, eben weil sie leichter zu
sehen sind. Doch wird betont, daß die
Röntgenaufnahme des Thorax auch für
die Stenose der oberen Brustapertur schr
guten Anhalt liefert.
Meissen (Hohenhonnef).
L. Landouzy et L. Laederich - Paris:
Sur une forme subaigüe de sep-
ticémie tuberculeuse. (La presse
med., 1908, no. 61.)
Je besser man die verschiedenen
anatomischen und klinischen Erscheinun-
gen der Tuberkulose kennen lernt, desto
größer erscheint der Polymorphismus
dieser Krankheit. Außer den bekannten
chronischen und akuten Formen schlagen
die Verff. noch eine neue vor, die sie als
subakute septikiimische Tuberkulose zu
bezeichnen empfehlen. Die genaue Be-
obachtung eines einschlägigen Falles,
einen 10-jährigen Knaben betreffend, hat
gezeigt, daß die Krankheit unter dieser
Form wie ein akuter Gelenkrheumatismus
beeinnt und nach und nach alle serösen
Hiiute befällt, es aber nur zu einer Ent-
zündung und nicht zur Bildung von
Tuberkeln kommen läßt. So fand man
in dem betreflenden Falle nur in der
einen Lunge einige disseminierte, kleine
tuberkulöse Knötchen mit spärlichen
Kochschen Bazillen, ebenfalls einige
Bazillen in einer präpatellaren Bursitis
des Knies, während in der entzündeten
Pleura, im Peri- und Endokard, in der
stark vergrößerten, muskatnußähnlichen
Leber etc. keine Tuberkelbazillen gefunden
wurden. Sowohl die tuberkelhaltigen
Teile, als auch die anderen führten nach
Stenose der oberen Brustapertur (vor- | Einimpfung bei Kaninchen zur Bildung
374.
von lokalen Abszessen, dann zu einer
langsamen, tödlich endenden Kachexie,
REFERATE.
doch fand man keine Tuberkulose, keine
Tuberkelbildung bei denselben. Es würde
sich also, falls weitere Untersuchungen
die Richtigkeit obiger Annalımen erweisen
würden, um eine eigentümliche Form von
Tuberkulose handeln, die fast ohne
charakteristische Lokalisierung dieser
Krankheit zu subakuten, septikämischen
Erscheinungen Veranlassung gibt.
E. Toff (Braila).
Ill. Diagnose und Prognose.
Schläpfer-Marburg: Beiträge zur Frage
der Spezifität der kutanen Tuber-
kulinreaktion nach v. Pirquet.
(Beitr. z. Klin. d. Tub., Bd. IX, Heft 2.)
Der v. Pirquetschen Kutireaktion
kommt entgegen anderen Angaben auch
bei Erwachsenen eine gewisse spezifische
Bedeutung zu. Durch Tuberkulinbehand-
lung wird die Intensität der Reaktion
verringert. Ott.
A. Calmette, L. Massol et G. Guérin-
Lille: Les propriétés activantes
des serums vis-à-vis du venin de
cobra. (Acad. des sciences, séance
du 25 Mai 1908.)
Die Verfasser haben gezeigt, dab
das Serum tuberkulöser Menschen oder
Ochsen einen lezithinischen Körper ent-
hält, welcher dadurch in Erscheinung
tritt, daß das Kobragift durch denselben
die Eigenschaft erhält, die roten Blut-
körperchen verschiedener Tierrassen auf-
_zulôsen. Weitere Untersuchungen wurden
angestellt, um zu zeigen, welchen Einfluß
die tuberkulöse Infektion auf die Ab-
scheidung von Lezithin in das Blutserum
haben kann. Es zeigte sich vor allem,
daß das Pferd, der Hund, die Ratte, |
die Ziege, das Lamm und das Kaninchen,
also jene ‘licrgattungen, welche gewisser-
malien refraktär gegen Tuberkulose sind,
normalerweise Lezithin in ihrem Blut-
scrum enthalten, während das Meer-
schweinchen, welches geringe Mengen
' ihren Kindern zustimmen,
| große Mittel zur Verfügung stehen, um
ZEITSCHR. 1.
TUBERKULOSE
enthält, oder das Schwein, das Rind und
der gesunde Mensch, die normalerweise
gar kein Lezithin in ihrem Serum be-
sitzen, leicht der tuberkulösen Infektion
unterliegen.
Die in diesem Sinne unternommenen
Versuche haben erwiesen, daß die ex-
perimentale, auf venösem Wege vorge-
nommene tuberkulöse Infektion eine Ab-
gabe von Lezithin an das Blutserum
bewirkt, so lange die Temperatur niedrig
bleibt, daß aber bei Beginn der febrilen
Temperatur das Lezithin verschwindet.
Tuberkulöse Bovideen haben in ihrem
Serum eine Lezithinsubstanz, die imstande
ist, das Kobragift zu aktivieren, und zwar
umsomehr, je ausgedehnter die tuberku-
lösen Läsionen sind, besteht aber Hyper-
thermie oder allgemeine Kachexie, so
verschwindet diese Substanz vollständig.
E. Toff (Braila).
IV. Therapie.
Dufestel-Paris: Tuberculose scolaire
et gymnastique respiratoire. (Arch.
de med. des ent, Mai 1908, p. 324.)
Die Untersuchungen, welche Gran-
cher und seine Schüler in mehreren
Schulen und an einer großen Anzalıl
von Kindern ausgeführt hatten, haben
gezeigt, daß ein großer Teil derselben
sogenannte Prätuberkulöse sind und ob-
wohl noch keine offene Tuberkulose
tragend, doch ausgesetzt sind, eines
Tages die Anzahl derselben zu ver-
mehren. Grancher hatte vorgeschlagen,
für diese Kinder auf dem Lande Frei-
luftschulen zu schaffen, um sie aus den
familialen, wahrscheinlich tuberkulös in-
fizierten Herden zu entfernen und in
einem hygienischen Medium aufwachsen
zu lassen. Um diese Maßregeln in
wirklich zweckentsprechender Weise
durchführen zu können, müssen einerseits
zahlreiche Eltern zu einer Trennung von
andererseits
derartige Schulen zu kreieren und den
ı Lebensunterhalt der Zöglinge zu bestreiten,
BD.XIII,HEFT 4.
1908.
da es sich meistens um arme Familien
handelt, welche den Landaufenthalt der
Kinder nicht würden bestreiten können
Der Verfasser hat sich infolgedessen die
Frage vorgelegt, ob es nicht möglich
wäre, gute Erfolge zu erzielen, indem
man die Kinder in ihren Familien be-
läßt, um den Unterricht in der bisherigen
Schule fortzusetzen, sie aber an eine er-
höhte Lungengymnastik gewöhnt, um die
für gewöhnlich schlecht ventilierten
Lungenpartien, hauptsächlich die Lungen-
spitze, einer besseren Lüftung teilhaft
werden zu lassen. Für die Versuche
wurden die 40 Zöglinge einer Pariser
Mädchenschule gewählt, welche haupt-
sächlich von Arbeiterkindern frequentiert
wurde. Bei der von Mery vorgenom-
menen genauen Untersuchung zeigte es
sich, daß 12 von denselben Prätuber-
kulöse sind. Die Untersuchungen wurden
am Anfang und Ende des Schuljahres
vorgenommen und außerdem auch das
Körpergewicht gemessen, die respiratori-
schen Bewegungen der Brust, der Um-
fang der Arme, Waden etc. und dies
sowohl am Anfang, als auch am Ende
des Schuljahres. Die gymnastischen
Übungen wurden täglich während einer
halben Stunde vorgenommen, bei den
schwächeren Kindern aber nur so lange,
bis sie Zeichen von Ermüdung sehen
ließen. Doch war dies nur vorübergehend
und fast alle Kinder gewöhnten sich nach
wenigen Wochen an die vorgenommenen
Freiübungen. Der Erfolg war, daß am
Ende des Jahres 7 Kinder als geheilt
betrachtet werden konnten, 2 als
besser, während 3 keine sonderliche
Veränderung ihres Zustandes darboten.
Aus diesen Untersuchungen sind
folgende Schlüsse zu ziehen. Alle Kinder
sollen beim Eintritte in eine Schulanstalt
einer genauen Untersuchung unterworfen
werden, und jene, welche Lungenläsionen
oder Atmungsstörungen zeigen, sollen
systematische respiratorische Gymnastik
vornehmen. Diejenigen nur, welche da-
durch in keiner Weise gebessert werden,
könnten mit Vorteil aufs Land in die
Freiluftschulen gesendet werden.
Trotzdem die gemachten Versuche
nur eine geringe Anzahl von Kinder
in sich schließen, so sind doch die er-
Ce
ge
REFERATE.
zielten Resultate sehr ermutigend, und es
ist vorauszusehen, daß auf diese Weise
die Anzahl der Prätuberkulösen in den
Schulen um ein Erhebliches vermindert
werden könnten. E. Toff (Braila).
René Hayes: Enquéte sur le traite-
ment actuel de la gibbosité du
mal de Pott. (Thèse de Paris, 1908.)
Der Verfasser hat namentlich durch
Studium der Literatur und durch Um-
frage bei verschiedenen Chirurgen die
Behandlung der Pottschen Krankheit
einer näheren Kritik unterworfen und ist
zu folgenden Resultaten gelangt. Die
von Calot empfohlene und geübte ge-
waltsame Redressierung der Gibbosität
hat den Erwartungen keineswegs ent-
sprochen und ist auf dem Wege, voll-
ständig verlassen zu werden. Wenn
auch in manchen Fällen eine rasche
Besserung erzielt wird, so sind doch die
späteren Resultate der Behandlung,
namentlich die langjährige Anwendung
des Licgebettes, keineswegs ermunternde.
Hingegen ist die langsame Redressierung
viel eher imstande, gute Resultate zu er-
geben, doch ist die Prognose von der
Möglichkeit, den Grundprozel in günstiger
Weise zu beeinflussen, abhängig. In
dieser Beziehung müssen noch die Re-
sultate der Laboratoriumsarbeiten, die
vielleicht ein spezifisches Mittel zur
Heilung der tuberkulösen Herde ergeben
könnten, abgewartet werden.
E. Toff (Braila).
H. Dufour: Du procede le plus simple
pour ponctionner les pleuresies
chroniques avec épanchements
en laissant entrer de Pair dans
la plèvre. (Bull. Méd. 22. 49.)
Im Anschluß an seine früheren Er-
fahrungen hat D. zur Behandlung der
großen Ergüsse bei chronischer Pleuritis
ein neues Verfahren angewandt, das denk-
bar einfachst ist. Es wird zunächst mit
dem Potain Flüssigkeit entleert. Sobald
der Kranke leichtes Unbehagen empfin-
det, Kitzel im Halse, Husten, Druck auf
der Brust, wird der Abfluß unterbrochen
Man läßt dann durch entsprechende
Öffnung des Hahnes einfach Luft durch
die Kanüle in den Pleuraraum eintreten.
O —
Die Luft wird durch einen eingelegten
kleinen sterilisierten Wattetampon oder
durch ein besonderes vorgelegtes Watte-
filter gereinigt. Sobald sich der Kranke
erleichtert fühlt, wird der Luftzufluß ge-
schlossen und von neuem Flüssigkeit
entleert und so weiter, so oft wie nötig.
So gelingt es, die größten Ergüsse (4 bis
51) ohne Gefahr für den Kranken in
einer Sitzung zu entfernen. Die Gefahren
der Thoracocentese großer und alter Er-
güsse, Lungenödem und Herzschwäche,
sind dabei nicht zu fürchten. Sicher ist
es für den Kranken angenehmer, 3 bis
41 Luft als 4—5 l seröser Flüssigkeit
oder Eiter im Pleuraraum zu haben. Die
Erleichterung wird augenblicklich emp-
funden. Die eingeführte Luftmenge wird
zwar bei diesem Verfahren nicht gemessen.
Aber es ist auch nutzlos, sie zu kennen.
Das entscheidende Merkmal, nach dem
man geht, ist das Empfinden des Kranken.
H. Grau (Düsseldorf).
Zickgraf-Gr.-Hansdorf: Über die Dar-
reichung von kieselsäurehaltigem
Mineralwasser in Lungenheil-
stätten. (Centralbl. f. inn. Med. 1908,
Heft 20.)
Da das Stützgewebe der Lunge das
Bindegewebe ist, so spielt letzteres in
der Lungenpathologie eine große Rolle.
Alles kommt hier auf die Widerstands-
fähigkeit des Bindegewebes an. Ist aber
das Lungengewebe durch Krankheitsvor-
gänge zerstört, so kann es nur dadurch
zur Ausheilung kommen, daß das zerstörte
Gewebe durch Narbengewebe, d. h also
Bindegewebe, ersetzt wird. Auch gilt
mit Recht die fibröse Form der Lungen-
tuberkulose für die gutartigere, da sie
zur Heilung neigt. Die Wichtigkeit des
Bindegewebes für die Lunge ist also
offensichtlich. Nun enthält aber das
Bindegewebe als wichtigen chemischen
Bestandteil die Kieselsäure; ohne diese
kann sich jenes nicht bilden. Es muß
daher durchaus rationell erscheinen, bei
derjenigen Krankheit, die zu ihrer Hei-
|
|
REFERATE. ZEITSCHR. f
a. TUBERKULOSE
lung der Neubildung von Bindegewebe
bedarf, Kieselsäure innerlich darzureichen,
und zwar wegen des geringen quantita-
tiven Bedarfes in Form von kieselsäure-
haltigen Mineralwässern. Insbesondere
empfiehlt Z. den Glashäger Mineral-
brunnen — aus Glashagen in Mecklen-
burg —, der im Liter 40 mg Kieselsäure
enthält, da er wegen seines Wohlge-
schmackes auch ein vorzügliches Tafel-
wasser ist und sich darum auch als Ersatz
der alkoholhaltigen Tafelgetränke eignet,
deren Verabfolgung in den Lungenheil-
stätten Z. verwirft Der Preis dieses
Wassers ist zudem nur mäßig. Z. lieb
nun 7 Kranke der Heilstätte Oderberg-
Gebhardsheim, die er wahllos hierzu
bestimmte, 4—6 Wochen die Glashäger
Quelle trinken. Vor und nach der Kur
wurde bei ihnen sowie zum Vergleiche
bei 7 anderen Heilstättenpfleglingen, die
das Wasser nicht getrunken hatten, das
neutrophile Blutbild nach Arneth be-
stimmt. Es ergab sich nun, daß bei
jenen die Besserung des Blutbildes eine
deutlich größere war, als bei den 7 an-
deren, so daß man wohl hierin einen
Erfolg der Kieselsäure erblicken durfte.
Z. empfiehlt daher weitere Versuche mit
der Glashäger Quelle bei Lungenkranken
anzustellen. C. Servaes.
Lion: Le sous-nitrate de bismuth
contre les vomissements des tu-
berculeux (Soc. Med. des Höpit.
19. VI. 1908. Bull. Med. 22. 30.)
L. empfiehlt gegen das Erbrechen
bei Tuberkulösen in allen Stadien der
Krankheit Bismut. subnitr. in hohen
Dosen (20 g pro die z. B.), aber verteilt,
eine Stunde vor den Mahlzeiten zu nehmen.
Die Medikation wird gut vertragen und
kann 8—10 Tage fortgesetzt werden.
Die Erfolge sollen gut sein. (Eine so
lange fortgesetzte Wismuttherapie in solch
hohen Dosen erscheint nach den bisher
vorliegenden Erfahrungen wegen der Ge-
fahr der Vergiftung doch wohl nicht un-
bedenklich. Ref.)
H. Grau (Düsseldorf).
Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.
Zeitschrift für Tuberkulose Bd. XIII, Heft 4. Tafel I.
Kostaler Atemtypus unter der Saugmaske.
Weite Exkursionen des Brustkorbes bei der Einatmung unter tiefer Einziehung der Flanken.
Infolge „Hochsaugung“ des Zwerchfelles bleiben die Lungen vor Dehnung bewahrt.
E. Kuhn.
Tafel 11.
Zeitschrift für Tuberkulose Bd. XIII, Heft 4.
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USPUNIS 219149 91188) SUe[)197 SUS syu ASP USUSP uoa SIJINAA U9QI9SS9P IPUNYLDISIMUISIL)
E. Kuhn.
Band XIII.
Heft 5.
ZEITSCHRIFT FÜR TUBERKULOSE.
HERAUSGEGEBEN VON
B. FRANKEL, F. KRAUS, E. von LEYDEN, W. von LEUBE.
Redaktion: A. KUTTNER.
Nachruf für Friedrich Althoff,
Ministerialdirektor, Wirklicher Geheimer Rat.
Ministerialdirektor des Preußischen Unterrichtsministeriums hat er sich um die
Förderung der Wissenschaft und des Unterrichtes große Verdienste erworben.
Ebenso hoch und er-
folgreich stehen seine
Werke der Wohl-
fahrtspflege, welche
durch sein Organi-
sationsgenie und
seine unermüdliche
Tatkraft reichen Er-
folg erzielten. —
Am 23. Oktober
fand die Feier seiner
Beisetzung in der
Evangelischen Kir-
che zu Steglitz, nicht
weit von seinem
Wohnhaus, statt. Die
große Zahl seiner
Freunde und Ver-
ehrer, welche sich
hier versammelten,
gaben Zeugnis von
der Verehrung und
Hochschätzung, wel-
che der Verstorbene
sich erworben hat.
Auch von den höch-
sten Kreisen Sr, Maj.
des Kaisers und der
Kaiserin waren Dele-
gierte entsandt.
Ebenso war seine
DurchlauchtderHerr
Reichskanzler ver-
treten. Der frühere
Kultusminister Exz. v. Studt, ferner eine große Anzahl von Universitätsprofessoren,
die Direktoren der Charite, sowie Vertreter studentischer Korporationen waren
erschienen. Herr Geheimrat Professor Dr. Harnack hielt in der Kirche zu
Steglitz eine wohltuende, schöne Gedächtnisrede, welche die großen Verdienste
und Eigenschaften des Dahingegangenen in ein glänzendes Licht stellte. —
Die Herausgeber dieser „Zeitschrift für Tuberkulose und Heilstättenwesen“,
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIII. 25
ZEITSCHR. f.
v. LEYDEN. TUBERKULOSE
378
seine áltesten Mitarbeiter im Kampfe gegen diese Volkskrankheit diirfen den
Anspruch erheben, den Dahingeschiedenen als den Begriinder und Organisator
des grofen Werkes zur Bekämpfung der Tuberkulosekrankheit an dieser Stelle
zu feiern. Unter den zahlreichen humanitären Institutionen, die er ins Leben
gerufen hat, dürfte dieses sein Werk, welches mit großartigem Erfolge gekrönt
ist, seinen Namen als des genialen Organisators dieser Schöpfung für alle Zeiten
unvergessen machen.
Es sei uns hier gestattet, einen kurzen Überblick über die Geschichte
dieses Kampfes gegen die Tuberkulose zu geben, dessen Anfang bis in das
Jahr 1894 zurückdatiert. Bis dahin war die Tuberkulose als eine der am meisten
mörderischen Krankheiten gefürchtet, und die ärztliche Kunst stand ihr fast
ganz hilflos gegenüber. Der erste Forscher, welcher den Kampf gegen die
Tuberkulose mit genialem Enthusiasmus aufnahm, und dabei bereits Heilerfolge
erreichte, war Dr. H. Brehmer, der bereits als Student in seiner Dissertation
die Tuberkulose als heilbare Krankheit bezeichnete. Bald darauf hat derselbe
zu Görbersdorf in Schlesien eine Anstalt zur Heilung der Tuberkulose geschaffen.
Er machte erfolgreiche Kuren; viele von ihm behandelte und geheilte Patienten
verbreiteten seinen Ruhm. Im Jahre 1889 ist er, 65 Jahre alt, gestorben, die
Gesellschaft für Balneologie hat ihm in Breslau ein Denkmal errichtet. Lange Zeit
wurde sein Werk bei den Ärzten und Klinikern noch sehr bemängelt. Einer
seiner Schüler, der bei ihm die Kur an seinem eigenen Körper mit Erfolg
gebraucht hatte (Dettweiler), schuf eine zweite Heilstätte in Falkenstein bei
Frankfurt. Mehrere andere Sanatorien wurden auf den Schweizer Bergen, in
Baden und Österreich begründet. Allein volle Anerkennung wurde ihm noch
nicht zu teil. — Im Jahre 1882 erfolgte die berühmte Entdeckung des Tuberkel-
bazillus durch Robert Koch. Diese große und bedeutendste Entdeckung
regte erneutes Interesse für die weitere Erforschung und ärztliche Behandlung
der Tuberkulose an. Im Verein für Innere Medizin zu Berlin fanden lebhafte
Diskussionen über dies Thema statt, und wir planten die Einrichtung von
Spezialkrankenhäusern. Dieser Plan wurde aber zunächst aufgehalten durch
Robert Kochs zweite große Entdeckung des Tuberkulins im Jahre 1890.
Der erste Eindruck dieser Entdeckung war ein gewaltiger und eröffnete lebhafte
Hoffnungen auf große Heilerfolge. Doch wurde der Erfolg etwas reduziert,
und der Verein für Innere Medizin nahm seinen früheren Plan jetzt wieder
auf. Es bildete sich nun ein Komitee zur Bekämpfung der Tuberkulose und
alsbald ein Heilstättenverein für Lungenkranke. Ich selbst hatte an diesen
Diskussionen und Plänen lebhaften Anteil genommen und war in mehreren
Vorträgen dafür eingetreten. Als im Jahre 1894 in Budapest der 8. Inter-
nationale Kongreß für Hygiene und Demographie stattfand, wurde ich
ae NACHRUF FÜR FRIEDRICH ALTHOFF. 379
mit der Vertretung der Berliner Gesellschaft für öffentliche Gesundheits-
pflege beauftragt und hielt dort in Budapest einen Vortrag: „Über die Ver-
sorgung tuberkulöser Kranken seitens der großen Städte“, und zwar
in der allgemeinen Sitzung am 7. September 1894. Der wichtigste Grund für
diese Auseinandersetzungen lag in der Entdeckung des Tuberkulins, welches
einen großen Erfolg zu versprechen schien. Die Tuberkulose, , welche im
eminentesten Sinne als eine Volkskrankheit betrachtet werden mußte, erforderte
mehr als jede andere Krankheit Abhilfe. Die Statistik hatte damals ergeben, daß
im Deutschen Reiche mindestens eine Million Menschen von dieser Krankheit
befallen waren, und jährlich über 130000 Menschen in Deutschland an ihr
starben. Hieraus ergab sich, wie ich vortrug, eine Pflicht des Staates und der
Gesellschaft, dieser mörderischen Krankheit gegenüberzutreten. Es herrschte
nur eine Stimme darüber, daß eine unabweisliche Pflicht der Gesellschaft dafür
vorlag. Allerdings, der größte Teil der Erkrankten gehörte der minderbemittelten
Klasse an, aber auch die besten, wohlhabenden Kreise wurden durchaus nicht
verschont, so daß die Gefahr der Übertragung auch für sie in hohem Maße
vorlag. Viel Schmerzen und Elend waren hier zu lindern, und viel Hoffnung,
das Elend abzuschwächen. Überdies gehört die Tuberkulose zu den anstecken-
den Krankheiten, und die weniger bemittelten Stände sind die am meisten
Hilfsbedürftigen. Diesen zwar nicht Armen, aber im höchsten Grade Hilfs-
bedürftigen soll auf dem Wege der privaten Wohltätigkeit durch Errichtung
von Heilstätten geholfen werden. Solche Kranke müßten für einen relativ
geringen Kostensatz aufgenonimen werden. Dieses mein Programm fand all-
seitig Anklang, was ich zu einem nicht unerheblichen Teile den Beifalls-
äußerungen meines hochverehrten Kollegen und Freundes, Professor Korany
(Budapest), zu danken hatte. Von einem Privatmanne in Ungarn wurde
ihm eine große Summe zur Errichtung einer solchen Heilstätte zur Dispo-
sition gestellt.
Einige Zeit später, als ich nach Berlin zurückgekehrt war, hatte ich
den Vorzug, daß Herr Althoff in Begleitung meines Freundes, des Herrn
Prof. B. Fränkel, seines treuen Mitarbeiters, zu mir kam und mir einige
anerkennende Worte für meinen Vortrag in Budapest sagte. Daran schloß
sich dann die Bemerkung: „Wir wollen die Sache zur Durchführung in die
Hand nehmen und fordern Sie auf, mit uns zu diesem Zwecke voranzugehen:
wir wollen eine Anstalt für etwa 100 Kranke ins Leben rufen.“ — Damit war
die Durchführung des von mir angeregten Planes in die genialste Hand für
Organisation und Wohltatigkeit, in die Althoffs gelegt. Im Anschluß
an diesen Plan bildeten sich zwei Heilstättenvereine, der eine durch Herrn
Stabsarzt Pannwitz beim Roten Kreuz angeregt (Heilstätte Grabowsee), der
26 *
ZEITSCHR. f.
350 v. LEYDEN, TUBERKULOSE
zweite, der Berlin-Brandenburger Heilstattenverein, im Jahre 1894 durch die
Hand des Herrn Ministerialrats Althoff konstituiert und organisiert (Heilstatte
Belzig). Wir hatten die hohe Ehre, daß Ihre Maj. die Kaiserin das Protektorat
dieser unserer Schopfung iibernahm. Daneben bildete sich das Deutsche Zentral-
komitee zur Errichtung von Heilstatten. Der damalige Reichskanzler, Fiirst
Hohenlohe, war Vorsitzender. Unter der Leitung von Althoff hatten wir
das Glück und den Erfolg gewonnen. Seit dem Jahre 1906 heißt es Deutsches
Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose,
Unter den Wohlfahrtsbestrebungen, bei denen Friedrich Althoff mit-
wirkte, nimmt die Bekämpfung der Tuberkulose als Volkskrankheit eine hervor-
ragende Stelle. ein. Es ist ein glänzendes Zeugnis für die medizinische Wissen-
schaft, daß sie Geister von der Bedeutung Althoffs, welche ihr ursprünglich
fern standen, so intensiv anzuziehen und zu binden vermochte. Althoff war
ein scharfer Beobachter. Aus den mündlichen und schriftlichen Berichten sach-
verständiger Männer, die er für jede Frage besonders auswählte, bildete er sich
mit seinem durchdringenden Verstande seine eigenen Pläne. Die inaugurierte
Heilstättenbewegung erhielt durch sein organisatorisches Talent Fleisch und
Blut. Der Berlin-Brandenburger Heilstättenverein und das Deutsche Zentral-
komitee wurden zu gemeinsamer Arbeit vereinigt. Der Berlin-Brandenburger
Verein hatte sich die Aufgabe gestellt, in der Nähe Berlins Heilstätten zu
errichten, in denen minderbemittelte Lungenkranke ohne Unterschied des Standes
aufgenommen werden konnten. Die Heilstätte Belzig, der die Bleichröder-
sche Stiftung und eine Kinderheilstätte angegliedert wurden, verdankt diesem
Verein ihr Dasein und ihre dauernde Blüte.
Die Königliche Universitätspoliklinik für Lungenkranke unter der
Leitung von Prof. Dr. Wolff wurde ebenfalls von Althoff begründet, angeregt
durch Bernhard Fránkel. Auch ein Damenkomitee wurde im Anschluß
an die Heilstätte Belzig aus den angeschensten Damen der Stadt gebildet.
Auf Anregung von Geheimrat Pütter hat Althoff später die Errichtung
der Auskunfts- und Fürsorgestellen unter der dankenswerten Mitarbeit von
Prof. Dr. Kayserling gefördert. Ebenfalls auf Althoffs Veranlassung hat das
Zentralkomitee kürzlich beschlossen, auch die Lupusbekämpfung in die Hand
zu nehmen. Der Generalsekretär Prof. Dr. Nietner ist damit beschäftigt, Ein-
richtungen zur Heilung auch dieses Leidens zu begründen.
Endlich wollen wir nicht vergessen, daran zu erinnern, daß Althoff die
Gelegenheit der 25 jährigen Wiederkehr des Tages, an welchem Robert Koch
die Entdeckung des Tuberkelbazillus publiziert hatte, ergriff, um sich an der
Begründung der Robert Koch-Stiftung zu beteiligen, welche auch für die Tuber-
kuloseforschung Kapital beschaffen sollte. Mit tatkräftiger Unterstützung von
ar NACHRUF FÜR FRIEDRICH ALTHOFF. 381
Prof. Schwalbe gelang es Althoff, über eine Million Mark für diese Stiftung
herbeizuschaffen.
Als Krönung seines Werkes im Kampfe gegen die Tuberkulose, hat
Althoff auch die Internationale Vereinigung gegen die Tuberkulose
begründet. Nachdem von anderer Seite mehrere vergebliche Anläufe in dieser
Richtung gemacht waren, bewog Althoff das Zentralkomitee am 17. Februar
1901 diese Angelegenheit in die Hand zu nehmen. Hieraus gingen die
Internationalen Kongresse von Kopenhagen, London, Paris und Rom hervor,
und in diesem Jahre der große vielgenannte Kongreß in Philadelphia. Diese
letzte Konferenz der Internationalen Vereinigung hat Herrn Althoff die höchste
Ehrung, welche sie zu verleihen hatte, die goldene Medaille, zuerkannt. Die
bis jetzt schon zu verzeichnenden großen Erfolge der Kämpfe gegen die Tuber-
kulosekrankheit hat Herr B. Fränkel in einem Vortrag vor der Medizinischen
Gesellschaft am 16. März 1908 vorgelegt. Im Jahre 1888 starben an Tuber-
kulose in Preußen nicht weniger als 83287 Personen. Im Jahre 1906 nur 64459.
Auf 10000 Lebende berechnet im Jahre 1886 31,64; im Jahre 1906 17,26.
Also im Jahre 1906 starben auf 10000 Lebende 17,88 Personen weniger als
im Jahre 1886. —
Diese glänzenden Erfolge seiner Arbeit hat Althoff noch empfunden,
aber alsbald schloß ihm der Tod die Augen. Das Andenken seines hingeben-
den Wirkens auf diesem Gebiete wird ihm über das Grab hinaus folgen und
seinen Namen unter die größten Wohltäter der Menschheit einreihen.
Ehre und Ruhm dem Andenken dieses ausgezeichneten, unermüdlichen,
viel verdienten Mannes!
E. v. Leyden.
rupp ZEITSCHR. f.
382 TUBERKULOSE
L ORIGINAL-ARBEITEN
XXVII.
Fürsorge für die vorgeschrittenen Fälle von Tuberkulose.
Referat erstattet auf der Internationalen Tuberkulosekonferenz in Philadelphia,
25. Sept. 1908.
Von
Professor von Leube, Würzburg.
gerechnet, daB in Preußen wahrend der jahre 1902/3 jährlich ca. 20000 Men-
schen weniger an Tuberkulose starben, als in den Jahren 1885/6. Berücksichtigt
man möglichst eingehend die bei einer Verwertung der Mortalitätsstatistik als
Fehlerquellen hauptsächlich in Betracht kommenden Faktoren und läßt man
auch weitgehende Skepsis walten, so kann man die nicht zu leugnende Tat-
sache der kontinuierlichen, beträchtlichen Abnahme der Tuberkulosesterbiichkeit
doch kaum anders deuten, als daf sie speziell in Deutschland mit der Ein-
führung besserer Fürsorge für die Arbeiterbevölkerung in Form der Arbeiter-
und Krankenversicherung vor 25 Jahren und weiterhin mit unseren verbesserten
prophylaktischen und therapeutischen Maßnahmen gegen die Tuberkulose zu-
sammenhängt.
So erfreulich diese Wahrnehmung ist, so sind wir doch weit von dem
Ziel einer Ausrottung der Seuche entfernt, indem in Deutschland noch immer
ca. 800000 Menschen an eklatanter Tuberkulose leiden und jährlich noch über
100000 der Krankheit erliegen.
Die beiden Waffen, die uns zur Bekämpfung der Tuberkulose zu Gebote
stehen, die Prophylaxe und Therapie, sind in den letzten Jahrzehnten unaus-
gesetzt verbessert und geschärft worden. Die klinische Erfahrung hat nun aber
gelehrt, daß, wenn wir von den guten Erfolgen der Heilstättenbehandlung,
namentlich der mit Tuberkulinanwendung kombinierten, bei den Initialformen
der Krankheit absehen, unsere therapeutischen Maßnahmen gegen die Tuber-
kulose doch nur in sehr beschränktem Maße eine wirkliche Heilung der Krank-
heit zu erzielen vermögen. Eine durchgreifende Änderung in dieser Beziehung
ist für die Zukunft wohl dringend zu hoffen, aber nach dem Resultat der zahl-
losen in den letzten Jahrzehnten gemachten Versuche und ärztlichen Erfahrungen
in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.
Auch ein weiterer, bei anderen Infektionskrankheiten so erfolgreicher
Weg, um die Weiterverbreitung zu verhindern, das Immunisierungsver-
fahren, kommt für die Tuberkulose leider vorderhand nicht in Betracht. Die
Versuchsergebnisse bei der Immunisierung von Tieren gegen Tuberkulose
eröffnen zwar eine gewisse Perspektive für die Zukunft, an eine praktische
"Ee 1D: EORSORGE FÜR VORGESCHRITTENE TUBERKULOSE. 383
Verwertung derselben beim Menschen kann aber bis jetzt nicht gedacht
werden.
So bleibt für die Bekämpfung und die zu erstrebende Ausrottung der
Tuberkulose in der Hauptsache nur die strenge Durchfihrung der Pro-
phylaxe übrig, d. h. die konsequente Anwendung und Verbesserung
der Maßregeln, um den gesunden Menschen vor der Ansteckung mit
Tuberkulose zu schützen. |
Für diesen aber ist und bleibt die Hauptgefahr diejenige, die
vom kranken Menschen ausgeht. Denn wenn auch die Annahme einer
alimentären Entstehung der Tuberkulose immer mehr Anhänger findet und es
keinem Zweifel mehr unterliegen kann, daß der Genuß tuberkelbazillenhaltiger
Milch bei Kindern im ersten Lebensjahr nicht so selten die Ursache der Kinder-
tuberkulose ist, so hieße es doch den Tatsachen Gewalt antun, wenn man
hierin die einzige oder auch nur hauptsächlichste Quelle der Tuberkulose sehen
und als alleinigen Infektionsweg den Magendarmkanal anerkennen wollte. Zu
einer solchen exklusiven Anschauung wird sich der klinische Forscher und
Praktiker nie entschließen können, weil seine Erfahrung am Krankenbett und
seine Beobachtungen, die er in tuberkulösen Familien täglich zu machen
Gelegenheit hat, ihn notwendig zur Ansicht führen, daß die Hauptquelle
der Ansteckung, wenigstens beim Erwachsenen, der kranke Mensch
ist und die Infektion mit Tuberkulose vorwiegend durch Inhalation bazillen-
haltigen Materials erfolg. Für die Richtigkeit dieser Annahme spricht
eine große Reihe von Tatsachen: der Umstand, daß die bovine Tuberkulose,
der natürliche Ausdruck der Infektiosität der Kuhmilch, sich beim Erwachsenen
so gut wie garnicht findet, ferner der pathologisch-anatomische Nachweis des
gar nicht so seltenen Vorkommens isolierter Bronchialdrüsentuberkulose, die
klinische Erfahrung, daß die Verbreitung der Krankheit in tuberkulösen Familien
typisch von einem Glied derselben zum andern nachgewiesen werden kann,
daß gesunde Pflegerinnen, wenn sie auf Tuberkulosestationen längere Zeit Dienst
tun (s. u), mit der Zeit relativ häufig an Tuberkulose erkranken und ebenso
in Arbeitsräumen, in welchen ein infektiöser Lungenkranker arbeitet, eine Reihe
von anderen Arbeitern tuberkulös werden u.a. m. Übrigens ist auch durch
die ausgezeichneten neuesten Versuche Flügges, wie ich glaube, unwider-
leglich bewiesen, daß die Inhalation tuberkelbazillenhaltiger Luft den häufigsten
und gefährlichsten Infektionsmodus bei der menschlichen Tuberkulose darstellt.
Wenn also auch die Gefahr, die von dem Genuß bazillenhaltiger Milch, speziell
dem ‚Neugeborenen, droht, nicht als gleichgültig angesehen werden darf, so
müssen doch unsere prophylaktischen Maßregeln gegen die Tuberkulose sich
nicht einseitig auf die Milchfrage konzentrieren, sondern vor allem gegen
die Gefahren gerichtet sein, die von dem tuberkulösen Menschen
selbst ausgehen. Wenn wir den gesunden Menschen vor diesen bewahren,
d. h. vor der Ansteckung mit Tuberkulose schützen wollen, so stehen uns hierfür
zwei Wege offen:
I. Die von den tuberkulösen Kranken stammenden Infektions-
stoffe unschädlich zu machen;
ZEITSCHR. f.
384 „MSEEDBEn = TUBERKULOSE
2. die Infektionsträger, d. h. die tuberkulösen Kranken von der
Berührung mit den Gesunden abzuhalten.
Was den erstgenannten Weg der Prophylaxe betrifft, so hat sich dem-
selben seit zwei Jahrzehnten die ungeteilte Aufmerksamkeit und unausgesetzte
Arbeit der Ärzte zugewandt. Mit Recht ist unsere prophylaktische Haupt-
tätigkeit darauf gerichtet gewesen, die — Tuberkelbazillen in immensen Mengen
enthaltenden — Auswurfstoffe der Phthisiker für die Umgebung unschädlich zu
machen. Ich habe hier auf Details nicht einzugehen; ich will nur bemerken,
daß, wie es in der Natur der Sache liegt, ein voller Erfolg auf diesem Wege
nicht zu erzielen ist, wenn auch die peinlichste Sorgfalt in unseren Maßregeln,
den Auswurf und die beim Husten in die Luft versprühten Sputumtröpfchen
unschädlich zu machen, eine unserer Hauptsorgen auch kiinftighin bilden muß.
Wir werden aber mit Sicherheit mehr erreichen als bisher,
wenn wir zugleich den zweiten Modus der Prophylaxe, die Isolierung
der Tuberkulösen, viel energischer, als dies bis jetzt geschehen ist,
durchführen. |
Die radikalste und vom theoretischen Standpunkt aus unfehlbar vollen
Erfolg versprechende Mafregel wáre, jeden Phthisiker, der Tuberkelbazillen
nach außen befördert, von der Berührung mit den Gesunden auszuschließen, indem
er in ein Krankenhaus verwiesen und in diesem dauernd isoliert würde. Eine
solche Maßregel wäre aber, wie auf den ersten Blick erhellt, praktisch undurch-
führbar, ja geradezu unsinnig, weil damit Millionen zum größten Teil noch
arbeitsfähige Menschen zur Untätigkeit verdammt würden, ein enormes Quan-
tum von Arbeitskraft brach läge, das Familienleben im Großen vernichtet und
das größte soziale Unglück heraufbeschworen würde! Aber damit auf die
Isolierung wenigstens eines Teils der Tuberkulösen und so auf das wirksamste
Mittel im Kampf gegen die Tuberkulose von vornherein gänzlich zu verzichten,
wäre ebenso töricht und unerlaubt, wie wenn jemand deswegen, weil unsere
Maßregeln, um das Sputum der Tuberkulösen unschädlich zu machen, natur-
gemäß nur unzulänglich sein können, von jeder Desinfektion absähe und gegen
die großen Gefahren, die den Gesunden von den Auswurfstoffen der Tuber-
kulösen drohen, nichts tun wollte! Gegen einen so mächtigen Feind, wie die
Tuberkulose, müssen alle Waffen nach Möglichkeit ausgenutzt werden, und
unter die mächtigsten Schutzwaffen, über die wir verfügen, zählt in erster Linie
die Isolierung der Phthisiker. Und zwar sind es die Tuberkulösen in dem vor-
geschrittenen Stadium, die hierbei besonders in Betracht kommen, Kranke, bei
denen der Prozeß größere Dimensionen angenommen hat, Kavernen sich gebildet
haben und höheres Fieber einsetzt, welche allmählich schwächer und schwächer
und schließlich bettlägerig werden. Solche Kranke, die massenhaft bazillen-
haltiges Sputum an die Außenwelt abgeben, sind die denkbar gemeingefähr-
lichsten Infektionsträger und müssen aus ihren Wohnungen, die wahre Nester
für die Bazillenverbreitung darstellen, entfernt werden. Ihre Isolierung ist
notwendig und muß auch, soweit das irgend möglich ist, verwirk-
licht werden. Die beste Art der Isolierung ist die Überführung derselben in
eine Krankenanstalt. Ich verkenne nicht, daß dies praktisch mit Schwierig-
BD.XILHEFTS. FURSORGE FÜR VORGESCHRITTENE TUBERKULOSE. 385
keiten verkniipft ist und eine Verweisung dieser Kranken in ein Krankenhaus von
einem Teil derselben und auch von Seiten des Publikums als eine harte, ja in-
humane Maßregel angesehen wird, indem dem Kranken zugemutet werden muß,
auf Monate oder gar dauernd aus seiner Familie auszuscheiden, die gewohnten
Lebensverhältnisse aufzugeben, mit anderen Kranken zusammenzuliegen und
sich einer für die meisten Menschen lästig erscheinenden. Krankenhausordnung
zu unterwerfen. Aber hier muB und kann in den Anschauungen der Betei-
ligten Wandel geschaften werden, weil der Eintritt in ein Krankenhaus faktisch
keine Härte, sondern eine Wohltat für die Schwerkranken bedeutet und diese
sich davon auch durch eine vernünftige Belehrung in den allermeisten Fällen
überzeugen lassen werden, während wir andererseits unserer Pflicht, die gesunde
Bevólkerung vor der Infektion zu schützen und so die Seuche einzudämmen,
nur auf diesem Wege mit besserem Erfolge nachkommen können.
Schon lange Zeit ist die sachgemäße Fürsorge für die vorgeschrittenen
Fälle von Tuberkulose in Deutschland Gegenstand der Diskussion gewesen
und sind auch immer wieder Anläufe zu ihrer praktischen Verwirklichung
genommen worden.
Bereits im Jahre 1888 hat eine Kommission sich in Berlin mit der Frage
beschäftigt und kam zu dem Ergebnis, daß es sich empfehle, die Phthisiker
nicht in allgemeinen, sondern in eigenen für Tuberkulöse gebauten Kranken-
häusern unterzubringen. Auf denselben Standpunkt stellte sich der Obermedi-
zinalauschuß in Bayern in seiner Sitzung im Dezember 1889, indem in einem
Referate v. Ziemssens neben der Erbauung von Sanatorien auch die Isolierung
vorgeschrittener Tuberkulöser durch Errichtung eigener ,,Schwindsuchtsspitaler“
seitens der Gemeinden betont wurde. Seit 1899 habe ich selbst dem Gegen-
stand meine besondere Aufmerksamkeit und Tätigkeit in Wort und Schrift
zugewandt. Auf meine Anregung hat das Präsidium des Deutschen Zentral-
komitees zur Bekämpfung der Tuberkulose in einer Sitzung vom 6. März 1904
die Frage der Isolierung der Schwindsüchtigen und der Errichtung eigener
Spitäler für dieselben, welcher trotz der Empfehlung von verschiedenen Seiten
und namentlich auch eines preußischen Ministerialerlasses vom Jahre 1901 aller-
orts nur höchst ungenügend Rechnung getragen worden war, in die Hand
genommen und zur weiteren Beratung an das Reichsgesundheitsamts hinüber-
gegeben. Eine ad hoc einberufene Sitzung des Reichsgesundheitsrats vom
24. Juni 1904 nahm dann folgende von R. Koch, B. Fränkel und mir formu-
lierten Grundsätze an:
„Zur Beseitigung der durch die Tuberkulose geschaffenen Ansteckungs-
möglichkeit ist erforderlich, Schwindsüchtige namentlich im vorgeschrittenen
Stadium in Krankenhäusern entsprechend abzusondern. Zu diesem Zweck wird
empfohlen:
1. die Errichtung von eigenen Krankenhäusern für solche Kranke;
2. wo dies nicht angängig, die Errichtung von besonderen Abteilungen
in den allgemeinen Krankenhäusern, welche baulich getrennt und als „Sana-
torien“ eingerichtet sind;
= ZEITSCHR. í.
386 u a on | TUBERKULÔOSE
3. wo auch dies nicht auszuführen ist, die id une der Krankerr
in besonderen Räumen der Krankenanstalten.
Auf die letzten beiden Punkte soll vor allem bei dem Bau neuer Kranken-
häuser Bedacht genommen werden.‘
Diese Grundsátze wurden dann in einem Rundschreiben des Deutschen
Reichskanzlers vom 16. Juli 1904 den Landesregierungen eindringlich empfohlen
und zur tunlichen Durchführung anheimgestellt.
Seit dieser Zeit ist in Deutschland im allgemeinen danach verfahren
worden. Aber erst durch längere Erfahrung ist ein Urteil darüber möglich,
welcher Modus der Isolierung der Schwerkranken sich in praxi als der beste
erweist. Doch lassen sich schon- jetzt aus den bisher getroffenen Einrich-
tungen wenigstens einige Erfahrungstatsachen und Richtpunkte für die Zukunft
feststellen.
I. Was zunächst die Mindestforderung in bezug auf die Isolierung der Tuber-
kulösen — die Absonderung derselben in besonderen Räumen (3) —
betrifft, so darf wohl angenommen werden, daß sie entsprechend den Erlassen
einzelner Bundesstaaten Deutschlands in den meisten allgemeinen Kranken-
häusern als die billigste und bequemste Maßregel durchgeführt worden ist.
Was hiermit verlangt wird, ist in der Tat das mindeste, was gefordert werden
muß, um wenigstens die übrigen Insassen des Krankenhauses davor zu schützen,
daß sie nicht während ihres Aufenthaltes im Spital wegen anderer Krankheiten
nebenbei mit Tuberkulose infiziert werden. Eine Unterlassung dieser Maßregel
ist eine grobe Vernachlässigung unserer Verpflichtungen, die wir den anderen
Spitalkranken schuldig sind. Es ist aber auch weiterhin zu verlangen, daß die
Krankenhausverwaltungen die zum Zweck dieser einfachen Isolierung getroffenen
Einrichtungen streng überwachen, daß kein längeres Zusammensein der Tuber-
kulösen mit den nichttuberkulösen Kranken im Korridor, dem Krankenhaus-
garten etc. geduldet wird, daß eigene Eß- und Trinkgeschirre den Tuberkulösen
zukommen und die Kleider der Phthisiker bei ihrem Austritt oder im Todesfall
desinfiziert werden u. a. Auch ist eine periodische Kontrollierung der strengen
Durchführung der Isolierungsvorschriften durch die Medizinalhehörden wünschens-
wert. In den kleinen Krankenhäusern auf dem Lande, wo nur einige wenige Tuber-
kulöse sich zu gleicher Zeit in Behandlung befinden, müssen dieselben trotzdem ab-
gesondert werden; wegen Platzmangels darf dies nicht unterlassen werden; es ge-
nügen ja in solchen Fällen zum Zweck der Isolierung zwei Räume, einer für männ-
liche und einer für weibliche Kranke. Auf die Größe der Zimmer kommt es dabei
nicht an, im Gegenteil ist es vorzuziehen, daß auch in den großen Kranken-
häusern eine Reihe kleinerer Zimmer für die Tuberkulösen bestimmt wird, weil
dadurch die Kranken weniger durch vieles Husten oder durch Todesfälle im
Zimmer gestört werden. Nur müssen den Tuberkulösen unter allen Umstän-
den luftige und sonnige, nicht nach Norden gelegene Zimmer eingeräumt
werden.
Mit dieser einfachen Isolierung der Tuberkulösen ist wohl den nichttuber-
kulösen Spitalkranken einiger Schutz gegen die Ansteckung gewährt, dagegen
ist für den Schwindsüchtigen selbst wenig damit getan, um die Chancen für
BD.XIDMEFTO. EÜRSORGE FÜR VORGESCHRITTENE TUBERKULOSE. 387
das Stillstehen und das etwaige Zurückgehen des Prozesses zu verbessern. Dies ist
nur dann zu erwarten, wenn den in das Krankenhaus eintretenden Tuberkulösen
dort außer guter Ernährung viel Licht, Luft und möglichst ausgedehnter Aufent-
halt im Freien geboten ist, d.h. wenn die besonderen, für die Tuberkulösen
bestimmten Abteilungen in den Krankenhäusern baulich getrennt und den
Sanatorien nachgebildet sind.
2. Diese Einrichtung der „Krankenhaussanatorien für Tuber-
kulöse“ in den allgemeinen Krankenhäusern ist meiner Ansicht nach
die für die meisten Fälle empfehlenswerteste Maßregel.
Ich verstehe darunter Vorrichtungen für Tuberkulöse im weitesten Sinn,
die eine Freiluftbehandlung, kräftige Ernährung etc., kurz alle die in Privat-
sanatorien und Volksheilstätten erprobten, anerkannt die besten Resultate in
der Behandlung der Lungenschwindsucht erzielenden Grundsätze in Anwendung
bringen lassen. Schon Veranden, die sich an die Krankenzimmer anschließen,
die gestatten, die Kranken den größten Teil des Tages im Freien (sei es im
Bett oder Liegestuhl) zubringen zu lassen, tun gute Dienste. Wirklich durch-
greifend ist aber nur die Entfernung der Kranken aus dem eigentlichen
Krankenhausgebäude und ihre Unterbringung in baulich getrennten Gebäuden,
d.h. in eigenen, im Garten des Krankenhauses errichteten Pavillons, deren
Zimmer nach Süden gelegen und gegen Wind möglichst geschützt sind. Mit
den Pavillons müssen Liegehallen verbunden sein; auch muß ein genügend
großer, den anderen Kranken nicht zugänglicher Gartenanteil sich an die
Tuberkulosestation anschließen.
Ich halte die Errichtung solcher ‚Krankenhaussanatorien‘im allgemeinen
für die in den meisten Fällen empfehlenswerteste, richtigste Maßregel der Iso-
lierung der Tuberkulösen. Sie verspricht nicht nur den Kranken die meisten
Chancen für Besserung und schützt die anderweitigen Kranken des Spitals am
besten vor Ansteckung, sondern übt auch die mächtigste Werbekraft für den
Eintritt der Tuberkulösen in das Krankenhaus. Wenn die letzteren und das
Publikum erst davon hören und sich überzeugen, daß den Kranken hier das-
selbe, wie in den Volksheilstätten, in welche aufgenommen zu werden das
heißersehnte Ziel der meisten Phthisiker ist, geboten wird, so entschließt sich
der Kranke zweifellos am leichtesten, aus seiner Familie herauszugehen, zumal die-
selbe ihn ja dort jederzeit ohne Schwierigkeit besuchen kann. Ein großer Vor-
teil dieser Maßregel ist ferner, daß der Bau solcher Krankenhaussanatorien und
ihre Verwaltung, als eine Teilabteilung des allgemeinen Krankenhauses, sich
stets billiger stellen wird, als der Bau eigener großer Tuberkulosekrankenhäuser.
Freilich in den schon bestehenden allgemeinen Krankenhäusern, die nicht
selten noch mitten in der Stadt gelegen sind und gewöhnlich über ein be-
schränktes Terrain verfügen, wird die Einrichtung von solchen Krankenhaus-
sanatorien sich häufig nur ungenügend ermöglichen lassen. Um so mehr
müssen wir darauf dringen, daß Konzessionen für den Neubau von
Krankenhäusern von den Behörden fernerhin nur dann erteilt
werden, wenn für Schwindsüchtige besondere, getrennte, an die in
ZEITSCHR. f.
388 HEURE TUBERKULOSE
den Sanatorien erprobten Grundsätze sich anschließende Einrich-
tungen vorgesehen sind.
| 3. Noch radikaler, weil die Anstalten für die Unterbringung und Isolie-
rung der Tuberkulösen ganz außerhalb der Städte verlegend, ist die Forderung
von eigenen, lediglich der Aufnahme von Tuberkulösen dienenden Spezial-
krankenhäusern. Man kann hier an verschiedene Arten solcher spezifi-
scher Tuberkulosekrankenhäuser denken. Ausschließlich für die Pflege
unheilbarer Phthisiker im letzten Stadium hat man in Deutschland die „Pflege-
heime“ (auch wohl „Asyle“ d h. Zufluchtsorte für Gemiedene oder „Siechen-
häuser für Tuberkulöse“ genannt) bestimmt, während man die für die
Heilstätten nicht mehr geeigneten, vorgeschrittenen, aber noch periodenweise
arbeitsfähigen Kranken in eigenen Krankenanstalten „Heimstätten“ unter-
gebracht wissen wollte. Die Isolierungsabteilungen der allgemeinen Kranken-
häuser endlich sollten nach einem neuerdings gemachten Vorschlag der wissen-
schaftlichen Deputation des Medizinalwesens in Preußen nur als Durchgangs-
und Beobachtungsstationen für Tuberkulöse aller Grade dienen. So dankens-
wert und theoretisch richtig diese strenge Scheidung der Schwindsüchtigen in
bezug auf den Grad des Leidens und ihre Behandlung ist, so habe ich doch
die feste Überzeugung gewonnen, daß diese Differenzierung sich aus psycho-
logischen und anderen Gründen nicht empfiehlt und in praxi unausführbar ist.
Die „Pflegeheime“ für die unheilbaren Phthisiker im letzten Stadium,
wo einer um den anderen stirbt, werden von den Kranken naturgemäß als
Sterbehäuser betrachtet. Sie erklären, daß hier wohl der Weg hinein-, aber nur
mit dem Tode herausführe, und meiden um jeden Preis diese Krankenanstalten,
so lange der Eintritt ein freiwilliger ist — und das wird er ja, wie ich
glaube, mit geringen Ausnahmen, auch in Zukunft bleiben. Glücklicherweise
liegt es in der Menschennatur und auch ın der Eigenart des Lungenschwind-
süchtigen, daß er gewöhnlich bis zuletzt auf Heilung hofft. Die Verweisung
in ein „Siechenhaus für Phthisiker“, und das sind ja die Pflegeheime, raubt
ihnen die Zuversicht und erfüllt sie mit tiefer Depression. Die Hoffnung dem
Kranken zu nehmen, sind wir aber nimmermehr berechtigt, beabsichtigt ja
auch niemand!
Bereits hat sich auch in praxi die tiefe Abneigung gegen solche den
Phthisikern in bester Absicht gebotene Asyle gezeigt, indem mehrere von Ver-
sicherungsanstalten erbaute ,,Invalidenheime“ wegen Mangels an Beteiligung
geschlossen und anderweitigen Zwecken übergeben werden mußten. Andere
Pflegeheime sind, wie es scheint, besser besucht; bis jetzt aber ist die Zahl
derselben in Deutschland eine verschwindend kleine.
Nach meiner festen Überzeugung werden nur diejenigen Spezialkranken-
häuser für Tuberkulöse sich behaupten, in welchen Kranke III. Stadiums
neben denjenigen früheren Stadien Aufnahme finden und die ich deswegen
unter Aufgabe der Differenzierung von Heimstätten und Pflegeheime „Tuber-
kulosekrankenhäuser“ im allgemeinen seinerzeit genannt habe und weiter
so nenne.
Die Aufnahme von Tuberkulösen aller Grade in dieselben ist, wie ich
BD e, 10 FURSORGE FÜR VORGESCHRITTENE TUBERKULOSE. 389
i rn i,
aus langjáhriger Erfahrung sagen kann, der einzig empfehlenswerte Modus,
weil, wie ich schon sagte, bei den Schwindsiichtigen ein gewisser Optimismus
gewohnlich bis zuletzt anhalt und so die Schwerkranken an der Besserung der
Leichterkranken immer wieder Hoffnung schópfen, wahrend andererseits die
letzteren in einem gut geleiteten Krankenhause nicht das leiseste von den
Schwerkranken für die eigene Erkrankung zu fürchten haben. Auferdem
ist schon um deswillen eine Trennung der verschiedenen Stadien, speziell des
IL und JIL, in praxi nicht angängig, weil der Übergang derselben ineinander
ein fließender ist.
Beschäftigen wir uns endlich noch mit der praktischen Frage, in welchen
Fällen Tuberkulosekrankenhäuser und in welchen besser Isolierabteilungen in
allgemeinen Krankenhäusern speziell Krankenhaussanatorien zu errichten sind,
so dürfte dies im einzelnen von lokalen Verhältnissen und Bedürfnissen, auch
von der Geldfrage wesentlich abhängen. Ich kann aber doch im allgemeinen
meinen Standpunkt dahin präzisieren:
Für die mittelgroßen und kleinen Krankenhäuser (in mittleren
Städten und auf dem Lande) dürfte am besten eine Isolierung der
Schwindsüchtigen in den allgemeinen Krankenanstalten und speziell
die Errichtung von Krankenhaussanatorien passen, während für
große Städte der Neubau von eigenen Tuberkulosekrankenhäusern
gewöhnlich nicht zu umgehen, d.h. nicht durch Isoliereinrichtungen
u.a. in den allgemeinen Krankenhäusern zu ersetzen ist.
Die Tuberkulosekrankenhäuser müssen außerhalb der Städte, wenn
auch (damit nicht die Kranken von ihren Familien gänzlich abgeschnitten sind
und von ihren Angehörigen besucht werden können) in deren nächster Nähe
errichtet werden. Sie müssen womöglich am Walde gelegen und nach den in
Heilstätten erprobten hygienischen Grundsätzen eingerichtet sein, so daß den
darin untergebrachten Kranken Luft, Licht und kräftige Ernährung in reichem
Maße gewährt wird.
Was endlich die Bestreitung der Kosten für die angeführten beiden
Arten der Isolierung und Verpflegung der Tuberkulösen betrifft, so stimme ich
in dieser Beziehung denjenigen (besonders Rabenow) zu, welche verlangen,
daß die Baukosten in erster Linie von den Kommunen bezw. Kom-
munalverbänden getragen werden. Diese haben unbestreitbar für ihre
Tuberkulösen genau so, wie für ihre an anderen Krankheiten leidenden Ge-
meindemitglieder zu sorgen; und ebenso wie der Bau der allgemeinen Kranken-
häuser liegt ihnen auch der Bau der Tuberkulosekrankenhäuser ob. Die Lasten,
die hierdurch den Gemeinden zufallen, werden reichlich aufgewogen durch die
zu erwartende Abnahme der Erkrankung an Tuberkulose und die Hebung der
Volksgesundheit im allgemeinen.
Gestatten Sie mir, daß ich an die Unterbringung der Tuberkulösen in
Spezialanstalten nebenbei noch ein paar kurze Bemerkungen über einige Punkte
knüpfe, auf die, wie ich glaube, nicht allgemein genug geachtet wird. Zu-
nächst möchte ich betonen, daß die Wartung der Tuberkulösen im allgemeinen
Krankenhaus ausschließlich eigenes Personal verlangt. Weiterhin muß ich nach
> ZEITSCHR. f.
399 | Hi Pl © TUBERKULOSE
den traurigen Erfahrungen, die ich selbst mit den Wärterinnen meines Kranken-
hauses in den letzten 20 Jahren gemacht habe, den dringenden Rat geben,
keine Wärterin länger als 1 Jahr bis höchstens 2 Jahre bei den Tuber-
kulösen Dienst tun zu lassen, und sie nach dieser Zeit durch anderes Per-
sonal zu ersetzen. Von den 35 Warterinnen, welche auf der medizinischen Ab-
teilung des Juliusspitals in Würzburg in der genannten Zeit fungierten (ausgenommen
sind die Abteilungen für Typhus, Scharlach und Masern), erkrankten 8 an Tuber-
kulose, 7 davon sind gestorben. Alle diese Pflegerinnen hatten nachgewiesener-
maßen speziell auf den mit Tuberkulösen belegten Sälen längere Zeit Dienst getan.
Da dieselben, wie überhaupt alle neu eintretenden Warterinnen, vor ihrer An-
stellung genau untersucht waren und nur in jeder Beziehung gesunde Personen in
Dienst genommen wurden, so ist an der Infektion der betreffenden Wärterinnen
mit Tuberkulose während ihrer Dienstzeit kaum zu zweifeln. Wenn auch die Er-
fahrung vieler Ärzte eine bessere sein mag und ich namentlich nicht leugnen
will, daß das in Sanatorien fungierende, bezüglich der Infektion günstiger
gestellte Wartepersonal relativ selten an Tuberkulose erkranken wird, und ich
auch gern zugebe, daß meine These (Tuberculosis, September 1908) bezüglich
dieses Punktes unter dem Eindruck meiner deprimierenden Erfahrungen etwas
zu pessimistisch gefaßt ist, so muß ich doch nach dem, was ich erlebt habe,
daran festhalten, daß die Gefahr der Tuberkuloseinfektion für Wärte-
rinnen in den Spitälern, in welchen hauptsächlich Patienten in den
vorgeschrittenen Stadien der Tuberkulose untergebracht sind, eine
immerhin große ist. Der Gesundheitszustand der auf den Tuberkulosestationen
Dienst tuenden Wärterinnen muß dabei besonders streng kontrolliert werden. Jedes
leichte nicht sonst begründete Fieber, jeder auch unbedeutende Husten bei
solchen Personen verlangt sofort, auch wenn keine Tuberkelbazillen nachweisbar
sind, ihre Außerdienststellung, die Verweisung auf die Krankenstation zu weiterer
Beobachtung oder die Überführung in ein Lungensanatorium.
Ein weiterer Punkt, der mir einer kurzen Besprechung wert scheint, ist,
wie wir uns gegenüber den Besuchen bei den Kranken von seiten
ihrer Angehörigen zu verhalten haben. Sie zu verbieten würde das größte
Ilindernis für den Eintritt der Tuberkulösen in das Krankenhaus bilden und
wäre auch eine ganz ungercchtfertigte Maßregel, ja unnötige Grausamkeit.
Denn wenn auch die Tuberkulose sicher eine ansteckende Krankheit ist, so ist
sie es doch nur unter bestimmten Bedingungen, die ein längeres inniges Zu-
sammensein mit den Patienten voraussetzen. Von dem Sputum droht keine
Gefahr, wenn auf das Ausspucken des Auswurfes in mit Wasser gefüllte Schalen
streng geachtet und ein Verschmieren desselben verhütet wird, ein Verhalten,
wie es bei im Krankenhaus untergebrachten Phthisikern voraussgesetzt werden
kann und muß. Aber auch die Tröpfcheninfektion, die meiner Ansicht
nach die weitaus wichtigste Infektionsquelle für die Umgebung bildet, hat im
Krankenzimmer für den Besucher glücklicherweise keine Bedeutung, sobald er
sich nicht an den Kranken während des Hustens zu nahe (weniger als 1 Meter)
heranbegibt. Sicher vermieden wird die Versprühung der Tröpfchen, wenn
der Patient beim Ilerannahen des Hustens etwas vor den Mund hält. Ge-
BD.XITDREFTS. FÜRSORGE FÜR VORGESCHRITTENE TUBERKULOSE. 391
wöhnlich wird empfohlen das Taschentuch oder die Hand vorzuhalten. Beides
ist nicht empfehlenswert, weil in beiden Fällen die Sputumtröpfchen zur
Weiterverbreitung dabei förmlich gesammelt werden. Das einzig richtige,
ebenso einfache, wie wirksame Mittel gegen die Ausstreuung der
bazillenhaltigen Tröpfchen in die Luft ist für Tuberkulöse im
Krankenhaus das Vorhalten eines faustgroßen Wattebausches vor
den Mund, der nach dem Gebrauch mit der angehusteten Flache nach unten
in eine leere Schale abgesetzt wird. Der Wattebausch muß alle 12—24 Stunden
verbrannt und durch einen neuen ersetzt werden. Ich verwende diese meine
Methode der Verhütung der Tröpfcheninfektion, die ich für die einfachste,
absolut einwandfreie halte, seit 9 Jahren auf meiner Tuberkulosestation. Die
Kranken gebrauchen die Wattebäusche regelmäßig und haben nie geklagt, dab
ihre Benutzung ihnen lästig sei.
So wichtig die Verbesserung unserer Mittel ist, um die von den Tuber-
kulösen gelicferten Infektionsstoffe mehr und mehr unschädlich zu machen,
so dürfen wir doch nicht vergessen, daß damit nur halbe Arbeit geleistet ist,
daß wir nur hoffen dürfen, die Tuberkulose einzuschränken und allmählich
auszurotten, wenn wir den Feind von allen Seiten angreifen, wenn wir, wie
ausgeführt wurde, die Gesunden vor der Berührung mit den Infektionsträgern,
den infektiósen Phthisikern, möglichst schützen. Die Verweisung der
Schwindsüchtigen in Tuberkulosespitäler oder in die allgemeinen
mit Isoliervorrichtungen versehenen Krankenhäuser muß daher mit
allen Mitteln angestrebt werden. Zwangsweise läßt sich dies bis jetzt
allerdings nicht durchführen, wir haben dazu keine gesetzlichen Grundlagen,
und eine zwangsmäßige Isolierung kann auch nie für die Schwindsüchtigen aller
Stadien erlangt werden. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß wie in anderen
Ländern, so auch in Deutschland, wenigstens in einzelnen Fällen vorgeschrittener
Tuberkulose, wo durch das Verbleiben der zur Übertragung der Tuberkulose
eminent geeigneten, mehr oder weniger gemeingefährlichen Kranken in ihren
Wohnungen direkte Gefahr für die Umgebung besteht, auf dem Wege der
Gesetzgebung den Behörden das Recht eingeräumt werden wird, solche Tuber-
kulöse in das Krankenhaus überzuführen.
Aber auch ohne gesetzliche Regelung der Einweisung der Schwertuberkulösen
in die Krankenhäuser ist schon dadurch, daß das Publikum und dieKranken
selbst allgemein und eindringlich über die Notwendigkeit und Nütz-
lichkeit derKrankenhausbehandlung belehrt werden, außerordentlich viel
zu leisten. Wenn es erst in das Bewußtsein des Volkes gedrungen ist, daB die
Schwertuberkulösen unbedingt in Krankenhausbehandlung gehören, und den
Tuberkulösen immer mehr klar wird, daß die Verantwortung, ihre Umgebung
anzustecken, eine große, aber in erster Linie durch den Eintritt in ein Kranken-
haus vermeidbare ist, wird der letztere immer weniger Schwierigkeiten begegnen.
Ja, der Unbemittelte wird die Einrichtung von Tuberkulosekrankenhäusern und
Krankenhaussanatorien als dankenswert, als Wohltat anerkennen, wenn er sich
klar macht, daß ihm damit geboten wird, was der Reiche durch das Aufsuchen
‚, Ir ZEITSCHR. £.
392 o ve LEUBE. = © TUBERKULOSE
von Privatsanatorien zu erreichen sucht — Besserung für sein Leiden und Schutz
vor Ansteckung für seine Familie!
Freilich wird es auch dann nicht an Kranken fehlen, welche selbst den
ernstesten wiederholten Vorstellungen über die Notwendigkeit und Nützlichkeit
einer Krankenhausbehandlung unzugänglich sind. Der Gedanke, mit dem Ein-
tritt in ein Krankenhaus dauernd von der Familie getrennt zu sein, der als
Zwang empfundenen Krankenhausordnung sich fügen und mit anderen Kranken
zusammenliegen zu müssen, wirkt auf einzelne so abstoßend, daß sie lieber das
ganze Elend ihrer Häuslichkeit und die schwere Verantwortung gegenüber ihrer
Familie auf sich nehmen, als daß sie das Opfer einer Trennung von derselben
bringen und ihre Vorurteile überwinden. Aber das werden doch, wie zu hoffen
ist, mit der Zeit, wenn erst die Grundsätze des Segens der Krankenhaus-
behandlung mehr verbreitet sind, mehr Ausnahmen sein. Soweit sind wir
allerdings noch lange nicht! Man hat berechnet, daß in Deutschland von
80000 im Jahre mit Tod abgegangenen Tuberkulösen nur 12000 in Anstalten
gestorben, die übrigen 68000 bis zum Tod in ihren Wohnungen verblieben
sind! Diese Zahlen sprechen eine beredte Sprache, wie viel in der uns be-
schäftigenden Frage noch zu bessern ist. Als ein erfreulicher Fortschritt in
dieser Beziehung darf eine neuerdings für Berlin angestellte Berechnung gelten,
wonach von 12363 innerhalb 3 Jahren der Lungenschwindsucht erlegenen
Personen 5842 d.h. 47,3°/, in Anstalten und 6521 = 52,7°/, in ihren Wohnungen
gestorben sind.
Wir dürfen hoffen, daß das Verhältnis der in Krankenanstalten und der
zu Hause verstorbenen Tuberkulösen sich auch anderwärts, überhaupt immer
mehr zugunsten der Krankenhausbehandlung verschieben wird, und es wäre
immerhin schon ein Gewinn, wenn die Zahl der Schwertuberkulösen, die sich
in die Krankenhäuser begibt, bald die Zahl der Renitenten überträfe. Die
dauernd bettlägerig gewordenen Kranken im letzten Stadium der Erkrankung
werden sich in der Regel am wenigsten gegen den Eintritt in ein Krankenhaus
sträuben, weil sie sich in einem so unleidlichen Zustand befinden, daß sie selbst,
wie die Familie die Überführung ins Krankenhaus schließlich als Wohltat
empfinden. Schwerer hält es in den Fällen vorgeschrittener Tuberkulose, in
welchen die Kranken zwar allmählich schwach geworden, aber doch noch in
beschränktem Maße erwerbsfähig sind. Solche Kranke können am ehesten
dadurch zur Krankenhausbehandlung bewogen werden, daß man ihnen wenigstens
einen vorübergehenden Aufenthalt im Krankenhaus anrät und damit die Mög-
lichkeit einer Steigerung ihrer Erwerbsfähigkeit in Aussicht stellt. Kehren diese
Kranken in der Tat gebessert in ihre Familie zurück, so muß für sie ebenso
wie für die renitenten zu Hause verbleibenden, bettlägerigen Kranken in anderer
Weise weiter gesorgt werden. Hier haben die Fürsorgestellen einzugreifen.
Ihre Aufgabe ist, eine Isolierung der Kranken in der Familie so gut
es geht durchzuführen. Das wichtigste Desiderat ist ein eigenes Zimmer
für den Kranken. Wie schlecht es mit der Erfüllung dieser Forderung in der
Regel steht, und wie groß die Gefahr der Ansteckung in den meisten Familien
der unbemittelten Schwindsüchtigen ist, erhellt am besten aus einer er-
"Dä PETER EURSORGE FÜR VORGESCHRITTENE TUBERKULOSE. 393
schreckenden Statistik Kayserlings für Berlin (Tuberculosis, 1907 p. 387),
wonach „von den Schwindsüchtigen, die bis zu ihrem Tod:in einem Zimmer
zu leben gezwungen waren, 688 das eine Zimmer mit 3, 580 mit 4 Personen,
452 mit 5 Personen, 229 mit 6, 136 mit 7, 45 mit 8 Personen, 25 mit 9, 10
mit 10 und 5 mit 11 und mehr Personen teilten! Insgesamt waren während
3 Jahren 97 10 Personen allein durch die in einzimmerigen Wohnungen sterbenden
Schwindsüchtigen der höchsten Ansteckungsgefahr ausgesetzt“. In der Tat er-
gaben auch die Familienuntersuchungen durch die Fürsorgestellen, daß unter
solchen Wohnungsverhältnissen fast ausnahmslos außer den ursprünglichen
Schwerkranken noch mehrere Angehörige die typischen Zeichen der Tuber-
kulose aufwiesen. g
Die Sorge für bessere Wohnungen ist also die allerwichtigste Aufgabe
der Fürsorgestellen. Weitere Aufgaben derselben in bezug auf die in der
Familie verbleibenden Schwertuberkulösen sind: bessere Ernährung der Kranken,
Sauberhaltung der Krankenzimmer, Vorkehrungen um den Auswurf unschädlich
zu machen und Mafregeln gegen die Tröpfcheninfektion (s. o.), ferner die Des-
infektion der Wäsche und Gebrauchsgegenstände, die gründliche Desinfektion
der Wohnungen in größeren Zeitabschnitten und bei Todesfällen, die Bestellung
von Krankenschwestern, welche die Schwerkranken zu Hause zu pflegen und
über die Durchführung der angeordneten hygienischen Maßregeln zu wachen
haben.
Dieser segensreichen Aufgabe können die Organe der Fürsorgestellen nur
gerecht werden, wenn ihnen große Mittel zur Verfugung stehen, wie solche vor
allem zur Verbesserung der Wohnungsverháltnisse (durch Zumieten von
Zimmern u. a.) und zur kräftigeren Ernährung der Kranken nötig sind. Vorder-
hand sind wir hier vielfach noch allein auf die Privatwohltätigkeit angewiesen
— das muß sich meiner Ansicht nach ändern, indem neben diesen schwan-
kenden Summen für die feste Fundierung der Fürsorgestellen von den Ge-
meinden durch Bewilligung fester großer Beiträge künftig gesorgt werden muß.
Ist es für die Gemeinden doch cine unabweisbare Pflicht, fur ihre Kranken
in dem nötigen Maße zu sorgen! Dazu gehört aber doch wahrhaftig in erster
Linie die Beseitigung so schreiender Mißstände, wie sie oben geschildert
wurden —; indessen liegt es ja auch im eigensten [Interesse der Gemeinden,
die Deszendenten der Tuberkulösen von der bei solchen Wohnungsverhält-
nissen unvermeidlichen Ansteckung zu schützen und so indirekt ihre künftigen
Ausgaben für Kranken- und Armenversorgung zu verringern.
Selbst bei immer ausgedehnterer Tätigkeit der Fürsorgestellen können diese
aber in bezug auf den Schutz der Familie vor der Ansteckung naturgemäß
nicht das erreichen, was wir mit der Isolierung der Falle von vorgeschrittener
Tuberkulose in Krankenhäusern zu erzielen imstande sind. Unsere Fürsorge
für die Schwertuberkulösen hat sich daher immer in erster Linie auf die Über-
führung derselben in Krankenhäuser zu konzentrieren, die nach den entwickelten
Grundsatzen durchgefuhrt, eines der wichtigsten Kampfmittel gegen die Tuber-
kulose bedeutet.
Zeitschr. f. Tuberkulose. XII. 26
à ZEITSCHR. f.
394 u Véi LEUBE, | TUBERKULOSE
An den im voranstehenden entwickelten Grundsätzen wird, wie ich
glaube, auch durch die von R. Koch in der Diskussion zu meinem Vortrag
geäußerten Bedenken über den Nutzen der Isolierung, speziell in Krankenhäusern
(Philadelphia, Sitzung 25. Sept. 1908) nichts Wesentliches geändert.
R. Koch betonte, daß er nach dem, was in letzter Zeit er in Japan von
der zwangsweisen Isolierung der Leprakranken gesehen, die Überzeugung ge-
wonnen habe, daß die Isolierung dieser Kranken, trotzdem sie 40 Jahre lang
durchgeführt worden sei, die Ausrottung der Lepra keinen Schritt vorwärts-
gebracht habe. Er verspreche sich daher auch bei der Tuberkulose von einer
Isolierung nicht mehr so viel, als er früher davon erwartet habe. Er sei zwar
außerordentlich dafür, daß wir auch künftig isolieren und glaube, daß wir da-
von Gewinn haben auch dann, wenn wir nur einen Bruchteil der Kranken
isolieren können. Dagegen müßten wir uns klar darüber sein, daß eine kurze
Dauer der Isolierung so gut wie garnichts nütze. Wir sollten also möglichst
lange isolieren, und weil dies in den Krankenhäusern nur in beschränktem
Maße möglich sei, speziell in den Wohnungen der Kranken.
Diese Bemerkungen R. Kochs sind vielfach mißverstanden worden, näm-
lich so, als ob er gegen eine Isolierung der Kranken in Hospitälern sei und
nur eine Isolierung in den Familien wünsche. Diese Auffassung ist aber eine
irrige, wie eine Durchsicht des Sitzungstenogrammes ohne weiteres ergibt.
Koch betont ausdrücklich, daß „die Überführung der Tuberkulösen in Spitäler
natürlich auch geschehen müsse, er sei nicht dagegen“, nur glaube er, daß
ein langes Isolieren, d.h. bis die Kranken ihre Tuberkelbazillen im Sputum
verlieren, nur in beschränkten Maße durchführbar sei; man sollte deswegen auf
die Isolierung in der Wohnung dringen, „obwohl es dann kein richtiges Isolieren
mehr ist“,
R. Koch glaubt, daß der betreffende Kranke schon vorher alles infiziert
habe, was er infizieren konnte. Wenn er aus dem Spital zurückkomme und
wie in den letzten Stadien der Krankheit massenhaft Bazillen auswerfe und in
der Familie sterbe, so infiziere er alle diejenigen, die für ihn erreichbar seien,
und sei die Zeit der Isolierung, die seiner Rückkehr in die Familie vorausgehe,
ohne irgend welchen Einfluß auf die Verminderung der Infektionskrankheit.
Wir können der Ansicht Kochs, nicht zu weitgehende Hoffnungen auf
die Isolierung der Kranken zu setzen, beistimmen, und müssen darauf dringen,
daß die Kranken möglichst früh und möglichst lange isoliert und daß
speziell die Tuberkulösen in den letzten Stadien dauernd isoliert werden. Ein
Isolieren in der Familie wird aber, wie Koch selbst zugibt, kein richtiges
Isolieren mehr sein, und sich auch, wie Jacobi (Neuyork) in der Diskussion
mit Recht betonte, wegen der schlechten Unterkunftsverhältnisse der Betreffenden
nicht allgemein durchführen lassen. Jacobi führt als Beispiel Neuyork an,
wo 200000 Familien in dunkeln, schmutzigen, schlecht ventilierten Wohnungen
leben, die nur aus 1 Zimmer mit 1—2 Fenstern und einem Alkoven bestehen.
Meiner Ansicht nach ist und bleibt die Isolierung in den Kranken-
häusern das Wesentliche. Sie ist unvergleichlich wirksamer als die in der
Wohnung der Patienten, und wir haben unter gleichzeitiger Mitberücksichtigung
SD.XITHEFTS. FORSORGE FÜR VORGESCHRITTENE TUBERKULOSE. 395
der Fürsorge für die Tuberkulósen in den ersten Stadien der Krankheit nach
wie vor mit allen Mitteln anzustreben:
1. daß die in den Anfangsstadien sich befindenden Kranken entweder in
Volkssanatorien oder in Krankenhäusern, die nach den von mir entwickelten
Grundsätzen eingerichtet sind, untergebracht werden und dort möglichst lange
verbleiben;
2. daß die Tuberkulösen in den vorgeschrittenen Stadien der Krankheit
dauernd in Krankenhäusern isoliert werden.
Diese Forderungen sind aber, wie es in der Natur der Verhältnisse liegt
und wie auch aus dem vorstehenden Beispiele zur Genüge hervorgeht, nur
in beschränktem Maße erfüllbar. Namentlich ist es ganz unmöglich, durch-
zusetzen, daß alle Kranken so lange in Krankenanstalten verbleiben, bis sie
kein Sputum mehr liefern oder alle Bazillen im Sputum verloren haben. Zu
glauben, daß eine solche Maßregel je durchführbar sei, ist leere Theorie ohne
jeden realen Boden (s. p. 384). Es gilt dies nicht nur für die Kranken in den
ersten, sondern auch für die in den vorgeschrittenen Stadien der Phthise.
Für solche Kranke, die Bazillen aushusten, d.h. dieselben bei ihrem
Austritt aus den Krankenanstalten nicht verloren haben oder zum Eintritt in
solche nicht zu bewegen sind, hat die allerdings lange nicht so wirksame
Isolierung in den eigenen Wohnungen einzutreten. Sie gehört zu den
wichtigsten Aufgaben der Fürsorgestellen, deren Vermehrung und weitere
Ausgestaltung im Interesse einer wirksamen Bekämpfung der Tuberkulose von
höchster Bedeutung ist. Es ist zu hoffen, daß auch das in Philadelphia aus-
gesprochene Verlangen R. Kochs, der Isolierung der Tuberkulösen in den
Wohnungen künftig mehr Beachtung zu schenken, dazu beitragen wird, die
Organe der Fürsorgestellen zu erhöhter Tätigkeit anzuregen.
26*
DE ZETTSCHR. f.
396 E S. A. KNOE F. 8 | TURERKULOSF.
XX VIL
Der Internationale Tuberkulosekongreß in Washington vom
21. September bis 12. Oktober 1908.
Von
Prof. Dr. med. S. A. Knopf, Neuyork.
Direktor der Klinik für Lungenkranke der Stadt Neuyork; Primararzt des Stádtischen Sanatoriums
für Schwindsüchtige.
Vader große, wenn nicht der bisher größte, internationale Tuberkulose-
0 kongreß ist zu Ende. Durch die Zahl der Länder, welche Vertreter
A-| entsandt hatten, sowie durch die tatsächliche Anzahl der Kongreß-
de die sich beinahe auf 7000 belief, war gleichfalls die größte Betei-
ligung aller bisher stattgehabten Tuberkulosekonggesse erreicht.
Die offizielle Dauer des Kongresses war vom 21. September bis zum
12. Oktober 1908. Die wissenschaftlichen Verhandlungen fanden in der Woche
vom 28. September bis 3. Oktober statt und teilten sich in 7 Sektionen. Die
Pathologie und Bakteriologie als I. Sektion, unter dem Präsidium unseres
berühmten Professors Dr. Wm. H. Welch hatte den Vorzug. den Altmeister der
Tuberkulosewissenschaft, Robert Koch, zu ihren Vortragenden zu zählen. Denn
in dieser Sektion hielt Se. Exz. der Wirkl. Geheimrat Prof. Robert Koch seinen
Vortrag über „Ihe Relation of Human and Bovine Tuberculosis“ in vorzüg-
lichem Englisch vor überfülltem Hause. Trotzdem eine große Anzahl mit
Prof. Koch nicht ganz einverstanden war, wurden ihm dennoch überall, wo er
auch sprach und wo er sich zeigte, große Ovationen zuteil. Daß die Tages-
zeitungen und besonders unsere sensationsliebenden amerikanischen Blätter aus
seiner Meinungsverschiedenheit über die Übertragbarkeit des bovinen Typus
des Tuberkelbazillus so viel Münze wie möglich schlugen, war allerdings
unerfreulich und muß unserm großen Koch wohl unangenehm gewesen sein.
Ich möchte zu seiner Rechtfertigung anführen — was sicherlich von anderer
Seite bereits nachdrücklicher geschehen ist — daß Se. Exz. niemals die Behaup-
tung aufgestellt hat, die Übertragung der Rindertuberkulose auf Menschen
wäre eine Unmöglichkeit. Er bezweifelte energisch, daß die Übertragung so
häufig sei als in den Veröffentlichungen der Vertreter dieser These behauptet
worden is. Er wies darauf hin, daß besonders die in England vor-
genommenen Untersuchungen und Experimente nicht vorsichtig und auch
wohl nicht wissenschaftlich genug durchgeführt worden seien. Nach seiner An-
schauung ist es nicht nötig, so große finanzielle Opfer zu bringen um die Rinder-
tuberkulose zu bekämpfen, da er überzeugt ist, daß die Ansteckung der Men-
schen durch den bovinen Typus der Tuberkelbazillen sehr selten ist.
Allerdings war eine Anzahl hervorragender Kongrefimitglieder, u. a. Ar-
loing-Frankreich, Bang - Dänemark, Adami - Montreal, Smith und Ra-
venel-Vereinigte Staaten anderer Ansicht. Sie hielten es für gefahrlich, die
Vorsichtsmaßregeln zu vermindern, die von vielen Staaten und Städten getroffen
worden sind.
en TUBERKULOSEKONGRESS IN WASHINGTON. 397
Prof. Sims Woodhead-England verteidigte gleichfalls in seinem Vortrage
über „The Problems to be solved in dealing with human and bovine tuber-
culosis“, die These der Übertragbarkeit des bovinen Typus auf die Menschen.
Über Immunität wurde in derselben Sektion von Calmette, Courmont,
Baldwin, Webb und anderen diskutiert. Courmont hielt einen interessanten
Vortrag über ,,Propriétés humorales des exsudats tuberculeux, valeur pronosti-
que et thérapeutique“. In derselben Sektion wurde ausführlich über Opsonine
und deren Verwertbarkeit in der Diagnose, Prognose und Therapie von
Dr. Johann v. Szaboky-Budapest berichtet. Calmette und Wolff-Eisner
sprachen über die von ihnen erfundenen konjunktivalen Reaktionen. v. Pirquet
hielt einen Vortrag über seine „Erfahrungen über die kutane Tuberkulinreaktion
an 200 obduzierten Kindern.“ Allen drei Forschern wurden herzliche Ovationen
zuteil, als sie sich auf der Tribüne zeigten.
Außer den bereits angeführten Vorträgen wurden in derselben Sektion
über die Biologie des Tuberkelbazillus 7 Vorträge, über Infektionswege 19,
über Serumdiagnose 15, über das Verhältnis der menschlichen zur Rindertuber-
kulose ı2, über Immunität 6, über chemische Studien des Bazillus 9 und über
Tuberkulosepathologie 18 Vorträge gehalten.
Der II. Sektion „Klimatische Forschungen und Tuberkulosetherapie“
— Sanatorien, Spezialhospitäler und Polikliniken — präsidierte der bekannte
Phthisiotherapeut Vincent Y.Bowditch. Außer dem Vortrage desPräsidenten und
einem interessanten Vortrage Landouzys über ‚„Typhobazillose“ wurden der
Diagnose 33 Vorträge, der spezifischen Therapie 12, Sanatorien und Polikliniken,
Erholungsstätten und Fürsorgestellen 20 Vorträge gewidmet, und ungefähr 25 Ab-
handlungen wurden in dieser Abteilung über die verschiedenartigsten klinischen
Themata gelesen. _
Die Beschäftigungstherapie in der Tuberkulose wurde lebhaft diskutiert.
Die Vertreter der absoluten Ruhebehandlung waren in der Minorität, und die
Vertreter von gemäßigten Bewegungen und sorgfältig überwachten Arbeiten in
freier und frischer Luft trugen den Sieg davon.
Chirurgie und Orthopädie, soweit solche die Tuberkulose betreffen,
wurden in der III. Sektion von amerikanischen und auswärtigen Chirurgen und
Orthopäden diskutiert. Den Vorsitz führte der bekannte Chirurg Dr. Charles
H. Mayo-Rochester (Minnesota).
Die Tuberkulose bei Kindern wurde in der IV. Sektion unter Leitung
unseres Altmeisters der Kinderheilkunde, des an Jahren reichen doch ungemein
rüstigen und allgemein verehrten Prof. Dr. A. Jacobi-Neuyork erörtert. Alle
möglichen pathologischen und klinischen Komplikationen und die modernsten
prophylaktischen und therapeutischen Methoden wurden besprochen und teil-
weise eifrig diskutiert. Den Calmetteschen und Pirquetschen diagnostischen
Methoden waren 6 Vorträge gewidmet. Sondern-Neuyork sprach über den
Wert der Lumbalpunktion in der akuten Meningealtuberkulose.
In der V. Sektion wurde die Tuberkulose vom hygienischen, sozialen,
industriellen und wirtschaftlichen Standpunkt aus behandelt. Der bekannte
Soziologe (nicht Arzt) Prof. Dr. phil. Edward T. Devine führte den Vorsitz.
399 S. A. KNOPF. ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
Nicht weniger als 8 Sitzungen, die je 3 Stunden dauerten, wurden diesem wich-
tigen Teile der modernen Tuberkulosebekämpfung gewidmet. Ärzte und Laien
aller Länder, unter den letzteren Sozialökonomen, Baumeister, Bankiers, Ver-
sicherungsbeamte, Juristen, Lehrer, Arbeitgeber, Arbeitervertreter, Kranken-
wärter und -wärterinnen teilten ihre Erfahrungen mit. Eine Sitzung beschäf-
tigte sich mit dem Thema der Volksbelehrung. Tuberkuloseunterricht in Hoch-
schulen und Universitäten wurde allgemein als ungemein wichtig empfohlen.
Den gesundheitsschädlichen Beschäftigungen in Fabriken und Werkstätten wid-
meten 4 Ärzte, 3 Arbeitgeber, 2 Arbeitervertreter und ein Jurist einen ganzen
Nachmittag. |
Über die Wichtigkeit der Früherkennung der Tuberkulose und des Sana-
toriums als Lehranstalt wurde gleichfalls einige Stunden diskutiert. Eine der
interessantesten Sitzungen in der V. Sektion war die der Krankenwärterinnen
(„Nurses meeting“). Die Bedeutung dieser unserer Mitarbeiterinnen bei der
Bekämpfung der Tuberkulose erhellte aus den vorzüglichen Vorträgen dieser
braven Frauen und Mädchen. Es sei mir erlaubt hier einige derselben zu
erwähnen: „Die Tuberkulose und das Gesundheitsamt“; „Methoden in der
Beaufsichtigung von Arbeiterhäusern von Staatsangestellten“; ,,Krankenwarter
in der Bekämpfung der Tuberkulose“; „Die Notwendigkeit besonderer Schulung
der Tuberkulose-Krankenwärterinnen“; „Die moderne Distrikt-Krankenwärterin
und ihre Arbeit in der Tuberkulosebekampfung“; „Der wahre Beruf einer Tuber-
kulose-Krankenwärterin“.
Der letzte Tag wurde zwei Thesen gewidmet, die wohl die bedeutendsten
und wichtigsten im Kampfe gegen die Tuberkulose darstellen: Förderung der
Immunität durch körperliche Stärkung und Entwickelung der Jugend, hygienische
Wohnung der Arbeiterbevölkerung und bessere Ernährung der Massen. In der
Schlußsitzung wurde über das Thema „Die Verantwortlichkeit der Gesellschaft
gegenüber der Tuberkulose als Volkskrankheit“ verhandelt. Selbstverständ-
lich ist es unmöglich, in diesem kleinen Bericht auch nur annähernd das
wiederzugeben, was an einem solchen Nachmittag von 50—100 Vertretern
aller Stände vorgebracht worden ist. Man einigte sich über die Wichtigkeit,
die Tuberkulose nicht nur vom medizinischen, sondern auch vom sozialen Stand-
punkt aus zu bekämpfen.
Sektion VI befaßte sich mit der Oberaufsicht des Staates und der Muni-
zipalbehórden über die Tuberkulose als infektiöse Krankheit. Der Präsident
dieser Sektion war Generalarzt Walter Wyman-Washington. In dieser
Sitzung hatten wir Gelegenheit, die Tuberkulosebekämpfungsmethode verschie-
dener Länder durch deren Vertreter kennen zu lernen. So sprach Dr. v. Schroetter
über die städtische und private Fürsorge für die Tuberkulose in Österreich.
Über dasselbe Thema sprachen Roerdam-Dänemark, Patrikios-Griechenland,
Cederkranz-Schweden, Kürstein-Bern und Kober-Washington. Crespin
sprach über Tuberkulose im allgemeinen und Jacobsen über das Tuberkulose-
problem in Cuba, Heiser über dasselbe Thema auf den Philippineninseln und
Caleja in Spanien.
Der Staatsbeamte Dr. Hoppe-Liverpool sprach über die Verminderung
SONNERIE: TUBERKULOSEKONGRESS IN WASHINGTON. 399
der Tuberkulose in Schottland. Der bekannte Vorkämpfer der polizeilichen
Kontrolle der Tuberkulose, Prof. Hermann M. Biggs-Neuyork hielt einen
interessanten Vortrag über dieses Thema, an dessen Diskussion sich die Vertreter
zahlreicher Lánder beteiligten.
Die VII. Sektion beschäftigte sich mit der Tuberkulose der Haustiere und
brachte viel Interessantes, aber nichts absolut Neues. Der Präsident dieser
Abteilung war der bekannte Veterinär-Professor Pearson-Philadelphia. Zur
Besprechung des Themas „Die Beziehungen der Rindertuberkulose zu den
Menschen“ hatten sich die beiden Sektionen I und VII vereinigt. Wir haben
bereits im vorstehenden über diese Sitzung, in welcher Se. Exz. R. Koch zuerst
das Wort ergriff, berichtet.
Die Woche vor und nach den in Washington abgehaltenen wissenschaft-
lichen Sitzungen wurde Spezialvorträgen in Philadelphia, Washington, Baltimore,
Boston und Neuyork gewidmet. Es waren hierzu die hervorragendsten Ver-
treter der modernen Tuberkulosebekämpfung fremder Länder vom Komitee für
spezielle Vorlesungen eingeladen. Es sprachen in Philadelphia:
Prof. Gotthold Pannwitz- Berlin über „Social Life and Tuberculosis“,
Dr. C. Theodore Williams, M.V.O., M.A., M.D., F.R.C.P. London, über
„The Evolution of the Treatment of Pulmonary Tuberculosis“.
Prof. A. Calmette, Direktor des Pasteurinstituts in Lille, über „Les nou-
veaux procédés de diagnostic précoce de linfection tuberculeuse“.
In Washington:
Dr. A. A. Wladimiroff-St. Petersburg über ,The Biology of the Tubercle
Bacillus“.
Dr. Arthur Newsholme, Medical Officer of the Local Government
Board of England, London, über „The causes of the past decline of tuber-
culosis and the light thrown by history on preventive measures for the imme-
diate future“.
Prof. Louis Landouzy-Paris über ,Cents ans de phtisiologie: étude
de la tuberculose depuis 1808 jusqu’au Congrès de Washington 1908‘,
Prof. N. Ph. Tendeloo - Leyden (Holland) über ,,Collateral Tuberculosis
Inflammation“. ,
Prof. Bernard Bang, M. D., Copenhagen, über „Studies in Tuber-
culosis in Domestic Animals and what we may learn regarding human tuber-
culosis“.
In Baltimore:
M. Augustin Rey-Paris über ,La lutte re la tuberculose dans les
grandes villes par l'habitation: méthodes scientifiques modernes pour cone
struction“.
In Boston:
R. W. Philip, M.A., M.D., F.R.S.E., and F.R.C.P.E., Edinburg, über „The
Anti-tuberculosis Program: Co-ordination of Preventive Measures.“
In Neuyork:
Prof. Andreas Martinez-Vargas-Barcelona iiber ,,Tuberculosis of the
Heart, Blood and Lymph Vessels.
RA ` ZEITSCHR. f.
400 S. A. KNOPF. ` TUBERKULOSE
Die Ausstellung des Kongresses darf wohl auch als die grófte und beste
ihrer Art bezeichnet werden. Die folgenden Lánder hatten Abteilungen in der
Ausstellung: Argentinien, Belgien, Brasilien, Canada, Deutschland, Frankreich,
GroBbritannien, Japan, Osterreich, Rufland, Schweden, die Schweiz, Ungarn
und Uruguai. Amerika war durch folgende Staaten vertreten’ Colorado,
Connecticut, District of Columbia, Illinois, Maine, Maryland, Massachusetts,
Michigan, Minnesota, Neu-Jersey, Neuyork, Ohio, Rhode-Island, Pennsylvania
und Wisconsin. Die Regierung der Vereinigten Staaten hatte Ausstellungs-
objekte vom Gesundheitsamte, dem Kriegs-, Marine- und Ackerbauministerium
und dem Ministerium des Innern gesandt.
Resultate unserer nationalen Gesellschaft zur Bekämpfung der Tuberkulose,
unserer nationalen Spielplatz-Vereinigung und der Zeitschrift „Journal of Out-
door Life waren graphisch dargestellt. Pathologische und bakteriologische
Präparate, wissenschaftliche und populäre Literatur zur Bekämpfung und Be-
handlung der Tuberkulose, Modelle von Sanatorien, Spezialhospitälern, Poli-
kliniken, Walderholungstätten etc. bildeten den Hauptteil der Ausstellung.
Mir selbst war es vergónnt, meine vom ersten Tuberkulosekongreß
(Berlin 1899) preisgekrönte kleine Schrift „Die Tuberkulose als Volkskrankheit
und deren Bekämpfung“ in den seitdem in 25 verschiedene Sprachen über-
setzten Ausgaben auszustellen. Die letzte, erst vor einigen Monaten erschienene,
ist eine zweite chinesische Übersetzung von Dr. C. T. Syah, der gegenwärtig Arzt
der chinesischen Legation in Paris ist. Die erste Übersetzung in einem anderen
chinesischen Dialekt ist in Nanking veröffentlicht. Außer diesem gewiß
sprechenden Beweise für Chinas Erwachen zum Kampfe gegen die Tuberkulose
als Volkskrankheit hatten die Kongreßmitglieder noch einen zweiten Beweis dafür,
daß die moderne Medizin in dem ältesten Kulturlande Asiens, dem himm-
lischen Reiche, Eingang gefunden hat. Herr Dr. Li, welcher seine Studien
in unserer Harvarduniversität vollendet hatte, überraschte das in Washington
versammelte internationale Publikum mit einer in vorzüglichem Englisch .ge-
haltenen Rede über medizinische Wissenschaft in China in der Vergangenheit
und in der Zukunft.
Der Katalog führte nicht weniger als 5000 Ausstellungsgegenstände auf,
und während der eigentlichen Kongreßwoche (28. September bis 3. Oktober)
wurde die Ausstellung von 147409 Personen besucht.
Es dürfte zu viel Platz einnehmen, wollte ich hier aller derer gedenken,
die durch Preise für ihre gute Arbeit belohnt wurden. Da dieser Bericht
hauptsächlich für das Ausland bestimmt ist, so will ich nur unsere Gäste
erwähnen.
Für die besten Resultate in der Frühtuberkulose seitens freiwilliger Ver-
einigungen erhielt die schwedische Gesellschaft die goldene und die ungarische
die silberne Medaille,
Für die beste Arbeit und Ausstellung bestehender Sanatorien zur Be-
handlung tuberkulöser Arbeiter erhielt das Brompton Hospitalsanatorium in
Frimley (England) den 500 Dollarpreis; die goldene Medaille das Sanatorium
Bcelitz bei Berlin, eine silberne Medaille das Sanatorium De Bligny in Frankreich.
= = r = $$
Gees TUBERKULOSEKONGRESS IN WASHINGTON. 401
Für die beste Poliklinik (Dispensarium) erhielt Dr. Clemento Ferreira-
St. Paul (Brasilien) die silberne Medaille.
Für die beste Arbeit und Ausstellung eines Hospitals für vorgeschrittene
Tuberkulosefalle erhielt das Bromptonhospital in London (England) den
1000 Dollarpreis.
Für das beste allgemeine Belchrungsblatt für Erwachsene erhielt der
Vercin zur Bekampfung der Schwindsucht in Chemnitz und Umgebung die
silberne Medaille und den 100 Dollarpreis für das beste Belehrungsblatt für
Mütter.
Für die allgemeine Arbeit und die beste Ausstellung irgend eines Staates
oder Landes erhielt Deutschland die goldene Medaille und Schweden und
Großbritannien je die silberne Medaille.
Für die beste ausgestellte pathologische Arbeit erhielt England die
goldene Medaille und Deutschland ehrende Anerkennung.
Für den besten Plan, Mittel zur Tuberkulosebekämpfung aufzubringen, er-
hielt die schwedische nationale Tuberkulosegesellschaft die goldene Medaille.
Derselben Gesellschaft wurde gleichfalls die silberne Medaille für den besten
Bauplan eines Hospitals für vorgeschrittene Schwindsüchtige verliehen.
Den Antituberkulosegesellschaften von Porto Rico und Dänemark, der
Anna v. Rath-Stiftung in Berlin, dem Prof. J. C. Heymans von der Univer-
sitat Ghent, dem Prof. Eduard Lang-Wien, Dr. Simon Unterberger-
St. Petersburg wurden goldene Medaillen und dem Dr. Simms Woodhead
eine silberne Medaille für ihre Beiträge und Arbeiten zur Tuberkulose-
bekämpfung verliehen.
Als Allgemeinresultat der Arbeiten des Tuberkulosekongresses dürfen
wohl die folgenden Schlußfolgerungen, welche gemeinsam akzeptiert wurden,
gelten. Es wurde beschlossen:
1. Daß die Aufmerksamkeit der Regierungen auf obligatorische Anzeige-
pflicht aller Tuberkulosefälle zu lenken sei, und daß es die Pflicht aller be-
handelnden Ärzte sei, der lokalen Gesundheitsbehörde Tuberkulosefälle anzu-
zeigen, um die Behörden in den Stand zu setzen, geeignete Vorsichtsmaßregeln
gegen die Verbreitung der Tuberkulose zu treffen.
2. Daß alle Anstrengungen und Maßregeln, welche gegen die Über-
tragung der Tuberkulose von Menschen auf Menschen gerichtet sind, fortge-
setzt werden und daß diese Art der Übertragung als die häufigste und wich-
tigste zu betrachten sei.
3. Daß die Vorsichtsmaßregeln gegen die Rindertuberkulose und die
Möglichkeit der Übertragung derselben auf Menschen anerkannt und berück-
sichtigt werden sollen.
4. Daß wir allen Völkern und Regierungen a) die Gründung von Hospitälern
für vorgeschrittene Schwindsuchtsfälle, b) die Gründung von Sanatorien für
Frühfälle, c) die Gründung von Polikliniken (Dispensarien), Tag- und Nacht-
erholungsstätten für ambulante Tuberkulosefälle, welche weder in Hospitalern
noch Sanatorien Aufnahme finden können, auf das dringendste anempfehlen.
5. Daß der Kongreß sorgfältig ausgearbeitcte Arbeitergesetze, welche das
402 KNOPF, TUBERKULOSEKONGRESS IN WASHINGTON. „ZEITSCHR, fe
sanitäre und physische Wohl der Arbeiter in Fabriken und Werkstätten zum
Zwecke haben, empfiehlt, die schädliche Arbeiten für Kinder und Frauen verbieten
und den Massen sanitäre Wohnungen sichern, da durch die Befolgung solcher
Gesetze die Widerstandsfähigkeit der Vólker gegen die Tuberkulose und
andere Krankheiten gestárkt wird.
6. Daß der Kongreß die Anlegung von Spielplätzen auf das wärmste
anempfiehlt und als einen bedeutenden Faktor für die indirekten Verhütungen
der Tuberkulose betrachtet.
7. DaB Unterricht in persónlicher und Schulhygiene in allen Schullehrer-
seminarien erteilt werden soll.
8. Daß wenn irgend möglich, mit dem Unterricht solcher elementarer
Hygiene ein dazu besonders befähigter und ausgebildeter Arzt betraut werden soll.
9. Daß Hochschulen und Universitäten dringend veranlaßt werden sollen,
Spezialkurse in Hygiene und Gesundheitslehre zu veranstalten, diese Studien
als zum Examen nötig zu betrachten, um dadurch die überaus nützliche Be-
lehrung in Volks- und Bürgerschulen zu sichern.
Die wissenschaftlichen Sitzungen des Kongresses wurden, wie oben ge-
sagt, am 28. September eröffnet. Eine Ansprache des Ministers Cortelyou
in Vertretung des Präsidenten Roosevelt leitete die Eröffnungsfeier ein und
den offiziellen Vertretern der verschiedenen Länder wurde Gelegenheit gegeben,
einige Worte auf Minister Cortelyous Begrüßungsrede zu erwidern.
Staatsdiners, ein Empfang beim Präsidenten Roosevelt am Vorabend
der Vertagung des Kongresses, eine wohlgelungene und elegante Soirée im
Hause des bekannten Halsarztes Dr. Richardson, Luncheons, Smokers
(gesellige Herrenabende), Ausflüge etc. brachten angenehme Abwechslung nach
den wissenschaftlichen Arbeiten des Tages.
Die feierliche öffentliche Schlußsitzung fand am 3. Oktober statt und
wurde durch eine Ansprache des Präsidenten Theodore Roosevelt geehrt.
Wie in der Eröffnungssitzung, so wurde auch diesmal wieder den offiziellen
Delegierten der verschiedenen Länder Gelegenheit gegeben, einige Worte zu
sagen. Alle dankten herzlich für den Empfang und die Gastfreundschaft, die
wir Amerikaner uns bemüht haben, unseren Gästen zu bieten.
Ein schöner Tribut wurde am Schlusse noch den Vertretern Deutsch-
lands, Frankreichs und Englands zuteil, indem man deren hervorragendste
Vertreter — Koch, Landouzy und Williams — zu Honorarpräsidenten des
Kongresses wählte.
Wie bereits bekannt, wird der nächste Tuberkulosekongreß in Rom im
Jahre 1911 stattfinden; und so nahmen denn unsere Gäste mit einem herz-
lichen „A rivederci a Roma“ von uns Abschied. Mögen sie bald wieder-
kommen!
e
she
DESEOS ` SH
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BD.XUDREFIB. SCHAFFER, REZIDIV. TUBERKULÔSE POLYARTHRITIS. 403
XXIX.
Rezidivierende tuberkulóse Polyarthritis. (Tuberkulôser Gelenk-
rheumatismus).
(Aus dem Küstenhospital Refsnäs, Dänemark. Chefarzt: Prof. Dr. V. Schepelern.)
Von
K. Schäffer, Assistenzarzt.
Yährend des Verlaufes der verschiedenen Infektionskrankheiten — sowohl
4 der akuten als der chronischen — sieht man bekanntlich oft Gelenk-
A] affektionen verschiedener Art. Dasselbe ist bei der Tuberkulose der
Fall; daß es aber akut verlaufende Arthritiden tuberkulösen Ursprungs gibt,
Arthritiden, die vollständig analog sind mit denjenigen, die man bei anderen
Infektionskrankheiten trifft — wie Scarlatina, Fb. puerperal. und anderen sep-
tischen Infektionen, Syphilis, Gonorrhoe etc. — hat man erst in den letzten
Jahren eingesehen, nachdem sich Poncet auf diese Frage geworfen hat.
Hiermit sei nicht gesagt, daß alle akuten Gelenkaffektionen, die bei einem
Individuum entstehen, das von Tuberkulose angegriffen ist, tuberkulöser Natur
seien. In derartigen Fällen muß man aber — mehr wie bisher — an die
Tuberkulose als ätiologischen Faktor denken und darf sich nicht damit beruhigen,
daß man es mit einem rheumatischen Leiden zu tun hat, das zufällig die vor-
handene Tukerkulose kompliziert, ehe man die verschiedenen Ursachen abgewägt
hat, auf welche die Gelenkerscheinungen sich zurückführen lassen, selbst wenn
die klinischen Symptome im ersten Augenblick nicht als auf Tuberkulose
beruhend imponieren. Wenn man einen Scharlachkranken behandelt, der
polyartikuläre Manifestationen bekommt, wird man es wohl in den meisten
Fällen ohne lange Erwägung dabei bewenden lassen, daß man es hier mit Kom-
plikationen zu tun hat, die vom Virus des Scharlachfiebers oder von dessen
Toxinen verursacht sind, und ein ähnliches Raisonnement wird man bei anderen
Infektionskrankheiten, die von Gelenkerscheinungen begleitet sind, geltend
machen.
Dagegen hat die Tuberkulose eine Sonderstellung eingenommen, bis
Poncet auf dem Congrés frangais de chirurgie 1897 als erster mit dieser Frage
vor die Öffentlichkeit trat. Man wußte zwar, daß tuberkulöse Gelenkaffektionen
akut und gleichzeitig in mehreren Gelenken anfangen könnten, weshalb auch
einige Autoren [Bazin (4, Chamorro (10), Chandelux (11), Mauclaire (35),
Krause (27)] in diesen Fällen vor Verwechselung mit rheumatischer Polyarthritis
warnten; es ist aber nur eine flüchtige Erwähnung, die dieser Form der Tuber-
kulose getan wird, und sie wird als sehr selten angesehen [Krause, Jonnesco (23),
Phocas und Boildieu (45), Verneuil (60). Rovsing (55) hat auf eine seltenere
Form der akuten Gelenktuberkulose aufmerksam gemacht, nämlich das akute
Pyarthron im Kindesalter, und in 3 seiner 7 Fälle wurde das Leiden in mehr
als einem Gelenk gefunden. Es sind jedoch einige Verfasser [Powell (53),
Mauclaire], die eingesehen haben, daß ein intimerer Zusammenhang zwischen
Rheumatismus und Tuberkulose sein kann; im ganzen bleiben diese Stimmen
Ä ZEITSCHR. f.
404 K. SCHÄFFER. | TUBERKULOSE
aber unbeachtet. Nicht einmal Bouilly (7), der eine vergleichende Arbeit
zwischen tuberkulosen, syphilitischen und rheumatischen Arthropathien pu-
bliziert, erblickt eine solche Verbindung. Zur Tuberkulose wurden nur solche
Leiden gerechnet, die die für diese charakteristischen pathologisch-anatomischen
Veränderungen aufwiesen; daB die Tuberkulose aber akute vorübergehende
Gelenkerscheinungen herbeiführen könnte — in Analogie mit dem, was man
von anderen akuten und chronischen Infektionskrankheiten kennt — ohne
spezifische Läsionen nur rein entzündlichen Charakters, war man sich nicht
bewußt.
Poncet gebührt das Verdienst, als erster die Auffassung hervorgehoben
zu haben, daß ein Krankheitsbild, das man früher als rheumatische Polyarthritis
gedeutet haben würde, eine tuberkulöse Polyarthritis sein könnte. Er betont,
daß es außer den altbekannten tuberkulösen Gelenkleiden mit den spezifischen
Veränderungen eine Reihe von Leiden gebe, die von Tuberkulose verursacht
seien, ohne jedoch pathologisch-anatomisch anderes zu zeigen, als was man bei
allgemeinen akuten und chronischen Gelenkentzündungen finde. Er hebt ferner
hervor, daß viele dieser Formen nicht vom Tuberkelbazillus als solchem ver-
anlaßt seien, sondern von dessen Toxinen, indem er betont, daß der patho-
logische Prozeß in den Gelenken immer den von den Bazillen hervorgebrachten
Sekretionsprodukten zu verdanken sei — die Bazillen mögen nun in loco oder
per distance wirken —, er legt aber besonderes Gewicht auf die letztere Alter-
native bei diesen Formen der Gelenktuberkulose, mit welchen wir uns hier
beschäftigen sollen.
Endlich erwähnt er als eine Möglichkeit in einem Teil der Fälle, daß
T.B. geringerer Virulenz die Ursachen sein können, und er stützt sich hierbei
u.a. auf Courmont und Dor (15), welchen es gelang, tuberkulöse Gelenk-
affcktionen — als einzige Lokalisation der Tuberkulose — hervorzurufen bei
Kaninchen bei intravenöser Einspritzung mit abgeschwächten T.B.-Kulturen.
Viele Tatsachen sprechen für die Richtigkeit der Poncetschen Auf-
fassung. Daß Gelenkaffektionen auf toxischer Basis entstehen können ist außer
allem Zweifel. Man hat mono- und polyartikuläre Ergüsse nach Serumein-
spritzungen (Diphtheriserum, Antistreptokokkenserum etc.) gesehen. Bei der
Behandlung mit dem Marmorekschen Serum haben Viele Gelenkerscheinungen
beobachtet. Die während des Verlaufes der verschiedenen Infektionskrank-
heiten auftretenden Gelenkaffektionen dürfen gewiß in vielen Fällen als reine
. Toxinwirkungen aufgefaßt werden [Riebold (54), Lassance (29). Was die
Tuberkulose anlangt, ist dies auch in vielen Fällen bewiesen. Die bekannten
Versuche von Arloing, Rodet und Courmont (1) über das Tuberkulin
zeigen, daß es Exsudation in die serösen Haute, hierunter auch die Gelenke,
verursachen kann; und während der Tuberkulinbehandlung sind öfters vorüber-
gehende seröse Ergüsse in verschiedene Gelenke gesehen worden [Lanne-
longue (28), Fräntzel und Runkwitz (19), Leichtenstern (31, und letzterer
betrachtet denn auch diese Fälle als Ergebnis der allgemeinen Tuberkulin-
intoxikation, als eine Toxinwirkung.
Der klinische Verlauf der tuberkulosen Polyarthritiden zeugt auch da-
PDXUTREFTS. — REZIDIVIERENDE TUBERKULOSE POLYARTHRITIS. 405
von, daß Poncets Anschauung wohl begründet ist. Um dies zu illustrieren,
werde ich einige im Küstenhospital Refsnäs beobachtete Fälle mitteilen.
Vorher aber müssen wir auf die Anschauungen Poncets (52) näher ein-
gehen. Er faßt die Affektionen zusammen .unter dem Namen: rhumatisme
tuberculeux und teilt sie in 3 Hauptgruppen ein: I. die Arthralgien, 2. die
akuten und subakuten Arthritiden als rheumatische Polyarthritis verlaufend und
3. die chronischen Arthritiden, entsprechend den verschiedenen Formen des
chronischen Gelenkrheumatismus. Die reinen Arthralgien sind nach Poncet
vielleicht die am häufigsten vorkommende Form; sie zeigen sich als flüchtige
Gelenkschmerzen ohne objektiv festzustellende Veränderungen; Bewegungen
verstärken in der Regel den Schmerz und öfters sind die befallenen Gelenke
empfindlich gegen Druck. Die Arthralgien kommen und schwinden in der
Regel spontan, springen von einem Gelenk aufs andere und greifen häufig
mehrere Gelenke gleichzeitig an. Gewöhnlich verlieren sie sich ohne irgend-
welche Spuren zu hinterlassen, sie können aber auch den Übergang zu den
nächsten Gruppen bilden, indem Ergüsse in ein oder mehrere Gelenke kommen,
und man hat damit das Bild, das sich mit der akuten oder subakuten Poly-
arthritis deckt, die die Grundlage der zweiten Hauptgruppe Poncets bildet,
oder aber die Schmerzen lokalisieren sich mehr und mehr in einem vereinzelten
Gelenk, und es entwickelt sich hier eine chronische tuberkulöse Arthritis.
Die zweite Hauptgruppe, wo sich die Gelenkaffektionen gleich von Anfang
an mit Erguß in die Gelenkhöhle, Schmerzen, Ódem der periartikulären Weich-
teile zeigen, oft von Temperaturerhöhungen begleitet, kurz hauptsächlich unter
dem klinischen Bilde einer rheumatischen Polyartritis, wird nicht so häufig
beobachtet; gleich dieser aber greift sie vorzugsweise die größeren Artikulationen
an, ist ebenso springend in ihrem Verlauf und zeigt ebenso starke Tendenz
zum Rezidivieren. Sie kann vollständig schwinden ohne dauernden Schaden
zu hinterlassen, aber wie die Arthralgien kann sie sich — nach einem ver-
einzelten Anfall oder nach Rezidiven — in einem bestimmten Gelenk fixieren,
chronisch . werden und sich in ihrem weiteren Verlauf wie die vorige Gruppe
entwickeln.
Die dritte Hauptgruppe verläuft unter dem bunten Bilde eines chronischen
Gelenkrheumatismus. Sie kann wie genannt akut anfangen, sich an eine der
ersteren Gruppen anschließend, oder aber sie kann gleich anfangs einen chro-
nischen Verlauf annehmen. Hierunter werden Syndromen eingereiht, die klinisch
den verschiedenen Formen des chronischen Gelenkrheumatismus entsprechen —
chronische Synovitiden, deformierende und ankylosierende Arthritiden —; die
gemeinsame ätiologische Grundlage für alle ist aber die Tuberkulose.
Poncet läßt endlich für alle Formen eine Trennung zwischen den pri-
mären und sekundären gelten, je nachdem die Gelenkerscheinungen das erste
Zeichen sind, daß der Patient von Tuberkulose angegriffen ist, oder sie bei
einem Patienten auftreten, der. schon an manifester Tuberkulose leidet.
Die Lehre Poncets ist in der Hauptsache auf der klinischen Beobachtung
basiert, jedenfalls was die chronischen Formen betrifft, wahrend er bei den
akuten Formen in vielen Fällen sich auf Tuberkulinreaktion stützen kann, ver-
Á ZEITSCHR. f.
406 EN K. SCHAFFER. ` | TUBERKULOSE
einzelt auch auf Tierimpfungen oder auf den Fund spärlicher Tuberkelbazillen
im Ergusse.
Seine Anschauungen haben schnell Beifall gewonnen, und seine und seiner
Schüler Arbeiten haben viele Beiträge zur Beleuchtung der Frage hervor-
gerufen, und die meisten schließen sich in allem Wesentlichen Poncet an. Am
meisten hat der Name Streit erweckt. Die meisten sammeln sich um den-
jenigen von Poncet vorgeschlagenen [Mailland (33) Mouriquand (40),
Kokoris (25), Laub (30), Barbier (2, Bouveyron (8) etc.] oder ähnliche
[Nolen (41), Mauclaire (35)], alle deuten sie aber die Ähnlichkeit mit den
rheumatischen Gelenkleiden an. Fernet (18), Coudray (14), Wiart und
Coutelas (63) und andere treten dafür ein, Wórter wie rhumatisme, rhuma-
toid etc. zu vermeiden, sei es, daf sie rein oder mit der Vorsilbe Pseudo-
benutzt werden, wie sie mehrere [Verny (61), de Cisternes (13)] und übrigens
auch Poncet (46) selbst hin und wieder anwenden. Um nicht die Begriffe zu
verwirren ist das gewiß auch das beste; ich habe deshalb als Hauptiiberschrift
dieses Artikels gewáhlt: tuberkulóse Polyarthritis; wir haben es nicht mit einer
neuen nosologischen Einheit zu tun — wie es Poncet gern auslegen móchte —
sondern mit allerdings nur wenig gekannten Phasen der variablen Sympto-
matologie der tuberkulósen Gelenkaffektionen.
Wir werden nun unsere Krankengeschichten betrachten.
Fall 1. Mádchen 13 Jahre. 3.V.76 bis 1.V.77. Keine Disposition. 5 Jahre
alt Spondylit. lumbal. mit Kongestionsabsze in der rechten Fossa iliaca. Dieser
Prozeß ist seit ein paar Jahren ruhig. Vor einigen Monaten geschwollene
Drüsen auf der r. Seite des Halses, einige sind perforiert. Zudem soll sie hin
und wieder Schwellung und Schmerzen remittierenden Charakters in verschie-
denen Gelenken (Knie-, Fuß-, Hand- und Ellenbogengelenken) gehabt haben,
so daß sie von Zeit zu Zeit deswegen das Bett hat hüten müssen. Beim Ein-
tritt nichts an den Gelenken. 17. IV. Tp. — bis jetzt normal — 38,5 — 37,9.
Schmerzen in beiden Fußgelenken und im L Handgelenk, spontan und nament-
lich bei Bewegung, objektiv nichts Abnormes. Es geht so fast ein Monat lang,
so daß sie ihre Gelenkschmerzen einige Tage hat, wieder einige Tage frei
davon ist, dann wieder Schmerzen bekommt etc.; zuletzt wurde jedoch die
Tp. normal, und die Schmerzen verloren sich nach und nach. 8. XII. Tp. normal.
Schmerzen, spontan und bei Bewegung — im r. Fußgelenk, objektiv nichts zu
finden; sie hielten ein paar Tage an. Später nichts an den Gelenken. Nichts
am Herzen. Geheilt entlassen.
Wir haben also hier eine Patientin — eine alte Spondylitica — die in
Behandlung wegen tuberkulöser Drüsensuppuration ist, und während des Ver-
laufes der Krankheit bekommt sie Schmerzen in verschiedenen Gelenken mit
leichten Temperaturerhöhungen. Es liegen hier reine Arthralgien vor; man ist
nicht imstande, irgend etwas Abnormes in den befallenen Artikulationen zu
finden. Die Schmerzen sind kurzdauernd, höchstens von der Dauer einiger
Tage, halten aber fast einen Monat mit Remissionen und Exazerbationen an.
Später bekommt sie ein monartikuläres Rezidiv ohne Temperatursteigerung;
aber gegen das Ende ihres Aufenthaltes, wo ihr Allgemeinbefinden zufrieden-
BD.XIIL MEFT6. REZIDIVIERENDE TUBERKULOSE POLYARTHRITIS. 407
stellend ist und die tuberkulósen Leiden, wegen welcher sie ins Hospital ein-
getreten ist, geheilt sind, zeigen sich die Gelenkaffektionen nicht.
Fall 2. Knabe 4 J. 22. V. o6—19. VII 08. Mutter und 2 Geschwister
an Phthisis pulm. gestorben, eine Schwester ist skrophulós. Seine tub. Leiden —
Spina ventosa mehrerer Finger mit Fisteln, rezidivierende Augenentziindungen —
fingen vor 2 Jahren an; überdies soll er ein Leiden des L Knie- und Fub-
gelenkes gehabt haben. Beim Eintritt nichts an den Gelenken. 28. VI. 06
Tp. 37,7—37,1, klagt über Schmerzen im r. Bein. Es wird Ansammlung im
r. Fußgelenk gefunden, und forcierte Bewegungen schmerzen; man findet zu-
gleich ein wenig periartikuláres Ödem um das l. Fußgelenk und Ansammlung
im 1. Knie. Diese Gelenkerscheinungen verlieren sich nach und nach und sind
den 6. VII. vollständig geschwunden. 17.11.07 Tp. normal. Hat einige Tage
über Schmerzen im r. Knie geklagt; erst heute wird ein deutlicher Erguß
gefunden. Bewegungen fast ohne Schmerzen. Erguß und Schmerzen verlieren
sich innerhalb 14 Tagen. Später nichts an den Gelenken. Nichts am Herzen.
Geheilt entlassen.
Hier ist der Unterschied vom Fall ı nur der, daß ein paarmal Ergüsse
in einigen der befallenen Gelenke gefunden sind — Tp.-Erhöhungen waren
doch nicht da — aber auch hier zeigen sich die Gelenkaffektionen nur, während
die übrigen tuberkulösen Lokalisationen aktiv sind.
Fall 3 Mädchen 11 J. 3. V. 76—1. VIL 77. 4 Geschwister gleichfalls
skrophulös. Ihre tuberkulösen Leiden — Drüsengeschwülste am Halse und
rezidivierende Augenentzündungen — fingen mit dem 2. Jahre an. Hat hin
und wieder vor dem Eintritt Schmerzen und Schwellungen der Knie- und Fuß-
gelenke gehabt. Beim Eintritt wird eine kleine Ansammlung in beiden Knien —
am meisten im r. — und in beiden Fußgelenken gefunden; keine Schmerzen.
10. V. Tp. 37,6—37,3, Schmerzen im l. Knie mit Zunahme des Ergusses.
15.V. alle Ergüsse geschwunden. 30. V. Tp. 38,2—37,5, starke Schmerzen im
l. Knie, hier große Ansammlung, überdies kleine Ansammlung im r. Knie und
in beiden Fußgelenken. Tp. fällt im Laufe von 2 Tagen zur Norm, die
Schmerzen verlieren sich auch recht schnell, erst am 30. VI. sind die Ergüsse
ganz weg. Die letzte Hälfte des Jahres nur selten kurzdauernde Arthralgien.
Vom 21.1.77 bis zum 5. III. hat sie ohne Tp.-Erhöhung abwechselnd Schmerzen,
Empfindlichkeit gegen Druck mit und ohne Erguß, teils im l. teils im r. Fuß-
gelenk, teils in allen beiden gleichzeitig, von kürzeren freien Zwischenräumen
unterbrochen. Jedesmal sind die Gelenkaffektionen jedoch nur recht kurzdauernd,
höchstens von der Dauer von ein paar Tagen, die freien Intervalle sind aber
auch nicht länger. Während des Schlusses des Hospitalaufenthaltes hat sie
keine Gelenkerscheinungen. Nichts am Herzen. Geheilt entlassen.
Fall 4. Mädchen g J. 16. VIII. 77—24. VII. 70. Ihre tuberkulösen Leiden —
multiple Knochenaffektionen, hauptsächlich Ostitis maxill. sup. mit Fisteln —
fingen mit dem 4. Jahre an. Nach dem Beginn hat sie häufig ,,rheumatische“
Affektionen verschiedener Gelenke gehabt. Beim Eintritt wird gefunden: Schmerzen
bei Bewegung im L Ellenbogen, objektiv nichts; Schmerzen und Ansammlung
im l. Handgelenk und in den 3 ersten Metakarpophalangealgelenken, Empfind-
ZEITSCHR. f.
408 K. SCHÂFFER. = TUBERKULOSE
lichkeit gegen Druck. 28. VIII. Der Zustand der befallenen Gelenke unver-
ändert, jetzt auch Schmerzen und Ansammlung im r. Fußgelenk. 17. IX.
Tp. 38,4—37,5. Starke Schmerzen im r. Schultergelenk, 1. Kniegelenk und
in der 1. Symph. sacro-iliaca. 20.IX. Keine Schmerzen, keine Ergüsse mehr.
23.1.— 3.11.78 Schmerzen im r. Hüftgelenk. 4. IL Die Schmerzen im Hüft-
gelenk abgenommen, dagegen heute Schmerzen und Ansammlung in mehreren
Fingergelenken und in beiden Ellenbogengelenken. 14. II. Keine Gelenk-
schmerzen mehr. 21. UL Leichte Tp.-Erhöhung, Schmerzen in der Columna
cervical., so daß der Kopf steif gehalten wird, und Schmerzen in der Columna
dorsal. zwischen den Schulterblättern, objektiv nichts Abnormes; die Schmerzen
dauern hier einen Monat mit wechselnder Intensität an. 3.— 8. XII. Tp. nor-
mal. Schmerzen mit Ansammlung im r. Ellenbogen und in einigen Finger-
gelenken der r. Hand, kleine Ansammlung im r. Knie ohne Schmerzen.
2. IV. 79—15. IV. Leichte Tp.-Erhöhung. Starke Schmerzen und Ansammlung
in beiden Knie- und Fußgelenken, im r. Handgelenk. Während des Schlusses
ihres Aufenthaltes hin und wieder flüchtige Arthralgien, allein nie so stark und
stiirmisch wie früher, auch nicht von Ergussen oder Tp.-Steigerungen begleitet.
Nichts am Herzen. Wesentlich gebessert entlassen.
Fall 5. Knabe 13 J. 7. V. 88—6. V. 91. Wird wegen Spondylitis dorsal.
mit Kongestionsabszeß in der r. Fossa iliaca behandelt, die vor 2 Jahren anfing.
4.X.88. Tp. nicht höher wie gewöhnlich, Schmerzen und Ansammlung im
r. Knie, starke Schmerzen bei Bewegung, dauern bis zum 20.X. an. Von
Dezbr. 88 bis zum April 89 Ansammlung wechselnder Größe, hin und wieder
mit Schmerzen, im l. Knie, ohne Tp.-Erhöhung. 8. X. 89. Schmerzen mit
kleiner Ansammlung im r. Knie, nichts mehr im I. 14. X. Jetzt auch Schmerzen
und Ansammlung im l. Ellenbogen. 21. H.—17. UL 90. Große schmerzfreie
Ansammlung im l. Knie. 18. HI.—g. VII. Ansammlung, abwechselnd im r. und
im l. Knie oder gleichzeitig in beiden, ohne Schmerzen, ohne Tp.-Erhöhung.
30.1.91. Tp. 38,1— 37,3. Wieder kleine Ansammlung ohne Schmerzen im I. Knie.
2. 11. Wird eine diagnostische Tuberkulininjektion gegeben. 3.11. Tp. 38,3 bis
39,6— 38,6. Unwohlsein, starker Frostschauer. Die Ansammlung im l. Knie
ein wenig vergrößert. AU 38,4—38—37,2. Erguß wieder größer. An der
äußeren Seite des Gelenkes ein kleiner sehr empfindlicher Punkt, der nicht
früher da gewesen ist. 7. II. Tp. normal. Nirgends Empfindlichkeit, der Erguß
wieder abgenommen, 12. II. ist der ErguB geschwunden und zeigte sich nicht
später; auch hatte er keine Symptome von Seiten anderer Gelenke. Nichts am
Herzen. Geheilt entlassen.
Diese 3 Krankengeschichten sind ganz interessant. Es handelt sich um
Patienten, die während der Behandlung wegen verschiedener tuberkulöser
Leiden wiederholte Anfalle von Gelenkaffektionen bekommen, die hin und
wieder in groben Zügen das klinische Bild eines akuten Gelenkrheumatismus
wiedergeben; doch muß bemerkt werden, daß die Tp.-Erhöhungen, die die
Gelenkerscheinungen begleiten, nicht extreme Grade erreichen, daß die Ergüsse
ziemlich oft ganz indolent sind, und solchenfalls werden Bewegungen in den
ergriffenen Gelenken erlaubt in so weiter Ausdehnung wie mit dem vorhan-
BD.XIIDHEFTB. REZIDIVIERENDE TUBERKULÖSE POLYARTHRITIS. 409
denen Ergusse möglich. Das Allgemeinbefinden der Patienten war nie so affıziert
wie bei einem gewöhnlichen Gelenkrheumatismus. Die Gelenkschmerzen waren das
einzige, das den Patienten Unannehmlichkeiten verursachte. Vor den Anfallen
ist Angina nie bemerkt worden. Im Fall 5 ist endlich zu bemerken, daß eine
Tuberkulininjektion — außer einer kräftigen Allgemeinreaktion — eine sehr
ausgeprägte Lokalreaktion des befallenen Gelenkes ergab, d.h. Zunahme des
Ergusses mit erheblicher Druckempfindlichkeit an einer kleinen begrenzten
Partie an der Außenseite des Gelenkes.
Daß ein Hydarthron tuberkulösen Ursprunges vollständig schwinden kann
ohne Spuren zu hinterlassen, hat König (26) zuerst erwähnt, und er legt viel
Gewicht darauf, und alle späteren Verf. schließen sich ihm in diesem Punkte
an. Daß dies auch der Fall sein kann, selbst wenn Ansammlungen in mehreren
Gelenken da sind, zeigt außer einigen der vorhergehenden Fälle — das
folgende Beispiel sehr schön.
Fall 6. Mädchen g J. 4. XII. 83—3. XII. 84. Ihre Krankheit — multiple
tuberkulöse Knochenaffektionen — fing vor 5 Jahren an. 22. Ill. werden eine
große schmerzfreie Ansammlung im r. Knie und eine kleinere im l. gefunden.
Später während ihres ganzen Aufenthaltes Ansammlung wechselnder Größe
ohne Schmerzen in beiden Kniegelenken, alternierend mit freien Intervallen,
jedoch so, daß die Ansammlung im l. Knie gegen das Ende des Aufenthaltes
hervortretender als an der r. Seite war. Salizyl ohne Einfluß. Nichts am
Herzen.
Sie wurde wieder 6 Jahre später hier behandelt (5. V.— 19. XI. 90) wegen
supp. Lymphdrüsenschwellungen, die 2 Monate vor dem Eintritt angefangen
hatten. Bis dahin war sie seit dem ersten Aufenthalt gesund gewesen, hatte
speziell keine Gelenkleiden gehabt; sie hatte obendrein ein Scharlachfieber
durchgemacht, das ohne Gelenkkomplikationen verlaufen war. Beim 2. Eintritt
wurden die Kniegelenke vollständig normal gefunden und während dieses
ihres 2. Aufenthaltes hatte sie überhaupt keine Symptome von Seiten der Gelenke.
Geheilt entlassen.
Die Fälle, wo die tuberkulösen Gelenkaffektionen sich schließlich an ein
bestimmtes Gelenk lokalisieren, nachdem sie sich längere oder kürzere Zeit
hindurch unter polyartikulären Anfällen manifestiert haben, werden schön von
den folgenden Krankengeschichten illustriert.
Fall7. Knabe 12 J. 27.11.83 —30.X%.86. Multiple tub. Knochenaffekt.
mit Fisteln, die die Exartikulation des 3. und 4. 1. Fingers nötig machen. Vor
I Jahre begann gleichzeitig mit seinen ossösen Leiden Ansammlung im r. Knie
mit Schmerzen. Beim Eintritt wird eine Ansammlung im r. Knie nebst
Schmerzen spontan und bei Bewegung gefunden. Im Anfang Perioden, wo
das r. Knie nichts Abnormes zeigte, abwechselnd mit schmerzhaften Ansamm-
lungen variabler Größe; schließlich war der Erguß stetig vorhanden und es
entwickelte sich ein Tumor albus. Zu gleicher Zeit hatte er aber auch Er-
scheinungen von anderen Gelenken. 2. VIII. 33. Tp. 37,6—37,4. Schmerzen
und Ansammlung im l. Ellenbogen, verlieren sich nach und nach binnen einem
Monat. 10. XI. Wieder Schmerzen und Ansammlung im 1. Ellenbogen.
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIII. 27
HÁ ZEITSCHR. f.
410 K. SCHAFFER. ` o dE OS
26. XI. Die Symptome geschwunden, später hin und wieder ein wenig Schmerzen
im l. Ellenbogen ohne anderes Abnormes, als daß er nicht vollständig exten-
deren konnte, solange die Schmerzen dauerten. 21.1. 85. Schmerzen im
r. Ellenbogen, Druckempfindlichkeit, ein wenig Infiltration der Weichteile auf
beiden Seiten der Extensorsehne. 6. IJ. Die Schmerzen stärker, deutlicher
Erguß, sich nach und nach verlierend innerhalb einiger Tage. Später nichts
an den Ellenbogengelenken. Salizyl ganz ohne EinfluB auf den Verlauf der
Gelenkaffektionen. Nichts am Herzen. Wesentlich gebessert entlassen.
Fall 8. Mädchen ol 22. VI o7. 4 Jahre alt hatte sie ,Gelenkrheuma-
tismus“ und Bronchitis, wurde zu Hause behandelt. Vor 1*/, Jahren im Hos-
pital wegen Bronchitis, „die Lungen seien angegriffen“. Vor 1 Jahre Schmerzen
in der L Schulter mit Tp.-Erhöhungen. Danach Wohlbefinden bis vor 3 Monaten,
als sie Schmerzen im 1. Knie, Schwellung und Empfindlichkeit gegen Druck
bekam. 14 Tage vor dem Eintritt Schmerzen im |. Hüftgelenk. Beim Eintritt
nichts an den Gelenken, nichts an den Lungen. 26.VI. Tp. normal. Hinkt
mit dem r. Beine, Bewegungen in den Hüften ein bißchen eingeschränkt, keine
Schmerzen dabei. 15.23. VI. Leichte Tp.-Erhóhungen; hat über Schmerzen
über dem Kreuz und im r. Knie geklagt, nichts Abnormes zu finden. Danach
hin und wieder Klagen über die r. Hüfte, und es entwickeln sich langsam
Zeichen einer rechtsseitigen Koxitis, wegen welcher sie noch in der Behandlung
ist; z. Z. hat sie einen Abszeß an der Vorderseite des Gelenkes.
Fall 9. Knabe 11 J. 21. XII. 91—+ 18. IV. 93. Vor 1 Jahre Scharlach-
fieber mit Gelenkkomplikationen — Fingergelenke, l. Knie- und l. Handgelenk —;
seitdem hat sich eine tuberkulöse Affektion des l. Carpus mit Fisteln entwickelt.
Zudem findet man beim Eintritt im l. Knie erhebliche Ansammlung mit Ver-
dickung der Kapsel. Diese zwei Gelenkleiden klingen während des Aufent-
haltes ab. Er ist die ganze Zeit febril. 3.1 92. Schmerzen in der r. Hüfte,
das Becken folgt bei jeder Bewegung mit. Die Extremität wird abduziert und
flektiert gehalten. 22. I. Noch Schmerzen in der r. Hüfte, zudem in der
r. Schulter. 5. II. Die erwähnten Gelenke frei, dagegen heute starke Schmerzen
in der l. Hüfte, bei Bewegung folgt das Becken mit. 13. Il. Fortdauernd
Schmerzen in der L Hüfte, zudem im 1. Ellenbogen, wo kleiner Erguß. 29.11. Jetzt
auch Ansammlung im r. Knie. Nach und nach entwickeln sich deutliche
Zeichen einer linksseitigen Koxitis und später bildete sich ein sehr großer
_ Abszef an der Vorderseite des Gelenkes. Die anderen Gelenkerscheinungen
dauerten wechselnd an bis zum Tode ohne den Charakter eines chronischen
tuberkulösen Gelenkleidens anzunehmen. Nichts am Herzen.
Was wir hier in den letzten 3 Fällen gesehen haben, ist die typische
Entwickelung einer chronischen tuberkulösen Arthritis, mit Schmerzen und
Ansammlungen wechselnder Intensität anfangend, von ganz freien Zwischen-
räumen unterbrochen, bis die Affektion sich fixiert und ihre wahre Natur ent-
hüllt. Allein diesen Symptomen von dem bestimmten Gelenke parallel laufen
genau die nämlichen Symptome in anderen Gelenken, nur mit dem Unter-
schied, daß diese den Lauf nicht vollführen, sondern auf halbem Wege auf-
BD.XIMHEFTS REZIDIVIERENDE TUBERKULÖSE POLYARTHRITIS. © 411
hóren und in vielen Fällen definitiv schwinden ohne Spuren an den ergriffenen
Gelenken zu hinterlassen.
Fall 8 ist in anderer Beziehung recht interessant, indem wir hier einen
Fall haben, wo die Gelenkerscheinungen — teils flüchtige Arthralgien, teils
schmerzhafte Gelenkergüsse — durch längere Zeit das einzige Zeichen sind,
daß die Patientin krank ist; sie hat jetzt eine rechtsseitige Koxitis, man muß
aber bemerken, daß das tuberkulöse Leiden sich hier an ein Gelenk lokalisiert
hat, das zwar der Sitz wechselnder Schmerzen gewesen ist einige Zeit, bevor
die Koxitis sich diagnostizieren läßt, während sie dagegen oft Schmerzen und
Ansammlungen in anderen Gelenken gehabt hat, die augenblicklich nichts
Abnormes aufweisen. Ein ähnliches Verhalten wird sich im folgenden Falle
finden, der in vielen Punkten sehr interessant ist.
Fall 10. Mädchen 12 J. 4. V.os. Die letzten 4 Jahre vor dem Eintritt
rezidivierende Anfälle von Gelenkschmerzen mit Schwellung und Empfindlich-
keit. Beim Eintritt nichts an den Gelenken. 13. V. 05 Tp. normal. Ein wenig
Schmerzen im r. Fußgelenk. 7—15. VI. vorübergehende Schmerzen im 1. Knie-
und r. Fußgelenk, objektiv nichts. 28. VL—2. VII. Schmerzen im l. Handgelenk
und im r. Kniegelenk, später namentlich in beiden Fußgelenken, beiden Hand-
gelenken, in der Columna cervical., alies ohne erweisliche Ansammlung. 4. IX.
Ansammlung im 1. Handgelenk. Später beständig veränderliche und abwech-
selnde Schmerzen in den verschiedenen Gelenken — den Knie-, Fuß-, Hand-
gelenken, dem 1. Ellbogen-, dem r. Schultergelenk, einige Mal in der Columna
cervical., und in den kleinen Fingergelenken oder den Gelenken der Fuß-
wurzel — teils ohne, teils mit Erguß und partikulärem Odem. Die Haut über
den befallenen Gelenken ist immer wärmer aber nicht gerötet; in der Regel
starke Empfindlichkeit gegen Druck, immer Schmerzen bei Bewegung, teils in
einem vereinzelten Gelenk, teils in wenigen oder vielen zu gleicher Zeit. Hin
und wieder, besonders wenn viele Gelenke gleichzeitig angegriffen sind, leichte
Tp.-Steigerungen. Die Schmerzen halten bald einige Tage an, um sich dann
ganz zu verlieren oder auf andere Gelenke überzugehen, bald nur einige Stunden.
Große Ansammlungen können im Laufe kurzer Zeit kommen und schwinden,
so daß man fast die Ansammlungen anwachsen schen kann. In den freien Intervallen
ist gar nichts Abnormes an den Gelenken zu finden. Salizyl, das öfters gegeben
worden ist, hat gar keinen Einfluß auf den Verlauf der Gelenkerscheinungen
gehabt, ebensowenig wie Jodkalium. Cryogenin hat von Zeit zu Zeit einen
scheinbaren, aber nicht immer konstanten Erfolg gehabt. Ihre anderen tub.
Leiden — Augenentzündung und Nierentuberkulose — sind wesentlich in den
Schatten gestellt worden von diesen unberechenbaren und überraschenden
— von Zeit zu Zeit ganz explosiv auftretenden — akuten polyartikularen An-
fällen. Ihre Augenleiden sind schon lange ruhig gewesen, und nur einige
Kornealtrübungen erinnern daran. Das Nierenleiden scheint auch jetzt im Be-
griff der Erlöschung. Zwar hat sie nur noch höchst selten ein wenig Eiweiß
im Urin, und spärliche T.B. können mit Zwischenräumen nachgewiesen werden;
das ist aber nichts gegen früher, wo die Albuminurie lange Zeit hindurch kon-
stant, ja zweimal, zuletzt vor ı Jahre, von starken Hämaturien begleitet war.
27*
ZEITSCHR. f.
HE Fur | = SCHÂFFER. 8 TUBERKULOSE
Dieser Besserung entsprechend, die von fortgesetzter Gewichtszunahme und un-
gestórtem Allgemeinbefinden begleitet wird, sind ihre Gelenkaffektionen die
letzten Monate auch erheblich weniger hervortretend als früher gewesen. Eine
Tuberkulininjektion, während dieser Besserungsperiode gegeben, ergab Allgemein-
reaktion mit Tp. bis zu 39,4, aber keine Reaktion von Seiten der Gelenke
oder der Nieren.
Dieser Fall ist auf die beste Weise eine Illustration zu mehreren der
Verhältnisse, deren ich im vorgehenden Erwähnung getan habe. Erstens hat
die Patientin häufige Anfälle leichter febriler Polyarthritiden und dazwischen
Anfälle mono- und oligo-artikulärer schmerzhafter Hypodropsien ohne Fieber
oder mit leichter Erhöhung der Tp. — alles ohne wesentliche Einwirkung auf
das Allgemeinbefinden. Endlich hat sie ihre Gelenkerscheinungen gehabt, lange
Zeit, ehe sie andere Zeichen der Tuberkulose bekommt. Als sie 5 Jahre alt
war, fingen die Gelenkleiden an, mit dem 6. Jahre bekommt sie skrophulöse
Augenentzündungen, und 9 Jahre alt bekommt sie eine tuberkulöse Nephritis. Sie
ist somit das schönste Beispiel, daß eine akute tuberkulöse Polyarthritis die
erste Äußerungsform der Tuberkulose sein kann, daß sie ein Vorzeichen sein
kann, daß der Organismus von Tuberkulose angegriffen sei, und das ist ein
Verhältnis, dessen Bedeutung nicht genug hervorgehoben werden kann. Denn
wenn derartige Fälle sofort als tuberkulöse erkannt werden, ist viel gewonnen
Man kann dann unnütze und zeitraubende Versuche mit antirheumatischen
Therapeuticis ersparen, und indem man die rechte Behandlung instituiert, viel-
leicht die Patienten aus der Gefahr retten, die immer von einer chronischen
tuberkulösen Arthritis droht, die Zukunftsperspektive, die sich den Patienten
öffnet, die an „tuberkulösem Gelenkrheumatismus leiden, wenn es nicht bei-
zeiten gelingt, der Krankheit den Weg zu vertreten.
Daß eine akute Polyarthritis die erste klinische Manifestation der Tuber-
kulose sein kann, daß sie prämonitorisch ist, wird außer bei Poncet bei
mehreren anderen Verfassern bemerkt [Junés(24), Patel (42), Mailland (34),
Thevenot (57)] und sie unterstreichen alle, wie außerordentlich wichtig es ist, sofort
an die Tuberkulose zu denken oder wenigstens, wenn die eingeleitete Therapie,
die wohl in den meisten Fällen antirheumatisch sein wird, fehlschlägt. Man
darf sich nicht von der klinischen Symmetrie zwischen den zwei Krankheits-
bildern irreleiten lassen. „Die Kranken präsentieren sich als Rheumatiker,
werden aber als Tuberkulöse enthüllt“ [Barbicr(3)].
Es herrscht durchgehend Einstimmigkeit darüber, in den allermeisten
Fällen diese flüchtigen tuberkulösen Arthritiden als toxische zu betrachten.
Die Einigkeit hört aber auf, sobald die nähere Erklärung, die natürlich rein
theoretisch ist, gegeben werden soll. Die Annahme, die am meisten Anhänger
gewonnen und wohl auch am meisten Wahrscheinlichkeit für sich hat, ist die, daß
die Toxine direkt auf die Synovialis einwirken [Poncet(39) Mohr, Patel(43),
Mailland, de Brun(9) u. a.), während andere, von Weills/62) Ideen geleitet,
lieber an eine toxische Einwirkung auf das Zentralnervensystem glauben und
meinen, einen Haltepunkt für diese Anschauung darin zu finden, daß die Ge-
lenkerscheinungen oft gleichzeitig in symmetrischen Gelenken auftreten sollen
BD.XINREFTD. — REZIDIVIERENDE TUBERKULÖSE POLYARTHRITIS. 413
(Mouriquand), ein Gedanke, dem Poncet(47) selbst übrigens nicht ganz fremd
gegenübersteht. Solch eine Symmetrie habe ich jedoch nicht finden können,
und ich sehe im ganzen den Gedanken des zentralen toxischen Ursprungs als
Erklärung der Gelenkaffektionen als zu schlecht begründet an, da man wohl dann
hätte erwarten müssen, gleichzeitig andere Äußerungen als eben die Gelenk-
symptome allein zu treffen, während diese sehr gut als Folgen einer lokalen
Toxineinwirkung aufgefaßt werden können.
Wenn die verschiedenen tuberkulösen Gelenkleiden toxischen Ursprungs
später in chronische tuberkulöse Arthritiden mit spezifischen Veränderungen
übergehen, kann das nicht Wunder nehmen und muß so aufgefaßt werden, als
haben hier die wiederholten Irritationen des Gelenkes, die lokale Toxämie (Mohr),
einen Locus minoris resistentiae geschaffen, der leicht die Beute einer späteren
bazillären Invasion wird. Es bildet eine Parallele zur altbekannten Tatsache,
daß ein tuberkulöses Gelenkleiden sehr oft einer Gelenkaffektion anderen
Ursprungs auf den Fersen folgt, also eben zu einer Zeit, wo die Wider-
standsfähigkeit des Gelenkes abgeschwächt ist. Ich erinnere nur an die tuber-
kulösen Arthritiden, die im Anschluß an die akuten Exanthemkrankheiten mit
Gelenkkomplikationen entstehen, wie wir es auch in einem meiner Fälle gesehen
haben (Fall 9). Es ist das ein Verhältnis, das König stark pointiert, indem er
jedoch in dieser Verbindung davor warnt, ohne Kritik alle Gelenkkomplikationen
während einer bestimmten Krankheit als dieser absolut entstammend zu nehmen;
es wird jedoch nur eine Ausnahme sein, zwei verschiedene Krankheiten zu gleicher
Zeit zu treffen, und deshalb kann man nicht genug unterstreichen, wie wichtig
es ist, zuerst an das Hauptleiden zu denken — hier also die Tuberkulose —
wenn Gelenkerscheinungen während dessen Verlauf auftreten, welcher Art sie
auch sein mögen.
Was die Diagnose des sogenannten tuberkulösen Gelenkrheumatismus be-
trifft, muß es zugegeben werden, daß sie in vielen Fällen schwierig ist und zwar
eben dort, wo eine schnell gestellte Diagnose am meisten Wert haben wird,
nämlich in den primären Fällen. Man muß jedoch den verschiedenen Ver-
fassern darin zustimmen, daß die Diagnose selbst unter diesen Verhältnissen
fast immer wird gestellt werden können, jedenfalls auf dem Wege der Ex-
klusion. Es werden sich hier vornehmlich dem klassischen rheumatischen Fieber
gegenüber die Hauptschwierigkeiten darbieten. Hier müssen vor allem die
familiären und persönlichen Antezedentia des Patienten berücksichtigt werden,
und wenn einem die Tuberkulose begegnet, dann rückt die Frage ihrer Aus-
legung näher. Eine Durchlesung der mitgeteilten Krankengeschichten ‘wird
jedoch zeigen, daß, wenn sie auch in vielen Punkten große Ähnlichkeit mit dem
Krankheitsbilde eines akuten Gelenkrheumatismus haben, dennoch gewisse Ver-
schiedenheiten da sind, die zwar nicht jede für sich genommen, schwer ins Ge-
wicht fallen können, zusammen aber einen gewissen Wert haben. So ist der
Allgemeinzustand gar nicht oder nur in verhältnismäßig geringem Grade be-
einflußt gewesen. Die akuten Anfälle sind nicht von Schweiß begleitet gewesen,
wie man es oft bei gewöhnlichem Gelenkrheumatismus sieht. Primäre Angina
ist nicht beobachtet worden. Endlich ist in keinem einzigen Fall Endokarditis
ZEITSCHR. tł.
TUBERKULOSE
414 K. SCHÂFFER.
gefunden worden, ein Umstand, welchem man große Bedeutung beimessen muß,
besonders in meinen Fällen, die sämtlich Kinder angehen. Bei diesen ist die
Herzkrankheit bei akutem Gelenkrheumatismus so häufig, daß mehrere Verfasser
[Hutchinson (22), Henoch(21)] geneigt sind, die Endokarditis als Hauptläsion
anzusehen. Die Tuberkulose schont allerdings nicht das Herz, und die tuber-
kulöse Endokarditis ist auch der tuberkulösen Polyarthritis im Kielwasser ge-
folet (Poncet, Patel); das bleibt aber nur eine Seltenheit. Und wo die Endo-
karditis bei einer Polyartbritis fehlt — besonders, wenn es wie in meinen Fällen
Kinder betrifft, und wenn die Gelenkaffektionen ins unendliche rezidivieren —
darf man sich der Diagnose eines rheumatischen Fiebers sehr skeptisch gegen-
über stellen. Was aber ferner in Zweifelsfällen den Nagel auf den Kopf trifft,
ist die vollständige Unwirksamkeit des Salizyls. Eine akute Polyarthritis, die
nicht auf Salizyl reagiert, ist nicht oder nur höchst unwahrscheinlich klassischer
Gelenkrheumatismus [Strümpell(56), Lenhartz (32)], und in denjenigen meiner
Fälle, wo Salizyl angewendet worden ist, hat es auch gar keinen Einfluß auf
den Verlauf der Gelenkerscheinungen gehabt.
Den anderen Krankheiten gegenüber, die von ähnlichen Lokalisationen
an den Gelenken begleitet werden können, wird die Differentialdiagnose leichter
sein. Die akuten Exanthemen können wohl kaum übersehen werden. Bei
Syphilis, in deren sekundärem Stadium die Gelenkkomplikationen am häufigsten
erscheinen — übrigens unter ganz gleichen klinischen Manifestationen — wird
man eine vorausgehende Primärläsion oder andere syphilitische data in der
Anamnese verlangen; endlich werden die Gelenkerscheinungen in diesen Fällen
unter antisyphilitischer Behandlung schwinden, die natürlich dem ,,tuberkulésen
Rheumatismus“ gegenüber ebenso unwirksam ist wie Salizyl. Endlich muß
man an die Gonorrhoe denken; in der Regel wird man auch hier die Ent-
scheidung treffen können, und übrigens hat die Gonorrhoe nur selten poly-
artikuläre Tendenzen.
Ein wenig leichter gestaltet sich die Lage, wenn man es mit einem manifest
tuberkulösen Patienten zu tun hat. Hier empfiehlt es sich — ebensowohl wie
bei jeder anderen Infektionskrankheit mit Gelenkkomplikationen — zuerst an
die im voraus anwesende Krankheit zu denken. Es wäre unlogisch, nicht an-
zunehmen, daß die Tuberkulose auch ,,rheumatoide“ Gelenkerscheinungen her-
vorrufen könne.
Noch sind mehrere Hilfsmittel vorhanden, um der Diagnose näher
zu kommen. Die Tuberkulininjektion wird bei positivem Ausgang, jedenfalls
wenn sie lokale Reaktion gibt, wie in einem meiner Fälle (Fall 5) und bei
mehreren anderen [Barbier, Mailland, Milian(38), Harvier(20), Nolen,
Poncet(48), Edsall und Lavenson(17)] sehr schwer ins Gewicht fallen zu-
gunsten der Tuberkulose, während dem negativen Resultate nicht der gleiche
entscheidende Wert im entgegengesetzten Sinne zuerkannt werden kann. Ein
seltenes Mal ist es Poncet(49) gelungen, T.B. in spärlichen Mengen im Exsudat
zu finden, aber nur in akuten Fällen; dementsprechend hat ihm die Verimpfung
des Gelenkinhaltes auf Tiere in einigen Fällen ein positives Resultat gegeben.
Diese Methoden geben natürlich keine positiven Aufschlüsse, wenn es sich um
BDXUDREFTO. REZIDIVIERENDE TUBERKULÖSE POLYARTHRITIS. 415
toxische Gelenkerscheinungen handelt. Die Serum- und die Cytodiagnostik,
die auch bei diesen Formen herangezogen sind, haben verschiedene Resultate
in den verschiedenen Händen ergeben; in den meisten Fällen jedoch brauch-
bare Erläuterungen.
Einige Verfasser (Verneuil, Peyrot(44), Jonnesco) sind geneigt, das
Vorkommen des „tuberkulösen Rheumatismus‘“ zu verneinen. Sie haben mit
der Frage vor Poncet gearbeitet. Sie wollen „Rheumatismus“ und Tuber-
kulose bei demselben Individuum als Ergebnisse zweier verschiedener Krankheits-
agensen betrachten, indem sie übrigens stark den Antagonismus zwischen diesen
zwei Krankheiten hervorheben und sehen deren gleichzeitiges Vorkommen bei
demselben Individuum als eine große Seltenheit an. Jonnesco teilt einen Fall
mit, der auch von Verneuil ins Feld geführt wird, betreffend einen jungen
Phthisiker, der nach mehreren Anfällen von akutem Gelenkrheumatismus ein
chronisches tuberkulöses Leiden in einem Kniegelenk bekommt, das mit Anky-
lose endet, und der 3 Jahre später — nach einem wiederholten polyartikulären
Anfall — einen Tumor albus im anderen Knie bekommt. Hier liegt es nahe,
das Ganze als Ausschlag der Tuberkulose zu deuten, während Verneuil für
das zuerst ergriffene Knie die spitzfindige Erklärung aufstellt, daß es der
Rheumatismus sei, der die akuten Anfälle gebe, danach schlage sich die
Tuberkulose aufs Gelenk, um wieder mit Rheumatismus abzuschließen, weil es
nicht zur Suppuration komme, sondern mit „trockener Ankylose‘“ ende. Diese
Auslegung dieses Falles kann kaum aufrecht erhalten werden, und im Zusammen-
hang mit dem früher Entwickelten müssen alle diese Symptome zwanglos unter
die Tuberkulose eingereiht werden können, ohne den Rheumatismus zu Hilfe
zu nehmen.
Poncets Auftreten hat doch auch einige opponierende Stimmen hervor-
gerufen und besonders wider seinen chronischen tuberkulösen Rheumatismus
wenden sich die Beschwerden [Delcourt(16), Triboulet(59), Ménétrier(37)),
wogegen die akuten Formen bessere Aufnahme gefunden haben. Ich werde
hier einen Fall von chronischem deformierendem Rheumatismus unzweifelhaften
tuberkulösen Ursprungs mitteilen.
Fall 11. Knabe 8 J. 3. VII. 06. Eltern beide skrophulös als Kinder.
Mit dem 4. Jahre bekam das Kind skrophulöse Augenentzündungen und acnei-
forme Tuberkuliden. Mit 5 Jahren begannen seine Gelenkleiden, die sich im
Laufe der Zeit nach und nach ohne akute Exazerbationen verschlechtert haben.
Beim Eintritt wird außer indolenten zum Teil deformierenden Drüsenschwel-
lungen am Halse, Spuren nach dem Augenleiden und Narben nach den Tuber-
kuliden folgendes gefunden: Beschränkte Beweglichkeit in der r. Schulter und
Kapselverdickung an der Vorderseite des Gelenkes. Extension des r. Ellen-
bogens ist etwas behindert, ohne objektiv zu konstantierende Veränderungen
am Gelenk. Die Beweglichkeit im 1. Ellenbogen ist erheblich behinderter, objektiv
kann sonst nichts Abnormes gefunden werden. L. Handgelenk ist flektiert mit
etwas beschränkter Beweglichkeit, dazu ein wenig Schwellung dieses Gelenkes
und geringer Erguß. Beschränkte Beweglichkeit im r. Handgelenk. Verdickung
des ersten Interphalangealgelenks des dritten l. Fingers, ebenso des zweiten
e E ZEITSCHR. f.
416 | Bene. -TUBERKULOSE
r. Fingers. R. dritter Finger ist in diesem Gelenk rechtwinklig ankylosiert. Kugel-
förmige Schwellung beider Kniegelenke und sehr beschränkte Beweglichkeit,
keine deutliche Ansammlung. Beschränkte Beweglichkeit in beiden Fußgelenken,
Infiltration der Weichteile um die Knöchel herum. Nichts am Herzen. Er war
somit beim Eintritt recht hilflos, sein Zustand hat sich aber ganz erheblich ge-
bessert. Er hat vorübergehende Exazerbationen der Haut und Augenleiden
gehabt, dagegen ist die Beweglichkeit in die meisten Gelenke zurückgekehrt
unter energischer Hydrotherapie und Massage, so daß man jetzt nur findet:
am l. Ellenbogen ein wenig Verdickung der periartikulären Weichteile; er
kann nicht vollständig extendieren; l. Handgelenk kann nicht dorsal flektiert
werden, sonst nichts Abnormes. Die Beweglichkeit im r. Handgelenk ein
klein wenig beschränkt, auf der Dorsalseite ein wenig Infiltration der Weich-
teile. An der l. Hand ist die Flexion in den zweiten und dritten Meta-
karpophalangealgelenken etwas behindert. Das erste Interphalangealgelenk des
dritten rechten Fingers kann nicht vollständig extendiert werden. Absolut
nichts Abnormes an den anderen Gelenken (Knie- und Fußgelenke, r. Schulter-
gelenk), die beim Eintritt stark befallen waren. Eine Tuberkulininjektion, die
gegeben wurde, nachdem die Besserung weit vorgeschritten war, ergab außer
Allgemeinreaktion — Unwohlsein, Tp. bis über 39° steigend — ein skarlatiniformes
Exanthem an der Brust und am Rücken, keine Lokalreaktion von Seiten
seiner verschiedenen tuberkulösen Foci.
Ich habe keine Gelegenheit gehabt, andere ähnliche Fälle zu beobachten,
finde es aber nicht unwahrscheinlich, daß die Tuberkulose unter gewissen Um-
ständen und vielleicht besonders bei geringerer Virulenz, wie es Poncet betont,
zu plastischen sklerosierenden Prozessen an den Gelenken, entsprechend den
Schwartenbildungen in der Pleura, im Perikardium etc. Veranlassung geben kann.
Ebensowenig wie diese letzteren pathalogisch-anatomisch irgend etwas für
die Tuberkulose Charakteristisches aufweisen, wird die anatomische Untersuchung
der Gelenkveränderungen bei „tuberkulösem Rheumatismus“ derartiges zeigen.
Man findet banale inflammatorische Veränderungen in der überwiegenden
Mehrzahl der Fälle, in seltenen Fällen spärliche miliäre Tuberkeln und Riesen-
zellen [Poncet und Leriche(51)].
Bei den Fällen, wo die Röntgenuntersuchung herangezogen worden ist,
hat sie bei den akuten Formen keine Erläuterungen geben können. Bei den
_ chronischen sklerosierenden Formen ist ein Bild gefunden worden, das jeden-
falls nicht das des allgemeinen chronischen Rheumatismus ist, in der Haupt-
sache eine Aufhellung der spongiösen Substanz der Epiphysen — stellenweise
oder mehr zusammenfließend — ein wenig Usur des Knorpels in derjenigen
Periode, wo sich die Gelenkflächen aneinander anpassen, ehe sie definitiv zu-
sammenwachsen, dagegen keine Verdickung der Knochen und keine osteo-
phytischen Ablagerungen [Bérard und Destot(6)]. Barbier(2) und Bentz(5)
heben gleichfalls den Mangel an ossösen Neoformationen als wichtigen Halte-
punkt bei der Diagnose des chronischen tuberkulösen Rheumatismus hervor.
Hier im Küstenhospital Refsnas können wir leider nicht unsere Patienten
UD.XITBEFTS. — REZIDIVIERENDE TUBERKULÖSE POLYARTHRITIS. 417
einer Róntgendurchleuchtung unterwerfen, da die Róntgeninstallation noch nicht
in Betrieb gesetzt ist.
Über die Prognose kann man sich im allgemeinen nicht aussprechen bei
einer Symptomenreihe, die die Tuberkulose in allen ihren Äußerungsformen
begleiten kann. Nur kann man sagen, daß, wenn das Hauptleiden gegen
Heilung tendiert, die Gelenkerscheinungen auch die besten Aussichten zum
Schwinden haben werden. Doch ist kein Parallelismus in dem Sinne da, daß
z. B. eine Verschlimmerung des Hauptleidens auch eine Verschlimmerung der
Gelenksymptome oder umgekehrt mit sich führt. Ein Verhältnis, das Poncet,
Thévenot u.a. in einigen Fällen bemerkt haben wollen, daß einer Verschlim-
merung anderer Symptome z. B. des Hustens und des Auswurfs eine Besserung
der Gelenkerscheinungen folgte, habe ich nicht finden können. Jedenfalls muß
die Prognose aber mit Vorsicht gestellt werden, weil der Übergang der akuten
Fälle in chronische tuberkulöse Arthritiden nicht so ganz selten ist.
Die Behandlung der akuten tuberkulösen Polyarthritis ist rein sympto-
matisch, in der Hauptsache gilt es, den Gelenken Ruhe zu verschaffen. Gegen
die Schmerzen wendet man mit Vorteil heiße Umschläge etc. an. Mit gutem
Erfolg haben wir hier die Biersche Stauung gebraucht, die als schmerzlinderndes
Mittel prompt zu wirken scheint, während diese Behandlung keinen sichtbaren
Einfluß auf die Ergüsse hat. Die verschiedenen Salizylderivate sind ebenso
wenig wie das Salizyl selbst nützlich in diesen Fällen; dagegen wird von einigen
[Chatain(12) Thévenot, Poncet(50)] das Cryogenin gepriesen; es wird in
Dosen von 0,20—0,30 bis zu ı!/, g pro die gegeben. Wir haben nur vorüber-
gehenden Erfolg davon gesehen. Beim chronischen tuberkulösen Rheumatismus
muß man sich bestreben, die Ankylose zu vermeiden, und durch Massage,
Hydrotherapie etc. kann in vielen Fällen die Beweglichkeit der Gelenke mehr
oder weniger erhalten bleiben. Bei erforderlicher Rücksicht auf die lokalen
Phänomene muß man jedoch am wesentlichsten seinen Angriff gegen das Haupt-
leiden, die Tuberkulose, richten, und hier kommt die hygienisch-diätetische
Behandlung in Verbindung mit passender Hydrotherapie — also die Sanatorien-
kur — zunächst an die Reihe.
Die tuberkulöse Polyarthritis kann, wie schon genannt, alle möglichen
Formen der Tuberkulose begleiten. Nach den meisten Verfassern ist sie anı
häufigsten bei der Lungentuberkulose, aber auch der Lupus, die chirurgische
Tuberkulose etc. liefern einen reichlichen Beitrag. Sie kommt in allen Alters-
klassen vor, Bouveyron meint doch selten bei Kindern, er steht aber recht
allein mit dieser Meinung, und meine Fälle zeigen zum Überfluß, daß sie nicht
Stich hält. Etwas anderes ist, daß der „tuberkulöse Rheumatismus“ kaum sehr
häufig vorkommt. Allerdings geben einige Verfasser hohe Prozentsätze an,
Trébéneau (58) so bei 17 °/„, ja Bouveyron bei jedem dritten Patienten
— seine „Statistik“ umfaßt jedoch nur 19 Patienten mit schweren Lupus-
fällen — die meisten sind aber darin einig, daß der „tuberkulöse Rheuma-
tismus“ ziemlich selten ist. Darauf weist auch hin, daß ich im Küstenhospital
Refsnäs außer den mitgeteilten 11 Fällen nur noch 17 Fälle vorgefunden
habe unter 3335 skrophulo-tuberkulösen Kindern, die durch 32 Jahre hier be-
ZEITSCHR. 1.
418 o o: SCHÂFFER. 8 TUBERKULOSE
handelt worden sind. Aber selbst wenn der sogenannte tuberkulóse Rheuma-
tismus eine seltene Erscheinung ist, ist es deshalb nicht weniger wichtig, sie
zu kennen, zu wissen, daß die Tuberkulose unter ihren vielen Äußerungsformen
auch unter der Maske eines Gelenkrheumatismus auftreten kann und man muß
die Worte Königs unterschreiben: Die Tuberkulose hat an keinem Organ
einen typischen Verlauf.
Zum Schluß den besten Dank meinem verehrten Chef, Herrn Prof. Sche-
pelern für die Erlaubnis, das Material hier benutzen zu dürfen und für das
Interesse, das er meiner Arbeit entgegengebracht hat.
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ZEITSCHR. f.
ed A 1 tek oe ARI Zn | TUBERKULOSE
XXX.
Die Abkürzung der Kurdauer bei Lungenkranken.
Von
Landesrat Dr. Althoff,
Vorsitzender der Landesversicherungsanstalt Westfalen,
An einem in der Versammlung der Tuberkuloseárzte am 25. Mai 1907
e 7 erstatteten Referate habe ich durch reichhaltiges statistisches Material
2 nachgewiesen, daß die Landesversicherungsanstalt Westfalen bei der
rs von Tuberkulosekranken mit kurzen 6—7 wöchigen Kuren im Bade
Lippspringe dieselben Dauerresultate erzielt habe, wie mit den üblichen Viertel-
jahrskuren in den Heilstätten.
Da mir keine triftigen Gründe ersichtlich sind, weshalb das Bad Lipp-
springe so erheblich günstigere Ergebnisse zeitigen möchte, als die Heilstätten,
zumal die eine der zum Vergleich herangezogenen Heilstätten ebenfalls in Lipp-
springe liegt und sich der gleichen Kurmittel bedient, so habe ich aus obiger
Wahrnehmung den Schluß gezogen, daß man in den Heilstátten mit solchen
kurzen Kuren das gleiche erreichen könne, wie im Bad Lippspringe.
Der einzige Unterschied, welcher sich zwischen den Heilstätten und dem
Bade Lippspringe gezeigt hatte, bestand darin, daß bei letzterem die Zahl der
Wiederholungskuren eine größere war, doch ergab sich, daß bei Einrechnung
aller Wiederholungskuren während der üblichen Beobachtungsdauer von 5 Jahren
die Gesamtdauer der Kuren bei den Pfleglingen des Bades Lippspringe im
Durchschnitt doch noch geringer war, als bei den Heilstätten.
Meine Ausführungen gipfelten deshalb in dem Vorschlage, auch in den
Heilstätten versuchsweise kurze Kuren einzuführen und später nach Bedarf den
Kranken Wiederholungskuren zu gewähren. Das habe gleichzeitig den Vorteil,
daß man — bei Verlegung der Wiederholungskuren möglichst in den Winter —
auch im Winter die Heilstätten leichter füllen könne und daß im Sommer eine
größere Anzahl der sich im Übermaß Meldenden in den Heilstätten Platz finden
könne. Ferner würden die Kranken dankbar dafür sein, wenn sie nicht eine
so lange Zeit ununterbrochen ihrer Familie und ihrem Wirkungskreis fern zu
sein brauchten. Endlich würden sich die Durchschnittskosten der Behandlung
auch bei Gewährung häufigerer Wiederholungen immer noch billiger stellen,
als beim bisherigen Verfahren, so daß man für die gleichen Geldmittel eine
größere Anzahl von Kranken behandeln könne.
Der vorerwähnte Vorschlag fand in der Versammlung eine verschieden-
artige Beurteilung. Bekämpft wurde er namentlich vom Chefarzt Dr. Roepke,
Melsungen. Seine mündlichen Ausführungen finden sich ausführlicher in 2 Auf-
sätzen dieser Zeitschrift Band XI, Heft 1 von 1907, p. 9—26 und p. 134—147:
„Zur Aufklärung über die Kurerfolge des Bades Lippspringe im Vergleich zu
denen der Lungenheilstätten“. Dr. Roepke schließt auf p. 25 mit den Worten:
„Zahlen beweisen und da die hier angegebenen Zahlen die eigenen der
Landesversicherungsanstalt Westfalen sind, werden wir von ihr eine Revision
der Behauptung, daß die Dauererfolge in Bad und Heilstätte Lippspringe trotz
EES ABKÜRZUNG DER KURDAUER. 421
der lángeren Kurdauer in letzterer die gleichen sind, wohl baldigst erwarten
dürfen. Die Landesversicherungsanstalt hat mit ihrer zahlenmäfig nicht be-
gründeten Äußerung der Brunnenadministration in Lippspringe das Mittel zur
Reklame an die Hand gegeben; sie darf sich nun — ihrem Wunsche gemäß
belehrt und aufgeklärt — nicht darauf beschränken, die Reklame zu verurteilen,
sie muß vielmehr ihre früheren Ansichten als den Tatsachen nicht entsprechend
berichtigen und dadurch der nach Form und Inhalt haltlosen und unwahren
Reklame der Brunnenadministration auch den Schein des Rechtes entziehen.“
Ebenso beginnt er den zweiten Aufsatz (p. 134), indem er die günstigeren
Kuren von Lippspringe als ‚vermeintliche‘ bezeichnet.
Diese Behauptungen zwingen zu einer Erwiderung, welche die Landes-
versicherungsanstalt in ihrem Jahresbericht nicht in genügender Ausführlichkeit
geben kann. Ich habe damit gewartet, bis entsprechendes Zahlenmaterial für
ein weiteres Jahr vorliegen würde in der Annahme, daß die Mitteilung des
Ergebnisses erneuter Untersuchungen in dieser wichtigen Angelegenheit für
weitere Kreise von Interesse sei.
Dr. Roepke behauptet gegenüber den Ausführungen des Geschäftsberichtes
der Landesversicherungsanstalt Westfalen, wonach die Lungenkranken auf die
Heilstätten und das freie Bad Lippspringe ohne Rücksicht auf die Schwere der
Erkrankung verteilt werden, daß dem Bade Lippspringe trotzdem ein höherer
Prozentsatz leichterer Tuberkulosefälle zugehe, als den Heilstätten. Dies ge-
schehe ohne Zutun der Versicherungsanstalt ganz auf eigenes Betreiben der
Kranken. Diesen sei nämlich eine Kur im offenen Bade Lippspringe viel an-
genehmer, als in einer Heilstátte, und zwar aus folgenden Gründen: 1. wegen
der kürzeren Dauer der Kur, 2. wegen der unumschränkten Freiheit des Bade-
lebens, 3. wegen des zeitlichen Hineinfallens der Badekur in den Sommer.
Nun wüßten die Kranken, daß nach Bad Lippspringe nur der nach Erschöpfung
des Bedarfs der Heilstätten verbleibende Überschuß komme, ein solcher Über-
schuß sei aber nur im Sommer vorhanden, infolgedessen suchten sie den Antrag
auf Heilverfahren bis zum Beginne des Sommers hinauszuschieben.
Zu einer solchen Hinausschiebung seien aber nur diejenigen imstande,
welche warten könnten, d. h. diejenigen, deren Tuberkulose einen chronischen,
gutartigen Verlauf habe oder ganz zum Stillstand gekommen sei; ferner solche,
bei welchen es sich um latente Tuberkuloseformen handele; endlich diejenigen,
welche nicht tuberkulös seien. Diese hätten beim Warten bis zum Sommer
alle Aussicht, ins Bad Lippspringe zu kommen, während die prognostisch un-
günstigeren Kranken nicht auf den Sommer warteten, sondern so bald als
möglich eine Heilstättenkur gebrauchten. So erfolge die Auswahl der giin-
stigsten Fälle für Bad Lippspringe von den Versicherten selbst durch den Zeit-
punkt ihrer Antragstellung.
M. E. ist diese Beweisführung verfehlt. Mit wem haben wir es denn zu
tun? Zweifellos doch mit Leuten, welche zu dem traurigen Bewußtsein ge- `
kommen sind, daß sie an einer ernsten Krankheit leiden, die zu Siechtum und
Tod zu führen droht und gleichzeitig Leben und Gesundheit der Angehörigen
durch Ansteckungsgefahr aufs höchste gefährdet. Kann man annehmen, daß
422 ALTHOFF. Tsee, €
ein solcher Kranker nur darauf ausgeht, eine möglichst angenehme Kur durch-
zumachen, daß er es wagt, Monate lang nichts zur Bekämpfung seiner Krank-
heit zu tun, nur um im Sommer einen sechswöchigen vergnügten Badeaufenthalt
zu erlangen? Das heißt, wenn der Zufall ihn unter diejenigen Leute bringt,
welche nicht in eine der Heilstätten, sondern ins Bad Lippspringe kommen,
was aber natürlich gar nicht vorauszusehen ist, weil in erster Linie immer die
Heilstatten mit Kranken bedacht werden. Ob es solche Leute gibt, weiß ich
nicht, auf keinen Fall bilden sie die Regel.
Wäre es aber richtig, so wäre wieder nicht zu verstehen, weshalb —
wie Dr. Roepke meint — die Kranken Lippspringe auch wegen der Kürze
der Kur so sehr bevorzugen. Geht ihr Streben nach Lippspringe, um sich eine
recht vergnügte Kur zu machen, so muß sie ihnen doch je länger, je lieber sein.
Die Annahme Dr. Roepkes kann aber auch schon deshalb nicht zutreffen,
weil die Versicherten die Grundsätze der Versicherungsanstalt über die Ver-
teilung der Kranken auf die Heilstätten und Bad Lippspringe gar nicht kennen,
denn das ist eine Angelegenheit des inneren Geschäftsbetriebes, welche nach
außen hin nicht bekanntgegeben wird.
Schließlich ist auch der groe Andrang von Kranken zu Beginn der
guten Jahreszeit nichts der Landesversicherungsanstalt Westfalen Eigentümliches,
sondern es wird überall darüber geklagt.
Sollte es aber trotzdem noch eines Gegenbeweises gegen die Roepkesche
Behauptung bedürfen, so glaube ich sie durch die zwischenzeitlichen Erfahrungen
mit Sicherheit widerlegen zu können. Die Versicherungsanstalt hat nämlich,
um einen möglichst zuverlässigen Vergleich zwischen dem Krankenmaterial
der Heilstätte Lippspringe und demjenigen des Bades zu ermöglichen, den
Chefarzt der Heilstätte Lippspringe mit der Sputumuntersuchung bei den Kranken
des Bades Lippspringe betraut. Dieser Arzt, welcher gleichzeitig das Sputum
der Heilstättenpfleglinge untersucht, hat nun gefunden, daß von den 418
Kranken, welche in der hier gerade in Betracht kommenden Zeit vom 23. April
bis 23. Juli d. J. dem Bade Lippspringe überwiesen wurden, 90 oder 21,5°/,
Tuberkelbazillen aufwiesen, während bei den 235 in derselben Zeit in die Heil-
stätte Lippspringe Gelangten nur in 30 Fällen = 12,8%/, Bazillen gefunden wurden.
Einen weiteren Beweis liefert Dr. Werner zu Lippspringe in seiner kürz-
lich bei Ferd. Schöningh zu Paderborn erschienenen Schrift: „Lippspringe
und die Heilstätten“ p. 22. Danach befanden sich 1905 von 80 ihm von
der Landesversicherungsanstalt Westfalen überwiesenen Kranken 17°}, im L,
49°/, im IL, 34°/, im IL Stadium, während die Heilstátte bei 507 Fällen für
das I. Stadium 31°/,, das IL 35%, und das IL 34°/, aufwies.
Diese Tatsachen dürften zur Genüge beweisen, daß nach Bad
Lippspringe zum mindesten nicht leichtere Fälle gekommen sind,
als in die Heilstätte.
Wenn dann Dr. Roepke als ferneren Grund der Vorliebe für Lippspringe
„die unbeschränkte Freiheit des Badelebens“ anführt, wenn er „aus seiner Er-
fahrung“ spricht, von den „unbegrenzten Möglichkeiten, das Kurleben auch
nach der nicht kurgemäßen Seite zu genießen, frei von allem Zwang einer
er is ABKÜRZUNG DER KURDAUER. 423
geregelten Tageseinteilung, einer dosierten Verteilung von Ruhe und Bewegung,
einer strengen Husten- und Spuckdisziplin, kurz frei von alledem leben zu
kónnen, was wir als das hygienische Regime im weitesten Sinne des Wortes
bezeichnen‘, so zeigt sich darin deutlich, wie wenig Dr. Roepke die Ver-
hältnisse Lippspringes in Wirklichkeit kennt, wenn er auch noch so häufig
seine persönliche Kenntnis betont. In Wirklichkeit erhalten die Kranken vom
Arzte genaue Vorschriften über ihr Verhalten, die Versicherungsanstalt hat
eingehende Kurvorschriften erlassen, endlich sendet sie für die ganze Dauer
der Saison einen Beamten nach Lippspringe, um ihre Pfleglinge zu beaufsichtigen
und die Beobachtung der Kurvorschriften zu kontrollieren.
Daß das Leben immerhin ein freieres ist, als das — nach Dr. Roepke —
„eintönige, minutiös geregelte und von gesundheitlichen Vorschriften spezieller
und allgemeiner Natur eingeengte Anstaltsleben‘“, soll keineswegs bestritten
werden, nach den Kurergebnissen Lippspringes scheint das aber zum mindesten
kein Nachteil zu sein.
Doch wozu noch weitere Worte! Es dürfte genügend widerlegt
sein, daß sich gerade die Leichtkranken ohne Wissen und Willen der
Landesversicherungsanstalt ins Bad Lippspringe hineinschmuggeln.
Wichtiger und interessanter dürften die Erfahrungen sein, welche die
Landesversicherungsanstalt inzwischen im letzten Jahr mit der versuchsweisen
Einführung kurzer Kuren gemacht hat.
Lassen wir zunächst die von der Landesversicherungsanstalt Westfalen
nach ihrem Jahresbericht von 1907 ermittelten Zahlen reden! Die diesem
Aufsatz angefügte Übersicht gibt einen Vergleich zwischen den von der Landes-
versicherungsanstalt benutzten Lungenheilstätten bei Lüdenscheid, zu Lippspringe
und zu Ambrock (bei letzteren, soweit das bei deren kürzerem Bestehen mög-
lich) und ferner dem freien Bade Lippspringe für die letzten 10 Jahre. Es
sind einerseits die Erfolge der Behandlung bei der Kurbeendigung (Spalte
16—18), andererseits der Stand dieser Erfolge nach 5 Jahren bezw. soweit so
viel Zeit noch nicht verflossen war Ende 1907 (Spalte 19—24) dargestellt.
Es sind ferner die auf einen Behandlungsfall durchschnittlich entfallenden Kosten
und Pflegetage berechnet (Spalte 25 u. 26), endlich aber auch die auf jeden
Kranken insgesamt, d. h. auf alle von ihm in 5 Jahren erhaltenen Kuren, durch-
schnittlich entfallenden Kosten und Pflegetage (Spalte 27— 30).
Es ergibt sich nun die interessante Tatsache, daß bei der Heilstätte
Lüdenscheid die Zahl der Pflegetage im Durchschnitt von 68 im Jahre 1906
auf 56 im Jahre 1907 herabgegangen ist, daß aber die Mißerfolge nur von
9,58%/, auf 10,11°/, gestiegen sind. Bei der Heilstátte Ambrock ist die Zahl
der Pflegetage von 83 auf 58 gesunken, die Zahl der Mißerfolge aber trotzdem
nicht gestiegen, sondern von 13,83%/, gar auf 8,84°/, gefallen. Bei der Heil-
stätte Lippspringe ist die Durchschnittsdauer auf 60 Tage stehen geblieben,
die Zahl der Mißerfolge ebenfalls wenig verändert (10,98°/, gegen 11,87 °/,).
Bad Lippspringe hatte in beiden Jahren durchschnittlich 41 Pflegetage und
5,12°/, bezw. 3,43°/, Mißerfolge.
Es sei hierbei bemerkt, daß die genannten Heilstätten auf Wunsch der
ZEITSCHR. f.
Landesversicherungsanstalt im Sommer die Normalkur ebenfalls auf die im
Bade Lippspringe übliche Zeit von 6—7 Wochen abgekiirzt haben. Dadurch,
daB im Winter die alte Kurdauer beibehalten wurde, stellte sich die Zahl der
Pflegetage — auf das ganze Jahr berechnet — immer noch auf 56 bezw. 58
und 60, gegenüber 41 im Bade Lippspringe, das nur kurze Kuren hatte.
Erst die kommenden Jahre werden zeigen, ob die Entlassungserfolge in
demselben Umfange nach den kurzen Kuren — unbeschadet vielleicht etwas
zahlreicherer Kurwiederholungen — standhalten, wie bei den früheren langen
Kuren. Für Bad Lippspringe ist dies ja schon seit Jahren erwiesen; und, wenn
Lippspringe nicht vermöge seiner besonderen Heilmittel etwas vor den Heil-
stätten voraus hat, so dürften letztere ebenfalls keine Verschlechterung der
Dauererfolge durch Einführung der kurzen Kuren erfahren.
In etwa können übrigens schon die Erfahrungen der Heilstätte Lipp-
springe als Beweis für die Richtigkeit dieser Erwartung dienen, da bei ihr be-
reits 1905 die Kurdauer nur 61 Tage durchschnittlich betrug (1906 und 1907
je Co Tage). Wahrend bei den 1902—1904 in „langer“ Kur Behandelten am
Schlusse des 3. Jahres nach der Behandlung Invalidität bei 40,88°/, bezw. 38,72°/,
bezw. 37,91°/, bestand, zeigten sich bei den 1905 in „kurzer“ Kur Behandelten
nach 3 Jahren nur 28,23°/, Invalide. — Ebenso befanden sich unter den
1902—1904 Behandelten am Ende des 2. Jahres 31,53°/, bezw. 20,21°/, bezw.
30,33°/, Erwerbsunfähige, dagegen unter den 1905 und 1906 Behandelten nur
28,22%/, bezw. 21,96%/,. Für den Schluß des Behandlungsjahres endlich er-
ergeben die Jahre 1902—1904 einen Mißerfolg bei 27,09 bezw. 26,38 bezw.
27,02°/,; für die Zeit nach Einführung der „kurzen“ Kuren 1905—1907 nur
22,49°/, bezw. 16,92°/, bezw. 17,51°/, (vgl. Verwaltungsbericht der Landes-
versicherungsanstalt Westfalen 1907, Anl. 25).
Wie sieht es hiernach mit den selbstbewußten Ausführungen Dr. Roepkes
aus? Hat die Landesversicherungsanstalt wirklich „mit ihrer zahlenmäßig nicht
begründeten Äußerung“ dem Bade Lippspringe das Mittel zu einer „haltlosen
und unwahren Reklame‘ an die Hand gegeben? Muß sie wirklich „ihre früheren
Ansichten als den Tatsachen nicht entsprechend berichtigen? Die Landes-
versicherungsanstalt, deren Ansichten sich auf langjährige Beobachtung einer
großen Anzahl von Krankheitsfallen stützen, zeigt durch die Aufrechterhaltung
ihres Standpunktes und die Fortsetzung ihrer Versuche, daß sie sich durch
die auf zweijährigem Aufenthalt in Lippspringe gegründeten, oft recht unsach-
lichen Ausführungen Dr. Roepkes nicht „belehrt und aufgeklärt“ fühlt.
Selbst wenn man die Verbesserung der Resultate ganz auf die
sorgfältigere Auswahl des Krankenmaterials zurückführen wollte,
so dürften doch die angeführten Zahlen soviel beweisen, daß wenig-
stens eine Verschlechterung der Daucrerfolge infolge der Kurverkürzung
bisher nicht eingetreten ist.
Wie ist nun diese auffallende Erscheinung zu erklären? Schon in meinem
vorjahrigen Referate habe ich darauf hingewiesen, daß möglicherweise das Streben
nach möglichst frühzeitiger Erkenntnis und Behandlung der Tuberkulose dahin
geführt hat, manche der Tuberkulose nur Verdächtige in die Heilstätte zu
PP RER ABKÜRZUNG DER KURDAUER. 425
8 g . SS - 9
schicken. Diese seien nach Gebrauch einer kurzen Kur einer Heilstátten-
behandlung nicht mehr bedürftig. Das Kurergebnis sei also nach der kurzen
Kur bei diesen ebenso günstig, wie nach einer langen.
Eine andere, sehr interessante Erklärung gibt Dr. med. et phil. Werner,
Brunnenarzt in Lippspringe, in seiner schon oben erwähnten Schrift. Er war
in Lippspringe zunächst Chefarzt der Heilstätte und ist jetzt seit mehreren
Jahren als Badearzt in Lippspringe tätig. Während dieser Zeit hat er genaue
Beobachtungen angestellt über die Heilmethoden in den Heilstätten und im freien
Bade Lippspringe und über die in beiden erzielten Erfolge. Er kommt gleichfalls
zu dem Ergebnis, daß man die Dauer der Kur in Normalfällen auf 6—8 Wochen
kürzen könne und begründet diese Ansicht im wesentlichen folgendermaßen:
Nach seiner Meinung setzt sich Lungentuberkulose, die durch Verdichtung
und Katarrh ausgezeichnet ist, aus einer Doppel- bezw. Mischinfektion zusammen,
námiich der eigentlichen Lungentuberkulose und einem Bronchialkatarrh. Weder
die Heilstätten- noch die Lippspringer Behandlung wirkte auf den Tuberkulose-
herd unmittelbar, sondern beide lediglich auf den zweiten Infektionsherd, die
Bronchitis. Die Besserung der Bronchitis könne dann indirekt auch zu einer
bessernden Einwirkung auf die Tuberkulose führen, aber häufig werde auch
umgekehrt trotz Verminderung des Rasselns — des Symptoms des Bronchial-
katarrhs — der tuberkulöse Prozeß nicht im geringsten aufgehalten (p. 78, 79).
Die auf die Bronchitis günstig einwirkenden Faktoren seien bei beiden
Kuren einmal die Ortsveränderung, dann aber die staubfreie, nicht reizende
Luft, wozu bei der Lippspringer Kur noch die dortige Trinkkur komme, welche
schleim- bezw. auswurflósend und hustenlindernd wirke. Daneben werde bei
beiden Kuren versucht, auf das Herz- und Gefäßsystem sowie den Verdauungs-
traktus bezw. die Ernährung einzuwirken.
Nun teilt Dr. Werner weiter die Lungentuberkulose, abgeschen von den
in Heilung übergehenden Fällen, ihrem klinischen Verlauf nach in 2 Stadien
ein, das stadium floritionis und das stadium compensationis. Beide Stadien
zerfallen wieder je nach dem Grade der Toxin- und der Antitoxinproduktion
in Unterstadien, die man in der bisherigen Weise nach dem lokalen Befunde
ordnen kónne, wenn ja auch der lokale Befund nicht das einzig Ausschlag-
gebende sei (p. 82). Es sei nun Aufgabe der Landesversicherungsanstalt etc.,
das Stadium der Kompensation zu erreichen, denn weder die Heilstätten- noch
die Lippspringer Kur sei imstande, nach Erreichung der Kompensation einen
weiteren Effekt hervorzubringen (p. 84).
Das Stadium der Kompensation aber sei in dem Moment erreicht, wo,
nachdem der bessernde Einfluß der Kur eine bestimmte, mehr oder minder
lange Zeit sich gezeigt habe, nunmehr der lokale Befund unverändert bleibe,
wo das Gewicht nicht weiter steige, das Befinden gleich bleibe und etwaige
weitere Symptome, wie wenig Husten und Auswurf, sich nicht änderten (p. 85).
In diesem Moment sei dann die Kur als nicht weiter erforderlich abzubrechen.
Dieser Moment tritt nach Dr. Werners Ansicht bei allen den Fällen, die
überhaupt in absehbarer Zeit beeinflußbar, also im Sinne der Landesversicherungs-
anstalten behandlungsfahig sind, in eventuell konstatierbarer Weise in der Heilstätte
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIII. 28
426
—
ALTHOFF.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
C. Vergleichende
über die in der Volksheilstätte bei Lüdenscheid, der Heilstätte Auguste Viktoria-Stift in
H
Bchandlungs-: gesc
jahr
I
1898
1899 =
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1901
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1907
1898— 1907 | 4086
1903—1907 „2499
1902
1903
1904
1005 |
1906
1907
1902—1907 | 1532
1903—1907 | 1329
1903 |
1904
1905
1906
1907 ` |
1903 — 1907 || 1744
1898
1899
1900
1901
1902
1903
1904
1905
1906
1907
1898 —1907 4523
2926
1903—1907
* Vom Jahre 1906 ab Frauen,
Es wurden
behandelt (ab-
hl. Kuren)
Í Personen
über- ` et
haupt | malig
N
74 | 70
240 | 224
370 319
427 374
476 : 422
447 391
477 454
461 | 385
ot | 390
613 482
3511 |.
| 2102
| 203 158
d
- 235 192
211 161
209 ' 170
"337 260
337 | 278
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1056
SE
268 | 223
349 292
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679 | 555
| 1454 |—
196 | 166
276 226
323 | 229
431 | 325
371 : 269
632 478
580 427
594 411
553 398
567 398
3327
2112
| Grad
Aus Spalte 3 erhielten Wiederholungskuren ER |
bei der Kurbeendigung
601} E, | m | ea oO dt insgesamt = A. | B. C.
SETE Se er ET E
= | 7 | = = | = | ls | ||] Sa. | "lo Zahl N Zahl | Sie ' Zahl Vo.
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—¡= =|—|—| 9,31 33) 45, 561174 116,48 | 194 114,60 | 951|71,56 | 184 13,84
3. Heilstátte Ambrock
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le — — | 3117, 21 23 164/38,%1 | 103 17.76 | 458/78,97| 19 | 3,27
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— — — — — 1 98154:128/175 556 , 26,33 | 351 (12,00 |2437/83,29| 138 | 4.71
infolgedessen geringere Kosten durch Fortfall der Angehörigenunterstützung in
BD.XII,HEFT 6.
1908.
Ubersicht
ABKÚRZUNG DER KURDAUER.
I. à,
_Elppepringe, der Heilstátte Ambrock und im freien Bade Lippspringe erzielten Dauererfolge.
Im Durch- Auf die behandelten Personen
der Erwerbsfahigkeit (Spalte 2) schnitt be- | (Spalte 3) entfallen einschließlich
d . p tragen für Wiederholungskuren
nach 5 Jahren Ende 1907 cinen Fall Kosten Pflegetage
l A. | B. ee A | B. 2 C. A EN Gr Insgesamt i sl ins- mE
Zahl! SL Zahl| 9, Zahl | 9/, (Zahl %, IZahl| °/, Zahl Aaa. LAS cc Má
19 | 20 | 21 22 | 23 | 24 25 | 26 27 | 28 29 | 30
Lüdenscheid zu Hellersen.
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102 21, 57 63 17,03 | 205 55,401 — | — | — | — | — | — [332 |25| 84 | 124 084 173 388 98] 31051 | 97
130 30,45 | 82 19,20 | 215 150,35 — | — | — | — | — | — [326 |14| 79 150 219 56! 401 [661 35 818 | 93
161 33,82, 113 (23,74 | 202 142441 — | — | — | — | — | — | 307 |sol 74 | 155 822/67| 369 [25] 36 787 | 87
159 35,57 112 |25,06 176 139,371 159 |35,57 | 112 [25,06 | 176 39,37 mi 79 | 165 288,37) 422 73) 35 006 | 90
— | — | — | — | — | — | 163 [34,17 | 134 [28,09 | 180 ¡37,74 339 13 73 | 178 15701 392 42 38 291 | 84
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— | — |—] — | — | — ]|193|38,52| 198 [39,52 | 110 21,96 | 314 |16| 68 | 135661/26 347 |59| 29 280 | 75
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— | — | — | — | — 880 35,57 | 925 vas [37,01 685 127,42] 326 |97| 70 | 762 844/63| 362 |91| 162 321 | 77
Viktoria-8tift“ in Lippspringe.
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| — | — — o 33,18 | 61 28,91 gef wël, 302 87 70 59 724 66) 370 96! 13685 | 85
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— | — | — 113 (33,53 150 44,51 | 74 |21,96 | 226 |57| 60*| 67 903/02) 261 |17| 18000 | 69
— | — | — — 80 23,74 | 198 58 75 59 | 17, 51 224 |51| 60 61 291 ‘i 224 151] 16 380 | 60
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— | — | — | — | —| — |125/85,82|129/36,96| 95 27,22] 389 |50| 83 | 131 775 301 451 |29] 28 060 | 96
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Lippspringe.
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— | — | — | — | — | — F184 31,72 228 i ,31 | 168 (28,97 | 205 59) 44 | 120 328/81) 281 Sol 25 521 | 60
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— | — | — | — | — | — | 183 |33,09| 253 [45,75 | 117 [21,16 | 201 31 41 | 101010 —|253 |79| 20 500 | 52
— —|—|— || — 167 29,45 344 60, 67 Di 9,88 204 | 86 41 81 739 14| 206 |27| 16 359 41
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den meisten Fällen
und etwas
geringeren Pflegegesatz.
28*
e Gees ZEITSCHR. f.
428 ALTHOFF, ABKÜRZUNG DER KURDAUER. ce
in etwa 2 Monaten, in Lippspringe in durchschnittlich 6 Wochen ein. Dr. Werner
nimmt hierbei auf Grund seiner doppelten Erfahrung als Heilstätten- und Bade-
arzt an, daß die Beeinflussung des begleitenden Katarrhs in Lippspringe infolge
der Trinkkur schneller vor sich gehe; auch die Hebung des Appetits und
überhaupt die Einwirkung auf den Magendarmkanal erfolge dort rascher und
häufiger infolge der Trinkkur (p. 93, 94). Hierin weicht er von meiner in der
vorjährigen Tuberkuloseärzteversammlung geäußerten Ansicht ab, wonach der
Lippspringer Trinkkur eine besondere Heilwirkung wohl nicht innewohne, viel-
mehr die Lippspringer Erfolge wahrscheinlich auch in den Heilstätten zu er-
reichen seien. Die Erfahrungen der nächsten Jahre müssen zeigen, ob wirk-
lich die Lippspringer Kur der Heilstattenkur überlegen ist.
Es ist hier nicht möglich, auf die sehr inhaltreiche Schrift von Dr. Werner
noch näher einzugehen. Mit ihr ist jedenfalls der Anfang gemacht, die auf-
fallenden Erfahrungen der Behandlung in 6—7 wöchentlichen Kuren wissen-
schaftlich zu ergründen, und es würde eine sehr dankenswerte Aufgabe für die
Fachmänner sein, nach den Gründen weiterzuforschen.
Für diejenigen Stellen aber, welche sich mit der Unterbringung
von Lungenkranken behufs Wiederherstellung ihrer Erwerbsfähig-
keit befassen und danach trachten müssen, ihr Ziel in möglichst
kurzer Zeit und mit möglichst geringen Mitteln zu erreichen, ist es
m. E. eine unabweisbare Pflicht, ernstlich zu prüfen, ob sie nicht Ver-
suche mit entsprechender Abkürzung der Kurdauer machen wollen,
wie es die L.-V.-A. Westfalen mit so günstigem Erfolge getan hat.
Sind doch die Vorteile, welche sich daraus ergeben, von nicht zu unter-
schätzender Bedeutung. Wie viel mehr Kranke können behandelt werden, wenn
die Kur fast auf die Hälfte der Zeit herabgesetzt werden kann und die Kur-
kosten sich entsprechend verringern! Welche wirtschaftlichen Werte können
durch früheren Wiederantritt der Arbeit erzeugt, wieviel Jammer und Elend in
den Familien der Pfleglinge dadurch beseitigt oder gemildert werden! Und
wenn auch wirklich in einer größeren Anzahl von Fällen eine Kurwiederholung
nötig werden sollte, was bisher zwar nicht erwiesen, aber m. E. wahrscheinlich
ist, so wird trotzdem an Zeit und Geld gespart werden, die Pfleglinge aber
werden es mit Freuden begrüßen, wenn sie statt einer langen zwei kurze Kuren,
wenn auch zusammen von der gleichen Dauer, durchmachen dürfen.
Was schließlich die Volksheilstätten betrifft, so kann auch ihnen
die Abkürzung der Kuren, nötigenfalls mit Vermehrung der Wieder-
holungskuren, nur von Vorteil sein. Wenn sie die Wiederholungs-
kuren möglichst in den Winter verlegen, so sind sie in der Lage,
die Kranken mehr als bisher auf das ganze Jahr gleichmäßig zu ver-
teilen und die bisherigen Klagen der Kranken über zu langes Warten
im Sommer, die Klagen der Heilstätten über den schwachen Besuch
ım Winter zu beseitigen. Denn die Einführung kürzerer Kuren ermöglicht
im Sommer infolge häufigeren Wechsels der Belegung die Unterbringung einer
größeren Zahl von Kranken, während im Winter die Durchführung der Wieder-
holungskuren einen regeren Besuch der Heilstätten herbeiführt.
Ba _RUMPF, UNTERBRINGUNG SCHWERKRANKER ETC. 429
A AÑ - - — ln ee -
XXXI.
Die Unterbringung Schwerkranker und der $ 25 der Invaliden-
versicherung.
(Versammlung súdd. Lungenheilanstaltsärzte in Frankfurt a. M., 10—12. Okt. 1908.)
Von
Dr. E. Rumpf, Ebersteinburg bei Baden-Baden.
Meine Herren!
Toberkulose noch viel cheer als die Behandlung heilbarer Kranker sein
wiirde, die Schwerkranken aus ihren Familien zu entfernen, wo sie immer eine
Quelle der Infektion und eine stándige Gefahr der Weiterverbreitung der Krank-
heit bilden.
Nichts würde verkehrter sein, als deswegen in den Ruf einzustimmen:
Die Heilstätten müssen den Schwerkranken geöffnet werden. Die Träger der
Kosten, die Landesversicherungsanstalten, dürfen dies garnicht laut $ 18 des
Invalidengesetzes, auf welchen die ganze Heilbehandlung sich gründet. Die
Heilstätten sind mit Pflegepersonal und allem auf die Pflege vieler Schwer-
kranker gar nicht eingerichtet. Die Schwerkranken selbst würden die Haupt-
heilfaktoren der Heilstätte, die Abhärtungskur, Bergspaziergänge, Duschen etc.
garnicht ausnutzen können.
Der heilbare Kranke hat ein Recht auf bestmögliche Behandlung. Aber
auch dem Schwerkranken darf man niemals die Hoffnung rauben, sonst erlebt
man Erfahrungen wie mit den schönen Invalidenheimen der Versicherungs-
anstalt Berlin, der Hansastädte u. a. Gleichsam per exclusionem kam ich daher
in den genannten Aufsätzen zu dem Schluß, daß die Schwerkranken in Kranken-
häusern unterzubringen seien, wo sie für ihren schwereren Zustand alle Pflege
finden und auch Hoffnung auf Heilung behalten.
Für Lungenkranke wird man aber nicht Krankenhäuser im Zentrum
großer Städte, sondern möglichst kleinere, ländliche Krankenhäuser wählen
(mit einer Liegehalle im Garten für die nicht dauernd Bettlägerigen) und wird
ihnen darin die luftigsten, sonnigsten Zimmer einräumen; Sorge für Isolierung,
Desinfektion etc. ist die Sache der Krankenhausárzte.
In solche Krankenháuser werden die schwer Lungenkranken nicht schwerer
zu bringen sein als andere Kranke auch, und sie werden darin bleiben, wenn
man sie zu halten sucht, wenn sie sehen, daß etwas für’ sie geschieht, wenn
Heilbehandlung mit ihnen vorgenommen wird. Der Prozentsatz der Lungen-
kranken, welche in allgemeinen Krankenanstalten, nicht in ihren Wohnungen,
sterben, muß allmählich immer größer werden; jetzt sind es nur etwa (ef,
1) Weitere Aufgaben im Kampfe gegen die Tuberkulose. Arztl. Mitteil. aus u. für Baden
1908, Nr. 15 u. 16. E
Invalidenversicherung und Tuberkulosebekämpfung. Arztl. Vereinsbl, f. Deutschland. Jg. 1908,
Nr. 675.
‘DE | ue ZEITSCHR. t.
430 RUMPF, UNTERBRINGUNG SCHWERKRANKER ETC. Cette
Es handelt sich um die allgemeine Propagierung des Grundsatzes:
Schwerkranke gehóren in Krankenhausbehandlung, um dringliche Ein-
wirkung in jedem Fall von ungenügender Unterkunft und Pflege und An-
steckungsgefahr fir die Umgebung, um Zureden und Belehrung durch die
Arzte, Fürsorgeschwestern, Landestuberkuloseausschiisse etc.
Möglich ist dies nur, wenn man weiß: In jedem Fall werden die Kosten
gedeckt.
Daß bei nichtversicherten, mittellosen Schwerkranken die Kommune für
die Unterbringung in Krankenhäusern sorgen muß, ist anerkannt. Wird es
möglich sein, für die große Zahl der Versicherten den $ 25?) für die Unter-
bringung Schwerkranker nutzbar zu machen, ahnlich wie es bei dem § 18 für
das Heilstättenwesen in so umfang- und segensreicher Weise geschah?
Zunächst ist dazu zu sagen, daß die Kosten dafür niemals annähernd
einen ähnlichen Umfang annehmen werden, und dann suchen einzelne Ver-
sicherungsanstalten ja jetzt schon seit Jahren ihre Invaliden in Krankenhäusern
unterzubringen, und gewiß würden andere ebenso dazu bereit sein, so gut wie
Oldenburg, Hessen, Rheinland u. a.
Man hat gesagt: Es handelt sich um den Schutz der Allgemeinheit vor
Seuchengefahr, und dieses ist nicht Sache der Arbeiterversicherung. Der
Schutz der Allgemeinheit kommt aber doch höchstens mittelbar in Jahrzehnten
in Frage und zur Geltung, unmittelbar handelt es sich um Aufwendungen für
den tuberkulösen Invalidenrentner selbst, um seine bessere Unterbringung und
Pflege und die Bewahrung seiner Familie vor Infektion.
Aus diesem Gesichtspunkt heraus werden zweifellos diesbezügliche Anträge
bei der Versicherungsanstalt Gehör finden, jedenfalls wenn andere Träger der
Kosten der Krankenhausbehandlung nicht vorhanden sind.
Für die allgemeine Propagierung des Grundsatzes: Schwerkranke gehören
in Krankenhauspflege, wäre aber eine Erklärung seitens der Versicherungs-
anstalten sehr förderlich: Wir sind bereit, lediglich gegen Einziehung der Rente,
wo immer dessen Einwilligung erlangt wird, für jeden tuberkulösen Invaliden-
rentner die Kosten der Krankenhausbehandlung zu übernehmen, wenn der Arzt
wegen ungenügender Unterkunft und Pflege und Gefährdung seiner Umgebung
dies beantragt. ;
Natiirlich wird es um so leichter sein, die Zustimmung des Kranken zu
erreichen, wenn man versprechen kann, daf von anderer Seite etwas fir die
Familie geschieht.
Zweifellos wiirde die allgemeine Anerkennung und die allmahliche weitere
Durchfiihrung dieses Grundsatzes einen Schritt vorwárts im Kampfe gegen die
Tuberkulose bedeuten.
Schweigend wiirde damit auch der andere Grundsatz anerkannt werden:
In die Heilstatte gehóren nur heilbare und besserungsfahige Kranke.
1) $ 25. „Auf Grund statutarischer Bestimmung der Versicherungsanstalt kann der Vorstand
einem Rentenempfinger auf scinen Antrag an Stelle der Rente Aufnahme in ein Invalidenhaus oder
ähnliche von Dritten unterhaltene Anstalten auf Kosten der Versicherungsanstalt gewähren, . .*
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BD.XIN EFTS. KURASHIGE, SYMPTOM DER LUNGENTUBERKULOSE. 431
XXXII.
Über ein äußeres Symptom der Lungentuberkulose.
(Aus der Spezialklinik für die Lungentuberkulose der medizinischen Akademie zu
Osaka, Japan; Direktor Prof. A. Sata.)
Von
Teesi Kurashige.
or einiger Zeit hat Dr. George Siracoff in der „Zeitschrift für Tuber-
d kulose“ Bd. XI, Heft 5, über „ein wichtiges äußeres Symptom der
DH beginnenden Lungen- und Bronchialdrüsentuberkulose“ folgender-
Be berichtet, ausgehend von dem Gesetze von Louis, daß sich die Lungen-
tuberkulose bei jüngeren Personen, besonders auch Kindern, zuerst in den
Bronchialdrüsen lokalisiert und event. von dort aus auf die Lunge weiter-
schreitet.
„Krönig und Naumann haben darauf aufmerksam gemacht, daß bei
Schwellung der Bronchialdrüsen und bei Lungentuberkulose die Brustvenen
gewisse Veränderungen zeigen. Ich möchte nun darauf hinweisen, daß in der-
artigen Fällen schr oft auch die Temporalvenen erweitert sind und zwar immer
auf der Seite am stärksten, auf der die Bronchialdrüsen erkrankt sind. Ich
habe bei vielen der jüngeren Kranken allein aus der Betrachtung der Temporal-
venen erkennen können, auf welcher Seite die in der ,,Tuberculosis Nr. 5,
Jahrgang 1907, von Prof. Espine-Genf beschriebenen Veränderungen des
Stimmfremitus, die bei den Franzosen ,Chuchotement' und Bronchophonie
genannt werden, zu finden sein würden. Mit absoluter Sicherheit hat sich dies
jedesmal bestätigt, auch in den Fällen, bei denen diese Fortleitung und Wider-
hall der lauten, noch besser der Flüsterstimme beiderseits, aber auf der einen
Seite stärker zu hören war.“
Siracoff geht weiter: ..Was die Beschaffenheit, Verästelung etc. der
Temporalvenen anbetrifft, so findet man bei ihnen einen verschiedenen Verlauf.
Jedenfalls aber bildet der höhere Grad der Venenausbildung einen Maßstab für
die Größe des Ilindernisses, d. h. für die Größe der Bronchialdrüsenschwellung.
Die Sache liegt am klarsten, wenn auf der einen Seite normale, auf der anderen
Seite stark pathologische Venenbildung zu sehen ist. Weniger zuverlässig aber
ist der weitergehende Schluß auf Erkrankung der Lunge. Da findet man nicht
selten doch bei der nachfolgenden Auskultation und Perkussion Veränderungen, auf
die man aus der Betrachtung der Temporalvenen allein nicht geschlossen hätte.“
In letzterer Zeit habe ich nun in unserer Klinik die Gelegenheit gehabt,
auch bei unseren Kranken die genannten Veränderungen der “T'emporalvenen
zu betrachten, und zwar das Verhalten der letzteren bei Erwachsenen zu unter-
suchen. Diese beobachteten Fälle finden sich aber meist nicht im Frühstadium
der Erkrankung, sondern es handelt sich um den mehr oder weniger vor-
geschrittenen Stand der Lungenaffektion.
Die Ergebnisse meiner Untersuchung sind folgende: (Tab. I).
In dieser Tabelle ist das Krankheitsstadium nach dem Prinzip von
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
432
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433
EIN AUSSERES SYMPTOM DER LUNGENTUBERKULOSE.
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434 | FRS RURASHITE = TUBERKULOSE
Turban-Gerhardt eingeteilt, welches in der letztjährigen internationalen Tuber-
kulosekonferenz einstimmig angenommen wurde.
Resümieren wir nun das Resultat, so haben wir ọ5 Fälle von Lungen-
tuberkulose auf einer einzelnen Brustseite. Wenn diese Fälle unter der gemein-
samen Beziehung, ob in den manifest tuberkulösen Personen die Temporal-
venen gewisse Veränderungen erfahren haben oder nicht, zusammengefaßt
werden, so ergibt sich, daß in 89 Fällen resp. bei 93,7%/, die Temporalvenen
sich einwandsfrei positiv im Sinne Siracoffs verhalten. Es ergeben sich nur
6 Fälle, bei denen die Venen sich negativ verhalten.
Wenn man die erwähnten Krankenfälle genau betrachtet, bestätigt sich in
den betreffenden 40 Fällen, d.h. in Fällen von Lungentuberkulose der Er-
wachsenen, die Behauptung, die Siracoff ausschließlich für Fälle von Bron-
chialdrüsentuberkulose der Kinder aufstellt.
Unter den übrigen 10 Fällen findet man bei 5 (Nr. 8, 12, 13, 32 und 33)
keine Veränderung der Temporalvenen einseitig oder selbst beiderseitig. Unter
diesen 5 Fallen aber gibt es 4 Fälle, in welchen, entsprechend dem starken
Katarrh des rechten Oberlappens, eine leichte Erweiterung der Temporalvenen
auf derselben Seite vorhanden ist, während keine Veränderung auf der anderen
Seite sichtbar ist, auf welcher die Lunge von leichtem Katarrh befallen wurde.
Ich kann also darauf hinweisen, daß die Temporalvenenerweiterung in ein und
demselben Menschen, ja auch in den genannten 4 Fällen selbst, wie bei andern,
wohl auf der Seite stärker hervortritt, auf der die Krankheitsprozesse mehr
vorgeschritten sind.
In einem anderen Falle aber stellt sich die Veränderung der Venen trotz
des ziemlich verschlimmerten Prozesses garnicht dar.
Es ist nicht unnötig hier hinzuzufügen, daß in den oben erwähnten
5 Fällen auch die Hautvenen im allgemeinen kaum durch die Haut sichtbar
waren. Was den Grund dieser Tatsache anbelangt, so bin ich berechtigt an- -
zunehmen, daß die Hautvenen bald in phlegmatischem, bald in anämischem
Zustand der Kranken undeutlich werden können. In den Fällen also, wo
Siracoffs Symptom negativ ausfällt, muß die so gut wie immer bestehende
Undurchscheinbarkeit der Haut stets bemerkt werden.
In den noch anderen 5 Fällen vom III. Stadium (Nr. 18, 34, 37, 41 und
48) hingegen sind die Verhältnisse zwischen den Veränderungen der Temporal-
venen und den Ständen der Erkrankungen unregelmäßig oder selbst umgekehrt.
Es könnte sich jedoch in noch früheren Stadien der Erkrankung ein regel-
mäßiges Verhaltnis zeigen, wie in anderen Fällen, denn dieses Verhältnis wird
im Laufe der Krankheit mehr oder weniger vollständig mit einem andern ver-
tauscht werden. Das Hindernis des Blutstromes, welches die Veränderung der
Temporalvenen hervorruft, entwickelt sich nicht parallel mit dem Fortschritt
des Krankheitsprozesses, sondern es verbleibt in irgendeinem leichten Grad
oder verschwindet sogar. Denn man sieht in fast allen Fällen des vorgeschrittenen
III. Stadiums die Temporalvenen durchaus nicht stärker erweitert im Vergleiche
mit den anderen Fällen von verhältnismäßig früheren Stadien. Ja ich sehe
sogar keine Erweiterung der Venen in einem Falle vom III. Stadium (Nr. 13),
A
BD.XULMEFTO. LIN ÄUSSERES SYMPTOM DER LUNGENTUBERKULOSE, 435
während andererseits die stark erweiterten und geschlängelten Temporalvenen
bei vielen vom früheren Stadium beobachtet werden. Der Blutverlust resp.
die Anámie, die sich gewóhnlich parallel mit der Progredienz der Krankheit
entwickelt, muß also der Grund dafür sein, daß die genannte Venenerweiterung
sogar bei mehr vorgeschrittenen Phthisikern niemals stark hervortritt. Vor
kurzer Zeit berichtete N. J. Strandgaard über den Blutdruck bei der Lungen-
tuberkulose. Seine tonometrischen Untersuchungen bei vielen Phthisikern
zeigen, daß der Blutdruck hier niedriger wird,, wenn die Erkrankung weiter
fortschreitet.
Angesichts der oben genannten Tatsache vermute ich folgendes: Die
individuelle Verschiedenheit von dem Grade der Temporalvenenerweiterung
scheint mir von dem Fortschritt der Krankheit unabhängig, und nur von den
Individualitäten — mögen es die der Blutgefäße oder der Hautsein — abhängig zu
sein. Ferner ist auch der Grad der gegenseitigen Temporalvenenerweiterung
bei vielen Kranken vom III. Stadium unabhängig von dem Krankheitsprozesse
auf einer einzelnen Brustseite. Deshalb kann die Stärke dieses Symptoms
keineswegs den Grad des Prozesses der verschiedenen Erkrankten zeigen, ob-
wohl sie den Grad dis gegenseitigen Prozesses auf demselben Kranken vom
verhältnismäßig früheren Stadium zeigt.
Was das Verhalten der Temporalvenen des gesunden Menschen anbetrifit,
so kann ich darüber nichts Bestimmtes sagen, ob sie sich stets im Sinne
Siracoffs negativ verhalten oder nicht, denn ich hatte nie Gelegenheit, dies
bei den Gesunden zu betrachten.
Leider kann ich also nichts über die Bedeutung dieses Symptoms für
das frühere Zeichen der Lungentuberkulose der Erwachsenen sagen. Wenigstens
aber bin ich berechtigt zu behaupten, daß die Beschreibung von Siracoff
über die Temporalvenen tuberkulöser Kinder auch in Fällen von Lungentuber-
kulose der erwachsenen Menschen, aber nur in bezug auf das Vorkommen des
Symptoms und nicht auf die Bedeutung desselben, zuverlässig ist.
Die folgende Tabelle II, die ich nach der vorliegenden Arbeit zusammen-
stellte, bildet auch einen Beleg für meine Anschauungen. Ich will hier auf
diese Tabelle nicht weiter eingehen, da die Ergebnisse .derselben fast ganz
gleich der vorstehenden sind. Vergleicht man in der einzelnen Tabelle die
Resultate untereinander und dann die beiden Tabellen gegenseitig, so erweist
sich dies zur sicheren Erkenntnis meiner Angabe als geeignet. (Tabelle II.)
Schlußfolgerungen:
1. In fast allen Fällen (ca. 93%/,) von Lungentuberkulose der erwachsenen
Menschen findet man die Erweiterung der Temporalvenen auf der der Affektion
entsprechenden Seite. 7
2. Das Ausbleiben dieses Symptomes hängt wahrscheinlich in hohem
MaBe von den individuellen Eigenschaften und dem allgemeinen Zustand ab.
3. Die Temporalvenenerweiterung bei ein und demselben Menschen ist
starker auf der mehr vorgeschrittenen Scite als auf der andern.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
TEESI KURASHIGE.
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4. Diese Tatsache ist aber nicht immer mafgebend; im III. Stadium der
Krankheit ist es ófters unzutreffend, bisweilen auch das gerade Gegenteil
der Fall.
5. Die individuelle Verschiedenheit der Stárke dieses Symptoms ist eben-
falls von den individuellen Eigenschaften und dem allgemeinen Zustand ab-
hängig, aber nicht von dem Krankheitsprozesse.
Hiernach werde ich weiter diesem Symptome meine Aufmerksamkeit
schenken und voraussichtlich später noch eine genauere Arbeit veróffentlichen.
BD.XULHEFT. EE ES
ie. HONJIO, KONGENITALE TUBERKULOSE. 439
XXXIII.
Ein Fall von kongenitaler Tuberkulose.
(Aus dem pathologischen Institut der medizinischen Hochschule zu Osaka, Japan.
Dircktor: Prof. A. Sata.)
Von
Dr. W. Honjio.
enn auch die Übertragung der Tuberkulose von der Mutter auf den
JA i Fötus als eine Seltenheit betrachtet werden muß, so sind doch in den
I] letzteren Jahren eine große Reihe von unzweifelhaften Fallen dieser’ Art
publiziert worden, und damit ist die Möglichkeit einer intrauterinen Infektion
der Tuberkulose außer Zweifel gestellt.
Eine solche unzweifelhafte Infektion — eigentlich kongenitale Tuber-
kulose — wurde bei den totgeborenen Föten oder mehrtägigen Neugeborenen
von Charrin in ı Fall, von Merkel in ı Fall, von Denne in 2 Fällen, von
Schmorl und Birch-Hirschfeld in ı Fall, von Aviragnet in ı Fall, von
Hochsinger in 3 Fällen, von Honl in ı Fall, von Bugge in ı Fall, von
Arche und Chambrelent in ı Fall, von Lebkuechner in 2 Fällen, von
Heitz in 1 Fall, von Vesprémi in 1 Fall mitgeteilt.
Bei einer solchen Infektion wurde in mehreren Fällen die Tuberkulose
der Plazenta festgestellt, z. B. ı5 Fälle von Schmorl und seinen Mitarbeitern,
2 Fälle von Lehmann, 1 Fall von Aviragnet, 1 Fall von Arche und Cham-
brelent, 1 Fall von Runge, 1 Fall von Carl.
Aber hinsichtlich der einzelnen Fälle, in welchen sowohl in der Plazenta
wie auch in den kindlichen Organen die tuberkulósen Veränderungen oder
Tuberkelbazillen aufzuweisen sind, und danach der Infektionsweg nachweisbar
ist, móchte ich nur auf die eingehenden Untersuchungen von Schmorl und
Birch-Hirschfeld, Aviragnet und Arché und Chambrelent hinweisen.
Also sind Fälle, in welchen eine kongenitale Tuberkulose des Fötus
sicherlich nachweisbar und der Infektionsweg mit Sicherheit festgestellt worden
ist, noch sehr spärlich.
Es wird von Interesse sein, wenn ich im folgenden einen Fall mitteile,
in welchem nicht nur in der Plazenta, sondern auch im Fötus tuberkulöse
Veränderungen nebst Tuberkelbazillen nachgewiesen worden sind.
Der Fall betrifft eine 35 jährige Frau G. T. aus Osaka. Sie kam den
6. Oktober 1906 wegen Übelkeit, Erbrechens und Brustschmerzen in die medi-
zinische Klinik.
Anamnese: Eltern, Geschwister und 3 Kinder gesund, hereditäre Belastung
nicht nachweisbar. Die Patientin war früher gesund, seit März d. J. hatte sie
Husten, Auswurf, Appetitlosigkeit nebst einer allmählich zunehmenden Abmage-
rung; letzte Menses am 10. Juli.
Status praesens: kräftiger Körperbau, schlechte Ernährung, blasse Haut-
farbe, Körpertemperatur 36,5 °C.
Brustbefund: Spitzenstoß an der V. Rippe innerhalb der Papillarlinie,
440 W, HONJIO. TUBERKULOSE
zweiter Pulmonalton verstärkt. Beide Spitzen, besonders rechts, sehr verkiirzter
Schall mit rauhem Atemgeráusch, rechts spärliche Rasselgeráusche.
Magengegend sehr empfindlich. Nabelgegend und Unterleib rechts em-
pfindlich. Kot mit reichlichen Eiern von Ascaris lumbricoides. Harn normal.
Seit der Aufnahme in die medizinische Klinik schritten allgemeine Sym-
ptome von Tag zu Tag vor, und dann zeigten sich ausgesprochene Zeichen
der vorgeschrittenen Lungenphthise und Darmtuberkulose; Fieber schwankt in
35,5—38,8°C fortwährend. Den 30. November gegen 3 Uhr nachts (56 Tage
nach der Aufnahme) fanden leichte Wehen statt, darauf folgten Blasen-
sprengung und Blutungen; aber in der Blutmasse waren weder Fötus noch
Plazenta vorhanden. Um ı Uhr nachmittags desselben Tages tritt der Exitus
unter zunehmender Somnolenz ein. |
Klinische Diagnose: Tuberculosis pulmonalis et intestinalis; 5 Monate der
Gravidität. |
Sektionsbefund.
A. Sektionsbefund der Mutter ist kurz folgender: (2 Stunden nach dem
Tode wurde die Leiche seziert. An der Epiglottis und Glottis finden sich
kleine seichte tuberkulöse Geschwüre.
Rechte Lunge zeigt fibröse Verwachsung an der Oberfläche. Beide
Lungen sind von zahlreichen gelblich-weißen Knoten in verschiedener Größe
durchsetzt; im Ober- und Unterlappen beiderseits zahlreiche erbsen- bis taubenei-
große Kavernen mit käsigem Inhalt sichtbar.
Im Ileum unteren Teils, im Kökum und Kolon befinden sich mehrere
tuberkulöse Geschwüre verschiedener Größe, und zahlreiche Knötchen an der
der Serosa entsprechenden Stelle.
Miliare Tuberkel in der Milz, Leber und in der rechten Niere.
Bronchial-, Mesenterial-, Retroperitoneal-, Halsdrüsen und Lymphdrüsen
amı Leberhilus sind ebenfalls bohnengroß vergrößert, induriert und deutlich verkäst.
Uterus: Größe 11: 10:7; an der Oberfläche des Fundus uteri weisen sich zwei
submiliare bis hanfkorngroße, gelbliche, knötchenförmige Verdickungen auf.
An der Scheide ist zuerst der Kopf des Fötus sichtbar, dann im Uterusinnern
eine ganz abgelöste l’lazenta. Die Innenfläche des Uterus zeigt ein puerperales
Aussehen ohne nennenswerte Veränderung. Die Scheidenschleimhaut stark
injiziert. An den Ovarien und Tuben findet sich nichts Besonderes.
Plazenta zeigt keine makroskopische Veränderung auf den beiden Flächen;
Beim schichtweisen Durchschneiden durch die ganze Plazenta wurde ein hanf-
korngroßer abgegrenzter grauer Knoten gefunden, welcher nahe am Rande
liegt und den Tuberkeln ähnelt. Außerdem sind mehrere miliar bis submiliare
gelbliche Knötchen disseminiert. An der Nabelschnur nichts Besonderes nach-
weisbar.
B. Sektionsbcfund des Fôtus. 24 cm langer, gut entwickelter Fötus mann-
lichen Geschlechts; Totenflecke deutlich ausgesprochen; kein Zeichen von Maze-
ration. Situs visecrum normal, in der Bauchhóhle nicht Besonderes; Mesen-
terium sehr hyperamisch. Herz intakt. Lungen und Milz reich an Blut. Leber
sehr spröde, blutreich, makroskopisch findet sich keine tuberkulöse Veränderung.
BD.XIILHEFT 6.
1408.
KONGENITALE TUBERKULOSE. 441
Nieren weich, blutreich; Kapsel schwer abziehbar, Parenchym ctwas trübe,
keine Tuberkel darin zu sehen. Magen und Darm zeigen sich völlig normal.
Zwei Retroperitonealdrüsen sind reiskorngroß vergrößert, deren Ober-
fläche gelblich-weiß, Schnittfläche deutlich verkäst.
Bronchial-, Mesenterialdrüsen und Lymphdrüsen am Leberhilus sind eben-
falls mehr oder weniger vergrößert, keine tuberkulöse Veränderung.
Um genaue Sektionsbefunde zu erhalten, wurden verschiedene Organe
mikroskopisch untersucht und ferner ein Stück der Plazenta und das einer
fötalen Retroperitonealdrüse Versuchstieren eingeimpft.
Zwecks mikroskopischer Untersuchung habe ich mehrere Stücke der
mütterlichen und fötalen Organe nach der Fixierung (Kaiserling) und Zelluloid-
einbettung in Schnitten zerlegt und dann mit verschiedenen Färbungen auch
nach Ziehl-Nielsen behandelt.
Mikroskopische Untersuchung.
a) Organe der Mutter. In den beiden Lungen, besonders rechts,
zeigt sich einerseits das Bild der typischen Lungentuberkulose mit einer aus-
gedehnten interstitiellen, vorwiegend rundzelligen Infiltration nebst Bindegewebs-
wucherung, andererseits findet sich eine reichliche Epitheldesquamation und
Leukocytenansammlung. An demselben Herde lassen sich überall massenhafte
Tuberkelbazillen nachweisen.
In der Milz, der Leber und der rechten Niere sind ebenfalls miliare
Tuberkel mit käsigem Zentrum, Langhansschen Riesenzellen, und vielen
Tuberkelbazillen erkennbar; auch typische tuberkulöse Veränderungen mit
Tuberkelbazillen in der lleokókalgegend und in den Bronchial- und Mcsenterial-
driisen.
An einer Gefäßwand in der Muskelschicht von Rundzellen und von
Erythrocyten, die unmittelbar dem Gefaflumen aufsitzen, ist die große Anzahl
der Tuberkelbazillen sowohl in demselben Ilerde, als auch im Blut der anderen
verschiedenen Gefäße nachweisbar.
b) Plazenta und Nabelschnur. Kleine Stücke aus verschiedenen
Stellen der Plazenta wurden zwecks mikroskopischer Untersuchung heraus-
geschnitten. In den Schnittpräparaten von den makroskopisch verdächtigen
Stellen findet man fötalwärts nahe an der Basalplatte eine käsige Partie mit
Blutung, welche im käsigen Zentrum und dessen Umgebung zu finden ist. Ferner
findet sich ein käsiger Herd sowohl in der Basalplatte wie auch in der Plazenta
foetalis, und dieser käsige Herd ist scharf begrenzt durch ein lamelles Binde-
gewebe und enthält eine spärliche Anzahl von Tuberkelbazillen im käsigen
Zentrum, während in den peripherischen Rundzellenherden zahlreiche Tuberkel-
bazillen zu finden sind.
Schnitte von anderer Stelle !) erweisen in benachbarter Schicht der Plazenta
foetalis kleinzellige Infiltration nebst hochgradiger Bindegewebswucherung mit
zerstreuten Erythrocyten und fibrinähnlicher Masse. Weitere Schnitte von den
übrigen Stellen zeigen außer einigen Tubcrkelbazillen viele Diplokokken und
1) Makroskopisch gelblich durchscheinende Stelle.
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIIL 29
ZEITSCHR. f.
442 W. HONJIO. o TUBERKULOSE
andere Bazillen in intervillösen Räumen. Hier darf ich jedoch nicht außer acht
lassen, daß ich trotz genauer Verfolgung nirgends tuberkulöse Herde an der
Oberfläche der Zotten finden konnte, wie sie Schmorl, Kockel und Runge
beschrieben, und daß keine Riesenzellen an den oben beschriebenen Herden
nachzuweisen sind.
Nabelschnur. Durch eine genaue planmäßige Untersuchung konnte man
keine tuberkulöse Veränderung entdecken, aber 2 Tuberkelbazillen wurden
zwischen den roten Blutkörperchen im Lumen von Arteria umbilicales
gefunden.
c) Organe des Fötus. Retroperitonealdrüsen. Das Gewebe erscheint
im allgemeinen zellenarm; die Struktur des Sekundärknötchens ist größtenteils
nicht mehr wahrnehmbar, und man findet daselbst einen körnigen Detritus und
geringe Anzahl von Epitheloidzellen; Tuberkelbazillen erwiesen sich zwischen
den Zellen in groBer Menge.
Die Untersuchung mehrerer Schnitte an verschiedenen Gegenden der
Leber ergibt das Bild einer parenchymatösen Degeneration, und nur ein Stück
von Tuberkelbazillen wurde in den Kapillaren der Leberacini gefunden.
Die Nieren zeigen parenchymatöse Degeneration, sowie Tuberkelbazillen
in Kapillaren des Interstitiums.
In der Lunge, Milz und anderen Lymphdrüsen konnten weder Tuberkel,
noch Tuberkelbazillen nachgewiesen werden.
Tierversuch.
Eine angeschwollene Retroperitonealdrüse wurde als Ganzes heraus-
genommen und erst 20 Minuten lang in 5%, iger Karbollösung, dann in
0,5°/,iger Kalilauge abgespült, endlich in sterile, physiologische Kochsalz-
lösung übertragen. Die so behandelte Drüse wurde unter allen aseptischen
Kautelen in einer steilen Schale zerrieben. Ein sogleich von dieser Masse
angefertigtes Ausstrichpräparat zeigte einige sichere Tuberkelbazillen.
Ferner wurde diese Masse einem Meerschweinchen subkutan am Bauche
eingeimpft, und unter allen Kautelen der Asepsis die Wunde wieder vernäht.
Der Sektionsbefund des 29 Tage nach der Impfung getöteten Tieres ist
folgender: i
Die Impfstelle infiltriert; die regionären Lymphdrüsen etwas vergrößert,
besonders Inguinaldrüsen linsengroß. In der Milz sind einige miliare Tuberkel;
in Schnittpräparaten, die von allen Lymphdrüsen und der Milz angefertigt
worden sind, fand man eine histologisch typische tuberkulöse Veränderung mit
großer Anzahl Tuberkelbazillen.
Ein anderes Tier, welches auf die oben beschriebene Weise mit einem
Stückchen der Plazenta eingeimpft worden ist, ging eine Woche nach der
Impfung ohne positives Resultat zugrunde. Die Ausstrichpräparate von der
Impfstelle, vom Herzblut und von der Milz wiesen mehrere Diplokokken und
Pneumobazillen ähnliche Bazillen auf.
Epikrise.
Wenn ich nun die oben erwähnten Befunde zusammenfasse, so ergibt
sich kurz folgendes:
NÉE du KONGENITALE TUBERKULOSE. 443
1. Bei der Sektion eines Fótus von 3 monatlicher Graviditát, dessen
Mutter an Lungen- und Darmtuberkulose nebst allgemeiner Miliartuberkulose
zugrunde gegangen war, findet man die Retroperitonealdrüsen reiskorngroß
vergrößert.
2. Die Veränderung der fötalen Retroperitoncaldrüsen wurden sowohl
durch histologische Untersuchung als auch durch Impfversuche als Tuberkulose
nachgewiesen. |
3. Ferner stellte man auch histologisch in den fötalen Organen Tuberkel-
bazillen fest, außerdem in der Leber und den Nieren eine parenchymatöse
Veränderung.
4. Was die Plazenta anbelangt, so hat es den Anschein, als ob der
tuberkulüse Prozeß erst in der Decidua basalis Platz genommen hätte, und dann
in die benachbarte Schicht der Placenta foetalis übergegangen wäre.
5. Bezüglich des Infektionsweges der Tuberkulose auf den Fötus im vor-
liegenden Falle ist es zweifellos, daß durch die in der Plazenta lokalisierten
tuberkulösen Herde erst eine direkte Kommunikation zwischen dem muútter-
lichen und dem kindlichen Blute vermittelt worden ist, und daß dann die von
der Mutter herstammenden und durch plazentären Blutkreislauf passierten
Tuberkelbazillen durch die Vena umbilicales in den Fötus gelangt sind.
Schlußfolgerungen.
1. Im vorliegenden Fall handelt es sich zweifellos um eine sicher nach-
gewiesene kongenitale Tuberkulose.
2. Auf Grund dieser Erfahrung halte ich für möglich, daß den mensch-
lichen Fötus von der Mutter Tuberkulose direkt infiziert werden könne, voraus-
gesetzt, daß eine Tuberkulose in der Plazenta vorhanden ist, daß also eine
plazentäre Infektion der Tuberkulose möglich ist.
3. Damit könnte man wohl bezweifeln, ob eine plazentäre Infektion der
Tuberkulose ohne tuberkulöse Veränderung oder Blutung in der Plazenta noch
möglich sein kann.
Zum Schlusse erfülle ich die angenehme Pficht, meinen hochverehrten
Lehrern Herrn Prof. Sata, Prof. Dr. Tanaka und Herrn Kollegen Dr. Ishii für
ihre gütigen Ratschläge bei meiner Untersuchung meinen herzlichen Dank aus-
zusprechen.
Literaturverzeichnis.
1) Bugge, Zieglers Beitr. z. pathol. Anat. Bd. 19, p. 432.
2) Carl, Zieglers Beitr. z. pathol. Anat. Bd. 41, Hett 3.
3) Hamm u. Schrumpf, Centralbl. f. Bakt. etc, J. Abt. Orig., Bd. 44.
4) Kockel u. Lungwitz, Zieglers Beitr. z. pathol. Anat. Bd. 16.
5) Lehmann, Dtsch. med. Wchschr. 1893, Nr. 9.
6) Lubarsch-Ostertag, Ergeb. d. allg. Pathol. u. pathol, Anat. 1895, 2. Jg.
7) Dieselben, Ergeb. d. allg. Pathol. u. pathol. Anat. 1899, 6. Jg.
8) Runge, Arch. f. Gynäk. Bd. 69,
9) Schmorl u. Birch-Hirschfeld, Zieglers Beitr. z. pathol. Anat. Bd. 9.
10) Schmorl u. Kockel, Zieglers Beitr. z. pathol. Anat. Bd. 16,
11) Schmorl u. Geipel, Münch. med. Wehschr. 1904, Jg. 51.
12) Vesprémie, Centralbl. z. allg. Pathol. und path. Anat. Bd. 15.
REFERATE.
ZEITSCHR, t.
TUBERKULOSF.
Il. REFERATE UBER BUCHER UND AUFSÄTZE
I. Ätiologie und Verbreitung der
| Tuberkulose.
Tuberkulose und Erkrankung der At-
mungsorgane bei den Arbeitern in
den Sandsteinbrüchen etc. Lothrin-
gens. (Med. Reform, 1908, Nr. 19,
p. 232.)
Durch die zunehmende Verwendung
von Schrámmaschinen haben die frúher
häufigen und unheilvollen Erkrankungen
der Lunge und anderer Atmungsorgane
bei den Arbeitern in den Sandstein-
brúchen Lothringens in letzter Zeit
merklich nachgelassen. Die Schrämarbeit
gehört zu der allerungesundesten Tä-
tigkeit.
Die Erkrankungen der Atmungs-
organe bei den Arbeitern in den Super-
phosphatfabriken waren nicht häufiger
als bei den Arbeitern anderer Fabriken.
Die Tuberkulose ist bei den Ar-
beitern in den Bäckereien ziemlich ver-
breitet. Als besonders wirksam gegen
die schädlichen Einwirkungen der Bäcker-
tätigkeit erweist sich die Einführung von
Maschinen, die die Arbeitszeit wesentlich
verkürzen können; nur darf die Zahl der
Arbeitskräfte nach Anschaflung von Ma-
schinen nicht verringert werden.
Nachtarbeit müßte auf jeden Fall abge-
schafft werden.
Schellenberg (Ruppertshain).
H. Weinberg: Über die Fruchtbar-
keit der Phthisiker beiderlei Ge-
schlechts. (Med. Reform 1908, Nr. 24,
p. 285.)
Verf. beschäftigt sich in seinem Vor-
trag hauptsächlich mit der Fruchtbarkeit
der weiblichen Tuberkulösen und nimmt
zu den Einwänden Heimanns (Med.
Klin. 1907) Stellung. Er hat eine Samm-
lung aller in den Jahren 1873—1902
in Stuttgart vorgekommenen Todesfälle
von Tuberkulose ins Leben gerufen und
diese erhaltenen Zählkarten durch No-
tizen über familienstatistische Daten aus
den aktenmibigen Aufschrieben der
ege
Die |
wiirttembergischen Familienregister wert-
voller gemacht. Er macht auf dieses
statistische Material, das in der Hand-
schriftensammlung der Kgl. Württ. Lan-
desbibliothek zu Stuttgart liegt und das
Verfolgen der Schicksale der Familien
Tuberkulöser bis zum Aussterben einer
Generation ermöglicht, aufmerksam.
Seine statistischen Untersuchungs-
ergebnisse standen im scharfen Gegen-
satz zu den klinischen Statistiken beson-
ders der inneren Kliniken, bei denen
die Tuberkulose nach eingetretener
Schwangerschaft sehr häufig ungünstig
verlief.
Auf Grund seiner Resultate glaubt
Verf., daß die Sterblichkeit an Tuberkulose
in vorgerückter Schwangerschaft und
nach der Geburt nahezu normal, viel-
leicht sogar übernormal ist, die Norm
höchstens wenig überschreitet und daß
hauptsächlich nur die Berücksichtigung
der Aborte in der teilweisen Schonung
tuberkulöser Frauen zu Ungunsten des
Einflusses der Schwangerschaft anzu-
schlagen ist. Eine Erhöhung der Tuber-
kulosemortalitit durch Schwangerschaft
und Wochenbett um 10—20°/, hält er
für nicht zu niedrig gegriffen. Diese
Steigerung ist zwar nicht gleichgültig,
aber auch nicht derart, daß sie nicht
zur Warnung vor übertriebenen Schät-
zungen des Erfolges der künstlichen
Fehlgeburt berechtigt.
Der künstliche Abortus bleibt nur
ein sehr bedingtes und momentanes Heil-
mittel, vor allem muB jedenfalls einmal
ein ausgiebiger Versuch mit Heilverfahren
bei tuberkulösen Frauen sowohl während
der Schwangerschaft wie bald nach der
Geburt gemacht werden ein Vor-
schlag, dem sich Referent in keiner Weise
anschließen kann.
Den Tuberkulösen, die die Schwan-
gerschaft fürchten, steht der Weg der
rechtzeitigen Sterilisierung frei; es ist
empfehlenswert, daß der rückhaltlosen
Empfehlung des künstlichen Abortus bei
Tuberkulösen durch Einführung einer
Anzeigepflicht und behördlichen Kon-
BD.XIIL,HEFT 5.
1908.
trolle der artefiziellen Aborte überhaupt
gesteuert wird.
Nach den Erfahrungen des Vf.’s
schadet eine regelrechte Geburt der Frau
weniger als zwei oder mehr sich rasch
folgende Aborte.
Schellenberg (Ruppertshain).
Diskussion über den Vortrag des Herrn
Dr. med. Weinberg: Über die
Fruchtbarkeit bei Phthisikern
beiderlei Geschlechts. (Med. Re-
form 1908, Nr. 25, p. 303.)
Heimann hält noch die grund-
sätzliche und allgemeine Aufhebung der
Schwangerschaft tuberkulöser Frauen für
geboten, da es zurzeit noch nicht mög-
lich ist, die Gruppen der gefährdeten
und nicht gefährdeten Frauen auch nur
mit angehender Sicherheit zur rechten
Zeit zu unterscheiden. Es gibt natürlich
Ausnahmen, wie sie durch die Aussichts-
losigkeit des Falles oder durch den Willen
der Kranken gegeben sein können. Hei-
mann spricht sich bestimmt für den
frühzeitigen künstlichen Abortus aus.
Hamburger erklärt die Frage des
künstlichen Abortus für absolut erledigt,
was wohl nicht ganz stimmen dürfte; er
erklärt die Weinbergschen Vorschläge
einer Aufnahme tuberkulüser Schwangerer
in die Lungenheilstätten und der An-
zeigepflicht bei Tuberkulose für Utopien.
Memlock betont, daß durch künst-
liche Aborte oft genug eine latente in
eine floride Phthise verwandelt worden ist.
Lennhoff haben die statistischen
Erwägungen des Herrn Weinberg keine
Klarheit über die Frage des künstlichen
Abortus gebracht. Guttstedt stellt noch
neue Fragen und Gesichtspunkte für
das Thema: die Fruchtbarkeit der Tuber-
kulösen, auf. In seinem Schlußwort be-
tont Weinberg nochmals, daß er nicht
bei allen Tuberkulösen den Abortus ein-
leitet. Schellenberg (Ruppertshain).
F. Dieterlen: Beitrag zur Frage der
Infektionswege. (Tuberkulosear-
beiten aus dem Kaiserl. Gesundheits-
amte 1908, Heft 9, Berlin, Julius
Springer.)
Sorgfältige experimentelle Versuche
REFERATE.
445
dem Resultate, daß Prodigiosus-, Gefliigel-
cholera- und Tuberkelbazillen, die Ka-
ninchen per clysma verabreicht werden,
im Verdauungskanal zweifellos empor-
steigen, entgegen der Peristaltik, durch
Magen und Ösophagus bis in den Schlund.
Nach 1—4 Stunden finden sie sich
regelmäßig im Respirationstraktus. Wird
den Keimen der Weg durch den Ver-
dauungskanal durch Unterbindung des
Ösophagus verlegt, so sind die Keime
nach dieser kurzen Zeit gewöhnlich im
Respirationstraktus nicht nachweisbar. Es
ist wahrscheinlich, daß Hunde, Katzen,
Meerschweinchen, Ziegen, Rinder und
Schweine sich in bezug auf das Empor-
steisen der Bakterien im Verdauungs-
kanal ebenso verhalten wie das Kanin-
chen.
Für die Lehre von den Infektions-
wegen der Tuberkulose sind die vor-
liegenden Erkenntnisse von großer Be-
deutung, da sie insbesondere die bisher
nicht geahnten engsten Beziehungen zwi-
schen dem Digestions- und dem Respi-
rationstraktus dartun. Die neueren Ideen
von der Infektiosität des Sputums Ty-
phöser und von Cholerakranken erhalten
durch die ausgezeichneten Untersuchungen
Dieterlens eine interessante Beleuch-
tung. F. Köhler (Holsterhausen).
J. de Haan: De intestinale oorsprong
der longtuberculose. — Der intes-
tinale Ursprung der Lungentuberkulose.
(Geneesk. Tydschr. v. Nederl. Indië,
Bd. 48, Heft 3.)
Der Verf. gibt eine klare Übersicht
der Kontroversen, welche in der Frage
der Infektionswege bestehen. Namentlich
der Versuch, die Ergebnisse der künst-
lichen Lungenanthrakose auf die Tuber-
kulose überzutragen, sei unstatthaft. Die
Versuche Calmettes und Guerins zur
Entscheidung der Frage, ob das Ver-
schlucken von Tuberkelbazillen Lungen-
tuberkulose ohne weiteres verursachen
kann, werden eingehend besprochen, ebenso
| wie die Frage der Durchlässigkeit der
intakten Darmschleimhaut für Mikroorga-
nismen verschiedenster Art. — Bei der
Besprechung der Schwierigkeiten, welchen
man begegnet, wenn man bei der Fútte-
zur Frage der Infektionswege führten zu , rungstuberkulose die Aspiration von Tu-
mo
REFERATE.
ZEITSCHR. 1.
TUBERKULOSE
berkelbazillen mit Bestimmtheit aus-
schließen soll, wird über die Versuche
von Oberwirth und L. Rabinowitsch
berichtet. Der Verf. hat einen analogen
Versuch gemacht bei dem javanischen
Büflel, der nur ausnahmsweise spontan
an Tuberkulose erkrankt. Es wurde bei
diesem Tiere nach Einschnitt der Haut
5 mg Tuberkelbazillenemulsion in den
sehr großen Magen gebracht. Als nach
etwa 14 Wochen das Tier schwerkrank
getötet wurde, fand sich Tuberkulose der
Lungen und der Pleura ohne Erkrankung
weder der Darmschleimhaut noch der
abdominalen oder endothorakalen Lymph-
drüsen. Der Verf. hält sich daher für
berechtigt zu dem Schluß, daß der Ge-
nuß einer Tuberkelbazillen enthaltenden
Nahrung zur Entstehung einer Lungen-
tuberkulose genügen kann. Keineswegs
aber möchte der Verf. sich dem Satz
v. Behrings anschließen, dab die Säug-
lingsmilch die Hauptquelle für dieSchwind-
suchtsentstehung sei. Es wird in den
Niederländischen Kolonien von den Ein-
geborenen keine Milch getrunken, und
trotzdem kommt Lungentuberkulose unter
der einheimischen Bevölkerung garnicht
selten vor. Eine große Gefahr für die
Umgebung bilden die Tuberkelbazillen,
welche an den Händen der Tuberkulösen
kleben. Das Verschlucken von Tuberkel-
bazillen spielt jedenfalls in der Pathogenese
der Lungentuberkulose eine schr bedeu-
tende Rolle. Vos (Ilellendoorn).
B. J. de Bruine, Ploos van Amstel:
Nierbloeding bij niertuberculose.
Nierenblutung bei Nierentuber-
kulose. (Medisch Weekblad voor Noord-
en Zuid-Nederland 10908, Nr. 22, etc.)
Vert, beschreibt zuerst, mit Angabe
der betreflenden Literatur, die Blutung
als Erscheinung des Nierentrauma, des
- Ren mobilis, der renalen Hämophilie, der
Nephrolithiasis, der Nierentuberkulose,
der Nierentumoren und der tropischen
Hämaturie. Die Nierenblutung bei der
Schwangerschaft und bei Uberanstrengung
findet ebenfalls eine kurze Besprechung.
Vos (Hellendoorn).
Beitzke: Neuere Arbeiten über die
Infektionswege der Tuberkulose.
|
|
|
|
|
|
(Berl. klin. Wchschr, 29. Juni 1908,
Nr. 20.)
Der Artikel referiert die neueren
Arbeiten und stellt fest, daß die Möglich-
keit intestinaler Entstehung der Lungen-
tuberkulose zwar häufiger ist, als man
aus den pathologisch-anatomischen Be-
funden schließen kann, daß aber vor-
läufig noch die alte Anschauung von der
aerogenen Entstehung zu Recht besteht
und noch nicht widerlegt ist.
Naumann (Reinerz-Meran).
Drs. Samuel Bernheim et Louis Dieupart:
Du rôle de la femme dans la lutte
antituberculeuse. (Séance du 1 Juin
1908. — Président: M. le Dr. Lance-
reaux.)
Les auteurs font de cette étude sociale
un chapitre fort intéressant. Ils examinent
le rôle de la femme dans toutes les
situations économiques dans lesquelles on
la rencontre à notre époque actuelle.
D'une façon générale, la femme,
comme conseillère de l’homme, peut pren-
dre dans la lutte contre la Tuberculose
une place prépondérante. Elle en a tous
les moyens.
Assistante, elle guide l’ignorante, dame
riche, elle surveille et préserve son foyer,
pauvre et laborieuse, elle cssaie de rendre
son petit logis coquet pour détourner
l’homme du cabaret,
La femme peut tout ce qu’elle veut.
Qu'elle renonce elle-même à certaines
fautes de toilette, jupe longue par exemple,
qui balaie les trottoirs; qu’elle songe que
sa vie, c’est la protection du foyer. Elle
ne se diminuera pas à ce rôle, bien au
contraire.
Les auteurs ont fait un tableau
saisissant de sa tâche. Ils la savent trop
devouce, trop maternelle pour oublier ces
conscils. Le jour où la femme voudra
venir en aide au médecin, avec une telle
alliée, on est sûr de vaincre le grand et
redoutable minotaure qui décime si cru-
ellement nos contemporains.
BD.XITI,HEFT 6
1908
li. Allgemeine Pathologie.
Francis T. B. Fest: Orthotic albumi-
nuria; its relation to tuberculosis.
(Americ. Med. 1908, Mai.)
Das Leiden
Ätiologie dunkel.
ist hämatogen; die
(NB! ebenso der Zu-
REFERATE.
447
Erwachsenen eine primáre Darmtuberkulose
anzunehmen, bei Kindern kommt sie
zweifellos viel häufiger vor. Mitteilung
von 3 Fällen wohl sicher primärer Darm-
tuberkulose bei Erwachsenen.
F. Köhler (Holsterhausen).
_ Zieler-Breslau: Neuere Anschauungen
sammenhang mit Tuberkulose — Referent.) |
G. Mannheimer (Neuyork).
J. C. Hemmeter: Intestinal Tuber-
culosis: Tuberculous intestinal
neoplasma and tuberculous ın-
testinal tumors. (Journ. of the Amer.
Med. Association 1908, Febr. 29.)
Eine eingehende Untersuchung der
Baucheingeweide von 56 an Lungentu-
berkulose Verstorbenen ergab in jedem
Falle Darmerkrankung in
Form. In 30 Fillen handelte es sich
um typische tuberkulóse Enteritis, darunter
14 mit tuberkulösen Geschwüren des
lleum und Colon. In 12 weiteren Fällen
lag Drüsentuberkulose vor, entweder der
Mesenterial-, Retroperitoneal- oder Omen-
taldrüsen.
vollkommen normale Mucosa, bei den
übrigen 6 bestand Schleimhautkatarrh
Von diesen zeigten 6 eine |
. so entstandenen Veränderungen müssen
irgend einer `
: wirkung hervorgerufen wird.
ohne nachweisbare Tuberkulose. — Verf. `
hat nur einen Fall von hyperplastischer `
Tuberkulose des Caecum zu verzeichnen.
Es folgt eine eingehende Beschreibung
der Symptome dieser Krankheitsform.
Die Unterscheidung von Carcinom, Ap-
pendicitis, Wanderniere und Nierentumor
ist schwer.
günstig. Verf. empfiehlt warm Radikal-
operation. Wo dies nicht möglich er-
scheint, mag Tuberkulin versucht werden.
H.
Darmtraktus häufig sei, und daß die Ver-
breitung von dort aus auf dem Lymph-
wege (Ductus thoracicus) zustande komme.
Bei vorhandener Lungentuberkulose emp-
fehlt er die Darreichung von Salzsäure
zur Verhütung von Darminfektionen.
G. Mannheimer (Neuyork).
Fischer-Cöln: Über primäre Darm-
tuberkulose bei Erwachsenen.
(Münch. med. Wchschr. 1908, Nr. 38.)
Nach dem anatomischen Befunde
hat man nur selten Veranlassung, beim , cine kleine Schwellung auf.
Die Prognose ist nicht sehr `
ist der Ansicht, daß Infektion vom `
übereinige Beziehungen zwischen
Tuberkulose und Erkrankungen
der Haut (sog. „Exantheme der
Tuberkulose,Tuberkulide“).(Ztschr.
f. ärztl. Fortbildung 1908, Nr. 18.)
Das aus Epitheloid- und Riesenzellen
zusammengesetzte Knötchen findet sich
auch bei anderen Erkrankungen und ist
somit kein morphologisches Kennzeichen
der Tuberkulose. Für diese ist vielmehr
nur das charakteristisch, was durch den
Tuberkelbazillus oder unter seiner Mit-
Daß das
histologische Eild der Tuberkulose nicht
nur durch lebende Tuberkelbazillen,
sondern auch durch abgetötete und
sogar durch deren Toxine allein her-
vorgerufen werden kann, muß jetzt als
erwiesen angesehen werden. Auch die
wir zur Tuberkulose rechnen, wie alles,
was der Tuberkelbazillus selbst bewirkt.
Es sind hauptsächlich 3 Krankheitstypen,
die nach unseren jetzigen Kenntnissen
in zweifellosen Beziehungen zur Tuber-
kulose stehen, nämlich der Lichen scro-
phulosorum und die einander nahestehen-
den papulonekrotischen Tuberkulide so-
wie das Erythema induratum. Freilich
über die Art dieser Beziehungen sind
wir vielfach noch im unklaren.
F. Köhler (Holsterhausen).
Thiollier: Osteogenetische Exostose
infektiösen Ursprunges. (La Tuberc.
infant. 2. Jahrg, Nr. 3.)
Morse: Das Kernigsche Symptom im
frühen Kindesalter. (Archives of
Pediatr. März 1908.)
Ein vierjähriges etwas rhachitisches
Mädchen ohne hereditäre Belastung zieht
sich an beiden Beinen ausgedehnte Brand-
wunden zu, die 2 Monate hindurch eitern.
Als die Wunden in Heilung úbergingen,
trat am unteren Teile der linken Tibia
In wenigen
REFERATE
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
Tagen fanden sich zahlreiche Schwellungen | aus nicht mit einem letalen Ausgange
an den Knochen der unteren, dann der
oberen Extremitäten und des übrigen
Skeletts. Die Größe dieser Exostosen
schwankte von Erbsen- bis Nuligrüle.
Wie die Durchleuchtung mit Sicherheit
ergab, handelte es sich nicht um peri-
ostitische Prozesse, sondern um Vorgänge,
die sich im Knochen selbst abspielten.
Die Entstehung erklärt Verf. so, dab
unter dem Einflusse einer Infektion, die
von den Brandwunden ausging, eine Rei-
zung und Proliferation aller Wachstums-
organe im Knochen stattfand. (Die ersten
Exostosen fanden sich in der Nähe der
Brandwunden.)
Morse kommt auf Grund ciner
Untersuchung, die er an 2000 Kindern
unter 2 Jahren angestellt hat, zu folgen-
den Resultaten:
Im frühen Kindesalter findet sich
Kernigs Symptom weder bei Gesunden
noch Kranken mit alleiniger Ausnahme
der Meningitis. Es findet sich bei an-
deren Krankheiten so selten, daß sein
Auftreten die Diagnose Meningitis recht-
fertigt, so gut das ein einzelnes Symptom
kann Indes fehit es in einigen Fällen
oder tritt nur intermittierend auf.
Es tritt in allen Stadien der Krank-
heit mit gleicher Häufigkeit auf.
Fs steht nicht in deutlicher Beziehung
zu der Stärke des Ilirndruckes. Es ist
häufiger vorhanden, wenn der Patellar-
reflex gesteigert ist, als wenn er
geschwächt ist.
Er hat keine differentialdiagnostische
Bedeutung zwischen der tuberkulösen
und der zerebrospinalen Form der Me-
ningitis. Dr. Tugendreich (Berlin).
ab-
Kornfeld: Uber Nierentuberkulose.
(Wien. klin. Wchschr. 27. Aug. 1908,
Nr. 35.)
Dieser Aufsatz soll nicht eine Stel-
lungnahme gegen die Operation der
Nierentuberkulose überhaupt bedeuten,
doch kritisiert der Autor die diagnostische
Basis, auf der die Operation fußt.
Grund einer von ihm eingeleiteten Um-
frage über die Schicksale solcher Fälle
von Nierentuberkulose, die nicht operiert
wurden, kommt der Verf. zu dem Schlusse,
dab die Diagnose Nierentuberkulose durch-
Auf
gleichbedeutend sei und daß der Mast-,
Freiluft-Liegekur und der Tuberkulin-
behandlung noch ein weites Feld offen
stehe. Naumann (Reinerz-Meran).
Christian und Rosenblat: Untersu-
chungen úber Tuberkulose-Anti-
körper und Immunität. (Münch.
med. Wchschr. 1908, Nr. 39.)
Der tuberkulöse Antikörper, der mit
der Bordet-Gengouschen Methode
nachweisbar ist, wird lediglich im tuber-
kulösen Gewebe gebildet. Die im Blut
gelösten Antikörper sind nicht Träger der
Immunität, sondern nur Zeichen derselben.
Das Immunitiitsproblem bei der Tuber-
kulose ist auf zelluläre Prozesse zurück-
zuführen. F. Köhler (Holsterhausen).
Zieler-Breslau: Die ncue Erklärung
der Tuberkulinwirkung. (Münch.
med. Wehschr. 1908, Nr. 39.)
Auf Grund seiner Lehre, daß auch
ohne Anwesenheit von korpuskulären Be-
standteilen der Tuberkelbazillen, also allein
durch echte Lösungen aus Tuberkelba-
zillen stammender Stoffe, das histologische
Bild der Tuberkulose erzeugt werden
kann, polemisiert Z. gegen Wolff-Eisner,
der in den Ausführungen Zielers nichts
grundsätzlich Neues gegenüber seinen
Vorstellungen über die Bakteriolysine und
ihre Beziehungen zur Tuberkulinreaktion
sieht. F. Köhler (Holsterhausen).
A. Weber und Titze-Berlin: Die Im-
munisierung der Rinder gegen
Tuberkulose. II. Tuberkulosearbeit.
aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte.
(Verlag Julius Springer, Berlin 1908,
Heft 9.)
Die Mitteilungen bringen Versuche
mit dem Koch-Schtitzschen Impfstoff
Tauruman, einer Aufschwemmung leben-
der menschlicher Tuberkelbazillen in
Kochsalzlüsung. Die mit Tauruman vor-
behandelten Rinder wurden auf ihre
Widerstandsfähigkeit geprüft durch intra-
venöse und subkutane Impfung, durch
Inhalation und Verfütterung von Perl-
suchtbazillen in Reinkultur. Die voll-
ständige Immunität soll nach Koch,
Schütz, Neufeld etc. etwa 3 Monate
BD.XIN,HEFT 6
198. ge ee Ge ee Dr
nach der Schutzimpfung eintreten. Die | stelle, so ist die Impfstelle und ihre Um-
Ergebnisse der Taurumanversuche er- | gebung bis einschl. der zugehörigen
gaben, daß keines der neun auf ver- | Lymphdrüsen untauglich. Der ganze
schiedene Weise nachgeprüften Tauru- | Tierkörper mit Ausnahme von Lunge
mantiere sich bei der Schlachtung als
frei von tuberkulösen Veränderungen er-
wies. Es war lediglich eine gegenüber
den Kontrolltieren erhöhte Widerstands-
kraft zu verzeichnen, vorübergehender
Natur. Auch ergab sich hinsichtlich der
Wirkung kein durchgreifender Unterschied
gegenüber dem Bovovaccin v. Behrings.
In erster Linie scheitert der Erfolg bei-
der Mittel in der Praxis an der kurzen
Dauer der erzielten Immunität.
F. Köhler (Holsterhausen).
A. Weber, Schütz, Titze, Holland: Ver-
suche über die Haltbarkeit der
behufs Immunisierung einge-
spritzten menschlichen Tuberkel-
bazillen im Körper des Rindes.
(Tuberkulosearbeiten aus dem Kaiserl.
Gesundheitsamte 1908, Heft 9, Berlin,
Julius Springer.)
Die vorliegende Frage erscheint im
Hinblick auf die Verwendung des Flei-
sches mit menschlichen Tuberkelbazillen
geimpfter Rinder von besonderer Bedeu-
tung. Die Versuche (mit Tauruman)
zeigen, daß die Tuberkelbazillen nach
intravenöser Impfung über den ganzen
Körper zerstreut werden. Noch 1 Monat
nach der Impfung konnten sie in allen
inneren Organen nachgewiesen werden,
im Blute schon nach 8 Tagen nicht
mehr, in der Muskulatur ist die Auf-
speicherung verschieden. Vom 2. Monat
nach der Schutzimpfung ab fangen die
Organe und Drüsen an, frei von leben-
den Tuberkelbazillen zu werden. Bis
zum 6. Monat nach der Impfung hielten
sie sich nur noch in Lungen, Bronchial-
und Mesenterialdrüsen. Bei den Bovo-
vaccintieren war keine derartige Über-
schwemmung des Körpers mit Tuberkel-
bazillen zu konstatieren. Demgemäß
wurde in einer im Kaiserl. Gesundheits-
amte stattgehabten Sachverständigenbera-
tung beschlossen, Lunge und Herz von
mit lebenden Tuberkelbazillen immuni-
sierten Rindern 10 Monate lang nach
der Impfung als untauglich anzusehen.
Finden sich Veränderungen an der Impf-
und Herz ist innerhalb der ersten 4 Mo-
nate nach der Impfung bedingt tauglich.
Von einer Bestimmung hinsichtlich des
Genusses der Milch immunisierter Tiere
wurde abgesehen, da dic Tiere nach der
Vorschrift nur im jugendlichen Alter zur
Schutzimpfung gelangen. Eine Schutz-
impfung älterer Tiere ist durchaus unzu-
lässig, da bei der Impfung von Milch-
kühen Tuberkelbazillen mit der Milch
ausgeschieden werden können.
F. Köhler (Holsterhausen).
Titze: Ausscheidung von Tuberkel-
bazillen mit der Kuhmilch nach
intravenöser Injektion mensch-
licher Tuberkelbazillen. (Tuber-
kulosearbeiten aus dem Kaiserl. Ge-
sundheitsamte 1908, Heft 9, Berlin.
Julius Springer.)
Während Ostertag nur bei akuter
allgemeiner Tuberkulose oder bei Tuber-
kulose des Euters Tuberkelbazillen in der
Milch fand, fand L. Rabinowitsch diese
Erscheinung auch bei bloßer positiver
thermischer Tuberkulinreaktion der Kühe.
Die diesbezüglichen im Gesundheitsamte
angestellten Versuche ergaben, daß mensch-
liche Tuberkelbazillen, die Milchkühen in
die Blutbahn cingespritzt werden, mit
der Milch ausgeschieden werden können,
und zwar auf recht lange Zeit hinaus.
Da aber die Ausscheidung der Bazillen
in allen Fällen nur seitens eines be-
stimmten Euterviertels geschah, so ist sie
wahrscheinlich nur der Ausdruck lokaler
Herderkrankungen. Wird die Immuni-
sierung nach der Vorschrift von v. Beh-
ring (lediglich zweimal intravenöse Imp-
fung mit Bovovaccin im frühen Lebens-
alter) ausgeführt, so kommt eine Gefahr
der Ausscheidung der injizierten Tuber-
kelbazillen mit der Milch nicht in Be-
tracht. F. Köhler (Holsterhausen).
Weber, Titze, Weidanz: Über Papa-
geien- und Kanarienvogeltuber-
kulose. (Tuberkulosearbeiten aus dem
Kaiserl. Gesundheitsamte 1008, Heft 9,
Berlin, Julius Springer.)
450
RETERATE,
ZEITSCHR. !.
TUBERKULOSE
= -- - = .
In 2 Fällen spontiner Papageien- | werden, kann erst nach weiteren Be-
tuberkulose wurde sicher bewiesen, daß
es sich hier um Säugetiertuberkelbazillen
vom Typus humanus gehandelt hat Es
gelang ferner durch intravenöse Injektion
von je 0,001 g Reinkultur Papageien mit
jedem der 3 Typen von Tuberkelbazillen
zu infizieren. Am virulentesten erwiesen
sich die Bazillen des Typus bovinus,
dann die des Typus humanus und zu-
letzt die Hühnertuberkelbazillen. Kana-
rienvögel ließen sich sehr leicht mit
Hühnertuberkelbazillen, schwerer mit Perl-
suchtbazillen, überhaupt nicht mit Typus
humanus infizieren.
F. Köhler (Holsterhausen).
Titze und Weidanz: Infektionsver-
suche an Hunden mit Tuberkel-
bazillen des Typus bovinus und
des Typus humanus. (Tuberkulose-
arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheits-
amte 1908, Heft 9, Berlin, Julius
Springer.)
Hunde zeigen gegenüber Infektionen
mit Tuberkelbazillen (subkutane, intra-
venöse Impfung, Inhalation, Fütterung)
aller Typen eine erhebliche Widcrstands-
kraft, selbst in jugendlichstem Alter, so
daB die Tuberkuloseunempfänglichkeit
eine primäre Eigenschaft des Hunde-
organismus bedeutet. Nur mit sehr großen
Mengen gelingt die Infektion, sie heilt
aber meistens aus.
F. Köhler (Holsterhausen).
Dammann - Hannover: Versuche der
ImmunisierungvonRinderngegen
Tuberkulose nach Behringschem
Verfahren. Bericht I. (Arch. f. wiss.
u. prakt. Tierheilk. Bd. 34, Heft 4.)
Eingehende Schilderung sorgfältig
angestellter Tierversuche. Von 4 mit
Bovovakzin vorbehandelten, durch die
Tuberkulinprobe als gesund erwiesenen
Tieren konnte nur eines der späteren
künstlichen Infektion mit Perlsuchtbazillen
widerstehen. Grad und Ausdehnung der
Tuberkulose war bei zwei der vorbehan-
delten Tiere etwas geringer als bei den
Kontrollkälbern. Die Frage, ob der Impf-
schutz gegenüber der natürlichen Infektion
ausreicht, wenn die Tiere in mit Tuber-
kulose durchseuchte Bestände gebracht
obachtungen entschieden werden.
Scherer (Bromberg).
Eber-Leipzig: Experimentelle Über-
tragung der Tuberkulose vom
Menschen auf das Rind. (Ztschr.
f. Infektionskrankh., parasitäre Krankh.
u. Hyg. d. Haust., Bd. 4, Heft 5 u. 6.)
Das acht Fällen von menschlicher
Tuberkulose mit tödlichem Ausgange ent-
stammende Versuchsmaterial erwies sich
von vornherein stark virulent für Rinder
in 2 Fällen, zunächst mittelgradig virulent
für Rinder und erst bei Weiterimpfung
des von diesen Tieren gewonnenen Ma-
terials stark virulent in zwei, geringgradig
virulent in zwei und völlig avirulent für
Rinder ebenfalls in zwei Fällen. Eine
strenge Scheidung der beim Menschen
vorkommenden Tuberkulose in rinder-
virulente und nicht-rindervirulente Fälle
stößt auf Schwierigkeiten. Dem morpho-
iogischen und biologischen Verhalten der
Bazillen nach handelte es sich in 2 Fällen
sicher um Typus bovinus, in einem Falle
um Typus humanus (blieb beim Rinde
avirulent), während die übrigen Fälle
zweifelhaft blieben. Zwei gezüchtete
Stimme müssen als Ubergangsformen
bezeichnet werden, welche den allmäh-
lichen Ubergang der einen Bazillenform
in die andere möglich erscheinen lassen.
Scherer (Bromberg).
Zwick - Stuttgart: Vergleichende Un-
tersuchungen über die Tuberkel-
bazillen des Menschen und der
Haustiere. (Ztschr. f. Infektionskr.,
parasit. Krankh. u. Hyg. d. Haust.,
Bd. 4, Heft 3— 6.)
Auf Grund seiner umfangreichen
Untersuchungen hält Verf. die Aufstellung
eines Typus bovinus und Typus humanus
für berechtigt. Bei natürlichen Fällen
von Rindertuberkulose finden sich nur
Stämme des Typus bovinus. Die Bazillen
des Typus humanus spielen für die natür-
liche Infektion des Rindes keine Rolle.
Die Feststellung der Tatsache, daB von
einem an Tuberkulose erkrankten Men-
schen früher die ungekochte Milch einer
eutertuberkulösen Kuh getrunken wurde,
ist noch nicht hinreichend für die Be-
BD XIII, HEFT 5.
1908,
hauptung der Ubertragung der Tuber-
kulose vom Rinde auf den Menschen.
Nur durch sorgfältige bakteriologische
Untersuchung können solche Fälle klar-
gestellt werden. Die Bonomesche Prä-
zipitinreaktion zur Diflerenzierung von
Rinder- und Menschentuberkelbazillen
hat sich bei den vorgenommenen Nach-
prüfungen nicht bewährt. Auf Schweine,
Ziegen und Hunde sind die Bazillen des
Typus bovinus übertragbar. Pferdetuber-
kulose scheint auch durch Hühnertuberkel-
bazillen hervorgerufen werden zu können.
Die Tuberkelbazillen des Rindes lassen
sich auf Hühner nicht übertragen. (Die
Einzelheiten der sehr umfangreichen
Arbeit, insbesondere die Schilderung der
Zwickschen Art der Versuchsanordnung,
müssen im Originale nachgelesen werden.)
Scherer (Bromberg).
Weil und Strauss: Über die Rolle der
Antikörper bei der Tuberkulin-
reaktion. (Wien. klin. Wchschr.
16. Juli 1908, Nr. 29.)
Weder die Wassermannsche, noch
die Wolff-Eisnersche Theorie zur Er-
klärung der Tuberkulinwirkung sind an-
nehmbar, sie ist vorliiufig noch immer
ein unaufgeklärtes Phänomen. Es gelingt
bei Verwendung von Tuberkulin als Anti-
gen im Blute Tuberkulöser spezifische
Antikörper nachzuweisen, doch vermögen
diese die Reaktionsfähigkeit für Tuber-
kulin nicht aufzuheben.
Naumann (Reinerz-Meran).
Wolff-Eisner: Über Versuche mit ver-
schiedenen Tuberkelbazillende-
rivaten. (Berl. klin. Wchschr. 27. Juli
1908, Nr. 30 und 3. Aug. 1908, Nr. 31.)
In dem ersten Abschnitte der Arbeit
beschäftigt sich der Autor mit der Moro-
schen Salbenreaktion, die ihm nicht emp-
fehlenswert erscheint, da andere Metho-
den eindeutigere Resultate geben und
auch Differenzen zwischen aktiver und
latenter Tuberkulose erkennen lassen, die
bei der Salbenreaktion fortfallen. Die
mit verschiedenen Tuberkelbazillenderi-
vaten ausgeführten vergleichenden Ver-
suche ergaben das Resultat, daß die
Tuberkulinwirkung nicht an die Träger
der säurefesten Substanzen (Wachs, Fette),
REFERATE.
451
sondern an die Splitter der Bazillenleiber
geknüpft ist. Im Anschluß hieran wird
die Bakteriolysintheorie erörtert und die
- Spezifizität der Tuberkulinreaktion neuer-
. dings begründet.
Naumann (Reinerz-Meran).
de Haan: Experimentelle Tuberku-
lose beim Affen mit Vogeltuber-
kelbazillen. (Deutsch. med. Wehschr.
6. Aug. 1908, Nr. 32.)
Dem von E. Rabinowitsch pu-
blizierten Falle von Tuberkulose infolge
Infektion mit Vogeltuberkelbazillen fügt
der Verf. einen weiteren Fall zu.
Naumann (Reinerz-Meran).
Steffenhagen: Über die Beziehungen
der Bazillen der menschlichen
Tuberkulose zu denen der Perl-
suchtdes Kindes. (Berl. klin. Wchschr.
17. Aug. 1908, Nr. 33.)
Rinder sind für Bazillen des Typus
humanus wenig empfänglich, während
sie bei Infektion mit Bazillen vom Typus
bovinus eine progrediente Erkrankung
bekommen. |
Für die menschliche Tuberkulose
kommt vorwiegend der Bazillus vom
Typus humanus in Frage, doch können
auch Milch, Milchprodukte und Fleisch
von perlsúchtigem Rindvieh eine Infek-
tionsquelle, allerdings nur für das Kind,
abgeben, während dieser Infektionsmodus
für die Verbreitung der Tuberkulose als
Volkskrankheit wohl fortfällt.
Naumann (Reinerz-Meran).
Wolff und Mühsam: Mit Tuberkulin
komplementbindende Antistoffe
im Serum Tuberkulöser. (Deutsch.
med. Wchschr. 27. Aug. 1908, Nr. 35.)
Im Serum Tuberkulöser aller Sta-
dien, ob mit Tuberkulin behandelt oder
nicht, fanden sich ungefähr in der Hälfte
der Fälle Stoffe, die mit Tuberkulin zu-
sammen Komplement zu binden vermögen.
Komplementbindungsreaktion und kutane
und subkutane Tuberkulinempfindlichkeit
gingen einander nicht parallel.
Naumann (Reinerz-Meran).
432
Ill. Diagnose und Prognose.
Frank R. Christians:
of tuberculosis
cutaneous reaction.
1908, Juli)
18 Fälle. 2 klinisch Gesunde rea-
gierten nicht. Von 2 Patienten mit Ge-
lenkrheumatismus reagierte einer schwach.
Von 14 Tuberkulösen reagierten 9. Die
5 nicht reagierenden waren weit vorge-
schrittene Fälle mit durchweg schlechter
Prognose. G. Mannheimer (Neuyork).
The diagnosis
by v. Pirquet’s
(Americ. Med.
Joseph Walsh: The early diagnosis
of pulmonary tuberculosis. (Med.
Record 1908, Sept. 10.
Die Frühdiagnose gründet sich auf
folgende Daten: 1. Gelegenheit zur In-
fektion. 2. Anamnese 3. Allgemcin-,
4. Lokalsymptome. Die letzteren werden
in sehr wichtige, wichtige und bedeut-
same eingeteilt.
ad ı) Man forsche nach, ob irgend ein
Familienmitglied oder ein Arbeits- oder
Umgangsgenosse an der Krankheit leidet.
Dabei muB man sämtliche früheren Be-
schäftigungen und Wohnungen durch-
gehen. ad 2) Sehr wichtig: Chronische
Schwellungen der Halsdriisen; Pleuritis;
Hämoptöe; fistula in ano. Wichtig: An-
dauernder Husten, der namentlich auch
bei jedem tiefen Atemzug ausgelöst wird;
fortschreitender Gewichtsverlust; Magen-
störungen; Nachtschweiße. Bedeutsam:
Zunehmende Bliisse. ad 3) Schr wichtig:
Habitus phthisicus; Pulsbeschleunigung;
Temperaturschwankungen. Wichtig: Kurz-
atmigkeit; hektischeWäangenröte; Trommel-
schligelfinger oder gekrümmte Nägel;
doppelte oder einseitige Pupillenerwei-
terung. Bedeutsam:HerumziehendeSchmer-
zen; Schlaftheit und leichte Ermüdbarkeit;
häufiges Frösteln; Schwellung der Schild-
drüse; Herpes zoster. ad 4) Sehr wichtig:
Schallveränderung mit verlänsertem Ex-
spirium oder Rasseln über umschriebenen
Stellen. Wichtig: Einseitige subklaviku-
Eire Einziehung beim Inspirium; rauhes,
abgeschwächtes oder unreines Atmen an
der Spitze; Änderung des vokalen oder
taktilen Fremitus; Atrophie der Schulter-
muskeln. Bedeutsam: Empfindlichkeit in
REFERATE.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
der Tiefe beim Perkutieren; Herabhängen
einer Schulter; Zurückbleiben einer Seite
bei der Atmung. Beschränkung des
Zwerchfellphänomens auf einer Seite.
G. Mannheimer (Neuyork).
v. Ellermann und A. Erlandsen: Paa-
visning af Tuberkelbaciller i Ex-
pektorat. (Hosp. Tid. 1908, Nr. 17.)
Unter Berücksichtigung aller ver-
schiedenen Verhältnisse, des Einflusses der
Reagentien, des Bodensatzes, des spezi-
fischen Gewichts, der Viskosität der Flüssig-
keiten, sowie des Fehlergesetzes mit Be-
nutzung der genauesten Meß- und Zähl-
methoden, haben die Verff. eine sehr
interessante Arbeit über die verschiedenen
Sedimentier- und Anreicherungsverfahren
der Sputumuntersuchung auf Tuberkel-
bazillen geliefert. Die Verff. haben zwei
neue Modifikationen angegeben: Die
Autodigestion: 1 Vol. Sputum wird mit
1} Vol. 0,6%, iger Lösung von Na CO,
gemischt. Thermostat in 24 Stunden bei
37°. Die Flüssigkeit wird abgegossen
und der Bodensatz zentrifugiert. Bei
spärlichen Bazillen wird die Methode
als Anfangsstufe der Doppelmethode ver-
wandt: Nach Abgießen aus dem Zentri-
fugenglas werden 4 Vol. 0,25°/, iger NaOH-
Lösung zu je 1 Vol. Bodensatz zugesetzt.
Genaues Umrühren, nochmaliges Zentri-
fugieren. Als Durchschnittsergebnis der
verschiedenen besseren Methoden wird
gefunden: Im selbigen Sputum findet
man nach der Methode von Mühlhäuser
ı Bazillus, nach Stroschein I, nach
Hempel 3, nach Spengler 2, nach
Philipp 5, mittels Autodigestion 6, mittels
der Doppelmethode 15 Tbc. Der letz-
teren Methode muß man somit bei
tuberkelarmen Sputen den Vorzug geben.
Chr. Saugman (Vejlefjord).
v. Ellermann und A. Erlandsen: Om
en rationel Fremgangsmaade til
Paavisning af Tuberkelbaciller i
Urinen. (Hosp. Tid. 1908, Nr. 30.)
Untersuchungen über die Methoden
zum Nachweise von Tuberkelbazillen im
Ilarn, mit gleicher Genauigkeit wie die
obigen ausgeführt.
Die Verff. empfehlen eine ähnliche
Methode wie die zum Sputum benutzte:
BD.XITI,HEFT 5.
AIS,
REFERATE.
453
Der Harn wird gesammelt. Nach
Ab- `
setzung des Bodensatzes werden vom Sedi- `
ment 10—15 cm’ zentrifugiert, die Flüssig-
keit wird so vollständig wie möglich
abgegossen; 1 Volumen des Boden-
satzes wird mit 4 Volumen o 25°/,iger
Na,CO,-Lösung versetzt, 24 Stunden
Thermostat bei 37% Wenn nötig, nach-
her mit Na,CO,-Lösung die saure Re-
aktion abstumpfen und noch ein paar
Stunden Thermostat, AbgieBen der Fliis- `
sigkeit, Zentrifugieren, nochmaliges Ab- `
gießen der Flüssigkeit, Bodensatz mit
4Vol.0,25°/,iger NaOH-Lósung versetzen, `
Umrühren, Aufwärmen auf dem Wasser-
bade zum Kochen, nach Abkühlung
Zentrifugieren. Ausstrichpräparate wie
gewöhnlich untersuchen.
Chr. Saugman (Vejlefjord).
C. H. Würtzen: Om Tuberkulindia-
gnostik. (Nord. Tidsskrift. for Terapi
1907, V—VI)
Verf. stellt sich der Tuberkulin-
probe gegenüber sehr reserviert; erwähnt
einige in der Literatur verzeichnete
Fälle von vermutlicher Schädigung und
referiert zwei eigene. Ein Fall mit pro-
trahiertem leicht febrilem Zustand nach
der Injektion. 0,3 mg bei einem 7 jährigen
Kinde mit vor 14 Tagen überstandener
noch febriler Brusterkrankung. Zweiter
Fall: ı!/,jähriger Knabe. 0,2 mg ohne
Reaktion. Nach 8 Tagen 0,4 mg mit
retardierter aber starker Reaktion und fol-
gendem 4-monatelangem fieberhaftem
Zustand. Betont die Unzuverlässigkeit
der Probe als Kennzeichen der aktiven
Tuberkulose. Meint, daB die Probe nur
zulässig ist, wenn die soziale Anstellung
der betr. nicht schädlich beeinflußt wird,
es sei die Reaktion positiv oder negativ.
Chr. Saugman (Vejlefjord).
Turban und Baer: Die praktische Be-
deutung des opsonischen Index
bei Tuberkulose. (Münch. med.
Wehschr. 1908, Nr. 38.)
Beim Gesunden ist als obere Grenze
für den normalen Index 1,1, als untere
0,9 anzunehmen. Von den untersuchten
84 Tuberkulósen hatten normalen Index
16,6 °/,. Die von der Norm abweichen-
den Werte des Index bewegten sich,
ohne spezifische Behandlung, zwischen
0,3 und 2,0. Die extremsten Zalılen
fanden sich nur bei Kranken des III. Sta-
diums. In allen Fällen, bei denen wäh-
rend der Anstaltsbehandlung klinisch
Besserung festzustellen war, konnte ein
solches Ansteigen des Index beobachtet
werden, wenn dieser anfangs subnormale
Werte aufwies. Mit dem Herabsinken
des Index waren neue Schübe in den
Lungen, Pleuritis u. a. aufgetreten. Sehr
tiefen Index (0,3 — 0,5) beobachteten Vert.
mehrfach nach Ablauf oder auch während
des Abklingens akuter Prozesse (tuber-
kulöse Pneumonien), ferner bei anschei-
nend stationären Fällen mit sehr ausge-
breitetem Lungenbefund und Destruk-
tionen. Stabilbleiben des niedrigen Index
bei fortschreitender Tuberkulose deutet
auf Staphylokokkenmischinfektion. Ver-
minderter Index wurde bei einem Falle
von Lungensyphilis gefunden. Wieder-
holte Bestimmungen über lange Zeiträume
hinaus sind stets erforderlich, prognostisch
eilen meist die klinisch nachweisbaren
fortschreitenden Kennzeichen der Op-
soninbestimmung voraus.
Der Anwendung des Marmorek-
Serums folgte sofortiges Ansteigen des
Index. Bei Tuberkulingebrauch erfolgte
zunächst ein Fallen, dann ein Steigen
des Index über den ursprünglichen Wert
hinaus. F. Köhler (Holsterhausen).
Vogel: Das Vorkommen und die Be-
deutung halbseitig erhöhter Tem-
peraturen bei Lungenaffektionen.
(Münch. med. Wchschr. 1908, Nr. 39.)
Verf. bringt zum Thema interessantes
kasuistisches Material, auch bei Tuber-
kulininjektionen zeigte sich mehrfach die
höhere Axillartemperatur auf der Seite
der vorwiegenden Lungenaffektion.
F. Köhler (Holsterhausen).
Moro-München: Klinische Überemp-
findliehkeit. I. Mitteilung: Tuber-
kulinreaktion und Nervensystem.
(Münch. ıned. Wchschr. 1908, Nr. 39.)
Bei Anwendung der perkutanen Tu-
berkulinreaktion beobachtete Verf. eine
symmetrische Reaktion. Es trat nänı-
lich in einer Anzahl von Fällen nach
Einreibung von Tuberkulinsalbe nicht nur
454
an dem Orte der Finreibung, sondern
auch kontralateral, und zwar an der dem
Inunktionsorte genau symmetrisch ge-
legenen Hautpartie die Reaktion auf.
Ferner wurde disseminierte Fernreaktion
der Haut beobachtet, indem nach Tu-
berkulinsalbeneinreibung typische Efilo-
reszenzen an verschiedenen Körperstellen
auftraten. In einem Falle wurde eine
halbseitige, gürtelförmige Mitreaktion der
Haut geschen. Verf. hält die Annahme
einer Mitwirkung des Nervensystems zur
Erklärung dieser Erscheinungen bei der
Tuberkulinreaktion für unumgänglich. Es
gelangt oflenbar der durch das Tuber-
kulin gesetzte Hautreiz bis zum Rücken-
mark. In einem Falle stellte Verf.
rasches Verschwinden eines Lichen scro-
phulosorum nach Einreibung mit Tuber-
kulinsalbe im Zentrum des Lichengebicts
fest. Die perkutane Tuberkulinreaktion
fabt Moro nach diesen Erfahrungen als
angioneurotische Entzündung auf und
zwar als einen ;,Spiitreflex“ im Sinne
Kreibichs. Aber auch für die übrigen
Tuberkulinreaktionen hält Verf. die An-
nahme einer spezifischen Reizbarkeit des
tuberkuloseinfizierten Individuums hin-
sichtlich seines Nervensystems gegenüber
dem Tuberkulin, sozusagen eine spezi-
fische nervöse Allergie, für berechtigt.
F. Köhler (Holsterhausen).
Siegert-Cöln: Die Bedeutung der ku-
tanen Tuberkulinreaktion (v. Pir-
quet) für die tägliche Praxis des
Arztes. (Ztschr. f. ärztl. Fortbildung
1908, Nr. 19.)
Siegert empfiehlt die Kutanreaktion
nach v. Pirquet, die er als recht zu-
verliissig und einfach ansicht, für die
Sprechstunde des praktischen Arztes und
mibt ihr einen recht bedeutenden Wert
zu. F. Köhler (Holsterhausen).
F. Dieterlen: Beitrag zur Frage der
Schnelldiagnose der Tuberku-
lose im l'ierversuch. (Tuberkulose-
arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheits-
amt 1908, Heft 9, Berlin, Julius
Springer.)
Die einige Tage nach der subku-
tanen Injektion von tuberkuloseverdäch-
tirem Material auftretende Schwellung
REFERATE.
ZEITSCHR. f.
TUBER KULOSE
der gequetschten Drüsen (Blochsche
Versuche) ist für Tuberkulose nicht spe-
zifisch. Lassen sich in den exstirpierten
Drüsen nach Ziehl färbbLare Bakterien
nachweisen, so wächst damit die Wahr-
scheinlichkeit, daß das verdächtige Ma-
terial Tuberkelbazillen enthält. Mit Sicher-
heit kann jedoch die Diagnose Tuberkulose
erst dann gestellt werden, wenn die Er-
krankung der Drüsen auf die inneren
Organe fortgeschritten, wenn es zu einer
generalisierten Tuberkulose des Versuch-
ticres gekommen ist. Damit ist auch
die letzte Fehlerquelle, das event. Vorhan-
densein von anderen siiurcfesten Stäbchen
als Tuberkelbazillen im Ausgangsmaterial
ausgeschlossen. Es wird also auch in
Zukunft einer Zeit von ca. 6 Wochen
bedürfen, um im Meerschweinchenver-
such die einwandfreie Diagnose auf Tu-
berkulose stellen zu können,
F. Köhler (Holsterhausen).
Dr.Schamelhout: Huid-enoogproeven
bij tuberculose. — Über Haut- und
Konjunktivalreaktion bei der Tuber-
kulose. (Sept.-Abdr. aus: Ann. de la
Soc. de Méd. d'Anvers, Mai 1908.)
Die Geschichte der Haut- und der
konjunktivalen Reaktion wird in einer
ausführlichen Literaturübersicht klar aus-
einandergesetzt. Vert hat die Haut-
reaktion nach v. Pirquet bei 50 Kran-
ken geprüft und kommt zu den folgen-
den Schlüssen. Von 6 klinisch nicht
Tuberkulösen zeigten 4 keine und 2 ver-
spätete Reaktion; von 9 wegen erblicher
Belastung tuberkuloseverdächtigen Patien-
ten hatten 2 keine Reaktion, 1 Reaktion
1. Grades, 6 Spätreaktion. Von 17 wegen
chronischer Bronchitis verdächtigen Pa-
tienten zeigten 7 keine, und I eine Spur
von Reaktion, während bei 4 Reaktion
1. und bei I Reaktion 2. Grades be-
obachtet wurde. Von 18 klinisch Tuber-
kulösen haben 3 nicht reagiert; 3 haben
eine Spur von Reaktion, 6 Reaktion 1.,
5 Reaktion 2. Grades, ı Spätreaktion
gezeigt.
Unangenehme Nebenwirkungen wur-
den nicht beobachtet. Die Hautreaktion
ist spezifisch; über den diagnostischen
Wert gibt Verf. kein Urteil ab. Zu der
Anwendung der konjunktivalen Reaktion
BO.XII,HEFT 5.
1908.
REFERATE.
hat sich der Verf. nicht entschließen
können. Vos (Hellendoorn).
Prof. W. Nolen: De diagnose der
beginnende longtuberculose. —
Die Frühdiagnose der Lungenschwind-
sucht. (Ned. Tijdschr. v. Geneesk., 1908,
2. Hälfte, Nr 8.)
Mit der Absicht, die Bedeutung der
Röntgenuntersuchung für die Diagnose
der beginnenden Tuberkulose abzugrenzen,
behandelt Verf. zuerst eingehend die
sogen. älteren‘ Methoden der Lungen-
untersuchung, wobei er Gelegenheit hat,
auch auf die neueren Ergänzungen deralten
Methoden die Aufmerksamkeit zu lenken.
Nach einer ausführlichen Behandlung der
Inspektion und der Palpation folgt die
Perkussion. Insbesondere wird der Wert
der symmetrischen und der leisesten
Perkussion betont; es soll sowohl nach
dem Krönigschen wie nach dem alten
Perkussionsmodus perkutiert werden; auch
die Goldscheidersche Methode wird
kurz beschrieben. Aber nur durch die
Auskultation sei man imstande, noch
floride von abgelaufenen Prozessen zu
trennen. — Es wird sodann an der Hand
einiger kurzgefaßter Krankengeschichten
und Röntgenogrammen auf den Wert der
Radiographie als Untersuchungsmethode
hingewiesen, woraus der Verf. schließt,
daB die Röntgenuntersuchung nicht mehr
zu entbehren ist für die Diagnostik der
Lungenerkrankungen, und insbesondere
der intrathorakalen Drüsenschwellungen.
Vos (Hellendoorn).
Polland: Die Gefahren der Ophthal-
moreaktion. (Wien. klin. Wchschr.
9. Juli 1908, Nr. 28.)
Unter einer verhältnismäßig geringen
Zahl von Reaktionen hat Verf. dreimal
üble Zufälle auftreten sehen, darunter
war ein Fall, bei dem es zu einer dau-
ernden Schädigung des vorher ganz ge-
sunden Auges kam. Die Reaktion soll
also stets dann unterbleiben, wenn die
Diagnose anderweitig sichergestellt ist, sie
soll nur dann angestellt werden, wenn
alle anderen Methoden der Diagnostik
versagen und wenn von der Diagnose-
stellung viel abhängt.
Naumann (Reinerz-Meran).
ee,
Hamburger: Die pathologische Be-
deutung der Tuberkulinreaktion.
(Wien. klin. Wchschr. 10. Juli 1908,
Nr. 29.)
Die positive Tuberkulinreaktion zeigt
an, daB eine gewisse Immunität gegen
Tuberkulose besteht. Die Tuberkulose
ist eine Kinderkrankheit, die fast ein jeder
durchmacht und vielen eine gewisse Im-
munitát gegen eine Reinfektion verleiht,
der Index hierfür ist die Reaktionsfähig-
keit auf Tuberkulin.
Naumann (Reinerz-Meran).
v. Pirquet: Das Verhalten der ku-
tanen Tuberkulinreaktion wäh-
rend der Masern. (Deutsch. med.
Wchschr. 23. Juli 1908, Nr. 30.)
Während der Masern verlieren tu-
berkulöse Kinder während einer Woche
die Fähigkeit auf Tuberkulin zu reagieren,
vielleicht deshalb, weil während der
Masern die Tuberkulose an Ausbreitung
gewinnt. Naumann (Reinerz-Meran).
Krokiewicz: Über die konjunktivale
Tuberkulinreaktion. (Wien. klin.
Wchschr. 6. Aug. 1908, Nr. 32.)
In manchen Fällen vermag die
Reaktion einen wichtigen diagnostischen
Behelf zu bieten. Da sie aber auch bei
nicht tuberkulös Erkrankten auftreten
kann, ist ihr klinischer Wert sowohl hin-
sichtlich der Diagnose wie der Prognose
doch nur ein sehr relativer.
Naumann (Reinerz-Meran).
Grüner: Die kutane Tuberkulin-
reaktion im Kindesalter. (Wien.
klin. Wchschr. 2. Juli 1908, Nr. 27.)
Im Säuglingsalter und in den fol-
genden zwei Jahren ist die Kutanreaktion
ein wertvolles oft ausschlaggebendes dia-
gnostisches Mittel, später ist die Methode
nur mit Vorsicht zu verwerten. Progno-
stisch vermag die Kutanreaktion gleich-
falls Anhaltspunkte zu liefern. Bei po-
sitiv reagierenden Säuglingen ist die
Prognose sehr schlecht. Auch das Aus-
sehen der Reaktion ist von Bedeutung:
wenig erhabene, livid verfärbte Reaktio-
nen geben eine schlechte Prognose.
Naumann (Reinerz-Meran).
Ä - ZEITSCHR. f.
SE Be __TUBERKULOSE
Kanitz: Untersuchungen über die" dukten von Tuberkelbazillensub-
perkutane Tuberkulinreaktion
nach Moro. (Wien. klin. Wchschr.
9. Juli 1908, Nr. 28.)
Der Verf., der die Morosche Sal-
benprobe an 350 Fällen vorgenommen
hat, kommt zu folgendem Ergebnis: Eine
negative Reaktion spricht nicht mit Sicher- :
heit gegen eine Tuberkulose, ihr positiver
Ausfall ist nicht sicher beweisend für
ihr Bestehen. Andererseits ist eine Be-
ziehung zwischen Tuberkulose und der
Salbenreaktion unverkennbar vorhanden.
Naumann (Reinerz-Meran).
lösen Allergie bei einem Falle
von Masern und Miliartuberku-
lose. (Wien. klin. Wchschr. 11. Juni
1908, Nr. 24.)
Während der Masern konnte der
Verf. eine deutliche Abschwächung der
tuberkulösen Allergie durch die Kutan-
reaktion feststellen. 2—4 Tage nach
dem Auftreten des Ausschlages fiel die
Reaktion überhaupt negativ aus, um dann
wieder auf normale Werte zu steigen.
Der ganz genau beobachtete Fall nahm
den Ausgang in Miliartuberkulose, die
aufs neue Reaktionsunfähigkeit des Or-
ganismus zur Folge hatte.
Naumann (Reinerz-Meran).
Czastka: Beziehung der Pirquetre-
aktion zum Gehalt an Antikör-
pern, Perlsucht-Pirquet. (Wien.
klin. Wchschr. 11. Juni 1908, Nr. 24.)
Im Gegensatz zu Wassermann
und Bruck konnte der Verf. in einem
größeren Prozentsatze bei nicht mit Tu-
berkulin behandelten Personen Antikörper
nachweisen. Sichere Beziehungen zwischen
Reaktion und Antikörpergehalt des Blutes
waren nicht nachzuweisen, denn die Re-
aktion fiel oft trotz hohen Antikörper-
gehaltes negativ aus und andererseits
wurden bei Fehlen von Antikörpern Re-
aktionen beobachtet. Nach diesen Ver-
suchen vermag Cz. der Bakteriolysin-
theorie von Wolff-Eisner nicht zuzu-
stimmen. Naumann (Reinerz-Meran).
Ditthorn und Schultz: Über Kutan-
reaktionen mit Eisenfällungspro-
stanzen. Vorläufige Mitteilung.
(Deutsch. med. Wchschr. 9. Juli 1908,
Nr. 29.)
Die Verff. stellten aus Tuberkel-
bazillen auf dem Wege der Eisenfällung
(Eisenoxychloridlösung) mehrere Präparate
dar, mit denen sie Kutanreaktionen aus-
zulösen versuchten. Aus ihren Versuchen
ergab sich, daB bei klinisch Unverdäch-
tigen die Zahl der positiven Reaktionen
viel kleiner war, als bei Verwendung
von 25°/ igem Alttuberkulin, ohne daß
D
deshalb die Zahl der positiven Reaktionen
i bei ällen des Anfangs- und Mittel-
von Pirquet: Verlauf der tuberku- | bei den Fällen des Anfangs- und Mitte
stadiums der Tuberkulose verringert war.
Naumann (Reinerz-Meran).
Ziesché: Die kutane Impfung mit
Tuberkulin nach von Pirquet in
ihrer Bedeutung für die Dia-
gnose und Prognose der Tuber-
kulose. (Berl. klin. Wchschr. 22. Juni
1908, Nr. 25.)
Der Wert der Haut- wie der Augen-
probe ist, selbst wenn sie gleichzeitig an
einer Person vorgenommen werden, nur
ein bedingter, da ihr Ausfall ein un-
sicherer ist.
Noch geringer scheint der progno-
stische Wert der Proben zu sein; hier
bedarf es noch weiterer Erfahrungen.
In zweifelhaften Fällen vermag die Haut-
probe im Verein mit sorgfältigster kli-
nischer Untersuchung vielleicht doch man-
chen diagnostischen Zweifel beheben zu
helfen. Naumann (Reinerz-Meran).
Lans, Hans: Die Bedeutung der Kon-
junktival-, genannt Ophthalmo-
reaktion als Diagnostikum des
praktischen Arztes. (Wien. klin.
Wchschr. 6. Aug. 1908, Nr. 32.)
Beschreibung der Methode, des Ver-
laufes, der Kontraindikationen, die dem
praktischen Arzte dringend als diagno-
stisches Hilfsmittel empfohlen wird.
Naumann (Reinerz-Meran).
WoJff-Eisner: Die Gefahren der Oph-
thalmoreaktion und ihre Ver-
meidung. (Wien. klin. Wchschr.
13. Aug. 1908, Nr. 33.)
Der Autor unterscheidet technische
BD.XTILHEFT 6.
HI REFERATE. 457
und sachliche Kontraindikationen. Zu | Prophvlaxc.
den technischen rechnet er die Benutzung
ungeeigneter Lösungen, nicht frisch her-
gestellte oder ungeeignete Präparate, vor
allem die sog. Testpräparate. Unter den
sachlichen Kontraindikationen führt er
zunächst Reinstillationen an, dann Augen-
tuberkulose oder Augen mit Residuen
skrofulöser Erkrankung. Zur Verwendung
wird das Ruete-Enochsche Tuberkulin
empfohlen. Bei Verwendung dieses Prä-
parates und Beachtung der aufgeführten
Kontraindikationen lassen sich Schädi-
gungen vermeiden.
Naumann (Reinerz-Meran).
J. Ostenfeld: Om Tuberkulindiagno-
stik. (Nord. Tidsskrift for Terapi 1907,
VII,
Entgegnung auf die obige Arbeit.
Behauptet, daß die Gefahren bei der
Tuberkulindiagnostik bei richtiger Aus-
wahl der Fälle minimal sei.
Chr. Saugman (Vejlefjord).
H. J. Bing: Noglenyere Tuberkulose-
reaktioner. (Hosp. Tid. 1907, Nr. 45.)
Wenige Versuche mit Ophthalmo-
reaktion nach Calmette. Erfolge zwei-
felhaft. Empfiehlt Vorsicht.
Chr. Saugman (Vejlefjord).
A. Beyer: Undersögelse af Opspyt
for Tuberkelbaciller ved Anven-
delse af Centrifugering. (Hosp.
Tid. 1907, Nr. 43.)
Stehenlassen des Sputums bei 90
bis 95° in ı bis mehreren Stunden, Ver-
setzen mit 2,5 Vol. alkaleszierten Wassers,
langsames Erwärmen und dann Zentrifu-
gieren, Chr. Saugman (Vejlefjord).
A. Bartholdy und G. E. Permin: Bi-
drag til Vurderingen af den
v. Pirquet'ske Tuberkulinpróves
diagnostiske og prognostiske Be-
tydning. (Hosp. Tid. 1907, Nr. 14.)
Verff. erhielten Resultate denen an-
derer Forscher entsprechend, so auch daß die
v. Pirquetsche Probe sich in ihrer jetzigen
Form nicht zum diagnostischen Ge-
brauch bei Erwachsenen cignet, weil
88°/, klinisch nicht tuberkulös reagierten.
Chr. Saugman (Vejlchord).
Zeitschr. f. Tuberkulose. NIII
Zondek: Über Walderholungsstätten
für Kinder. (Medic. Kelorm 1005,
Nr. 8.)
Empfehlung und Gründung einer
Kinderheimstätte oder wenigstens einer
größeren Anzahl von Kinder - Walder-
holungsstätten für Berlin.
Schellenberg (Ruppertshain).
L. Ascher: Soziale Hygiene und so-
ziale Gesundheitsämter (Med.
Reform 1908, Nr. 30, p. 357)
Die Sozialhvgiene ist ein Grenzge-
biet zwischen Natur- und Sozialwissen-
schaften, sie hat soziale Massenerschel-
nungen in naturwissenschaftlich erfabbare
Einzelheiten aufzulösen. Ihre Methode
ist eine analytische, ihre Technik in der
Hauptsache eine statistische. An der
Hand von sehr instruktiven Tabellen
zeist Verf. die Bedeutung des Gesetzes
der natürlichen Widerstandskratt,
die vom Säuglingsalter zum schulpflich-
tiren steigt, hier am größten ıst und
langsam zum Greisenalter fällt. „Sie,
nicht die äußere Schädlichkeit beherrscht
die Kränklichkeit und Sterblichkeit der
verschiedenen Altersklassen.“ Tuberkulose-
statistische Tabellen ergaben, daß die
Infektionsháufigheit mit der Infektions-
gelegenheit steigt, bis zum Verlassen des
Elternhauses (ca. 18. Lebensjahr) ihren
Höhepunkt erreicht und daß die Sterb-
lichkeit ganz anders verläuft. Krank-
werden und Sterben richten sich vor-
wiegend nach der inneren Widerstands-
kraft. Die Tuberkuloscerkrankungen sind
in der Schulzeit, in der Zeit des dichte-
sten Beisammenlebens ganz außerordentlich
selten. Wenn Naegeli bei seinem kleinen
Untersuchungsmaterial der Konstitution
keinen Einfluß auf die Tuberkulose zu-
schreibt, so beweisen grobe Zahlen einen
solchen in unwiderleglicher Weise. Verf.
wendet sich gegen Cornets und B. Fraen-
kels Ausführungen über die Abnahme
der Tuberkulosesterblichkeit in den 80 er
Jahren des vorigen Jahrhunderts. Da
unsere Tuberkulosesterblichkeit nament-
lich im letzten Jahrfünft (1900 — 1005)
eine geringere Abnahme zeigt und die
Arbeiterverhältnisse bei uns enerzische
Fortschritte gemacht haben, kann man
30
458
nicht der bakteriologischen Bekämpfung
den Erfolg zuschreiben.
Wichtiger als die in letzter Zeit
wiederholt gewünschten Lehrstühle für
soziale Hvgiene hält Verf, vorläufig noch
Arbeitsstätten — sogenannte „soziale Ge-
sundheitsämter‘“, denen Muster die
Königsberger Fürsorgestelle für Lungen-
kranke und Tuberkulóose dienen könnte.
Es emphehlt sich, das Arbeitsgebiet auf
die Provinz oder auf eine wirtschaftliche
Einheit (Rheinland, Westfalen, Schlesien
etc.) auszudehnen und den Staat zum
Beitritt zu bewegen.
Schellenberg (Ruppertshain).
als
Diskussion über den Vortrag von Dr. L.
Ascher: „Soziale Hygiene und
soziale Gesundheitsämter“. (Med.
Reform 1908, Nr. 30, p. 302.)
Grotjahn erklärt die Methode der
sozialen Hvgiene nicht wie Ascher für
eine analytische, sondern für eine syn-
thetische. Als ihre Ililfswissenschaften
kommen in erster Linie Physik, Chemie,
Bakteriologie und die technischen Dis-
ziplinen in Frage. Die soziale Hygiene
muß der phvsikalisch-biologischen Hy-
giene als Ergänzung zur Seite treten.
Ryser hält jetzt, wo der Ruf nach Lehr-
stühlen für soziale Medizin und Hygiene
allmählich in den Vordergrund des In-
teresses rückt, die Hervorhebung der
Bedeutung der Arbeitsstätten für nicht
geboten, da er sich ein gewinnbringendes
Wirken des einen ohne das andere nicht
denken kann. Lennhoff hält die Ver-
größerung der von Ascher gewünschten
sozialen Wollfahrtseinrichtungen durch
sozialmedizinische Forschungsämter zwecks
Belehrung der jungen Mediziner für einen
großen Gewinn und stimmt den Ascher-
schen Ausführungen über die Bedeutung
des Dezimetergewichtes für die Feststel-
lung der Konstitution in vollem Mabe
zu. Tugendreich ko:statiert, daß die
Sterblichkeitskurve der an Tuberkulose
in Berlin verstorbenen Weiber Wellen-
form und nicht die V-Form besitzt und
der der Männer gar nicht ähnlich ist.
Von einem gesetzmäßigen Verlauf der
Kurve, wie Ascher es tut, ist deshalb
nur mit Vorsicht zu sprechen. Gesund-
heitsamt und Lehrstuhl für soziale Hygiene
REFERATE.
|
ZEITSCHR. f.
_ TÜBERKULOSF
gehören unbedingt zusammen. Nach
Munter soll der Lehrstuhl für soziale
Medizin den Ärzten, ohne deren sach-
verständige Mithilfe die Bekämpfung der
Volkskrankheiten unvollkommen bleiben
muß, „schon bei ihrer akademischen Vor-
bildung dasjenige wissenschäftliche und
sozialhygienische Material zusammen-
stellen, das ihnen später die Fähigkeit
und Freude an der Mitarbeit verschafit".
In seinem Schlußwort betont Ascher
nochmals, daß man unter allen Umstän-
den die Zersplitterung des Materiales
vermeiden muß. Die von Tugendreich
beobachtete Abweichung der Sterblich-
keitskurve der Weiber von der der Männer
verändert die allgemeine Sterblichkeits-
kurve nicht, die sich auf ganz große
Zahlen aufbaut.
Schellenberg (Ruppertshain).
J. A. Miller: The association of tu-
berculosis clinics of the city of
New York. (New York Med. Journ.
1908, Mai 10.)
Die große Mehrzahl der tuberkulösen
Armen Neuvorks, die ambulant sind,
werden in Spezialpolikliniken behandelt.
Die besonderen Vorzüge dieser Anstalten
sind, wie bekannt, folgende: ı. Die Fälle
werden besser studiert. 2. Sie sind von
anderweitig Kranken getrennt. 3. Sie
werden in ihren Wohnungen von spezi-
ellen P’flegerinnen besucht, die ihre häus-
lichen Verhältnisse studieren und Pro-
phylaxe und Behandlung überwachen.
4. Milch und Eier werden von der Po-
liklinik aus an dürftige Patienten gratis
verabreicht. 5. Die Polikliniken stehen
in enger Verbindung mit wohltätigen Ge-
sellschaften, Kliniken und Sanatorien.
Die von letzteren entlassenen Patienten
werden in den Polikliniken weiter be-
aufsichtigt und behandelt. 6. Junge
Ärzte finden hier die beste Gelegenheit,
die Krankheit früher erkennen und behan-
deln zu lernen.
Die verschiedenen Tuberkulosepoli-
kliniken (zurzeit 10 an Zahl) haben sich
zusammengetan und arbeiten unter sich
und mit dem Gesundheitsamt und wohl-
tätigen Gesellschaften Hand in Hand.
Die Stadt ist in Distrikte eingeteilt. Die
ambulanten Tuberkulösen müssen in die
BD.XIII, HEFT 5.
1908.
Spezialpoliklinik des Distriktes zur He:
handlung gehen und unterstehen ihrer
Überwachung.
Sie und ihre Familien werden auf
Empfehlung der Klinik von wohltätigen
Körperschaften unterstützt. Dadurch wird
vermieden, daB die Kranken von An-
stalt zu Anstalt wandern, daB die be-
suchenden Pilegerinnen zu viel Zeit ver-
lieren und daß die verschiedenen Agentien,
die sich der tuberkulösen Armen an-
nehmen, sich entgegenarbeiten. Das ganze
Problem wird dadurch in ein einheitliches
sehr wirksames System gebracht.
G. Mannheimer (Neuyork).
Heymans: Über Tuberkuloseschutz-
impfung beim Rinde. (Wien. klin.
Wchschr. 18. Juni 1908, Nr. 25)
Nachdem es feststeht, daß der unter
dem Einflusse von Tuberkeln stehende
Organismus gegen eine neue Tuberkel-
bildung widerstandsfäühiger ist, muB die
Schutzimpfung das Ziel im Auge haben,
einen impfenden Tuberkel ohne die Nach-
teile der spontanen herzustellen. H.
glaubt dieses Problem gelöst zu haben,
indem er ein mit I mg lebender ver-
dünnter Bazillen gefülltes gut verschlos-
senes Schilfrohrsäckchen dem zu schüt-
zenden Tiere unter die Haut bringt.
Auf dem Wege der Diffusion impräg-
nieren dann die eingeschlossenen Bazillen
den Körper des Tieres mit ihren spezi-
fischen Stoffen. Die nach dieser Me-
thode behandelten Tiere sind weniger
schnell und weniger hochgradig infizierbar,
als die Kontrolltiere, sie verhalten sich
resistenter sowohl gegen die künstliche
wie gegen die spontane Infektion.
Naumann (Reinerz-Meran).
IV. Therapie.
John A. McGlinn: Oxygen in the
treatment of tuberculous peri-
tonitis. (New York Med. Journ. 1908,
Aug. 22.)
Von den 3 Formen der tuberkulüsen
Peritonitis, der ascitischen, fibrósen und
REFERATE.
= 459
ulcerósen Form, wird die erste in */, der
Fille durch Laparotomie geheilt. Die
beiden anderen werden durch chirur-
gische Behandlung nicht beeinflußt. Verf.
schlägt vor, auch in diesen Fällen die
Laparotomie zu machen, durch die Bauch-
wunde reinen Sauerstoll in die Bauch-
höhle einzuleiten und entweder für 30 Mi-
nuten darinnen zu lassen vor Schluß der
Wunde oder nur einige Minuten, aber
dann die Anfúllung der Bauchhôühle
mehrere Male zu wiederholen. Er be-
richtet 4 derartig mit Erfolg behandelte
Fälle. G. Mannheimer (Neuyork).
S. F. Wilcox: Inunction of jodoform
in tuberculous peritonitis. (Med.
Record 1908, Mai 2.)
Jodoform wird in Äther gelöst und
diese Lösung mit Ol gemischt, in be-
liebigem Verhältnis. Es entsteht eine
vollkommene Lösung; z. B. Jodoform 8,0,
Ather 75,0, Olivenöl oder Lebertran ad
250,0 — morgens und abends in die
Bauchhaut einzureiben. Bericht von drei
Fällen von tuberkulöser Peritonitis, die
angeblich unter dieser Behandlung heilten.
(NB! Durchaus nicht beweisend! Referent.)
G. Mannheimer (Neuyork).
A. C. Geyser: À preliminary report
of sixteen cases of pulmonary
tuberculosis treated by new and
physiologic methods with un-
usually satisfactory results. (Amer.
Med. 1908, Febr.)
Die Idee ist Stauungshyperämie der
Lungen. Die inneren Organe, also auch
die Lungen, werden dadurch hvperimi-
siert, daß Esmarchsche Gummibinden
alle 2 Stunden ftir je 25 Minuten an die
Extremitäten angelegt werden, und Patient
gleichzeitig eine Lösung von Jod in Pa-
raffinum liquid. aus einem Zerstáubungs-
apparat inhaliert. Außerdem wird Patient
zweimal täglich hvdrotherapeutischen Pro-
zeduren unterworfen, die den gleichen
Zweck erfüllen sollen.
Die unmittelbaren
sehr befricdisend.
G. Mannheimer (Neuyork).
Erfolge seien
John Ritter: Corn oil in the treat-
ment of pulmonary tuberculosis.
30°
400
(Journ. of the Amer. Med. Association
1008. Juli 4.)
Verf. weist auf die Verwendbarkeit
von Maisól in der Behandlune von Lun-
centuberkulose hin. Das Ol ist cin Ne-
benprodukt in der Erzeugung von Stärke
aus Mais. Es ist wohlschmeckend, reiz-
los und ungemein billig. Eben deshalb
empfiehlt es sich in der Armenpraxis als
vorzügliches Substitut für Lebertran oder
Olivenöl. G. Mannheimer (Neuyork).
G. Morton Illman: The opsonic treat-
ment of disease. (New York Med.
Journ. 1908, Juni 27.)
Verf. gibt ausführliche Geschichten
von 30 Fällen, die mit Vaccinen nach
der Wrightschen Methode behandelt
wurden. Darunter befanden sich 13 Tu-
berkulöse, 5 waren gonorrhoische, 6 Sta-
phrlokokken-, 3 Streptokokken- (2 Erysi-
pelas), 1 Colon-, 1 Typhus- und 1 Misch-
infektion. Folgende Schlüsse werden
gezogen: I. Wenn zeitlich eingeleitet, ist
die Behandlung wertvoll. 2. Es ist nicht
nötig, für jeden Fall spezielle, autogene
Vaccine zu bereiten. In Vorrat gehaltene,
von anderen Kulturen bereitete Vaccine
sind ebenso» wirksam und erleichtern die
schleunige Einleitung der Behandlung.
3. Die Behandlung kann auch ohne
häufige opsonische Bestimmungen durch-
geführt werden, muß aber dann viel
vorsichtiger geschehen. 4. Die besten
Resultate wurden erzielt bei Tuberkulose,
Staphrlo- und Streptokokkeninfektion.
G. Mannheimer (Neuyork).
C. H. Würtzen und R. Kjer-Petersen:
Om kunstig Pneumothorax. (Hosp.
Tid. 1908, Nr. 18.)
Technische Anweisungen. Besonders
wird empfohlen eine Troikurt mit seit-
licher schlitzförmiger Olfnung und das
kKinlaufenlassen des Gases unter dem
kleinstmörlichen Druck.
Chr. Saugman (Vejlefjord).
Th. Rovsing: Temporar osteoplastisk
Resektion af Brvstvaggen ved
kronisk Empvem i Pleura og ved
Lungeabscesscr. (Hosp. Vid. 1908,
Nr. 1.
Verf.
beschreibt eine sehr schón
REFERATE.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
ausgedachte Operation zur Bloblegung
größerer Partien der Lunge. Ein U-
förmiger Schnitt, die ganze Scapula um-
schreibend, Resektion von je 2mal ı cm
sämtlicher Rippen der Schnittlinie,
Durchtrennung des Periosts und nachher
der Zwischenrippenräume, so daß ein
großer Lappen, Brustwand und Scapula
hinaufgeklappt werden kann, wodurch
man einen guten Einblick in die betr.
Brusthälfte gewinnt. Bei Empyem dann
Dekortikation der Lungenoberfläche und
Entfernung der Membrane. Nachher
lockere Tamponade (Lapisgaze). Nachdem
die Höhle sich verkleinert, wird nach
und nach der Lappen reponiert und ver-
wächst. Vorzüge vor Scheedes Opera-
tion, daß eine solide, fast normale Brust-
wand erhalten bleibt. Verf. will auch
dieser Operation vor der Estlanderschen
den Vorzug geben.
Bei Pneumotomie (AbszeB, Bron-
chiektasien u. dgl.) gibt die osteoplastische
Resektion der Brustwand einen vorzüg-
lichen Einblick auf das Operationsfeld
und guten Platz zum Arbeiten. Be-
schreibung schön gelungener Operationen.
Chr. Saugman (Vejlefjord).
C. Bang und Fr. Tobiesen: En Sterili-
sator til Opspyt. (Hosp. Tid. 1908,
Nr. 6.)
Für kleinere Krankenhäuser.
Chr. Saugman (Vejlefjord).
E. Schmiegelow: Kliniske Bidrag til
Osophagoskopiens og Tracheo-
skopiens Betydningi diagnostisk
og prognostisk Henseende. (Hosp.
Tid. 1908, Nr. 2.)
Interessante Kasuistik.
rierende tuberkulóse Mesenterialdrúse
bricht während des Tracheoskopierens
in die Luftröhre hinein und wird ent-
fernt. Chr. Saugman (Vejlefjord).
Fine obtu-
Runck: Bromural in seiner Eigen-
schaft als schweibhemmendes
Mittel. (Berl. klin. Wchschr. 15. Juni
1908, Nr. 24.)
In abendlichen Dosen von 0.6 ver-
maz Bromural die Schweiße der Lungen-
kranken zu kupieren.
Naumann ‚Reinerz-Meran).
BD.XIH,HEFT 5,
1908.
Tuberkulin: Sera.
Fernand Arloing - Paris: Nouvelles
REFERATE.
401
tragen hat, aber trotzdem objektiv ver-
schlechtert war. Der Verf. schließt: es
considerations sur le mécanisme ist nicht für alle Fälle Denys Behaup-
et la valeur spécifique de l'oculo-
réaction à la tuberculine. (Soc.
de biol., séance du 2 Mai 1908.)
Der Verfasser hat bei zwei Pferden,
die seit mehr als 12 Jahren zur Her-
stellung antidiphtheritischen Serumsdienen,
positive Ophthalmoreaktion mit Tuber-
kulin feststellen können. Auch Tiere,
welche mit tetanischem Toxin imprägniert
sind, zeigen positive Augenreaktion und
es ist dies ein Beweis, dab diese Reak-
tion nicht als etwas absolut Spezifisches :
fiir Tuberkulose ist, sondern dort
tritt wo der Körper vasodilatatorische
Toxine enthält. Je stärker diese Im-
auf- :
prägnierung ist, um so deutlicher ausge- '
sprochen ist auch die Okuloreaktion mit
Tuberkulin, bei gänzlichem Fehlen tuber-
kulöser Erkrankungen.
u E. Toff (Braila).
tung zutreffend, daß bei Kranken, welche
hohe Tuberkulindoses reaktionslos ver-
tragen, der Prozel in Heilung begriffen
ist. Für dic Heilung bezw. Besserung
genügen in der Regel niedere Dosen.
Jeder Kranke hat seine Optimal-, zugleich
Maximaldose. Bei progredientem Prozeß
und Gewichtsabnahme soll die Behand-
lung eingestellt werden. Es soll auch nur
ganz allmählich mit der Dosierung ge-
stiegen werden. Vos (Hellendoorn).
Ritter: Die spezifische Behandlung
der Lungentuberkulose. (Deutsch.
med. Wchschr. 16. Juli 1908, Nr. 20.)
In den an und für sich günstigen
Fällen wird durch eine spezifische Be-
handlung der Dauererfolg gesichert, in
K. K. K. Lundsgaard: 3 Tilfælde af
formentlige tuberkulöse Iridocy-
cliter, behandlede med Tuber-
kulin. (Hosp. Tid. 1907, Nr. 44.)
Behandlurg mit Tuberkulin. Er-
folge anscheinend günstig.
Chr. Saugman (Vejlefjord).
Dr. P. C. F. Koch: Over behandeling `
van tuberculose van inwendige
organen med Tuberculine Denys
(bouillon filtré) — Uber die Be-
handlung der Tuberkulose innerer
Organe mittels Denys' Tuberkulin.
(Ned. Tijdschr. v. Geneesk., 1908,
2. Hälfte, Nr. 9.)
Seit fast 3 Jahren hat der Verf.
11 Kranke mit Denys Bouillon behan-
delt. Es werden die Krankengeschichten
ausführlich mitgeteilt. Das Erreichen einer
hohen Enddose wird nicht mehr an-
gestrebt. Die behandelten Fälle waren
keineswegs leichte, und trotzdem sind die
erreichten Resultate erfreulich. 6 Fille
wurden vom Tuberkulin günstig beein-
fluBt, während in 2 Fällen die Verbesse-
rung vielleicht auch dem Tuberkulin zu-
zuschreiben sei. Ein Patient hat die
Behandlung nicht vertragen, während
einer dieselbe augenscheinlich wohl ver-
den prognostisch zweifelhaften Fällen
leitet die Tuberkulinbehandlung oft eine
Wendung zum Besseren ein und ver-
mehrt in manchen schweren Fällen die
Widerstandskraft gegen die Erkrankung.
Der besondere Vorteil der Heilstätten
liegt in der Verbindung der hygienisch-
diätetischen Behandlung mit der Anwen-
dung spezifischer Mittel.
Naumann (Reinerz-Meran).
Senger: Über die Behandlung des
Lupus mittels Tuberkulinsalbe
und über eine durch Tuberkulin-
salben-Einreibung spezifische
Hautreaktion. (Berl. klin. Wchschr.
8. Juni 1908, Nr. 23)
Keine andere Therapie beeinflußt
den Lupus in so günstigem Sinne, wie
die Einreibung mit Tuberkulinsalbe in
Verbindung mit Röntgenstrahlungen. Der
Autor hält die Salbenreaktion für eine
streng spezifische und verwertet sie daher
auch differential-diagnostisch. Bei Ver-
gleichung mit der von Pirquetschen
Methode ergab sich, daß die Impfung
der Salbeneinreibung an Schärfe über-
legen war.
Naumann (Reinerz-Meran).
Klebs: Uber einige weitere Ergeb-
nisse meiner Forschungen zur
Geschichte und Behandlung der
402
Tuberkulose. /
17. Aug. 1908, Nr. 33.)
Das Gewebeknötchen des Virchow-
schen Tuberkels stellt nur eine engbe-
erenzte Phase der Krankheit dar, das
Knötchen kann in langen Perioden fehlen
und ohne Tuberkulose vorhanden sein. —
Der Verlauf der Krankheit ist der, daß
eingedrungene Tuberkelbazillen von Pha-
cocvthen aufgenommen und den nächsten
Lymphdrüsen zugeführt werden. Dies
geschieht infolge der Anwesenheit eines
im Körper der Tuberkelbazillen enthal-
tenen Ferments, das Kl. Tuberkelsozin
‚IS; nennt. Dieses Ferment soll auch
therapeutische Verwendung finden. Ba-
Allen und TS haben weiterhin eine
Lymphomatose (Leukomatose) im Gefolge,
die eine der wichtigsten Komplikationen
der Tuberkulose ist. Dieses Stadium ist
eine Kontraindikation für den zu lange
fortzesetzten Gebrauch des Tuberkelsozins
neben seiner TC-Seleninmethode. Bei
Fällen, die sich refraktiir verhalten, scheint
die Behandlung mit Blindschleichentuber-
kelbazillen vollen Erfolg zu haben, da
diese Abart den direkten Antagonisten
der menschlichen Tuberkelbazillen dar-
stellt. Kl. gibt Anweisung für die
Technik und die Anwendungsweise der
Injektionen. |
Naumann (Reinerz-Meran\.
Glaessner: Über das Marmorek-Se-
rum. (Deutsch. med. Wchschr. 16. Juli
1908, Nr. 29.)
Gl. berichtet über 10 Fälle chirur-
gischer Tuberkulose, die in der lloffa-
schen Poliklinik und Privatklinik mit
Marmorekserum behandelt wurden. Das
Serum hat sich in keinem einzigen Falle
schädlich erwiesen. In einzelnen
Fällen war die Wirkung, die ohne Zu-
hilfenahme jeder anderen Behandlung
allein durch das Serum erzielt wurde,
so autiallend, daß eine spezifische Wir-
kung unverkennbar war. Das Serum
wurde subkutan (höchstens 5 ccm) und
rektal ‚stets 10—20 ccm) angewendet;
zwischen den einzelnen Injektionen lag
stets ein Zwischenraum von 3 —4 Tagen,
nach 10 Injektionen wurde eine Pause von
8—10 Tagen gemacht.
Naumann (Reinerz-Meran).
als
REFERATE,
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
(Berl. klin. Wehschr. ' Köhler: Klinische Erfahrungen mit
Marmoreks-Serum an 60 Tuber-
kulosefällen. (Deutsch. med. Wchschr.
16. Juli 1908, Nr. 29.)
Bei der Unregelmäßigkeit der Er-
gebnisse kann von dem Alarmorekserum
als einem zuverlässigen Heilmittel nicht
eesprochen werden. Jn manchen Fällen
ist eine leichte Besserung im Lungen-
befunde, Alleemeinzustande und hinsicht-
lich der subjektiven Beschwerden und
des Gewichtes wohl möglich; Verschlim-
merungen konnten durch das Serum nicht
verhindert werden.
Naumann (Reinerz-Meran).
V. Bücherbesprechungen.
Frankenburger: Zur Frage der Heil-
stättenbehandlung und der An-
zeigen für dieselbe. (Münch. med.
Wehschr., Nr. 17, 18, 1908.)
Kritische Arbeit zur Heilstättenfrage,
insbesondere zur Frage der Leistungen,
der Auslese, der Vorzüge gegenüber der
Nichtanstaltsbehandlung und der Reorga-
nisation der modernen Heilstätten. Be-
sonders bemerkenswert, neben anderen
nicht uninteressanten Reflexionen, ist der
Hinweis auf die Verschiebung der Erfolg-
statistiken infolge der großen Zahl Nicht-
kontrollierter. F. plädiert für die Unter-
bringung II. Stadien von Lungentuber-
kulósen in Heilstáitten, während den
Anfangsfäilen in Fúrsorgestellen und Wald-
erholungsstätten geholfen werden könne.
Die Körpergewichtszunahmen pflegen
allerdines in den Heilstätten bessere zu
sein. Doch gelingt es bei der anderen
Behandlung leichter, die Zunahmen zu
erhalten. Nicht alle II. Stadien sind
etwa für die ITeilstátten geeignet, vielmehr
ist durch eine Vorbeobachtung durch eine
‚Zentralstelle (Krankenhaus, Fürsorgestelle,
Poliklinik) die geeignete Auslese festzulegen.
F. Köhler (Holsterhausen).
Tuberkulose. Organ des Nieder-
ländischen Zentralen Vereins zur
Bekämpfung der Tuberkulose.
(1908, Mai, Nr. 10.)
BD.XII,HEFT 6.
1908.
In diesem Heft gibt zuerst Haent -
jens ein in Aphorismen gestelltes Merk-
blatt über die Tuberkulose. Sodann folgt
eine Abhandlung von Pijnappel über
die Bedeutung der Heilstätten für die
Bekämpfung der Tuberkulose. In diesem
Vortrag, gehalten in der io. Versamm-
lung des Vereins zur Errichtung und
Unterhaltung von Volksheilstätten für
Lungenkranke in den Niederlanden, wird
insbesondere betont, daß nie eine erfolg-
reiche Bekämpfung der Tuberkulose mög-
lich sein wird, ohne dab wir der Behand-
lung des kranken Individuums unsere
Aufmerksamkeit lenken, und daß eine
gut eingerichtete Lungenheilstätte, welche
allen Forderungen der modernen Phthiseo-
therapie entspricht, daher für die Tuber-
kulosebekämpfung von größter Bedeu-
tung ist.
Außer einer Übersetzung einer Arbeit
Cornets über die Verhütung von Lungen-
krankheiten (Dtsch. Revue, 1907, Okt.),
enthält das Heft noch den Vortrag, der
bei der Eröffnung des Kinderhospizes zu
Katwijk aan Zce, Eigentum des Rotter-
damer Vereins zur Bekämpfung der Tu-
berkulose, vom Vorsitzenden Dr. Klinkert
gehalten worden ist. Den weiteren Inhalt
des Heftes bilden verschiedene Mlittei-
lungen über die Tuberkulosebekampfung
in den Niederlanden. Die Bemühungen
des Generalsekretärs des Niederländischen
Zentralen Vereins, Dr. van Gorkon,
gehen jetzt dahin, daß Auskunfts- und
Fürsorgestellen überall im Lande errichtet
werden. Vos (Hellendoorn).
W. Ebstein: Leitfaden der ärztlichen
Untersuchung mittels derInspek-
tion, Palpation der Schall- und
Tastperkussion sowie der Aus-
kultation. (Mit 22 Abbildungen,
Stuttgart 1907, Verlag von F. Encke.)
Der erste Teil des Buches, nahezu
ein Drittel des Werkes, enthält die Dar-
stellung der Inspektion und Palpation —
von Untersuchungsmethoden, die unge-
heuer wichtig sind, bei der klinischen
Ausbildung des Arztes aber nicht immer
die genügende Berücksichtigung finden.
Gerade in dieser Beziehung bringt das
Werk einen trefflichen Ersatz, der dem
REFERATE.
403
Studierenden nicht weniger als dem prak-
tischen Arzt das Wichtigste in schón zu-
sammengestellter, nur das Wesentlichste
bringender Form bietet. Es wird darauf
hingewiesen, daB das geübte Auge das
für den Arzt und den Kranken beste
und angenehmste Mebinstrument ist.
Darum soll der angehende Arzt den
Blick schärfen, nicht nur das gewöhn-
liche Sehen, sondern auch das Sehen
mit dem geistigen Auge üben und vor
allem Urteil und Kritik heranbilden.
Im II. Abschnitt, in dem die Per-
kussion abgehandelt wird, bespricht Verf.
zunächst das Instrumentarıum. Mit be-
sonderer Ausführlichkeit wird die vom
Verf. eingeführte Tastperkussion be-
sprochen, ihr wird besonders in Hinsicht
auf die Bestimmung der Herzresistenz
eine eingehende Würdigung zuteil. Die
Bestimmung der Herzresistenz muß der
der absoluten Ilerzdámpfung voraus-
gehen, sie macht die Festlegung der re-
lativen Herzdámpfung überflüssig. Verf.
unterläßt deshalb auch die Untersuchung
der relativen Herzdämpfung.
Bei der Besprechung der Auskul-
tation gibt er der mittelbaren den Vor-
zug. Er hält den Stethoskopdurchmesser
von I cm für das Richtige, für die Lei-
stungsfihigkeit ist ein der Form der
Ohrmuschel, besonders ihrem Tragus gut
angepaltes Ohransatzstück von ausschlag-
gebender Bedeutung. Es gibt zwei ver-
schiedene Arten von Ohrmuscheln, bei
der ersten legt sich der Tragus wie eine
Klappe von vornher über die Öffnung
des äußeren Gehörganges, bei der zweiten
ist der Tragus schmal, nach vorn etwas
umgekrempelt und ist nicht an scinem
freien Rande gerundet, sondern besitzt
eine obere und untere Ecke. Während
bei der ersten Art die Stethoskopplatte
den Tragus nach hinten klappt und so-
mit den äußeren Gehörgang verschließt,
steigert sie bei der zweiten Art die Um-
krempelung des Tragus nach vorm und
macht durch Erweiterung der vorderen
Gehörgangsöffnung den Gehörgang für
die Schalleitung noch zugänglicher. Dieser
Umstand muß beim Anschallen des Ste-
thoskopes streng berücksichtigt werden.
Die Phonendoskope und Phono.
skope werden abfällig beurteilt, während
404
dem binaurikulären Schlauchstethoskop
gewisse Vorzüge nachgerühmt werden.
Besonders hervorheben möchte ich
die eine Stelle: „Man hört übrigens
weder an allen Stellen des Thorax noch
an identischen Stellen beider Brusthälften
die Atmungsgeräusche stets gleich stark,
vielleicht bildet sogar eine vollkommene
Gleichheit derselben die Ausnahme.“
Diese Wahrheit findet in all den Lehr-
búchern nicht die gebührende Würdi-
gung.
Eine Verlängerung
rechten Lungenspitze läßt allein noch
keinen Rückschluß auf eine tuberkulöse
Erkrankung dieser Spitze zu.
Bei der klinischen Untersuchung des
Bauches darf die Auskultation nicht auber
acht gelassen werden.
Ein geradezu klassisches Buch, das |
alles, was für das Auge, Ohr und für
die Hand des guten Praktikers wertvoll
ist, in präziser, abgeklärter Weise mit
strenger Vermeidung jedes theoretischen
Formelkrames bringt und das reife Er-
gebnis einer jahrzehntelangen klinischen
Tätigkeit und Erfahrung ist.
Schellenberg (Ruppertshain).
Bandelier und Röpke: Lehrbuch der
spezifischen Diagnostik und The-
rapie der Tuberkulose. (Curt Ka-
bitzsch, Würzburg 1909, broch. 6 Mk,
Die 2. Auflage des Bandelier-
Röpkeschen Buches ist durch ausführ-
liche Behandlung der neuesten diagno-
stischen Methoden (Ophthalmoreaktion etc.)
und durch eine hübsche farbige Tafel
bereichert. Im übrigen ist der Text
wenig verändert. Die uneingeschränkte
Hervorkehrung des absolut positiven Stand-
punktes der Verfl. gereicht dem Werte
des eine erfreuliche Fülle von Material
bringenden „Leitfadens“, wie man besser
a ON.
—+> = d »
oR
und Verschär- `
fung des Exspirationsgeräusches über der '
REFERATE.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
sagen sollte, nicht zum Nutzen und gibt
nicht etwa die allgemeine Meinung der
Heilstättenärzte und Kliniker, welche sich
bei genauem Zusehen doch ganz erheb-
lich reservierter in der Haltung gegenüber
. der Wertung des Tuberkulins und ver-
a a e
oe
N
wandter Mittel im gegenwärtigen Augen-
blicke zeigen, wieder. Dieses subjektive
Verfahren drückt sich ebenso zum Nach-
teile des Buches in dem völlig einseitigen
und ungenügenden Literaturverzeichnisse
aus. Dem Ziele, die spezifische Thera-
pie auch in die Kreise der praktischen
Ärzte zu tragen, wird durch das Buch
erfreulicherweise Vorschub geleistet wer-
den. Ob die Resultate nicht noch weit
bessere Erfahrungen wünschenswert er-
scheinen lassen, bleibt abzuwarten. Das
Studium des Buches bleibt zu empfehlen.
F. Köhler (Holsterhausen).
Statistik der Heilbehandlung: Amt-
liche Nachrichten des Reichs-
versicherungsamts 1908, J. Beiheft
1908, Berlin. Behrend & Co.
Die eingehende Statistik des Reichs-
versicherungsamtes über die Heilbehand-
lung bei den Versicherungsanstalten und
zugelassenen Kasseneinrichtungen der In-
validenversicherung für die Jahre 1903
bis 1907 enthält als für uns wichtigstes
auf p. 99 eine Übersicht der Dauer-
erfolge der wegen Lungentuberkulose
Behandelten, aus der hervorgeht, dab
von je 100 im Jahre 1903 in Heilbe-
handlung genommenen Tuberkulösen bis
zum Schlusse von 1903: 73, von 1904:
59, von 1905: 5I, von 1906: 46, von
1907: 43 vor der Erwerbsunfihigkeit
geschützt geblieben sind. Bei Frauen
stellt sich der Prozentsatz bis zu 7°},
besser. Wiederholungskuren sind als
Mißerfolge gerechnet. Am häufigsten
treten Rückfälle im 1. Jahre nach der
Kur auf. F. Köhler (Holsterhausen).
so ="
Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.
Band XIII. Heft 6.
ZEITSCHRIFT FÜR TUBERKULOSE.
HERAUSGEGEBEN VON
B. FRÄNKEL, F. KRAUS, E. vox LEYDEN, W. vox LEUBE.
Redaktion: A. KUTTNER.
_ _ > ee ee — aaa ai
L ORIGINAL-ARBEITEN.
XXXIV.
Über den Einfluf von Verdauungsfermenten auf Tuberkulin.
II. Mitteilung.
(Aus der Heilstátte Hórgas in Steiermark.)
| Von
Professor Dr. Th. Pfeiffer und Dr. H. Trunk.
ils Ursache der unsicheren Wirkung verfütterten Tuberkulins konnten
IN wir bereits zwei Momente nachweisen:!) einmal die, wenigstens teil-
GI weise, Verdauung des Tuberkulins durch Pepsin — dargetan an der
stark abgeschwächten Wirkung eines peptisch vorverdauten Präparates auf
tuberkulinempfindliche Menschen; dann seine ungenügende Resorption durch
die Darmschleimhaut — aufgezeigt an der geringen Wirksamkeit von Tuber-
kulinklysmen, bei denen wesentliche Fermentwirkungen mit Grund außer Be-
tracht gelassen werden konnten.
Seither haben Calmette und Breton?) die rektale Anwendung des
Tuberkulins zur Diagnose empfohlen, denn es erzeuge bei tuberkulösen Men-
schen gleich der subkutanen Injektion fieberhafte Allgemeinreaktion und fache
die abgelaufene Ophthalmoreaktion wieder an. Zwischen diesen und unseren
Erfahrungen besteht jedoch bei Berücksichtigung der Mengenverhältnisse kein
Widerspruch. Wir fanden das Tuberkulin vom Rektum aus keineswegs un-
wirksam, sondern nur bedeutend hinter dem Effekt des hypodermatisch ein-
gebrachten zurückbleibend. 20.— 50 mg (die 4— 160 fach subkutan wirksame Dosis)
blieben ohne Wirkung, während die 250fache Dosis (75 mg) eine unsichere,
die 300 fache (90 mg) eine zweifellose Fieberreaktion auslöste; wir verwiesen
daher auf die Analogie mit der Resorption geringer Mengen kolloidaler Eiweiß-
körper bei deren überreicher Einfuhr in den Darm. Die wirksame Gabe für
tuberkulöse Kranke betrug nun bei Calmette-Breton 1 cgalkoholgefällten
Tuberkulins, die nach früherer Angabe derselben Autoren * 1,25 g Rohtuber-
kulins entspricht, eine Dosis also, welche die von uns einmal rektal wirksam
gefundene von 0,098 Kochschen Tuberkulins sogar bedeutend übertrifft.
Der schon in unserer ersten Arbeit erörterten, auf der Einfuhr noch
höherer Tuberkulindosen beruhenden Erfahrung von Calmette-Breton,’) daß
» Th. Pfeiffer u. H. Trunk, Ztschr. f. Tuberkulose i Bd. XII, p. 17
2) Calmette-Breton, Compt. rend, de la soc. de biol., 7. Il. 1908, p. a
8) Calmette-Breton, Compt. rend, de l’Acad. d. a 12. III. 1906; Calmette, Rech.
exper. sur la tub. 1907, p. 120.
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIII. 31
466 TH. PFEIFFER UND H. TRUNK.
ZEITSCHR. f.
-TUBERKULOSE
stomachal eingebrachtes Tuberkulin auf tuberkulöse wie auf gesunde Meer-
schweinchen als tödliches Gift wirke, ist übrigens seither von Laffert?) wider-
sprochen worden. Gleich den genannten französischen Forschern gelang es
ihm nicht, Meerschweinchen durch Vorbehandlung mit Tuberkulin per os gegen
die tuberkulöse Infektion vom Darm aus zu schützen, im Gegensatz zu jenen
vermochte er aber auch bei tuberkulösen Versuchstieren keine Fieberreaktion
und keinen Einfluß auf den Krankheitsverlauf mittels verfütterten Tuberkulins
zu erzielen. Die Menge des Tuberkulins ist allerdings gerade bei dieser Ver-
suchsreihe nicht angegeben, doch scheint sie mindestens 1 g pro dosi betragen
zu haben.
Nur nebenbei sei erwähnt, daß Schwab?) versucht hat, bei Tuberkulose der
weiblichen Genitalien Tuberkulin in glyzeriniger und wässeriger Lösung vaginal
zu verwenden, ohne ein verwertbares Ergebnis zu erhalten.
In weiterer Verfolgung der vorangegangenen Versuche schien es uns von
Belang, auch die Wirkung tryptischen Fermentes auf Tuberkulin kennen
zu lernen.
Aus dem Ausfalle der Pepsinversuche durfte keinesfalls auf eine gleich-
sinnige Wirkung des Trypsins geschlossen werden. Gerade diesem gegenüber
ist die Angreifbarkeit verschiedener Eiweißkörper weit differenter als gegenüber
dem Pepsin; Fibrin, Kasein, die ungelösten Pflanzeneiweiße und denaturierte
Eiweißkörper z. B. werden vom Trypsin leicht gelöst, natives Serum- und Eier-
eiweiß und gelöstes Hämoglobin dagegen kaum verändert.?) Unter den Toxinen
ist beispielsweise Rizin, zwar trypsinfest, wird jedoch durch Pepsin-Salzsäure
bei erhaltener Giftwirkung seiner agglutinierenden Wirkung (auf rote Blutkörper-
chen) und seines Antitoxinbindungsvermögens großenteils beraubt; während
sich Antirizin gegen Pepsin und Trypsin resistent erweist.*)
Ebensowenig ist aus dem Verhalten von anderen Bakterien- und Phyto-
toxinen im Magendarmkanal ein Analogieschluß auf das Tuberkulin erlaubt,
weil sich anscheinend sowohl verschiedenartige solche, als selbst homologe
Toxine und Antitoxine nach Fermentresistenz und Resorbierbarkeit wesentlich
unterscheiden.
Ohne Vollständigkeit anzustreben, sei daran erinnert, daß Ehrlich’) die
Wirksamkeit verfütterten Rizins und Abrins und ihrer Antikörper nachgewiesen
hat; daß Behring-Wernicke®) und neuerdings wieder Chvostek 7) denselben
Beweis für Diphterietoxin erbrachten, während dieses (C. Sternberg)?) und
sein Antitoxin (Escherich)?) vom Rektum nicht resorbiert werden. Die 300 fach
tödliche Dosis Tetanustoxin viermal in 5 Tagen rektal eingeflößt wird von
Meerschweinchen schadlos vertragen und löst keine Antikörperbildung aus
1) Laffert, Arb. a. d. Inst. z. Erf. d. Infektkr. in Bern. Jena 1908, p. 104.
2) Schwab, Münch. med. Wchschr. 1908, p. 1609.
8) O. Cohnheim, Physiologie der Verdauung 1908, p. 214.
*) Jacoby, Hofm. Beitr. 1901, I, 51.
Pi Ehrlich, Dtsch. med. Wehschr. 1891; Ztschr. f. Hyg. 1892, XII.
8) Behring-Wernicke, Ztschr. f. Hyg. XII, 15 und XVIII, 192.
7 Chvostek, Wien. klin. Wchschr. 1908, p. 456.
8) C. Sternberg, Wien. klin. Wchschr. 1908, Nr. 20.
% Escherich, Wien. klin. Wchschr. 1897, Nr. 36.
aa VERDAUUNGSFERMENTE UND TUBERKULIN. 467
(Breton-Petit)* Tetanusantitoxin soll dagegen vom Dickdarm (Meer-
schweinchen) resorbiert werden, während allerdings Hamburger-Monti?)
das Gegenteil angeben (Kind) Stomachal einverleibtem Kobragift (10 fach
tödliche Dosis) widerstehen erwachsene Meerschweinchen (Calmette), rektal
erweist sich die 30—50 fach tödliche Dosis wirksam, Kobra-Antitoxin wird
dagegen nicht oder kaum resorbiert (Breton-Massol)*)
Ein Versuch, den Komplex der Einwirkungen, welcher bei der Aufnahme
dieser Körper per os in Betracht kommt, zu analysieren (Fermentspaltung, Re-
sorption, vielleicht Bakterien oder Antitoxinwirkung), liegt in den eben erscheinen-
den Studien Vincents‘) über das Tetanusgift vor. Nach diesen verdaut akti-
vierter Pankreassaft das Toxin, während die zerstörende Wirkung des Magen-
saftes nicht auf den Ferment-, sondern auf den Salzsäuregehalt zu beziehen sei.
Wir haben uns dagegen überzeugt, daß Digestion mit Salzsäure allein Tuber-
kulin nicht abschwächt.
Nur die tatsächliche Prüfung des Verhaltens des Tuberkulins gegen
Trypsin konnte somit die Entscheidung bringen, die uns nach zweifacher Rich-
tung wichtig schien. Einmal konnte möglicherweise das Verhalten des Tuber-
kulins verschiedenen Verdauungsfermenten gegenüber Hinweise auf seine Struktur
liefern und nach dieser Richtung gerade die Kenntnis der Wirkungsweise des
Trypsins bedeutungsvoll werden, da der Bau des angreifbaren Substrates für
dieses besser bekannt ist, als für das Pepsin. Andererseits lag ein praktisches
Interesse nach Beantwortung der gestellten Frage insofern vor, als — wie ja
tatsächlich Freymuth schon vorgeschlagen hat — die schädigende Magen- `
verdauung durch pepsinfeste Umhüllungen des Tuberkulins vielleicht aus-
geschaltet werden könnte und nun zu erörtern bleibt, ob die Fermente des
Darmes und seiner Drüsen das Tuberkulin angreifen.
Die Technik war vollständig der in den Pepsinversuchen angewendeten gleich
geartet. In vitro mit tryptischem Ferment digeriertes Tuberkulin wurde Tuberku-
lösen, deren Tuberkulinempfindlichkeit ausgewertet war, subkutan eingespritzt.
Als Fermentlösung diente Pankreas-Glyzerinextrakt-Grübler, dessen Wirk-
samkeit an Eiweißwürfeln und Mettschen Eiweißröhrchen ausgeprobt war.
I ccm dieses Pankreasextraktes wurde mit 1occm 3°/, Sodalósung ver-
dünnt und 0,2ccm Tuberkulin hinzugefügt. Nach 18stiindigem Verweilen im
Brutschrank (37°) wurde genau gegen Phenolphthalein neutralisiert, mit 0,5%,
Phenolkochsalzlósung auf 20 ccm aufgefüllt und im Dampf sterilisiert. I ccm der
Lösung entsprach also ıo mg Tuberkulin. Im folgenden wird dieses kurz-
weg als „Irypsintuberkulin“ bezeichnet werden; die Zahlen geben den
ursprünglichen Tuberkulintiter an.
Fall I. Michael M., Schneider, 24 J., Lungentuberkulose R. I. TB, o.
1. IL. 0,5 mg Tuberkulin subkutan. Keine Reaktion.
5. II. 1,0mg Tuberkulin subkutan. 7 Uhr abends.
1) Breton-Petit, Compt. rend. soc. de biol., 7. II. 1908, p. 160.
3) Hamburger-Monti, Münch. med. Wchschr. 1908, p. 1640.
3) Breton-Massol, Compt. rend. soc. biol., 24. I. 1908, p. 48.
% Vincent, Compt. rend. soc. de biol, 7. u, 14. XII, 1907; 8. u. 15. V. 1908; vergl.
auch M. Rabinowitsch, Arch. f. Hyg. 1907, LXI, 103.
31*
TH, PFEIFFER UND H. TRUNK. eae
0IL Tp 304, 30,8, 30,95. 372137023715 3752:
7. IL. Tp. 37,0, 37,1, 37,4, 37,6, 37,7, 37,4, 37,2.
Husten.
25. IL
1. III.
5. III.
10. III.
11. III.
in der Folgez
Fall II.
bazillen.
2. IL.
6. II.
10. II.
11. II.
12. II.
Husten nicht
25. IL.
1. III.
6. III.
Fall III.
12.
16.
17.
18.
27.
3. TIT.
maximum 37,
IL
8. III.
Kopfschmerz.
9. III.
Fall IV.
11, III
14. III.
15. III.
18. III.
19. III.
Kopfschmerz.
20. 111.
21. II.
Kopfschmerz und viel
1,omg Trypsintuberkulin subkutan. |
3,0 mg
5,0 mg
8,0 mg 7 Uhr abends.
Tp. 30,2, 30,4, 200 37,0, 36, O, SÉ 8. Husten etwas vermehrt.
eit öfters mittags 37,0.
Keine Reaktion.
7) H
2) 3)
Auch
Ludwig P., Kommis, 22 J., Lungentuberkulose. R. I. Keine Tuberkel-
Keine Reaktion.
1,0 mg a Kein Fieber, etwas Brustschmerz.
3,0 mg Taberkulis subkutan. Abends.
Ip. 36,9, 371, 37,1, 37,0, 37,1, 37,7, 37,7.
Tp. 37,3, 3733, 37:3) 37,4, 3715, 37,3, 37,0»
vermehrt. ws
3,0 mg Trypsintuberkulin subkutan.
5:0 mg
8,0 mg »
Arthur Z., Metallgieber, 34 J., Lungentuberkulose R. I, L. I. TB. o.
0,5 mg Tuberkulin subkutan. Ohne Wirkung.
1,5 mg Abends 7 Uhr.
O, mg Tuberkulin subkutan.
Kopfweh, Mattigkeit,
Keine Reaktion.
3) ”
H
3
S Tp. 36, 3 36,0, 30,9, 30,8, 36,7, 37,2, 37,5.
+ Tp. 37,1,
37,2, 37,2, 37,0, 36,8, 30,7, 30,9. Kopfweh, Mattigkeit.
Keine Reaktion.
Etwas matt und unwohl.
1,5 mg Trypsintuberkulin.
3,0 mg
2.
355 mg
Temperatur-
”
Trypsintuberkulin subkutan. 7 Uhr abends. Nachts
Tp. 36,9, 37,2, 37,4, 37,4, 37,5, 37,8.
Adolf W., Metallgießer, 27 J., Lungentuberkulose L. I.
0,3 mg Tuberkulin subkutan. Keine Reaktion.
1,0 mg > 7 Uhr abends.
Temperaturmaximum 37,2. Mattigkeit, Kopfschmerz.
2.5mg Tuberkulin subkutan. 7 Uhr abends.
Tp. 39,3, 39,2, 38,2, 38,9, 30,0, 30,3, 39,3. 2 mal 0,2 Pyramidon,
TB. o.
9)
Tp. 38,8, 39,0, 38,8, 38,7, 30,0, 38,9, 38,1.
Tp. 37,1, 37,0, 37,2, 37,3, 37,4, 37,0, 30,5. Noch etwas Mattigkeit
und Kopfschmerz.
27 EE
1. IV.
Fall V.
26. III.
27. III. Tp. 36,3, 36,8, 36,0, 37,1, 37,5, 37,9, 37,2.
4,0 mg Trypsintuberkulin.
6,0 mg a
Anton Sch., Schneider, 22 J, Lungentuberkulose R. I., L. I.
0,3mg Tuberkulin subkutan. Abends.
| Keinerlei Reaktionserscheinung.
TB. o.
Geringe subjektive Be-
schwerden.
31. III. 0,5 mg Trypsintuberkulin subkutan. Keine Reaktion.
6. IV. 1,0 mg » H Abends.
7. IV. Temperaturmaximum 37,3.
11. IV. 2,0mg Trypsintuberkulin subkutan.
12. IV. Temperaturmaximum 37,2. Stichreaktion. Temperaturen von 37,0 bis
37,2 werden
später Gfters gemessen.
BD.XIIL,HEFT 6.
1909.
YE SDAUUNCSPERMENTE Dr CUPE BULI IN.
469
Fall VI.
Franz Sch.,
Schriftsetzer, 32 J., Lungentuberkulose L. II. Keine
Tuberkelbazillen.
13. III.
16. III.
steigerung.
20. III.
III.
II.
21.
22.
24;
2%
1. IV.
S. IV.
9. IV.
Fall VII.
26.
30.
31.
1. IV.
6. IV.
11.
15. IV.
Fall VIII.
TB. o.
30. III.
4. IV.
8. IV.
9. IV.
10. IV.
Schwarte.
schmerzen.
14. IV. :
21. IV.
Fall IX. Josef R., Fisenarbeiter,
TB. o.
1. IV.
6. IV.
7. IV.
. 2mg Trypsintuberkulin.
IV.
IV.
obsol.
11.
15.
21.
ITI.
TIT.
TIT.
III.
III.
- 4,0 mg ” „
Geringe Stichreaktion.
0,3 mg Tuberkulin subkutan.
Kopfschmerz. Keine Temperatur-
1,0 mg ” ”
2,5 mg Tuberkulin subkutan. 7 Uhr abends.
Tp. 30,5, 37,3, 38,0, 38,8, 39,0 (Pyramidon 0,2
Tp. 38,2, 38,1, 38,4, 38,8, 38,4, 38,0, 37,2.
Tp. 36,9, 37,0, 30,9, 37,2, 37,0, 37,2, 37,0.
4,0 mg Trypsintuberkulin subkutan. |
6,0 mg » »
9,0 mg S Abends.
Tp. 36,8, 37,2, 374, 37,5, 37,2, 3754 37,2:
Rupert Fl, Lohndiener, 32 J., Lungentuberkulose L. I.
0,3 mg Tuberkulin subkutan. Keine Reaktion.
1,0 mg E 7 Uhr abends.
Tp. 30, 4; 36,6, 36,7, 37:1, 37,45 37,8, 38,4, 38,6 (nachts).
Ip. 37,5, 37,2, 37,2, 3713, 37:5) 37,3, 37,4-
2,0 mg Trypsintuberkulin subkutan.
Ny 38,75,,3053:
Keine Reaktion.
Atembeklemmung.
TB. o.
| Keine Reaktion.
6,0 mg ” D
K., Kommis, 21 J.,
0,3 mg Tuberkulin subkutan.
1,0 mg 3) ))
30mg |
Tp. 36,8, 37,3, 37,2,
Tp. 38,0, 37,8, 38,0, 38,2, 38,1,
Ignaz Lungentuberkulose L. I. Pleuritische
Keine Reaktion.
sé 7 Uhr abends.
3715, 37:9, 38,1, 88,5.
37,8, 37,3. Stichreaktion, Glieder-
Reine Reaktion.
Stichreaktion.
18 J., Lungentuberkulose L. I., R. I.
5,0mg Trypsintuberkulin.
10,0 mg A
Pleurit.
0,3mg Tuberkulin subkutan. Keine Reaktion.
1,0 mg Se m Abends.
Tp. 30,3, 37,0, 37,2, 37,1, 3754» 37,4, 37,5.
5 mg 2 Keine Reaktion.
8 mg N
Später PTO. 0,2 mg bei 3 maliger Wiederholung stets starke Infiltration an der
Stichstelle.
Fall X.
1. IV.
a IV.
. IV.
Isidor H., Tischler, 30 J., Lungentuberkulose L. I.
TB. o.
0,3 mg Tuberkulin subkutan. Ohne Reaktion.
1,0 mg A Abends.
Tp. 36,0, 374 37:73 38,1, 38,7, 38,4, 38,2, 37,3, 37,0, 37,0, 37,0,
37,1, 37,2, 37,0.
15. IV. 3,0 mg Trypsintuberkulin. Keine Reaktion.
Fall XI. Thomas St, Weichenwärter, 37 J., Lungentuberkulose R. I., L. I. TB. o.
7. IV. 0,3 mg Tuberkulin subkutan. Am nächsten Abend 37,2.
10. IV. 1,0 mg ‘; E Rückenschmerzen, Hüchsttemperatur 37,0.
14. IV. 2,5 mg S 5 Abends. Nachts: 38,4.
15. IV. 39,3, 38,4, 38,7, 30,2, 38,8, 38,0, 38,4.
16. IV. 37,7, 37,5, 38,1, 38,0, 37,8, 37:5, 37,0.
f Ge l ZFITSCHR. f.
21. IV. 5mg Trypsintuberkulin. Keinerlei Temperatursteigerung, keine Stich-
und Lokalreaktion.
Fall XII. Leopold Z., Schneider, 31 J., Lungentuberkulose L. I. TB. o.
20. XII. Morgens nüchtern Natr. bicarbonic., dann 1 Tuberkulinpille (nach
Freymuth) = 20 mg T.
24. XII. 1 Tuberkulinpille = 20mg T |
29. XII. 2 Tuberkulinpillen = 40 mg T ;
+ L 2 gi = omg T |
18. I. o,3mg Tuberkulin subkutan. Abends.
19. I. Tp. 30,5, 30,0, 30,4, 37,2, 37,1, 37,0, 37,5. Kopfweh, Abgeschlagen-
heit, Brustschmerz.
Auch auf o,2 PTO leichtes Fieber und subjektive Reaktionserscheinungen.
Keine Reaktion.
Ubersicht.
Die 2 fach wirksame Dosis war unwirksam Fall XI, wirksam Fall IJI (schwach)
H NA ” ” „ di „ » Il
» A o 5) ” ” 59 ” X, 9 an VIII (Stich)
» 4 a „ ” ” „ ” VI (schwach)
H 6 ” ” „ „ 39 ” Ke: VII,
» /» „ 33 29 ” 9 V (Stich)
„ 8 5 „ ” „ » „ I, IX
Es erwies sich somit unter 11 Fällen das 2—8 fache Multiplum der sub-
kutan wirksamen Menge 7 mal ganz unwirksam. In zwei weiteren (VIII und V)
war lediglich geringe Stichreaktion zu bemerken, während !/, bezw. */, dieser Menge
an Originaltuberkulins schon Fieber verursacht hatte. In Fall VI warauf 2,5 mg
Tuberkulin eine heftige, protrahierte Allgemeinreaktion eingetreten, 4 und 6 mg
Trypsintuberkulin blieben dagegen unwirksam und erst durch 9 mg dieses
verdauten Präparates wurde eine geringe, kurzdauernde Fiebersteigerung ausgelöst.
In Fall III endlich entsprach die Menge von 3,5 mg Trypsintuberkulin in ihrer Wir-
kung auf die Körpertemperatur annähernd der von 1,5 mg Tuberkulin-Koch.!)
Ähnlich den Erfahrungen mit Pepsin war also auch durch Trypsin-
verdauung keine Aufhebung, sondern nur Abschwächung der Tuber-
kulinwirkung auf den tuberkulös infizierten menschlichen Organismus erreicht
worden. Wenn nun auch unser „Irypsintuberkulin“ weit toxischer wirkte als
die beiden vordem dargestellten „Pepsintuberkuline“, von denen eine die wirk-
same Tuberkulindosis 5—40 fach übertreffende Menge ohne Effekt blieb, so
wäre es, mangels der Möglichkeit die Wirksamkeit der beiden Fermentlösungen
an gemeinsamem Maßstab zu messen, gewagt, aus dieser quantitativen Diffe-
renz eine verschiedene Angreifbarkeit des Tuberkulins durch peptisches bezw.
tryptisches Ferment abzuleiten.
Nach der oben angedeuteten theoretischen Richtung hin, läßt sich also
kein Schluß ziehen, dagegen lassen die Versuche deutlich erkennen, daß auch
die Anwendung keratinierter Pillen und tunlichste Abstumpfung der Magen-
säure, intern verabfolgtes Tuberkulin nicht vor Verdauung schützt und somit
seine Wirksamkeit außer durch mangelhafte Resorbierung auch durch die Pan-
kreasverdauung unsicher wird.
1) Fall XII bezieht sich auf einen negativen Versuch mit Tuberkulinpillen (130 fach wirk-
same Dosis).
"se > WEITERE BEOBACHTUNGEN UBER MARMOREKS SERUM. 471
XXXV.
Weitere Beobachtungen über die Behandlung von Lungen-
tuberkulósen mit Marmoreks Serum.
(Aus der Heilstätte Hörgas in Steiermark.)
Von
Prof. Dr. Th. Pfeiffer und Dr. H. Trunk.
$
nsere erste Mitteilung über die Behandlung der Lungentuberkulose mit
Marmoreks Antituberkuloseserum schlossen wir mit folgenden zu-
Lä sammenfassenden Worten:
„Für die klinische Prüfung der Heilwirkung des Antituberkuloseserum
hatten wir mit Absicht vorwiegend schwere Fälle gewählt, um mit größerer
Sicherheit erzielte Veränderungen als Serumerscheinungen deuten zu können.
Die eindeutigen, immer wiederkehrenden symptomatischen Wirkungen (Sekret-
abnahme) sowohl als die erzielten Gesamterfolge, die wir öfters in zeitlichen
Zusammenhang mit dem Beginn der spezifischen Behandlung zu bringen ver-
mochten, dürfen mit Rücksicht auf den Charakter der Fälle und die meist
verhältnismäßig kurze Kurdauer als durchaus befriedigend bezeichnet werden.
Weiteren Untersuchungen bleibt es vorbehalten, die Grenzen der Leistungs-
fähigkeit der Methode genau abzustecken.“!)
Diese Ansicht stützte sich auf die Beobachtung von 27 — zum Teil durch
Kehlkopftuberkulose komplizierten — Fällen von Lungentuberkulose, von denen
3 aus der kritischen Betrachtung ausgeschaltet blieben; einer dieser war näm-
lich im Verhältnis zur Ausdehnung und Dauer der Erkrankung viel zu kurz
behandelt worden, der zweite betraf eine rasch progrediente Lungen- und Kehl-
kopfphthise, bei welcher der von vornherein fast aussichtslose Versuch, den Prozeß
aufzuhalten, bald aufgegeben worden war, der dritte, damals noch nicht ab-
geschlossene Fall, wird in der folgenden Zusammenstellung Platz finden.
Über das weitere Schicksal der restlichen — dort verarbeiteten — 24 Fälle
trachteten wir uns teils durch eigene Nachuntersuchungen teils durch schrift-
liche Nachrichten Kenntnis zu verschaffen und sind in der Lage über alle,
deren Entlassung aus der Heilstätte nunmehr 10—24 Monate zurückliegt, zu
berichten.
Die nachstehende Tabelle I verzeichnet nochmals die in unserer ersten
Arbeit aufgestellte Epikrise neben dem Ergebnis der jetzigen (Ende Ok-
tober 1908 angestellten) Nachforschungen. Prüfen wir außerdem die damals
gegebene Übersicht der Resultate, an der Hand der erhaltenen Auskünfte, auf
deren Beständigkeit, so ergibt sich folgendes:
„Das Gesamtergebnis war bei den 2 Fällen des I. Stadiums (Turban)
durchaus günstig.“ Bei einem dieser beiden (Fall 1) erwies sich der Erfolg als
trügerisch, unter allerdings recht ungünstigen Arbeitsbedingungen (Kesselschmied)
trat rasch Verschlechterung und schließlich der Tod ein.
1) Ztschr. f. Tuberkulose 1907, Bd. 11, p. 283.
192
he
Dd => D:
TH. PFEIFFER UND H. TRUNK. ZEITSCHR. 1.
472 _ TUBERKULOSE
„Die 12 Fälle des II. Stadiums waren mit wenigen Ausnahmen beim Ein-
tritte fieberfrei. Von den drei Fiebernden starb der eine mehrere Monate nach
Verlassen der Anstalt (Fall 3), die beiden anderen hatten keinen nachhaltigen
Gewinn von Anstalts- und Serumbehandlung.“ Diese beiden Kranken (Fall 4
und 5), von denen der eine in die Anstalt zurückkehrte und wieder mit
Serum behandelt wurde, sind dauernd siech geblieben.
„Keine Wirkung wurde außerdem in dem mit Larynxtuberkulose kom-
plizierten Falle 6, in Fall7 und in dem kurz behandelten Falle 14 erzielt.“
Der Kranke Nr. 7 war nochmals in Heilstättenbehandlung und wurde nach
vielen Monaten verschlechtert entlassen; Hans Br. (14) starb 17 Monate nach
der Entlassung, Fall 6 dagegen berichtet nach dem gleichen Zeitraume über
gutes Befinden und erhaltene Arbeitsfähigkeit (Faßbinder).
„In den übrigen, zum Teil recht schweren Fällen (8—13) wurden sowohl
das Allgemeinbefinden als die objektiven und subjektiven Symptome der
Lungenerkrankung günstig beeinflußt.“ Die günstige Prognose hat sich bei
allen diesen 6 Kranken bewährt.
„Unter den 10 Fällen des III. Stadiums befanden sich 6 febrile und
2 afebrile, von den ersteren wurden 3 mit gutem Erfolg, ebensoviele vergeblich
behandelt.“ Bei 2 Patienten (19, 20) der ersten Gruppe blieb der gute Erfolg
bestehen, während der dritte (17) — gekennzeichnet durch die Worte: „sehr
guter Entlassungserfolg; Dauer!“ — sowie die 3 Ungebesserten (15, 16, 18)
seither verstarben.
„Ungünstig gestaltete sich das Ergebnis bei den 4 Fieberfreien, denn
wenn auch in je ı durch schwere Begleitkrankheit komplizierten (Fall 24) bezw.
schon lange vergeblich hygienisch - diätetisch behandelten Falle (21) der All-
gemein- und der Lungenstatus bemerkenswert gehoben wurde, so war dieser
Erfolg von fraglicher Dauer, in den 2 weiteren (22, 23), jedoch war die Ände-
rung zu geringfügig, um zu Schlüssen zu berechtigen.“ Diese Zweifel an der
Beständigkeit des Resultates waren unbegründet, da alle 4 wenigstens teilweise
arbeitsfähig geworden sind.
An dem seinerzeit festgelegten Endergebnis der einzelnen Fälle hat also
die Nachbeobachtung wenig geändert. Ihr ,,Dauererfolg“ stellt sich sogar
etwas besser dar als der „Entlassungserfolg‘“, indem zwar 2 günstig beurteilte
Patienten starben, andererseits aber 5, deren Prognose zweifelhaft schien, sich
noch jetzt in gutem Zustande befinden.
- Zu gleicher Zeit waren wir bestrebt, neue Erfahrungen über die Wirkung
des Marmorekschen Tuberkuloseserum auf den tuberkulosekranken Menschen
zu sammeln, und können nunmehr außer über den schon in der Arbeit als
noch in Behandlung stehend erwähnten Patienten, noch über 22 neue Fälle
aus unserer Anstalt und 3 aus der Konsiliarpraxis berichten. Auch diese wur-
den vor Abschluß der vorliegenden Mitteilung teils nachuntersucht, teils über
ihr Befinden seit dem Austritte aus der Heilstätte, der bis zu 11 Monate zurück-
liegt, schriftlich befragt.
Nachdem die versuchte subkutane Injektion des Serums wegen ihrer
unangenehmen Nebenwirkungen bald wieder verlassen worden war, wurde es
BD.XILDHEFT6. WEITERE BEOBACIITUNGEN ÜBER MARMOREKS SERUM. 473
wieder ausschließlich rektal in Einzelmengen von 5—10 ccm eingeführt, doch
bevorzugten wir, mehr noch als am Ende der ersten Versuchsreihe, an Stelle
der anfangs angewendeten 20tagigen Serumreihen mit Iotägigen Ruhepausen
kürzere Serien bezw. längere Unterbrechungen. Die Menge des im Einzelfalle
verbrauchten Serum schwankte zwischen 109 und 800 ccm, betrug jedoch meist
200 — 300 ccm.?)
Mit einer einzigen Ausnahme (Fall 52) wurden nur Fälle mit bakterio-
logisch sichergestellter Diagnose und dementsprechend deutlich aus-
gebildetem Lungenbefund behandelt.
Der Kranke 39, der an rasch fortschreitender ausgedehnter Lungenphthise
litt und sich überdies eigenmächtig schweren Schädigungen aussetzte, muß als
ungeeignet für die Bewertung des Serum ausgeschieden werden, Fall 52 steht
noch in Behandlung, so daß 24 neue Fälle verbleiben.
Von diesen gehörten 3 dem IL, 7 dem Il und 14 dem III. Stadium
(Turbans) an; das vorliegende Krankenmaterial war somit etwas ungünstiger
zusammengesetzt als jenes der ersten Gruppe, in welcher die bezüglichen
Ziffern 2:12:10 lauteten.
Das Ergebnis ihrer Behandlung mit Serum war insofern schlechter, als
nur 6mal (25°/,) ein ausgesprochen guter Erfolg erzielt wurde, gegenüber der
früheren Zahl von 11 (= 45-8°/,) günstigen Resultaten. In 5 weiteren Fällen
war die zur Zeit der Serumanwendung merkbare Besserung so gering, daß die
Annahme, sie wäre auch ohne spezifische Behandlung erreicht worden, wahr-
scheinlich ist. In 7 Fällen (29-2°/,) endlich, von denen einer eine Fistel nach
Knochentuberkulose (Fall 38) betraf, fehlte jedwede Wirkung.
Günstige Veränderungen des Krankheitsbildes bestanden wieder in starker
Zunahme des Körpergewichtes und bedeutender Besserung des subjektiven Be-
findens, in Abnahme von Husten und Auswurf und Rückgang des physikali-
schen Lungenbefundes, doch sahen wir bei den neuen Patienten keine so über-
raschende Rückbildungen und Sekretabnahme in Kavernen, wie sie von uns
früher beschrieben wurden.
Besonders drängte sich aber mehrfach die Frage auf, ob das Marmorek-
serum in größerer Menge (abgesehen von den Symptomen der Serumkrank-
heit) nicht auch ungünstig auf den tuberkulösen Prozeß wirken könne. Wir
hatten schon, mit Bezug auf die Fälle 6, ı2, 2ı gesagt: „Nicht immer war
die Besserung von Bestand. Die stärksten Fortschritte wurden meist in den
ersten zwei oder drei Serien erreicht, dann trat öfters Stillstand oder sogar
wieder Verschlechterung des Auskultationsbefundes trotz guten Allgemein-
zustandes ein.“ Ganz analog verhielt sich der Fall Nr. 41. Noch deutlicher
wiesen solche Verschlechterungen bei fortgesetzter Serumzufuhr die Fälle 34
und 35 auf. Bis zum Verbrauch von 200 bezw. 300 ccm Serum besserte sich sowohl
der Allgemeinzustand als der Lokalbefund gleichmäßig, dann aber schritt die
Lungenerkrankung wieder fort, die Zahl der Tuberkelbazillen im Auswurf nahm
zu, das Körpergewicht sank und schließlich stieg auch die Körpertemperatur;
D Auch diesmal stellte Herr Dr, Al. Marmorck sein Serum in freigebigster Weise zur
Verfügung.
474 TH. PFEIFFER UND H. TRUNK. nase
in dem auch subkutan behandelten Falle 44 kam es zu dauerndem Fieber.
Zweifelhaft erscheint die ursächliche Beziehung der gleich mit dem Beginne
der Serumtherapie einsetzenden Verschlechterung zu dem Präparate bei dem
Kranken Nr. 48. Durch 5 Monate hatte sich der Patient gleichmäßig erholt,
war afebril geworden, hatte 14,5 kg an Gewicht zugenommen, der Lungen-
prozeß war stetig zurückgebildet, der Baziilenbefund günstiger geworden. Schon
während der ersten Tage der rektalen Serumanwendung stieg die Temperatur,
nahmen Husten und Auswurf zu und schließlich mußte nach Applikation von
115 ccm Serum eine Gewichtsabnahme von 0,8 kg, vermehrtes Rasseln in den
Lungen, Ansteigen des Bazillengehaltes des Sputum festgestellt werden. Endlich
ist hier der Fall 49 anzufügen, bei welchem jedesmal nach subkutaner bezw
rektaler Einbringung von 25 ccm Serum die vorher normale Temperatur bis
39° stieg, um nach einigen Ruhetagen wieder langsam zu fallen und bei dem im
ganzen Allgemein- und Lungenzustand entschieden schlecht beeinflußt wurden.
Auf den Unterschied in der Erfolgstatistik gegenüber unserer früheren
Zusammenstellung kann mit Rücksicht auf die geringe Höhe der absoluten
Zahlen und die Ungleichartigkeit des Materials kein Gewicht gelegt werden,
doch sind wir auf Grund unserer gegenwärtigen größeren Erfahrungen eher zu
einem noch vorsichtigeren Urteil über die noch immer offene Frage der Wirk-
samkeit Marmorekschen Antituberkuloseserum geneigt. Die Art der Wirkung
— Nutzen oder Schaden — ist für die Grundfrage nach der Wirksamkeit zu-
nächst gleichgültig; wirkliche Schäden würden sogar beweisen, daß die tuber-
kulösen Herde durch das Präparat beeinflußt werden und nur dazu auffordern,
an die Stelle der bisherigen schematischen Anwendungsweise eine bessere Me-
thodik — Feststellung der Indikationen, sorgfältige Dosierung — zu setzen.
Weills?) für die Behandlung der Larynxtuberkulose gemachtem Vorschlag,
das Serum nur nach Maßgabe des fortgesetzt kontrollierten Krankheitsverlaufes
anzuwenden, läßt sich allerdings für die Lunge weniger leicht entsprechen als für
den unmittelbarer Untersuchung zugänglichen Kehlkopf, wird aber doch soweit
möglich auch für diese zu beachten sein.
Von dem Fehlen einer Abschwächung des Tuberkulins durch das Anti-
tuberkuloseserum — gemessen an dem Ausfall der v. Pirquetschen Kuti-
reaktion — haben auch wir uns, wie Grüner ?), überzeugt und können noch
hinzufügen, daß mit Serum behandelte Kranke diese und die Ophthalmoreaktion
ebenso geben, wie andere Menschen. Nach dem heutigen Stande der Dis-
kussion über diese Reaktionen und besonders auch nach den gleichfalls nega-
tiven Versuchen von S. Cohn’) mit Antituberkulinserum (Höchst) dürfen daraus
wohl keine Schlüsse auf den antitoxischen Wert des Präparates gezogen werden.
Bezüglich der Literatur sei auf die erschöpfende Bearbeitung von H Frey‘)
verwiesen und dieser nur einige Ergänzungen beigefügt:
1) A. Weill, Progrès méd. 1907, Nr. 20.
2) Grüner, Wien. klin. Wchschr. 1908, Nr. 38.
3) S. Cohn, Berl. klin. Wchschr. 1908, Nr. 28.
4) H. Frey, Ztschr. f. Tuberkulose 1908, Bd. XII, p. 142.
"e NIS. WEITERE BEOBACHTUNGEN ÜBER MARMOREKS SERUM. 475
B. Hodesmann, Der gegenwärtige Stand der Tuberkulosebehandlung
unter besonderer Berücksichtigung des Tuberkulin, des Hetol und des Marmorek-
serum. Diss. Leipzig 1906.
Schrader, Spezifische Tuberkulosemittel. Med. Klinik 1908, 624.
Grüner, Über die Behandlung interner und chirurgischer Tuberkulose
mit dem Antituberkuloseserum von Marmorek. Wien. klin. Wchschr. 1908, 1317.
M. Strauß, Das Marmorekserum in der Therapie chirurgischer Tuber-
kulose. Münch. med. Wchschr. 1908, 2175.
v. Huellen, Weitere Erfahrungen über die Wirksamkeit des Antituber-
kuloseserums Marmorek. Dtsch. Ztschr. f. Chir. 1908, Bd. 95.
27. Johann K., 21 J., Student. Krankheitsbeginn vor 3 Mon., Husten, Stechen,
- Abmagerung, geringes Fieber; Erscheinungen zunehmend.
12. 111. 08. 61,9 kg (167,5 cm). Mast afebril. Sputum: flockiger Schleim
mit eitrigen Fäden, T.B. 4.1 Stadium I.
1 Monat ohne Serum behandelt. 67 (+ 5,1)kg. T.B. 5. Lunge gleich.
Lungenbefund: L{inks)V(orn) Dämpfung bis IV. Rippe, LHfinten) bis
IL Dorn. Über der Klavikula rauhscharfes sakkadiertes In-, scharfes Exspirium,
dann V. scharfes In- und Exspirium; LH. vom I.—-V. Dorn scharfes In-, am I. vesiko-
bronchiales, am II. und III. scharfes Exspirium.
I. Serumfolge. 4mal 5ccm subkutan mit je 3tägiger Zwischenpause. Nach
der 2. Injektion etwas Rötung und Schmerz, nach der 3. mäßige, nach der 4. starke
Schwellung. Tp. bis 37,6.
Dann rektal 85 ccm. 69,3 (+ 2,3)kg. T.B. 3. Etwas mehr Husten.
10 Tage Pause. |
2. Serie. Rektal 100 ccm. Mehr Husten und beträchtlich mehr Auswurf.
T.B. y. Ofters Brustschmerz. + 1,7 kg. 14 Tage Pause.
3. Serie. Rektal 6occm. Husten, Auswurf und Schmerzen geringer T.B. 6.
+ 2,2 kg.
Lungenbefund unverándert.
Befund 8 Monate nach Entlassung: Lunge verschlechtert Abmagerung,
reichlicher Auswurf.
Allgemeinzustand gut. Lunge nicht gebessert. Kein Bestand.
28. Franz P., 24 J, Beamter. Beginn vor 14 Mon. Zwei kleine Hä-
moptoen.
tg. VIII. oz 65,3kg (173cm). Afebril. Sputum: T.B. 2. Stadium I.
Lunge: Dämpfung RV. bis III, RH. bis IV.?) V. und H. bis II vesiko-
bronchiales Atmen, kleines Rasseln, bis III scharfes In-, vesikobronchiales Exspirium,
Knisterrasseln.
1 Monat ohne Serum behandelt. + ıkg. Lunge etwas gebessert. T.B. 2.
I. Serie. 100ccm. Vom 3. Tage ab mehr Auswurf, der erst am Ende der
Serie abnimmt. Lunge gebessert. T.B. o. + 2kg. 10 Tage Pause. Auswurf gering.
2. Serie. Iooccm. Anfangs wieder vermehrter Auswurf. T.B.o. Kutis-
reaktion (v. Pirquet) schwach positiv. 10 Tage Pause.
3. Serie. 8occm. + Qkg.
Lunge: Dämpfung RV. bis IL, RH. bis IV. Nur H. am II. Dorn Knister-
rasseln.
1) T.B. 4 = Gehalt an Tuberkelbazillen nach Gaflkys Skala Nr. 4.
2) Die römischen Ziffern bedeuten vorn die Zahl der Rippen, hinten die der Brustwirbel-
dorne; die arabischen Ziffern bezeichnen die Interkostalräume, clay = Supraklavikulargrube.
ZEITSCHR. f.
Tabelle L
Name | Epikrise bei der Ent- Nach der Entlassung
Nr. Stadium lies e ee A A
| Beruf | sung Zeit Befinden
ee | Ber en Re: | ee peu e a EE En A AR a ee paan | TT eee Ae Es
I | Albin Kr, | I , Erfolg sehr gut, Tub.- | 11 Mon. ¡Gestorben(Pneumothorax)
Besselschmies. Baz. geschwunden
ESP Albert. Z., I |Kurzer Anstaltsaufenthalt.| 2 Jahre ‚Sehr gutes Befind. + 2 kg
| Student Kurze Serumbehandlung.
Gutes Ergebnis. Baz,
geschwunden
3 » Rupert P, ` 11 Schlechte Prognose. 6 Mon. | - Gestorben `
| Wagenführer | Keine Wirkung |
A. Franz W., | II Höheres Lebensalter. | 1 Jahr n. ‚Nach 5 Monaten bedeu-
Kaufmann Keine Wirkung der Ent- tend schlechter zurück- i
/ lassung | gekehrt. Nochmals
| | ‘295 ccm Serum ohne Er-
| | folg. Nicht arbeitsfahig
5 | Alfred A. | II Prognose scheinbar gut.| 17 Mon. Ziemlich wohl, fieberfrei.
Lehrer Ohne Serum kein Fort- — 2 kg. Nicht arbeits-
| schritt. Während der | fähig
| Serumanwendung vor-
| übergehende Besserung. |
| | Kein Erfolg
6 Josef H., | II 'Vorúbergehende Besserg.| 17 Mon. Zustand besser. Arbeits-
| Faßbinder | Kein Enderfolg | fähig. Temp. normal.
; Husten und Auswurf ge-
| | ring. — 3,2 kg
7 | Josef H., II Keine Wirkung ou e 13 Monate nach erster
| Landwirt Entlassung neue Beobach-
E tung (ohne Serum). L.-
‘Tub, progredient. Ccecal-
| tuberkulose
vere ate al A E ig
8 ` | Josef M., II Sehr guter - Erfolg. Tub.-| 20 Mon. | 11 Monate arbeitsfähig.
Beamter Baz. verschwunden Akuter Rúckfall. Wieder
es ccm Serum. Seither
| | 'wieder gutes Befinden,
| | arbeitsfähig
| ene a the ee : A A ee ee rae a lt un
9 Josef V., | II Guter, gleichmäßiger 15 Mon. Gewichtszunahme, Etwas
| Lehrer | Fortschritt, Tub.-Baz. ' Husten. Berufsfähig
| verschwunden 2
10 Hans P., f II Guter Erfolg, nicht he 21 Mon. Fühlt sich gesund, trotz
Ingenieur | auf das Serum zu beziehen. angestrengter Tätigkeit.
Tub.-Baz, nicht ge- | — 0,3 kg
| schwunden |
II Rupert L., | IL - |Guter Erfolg. Tub. -Baz.| 22 Mon. Immer arbeitsfähig. Gu-
Kaufmann nicht verschwunden tes Befinden
12 Ludwig L, II 'V oriibergehender sympto- 16 Mon. Untersuchung n. 10 Mon.:
Hafner matischer Erfolg Stationärer Befund. Voll
arbeitstähig
13 | Julius Sk., | II Guter Erfolge. Tub.-Baz | 10 Mon. Untersuchung: Lungenbe-
Bautechniker nicht verschwunden ‚fund noch gebessert. Voll
arbeitsfähig
14 Hans Br., o IT | Nur Allgemeinbefinden | 17 Mon. Gestorben (nicht vernünf-
Landwirt
gut beeinflußt
| tig gelebt)
|
ci ias WEITERE BEOBACHTUNGEN UBER MARMOREKS SERUM. _
477
|
Name
Epikrise bei der Ent-
Nach der Entlassung
Nr. | be Stadium | ee? EEE BEER AR,
' Beruf | e ae E Zeit | Befinden
EE Sie A A AAA A AS EE Ee = ee ner a. ==
I5 ` Karl B., = III Voriberpehend ee | Exitus in der Anstalt
i Beamter de Besserung. Eee |
16 | Max R., III Keine Wirkung | 9 Mon. ` 9 Mon. Gestorben. Nach Ent-
Kaufmann ¡lassung bis kurz vor dem
| Tode Bureaudienst
17 Alois S., III |Sehr guter Entlassungs- ca. I Jahr Gestorben. Nie arbeits-
i Bergarbeiter erfolg. Dauer? | fähig
18 | .Gottfried St., III Geringe Besserung ohne 9 Mon. "Gestorben. Mie arbeits-
| Schlosser | Bestand | fähig
19 | Robert Ch., | III Sehr guter allgemeiner | 2 Jahre Immer Ahr gutes Befin-
Student und lokaler Erfolg ‚den. Weiterer Rückgang
der. Lungenerscheinungen
2 Se one Ba Saat eee E PAE =
20 | Rudolf M, III Guter Erfolg. Allgemein- 18 Mon. Befinden „durchaus zu-
Student ‘befinden schon vor Ein- friedenstellend. Kein
leitung der Serumbehand- ‚Husten. Einziges Krank-
' lung günstig beeinflußt. ¡heitssymptom: manchmal
‚Lunge erst während dieser ‚morgens etwas Auswurf“,
| Tp. normal. — 6,2 kg.
| | Immer studiert
en ` Josef B., III Vorübergehender guter | 18 Mon Befinden „ausgezeichnet“.
Beamter Lokalerfolg. Larynx ge- Kein Husten und Aus-
| heilt wurf. Tp. normal.
| = 2,9 kg. Teilweise ar-
beitsfähig
22 Heinrich Sch., III Kein deutlich auf das | ı8 Mon. | Soll sich gut befinden
| Hilfsarbeiter Serum zu beziehender
| Erfolg
23 | Stefan P., III _ Allgemeinzustand sehr 23 Mon. | Teilweise arbeitsfähig.
Fleischer Ge lokaler Befund wenig — 9,5 kg. Lungenbef.
gebessert. Kurze An- fast unverändert
| stalts- u. Serumbehandlg.
24 | Hermann Ch., III "| Guter Erfolg. Bestand] 20 Mon. Temp. fast immer normal.
Student | zweifelhaft. Ins. valv. Tasten gering. +4 kg.
‘mitral. Otitis med. supp. Arbeitsfähigk. bedeutend
| vermindert
25 7 | Josef Sis III Zu kurze Behandlung | Keine Nachricht _
Offizier |
op | Franz I E., u III Subakute Phthise. Fort-| 2 Mon. Gestorben (aussichtsloser
Miiller schreiten unaufhaltsam Fall)
Bericht nach 11 Monaten:
Morgens etwas Auswurf.
Gutes Befinden.
Dienstfihig. Kein Husten.
Guter Erfolg. Tuberkelbazillen verschwunden.
29. Josef P., 41 J., Feuerwehrmann. Vor 6 Jahren Lungenkatarrh; vor 4 Mon.
Husten, Auswurf, Mattigkeit, später mehrmals etwas Bluthusten, Abmagerung,
Nachtschweiß.
23. IX. 07. 73kg (177 cm). Afebril. T.B. 7. Stadium I.
Lunge: R. Dämpfung V. bis I, H. bis III, verschärftes Atmen. L. Dämpfung
V. bis I, H. bis III, in gleicher Ausdehnung kleinblasiges Rasseln, V. bis IV
Knisterrasseln.
1 Mon. ohne Serum. T.B. 4.
+ 2,2kg. Lunge unverändert.
ze ` e r ZEITSCHR. f.
I. Serumfolge. 100ccm, + 1,9kg. Sehr wenig Husten und Auswurf. T.B. o.
Positive Kutireaktion. 10 Pause Pause.
2. Serie. 100ccm. + 0,5kg. Magenbeschwerden. Ophthalmoreaktion positiv.
10 Tage Pause.
3. Serie. 5occm Serum, dann 5 Tage Pause, dann 35ccm. Fortdauernd
Magenbeschwerden, die in der kleinen Zwischenpause sistieren, dann wieder be-
ginnen. -+ 0,4 kg.
Lunge: Dämpfungen geringer. Kein Rasseln.
Untersuchung nach 9 Monaten: Macht uneingeschränkt Feuerwehrdienst.
5kg zugenommen. Kein Husten, sehr wenig Auswurf. Lunge unverändert.
Guter Allgemein- und Lokalerfolg. Tuberkelbaz. verschwunden.
30. Franz H., 24 J., Ingenieur. Seit 3 Wintern „Katarrhe“. Ragusa, Heluan;
Sommer Gebirge.
4. VI. 07. 63,3kg (174 cm). Afebril. T.B. 7. Stadium II.
Lunge: Dämpfung RV. und H. bis III L**” und H. bis III. RV. bis II
vesikobronchiales In-, bronchovesikuläres Exspirium, kleines und mittleres Rasseln,
bis III scharfes sakkadiertes In-, vesikobronchiales Exspirium, zähes kleines und
Knisterrasseln. RH. bis III Atmen wie V, bis VI scharfes Atmen; kleines, bis VI
spärlicher und zäher werdendes Rasseln. LY und H. am I. Dorn zähes kleines
Rasseln.
ı Monat ohne Serum. Nicht wohl. Tp. steigend bis 37,5. Appetit schlechter.
+ 0,2 kg.
I. Serumreihe. 100 ccm in 21 Tagen. Allgemeinbefinden noch nicht gut.
Tp. zeitweise bis 37,7. + 0,3 kg.
2. Serie. 1ooccm. Etwas besserer Apetit. + 1,2kg. T.B. 4.
Lunge: wenig verändert. Rasseln L. verschwunden, R. zäher.
Bericht nach 14 Monaten: Nach der Entlassung 7 Mon. in Davos (Tuber-
kulinbehandlung), dann in heimatlichem Gebirgsort. Jetzt gutes Befinden. Fühlt sich
arbeitsfähig.
Keine Serumwirkung.
31. Wilhelm K., 24 J., Handelangesteilier. Seit 2 Jahren mehrmals Husten
mit Mattigkeit und Abmagerung. 1 kleine Lungenblutung.
17. VIII. 07. 68,8kg (174,5 cm). Fieberfrei. T.B. 7. Stadium II.
Lunge: Dämpfung RV. bis II, RH. bis III, Le" LH. bis II; RV. bis III,
RH. bis IV zähes kleines und Knisterrasscln. LV. bis II dasselbe. LH. rauhes
Inspirium. |
I. Serie. 6occm (12 Tage). Abgebrochen wegen kleiner Blutung. Weniger
Auswurf. + 3,7 kg. T.B. 7. Nach den ersten Klysmen Diarrhöe. Opiumzusatz.
13 Tage Pause.
2. Serie. 10occm. Auswurf vermehrt und locker. T.B. 6. + 0,7kg. Her-
pes zoster.
Lunge: Dämpfung RH. bis V, sonst gleich. Ra” und H bis II einzelne
klingende kleinblasige Rasselgeráusche. H. bis V kleines, bis U Knisterrasseln.
Bericht nach ı2 Monaten: Arbeitsfähig. Guter Zustand. Keine Blutung,
trotz anscheinend wenig vernünftigen Verhaltens.
Kein Erfolg. Lungenbefund verschlechtert.
32. Josef G., 20]J., Lehramtskandidat. Seit August 1906 vier starke Lungen-
blutungen.
28. V.07. 53,9kg (166,5 cm). Tp. in der Ruhe normal, steigt bei gering-
fügigen Anstrengungen bis 37,5. T.B. 7. Stadium II.
5 Mon. ohne Serum. Wiederholte kleine Hämoptoen. + 10,1kg. Temp.
wieder allmählich stabiler. Husten geringer. T.B. 4. Splitterhaufen. Lunge beträcht-
lich gebessert.
BD.XIDNEFTG. WEITERE BEOBACHTUNGEN UBER MARMOREKS SERUM. 479
I. Serie. Iooccm Serum. Ohne Störung vertragen. + 1,3kg. Lunge nicht
weiter beeinflußt. |
Untersuchung nach 11 Monaten: Unverändert gut. Arbeitsfähig.
Keine Serumwirkung. Kurze Behandlung.
33. Johann F., 32 J., Eisendreher. Seit 3 Wochen Nachtschweiß, Abmagerung,
leiser Schmerz LO. Kein Husten, |
22. VIII. 07. 55,2kg (167 cm). Fieberfrei. T.B. 7. Stadium II.
Lunge: L. Dämpfung V. bis IV, H. bis V; in derselben Ausdehnung klein-
blasiges Rasseln. -
1 Mon. ohne Serum behandelt. + 3,8 kg. Allgemeinbefinden gut. Viel Husten
und Auswurf. T.B. 7. Lunge nicht besser.
I. Serie. 50ccm Serum in 10 Tagen, 5 Tage Pause, wieder 50ccm Serum.
Anfangs Auswurf mehr eitrig, am Schluß viel weniger. T.B. 5. Rasseln meist spär-
licher und zäher. + 2,9kg. 5 Tage Pause.
2. Serie. 5occm. + 3,2kg (in 14 Tagen). 10 Tage Pause.
3. Serie. Iooccm. + 3,3kg. Husten und Auswurf gering. T.B. 5—6.
Lunge: Dämpfung LV. bis II, LH. bis III. Nur Las und H. am I. Dorn
spärliches zähes, am V. feuchtes kleines Rasseln. |
Untersuchung nach 10 Monaten: Immer arbeitsfähig. Kein Husten und
Auswurf. —?/,kg. L. spärliches zähes Rasseln.
Sehr guter Erfolg der Serumbehandlung.
34. Rudolf R., 28 J., Lokomotivführer. Seit 7 Mon. krank. Starke Abmagerung.
Fieber bis 38,9.
13. IX. 07. 59kg (163 cm). Tp. maxima 37,3— 37,7, langsam zurückgehend.
T.B. 7—8. Stadium IL.
Lunge: L. Dämpfung V. bis III, H. bis IV. Klein- bis mittelblasiges Rasseln
V. bis II, H. bis III. LH. Reiben.
1 Mon. ohne Serum. + 3,7 kg. Ziemlich viel Husten und Auswurf. T.B.9— 10.
Lunge etwas gebessert.
I. Serie. 100 ccm Serum rektal. + 3,7 kg. Weniger Auswurf. T.B. 4. Splitter-
haufen. 10 Tage Pause.
2. Serie. 100ccm. Keine subjektiven Erscheinungen. Lungenbefund besser.
T.B. o. + 0,2 kg.
Lunge: Nur L“av Knisterrasseln. Dämpfung weniger intensiv. 10 Tage Pause.
3. Serie. 100ccm. Wohlbefinden. — 1,1 kg. T.B. 6—7. 18 Tage Pause.
4. Serie. 65 ccm. Appetit besser. + 2kg. T.B. 2. 10 Tage Pause. Tp. steigt
langsam.
5. Serie. 2 mal 5ccm. Tp. steigt auf 38,5. Serum ausgesetzt. Langsamer
Abfall in 8 Tagen. Viel Husten. T.B.7. — 2,1 kg.
Lunge: Lay und H. bis III. Dorn kleinblasiges Rasseln.
Nachricht nach 8 Monaten: Dienstfähig. — 2?*/,kg. Husten und Aus-
wurf seit Winterbeginn vermehrt.
Vorübergehend gute Wirkung. Nach 2coccm Verschlechterung.
35. Rudolf G., 22 J., Student. Vor 6 Jahren kleine Hämoptoe; vor 2 Jahren
abermals. Im letzten Jahre 5 mal Bluthusten.
13.X.07. 65*/,kg (178cm).. Fieberfrei. T.B. 2. Stadium II.
Lunge: R Dämpfung, scharfes Atmen, kleines zähes Rasseln; derselbe
Auskultationsbefund (ohne Dämpfung) im 1. Interkostalraum. RH. dasselbe bis
IL. Dorn. L. Dämpfung V. bis IV, H. bis III; V. und H. bis II dichtes kleines
bis IV zähes kleines und Knisterrasseln.
I. Serumreihe. 100ccm. Subjektiv gut. + 2,8kg. Weniger Husten. Leichte
Besserung der Lunge. Io Tage Pause.
nee Se ZEITSCHR. f.
2. Serie. 1I0Occm Serum. Mehr Husten. T.B. o. Lunge gleich. + 1 kg.
10 Tage Pause. Weniger Husten und Auswurf. Appetit sehr vermindert — 1,4 kg.
3. Serie. Iooccm. Wieder mehr Husten und Auswurf. T.B.o. + 0,1 kg.
14 Tage Pause. Weniger Husten und Auswurf.
Lunge: Bro vereinzeltes zähes Rasseln, RH. kein Rasseln. L. Rasseln be-
deutend spärlicher.
4. Serie. 5occm Serum, 10 Tage Pause, nochmals 50ccm. Husten und Aus-
wurf gering. T.B. 7. L. beginnende Kaverne. — o,4kg. 20 Tage Pause.
5. Serie. 5occm. Gegen Ende Fieber. T.B. 6.
Dann noch 1 Mon. ohne Serum in Beobachtung. — 0,8kg. Rasche Ver-
schlechterung der Lunge. Kaverne L. wächst, auch R. beginnender Zerfall.
Nachricht nach 7 Monaten: 5 Mon. zu Hause am Lande; dann zur Uni-
versität Wien. Befinden zufriedenstellend.
Vorübergehende Besserung. Dann rasche Progredienz.
(Nach Verlassen der Anstalt anscheinend Besserung.)
36. Roderich K., 25 J., Student. Sommer 1906 Pleuritis sicca, 3 Wochen
Fieber. Vollständige Erholung. Im folgenden Winter Hüsteln, wenig Auswurf,
Abmagerung.
15. IV. 07. 66,1kg (173cm). Fieberfrei. T.B. 7. Stadium II.
Lunge: L. Oberlappen infiltriert.
2*/, Mon. Anstaltsbehandlung. -+ 4,4kg. L. beginnende Kaverne. 3 Monate
Hochgebirge (1560 m), Liegekur. — 1,7 kg. T.B. 7. Tp. bis 37,3.
Lunge: RV. bis II, H. bis III geringe Dämpfung und scharfes Atmen.
L. Dämpfung V. bis IV, H. bis V; V. und H. bis III mittleres klingendes Rasseln,
weiter kleinblasiges im Bereich der Dämpfung.
6*/, Mon. ohne Serum behandelt; langsame Verschlechterung.
I. Serie. 100ccm. Mehr Husten und Auswurf. T.B. 7. + 0,2kg. Schwache
Ophthalmoreaktion. 10 Tage Pause.
2. Serie. rooccm. + 0,9kg. Lunge unverändert. 10 Tage Pause.
3. Serie. rooccm. 4mal 0,2 Bazillenemulsion - Koch (1: 100), immer mit
Stich- und steigender Fieberreaktion; nach der 4. Injektion bis 38% + I kg.
10 Tage Pause.
4. Serie. rooccm Serum. Bazillenemulsion (1: 1000) über 0,5 nicht hinaus-
gekommen wegen Reaktion. 10 Tage Pause.
5. Serie. 100ccm Serum. Nach wiederholten Versuchen mit kleiner Dosis
von T.E, diese ausgesetzt. Auch Perlsuchtemulsion wird nicht vertragen.
— 0,2kg. T.B. 7.
Lunge unverändert.
Durch weitere 7 Monate Anstaltsbehandlung ohne jeden Erfolg.
Keine Wirkung.
37. Karl M. 35 J., Arzt. Vor 12 Jahren kleine Lungenblutung. Sehr chro-
nischer Verlauf. Zeitweise kleine Blutungen. Immer Husten und Auswurf. Trotz-
dem Studium und Spitalpraxis. Wegen Verschlimmerung Schiffsarzt; scheinbar geheilt.
3*/, Jahre Spital, dann 1*/, Jahre anstrengende Privatpraxis. Wieder Blutung. Damals
(1904) schon R. und L. Oberlappen Kaverne; L. ganze Lunge krank.
23. IV. 07. 57 kg (176cm\. Subfebril. Stark dyspnoisch. T.B. 7. Stadium III.
Lunge: Dämpfung RV. bis III, RH. bis IV. V. und H. bis II amphorisches
Atmen, klingendes mittleres Rasseln, bis V kleines Rasseln. L. Dämpfung ganze
Seite. Kaverne bis an die II. Rippe, weiter überall dichtes kleines Rasseln.
1 Mon. in der Anstalt, dann Fortsetzung der Liegekur außerhalb derselben.
Von Oktober 1907 bis Oktober 1908. 8 Serien zu je 100 ccm Serum rektal.
Fühlt sich jedesmal durch das Serum sehr gut beeinflußt: Appetit auffallend besser,
Husten und Auswurf sind geringer, nimmt in der Pause zu. Im ganzen langsame,
BO.XIILBEFTS. WEITERE BEOBACHTUNGEN UBER MARMOREKS SERUM. 481
entschiedene Besserung, so daB das Versehen einer leichten Landpraxis möglich
wird. Gewicht konstant. Tp. normal.
Günstige Wirkung. (Schwere chronische Lungentuberkulose.)
38. Wilhelm K., 62 J., Kaufmann. Lungentuberkulose im III. Stadium, die
während 7 monatlicher Anstaltsbehandlung sehr günstig beeinflußt wird.
Retropharyngealer AbszelB, nach dessen chirurg. Behandlung eine Fistel
durch 3 Monate bestehen bleibt, deshalb Serumbehandlung.
Igoccm Serum mit Einschaltung von nur 2 zweitägigen Pausen. Weder auf
den Lungenbefund noch auf die Sekretion aus der Fistel ein wesentlicher Einfluß
bemerkbar.
Keine Wirkung. (Fistel nach Retropharyngealabszeß.)
Höheres Lebensalter.
39. Ludwig v. K., 27 J, Beamter. Rasch progrediente Lungen- und Kehl-
kopftuberkulose, deren Verlauf durch Serumbehandlung (2 Serien zu 100 ccm) nicht
beeinflußt wird. Mehrere schwere Hämoptoen im Anschluß an unerlaubte Spazier-
gänge. Exitus 5 Monate nach der Serumanwendung.
Ungeeigneter Fall.
40. Ferdinand R., 41 J., Geschäftsleiter. 1904 „Lungenkatarrh“, heftiger
Husten, Mattigkeit. Frühjahr 1907 ähnliche Beschwerden. Tp. bis 39,7, Nacht-
schweiß, einmal Bluthusten.
2. IX. 07. 58,2kg (165cm). Afebril. T.B. 5. Stadium III.
2 Mon. ohne Serum behandelt. + 8,4kg. T.B. 6. Lunge wenig verändert.
Lunge: Dämpfung RV. bis VI, H. bis V (O. tympanitisch). RV. und H. bis II
klingendes mittleres Rasseln, bis VI kleines feuchtes und záhes. LV. und H. Dámp-
fung und verschärftes Atmen bis III.
I. Serie. Iooccm Serum. Husten und Auswurf anfangs vermehrt, später
bedeutend abnehmend. Subjektiv beträchtlich besser. + 3 kg. 10 Tage Pause.
2. Serie. Iooccm. + 1,2kg. 10 Tage Pause.
3. Serie. 100ccm. Wohlbefinden. + 1,9kg. (Summe + 14?/, kg). Husten
und Auswurf geringer. T.B. 2.
Lunge: Kaum verändert; Rasseln RH. etwas spärlicher.
4 Monate später Pleuritis (6 Wochen); dann 3 Monate gut. Dann wieder
3 Wochen fiebernd zu Bett.
Allgemeinbefinden sehr gut. Lungenbefund wenig gebessert.
Fragliche Serumwirkung. Bestand zweifelhaft.
41. Alois Sch., 21. J., Beamter. Vor 2 Jahren Krankheitsbeginn. Vor 2 Mon.
kleine Lungenblutung, danach Fieber, NachtschweiB, wenig Abmagerung.
22. XI. 07. 60 kg (169 cm). Afebril. T.B. 7. Stadium III.
Lunge: Dämpfung RV. und H. bis II; LV. und H. bis III. Kleinblasiges
Rasseln RV. und H. bis III, RH. bis IV, LV. bis II, LH. bis IV. RHU. Reiben
und Knisterrasseln.
I. Serie. Iooccm Serum. + 3,7 kg. Viel Husten und Auswurf. T.B. 1.
Rückgang der Lungenerscheinungen. Schwache Ophthalmoreaktion. 10 Tage Pause.
2. Serie. Iooccm. + 3,3 kg. T.B. 1.
Lunge: Dämpfungen minder intensiv. Rasseln RV. und LV. nur über der
Klavikula; RH. unverändert, LH. kein Rasseln. 10 Tage Pause.
3. Serie. 50 ccm Serum. 10 Tage Pause 50 ccm Serum. + 2,6 kg. Kein
Husten. Auswurf mäßig. T.B. o.
Lunge etwas schlechter. LH. wieder Rasseln bis V; R. in der Spitze ein-
zelne klingende kleine Rhonchi.
Noch 2 Monate ohne Serum in Behandlung. + 2,4 kg. T.B. o. — 1 kg. Lunge
unverändert. Gutes Befinden.
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIII. 32
x OS e yir ZEITSCHR. f.
: 482 | A | 1 H. PE EIFE ER vop H. ERUR Wé Br TUBERKULOSE
Nachricht nach 6 Monaten: Gewichtsabnahme in den ersten 2 Mon.
6 kg; seither konstant. Tp. normal. Befinden zufriedenstellend. Dienstfähig.
Vorübergehend guter Erfolg. Nach der 2. Serie Verschlechterung.
42. Hubert Z., 23 J, Bauzeichner. Vor ı!/, Jahren Husten, Nachtschweiße,
kleine Lungenblutung. Dann keine Beschwerden bis Juli 1907, neuerlich Bluthusten.
14.1.0858. 65,4 kg (167 cm). Afebril. T.B. 4. Stadium III.
Lunge: Dämpfung RV. bis II, RH. bis III, V. rauhes Inspirium, H. spär-
liches, zähes, kleines Rasseln. LV. und H. Dämpfung bis V, dichtes kleines (bis II
klingendes) Rasseln.
I. Serumfolge. Subkutan. 7mal 5 ccm Serum mit je I Tag Zwischen-
pause. Abgesehen von Rötung keine Einstichreaktionen. Anschließend
Rektal 50 ccm (in 10 Tagen). 68,9 (+ 3,5) kg. Lunge kaum verändert;
etwas mehr Auswurf. T.B. 5. Drüsenschwellung am Halse.
10 Tage Pause. Mittelstarke Ophthalmoreaktion,
2. Serie. Subkutan an 5 aufeinanderfolgenden Tagen je 5 ccm, Serum ohne
jede Folgeerscheinungen. Anschließend
Rektal 75 ccm (15 Tage). + 1,2 kg. Manchmal Bruststechen. T.B. 4.
10 Tage Pause.
3. Serie. Rektal 50 ccm. 10 Tage Zwischenpause. 55 ccm. + 1,6 kg.
Lungenbefund LH. und RH. gebessert. T.B. 2. Halsdrüse vereitert, Inzision.
Lunge: R. Dämpfung geringer. Kein Rasseln. LV. unverändert, LH. Rasseln
nur bis III. Dorn.
Gestorben sl, Monate später.
Keine Serumwirkung. Exitus.
43. Gustav P., 33 J., Lehrer. Vor 6 Jahren Pleuritis, April d. J. „Kehlkopf-
katarrh“, September „Bronchitis“, Oktober Hämoptoe.
25. XI. 07. 82,5 kg (173 cm). Fieberfrei. T.B. 7. Stadium III.
Larynx: Ulcus tubercul. am r. Stimmbande.
Lunge: L. Dämpfung V. und H. bis IV, in gleichem Umfange dichtes
kleines, supraklavikular klingendes Rasseln, weiter abwärts Knisterrasseln.
I. Serie. 100 ccm Serum. + 0,8 kg. Lunge unverändert. T.B. 5. Eine
kleine Blutung. 10 Tage Pause.
2. Serie. 100 ccm. + 2,4 kg. T.B. 2. 12 Tage Pause.
3. Serie. 100 ccm. 8 Tage Pause. 50 ccm Serum. + 0,2 kg. T.B. 1.
11 Tage Pause. Flaches Ulcus am r. Stimmband.
4. Serie. 50 ccm. 11 Tage Pause. 50 ccm Serum. + 2,2 kg. T.B.o.
Dann 6 Wochen ohne Serum in Beobachtung. + 0,8 kg. T.B. 2. Larynx-
geschwür geheilt.
Lunge: Rasseln spärlicher, Dämpfung geringer in gleichem Umfange.
Nachricht nach 6 Monaten: + 3 kg. Berufsfähig. Wohl.
Allgemeinbefinden sehr gut, Lunge wenig, Kehlkopf gut gebessert.
Serumwirkung?
44. Florian K., 26 J., Tischler. Beginn vor 2 Mon. Gewichtsabnahme 7 kg.
25. 111.08 56,9 kg (168 cm). Subfebril. T.B. 6. Stadium III.
Lunge: R. Dämpfung, V. bis IV, H. bis V, Dichtes kleines Rasseln im
Dämpfungsbereich, V. bis VI zähes kleines und Knisterrasseln. LV. und H. Dämp-
fung und kleinblasiges Rasseln bis II.
I. Serie. Subkutan 5mal 5 ccm mit I—2tägigen Pausen; nach der 4. In-
jektion Infiltrat. Tp. 30,1. 2 Tage Pause, während welcher das Infiltrat sich zu-
rúckbildet. Nach der 5. Injektion abermals Schwellung. Tp. 38. + 3,2 kg.
Anschließend
Rektal 75 ccm (13 Tage) Tp. wiederholt bis 37,4. Keine Nachtschweiße
"e WEITERE BEOBACHTUNGEN ÜBER MARMOREKS SERUM. 483
mehr. +ı kg. T.B. 4. 10 Tage Pause; während dieser nur Imal 37,4.
+ 2,4 kg (03,5).
2. Serie. Subkutan. 2mal 5 ccm Serum. Tp. 38,3. Schlechter Appetit.
Rektal 80 ccm. Gegen Ende steigt die Tp. langsam bis 38,6. Appetit
sehr schlecht, Erbrechen. Mehr Husten. T.B. y. — 0,6 kg.
Tp. bleibt weiter hoch bis 39. — 1,6 kg in 7 Tagen. Patient verläßt die
Anstalt.
Lunge: Supraklavikular, einige kleine klingende Rasselgeräusche, sonst un-
verändert. |
Nachricht nach 5 Monaten: Ist 1 Mon. nach dem Austritte auf seinen
alten Posten zuriickgekehrt und arbeitet.
Kurze Behandlung. Schädigung?
45. Ludwig H., 23 J., Student. Seit dem 16. Jahre alljährlich wiederkehrende
fieberhafte „Katarrhe‘“. Jetzt Beginn vor 2 Mon.
10. XI. 07. 70,7 kg (185,5 cm). Seit 2!/, Wochen Fieber. T.B. 7. Fistula
ani. Stadium III.
Lunge: R. Dämpfung V. bis III, H. bis IV; über der Klavikula einzelne
klingende mittlere, daneben und im 1. Interkostalraum dichte klanglose kleine Rassel-
geráusche. RH. bis VI kleines (oben klingendes) Rasseln. LV. und H. Dämpfung
bis IV dichtes kleines, bis II mittleres klingendes Rasseln.
2 Mon. ohne Serum behandelt. + 9 kg. Lunge gleichmäßig gebessert. R.
unverändert, LV. Rasseln spärlicher, kleiner und zäher, LH. kein Rasseln. T.B. 5.
I. Serie. 100 ccm Serum. + 1,5 kg. Bedeutender Rückgang des Lungen-
befundes R. T.B. 2. 10 Tage Pause.
2. Serie. 100 ccm. + 1,2 kg. Kein Husten. Sehr wenig Auswurf.
10 Tage Pause.
3. Serie. 50 ccm, dann 15 Tage Pause, wieder 50 ccm Serum. In der
Zwischenpause akute Laryngitis. Tp. bis 37,2. 10 Tage zu Bett. +o,ı kg. T.B. 1.
24 Tage Pause.
4. Serie. 100 ccm. + 0,06 kg. T.B. 2.
Lunge: R. Dämpfung V. bis II, H. bis IV. Nur du einzelne zähe mittlere
klingende und H. I einzelne kleinblasige Rasselgeräusche. L. Dämpfung wie früher.
V. bis IV und H. I spärliche (bis II klingende) kleine Rasselgeräusche.
Verläßt die Anstalt und geht nach Arosa. Von dort
Bericht nach 4 Monaten: Nur L. infraklavikular einzelne klingende Rassel-
geräusche. Auswurf sehr spärlich. T.B. positiv.
Guter Erfolg, durch Serum gefördert.
46. Sebastian W., 29 J., Hilfsarbeiter. Seit 9 Jahren ab und zu kleine
Katarrhe. Seit 4 Mon. starker Husten und Auswurf, Fiebergefühl, Schweiße. 3 kg
Gewichtsabnahme.
10. IV. 08. 56,9 kg (169 cm). Fieberlos. T.B, 4. Stadium III.
Lunge: R. Dämpfung V. bis IV, H. bis VI; da kleines und mittleres
klingendes, V. bis II, H. bis VI feuchtes, bis X zähes kleines Rasseln. L. Dämp-
fung V. und H. bis IV, dichte kleine “Y und H. I mittlere klingende Rassel-
geräusche.
1. Serie. Subkutan Ómal 5 ccm Serum mit 1—3tägigen Intervallen. Von
der 3. Injektion ab stets schmerzhafte Schwellung. Tp.-Steigerung bis 38, die an-
fangs rasch zurückgeht, schließlich dauernd bestehen bleibt. + 2 kg. Anschließend
Rektal 70 ccm (in 14 Tagen. -+ 0,9 kg. Lunge unverändert. Etwas
mehr Husten. T.B. 7. 20 Tage Pause.
2. Serie. Rektal 50 ccm. 10 Tage Pause. 50 ccm Serum. + 2,2 kg. Ge-
ringer Rückgang der Lungensymptome. Ziemlich viel Husten mit Brechreiz.
10 Tage Pause.
32*
E = +4 z ZEITSCHR. f.
484 TH, PFEIFFER UND H. TRUNK. | TOBERRULOSE
3. Serie. 50 ccm. 20 Tage Pause. 50 ccm Serum. + 3,4 kg. Weniger
Husten und Auswurf. T.B. 7.
Lunge: RV. unverändert, RH. Rasseln nur bis VII. LV. und H. kleines
Rasseln bis II, Knisterrasseln bis IV.
Geringe Besserung Serumwirkung?
47. Franz L., 31 J., Schuster. Beginn vor 2 Monaten mit großer Lungen-
blutung.
14. IV.08. 57,6 kg (160 cm). Fieberfrei. T.B. 1. Stadium III.
Lunge: R. Dämpfung V. und H., bis III, dichtes kleines Rasseln (Y und
H. bis II klingend) V. bis VI, H. bis V. L. Dämpfung V. und H. bis IV, spär-
liches kleines Rasseln bis II.
I. Serie. Subkutan 4mal 5 ccm in 1—3tägigen Zwischenräumen. Nach
der 3. Injektion Rötung. Tp. 37,5. Nach der 4. teigige, schmerzhafte Schwellung.
Tp. 37,2. Anschließend
Rektal 80 ccm (15 Tage). Gutes Befinden. + 5.2 kg. Lunge deutlich
gebessert. T.B. o. (Sediment). 10 Tage Pause.
2. Serie. Rektal 100 ccm (20 Tage). + 3,1 kg. Lunge wieder gebessert.
Wenig Husten und Auswurf. T.B.0. 10 Tage Pause.
3. Serie. 50 ccm Serum (10 Tage). Io Tage Pause. 45 ccm (9 Tage).
+ 1,3 kg. Mehr Husten ohne Auswurf. T.B.o. Während der Pausen angeblich
Appetit besser (äußert sich nicht in den Gewichtszunahmen).
Noch 3 Wochen ohne Serum in der Anstalt. —o0,2 kg. T.B.o.
Lunge: R. Dämpfung V. bis II, H. bis III, in diesem Bereich spärliches
kleines (aY vereinzeltes klingendes) Rasseln. L. Dämpfung V. bis II, H. bis III.
clay rauhes Atmen. Kein Rasseln.
Beträchtliche Besserung. T.B. verschwunden.
48. Alexander v. P., 40 J., Offizier. Vor 4 Jahren Pleurit. exsud. Seit 3 Mon.
Husten, Fieber, Nachtschweiß.
28. XII. 07. 60 kg. Fiebernd (bis 37,7) T.B. 4. Stadium III.
Lunge: R. Dämpfung V. bis III, H bis V. «av und H. bis II kleines
und mittleres zum Teil klingendes Rasseln, weiter V. bis IV, H. bis VI kleinbla-
siges Rasseln. L. Dämpfung V. bis III, H. bis IV, V. und H. I kleines und
mittleres, V. bis II, H. bis V kleines feuchtes und zähes Rasseln. LHU.
Pleurit. obsol. | |
Sehr langsame Entfieberung, fast 2 Mon. ganz und 1 Mon. teilweise zu Bett.
Dabei Gewichtszunahme + 10,7 kg. Dann noch 2 Mon. ohne Serum.
Lunge: R. Rasseln. V. nur bis II, H. bis III. L.V. kein Rasseln. L.H. bis
IV. T.B. zwischen 1—2 schwankend. Noch + 3,8 kg, Tp. labil, nachmittags
meist etwas über 37, nach größeren Wegen etc. bis 37,3.
I. Serie. Rektal 100 ccm (20 Tage). Tp. steigt schon am 3. und 4. Tage
abends auf 37,4 und 37,5, dann fast täglich auf 37,3. — 0,5 kg. Vielleicht etwas mehr
Husten, mehr Auswurf. T.B. 5. Lungen: L.lY wieder spärliches kleines Rasseln.
16 Tage Pause, auch während dieser Tp. max. 37,3. T.B. 6.
2. Serie. 3mal 5 ccm rektal. — 0,5 kg. Auf Verlangen des Kranken ab-
gebrochen.
Lunge: RV. wieder Rasseln bis III (av klingend), RH. bis III. LV.‘
und LH. bis IV kleinblasiges (H. am I. klingendes) Rasseln.
Von da ab während weiterer 2 Mon. kein Fortschritt; fast immer bis 37,3,
zuweilen mehrere Tage nacheinander Maximum 37,6. Zeitweilig Bettruhe. Lunge
unverändert. T.B. 6—7. Erst im 3. Mon. (nach der Serumbehandlung) langsame
Besserung. Tp. niedriger. + 0,2 kg.
Vor Serumanwendung guter Fortschritt. Mit Serumbeginn Ver-
schlechterung (Schaden?)
BDXILHEFT6. WEITERE BEOBACHTUNGEN ÜBER MARMOREKS SERUM. 485
49. W., Bäcker. Seit 8 Jahren krank, immer arbeitsfihig gewesen. (Privat-
praxis.)
24. II. 08. Beiderseits Kaverne im Oberlappen. L. auch der ganze Unter-
lappen erkrankt. Reichlich T.B. Stadium III.
Fieberfrei. Keine NachtschweiBe. Dyspnöe.
I. Serie. Subkutan 7mal 5 ccm Serum am Oberschenkel. Nach der
5. Injektion Leistendrüsenschwellung. Nach der 7. Injektion Tp. 39 (vorher 36,9)
durch 2 Tage, allmählicher Abfall im Verlauf von 2 Wochen. Vermehrter Husten
und Auswurf. — I kg. 15 Tage Pause.
2. Serie. Rektal 7mal 5 ccm Serum. Am 8. und o Tage abends 39
bezw. 30,5. Langsamer Abfall. go Tage Pause.
3. Serie. Rektal 5mal 5 und Imal 10 ccm. In der Pause 2 Tage Tp.
maxima über 39. 16 Tage Pause.
4. Serie. 2mal 10, Imal 5 ccm mit je Itägigem Intervall. g Tage Pause.
Wieder am 3. und 4. Tage der Pause über 39.
5. Serie. 25 ccm gleich wie vorher. Am I. und 2. Tage der Pause Tp.
abends 39. 22 Tage Pause.
6. Serie. 25 ccm wie vorher. Anschließend abermals Tp.-Anstieg bis 39.
Zusammen 180 ccm Serum, und zwar 35 ccm subkutan, 145 ccm rektal.
Gewichtsabnahme 4 kg, die schon I Woche nach Aussetzen des Serum um
1,5 kg vermindert ist. Husten und Auswurf reichlich andauernd. In der Nach-
beobachtung fieberfrei.
Chronische Lungenphthise. Nach jedesmaliger mehrtägiger Serum-
anwendung Fieber.
50. Sch., ıgjähriges Mädchen. (Privatpraxis.) Krank seit 4 Jahren, seit
2 Jahren in Beobachtung; seither fast ununterbrochen Liegekur in Gebirgsort
(800 m). Gewicht langsam steigend, Tp. normal aber sehr labil, Lungenbefund
nahezu konstant, bei Rückkehr in die Stadt stets Verschlechterung. Guter Ernäh-
rungszustand (65 kg). |
Lunge: L. Dämpfung bis U.; bis II tympanitisch und klingendes kleines
und mittleres Rasseln. LV. bis IV, H. bis V kleinblasiges und Knisterrasseln.
T.B. 2—3.
4 Serien mit je 100 ccm Serum und ıotägigen Intervallen. + 1 kg. Lungen-
befund unveriindert. Während der 1. Serie mehr Husten und Auswurf.
Auch während weiterer 1jáhriger Beobachtung (meist Gebirgsaufenthalt) keine
wesentliche Besserung.
Kein Erfolg.
51. Thomas Sch., 42 J., Rechtsanwalt. (Privatpraxis.) Seit 2?*/, Jahren in
Beobachtung. 2 Winter in Davos, P.T.O.-Behandlung. Sehr guter Erfolg ohne
nachhaltige Wirkung.
Mai 1907. 82 kg. T.B.o. Stadium III.
Lunge: R. Dämpfung V. bis III, H. bis IV, und zwar bis II tympanitisch,
hier zähe mittlere klingende Rasselgeräusche. Dann kleines Rasseln bis IV. L.
Dämpfung V. day, H. bis II, vereinzeltes kleines zähes Rasseln.
Von Mai 1007 bis April 1908 7 Serien von je 100 ccm Serum mit Pausen von
20— 34 Tagen und kürzeren Mittelpausen. Während dieser Zeit ein mehrwöchent-
licher Sommer- und ein ebensolcher Winteraufenthalt (850 m) mit Anstaltsbehand-
lung. Anfangs etwas mehr Husten und Auswurf. Der Lungenbefund bessert sich
nach der 2. Serie insofern, als das Rasseln R. sich auf die Kaverne beschränkt.
Körpergewicht konstant. Bazillengehalt des Sputum wächst allmählich bis Gaffky 7.
Erst während des genannten Winteraufenthaltes: + 4 kg. T.B. 1, später bisher
(durch 7 Mon.) T.B.o. T.E.-Behandlung.
Serumwirkung fraglich.
PFEIFFER U. TRUNK, WEITERE BEOBACHTUNGEN ETC. RL
52. Alois S., 21 J., Schneider. Krank seit 10 Mon., 3 Mon. bettlágeriz.
28. IX. 08. 09,1 kg. Febril (bis 38,6). T.B.o. Stadium I.
Lunge: R. Dämpfung supraklav. (kleines zähes Rasseln). H. bis II (scharfes
Atmen). L. Dämpfung V. bis III, H. bis IV, day und H am I. mittleres, dann
_kleinblasiges Rasseln.
I. Serie. 100 ccm (20 Tage; rektal. Langsam entfiebert, zuweilen diarrhöe-
ischer Stuhl. + 5,1 kg. T.B.o. Lunge gebessert. 10 Tage Pause.
2. Serie. 50 ccm. 10 Tage Pause. 50 ccm.
Behandlung wird fortgesetzt.
BPS OEIS SWOLFESEISNER, TUBE RKULINREAKTIONEN ETC, 487
XXXVI.
Die Bedeutung der lokalen Tuberkulinreaktionen für die Heil-
stättenfrage.
Von
Dr. A. Wolff-Eisner, Berlin,
Arzt für innere und Lungenkrankheiten.
Die Anwendung der konjunktivalen Methode für Heilstätten, speziell für die
Auswahl der Heilstáttenpatienten.
Vis verbreitet sich in immer weiteren Kreisen die Anschauung, daß die
23! in Heilstätten erzielten Erfolge noch keine besonders befriedigenden
#5] sind; besonders dann, wenn man nicht die Heilung einzelner Indi-
viduen ins Auge faßt, sondern die Frage vom Standpunkt der Bekämpfung
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Kurve nach B. Fränkel.
der Tuberkulose als Volkskrankheit betrachtet. Denn nur wenigen wird es
heute noch glaubwürdig erscheinen, daß die Abnahme der Tuberkulosesterb-
lichkeit, die in Deutschland erfreulicherweise zu konstatieren ist, mit der Er-
richtung der Heilstätten in kausalem Zusammenhang steht; es ist zu fürchten,
daß, wenn infolge wirtschaftlicher Notstände und aus sonstigen Ursachen die
soziale Lage weiterer Bevülkerungsklassen, speziell auch die Volksernährung,
sich wieder ungünstiger- gestaltet, eine neu einsetzende Zunahme der Tuber-
kuloseerkrankungen den Beweis liefern wird, daß die auf die Heilstätten gebaute
Rechnung eine falsche war.
7 SET 7 ZEITSCHR. f.
| 488 o o ge W SLEEP i = TUBERKULOSE
Auch in Deutschland setzt die Abnahme der Tuberkulosesterblichkeit vor
der Errichtung der Heilstätten ein.
Besonders deutlich werden die in Betracht kommenden Verhältnisse an
der Kurve der Tuberkulosesterblichkeit, den absoluten und relativen Zahlen in
Preußen, welche B. Fränkel in seinem Vortrag in der Berliner medizinischen
Geschichte 1908 angeführt hat.
Aus ihnen geht hervor, daß unabhängig von der Errichtung der Heil-
stätten die Tendenz der Kurve nach unten geht, und daß ferner die Landbe-
völkerung in mindestens gleicher Weise beteiligt ist, wie die städtische.
Die von B. Fränkel (s. Kurve) mitgeteilten Zahlen der Abnahme der
Tuberkulosesterblichkeit von 1888 bis 1879, dem Beginn der Heilstättenära,
sind 27,9:21,8; in Neuyork, wo die Heilstättenbewegung erst im ersten An-
fang steht, ist durch allgemeine hygienische Maßnahmen die Sterblichkeit ebenfalls
sehr wesentlich von 85 auf 35 (von 10000 Lebenden) heruntergegangen.
Auch Koch (Londoner Kongreß) glaubt nicht an einen direkten Einfluß
der Heilstätten auf die Verminderung der Tuberkulosesterblichkeit, ebensowenig
Cornet, beide aus rein zahlenmäßigen Erwägungen: In den Heilstätten werden
jährlich ca. 20000 Individuen behandelt und bei ca. 4000 tritt Verschwinden
der Tuberkelbazillen durch die Behandlung ein. Gegenüber ca. 226000 Tuber-
kulösen mit Bazillen, die in Deutschland als vorhanden anzunehmen sind,
können die 4000 garnicht in Betracht kommen. (Mit 226000 ist übrigens die
Zahl der Tuberkulösen mit Bazillenbefund in Deutschland sicher unterschätzt.)
Aus diesen Erwägungen heraus, in Verbindung mit den unbefriedigenden
Resultaten meint Cornet, daß man die 30000000 Mk., welche der Bau der
Heilstätten gekostet hat, und die 7000000 Mk., welche ihre jährliche Unterhal-
tung erfordert, besser zum Bau von Arbeiterwohnungen verwendet hätte. —
Man kann heute wohl die Heilstätten nicht wieder aufgeben, weil sie eine In-
stitution der Humanität darstellen. Sie bilden ein Gegengewicht gegen die
sicher kommenden Tuberkulose-Invalidenhäuser, die das Interesse der Allgemein-
heit als Schutzmittel gegen Infektion vertreten, während die Heilstätte dem
Einzelindividuum dient, dessen Sehnsucht natürlich die Heilung ist. Die Auf-
hebung der Heilstätten würde auch bedeuten, daß wir die Hoffnung aufgegeben
haben, auch in der Zukunft einmal ein Heilmittel gegen Tuberkulose zu finden.
Aber die Heilstättenerfolge sind nicht so beschaffen, daß wir wegen ihres Be-
sitzes es aussprechen könnten, Deutschland stehe im Kampfe gegen die Tuber-
kulose allen anderen Ländern voran. (cf. Hamel, New York german med.
society, 14. X. 1908.) Wir legen — um diesen Ausspruch zu verdienen — zu
wenig Wert auf den Ausbau der Wohnungshygiene, auf Bau von Arbeiter-
häusern; viel zu wenig öffentliche Mittel werden zu diesem Zweck zur Ver-
fügung gestellt. Die Wohnungsfrage steht aber bei der Bekämpfung der
Tuberkulose in erster Linie und von diesem Gesichtspunkt aus ist es auf das
lebhafteste zu bedauern, daß jetzt von den Behörden der O. K. K. der Kauf-
leute die Fortführung der Wohnungsenquéte untersagt wurde. (cf. Med. Reform
1908, Nr. 41, cf. auch Berl. Tageblatt, Leitartikel, 6. XI. 1908.)
Die aus den Heilstätten veröffentlichten [leilungsresultate imponieren ja
489
BD.XIII, HEFT 6.
DIE LOKALEN TUBERKULINREAKTIONEN ETC.
1905.
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199 od TUBERKULOSE
als günstige und haben sich gegen früher wesentlich verbessert. Es hängt dies
mit der Bewegung zusammen, fortgeschrittene Fälle von den Heilstátten fern-
zuhalten und die Frühdiagnose der Tuberkulose soweit auszubilden, daß nur
Initialfalle in die Heilstätten kommen.
Es ist dies ein Ziel, das selbstverständlich allergrößte Billigung verdient;
allerdings sind diese Bestrebungen nur unter der Voraussetzung der Unterstützung
wert, daß tatsächlich nur Fälle von aktiver Tuberkulose in die Heilstätten
kommen (wenn auch natürlich in initialster Form).
Davon ist aber jetzt in keiner Weise mehr die Rede; es geht dies aus
dem vorliegenden Material mit Sicherheit hervor, daß zahlreiche Nichttuber-
kulöse und noch zahlreichere Individuen mit inaktiver Tuberkulose sich
in den Heilstätten befinden.
* *
Dies beweisen zunächst die aus Gürbersdorf stammenden Versuche von Blúmel
úber Kollapsetelektase, die zeigen, daf mindestens 5%, vóllig Tuberkulose-
freie sich in den Heilstátten befinden; noch viel zahlreicher ist aber die Anzahl
der inaktiv Tuberkulösen. Es wird dies sehr verständlich, wenn wir daran denken,
daB die Aufnahme in Heilstátten vielfach auf Grund des perkutorischen Befundes,
einer Spitzendämpfung etc. erfolgt, und daß eine sehr ausgesprochene Dämpfung bei
inaktiver ausgeheilter Tuberkulose sehr oft vorhanden ist.
Eine Reihe von Heilstättenärzten verwahrt sich dagegen, daß sie auf Grund
einer positiven Subkutanreaktion Patienten als geeignet zur Heilstättenaufnahme
erachten.
Es ist dies eine Konzession an die sich immer mehr verbreitende Erkenntnis,
daß eine positive Subkutanreaktion keine aktive Tuberkulose beweist. Aber die
Konzession bleibt auf halbem Wege stehen, da z. B. auch eine Spitzendämpfung
in Verbindung mit positiver Subkutanreaktion ebenfalls nicht aktive Tuberkulose
beweist. |
Eine Reihe von Heilstättenärzten benutzt aber die Subkutanmethode zur Kon-
trolle ihrer klinischen Untersuchungsbefunde. Wie ist dies möglich, wenn nachge-
wiesen ist, daß die Subkutanprobe bei ganz inaktiver Tuberkulose positiv ausfällt?
Die von verschiedenen Heilstättenärzten, die an anderer Stelle dieser Arbeit
zitiert sind, immer wieder aufgestellte Forderung, man solle keine inaktiven Tuber-
kulösen aufnehmen, hat doch nur dann einen Sinn, wenn hiergegen häufig ge-
fehlt wird.
Von Interesse in diesem Zusammenhang ist auch der Ausspruch von Liebe
(Brauers Beitr., Bd. 8, Heft 2, p. 152), „Hiermit hängt ja auch die oft beklagte
Tatsache zusammen, daß Leute, die wir in der Heilanstalt als tuberkulös krank,
arbeitsunfähig haben, vom Militärarzt als tauglich ausgehoben werden“. Dies
würde nichts für ıhr Freisein von aktiver Tuberkulose beweisen, wohl aber die
Tatsache, daß sie den Anstrengungen des Dienstes gewachsen sind. Ganz analoge
Erfahrungen stehen uns an eigenen Patienten zur Verfügung, die einmal und mehr-
mals Insassen von Heilstätten gewesen sind.
In der Heilstätte Melsungen sind mit der Konjunktivalreaktion andere Resultate
erzielten worden, wie sie die überwiegende Mehrzahl der Autoren und wie ich selbst
bekommen haben (fast stets negative Konjunktivalreaktion bei Initialfállen, positive
Reaktion gerade bei fortgeschrittenen Lungentuberkulösen. Ich konnte aus dem
der Arbeit beigegebenen Material mit an Gewißheit grenzender Wahrscheinlichkeit
nachweisen, daß negative Konjunktivalreaktionen bei Fällen mit inaktiver Tuber-
kulose erhalten worden sind. (Brauers Beitr, Bd. X, Heft 2.)
aa ein DIE LOKALEN TUBERKULINREAKTIONEN ETC. 491
Unter seinem Material zeigten nämlich im Stadium
I der Lungentub. konjunkt. Reaktion in nur 14°/,, Tuberkelbazillen in nur 3°%
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Ich glaube mich mit der Mehrzahl der Tuberkuloseärzte in Übereinstim-
mung zu befinden, wenn ich es für ausgeschlossen erkläre, daß Fälle im
II. Stadium aktiver Tuberkulose in 66°/, resp. 55°/, keine Tuberkelbazillen auf-
weisen und daß man annehmen muß, daß es sich hier in diesen Fällen nicht
um aktive Tuberkulose gehandelt hat.
Nur so sind auch die von den Erfahrungen aller anderen Autoren ab-
weichenden Ergebnisse dieses Autors mit der Konjunktivalreaktion zu erklären,
die niemals im III. Stadium der Tuberkulose höhere Prozentzahlen an positiven
Reaktionen aufweist, als im ersten.
Um solche subjektiven Auffassungen zu vermeiden, sind in unserer großen
Statistik, über die ich in Neuyork berichtete (cf. Münch. med. Wchschr. 1908,
Nr. 45), als Tuberkulöse nur solche Individuen in meine Statistik auf-
genommen worden, die Tuberkelbazillen aufweisen, die anderen sind
unter „Suspekte‘ eingereiht worden. Ich weiß sehr wohl, daß unter den
„auspekten‘ sich bei dieser Statistikform noch aktiv Tuberkulöse befinden; es
besteht aber nur bei einer solchen Anordnung der Statistik die Möglichkeit,
über den Wert der Konjunktivalreaktion ein Urteil zu bekommen, weil nur
so subjektive Anschauungen auszuschließen sind. Ein Urteil über den Wert
der positiven Konjunktivalreaktion bei Individuen ohne Tuberkelbazillen gibt
die Beobachtung des weiteren Verlaufes. In einer Reihe von Fällen der
Stadelmannschen Abteilung des Krankenhauses Friedrichsheim hat der Ver-
lauf den diagnostischen Wert der positiven Konjunktivalreaktion bei klinisch
nicht Suspekten bestätigt. Ich verteidige mich hier nicht gegen den wenig
sachlichen Vorwurf Roepkes, daß eine bessere Untersuchung wohl schon
vorher die Tuberkulose hätte diagnostizieren lassen, um so mehr, als ich ja
nicht allein am Krankenhause die Kranken untersucht habe.
Es wollen doch, so darf man annehmen, die Vertreter beider Anschau-
ungen die Wahrheit zum Zwecke der Bekämpfung der Tuberkulose. Man
soll daher die Frage cum studio, aber sine ira behandeln. Diesen Zielen ent-
spricht es aber wenig, wenn man versucht, wie es geschehen ist, von neuem.
die Untersuchung der Heilstätten gegen die der Krankenhäuser auszuspielen,
Es erklärt diese Differenz ganz zwanglos die erwähnten divergenten Befunde
mit der Konjunktivalreaktion. Aber was viel interessanter ist, das Melsunger
Material ist scheinbar kein Ausnahmematerial, sondern in vielen Heilstätten
finden sich ganz analoge Verhältnisse. In der Engelmannschen Statistik
finden sich z. B. unter 6273 Patienten in 66,3°/, keine Tuberkelbazillen. In
der Heilstätte Grabowsee hatten z. B. von 817 im Jahre 1904 Entlassenen
nur 32,6°/, Auswurf mit Bazillen, 67,4°/, keine Bazillen, davon 22,2°/, über-
haupt keinen Auswurf. (Jahresbericht des Heilstättenwesens vom Roten Kreuz
für 1904.)
Von 447 vom 21. X. 1907 bis 30. IX. 1908 in Müllrose (Chefarzt Dr. Ulrici
r SEL E ZEITSCHR. f.
492 | AO OUR TUBERKULOSE
Behandelten waren 102 im III. Stadium, bei 123 konnte der Chefarzt sich nicht
entschließen, sie als Tuberkulöse auch nur des I. Stadiums zu bezeichnen, ob-
wohl er selbst zugibt, die Diagnose ,,Lungentuberkulose des I. Stadiums“ in
relativ weiten Grenzen zu stellen. (Mündliche Mitteilung.)
Es ist diese Form der Auswahl der Heilstättenpatienten, die eine das
Maß überschreitende Reaktion darstellt, eine Folge der früheren Mißerfolge der
Heilstättenbehandlung, welche die Hamelsche Statistik (Tuberkulosearbeiten a.
d. Kaiserl. Gesundheitsamt 1904, Heft 2) aufgedeckt hat. Von den seinerzeit
bearbeiteten 2685 Patienten waren beim Austritt aus der Heilstätte zwar 77°/,
arbeitsfähig, scheinbar klinische Heilung wurde aber nur in 7,3°/, erzielt, voll-
ständige Heilung nur in 1,3°/. Auch ganz neuerdings hat sich Koch
Stockholm, Nobelpreisvortrag) dahin ausgesprochen, daß die 70°/, Heilungen
tatsächlich keine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit bedeuten, sondern nur
Erlangung der Arbeitsfähigkeit (die bei der Mehrzahl der heute zur Aufnahme
kommenden schon bei der Aufnahme noch vorhanden ist) und daß die Mehrzahl
doch schließlich noch der offenen Tuberkulose später zum Opfer fällt.
Das an sich berechtigte Bestreben, die Resultate der Behandlung günstiger
zu gestalten, hat zu einer Erweiterung der Frühdiagnosenstellung geführt, die den
Tuberkelbazillus ausschaltete, weil er nicht früh genug eine Diagnosenstellung ge-
stattet. Seitdem ist es aber bei den jetzt gewählten Kriterien für die Diagnose der
Tuberkulose nicht mehr möglich zu unterscheiden, ob eine aktive oder inaktive
Tuberkulose vorliegt. Es sei z. B. auf eine jüngst erschienene Arbeit von Rosin
(Ztschr. f. ärztl. Fortb. 1900, Nr. 19) verwiesen, der auf gewisse Anomalien
der rechten Lungenspitze hinweist und die Entscheidung, ob sie etwas zu bedeuten
haben, dem erfahrenen Arzt (!), d. h. also subjektivem Ermessen zuweist. Das Be-
streben der Heilstiittenleiter, die Behandlungsresultate immer günstiger zu gestalten,
führt dazu, daB in immer größerer Zahl Individuen mit inaktiver Tuberkulose in
die Heilstätten Aufnahme finden, die allerdings, wie alle inaktiven Tuberkulösen auf
subkutane Tuberkulininjektion reagieren, was aber nichts für aktive Tuberkulose
beweist (cf. Schröder, Brauer Beitr., Bd. 8, Meißen u. v. a).
Für diejenigen, welche die gesamte Literatur nicht zu übersehen vermögen,
seien kurz diejenigen angeführt, die betrefis der subkutanen Tuberkulinprobe zu
demselben Resultat auf Grund klinischer Beobachtungen kommen.
Meißen, Die Tuberkulinprobe. Heilkunde 1903, Nr. 11. „Das Tuberkulin
ist in gewissem Sinne ein zu feines Reagens, das leicht entweder zu viel oder zu
wenig beweist.“
Schröder, Über neue Medikamente und Nährmittel bei der Behandlung der
Tuberkulose. Ztschr. f. Tub., Bd. 3, Heft 1. „Das Tuberkulin gibt auf alle Herde,
aktive oder inaktive, seien sie in den Lungen oder in den Drüsen, Reaktion.“ Er
führt ferner an, daß das Tuberkulin in betreff der Lungentuberkulose zu irr-
tümlichen Resultaten führt, da auf Grund solcher Diagnose ohne aktive Lungen-
tuberkulose bereits solche Fälle zur Behandlung kommen können, die auch ohne
letztere niemals wirklich erkrankt wären. Ähnlich äußern sich Cornet u.a.
Es wird vielfach, so auch von Schröder und mir (Brauers Beitr., Bd. 8,
Heft 2), der Begriff latente Tuberkulose synonym mit inaktiver gebraucht, weil
latente Tuberkulose meist inaktiv ist. Röpke ist aber zum Teil im Recht, wenn
er darauf hinweist, daß dies falsch ist, da es eine latente (im Sinne von nicht
nachweisbare) Tuberkulose gibt, die aktıv ist. Ich hatte latente "Tuberkulose
ein DIE LOKALEN TUBERKULINREAKTIONEN ETC. 493
in dem Sinne einer Tuberkulose gebraucht, die keinerlei Erscheinungen macht,
wobei die Gleichsetzung mit inaktiv immerhin Berechtigung hat.
Um nicht durch Nomenklaturschwierigkeiten die Verständigung noch
mehr zu erschweren, akzeptiere ich für meine Person die Röpkesche Nomen-
klatur.
Auch die Kliniker fangen an, die aus den Reaktionsergebnissen sich
geradezu aufdrängenden Schlußfolgerungen zu ziehen, daß eine große Zahl von
inaktiven Tuberkulösen für ‚„tuberkulös“ erklärt und in die Heilstátten auf-
genommen wird. Man braucht nur den Vortrag von Grotjahn: Die Krisis in
der Heilstättenbewegung 1907, und die an den Vortrag von B. Fränkel in der
Berl. Ges. 1908 sich anschließende Diskussion durchzusehen, um über die
Stimmung ein Urteil zu gewinnen. Besonders Erwähnung verdient z. B.
Frankenburger in Nürnberg (Münch. med. Wchschr. 1908, Heft 17 u. 18),
der den Kernpunkt trifft, wenn er schreibt: „Für die Aufnahme in den
Heilstätten darf nicht die Rücksicht auf die Erfolgstatistik maßgebend sein,
sondern nur der für den einzelnen Fall zu erwartende Nutzen. Die Kranken
des I. Stadiums, vor allem aber die Tuberkuloseverdächtigen und die Träger
latenter Tuberkulosen können der Heilstättenbehandlung zumeist entraten.
Diesen kann bei ambulanter Behandlung durch Aufenhalt in Tages - Wald-
erholungsstätten, durch Verschaffung hygienischer Schlafgelegenheit in der
Wohnung, durch sonstiges Eingreifen der Fürsorgetätigkeit gleicher Erfolg ge-
bracht werden.“ Daß dieser Autor für diese freimütige Äußerung sehr leb-
haften persönlichen Angriffen ausgesetzt war, braucht bei der persönlichen
Engagierung vieler Heilstättenärzte in dieser Frage nicht Wunder zu nehmen. Im
wesentlichen hat übrigens Schröder auf der 4. Tuberkuloseversammlung den
gleichen Standpunkt vertreten und Ulrizi-Müllrose hat sich mit großer Deut-
lichkeit (Med. Reform 1908) im gleichen Sinn geäußert.
Selbst auf die Gefahr hin, die Statistik scheinbar noch zu verschlechtern,
dürfen nur aktive Tuberkulosen in Heilstätten Aufnahme finden. Die Schwierig-
keit liegt nun darin, daß fast alle Heilstättenärzte theoretisch diese Forderung
anerkennen und nur der Ansicht sind, bei ihnen befinden sich keine inaktiv
Tuberkulösen (cf. z. B. Schröder, Brauers Beitr., Bd. 8, Heft 2), „nur aktive
Formen der Phthise gehören in die Heilstatten“.
Die Klärung der Frage, wer ist aktiv tuberkulös, ist das gegenwärtige
Hauptproblem der Tuberkuloseforschung. Nach meiner Ansicht vermag
hierbei die Konjunktivalreaktion wertvolle Dienste zu leisten, um so wertvollere,
als es kein anderes frühdiagnostisches Mittel, das nur aktive Tuberkulose an-
zeigt, gibt.
Die Konjunktivalreaktion gibt positive Resultate nur bei aktiver Tuberkulose.
Vorläufig kann noch nicht absolut ausgeschlossen werden, ob vielleicht einmal
ein Fall mit initialer aktiver Tuberkulose nicht reagiert. Häufig sind diese Fälle
sicher nicht. Darum muß die Konjunktivalreaktion für die Auslese der Patienten
in den Heilstätten nutzbar gemacht werden.
Die Anwendung der Methode für die Auswahl der Heilstättenpatienten
würde zweierlei günstige Folgen haben:
ee ZEITSCHR. f.
494 RS NORRIS ER TUBERKULOSE
1. Es würden die Patienten, die eine inaktive Tuberkulose haben, nicht
in die der Natur der Sache nach teuren Heilstátten kommen. Solche Individuen
sind nicht als eigentlich krank zu bezeichnen. Es ist ihre Aufnahme in Heil-
stätten schon darum nicht möglich, weil dann 60—70°/, der gesamten Be-
völkerung in Heilstätten untergebracht werden müßten. Wenn man alie In-
dividuen aufnimmt, die auf subkutane Tuberkulininjektion cine Reaktion auf-
weisen, so würde diese Zahl erreicht werden, da die Subkutanreaktion wohl
spezifisch für vorhandene Tuberkulose ist, aber ebenso wie die Kutan-
reaktion auch bei inaktiver Tuberkulose positiv ausfällt. Die täglichen ärzt-
lichen Visiten im Heilstattenbetrieb machen aus solchen Leuten mit inaktiver
Tuberkulose Hypochonder; es ist natürlich sehr wünschenswert, daß auch für
Leute mit inaktiver Tuberkulose etwas getan wird; aber die Unterbringung in
Heilstätten ist nicht der richtige Weg, wie Frankenburger sehr treffend aus-
führt, sondern die Überweisung in Walderholungsstätten, Landerholungsstätten,
die billig herzustellen sind, und in denen am besten derartige Individuen etwas
Arbeit als Entgelt und zur Deckung eines Teils der Kosten zu leisten hätten.
Es ist dieser Erholungsaufenthalt auch erwünscht von dem Standpunkt, daß
für jedes Individuum, das in der Großstadt zu leben genötigt ist, ein jährlicher
Landaufenthalt angebracht ist, besonders aber bei Individuen mit inaktiver
Tuberkulose, um ein event. Aufflackern der Tuberkulose zu verhindern.
2. Würden die Resultate der Heilstätten in Wirklichkeit gebessert werden.
Scheinbar würde natürlich eine außerordentliche Verschlechterung eintreten,
denn es würden auf diese Weise die Nichttuberkulösen und die inaktiv Tuber-
kulösen entfernt werden, die natürlich das Rückgrat der heutigen günstigen
Heilstättenstatistik bilden. Aber denken wir doch daran, daß die Über-
füllung der Heilstätten mit Patienten ohne aktive Tuberkulose die notwendige
Reaktion dagegen vorstellt, daß eben früher bei der anderen Auswahl der
Patienten keine irgendwie in Betracht kommenden Heilerfolge erzielt werden
konnten. Die Konjunktivalreaktion gibt uns aber gegen früher die Möglichkeit, die
Fälle mit beginnender aktiver Tuberkulose frühzeitiger in die Heilstätten hinein
zu bekommen, eine Möglichkeit der Frühdiagnose, von der bisher leider nicht
der geringste Gebrauch gemacht worden ist, obwohl z. B. Wassermann seiner
prinzipicllen Übereinstimmung mit dieser Anwendung der Konjunktivalreaktion
in der Praxis den deutlichsten Ausdruck gegeben hat. (Vorlesung über Immu-
nitat an der Universität Berlin und die Ausführungen Wassermanns im Vor-
wort zur 2. Auflage des Werkes von Wolff-Eisner: Frühdiagnose und Tuber-
kuloseimmunität, Würzburg 1909 [erscheint im Februar]; cf. auch Berliner
Tageblatt: 9. XII. 1908, Abendausgabe.)
Trotz aller Bemühungen hat in Deutschland noch keine Heilstátte nach
diesen Prinzipien die Aufnahme geregelt. Erst bei meinem Aufenthalte in
Amerika anläßlich des Internationalen Tuberkulosekongresses habe ich bei dem
Vorstand und Ärztekuratorium des Montefiore Home Sanatoriums zu Bedford-
Neuyork Verständnis und Entgegenkommen, speziell bei Dr. Alfred Meyer-
Neuyork, gefunden und zur Benutzung in diesem Sanatorium einen Plan zur
ciar magias DIE LOKALEN TUBERKULINREAKTIONEN ETC, 495
Verwendung der modernen Tuberkulindiagnostik ausgearbeitet, den ich im
folgenden hier wiedergeben will (s. p. 498).
Ich möchte bemerken, daß ich zunächst nicht vorgeschlagen habe, die Auf-
nahme in ein Sanatorium oder eine Heilstätte von dem Ausfall der Konjunktival-
reaktion abhängig zu machen (um nicht etwa einen Fall mit aktiver Tuberkulose,
der vielleicht nicht reagiert, von der Aufnahme auszuschließen). Ich glaube aber,
daß auch ohne mein Zutun in nicht allzulanger Zeit kein Patient mit negativer
Konjunktivalreaktion in einem Sanatorium Aufnahme finden wird, weil er, von
geradezu verschwindenden Ausnahmen abgesehen, entweder nicht aktiv tuber-
kulös, oder aber nicht mehr heilbar ist: in beiden Fällen also kein Objekt für
eine Heilstättenbehandlung darstellt. Ich habe vorläufig nur geraten, die
Statistik der Fälle mit Rücksicht auf vorhandene positive Konjunktivalreaktion
und auf positiven Tuberkelbazillenbefund getrennt von den Patienten mit nega-
tiver Konjunktivalreaktion und negativem Bazillenbefund zu führen, damit wir
endlich einmal die Möglichkeit einer Statistik über Heilstättenerfolge bekommen,
die autosuggestiven Einflüssen entzogen, ein objektives Bild gibt.
Die Statistik der Lungenheilstáttenerfolge.
Für eine Statistik der Heilerfolge bei Lungentuberkulósen, besonders aber
für die Heilstáttenerfolge fehlte es bisher an einer Grundlage. Es sollen hier
nicht die Bedenken aufgeführt werden, die überhaupt gegen Statistiken be-
stehen. Aber abgesehen hiervon muß eine Statistik in ihren Ergebnissen
wertlos sein, wenn die Heilerfolge des einen Sanatoriums nicht mit denen
eines anderen, infolge verschiedenen Materiales, verglichen werden können.
v. Weißmayr (Tubercul. Bd. ı, Nr. 2) sagte mit Recht: „Wo jeder eine andere
Sprache spricht, da ist eine Einigung nicht möglich!“ Und Ott (Hyg. Rund-
schau 1901, Nr. 21) äußerte sich folgendermaßen: „Was bei der Durcharbeitung
der einzelnen Jahresberichte (scil. der Heilstätten) zuerst auffällt, ist die außer-
ordentliche Verschiedenheit derselben; es sind kaum zwei zu finden, die überall
von derselben Grundlage ausgehen und die ihre Statistik einheitlich bearbeitet
haben.“ Dasselbe führt Heubner, Verh. d. int. Tub.-Kongr. Berlin, p. 232,
u. a. an.
Und Blum ‘Ztschr. f. Tub., Bd. 8, Heft 2): „Und alle bislang mit-
geteilten statistischen Zahlen und die daraus zu ziehenden Schlüsse sind natürlich
nur mit einer gewissen Reserve zu betrachten. Denn die Statistik ist nur dann
wirklich das Gesetz der grofen Zahl (Cornet), wenn die Beobachtung und
Registrierung des Materiales eine gleichartige ist, was aber bezüglich der
Stadieneinteilung noch keineswegs erreicht ist.“
Und was sollte eine derartige auf ungleichartiger Basis geführte Statistik
nicht alles beweisen! Erfolge und Nichterfolge der Tuberkulinbehandlung,
Erfolge und Nichterfolge der Heilstättenbehandlung! Und dabei ist das Aus-
gangsmaterial ein so verschiedenes, daß ein Zusammentreffen der Resultate nicht
möglich ist.
Um Beispiele anzuführen, waren in der Eisenbahnheilstätte Melsungen und
Schreiberhau zum Beginn des 5. Jahres nach dem Heilstättenaufenthalt noch 59,63%
406 A. WOLFF-EISNER. oc
ihrer Patienten voll erwerbsfähig, und ähnliche, sogar noch etwas günstigere Zahlen
teilt Curschmann (Friedrichsheim, Baden) mit; und demgegenüber Körtings
Resultate an amerikanischen Soldaten (Medizinische Reform 1907, Nr. 24), der bei
der Entlassung nur 7,4°/, bis 11,6%, als geheilt ansieht (vgl. auch Gerhartz,
Med. Klin. 1907, Nr. 48/49).
Daß sich gerade in den Kisenbahnheilstätten besonders viel inaktive Tuber-
kulöse zu befinden scheinen, ging schon aus den vorher gemachten Angaben hervor.
Und so ungleichmäßig das Ausgangsmaterial, so vielgestaltig auch der
Maßstab, der für die Beurteilung der Heilung angelegt wurde: am häufigsten
finden wir die Erfolge beurteilt nach der „Herstellung der Arbeitsfähigkeit und
nach der Erhaltung derselben“. Wie vieldeutig ist aber dieser Begriff! Das
Urteil Kochs über die Bedeutung der „Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit“
haben wir schon oben angeführt. Die Verschiedenheit des Ausgangsmateriales
wird sich gerade bei diesem Kriterium zur Beurteilung der Heilung ganz be-
sonders geltend machen können. Mit diesem Begriff ist absolut nichts anzu-
fangen. Ohne uns sonst den Hammerschen Ausführungen anzuschließen,
kann er eben mit dieser Basis der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit als
Kriterium der Heilung den Beweis führen, daß mit poliklinischer Behandlung
von Lungenkranken dieselben, ja bessere Resultate erzielt werden, als mit
Heilstättenbehandlung. Dies wird natürlich niemand glauben, und zeigt nur,
wie ungeeignet ein solcher Maßstab zur Beurteilung der Heilung ist.
Ich will an dieser Stelle einem bekannten Heilstättenarzte, Liebe (Brauers
Beitr., Bd. 8, Heft 2, S. 143), selbst das Wort geben.
„Dagegen atmete man ordentlich einmal auf, als zur zweiten Versammlung
der Tuberkuloseärzte Joel endlich einmal das erlösende Wort fand, daß die Ver-
änderungen im Lungenbefunde meist garnicht so arg sichtbar sind und
daß man sich mit der sozialen Heilung des Kranken begnügen müsse.“ Und
Ritter-Edmundsthal (Bericht der Heilstätte 1899): „Im allgemeinen wird auch bei
uns, wie in anderen Heilstätten die Beobachtung gemacht, daß die objektiven
Veränderungen des Lungenbefundes meist gering zu den großen Fort-
schritten im Allgemeinbefinden sind.“
Und Kundig (Ztschr. f Krankenpflege 1900, Nr. 9): „Wenn wir nur den
Lungenbefund als Maßstab hätten herbeiziehen wollen, so würde speziell unter den
Leichtkranken die Rubrik „stationär“ unliebsam hohe Zahlen aufweisen.
Ganz geringe Dämpfung über den Spitzen mit Veränderung der Atmung wird sich
kaum ändern etc.“
Ich habe diesen Ausführungen nichts zuzufügen. Sie beweisen, wie die Autoren
damit zeigen wollten, die Schwierigkeit, den Begriff Heilung exakt zu definieren.
Aber man wird fragen dürfen, was spricht bei diesen Fällen dafür, daß sie bei der
Aufnahme aktiv Tuberkulöse vorstellten.
Ein ungleich viel besseres Kriterium für die Beurteilung der Heilerfolge
gewährt das Verschwinden der Tuberkelbazillen im Verlaufe der Behandlung.
Doch um dies Kriterium anzuwenden, müssen die Bazillen beim Eintritte in
die Hleilstätte erst vorhanden gewesen sein. Und dies ist nach dem Mit-
geteilten ja in der Mehrzahl der Falle bei den Heilstättenpatienten nicht der
Fall. Zwar ist das Verschwinden der Tuberkelbazillen kein Zeichen von Heilung
der Tuberkulose und demnach durchaus nicht eindeutig, aber gegenüber der
BD. XTILHERT 6. DIE LOKALEN TUBERKULINREAKTIONEN ETC. 497
1909,
„Wiederherstellung der Arbeitsfahigkeit* ein geradezu ideales Zeichen einer
stattgehabten Besserung.
Ein wie wichtiges objektives Kriterium das Verschwinden der Tuberkel-
bazillen vorstellt, das da ein Urteil erlaubt, wo sonst alle anderen Maßstäbe
versagen, zeigen die folgenden Ausführungen von Köhler (Brauers Beitr.
Bd. 3, Heft 2).
Bandelier, bekanntlich ein unbedingter Anhänger der Tuberkulintherapie,
hatte mitgeteilt, daß seine Kranken in 92°/, die Tuberkelbazillen verloren hätten.
Köhler fügt hinzu: „Keine deutsche Heilstátte hat einen ähnlichen Erfolg aufzu-
weisen“. „Ich habe kein Recht, die Zahl für die Kottbusser Ergebnisse irgendwie
anzuzweifeln. Findet sie sich dagegen in anderen Feststellungen nicht, so pflegt
man sagen zu dürfen, die Ergebnisse seien anderwärts nicht bestätigt worden“,
Sehr viel würde für die Statistik gewonnen sein, wenn das Aufnahme-
material nach einheitlichen Grundsätzen wenigstens in jeder einzelnen Heilstätte
bearbeitet würde. Es ist dies natürlich nur möglich, wenn das Franken-
burgersche Postulat Durchführung fände: die Aufnahme in die Heilstätten
soll nicht auf Grund einmaliger Untersuchung, sondern nach vor-
gängiger, am besten klinischer, noch besser spezialistischer Beob-
achtung durch eine Zentralstelle erfolgen. Für die Beurteilung der
Erfolge hat Cornet (Ztschr. f. Tub., Bd. 1, 1) schon vor langem eine Zentral-
stelle verlangt. Es würde direkt wünschenswert sein, wenn die Patienten, die
in einer Heilstätte Aufnahme finden sollen, vorher 14 Tage durch ein speziell
diesem Zwecke dienendes und auf alle Untersuchungsmethoden eingerichtetes
Spezialkrankenhaus hindurchgehen.
Eine solche Institution ist bei Berlin (in Lichtenberg) von der Landes-
versicherung Berlin schon eingerichtet worden, doch spielt dort noch die
Subkutanreaktion die Rolle des diagnostischen Kriteriums.
Es ist weiter zu wünschen, daß die Statistik über die Erfolge einmal die-
jenigen Patienten trennt, welche Tuberkelbazillen aufweisen, und weiter getrennt
berichtet über diejenigen, welche a) bei vorhandenen, b) bei fehlenden Tuberkel-
bazillen auf 1- oder 2°/ ige Alttuberkulinlösung konjunktival reagiert haben und
schließlich c) diejenigen, welche bei positivem Bazillenbefund negative
Konjunktival- und Kutanreaktion aufweisen und schließlich d) diejenigen, welche
bei negativer Konjunktivalreaktion ohne Tuberkelbazillen nur positive Kutan-
und Subkutanreaktion zeigen und daraufhin Aufnahme in einer Heilstátte
gefunden haben. (Die letzte Gruppe umfaßt eben nach meiner Anschauung die
inaktiven Tuberkulösen mit den guten ,,Heilungsresultaten“.)
Weiter wären getrennt aufzuführen: Fiebernde und Nichtfiebernde. Es
würden sich bei einer so geführten Statistik sehr bald die verschiedenen
Kategorien nach ihren Wiederherstellungschancen trennen lassen; eine solche
Statistik würde nach meiner Anschauung zum erstenmal scharf
voneinander trennen:
I. Fälle von aktiver Tuberkulose (Tb.-Befund positiv),
2. Fälle von wahrscheinlicher aktiver Tuberkulose (Tb.-Befund
negativ, positive Konjunktivalreaktion),
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIII. 33
408 A. WOLFF-EISNER. SE
3. Fálle von inaktiver Tuberkulose (Kutanreaktion positiv, Konjunk-
tivalreaktion negativ) und
4. prognostisch unginstige Fálle von aktiver Tuberkulose (Tb.-Befund
positiv, Konjunktival- oder Kutanreaktion negativ).
Zu 2. ist zu bemerken, daß Meissen vor kurzem mit Recht darauf hin-
gewiesen hat, daß der Begriff der geschlossenen mit dem der inaktiven
Tuberkulose nicht identisch ist, und daß eine geschlossene Tuberkulose
unter Umständen sehr wohl aktiv sein kann. Wir glauben, daß wir gerade
durch die Konjunktivalreaktion häufig solche geschlossenen, aber aktiven
Tuberkulosen auffinden und daß wir auf diese Weise gerade die therapeu-
tisch wichtigsten Formen der aktiven Initialtuberkulose den Heil-
stätten zuführen; sollte es vorkommen, daß einmal — was noch nicht
bewiesen ist — ein Nichttuberkulöser auf die Konjunktivalreaktion
reagiert, so ist der hierbei begangene Fehler minimal gegen den,
der heute in hunderten von Fällen begangen wird, in denen Indi-
viduen auf positive Subkutanreaktion und eventuelle Spitzen-
dämpfung hin den Heilstätten überwiesen werden.
Statistiken, in denen diese Postulate auch nur zum kleinsten Teil berück-
sichtigt sind, sind bisher nur ganz vereinzelt vorhanden. Ich fand und erwähne
Saugmann -Kopenhagen 1907: 69°/, der Fälle enthielten Tuberkelbazillen, es
verloren sie während der Kur 24°/,.
36°/, der Patienten fieberten, von denen 67°/, in 42 Tagen das Fieber
verloren (vgl. Saugmann, Ztschr. f. Tuberkul. 1907, Bd. 11, Heft 2; Ost,
ebend., Bd. 8, Heft 3).
Die fast unbewußt vorhandene Anschauung, daß die bisherigen Kriterien
nicht ausreichen, um eine Beurteilung der erzielten Heilerfolge zu begründen,
haben zur Heranziehung der Methode geführt, die Erfolge danach zu beurteilen,
ob das betreffende Individuum nach einiger Zeit auf eine subkutane Injektion
von Tuberkulin reagiert oder nicht: ein Nichtreagieren wird als Zeichen der
Heilung angesehen.
Auch Behring hat bekanntlich für seine Bovovakzination die gleiche Methode
zur Beurteilung der Erfolge akzeptiert (Conf. Mitulescu, Brauers Beiträge, Bd. 13,
p. 207). (Letzterer spricht allerdings nur von scheinbaren Heilungen.) Gegen diese
Benutzung der Tuberkulinreaktion möchte ich hier einige schwerwiegende Einwände
geltend machen; die ausführliche theoretische und experimentelle Begründung findet
sich in dem Abschnitt über Tuberkuloseimmunität in der 2. Auflage des schon er-
wähnten Werkes über „Frühdiagnose und Tuberkuloseimmunität“.
Die mangelnde Reaktion ist kein Zeichen der Heilung, weil 1. mangelnde
Reaktion auch bei prognostisch ungünstigen Fällen von Tuberkulose häufig vor-
kommt, und gerade ein signum mali ominis ist, 2. weil eine fehlende Reaktion nach
einiger Zeit sich ohne Veränderung des klinischen Befindens in eine positive um-
wandeln kann (conf. Löwenstein) und 3. weil, wie unsere Versuche ergeben, das
Ausbleiben der Tuberkulinreaktion von der Schaflung von Rezeptoren abhängig ist,
welche mit der Ausheilung des eigentlichen Krankheitsherdes nicht das Mindeste
zu tun haben.
Und umgekehrt ist das Vorhandensein einer subkutanen Tuberkulinreaktion nicht
rr DIE LOKALEN TUBERKULINREAKTIONEN ETC. 499
ein Zeichen für eine nicht ausgeheilte Tuberkulose, weil sie erfahrungsgemäß — wie
mehrfach ausgeführt — bei inaktiver Tuberkulose vorkommt, resp. nach erfolgter
Ausheilung noch lange Zeit fortbestehen kann.
Ich habe die Grundsätze, welche für die Heilstättenaufnahme und für die
Beurteilung der Heilstättenerfolge nach meiner Anschauung geltend sein sollten,
in folgendem zusammengestellt, und sollen sie dort seit einiger Zeit in An-
wendung. sein. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß meine Ausführungen die
Vorzüge dieser neuen Aufnahme- und Statistikschemata erkennen lassen, so daß
sie mit der Zeit sich weiterer Anwendung erfreuen werden.
Schema der Untersuchung für Heilstättenaufnahme und Statistik.
1. Es sind alle Patienten in das rechte Auge mit 1°/iger frischer
Lösung Alttuberkulin Ruete-Enoch?)) einzuträufeln. (Nach meiner Anschauung
wären späterhin einmal die Nichtreagierenden in Heilstätten nicht aufzunehmen,
weil sie entweder nicht aktiv tuberkulós, oder zu progreß sind, um noch
Heilchancen zu geben.)
Ausgenommen sind die Augenkranken und die von anderer Seite schon
Instillierten. (Konjunktivitis ist keine Kontraindikation.)
Bei negativem Ausfall ist gleich am nächsten Tage das andere Auge
mit 2- oder 3°/,iger Lösung einzuträufeln.
2. Gleichzeitig ist die Kutanreaktion anzustellen und alle 8 Wochen an
dem Patienten zu wiederholen.
3. Die Statistik über die Fälle mit positiver Konjunktivalreaktion ist
getrennt zu führen von denen mit negativer Reaktion. Bei diesen letzteren
sind zu trennen:
Die Fälle, die klinisch nicht aktiv tuberkulös sind, so daß diese Kategorie
nur sicher Tuberkulöse (Tb.-Befund mit negativer Konjunktivalreaktion) umfaßt
4. Des Weiteren sind die Fälle nochmals nach dem Ausfallen der Kutan-
reaktion mit 25°/,igem Tuberkulin Ruete-Enoch?) zu ordnen.
Wir trennen:
I. Schnellreaktion (am 2. Tage abgelaufen),
2. Normalreaktion (4 Tage anhaltend),
3. Dauerreaktion (über 4 Tage anhaltend. Und zwar hier wieder:
D 1. 4—7 Tage anhaltend,
D 2. 8—ı2 Tage anhaltend,
D 3. Über 12 Tage anhaltend.
5. Jede der 3 Gruppen
I. negative Konjunktivalreaktion (bei inaktiver Tuberkulose),
2. positive Konjunktivalreaktion (bei aktiver Tuberkulose),
° d SH Bazillenbefund,
3. negative Konjunktivalreaktion bei manifester Tuberkulose,
sind nach dem Ausfall der Kutanreaktion wieder in 3 Gruppen
1) Zu beziehen durch Dr. Silberstein, Kaiser Friedrichapotheke, Berlin NW., Karlstr. 20a
und Wissensch. Abt. des med. Warenh., A.-G., Berlin NW., Karlstr. 31.
33°
ZEITSCHR. f.
(siehe unter 4) einzuordnen. Es ist dies jedoch nur er-
- forderlich fiir.denjenigen, welcher über die Prognose genauen
AufschluB haben will. Für mn genügt die Scheidung
. in drei Gruppen.
Es sei als Richtlinie angeführt, daß negative Konjunktivalreaktion
beim Fehlen manifester Tuberkulose günstig ist, ungünstig dagegen
bei manifester Tuberkulose, bei der sich dann fast immer gleichzeitig
eine negative Kutanreaktion oder die’ sogenannte Schnellreaktion zeigt.
Letztere hat selbst dann prognostisch ungünstige Bedeutung, wenn daneben
eine positive Konjunktivalreaktion bestehen sollte. Günstig ist ferner eine
Dauerreaktion, besonders die Form D2 und D3. Diese Formen kommen
meist nur bei fehlender Konjunktivalreaktion vor, besonders häufig bei „klinisch
Gesunden“, im Sinne von Leuten mit ausgeheilter Tuberkulose.
Nach meinen Erfahrungen stellt sich bei der Beachtung dieser Grundsätze
heraus, daß wir heute in der Lage sind, das Heilstättenmatertal so auszusuchen,
daß wir einerseits vermeiden, inaktive Tuberkulosen aufzunehmen — wie es
bis heute so vielfach geschieht — und andererseits die Fälle so zu wählen,
daß ein relativ günstiger Erfolg garantiert ist. Die Wiederholung der Kutan-
reaktion alle 8 Wochen gibt eine Auskunft über die durch die ONE
etwa bewirkten Umstimmungen der Reaktionsfähigkeit.
Die Beobachtung, daß die Konjunktivalreaktion aktive Tuberkulose auf-
deckt, wird von vielen ersten Klinikern geteilt. Sie bildet die Grundlage
meiner Vorschläge für die Abänderung der Auswahl der Heilstättenpatienten.
Ich möchte in diesem wichtigsten Punkte um keinen Preis mißverstanden
sein. “Die Behauptung, daß die Konjunktivalreaktion nur bei aktiven Tuber-
kulosen positiv ausfällt, gründet sich auf die klinische Analyse von 4000 Fällen.
Darum können an der grundsätzlichen Bedeutung dieser Feststellung vereinzelte
divergente Beobachtungen, wie sie sich in der außerordentlich sorgfältigen
Arbeit von Zóppritz, in den Grenzgebieten Bd. 19,. Heft 3, finden, nichts
ändern. Aber eins darf nicht unbeachtet bleiben: diese Feststellung. beruht
auf empirischer Beobachtung und steht nicht auf der Basis theoretischer Vor-
aussicht infolge Anwendung fester Gesetze.
Dies mag dem reinen Praktiker, der in wechscinder Folge die Theorien
an sich voriiberziehen sieht, als ein Vorteil erscheinen, nicht aber demjenigen,
der glaubt, den verbindenden Faden zwischen Tuberkuloseinfektion, Tuberkulin-
reaktion und Tuberkulin- und Tuberkuloseimmunitat gefunden zu haben.
Schwer verstandlich war von vornherein, warum die Konjunktival- und
Kutanreaktion sich gegeniiber der aktiven Tuberkulose so different verhalten.
Erst jetzt habe ich in der 2. Auflage meines Werkes versucht, eine Analyse
der komplizierten in Betracht kommenden Verháltnisse zu geben.
Warum ist es denn eigentlich so schwer, die aktive und gig eeschte
Tuberkulose auseinanderzuhalten?
Weil bei der aktiven und inaktiven Tuberkulose die gleiche Umstim-
a a DIE LOKALEN TUBERKULINREARTIONEN ETC. ` sol
mung des: Kérpers vorhanden ist. (wie die Tuberkulinreaktionen Ben). wenn
auch in einer quantitativen Differenz. | |
Aus diesem Grunde müssen alle Methoden der Differenzierung versagen,
die auf prinzipielle Differenzen rechnen und sich nicht bescheiden, die ae
auf quantitativen Verschiedenheiten aufzubauen.
Bei der Konjunktivalreaktion liegen quantitativ günstige Verhältnisse vor,
welche der Reaktion' den Anschein geben, daß sie eine prinzipielle Differenz
zwischen aktiver und inaktiver Tuberkulose aufdeckt. Das ist aber nur schein-
bar der Fall; bezüglich der genaueren Analyse muß ich Interessenten auf die
angezogene Stelle verweisen.
Darum ist es möglich, daß mal ein Fall von inaktiver rubio
positiv reagiert — die Grenzen von aktiver und inaktiver sind ja sowieso der
Natur der Sache nach schwankend — aber für praktische Zwecke ist die
Konjunktivalreaktion eindeutig; wir müssen praktisch daran. festhalten, daß
der positive Ausfall der Konjunktivalreaktion das Vorhandensein aktiver Tuber-
kulose anzeigt. |
Unter Berücksichtigung der quantitativen Verhältnisse läßt sich auch aus
anderen Tuberkulinreaktionen eine Vermutung auf das Vorhandensein aktiver
Tuberkulose ziehen.. Meine Stellungnahme gegen den diagnostischen Wert der
Subkutanreaktion beruht auf folgenden Gründen:
I. Weil ich glaube, daß die Kutanreaktion in absolut unsefhrlicher Weise
dieselben Aufschlüsse gewährt, wie die Subkutanreaktion;
2. weil ich glaube, daß die Konjunktivalreaktion in weniger gefährlicher
und dafür besserer Weise aktive Tuberkulose anzeigt, und
3. vor allem, weil die wiederholt angestellte Subkutanreaktion, wie sie
heute allgemein üblich ist, für dié Diagnose der aktiven Tuberkulose überhaupt
keinen Anhaltspunkt gewährt, da der durch die Erstinjektion gesetzte Stimulus
— um an dieser Stelle auf meine theoretischen Anschauungen gar nicht zu
rekurrieren — auch beim inaktiv Tuberkulösen genügt, um ihn bei der Wieder-
holung der Injektion so reagieren zu lassen, daß die Reaktion sich in keiner
Weise von der des aktiv Tuberkulösen unterscheidet.
Dagegen treten die erwähnten quantitativen Differenzen des aktiv Tuber-
kulösen gegenüber dem inaktiv Tuberkulösen in Erscheinung, wenn auf die
erste Subkutaninjektion eine Reaktion erfolgt. Wer die Subkutanmethode in
Anwendung ziehen will, muß möglichst die Dosis so bemessen, daß schon die
erste Injektion von einer Reaktion gefolgt ist.
Schon eine Reihe von Klinikern hat beobachtet, daß die prompten Re-
aktionen der aktiven Tuberkulose entsprechen, die zögernden wurden als aty-
pische ohne diagnostischen Wert bezeichnet. Sie sind bedingt durch ein quan-
titativ geringeres Vermögen, das zugeführte Tuberkulin — das für den Nicht-
infizierten überhaupt wirkungslos ist — zur Aufschließung zu bringen, daher die
verlangsamten, d. s. die atypischen Reaktionen.
Auch bei der Kutanreaktion ist aus dem Ablauf ein gewisser Schluß auf
das Vorhandensein von aktiver Tuberkulose zu ziehen. Nach unserer Ansicht
502 WOLFF-EISNER, DIE LOKALEN TUBERKULINREAKTIONEN. ` ABEE t.
kommt der aktiven Tuberkulose die Reaktionsform: Normalreaktion und Schnell-
reaktion zu.
Die Konjunktivalreaktion ist nur eine Tuberkulinreaktion, wie
alle anderen; aber dadurch ausgezeichnet, daß sie sicherer, ein-
deutiger und gefahrloser, als alleanderen das Vorhandensein aktiver
Tuberkulose und zwar schon im Frühstadium anzeigt.
Darin liegt ihre unschätzbare Bedeutung und da sie diese Eigenschaft
hat, fürchte ich nicht, daß sie jemals wieder ihre Rolle bei der Frühdiagnose
der Tuberkulose einbüßen wird.
Die lokalen Tuberkulinreaktionen, speziell die Konjunktivalreaktion, ent-
halten ihren vollen Wert nur in Kombination mit einer sehr exakten klinischen
Untersuchung; derjenige irrt, der glaubt, er brauche nicht zu lernen, wie man
die beiden Methoden miteinander kombiniert. Wer es aber nicht gelernt hat
und dann, wie es mehr als einmal vorgekommen ist, die neuen Methoden
fehlerhaft anwendet, dessen Urteil sollte nicht in Betracht kommen.
Es braucht nicht weiter ausgeführt zu werden, daß die gleichen
diagnostischen und prognostischen Methoden nicht nur für die
Heilstätten verwendbar sind, sondern auch bei Privatpatienten mit
Vorteil angewandt werden, wenn die Aufnahme in ein Sanatorium,
die Wahl eines klimatischen Kurortes oder wenn die Diagnose und
Prognose zu entscheiden ist.
Kies eg
EE d . SZABOKY, ÜBER CALMETTESCHE OPHTHALMOREAKTION. 503
XXXVII.
Über die Calmettesche Ophthalmoreaktion.
(Aus der internen Abteilung des St. Stephanspitales in Budapest. Primarius: Dozent
Geza v. Dieballa.)
Von
Dr. Joh. v. Szabóky, Kurarzt in Gleichenberg,
emerit, Assistent der Budapester Universität.
Als ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß Bestrebungen hinsichtlich
= der frühzeitigen Diagnose der Tuberkulose sowohl vom prophylak-
RAS] tischen, wie auch vom therapeutischen Standpunkte aus, dem Kliniker
und auch dem praktischen Arzt ein sehr wichtiges und dankbares Gebiet zu
neuen Forschungen bieten. Wissen wir doch einerseits wie wertvoll es dem
Kranken selbst ist, sein Leiden so früh als möglich sicher zu erkennen, anderer-
seits welch einen großen Vorteil die Frühdiagnose der Tuberkulose auch der
Allgemeinheit bietet, wo besonders die frühzeitige Anordnung der notwendigen
hygienischen Maßregeln die Infektionsgefahr einzuschränken imstande ist.
Vor Kochs Entdeckung wurde die Diagnose auf Tuberkulose auf Grund
der physikalischen Untersuchung gestellt, und wenn ich auch zugebe, daß man
auch heute noch nur mit Hilfe derselben oft sehr frühzeitig die Diagnose stellen
kann, gibt es doch noch ziemlich viele Fälle, wo sie kaum zu erreichen ist.
Obwohl durch die epochale Entdeckung Robert Kochs die Autoren zu vielen
neuen diagnostischen Untersuchungsmethoden geführt wurden, und jede einzelne
derselben einen großen Fortschritt in der Frühdiagnose der Tuberkulos
bedeutet, sind sie noch immer nicht genügend, denn gar zu oft lassen sie ja
auch bei ganz sicheren Fällen der Tuberkulose im Stich.
Durch die Verbreitung der spezifischen Therapie und der Immunitäts-
lehre häuften sich immer mehr und mehr die zur Frühdiagnose empfohlenen
neuen Untersuchungen an, zu welchen folgende gehören: Die probatorische
Anwendung des Tuberkulins, die Agglutination, die Opsoninbestimmung, die
Komplementablenkung, die Präzipitation. Eingehender will ich mich in dieser
Arbeit nur mit der probatorischen Anwendung des Tuberkulins befassen. Meine
Erfahrungen über die Agglutination und Präzipitation werde ich nächstens
publizieren. Über die Verwendung der Opsoninbestimmung bei der Diagnose
der Tuberkulose habe ich bereits in dieser Zeitschrift referiert.
Das Kochsche Alttuberkulin wird zu diagnostischen Zwecken schon viele `
Jahre lang subkutan appliziert; erst seit neuerem verwendet man es kutan
(Pirquet), perkutan (Moro), und auf die Schleimhaut der Konjunktion getropft
(Calmette). Ich sowie auch andere Autoren erkennen den Wert der proba-
torischen Tuberkulininjektionen bei der Frühdiagnose der Tuberkulose an. Wenn
man aber die hier und da doch vorkommenden Unannehmlichkeiten und auch
die Umständlichkeit dieses Verfahrens in Betracht zieht, muß ich mich doch dahin
äußern, daß die probatorische Tuberkulininjektion als diagnostisches Mittel recht
gut an Kliniken, Spitälern oder in Sanatorien verwendbar ist, in der täglichen
504 JOH. v. SZABOKY. E
Praxis jedoch nicht. Selbstverständlich wurden die einfacheren probatorischen
Methoden wie die Pirquetsche Kutanreaktion und die Calmettesche Oph-
thalmoreaktion mit Freuden begrüßt, da man so hoffte, durch diese einfachere
Methode auch dem Praktiker die Möglichkeit zu geben, die Frühdiagnose der
Tuberkulose stellen zu können.
In dieser Arbeit befasse ich mich mit einer dieser Untersuchungen, mit
der Calmetteschen Ophthalmorcaktion.
Das erstemal beobachtete die Ophthalmoreaktion Wolff-Eisner. Er
tropfte auf die konjunktivale Schleimhaut von Tuberkulôsen eine 10°}, ige
Tuberkulinlösung, wonach er in ein paar Stunden eine starke entzündliche Reak-
tion konstatieren konnte. Calmette verwendete, um starke Reaktionen zu ver-
meiden, eine 1%/, ige Tuberkulinlösung.
Ich habe ausschließlich nur das Calmettesche Originalpräparat verwendet,
welches ich von dem Apotheker des Stefanspitals aus Lyon bezog.
Nicht alle benutzten die von Calmette vorgeschriebene Flüssigkeit.!)
Einzelne stellten die Testflüssigkeit mit 3°/,iger Borsäure her; Wolff-Eisner
und Plehn machten die 1°/,ige Tuberkulinlösung mit steriler physiologischer
Kochsalzlösung. Andere wieder verwendeten eine Lösung von 1, 2, 3—10%/ iger
Konzentration, oder verabreichten 2—3 mal dieselbe Lösung (Blum, Schlüppe,
Buch, Werther, Klieneberger, Purjesz). 1, 2, 3—4 °/, ige Lösungen ver-
wendeten Eppenheim, Schenk, Seifert, Treupel; */,— 1%, ¡ge Lösungen
gebrauchten Comby, Wien, Günther, Schröder und Kaufmann.
Ich wendete die Calmettesche Ophthalmoreaktion nur bei solchen
Kranken an, wo keine Augenkrankheit vorhanden war, wo die Conjunctiva, der
Bulbi und der Ductus nasolacrimalis vollständig gesund war. Die Einträufelung
machte ich folgendermaßen: Ich zog das untere Augenlid etwas herab, ließ
den Patienten aufwärts schauen und tropfte die Tuberkulinlösung auf die Con-
junctiva. Die Reaktion zeigte sich am frühesten in 3 Stunden, am spätesten
in 16 Stunden nach der Einträufelung. Die Reaktion hielt gewöhnlich 36 bis
96 Stunden an, nur ganz selten länger; das Maximum der Dauer war 168 Stun-
den. Das erste Symptom war ein subjektives Juckgefühl; sehr häufig klagten
die Patienten über ein Gefühl, wie wenn sie Staub im Auge hätten. Ich nahm
bei der Qualifizierung der Reaktion die Einteilung von Citron an. Er beschreibt
3 Grade der Reaktion: I. Rötung der Conjunctiva palpebralis und der Carun-
cula; 2. es nimmt an der Entzündung auch die Conjunctiva bulbi teil; 3. Conjunc-
tivitis purulenta. Ich nenne die mit 1. bezeichnete Reaktion schwache, die mit
2. bezeichnete Reaktion mittelmäßige, die mit 3. bezeichnete Reaktion starke
Reaktion.
Im ganzen verwendete ich die Calmettesche Ophthalmoreakticn zu
diagnostischem Zwecke 105 mal. Von den Kranken waren 64 Tuberkulóse,
17 auf Tuberkulose verdächtige Fälle; bei 14 Kranken war Tuberkulose aus-
geschlossen und 10 waren solche, die mit einem spezifischen Mittel immunisiert
1) Es ist wahrscheinlich, daß hierdurch die verschiedenen Reaktionen zustande kamen. Es
ist ja natürlich, daß man in den Fällen, wo man stärkere Lösungen oder wiederholte Einträufelungen
machte, öfters stärkere Reaktionen bekommen hat,
BDXNDBEFTS. ÜBER DIE CALMETTESCHE OPHTHALMOREAKTION. 505
wurden. Von den Tuberkulösen waren 11 im I. Stadium, 15 im IL Stadium
und 35 im III. Stadium der Turban-Gerhardschen Einteilung. Drei waren
chirurgische Fälle. Bei den Tuberkulösen, hauptsächlich aber bei den auf
Tuberkulose verdächtigen Kranken wurde die Diagnose in den meisten Fällen
außer der Sputumuntersuchung auch durch den Tierversuch oder die probatorische
Tuberkulininjektion festgestellt. Bei diesen Fallen, welche letal endeten, wurde
auch die Sektion zur Sicherstellung der Diagnose benutzt. In 64 Fällen, wo
die Diagnose auf Tuberkulose sicher gestellt war, konnte ich 57 mal positive
und 7 mal negative Reaktion konstaticren. Bei den 11 Tuberkulösen, welche
im I. Stadium der Krankheit waren, war die Reaktion gmal stark, ı mal
schwach und 1 mal mittelmäßig. Bei den 15 Tuberkulösen, die im II. Stadium
der Krankheit waren, war die Reaktion 4 mal stark, 4mal mittelmäßig und
4 mal schwach. Bei den 35 Tuberkulösen, die im III. Stadium der Krankheit
waren, War 10 mal starke Reaktion, 4 mal mittelmäßige und 17 mal schwache
Reaktion vorhanden. Von den 3 chirurgischen 'Tuberkulosefällen reagierten
2 stark, ı mittelmäßig. 53 mal erschien die Reaktion nach 3—8 Stunden und
nur in 4 Fällen später. Die Reaktion hielt meistens 48 Stunden an, seltener
dauerte sie 96 Stunden und nur ganz selten länger.
Bei den 17 auf Tuberkulose verdächtisen Fällen war die Reaktion
8 mal +, 9 mal —; sie war 5 mal stark, 1 mal mittelmäßig und 2 mal schwach.
Die Reaktionen traten schon in 3—8 Stunden nach der Einträufelung auf und
dauerten variicrend zwischen 36—192 Stunden. Von 13 Fällen erwies sich
die Calmettesche Reaktion ıomal als wertvoll, 3mal jedoch nicht. Über die
anderen 4 Fälle kann ich mich bis heute nicht mit Sicherheit äußern, da ich in
diesen Fallen die probatorischen Tuberkulininjektionen nicht anwenden konnte,
und da die Fälle auch nicht zur Obdukution kamen.
lu den 14 Fällen, wo die Tuberkulose klinisch ausgeschlossen war, ergab
die Calmettesche Opthalmoreaktion 3 mal ein positives und 11 mal ein nega-
tives Resultat. Die positiven Reaktionen traten schon nach 3 Stunden ein, waren
stark und hielten 48—72 Stunden an.
Wenn ich meine diesbezüglichen Resultate mit den Resultaten der anderen
31 Beobachter vergleiche, dann ist zu erschen, daß meine Resultate etwas
bessere Perzentuation zugunsten der Calmetteschen Reaktion aufweisen.
Meine Beobachtungen weisen bei sicheren Tuberkulósen in 89°/, der Fälle eine
+ Calmettesche Reaktion auf, während dieselbe nach den Beobachtungen
anderer (— Purjesz, Schuberth, Lenhartz, Cohn, Citron, Köhler, Eppen-
stein, Baldwin, Metraux, Schenk und Seiffert, Blümel, Calmette,
Schröder und Kaufmann, Franke, Hirschler, Gebhardt, Morelli,
Ladislaus v. Ketly, Hochhalt, Mainini, Wiens, Günther, Klineberger,
Deutsch, Fertl, Heinemann, Gaupp, Blum-Schlüppe, Plehn, Lepine,
Comby) bei 85°/, der Kranken (unter 1532 Fällen war nur bei 1301 positive
Reaktion) vorhanden war. Bei meinen nichttuberkulösen Kranken war die
Calmettesche Reaktion nurin 21°/, der Fälle positiv; während die oben genannten
Autoren die positive Reaktion in 26°, der Fälle (zwischen 1614 Fälle 333 mal)
beobachteten. In Falien, wo auf Tuberkulose nur Verdacht vorhanden war,
506 JOH. v. SZABOKY. UBERÉUNOSE
konnte ich bei 70%/, die positive Calmettesche Reaktion durch die proba-
torische Tuberkulininjektion, durch den Tierversuch oder durch die Obduktion
bestätigen. Trotzdem ich die Würdigung der Calmetteschen Reaktion erst
bis zum Schlusse meiner Arbeit aufhebe, halte ich es doch schon hier für
notwendig zu erwähnen, daß ich die Calmettesche Reaktion — obzwar es ein
gutes diagnostisches Hilfsmittel ist — für keine spezifische und in jedem Falle
prompt diagnostisch verwertbare Reaktion halte; dazu wäre unbedingt not-
wendig, daß die Calmettesche Reaktion in diagnostisch zweifelhaften Fällen
nur bei Vorhandensein der Tuberkulose positiv ausfiele, in Fällen aber, wo
keine Tuberkulose vorhanden ist, ausbleibt.
Bei 10 immunisierten Kranken war die Reaktion 9 mal +, 1 mal —. Ich
habe die Beobachtung von Blum, Schlippe, Dumarest und Arloing nicht
konstatieren können, daß nämlich bei immunisierten Personen die Calmette-
sche Reaktion ausgeblieben wäre; es wäre aber möglich, daß die obengenannten
Autoren eine stärkere Immunität erreichten als ich. Bei 7 Kranken, die ich
entweder mit Spenglers Vakzin oder mit Alttuberkulin Koch 3 Monate lang
immunisierte, bekam ich 6 mal eine +, einmal — Reaktion. In einem Falle,
wo sichere Tuberkulose vorhanden war, und wo vor der Behandlung die
Calmettesche Ophthalmoreaktion negativ ausfiel, konnte ich nach 3 monatiger
Immunisierung positive Reaktion erzielen. Bei den 6 Patienten, die ich 3 Monate
immunisierte, waren die 6 + Reaktionen 2 mal stärker, 2 mal schwächer und
2 mal genau so stark wie beim Beginn der Immunisierung; bei den Patienten, die
ich nur einen Monat immunisierte, bekam ich 2 mal schwächere und ı mal
stärkere Reaktion wie beim Beginn der Immunisierung.
Trotzdem, daß ich die starken Reaktionen hauptsächlich in den Fällen
bekam, die sich im Anfangsstadium befanden, die schwächeren bei Fällen, die
mehr vorgeschritten waren, und trotzdem bei ganz vorgeschrittenen Fällen
die Reaktion hier und da ausgeblieben ist, kann ich mich doch nicht der An-
nahme Cohns anschließen, der sagt, daß er in 50°/, der vorgeschrittenen Fälle
keine Reaktion bekommen hat; ich halte es nicht für ganz gerechtfertigt, daß
er seine diesbezüglichen Erfahrungen bei der Prognosestellung verwerten will.
Ich schließe mich ganz der Ansicht Heinemanns an, der der Meinung Wolff- `
Eisners beistimmt, daß er nämlich von dem positiven Ausfall der Reaktion
keinen prognostischen Schluß zieht, aber nicht zugibt, daß das Fehlen der
Reaktion bei Tuberkulose eine schlechte Prognose bedeutet. Ich werde hier
nicht die einzelnen Fälle von Heinemann rezitieren, die seine Äußerung be-
stätigen, ich will nur einzelne Fälle von meinen Beobachtungen erörtern. Ich
habe bei einzelnen Moribunden, wo der Exitus schon nach dem 2. oder 3. Tage
eintrat, positive Calmettesche Reaktionen bekommen, wofern im Anfangs-
stadium die Tuberkelbazillen im Sputum nachweisbar waren; nachdem blieb
die Calmettesche Reaktion aus. Es kam sehr häufig vor, daß ich bei Kranken
des II. oder UL Stadiums eine viel stärkere Reaktion bekam als von den
im 1.Stadium befindlichen. Ganz richtig bemerkt Stadelmann, daß man die
Reaktion nur dann prognostisch verwerten kann, wenn man viele durch den
ganzen Krankheitsverlauf beobachtete Krankengeschichten zur Verfügung hat.
BD.XILHEFTE. OBER DIE CALMETTESCHE OPHTHALMOREAKTION. 507
Vor dem Abschlusse meiner Arbeit will ich noch aufeinzelne Beobachtungen
hinweisen. Ich habe öfters Gelegenheit gehabt zu beobachten, daß bei Kran-
ken, wo die positive Calmettesche Reaktion schon längst abgelaufen war, ohne
jede Ursache nach 2, event. auch nach 8 Wochen die Reaktion sich erneuerte.
Diese Beobachtung machte ich häufiger in den Fällen, wo ich binnen 2 bis
3 Wochen nach einer Calmetteschen Reaktion die Pirquetsche Kutan-
reaktion (7 mal) machte, oder — wenn ich auch nur in minimalen Dosen —
eine spezifische Therapie eingeleitet habe (8 mal). In diesen Fällen, wo
sich die Calmettesche Reaktion spontan erneuert hat, hielt sie viel länger
an (auch wochenlang), wofern die nach Pirquetscher Kutanreaktion oder
nach spezifischer Behandlung erneuerten Reaktionen stärker waren, aber hielten
nie länger wie 2 Tage an. Diese auch von anderen Autoren (Heinemann,
v. Ketly) gemachten Beobachtungen warnen davor, daß man bei Patienten,
wo eine Calmettesche Reaktion abgelaufen ist, falls man Unannehmlichkeiten
vermeiden will, entweder eine Pirquetsche Kutanreaktion anstelle, noch eine
spezifische Therapie einleite.
Ich versuchte ferner bei 3 Patienten — wie dies Klieneberger, Schrö-
der und Kaufmann und auch andere machten — die Calmettesche Tuber-
kulinlösung 2 mal anzuwenden. Ein Patient war tuberkulös, zwei nicht. Trotz-
dem ich bei den Tuberkulösen nach der ersten Anwendung der Calmette-
schen Lösung nur eine mittelmäßige Reaktion bekam, und trotzdem ich
die Lösung das zweitemal erst nach Ablauf eines Monats wieder anwendete,
konnte ich nach der zweiten Anwendung eine fulminante Reaktion beobachten.
Die akute Reaktion dauerte 14 Tage und die Macula, welche nach der Keratitis
phlyktaenosa zurückblieb, mußte man noch 8 Wochen lang mit Dionin behan-
deln. Bei den 2 Patienten, wo Tuberkulose nicht vorhanden war, und wo die
erste Calmettesche Ophthalmoreaktion negativ ausfiel, und wo ich erst in
14 Tagen nach dem ersten Versuch die Calmettesche Lösung wieder anwen-
dete, bekam ich jedesmal positive Reaktion; eine dauerte ı20 Stunden, die
andere war ganz ähnlich jener Reaktion, welche ich bei den tuberkulösen
Patienten bekam. Wenn ich nach diesen Beobachtungen, wo also das Repe-
tieren der Calmetteschen Ophthalmoreaktion direkt schädlich war — wie dies
auch Blumme, Schlippe, Buch, Werther bestätigten — mir die Frage
stelle, ob es erlaubt ist, bei einem Patienten durch eine Erneuerung der Cal-
metteschen Ophthalmoreaktion eine gefährliche Reaktion zu provocieren, wodurch
man nur irregeführt wird und durch welche event. das Augenlicht des Pa-
tienten gefährdet werden kann, kann ich nur antworten, daß dies event. ein sehr
gefährliches Experiment werden kann.
Nach allen meinen Beobachtungen möchte ich meine Erfahrungen in
folgendem zusammenfassen.
1. Ich halte die Calmettesche Ophthalmoreaktion nicht für ganz ungefähr-
lich; ich gebe zu, daß dauernde Schädigungen nicht zurückblieben, aber lang-
wierige Unannehmlichkeiten — einzelne Reaktionen hielten lange an, die
Reaktion erneuerte sich häufig, noch nach 10—11 Monaten zeigte sich ohne
jeden Grund Tränenfluß — zeigten sich doch häufig. Ich halte es für not-
O EE | e ZEITSCHR. f.
508 Y. SZABOKY, CALMETTESCHE OPHTHALMOREAKTION. YUHERKULOSE
wendig, daß man vor der Anwendung der Calmetteschen Ophthalmoreaktion
den Kranken über die event. Unannehmlichkeiten aufklärt. |
2. Die Wiederholung der Calmetteschen Lösung kann direkt gefährlic
werden, ist also zu vermeiden. |
3. Wenn man den Kranken von der Exazerbierung der Reaktion ver-
schonen will, soll man vor Ablauf einer Zeitdauer von 3—4 Wochen kein
spezifisches Mittel anwenden.
4. Ich teile nicht die Ansicht derjenigen, die behaupten, daß die immu-
nisierten Patienten auf die Calmettesche Lösung nicht reagieren.
5. Man kann weder auf Grund der Intensität noch auf Grund des posi-
tiven oder negativen Ausfalles der Calmetteschen Reaktion prognostische
Folgerungen machen.
6. Wenn ich in Betracht ziehe, daß bei den sicheren Fällen von Tuber-
kulose die Calmettesche Reaktion nur in 87,8°/, positiv war, daß die Reak-
tion nicht nur bei Kranken des III., sondern auch bei denen des I. oder II. Sta-
diums ausblieb, und daß in meinen Fällen die Calmetteschen Ophthalmo-
reaktion, wo die Diagnose zweifelhaft war, nur in 70°/, sich bewährt hat;
weiter, wenn ich jene Fälle in Betracht ziehe, wo nach Beobachtungen einer
Reihe von Autoren, wie Kraus, Lusenberger, Ruß, Bourget, Massary-
Weil, v. Ketly, wo die Calmettesche Ophthalmoreaktion dieselben zweifel-
haften Resultate ergab, kann ich kaum behaupten — wenngleich ich auch
zugebe, daß dieses Verfahren diagnostisch ganz gut verwertbar ist —, daß die
Calmettesche Reaktion spezifisch ist. Die Reaktion bietet mir keine genügende
Garantie dafür, daß ich bei einem Kranken, wo auf Tuberkulose gar kein
anderes Symptom vorhanden ist, Tuberkulose entweder annehmen oder aus-
schließen kann. Entwertet wird die Calmettesche Ophthalmoreaktion auch
durch die Erfahrung, daß viele Rekonvaleszenten nach Typhus die Calmette-
sche Reaktion geben, wie auch, daß Tuberkulosekranke auf Einträufelung der
Typhustoxine positiv reagieren.
Zum Schlusse sage ich dem Primarius der Abteilung, Herrn Dozenten
Géza v. Dieballa, besten Dank für die Überlassung des Materiales.
BD.XILHEFTE. SCHRÖDER, ÜBER NEUERE MEDIKAMENTE ETC. 509
XXXVIII.
Über neuere Medikamente und Nährmittel für die Behandlung
der Tuberkulose.
Von
Dr. med. G. Schröder,
leit. Arzt der neuen Heilanstalt für Lungenkranke in Schömberg, O.-A. Neuenbürg.
it wenigen Worten wollen wir die neueren diagnostischen Tuberkulin-
R V4 / anwendungen streifen. Durch sie ist nach mancher Seite hin die Theorie
EM 5 der Tuberkulinwirkung geklärt worden. Deshalb haben sie hier für
uns Interesse. Über den Nutzen der Ophthalmo-, Kutan- und Perkutanreaktion
für die Stellung der Diagnose einer aktiven, behandlungsbedürftigen Tuber-
kulose sind die Ansichten noch recht geteilt. Wir wollen hier feststellen, daß
unserer Ansicht nach keine der drei Methoden imstande ist, die notwendige,
exakte Scheidung zwischen aktiven und latenten Formen vornehmen zu lassen. —
Hinsichtlich der Ophthalmoreaktion müssen wir unseren früher!) ausgesprochenen
Standpunkt dahin berichtigen, daß eine wiederholte Einträufelung von Tuberkulin
in dasselbe Auge, die Probe zu scharf macht. Bei den Fällen, die bei der
zweiten oder dritten Instillation reagieren, sind wir oft nicht imstande, klinisch
eine aktive Tuberkulose festzustellen. Die so angestellte Probe wird dadurch
für die Praxis unbrauchbar. Darin stimmen wir Wolff-Eisner?) völlig bei
— wiederholt haben wir den gleichen Standpunkt vertreten —, daß nicht etwa
derjenige immer anstalts- und behandlungsbedürftig ist, der auf eine LS
probe positiv reagiert.
Mit sogenannten ,,Eisentuberkulinen“ — die Eiweißkörper der ent-
fetteten und von Substanzen der Nährflüssigkeit befreiten Bazillen wurden mit
Eisenoxychloridlösungen ausgefüllt, der gut ausgewaschene Niederschlag mit
verdünnter Natronlauge gelöst — wollen Ditthorn und Schultz?) insofern
verwertbarere Kutanreaktionen erzielt haben, als klinisch unverdächtige Indi-
viduen weniger manne positiv reagierten. — ihre Resultate müssen nachgeprüft
werden.
Leber und Steinharter“) entfetteten Alttuberkulin auf chemischem Wege,
versetzten es mit Chloroform aa, schüttelten 6 Stunden im Schüttelapparat,
zentrifugierten, pipettierten das entfettete Tuberkulin ab und machten mit diesem
Präparat Kutanimpfungen. Nach kreisfórmigen Bohrungen entstand eine Infill-
tration der reagierenden Stelle ohne Pustelbildung. Nach 5 Tagen Abklingen
der Reaktion. Die positiven Ergebnisse, welche man mit diesem Präparate er-
zielt, sind nach Ansicht der Verff. deshalb sehr brauchbar, weil nur die Tuber-
kulösen reagieren, während die fett- und wachshaltigen Bestandteile des nicht
entfetteten Präparates auch Reaktionen bei Gesunden auslösen.
Auch für die Prognose haben sich uns weder Ophthalmo- noch Kutan-
1) Münch. med. Wchschr. Nr. 2, 1908.
3) Beitr. z. Klinik d. Tub. Bd. 10, Heft 2.
8) Dtsch. med. Wchschr. 1908, Nr. 28.
1) Münch, med. Wchschr. 1908, Nr. 25.
510 G. SCHRÖDER. TOOR DER
reaktion als brauchbare Hilfsmittel erwiesen. Wir können es nach unseren Er-
fahrungen jedenfalls nicht billigen, aus der Stärke der Reaktion oder ihrer
Dauer Rückschlüsse auf den Ausgang der Krankheit zu ziehen. Es ist das
cigentlich nur erlaubt bei aussichtslosen, schwersten Fällen. Hier haben wir
aber die Tuberkulinproben, die dann entweder versagen oder sehr schwach
positiv ausfallen, nicht nötig. Prognostische Irrungen gibt es dann für den Er-
fahrenen nicht mehr.
Wie oben schon angedeutet, ist die Deutung der Tuberkulinwirkung
durch diese diagnostischen Methoden nach mancher Richtung hin gefördert worden.
Wolff-Eisner!) hält an seiner Ansicht fest, daß selbst in dem sicher
bazillen- und splitterfreien Tuberkulin ultramikroskopische Splitter vorhanden sind,
die aber erst durch einen bakteriolytischen Immunkörper gelöst die Reaktion aus-
lösen. Er steht damit in einem gewissen Gegensatz zu Zieler?) der auf Grund
seiner Versuche mit völlig von Bazillenleibern, Splittern und ultramikrosko-
pischen Bazillenbestandteilen freiem Tuberkulin und Dialysaten von Tuber-
kulinen nicht nur positive Tuberkulinreaktionen erhielt, sondern sogar in der
Haut histologische Veränderungen, „die als tuberkulöse Strukturen bezeichnet
werden müssen“. Ihm scheinen also die gelösten chemischen Substanzen der
Tuberkelbazillen völlig zu genügen, um typische Reaktionen, toxische Tuber-
kulosen hervorzurufen, während Daels’) besonders die Spätform des Hautpapel
nach Pirquet für ein Produkt der eingeimpften Bazillenleiber und -trümmer
ansieht. Ganz anders deutet Liebermeister‘) die Befunde Zielers. Er fand
viel häufiger als man früher annahm, im Blute der Phthisiker virulente Tuberkel-
bazillen, die vor allem auch in den mittelgroßen Hautvenen ermittelt wurden.
Nach ihm ist es ausgeschlossen, daß ,,dialysierbare, aus den Tuberkelbazillen
stammende Stoffe fähig seien, für sich allein tuberkulöse Strukturen zu er-
zeugen“. Die Einimpfung der kleinen Dosis Toxin bewirkt dann eine lokale
Reaktion dort, wo Bazillen sich finden; sie scheint diese zu aktivieren.
Moro) erblickt in den Tuberkulinreaktionen im wesentlichen ein Vasomo-
torenphänomen. Nach ihm besteht bei tuberkuloseinfizierten Individuen eine spezi-
fische Reizbarkeit des Nervensystems gegenüber dem Tuberkulin, eine spezifische
nervöse Allergie. Diese Beziehungen der Tuberkulose zum Nervensystem, speziell
zum sympathischen Nervensystem erklären ihm zwanglos alle Erscheinungen der
Tuberkulinproben besser, als die hypothetischen Antikörper und Bakteriolysine.
Es wäre damit eine Brücke geschlagen zu den Anschauungen W eils und Strau8?,$)
‘die wohl Antikörper gegen Tuberkulin im Blute Tuberkulöser annehmen, da-
gegen haben diese nichts zu tun mit dem Ausfall der Tuberkulinproben, auch
nicht mit einer vorausgegangenen Tuberkulinkur. Die Wassermann-Citronsche,
wie auch die Wolff-Eisnersche Erklärung der Reaktion halten sie nach wie
1) Ibidem 1908, Nr. 35.
2) Ibidem 1908, Nr. 32.
8) Med. Klinik 1908, Nr. 2. |
4) Münch. med. Wchschr. 1908, Nr. 36 und Arb. a. d. pathol. Institut zu Tübingen 1908,
Bd. 6, Heft 2.
5) Ibidem 1908, Nr. 39.
8) Wien. klin. Wchschr. 1908, Nr. 29.
SIR BEL: ÜBER NEUERE MEDIKAMENTE ETC. 511
vor für rein hypothetischer Natur. Christiani und Rosenblat?) haben aller-
dings -kürzlich bei tuberkulösen Tieren, die sie mit Tuberkulin behandelten, nach-
gewiesen, und zwar bei den tuberkulinisierten Tieren deutlicher als bei den
nichtbehandelten, daß eine Vermehrung der Antikörper (komplementbindende
Stoffe) eintritt, ebenso eine Steigerung der Agglutinationsfähigkeit des Blutes,
Das Auftreten dieser Stoffe bedeutet nicht etwa die Immunitität gegen Tuber-
kulose, sondern ist nur ihr Zeichen. Das Antituberkulin und Agglutinin sind
verschiedene. Stoffe, ersteres entsteht stets im tuberkulösen Herd, letzteres in
den hämatopoetischen Organen.
Immunität tritt am sichersten dann ein, wenn es bei der Tuberkulinbe-
handlung gelingt, die Behandelten über die negative Phase hinwegzubringen,
in der sie empfindlicher der Infektion gegenüber sind.
Diese Autoren haben also wieder Stützen für die Wassermannsche
Ansicht über die Tuberkulinwirkung gebracht.
Wolff-Eisner?) halt an seiner Endotoxinlehre fest. Nach ihm „beruht
die durch eine Tuberkulinkur erworbene Unempfindlichkeit auf einer Wirkung
des Bindegewebes, speziell seiner Rezeptoren. Die Reaktionsstoffe sind bak-
teriolvtische Immunkörper“. Lüdke?°) hat weiter Argumente für den Albu-
mosencharakter des Tuberkulins beigebracht, den wir*) nach dem Vorgange von
Krehl und Mathes zuerst wieder auf Grund von Experimenten in den Vorder-
grund stellten. Es gelang ihm, durch Albumoseninjektionen einen Antikörper zu
erzeugen, der nicht nur mit Albumosenlösungen, sondern auch mit Tuberkulin
reagierte, komplementablenkend wirkte. Es bestand aber eine Verstärkung der
komplimentbindenden Fähigkeit des Serums gegenüber dem zur Vorbehandlung
benutzten Präparat, während die chemisch nahestehenden Eiweißprodukte
schwächer bindend wirkten.
Es gelang ihm weiter, bei einigen Tuberkulösen durch Instillation einer
2°/ igen Denteroalbumosenlósung in den Bindehautsack des Auges eine positive
Reaktion zu erhalten. Die Augenreaktion auf Tuberkulin hält er daher nicht für
absolut spezifisch. 5) |
Wir sehen also, daß die Tuberkulinwirkung noch nicht geklärt ist, daß sie
im Gegenteil noch weiter hypothetischer Natur ist und der Deutung harrt. —
Die von mir skizzierten Ansichten verraten beträchtliche Divergenzen.
Wie wir bereits in früheren Übersichtsberichten erwähnten, haben die
Untersuchungen Wrights über die Bedeutung der Opsonine und seine Methode
der Messung der opsonischen Kraft des Serums die Aussicht eröffnet, auch die
spezifische Therapie der Tuberkulose in exaktere Bahnen zu leiten. Wir sind
aber auch hier noch ganz im Stadium des Versuchs. Es ist verfrüht, schon
jetzt ein abschließendes Urteil über diese Methode und ihren Wert für die
Therapie zu fällen. Strenge Kritik ist am Platze. Auf Grund experimenteller
1) Münch. med. Wchschr. 1908, Nr. 39.
2) Berl. klin. Wchschr. 1908, Nr. 30 u. 31.
8) Münch. med. Wchschr. 1908, Nr. 16.
4) Brauers Beiträge Bd. 6, Heft 4.
8) Centralbl. f. inn. Med. 1908, Nr. 28.
Y ~q; ZEITSCHR. 1.
G. SCHRÖDER. TUBERKULOSE
Ma
—
tv
Untersuchungen kommt v. Baumgarten!) zu einer der Wrightschen ent-
gegengesetzten Ansicht. Es wurden Tuberkelbazillen, Staphylokokken und Milz-
brandbazillen benutzt, als Sera Menschenserum von Gesunden und Phthisikern,
Tuberkuloseserum von Rindern, Kaninchenserum und Taubenserum. Die Leuko-
cvten entsprachen dem betreffenden Serum. Die bakterizide Wirkung wurde
mit Buchners Plattenaussaatvertahren bestimmt. Die Tuberkelbazillen wurden
außerdem auf Meerschweinchen verimpft. Es ergab sich nun die Tatsache, daß
die Phagocytose keine abtötende Wirkung auf die Bakterien ausübte, Die Opso-
nine bewirken nach ihm nur einen abgeschwächten Grad von Bakteriolysis der
Bakterien. Die Phagocyten vernichten aber diese Keime durchaus nicht. Die
Vernichtung geschieht im Serum. Die Phagocyten können höchstens abge-
storbene Keime verdauen. Im immunisierten tuberkulösen Organismus tritt
die Phagocytose ganz zurück.
Neufeld’ glaubt, daB die opsonische Wirkung des frischen Serums auf
ein Zusammenwirken von Ambozeptor und Komplement beruht. Bei Tuber-
kulose ist nicht nachgewiesen, daB die Bakterien in den Phagocyten zugrunde
gehen, auch nicht, daß das Serum im Tierkörper die gleiche Wirkung wie im
Reagenzglas hat. Bei Tuberkulose führt die Phagocytose zur Verschleppung der
Bakterien. Eine Bedeutung der Phagocytose für die Immunität bei der mensch-
lichen Tuberkulose ist nicht bewiesen. Die Menge der Opsonine ist daher
nicht als Grad einer erzielten Immunität bei Tuberkulose anzuschen.
Während man also in der deutschen Literatur weiter der Bedeutung der
Bestimmung des opsonischen Index für die Tuberkulinbehandlung kritisch
gegenübersteht (cf. auch Übersichtsbericht Bd. XH, Heft 5) sind englische Autoren
von ihrem Nutzen überzeugt und warnen vor jeder spezifischen Tuberkulose-
behandlung ohne Indexbestimmungen (cf. Literaturbericht in der Münch. med.
Wehsch. Nr. 35, p. 1847 u. 48). Sie halten auch die Fehlerquellen nicht für zu
groß, um eine exakte Beurteilung der oponischen Kraft des Serums nicht zu
gestatten.
Mehr den deutschen Standpunkt vertreten Reyn und Kjer-Petersen.’)
Sie fanden keine wesentlichen Ditferenzen zwischen dem Opsoningehalt der
Seren Gesunder und Lupuskranker. Auch die negative Phase vermißten sie
oft nach Tuberkulininjektionen. Nach Wrights Grundsätzen behandelter Lupus
verschlimmerte sich häufig. |
Turban und Baert) beschreiben neuerdings nochmals genau die
Methode. Sie erkennen ihren relativen Nutzen an, glauben aber, daß die von
Wright empfohlene Dosierung des Tuberkulins (kleinste Dosen, kein oder
minimales Ansteigen, große Intervalle zwischen den Einspritzungen) nicht
genügt, um gute immunisatorische Lffckte zu erzielen. Nach ihnen hat die
Methode nicht den Wert, daß sie zur Kontrolle einer Tuberkulinkur stets an-
gewandt werden müßte. Die genaue klinische Beobachtung genügt meistens.
1) Münch. med. Wehschr. 1908, Nr. 28.
2) Berl. klin. Wchschr. 1908, Nr, 21.
8) Lancet, März und April 1908.
4) Münch. med. Wehschr, 1908, Nr. 38.
rr RS ÜBER NEUERE MEDIKAMENTE ETC. 513
Die ängstlich kleinen Dosen führen oft zu Uberempfindlichkeit. Auf einem
ähnlichen Standpunkt steht Potter, der die Bestimmung des Index nur dann
für nötig hält, wenn die klinische Beobachtung nicht genügt. Wir möchten
gerade in Wrights Hervorheben der Wichtigkeit kleinster Dosen der
Bazillenpräparate und ihrer nicht zu häufigen Injektion den größten Fortschritt
erblicken, den seine Lehre der Tuberkulinbehandlung der Tuberkulose gebracht
hat. Das, was von ihrem Nutzen wirklich feststeht und anerkannt werden
kann, ist das Entstehen einer lokalen Hyperämie bis zur lokalen Entzündung
um den Tuberkuloseherd. Diese Vorgänge müssen so eingeleitet und so be-
grenzt werden, daß daraus eine Heilwirkung, keine Schädigung der Kranken
entsteht. Das vermögen wir sicher besser mit kleinsten Dosen und Beobachten
größerer Pausen zwischen den Injektionen, als wenn wir eine Giftfestigung
gegen das Toxin mit ihrem recht problematischen Wert erstreben.
Wir haben in letzter Zeit eine größere Reihe mittelschwerer und schwerer
Lungentuberkulosen nach Wrights Grundsätzen der Dosierung mit Bazillen-
emulsion und Alttuberkulin (Perlsucht- und humanem Tuberkulin) behandelt.
Vielleicht war ein Nutzen zu erkennen. Genauere Mitteilungen behalten wir
uns noch vor. Schädliche Überempfindlichkeit beobachteten wir nie. Ein ge-
wisses Maß von Überempfindlichkeit scheint ja außerdem ein Immunitätsphäno-
men zu sein [cf. Römer?) und Wolff-Eisner’)].
Der Nutzen kleinster Tuberkulindosen ist seit längerer Zeit schon von
Nourney hervorgehoben, der auch kürzlich auf der Tagung der Naturforscher-
versammlung in Köln seinen Standpunkt wieder vertrat; ihm sind amerikanische
Autoren gefolgt (cf. frühere Übersichtsberichte), und neuerdings haben sich auch
Jessen‘) und Meissen) zu einer solchen Anwendung der Tuberkulinpräparate
bekannt. Jessen nimmt entfettete Tuberkuline und steigt nicht mit den
Dosen.
Im Anschluß an die Untersuchungen Wrights befürwortet Rothschild?)
die Anwendung des Autotuberkulins, d. h. der Bazillenemulsion, die aus den
Bazillen des Erkrankten selbst hergestellt wird. Bei geschlossenen Formen ver-
wendet er ein Universaltuberkulin, enthaltend Typus bovinus und humanus.
Diese Autotuberkulintherapie unter Kontrolle des opsonischen Index verspricht
nach ihm die besten Erfolge. Eine Analogie zu dieser Therapie liefert eine
Erscheinung, welche man oft bei Lungenkranken nach den Untersuchungen
Wrights und seiner Schule beobachtet. Nach Anstrengungen und mäßiger Arbeit
zeigt sich der opsonische Index oft unter Temperaturanstieg beeinflußt. Man stellt
eine negative Phase fest, der bald eine positive folgt. Es handelt sich dann,
so sagen die englischen Autoren, um ein Ubertreten von Bazillenprodukten ins
Blut, um eine Autoinokulation. Diese Erscheinung sucht man durch Verordnung
dosierter Arbeit therapeutisch auszunützen. |
1) Journ. of the Amer. med. assoc, 1907, no. 22.
2) Münch. med. Wchschr. 1908, Nr. 27, p. 1462.
3) Brauers Beitr. z. Klinik d. Tub., Januar 1908.
D Münch. med. Wochschr. Nr. 34, p. 1776.
5) Ibidem p. 1806.
6) Brauers Beitr. z. Klinik d. Tub. Bd. 10, Heft 1 und Ztschr. f. Tub. Bd. 12, Heft 5.
Zeitschr. f. Tuberkulose. XIIL 34
ZEITSCHR. f.
ELE o EE, = TUBERKULOSE
Die Autotuberkulintherapie ist überdies schon von Haentjens und
Krause empfohlen. Ob sie mehr leistet, als die gewöhnliche Tuberkulintherapie
ist ungewiß. Die Tuberkuline unterscheiden sich im allgemeinen nicht quali-
tativ, sondern quantitativ, je nach der Virulenz des Bazillus, von dem das
Präparat stammt. Im übrigen handelt es sich bei Tuberkulinreaktion um eine
Gruppenreaktion. Es ist deshalb auch sehr unsicher, ob man durch dia-
gnostische Anwendung von Menschen- und Rindertuberkulin, die ätiologisch in Be-
tracht kommende Art des Erregers ermitteln kann, wie C. Spengler, Detre u. a.
glauben. Daß es sich bei der chronischen Lungentuberkulose des Menschen
sehr häufig um eine Symbiose des Typus bovinus und humanus handelt, wie
C. Spengler meint, ist sicher unrichtig. Wir haben darüber eingehend an der
Hand eigener Experimente auf der 80. Versammlung deutscher Naturforscher
in Köln, Sept. 08, berichtet. Die antagonistische Tuberkulintherapie Spenglers,
die auch Raw?) wieder empfehlt, ist sicher auf durchaus schwankendem Boden
aufgebaut. |
Im letzten Halbjahre sind wieder eine größere Reihe kasuistischer und
statistischer Arbeiten über den Nutzen der verschiedensten Tuberkuline er- `
schienen, die wir hier nicht referieren können. Im internationalen Zentral-
blatt für Tuberkuloseforschung (A. Stubers Verlag, Würzburg) und in dieser
Zeitschrift findet man die meisten erwähnt. Fast nur Günstiges hört man. Alle
Tuberkuline scheinen Gleiches zu leisten. Der Zug nach noch vorsichtigerer
Dosierung ist unverkennbar (cf. auch oben). Wir dürfen uns aber nicht durch
günstige Zahlen bei unserer eminent chronischen Krankheit blenden lassen.
Mitteilungen über momentane Erfolge sind deshalb ziemlich wertlos. Die
Statistiken über Dauererfolge bei Tuberkulinisierten sind noch spärlich und über-
ragen im ganzen kaum die Werte, welche man bei Kranken erhält, die nur
hygienisch-diätetisch behandelt wurden. Bei lokalen Tuberkulosen scheinen vor-
sichtige Tuberkulinkuren noch am meisten zu nützen. Das liegt in der Natur
des Prozesses und der Art der Tuberkulinwirkung gut begründet. So wäre es
auch möglich, bei der latenten Drüsentuberkulose der Kinder event. Günstiges
zu erreichen, auf deren Bedeutung für die Pathologie der Tuberkulose vor
kurzem Andvord?) nachdrücklich hinwies.
Erwähnen wollen wir noch eine Arbeit Sengers’), der anscheinend un-
abhängig von Moro die Tuberkulinsalbe angewandt und bei Lupus gute Er-
folge erzielt hat. Eine Mischung von Tuberkulin mit Vasenol in 3—10°/,iger
Konzentration wurde eingerieben. Es traten nur geringe Allgemeinreaktionen,
aber heftige Lokalreaktionen ein. Eine Kombination des Verfahrens mit Rönt-
genstrahlen ergab besonders günstige Resultate.
Von der rektalen Applikation des Tuberkulins sahen Calmette und
Breton“) lokale und allgemeine Reaktionen, auch ein Wiederaufflammen einer
Ophthalmoreaktion. — Die stomachale Verabreichung ist sehr unsicher. Pfeiffer
1) 76. Vers. der Brit. Med. Assoc. Sheffield, Juli 1908.
2) Tuberculosis, Oktober-Heft 1908.
3) Berl. klin. Wehschr. 1908, Nr, 23.
4) Soc. de Biol., Paris, Févr. 1908.
1909,
DU e ÜBER NEUERE MEDIKAMENTE ETC. 51s
und Trunk’) wiesen nach, daß Pepsin*durch Verdauung Tuberkulin stark ab-
schwacht. Jedenfalls ist die Dosierung des Tuberkulins per os gegeben so er-
schwert, daß eine solche praktische Verwendung des Mittels nicht angängig
erscheint. |
Wir wollen den Abschnitt über die Tuberkulinbehandlung des tuberkulósen
Menschen nicht schliefen, ohne uns nochmals energisch gegen eine ambulante
Anwendung dieser Präparate ausgesprochen zu haben. Obwohl sie von ver-
schiedenen Seiten empfohlen und gehandhabt wird, kónnen wir nicht genug
davor warnen. Die Tuberkulinbehandlung in jeder Form erfordert
strengste Überwachung und klinische Beobachtung der Behandelten.
Sie mub daher den Kliniken, Krankenhäusern und Sanatorien vor-
behalten bleiben.
Die Tuberkuloseschutzimpfung der Rinder hat durch das Verfahren Klim-
mers?) Fortschritte gemacht. Er schwächte Menschentuberkelbazillen durch
längeres Erhitzen auf 52— 53° und durch Passagen durch Kammolche so ab, daß
sie ihre Virulenz für Warmblüter verloren, wovon er sich durch Tierimpfungen
überzeugte. Diese avirulenten Stämme wurden intravenös und subkutan auf
Rinder verimpft und erzeugten Immunität gegen Perlsucht. Das Fleisch und die
Milch der geimpften Tiere behält den vollen Wert, da der Inıpfstoff avirulent ist.
Einen ganz neuen und ebenso eigenartigen Weg, um Tuberkuloseimmun-
körper zu finden und zu verwerten, hat C. Spengler?) beschritten. Er fand
die Hauptproduktions- und Anhäufsstätten dieser Körper in den Erythrocyten.
Serum und weiße Blutzellen empfangen ihre Immunkörper von den roten Blut-
zellen. Lysine und Antitoxine herrschen hier vor. C. Spengler stellt diese
Immunkörper der Erythrocyten dar und behandelt Tuberkulöse mit diesem
Stoff (I. K. genannt) subkutan. Er erzielte wunderbare Erfolge. Wir skizzieren
dieses Verfahren nur, wie es der Erfinder selbst getan hat. Um Glauben zu
finden, mußte er die angenommene ganz neue Funktion der Erythrocyten erst
einwandsfreier beweisen, als er es in seiner Mitteilung vermochte.
Über das Marmorekserum liegt eine zusammenfassende Übersicht von
H Frey‘) vor. Er berichtet aus der Literatur über 938 Fälle und hat berechnet,
daß 67%, günstig beeinflußt bis geheilt, 33°/, nicht beeinflußt wurden. Tech-
nik der Anwendung und Indikationen werden genau angescben. Es liegen
über die Serumbehandlung nach Marmorek wieder verschiedene neucre kasu-
istische Mitteilungen vor, die sich zum Teil widersprechen. Der eine lobt, der
andere tadelt. Hohmeier beobachtete, daß das Serum bei leichten Fällen von
Knochentuberkulose den Heilungsprozeß fördern kann, bei schwereren versagte
es. Ullmann?) bestätigt nochmals seine günstigen Erfahrungen an der Hand
weiterer Beobachtungen. |
Wir haben unsere Beobachtungen jetzt auch abgeschlossen. Sie werden
demnächst in extenso in Brauers Beiträgen zur Klinik der Tuberkulose mit-
1) Ztschr. f. Tuberkulose Bd. 12, Heft 3.
2) Ibidem Hefte 5 u. 6.
$) Dtsch. med. Wchschr. 1908, Nr. 38.
4) Ztschr. f. Tuberkulose Bd. 13, Heft 2.
5) Ibidem Januar-Heít 1908, Bd. 12.
516 2 Ge SCHRODER TUBERKULOSE
geteilt werden. Die Erfolge sind nicht ermutigend. Heilwirkungen nennens-
werter Art konnten wir nicht ermitteln. Mehrfach wurden Schädigungen der
Kranken beobachtet, die nur auf das Serum zu beziehen waren: Nieren-
reizungen, Hämoptoen, Herzstörungen. Die Dauererfolge bei den Behandelten
waren traurig. Sie fallen sogar unter das Niveau der Zahlen, die wir sonst bei
ausschließlich hygienisch-diätetisch Behandelten ermitteln.
Es liegen Untersuchungen vor von Hamburger und Monti!), ferner
von Sternberg?) über die Resorption von Antitoxin vom Rektum aus und über
die Erzeugung von Antikörpern durch rektale Einverleibung der Antigene
und über die Resorption rektal eingebrachter Antikörper. Die Resultate dieser
Arbeiten waren, daß Tetanusantitoxin vom Rektum nicht resorbiert wird und
daß rektał eingebrachtes Pferde- und Rindereiweiß im Blute vom Kaninchen
nicht nachweisbar war. Auch rektale Injektionen von Diphtherietoxin und von
Diphtherieheilserum rufen keine Antikörperbildung hervor. Danach erscheint
es mehr als fraglich, daß überhaupt die Antitoxine des Marmorekserums von
der Rektalschleimhaut resorbiert werden.
Deutschmann? hat sein Serum verbessert, über das wir in unseren
Übersichtsberichten Bd. XII d. Zeitschr. Mitteilungen machten. Neisser und
Guerrier (cf. Literaturverzeichnis im Anhang) rechnen das Serum zu den
Leukostimulantien und führen seine Wirkung auf Nukleine zurück. Es gelang
das Globulin des Serums niederzuschlagen und unter Zusatz von Ätznatron
zu lösen, welches anscheinend das wirksame Prinzip mitreißt (Deutschmann,
Serum E.). Diese Modifikation des Serums soll unschädlich und wirksam sein.
Es ist versucht worden, die angebliche Mischinfektion mit Streptokokken
beim Phthisiker durch Streptokokkenserum zu beeinflussen. Nennenswerte Er-
folge hat diese Therapie bis jetzt nicht zu verzeichnen. Zangenmeister‘) hat
nun gefunden, daß die im Handel befindlichen Antistreptokokkensera für Men-
schen und Affen unwirksam sind und sogar durch ihren Gehalt an artfremdem
Eiweiß schädlich wirken können. Er verspricht sich mehr von Affenimmunsera
gegen Streptokokken.
Die Versuche mit passiver Immunisierung den Tuberkulösen zu nützen
haben also noch wenig Fortschritte gemacht. Es bleibt abzuwarten, ob Lanne-
longues neues Heilserum mehr leisten wird. Ich entnehme die Notizen dar-
über dem „Matin“ (Nr. 9, 13. X. 08). Danach hat L. mit einem aus Tuberkel-
bazillenkulturen nach besonderem Verfahren gewonnenem Toxin Esel immuni-
siert und in deren Serum dann eine hohe Schutzkraft gegen die tuberkulöse
Infektion gefunden. Versuche von Klinikern und Sanatoriumsärzten Frankreichs
am tuberkulösen Menschen haben bei allen Formen der Krankheit Heilerfolge
und Besserungen, ferner die Unschädlichkeit des Serums ergeben. Die Dosen
schwanken zwischen 5 und 15 ccm wöchentlich (subkutane Anwendung).
L. machte der Académie des sciences de Paris über sein Serum Mitteilungen.
1) Münch. med. Wchschr. 1908, Nr. 31.
2) Wien. klin. Wchschr. 1908, Nr. 20,
3) Múnch, med. Wchschr. 1908, Nr. 29.
1) Ibidem 1908, Nr. 16.
PS ÜBER NEUERE MEDIKAMENTE ETC. 517
Über Ischigamis Tuberkulotoxoidin (Zerlegung der Tuberkelbazillen mit
Schwefelsäure; das Toxin ist dann so verändert, daß Schädigungen der Kranken
ausgeschlossen sind) sind unseres Wissens in Europa noch keine Versuche ge-
macht. Ischigami und Matinda?) teilen über dieses Präparat neuere Be-
obachtungen mit. Das Mittel wird leicht resorbiert. Reaktionen fehlen. Das
Blut der Behandelten zeigt stärkere Phagocytose. Die Wirkung wird besser
durch Anwendung einestierischen Tuberkulotoxoidinserums plus Tuberkulotoxoidin
(aktiv-passive Immunisierung) 50—60 °/, Heilungen; dauernde Erhöhung des
opsonischen Index.
Über nicht spezifische Tuberkulosemittel liegen Mitteilungen vor,
die zum Teil nur zur Kasuistik Bemerkenswertes bringen.
Die sogenannte Pantanbergische Lösung, kreosierter chlorwasserstoff-
phosphorsaurer Kalk (Kombination von Kreosot- und Kalkwirkung) wird von
Dutoit?) empfohlen, der gleichzeitig die alte Kalktherapie wieder zu Ehren
bringen will: Gabe von Kalksalzen und kalkhaltiger Quellen.
Über die Kieselsäure und ihre die Heilung der Tuberkulose fördernden
Eigenschaften berichtet Zickgraf.?) Die Kieselsäure soll die Ernährung des
Bindegewebes begünstigen, es widerstandsfähiger machen. Die Gabe von dem
Natronsalz der Kieselsäure verursacht Leukocytose und bessert die C. Arneth-
schen Blutbilder. Z. empfiehlt das Mineralwasser von Glashagen bei Doberan
(Mecklenburg), welches reich an Kieselsäure ist. — Gerhartz und Strigel‘)
fanden dagegen, daß die Kieselsäure kein konstanter Bestandteil der Lungen-
konkremente ist (entgegen Zickgraf), sie sind vielmehr reich an Kalk (Un-
durchlässigkeiten für X-Strahlen). „Es ist wahrscheinlich, daß die Kieselsäure
sich tuberkulösen Prozessen gegenüber ebenso indifferent verhält, wie der
Kalk.“ — v. Hansemann’) berichtete über einen Fall von Lupus des Gesichtes
und Kehlkopfes, der wegen Magenkarzinom gestorben war und zur Sektion
kam. Der Lupus erwies sich, auch histologisch, als völlig geheilt. Dieser
Patient war lange Zeit mit Cantharidin behandelt. Auf die Wirkung dieses
Mittels wird die Heilung bezogen.
Livierato®) fand, daß von den Kreosotpräparaten, der arsenigen Säure,
den Terpentinpräparaten und dem Jod nur letzteres imstande ist, im Blute
deutliche Bildung von Schutzstoffen gegen die Tuberkulose zu erzeugen. Er
schließt aber, daß alle Mittel, welche günstig auf die Ernährung wirken, den
Körper zur Bildung von Schutzstoffen anregen, also indirekt günstig auf die
Tuberkulose einwirken. — Von neueren Jodpräparaten erwähnen wir das Arso-
jodin, ein Gemenge von Jodnatrium und arseniger Säure [Hintz")] und Jod-
omenin, ein Jodwismuteiweiß. Es zerfällt erst im Darm (Dosis 3mal tgl. ı Tabl.
1) Saikingakuzasshi 1907, no. 140; cf. Centralbl. f. inn. Med. 1908, p. 26.
2) Ztschr. f. Tuberkulose Bd. 12, Heft 6.
8) Centralbl. f. inn. Med. 1908, Nr. 20,
4) Brauers Beitr. z. Klinik d. Tub. Bd. ro, Heft 1.
D Hufelands Gesellschaft, Sitzg. v. 9. Juli 1908.
6) Ann. del Inst. Maragliano, März 1907.
7) Wien. klin. Wehschr. 1908, Nr. 29.
ZEITSCHR. f.
518 G. SCHRÖDER. TUBERKULOSE
à 0,5 g; cf. Busch und Gumpert!). — Bei tuberkulösen Hoden- und Neben-
hodenerkrankungen erzielte Finochiaro?) mit Einspritzungen einer 1°/,igen
Lösung von Jod in Jodkalilösung (tropfenweise beginnen!) Heilerfolge. Die In-
jektionen werden jeden zweiten Tag gemacht. Er berichtet über drei so be-
handelte Fälle. |
Die Jodbehandlung der Tuberkulose, kombiniert mit der Gabe von Queck-
silber intramuskulär hat Erfolge gegen die primäre aszendierende Schleim-
hauttuberkulose der oberen Luftwege aufzuweisen. Oft gelingt es, allein durch
Jodkali innerlich den Prozeß zur Ausheilung zu bringen. Über derartige Fälle
berichteten Walters’ und Grinberg.*% Als Hg-Präparat wird das Hydrar-
gyrum salicylicum bevorzugt. Empfehlenswert ist es auch, innerlich Jodkali zu
geben und die tuberkulösen Schleimhautulcera mit Calomel 1 : 3 Sach. lact. zu
bepudern. Bucsanyi?”) läßt Calomel auch inhalieren und hat danach sogar
Besserungen der Lungentuberkulose gesehen.
Tuberkulöse Infiltrate der Larynxschleimhaut hat Spieß®) erfolgreich mit
submukösen Injektionen einer 2—5°/,igen wässerigen Novocainlösung behandelt.
Jeden zweiten Tag, später auch seltener werden, 1—2 ccm injiziert. Das Ver-
fahren ist event. mit operativen Maßnahmen zu kombinieren. Cisler”) sah gute
Erfolge bei Larynxphthisikern von Inhalationen mit kohlensaurem Phenyl-
propional.
Symptomatische Mittel: In zwei Fällen von Blutungen aus oberfläch-
lich gelegenen Kavernen gelang es Smirnow?*) die Blutung durch Einspritzung
von 0,3 Tannin in 5,0 Aqu. dest. direkt in die Höhle zum Stillstand zu
bringen.
Runck* empfiehlt Bromural in Dosen von 0,6 3—5 stdl. als schweiß-
hemmendes Mittel event. kombiniert mit Theobromin.
Gegen Darnıstörungen der Phthisiker, gegen akute Enteritiden und be-
sonders gegen die chronischen Dickdarmkatarrhe haben sich heiße Spülungen
(42— 45°C) von neutralisiertem, zuckerfreiem, mentholhaltigem Heidelbeerextrakt
bewahrt. 1—2 Eßlöffel des Extraktes werden auf 1 Liter Wasser genommen
[Laufer?*%]. — Die chronische habituelle Stuhlverstopfung bekämpfen Blümel
und Ulrici'!!) mit Gabe eines Brotes, welches zu 10%/, gereinigte und gefärbte
Buchenspäne als Rohfaser enthielt. — Leon?? hat bei solchen Fällen nur gegen
chronische Diarrhöen Yoghurt in Form von Laktobazillin allein oder plus
Milch gegeben. Noch lange Zeit nach Aussetzen des Mittels fand er den
Bazillus bulgaricus im Stuhl. lr empfiehlt das Mittel als hervorragendes
1) Therap. d. Gegw., April 1908,
2) Policlinico 1908, no. 2.
8) Dermatol. Ztschr. Bd. 14, Heft o.
*) Ztschr. f. Ohrenheilk. 1907, Bd. 53, Heft 4.
" Budapesti Orosi Ujság 1907.
8) Arch. f. Laryngol. Bd. 21, Heft 1.
‘) Casop. lek. cesk. 1908.
8) Journ. of Amer. Med. Assoc. 1907, Nov. 26th.
9) Berl. klin. Wehschr. 1908, Nr. 24.
10) Therap. Monatsh., Mai 1908,
11) Dtsch. med. Wchschr. 1008, Nr. 17.
13) Berl. klin. Wchschr, 1908, Nr. 19.
Mare LEINE: ÜBER NEUERE MEDIKAMENTE ETC. 519
Diätetikum, besonders auch des geringen Alkohols wegen. Durch Vorunter-
suchungen stellte er fest, daß die meisten enterogenen Zersetzungsprodukte
abnehmen.
Die chirurgische Behandlung der Drüsentuberkulosen hat insofern eine
Änderung erfahren, als man nach Möglichkeit die breite Eröffnung von Drüsen-
abszessen vermeidet. Interessante Mitteilungen hat darüber Calot!) gemacht,
der die Drüsen durch Punktion entleert und entweder Ätherkreosot, Jodoformöl
(Äther. sulf. 40,0, Kreosot 4,0 Jodoform 10,0, Olei olivar. 60,0) oder Naphthol-
kampher, Glyzerin (1,0 Naphtholkampfer zu 6,0 Glyzerin) anwendet. Im allge-
meinen werden 8—10 Injektionen jeden 5.—6. Tag gemacht etc., jedesmal !/, bis
10 g, je nach dem Alter. Das kosmetische Resultat dieser Behandlung der
Drüsenabszesse ist vorzüglich. Vernier?) berichtet über die Behandlung lokaler
Tuberkulosen (der Haut, Drüsen) mit Äther? Das Medikament wird aufgetropft
oder eingespritzt. Die Erfolge waren nicht eindeutig. Tissier’) glaubt in der
Filixmas ein gutes Mittel bei offener und geschlossener Drüsentuberkulose ge-
funden zu haben. Es müssen frische Kräuter verwandt und zwei Extrakte mit
Alkohol und Äther nacheinander gewonnen werden. Man reicht das Mittel
in Pillenform (0,1 bei Erwachsenen, 0,05 bei Kindern; 2 Pillen täglich 10—14
Tage lang).
Aus der Liste der guten Nährmittel, zu denen man ihn früher rechnete,
ist der Fleischsaft Puro zu streichen, seit wir aus den Untersuchungen von
Horinchi und Geret*) wissen, daß er kein Rindereiweiß enthält, daß überhaupt
der Eiweißgehalt anstatt 21,3°/, nur 11—14°/, beträgt und in dem Saft nicht
die natürlichen Eiweißkörper des Fleisches vorhanden sind, sondern nur eine
Mischung von käuflichem Eieralbumin mit Fleischextrakt. — Diese Unter-
suchungen sind dann von Schmidt?) bestätigt. Wir haben es also mit einem
Präparat zu tun, über das schwindelhafte Angaben gemacht sind.
Mit Phytin, einem 22,8°/, organischen Phosphor enthaltenden Präparat
hat Weißmann®) bei erschöpfenden Krankheiten Gutes erreicht. Er gibt Phytin
in Kapseln a 0,25, 2mal täglich 2 Stück.
Weitere wichtige Literatur über Heilverfahren, Medikamente und Náhrmittel,
die in früheren Übersichtsberichten bereits mitgeteilt sind.
1) Royal Academy of medecine in Ireland. Sitzg. v. 27. III. 08, “Denys's Tuberculin”.
2) Edwin Klebs, Über einige weitere Ergebnisse meiner Forschungen zur Geschichte und
Behandlung der Tuberkulose. — Immunisierung mit Blindschleichentuberkelbazillen B.S.T. Berl.
klin. Wehschr. 1908, Nr. 33.
3) Vandeputte, Paratoxin. Soc. de thérapeut., 11. III. 1908.
4) v. Hippel, Über Deutschmanns Serum. Dtsch. med. \Vchschr. 1908, Nr. 27.
5) M. Neißer und Guerrini, Uber Opsonin und Leukostimulantien, Arb. a. d. Inst. f.
exper. Therapie z. Frankfurt a. M., Heft 4. — Methode der Restzählung; Erklärung für die Wir-
kung des Deutschmannschen Serums,
1) Revue de thérapeut, 1907, no. 18.
2) Thèse, Paris 1907.
3) Soc. de thérapeut., 11. III. 1908.
4) Münch. med. Wchschr. 1908, Nr, 17.
D Med. Klinik 1908, Nr. 21.
6) Therap. Monatsh., Sept. 1908.
| Gries SA ZEITSCHR. f,
520 SCHRÖDER, ÜBER NEUERE MEDIKAMENTE ETC. +UBERKULOSE
6) Dluski, Über Tuberkulinanwendung in der Lungentuberkulose vom klinischen Stand-
punkt. Brauers Beitr. z. Klinik d. Tub. Bd. 10, Heft 1. — Kritik der Tuberkulinfrage.
7) L. Nova and A. Fleming, The accuracy of opsonic estimation. Lancet, March-April.
8) R. W. Allen, The opsonic method of treatment. H. K. Lewis, London 1907.
9) Casper, Einige diagnostisch bemerkenswerte Fälle von Nierentuberkulose, Dtsch. med.
Wehschr. 1908, Nr. 31. (Hinweis auf die absolute Notwendigkeit operativen Vorgehens. Heil-
erfolge mit Tuberkulin sind unsicher und nicht sicher bewiesen.)
10) Berliner, Zur Behandlung der Tuberkulose mit Eukalyptolinjektionen. Brauers Beitr. z.
Klinik d. Tub. Bd. 10, Heft 3. (Entgegnung gegen Blümel, cf. Übersichtsber. d. Ztschr. Bd. 12,
Heft 5.)
11) Goldschmidt und Knobel, II. Bericht über intravenóse Behandlung der Tuberkulose
mit Hetol. Ibidem. (Neue warme Empfehlung der Hetoltherapie.)
12) Guinard, Mode d'action des procédés employés dans le traitement des hémoptysies des
tuberculeux. Bull. de la Soc. d’études scient. sur la tub. Mars-Avril 1908, no. 3.
13) K. Kobert, Betrachtungen und Versuche über das frühere und das heutige Griserin.
(Therap. Rundsch. 1908, Nr. 15.)
N
E"
BD.XIL,HEFT6. TE
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p. 134—136.
OD
N
BD.XIILHEFT6.
1409.
REFERATE.
327
IL REFERATE ÜBER BUCHER UND AUFSÄTZE
|. Ätiologie und Verbreitung der
Tuberkulose.
Liebermeister - Cüln: Zur Frage der
ohne Mitwirkung von Tuberkel-
bazillen erzeugten tuberkulósen
Veränderungen. (Münch. med.
Wehschr. 1908, Nr. 36.)
Zielers Untersuchungen über die
Erzeugung tuberkulöser Veränderungen
auch ohne Mitwirkung von Tuberkel-
bazillen ergeben keine einwandfreien
Schlüsse, da nach Verf.’s Feststellungen
immer ınit im Blute kreisenden Tuberkel-
bazillen gerechnet werden mub.
F. Köhler (Holsterhausen).
Dr. Samuel Bernheim-Paris: Die Ein-
gangswegeder Tuberkulose (Wash.,
Int. Kongr., Sept.-Okt. 1908.)
Herr Dr. Bernheim erwähnt eine
sehr große Zahl klinischer Fälle, eine
Reihe Tierexperimente, woraus er schließt,
entgegen der Meinung des Prof. Calmette,
daß die Tuberkulose besonders durch
Luftkeime und auf dem tracheo-pulmo-
nären Wege übertragen wird.
I. Herr Dr. Bernheim sagt: „Weit
davon entfernt, die Doktrin der Aërogene
bei der Tuberkulose des Menschen zu
erschüttern, bestätigen im Gegenteil die
seit einem halben Jahrhundert verfolgten
klinischen, anatomisch-pathologischen und
experimtalen Resultate diesen átiologischen
Begrifi, nach welchem der gewöhnliche
Haupteingang der Bazillenansteckung durch
die Luftatmung gefördert wird.
2. Zahlreiche Fälle tuberkulöser An-
steckung, durch trockene Kochbazillen
vereinigt mit trockenem Staub und mul-
tiplen Gegenständen verursacht, beweisen
die Heftigkeit dieses von nicht feuchten
Körpern übertragenen Mikroben. Die
Leichtigkeit, mit welcher, sowohl bei dem
Menschen wie bei den Tieren mittels
Inhalation eine experimentale Tuber-
kulose auszuführen ist, spricht zugunsten
der gewöhnlichen Eingangspforte, die auf
den Atmungsorganen liegt.
|
|
3. Der intestinale Eingangsweg ist
' möglich, aber dieser ist lange nicht der
regelmäßige und gewöhnliche. Die Háu-
figkeit der menschlichen Tuberkulose in
den Ländern, wo der Milch- und Fleisch-
verbrauch ein beschränkter ist und die
geringe Kindersterblichkeit durch Tuber-
kulose während der Milchnahrungszeit
beweisen, daß ıhr Darm nur eine unter-
geordnete, wenn auch anzuschlagende
Rolle als Eingangspforte der Tuberkulose
spielt. Übrigens benötigt die experi-
mentale Tuberkulose solch starke Dosen
tuberkulöser Mittel, und die MiBerfolge,
die Tuberkulose zu erreichen, sind so
zahlreich, daß die enterogene Doktrin der
Menschentuberkulose nicht stichhaltig ist.
4. Die parasitäre Erblichkeit der
Tuberkulose existiert nicht. Sie kann
ausnahmsweise durch erbliche Ansteckung
in-utero erfolgen, aber sie kann nicht als
wichtiger Faktor in der Tuberkulose-
ansteckung’ betrachtet werden.
5. Die erbliche Prädisposition ist
auszuschalten; denn die Infektion auf
diesem Wege steht im Zusammenhang
mit dem Ansteckungsgrad der phthy-
sischen Kreise und der Häufigkeit der An-
steckungen.
6. Der Kochbazillus nimmt selten
seinen Eingang durch den Blutweg und
schwer ist es, dessen Wichtigkeit zu be-
weisen.
7. Der Genitalienweg ist als ver-
hältnismäßig wichtiger Faktor bei der Ver-
breitung der Tuberkulose anzusehen. Die
klinischen Beobachtungen und die Ex-
perimente beweisen, daß dieser Eingangs-
weg nicht so selten ist wie man meint.
8. Die anale Öffnung kann ebenso
wie für die Schleimhaut und die Haut
als Eingangstür des Tuberkelbazillus
dienen. Die auf diese Ansteckungsart
bezüglichen Dokumente sind zahlreich.
Diesem Teil des menschlichen Körpers
ist also eine wichtige ätiologische Rolle
beizulegen. Die Haut kann in besonders
günstigen Verhältnissen der Ansteckung
als Eingangstür der Tuberkulose dienen
(ansteckende Traumatismen). Jedoch kann
I,
sie nicht als ein Hauptfaktor bei der
Verbreitung der Tuberkulose betrachtet
werden. |
9. Die Lippenschleimhaut der Kin-
REFERATE.
|
|
der wird besonders als möglicher Ein- |
gangsweg für Cervikaltuberkulose ange-
sehen. Submaxillar-, Cervikal- und Bron-
chialdrüse.
Köhler: Über traumatische, throm-
botisch-embol. bedingte Lungen-
tuberkulose. (Ärztl. Sachverst.-Ztg.
1908, Nr. 8.)
Ein 44jähriger Platzarbeiter hatte
vor dem Unfall anläßlich einer ärztlichen
Untersuchung vollkommen gesundeLungen
aufzuweisen. Nun erlitt er im Betriebe
ein Trauma am Beine. Daran schloß
sich eine Thrombophlebitis, eine Emboli-
sierung größerer Zweige der linken Arteria
pulmonalis und eine progredient ver-
laufende Lungentuberkulose. Verf. spricht
sich in seinem Gutachten für einen Zu-
sammenhang des Lungenleidens mit dem
Unfall und für Vollrente aus.
Mühlschlegel (Stuttgart).
Rixey: A studyoftuberculosisinthe
United States navy. (The Milit.
Surg. 1908, Nr. 1.)
In der amerikanischen Marine kommt
Tuberkulose sehr háufig vor. Als Ur-
sachen beschuldigt Verf. die Übertragung
der Tuberkelbazillen vom Auswurf auf
Lebensmittel durch Insekten, rohe tuber-
kulóse Milch, anstrengenden Dienst bei
schlechten Wohnverhältnissen vor allem
in den Tropen, das Zigarettenrauchen
und die Mitbenutzung der Tabakspfeifen
von Kranken. Múhlschlegel (Stuttgart).
IL Allgemeine Pathologie.
Konrad Zirkel: Beiträge zur Kom-
plikation von Schwangerschaft
und Tuberkulose. (Inauguraldiss.,
Würzburg 1908, 63 p.)
Auf Grund der Beobachtungen am
Material von Prof. Hofmeier, Würz-
burg, kommt Zirkel zu folgendem Re-
sultat:
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
I. Jedem tuberkulösen Mädchen ist
die Ehe aufs ernsteste abzuraten.
2. Heiratet es dennoch, so ist be-
sonders bei schwerer hereditärer Be-
lastung die Sterilität anzustreben, eine
Maßregel, die vielleicht selbst bei tuber-
kuloseverdächtigen Fällen am Platze ist,
denn die Schwangerschaft stellt stets eine
gefährliche Komplikation der Tuberkulose
dar. Für die Mutter bedeutet sie viel-
fach eine zunehmende Verschlimmerung
ihres Leidens, und die Kinder tuberku-
löser Mütter sind zum großen Teile zeit-
lebens schwächlich und kränklich und
gehen, wie die Beobachtungen Zirkels
lehren, der Mutter öfters sogar im Tode
voran.
3. Kommt es zur Schwangerschaft,
so ist zunächst eine ständige ärztliche
Beobachtung des Allgemeinbefindens der
Mutter geboten, die sich vor allem auch
auf die sorgfältigste Kontrolle des Körper-
gewichtes zu erstrecken hat, bei Zunahme
der Beschwerden oder auffallender Ge-
wichtsabnahme eine baldige Unter-
brechung der Schwangerschaft durch
den künstlichen Abort, jedoch stets erst
nach Beratung mit einem erfahrenen
Internisten.
4. Die künstliche Frühgeburt ist als
ein schwerer Eingriff in der Regel zu
verwerfen und nur in den Fällen am
Platze, wo eine wesentliche Erleichterung
großer Beschwerden für die Mutter zu
erwarten ist, denn es muß
5. bei jeglichem Handeln des Arztes
die Sorge für das Leben der Mutter,
namentlich bei Mehrgebärenden, die
Richtschnur bilden, ohne Rücksicht auf
das zu erwartende Kind. (Dieser Stand-
punkt wird auch von juristischer Seite
eingenommen.)
6. Neben der Schwere der Er-
krankung ist besonders auch die soziale
Lage der Mutter bei der Frage eines
| künstlichen Eingriffes wohl zu würdigen.
7. Allgemeingiiltige Regeln lassen
sich nicht aufstellen, sondern es ist Sache
des Arztes, von Fall zu Fall die Ent-
scheidung hinsichtlich seines Handelns
zu treffen. Fritz Loeb (München).
R. Mühsam, Städt. Krankenhaus Moabit-
Berlin: Impftuberkulose der
BD.XIII, HEFT 6.
5 1909.
Sehnenscheiden beim Pflege-
personal. (Therap. d. Gegenw. 1908,
Heft 3.)
Mitteilung von 3 einschlägigen Fällen,
von denen die beiden ersten Wärter
betrafen, die sich beim Reinigen von
Spuckgläsern am Finger verletzten und
dabei infizierten, der letzte dagegen eine
Krankenschwester, die sich mit der Ka-
nüle einer Subkutanspritze, mit der sie
kurz vorher einer schwerkranken Phthisika
eine Morphiumeinspritzung gemacht hatte,
in den Finger stach. In allen 3 Fällen
entwickelte sich im Verlauf von einigen
Wochen eine Sehnenscheidentuberkulose,
die in dem ersten, schwersten Falle
mehrfach operiert werden mußte, nach-
dem Stauung und Einspritzungen mit
Marmorekserum erfolglos gewesen waren;
hier schien insbesondere auch Sonnen-
bestrahlung von günstigem Einfluß zu sein.
Auch die anderen beiden Fälle erhielten
neben der üblichen chirurgischen Behand-
lung Marmorekserum rektal, anscheinend
mit besserem Erfolge. C. Servaes.
M. Simmonds-Hamburg: Über Gallen-
blasentuberkulose. (Zentralbl. f.
allgem. Path. u. path. Anat., Bd. ro,
Heft 6.)
Bei einem an akuter Miliartuber-
kulose verstorbenen Knaben fand Verf.
in der Gallenblase einige linsengroße
flache scharfrandige nekrotische Herde,
welche durch die mikroskopische Unter-
suchung als tuberkulös erkannt wurden.
Als Ausgang für diese nekrotischen tuber-
kulösen Herde wurde eine Gallengangs-
tuberkulose gefunden, welch letztere nach
der Ansicht des Verf.’s eine echte Aus-
scheidungstuberkulose ist. Es gibt dem-
gemäß 2 Formen der Gallenblasentuber-
kulose: die chronische ulzeröse und die
zirkumskripte nekrotische Form.
C. Servaes.
J. Meinertz, Path. Univ. - Inst. Rostock:
Tuberkulose und Blutstrómung.
Untersuchungen über experimen-
telle Nierentuberkulose unter
geänderten Zirkulationsverhält-
nissen (venöser Hyperämie der
REFERATE.
a ee ee
ihres Ureters). (Virch. Arch., Bd. 192,
Heft 2 u. 3.)
Kaninchen wurde der linke Ureter
unterbunden und teils vorher, teils nach-
her eine Tuberkelbazillen- (Perlsucht-
bazillen-) Aufschwemmung vermittels einer
langen Kanüle durch die rechte Karotis
in den Anfangsteil der Aorta eingespritzt.
Es zeigte sich nun sowohl ein quantitativer
wie qualitativer Unterschied in bezug auf
die tuberkulöse Erkrankung der beiden
Nieren, und zwar war die linke — dieunter-
bundene — ausgedehnter erkrankt, als
die rechte, und um so ausgesprochener,
je früher die Ureterunterbindung vor-
genommen worden war. Durch die sich
bildende Hydronephrose kam es zu einer
venösen Stauung in der betr. Niere, und
Verf. weist nun nach, daß die veränderten
Zirkulationsbedingungen — die verlang-
samte Kapillarblutstómung — es sind,
welche die erhöhte Disposition der unter-
bundenen Niere zur tuberkulösen Er-
krankung schaffen. Diese Wirkung muB
sich besonders in dem dem Glomerulus
hintergeschalteten Kapillargebiet, dem post-
glomerulären, wie Verf. es nennt, bemerk-
bar machen, und so findet man, im Gegen-
satz zur rechten Niere, postglomeruläre
Tuberkel besonders zahlreich in der linken.
Der Primordialtuberkel, sowohl der glome-
ruläre wie der postglomeruläre, beginnt
mit Thrombose der Kapillaren und Zell-
ansammlung in den Kapillaren, ohne daß
es zunächst zu einer Gewebshyperplasie —
Mitosenbildung — kame. Das Zellmaterial
des Primordialtuberkels besteht also aus
Leukocyten und aus den aus ihrem Ver-
bande gelockerten fixen Gewebszellen.
Erst in einer späteren Periode treten
Mitosen auf als Ausdruck einer zelligen
Hyperplasie, hervorgerufen durch die in-
folge der Thrombenbildung entstandene
Blutdrucksteigerung, die mehr Bildungs-
material herbeischafft. Auch hier ist ein
Unterschied zwischen der linken hydro-
nephrotischen und der rechten, nicht
unterbundenen Niere: links Bindegewebs-
hyperplasie, rechts Epithelhyperplasie.
Denscheinbaren Widerspruch zwischen
den Befunden des Verf.s, der erhöhten
Disposition der venös hyperämischen Niere
zur tuberkulösen Erkrankung, und der
einen Niere durch Unterbindung | anerkannten Heilwirkung der Bierschen
Zeitschr. f. Tuberkulose XIII.
35
eae
Stauung erklárt Verf. damit, daB bei der
hydronephrotischen Niere die Stauung
eine anhaltende und zugleich die Blut-
REFERATE.
|
ZEITSCHR. f.
rn TUBERKULOSE
Verf. befaßt sich in vorliegender
Arbeit mit dem Studium der experimen-
tellen Lebertuberkulose des Kaninchens.
strömung verlangsamt ist, während bei | Nach seinen Untersuchungen gehen in
der Bierschen Stauung erstere verhältnis- | den intralobulären Tuberkeln die Epi-
mäßig nur kurze Zeit besteht und zudem
nach Bier der Blutstrom gleichzeitig be-
schleunigt ist. C. Servaes.
Bliimel: Úber Kollapsinduration der
rechten Lungenspitze bei chro-
nisch behinderter Nasenatmung
und ihre Differentialdiagnose
gegen Tuberkulose der Lunge.
(Münch. med. Wchschr. 1908, Nr. 30.)
Verf. prüfte die von Krónig zuerst
beschriebene Kollapsinduration der rechten
Lungenspitze bei chronisch behinderter
Nasenatmung an dem Material der
Weickerschen Anstalten in Görbersdorf
nach und bestätigte die Notwendigkeit
der Trennung dieser Formen von der
Lungentuberkulose. Der Zustand entsteht
durch Staubinhalation, die Erkrankung ist
eine Form der chronischen fibrösen inter-
stitiellen Bronchitis.
F. Köhler (Holsterhausen).
Zieler: Experimentelle Unter-
suchungen über „tuberkulöse Ver-
änderungen an der Haut ohne
Mitwirkung von Tuberkelbazillen
(toxische Tuberkulosen) und die
Bedingungen ihres Entstehens.
(Münch. med. Wchschr. 1908, Nr. 32.)
Dialysierbare, aus den Tuberkel-
bazillen stammende Stoffe sind fähig, echte
tuberkulöse Strukturen zu erzeugen, es
sind dazu weder Bazillen und ihre Trümmer
noch gelöste Endotoxine notwendig.
F. Köhler (Holsterhausen).
Brandenburg- Brilon: Ein Beitrag zur
Lungensyphilis. (Beitr. z. Klin. d.
Tub., Bd. 10, Heft 2.)
Krankengeschichte eines klinisch
diagnostizierten, durch Sektion und mikro-
skopisch bewiesenen Falles von sicherer
Lungensyphilis. Ott.
A. Wallgren, Path. Inst. Helsingfors:
Beitrag zur Kenntnis der Patho-
genese und Histologie der Leber-
tuberkulose. (Zentralbl. f. allg. Path.
u. path. Anat., Bd. 19, Heft 12.)
theloidzellen aus den kleinen Lympho-
cyten und den Polyblasten, also leuko-
cytären Elementen, hervor, während die
Riesenzellen aus der Verschmelzung einer-
seits von Lymphocyten und Polyblasten
andererseits von Epitheloidzellen entstehen.
Bei dem interlobulären Tuberkel spielen
dagegen die fixen Gewebselemente bei
der Bildung der Epitheloidzellen und der
Riesenzellen eine große Rolle. Bemer-
kenswert ist auch, daß in progredienten
Fällen, in denen der Organismus schon
stark unter der Krankheit gelitten hat,
die Tuberkelbazillen längere (bis 10u)
und schlankere Wuchsformen annehmen,
während in jenen Fällen, wo der Orga-
nismus der Infektion Herr zu werden
scheint, mehr körnige, streptokokkenähn-
liche Formen und Splitter vorherrschen.
C. Servaes.
Aufrecht-Magdeburg: Embolische tu-
berkulóse Pneumonie des Mittel-
lappens infolge der Massage von
tuberkulósen Halsdrüsen. (Dtsch.
Arch. f. klin. Med., Bd. 94, Heft 1 u. 2.)
Der Fall betraf einen Mann, dem
im 60. Lebensjähre alte tuberkulöse Hals-
drüsen zu schwellen begannen. Infolge
eingeleiteter Massage kam es, wie die
Autopsie bestätigte, zu einer embolischen
tuberkulösen Erkrankung des ganzen Mittel-
lappens, welche, 3 Jahre nach Beginn der
Drüsenschwellung, zum Tode führte.
C. Servaes.
E. Franco, Bürgerhospital Venedig: Über
das gemeinsame Vorkommen von
Tuberkulose und Tumor an dem-
selben Organe. (Virch. Arch., Bd. 193,
Heft 3.)
Mitteilung von 4 Fällen: Im ersten
entwickelte sich eine frische tuberkulöse
Eruption auf einem in voller Entwickelung
begriffenen Kehlkopfkrebs; im zweiten
Falle waren bei einer 24 jähr. Frau Tuber-
kulose und Lymphosarkom des Darmes
miteinander vergesellschaftet, hier schien
die Tuberkulose die primäre Erkrankung
BD.XIMT,HEFT 6.
1904,
REFERATE.
zu sein; im dritten wurde bei einer 25 jähr. | 10cm voneinander entfernt waren. Eines
Frau in der rechten Brustdriise Adenom
und Tuberkulose, anscheinend unabhängig
voneinander gefunden; im vierten end-
lich waren in der linken Brustdrúse neben-
einander Tuberkulose, Adenom, Adeno-
karzinom, Fibroma intracanaliculare und
Cystadenoma phyllodes vorhanden, wäh-
rend gleichzeitig die linke von einem
Endotheliom durchsetzt war.
C. Servaes.
P. Heim und M. K. John, Barmherziges
Spital Budapest: Das Wiederauf-
flammen einer bereits abgelau-
fenen Kutanreaktion wáhrend
einer Scharlachinfektion (Wien.
med. Wchschr. 1908, Nr. 33.)
Ein 4jähr. Mádchen, das auf Pir-
quet typisch reagiert hatte, war dann zu
therapeutischen Zwecken viermal mit dem
verdünnten Filtrat einer humanen Tu-
berkelkultur subkutan gespritzt worden,
das in einem Teilstrich der Pravazspritze
Il ao aan aan mg Tuberkulin (!Ref.) enthielt.
Eine 3 Tage nach der letzten Einspritzung
auftretende Scharlacherkrankung akti-
vierte nicht nur die vor einem Monat
abgelaufene Kutanreaktion, sondern erregte
sogar an den Einstichstellen der drei
Tuberkulinspritzen ausgesprochene Lokal-
reaktion, trotzdem letztere s. Z. selbst-
verständlich ausgeblieben war. Zur Er-
klárung dieses auffallenden Vorganges
ließe sich nach den Verff. an das durch
die Scharlachinfektion bedingte Freiwer-
den entweder eines bis dahin gebundenen
Tuberkulinantigens — durch Auftreten
von Bakteriolysinen — oder auch eines
bisher gebundenen Antistofles denken.
C. Servaes.
C. L Urechia-Bukarest: Über einen mit
den Bronchien kommunizieren-
den Fall von Coxotuberkulose.
(Spitalul, Nr. 15, 1908.)
Es handelte sich um eine 26 jähr.
Frau, die im Laufe zweier Jahre zuerst
an dem einen und dann an dem anderen
Hüftgelenke einen großen kalten AbszeB,
dargeboten hatte. Dieselben brachen
spontan durch und es entwickelten sich
mehrere Fisteln, von denen zwei bis in
die Gesäßgegend reichten und etwa
Tages, während mit dem Irrigator Wa-
schungen an diesen Fisteln vorgenommen
wurden, trat bei der Kranken ein heftiger
Erstickungsanfall auf und sie spuckte eine
große Menge von Flüssigkeit aus. Da
sich diese Erscheinung wiederholte, wur-
den Einspritzungen mit Methylenblaulösung
gemacht, und es trat unter ähnlichen Er-
scheinungen Blauspucken auf. Es konnte
also gar kein Zweifel mehr bestehen, daß
eine fistulöse Verbindung zwischen dem
Abszesse des Hüftgelenkes und den Bron-
chien bestand. Die radiographische Un-
tersuchung ergab auch tatsächlich das
Bestehen eines Ganges, der von der
Lungenbasis in die Bronchien führte, doch
konnte auf diese Weise die weitere Ver-
bindung desselben mit dem tuberkulösen
Abszesse der Hüfte nicht sichtbar gemacht
werden. E. Toff (Braila).
G. B. Allaria-Turin: Syndrome pseudo-
ascitique chez desenfantsatteints
d’enterite chronique. (Arch. de
med. des enfants, Septembre 1908.)
Bei schwächlichen, namentlich rhachi-
tischen Kindern, die lange Zeit an Ente-
ritis leiden, kommt es zur Entwickelung
eines Symptomenkomplexes, welcher táu-
schend einer tuberkulósen Aszites ähnlich
sieht. Es ist sogar öfters vorgekommen
und auch der Verf. hat einige derartige
Fälle zu verzeichnen, daß man auf Grund
der Annahme, daß es sich um tuber-
kulöse Peritonitis handle, die Laparotomie
vornimmt und nicht nur nichts von dieser
Krankheit vorfindet, sondern auch keine
Spur von Aszites. Es ist also in den
einschlägigen Fällen Vorsicht geboten.
Eine Dillerenzialdiagnose zwischen Pseudo-
aszites und seröser tuberkulöser Peritonitis
ist schwer zu machen; man halte sich
daran, daß bei ersterer der matte Per-
kussionsschall in der linken Bauchseite
viel stärker ausgeprägt ist als rechts und
daß der obere Rand der Mattigkeit sich
in eine Zone der Submattität verliert,
deren oberer konkaver Rand nach oben
und rechts gerichtet ist. In der Zökal-
gegend ist meist abgeschwächt tympani-
tischer Schall. Diese Symptome sind aber
sehr wechselnd; auch eine explorative
Punktion wäre nicht anzuraten und ist
e E
35
532
die Laparotomie viel weniger gefährlich.
Alle Erscheinungen kónnen infolge einer
hygienisch-diátetischen Behandlung ver-
schwinden und der Zustand in Heilung
übergehen. E. Toff (Braila).
Morawitz u. Siebeck: Untersuchungen
über die Blutmenge bei Anämien.
(Arch. f. exp. Path. 1908, Bd. 59, Heft
4 u. 5.)
Mit der plethysmographischen Me-
thode fanden die Verf. in 6 Fällen
schwerer Anämie die Blutmenge auf ?/,
bis ?/, der normalen herabgesetzt, in
geringerem Grade bei zahlreichen leich-
teren Anämien. Bei mehreren Tuber-
kulösen und Krebskranken, die trotz nor-
maler Blutqualität sehr blaß aussahen,
war die Blutmenge ebenfalls stark ver-
mindert. Die meisten blaß aussehenden
Menschen (Pseudoanämien), die keine
zehrende Krankheit haben, zeigen eine
normale Blutmenge; bei dreien war sie
indes vermindert. Es gibt also wahr-
scheinlich echte Oligämien.
Mühlschlegel (Stuttgart).
Chiari: Zur Kenntnis der Pachy-
meningitis tuberculosa interna
bei Meningitis tuberculosa. (Arch.
f. exper. Path. 1908, Suppl.)
Bei der gewóhnlichen Meningitis
tuberc. acuta erzeugen die Tuberkel-
bazillen in den inneren Meningen die oft
mit starker Exsudation verbundenen peri-
arteriell gelagerten Miliartuberkel. An
diese schließen sich dann weitere Miliar-
tuberkel in dem Maschenwerke zwischen
Pia und Arachnoidea und in letzterer
selbst an. Von hier gelangt das infizie-
rende Agens in den Subduralraum und
kann nun nach Zerstörung des Endothels
direkt die Innenfläche der Pachymeninx
infizieren.
Nach den geschilderten Befunden
ist die Pachymeningitis tuberc. interna
acuta im Bereich der Pachymeninx spinalis
bei akuter Meningitis tub. cerebro-spinalis
in der Tat ebenso ein regelmäßiger Be-
fund wie im Bereiche der Pachymeninx
cerebralis, und läßt es sich an ihr zeigen,
daB sie auf eine reine Kontakt- bezw.
Implantationsinfektion zurückzuführen ist.
Mühlschlegel (Stuttgart).
REFERATE. ZEITSCHR, 1
TUBERKULOSE
Ernst Marcuse: Die Beziehungen der
hämorrhagischen Diathese™ zur
Tuberkulose. Aus dem medizinisch-
poliklinischen Institut der Universität
Berlin. (Inaug.-Dissert., Leipzig 1908,
49 Pp)
Verf. kommt zu folgendem Ergebnis:
1. Im Verlaufe der Tuberkulose tritt ge-
legentlich hämorrhagische Diathese auf.
2. In einzelnen Fällen liegt eine sep-
tische Mischinfektion vor. 3. Es ist mög-
lich, daß in den anderen Fällen ein ur-
sächlicher Zusammenhang zwischen der
Tuberkulose und den Blutungen besteht.
4. Es ist wahrscheinlich, daß die Hämor-
rhagien verursacht werden durch toxische
Stoffe, die vom Krankheitsherd in die
Blutbahn gelangen. 5. Gleichzeitige Er-
krankungen der Gefäße und innerer
Organe können das Zustandekommen der
Blutungen begünstigen. 6. Mechanische
Einflüsse spielen eine Rolle beim Zu-
standekommen der Hämorrhagien.
Fritz Loeb (München).
H. Bardt-Charite Berlin: Experimen-
telle Untersuchungen über die
Tuberkulinreaktion. (Dtsch. Arch.
f. klin. Med., Bd. 93, Heft 3.)
Verf. infizierte Meerschweinchen
durch Einverleibung tuberkulösen Mate-
rials unter der Rückenhaut und exstir-
pierte dann bei einem Teile der Tiere
am 5., 9. bezw. 10. und am 16. Tage
n. d. Injektion die Infektionsgeschwulst, bei
einigen auch die geschwollenen Axillar-
drüsen. Durch steigende Tuberkulin-
dosen wurde dann die jeweils tödliche
Menge festgestellt, und es zeigte sich
nun, daß die Tuberkulinempfindlichkeit
der operierten Tiere gegenüber derjenigen
der nicht operierten erheblich vermindert
war, und zwar um so mehr, je frühzeitiger
die Infektionsgeschwulst entfernt worden
war. Die am 5. Tage operierten Tiere
zeigten sogar die normale Tuberkulin-
empfindlichkeit gesunder Meerschwein-
chen. Es ist damit bewiesen, daß die
Gegenwart des tuberkulösen Herdes not-
wendig ist zum Zustandekommen der
Uberempfindlichkeitsreaktion. Für die
theoretische Erklärung der letzteren wird
damit allerdings nichts gewonnen, inso-
fern sowohl die Kochsche Additions-
BD.XI61, HEFT 6.
190. =
REFERATE.
533
theorie wie auch die Antikörpertheorie
sich mit der von B. experimentell ge-
fundenen Tatsache der Wichtigkeit des
Vorhandenseins des tuberkulösen Herdes
im Körper sehr wohl vereinigen läßt.
C. Servaes.
E. Moro und A. Uffenheimer- München:
Die Einwirkung menschlicher
Lympheauf den Tuberkelbazillus. |
(Arch. f. Hyg., Bd. 66, Heft 3.)
Menschliche Lymphe wurde mit
Tuberkelbazillen zusammengebracht und
dann sofort bezw. nach verschieden langer
Zeit, während welcher das Gemisch im
Brutschrank aufbewahrt wurde, Meer-
schweinchen intraperitoneal einverleibt.
Die Menge der Tuberkelbazillen war eine
genau abgewogene geringe und in den
verschiedenen Versuchsreihen wechselnde.
Eine virulenzabschwächende Wirkung der
Lymphe wie ihrer beiden Komponenten
für sich, der zellfreien Lymphe und der
Lymphocyten, konnte in keinem Falle
nachgewiesen werden. Auch eine Keim-
verminderung fand in dem Gemische
nicht statt. Im Gegenteil! Ausnahmslos
fingen die Tuberkelbazillen nach kurzer
Zeit in der Lymphe zu wuchern an. Auch
die Versuche, Meerschweinchen durch
intraperitoneale Einverleibung menschlicher
Lymphe etwa gegen eine Tuberkulose-
infektion widerstandsfähiger zu machen,
schlugen fehl. C. Servaes.
Hager-Magdeburg: Die Wrightsche Op-
soninlehre und die spezifische
Behandlung der Tuberkulose.
(Dtsch. Ärzte-Ztg. 1908, Heft 5 u. 6.)
Beschreibung der Wrightschen Me-
thode unter Berücksichtigung der Literatur.
Die Opsoninmethode ermöglicht insbeson-
dere eine präzisere Indikationsstellung
für die Tuberkulinbehandlung der Tuber-
kulose. C. Servaes.
H. Naegeli-Akerblom und P. Vernier:
Ophthalmoreaktion und Tuber-
kulose. (Therap. Monatsh. 1908,
Heft 7.)
Unter Benutzung ausschlieBlich fran-
zösischer Literatur kritisieren die Verf.
die Ergebnisse der „Calmetteschen
(! Ref.) Ophthalmoreaktion“. Sie erklären
|
sie für nicht spezifisch, was der eine von
ihnen bereits vor längerer Zeit nachge-
wiesen habe. Auch würde durch die
Ophthalmoreaktion nur ein Teil der la-
tenten Tuberkulosefälle nachgewiesen und
zudem wäre die Methode keineswegs
gefahrlos. C. Servaes.
Wirth: Über die Muchsche granuläre
Form des Tuberkulosevirus.
(Münch. med. Wchschr. 1908, Nr. 32.)
Die nur nach Gram färbbare granu-
läre Form des Tuberkulosevirus ist kein
Zerfallsprodukt, sondern eine virulente
Entwickelungsform, die resistenteste aller
bisher gekannten Formen des Kochschen
Tuberkelbazillus, sowohl des Typus hu-
manus wie des Typus bovinus. Eine
Reihe von Fällen, in denen begründeter
Verdacht auf Tuberkulose besteht, säure-
feste Bazillen aber fehlen und in denen
es auf eine schnelle Diagnose ankommt,
wird durch den Nachweis der nur nach
Gram färbbaren granulären Form des
Tuberkelbazillus künftighin zweifellos so-
fort entschieden werden können.
F. Köhler (Holsterhausen).
Joest: Zur Frage des Vorkommens
latenter Tuberkelbazillen in den
Lymphdrüsen der Rinder und
Schweine. (Verhandl.d. Dtsch. Pathol.
Ges. 1907, 11. Tagung.) .
Bei mit allgemeiner Tuberkulose
behafteten Rindern und Schweinen finden
sich periphere Lymphdrüsen oft vergrößert,
ohne bei der Fleischbeschau tuberkulöse
Veränderungen erkennen zu lassen. Ge-
legentlich können tuberkulöse oder ver-
dächtige Herde mit der Lupe doch ma-
kroskopisch nachgewiesen werden; die
Mehrzahl aber zeigt nichts Verdächtiges.
Im Tierversuch erweist sich, daß eine
Anzahl dieser, letzteren Drüsen doch
lebende Tuberkuloseerreger enthält, zumal
beim Rinde. In diesen Fällen sind in
den Drüsen spezifisch tuberkulöse Ver-
änderungen (Epithelioidzelltuberkel mit
Riesenzellen) mikroskopisch nachweisbar.
Diein diesen Drüsenvorhandenen Tuberkel-
bazillen sind somit nicht latent; ein ,,lym-
phoides Stadium“ der Drüsentuberkulose
im Sinne Bartels wird bestritten. Verf.
nimmt den Begriff Tuberkulose und latente
Tuberkulose rein anatomisch. Von der
klinischen Seite sieht er ab; ebenso von
den „latenten Tuberkelbazillen“, die in
zum Stillstand gekommenen tuberkulösen
Herden sich finden. Für den Kliniker
haben gerade diese Fälle wichtigste Be-
deutung. Meissen (Hohenhonnef).
Julius Bartel und Wilhelm Neumann:
Das Verhalten der Tuberkel-
bazillenin „indifferenten‘“ Flüssig-
keiten. (Centralbl. f. Bakt. etc., Orig.
I. Abt., Bd. 47, Heft 4, p. 401—414;
Heft 5, p. 572—580.)
Nach den Tierversuchen der Verff.
ergibt sich, daß destilliertes Wasser nach
2 Tagen noch keine Abnahme der Viru-
lenz von Tuberkelbazillen bewirkt, nach
einer Einwirkung von 33 Tagen ist die
Virulenz der Tuberkelbazillen deutlich
herabgesetzt.
Eine andere Versuchsreihe der Verff.
beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern
kleine Difterenzen im Aufschwemmungs-
medium von Einfluß auf die Lebensfähig-
keit des Tuberkelbazillus sind. Die Ba-
zillen werden in einer Lösung von 0,04 °/,
NaCl suspendiert. Noch nach einem Ver-
weilen der Tuberkelbazillen von 17 Tagen
in der Kochsalzlösung zeigte sich keine
Abnahme ihrer Virulenz, während nach
2 Monaten eine deutliche Virulenzver-
ringerung zutage trat.
Nach Ansicht der Autoren ist die
Hauptursache der deletären Wirkung des
(nicht destillierten) Wassers auf Tuberkel-
bazillen nicht seine geringere osmotische
Konzentration, sondern der Mangel an
Nährstoflen. Verff. untersuchten, ob Zu-
satz von 3°/, Glyzerin zum destillierten
Wasser dieses zu einem guten Konser-
vierungsmittel für Tuberkelbazillen mache.
Die Untersuchungen haben diese Ver-
mutung nicht bestätigt. Schon nach
2 Tagen haben die Tuberkelbazillen ihre
Virulenz vollständig verloren. Viele in-
teressante Einzelheiten müssen im Original
nachgelesen werden.
In reiner Bouillon wachsen Tuberkel-
bazillen nicht, mit 3°/, Glyzerin versetzt
ist Bouillon ein guter Nährboden für
sie. Werden die Tuberkelbazillen längere
Zeit in Bouillon aufbewahrt, so nimmt
ihre Virulenz ab; sie sterben schlieblich | versetzt.
REFERATE.
ZEITSCHR, f.
_ TUBERKULOSE
ab. In Glyzerinbouillon halten sie sich
viel langer virulent. Eine 8 Monate alte
Glyzerinbouillonkultur war noch wachs-
tumsfahig, aber nicht mehr virulent.
In physiologischer oder inisotonischer
Kochsalzlösung zeigen die Tuberkelba-
zillen in den ersten 24 Stunden eine pro-
grediente Virulenzabnahme, dann erfolgt
wieder eine Zunahme der Virulenz. Erst
nach 2 Monaten tritt eine leichte Virulenz-
abnahme ein.
Setzt man der isotonischen Koch-
salzlösung 3°/, Glyzerin zu, so bemerkt
man schon nach 2 Tagen eine Abnahme
der Virulenz, nach 33 Tagen sind die
Tuberkelbazillen gánzlich avirulent.
Kochsalz in konzentrierterer Lósung
ist für Tuberkelbazillen giftig.
Als indifferent für Tuberkelbazillen
ist eine 1°/, ige Nährstoff-Heyden-Lösung
zu betrachten, in der sie lange Zeit ihre
Virulenz erhalten. Auch Wasser, dem
reichlich Sputum zugesetzt ist, verhält
sich ähnlich. Wahrscheinlich indiffe-
rent ist die mit 3°/, Glyzerin versetzte
Ringer-Loebsche Flüssigkeit, desgl.
Glyzerinbouillon.
Destilliertes Wasser, Fluß- und
Regenwasser, physiologische und
isotonische Kochsalzlösung,Ringer-
Loebsche Flüssigkeit und Bouillon
sind dagegen keineswegs indiffe-
rent. Sie schwächen die Virulenz der
Tuberkelbazillen ab.
Glyzerin erhöht die Schädlichkeit
eines an sich schädlichen Mediums,
während es bei wirklich indifferenten
Aufschwemmungsflüssigkeiten das Wachs-
tum erhöht und die Virulenz der Tuberkel-
bazillen erhält. E. Aron (Berlin).
Jurewitsch: Kartoffelnährbouillon
zur Züchtung der Tuberkelba-
zillen. (Centralbl. f. Bakt. etc., Orig.
I. Abt., Bd. 47, Heft 5, p. 664—666.)
Um Tuberkelbazillen in großen
Mengen zu züchten hat Verf. einen
flüssigen Kartoffelextraktnährboden her-
gestellt.
Ein Kartoffelbrei wird mit Wasser
versetzt und durch Leinwand gepreßt.
Dazu wird ein Fleischinfus gegossen, und
das Ganze mit Pepton und ?/,°/, Kochsalz
Nachdem alles gelöst ist, wird
BD.XITI,HEFT 6.
1909.
REFERATE.
535
es im Kochschen Dampfapparat ı Stunde
gekocht und durch ein Faltenfilter warm
filtriert. Dazu kommt 3°/, Glyzerin und
dann gesättigte Sodalösung bis zur alka-
lischen Reaktion. Kochen !/,—!/, Stunde
lang im Autoklaven bei 118— 120°, dar-
auf abgekühlt filtriert, in geeignete Gefäße
getan und !/,—ı Stunde lang bei 115°
sterilisiert.
Zur Impfung nimmt man am besten
ein auf der Bouillonoberfläche einer
Kartoffelkultur gediehenes Tuberkelhäut-
chen. Die näheren Vorschriften sind in
der Originalarbeit nachzulesen.
E. Aron (Berlin).
L. v. Betegh: Neue differentialdia-
gnostische Färbemethode für Tu-
berkel-, Perlsucht- und andere
säurefeste Bazillen, nebst Struk-
turstudien bei verschiedenen
säurefesten Bakterienarten. (Cen-
tralbl. f. Bakt. etc., Orig. I. Abt., Bd. 47,
Heft 5, p. 654—664.)
Die „b-Tollin“-Methode des Verf.'s,
um Tuberkel- und Perlsuchtbazillen diffe-
rentialdiagnostisch färben zu kónnen, ist
folgende:
Dinner Ausstrich der Reinkultur.
Lufttrocknen. Fixieren über der Flamme.
Beizung mit 2—3 Tropfen 15°/,iger Sal-
petersäurelösung und Erhitzen über der
Flamme bis feine Dämpfe aufsteigen.
Abspúlen mit Wasser. Tropfen Methylen-
blau-Löffler mit 2—3 Tropfen Karbol-
fuchsin und Erhitzen über der Flamme
bis Dämpfe aufsteigen. Abwaschen. Ent-
färben in 60°/, Alkohol bis keine Farbe
mehr abgeht. Abwaschen mit Wasser.
Trocknen. Kanadabalsam.
Zum Färben im Sputum eignet sich
folgende Nachfärbung besser:
Nach dem Abwaschen mit Wasser
läßt man auf dem Deckgläschen eine
dicke Schicht Wasser und tropft einen
Tropfen Malachitgrünlösung (hergestellt
wie Löfflersches Methylenblau) auf. Nach
einigen Sekunden Abspülen mit Wasser.
Dann Trocknen. Kanadabalsam.
Die säurefesten Bakterien sind
rot, dieSporen blaubisblauschwarz,
die Leukocytenkerne blauviolett
oder grünlichblau, Zellplasma und
Sekundärbakterien hellgrün.
Die feineren mit dieser Methode
nachweisbaren Unterschiede der Tuberkel-
bazillen, Perlsuchtbazillen und Vogel-
tuberkelbazillen müssen im Originale nach-
gelesen werden. Leider fehlen Abbil-
dungen, welche diese Unterschiede ad
oculos demonstrieren. Man kann also mit
der b-Tolinfirbung nachweisen, ob die
T'uberkelsoder Perlsuchtbazillen vorwiegen,
und ob nicht noch andere sáurefeste Ba-
zillen vorhanden sind. Die Sporen wer-
den mit dieser Methode sehr gut dar-
gestellt. Auch andere säurefeste Bakterien
(Smegmabazillen, Leprabazillen, Fisch-
tuberkulosebazillen, Moellers Grasba-
zillus II) werden mit dieser Färbung diffe-
renziert. E. Aron (Berlin).
J. Yamamoto: Eine Silberimprä-
gnationsmethode zur Unterschei-
dung von Lepra- und Tuberkel-
bazillen. (Centralbl. f. Bakt. etc., Orig.
- 1. Abt, Bd. 47, Heft 5, p. 570—571.)
Ausstrichpräparate aus Lepraknoten
(ohne Beimischung von Blut) und Sputum-
präparate werden an der Luft getrocknet
und in der Flamme vorsichtig fixiert.
Dann werden sie 10 Minuten in 5°/, iger
Silbernitratlösung bei 55—60° erwärmt.
Darauf kommen die Präparate 5 Minuten
in die Reduzierungslösung (Acid. pyro-
gallic. 2,0, Acid. tannic. 1,0, Aq. dest. ad.
100,0. Der so entstandene schwarze
Niederschlag wird sorgfältig entfärbt, in-
dem man mit nassem Filtrierpapier mehr-
mals darüber fährt. Die getrockneten
Deckgläser werden in Kanadabalsam ein-
geschlossen und mit Ölimmersion unter-
sucht. Die Tuberkelbazillen sind
tiefschwarz gefärbt; die Lepraba-
zillenerscheinendursichtigundhell.
Eine Abbildung ist beigegeben.
E. Aron (Berlin).
J. Orth, unter teilweiser Mitarbeit von
Lydia Rabinowitsch: Über Resorp-
tion körperlicher Elemente im
Darm, mit besonderer Berück-
sichtigung der Tuberkelbazillen.
(Stiftungsber. d. Kgl. Preuß. Akad. d.
Wissensch., 30. Juli 1908, Bd. 39,
p. 871.)
In seinem Vortrag berichtet Orth
summarisch über die große Reile von
530
Versuchen, deren ausfúhrliche Beschrei-
bung spiiter erfolgen wird und deren
Hauptergebnisse in folgenden Sätzen zu-
sammengefaßt werden:
1. Blut kann wahrscheinlich bei
frischer Blutung aus dem menschlichen
Dickdarm, bei Meerschweinchen sicher
nach Einführung in den Mastdarm resor-
biert und in den regionären Lymphdrüsen
aufgefunden werden.
2. Tuberkelbazillen können bei Ein-
führung in den Darm vielleicht schon
nach 12 Stunden, nach Einspritzung vom
Rectum aus sicher nach 3 Tagen im Blut
bezw. entfernten Organen (Lungen) vor-
handen sein, in derselben Zeit in mesen-
terialen Lymphdrüsen.
3. Mit Dosen bis herab zu 0,001 mg
Bazillen kann eine allgemeine enterogene
Tuberkulose erzeugt werden, wobei der
Darm in der Hälfte der Fälle frei von
Veränderungen bleiben kann.
4. In allen Fällen waren tuberkulöse
Veränderungen der regionären Lymph-
drüsen vorhanden.
5. Es kann mit kleinen Bazillen-
mengen eine Lungentuberkulose vom
Darm aus erzeugt werden, die bei Meer-
schweinchen im wesentlichen eine miliare
Tuberkulose ist, aber bei ı Kaninchen
und 2 Ziegen sich als eine richtige Lungen-
schwindsucht darstellte. Ob diese Tuber-
kulose durch Bazillen erzeugt wurde,
welche unmittelbar aus dem Darmlumen
stammten, also eingespritzt waren, ob es
sich um Metastasen etwa aus einem
Lymphdrüsenherd, also um Bazillen,
welche im Körper aus eingespritzten her-
vorgegangen waren, handelte, ist aus den
Versuchen nicht zu entnehmen.
Lydia Rabinowitsch.
Sophie Fuchs - Wolfring - Davos: Die
Muchschen „Granula“ und die
Karl Spenglerschen „Splitter“.
(Beitr. z. Klin. d. Tub., Bd. 10, Heft 2.)
Die Verf. nimmt für Spengler die
Priorität der Entdeckung der Muchschen
Granula in Anspruch. Spengler habe
REFERATE.
O DO Do o DO DO a iaae O O ee
bereits vor 6 Jahren unter dem Namen `
„Splitter“ diese Granula beschrieben und
als infektiös erkannt. Ott.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
H. Gougerot-Paris: Die Landouzysche
Typhobazillose. (La Presse med.,
No. 68, 1908.)
Diese von L. Landouzy schon im
Jahre 1882 nur auf klinischer und ana-
tomischer Grundlage aufgestellte spezielle
Krankheitsform der akuten Tuberkulose,
hat im Laufe der Zeit durch bakterio-
logische und serologische Untersuchungen
eine weitere Festigung erhalten. Es ist
durch zahlreiche Beispiele festgestellt
worden, daß Fälle, die einem Abdominal-
typhus täuschend ähnlich sehen auf einer
akuten tuberkulösen Gesamtinfektion des
Organismus beruhen, derart, daß nur
geringe Zeichen der Grundkrankheit nach-
weisbar sind.
Als Unterscheidungszeichen der Ty-
phobazillose von wahrem Abdominal-
typhus werden ausgeführt: Mangel von
Roseolen, Mangel von tracheo-bronchialen
Katarrhen und Diarrhöen, ebenso auch
von Duguetschen Ulzerationen des Gau-
mens. Die Albuminurie ist seltener und
schwächer, die Temperatur unregelmäßiger
und von der Pulsfrequenz verschieden.
Probabilitätszeichen sind: vorübergehende
bazilläre Erkrankungen des Patienten,
chronische Adenopathie, Erscheinungen
an den Lungenspitzen und das Voraus-
gehen mehrerer Typhusanfälle, derart,
daß man das wiederholte Auftreten von
Abdominaltyphus bei demselben Kranken
mit einiger Sicherheit als Typhobazillose
ansprechen kann. Das Auftreten einer
manifesten tuberkulösen Manifestation
einige Wochen nach Abklingen der akuten
Erscheinungen, kann eine retrospektive
Diagnose ermöglichen.
Die Serodiagnose gibt wichtige Auf-
schlüsse, indem sowohl während des
akuten Stadiums, als auch in der Folge
die Widalsche Reaktion negativ aus-
allt. Die intraperitoneale Einimpfung von
sccm Blut bei Kaninchen oder Meer-
schweinchen läßt dieselben tuberkulós
erkranken, was ein weiterer Beweis fiir
die tuberkulóse Natur der Krankheit ab-
gibt. E. Toff (Braila).
Franz Johann Fligg: Über den Wert
der Lymphdrüsenquetschung
nach Bloch und der intramam-
máren Infektion für die Schnell-
BD.XIII,HEFT 6.
1901.
diagnose der Tuberkulose bei
Meerschweinchenimpfung. (Aus d.
Hyg. Inst. d. tierárztl. Hochsch. Berlin.
Diss. Gießen 1908, 68 p.)
1. Durch die subkutane Impfung ver-
bunden mit Quetschung der Kniefalten-
drüse läßt sich in g—11 Tagen feststellen,
ob Tuberkulose vorliegt oder nicht, 2. Die
intramuskuláre Impfung mit Quetschung
der Kniefaltendrüse führt ebenso schnell
zum Ziel. 3. Es läßt sich aber auch durch
die intramuskuläre Impfung ohne Quet-
schung der Kniefaltendrüse in Q— 1 1 Tagen
eine sichere Diagnose stellen. 4. In allen
Fällen müssen sicherheitshalber mehr als
zwei Tiere geimpft werden. 5. Die nach
der Impfung auftretende Schwellung der
Lymphdrüsen ist für die Tuberkulose
charakteristisch. 6. Durch die intramam-
mire Impfung läßt sich in 7—12 Tagen
die tuberkulöse Natur eines pathologischen
Produktes sicherstellen.
Fritz Loeb (München).
S. Moses: Über die Wirkung von
Tuberkelbazillen verschiedener
Typen auf Würmer, Schnecken
und Kaulquappen. (Aus dem Hyg.
Inst. zu Freiburg i. B. Inaug.-Dissert.
Freiburg i. Br. 1907, 29 p.)
Es besteht ein deutlicher Unterschied
in der Wirkung von Tuberkelbazillen des
Typus humanus und des Typus ranarum
auf den Organismus von Würmern,
Schnecken und Kaulquappen. Die Frosch-
tuberkulose führt bei direkter Einimpfung
in den Körper der Versuchstiere bei
reichlicher Bazillenvermehrung in kurzer
Zeit zum Tode. Bei Aufnahme per os
ist die Wirkung des Kaltblütertuberkel-
bazillus eine weniger rasche und weniger
sichere. Menschliche Tuberkulose führt
bei keinem der Versuchstiere weder bei
Einimpfung noch bei natürlicher Infektion
sichtbare Veränderungen im Tierkörper
oder auch den Tod herbei. Froschtuber-
kulosefütterung bedingt bei Regenwürmern
dann den Tod der Tiere, wenn abnorme
Bakterienverhältnisse im Darmkanal ge-
geben waren, während Schnecken und
Kaulquappen auch unter natürlichen Ver- |
hältnissen der Infektion per os erlagen. |
Im allgemeinen ergab sich, daß die Kalt-
blüter gegen die Infektion mit Frosch-
REFERATE.
337 _
tuberkelbazillen um so weniger wider-
standsfähig waren, je höher entwickelt ihr
Organismus. Würmer waren resistenter
als Schnecken und diese wiederum resi-
stenter als Kaulquappen.
Fritz Loeb (München).
Zeuner-Berlin: Ein mit ülsaurem Na-
tron und Lezithin hergestelltes
hochwertiges Tuberkulosetoxin.
(Berl. tierárztl. Wchschr. 1908, Nr. 37
und 39.)
Glyzerin-Agarkulturen menschlicher
Tuberkelbazillen werden mit einer Emul-
sion von dlsaurem Natron und Ovo-Le-
zithin-Merck behandelt und dadurch ein
Toxin gewonnen, welches sich im Tier-
versuch fünfmal stärker toxisch erweist,
als Tuberkulinum Roch, Z. hofft mittels
dieses Toxins bei Pferden ein antitoxi-
sches Serum zu erzielen, welches hin-
wiederum zur Behandlung der Tuberku-
lose des Menschen dienen könnte.
Scherer (Bromberg).
Rothaar-Stuttgart: Untersuchungen
über Tuberkelbazillen beim Rind.
(Zeitschr. f. Infektionskr., parasitäre
Krankh. u. Hyg. d. Haustiere, Bd. 5,
Heft 1/2.)
Verf. kommt zu dem Schlusse, daB
das von Kossel, Weber und Heuß im
Reichsgesundheitsamte für den Tuberkel-
bazillus des Typus bovinus als Norm auf-
gestellte Verhalten in morphologischer,
kultureller und tierpathogener Hinsicht
zutrifft. Jedoch kann dem morphologischen
Verhalten nur dann ausschlaggebender
Wert beigemessen werden, wenn es im
Zusammenhang mit dem kulturellen und
tierpathogenen Verhalten steht. Trotz
eigens darauf gerichteter Untersuchungen
ist es nicht gelungen, von Rabinowitsch
erwähnte sogenannte „Übergangsformen‘“
zu finden. Scherer (Bromberg).
Joest: Über einige neuere, die färbe-
rische Darstellung des Tuberkel-
bazillus betreffende Forschungen
(Zeitschr. f. Infektionskr., parasit. Krankh.
u. Hyg. d. Haust., Bd. 5, Heft 1/2.)
J. kommt nach ziemlich umfangreichen
Untersuchungen zu dem Ergebnis, daß
die Färbung nach Gram für den bakterio-
ee
skopischen Nachweis des Tuberkulosevirus
in Herden spontaner Tuberkulose bei
Rind und Schwein gegenüber der Ziehl-
schen Färbung keine Vorteile bietet. Die
in den Präparaten gefundenen kleinen
körnchenföürmigen Gebilde, die sich in
mehr oder weniger großer Zahl zeigten,
waren von Farbstoftniederschligen, wie
man sie bei Gram-Präparaten nicht selten
findet, nicht zu unterscheiden. Die Iden-
titit der Muchschen Granula mit Bestand-
teilen der Tuberkelbazillen muß als sehr
zweifelhaft bezeichnet werden, da die
gleichen „Granula“ in einigen Präparaten
auch im normalen Gewebe gefunden wur-
den. Nur das Tierexperiment kann ent-
scheiden, ob infektionsfähige Tuberkulose
vorliegt oder nicht.
Scherer (Bromberg).
Ill. Diagnose und Prognose.
Reg.-Arzt H. Freund-Reichenberg: Über
kutane und konjunktivale Tuber-
kulinreaktion bei Gesunden und
Kranken. (Wien. med. Wchschr. 1908,
Nr. 22 u. 23.)
Verf. stellte seine Versuche an Sol-
daten und chirurgisch Tuberkulösen an.
Von den ersteren reagierten bei kutaner
Impfung mit unverdünntem Alttuberkulin
95°/,, bei Verwendung von 25°/, Lösung
74°/, von 10°/, Lösung 60°/,, in einer
zweiten Versuchsreihe 67 °/,, von 5°/, Lö-
sung 40°/,, von 1%/, Lösung 5°/ In
2 Reihen wurden gleichzeitig auch die
Augen durch Einträufelung eines Tropfens
einer 1%/, Lösung Alttuberkulin geprüft und
8 bezw. 9°/, positive Reaktionen erhalten.
Nach Abzug jener, die bereits vor der
Konjunktivalprüfung an leichten Binde-
hautkatarrhen gelitten hatten, ergab nun
die genaue klinische Untersuchung, daß
sämtliche mit positiver Ophthalmo-
reaktion an aktiver Tuberkulose
litten. Das gleiche war aber nicht
etwa bei jenen 5°/, der Fall, die positiv
REFERATE.
auf Kutanimpfung mit 1°/, Lösung rea- `
giert hatten, so daß sich also die Kon-
|
|
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
junktivalprüfung der Kutanreaktion gegen-
über in bezug auf die Möglichkeit der
Trennung der aktiven von den inaktiven
Tuberkulosen überlegen zeigte.
Was nun die Versuche an Kranken
betrifft, so wurden hierzu nur an chirur-
gischer Tuberkulose Leidende heran-
gezogen, und zwar sowohl Erwachsene
wie Kinder. Der Grad der Reaktion
war im allgemeinen ausgesprochener, als
bei den Gesunden; es reagierten ins-
besondere bei weitem mehr Kranke auf
kutane Einverleibung ı°/, Tuberkulin-
lösung, als Gesunde. Ferner zeigte es
sich, daß oberhalb des 6. Lebensjahres
sämtliche Kinder — und natürlich auch
Erwachsene — kutan positiv reagierten.
Ganz anders bei der Konjunktivalprüfung:
hier reagierten nur diejenigen Kranken
positiv, die an „flonder“ Tuberkulose
litten. Die kutane Methode ist daher
nicht dazu geeignet, auch nicht bei Ver-
wendung stärkster Verdünnungen, bei Er-
wachsenen und älteren Kindern die aktiven
von den inaktiven Tuberkulosen zu unter-
scheiden, wenn auch negative Kutan-
reaktion anscheinend gegen Tuberkulose
spricht. Nur bei Kindern unter 5 Jahren
beweist positive Kutanreaktion das Vor-
handensein einer floriden Tuberkulose.
Wenn dagegen Erwachsene auf Einträufe-
lung einer 1%/, Tuberkulinlösung ins Auge
positiv reagieren, so handelt es sich in
solchen Fällen mit Wahrscheinlichkeit um
aktive Tuberkulose; doch darf die Probe
nur an völlig gesunden Augen angestellt
werden. Unliebsame Erfahrungen in einigen
Fällen — Chemosis, Blutaustritte, feinste
griesförmige Erhebungen, Phlyktäuen —
mahnen übrigens zur Vorsicht.
C. Servaes.
Priv.-Doz. H. Lüdke, Med. Klin. Würzburg:
Klinischeundexperimentelle Bei-
träge zur Konjunktivalreaktion.
(Zentralbl. f. inn. Med. 1908, Nr. 28.)
Von den Tuberkulósen mit posi-
tivem Bazillenbefund reagierten auf Ein-
träufelung einer 2°/ igen Alttuberkulin-
lösung positiv 74°/,, von den auf Tuber-
kulose Verdächtigen 62%/,, von den Un-
verdächtigen 19,5°/,. Da auch in 3 Fällen,
die ausgesprochen reagiert hatten, bei der
BD.XIILHEFT 6.
1909.
Sektion keine Spur von Tuberkulose ge-
funden werden konnte, so hält Verf. die
Konjunktivalreaktion nicht für spezifisch.
Eine Steigerung der Konzentration der
Lösungen erscheint nicht ratsam, da Verf.
auch bei notorisch Gesunden das Phä-
nomen der Überempfindlichkeit auftreten
sah. Auch die Ophthalmoreaktion bei
Typhus sieht Verf. nach seinen Erfahrungen
picht für spezifisch an, da sie auch nicht
selten bei typhusfreien Fällen zur Be-
obachtung kam. Ferner reagierten von
12 klinisch auf Tuberkulose Verdächtigen,
welche positive Konjunktivalreaktion ge-
zeigt hatten, auf subkutane Einspritzung
von I—3 mg Tuberkulin positiv 10, die
anderen negativ. Dagegen ergab die Ein-
träufelung einer 2°/, igen und einer 10°] -
igen Deuteroalbumosenlösung ins Auge
sowohl bei Tuberkulösen als bei Nicht-
tuberkulösen nur in seltenen Fällen eine
positive Reaktion. — Bei 8 tuberkulösen
Kaninchen fiel die Konjunktivalreaktion
nur in 2, bei 4 tuberkulösen Meerschwein-
chen nur in ı Falle positiv aus. Endlich
fand Verf. in 31 Fällen von mit Tuber-
kulin behandelten Tuberkulösen 17 mal
Antituberkulin im Blute. Dagegen konnte
er in den Konjunktiven von 3 entbluteten
tuberkulösen Kaninchen nur in 1 Falle
einen geringen Antituberkulingehalt nach-
weisen. C. Servaes.
Leber und Steinharter-Berlin: Diagno-
stische Impfversuche mit einem
fettfreien Tuberkulin. (Münch. med.
Wehschr. 1908, Nr. 25.)
Modifikationen der v. Pirquetschen
Kutanreaktion durch Anwendung des auf
chemische Weise entfetteten Alttuberkulins
Koch, mittels Chloroform.
F. Köhler (Holsterhausen).
Sabrazós und Lafon: Beginn der Oph-
thalmoreaktion auf Tuberkulin —
Natur des Exsudates. (Münch. med.
Wchschr. 1908, Nr. 32.)
ı!/ Stunden nach der Tuberkulin-
instillation ins Auge tritt die zellige Reak-
tion auf, charakterisiert durch eine Ver-
mehrung der Polynukledren und eine
ziemliche Anzahl Lymphocyten. Diese
beiden Zellarten vermehren sich dann
REFERATE.
i
I
539
noch ungefähr in gleicher Weise während
1*/,, d.h. 2!/, Stunden nach der In-
stillation. Nach 3°/, Stunden findet man
überhaupt fast nur noch die Polynukleären,
ohne klinische Modifikation.
F. Köhler (Holsterhausen).
Wiens und Günther: Untersuchungen
über die Ophthalmoreaktion der
Tuberkulose. (Münch. med. Wchschr.
1908, Nr. 30.)
Auch die 2. Mitteilung der Bres-
lauer Autoren endet mit dem Resultat,
daß die Ophthalmoreaktion nicht zuver-
lässig genug ist und schwere Reaktionen
mit Nachteil für das Auge sich nicht
vermeiden lassen.
F. Köhler (Holsterhausen).
M. Villaret et L. Tixier: Le Diagnostic
de la Tuberculose. (Rev. de la
Tub., Paris 1908, Nr. 3 u. 4.)
Verff. geben eine sehr eingehende
und úbersichtliche Abhandlung úber die
3 Tuberkulinproben, ihre Technik und
ihre Bedeutung fúr die Diagnostik der
Tuberkulose. Die Einsicht, daß der Wert
dieser Reaktionen für die Diagnose der
tuberkulösen Erkrankung, der klinischen
Tuberkulose nicht allzu groß ist, tritt aber
noch nicht genügend hervor. Es ist aller-
dings notwendig, daß solche Proben erst
gründlich und nach allen Richtungen unter-
sucht werden, aber vom klinischen Stand-
punkte kann die Endfrage doch nur da-
hin gehen, ob sie die sichere Unter-
scheidung einer latenten und einer kli-
nischen Tuberkulose gestatten. Das ist
wenigstens bisher nicht der Fall, und
deshalb ist ihr Wert mehr ein theoretisch-
wissenschaftlicher, oder er liegt auf einem
anderen Gebiet.
Von der subkutanen Tuberkulin-
probe meinen die Verff. mit verschiedenen
deutschen Autoren, daß die Reaktion
um so heftiger auftrete, je frischer und
je weniger ausgedehnt die tuberkulöse
Erkrankung sei, und umgekehrt. Das ist
aber eine Regel, die viele Ausnahmen
hat. Die Gefahren dieser Probe schlagen
sie nicht hoch an.
Die kutane Tuberkulinprobe halten
ae ==
sie für ein beachtenswertes Verfahren
in der Diagnostik der Tuberkulose, ob-
wohl manches noch unklar ist. Ein Mangel
ist nach ihnen die oft vorkommende
Schwäche der Reaktion, bei der man die
wenig befriedigende Bezeichnung „zweifel-
hafte Reaktion“ gebrauchen muß. Die
Verff. legen mit J. Lemaire einigen Wert
auf die Induration der Impfstelle, die
dem darüber streichenden Finger eine
Empfindung ähnlich wie ein Mückenstich
mache; sie halten das für wichtiger als
den umgebenden entzündlichen Hof.
Noch unklarer erscheinen den Verf.
die bisherigen Ergebnisse der konjunk-
tivalen Tuberkulinprobe, deren Priorität sie
übrigens Wolff-Eisner zuerkennen. Sie
führen eine Statistik von Léon Petit
über 3068 Beobachtungen an: Bei Nicht-
tuberkulösen reagierten 18,43 °/,, bei Ver-
dächtigen 61,6°/,, bei manifesten Tuber-
kulósen 96,32 °/,, das sind ähnliche Zahlen,
wie sie auch sonst meist gefunden wur-
den. Meissen (Hohenhonnef).
J. Lemaire: Recherches sur la Cuti-
reaction á la Tuberculine. (Rev.
de la Tub., Paris 1908, Juin.)
Die kutane Tuberkulinprobe nach
v. Pirquet war bei 56 Tuberkulüsen
34 mal positiv, 2 mal negativ; bei 53 Ver-
dächtigen 42 mal positiv, 11 mal negativ;
bei 191 Nichttuberkulósen 53 mal positiv,
138 mal negativ. Bei Kindern unter
3 Jahren fand sich die Reaktion in 31°/,,
was gut übereinstimmt mit den 33 °/,, die
Hatinel als Sektionsergebnis angibt. —
Verf. fand auch, daß die kutane Tuber-
kulinprobe dieselben Resultate ergibt wie
die subkutane, während die konjunktivale
Probe abweichende Ergebnisse hat: Be-
stätigung der Angaben Wolff-Eisners.
Meissen (Hohenhonnef).
J. Baur: L'Ophthalmo-Diagnostic de
la Tuberculose. (Rev. de la Tub.,
Paris 1908, Juin.)
Verf. hat die konjunktivale Tuber-
kulinprobe nur aufihren diagnostischen
Wert geprüft und ist natürlich nicht be-
friedigt. Er wendet sich mit Delarme
gegen Calmette, der aus seiner Reaktion
REFERATE.
EC ee nn mm m AAA —
— CO nn nn
ZEITSCHR. f.
o TUBERKULOSE
„un systeme de defense sociale antituber-
culeuse“ machen wollte, was sicher ein
Unsinn ist. Wenn Verf. einige unbequem
heftige Reaktionen bekam, so liegt das
wahrscheinlich an der ungeeigneten Be-
schaffenheit des verwendeten Tuberkulins.
Es ist eigentlich nicht begreiflich,
weshalb dic allermeisten Autoren den
Wert der Tuberkulinprobe gerade in der
Diagnostik der klinischen Tuberkulose
suchen, wo er gewiß nicht zu finden ist.
Wissenschaftlich sind diese Reaktionen
sicher von hohem Interesse, aber für
praktisch-klinische Zwecke leisten sie offen-
bar recht wenig: es reagieren ja eben in
großer Zahl auch „Gesunde“, die einen
latenten Herd beherbergen, der vielleicht
niemals ‘zur Entwickclung kommt. Die
subkutane Tuberkulinprobe gibt uns in
zweifelhaften Fällen wenigstens dann Auf-
schluß, wenn man die lokale Reaktion an
dem betreffenden Organ beobachten und
nachweisen kann. Die neuen Proben
aber sagen uns gar nichts über den Ort
der Erkrankung, und nicht viel mehr über
ihre Art. So lange wir aber keine Probe
haben, die bestimmt zwischen latenter
und aktiver Tuberkulose zu unterscheiden
gestattet, bieten sie uns klinisch wenig
Gewinn bei der Diagnostik. Wenn die
konjunktivale Reaktion eine Bedeutung
hat, so ist diese in der Prognostik zu
suchen, wie Wolff-Eisner das sehr
richtig hervorhebt. Für die Diagnostik
hat sie nur insofern Wert, als sie ver-
hältnismäßig wenig empfindlich ist, also
eher auf aktive Vorgänge schließen läßt
in zweifelhaften Fällen.
Meissen (Hohenhonnef).
Prophylaxe.
8. Bernheim - Paris: Verbindung der
Luft mit der Tuberkulose.
Sterilisierug der Luft. (Internatio-
naler Tuberkulosekongreß; Washington,
21. September bis 12. October 1908.)
Aus der Gesamtheit seiner Arbeit
zieht der Autor folgende Schlußfolge-
rungen:
I. Es besteht eine intime Verbin-
dung zwischen den Mikroben in der
Luft und der Tuberkulose. Je mehr dic
Atmosphäre mit Bakterien angefüllt ist,
BD.XIILHEFT 6.
1909.
je größer ist die Anzahl der Tuberkulösen,
welche in diesem ungesunden Milieu
leben, alle gewissenhaften Beobachter
haben diese Tatsachen als unbestreitbar
hingestellt.
Man hat der Tuberkulose den Namen
als Krankheit der Dunkelheit gegeben,
weil die Mikroben im allgemeinen und
der Kochsche Bazillus im besonderen
sich sehr lange konservieren, wenn sie
nicht dem Lichte ausgesetzt sind. Unter
dem Einfluß des normalen Lebens, unserer
Gewohnheiten, sind die Mikroben in die
Luft geschleudert, der Mensch atmet sie
ein, die Lungen behalten sie, daher ent-
steht Infektion und häufig tuberkulöse
Ansteckung.
2. Aus denselben oder vielmehr aus
entgegengesetzten Gründen hat man eine
beträchtliche Anzahl von Tuberkulösen
in den großen Zentren beobachtet, wo
die Luft mit Bakterien angefüllt ist, in
den übervölkerten Stadtvierteln, in den
Orten, wo Vereinigungen stattfinden, in
den Hospitälern, Gefängnissen, in den
Schulen, Kasernen, großen Kaufhäusern,
Administrationen, Fabriken, Ateliers etc.
3. Das beste Mittel, die Tuberkulose,
welche ihren Ursprung. in der Luft hat,
zu bekämpfen, ist, die Gesundheitsver-
hältnisse der Stadt zu überwachen, die
Hygiene in den Häusern, wo die größte
Sauberkeit herrschen sollte, und wo man
das Sonnenlicht im Überfluß eindringen
lassen sollte. Zu diesen natürlichen
Mitteln kann man bestimmte künstliche
Maßnahmen hinzufügen, um die Gefahr
der Bakterien in der Luft zu verringern.
Man kann in der Tat mit Hilfe von
gewissen Heizapparaten, wie z. B. der
Behälter von Dr. Goupil oder der Öfen
mit doppeltem Zug von Silbermann auf
der Stelle sämtliche Mikroben welche in
der Wohnung enthalten sind, zerstören.
Anders ausgedrückt, man erreicht, daß
durch diese natürliche Heizmethode die
Luft, wenn sie auch noch so sehr mit
Mikroorganismen beladen ist, äußerst
schnell gereinigt wird. Diese gesundheit-
lichen Öfen finden eine laufende An-
wendung in allen Wohnungen, und be-
sonders in den Medizin- und Chirurgie-
sálen, in den Amphitheatern, in den
großen Versammlungssälen, wo die An-
REFERATE.
ee
{
|
Sec
sammlung die Gefahr der Ansteckung
erhöht. Bernheim (Paris).
Hanauer: Die Hygiene der Heim-
arbeit. (Soziale Med. u. Hyg. 1908,
Heft 4.) |
Die Tuberkulose ist bei den Heim-
arbeitern, besonders bei denen der Web-
und Tabakindustrie ein gar häufiger Gast.
Kein Wunder, die Ernährung ist völlig
ungenügend, Wohnungsverhältnisse ebenso
schlimm, die Arbeitszeit endlos und die
gewerbehygenischen Schädigungen schwe-
rer als bei den Fabrikarbeiten. Aber
auch für den Konsumenten bietet die
Heimarbeit große Bedenken, insofern
durch die Produkte Krankheiten über-
tragen werden können. Für die Abhilfe
schlägt Verf. vor: Die Heimarbeiter selbst
müssen sich organisieren; die Arbeitgeber
müssen Überwachungskommissionen ein-
setzen; die Konsumenten können Firmen
mit viel Heimarbeitern meiden; die öffent-
liche Fürsorge kann gesunde Heimwerk-
stätten errichten lassen. Die wichtigste
Aufgabe aber fällt dem Staate zu: jede
gesundheitsschädliche 'Heimindustrie, je-
denfalls die Tabakindustrie, sollte ver-
boten, über Arbeitszeit und -räume sollten
Vorschriften erlassen und ihre Durch-
führung von Inspektionsbeamten über-
wacht werden; die Kranken-, Unfall- und
Invalidenversicherung sollte auch auf die
Hausindustrie ausgedehnt werden.
Mühlschlegel (Stuttgart).
Hillenberg: Zur Bekämpfung der
Tuberkulose auf dem Lande.
(Soziale Med. u. Hyg. 1908, Heft ı
u. 2.)
Eine erfolgreiche Bekämpfung ver-
langt in erster Linie die Einrichtung von
Fürsorgestellen. In Ermangelung von
Schwestern sind dazu Hebammen gegen
Bezahlung heranzuziehen. In jedem Kreis
sind mehrere Stellen zu errichten und
von praktischen Ärzten zu leiten; am
Sitz des Landrats ist die Fürsorgezentrale
mit dem Kreisarzt und einem Komitee.
Für jede freiwillige Meldung eines Tuber-
kulosefalles an die Zentrale muß der Arzt,
ähnlich wie in England eine Gebühr von
2 Nk. erhalten.
542
Eine weitere notwendige Maßregel
ist die Errichtung von Pflegestätten
(Krankenheimen), in jedem Kreis eine
bis mehrere. Sie müssen dem Heimats-
ort des Kranken möglichst nahe liegen,
mit nur wenigen Betten einen häuslichen
Aufenthalt gewähren und in Anlage und
Betrieb billig sein, etwa nach dem nor-
wegischen Vorbild. Kranke, die unrein-
lich sind und ihren Mitmenschen gegen-
über die erforderliche Rücksicht nicht
nehmen wollen oder können, sind zwangs-
weise unterzubringen und solange zu be-
halten, bis sie gelernt haben, mit ihrem
Auswurf hygienisch umzugehen. — Für
die Betriebskosten hat der Landrat von
denVersicherungsanstalten,Krankenkassen,
Kreis, Gemeinde, Genossenschaften und
Vereinen eine regelmäßige Beisteuer zu
erwirken.
Gefährdete, kranke und bedürftige
Kinder sind in eine Erholungsstátte,
eine Heilanstalt oder in ein Soolbad zu
schicken, was Aufgabe einer organisierten,
privaten Wohltätigkeit wäre. Vorausset-
zung für diese Wohlfahrt aber, wie für
die Überwachung der Schuljugend über-
haupt, ist die Einführung des Schularztes.
Mühlschlegel (Stuttgart).
Pach: Die öffentliche Gesundheits-
pflege Ungarns. (Ztschr. f. soz. Med.
1908, Bd. 3, Heft 3.)
Die Tuberkulose nimmt, ähnlich wie
das Trachom, in der ungarischen Ge-
sundheitspflege eine Sonderstellung ein.
Ihr Fortschreiten läßt, falls die zu ihrer
Sanierung bisher unternommenen Schritte
der Abwehr künftig nicht von größerem
Erfolg begleitet sind, das Ärgste befürch-
ten. Der bodenständigen Hemmnisse
sind zu viel: Wohnungselend, Nahrungs-
mangel, Alkoholismus, Ärztenot auf dem
Lande etc. In den Jahren 1892—95
starben durchschnittlich im Jahr 48298
an Tuberkulose, 1905 aber schon 76545.
Während sich 1890—1900 die Zahl der
Gesamtbewohner bloß um 434641 ver-
mehrte, nahmen die Tuberkulósen in
derselben Zeit um 10187 zu, so daß
auf je 1000 der Bevölkerungszunahme
23 Tuberkulóse fallen. Die Heilstátten-
bewegung hat jetzt erst ihre Wurzeln ge- |
schlagen; in der jüngsten Zeit wurden
REFERATE.
ZEITSCHR, f.
TUBERKULOSE
auch einige dispensaires errichtet. Regie-
rungserlasse fordern die Aufstellung von
Spucknäpfen in Krankenanstalten, Hotels,
Kaffeehäusern, Kasinos, öffentlichen Äm-
tern und verbieten das Ausspucken auf
den Boden; sie verbreiten Merkblätter
und fördern öffentliche Vorträge. Am
meisten Erfolg verspricht man sich aber
von der staatlichen Subventionierung von
Arbeiterhäusern für landwirtschaftliches
Gesinde, die in 10 Jahren 15000 Häuser
erstehen lassen will.
Mühlschlegel (Stuttgart).
Ascher: Entwickelungstendenzen in
der Hygiene PreuBens. (Ztschr. f.
soz. Med. 1908, Bd. 3, Heft 2.)
In den letzten Jahren tritt eine in-
teressante soziale Neubildung in den
Vordergrund, die der großen Land-
gemeinden. Sie sind nur zum kleineren
Teil Vororte von Großstädten, zum größeren
Arbeiterquartiere der Industriegegenden,
z. B. Hamborn (Kreis Ruhrort) mit etwa
70000 Einwohnern. Die geringe Sterb-
lichkeit an Tuberkulose, die derartige
Landgemeinden aufweisen, spricht mit
anderen Erscheinungen für den Einfluß
der großen Zuwanderung Landgebürtiger
und der guten Lohnverhältnisse der
Kohlen-Eisenindustrie. Dagegen deutet
der schnellere Verlauf der Tuberkulose
und die hohe Sterblichkeit der Säuglinge
an akuten Lungenkrankheiten auf den
Einfluß der durch Rauch und Staub ver-
schlechterten Atemluft.
Mühlschlegel (Stuttgart).
IV. Therapie.
Seidel-Dresden: Über die Chondro-
tomie der ersten Rippe bei be-
ginnender Spitzentuberkulose.
(Münch. med. Wchschr. 1908, Nr. 25.)
Die Resektion des ersten Rippen-
knorpels bei 2 Fällen von Spitzentuber-
kulose hatte anscheinend günstige Erfolge.
Beschreibung der Technik.
F. Köhler (Holsterhausen).
BD.XIL,HEFT6,
1909.
Siege) Frankfurt a. M.: Totale Brust-
beinreaktion und operative Hei-
lungeinerLungenkaverne. (Münch.
med. Wchschr. 1908, Nr. 25.)
Die im Titel angegebene Operation
hatte bei einem Fall von Lungen- und
Brustbeintuberkulose vollen Erfolg. Es
sind bisher nur wenig derartige Fälle
bekannt. F. Köhler (Holsterhausen).
Gerhartz und Striegel-Berlin: Über
Lungensteine und Kieselsäure-
behandlung. (Beitr. z. Klin. d. Tub.,
Bd. X, Heft 1.)
Nach den Untersuchungen des Verf.'s
ist Kieselsäure kein konstanter Bestand-
teil der Lungenkonkremente und etwaiger
Kieselsäuregehalt derselben darf nicht,
wie es Zickgraf tut, auf den Genuß
kieselsäurehaltiger Tees zurückgeführt wer-
den. Ott.
Dr. Bernheim- Paris: Behandlung der
Tuberculosis durch rohes Pferde-
fleisch. (Internationaler KongreB der
Tuberculosis; Washington, September-
Oktober 1908.)
Die von den Herren Proff. Richer
und Dr. Héricourt verfolgten Studien
über die Zomotherapie fortsetzend, beginnt
Herr Dr. Bernheim zu erklären, daß
das rone Fleisch von welcher Herkunft
es sei, keine spezifischen Antitoxine ent-
hält. Jas rohe Fleisch ist das an Stick-
stoff reichste Nahrungsmittel, und das-
jenige, welches sich am besten und am
schnellsten assimiliert. Dieser Eigenschaft
wegen soll dieses ausgezeichnete kräftige
Nahrungsmittel in angemessener Quantität
verwendet werden.
Herr Dr. Bernheim ernährte zehn
Hunde, welche er vorher oder nach
einiger Zeit tuberkulös machte, ver-
gleichungsweise mit rohem Ochsenfleisch,
mit rohem Pferdefleisch oder einer gewöhn-
lichen Nahrung. Von den ausschließlich
mit Pferdefleisch genährten Hunden über-
lebten > davon diejenigen durch rohes
Ochserfleisch genährten um 3—6 Mo-
nate. Die andern 2 Tiere lebten eben-
solange, und das vierte 6 Wochen weniger
als solche durch Rinderfleisch genährte.
Zwei auf gewöhnliche Art ernährte
REFERATE.
543
Hunde endeten je 3 und 6 Monate
früher als ihre Experimentkameraden.
Herr Dr. Bernheim ernährte auch
150 tuberkulöse Menschen, die zu allen
Perioden der Krankheit angelangt waren,
von der Prätuberculosis an bis zum
Kachektiker. Viele der Kranken nahmen
täglich 3—500g rohes Pferdefleisch zu
sich und waren fast ausschließlich Pferde-
fleischesser in ihrer Kost.
Die Vorteile dieser Kur, die der
Verf. hervorhebt, sind folgende:
I. Die nicht aufmerksam gemachten
Kranken haben keinen Widerwillen gegen
dieses Fleisch, das sehr gut verdaut wird
und einen angenehmen Geschmack hat.
2. Das Pferdefleisch, das reicher an
" Stickstoff ist als das Ochsen- und Hammel-
fleisch, verbessert schneller das Allgemein-
befinden des Tuberkulosekranken, weil
derselbe beim Genießen dem Toenia
oder anderen von Rindern übertragenen
Parasiten nicht ausgesetzt ist.
3. Der Arbeiter und besonders der
Tuberkulosekranke kann sich leichter das
Pferdefleisch verschaffen, welches billiger
als Ochsen- oder Hammelfleisch ist.
4. Obschon das Pferd nur ausnahms-
weise tuberkulös ist, rät Herr Dr. Bern-
heim dennoch der sanitären Beschau,
nur ganz gesunde Pferde dem Konsum
zuzulassen, die Pferdemetzgereien sollen
wie andere Konsumgeschäfte unter Auf-
sicht gestellt werden.
5. In Anbetracht des großen Gehalts
an Stickstoff und auch des Geschmacks
spricht Herr Dr. Bernheim den Wunsch
aus, die Pferdezucht für die Volksnahrung
zu betreiben, ähnlich der Rinderzucht,
die zu diesem Zweck besteht.
Graetz - Marburg: Der Einfluß des
künstlichen Pneumothorax auf
die tuberkulöse Lunge. (Beitr. z.
Klin. d. Tub., Bd. 10, Heft 3.)
Pathologisch - anatomische Unter-
suchung von 3 Fällen, aus der sich ergibt,
daß die Ruhigstellung der tuberkulösen
Lunge einen Stillstand des tuberkulösen
Prozesses bringt mit anschließender Aus-
heilung; diese letztere tritt in der Ab-
kapselung käsiger Herde und der Or-
ganisation pneumonischer Prozesse durch
Bindegewebe zutage. Die reaktive Binde-
544
gewebswucherung hat ihren Grund in
der Verlangsamung der Lymphzirkulation
und der dadurch bedingten verminderten
Resorption der Toxine. Die pneumonische,
stark progrediente Form der Lungen-
tuberkulose erscheint für die Kompressions-
behandlung weniger geeignet, als die
knötchenförmigen Prozesse. Ott.
V. Bücherbesprechungen.
Tuberculosis Vol VII, No. 10.
1. Andvord-Christiania: Uber die
Tuberkulose-Immunität. Eingehende sta-
tistische Mitteilungen, in Anlehnung an
v. Behrings Vorstellungen von der Tu-
berkuloseinfektion. 2. de Josselin de
Jong: Jahresbericht des Vereins zur Grün-
dung und zum Betrieb von Volksheil-
stätten für Lungenkranke in den Nieder-
landen. 3. M. Itala Cozzolino Cre-
mona-Neapel: L'action des Dames de
la Croix rouge allemande dans la lutte
contre la tuberculose, Vortrag auf dem
ital. DamenkongreB zu Rom, April 1908,
enthält eine eingehende Darstellung der
Tätigkeit der Deutschen Frauenvereine
vom Roten Kreuz auf dem Gebiet der
Tuberkulosebekämpfung. Verf. empfiehlt
für Italien eine ähnliche Organisation
und rückt in den Vordergrund die Aus-
bildung von Pflegerinnen und die Er-
richtung von Erholungsstätten.
F. Köhler (Holsterhausen).
Tuberculose, Organ des Niederlän-
dischen Zentralen Vereins zur
Bekämpfung der Tuberkulose.
(Jg. IV, Nr. 3.)
Außer einigen aus anderen Sprachen
übersetzten Abhandlungen enthält dieses
Heft einen Beitrag Donaths über die
Pflege Lungenkranker in eigener Woh-
nung. Verf. gibt eine Darstellung der
Forderungen, denen eine Behandlung zu
Hause entsprechen soll: ärztliche Auf-
sicht, hygienische Erziehung, von Stunde
bis Stunde genau vorgeschriebene, aber
keineswegs schablonenhafte Behandlung.
— Über die Bewohnung von Wohnungen
handelt ein Aufsatz von van Lanschot:
Reinlichkeit ist die Hauptsache, und da-
REFERATE.
ZEITSCHR. f.
= TUBERKULOSE
her ist auch bei möglichst guter Regelung
der Wohnungsfrage die Hilfe der Frau
unentbehrlich. Die Bewohnung guter
Wohnungen ist auch oft unzweckmäßig.
van Gorkom gibt eine Besprechung des
Fleischerschen Planes zur Errichtung
| von Kolonien oder Quartieren für Lungen-
kranke. Sandra berichtet über die Tuber-
kulosebekämpfung zu Norg (schon referiert).
Roest beschreibt, in welcher Weise der
Verein zur Bekämpfung der Tuberkulose
im Haag systematisch in der ganzen Stadt
Kontribuanten zu erhalten sucht. van
Gorkom erzählt, wie die Diamantarbeiter
in Amsterdam die bei der Arbeit benutzten
Kupferstile aufbewahren und nachher
verkaufen. Das Geld wird hauptsächlich
für die Pflege Lungenkranker benutzt.
Über die Arbeit der lokalen Vereine zur
Bekämpfung der Tuberkulose und über
die FortschrittederTuberkulosebekämpfung
im Auslande wird noch einiges berichtet,
während Haentjens seine Wünsche in
bezug auf eine rationelle Tuberkulose-
bekämpfung in der Weise zusammenfaßt,
daß die Tuberkulose einerseits durch
Bekämpfung der Ansteckungsgefahr, an-
dererseits durch Verbesserung der öko-
nomischen Verhältnisse angegriffen wer-
den soll. Vos (Hellendoorn).
Tuberculosis 1908, Vol. VII, Nr. 7.)
Enthält einen kurzen Bericht über
die V. Tuberkuloseärzteversammlung in
München, nebst Porträt des Prinzregenten
Luitpold von Bayern, einen Aufsatz
von Barbier und Boudon-Paris über
statistische Erhebungen über die Tuber-
kulosehäufigkeit bei Kindern in den Pa-
riser Hospitálern, aus dem hervorgeht,
daß in Pariser Krankenhäusern von
100 Kindern jährlich 43 an Tuberkulose
sterben, sowie eine Abhandlung von
F. Köhler über „die Dauererfolge der
Behandlung Lungentuberkulöser in den
deutschen Heilstätten“, in der nachge-
wiesen wird, daß man im Durchschnitt
wird annehmen können, daß nach 2 Jahren
nach der Heilstättenkur noch ca. 60%,
aller Behandelten sich einer vollen Arbeits-
fähigkeit erfreuen, nach 4 Jahren noch
ca. 55°/,. Angefügt ist ein Bericht von
Teleky über die Tuberkulosebekämpfung
in Österreich. Köhler (Holsterhausen).
Band XIII. Heft 6.
ZEITSCHRIFT FÜR TUBERKULOSE.
Boilage fúr Heilstátten und Wohlfahrtseinrichtungen.
INHALT: La lutte contre la tuberculose au Canada. Brehmer Rest. — Institution modèle de
prévention tuberculeuse. Par L. Fiedler 545. — Heilstättenwesen, Sanatorien und Fürsorgestellen
547. — Verschiedenes 552. —
La lutte contre la tuberculose au Canada.
Brehmer Rest — Institution modèle de prevention tuber-
culeuse.
Par
L. Fiedler.
an Amérique, en mission officielle du Gouvernement français pour y étudier
| E dans les diflérents milieux la lutte contre la tuberculose, voici pres de
eg trois mois déjà que les louables efforts tentés au Canada pour combattre
4 le fléau sont pour moi l'objet de constantes enquêtes et de nombreuses
visites dans les principaux Sanatoriums disséminés sur le vaste territoire du Do-
minion.
Beaucoup encore reste certainement à faire pour arriver à se rendre maitre
de cette peste blanche qui au Canada comme partout ailleurs et peut-être même
à un degré plus élevé, malgré l’appel constant du corps médical, ravage dans ses
forces vives toutes les classes de la société. Mais l'exemple donné par la belle
oeuvre du Dr. A. J. Richer, de Ste. Agathe des Monts, le Preventatorium de
Brehmer Rest, semble être la réelle indication de ce qu'il y aurait partout à établir
pour, avec succès, combattre la tuberculose et sûrement l’extirper du sol Canadien.
Aucune institution antituberculeuse, soit pendant les vingt derniers mois d'en-
quête aux Etats Unis, soit pendant ce présent voyage au Canada, ne m’a paru
aussi bien répondre que Brehmer Rest aux besoins de l'heure présente pour avec
efficacité lutter contre le péril tuberculeux.
En quoi consiste donc le péril tuberculeux, si ce n'est l’envahissement de Por-
ganisme affaibli par les bacilles de la tuberculose qui trouvent dans cet organisme
sans resistance un terrain propice à leur développement. Nul n'ignore aujourd’hui
que l’anemie est l’antichambre de la tuberculose, et que si les personnes débiles
ou convalescentes étaient soumises á un traitement preventif, elles ne deviendraient
point les victimes du mal qui fatalement les guette et les fait, faute de soins appro-
priés à leur état, grossir le nombre des phtisiques, dont les tables de mortalité
accusent des chiffres toujours croissants.
Ce traitement préventif serait cependant aisé à faire suivre si d'autres institutions,
semblables au „Preventatorium“ de Brehmer Rest s’etablissaient au Canada pour
donner aux prédisposés à la consomption, sous l'œil vigilant d'un médecin avisé,
avec une éducation antituberculeuse encore si généralement ignorée, de l'air, du
soleil, ainsi qu’une nourriture diatétique et réconfortante.
Jamais, cet axiome „tant vaut le médecin, tant vaut le Sanatorium“ me parut
aussi justifié qu'à l'examen de Brehmer Rest, ou dans tous les détails, dans toute
ambiance et dans la satisfaction heureuse des patients se lit l'influence exercée
par le „Trudeau du Canada“, le Dr. Richer, ce grand semeur de bonheur et de
compassion á ceux qui souffrent. =
Zeitschr. f, Tuberkulose, XIIL 36
546 BEILAGE.
ZEITSCHR. f.
Br zz E A
Bien que simplement établi, c'est-à-dire avec le minimum de frais pour le
maximum d’effets utiles et bienfaisants, le Preventatorium de Brehmer Rest est le
type accompli de l'institution populaire de lutte contre la tuberculose. Dans deux
pavillons séparés, situés sur les côteaux verdoyants d’une colline boisée d'arbres
résineux y sont reçus dans l’un les malades du sexe féminin et les enfants, dans
l’autre les malades du sexe masculin. Un troisième pavillon abrite cheval, voiture
et les communs.
Une propreté scrupuleuse et une netteté absolue règnent jusque dans les
moindres choses. | |
Tout le jour allongés ou assis sur la galerie de cure, les patients hument de
la sorte cet air vivifiant et oxygéné des Montagnes Laurentiennes à Ste. Agathe
qui bientôt purifie leurs poumons et vivifie leur organisme, si bien que quelques
mois suffisent pour leur permettre de se défendre contre la tuberculose.
Nulle expression mieux que celle de „Preventatorium“ donné à cet établisse-
ment par le célèbre Dr. et Professeur Knopf de New York, dont la réputation
est mondiale, ne peut mieux définir le rôle préventif de Brehmer Rest.
Le prix minime de 4 dollars par semaine rend Brehmer Rest accessible à
toutes les bourses, soit à celle des patients eux-mêmes, ou à celle de leurs géné-
reux bienfaiteurs.
Un Comité actif de dames avec une incessante sollicitude s’occupe de pour-
voir au fonctionnement de l'institution et de lui procurer les ressources budgétaires
nécessaires, la modique pension des patients de beaucoup n’en couvrant point
les frais.
Les soins dévoués du Dr. Richer donnés à titre gratuit, non seulement à
Brehmer Rest, mais aussi à son office de Montréal pour l'examen d'admission des
malades prouvent sa grande générosité.
Le système des pavillons n’abritant quun nombre restreint de patients, en
rend la surveillance étroite et la vie plus intime.
Combien différente est l'atmosphère familiale de Brehmer Rest, de ces im-
menses bâtiments hospitalisant un grand nombre de malades. L’on sent dans
Brehmer Rest un souffle de familiale et prévoyante bonté, qui sont bien les meil-
leurs adjuvents du traitement sanatorial et des soins médicaux dévoués, qui rendent
la force et la santé physique et morale à ceux qui ont le bonheur de s’y faire
soigner.
Instrument parfait de défense contre la tuberculose, le Préventatorium de
Brehmer Rest doit servir d'exemple non seulement au Canada, mais à tous les pays
du monde civilisé par son objet même, par son organisation simple et pratique,
l'esprit de bonté et la direction médicale et scientifique qui en font une institution
unique et modèle.
Pee
BD.XIL,HEFT 6,
1909.
BEILAGE.
547
HEILSTÄTTENWESEN,
SANATORIEN UND FÜRSORGESTELLEN.
Hamel: Deutsche Heilstätten für
Lungenkranke. (Geschichtliche und
statistische Mitteilungen IV mit 8 Tafeln.
Tuberkulosearbeiten aus dem Kaiserl.
Gesundheitsamte 1908, Berlin. Verlag
Julius Springer. 464 p. Preis 25 M.)
Der vorliegende umfangreiche Band
enthält in 9 Abhandlungen geschichtliche
und statistische Mitteilungen über die
Heilstätten Vogelsang, Cottbus, Engeltal,
Waldhof- Elgershausen, Dannenfels, Al-
brechthhaus, Brehmers Anstalt zu Gör-
bersdorf, das Sanatorium St. Blasien, so-
wie über einige summarisch behandelte
Anstalten. Aus der Zusammenfassung
hebe ich hervor, daß bei 12631 Pfleg-
lingen bei 47,3 °/, (41,1 °/,) Tuberkel-
bazillen gefunden wurden. 34,4 °/, ver-
loren die Tuberkelbazillen während der
Kur. Die einzelnen Heilstätten verhielten
sich hinsichtlich der Behandlungserfolge
recht verschieden, namentlich bezüglich
der Anzahl der Heilungen, welche zwi-
schen 2,7 (2,8) und 31,3 (40,4) %,
schwankte. Dieser Unterschied scheint
hauptsächlich auf die begreiflicherweise
differierende Auffassung vom Heilungs-
begriffe der Tuberkulose zurückgeführt
werden zu müssen. (Ref) Von 13070
Kranken verließen die Heilstätte als völlig
erwerbsfáhig für den alten Beruf 68°},
(71,5 °/,) völlig erwerbsfähig für einen
anderen Beruf 8,9 °/, (2,2 °/,), teilweise
erwerbsfähig 13,4 °/, (12°/,), nicht er-
werbsfähig 9,3%, (14 °/,), gestorben sind
0,4 lo (0,3 °/o)-
Die außerordentlich eingehenden,
mühevollen Erhebungen, die z. T. durch
übersichtliche Tabellen erläutert werden,
müssen im einzelnen im Original ein-
gesehen werden.
F. Köhler (Holsterhausen).
W. J. van Gorkom: De beteekenis der
volkssanatoria voorde bestrijding
der tuberculosealsvolksziekte. —
Die Bedeutung der Volksheilstätten für
die Bekämpfung der Tuberkulose als
Volkskrankheit. — Tuberculose (Hollän-
|
|
disch), Jahrg. IV. Nr. 3.
Ärzte.
Die Volksheilstätten sind in erster
Linie bestimmt für initiale Fälle, deren
Behandlung nicht zu viel Zeit und Geld
in Anspruch nimmt. Zwar wird die
Heilbarkeit der Tuberkulose allgemein
anerkannt, geheilt wird die Krankheit
jedenfalls nur unter gewissen Bedingungen.
Daß eine Krankheit, welche noch bis vor
kurzem als unheilbar galt, innerhalb drei
Monaten vollständig geheilt werde, ist
eine Utopie, und daher wird der Haupt-
wert der Behandlung gegenwärtig gelegt
auf die Wiederherstellung der Erwerbs-
fähigkeit. Würden alle Tuberkulösen in
den Volksheilstätten geheilt, so wäre vom
Standpunkt der Tuberkulosebekämpfung
noch wenig erreicht, denn es blieben die
Schwerkranken, die an offener Tuber-
kulose Leidenden, zu Hause um immer
wieder Gesunde anzustecken. Außerdem
werden in den Volksheilstätten weder alle
Kranken wieder erwerbsfähig, noch bleiben
die erwerbsfähig Entlassenen dauernd zum
Arbeiten imstande. In den späteren
Stadien, wo eben die Krankheit am meisten
kontagiös ist, lebt der Kranke doch in
der Familie, und seine für die Prophy-
laxe dann nötige Erziehung wird von der
Auskunfts- und Fürsorgestelle mit gutem
Erfolg übernommen. Der Verf. meint,
es sei der Wert der Volksheilstätten für
die Bekämpfung der Tuberkulose als
Volkskrankheit nicht hoch anzuschlagen.
Die Errichtung einer großen Zahl Tuber-
kulosekrankenhäuser sei unbedingt not-
wendig. Vos (Hellendoorn).
Anhang für
Sanatoria for Consumption and certain
other aspects of the Tuberculosis
question. (London 1908, Darling
& Son, 670 p.)
Ein amtlicher Bericht des Local
Government Board für die Jahre 1905
bis 1906 über die englischen Sanatorien
und Heilstätten für Tuberkulöse, deren
Einrichtung und sonstige Verhältnisse,
Heilverfahren, Leistungen etc. Ein be-
36*
Së — ae
sonderer Abschnitt enthält Betrachtungen
über die Zweckmäßigkeit und die Form
der Anzeigepflicht. Der letzte Teil des
umfangreichen Buches ist ganz einer ver-
gleichenden Darlegung der Verhältnisse
in Deutschland gewidmet: Verbreitung
der Tuberkulose in unserem Lande (mit
Karte), Einfluß der Arbeiterversicherung
auf die Bekämpfung der Tuberkulose (mit
einer Karte über die Verteilung der Sana-
torien im Deutschen Reich), die Erfolge
der Anstaltbehandlung in Deutschland
(mit mehreren Karten und Tafeln). Die
Engländer, denen man praktischen Sinn
nicht absprechen kann, betrachten unser
Heilstättenwesen und was damit zu-
sammenhängt ohne Frage mit großer
Achtung und viel Verständnis. Es ist
ein gewisser Gegensatz zu den mablosen
und teilweise schwer begreiflichen An-
griffen, die unsere Heilstätten in den
letzten Jahren im eigenen Lande erfahren
haben. Mag auch manches der Ände-
rung und Besserung bedürftig sein, so
sollte man doch nicht vergessen, daß wir
in den Heilstätten und verwandten Ein-
richtungen eine Basis zur Bekämpfung
der Tuberkulose besitzen, um die andere
Völker uns beneiden. Die Engländer
stehen übrigens den Sanatorien nicht bloß
theoretisch wohlwollend gegenüber: aus
dem Buche ergibt sich, daß zurzeit in
England und Wales 94 Sanatorien für
Tuberkulöse bestehen, davon 29 private
und 65 öffentliche. Sie sind meist
kleiner als die unserigen, doch haben
1 Oenglische Sanatorien mehrals 100 Betten;
an der Spitze steht das bekannte Bromp-
ton Hospital zu London mit 319 Betten.
Die Gesamtzahl der Betten beträgt nahe-
zu 4000. Meißen (Hohenhonnef).
E. Becker - Charlottenburg: Amtliche
Fürsorgestellen fürLungenkranke.
(Med. Ref. 1908, Nr. 37.)
Becker wünscht amtlichen Charakter
für die gegenwärtigen Fürsorgestellen, sie
sind in den Städten den kommunalen
Behörden, auf dem Lande den Kreis-
behörden anzugliedern. Diese Einrichtung
soll die privaten Fürsorgestellen nicht aus-
schließen, beide zusammen sollen in
engem Zusammenhang stehen.
F. Köhler (Holsterhausen).
BEILAGE.
ZEITSCHR. f.
__ TUBERKULOSE
Sanatorium Populaire pour Tuber-
culeux à Borgoumont. (Liège 1908,
Imp. M. Thone.)
Jahresbericht des leitenden Arztes
von Beneden, nach Art der Berichte
unserer Volksheilstätten. Die Resultate
scheinen recht günstig: Etwa °/, der auf-
genommenen Kranken haben ihre Arbeits-
fähigkeit und Gesundheit 3—4 Jahre
nach der Rückkehr in den Beruf sich
erhalten. Die Kranken werden dem
Sanatorium von den Fürsorgestellen
(dispensaires) überwiesen, was gewiß prak-
tisch ist. Das Sanatorium ist von der
Provinz Lüttich gegründet worden.
Meissen (Hohenhonnef).
Comtess of Aberdeen: Irelands Cru-
sade against Tuberculosis. (Dublin
1908, Mamsel € Co., 177 p.)
Die Gräfin Aberdeen ist die Vor-
sitzende der Women's National Health
Association of Ireland, welcher Verein
1907 eine Tuberkuloseausstellung zu
Dublin veranstaltet hatte. Die bei dieser
Gelcgenheit gchaltenen Vorträge über
alle Gebiete der Tuberkulosebekämpfung
bilden den Inhalt des Buches. Sie sind
zum Teil sehr gut und nehmen vielfach
auf unsere deutschen Verhältnisse Bezug;
sie werden hoffentlich den Bestrebungen
förderlich sein: Irland gehört zu den von
Tuberkulose ziemlich stark befallenen
Ländern. Meißen (Hohenhonnef).
Jahresberichte.
Jahresbericht des Vereins „Sophia-
Stiftung“ zu Haag 1907.
Der Verein, der schon 29 Jahre
besteht, beabsichtigt die Pflege schwacher
Kinder, insbesondere solcher, die an
Skrofulose und Tuberkulose leiden, in
einer am Meeresufer zu Scheveningen
gelegenen Anstalt. Dem ärztlichen Be-
richte (Dr. C. M. Mol) entnehmen wir
folgendes:
Aufgenommen wurden 208 Kinder
(97 Knaben und 111 Mädchen); im
ganzen wurden 254 Kinder behandelt
(116 Knaben und 138 Mädchen). Die
BD.XIII,HEFT 6.
1909.
Zahl der Pflegetage hat 24 355 betragen.
Es wurden 102 Seebáder und 2974
Meerwasserbáder innerhalb der Anstalt
gegeben. Die geringe Zahl der Seebäder
findet' ihren Grund in der groBen Zahl
der tuberkulósen Kinder; fúr dieselben
erscheint diese Behandlungsmethode oft
ungeeignet.
Prophylaktisch wurden aufgenommen
46 Patienten, und zwar litten 39 an
Skrofulose, 6 an Anämie, I an Malaria.
Die Erfolge waren: Viel gebessert 25,
gebessert 19, nicht gebessert 1. Die
Gewichtszunahme war sehr befriedigend.
Eine zweite Gruppe umfaßt 7 Kin-
der (Skoliose, Chondrodystrophie, Herz-
erkrankung etc. etc... Bchandlungserfolg
günstig.
Die dritte Gruppe umfaßt haupt-
sächlich die Tuberkulose (197 Fälle, und
zwar 77 Knaben und ı2ı Mädchen).
Auf die meisten dieser Fälle hat das
Seeklima einen entschieden günstigen
Einfluß gehabt. Ein Kind, das an Spon-
dylitis erkrankt war, erlag an Rippen-
sarkom. Vos (Hellendoorn).
IL Jahresbericht des Vereins zur
Bekämpfung der Tuberkulose zu
' Norg (Holland).
In der ländlichen Gemeinde Norg
hat der dort wohnende Arzt Dr. Sandra
einen Verein errichtet, der vor allem be-
absichtigt, die Kranken aus ihren kleinen,
meist aus einem Zimmer bestehenden
Wohnungen ins Freie zu bringen, und
damit einerseits den Patienten Hilfe zu
leisten, andererseits die Ansteckungsgefahr
für die Umgebung zu vermeiden. Es
werden die Kranken in ganz einfache
Liegezelte untergebracht und zeitweise
von der Krankenschwester besucht und
beaufsichtigt. Ein Patient hat zur Be-
handlung seines Lupus mittels Finsen-
lichtes Unterstützung bekommen. Woh-
nungen sind desinfiziert worden, Pflege-
material (Liegesessel, Sputumgefäß, Ther-
mometer) wird den Kranken leihweise
zur Verfügung gestellt. Der Verein wird
von der Gemeinde und vom Reiche
unterstützt, und ist in den Verband der
Niederländischen zentralen Vereinigung
zur Bekämpfung der Tuberkulose auf-
genommen. Der Jahresbericht ist ein
BEILAGE.
e.
Beweis dafúr, daB mit gutem Willen auch
auf dem Lande eine erfolgreiche Tuber-
kulosebekämpfung moglich ist.
Vos (Hellendoorn).
Dritter Jahresbericht des Vereins zur
Bekämpfung der Tuberkulose im
Haag. (Sekretär Dr. van Gorkom.)
Es waren im Anfange des Berichts-
jahres 167 Patienten in Beobachtung;
im Laufe des Jahres haben sich noch
434 Kranke bei der Auskunfts- und
Fürsorgestelle angemeldet. Die sich mel-
denden Kranken bedürfen jetzt nicht
mehr der Einfúhrung des Hausarztes,
sondern es wird die Anmeldung des Pa-
tienten einfach zur Kenntnis des Haus-
arztes gebracht, so daß dieser weiß, daß
der Verein im Hause des Kranken alle
nötigen VorsichtsmaBregeln zu nehmen
beabsichtigt, allerdings nur dann, wenn
der Arzt dagegen keine Beschwerden hat.
Die Behandlung der Kranken bleibt
dem Hausarzte überlassen. Nötigenfalls
werden die Patienten der Tuberkulose-
poliklinik überwiesen, welche übrigens
von der Fürsorgestelle durchaus unab-
hängig ist.
Die Hilfe, vom Verein geboten, be-
steht in erster Linie in hygienischer Auf-
sicht in der Wohnung des Kranken;
sodann wurden 140 Spucknäpfe und
107 Liegesessel zur Verfügung gestellt;
142 mal wurden Nahrungsmittel, 32 mal
Geld geschenkt. Es wurden 42 Ther-
mometer verabreicht; 81 mal wurde die
Wohnung, 82 mal die Bettwäsche oder
die Kleider desinfiziert, 223 Sputum-
untersuchungen wurden angestellt; 7 Pa-
tienten durch Vermittelung des Vorstandes
unentgeltlich in Heilstätten, 57 Kinder
in Ferienkolonien untergebracht. Ver-
storben sind 48 Kranke. Von 177 Über-
lebenden wird berichtet, daß bei 44 der
Zustand sich verschlimmert hat, bei 48
unverändert geblieben war, bei 85 sich
gebessert hat. Von den Kranken, die
sich am 1. November 1905 im III. Sta-
dium Turbans befanden, war am 1. No-
vember 1907 keiner mehr in Beobachtung.
Von den im Berichtsjahre in der Stadt
Haag verstorbenen waren nur 16°/, bei
der Fürsorgestelle eingeschrieben; es
bleibt also noch viel zu tun übrig, auch
359 `
BEILAGE.
ZEITSCHR. t.
TUBER XULOSE
verfügt der Verein noch nicht über ge-
nügende Mittel, um alle nötige und er-
wünschte Hilfe zu leisten. Dem Kontroll-
beamten des Vereins wurden zur hygie-
nischen Erziehung der Angehörigen Tu-
berkulöser 39 Damen zur Seite gestellt,
nachdem dieselben einen vom Sekretär
Dr. van Gorkom abgehaltenen Kursus
über die Bekämpfung der Tuberkulose
absolviert hatten.
Für die Freiluftbehandlung ist jetzt
eine Tageserholungsstätte mit einer dreh-
baren Liegehalle für 12 Patienten errichtet.
Einfache Schlafräume für 12 Personen
werden geplant, so daß die Patienten
dann wenigstens während des ersten
Monats der Kur auch über Nacht in
der Erholungsstätte bleiben können. —
Es sollen die Erholungsstätten nicht nur
den Patienten, sondern auch den Ange-
hörigen nützen, weil sie den Mittelpunkt
der praktischen Hygiene bilden. — Ge-
klagt wird über den Mangel an Gelegen-
heit zur Pflege weit vorgeschrittener
Tuberkulóser: die Errichtung eines Tu-
berkulosekrankenhauses ist dringend er-
wünscht. — Nach dem Beispiele des
Utrechter Vereins ist die durchschnittliche
Krankheitsdauer der an Tuberkulose Ver-
storbenen bestimmt worden. Dieselbe
hat 3,25 Jahre betragen, und zwar für
Männer 3,75, für Frauen 2,67 Jahre. —
Über 21 Patienten aus früheren Jahren
wird berichtet, daß sie zum größten Teil
erwerbsfähig sind. In der Tageserholungs-
stätte sind 14 Patienten behandelt worden
(erst am Ende des Berichtsjahres ge-
öffnet). Vos (Hellendoom).
Fünfter Jahresbericht des Vereins zur
“ Bekämpfung der Tuberkulose zu
Rotterdam.
Es haben sich im Jahre 1907 547
Kranke zum ersten Male an der Aus-
kunfts- und Fürsorgestelle gemeldet, und
639 aus früheren Jahren, zusammen
1186 Patienten. Es wurden 233 Spu-
tumgefäße verabreicht; 132 Kranke be-
kamen Milch; 78 Liegesessel etc.; 30 Geld
zur Hausmiete; 67 Unterstützung in Form
von Nahrungsmitteln. Die Kranken wurden
.zu Hause besucht vom Kontrolleur, dem
5 Damen zur Seite stehen. In den
Liegehallen des Vereins haben 30 Männer
und 50 Frauen eine Liegekur gemacht;
die Resultate sind erfreuliche. $
Die Behandlung der Kranken bleibt
zwar dem Hausarzte überlassen, aber es
wird doch in geeigneten Fällen Tuber-
kulin angewandt bei den Patienten, welche
von ihrem Hausarzte zu diesem Zwecke
der Fürsorgestelle überwiesen werden.
Wohnungsdesinfektion wurde in 104 Fällen
ausgeführt. Der Bau des Kinderhospizes
zu Katwijk aan Zee war am Ende des
Berichtsjahres noch nicht vollendet.
Vos (Hellendoorn).
Dritter Jahresbericht des Vereins zur
Bekämpfung der Tuberkulose zu
Leiden.
Die wichtigste Arbeit des Vereins
war die Ausgabe eines Büchleins, ge-
schrieben von der Hausbesucherin Fräu-
lein Sparnaay, „Aus dem Leben Tuber-
kulöser und ihrer Familien“. Diese Aus-
gabe hat in weiten Kreisen die Aufmerk-
samkeit gezogen. An der Auskunfts-
ı und Fürsorgestelle haben sich eine Anzahl
Kranke gemeldet; bei 126 war Tuberkulose
nachweisbar. Der Verein hält seinen
Standpunkt fest, daB das Ziel einer
seinerseits gegebenen Unterstützung nur
sein darf: die Umgebung der Kranken
zu schützen. Die Lehre der Kontagiosität
wird allgemein verbreitet. Sputumgefäße,
Taschentücher, Liegesessel und Geld
wurden verabreicht. — Wer aus Erfahrung
weiß, wie schwer Eheleute sich entschließen
getrennt zu schlafen, wird zugeben, dab
der Verein Grund hat, stolz darauf zu
sein, daB */, seiner Pfleglinge allein
schlafen. Vos (Hellendoorn).
Jahresbericht des Amsterdamer Ver-
eins zur Bekimpfung der Tuber-
kulose. (1907.) ,
Der Verein steht auf dem Stand-
punkt, daß die Bekämpfung der Tuber-
kulose mit der Behandlung des kranken
Individuums anfangen muß; die Früh-
diagnose ist von größter Bedeutung. An
offener Tuberkulose leidende Kranke
werden zu Hause besucht und von hy-
gienischen Maßnahmen umgeben. Bei
der Fürsorgestelle ` wurden 981 neue
Patienten eingeschrieben. Liegesessel,
Waschkessel, SputumgefäBe wurden zur
BD.XITI,HEFT 6.
1909.
Verfügung gestellt; Milch wurde verab-
reicht. Es haben 30 Familien eine bessere
Wohnung bekommen, obwohl der Verein
selber nicht imstande war dafür Unter-
stútzung zu geben. In eine Heilstätte
wurden 72 Kranke geschickt, während
182 Kindern ein Aufenthalt auf dem
Lande ermöglicht wurde. Das Geld dafür
wurde meist von Privatpersonen geschenkt.
Die Arbeit des Vereins ist in beständigem
Wachstum begriffen.
Vos (Hellendoorn).
Dritter Jahresbericht des Vereins zur
Bekämpfung der Tuberkulose zu
Arnheim.
Bei der Fürsorgestelle haben sich
im Berichtsjahre 55 Patienten angemeldet;
es starben 9 Kranke. — Sputumflacons,
Thermometer und Liegesessel sind leih-
weise zur Verfügung gestellt. Geld zur
Hausmiete und Nahrungsmittel wurden
verabreicht. Desinfektion von Kleidern,
Bettwäsche und Wohnungen wurde in
einigen Fällen vorgenommen. Die Be-
handlung der Kranken bleibt dem Haus-
arzte überlassen. Vos (Hellendoorn).
Zweiter Jahresbericht des Vereins zur
Bekämpfung der Tuberkulose zu
Nijmegen.
Es haben sich bei der Auskunfts-
und Fürsorgestelle 112 Personen ange-
meldet, von denen 59 keine nachweisbare
Tuberkulose hatten. Mehreren Kranken
wurde Milch verabreicht, Wohnungen
wurden desinfiziert und Hilfsmittel zur
Krankenpflege gekauft. Einigen Patienten
wurde der Aufenthalt auf dem Lande
bezw. am Meeresufer ermöglicht.
Vos (Hellendoorn).
Erster Jahresbericht des Vereins zur
Bekämpfung der Tuberkulose zu
Zwolle.
Die Fürsorgestelle des Vereins ist
eben geöffnet, es hat also die Arbeit
noch kaum angefangen, trotzdem hatten
sich schon in den ersten Tagen 30 Pa-
tienten angemeldet. Vos(Hellendoorn).
C. C. Delprat: Het Vejlefjord-Sana-
torium en iets over de behande-
ling met kunstmatigen pneumo-
BEILAGE.
EIA
thorax. — Das Vejlefjord-Sanatorium
und einiges über die Behandlung mittels
künstlichem Pneumothorax. (Ned. Tijd-
schr. v. Geneeskunde 11, Nr. 11, 1908.)
Nach einer Beschreibung des Vej-
lefjord-Sanatoriums gibt Verf. eine kurz-
gefaßte Darstellung der dort üblichen
Weise der Anlegung eines künstlichen
Pneumothorax durch Einführung eines
dünnen Troikarts: es wurden bei einigen
Patienten 500ccm Stickstoff eingeblasen,
und das Wohlbefinden der Kranken war
dabei in keiner Weise gestört. — Nach-
her hat der Verf. das Oeresund-Hospital
zu Kopenhagen besucht, wo Würtzen
die Punktion mit der von ihm empfohlenen
Hohinadel mit seitlicher Öffnung aus-
führte. — Obwohl Verf. ein sicheres Urteil
über die Methode auszusprechen nicht
wagt, hält er doch die Mitteilungen Saug-
mans für wichtig und wirft die Frage
auf, ob nicht die Methode des künst-
lichen Pneumothorax auch bei der putriden
Bronchitis und bei den bronchiektatischen
Kavernen anzuwenden wäre.
Vos (Hellendoorn).
Vierter Jahresbericht des Vereins zur
Bekämpfung der Tuberkulose zu
Haarlem.
Für die Auskunfts- und Fürsorge-
stelle hat man jetzt einen einzigen Arzt
angestellt. Der Verein hat, zusammen
mit anderen, den Nord-Holländischen
Verein zur Bekämpfung der Tuberkulose
errichtet, der die Organisation der Tuber-
kulosebekämpfung in der Provinz Nord-
Holland beabsichtigt. Es haben sich bei
der Fürsorgestelle 109 neue Patienten
angemeldet, ausfrüheren Berichtsjahren 7 3,
zusammen 182; 19 Kranke sind ver-
storben. Von 37 männlichen Patienten
waren 50°/, an Tuberkulose erkrankt, von
46 Frauen 63°/,, von 20 Kindern 55 °/,.
Die Hilfeleistung seitens des Vereins hat
in der Verabreichung von Milch und in
der Ausgabe von Liegesesseln, Speigefäßen
und Thermometern bestanden; es wird aber
danach gestrebt, die Hilfeleistung in Form
von Verabreichung irgendwelcher Nah-
rungsmittel so viel wie möglich einzu-
schränken. Selbstverständlich werden die
Kranken in ihren Häusern besucht; es
bleibt die hygienische Erziehung immer
ZEITSCHR. f.
552. BEILAGE. : __ -TOBERKULOSE
eine Hauptaufgabe — In der Tages- | in vielen Fällen aber sei von einem
erholungsstátte wurden 33 Kranke auf-
genommen. Vos (Hellendoorn).
Jahresbericht 1907, Amsterdamsch
Sanatorium Hoog-Laren. Dirig.
- Arzt Dr. Terpstra.
Das Berichtsjahr hat mit 51 Patienten
angefangen. Aufgenommen wurden 134,
entlassen 132 Kranke, so daB am Ende
des Jahres 53 Patienten in Behandlung
waren. Die Kur hat im Durchschnitt
148 Tage gedauert; 2 Kranke sind in
der Anstalt gestorben. Es wurden fast
nurPatienten aus Amsterdam aufgenommen;
nur 8 waren in anderen Teilen des Lan-
des wohnhaft. Von den 1 34 aufgenommenen
Patienten gehörten 59 dem I., 57 dem II,
ı8 dem III. Stadium Turbans an. —
Die Freiluftliegekur war auch bei größter
Kälte bis abends TI. o Uhr möglich; die
Anstalt hat jetzt 5 drehbare Liegehallen.
Es wurden etwa 40 Kranke mit Denys
Tuberkulin behandelt; Terpstra meint,
es sei vielleicht ein günstiger Einfluß in
gewissen Fällen nicht ganz ausgeschlossen,
günstigen Erfolg nicht nur nichts zu sehen,
sondern es könne eben bei vorsichtigster
Behandlung der Kranke geschädigt wer-
den. Es sei die Tuberkulinbehandlung
noch keineswegs aus dem Stadium des
Experimentes ausgetreten und es bestehe
jedenfalls kein Grund für Tuberkulin-
Enthusiasmus.
Das Körpergewicht der Kranken
hat durchschnittlich um 6,6 kgzugenommen.
Von 85 Fällen mit positivem Bazillen-
befund haben 32 ihre Bazillen verloren.
Wahrend von 68 fiebernden Kranken
44 fieberfrei geworden sind, war der
Einfluß kleinster Dosen Tuberkulins auf
das Fieber völlig negativ.
Ein positiver Behandlungserfolg wurde
erreicht: bei Stadium I in 98°/,, Sta-
dium II in 74%/,, Stadium III in 37%,
der Fälle. Von 60 Kranken in Stadium I
wurden 48 voll erwerbsfähig entlassen;
von 54 Kranken in Stadium II: 14, von
16 in Stadium III: o; teilweise erwerbs-
fähig: resp. 12, 32 und 6 Patienten.
Vos (Hellendoorn).
VERSCHIEDENES.
P. Videbech: En transportabel Kur-
hytte til Friluftkur. (Hosp. Tid.
1907, Nr. 20.)
Zur Luftkur in der Privatpraxis ge-
eignet. Bequem und billig.
Chr. Saugman (Vejlefjord).
Bráutigam: Zur Frage der Heil-
státtenbehandlung und der An-
zeigen für dieselbe. (Münch. med.
Wehschr. 1908, Nr. 32.)
Polemik gegen Frankenburger-
Nürnberg, der hauptsächlich die II. Sta-
dien den Heilstátten, die I. Stadien den
Walderholungsstátten zugewiesen wissen
will. F. Köhler (Holsterhausen).
Schultze - Hamburg-Großborstel: Kran-
kenhausbüchereien. (Arch. f. Volks-
wohlfahrt, Jg. 1, Heft 12.)
Auch die Leiter von Lungenheil-
stätten haben wohl ein besonderes Inter-
esse daran zu erfahren, daß die Deutsche
Dichter - Gedächtnisstiftung in Hamburg-
Großborstel beschlossen hat, eine beson-
dere Abteilung für Krankenhausbüchereien
zu errichten, in der vor allem Ärzte und
die Leiter der großen Krankenhausver-
waltungen vertreten sein sollen. Der
Ausschuß will erst ein Verzeichnis der
für Krankenhäuser geeigneten Bücher auf-
stellen und später, wenn genügende Mlittel
vorhanden sind, den Krankenhäusern
kleine oder größere Bibliotheken zur Ver-
fügung stellen und zwar, wo erforder-
lich, umsonst, sonst gegen Erstattung eines
Teiles der Kosten. Ott.
Druck von Metzger & Wittig in Leipzig,
ét
s.m.
In
.
IT.
111.
IV.
VI.
VII
VIII
1X.
XI.
XII.
XIII,
XIV.
XV.
XVI.
XVII.
XVIII.
Inhaltsverzeichnis des
XIII. Bandes.
Originalarbeiten.
. Über Opsonine und deren Verwertbarkeit in der Diagnose, Prognose und Therapie
der Tuberkulose., [Veröffentlichung des haupt- und residenzstädtischen Bakteriol.
Institutes in Budapest (Direktor: Dr. Bernhard Vas, Privatdozent) u. der VIII. ärzt-
lichen Abteilung des St. Stefansspitales in Budapest (Primarius: Privatdozent Dr.
Géza v. Dieballa.)} Von Dr. Johann v. Szabóky, emer. Assistent an der Univ.-
Klinik in Budapest, derzeit Kurarzt in Gleichenberg. .
Der Einflub der deutschen Meere (Ost- und Nordsee) auf die Tuberkulose der
oberen Luftwege. Vortrag, gehalten auf d I. Internationalen Laryngo-Rhinologen-
kongreß zu Wien. Von San.-Rat Dr. A. Hennig, Königsberg i. Pr.. . . . .
Eine Untersuchung über die Infektiosität der Kleider Lungenschwindsúchtiger. (Aus
dem Pathologischen Institute, Upsala. Direktor: Prof. Dr. U. Quensel.) Von Dr.
Ragnar Friberger, Dozent an der Universität zu Upsala . RN
Heilstáttenerfolge und ihre Kritik. (Aus der Hcilstátte Friedrichsheim. Direktor
Dr. Curschmann.) Von Kurt von Holten. . . `
. Literatur. Zusammengestellt von Prof. Dr. Otto Hamann, Bibliothekar an der
Königl. Bibliothek in Berlin. : a u er ee
Blutuntersuchungen auf Tuberkulose- Immunkörper. II. (Aus dem bakteriologischen
Laboratorium der Stadt Köln, Dir. Dr. Czaplewski.) Von Dr. Paul Bermbach,
prakt. Arzt in Köln .
Das Tuberkuloseserum Marmorek.
Holsterhausen-Werden bei Essen, Ruhr . e
Das Antituberkuloseserum Marmorek. Seine praktischen Erfolge während e jähriger
Anwendung. Bearbeitet an Hand der gesamten bisher erschienenen Literatur.
Von Dr. med. Hermann Frey, Davos, Spezialarzt f. Lungen- u. Nervenkrankheiten
Klinische Untersuchungen über das antituberkulöse Serum von Marmorek. (Aus
der Abteilung für innere Krankheiten im Hospital zum heiligen Geist, Warschau.)
Von Dr. med. A. Sokotowski, Primararzt und Dr. med. B. Dembinski,
Assistenzarzt . . .
Von Chefarzt Dr. F. Köhler, Heilstätte
. Blutuntersuchungen auf Tuberkulose. „Immunkörper. m. (Aus dem bakteriolo-
gischen Laboratorium der Stadt Kôln, Dir, Dr. Czaplewski.) Von Dr. Paul
Bermbach, prakt. Arzt in Köln . . 2 . Eon or . we . . . +. 0.
Tuberkulinproben und Tuberkulinkuren. (Aus der Heilanstalt Hohenhonnef.) Von
San.-Rat Dr. med. E. Meißen, leitendem Arzte . Bear a howe Ady wate al. Zë
Uber konstitutionelle Ursachen zu Lungenblutungen. (Mitteilung aus dem Boserup
Sanatorium zu Kopenhagen, Dänemark.) Von N.J. Strandgaard, Chefarzt
Tuberkulinverdauung. Von Dr, Krause, Hannover, Spezialarzt fiir Lungen- und
Halsleiden in Súlzhayn A pe D A ee E LE E A De
Prognosis and Treatment of Tuberculous “Laryngitis; an Analysis of Sixty-one
Cases Treated at the Pottenger Sanatorium for Diseases of the Lungs and Throat.
Read before the California State Medical Society, at a meeting held at Coronado,
Cal., April 21—23, 1908, By F. M. Pottenger, A.M., M.D., Monrovia, Cal,
Medical Director of the Pottenger Sanatorium for Diseases of the Lungs and Throat
Über das Tuberculinum purum. Von Dr. J. Gabrilowitch, Chefarzt in Halila .
Literatur. Zusammengestellt von Prof. Dr. Otto Hamann, Bibliothekar der Kôünigl.
Bibliothek in Berlin BE a N A BE E
Heilstättenerfolge und ihre Kritik, Bemerkungen von Dr. A. un
Nürnberg ‘ ve Aes. à
Antwort auf vorstehende "Bemerkungen des Herrn Dr. Fränkänbureer. “Von Dr.
Kevon Betteng, a s te. ee a Ge ee Ce E eo A da Eë
Seite
25
37
57
68
97
104
142
193
199
209
226
234
230
243
244
IV
XIX.
XX.
XXI
X XII
XXIII.
XXIV.
XXV.
XXVI.
XXVII.
XXVIII.
XXIX.
XXX.
XXXI.
XXXI.
XXXIII.
XXXIV.
XXXV.
XXXVI.
XXXVII.
XXXVIII.
XXXIX.
INHALTSVERZEICHNIS.
How to adapt sanatorium methods to treatment of consumptives at their homes.
ByS. Adolphus Knopf, M.D., New York, Professor of Phthisio-therapy at the New
York Post-Graduate Medical School and Hospital; Associate Director of the
Clinics for Pulmonary Diseases of the Health Department; Visiting Physician to
the Riverside Sanatorium for Consumptives of the City of New York, etc. .
Physikalische Behandlung der Lungentuberkulose durch Hyperämie, Lymphstrom-
beförderung usw. vermittels der Lungen-Saugmaske. Referat, gehalten in der
5. Versammlung der ie München 1908, von Stabsarzt Dr. E. Kuhn,
Berlin. (Mit 2 Tafeln) . . .
Kritische Abhandlung zur Theorie : u, Praxis der Ophthalmoreaktion nebst Literatur.
verzeichnis bis I. September 1908. Von Chefarzt Dr. F. Köhler, Heilstätte
Holsterhausen-Werden bei Essen, Ruhr . . . . nn + 2 2 . ee
Über die v. Pirquet-Detresche Kutanreaktion. (Aus dem städtischen Kranken-
haus Heiliger Johann zu Budapest.) Von Franz von Gebhardt, Primarius
Valeur thérapeutique des tuberculines, par MM. les Drs. Samuel Bernheim,
President de l’CEuvre de la Tuberculose Humaine et P. Barbier, Médecin du Dis-
pensaire des Employés des Postes, Télégraphes et Téléphones :
Ein mechanisches Hilfsmittel zur Bewertung der Pirquetschen Reaktion,
Dr. med. P. Bermbach, Köln .
A Theoretical Objection to the Employment of the Wolff- Eisner - Calmette Oph-
thalmo-Reaction for Tuberculosis, By F. Parkes Weber, M.D., F.R.C.P., Senior
Physician to the German Hospital, London, and Physician to the Mount-Vernon
Hospital for Chest Diseases, Hampstead i 2
Kochs Standpunkt in der Frage nach den Beziehungen zwischen ‘Menschen- und
Rindertuberkulose. (Kongreß in Washington 1908.) yo
Fürsorge für die vorgeschrittenen Fälle von Tuberkulose. Referat erstattet aif der
Internationalen Tuberkulosekonferenz in une > ap E Von Prof.
von Leube, Würzburg. . .
Der Internationale Tuberkulosekongreß | in Washington vom 21. September bis
12, Oktober 1908. Von Prof. Dr. med. S. A. Knopf, Neuyork, Direktor d. Klinik
fúr Lungenkranke der Stadt Neuyork; Primararzt des Stádtischen Sanatoriums fúr
Schwindsüchtige ;
Rezidivierende tuberkulöse Polyarthritis. (Tuberkulëser Gelenkrheumatismus). (Aus
dem Küstenhospital Refsnäs, Dänemark, Chefarzt: Prof. Dr. V. Schepelern.) Von
K. Schaffer, Assistenzarzt. . . be d ët age E rer A
Die Abkürzung der Kurdauer bei Lungenkranken. ‘Vou Landesrat Dr. Althoff,
Vorsitzender der Landesversicherungsanstalt Westfalen . ; b +
Die Unterbringung Schwerkranker und der § 25 der Invalidenversicherung. (Ver.
sammlung südd. Lungenheilanstaltsárzte in Frankfurt a. M., 10—12. Okt. 1908.)
Von Dr. E, Rumpf, Ebersteinburg bei Baden-Baden: . .
Über ein äußeres Symptom der Lungentuberkulose, (Aus der Spezialklinik für die
Lungentuberkulose der medizinischen Akademie zu Osaka, Japan; Direktor Prof.
A. Sata.) Von Teesi Kurashige :
Ein Fall von kongenitaler Tuberkulose,
medizinischen Hochschule zu Osaka, Japan.
W.Honjio. . d e
Über den Einfluß von “Verdauungsfermenten auf Tuberkulin, “IL Mitteilung. (Aus
der Heilstátte Hôrgas in Steiermark.) Von Prof, Dr. Th. Pfeiffer und Dr.
Hy Leweck = a 4, c e :
Weitere Beobachtungen über die Behandlung v von "Lungentuberkulösen mit Mar-
moreks Serum. (Aus der Heilstätte Hörgas in Steiermark.) Von Prof. Dr.
Th. Pfeiffer und Dr. H. Trunk .
Die Bedeutung der lokalen Tuberkulinreaktionen für die Heilstattenfrage.
Dr. A. Wolff-Eisner, Berlin, Arzt fiir innere und Lungenkrankheiten
Uber die Calmettesche ’ Ophthalmoreaktion. (Aus der internen Abteilung des
St. Stephanshospitales in Budapest. (Primarius: Doz, Géza v. Dieballa.) Von
Dr. Joh. v. Szabóky, Kurarzt in Sasa emerit, Assistent der Budapester
Universität . . .
Über neue Medikamente und Nährmittel für die "Behandlung der Tuberkulose.
Von Dr. med. G. Schröder, leit. Arzt der neuen Heilanstalt für Lungenkranke
in Schömberg, O.-A. Neuenbürg . 7
Literatur. Zusammengestellt von Prof, Dr. ‘Otto Hamani Bibliothekar der
Konig). Bibliothek in Berlin . . . . . . . . . . . . . . .
Von
(Aus dem pathologischen Institut der
Direktor: Prof, A. Sata.) Von Dr.
Von
Nachruf für Friedrich Althoff, Ministerialdirektor, Wirklicher Geheimer Rat
ZEITSCHR. £.
TUBERKULOSE
Seite
281
309
326
345
356
369
370
372
396
403
420
429
431
439
465
471
487
503
509
BD.XIII,HEFT6.
Au NAMENREGISTER. v
Namenregister.
Originalarbeiten sind durch fettgedruckte Seitenzahlen bezeichnet.
Allaria, G. B. 531.
Althoff 420.
Althoff 377.
van Amstel, Ploos, de Bruinc,
B. J. 446.
Arloing, F. 461.
Armaingand 246.
Ascher 542.
Ascher, L. 457, 458.
Aufrecht 184, 530.
Autokratow, F. M. 83.
Baisch, K. 267.
Bandelier und Roepke 464.
Bang, C. u. Tobiesen, F. 460.
Baer 77.
Baer u. Turban 453.
Barbier, H. et Bondon, M.
245.
Barbier, H. et Leon, C. 187.
Bardswell, D. u. Chapman,
J. E. 187.
Bardt, H. 532.
Bartel, J.u. Neumann, W. 534.
Bartholdy, A. u. Permin, G.
E. 457.
Basso, G. 255.
Baur, J. 540.
Bayard 85.
Beck, E. G. 268,
Beitzke 446.
Beneke 178.
Beneke u. Kürbitz 177
Bermbach, P. 97, 193, 369.
Bernheim, S. 527, 540, 543.
Bernheim, S. et Barbier, P.
356.
Bernheim, S. et Dieupart, L.
74, 446.
)
Besancon, F, et Philibert, A.
82.
v. Betegh, L. 535.
Beyer, A. 75, 457.
Biagi, M. 260.
Bing 178.
Bing, H. J. 457.
Bjalokur, F. 184.
Blondel, R. et Labbé, D
187.
Blum, A. J. 80.
Blümel 530.
Blumenthal, M. 188.
Blumenthal, F.,
u. Levy, E. 256.
Bondon, M. et Barbier, H.
245.
v. Bonsdorff 265.
Brandenburg 530.
Brandts 249.
Brecke 183.
Marxer, A.
Breton, Calmette et Massol
79:
de Bruine, B. J., Ploos, van
Amstel 446.
Bunzl 88.
Butler, W. J. 259.
Bylsma, R. 258.
Calmette,
263.
Calmette, Massol et Breton
A, u. Guérin, C.
79.
Calmette, A., Massol, L. et
Guérin, G. 374.
Cassoute 80.
Chapman, J. E. u. Bardswell,
D. 187.
Chiari 532.
Christian u, Rosenblat 448.
Christians, F. R. 452.
Citron, J. 180.
Collin 84.
Constantinescu, C.u. Gomoiu,
V. 76.
Czastka 456.
Dammann 450.
Dembinski, B. u. Sokotows-
ki, A. 163.
Devraigne 262.
Dieterlen, F. 445, 454.
Dieupart, L. et Bernheim, S.
74, 446.
Ditthorn u. Schultz 456.
Dufestel 374.
Dufour, H. 375.
Dunham, H. B. 258.
Dupand, G. 249.
Eber 246, 266, 450.
Ebstein, W. 463.
Einis, L. 77.
v. Ellermann u. Erlandsen,
A. 452 (2).
Emmerich, E. 259.
Entz 79.
Erlandsen, A. u. v. Ellermann
452 (2).
Fedeli, A. 255.
Feilchenfeld 74.
Fertl 179.
Fest, F. T. B. 447.
Filippow, N. A. 81.
Fischer 447.
Flensberg 247.
Fligg, F. J. 536.
Fortineau, L. et Rappin 246.
Franco, E. 530.
Frankenburger 462
Frankenburger, A. 243.
Franz, K. 252.
Freund, H. 538.
Freund, W. A. u.
sohn, L. 373.
Frey, H. 142.
Friberger, R. 37.
Friedrich 268.
Friedrich, E. P. 186.
Fritzsche, E. 256.
Fuchs-Wolfring, S. 536.
Mendel-
Gabrilowitch, J. 234.
Galli-Valerio 264.
Garth, Kranich u. Grünert
263.
Gaupp 179.
v. Gebhardt, F. 345.
Gerhartz u. Striegel 543.
Geyser, A. C. 459.
Glaessner 462.
Goebel 84.
Goggia, C. P. 254 (2).
Gomoiu, V. u. Constanti-
nescu, C. 76.
Gougerot, H. 536.
Graetz 543.
Grosz, S. u. Kraus, R. 257.
Grotjahn 264.
Grüner 455.
Grünert, Garth u. Kranich
263.
Guérin, C. u. Calmette, A.
263.
Guérin, G., Calmette, A. et
Massol, L. 374.
Günther u. Wiens 539.
Haan, J. de 445, 451.
Hager 533.
Hamann, O. 68, 236,
Hamburger 178, 455.
Hamburger, F. 259.
Hanauer 541.
Haverkorn van Rijswijk, K.
Th. 189.
521.
Hayes, R. 375.
Heim, P. u. hn, M. K,
531.
Heine u. John 180.
Heinemann 85.
Hemmeter, J. C. 447.
Hennig, A. 25.
Heymans 459.
Hillenberg 541.
Hinsberg 269.
Hoffmann 268.
Hohmeier 272.
Holland, Weber, A., Schütz,
Titze 449.
VI
Hollaender, E. 270.
v. Holten, K. 57, 244.
Honjio, W. 439.
Illman, G. M. 460.
Imhoff, M. 77.
Jessen 184.
John, M. K. u. Heim, P. 531.
Josefson 262.
Joest 533, 537.
Joest, E. und Noack, C. 253.
Junker 85.
Jurewitsch 534.
Kanitz 456.
Kaessmann, F. 77.
Kersbergen, L. C. 272.
Key, E. 262.
Kiparski, R. W. 248.
Kirmisson 252.
Kitamura, S. 177.
Kjer-Petersen, R.u. Würtzen,
Klieneberger 179.
Klotz 86.
Knopf, S. A. 281, 396.
Kobert, R. 266, 270.
Koch 372.
Koch, P. C. F. 461.
Koehler, F. 104, 326, 462,
528.
Koppel, R. 77.
Kornfeld 448. ,
Kranich, Grúnertu. Garth 263.
Kraus, R. und Grosz, S. 257.
Krause 222.
Krokiewicz 455.
Kuhn, E. 309.
Kurashige, T. 431.
Kuss, G. 186.
Labbé, D. et Blondel, R. 187.
Laederich, L. u. Landouzy, L.
373-
Lafite-Dupont et Molinier 178.
Lafon u. Sabrazès 539.
Laitinen, Taav, 177.
Landis, H. R. M. 265.
Landouzy 246.
Landouzy, L. u. Laederich, L.
373.
Lans, H. 456.
Latham, A. 189.
Lautier 82.
Leber u. Steinharter 539.
Lemaire, J. 540.
Leon, C. et Barbier, H. 187.
Leriche et Poncet, A. 249.
Leroux, H. ct Trannoy 82,
v. Leube 382,
Levy, E., Blumenthal, F. und
Marxer, A. 256,
v. Leyden, E. 877.
Liebermeister 527.
Lichtenstein, E. 86.
Lignitres, J. 81.
NAMENREGISTER,
Lion 376.
Logothetopulos 267.
Lubenau 178.
Lüdke 249.
Lüdke, H. 538.
Lundsgaard, K. K. K. 461.
McCrae, J. 248.
McGlinn, J. A. 459.
Malis, J. 261.
Marcuse, E. 532.
v. Marenholz, M. 184.
Martens 188.
Martin, A. 77.
Marxer, A., Levy, E. u. Blu-
menthal, F. 256.
Massol, Calmette et Breton 79.
Massol, L., Guérin, G. et Cal-
mette, À. 374.
Medin, O. 262.
Medowikow, P.S. 84.
Meinertz, J. 529.
Meißen, E. 199.
Mendel, F. 85.
Mendelsohn, L. u, Freund,
W. A. 373.
Meyer 260.
Miklaschewski, B. T. 180.
Miller, J. A. 458.
Minski, L, 251.
Mitulescu 259.
Molinieret Lafite-Dupont 178.
Moeller, A. 270.
Morawitz u, Siebeck 532.
Moro 85, 453.
Moro, E. u. Uffenheimer, A.
533-
Morse 447.
Morse, J. L. 268.
Morton Illmann, G. 460.
Moses, S. 537.
Most, A. 75.
Much 79.
Mühsam, R. 528.
Mühsam u. Wolff 451.
Naegeli-Akerblom, H. u. Ver-
nier, P. 533.
Necker u. Paschkis 179.
Neporoschni, S. D. 189.
Neumann, W.u. Bartc],J. 534.
Noack, C. u. Joest, E. 253.
Nolen, W. 455.
Nösske 250.
Oberwarth u. Rabinuwitsch,
E. 80.
Ondracek 264.
Orth, J. u. Rabinowitsch, L.
535.
Ostenfeld, J. 457.
Ozenne, E. 74.
Pach 542.
Paschkis u. Necker 179.
Pearson, K. 373.
Permin, G. E, u. Bartholdy,
A. 457.
ZEITSCHR. f.
YUBERKULOSE
Pfeiffer, Th. u. Trunk, H.
465, 471.
Philibert, A. et Besancon, F.
82.
Pielicke 189.
v. Pirquet 79, 179, 455, 456.
v. Pirquet, C. u.Schnürer 263.
Plath, M. 245.
Plehn 180.
Polland 455.
Poncet, A. et Leriche 249.
Pottenger, F. M. 226, 268.
Pryor, J. H. 258.
Pütter 265.
Railliet, G. 245.
Ranke 259.
Rappin et Fortineau, L. 246.
Ravenel 74.
Reeser, H. E. 188.
Reichmann 259.
Reinecke 181.
Renon, L. 178.
Reuschel 85.
Risacher 269.
Ritter 461.
Ritter, J. 459.
Rixey 528,
Romanelli, G. 253, 255.
Roepke 182.
Rôpke und Bandclier 464.
Rosenbach 179.
Rosenblat und Christian 448,
Rossolino 250.
Rothaar 537.
Rovsing, Th. 460.
Rubino, C. 250.
Rumpf, E 429,
Runck 460.
Sabrazès u. Lafon 539.
Sandoz, Ch. 248.
Schäffer, K. 403.
Schamelhout 454.
Schiperska, A. 257.
Schläpfer 374.
Schmidt 270.
Schmiegelow, E. 460.
Schnürer u. v. Pirquet, C. 263.
Schrader 269.
Schröder, G. 509.
Schultz-Zehden, P. 182.
Schultz u. Ditthorn 456.
Schütz, Titze, Holland, We-
ber, A. 449.
Seidel 542.
Seifert 249.
Senger 461.
Siebeck u. Morawitz 532.
Siegel 543.
Siegert 454.
Siegrist 182,
Simmonds, M. 529.
Smirnow 187.
Sobotta, E. 260.
Sokotowski, A. u. Dembins-
ki, B. 163.
Spilleke, Lk. 251.
BD.XHIHEFT6
1909,
Stadelmann 179.
Steffenhagen 451.
Steinharter u. Leber 539.
Stern 265,
Sternberg, C. 184.
Stoerk 79, 80.
Strandgaard, N.J. 209.
Strauß u. Weil 451.
Strelinger 271.
Striegel u. Gernartz 543.
Swerschewski 87.
Swierstra, J. 247.
v. Szaböky, J. 1, 503.
Thiollier 447.
Titze 449.
Titze, Holland, Weber, A.,
Schütz 449.
Titze u. Weber, A. 448.
Titze und Weidanz 450.
.Titze, Weidanz, Weber 449.
Tixier, L, et Villaret, M. 539.
Tobiesen, Fr. u. Bang, C. 460,
Toyosumi, H. 177.
Trannoy et Leroux, H. 82.
Treuholtz, C. A. 249.
Trunk, H. und Pfeiffer, Th.
465, 471.
Turban und Baer 453.
Uffenheimer, A. u. Moro, E.
533-
Urechia, C. J. 531.
Vaquez 269.
INHALT DER BEILAGE.
VII
Vernier, P. u. Naegcli-Aker-
blom, H. 533.
Villaret, M. et Tixier, L. 539.
Vogel 453.
Wallgren, A. 530.
Walsh, J. 452.
Weber, F. P. 370.
Weber, A., Schiitz, Titze,
Holland 449.
Weber, A. und Titze 448.
Weber, Titze, Weidanz 449.
Weicker 271.
Weidanz und Titze 450.
Weidanz, Weber, Titze 449.
Weil und Strauss 451.
Weinberg, H. 444, 445.
Wilcox, S. F. 459.
Wildbolz 79.
Wiens u. Giinther 539.
Wirth 533.
Wolf, J. 86.
Wolfel, K. 183.
Wolff 180.
Wolff, M. 271.
Wolff und Mühsam 451.
Wolff-Eisner, A. 179, 451,
456, 487.
Wiirtzen, C. H. 453.
Würtzen, C. H. und Kjer-
Petersen, R. 460.
Wyssmann, E. 75.
Yamamoto, J. 535.
Zand, G. 252.
Zeuner 537.
Zickgraf 88, 376.
Zieler 447, 448, 530.
Ziesché 456.
Zirkel, K. 528.
Zondek 457.
Zuckerkandl, O. 181.
Zwick 450.
Der Sanitátsbericht über die
Armee (ausschl. Bayern)
IQI.
Der Sanitätsbericht über die
Kaiserlich Deutsche Marine
f. d. Zeit v. 1. X. 1904 bis
30. IX. 1905 272.
Tuberkulose und Erkrankung
der Atmungsorgane bei den
Arbeitern in den Sandstein-
brüchen etc. Lothringens
444-
Diskussion úber den Vortrag
des Herrn Dr. med. Wein-
berg 445.
Diskussion über den Vortrag
des Herrn Dr, L. Ascher
458.
Statistik der Heilbehandlung,
Amtliche Nachrichten des
Reichsversicherungsamtes
1908 464.
Beilage für Heilstátten und Wohlfahrtseinrichtungen.
V. Tuberkuloseärzte- Versammlung.
La lutte contre la tuberculose au Canada,
Par L. Fiedler
tion tuberculeuse.
Von Dr. R. Lennhoff, Berlin E A
Brehmer Rest. — Institution modéle de préven-
Heilstättenwesen, Sanatorien und Fürsorgestellen
Jahresberichte
Verschiedenes
Personalia
Seite
89
+ + 545
275; 547
` 278, 548
95, 192, 280, 552
Me a. 200
ges ZEITSCHR. í.
VI SACHREGISTER, TUBERKULOSE
Sachregister
bearbeitet von Dr. med. R. Neisse in Bern.
(Die fettgedruckten Zahlen bedeuten, dafs sich der betr. Originalartikel ausschliefslich oder teilweise mit dem frag-
lichen Gegenstand beschäftigt.)
Abkürzungen:
L. = Lunge, Lungen. S. = Schwindsucht. s. a. = siehe auch. s. d. = siehe dieses. T. = Tuberkulose.
Tbc. = Tuberkelbazillus, Tuberkelbazillen.
Abszesse, tuberkulöse, Behand- | Blutuntersuchungen bei Meningi- , Diazoreaktion, Einfluß des Tuber-
lung 268, 269. tiden 252; — auf T.immun- kulins auf die — 77.
Affentuberkulose 257, 451. kérper 97, 193. | Driisentuberkulose s. Lymph-
Aktinomyceten 256. Borgoumont, Heilstatte 548. _ knotentuberkulose.
Albuminurie, orthotische, und T, Bovovakzination (v. Behring) 264,
447. 271, 450. | Ehe und T. 373, 528.
Alkohol, Einwirkung des — auf | Bromural 460, 518. Eigelbnährboden für Tbc. und
die Widerstandsfähigkeit 177. | Bronchialdrüsen: Diagnose der Diphtheriebazillen 178.
Allergie, tuberkulöse, Verlauf, Vergrößerung 183; Durchbruch Eintrittspforten der T. 245; spe-
bei Masern und Miliartuber- in die Trachea 460; Gang der} ziell: Luftwege 75, 527; Ver-
kulose 456. tub. Infektion 177. , dJauungskanal 74, 80, 445 (2) :
Althofl, Ministerialdirektor, Nach- Bronchiektasien 270. Eisentuberkuline 456, 509.
ruf auf — 373. irlandesas obere, und T. 373. England, Verbreitung der Sana-
Anämie, Untersuchungen über Brustbeinresektion bei T. 543. : torien in — 547.
die Blutmenge bei — $32. | Brustschmerzen 303. . | Erbrechen Tuberkulóser 376.
Anaphylaxie 154. | Brustwand, temporäre osteoplasti- ` Ernährung der Tuberkulösen 187,
Antikörper s. Antituberkulin. ‚sche Resektion der — 460. | 299.
Antitoxine, Resorption der — | Búcherbesprechungen : Exostosen infektiösen Ursprungs
1. Bandelier und Röpke, Lehr- S
buch der spezifischen Dia- | Exsudate, tuberkulöse, ihre Dia-
gnostik und Therapie 464.: gnose 260.
vom Rektum aus 516.
Antituberkulin 249, 448.
Antituberkuloseserum s. Deutsch-
mann, Lannelongue, Marmorck, ` 2 Countess of Aberdeen, Ire- |
Neporoshny. | lands Crusade against Tu- | Fensterzelt, Knopfs 288.
Armee, deutsche: Sanitätsbericht berculosis 548. ` Fieber, Behandlung 304.
(1904—5) 191; T.inder— | 3. Ebstein, W., Leitfaden der 7; ein, tuberkulöse 268.
191. ärztlichen Untersuchung Mit- | Fleisch, Tbe. im — tuberkulöser
tels Inspektion, Palpation, `
Arsojodin 617.
) 517 der Schall- und Tastperkus- | F
|
Atemgymnastik 293, 374.
Tiere 247.
ránkels Diplococcus und T. 255.
Fe es Se S. GE e sowie der Auskultation | Frau, Bedeutung der — in der
ungentuberkulose, ntsteh- S 5
u j 4. Hamel, Deutsche Heilstät- Hekam plang Ger Faadh E
ng. für I kank | Freiluftkur im Hause des Patien-
Augentuberkulose 86, 255, 461. ten für Jungenkranke 547.1 ` ven 286.
Auswurf: Anreicherung 452 (2);| 5- Sanatoria for Consumption, | Fruchtbarkeit der Phthisiker
Desinfektion 265; Sedimen- ondon 1908 547. | beiderlei Geschlechts 444, 445.
tierung 75, 452 (2), 457. EECH (s.a. Jahresberich-
Autan 184, 264. Coxotuberkulose s, Hüftgelenk- | te) 92, 184, 265, 541, 548.
Autotuberkulin 513. tuberkulose. |
_Gaallenblasentuberkulose 529.
Bakterien, säurefeste 256. Darm, Resorption körperlicher ` Gelenktuberkulose, ihre Behand-
Bcelitz, Lungenheilstátte 275. | Elemente, bes. der Tbc., im: lung 188, Ka
Bekämpfung der T. 184; — in| — 535. _ Genitaltuberkulose, weibliche 76,
- Berlin 275, Jena 96, Kanada, Darmtuberkulose 447 (2). 77, 267 (2). |
545, Neuyork 96; — auf dem , Dauererfolge s. Heilstáttenerfolge. Gesundheitsämter, soziale 457,
Lande 541. | Demineralisation 305. 458 :
Berlin, T.bekámpfung 275. | Denyssches Tuberkulin 189,461. | Gesundheitspflege, öffentliche,
Beschäftigungstherapie 306. Dermoreaktion s. Hautreaktion, Jahresversammlung des Vereins
' für — 96.
Beziehungen zwischen mensch- ` Desinfektion 184, 264, 460.
Glashäger Mineralwasser 376.
licher und Haustiertuberkulose Dettweilerstiftung 95.
450; — — und Rindertuber- ' Deutschland: Sanitätsbericht der
kulose 372, 450, 451; — —| Armee 191, der Marine 272; Halsdrüsen, tuberkulöse 187;
und Tiertuberkulose 254. = T. in der Armee 191, in der, Gefahren der Massage 530.
Bismut. subnitric. 376." ' Marine 272. _Hautreaktion (Pirquet) 79 (3),
Blindschleichentuberkelbazillen | Deutschmanns Serum 516. | 84 (2), 85 (3), 178, 179, 180
462. Diarrhöe, Behandlung 518. (2), 181, 182, 199, 257, 259
Blutserum, Lecithingchalt des — Diathese, hämorrhagische, und T. (2), 261, 262, 263, 345, 369,
374. 532. 374 452, 454 (2), 455 (2),
BD.XIII,HEFT 6.
(är, SACHREGIS TER.
456, 457, 531, 538, 539 (2),
540; differenzierende (Detre)
180, 343; — nach Ditthorn
handlung 255, 461.
' Tritis tuberculosa, spezifische Be- '
Ischigamis Puberkulotoxoidins 17.
456; Escherich (Stichreaktion) Isolierung der Tuberkulösen 382. |
i
1
Pathologie 69, 237, 522.
Einzelne Organe zt, 239, 523.
Prophylaxe 72, 241, 525.
Therapie 72, 241, 525.
178; Lautier 82;
81; Moro (Salbenreaktion) 85 :
(2), 259, 451, 453, 456, 461.
Hauttuberkulose 257, 447.
Heidelbcerextrakt 518.
Heilstátten:
die Bekámpfung der T.
Volkskrankheit 547;
reichung kiesclsäurehaltigen
Mineralwassers 376; Kehlkopf-
tuberkulose 91; Kost 187; —
im Licht der sozialen Hygiene
264; Stand der —frage 270;
Trennung der offenen Tuber-
kulose von der seschlossenen94 : | Kanada, T.bekämpfung 545.
Überwachung der Patient. nach
dem Austritt 265; Verbreitung :
der Heilstátten in England 547.
Heilstáttenbehandlung 462, 552;
— im Privathause 281.
Heilstáttenberichte (s. a. Jahres-
berichte): Borgoumont 548;
Hoog-Laren 552; M.-Gladbach
278; Niederlande 279; Oranje
Nassaus Oord 279; Putten 280.
Heilstättenerfolge 464, 495, 547;
Kritik der — 57, 243, 244.
Heilstättenpatienten,
der — nach dem Austritt 265.
Heilstättenverein, Berlin-Branden-
burger 95.
Heimarbeit 541.
Heimstätten 264, 542.
Herzstörungen bei L.T. 232.
Hoog-Laren, Heilstätte 552.
Hüftgelenktuberkulose, mit den ,.
Bronchien
31.
Hunde, Unempfiinglichkeit gegen
T. 450.
Husten, Behandlung 302.
Hydrotherapie 301.
Hygiene, soziale, und soz. Ge-
sundheitsimter 457, 458.
Immunisierung gegen T.:
kommunizierend '
Lignières `
a (s. a. Heilstátten-
Aufnahme der Pa- |
tienten 258,462; Bedeutung für,
als `
Dar- |
' Jodomenin 517.
| Kehlkopf, Deviationen bei L.T.77.
. Klavikula,
_ Aufnahme |
der — 258, 462; Überwachung.
l
: Krankenhausbüchereien 552.
' Kurdauer
aktive
184, 256, 266; — der Rinder |
s. Rinderimmunisierung.
Immunkörper der Erythrocyten | Lebertuberkulose 88, 530.
515.
Impftuberkulose 528.
Index BEE (s. a Opsonine) :
253, 4
Infantiliemus des
Beckens 373.
Infektion, tuberkulöse (s. a. Ein- | Lichttherapie s. Sonnenlicht.
_ Lippspringe, Kurdauer in — 420.
Infektiosität der Kleidung von Literatur der T.:
trittspforten) 445 (2), 446.
Phthisikern 37.
Intimatuberkel der Lungenarte-
rien 177.
|
Thorax und Leukocyten, Verhalten der — bei
| Klima 307.
'Knopfs Fensterzelt 288.
' Kobragift 374.
Heilstittenwesen 73, 242, 526.
ohren, Lungenkrankheiten
bei Arbeitern der Sandstein-
berichte): von Vereinen für brüche 444.
T.bekämpfung in den Nieder- Luft und T. 540.
landen: Amsterdam 550; Arn- Luftembolie 178.
heim 551; Haag 548, 549; Luftróhre, Deviation der — bei
Haarlem 551; Leiden 550; L.T. 77.
Nijmwegen 551; Norg 549; ` Luftwege, Katarrhe der — 188,
Rotterdam 550; Zwolle 551.
Jena, Bekämpfung der L.T. 96. |
Jodinhalationen 459.
Jodoform 459.
—, obere: Katarrhe und ihre Be-
handlung 88; T. und ihre Be-
handlung 270.
Lungenabszeß, chirurg. Behand-
lung 460.
Lungenblutungen, tuberkulöse:
Behandlung 187, 303, 518;
konstitutionelle Ursachen 209.
Lungensaugmaske 93, 309.
Lungenspitze, Kollapsinduration
der rechten — 530.
Lungensteine 543.
Lungensyphilis 530.
Kanarienvogeltuberkulose 449.
Kartoffelnährbouillon für Tbc.
534.
Kastrationstuberkulose 75.
Kehlkopftuberkulose, Behandlung
der — 87, 186, 226, 268 (2), Lungentuberkulose: Ätiologie s.
269, 270, 518, Entstehung,
Kieselsäure 376, 517, 543. er äußeres Symptom der —
Kindertuberkulose 245, 248, 251,
268, 374. —, Behandlung (s.a, die einzelnen
Symptome) 281; speziell: Arso-
jodin 517; Immunkörper 515;
Jodinhalationen 459; Jodo-
menin 517; Kalomelinhala-
tionen 518; Kieselsäure 376,
517,543; Lungensaugmaske 93,
309; Maisól 459; Natr. nu-
cleïnic. 187; Pautaubergesche
Lösungs 17; Pferdefleisch,rohes,
543; Pneumothorax,künstlicher
270, 460, 543, 551: Queck-
silbersalicylat e 18; Quecksilber-
succinimid 306; Rippenresek-
tion 542; Stauungshyperimie
(s. a. Lungensaugmaske) 459.
—, Differentialdiagnose 530.
—, Entstehung: aërogene 75; en-
terogene 74, 80.
— und Fruchtbarkeit 444, 445.
—, Frühdiagnose 82,83, 89, 258,
452, 455.
—, latente 83.
—, traumatische 528,
Lupus: Behandlung 94, 461, 514,
517; Bekämpfung 265; — und
T. 249.
Lymphe, Einwirkung mensch-
licher — auf den Tbc. 333.
Lymphknoten, Tbe, in makrosko-
pisch gesunden — 247, 533.
Lymphknotentuberkulose (s. a.
Bronchialdrüsen) 187,253, 519.
Lymphosarkomatose und T. 249.
Dämpfung bei be-
ginnender L.T. 82. *
Kleidung von Phthisikern, In-
fektiositit der — 37.
Kochs Standpunkt in der Frage
nach den Beziehungen zwischen
Menschen- und Rindertuber-
kulose 372.
Komplementbindung 260, 451.
Kongreß für Tuberkulose, inter-
nationaler (Washington 1908)
280, 396.
Kopenhagen, T.laboratorium 75.
Kôrpertemperatur, halbseitige
Erhôhung der — 453.
der Lungenkranken
420.
annelongues Serum 516.
Lecithin im Blutserum Tuber-
kulôser 79, 374
Leipzig, Tbc. "gehalt der Mich u.
Molkereiprodukte 246.
der T. 250.
a 0 e A
Allgemeines 68, 236, 521.
Ausbreitung 68, 236, 521.
Atiologie 68, 237, 521.
: Magentuberkulose 249.
| Maisöl 459.
i Nees ZEITSCHR. 1.
x | SACHREGISTER, TUBERKULOSE
Maraglianos Serum 165. 262, 263 (3), 326, 370, 454, Rhinoreaktion 178.
Marine, deutsche: Sanitiitsbericht! 455, 456, 457, 461, 487,503, Rind: Hautreaktion beim — 181,
272; T. in der — 272. 509, 533, 538(2), 539(3), 540;' 263 (2); Ophthalmoreaktion
—, nordamerikanische: T. in der! Bedeutung der — für die Heil- beim — 181, 183, 263 (2).
— 528, | státtenfrage 487; — bei Kin- ' Rinderimmunisierung 271, 448,
Marmoreks Antituberkuloseserum ' dern 80, 178, 179; Kontra- 450, 459.
104, 142, 163; Anwendung; indikationen der — 178, 456; | Rindertuberkelbazillen 537.
bei chirurgischer T. 272. 462; Natur des Exsudates 539; Schá- Rindertuberkulin, Anwendung b.
bei L.T. 109, 168, 462, 471, digungen des Augesdurchdie— | Menschen 271.
515; Nebenerscheinungen 154; 180, 182 (2), 334, 455; — und : Rindertuberkulose 245.
rektale Anwendung 151, 473; | Tuberkulinbehandlung 84,178. Rippenring, erster: Resektion bei
Statistik der bisherigen Erfolge | Opsonine (s.a. Index, opsonischer) L.T. 542; Verknöcherung 373.
157; subkutane Anwendung | 1, 311, 533; Technik der Op- Réntgenstrahlen, diagnostischer
149; Verhalten des Blutes beij soninbestimmung A. Wert der — bei der L.T. 91.
Behandlung mit — 159. | Ostseeküste, Eignung der — fiir '
Masern, Verhalten der Haut- Heilstätten 266. : Salbenreaktion (Moro) s. Haut-
reaktion (Pirquet) bei — 455, | reaktion.
456. Pachymeningitis tuberculosa int. | Sanatoriumsbehandlung s. Heil-
Medikamente, neuere, für die Be- bei Meningitis tub. 532. stättenbehandlung.
handlung der T. 509. = Papageientuberkulose 449. ' Sandsteinbrüche, Lungenkrank-
Meere, deutsche, und T. 25. Pavillon, transportabler, ftir Frei- | heiten bei Arbeitern der— 444.
Meerschweinchen, Immunisierung | Juftkur 552. ' Saponininhalationen 88.
durch abgetótete Tbc. 256. | Peritonitis tuberculosa 267; Be- | Sauerstoff bei Peritonitis tub. 459.
Meningitis: nal handlung — der 86, 459 (2); | Scharlach, Wiederaufflammen der
bei — 252; Kernigsches Sym- | WVortáuschung einer — bei En- | Hautreaktion bei — 531.
ptom bei — 447. 1 teritis 531. Schlüsselbein s. Klavikula.
Mikroorganismen, pathogene, Ein- | Perlsuchttuberkulin s. Rinder- Schule, Bekämpfung der T. in
fluf auf die T. 255 (2). | tuberkulin. der — 374.
Milch, Tbc.-gehalt der — 246. Personalia 280.
Sp —Schutzimpfung s. Immunisierung.
Miliartuberkulose der Lungen 177; | Pertussin 188.
: Schwangerschaft u, T. 444, 445,
Verhalten der Hautreaktion bei | Prerdefleisch, rohes, zur T.behand- 528,
— — 456. | lung 543. ' Schweine, Kastrationstuberkulose
Mineralwasser, kieselsäurehaltiges | Pferdeserum 189. | der — 75.
376. | | Pflegepersonal, T. beim — 528, ' Schwerkranke, Unterbringung der-
Mischinfektion 516. Pflegestätten s. Heimstätten. | selben 382, 429.
Morbidität der T. in Deutsch- | Phenylpropional 518. ı Seeklima, Einfluß des — auf die
land 191, 272; — in Stock- | Phytin 519. | T. der oberen Luftwege 25.
holm 247; — in Ungarn 542. Pleuritis exsudativa, Behandlung ` Sehnenscheidentuberkulose 528.
Mortalität der T. in Ungarn 542.1 der — 269, 375. : Septikämie, tuberkulöse 373.
München - Gladbach, T.bekämp- — suppurativa 186, 252; Be- Serum, Präzipitation 79.
fung 278. | handlung der — 460. ; Serumbehandlung s. Deutsch-
z ' Pneumonie, embolische tuberku- . manns Serum, Marmoreks S.,
Nachtschweiß 304, 460, 518. i löse 530. : Neporoshnys S., Pferdeserum.
Nährpräparate 519. | Pneumothorax, künstlicher 270, Sonnenlicht f. d. Tuberkulose-
Nasenseptum, tuberkulöser "Tu" 460, 543, 551. | _ behandlung 296.
mor am — 249. Polikliniken fürTuberkulöse (Neu- | Sophiastiftung (Haag) 548.
Natr. nucleïnic. 187. york) 458. Spoudylitis tuberculosa, Behand-
Neporoshnys Antituberkulose- | Polyarthritis s. Rheumatismus, lung der — 375; — trauma-
serum 189. | Pottsche Krankheit s. Spondylitis, tica 77.
Neuyork: Polikliniken für Tuber-! tub., : Spucknäpfe 283.
kulöse 458; Professor für Phthi- ' Präzipitation bei T. 79. ‚ Spuckflaschen 285.
siotherapie 96. : Präzipitinreaktion (Bonome) 451. Sterilisator 460.
Nierenblutungen 446. ; Prätuberkulose 374. . Sternalwinkel 248.
Nierentuberkulose: Behandlung Preußen, Entwickelungstendenzen Stockholm, T. in der Garnison
189, 448; Blutstrómung und, in der Hygiene in — 642. — 247.
— 529; Blutung 446; Dia- Prophylaxe der Tuberkulose fs, a, | Streptokokkenserum 516.
gnose 181; —, experimentelle! Bekämpfung) 184, 540.
529; — primäre 77. : Puro 519. Tannininjektionen in Kavernen
Nordamerika, T. in der Marine 187, 518,
528. | Quecksilbersalicylat 518, _Tauruman 448, 449.
Novocain 518. , Quecksilbersuccinimid 306. | Temporalvenen, Erweiterung der
Ohrlippchen u. T. 250. Rassen, farbige, und T. 274. _ Thymolkampher 269.
Ophthalmoreaktion 79, 80 (2), Resorptionsinfektion s. Eintritts- Toxine, tuberkulóse, in d. Frauen-
81, 84, 85 (2), 178 (2), 179(6),. pforten. ı milch 246; ein mit ólsaurem
180 (4), 181, 182 (3), 183, Rheumatismus tuberculosus 262,1! Natron u, Lecithin hergestcll-
184, 199, 258, 259 (2), 260, A403. | tes — 537.
BD. XHI,HEFT 6,
Trauma und T. 74 (3), 251.
Tuberculosis, Zeitschrift s. Tu-
berkulosezeitschriften. |
Tuberkelbazillenderivate, Ver-
suche mit — 451. |
Tuberkelbazillensubstanzen, Eı- '
senfällungsprodukte von —
zur Anstellung der Haut-
reaktion 456. |
Tuberkelbazillu, —en: Aus-:
scheidung von — mit der Kuh-
intravenôser In- |
milch nach
jektion 449; Beziehungen zu
den säurefesten Bakterien (s.
a. Unterscheidung etc.) 256;.
auf
Ein-
Einiluß abgetöteter
Meerschweinchen 256;
—
wirkung menschlicher Lymphe
auf den
— 533; Färbung,
differentielle, der —, Perlsucht- |
53553:
bazillen und Vogeltbc.
granuliire Form s. nach Ziehl
nicht färbbare Form; Haltbar-
keit menschlicher — im Kör-
per des Rindes 449; latente
— in den Lymphdrüsen der
Rinder
260, 262, 452; Nährboden f.
— 178, 534; spezifisches Ge-
wicht des — 75; Splitter 536; |
Unterscheidung des — von Le- .
prabazillen 535; vonsäurefesten :
Bazillen $35, von den Smegma- '
bazillen 82, 262; Urin, Gehaltan |
— bei L.T. 260; Verhalten der |
— in „indifferenten,, Flüssigkei- |
ten 534; Vorkommen von — im
Fleisch 247, inMilch 246; Wir-
kung abgetôt. — im menschlich.
Körper 250; Wirkung von —
auf Würmer, Schnecken und
Kaulquappen 537; nach Ziehl
nicht färbbare Form des —
79, 249, 533, 536, 537-
Tuberkelgift s. Toxine.
Tuberkulide 447.
Tuberkulin: Autotuberkulin 513;
Denyssches — 189; Diagno-
stische Anwendung u. Bedeu- '
und Schweine 533;
Nachweis von — im Urin 82,
SACHREGISTER.
tung (s. a. Hautreaktion, Oph- I
thalmoreaktion) 182, 258, 270, '
271, 509, 539; Dosicrung zu
therapeutischen Zwecken 512;
Einfluß des — auf die Diazo-
stellung des — 188; innerliche '
sches — 361; Ee
dung 514;
| Wert (s. a. Tuberkulinbehand-
lung) 356; Tuberculin. pur. '
234: Wirkung des Alttuber- |
reaktion 77; Einfluß von Ver- | Tuberkuloseärzte,
dauungsfermenten auf — 463; |
—, entfettetes 509, 539; Her- | Tuberkuloseschutz- u.
(T.R.) 189; SE Anwen-
therapeutischer | Tuberkulosezeitschriften
XI
454, 530; —, subakute, sep-
tikämische 373; — und Tumor
an demselben Organ 530; —,
vorgeschrittene, Fürsorge für
die Fälle von — 382, 429.
Versammlung
der — in München (1908) 89.
-heilimp-
fung nach Heymans 266.
Anwendung 222, 514; Jakob. , Tuberkulosespitáler 382, 429.
Tuberkulosesterblichkeit, Abnah-
me der — 199, 246.
(Refe-
rate) 274 (3), 462, 544 (3).
' Tuberkulotoxoidin 517.
kulin auf den tuberkulosefreien tesa der T. s. Be-
Menschen 259.
Tuberkulinbehandlung 160, 189
(3), 199, 222, 269, 271 (2),
272, 305, 356, 461 (5), 512,
533; —, ambulante 270, 515;
Kontraindikationen 269; per
os 222; 514; per rectum 514.
sche Bedeutung (s. a. Tuber-
kulin, diagnost. Anwendung)
180, 182, 453; Schädigung
durch — 453.
Tuberkulinreaktion:
der lokalen — für die Heil-
stittenfrage 487; Experimen- |
telles über die — 532;
system 453;
deutung der — 453.
Tuberkulinwirkung 448, 510.
Tuberkulocidin 461.
Tuberkulose; Bedeutung der Op-;
Tuberkulininjektionen: diagnosti- `
|
}
Bedeutung
—, in-
travenöse 85; — und Nerven-
pathologische Be- `
ziehungen.
Ungarn, ôtlentliche Gesundheits-
pflege 542; T. in — 542.
Ureterspaltung 181.
Urogenitaltuberkulose 82, 248;
Wert der Ophthalmoreaktion
bei — 179.
Uterustuberkulose 177
Vakzinebehandlung(Wrigh t)460.
Vejlefjord, Heilstätte 551.
Veränderungen, tuberkulöse, ohne
- Mitwirkung von Tbc. erzeugte
527, 530.
Verdauungsfermente, Einfluß der
— auf Tuberkulin 465.
Verdauungsstérungen der Phthi-
siker 304, 518.
: Verstopfung 518.
Walderholungsstätten 96, 278,
457.
sonine in der — 1, 453; Be- | Waldschulen 278.
handlung der — mit Blind- `
| schleichentbc. 461, mit rohem
Pferdefleisch 543, nach Wright
532; Blutstrómung und T.
529; chirurgische — 261, 272, |
462; Heilungsbedingungen
268; — innerer Organe, spe-
zifische Behandlung 461; —,
| kongenitale 439; Schnelldia-
gnose (Tierversuch nach Bloch) |
Wäscher und T. 246.
Washington, T.kongreß (1908)
280, 396.
| Wirbeltuberkuloses.Spondyl. tub.
Wucherungen, adenoide, u. re-
flektorischer Husten 77.
Yoghurt 86, 518.
Zuckerfabrikarbeiter u. T. 74.
MITARBEITERVERZEICHNIS.
ZEITSCHR. f.
TUBERKULOSE
Namen der Herren Mitarbeiter für Band XIII.
Herr Landesrat Dr. Althoff, Altena, Westfalen :
Dr. E. Aron, Berlin
Dr. P. Barbier, Paris
Dr. P. Bermbach, Köln a. Rh.
Dr. Samuel Bernheim, Paris
Dr. Böttcher, Wiesbaden
Dr. B. Dembinski, Warschau
Frau L. Fiedler, Berlin
Herr
Geh. Medizinalrat Prof. Dr. B. Fränkel,
Berlin
Dr. A. Frankenburger, Nürnberg
Dr. Hermann Frey, Davos
Priv.-Doz. Dr. Ragnar Friberger, Up-
sala
Chefarzt Dr. J. Gabrilowitsch, Halila
Primarius Dr. Franz von Gebhardt,
Budapest
Dr. W.J. van Gorkom, Haag
Dr. H. Grau, Düsseldorf
Prof. Dr. Otto Hamann, Berlin
San.-Rat Dr. A. Hennig, Königsberg i. Pr. |
Dr. Hiss, Bad Gastein
Dr. Kurt von Holten, Friedrichsheim
Dr. W. Honjio, Osaka, Japan
Dr. S. Adolphus Knopf, Neuyork
Dr. F. Köhler-Holsterhausen
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. F. Kraus, Berlin
Dr. Artur Krause, Hannover
Stabsarzt Dr. E. Kuhn, Berlin
Dr. Teesi Kurashige, Osaka, Japan
Dr. R. Lennhoff, Berlin
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. W. von Leube,
Würzburg
Exzellenz Wirkl. Geheimer Rat Prof. Dr. E,
von Leyden, Berlin
Dr. Fritz Loeb, München
Dr. M. Lubowski, Wilmersdorf-Berlin
Dr. G. Mannheimer, Neuyork
Sanitätsrat Dr. Meißen, Hohenhonnef
Stabsarzt Dr. A. Mühlschlegel, Stuttgart
Dr. H. Naumann, Meran u. Bad Reinerz
Dr. R. Neisse, Bern
Dr.G. Ortenau, Nervi u. Bad Reichenhall
Dr. A. Ott, Lübeck
Prof. Dr. Th. Pfeiffer, Hôrgas (Steier-
mark)
Dr. A. Pinkuss, Berlin
Dr. F, M. Pottenger, Monrovia (Calif.)
Frau Prof. Dr. Lydia Rabinowitsch, Berlin
Herr Dr. D. Rothschild, Soden a. Taunus
Dr. E. Rumpf, Ebersteinburg
Prof. Chr. Saugman, Vejlefjord
Dr. Schaeffer, Refsnäs (Dänemark)
Dr. G. Schellenberg, Ruppertshain
Dr. Aug. Scherer, Bromberg
Dr. G. Schröder, Schömberg
Dr. C. Servaes, Heilst. Römhild i. Th.
Dr. A. v. Sokolowski, Warschau
Dr. N. J. Strandgaard, Kopenhagen
Dr. Johann von Szaboky, Gleichenberg
Dr. E. Toff, Braila
Dr. H. Trunk, Horgas (Steiermark)
Chefarzt Dr. G, Tugendreich, Berlin
Dr. Vos, Hellendoorn
Dr. Alfred Wolff-Eisner,
Friedrichshain
Berlin-
Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.
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