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ZEITSCHRIFT
UROLOGIE
1913
ZEITSCHRIFT
FÜR
UROLOGIE
HERAUSGEGEBEN VON
A. BIER L. CASPER A. DÖDERLEIN K. FRANZ
(BERNIN) (BERLIN) (MÜNCHEN) (BERLIN)
A. v. FRISCH H. v. HABERER H. KÜTTNER
(WIEN) (INNSBRUCK) (BRESLAU)
H.LOHNSTEIN O. MINKOWSKY F. M. OBERLANDER
(BERLIN) (BRESLAU) (DRESDEN)
E. PAYR C. POSNER H. SCHLOFFER M. WILMS
(LEIPZIG) (BERLIN) (PRAG) (HEIDELBERG)
O. ZUCKERKANDL
(WIEN)
ORGAN DER DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR UROLOGIE
UND DER
BERLINER UROLOGISCHEN GESELLSCHAFT
BAND VII
1913
MIT 51 TEXTABRILDUNGEN UND 5 TAFELN
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BERLIN ` EE 7 7 LEIPZIG
OSCAR COBLENTZ ‘© : °t: GEORG THIEME
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AUSLIEFERUNG: GEORG THIEME, LEIPZIG, RABENSTEINPLATZ 2
ANZEIGENANNAHME: OSCAR COBLENTZ, BERLIN W. 30, MAASSENSTRASSE 13
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Druck von C. Grumbach in Leipzig.
Verzeichnis der Originalarbeiten.
Über einen Fall von malignem Tumor der Blase von syncytialem Bau.
Von Oberstabsarzt Blecher und Stabsarzt Martius. Mit 5 Text-
abbildungen. TE a EE
Vier Fälle von Prosiatasırophie. "eg Dr. Viktor Caesar, Hilfsarzt.
Mit 3 Textabbildangen e dë A
Demonstrationen: 1. Hyperplasie der Niere. 2. Ureterstein. 3. Geschlossene
Tuberkulose der Niere. Von Prof. Dr. L. Casper en
Zur endovesikalen Behandlung der N un Von Prof. Dr.
L. Casper E E E
Die Urologie als Wissenschaft und Lehrfach. Von Professor Dr. L.
Casper
Ein Fall von tte Tuberkulose der einen Hälfte einer ege
(doppelten) Niere. Von B. Dobrotworsky. Mit 4 Textabbil-
dungen .
Aufbewahrung und Sterilisation halbwöicher reegt Von Dr. Du-
faux, Berlin .
Die Sonderstellung der Siachylomykosen der See, Von Dr. Bort-
hold Goldberg, Wildungen . : AM ER à
Zur Technik der Prostatectomia E EN Von Dr. EE Gold-
berger, Budapest . . . . e
Zur Pathologie und Therapie der Cystitis colli proliferane 8. Geer
Von Dr. med. S.M. Gorodistsch, Petersburg. Mit 4 Textabbil-
dungen .
Aufbewahrung und Sterilisation halbweicher Instrumente. Von Dr. Felix
Hagen, Leiter der urologischen Station. Mit einer Textabbil-
dung . e
Zur Kasuistik und operativen Behandlung überzähligor aberrantes Useleren.
Von Dr. Joh. Hartmann, Frauenarzt in Leipzig
Über angeborene Stenosen der Pars posterior der Harnblase. Von Dr.
med. H. Heinecke Mit einer Textabbildung CR a
Pseudotrichiasis der Blase und Pilimiktion. Von Prof, Dr. Julius
Heller in Charlottenburg-Berlin. Mit einer en und
einer farbigen Tafel
Demonstration eines anatomischen Präparales von Pälspen: am Orifieium
internum der Blase. Von Prof. Ur. Julius Heller
Über Paralidymitis crotica acata. Von Prof. Dr. Julius Heller.
Über akute, septische Infektion der Niere und ihre chirurgische Behand-
lung. Von Dr. med. Eugen Joseph SC
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VI Verzeichnis der Originalarbeiten.
Demonstrationen zur GE Von Dr. Wilhelm Israel. Mit
Tafel IT/ITI A u à
Blasengeschwöülste bei Arheitörn in Aniliofabriken. Von Dr. A. Lewin
Universal-Spülansatz. Nach Dr. Arthur Lewin. Mit Abbildungen .
Nierentuberkulose und Addisonsche Krankheit. Von Dr. A. Lewin.
Mit 4 Textabbildungen . a E E E
Die Bildung Jder Harnsedimente und "Hainsteine. Von Dr. L. Licht-
witz, Göttingen A en ee See
Ein Fall von akuter Harnretehlion bei Erna, Von Dr. H. Lohn-
stein, Berlin .
Kurze Demonstrationen, Yon Dr. H. bohnsisin.
Nierenblutungen bei Hämophilen. Von Dr. Otto Minkiewicz Berlin
Einige neuere Angaben über die Ätiologie der Hydronephrosen. (Einge-
borene Mißbildungen des Harnleiters.) Von Prof. Dr. N. A.
Michailow, St. Petersburg. Mit 4 Textabbildungen .
Spina bifida, Retentio urinae, Hydro-ureteropyelo-nephrosis pts,
Diverticulae vesicae urinariae.e Von Dr. M. A. Mucharinsky.
Mit 6 Textabbildungen i
Histopathologische Studie der Epididymitis Sonorrholca and ihre Behand-
lung. Von Dr. H. Nakano, Tokio g
Zur Pyelotomie. Von Dr. Gees Assistent der Ossperschen Klinik ;
Die intravesikale Behandlung der Blasenpapillome durch Elektrolyse. Von
Dr. Rudolf Oppenheimer, Frankfurt a. M. ;
Über Arthigon bei Uretbritis anterior. Von Dr. Orlowski, Berlin
Ein primäres Uretbralkarzinom der Fossa vavicularis. Von Dr. Benno
Ottow, Dorpat . . A Eee
Ein Harnröhrenstein bei Bilbarziakrankheit. Von Dr. Edwin Pfister,
Kairo. Mit 4 Textabbildungen RE a ee E T
Über Histologie kleinerer Bilharziakonkremente. Von Dr. E. Pfister
Chinesische Blasensteine. Von Dr. Pfister, Kairo
Ein Fall von Syphilis der Blase. Von Dr. R, Picker, Budapest
Beitrag zur Chirurgie der Prostatasatrophie. Von Oberarzt Dr. Hans L.
Posner. . e EE EE eh ti re Br e
Die Bildung der Hasnsieine, Von Prof. Dr. C. Posner, Berlin. Hier-
zu Taf. V . ; e, E
Historische Beiträge zur Urologie oh Dr. Paul Richter, Berlin.
Mit zwei Textabbildungen
Demonstration von Cystenniere. Von Dr. M. Roth
Welchen Wert haben die Balsamica, insbesondere die neueren, für die Be-
handlung der Gonorrhoo? Von Dr. Max Roth und Dr. Theodor
Mayer.
Beitrag zum Stadium der Hariröhrenerkrankangen: Vor Dr. E. Honany-
rol, Paris. Mit 2 Textabbildungen .
Zur Diagnose der angeborenen Anomalien der Nieren: ind Haznleiter.
Von Prof. Dr. O. Rumpel, Berlin . i ;
Cystische Erwsiterung des vesikalen Ureiörenendes; Von Prof. Dr. o
Rumpel. Mit Tafol IV
Ein Fall von starker Nachblutuug nach Operon eines TE
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SEA
Verzeichnis der Originalarbeiten.
mittelst Hochfrequenzströmen. Voa Dr. ©. Schneider, Bad
Brückenau-Wiesbaden
Muskelatrophie, Muskelrheumätismns: Arthritis, Kirin: der Fußsohlen
bei einem gonorrhoischen Patienten. Von Prof. I. F. Selenew,
Moskau. Mit einer Textabbildung .
Klinische Beobachtungen über die Wirkung der Gonokokkenvaksine bei
chronischen gonorrhoischen Arthritiden. Von Dr. W.P.Semenow,
Assistent des Instituts p e a ere E eh Ze Le
Multiple Myome des Penis. Kasuistische Alitteiluong. Von Kegimentsarzt
Dr. Franz Stavianicek. Mit 2 Textabbildungen . ;
Demonstration von Cystennieren. Von Dr. V. Steiner. ;
Zur Prognosenstellung bei Nephritiden. Von Prof. H. Strauß . ;
Über Pneumaturie und scheinbares Aufhören der Glykosurie bei blasen-
kranken Diabetikern. Von Sanitätsrat Dr. Teschemacher, Bad
Neuenahr i
Ein neues Ureterelikysioikop. mit Kerger a zum leichten Auswechseln
der Katheter, zugleich ein Beitrag zur Asepsis des Harnleiterka-
theterismus. Von Dr. Julius en Berlin. Mit 5 Textabbil-
dungen . ; a A RC nt one E
Ein Fall von Érinilicher Derwig eines Ree Von
Prof. A. W. Wischnewsky, Kasan. Mit einer Textabbildung
Über Vakzinebehandlung der Infektionen der Harnwege. Von Dr. Ove
Wulff
Zur Frage über die Kawandune dér Autossrölierans bei Hydrocele, Von
Dr. Zdanowicz PET | ;
Dem Vierten Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Urologie! .
Das Museum des XVII. Internationalen Medizinischen Kongresses .
Sitzungsberichte der russischen urologischen Gesellschaft im Saale des
nn Instituts in St. Petersburg. Von Dr. Julius Grün-
berg, St. Petersburg . ar ze
Urologisches aus französischen Gesellschaften a. Quartal 1918). Von
Maas, Berlin gn E e E a a ee ua Ha Dar Aa SS
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Pseudotrichiasis der Blase und Pilimiktion.
Von
Prof. Dr. Julius Heller in Charlottenburg-Berlin.
Mit einer Textabbildung und einer farbigen Tafel.
Die Ausscheidung von Haaren durch den Harn, die Pili-
miktion, ist ein Phänomen, das die Aufmerksamkeit der Ärzte
und Kranken zweifellos in hohem Maße erregen muß.
Ob Hippokrates und Galen (Galeni in Aphorismos Hippo-
cratis commentariis IV 76) wirklich Fälle von Pilimiktion gesehen
haben, wie vielfach von Schriftstellern des 16. bis 18. Jahrhunderts
angenommen wird, ist fraglich. Rayer gibt bemerkenswerte Einzel-
heiten über die Streitfrage, ob Hippokrates von einem Harn-
befunde sagt: oapxia ouxoû doneo toiyes oder oapxia omxoû Ñ
zoiyes; d. h. kleine Fleischstückchen wie Haare oder kleine Fleisch-
stückchen oder Haare. Auch die Celsus, Avicenna und Ac-
tuarıus (1564) zugeschriebenen Angaben über die Pilimiktion sind
nur Auslegungen der Hippokratesstelle. Roy erwähnt in seiner
These (Lyon 1900—1901) folgende Bemerkung des Arnaldus
(1500): De mingentibus pilos: „Aliquando pili a renibus veniunt
cum urina qui in renum creantur meatibus et fiunt ex materia grassa
calefacta et dissicata. Unde Galienus testatur se vidisse mulierem,
quae minxit per urinam pilum majorem et longiorem uno palmo.“
Exakte Beobachtungen veröffentlichten Schenk (Obs. med.
L. HI: De urinis obs. 24, p. 486) um 1580; G. Horst (Opera
medica lib. IV, p. 262) um 1630. 1658—1724 erschienen mehrere
Dissertationen: De Trichiasi seu mictu pilari (Klett: Altdorf 1703),
De Trichiasi admiranda (Scultetius: Noricum 1658), De Trichosi
(Goelicke: Fr. 1724).
In englischen und französischen Werken wurden gelegentlich
Fälle geschildert. Die erste, das ganze damalige Wissen umfassende
Arbeit, die eine Fundgrube interessanter Krankenbeobachtungen
Zeitschrift für Urologie. 1913. 1
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9 Jalius Heller.
und historisch wichtiger Angaben ist, stammt von Rayer (Recherches
sur le Trichiasis des voies urinaires et sur le Pili-Miction. Comptes
rendus de la société de biologie 1849—1850). Auch Broca hat
sich (Bulletin de la société de chirurgie de Paris 1868, p. 260) ein-
gehender mit der Frage beschäftigt. Gute Beobachtungen liefert
die These von Roy: Les kystes dermoides du petit bassin ouverts
dans Ja vessie (Thèse de Lyon 1900—1901). Auch andere fran-
zösische Thesen (Germain, Repin (Paris 1892), Lesourd (Paris
1894) enthalten brauchbare Angaben.
Von den Lelrbüchern widmet, soweit mir bekannt ist, nur
Clado (Traite des tumeurs de la vessie) der Pilimiktion eine kleine
Abhandlung Zuckerkandl in v. Frischs Urologie erwähnt die
Affektion nur kurz.
Bis jetzt sind, abgesehen von den 3 oben erwähnten alten
Dissertationen, 56 Fälle von Pilimiktion und Trichiasis der Blase
bekannt; 3 derselben waren mir nicht zugängig, 6 möchte ich als
zweifelhaft bezeichnen. Bevor ich meine eigene Beobachtung gebe,
sollen, tabellarisch geordnet, die mir bekannt gewordenen Fälle
analysiert werden. Leider verschuldete die vielfach falsche Zitierung,
daß ich nicht alle Beobachtungen im Original nachlesen konnte.
Der Tabelle habe ich 11 Fälle voraufgeschickt, in denen nur der
Durchbruch einer Dermoidcyste in die Blase beobachtet wurde,
Trichiasis der Blase oder Pılimiktion aber nicht bestand.
Eigene Beobachtung.
4ljähriger Patient. Anamnese ohne Interesse; im Alter von 20 und 23
‚Jahren Tripper, die einige Wochen dauerten. 1898 Heirat; 2 Kinder leben,
Frau batte viermal Aborte, die auf körperliche Anstrengungen zurückgeführt
werden, Lues negiert. 1904 ohne Veranlassung schwerer Blasenkatarrh (an-
geblich Erkältung) und Nierenentzündung. Im Verlauf der Erkrankung Hoden-
entzündung. Prof. Nitze macht eystoskopische Untersuchung; die Erkrankung
wurde mit dem früheren Tripper in Verbindung gebracht. 1908 schwere plötz-
lich einsetzende Entzündung beider Nebenhoden, gleichzeitig Blasenkatarrh. Die
Behandlung bestand in Blasenspülungen; der Zustand besserte sich; der Harn
wurde jedoch niemals ganz klar. Das Allxemeinbefinlen war gut: es bestand
keine Pollakiurie; ein mehr oder weniger starker Geruch des Harns wurde
stets festgestellt.
Pat. konnte seine Arbeit ohne Störung verrichten. April 1912 trat plötz-
lich eine starke Blasenblutung anf, die durch eine äußere Veranlassung nicht
zu erklären war. Pat. suchte am 10.1V. 1912 meine Behandlung auf. Der
Harn war blutige, enthielt viele rote Blutkörperchen, keine Zylinder, reichliche
Leukocrten. Die Eiweibmenee entsprach der Blutbeimischungz.
Bei entsprechender diätetischer und medikamentöser Tnerapie schwand
a
Pseudotrichiasis der Blase und Pilimiktion. 3
die Blutung nach etwa 8 Tagen. Die Sondenuntersuchung ergab eine Striktur
der vorderen Harnröhre in recht großer Ausdehnung. Nach genügender
Dilatation wurde mit der Steinsonde ein Stein festgestellt. Die wiederholt
vorgenommene cystoskopische Untersuchung ergab einen ziemlich beweglich in
der Blase liegenden Stein von der Größe einer großen Kirsche, dessen schnee-
weiße Oberfläche für ein Konkrement aus Phosphaten sprach.
Am 17. Mai nahm ich, unterstützt von der großen Erfahrung des Herrn
Dr. Rothschild-Berlin, die Lithotripsie vor, die ohne Narkose und lokale
Anästhesie leicht vor sich ging. In den evakuierten Steinmassen!) und am
Lithotriptor bemerkten wir eine große Menge etwa 1 bis 3 cm langer dunkel
und hell pigmentierter Haare, die das Mikroskop
als Menschenhaare nachwies. Da der sehr verstän-
dige Patient in Abrede stellte, etwa zu mastubra-
tischen Zwecken Haare in die Blase eingeführt zu
haben, mußte an eine Dermoidcyste der Blase ge-
dacht werden.
Die einige Tage nach der Steinzertrümmerung
vorgenommene cystoskopische Untersuchung bestä-
tigte die Diagnose: Unterhalb der linken Ureter-
öffnung sah man auf einer Unterlage von weißen
Konkrementbröckeln ein großes Konvolut brauner
Haare aus einer Stelle der Blasenwand herausragen,
die bei bestimmter Einstellang des Instrumentes
deutlich vertieft erschien. Die Haare trugen an
ihren Spitzen kleine weiße Konkrementkugeln. Auf
der hochroten Blasenschleimhaut waren einige kleine
weiße, isoliert liegende Inkrustationen sichtbar.
Das Ganze bot, wie das von Herrn Maler Lands-
berg gezeichnete Bild (Tafel I) zeigt, einen eigen-
artigen, auch ästhetisch sehr befriedigenden An-
blick dar.
Die Deutung des Bildes kann nur in dem Durch-
bruch einer Dermoidcyste, die hinter der Blase lag,
durch die Blasenwand gefunden werden. Eine genaue
Untersuchung bimanuell (der eine Finger im Rek-
tum, die andere Hand auf den verhältnismäßig sehr dünnen Bauchdecken) ergab
kein Resultat. Die supponierte Cyste dürfte also nicht sehr groß sein und tief
im kleinen Becken sitzen,
Einige Tage nach der Lithothripsie wurden noch Haarpartikel ausgeschie-
den; dann sistierte die Pilimiktion völlig. Der Harn war noch trübe; die
tägliche Blasenausspülung beseitigte zwar den unangenehmen Geruch, besserte
aber objektiv den Katarrh nur wenig.
Als ich am 12. Juni 1912 den Pat. in der Berliner medizinischen Gesell-
schaft vorstellte, schien die Prognose des Falles von der Entschließung des
Kranken abzubängen. Man mußte nach den in der Literatur niedergelegten
Beobachtungen annehmen, daß die aus der Dermoideyste in die Blase hinein-
Fall von Delpech
(Nr. 33 der Tabelle).
1) Die Massen bestanden aus Phosphaten (Kalk, Magnesia).
1*
Julius Heller.
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12 Julius Heller.
rarenden Haare weiter als Fremdkörper wirken würden. Es mubte ferner
daran gedacht werden, dab eine grewaltsame Entfernung der Haare aus der
Blase, was ja bei der modernen Technik ein leichter intravesikaler Eingriff ve-
wesen wäre, die supponierte Kommunikation zwischen Blase und Dermoideyste
erweitern konnte. Eine konsekutive Infektion der Dermoideyste und eine even-
tuelle Ruptur der leizteren erschien gefährlicher als eine chirurgische Entfernung
der ganzen Dermoideyste durch Laparotumie.
Bei einer Ende Juni vorgenommenen eystoskopischen Untersuchung aber
zeigte sich, dab sich um den bereits erheblich verkleinerte Haarbüschel in der
Blase 2 kleine, anscheinend aufeinanderliegende weiße Phosphatsteine gebildet
hatten. Beide Steine zusammen waren vielleicht ein Viertel so grob wie der
erste Stein.
Herr Dr. R. W. Frank zertrümmerte in meiner Gegenwart mit dem von
ihm modifizierten Operativonseystoskop die beiden Steinchen; wieder wurden
Phosphatbröckel mit zahlreichen Haaren entleert. Bei der nun folgenden syste-
matischen Spülung besserte sich der Blasenkatarrh erheblich, ohne jedoch ganz
zu schwinden. Die wiederholt vorgenommene ceystoskopische Untersuchung
ergab ein ziemlich normales Bild der Blase; weder die Haare noch die früher
deutlich sichtbar gewesene Ausbuchtunz war noch sichtbar; an einzelnen Stellen
war die Blase allerdings noch katarrhalisch verändert,
Ob hier eine Heilung vorliest oder ob die Haare wieder wachsen werden,
kann nur die Zukunft entscheiden. Jedenfalls wird man zurzeit von jedem
Vorschlag eines operativen Vorgehens absehen müssen. Die Röntrenuntersuchung
hat kein positives Resultat ergeben.
Ich möchte bier gleich auf die Pathogenese meines Falles eiu-
gehen. Ich glaube aus den bisher veröffentlichten Beobachtungen
folgendes sehließen zu dürfen:
Bei dem Kranken bestand infolge fötaler Versprengung eines
Keimes eine Dermoideyste des kleinen Beckens, die hinter der
linken, hinteren unteren Blasenwaud saß. Diese Cyste wurde bei
einer der gonorrhoischen Attacken, die der Kranke 1900—1908
hatte, infiziert, sei es, daß die Infektion sich von der Blasen- auf
die Cystenwand per contiguitatem ausdehnte, sei es, daß auf endo-
eenem Wege (Lymphsystem) die Intektion erfolgte. Durch die Ent-
zündung kam es zur Verwachsung der Wände der Dermoidcyste
und der Blase; schließlich entartete die Wand fettig; es erfolgte
Durchbruch der Cyste ın die Blase. Die in der Dermoidcysten-
wand wachsenden Haare bekamen Platz, in die Blase hineinzuragen.
Um sie bildete sich, wie um alle Fremdkörper, ein Phosphatstein,
der alle Haare so fest umhüllte, daß bei der ersten cvstoskopischen
Untersuchung nur der Stein, nicht aber die Trichiasis vesicae kon-
statiert wurde. Es ist anzunehmen, daß die Dermoideyste gegen
das Eindringen von Harn in ihr Inneres ventilartig abgeschlossen
ist, da im andern Falle die Bildung einer Art Cystocele erfolgt
mt
Pseudotrichiasis der Blase und Pilimiktion. 13
wäre. Da ferner von Nitze 1904 die Blase gespiegelt wurde, ohne
daß der doch sehr auffällige Befund wahrgenommen wurde, so mul}
man annehmen, daß der Durchbruch der Dermoidcyste in die Blase
erst später erfolgt ist.
Bleibt der Kranke in Zukunft rezidivfrei, so ist die Hypothese
berechtigt, daß inzwischen so breite und feste Verwachsungen
zwischen der Blasenwand und der Dermoidcystenwand entstanden
sind, daß die von den Haarpapillen der Cyste ausgehenden Haare
bei ihrer Neubildung eine andere Richtung einschlagen müssen und
nicht mehr das freie Lumen der Blase erreichen können.
Pathogenese.
Während die älteren Autoren (wahrscheinlich auch noch Bichat)
eine Entstehung der Haare auf der Schleimhaut der Harnwege an-
nahm und Angaben von Maillet über die Entwicklung von Haaren
im Verdauungstraktus der Pferde zum Vergleich herangezogen wur-
den, sprach Rayer bereits 1850 mit Bestimmtheit aus, daB die
Trichiasis der Blase durch den Durchbruch einer Dermoideyste in
die Blase und durch das Hineinwachsen der Haare des Dermoids
in die Blase bedingt sei. Der Ausdruck Pseudotrichiasis der
Blase wäre also eigentlich der allein zweckmäßige.
Für die Frauen wurden die Dermoidcysten des Ovariums sehr
bald als die patbogenetisch in Frage kommenden Faktoren erkannt.
Olshausen fand unter 2275 Cysten der Ovarien 80 Dermoide.
5 Autoren zählten unter 1462 Ovariotomiefällen 44 Dermoide. Von
188 Dermoiden einer Statistik Leberts betrafen 129 die Ovarien.
Für die Entstehung der Dermoide ist heute die Theorie des
Einschlusses versprengter Ektodermkeime wohl allgemein angenom-
men. Nach Verneuil (zitiert in Theophilides Thèse de Mont-
pellier 1898) soll ein Stück der embryonalen Hautdecke bei der
fötalen Entwicklung im Ovarium eingeschlossen werden. Matthias
suchte die Entstehung der Dermoide durch eine Art Parthenogenesis
zu erklären, für die ja die neueren Forschungen (Jacques Loeb)
manches Material beigebracht haben. Er betonte (vgl. Repin, Ori-
gine parthenogénétique des cystes dermoïdes de l'ovaire. Thèse de
Paris 1892), daß entwicklungsgeschichtlich der Einschluß eines Stückes
Ektoderm in das Ovarium schwer zu erklären sei. ÜUnverständlich
sei, wie aus einem Stück Ektoderm alle Organteile, Organe, ja un-
vollständige Früchte sich entwickeln sollen, die in Ovarialdermoiden
doch häufig gefunden werden. Die entfernt von den Ovarien
14 Julius Heller.
liegenden Cysten erklärten Matthias-Repin durch Abschnürungen
von den Ovarien.
Zweifellos würden sie auch — sie gehen auf die Frage nicht
ein — die Dermoide beim Manne durch Abschnürungen vom Hoden
in der embryonalen Zeit zu erklären gesucht haben.
Absichtlich habe ich es vermieden, zu den Hypothesen Stellung
zu nehmen. Praktisch wichtig aber ist die Tatsache, daß auch bei
den Frauen paravesikale Dermoidcrssten gefunden werden, die in
keiner nachweisbaren Beziehung zu den Eierstöcken stehen.
Kurz sei hier noch über diese Fälle berichtet.
Charcot fand bei einer Frau 2 regelmäßig runde 5—6cm ım
Durchmesser große Cysten in subperitonealem Bindegewebe des
kleinen Beckens, die in keiner Beziehung zu den Ovarien standen.
Sänger berichtet über 11 Dermoide, von denen 3 im Bindegewebe
zwischen Mastdarm und Steißbein. 1 zwischen Mastdarm und Kreuz-
bein, 3 im Cavum subperitoneale sinistrum. 2 hinter dem Mastdarm.
und teilweise im Cavum subperitoneale pelvis sinistrum, 1 nur im
Cavum pelvis subperitoneale dextrum, 1 unterhalb des Bauchfells
im Douglas, aber oberhalb des Septum recto-vaginale lagen. Clado
(Traité des Tumeurs de la vessie, Paris 1595: zählt 7 paravesikale
Dermoide auf, von denen 5 Männer und 2 Frauen (keine Beziehungen
zu den Eierstöcken) betrafen. 4mal saß das Dermoid zwischen
Rektum und Blase, I1mal stand es in Beziehung zur Prostata. 2 mal
befand es sich in der Höhe der Blase.
Roux berichtet über eine 14 Zoll im Durchmesser große unter
der großen Magenkurvatur gelegene Dermoidcyste, die 4 Zähne, ein
Knochenstück und ein Knäuel von Haaren enthielt. Diese Dermoid-
cyste blieb von der Blase durch eine andere birnenförmige Crste
getrennt (Comptes rendus de la soc. de Biolog 1852.
Auch Wilms (Deutsches Archiv f. klin. Medizin 1595, S. 303:
gibt eine gute Zusammenstellung der bekannten Fälle von unabhängig
von den Ovarien im Abdomen gefundenen Dermoiden: Merkel,
Tumor am Zwerchfeil enthält 21 Knochenstücke, Haare und Zähne.
Ruysch, faustgroße. mit Haaren und Brei gefüllte Cyste im Netz.
Andral. Haarcyste bei einer Negerin im Mesenterium. Bonfilgi,
birnförmige Geschwulst in einem Leber und Magen adhärleren-
den Strange mit Knochen und 21 Zähnen und vielen Haaren.
Mantel, Dermoidcerste des großen Netzes. Schützer. Teratom
der Bauchhöhle mit Kieferknochen und 14 Zähnen. Madelung,
Dermoid der Niere mit verkalktem Inhalt. Marchand, Teratom
Pseudotrichiasis der Blase und Pilimiktion. 15
(mit Schädelhöhle Darm, männlicher Genitalien und Prostata) an
der Aorta und linken Niere.
Boucher (Société anatomique 1840) erwähnt bei einem tuber-
kulösen Manne eine Cyste, die subperitoneal auf dem Apex der Blase
saß und mit seropurulenter Flüssigkeit gefüllt war.
Aus diesen Angaben geht jedenfalls hervor, daß Dermoide im
ganzen Abdomen auch unabhängig von den Keimdrüsen bei Männern
sowohl wie bei Frauen vorkommen.
Zur Genese der Pseudotrichiasis beziehungsweise der Pili-
miktion ist natürlich eine Verwachsung zwischen Dermoidwand und
Blasenwand erforderlich. Eine solche Adbäsion kann durch ent-
zündliche Prozesse entstehen. In meinem Falle haben gonorrhoische
Blasenerkrankungen, in andern Entbindungen die Gelegenheitsursache
abgegeben. Eine fettige Degeneration der Cystenwand (Beobachtung
Himmelfarbs) geht dem Durchbruch voraus, der wiederholt erst
im Anschluß an (schwere?) Entbindungen festgestellt wurde. Als
Symptome dieser Perforation werden Schmerzen und Fieber ange-
geben.
Klinisches Bild.
Versuchen wir aus den bisher vorliegenden Beobachtungen das
klinische Bild zu zeichnen, so können wir viele ältere Angaben und
klinische Details nur wenig verwerten. Die modernen Untersuch-
ungsmethoden, die bimanuelle Palpation der Unterleibsorgane, die
Cystoskopie, die mikroskopische Technik geben uns eine solche
diagnostische Sicherheit, daß die Erwägungen der früheren Autoren
nur noch historisches Interesse haben. So sind die präzisen An-
gaben von Rayer über Verwechslung von Haaren mit Tierhaaren
Filamenten, Pilzfäden usw., die oft vorgenommene Dilatation der
Harnröhre und Abtastung der Blase, die Überlegungen über dem
Sitz der Tumoren zu bewerten. Auf einige Schwierigkeiten werde
ich bei Schilderung der Differentialdiagnose noch einzugehen haben.
Von den tabellarisch analysierten Fällen!) scheiden 11 aus, die
nur vom Durchbruch einer Cyste in die Blase berichten.
Fälle ohne eigentliche Pilimiktion, aber mit Befund von Haaren
in der Blase oder in Steinen, zählen wir 16 (11 Frauen, 5 Männer).
Wirkliche Ausscheidung von Haaren durch den Harn wurde
27 mal festgestellt (16 Frauen, 11 Männer). Alierdings sind 7 Fälle
1) Die nur dem Titel nach bekannten Fälle sind bei der Analyse nicht
berücksichtigt.
Sen hs Se O
ech gege +
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16 Julius Heller.
zweifelhafte Beobachtungen. Die Frauen überwiegen in beiden
Rubriken: 26:13. Ordnet man die Kranken beider Kategorien
nach dem Alter, so ergibt sich:
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0—10) 2 Ä Í
J 1—20 2
21—30 10) 1
31—40 4 l
41-50 3 3
D1- -060 D eg
61-40 3
ln) = 1
Ohne Angabe 4 4
28 | 16
Martini (Nr. 30) beschreibt einen Fall von Dermoideyste, die
mit der Blase kommmnizierte, bei einem nur 2 Tage alt gewordenen
Kinde. Der von Medico erwähnte Patient (Nr. 60) war 71 Jahre.
Die Krankheit tritt meist jenseits des 20. Jahres auf. Vielleicht
spielen gonorrhoische Infektionen eine provokatorische Rolle, indem
sie eine Verklebung von Dermoid- und Harnblasenwand hervor-
rufen.
Die Ausscheidung der Haare im Harn, die Pilimiktion, ist
ein Symptom, das gar nicht immer beobachtet wird; eine Trichiasis
der Blase kann bestehen und bei Sektion, Operation, Steinzertrüm-
merung festgestellt werden, obne daf jemals die eigentliche Pihmik-
tion zur Kenntnis der Patienten und Ärzte gekommen ist.
97 Fälle wirklicher Pilimiktion sind notiert (11 Männer); bei
den übrigen Kranken wurden die Haare auf den eben erwähnten
Wegen nachgewiesen. Mein Kranker schied nur einige Tage nach
der Lithotripsie Haare aus. Jm Falle Fullers (Fall 16) trat Pili-
miktion erst bei Druck auf den nebeu der Blase liegenden Abdo-
minaltumor auf; Le Gendre beobachtete die Haarausscheidung nur
dann, wenn beim Kranken ein impulsiver Harndrang plötzlich auf-
trat (Fall 181. Gelegentlich soll nach Argentumreizung Haare aus:
geschieden werden (Lejars, Fall 26).
Die Haare gehen entweder als Eimzelhaare ab (Heller) oder
als mehr oder weniger großer Haarzopf (Schenk, Fall 25). Die
Angabe von Tulpius (Fall 52), daß in bestimmten Intervallen (alle
+
Pseudotrichiasis der Blase und Pilimiktion. 17
14 Tage) Haare mit dem Harn entfernt worden seien, verdient Miß-
trauen. Allerdings macht auch Clark (Fall 61) dieselbe Angabe.
Die Haare haben die Farbe der Haupthaare der Kranken, sind
aber auch häufig anders gefärbt, z. B. rot (Horst, Fall 21), weiß,
blond, rot (Spielenberger, Fall 28), verschieden gefärbt (Mitchell,
Fall 59). Bald sind die Haare sehr fein (Henry, Fall 47, Rayer,
Fall 46), bald dick und Schweinsborsten ähnlich (Zacutus Lusi-
tanus (Fall 44). Die Länge der spontan ausgeschiedenen Haare
schwankt von !/, Zoll bis Daumen- und Mittelfingerlänge (12 bis
13cm Larrey).
Außer den Haaren, respektive gleichzeitig mit den Haaren wer-
den ausgeschieden: in einem Fall Brocas (Fall 41) Muschelschalen
gleichende Knochenlamellen. In der Blase selber fand man bei einer
Kranken (Humphreys, Fall 11) außer Haaren, Zähne und Knochen.
In einer von Lejars (Fall 19) zitierten Beobachtung Ohlshausens
werden aus einer Öffnung der Blase, die cystoskopisch festgestellt
war, zwar keine Haare, wohl aber einige Tropfen ölartiger Flüssig-
keit entleert. Der Befund der Haare in den durch Operation oder
Sektion gewonnene Blasensteine wird später gewürdigt werden. Hier
sei erwähnt, daß. Seutin (Fall 4) und Blackman (Fall 15) in
Blasensteinen Zähne fanden. Die Befunde von Organteilen in den
Ovarial-Dermoidcysten sollen hier nicht behandelt werden.
Bemerkenswert ist die Ausstoßung einer 3:4,5 ccm großen, ei-
förmigen Cyste aus der Harnblase; die Cyste enthielt Haare (Gluge,
Fall 36).
Die Pilimiktion ist immer mit Symptomen schwerer Blasen-
entzündung, Harndrang, Pollakiurie verbunden. Steine in der Blase
wurden in 18, Nierensteine in 2 Fällen festgestellt. Selbstverständ-
lich treten die Symptome der Calculosis (Koliken, Fieberanfälle,
Hämaturie) gelegentlich auf. Zuweilen (z B. Henry, Fall 47)
wurde die Abwesenheit von Steinen ausdrücklich festgestellt. Da
nach Steinzertrümmerung die als Fremdkörper wirkenden Haare in
der Blase zurückbleiben, so sind Rezidive (Heller, Felecki, Fall 39)
selbstverständlich.
In meinem Fall hatten sich bereits 4 Wochen nach der Litho-
tripsie um die Haare statt des ursprünglich vorhandenen, zwei neue,
allerdings kleine Steine gebildet.
Die Steine werden vielfach durch spontanen Abgang, in 4 Fällen
durch Dilatation der weiblichen Harnröhre und direkte Abtastung,
nur in meinem Falle cystoskopisch diagnostiziert. Die Steine wurden
Zeitschrift für Urologie. 1913. 2
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CH ae Es kb E S
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rn nee An
18 Julius Heller.
6 mal zertrümmert, 1 mal durch Sectio alta entfernt. Mit der Ent-
fernung der Steine wurden natürlich nur die in den Steinen ein-
geschlossenen Haarteile eliminiert. Die Haarpapillen blieben zurück
und erzeugten höchstwahrscheinlich die ausgerissenen Haare wieder-
Wiederholt fanden die Beobachter in den spontan abgegangenen
Haarmassen Haare mit normalem Bulbi. Der Sitz der Inkrustationen
an den oberen Teilen der Haare, der oft beobachtet wurde, beweist,
daß die Steinbildung nur an den frei in das Blasenlumen hinein-
rarenden Haaren erfolgt. In einem Falle Schautas bildeten sich
an die Haare Keulen aus Phasphaten.
Zur Entfernung der Haare wurde von Paget eine Dilatation
des oflenen Urachusganges und sekundäre Extraktion aus der Blase
direkt vorgenommen (Fall 48); von Hall (Fall 29) wurde unmittel-
bar aus der Blase ein mit Konkrementen dicht besetzter fingerdicker
Haarzopf extrahiert; von Larrey (Fall 2) die nach der äußeren
Haut von der Blase aus führenden Fistel gespalten. Auf die Auf-
zählung der internen Mittel, die meist in früheren Jahrhunderten
angewendet wurden, kann verzichtet werden. Ein auf eine richtige
anatomische Vorstellung basierter Versuch, die Ursache der Krank-
heit, die Dermoideyste zu beseitigen, ist bisher beim Manne nicht
gemacht worden. Auf die Operationen bei der Frau wird später
eingegangen werden.
In 9 Fällen wurde der Befund von Haaren in der Blase oder
in einer mit der Vesica urinaria kommunizierende Dermoidcyste durch
Sektion festgestellt.
Mit den Angaben über das morpholorische und chemische Ver-
halten der Haare enthaltenden Steine ist. nicht viel anzufangen.
Fast stets wird gesagt, daB die Haare den „Kern“ der Steine
bilden; Paget sah eine ringförmige Haarmasse als Inhalt eines
Steines; andere (z. B. Rayer) sahen um jedes Haar einen kleinen
Stein entwickelt. Die Steine dürften, wenn man aus der leichten
Zerbrechlichkeit schließen darf, meistens Phosphatsteine gewesen
sein; gelegentlich wird allerdings angegeben, daß bei der Pilimik-
tion harnsaure Diathese bestand. Ich konnte durch entsprechende
chemische Analysen nachweisen, daB es sich um Erdphosphate')
(Kalk, Magnesia) handelte.
Während bei den Männern die Symptome der Calculosis in
1, Die Steinbröckel waren nieht verbrennbar, das native und das geglühte
Pulver brausten micht bei Zusatz von HCI
Pseudotrichiasis der Blase und Pilimiktion. 19
den Vordergrund treten — eine Sektion, die eine Dermoidcyste ent-
deckte, ist bisher beim Manne nicht gemacht worden!) —, be-
herrschte bei den Frauen meist der Ovarialtumor das Krankheits-
bild. In 8 Fällen wurde er vor der Operation, in 4 bei der Ope-
ration oder der Sektion festgestellt. Zweifellos würden heute noch
viel mehr Fälle vor der Autopsie entsprechend der verbesserten
Untersuchungstechnik diagnostiziert werden. In den Fällen, in denen
nach der Blase durchgebrochene Dermoide, aber keine Pilimiktion
festgestellt wurden, handelte es sich stets um Ovarialtumoren. Diese
Fälle sollen auch bei den folgenden Ausführungen mit berücksich-
tigt werden. Die Kommunikation der Ovarialdermoide mit der
Blase kann an einer. nur kleinen Stelle erfolgen (Seutin, Fall 4,
Humphrey, Fall 11, Pozzi, Fall 23); die Verbindungsöffnung
kann so klein sein, daß eine „pédicule pileux“ durch diese Öffnung
allein in die Blase hineinragt (Larrey, Fall 2), es kann auch zu
einer sehr breiten Kommunikationsöffnung kommen (Larrey, Fall 2).
Auch 3 Öffpungen des Dermoids zur Blase sind beobachtet (Philipps,
Fall 1). Praktisch wichtig wegen der (z. B. von Greenhalgb,
Fall 6) beobachteten Peritonitis, ist die Kommunikation von Üyste
und Blase mit dem Rektum oder andern Darmteilen (Le Gendre,
Fall 18, Martini, Fall 30, Greenhalgb, Fall 6).
Wie ausgedehnt die Verwachsungen zwischen der Dermoidcyste
und der Harnblase sein können, zeigt die Beobachtung (Tillaux’,
Fall 8), der bei der Operation des Dermoids ein großes Stück der
Geschwulstwand zur Deckung des Blasendefektes zurücklassen mußte.
Auf die Symptome und die Diagnose der Ovarialdermoide soll natür-
lich hier nicht eingegangen werden.
Die Diagnose?) der Pilimiktion und der Trichiasis der Blase
ist im Zeitalter der Mikroskopie und Cystoskopie®) sehr einfach.
1) Bei der Sektion des 6 jährigen Knabens achtete Hoffmann nur auf
die in der Blase vorhandenen, Haare enthaltenden Steine,
2) Als document humain ist die Stelle aus einem Briefe interessant, den
Gal. Fabricius Hildanus am 13. September 1620 an Georg Horst schrieb.
Nach Schilderung eines charakteristischen Falles überkommt ibn die Empfindung
von der Unzulänglichkeit seines technischen Könnens und er sagt: „Möchte
doch ein anderer, begabt mit Luchsaugen, die Stelle entdecken, an der die
Haare entstehen; suche doch diesen Mann, ich flehe dich an.“
3) Auf die Differentialdiagnose gegenüber artifiziell in die Blase gebrachten
Tier- und Menschenhaaren braucht wohl kaum hier eingegangen zu werden.
Ein um absichtlich in die Blase gebrachte Haare gebildeter Stein kann doch
nicht an der Blasenwand festsitzen, sondern wird beweglich sein.
9%
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u
~. 5 e - 2
am no EE ` Aë = oia
ou Julius Heller.
Sind die Haare der sofortigen Kenntnisnahme durch Einhüllung in
Phosphatmassen, wie in meinem Falle, entzogen, so gibt die Stein-
operation (einfache Lithotripsie, oder einfache Lithotripsie mit dem
Operationscystoskop oder Sectio alta) Aufschluß. In einem von
Zuckerkandl in v. Fritschs Handbuch der Urologie wiedergegebe-
nen Fall Schautas, waren die Haare in wahre keulenartige Ge-
bilde durch Inkrustationen umgewandelt. In meinem Fall ist zum
ersten Male die cystoskopische Diagnose beim Manne gestellt wor-
den. Selbstverständlich wird man versuchen, die supponierte Cyste
durch bimanuelle Palpation zu fühlen.
Die Röntgendurchleuchtung kann, wenn ein Zahn oder ein
Knochen in der Cyste sich findet, eventuell Aufschlüsse geben.
Die Prognose der Pseudotrichiasis der Blase dürfte von dem
Zeitpunkt der Stellung der Diagnose und der Schwierigkeit der
Operationsverhältnisse sowie dem Allgemeinbefinden des Patienten
abhängen. Eine, von Roy (1900—1901) verfaßte Zusammenstellung
der therapeutischen Erfolge bei der Operation der Dermoidcysten des
kleinen Beckens, die sich in die Blase geöffnet hatten, hat daher
nur bedingten Wert. Roy fand bei seinen Patientinnen:
2 Todesfälle an intereurrenten Affektionen, 3 chirurgisch abdo-
minale Interventionen (1 Erfolg), 2 vaginale Eingriffe (Erfolg un-
bekannt), 3 Todesfälle durch Ruptur ins Peritoneum an Bauchfell-
entzündung, 1 Todesfall durch Cystitis calculosa, 2 Todesfälle durch
Jarnretention und Septicaemie, 6 Heilungen ohne größere chirur-
gische Eingriffe. In einzelnen Fällen heilte die Ü'yste nach Ent-
leerung ihres Inhaltes wie ein AbszeB aus.
Eine von mir durch einige Nachträge vermehrte Statistik Ger-
mains über besonders schwere operierte, Frauen betreffende Fälle
ergab:
Todesfälle Besserung Heilung
Nicht operierte Fälle . . 4 4 — —
Von der Blase aus operierte Fälle 5 3 1 1
Von der Vagina aus operierte Fälle 2 — l 1
Vom Bauch aus operierte Fälle . 10 3 a 7
Selbstverständlich handelt es sich hier nur um Dermoidcysten,
die in der Blase durchgebrochen waren. Es ist anzunehmen, daß
die moderne Operationstechnik ganz anders günstige Zahlen liefern
wird.
Beim Manne ist die operative Entfernung der Dermoideysten
bisher nieht versucht worden.
Pseudotrichiasis der Blase und Pilimiktion. 21
Therapie. Ist die Trichiasis der Blase, wie bisher in allen
zur Autopsie gekommenen Fällen erwiesen wurde, durch ein Der-
moid des Ovariums bei der Frau, des kleinen Beckens beim Manne
bedingt, so kann die Therapie nur eine chirurgische sein und in der
Enfernung der Geschwulst bestehen. Die Zertrümmerung der Blasen-
steine hat nur einen vorübergehenden Erfolg. Schuell (in meinem
Fall in kaum 4 Wochen) bilden sich neue Steine um die als Fremd-
körper wirkenden Haare. Das Herausziehen der Haare, das ja bei
der heutigen Ausbildung der endovesikalen Technik nicht besonders
schwierig wäre, dürfte keinen Erfolg haben, da aus den Haarpapillen
der Cystenwand sich stets neue Haare bilden werden.
Mit Rücksicht auf die Fälle, in denen sich an brüske Manipu-
lationen Peritonitis anschloß, erscheinen alle diese Encheiresen kon-
traindiziert. Man darf nicht vergessen, daß in vielen Fällen die
Verbindung zwischen Dermoidcysten und Harnblase durch ventil-
artige Hervorstülpung wohl den Austritt der Haare in die Blase,
nicht aber den Eintritt der infizierten Haare in die Dermoidcysten
gestattet. Stellt man hier breite Kommunikationswege her, so ist
Ausbildung einer Art Cystoscele, Ruptur und Erguß des infizierten
Harnes in die hinter der Blase gelegenen Räume sehr möglich.
Es bleibt deshalb nur die Operation übrig; lehnt der Patient
den Eingriff ab, so muß sich der Kranke und der Arzt mit den
bekannten Palliativmitteln (Harnantiseptica, Spülungen der Bluse,
Steinoperation) begnügen.
Liegt freilich ein Fall so günstig, wie der von mir beschriebene,
d. h. besteht eine Trichiasis der Blase, die zu einer leicht zu be-
seitigenden Lithiasis Veranlassung gegeben hat, ist ferner eine Der-
moidcyste durch Palpation nicht nachweisbar, so kann der Versuch
gemacht werden, durch wiederholte Lithotripsie die Steine und die
in ihm befindlichen Haarmassen zu entfernen. Ob diese Therapie
einen Dauererfolg hat, kann erst die Zukunft zeigen.
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Ans dem pathologischen. Institut des Herzuglichen Krankenhanses 2
Braunschweig.
Leiter: Pros. Dr. Schultze.
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Uber angeborene Stenosen der Pars posterior
der Harnröhre.
Von
Dr. med. €. Heinecke.
Mit einer Textabbildung.
Nachdem Tolmatschew mehrere Stenosen im Bereich des
hinteren Teils der Harnröhre ausführheh beschrieben und zu er-
klären gesucht hatte, wurde eine ganze Reihe soleher Fälle be-
obachtet. Immerhin ist ihr Vorkommen selten; in der ganzen uns
zur Verfügung stehenden Literatur fanden wir nur 19 Fälle erwähnt,
was ja aueh mit daran hegen mag, dab im allgemeinen keine Sektion
der Harnröhre stattfindet. Es handelte sich in den beschriebenen
Fällen um halbmondförmiee Falten, die vom vorderen Ende des
Collieulus semimalis auseingen und von dort beiderseits gegen die
Seitenwände der Harnröhre ausstrahlten. Sie bildeten zwei mehr
oder weniger Uccle Taschen, die nach der Blase zu geöffnet waren.
In anderen Fällen wurde das Hindernis durch eine quer im Harn-
röhrenlumen stehenden Membran bewirkt, die nur cine kleine Off-
nung zeigte, oder dureh eine Klappe, die an der vorderen resp.
oberen Harnröhrenwand befestigt war, oder durch einseitige Taschen-
bildung, wobei die Tasche durch den eestauten Urin allmählich
auf die andere Hälfte der ITarnröhre ausgezogen wurde. In einem
anderen Falle lag die Störung hinter dem Collieulus seminalis und
wurde dort ebenfalls durch zwei halbmondförmige Falten bedingt.
Eigentüimlich war bei allen diesen Fällen, dal sie in den ersten
Lebensjahren oder gleich nach der Geburt zur Sektion kamen.
Das Hindernis hatte zu hoehgradiger Stauung des Urins und weiter
zu schweren Veränderungen der aufwärts gelegenen Harnwege ge-
führt. Schwere Hydronephrose mit Pvelonephritis stellte meistens
die Todesursache dar.
Über angeborene Stenosen der Pars posterior der Harnröhre. 23
Wir konnten einen einschlägigen Fall beobachten. Am 18. II. 1912 wurde
ein fünfjähriger Knabe in die chirurgische Abteilung des Herzogl. Kranken-
hauses (Geh.-Rat Sprengel) aufgenommen. Die Eltern teilten mit, daß das Kind
seit der Geburt Beschwerden beim Urinieren gehabt habe. Das Urinieren nahm
20—25 Minuten in Anspruch, zwischendurch war das Kind durch ständigen
Urinabgang durchnäßt. Die Eltern konsultierten verschiedene Ärzte, die die
Ursache nicht aufdecken konnten. In letzter Zeit wurde oft Katheterismus vor-
genommen. Seit Dezember 1911 stellten sich hohe Abendtomperaturen von
wechselnder Höhe bis zu 40 Grad ein. Es erfolgte Entleerung trüben Urins,
blasses Aussehen und Mattigkeit fiel auf.
Aufnahmestatus: Normal entwickeltes Kind von blasser Gesichtsfarbe, Ab-
domen ohne Besonderheiten, Blase ad extremum getüllt. Urin fließt meist kon-
tinuierlich ab, zwischendurch wird langsam in dünnem Strahl Urin entleert (zwei
bis dreimal am Tage) je eine halbe Stunde lang. Urin enthält reichlich Eiter
und Leukocyten, keine Zylinder.
Katheterismus in Narkose, der nach einigen Schwierigkeiten mittelst Metall-
katheters gelingt. Es entleert sich eine große Menge Urin, in dem deutlich
Eiweiß und Eiter nachzuweisen ist. Im Anschluß daran ist Bougierung mit
ziemlich starken Bougies ausführbar. 20. II. infolge Entzündung und Schwel-
lung der Urethra Katheterismus schwer möglich. Von jetzt ab täglich einmal
Katheterismus und Spülungen. 28. II. Katheterismus meist ohne Schwierig-
keiten, jedoch unter heftigen Schmerzen ausführbar. Manchmal scheint sich
der Katheter vor der Blase irgendwie zu fangen.
Temperatur gelegentlich nach mehreren fieberfreien Tagen 38,5 Grad. Am
9. III. Operation in Chloroformnarkose, da eine wesentliche Besserung des Allge-
meinzustandes nicht eingetreten ist, und der Katheterismus wieder größere
Schwierigkeiten macht. Es wurde die Sectio alta ausgeführt, die Blase nach
Zurückschiebung der schlecht sichtbaren peritonealen Umschlagfalten eröffnet.
Blasenschleimhaut war entzündlich gerötet und stark gewulstet. Es handelte
sich um eine Balkenblase. Der rechte Ureter ist trotz Suchens nicht zu finden.
Der linke mündet auf einen stark vorspringenden Schleimhautwulst, ist aber
nicht zu sondieren. Aus ihm spritzt noch lange nach der Eröffnung Urin in
größeren Menge hervor, besonders nach Druck auf die hintere Blasenwand.
Die Urethra ist von oben gut für einen weichen Katheter durchgängig. Die
Wunde wurde drainiert und eine Wasserleitung angelegt. Der Schluß der
Wunde erfolgte durch Matratzennaht. Am Abend betrug die Temperatur 39,2
Grad. Urin fließt ab, vermischt mit Blut und eitrigen Fetzen. Nachts war
Patient sehr unruhig. Die Morgentemperatur hielt sich auf 39 Grad. Patient
ist benommen, schreit oft laut, trinkt wenig, Puls unverändert. Wechsel des
uringetränkten Verbandes, Im Laufe des Nachmittags zunehmende Benommen-
heit, Puls langsam, klein, etwas gespannt. Nach 12 Uhr erfolgte der Exitus.
Klinische Diagnose: Urethralstenose?
Sectionsbefund: Knabe von grazilem Bau, geringem Fettpolster, sehr
blasser Hautfarbe. In der Unterbauchgegend operativer Längsschnitt, der mit
Gaze ausgestopft ist und aus dem ein langes Drainrohr herausführt. Das Prä-
putium fehlt an der vorderen Circumferenz, im hinteren Teil ist es ödematös,
hängt schürzenförmig herunter (Resultat früherer Phimosenoperation), Harn-
—— mm..
24 E. Heinecke.
rübrenmündung an normaler Stelle, weit. Hoden liegen im Hodensack. Nach
Eröffnung des Abdomens wölben sich die stark geblähten Darmschlingen vor,
Das Peritoneum ist glatt und spiegelnd. Waurmfortsatz nicht verändert,
Die Tampons liegen im prävesikalen Raum. Das Drainrohr in der stark kon-
trabierten Blase. Nach Entfernung des Darms sieht man den rechten Ureter
kleinfingerdick, geschlängelt, linker Ureter daumendick, stark gefüllt, besonders
im unteren Teil. Milz zeigt sich etwas vergrößert, Schnittfläche ist blaßrot und
von einigen dunkelroten Flecken durchsetzt. Lymphknötchen treten sehr deut-
lich hervor. Linke Niere stark ver-
größert, beim Einschneiden gelangt
WR?
TË geg A s man in das erweiterte stark mit ei-
y
"e
, Kar
La
+ + triger Flüssigkeit angefüllte Nieren-
becken. Die ganze Niere ist durch-
setzt mit zu Gruppen zusammen-
stehenden kleinen Abzeßchen, die
"y | sich auf der Oberfläche in dunkel-
rotem Grund stark vorwölben. Auf
der Schnittfläche zeigen sich baupt-
sächlich in der Rindensubstanz zahl-
reiche streifenfürmige gelbe Abzesse.
Am Ausgang des Nierenbeckens sieht
man eine leichte Verengerung des
Ureters Der untere Teil des Ureters
ist erweitert. Durchmesser der Ure-
=.
+
t
teren.
Am Nierenbecken: In der Mitte:
1,0 cm 1,8
DS. LI
Oberhalb der Blasenmündung:
2.5 links
1,9 rechts
Auf der rechten Seite ist das
Nierenbecken ebenfalls stark erwei-
tert. Niere nicht besonders vergrößert,
hier finden sich nur ganz vereinzelte
gelbe Abzesse mit dunkelroter Um-
gebung. Es wurden dann die Becken-
organe gemeinsam mit der Urethra
entfernt. Nach Eröffnung der Harnröhre zeigt sich das Lumen derselben nir-
gends deutlich erweitert oder verengert, vom Collieulus seminalis zieben in
leichtem Bogen halbnondförmige Falten nach unten und enden an beiden
Seiten der Harnröhre, (S. Fig.) Es ist dadurch die Pars prostatica von der
Pars membranacea wie durch zwei Barrieren abgeschlossenen, Die Länge
der Falten beträgt von der Gabelung bis zur Mündung in die seitliche Harn-
röhrenwand 0,8 cm. Ihre Höhe am Beginn 0,2 cm, an der Mündung 0,1 em.
Die Harnblase ist stark kontrahiert, Schleimhaut verdickt, wulstig, Muskulatur
hypertrophiert, durchschnittliche Wanddicke 1,2cm. Auf der Höhe der Schleim-
hautfalten finden sich Blutungen und ein feiner eitriger Belag, Harnröhren-
Über angeborene Stenosen der Pars posterior der Harnröhre. 95
mündung leicht zu sondieren, Nebenhoden groß, Hoden ohne Besonderheiten.
Herz, Lunge, Leber, Magen, Darm nicht verändert.
Diagnose: Congenitale Stenose der Urethra am Übergang der Pars pro-
statica in die Pars membranacea (halbmondförmige Falten), Balkenblase, Cystitis.
Aufsteigende Pyelonephritis mit Dilatation der Ureteren und des Nierenbeckens.
Mikroskopische Untersuchung: In der linken Niere diffuse und zusammenliegende.
Leukocyten. Die Kapsel ist stark verdickt. (Es fällt die stärkere Veränderung
der linken Niere auf, in den Fällen von Lederer, Fuchs, und Wilkens — in
anderen finden wir darüber keine Angaben — überwiegen gleichfalls links die
Veränderungen.)
Die soeben beschriebene Stenose ist also durch Vergrößerung
der halbmondförmigen Falten entstanden. Über die normalen Ver-
hältnisse dieser Gegend schreibt Rauber in seinem Lehrbuch: ‚Die
Länge des Samenhügels beträgt 2 cm, die größte Höhe und Breite
3 bis 4 cm. Der hintere Ausläufer kann sich bis zum Trigonum
vesicale erstrecken, der andere, längere verstreicht entweder un-
geteilt oder gabelt sich zuvor in zwei symmetrische Falten,
welche Frenula colliculi seminalis genannt werden. Zu
beiden Seiten des Hügels finden sich Längstäler, auf deren Boden
reichlich Mündungen von Prostatadrüsen vorhanden sind. Der
Collieulus besitzt geschichtetes Plattenepithel wie die Blase. Er
hat zur Grundlage einen axialen Längsstrang von elastischen
Fasernetzen, der mit den muskulösen Längsfaserzügen des Tri-
gonunı zusammenhängt. In den Lücken des Netzes liegen longi-
tudinale Züge glatter Muskulatur.“ Zur Orientierung nahmen wir
die Untersuchung von 16 Harnröhren der verschiedensten Lebens-
alter vor. Die Harnröhre wurde gemeinsam mit Prostata und Blase
herausgenommen, frisch betrachtet und in Formol konserviert. Dann
wurde an den meisten Präparaten, teils nach Paraffineinbettung,
teils mit der Gefriermethode die histologische Untersuchung vor-
genommen. Es ergab sich, daß in allen Fällen eine oder zwei
Falten deutlich vorhanden waren, zehnmal waren zwei teils ganz
seichte, teils !/, mm hohe Falten vorhanden. Bei Prostatahyper-
trophie verhielten sich die Falten nicht irgendwie auffallend. In
sechs Fällen war nur eine Falte vorhanden, deren Höhe einmal
2 mm, einmal sogar 4 mm betrug. Die, histologische Untersuchung,
die in ganz verschiedener Entfernung vom Gipfel des Samenhügels
vorgenommen wurde, zeigte eine völlige Übereinstimmung dieser
Falten mit dem Colliculus seminalis, wie er bei Rauber beschrieben
ist. Die Falten bestanden aus Bindegewebe und Muskulatur und
waren mit Plattenepithel bekleidet. Glatte Muskulatur fanden wir
26 E. Heinecke.
Gm Gegensatz za Wilkens, in dessen Fall sie nur bis an den
Fubpunkt der Klappe geht) noeh dicht unter der Schleimhaut.
In den seichten Falten wurde keine Muskulatur gefunden. Hier
fehlte also die Übereinstimmung mit dem Collieulns seminalis.
Irgendwelche klinische Erscheinungen waren in den von uns unter-
suchten Fällen nieht beobachtet, auch in dem Falle nicht, wo die
eine Längsfalte sehr stark ausgebildet war, Was ja auch ganz natür-
lich ist, da sie in der Längsrichtung der Harnröhre verlief und
dem Strom kein Hindernis entrerensetzte. Anders würde der Fall
liegen, wenn die Falte nicht median verliefe, sondern quer oder
schräg. Danu Könnte sie natürlich schwere Stenosen bewirken,
wie es beispielsweise Godard beschrieb. Gehen wir kurz auf die
näher beschriebenen 12 Fälle dieser Stenvse ein (ausführliche Mit-
teilung darüber hat Wilkens in seiner Arbeit gebracht, die iu
der Zeitschrift für Urolouie Band 4, Heft IL erschienen ist. Seit-
dem hat sich unseres Wissens nur Lederer mit dieser Frage
befaßt). Von halbmondfôrmiven Falten, wie die oben beschriebenen,
berichten Tolmatschew-Lange, Bedmar, Fuchs (2 Fälle) und
Wilkens Der Fall Schlagenhaufers steht dieser Gruppe sehr
nahe, unterscheidet sich aber dadurch, daß mehr eine trichter-
formiee Stenose, Schlarenhaufer vergleicht sie mit den ver-
wachsenen Rändern der Aortenklappe bei Aortenstenose, vorhanden
war. Das Orificium vesicae war verstrichen und so die Pars
prostatica gleichsam mit in die Blase hineinbezogen. Im wesent-
lichen ist dies wohl nur ein höherer Gral von unserer Stenose,
Eine größere Abweichung stellen die irisartigen Membranen von
Lederer und Jarjavai dar, während die in Einzahl vorhandenen
halbmondförmigen Membranen von Godard und Kommandeur
mit unserer Stenose übereinstimmen, nur dadurch sich unterscheiden,
daß im Gegensatz zu unseren zwei Falten nur eine Falte zur Aus-
bildung gekommen ist. Dei den Fällen Budds und Buschkes
saß die Stenose in der vorderen oberen Harnröhrenwand. Vel-
peaus Fall ist dureh den Sitz des Hindernisses hinter dem Samen-
hügel unterschieden, ist aber sonst sehr ähnlich.
Welches ist die Ursache dieser Falten, liegt ein Grund vor,
sie erundsätzlich voneinander zu trennen? Nach Englisch, und
dieser Ansicht stimmten viele Autoren bei, soll in der Embryonal-
zeit aus unbekannten Gründen eine stärkere Ausbildung der stets
vorhandenen Falten stattgefunden haben, die hierdurch bedingte
Urinstauung, die Hvpertrophie der Blase und der größere Druck
Über angeborene Stenosen der Pars posterior der Harnröhre. 27
auf den Urin üben dann einen Reiz auf die Schleimhaut aus, der
sich in Epithelwucherung und Bindegewebszunahme äußert, wo-
durch natürlich das Hindernis größer wird, so daß in fortwähren-
dem Circulus vitiosus endlich der Zustand erreicht wird, der ein
Fortleben des Organismus nicht mehr ermöglicht.
Von dieser Annahme ausgehend müßten wir die membranöse
Verengerung von den anderen trennen, denn wir können uns wohl
nicht denken, daß diese auf 'solche Weise entstanden ist; hier liegt
es viel näher, wie es auch Lederer tut, eine Hemmungmißbildung
anzunehmen. Wir müssen uns vorstellen, daß die Membrau völlig
verschlossen war, und daß erst durch den anströmenden Harn all-
mählich eine Öffnung entstanden ist. Außer dem Sitz der Membran
— die Pars prostatica geht aus dem Sinus urogenitalis hervor, ---
spricht auch der histologische Befund Lederers für eine Ent-
stehung aus einem Gebiete, wo Ektoderm und Entoderm zusammen-
stoßen, er hält sie für einen Rest der Kloakenmembran, die ja
an der Bildung des Sinus urogenitalis beteiligt ist.
Bonnet äußert in seiner Entwicklungsgeschichte, daß eine
Persistenz der von Mesenchym durchwachsenen Kloakenhaut zur
Atresia ani oder, wenn diese den ventralen Teil betrifft, zur Atresia
urogenitalis führt, man könnte dann diese Störungen als unvoll-
kommene Atresien des Sinus urogenitalis auffassen, hierfür spricht
auch der von uns erhobene Befund von Muskulatur in den Falten
fast bis zur Schleimhaut heran, der mit dem histologischen Bau
der Membran von Lederer übereinstimmt, der ja auch Muskulatur
in der Membran feststellte. In den wenig ausgebildeten Falten
fanden wir niemals Muskulatur. Daß durch Reizzustände Musku-
latur in die Falte eindringt, scheint unmöglich. Die halbmond-
förmigen Falten sind also nach unserer Ansicht nur spärliche Reste
der Kloakenmembran, die sich in der Membranstenose ausgedehnter
erhalten hat.
Ein weiterer Grund zur Annahme einer Entwicklungsstörung
liegt in dem Alter der Patienten; das höchste Alter betrug 16 Jahre,
während die Mehrzahl kurz nach der Geburt zur Sektion kam.
Hätten Reizzustände die Möglichkeit, die Falten derartig hyper-
trophieren zu lassen, sobald sie schon ein geringes Hindernis bilden,
dann müßten wir doch auch in höherem Lebensalter infolge der
dann so häufig’ vorkommenden Urinstauungen, wenigstens einige
Fälle von hypertrophischen Falten zu verzeichnen haben, die zu
Störungen führten. Daß natürlich bei bestehendem Hindernis durch
28 E. Heinecke.
Druckvermehrung von der hypertrophischen Blase aus dieses ge
zerrt wird und noch mehr dem Urin den Wer verlegt, und dub
die allgemeine Schleimhautschwellung der Harnröhre aueh in dieser
Weise wirkt, erscheint selbstverständlieh; aber nie wird dadurch
erst das eirrentliche Hindernis entstehen. Zur Annahme einer
Hemmungsmibbildung neigen auch die Ansichten von Posner,
Schlarenhaufer, Lederer und Wilkens.
Für den Kliniker sind die wenigsten dieser Fälle zur Beobach-
tung gekommen, da ja die meisten Patienten bald nach der Geburt
starben, infolge der schweren Veränderungen, die in den Nieren
entstanden waren. Wilkens stellte die Stenose ganz als Zufalls-
befund bei einem an Diphtherie westorbenen zweijährigen Rinde
fest, die nachträglich erhobene Anamnese ergab gar keine Harn-
beschwerden, obgleich der Harnapparat derartig verändert war, dab
in kurzer Zeit der Tod durch PFunktionseinstellunz der Nieren zu
erwarten gewesen wäre. Lederers Patient, ein elfjähriger Knab»,
hatte Beschwerden nach Ablauf einer fünf Jahre vorher statt-
vefundenen Scharlachinfektion bekommen, die in starken Schmerzen
beim Urinieren, Harnträufeln und längerer Harnverhaltung be-
standen. Patient war zwei Jahre vorher klinisch untersucht, hatte
sich jedoeh dem Katheterismus entzogen, er starb dann unter urü-
mischen Erscheinungen. Die klinische Diagnose lautete auf Schar-
lJachnephritis. Renale Elemente waren nie gefunden. Hier hätte
der Katheterismus Klarheit gebracht, der ja die Membran nicht
hätte passieren können: bei dieser Stenosenform ist die Diagnose
eines Hindernisses im hinteren Teil der Urethra leicht. Schwieriger
ist die Diagnose der halbmondförmigen Falten. In unserem Falle
hätte die Diagnose besonders daraufhin gestellt werden können,
daß der Katheter in der Pars prostatica hängen zu bleiben schien,
dann aber doch noch in die Blase gelangte.
Der erschwerte Katheterismus ist keineswegs typisch dafür,
Schlagenhaufer und Wilkens stellten fest, dab das Katleteri-
sieren vom Orifictum externum sehr leicht ging, während dies von
der Blase aus nicht gelang. Das ist ja auch durch die anatomischen
Verhältnisse ganz erklärlich, der von der Blase aus vorrückende
Katheter gelangt in eine der Taschen, «der von außen eindringende
wird durch die Faltenwand von den Taschen abzedrängt und ge-
langt in die Mitte der Harnröhre und von dort auf dem Colliculus
seminalis entlang in die Blase. Schlagenhaufer hält das leichte
Gelingen des Watheterismus bei periodischer Harnverhaltung für
Über angeborene Stenosen der Pars posterior der Harnröhre. 29
ein sehr wertvolles Merkmal dieser Stenosen, das scheinbar ab-
weichende Verhalten bei unserem Patienten wird durch die Schleim-
hautschwellung völlig erklärt. Eine sichere Diagnose kann wohl
nur das Cystoskop ergeben.
Vielleicht wird diese Arbeit das Augenmerk des Klinikers etwas
mehr auf diese Stenosen lenken. Möglicherweise beruht manche
auf nervöse Ursachen zurückgeführte Harnverhaltung, bei der der
Katheterismus leicht ausführbar ist, auf einer solchen Stenose.
Bisher ist noch kein operativ geheilter Fall der beschriebenen
Verengerung bekannt; aber nur weil die Diagnose nicht recht-
zeitig gestellt wurde. Andernfalls kann die Therapie wohl keine
Schwierigkeiten machen.
Literatur.
Genauere Literatur siehe bei:
Schultze, W. H., Männliche Geschlechtsorgane in Brünig-Schwalbe, Hand-
buch der Pathologie des Kindesalters. Bergmann. Wiesbaden 1912 (noch nicht
erschienen) und
Wilckens, Kongenitale Stenosen der männlichen Harnröhre. Zeitschrift
für Urologie, Band 4.
Ferner wurden noch benutzt:
Bonnet, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte.
Kaufmann, Lehrbuch der speziellen Pathologie, 6. Auflage 1911.
Lederer, Über eine angeborene membranöse Verengung der Pars prosta-
tica der Harnröhre. Virchows Archiv, Band 203, 1911.
Rauber, Lehrbuch der Anatomie, Band 2.
Schlagenhaufer, Ein Beitrag zu den angeborenen Klappenbildungen
im Bereiche der Pars prostatica urethrae, Wiener klin. Wochenschr. 1896, Nr. 15.
Ein primäres Urethralkarzinom der Fossa
navicularis.
Von
Dr. Benno Ottow, Dorpat.
Das Primärkarzinom der Harnröhre galt früher, auf Grund
einer spärlichen Kasuistik, als äußerst selten. Erst in den letzten
Jahrzehnten sind die Mitteilungen über diesen Gegenstand häufiger
geworden.
Neben anderen Autoren faßten in letzter Zeit Burckhardt?)
Englisch?) und Preiswerk°) die bisher bekannt gegebenen, die
männliche Harsröhre betreffenden Fälle in Sammelarbeiten zu-
sammen. Die Tabelle von Preiswerk gibt Auskunft über 42 Kar-
zinome der Urethra virilis.
Ziehen wir zum Vergleiche die Angaben über das Vorkommen
des Krebses der weiblichen Harnröhre heran, so zeigt sich eine
numerisch annähernd gleiche Beteiligung beider Geschlechter.
Ehrendorfer’) sammelte bis zum Jahre 1899 aus der Literatur
27 hierhergehörige Fälle, Karaki’) berichtete später über 57 Harn-
röhrenkrebse bei der Frau.
Was die Lokwlisation des Krebses im Verlaufe der Harnrühre
anbetrifft, finden sich natürlich, bei der anatomisch differenten Aus-
gestaltung, wesentliche Unterschiede bei beiden Geschlechtern.
!) Burckhardt, Handb. d. Urologie 1904.
®) Englisch, Das Epitheliom d. männl. Harnröhre. Fol. urolog. 1907,
I, S. 38.
3) Preiswerk, Über das primäre Karzinom d. männl, NHarnröhre. Zeit-
schrift für Urologie 1907. 1, S. 273.
*) Ehrendorfer, Über Krebs der weiblichen Harnröhre. Arch. f. Gyn,,
Bd. 58, S. 463.
5) Karaki, Über prim. Karz. d. weibl, Harsröhre, Zeitschr. £ Gebh. u.
Gyn, Bd. 61. Ref. Zeitschr. f. Urolog., I, S. 281.
Ein primäres Urethralkarzinom der Fossa navicularis. 31
Atiologisch wird sowohl beim Manne wie bei der Frau auf die
Häufigkeit vorausgegangener chronisch-entzündlicher Prozesse (Go-
norrhoe, Fissuren, Strikturen,' Karunkel u. a.) hingewiesen.
Nach Ehrendorfer finden sich beim Weibe urethrale und
vulvourethrale Karzinome. Beim Manne sind — Fistelkrebse un-
berücksichtigt — hauptsächlich dia Pars cavernosa, doch auch die
Pars membranacea urethrae als Prädilektionsstellen für diese Neu-
bildung anzusehen, während die Fossa navicularis nach Wolff?)
noch niemals Sitz eines beginnenden Krebses war.
Aus diesem Grunde dürfte es nicht überflüssig sein, die schon
reiche Kasuistik der Haruröhrenkrebse um einen weiteren Fall zu
vermehren, in welchem als Sitz des Primärkarzinomes die Fossa
navicularis urethrae festgestellt wurde. Den vorliegenden Fall ver-
danke ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Kollegen Dr. A. Walent
in Dorpat, der denselben operierte und ihn mir zwecks pathologisch-
anatomischer Untersuchung überließ:
G. Z., 69 a. n. Verheiratet. Gesunde Kinder. Mehrfach in früheren Jahren
Gonorrhoe. Vor ca. 40 Jahren im Anschluß an ein Ulcus molle eiternder
Bubo sinister.
Vor 4 Wochen bemerkte Patient eine strangförmige Verhärtung am peri-
pheren Teile der Urethra im Gebiete des Frenulum, gleichzeitig Miktions-
beschwerden. 2 Wochen lang wurde Jodkali gebraucht, doch nahmen die
Schwellang und mit ihr die Harnbeschwerden progredient zu. Seit 1—2 Wochen
geringe eitrige Sekretion aus dem Orificiam externum.
Die Untersuchung ergibt: Präputiam und Glans penis frei. Die Um-
gebung der äußeren Harnröhrenöffnung livide verfärbt, hyperämisch; auf Druck
tritt ein Tropfen gelblichen Eiters aus der Harnröhre. Letztere ist vom Ori-
ficium externum an etwa 2—3 cm weit proximalwärts in einem leicht unregel-
mäßigen, harten, fast kleinfiingerdicken beweglichen Strang aufgegangen. Das
Frenulum zieht bogenförmig gespannt über die unter ihm liegende Harnröhren-
schwellung hin.
Operation: Amputatio penis in der Gegend des Winkels zwischen dem
hängenden Teile des Gliedes und dem Skrotum (Novokain-Lokalanästhesie).
Verlauf: normal. Nach !/, Jahre noch rezidivfrei.
Das zur Untersuchung vorliegende Präparat (distales Penisende)
ergibt folgenden Befund: Äußere Haut, Präputium und Glans penis
normal, ebenso sind die Pars cavernosa der Harnröhre und die
Corpora cavernosa penis ohne Veränderungen. Die Fossa navicu-
laris vom Orificium externum an bis zum Beginn der Pars caver-
nosa der Harnröhre ist durch eine etwa 2,5 cm lange unregel-
1) Wolff, Die Lehre von der Krebskrankheit 1911, Bd. II, S. 906.
32 Benno Ottow.
mäßige, strangförmige Geschwulstmasse fast völlig ausgefüllt und
verlegt. Geringe eitrige Sekretion, kein nekrotischer Zerfall.
Das Frenulum zieht bogenförmig gespannt über den urethralen
Tumor hin. Auf einem Längsschnitt durch die Harnröhre zeigt
sich die Fossa navicularis durch die geschilderte von der Urethral-
wand ihren Ausgang nehmende Geschwulstmasse ausgefüllt. Ein
basaler (Juerschuitt, durch die Corona glandis geführt, läßt zirkulär
von der Urethralwand ausgehende Geschwulstmassen erkennen, die
die Grenzen der Urethra allseitig - - besonders dorsalwärts — be-
reits überschritten haben, in den Schwellkörper der Glans penis
geschlossen eindringen und makroskopisch bis an die Tunica albu-
ginca der beiden in der Glans spitz zulaufenden und endigenden
Corpora cavernosa penis vorgedrungen sind.
Zur mikroskopischen Untersuchung wurden Gewebsstücke aus
dem Tumor und aus dem Gebiete des Orificium externum ent-
nommen (Formalin, Alaunkarmin, Van Gieson): Das mehrschichtige
Pjattenepithel der Fossa navicularis imn Gebiete des Orificium ex-
ternum geht ziemlich unvermittelt in Partien über, die eine mäch-
tige Wucherung des Epitheles zeigen. Dasselbe verdickt sich,
wuchert unregelmäßig in breiten Zapfen in die Tiefe, bricht weiter-
hin in die kavernösen Räume der Glans ein, in dem sich Geschwulst-
sprossen wechselnden Querschnittes, oft rundlich, oft drüsenartig
mit Lumenbildung (Zerfallsprodukt?), auf weite Strecken hin nach-
weisen lassen. Die karzinomatösen Epithelzellen zeigen ein unregel-
mäßiges polvmorphes Aussehen, die in den Schwellkörper ein-
gedrungenen Epithelialzapfen haben meist ihr Tinktionsvermögen
mehr oder weniger verloren. Mitosen finden sich nur sehr spärlich:
nirgends Verhornungen oder gar Hornperlen.
Es liegt somit in unserem Falle ein primäres Plattenepithel-
karzinom der männlichen Urethra vor, mit Ursprungsort in der
Fossa navicularis. Soweit die Literatur zugänglich war und be-
rücksichtigt werden konnte, scheint ein Urethiralkarzinom mit dieser
Lokalisation bisher noch nieht zur Beobachtung gelangt zu sein.
Zum Schluß sei hier nochmals hervorgehoben, daß, wie schon
so oft bisher bei Harnröhrenkrebsen, so auch in unserem Falle,
eine gonorrhoische Infektion in früheren ‚Jahren vorausgegangen
war. Diese Infektionen, beziehungsweise die durch sie bedingten
ehronisch-entzündlichen Veränderungen in den hinteren Teilen der
Harnröhre, sind bei ätiologischen Retlexionen über die Karzinom-
genese in diesen Gebieten der Urethra häufig hypothetisch heran-
Ein primäres Urethralkarzinom der Fossa navicularis. 33
gezogen worden (Halle, Höttinger, Englisch u. a.). Mit wieviel
Recht? — bleibt natürlich dahingestellt. Besonders wenn man die
Häufigkeit vorausgegangener gonorrhoischer Infektionen in den
Anamnesen männlicher Patienten und die daraus resultierende leicht
gegebene Möglichkeit eines zufälligen Zusammentreffens beider Er-
krankungen berücksichtigt, worauf auch Karaki hinweist.
Mithin bleibt — wie bei den meisten Karzinomformen — so
auch bei den Harnröhrenkrebsen die Frage nach den sie bedingenden
und auslösenden Momenten bisher unbeantwortet.
In unserem Falle dürfte die Gonorrhoe ätiologisch noch weniger
Beachtung finden, da in dem durch Plattenepithel ausgekleideten
und daher mehr oder weniger geschützten Teile der Harnröhre
(Fossa navicularis) tiefgreifendere Veränderungen chronisch-entzünd-
licher Natur wenig wahrscheinlich erscheinen.
Zeitschrift für Urologie. 1913, 3
Aus dem Ostkrankenhaus Berlin.
Dirigierende Arzte Prof. Kromayer und Dr. v. Chrismar.
nm m um nn ns en ne en — re re
Aufbewahrung und Sterilisation halbweicher
Instrumente.
Von
Dr. Felix Hagen,
Leiter der urologischen Station.
Mit einer Textabbildang.
Die Sterilisation halbweicher Instrumente hat schon von jeher
große Schwierigkeiten gemacht. Je zuverlässiger die Methode war,
desto mehr litten die Katheter. Das gilt besonders von der Steri-
lisation durch Kochen und durch Dampf. Selbst der Zusatz von
Medikamenten beim Kochen änderte daran nicht viel. Nebenbei
waren die Verfahren teilweise umständlich, die sterile Aufbewahrung
nur für einzelne Katheter, resp. nur in beschränkter Anzahl möglich.
Erst als E. R. W. Frank, Jadassohn und später Katzenstein
ihre Arbeiten über Sterilisation mit Formaldehyd veröffentlichten,
wurde das Verfahren vereinfacht. Besonders die sterile Aufbewah-
rung ließ sich nun leicht. bewerkstelligen. Freilich wurden auch
über diese Methode Klagen laut, z. B. Reizung der Harnröhre durch
Formaldehyd. Durch Trockensterilisation mit Hilfe von Chlor-
calciumtabletten und durch Abreiben der Katheter vor dem Ge
brauch mit einem sterilen feuchten Tupfer, ließ sich diese Reizung
vermeiden.
Infolge der einfachen Konstruktion der dazu notwendigen
Apparat und infolge der bequemen Handhabung derselben, hat
sich die Formalindesinfektion — zur sterilen Aufbewahrung von
Instrumenten — recht verbreitet. Fine ganze Reihe von xleineren
und größeren Apparaten sind zu diesem Zwecke in den Handel
gebracht worden.
1. Glasröhren für einzelne Katheter.
2. Nach Angabe von E. R. W. Frank Standgläser für eine
größere Anzahl von Kathetern und Kystoskopen. Hier hängen die
Katheter in einer durchlöcherten Nickelinplatte.
Aufbewahrung und Sterilisation halbweicher Instrumente, 35
3. Luftdicht schließbare Kästen nach Janet, von geringerem
und größerem Umfang.
In diesen liegen die Katheter auf herausziehbaren fein durch-
löcherten Platten in mehreren Etagen.
Alle diese Apparate genügen an und für sich vollkommen, be-
sonders die Standgläser und die kleineren Janet-Apparate für den-
jenigen, der nur eine geringe Anzahl von weichen Kathetern im
Gebrauch hat. Die größeren Apparate aber haben einmal den Nach-
teil, daß sie als Standapparate viel Platz und eine breite Konsole
erfordern; dann den des sehr hohen Preises, besonders der große,
freilich sehr schön ausgestattete Apparat, der von Löwenstein
in den Handel gebracht wird. Schließlich läßt in den großen
Apparaten, in denen ja die Katheter auf Platten übereinanderliegen,
die Übersichtlichkeit beim Aussuchen von bestimmten Kathetern
zu wünschen übrig.
Besonders aus dem letzten Grunde habe ich mich veranlaßt
gesehen, zur sterilen Aufbewahrung von Kathetern einen Schrank
zu konstruieren, der gegenüber den bisherigen Apparaten für den
Gebrauch in der Klinik sowohl, wie in der Sprechstunde des Urologen
mancherlei Vorteile aufweist. |
Die Konstruktion dieses Apparates ist sehr einfach. Es handelt
sich im Prinzip um eine Zusammenstellung mehrerer Standgläser
in Form eines gefälligen Wandschrankes.
Ein luftdicht schließender Eisenwandschrank von mittlerer
Größe, mit Seitenwand und Türeinsatz aus Kristallglas, enthält
eine in Schienen gleitende Nickelinplatte. Diese Platte ist in acht
parallelen Reihen genau nach dem Maß der Chariere-Skala von
1—30 durchlôchert; die gebräuchlichsten Nummern 17—22 sind
doppelt vorhanden, so daB auf der ganzen Platte zirka 280 weiche
Katheter und Sonden Platz finden. Am vorderen Rand sind auf
auf einer Metalleiste die Zahlen nach Charière, genau den Löchern
entsprechend — in in die Augen fallender Schrift — angebracht.
Die Platte läßt sich in Gleitschienen bis zu einem Knopf, der
ein Herausfallen verhindert, leicht herausziehen, so daß auch die
letzte Reihe leicht zugänglich wird. An den Seitenwänden finden
sich außerdem noch Behälter zum Aufhängen der Urethroskoptuben
und verschiedener Kystoskope. Die Ulzmannschen Pinsel lassen
sich sehr gut in den ja wenig gebrauchten Nummern 25—30 Ch.
unterbringen. Auf dem Boden des Schrankes steht eine Glas-
8*
36 Felix Hagen.
schale mit Trioxymethylentabletten oder besser -pulver, und eine
andere mit Chlorcalciumtabletten.
In dieser Form ist der Schrank zur sterilen Aufbewahrung
der weichen Katheter und Beleuchtungsinstrumente gedacht. Für
große Kliniken ist außerdem noch ein größeres Modell mit zwei
Platten vorgesehen, auf denen 5—600 Katheter Platz finden können.
Aus den bisher veröffentlichten Arbeiten ist ersichtlich, dab
eine Sterilisation der weichen Katheter von weitem Lumen etwa
bis 15 Ch. nach 24 Stunden eintritt. Für die Katheter von 15
bis 30 Ch. würde demnach der Wandschrank auch zur Sterilisation
zu verwenden sein.
Weiterhin hat Katzenstein durch seine Untersuchungen nach-
gewiesen, daß durch Erhitzen der Formalintabletten resp. des Trioxy-
methylen in Pulverform auf 60° eine absolute Sterilität der Katheter
schon nach zehn Minuten zu verzeichnen ist. Freilich leitet Katzen-
stein hierbei in seinem Apparat die Formaldehydgase durch Ansätze
direkt durch das Lumen der Katheter. Er hat ferner konstatiert,
daß die Katheter durch die heißen Gase nicht angegriffen werden.
Auch zur Erzeugung der heißen Formaldehydgase ist eine Vor-
richtung getroffen, die jedoch erst praktisch erprobt werden muß.
Es ist zu diesem Zwecke der Boden des Schrankes durch eine durch
Asbest isolierte Kupferplatte ersetzt worden. Die frei auf dieser
Aufbewahrung und Sterilisation halbweicher Instrumente. 37
liegenden Formalintabletten werden durch eine außen einschieb-
bare Spirituslampe erhitzt. Für die Schale mit Chlorcalceiumtabletten
ist ein Behälter an der Seitenwand angebracht. Auf diese Weise
gelingt es:
1. die Katheter in kürzerer Zeit zu sterilisieren ;
2. auch Katheter mit engerem Lumen zu sterilisieren.
Ob auch die dünnsten Katheter von den Nummern 5—8 Ch.
mit dieser Methode absolut steril werden, das müssen erst genauere
Untersuchungen ergeben. Ich würde diese dünnsten Katheter vor-
läufig noch mit den bisher üblichen Methoden desinfizieren, ehe ich
sie in Schrank hänge.
Die Behandlung der halbweichen Katheter lasse ich im Ost-
krankenhause folgendermaßen vornehmen:
Der gebrauchte Katheter wird mit Wasser und Seife mechanisch
von allen fettigen Bestandteilen gereinigt, mit derselben Seifen-
lösung durchgespritzt, das Fenster besonders gewissenhaft und vor-
sichtig gesäubert. Darauf wird das halbweiche Instrument mit
konzentrierter Hydrarg. oxycyanat-Lösung !/;00 —!/ıooo? abgerieben
und durchgespritztt Nun wird es in heißer Luft trocken
gemacht. (Im Ostkrankenhaus geschieht dies in einem auf einem
Gasofen liegenden sterilen Tuche.) Sehr gut eignet sich dazu auch
ein Fön. — In trockenem Zustand wird der Katheter in den Schrank
gehängt und falls der betreffende Katheter bald wieder gebraucht
wird, durch kurzes Erhitzen der Formaldehydtablette und die da-
durch entstehenden intensiven Formaldehydgase sterilisiert. ‚Werden
die Katheter erst am nächsten Tage gebraucht, so ist das Erhitzen
überflüssig. |
Vor dem Gebrauch wird der halbweiche Katheter in eine
Hydrarg. oxycyanat-Lösung gelegt, resp. mit einem in dieser Lösung
getränkten Tupfer abgerieben.
Kurz zusammengefaßt sind die Vorteile meines Wandschrankes
vor den im Gebrauch befindlichen Apparaten, folgende:
Der Wandschrank faßt in einem kleinen Raum eine verhältnis-
mäßig große Anzahl von Kathetern, außerdem Ulzmannsche Pinsel,
Cystoskope und Urethroskope. Die Konsolen für Standgläser und
Janetapparate werden überflüssig. Die Handhabung des Wand-
schrankes ist infolge der Anordnung der Katheter äußerst bequem.
Jedes Suchen nach Kathetern bleibt erspart. Die gesuchte Größe
des Katheters ist auch, wenn die Zahl — wie so häufig — ver-
wischt ist, durch die Zahlenleiste sofort zu finden.
38 Felix Hagen, Aufbewahrung und Sterilisation halbweicher Instrumente.
a
Die Art des Katheters (Nélaton Mercier, mit Olive usw.) aut
zusuchen, bereitet keine Sehwierigkeiten, da für jede Art eine Reihe
vorgesehen ist. Dadurch, daß acht parallele Reihen vorhanden
sind, können in dem kleinen Sehrank sehon acht versehiedene Arten
untergebracht werden.
Selbst die letzte Reihe ist durch den Gleitmechanismus gut zu-
gänzlich.
Durch die Heizvorriehtung ist eine schnelle Sterilisation
der Katheter möglich. Die Katheter leiden nicht unter den trockenen
Formaldehydgasen. Daher werden auch die weniger gebrauchten
Katheter dureh die häufige Sterilisation nicht angegriffen.
Außerdem hat mein Wandschrank den Vorzug der Billizkeit,
im Verhältnis zu den großen Apparaten, die ja nur mit ihm in
Vergleich zu stellen sind.
Der Wandschrank wird hergestellt von der Firma W. Krahl,
zerlin. Schiffbauerdamm 8, die mir bei der Ausführung meiner
Idee in dankenswerter Weise zur Hand zing.
Literaturbericht.
L Nieren.
a) Mifsbildungen.
Abnormality of the urinary system. Von A. C. Geddes-Dublin.
(Brit. Med. Journ., Sept. 28. 1912.)
Bei der Sektion einer alten Frau ergab sich folgender Befund: Die
linke Niere fehlte. Die rechte lag an normaler Stelle, zeigte normale
Größe und Gestalt und besaß zwei übereinander gelegene Ureteren, von
denen der obere einen dem normalen rechten Ureter entsprechenden
Verlauf zeigte, während der untere die Wirbelsäule kreuzend nach links
verlief und an der normalen Stelle in die Blase mündete. Vermutlich
handelte es sich ursprünglich um eine Hufeisenniere, welche aus nicht
bekannten Ursachen auf die rechte Seite gedrängt worden war.
von Hofmann-Wien.
Hydronéphrose dans un rein en fer à cheval. Urétéropexie.
— Guérison. Von Raymond Grégoire-Paris. (Journ. d’Urologie Tome I,
No. 5, 1912.)
Im Jahre 1906 operierte Grégoire im „Bichat“ eine 40jährige
Frau, deren lange Vorgeschichte von heftigen Nierenkoliken und vorüber-
gehenden Hämaturien erzählte. Palpatorisch wurde in der rechten Lum-
balgegend ein größerer unterer und ein kleinerer, sehr schmerzhafter,
daraufsitzender Tumor während des Anfalles festgestellt. Nach operativer
Eröffnung erwies sich der größere Tumor als eine Hufeisenniere, der
kleinere als das rechte stark gefüllte und vorgewölbte Nierenbecken. Der
rechte Ureter machte bei seinem Ursprung eine starke Biegung nach
außen, welche nicht ausgeglichen werden konnte, da er am unteren
Nierenpol mit soliden Strängen festgewachsen war. Die Verwachsungen
wurden gelöst und der Ureter in geradem Verlauf an der Kapsel des
Hufeisens durch Naht befestigt. Sobald der Ureter gerade gerichtet
war, entleerte sich das rechte Nierenbecken mit der größten Leichtigkeit.
Die Operation wurde mit der Anheftung der Nierenkonvexität an die
12. Rippe nach Guyon beschlossen.
Die Patientin hat niemals wieder Schmerzen von seiten der Niere
gehabt. A. Citron-Berlin.
Considörations sur la pathologie et la chirurgie du rein en
fer & cheval. Von Dr. Georges Boter-Rumänien. (Journ. d’Urol., Tome I,
No. 2/3, 4/5. 1912.)
Eine sehr fleißige Monographie über die gesunde und kranke Hut,
eisenniere, als Resultat der statistischen Zusammenstellung aller in der
Literatur veröffentlichten Fälle und Sektionsergebnisse von Hufeisenniere.
A. Citron-Berlin.
40) Nieren.
Einen Fall von Hufeisenniere demonstrierte Küttner in der .Schles.
Ges. f. vaterl. Kultur zu Breslau“ am 20. I. 1911. (Berl. klin. Wochenschrift
1911, Nr. 11.)
Der 41 jährige Patient hat seit ' „ Jahr dauernd blutigen Urin, seit
2 Monaten Schmerzen in der linken Seite. Die Untersuchung ergibt
Blutung aus beiden Nieren, das Nierensekret ist beiderseits vollkommen
gleich zusammengesetzt, die Nieren sind an der normalen Stelle nicht
deutlich zu palpieren, eine undeutliche Resistenz findet sich vor der
Wirbelsäule. Die Diagnose „Hufeisenniere* wird durch die Operation
bestätigt, es wird jedoch als Ursache der Blutung weder Tumor, noch
Stein, noch Tuberkulose gefunden; es bestehen zwei getrennte Nieren-
becken in der nach oben gelegenen Konkavität der Niere, beide Ure-
teren und Nierenvenen ziehen über die Nierenoberfläche hinweg nach
abwärts, die Arterien treten von hinten her an den Hilus heran. Es
wird Entkapselung und eine Probeexzision vorgenommen, die mikro-
skopische Untersuchung ergibt chronische interstitielle Nephritis mit
Sklerose der Glomeruli. Der Heilungsverlauf war normal, am 12. Tage
nach der Operation war der Urin frei von Blut. Paul Cohn-Berlin.
b) Traumatische Nierenerkrankungen.
Sulle lesioni di un rene consecutive ad un trauma sul rene
opposto. Ricerche sperimentali. Von Dr. Roberto Falcone-Napoli. (Folia
urologica. Bd. VII, No. 1. August 1912.)
Der Autor hat Hunden schwere Kontusionen des Parenchyms einer
Niere beigebracht und bat dann die anatomischen Veränderungen
untersucht, die in der andern Niere auftreten. Er hat immer Blutungen,
Entzündungen, Degenerationen und Sklerosen gefunden; ferner Albumi-
nurie mit Zylindrurie. Er nimmt an, daß in der gequetschten Niere
sich Zytolysine bilden, die sekundär die andere Niere angreifen. Prak-
tisch wichtig ist, daß unter Umständen bei Nierenquetschung die konser-
vative Therapie schädlich sein kann, da von der zerquetschten Niere für
die gesunde Niere schädliche Substanzen in den Kreislauf eintreten
können. (Nach der Übersetzung von Ravasini-Triest.) Kr.
A case of ruptured liver and right kidney: operation; reco-
very. Von G. R. Girdlestone-Öswestry. (Brit. med. Journ., Jan. 20. 1912.)
Der 14 jährige Patient hatte durch ein zusammenstürzendes Gerüst
einen schweren Schlag in die rechte Lendengegend bekommen. Laparo-
tomie wenige Stunden nach der Verletzung. Es fand sich eine Ruptur
der rechten Niere und der Leber. Nephrektomie, Anlegung einer Klammer
an den Nierenstiel. Tamponade des Leberrisses. Vier Tage später wurde
die Klammer entfernt, die Wunde nach Einführung eines Drainagerohres
vernäht. Heilung. von Hofmann-Wien.
Rupture of the kidney in children. Von C.L. Gibson-New York.
(The amer. journ. of the med. scienc. May 1912.)
1. 10 jäbriges Mädchen. Ruptur der rechten Niere nach Hufschlag.
Nephrektomie. Heilung.
Nieren. 41
2. 10 jähriger Knabe. Ruptur der linken Niere nach Überfahren-
werden. Nephrektomie. Heilung.
3. 12jähriger Knabe, der von einem Automobil niedergestoßen
warde. Ruptur der linken Niere. Nephrektomie. Heilung.
4. 8jähriges Mädchen, welches aus einer Höhe von 1'/, Metern
heruntergestürzt war. Daraufhin keine Harnbeschwerden, keine Häma-
turie, aber Zeichen von Appendizitis.. Bei der Laparotomie erwies sich
die Appendix als gesund. Erst nach einigen Wochen But im Urin.
Nephrektomie. Heilung.
G. hält ein exspektatives Verfahren für angezeigt: 1. bei allen
milden Fällen, wo sich keine ernsten Symptome zeigen und das Trauma
wahrscheinlich geringfügig war und 2. bei schweren generalisierten Ver-
letzungen mit schlechtem Allgemeinbefinden und Fehlen von Nieren-
symptomen. von Hofmann-Wien.
Ein Fall von Nierenruptur. Von A. Adams-Liverpool. (Lancet,
30. März 1912.)
In dem mitgeteilten Falle handelt es sich um einen 12 jährigen
Knaben, der auf nassem Grase ausgerutscht und mit der rechten Seite
anscheinend auf einen Stein gefallen war. Er wurde in kollabiertem Zu-
stande, aber bei Bewußtsein, ins Hospital gebracht; Puls 108, klein und
schwach, Temperatur 35,2, Respiration 28 in der Minute. Der Patient
war in kalten Schweiß gebadet, die Abdominalmuskulatur besonders
rechts starr und auf die geringste Berührung empfindlich. Urin wurde
nur wenig, mit Blut vermischt, entleert. Beim sofortigen operativen Ein-
griff fand sich die ganze untere Hälfte der Niere vollkommen abge-
rissen und in Bilutgerinseln lose liegen. Nach der Nephrektomie ver-
schwanden die bedrohlichen Erscheinungen sofort. Der Junge erholte
sich und ist seitdem vollkommen gesund geblieben.
W. Lehmann- Stettin.
Lesioni violente del rene. Von Francesco Sorrentino. Acca-
demia medico-chirurgica di Napoli. (La clinica chirurgica 1912, 3, p. 484.)
Sorrentino berichtet über 36 operative Eingriffe bei Nierenver-
letzungen in den letzten 21 Jahren im Ospedale dei Pellegrini in Neapel
und kommt aus dem Studium dieser Fälle und der Literatur zu folgen-
den Schlüssen für das Verhalten der Chirurgen bei Nierenverletzungen:
1. Bei leichten Nierenwunden mit nur geringer Hämaturie soll man die
Niere nicht berühren und sich mit einer Dilatation der Stichwunde und
Tamponade derselben begnügen. 2. Bei heftiger Hämaturie muß man
zur Naht oder zur Tamponade der Niere schreiten, je nachdem die
Wundränder glatt oder gequetscht sind. 3. Bei Stich- oder Schnittver-
letzungen braucht man nur selten das Organ zu entfernen; das ist nur
notwendig bei etwaigen schweren Komplikationen. 4. Die Gesetze für
Feuerwaffen sind dieselben; bei nicht sehr tiefen Wunden wird die
Tamponade ausreichen; nur bei schweren Verletzungen, die keine Hoff-
nung auf die Lebensfähigkeit der Niere lassen, wird man nephrekto-
mieren. Für den sofortigen operativen Eingriff bei Nierenwunden kommt
49 Nieren.
als Kriterium eine durch Bluterguß bervorgerufene beträchtliche lokale
Schwellung oder die Erscheinungen einer intraperitonealen Blutung oder
vor allem eine starke Hämaturie in Betracht. Wenn man der Asepsis
nicht sicher ist, tut man gut, die Nierenloge zu tamponieren und zu
drainieren; die Natur ihres Zell- und Fettgewebes, etwaig in ihr ent-
haltene Coagula können sie zum Sitz eines septischen Prozesses machen,
wenn die Operationswunde sich per primam schließt.
Mankiewicz- Berlin.
Die traumatische Hydronephrose. Von Dr. Paul Wagner-Leipzig
(Fola urologica Bd. VI, Juli 1912, Nr. 11.)
Unter den zahlreichen Ursachen der erworbenen Hydronephrose
stehen traumatische Verletzungen der Niere, des Nierenbeckens und des
Ureters bei den meisten Autoren an allerletzter Stelle. Die intrarenalen
Flüssigkeitsansammlungen nach Traumen sind aber nach Verf.s Beobach-
tungen entschieden nicht so selten, als man bisher meist angenommen
hat. Als sichere Fälle wahrer traumatischer Hydronephrose dürfen nur
die angesehen werden, bei denen entweder durch die Sektion oder durch
den Befund bei der Operation an einer vorher gesunden Niere eine
zweifellose, mehr oder weniger beträchtliche Erweiterung des Nieren-
beckens durch angestauten Urin, eventuell auch durch Blut oder Eiter
nachgewiesen worden ist, die ihre Entstehung einer vorangegangenen
Nierenverletzung, und zwar meist einer schwereren subkutanen Nieren-
kontusion, verdankt. Im Gegensatz zu den traumatischen extrarenalen
Flüssigkeitsansammlungen, die meist im direkten Anschluß an die Ver-
letzung auftreten, finden sich die ersten Erscheinungen der intrarenalen
Ergüsse meist erst nach Wochen oder Monaten nach dem Trauma. In
seltenen, aber sicher beglaubigten Fällen wird nach Nierenkontusionen auch
eine sehr rasche Entwicklung einer echten traumatischen Hydronephrose
beobachtet, so daß unter Umständen schon nach Tagen ein größerer
fluktuierender Tumor nachweisbar ist. In diesen Fällen kann es dann
auch zu einer sehr schnell eintretenden Atrophie des Nierenparenchyms
kommen. Eine echte traumatische Hydronephrose kann auf verschiedene
Weise entstehen: a) durch eine die Nierenkantusion komplizierende trau-
matische Verletzung des obersten Ureterenabschnittes mit folgender nar-
biger Striktur,; b) durch ein, im Anschluß an die Nierenverletzung suf-
tretendes perirenales und periureterales Blutextravasat, das durch Druck
oder später durch Schrumpfung eine Kompression resp. Verzerrung und
Verengerung der Ureterwandungen herbeiführt; c) durch Verlegung der
Harnleiterlichtung durch ein oder mehrere Blutkoagula (?). Gegenüber
diesen primären Entstehungsmöglichkeiten einer echten traumatischen
Hydronephrose haben wir auch noch sekundäre Ursachen. So kann ein
Trauma, das eine Steinniere betrifit, zur Mobilisation eines Konkrementes,
zu seiner Einklemmung im Ureter und so zu einer sekundären, echten
traumatischen Hvdronephrose führen. Auch kann ein einmaliges akutes
Trauma zunächst eine Wanderniere und dann durch Abknickung des
Ureters sekundär eine traumatische echte Hydronephrose erzeugen. In
der Symptomatolagie und Prognose unterscheidet sich die traumatische
|
Nieren. 43
Hydronephrose nicht oder fast gar nicht von den aus anderen Ursachen
erworbenen oder von den angeborenen Sacknieren. Differentialdiagnostisch
wichtig ist die Unterscheidung zwischen den extrarenalen Urinergüssen
traumatischen Ursprungs und den echten traumatischen Hydronephrosen,
die aber häufig erst durch operatives Eingreifen gesichert wird. Die
traumatische Hydronephrose erfordert eine möglichst frühzeitige Operation;
und zwar ist zunächst die lumbale Nephrostomie oder Pyelostomie in-
diziert, an die sich dann, wenn irgend möglich, eine konservative pla-
stische Nierenbecken- oder Ureteroperation ausschließen soil. Unter be-
sonders ungünstigen Verhältnissen kommt die sekundäre Nephrektomie in
Frage. Eine primäre Exstirpation der erkrankten Niere ist tunlichst zu
vermeiden. Kr.
Beitrag zur Kasuistik der traumatischen Hydronephrosen-
ruptur. Von Joh. Albert. (Dissertation, Gießen 1912.)
Zufälle, die eine einfache Hydronephrose zu jeder Zeit ihres Be-
stehens komplizieren können und dann das Leben ihres Trägers in die
höchste Gefahr bringen, sind die Infektion derselben, die durch trauma-
tische Einflüsse entstehende Blutung in den Nierensack ohne Zerreißung
und die traumatische oder spontan entstandene Ruptur der Hydronephrose.
Während die Pyonephrose als Komplikation häufiger beobachtet wird,
ist die Ruptur des Hydronephrosensackes eine bisher noch selten ge-
sehene und weniger gekannte Komplikation. Verfasser berichtet aus-
führlich über einen in der chirurgischen Universitätsklinik zu Gießen
beobachteten und operierten Fall traumatischer Hydronephrosenruptur,
der richtig diagnostiziert und durch Nephrektomie geheilt wurde. Es
handelt sich um einen 12 jährigen Knaben. Vor vier Jahren hatte er
Masern. Seit einiger Zeit spürte er bei starkem Laufen Stechen in der
rechten Nierengegend, die andere Seite war schmerzfrei. Die jetzige
Krankheit begann mit einem Trauma. Der Junge fiel mit der rechten
Bauchseite auf eine Eisenbahnschwelle.. Darnach starke Schmerzen in
der Unterbauchseite; der spontan gelassene Urin war blutbaltig; galliges
Erbrechen. Die Schmerzen in der rechten Bauchseite hielten 3 Tage
lang an und beschränkten sich dann auf die rechte Nierengegend. Urin
am 4. Tage nach dem Unfall wieder blutfrei. Am 8. Tage war der
Kranke wieder ohne Schmerzen und konnte wieder in die Schule gehen.
Jedoch nur einen Tag; dann trat wieder Erbrechen auf und er mußte
sich wieder zu Bett legen. 14 Tage später wurde eine stetig zunehmende
Anschwellung des Leibes bemerkt. Die Anschwellung des Bauches ver-
anlaßte den behandelnden Arzt, den Patienten der chirurgischen Klinik
zu überweisen. Hier wurde u. a. folgender objektiver Befund erhoben.
Im Urin etwas Albumen. Abdomen stark aufgetrieben. Bei bimanueller
Betastung in der rechten ÖOberbauchgegend glattrandiger Tumor von
ungefähr Mannskopfgröße, der Fluktuation zeigt, prall gespannt ist und
nach unten bis über den Nabel reicht. Da der Tumor für eine trauma-
tische Cyste, vielleicht mit der Niere in Verbindung stehend, gehalten
wird, wurde in Chloroform-Äthernarkose mittels Laparotomie-Median-
schnittes eine Probeinzision gemacht. Diese ergab eine wahrscheinlich
44 Nieren.
mit der rechten Niere in Verbindung stehende Flüssigkeitsansammlung.
die retroperitoneal lag. Durch Punktion wurden aus dieser 2 Liter
Flüssigkeit von sero-hämorrhagischer Beschaffenheit entleert, worauf ein
Drain und einige Tampons eingelegt wurden. Übrige Bauchhöhle als-
dann geschlossen. Nach der Operation etwa 14 Tage lang leichte remit-
tierende Temperatursteigerungen. Ein Versuch, den vermuteten Zu-
sammenhang der retroperitonealen Höhle mit der Niere durch subkutane
Einspritzung von Indigkarmin zu beweisen, gelang. Das Sekret und der
Urin fürbten sich darnach blaugrün. Im Fistelsekret keine Harnsäure
nachweisbar. Die Fortdauer reichlicher Sekretion, die zunehmende Trü-
bung des Sckrets der Wunde durch Zunahme des Gehaltes an Leuko-
zyten und die Gewibheit, daß es sich um eine mit der Niere in Ver-
bindung stebende Höhle handele, waren zur Vornalıme eines weiteren
Eingriffs bestimmend. In Chloroform-Äthernarkose typischer Flanken-
schnitt. Niere nach dem Einschnitt bis zur Faust vergrößert, schlaff und
mehrfach ausgebuchtet; ihr Gewebe bis auf ungefähr Le der normalen
Gröbe reduziert. Nierenbecken mälig erweitert, an demselben der Ureter
schief implaniert; Nierenbecken selbst mit trüber Flüssigkeit, die nach
zersetztem Urin roch, gefüllt. An der Vorderseite des Nierenbeckens
kleine Kontinuitätstrennung, die in den früher erüffneten groben Sack
führte, der um die Niere herum lag. Die Niere wurde exstirpiert. In
den ersten Tagen nach der Operation fiel eine starke Vermehrung der
von der einen Niere geleisteten Urinmenge auf. Letztere stieg bis auf
durchsehnittlich 3000 cem täghech und enthielt zahlreiche dunkel gefärbte,
granulierte Zylinder im sedimentierten Harn, kein Eiweiß und keine
Blutbestandteile. Patient wieder völlig wohl, Harnzylinder fast ganz aus
dem Urin verschwunden. Die ganze Niere erscheint in einen stellen-
weise ganz dünnwandigen, schwappenden Sack umgewandelt, dessen
stärkere, nach auben leicht vorspringende Ausbuchtungen den einzelnen
vergrößerten Reneuli entsprechen. Im Bereich einer solchen dünnwan-
digen Ausbuchtung findet sich an der vorderen Fläche auben, 6 cm vom
unteren. 7 cm vom oberen Pol entfernt, ein querverlaufender, bis fast in
den Nierenhilus reichender, fast 3 cm langer und bis 5 mm klaffender,
unregelmäßig zackiger und mit zerfetzten Rändern versehener Einrib,
durch den man in die Tiefe des Nierensuckes gelangt. Auf dem Längs-
schnitt durch denselben erkennt man das Nierenbecken stark erweitert,
aus dem man in zahlreiche, verschieden große, teils scharf abgesetzte,
teils ach in das Nierenbecken übergehende buchtige Erweiterungen ge
langt, die den stark exkavierten und in hohem Grade komprimierten
Papillen entsprechen. Schleimhaut des Nierenbeckens und der Ausbuch-
tungen ist lederartig verdickt, teils glatt, teils fein gefaltet und grob
granuliert. Der quer verlaufende Einriß ist ungefähr in der Mitte der
Niere, im Bereich einer stärkeren Ausbuchtung des Nierenbeckens, die
sich mit einer 2—3 cm im Durchmesser baltenden Öffnung scharf au
dem letzteren absetzt, erfolgt, in deren Bereich die Sackwand ebenso
dünn und durchscheinend ist, wie an der wesentlich größeren Ausbuch-
tung am unteren Pol der Niere. Der unterste, außen im Hilus der
Niere vorspringende Abschnitt des Nierenbeckens setzt sich ganz scharf
Nieren. 45
gegen den stark erweiterten Teil des Nierenbeckens ab und ist im Ver-
gleich zu dem letzteren verhältnismäßig viel weniger dilatiert; dieses
Mißverhältnis ist aber offenbar erst sekundär aufgetreten.
Ergebnis der Nachuntersuchung: Aussehen und Befinden des
Jungen ziemlich gut. Keine Druckempfindlichkeit, keine Resistenzen,
keine Narbenhernie des Bauches, zweite Niere nicht palpabel, rechte
Flanke wölbt sich beim Husten stärker vor. Urin klar, enthält Albumen
in Spuren. Im Sediment sind noch vereinzelte hell granulierte Zylinder
vorhanden. Aus der Krankengeschichte geht hervor, daß es sich um
eine durch ein Trauma zum Platzen gebrachte Hydronephrose
gehandelt hat. Der klinische Verlauf und besonders der anatomische
Befund berechtigen, ihn den sicheren Fällen der Krankheitskategorie
zuzuzählen. In klinischer Beziehung bietet er ein typisches Beispiel
der traumatischen Hydronephrosenruptur, einer Erkrankung, die
in der Literatur nur 16 mal beschrieben ist. Über diese Fälle orientiert
eine der Arbeit beigegebene Tabelle. Fritz Loeb- München.
c) Nierentuberkulose.
Mode de début de la tuberculose rénale. Von Rafin-Lyon.
(Journ. d’Urol., Tome I, No, 6, 1912.)
Rafin hat bei 160 wegen Nierentuberkulose nephrektomierten Pa-
tienten durch Befragen festgestellt, durch welches erste Symptom die
Kranken auf ihr Leiden aufmerksam geworden sind. Es ergab sich, daß
99 Fälle —62°/, zuerst von Blasenstörungen, 31 —=20°/, zuerst von
Nierenerscheinungen betroffen wurden. Hämaturien, kolikartige Schmerzen,
Urintrübungen und Nachlassen der Kräfte sind die übrigen, seltener be-
richteten Anfangssymptome. Die follikuläre Nierentuberkulose trübt das
Allgemeinbefinden gewöhnlich erst dann, wenn größere Parenchymläsionen
vorhanden sind, und auch dann noch ist man oft überrascht von dem
Kontrast zwischen der schweren Nierenaffektion und dem guten Allgemein-
zustand. A. Citron-Berlin.
La tuberculose rénale chez l’enfant. Von P. Vignard und L&on
Thevenot-Lyon. (Journ. d’Urolog. Tome I, No. 3. 1912.)
Nach der Statistik von Oscar Müller sind unter 100 tuberkulösen
Kindern 33 mit Nierentuberkulose behaftet, Dickinson fand Nieren-
tuberkulose 17 mal bei 300 Erwachsenen und 49mal bei 300 Kindern;
nach Rilliet und Barthez steht die Niere unter den vom Tuberkel-
bacillus ergriffenen Organen an der zehnten Stelle. Man unterscheidet
seit langer Zeit eine „medizinische“ und eine „chirurgische“ Nieren-
tuberkulose, als drittes Kapitel fügen die Autoren ihrer Studie die peri-
nephritischen Abszesse renalen Ursprungs bei.
Bei der „medizinischen“ Nierentuberkulose der Kinder handelt es
sich stets um doppelseitige Prozesse ohne funktionelle Ausfälle. Man
findet Albumen und Blut im Urin und bei der Sektion miliare Knöt-
chen, oder es besteht eine tuberkulöse Nephritis ohne Tuberkel mit sub-
akuter, parenchymatöser Entzündung.
Die „chirurgische“ Form ist bei weitem interessanter und mannig-
46 Nieren.
facher in ihren Erscheinungsformen. Die 47 von den Autoren gesam-
melten Fälle aus den Veröffentlichungen deutscher, französischer und
englischer Kinderärzte und Chirurgen geben davon ein deutliches Bild.
Bei 13 rechtzeitig ausgeführten Nephrektomien war nur ein unmittel-
barer Todesfall zu beklagen, weshalb diese Operation auch im Kindes
alter streng indiziert ist.
Die paranephritischen Abszesse sind bänfig. Aldibert beobachtete
sie fünfmal unter 12 Fällen. Als Operation kommt nur die breite
Spaltung in Betracht, die Punktion ist ungenügend. A. Citron-Berlin.
Diagnose und Behandlung der Tuberkulose der Harnwege.
Von Samuel West-London. (Lancet, 11, November 1911.)
Verf. protestiert dagegen, daB man sich zu schnell und leicht zur
Wegnahme einer tuberkulösen Niere entscheide. Gerade die Einfachheit
und Leichtigkeit des heutigen operativen Vorgehens macht eine gewisse
Vorsicht notwendig, und die Operation sollte nicht davon abhängen, ob
der Eingriff als solcher sicher und erfolgreich vorgenommen werden kanı,
sondern wie sich der Patient dabei befinden wird und welche Aussichten
bzw. Verbesserung oder Verschlimmerung seiner Beschwerden der Patient
bat, Selbstverständlich muß vor jeder Operation festgestellt werden, ob
die zurückgebliebene Niere gesund ist. Aber sehr leicht kann es pas
sieren, daß die Niere bereits erkrankt ist, wenn auch im Anfangsstadium,
so daß ein Nachweis der Erkrankung nicht geliefert werden kann. Es
muß beachtet werden, daß die Blase nach der Operation durchaus nicht
immer ausheilt und damit die subjektiven Beschwerden des Patienten
bestohen bleiben, ganz abgesehen davon, daß von der Blase aus die ge
sunde Niere erkranken kann (^. W, Lehmann- Stettin.
Zur Diagnose und Therapie der Nierentuberkulose. Von H.
Hohlweg-Gießen. (Münch, med. Wochenschr. 1911, Nr. 51.)
Dem Bericht liegen 20 Fälle von Nierentuberkulose zugrunde. Vor
allem hat Verf. sein Augenmerk auf den diagnostischen Wert der ver-
schiedenen auf der Wirkung des Tuberkulins beruhenden Methoden ge
richtet. Das Resultat ist wenig zufriedenstellend; abgesehen davon, dab
natürlich bei positivem Ergebnis zumeist nur überhaupt das Vorhanden-
sein eines tuberkulösen Herdes irgendwo im Körper angezeigt wird,
ergab die Ophthalmoreaktion unter 17 sicheren Fällen nur 4 mal ein
deutlich, 2 mal ein schwach positives, 11 mal dagegen ein negatives Be-
sultat. Die Pirquetsche Reaktion fiel bei 13 Anwendungen allerdings
6 mal deutlich und 6 mal schwach positiv aus, dagegen war bei der In-
jektionsmethode unter 13 Fällen 7 mal ein völliges Fehlen der All-
gemeinreaktion zu beobachten, eine Reaktion am Krankheitsherd trat
überhaupt nur einmal auf. Allerdings hat H. im Gegensatz zu andern
(Birnbaum) wegen der zu befürchtenden Schädigungen nie größere Dosen
als 0,001 Alttuberkulin angewendet.
Im Gegensatz zu diesen unsicheren Resultaten ergab die mikrosko-
pische Urinuntersuchung in 17 unter 20 Fällen positiven Bazillenbefund,
die 3 negativen Ergebnisse lagen vor der Zeit des Antiforminverfahrens.
Nieren, 47
Das Tierexperiment fiel bei 16 maliger Anwendung jedesmal positiv aus
und zwar auch in den 3 Fällen, die mikroskopisch nichts ergeben hatten.
Die Methode war die von Weber, die mitunter schon nach 12, meist
nach 16 Tagen ein positives Resultat liefert. Cystoskopie und Ureteren-
katheterismus brachten in den Fällen, in denen sie angewendet wurden,
wertvolle Resultate, was an 3 kurz mitgeteilten Krankheitsfällen besonders
mit Rücksicht auf die Frühdiagnose gezeigt wird.
Bezüglich der Behandlung steht Verf. auf dem Standpunkt möglichst
frühzeitiger Operation. Ist diese aus irgend welchen Gründen (Ver-
weigerung, Doppelseitigkeit) nicht möglich, so kaun ein Versuch mit Tuber-
kulinbehandlung gemacht werden. Begonnen wird mit 0,00001 Alt-
tuberkulin. Die Injektionen werden 1—2 mal wöchentlich vorgenommen
und jedesmal um !/,,, mg gestiegen bis zu !/,, mg. Von da ab wird
die Dosis jedesmal um !/,, mg gesteigert bis zu 1 mg usw. bis maximal
0,01— 0,026 A.T. Bei Eintritt stärkerer Reaktion wird auf die vorher-
gehende Dosis zurückgegangen. 4 Fälle werden kurz berichtet. In einem
Falle wurde klinisch Heilung erzielt: Normales cystoskopisches Bild,
keinerlei Beschwerden, weder mit Antiformin noch mit Tierexperiment
Tuberkelbazillen. 3 Fälle wurden wesentlich gebessert.
Brauser- München.
Zur Diagnose und Therapie der Nierentuberkulose. Bemer-
kungen zur gleichnamigen Arbeit von H. Hohlweg in Nr. 51 (1911) der
Münch. med. Wochenschr. v. F. Necker-Wien und Erwiderung auf diese
Bemerkungen von H. Hohlweg-Gießen. (Münch. med. Wochenschr. 1912,
Nr. 6 u. 9.)
N. warnt davor, aus sogenannten „Heilungen durch Tuberkulin“ die
Berechtigung zum Zuwarten bei operablen Fällen abzuleiten. Bei H.s
Fall glaubt er, daß Verödung des einen Ureters und damit ein Abschluß
des Krankheitsherdes . stattgefunden habe, der aber nach wie vor im
Körper bleibe und eine dauernde Gefahr bilde.
Demgegenüber betont H., daß er die Tuberkulinkur auch nur in
Fällen, wo die Operation unmöglich sei, empfohlen habe. Der Möglich-
keit einer Umwandlung der offenen Eiterniere in eine geschlossene in
dem erwähnten Falle sei er sich von Anfang an bewußt gewesen, doch
sei diese Annahme durchaus nicht bewiesen, und auch wenn sie richtig
sei, stelle dieser Vorgang praktisch einen sehr beachtenswerten thera-
peutischen Erfolg dar. Auch nach der Nephrektomie bleibt der Pat.
fast ausnahmslos tuberkulös. Die Gefahr einer renorenalen Infektion ist
wahrscheinlich nicht groß. Brauser- München.
Tuberculose polykystique limitée d’un rein. Von G. Nové-
Josserand et Ch. L. Gauthier. (Lyon médical 1912. 25. p. 1394.)
Ein 33 jähriger Mann ist vor 10 Jahren nach einer Lawinenver-
schüttung an Hämaturie erkrankt; jetzt knotige tuberkulöse rechtsseitige
Epididymitis, leichte rechte Vesiculitis, trüber Harn mit Eiterkrümeln,
roter Fleck in der Blase, etwas vergrößerte Prostata. Die rechte Niere sezer-
nierte trüben Harn, mit verminderter Harnstoffausscheidung, die linke Niere
48 Nieren.
ist gesund. Die cexstirpierte Niere ist in der unteren Hälfte gesund, der
obere Teil völlig degeneriert, ist durch erbsen- bis nußgroße Cysten
orsetzt, deren einer Teil flüssigen, der andere käsigen Inbalt aufweist.
Der gesunde und kranke Teil sind durch eine fast narbige Demarkations-
linie getrennt, wo der etwas verdickte Ureter einmündet. Der obere
große Culix ist obliteriert, so daB fast nichts aus dem oberen Teil der
Niere in den Harnleiter gelangt; die polycystische Zone war auf dem
Wege vom Rest der Niere abgeschlossen zu werden. Degeneratio polr-
cystica serosa et caseosa partialis renis dextri. Vielleicht hätte eine
partielle Resektion genügt. Heilung. Mankiewicz-Berlin.
L'incontinence d'urine symptomatique de la tuberculose
rénale. Von Georges Constantinesco-Bukarest. (Journal d'Urologie
Tome J, No. 5, 1912)
Die Incontinentia urinae ist bisweilen das erste Symptom einer be-
ginneuden Nierentuberkulose. Unter 52 Füllen von Nierentuberkulose
wurde 6mal nächtliche Inkontinenz festgestellt. Von diesen 6 Patienten
hatten 2 vorher kein anderes Symptom wespürt, 2 hatten gleichzeitig
mit anderen Symptomen über Inkontinenz, und 3 Frauen wurden erst
nach erfolgter Nephrektomie inkontinent, wahrscheinlich im Zusammen-
hange mit der tuberkulösen Affektion der restierenden Niere. Die Dn
tersuchungen über dieses Kapitel werden durch weitere 6 von Papin
und Marion zitierte Fälle gestützt. Es handelt sich wahrscheinlich bei
diesem Anfangssymptom um einen renalen Reflex und nicht um ein
Symptom der Cystitis. Die symptomatische Inkontinenz scheint als
klinische Erscheinungsform der XNierentuberkulose häufiger zu sein als
die Hämaturie. A. Citron- Berlin.
De l'exclusion de la vessie dans la tuberculose réno-vésicale.
Von André Boeckel Aus der Klinik von Prof. P. André-Nancy. (Joum.
d'Uroloune, Tome F, No. 3, 1912.)
Die Nierentuberkulose macht sich meist durch vesikale Symptome
zuerst bemerkbar. Die tuberkulöse Cystitis heilt nach Entfernung der
kranken Niere in der Regel vollständig aus. Die seltenen Fülle, in denen
sie persistiert, beruhen auf einer Tuberkulose der zweiten Niere, einer
Genitaltuberkulose oder der — von einigen Autoren geleugneten — pri-
mären Blasentuberkulose.
Diese rebellierenden Blasentuberkulosen zu heilen oder wenigstens
die unerträglichen stets damit verbundenen Schmerzen zu lindern, hat
man verschiedene Operationen vorgeschlagen; Cystotomien verschiedenster
Art waren nicht imstande, der Blase Ruhe zu bringen, totale Cystektomie
gab in 2 Füllen gute Resultate (Trendelenburg und Hartley), in zwei
anderen (Martin und Gasati) führte sie zum Exitus. — Legueu war
der erste, welcher für solche Fälle eine „Ausschaltung der Blase“ forderte,
ähnlich der Ausschaltung des Pylorus in der Darmcehirurgie; er pflanzte
einen Ureter in das Rektum ein und erzielte so bei einem nephrekto-
mierten Patienten völlige Ruhestellung der tuberkulösen Blase. Willems
schaltete die Blase aus, indem er eine permanente Urinfistel an der
Nieren. 49
restierenden Niere anlegte, P. Andre in 2 Fällen gleichfalls durch An-
legung von Nierenfisteln, und zwar in einem Falle durch einseitige und
in dem anderen durch doppelseitige Nephrostomie. Diesen Operationen
schließen sich zwei analoge von Carlier und eine von Villard an.
Von diesen 7 Patienten starb nur einer an dem Eingriff, die übrigen
hatten großen Vorteil von der Operation. Die Schmerzen hörten sofort
auf, Kräfte und Appetit kehrten zurück, und das Gewicht nahın beträcht-
lich zu.
Natürlich gehen diese Kranken dennoch bald an ihrer Tuberkulose
zugrunde. 3 starben nach 5, 8, 15 Monaten an Urämie oder Kachexie;
ein Fall von Carlier überlebte den Eingriff 6 Jahre lang; 3 Fälle, vor
weniger als 1!/, Jahren operiert, befinden sich noch in guter Ver:
fassung.
Die Ausschaltung der Blase, deren Indikationen nur bei schwersten,
tödlichen Läsionen zu suchen sind, macht keinen Anspruch darauf, eine
heilende Operation zu sein, sie ist lediglich ein Palliativmittel für zum
Tode verurteilte Kranke und bringt nur Linderung der Schmerzen sowie
einen kurzen Aufschub der sicher eintretenden Kachexie oder Urämie.
A. Citron-Berlin.
Onze cas de nöphrectomie avec tuberculose rönale.bilatörale.
Von Rochet. (Lyon medical 1912, 18, p. 980.)
Rochet-Lyon erörtert die bei 11 Kranken mit beiderseitiger Nieren-
tuberkulose durch die Nephrektomie erzielten Resultate. Der Urin beider
Nieren infizierte Meerschweinchen, also Tuberkulose der Niere oder
wenigstens Bacillurie. 1. Von den nicht operierten, weniger kranken
Nieren war bei 8 der Urin fast, aber nicht ganz klar (Faden und
Bröckel), Spur Albumen, Harnstoff und Chloride genügend, keine oder
wenig Zylinder, bei 3 Urin trüber mit Verminderung von Harnstoff und
Chloriden, der wesentlichste Punkt. Impfung immer positiv, wenn auch
in Intensität variabel. 2. Exstirpierte Niere immer groß, destruiert oder
mit Eiterretention, nicht im Körper zu lassen; dreimal in die Umgebung
durchgebrochen. Die Intensität der Läsion, verbunden mit Komplika-
tionen, Fieber usw. forderte den Eingriff. Punktionen und Nephrotomie
hätten nicht genügt.
3 Patienten sind bald nach der Operation gestorben: 9. Tag Anurie,
Niere reduziert mit Abszessen und Käse; 10. Tag an Verminderung der
Harnsekretion, Fieber, Niere leidlich groß, Weinhefenfarbe, Abszesse;
3 Wochen, abnehmende Harnsekretion, Kavernen in der Niere bei den
Kranken mit Pottschem Buckel. Bei allen drei Kranken war beträcht-
liche Verminderung des Harnstoflfs und der Chloride und verminderte
Harnsekretion der nicht operierten Niere beobachtet. Zwei weitere
Operierte leben, einer seit 7 Jahren, einer seit 14 Monaten, beide haben
nach anfänglicher beträchtlicher Besserung (Zunahme bis 18 Kilo) Pyurie,
Cystitis, Fieber und werden bald zugrunde gehen. Zwei andere Operierte
sind gestorben nach zwei Jahren, beide nach ca. 1'/,jährigem Wohlbe-
finden. Eine Frau ist seit 4, eine andere seit 9 Jahren gesund. Zwei
jetzt sich wohl befindende Kranke sind erst seit 12 und 8 Monaten
Zeitschrift für Urologie. 1913. 4
50 Nieren.
operiert. Die Nephrektomie bei Beiderseitirkeit der Tuberkulose kann
daher nur eine Notoperation bei schwerem lokalen oder Allgemeinzustani
sein. Manchmal erreicht man eine längere Überlebenszeit.
Mankiewicz- Berlin.
Sur la conduite à tenir dans les cas de tuberculose rénale
où toute exploration des reins est rendue impossible par l'état
de la vessie. Von (5. Marion. Nach einer Vorlesung im Hôpital Lan,
siere. Journ. d'Urol Tome TI, No. 5, 1912.)
Ist bei einer Nicrentuberkalose infolge des Zustandes der Blase
jede Nierenuntersuchung unmöglich, so ist die Ureterostomie auf der als
gesund supponierten Seite indiziert. — Ureterenkatheterismus nach Er-
öffnung der Blase, operative Autopsie der Niere, Ureterostomie auf der
als gesund supponierten Scito sind Operationen, deren Indikation je nach
der Eigenart des Falles wechselt. — In der Praxis wird man sich in
solchen Fällen, wenn die erkrankte Seite feststeht und die Nephrektomie
nur davon abhängt, dab die „andre Niere“ suffizient ist, damit begnügen,
durch Methylenblau oder Phloridzin festzustellen, ob die Nierenfunktion
ausreichend ist. — Hingt die Nephrektomie davon ab, daß die „andre
Niere” ganz gesund ist, so muß man zur operativen Freilegung, zum
Ureterenkatheterismus bei offener Blase oder zur diagnostischen Uretero-
stomie schreiten. — Ist die erkrankte Seite unbekannt, so prüfe man
die Gesamtfunktion; ist diese ungenügend, so enthalte man sich jeder
Operation, ist sie gnt, so schreite man zu einem der diagnostischen Ein-
griffe. — Trifft man bei der operativen Freilegung zuerst auf eine kranke
Niere, so lege man sofort die andre Niere frei: ist diese auch krank. so
nähe man wieder zu, Ist sie gesund, so entferne man die andre. Und
vice versa. A. Citron- Berlin.
d) Wanderniere.
Über die Wanderniere und deren Behandlung durch die Ne-
phropexie. Von Peter Osenstätter. (Dissertation, München 1912.)
Von den in dem Zeitraum 1596—1911 in der Münchener chirur-
gischen Klinik an Wanderniere operierten Patienten konnten 30 wieder
ermittelt und befragt werden. Von zweien war der Erfolg der Ope-
ration nur aus Krankenzeschichteu, die bei dem Wiedereintritt der Pa-
tienten verfaßt wurden, zu ersehen. Unter den Kranken befanden sich
28 weibliche, & männliche, also 87,5 Prozent Frauen und 12,5 Prozent
Männer. Die r. Niere war in 27 Fällen locker, beide Nieren in 3, die
l. Niere allein in einem. Hydronephrotische Erscheinungen wurden bmal
jestgestellt, einmal war damit Nteinniere verbunden. Auber den Be-
schwerden in der betreffenden Seite waren 7mal Erscheinungen von
seiten des Magendarmkanals, 6mal Leber- bzw. Gallenblasenleiden, 4 mal
entzündliche Reizung der Appendix vorhanden. Neurasthenische oder
hysteroneurasthenische Symptome fanden sich bei 8 Personen. Von den
Frauen haben 11 geboren, eine davon erst nach der Operation, 2 vor
und nach derselben. Von den letzteren verursachte keiner die Schwanger-
schaft und Geburt besondere Beschwerden. 4 Frauen bringen eine ihrer
Nieren. 51
Entbindungen mit dem Entstehen der Wanderniere in Zusammenhang.
Ein Trauma wurde 7mal für die Entstehung des Leidens verantwortlich
remacht. An den 32 Kranken wurden 41 Nephropexien (teilweise
auberhalb der Klinik von Angerer) ausgeführt. Von 40 Operationen
konnte der subjektive, von 30 auch der objektive Erfolg in Erfahrung
gebracht werden. Der subjektive Erfolg wurde teilweise durch schrift-
liche Anfrage, teilweise durch mündliche Aussprache, in einigen Fällen
aus der Krankengeschichte bei einem späteren Eintritt der Patienten er-
mittelt. Das objektive Ergebnis konnte ın den mit „Nachuntersuchung“
bezeichneten Fällen durch persönliche Palpation festgestellt werden. Bei
wiederholt vorgenommenen Nephropexien oder sonstigen, später vorge-
nommenen Operationen wurde der Erfolg nach den in den Kranken-
geschichten vorgefundenen Operationsbefunden beurteilt. 3mal wurde
wegen eintretender Komplikationen die operierte Niere exstirpiert. Bei
> dieser Fälle war die Fixation der Niere nicht zu erfahren. Beachtung
können nur 34 subjektive Angaben und 20 Befunde finden. Aus den
Angaben ist zu ersehen, dab lömal Heilung oder fast Heilung und
mal Besserung eingetreten ist. Miberfolge müssen in 9 Fällen ange-
nommen werden. Somit stehen 25 Erfolgen 9 Mißerfolge gegenüber,
prozentual 73,5:26 — 5. Ungünstiger gestalten sich die Verhältnisse bei
Betrachtung der objektiven Befunde. Hier stehen 13 Mißerfolgen 7 Er-
foge gegenüber. Prozentual! 63:35. Als objektive Miberfolge wurden
diejenigen Fälle bezeichnet, bei denen eine direkte Mobilisation festge-
stellt wurde. Einfacher, aber fixierter Tiefstand, sowie respiratorische,
also physiologische Verschieblichkeit fallen nicht unter diesen Begriff.
Trotz des negativen Operationserfolges ist bei 6 Personen ein subjektiver
Erfolg eingetreten. Bei den Pat. mit operativem Erfolg trat während
des Wundverlaufes 2mal etwas Sekretion, 2mal etwas Blut im Harn auf.
Während des Wundverlaufs der operativen Miberfolge wurde einmal
(relenkrheumatismus und einmal später langdauernde Fadeneiterung, 3 mal
Blut im Harn, 2mal kürzere, einmal längere Sekretion, einmal Eiterung
und einmal Eiterung mit Gangrän von Faszien und Fett beobachtet. Es
konnte somit mal der operative Miberfolg auf gestöürte Wundheilung
zurückgeführt werden. Einmal ist eine Patientin gegen ärztlichen Rat
zu früh aufgestanden. Die operativen Erfolge können nach diesen Er-
fahrungen nicht als günstig bezeichnet werden. Einen Schluß, in welchen
Fällen von Wanderniere man operieren soll, kann man aus vorliegenden
Krankbeitsbildern auch nicht ziehen, da die geheilten Fälle keinen be-
sonderen Typus darstellen, sondern teilweise mit den verschiedensten Sym-
ptomen auftraten, Fritz Loeb-München.
Explication anthropogénique du rein mobile. Von Dr. F. Ca-
thelin, Chirurgen en Chef de l'Hôpital d’Urolowie a Paris. (Folia urolorica,
Bd. VI. Juni 1912. No. 10.) Nach der Übersetzung von Xaint-Cène- Paris.)
Dr. Cathelin erklärt die kongenitale Nierendystopie in anthropo-
genetischer Weise und löst damit die dreifache Frage der Frequenz, der
Neite und des Geschlechtes. Die Frequenz ist eine Folge der schlechten,
£ekrümmten Zwangslage des Fötus in der Gebärmutter. Die Seite ist
4*
52 Nieren.
eine Fulge der enormen Volumenausdehnung der Fötusleber. Das Ge-
schlecht (Frequenz bei der Frau) ein Resultat der Vergrößerung des
oberen Beckeneingangres, die einen dem Herabgleiten günstigen Zustand
schafft. Die Verbindung dieser drei vom anatomischen Standpunkte
unwiderlegbaren Fakten ist es, was die Angliederung dieser Mißbildung
an andere, wie die der kongenitalen Hüftluxation (Le Damany), gestattet
und durch den Beweis änberen Zwanges eine für die Geschichte des
Lamarckismus neue Tatsache ergibt. Kr.
e) Septische Nierenerkrankungen.
Über die Coliinfektionen der Niere. \on Dr. Münnich, Ober-
arzt hei der Brtriebsabteilung der Eisenhahn-Drirade, früher kommandiert zum
städt. Krankenlause in Danzig. (Archiv f. Klin. Chir. 1912, 08. Bd., 3. Heit.ı
Verf. berichtet über die Erfahrungen. die in den letzten Jahren
auf der chirurrischen Abteilung des städtischen Krankenhauses zu Danzig
über die Entstehung, das klinische Bild und die Folgezustände der Coli-
infektionen der Niere gesammelt wurden. Frgiünzt werden diese Erfah-
rungen dureh bakteriologisehe Untersuchungen einer Reihe von Fällen.
die deshalb von besonderem Interesse sind, da sie geoignet erscheinen,
einige noch ungeklärte Fragen über den Verlauf der Colinfektion zu
beleuchten. Seine Mitteilungen beziehen sich auf 69 Fille. Kr.
Die pyogene Niereninfektion. Von Prof, Alexander Tietze.
(Berl. klin. Wocheuschr. 1912, Nr. 2.
Daß im Binte kreisende Bakterien in die Nieren eindringen und
in die abführenden Harnwege übergehen können, ist unzweifelhaft fest-
gestellt, nicht sicher ist es nur, ob es sich dabei um intakte oder be-
reits kranke Nieren handelt. Am bäufigsten finden sich die Mikro-
organismen zunächst in den frefäbschlingen der Glomeruli, hier können
sie kleine Abszesse verursachen, die sich in die Nierenlettkapsel und das
paranephritische Gewebe fortzusetzen vermögen: Furunkel, Panaritium,
Osteomyelitis können die Auszungspunkte derartiger paranephritischer
Eiterungen sein. das Trauma bildet sicher eine häufige Ursache für die
Ansiedlung von Bakterien. Eine wichtige Rolle beim Entstehen von
pyrämischen Nieren spielen auch infizierte Blutgerinnsel, die zum blutigen
Niereninfarkt führen. Aus der Nephritis apostematosa kann dann eme
Pyelonephritis werden, indem die Abszesse nach dem Nierenbecken
durchbreehen oder letzteres dureh austretende Bakterien infiziert wird.
Auber dieser rein hämatorenen Niereninfektion kann eine solche auch
auf aufsteigendem Wege von der Blase her -— z.B. bei Strikturen der
Uarnröhre — zustande kommen, aber auch in diesen Fällen kann auber
dem direkt aszendierenden Prozesse eine Infektion des Blutes und se-
kundäre Nephritis apostematosa erfolgen, man findet dann außer der
eitrigen Cystitis, Ureteritis, Pyelitis gewöhnlich ein hochgradig ver:
indertes Nierenparenchym, eine Reihe von kleinen Abszessen in streifen-
fürmieer Anordnung. Eme sekundäre Infektion des Nierenbeckens kommt
ferner nicht selten zustande bei zunächst aseptischen Entzündungen der
unteren Harnwege, wie sie dureh Steme erzeugt werden, ferner bei
Nieren. 53
Harnstauungen aus irgend welcher Ursache; auch hier handelt es sich
wahrscheinlich in den meisten Fällen um eine hämatogene Infektion,
allerdings muß mit Rücksicht auf das häufige Vorkommen von Bacterium
coli auch an die Möglichkeit einer direkten Überwanderung aus dem
Darm gedacht werden. Im allgemeinen wird bei der aufsteigenden Form
der Pyelonephritis das Nierenbecken stärker erweitert und entzündet
sein, als bei der embolischen. Die Fettkapsel der Niere kann so stark
geschwollen sein, daB bei der Palpation ein großer Nierentumor vor-
getäuscht wird. Klinisch können unter Umständen die üblichen Sym-
ptome: Nierenschmerzen, palpabler Nierentumor, Eiweiß oder Blut, Zy-
linder, Eiter, Bakterien im Blut, ganz oder teilweise fehlen, ein Vor-
kommen, wie es Verf. in zwei Fällen, die zur Operation kamen, erlebt
hat; es ist aber mit allen neueren Untersuchungsmethoden danach zu
streben, festzustellen, ob die Affektion einseitig, und namentlich, ob nur
das Nierenbecken oder das Parenchym mit erkrankt ist; im ersteren
Falle wird man meist mit inneren Mitteln, Trinkkuren, seitlicher Lage-
rung, Spülung des Nierenbeckens zum Ziele kommen, im zweiten wird
je nach der Lage des Falles eine Nephrotomie oder Nephrektomie in-
diziert sein. Paul Cohn-Berlin.
Die operative Behandlung der einseitigen akuten septisch-
infektiösen Nephritis. Von C. Ritter-Posen. (Münchn. med Wochenschr,
1912, Nr. 22.)
7jähriges Mädchen erkrankt akut mit häufigem Harndrang, anfangs
fieberlos. Nach 8—10 Tagen hohes abendliches Fieber, Schmerzen in
der rechten Nierengegend, nach 2 Wochen „Maseın“ (Ausschlag, Kon-
junktivitis, Bronchitis). Nach 3 Tagen verschwindet der Ausschlag und
die Konjunktivitis, die Bronchitis bleibt. Allmählich trıtt in der rechten
Nierengegend Schwellung und Bauchdeckenspannung auf, der Harndrang
wird häufiger, bis l5mal nachts, im Harn reichlich Eiterkörperchen,
Temperatur bis 40,2. Freilegung der rechten Niere: kein paranephri-
tischer Abszeß, keine Rindenabszesse, die Niere ist nur im höchsten
Grade geschwollen und hyperämisch; Dekapsulation, Tamponade, teilweise
Naht. Die Temperatur fiel sofort auf 37,6, der Urindrang trat schon in
der ersten Nacht nur mehr 3mal auf und minderte sich ständig, während
die Trübung des Harns zunächst noch blieb und erst auf Blasen-
spülungen wich. Rasche Rekonvaleszenz, Heilung der Wunde nach ca.
17 Tagen.
Als Ursache dieser akuten, septisch-infektiösen Nephritis sieht Verf.
nicht die „Masern“ an, da diese erst später auftraten. Er vermutet
“sogar, daB es sich nicht um echte Masern, sondern vielleicht um ein
septisches Exanthem handelte. Der Infektionserreger war nicht festzu-
stellen, im Harn funden sich die verschiedenartigsten Bakterien. Als
Ausgangspunkt ist die Blase anzusehen, Niere und Nierenbecken er-
krankten aufsteigend. Die auffallend starke Bauchdeckenspannung erklärt
sich wohl aus einer beginnenden serösen Durchtränkung in der Umgebung
der Niere. Verf. hebt den prompten Erfolg der Dekapsulation hervor.
Brauser-München.
54 Nieren.
Über die metastatischen Nieren- und paranephritischen Ab-
szesse, ausgehend von Furunkeln. Von Prof Dr. Zinn- Berlin. Die
Therapie der Gegenwart, April 1012.
Während die bekannten multiplen Nierenabszesse bei schweren Pr-
ämien nur ein anatomisches Interesse haben, kommt dem solitären, ein-
geitigen renalen und perirenalen Abs»zeb eine grobe klinisch-praktische
Bedeutung zu. Diese Erkrankung stellt sich in der Regel als eine mil
dere Form und gewöhnlich einzige metastatische Lokalisation der Prämie
dar. Seitdem wir die Nieren als wichtiges Ausscheidunesorgan der Bak-
terien bei einer Anzahl von Infektion-kraukheiten kennen und würdigen,
hat das Auftreten von metastatischen Krankheitsherden in den Nieren
selbst Jängere Zeit nach der Heilung des primären Herdes nichts Auf-
fallendes mehr. Die Eingangsplorten sind meist oft unscheinbare Er-
krankunwen, in erster Linie Furunkel, die in allen Arbeiten die häufigste
Ursache bilden. Daneben sind Panaritien, eiternde Schnittwunden, ober-
flächliche Abzsesse usw. zu nennen. Von dem primären Herde aus ge-
Jangen die Bakterien auf dem Blutwese in die Nieren, führen hier ge-
leyentlich zu Gefäbverstopfungen, Infarkten und zu eitriger Einschmel-
zung des Gewebes. Der Zusammenhang der primären Furunkel mit dem
sog. „Nierenfurunkel“ wird besonders durch den Nachweis der gleichen
Erreger erbracht, es handelt sich fast immer um Staphylokokken. Die
Gefübverteilung der Nieren ermöglicht das Eindringen von Bakterien in
die Fettkapsel und die Bildung von Abszessen, ohne dab das Nieren-
gewebe erkrankt. Von den Symptomen der Krankbeit ist das wichtigste
der Drucksehmerz des kranken Organs. Die bei der bimanuellen Be-
tastung der Nierengegend leicht zu findende Schmerzhaftigkeit ist nach
übereinstimmendem Urteil aller Beobachter geradezu charakteristisch und
führt sofort auf den richtieen Wer. In allen Fällen besteht Fieber von
unrerelmäßigem Verlauf, teils kontinuierlich, teils re- oder intermittierend,
zuweilen von Schüttelfrösten unterbrochen. Das Fieber leitet die Er-
krankung der Niere ein und bleibt oft ein bis zwei Wochen neben starken
allgemeinen Krankheitserscheinungen. In dieser Zeit richten sich dem:
entsprechend die diagnostischen Erwägungen vorwiegend auf schwere All-
gemeinerkrankungen mit anfänglich geringem objektiven Befund, z. B.
Typhus. Tuberkulose, auch schleichende Pleuritis, Endokarditis usw. Die
häufig beim Asthma auftretenden Ntiche in der Nähe des Zwerchfells
hinten weisen ja direkt auf eine Erkrankung der Pleura hin. Verf. weist
mit Nachdruck darauf hin, dab wir bei der Differentialdiagnose solcher
unklaren Fälle den renalen oder päaranephritischen Abszeß unbedingt mit
zu berücksichtigen haben. Wenn wir das tun, so werden wir die jedes-
malige besondere Betastung der Nierengegenden bei einer sonst surg-
fültigen Untersuchung nie verabsäumen. Der Druckschmerz der kranken
Niere eibt dann schon zu einer Zeit Aufschlub über die wahrscheinliche
Diagnose. wo wir sonst noch nichts Pezeichnendes finden und uns dem-
entsprechend noch in den verschiedensten Richtungen der Aufklärung des
Falles bewegen. Es ist für den Verlauf der Krankheit von geradezu
entscheidender Bedeutung, dab wir so früh als nur möglich auf das Be:
stehen des Nierenabszesses aufmerksam werden. Die Gefahr der nach
Nieren. DO
Furunkeln auftretenden Abszesse der Nierenrinde und Fettkapsel liegt
hauptsächlich in ihrem längeren Bestehen. Je früher die Diagnose ge-
stellt wird, desto seltener gefahrdrohende Komplikationen. Die Therapie
muß in der breiten Eröffnung des Abszesses bestehen. — Verf. berichtet
über 4 Fälle. Kr.
Über metastatische paranephritische Abszesse Von Dr. O.
Harzbecker, Assistenzarzt d. I. chir. Abteil. d. städt. Krankenhauses am Urban
zu Berlin. (Archiv f. klin. Chir. 1912, 98. Bd., 4. Helft.
Verf. berichtet über 32 Fälle. Als ätiologisches Moment kommen
hauptsächlich periphere Eiterungen in Betracht. Und zwar verursachten
Panaritien, Furunkel und Karbunkel genau die Hälfte aller Erkrankungen
(16), während im Gefolge des Wochenbettes 3, nach Magen-, Darm-
katarrh und Trauma je 2, nach Empyema pleurae, Cholelithiasis, Pneu-
monie, Influenza und Typhus, Perimetritis und Diabetes, sowie Lues und
Gonorrhoe je 1 Fall auftraten. Die Krankheit entwickelt sich bisweilen
als chronische, langsam und schleichend, andere Male sehr akut, stür-
misch und aus voller Gesundheit heraus. Von den örtlichen Störungen
pflegt der Schmerz in der betreffenden Seite das erste und konstanteste
Symptom zu sein. Es handelt sich meist um einen Schmerz in der
Lumbalgegend, welche in der Regel beständig, doch mit wechselnder
Intensität vorhanden ist, und durch jeden Druck in die Nierengegend,
sowie jederlei Bewegung, wie Anstrengung der Bauchpresse, Ausdehnung
des Thorax usw. vermehrt wird. Bald nach dem Auftreten dieses
Schmerzes entwickelt sich besonders beim Sitz der Erkrankung an der
hinteren Nierenfläche ein zweites Symptom, die Schwellung der Lenden-
gegend, welcher sich bald Ödem und Rötung der Weichteile, sowie
schließlich die Fluktuation hinzugesellen. Je nach der Lage der Abszesse
zur Niere und den benachbarten Organen bieten die klinischen Erschei-
nungen der Paranephritis vielfache Verschiedenheiten dar. Sitzt die
Eiterung am oberen Nierenpol, so zeigt sich zunächst die Beteiligung
der Pleura durch Pleuritis sicca und exsudativa und Empyem. Die be-
fallene Seite beteiligt sich kaum oder gar nicht an der Atmung und es
entsteht Dyspnoe und Cyanose, die letztere besonders bei Kindern.
Nicht selten entsteht durch die Beteiligung des subphrenischen Raumes
an der Entzündung Singultus. Bei vorwiegendem Sitz der Eiterung an
der vorderen Seite der Niere kann es zu Transsudaten in das Peritoneum,
aber auch zur Teilnahme desselben an der eitrigen Entzündung kommen,
und die Symptome der Peritonitis werden in den Vordergrund treten.
Bei Druck und Reizung des Colon sind Obstipation, Meteorismus und
gastrische Störung häufige Erscheinungen, die als Folge des Druckes auf
das Duodenum in unstillbarem Erbrechen, Ikterus und starker Abmage-
rung bestehen. Bei Eiterungen, die sich nach abwärts durch die offene
Gerotasche Fascie längs des Musc. psoas ausbreiten bzw. von hier ihren
Ausgang nehmen, findet sich fast ausnahmslos eine Kontraktur dieses
Muskels mit Flexionsstellung des Oberschenkels als Folge; durch Kom-
pression der Vena cava inferior entsteht Ödem der beteiligten Extre-
mitit, und in seltenen Fällen sind auch Paresen beobachtet worden.
55 Nieren.
Die al.gemeinen Störungen zeigen sich vor allem in al;gemeinen toxischen
Erscheinungen. Fieber, Schüttelfrö-ten, schwerem Krankheitsgefühl und
Mattigkeit. Ehe der Prozeß entwickelt ist, kann es unklar sein, ob man
es mit einer Erkrankung der Brustorgane zu tun hat. z. B. einer Pleu-
rıtis oder Pneumonie. der letzteren besonders im Kindesalter; oder es
können anderseits Erkrankungen der Bauchorgane, wie Gastoenteritis,
Heas. Cholecystitis und Perityphlitis, Uicus ventriculi, Typhus u. dgl.
vorgetäuscht werden. In anderen Fällen kann man das Leiden mit
Lumbago, Muskelrheumati-mus und Ischias verwech:eln, die Flexions-
stellung des Beines kann schlietlich eine Coxitis vortäuschen. Von
grober Bedeutung ist hier die genaueste Untersuchung des Harnes. —
Sobald der paranephritische Abszeß mit Sicherheit konstatiert ist, muß
man operativ gegen ihn vorgehen. Die Progno-e ist bei der Frühope-
Jation eine ab-viut günstige. Kr.
f; Ureter.
Congenital malformations of the ureters. \o Daniel N. Eisen-
drath-Chicago. (Annals of Surgery. April 1912.
Verf. berichtet über 5 Fälle von kongenitalen Mi£bildungen von
Ureteren nebst ihren Folgezuständen. 4 Fälle davon wurden Gegenstand
operativer Behandlung: in dem 5. Falle handelte es sich um einen Be-
fund bei der Sektion eines 10 Tage alt gestorbenen Kindes. In
Fall 1 bestand eine kongenitale Hydronephrose bei einem 6jährigen
Knaben mit Verengerung das Ureters am Nierenbeckenende. Operation
wurde notwendig, als Symptome von Infektion aufgetreten waren. Fall 2
betraf einen 12 jährigen Knaben mit kongenitaler Hydronephrose auf
Grund von absoluter Verengerung des Ureters an seinem Nierenbecken-
tei. Durch Exstirpation der Niere wurde Heilung erzielt. Fall 3 be-
traf einen l$ jährigen Knaben, bei dem der linke Ureter. kurz über dem
Blasenende etwas starr und verengert,. darüber in ganzer Ausdehnung auf
Dünndarmweite ausgedehnt war. Zuerst wurde der Ureter drainiert. als
aber Fieber auftrat, wurde die linke Niere, die das Bild einer frischen
Pyelonephritis darbot. neb:t dem erweiterten Ureter exstirpiert Es trat
glatte Heilung ein. Im vierten operierten Fale handelte es sich um
ein 16jähriges Mädchen mit kretinistischem Habitus, das körperlich und
geistig sich auf der Stufe eines 6 jährigen Kindes befand. Hier zeigten
sich bei der Laparotomie beide Ureteren erweitert. der linke auf Daumen-
dicke, der rechte auf Bleistiftdicke. Die Mündung des rechten Ureters in die
Blase erwies sich als normal durchgängig. Eine linke Ureterenmündung
war nicht aufzufinden. Daher wurde der zirkuiar durchtrennte Ureter an
einer anderen Stelie der Blase eingeptlanzt. Der Verlauf war nach dieser
ersten Operation zunächst gut. dann aber traten Symptome einer auf-
steigenden Infektion auf, welche die Exstirpation der linken Niere not-
wendig machten. Nachdem die Kranke schon von der Operation geheilt
war, starb sie 3 Monate nach der letzten Operation unter dem Bilde
der Tramie. Verf. bespricht im Anschluß an seine Fälle kurz die ver-
schiedenartigen vorkommenden Verbildungen der Ureteren und ihre Folge-
zustände. Das klini-che Bi.d wechsel. In einem Teil der Fälle ist ein
Nieren. 57
Tumor im Abdoınen das am meisten hervorstecherde Symptom; es sind
das die als kongenitale Hydronephrose bezeichneten Fälle, bei denen die
Striktur des Ureters sich am Nierenbecken befindet. In anderen Fällen
erstreckt sich ein wurstförmiger Tumor vom Rippenbogen aus nach ab-
wärts. In einer dritten Gruppe von Fällen findet man eine Vorwölbung
des unteren Ureterendes in die Blase (dies fand in dem 4. Fall des Verf.
statt. In einer vierten Gruppe von Fällen besteht das Bild der Nieren-
infektion. — Der Ursprung aller kongenitalen Veränderungen des Ureters
liegt in Hemmungsbildungen. Die hauptsächlichsten Abweichungen sind
folgende: 1. Fehlen des Lumens in der ganzen Länge des Ureters;
2. Verengerung oder umschriebenes Fehlen eines Lumens a) am Nieren-
beckenende, b) nur im oberen Drittel, c) im oberen und unteren Drittel,
d) am Blasenende (blasige Vorwölbung); 3. spiralige Knicke, einzeln
oder mehrere (ebenfalls bei Fall 4 des Verf. vorhanden). Lohnstein.
Sull’ uretero-eteroplastiche con trapianti vasali, venosi ed
arteriosi. Von Dr. Leonardo Dominici-Roma. (Folia urologica, Bd. VI,
1911, No. 5.)
Der Autor hat an 10 Hunden die Plastik eines Ureters mit Gefäß-
transplantationen, 7 mal venösen, 3 mal arteriösen, versucht. In einem
Falle haben die zwei Nähte der Transplantation nicht gehalten, in anderen
zwei Fällen hat nur die obere Naht gehalten. Die anderen sieben Fälle
fielen positiv aus in dem Sinne, daß die zwei Nähte gut hielten und
sich keine Harnfisteln bildeten. In den drei negativen Fällen wurde das
transplantierte Segment zweimal von der Jugularis externa, einmal von
der großen Saphena genommen; dem verschiedenen Kaliber zwischen
diesen Gefäßen und dem Ureter schreibt der Autor den negativen Aus-
gang wegen der Schwierigkeiten, welche die Naht bereitet, zu. In den
sieben positiven Fällen wurde dreimal ein Segment der Carotis com.,
dreimal ein Segment der Jugularis externa, einmal ein Segment der
Vena femoralis transplantiert. In diesen sieben Fällen wurde die trans-
plantierte Stelle 3 bis 57 Tage nach der Operation untersucht. Die
Gefäßtransplantation im ersten Tempo hält fest, nekrotisiert jedoch dann
rasch, und der nekrotische Teil wird, wenn nicht Sepsis eintritt, langsam
durch Bindegewebe ersetzt, das sich innerhalb vielleicht mit Epithel
kleidet, was natürlicherweise eine Stenose des Ureterlumens zur Folge
hat. Um den Unterschied der Resultate zu erklären, die von der Trans-
plantation von Blutgefäßen in Blutgefäße gegenüber der uretero-hetero-
plastischen mit venösen und arteriellen Gefäßen erzielt wurden, macht
der Autor zwei Hypothesen: a) das in den Gefäßen zirkulierende Blut
kann in der ersten Zeit die Endothelien der transplantierten Stelle er-
nähren, und da diese Verhältnisse bei den uretero-heteroplastischen
Transplantationen fehlen, so werden sie nekrotisch, bevor sich genügende
kommunizierende Wege zwischen diesen und den Ureterstümpfen bilden;
oder b) die Nekrose der arteriellen und venösen uretero-heteroplastischen
Transplantation kann von der verschiedenen Funktion des Ureters und
der Blutgefäße bedingt sein, die sich der neuen Funktion nicht anzupassen
vermag. (Nach der deutschen Übersetzung von Ravasini-Triest) Kr.
58 Nieren.
Ureterentransplantation nach Maydl mit der Modifikation
nach Berglund-Borelius und Mysch. Von S. F. Dechanow in
Charkow. (Folia urologica. Bd. VI, No. 10. Juni 1912.
Wie aus der Literatur hervorgeht, ergibt die Ureterentransplantation
nach Maydl bei Blasenektopie einen niedrigeren Mortalitätsprozentsatz,
als die Transplantation der durchschnittenen Ureteren in das Rektum.
Die Modifikationen von Berglund-Borelius (Anlegung einer Anasto-
mose zwischen dem zuführenden und dem abführenden Ende der Flexura
sigmoidea) und von Mysch (Umschnürung des zuführenden Endes direkt
unterhalb der Anastomose nach der Methode von Mosetig-Moorhoff)
sind imstande, die Maydlische Operation ihrem Endziel, nämlich der
Schaffung eines isolierten Darmabschnittes als Reservoir für den abge-
leiteten Harn, bedeutend näher zu bringen. Der Fall des Verfassers ist
der einzige, wo bei der Operation nach Maydl beide genannten Modi-
fikationen angewendet wurden. Der Erfolg war günstig. Auf Grund
der Literatur und seiner eigenen Beobachtung kommt der Verfasser zu
dem Schlusse, daß man bei der operativen Blasenbehaudlung der Blasen-
ektopie die Operation von Maydl mit den Modifikationen von Berg-
lund-Borelius und von Mysch vorziehen sollte, weil diese Methode
sich einer idealen Ausführung der betreffenden Operation, d. h. der
Schaffung einer aseptischen Darmschlinge, am meisten nähert. Sollte es
aber durchaus notwendig sein, die Ureteren zu durchschneiden, so muß
man sie gleichfalls in eine nach derselben Methode bearbeiteten Schlinge
der Flexura sigmoidea einnähen. Kr.
Stenose beider Ureteren durch einen in der Scheide befind-
lichen Fremdkörper. Von F. Bode-Homburg v. d. H. (Münch. med.
Wochenschr. 1912. Nr. 21.)
Die betr. 50 jährige Pat., die wenige Tage vor ihrem Tode in Be-
handlung kam, litt an Harnbeschwerden, indem der Urin von Zeit zu
Zeit unter heftigen Schmerzen und starker Anwendung der Bauchpresse
gewissermaßen en masse ausgetrieben wurde. Die jedesmalige Menge
betrug 80—100 ccm. In den Pausen bestand keine Inkontinenz, der
Harn war trüb, eiterhaltig. Die Sektion ergab einen fest in die Scheide
eingewachsenen Fremdkörper und zwar einen pilzförmigen Schirmgriff,
dessen 7 cm langer Stiel in die Scheide ragte und an der vorderen
Scheidenwand eine größere Blasenscheidenfistel erzeugt hatte. Der pilz-
förmige Griff hatte beide Ureteren unmittelbar über ihren Mündungen
aufs äußerste komprimiert, die Ureteren waren enorm erweitert, ebenso
die Nierenbecken. Wenn die Spannung des Harns in den Ureteren sehr
stark wurde, entleerte die Pat. unter Anwendung der Bauchpresse den
Harn durch die Stenosen in die Blase, von der er sofort im ganzen
durch die Scheide nach außen floß. Die Blase wies infolgedessen keinerlei
Entzündung auf. Die Urethra war verzogen und durch Narbenbildung
ganz undurchgängig. Der Fremdkörper lag wahrscheinlich über ein Jahr-
zehnt in der Scheide. Brauser- München.
Diabetes. 59
Calcul de l’uretöre droit. Von Picqué. (Société nationale de Chi-
rurcie 1911, November. Archives générales de Chirurgie 1812, 2, p. 200.)
Picqué beobachtete einen Stein in der Pars pelvica des rechten
Harnleiters, bohnengroß; er machte eine subperitoneale Laparotomie, in-
zidierte den Harnleiter, entfernte den Stein und drainierte ohne Naht
des Ureters. 3—4 Wochen entleerte sich etwas Harn aus der Wunde,
dann definitive Heilung. Mankiewicz-Berlin.
Il. Diabetes.
Über Veränderungen des Pankreas bei Diabetes mellitus. Von
A. Weichselbaum. (Wiener klin. Wochenschr. Nr. 5, 1911.)
W. fand bei 183 genau untersuchten Diabetesfällen häufig eine Ver-
minderung der Zahl der Langerhansschen Inseln, ferner in 53°/, der
Fälle hydropische Degeneration, in 43°/, Sklerose oder chronische peri-
und intrainsulare Entzündung derselben. Die hydropische Degeneration
fand sich fast ausschliefslich bei jüngeren Leuten und war fast niemals
von Sklerose der Pankreasarterien begleitet, die Inselsklerose hingegen
fand sich zumeist bei Personen über 50 Jahren und war fast immer von
Sklerose der Pankreasarterien begleitet. Als weitere weniger häufige
Veränderung der Inseln fand sich hyaline Degeneration (28°). Im
Gegensatz zu den Inseln wies das Pankreasparenchym keine konstanten
Veränderungen auf.
Entsprechend diesen anatomischen Befunden unterscheidet W. drei
Formen von Diabetes:
1. Die Erkrankung ist durch die hydropische Degeneration oder
durch die infolge der letzteren entstandene Atrophie der Inseln charakteri-
siert. Diese Form bevorzugt das jugendliche Alter und es kommen bei
ihr die klinisch schweren und schwersten Fälle von Diabetes vor.
2. Die Erkrankung ist durch eine von einer chronischen intersti-
tiellen Pankreatitis abhängige Atrophie und Sklerose der Inseln charak-
terisiert. Diese Form bevorzugt das höhere Alter und verläuft meist
leicht.
3. Die Erkrankung ist durch hyaline Degeneration der Inseln be-
dingt. Diese Form bevorzugt das höhere Lebensalter und kommt meist
mit der vorigen kombiniert vor. Bei ihr sowohl, wie bei der sklero-
tischen Form spielt die Arteriosklerose eine grofse Rolle.
von Hofmann-Wien.
Diabetes insipidus und Entwicklungshemmung, nebst Be-
merkungen zur Differentialdiagnostik des Diabetes insipidus. Von
Prof. Dr. H. Strauß-Berlin. (Folia urologica, VI. Bd., Nr. 6, Nov. 1911.)
Lenk hat vor kurzem einen Fall von Diabetes insipidus mitgeteilt,
bei dem gleichzeitig ein Status thymicohypoplasticus neben akuter Leukä-
mie bestand. Der Autor hält es für wahrscheinlich, dafs zwischen Diabetes
insipidus und Status thymicobypoplasticus Berührungspunkte irgendwelcher
Art bestehen. St. berichtet nun über 2 Fälle von Entwicklungshemmung
60 Diabetes.
bei Diabetes insipidus aus eigener Beobachtung. Im ersten Falle handelt es
sich um die Kombination einer Hypoplasie der Genitalien mit einer Ab-
normität in der Fettentwicklung und der Behaarung in der Art, wie man
sie beim weiblichen Geschlecht anzutreffen pflegt. Da manche Autoren
geneigt sind, auch diese letztere als eine Erscheinung zu betrachten, die
eine gewisse Verwandtschaft mit Entwicklungshemmungen zeigt, da
Ähnliches auch bei den Folgeerscheinungen von Hypophysenerkrankungen
beobachtet wird, und da weiterhin in Fall 2 neben der Hypoplasie des
Genitalapparates auch ein gewisser Grad von Infantilismus im Gesamt-
habitus vorlag, so scheint es Verf. gerechtfertigt, bei der Deutung der
beiden Fälle an Anomalien der inneren Sekretionen zu denken. Haben
wir doch, sagt Verf., durch A. Fröhlich Beziehungen von Hypophysen-
erkrankungen zur Hypoplasie des Genitalapparates kennen gelernt, die
mit den Zeichen mangelhafter Entwicklung der sekundären Geschlechts-
charaktere und infantilem Habitus verknüpft sein können. Fröhlich und
andere haben das Krankheitsbild der Dystrophia adiposogenitalis ge-
zeichnet, das auf einen Hypopituitarismus zurückgeführt werden soll.
Auf der anderen Seite haben wir auch in der Zirbeldrüse ein Organ
kennen gelernt, dessen Erkrankungen ein abnormes Längenwachstum,
einen ungewöhnlichen Haarwuchs, prämature genitale und sexuale Ent-
wicklung und geistige Frühreife erzeugen können. Während der voll
entwickelten Tätigkeit dieses Organs, also bis zum 7. Lebensjahre, scheint
nach Bied] von diesem ein hemmender Einflufs auf die unbehinderte
Ausgestaltung der Keimdrüsen auszugehen. Es wäre also einerseits mög-
lich, dafs eine Störung der Funktionen der Hypophyse für das Zustande-
kommen der hier besprochenen Erscheinungen mehr oder weniger ver-
antwortlich zu machen wäre; anderseits wäre es nicht ganz ausgeschlossen,
dafs ein abnorm langes Funktionieren der Zirbeldrüse eine hemmende
Wirkung auf die Entwicklung der Keimdrüsen entfaltet haben mag. —
Zur Anstellung des Versuches auf alimentäre Chlorurie zur Differential-
diagnose des Diabetes insipidus wird das vom Verfasser schon früher
benutzte Schema empfohlen, d. h. die Darreichung von 10 g Kochsalz
in 1/, Liter Wasser auf nüchternen Magen mit Bestimmung der Urin-
menge, des spezifischen Gewichts, der Gefrierpunkterniedrigung und des
prozentualen Kochsalzgehaltes an den in den folgenden fünf Stunden ge-
lassenen Urinportionen unter gleichzeitiger Anwendung von Klausur.
Hierdurch wird sowohl den Einwänden von Minkowski und Bräuning,
als auch denjenigen von Finkelnburg gegen das bisher übliche Schema
begegnet. Kr.
Über das Konzentrationsvermögen der Niere bei Diabetes
insipidus nach organischen Hirnerkrankungen. Von Prof. Rudolf
Finkelnburg. (Deutsches Arch. f. klin. Med. 100. Band. Heft 1 u. 2.)
Verf. hat 4 Fälle von organischen Hirnerkrankungen mit stark ver-
mehrter Harnausscheidung im Isolierzimmer untersucht. In 2 Fällen lag
primäre Polyurie, in den beiden anderen Fällen primäre Polydipsie vor.
Er kommt zu dem Ergebnis:
Es gibt Fälle von primärer Polyurie bei organischen Gehirnaflek-
Diabetes. 61
tionen, in denen das Konzentrationsvermögen der Niere nicht wesentlich
gestört ist. Gleichwohl findet sich bei solchen Kranken eine deutliche
Abhängigkeit der Harnausscheidungsgrölse von der Nahrungsbeschaffen-
heit, wie es nach anderweitigen Beobachtungen beim echten Diabetes
insipidus regelmäfsig der Fall ist Der menschliche Diabetes bietet also
bisweilen dasselbe Verhalten, wie der experimentelle Tierdiabetes nach
dem Zuckerstich, bei dem Verf. einwandsfrei das Vorkommen von echter
primärer Polyurie bei erhaltenem Konzentrationsvermögen der Niere fest-
stellen konnte.
Da in derartigen Fällen von primärer Polyurie die Steigerung der
Harnwasserausscheidung nach Salzzulage viel früher einsetzte, als die er-
höhte Kochsalzausscheidung, so scheint in manchen Fällen von echtem
Diabetes insipidus die Zunahme der Urinabsonderung nicht lediglich eine
Folge der gesteigerten Salzausfuhr zu sein, wie Tallquist und Meyer
annahmen. Die Beobachtungen, die Verf. bei seinen vorliegenden Ver-
suchen bezüglich der zeitlichen Schwankungen zwischen Harnwasser- und
Salzausscheidung gemacht hat, weisen anscheinend vielmehr darauf hin,
dafs ein erhöhter Kochsalzgehalt der Körperflüssigkeit an sich einen un-
günstigen Einfluls ausübt auf die Faktoren, die beim Zustandekommen
der diabetischen Polyurie eine Rolle spielen. Bei den beiden Kranken
mit primärer Polydipsie war trotz jahrelanger Dauer des Leidens eine
Verminderung des Konzentrationsvermögens der Niere nicht eingetreten.
Zuelzer-Berlin.
Diabetes nach Trauma. Eine Kritik zur Lehre vom metatrauma-
tischen Diabetes. Von Erich Hoeniger. (Dissertation, Erlangen 1911, 110 S.)
Die Untersuchungen des Verfassers, die sich auf 206 einschlägige
Fälle beziehen, haben zur Aufstellung folgender Sätze geführt:
l. Die nach Traumen der verschiedensten Art auftretenden Formen
von Zuckerharnen sind als durch den Unfall bedingt aufzufassen, wenn
sie erstens unmittelbar im Anschluß an das Trauma entstehen, und
zweitens, wenn sie transitorisch sind.
2. Es sind 3 Formen zu unterscheiden: die alimentäre, die ephe-
mere und die transitorische Form der Glykosurie. Die alimentäre und
die ephemere traumatische Glykosurie bedingen keine Erwerbsbe-
schränkung.
3. Die Intensität und Art des Traumas kommen für die transito-
rischen Glykosurien nicht in Betracht. Die Stoffwechselanomalie wird
am besten als eine Reaktion des Organismus auf die mit Trauma ver-
bundene mechanische Allgemeinerschütterung und die psychischen Ein-
wirkungen aufgefaßt.
4. Im Anschluß an ein Trauma, vornehmlich des Kopfes und des
verlängerten Rückenmarks, können Polyurie und Polydipsie einzeln und
kombiniert auftreten.
9. Findet sich nach einem Trauma ein echter Diabetes mellitus, so
liegt der Verdacht vor, daB es sich um einen schon bestehenden handelt.
Es sind die sorgfältigsten anamnestischen Erhebungen anzustellen. Man
hat nach objektiven Symptomen zu forschen, die auf eine längere Dauer
6? Diabetes.
des Diabetes hinweisen. Eine stäirkere Albnminurie, beruhend auf chro-
nischer Nephritis mit geringer Zuckerausseheidung, spricht entschieden
für ein späteres Stadium des Diabetes. Balanitis, Ekzeme und furm-
kulöse Abszesse der Genitalien, Impotenz treten kaum im Initialstadiun
des Diabetes auf. Bei sorgfältigster Untersuchung wird es dem Sach
verständigen meistens gelingen nachzuweisen, dab es sich schon um einen
chronischen, nicht um einen durch den Unfall bedingten Diabetes handelt.
D Der Beweis, dab die transitorischen Glykosurien verschwinden,
auch keine „diabetische Disposition” hinterlassen, wird durch Toleranz
prüfungen nach ihrem spontanen Verschwinden erbracht.
T. Ist diese Prüfung vollzoren und bat sich keine Herabsetzung der
Toleranz ergeben, so kann für einen etwa später auftretenden Diabetes
das Trauma nicht mehr beschuldigt werden.
8. Nur dann ist ein ursächlicher Zusammenhang mit einem Diabetes
anzunehmen, wenn aus der alimentären (ilykosurie unmittelbar nach den
Unfall eine Herabsetzung der Toleranzgrenze resultiert und die alimen-
täre (ilykosurie in eine dauernde, also in Diabetes, übergeht.
Fritz Loeb-München.
Lesions des glandes genitales chez les diabetiques et chez
les animaux rendus experimentalement glycosuriques. Von.
Parisot-Naney, iSociété de biologie, 29. Jah 1911, Nach La Semaine me-
dicale, 9. Angust 1011.)
Eine grofso Anzahl von Diabetikern zeigt Störungen der sexuellen
Funktionen, wie Impotenz beim Mann, Dysmenorrhoe, vorzeitige Meno-
pause, Sterilität bei der Frau. Um diese Tatsachen im Experiment
nachzuprüfen, wurden 10 Kaninchen einige Wochen lang jeden zweiten
Tag beträchtliche Mengen von Traubenzucker beigebracht, so dals die
Tiere erlykosurisch wurden. Bei den Tieren wurden nun mikroskopisch
ganz eindeutige Veränderungen der Genitalorgane festgestellt.
N, Meyer-Wildungen.
Über Wasserretention bei den Haferkuren der Diabetiker.
Von M. Mirowsky- Breslau. (Deutsche med. Wochenschr. 1912, Nr. 10.)
Auffällige Schwankungen des Körpergewichts bei Diabetikern sind
schon lange bekannt, fast rerelmäbig treten Wasserretentionen bei
schwerem Diabetes auf, wenn weren der bestehenden Azidose Natrium
bicarbonicum mit Haferdiät verabfolet wird. Die Schwellungen treten
besonders an den unteren Extremitäten auf — Haferödem (v. Noorden!.
Um über die noch nicht feststehende Natur dieser Wasserretentionen Ins klare
zu kommen, hat Mirowsky in der Miukowskischen Klinik in Breslau
vergleichende Untersuchungen an Diabetikern und an nicht diabetischen
Individuen angestellt, deren Herz und Nieren gesund waren. Dabei
ergab sich folgendes: Bei Diabetikern führt Natrium bicarbonticun
allein keine Wasserretention herbei, wohl aber geschieht dies bei Hafer-
mehlzufuhr. — Blum und Severin haben die gleiche Beobachtung auch
bei Weizenmehl gemacht.
Bei nicht diabetischen Personen — und genau so verhielt sich
auch ein Knabe mit Diabetes insipidus — führt eine Haferkur allen
Diabetes. 63
oder eine Haferkur mit Natrium bicarbonicum nicht zur Wasseransamm-
lang. Eine gemischte Diät mit Natriumbikarbonat kann vorübergehend
zu einer kleinen Gewichtssteigerung führen, gesetzmäßig ist sie nicht.
Der Diabetiker verhält sich demnach in bezug auf die Haferdiät
ganz entgegengesetzt zum normalen Individuum.
Die Ursache dieses Verhaltens liegt in einer Veränderung der Ge-
webe und Gefäße des Diabetikers und in bestimmten bisher noch nicht
näher studierten Beziehungen zwischen Kohlehydraten und Wasserreten-
tion. Bei kleinen Kindern sind solche Wasseransammlungen bei kohle-
hydratreicher Kost bereits bekannt (Meyer-Bittorf).
Ludwig Manasse-Berlin.
Über die Verwendung des Glykoheptonsäurelaktons bei
Diabetes mellitus. Von San.-Rat Dr. Eduard Lampé-Frankfurt a. M.
:Die Therapie der Gegenwart 1912, Juni.)
Verf. hat das von den Höchster Farbwerken dargestellte Glyko-
heptonsäurelakton bei 25 Diabetikern angewandt. Von diesen Diabe-
tikern müssen 8 den schweren Formen zugerechnet werden, 14 den mittel-
schweren, 3 den leichten. Hiervon gehören 5 dem 2. Dezennium an,
3 dem 3., 4 dem 4, 4 dem 5., 5 dem 6., 3 dem 7. und 1 dem 8.
Die Patienten, bei welchem Verf. Versuche angestellt hat, rekrutieren
sich demnach aus allen Lebensaltern, und es ist ein Einfluß des Alters
auf die Resorptionsfähigkeit und auf das Allgemeinbefinden nicht be-
merkbar. Bei zwei Fällen traten nach dem Gebrauche des Glykohepton-
säurelaktons Appetitlosigkeit und Diarrhoe auf, bei zwei Fällen nur
Appetitlosigkeit, bei sechs Fällen leichte Diarrhoe, während bei 15 Fällen
nicht nur das Allgemeinbefinden nicht beeinträchtigt war, sondern
äußerstes Wohlbefinden und Wohlbehagen während der Laktontage sich
zeigte. Bei sämtlichen Fällen wurde Glykoheptonsäurelakton in Mengen
von 30,0 g pro die auf dreimal verteilt mindestens drei Tage lang bei
genau derselben Diät verabreicht, und zwar so, daß nach einigen Vor-
tagen die Laktonperiode eingeschaltet wurde, dann einige Nachtage der-
selben Kostform folgten. Resorbiert resp. oyxdiert wurde das Glyko-
heptonsäurelakton in allen Fällen; in den meisten setzte es die Zucker-
ausscheidung herab. Auf die Azetonausscheidung hatte es keinen Einfluß,
woraus zu schließen ist, daß das Glykoheptonsäurelakton kein Glykogen-
bildner ist. Wie die Wirkung des Präparats zu erklären ist, vermag
Verf. bis jetzt nicht zu sagen. Eins steht fest, daß es für den Diabe-
tiker ein unschädlicher, vollständig resorbierbarer, meistens die Glykos-
urie herabsetzender Süßstoff ist, der in den meisten Fällen in Gaben
bis zu 30,0 g pro die gut vertragen wird und das Wohlbehagen und
Allgemeinbefinden günstig beeinflußt. Kr.
Neuere Ergebnisse der Therapie des Diabetes mellitus. Von
Privatdozent Dr. L. Blum-Straßburg. (Therap. Monatshefte 1912, April.)
Verf. zeigt, daß bisher weder auf dem Gebiete der Organo-, noch
der Chemotherapie entscheidende Erfolge zu verzeichnen sind. Das
Hauptgewicht liegt bis jetzt in der diätetischen Behandlung. Die diä-
tetische Behandlung des Diabetes ist zwar nur eine symptomatische, in-
64 Diabetes.
dem sie in erster Linie die Glykosurie berücksichtigt: ılır Nutzen geh
aber über den einer symptomatischen Behandlung hinaus, indem das
Schwinden oder Absinken der Glykosurie bedingt ist durch eine im
gleichen Sinne verlaufende Anderung der Hypergivkämie. Wie Verf.
glaubt, ist die Besserung der Toleranz im wesentlichen darauf zurück-
zufüliren, daß die Hyperglvkämie und die damit einhergehende Über-
lastung der Gewebssälte mit Glykose beseitigt wird, und so eine bessere
Verbrennung des Zuckers ermöglicht ist. Der Fortschritt auf dem Ge
biete der Diätetik liegt in erster Linie darin, daß unsere Vorstellungen
über die Verbrennung der Kohlehydrate beim Diabetiker präzisere ge-
worden sind. Ein Hauptvorteil dieser Erkenntnis liegt darin, dab es
jetzt möglich ist, die Indikationen der Anwendung der Kohlehydratkuren
sicherzustellen, und dab diese nicht mehr nach einem starren Schema
auf gut Glück verordnet werden, sondern dab man imstande ist, den iw
dividuellen Verhältnissen Rechnung zu tragen und ein Fehlschlagen der
Kur oder gar eine Verschlimmerung zu vermeiden. Verf. beschränkt sich
hier im wesentlichen auf die Mehlkuren, weil die größten Erfahrungen
mit dieser Kostform gemacht sind. Es können folgende Indikationen der
Verwendung der Mehlkuren aufrestellt werden: Sie lassen sich zunächst
verwenden im Beginne einer Behandlung, um Zuckerfreiheit zu erzielen.
Sie stellen die einfachste Methode dar, um eine Entzuckerung herbeizu-
führen. Eine zweite Indikationsstellung der Mehlkuren ist für die Fälle
gegeben, in denen Zuckerfreiheit nicht zu erreichen ist, und in denen
es aus Rücksicht auf den Allgemeinzustand und die Azidose wünschens-
wert ist, eine kohlehvdrat- und auch kalorienreiche Nahrung zuzuführen.
Auch hier wird man sich von jedem Schematismus fernhalten und unter
Benutzung von Pflanzeneiweib, Eiern diejenige Mehlmenge wählen, die
dem Zustande des Patienten angemessen ist. v. Noorden batte für die
Hafermehlkuren folzendes Schema gegeben: Einschaltung einiger Gemüse
tage, sogar eines Hungertages, mehrere Tage lang 250 g Hafermehl mit
200—300 g Butter, ev. Zusatz von Pilanzeneiweib, ca. 100 g, oder auch
von Eiern, hiernach wieder Gemüsetare. Bei der Durchführung dieses
Schemas waren die Miberfolge viel häufiger als die Erfolge: sie mubten
anch eintreten, solange die paradoxe Auffassung, daß Hafermehlkuren nur
bei schweren Diabetikern ihre volle Wirkung entfalten, allgemein geteilt
wurde. Es hat sich nun gezeigt, daß diese Auffassung nicht zutrifft.
daß, je schwerer die Erkrankung, um so weniger Hafcrmehl oder son:
stiges Mehl ertragen wird. Bei der Anordnung der Kur ist demnach
der Schwere der Erkrankung Rechnung zu tragen. Nachdem man sich
über den Grund der Stoffwechselstörung nach Verabreichung einer kohle-
hydrathaltigen Standardkost überzeugt, verordnet man zur Entzuckerung
eine Mehlfettnahrung, die um so weniger Mehl enthält, je schwerer der
Diabetes ist In leichten Fällen werden 250 g Mehl und mehr ohne
Schwierigkeit ertragen, in schweren mub man bis auf 100 g, ja 19 £
herunfergehen, um Krfolee zu erzielen. Oft wenügt schon diese Jıät, um
den Zucker zam Schwinden zu bringen. Durch Anschluß eines Gemüse-
tages läßt sich in schwieriger zu beeinflussenden Fällen die Glykosurie
noch weiter herabdrücken oder gänzlich beseitigen. Die weitere Kost
Diabetes. 65
richtet sich nach den Umständen, der Schwere des Falles, Komplikationen
von seiten anderer Organe, z. B. des Herzens oder geschwüriger Affek-
tionen u. dgl. Es kann meistens eine solche Mehlkost nicht auf längere
Zeit genommen werden; die meisten Kranken werden ihrer übrigens ziem-
lich rasch überdrüssig. In den Fällen, in denen Zuckerfreiheit nicht er-
reicht wird, wird man nach einiger Zeit von neuem eine solche Kur ver-
suchen, die dann zuweilen noch Erfolg bringt. In den Zwischenperioden
wird man nach den Grundsätzen verfahren, die bisher in der Therapie
des Diabetes Geltung hatten. Kr.
Über die Kolloidausscheidung im Harn bei Diabetes mellitus.
Von Privatdozent Dr. Hugo Pribram und Dr. Julius Löwy, Assistent der
medizin. Klinik R, v. Jaksch in Prag. (Zentralbl. f. innere Medizin. 1912,
Nr. 21.)
Wie die Verff. bereits in einer früheren Mitteilung zeigen konnten,
ist bei einer großen Zahl von Krankheiten das stickstoffhaltige Kolloid
des Harnes vermehrt, vor allem bei jenen, bei denen der Eiweißabbau
alteriert ist, sei es infolge einer Störung des Abbaues des Nahrungs-
eiweißes, also bei Krankheiten des Verdauungsapparates, sei es bei
toxischem Körpereiweißzerfall, z. B. bei akuten Infektionskrankheiten,
bei malignen Tumoren, bei Morbus Basedow. Die nahezu größten Zahlen
für den zum Gesamtstickstoff in ein Verhältnis gesetzten Kolloidstick-
stoff erhielten die Verf. bei drei Fällen von Diabetes mellitus. Sie
prüften nun einerseits, welches die Ursache dieser enormen Kolloid-
ausscheidung sei und anderseits, wie sich diese bei der Behandlung des
Diabetes verändert. In dem Harnkolloid sind von stickstoffhaltigen
Stoffen vor allem das stickstoffhaltige Kohlehydrat enthalten und hoch-
molekulare, toxische Eiweißprodukte von antigenem Charakter vorhanden.
Eine Vermehrung des Kolloids deutet somit zunächst auf eine Störung
des Eiweißabbaues hin. Parallel mit den Ausscheidungsverhältnissen
des Kolloids ging die Ausscheidung an Azeton, das bekanntlich entweder
aus Eiweiß oder aus Fett stammt, und somit ein Zeichen gestörten
Eiweiß- oder Fettabbaues darstellt. Es ist anzunehmen, das die Fette
und vielleicht auch die Eiweißkörper — ihren normalen Abbau bloß
erfahren, wenn auch die Kohlehydrate normal oxydiert werden. Ist nun
bei dem Diabetiker der Zuckerabbau gestört, kreist im Blute Zucker
in größerer Menge, so ist es möglich, daß dieser in Bindung mit höher-
molekularen Abbauprodukten des Eiweißes tritt; die Folge hiervon wäre
eine Vermehrung des Harnkolloids. Die Reihenfolge des Geschehens
bei dem Diabetiker wäre somit folgende: Primäre Störung der Oxyda-
tion des Zuckers aus einer noch unbekannten Ursache, daher mangelhafter
Abbau von Eiweiß und Fett, daher Ausscheidung von Zucker, viel Harn-
kolloid, eventuell auch von Azetonkörpern; bei Besserung des Diabetes
Zurückgehen aller dieser Symptome. Eine Besserung kann auf folgenden
Wegen erzielt werden: 1. Man vermindert die Zuckerzufuhr, dann werden
die Eiweißspaltlinge nicht abgefangen. Das ist die allgemein übliche
Behandlung der leichteren Fälle von Diabetes mit Kohlehydratkarenz.
2. Man vermindert die Zufuhr von Eiweiß, um die übermäßige Bildung
Zeitschrift für Urologie. 1918. D
66 Diabetes.
toxischer Abbauprodukte desselben hintanzuhalten und eventuell zu ver-
hindern, daß ihrerseits diese der ohnehin gestörten Oxydation des Zucker-
moleküles im Wege stehen. Man trachtet die Verdauung zu heben
und damit den intestinalen Abbau des Eiweißes möglichst zu vervoll-
ständigen. Dies kann durch die Karlsbader Kur erzielt werden und es
scheint damit eine theoretische Grundlage für die Tatsache der günstigen
Beeinflussung des Diabetes mellitus durch Karlsbader Wasser gegeben
zu sein. Kr.
Über den Einfluß verschiedener Nahrungsmittel und von
Kohlehydratentziehung auf die Glykosurie und die Azidose beim
Diabetes mellitus. Von R. Hartelust, Assistent der intern. Klinik in Ut-
recht (Holland). (Die Therapie der Gegenwart, März 1912.)
Weil uns die Ursache des Diabetes bis jetzt noch nicht bekannt ist,
sind wir gezwungen, bei seiner Behandlung uns an die Bekämpfung der
Symptome zu halten. Als die wichtigsten gelten mit Recht die Glykosurie
und die Azidose. Eine sehr wichtige Frage ist es nun, ob wir beim
Diabetes im allgemeinen Maßregeln treffen können, die Symptome zu be-
kämpfen, respektive das Auftreten derselben zu vermeiden. Gibt es
unter unseren Nahrungsmitteln Stoffe, die im allgemeinen beim Diabetes
zu verwerfen sind in bezug auf die Glykosurie und die Azidose? Soll
man den Diabetischen Kohlehydrate entziehen? Soll man ihnen Fett
geben? A priori soll man sich nach Verfassers Untersuchungen nicht
fürchten vor Kohlehydratentziehung, denn in vielen Fällen von Diabetes,
auch in schweren, wird dadurch keine Azidose hervorgerufen, respektive
nimmt die bestehende Azidose ab. Ein und dasselbe Nahrungsmittel kann
bei verschiedenen Diabetikern gänzlich verschiedenen Einfluß haben;
speziell gilt das für die Fette. Man kann weder von der Kohlehydrat-
entziehung, noch von einem oder dem anderen Nahrungsmittel sagen, daß
sie im allgemeinen nützlichen oder schädlichen Effekt haben. Die Ein-
flüsse der Kohlehydratentziehung und der verschiedenen Nahrungsmittel
ollen für jeden Zuckerkranken strikt individuell geprüft werden. Kr.
Die Indikation und Prophylaxe chirurgischer Eingriffe bei
Diabetikern. Von Prof. Dr. Umber. (Deutsche med. Wochenschr. 1912,
Nr. 30.)
Während die Mehrzahl der internen Kliniker vor jeglichem chirur-
gischen Eingriff bei Diabetikern direkt warnt oder ihn nur im äußersten
Notfall angewandt wissen will, sind die Chirurgen selber in dieser Be-
ziehung viel weniger ängstlich. Auch Umber bält die Furcht vor
chirurgischen Eingriffen bei Diabetikern nicht für berechtigt und schließt
sich völlig dem Standpunkte v. Noordens an, demzufolge chirurgische
bei Diabetikern nicht wesentlich mehr einzuschränken sind als Eingriffe
bei Nichtdiabetikern.
Bei leichten Diabetikern hat der chirurgische Eingriff nicht den
geringsten Einfluß auf den Verlauf des Diabetes: läßt die Operation
sich aufschieben, so tut man gut. den Patienten schon vorher zuckerfrei
zu machen. andernfalls muß gleich nach der Operation ein antidiabetisches
Regime eingeleitet werden.
Diabetes. 67
Bei der Gangrän der Diabetiker ist trotz gut fühlbaren Pulses der
zufübrenden Arterie Arteriosklerose im Spiele. Hier pflegt zwar der
Eintritt der Gangrän die diabetischen Symptome ungünstig zu beein-
flussen; man sieht aber nicht selten nach dem operativen Eingriff aus
dem scheinbar ungünstig gewordenen Diabetes sich die leichtere Form
wieder etablieren. Bei der Gangrän des leichten Diabetikers auf arterio-
sklerotischer Basis kann man allenfalls zuwarten, man sieht dann manch-
mal noch einen Rückgang des Prozesses; andernfalls begünstigt man die
Demarkation unter streng antiseptischen Kautelen, nur bei Zutritt von
Entzündung und Phlegmone muß man frühzeitig eingreifen.
Die größte Schwierigkeit bereiten dem Praktiker die schweren
Diabetiker, bei denen ein chirurgischer Eingriff indiziert ist. Hier
muß, wenn ein Aufschub möglich ist, auch zunächst ein antidiabetisches
Regime eingeleitet und die Comagefahr zu beseitigen versucht werden.
Es gelingt tatsächlich auch öfter, auf diese Weise die Patienten über
größere chirurgische Eingriffe ohne Komplikationen hinwegzubringen.
Wenn möglich, soll Lokalanästhesie, andernfalls Ather mit Sauerstoff zur
Allgemeinnarkose verwendet werden; zu vermeiden sind Spannung der
Nähte, knappe Lappenbildung, Esmarchsche Blutleere und Druckver-
bände. Ludwig Manasse-Berlin. . -
Zur Kenntnis des enterogenen Diabetes. Von A.Brosch, f(Virch.
Archiv 1912, Bd. 208, S. 426.)
Die Obduktion eines 60jährigen, an Diabetes und Albuminurie
leidenden Mannes, der unter komatösen und urämischen Erscheinungen
gestorben war, ergab, daß der Dickdarm gewissermaßen in 3 Etagen
parallel zur Längsachse der Leber lag. Die der Leber anliegende oberste
Etage bildete ein 16 cm langes, dilatiertes, teils dem Colon ascendens,
teils dem C. transversum angehörendes Stück; die zweite Etage bildete
ein 14 cm langes, sehr stark dilatiertes Stück des C. transversum. Die
dritte und unterste Etage bildete ein kaum fingerdicker, strangartig kon-
trahierter, 18 cm langer Teil des Transversum. Zwischen der zweiten
und dritten Etage befand sich eine durch Gasdruck nur sehr schwer zu
überwindende Knickung bzw. Klappenbildung. Der ganze oralwärts ge-
legene Dickdarmteil war dilatiert und enthielt sehr reichliche Kotmassen.
Die Biegung zwischen Cökum und Ascendens war spitzwinklig geknickt.
Die Leber war sehr groß, schwer und stumpfrandig. Das Pankreas war
schlaff, etwas kleiner, mit zahlreichen subkapsulären und interstitiellen
Hämorrhagien. Die Darmveränderung hat zweifellos eine hinreichend
lange Zeit bestehende Kanalisationsstörung verursacht; der dilatierte Darm-
teil übte einen Druck auf den absteigenden Teil des Duodenums aus,
was aus der mächtigen Leberschwellung hervorgeht, sowie aus dem Be-
funde der Gallenblase, welche schlaff war. Die vordere Fläche der Leber
zeigte die Spuren einer zirkumskripten Praehepatitis. Der Duct. cysticus
wer obliteriert. Der Befund des Pankreas weist auf Schädigungen hin.
Des weiteren bedingte die Pankreasaffektion multiple landkartenartige
Verfettungsherde der Leber, ähnlich wie man nach Pankreasverletzungen
multiple Lebernekrosen sieht. Demgemäß handelt es sich um einen von
bg
68 Diabetes.
einer schweren chronischen Dickdarmstörung abhängigen sekundären Dia-
betes. In solchen Fällen führt eine rein diätetische Therapie nicht zum
Ziele, sondern man wird in erster Linie durch ausgiebige Darmspülungen
depletorisch auf den Unterleib und damit auch auf die Gallenwege und
das Duodenum einzuwirken suchen. Falls diese Behandlung versagt, wird
man den Dickdarm chirurgisch behandeln müssen.
R. Kaufmann-Frankfurt a. M.
Über Acetonurie und ihren Einfiuß auf die Behandlung des
Diabetes mellitus. Von C. v. Noorden-Wien. (Wiener klin. Wochenschr.
1912, Nr. 28.
Nachdem N. einige Worte über die Entstehung der Acetonurie ge-
sagt hat. bespricht er den Einfluß dieser Erscheinung auf die Therapie
des Diabetes. Aus seinen Ausführungen geht hervor, daß die Aceton-
urie in einzelnen Fällen ein belangloses, in andern ein sehr schweres
Symptom darstellt. und daß auch demgemäß die Behandlung sich ver-
schieden gestalten wird. Bezüglich näherer Details muß auf den Original-
aulsatz verwiesen werden. von Hofmann-Wien.
Über einen Fall von Lipämie bei Diabetes. Von Hans Meyer.
Med. Klinik Gieben. Dissertation. GieLen 1412.
Der alimentären Lipämie, Verdauungslipämie. kurz als Neißersche
Lipämie bezeichnet. steht die pathologische Lipämie gegenüber, die ein
seitenes und ernstes Symptom schwerer Erkrankungen, besonders des
Diabetes, darstellt. Ausgesprochene Lipämie ist bei Diabetes selten und
bis auf die jüngste Zeit verhältnismäßig wenig beachtet und in ihrer
Bedeutung gering eingeschätzt worden. — In dem der Arbeit zugrunde
liegenden Fall handelt es sich um einen Achtzehnjährigen. der ', Jahr
nach einem schweren Sturz in die Klinik aufgenommen wurde, im Urin
Eiweiß, Zucker und Azeton zeigte. Schwerer Diabetes. Exitus. Blut
in der Pfortader dünntlüssig. sehr hell, schmutzig-graurot wie etwa ein
Gemisch von Milch und Himbeersaft gefärbt. Wo das aus den Gefäßen
entieerte Blut nur eine kurze Zeit gestanden hat. scheidet sich an der
Obertiäche überall eine verschieden dicke, zelb.ichweibe, rahmartige
Schicht ab. Das Blut aus dem Herzen und den Puimonalarterien und
das aus der Vena cava mt und den Venen der unteren Extremitäten
wurde gesondert in graduierten Zylindern gesammelt. Nach tüchtigem
Schütteln schied sich in Zrlindern von 11") ccm als oberste Schicht eine
4! ccm betragende, fast rein weiBe. rahmartige Schicht ab: darauf folgte
eire ebenso breite, fast violett aussehende Biutschicht. und erst die un-
terste Partie von 20 ccm hatte eine dunkelrote Blutfarbe. Hiernach
schien das Blut volumetrisch mindestens 40” , Fettsub:tanzen zu ent-
haiten. Die chemische Untersuchung ergab einen Fettgehalt von nur
2.3" a Fett im Blut und 4.04", Fet im Serum. Es waren etwa 43° ő
der Fettsäuren Uisäure. Choiestearın fand sich im Blute mehr als
0075° ,. Der Trockengehalt des Biutes wurde auf 21.83—25.9°,
und die Asche auf 0.32” „ festzestelit. Die Joizan: beträzt ‚auf 100 Fett)
«1.9. Die weitere Untersuchung ergab. da8 das Fen bei der Lipämie
nicht etwa an die Blute rpercien geburder. soniern in Form einer
Diabetes. 69
staubföormigen feinen Emulsion im Blutserum verhanden ist. Eine so
feine Emulsion kann nach der Auffassung des Verf.s absolut keine Fett-
embolie verursachen. Er bezeichnet daher das Zustandekommen des
diabetischen Comas durch embolische Fettverstopfung der Gehirngefäße,
wie es Ebbstein u. a. (Virchows Archiv 155, S. 571, 1899) annehmen,
als unmöglich. — Im Pankreas fand sich eine hochgradige Vermehrung
des Bindegewebes. Ob die Langerhansschen Inseln vermindert
waren, konnte nicht festgestellt werden. Veränderungen derselben sind
aber vorhanden in der Form, daß das Bindegewebe in denselben mit
wechselndem Grade vermehrt ist und daß einzelne Zellhaufen völlig
zugrunde gegangen sind. Die Kapillaren aller Organe waren mit fein-
tropigem Fett erfüllt. Fettverteilung nicht nur in dem Körper eine
außerordentlich wechselnde, sondern auch innerhalb der einzelnen Organe
selbst. - *. Fritz Loeb- München.
Untersuchungen über die wirksamen Faktoren der Haferkur
bei Diabetes mellitus. Von Baumgarten und Grund-Halle. (Deutsches
Archiv f. klin. Medizin, Bd. 104, H. 1 u. 2.)
Die Haferstärke und Weizenstärke, die in der Regel keinen Unter-
schied in der Wirksamkeit erkennen lassen, sind beide dem genuinen
Hafermenl an Wirkung nicht ebenbürtig. In allen ihm überhaupt zu-
gänglichen Fällen muß dasselbe in genuiner Form gegeben werden, wenn
es seine spezifische Wirksamkeit entfalten soll. Seine isolierten Bestand-
teile können in einzelnen Fällen bereits einen Teil der spezifischen Wirk-
samkeit in sich tragen, in der Mehrzahl der Fälle versagen sie, wo das
genuine Präparat noch seine volle Wirkung entfaltet. Zuelzer-Berlin.
Die diätetische Behandlung des Diabetes. Von P.J.Cammidge-
London. (Lancet, 23. März 1912.)
In der Behandlung des Diabetes hängt alles davon ab, daß syste-
matische und diätetische Maßnahmen in einem möglichst frühen Stadium
begonnen werden. Die ganze Zukunft des Patienten hängt von der Früh-
periode ab. Es ist außerordentlich wichtig, daß die Diät nicht nur
qualitativ, sondern auch quantitativ genau vorgeschrieben wird, und zwar
nicht nur in schweren Fällen, sondern auch in ganz milden Fällen, ja
sogar bei vorübergehender Glykosurie, die bei Vernachlässigung in
typischen Diabetes übergehen kann. Einem Patienten einfach eine Liste
dessen, was er essen darf und was nicht, zu geben, ist ungenügend, er
muß genau wissen, wieviel er von jeder Nahrung zu sich nehmen darf
bzw. muß, um im Ernährungsgleichgewicht zu bleiben. Darum müssen
auch im Anfang alle Nahrungsmittel genau abgewogen werden, wenn
such mit der Zeit eine Abschätzung mit den Augen durch die Übung
die Wägung ziemlich ersetzen kann. W. Lehmann-Stettin.
Liegt dem diabetischen Coma Azidosis zugrunde? Von Henry
S.Stark-New York. (Med. Record 1912, 13. Nov.)
Eine Menge klinischer Tatsachen sprechen nach St. dagegen. 1. be-
gegnet man einer ausgesprochenen Azidosis im Verlaufe zahlreicher Er-
krankungen von ganz verschiedenem Charakter, z. B. gastro-intestinalen
10 Verschiedenes.
Störungen in der Kindheit, akuter gelber Leberatrophie, Eklampsie. Ivo-
toxikationen usw. 2. kommt Azıdosi» bei fortgesetzter zuckerfreier Diät
bei Gesunden vor und im Erschöpfungsstadium von Karzinom und Tuber-
kulose. 3. Adyspnoeisches ('oma, wie es sich bei Masern, Scharlach und
Typhus findet, ist vom diabetischen Coma klinisch nicht verschieden |ab-
gesehen vom Dextrosebefund im Urin) AL Diabetisches Coma findet
sich ohne Azidosis 5. Die Zuführung von Alkalien hat sich sowohl
prophylaktisch wie therapeutisch nicht bewährt. W. Lehmann-Stettin.
Ill. Verschiedenes.
Die differentielle Diagnostik der Urophthise. Von Dr. P. Jans-
sen, Dozent f. Chirurgie u, chir. Urologie, Oberarzt d. chir. Klinik d, Aka-
demie f. prakt. Medizin in Düsseldorf. (Klinisch-therapeutische Wochenschr. 1913,
Nr. 26.)
Die makroskopische Untersuchung des tuberkulös eitrigen Urines
hat nichts Spezifisches, ebensowenig fördert die mikroskopische Unter-
suchung des Sedimentes die Diagnose wesentlich, weder bezüglich der
Feststellung einer Tuberkulose überhaupt, noch einer Differenzierung des
Ortes der Herkunft des Eiters. Nur die bakteriologische Untersuchung
des Eiters wird die differentielle Diagnose fürdern. Sie muß an einem
unter aseptischen Kautelen entleerten Katheterurin vorgenommen werden,
zur Ausschliebung der säurefesten Stäbehen des Smegmabazillus an den
Genitalien. In einem durch andere Infektionen wie die Tuberkulose
veränderten Harn wird es stets leicht sein, den Erreger im Ausstrich-
präparate oder kulturell nachzuweisen. Zuweilen ist der Nachweis der
tuberkulösen Infektion allein durch die Untersuchung des veränderten
Harns ein ungemein schwieriger, ja er kann unmöglich sein. Über diese
Schwierigkeiten helfen uns die modernen Untersuchungsmethoden hinweg:
die* (‘ystoskopie und der Ureterenkatheterismus. Die Endoskopie der
Blase muß zur Differenzierung der Diagnose in allen Fällen einer Pyurie
angewandt werden, in denen nicht mit Gewißheit eine akute Entzündung
der Blasenwand von außen her aus den klinischen Erscheinungen, ins-
besondere eine gonorrhoische Infektion, anzunehmen ist. Ganz abgesehen
davon, daß als ursächliches Moment für eine Pyurie oder Hämaturie die
Anwesenheit eines Konkrementes oder Neoplasmas der Blase sofort fest-
gestellt bzw. ausgeschlossen werden kann, gibt die Tuberkulose der Blase
so außerordentlich typische Bilder, daß eine Verwechslung mit cysti-
tischen Veränderungen anderer Ätiologie in den meisten Fällen nicht so
leicht möglich ist. In den Anfangszuständen zeigt sich die Etablierung
der Knötchenaussaat von der der erkrankten Niere zugehörigen Ureter-
papille zum Blasenausgang hin, die bei keiner anderen Blasenerkrankung
auch nur ın ähnlicher Weise auftritt, und ebenso ist in vorgeschritteneu
Fällen das Aussehen der tuberkulösen Geschwüre, das Produkt der Kon-
fluenz und käsigen Degeneration der 'Inberkel, selten zu verkennen.
Schwierigkeiten in der Diagmosenstellung treten erst dann auf, wenn eine
Mischinfektion zustande gekommen ist, wenn andere Eiterungen sich auf
dem Boden jener Geschwüre angesiedelt haben. Aber auch dann wird
man noch imstande sein, die Tuberkulose der Blase als solche zu diffe-
Verschiedenes. 11
renzieren, und zwar durch das Ergebnis der Behandlung. Die durch
gewöhnliche Eiterereger verursachte Cystitis läßt sich durchwegs in
wenigen Tagen, wenn auch nicht heilen, so doch durch Spülungen mit
Argentum nitricum-Lösung außerordentlich günstig beeinflussen. Die
tuberkulöse Entzündung dagegen verhält sich gegen diese Spülungen
durchaus refraktär. Ferner zeichnet sich die Blasentuberkulose vor jeder
anderen Cystitis durch eine außerordentliche narbige Schrumpfung der
Muskelschicht und Verminderung des Fassungsvermögens der Blase aus.
Das eystoskopische Bild mit der erwähnten Aussaat der Tuberkel an
einer Uretermündung ist nun gleichzeitig ein wichtiger Fingerzeig für
die differentielle Diagnostik einer tuberkulösen Erkrankung der Niere, da
wir wissen, daß fast alle tuberkulösen Cystitiden mit einer primären
Nierenerkrankung in ursächlichem Zusammenhang stehen. Hat sich der
Verdacht auf eine Erkrankung der Nieren gelenkt, die sich durch Sen-
sationen in der Lumbalgegend, durch Hämaturie und Pyurie äußert, so
stehen wir — abgesehen von der leicht festzustellenden Nephritis, der
\Wanderniere, der durch Abflußhindernis bedingten Hydronephrose —
wieder vor der Trias: Tumor, Lithiasis, Tuberkulose. Zeigt das endo-
skopische Blasenbild jene Tuberkeleruption, so ist die Diagnose gesichert.
Fehlt dieselbe, so wird die bakteriologische Untersuchung des Ureter-
um bzw. der Tierversuch mit großer Wahrscheinlichkeit Aufschlui
bringen, wenn Tuberkulose vorliegt. Das Steinleiden wird man durch
die radiographische Untersuchung fast stets ausschließen können. Die
Diferenzierung zwischen Nierentumor und Nierentuberkulose ist keine so
sehr schwierige, sie wird nur in den Fällen mit leichter Vergrößerung,
die trotzdem schon der Palpation zugängig ist, Schwierigkeiten machen
können. Liegt eine große Nierenschwellung vor, so wird sie, wenn es
sich um eine Tuberkulose handelt, stets einen Folgezustand des Ureter-
verschlusses darstellen: die tuberkulöse Hydronephrose oder die Dégéne-
rescence en masse. In diesen Fällen wird unschwer die Undurchgängig-
keit des Ureters durch die Sondierung oder durch die Beobachtung der
Untätigkeit der Ureterpapille festzustellen sein, wenn unerwarteterweise
durch frühzeitigen Abschluß des Ureters Entzündungserscheinungen im
tieferen Abflußgebiet der Niere nicht aufgetreten sein sollten. Wenn es
gleichwohl nicht gelingen sollte, auf diese Weise sich Klarheit darüber
zu verschaffen, ob eine Nierengeschwulst ein Neoplasma darstellt oder
eine Nephrophthise, so bleibt als ein weiteres Mittel noch die diagno-
stische Tuberkulininjektion übrig. Die Tuberkulinreaktion löst vor allem
reaktive Vorgänge in der direkten Nachbarschaft der tuberkulösen Organ-
herde aus und diese machen sich lokal bemerkbar durch eine oft recht
gesteigerte Schmerzhaftigkeit der Niere und durch Auftreten von Blu-
tungen im Harn. Kr.
The diagnosis and treatment of urinary tuberculosis. Von
E. H. Fenwick-London. (Brit. Med. Journ. Oct. 5. 1912.)
Abgesehen von der bakteriologischen Untersuchung des Urins gibt
es eine Reihe von diagnostischen Hilfsmitteln, welche eine Frühdingnose
bei Urogenitaltuberkulose ermöglichen. Hierher gehört die Palpation
T3 Versciieienss.
des Ureters ` Bei SA Prozent der erkrankten Frauen konnte eine Ver-
diekung des Ureter= bei der rekta,en oder vaginaıen Untersuchung nach-
gewiesen werden Wichtige Anbaitspunkte bietet die Cystoskopie und
Lier spezieli das Aussehen der Uretermündungen.
Von operativen Eingritien an der Niere kommt nur die Nephrek-
tomie ın Frage. Ausgedehnte Resektionen des Ureter: erscheinen Über-
t'üssig. Die tuberku.s:e Blasenerkrankung erfordert nur bei länger be-
stehenden Fä.ien ein chirurgi-ches Eingreifen. Csstostom:e oder (üretiement.
Fullerston Belfast, betont die Wichtigkeit des Ureterenkathete-
nismus. F. bat nur 2 primäre Blasentuberkuiosen Leobachtet.
Auch Jeanesly : Wolverhampton schätzt die cystoskopischen Unter-
suchurgsmethoden sebr hoch. weist aber auf verschiedene Schwierigkeiten
ın der Deutung der Befunde hin. von Hofmann-Wien.
Le Radiodiagnostic en Urologie. V:n G. Maizgst-Paris. (Journ.
dlr.cre, VoLI No. 3. 1412
Der Vorsteher des Rôntgen-Labsratorium: im Hépital Laënnec be-
handelt die Geschichte und Technix der urviczischen Radioskopie und
Radiographie mit besondrer Berücksichtigung der modernen Fortschritte
dieser eıninenten diagnostischen Hiifsmittel. IJrie Fortschritte des In-
strumentariums geben den Untersuchungen cine ungeahnte Genauigkeit.
Die Grenze der Sichtbarmachung von Korkrementen ist zurückgewichen:
die kleinsten Steine entwischen nur ausnahmsweise der empfindlichen
Platte. und ausgezeichnete Untersucher entdecken noch sehr durchschei-
nende. fast aus reiner Harnsäure bestehende Konkremente. Die falschen
Steine unterscheidet man jetzt von den echten: bisher unsichtbaren Teilen
gibt man Farben, welche sie aus der Umgeburg herausheben usw.
A. Citron-Berlin.
Komplikationen im Harnapparat bei Krebs im Darm. Von
Bérard et Murard Lyon Ctirargical 1912. 1.)
Berard und Murard untersuchen die Bedirgurzen. unter denen
die Bildung einer Geschwu:st im Darm Zufäle im Harnappart hervor-
rufen kann und die kinische Srmptéme urter Hervorhebung der
Schwierigkeit der Diagnose in gewissen Fällen und der Mittel. dieselbe
zu heben. Über die Opportunitai eines eventuellen Eingriffes und über
die Gründe. die den Arzt dazu verar.s:sen können und das einzuhal-
tende Verfahren wird eicgeherd phioophiert Markiewicz-Berlin.
Corps étranger d'origine appendiculaire simulant un calcul
vésical Von E. Desnos Joia d'Ur:57. Tome I. No. 4 1912)
Bei einem ®jshrigen Knaben. weicher an ailen Symptomen von
Biasenstein litt, wurde crstoskopisch ein etwa haseinucgroßer Stein, einem
PEosphatkonxrement ahn ch. ‘estgestelt und durch Litborripsie leicht
und volständ:g beseitigt. Unter dem Mikroskop betrachtet. enthielten
die Trümmer Fieizch- und Pflarzenfasern. Stärkekörner. Fett und Cholestearin-
kriıstal.e. Es handeite sich aiso um eine inkrustierte Kotmasse. welche
aus einem in die B:ase durct zebrochenen. arperi:suwiiren Abszeß stammte.
Da: Kind warde dur:h die Operation vö.ig geneii A. Citron-Berlin.
Verschiedenes. 13
Über die Beziehungen der Appendizitis zum uropoetischen
System. Von Nicola Dehen. Dissertation, Straßburg 1912, 53 Seiten
(Müh & Co.).
Verf. bespricht zuerst die topographischen Beziehungen der Appendix
zum uropoetischen System. Dann ventiliert er im 1. Kapitel Appen-
dizitis und Nieren. Funktionelle Störungen der Nierentätigkeit, Ent-
zündungen auf Blut- und Lymphweg. a) Bakteriurie, b) Néphritie
toxique appendiculaire Dieulafoy, c) metastatische Nierenabszesse, d)
Stauungserscheinungen durch Ren mobilis. Entzündungen durch Kon-
takt: a) Öödematöse Spannung und Sklerose der Nierenkapsel, b) peri-
renale Abszesse, c) renale Abszesse. — Kapitel 2: Appendizitis und
Ureter: 1. Entzündungen auf Blut- und Lymphweg, 2. Entzündungen
durch Kontakt, a) Deviation und Kompression des Ureters durch
Schwarten und Adhäsionen, b) durch einen Abszeß, c) mit sekundärer
Pyelitis, d) mit Perforation. — Kapitel 3: Appendizitis und Harn-
blase: 1. reflektorische Störungen der Funktion der Harnblase, a) Pol-
lakiurie und Dysurie, b) Retentio urinae; 2. Entzündung durch
Kontakt, a) Pericystitis und Paracystitis, b) Blasenperforation; 8. Ent-
zündung auf Blut- und Lymphweg. — Von den mannigfachen Altera-
tionen des uropoetischen Systems, die bei Appendizitis auftreten können,
betreffen die wichtigsten und zugleich die prognostisch am ungünstigsten
gelagerten die Nieren, die häufigsten die Harnblase. Diagnostisch sind
die Alterationen des Ureters die schwierigsten. Fritz Loeb-München.
Zur Kasuistik der aus den Resten des Ductus omphalomesen-
tericus sich entwickelnden malignen Neubildungen. Von W.
A. Michin. (Virchow Archiv 209. Bd., S. 47. 1912.)
Der 64 jährige Kranke verspürte zuerst vor 21/, Jahren ein leichtes
Jucken in der Regio suprapubica, das dann später mit Schmerzen ver-
bunden war. /, Jahr später traten die Schmerzen während der Harn-
entleerung auf, auch trat vorübergehend Obstipation auf. Die Schmerzen
wurden stärker und er fühlte etwa 3 Querfinger oberhalb der Symphyse
eine schwach konturierte hühnereigroße Geschwulst. Bei der Untersuchung
fand man unterhalb der vordern Bauchwand eine mit derselben fest ver-
lötete, rundliche, derbe, faustgroße, auf Druck schmerzhafte Geschwulst,
drei Querfingerbreiten oberhalb der Symphyse in der Mittellinie Harn-
entleerung abnorm frequent, wobei jedesmal nur geringe Quantitäten
eines braunrötlichen Urins entleert werden. Die cystoskopische Unter-
suchung ergab eine besonders stark ausgeprägte Hyperämie der Schleim-
haut an der konusförmig eingezogenen Kuppe der Blase, wo man einen
in die Blasenhöhle hineinragenden, stellenweise ulzerierten und blutenden
Fortsatz erblickte. Die mikroskopische Untersuchung des Harns ergab
viel Schleim, 10,0 pro Mille Eiweiß, zahlreiche rote Blutkörperchen, viele
Leukocyten, Mengen von atypischem Epithel in Strängen gesammelt, die
als Karzinomelemente gedeutet wurden. Es wurde daher die Diagnose
auf Blasenkarzinom gestellt. Bei der Operation fand man an der Kuppe
der etwas veränderten Harnblase eine zweifaustgroße fluktuierende cysten-
förmige Geschwulst mit ziemlich dicken Wandungen von ovaler Form.
14 Verschiedenes.
Der Boden der Geschwulst und die Kuppe der Harnblase waren fest
miteinander verlötet. Die Geschwulst wurde mitsamt der Blasenkuppe
in toto entfernt und der Rest der Blase mittelst einer Dreietagennaht
fest vernäht. Der Patient wurde nach 3’/, Monaten als geheilt entlassen.
Die Untersuchung ergab, daß es sich um ein primäres Üystoadeno-Car-
cinoma colloides urachi handelte, das nachträglich per continuitatem 1
die Harnblase hineingewuchert war. R. Kaufmann-Frankfurt a. M.
The treatment of some emergencies in urinary surgery met
with in general practice. Von H. Lett. (The Practitioner, June 1912.
L. gibt nützliche Winke bezüglich der Ausführung des Katheteris-
mus bei Strikturen und Prostatahvpertrophie, sowie betretfs der Behand-
lung von Blutungen und Rupturen der Harnröhre. von Hofmann-Wien.
Recherches histophysiologiques sur les phénomènes de la
mise en train de la sécrétion urinaire à la naissance. Von M À.
Policard. (Lyon médical 1912, p. 993.)
Der Beginn der Harnsekretion in den letzten Augenblicken des
Fötallebens und im Momente der Geburt ist bei den Säugetieren von
interessanten morphologischen Veränderungen im Harntraktus begleitet.
1. Die Zellen des mit Bürstenbesatz versehenen Teiles der Harnkanälchen
sind mit großen, sphärischen, 2—3 u und mehr im Durchmesser zeigen-
den Granula angefüllt; dieselben finden sich nur bei Neugeborenen, nie
bei Erwachsenen, und verschwinden nach 20—25 Tagen. Sie liegen um
den Kern, deim sie tangentiell angelagert sind. Vitale Färbung zeigt In
der Cuticula Vakuolen, deren Inhalt Neutralrot annimmt, ferner um ge-
wisse Granula eine flüssiskeitsgefüllte Vakuole, die relativ Neutralrot an-
nimmt. 2. Die noch embryonale Henlesche Schleife zeigt nie die (tranula,
aber ihr Lumen ist meist mit Niederschlägen, die oft wie wahre Ar:
linder aussehen, angefüllt. Vitale Färbung rötet sie, es ist also nicht
eine Albumengerinnung durch Fixationstlüssigkeit. Die bei Neugeborenen
bekannten Harnsäuredepots sind wohl ähnliche Dinge. 3. Die Granula
ähneln wobl den Granula der Tiere im Winterschlaf. Bei diesen ist die
Nierensekretion unterbrochen; doch arbeitet die Niere weiter, denn sie
speichert die Stoffwechselschlacken auf; die Niere ist dann nicht ein
Sekretionsorgan, sondern ein Akkumulationsorgan für die Abscheidung
des Organismus. Ähnliche Funktion hat vielleicht die Niere des Foetus
und die Granula sind vielleicht die Produkte dieser Aufspeicherung der
Schlacken. Mankiewicz-Berlin.
Les troubles urinaires dans les traumatismes du rachis etde
la moelle. Von Ch. Lenormant. (Progrès médical 1911.)
Alle Verletzungen der Wirbelsäule und des Rückenmarkes, als da
sind: Stich- und Schußwunden, Brüche mit starken Verlagerungen der
Teile, aber auch Brüche mit kleinen Verlagerungen, Luxation, Verren-
kung, Erschütterungen des Markes, die Hämatomyelie und Hämatorhachis
bedingen, können Störungen der Harnsekretion und Exkretion hervor-
rufen. Bei den Störungen der Nierenfunktion ist die Hauptgefahr
die aszendierende Infektion, die Pyelonephritis infolge der Blasenreten-
Verschiedenes. 75
tion. Aber auch primär kann Sekretionsanomalie der Niere infolge vaso-
motorischer Störungen eintreten: Oligurie, Hämaturie, Glykosurie, ver-
mutlich infolge Commotio bulbi. Steine (außer bei den infizierten Fällen)
können sich im Nierenbecken und Ureter um Blutgerinnsel als Kern
bilden. Störungen der Blasenfunktion sind in diesen Fällen etwas
Alltägliches und praktisch sehr wichtig. Die Läsionen sind am Ende
des Markes und unterdrücken die Funktion des medullaren Blasenzentrums
in der lumbosakralen Partie des Rückenmarkes. Locker sitzende Ver-
letzungen unterbinden den Zusammenhang dieses Zentrums mit dem
Gehirn. Nach dem Ergebnis des Experiments kann man sagen: Harn-
retention bei Sitz der Verletzung oberhalb des Zentrum vesicospinale,
Inkontinenz bei Sitz der Verletzung im Niveau des Zentrums. Bei
Wirbelsäulenfrakturen erfolgt in der ersten Zeit Retention mit Erhaltung
des Blasentonus, nur die Sensibilität und mit ihr das Bedürfnis der
Harnentleerung ist verloren; in einer zweiten Phase kommt es zur Blasen-
atonie; dem folgt meist eine dritte, die der aszendierenden Infektion; dies
erklärt sich alles aus der totalen Zerstörung des Rückenmarkes. Bei
weniger schweren Verletzungen kommt es nur zur ersten resp. zweiten
Phase und zur eventuellen Restitution. Der Chirurg muß für die regel-
mäßige Entleerung der Blase unter möglichster Vermeidung der Infek-
tion sorgen; dies ist oft sehr schwer. Mankiewicz-Berlin.
Correction opératoire d’une anomalie génito-urinaire. Von
Pauchet. (Archives générales de Chirurgie 1912, 6, p. 559.)
Bei einem 16jährigen Mädchen mündete der Anus in die Vagina
ohne Sphinkter, 2—3 cm vom Orificium vulvae. Die Blase öffnete sich
nach vorn ohne Sphinkter und Harnröhre; doppelte Scheide, doppelte
Gebärmutter; das Orificium vulvae der Kloake war von einem gut kon-
traktilen Muskel umgeben. Pauchet machte das Rektum frei und schuf
einen Anus mit Sphinkter auf Kosten des Muskels, so wurde der Darm
kontinent. Eine zweite Operation stellte durch Trennung der intravagi-
nalen Wand eine einzige Scheide her. Drittens machte P. eine Harn-
röhre unter der vorderen vulvovaginalen Wand durch Annähen der Blasen-
schleimhaut an der Schleimhaut unter der Klitoris. Die Patientin war
in der Nacht auch für den Harn kontinent. Mankiewicz-Berlin.
Des troubles urinaires provoqués par les fibromes du col
utérin. Von Félix Legueux-Paris. (Journ. d’Urol., Tome I, No. 1.)
Einer 42jährigen Frau entfernte Autor ein Fibroma des Collum
uteri von 7 kg Gewicht. Die Frau klagte vor der Operation über heftige
Dysurie; sie hatte häufigen Harndrang und große Mühe, den Urin heraus-
zupressen; es bestand eine inkomplette Urinretention. Nach der Operation
stellte sich sofort normales Verhalten der Miktion ein, alle Beschwerden
schwanden, und der Urin blieb bis auf Spuren von Albumen normal.
Die Ursachen solcher Dysurien bei Uterustumoren sind wie bei der
Gravidität zu suchen in der Verlängerung und Kompression der Harn-
röhre, in der Ausziehung der Blase über dem Tumor, sowie in einer
Verlängerung der Ureteren; die Verlängerung der Harnleiter verringert
ihr Kaliber und vergrößert den zu durchlaufenden Weg. A. Citron- Berlin.
16 Verschiedenes.
Bemerkungen zu einem Fall von Harnretention. Von G. W.
Bury-North Staffordshire. (Lancet, 4. März 1911.)
Bei einer 37 jährigen Frau, die mit allen Zeichen einer Urämie ins
Krankenhaus gebracht wurde, fand sich neben einer Gravidität im retro-
flektierten Uterus eine enorm gefüllte Blase, aus der 4650 ccm Urin
entleert wurden. Nach 48 Stunden konnte die Frau Urin spontan ent-
leeren und kam aus ihrem komatösen Zustand wieder zum Bewußtsein.
Nach 14 Tagen konnte die Patientin bei vollkommenem Wohlbefinden
entlassen werden. W. Lehmann-Stettin.
Enuresis und Thyreoïidextrakt. Von A. C. D. Firth. (Lancet,
9. Dezember 1911.)
Dem Vorgehen Willams’ folgend hat Verf. einer Reihe von Kindern
Thyreoidextrakt gegeben und hat in zwei Fällen vollkommene Heilung
erzielt, ohne daß die Behandlung durch andere Maßnahmen unterstützt
worden wäre. Von den übrigen Fällen zeigten 60° „ fraglose Besserung.
Verf. ist darum trotz der vielen negativen Resultate der Meinung, daB
der Thyreoidextrakt in der Behandlung der Enuresis sich einen Platz
erworben hat und in manchen Fällen von besseren Resultaten gefolgt
sein wird als andere Maßnahmen. Da besonders bei zurückgebliebenen
Kindern der Extrakt von Wirkung zu sein scheint und bei diesen son-
stige Mittel oft versagen, scheint ihm die Anregung von Willams’
wertvoll. W. Lehmann-Stettin.
Syndrome urinaire de l’entérite cholériforme. Von Froin-Paris.
‘Société médicale des hôpitaux. Sitzungen vom 1. und 8. Dezember 1911. Nach
La Semaine, médicale, 13. Dezember 1911.)
Froin hat gemeinsam mit P. L. Marie 34 Hospitalkranke be-
obachtet, die plötzlich, fast immer mitten in der Nacht, von Diarrhöen,
heftigem Erbrechen, Wadenkrämpfen und Anurien befallen wurden. Nach
24—36 Stunden schwanden diese Symptome bis auf die Anurie, die
etwas länger anhielt. Der Anurie folgte eine etwa 8 Tage dauernde
Polyurie von 2-3 Litern mit leichter Albuminurie und sehr starker
Zylindrurie. N. Meyer-Wildungen.
Beiträge zur perniziösen Anämie mit besonderer Berück-
sichtigung des gehäuften Vorkommens und der Nieren- und Harn-
befunde. Von A. Makarow. Med. Universitätsklinik Jena. (Dissert. Jena 1912.)
Zwei Momente machen vorliegende Arbeit bemerkenswert: die Mit-
teilung, daß an der obigen Klinik um die Jahreswende 1909 10 „fast
explosionsartig eine auffallend große Zahl von Fällen Biermerscher
perniziöser Anämie zur Beobachtung kam“. Ein solcher plötzlicher
Anstieg ist bisher nicht beschrieben. Weiter die Untersuchungen über
das Verhalten des Urins bzw. der Nieren bei der perniziösen Anämie.
Veranlassung zu diesen letzteren Untersuchungen gab die Beobachtung
an zwei zur Obduktion gekommenen Fällen mit Schrumpfnieren, eine
Komplikation, die klinisch nicht vermutet war. Die diesbezüglichen
Untersuchungen interessieren speziell auch deshalb, weil von französischen
und italienischen Autoren die perniziöse Anämie als ein Folgezustand
der chronischen interstitiellen Nephritis aufgefaßt wird. Verf. will des-
Verschiedenes. 77
halb durch Beibringung neuen Materials zu der Frage Stellung nehmen,
ob die Schrumpfnieren ein konstanter Befund bei perniziöser Anämie
sind, ob der Symptomenkomplex: große Urinmengen, niedriges spezi-
fiiches Gewicht, wenig oder fehlendes Eiweiß im Urin ein konstantes
und somit ein pathognomonisches Vorkommnis bei perniziöser Anämie
sind, ob dieser Symptomenkomplex durch Schrumpfnieren bedingt ist
oder ob er auch Folge der Bluterkrankung sein kann. Was zunächst
das gehäufte Vorkommen der perniziösen Anämie betrifft, so wurden von
1895 —1912 an obiger Klinik 29 Fälle beobachtet, davon im J. 1910
’ Fälle = !/, der Gesamtzahl. Dabei kommen 5 von diesen 7 Fällen
suf den Monat Februar. Aus einer Tabelle des Verfassers geht hervor,
daß die perniziöse Anämie mehr in Intervallen auftrat und nach jedem
Intervall immer zahlreicher als früher erschien. Verschiedene Tatsachen
sprechen für das Bestehen einer örtlichen Disposition. Bemerkenswert
it auch die zeitliche und vielleicht vom Wetter abhängige Verteilung
der Fälle. — Uber gehäuftes Vorkommen der perniziösen Anämie ist
auch von anderer Seite berichtet worden. Eine exakt nachweisbare
Ursache dafür ist aber nicht zu erkennen. — Nierenveränderungen bei
perniziöser Anämie waren auch schon den älteren Autoren nicht unbe-
kannt; sie hielten dieselben teils für zufällige Nebenbefunde, teils für
Komplikationen, erzeugt durch die Noxe der Grundkrankheit. — Inter-
stitiell nephritische Prozesse kommen bei perniziöser Anämie sehr häufig
vor. Der Befund: große Urinmengen, niedriges spezifisches Gewicht,
wenig oder fehlendes Eiweiß im Urin ist keineswegs ein konstantes und
somit pathognominisches Vorkommnis bei der perniziösen Anämie, wenn
es auch häufig beobachtet werden kann. Von Wichtigkeit wird die
Feststellung des Blutgefrierpunktes (Koränyi) sein. — Aus seinen Unter-
suchungen folgert der Verfasser, daß die Nierenveränderungen bei per-
nıziöser Anämie etwas Besonderes sind; sie kommen als Ursache der
Krankheit nicht in Betracht, sind den Blutveränderungen wahrscheinlich
sub-, vielleicht koordiniert. Das Verhalten des Urins erklärt sich zum
Teil aus den Nierenveränderungen, zum Teil aus der davon abhängigen
Hydrämie; die Möglichkeit eines zentralen Ursprungs kann nicht mit
Sicherheit ausgeschlossen werden. Fritz Loeb-München.
Ein Fall von perniziöser Malaria, die Urämie vortäuschte.
Von L. N. Varma. (Lancet, 24. Februar 1912.)
Bei einem 43 jährigen Mann, der mit intermittierendem Fieber und
profuser Diarrhoe in Behandlung trat, wurde eine beginnende Urämie
auf Grund folgender Daten diagnostiziert: Potus während der letzten
19 Jahre; vermehrte Harnfrequenz in den letzten 2—3 Jahren, die den
Patienten 6—8 mal am Tage und 2—3 mal in der Nacht nötigte, Wasser
zu lassen; Diarrhoe, die durch kein Mittel beeinflußt werden konnte;
Nasenbluten; Spuren von Albumen im Harn mit niedrigem spezifischen
Gewicht, granulierten und hyalinen Zylindern; und schließlich persi-
stierende Schlaflosigkeit und unzusammenhängende Sprechweise. Der Pa-
tient begann an Händen und Füßen zu erkalten, die Herztätigkeit wurde
außerordentlich schwach, die Delirien des Patienten mußten mit Hyoscin
18 Verschiedenes.
beruhigt werden. Auf Grund der Temperaturkurve, die von 38,8° am
Morgen bis zu 39,1° am Abend schwankte, wurde in großen Dosen
Chinin gegeben, worauf der Zustand sich vollkommen änderte, auch der
Lon normale Beschaffenheit annahm. W. Lehmann-Stettin.
Die Vakzinetherapie bei Haut- und Geschlechtskrankheiten.
Von R. Volk-Wien. ‘Wiener med. Wochenschr. 1912, Nr. 39 und 40.)
Während V. einen Einfluß der Vakzinebehandlung auf die Ure-
thralgonorrhoe nicht gesehen hat, konnten bei Epididymitis günstige Er-
folge konstatiert werden. Auch andere Komplikationen der Gonorrhoe,
besonders Urthritiden wurden günstig beeinflußt. In diagnostischer Hin-
sicht ist den Arthigoninjektionen immerhin ein bedingter Wert zuzuer-
kennen. Gute Chancen für die Vakzinebehandlung (mit autogener Vak-
zine) bieten auch Koliinfektionen der Harnwege. von Hofmann-Wien.
Ein Diplokokkus des Urogenitaltrakts. VonL.S. Dudgeon und
P. N. Panton. (Lancet. 16. Dezember 1911.)
Die Verf. beschreiben einen Mikroorganismus, den sie ziemlich häufig
im Urin von Frauen und Kindern, weniger häufig von Männern, sowie
in der Absonderung der Vagina und des Uterus, gefunden haben. Sie
glauben, daß dieser Diplokokkus, wenn überhaupt konstatiert. meist mit
dem Pneumokokkus zusammengeworfen wird, dab er sich aber von diesem
morphologisch und kulturell unterscheidet. Sie beschreiben ihre Kulturen
und Tierexperimente, bei denen sie keine pathogene Wirkung nach-
weisen konnten. W. Lehmann-Stettin.
Infection of the urinary tract by bacillus coli. Von L. G. J.
Mackey-Birmingham. ‘Brit. Med. Journ., May 4. 1912.
M. hat im Laufe der letzten drei Jahre 53 Fälle von Koliinfektion
des Urogenitalapparates beobachtet und auch bakteriologisch genauer
untersucht. Er kommt zum Schlusse, daß die Koliinfektion durch viererlei
verschiedene der Koligruppe angehörıge Bazillen verursacht wird, die
sich hauptsächlich rücksichtlich ihres Verhaltens den verschiedenen Zucker-
arten gegenüber unterscheiden. Will man daher einen für alle Fälle
anwendbaren Impfstoff gewinnen, so muB derselbe alle diese vier Varie-
täten enthalten. M. hat 39 Fälle von Koliinfektion mit Vaccine be-
handelt. In 10 akuten Fällen trat auf diese Therapie hin vollständige
Heilung ein, bei 29 chronischen waren die Resultate nicht so auffallend,
aber immerhin günstig genug, um eine weitere regelmäßige Anwendung
der Vaccine zu rechtfertigen. von Hofmann-Wien.
Lactic ferments in genitourinary work. Von F. S Mason-New
York. (New York Medical Journal 27. 5. 1911.
Der leitende Gedanke der Milchsäuretherapie muis nach Mason
der sein, möglichst entwicklungsfäbige Milchsäurebazillen dorthin zu
bringen, wo wir durch die Entwicklung von Milchsäure einen schädigen-
den Einfluis auf die anderen Bakterien ausgeübt wissen wollen. Zu diesem
Zweck hat sich am besten eine Mischung von Streptococcus lebenis und
Streptobacillus lebenis bewährt. Die Versuche. Milchkulturen dieser
Notizen. 19
Bazillen im ganzen in die Urethra zu spritzen, haben keinen Vorteil
gegenüber der üblichen Behandlungsmethode ergeben. Bessere Ergebnisse
waren zu erwarten, wenn die trockenen Pilze eingeführt würden. Zu
diesem Zweck wurden Tabletten von Milchsäurebazillen, die von guten
Kulturen des Streptobacillus und Streptococcus lebenis stammten, zer-
drückt, mit gleichen Teilen von Zucker und Milch vermischt und mit
Glyzerin, das zu 1°/, Traganth enthielt, zu einer weichen Paste ver-
arbeitet, aus der Urethralstäbchen hergestellt wurden. Die Stäbchen
wurden in der Poliklinik den Patienten mit akuter Gonorrhoe mitgegeben.
Nach jedesmaliger Miktion soll ein neues Stäbchen eingeführt werden,
ebenso zur Nacht. Das Resultat war nun, dafs nach 3-—10 Tagen die
Gonokokken aus dem Sekret verschwunden waren, trotzdem dies nicht
wesentlich seinen Charakter geändert hatte. Somit wäre diese Behand-
lung besser als die übliche. Der Autor glaubt, dafs in der sich besser
haltenden Privatpraxis noch bessere Resultate zu erzielen seien. In sehr
akuten Fällen mulste mit der Stäbchenbehandlung einige Tage gewartet
werden, da die Patienten die Einführung nicht vertrugen.
Auch für die Behandlung der Endometritis cervicalis scheinen die
Stäbchen geeignet. Das Material ist jedoch für ein Urteil noch zu klein.
N. Meyer-Wildungen.
Die Hebung der Diurese mit Diurase. Von Dr. med. Seemann
in Berlin. (Fortschritte der Medizin. 1912. Nr. 4.)
Verf. fordert auf Grund seiner Erfahrungen zur Erprobung der
Diurase — nach dem Prospekt der Firma eine Mischung harntreibender
Salze mit Glykokoll und Terpinhydrat — bei allen Fällen von Verdacht
oder bestimmten Symptomen verlangsamter oder sonst irregulärer Diu-
rese bei akutem und chronischem renalen Hydrops, bei Affektionen des
Herzens oder der Leber auf. Man gibt 3—4 mal täglich 2—4 Ta-
bletten, bis die Erscheinungen geschwunden sind. Je früher man mit
Diurase einsetzt, um so rascher ist der Erfolg. Man beobachtet auf
die Verabreichung der Diurase nicht allein eine rasche Hebung der
Diurese und Schwinden der Symptome, sondern sieht auch eine schnelle
Besserung des Allgemeinzustandes. Es ist zweckmäßig, die Diurase
nach Schwund der Symptome noch eine kurze Zeit weiter zu verab-
reichen. Kr.
Über eine bisher nicht bekannte Nebenwirkung des Yohim-
bins. Von Hübner-Marburg. (Dermatol. Zeitschr. Okt. 1912.)
An Kaninchen angestellte Versuche ergaben, daß das Yohimbin
eine Schädigung der sezernierenden Nierenepithelien bewirkt, weswegen
es auch beim Menschen empfehlenswert erscheint, das Yohimbin niemals
ohne ständige Kontrolle des Urins zu verabreichen.
von Hofmann-Wien.
IV. Notizen.
Berlin. Dr. med. Otto Ringleb hat sich für Urologie habilitiert.
München. Der Spezialarzt für Urologie Dr. med. Kielleuthner hat die
Venia legendi erhalten.
Deutsche Gesellschaft für Urologie
/. Rundschreiben.
Sehr geehrter Herr Kollege!
Wir beehren uns Ihnen mitzuteilen, daB laut Beschluß des
Vorstandes der Gesellschaft
der 4. Kongreß
der Deutschen Gesellschaft für Urologie
in Berlin im Langenbeck-Hause, Ziegelstraße 10.11, am 2%. 30.
und 1. Oktober 1913 stattfindet.
Die offiziellen Themata der Referate an den beiden ersten
Tagen sind:
1. Serologie und Vakzinetherapie in der Urologie.
Referenten: Geh.-Rat Prof. von Wassermann (Berlin),
Prof. R. Kraus, Direktor des serotherapeutischen
Instituts (Wien),
Dr. C. Schneider (Brückenau),
Prof. P. Asch (Straßbure i, E.)
2. Blasensteine (Entstehung, Behandlung und Verhütung).
Referenten: Prof. v. Fedoroff, Direktor der mediz. Militär-
akademie (St. Petersburg),
San.-Rat Dr. Preindisberger {Serajewot,
Hofrat Dr. F. Schlagintweit (München).
Mit vorzüglicher Hochachtung
L. Casper, H. Wossidlo,
Vorsitzender. Schriftführer.
Zur Pathologie und Therapie der Cystitis
colli proliferans s. vegetativa.”
Von
Dr. med. $. M. Gorodistsch, Petersburg.
Mit 4 Textabbildungen.
Die außerordentlich verschiedenartigen Entzündungsformen der
Blase werden nach der Ätiologie und Lokalisation, nach dem Ver-
lauf der Krankheit und schließlich nach den charakteristischen
rathologisch-anatomischen Veränderungen der Schleimhaut gruppiert
und klassifiziert. Zu der letzteren Gruppe von Cystitiden gehören
die Cystitis granularis, die Cystitis papillaris, die Cystitis papillo-
matosa, die Cystitis proliferans s. vegetativa, die Cystitis pseudo-
membranacea, die Cystitis exfoliativa usw.
Wie aus der Überschrift ersichtlich, soll im Nachstehenden von
solchen Cystitiden die Rede sein, welche im Gebiet des inneren
Sphinkters und des Blasenhalses lokalisiert sind, einen chronischen
Verlauf nehmen und von Proliferationsvorgängen charakterisierten
sind. Interessant sind meine Beobachtungen deshalb, weil es sich
um die männliche Blase handelt; in der Literatur ist bis jetzt noch
keine cystoskopische Beobachtung dieser Cystitisform bei Männern
vorhanden, welche bei Frauen häufig angetroffen wird und von
einigen Autoren beschrieben worden ist.
Patient A. G., 35 Jahre alt, ledig, Kontorist, kam aus Riga
am 19. Januar 1912, um sich in Petersburg behandeln zu lassen.
Er war vor acht Jahren in Odessa an akuter Gonorrhöe erkrankt.
Andere Erkrankungen sollen nicht bestanden haben. Abusus in
baccho et venere, auch Syphilis leugnet der Patient.‘ Aus den Aus-
sagen des Patienten erwies sich die erste Behandlung als nach-
lässig und unregelmäßig. Zu Beginn der Erkrankung soll eine starke
Eiterung aus dem Kanal bestanden haben, welche sich nach Aus-
spritzung wohl verminderte, aber nicht verschwand. Zwei Monate
hindurch ließ sich der Patient überhaupt nicht behandeln, dann
!) Vortrag, gehalten in der Sitzung der Russischen Urologischen Gesell-
schaft am 15. Februar 1912. |
Zeitschrift für Urologie. 1913. 6
52 S. M. Gorodistsch.
konsultierte er verschiedene Ärzte. Nach Verschwinden des Aus-
flusses und der akuten Erscheinungen unterbrach er wieder die
Behandlung. im Laufe von zwei Jahren machte er sich teilweise
selbst A usspritzungen mit verschiedenen Medikamenten. Ende 1916
fing er an stark zu trinken; er hat oft den Coitus ausgeübt, was
Verschlechterung seines Zustandes zur Folge hatte. Es stellte sich
sehr frequenter, schmerzhafter Harndrang ein (der Patient mußte
alle 1/,—1/, Stunde urinieren). Der Urin war von dem Patienten
nicht beachtet worden; Blut soll in demselben nicht vorhanden
gewesen sein. Der Patient hat dann im Lazarett gelegen, wo die
Behandlung sehr primitiv gewesen sein und darin bestanden haben
soll, daß er mit einer gewöhnlichen Handspritze sich selbst Aus-
spritzungen machte oder von einem Feldscher mit Kali hypermang.-
nicum ausgespritzt wurde, das aus einem gemeinsamen Gefiß ge-
nommen worden war. Trotzdem der Harndrang nicht aufhörte,
wurde der Patient nach drei Wochen entlassen. Er fing nun an,
sich selbst zu behandeln. indem er das Ausspülen des Kanals und
der Blase mittels mit Kali hypermanzanicum gefüllten Irrigators
selbst lernte. Das Kali hypermansanicum wurde ohne jegliche
Dosierung der Stärke und Quantität manchmal kalt. manchmal
warm benutzt. Trotzdem sollen nach dieser Behandlung die
Schmerzen etwas nachgelassen haben.
Im Jahre 1908 konsultierte er in Riza verschiedene Ärzte, die
ihn drei Wochen lanz mit täglichen Ausspülunzen mit Kali hyper-
manganicum-Lüsungen durch einen Katheter, mit Atzunzen mit
Argentum nitricum-Lösunzen behandelten. ohne daß Besserunz ein-
trat, indem der abnorm frequente Harndrang nicht nachließ. Hierauf
wurde der Patient in das Philantropische Krankenhaus in Riga auf-
genommen. wo er 35 Tage lang mit täglichen Wannenbädern und
verschiedenen innerlichen Medikamenten behandelt wurde, ohne daß
jedoch ein Resultat erzielt werden konnte. Nach der Entlassung
aus dem Krankenhaus setzte der Patient fast unmittelbar bis zur
Ankunft in Petersburg die Ausspülunsen zu Hanse fort. indem er
sich einmal wöchentlich mittels Irrigators eine Lösung von Kali
hypermanganicum einspritzte.
Die Besichtigung und eingehende Untersuchung des Patienten
ergab am 19. Januar folgendes: ;
Der Patient ist von hoher Statur, kräftizem Körperbau und
gutem Ernährungszustand. Er klart gegenwärtig über gering-
fürigen nagenden Schmerz in den Leistenbeugen und in der
Zur Pathologie und Therapie der Cystitis colli proliferans s. vegetativa. 83
Srmphysengegend, sowie über abnorm frequenten Harndrang. Am
Tage muß er alle 11/,—2 Stunden urinieren, des Nachts drei- bis
riermal zu demselben Zwecke aufstehen. Schmerzempfindungen hat
er bei der Harnentleerung nicht. Der Patient vermag den Harn-
drang zu überwinden, jedoch nur für kurze Zeit. Beim Sitzen, be-
sonders beim Liegen läßt der Harndrang nach, so daß der Patient
imstande ist, den Harn sogar zirka 1 Stunde zurückzuhalten. Beim
Stehen wird der Harndrang lebhafter, so daß der Patient ihn nicht
mehr zu überwinden vermag.
Die Harnröhre ist frei und für groBkalibrige Bougies (Nr. 28
Charriere) durchgängig. Die Prostata ist schmerzfrei, nicht ver-
gröbert. Der linke Lappen ist von etwas lockererer Konsistenz.
In dem durch sterilen Katheter aus der Blase gewonnenen Harn
sah man leichte gleichmäßige wölkchenföürmige Trübung, einige
Urethralfäden und buschige Flocken in Form von schwimmender
Watte. Die Kapazität der Harnblase ist etwas vermindert (zirka
200 cem). Die Empfindlichkeit der Blase ist wenig verändert.
Die von Priv.-Doz. Dr. Korowin am 20. Januar vorgenommene
Analyse des Blaseninhaltes ergab folgendes: Reaktion sauer, spezi-
fisches Gewicht 1016, Farbe gesättigt, bernsteingelb. Der Harn
zeigt leichte Trübung, enthält Spuren von Eiweiß und Urobilin
sowie Indikan in großer Quantität. Der zentrifugierte, geringe,
weibliche, halb durchsichtige Niederschlag enthält Leukocyten in
seringer Quantität, ab und zu flachrunde Epithelzellen, flach brücken-
artige Epithelzellen in geringer Quantität, hier und da hyaline
Zylinder, sowie oxalsaures Calcium in geringer Quantität. Gono-
kokken konnten nicht nachgewiesen werden.
Cystoskopie. Bei der Einstellung des inneren Sphinkters
im Gesichtsfeld des gewöhnlichen Untersuchungscystoskops (Nitze-
sches System) hat der freie Saum des vorderen Sphinkteranteils nicht
die gewöhnliche Form einer halbmondförmigen Falte mit nach oben
serichteter Konkavität, sondern stellt eine deutlich begrenzte Ex-
kavation unter spitzem, etwas abgerundetem Winkel dar. Auf diese
Weise erlangt der Blaseneingang eine dreieckige Kontur. Wenn
man das Cystoskop etwas in die Harnröhre diesseits des Sphinkters
zurückzieht, so gelingt es, eine links weniger, rechts mehr deutliche
Gruppe von zottenartigen Wucherungen aus zart durchsichtigem
Gewebe zu erblicken (vgl. Abb. 1).
Am Übergange des oberen Sphinkterrandes in den linken
lateralen Rand zeigt der freie Saum desselben gezackte Beschaffen-
en
84 S. M. Gorodistsch.
heit mit einem scharf konturierten zungenförmigen Vorsprung und
einigen kleineren Zacken (vgl. Abb.:2). Das rechte laterale Segment
des Sphinkters trägt an der Grenze mit der vorderen Falte gleich-
falls einen größeren Zacken von konusartiger Form (vgl. Abb. 3).
Wenn man beide lateralen Sphinktersegmente eingehender be-
trachtet, indem man das Cystoskop in die Harnblase vor und dann
aus derselben nach der Urethra zurückschiebt, so kann man nament-
lich am rechten Sphinkterrande eine Gruppe von Wucherungen
sehen, die frei beweglich sind und zum freien Saum des Sphinkters
in verschiedenen Ebenen liegen. Hier (vgl. Abb. 3) kann man am
Rande des Sphinkters deutlich die Konturen des beschriebenen konus-
Fig. 2° Fig. 2.
Fig. 1.
Vordere Sphinkterfalte mit deutlich ausgeprägter tiefer Exkavation am
freien Saum desselben. Blaseneingang von dreieckiger Kontur; vorn und
urethralwärts vom Sphinkter sind Gruppen von zottenartigen Wucherungen
zu sehen.
Fig. 2.
Linker Rand des Spinkters mit größerem Feston von konusartiger Form
und kleinen Zacken.
artigen Zacken. der vesikulärwärts gerichtet ist, und eine Gruppe
von kleinen und zarten Gebilden sehen, die durchschimmern und
in einer dem Beobachter diesseits des Sphinkters (urethralwärts)
am nächsten befindlichen Ebene liegen. Die zottenartigen W uche-
rungen haben das Aussehen von sehr zarten fluktuierenden Gebilden
von teils stengelartiger oder langgezogener birnenartiger Form, wobei
in einigen derselben Gefäßarkaden zu sehen sind. Derartige Ge-
Zur Pathologie und Therapie der Cystitis colli proliferans s. vegetativa. 85
bilde, aber weniger charakteristisch und in geringerer Anzahl, sind
auch auf dem linken Sphinkteranteil in urethralwärts gerichteter
Ebene zu sehen.
Die am meisten charakteristischen Veränderungen des Sphink-
ters sind an seinem unteren Segment (vgl. Abb. 4) zu sehen. In
der normalen Blase ist bekanntlich eine Falte des Sphinkters im
unteren Segment desselben gleichsam nicht vorhanden, und wenn
man das Cystoskop mit dem Schnabel nach unten zum Blasenboden
dreht, so sieht man hier statt einer scharf konturierten halbmond-
férmigen Falte dem unteren Sphinkteranteil entsprechend nur eine
etwas abschüssige, sich nach unten senkende Fläche, und nur in
Fig. 3.
Fig. 3,
Rechter Rand des Sphinkters mit einem großen konusartigen Zacken, der
vesikalwärts gerichtet ist und mit Gruppen von Wucherungen, die urethral-
wärts sitzen,
Fig. 4.
Untere Sphinkterfalte, die plump verdickt und aufgelockert ist, mit zalıl-
reichen nach unten herabhängenden, der Blasenhöhle zugewandten, mehr oder
minder lockeren und zarten fransenartigen Wucherungen.
seltenen Fällen tritt der untere Sphinkterrand in Form einer kleinen
Leiste etwas zutage. |
Wenn man bei unserem Patienten im Gesichtsfeld des Cysto-
skops das untere Segment des Sphinkters einstellt, so erscheint der-
selbe in Form einer plumpen gelockerten Masse mit einer unregel-
mäßig dreieckig konturierten Falte, die fast am ganzen Rande mit
zahlreichen, mehr oder minder kleinen, unebenen, zarten, fransen-
56 S. M. Gorodistsch.
artigen Wucherungen dicht bedeckt ist (vgl. Abb. 4). In der Nähe
der Spitze des Winkels dieser Falte sieht man ein deutlicher aus-
geprägtes Feston in Form eines zarten fluktuierenden stengelartigen
Gebildes, welches an seinem Rande eine (refäBmasche trägt. Die
ganze Falte des Sphinkters nimmt hierbei den oberen Teil des Ge-
sichtsfeldes ein, während ihr fransenartiger, mit zackenartigen
Wucherungen dicht bedeckter Rand nach unten hinunterhängt. Um
diese ganze Sphinkterpartie in der beschriebenen Gestalt besser
sehen zu können, muß man den Trichter und das Okularende des
Cystoskops stark nach unten senken.
In den übrigen Teilen der Blase ist die Schleimhaut fast
normal, nur auf einer geringen Partie des Blasenbodens unmittel-
bar hinter dem Sphinkter ist die demselben angrenzende Schleim-
hautpartie in der linken Hälfte des Trigonum von etwas üdematôs
geschwollenem Aussehen und zeigt stellenweise tiefere Injektion.
In der Umgebung der linken Uretermündung bildet die geschwollene
chronisch infiltrierte Schleimhaut einige kammartige parallel liegende
wulstartige Vorstülpungen. Die Ureterenmündungen sind leicht auf-
zufinden und liegen auf einem deutlich ausgeprigten Ureterenwulst.
Das linke Ostium ist von runder Form und liegt ziemlich breit am
Ende eines steilen Wulstes. Das rechte Ostium ist spaltförmig, von
kleineren Dimensionen und liest in der Tiefe einer veringen Vor-
stülpung der Blasenwand. Einige Tage nach der Cystoskopie wurde
der Patient mit dem Goldschmidtschen Irrigationsurethroskop
untersucht. wobei außer katarrhalischer Schwellunz und Auflocke-
rung der Schleimhaut, sowie zwei kleinen polypenartigen Wuche-
rungen in der Pars posterior nichts Besondere: nachgewiesen wer-
den konnte.
Bei der wiederholten evstoskopischen Untersuchung des Pa-
tienten war das Bild der Veränderungen in der Gegend des inneren
Sphinkters und der linken Hälfte des Trirgonum im großen und
ganzen dem oben beschriebenen Bilde ähnlich. Außerdem gelang
es zweimal mittels der lichtstarken Ringleb-Zeibschen Optik ein
kleines Bläschen von länglicher birnenartiger Form mit hellem
durchsichtigen Inhalt deutlich zu unterscheiden. Dieses Bläschen,
welches seinem Aussehen nach einer auf einem Stile sitzenden
Hydatide ähnlich war. flottierte frei zwischen den zottiren Wuche-
rungen an der Grenze der oberen und linken Sphinkterfaltee Das
beschriebene zarte Blaschen ist entweder spontan oder wahrschein-
licher infolge der verschiedenen intrumentalen Manipulationen ge-
ZurPathologie und Therapie der Cystitis colli proliferans s. vegetativa. 87
platzt, so daB es uns bei den nächstfolgenden Beleuchtungen der
Blase nicht mehr gelungen ist, dasselbe zu sehen.
Was die Behandlung des vorliegenden Falles betrifft, so übten,
wie es sich bei der weiteren Beobachtung des Patienten herausstellte,
auf die lokalen Symptome, vor allem auf den abnorm frequenten
Harndrang Ausspülungen der Pars posterior und des Blasenhalses
nach Diday mit Albarginlösungen von 1:300—250 den gün-
stigsten Einfluß aus, wobei durch einen bis zur Pars membranacea
eingeführten elastischen olivenförmigen Katheter Nr. 20 Charriere
die ganze Pars posterior urethrae und der Blasenhals mit 150—200
ccm Flüssigkeit langsam berieselt wurde, worauf man den Katheter
herauszog und der Patient seine Harnblase von der injizierten
Lösung auf einmal befreite. Nach 14tägiger Behandlung mit täg-
lichen Ausspülungen nach der beschriebenen Methode ließ der
abnorm frequente Harndrang auffällig nach, so daß der Patient
tagsüber alle vier und sogar alle fünf Stunden urinierte, des Nachts
nur einmal oder überhaupt nicht aufzustehen brauchte. Die nagen-
den‘ Schmerzen in der Symphysengegend haben gleichfalls nach-
gelassen. Die zu Beginn der Behandlung gemachten Versuche
der Erweiterung des Blasenhalses mittels dicker Bougie (Nr. 56
Beniqu&) mit nachfolgender Einträufelung einer Argentum nitricum-
Lösung (3 ccm einer 2—21/,°/,igen Lösung von Argentum nitri-
cum), wie dies einige Autoren empfahlen, bewirkte im Gegenteil
Reizung der Blase mit Zunahme des Harndranges, und infolgedessen
wurde diese Behandlung bald verlassen. Als unter dem Einflusse
der Spülungen nach Diday das subjektive Befinden des Patienten
sich besserte und der abnorm frequente Harndrang nachließ, schritt
man zur Entfernung der zottenartigen Wucherungen in der Gegend
des Sphinkters. Die Versuche, diese Wwucherungen mittels des
Kneiseschen Galvanokauters in der mit Luft gefüllten Blase zu
beseitigen, gelangen nicht, was eigentlich a priori hätte auch er-
wartet werden können. Um die Wucherungen zu erreichen, mußte
man mit dem Albarranschen Hebel das weiche biegsame Ende des
Kauters so richten, daß die kauterisierende Oberfläche desselben
eine retrograde Bewegung von hinten nach vorn machte, ohne
welche es schwer gewesen wäre, die Wucherungen zu erreichen,
die meistenteils auf dem Sphinkter selbst oder unmittelbar von
vorn diesseits der Falte (urethralwärts) lagen. Außerdem reagierte
der Patient ziemlich stark auf die Dehnung der Harnblase durch
die Luft, die in die Harnblase mittels eines Ballons hineingetrieben
88 S. M. Gorodistsch.
wurde, so daß wegen des eintretenden Harndranges längere endo-
vesikale Manipulationen äußert lästig wurden. Übrigens kann
man im vorliegenden Falle die Schwierigkeit der endovesikalen
Entfernung ` der Zotten mittels des Kneiseschen Kauters
eben darauf zurückführen, daB wir das Kollmannsche Ureter-
cystoskop mit der gewöhnlichen Anordnung der Lampe und des
Prismas verwendeten, während man annehmen kann, daß in An-
betracht der beschriebenen Bedingungen die endovesikale Operation
mit dem Kneiseschen Kauter leichter ausführbar ist, wenn man
das Urethercystoskop vom Brennerschen Typus anwendet, bei dem
die Lampe und das Prisma auf der konvexen Seite des Schnabels an-
gebracht sind, und bei dem die Ausgangsstelle des Kauters bequemer
ist und den bei dem Patienten gegebenen Verhältnissen mehr ent-
spricht.
Als einfacher und leichter für den Patienten erwies sich die
kaustische Entfernung der zottenartigen Gebilde mittels des Wos-
sidloschen gebogenen Tubus für die Urethra posterior, die am
27. Februar auch ausgeführt wurde, und bei der es in zwei Sitzungen
gelang, einen großen Teil der auf dem unteren Segment des inneren
Sphinkters sitzenden Wucherungen zu entfernen; um den bis zum
Glühen erhitzten Platinbrenner bildete sich ein ganzes Knäuel auf-
gewickelter zottiger Wucherungen. Die Blutung war geringfügig,
und die Operation selbst für den Patienten schmerzlos. Vor der Ein-
führung des Urethroskopes wurde die Blase sorgfältig mit Bor-
säure ausgewaschen. Dann wurde in dieselbe für die Dauer von
fünf Minuten 20—25 ccm einer 1°/,igen Lösung von Cocainum
muriaticum eingeführt, die in der Blase belassen und dann bei der
nachfolgenden Einführung des Tubus gleichzeitig mit den Harn-
überresten durch den Aspirationskanal des Tubus aspiriert wurde.
Die am Schlusse der Beobachtung des Kranken vorgenommene
Cystoskopie ergab bedeutend veränderte Konfiguration des unteren
Segments des Sphinkters, das eine weit weniger lockere Falte mit
bedeutend verringerter Anzahl von Fransen darbot. Die übrigen
Sphinkterpartien blieben fast unverändert.
Im weiteren Verlauf der Krankheit wurden besondere Ände-
rungen der lokalen Erscheinungen nicht wahrgenommen. Die
Untersuchungen des Harns, und zwar sowohl der gesamten 24stün-
digen Quantität als auch der einzelnen nach Massage der Prostata
gewonnenen Portionen ergab stets das Fehlen von Gonokokken,
das Vorhandensein von Leukozyten in mehr oder minder bedeuten-
Zur Pathologie und Therapie der Cystitis colli proliferans s. vegetativa. 89
der Quantität, ab und zu rote Blutkörperchen, stets Eiweiß und
Urobilin, sowie Indikan in bedeutender Quantität. Die wiederholt
vorgenommenen Untersuchungen des Urethralschleimes auf Gono-
kokken ergaben stets ein negatives Resultat.
In Anbetracht des Umstandes, daß im Krankheitsverlauf Hin-
weise auf Katarrh der .Ausführungsgänge der Prostata vorhanden
waren (Catarrhus gl. Prostatae) und der linke Lappen der Drüse
sich lockerer anfühlte, wurde die Drüse wiederholt einer energischen
Massage mit wiederholter sorgfältiger Ausspülung des Kanals und
der Blase mit Albarginlösungen von 1: 1000—-800 unterzogen, jedoch
ohne bemerkbaren Einfluß auf den Harndrang und auf die Be-
schaffenheit des Harns, der während der ganzen Zeit etwas trübe
war. Wie oben bereits erwähnt wurde, führten Berieselungen der
Pars posterior und des Blasenhalses nach Diday am besten zum
Ziele und bewirkten die auffälligste Besserung im Sinne einer be-
deutenden Linderung des Harndranges und ziemlich bedeutender
Vergrößerung der Kapazität der Blase, wenn auch anderseits durch
sechswöchige Behandlung vollkommen klarer Harn nicht erzielt
werden konnte. Nichtsdestoweniger brach der Patient die Behand-
lung ab (6. März) und reiste in die Heimat, mit der erzielten
Besserung der lokalen Störungen durchaus zufrieden.
Was die Pathologie dieser Cystitisform betrifft, so wurde die-
selbe zuerst unter der Bezeichnung „Cystitis colli proliferans oedema-
tosa“ von Zechmeister und Matzenauer im Jahre 1901 (im
Zentralblatt für die Krankheiten der Harn- und Sexualorgane) be-
schrieben. Dann finden wir eine Beschreibung dieser Cystitisform
bei R. Knorr (‚Die Cystoskopie und Urethroskopie beim Weibe“
1908, S. 221— 225). Teilweise geht auf deren Pathogenese auch
Heymann ein (Die Cystitis trigoni der Frau, Nitze-Oberländers
Zentralblatt 1905, S. 422 und 1906, S. 177).
Der Fall von Zechmeister und Matzenauer zeigt hinsicht-
lich des klinischen und cystoskopischen Bildes nur eine gewisse
Ähnlichkeit mit unserem Falle.
Die im Jahre 1895 an gonorrhoischer Urethritis und Bartho-
linitis und im Jahre 1896 an Sklerose der Harnröhre erkrankte
Patientin wurde sechs Jahre später (im Jahre 1901) wegen quälen-
den, abnorm frequenten und schmerzhaften Harndranges in die
Klinik aufgenommen. Die Untersuchung ergab: am Meatus externus
summöse Geschwulst.e Harn etwas trübe, mit zahlreichen
Flocken vermengt, jedoch gonokokkenfrei trotz sorgfältiger mikro-
90 S. M. Gorodistsch.
skopischer Untersuchung. Bei der Cystoskopie erweist sich die
ganze Schleimhaut fast normal, den Blasenboden ausgenommen, der
stärker hyperämiert und von intensiv roter Farbe ist. Die vordere
Sphinkterfalte ist plump verdickt und mit einem Kranz von zottigen
Wucherungen dick bedeckt, die handschuhfingerähnlich, teilweise
mit einem dünnen Stile versehen, meistenteils aber keulenförmig
sind. Zwischen den Zotten kann man ein Bläschen mit durchsich-
tigem Inhalt von der Größe eines Senfkornes sehen. Am zweiten
Tage platzte das Bläschen wahrscheinlich infolge der Kontraktionen
des Sphinkters, jedoch waren die Überreste dieses Bläschens noch
in Form von Fetzen zu sehen, die zwischen den Zotten flottierten.
Die Wucherungen wurden mittels Panendoskops, teils mit der
Schlinge, teils mit der Polypenzange abgezwickt. Nach Entfernung
der Zotten ging unter dem Einflusse der Behandlung mit Lapisinstil-
lationen der Blasenkatarrh fast vollständig zurück. Die Harn-
beschwerden verschwanden, und die Patientin war imstande, den
Harn 3—4 Stunden lang zu halten.
Wie aus dieser Beschreibung hervorgeht, saßen die Wuche-
rungen ausschließlich auf der vorderen Sphinkterfalte und bestanden
augenscheinlich aus festeren pseudo-polypösen Gebilden. In unserem
Falle waren diese Gebilde größtenteils zottiger Natur und bestanden
aus sehr zartem, durchschimmerndem Gewebe, dessen Wucherungen
an verschiedenen Anteilen des Sphinkters zu sehen waren, am meisten
jedoch das untere Segment desselben einnahmen. Teilweise ent-
sprangen sie der unmittelbar anliegenden Urethralschleimhaut dies-
seits des Sphinkters.
Klinisch waren die beiden Fälle von proliferierender Cystitis des
Blasenhalses nach den lokalen Erscheinungen, den Ergebnissen der
Untersuchung des Harnes und ihrer Ätiologie einander ähnlich,
da beide Fälle sich aus gonorrhoischer Urethritis entwickelt hatten.
Die Erklärung, welche Zechmeister und Matzenauer in ihrem
Falle für die Entstehung der Wucherungen am Sphinkter geben,
scheint uns nicht befriedigend zu sein. Diese Autoren führten
die Entstehung der Wucherungen auf Lymphstauung in den Wegen,
die vom Orificium internum urethrae zum Blasenboden und zum
Parametrium verlaufen, zurück, bedingt durch Festwachsen des ent-
zündeten rechten Ovariums der Patientin an die Harnblase, wobei
die Autoren dem gummösen Infiltrat. welches den Meatus externus
urethrae ringförmig verschloß, eine Wirkung beimessen, die eine
gleichzeitige Stauung der Lymphe in den kollateralen Lymphwegen
Zur Pathologie und Therapie der Cystitis colli proliferans s. vegetativa. 91
begünstigte. Das Gumma konnte nach der Ansicht dieser Autoren
hier einen Einfluß ausüben, der demjenigen analog ist, der beispiels-
weise bei einer Harnröhrenstriktur beobachtet wird, welche das
Auftreten von Oedema bullosum auf der Blasenschleimhaut (Oedema
bullosum retrostricturale) bewirkt. Anderseits ergab die histologische
Untersuchung der entfernten Wucherungen, daß dieselben aus öde-
matos infiltriertem Granulationsgewebe bestehen; junges Binde-
sewebe zeigt meistenteils spindelförmige Zellen; seine spaltförmigen
Zwischenräume sind uneben, langgezogen und durch serèse Flüssig-
keit stark gedehnt. Überall sind die papillären Wucherungen der
Schleimhaut mit typischem Übergangsepithel der Harnblase bedeckt.
Die genannten Autoren sind somit geneigt, die in Rede stehende
Form von proliferierender Cystitis (Cystitis colli proliferans vedema-
tosa) auf Störungen der Blut- und Lymphzirkulation in der Gegend
des Sphinkters und des Blasenhalses zurückzuführen.
Wenn man das klinische Bild unseres Falles analysiert und die
Angaben der übrigen Autoren (Knorr, Heymann), sowie die Be-
schreibung des klinischen und cystoskopischen Bildes der anderen
Fälle von proliferierendem Katarrh des Blasenhalses in Erwägung
zieht. so muß man folgende Momente im Auge behalten:
1. Cystitis colli proliferans kommt, wie die Beobachtungen
ergeben, am häufigsten bei Frauen vor, bei denen bekanntlich chro-
nische Urethritis überhaupt gewöhnlich in Urethrocystitis übergeht.
2. Nach der Ätiologie und nach dem klinischen Bilde kann die
Cystititis colli proliferans sowohl bei Männern als auch bei Frauen
als Urethrocystitis chronica postgonorrhoica betrachtet werden, d. h.
als eine residuale Erkrankung, die aus der Harnröhre auf gonor-
rhoischer Basis entstanden ist und in der Gegend des Sphinkters und
der benachbarten Schleimhautpartien diesseits und jenseits des
Sphinkters (vesikal- und urethralwärts vom Sphinkter) lokalisiert ist.
3. Das Vorhandensein einer Lymplstauung in den Lymph-
wegen, die vom Orificium urethra internum zum Blasenboden ver-
laufen, sowie in den kollateralen Wegen ist bei Cystitis colli pro-
liferans nicht obligatorisch, und die Zottenwucherungen am Sphinkter
können, wie unsere Beobachtung ergibt, auch unabhängig von Stö-
rungen der Blut- und Lymphzirkulation entstehen.
4. Analog der Entstehung von papillären Wucherungen in
der Umgebung des Meatus externus urethrae, auf dem inneren Blatt
des Präputiums, auf dem Frenulum bei Männern — bei Gonorrhöe
infolge der reizenden und mazerierenden Wirkung des reichlichen
92 S. M. Gorodistsch, Zur Pathologie und Therapie der Cystitis usw.
gonorrhoischen Eiters, wie dies bei vernachlässigten gonorrhoischen
Urethritiden beobachtet wird, kann man auch bei gonorrhoischer
Urethrocystitis die Entstehung der Zottenwucherungen am Sphinkter
als die Folge der chronisch wirkenden Reizung durch das gonor-
rhoische Material annehmen, welches aus der Pars posterior urethrae
kommt und in der Umgebung des Sphinkters Hyperplasie der Schleim-
haut hervorruft.
Zugunsten einer „irritativen‘‘ Theorie der Entstehung der Zotten-
wucherungen spricht auch die Beobachtung von Knorr, der diese
Wucherungen im Jahre 1900 (Sitzung der Berliner Gynäkologischen
Gesellschaft) beschrieben hat. Nach Knorr „kann der entzündliche
Prozeß bei längerem Bestande zu intensiven chronischen Schwel-
lungen und Proliferationen führen; es bilden sich Knötchen und
parilläre Exkressenzen: Cystitis granularis, papillaris, proliferans,
papillomatosa. Es kann zur Entwicklung von Pseudopolypen
kommen. Dieselben sitzen mit Vorliebe am Sphinkterrand. Sie
gehen meistens vom oberen Sphinkterrand oder von der Urethra
aus, die Pseudopolypen kommen aber auch am unteren Sphinkter-
rande vor, sind aber da weniger schlank und lang und nicht so
typisch“ ... „Diese Gebilde sind nur hypertrophische Verände-
rungen der Schleimhaut. Sie zeigen ein bindegewebiges Stroma
mit einfachem Epithclbesatz, der mitunter durch Ödem abge-
hoben ist.“
Nach Heymann, der die katarrhalischen Veränderungen der
Schleimhaut bei Cystitis colli resp. trigoni bei Frauen cystoskopisch
und an Schnitten auch mikroskopisch untersucht hat, beschreibt diese
Prozesse ungefähr folgendermaßen: Bei der Cystoskopie ergibt sich
meistenteils chronische Infiltration der Schleimhaut, die Verhär-
tungen und Verdickungen aufweist, welche zu wulstförmig ver-
dickten Falten gehäuft sind. Häufig hat die Schleimhaut ein samt-
artiges und chagrinartiges Aussehen. In vielen Fällen wuchert
das Epithel, es zeigt Neigung zur Proliferation, die bis zur Bildung
von papillösen oder papillomatösen Wucherungen geht. Die Schleim-
haut bekommt eine schmutzig grau-rote Färbung. Sie ist häufig
mit Streifen und Flecken bedeckt, bisweilen tritt kleinblasiges Oedema
bullosum ein. Somit tritt auch nach Heymann das Oedema bullo-
sum als begleitende; Erscheinung der chronischen entzündlichen Infil-
tration der Schleimhaut auf, also unabhängig von etwaiger Lymph-
stauung, wie dies Zechmeister und Matzenauer annehmen.
Ein Fall isolierter Tuberkulose der einen
Hälfte einer anomaälen (doppelten) Niere.
Von
B. Dobrotworsky,
Assist. an der chirurgischen Hospitalsklinrik von Prof. Fedoroff, St. Petersburg.
Mit 4 Textabbildungen.
Folgender hier mitgeteilte Fall stellt in der chirurgischen Ka-
suistik von Nierentuberkulose eine exklusive Seltenheit hinsichtlich
des gewonnenen pathologisch-anatomischen Präparates dar und bietet
zugleich ein großes klinisches Interesse vom diagnostischen Stand-
punkte aus.
Am 14. III. 1912 wurde der betreffende gut gebaute und ernährte Kranke
von 38 Jahren mit Verdacht auf Tuberkulose der Harnwege in die Klinik auf-
genommen. Inmitten vollsten Wohlbefindens wurde Patient Ende August 1911
plötzlich nachts von wiederholten, schmerzhatten Miktionen befallen; die Schmerz-
empfindungen traten zum Schlusse des Urinlassens auf und lokalisierten sich im
Gliede, im Damme, besonders in dessen rechter Hälfte, und in der rechten
Schambeuge. Nach 24 Stunden gingen alle Erscheinungen zurück, doch wieder-
holten sich in den nächsten Tagen ähnliche Anfälle noch zweimal in viel
stärkerem Maße. Keinmal jedoch wurden Schmerzen weder in der Nieren-
gegend noch entsprechend dem Verlaufe des Ureters empfunden. Vom Arzte
wurde damals im Urin Eiter gefunden und mit der Diagnose „Cystitis“ eine
entsprechende Therapie, die hauptsächlich in Blasenspūlungen bestand, vor-
genommen; diese Behandlung ergab keinen großen Erfolg. Am 21. XII. wurden
im Urin, außer Eiter-Erythrocyten noch Tuberkelbazillen gefunden. Der Kranke
ließ sich in eines der Krankenhäuser zu Moskau aufnehmen, wo er cystoskopiert
worde: der rechte Ureter konnte katheterisiert werden, beim linken miflang
der Versuch. Genaue Daten über die Resultate der Harnanalyse des aus dem
rechten Ureter gewonnenen Urins fehlen; scheinbar wurde die rechte Niere als
gesund befanden, da keine Operation vorgenommen wurde. Daraufhin meldete
sich Patient in der Klinik von Prof. Fedoroff. — Zeitweilig empfindet Patient
noch Schmerzen im Damm und im Gliede. Die Miktionen sind nicht vermehrt.
94 B. Dobrotworsky.
Rechts fühlt man den unteren Nierenpol durch; kein Druckschmerz. Die Urin-
menge von 24 Stunden beträgt 1800—2500 cem: Reaktion sauer, Sp. G. 10%,
trübe, mit eiterigem Bodensatz (hauptsächlich Lymphocyten); einzelne unver-
änderte rote Blutkörperchen. Tuberkeibazillen konnten bei wiederholten Unter-
suchungen nach Uhlenhut nicht gefunden werden. Die steril mit aus der
Blase entnommenem Urin beschickten Nährböden ergaben kein Wachstum, Die
Röntgenographie beider Nieren hatte ein negatives Resultat,
Cystoskopie. Die Blasenmündung des rechten Ureters wird von einem
stark ausgeprägten bullösen Ödem verdeckt. Der linke Ureter wird katheterisiert
and 0,01 Phloridzin injiziert. Im Laufe einer Stunde wurden 65 cem Urin von
normaler Beschaffenheit ohne Eiterbeimengung, mit 1,3%, Zuckergehalt ge-
wonnen (im Blasenurin war der Zuckergehalt — 0,760).
Diagnose: Tuberculosis renis dextri.
Am 2. IV. wurde von mir die Nephrektomie unter intravenöser Hedonal-
narkose ausgeführt. Rechter schräger Lumbalschnitt. Am oberen Nierenpo)
Fig. 1.- Fig. 2.
müssen Verwachsungen der Caps. adiposa und Caps. propria getrennt werden.
Die leicht vergrößerte Niere hat eine unebene Oberfläche, ähnlich einer fötalen
Lappenniere, Die obere Hälfte fühlt sich etwas weicher an als die untere,
Tuberkulöse Herde oder einzelne Tuberkeln sind auch nach Ablösung der
Caps. propria nicht zu sehen, Es wird nun der Harnleiter isoliert und mög-
lichst weit unten ligiert; nach Anlegung einer Klemme auf die Gefäße wird die
Niere abgetrennt, der Stumpf mit Katgut ligiert. Bei Besichtigung des Prä-
parates auf dem Sektionsschnitte wurde also gleich festgestellt, daß es sich um
eine Doppelniere, die aus 2 miteinander verflossenen Hälften bestand, 2 geson-
derte Becken und 2 Ureter besaß, handelte; der zweite Ureter war also im
Gefäßstumpfe geblieben; ohne Schwierigkeit gelang es den zweiten Ureter auf-
zufinden, ihn zu isolieren und, wie gewöhnlich, weiter unten zu ligieren. —
Tamponade. — Die Wundheilung verlief ohne Komplikationen und am 25, V.
verließ Patient die Klinik.
Am 3. V. zeigte die Cystoskopie: Oedema bullosum vollkommen ver-
schwunden; man unterscheidet deutlich die Orifizien beider rechter Ureteren:
die Mündungen liegen eine hinter der anderen, in beide lassen sich leicht
Ein Fall isolierter Tuberkulose der einen Hälfte einer anomalen Niere. 95
Katheter einführen. Bei der einen Ureterenmündung wurde eine leichte Hy-
perämie bemerkt, jedoch spezifische Veränderungen fehlen gänzlich.
Das Präparat: die Niere ist ungefähr normaler Größe im Verhältnisse
zum großen Wuchse des Kranken, ihre Oberfläche (Fig. 3) zeigt eine deutliche
Lappung. Die Grenze zwischen beiden miteinander verflossenen Teilen der
Niere sieht man an der deutlich ausgeprägten Einkerbung, die transversal die
ganze Peripherie der Niere umfaßt; auf dem Sektionsschnitte ist diese Grenze
nur am konvexen Außenrande (gibbus) wahrzunehmen, weiter nach innen zu
verfließt die Rindensubstanz der unteren Hälfte mit jener der oberen so innig,
daß beide Teile als ein Ganzes impo- Ga. gien Don,
nieren. Die Breite der Grenzschicht A
schwankt zwischen !/ą und 1 cm. Die /
obere Hälfte ist fast zweimal kürzer im
Fig. 8. Fig. 4.
Längsdurchmesser, wogegen der Querdurchmesser kaum kleiner erscheint. Jede
Nierenhälfte besitzt je ein eigenes Nierenbecken und je einen besonderen
Harnleiter (welch beide bis zur Blase getrennt verlaufen); der Ureter des
oberen Nierenabschnitts ist ein wenig dünner, als jener des unteren.
Was nun die tuberkulöse Affektion betrifft, so erwies sich das
untere Segment als vollkommen gesund. Der ganze Prozeß nistet
ausnahmslos im oberen Nierenteile und stellt eine reine typische
Form der sog. Tuberculos. ulcerat. der Papillenspitzen (Israël) dar.
Kaseös zerfallen erschienen nur 3 Papillen (Fi3. 4) und nur in einer von
ihnen erreichten die Granulationen die Pyramidenbasis, aber auch
hier war die Pyramidenzeichnung recht deutlich zu unterscheiden.
Die Rindensubstanz erschien makroskopisch überall normal. Die
96 B. Dobrotworsky, Ein Fall isolierter Tuberkulose usw.
Becken- wie Ureterschleimhaut lassen ebenfalls keinerlei spezifische
Veränderungen bemerken.
In klinischer Hinsicht hat dieser Fall das Belehrende, daB bei
unerkannt gebliebenem Vorhandensein von doppeltem. Ureter die
Nierenkatheterisation zu schwerem Irrtum führen kann, wenn der
Katheter zufällig in die gesunde Nierenhälfte gelangt und dadurch
eine falsche Diagnose betrefis der Seite der Erkrankung und einen
für den Kranken fatalen Eingriff veranlassen kann.
Aus dem pathologischen Institute des Städtischen Krankenhauses in
Wiesbaden
(Prosektor: Prof. Dr. G. Herxheimer) und
der Poliklinik
von Dr. Edwin Pfister, Kairo.
Ein Harnröhrenstein bei Bilharziakrankheit.
Von
Dr. Edwin Pfister, Kairo,
vorm. Arzt am Diakonissenhospital Kairo.
Mit 4 Textabbildungen.
Für den Begriff „Harnröhrenstein* gibt es bekanntlich eine
engere und eine weitere Auffassung, je nachdem der Stein primär in
der Harnröhre selbst entstanden oder — bei weitem das häufigere —
von oben aus Niere oder Blase herkommend bei der Passage der
Urethra steckengeblieben ist. Eine Einigung darüber besteht nicht;
so will z. B. F. A. Suter!) sämtliche in der Harnröhre gefundenen
Konkremente unter diesem Begriffe zusammenfassen, während
Lieblein?) gegen diese erweiterte Auffassung ist und will, daß sie
entweder primär in der Harnröhre entstanden, oder als ehemalige
Blasen- oder Nierensteine in der Harnröhre weitergewachsen sind.
Die weitere Auffassung dürfte wohl die richtigere sein. Denn
ebenso wie man einen Stein in dem Ureter als Ureterstein bezeichnet,
gleichgültig, ob er von oben aus der Niere stammt oder im Ureter
selbst sich gebildet hat, so kann man noch dieses selbe Prinzip der
Benennung auch auf die Harnröhrensteine anwenden.
Man kann sich wohl am zwanglosesten der Definition von
C. Kaufmann?) anschließen: „Als Harnröhrensteine im engeren
Sinne des Wortes werden Konkretionen bezeichnet, die nach den
ı) F.A. Suter, Über einen autochthonen Paraurethralstein aus phosphor-
saurer Ammoniakmagnesia. D. Zeitschr. f. Chir. 1904, Bd. 73, S. 481.
?, Lieblein, Zur Kasuistik der Harnröhrensteine und speziell der Diver-
tikelsteine der Harnröhre. Beitr. z. klin. Chir. 1896, Bd. 17, S. 141.
3) C. Kaufmann, Verletzungen und Krankheiten der männlichen Harn-
rôbre und des Penis. Deutsche Chir., Lief. 50a.
Zeitschrift für Urologie. 1913. 7
98 Edwin Ptister.
Angaben des Patienten sowohl, wie nach ihrer Form und Gröbe z
urteilen, längere Zeit in der Harnröhre verweilt haben.
Der Stein, um den es sich hier handelt, hat jedenfalls länger
Zeit in der Harnröhre verweilt; allerdings scheint aueh er wie die
meisten von weiterher gekommen zu sein, obwohl eine Entstehung
in der Urethra selbst gerade bei dieser Krankheit öfter voraus-
zusetzen ist als bei anderen; jedenfalls war sie nicht a priori aus
zuschließen.
Bei Bilharzia sind Harnröhrensteine durchaus nicht selten. No
fand F.C. Madden!) unter 100 Fällen 7 Urethrilsteine, öfters in
Kombination mit solchen der Blase: selbst größere Steine werden
ganz oder teilweise speziell in der Urethra poster. gefunden. Eine
penere Beobachtung stammt von Panse"i: Bei einem $jähnge
Negerknaben iu Tanga wurde der Katheter in der Pars membranacea
plötzlich festgehalten durch ein erbsengroBes Konkrement. Lu:
fernung durch Urethrotomie war lejcht, im Urin waren Fier voi
Distomum haematobium vorhanden, somit also der Zusammenhang
der Bilharzia mit der Konkrementbildung, wenn aueh nieht absolu
bewiesen, so doch recht walrschemlich.
Eine genauere Beschreibung aber eines Bilharziakonkrementes
der Harnröhre, besonders aueh in histologisehem Ninne, tellt meines
Wissens, so daD eine solche zurzeit noch eine gewisse Lücke aus-
füllen dürfte.
Das betreffende Konkrement hat folgende Maße Geh bestimmte
dieselben wie auch die chemische Zusammensetzung in dem Lab»
ratorinm von Dr. C. Sa, Eugel-Berlin):
Gewicht 2. 20202...095 8
Länge . . . D em
reite + e . . e € Q.T ag
Dieke 3. = 3% äi, De: g
Schräger Durchmesser 1,1.
Das Steinchen selbst ist fast viereekig mit abgerundeten Rån-
dern, leieht höckerig. Durch Sehaben lassen sich zwei Schichten
erkennen, eine äußere weichere und eine innere härtere: nach dem
Ergebnis der. Murexidprobe sind beide ans Uraten und Harnsiure
bestehend. Der Stein ist ein Einzelstein, nieht multipel vorhanden.
3) F.C. Madden, Bilharziosis. London 1907.
23) Panse, Harnkonkrement bei Bilharziainfektion. Menses Arch. 198.
Nr. 2, 5. 34.
Ein Harnröhrenstein bei Bilharziakrankheit. 99
Was den Fall selbst anbetrifft, so betraf er einen 10 jährigen
Araberknaben, was in Ûbereinstimmung ist mit der Tatsache, daß
Urethralsteine sich überhaupt am häufigsten bei jugendlichen Indi-
viduen unter 20 Jahren zu finden pflegen; offenbar ist das Miß-
verhältnis der Größe des Steines zu dem Kaliber der Harnröhre in
diesem Alter bedeutender als später.
Der Patient gab an, daß an der Wurzel des Penis der Stein
schon längere Zeit zu fühlen gewesen sei; derselbe sei dann etwas
nach vorne gerückt und habe sich nunmehr definitiv dort festgesetzt.
Die Beschwerden bestanden in Schmerz in der Harnröhre, aus-
strahlend nach Eichel und Blasenhals; Retention des Harnes bestand
niemals, dagegen war Pressen beim Urinieren nötig, der Harnstrahl
schwach und geteilt. Von außen war der Stein deutlich im ersten
Drittel der Pars pendula durchzufühlen und, nachdem die Harn-
röhre hinter dem Steine durch 2 Finger zugeklemmt war, auch mit
der Sonde nachzuweisen.
Fig. 1.
Harnröhrenstein. Nat. Gr.
Im Urin fanden sich u. a. Eier des Distomum haematobium.
Eine endoskopische Untersuchung erwies sich aus äußeren
Gründen als untunlich, war für diese Frage auch entbehrlich.
Die Extraktion mit einer Urethralzange "gelang leicht.
Daß der Stein selbst nicht in einer eigentlichen Ausweitung
der Harnröhre saß, also kein Divertikalstein war, beweist sein Wan-
dern nach vorne.
Die Frage der Provenienz der Harnröhrensteine wurde be-
kanntlich auch nach der chemischen Zusammensetzung hin zu ent-
scheiden versucht.
So bemerkt hierüber ©. Kaufmann (l. c.), daß Urethralsteine
stets Phosphatsteine sind, und Urat-Oxalat-Cystinsteine stets aus der
Blase oder aus den Nieren stammen. Selbst wenn dieser Satz in
dieser Allgemeinheit etwas zu weit ginge, so würde — dieser Stein
bestand aus Uraten, wäre also vesikalen Ursprunges — auch die
rundliche Form für einen vesikalen Ursprung reden. Denn primäre
Harnröhrensteine sind in der Regel eher längsoval mit exzentrisch
7*
100 Edwin Pfister.
gelegenem Kerne. Immerhin dürfte auch einmal ein längere Zeit
in der Harnröhre sich aufhaltender Stein, der ursprünglich aus der
Blase stammte, bei der durch Apposition entstandenen Vergrößerung
durch den Druck der Harnröhrenwände in eine mehr längliche
Form gepreßt werden können, so daß aus der Form des Steines
allein wohl nur unsichere Schlüsse Gë: seine Provenienz gestattet
sein dürften.
Fig. 2.
Gruppe von Bilharziaeiern aus der zentralen Partie, umgeben von
einer Art von ,organischem< Stroma. Vergr. >< 330.
Färbung mit Hämatoxilin — van Gieson.
Daß bei Bilharzia gerade in der Harnröhre primär sich Kon-
kretionen bilden können, ist von vornherein als sicher anzunehmen.
Ohne auf die so überaus zahlreichen Veränderungen der Harnröhre
bei genannter Krankheit an dieser Stelle eingehen zu wollen, möchte
ich nur C. Göbel!) das Wort lassen: „Die Möglichkeit, daB sich
in der Harnröhre Steine bilden können, ist sehr wohl in Hinblick
auf die oben erwähnten anatomischen Veränderungen ihrer Schleim-
ı) C. Göbel, Über Blasensteine (nach in Ägypten gemachten Erfahrungen).
D. Zeitschr. f. Chir.. Bd. 81, S. 311.
Ein Harnröhrenstein bei Bilharziakrankheit. 101
haut durch die Eier des Bilharzia-Wurmes zuzugeben.“ Eine „Ure-
thritis petrificans“, wie sie z.B. J. J. Oarvonen!) beschrieb, ist
gerade bei Bilharzia als nicht selten vorauszusetzen; das Endoskop
dürfte mit der Zeit da noch manches erbringen, vor allem, ob In-
krustationen der Harnröhrenwand selbst als Kern für das Konkre-
ment in Frage kommen können.
Öfters wird man wohl im Kern Eier finden, aber schon
schwieriger wird es sein, über deren Herkunft ein Urteil zu fällen,
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Fig. 8.
Übersichtsbild über die periphere Schicht. Vergr. 50.
Färbung mit Hämatoxilin — van Gieson,
nämlich ob diese Eier aus Ureteren, Blase, Prostata, Samenblasen
oder der Urethra selbst herstammen. Denn der Grundsatz, der für
Nicht-Bilharziasteine gilt, daß die Hauptbildungsstätte des aller-
größten Teiles aller Konkremente jedenfalls die Nieren und die
Nierenbecken sind, muß, für die Bilharziakonkretionen von vorn-
herein aufgegeben werden: hier treten die Nieren gegenüber der
Blase und den ebenso häufig wie diese erkrankenden Ureteren be-
trächtlich zurück; denn hier sind die Parasiteneier und die von
1) J. J. Carvonen, Urethritis petrificans und Steine der Harnröhre.
Dermat. Zentralblatt, Bd. 6 Heft 1.
102 Edwin Pfister.
ihnen gesetzten Veränderungen, für die Steinbildungsfrage vor allem
die Inkrustationen, am häufigsten zu finden.
Obwohl ich also wie diejenige des Steines auch die Herkunft
der Eier, ob sie in der Harnröhre selbst in die Mukosa abgelagert
oder von höheren Partien heruntergekommen in der Harnröhre
steckengeblieben sind, offen lasse, so dürfte jedenfalls der mikro-
skopische Befund von einigem Interesse sein, zumal er, wie bereits
bemerkt, zur Zeit noch nicht abgebildet ist.
Fig. 4.
Peripherie Partie, Vergr. 315, um die Kristallrosetten zu verdeut-
lichen. Färbung mit Hämatoxylin van Gieson.
Derselbe wurde so erhoben. daB durch Einlegen des Steinchens in
Kalilauge von langsam zunehmender Konzentration eine Konsistenz er-
reicht wurde, welche das Einbetten in Zelloidin. Schneiden mit dem
Mikrotom und Färben ermöglichen sollte. Angelangt bei 20° „ Kali-
lauge begann der Stein sich zu lösen, so daß schließlich eine bräun-
liche. durchsichtige. gallertartige Hülle um einen stecknadelkopf-
großen, weißlichen Kern zustande kam. Obwohl beim Fixieren in
Alkohol die Hülle sich etwas vom Kerne loslöste, so gelang es
doch. beim Einbetten in Zelloidin die ursprüngliche Lage der
Ein Harnrôhrenstein bei Bilharziakrankheit. 103
2 Schichten, der kleineren weißlichen zentralen und der größeren
bräunlichen peripheren, zu wahren, so daß der Stein als in situ
geschnitten betrachtet werden kann. Die Färbung erfolgte mit
Hämatoxylin van Gieson. Beim Schneiden löste sich allerdings die
Mittelpartie wieder heraus, so daß sie gesondert betrachtet werden
mußte. |
Die Untersuchung der zentralen Partie ergab vor allem als wich-
tigsten Befund das Vorhandensein von Bilharziaeiern (Fig. 2). Die-
selben lagen in einem blaulila gefärbten Stroma, welches von un-
bestimmbarer Natur war, jedenfalls keine deutliche Kernzeichnung
darbot. Immerhin konnte man dabei an das von W. Ebstein?)
beschriebene „organische Gerüst“ erinnert werden. Die Eier lagen,
wie es typisch ist für diese so häufig durch eine schon von Th. Bil-
harz beschriebene Gallerte zusammengeballten Wurmprodukte, in
Grüppchen von 6 und mehr Eiern zusammen; sie nahmen bei der
Färbung einen gelblichen Timbre an.
Die periphere Schicht (Fig. 3) besteht aus einem breiten Ringe
von gelbgefärbten Kristallen, deren rosettenförmige Anordnung ihre
Natur als Harnsäure bestätigen. Die Kristallrosetten sind bei
stärkerer Vergrößerung noch deutlicher zu sehen. Eier waren in
den peripheren Teilen keine vorhanden (Fig. 4).
Man wird wohl nicht fehl gehen, wenn man die Bilharziaeier
in der Kernpartie dieses Harnröhreusteines nicht als zufällige Ein-
schlüsse — sonst wären sie wohl auch an der Peripherie des Steines
zu finden gewesen —, sondern als Fremdkörper und die eigentliche
Ursache der Entstehung des Konkrementes ansieht, wobei das die
Eier umgebende Stroma vielleicht als „organisches* Gerüst im
Sinne Ebsteins betrachtet werden kann.
Die Literatur über Harnröhrensteine findet sich in den Werken
von C. Kaufmann, Zeissl u. a. Bilharziasteine sind !darin noch
nicht erwähnt.
1) W. Ebstein, Die Natur und Behandlung der Harnsteine. 1884.
Mitteilung aus der „Clinique des voies urinaires de Necker
Universitit Paris.
(Chef du service: Dr. M. Chevassu, Professeur agrègè.
Zur Technik der Prostatectomia suprapubica.
Von
Dr. Jaques Goldberger aus Budapest.
Die Frage der Freyerschen Prostatektomie wurde in neuerer
Zeit seitens einer Reihe von Autoren von verschiedenem Stand-
punkte aus betrachtet, bearbeitet und besprochen. Die meisten
Autoren führten bei dieser ihrer Arbeit sowohl ihre eigenen Er
fahrungen als die Resultate anderer ins Gefecht und behandelt
die Frage gar mannigfaltig. Doch finden wir, daB sie ein bei dieser
Operation gerade hochwichtiges Moment: die Art und Weise der
Anästhesie nur wenig berücksichtigen.
Unsere heutigen Methoden, die uns zur Verfügung stehen, um
eine Anästhesie zustande zu bringen, sind ganz mannigfaltig und
erlauben uns eine große Wahl. Die allgemeine Anästhesie mit
Äther, Chloroform oder die Kombination beider sind altbewährte
und wohlerprobte Verfahren, die dem Operateur das Operations
gebiet am bequemsten zugänglich machen, doch sind dieselben nicht
ohne Bedeutung vom Standpunkte des Kranken. Die Äthernarkus:
bedroht uns gar oft mit ernsten Konsequenzen im Bereiche der
Respirationsorgane und besonders häufig äußern sich diese Be
schwerden bei Patienten, deren Respirationsorgane lädiert sind. Das
Chloreform bedroht uns stets mit Komplikationen, die hauptsäch-
lich im Zirkulationsapparate auftreten. Das Herz, falls es nicht
vollkommen intakt ist, reagiert sehr häufig auf das Chloroform.
Die Nieren, wenn sie auch normalerweise noch vollkommen funk-
tionsfähig sind, werden durch die Chloroformwirkung oft insul-
fizient, welcher Umstand bei der Prostatektomie ganz bedrohend
werden kann. Daß die beiden Hauptformen der allgemeinen
Anästhesie das Resultat. der Prostatektomie beträchtlich beeinflussen,
ist unstreitig. Gerade die besten Statistiken der neueren Literatur
liefern uns ganz eklatante Beweise dafür. So hat Freyer') in
1) Freyer, A recent series of 200 cases of total enucleation of the
prostata. Lancet 1911.
Zur Technik der Prostatectomia suprapubica. 105
seinem jüngsten Referat über Prostatektomie bei 200 Fällen eine
Statistik angegeben, nach welcher die Mortalität der Operation bloß
45% ist. Im ganzen hatte er nur 9 Tadesfälle, und 6 von diesen
sind solchen Ursachen zuzuschreiben, die mit der bei der Opera-
tion gebrauchten allgemeinen Anästhesie in Zusammenhang stehen.
(à Fälle von Urämie, 1 Fall von Bronchopneumonie.) Bei Joungt),
der von 484 Fällen perinealer Prostatektomie berichtet und eine
niedere Mortalitätsstatistik von 3,7700 angibt (17 Fälle), fallen
$ Fälle, also beinahe 50%, seines Verlustes, auf Konto der allge-
meinen Anästhesie.
Zuckerkandl?) fand bei 94 Prostatektomien eine Mortalität
von 16 Fällen, prozentual 1700. Todesursachen waren in 6 Fällen,
wo Komplikationen seitens der Respirationsorgane vorlagen, in
5 Fällen, wo Niereninsuffizienz auftrat. Der Verlust ist in Zucker-
kandls Statistik also ca. 70°, wo die Art und Weise der
Anästhesie einen entschiedenen Einfluß gehabt hat.
Die Nebenwirkungen der Chloroform- und Âthernarkose zu
beseitigen, oder dieselbe auf anderem Wege mit anderen Verfahren
zu ersetzen, tauchte als ein dringendes Verlangen auf. Die meisten
Kandidaten der Prostatektomie sind Leute über das 60. Lebensjahr.
In Freyers Statistik ist beispielsweise das Durchschnittsalter
69%/, Jahre. Bei diesem hohen Alter ist man fast gezwungen,
die obengenannten Wirkungen des Äthers:und Chloroforms in Be-
tracht zu ziehen, so daß man auch andere Verfahren zur
Anästhesie zu verwenden suchte.
So empfiehlt Gardner?) eine allgemeine Anästhesie mit Ni-
trogenoxydul. Dieses veraltete Verfahren beseitigt jene Hindernisse,
die durch die Chloroform- und Äthernarkose hervorgerufen werden,
doch ist dieses Verfahren, wie bekannt, aus gewissen Gründen sehr
unbequem und kann überhaupt nicht als gefahrlos betrachtet wer-
den, so daß wir diese Art der Narkose nur mit sehr viel Bedenken
als Ersatz für Chloroform und Äther annehmen können.
Die Spinalanästhesie hätte hier ein erfolgreicheres Gebiet. Doch
kann man die Lumbalanästhesie aus anatomisch-physiologischen
Ursachen bei alten Leuten nicht immer anwenden, da die Zugäng-
lichkeit des Wirbelkanals, sowie seine genauere anatomische Kon-
1) Joung, Les resultats de la prostatectomie. Annal. d. mal. gen. ur. 1911.
2) Zuckerkandl, Resultate der Prostatectomie. Wien. med. Woch. 1911.
1) Gradner, The indications for prostatectomie. New York med. journ. 1911.
100 Jaques Goldberger.
figuration, dureh das Alter sich derart verändert, daß die spinal
Anästhesie unausführbar wird’). Dabei soll auch bemerkt werden.
daß die Spinalanästhesie bei alten Leuten für gefahrvoll betrachtet
werden mub. No ist ein Exitus im vergangenen Sonmnner im Hosp.til
Neeker infolge von Lumbalanästhesie vorgekommen.
Die ideale Anästhesie bei der Prostatektomie wäre daher jese
Verfahren. wo wir das Chloroform und Ather eliminieren können,
keine neue Gefahrquellen einfuhren und keine teehnisehen Hinder
nisse zu bekämpfen haben. Ein solches Verfahren verdanken wir
in der modernen Chirurgie der Lokalanästhesio. Die Lokalanästhesie
beider Prostatektomia suprapubiea gibt uns die Möglichkeit dafur,
dab wir sämtliche Gefahren der Narkose eliminieren können, olme
dadurch den Erfolg der Operation zu sehädigen.
Herr Prof. agrégé M. Chevassu gab mir freundlichst die Er-
laubnis und Gelegenheit, dab ich mieh mit seiner bei der Prosta
teetomia suprapubica angewendeten Operationsteehnik befasse. wud
stellte mir auch zuglejeh sein operiertes Material zur Verfügung,
so daß ieh in der angenehmen Lage bin, über Prostatektomien zu
roferieren, die bei lokaler Anästhesie ausgeführt worden sind. Diese
operierten Fälle werden os wohl zeigen. daß die Gefahren der Chloro-
form- und Äthernarkose wohl überwindbar sind, ohne dab der opera
tive Erfole auch nur im geringsten Mabe beeinträchtigt wäre.
Ferner werden wir es sehen, dab mit der Technik des Prol. Che-
vassu auch andere, bei der Prostatektomie wichtige und viel dis
kutierte Fragen eine befriedigende Erledigung bekommen, sv die
Frage der aseptischen Enuklatton der Drüse, wie die funktionelle
Nierenprüfune.
Die Freversche Prostatektomie gestaltet sich nach Prof. Che-
vassus Verfahren folgendermaben :
Die Vorbereitung des Patienten beschränkt sieh nicht blob
auf die Untersuchung der Blase, sondern zieht auch den Zustand
der Nieren in Betracht. Es wird die „Azotemie” nach Widal und
der Constante ureique” nach \mbard bestimmt mittels des von
Chevassu angegebenen Verfahrens’), welches uns eime sehr ge-
naue Beobachtung einer eventuell vorhandenen Nierenalteration bei
Prostarikern ermöglicht. Falls die „Constante ureigne” einen höheren
1) Stuney, The use of spinal anaesthesie. Med, Presse 1911.
Freyer, L c
3) M. Chevassu, La dosage de l'urée sanguine et la constante ureique etc.
Presse Med. 1912.
Zur Techfik der Prostatectomia suprapubica. 107
Wert als 0,150 hat, so ist ein operatives Eingreifen sehr bedenkens-
wert. Wenn die Konstante einen Wert unter 0,150 hat, so haben
wir seitens der Nieren kein Bedenken. Der Kranke, bei dem die
oben erwähnte Untersuchung stets ausgeführt ist, wird nun zur
eigentlichen Operation vorbereitet. Das Operationsgebiet wird einen
Tag vorher abrasiert, mit Seife abgewaschen. Der Kranke wird auf
den Operationstisch gebracht. Unter das Gesäß ein Wattepolster
gelegt. In der Urethra wird ein gebogener Katheter eingeführt,
das Glied mit einem Mullstreifen locker umgeben, die Haut des
Abdomens bis zum Nabel mit Jodtinktur bepinselt.
Jetzt folgt die lokale Anästhesie mit einer Lösung von Novo-
caın (1:200), ohne Zugabe von Adrenalin, damit die von Adrenalin
hervorgerufene Blutdruckerhöhung vermieden wird.
Die Anästhesie der Haut wird mit 6—12 cm® Lösung besorgt,
der Hautschnitt beträgt bei mageren Individuen eine Länge vondcm,
bei Dickleibigen ist er größer, Maximum 8 cm. Dann wird das
subkutane Bindegewebe mit 4—3 cm® Lösung anästhesiert, nachher
führt man den Schnitt nach rechts bis zur Fascia superficialis.
Jetzt werden die Wundränder mit 2 Farabeufschen Ekarteure sanft
auseinandergezogen und nun wird weiterhin 2—3 cem? des Anästhe-
tikums mittels einer gekrümmten Nadel in der Scheidewand bis
zum oberen Rand der Symphyse injiziert. Mit weiteren 4—6 cm3
infiltriert man die Muskelschicht. Nachher werden die Muskeln
durchtrennt und in den Ekarteuren gefaßt. Auf diese Art kommt
man bis zur tiefen Fascie. Jetzt wird die Blase von einem Gehilfen
mit steriler Luft behutsam gefüllt (150—200 cm3). Nachher folgt
die Anästhesie des prävesikalen Raumes, mittels einer gekrümmten
Nadel, unmittelbar durch das hintere Blatt der Fascie. Es wird
2 cm? bis zum Rande der Symphyse injiziert, die vordere Seite der
Blase wird von unten nach oben mit einem Farabeufschen Ekarteur
gehoben, damit das etwaige Vorstülpen des Peritoneums zurück-
gedrängt werde vom Operationsfelde. Die vordere ‚Wand der Blase
stellt jetzt ein Viereck vor, dessen obere und seitliche Grenze die
Farabeufschen Ekarteure, die untere Grenze der obere Rand der
Symphyse ist. Jetzt folgt nun die Anästhesie der Blase. Im Blasen-
gewebe wird beiderseitig 1 cm? in der Mittellinie injiziert. In
diesem anästhesierten Gebiet werden nun 2 Fäden geführt, die zur
Suspendierung der Blase dienen. Damit man sich über die Lage
der Blasenhöhle exakt orientiert, führt man eine Probepunktion
mittels einer Pravazschen Spritze aus; falls sich die Spritze mit
108 Jaques Goldberger.
Luft füllt, so ist man in dem Blasenraum. Jetzt führt man neben
den Nadelstich ein Skalpell und schneidet 1—2 em breit in der
Blase ein. Mittels der 2 Fäden werden die Blasenwundränder
gespreizt.
Auf diese Art und Weise können wir den Blasensehnitt absolut
schmerzlos ausführen. Zur Enukleation «der Prostata genügt keine
J.okalanästhesie, da aber dieses Manöver ganz kurze Zeit beansprucht,
so können wir uns eines derartizen Anästhetikums bedienen, das
unserem Ideale am nächsten steht, das sowohl das Respirations-
wie Zirkulationsapparat verschont, und zur Ausführung einer kurzen
allgemeinen Anästhesie sehr geeignet ist. Ein solches Anästhetikum
ist das Chloräthyl, von welchem 3 cms, mittels der hermetisch
schließenden Uamuschen Maske appliziert, vollkommen hinreicht,
eine Anästhesie für eine Zeitdauer von 3 Minuten hervorzurufen.
In manchen Fällen braucht man 2 Ampullen, a 3 cm‘, aber diese
Quantität ist auch unschädlich.
Die Enukleation der Prostata geht folgendermaßen vor sich:
Der Operateur muß die Nägel seines Zeige- und Mittelfingers als
ein Enukleationsinstrument vorbereiten. Die Nägel sind lang und
mittels einer geraden Schere beiderseitig derartig zugeschnitten,
daß die Spitze des Zeirefingernagels kubitalwärts, die des Mittel-
fingers radialwärts gebogen ist. Die Nägel und Fingerspitzen müssen
besonders sorgfältig gereinigt und zuletzt mit Jodtinktur bepinselt
werden. Die linke Hand führt das rektale Manöver aus und ist
mit emem Gummihandschuh bekleidet. Sämtliche Metallinstrumente,
da sie die enukleierende Hand verletzen können, werden aus der
Wunde entfernt, die Blasenwundränder werden mittels der Fäden
zum Klaffen gebracht.
Der Operateur führt seine rechte Hand in die Wundhühle, die
linke zur Analöffnung. Jetzt wird die Chloräthyl-Ampulle ge-
brochen, der Patient fällt rasch in Narkose, Der Operateur führt
seinen rechten Zeigefinger in die Blase, den linken Zeigefinger
in den Anus, der Mittelfinger trachtet beiderseits dem Zeigetinger
nachzukommen. Der vesikale Finger orientiert sich mittels der
Katheterspitze, dieselbe führt den Finger zur urethralen Mündung.
Falls der Finger die Mündung erreicht hat, so wird der Katheter
entfernt. Nach der Orientierung, wobei die Gegend des „bas fond”
auf Vorhandensein von Steinen sorgfältig untersucht wird, inzidiert
man die Blasenschleimhaut mittels der Nägel.
Nach Chevassus Angabe ist dieses Manöver bei der urethralen
Zur Technik der Prostatectomia suprapubica. 109
Mündung leicht ausführbar, da hier vor der Basis des Mittellappens
der Nagel zur Inzision stets immer ausreicht. Von hier aus inzi-
dert der Nagel zum hinteren Pole nach rückwärts ziehend die
Schleimhaut der Prostata ringsum. Darauf folgt die Enukleation,
die auf einmal oder zweizeitig ausgeführt werden kann. Man führt
den Finger behutsam unter die Geschwulst beim unteren Pole und
spaltet die Urethralwunde mit dem Nagel, damit die Zerrung der
Urethra bei dem Herausheben der Drüse vermieden wird. Wenn die
Prostata groß ist, so ist dieses Manöver etwas schwierig, falls man
die Enukleation auf einmal ausführen will.
Die Zeitdauer der Enukleation wechselt je nach dem Falle,
bei leichten Fällen ist sie in 20—30 Sekunden ausführbar, so daß
eine allgemeine Anästhesie von Di Minuten schon genügend ist,
und man braucht auch in exzeptionellen Fällen kaum mehr als
3 Minuten. Nach der Enukleation wird die Maske entfernt, der
Patient ist noch 1—2 Minuten bewußtlos. Jetzt wird die Prostata-
höhle mit dem Mittelfinger der linken Hand vom Rektum aus
energisch massiert. Dann wird in die Urethra ein Katheter ein-
geführt, den die vesikale Hand in der Prostatahöhle ergreift und
bis zum suprapubikalen Wundrand zieht. Nachher führt der Ope-
rateur das Freyersche Drainrohr in die Blase. Durch den Katheter
irrigiert man 4 Liter heißes steriles Wasser. Bei diesem Manöver
ist der Operierte schon ganz bei Bewußtsein, aber frei von Schmer-
zen, da die lokale Anästhesie noch gut wirkt. Den Katheter läßt
man noch 4 Tage liegen, um eine ausreichende und gründliche
Spülung der Prostatahöhle mittels ihm auszuführen.
In dem Bisherigen trachtete ich ein kurzes Bild der Operations-
technik zu geben, nun will ich über die operierten Fälle referieren.
Ich bin in der Lage, die Statistik von 30 Fällen anzugeben, deren
ausführliche Beschreibung in der Inaugural-Dissertation von
A. Kreps!) gegeben ist. Hier soll nur folgendes ausgeführt werden:
Das Alter der Operierten war das folgende:
55—60 Jahre 4 Fälle
61—65 , 6 ,
66—70 ,. 8 .
71—75 7 ,
76—80 A ,
81—85 , 2 ,
/
2
A. Kreps, La Prostatectomie suspubienne etc. Paris 1912.
110 Jaques Goldberger, Zur Technik der Prostatectomia suprapubica.
Die meisten Operierten führten vorher ein Katheterleben, der Uri
war sehr wenig trüb. Die funktionelle Nierenprüfung nach dem
oben schon angegebenen Verfahren gab bei sämtlichen Fällen ein
befriedigendes Resultat. Was den Operationserfolg betrifft. waren
bei den 30 Operierten 3 Todesfälle, was 10°, ausmacht. Wenn wir
dieses Resultat mit anderen Operationsstatistiken vergleichen, so
müssen wir es für sehr günstig bezeichnen. Die Todesursachen
waren folgende: 1. bei eimem Söjährigen Greise 20 Tage nach
der Operation Kachexie; 2. bei einem 64 jährigen Manne 27 Tage
nach der Operation ITerzlähmung: 3. bei einem 69 jährigen Maune
6 Tage nach der Operation Bronehopneumonie. Wie wir sehen,
war keim. Todesfall infolge von Urämie, Operationschock, Tom
rhagie und lokaler Infektion.
Das Resultat dieser Operationstechnik beweist uns folgendes:
I. Die Lokalanästhesie kombiniert mit der kurzen Chloräthvl-
Narkose gibt uns die Moglichkeit, die Prostateetomia suprapubica
derartig auszuführen, daß die Gefahren der Chloroform- und Ather-
narkose elimmiert sind. 2. Die Spaltung der Prostatakapsel mittel
Nagel und der Gegendruck der Drüse, vom Operateur selbst aus-
geführt, kann ganz aseptisch mit dem Verfahren von Prof. Che-
yassu vorgenommen werden. Die Einwendung bezüglich der Ase sie
seitens Kümmelly und Wossidlo und anderer wird bei Am
wendung dieser Technik hinfällig. 3. Die Funktionsprüfung der
Nieren nach der Methode von Chevassu klärt den Zustand der
Nieren sehr exakt.
Zum Schlusse soll es mir erlaubt sein, IHerrn Prof. M. Che
vassu für sein freundliches Entzegenkommen und seine Unter-
stützung meinen innigsten Dank auszusprechen.
) Kümmel, 56. Chir. Koner, Berlin 1907.
?) Wossidlo, Wiener med. Woch, 1911.
Das Museum des XVII. Internationalen
Medizinischen Kongresses.
Ein Komitee, unter dem Vorsitz von Herrn Prof. Dr. A. Keith,
Royal College of Surgeons, England, ist ernannt worden, welches
den Zweck hat, ein Museum in Verbindung mit dem XVII. Inter-
nationalen Medizinischen Kongresse, London, 1913, zusammenzu-
stellen. Die Organisation ist diesem Komitee absolut überlassen
worden, und demselben ist Gewalt verliehen, angebotene Aus-
stellungsgegenstände anzunehmen oder abzuschlagen.
Eine Ansammlung von Gegenständen, welche die Fortschritte
der letzten Jahre auf dem Gebiete der medizinischen Wissenschaft
veranschaulichen, in einer Zentralstelle, dürfte zweifellos dem Plan,
daß sämtliche Sektionen einzeln die für die Vorträge erforder-
lichen Präparate und sonstige Objekte zusammensuchen und auf-
stellen, vorzuziehen sein. Ein in einer Zentralstelle aufgestelltes
Museum bietet einer großen Anzahl Kongreßmitglieder die Ge-
legenheit, diese Fortschritte an dem zur Verfügung stehenden Mate-
rial zu studieren, und dieses Studium gewinnt durch die Koordina-
tion der verschiedenen Abteilungen.
Das Komitee hat Bestimmungen aufgestellt, wonach das Museun
geleitet werden soll, und verfolgt einen ganz bestimmten Arbeits-
plan. Das Museum wird aus Ausstellungsgegenständen bestehen,
welche die in den verschiedenen Sektionen zu behandelnden Themata
illustrieren, und aus weiterem Material, welches’ dem Komitee von
Bedeutung und Interesse erscheint. Nur Ausstellungsgegenstände
von wissenschaftlichem Werte werden zugelassen werden; jedwedes
industrielle Element ist ausgeschlossen.
Vorzüglich geeignete Räume sind in dem Imperial College of
Science and Technology, South Kensiugton, London, S. W. zur Ver-
fügung gestellt worden. Das Museum wird hier in Abteilungen
eingeteilt, soweit dies ausführbar ist, in Übereinstimmung mit den
Sektionen des Kongresses. Die Vorstände der verschiedenen Sek-
112 Das Museum des XVII. Internationalen Medizinischen Kongresses.
tionen haben sich bereit erklärt, mit dem Komitee zusammenzu-
wirken, damit die Sammlung eine würdige werde. Es ist weiterhin
beschlossen worden, in Anbetracht der Tatsache, daß der Kongreß
in London tagen wird, und die Besucher zweifellos wünschen wer-
den, die Krankenhäuser und sonstigen Einrichtungen von Bedeutung
zu besuchen, keine Gegenstände aus den Londoner Museen zu ent-
nehmen. Deshalb sucht das Komitee Ausstellungsgegenstände von
auswärtigen Institutionen, resp. Privatsammlungen zu erlangen.
Naturforscher und Ärzte, die gewillt sind, dem Komitee Gegen-
stände, die die neuesten Fortschritte auf jedem Gebiete der medi-
zinischen Wissenschaft erläutern, zur Verfügung zu stellen, werden
gebeten, sich mit dem Sekretär, H. W. Armit (Ravenhurst, Talbot
Road. Wembley, bei London), in Verbindung zu setzen.
Das Komitee ist bereit, die Kosten der Beförderung der Aus-
stellungsgegenstände zu tragen und dieselben gegen Schaden und
Verlust zu versichern; es verspricht, jedwede Vorkehrungen zu
treffen, um die Gegenstände im guten Zustande den Eigentümern
zurückzuerstatten.
Die Herren Aussteller sind aufgefordert, ihre eigenen Präparate
in dem Museum zu erklären.
Schließlich sei bemerkt, daß von dem Vorstand des Kongresses
Erlaubnis eingeholt worden ist, eventuell auch nach Schluß des
Kongresses das Museum noch für einige Tage offen zu halten.
Vorläufige Liste der Themata, die in dem Museum des
XVII. Internationalen Medizinischen Kongresses Behandlung
finden werden.
1. Anatomie . . . . . . Präparationen.
Makro- und mikroskopische Präparate.
2. Physiologie . . . . . Neue Apparatsformen (nur solche von Physio-
logen werden ausgestellt werden).
Ergebnisse neuester Forschungen.
Anatomische Präparate, mit besonderer Berück-
sichtigung der Wechselbeziehungen der In-
nervation.
3. Allgemeine Pathologie Herzmuskelsystem.
Die Transplantation von normalen Geweben.
Die Pathologie des Choks,
3a. Pathologische Chemie Pathologische Zustände, auf der Einwirkung
von Nahrungsmitteln beruhend.
Klinische Anwendung der pathologisch. Chemie.
Die pathologische Chemie des Verdauungs-
traktus.
4.
ô.
Das Museum des XVII. Internationalen Medizinischen Kongresses.
Baktericlogie und Im-
munität
Pbarmakologie.
6. Innere Medizin
1.
Chirurgie .
‘3. Orthopädie.
10,
16.
. Geburtshilfe und Gynä-
kologie
. Augenkrankheiten .
Kinderkrankheiten.
. Nervenkrankheiten.
. Geisteskrankheiten.
. Hautkrankheiten und
Syphilis
. Urologie .
. Hals-und Nasenkrank-
heiten
Ohrenkrankheiten
Zeitschrift für Urologie. 1913.
113
Krebs.
Die filtrierbaren Vira.
Aussatz.
Anaphylaxie.
Nicht-bakterielle Toxine und Antitoxine.
Die Resultate der Tbermalbehandlung.
Chronische Arthritis.
Herzschlag.
Zuckerruhr.
Hämolyse,
Bösartige Geschwülste des Dickdarmes.
Gehirngeschwälste.
Intrathorakale Chirurgie.
Die Chirurgie der Arterien.
Die Behandlung der spastischen Lähmungen.
Die Behandlung der Skoliose.
Die Behandlung der Ankylose.
Die Behandlung der Gelenktuberkulose bei
Kindern.
Gebärmutterkrebs.
Blutungen aus der Plazentastelle.
Chronische Uveitis.
Glaukomoperationen.
Infektionen der Harnwege durch B. coli.
Der Einfluß der Blutdrüsen auf die Entwicke-
lung des Körpers.
Chirurgische Behandlung der Tuberkulose bei
Kindern.
Polioenkephalitis und Poliomyelitis.
Motorische Aphasie, Anarthrie und Apraxie.
Die Myopathien.
Parasyphilis.
Die Psychosen der Infektionen und Autoino-
kulationen.
Die Ausstellungsgegenstände dieser Sektion wer-
den im Generalmuseum nicht eingeschlossen
sein.
Nieren- und Blasentuberknlose im Anfangs-
stadium.
Bösartige Neubildungen der Prostata.
Neubildungen der Nase, der Nebenräume und
des Rachenraums.
Seltene Kehlkopfgeschwülste.
Krankheiten der Luftröhre und Bronchien.
Broncho-Ösophagoskopie.
Die Ausstellungsgegenstände dieser Sektion
werden im Generalmuseum nicht cinge-
schlossen sein.
8
114
15.
IS.
19.
21.
Mundheilkande . ..
Hygiene und Prophy-
laxe
Gerichtliche Medizin.
. Kriegschirurgie .
Tropenkrankheit:»n.
. Ratioiogie
Sonder-Abteilung
Das Museum des XVII. Iuternationalen Medizinischen Kongresses.
Periodontale Krankheiten.
Säuglingssterblichkeit in den ersten 4 Lebens-
wochen.
Sehstörungen bei Schulkindern.
Staubkrankheiten der Lunge.
Die gerichtliche Bedeutung der Syphilis.
Die Peychologie des Verbrechens.
Krankentransport der Verwundeten im Ge-
birgskrieg.
Hospitalschiffe.
Wasserversorgung auf dem Schlachtfelde.
Impfungen gegen Typhus.
Die sanitäre Organisation in den Tropen.
Caissonkrankheit,
Leishmaniase.
Rückfallfieber.
Beri-Beri.
Pest.
Tropische Hautkrankheiten.
Wurmkrankheiten.
Techn'sche Errungenschaften in den letzten
Jahrer.
Radiographien von den verschiedenen patho-
logischen Zuständen.
Museamtechnik.
Literaturbericht.
I. Gonorrhoe und Komplikationen.
Gonorrhea: Its prevention and cure by autotherapie. Von C.
H. Duncan-New York. (Medical Record, 30. März 1912.)
Unter Autotherapie versteht Duncan die Einverleibung der natür-
lichen Vakzine zusammen mit einem Teil der toxischen vom erkrankten
Körperteil abgesonderten Produkte in gesunde Gewebe. Der Autor wendet
wei Applikationsarten an.
1. Der Ausfluß wird auf die Zunge des Patienten deponiert. Da-
durch wird die Gonorrhoe in jedem Stadium geheilt, ja kann bei früh-
zeitiger Anwendung abortiert werden. Unveränderte lebende Gonokokken
in den Körper zu bringen, könnte gefährlich erscheinen. Nun hören wir
aber nur äußerst selten von einer Gonokokkeninfektion der Mundschleim-
haut, des Rachens und des Verdauungstraktus. Kommt es jedoch hier
zur Infektion, so nimmt diese einen so harmlosen Verlauf, daß praktisch
keine Gefahr vorliegt. Die Wirkung stellt sich der Autor so vor, daß
die gesunden fern vom eigentlichen Krankheitsherd liegenden Gewebe
die Fähigkeit haben, Antikörper zu bilden. Der Ausfluß wird mit Zucker
zu einer Paste verrieben, wovon l ccm etwa auf die Zunge des Patienten
gelegt wird. Dort verbleibt die Paste 5 Minuten und wird dann ver-
schluckt. Drei unvollkommen beobachtete oder mitgeteilte Krankenge-
schichten werden beschrieben, aus denen eine schnelle Heilung durch die
Ausflußpaste hervorgeht.
2. Fünf bis zehn Tropfen des Ausflusses werden in etwa 15 ccm
destillierten Wassers aufgenommen, gut durchgeschüttelt und etwa sechs
Stunden bei Zimmertemperatur stehen gelassen, noch einmal geschüttelt
und durch ein Berkefeld-Filter filtriert. Von dem Filtrat werden nur
wenige Tropfen subkutan injiziert. Das Filter, das etwa daumengroß
sein soll, läßt sich zur Behandlung aller möglichen Erkrankungen in
gleicher Weise verwenden. Es wäre nur bei Mikroorganismen ohne
Nutzen, die nur Endotoxine bilden oder die nicht autolysierbar sind und
dadurch die Endotoxine frei machen. Solche Spaltpilze sind dem Autor
aber nicht bekannt. Eine geringe Einschränkung liegt in der Anwend-
barkeit des Filters allerdings bei den Spaltpilzen, die das Filter passieren.
Das Filter muß vor und nach dem Gebrauch gekocht und mit destil-
lierrem Wasser gespült werden. Da der Preis ein mäßiger ist, kann für
jeden Patienten ein eigner Filter beschafft werden.
Gegenüber der von Wright eingeführten Opsoninmethode führt der
Autor eine Reihe von Vorteilen seiner Methode an: Es sind keine ana-
phylaktischen Erscheinungen zu befürchten. Die durch die Erhitzung
der Wright-Vakzine bedingte Einbuße an Wirksamkeit fällt fort. Zur
Kultivierung sind keine fremden Nährböden, die den therapeutischen
Wert der Vakzine mindern, notwendig. Die Methode gestattet, ohne Zeit-
H?
116 Gonorrhoe und Komplikationen.
verlust die Behandlung zu beginnen. Es lassen sich jederzeit den ein-
zelnen Stadien der Erkrankung folgend neue Präparate anfertigen, so
daß in jedem Stadium ein diesem Stadium adäquates Mittel vorhanden
ist. Die bei der Wright-Methode oft nicht auszuschaltenden Misch-
kolonien stören bei des Verfassers Verfahren nicht in gleicher Weise.
Die Herstellung des Mittels ist einfach, billig und erfordert keine Labo-
ratoriumsarbeit. Schließlich stellt die .Methode ein Mittel her, das alle
vom Körper produzierten Heilstoffe vereinigt enthält, während Wrights
Vakzine nur eins, die Bakterien, enthält. N. Meyer-Wildungen.
-The diagnostic use of gonococcus vaccine for gonorrheal in-
fections. Von E. H. Eising-New York. (Medical Record, 1. 6. 1912.)
Eising versuchte Gonokokkenvakzine zu diagnostischen Zwecken
kutan, intrakutan und subkutan. Nur der intrakutane Weg schien ihm
aussichtsreich.. Zur Verwendung kam eine Vakzine, die 100 Millionen
im ccm enthielt. An der Stelle der intrakutanen Injektion trat eine
umschriebene rote, leicht schmerzhafte Papel, mit einem Durchmesser
von 3—5 mm auf, die von einem roten Hof umgeben war. Die Nach-
untersuchung wurde 12—24 Stunden nach der Injektion vorgenommen.
In etwa acht Tagen war die Papel abgeblaßt.
Von 19 Fällen, die alle klinisch, zum Teil auch bakteriologisch,
gonorrhoischer Natur waren, reagierten nur drei zweifelhaft. Alle übrigen,
sicher nicht gonorrhoischen Fälle reagierten negativ.
N. Meyer- Wildungen.
Gonokokkenvakzine als diagnostisches Hilfsmittel. Von O.
Lederer-Prag. (Wiener med. Wochenschr. 1912, Nr. 40.)
L. hat das Arthigon in einer Reihe von Fällen zu diagnostischen
Zwecken verwendet und in dieser Hinsicht als sehr brauchbar gefunden.
Es gelang bei bestehender Gonorrhoe durch eine einmalige Injektion
größerer Mengen von Arthigon eine allgemeine und lokale Reaktion
hervorzurufen, welche bei Fehlen von Gonokokken nicht auftrat. Auch
die Komplementbindungsmethode ergab gute Resultate, während Versuche
einer Kutanreaktion ergebnislos verliefen. von Hofmann-Wien.
Die Frage der Vakzinetherapie und Vakzinediagnose der
Gonorrhoe. Von Guggisberg-Bern. (Münchn. med. Wochenschr. 1912.
Nr. 22.)
Die Vakzination bei Gonorrhoe wird in der Frauenklinik zu Bern
seit einem halben Jahre zur Diagnose und Behandlung angewendet. Vor
der Bestimmung des opsonischen Index wurde aus praktischen und theo-
retischen Gründen abgesehen. Bei der klinischen Beobachtung nach
subkutaner Injektion von Gonokokkenvakzine zeigen sich dreierlei Er-
scheinungen: 1. die Herdreaktion, hauptsächlich bestehend in leb-
haften Schmerzen am Sitz der Entzündung, vermehrtem Ausfluß und
Blutungen, zuweilen erneutem Erscheinen von Gonokokken. Sie tritt
beı den sicheren Fällen meist, aber nicht immer auf; 2. die Lokal-
reaktion (an der Einspritzungsstelle), sie ist ein ganz ungenaues Reagens;
Gonorrboe und Komplikationen. 117
3. de Allgemeinreaktion, meist auftretend in frischen Fällen, da-
gegen in älteren, sicheren Fällen oft fehlend. Der diagnostische Wert
der V. ist somit besonders bei negativem Ausfall wenig wertvoll.
Die Vakzinetherapie ist nach theoretischen Erwägungen ent-
schieden gerechtfertigt. Solange Allgemeinerscheinungen herrschen, ist
jede Injektion zu unterlassen; erst der lokale Herd, der einem niedrigen
Opsoningehalt entspricht, eignet sich zur Vakzinetherapie, aber auch der
nur, wenn die Bakterien nicht nur an der Oberfläche der Schleimhäute
sitzen. Zur besseren Ausnützung der opsonischen Kräfte sind Heißluft-
behandlung, Massage usw. mit heranzuziehen. Langsames Steigern der
Dosis gibt die besten Resultate. Die mittlere Dauer der Vakzination
beträgt + Wochen. Verwendet wurde eine von Merck verfertigte poly-
valente Vakzine, begonnen mit O,l ccm der Dosis II (40 Mill. Keime).
Die Resultate sind ermutigend, in allen abgeschlossenen, nicht zu alten
gonorrhoischen Herden tritt durch die V. eine wesentliche Begünstigung
des Verlaufs ein. Brauser-München.
The management of gonorrheal rheumatism. Von E. Fulerl-
New York. (Medical Record, 15. Juni 1912.)
Fuller hält den Ausdruck gonorrhoischer Rheumatismus für schlecht
gewählt. Denn die Rolle des Gonokokkus ist bei dieser Affektion nicht
klar. Seine Beteiligung an der Erkrankung ist wohl nur sekundär, viel-
leicht nicht einmal dieses. Ferner bietet es gewisse Schwierigkeiten,
Patienten, die viele Jahre gesund in glücklicher Ehe gelebt haben, sagen
zu müssen, daß sie an einer gonorrhoischen Erkrankung leiden. In
solchen Fällen spricht der Autor nur von absorptivem oder toxischem
Rheumatismus und erklärt den Patienten, daß sie an einem septischen
Herd leiden, von dem aus toxische Elemente in den Körper absorbiert
werden.
In neuerer Zeit sind günstige Berichte über Vakzinebehandlung bei
gonorrhoischem Rheumatismus veröffentlicht worden. Fuller glaubt nicht,
daß durch Vakzine der gonorrhoische Rheumatismus definitiv zur Aus-
heilung zu bringen sei. Denn da nach seiner Ansicht der eigentliche
Herd der Erkrankung in den Samenblasen liegt, kann nur durch Aus-
heilung der Samenblasenerkrankung der Rheumatismus geheilt werden.
Hit der weiteren Erfahrung über den Zusammenhang der Spermatocystitis
mit dem gonorrhoischen Rheumatismus sind einige wesentliche Punkte
genauer erforscht worden.
So war es dem Autor aufgefallen, daß der Grad der Samenblasen-
entzündung in keinem direkten Verhältnis zur Schwere des Rheumatis-
mus stand. Bald waren bei schwerer Samenblasenentzündung die rheu-
matischen Beschwerden nur unbedeutend, bald war das umgekehrte Ver-
hältnis der Fall. Es hat sich nun gezeigt, daß in jedem Fall die Vesi-
eulotomie das Schwinden der rheumatischen Erkrankung bedingte, womit
bewiesen war, daß geringe Veränderungen in den Samenblasen schweren
Rheumatismus zur Folge haben können. Dann sind im Laufe der Jahre
Fälle vorgekommen, die zunächst auf der orthopädischen, neurologischen,
Ja ophthalmologischen Station eingeliefert waren, bei denen die gonor-
118 Gonorrhoe und Komplikationen.
rhoische Infektion lange Jahre, bis über 20, zurücklag, ja bei denen
überhaupt keine Gonorrhoe anzunehmen war. In einem dieser Fälle
handelte es sich sicher um eine Streptomykose. Daß alle diese Fälle der
sogenannten Gruppe des gonorrhoischen Rheumatismus zuzuzählen sind,
geht daraus hervor, daß die Besserung mit der operativen Behandlung
der Samenblasen einsetzte.
Bezüglich der Operatiönstechnik haben sich seit der Veröffentlichung
derselben — Medical Record, 30. Okt. 1909 — einige Verbesserungen
herausgestellt. Zunächst ist zu beachten, daß bei schweren Rheumatismen
die sekundären Muskel- und Gelenkveränderungen sorgfältigste Behand-
lung erfordern. Ein zu energisches Vorgehen wie die gewaltsame Be
wegung ankylotischer Gelenke hat sich während der toxischen Periode als
nicht angezeigt erwiesen. Zwei Monate nach der Operation sollen diese
sekundären Veränderungen nicht ärztlich behandelt werden. Dem Patı-
enten sollen Übungen nach eigenem Ermessen überlassen bleiben. Häufig
ist dann das Eingreifen des Arztes nicht mehr erforderlich. Etwa einen
Monat nach der Vesiculotomie bemerkte Fuller bisweilen ein Wieder.
aufflackern der rheumatischen Symptome, die nach der Operation völlig
geschwunden waren. Als Ursache hat sich ein zu frühzeitiger Verschluß
der Operationswunde herausgestellt. Aus diesem Grunde entfernt er nicht
die äußeren Drains vor Ablauf von 10 Tagen, bis die tiefen Teile der
Wunde gut verheilt sind. Die Zahl der bis jetzt ausgeführten Vesicu-
lotomien beträgt 251, ohne Todesfall, 87 davon litten an Rheumatismus.
Die Resultate bei den rheumatischen Fällen sind in der letzten Zeit besser
geworden als früher wegen gründlicherer Operation und verbesserter Nach-
behandlung. N. Meyer-Wildungen.
The vaccine treatment of gonorrheal Complications. Vou
Ch. E. Panoff. (Americ. Journ. of surg. 1912, S. 332.)
Verf. benutzt nur autogene Vakzinen, und zwar gemischte, nämlich
Gonokokken und Staphylokokken (St. aureus, St. albus und citreus). Je
nach dem Falle enthalten die Kulturen 50—75—100 Millionen Keimo
in l ccm. Begonnen wird mit l ccm und, falls eine Besserung eintritt,
am 4. Tage diese Dosis wiederholt. Falls keine Besserung eingetreten
ist, werden am 4. Tage 2 ccm injiziert und diese Dosis eventuell nach
4 Tagen auf 3 ccm erhöht. Neuerdings hat DP versucht, 0,5 ccm der
Vakzine aber dann täglich zu injizieren. Entsprechend den Beobach-
tungen anderer Autoren hat DP bei einfacher Urethritis gon. mit der
Vakzinationsbehandlung keine Erfolge erzielt. Dagegen bewährte sich
diese Methode bei Komplikationen des Trippers, insbesondere bei Epi-
didymitis, Prostatitis und Gelenkrheumatismus. In einem Falle von Ge-
lenkrheumatismus erhielt der Patient 18 Injektionen mit einer Gasamt-
zahl von 1350 Millionen Gonokokken und 1800 Millionen Staphylo-
kokken. Er betrachtet eine Gonorrhoe erst dann für geheilt, wenn
1. im Harnröhrensekret nach Instillation einer Höllensteinlösung keine
Gonokokken gefunden werden, wenn 2. 6 mikroskopische Untersuchungen
des exprimierten Prostatasekretes negativ sind und 3. wenn die Komple-
mentablenkung negativ ist. R. Kaufmann-Frankfurt a. M.
Gonorrhoe und Komplikationen. 119
Die therapeutische und diagnostische Bedeutung der Vakzi-
nation bei Gonorrhoe des Mannes. Von Dr. Hermann Müller, Assi-
stent der Kgl. Poliklinik für Hautkrankheiten zu Halle a. S. (Medizin. Klinik,
Nr. 43. 1912.)
Diagnostisch verwertbar sind nach den Erfahrungen auf der Hallenser
Poliklinik mit der Vakzinetherapie bei der männlichen Urethralgonorrhoe
nur exzessive Stich- und Allgemeinreaktionen und der positive Ausfall
der Herdreaktion, welcher sich in vermehrter Sekretion mit gelegent-
licbem Wiederauftreten von Gonokokken und stärkerer Trübung des Urins
äußert. Der negative Ausfall aller Reaktionen schließt die Gonorrhoe
nicht aus. Therapeutisch ist die Vakzinetherapie völlig unwirksam bei
der offenen Schleimhautgonorrhoe. Bei der chronischen Gonorrhoe ist
die längere Zeit fortgesetzte Anwendung kleiner Dosen (0,2 bis 0,5 Ar-
thigon, 1,0 Menzer-Vakzin wöchentlich) eines Versuchs wert, indem hier-
durch die Involution bestebender Schleimhautinfiltrate angeregt zu werden
scheint. Die bisberige örtliche Behandlung wird durch die Vakzinethe-
rapie in keiner Weise entbehrlich. Kr.
Deux observations de rheumatisme blennorrhagique traité
par le vaccin gonococcique de Wright. Von Bonnamour. (Lyon
médical 1912. 25. p. 1463.)
Bonnamour gibt genauen Bericht über zwei Fälle von schwerem
gonorrhoischen Rheumatismus mit Hydrarthros, die in steigenden Dosen
von 1000000 bis 50000000 Keime enthaltenden Dosen des Wright-
schen Gonococcenvaccin behandelt und wenigstens zeitweise geheilt wurden.
Ein Patient bekam infolge eines durch Unfall hervorgerufenen zwei-
monatigen Krankenlager ein Rezidiv. Mankiewicz-Berlin.
Gonorrheal arthritis: methods of diagnosis and treatment.
Von G. K. Swinburne-New York. (Medical Record, 25. 5. 1912.)
Swinburne beschreibt neun Fälle gonorrhoischer Arthritiden. Bei
der Diagnose chronischer Fälle, die völlig unklar waren, hat sich ıhm
die Komplementbindungsreaktion vorzüglich bewährt. So gelang es bei
einem Arzt, der achtzehn Jahre lang wegen tuberkulöser Gelenkentzün-
dung behandelt wurde, mit der Komplementbindungsreaktion die gonor-
rhoische Natur des Leidens festzustellen und dann die wirksame Be-
handlung einzuleiten.
Therapeutisch hat sich die von Parke-Davis hergestellte Schäfer-
Vakzine außerordentlich bewährt. Den Namen hat Schäfer schlecht
gewählt, denn es handelt sich nicht um Bakterien, sondern deren Pro-
dukte: Eine große Anzahl verschiedener Bakterien werden auf geeigneten
Nährböden kultiviert und die mit Karbollösung vermischten Kulturen
durch ein Porzellanfilter filtriert. Das Filtrat stellt die Schäfer-Misch-
vaccine dar. Außer dieser kam die gonorrhoische Vakzine zur Verwen-
dung, die so hergestellt wird, daß die Mischvaccine zur Hälfte mit dem
aus Gonokokkenkulturen gewonnenen Filtrat versetzt ist.
N. Meyer- Wildungen.
120 Gonorrhoe und Komplikationen.
Über gonorrhoischen Gelenksrheumatismus. Von Dr. Géza
Tamassy, Assistenzarzt an der II. internen Klinik in Budapest. (Pester med.
chir. Presse 1912, Nr. 41, 42, 43.)
Die Arbeit gibt einen Auszug aus der Literatur und den über
dieses Thema handelnden Kapiteln der Lehrbücher ohne die Prätension,
Eigenes bringen zu wollen. Auch über die Wirkung von Gonokokken-
seren erfahren wir nur, daß die Versuche, welche noch im Zuge sind,
ien abschließendes Urteil noch nicht erlauben. Der Einfluß der Bier-
schen Stauungsbinde wird als eminent schmerzstillend gerühmt, Fixierung
in leichteren Fällen empfohlen. Bei schweren Fällen sind passive Be-
wegungen, eventuell in der Narkose auszuführen, um Ankylosenbildung
zu verhüten. A. Citron-Berlin.
Die Behandlung der Epididymitis gonorrhoica mit Gono-
kokkenvakzine (Arthigon). Von \. Buteau-Budipest. "Wiener med.
Wochenschr. 1912, Nr. 40..
B. berichtet über eine Reihe von Untersuchungen, die er an der
Abteilang für venerische Krankheiten des Pester Garnisonspitals ange-
stellt hat. Die Resultate der Arthigonbehandlung waren ganz vorzüg-
liche: die Entzündungserscheinungen traten nach kurzer Zeit in den
Hintergrund. das Infiltrat des Nebenhodens gelangte rascher zur Auf-
saugung. Im Gegensatze zu Bruck verwendet B. Arthigon auch bei
fiebernden Patienten. allerdings mit sehr großer Vorsicht und mit sehr
kleinen „Versuchsdosen* beginnend. von Hofmann-Wien.
Periostitis, Lymphangoitis, Lymphadenitis gonorrhoica. Von
Dr. Adolf Keil, Sekundärarzt am Prager Handelsspital. {Prager medizin.
Wochenschr. 1912, Nr. 39,
Aus der Krankengeschichte ergibt sich, daß bei einem 23 Jahre
alten Manne in der 4. Woche einer Gonorrhoe an der rechten Tibia
eine sehr schmerzhafte Periostitis auftrat. die mit einer von dort ihren
Ausgangspunkt nehmenden, allmählich progredienten Lymphangoitis und
kruraler Lymphadenitis verbunden war. Gonorrhoische Periostitiden sind
schon mehrfach beobachtet worden. In der weitaus überwiegenden Zahl
der Fälle sind sie aber ein Begleitstmptom einer bestehenden Arthritis
gonorrhoica. Dabei ist die Periostitis in der nächsten Nachbarschaft des
erkrankten (relenkes lokalisiert oder entwickelt sich auch an entfernten
Knochenpartien. In vorliegendem Falle bestand eine isolierte Periostitis.
Von besonderem Interesse und ın dieser Art bisher noch nicht beobachtet
ist die die Periostitis begleitende Lymphangoitis. Lymphangoitis ist im
Verlaufe gonorrhoischer Geienkserkrankungen. wenn auch selten. schon
beobachtet worden Lymphansoitis ais Beyleitstmptom einer gonorrhoi-
schen Periastitis ist jedoch noch nicht beschrieben. Es erhebt sich nun
die Frage. ob wir es tatsäch.ich mit einer gonorrhoischen Erkrankung
za tun haben. Mit oer Sicherheit wäre dann der Beweis erbracht,
wenn sich Gronokokken in dem aus der Perixstins mit einer Spritze
aspirierten Exsaiat nachweisen Assen wie dies Rubinstein und andern
geiazren ist. Die Uziesaisang kozme in voriiegeriem Falle zwar
=
Gonorrhoe und Komplikationen. 121
- nicht vorgenommen werden, doch ist Verf. überzeugt, daß es hier dieses
Befundes nicht erst bedurfte, um den Zusammenhang zwischen der Go-
norrhoe und der Periostitis mit Berechtigung zu behaupten. Differential-
disgnostisch kommt bezüglich der Periostitis nur die Lues in Betracht.
Es ließ sich aber bei dem Pat. Lues mit vollkommener Sicherheit aus-
schließen, und auch der Verlauf der Affektion sprach gegen eine luetische
Ätiologie. Der prompte Erfolg der Gonokokkenvakzine-Behandlung, die
ein überraschend schnelles Schwinden der Erscheinung bewirkte, be-
weist aber mit Sicherheit die gonorrhoische Natur der Komplikation.
Kr.
Beiträge zur Klinik der Gonorrhoe und ihrer Komplikationen.
Von Ed. Arning. (Arch. f. Dermatol. u. Syphilis, CXIII. Bd.)
Verf. ist der Ansicht, daß das gonorrhoische Virus im Laufe der
Zeiten eine Abschwächung erfahren hat, und glaubt dies damit zu be-
weisen, daB bei einem großen Krankenmaterial sowohl die akuten An-
fangserscheinungen sich weit weniger schmerzhaft gestalten als auch der
ganze Verlauf ein milderer geworden ist. Ferner hat er beobachtet,
daß die gonorrhoische Erkrankung der weiblichen Adnexe von einem
eigentümlichen Fieberverlauf begleitet ist, der so charakteristisch ist,
daß er ıhm als diagnostischer Fingerzeig zu dienen geeignet erscheint.
Zugleich mit dem Eintreten der Schmerzen geht die Temperatur steil
in die Höhe, fällt am nächsten Morgen fast zur normalen Höhe herab
und bleibt 1—4 Tage auf dieser Höhe stehen; dann kommt ein neuer
steiler Anstieg mit einem ebenso lange dauernden fieberfreien Intervall;
dies wiederholt sich 2—3 mal, dann geht die Kurve in die eines ge-
wöhnlichen intermittierenden Fiebers über.
Endlich ist der Verf. der Ansicht, daß nur solche Personen von
der gonorrhoischen Arthritis und Tendovaginitis befallen werden, die eine
arthritische harnsaure Diathese besitzen. Die in die betreffenden Ge-
webe verschleppten Gonokokken wirken wie ein Trauma, das in einem
gichtischen Gelenk eine Entzündung auszulösen vermag. Von diesem
Gedankengang ausgehend hat Verf. das von Weintraud bei der Gicht
empfoblene Atophan in Fällen von Tripperrheumatismus gleich von An-
fang an mit geradezu glänzendem Erfolge angewendet, und zwar in Dosen
von 3,0 pro die. F. Fuchs- Breslau.
„Neue Okklusivspüldilatatoren zur . Behandlung der weib-
lichen und der hintern männlichen Harnröhrengonorrhoe.“ Von
Arthur Heinrich-Neiße, (Münchner med. Wochenschr. Nr. 37.)
Als beste Prophylaxe gegen die Cervixgonorrhoe bei stattgehabter
Infektion bei der Frau bezeichnet Verf. die gründliche Behandlung der
Harnrôhre. In den Nischen der Schleimhautfalten der Harnröhre ist der
Schlupfwinkel der Gonokokken. Mit den bisherigen Methoden war es
sehr schwierig, die Bakterien zu beeinflussen. Durch eingeführte Stäb-
chen usw. kommt man nicht sehr weit, und auch Spülungen versagen
häufig, da bei der bisherigen Art der Spülung oder Injektion die Flüssig-
keit schnell in die Blase läuft, ohne vorher die Harnröhrenschleimhaut
122 Gonorrhoe und Komplikationen.
zu entfalten, in der die Gonokokken sich aufhalten. Um eine ratiouelle
Spülung der Harnröhre unter Ausschaltung der Blase zu ermöglichen,
hat Heinrich einen Spüldehner konstruiert. Die nähere Beschreibung
muß am besten im Original nachgelesen werden, wo sich auch 2 Ab-
bildungen befinden. Das Prinzip ist folgendes: An einer Art Spül-
katheter mit seitlichen Öffnungen befindet sich vorn ein kleiner Gummi-
ballon, der mit Wasser gefüllt werden kann. An dem andern Ende des
Instrumentes befindet sich ein Kompressionskonus, der leicht verschieblich,
der Kraft einer Spiralfeder folgt. Bei der isenundlung wird erst das
Instrument eingeführt bis in die Blase, dann wird der Gummiballon
mittels Wassers erweitert. Ein Zug am Instrument, und der Ballon liegt
in der Blase vor dem ÖOrificium int., dasselbe gegen die Urethra fest
verschlieBend. Vor das Orificium ext. wird der Kompressionskonus ge-
schoben, und die Harnröhre ist völlig nach oben und unten abgeschlossen.
Jetzt wird durch die seitlichen Öffnungen gespült, die Schleimhaut gut
ausgedehnt. Steigt der Innendruck in der Harnröhre, so überwindet er
de Federkraft des Konus, und das Medikament entleert sich spontan
in ein darunter gehaltenes Becken. Die Behandlung soll nicht weh tun.
Angezeigt ist sie nur bei subakuter Uretbralgonorrhoe. Verf. hat sie
bei einem recht kleinen Material, 7 Fällen, von denen 4 schon vorbe-
handelt waren und keine Gonokokken mehr aufwiesen, mit gutem Erfolg
angewendet. — Auch eine Anzahl männlicher Patienten (Zahlenangabe
fehlt) hat Verf. mit Spüldehner behandelt wegen Urethritis posterior.
Das Instrument ist analog dem für Frauen gebaut, nur braucht man den
Kompressionskonus nicht. erstens wegen des Compressor urethrae, zweitens,
weil man bei Spülung der ganzen Harnröhre die Glans mit dem Finger
komprimieren kann. Es gelingt bei dieser Art der Posteriorbehandlung
das Medikament bis in die Ausführungsgänge der Prostata dringen zu
lassen. Nach Methrylenblauspülung war das Prostatasekret gefärbt Indi-
ziert ist die Spüldehnung nur bei subakuten und chronischen Fällen und
besonders geeignet bei Erkrankungen der Prostata. Als Antigonorrhoi-
kum wurde ein neues, noch nicht im Handel erschienenes Silberpräparat
gewählt. Brauser-München.
Ein Vorschlag für eine neue Behandlung der männlichen
Gonorrhoe. Von caud. med. Arthur Müller-Heidelberg. Deutsche Zeit-
schrift f. Chir. 1912, Bd. 118, H. 5 6.
Die Mangelhaftirkeit der heutigen Gonorrhoetherapie liegt in ihrer
Ohnmacht, die Infektion auf die Pars anterior zu beschränken und die
Weiterverbreitung zu verhindem. Und dieser Umstand ist nicht zum
mindesten dem Modus der Injektionen zuzuschreiben, die vom Orificium
urethrae externum aus vorgenommen werden. Eine rationelle Tripper-
therapie aber soilte die Gonokokken nicht nur abtöten, sondern vor
anem ihrer Ausbreitungstendenz entgegenarbeiten. Eine derartige Therapie
wäre aen Verf. mogiech. wenn wir die Jnjextionen gonokokkentötender
und alstrinsierender Mittei nicht vom Onf. urethrae ext. aus, d. h. in
der Richtung der Ausbreitungsterdenz der Gunokokken vornehmen würden,
sondern in der ihr entgegergesetzten. d. b. in der Richtung vom Orif.
Gonorrhoe und Komplikationen. 123
urethrae int. zum Orif. urethrae ext. Durch eine derartige Therapie,
die also als eine Abortivkur im Janetschen Sinne aufzufassen ist und
selbstverständlich bloß bei frischen, akut verlaufenden Gonorrhöen in Be-
tracht kommt, würde man 1l. die Aufsteigung der Infektion verhüten,
2, die Gonokokken töten und 3. die Gonokokken mechanisch heraus-
schwemmen. Solche Injektionen, die je nach den Umständen 1—3 Tage
permanent durchgeführt werden müßten, kann man von der Blase aus
durch einen extraperitonealen Einstich knapp oberhalb der Symplıyse
machen, wie man ihn bei Harnretentionen auszuführen pflegt. Zu diesem
Zwecke nimmt man den Kuttnerschen Troikurt und einen 2°}, nm
dicken Weichgummikatheter, der bequem in die Kanüle des Troikurts
eingeführt werden kann. Der Eingrilf wird bei gefüllter Blase und unter
lokaler Athyläther- oder Novokainanästhesie vorgenommen. Zur Aus-
führung des Einstiches stellt mau sich zur Rechten des Pat., nimmt mit
seiner rechten Hand den Troikart und markiert mit dem linken Zeige-
finger in der Mittellinie die Symphyse und sticht über dem Zeigefinger
ein. Der Troikart wird dann senkrecht durch die Bauchdecken durch-
gestoßen; am Schwunde des Widerstandes merkt man, daß man in der
Blase ist; man umfaßt dann mit Daumen und Zeigefinger der liuken
Hand die Kanüle und zielt mit der rechten den Stichel heraus. Durch
die Kanüle führt man nun den Gummikatheter bis in die Blase ein und
entfernt die Kanüle über dem Katheter. Dies hat den Zweck, die
Blase nicht längere Zeit mit einem Metallinstrument zu belästigen. Der
Katheter wird nun am Bauch fixiert, damit er nicht in die Blase hinein-
rutscht und verbleibt so während der ganzen Dauer der Injektion. Er
wird nuu mittels eines Gummischlauches mit zwei Irrigatoren in Ver-
bindung gebracht; in dem einen befindet sich ein gonokokkentötendes
Mittel, in dem anderen ein adstringierendes; man kann nun nach Be-
lieben die eine oder die andere Flüssigkeit injizieren. Der Katheter ist
2!/,mm dick und gestattet in fünf Minuten 100 ccm Flüssigkeit aus
einer Höhe von 2 m durchzupassieren. Man führt 200 bis 300 ccm
Flüssigkeit ein, was in 10—15 Minuten erfolgt. Dann fordert man den
Pat. auf, kräftig zu urinieren. Diese Prozedur wird 2—3mal in der
Stunde vorgenommen, so daß am Tage 20--30 derartige Injektionen
vorgenommen werden und 6—101 Injektionsflüssigkeit durch die Urethra
fießen. Dabei kommen als Desinficiens ganz schwache Silberpräparate
wie Protargol '/,—2°/, auf 200 oder Kalium bypermang. 1:4000 bis
1:2000 in Betracht. Nachdem die Gonokokken nach mehrmaliger Unter-
suchung geschwunden sind, wird der Katheter herausgezogen. Die Ent-
stehung einer Blasenbauchdeckenfistel ist nicht zu befürchten. Kr.
Zur Frage der abortiven Behandlung der Urethritis gonor-
rhoica. Von Dozent Dr. Hugo v. Feleky, Chefarzt der urologischen Ab-
teilung der Budapester öffentlichen Poliklinik. (Folia urologica, Bd. VII, Okt.
1912. Nr. 3.)
Unser erstes und wichtigstes Bestreben muB sein, womôglich hint-
anzuhalten, daß der gonorrhoische Prozeß auf die hinteren Partien der
Harnröhre übergreife; denn zu einer wirklich ernsten, mit schweren
124 Gonorrhoe und Komplikationen.
Komplikationen einhergehenden Erkrankung wird die gonorrhoische Ent-
zündung erst dann, wenn ihre Ausbreitung nach rückwärts Platz gegriffen
hat. Zweck der abortiven Behandlung des Trippers ist, dem Fortschreiten
des gonorrhoischen Prozesses sofort zu Beginn der Krankheit — solange
die Erscheinungen noch minimale sind — durch rasche Abtötung der
Gonokokken vorzubeugen und so die Weiterentwicklung der Krankheit
zu verhindern. Die Abortion ist in allen Fällen der akuten Gonorrhoe
zu versuchen, sofern der Kranke sich rechtzeitig meldet, d. h. wenn so-
wohl die objektiven als die subjektiven Erscheinungen noch ganz geringe
sind; also in den allerersten Tagen, im Stadium der kaum merklichen
Entzündungserscheinungen, solange die Schleimhaut sichtlich noch nicht
geschwollen, die Ausscheidung gering und makroskopisch schleimig er-
scheint, und die subjektiven Empfindungen höchstens in kaum fühlbarem
Jucken oder Brennen bestehen. Je früher die Behandlung, um so sicherer
der Erfolg. Die abortive Behandlung ist nicht allein aus dem Grunde
einer erzielbaren raschen Heilung angezeigt, sondern weil wir hier-
durch das Zustandekommen einer Urethritis posterior regelmäßig ver-
hindern können, was deshalb von Wichtigkeit ist, da nahezu alle schweren
Komplikationen der Gonorrhoe eigentlich Komplikationen der Urethritis
posterior sind. Die von anderer Seite angegebenen abortiven Methoden
(Irrigationen, Instillationen, prolongierte Einspritzungen usw.) führen nur
selten zum Ziel, können hingegen bedeutende Nachteile: heftige Rei-
zungen, Schädigung der Schleimhaut und ernste Komplikationen verur-
sachen. Ohne jedweden Nachteil und mit sehr gutem Erfolg kann das
abortive Verfahren mittels des Urethroskops angewendet werden. Die
Pars anterior wird unter Kontrolle unseres Auges mit einer entsprechen-
den bakteriziden Lösung gründlich ausgespült. Der Tubus muß von
größerem Kaliber sein, und dementsprechend soll auch der Tamponträger
mit einem relativ großen Tampon armiert werden, — denn nur so ge-
lingt es, die Lösung mit allen Teilen der Schleimhaut in innigen Kon-
takt zu bringen. Die Pinselung geschieht mit folgenden Mitteln: 21/3 °/o
Argentum nitricum-Lösung, oder 10°/, Protargol-, Largin-, Albargin-
Glyzerin-Lösung. Das Verfahren muß eventuell 1—2 mal wiederholt
werden. Bei recht frühzeitigem Erscheinen des Kranken soll Argentum
nitricum, als das verläßlichste, angewendet werden. Nebst den lokalen
Eingriffen und als Nachbehandlung macht Pat. Einspritzungen; am ersten
Tage mit einprozentigem Liquor Alsoli, später abwechselnd mit Ichthar-
gan (0,10:200,0) und Zincum' sozojodolicum (1,0 : 200,0) Körperan-
strengungen sind verboten. Verfassers Statistik erstreckt sich nunmehr
auf 476 Fälle. Wenn er jene Fälle ausschaltet, wo der Pat. sich seinen
Verfügungen nicht unterwarf und sich nach dem scheinbaren Erfolg
gleich Schädlichkeiten aussetzte, und jene, wo infolge des späten Er-
scheinens des Kranken eine Erfolglosigkeit mit Wahrscheinlichkeit im
vorhinein vorauszusetzen war, so bleiben 446 Fälle, bei denen bis zum
Wegbleiben der für die Gonorrhoe charakteristischen diagnostischen Merk-
male die Dauer der mit lokalen Eingriffen verbundenen Behandlung sich
auf 4—13 Tage erstreckte. Das vollkommene Schwinden aller subjek-
tiven und objektiven Erscheinungen nahm außerdem noch eine kürzere
Gonorrhoe und Komplikationen. 125
oder auch etwas längere Zeit in Anspruch. Doch auch in den nicht
gelungenen Fällen war der Verlauf ein günstigerer und rascherer, als
wir dies sonst bei methodischer Behandlung zu beobachten pflegen.
Kr.
Über Protargol-Ersatz. Von Dr. O. Junghanns-Dresden, (Deutsche
med. Wochenschr. 1912, Nr. 38.)
An Stelle des Protargols hat Verfasser das Argentum proteinicum
(Heyden) in mehr als hundert Fällen weiblicher Gonorrhoe verwendet
und ist mit dem Erfolg sehr zufrieden. Es enthält 8,21 bis 8,3°/,
Argentum und entspricht in seiner Wirksamkeit ganz dem Protargol.
Da wo in der Praxis Ersatzpräparate verwendet werden, sollen sie erst
in Krankenhäusern einer ausgiebigen Prüfung unterzogen werden und
zum Unterschiede von minderwertigem Material auch die Fabrikmarke
beim Verschreiben hinzugefügt werden. Ludwig Manasse-Berlin.
Über die Verwendung des Chocolins bei der Therapie der
akuten Gonorrhoe und ihrer Komplikationen. Von Priv.-Doz. Dr.
P. Mulzer-Straßburg. (Medizin. Klinik 1912, Nr. 34.)
Bei der Therapie der akuten Gonorrhoe und ihrer Komplikationen
spielen zweckmäßige hygienische und diätetische Maßnahmen eine große
Rolle. Vor allen Dingen müssen alle Momente möglichst ausgeschaltet
werden, die zu einer Blutüberfüllung der Genitalien und der Becken-
organe führen. Seit etwa vier Monaten hat Verf. nun auf der Abteilung
für männliche Geschlechtskranke der Straßburger Universitätsklinik für
Hautkrankheiten das Chocolin (Michaelis), ein neues Abführmittel, das
mit einem Nährmittel (Schokolade oder Kakao) kombiniert ist, zur Unter-
stützung der Therapie in der Weise verwendet, daß er den Kranken
jeden Morgen eine Tasse (drei bis vier Teelöffel in eine Tasse reiner
Milch verrührt) hat trinken lassen. Es trat danach bei fast allen Pa-
tienten (akute oder subakute Gonorrhöen mit und ohne Komplikationen)
im Laufe des Vormittags mühelos eine reichliche, weiche Stuhlentleerung
ein, die ohne vorherige Leibschmerzen erfolgte. Das Getränk wurde
von allen Patienten gern genommen und bot auch auf der Abteilung
einen erwünschten Zusatz der bei der Gonorrhoetherapie so beschränkten
Getränkeauswahl. Zugleich wurde durch Chocolin der meist reduzierte
Ernährungszustand der Kranken gehoben. | Kr.
Blenotin, ein neues reizloses Antigonorrhoicum. Von Stabsarzt
Dr. F. Berger, Spezialarzt, Köln a. Rh. (Medizin. Klinik 1912, Nr. 17.)
Das Präparat kommt in Kapselform in den Handel. Die einzelne
Kapsel enthält 0,16 g Ol. Santali, 0,02 g Myrrha, 0,02 g Camphora,
0,12 g Hexamethylentetramin, 0,11 g Borsäure, 0,02 g Champignonextrakt.
Praktisch kommt bei dem Blenotin die Komposition des chemisch un-
veränderten O. Santali mit andern, speziell wirkenden Drogen zu einem
einzigen Präparate der Überführung ähnlicher Mittel in esterartige Ver-
bindungen gleich. Nebenher wird die Wirkung des Ol. Santali durch
diese Komposition erheblich verstärkt. Ferner erhöht die Zugabe des
126 Gonorrhoe und Komplikationen.
anf den Magendarmtraktus tonisierend wirkenden, eingedickten Saftes
aus frischen Champignons noch die Verträglichkeit des Mittels und beugt
dyspeptischen Erscheinungen vor. Der Kamphergeruch der Kapseln
machte sich nie in einer die Einnahme derselben belästigenden Weise
bemerkbar. Verf. unterließ absichtlich jede lokale Therapie bei der
Verwendung von Blenotin. Sehr deutlich war bei den mit Blenotin be-
handelten Kranken zu sehen, wie der sehr lästige und quälende Harn-
drang, der von Brennen und Tenesmen begleitet war, schon in meist
vier bis fünf Tagen nachließ. Die schnelle Besserung subjektiver Er-
scheinungen ging immer gleichen Schritt mit der Abnahme des eiterigen
Bodensatzes und der Klärung des zweiten Urins, welche durchschnittlich
am vierten Tage nach Beginn der internen Kur einsetzten. Kr.
Gonaromat „Taeschner“. Ein Balsamikum zur Behandlung
der Gonorrhoe. Von Vitte. (Allgem. Mediz. Zentralzeitung, 81. Jahrg.,
Nr. 37.)
Das Präparat besteht aus Ol. Santal. ostind. von 93—94°,, Santal-
ölgehalt und einer Reihe ätherischer Öle, nämlich Ol. macidis, Ol. cha-
momillae, Ol. cinnamomi,' Ol. Menth. piperitae, Ol. caryophyllorum. Nach
Verf.s Ansicht soll es allen Anforderungen, die man an ein brauchbares
internes Antigonorrhoicum stellen muß. entsprechen. F. Fuchs-Breslau.
Blennaphrosin, ein neues internes Antigonorrhoicum. Von
Herbst. (Allgem. Mediz. Zentralzeitung, 81. Jahrg., Nr. 36.)
Verf. vermißte bei unseren meist angewandten internen gonorrhoischen
Mitteln die den Geschlechtstrieb herabsetzende Wirkung. Da der Sal-
peter, Kalium nitricum, ein bekanntes Anaphrodisiakum ist, so ließ er
durch die Einhornapotheke in Berlin ein Arzneigemisch aus Salpeter,
Hexamethylentetramin und Extr. Kava Kava herstellen, dem der Name
Blennaphrosin gegeben wurde.
Das Mittel hat sich in einer größeren Reihe von Fällen ausgezeichnet
bewährt, besonders war die anterotische Wirkung jedesmal festzustellen.
Was die Dosierung anlangt, so wurden dreimal täglich 2—4 Kapseln ver-
ordnet. Um das Kalisalz länger im Körper zurückzuhalten, empfiehlt es
sich, eine salzarme Diät einhalten zu lassen. Außer den Kapseln gibt
es noch Blennaphrosinsuppositorien, die in Fällen, bei denen die Kapsel-
form nicht angebracht ist, zur Verwendung gelangen können.
F. Fuchs- Breslau.
Über die Einwirkung von gallensauren Salzen auf Gonokok-
ken. Von Dr. Karl Ritter von Hofmann-Wien. (Wiener klin. Wochen-
schrift 1912, Nr. 44.)
Die Behandlung akuter Gonorrhoen mit 5—10°/, Lösungen von
gallensaurem Natron, kombiniert mit Injektionen von Silberpräparaten
ergab günstige Resultate. Die Versuche wurden mit Menschen-, Rinder-
und Schweinegalle angestellt, ohne daß wesentliche Unterschiede in der
Wirkung konstatiert werden konnten. Unangenehme Nebenerscheinungen
wurden niemals beobachtet. Verbindungen von Gallensäuren mit Schwer-
Gonorrhoe und Komplikationen, 127
metallen ergaben wegen der Schwerlöslichkeit dieser Körper keine gün-
stigen Resultate. Verf. gedenkt seine Versuche auch auf chronische
Gonorrhoen, sowie Cystitiden auszudehnen. Autoreferat.
Über eine Modifikation der Gramfärbung, besonders mit
Rücksicht auf die Gonokokkendiagnose. Von Dr. Vilh. Jensen.
‚Berl. klin. Wochenschr. 1912, Nr. 35.)
Die Methode der Gramfärbung, die J. empfiehlt, unterscheidet sich
von der bisher im allgemeinen angewandten dadurch, daß er zur Primär-
firbung keine Beize benutzt, sondern eine einfache wäßrige Lösung von
Methylviolett */,°/,, die jahrelang haltbar ist; als Jodjodkalilösung ver-
wendet er eine solche von 1:2:100 Aq. dest., die schneller und ener-
gischer wirkt, als die schwächere; der Alkohol soll mindestens 90°/,
sein. Der Eiter soll recht vorsichtig dünn und eben ausgestrichen, die
Lufttrocknung ohne Erwärmung vorgenommen werden, die letztere ebenso
vorsichtig erfolgen, damit die zu färbenden Elemente nicht geschädigt
werden. Im einzelnen vollzieht sich die Färbung folgendermaßen: Aus-
streichen in dünner Schicht auf dem ÖObjektträger; Lufttrocknen; durch
die Flamme ziehen; nach Abkühlung Aufgießen einer '/,°/, wäßrigen
Methylviolettlösung TI, Minute; Abspülen mit Jodjodkalilösung
(1—2—100); noch einmal Jodjodkalilösung "„—1 Minute: Abspülen
mit absolutem Alkohol; weiteres Entfärben mit absolutem Alkohol; Auf-
gießen einer 1°/, wäßrigen Neutralrotlösung !/,—!/; Minute; Abspülen
mit Wasser; Abdrücken mit mehrschichtigem Filtrierpapier; Lufttrocknen;
Xylol, Deckglas und Ölimmersion. Paul Cohn-Berlin.
Mikroskopische Gonorrhoekontrolle der Prostituierten, ins-
besondere in der Praxis der Berliner Sittenpolizei. Von Georg
Güth. (Zeitschr. f. Bek. d. Geschlechtskrankh., Bd. 14, Nr. 1.)
Der Zweck der Prostituiertenüberwachung ist erfüllt, wenn die von
den kranken Mädchen ausgehende Ansteckungsgefahr beseitigt ist. Des-
halb ist die exakte Diagnose der Geschlechtskrankheiten für die staat-
liche Sittenpolizei das erstrebenswerte Ziel. Was zunächst die Diagnose
der Gonorrhoe anlangt, so wurde diese noch 1889 in Berlin auf rein
klinisch-symptomatischem Wege konstatiert mit dem Erfolge, daB !/,®/,
Erkrankungen nachgewiesen wurden. Mit Einführung der mikroskopischen
Gonokokkendiagnose schnellte die festgestellte Erkrankungsziffer der Pro-
stituierten auf 30°, empor.
Die von der Berliner Sittenpolizei geübte Gonorrhoekontrolle wird
vom Verf. genau beschrieben, und es muß dieser Behörde unbedingt das
Zeugnis ausgestellt werden, daß das System ihrer Untersuchung wunderbar
organisiert ist, und daß mit einem bei der enormen Zahl von Einzel-
feststellungen verhältnismäßig geringen ärztlichen Personal außerordent-
liche Erfolge bezüglich der Diagnose erreicht werden.
Leider sind die Heilungsaussichten der Prostituiertengonorrhoe sehr
mäßige, doch ist ein zu großer Pessimismus auch hierbei nicht ange-
bracht. Denn es gibt sehr beachtenswerte Stimmen, insbesondere Neißer,
die 37,5—45°/, Heilungen glauben konstatieren zu können.
128 Penis und Harnröhre.
Soviel steht jedenfalls fest, daß, je mehr gonorrhoekranke Prosti-
tuierte aus dem Verkehr gezogen werden, die Assanierung der Geschlechts-
krankheiten einen gewaltigen Schritt vorwärts kommt. Die Heilungs-
aussicht der frischen Fälle ist an sich schon günstiger, die älteren
zervikalen und uterinen Formen des Trippers werden in ihrer Infektio-
.sitâät zum mindesten durch Behandlung herabgesetzt. Dazu gehört aller-
dings eine Vermehrung der Prostituiertenkrankenhäuser und eine gründ-
liche ambulatorische Nachbehandlung. Es muß der mikroskopischen
Kontrolluntersuchung gelingen, möglichst alle Fälle der Prostituierten-
gonorrhoe ausfindig zu machen. F. Fuchs- Breslau.
IL Penis und Harnröhre.
a) Penis.
A specismen illustrating pseudohermaphroditism. Von A. C.
Geddes-Dublin. (Brit. Med. Journ., Sept. 28. 1912.)
Das Präparat stammt von einer 91jährigen Frau, welche während
des Lebens männlichen Habitus und männliche Neigungen gezeigt hatte.
Bei der Sektion fanden sich normale innere weibliche Genitalien, die
Vagina bis auf eine winzige Öffnung verschlossen. Außerdem fand sich
ein 7'/, cm langes penisartiges Gebilde, welches sich bei näherer Unter-
suchung als das hypertrophierte linksseitige Labium minus erwies,
von Hofmann-Wien.
Duplicitas penis. \on J. Böskay-Budapest. Krankenvorstellung im
Budapester kgl. Ärzteverein am 17. Februar 1912. (Orvosok Lapja 1912, No. 28.)
Autor demonstriert einen 3 Monate alten Säugling, bei dem Di-
phallia totalıs, auf beiden Seiten mit totaler Epispadiatis und Ectopia
vesicae urinariae kombiniert, vorhanden war. Ballantyne konnte bis
1891 insgesamt 20 Fälle in der Literatur feststellen.
Porosz-Budapest.
An unusual case of fibroid sclerosis of the corpora cavernosa.
Von M. Zigler-New York. (Medical Record, 13. Jan. 1912.)
Ein 51 Jahre alter Arbeiter, der 25 Jahre verheiratet war, hatte
vor Beginn seiner Ehe eine leichte Gonorrhoe durchgemacht und machte
sonst keine Angaben über andere Krankheiten, besonders Lues. Er litt
seit fünf Monaten an heftigen Schmerzen im Penis bei Erektionen, wo-
bei sich das Glied nach oben krümmte. Auf dem Penisrücken waren
zwei harte druckempfindliche Platten zu fühlen, beide etwa zwei Zenti-
meter lang. Die eine erstreckte sich von dem Sulcus coronarius nach
dem Stamm zu, die andere von der Peniswurzel distalwärte. Da die
Wassermannprobe positiv war, wurde reichlich Jodkali gegeben, worauf
die Schmerzhaftigkeit allmählich aufhörte und die Platten nach längerer
Zeit auch weicher wurden, so daß die Kohabitation wieder möglich wurde.
N. Meyer-Wildungen.
Penis und Harnröhre. 129
Epithelioma de la verge chez un sujet jeune. Von Jacob.
Suejete national de Chirurgie 1912, März, Archives vencrales de Chirurgie 1912.
dp. 60
Jacob bat bei einem jungen Mann vor vier Jahren wegen Epi-
theliom 6 em des Penis amputiert, die Lyinphdrüsen der Leisten und
der Ihacalregion wurden ausgeräumt. Miktion ohne Beschwerde. Bisher
kein Rezidiv. Mankiewicz-Berlin.
Eine einfache Form der Phimosenoperation. Von F. Galland.
‚Münch, med, Wochenschr. 1912, Nr. 23.)
Verf. macht den Längsschnitt so kurz, daß das Präputium eben
noch über die Eichel zurückgezogen werden kann. Die Vorhaut wird
nach Anlegung des Schnittes wieder vorgezogen und dann genäht. Re-
positimsversuche erst nach Verschwinden des Üdems.
Brauser- München.
Phimosenoperation. Von K. Büdinger-Wien. (Wiener klin. Wochen-
schnit 1912, Nr. 36.)
Das Präputium wird durch einen spiralförmigen Schnitt umkreist,
hierauf die Penishaut maximal zurückgezogen, so daß die Wunde hinter
det Glans in vollem Klaffen entwickelt ist. Auf diese Weise wird ein
dreieckiger Lappen gebildet, der durch einige Nähte an die Wundränder
leider Blitter fixiert wird. von Hofmann-Wien.
Artefizielle Hypospadie als Mittel gegen unpassierbare Harn-
röhrenstriktur. Von R. Hamilton Russell. (Australian Med. Journ.,
33. Dez. 1911.)
Bei einem Mann von 44 Jahren, der mit vollkommener Harnreten-
tion und beginnenden urämischen Symptomen ins Hospital aufgenommen
wurde, nahm Verf. folgende Operation vor: Das Skrotum wurde in der
Mittellinie der ganzen Länge nach aufgeschnitten, bis das Corpus spon-
giosum frei lag; jede Hälfte des Skrotums wurde dann für sich vernäht,
so dab jeder Hoden in einem besonderen Beutel lag; dann wurde die
Urethra eröffnet, hinter der verengten Stelle der Harnröhre und der Ein-
schnitt in seiner ganzen Länge auf beiden Seiten mit der äußeren Haut
vemäht, also eine perineo-skrotale Hypospadie geschaffen. Auf diese
Weise bleibt Penis und Glans frei und beweglich, wenn auch der Patient,
der genötigt ist, nach Frauenart Harn zu lassen, zeugungsunfähig bleibt.
Verf. hält diese Nachteile für bedeutungslos, da es sich meist um Männer
m der zweiten Hälfte des Lebens handeln wird. Er hat darum den
Einmiff in einem zweiten Fall mit gutem Erfolg wiederholt und emp-
fehlt, ihn in geeigneten Fällen zur Anwendung zu bringen.
W. Lehmann-Stettin.
À new method of exstirpating the penis. Von E. L. Keyes jr.
(Amer. Journ. of surg. 1912, p. 229.)
Bei der gebräuchlichen Methode der Penisexstirpation entstehen
sehr leicht starke Nachblutungen. K. verfährt daher folgendermaßen:
Zeitschrift für Urologie. 1913. 9
130 Penis und Harnröhre.
Es wird die Inzision des Perineums in Form eines umgekehrten V ge-
macht, dann dieser Schnitt durch einen medianen Schnitt, der das Skro-
tum halbiert, verlängert, nunmehr der Bulbus urethrae von den Corpora
cavernosa lospräpariert, aber nicht von vorm nach hinten, sondern umge-
kehrt von hinten nach vorn. Auf diese Weise gelangt man zu den
Arterien der Corp. cavernosa vor ihrem Eintritt in diese Schwellkörper.
Man unterbindet und durchschneidet sie und kann nun die Corp. caver-
nosa durchschneiden ohne Gefahr, höchstens mit einer unbedeutenden
Blutung aus den Venen. Vor kurzem hat Verf. nach dieser Methode
einen Patienten mit einem Epitheliom im skrotalen Teil der Urethra,
das auf die Corp. cavernosa sich erstreckte, operiert. Da der Tumor
sich nicht in die Pars pendul. urethrae erstreckte, wurde dieser Teil
nicht mitentfernt, sondern nur die erkrankte Partie, und das noch übrig-
gebliebene Penisstück in die Perinealwunde eingenäht. Die Operation
gelang auch vollkommen. R. Kaufmann-Frankfurt a. M.
Complete amputation of the penis by a jealous wife. Ca-
theter lost in bladder and extracted four weeks later with the li-
thotrite. Von G. F. Lydston-Chicago und H. F. Steere-Chicago. (New
York Medical Journal, 3. Febr. 1912.) |
Ein sexuell indifferenter Mann wurde von seiner Frau beschuldigt,
mit anderen Frauen in sexuellem Verkehr zu stehen. Es konnte jedoch
festgestellt werden, daß die Indifferenz durch äußerst schwere körperliche
Arbeit bedingt war. In einer Nacht. während der Mann tief schlief,
amputierte die Frau den Penis ungefähr einen Zoll vor der Symphyse.
40 Minuten später kam der Arzt und fand den Mann fast ausgeblutet
und halb kollabiert vor. Der Penis hing lose an einer schmalen Haut-
brücke. Der Stumpf wurde so gekürzt, daß die Urethra etwas länger
blieb, dann wurde diese gespalten und so über den Stumpf genäht, daß
eine Art Meatus zustande kam. Es wurde ein weicher Gummikatheter
als Verweilkatheter eingelegt. Der Katheter war einige Zeit darauf —
„verschwunden“. Vier Wochen nach der Operation wurde, da eine Cy-
stitis aufwetreten war, cystoskopiert und der inkrustierte Katheter zu-
sammengerollt in der Blase gesehen. Es gelang. ihn mit dem Lithotriptor
zu entfernen. N. Meyer-Wildungen.
Autoplastik der Haut des Penis. Von Cantas. (Archives provin-
ciales de Chirurgie 1911. 12.)
Cantas hat in einem Falle. in dem die Haut des Penis durch ein
gangränöses Erysipel völlig zerstört war, durch Tunnellierung der Haut
des vorderen Hodensackteiles eine neue Decke für das männliche Glied
geschaffen. Mankiewicz-Berlin.
b) Hararöhre.
L'inflammation du veru montanum et ses conséquences di-
rectes et réflexes. Von P. Orlowski-Berlin. (Journ. d’Urol., Tome I,
Nr. 6. 1912.)
Lallemand fand intuitir heraus, daß man die Stelle des Colliculus
Penis und Harnröhre. 131
mit der Instillation treffen müsse, um bei gewissen entzündlichen Sexual-
leiden gute Erfolge zu erzielen. Diese Technik verflachte sich später zu
schwachen Spülungen der ganzen Harnröhre.. — Durch Burkhard wurde
1889 mit Hilfe der Urethroskopie die Entzündung des Veru montanum
als anatomisches Substrat der chronischen Prostatitis erkannt. — Or-
lowski wies 1907 nach, daß die Hypertrophie des Veru montanum un-
abhängig von Prostatitis und Gonorrhoe bedingt ist durch eine lokale,
von sexuellen Reizungen hervorgerufene Entzündung, und schwere Folge-
erscheinungen wie Impotenz und ÆEjaculatio praecox nach sich ziehen
kann. Als Ursache dieser Entzündung anzusprechen ist die Störung des
Tonus in den Biutgefäßen; durch allerhand Reizungen und protrahierte
Erektionen geraten letztere in einen Zustand von Ermüdung und ver-
lieren ihre Elastizität. Die häufigsten Ursachen sind Coitus interruptus,
unbefriedigte Libido, Masturbation, Coitus repititus und retentus, seltener
Gonorrhoe. Die Entzündung des Veru montanum zeigt sich zunächst in
Hyperämie, dann in Exsudation und Infiltration und führt schließlich zur
Hypertrophie. Bisweilen gesellt sich hierzu ein schleimig-eitriger Aus-
flug, welcher für postgonorrhoischen Katarrh oder Prostatorrhoe gehalten
werden kann. Steigt die Entzündung zur Blase auf, so entwickelt sich
Nachträufeln, Urindrang und Tenesmus ohne Schmerzen. Auch auf den
Hoden kann sich die Entzündung fortpflanzen und erzeugt dann bei jeder
Erregung schmerzhafte Schwellungen.
Die so charakterisierten Fälle heilt O. alle restlos durch lokale Be-
handlung. Der Colliculus wird zuerst mit 20°, Argentumlösung verätzt,
wodurch er abschwillt und dann 8 Tage später einmal oder zweimal nach
fünftägigem Intervall oberflächlich mit dem Galvanokauter verschorft. Kon-
sekutive Harnretention und Epididymitis ist hierbei nicht immer zu ver-
meiden. A. Citron-Berlin.
Ein modifiziertes Goldschmidtsches Instrument zur Unter-
suchung und Behandlung der vorderen Harnröhre Von Dr. A.
Schlenzka-Berlin. (Berl. klin. Wochenschr. 1912, Nr. 30.)
Die vom Verf. angegebene Modifikation besteht darin, daß in den
vorne offenen Tubus des Anteriorinstrumentes ein Kanal eingefügt ist,
in welchen durch einen seitlichen Zugang Behandlungsvorrichtungen, wie
Brenner, Küretten, elektrolytische Nadeln, lange Kanülen, filiforme Sonden
u. dgl. eingeführt werden können, die ohne Schraubenvorrichtung mit
der Hand vorwärts und zurückgeschoben werden. Für die Anwendung
der Kauter empfiehlt Sch. jedoch den Goldschmidtschen Einsatzteil
mit Schraubenvorrichtung, da die Bewegung so gleichmäßiger und sicherer
ist, nötig ist nur dabei, die Lichtquelle in den Tubus selbst zu verlegen,
zu welchem Zwecke an dem offenen Ende desselben eine kleine Auf-
treibung angebracht ist, welche die kleine Valentinsche Metallfaden-
lampe aufnimmt. Statt der geraden Brenner kann man auch messerartige
gekrümmte Kauter und Küretten einführen, sowie filiforme Sonden, Ka-
nülen usw. Da sich das Instrument nach allen Seiten um seine Längs-
achse drehen läßt, so kann jede Stelle der Harnröhrenwand behandelt
werden, z. B. dürfte es auf diese Weise gelingen, schwierige Strikturen
dh
132 Penis und Harnröhre.
unter Leitung des Auges zu entrieren. Auch für die hintere Harnröhre
ist das Instrument brauchbar; in einzelnen Fällen ist es Verf. gelungen,
nach Einführung in die Blase die Ureterenmündungen einzustellen.
Paul Cohn-Berlin.
Neues Operationsinstrumentarium für die hintere Harnröhre.
Von Dr. Erich Wossidlo-Berlin. (Berl. klin. Wochenschr. 1912, Nr. 25.)
Das vom Verf. angegebene Öperationsendoskop für die hintere
Harnröhre unterscheidet sich von den bisher gebräuchlichen Gold-
schmidtschen und Lohnsteinschen dadurch, daß die Operationsinstru-
mente nicht nur in einer Ebene laufen, sondern frei beweglich sind, daß
ferner der Schraulenmechanismus, mittels dessen bei den anderen Appa-
raten die Instrumente hin und her bewegt werden, wegfällt, und daß in
einer Sitzung, während der Tubus in der Urethra liegen bleibt, ver-
schiedene Instrumente je nach Erfordernis angewendet werden können.
Um ohne Kalibersteigerung des Tubus genügenden Platz für die Opera-
tionsinstrumente zu gewinnen, mußte der Umfang der Optik erheblich
verringert werden, was jedoch ohne Beeinträchtigung der Größe des Ge-
sichtsfeldes und der Helligkeit des aufrechten Bildes gelungen ist. Die
Instrumente bestehen aus einer Knopfsonde, einem spitzen und einem
flächenförmigen, geraden und geknickten Galvanokauter, einem galvano-
kaustischen Messer, einer elektrolytischen Doppelnadel, einer Kürette und
einer scharfen Zange. Paul Cohn-Berlin.
Technik operativer Eingriffe in der Urethra posterior in
meinem Operationsurethroskop. Von Dr. Erich Wossidlo-Berlin.
(Folia urologica, Bd. VII, Nr. 1. 1912.)
Ehe Verf. auf die eigentliche Technik der Operationen eingeht,
schildert er sein Öperationsinstrumentarium. Er bedient sich für opera-
tive Eingriffe in der hinteren Harnröhre seines neuen Operationsinstru-
mentariums, das im Irrigationsurethroskop von H. Wossidlo arbeitet
und aus einer speziellen Optik, sowie einem Satze von Operationsinstru-
menten besteht, die aus einer Ebene heraus frei beweglich sind und je
nach Bedarf während derselben Sitzung gewechselt werden können, ohne
den Tubus entfernen zu müssen. Der gerade Galvanokauter, die elektro-
lytische Doppelnadel und die Knopfsonde werden bei der liegenbleibenden
Operationsoptik nach Abnahme des Okulars eingeführt. Der flächen-
förmige Galvanokauter, das galvanokaustische Messer, die Kürette und
die scharfe Zange werden nach Herausnahme der Öperationsoptik von
innen her durch die Öffnung im Verschlusse geführt und, nachdem sie
mit ihrem Griffe verbunden worden sind, zusammen mit der Optik zur
Operation eingeführt. Sämtliche Eingriffe müssen mit leichter Hand
unter steter Augenkontrolle gemacht werden. (Galvanokaustische Opera-
tionen sollen schrittweise unter häufigem Ein- und Ausschalten gemacht
werden. Es genügt häufig, zwei Drittel zerstört zu haben, wenn man
seinen Angriffspunkt auf die Basis der Gewebe verlegt. Ein einge-
schalteter Galvanokauter soll nie vesikalwärts bewegt werden. Die Ein-
griffe werden unter Lokalanästhesie mit 2°’, Alypin, eventuell mit Zu-
Penis und Harnröhre. 133
hilfenahme von 0,01 Morphium subkutan und eines Antipyrinklystiers
von 2 g vorgenommen. Nach der Behandlung ist es ratsam, 3 Tage
lang 3 mal täglich 0,5 g Urotropin zu geben. Schwere Störungen kommen
bei striktem Innehalten der Operationsregeln nicht vor. Kr.
Ersatz eines Harnröhrendefektes durch die Vena saphena.
Von Dr. Richard Mühsam. (Deutsche med. Wochenschr. 1912, Nr. 23.)
In der Sitzung der Freien Vereinigung der Chirurgen Berlins am
15. Januar 1912 stellte M. einen +47jährigen Patienten vor, bei dem er
zum Ersatz eines Harnröhrendefektes ein Stück der Vena saphena mit
Erfolg eingepflanzt hatte. Der Patient, der wegen seiner gonorrhoischen
Striktur viel bougiert worden war, kam mit den Erscheinungen von
Harninfiltration ins Moabiter Krankenhaus. Hier wurden die Infiltrate
gespalten, der Urin floß aus den Inzisionsstellen, eine Bougierung selbst
mit dünnen Instrumenten gelang nicht. Nach einer Reihe von Monaten
kam aber Patient wegen Harnverhaltung wieder ins Krankenhaus. Da
ein Katheterismus auf keine Weise möglich war, wurde zunächst Sectio
alta gemacht, ein Katheter retrograd bis zur Striktur eingeführt; von
dem Orificium externum der Harnröhre wurde ein zweiter Katheter ent-
gegengeführt. Dann wurde auf die strikturierte Partie eingeschnitten
und ihre Exzision vorgenommen. Zur Deckung des 6 cm großen De-
fektes wurde ein Stück der Saphena aus dem rechten Oberschenkel ex-
zidiert und dieses in die Urethra eingepflanzt, wobei der vordere Ka-
theter als Leitsonde diente; die Wunde wurde vollkommen verschlossen.
Der Urin wurde von der Blasenwunde aus abgeleitet. Trotz eines von
der Blasenwunde ausgehenden Erysipels heilte das transplantierte Stück
glatt ein. Urinentleerung und sexuelle Funktionen blieben ungestört.
An den Nahtstellen kam es zu leichter Narbenbildung, indes gelang es
stets, einen Katheter Charriere Nr. 20 in die Blase einzuführen, so daß
der Erfolg als ein sehr günstiger zu bezeichnen ist.
Ludwig Manasse-Berlin.
La dérivation urinaire temporaire (par l’hypogastre et le
périnée) dans les opérations sur l’urèthre. Von Prof. Rochet-Lyon.
(Journ. d’Urolog. Tome I, No. 5, 1912.) Ä
Die von Marion und Heitz-Boyer seit 2 Jahren geübte und
eifrig verbreitete Methode, bei Operationen in der Urethra den Urin
während der Wundheilung durch eine suprapubische oder perineale Fistel
abzuleiten, um die Vereinigung der Harnröhre nicht zu stören, wird
von Rochet aufs neue gerühmt und empfohlen. A. Citron-Berlin.
De la réconstitution de l’urèthre par ur6trorrhaphie circu-
laire avec derivation de l’urine. Von G. Marion. (Journ. d’Urologie
Tome I, No. 4, 1912.)
Die Wiederherstellung der Urethra durch zirkuläre Naht ist indi- `
ziert: 1. bei Zerreißungen der Harnröhre; 2. bei hartnäckigen Strikturen
traumatischen und entzündlichen Ursprungs; 3. bei perinealen Urinfisteln.
— Ein Haupterfordernis für den guten Erfolg dieser Operation ist die
134 Penis und Harnröhre.
Fernhaltung jeder Reizung und Infektion von der Vereinigugstek
Die Diuersonde aber, welche gewöhnlich nach Urethralnaht eingelar
wird, ist dem ungestörten Wundverlauf hinderlich. Marion leitet de-
halb den Urin durch eine perineale oder suprapubische Fistel während
der Wundheilungsperiode ab und erzielt so vorzügliche Dauererfoise
Die Operationstechnik, in-besondere die Anwendung von Stütznähten.
wird an vorzüglichen Abbildungen veranschaulicht. A. Citron-Berlr,
Urétrectomie totale. Von It. Horand. (Soeicte nationale de mide-
eine de Lyon 12. IT. 1012. Lyon médical 7 IV. 1912, 14, p. 778.)
R. Horand hat bei einer 53 jährigen. etwas gelb ausschenden Frau,
die seit 15 Jahren an gewissen Harnbeschwerden litt, als Ursache einer
akuten Harnretention eine nicht passierbare karzinomatöse Striktur, die
leicht blutete, festgestellt. Jaboulay exzidierte die ganze Harnrö re
nähte die Blasenschleimhaut an die Mukosa des Vestibulum urethrae mit
Katgrut und erzielte trotz kleiner Nekrose Heilung mit Kontinenz, Pfister
epithelkrebs auf (rund einer angeborenen Harnröhrenklappe.
Mankıewicz-Berlin.
Zur Kenntnis der Harnröhrensteine. Yun Dr. Alexander Brit-
new, Assistent der chir. Abt. des Gouvernement-Landschafts-Krankenhauses ın
Smolensk. (Deutsche Zeitschr. f. Chir. 1912, Bd. 118, H.5 u. 6.)
Verf. hat das gesamte Material des Smolensker Krankenhauses aus
den Jahren 1900—1909 verarbeitet, um einen AufschluB über die
Häufigkeit der Harnröbrensteine im Verhältnis zu den übrigen Affektionen
des Harnapparates zu gewinnen. Als erstes mub die Seltenheit der
Urethrasteine festgestellt werden (0,82°, aller Erkrankungen der Han
wege, 0,29, aller Harn- und Geschlechtskrankheiten und 0,03", aller
Erkrankungen, welche stationär behandelt wurden), sowie auch die extreme
Seltenheit der primären Steme, der angeborenen Divertikel und para
urethralen (Gänge In den 24 Fällen von Urethrasteinen konnte nur
zweimal von primären Steinen die Rede sein, wobei sich der eine an
der Stelle eines Ductus paraurethralis entwickelt hatte. Alle übrigen
Fälle müssen auf Grund des klinischen Bildes zu der Gruppe der sekun-
dären Urethrasteine gezählt werden. Verf. Material bestätigt ferner die
Annahme der Seltenheit der weiblichen Urethrasteine, da alle 24 Fille
männliche Personen betrafen. Am häufigsten waren die Phosphatsteine.
Kr.
Chronic posterior urethritis. vesiculitis and epididymitis in
men beyond middle Life. Von MR. Parker-('hicago. {Medical Record.
27. Jan. 1912.)
Niebt selten sind bei Männern von etwa 50 Jahren chronische Ure-
thritis posterior, Vesieulitis und Epididymitis zu gleicher Zeit vorhanden.
Ätioloxisch sind drei verschiedene Gruppen zu unterscheiden, die tuber-
kulöse, die gonorrhoische und die hyperämische. Die letztere ist nach
dem Verfasser die häufigste, und nur: diese Gruppe ist Gegenstand der
Erörterung.
Die Krankengeschichte ist gewöhnlich folgende: Bei Männern, die
Penis und Harnröhre. 135
keine gonorrhoische Vorgeschichte haben und bis ungefähr zu ihrem
fünfziesten Lebensjahr ein regelmäßiges sexuelles Leben führen, wird
durch das allmähliche Erlöschen der (senitalfunktionen der Frau der
regelmäbige Koitus aufgegeben und bald ganz eingestellt. Die Folge ist
eine Hrperämie in den Genitalorganen, die nicht mehr durch das Ab-
schwellen nach normalem Koitus zur Norm zurückkehren. Es resultiert
eine hiperämische Reizung der Urethra posterior und vermehrte Zell-
bildung in der Prostata, die zur Hypertrophie führen kann. Einige dieser
Fälle und das sind die hier behandelten, enden nicht in Prostatahvper-
trophie, sondern führen zu chronischer Entzündung der Urethra posterior,
zu Vesieulitis und Epididymitis.
Die Behandlung dieser Fälle wird zunächst die allgemein übliche
sein. In einigen Füllen versagt diese jedoch völlig, hier tritt oft mitten
in der Behandlung ein Rezidiv der Samenblasenentzündung ein, während
die Epididvmitis sich bessert, und umgekehrt. Es hat sich ein Circulus
vitiosus etabliert. der nur durch Unterbrechung des Infektionsweges ge-
stört werden kann.
Nach dem Vorgang von Cheatwood hat der Autor 11 derartire
Fille durch Vasektomie aeeie Da gewöhnlich nur eine Seite befallen
it, fult der einzige Einwand gegen die Vasektomie, die Sterilisation des
Mannes, fort. Die Methodik ist folgende: Der Samenleiter wird unge-
fibr einen Zoll von der Raphe entfernt dicht an die Skrotalhaut ge-
bracht. dann umfabt ihn ganz eng der linke Daumen und Zeigefinger,
eine Nadel wird eingestochen, dicht an der Hinterwand des Samenleiters
vorbeigeführt, auf der anderen Seite herausgeleitet, in der gleichen Linie
etwas tiefer wieder eingestochen und auf demselben Wege an der Hinter-
wand des Samenleiters vorbei wieder herausgeführt. Die beiden Enden
werden durch einen verlorenen Knoten fest Serknötet: so daß auf diese
Weise der Samenstrang dieht an die Haut herangebracht und jede Blu-
tung verhindert ist, Jetzt wird mit einem kleinen Schnitt durch die
Skrotalhaut auf den Samenleiter eingeschnitten und dieser, leicht an seiner
wriben, silbernen Farbe kenntlich, mit einem Schlingenführer angehakt
und vorgezogen. Zwei Jigaturen werden angelegt und etwa 11, Zoll
des Samenleiters exstirpiert, Die Stümpfe werden versenkt, der verlorene
Knoten gelöst, die Enden fest angezogen, wodurch der Einschnitt sich
schließt und verknotet. Kollodiumverband. 2—3 Tage Bettruhe.
Der Verfasser glaubt, daß die Hyperämie der Sexualorgane infolge
Ausbleibens der normalen Abschwellung einen Hauptfaktor i in der Ätiologie
der Proxtatahypertrophie bildet, der bisher zu wenig gewürdigt wurde.
N. Meyer-Wildungen.
Urethrothermische Therapie. Von P. Schartff-Berlin. (Münchner
med. Wochenschr, Nr. 30.)
Verf. hat bei der Firma Sanitas-Berlin sowohl eine Serie gerader
Urethrotherme (ër die vordere Harnröhre, wie auch ein nach Guyon
geborenes Instrument für die Posterior herstellen lassen. Sie wurden in
Anlehnung an die Elektroden zur Behandlung der Gonorrhoe nach
Markus gearbeitet. Ein kleiner, durch einen Heizdraht erwärmbarer
136 Penis und Harnröhre.
Metallzylinder wurde für die geraden Instrumente so hergestellt, daß er
in verschieden kalibrierte Metalltuben hineingeschoben werden kann. In
die Seele des Rheostaten wird während seines Gebrauchs ein bis 60°C
geeichtes Thermometer eingeführt, so daß man stets die Temperatur
kontrollieren kann. Der Apparat wird mit der Lichtleitung eines An-
schlußapparates verbunden und nun kann man durch Ausschaltung des
Rheostaten des letzteren eine allmählich ansteigende Erhbitzung des
Instrumentes erzielen. Leider lassen sich die Instrumente nur von
20 Charriere aufwärts konstruieren. Nach Erfahrung von Scharff wirkt
die hyperämisierende Behandlung schmerzstillend, resorbierend, ernährungs-
fördernd, immunisierend. Als Optimum bezeichnet Verf. eine Temperatur
von 45°C während 20—30 Minuten. In akuten Fällen wendet er die
Hyperämie allein an, bei Behandlung von chronischen Entzündungszu-
ständen kombiniert er Hyperthermie mit dem dynamisch wirkenden
Druck, er steigt mit dem Kaliber der Sonden an. Bei derartiger
Bougierung wird nicht nur die Schmerzempfindung so stark herabgesetzt,
daß die Einführung des zweiten Instrumentes viel weniger Beschwerden
macht als die des ersten, sondern man findet die Harnröhre soviel dehn-
barer, daß man 2—3 Nummern der nächsthöheren Sonden überspringen
kann. In einem Fall gelang es dem Verf. einen Patienten mit 4 Strik-
turen erfolgreich ohne Störung des Allgemeinbefindens mit seinem Ure-
throtherm zu behandeln, so daß er bequem mit 28 Charriere bougieren
konnte, während der betreffende Fall früher jeder Behandlung getrotzt, häufig
sogar mit septischem Fieber geantwortet hatte. Bei der akuten Gonorrhoe soll
man die hyperthermische Behandlung unterlassen. Brauser-München.
Injection of paraffin for incontinence of urine following
trauma to urethra. Von E. H. Eising-New York. (Medical Record,
27. April 1912.)
Eising beschreibt folgende zwei Fälle:
1. 36 Jahre alte Frau. Drei Geburten. Die Inkontinenz trat nach
der ersten Geburt vor 14 Jahren auf. Ein Versuch, das Harnträufeln
durch Faltenbildung zur Heilung zu bringen, schlug fehl. Längs der
Urethra wurde submukös eine Paraffininjektion gemacht mit unmittelbar
einsetzender sehr heftiger Reaktion. 8 Tage hielten die Schmerzen und
die Schwellung an. Seitdem — die Injektion liegt ein halbes Jahr zu-
rück — ist die Kranke völlig geheilt.
2. Es handelt sich um eine 38 Jahre alte Frau, die seit 8 Jahren,
seit der Geburt ihres einzigen Kindes an Harmträufeln litt. Da der
Uterus retroflektiert lag, glaubte man das Leiden durch die Ventrofixatio
uteri heilen zu können. In der Tat hörte nach der Operation das Harn-
träufeln auf, trat jedoch jedesmal nach Anlegen eines Korsetts wieder
ein. Drei Paraffininjektionen wurden ausgeführt. Erst nach der dritten
war das Harnträufeln auch bei Korsettragen völlig beseitigt.
Zur Verwendung kam das gewöhnliche im Handel erhältliche Pa-
raffin ohne jede Beimengung. Die Injektion geschah ohne Spezialspritze,
doch mit sterilisierten Sämischlederhandschuhen, die das Manipulieren
mit der heißen Spritze gestatten. N. Meyer-Wildungen.
Hoden und Hüllen. 137
Primary sarcoma of the male urethra. Von Ernest G. Mark-
Kansas City. (Annals of Surgery, März 1912.)
Sarkome der Harnröhre sind sehr selten; ein primäres Sarkom der-
selben ist 1—2 mal in der Literatur erwähnt. Verf. berichtet deshalb
über einen von ihm beobachteten Fall bei einem 24jährigen Manne. Die
Neubildung war ziemlich schnell gewachsen und erstreckte sich, als der
Patient in Behandlung trat, von vorn, etwa 1 Zoll hinter der Glans, bis
in den Skrotalteil der Urethra. Hodensack nebst Inhalt, Samenblase und
Prostata waren normal. Seit einiger Zeit bestand serösblutiger Ausfluß
aus der Harnrôhre. Im Urethroskop sah man unregelmäßige polypöse
Massen im Bereich des ganzen Umfangs der Harnröhre. Mittels des
Urethroskoptubus, der nach Art einer Kürette gebraucht wurde, wurden
die Geschwulstmassen in 2 Sitzungen (mit einem Intervall von 6 Tagen)
mit ziemlicher Mühe, so gut es ging, entfernt, bis zum Lig. triangulare.
Nunmehr konnte die cystoskopische Untersuchung angeschlossen werden,
welche eine hochgradige Cystitis, aber keine Neubildung in der Blase
ergab. Eine suprapubische Drainage und regelmäßige Sondierungen
wurden angeschlossen. Der Patient verweigerte eine radikale Operation
und entzog sich nach 6 Wochen der Behandlung. Die Neubildung war
inzwischen wieder schnell gewachsen. Die histologische Untersuchung der
entfernten Geschwulstmassen zeigte, daß es sich um Sarkom handelte.
Lohnstein.
Angiome de l’uröthre. Von Tuffier. (Societe nationale de Chirurie,
März 1912. Archives generales de Chirurgie 1912. 6. p. 679.)
Tuffier kam zu einem Kranken mit enormen Harnröhrenblutungen.
Der Spiegel zeigte ein Angiom der Harnröhrenschleimhaut. Eine
Radiumkapsel wurde an die Stelle der Geschwulst gelegt und führte
zur Heilung. Jetzt hat der Kranke ein Angiom am Skrotum und eine
erektile Stelle an der Eichel und an der Vorhautwurzel. Diese ganze
Gegend der Mißbildungen wird vom dritten Sakralnervenpaar versorgt.
Mankiewicz-Berlin.
ill. Hoden und Hüllen.
Über die Verwendung eines Klebemittels bei Untersuchung
auf Spermien. Von Dr. B. Solger-Neiße. (Dermatologisches Zentralblatt
1912, Nr. 11.)
Bei der mikroskopischen Untersuchung nicht ganz frischen Spermas
empfiehlt es sich, zur Vermeidung der Herausspülung von Spermatozoen
den trocknen Aufstrich vor der Färbung mit Kollodium und Oleum Ri-
cini im Verhältnis von 2:1 zu überpinseln, einer Mischung, welche
Straßer schon früher vorgeschlagen hat. Das Öl wird dann durch
Alkohol wieder entfernt und der Alkohol durch Abspülen oder Trocknen.
— Es empfiehlt sich übrigens, jedes Objekt vorher im ungefärbten Zu-
stand zu untersuchen. A. Citron- Berlin.
138 Hoden und Hüllen.
Maligne Erkrankungen des Hodens und ihre operative Be-
handlung. Von Morriston Davies-London. (Lancet, 17. Febr. 1912.)
Verf. kommt zu folgenden Schlußfolgerungen:
1. Alle Hodentumoren sind als maligne zu betrachten. 2. Die kli-
nische Beobachtung darf sich nicht täuschen lassen von anamnestischen
Angaben, wie z. B. vorausgegangene venerische Erkrankungen, Entwick-
lung der Geschwulst des Hodens im Anschluß an einen Unfall, Schwel-
lung des Hodens seit Kindheit u. a. m. 3. Auf einen Hodentumor soll
der Verdacht sich lenken, wenn die Schwellung oval, nicht durchscheinend
und verhältnismäßig schmerzlos ist. 4. Der Verdacht hat als bestätigt
zu gelten, wenn die Geschwulst weich oder elastisch ist und eine leicht
gelappte Oberfläche hat. 5. Zunahme der Pulsation des Samenstranges
spricht für einen Tumor, ist aber nicht pathognomonisch. 6. Auch eine
solide Geschwulst kann so elastisch sein, daß sie das Gefühl der Fluk-
tuation vortäuscht. 7. Man muß Lei einer Hodenneubildung stets an die
Möglichkeit abweichender klinischer Symptome denken. 8. Bei unsicherer
Diagnose und der Möglichkeit einer Neubildung sollte ein operativer Ein-
griff vorgenommen werden; erweist sich der Tumor als syphilitisch, so
ist kein Schaden geschehen; ist es Tuberkulose oder Hämatom, so war
die Operation der korrekte Weg. 9. Ist die Diagnose eines Tumors
sicher, so muß eine radikale Operation vorgenommen werden, mit Ent-
fernung der Hoden, des Samenstranges, der Lymphgefäße und der sie
umgebenden Faszien, sowie der Lymphdrüsen in der Gegend der Aorta
und Vena cava — wenn nicht die lumbalen Drüsen sich in sehr hohem
Grade beteiligt erweisen oder sich schon Metastasen finden.
W. Lehmann-Stettin.
Maligne Erkrankung des Hodens und operative Entfernung
der ilio-lumbalen Lymphdrüsen. Von H. Morris. (Lancet, 9. März 1912.)
Verf. berichtet ausführlich über zwei sehr interessante Fälle, aus denen
hervorgeht, daß Karzinom des Hodens in einem gewissen latenten Zu-
stand verharren kann, so daß operierte Patienten jahrelang frei von Re-
zidivsymptomen bleiben, daß aber eine schließliche Wiederkehr der Er-
krankung eigentlich immer zu erwarten ist. Wenn man nun dagegen
hält, daß eine frühe Beteiligung der ilio-Jumbalen Lymphdrüsen oft nn-
möglich festzustellen ist, und anderseits die Entfernung dieser Drüsen
sich oft als unmöglich herausstellt, jedenfalls die Operation zu einer sehr
eingreifenden und schweren gestaltet, so ist es schwer, dieser „verbesserten
Operationsmethode“ allzuviel Vertrauen entgegenzubringen.
W. Lehmann-Stettin.
Über künstliche Befruchtung bei Epididymitis duplex. Von
Dr. Rohleder-Leipzig. (Deutsche med. Wochenschr. 1912, Nr. 36.)
Die Frage der künstlichen Befruchtung beschäftigt gegenwärtig die
ärztlichen Kreise wieder etwas lebhafter; unter diesen Umständen wird
das Studium des Rohlederschen Aufsatzes über künstliche Befruchtung
bei Epididymitis duplex einem gesteigerten Interesse begegnen selbst
dann, wenn einzelne Ansichten auch Widerspruch erfahren sollten. Für
Hoden und Hüllen. 139
die Vornahme der künstlichen Befruchtung stellt Rohleder die Er-
füllung folgender Vorbedingungen auf:
„nl. daß diese nicht vorgenommen wird viele Jahre resp. gar Jahr-
zehnte nach Ablauf der Epididymitis duplex resp. der letzten Epididy-
mitis, sondern innerhalb ein bis zwei Jahren nach dieser;
2. eine mikroskopische Untersuchung des dem Hoden unmittelbar
entnommenen Sekretes auf den Spermatozoengehalt, ob noch gut aus-
gebildete, d. h. gesunde Spermatozoen in genügender Anzahl vorhanden
sind (ihre Unbeweglichkeit ist, wie gesagt, normal);
3. entweder den Patienten Coitus condomatus vornehmen zu lassen
und das Sekret auf folgendes zu untersuchen, oder noch besser mittelst
Feleki vom Mastdarm aus die Prostata auszudrücken und den auf einem
trockenen Glasschälchen aufgefangenen Prostatasaft a) auf Gonokokken,
b) auf Spermageruch, c) auf Böttchersche Spermakristalle zu unter-
suchen (ev. nach Zusatz von Ammonium phosphoricum), d) dem Hoden-
sekret Prostatasaft zuzusetzen und zu sehen, ob er unter den Spermato-
zoen Leben und Bewegung auslöst. Ist der Prostatasaft gonokokkenfrei,
hat er Spermageruch, Böttchersche Kristalle und vermag er die Sperma-
tozoen in lebhafte Bewegung zu setzen, so sind alle Bedingungen zur
Vornahme einer solchen erfüllt, und diese kann von Erfolg sein.“
Die künstliche Befruchtung mit dem Sperma eines anderen lehnt
Rohleder schlankweg ab, dagegen ist er damit einverstanden, daß bei
krankhaftem Prostatasekret des Ehemannes ein anderer Prostataspender
mit Wissen und Wollen der Eheleute herangezogen wird. Gerade in
diesem Punkte dürften die Anschauungen Rohleders in rechtlicher und
moralischer Beziehung Widerspruch erfahren. Ludwig Manasse-Berlin.
Potentia generandi trotz doppelseitiger tuberkulöser Epidi-
dymitis. Von Dr. P. Bull-Christianie. (Deutsche med. Wochenschrift 1912,
Nr. 40.)
Zu der neuerdings wieder in den Vordergrund gerückten Frage
der Zeugungsfähigkeit bei doppelseitiger Epididymitis liefert Bull einen
sehr interessanten Beitrag.
Bei einem schon in der Jugendzeit tuberkulös verdächtigen Patienten,
der im ersten Jahre seiner Verheiratung (1904) ein gesundes Kind ge-
zeugt hatte, mußte im Jahre 1906 der rechte Hoden und Nebenhoden
wegen Tuberkulose entfernt werden. Hierbei wurde bereits eine Er-
krankung der linken Seite und ein Jahr später auch eine Beteiligung
der Prostata festgestellt. Von weiteren chirurgischen Eingriffen wurde
Abstand genommen, um die Libido und die Potentia co&undi nicht zu
gefährden. 1910 und 1912 wurde das Sperma untersucht; es mangelte
ihm der charakteristische Spermageruch und die Florencesche Reaktion,
ein Meerschweinchen (1910) mit dem Sperma geimpft ging an typischer
Impftuberkulose zugrunde. Trotzdem hatte der Mann in der Zwischen-
zeit noch zwei gesunde Kinder gezeugt, bei denen die Pirquetsche Reak-
tion negativ war. Die Frau blieb, trotzdem sie dauernd der Infektion mit
dem tuberkulösen Samen ausgesetzt war, dauernd von den Erscheinungen
einer Genitaltuberkulose frei. Ludwig Manasse-Berlin.
140 Hoden und Hüllen.
De l’epididymectomie dans la tuberculose genitale Von N.
Marinesco, rumänischem Sanitätsoffizier, Arbeit aus dem Hopital Lariboisière,
Abteil. Dr. Marion. ‘Journ. d’Urolcgie, Tome I, No. 6, 1912.)
Verf. bespricht epikritisch 96 Fälle von Genitaltuberkulose, welche
von Marion mit Epididymektomie behandelt wurden. — Wenn die
Genitaltuberkulose einer allgemeinen antituberkulösen Behandlung nicht
weicht, muB man chirurgisch eingreifen. Die Entfernung der Epididymis
verbunden mit der Entfernung des Ductus deferens ist eine Operation,
welche sich auf die Verletzung der abführenden Samenwege beschränkt,
den Hoden schont und dessen innere Sekretion erhält. Die Epididymo-
Deferentektomie ermöglicht es, durch Entfernung des primären Herdes
der Genitaltuberkulose die Heilung prostatischer und vesikaler Läsionen
herbeizuführen. Die genannte Operation muß durch die Entfernung der
Samenblase ergänzt werden, wenn diese vereitert oder stark vergrößert
ist. Ferner muß der Ductus deferens der entgegengesetzten Seite unter-
bunden oder entfernt werden, wenn die Samenblase dieser Seite erkrankt
ist, auch bei völliger Intaktheit des entsprechenden Hodens und Neben-
hodens. Die Operation führt in den meisten Fällen zur definitiven
Heilung. Bisweilen erkrankt danach der Hoden der operierten Seite;
man darf annehmen, daß der Hoden in diesen Fällen schon vor der
Operation in nicht nachweisbarem Grade ergriffen war.
A. Citron-Berlin.
Orchites filariennes bilatérales, Décortication partielle des
testicules et résection partielles des varices lymphatiques des cor-
dons spermatiques. Von M. Maudaire. (Archives générales de Chirurgie
1912, 5, p. 552.)
Maudaire berichtet eine Beobachtung von doppelseitiger Orchitis
durch Filaria sanguinis. Ein 49 jähriger Mann zeigt seit 30 Jahren
Filariaveränderungen des Hodens mit schmerzhaften Zeichen acuter Hoden-
entzündung alle sechs Wochen. Die Hoden wurden teilweise von ihrer
Kapsel entblößt und die Lymphvarızen der Samenstränge größtenteils
entfernt. Nach der Operation blieben die Schübe akuter Orchitis drei
Jahre fort, dann erschienen sie wieder. Im Intervall der Anfälle sind
die Hoden etwas hypertrophisch, im Samenstrang beider Seiten fühlt man
ein Paquet Lymphvarizen. Wenn der Kranke am Beginn der Affektion
von der Kapsel des Samenstranges und des Hodens durch Exzision be-
freit worden wäre, würde das Resultat besser sein.
Mankiewicz- Berlin.
Orchitis with unusual features. Von L. B. Bangs-New York.
(Medical Record, 2. 3. 1912.)
Ein 4ljähriger Mann ohne venerische oder tuberkulöse Anamnese
erhielt einen Schlag gegen den rechten Hoden, worauf dieser anschwoll.
4 Monate später traf denselben Hoden ein Tennisschläger, worauf die
Schwellung zunahm und schmerzhaft wurde. Ein drittes Trauma ge-
schah beim Reiten durch Pressen des Hodens an den Sattel. Jetzt
wurde der Hoden sehr groß und außerordentlich schmerzhaft, leichte
Prostata und Samenblasen. 141
Temperaturen traten auf. Trotz schmerzlindernder Umschläge nahm die
Schwellung noch zu, worauf eine Spaltung der Tunica albuginea aus-
geführt wurde. Die Schmerzen nahmen sofort wesentlich ab, so daß
Herumgehen möglich wurde. Die Schwellung wuchs jedoch weiter, das
Skrotum wurde purpurrot, und an seinem unteren Ende bildete sich eine
Auktuierende Hervorwölbung. Da Schwellung und Schmerzen wieder zu-
nahmen, wurde die ÖOrchidektomie beschlossen. Die Tunica vaginalis
war sehr stark verdickt, ihre beiden Blätter verklebt. Beim Lösen der
Verwachsungen mit den Fingerspitzen fiel, ohne jeden Zug, der stark
veränderte Hoden heraus, „wie ein reifer Apfel vom Ast“.
Die Untersuchung ergab: Eine akute Hodenentzündung mit starken
Blutextravasaten und Zerstörungen der Tubuli, eine akute Epididymitis,
die neben einer alten chronischen bestand. Keine Spur von Tuberkulose
oder Syphilis. N. Meyer- Wildungen.
„Neuralgia of the testicle“ caused by adhesions. Von E. G.
Ballenger und O. F. Elder-Atlanta. New York Medical Journal, 27. 7. 1912.)
Ein 52 Jahre alter Mann war vor 12 Jahren mit gespreizten Beinen
auf einen Zaun gefallen. Der linke Hoden war geschwollen und schmerz-
haft. Zwei Wochen später war die Schwellung vergangen, die Schmerzen
waren aber größer geworden. Seit dieser Zeit waren dreimal Schwel-
Jongen und Schmerzen in Form von Anfällen aufgetreten, die eine Epi-
didymitis vortäuschen konnten. Der Patient hatte niemals Gonorrhoe,
doch eine chronische Prostatitis mit Koli und Staphylokokken.
Ein dumpfer, nicht heftiger Schmerz hatte den Patienten seit dem
Unfall nie verlassen und ihn zu einem Neurastheniker gemacht. Da der
Zustand für den Patienten unerträglich wurde, drang er auf Entfernung
des Hodens. Nach Inzision der Tunica vaginalis wurden etwa 15 ccm
klarer Hydrozelenflüssigkeit entleert. Der Hoden war etwas vergrößert.
Zwei fest haftende Bänder verliefen vom Globus maior zur Vorderfläche
und zur Innenseite des Hodens, bis etwa zur (Grenze seines oberen und
mittleren Drittels. Das größere Band war 16 mm lang und 9 mm breit,
das kleinere 11 mm lang und 6 mm breit.
Trotzdem die Autoren bestimmt glaubten, daß die Schmerzen des
Patienten durch die Bänder bedingt waren, beschränkten sie sich nicht
auf die Entfernung der Bänder, sondern exstirpierten den Hoden, weil
sie es dem Patienten versprochen hatten. N. Meyer- Wildungen.
IV. Prostata und Samenblasen.
Sexual neurasthenia and the prostate. Von G.F. Lydston-Chi-
cago. (Medical Record, 3. Febr. 1912.)
Lydston glaubt, daB bei der sexuellen Neurasthenie fast immer
eine funktionelle Störung des Sexualapparates vorliege, die ihrerseits auf
eine organische Erkrankung zurückzuführen sei. Bei der Neurasthenie
des Mannes lassen sich weit häufiger Hyperämien und Hyperästhesien
der Prostata und der hinteren Harnröhre feststellen als Veränderungen
irgendwelcher anderer Organe. Die Prostataveränderungen können zu Ver-
142 Prostata und Samenblasen.
dauungsstörungen, Koprostase, Kopfschmerzen, Melancholie, Hypochondrie
und manchen anderen Erkrankungen führen, ja zu einem Symptomenkom-
plex, der der Hysterie der Frau vollständig entspricht und den man
logischerweise Prostaterie nennen müßte.
Wohl alle diese Kranken sind Masturbatoren gewesen, viele haben
sexuell exzediert, nicht wenige haben Gonorrhoe in der Anamnese. So
läßt sich bei jedem Masturbator eine geschwollene und empfindliche Pro-
stata feststellen, bei vielen nächtliche Pollutionen. Im allgemeinen wird
die allgemeine Behandlung der Neurasthenie im Verein mit der lokalen
Behandlung zur Heilung führen. Doch kommen gelegentlich Fälle vor,
bei denen die allgemeinen Beschwerden zurückgehen, der lokale Befund
gebessert wird und trotzdem eine allgemeine Unlust und Melancholie ein-
tritt. Hier ist Ortsveränderung und Klimawechsel unbedingt angezeigt,
eine Seereise wirkt bisweilen Wunder. In anderen Fällen, die durch
Spermatorrhoe, Prostatorrhoe oder häufige Pollutionen kompliziert sind,
versagt oft die Behandlung. Hier hat sich dem Autor die temporäre
Resektion der Vasa deferentia sehr bewährt. Nach der angegebenen
Methode — Journal of American Medical Association, Vol. 18 — läßt
sich später die Anastomose leicht wiederherstellen. Am schwierigsten
sind die Fälle sexueller Neurasthenie, die an Impotenz leiden. Oft hilft
hier die Prostatamassage und die Behandlung des Colliculus. In anderen
Fällen versagen diese Methoden, dagegen hat sich die Resektion der
Vena dorsalis penis bewährt. Mißerfolge anderer Operateure sind teil-
weise darauf zurückzuführen, daß irrtümlich nicht die Vena dorsalis penis,
sondern die dorsale Hautvene exstirpiert wurde. N. Meyer- Wildungen.
Guérison d’une fistule perinéo-prostatique par la pâte bis-
muthée. Von Adrien Lippens-Brüssel. (Journ. d'Urologie, Tome I,
No. 6, 1912.)
Während durch Injektion der Beckschen Wismutpaste Nephrekto-
miefisteln oft zur Heilung gebracht wurden, versagte diese Methode bis-
her bei dem Versuche, sie zum Verschlusse von Fisteln der unteren
Harnwege zu benutzen. Lippens gelang es jedoch eine perineale Pro-
statafistel, ein Residuum nach Prostatomie, durch zweimalige Injektion
von Wismutbrei zur Heilung zu bringen. Die Fistel, welche Urin
führte und periodisch abszedierte, schloß sich zwar nicht völlig, doch
hörten Abszeßbildung und Urinabsonderung nach kaum einmonatlicher
Behandlung auf. A. Citron-Berlin.
Das Wesen der Prostatahypertrophie und deren Therapie.
Von Dr. med. Wilh. Karo in Berlin. (Medizin. Klinik. Nr. 18. 1912.)
Verf. steht auf dem Standpunkte, daß die Fälle von Prostatahyper-
trophie in 2 total verschiedene Kategorien einzuteilen sind, nämlich in
solche mit echter Tumorenbildung (Hypertrophie im pathologisch-anato-
mischen Sinne! und in solche ohne notwendige anatomische Veränderungen
mit Störungen ihrer inneren Sekretion: letztere Kategorien bilden die
Fälle von Prostatismus. Aus dieser Auffassung des Krankheitsbildes
ergibt sich auch für die Kausaltherapie eine Zweiteilung; für die Fälle
von echter Tumorenbildung wird eine chirurgische, für die Fälle von
Prostata und Samenblasen. 143
Prostatismus eine spezifisch konservative Therapie indiziert sein. Die
Resultate unserer modernen Prostatektomie sind so vorzüglich, daB sich
heute die Prognose der Prostatahypertrophie weit günstiger als früher
gestaltet. Wenn nicht ernstere, das Allgemeinleiden schwer schädigende
Komplikationen vorliegen und der Patient noch nicht dekrepid ist,
können wir der Radikaloperation stets eine günstige Prognose stellen.
Für diejenigen Fälle, die als Prostatismus zu bezeichnen sind und die
keine Indikation zur Operation abgeben, bietet sich nur in der Organ-
therapie mit dem Testikulin eine aussichtsreiche spezifische Therapie,
die weiter auszubauen der experimentellen Forschung vorbehalten
bleiben muß. Ä Kr.
Prostatite aigue chez un prostatectomisé. Von G. Marion
(Journ. d’Urologie, Tome I, No. f, 1912.)
Im Jahre 1909 führte M. bei einem 6ljährigen Manne die Prosta-
tektomie unter Entfernung einer 60 g schweren Tumormasse aus. Der
Erfolg war ausgezeichnet. Drei Jahre darauf wurde der Patient infolge
eines sexuellen Exzesses von akuter Prostatitis befallen. Man fühlte einen
rechten schmerzhaften Prostatalappen, aus welchem eitriges Sekret expri-
miert wurde. Die Prostatitis heilte unter heißen Eingießungen, Bädern,
Suppositorien in 14 Tagen glatt aus. Wenn es sich hier auch um ein
sehr seltenes Vorkommnis handelt, so lehrt der Fall doch, daß die Ope-
ration, welche man „Prostatektomie“ nennt, nicht in einer Entfernung
der hypertrophischen Prostata besteht, daß dabei vielmehr nur die Adenome
entfernt werden, während die Prostata zurückbleibt. A. Citron-Berlin.
Zur Palliativbehandlung der Prostatahypertrophie. Von Joseph-
Breslau. (Münchner med. Wochenschr. Nr. 30.)
Bei Patienten, die dem Eingriff der Prostatektomie nicht mehr ge-
wachsen waren, hatte man früher im Allerheiligenhospital in Breslau,
dem Vorschlage Rovsings folgend, eine suprapubische Blasenfistel mit
Schrägkanal, in den ein Pezzerkatheter eingenäht wurde, angelegt. Viel-
fach trat dabei eine Infektion der Wunde ein, sie heilte erst nach
Wochen per granulationem. Im letzten Jahre nun wandte man im Aller-
heiligenhospital eine Methode an (nach Angabe von Prof. Tietze), die
der von Janssen angegebenen Methode nahesteht: Lokalanästhesie; bei
maximal gefüllter Blase wird in Medianlinie querfingerbreit über Symphyse
ein lcm langer Hautschnitt gemacht. Durch diesen wird ein leicht ge-
bogener, en. Lem starker Troikart senkrecht in die Tiefe geführt, bis
beim Lockern des Troikartstachels Blaseninhalt ausquill. Darauf noch
um Lem tieferes Einführen. Entfernung des Troikartstachels; durch die
Troikarthülse hindurch Einführung eines Pezzerkatheters über Mandrin
Entfernung von Hülse und Mandrin. Durch vorsichtiges Hin- und Her-
schieben des Katheters kann man leicht eine Lage finden, bei der sich
sein Kopf wasserdicht gegen die Blasenschleimhaut anpreßt. Am freien
Ende des Katheters wird ein kleiner Hahn angebracht. Der Verschluß
an der Blase bleibt auch bei stärkerer Füllung der Blasse wasserdicht.
Man kann auch unbedenklich Patienten mit infiziertem Urin operieren.
Urininfiltration wurde bei guter Lage des Katheters nie beobachtet.
144 Prostata und Samenblasen.
Als Nachbehandlung sind für unbestimmte Zeit Blasenspülungen durch
den Pezzerknatlieter erforderlich. Wenn sich der Fistelgang erweitert,
genügt es, für 24 Stunden den Katheter herauszunehmen, um den Gang
zu verengern. Für gewöhnlich Auswechseln des Katheters alle + bi
5 Wochen. Die Erfolge dieser Methode sollen recht gut sein.
Brauser- München.
One thousand cases of total enucleation of the prostate for
radical cure of enlargement of that organ. Von P.J. Freyer ‘Br.
Med, Journ, Oct. 5. 1912.;
F, hat nunmehr 1000 Falle von Prostatahypertrophie nach seiner
Methode operiert und berichtet über die Erfolge dieser Operationen.
Die Mortalität nach dem Eingriff betrug 519%, In allen Fällen, mit
einer einzigen Ausnahme, stellte sich spontane Miktion wieder ein. Dax
Alter der operierten Patienten schwankte zwischen 49 und 90 Jahren.
von Hofmann-Wien.
Beitrag zur Behandlung der Prostatahypertrophie durch
Rôntgenbestrahlung. Von Dr. Fr. IH. von Tappeiner, Assistenzarzt d.
ehir. Klinik der Universität Greifswald. (Deutsche Zeitschr. f. Chir. 1912, 115. Bd.
5.—6. Heft)
v. T. verfügt über fünf Fälle von Prostatahypertropbie, die er mit
Htöntgenbestrahlung der Hoden behandelt hat, und ist in der Lage, bei
zwei von diesen Fällen über den makroskopischen und mikroskopischen
Befund der Prostata berichten zu können, da dieselbe durch eine später
noch ausgeführte Operation gewonnen wurde. Die Behandlung wurde
bei allen 5 Patienten in ganz gleicher Weise ausgeführt. Sie wurden
2—4 mal täglich katlieterisiert, wobei jedesmal eine Blasenspülung ab-
wechselnd mit Bor- und Höllensteinlösung angeschlossen wurde. Nah-
rungsaufnahme und Stuhlgang wurden sorgfältig geregelt, jeden zweiten
Tag Sitzbad, 2 mal wöchentlich Vollbäder. An Medikamenten wurde
nur Salol und Urotropin abwechselnd gegeben. Die Bestrahlung der
Tostikel wurde 3—5 mal in Intervallen von 7 Tagen vorgenommen. Nur
die Testikel wurden bestrahlt, die Umgebung und die Prostata durch
Bleiplatten sicher abgedeckt. Verwendet wurde eine weiße Rähre, die
bei einem Abstand von 50 cm, bei einer Stromhelastung von 2 m/Am-
père eine Sabourandeinheit in 9 Minuten gab. Bestrahlt wurde dann in
jeder Sitzung 6°, Minuten = * ‚ Dosis Sabourand. Eine Kompression
der Haut nach Schwarz wurde nicht vorgenommen. Im keinem Fall ist
eine Schädirang der Haut eingetreten, ebensuwenig wie eine Zunahme
der durch die Hypertrophie der Vorsteherdrüse bedingten Erscheinungen.
— Was die Erfolge. die mit dieser Behandlungsart erreicht werden.
betrifft, so wurden bei einem Patienten alle Beschwerden vollständig und
dauernd (Beobachtungsdaner 4' o Monate) beseitigt. Die vier anderen
wurden nur gebessert. Ob diese Resultate auf die Bestrahlung der
T'estikel zurückzuführen sind, oder ob dasselbe mit der reinen Katheter-
behandlung erzielt worden wäre, läbt Verf. dahingestellt. Jedenfalls ist
des unblutige Verfahren, da es für den Patienten mit keinem Nachteil
(wenn man nicht die Schädigung der spezifischen Tätigkeit des Hoden-
Prostata und Samenblasen. 145
parenchyms als solches rechnen will, was bei den meist älteren Leuten
wohl kaum in Betracht kommt) verbunden ist, wert, in den Fällen, die
zu einer Operation nicht geeignet sind, versucht zu werden; besonders dann,
wenn die Prostata sich weich anfühlt und man annehmen kann, daß die
glandulären Bestandteile den Hauptteil’ der Hypertrophie ausmachen. Kr.
Die Herstellung des Harnweges nach der Prostatektomie
samt Exzision der Urethra prostatica. Von Dr. Licini, Assistenzarzt
der chir. Klinik zu Genua. (Beiträge zur klin. Chir. 1912, 79. Bd., 1. Heft.)
Nach der Prostataenukleation bleibt eine Unterbrechung der Urethra
wegen der Verletzung der Pars prostatica, die bei der Operation nicht
vermieden werden kann. Die Unterbrechung der Urethra, sowie die
von der Prostata zurückgelassene Höhle, gehen allmählich in Heilung
über, so daß bald der Harnweg wieder hergestellt wird. Die meisten
Autoren meinen, daß die Harnwegherstellung durch die narbigen Gewebe
zustande kommt und empfehlen, um eine bessere Heilung zu haben, ver-
schiedene Methoden. Einige Chirurgen wollen die Höhle der Kapsel
mit Schleimhautlappen, die vom Blasenhals abpräpariert werden, bedecken.
Andere halten es für besser, einen Streifen der Urethra prostatica
zurückzulassen, so daß die Kontinuität zwischen Urethra membranacea
und Blasenhals nicht ganz unterbrochen bleibt. Andere endlich nähen
die Enden der Urethra sofort nach der Prostataenukleation wieder zu-
sammen; aber es gibt auch andere, die die zirkuläre Resektion der
Urethra prostatica samt der Prostata für das beste halten, weil die
reguläre Wunde der Schleimhaut leichter zur Heilung kommt. Auch
die experimentellen Ergebnisse an Hunden über die Harnwegeherstellung
nach der Prostatektomie samt der Urethra prostatica stimmen nicht
überein. Aus den Versuchen des Verfassers an Hunden geht hervor, daß
mit der Zeit nach der Prostatektomie samt Exzision der Urethra pro-
statica eine deutliche Verkürzung der ganzen Länge der Urethra vor-
kommt. Diese Verkürzung beträgt bei dem Hunde 1—2 cm. Das
Vorkommen derselben kann auch daran bemerkt werden, daß man bei
den Versuchen beobachtet, daß die Höhle, die nach der Prostataentfer-
nung zurückbleibt, immer an Breite und Tiefe abnimmt, und daß sich
die Stümpfe der unterbrochenen Urethra immer mehr nähern. Diese
Verkürzung der Urethra hängt aber von der Annäherung des proximalen
Endes der Urethra membranaces und des Blasenhalses ab. Dieselbe
wird verursacht durch die Sklerosierung des (Gewebe, das von der
Operation an die Höhle erfüllt. Je mehr dieses Gewebe sich organisiert,
desto mehr zieht es sich zusammen, die Enden der Urethra gegeneinander
siehend. Die innere Fläche der Höhle wird bald von Epithelien be-
deckt, der wegen einer starken Wucherung aus den Rändern der nor-
malen abgeschnittenen Schleimhaut sich ausbreitet. Diese Epithelien sind
anfangs niedrig, später werden sie zylindrisch, bleiben aber einschichtig.
Die Schleimhaut wuchert auch ein wenig, aber bald treffen die Enden
zusammen und verwachsen. Die Epithelien, die die Prostatahöhle aus-
kleiden, bleiben einschichtige, ohne daß sich jemals eine Buchtung oder
ein Schlauch in dem unterliegenden Bindegewebe bildet. Bei vollstän-
Zeitschrift für Urologie. 1918. 10
146 Prostata und Samenblasen. À
diger Herstellung der Harnwege sieht man an der ganzen Länge der
Urethra die normale Schleimhaut mit der unterliegenden, muskulären
Urethraschicht. — Die Bildung von Schleimhautlappen, sei es als Lappen
von dem Blasenhalse abpräpariert, sei es als Streifen der Urethra pro-
statica zurückgelassen, bildet keinen Vorteil für die Heilung gegenüber
der zirkulären Durchschneidung der Urethra prostatica samt der Pro-
stata. Nach der Operation bildet sich ein starker BluterguB, der die
von der entfernten Prostata zurückgelassene Höhle erfüllt. Dieser Blut-
erguß infiltriert die Gewebe mit Einschluß des zurückgelassenen Urethra-
streifs. Hierdurch wird die Widerstandsfähigkeit der Schleimhaut ver-
mindert und kommt zur Nekrose. Schon 10 Tage nach der Operation
findet man an ihrer Stelle ein nicht mehr färbbares Gewebe. Diese
Schleimhautlappen gehen also zugrunde, werden abgestoßen; so kommt man
dann für die Herstellung des Harnwegs auf den gleichen Vorgang, wie
bei der zirkulären Urethraresektion zurück. Obschon nicht häufig, wurden
Harnröhrenverengerungen nach der Prostatektomie bemerkt. Das Nicht-
vorkommen der Verengerungen wurde auch experimentell konstatiert.
Bei seinen Versuchen hat Verf. nie eine Verengerung bemerkt. Seiner
Ansicht nach kommt dieselbe nicht vor, gerade wegen der Herstellung
der Harnwege durch das Zusammentreffen des gesunden Urethraendes
statt durch ein narbiges (Gewebe, wie einige gefunden haben. Dieser
Heilungsvorgang kann mit demjenigen verglichen werden, in dem nach
der Resektion der Urethra wegen Striktur die Enden der gesunden
Urethra schichtenweise zusammengenäht wurden. Auch hier kommt keine
Harnröhrenverengerung vor, wenn die Wunde per primam heilt. Der
Hund, der die Operation am längsten überlebte, war 4 Monate alt. Nach
dieser Zeit war die Schleimhaut schon zusammengewachsen, aber rings
um diese war ein fibröser, bindegewebiger Ring zu sehen. Es ist aber
nicht absolut auszuschließen, daß bei längerem Überleben der Operation
dieser Ring einen Einfluß auf das Lumen der Urethra haben kann. Kr.
Die Prostataatrophie. Von Kümmel-Hamburg. (Deutsche melliz.
Wochenschrift 1912, Nr. 33, Vereinsbeil.) \
Harnverhaltung im höheren Lebensalter ist bis in die letzte Zeit
vorwiegend als eine Folge von Prostatahypertrophie angesehen worden.
1899 hat Guyon aber bereits auf den Prostatisme senile oder Prosta-
tisme sans prostate hingewiesen. Albarran, Zuckerkandl u. a. sahen
als Ursache der Harnverhaltung bei älteren Leuten, bei denen mechanische
oder nervöse Ursachen nicht nachweisbar waren, fibröse Umwandlung
des Sphincter internus oder Atrophie der Blasenmuskulatur an. Neuer-
dings ist aber von französischen und deutschen Autoren, zuletzt noch
von Barth-Danzig auf dem letzten Chirurgenkongreß auf die Atrophie
der Prostata hingewiesen worden, die einen ähnlichen Symptomenkom-
plex auslöst wie die Hypertrophie und bei der durch die Exstirpation
der Drüse Heilung herbeigeführt werden kann. Über vier ähnliche Fälle
berichtet Kümmel in dem Ärztlichen Verein in Hamburg (Sitzung vom
12. III. 1912). Es wurden alle Patienten mit voller Funktionsfähigkeit
der Blase geheilt. — Die Diagnose ist nicht immer ganz leicht, oft
wird sowohl bei rektaler wie bei kystoskopischer Untersuchung eine
Blase. 147
Hypertrophie vorgetäuscht. Die Ausschälung der Drüse bei der Sectio alta
ist schwieriger als bei der Hypertrophie. Ludwig Manasse- Berlin.
Samenblasenoperationen. Von Voelcker-Heidelberg. (Zentralbl. f.
Chir. 1912, Nr. 30, Beilage.)
Für operative Eingriffe an den Samenblasen kommen vor allem in
Betracht: Entzündungen, und zwar postgonorrhoische und tuberkulöse
Entzündungen; eine besondere Aufmerksamkeit verdienen auch Fälle von
krıptogenetischer Sepsis und chronisch rezidivierendem Gelenkrheuma-
tismus, die von versteckten Herden in den Samenblasen ausgehen. Man
hält im allgemeinen die Samenblasen für viel schwieriger zugänglich als
sie in Wirklichkeit sind. V. glaubt, es liegt dies daran, daß einige der
empfohlenen Methoden nicht recht brauchbar sind. Wirklich brauchbar
ist nur die sakrale und die ischiorektale Methode. V. bevorzugt die
letztere, weil sie eine geringere Wunde setzt. Der Hautschnitt läuft in
der Längsrichtung des Körpers neben dem Steißbein, beginnt im Bereich
des Kreuzbeins und endet vor dem After. Er ist 10—12 cm lang.
Das Ziel der Operation ist, den Zugang durch Beiseiteziehen des Mast-
darms zu erzwingen. Dabei ist auf folgende anatomische Verhältnisse
genau zu achten: In erster Lage wird die Muskelschicht des Musc. glut.
max. bzw. dessen untere Fasern durchtrennt. Das Lig. tub. sacr. fällt
dabei in den Schnitt. Darauf kommt man an den Musc. lev. ani, dessen
Fasern schief zur Achse des Darmes stehen. Sie müssen scharf durch-
trennt werden, damit man in das Innere des Levatortrichters kommt.
Die Durchtrennung geschieht möglichst ausgiebig. Nun kommt eine
weitere sehr wichtige Schicht. Es ist die viscerale Lamelle der Becken-
fascie, welche das Rektum gemeinsam mit den Samenblasen und der
Harnblase umscheidet. Sie stellt eine weißlich glänzende Membran dar
und ist dort, wo sie das Rektum überzieht, gefäßarm. An der Stelle,
welche den Samenblasen entspricht, sieht man längs verlaufende Venen
durchschimmern. Neben diesen Venen muß die Lamelle inzidiert werden,
was am besten aus freier Hand mit dem Messer geschieht. Erst, wenn
man so weit gekommen ist, kann man das Messer weglegen und kann
das Rektum stumpf zur Seite schieben. Die Samenblasen liegen nun
übersichtlich vor, man kann sie inspizieren, abtasten, punktieren, kann
entscheiden, wie weit die gestellte Diagnose richtig ist und kann be-
schließen, ob man exstirpieren oder spalten soll usw. Für die Exstir-
pation ist dann zu beachten, daß die arteriellen Gefäße, welche sehr
Zahlreich sind, am oberen lateralen Pol eintreten. Kr.
V. Blase.
Die Morphologie und Genese der Bläschenbildungen in der
Harnblase der Tiere und des Menschen. Von E. L. Lautenschläger.
Dissertation, Heidelberg 1911.)
In der Harnblase kommen unter dem Bilde einer Cystitis einher-
gehend drei Arten von Schleimhautveränderungen vor, welche sich in
ihrem makroskopischen Verhalten überaus ähneln können. Es sind dies
die Cystitis granulosa (oder nodularis), die Cystitis cystica und endlich
die Cystitis emphysematosa (oder das Blasenemphysem). Am häufigsten
it die Cystitis granulosa. Weit seltener kommen die beiden anderen
10*
148 Blase.
Formen von Cystitis vor. Aber gerade sie geben zufolge ihrer oft so
überaus großen Ähnlichkeit im makroskopischen Bilde leicht Anlaß zu
Verwechslungen, während sie doch in mikroskopischer Hinsicht und vor
allem ätiologisch beide etwas Grundverschiedenes darstellen. Dem Verf.
selbst ist bei der Untersuchung des Emphysems der Harnblase ein Fall
vorgekommen, welcher bei der Sektion absolut als Cystitis emphysema-
tosa imponierte, welcher aber, wie sich nachträglich herausstellte, eine
Cystitis granularis war. Bei einer 7ljährigen Patientin, welche im An-
schluß an eine Uterusamputation wegen eines Cervixkarzinoms an post-
operativer Peritonitis verstarb, fand sich als Nebenbefund in der Harn-
blase deren Schleimhaut übersät von wasserhellen BIS chen, die zum Teil
stecknadelkopfgroß, zum Teil miliar waren. In der Mucosa fanden sich
zahlreiche Hämorrhagien. Die ganze Blasenwand war verdickt, grünlich
verfärbt die Oberfläche, und in ihrem Innern fanden sich einige Kubik-
zentimeter trüben Urins; also makroskopisch ein dem Blasenemphysem
ganz analoger Befund, der wegen dieser Abnlichkeit vom Verf. auch
histologisch untersucht wurde. Hierbei fanden sich dann bedeutende
Unterschiede den Fällen von Emphysem gegenüber. Auf einem Über-
sichtspräparate waren deutlich die Mucosa, Submucosa und Muscularis
zu erkennen. Abgesehen von zahlreichen diffusen Blutungen in allen drei
Schichten, besonders aber mn der Submucosa und geringgradiger Rund-
zelleninfiltration um diese waren wesentliche Veränderungen nur in der
Mucosa zu konstatieren. Fast an der ganzen Oberfläche war das Epithel
sehr gut erhalten mit schönen Crypten. Einzelne dieser Crypten aber
waren in die Tiefe versprengt und mit einem deutlichen Lumen ver-
sehen. Als Inhalt der Cysten fand sich Blut, hyaline und körnige
Klümpchen, sowie desquamierte Epithelien, lerzteres wohl zum Teil eine
postmortale Erscheinung. Gas ließ sich aus den Oysten beim Anstechen
unter Wasser nicht ausdrängen. Die Cysten trugen dasselbe zylindrische
Epithel wie die Oberfläche. Pigmentablagerung, wie sie von anderen
Forschern angegeben wurde, und welche wohl auf Zerfall von roten
Blutkörperchen zurückzuführen ist, konnte hier nicht nachgewiesen wer-
den. Ebensowenig Rundzellen. Die Gefäße waren normal. Es handelt
sich um eine entzündliche Erkrankung der Harnblasenschleimhaut, bei
welcher sich in dieser cystische Gebilde entwickeln, erfüllt von wäßrigem
oder kolloidalem Inhalt und hervorgehend aus einer Umwandlung der
sogen. von Brunnschen Epithelnester. Demgegenüber versteht man unter
Cystitis emphysematosa eine allerdings auch entzündliche Erkrankung der
Harnblase, charakterisiert jedoch durch die Bildung von luft- bzw. gas-
baltigen Blasen in ihrer Schleimhaut. Das Harnblasenemphysem ist so-
wohl beim Menschen wie in der Veterinärmedizin (besonders hier bei
perlsüchtigen Rindern) beobachtet worden, stellt aber. sowohl hier wie
dort einen höchst seltenen Befund dar. Beim Menschen sind inkl. der
eigenen Beobachtungen des Verf. erst 5 Fälle gesehen worden, welche
Verf. besprichtt. Beim Rinde sind es nur 4 ihrer Art. Jedesmal aber
decken sich die Befunde fast vollkommen. Bei der Besichtigung des
Blaseninnern sieht man die gesamte Schleimhautoberfläche übersät mit
zahlreichen prominenten durchscheinenden wasserklaren Bläschen. Die-
selben sitzen der Unterfläche zumeist mit breiter Basis auf und variieren
Blase. 149
in ihrer Größe zwischen Hanfkorn- und Erbsengröße. Die Schleimhaut
selbst ist bald weiß und ohne Anzeichen einer akuten Entzündung, bald
an verschiedenen Stellen von kleinen Blutungen durchsetzt, welche ihr
dann ein braunrotgeflecktes Aussehen verleihen und wohl als Residuen
eines akuteren Katarrhs aufgefaßt werden können, zumal man gleichr
zeitig eine deutliche Abschilferung des Epithels an manchen Stellen kon-
statieren kann. Die Bläschen sind besonders dicht am Fundus und an
der hinteren Blasenwand angeordnet, dadurch kleine örtlich beschränkte
Gewebserhöhungen hervorrufend. Ferner finden sich an den Stellen
dichtester Anordnung auch die größten Bläschen. Die Bläschen selbst
sind von prall elastischer Konsistenz. Bei schwächerem Drücken läßt
sich der Inhalt manchmal in die Umgebung verdrängen, oder die Bläschen
platzen und entleeren, was besonders beim Anstechen unter Wasser
deutlich zutage tritt, Gas. Einzelne sind auch bereits eröffnet und dann
an ihrer Oberfläche mit einer Delle versehen oder eingesunken. Irgend-
welche sonstige pathologische Veränderungen an der Blase sind makro-
skopisch nicht nachzuweisen. Am Menschen wurde das Emphysem der
Harnblase zum ersten Male im Jahre 1888 von Eisenlohr beobachtet.
Verf. selbst beobachtete die Erkrankung an einem 34 Jahre alten ver-
heirateten Kellner. Derselbe hatte 1906/7 nephritische Beschwerden
gehabt. In den folgenden Jahren hatte er zeitweise Schmerzen in der
linken Lendengegend. Einmal war bei ihm auch ein nierenkolikähn-
licher Anfall aufgetreten. Im Mai 1909 war er dann wegen schwerer
Urämie in die Heidelberger Klinik aufgenommen worden, woselbst er
nach 4 Tagen seiner Erkrankung erlag. Die klinische Diagnose hatte
gelautet: Urämie. Pericarditis uraemica. Pleuritis exsudativa utriusque
lateris. Nephritis chronica duplex. Cystitis. Suspicium auf Hydronephrosis
dextra mit Nephrolithiasis dextra sowie Ascites. Dem gegenüber fand
sich bei der Sektion rechtsseitige hochgradige Schrumpfniere. Luetische
Veränderungen daselbst sowie Gummata im linken Hoden. Ferner
Cystitis emphysematosa. Sonst konnte die klinische Diagnose nur be-
stätigt werden. Die Blase bot bei näherer Besichtigung folgendes Bild:
In ihrem Innern fanden sich einige Kubikzentimeter trüben Urins. Die
Größe war normal, eine Verdickung der Wand nicht zu konstatieren.
Die Mucosa besaß ein braunrotgeflecktes Aussehen, davon herrührend,
daB sie durchsetzt war von zahlreichen Blutungsherden von etwa 3 Milli-
meter Durchmesser. In ihrer ganzen Oberfläche fanden sich grünliche,
stecknadelkopfgroße, weiche Prominenzen und sub- bis supramiliare
wasserhelle Bläschen, aus denen beim Anstechen unter Wasser Gasblasen
aufstiegen. Die Blase nebst Prostata und Samenbläschen schwamm auf
dem Wasser. An den Ureterenmündungen waren keine Veränderungen
nachweisbar. Auf einem Übersichtspräparat bot sich etwa folgender Be-
fund: Von den drei deutlich zu unterscheidenden Schichten Mucosa, Sub-
mucosa und Muscularis war nur die Mucosa stark verändert. In ihr
fielen zunächst zahlreiche teils nebeneinander teils geschichtet überein-
ander liegende Hohlräume auf, die bald vollkommen abgeschlossen waren,
bald miteinander kommunizierten. Einige waren auch nach der Blase zu
geborsten. Die einzelnen Hohlräume sowohl wie die Oberfläche der
Mucosa entbehrten vollkommen jeden Endo- bzw. Epithelbelags.. Daß
150 Blase.
ein solcher vorhanden gewesen, dafür sprachen an der Innenfläche liegende
zusammengeballte Klumpen von Deckzellen. Einzelne der Hohlräume
waren vollkommen mit Blut angefüllt, und dann befanden sich auch
jedesmal in ihrer nächsten Umgebung reichliche Blutungen im Gewebe.
Diese Stellen entsprachen den schon makroskopisch sichtbaren braunroten
Flecken an der Oberfläche des Harnblaseninnern. Die meisten der Bläschen
lagen ganz oberflächlich, nur von einer ganz dünnen Gewebsschicht be-
deckt. Eine deutliche Rundzelleninfiltration, Bindegewebswucherung und
die von anderen Beobachtern erwähnten Riesenzellen in der Umgebung
der Hohlräume waren hier nicht zu konstatieren. Ebenso waren die
Submucosa und Muscularis sowie die Gefäße vollkommen normal. Trotz
eifrigen Suchens konnten nach den verschiedensten Färbemethoden im
Schnitt keine Bakterien nachgewiesen werden. Da es auch bei der Ob-
duktion unterlassen worden war, bakteriologisch zu entnehmen, so kann
dieser Fall über die eventuelle Ätiologie der Erkrankung durch Mikro-
organismen nichts beitragen. Wie aus einer Zusammenstellung der wich-
tigsten Daten über die bis jetzt bekannten Fälle hervorgeht, handelt es sich
um ein absolut einheitliches Krankheitsgebilde; decken sich doch die Befunde,
abgesehen von kleinen unwesentlichen Abweichungen, fast vollkommen.
Von sämtlichen Forschern wird einheitlich als Inhalt der Blasen
Gas angegeben. Die ersten zuverlässigen Untersuchungen stammen von
Jaeger, welcher zu dem Resultat kam: 15°/, Kohlensäure, 6°/, Sauer-
stoff, 73°/, Wasserstoff und 6°/, Stickstof. Was die Herkunft des Gases
und die hiermit gleichbedeutende Frage nach der Ätiologie der Erkran-
kung anbetrifft, so stehen die meisten Forscher auf dem Standpunkte,
daß entweder intra vitam oder post mortem Bakterien in die irgendwie ge-
schädigte Schleimhaut einwandern und dort durch Gasproduktion die
geschilderten Veränderungen hervorrufen. Auf jeden Fall handelt es sich
um eine intra vitam entstandene Erkrankung, welche unter dem Bilde
einer Cystitis einhergeht, welche aber absolut keine Erscheinungen von
seiten der Harnblase zu machen braucht, sind doch in allen angeführten
Fällen während des Lebens fast nie Beschwerden von seiten der Blase
aufgetreten. Die Erkrankung hat in keinem der Fälle unbehandelt zum
Tode geführt und wird dies wohl auch kaum vermögen, falls nicht von
anderer Seite Komplikationen hinzutreten. Höchst wahrscheinlich wird
die Cystitis emphysematosa durch Bakterien hervorgerufen und ibr Zu-
standekommen begünstigt durch anderweitige Noxen, die gleichzeitig den
Organismus treffen, wie z. B. bei Menschen Tumoren im kleinen Becken
oder Nierenerkrankungen und bei Rindern Tuberkulose.
Was die Riesenzellen betrifft, die im vorliegenden Falle zwar nicht
gefunden, von anderen Forschern aber als regelmäßig an der Innenwand
der lufthaltigen Cysten vorkommend erwähnt wurden und welche fast
immer im Zusammenhang mit den LymphgefäBen, hauptsächlich aber
solchen, deren Epithel sich in proliferierendem Zustande befindet, stehen,
so ist ihr Vorkommen nach Jaeger durch die Dehnung der Lymph-
gefäßwand zu erklären, welche neben dem formativen Reiz eine Proto-
plasmaschädigung der Endothelien hervorruft und so durch Entspannung
der Zellenbestandteile den direkten Antrieb zu der exzessiven Prolifera-
tion der Zellkerne gibt. Fritz Loeb-München.
Blase. 151
Die chirurgische Behandlung der verschiedenen Formen der
Nephritis. Von Prof. N. Hermann Kümmel-Hamburg-Eppendorf. (Ber-
liner klin. Wochenschr. 1912, Nr. 28.)
Unter den verschiedenen Formen der Nephritis, die zu chirurgischen
Eingreifen Veranlassung geben können, unterscheidet Verf. zwei große
Gruppen: erstens die akute, resp. subakute und zweitens die chronische
Form. Zur ersten gehört die an akute Infektionskrankheiten sich an-
schließende, insbesondere die Scharlachnephritis, ferner die durch chemische
Gifte hervorgerufene toxische Nephritis, ferner die der Eklampsie zu-
grunde liegende Nierenentzündung; bei allen diesen Formen kann sehr
wohl durch eine Spaltung der Kapsel bzw. durch eine Nephrotomie oder
Dekapsulation das bedrohlichste Symptom, die Anurie beseitigt werden,
wie zahlreiche Fälle aus der Literatur beweisen und Verf. selbst aus der
eigenen Praxis bestätigen kann. Viel häufiger bildet den Gegenstand
chirurgischen Eingreifens die sogenannte Nephritis apostematosa, die auf
hämatogenem Wege entsteht und unter den Erscheinungen einer schweren
Infektion mit Übelkeit, Erbrechen, Temperatursteigerung, Schüttelfrösten
und meist Schmerzhaftigkeit in der Gegend einer Niere einhergeht. Der
Urin zeigt das charakteristische Aussehen, enthält Eiterkörperchen, Bak-
terien, Zylinder usw.; die Niere ist mit multiplen hirsekorn- bis steck-
nadelkopfgroBen Abszessen durchsetzt. Während diese Affektion meist
einseitig ist. handelt es sich bei der infektiösen eitrigen Pyelitis ge-
wöhnlich um einen doppelseitigen Prozeß, der auf aufsteigendem Wege
infolge von Abflußhindernissen, die in einer beweglichen oder dislozierten
Niere mit Abknickung der Ureteren oder in einer Gravidität oder in
Geschwülsten im kleinen Becken, bei Männern in Strikturen, Blasen-
steinen oder Prostatabypertrophie bestehen können, zustande kommt. In
diesen Fällen empfiehlt Verf. zunächst eine periphere Entlastung herbei-
zuführen. Durch Einlegung eines Dauerkatheters oder eventuell durch
suprapubische Eröffnung der Blase, später kann dann, wenn sich die
Nierenfunktion gebessert hat, ein weiterer chirurgischer Eingriff, falls
nötig. angeschlossen werden. Die Nephritis apostematosa, die wie ge-
sagt, meist einseitig ist, soll nur dann, wenn es sich um eine vollständig
zerstörte Niere handelt, mit Nephrektomie, für gewöhnlich aber konser-
vativ. d.h. mit Inzision, bzw. Nephrotomie behandelt werden.
Bei der chronischen Form der Nephritis, welche Gegenstand chirur-
gischer Maßnahmen sein kann, sind drei Gruppen zu unterscheiden:
1. die Nephritis dolorosa; 2. die Nephritis haemorrhagica; 3. der eigent-
liche Morbus Brightii. Bei der ersten besteht das hervorstechendste
Symptom in kolikartigen oder dauernden, meist einseitigen Schmerzen;
der Urin enthält Eiweiß und gewöhnlich auch Zylinder; anatomisch
handelt es sich um nephritische Prozesse zirkumskripter Art; wenn auch
mehrere einwandfreie Fälle einseitiger Erkrankung festgestellt sind, so
sind doch meist beide Nieren affıziert; durch die Nephrotomie oder durch
Dekapsulation gelingt es meist, die Beschwerden zu beseitigen und die
Patienten auf lange Zeit arbeitsfähig zu machen. Auch bei der hämor-
rhagischen Nephritis, für die auch die Bezeichnung „essentielle Nieren-
blutung“, „renale Hämophilie“, „renale Epistaxis“, „Nephralgie h&ma-
turique“ geläufig ist, handelt es sich um einen zirkumskripten, chronisch
152 Blase.
entzündlichen Prozeß, der ganz selten einseitig, zumeist doppelseitig vor
handen ist. Die anatomischen Veränderungen, die häufig wegen ihrer
Geringfüriskeit — wie auch bei der Nephritis dolorosa — nicht leicht
festzustellen sind, bestehen hier gewöhnlich in beginnender Glomeruls-
nephritis mit geringfügigen Veränderungen des Nierengewebes. Wenn
nicht ın diesen Fällen anhaltende starke Blutungen die Nephrektomie
dringend erfordern, ist die Blutung gewöhnlich durch Dekapsulatiun und
vor allem durch Nephrotomie zu heilen; die Patienten können dann
lange Jahre arbeitsfälig bleiben, wenn auch keine Heilung im imie
mischen Sinne erfolgt ist. — Der eigentliche doppelseitige Morbus
Bright ist von K. in bisher 26 Fällen chirurgisch behandelt worden,
und zwar mittels Dekapsulation, während er die Nephrotomie wegen
der Schwere des Eingriffs und der Gefahr von Blutungen nicht empfiehlt:
in manchen Fallen bheb der Erfolg vollständig aus: vielfach wurden die
schwersten Symptome, die Anurie und Urämie, günstig beeinflußt, ebens
der Gehalt des Urins an Faweiß und Zylindern, sowie das subjektive
Befinden der Patienten; in drei Filllen konnte vollkommene Heilung im
klinischem Sinne konstatiert und längere Zeit beobachtet werden.
Paul Cohn- Berlin.
Beitrag zur Frage der postoperativen Cystitis. Von Carl
3rocks, Dissertation. Erlangen. 1012. 37 S. (Bunzlau, L. Fernbach.)
1. Die durch die Operation bedingte Schädigung der Blase in ihıer
Blutversoreung und Innervation ist nicht die direkte Ursache der post
operativen Cystitis, sondern sie ist nur die Vorbedingung zu ihrem Zustande-
kommen. Es müssen Infektionserreger in die Blase hineingebracht werden.
2, Die Möglichkeit des Hineingelangens von Infektionskeimen mup
man zu vermeiden suchen, durch:
a) Einschränkung des Katheterismus, indem man die operierten
Franen zu spontanem Wasserlassen anhält.
b) Wahrung peinlichster Asepsis beim Katheterisieren, falls spon-
tanes Urinieren durch Zureden, Autfstehenlassen und Injektion von Bor-
glyzerin nicht zu erreichen ist.
| e) Vermeidung grober Quetschungen und Verletzungen der Bhre
und der Ureteren während der Operation. |
d} Vermeidung von Infektion des die Blase umgebenden Gewebes
während der Operation.
e) (ründliche Behandlung und völlige Ausheilung vor der Operation
bestehender Uvstitiden.
f) Möglichst baldiges Aufstehenlassen und Reinhaltung der Geni-
talien. Fritz l;,oeb- München.
Cystitis und Harn-Antiseptika. Von A. Jordan. (bancet,
4 März 1012,
Verf. wendet sich gegen den Artikel von Newman (Lancet, 24. Fe-
bruar und 2. März), in welchem N. wiederholt ausspricht, daß die Wu:
kung des Urotropins, Hexamethvlentetramins usw. auf Freiwerden von
Formaldehyd im sauren Urin beruhe. Er meint, man könne daraus
entnehmen, dab im alkalischen Urin diese Mittel wirkungslos seien. Has
Blase. 153
ist seiner Meinung nach aber schon deshalb nicht der Fall, weil der
alkalische Urin durch Urotropin sauer wird. W. Lehmann-Stettin.
Volumineux prolapsus rectal du au tönesme vösical par cal-
cul chez un enfant. Von E. Meriel-Toulouse. (Journ. d’Urol., Tome I,
No. 6, 1912.)
Ein 5jähriger Knabe, welcher an schmerzhafter Urinentleerung litt,
preßte während der Miktion sein Rektum hervor, so daß es einen 15 cm
langen Prolapsus bildete. Die Untersuchung der Blase ergab einen
kleinen Stein, nach dessen suprapubischer Entfernung zugleich mit dem
Aufhören der forzierten Miktion auch der Rektumprolaps sich nicht
mehr zeigte. Nur ein 2—3 cm langes Stück Rektum blieb nach wie
vor dauernd vor dem Anus sichtbar. Chirurgisches Redressement dieses
Restes wurde abgelehnt. Der Knabe starb 3 Jahre später an Skarla-
tina. — Wenn auch anzunehmen ist, daß das rachitische Kind durch
alte Darmstörungen zu dem enormen Prolapsus prädisponiert war, so
bleibt doch die Dysurie unbestreitbar die Ursache, welche ihn hervor-
gerufen hat, ein sehr seltenes Vorkommnis, welches zeigt, wie schwere
reflektorische Erscheinungen kleine, schlecht ertragene Blasensteine zeitigen
können. A. Citron- Berlin.
Extrauteringravidität mit Retention der Frucht durch
80 Jahre und Durchbruch derselben in die Harnblase. Von S.
Grosglik-Warschau. (Zeitschrift für gynäkologische Urologie 1912, Bd. III,
Heft 5.)
Patientin konzipierte vor 30 Jahren. Bis Ende des 7. Monates
fühlte sie deutliche Kindesbewegungen. Trotz aller Erwartung erfolgte
keine Entbindung. Aber der Zustand gab zu keinen Befürchtungen
Anlaß, denn der Bauchumfang verkleinerte sich allmählich und ging bis
zur Norm herunter. 15 Monate nach Beginn der Gravidität kehrte die
Menstruation wieder und Patientin fühlte sich bereits so beruhigt und
wohl, daß sie ohne weiteres ihren Hausstand versorgen konnte. So ver-
gingen 30 Jahre. Im Mai 1903 bemerkte Patientin reichliche, übel- `
riechende eiterige Sekretion aus der Scheide; einen oder zwei Monate
darauf wurde der bis dahin klare Urin trübe und enthielt zahlreiche
Fetttropfen. Außerdem gingen mit dem Harn Knöchelchen ab. Da Pat.
von einem ernsteren Eingriffe durchaus nichts hören wollte, wurde sie
anfangs mit Blasenspülungen behandelt und versuchte Verf., durch Ein-
führung des Fingers in die Blase nach stumpfer Dehnung der Harnröhre
mittels der Simonschen Spekula die Fremdkörper aus der Blase zu
entfernen. Dann überzeugte er sich von der Unmöglichkeit, auf diesem
Wege zum Ziele zu kommen, und es wurde die Laparotomie ausgeführt,
die zur Heilung führte. — Die Fälle von Extrauteringravidität mit Per-
foration des vereiterten Fruchtsackes in die Harnblase gehören zu den
großen Seltenheiten. Grosgliks Nachforschungen ergaben, daß die Zahl
der betreffenden Fälle gegenwärtig 25 beträgt. Aus den 25 beschrie-
benen Fällen wurden 7 ihrem eigenen Schicksal überlassen; nur in 2
davon erfolgte Spontanheilung. Die spontane Heilung kommt hier also
so selten vor, daß sie gewiß zu keiner exspektativen Behandlung be-
rechtigt, welche übrigens um so geringere Chancen gibt, je vorge-
154 Blase.
schrittener das Alter der Frucht ist. Bei der Wahl der Operations-
methode hat man es jedoch mit ernsten Schwierigkeiten zu tun. Der
einfachste und das Leben der Kranken am wenigsten gefährdende Ein-
griff wäre ohne Zweifel Entleerung der Harnblase und des Fruchtsackes
durch die erweiterte Harnröhre. Dieser Eingriff sollte nach Verf. jedoch
nur in den Fällen angewendet werden, wo das Leben der Frucht in
frühen Stadien der Schwangerschaft erlischt, wo folglich die Frucht-
knochen noch solche Dimensionen besitzen, daß sie kein bedeutendes
Hindernis einer Extraktion per vias naturales bilden. Bei vorgeschrittener
Schwangerschaft bleiben zwei Wege übrig: der hohe Blasenschnitt oder
die Laparotomie. Bestehen zwischen Fruchtsack und Bauchwand schützende
Verwachsungen, so kann die Inzision des ersteren und die Extraktion
des Inhaltes sofort ausgeführt, sonst muß der Eingriff zweizeitig gemacht
werden. Ganz unabhängig davon soll jedoch unser Verfahren äußerst
konservativ sein: unter keinen Umständen sollte man einen Versuch
machen, den Fruchtsack zu entfernen und den Defekt der Blasenwand
zu verschließen. Die Entfernung des Sackes ist wegen zahlreicher Ver-
wachsungen mit den Därmen unmöglich, aber auch ganz zwecklos, denn
nach Entfernung des Inhaltes erfolgt rascheg Zusammenziehen und Ver-
narbung des Sackes, was zugleich eine Verwachsung der Blasenöffnung
ohne künstliche Hilfe begünstigt. Kr.
Die Kapazität der Harnblase in der Schwangerschaft, der Ge-
burt und im Wochenbett. Von Dr. W. Steuernagel-Marburg. (Zeit-
schrift f. gynäkol. Urologie 1912, Nr. 6, Bd. 3.)
Das Fassungsvermögen der Harnblase ist eine Funktion verschiedener
Faktoren. Außer den räumlichen Verhältnissen des erschlafiten Blasen-
hohlmuskels spielen die Lage und Größe der Nachbarorgane ebenso eine
Rolle, wie die Tendenz des Blasenmuskels sich zu kontrahieren, ein Vor-
gang, der einerseits wieder von der Sensibilität der Blasenwand und der
Reflexerregbarkeit der Blasenmuskulatur abhängt. Abgesehen von zahl-
reichen Erkrankungen der Blase selbst und von Veränderungen der
Beckenorgane wird die Blasenfunktiun erfahrungsgemäß in der Gestations-
periode erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Untersuchungen über dies-
bezügliche Veränderungen der Harnblase liegen in spärlicher Zahl vor.
Verf. hat daher speziell die Frage der Kapazität der Blase während der
Schwangerschaft, der (Geburt und im Wochenbett einem Studium unter-
worfen. Die Ergebnisse der Untersuchungen lassen sich in folgenden
Sätzen zusammenfassen: 1. Die normale Blase reagiert bei 250— 350 ccm
Inhalt mit dem Gefühl von Harndrang. Bei 450 —550 ccm Füllung tritt
ein weiteres Einlaufen von Fülllüssigkeit bei 25 cm \Wasserdruckhöhe
nicht ein, d. h. es ist zum Druckausgleich gekommen. 2. In den ersten
fünf Monaten der Schwangerschaft bleibt die Spannungsempfindlichkeit
(Harndrang) und diejenige des Druckausgleiches (Kapazität) unverändert.
Vom sechsten Monat an steigt das Fassungsvermögen unter den oben
angegebenen Bedingungen bis auf 800 ccm am Ende der Schwanger-
schaft; die Spannungsempfindlichkeit bleibt dagegen bis zum neunten
Monat die gleiche und steigt dann auf einen Füllungsgrad von 400 bis
500 ccm an. 3. Intra partum bleiben die Werte die gleichen wie am
Blase. 155
Ende der Schwangerschaft. 4. Sofort post partum steigt das Fassungs-
vermögen der Blase auf 1500— 2500 ccm an, und die Spannungsempfind-
lichkeit tritt erst bei 800—1000 ccm ein. 5. In den ersten Tagen des
Wochenbettes verändern sich beide Werte in gleichem Sinne noch um
weitere 100—200 ccm, um dann ungefähr bis zum 10. Tage auf dieser
Höhe zu bleiben; alsdann tritt eine langsame Verminderung ein, so daß
der Normalzustand etwa nach 4—6 Wöchen erreicht ist. 6. Eine Unter-
brechung der Schwangerschaft in den ersten fünf Monaten ist ohne Ein-
fluë auf die Kapazität der Blase. Vom sechsten Monat an steigt sie im
Wochenbett um ungefähr 200 ccm. Kr.
Ein weiterer Beitrag zur Frage der Mutation von Harn-
blasenpapillomen in Sarkom. Von Dr. S. G. Leuenberger, Assistent
der chirurgischen Universitätsklinik Basel. (Archiv f. klinische Cbirurgie 1912,
Bd. 99, H. 2.)
Ein 55jähriger Schreinermeister stürzte vor 3 Jahren rittlings auf
eine Kiste. Im Anschluß an den Fall war der Harn während eines
Tages blutig. Später traten Dysurie und zeitweise wieder Blutharnen
auf. Die Untersuchung des Mannes ergab 15 cm hinter dem Orificium
externum in der Urethra eine derbe, lange Striktur. In der Harnblase
wurde ein gutartiges Papillom festgestellt. 3 Jahre nach der Entfernung
des Papilloms trat eine (ystitis auf, in deren Folge nach nicht ganz
einem Jahre das Wiederauftreten von multiplen Harnblasenpapillomen
auf dem Boden einer Hyperämie und Auflockerung der Blasenschleim-
haut beobachtet wurde. Etwa 1'/, Jahr nach Beginn dieser rezidivieren-
den Papillombildung konnte das Auftreten eines nicht papillomatösen
Tumors festgestellt werden. Etwa 3 Jahre später fand sich bei der Er-
öfinung der Blase neben einer allgemeinen Papillomatose ein nicht papillo-
matöses Spindelzellensarkom vor, dessen außerordentlich rasch verlaufende
Rezidivierung kurze Zeit nach Entfernung des Primärtumors den Exitus
letalis des Patienten herbeiführte. Es liegt nahe, die ganze Geschwulst-
entwicklung auf eine für die verschiedenartigen Tumoren gemeinsame
Ursache zurückzuführen, weil sie sich im gleichen Organe fast zu gleicher
Zeit nebeneinander entwickelten. Über die Ursache der Geschwulst-
bildung kann nichts Sicheres ausgesagt werden. Es ist aber naheliegend,
an die durch die traumatische Harnröhrenstriktur bewirkte Urinstauung
zu denken. Ein interessantes Moment liegt ferner in dem sicheren Nach-
weis, daß Papillom- und Sarkombildung trotz der großen Wahrscheinlich-
keit der gemeinsamen Ursache nicht genau zu gleicher Zeit entstanden
sind. Es liegt damit eine objektive Beobachtung vor, die gegen die in
der Literatur vertretene Anschauung spricht, daB bei der Entwicklung
eines Carcinoma sarcomatodes aus einer Ursache beide Geschwulstkompo-
nenten zu gleicher Zeit entständen. In der außerordentlichen Wachs-
tumsgeschwindigkeit des Sarkoms, wie sie in vorliegendem Falle beson-
ders in dem Rezidiv zutage trat, findet sich ein Berührungspunkt zu
der schon von mehreren Autoren beim Carcinoma sarcomatodes erwähnten
enormen Wachstumsgeschwindigkeit. Für diese Bösartigkeit sind bis
jetzt keine Erklärungen gegeben worden. Da das Karzinomsarkom in
den meisten Fällen durch Geschwulstmutation zustande zu kommen scheint,
156 Blase.
könnte leicht daran gedacht werden, seine auBerordentliche Wachstums-
energie auf irgend einen Einfluß der primären Geschwulstkomponente zu
beziehen. Daß ein solcher wenigstens nicht immer besteht, geht aus der
räumlichen Unabhängigkeit der Papillome und des Sarkoms in vorliegen-
dem Falle hervor. Kr.
La Cystoradiographie. Von Legueu, Papin und Marngot. (Journ.
d’Urol., Tome I, Nr. 6. 1912.) |
Unter dem Versprechen, weitere interessante Publikationen folgen zu
lassen, geben die Autoren Rechenschaft über die Resultate ihrer Unter-
suchungen, welche sie mit der radiographischen Aufnahme der gefüllten
Blase gemacht haben. Als Füllmaterial wurden nach dem Vorgange von
Voelker und Lichtenberg 150—250 cem einer Kollargollösung ver-
wendet, deren Konzentration ohne Schaden bis zu 8°/, gesteigert werden
konnte. Bei der normalen Blase wurden vornehmlich deren Formverände-
rungen bei Rücken- und Bauchlage, die Formunterschiede der männlichen
und weiblichen Blase und die Differenzen, welche durch die verschie-
denen Füllungsgrade der Blase bedingt sind, untersucht. Bei Divertikeln
leistet die Methode Gutes. Bei Blasentumor, von den Autoren in einem
Falle angewandt, verspricht sie gute Resultate. Blasensteine werden immer
durch die Cystoskopie am besten zu diagnoszieren sein und bleiben.
Hingegen eignet sich die Cystoradiographie zur postoperativen Kontrolle
Prostatektomierter und verspricht hierbei auch zur Klärung noch streitiger
anatomischer Fragen beizutragen. À. Citron-Berlin.
Über Harnblasenerkrankungen bei kleinen Mädchen durch
bisher nicht beobachtete Fremdkörper. Von H. Abels (Wiener
klin. Wochenschr. 1912, Nr. 96.)
1. Bei einem 17 monatlichen an Colicystitis leidenden Mädchen
fanden sich als Ursache der Erkrankung in der Blase neben einem
Frauenhaar Papierfasern und kleine Flaumfedern. Die Fremdkörper
wurden wahrscheinlich durch ein hysterisches Kindermädchen in die Blase
der kleinen Patientin gebracht.
2. Bei einem Ymonatlichen Mädchen trat eine Cystitis auf, welche
durch Papierfasern und Stärkekörner verursacht war. Auch in diesem
Falle dürfte eine kurz vorher entlassene Kinderfrau die Täterin gewesen
sein. von Hofmann-Wien.
Beitrag zur Ätiologie der Cystitis kleiner Mädchen. Von NV.
Blum. (Wiener Gesellsch. d. Ärzte. 8. Novbr. 1912. Wiener klin. Wochen-
schrift Nr. 96, 1912.)
Bei einem 4jährigen, an Cystitis leidenden Mädchen ergab die
cystoskopische Untersuchung, daß der Fundus vesicae mit einer Menge
graubräunlicher Krümeln bedeckt war, welche sich als inkrustierte Woll-
fäden erwiesen. Auf welche Weise die letzteren in die Blase des Kindes
gelangt sind, konnte nicht erhoben werden. von Hofmann-Wien.
Zur Operation der Blasenektopie. Von Dr. Peter Janssen,
Oberarzt der chir. Klinik der Akademie f. prakt. Medizin zu Düsseldorf, Dozent
f. Chir. u. chir. Urologie. (Beiträge zur klin. Chir. 1912, 79. Bd.. 1. Heft.)
Verf. beschreibt ein von Witzel erdachtes Verfahren zur Operation `
Blase. 157
der Blasenektopie, das sich vorzüglich bewährte. Die Operation besteht
im wesentlichen in einer Vernähung der angefrischten Ränder der ekto-
pierten Blase unter Berücksichtigung von fünf für den Erfolg unumgäng-
lichen Punkten. Diese sind: 1. eine teilweise Entspannung der Bauch-
muskulatur durch tiefe Einkerbung der Musculi recti; 2. eine Fixation
des Vortex der Blase in der Bauchwand, auf welche ganz besonderer
Wert zu legen ist, so daß durch den Zug der Nähte eine Vorwölbung
dieses Wandteiles der Blase verhindert wird; 3. eine peinlich genaue
Vereinigung der Schichten der Bauchwand über dem genähten Blasen-
spalt, die jedoch nur dann einen Dauererfolg verspricht, wenn 4. dem
Urin temporär ein anderer Abfluß ermöglicht wird als derjenige durch
den neugeschaffenen Blasenhals, wo sich eine dauernde Benetzung der
Bauchdeckennaht nicht vermeiden läßt; und endlich 5. ein Verband und
eine Lagerung des Kindes, welche die Entspannung der Bauchmuskulatur
unterstützen und gleichzeitig die Beschmutzung des ÖOperationsgebietes
durch Kot und Urin nach Möglichkeit verhindern. Kr.
Leicht entfernbare Blasennähte. Von C. Clarke. (Lancet, 17.Fe-
bruar 1912.)
In einem Fall von Blasensteinen hat Verf. nach dem suprapubischen
Blasenschnitt die Blase mit Nähten geschlossen, die er in gewohnter
Weise unter Vermeidung der Schleimhaut durch die Muskularis legte und
dann durch feine Glasröhren führte, die in der Haut endigten. Die fest-
angezogenen und über dem Röhrenausgang mit einem Ring verknoteten
Fäden ließen sich leicht entfernen, ebenso die Glasröhrchen, und so wurde
eine Heilung der Blasenwunde per primam innerhalb 8 Tagen erreicht,
ohne sekundäre Infektion und ohne die langwierige Nachbehandlung nach
Blasendrainage. Verf. empfiehlt die Methode für Blasenoperationen, da
auch bei Infektion der Blase die Glasröhren einen Abflußweg darstellen
für entzündliches Exsudat, das sich an der Schnittwunde bilden kann;
anderseits geben die Röhren einen guten Führer, um den Blasenschnitt
in der Tiefe wiederzufinden, wenn eine Wiedereröffnung sich als notwendig
erweisen sollte, wie z. B. im Falle postoperativer Blutungen oder dgl.
W. Lehmann-Stettin.
Pituitrin als postoperatives Tonikum, mit besonderer Berück-
sichtigung der Blasenfunktion. Von Jaschke-Düsseldorf. (Münchner
med. Wochenschr. Nr. 30.)
Verf. bespricht hauptsächlich zwei Wirkungen des Pituitrins: die
auf die Blase und die auf das kardiovaskuläre System, uns interessiert
bier nur die erstere. Von anderer Seite war durch Tierexperimente
festgestellt, daß Pituitrin eine mäßige Erregung der Blasenmuskulatur
bewirkt, dagegen aber die Erregbarkeit der Blasennerven gegen den
faradischen Strom stark steigert. Ebenso ist bekannt, daß durch Pitui-
trin der periphere, im Nierenbecken liegende Abschnitt der Arterien
erweitert, der proximale verengert wird. Die Folge davon ist eine Zu-
nahme der Diurese. Dies Moment scheint Jaschke in doppelter Hin-
sicht wichtig. Einmal wird durch stärkere Blasenfüllung an sich schon
die Diurese angeregt, und zweitens wird durch die häufige Durchspülung
einer Zystitis vorgebeugt. — Jaschke stellte alle seine Versuche mit
158 Kritik
Präparaten von Parke, Davis & Co. an, von denen Leem 0,01g der
getrockneten Substanz aus dem Hinterlappen der Hypopbyse entspricht.
Die Verabreichung geschah stets subkutan, jedesmal l ccm bis zu 3ccm
in den ersten 24 Stunden post operationem, eventuell auch in den
späteren Tagen. Toxische Erscheinungen wurden nicht beobachtet. Es
wurden im ganzen 44 Patientinnen injiziert, gleichgültig, was für eine
Operation vorangegangen war und ob die Blase ins Operationsgebiet ge-
fallen war oder nicht. In 21 Fällen verzeichnet Verf. einen tadellosen
Erfolg, d. h. die Frauen ließen spontan Harn am ÖOperationstage nach-
mittags und abends. Unter diesen 21 waren verschiedene, bei denen
die Blase zum Teil scharf abgelöst worden war. Bei 14 Fällen erfolgte
die erste spontane Miktion erst am 2. oder 3. Tage, 5 waren MiBerfolge,
4 Fälle konnten wegen ungenauer Aufzeichnungen nicht verwendet wer-
den In */, aller Fälle war also die Blasenfunktion günstig beeinflußt
worden. Über die Ursachen der Mißerfolge hat Verf. nicht genügend
Aufschluß gewinnen können. Ein Nachteil des Mittels ist sein hoher
Preis. Brauser- München.
Über Hexal, ein neues sedatives Blasenantisepticum. Von
Dr. S. Boß-Straßburg i. E. (Deutsche med. Wochenschr. 1912, Nr. 36.)
Hexal ist eine chemische Verbindung des Hexamethylentetramins
und der Sulfosalizylsäure, seinen Komponenten entsprechend entwickelt
es sedative und antiseptische Eigenschaften. Da die reine Salizylsäure
nach den Untersuchungen Luslyes reizend auf die Nierenepithelien
wirkt, ist ihr Derivat, die Sulfosalizylsäure, herangezogen worden, die
ebenso kalmierend wirkt, wie die Salizylsäure selber.
Das Hexal wird in Pulver- oder Tablettenform zu 3 mal täglich
l g in Wasser gelöst verabfolgt. Das Medikament ist von BoB zwei
Jahre hindurch an einem größeren Material geprüft worden. Für seine
Anwendung zählt der Verf. folgende Indikationen auf: 1. Blasenentzün-
dungen, akute und chronische, gleichgültig welchen Ursprungs. 2. Go-
norrhoische Entzündung des hinteren Teiles der Harnröhre, um die In-
fektion der Blase zu verhüten. 3. Bakterielle Erkrankungen der Harn-
wege, also Pyelitis und Pyelonephritis. 4. Harnsaure Diathese, barnsaure
Ablagerungen in den Nieren und in der Blase.
Ludwig Manasse-Berlin.
VI. Kritik.
Le cathétérisme urétéral: technique moderne et applications
thérapeutiques. Par le Dr. S. Gorodichze-St. Pétersbourg, Traduit du
Russe par le Dr. Rizzat-Paris Deuxième édition, corrigée et revue par
l’'Auteur. Préface du professeur S. P. Fédoroff-St. Pétersbourg.
Annotations et complément clinique relatif au Diagnostic des Affec-
tions chirurgicales des Reins. Par le Dr. A. Hogge, chargé du cours
d'Urologie à l’Université de Liège. (Liège Ch. Desoer éditeur 1913. 500 Seiten
mit zahlreichen Abbildungen.)
Wie aus dem Titel ersichtlich, besteht das vorliegende stattliche
Werk aus drei Teilen. In dem ersten Teile wird zunächst die optische
Einrichtung der modernen Oystoskope mit Prismen und Teleskop abge-
Kritik. 159
handelt von Nitze angefangen, eingehender das bildaufrichtende Cysto-
skop von E. R. W. Frank und das neue lichtstarke System von Ringleb,
aus dessen Feder auch das Kapitel über die Theorie der optischen Ein-
richtung des modernen Cystoskopes stammt. Es folgen die zur Cysto-
skopie geeigneten Instrumente ohne Prisma Luys, Ott, Cathelin usw.
Den Uretercystoskopen ist ein weiteres Kapitel gewidmet, das mit der
Beschreibung der Instrumente von Nitze-Albarran und Casper be-
ginnt und das von Baer, Schlagintweit, Wossidlo, Kollmann und
Ringleb eingehend behandelt. In weiteren Kapiteln gibt G. eine
detaillierte Übersicht über das Instrumentarium: die elektrischen Be-
leuchtungsapparate, die Ureterenkatheter, Untersuchungstisch, Kontrolle
der cystoskopischen Einrichtung, die moderne Asepsis und Äntisepsis und
schließt den ersten Abschnitt seines Werkes mit der ebenso genauen
Beschreibung der Einführung des Cystoskopes in die Blase und der
präzisen Anweisung zur Auffindung der Ureterenmündungen an der Hand
zahlreicher, sehr instruktiver Abbildungen.
In dem zweiten Teil folgt die Katheterisation der Ureteren und
ihre Anwendung in der Praxis. In dem einleitenden Kapitel über die
Anatomie der Blase, der Ureteren und des Nierenbeckens finden —
neben den Angaben der bekannten großen deutschen und französischen
Anatomien — besonders die bisher nur in russischer Sprache erschie-
nenen interessanten Arbeiten aus der Klinik des Prof. Fedoroff von
Altoukhow und Chevkounenko über das Trigonum und die vesikale
Endigung der Ureteren eingehende Würdigung nebst Vorführung der
betreffenden Abbildungen. Die Katheterisation der Ureteren selbst mit
Hilfe der Prismencystoskope als auch mit den Instrumenten für das
direkte Sehen ist in einem weiteren Kapitel mit solch peinlicher Ge-
nauigkeit geschildert, daß selbst der Anfänger diese Untersuchungsme-
thode ohne Lehrer erlernen kann, wenn er all das, was G. ihm in Wort
und Bild vorführt, sich vor Augen halten kann. Die beiden nach-
folgenden Kapitel über den explorativen und therapeutischen Katheteris-
mus der Ureteren nebst den Waschungen des Nierenbeckens und ihren
Wert in der Klinik bilden den eigentlich für die Praxis wichtigen Teil
des zweiten Abschnittes, welcher ebenso wie die bisherigen Teile des
Werkes ein beredtes Zeugnis ablegen für den unermüdlichen Fleiß des
Autors. Er bietet uns hier nicht nur seine eigenen Erfahrungen, sondern
auch die Kasuistik der neuesten Literatur und ihre Stellungnabme zur
Untersuchung und konservativen Behandlung der bakteriellen Pyelitis
und der kalkulösen sowie einfachen Pyonephrosen (vorbereitende Nieren-
beckenspülungen vor chirurgischen Eingriffen).
Den dritten Teil des Werkes beginnt Hogge mit der Aufzählung
und kritischen Würdigung separierender Methoden: er bespricht zuerst
die extravesikalen Separatoren von Tuchmann (1874) bis zum Kom-
pressorium von Heussner (1906), dann folgen die ıintravesikalen In-
strumente: Lambotte, Neumann, Nikolich, Luys, Cathelin usw.
Dann werden wieder die Instrumente zur direkten Katheterisation der
Ureteren unter Leitung des freien Auges aufgezählt. — Auch verschiedene
Ureterencystoskope beschreibt er, von Brenner angefangen, mit vielen,
zum Teil geschichtlich interessanten Abbildungen (so z.B. die von Nitze
160 Notiz.
über die Anwendung des ersten Ureterencystoskopes aus dem Zentral-
blatt für Chirurgie 1895) und zählt alle gebräuchlichen Instrumente
deutscher, französischer und englischer Autoren auf. Aus dem Original
reproduziert ist die mit famosen. Abbildungen versehene ausführliche
Arbeit von Heitz-Boyer, der die bewegliche Optik dss Ringlebschen
Instrumentes in 3 Positionen fixiert, welche einen Winkel von 15° ein-
schließen, wodurch die Übersicht über das ganze Trigonum und die
Katheterisation beider Ureteren bei ruhigstehendem Schaft ermöglicht ist.
Nach dieser weitläufigen, etwas überflüssigen Einleitung verficht H. die
Vorteile des direkten Ureterenkatheterismus vor der intravesikalen Sepa-
ration, für welche er nur in Ausnahmefällen eine Indikation findet. Es
folgt nun ein Kapitel über die Physiologie und Pathologie der Nieren-
funktion, ein weiteres über die allgemeine klinische und funktionelle
Untersuchung der Nieren (Cystoskopie und Bloßlegung der Nieren ein-
begriffen), woraus er die Notwendigkeit des Ureterenkatheterismus und
der getrennten Sekretgewinnung ableitet und dann zum eigentlichen Ziel
seiner Arbeit kommt. Es ist das das Kapitel: „Die Entscheidung der
Ein- oder Doppelseitigkeit jener Nierenaffektionen, die ein chirurgisches
Eingreifen erfordern, durch den Vergleich der Nierenarbeit mit Hilfe
der Untersuchung des getrennt aufgefangenen Urines beider Nieren und
anderer einschlägiger Untersuchungsmethoden.“ In diesem Kapitel werden
mit der peinlichsten Genauigkeit abgehandelt die chemische und mikro-
skopische Analyse des Nierensekretes sowie sämtliche Methoden der
funktionellen Nierendiagnostik, vom Methylenblau angefangen bis zur
Phenolsulfonaphtalinprobe von Rowntree und Geraghty und zum
Schluß die parallele Untersuchung von Blut und Urin auf Chlorid- und
Harnstoffgehalt. Wie aus dieser Revue ersichtlich ist, liegt tatsächlich
ein durchaus modernes Buch vor uns, dossen Autoren mit peinlichster
Sorgfalt bemüht waren, ihren Stoff dem heutigen Stande der Wissen-
schaft getreu darzustellen. Darum ist das Buch nicht nur dem Anfänger
als gewissenhafter Führer und Lehrmeister zu empfehlen, sondern es ist
auch für den fertigen Urologen eine wertvolle Fundgrube jener Daten,
die in den einzelnen Kapiteln zusammengetragen sind, welche er sich
nur mit vieler Mühe beschaffen könnte Erhöht wird der Wert der
Arbeit noch durch die genaue, 27 eng bedruckte Seiten einnehmende
Bibliographie. Schade, daß die in deutscher Sprache erschienenen Artikel
mit vielen, z. T. störenden Druckfehlern wiedergegeben sind. Die Aus-
stattung des Buches ist musterhaft. 240 Abbildungen im Text erhöhen
die Klarheit der Diktion in hohem Grade. Die 5 Tafeln bringen die
Reproduktionen ausgewählter Cystophotogramme aus den bekannten
deutschen Büchern und Arbeiten über Cystoskopie von Frank, Jakobi,
Ringleb usw. Picker-Budapest.
VII. Notiz.
Berlin. Herrn San.-Rat Wossidlo ist das Prädikat Professor beigelegt
worden.
Berliner
urologische Gesellschaft.
Stenographisches Protokoll
der
Sitzung vom3. Dezember1912, abends 8Uhr pünktlich,
im
Hörsaal des Poliklinischen Instituts, Ziegelstr. 18/19.
Vorsitzender: Herr C. Posner.
Schriftführer: Herr Rumpel.
Tagesordnung:
1. Geschäftliche Mitteilungen.
2. Herr W. His a. G.: Therapeutisches über Nephritis. (Ms. nicht rechtzeitig
eingegangen.)
3. Herr Rumpel: Zur Diagnose der angeborenen Anomalien der Nieren und
Harnleiter.
4. Herr E. Joseph: Die akute septische Infektion der Niere und ihre chirur-
gische Behandlung.
Zeitschrift für Urologie. 1913. 11
Vorsitzender:
Meine Herren, ich eröffne die Sitzung. An geschäftlichen
Dingen babe ich nur mitzuteilen, daß die Herren Schendel,
Nathan und Hirschberg aufgenommen worden sind.
Zur Aufnahme vorgeschlagen sind:
Herr Dr. O. Nordmann von Herrn J. Israel,
Herr Dr. Philippsthal und Herr Dr. Datyner von
Herrn L. Casper.
Ich möchte weiter darauf aufmerksam machen, daß unsere
nächste Sitzung die Generalversammlung sein wird, welche am
28. Januar des nächsten Jahres stattfinden wird. Die Einladung
wird Ihnen rechtzeitig zugehen.
Wir treten nunmehr in den wissenschaftlichen Teil unserer
Verhandlungen ein; vor der Tagesordnung hat das Wort Herr
E. Joseph zu einigen Demonstrationen.
Vor der Tagesordnung: Herr Dr. Joseph:
Meine Herren, ich hatte vor einigen Wochen eine schwierige
barnchirurgische Aufgabe zu erledigen, indem mir von einem Kol-
legen ein Patient überwiesen wurde, der im Januar dieses Jahres
auf den Damm gefallen war, nachdem er ungefähr ein halbes Jahr
zuvor ein Gonorrhöe durchgemacht hatte. Der Mann hatte sich
bei dem Fall die Harnröhre zerrissen, und es waren bereits mehrere
Operationen dieser Harnröhrenruptur wegen erfolgt. Man war aber
zu keinem Resultat gekommen. Als der Patient zu mir kam, lief
der gesamte Harn aus fünf bis sechs Fisteln aus dem Damm heraus.
Es blieb nichts weiter übrig, als noch einmal eine plastische Ope-
ration bei dem Manne vorzunehmen, die ich vor 18 Tagen aus-
geführt habe. Nun ist es bekannt, daß wir mit ausgedehnten pla-
stischen Operationen der Harnröhre in keiner günstigen Lage sind.
Bis vor kurzem hatten wir keine eigentlich sichere Methode der
Harnrôhrenplastik. Es sind in letzter Zeit die Saphenaplastiken
sehr modern geworden; aber wenn man die Statistik ansieht, so
kann man nicht behaupten, dal diese Methode einen sicheren Weg
darstellt. Ich bin so vorgegangen, wie es Marion empfohlen hat
in seiner letzten Publikation, im Jahre 1912; Marion hat uns
endlich ein sicheres Verfahren gelehrt. Er hat 42 Fälle operiert
und 41 Dauerresultate erzielt; und zwar ist die Marionsche Ope-
ration deshalb so ausgezeichnet, weil sie jede spätere Behandlung
mit Katheter oder Bougierung überflüssig macht. Ich will den
Gang der Marionschen Operation, die ich in genau der von ihm
angegebenen Weise gemacht habe, Ihnen demonstrieren.
Zunächst ausgiebige Freilegung der strikturierten narbigen Harn-
röhre und Präparation des gesamten urethralen Callus; dann aus-
giebige Resektion des erkrankten Gebietes und Mobilisierung der
vorderen Harnröhre aus den Corpora cavernose penis heraus, bis
sich der vordere Teil bequem an den hinteren Abschnitt der durch-
schnittenen Urethra heranziehen und durch Naht über einem Katheter
vereinigen läßt. Der Katheter wird dann zur Füllung der Blase
benutzt und, nachdem die Blase gefüllt ist, herausgezogen. Nun-
mehr wird als letzter Akt die Sectio alta ausgeführt und ein winklig
abgebogenes Gummirohr in das Kavum der Blase eingeführt, welches
sämtlichen Urin aus der Blase nach oben entleeren läßt. Dadurch
wird der sonst- für urethrale Eingriffe übliche Danerkatheter ver-
Joseph, Demonstrationen. 165
micden und die Urethralnabt, da der gesamte Urin aus der Bauch-
wunde abläuft, reizlos gehalten, so daß eine prima intentio des ver-
einigten Urethralrohrs zustande kommt. Die Blasendrainage wird
12 Tage durchgeführt. In der Zwischenzeit heilt die Harnröhre
fest zusammen. Nach Entfernung des Blasendrains fängt der Patient
sehr bald durch die Harnröhre zu urinieren an und bedarf fortan
keiner Bougiebehandlung mehr. Die Methode eignet sich des-
balb nicht nur für schwere traumatische, fistelnde Strikturen, son-
dern auch für rezidivierende, schwere gonorrhoische Verengerungen.
Die Patienten werden durch den Eingriff ein für allemal das
Bougie los. Man kann sebr große Stücke der Urethra resezieren. In
meinem Falle hatte der resezierte urethrale Callus eine Länge von
5 cm; die durch die Resektion entstandene Dehiscenz der Urethral-
enden betrug 7 cm. Der Defekt ließ sich aber ganz bequem durch
die Mobilisierung in der angegebenen Weise decken.
Es ist sehr zu begrüßen, daß wir endlich eine sichere Methode
der ausgedehnten Urethralresektion besitzen und schwere Fälle dem
Bougieren definitiv entziehen können.
Meine Herren, ich möchte Ihnen dann noch einen Fall von
kleinem Ureterstein zeigen. Man kam 13 cm oberhalb der Blase
allerdings auf ein Hindernis. Ich glaube, daß die Koliken in diesem
Falle nur deshalb in so geringfügigem Maße aufıraten, weil der
Stein Rillen hatte, welche infolge Abbröckels jetzt nicht mehr so
ausgeprägt sind. Der Stein hatte ursprünglich ganz dje Form einer
Kaffeebohne und gewährte dem Urin zum Teil die Passage, so daß
von einer absoluten Stenose nicht die Rede war. Deshalb sah man
auch bei Anwendung der Chromocystoskopie einen feinen blauen
Streifen aus dem Ureter rieseln, während aus dem anderen Ureter
sich der normale blaue Harnstrabl entleerte. Ich verfahre bei der-
artigen Operationen gewöhnlich so, daß ich einen Fesseldrain cin-
lege und nach 24 Stunden unter dem Verband wieder herausziehe,
den Verband aber ruhig liegen lasse. Es sind jetzt 9 Tage ber seit
der Operation. Sie sehen an der Patientin die Segnungen des Früh-
aufstehens, welches den Organismus sehr schnell wieder in Gang
bringt. Am zweiten Tage ist die Patientin aufgestanden. Man
kann das bei Nicrenoperationen ebenfalls durchführen. Nur bei
Nephrotomie möchte ich es nicht wagen. Am vierten Tage gehen
die Patienten im Zimmer herum, nach acht Tagen sind sie ent-
lassungsfähig. 9 Tage nach der Operation ist die Patientin nach
Hause gegangen.
Therapeutisches über Nephritis
Von
Ceb. Med. Rat Prof. Dr. W. His, Berlin.
(Manuskript nicht rechtzeitig eingegangen.)
Zur Diagnose der angeborenen Anomalıeı
der Nieren und Harvnleiter.
Von
Prof. Dr. 0. Rumpel, Berlin.
Vortragender berichtet über eine Anzahl von ihm beohächteter
Fälle. Verdoppelungen der Ureterenmündungen lassen sil
in cystoskopischen Bildern, die demonstriert werden, deulici
erkennen. Handelt es sich nur um Gabelungen des vesikalen
Endes, so funktionieren beide Mündungen gleichzeitig, was namen-
lich nach Indigkarmininjektion gut zu sehen ist. Bei vollständiger
Verdoppelung der Haruleiter bestehen meist zwei in Form
einer Laugniere verschmolzene Nieren mit zwei übereinander
liegenden Nierenbecken und zwei getrennten Kelchsystemen (Demon-
stration). Die Harnentleerung geschieht alternierend aus beiden
Miündungen. Führt man in die doppelten Ureteren Wismutkathr-
ter, so erkennt man im Röntgenbilde schr genau ihren Verlaut.
Zwei derartige Fälle werden im Bilde vorgeführt. Die frühzeitige
Erkennung hat insofern praktische Bedeutung, als häufig die
eine Hälfte einer solchen Doppelniere hydronephrotisch ent-
artet. (Demonstration eines solchen Präparates.) Vortragender zeigt
weiter Präparat und Röntgenbilder eines interessanten und diagnı-
stisch schwierig liegenden Falles, in dem ein solcher überzähliger
Harnleiter, ausgehend von der hydronephrotischen Hälfte einer
Doppelniere, in die Vagina mündete, während der der gesunden
Nierenhälfte zugehörige Ureter an normaler Stelle in die Blase
mündete. Endlich werden noch 2 Fälle von hydronephrotischer
Beckenniere erwähnt, in denen die Diagnose der Lageanomalie
durch den Röntgenbefund der sondierten Harnleiter möglich war
und durch die Operation bestätigt wurde. Im beiden Röntgen-
bildern, die vorgeführt werden, sieht man deutlich die betreffende
Harnleitersonde nach der Mitte sich umbiegen und vor dem Promon-
torium enden. (Ausführliche Publikation vorbehalten.)
Über akute, septische Infektion der Niere
und ihre chirurgische Behandlung.
Von
Dr. med. Eugen Joseph,
Privatdozent für Chirurgie an der Universität Berlin.
Während die chronisch-chirurgischen Nierenerkrankungen, Nieren-
steine, Nierentumoren, Hydronephrosen, Pyonephrosen usw. mit
unseren heutigen diagnostischen Methoden ausgezeichnet zu erkennen
und deshalb auch sehr gut zu behandeln sind, so daß die Nieren-
chirurgie als eine der besten und sichersten Zweige der gesamten
Abdominalchirurgie bezeichnet werden kann, sind wir, was die akuten
septischen Infektionen der Niere anbetrifft, noch nicht auf der gleichen
Höhe der Erkenntnis angelangt, und deshalb in unserem therapeu-
tischen Handeln schwankend. Um Ihnen diese Differenz zu zeigen,
will ich mir erlauben, das Thema der akuten septischen Nieren-
infektion hier zu besprechen und einige erläuternde Fälle anzu-
führen.
Bei der Einteilung dieses Gebietes muß ich davon absehen, ces
äthiologisch zu gliedern, d. h. es, wie man gewöhnlich verfährt, in
die aufsteigenden Infektionen und in die hämatogenen zu spalten,
sondern ich will aus rein praktischen Gründen mich an die Lok,
sation des infektiösen Herdes halten, obwohl ich mir bewußt bin,
daß diese Einteilung auch wieder ihr Mißliches hat, indem bei den
mannigfachen Varianten, welche das septische Krankheitsbild hervor-
bringt, auch cine mannigfache Kombination der infektiösen Lokali-
sierung stattfindet, weil sich z. B. die Pyelonephritis mit Pyelitis,
mit dem parauephritischen Abszeß kombinieren kann. Dennoch
halte ich es für das praktischste, das Thema so zu zerteilen.
Ich beginne mit dem paranephritischeu Abszeß und schließe
sogleich diejenige Form des paranephritischen Abszesses aus, bei
welchem der Niere nur eine topographische aber keine ätiologische
168 E. Joseph.
Rolle zukommt. So die Abszesse, welche von der Osteomyelitis
der Wirbelsäule, der Beckenschaufel ausgehen, oder welche von
einer durch ein perforiertes Rektumkarzinom hervorgerufenen retro-
peritonealen Phlegmone bis in die Nierengegend vorstoßen.
Die echten parancphritischen Abszesse gehen, wie allgemein
bekannt, vom Nierenparenchym aus. Sie sind eine relativ gutmütige,
lokalisierte Form der allgemeinen Pyämie, einer Pyümie, bei der
sich, wie bei der Osteomyelitis und bei der Polyarthritis noch eine
gewisse Regelmäßigkeit der Lokalisierung zeigt, bei der die Meta-
stasen nicht wahllos in alle möglichen Organe verstreut sind. Der
primäre Ausgangspunkt der Pyämie kann dabei noch flagrant und
auffindbar, oder abgebeilt und nicht mehr zu ermitteln sein. Er
kann in einer Angina, einem Furunkel, einem Darmkatarrh, in einem
typhösen Herd bestehen. Dementsprechend kommen als Erreger
des paranephritischen Abszesses alle möglichen Faktoren vor, Sta-
phylokokken, die den periphesen Furunkel erzeugten, Streptokokken,
welche ursprünglich in einem Erysipel lagerten, Colibazillen, welche
wie die Versuche von Posner zeigen, bei Darmokklusion in die
Blutbahn gerissen werden, usw.
Diagnostisch ist zweierlei: für den echten paranephritischen
Abszeß charakteristisch. Einmal die völlige Unbeteiligung der Niere
und zweitens der umschriebene, ausgesprochene Palpationsschmerz
in der Nierennische. Es ist eine für den Chirurgen feststehende
Regel, bei unklaren septischen Krankheitszuständen ebenso wie nach
den Gelenken, nach den Knochen, nach den Tonsillen, auch nach
der Nierengegend zu sehen und auf Druckempfindlichkeit daselbst
zu fahnden. Besteht eine solche, und findet sich kein klarer Grund
für das septische Fieber, so ist auch bei völlig normalem Harn eine
Probeinzision im Ätherrausch auszuführen und nach dem vermut-
lichen Abszeß in der üblichen chirurgischen Weise zu suchen. Hier-
für ein charakteristischer Fall:
Ein 15jähriger Junge hat hohes, zunächst unerklärtes Fieber.
Nirgends ist ein peripherer Herd zu entdecken. Knochen und Ge-
lenke sind frei. Im Urin ist eine Spur von Eiweiß, welche dem
Fieber entspricht. Der Harn ist aber sonst ganz klar und enthält
keinerlei Sediment. Die rechte Nierengegend ist auf Druck stark
empfindlich. Dabei ist äußerlich daselbst nichts zu sehen, weder
Ödem noch Hyperämie. Es wird lediglich auf den Befund des
umschriebenen Druckschmerzes hin eine Probeinzision ausgeführt,
und ein größerer, um den unteren Pol der Niere entwickelter Ab-
Über akute septische Infektion der Niere und ihre chirurgische Bebandlung. 169
szeß, welcher Staphylokokken als Erreger in sich trug, eröffnet und
abgeleitet.
Man begnügt sich unter solchen Umständen zunächst mit der
einfachen Eröffnung und sieht von ausgiebigeren Maßnahmen in
Anbetracht des Urinbefundes, welcher eine Beteiligung der Niere
unwahrscheinlich macht, ab, damit nicht durch die Eröffnung frischer
Lymph- und Blutbahnen eine neue Eingangspforte für die Propa-
gation des septischen Materials geschaffen wird.
Anderweitige Entzündungssymptome, wie Schwellung und Rôte,
obgleich sie bisweilen sich ebenfalls außer dem Druckschmerz ein-
stellen, sind zur Erkennung des Krankheitszustandes nicht notwendig,
weil der in der Tiefe sich entwickelnde Infektionsherd zu lange Zeit
braucht, um mit seinen Erscheinungen durch das dicke Muskel- und
Faszienpolster bis an die Oberfläche zu dringen. Im ganzen be-
trachtet ist der paranephritische Abszeß vielleicht noch das Sicherste
aller septisch renalen Krankheitsbilder.
Natürlich kann sich der paranephritische Abszeß vergesell-
schaften mit schweren Affektionen der Niere, mit dem Nierenabszeß,
dem ınultiplen oder isolierten. Für gewöhnlich ist wohl der renale
Eiterherd oberflächlich, d.h. hart an der Nierenkapsel gelegen, und
bricht leicht in die Umgebung durch. Bisweilen aber liegen die
Eiterherde tief im Innern der Niere, durchbrechen das erweichte
Organ und entleeren sich so zum Teil nach außen, als paranephri-
tischer Abszeß zun: Teil nach innen nach dem Becken zu. Dann
fehlt natürlich das eine, für den echten paranephritischen Abszeß
charakteristische Symptom, die funktionelle Intaktheıt der Niere.
So war bei dem Patienten, welchen ich Ihnen eben als Paradigma
anführte, die Funktion der Niere vollkommen intakt und der Urin
bis auf Eiweißspuren normal. Bei der Kombination von paraneph-
ritischem AbsezeB und Nierenabszeß ist sowohl die Nierenfunktion
gestört, als auch ein stärkerer Eitergehalt im Urin anzutreffen.
Am schwierigsten ist die diagnostische Entscheidung, wenn das-
jenige Krankheitsbild vorliegt, was man als Pyelonephritis bezeichnet,
dh ene diffuse Infektion des Nierenparenchyms. Hier ist die wich-
tigste Frage: Handelt es sich bei dem vorliegenden Proze um eine
entzündliche Infiltration des Parenchyms, oder ist es bereits zur
Eiterung gekommen, welche unter Umständen miliar und in ihren
Symptomen deshalb wenig charakteristisch ist. Das Krankheitsbild
ist bei beiden Formen der Pyelonephritis ziemlich gleich. Beide
gehen gewöhnlich mit hohem Fieber, beide auch mit Schüttelfrost
170 E. Joseph.
einher. Bei beiden leidet das Allgemeinbefinden, beide machen
einen recht bedrohlichen kindruck und doch wäre es sehr wichtig,
beide Formen voneinander zu trennen. Denn während wir uns bei
der einen, der nicht eitrigen, abwartend verhalten können, wäre bei
der anderen eine chirurgische Therapie, eine Spaltung oder Exstir-
pation der Niere angebracht.
Ich. möchte Ihnen die Schwierigkeit der Situation ebenfalls an
zwei weiteren Fällen erörtern:
Die Frau eines Kollegen leidet an hohem Fieber und Schmerzen
in der rechten Seite. Der Harn ist trübe und enthält zahlreiche
Leukocyten und einige Zylinder, ferner massenhaft Colibazillen. Die
Funktionsprüfung ergibt, daß die linke Niere normal funktioniert
und gut blauen Farbstoff absondert. Aus der rechten Niere strömt
eine trübe Wolke, ohne Farbstoffbeimengung. Das Fieber bewegt
sich zwischen 40 und 41 Grad, sinkt an anderen Tagen herab auf
38 Grad. Hin und wieder Schüttelfrost. Es besteht Appetitlosig-
keit, also alles in allem ein recht schweres Krankheitsbild. Das
Sensorium ist frei und nur bei hohen Fieberattacken vorübergehend
durch Delirien getrübt. Daß eine schwere bakterielle Infektion der
rechten Niere vorliegt, ist sicher. Nicht sicher ist, ob sie schon
zur Eiterung geführt hat. |
Ich verfahre zunächst expektativ, spüle das Nierenbecken mit
Argentum-Lösung, lasse reichlich Wildunger Wasser trinken und
injiziere etwas Jodoformglyzerin in die Blase. Nach 5 Tagen ist
der Zustand unter dieser Bebandlung unverändert und ich teile dem
Mann der Patientin, dem Kollegen, mit, daß wohl demnächst ein
chirurgischer Eingriff, die Freilegung der Niere, stattfinden müsse.
Da die Patientin sehr schwächlich und anämisch ist, entschließen
wir uns, noch einige Tage zu warten. Am 8. Tage stellt sich eine
Besserung ein. Das Fieber fällt ab, der Urin klärt sich allmählich,
die Patientin bekommt Appetit. Schließlich wird sie ohne jede
chirurgische Therapie mit nahezu normalem Urinbefund entlassen.
Einen zweiten Fall: Die Frau eines Lehrers erkrankt, nach-
dem sie längere Zeit anscheinend Wandernierenbeschwerden hatte,
plötzlich mit hohem Fieber, Schüttelfrost und schweren Krankheits-
erscheinungen. Die linke Nierengegend ist stark druckempfindlich.
Im Urin neben Stäbchen und Kokken zahlreiche Leukocyten. Die
Funktion der linken Niere ist herabgesetzt. Keine nennenswerte
Farbstoffproduktion. Die rechte Niere funktioniert normal. Da am
nächsten Tage nach der Einlieferung die Patientin etwa somnolent
Über akute septische Infektion der Niere und ihre chirurgische Behandlung. 171
erscheint, wird die Niere freigelegt. Außer entzündlicher Hyperämie
findet man an ihr äußerlich nichts. Die Niere wird gespalten. Auch
an der Schnittfläche ist nichts zu sehen. Nach Eröffnung des Nieren-
beckens quillt trübe Flüssigkeit aus der Nephrotomiewunde, welche
bis auf einen Drain ins Nierenbecken wieder verschlossen wird.
Die etwas tief stehende Niere wird durch einige Kapselnähte in die
Höhe gezogen und angeheftet. Der Erfolg der Operation war aus-
gezeichnet. Das Fieber fiel ab, das Allgemcinbefinden wurde gut,
Appetit stellte sich ein und nachdem 4 Wochen lang die Wunde
etwas urinös gefistelt hatte, trat Heilung ein. Die cystoskopische
Untersuchung ergab, daß die Fuuktion der Niere immer noch be-
deutend herabgesetzt war. Es bestand außerdem noch etwas Albumorie.
Über drei Jahre fühlte sich die Patientin sehr wohl. Nun kam
sie wieder mit Schmerzen in der linken Nierengegend, war aber
fieberlos. Der Urin enthielt Eiweiß, Kokken und ziemlich reichlich
Leukocyten. Die cystoskopische Untersuchung zeigte, daß die Niere
keinen Farbstoff produzierte. Aber auch die andere Niere hatte in
der Zwischenzeit gelitten; sie fing erst nach 15 Minuten zu sezer-
nieren an; die Sekretion wurde allmählich gut blau, aber nicht so
kräftig tintenblau, wie von seiten einer normalen Niere. Das Ureter-
lumen war etwas gerötet und schloß sich nicht prompt nach der
Sekretion. Ich gab deshalb der Patientin den dringenden Rat, sich
mit Rücksicht auf die zweite Niere das andere nicht mehr sezer-
nierende Organ entfernen zu lassen. Sie willigte ein; das exstir-
pierte Präparat sehen Sie hier.
Man kann die entfernte Niere am besten als einen Sequester
der Niere betrachten, d. h. als ein abgestorbenes, völlig untaugliches
Organ, als das tote Produkt einer lange herrschenden Entzündung.
Ebenso wie Sehnen und Knochen der Infektion zum Opfer fallen
können, ebenso ist diese Niere, ohne im übrigen, wie es sonst üblich
ist, durch Eiterung konsumiert zu werden, infolge der Infektion
nekrotisiert. Sie leistet im sekretorischen Haushalt gar nichts,
schädigt aber durch ihre mit Bakterien überladene und toxine pro-
duzierende Existenz das Schwesterorgan.
Anläßlich dieses Falles entstehen zweierlei Fragen: War viel-
leicht die erste Operation, die Spaltung der Niere nötig? Die Frage
ist sehr schwer zu beantworten. Nur so viel kann man sicher sagen,
daß die erste Operation nicht schädlich war und momentanen Nutzen
stiftete; deun sie entfieberte die Patientin sofort und kürzte das
Krankheitslager bedeutend ab. Aber immerhin besteht die Möglich-
172 E. Joseph.
keit, daß die infektiöse Invasion der Niere auch ohne chirurgischen
Eingriff, wenn auch langsamer, zurückgegangen wäre.
Die 2. Frage wäre: Hätte man diese Niere nicht sogleich ent-
fernen sollen? In Anbetracht des mangelhaften Befundes war dieser
Entschluß nicht zu verlangen, wäre aber retrospektiv betrachtet für
die Patientin viel vorteilhafter gewesen. Denn die 2. Operation
war bedeutend gefährlicher, als die primäre Nephrektomie es ge-
wesen wäre. Starke Schwielen und Schwarten umhüllten das nekro-
tische Organ, hatten zu Verwachsungen zwischen ihm und dem
Peritoneum geführt, welches eröffnet und wieder zusammengenäht
wurde. Das brüchige Organ riß bei der Exstirpation ein; und im
ganzen hatte die Patientin viel Glück, daß sie nach einem l4tägigen
unkomplizierten Krankheitslager genaß.
Ich glaube, daß ich Ihnen mit diesen beiden Fällen gezeigt habe.
wie schwer die Entscheidung unter solchen Umständen zu treffen ist,
daß man sich an die weitdeutigen klinischen Symptome schließlich
klammern muß, und gelegentlich Irrtümer nicht vermeiden kann.
Leichter wird unser Handeln wieder, sobald wir einer einfachen
Pyelitis gegenüberstehen. Sie ist schon mit größerer Sicherheit zu
diagnostizieren, obwohl von ihr aus bisweilen toxische Produkte
aufwärts zur Niere dringen und sowohl schwere Krankheitserschei-
nungen, Schüttelfrost, Fieber, als auch Schädigung der Nierenfunk-
tion durch toxische Fernwirkung hervorbringen. Aber im allge-
meinen ist trotz der cystoskopisch wahrnehmbaren Herabsetzung der
Nierenfunktion und trotz der nicht harmlosen Krankheitserschei-
nungen zweierlei gewöhnlich charakteristisch; einmal der relativ
geringe Eiweißgehalt, das seltene Vorkommen von Zylindern und
die kleine Zahl der Leukocyten, welche sich trotz allem und trotz
der Bakteriurie im Urin finden, und zweitens das rasche Abklingen
der Krankheitssymptome durch die geeignete Therapie, Bettruhe und
reichliche Wasserzufuhr und, wenn Eiterretention vorliegt, durch
Nierenbeckenspülungen. Dazu kommt noch eins, das sich meist
anamnestisch in diesen Fällen eine periphere Läsion an den Harn-
organen nachweisen läßt, welche man als Urheber für diesen Vor-
stoß in das Nierenbecken anschuldigen kann.
Es gibt noch eine andere Form der Bakteriurie, welche aber
schwerlich mit Pyelitis zu verwechseln ist. Das ist die Bakteriurie
bei allgemeiner Sepsis, ein prognostisch äußerst schlechtes Symptom,
welches beweist, daß irgendwie in die Blutbahn eingedrungene Bak-
terien auf hämatogenem Wege in die Nieren gelangt und bereits
Über akute septische Infektion der Niere usw. — Diskussion. 173
wahrscheinlich zu miliarer Abszedierung geführt haben. Dabei dürfen
wir uns nicht irreführen lassen, daß dieser Einbruch der Bakterien-
masse in die Zirkulation von einer Läsion im Bereiche der Harn-
wege, so 2. B. durch eine Bougierung oder einen unsauberen Ka-
theterismus, erfolgt sein kann.
Was die Pyelitis von dieser septischen Bakteriurie trennt, ist
vor allem der dekripide Allgemeinzustand, die ausgesprochene Hin-
fälligkeit, die Benommenheit, die septische Verwirrtheit, zudem wenn
nach diesen Symptomen überhaupt noch eine cystoskopische Unter-
suchung notwendig ist, die Doppelseitigkeit, welche bei Pyelitis
immerhin zu den Seltenheiten gehört.
Diskussion.
Herr W. Israel: Meine Herren, gestatten Sie mir, daß ich Ihnen zu dem
Vortrage des Herrn Joseph vier prägnante Fälle von septischer Infektion der
Niere demonstriere. Ich zeige zunächst zwei Fälle von sogenanntem Karbunkel
der Niere. Diese Erkrankung ist ja relativ selten. Hat doch Ekehorn im
Oktoberheft der „Folia urologica“ behauptet, der von ihm dort veröffentlichte
Fall sei der zweite der gesamten Literatur nach der ersten Publikation eines
solchen Falles in Israels „Chirurgischer Klinik der Nierenkrankheiten“. Beide
Fälle sind auch ihrer Ätiologie wegen von Interesse.
Der erste betrifft einen 37jähr. Hauptmann.
Zwei Monate vor der Operation bekam er einen Karbunkel im Nacken.
Als dieser schon fast geheilt war, ca. 5 Wochen später, erhielt er von seinem
Solne beim Spielen einen Tritt mit dem Stiefelabsatz in die linke Flanke. Er
spürte sofort einen heftigen Schmerz, der eine halbe Stunde dauerte. Vom
nächsten Tage an nahm der Schmerz stetig zu, und einen Tag später fieberte
er schon bis 39,9°. Schmerzen und Fieber verschwanden nun nicht mehr, Pat.
verlor Appetit und Schlaf und magerte ab. In der 1. Flanke entstand eine
stark fluktuierende Schwellung. Die Operation ergab in der Umgebung der
Niere eine große, mit nekrotischen Fetzen ausgekleidete Höhle, aus der sich
enorme Eitermengen entleerten. Ihre vordere Wand wurde von der Hinterfläche
der Niere gebildet, die, von der granulierenden Kapsel bedeckt, aus verschie-
denen Punkten Eitertropfen hervortreten ließ. Sie sehen hier die exstirpierte
Niere. (Demonstration.) Das uneröffnete Organ zeigt eine starke Schwellung
des mittleren Drittels im Diameter antero-posterior. In der Mitte der Kon-
vexität erhebt sich eine pflaumengroße Prominenz, die nach vorn vom Konvex-
rande blaß gelblich gefärbt ist, nach hinten zum Teil granuliert, zum Teil von
multiplen kleinen gelben Herden durchsetzt ist. Sie sehen nun hier auf dem
Durchschnitt das mittlere Drittel der Niere eingenommen von einer geschwulst-
ähnlichen, entzündlichen Veränderung, die über die Schnittfläche stark promi-
niert und aus zusammenfließenden, fettig gelb gefärbten Herden besteht. Ein
großer Teil dieser Herde läßt eine zentrale dellenartige Vertiefung und einen
peripheren gelben Saum erkennen. Nach dem unteren Pole zu sieht man wieder
isolierte, miliare gelbe Herde in einer gelatinösen Grundsubstanz. Der ganze
Herd hat eine annähernd ovoide Form. Der Patient wurde per sec. int. ge-
heilt entlassen.
Der zweite Fall von Karbunkel der Niere betraf eine 18jähr. Frau, die
3 Monate vor der Aufnahme enthunden hatte. 3 Wochen nach der Entbindung
174 Über akute septische Infektion der Niere usw. — Diskussion.
kam es zu einer Entzündung der linken Brustdrüse. Die Brust wurde 5 Tage
später inzidiert, die Heilung ging gut vonstatten. 4 Wochen später, 1 Monat
vor der Aufnahme, entstanden nun Schmerzen in der rechten Seite. Sie hatte
häufig Drang zum Urinlassen, besonders des Nachts, der Urin wurde trübe.
Die Operation ergab in der Mitte der Niere eine prominierende Geschwulst
von Walnußgröße. Die Niere wurde mit dem adhärenten Teil der Fettkapsel
zusammen exstirpiert. Das durch Sektionsschnitt gespaltene Organ (Demonstra-
tion) zeigt Ihnen die soeben ausführlich geschilderten anatomischen Eigentüm-
lichkeiten in noch größerer Ausdehnung; das Geschwulstartige des Prozesses,
die charakteristischen gelben Einlagerungen, die außerordentliche Verdickung
der Niere im antero.-posterioren Durchmesser. Die Heilung erfolgte per prim.
int, Von Herrn Prof. Israel ist bereits auf die auffällige makroskopische
Ahnlichkeit des Nierenkarbunkels mit der primären Aktinomykose der Niere
hingewiesen worden. Die Bilder der beiden von Herrn Prof. Israel operierten
und publizierten Fälle von primärer Nierenaktinomykose mögen dies veran-
schaulichen. (Demonstration.) Der erste Fall ist der erstbeschriebene der ge-
samten Literatur, der zweite wurde erst im vorigen Jahre beobachtet und ist
der letztpublizierte seiner Art.
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1-3
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Die Kreuze bedeuten Schüttelfröste.
Als drittes und letztes Präparat sehen Sie hier ein typisches Beispiel einer
Nephritis apostematosa, einer sogen. „Surgical Kidney“, Sie bemerken auf der
Oberfläche der Niere zahlreiche gelbe, von dunkelrotem Hof umgebene Herde.
(Demonstration) Der 28jähr. Patientin waren aus dieser Niere im März 1912
5 ca. erbsengroße Konkremente durch Pyelotomie entfernt worden. Ende Mai
bekam sie nach mehrmonatigem Wohlbefinden eine Kolik auf der operierten
Seite und geringe Hämaturie. Wenige Tage darauf entwickelte sich eine An-
gina mit Temperaturen bis über 40° und wiederum einige Tage später traten
Schüttelfröste, Blasenschmerzen und Sensationen in der linken Nierengegend
auf. Pat. kam schon septisch mit 40,1 Fieber in die Klinik. Bei dem schlechten
Allgemeinzustande bestand eine vitale Indikation für die Entfernung des Or-
gans; jedes konservative Vorgehen wäre ein schwerer Fehler gewesen. Die
Nephrektomie rettete die Patientin. Sie konnte per prim. int. geheilt nach
Über akute septische Infektion der Niere usw. — Diskussion, 175
14 Tagen die Klinik verlassen. Wir haben uns wohl vorzustellen, daß die Niere
infolge der eben überstandenen Kolık oder vielmehr auf Grund der ınit einer
Kolik stets verbundenen Sekretstauung einen Locus minoris resistentiae für die
im Blute kreisenden Anginabakterien bildete. Leider ist die bakteriologische
Identifizierung der Erreger der Angina mit denen der Nierenabszesse verab-
säumt worden.
Zum Schlusse noch ein Beispiel für die erfolgreiche Behandlung einer
septischen Nierenaffektion auf nicht operativem Wege.
Die Kurve. die ich Ibnen projiziere (s. umstehend), stammt von einer
4jährigen Patientin, die vor einem Jahre über cystitische Beschwerden unbe-
kannter Atiologie zu klagen begann. 8 Tage vor der Aufnahme traten starke
Schmerzen in der linken Lumbalgegend auf. Es kam also zur Entstehung oder
zur Exacerbation einer Pyelitis. 4 Tage vor der Aufnahme begannen Schüttelfröste
und hochfieberhafte Temperaturen. Der erste Tag unserer Beobachtung war
der fünfte, der mit Schüttelfrösten einherging. Wir beobachteten täglich etwa
zwei solcher Fröste; sie dauerten ca. 20 Minuten und waren von schwerstem
Krankheitsgefühl begleitet. Die Temperaturen bewegten sich täglich zwischen
39 und 40°. Die Operation kam in Frage. Da führte ich am neunten Tage
dieses septischen Krankheitszustandes um 10 Uhr vormittags — um 4 Uhr morgens
war noch ein Schüttelfrost aufgetreten — einen Ureterkatheter in das linke
Nierenbecken ein. Es entleerten sich nun neben dem dünnen Katheter ca,
5 Minuten lang kontinuierlich Wolken eines sehr trüben bräunlichen Urins in
die Blase. Der aus dem Katheter aufgefangene Urin enthielt massenhaft Eiter-
körperchen und Bacterium coli in Reinkultur.
Der Ureterkatheter blieb bis zum Abend liegen und wurde am nächsten
Tage noch einmal für mehrere Stunden eingelegt. Die Patientin fühlte sich
sofort sehr erleichtert, Fröste und Fieber hörten mit einem Schlage auf und
blieben verschwunden. Es sind heute 10 Tage nach dem Ureterenkatheterismus
verflossen. Ich bin geneigt, das Krankheitsbild wegen der zahlreichen Schüttel-
fröste für eine Pyelonephritis zu halten. Jedenfalls gibt die eben vorgetragene
Krankengeschichte einen neuen Beweis dafür, daß wir im Ureterenkatheterismus
gelegentlich einen sehr wirksamen therapeutischen Faktor zu erblicken haben.!)
Herr Casper: Meine Herren, aus dem Vortrage des Herrn Joseph scheint
mir ein Punkt besonders bemerkenswert zu sein, über den ich sprechen wollte,
wozu mich noch besonders der eben besprochene Fall des Herrn Israel ver-
anlaßt: das ist der der Differentialdiagnose zwischen einer Pyelitis und einer
eitrigen Infektion der Niere. Das, meine Herren, ist ein außerordentlich wich-
tiger Punkt, in dem ich weder ganz mit Herrn Joseph noch mit Herrn Israel
übereinstimme. Aus dem, was der letztere eben vorgetragen bat, scheint mir
nicht hervorzugehen, daß es sich um einen Fall von Pyeloneplıritis gehandelt
hat. In den letzten Jahren sind mehrfach Krankheitsbilder beschrieben worden,
hesonders von Gynäkologen, wonach die Patienten, die vorher oft ganz gesund
waren, plötzlich erkrankten mit Schüttelfrösten, hohem Fieber usw., ungefähr
so. wie es Herr Israel im letzten Fall gezeigt hat. Die Temperaturen gehen
über 40 Grad, der Urin kann eitrig sein, braucht es aber nicht zu sein. Bei
abwartendem Verhalten sehen wir alles wieder vorübergehen: die Kranken
genesen meist in 14 Tagen bis 4 Wochen. Solche Fälle habe ich ungefähr 6
beobachtet, meine Herren. Das sind in der Mehrzahl, wenn auch nicht immer,
einfache Pyeliten.
1) Anmerkung bei der Korrektur: Pat. ist andauernd fieberfrei, der Urin
der linken Seite nur noch schwach trübe. Behandlung: Nierenbeckenspülungen
mit Alumininm subaceticum, Snbacetattabletten innerlich.
176 Über akute septische Infektion der Niere usw. — Diskussion.
Nun entsteht die schwierige Frage: wie kann man diese Fälle unter-
scheiden von einer Surgiial Kidney, der eitrigen Parenchymerkrankung der
Niere; eine Frage, die außerordentlich wichtig ist, weil die Therapie eine grund-
verschiedene ist oder in manchen Fällen sein muß. So verhalte ich mich, wie
es wohl auch die meisten tun und wie es auch Herr Israel getan hat, bei
einer einfachen Pyelitis, die, wie gesagt, ein ganz schweres Krankheitsbild machen
kann, vollkommen abwartend, ja, bin sogar so konservativ, daß ich nicht ein-
mal die von mir zuerst ausgeführten Nierenbeckenspülungen vornehme. Ich
lasse vorher mindestens 8 Tage vergehen. Ich habe mich überzeugt, daß bis
zu einem gewissen (Grade oft spontan eine Anderung zum Bessern eintritt. In
anderen Fällen wird der Ureter katheterisiert und man sieht eine prompte
Besserung wie in dem Israelschen Falle, die dadurch herbeigeführt wird, daß
der eitrige Urin infolge des eingeführten Ureterkatheters einen besseren Abfluß
hat. Ich sage, man kann eine bestimmte Zeit lang warten; wie lange, darüber
kann man Bestimmtes nicht sagen. Man wird sich von dem von Herrn Joseph
angeführten Grundsatz leiten lassen, wie das Allgemeinbefinden des Pat. ist.
Anders liegt es, wenn es sich um eine Surgiial Kidney, um eine
eitrige Infektion in der Niere selbst handelt, um miliare Herde verschieden-
artiger Ausdehnung. Ich wollte Herrn Joseph fragen, ob der Fall, dessen
Niere er zeigte, mikroskopisch untersucht worden ist, ob da nicht auch eine
Reihe von kleinen miliaren Herden im Nierenparenchym vorhanden waren. Wahr-
scheinlicherweise war es so. So ist es in vielen Fällen, und bei diesen, meine
Herren, kann der Ausgang so sein — was ich mehrfach gesehen habe --, daß
sich die kleinen Herde spontan resorbieren und der Fall ohne Eingriff in Ge-
nesung übergeht. Öfter aber führen solche sich selbst überlassene Fälle zu
einer allgemeinen Sepsis und zum Exitus. Deshalb muß die Therapie sehr ver-
schieden sein. Bei dem einen Fall kann man ruhig warten, bei dem anderen
nur bis zu einem gewissen Grade.
Für die Differentialdiagnose will ich nun auf zwei Punkte aufmerksam
machen. Der eine ist der Eitergehalt des Harns. Hierin differiere ich ganz
merkwürdig von Herrn Joseph. Ich finde, daB bei den Pyeliten der Eiter-
gehalt verhältnismäßig größer ist als bei der eitrigen Nephritis Herr Joseph
hat umgekehrt gesagt, er ist geringer. Es ist ja auch ganz natürlich, meine
Herren: wenn das Nierenbecken eitert, so wird mehr Eiter mit dem Urin her-
auskommen als bei der Pyelonephritis, bei der überhaupt kein Eiter vorhanden
sein muß, Ich habe in meiner Klinik letzthin folgenden Fall gehabt: Eine
russische Patientin, die aus Marienbad im Krankenwagen hierher gebracht wurde,
erkrankte dort plötzlich mit Temperaturen bis 41 Schüttelfrösten und leicht
trüben Harn. — Wir haben vorerst nichts gemacht, sondern sie ruhig liegen
lassen. Der Urin enthielt nur mäßige Mengen Leukocyten. Patientin ist in 4
Wochen ganz genesen. Dies ist ein Fall, den ich wegen des Mangels an vielem
Eiter als Pyelonephritis ansprechen möchte. Ich glaube, viel oder wenig Eiter
im Harn, das ist das eine Moment, das uns zu der Differentialdiagnose dieser
heiden Affektionen hilft.
Das zweite ist das, daß man bei der Parenchymerkrankung der Niere be-
trächtliche funktionelle Störungen der Organe beobachtet, während die reine
Pyelitis ohne jede Beeinträchtigung der Nierentätigkeit einhergeht.
Die Differenzierung der beiden Krankheiten ist wichtig, weil eben die
Therapie oft verschieden sein muß.
Herr J. Israel: Meine Herren, ich glaube, Herr Casper hat den springenden
Punkt richtig erfaßt mit bezug auf die Differentialdiagnose zwischen Pyelitis
und Pyelonephritis, sofern eine Differentialdiagnose sich überhaupt stellen läßt.
Denn es gibt fast keine intensive Pyelitis, die nicht mehr oder weniger auf das
Über akute septische Infektion der Nicre usw. — Diskussion. 177
Parenchym übergriffe. Aber in klinischer Beziehung sollte man allerdings die
beiden Dinge auseinanderhalten, und da ist es absolut richtig, was Herr Casper
gesagt hat: je mehr Eiter im Urin ist, desto wahrscheinlicher ist es, daß es sich
um eine Pyelitis handelt, und je weniger Eiter da ist, desto mehr Wabrschein-
lichkeit hat man, daß die Affektion des Parenchyms im Vordergrunde steht.
Es hat sich mir durch operative und andere Erfahrung bestätigt, daß bei gleich
schlechtem Befinden der Patienten die Prognose um so viel besser ist, als der
Urin eitriger ist, und um oo schlechter, als wir weniger Eiter im Urin finden.
Was die Therapie anbelangt, so ist das gewiß ein ungemein heikler Punkt,
und allgemein gültige Regeln lassen sich nicht festlegen, höchstens insoweit,
daß man von einer verstümmelnden Operation, also einer Nephrektomie selbst-
verständlich absehen nıuß, wenn man Gefahr läuft, eine Insuffizienz der zurück-
bleibenden Niere zu bekommen. Das ist aber der Punkt, der die Wahl der
einzuschlagenden Therapie unsicher macht. Denn in den schweren Eällen ist
fast immer die andere Niere geschädigt, und ich kenne bisher, trotz Aner-
kennung aller Versuche, auf funktionell-diagnostischem Wege Klarheit über ihre
Funktionsfähigkeit zu schaffen, noch keinen Weg, der uns mit Sicherheit er-
kennen läßt, ob wir es mit einer toxischen Affektion zu tun haben, welche sich
rückbilden wird, oder mit einer Schädigung, welche nach Entfernung der an-
deren Niere den Fortbestand der Funktionsfähigkeit ernstlich gefährdet.
Deshalb, meine Herren, ist es ja natürlich, daß wir bei der unsicheren
Situation, in der wir uns befinden, einer konservativen Behandlung, wenn sie
überhaupt möglich ist, den Vorzug geben werden, und das habe ich in sehr
vielen Fällen getan und in sehr vielen Fällen mit gutem Erfolge. Ich habe
auch in einer ganzen Reihe von Fällen die Exstirpation gemacht, wo es mir
schien, als ob die toxische Allgemeinwirkung dieser erkrankten Niere bereits zu
weit vorgeschritten sei, um das Risiko tragen zu dürfen, ob eine Rückbildung
des Prozesses in der Niere nach der Inzision stattfinden wird oder nicht.
Man kann nun zweierlei konservative Wege einschlagen. Ich habe die
Dekapsulation sehr selten gemacht. Aber immerhin, es gibt leichtere Formen,
die auf Dekapsulation parieren. Der Schwerpunkt jeder konservativen Therapie
wird immer darin liegen, daß man die Spannung der Niere aufhebt. Ich habe
die Inzision immer als das bessere Mittel betrachtet, weil sie einen Zugang zu
dem Nierenbecken gibt und einen Abfluß der Produkte gestattet. Wenn nun
Herr Joseph meint, daß diese Inzision immer eine verkrüppelte Niere zurück-
läßt, weil die Niere mit der Zeit zu einem Caput mortuum schrumpft, so kann
ich ihm nicht ganz recht geben. Ein Experimentum crucis habe ich in dieser
Beziehung gemacht. Ich habe einem Patienten wegen Nierentuberkulose die
eine Niere exstirpiert, und ein Jahr später bekam er den Zustand der pera-
cuten Pyelonephritis mit unzähligen Miliarabszessen, Anurie und Urämie. Es
war selbstverständlich nur die Wahl, entweder den Patienten sterben zu lassen
oder die Niere zu spalten, Letzteres habe ich getan, und der Mann hat noch
acht Jahre mit bester Nierenfunktion gelebt. Es ist nicht notwendig, daß die
Niereninzision oder das zugrunde liegende Leiden die Niere so schädigt, daß
die Niere zugrunde geht; darum ist mein Standpunkt, für gewöhnlich, wenn
eine Operation erforderlich ist, zu inzidieren, und nur primär die Niere zu ent-
fernen, wo man glaubt, daß die Giftwirkung der Niere zu intensiv ist, um sie
selbst im inzidierten Zustande im Körper zu belassen.
Herr R. Kutner: Meine Herren! Zwar haben im wesentlichen die Herren
Casper und Roth schon ausgeführt, was ich bemerken wollte: insbesondere
simme ich Herrn Casper im Hinblick auf seine Darlegungen bezüglich der
differentiellen Diagnostik von Pyelitis und Pyelonephritis bei. Indessen möchte
ich hinsichtlich der Verwendung des Harnleiterkatheterismus zu therapeu-
Zeitschrift für Urologie. 1918. 12
178 Über akute septische Infektion der’Niere usw. — Diskussion.
tischen Zwecken bei Pyelitis einige Worte hinzufügen. Wenn ich Herm
Joseph recht verstanden habe, so empfahl er, die bei chronischer Pyelitis
auch von mir geschätzten Nierenbeckenspülungen (bei dem von ibm erwähnten
Fall der Frau eines Kollegen) schon ganz kurze Zeit nach Beginn der Erkran-
kung vorzunehmen. Das ist meines Erachtens nicht nur überflüssig, sondern
sogar bedenklich. Denn wie Sie alle wissen, heilen akute und selbst subchro-
nische Pyelitiden bei entsprechender interner und medikamentöser oder Vakzin-
behandlung (insbesondere Gonokokken- und Kolipyelitis) in einer großen Zahl
der Fälle ohne Nierenbeckenspülung aus. Außerdem kann man bei dem auf-
gelockerten (Gewebe eines frisch entzündeten Nierenbeckens bei zu frühem Ein-
greifen mit der Spitze des Harnleiterkatheters unter Umständen mechanische
Läsionen machen, die das Eindringen der Bakterien in das Nierenparenchym
und die eventuelle Verwandlung einer Pyelitis in eine Pyelonephritis begünstigen.
Daher sollte man bei Pyelitis immer erst zuwarten, was man mit der inneren
bzw. medikamentösen und eventuell serologischen Behandlung erreicht, ehe man
den Harnleiterkstheterismus in Anwendung zieht, wenn anders nicht stürmische
Erscheinungen, die eine Eiterretention vermuten lassen, zum sofortigen aktiven
Eingreifen zwingen.
Herr Rumpel: Meine Herren, ich wollte nur ein Wort zugunsten der
Vakzinetherapie vorbringen, weil dies (Gebiet in der bisherigen Diskussion noch
gar nicht gestreift worden ist. Ich stehe, was das Prinzip der chirurgischen
Behandlung anlangt, ungefähr auf dem Standpunkte, den wir eben aus be-
rufenem Munde gehört haben. Aber es gibt sicherlich eine ganze Reihe von
Fällen, namentlich die doppelseitigen Erkrankungen, die chronischen Formen
und die immer wieder rezidivierenden Formen, wo man sich schwer zu einer
operativen Therapie entschließt. Wenn auch die Erfahrungen über Vakzine-
behandlung noch recht spärlich sind, so glaube ich doch vielleicht, durch diese
Bemerkung eine Anregung geben zu können, daß sie öfters noch als bisher an-
gewandt wird. Man ist oft erstaunt über den Reichtum der Bakterien, den
man bei diesen Krankheiten, bei Pyelitiden und Pyelonephritiden im Urin vor-
findet. Es sind keineswegs immer Koliinfektionen, sondern es finden sich auch
seltenere Bakterien, z. B. Pneumokokken, Paratyphus, Pyocyaneus, kurz, alle
möglichen pathogenen Arten. Das sind alles bekannte Sachen. Aber ich
meine, das weist uns vielleicht auch den Weg, den wir einzuschlagen haben in
der Therapie, wenigstens in der Unterstützung der Heilung dieser Krankheits-
fälle. Aus meinen Erfahrungen, besonders im letzten Jahre, kann ich über
mehrere Fälle berichten, die schließlich unter Vakzinetherapie heilten. Bei
dem schwersten dieser Fälle handelte es sich, soweit ich mich im Augenblick
erinnere, um einen 45bjährigen Herrn, der seit vier Wochen fast jeden Abend
über 39—40° Fieber hatte, trotzdem das Fieber bekämpft wurde, und dabei
eine schwere Pyurie. Ich wurde erst später zugezogen. Wir stellten fest, daß
es sich um eine doppelseitige schwere Pyelitis bzw. Pyelonephritis handelte.
Es war auffallend, daß bei Einführung des Ureterkatheters aus beiden Ureteren
eine kolossale Menge von Eiter sich stoßweise entleerte. Wir haben zur Dia-
gnose eine Kollargolfüllung des Nierenbeckens gemacht. Da lief sehr viel
Kollargollösung in beide Nierenbecken ein, 15, 20, 25 cem. Die Röntgenauf-
nahme, die leider nicht sehr gut wurde, weil sie unter ungünstigen äußeren
Umständen geschah, ließ aber doch eine starke Erweiterung beider Nierenbecken
erkennen. In diesem Falle, meine Herren, war nach der Kollargolspülung, die
wir zunächst zu diagnostischen Zwecken machten, ein auffallendes Herunter-
gehen der Temperatur zu sehen. Der Harn war am nächsten Tage fast ganz
klar. Ich glaube, daß diese Kollargolspülungen einen günstigen therapeutis:hen
Einfluß gehabt haben. Gleichzeitig wurde der Patient mit Vakzine behandelt-
ges
Über akute septische Infektion der Niere usw. — Diskussion, 179
Wahrscheinlich haben beide Mittel glücklich zusammengewirkt. Der Patient
ist geheilt und seit mehreren Monaten vollständig geheilt geblieben.
Ich habe dann noch mehrere derartige Fälle beobachtet. So handelte es
sich um einen Offizier, der an Läufig rezidivierenden Pyelitiden litt und der
schon nach einer relativ kurzen Vakzinebehandlung geheilt wurde. Es würde
zu weit führen, auf die übrigen hier einzugehen. Die Fälle sind allerdings erst
in diesem Jahre beobachtet, und ich kann daher über keine definitiven Dauer-
resultate berichten. Ich glaube aber doch die Gelegenheit benutzen zu sollen,
um Ihnen die Anwendung der Vakzinetherapie namentlich mit der Vereinigung
der Kollargolspülung zu empfehlen.
Herr Roth: Ich habe Herrn Joseph auch in einem Punkte nicht ver-
standen, nämlich, wo er auf die Funktion der septisch erkrankten Nieren ein-
ging. Ich habe oft Gelegeuheit gehabt, sowohl bei Tieren, deren Nieren ich
mit Kolibazillen infiziert hatte, als auch bei Menschen mit eitrigen Erkran-
kungen der oberen Harnwege funktionelle Nierenuntersuchungen vorzunehmen
nd konnte feststellen, daß bei Anwendung der Casper-Richterschen Me-
thoden sich in den Fällen, wo das Nierenparenchym erkrankt war, stets eine
Funktionsstörung vorfand. Diese Tatsache ist von Bedeutung für die Indika-
tion der Nierenbeckenspülung. Natürlich kann dieselbe nur bei Erkrankungen
des Nierenbeckens von Erfolg sein, in denen also noch keine Funktionsstörung
nachweisbar ist; bei wesentlicher Miterkrankung des Parenchyms ist die Nieren-
beckenspülung zu widerraten, und ich habe selbst einen Fall erlebt, wo nach
einer falschen Indikationsstellung die Nierenbeckenspülung ein wochenlanges
Fieber des Patienten zur Folge hatte. — Auch in einer anderen Beziehung
möchte ich Herrn Joseph widersprechen, nämlich in der absoluten Radikal-
behandlung der eitrigen Nierenerkrankungen.
Es gibt sicher eine Anzahl von Fällen, wo die bloße Spaltung der Niere
zur Heilung führt. Unter anderen erinnere ich mich an den Fall eines 25jähr,
Mädchens, das im Wochenbett an einer Pyelonephritis der rechten Niere er-
krankte. Immer wiederkehrende Koliken und Schüttelfröste zwangen zur Ope-
ration. Die von Casper vorgenommene Nephrotomie zeigte verschiedentliche
eitrige Infiltrationsstellen, aber nirgends Abszeßbildungen. Die Pat. blieb da-
nach andauernd gesund.
Herr Zondek: Meine Herren, der Herr Vortragende hat bereits darauf
hingewiesen, daß Eiterungen im paranephrotischen Gewebe keineswegs stets
von der Niere herzustammen brauchen. Ich möchte auf ein differentialdia-
gnostisches Moment hinweisen, auf das Israel besonders aufmerksam gemacht
hat: Bei Eiterungen im paranephrotischen Gewebe, die von der Niere aus-
gehen, sind im zentrifugierten Harnsediment rote Blutkörperchen nachweisbar.
Was nun die Fälle von Nierenabszessen betrifft, so hat Israel meine
Ansicht bestätigt, daß man hier streng individualisieren muß. Sie wissen, die
Zeit liegt nicht sehr fern, wo man in solchen Fällen stets die Nephrektomie
vorgenommen hat. Dann hat wohl der von Israel soeben erwähnte Fall von
Nierenspaltung die Anregung zu konservativer Behandlung gegeben, und später-
hin (Berl. kl. Wochenschrift 1911, Nr. 13) habe ich für gewisse Fälle die De-
kapsulation bzw. Skarifikation empfohlen. Ganz bestimmte Angaben darüber,
welche Operation man im Einzelfalle ausführen soll, lassen sich m. E. nicht
machen; man muß vielmehr sein chirurgisches Vorgehen abhängig machen ein-
mal von dem klinischen Verlauf und zweitens von dem objektiven!Befund bei
der Operation.
Vor etwa zwei Wochen habe ich bei einer Patientin mit Abszessen’der rechten
Niere — auch die linke Niere war erkrankt — die Dekapsulation’und Skarifika-
tion vorgenommen. Die Temperatur ist unmittelbar darnach allmählich herunter-
12*
180 Über akute septische Infektion der Niere usw. — Diskussion.
gegangen. Da die Beobachtung noch nicht abgeschlossen ist, möchte ich mich
hier nur auf die Bemerkung beschränken, daß ich bei dieser Operation die-
selben Wirkungen beobachtete, wie ich sie im Experiment festgestellt habe;
hinsichtlich der Dekapsulation: nach Abziehen eines Teiles der Tunica fibrosa,
das Hervorquellen des Nierenparenchyms, ein Zeichen der Druckentlastung,
ferner das Blutschwitzen und, wenn man scharf hinsah, das Ausschwitzen von
wäßriger Flüssigkeit; und hinsichtlich der Skarifikation: sie ist vielleicht nicht
ganz so wirksam wie die Dekapsulation, aber zeigte dieselben Folgen, wie ich
sie im Experiment gefunden habe.
Herr Joseph: Meine Herren, daß man mit konservativen Maßnahmen bei
der eitrigen Nierenentzündung gelegentlich zum Ziele kommen kann, ist keine
Frage. Ich habe diese Tatsache in meinem Vortrage und auch die hierher
gehörigen Fälle von Israel erwähnt; aber daß dabei häufig die Patienten zu
Schaden kommen, indem man entweder die Nephrektomie gleich unmittelbar
oder später anschließen muß, das ist ebenfalls außer Frage. Deshalb glaube ich
doch an die Richtigkeit des Satzes, daß, wenn man eine schwere eitrige Er-
krankung einer Niere vor sich hat und der Nachweis gelingt, daß die andere
Niere funktionell gesund ist — und das ist in dem angezogenen Falle, von
welchem das ;herumgereichte Präparat stammt, der Fall gewesen — man 8o-
gleich zur Nephrektomie, namentlich, wenn es sich um schwache Patienten
handelt, schreiten soll. Gelegentlich kann man durch Spaltungen und konser-
vative Maßnahmen einen septischen Prozeß zum Stillstand bringen. Aber wenn
es sich um Leib und Leben handelt, so ist es meiner Ansicht nach besser, und
vor allen Dingen quoad vitam sicherer, radikal vorzugehen, und ich glaube,
daß diese radikale Richtung sich mehr und mehr Bahn brechen wird.
Was die Unterscheidung der Pyelitis und der Pyelonephritis anlangt, so
baben die Herren sich dafür ausgesprochen, daß der größere Eitergehalt im
Urin für Pyelitis spricht. Ich glaube, daß es sich in den Fällen, wo Sie einen
starken Eitergehalt haben ;und diesen Umstand differentialdiagnostisch gegen
Pyelonephritis verwenden wollen, um Retentionspyelitiden handelt infolge
Stenose aus irgend einer Ursache, die vielleicht schon zur Erweiterung des
Nierenbeckens geführt hat. Aber daß sich die einfache Pyelonephritis von der
einfachen Pyelitis dadurch unterscheiden soll, daß sie weniger Eiter mit sich
bringt, das ist, glaube ich, nicht der Fall.
Uber die Vakzinetherapie habe ich keine Erfahrung. Was Herr Rumpel
uns erzählt hat ist jedenfalls sehr interessant und gelegentlich, namentlich bei
doppelseitigen Fällen, zu versuchen.
Noch ein Wort zu Herrn Kutners Bemerkung. Ich babe ir meinem
Vortrage nicht gesagt, daß ich bei jeder Pyelitis den T/reterkatheterismus aus-
führe. Die innere Medizin hat schon lange und mit Recht den Grundsatz auf-
gestellt, daß man Pyelitiskranke zunächst ins Bett steckt, ihnen Wasser zu
trinken und eine milde Diät gibt. Aber wenn man die Überzeugung hat, dab
zu wenig Eiter im Urin ist, daß es sich um Retentionszustände handelt, das
sind die Fälle, für die Herr Casper die Nierenbeckenspülung empfohlen hat,
und in denen sie gute Dienste” leistet.
Vorsitzender:
Da es bereits nach 10 Uhr ist, werden wir wohl heute auf
den Vortrag des Herrn Lewin verzichten müssen. Ich werde ihn
auf die nächste Tagesordnung setzen und schließe die Sitzung.
(Schluß der Sitzung 10 Uhr 10 Minuten.)
Beitrag zum Studium der Harnröhren-
erkrankungen.
Von
E. Roucayrol, Paris.
Mit 2 Textabbildungen.
Veraltete chronische Harnröhrenentzündung, durch eine grippale
Infektion erweckt. — Einschnitt. — Der in seiner‘'Form und seinen
Reaktionen veränderte Gonococcus. — Gonokokkischer Selbstimpf-
stoft. — Heilung.
Die zu lesende Beobachtung ist von verschiedenen Gesichts-
punkten aus interessant, sie zeigt:
1. Daß eine veraltete chronische Harnröhrenentzündung einen
Gonococcus im Zustande verlangsamten Lebens einschließen kann,
trotzdem die bakteriologischen Untersuchungen des Ausflusses keine
Spur dessen enthielten.
2. Daß diese Gonokokken mit EE Leben fähig sind,
unter dem Einflusse unvorhergesehener Ursachen ihr Erwecken zu
äußern und Komplikationen an verschiedenen Punkten des Organis-
mus hervorzurufen.
In dem uns angehenden Falle war die beschließende Ursache
dieses Erweckens eine grippale Infektion, durch ihre mikrobische
Vereinigung eine neue Eiterung dieser bisher unerregten und gut
verträglichen Gonokokken hervorrufend.
3. Diese Beobachtung zeigt schließlich die Wichtigkeit der
Selbstimpfung bei gonokokkischen Infektionen.
Die ärztlichen Kreise legen im allgemeinen den laugsam schreiten-
den chronischen Harnröhrenentzündungen nicht genügend Achtung
bei, einige ihrer entfernten Komplikationen sehen ihre Ätiologie
völlıg verkannt.
Zeitschrift für Urologie. 1913. 13
182 E. Roucayrol.
Man weiß, wie wichtig für einen Kranken eine genaue ätiolo-
gische Diagnose ist, woraus verschiedenartige Behandlungsweisen
hervorgehen können. Auch versteht man das Interesse für die
Tatsachen, die ich beschreiben will, um die folgenden Fragen beant-
worten zu können:
„Wann ist ein Kranker vollständig von einer Harn-
röhrenentzündung geheilt? Wann kann man ihm die Er-
laubnis zur Heirat erteilen ?*
Hören wir nicht täglich hervorragende Kollegen behaupten,
daß nicht nur die Harnröhrenfasern nicht ansteckend sind, sondern
auch, daß der morgendliche Tropfen ein Zeichen ist, den Kranken
heiraten zu lassen, um seinen
Geist von dieser krankhaften
Voreingenommenheit zu zer-
streuen!
Ich, denke, daß man ge-
nügend von diesen unglücklichen
jungen Frauen sieht, die durch
ihre Ehegatten angesteckt sind, ohne daß gewisse
Ärzte durch ihre Unkenntnis der genauen Tatsachen
diese Zahl noch zu vermehren suchen.
Hier folgend die Geschichte eines meiner Kran-
ken; ihre Darlegung ist genügend beredt durch sich
selbst.
Den 15. März 1912 schickte mir Dr. de Lan-
noise einen seiner Kranken, Herrn Henri B., Maler,
26 Jahre alt.
Dieser junge Mann klagte über ein fortwährendes Aussickern,
die Folge einer vor drei Jahren erlittenen kontractierten Harnröhren-
entzündung, deren Anfangsperiode völlig schmerzlos war.
Diese Harnröhrenentzündung wurde mit Santalkapseln und
Permanganatspülungen behandelt. Der Ausfluß enthielt keine Gono-
kokken und der allgemeine Zustand des Kranken wies keine beson-
deren Erscheinungen auf.
Eine Olive Nr. 25 zeigte mir die Gegenwart von 6 oder
7 Strängen in der häutigen und Perineumsgegend an. Beim Be-
tasten seiner vorderen Harnröhre über einem geraden Benique Nr. 50
konnte ich erkrankte Glandulae urethrales konstatieren.
Seine Vorsteherdrüse hat einen rechten Lappen verschleimt und
empfindlich; ein linker Lappen ist leicht geschwollen und auch
Beitrag zum Stadium der Harnrôhrenerkrankuugen. 183
empfindlich. Die Massage bringt einige Tropfen eitriger Flüssigkeit
zutage. Die nach der Massage ausgestoßene Blasenflüssigkeit ist
opalschimmernd und enthält reichliche hängende Fasern. In den
Cowperdrüsen, den Hoden, den Samenblasen und den Nieren ist
nichts zu finden.
Wie nun Fig. 1 zeigt: Diagnose gewöhnlicher chronischer Harn-
rébrenentzündung mit breiter Stenose, erkrankten Glandulae ure-
thrales und Entzündung der EE E
Zwei folgende Untersuchungen erheben nur die Gegenwart von
einigen wenigen Mikrokokken ohne bestimmten Charakter: keine
Spur von Diplokokken.
Nach zweimaliger Behandlung der Geschmeidigkeit der Harn-
röhre über Beniques 49, 50, 51—5l, 52, 53, gefolgt von Prostata-
massagen und mit einem Zwischenraum von 3 Tagen nahm ich eine
Urethroskopie vor und fand:
In der hinteren Harnröhre: weiche Infiltration nach vorne
des Colliculus seminalis. Dieser, stark gewachsen, jedoch nicht aus-
gesproßt, zeigt die Größe einer Erbse. Vor seinem Bändchen ist
die weiche Infiltration stärker gezeichnet und zeigt sich unter der
sehr seltenen Form einer violettfarbenen Wulst, die an hämorrhoiden-
artige Wülste erinnert. An der Oberfläche des Blindsackes der
Harnröhrenzwiebel erscheint ein leichter, blutiger Ausfluß.
Die vordere Harnröhre ist leicht verhärtet und weist in
der Mittelpartie des Penis schwammige, erkrankte Glandulae ure-
thrales auf. Diese Urethroskopie, begleitet von Pinseln mit Silber-
nitrat zu 2°/, hatte eine starke Reaktion zur Folge. Als ich den
Kranken nach 4 Tagen wieder sah, erzählte er mir, daß er zwei
Tage hindurch ununterbrochen starken Ausfluß hatte.
Da dem Patienten wegen seiner Heiratsabsichten eine rasche
Heilung erwünscht war, so legte ich ihm eine besonders energische
Behandlung auf, was sonst nicht in meine gewohnte Technik ein-
schlägt, was ich betonen möchte; am Ende meines Artikels werde
ich den daraus folgernden Schluß hervorheben.
Ich beginne also folgende Behandlung: Sitzungen, von je drei
Ruhetagen unterbrochen. Bei jeder Sitzung:
1. Erweiterung mit einem Kollmann-Spülinstrument; 2. Massage
der Vorsteherdrüse; 3. Ionisation über einem Zinkbéniqué Nr. 45
(6—8 Milliampére während 5 Minuten).
Nach drei sehr gut vertragenen Behandlungen ist der Ausfluß
13*
184 E. Rovcayrol.
völlig verschwunden und die Prostata hat ihren Normalzustand
wiedererlangt.
Urin: 1. Glas klar mit etwas Staub; 2. Glas klar ohne Fasern:
3. Glas klar ohne Fasern. |
Der Kranke ist sehr zufrieden und sein Gesamtzustand ist aus-
gezeichnet: da ich aber die Erweiterung mit Kollmann nur bis
65 (filière benique) trieb, so behielt ich mir meine Meinung vor und
ließ den Kranken nach fünf Ruhetagen wieder kommen, um an ihm
eine Urethroskopie vorzunehmen, gefolgt von einer Genesungsprobe.
Nach fünf Tagen kommt mein Patient mit einer starken, seit
dem Vortage datierenden Verkühlung (Kopfschmerz, Zerschlagenheit,
Angina, Temperatur 38,6%). In der Nacht erhob er sich zweimal
zum Urinieren. Sein Urin ist seit dem Vortage völlig verändert; er
ist trübe und enthält Fasern in allen drei Gläsern.
Die Erweiterung über einem geraden Kollmann bloß, steigt
leicht bis 70; die Vorsteherdrüse ist dick, hart, höckerig und
schmerzhaft geworden und die Massage brachte einige Tropfen Eiter
hervor. Ich verschrieb dem Kranken ein Verhalten gegen Influenza,
hieß ihn das Zimmer hüten und bat ihn wiederzukommen, wenn er
sich besser fühlt.
Vier Tage später hatte sich sein allgemeiner Zustand etwas
gebessert, doch klagte er über dumpfe Schmerzen in der Gegend
des Perineum. Sein Urin war immer noch trübe und enthielt Fasern
in allen drei Gläsern.
Die Vorsteherdrüse ist sehr dick, links hart, rechts weich und
man spürt eine kleine Geschwulst von der Größe einer Haselnuß.
Die Massage bringt keinen Tropfen Eiter zutage, aber die in der
Folge ausgestoßene Blasenflüssigkeit ist sehr trübe und voll dicker
Fasern.
Ich stelle als Diagnose: akuter Albszeß der Prostata und
verordne bis auf weiteres 2g Urotropin täglich, kleine, heiße Aus-
spülungen mit 100g Wasser und 1g Antipyrine als Zusatz, und
welche der Kranke in sich zu halten hat.
Zwei Tage später konstatiere ich eine bedeutende Besserung.
Der Gesamtzustand hat sich gehoben, die Temperatur ist 37,5°.
Ich mache eine Erweiterung über Frank bis 64 (filière béni-
que). Das Instrument wird schlecht vertragen und verursacht
Krämpfe.
Aus der Harnröhre kommt eine weißliche, klumpige Flüssig-
keit hervor, dann einige Tropfen Blut. Wie ich das Instrument
ee BE ge, — — Vë
Betrag zum Studium der Harnrôhrenerkrankungen. 185
herausziehe, sebe ich seine Zweige mit dickem Eiter angefüllt. Ich
glaube, die Entleerung des Abszesses erreicht zu haben. Und tat-
sächlich, beim Untersuchen der Prostata finde ich diese weit weniger
schmerzhaft, an Stelle der kleinen Geschwulst ist eine charakteristische
Vertiefung: der Abszeß ist geleert. Aber auf dem Gipfel des linken
Lappens fühle ich die Gegenwart eines kleinen, verdächtigen Kernes.
Die am Schlusse der Behandlung ausgestoßene Blasenflüssigkeit
ist getrübt und enthält große Fasernbündel.
Drei Tage später hat sich der Gesamtzustand wieder ver-
schlechtert: Magenkatarrh; zwei Tage währendes Fieber; trüber
Urin, trotz des Urotropin. Die Vorsteherdrüse ist wenig schmerz-
haft; der rechte Lappen ist fast normal; der linke Lappen, etwas
umfangreicher, ist ein wenig hart und empfindlich. Die Blasen-
flüssigkeit ist noch trübe und enthält große Fasernbündel.
Doch klagt der Kranke über einen genau lokalisierten
Schmerz in der Mittelpartie des linken Armmuskels, dessen
Erscheinung gleichzeitig mit Fieber auftritt. Die Untersuchung ruft,
durch den Druck an dieser Stelle, ‚nur eine Verschlimmerung des
Schmerzes hervor. Da ich, wenn auch in geringerem Maße, in der
Höhe des Muskels und zwischen den Rippen schmerzhafte Punkte
finde, so glaube ich an eine vorübergehende Myalgie, wie sie oft
im Verlaufe von Harnröhrenentzündungen auftritt. Zwei Tage später
konstatiere ich eine Kontraktur des linken Biceps. In der empfind-
lichen Gegend finde ich ein sehr schmerzhaftes Knötchen von der
Größe eines Taubeneies, und die Haut ist gerötet. Ich versuche
eine Behandlungsweise, die fast immer bei Muskelschmerzen von
Erfolg ist: während 2 Minuten führe ich durch den ganzen Arm
einen elektrischen Strom von 25 Milliampöre, mit breiten Elektroden
durch, indem ich den negativen Pol auf die schmerzhafte Stelle auf-
lege; zum Schlusse kehre ich den Strom während 2?/, Minuten um.
Dies hat den dreifachen Zweck: 1. den Schmerz zu bekämpfen;
2. die normale Beweglichkeit wieder zu erreichen; 3. die vom Strom
durchquerte Region nach Möglichkeit zu sterilisieren, dank der mi-
krobentötenden Eigenschaft des Stromes.!)
Und tatsächlich sind nach diesem Eingriff der Schmerz und die
Kontraktur fast völlig verschwunden und der Kranke konnte sich
leicht selbst ankleiden.
1) von E. Roucayrol, Mitteilungen über die elektrolytische Reinigung
der erkrankten Harnröhrendrüsen. (Zeitschrift für Urologie, Dezember 1910.)
186 E. Roucayrol.
Die Vorsteherdrüse ist bedeutend besser und fast unempfnd-
lich; der Kern des linken Gipfels ist beinahe aufgesaugt. Die
Blasenflüssigkeit ist weniger trübe und enthält nur einige Fasern.
Zwei Tage später hat die Kontraktur des Muskels zugenommen und
der Arm ist jetzt im rechten Winkel unbeweglich. Lokalweise
konstatiere ich dieselben Symptome.
Ich wiederhole die Anwendung des elektrischen Stromes, doch
ist es mir diesmal unmöglich, eine höhere Intensität als 15 Milli-
amper in die Gewebe eindringen zu lassen. Ich schreibe diesen ab-
normalen Widerstand der Gegenwart eines Eiterherdes zu.!) Unter
dem Einflusse des Stromes gibt der Schmerz nach; die Freiheit
der Bewegungen ist fast wiedergewonnen, aber die völlige Ausdeh-
nung ist unmöglich.
An diesem Tage ist die Prostata fast normal, nur die Blasen-
flüssigkeit enthält noch etwas Staub. Drei Tage später ist die Kon-
traktur wieder gestiegen, man fühlt eine leichte Fluktuation an der
kranken Stelle, der Strom geht sehr schwer durch, und selbst nach
10 Minuten ist es unmöglich eine höhere Intensität als 5 Milliamper
zu erreichen. Die Vorsteherdrüse setzt ihre Heilung fort. Die
Harnröhre kann leicht bis 68 Frank (filiere Benique) erweitert
werden. Es ist nun Zeit, energisch einzuschreiten, und nfit Zustim-
mung des Herrn Prof. Marion entschließe ich mich, einen Ein-
schnitt in den Eiterherd vorzunehmen, und durch Einspritzungen mit
dem Selbstimpfstoff nach der Technik von Wright auf den Gesamt-
zustand einzuwirken.
Den 30. April, nach einer lokalen Anästhesie mit Novokain,
nehme ich einen Hauteinschnitt von 5cm vor; die Muskelfasern
sind durch die Hohlsonde etwas zerfleischt und ich stoBe auf eine
umfangreiche Tasche, aus der ein grünlich-gelber, fester, geruchloser
Eiter herausfließt, in allen Punkten dem Harnröhreneiter bei akuten
Blennorrhagien vergleichbar. Ich breite den Eiter auf Glasplättchen
aus und lege eine Kultur auf „gelosiertem“ Blute und ,,Gélose as-
cite“ an. Ich presste ungefähr drei Suppenlöffel Eiter aus, drainiere
den Sack und lege einen trockenen Verband an. Bei der mikroskopischen
Untersuchung tinde ich Diplokokken in Form von Kaffeekôrnern,
meistenteils innerhalb des Zellengewebes, und welche wohl das
Gram annehmen, diese Eigenschaft jedoch verlieren, wenn man die
Entfärbung einige Zeit fortsetzt.
) Ich führe dieses Mittel zur Diasnose der Eiterherde an, da, wie mir
scheint, dasselbe noch von keinem Autor beschrieben wurde.
Beitrag zum Studium der Harnröhrenerkrankungen. 187
Trotz dieser Eigentümlichkeit stelle ich die Diagnose auf Gono-
kokken und mache an diesem Tage eine Injektion mit einem gono-
kokkischen präparierten Selbstimpfstoff von 5 Millionen Mikroben.
Die in den folgenden Tagen erhaltenen Kulturen weisen nicht den
absoluten Charakter von gonokokkischen Kulturen auf: nach 48 Stun-
den sind die Kolonien sehr reichlich und vereinigt, ziemlich undurch-
sichtig und leicht glasiertt. Bei der mikroskopischen Untersuchung
finde ich den im Eiter enthaltenen Mikroben, auch auf Gram rea-
gierend, wenn man die Entfärbung nicht zu weit treibt (Fig. 2).
Ich pflanze diese Kulturen wieder auf „Gelose ascite* an und ver-
wende einen, nach der Wrightschen Technik selbsterzeugten Impf-
stoff. 1)
Am 4. Mai machte ich eine Injektion dieses Impfstoffes mit
der Dosis von 5 Millionen Mikroben; die Wunde hatte sich infolge
der vorhergehenden Einspritzung rasch ausgefüllt und die Eiterung
war ungenügend. Die Narbensprossen sind zahlreich und ich habe
Mühe, den bei der letzten Operation eingeführten Drain zu ent-
fernen.
Den 9. Mai, Injektion von 15 Millionen Mikroben. Die Wunde
ist völlig geschlossen. Der Kranke beginnt den Arm zu bewegen
und sein Gesamtzustand bessert sich. Die Muskelschmerzen sind
völlig verschwunden.
Am 14. Mai besteht nur noch eine, etwas tief gehende Haut-
kruste; die Armausdehnungen erreichen nach und nach ihre normale
1) Dr. Renaud-Badet, welcher diesen Impfstoff präparierte, wurde in
diese Technik unter der Direktion von Sir A. Wright im St. Marys-Spital in
London eingeweiht, wo er sich mehrere Monate aufhielt.
188 E. Roucaryol.
Weite, der Gesamtzustand ist vorzüglich. Ich injiziere 30 Millionen
Mikroben.
Den 21. Mai ist die Wunde vollständig vernarbt. Die Be-
wegungen sind normal und der Muskel erreicht nach und nach seine
Normalgröße. Injektion von 50 Millionen.
Um jede Rezidive zu verhindern und dem Kranken das Bak-
teriengift definitiv unschädlich zu machen, injiziere ich den 30. Mai
80 Millionen Mikroben und den 6. Juni 100 Millionen.
Während dieser Zeit behandelte ich die lokalen Harnröhren-
läsionen durch Erweiterung über geradem und gekrümmten Koll-
mann, verbunden mit Urethroskopien zur Kontrolle, in deren Laufe
ich meinen Patienten mit 3—4°/,igem Silbernitrat kauterisierte.
Um die Heilung zu beschleunigen, machte ich noch drei elek-
trolytische Erweiterungen !), und nachdem ich am 2. Juli durch den
Harnröhrenspiegel die Unversehrtheit der Harnröhrenschleimhaut
konstatierte, außerdem der Urin des Kranken völlig klar und fasern-
los war, ließ ich ihn die Genesungsprobe vornehmen (Silbernitrat
4°/,, Bier, Coitus), die keinen Rückfall zur Folge hatte.
Einen Monat später sah ich meinen Patienten wieder; er hatte
seine Kraft wiedererlangt, sein Gesamtzustand war völlig zufrieden-
stellend und sein Urin klar und fasernlos. Durch das Uretheroskop
konstatierte ich eine ganz normale Harnröhre.
Schlußfolgerung.
Außer den Bemerkungen, die diesem Artikel vorangehen, will
ich die Aufmerksamkeit der Kliniker auf folgende drei Punkte
richten:
1. Es scheint, wie ich es auch im Verlauf meiner Beobachtung
angebe, daß eine zu intensive lokale Behandlung sehr unangenehme
Folgen für den Organismus im allgemeinen haben kann.
Wir fassen gegenwärtig die Behandlung der Harnröhrenent-
zündungen in folgender Weise zusammen: angesichts gewisser Gruppen
tiefer Läsionen muß man auf dieselben in der Weise mechanisch
einwirken, um durch Irritation die mikroskopischen Elemente auf-
saugen zu lassen; gleichzeitig bringt diese Irritation aus der Tiefe
an die Oberfläche jene Mikroben hervor, die zur Bildung dieser
1) Siehe: E. Roucayrol: „Wert der clektrolytischen Detersion und dis
Rolle, welche dieselbe bei chronischen Harnröhrenentzüändungen spielt.“ (Wiener
medizinische Wochenschrift 1912, Nr. 21.)
Beitrag zum Studiam der Harnröhrenerkrankungen. 189
Läsionen dıenten. Diese Erregung kann schematisch in 3 Grade
zerlegt werden:
a) sie ist zu schwach;
b) sie ist genügend;
c) sie ist zu stark.
Eine zu schwache Irritation genügt nicht, um die entfernten
Mikroben hervorzubringen. Wenn sie zu stark ist, übt sie, wie die
dynamischen Prinzipe beweisen, statt einer Anziehung, eine Zurück-
stoBung aus, und die Mikroben, deren festes’ Gleichgewicht da-
durch gebrochen ist, wandern in entferntere Teile des Organismus
und offenbaren ihre Verwandtschaft den am wenigsten Widerstand
leistenden Punkten.
Wenn nun in diesem Moment ein fremder, sich in voller Tätig-
keit befindlicher Mikrobe hinzukommt, so gewinnt, nach dem Gesetz
der Mikrobenvereinigung, der geschwächte Gonococcus eine neue
Giftigkeit und es entsteht nun eine gonokokkische Blutvergif-
tung, die schwere Unfälle zun Folge haben kann. Die außer-
genitale Lokalisierung der Infektion erscheint uns nun als ein Ver-
teidigungsmittel für den Organismus, und in dem von mir hier be-
sprochenen Falle lege ich den bizipitalen Abszeß als ein, einem
Fixationsabszeß vollständig vergleichbaren, aus.
2. Von einem andern Gesichtspunkte aus zeigt die Beobachtung
die Wirkung und rasche Handlung eines gonokokkischen Mi-
krobenimpfstoffes, sei es nun ein schon vorher präparierter oder
ein aus den Mikroben des Kranken erzeugter Impfstoff. Diese
Therapie, die im Auslande schon so verbreitet ist, ist von den
französischen Spezialisten noch wenig bekannt. Sie ist indessen
jedem erreichbar und die damit erzielten Resultate sind denen der
gewöhnlichen Therapie weit höher stehend.
In Fällen von gonokokkischer Sepsis vernichtet die Behandlung
— oder bemüht sich, den Ausgangspunkt der Infektion zu vernich-
ten, jedoch der, durch das Blut getriebene Mikrob?) wie auch das
Toxin, welches er absondert, sind nicht beeinflußt, und nur durch
eine allgemeine, autiinfektiöse Therapie kann man ihn wirkungslos
machen oder vernichten. Die in Zirkulation eingeführten, mikroben-
tötenden Agens, besonders die gallertigen Silbersalze, liefern zweifel-
ı) oder durch andere Mittel auf Entfernung übertragen, was der Gegen-
stand eines spezialen Studiums sein wird und bestimmt, das hier angeführte zu
vervollständigen. Als Ausgangspunkte nehme ich die Arbeiten von Claude
Bernard, Béchamp, Pasteur.
190 E. Roucayrol,
los anerkenubare Resultate in der Behandlung von Bakterienver-
giftungen, sind jedoch keinesfalls spezifisch.
Der Impfstoff, besonders der aus Blutkultur verfertigte Selbst-
impfstoff beschließt, mit der Minimalreaktion eine fortschreitende
und definitive (Giftfestigkeit gegen den ansteckenden Agens. Dieser
ist streng spezifisch.
Oder es genügt, daß der ansteckende Mikrob vom Organismus
isoliert und an einem eigenen Ort kultiviert wird, um ihn in Form
von Impfstoff gebrauchen zu können, ohne ihn auch nur zu identi-
fizieren. Das auf diese Weise der Behandlung der Bakterienvergif-
tungen geöffnete Feld ist nun sehr groß, und diese Therapie ver-
dient es, die Aufmerksamkeit der Spezialisten auf sich zu lenken.
3. Vom rein bakteriologischen Gesichtspunkt aus bin ich in
dieser Beobachtung einem Mikroben begegnet, der ganz einem Go-
nococcus analog ist, jedoch kein typischer Gonococcus ist. Er
unterscheidet sich von diesem durch einige Einzelheiten in der
Kultur, sich nach einem ersten Übergang über Blut-„Gelose“ und
„Gelose ascite* auf einfacher „Gelose“ rasch entwickelnd, und durch
eine, dem Gramvorgang verschiedene Reaktion, je nachdem man die
Entfärbung mehr oder weniger weit treibt.
Im übrigen, was die Form, die innenzellenartige Lokalisierung
und die sofortige Wirkung des gonokokkischen Impfstofies betrifit,
war der in Frage stehende Mikrob mit einem Gonococcus identisch.
In einem Falle von Ausscheidung bakterienhaltigen Urins, eben-
falls mit Impfstoff von Wright behandelt und der der Gegenstand
einer Note im „Journal d’Urologie* vom Monat August d. J. war,
hatten Aureille und Renaud-Badet einen Diplococcus gefunden,
dessen komplettes Studium sie machten und der dieselbe Charakteristik
aufwies, wie der im Muskeleiter des Herrn B. gefundene.
Verschiedene Beobachtungen, welche analoge Fälle betreffen,
sind seit einigen Jahren veröffentlicht worden, und dies führt zur
Erörterung folgender Hypothese: kann der Gonococcus, durch
seinen längern Aufenthalt im Organismus, und besonders
außer den Geschlechtsorganen, eine neue Charakteristik
annehmen, mehr oder weniger verschieden von der nor-
malen? Ich bin auf Seiten der Bejahung, mich auf das physiolo-
gische Gesetz stützend, welches behauptet, daß „die Morphologie
eines Wesens sich je nach seiner Heimat verändert.“
Was die Kulturen und Kolorationen anbetrifft, so könnte man
die Arbeiten Rousseaus über den Micrococcus Fallax oder
Beitrag zum Studium der Harnröhrenerkrankungen. 191
falschen Gonococcus in Erinnerung bringen, Mikroben, welche er in
zahlreichen Fällen von veralteten Blennorrhagien fand und die sich
meistenteils gegen die klassische Behandlungsweise rebellisch zeigten.
Diese Veränderung gewisser Mikroben unter dem Einfluß des
Kreises in dem sie leben, ist übrigens gut bekannt.
Andere Mikrobenarten, wie: der Bacillus von Löffler, der
Bacillus des blauen Eiters, der Bacillus von Koch usw.
weisen verschieden gedrehte Formen auf, je nachdem wo sie sich
entwickeln.
Warum wäre es nicht dasselbe mit dem (sonococcus? Nur
durch klinische Beobachtungen, mit mikroskopischen Untersuchungen
verbunden, kann man diese Frage völlig aufklären; und ich denke,
daß ich in einem folgenden Artikel eine Serie interessanter Tat-
sachen, diesen Gegenstand betrefiend, werde erörtern können.
kin Fall von Syphilis der Blase.
Von
Dr. R. Picker,
Spezialarzt für Urologie in Budapest.
Die Geschichte der syphilitischen Erkrankung der Blase nebst
den bis zum Jahre 1911 veröffentlichten klinischen Fällen, findet
sich in der einschlägigen Publikation von Paul Asch im V. Bande
dieser Zeitschrift (1911, Nr. 5) in so mustergültiger Weise zusam-
mengestellt, daß ich, um Wiederholungen zu vermeiden, nur auf
diese Arbeit hinweise. Seither sind in der mir zugänglichen
Literatur wenige Fälle von Blasensyphilis erschienen, so die 3 Fälle
von Pereschiwkin-Petersburg (diese Zeitschrift Bd. V, Heft 9),
der Fall von Haberern-Budapest (Zentralblatt für Chirurgie 1911,
Nr. 19, referiert in dieser Zeitschrift Bd. V, Heft 10), der Fall
von Mucharinsky-Petersburg (diese Zeitschrift Bd. VI, Heft 5).
Der neueste Fall ist jener von Michailoff-Petersburg (diese Zeit-
schrift Bd. VI, Heft 8).
Die Geschichte meines Falles, des zweiundzwanzigsten, in welchem
die Diagnose mittels des Kystoskops gestellt wurde, ist folgende:
Herr M. Rigy., 44 Jahre alt, aus einem kleinen Dorfe Südungarns, suchte
mich am 9. Mai 1912 mit sehr heftigen Blasenstörungen auf. Er gab an, bei
Tag fortwährend Jucken in der Blasengegend zu fühlen und bei .der Miktion,
welche sich auch etwas häufiger merkbar mache, Schmerzen zu haben. Bei der
Miktion selbst muß er mehr pressen, doch ist das Ende des Harnaktes beson-
ders schmerzhaft. Nachts schläft er durch.
In der Anamnese gibt er an, vor 25 Jahren Lues und Gonorrhoe gehabt
zu haben. Mit ersterer stand er 4 Jahre in Behandlung, während dieser Zeit
machte er etwa 15 Schmierkuren durch und soll nunmehr vollständig geheilt
sein. Die Gonorrhoe hatte lange Zeit gedauert und war mit rechisseitiger Epi-
didymitis einhergegangen, Ungefähr alle 3—4 Jahre habe er seither das Wieder-
erscheinen von Ausfluß bemerkt, doch soll dieser stets nach 2 bis 3 wöchent-
licher Behandlung mit der kleinen Spritze verschwunden sein. Die jetzigen Be-
schwerden begannen vor etwa 10 Tagen, größere Unannehmlichkeiten fühlte er
Ein Fall von Syphilis der Blase. 193
erst seit etwa 3 Tagen. Seit dieser Zeit will er auch Schmerzen in der rechten
- Nierengegend gespürt haben,
Die Organe der Brust- und Bauchhöhle des untersetzten korpulenten Mannes
zeigen keine Abweichung von der Norm.
In der Mitte des Sulcus coronarius glandis ist eine strahlige, etwas pig-
mentierte Narbe sichtbar. Iuiguinale Lymphdrüsen sind kaum durchfühlbar.
Harnrôhrenmündung normal, in der vorderen Harnröhre mehrere Infiltrate
zu tasten. Nach etwa halbstündiger Miktionspause entleert er mit leichten
krampfartigen Schmerzen am Ende des Harnaktes 20 bis 830g getrübten Urins.
Der hernach eingeführte Seidengespinstkatheter 20 Char. stößt auf kein Hinder-
nis und entleert einige Tropfen getrübten Residuums. Prostata und Samenblasen
nicht vergrößert und weich; bei Druck entleert sich reichlich lichtes, dünnes,
graues Sekret und teils normale, teils aber auch praulich verfärbte Sagokörner;
im nativen Präparat finde ich ziemlich reichlich lose Leukozyten,
Zwei Stunden später, als der Patient zur Kystoskopie wiederkommt, ist
die I. Portion des Urins dicht getrübt, die II. etwas reiner mit Flocken. In
diesen weist das Mikroskop reichlich Eiterzellen und wenig Stäbchen nach.
Bei der Vorbereituns zur Kystoskopie erweist sich die Blase tolerant. Das
Kystoskop zeigt bei normalen übrigen Blasenteilen das Trigonum und den
Blasenfundus diffus grobwulstig verschwollen und eigentümlich livid
(rötlich blau) hyperämisch. Am stärksten ist diese Verschwellung an der
medialen Seite des rechten Ureterwulstes am Übergang zur Fossa retroureterica
ausgeprägt. Der aus den beiden Ureterenmändungen in kräftigem Strahle ent-
leerte Urin ist anscheinend rein,
Ich wußte mit diesem Befunde zunächst nichts anzufangen, hielt meine
endgültige Diagnose vorderhand in Schwebe und verordnete dem Patienten, der
auf einige Tage nach Hause reisen mußte, mittlerweile innerlich Helmithol.
Am 13. V. trat der Patient wieder in meine Behandlung ein. Die Pyurie
und die Blasenbeschwerden bestanden unvermindert fort. Der Rektalbefund und
das Massagesekret waren unverändert. Mittags wird der Verweilkatheter gesetzt.
14. V. Hat den Verweilkatheter auch über Nacht tadellos vertragen.
Der mir vorgewiesene Urin von 2 Stunden ist rein mit wenig kleinen Flocken.
15. V. Voerweilkatheter wurde um 11 Uhr vormittags entfernt. 2 Stunden
später ist die erste Portion des vor mir spontan entleerten Urins schleimig ge-
trübt mit Flocken, die zweite rein mit einigen Flocken.
Bei der Kystoskopie finde ich wieder dieselbe livide, bläulich-rote Infiltra-
ton mit grobwulstiger Schwellung der Schleimhaut am Fundus und wieder be-
sonders stark an der medialen Seite des rechten Ureterwulstes. Auch die
Schleimhaut der Blasenmündung ist verschwollen. Aus den Uretermündungen
kommt klarer Urin. Nach Entleerung und Reinspülung der Blase finde ich bei
sorgfältigster Palpation weder an der Prostata noch an den Samenblasen irgend-
welche tastbare Veränderungen, ihr Sekret weist auch keine gröberen Ver-
änderungen auf, im gefärbten Präparat keine Bakterien.
17. und 18. V. Der Verweilkatbeter und die nunmehr verordneten Lapie-
spülangen (1°/.) werden schlecht vertragen, der größtenteils unter Schmerzen
neben dem Katheter entleerte Urin ist trüb. Am 18. löst der Versuch vor-
sichtigst ausgeführter Blasenspülungen derartige Krämpfe aus, daß ich den
Katheter entfernte. Im Anschluß hieran hat der Patient bei leerer Blase noch
194 Picker.
überaus intensive Krämpfe, diese erinnern an die Erscheinungen bei Eiuklemmung
eines am Sphinkterrande sitzenden Papillomes und geben erst im protrahierten
warmen Bad langsam nach. Am Abend sind die Krämpfe ganz geschwunden,
der Urin wird gut zurückgehalten, die zweite Portion desselben ist bereits klar.
Mit Rücksicht auf das vollständige Versagen der sonst so wirkungs-
vollen Lokaltherapie, dachte ich an die in der Anamnese erwähnte Lucs
und verordnete unter Weglassen jedweder anderen Therapie Jodkali 8: 160
(3 Eßlöffel täglich).
19. V. Hat die ganze Nacht durchgeschlafen. I. Portion des Urins etwas
schleimig, IL klar. Bei der Kystoskopie ist die Verschwellung der rechten
Uretergegend besonders ausgeprägt, die übrigen Teile des Fundus aber auch
noch verschwollen. Diese Schwellung geht ohne scharfe Grenze in die nor-
malen seitlichen und unteren anstoßenden Partien der etwas trabekulären Blasen-
schleimhaut über. Orifizium kartenherzförmig, links mit zwei Prominenzen:
rechts glatt, doch stärker infiltriert ade links.
20. V. Nach der Kystoskopie wieder Blasenkrämpfe, welche im warmen
Bade jedoch rasch nachgeben.
21. V. Urin vollständig klar, kein Harndrang. Wassermannsche Reaktion
vollständig negativ (Dozent Guszman).
22. V. Subjektiv ohne Beschwerden, Urin vollständig klar.
25. V. Urin vollständig klar, keine Beschwerden. Kystoskopie: Schwel-
lung des Trigonums und des Sphinkterrandes entschieden im Rückgang. Die
Schwellung neben der inneren Seite des Torus uretericas dexter ist noch
deutlich markiert und livid, rötlich-blau, doch ist trotz eifrigsten Suchens keiner-
lei abgrenzbare Geschwulst (Gumma) oder Geschwür zu entdecken. Die Ureteren
münden papillenförmig am vordersten Ende der gut markierten, erhabenen
Ureterenwülste, wodurch ein deutlicher Bas-fond entsteht, und entleeren voll-
ständig reinen Urin.
Patient reist mit der Anweisung, das Jodkali fleißig weiterzunehmen, auf
8 Tage ab.
4. VI. Ist die ganze Zeit über ohne Beschwerden gewesen, Urin voll-
ständig rein und klar. Bei der Kystoskopie erscheint die Blasenmündung karten-
berzförmig, der Fundus vollständig glatt, blaßgelb Die beiden Ureterenwälste
treten in ihrem ganzen Verlaufe scharf hervor. Die Ureterenmündungen sitzen
am Ende der Ureterenwülste in Form kleiner, papillenartiger Erhöhungen.
Urinstrahl beiderseits kräftig.
Am hinteren Ende des Trigonums, dessen Schleimhaut nunmehr
ganz normal und glatt erscheint, ist an der Innenseite des rechten
Ureterwulstes im kystoskopischen Bild eine Erhöhung etwa in der
Gröbe eines Ein-Kronenstückes sichtbar, die von einem schmalen,
noch livid-rötlich verfärbten Saum umgeben ist, der allmählich in
die gesunde benachbarte Schleimhaut übergeht. Die Oberfläche
der Erhebung selbst erscheint gelblich mit einem Stich in das Röt-
liche und ist gegen den lividen Saum zu durch einen grobgelappten
Rand scharf abgegrenzt, welcher aus fünfin stumpfem Winkel zu-
sammenstoßenden Segmenten gebildet ist. In der Mitte dieses Ge-
bildes ist eine von dichtem weißem Schorf bedeckte Vertiefung
sichtbar, die etwa die Größe eines Ein-Hellerstückes zeigt.
Ein Fall von Syphilis, 195
Die ganze Veränderung ist am ehesten mit der Form eines Stiefmütterchens
zu vergleichen,
Fortsetzung der Jodkalitherapie.
16. VII. Fühlt sich vollständig wohl, Urin ganz klar, nimmt jetzt bereits
seit 2 Monaten das Jodkali. Bei der Kystoskopie vollständig normale Verbhält-
nisse: die Stelle des gelappten Ulcus ist trotz eifrigsten Suchens nicht zu finden.
Die Schleimhaut des Trigonums und des Bas-fonds ist in ihrer ganzen Ausdeh-
nung glatt und blaß-gelblich rot, ebenso wie die übrigen Teile der Harnblasen-
schleimhaut.
Über die Lues des Patienten war Herr Dozent Dr. Guszman so freund-
lich mir folgendes mitzuteilen:
Im März des Jahres 1909 hatte derselbe wegen einer Verletzung am Penis
beim Geschlechtsverkehr bei ihm konsultiert. Die Spirochätenuntersuchung des
Sekretes der Wunde war negativ ausgefallen, ebenso hatte die Untersuchung des
Patienten auf luetische Erscheinungen im Anschluß an seine alte Infektion voll-
ständig negatives Ergebnis.
Am 19. VIII. 1912 suchte mich Herr R. wieder auf. Urin ist vollständig
rein, bei der Miktion hat er keinerlei Beschwerden. Kystoskopisch derselbe Be-
fand als vor einem Monate.
In der linken Achselhöhle und an den anstoßenden Teilen des Oberarmes
hat er juckende rote Knötchen von der Größe eines Stecknadelkopfes. Herr
Dozent Guszman diagnostizierte Follikulitis und banale Exkoriationen. Lues
hiebei auszuschließen.
Einstellung der Jodkalitherapie bis auf weiteres.
Die Diagnose der Blasensyphilis erscheint also in diesem Falle
auf Grund der luetischen Anamnese durch das Resultat der spezi-
fischen Therapie trotz negativer Wassermannscher Reaktion vollstän-
dig bestätigt. Wie in den meisten einschiägigen Fällen der Literatur
erwies sich also auch in diesem Falle die Diagnose ex nocentibus
et juvantibus als richtig. Vollständig fehlt in dem von mir ge-
gebenen klinischen Bilde die Hämaturie, die fast in jedem der
mir zugänglichen Fälle der Literatur erwähnt ist, höchst wahr-
scheinlich aus dem Grunde, weil die luetische Veränderung noch
jüngeren Datums war und noch nicht zur Geschwürbildung geführt
hatte, die sich in den älteren, kystoskopisch durch Ulzera gekennzeich-
neten und mit Blutungen einhergehenden Fällen auch stets verzeichnet
findet. Der reine Nierenharn einerseits und die makroskopisch nor-
malen Adnexe der hinteren Harnröhre anderseits mit ihren unbe-
deutend katarrhalischen Sekreten wiesen auf einen streng lokalen
Proze in der Blase hin. Dies bestätigte auch die Kystoskopie,
welche dann später ’eine solitäre, für die Spätlues charakteri-
stische Läsion als den Mittelpunkt des Krankheitsbildes auf-
deckte.
196 Picker, Ein Fall von Syphilis.
Vollständig neu und mir ungewohnt war die diffus rötlich-
blaue livide Verfärbung!) der am meisten veränderten Partien der
Blasenschleimhaut, welche mit der gewohnten hochroten, mit ver-
mehrter und deutlicher Gefäßzeichnung einhergehenden Injektion der
heftigsten bakteriellen Entzündung nichts gemein hatte. Ich konnte
demnach anfangs auch keine exakte Diagnose stellen und hielt mit
Rücksicht auf den schlechten Zustand des Harnes, den Harndrang
und die doch immerhin als entzündlich anzusprechende Veränderung
der Blase die Behandlung mit dem Verweilkatheter und später mit
Lapisspülungen angezeigt. Die Verschlechterung des Zustandes nach
(diesen therapeutischen Versuchen ließ mich bereits am vierten Tage
der Behandlung mit Rücksicht auf die Anamnese an Syphilis denken.
Doch wurde diese meine Vermutung trotz der wiederholten kysto-
skopischen Untersuchung erst zwei Wochen später, da unter dem
Kinfluß des Jodkali die Rückentwicklung schon im Gange war, durch
das Auffinden des markanten, augenscheinlich aus dem Zusammen-
fließen mehrerer kleiner, zerfallener Gummen entstandenen tertiär-
luetischen, gelappten Defektes „schwarz auf weiß“ bestätigt, nachdem
das prompte Nachlassen sämtlicher Beschwerden und Krankheits-
erscheinungen nach den ersten Dosen des Jodkaliums bereits meiner
diagnostischen Vermutung allem Anschein nach recht gegeben hatte
Zur Zeit der früheren kystoskopischen Untersuchungen mag wohl
die bedeutende Wulstung der Blasenschleimhaut die verhältnismäßig
kleine luetische Läsion verdeckt und der Beobachtung mit dem Kystu-
skope unzugänglich gemacht haben.
Von einer photographischen Aufnahme mußte ich leider ab-
sehen, da ich momentan keine Platten zu meinem Photographier-
kystoskope hatte und der Patient zu einem längeren Aufenthalt in
Budapest nicht zu bewegen war.
Unter den Abbildungen, die den verschiedenen Publikationen
beigegeben sind, gibt Fig. 1 von Engelmann (Folia Urologica 1911)
am ehesten den Farbenton der von mir gesehenen lividen Schwel-
lung zurück.
Ich glaube nicht fehlzugehen, wenn ich meinen Fall für den am
trühesten erkannten und für den im frühesten Stadium der
Entwicklung stehenden halte unter jenen Fällen der Literatur,
in denen die Erkrankung der Blase in dem tertiären Stadium der
Lues aufgetreten ist.
1) Diese beschreibt auch Mucharituiskv .l. ce".
Über Pneumaturie und scheinbares
Aufhôren der Glykosurie bei blasenkranken
Diabetikern.
e Non
Sanitätsrat Dr. Teschemacher- Bad Neuenahr.
Jede Pneumaturie hat das Vorhandensein freier Gase in der
Blase zur Voraussetzung. Diese können sowohl (meist durch Fistel-
bildung) von den Nachbarorganen aus in sie hineingelangen, oder
aber — und dieser Vorgang kommt bei der Pneumaturie Diabeti-
scher in Betracht — durch Gärungsprozesse in ihr entstehen.
Der Harn des gesunden Menschen enthält cine seinem Ab-
sorptiousvermögen entsprechende sehr mäßige Menge von Gasen,
vornehmlich von Kohlensäure, nebst unbedeutenden Mengen von
Sauerstoff und Stickstoff, die an und für sich nie cine Pneumaturie
zu bewirken imstande sind. Unter abnormen Verhältnissen jedoch,
nämlich infolge von Gärungsprozessen in der Blase, kann eine er-
hebliche Vermehrung derselben zustande kommen. Findet außerdem,
was unter solchen Umständen nicht selten geschieht, noch eine Ent-
wicklung anderer Gasarten statt, so können sie, wenn ihre Spannung
das Absorptionsvermögen des Harns übersteigt, als freie Gase bzw.
als Gasblasen mit dem Urin zutage treten. — Nun kommen be-
kanntermaßen Gärungsprozesse in der Blase beim chronischen
Blasenkatarrh — und zwar als ammoniakalische Harngärung —
sehr häufig vor, ohne daß dabei jemals eine Pneumaturie zustande
zu kommen braucht, eine solche Erscheinung scheint sogar eine
sehr große Seltenheit zu sein in Anbetracht der spärlichen in der
Literatur verzeichneten Fälle. So hat Senator (Internationale
Beiträge zur wissenschaftlichen Medizin) nur zwei einwandfreie Fälle
von Pneumaturie feststellen können, in denen als Ursache ammo-
niakalische Harngärung angenommen werden mußte, in einem
dritten Fall enthielt der Harn Schwefelwasserstoffgas.
Zeitschrift für Urologie. 1913. 14
198 Teschemacher.
Anders verhält es sich nach diesem Autor mit der Pneumaturie
blasenkranker Diabetiker, wenngleich auch hierbei die genannte
Erscheinung ziemlich selten sein soll. Er hat in derselben Arbeit
etwa zehn hierhergehörige Fälle aus der Literatur namhaft ge-
macht, dazu kommen noch zwei von ihm selbst beobachtete. Die
Harnuntersuchung ergab in dem einen Fall außer geringen Sauer-
stoffmengen 19,18°/, Kohlensäure, 44,25°/, Wasserstoff und 35,63 °,,
Stickstoff, in dem zweiten Fall Kohlensäure und reichlich Alkohol,
Stoffe, die auf Zersetzung des zuckerhaltigen Urins in der Blase
zurückgeführt werden müssen. Mir selbst ist in meiner langjährigen
Praxis unter mehr als 2800 Fällen von Diab. mell. nur ein Fall
von Pneumaturie bei einem blasenkranken Diabetiker begegnet, der
ganz besonders durch den Umstand bemerkenswert ist, daß der
Zuckergehalt des Urins, der während eines ganzen Jahres nie we-
niger als 1,2°/, betragen hatte, bei Verschlimmerung des Blasen-
katarrhs auf 0,35°/, herunterging, nach Besserung desselben jedoch
bei gleicher Diät wieder die frühere Höhe erreichte.
Mein Fall, der im Sommer 1910 zur Beobachtung kam, ist fol-
gender: Herr. aus Berlin, ein Mann in den 60er Jahren, von großer,
kräftiger Statur, ist seit ca. 15 Jahren zuckerkrank. Er kam damals
sofort nach Entdeckung des Zuckers hierher in meine Behandlung und
verließ Neuenahr zuckerfrei. Seither wechselte er mit dem Besuch
von Neuenahr und Karlsbad alljährlich ab, stets mit demselben
günstigen Erfolg bis vor drei Jahren, wo er schwer an linksseitiger
Ischias erkrankte, zu deren Beseitigung er mehrmals Wiesbaden,
aber mit geringem Erfolg, besuchte. Seitdem war es ihm nicht
möglich, den Zuckergehalt trotz strenger Diät unter 12—1,5°,
herunterzubringen. Zudem leidet er seit längerer Zeit an einem
Blasenkatarrh von wechselnder Intensität, der in letzter Zeit sich
erheblich verschlimmert haben soll. Bei dem Krankenexamen
machte er mich darauf aufmerksam, daß er zuweilen Luft pisse.
und zwar geschähe dies etwa 2—3 mal die Woche. Er war auch
imstande, mir diese Erscheinung in der Sprechstunde vorzu-
demonstrieren. Bei der Harnentleerung, die gegen das Ende hin
unter ziemlich starker Anwendung der Bauchpresse vor sich ging,
setzte der Harnstrahl zweimal hintereinander unter leise brodelndem
Geräusch aus, das ohne Zweifel von ausströmenden Gasen herrührte.
Zwei Tage später gelang das Experiment noch einmal, dann aber
nicht wieder, da es dem hochgradig nervösen Patienten nicht mehr
möglich war, in meiner Gegenwart Urin zu lassen.
Über Pneumaturie und scheinbares Aufhüren der Glykosurie usw. 199
Der Harn, der sauer reagierte, enthielt 0,35°, Zucker (die
später gemessene 24stündige Harnmenge betrug stark 2000 ccm)
und wenig Albumen. In dem nicht unbeträchtlichen Sediment waren
vielfach Leukocyten, Blasenepithel und Bakterien nachweisbar. —
Über die ausnahmsweise geringe Zuckermenge war der Kranke
freudig überrascht, da die vor mehreren Wochen ausgeführte letzte
Analyse noch 2,1°/, betrug und er in letzter Zeit mehr Kohlen-
hydrate als gewöhnlich zu sich genommen hatte. Das Ergebnis der
Analyse legte die Annahme nahe, daß der Zucker schon in der Blase
eine Zersetzung durchgemacht hatte und auf diesen Umstand das
günstige Resultat zurückzuführen war. Diese Annahme wurde zur
Gewißheit durch die Tatsache, daß ich in derselben Urinprobe
24 Stunden später nur noch Spuren von Zucker vorfand, derselbe
also fast vollständig vergoren war. Nach drei Tagen war das Re-
sultat bei derselben ziemlich liberalen Diät das gleiche geblieben,
während früher bei weit strengerer Kostordnung der Zucker nie
unter 1,2°/, herunterging. Um die durch den Blasenkatarrh ver-
ursachten zeitweise fast unerträglichen Beschwerden môglichst zu
mildern, machte ich tägliche Ausspülungen mit 2'/,°/,iger Borsäure-
lösung mit dem Erfolg, daB schon nach 8—10 Tagen eine ent-
schiedene Besseruug des Blasenkatarrhs zu konstatieren war. Der
Urin wurde klarer, das Luftpissen hörte auf, dagegen stieg die
Zuckerausscheidung allmählich bei derselben Diät auf 1,2°/, bei
2000—2200 ccm 24stündiger Harnmenge. Erst einige Zeit später
gelang es, durch strengere Kostordnung und Einlage von Gemüse-
tagen den Zucker auf 0,8°/, herunterzubringen. Nach leidlich gut
verbrachtem Winter und einer nochmaligen Kur in Wiesbaden stellte
sich Patient im Sommer 1912 wieder zur Kur hier ein. Der Bla-
senkatarrh hatte sich erheblich gebessert, die Pneumaturie sich
seither nicht. weiter gezeigt. Der Prozentgehalt des Zuckers be-
wegte sich um 1 herum bei der oben genannten 24stündigen Harn-
menge.
Der erste, der darauf aufmerksam machte, da der Zucker
bei gleichzeitigem Blasenkatarrh schon in der Blase eine Gärung
durchmachen und selbst völlig verschwinden könne, war wohl Braun
ıSystematisches Lehrbuch der Balneotherapie. II. Aufl. 1869,
N. 385—386). Der von ihm mitgeteilte Fali ist kurz folgender:
Ein Herr in den 40er Jahren litt seit längerer Zeit an hoch-
gradigem Blasenkatarrh. Da sich plötzlich starker Durst und andere
Anzeichen von Diab. mellit. einstellten, wurde der Harn auf Zucker
14*
200 Teschemacher.
untersucht, der Verdacht auf Diabetes aber wieder aufgegeben. weil
durch wiederholte Analysen kein Zucker nachzuweisen war. Nach-
dem jedoch durch tägliche Ausspülungen der Blase der Katarrh
erheblich gebessert war, fand sich Zucker bis zu 4°,, im Urin.
Hierdurch kam Braun zu der Vermutung, daß infolge einer durch
den Blasenschleim bewirkten Gärung der Zucker vollständig zer-
setzt worden sei. — Auch mir sind zwei Fälle dieser Art begegnet,
die ich in einer kleinen Arbeit (Deutsch. med. Wochenschr. Nr. 11,
1888) veröffentlichte und die auch von Senator (l. c.) angeführt
sind. Der 1. Fall betraf eine 58jährige Frau, die nachweislich
seit einem halben Jahre an Diabetes gelitten hatte. Sie klagte
bei ihrer Vorstellung über heftigen Drang beim Urinlassen und über
plötzliche Verschlimmerung eines alten Blasenleidens. Der sauer
reagierende Harn von 1,027 spez. Gewicht war trüb und zeigte ein
starkes Sediment von Blasenepithel und Schleimzellen, dagegen
keine Spur Zucker, während noch eine Woche früher ein Zucker-
gehalt von 2,75°/, vorhanden gewesen sein soll. Der Blasenkatarrh
besserte sich langsam und erst nach zwei Wochen trat wieder eine
kleine Menge Zucker, nämlich 0,25°/,, auf, die sich allmählich auf
1,2 steigerte, auf welcher Höhe sie sich dauernd, mit nur geringen
Schwankungen, erhielt. — Der 2. Fall betraf einen 11jährigen
Knaben, der mir von einem bekannten Kliniker zur Behandlung
überwiesen worden war mit der Diagnose: Diabetes gravis und
dem schriftlichen Bemerken, daß der Zuckergehalt des Urins 3° „ be-
trage. Bei der Untersuchung des kleinen, sehr erschöpften Patienten
klagte er über häufigen Drang und Schmerzen beim Urinlassen. Der
sauer reagierende Urin von 1,025 spez. Gewicht enthielt einen
wolkigen Niederschlag von Blasenepithel und Schleimkörperchen.
Von Zucker war keine Spur nachweisbar. Acht Tage lang blieb
dieser trotz gemischter Kost vollständig aus, nur zweimal waren
in dem täglich untersuchten Harn Spuren aufzufinden, dann aber
trat mit gleichzeitiger Besserung des Blasenkatarrhs die Zucker-
ausscheidung wieder ein. Sie betrug am achten Tage 0,5, einige
Tage später 1°/,. Bei geeigneter Diät und fortgesetzter Trinkkur
verschwand der Zucker nach weiteren acht Tagen vollständig. um
erst drei Monate später wiederzukehren. '
Unter gewissen noch unbekannten Verhältnissen liefert also der
Blasenkatarrh ein Ferment, das schon in der Blase eine völlige
Zersetzung des Zuckers bewirkt und die Bestimmung desselben un-
möglich macht, so daß der Anschein eines gänzlichen Verschwin-
Über Pneumaturie und scheinbares Aufhören der Glykosurie usw. 201
dens des Zuckers vorgetäuscht werden kann. Einen bedeutsamen
Fingerzeig für diesen Vorgang bietet die Pneumaturie, die, wie
oben angegeben, durch Zersetzung des Zuckers in Gase (vornehm-
lich Kohlensäure und Wasserstoff) zustande kommt. Aber auch
bei fehlender Pneumaturie ist ein einmaliges negatives Resultat
der Urinuntersuchung bei chronischem Blasenkatarrh Diabetischer
nicht immer ausreichend, um das Vorhandensein von Zucker in
Abrede stellen zu können. Wo mit Rücksicht auf gewisse bekannte
Krankheitserscheinungen der Verdacht auf Diabetes nahe liegt, soll
man sich die Mühe nicht verdrießen lassen, den Harn einer öfteren
Kontrolle auf Zucker zu unterziehen.
Da ich, wie oben bemerkt, unter mehr als 2800 Diabetikern,
von denen eine nicht unbeträchtliche Anzahl mit chronischem
Blasenkatarrh behaftet war, nur einen einzigen Fall von Pneuma-
turie beobachten konnte, so mußte ich, besonders auch mit Rück-
sicht auf die Angabe von Senator, diese Erscheinung als eine
recht seltene betrachten. Auffallend ist es nun, daß die Ansichten
selbst anerkannter Autoritäten in dieser Hinsicht weit auseinander-
gehen. Dies geht am deutlichsten hervor aus der Antwort zweier
bekannter über ein überaus reiches Material verfügender Spezialisten
für Blasenkrankheiten auf mein Ersuchen um ihre Ansicht in dieser
Frage. Während der eine bei blasenkranken Diabetikern Pneuma-
turie relativ häufig fand, erklärte der andere dieses Vorkommnis
für überaus selten.
Literaturbericht.
Se L Nieren und Harnleiter.
a) Nephritis und Albuminurie.
On the causation of parenchymatous nephritis. Von G. W.
Watson. (Brit. Med. Journ., April 13. 1912.)
W. hat 100 Fälle von Nephritis (ohne Schrumpfnieren) untersucht
und zwar 80 Fälle von chronischer, 20 von mehr akuter Erkrankung.
Aus W.s Ausführungen geht hervor, daß die akute Nephritis kein be-
sonders häufiges Leiden darstellt, und daß es sich in vielen derartigen
Fällen um die Exazerbation einer längere Zeit bestehenden, unbemerkt
gebliebenen chronischen Nephritis handelt. Als Ursache für die akute
Nephritis kommen in erster Linie in Betracht: akute Infektionskrank-
heiten, Erkältungen und septische Prozesse. Die Prognose der akuten
Nephritis ist in der Regel gut. von Hofmann-Wien.
Über akute Nephritis in den Kinder- und Jugendjahren mit
besonderer Berücksichtigung der Prognose. \on Harald Ernbereg.
Aus der Universitäts-Kinderklinik Stockholm. (Nord. med. Arkivi 1911, Abt. 2,
Nr. 5, S. 1—50.:
Die wesentliche Grundlage vorliegender Arbeit ist eine Untersuchung
einer größeren Anzahl Individuen, welche als Kinder oder junge Leute
eine sicher festgestellte akute Nephritis gehabt haben. Die Untersuchung
ist 16—23 Jalıre nach der akuten Nephritis angestellt. Die Ergebnisse
der Arbeit deuten darauf hin, daß die akute Nephritis wenigstens in be-
treff der Altersgruppen, die hier in Rede stehen, eine Krankheit ist, an
der der Patient entweder während des akuten Stadiums zugrunde geht
oder auch geheilt wird. Alles scheint dem Verfasser darauf hinzudeuten,
daß ein langsamer Übergang in eine tötende chronische Nephritis so
außerordentlich selten ist, daB dies für die Prognose eines Individuums,
das in der Jugend eine akute Nephritis hat oder gehabt hat, praktisch
wohl keine Rolle spielt. Die akute Nephritis bei Kindern oder jungen
Leuten hat in der Regel keine gefährlichen Folgen im späteren Leben.
Was die Bedeutung einer fortbestehenden Albuminurie im unmittel-
baren Anschluß an die akute Nephritis betrifft, so spricht die Unter-
suchungsserie des Verfassers für die Benignität dieser Albuminurie. Weiter-
hin stellt Verfasser fest, daB die akute Nephritis nicht für eine lang-
wierige orthostatische Albuminurie disponiert.
Fritz Loeb-München.
L’uree dans le liquide c&phalo-rachidien au cours des nöphri-
tes des enfants. Von Nobécourt-Paris. Société médicale des hôpitaux.
(Sitzung vom 12. Januar 1912. Nach La Semaine médicale 17. I. 1912.)
Bei den in Gemeinschaft mit Darre ausgeführten Untersuchungen
wurden die Zerebrospinalflüssigkeiten von 12 Kindern, die an akuter,
Nieren und Harnleiter. 2()3
subakuter und chronischer Nephritis erkrankt waren, auf ihren Harnstoff-
wehalt untersucht. Bei 5 Kindern betrug der Harnstoffgehalt weniger
as Id eg im Liter, bei 4 zwischen 75 cg und 1 g, bei 3 zwischen 1
wd Xg, Die Erhöhung des Reststickstotis (Azotämie) kann bei den
einfach albuminösen Formen der Nephritis wie auch bei den cltlorämi-
schen fehlen. Die mittlere Erhöhung fand sich bei den mit Chlorreten-
tion kumbinierten Formen der Krankheit und bot keine besonderen
Nrmptome. Eine starke Erhöhung wurde" bei sehr akuten Nephritiden
beobachtet und war bei 2 Fällen von Appetitlosigkeit, Erbrechen und
Sohläfrigkeit begleitet. N. Meyer- Wildungen.
Über dasSchicksal nierenkranker unl albuminurischer Kinder
Von Elisabeth Schiff, Dissertation. (Heidelberg 1912, 57 S. Trier, Schaar
und Dathe.,
Auf Veranlassung von Moro unternahm es Verf, an der Hand der
Krank:njournale von 1893—1903 alle Fälle von Nephritis und Albu-
minurie, die in jener Zeit in der Luisenheilanstalt in Heidelberg be-
cbachtet wurden, zusammenzustellen und die botreffenden Patienten zu
einer Nachuntersuchung zu veranlassen. Die Durchsicht der Journale
errab 204 Fälle von Nephritis und Albuminurie. Von diesen kamen
[VS zur Nachuntersuchung, und zwar: akute Nephritiden 65 (inkl. zwei
Scharlachalbuminurien), chronische Nephritiden 16, orthotische Albumi-
nurien 25, unbestimmte Formen 1.
I. Akute Nephritiden. Zwischen Erkrankung und Nachunter-
suchung liegt ein Zeitraum von 2—17 Jahren. Die Nachuntersuchten
tehen in einem Alter zwischen +'/, und 26 Jahren. Das Resultat der
Untersuchungen ist folgendes: Übergang in chronisch-parenchymatöse
Nephritis mit letalem Ausgang trat ein bei 2 Scharlachnephritiden und
einer im Anschluß an Purpura auftretenden Nephritis. Vollständig negativ
war der Befund bei 4 Scharlachnephritiden inkl. einer Albuminurie und
in 8 von den übrigen Nephritiden. Ausgesprochen chronische Nephritis
fand sich m 2 Fällen. Bei einem Falle fand sich Albumen, daneben
spärliche Zylinder. In 9 Fällen zeigten sich Formelelenente, die einen
leichten Reizzustend der Nieren annehmen lieben, und zwar betreffen
dieso Befunde 3 Scharlachnephritiden und 6 akute Nephritiden anderer
Atiolorie, Es bleiben noch 38 Fälle, also über die Hälfte aller akuten
Nephritiden übrig, bei denen die Urinuntersuchung teils den Essigsäure-
körper, teils Spuren Albumen ergab, und zwar in einzelnen Fällen in
deutlich orthotischem Typus, in der Mehrzahl in ganz atypischer ‚Weise,
indem z. B. auch der Morgenurin Essigsäurekörper enthielt. Nur in
2 Fällen fanden sich neben dem Essigsäurekörper Spuren Albumen in
allen Proben. Die Albuminurie kann in diesen Fällen der Ausdruck
uephritischer Veränderungen sein, die sich auf die frühere akute Ne-
phritis zurückführen lassen, das Fehlen von Formelelementen kann zu-
fällig sein, Ebenso gut kann aber auch, wenn nicht in allen, so doch
in vielen Fällen eine rein orthotische Albuminurie vorliegen.
II. Chronische Nephritiden. Die Diagnose chronischer Ne-
phritiden wurde bei 28 beobachteten Kindern gestellt. Von diesen 28
204 Nieren und Harnleiter.
kamen noch 16 zur Nachuntersuchung. Details entziehen sich der Wieder-
gabe ım Referat. In 3 Fällen chronischer Nephritis lagen nach 8 und
6 Jahren noch Zeichen einer Heubnerschen Kindernephritis vor
bei 15-, 18- und 21ljährigen Personen. Verf. hebt als bemerkenswertes
Ergebnis hervor, daß die Prognose chronischer Nephritiden, selbst solcher,
die schon ausgesprochene Zeichen arterieller Druckerhöhung erkennen
ließen, nicht in allen Fällen infaust ist.
III. Orthotische Albuminurien. Die tabellarische Übersicht
über 25 zur Nachuntersuchung gekommene Fälle von orthotischer Al-
buminurie ergibt in keinem Falle einen sicheren Anhaltspunkt für das
Vorhandensein einer ernsteren Nierenstörung.
Fritz Loeb-München.
Über Nierenschrumpfung im Kindesalter. Von Malka Zetlin.
Med. Univ.-Klinik, Zürich. (Inaug.-Dissertation, Zürich 1912.)
Beobachtungen der letzten Jahre bringen Beweise dafür, daß die
Nierenschrumpfung im Kindesalter doch nicht so selten vorkommt, wie
bisher angenommen wurde. Verf. stellt eine Sammlung von einschlägigen
Fällen aus der Literatur zusammen und gibt die ausführliche Beschreibung
von 6 Fällen aus obiger Klinik. Bei vieren ist in ätiologischer Hin-
sicht möglich, daß die Nephritis im Anschluß an Infektionskrankheiten
aus einer akuten parenchymatösen hervorgegangen ist. Die klinischen
Symptome der chron. interstitiellen Nephritis bei Kindern unterscheiden
sich nicht von denen des späteren Lebensalters. Bei 3 Fällen (von den
mitgeteilten 6) war Herzhypertrophie vorhanden. In den drei anderen
nicht. Im Verlaufe von 28 Jahren wurden auf der Klin. Zürich 583 Fälle
von chron. interstitieller Nephritis beobachtet. Auf das männliche Ge-
schlecht entfallen 401, auf das weibliche 182 Fälle, worunter 4 Knaben
und 2 Mädchen. Fritz Loeb-München.
Zur Frage der Scharlachnephritis. Von C. Leede-Hamburg-
Eppendorf. (Münchn. med. Wochenschr. 1911, Nr. 48.)
Verf. hatte zu seinen Untersuchungen 870 Fälle von Schlarlach zur
Verfügung, die während eines halben Jahres dem Eppendorfer Kranken-
haus zugegangen waren und von denen 237 teils aus prophylaktischen,
teils aus therapeutischen Gründen mit Diphtherieserum eingespritzt wur-
den. Die Gesamtzahl der Nephritisfülle betrug 78. Er hat dieses Ma-
terial speziell in seinen Beziehungen zur Wassermannschen Reaktion
untersucht und kommt unter Hinzuziehung von 102 früheren Fällen, die
serologisch untersucht waren, zu folgenden Schlußfolgerungen:
1. Es scheint wahrscheinlich, daB das Scharlachgift jede Niere mehr
oder weniger schädigt, ähnlich wie die Leber (Urobilinurie) und die
Kapillaren der Haut (Stauungsversuch). Hierauf weist auch die ver-
minderte Widerstandsfähigkeit der Scharlachniere gegen Diphtherieheil-
serum hin.
2. An sich genügt diese Schädigung der Nieren nicht, um zu einer
Scharlachnephritis zu führen; hierzu führt erst eine angeborene Minder-
wertigkeit des Nierengewebes (familiäres Auftreten, Nierenentzündung
Nieren und Harnleiter. 205
beim leichtesten Scharlach) ähnlich wie bei anderen familiär auftretenden
Komplikationen (Herzerscheinungen).
3. Die Wassermannsche Reaktion fällt zweimal so oft positiv aus
bei den Scharlachnephritikern als bei sonstigen Scharlachkindern.
4. Durch die Wassermannsche Reaktion wird möglicherweise eine
Schädigung des Stoffwechsels auch eines anderen parenchymatüsen Organes
offenbart.
ö. Die Nephritis als solche spielt keine ursächliche Rolle bei dem
Auftreten der positiven Wassermannschen Reaktion.
6. Es ist zurzeit nicht möglich, die Lues in der Aszendenz als
Ursache der Minderwertigkeit der Organe nachzuweisen, doch ist die
Möglichkeit nicht zu bestreiten. Brauser-München.
Über die Ätiologie, Symptomatologie und pathologische Ana-
tomie der Pneumokokkennephritis beim Kinde. Von Vera Schmarine.
These de Paris 1911, No. 394, 102 p.)
Die selten vorkommende Pneumokokkennephritis des Kindes
tritt klinisch in drei verschiedenen Formen auf: 1. Albuminurie im Ver-
laufe einer Pneumonie als einfache Komplikation einer Infektionskrank-
heit ohne besondere Erscheinungen; 2.in seltenen Fällen Pneumokokken-
nephritis schwerer Art; 3. in noch viel selteneren Fällen benigne Form
der Erkrankung. Die schwere Form macht die Erscheinungen der ge-
wöhnlichen akuten Nephritis (Ödeme, Oligurie und Anurie, Hämaturie usw.).
Dabei kommt es zu schweren Allgemeinerscheinungen infolge der In-
fektion des Organismus. Die häufig erhöhte Temperatur sinkt in manchen
Fällen unter die Norm. Der Tod tritt im Koma ein. Die Erscheinungen
der leichten Form sind zunächst in klinischer Beziehung von denen der
schweren nicht verschieden; sie verschwinden aber bald und die Krank-
heit endet in Heilung. Bei dieser Form ist die Temperatur immer er-
höht, sie sinkt brüsk gegen das Ende der Krankheit. Der Allgemein-
zustand ist viel weniger in Mitleidenschaft gezogen. Immer handelt es
sich um ältere Kinder.
Die Prognose der echten Pneumokokkennephritis ist eine
traurige: die Sterblichkeitsziffer ist sehr hoch. In pathologisch-anato-
mischer Hinsicht ist die Pneumokokkennephritis charakterisiert durch
schwere Läsionen des Nierenparenchyms, besonders der gewundenen
Kanälchen, deren Epithel zerstört wird. Das Bindegewebe bleibt ver-
schont, dagegen wird das spezifische Nierengewebe schnell alteriert. Es
gelingt unschwer, die Pneumokokken im Urin nachzuweisen. — 28 Kran-
kengeschichten werden von Verfasserin ausführlich mitgeteilt.
Fritz Loeb-München.
Acute nephritis due to turpentine absorbed by the skin. Von
K. Anderson- Banwell. (Brit. Med. Journ., Oct. 5. 1912.)
Bei einem 5 jährigen Mädchen trat nach Einreibung des Rückens
und der Brust mit einem Terpentin enthaltenden Liniment eine akute
hämorrhagische Nephritis auf, welche nach Aussetzen der Einreibungen
unter Milchdiät usw. rasch verschwand. von Hofmann-Wien.
206 Nieren und Harnleiter.
Über eine nephritische Form der Werlhofschen Blutflecken-
krankheit. Von Prof. Dr. Hermann Eichhorst-Zürich. (Mediz. Klinik
1912, Nr. 1.)
Verf. hat im Verlaufe von Jahren bei drei Kranken eine eigentün-
liche Form von Werlhofscher Krankheit beobachtet, für welche er
gleiche Beispiele aus der Literatur nicht auffinden konnte. Er bezeichnet
sie kurz als die chronisch-nephritische Form der Purpura haemorrhagica.
Es handelt sich um Personen, die an Erscheinungen des Morbus macu-
losus Werlhofii erkranken. Es tritt dabei eine hämorrhagische Nephritis
auf. Alle Störungen gehen bis auf die hämorrhagische Nephritis zurück.
Letztere bleibt jahrelang bestehen und läßt sich nicht zur Heilung
bringen, so Vieles und so Mannigfaltiges auch versucht wird. Es klingt
also das bekannte Bild der Purpura haemorrhagica in eine chronische
hämorrhagische Nephritis aus, über deren Entstehung derjenige im unklaren
bleiben muß, der nicht in der Lage gewesen ist, die Entwicklung der
Dinge zu verfolgen, namentlich, wenn die Anamnese unvollständig ist und
das Vorausgegangensein einer Purpura unbekannt bleibt. Nach Vert:
wenigen Beobachtungen scheinen gerade jene Formen von Purpura hae-
morrhagica zu chronischer hämorrhagischer Nephritis zu führen, welche
sich durch mehr chronischen Verlauf der Purpura und Neigung zu immer
wiederkehrenden Hautblutungen auszeichnen. Nach dem Verhalten des
Harnes muß man zwei Formen der chronischen hämorrhagischen Nephritis
unterscheiden, die Verf. kurz als interstitiellen und parenchymatösen Typus
benennt. Beispiele für den interstitiellen Typus sind Verfassers Beob-
achtungen 1 und 3; bei ihnen beobachtete man reichliche Harnmengen
und vermindertes spezifisches Gewicht. Die zweite Beobachtung ist mehr
ein Beispiel für den parenchymatösen Typus der hämorrhagischen Ne-
phritis, bei welchem die Harnmenge keine Neigung zur Vermehrung zeigt
und das spezifische Gewicht des Harns zum mindesten innerhalb der
natürlichen Grenzen blieb. Beide Formen stimmen aber darin mitein-
ander überein, daß sie zwar außerordentlich hartnäckig sind, aber trotz
ihrer langen Dauer weder einen erkennbaren Einfluß auf den Herzmuskel
und das Pulsbild äußern, noch die Ernährung des Körpers hemmen.
Auch urämische Erscheinungen wurden nie bei den Kranken beobachtet,
so daß es nach den bisherigen Erfahrungen als gerechtfertigt erscheint,
de Prognose in bezug auf Lebensgefahr zunächst als gut, dagegen rück-
sichtlich vollkommener Heiluny zum mindesten als zweifelhaft zu stellen.
Kr.
Über hämorrhagische Nephritis bei Purpura. Von Dr. Arthur
Lippmann. (Deutsche med. Wochenschr. 1912, Nr. 30.)
Daß es kaum eine Infektionskrankheit gibt, an die sich nicht eine
Nephritis anschließen kann, ist eine allseitig bekannte Tatsache, weniger
bekannt dürfto schon sein, daß die Purpura haemorrhagica, die man ja
auch zu den Infektionskrankheiten zählt, ohne den Krankheitserreger
bereits zu kennen, durch eine hämorrhagische Nephritis kompli-
ziert sein kann. Vor nicht langer Zeit hat Eichhorst darauf hinge-
wiesen; an die Mitteilung reihen sich Beobachtungen, die Lippmann
Nieren und 1larnleiter. 207
in der I. Medizinischen (Direktorial-)Abteilung des Allgemeinen Kranken-
hauses St. Georg in Hamburg (Direktor Prof. Deneke) gemacht hat.
Die hämorrhagische Nephritis schloß sich in 6 Fällen an die Purpura
an; ein siebenter Fall verlief ganz ähnlich und führte sogar zum Exitus,
er gehört aber wohl mehr in die Gruppe der septischen Endokarditiden,
die mit Purpura einhergehen. Der Autor faßt am Schluß seiner Arbeit
das Resultat seiner Beobachtungen folgendermaßen zusammen:
„Bei der Purpura haemorrhagica tritt als nicht ganz seltene Kom-
plikation eine hämorrhagische Nephritis auf. Ganz leichte Fälle heilen
schnell aus. In der Regel bildet sich eine chronische interstitielle
hämorrhagische Nephritis aus, die jahrelang bei voll erhaltener Arbeits-
fähigkeit weiterbesteht und ohne Wirkung auf Herz und Blutdruck
bleibt. Die schwersten Formen führen von dem akuten Stadium aus
zur Urämie. Die Formen von ‚allgemeiner Purpura‘ (Haut-, Gelenk-
und Darmbeteiligung) sind für die Nephritis präsdisponiert. Als Er-
klärung für diese Nephritis werden in Analogie mit Löhleins Beob-
achtung bei Endocarditis verrucosa (ilomerulusembolien angenommen.“
Ludwig Manasse- Berlin.
Ematurie e nefralgie ematuriche nelle nefrite chroniche e
da reni sani. Von Rinaldo Casanello. (La Clinica Chirurgica 1911.
Februar. p. 308.)
Rinaldo (C'asanello-Pisa bringt die Krankengeschichten von vier
Fällen von Hämaturie: 1. chronische parenchymatöse hämorrhagische
Nephritis beiderseits mit Nephralgien; olıne Erfolg operiert; 2. chronische
interstitielle hämorrhagische Nephritis aul’ Grund harnsaurer Diathese (?);
erhebliche Schmerzen; Hämaturie nach Erkältung und körperlicher An-
strengung; 3. beiderseitige essentielle Hämaturie; zeitweilige Heilung
durch Eisenchlorid und Gelatineklistiere; Milchdiät; 4. essentielle Hämat-
urie rechterseits; geheilt durch Nierenspaltung; das mikroskopische Prä-
parat zeigte keine Veränderungen aufser Blutfülle. — Zeitweilig soll die
Injektion von Diphtherieserum die Blutung gestillt haben. In Fällen,
in denen eine energische und längere Zeit fortgesetzte innere Behandlung
die Blutung nicht zum Stehen bringt, rät Casanello die chirurgische
Therapie und zwar die Nephrotomie an. Mankiewicz-Berlin.
Sulle modificazioni dei vasi arteriosi nelle nefriti chroniche
Von F. Fulci. {Il Policlinica S. M., 1910.)
Verf. beobachtete bei einer 20 jährigen, infolge chronischer Nieren-
entzündung gestorbenen Frau neben den der Nephritis und einer chro-
nischen interstitiellen Thyreoiditis entsprechenden Veränderungen eine
diffuse Läsion der grofsen Gefälse, deutlichen arteriosklerotischen Typus.
Zur Erklärung der Entstehung des sehr frühzeitigen arteriosklerotischen
Prozesses zieht Verf. zwei ätiologische Momente heran, nämlich ein
toxisches, bedingt durch die chronische Nierenentzündung und durch die
chronische Schilddrüsenaffektion, und ein mechanisches, bestehend ın der
Erhöhung des Blutdruckes infolge der Nephritis und wahrscheinlich auch
infolge einer Hyperfunktion der Nebennieren, welche auf (Grund des
histologischen Befundes dieser Organe anzunehmen war. K. Rühl- Turin.
208 Nieren und Harnleiter.
Über hämorrhagische Nephritis bei hereditärer Lues. Von
Dr. Richard Hahn. (Deutsche med. Wochenschr, 1912, Nr. 16.)
Während die gummöse Erkrankung der Niere bei hereditär-syphili-
tischen Kindern zu den Seltenheiten gehört, als die häufigste Form
immer noch die interstitielle Nephritis gilt, hat man im Laufe der letzten
Zeit doch auch öfters die parenchymatöse Nephritis beobachtet. Legt
man allerdings einen strengen Maßstab — Ausschluß aller Infektions-
krankheiten und Ausschluß aller medikamentösen Behandlung, besonders
der mit Quecksilber — an, so schrumpft die Zahl der Beobachtungen
sehr wesentlich zusammen. Ganz selten sind vollends die Fälle von
hämorrhagischer Nephritis bei hereditär-syphilitischen Neugeborenen. Ein-
wandfrei sind bisher nur zwei Beobachtungen von Finkelstein und Car-
penter. Diesen beiden Fällen reihen sich zwei neue Beobachtungen
im Berliner Städtischen Kinderasyl und Waisenhause (Oberarzt Pıof.
Dr. Finkelstein) an. Beide Male handelt es sich um neugeborene
Kinder ın den ersten Lebenstagen mit allen Anzeichen hereditärer Lues:
Wa. R. war positiv. Die Diagnose: hämorrhagische Nephritis war so-
wohl klinisch als auch auf dem Sektionstische zu stellen. Das eine der
Kinder hatte zwar kurz vor dem Tode noch eine Sublimatinjektion er-
halten, doch war die Diagnose: hämorrbagische Nephritis bereits vorher
gesichert und es war schon zu Ödemen: gekommen; Zeichen frischer
Sublimatvergiftung fanden sich auch nach dem Tode nicht. Der Verf.
berichtet im Anschluß daran noch über einen dritten, ganz ähnlich
liegenden Fall, doch muß er für die vorliegende Frage ausscheiden, da
bereits vor der klinischen Diagnose eine Sublimatinjektion gemacht wor-
den war. Ludwig Manasse-Berlin.
Ein Fall von akuter Nephritis haemorrhagica bei intra-
venöser Salvarsaninjektion. Von K. Justi-Hongkong. (Therapeutische
Monatshefte, April 1912.)
Einem jungen an sekundärer Lues leidenden Seemann sollte 0.6
Salvarsan in eine Armvene injiziert werden. Während der Vorbereitung
zur Injektion war der Patient aufgeregt. Wenige Sekunden nach Beginn
der Injektion stieg die Aufregung, die Atmung wurde fliegend, Puls-
zahl 198. Es trat bei erweiterten und reaktionslosen Pupillen Bewußt-
losigkeit und heftiges Zittern am ganzen Körper auf. Die Injektion
wurde, nachdem der zelinte Teil der Flüssigkeit eingeflossen war, abge-
brochen. Nach !/, Stunde war der Anfall vorüber. 1°/, Stunden später
wurde ein trüber 2° „, Eiweiß und Zylinder enthaltender Urin entleert.
Die Zylinder waren granuliert oder bestanden aus Erythrocyten und
Schollen von Blutfarbstoff. Noch 2 Tage später waren Spuren Albunen,
Zylinder und Erythrocyten im Harn vorhanden. Nach 14 Tagen wurde
der Urin von neuem untersucht und normal gefunden.
Hier war also ein epileptiformer Anfall durch die Aufregung ent-
standen, ferner eine hämorrhagische Nephritis durch das Salvarsan be-
dingt. Da nur 0,06 Salvarsan injiziert wurde, muß wohl eine Idiosyn-
krasie des Patienten gegen dieses Mittel angenommen werden.
N. Meyer- Wildungen.
Nieren und Harnleiter. 209
Der Einfluß des Salvarsans auf die Nieren bei intravenösen
Injektionen. Von H. T. Schlasberg-Stockholm. (Dermat. Zeitschrift
Okt. 1912.)
Das Salvarsan ruft bei intravenöser Applikation in der Regel einen
Reizzustand ın der Niere hervor, der sich klinisch durch das Auftreten
von Zylindern manifestiert, während Albuminurie nur selten auftritt.
Um einen Begriff davon zu erhalten, ob der Zylindrurie anatomische
Veränderungen in den Nieren entsprechen und die Toleranz dieser Organe
gegenüber dem Salvarsan zu studieren, hat Sch. eine Anzahl intravenöser
Selvarsaninjektionen an Kaninchen vorgenommen. Der Harn der Tiere
wurde nach der Injektion wiederholt auf Eiweiß und Zylinder unter-
sucht und die Tiere schließlich getötet. Es zeigte sich, daß eine ein-
zelne intravenöse Salvarsaninjektion nicht imstande war, eine klinische
oder anatomische Veränderung in den Nieren hervorzurufen, und daß
erst nach Wiederholung oder Steigerung der Dosis Zylindrurie und
Albuminurie auftreten. von Hofmann-Wien.
Zur Kasuistik der luetischen Nephritis. Von M. Damask-Wien.
(Wiener med. Wochenschr. 1912, Nr. 39.)
Es handelt sich um einen 34jährigen Patienten, bei dem sich
ll Jahre nach Akquisition einer Lues Erscheinungen von chronisch
parenchymatöser Nephritis eingestellt hatten. Da die Wassermannsche
Reaktion sowohl im Blutserum, als in der Globulinfraktion des Harnes
ein positives Resultat gab, wurde eine kombinierte antiluetische Behand-
lung eingeleitet, worauf die Zylinder vollständig, Eiweiß und Erythro-
cyten nahezu vollständig aus dem Harne verschwanden und das subjektive
Befinden ein vorzügliches wurde. von Hofmann-Wien.
Constatation du tréponème pâle dans la syphilis tertiaire du
rein, avec dégénerescence amyloïde. Von G. Faroy. (Académie des
sciences, 9. und 23. Oktober 1911. Nach La Semaine médicale, 1. November
1911.)
Eine 34 Jahre alte Frau, die an renaler und intestinaler Amylose
ge-torben war, hatte während des Lebens keine Zeichen von Lues er-
kennen lassen. Bei der Autopsie war eine sklero-gummöse Leber, amy-
loide Nieren und ein walnufsgrofses Gumma des Magens gefunden worden.
In den Nieren wurden bei der mikroskopischen Untersuchung einwands-
frei Spirochaetae pallidae festgestellt. Sie befanden sich in einem halb
granulierten, halb hyalinen Koagulum im Lumen der Ausführungsgänge.
Die übrigen Nierenelemente waren vüllig frei von ihnen.
N. Meyer-Wildungen.
Eigenartige Kombination von paroxysmaler Hämoglobinurie
mit Nierenschädigung. Von F. Tedesko-Wien. (Wiener klin. Wochen-
schrift 1912, Nr. 38.)
Bei dem 31jährigen Patienten trat im Verlaufe einer Nephritis,
die vor 1!, Jahren begonnen hatte, wiederholt Hämaturie und Hämo-
globinurie auf, welch letztere auch durch ein kaltes Fußbad hervor-
210 Nieren und Harnleiter.
gerufen werden konnte. Für Malaria und Lues bestanden keine Anhults-
punkte. Weder beim spontanen, noch beim experimentellen Anfall stellte
sich Temperatursteigerung ein. von Hofmann-Wien.
Syphilis und Schrumpfniere. Von Prof. Dr. CG Hirsch-Göttingen.
(Medizin. Klinik 1912, Nr. 28.)
Die Syphilis ist keine seltene Ursache der Schrumpfniere. Löh-
lein hat in neuerer Zeit auf die Bedeutung einer primären syphilitischen
Gefäßerkrankung für syphilitische Schrumpfniere hingewiesen. Auch
andere Autoren haben Fälle von Nierenschrumpfung mit ausgesprochenen
Veränderungen an den Gefäßen beschrieben. Verf. vorliegender Arbeit
konnte in drei Fällen seiner Beobachtung zugleich Veränderungen an der
Aorta beziehungsweise Coronaria klinisch nachweisen, die gleichfalls auf
Lues zurückzuführen waren (Erweiterung und Elongatio aortae, Anfälle
von Angina pectoris). In einem Falle war, bevor er zugezogen wurde.
auf Grund der Anamnese (Lues vor acht Jahren!) eine Schmierkur ein-
geleitet worden. Bei der Insuffizienz der Nieren, das Quecksilber aus-
zuscheiden, war hier eine schwere Quecksilbervergiftung mit profusen
Darmblutungen (Dickdarmgeschwüre) aufgetreten. Angesichts eines solchen
Falles entsteht die Frage, ob man in derartigen Fällen überhaupt etwas
von einer antisyphilitischen Kur erwarten darf und ob der dadurch mög-
liche Schaden nicht weit größer sein kann als der zu erwartende Nutzen.
Verf. plädiert deshalb für eine vorsichtige Hg- und fraktionierte Sal-
varsankur bei allen akuten und subakuten Fällen von Nierensyphilis.
Bei Nierensymptomen im tertiären Stadium ist natürlich auch eine Jodkur
durchaus angezeigt. Man muß aber in der Dosierung zunächst vorsichtig
sein, solange man die Störung des Ausscheidungsvermögens der kranken
Niere nicht übersieht. Also zunächst kleinere Dosen und allmählich
steigern! Anders liegen die Dinge bei Fällen, wo der Symptomenkomplex
der Schrumpfniere das Krankheitsbild beherrscht und andere luetische
Veränderungen neueren Datums nicht bestehen. In solchen Fällen
empfiehlt es sich, die Vornahme einer antiluetischen Kur zunächst von
dem Ausfall der Wassermannschen Reaktion abhängig zu machen.
Überall da aber, wo der Infekt weit zurückliegt, wo wiederholt Kuren
gemacht wurden, wo sich die Schrumpfniere schleichend entwickelt hat.
muß man sehr vorsichtig sein! Kr.
Discussion on Brights disease. (Brit. Med. Journ. Nov. 9. 1912.)
I. J. L. Smith- Manchester.
H spricht über die Schrumpfniere, von der eine diffuse und eine
herdförmige Form unterscheidet. Unter 1710 obduzierten Fällen wurde
395 mal (23°/,) Morbus Brightii gefunden, der in 276 (16°/,) Fällen
als Todesursache anzusehen war. Am häufigsten fand sich die Schrumpf-
niere im Alter von 40—50 Jahren. Beı 144 in dieser Hinsicht unter-
suchten Fällen fand sich nur bei 22°/, makroskopisch keine arterio-
sklerotische Veränderung am Herzen und den Gefäßen.
II. Sir C. Allbutt.
A. bespricht die kardiovaskulären Veränderungen bei Nierener-
m EEE... „ME MD m
wm a
Nieren und Harnleiter. 211
krankungen, und versucht die Nomenklatur zu vereinfachen, da oft die-
selben Veränderungen mit verschiedenen Namen bezeichnet werden.
II. J. F. Gaskell. l
Die Erkrankungen, die man unter dem Namen Morbus Brightii zu-
sammenfaßt, sind stets eine Folge von Veränderungen in den Glomerulis
und zwar entweder entzündlichen Ursprungs oder durch Alterationen der
Gefäße veranlaßt. Vom ersteren Typus unterscheidet G.: 1. die glome-
rulotubuläre Nephritis, eine diffuse Entzündung des ganzen Organes.
2. Die embolische fokale Nephritis, eine der ulzerativen Endokarditis
eigentümliche Form und 3. die. akute interstiticl'o Nephritis. Die vas-
kuläre Form zerfällt in zwei Typen: 1. die senile arterio-sklerotische
Niere und 2. die primäre Schrumpfniere. Als dritte Hauptgruppe kommen
schließlich noch die Nierenerkrankungen toxischen Ursprungs in Bc-
tracht.
Th. Shennan- Edinburgh wendet sich gegen die Verwirrung in der
Nomenklatur und möchte nichtwissenschaftliche Ausdrücke, wie große
erweichte Niere usw. beseitigt wissen. Er möchte die arteriosklerotischen
Veränderungen in den Nieren strenge von den entzündlichen trennen.
F. C. Moore-Manchester weist auf die Störungen des Gesamtstoff-
wechsels bei Nierenerkrankungen hin, die mit der verminderten Exkre-
tinsfähigkeit der Nieren in keinem Zusammenhange stehen.
von Hofmann-Wien.
Exophthalmus in nephritis with a consideration of its aetio-
logy. Von L. A. Levison-Toledo. (New York Medical Journal 18. No-
vember 1911.)
Zwei Fälle von chronischer Nephritis beschreibt der Autor, bei
denen für einen ausgesprochenen Exophthalmus keine anderen Ursachen
als die Nephritis gefunden wurden. Er glaubt, dafs Exophthalmus bei
Nephritis in weit grölserem Ma/se vorkomme, als man bisher angenommen
habe. Die bisher berichteten wenigen Fälle stammen aus der ameri-
kanischen Literatur. Die Diagnose ist bei fehlender Lidretraktion nicht
immer einfach. Geringe Grade können leicht übersehen werden. Von
Wichtigkeit ist es, in jedem Falle von Nephritis einen latenten Basedow
auszuschliefsen. Mit genügender Sicherheit kann dies nur geschehen,
wenn der Patient jahrelang in ärztlicher Beobachtung steht.
Als Ursache für den Exophthalmus nimmt Levison eine Toxämie
an, die durch die Nephritis bedingt ist. N. Meyer-Wildungen.
Zur Pathologie der chronischen Nephritiden. Von Walter
Frey. Medizinische Klinik Basel. (Deutsches Archiv für klinische Medizin,
Bd. 106, H.3 u. 4.)
Die Schrumpfnierenfälle lassen sich nach klinischen Untersuchungen
in 3 Gruppen einteilen. Die Fälle der ersten Gruppe zeigen Stauungs-
harn, nie Urämie, nie Retinitis albuminurica, Hypertonie 200—230 mm
H,O, Ödeme des kardialen Typus, während die der zweiten Gruppe
hellen dünnen Urin von konstantem spez. Gewicht zeigen. Die Blut-
drucksteigerung beträgt durchschnittlich 235 mm HO; starke Herzhyper-
212 Nieren und Haroleiter.
trophie, mächtige renale Ödeme bei den parenchymatösen Formen, meist
geringe „kardiale“ Ödeme bei den genuinen Schrumpfnieren. Häufig
sind Urämie und Retinitis albuminurica Die dritte Gruppe ist vom
Verf. weniger genau untersucht. Sie betrifft 7 Fälle, deren Harnmenge
normal ist und normales Gewicht zeigt. Mäßige Hypertonie; Ödeme teils
des renalen. teils des kardialen Typus und Retinitis albuminurica kommen
vor. Die anatomische Trennung der einzelnen Unterarten der genuinen
Schrumpfniere kann Verf. nach seinen histologischen Befunden nicht an-
erkennen, wogegen er klinisch und ätiologisch in vaskuläre Schrumpf-
niere einerseits (arteriosklerotische Schrumpfniere und rote Granularniere),
parenchymatöse Schrumpfniere andrerseits trennt. Dazwischen steht die
Vollhardsche Kombinationsform.
Bei Stauungsharn mit Herzhypertrophie und hohem Blutdruck handelt
es sich um eine vaskuläre Erkrankung der Niere, die nicht als wahre
Nephritis aufzufassen ist. Ist das Konzentrationsvermögen der Niere ver-
loren gegangen, so spricht höherer Grad der Herzhypertrophie und der
Hypertonie für die Diagnose Kombinationsform, niedrigerer für die der
parenchymatôüsen Schrumpfniere. Es kommen aber auch Fälle vor, die
nicht in das Schema passen. Zuelzer- Berlin.
Über Nephritis bei Erysipel. Von Werner Schelbert. (Au
der medizinischen Universitätsklinik zu Zürich. Dissertation, Zürich 1910..
Die Nephritis bei Erysipel verläuft zwar gewöhnlich leicht; allein
sie kann auch unter den schwersten Erscheinungen entweder direkt oder
nach Übergang in chronische parenchymatöse Nephritis zum Tode führen.
Die Veränderungen in den Nieren können durch blofse Toxinwirkung
zustande kommen, ohne dafs sich Mikroben in den Nieren selbst anzu-
siedeln brauchen. Diese Veränderungen beschränken sich nicht nur auf
das Parenchym der Niere, sondern sie machen sich speziell auch in
dem interstitiellen Gewebe geltend. Es findet sich dort eine starke
zellige Infiltration und Gefäfserweiterung. Zieht sich der Kraukheits-
verlauf mehr in die Länge, so entwickelt sich aus dieser zelligen In-
filtration eine starke fibröse Verdichtung des interstitiellen Gewebes, und
die Niere nimmt allmählich den Charakter einer grofsen weifsen Niere
an. Dafs sich aus einer Erysipelniere auch eine chronische Schrumpf-
niere entwickelt hätte, hat Verf. nirgends erwähnt gefunden.
Fritz Loeb-München.
Néphrite chronique urémigène, à forme azotemique (type
ambulatoire de Javal). Von Decloux-Paris Société médicale des hó-
pitaux. Sitzung vom 15. XII. 1911. Nach La semaine médicale 20. XII. 1911.
Decloux hat in Gemeinschaft mit (rauducheau einen Fall von
chronischer Nephritis mit Stickstofferhöhung im Blut — type ambulatoire
von Javal — beobachtet. Die Hauptsymptome waren heftiger Kopf:
schmerz, Dyspnoe mit Cheyne-Stokes Atemtypus, Amblyopie, Schläf-
rigkeit, absolute Appetitlosigkeit, Neigung zum Nasenbluten, Albuminurie
ohne Ödeme und besonders Erhöhung des Reststickstoffs im Blut (azo-
témie). Besonders auffallend waren der Kopfschmerz von okzipitalem
Nieren und Haroleiter. 913
Typus und die Erhöhung des arteriellen Blutdrucks (215 mm Hg Maxi-
mal—180 mm Minimal). In der Cerebrospinalflüssigkeit betrug die Rest-
stickstoffretention 2,75 g beim Eintritt und 2,45 g nach einer Behand-
lung von drei Wochen. Da diese hohe Retentionszahl mit, einem längeren
Weiterleben des Patienten sich vereinbar zeigte, ist die Bezeichnung
Javals als Typus ambulatorius für diese Kranken treffend.
N. Meyer-Wildungen.
Pronostic de l’azotémie brightique par le dosage méthodique
de MM. Widal et Javal. Von Sicard-Paris. Société médicale des hôpi-
taux. Sitzungen vom 1. und 8. XII. 1911. Nach La semaine médicale
13. XII. 1911.
Sieard hat zusammen mit Lasnier bei 16 Nierenkranken, etwa
ein Jahr hindurch, Harnstoffbestimmungen des Serums nach der von Wi-
dal und Javal angegebenen Methode ausgeführt.
Sieben von diesen Kranken, bei denen 0,3 bis 1,5 g Harnstoff ge-
funden wurden, waren therapeutisch gut becinflußbar oder blieben ohne
Verschimmerung. Zwei, bei denen nur 2 g Harnstoff gemessen wurden,
verließen ungebessert das Hospital. Sechs Patienten mit 21/,—4!j, g
Harnstoff im Serum starben nach einigen Tagen bis 8 Wochen. Bei
einem Nephritiker im Koma wurden wenige Stunden vor dem Tode
i'a g Harnstoff gefunden.
Die Methode hat sich somit als sehr wertvoll für die Prognose er-
wiesen. N. Meyer-Wildungen.
La péricardite des Brightiques, ses rapports avec l’azotömie.
Von Fernand Widal und Andre Weill, (Journ. d’Urol.. Tome I, No. 2. 1912.)
Perikarditis im Gefolge von Morbus Brightii ist stets an Stickstofl-
retention des Blutes gebunden, sie ist oft latent, entwickelt sich rapid
und führt gewöhnlich in einigen Tagen zum Tode. Die Verff. haben
11 Fälle von Brightscher Perikarditis seziert, 7 davon waren intra vitam
erkannt worden. Bei diesen waren subjektiv Schmerzen in der Herz-
gegend wad Atemnot, objektiv Reibegeräusche und Abschwächung der
Herstörte wahrgenommen worden. Alle 11 Fälle waren starke „Azotä-
miker“. Die bakteriologische Untersuchung des Perikardialinhalts war
in 4 Fällen negatıv, in 2 Fällen fand sich Bact. coli. ein Befund, welcher
wohl agonalen Ursprungs ist, in 1 Falle wuchs ein Streptokukkus, in den
übrigen 4 Fällen, von denen 2 mit Pneumonie einhergegangen waren,
fand sich der Pneumokokkus. —
Die bakterielle Infektion reicht also nicht aus zur genetischen Er-
klärung dieser Perikarditiden. Die Brightsche Perikarditis, ob aseptisch
oder infiziert, ist eine sehr ernste Erscheinung, ihre sehr schlechte Pro-
gnose ist nicht nur durch die Krankheit selbst bedingt, sondern haupt-
sächlich durch die Stickstoffretention des Blutes, welche sie stets begleitet.
A. Citron- Berlin.
Fibröse Perinephritis bei harnsaurer Diathese. Von Dr. G. v.
Illyés, Privatdozent, Budapest. (Folia urologica. VI. Bd., Nr. 11, Juli 1912.)
Unter diesem Titel beschrieb Rovsing vor Jahren vier Fälle, die
Zeitechrift für Urologie. 1913. 19
214 Nieren und Harnleiter.
seiner Meinung nach ein ganz spezielles und charakteristisches Krank-
heitsbild darstellen und in welche Gruppe der grôBte Teil der in der
Literatur unter dem Namen einer Nephralgie oder einer hämaturischen
Nephralgie beschriebenen Fälle gehört. Die Kranken leiden an anfalls-
weise in der Nierengegend auftretenden Schmerzen, an welche Anfälle
sich mitunter eine mehr oder minder hochgradige Hämaturie anschließt.
Im Urin sind neben dem Blute bloß viele harnsaure Kristalle und Urate
zu sehen. Wird in solchen Fällen eine Kur gegen die harnsaure Dia-
these in Anwendung gebracht, so schwinden wohl die Kristalle und die
Blutung, die Schmerzen jedoch bleiben weiterhin bestehen, was eben zum
Beweise dient, daß die Schmerzen nicht durch die Ausscheidung und Ent-
leerung der harnsauren Kristalle und des Harnsandes verursacht werden.
Operiert wurde in solchen Fällen, wo es sich um den Verdacht auf einen
Stein handelte; ein Stein wurde aber nicht gefunden, hingegen zeigte die
fibrôse Nierenkapsel, die Capsula propria, Veränderungen: sie war sehr
verdickt, getrübt, mit der Umgebung und der Niere fest verwachsen. Es
ist übrigens bekannt, daß auch bei solchen Nierensteinen, bei denen der
ganze Prozeß aseptisch verläuft, die Niere mit einem dicken, fibrösen,
narbigen Bindegewebe umgeben ist, daß mitunter eine mebrfingerdicke
Kapsel bildet und mit der Umgebung fest verwachsen ist. Früher war
man der Meinung, daß diese Veränderungen durch die mechanische Irri-
tation des Steines entstehen; nach Rovsing aber ist es zweifellos, daß
die Harnsäure selbst, deren entzündungserregende Eigenschaften bei der
Arthritis urica zur Genüge bekannt sind, diesen sklerotisierenden und zur
fibrösen Perinephritis führenden Prozeß zu erzeugen vermag, und daß
daher die Niere selbst der Ausgangspunkt dieser Krankheit ist. Die Ope-
ration in solchen Fällen, die von Rovsing „Nephrolyse“ genannt wurde,
besteht darin, daß die Niere von dem sie umgebenden narbigen Binde-
gewebe befreit, resp. die erkrankte Capsula propria vollständig entfernt
wird. v. I. illustriert nun dieses interessante Krankheitsbild mit einigen
Fällen, in denen die barnsauren Kristalle an der Nierenoberfläche nach-
gewiesen werden konnten, was Rovsing in seinen Fällen nicht vermochte.
Bei einem Falle mußte Verf. die Exstirpation der verdickten, narbigen
Nierenkapsel 3mal ausführen und zwar während eines Zeitraumes von
3 Jahren; seit den letzten 2 Jahren befindet sich die Patientin aber voll-
ständig wohl. In den beiden anderen Fällen des Verfassers, wo die
Kranken eine energische Kur gegen die harnsaure Diathese gebrauchen.
ist bisher kein Rezidiv aufgetreten. Kr.
Ergebnisse der Ziegennieren-Serumtherapie bei chronischer
Nephritis. Von Dr. Dutoit-Lausanne. (Korrespondenzblatt für Schweizer
Ärzte 1911. Nr. 29.)
Verf. berichtet über sehr günstige Ergebnisse der Ziegennieren-
Serumtherapie bei chronischer Nephritis. Auf drei behandelte Fälle
kommen zwei Heilungen, was gegenüber den bisherigen Erfolgen in der
Nephritisbehandlung einen unschätzbaren Fortschritt bedeutet. In sympto-
matischer Hinsicht sind sämtliche Fälle (40) als gebessert zu betrachten.
Die meisten Autoren weisen mit Nachdruck auf die eminent diuretische
Nieren und Harnleiter. 215
Wirkung der Ziegennieren-Serumtherapie hin. Dabei scheint es vor
allem wesentlich, dafs es sich hier nicht nur um eine allgemeine Be-
günstigung der Chlorausscheidung durch den Urin handelt, sondern viel-
mebr um eine direkte spezifische Beeinflussung des sekretorischen Paren-
chyms der Nieren, zumal des vasomotorischen Drüsenapparates. Nach
Meyer und De Lamy treiben die Glomeruli dank dem intraglandulären
Gangsystem den Harn stofsweise in die Canaliculi. Gewisse Giftstoffe
vermögen diesen Mechanismus zu paralysieren, so dafs eine Rückstauung
des Urins innerhalb der Nieren zustande kommt. Die unmittelbare
Wirkung der Serumtherapie würde danach besonders darin zu suchen
sein, dafs das Serum den vasomotorischen Apparat zu neuer Tätigkeit
anregt, wodurch der natürliche Abflufs des Urins wieder vor sich geht.
Mit der Steigerung der Diurese verbindet sich ohne weiteres die Aus-
scheidung aller derjenigen Substanzen, welche bisher infolge der Rück-
stauung des Blutes im Blute angesammelt blieben. Von Wichtigkeit
ist ferner die Tatsache, dafs das Ziegennierenserum die allgemeine
Toxinämie herabsetzt. Dies geschieht nach der Meinung der Autoren
auf zweierlei Weise: einerseits durch direkte Neutralisation und Bindung
gewisser giftiger Substanzen, anderseits durch Anregung der Defensive
im Organismus selbst. Die Neutralisation scheint durch die Versuche
von Thevenot bewiesen, gemäls welchen die Injektion von urämischem
Serum in die Ohrvene des Kaninchens bei demselben ein» eigentliche
Verstopfung der Nieren hervorruft, während diese Wirkung ausbleibt,
sobald die Injektion in Verbindung einer solchen von Ziegennierenserum
geschieht. Ande:seits aber zeigen die klinischen Beobachtungen, dafs
sich unter dem Einflufs der Ziegennieren-Serumtberapie die Ausscheidung
dns Harnstoffs beträchtlich steigert. Dies läfst mit Wahrscheinlichkeit
auf eine funktionelle Anregung der Leber und der in derselben produ-
zierten Bindungsstoffe durch das Serum schliefsen. Daneben geht nach
der Meinung von Miorsec und Duclaux eine Trennung der an das
Chlor gebundenen toxischen Albumine im Blute vor sich, wodurch eben-
falls eine Entgiftung des Organismus zustande kommt. Diese Befreiung
des Chlors führt wiederum zu einer Steigerung der Leukocystose und
der Phagocytose, wie Russo durch eine Reihe von Blutuntersuchungen
nachgewiesen hat. Ferner ist aus den Arbeiten von Lequeux und
Daunnay zu entnehmen, dals unter dem Einflulfs der Serumtherapie
auch die granulierten Blutkörperchen an Zahl bedeutend zunehmen.
welcher Vorgang auf eine reaktive Betätigung des Knochenmarkes hin-
zudeuten scheint. Aus allen diesen Erscheinungen gewinnen wir eine
Erklärung dafür, dafs die Toxizität des Harns im Verlaufe der Serum-
behandlung beträchtlich zurückgeht. Dieser Effekt steht im Gegensatz
zur Wirkung der Organtherapie bei Nephritis, welche eine Steigerung
der Toxizität des Urins herbeiführt. Kr.
Management of failure of the circulatory balance in chronic
interstitial nephritis. Von E. F. Wells-Chicago. (Amer. Journ. of the
med. scienc. Jan. 1912.)
Die Behandlung der chronischen interstitiellen Nephritis richtet sich
15*
16 Nieren und Harnleiter.
nach dem Stadium der Erkrankung, weswegen eine wiederholte Unter-
suchung notwendig erscheint. Als Hauptregel gilt der Grundsatz, mit
dem Minimum an Nahrungsstoffen auszukommen, welches zur Ernährung
notwendig ist. Wohlbefinden bei gleichbleibendem Körpergewichte zeigt
an, dals man auf dem richtigen Wege ist. Bei den ersten Anzeichen
von Ödemen oder von Urümie ist sofort eine energische Behandlung mit
Diureticis, salzfreier Diät usw. zu beginnen. In den letzten Stadien ist
das Hauptgewicht auf die Beseitigung der Ödeme (eventuell durch Drai-
nage) zu legen. von Hofmann-Wien.
Zur Therapie der akuten 'Nephritis. Von H. Eppinger-Wien.
(Wiener med. Wochenschr. 1912, Nr. 24.)
In drei Fällen von postanginöser akuter Nephritis, bei denen trotz
scheinbar zweckmäßigster Therapie nicht die geringste Besserung zu er-
kennen war, trat nach doppelseitiger Tonsillektomie rasche Heilung ein.
In allen drei Fällen fanden sich die Tonsillen, die äußerlich nur ver-
größert und durchaus nicht eitrig infiltriert aussahen, in den tieferen
Schichten in Abszesse umgewandelt und erfüllt von übelriechendem,
dickem Eiter. von Hofmann-Wien.
Über Blutdrucksteigerung nach doppelseitiger Nierenexstir-
pation. Von E. Mosler. Pol. Inst. der Universität Berlin. (Zeitschrift für
klin. Med.. Bd. 74, H. 3/4.)
Nach doppelseitiger Nierenexstirpation beobachtete Mosler bei
Kaninchen beträchtliche Erhöhung des arteriellen Blutdrucks und erörtert
die Gründe dieser Erscheinung. Die Ausschaltung des Glomerulus-
systems müßte eine Senkung nach sich ziehen, Nephrolysine oder Nephro-
toxine kommen nicht in Frage; also muß die Blutdrucksteigerung durch
Anbäufung harnfähiger Stoffe bewirkt werden, die auch normaler Weise
im Blute vorkommen, sonst aber durch die Nieren ausgeschieden werden.
G. Zuelzer-Berlin.
Glaubersalzwässer bei Nierenleiden. Von Dr. E. Pflanz-Marien-
bad. (Prager med. Wochenschr. Nr. 24. 1912.)
Die „Ableitung auf den Darm“ spielte in der Therapie der Nieren-
krankheiten schon immer eine gewisse Rolle, doch wurde diesem Ver-
fahren nur ein beschränkter Wert beigemessen. Verfassers mit abführen-
den Wässern gemachten günstigen Erfahrungen sind geeignet. diese
Methode für gewisse Formen von Nierenleiden einer weitergehenden Be-
rücksichtigung zu empfehlen. Mit Vorteil kann bei den auf Arterio-
sklerose beruhenden und den interstitiellen Nierenveränderungen. also vor
allem den mit Blutdrucksteigerung einhergehenden Nephritiden, eine
solche Behandlung mit Vorteil angewendet werden, die sogen. paren-
chymatôsen Formen mit Kochsalz- und Wasserretention dagegen sind
möglichst auszuschließen. Die Wirkung der abführenden Glaubersalz-
wässer gewinnt nach den Feststellungen Rudingers eine ganz besondere
Bedeutung, der nachwies, daf durch Abführmittel die Ausscheidung
stickstoffhaltiger Stoffwechselschlacken durch den Darm bedeutend ge-
steigert werden kann. Unter dem Einfluß der Glaubersalzwässer kommt
Nieren und Harnleiter. 917
e zu einer vikariierenden Eliminierung von Ntotfwechselprodukten, deren
Anscheidung sonst der Niere zufällt. Der Darm übernimmt einen Teil
der Nierenarbeit, dadurch kann das kranke Organ entlastet und geschont
werden, wofür uns die Verminderung der Albuminurie und Zylindurie
einen Ausdruck bietet. Dab dabei der krankhafte Prozeß selbst in
günstigen Sinne beeinflußt wird, äußert sich gewöhnlich auch in einem
besseren Befinden und erhöhter Leistunesfahigkeit, zeigt sich aber objektiv
fast ebenso regelmäbig in noeh anderer Richtung, nämlich in der Beein-
Hussung von Blutdrucksteigerungen. Kr.
Zur Chirurgie der Nephritis. Von I’rof. Dr. Hermann Kümmell-
Hamburge-Eppendorf. (Archiv f. klin. Chir. 1912. 98. Bd., 3. Heft. _
Verf. ist der Ansicht, daß die akute abscedierende Nephritis, sobald
die Diagnose gestellt ist. operativ durch Nephrotomie behandelt werden
soll. Die Resultate sind günstige zu nennen. Die Form der chronischen
\ephritis, deren hervorstechendes Symptom der Nierenschmerz meist
emer Seite ist, wird durch Dekapsulation oder besser dureh Nephrotomie
auf das günstigste beeinflußt und die Patienten bleiben auf lange Zeit
hinaus frei von Beschwerden und leistungsfähig. Die als Nephritis chro-
na baemorrhagica zu bezeichnende Gruppe, deren hervorstechendes
Symptom die Blutung, oft Massenblutung meist einer Seite ist, und leicht
zu Verwechslung mit Tumoren Veranlassung gibt, wird dureh die De-
kapsulation oder noch sicherer durch die Nephrotomie in der günstigsten
Weise beeintlubt. Die Blutungen pfleuten fast stets aufzuhören oder nur
vereinzelt in schwacher Form wiederzukehren. Die Patienten werden auf
lange Zeit beschwerdefrei und arbeitsfälig. Bei der medizinischen Ne-
phntis, dem eigentlichen Morbus Brightü, bleibt in einzelnen Fällen bei
der operativen Behandlung der Erfolg aus; die bedrohlichsten Symptome,
die Anurie und Urämie, werden vielfach günstig beeinflußt: in einer nicht
geringen Zahl von Fällen bessern sich die charakteristischen Symptome
der chronischen Nephritis, Albumen und Zylinder wesentlich, und der
Allgemeinzustand und das subjektive Befinden der Patienten wird auf
mehr oder weniger lange Zeit hinaus erheblich gebessert. Kr.
The results of renal decapsulation for chronic nephritis. Von
$. Lloyd-New York. (Medical Record. 1. 6. 1012.)
Den letzten Bericht Edebohls’ über 102 Fälle von Dekapsulationen
bei chronischer Nephritis hatte Lloyd für Edebohls im Juni 1908
erstattet. Die in dem Bericht berücksiehtigten Fälle reichten bis Mai
1906. Seit dieser Zeit hatte Edebohls noch sechs Fälle operiert, von
denen vier einzeln angeführt werden. Der Autor selbst hat dreizehn-
mal operiert und berichtet über Edebohl< sechs und seine dreizehn
Fille zusammen:
Gebessert wurden 5 —= 31,8", innerhalb zwei Wochen nach der
Operation starben 2 = 10,5". später starben nicht gebessert 2 = 10,5%,
geheilt wurden 8= 42°, , unbekannt blieb das Resultat bi 1= 5.29",
Un Ze
Im Vergleich zu Edebohls’ Statistik (10,1) ist des Autors unmittelbare
(peration-statistik nur wenig höher (10,9).
218 Nieren und Harnleiter.
Wichtiger als die Mortalität ist die Heilbarkeit Von Edebohls’
102 Fällen waren 33 zur Zeit des Berichtes geheilt, von seinen 19
waren 8 frei von allen klinischen und Urinsymptomen seit & Monaten
und länger. Im allgemeinen ist jedoch unter Heilung die Befreiung
von klinischen Symptomen zu verstehen, da es oft unmöglich sein wird,
anatomische Heilung zu erzielen. N. Meyer- Wildungen.
Deux néphrectomies pour hématurie. Von Bérard. (Lyon mé-
dical 1912, 23, p. 1283.)
Bérard hat 2 Nephrektomien bei 2 Frauen ausführen müssen wegen
unstillbarer Hämaturien, die Anämie und Kachexie verursachten. Weder
Tuberkulose noch Tumor lag vor: einmal handelte es sich um Hydro-
nephrose mit deutlicher Nephritis in den noch nicht dilatierten und kom-
primierten Partien des Parenchyms, das andere Mal um eine diffuse
sklerotische Nephritis in einem geschrumpften Organ ohne bestimmten
anatomischen Charakter; in beiden Fällen kann man kongestive Zonen
mit Blutungen um Glomeruli und Harnkanälchen makro- und mikrosko-
pisch erkennen. Mankiewicz-Berlin.
Zur Frage des Einflusses der subkutanen Gelatineinjektionen
bei Nierenerkrankungen. Von Studzinski-Kiew. (Zeitschr. f. klin. Me-
dizin, Bd. 73, H. 3 u. 4.)
Auf die Menge und das spezifische Gewicht des Harns bleibt die
subkutane Gelatineinjektion, wenn dieselbe in den üblichen therapeutischen
Dosen erfolgt, ohne Einflub Bei chronischen interstitiellen und paren-
chymatösen Nephritiden ohne parenchymatöse Nierenblutungen verursachen
die subkutanen Gelatineinjektionen in den üblichen therapeutischen Dosen
keinen besonderen Schaden, indem sie nur in einem Falle, und das nur
für relativ kurze Zeit, den Eiweißgehalt des Harns und die Menge der
pathologischen Formelemente in demselben steigern. Bei Nierenerkran-
kungen mit parenchymatösen Nierenblutungen bewirken die subkutanen
Gelatineinjektionen nicht nur keinen Stillstand, bzw. Verringerung der
Blutausscheidung, sondern steigern im Gegenteil dieselbe. Infolgedessen
sind die subkutanen (selatineinjektionen in diesen Fällen unbedingt kon-
traindiziert. Zuelzer- Berlin.
Über Vesicaesan bei Erkrankungen der Nieren und Blase und
bei Gonorrhoe. Von Dr. med. C. E. Vorster, Spezialarzt f. Nieren-, Blasen-
und Harnkrankheiten in Düsseldorf. (Dermatolog. Zentralbl., 14. Jahrg., Nr. 5.)
Die Folia Uvae ursi wurden früher vielfach bei den Erkrankungen
der Harnwege verwendet, sind dann aber durch neuere Mittel mehr oder
weniger verdrängt worden, weil ziemlich große Mengen der Droge zur
Behandlung erforderlich sind und dazu der Geschmack der gewöhnlichen
Anwendungsform, des Dekoktes, ein sehr widerwärtiges ist. Kavallier
hat aus den Blättern ein kristallinisches Glykosid, das Arbutin, ge-
wonnen, dem man die Wirkung der Droge zuschrieb. Tatsächlich ist
das Arbutin ein kräftiges Diuretikum. Nach neueren Angaben ist das
Arbutin aber nicht der einzige wirksame Bestandteil der Folia Uvae ursi,
und diese Angabe deckt sich mit den Erfahrungen, die Verf. vorliegen-
Nieren und Harnleiter. 219
der Arbeit bei Anwendung desselben gemacht hat. Die Blätter ent-
halten außer dem Arbutin u. a. noclı wesentliche Mengen Gerbstoff und
ein flüchtiges Öl, von denen ersteres bei den gewöhnlichen Anwendungs-
formen nur zum Teil, letzteres überhaupt nicht mit ausgezogen wird, be-
züglich im Extrakt enthalten ist, da es sich schon bei 4+- 50° verflüch-
tigt. Verf. verordnet daher ein Präparat, welches sämtliche Extraktiv-
und flüchtigen Stoffe enthält, und zwar in konzentriertester und solcher
Form, in der die Darreichung möglichst bequem für den Patienten ist.
Als ein zuverlässiges Verfahren, die Gesamtbestandteile der Folia Uvae ursi
unzersetzt zu erhalten, hat sich die fraktionierte Extraktion mit geeig-
neten Lösungsmitteln unter Anwendung niedrigster Temperaturen bewährt.
Am geeignetsten zur Erzielung eines recht wirksamen Präparates sind
die frischen oder frisch getrockneten Blätter. Das nach oben erwähntem
Verfahren und aus wirksamen frischen Folia Uvae ursi bereitete Extrakt
— Vesicaesan — wird am besten in Pillenform dargereicht. Jede Pillo
enthält die wirksamen Bestandteile von 0,53 g der frisch getrockneten
Blätter. Die Medikation ist alsdann 4 mal täglich 6—10 Pillen. Nach
jedesmaligem Einnehmen läßt Verf. ein Glas Wasser nachtrinken. Er
hat in seiner Praxis in allen Fällen, in denen er Vesicaesanpillen an-
wandte, die überraschendsten Erfolge gehabt, insbesondere bei ganz chro-
nischen Fällen. Von größter Wichtigkeit ist, daß die Vesicaesanpillen
ein Mittel darstellen, bei dem es ausgeschlossen ist, daß irgendwelche
Reizerscheinungen der Nieren vorkommen. Es besteht daher die Mög-
lichkeit, die Pilulae Vesicaesani als Dauermittel mit bestem Erfolge zu
verordnen ! f Kr.
Dell’ azione curativa dei raggi X nelle nefriti. Von D. Galau-
sino. (Il Policlinico 1912. III.)
Weder die Experimente noch die praktischen Resultate der Klinik
unterstützen die Hoffnung, daß die Röntgenstrahlen ein für die Nieren-
entzündung praktisches therapeutisches Mittel sind.
Mankiewicz-Berlin.
Simulation einer Albuminurie. Von Dr. S. Hadda. (Berl. klin.
Wochenschr. 1911, Nr. 40.)
Mitteilung eines Falles von Simulation einer Albuminurie.
Von Sanitätsrat Dr. Igel. (Berl. klin. Wochenschr. 1911, Nr. 46.,
In dem ersten der beiden hier mitgeteilten Fälle war bei einem
l2 jährigen Mädchen im Anschlufs an eine Angina eine starke Nieren-
entzündung mit hochgradiger Eiweilsausscheidung und Blutung aufge-
treten, die allmählich abheilte. Einige Zeit nach der Heilung enthielt
der zur Untersuchung mitgebrachte Urin jedesmal größere Mengen
glasıgen Schleims, während der mit dem Katheter entleerte absolut nor-
mal war; im ersteren fanden sich stets grofse Quantitäten von Eiweils,
während sonst keinerlei Symptome von Nephritis vorhanden waren. Eine
genaue Beobachtung ergab dann, dafs die Mutter der Patientin dem mit-
gebrachten Urin jedesmal eine grolse Quantität Hühnereiweils hinzuge-
setzt hatte, da sie durch die Krankheit des Kindes materielle Vorteile hatte.
220 Nieren und Harnleiter.
Im zweiten Falle handelte es sich um eine erwachsene Hysterica,
die dem zur Untersuchung mitgebrachten Harn ebenfalls Hühnereiweil:
hinzugefügt hatte; hier lag der Grund der beabsichtigten Täuschung in
der bei Hysterischeu häufig vorkommenden Sucht, sich interessant zu
machen. Paul Cohn- Berlin.
Die Albuminurie und ikr klinischer Nachweis bei den Haus-
tieren. Von Walter Henn. (Arbeiten aus der medizinischen Veterinärklinik
Giessen. Diss. Giessen 1909.)
Ergebnisse:
1. Das Bestehen der sogenannten physiologischen Albuminurie bei
unseren Haustieren ist anzuzweifeln.
2. Jedes dauernde Vorkommen von Kiweifs im Harn deutet auf
krankhafte Prozesse innerhalb des Tierkörpers hin.
3. Als untrügliche und hinreichend scharfe Reagentien zum Nach-
weis der Albuminurie bei den einzelnen Tierarten sind zu empfehlen:
für den Hundeharn: die Kochprobe mit nachfolgendem Salpetersäure-
zusatz, die Essigsäureferrozyankaliprobe, Jaworskys Reagens und als trans-
portables Reagens Metaphosphorsäure ;
für den Pferdeharn: die Kochprobe mit nachfolgendem Salpeter-
säurezusatz, Salizylsulfonsäure, Trichloressigsäure;
für den Rinderharn: die Kochprobe mit nachfolgendem Salpeter-
säurezusatz, Spieglers Reagens, Trichloressigsäure, Salizylsulfonsäure, die
auch als transportables Reagens zu verwenden ist.
4. Unbrauahbar sind für den Hundeharn. Hellers Schichtprobe,
sowie die Proben von Zouchlos I und III, Jolles II, Spiegler, Tanret,
Fürbringer, Méhu, Millard, Meymont Tidy, Hager, Raabe, Roch, Roberts I.
Unbrauchbar sind für den Pferdeharn: Essigsäureferrozyankaliprobe.
Kochprobe nach Zusatz von Essigsäure und Neutralsalzen, Zouchos I
und III, Spiegler, Fürbinger, Meymont Tidy, Hager, Roberts I.
Unbrauchbar für den Rinderhaın sind: die Proben von Fürbringer,
Méhu, Meymont Tidy, Roberts I.
Alle diese dürften somit, da sie lediglich eine Quelle der Täuschung
abgeben, für den Kliniker bei der Untersuchung auf Eiweifs im Ham
künftig in Wegfall zu kommen haben. Fritz Loeb-München.
Über die Abhängigkeit der Albuminurie vom Säuregrad des
Urins und über den Einfluß der Alkalizufuhr auf Acidität, Albu-
minurie, Diurese und Chloridausscheidung, sowie auf das Harn-
ammoniak. Von Th. von Hößlin. (Deutsches Archiv für klin. Medizin.
Bd. 105. H. 1/2.)
v. Hößlin bringt weitere Beobachtungen, daß Albuminurien und
Nephritiden häufig durch Zufuhr von Alkali und dadurch bewirkte
Herabsetzung der Harnacidität günstig beeinflußt werden. Manche Fälle
verhalten sich refraktär gegen die Alkalitherapie, in anderen verschwindet
die Zylindrurie und ganz oder teilweise auch das Eiweiß. Die Dosierung
des Natriumbicarbonats ist nicht eine einfache Funktion der Acidität
und muß jedesmal empirisch erfolgen. Unter der Alkalizuführung geht
Nieren und Harnleiter. 92]
meist das Harnammoniak zurück, doch bestätigt sich nicht die Auf-
fassung von Moritz, daß bei sauren Urinen das zur Sättigung nötige
Ammoniak die Nierenreizung bewirke. G. Zuelzer-Berlin.
Untersuchungen über lordotische Albuminurie. Von Dr. A. Gas-
barrini, Assistent der med. Universitätsklinik in Turin. (Wiener klin. Rund-
schau 1912, Nr. 46.)
Verf. hat zur Beseitigung der herrschenden Meinungsverschiedenheit
über das Zustandekommen der orthostatischen Albuminurie experimen-
telle Studien angestellt. Zu den Versuchen hat er sowohl Kinder und
Erwachsene, die während ihres Aufenthaltes in der Klinik niemals irgend-
welche Anzeichen von einem Ergriffensein der Niere dargeboten hatten,
als auch Nephritiker herangezogen. Die Versuche sind weiterhin auch
an Tieren (Kaninchen und Hunden) wiederholt worden. Von Jehles
Ansicht ausgehend, es sei die Albuminurie bei Aufrechtstehenden auf
die durch Lordose der lumbalen Wirbelsäule bedingten Veränderungen
des renalen Kreislaufes zurückzuführen, suchte Verf. zu ermitteln, ob es
möglich wäre, durch Anwendung der zur Modifizierung des renalen Kreis-
laufes unzweifelhaft geeigneten Mittel (forzierte Lordose, Anlegung von
Expulsivbandagen bzw. metallenen Stiefelschäften, wo Luft zusammen-
gedrückt oder das Vakuum erzeugt wurde) die Erscheinung des Ortho-
tonismus hervorzurufen. Er gelangte zu folgenden Resultaten: Bei ge-
sunden Kindern hat forzierte aufrechte Lordose stets Albuminurie zur
Folge gehabt, bei horizontaler aber nicht. Bei Erwachsenen wurde hin-
gegen durch hervorgerufene, sowohl aufrechte als auch liegende Lordose,
keine Albuminurie herbeigeführt. Bei in aufrechte Lordose gebrachten
\epbritikern wurde die Albuminurie eine immer stärkere. Die Anlegung
von Expulsivbandagen an die untern Extremitäten bzw. von metallenen
Stiefelschäften, in denen Luft komprimiert wurde, hat keine Albuminurie
veranlaßt; bei Nephritikern zeigte diese letztere sogar eine gewisse Neigung
zur Abnahme. Dagegen ergab die vermittels der gleichen Stiefelschäfte
erzeugte Dekompression bei Gesunden mehr oder weniger bedeutende
Albuminurie, je nach dem Grade der hervorgerufenen renalen Ischämie,
sowie Steigerung der Albuminausscheidung bei Nephritikern. Durch auf-
rechte Lumbarlordose bei gleichzeitiger Bandagierung der untern Extre-
mitäten wurde bei gesunden Kindern eine stärkere Albuminausscheidung
veranlaBt, als bei forzierter Lordose. Was aber die Untersuchungen an
Kaninchen und Hunden anbetrifft, so hatte die forzierte Lordose stets
Albuminurie zur Folge. Sie war eine nur schwache, wenn die Tiere in
der gewöhnlichen Körperstellung gehalten wurden; ausgesprochener zeigte
sie sich hingegen, wenn man erstere in liegende Lordose brachte (jedoch
mit dem Bauche nach oben); zu einer bedeutenden wurde sie schließlich
bei aufrechter Lordose im Vereine mit Bandagierung der untern Extre-
mitäten. — Ist nun die hervorgerufene Lordose als die ausschließliche
Veranlassung der Erscheinung anzusprechen? Verfassers Untersuchungen
haben ergeben, daß die Lordose — sei es in der aufrechten Stellung,
sei es in der Rückenlage — bei Erwachsenen keine Albuminurie herbei-
führt, und daß diese letztere bei Kindern nur unter einer bestimmten
222 Nieren und Har»leiter.
Bedingung sich einstellt, die nur dann, wenn die Lordose mit der auf-
rechten Stellung vereint ist auftritt. Es hängen nun bei Kindern die beiden
Faktoren — Albuminurie und aufrechte Lordose so innig miteinander
zusammen, daß wir zur vollständigen Deutung der Erscheinung nicht um-
hin können, die Veränderungen des normalen Kreislaufes als einerseits
durch den mechanischen Faktor (Lordose), anderseits durch den zweiten
(Orthostatismus) bedingt zu betrachten. Kr.
Lordotische Albuminurie und Titrationsazidität des Urins.
Von Dr. Ernst Fränkel-Boun. (Deutsche med. Wochenschr. 1912, Nr. 42.
Die Abgrenzung der orthostatischen Albuminurie von den echten
Nepbritiden ist trotz aller bisher darauf gerichteten Bestrebungen noch
nicht gelungen, auch über das Wesen der lordotischen Albuminurie sind
die Akten noch nicht geschlossen. Neuerdings hat M. H. Fischer einen
Zusammenhang zwischen Albuminurie und Harnazidität konstruieren
wollen, und seine Anschauung schien eine Stütze zu finden in der Be-
obachtung Hößlins, der bei Nephritikern durch Verabfolgung von
Natrium bicarbonicum das Albumen häufig, wenn auch nicht immer.
schwinden sah. Von anderer Seite ist der Zusammenhang zwischen
Harnazidität und Albuminurie wieder bestritten worden. Ernst Fränkel
hat in der Medizinischen Poliklinik in Bonn (Direktor Prof. Paul
Krause) an einer größeren Anzahl von Kindern eine Nachprüfung ver-
anstaltet und kommt zu folgenden Resultaten.
l. Bei einer Anzahl von Kindern mit lordotischer Albuminurie war
im Harn sofort oder mehrere Stunden nach der durch den Lordosever-
such hervorgerufenen oder verstärkten Eiweißausscheidung auch ein An-
steigen der Titrationsazidität nachweisbar.
2. Die Eiweißausscheidung nach dem Versuch konnte durch vor-
herige ausreichende Darreichung von Natrium bicarbonicum unterdrückt
werden.
3. Bei einem Kinde, dessen Erkrankung den Typus der lordotischen
Albuminurie im Anschluß an eine Scharlachnephritis zeigte, sowie bei
Scharlachnephritis selbst blieb die Alkalidarreichung ohne Erfolg.
Ludwig Manasse- Berlin.
Zur Kenntnis der lordotischen Albuminurie. Von F. Han-
burger-Wien. (Wiener klin. Wochenschr., Nr. 7. 1912.)
Als Hauptmoment für die Entstehung der lordotischen Albuminurie
ist jedenfalls die Stauung anzusehen, doch spielt auch der Zustand der
Vasomotoren eine gewisse Rolle, da einerseits derselbe Stauungsgrad
genügt, um bei einem Vasomotoriker eine Albuminurie auszulösen, bei
einem Nichtvasomotoriker jedoch nicht, und daß derselbe Stauungsgrad
bei demselben Individuum einmal zur Albuminurieprovokation genügt.
das andere Mal nicht. von Hofmann-Wien.
Zwei Fälle von operativer Dekompression der Niere bei hoch-
gradiger Kyphoskoliose. Von Otto Herrmann. Dissertation, Berlin 1912.
In beiden der Arbeit zugrunde liegenden Fällen bestanden in
früheren Zeiten Nierenstörungen. Bei dem älteren Patienten (40 Jahre)
Nieren und Harnleiter. 9923
war im Jahre 1838 eine Nierenbeckenentzündung aufgetreten, während
welcher Pat. Schmerzen in der rechten Lendengegend hatte, so daß an-
zunehmen ist, daß damals die rechte Niere ergriffen war. Eine Ursache
für deren Erkrankung war damals nicht festgestellt worden. Im Jahre
1906 und 1910 hatte Patient Nierensteine. Bei dem anderen, jüngeren
Patienten (17 Jahre) wurde im Herbst 1906 eine Nierenerkrankung ge-
funden, über deren Natur nichts bekannt ist. Beide Patienten klagten
ferner über dauernden Schmerz in der Nierengegend, der bei dem älteren
Patienten seit 20 Jahren besteht, bei dem jüngeren erst in der letzten
Zeit aufgetreten ist. Sehr charakteristisch ist die gleichlautende Angabe
beider Patienten, daB die Schmerzen an Intensität verlieren oder ganz
nachlassen, wenn sie den Arm der schmerzenden Seite hochheben. In
dem einen Falle, in dem die Dorsalkonvexität nach links gerichtet ist,
ist die rechte Nierengegend, und in dem anderen, in dem die Dinge ge-
rade umgekehrt liegen, ist die linke Nierengegend schmerzhaft. Mit
anderen Worten: in jedem Falle ist diejenige Seite die schmerz-
hafte, auf welcher die Niere in dem von der kompensatori-
schen Lendenkonvexität einerseits und der unteren Thorax-
partie anderseits begrenzten Raume liegt.
Schon durch die Anamnese konnte man auf den Gedanken kommen,
durch eine radikale Entfernung der untersten Rippen den Zustand der
Schmerzlosigkeit, in den sich die beiden Patieuten spontan durch Er-
heben des der schmerzhaften Seite entsprechenden Armes versetzten, zu
einem dauernden zu machen; denn es war klar, daB sie durch diese Ma-
nipulation eine Abduktion und Elevation der untersten Rippen herstellten,
wodurch die Niere von dem auf ihr lastenden Druck befreit wurde. Be-
vor man sich aber zu einer Entfernung der Rippen durch Resektion ent-
schließen konnte, mußte man Mittel und Wege finden, eine Regeneration
der resezierten Rippen zu verhindern. Dies wurde von Klapp durch
Kauterisation bzw. Verätzung des zurückbleibenden Periostlettes erreicht.
Dat die Operation indiziert war, bewies der Erfolg in beiden Fällen.
Fritz Loeb- München.
Die orthotische Albuminurie bei Tuberkulose. Von H. Lüdke
u. J. Sturm. (Münchn. med. Wochenschr. 1911, Nr. 19.)
Nach der Ansicht französischer Autoren, denen sich auch die Verf.
anschliefsen, spielt bei der orthotischen Albuminurie der Einfluls zeit-
weise im Blute kreisender giftiger Stoffe und die durch sie gesetzte
Nierenschädigung eine gewisse Rolle. Dieses Verhältnis zwischen reiner
orthotischer und toxisch orthotischer Albuminurie bedarf noch weiterer
Klärung. Die Verf. haben nun zunächst die orthotische Albuminurie
bei Tuberkulose zum Gegenstand ihrer Untersuchung gemacht und
sind dabei zu bemerkenswerten Resultaten gekommen. Die Versuche
wurden an 140 Kranken vorgenommen, von denen sich 60 im ersten,
50 ım zweiten. 30 ım dritten Stadium der Tuberkulose befanden. Die
Pat. mulsten vormittags eine Stunde lang stehen; vor dem Stehen und
auch bei sonstigen Untersuchungen war der Harn der Betreffenden stets
eiweifsfrei befunden worden. Als Proben dienten Koch-, Essigsäure-,
224 Nieren und Harnleiter.
Ferrocyankalium- und Sulfosulicylsäurereaktion, nur deutliche Trübungen
wurden berücksichtigt. Das Alter der Untersuchten schwankte zwischen
20 und 65 Jahren. Von diesen 140 Pat. wiesen 10% nach dem Stehen
Eiweifs auf und zwar 53 (aus 60) des ersten, 32 (aus 50) des zweiten
und 17 (von 30) des dritten Stadiums. Stärkere Eiweifsausscheidung
(0,2—1°/,,) war nur selten vorhanden, 9 mal fanden sich hyaline, nur
4 mal granulierte Zylinder; nur in letzteren Fällen glauben Verf. eine
echte Entzündung annehmen zu dürfen. Unter Berücksichtigung des
Umstandes, dafs in weitaus dem grölsten Prozentsatz im ersten Stadium
der Tuberkulose durch Stehenlassen der Pat. Eiweifs erzielt wurde, kann
diese „prätuberkulöse orthotische Albuminurie* als frühdiagnostisches
Merkmal für Tuberkulose verwendet werden, vorausgesetzt, dals nicht
anderweitige, kurz vorausgehende Infektionen vorliegen Aus allen Ver-
suchen ging ferner hervor, dafs in den allermeisten Fällen reine Albu-
minurie vorlag und das Eiweils im wesentlichen aus Euglobulin be-
stand. Bei analogen an 8 Gesunden vorgenommenen Kontrolluntersuchungen
war der Harn nach dem einstündigen Stehen stets eiweifsfrei. An den
tuberkulôsen Orthostatikern haben dann Verf. weiterhin Untersuchungen
angestellt hinsichtlich etwaiger Veränderungen des Blutbefundes vor und.
nach deın Stehen; sie ergaben negative Resultate. Dagegen war meist
eine Erniedrigung des Pulsdruckes nachzuweisen. Schien schon auf
Grund all dieser Erfahrungen die Annahme, dafs die orthostatische Al-
buminurie Tuberkulöser auf toxischer Nierenreizung beruhe, sehr wahr-
scheinlich, so erhielt sie noch eine weitere Bestätigung durch Anwendung
kleiner, nicht fiebererregender Tuberkulininjektionen bei solchen Tuber-
kulösen, die nach einstündigem Stehen keine Albuminurie aufgewiesen
hatten: bei 4 von 10 derartig behandelten trat Eiweils nach dem er-
neuten Aufstehen auf. Endlich wurde noch der Tierversuch heran-
gezogen, indem Meerschweinchen mit dem. Urin von 20 tuberkulösen
Orthostatikern intraperitoneal geimpft wurden. Es fanden sich auf diese
Weise in 5 Fällen des 1. Stadiums (9 im ganzen), in 3 Fällen (6) des
zweiten und in 4 (5) des dritten Stadiums Tuberkelbazillen, so dafs die
Ansicht Bestätigung erhält, dals es eine Tuberkel-Bakteriurie ohne Er-
krankung der Harnwege gibt.
Die auffallende Tatsache, dafs die orthostatische Albuminurie bei
den Anfangstuberkulösen häufiger ist als bei den Spätstadien deuten
Verf. durch allmähliche Adaption der Nierenelemente an die ständigen
toxischen Einwirkungen. Aus ihren Untersuchungen schliefsen die Verf.
unter Heranziehung der Tatsache der grofsen Verbreitung der Tuber-
kulose, resp. der grofsen Frequenz der positiv auf Tuberkulin reagieren-
den Personen (Franz), dafs ein grofser Teil der als funktionell be-
trachteten Albuminurien als toxisch aufzufassen ist. Der orthotische
Charakter der Eiweilsausscheidung ist wohl auf vasomotorische Einflüsse
zurückzuführen; da bei den Orthotikern die vasomotorische Regulation
gestört ist, manifestiert sich durch den Einflufs einstündigen Aufrecht-
stehens die latente toxische Nierenschädigung in einer deutlichen Eiweils-
ausscheidung. Die von Jehle betonten lordotischen Veränderungen
haben Verf. nie feststellen können. Brauser-München.
A
Nieren und Harnleiter. 225
Über Bence-Jonessche Albuminurie. Von James Cohn-Berlin.
Dissertation. Gicfsen 1910.)
Verfasser gibt zunächst einen guten Überblick über die bisher in
der Literatur verzeichneten Falle von Bence-Jonesscher Albuminurie, um
dann einen eigenen Fall mitzuteilen.
Die Atiologie der Krankheit ist noch unbekannt. Die auffällige
Häufigkeit der Angabe syphilitischer Infektion läfst die Vermutung eines
/usammenhanges der Syphilis und der Bence-Jonesschen Albuminurie auf-
kommen. Viele Umstände sprechen dafür. Jedoch fehlt in sehr vielen
Fällen auch jeder Anhaltspunkt für Syphilis. Nach allen bisherigen An-
gaben kann man sich aber nicht der Annahme verschliefsen, dafs die
Krankheit auf infektiös-toxischer Basis beruht. Freilich kann man sich
auch in manchen Fällen nicht des Eindrucks erwehren, dafs ein voraus-
gegangenes Trauma von irgend welchem Einflufs auf den Ausbruch der
Krankheit gewesen ist. ‚Jedenfalls ist die Atiologie noch dunkel und
wird es bleiben, solange man nicht die Ätiologie der bösartigen Ge-
schwülste ım allgemeinen erkannt haben wird, und solange der Ursprungs-
ort des betreffenden Eiweilskörpers verborgen ist.
Fritz Loeb- München,
The significence of albuminuria in pregnancy. Von E. H. Siede-
berg. (Brit. Med. Journ., Okt. 19. 1911.)
Bei Bestehen von Albuminurie traten häufiger Komplikationen ver-
schiedenster Art auf (Hämorrhagien, Frühgeburten, Eklampsie). Es er-
scheint daher nötig, während der Schwangerschaft den Urin wiederholt
zu untersuchen. © von Hofmann- Wien.
b) Urämie.
Die Urämie eine Säurevergiftung? Von H. Straub u. Schlayer-
Tübingen. (Münch. med. Wochenschr. 1912, Nr. 11.)
Die im Titel aufgeworfene Frage suchten die Verff. durch systema-
tische, fortlaufende Bestimmung des Partiardrucks der Kohlensäure in
der Alveolarluft nach Haldane an 8 Urämikern zu beantworten. Das
Material ist, trotzdem über 100 Bestimmungen ausgeführt wurden, für
bindende Schlüsse noch zu klein; doch haben die Untersuchungen gezeigt,
daß die Urämie auffallend oft mit einer Herabsetzung des Partiardrucks
der CO? verbunden ist. Während die Werte für die Kohlensäurespan-
nung bei vergleichsweise untersuchten nicht urämischen Nierenkranken
im Durchschnitt 39—41 mm betrugen, nie unter 37 mm sanken, waren
sie bei den Urämikern ımmer bedeutend tiefer, in einem besonders
schweren Falle 17—11 mm. Da auch ein deutliches Parallelgehen
zwischen Erholung Urämischer und den Kohlensäurewerten und ein
kontinuierliches Sinken bis zum Tode (bei völligem Fehlen von Inani-
tion) beobachtet werden konnte, glauben Verfl. mit Wahrscheinlichkeit
einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Säurevergiftung und Urämie
annehmen zu können. Brauser-München.
296 Nieren und Harnleiter.
Die Urämie eine Säurevergiftung? Bemerkungen zu obiger Arbeit
von C. Porges und A. Leimdörfer-Wien. (Münch. med. Wochenschr. 1912,
Nr. 16.)
Verf. weisen darauf hin, daß von ihnen schon vor längerer Zeit
ebenfalls Untersuchungen über die CO,spannung der Alveolarluft bei ver-
schiedenen Erkrankungen, darunter auch bei insuffizienter Nierenleistung
gemacht wurden. Sie ergaben im allgemeinen ähnliche Resultate wie die
von Straub und Schleyer. Brauser-München.
Urémie et Ammoniémie. Von J. P. Morat. (Lyon medical 1912,
20, p. 1069.)
Bei Undurchgängigkeit der Niere für den Harnstoff häuft sich der-
selbe im Blut an und findet im Darm einen vikarlierenden Weg des
Verlassens des Körpers. Dort wird er durch Fermente in kohlensaures
Ammonium umgewandelt, welches neue Produkt bei einer gewissen
Konzentration vom Darm wieder aufgenommen und dem Blute zugeführt
wird; das Blut erhält sein stickstoffhaltiges Produkt in einer mindestens
ebenso schädlichen Form, wie der Harnstoff ist, wieder. Bei Experi-
menten mit künstlichem Undurchgängigmachen der Niere für Harnstoff
fand sich im Blut Kohlensäure, Sauerstoff, Stickstoff und Ammoniak.
(Fällen von Hg-bichlorid, weißer Dampf bei Zusammentreffen mit HCl.)
Da nun Harnstoff im Blut schwer und unsicher nachweisbar, wäre es für
den Kliniker wichtig, einen quantitativen Nachweis des Ammoniaks in
Blut auszuarbeiten. Mankiewicz-Berlin.
Urämie und Harnstoffgehalt des Blutes. Von Prof. Dr. Egmont
Münzer. (Prager med. Wochenschr. 1912, Nr. 21.)
Verfassers Untersuchungen beweisen, daß beim Zustandekommen
urämischer Erscheinungen Störungen des Salzhaushaltes stattfinden und
daß insbesondere eine Retention von Harnstoff vorliegt, daß aber alle
diese Körper nicht als Gifte im chemischen Sinne wirken, sondern ihren
Einfluß in physikalisch-chemischem Sinne ausüben und zu den Erschei-
nungen der Salzvergiftung führen. Der Beweis, daß der urämische Sym-
ptomenkomplex auf Salzwirkung beruhe, wird erbracht durch das Fehlen
jeder anderen Vergiftungsursache in chemischem Sinne einerseits und
durch den Nachweis geänderter physikalisch-chemischer Verhältnisse des
Blutes und Anhäufung gewisser normaler Ausscheidungsprodukte, besonders
stickstoffhaltiger Natur, anderseits. Kr.
La grande Azotémie. Von A. Javal. (Société médicale d. hop. de
Paris 1911.)
Javal zieht die Bezeichnung Azotämie (Stickstoffblut) der Bezeich-
nung Urämie vor, weil wir im Blut mit dem Hypobromit nicht nur den
Stickstoff des Harnstoffes, sondern auch anderer Komponenten bestimmen.
Auf Grund von 22 Beobachtungen wird der Nachweis erbracht, dab
man auf der Azotämie eine annähernde Prognose der Brightschen Krank-
heit geben kann. 13 Kranke hatten eine Azotämie von mehr als 1,5 g
und sind bis auf einen innerhalb der der Untersuchung folgenden Woche
Nieren und Harnleiter. 227
gestorben. Von‘ 9 anderen, deren Azotämie 1—1,5 g betrug, sind 5
rasch verschieden, 4 haben länger als 3 Monate gelebt, keiner ein Jahr
Überleben erreicht. Manchmal erliegen Azotämische, ohne daß ihr Blut
1 g Stickstoff aufweist, oder mit diesem Gehalt können sie Remissionen
haben. Die Serumanalyse zeigt allerdings in diesen Fällen die Fort-
dauer der Azotämie trotz der Milderung der Symptome. Dieser Unter-
schied erlaubt, sich nicht über den Wert der Remission zu täuschen und
die Voraussage aufrecht zu erhalten. Mankiewicz-Berlin.
Über das Verhalten des Reststickstoffes des Blutes bei Ne-
pbritis und Urämie. Von H. Huhlweg-UGießen. (Deutsches Archiv für
klin. Medizin, Bd. 104, H.3 u. 4.)
Der Rest-N des Blutserums von Nierengesunden — d.h. der N des
enteiweißten Blutes — beträgt im Mittel 51 mg in 100 ccm Blutserum;
davon entfallen auf den durch Tannin fällbaren Anteil 11,7 °/,, auf den
durch Tannin nicht fällbaren 27,4°/, und auf den Harnstoff 60,8°/,. —
Bei der Nephritis steigen die Werte für den Gesamtrest-N auf 63—93 mg
in 100 eem Serum an. Durchgreifende Unterschiede lassen sich zwischen
der parenchymatösen und der interstitiellen Nephritis nicht feststellen,
weder was die (JrôBe des Gesamtrest-N noch was den Anteil seiner ein-
zelnen Fraktionen anlangt. — Die bei der Nephritis gefundenen Werte
erfahren auch bei gleichzeitiger Urämie keine nennenswerte Steigerung,
solange der Zustand der Kranken besserungsfāhig ist. Bei Werten von
60—95 mg Rest-N in 100 ccm Serum ist die Prognose relativ günstig,
falls keine anderen schweren Erkrankungen — wie von seiten des Her-
zens — den Fall komplizieren. In den letzten Lebenswochen (event.
monaten) steigt bei schweren Nephritiden der Rest-N im Blut bald
rascher, bald langsamer bis zu den höchsten Werten an, gleichgültig ob
dabei Urämie vorhanden oder nicht. Die Erhöhung des Rest-N ist um
so stärker, je kürzer vor dem Exitus das untersuchte Blut entnommen
ist. — Diese enormen Anhäufungen sind durch ein Anwachsen derjenigen
Stoffe bedingt, die normalerweise als N-haltige Endprodukte im Harn
den Organismus verlassen. Es erfolgt also ein Anschwellen des Rest-N
fast ausschließlich durch eine starke Znnahme des Harnstoffes, der in
solchen Fällen etwa 80°/, des Gesamtrest-N ausmacht, und durch ein
geringes Anwachsen der durch Tannin nicht fällbaren (Aminosäuren-)
Fraktion. Der durch Tannin fällbare Anteil des Gesamtrest-N ist bei
der Zunahme des letzteren nicht beteiligt. — Der Anstieg des Rest-N
ist lediglich der Ausdruck der Niereninsuffizienz und für die Urämie
nicht spezifisch. — Bei Nephritikern, die aus anderen Ursachen, z. B. an
Herzerkrankungen zugrunde gehen, ist sub finem vitae kein weiteres
stärkeres Ansteigen des Rest-N-Wertes mehr nachweisbar. Bei Kranken
ohne Veränderungen in den Nieren werden auch in den letzten Lebens-
standen noch Normalwerte für den N-Rest gefunden. Das enorme An-
wachsen der Rest-N-Werte — über 120 mg in 100 ccm Serum — ist
also eine für in Bälde letal endende Nephritiden charakteristische Er-
scheinung. — In diagnostisch zweifelhaften Fällen kann die Rest-N-Be-
stimmung wertvolle Anhaltspunkte geben. Die Größe des gefundenen
de Nieren und Harnleiter.
Wertes gibt ein Mat für die Beurterlung der Funktionstüchtigkeit dr
Nieren und einen Fingerzeig für die Stellung der Prognose.
Zuelzer-Berur.
Der Reststickstoff in seinen Beziehungen zur Urämie undzur
Prognose von Nephritiden. Von Prof. H. Strauß-Berlin. bei,
Archiv f. klin. Med. Ba. 106, H. 3 4.
Straub formuliert seine Anschauungen dahin, dab sehr hohe Wet
fur Reststickstoff meist, aber nicht immer mit Erscheinungen von Uran,
einhergehen, dab exzessiv hohe Werte sich nur in den letzten Lejer-
wochen oder -monaten finden. Eklamptische Zustände mit Erscheinange
von Vrämte kommen sowohl bei hohen als hei niedrigen Werten fu
den Reststickstoff vor. (1. Zuelzer-Berlın.
Eine seltene Erscheinung auf der Haut einer Patientin mit
Niereninsuffizienz. Vion Portigr-Franendorf bei Stettin. Münchner mei.
Worhensehr. Nr. 46.)
Kine 41 jährige Patientin. die von Niereninsuffizienz im Kranke
hause starb, zeigte wenige Tage vor ihrem Tode eine merkwürdige Haut
erscheinung. Nach einem mäßigen Sehweibansbruch bedeckte sich ibr
Haut, besonders an Stirn, Schläfen, Nase, Hals und Brust mit weiber
Körnehen. so dab ste aussah wie mit Schnee bestreut. Die Körnchen
— eine weibe kristallinische Masse — wurden untersucht und ergaben
nach Salpetersäurezusatz mikroskopisch sehr schön das Bild des kristal-
hsierten salpetersauren Harnstofls. Verf. bedauert, daß diese Fähigkeit
der Schweibdrüsen, vikariterend für die Niere einzutreten. nieht grüber
sel und weist daranfhin. daß es doch recht gut ist, bei Nephritikern die
Schweißsekretion anzuregen. Die Sektion der Pat. ergab auber der
Nierenerkrankung mit ihren Folgen nichts Besonderes,
Brauser- München.
N liquido cephalo-rachidiano nell uremia. Von De Marchis.
(Academia medico-fsica Florentina. 28. April 1912, La Clinica chirursica 1912.
7. p. 1564)
De Marchis untersuchte das Rückenmarkskanalpunktat bei Urämie:
hei Kranken mit akuter und chronischer Nephritis mit oder ohne Urämie:
bei Kranken mit Symptomen, die an Urämie denken ließen. In einigen
Fillen von Nephritis mit Urämie war der Druck erhöht, die Flüssigkeit
entleerte sieh in kontinuierlichem und langwährendem Strom, ste war
immer klar, Jeicht alkalisch, 1007 — 1008 sp. Gew. Gefrierpunkt bei
Nephritis mit Urämie immer erhöht. JProteinsubstanzen (Probe Montz!
normal. Wenn 1 oder 2 Tropfen 5", iger Essigsäure starke Trübung
hervorrufen, muß man sie als entzündlich verändert betrachten. Ham-
stoff 1,281— 3,893 °/,, bei Nephritis mit Urämie. Chloride vermindert
bei ausgedehnten Ödemen. Bei Nephritis ohne Urämie und bei andern
Krankheiten fand sich nie eine Vermehrung des Harnstoffs. Bestimmung
des Harnstofls kann daher wichtig für die Differentialdiagnose sein. Be
steht neben Insuffizienz der Niere auch Insuffizienz der Leber, so fillt
Nieren und Harrleiter. 229
dieses Moment fort, so daß die Meinung mancher Autoren, die Schwere
der Urämie sei proportional der Höhe des Harnstoffs im Rückenmarks-
kanalpunktat nicht immer zu Recht besteht. Adrenalinbestimmung ist
unsicher und schwierig. In manchen Fällen hatte die Punktion einen
guten therapeutischen Effekt, geschadet hat sie nie.
Mankiewicz-Berlin.
Sur les psychopathies liées à l'insuffisance rénale. Von L.
Bériel. (Lyon médical 1911, No. 46, p. 1042.)
L. Bériel scheidet auf Grund einiger jüngst genauer publizierter
Fälle und zweier von ihm längere Zeit eingehend studierter Kranker
die Beziehungen zwischen Nierenveränderungen und nervösen Störungen
in drei Formen: 1. Nervöse Symptome der Urämie, Uraemia nervosa,
deren Typ Krämpfe und Coma. 2. Bewulfstseins:törungen bei Gelegen-
heit deutlichen Nierenverfalls, d.h. klinisch Psychopathien infolge Nieren-
insuffizienz. 3. Hirnkrankheiten dunkler Ätiologie, bei denen ein latentes
Defizit der Nierenfunktion vielleicht eine Rolle spielt, vorläufig ein Ob-
jekt spekulativer Betrachtung. Mankiewicz- Berlin.
$
Die Atmungsstörungen der Urämischen. Von Prof. Dr. J. Pal
ın Wien. ‘Medizin. Klinik 1912, Nr. 50.)
Im Verlaufe der Nephritis begegnen wir ihrem Wesen nach differen-
ten Störungen der Respiration. Sehen wir von der durch die Erkrankung
des Herzmuskels bedingten Kurzatmigkeit ab, so gehören die wichtigsten
von ihnen zur Urämie. Merkwürdigerweise finden sie selbst in den
Monographien der Nephritis keine entsprechende Würdigung. Es fehlt
namentlich eine übersichtliche Zusammentassung der respiratorischen
Phänomene, obgleich eine genaue Kenntnis dieser Symptome wichtig und
wertvoll ist. Nicht selten bilden sie das erste Signal der einsetzenden
Urämie oder führt das Auftreten einer Atmungsveränderung zur Auf-
deckunz einer bis dahin nicht erkannten nephritischen Erkrankung. Mit
der Feststellung der nephritischen Grundlage der respiratorischen Störung
ist aber nicht alles getan. Es ist ebenso wichtig, auch die Art dieser
Störung genau festzustellen, weil dies in therapeutischer Beziehung maß-
gebend sein kann. Rücksichtlich der näheren Bezeichnung und Deutung
der dyspnoischen Zustände bei Urämischen gibt es noch vielfach wider-
sprechende Ansichten. Während von den einen die Pyspnoe der Urä-
mischen summarisch als Asthma bezeichnet wird, werden von andern un-
verkennbar divergente Atmungsphänome als „Asthma uraemicum* be-
schrieben. Im besondern gilt noch als Hauptmoment der Diskussion die
Frage, ob es ein echtes Asthma uraemicum sc. bronchiale oder nervosuın
gibt. Verf. hat im Laufe der Jahre ein umfangreiches Material über
Urämie gesammelt. In vorliegender Arbeit skizziert er die Arten der
urämischen Dyspnoe übersichtlich. Die wichtigsten Formen der Atmungs-
störungen, denen wir bei Urämischen begegnen, sind: 1. die mit dem
urämischen Zustand in unmittelbarem Zusammenhange stehenden —- sub-
akuten — Formen: die laute und die grobe Atmung, ferner das Cheyne-
Stokessche Phänomen; 2. die mit der Toxämie ın unmittelbarer Be-
Zeitschrift für Urologie. 1913. 16
230 Nieren und Harnleiter.
ziehung auf dem Wege der kardiovaskulären Vorgänge stehenden —
akuten — Formen: die paroxysmale kardiale Hochspannungsdyspnoe und
die paroxysmale zerebrale Hochspannungsdyspnoe. Sie sind beide Pro-
dukte der akuten Hochspannung. Die kardiale Form tritt ein, wenn
durch die hohe Spannung der linke Ventrikel relativ insuffizient wird.
Die andere ist die Folge exzessiver hoher Spannung bei arbeitsfähigem
Herzen. Alle bei den Urämischen auftretenden Atmungsphänomene sind
nicht absolut urämische Phänomene. Sie können daher auch als „urä-
misch“ nur dann angesprochen werden, wenn die anderseitigen Merkmale
dafür sprechen. Prognostisch sind namentlich die der ersten Gruppe die
infausteren. Sie lassen sich meist nur durch allgemeine, gegen das
Grundleiden gerichtete Maßnahmen bekämpfen, und daher sind die Aus-
sichten auf ihre Beseitigung geringer. Die Erscheinungen der zweiten
Gruppe sind zwar sehr stürmisch, sie sind im wesentlichen aber mecha-
nische Effekte und sind daher auch durch entsprechende Gegenmaßnahmen
(Aderlaß, Lumbalpunktion, druckentlastende Medikation usw.) zu beseitigen.
Kr.
» Bradykardie bei Urämie. Von E.E. Laslett. (Lancet, 7. Okt. 1911.)
Bei einem 42 jährigen Mann, der seit sechs Jahren wegen Nieren-
erkrankung in ärztlicher Beobachtung und Behandlung stand, trat zu-
gleich mit einem akuten Anfall von Urämie eine Pulsverlangsamung auf
bis 42 und verschwand mit der Abnahme der Urämiesymptome und der
wiederkehrenden Urinentleerung. W. Lehmann-Stettin.
Lumbalpunktion bei Urämie. Von Dr. Walter Frey, Assist. d.
medizin. Klinik zu Basel. (Korrespondenzbl. f. Schweizer Ärzte 1912, Nr. 17.)
Neben Digitalis und Diuretin werden seit alter Zeit angewandt:
Schwitzen, Aderlaß und Infusion. Diesen drei erwähnten therapeutischen
Maßnahmen fügt Verf. nun noch die Lumbalpunktion an, die von Leube
und Bäumler schon erwähnt wird und Seiffert bei Scharlachurämien
ausgezeichnete Dienste geleistet haben soll. Auch die von Zange-
meister in neuerer Zeit angegebene zerebrale Druckentlastung durch
Trepanation bei Eklampsie gehört hierher. Verf. berichtet über 20 Fälle
von akuter Urämie, von denen 14 zur Sektion kamen. Von den 20 sind
es acht, welche Verf. als zerebrale Formen auffaßte und daraufhin den
Lumbaldruck untersuchte In einem Fall ist ein Druck von 11cm
Wasser verzeichnet, bei den andern sieben Werte von 20 bis 45 cm
Wasser (im Liegen). Verf. ließ nun so viel Liquor abfließen, bis der
Druck annähernd normal war. Der Erfolg war ın zwei Fällen nur
vorübergehend; es handelte sich um eine „Kombinationsform“ und eine
schwere parenchymatöse Schrumpfniere. Die lumbalpunktierten übrigen
Fälle zeigten alle deutlich nachhaltige Besserung. Besonders auffallend
war der Effekt bei einem Knaben von 16 Jahren mit akuter Nephritis,
der mit totaler Amaurose eingeliefert wurde, aus den Anfällen gar nicht
mehr herauskam, allmählich immer somnolenter wurde und schließlich in
tiefem Koma dalag, laut schnarchend, mit langsamem, stark gefülltem
Puls und blutigem Schaum vor den Lippen, dem Zeichen von beginnendem
Nieren und Harnleiter. 231
Lungenödem. Zwei Aderlässe waren ohne Erfolg. Es wurde punktiert,
wobei die Flüssigkeit im Strahl herausspritzte, und zehn Minuten später
war Patient imstande, auf Fragen ordentlich zu reagieren. Nicht immer
war die Besserung eine so rasche, fast momentane; aber die Nützlichkeit
des Eingriffes war in jedem der Fälle unverkennbar. Kr.
À case of uraemia treated by morphine. Von A. H. Carter.
‘Brit. Med. Journ. Nov. 2. 1912,)
Der 56jährige Patient kam wegen Ödemen, Kopfschmerzen und
Erbrechen in Behandlung, bald stellten sich auch Krämpfe und Benom-
menheit ein. Da die übrigen angewendeten Mittel (Aderlaß, Amylnitrit,
Disphoretica usw.) nur vorübergehende Wirkung zeigten, verordnete C.
Sauerstoffinhalationen, und machte eine subkutane Injektion mit 0,015
Morph. sulf. und 0,0004 Atropin. sulfur., worauf die Krämpfe durch
einige Stunden aufhörten. Nach einem neuerlichen ausgiebigem Ader-
laß und einer weiteren Morph.-Atropininjektion verschwanden die beun-
ruhigenden Symptome vollständig. von Hofmann-Wien.
c) Anurie.
Ein Fall von protrahierter Anurie nach Sublimatvergiftung.
Von Dr. G. A. Kolossow, Arzt am Landschaftskrankenhause des Gouverne-
ments Smolensk. (Fol. urol., Bd. VII, Okt. 1912, Nr. 3.)
Zu den schwersten und gefährlichsten Folgen akuter oder chronischer
Vergiftung durch Sublimat, welches Mittel als stark wirkendes protoplas-
matisches Gift Veränderungen in allen Organen hervorruft, gehören mehr
oder minder tiefe Nierenveränderungen, die das klinische Bild von akuter
oder chronischer Nephritis mit Ausgang in ÄAnurie oder Urämie darbieten.
In dem vom Verf. beschriebenen Falle, in welchem eine Sublimatdosis
genommen wurde, die die tödliche Dosis um das 60 fache und die höchste
Einzeldosis um das 1200 fache übertraf, bestand eine 7 Tage anhaltende
Anurie. Der Fall verdient aus dem Grunde Beachtung, weil die Anurie
sich fast unmittelbar nach der Vergiftung eingestellt hatte, und weil man
sich, da der Pat. fast unmittelbar nach der Vergiftung in das Kranken-
haus aufgenommen wurde, von dem Bestehen der Anurie objektiv, d.h.
durch Einführung eines Katheters überzeugen konnte, während in vielen
der beschriebenen Fälle bei der Bestimmung der Dauer der Anurie auch
die Angaben der Kranken selbst eine Rolle spielten. Noch größere Be-
achtung verdient der Fall wegen seiner Ätiologie, da beide Nieren affi-
ziert waren, folglich auch die innere Nierensekretion in hohem Maße ge-
stört war, während in vielen von den beschriebenen Fällen die Anurie
durch ein mechanisches Hindernis in der einen Niere und durch reflek-
torischen Einfluß auf die andere Niere bedingt, die Pathogenese also eine
andere war. Ferner unterscheidet sich dieser Fall von den übrigen
Fällen auch dadurch, daß in demselben die Dekapsulation angewendet
wurde, die in solchen Fällen bis jetzt kaum jemals vorgenommen wurde.
Die Operation war ohne Einfluß auf die Nierensekretion. — Die größte
Eigentümlichkeit des Falles liegt aber in dem Umstande, daß der Pat.
trotz der vollständigen Anurie und trotz der hochgradigen Veränderungen
16*
232 Nieren und Harnleiter.
des Magendarmkanals fast während der ganzen Krankheit (6—7 Tage)
sich in ziemlich befriedigendem Allgemeinzustand befand und Erschei-
nungen von Urämie fehlten. Der Kranke bekam am 7. Tage plötzlich
Blutbrechen und Hämoptoe. Hierauf Kollaps und Exitus. Kr.
Anurie prolongée et à répétition dans un cas de cancer ut£-
rin. Von Beaufome-Paris. Société médicale des hôpitaux. Sitzung vom
15. XII. 1911. Nach La semaine médicale 20. XII. 1911.
Beaufome teilt folgende mit Hirtz beobachtete Krankengeschichte
mit: Bei einer Frau, die ein Korpuskarzinom des Uterus batte, trat plötz-
lich Anurie auf, die 14 Tage anhielt. Acht Tage lang konnte wieder
Urin entleert werden, als eine nene Anurie für zehn Tage einsetzte.
Hierauf wurde die Urinentleerung bis zu dem bald darauf an Kachexie
eintretenden Tode normal. Nach Schluß der ersten anurischen Periode,
mit Beginn der Urinentleerung, wurden schwer urämische Symptome wie
Krämpfe, Delirium und Koma beobachtet. Die Bedeutung des Falles
miBt der Autor dem Umstand bei, daß nicht immer eine Anurie beim
Uteruskrebs zum Tode führen muß. N. Mever-Wildungen.
d) Eklampsie.
Discussion on the etiology of eclampsia. Brit. Med. Journ,
Oct. 26. 1912.)
I. J. W. Ballantyne.
Es handelt sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Toxämie,
und zwar um eine primäre, veranlaßt durch Störungen in der normalen
Symbiose zwischen Foetus und Mutter und um eine sekundäre, welche
die Konvulsionen hervorruft und durch krankhafte Veränderungen in
den Nieren, der Leber, den Nebennieren usw. erzeugt wird. Diese
Theorie oines toxämischen Ursprungs der Eklampsie wird besonders ge-
stützt durch den günstigen Einfluß bloß gegen die Toxämie gerichteter
Maßnahmen.
HO. J. H. Teacher.
Die hauptsächlichsten Veränderungen finden sich bei Eklampsie in
der Leber in Gestalt von trüber Schwellung und fettiger Degeneration,
sowie Hämorrhagien und Nekrosen. Sehr häufig finden sich derartige
Veränderungen auch in den Nieren, den Nebennieren und anderen
Organen. Zwischen der Intensität der anatomischen Veränderungen und
der Heftigkeit und Zahl der Krämpfe besteht kein Zusammenhang. Es
können die schwersten Krämpfe bei geringen anatomischen Läsionen auf-
treten und umgekehrt wurden Fälle beobachtet, wo die Patientinnen ohne
Krämpfe zugrunde gingen und sich bei der Obduktion schwere Läsionen
der Leber fanden.
Ill. Sir W. Smyly.
S. bespricht die verschiedenen Behandlungsmethoden der Eklampsie
und kommt zum Schlusse, daß die konservativen Verfahren, besonders
das von Stroganoff die günstigsten Resultate geben.
W. Hall betont, daß die Physiologie der Schwangerschaft, beson-
ders in den ersten Monaten eines eingehenderen Studiums bedürfe. Viel-
Nieren und Harnleiter. 233
leicht werde es unter Zuhilfenahme der neuesten Blutuntersuchungs-
methoden und Fortschritte auf chemischem Gebiete gelingen, eine mehr
spezifische Behandlung der die Eklampsie bedingenden Störungen zu er-
zielen.
L. Murray hält das Eklampsiegift für kein einheitliches, ein Um-
stand, der den Polymorphismus dieser Erkrankung erkläre.
J. S. C. Douglas ist der Ansicht, daB die Eklampsie nicht so
sehr auf Bildung abnormer Toxine beruhe, sondern auf mangelhafter Bil-
dung von Antikörpern gegenüber den normalerweise in der Schwanger-
schaft auftretenden Toxinen.
Haultain und Sir J. Byers konstatieren, daB man über das Ek-
lampsiegift noch immer nichts Sicheres weiß und daß daher die "Therapie
eine symptomatische ist.
Griffith hält die für Eklampsie charakteristischen Konvulsionen
für eine Teilerscheinung, welche nur bei einer kleinen Reihe der Fälle,
welche anatomische Veränderungen zeigen, sich findet.
Chipman unterscheidet zwei Formen der Eklampsie, je nachdem
die Niere oder die Leber mehr beteiligt ist. Die letztere Form ist die
prognostisch ungünstigere, aber auch die seltenere.
A. Routh fordert zu genauen vergleichenden Untersuchungen des
Blutes normaler und schwangerer Frauen auf.
J. M. M. Kerr ist im allgemeinen ein Anhänger der konservativen
Behandlung und will ein operatives Vorgehen nur für besonders schwere
Fälle reserviert wissen.
Scharlieb und R. Heard haben in Indien häufig Eklampsie
beobachtet, trotzdem die Bevölkerung fast ausschließlich von Vegetabilien
lebt. Eine ätiologische Rolle spielt vielleicht die Milch, welche gerade
in diesen Ländern in großer Menge genossen wird.
von Hofmann: Wien,
A case of puerperal eclampsia, commencing with amaurosis:
recovery. Von R. Jordan. (Brit. Med. Journ. Nov. 30. 1912.)
Bei einer 19jährigen Zweitgebärenden trat 12?/, Stunden nach
der Entbindung plötzlich vollständige Amaurose ein. Im Urin reichlich
Eiweiß, aber keine Zylinder. Bald darauf setzten die ersten Konvul-
sionen und Erbrechen ein. Unter Morphin-Chloroformbehandlung ver-
bunden mit Magenauswaschungen und ausgiebiger Darmentleerung trat
innerhalb 5 Tagen vollständige Heilung ein. von Hofmann-Wien.
Eklampsiefragen. Von F. Kermauner-Wien. (Wiener med. Wochen-
schrift, Nr. 23. 1912.)
K. bespricht eine Reihe von Theorien und Behandlungsmethoden
der Eklampsie, speziell die Theorie von Dienst, welcher der Erhöhung
des Fibrinogen- und Fibrinfermentgehaltes im Blute Eklamptischer die
wichtigste Rolle für das Zustandekommen dieser Erkrankung zuschieibt.
von Hofmann-Wien.
234 Nieren und Harnleiter.
Zur Eklampsiefrage. Dauerresultate von Nierendekapsulation
bei Eklampsie. Von Dr. N. M. Prosorowsky-Moskau. (Zeitschr. f. gynä-
kol. Urologie 1912, Bd. III, H. 5.)
Die Literatur der Dauerresultate der Nierendekapsulation bei Eklam-
psie verfügt über ein sehr geringes Material. Hierher gehören 2 Fälle
von Gauß, die er im Laufe eines halben Jahres bezüglich der Funk-
tionstüchtigkeit der Nieren kontrollieren konnte, dann 1 Fall von Ede-
bohls und ferner noch 1 Fall von Chambrelent, der auch noch be-
züglich des Einflusses der Dekapsulation auf die nachher eingetretene
Schwangerschaft beobachtet werden konnte. Zu den angeführten Fällen
ist Verf. in der Lage, noch 1 Fall hinzuzufügen, den er im Verlaufe
von 2 Jahren nach der von ihm ansgeführten Dekapsulation sowohl be-
züglich des Einflusses der Operation auf die Funktion der Niere, als auch
auf die .nachfolgende Schwangerschaft und Geburt beobachten konnte.
Auf Grund obengenannter, unzweifelhaft schwerer Fälle von Eklampsie
mit bedeutender Nierenschädigung müssen wir, sagt Verf., zum Resultate
kommen, daß, abgesehen von der unmittelbaren, schnellen Wiederher-
stellung der Nierenfunktion, die Dekapsulation nicht nur im weiteren die
Nierenfunktionstüchtigkeit nicht ungünstig beeinflußt (bezüglich der nach-
folgenden Schwangerschaft und Geburt), sondern sogar die unmittelbare
Ursache für eine normale Nierenfunktion abgibt. Unzweifelhaft ist die
schnelle Restitution der Nierenelemente nur der Dekapsulation zu ver-
danken, denn ohne dieselbe wäre eine so anhalteud normale Nieren-
funktion mit qualitativ normalem Harn undenkbar. Kr.
Über Eklampsie und die Erfolge der Nierendekapsulation
bei Eklampsie. Von Albert Sippel. (Zeitschr. f. gynäkol. Urologie 1912,
Bd. III, H. 5.)
Verf. setzt sich mit W. Poten auseinander, der auf Grund stati-
stischer Beobachtungen behauptet, daß die nichtdekapsulierten Kranken
erheblich besser fahren, als die operierten. Nach S. stellt sich die In-
dikation für die Nierendekapsulation bei Eklampsie allein und ausschließ-
lich aus der Beschaffenheit und Menge des Urins. Die Wirkung der
Operation kennzeichnet sich allein und ausschließlich aus der erfolgten
quantitativen und qualitativen Besserung der Harnsekretion. Diese beiden
Sätze müssen die Grundlage abgeben für die ferneren Beobachtungen
auf dem vorliegenden Gebiet. Nur wenn wir uns an ihre strikte Be-
folgung halten, können wir uns auf der einen Seite vor indikationslosem
ÖOperieren schützen und auf der anderen Seite dem Fehler entgehen,
Heilerfolge anzunehmen, welche der Nierenentkapselung als solcher nicht
zukommen. Die letztere Gefahr ist bei dem bekannten wechselvollen
Bilde der Eklampsie besonders groß. Nicht die Eklampsie als solche
gibt die Indikation zur Nierenentkapselung, sondern nur die gehemmte
Nierentätigkeit; nicht die Eklampsie als solche soll direkt damit beein-
flußt werden, sondern nur die Harnsekretion. Deshalb kann die Wirkung
der Operation zunächst auch nicht aus dem Verhalten der Krämpfe be-
urteilt werden, sondern nur nach dem Einfluß auf die Nierensekretion.
Ein sofortiges Aufhören der Krämpfe nach der Dekapsulation ist nicht
Nieren und Harnleiter. 235
eigentlich als eine Wirkung dieser Operation anzusehen. Jedenfalls ist
diese Wirkung nicht die beabsichtigte, sondern nur auf dem Wege der
Wiederkehr der Harnsekretion und der dadurch herbeigeführten Ent-
giftung kann eine Heilwirkung der Entkapselung zustande kommen. Bei
einer Eklampsie ohne gleichzeitige Nierenschädigung würde daher die
Eutkapselung zwecklos sein. Die Berechtigung der Nierendekapsulation
steht und fällt mit der Beantwortung folgender zwei Fragen: 1. Wird
durch eine starke und dauernde qualitative und quantitative Herabsetzung
oder durch völlige Unterdrückung der Harnsekretion die Prognose der
Ellampsie erheblich verschlechtert und eine Lebensgefahr hervorgerufen?
2. Wird durch die Entkapselung eine kräftig wirkende Hebung und
Förderung der herabgesetzten oder unterdrückten Nierensekretion. zu-
wege gebracht? Die erste der beiden Fragen bejaht Verf. nachdrücklich,
ebenso die zweite Frage. Dabei läßt er hier völlig dahingestellt, ob die
Wirkung zustande kommt durch Freiwerden des venösen Abflusses, durch
Beseitigung eines Druckes und Freiwerden des arteriellen Zuflusses oder
durch reaktive arterielle Fluxion infolge des Traumas. Das ist für vor-
liegende Frage gleichgültig. Es genügt vollauf die Tatsache, daß die
Dekapsulation das erstrebte Ziel, die Harnsekretion zu heben, wirklich
erreicht. Kr.
e) Funktionelle Nierendiagnostik.
Untersuchungen über die Funktion kranker Nieren. Von
Schlayer-Tübingen. (Deutsch. Arch. f. klin. Med., Bd. 102, H. 3/4.)
Schlayer untersucht bei chronischen vaskulären Nephritiden, zu
denen auch die Schrumpfnieren zählen, die Ausscheidungsverhältnisse für
Wasser und Kochsalz und für die körperfremden Substanzen Jodnatrium
und Milchzucker. Die Resultate stimmen mit den Ergebnissen der Tier-
experimente und mit den Befunden bei den akuten vaskulären Nieren-
erkrankungen überein: Kochsalz- und Jodkaliausscheidung sind intakt,
Milchzucker- und Wasserelimination verändert. — Die funktionelle
Prüfung zeigte wiederholt das Fortschreiten einer Nierenschädigung oder
den Übergang einer chronischen vaskulären Nephritis in Schrumpfniere
an, noch ehe die klinischen Symptome eintraten, und leistete auch in
Fällen von okkulter Nierenschädigung diagnostische Dienste. Umgekehrt
kaun die Methode trotz klinischer Erscheinungen versagen, wohl wenn
kompensatorische Ausgleichung erfolgt. Meist besteht aber im Wider-
spruch zum anatomischen Bilde, das nur partielle Läsion des vaskulären
Apparats zeigt, eine universelle Schädigung der Nierengefäße; die Po-
lyurie ist eben nicht eine kompensatorische Leistung der intakten Glo-
meruli, sondern eine Begleiterscheinung dieser Schädigung (der Durst,
den Noorden als Ursache der Polyurie annimmt, ist eine Saugwirkung
der überempfindlichen Niere). Es sind zwei Grade von Schädigungen
der Nierengefäße zu unterscheiden: beide gehen mit einer Verlängerung
der Milchzuckerelimination einher. Bei der Überempfindlichkeit besteht
Polyurie mit Hyposthenurie, mit niederer Kochsalzkonzentration, die auch
bei Kochsalzzulagen trotz entsprechender Mehrausscheidung fixiert bleibt.
Bei der schwereren Form, der Unterempfindlichkeit, besteht Oligurie mit
236 Nieren und Harnleiter.
hoher Konzentration; Kochsalzzulagen werden aber trotz Steigerung der
Konzentration zum Teil retiniert, auch wenn die Wasserzufuhr erhöht
wird. 11 Fälle von Oligurie oder Normalurie werden als Schrumpf-
nieren aufgefaßt; sie gehen bei der Behandlung mit Diureticis in die
bisher allein bekannte polyurische Form über. G. Zuelzer-Berlin.
Beitrag zur Funktionsprüfung der Niere. Von v. Monakow.
(Deutsches Arch. f. kl, Med., Bd. 102, H. 3.4.)
Verf. geht von dem Vorschlage Fr. v. Müllers aus, die Funktions-
störung zum Einteilungsprinzip für die Nierenkrankheiten zu machen und
sucht die Anpassungsfähigkeit der Niere an vermehrte Arbeit festzu-
stellen. Bei 9 Nephritikern, die sich auf konstanter Kost bei täglıch
gleicher Kochsalz- und Wassermenge befanden, wurde eine einmalige
Zulage von 10 g Kochsalz oder 0,6 g Jodkalium oder 31 Wasser oder
20 g Harnstoff gemacht, der quantitative Ablauf der Ausscheidung fest-
gestellt und mit dem gesunder Personen verglichen. In 6 Fällen zeigen
sich bei intakter NaCl-Ausscheidung erhebliche Störungen der N-Elimi-
nation, 1 Fall bietet das umgekehrte Bild, in 1 Fall sind beide Funk-
tionen gestört. Eine Einteilung der Nephrosen nach funktionellen Mo-
menten scheint daher möglich und wünschenswert. Störungen der N-
Ausscheidung, die keine deutlichen Störungen des N-Gleichgewichtes
hervorrufen, können durch den Harnstoffversuch erkannt werden; event.
ließe sich daraufhin bei Differentialdiagnose zwischen orthot. Albuminurie
und Nierenerkrankung die Entscheidung fällen. Beziehungen zwischen
Verzögerung der Jodausscheidung und Schwere der Nierenerkrankung
werden nicht gefunden. Bei Vergleich der anatomischen Veränderungen
(4 Obduktionen) mit dem durch die Funktionsprüfung gewonnenen klini-
schen Bild erscheint es als sehr wahrscheinlich, daß die N-Ausscheidung
zu den Glomeruli, die Kochsalz- und Wasserausscheidung zu den Tubuli
contorti in Beziehungen stehen. G. Zuelzer-Berlin.
Moderne funktionelle Diagnostik der Nephritis. Von H. Ep-
pinger und H. Barrenscheen-Wien. (Wiener klin. Wochenschr., Nr. 21. 1912.)
Da man an der Niere funktionell zwei Apparate unterscheiden muß:
den GefäBapparat und den drüsigen, sezernierenden, respektive resor-
bierenden Anteil, ist bei der funktionellen Nierendiagnostik ein getrenntes
Studium dieser beiden Anteile erforderlich. Dies wird durch verschie-
dene Gifte ermöglicht. So ist es nachgewiesen, daß Chrom und Sublimat
in erster Linie die Epithelien der Tubuli contorti schädigen (reichliche
Ausscheidung von Eiweiß und Zylindern), während durch Kanthariden
und Arsen die Glomeruli stark in Mitleidenschaft gezogen werden (wenig
Eiweiß, wenige Zylinder, viele rote Blutkörperchen. Wenn man nun
an derartig geschädigten Nieren weitere Untersuchungen vornimmt (Be-
stimmung des Blutdrucks, des Nierenvolums, der Diurese, der Jodkali-,
Milchzucker-, Wasser- und Chlorausscheidung usw.), so gelangt man zu
zahlreichen für die funktionelle Diagnostik wichtigen Resultaten, die E.
und B. genauer studiert haben und auf Grund derer sie verschiedene
Krankheitstypen aufstellen. von Hofmann-Wien.
t
Nieren und Harnleiter. 237
Funktionsprüfung nierenkranker Kinder. Von Heubner. (Ge-
sellschaft der Charite-Ärzte, Berlin 4. VIL 1912, Berliner klin, Wochenschrift
1412, Ar. 34:
Für den Praktiker ist es auberordentlich wichtig, zu wissen, wie
weit bei der elironischen Nephritis der Kinder die Funktion der Niere
beeinträchtigt, wie viel von ihrer Leistungsfähigkeit erhalten ist. Für
tiesen Zweck sind die von H. in drei Fällen erprobten Funktions-
priöungen, die auch in der Praxis leicht anwendbar sind, zu empfehlen.
Die Kinder bekommen zunächst, um die Ausscheidung der festen Be-
standtelle möglichst gleichmäßig zu gestalten, einige Tage reine Milch-
diät, sodann wird bestimmt: 1. die Funktion der Wasserausscheidung mit
rd ohne Diuretica; 2. die Konzentration an festen Bestandteilen durch
Bestimmung des spezifischen Gewichts; 3. die Funktion der Kochsalz-
sasscheidung: die letztere macht in der Praxis immerhin einige Schwierig-
keiten und kann eventuell weggelassen werden, da die beiden ersten
érugende Aufklärung geben. Nachdem an dem Tage, der dem Ver-
suchstage vorangeht. Wasserausscheidung, spezifisches (Gewicht und Koch-
silzausscheidung bestimmt sind, und der letzte Urin morgens vor 6 Uhr
entleert ist, bekommt das Kind um 6 Uhr früh 500 eem Wasser, worauf
de Menge des nun stündlich entleerten Urins bestimmt wird, ebenso
awn das speziiische Gewicht und eventuell der Kochsalzgehalt; der Ver-
sich wird am zweiten Tage in der Weise wiederholt, daß das Kind
sl com Wasser und 5 g Chlornatiium erhält, am dritten Tage der-
wlbe Versuch mit 500 cem Wasser und 0,5 g Diuretin.
Ex zeigte sich bei den drei Versuchen, daß trotz erheblicher Eiweiß-
ausscheidung die Nieren fast normal funktionieren können und umgekehrt,
ind dab man eine ziemlich klare Vorstellung von der Bedeutung der
voregenden Erkrankung erhält. Pavl Cohn- Berlin.
Intravenous administration of phenolsulphonephtalein for
ureter catheter study of the renal function. Von I. I. Keyes-New
York nd A. R. Stevens-New York. (New York Medical Journal 1. 6. 1912.)
Die Autoren haben die von Rowntree und Geraghty angegebene
Pienolulphophtaleinprobe für die funktionelle Nierendiawnostik bereits
m einer früheren Arbeit als sebr zuverlässisr und den übrigen Methoden
üerlegen gefunden. In dieser Arbeit wird über 28 Fälle berichtet, bei
denen der Ureterenkatheterismus angewendet und wo die Droge intra-
senos injiziert wurde, um die Beobachtungszeit zu verkürzen. Zwei
Pinkte sind bei der intravenösen Applikation zu beachten. Einmal ist
mwan nicht immer sicher, daß das Mittel tatsächlich völlig in die Vene
grangt ist. Zweitens ist große Sorgfalt auf die Art der Auffaneung
les Urins zu legen. Denn schon der Verlust weniger Kubikzentimeter
zenügt. um bei der raschen und großen Ausscheidung der Droge zu Irr-
(uerg zu führen. Die Arbeit führte zu folgenden Schlüssen:
l. Die Phenolsulphophtaleinprobe wird nur wenig, wenn überhaupt,
durch Oligurie oder Polyurie beeinflußt.
2. Die Probe gibt in Prozenten fast genau dieselben Zahlen, wie
Harnstoff in Zentigrammen in den Urinmengen ausgeschieden wird.
238 Nieren und Harnleiter.
3. Da die Zeit zwischen der Injektion und der ersten Ausscheidung
des Phenolsulphophtaleins sowohl bei gesunden wie kranken Nieren sehr
wechselt, ist die Zeit nicht als Anhaltspunkt zu betrachten.
4. Bei der intramuskulären Anwendung der Droge in Fällen, bei
denen große Mengen von ihr ohne und nur Spuren mit Ureterenkatheter
ausgeschieden wurden, waren nach intravenöser Applikation die ausge-
schiedenen Mengen große.
5. Nach intravenöser Injektion ist die Ausscheidung der Droge eine
so rasche, daß 10—15 Minuten nach Beginn der Färbung des Urins,
die oft schon 2 Minuten nach der Injektion auftritt, genaue Befunde
erhoben werden können.
6. Wenn auch einzelne Fälle durch die quantitative Phenolsulpho-
phtaleinbestimmung nicht exakt diagnostiziert werden können, so läßt
sich doch im allgemeinen der Satz ausftellen, daß eine Ausscheidung von
1°/, pro Minute in den ersten 10. oder 15 Minuten für eine normale
Niere spricht. N. Meyer-Wildungen.
Funktionelle Nierenprüfung mittels Phenolsulfophthalein.
Von E. Deutsch-Wien. (Wiener klin. Wochenschr, 1912, Nr. 32.)
D.s Untersuchungen erstrecken sich auf 60 Nierenkranke und eine
größere Anzahl von Gesunden. Es zeigte sich, daß man mit Hilfe des
Phenolsulfophthaleins, subkutan oder intramuskulär injiziert, imstande ist,
Nierenschädigungen verschiedenster Art zu erkennen, und daß durch
kolorimetrische Messung es möglich ist, Werte zu gewinnen, nach denen
man den Grad der Nierenschädigung beurteilen kann.
von Hofmann-Wien.
Die Phenol-sulfo-phthaleinmethode zur Bestimmung der Nie-
renfunktion. Von D. E. Sehrt-Freiburg. (Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 33.)
Verf.. lenkt die Aufmerksamkeit auf eine von den amerikanischen
Arzten Rowntree und Geraghty seit einiger Zeit geübte, in Deutsch-
land noch so gut wie unbekannte Methode der Nierenfunktionsprüfung,
die schon nach l Stunde meistens ein sicheres Resultat gibt und in ca.
5 Minuten ausgeführt werden kann. Sie gestaltet sich folgendermaßen,
1, Stunde vor der Injektion werden 200—400 cem Wasser getrunken
kurz vor der Injektion wird die Blase entleert; dann wird l ccm einer
Phenol-sulfo-phthaleinlösung (in Ampullen zu beziehen) subkutan oder
besser intramuskulär injiziert. 4, 6. 8, 10, 12 Minuten nach der In-
jektion haben die Patt. in ein mit wenig Natronlauge beschicktes Gefäß
Wasser zu lassen. Beim Erscheinen des Phenol sulfo-phthaleins tritt eine
leuchtende Rot-Violettfärbung ein. Die Zeit des Farbeneintritts wird notiert.
l Stunde nach Eintritt der Farbenreaktion wird die Blase in dasselbe
Becherglas entleert und dann die Gesamtmenge des in der 1. Stunde
ausgeschiedenen Farbstoffes bestimmt. Nach der 2. Stunde muß der Pat.
wieder die Blase entleeren und es wird wiederum die qantitative Be-
stimmung ausgeführt. Die quantitative Bestimmung des ausgeschiedenen
Phenol-sulfo-phthaleins wird mit den von Autenrieth und Königs-
berger konstruierten Kolorimeter in 5 Minuten bequem ausgeführt, und
Nieren und Harnleiter. 239
zwar so, daß die zu bestimmende Menge Urin mit 10 ccm Natronlauge
beschickt, dann mit Wasser auf 1 Liter aufgefüllt und eine filtrierte
Probe hiervon im Kolorimeter untersucht wird. Das Autenrieth-
Königsbergersche Kolorimeter fußt auf dem Prinzip der Keilmethode,
d.h. ein hohler Glaskeil, der mit einer Standardflüssigkeit gefüllt ist,
dient zum Vergleich mit der in einer (laskuvette befindlichen, kolori-
metrisch zu bestimmenden Flüssigkeit. Der Standardkeil, der mit einer
Zahlenskala verbunden ist, wird mit einem Triebe gegen die genannte
Glaskuvette verschoben, bis Farbengleichheit eingetreten ist. Ein Zeiger
zeigt in diesem Falle auf eine bestimmte Zahl, die notiert wird. Auf
der Aichungskurve des Standardkeils ist dann direkt der Farbstoffpro-
zentgehalt der zu untersuchenden Flüssigkeit abzulesen Die Amerikaner
haben eine überaus große Anzahl von normalen wie nierenkranken
Menschen untersucht. Bei intramuskulärer wie subkutaner Injektion er-
folgte der Eintritt der Farbenreaktion beim Normalen zwischen der
5. und 11. Minute nach der Injektion. Ferner wurde beim Normalen
in der 1. Stunde nach Eintritt der Farbenreaktion zwischen 43°/, und
70°, und in den beiden ersten Stunden zusammen 65—90°/, aus-
geschieden. Die Ausscheidung war also praktisch genommen nach
2 Stunden fast vollständig. In pathalogischen Fällen ist sowohl der
Eintritt der Farbenreaktion verzögert (10-—15 Minuten), wie die Aus-
scheidungsmenge erheblich vermindert. So wurde bei mäßig schwerer
akuter und chronischer parenchymatöser und interstitieller Nephritis oft
nur 50°/, nach Verlauf von 2 Stunden notiert. Je nach der Schwere
des Falles wurden außerordentlich geringe Werte festgestellt; bei schwerer
Urämie wurde überhaupt nichts ausgeschieden. Die Ausscheidungsmengen
standen in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu der sonst klinisch
festgestellten Schwere der einzelnen Fälle. In vielen Fällen wurde die
Diagnose durch die Autopsie bestätigt. In einer ganzen Anzahl von
Fällen wurde ferner bei normalen wie nierenkranken Patt. die Funktion
jeder einzelnen Niere bestimmt. Beim normalen war der Eintritt der
Reaktion jeder Niere im Durchschnitt gleichzeitig, auch waren die Aus-
scheidungsmengen gleich. In Fällen von Erkrankung der einen Niere
(Tumor usw.) zeigte der Urin dieser Niere sowohl verzögerten Eintritt
der Reaktion als auch oft erhebliche Verminderung der Quantität des
ausgeschiedenen Phenol-sulfo-phthalein. Im Durchschnitt konnte bei
allen Fällen schon nach der ersten, sicher aber nach der zweiten Stunde
ein Urteil über den Grund der Funktionsstörung der einen oder beider
Nieren abgegeben werden. — Verf. konnte in einer allerdings relativ
geringen Anzahl von normalen wie pathologischen Fällen die Angaben
der Amerikaner bestätigen. Kr.
Vergleich der Nierenfunktion vor und nach der Nephrek-
tomie wegen Tuberkulose. Von Chevassu et Moreno. (Revue de
gynécologie et de Chirurgie abdominale 1911. 5.)
Chevassu und Moreno haben vor und nach der Nephrektomie
wegen Tuberkulose vergleichende Untersuchungen der Nierensekretion,
der Speisen und Exkremente, des Blutes und des Harns nach verschie-
240 Nieren und Harnleiter.
denen Methoden vorgenommen und kommen zum Schluß, daB wir in der
experimentellen Polyurie Albarans und im Aufsuchen der Konstanten
Ambards Harnstoff des Blutes: Harnstoff des Harnes zwei brauchbare
Verfahren für Anzeige der Wasserausscheidungskraft und den Harnwert
der studierten Niere besitzen. Die Anwendung, die die Verfasser mit
diesen Methoden für die Funktion der restierenden Niere nach Nephrek-
tomie machen konnten, haben hohes praktisches Interesse, wenn sie ge-
statten die Fälle im voraus festzustellen, in denen die Nierenfunktion
bestimmt ist progressiv insuffizient zu werden und die Fälle, in denen
das Verschwinden der Entzündung wahrscheinlich ist oder eine kompen-
satorische Hypertrophie der anderen Niere zu einer, wenn auch nicht
anatomischen, so doch physiologischen Integrität des Harnapparates zurück-
führt. Mankiewicz- Berlin.
Ist der StrauB-Grünwaldsche Verdünnungsversuch für Dia-
gnose und Prognose der Nephritis verwertbar und von Nutzen?
Von Dr. Goldberg-Wildungen. (Zentralb!. f. innere Medizin. Nr. 19, 1912.
Die Methoden zur Prüfung der Nierenfunktion haben sich bisher in
der täglichen Praxis noch nicht einzuführen vermocht. Einerseits sind
diejenigen Versuche, welche die Entbehrlichkeit einer erkrankten Niere
dartun sollen, bei der relativen Seltenheit einschlägiger Fälle und bei
der Schwierigkeit der Trennung des Harns beider Nieren eine unbe-
strittene Domäne des geübten Spezialisten. Anderseits glaubt der Prak-
tiker bei der Beurteilung der Gesamtnierenfunktion, da er meistens schon
die Wirkung eingetretener renaler Insuffizienz in Form von Ödemen
oder leichter Urämie vor sich hat, feinerer Methoden entraten zu können.
Es ist daher, soll nicht die ganze funktionelle Diagnostik bei Nieren-
krankheiten ein Reservat weniger bleiben, jede Vereinfachung der Metho-
den, die nicht auf Kosten der Zuverlässigkeit erfolgt, mit Freuden zu
begrüßen. Nach dieser Richtung hin bewegte sich die Grünwaldsche
Modifikation des StrauBschen Verdünnungsversuches. Verfasser vor-
liegender Arbeit hat denselben bei 30—40 Nierenkranken zu Anwendung
gebracht und empfiehlt auf Grund seiner dabei gemachten Erfahrungen
dem Praktiker dringend, bei allen seinen wirklichen oder vermeintlichen
Nierenkranken den Verdünnungsversuch anzustellen. Nur im Zusammen-
hang mit sämtlichen übrigen klinischen Befunden hat er das Ergebnis
zu bewerten, Ein in jeder Hinsicht gutes Ergebnis spricht für die
Harmlosigkeit einer Albuminurie, falls auch alle anderen Nephritis-
symptome fehlen oder für die Heilungstendenz einer abklingenden Ne-
phritis, falls auch sämtliche anderen Erscheinungen in gleichem Sinne
günstig lauten. Ein in jeder Hinsicht schlechtes Ergebnis muß, selbst
wenn der Urin eiweißfrei und das Herz ohne Befund ist, den dringen-
den Verdacht einer ernsten Nierenerkrankung erwecken. — Zum Schblub
erwähnt Verf. Fehlerquellen, die er bisher nicht erwähnt fand. Bei
Personen, die an Uraturie oder Oxalurie leiden, ist die Wasserdurch-
lässigkeit der Nieren selbst dann zuweilen stark herabgesetzt, wenn
Nephritis oder Kalkulosis fehlen. Nervöse Frauen bekommen, ebenso
wie irgendein Eingriff in der Harnblase eine mächtige und plötzliche
Nieren und Harnleiter. 241
Polyurie bewirkt, auch schon durch die Vorstellung, daf gie jetzt dem
„Nierenverdünnungsversuch“ unterworfen werden, ein psychogene Polyurie.
Männer über 60 Jahre behalten zuweilen, ohne daß irgendein Symptom
besteht, bei jeder Miktion 50—100 g Urin in der Blase zurück. Kr.
f) Mißbildungen.
Die kongenitale Nierendystopie beim Weibe in klinischer
und embryologischer Beziehung. Von Dr. med. Siegfried Stephan,
Assistenzarzt der Universitäts-Frauenklinik zu Greifswald. (Zeitschr. f. gynäkol.
Urologie 1912, Bd. III, H. 6.)
Verf. fand in der Literatur unter Einrechnung von 4 neuen Fällen,
über die er in vorliegender Arbeit berichtet, 86 Fälle, die einer näheren
klinischen Beobachtung unterzogen worden waren. Unter dieser Zahl
wurde nur l5mal die richtige Diagnose gestellt, während sogar in
4i Fällen die dystope Niere unter falscher Diagnose operativ in Angriff
genommen wurde, wobei man 8mal das sonst gesunde Organ entweder
erst nach erfolgter Nephrektomie als Niere erkannte, oder infolge schwerer,
bei der Operation gesetzter Verletzungen exstirpieren mußte. Ange-
sichts dieser Zahlen, welche die Schwierigkeit der Diagnosenstellung
illustrieren, scheint es durchaus angebracht, die bisher nicht ohne Opfer
gemachten Erfahrungen hinsichtlich unserer Anomalie kritisch zu sichten
und die praktischen Konsequenzen daraus zu ziehen. Verfassers Arbeit
behandelt das Thema nach folgenden Gesichtspunkten: 1. Was verstehen
wir unter Nierendvstopie? 2. Wie tritt dieselbe klinisch in die Er-
scheinung? 3. Wie diagnostizieren wir die Anomalie? 4. Wie gestaltet
sich unser therapeutisches Handeln? Schließlich schien es Verf. gerecht-
fertigt, in dem Bestreben nach einer ätiologischen Deutung des inter-
essanten Krankheitsbildes eine embryologische Darstellung des Zustande-
komnens der Anomalie zu versuchen, wozu ihm einer dieser Fälle an-
regende Fingerzeige bot. — Die primäre, angeborene Nierendystopie
läßt sich folgendermaßen charakterisieren: Die Niere hat in Lage und
Form, Ureterbildung und Blutversorgung von vornherein mehr oder
weniger ausgeprägte embryonale Merkmale beibehalten, sie hat dement-
sprechend ihren fötalen Ascensus bis zur normalen Hühe niemals vollendet,
sondern ist an einer mehr oder weniger tiefen Stelle ihres Weges liegen
geblieben, wobei sie gelegentlich die Medianebene des Körpers nach der
gegenüberliegenden Seite überschreiten und dort sogar eine Verwachsung
mit der anderen Niere eingehen kann. Ihre Gestalt hat fast nie die
typische glatte Bohnenform der ausgewachsenen Niere erreicht, sondern
sie weist in den weitaus meisten Fällen embryonale Buckelung oder gar
tiefe Furchung auf und zeigt auch sonst mannigfache Unregelmäßigkeiten
ihrer Konfiguration. Der Hilus liegt nach embryonaler Art zumeist
nach vorn, wo auch der in der Regel gestreckt verlaufende, kurze Ureter
entspringt, der nicht selten Gabelungen an seiner Austrittsstelle aus der
Niere erkennen läßt. Die Gefäßversorgung erfolgt ebenfalls unter Er-
haltung embryonaler Verhältnisse in großer Variationsbreite. Die von
verschiedensten Richtungen kommenden, fast ausnahmslos multiplen Ge-
fibe und der kurze Ureter geben die Ursache für die ganz geringe oder
242 Nieren und Harnleiter.
vollständig fehlende Verschieblichkeit der dystopen Niere. Die Neben-
nieren sind konstant an dem normalen, ihnen zukommenden Platze zu
finden, so daß sie oft weit von der zugehörigen Niere entfernt liegen.
Verf. unterscheidet nach der Lage der Niere eine Dystopia lumbalis,
lumbosacralis und sacralis. Hierauf geht Verf. zur Betrachtung der
Symptome über. Charakteristisch ist das Wechselvolle und Unbestimmte
der Symptome für die kongenitale Nierenverlagerung. Am häufigsten
werden von den Patientinnen Klagen über Kreuzschmerzen angegeben.
In 5 Fällen täuschten die Schmerzen ganz das Bild einer Appendizitis
vor. Außer den Schmerzen sind Stuhlbeschwerden verzeichnet, die nicht
selten das ganze klinische Bild beherrschen. Es sind dies einmal
Schmerzen bei der Defäkation, die durch wechselseitigen Druck der
dystopen Niere und des Rektums hervorgerufen werden, und deren In-
tensität von der Innigkeit der Lagebeziehungen beider Organe abhängt,
und zweitens eine hartnäckige Obstipation. Wie das Rektum, so wird
auch die Blase durch die Dystopie beeinflußt und bei einer Reihe von
Fällen bestanden erhebliche Blasenbeschwerden (Pollakiurie, Tenesmen,
ja Hämaturie). Ferner ergab der Untersuchungsbefund nicht selten starke
Uterusverlagerung nach der Seite. In einer anderen Reihe von Fällen
sehen wir die Nierendystopie mit Mißbildungen des Enddarmes, der
Blase und der inneren Genitalien kombiniert und eingreifende Störungen
im Befinden der Patienten veranlassen. Auch Druckerscheinungen auf
die benachbarten Gefäß- und Nervengebiete von seiten der Niere kommen
vor, wenn sie auch selten sind. Überaus wichtig ist die Tatsache, daß
die Nierendystopie zu einem ernsten Geburtsbindernis werden kann. Aus
dieser Aufzählung der verschiedenartigen Symptome läßt sich erkennen,
wie selten wirklich charakteristische Symptome damit als Anhaltspunkte
für die Diagnose gegeben sind. Die Schwierigkeiten der Diagnose ver-
pflichten uns daher, bei allen nicht einwandfrei geklärten Fällen von
Abdominal- oder Beckentumoren die Nierendystopie prinzipiell in den
Kreis der diagnostischen Erwägungen zu ziehen. Vor allem müssen
allgemeine Entwicklungsstörungen, wie Fötalismus, Infantilismus und
Mißbildungen der Genitalien, den Verdacht einer kongenitalen Anomalie
im uropoetischen System erwecken. Welches sind nun die diagnostischen
Hilfsmittel, die zur Erkennung einer dystopischen Niere führen? In erster
Linie untersuche man die paravertebralen Nierennischen beider Seiten
auf das Vorhandensein der normalen Nierendämpfung und -resistenz. Bei
der Feststellung der fraglichen Geschwulst hat uns eine möglichst ein-
gehende Palpation zu leiten. Von vornherein wird die topographische
Lage der Geschwulst gewisse Fingerzeige geben, da wir wissen, daß die
dystopen Nieren bestimmte Prädilektionsstellen bevorzugen: so die Arti-
culatio sacroiliaca, die Konkavität des Kreuzbeins, die Incisura ischia-
dica major und das Promontorium. Ein für die weitaus meisten Fälle
zutreflendes Kriterium ist die mangelnde Beweglichkeit der dystopen
Niere, die hauptsächlich von der Kürze und den verschiedenen Kombi-
nationen der Eintrittsrichtungen der Gefäße abhängig ist. Ist nun bei
der Untersuchung das eine oder andere dieser diagnostischen Merkmale
zur Wahrnehmung gekommen, so kann der damit nahegelegte Verdacht
Nieren und Harnleiter. 243
auf eine Nierentieflage durch Erzeugung einer renalpalpatorischen Albu-
minurie bestätigt werden, wofern das Organ einer halbwegs ausreichen-
den Tuschierung zugänglich ist. Das prompte Auftreten von Eiweiß
schon nach 2—5 Minuten oder doch wenigstens in der ersten Viertel-
stunde entscheidet die Diagnose. Ein weiteres wertvolles Hilfsmittel
bietet sodann der Ureterenkatheterismus, wenn man ihn zu einer ver-
gleichenden Messung der beiden Harnleiter benutzt. In therapeutischer
Hinsicht ist zunächst stets ein Versuch einer operativen Dislokation der
Niere im Sinne des fötalen Ascensus und eine Fixation an einer höheren
Stelle vorzunehmen. Dieser Eingriff ist bis jetzt erst 7 mal gelungen.
Erst bei Fehlschlagen dieses Vorschlages ist die Nephrektomie zu er-
wägen. Kr.
Ein Fall von Mißbildung der Geschlechtsorgane und korigeni-
taler Verlagerung der Niere. Von M. Vromen, Assistenzarzt der Privat-
frauenklinik von Privatdozent Dr. W. Liepmann in Berlin. (Zeitschr. f. Ge-
burtsbilfe u. Gynäkologie. LXXII. Bd., 2. Heft, 1912.)
Verf. beschreibt das Beckenpräparat einer 73jährigen, an Arterio-
sklerose gestorbenen Frau. Es handelt sich um eine kongenitale Lenden-
Beckenniere, mit einer Vena renalis und vier Arteriae renales. Die
Niere ist nicht ganz so groß wie die auch etwas tief gelagerte der andern
Seite, obne jedoch von einer rudimentären Niere sprechen zu können;
und da beide Nieren mikroskopisch hochgradige Zeichen von arterio-
sklerotischer Schrumpfung darbieten, kann man den Größenunterschied der
beiden Nieren genügend durch einen ungleichen Grad von Schrumpfung
erklären; jedenfalls ist die dystopische Niere in diesem Falle gut ent-
wickelt. Wenn diese Niere wegen krankhafter Veränderungen, wie man
sie bei solchen dystopischen Organen oft findet, exstirpiert werden sollte,
würden die Gefäßverhältnisse leicht zu chirurgisch-technischen Schwierig-
keiten veranlaßt haben, und so geht auch aus diesem Falle, wie aus
andern in der Literatur veröffentlichten hervor, daß eine Kenntnis der
abnormen Gefäßverhältnisse bei kongenital verlagerten Nieren als unbe-
dingte Forderung für den Chirurgen gestellt werden muß. Kr.
g) Geschwülste.
Experimenteller Beitrag zur Genese der Nierentumoren. Yon
Neuhäuser. (Berl. med. Gesellsch., 26. April 1911; Berl. klin. Wochenschr.
1911, Nr. 19.)
Die Versuche des Vortr. gehen von der Tatsache aus, da/s häufig
in den menschlichen Nieren sich versprengte Nebennieren finden und
dafs aus diesen nicht selten Neubildungen, sogenannte Grawitzsche
Tumoren, hervorgehen. Es sollte nun geprüft werden, ob auf experi-
mentellem Wege, durch Einpflanzung von Nebennierengewebe in die
Nieren, derartige Tumoren erzeugt werden können. Benutzt wurden er-
wachsene Kaninchen, und zwar wurde das Material in die rechte Niere
nach Vornahme des Sektionsschnittes verpfianzt; die transplantierten
Nebennieren stammten zuerst von ganz jungen Embryonen, später, da
mit diesen Versuchen kein positives Resultat erzielt wurde, von älteren
244 Nieren und Harnleiter.
Föten und neugeborenen Tieren derselben Gattung; ihre glatte Oberfläche
wurde mit einem feinen scharfen Löffel vorher etwas wund gemacht.
Unter 84 Versuchen gelang es zweimal, Nierentumoren zu erzeugen, wie
die am Projektionsapparat vorgeführten Bilder zeigen. In dem einen
Falle sind fünf Monate, in dem zweiten 3!/, Monate seit der Implan-
tation verflossen: man sieht, dafs die eingepflanzten Nebennieren erheblich
gewachsen sind, dafs sie innerhalb des Nierenparenchyms liegen, dals
von den Hauptknoten ein Transport von Geschwulstzellen auf dem Lymph-
wege in die Nachbarschaft hinein stattgefunden hat. Wie in den Paren-
chymknoten, so handelt es sich auch hier um Zellverbände von epitbe-
lialem Charakter, die teils in gröfseren endothelbekleideten Hohlräumen,
teils in Bindegewebslücken liegen; an einzelnen Stellen sieht man einige
Harnkanälchen als Reste des von dem Tumor zerstörten Nierengewebes,
Metastasen an anderen Organen finden sich nicht, ebenso zeigen die Tiere
keine klinischen Krankheitserscheinungen. Das Ergebnis der Experi-
mente ist also immerhin mit grofser Vorsicht zu bewerten.
Paul Cohn-Berlin.
Die Diagnose, besonders Frühdiagnose der Nierentumoren.
Von Privatdozent Dr. Paul Frangenheim-Leipzig. (Zentralbl. f. d. Grenz-
gebiete der Medizin u. Chir. 1912, XV. Bd., Nr. 4.)
Wenn wir die modernen Untersuchungsmethoden den älteren gegen-
überstellen, sehen wır, dab keine einzige Vollkommenes leistet, dab sie
insgesamt aber die Diagnose der Nierentumoren fördern können. Dat
eine Frühdiagnose bisher nur selten mit ihnen gestellt worden ist. ist ın
dem Wesen der Krankheit, ihrem trotz langem Bestehen oft symptom-
losen Verlauf begründet. Wir können die Untersuchungsmethoden leider
nur dann anwenden, wenn der Nierentumor durch irgendein Symptom
manifest geworden ist, häufig ist das Leiden dann schon vorgeschritten.
Die funktionellen Untersuchungsmethoden sind deshalb weniger zur Dia-
gnose bzw. Frühdiagnose wichtig als zur Feststellung der Funktion»
fähigkeit der anderen Niere, zur Entscheidung der Frage, ob wir die
Tumorniere ohne Gefahr für den Gesamtorganısmus entfernen dürfen.
Kr.
Zur Differentialdiagnose von primärem Knochenendotheliom
und Hypernephrommetastase nebst Beitrag zur Histogenese der
Grawitz-Tumoren. Von F. Rost. (Virch. Archiv, 208. Bd., 1912, 8. 53.)
Den Ausgangspunkt dieser Untersuchungen bildet folgender Fall:
Bei einem kräftigen 48 jährigen Mann, der nur ab und zu an rheuma-
‘tischen Schmerzen in der Iendengegend litt, wurde im Anschluß an eine
traumatische Infraktion des Schlüsselbeins eine Geschwulst der Clavicula
bemerkt, die sich als blutreicher Tumor erwies und exstirpiert wurde.
Später Schmerzen im r. Ischiadicus, hervorgerufen durch eine pulsierende
Geschwulst der r. Beckenschaufel, dann Veränderungen der Lungen.
l Jahr nach erstem Auftreten der Erkrankung Exitus. Die Sektion
ergab Hypernephrom der r. Niere mit Metastasen der l. Beckenschaufel
mit M. Psoas, Schilddrüse, Lungen, Milz und Clavicula. KR. hat dann
eet ée an a ech a an
Nieren und Harnleiter. 945
noch an weitern 15 Hypernephromen der Sammlung des Stadtkranken-
hauses Dresden-Friedrichstadt die Histogenese dieser Tumoren studiert.
Ferner wurden sie mikrochemisch auf Fettgehalt untersucht. Auf Grund
seiner Untersuchungen neigt Verf. zur Ansicht, daß ein großer Teil
dieser Geschwülste als Mischtumoren aufzufassen ist. Der Tumor, welcher
als Ausgangspunkt der Untersuchungen diente, muß von der Nebenniere
abgeleitet werden, da eine r. Nebenniere nicht vorhanden war und sein
Bau dem Typus der soliden tubulären Hypernephrome entsprach, der im
Haupttumor kleinzellig, in der Claviculametastase großzellig war.
Weiter wird die Möglichkeit der Verwechslung eines primären
Knochenendothelioms mit einer Hypernephrommetastase bei Probeexzi-
sionen von R. erörtert. In solchen zweifelhaften Fällen hilft oft die
van Gieson-Methode, eventuell mit stärkerem Säurefuchsinzusatz, oder
die Maresch-Färbung, wodurch das Bindegewebe stärker hervortritt und
dadurch eine Differentialdiagnose ermöglicht. Schwierig ist die Deutung
von Stellen, wo die Tumorzellen des Endothelioms Mebrschichtigkeit
zeigen. Hier hilft vielfach die Tatsache, daß die Endotheliomzellen außer-
ordentlich fest an der sie umgebenden bindegewebigen Grundlage haften,
und dab keine Hohlräume vorhanden sind.
R. Kaufmann-Frankfurt a. M.
A latent hypernephroma with a solitary metastasis in the
spine. Von A. E. Garrow und C. B. Keenan-Montreal. (Medical Record,
27. Jan. 1912)
Der 49 Jahre alte Patient wurde September 1904 wegen Schmerzen
in der dorsolumbalen Region und kompletter Lähmung beider Beine im
Krankenhaus aufgenommen. Im Oktober 1903 waren die ersten Schmerzen
im rechten oberen Quadranten des Abdomen zugleich mit gastrischen
Störungen aufgetreten. Im Januar 1904 war der Schmerz mehr in der
Nabelgegend lokalisiert. Im Juni 1904 begann die Lähmung der Beine,
die sehr rasch eine vollständige wurde. Es wurde Ende September ein
Wirbelsäulentumor angenommen, die Operation versucht, doch wegen
weitgehender Infiltrierung der umliegenden Gewebe nicht durchgeführt.
Die Schwäche nahm allmählich zu, bis der Tod im Februar 1905 eintrat.
Autopsiebefund: Akute parenchymatöse Nephritis beider Nieren.
Linksseitiges Empyem. Der Rückenmarkstumor nimmt die Körper des
zehnten und elften Dorsalwirbels ein und steht im Zusammenhang mit
einem fünf Zentimeter im Durchmesser messenden Tumor des rechten
oberen Nierenpols. Ein weiterer Tumor wird nirgends gefunden. Mi-
kroskopisch bieten beide Tumoren das gleiche Bild eines Hypernephroms.
Die Autoren glauben, daß der Nierentumor der primäre war, weil
seine Struktur das typischere Bild bot und weil die Urinsymptome —
spärlich Albumen, niemals Erythrocyten — so geringfügig waren (Abbil-
dungen). N. Meyer-Wildungen.
Ruptured sarcoma of the right kidney simulating appendi-
cular abscess. Von G. C. F. Robinson. (The Practitioner, Nov, 1912.)
Der 3jährige Knabe war, nachdem er von einem Sessel gefallen
Zeitschrift für Urologie. 1913. 17
246 Nieren und Harnleiter.
war, unter Erscheinungen von Appendicitis erkrankt. Bei der Operation
fand man ein geplatztes Sarkom der rechten Niere. Nephrektomie
Heilung. von Hofmann-Wien.
Embryome perirénale. Von R. Le Fur. (Société de Chirurgie de
Paris, 10. X. 1911.)
Le Fur hat einen enormen Tumor der rechten Niere durch Ope-
ration entfernt, der wegen der schnellen Entwicklung für ein Sarkom
diagnostiziert wurde. Das Mikroskop zeigte ein perirenales Embryom,
sicher aus Resten des Wolffschen Körpers entstanden und einer cystischen
Degeneration unterworfen in dem Grade, daß ein großer Teil der Ge-
schwulst durch eine 4 Liter Blut enthaltende Cyste gebildet wurde.
Mankiewicz-Berlin.
Un ipernefroma del rene. Von Mario Andres. (La clinica chirur-
gica 1912, 1, p. 84.)
Mario Andres bringt aus der Ceccherellischen Klinik in Parma
einen gut beobachteten Fall von Hypernephrom der rechten Niere, be-
achtenswert wegen des charakteristischen Verlaufes und der pathologisch-
anatomischen Eigentümlichkeiten des fötuskopfgroßen Tumors: Schleichen-
des Auftreten, plötzliche Vergrößerung ohne besondere Kachexie; Häma-
turie; Magendarmstörungen; die Gestalt und Anordnung der Zellen der
Neubildung und die verschiedenen Stadien ihrer Entartung; Operations-
technik: seitliche Laparotomie.
Im Harn waren neben Blut runde, große — größer als Leuko-
cyten — Zellen mit großem zentralen Kern, wohl verschieden von
Nierenzellen. Der Tumor sab am oberen Pol, wog fast ein Kilo, bot
im oberen Teil eine große Höhle; im erhaltenen Nierenteil Nephritis
interstitialis; im Tumor selbst konnte man Stroma, hämorrhagische Höhle
und Zellelemente unterscheiden. Mankiewicz-Berlin.
Cancer du rein gauche. Von M. Gayet. Société nationale de mé-
décine de Lyon 15. I. (Lyon médical 1912, 8., p. 416.)
Gayet beschreibt einen Nierenkrebs, der vor 7 Monaten die erste,
vor drei Monaten die zweite, seitdem andauernde Nierenblutung verur-
sacht hatte: keinerlei Schmerzen, auch nicht bei dem cystoskopisch be-
obachteten Durchtritt von wurstförmigen Blutgerinnseln durch den Ureter.
Heilung durch lumbare Nephrektomie. Niere ist groß, hat ihre Form
bewahrt. Sehr blaß weist sie dunkelweinrote Flecken auf, die dreieckigen
Zonen mit der Spitze am Hilus entsprechen. Im Zentrum des Organes,
nicht weit vom Becken zwei weiße Höhlen, deren Inhalt wie gekocht
aussieht; im Becken eine dieses ausfüllende Masse, die aber nicht mit
der Wand zusammenhängt. Markschwamm im Nierenparenchym. Mikro-
skop: in der Randzone erfüllt das Blut gerade und gewundene Kanil-
chen; Glomeruli erhalten, aber flachgedrückt; an einigen Stellen Nephritis
mit viel Rundzellen um die Gefäße. Der eigentliche Tumor ist eine An-
sammlung von Epithelialzellen, polyedrisch, mit sehr hellem Protaplasma
stark gefärbtem Kerne, ohne erkennbare Anordnung; an einigen Stellen
Nieren und Harnleiter. | 247
Bindegewebszüge, so daß fast ein papillomatöses Aussehen zustande
kommt. Gefäße mit dünnen Wänden wechseln ab mit Bluträumen ohne
erkennbare Grenzen. Mankiewicz-Berlin.
Deux observations de cancer du rein à évolution latente. Von
Barjon et Japitat. (Lyon medical 1912, 16, p. 886.)
Barjon und Japitat bringen zwei interessante Beispiele für lang-
same Entwicklung von Nierenkrebs. 1. 7öjährige, bisher gesunde Frau
kommt wegen Herzklopfen ins Spital; Kropf seit Menopause, der seit
4—5 Jahren größer wird. Seit 1 Jahr Herzklopfen mit Oppressions-
gefühl. Cachexie, enorme Venendilatation am ganzen Körper, besonders
am Abdomen, Thorax und Hals. 190 Pulse, Herz erweitert Leichte
Pollakiurie, Spur Eiweiß, nie Hämaturie. Röntgen gestattet Diagnose:
Karzinom der Schilddrüse mit Erkrankung der Mediastinaldrüsen und
der rechten Lunge. Autopsie: Außer den klinisch festgestellten Ver-
änderungen enormer Krebs der rechten Niere, 280 g schwer, am unteren
Pol, gelappt, die oberen zwei Drittel der Niere erhalten. Das Epithe-
liom der Niere mit großen hellen Zellen und Fettkristallen in den
Alveolen ıst zweifelsohne der Primärtumor; starke Vaskularisation des-
selben. 2. 7öjähriger Weber erkrankte an Apoplexie mit Hemiplegie,
Aphasie, Albuminurie. Autopsie: Außer der Gehirnblutung mandarinen-
großer Tumor’ des oberen Pols der rechten Niere, bedeckt von der Neben-
niere; die Geschwulst ist wie in die Niere hineingesteckt, läßt sich
leicht ausschälen aus einer zurückbleibenden Nische. Epitheliom mit
hellen großen granulierten Zellen. Der Kranke hatte niemals am Harn-
apparat Beschwerden gehabt.
In beiden Fällen vollkommene Latenz der Nierengeschwulst. In
beiden Fällen saß die Geschwulst in den peripheren Teilen des Organes.
Mankiewicz-Berlin.
Cancer du rein. Von Gaté. (Société des sciences médicales de Lyon
12. VII, 1911. Lyon medical 1912, 3, p. 135.)
Gate demonstriert einen von Albertin entfernten Nierentumor,
einen Markschwamm, der seit 5 Monaten vage Bauchschmerzen machte
und zweimal zur Harnblutung führte. Der leicht bewegliche, nicht
schmerzhafte, in der Mittellinie unter dem Nabel liegende Tumor ver-
anlaßte die Laparotomie und bach Erkennen des Ursprungsorgans die
transperitoneale Nephrektomie mit Beseitigung vieler großer lumbaler
Lymphdrüsen. Die Geschwulst lag zwischen den beiden Blättern des
Mesocolon, dessen Gefäße geschont wurden. Heilung. Viele erweichte
Herde und Markschwamm im großen Organ. Bemerkenswert das fast
völlige Fehlen von Harnsymptomen und die mediane Lage.
Mankiewicz-Berlin.
Zur Kasuistik primärer doppelseitiger maligner Nieren-
tumoren. Von Dr. Paul Wagner-Leipzig. (Folia urologica, Bd. VI, 1912,
Nr. 9.)
In allen Arbeiten über die operative Chirurgie maligner Nieren-
17*
248 Nieren und Harnleiter.
tumoren wird als günstiger Umstand ganz besonders hervorgehoben, daß
maligne Nierengeschwülste nur sehr selten primär doppelseitig auftreten.
Mit Sicherheit zu entscheiden, ob es sich in der ebenfalls erkrankten
zweiten Niere um eine eventuell sehr frühzeitig eingetretene Metastase
oder aber auch um primäre Geschwulstbildung handelt, kann im ge-
gebenen Falle sehr schwierig sein. Mit vollkommenster Bestimmtheit
kann man aber dann eine primäre doppelseitige Geschwulstbildung in den
Nieren annehmen, wenn die Geschwulstformen in den beiden Nieren und
die entsprechenden Metastasen pathologisch-anatomisch und histologisch
streng geschiedene Charaktere zeigen. Einen solchen Fall teilt Verf. mit.
Es handelte sich bei dem 76 jährigen Kranken, wie pathologisch-anato-
misch und histologisch festgestellt wurde, um ein Epinephrom der rechten
Niere mit Metastasen in den retroperitonealen Lymphdrüsen der rechten
Nebenniere und beiden Lungen; sowie linkerseits um ein von der
Nierenkapsel ausgehendes Spindelzellensarkom mit großen Sarkommeta-
stasen im Unterhautzellgewebe der linken Beckengegend. Der Fall bot
noch weitere diagnostisch bemerkenswerte Einzelheiten dar, so unter
anderem den Nachweis von Geschwulstelementen im Urin. Kr.
'h) Tuberkulose.
Genügt der |Nachweis von Tuberkelbazillen in dem durch
Ureterenkatheterismus gewonnenen Harn zur Diagnose der Nieren-
tuberkulose? (Ein Beitrag zur Frühoperationsfrage dieser £r-
krankung.) Von Dr. Kielleuthner-München. (Folia urologica, VII. Bd,
No. 4, November 1912.)
Die vorliegenden Mitteilungen haben den Zweck, auf die Möglich-
keit eines Durchtritts von Tuberkelbazillen durch eine nicht tuberkulös
erkrankte Niere aufmerksam zu machen. Es wird besonders darauf hin-
gewiesen, daß derartige Fälle eine stete Beobachtung des Arztes erfor-
dern, da auch eine chirurgische Nierentuberkulose mit diesen Erschei-
nungen beginnen kann. Die tuberkulöse Bazillurie kommt, wenn auch
verhältnismäßig selten, bei Lungentuberkulose vor, ohne daß bei ge-
nauester makroskopischer und mikroskopischer Prüfung der Nieren sich
ein spezifischer Herd im Harnsystem findet. Eine, wenn auch geringe
Albuminurie ist nach den Feststellungen des Verfassers in positiven Fällen
eines Durchtritts von Bazillen immer vorhanden. Die mikroskopische
Untersuchung genügt nicht, um das Vorhandensein von Tuberkelbazillen
einwandsfrei darzutun; nur der Tierversuch ist beweisend. Das Vorhan-
densein von Tuberkelbazillen zusammen mit einem positiven Eiweißbefund
im einseitig aufgefangenen Harn darf demnach nicht Grund für die An-
nahme einer wirklichen Nierentuberkulose sein; wegen eines derartigen
Befundes darf diese Niere nicht entfernt werden. Fällt bei nachge-
wiesener Nierentuberkulose der einen Seite der Tierversuch, der mit dem
katheterisierten, eiter- und blutzellenfreien, aber eiweißhaltigen Harn der
endern Seite angestellt wurde, positiv aus, so zögere man nicht mit der
Entfernung des zugrunde gegangenen Schwesterorgans, da erfahrungs-
gemäß sowohl Albuminurie der restierenden Niere als auch Durchtritt
der Bakterien verschwindet. Auf die Tatsache der kompensatorischen
Nieren und Harnleiter. 249
Hypertrophie in Verbindung mit der nach Palpation häufig auftretenden
Albuminurie ist bei positivem Bazillennachweis zu achten. Die Gefahr
einer Täuschung liegt hier sehr nahe. Albumenhaltiger Harn, Hämaturie
und positiver Bazillenbefund kann eine beginnende chirurgische Nieren-
tuberkulose anzeigen, spricht jedoch nicht unter allen Umständen für
diese Erkrankung. Zur Diagnose der chirurgischen Nierentuberkulose
gehört die bekannte Trias: positiver Bauzillennachweis, Leukozyten und
Erythrozyten, die Zeichen eines destruktiven Prozesses. Kr.
Tuberculosis of the bladder, ureter and kidney. Report of cases.
Von Archibald Maclaren -Saint Paul (Minnesota), (Annals of surgery,
Juli 1912.)
Nach einigen allgemeinen Vorbemerkungen bezüglich der Sympto-
matologie und Diagnose der Tuberkulose der Harnorgane (Tuberkulose -
der Niere mit sekundärer Erkrankung des Harnleiters und der Blase)
sowie über die von ihm angewandte Technik der Nephrektomie berichtet
Verf. über 9 derartige Fälle; in 8 davon machte er die Nephrektomie
(nur in einem Falle mit ungünstigem Enderfolg). In 1 Falle (10jähriger
Knabe) ist vorläufig Besserung bei interner Behandlung eingetreten.
Lohnstein.
Pyonephrosis tuberculosa occlusa. Von Dr. A. W. Smirnow,
Assistent der chir. Hospitalklinik an der kaiserl. Militär-medizin. Akademie zu
St. Petersburg. (Folia urologica, Bd. VII, November 1912, No. 4.)
Der Terminus „geschlossene tuberkulöse Pyonephrose“ ist erst 1907
von 0. Zuckerkandl in Vorschlag gebracht worden.
Die Krankheit ist relativ selten. Das ist der Grund, warum in
der Nierenchirurgie von geschlossener tuberkulöser Pyonephrose entweder
überhaupt nichts oder nur wenige Worte zu finden sind. In der Literatur
konnte Verf? nur 24 finden, so daß es mit dem von ihm selbst beobach-
teten und in vorliegender Arbeit beschriebenen Fall zusammen 25 Fälle
gibt. Nachdem Verf. seinen, in der Klinik von Prof. S. P. v. Fedoroff
beobachteten Fall, sowie die aus der Literatur gesammelten Fälle einem
eingehenden Studium unterzogen hat, versucht er, die pathologische Ana-
tomie und die Klinik der geschlossenen Pyonephrose tuberkulöser Her-
kunft darzustellen. Das Interesse des vom Verf. beobachteten Falles
besteht nicht nur in der Seltenheit der Erkrankung selbst, sondern auch
darin, daß sie vor der Operation richtig diagnostiziert wurde. Die
Diagnose wurde in den bisher veröffentlichen Fällen nur 6 bis 7 mal mit
Sicherheit gestellt. Verfassers Fall gehört zu derjenigen Abart der ge-
schlossenen tuberkulôsen Pyonephrosen, wo die Harnblase vollkommen
gesund und der Harn normal ist. Zu den Eigentümlichkeiten des Falles
gehört noch die Bildung eines Senkungsabszesses der vorderen Oberfläche
des M. psoas entlang, am wahrscheinlichsten unter seiner Faszie, da der
Ureter auf dem AbszeB lag. Von Interesse ist es auch, daß der Durch-
bruch der Kaverne keine Paranephritis hervorgerufen hat, und daß der
eiterige Inhalt der Kaverne sich, wie dies bei den von den Wirbelkör-
pern ausgehenden Senkungsabszessen der Fall zu sein pflegt, dem M.
250 Nieren und Harnleiter.
psoas entlang und nicht in das perirehale Bindegewebe einen Weg ge-
babnt hat. — Die Pyonephrosis tuberculosa occlusa entsteht infolge von
Obliteration des Lumens des Nierenbeckens und des Ureters in seinen
verschiedenen Abschnitten, am häufigsten in seinem Anfangsteil am
Nierenbecken oder in seinem Endteil in der Harnblase. Entsprechend
der Obliterationsstelle haben wir verschiedene pathologisch-anatomische
und klinische Bilder. Das perineale nnd periureterale Bindegewebe kann
bei Pyonephrosis tuberculosa occlusa gleichfalls beteiligt sein, wobei der
Prozeß von der Niere entweder unmittelbar infolge von Durchbruch des
pyonephrotischen Sackes oder infolge der Verbreitung den Lymphwegen
entlang auf das Bindegewebe übergeht. Es kommt vor, daß sich ein
kalter Senkungsprozeß dem NM. psoas entlang bildet, und dies kann den
Verdacht erregen, daB die Wirbelsäule erkrankt ist. Pyonephrosis tuber-
culosa occlusa kommt in einigen Abarten vor: 1. Die Harnblase ist
tuberkulös infiziert, an Stelle der mutmaßlich erkrankten Niere besteht
eine Geschwulst von bedeutenden Dimensionen — pyonephrotischer Sack:
der betreffende Ureter ist für den Katheter undurchgängig. Diagnose
leicht. 2. Die Harnblase ist normal. Der eine Ureter ist für den
Katheter undurchgängig. Auf derselben Seite besteht an der Stelle der
Niere eine Geschwulst. — Diagnose auf Grund der Anamnese und der
Erscheinungen von Seiten der übrigen Organe möglich. 3. Die Harn-
blase ist von einem weit fortgeschrittenen tuberkulösen Prozeß ergriffen.
Die Kystoskopie ist unmöglich. Man palpiert die eine vergrößerte Niere.
Diagnose nur nach Probebloßlegung der vergrößerten Nicre möglich, da
gerade diese häufig gesund und hypertrophiert ist, während die andere
atrophisch ist und Pyonephrosis occlusa darbietet. Kr.
i) Nephrolithiasis.
Nierensteine im Kindesalter. Von Dr. Otto Ebert=Kassel. (Me-
dizin. Klinik. 1912, Nr. 10.)
Verf. berichtet über die Symptome, den Verlauf und. die chirurgische
Therapie eines von ihm beobachteten Falles von Nephrolithiasis bei
einem sechsjährigen Knaben und bringt im Anschluß daran zur weiteren
Klärung des Falles einige allgemeine Angaben über Nierensteine im
Kindesalter, die er aus der Literatur gesammelt hat. Eine direkte Ur-
sache für die Konkrementbildung konnte Verf. bei seinem Falle nicht
finden. Gicht lag nicht in der Familie vor, die Ernährung war stets
eine gute und nie einseitige, Scharlach mit Nephritis oder länger dauernde
Krankheiten haben nicht bestanden. Daß der bestehenden Phimose eine
Bedeutung beizumessen sei, glaubt Verf. nicht, da das Wasserlassen nie
dadurch erschwert gewesen und eine Harnstauung nicht anzunehmen.
Nach längerem Nachforschen erfuhr Vert schließlich von der Mutter
noch, daß der Knabe sehr viel Wasser getrunken habe. Dem Kalk-
gehalte des Wassers wird bekanntlich eine ursächliche Bedeutung zuge-
schrieben. Welche Rolle aber in diesem Falle dieser Umstand gespielt
hat, wagt Verf. nicht zu entscheiden, da der Kalkgehalt des Kasseler
Wassers niedrige Werte zeigt. Kr.
Nieren und Harnleiter, 251
Deux calculs du rein. Von Reynard. (Société des sciences médi-
cales de Lyon. 24, April 1912. Lyon médicale 1912, 31, p. 2083.)
Reynard demonstriert zwei erbsengroBe, runde, fast glatte Oxalat-
steine, die in der rechten Niere einer 50 jährigen Patientin lagen und
seit 5 Monaten eine kontinuierliche, aller Behandlung und absoluter
Ruhe trotzende starke Hämaturie veranlaßten. Die Patientin hatte seit
10 Jahren 3—4 rechtsseitige Nierenkoliken ohne Hämaturie und ohne
Steinabgang gehabt, die letzte vor 5 Jahren. Die Steine lagen, wie das
Röntgenbild schon ergab, im untern Kelch. Links zeigt Röntgen auch
zwei kleine Steine, die man, da die Blutung nur von rechts kam, vor-
ube im Körper beließ. Mankiewicz-Berlin.
Einen Nierenbecken- und einen Ureterstein demonstrierte H.
Bachrach in der Wiener Gesellsch. d. Ärzte d. 20. IV. 12, (Wiener klin.
Wochenschr., Nr. 17. 1912.)
Es handelte sich um einen 1l10jährigen Knaben, der schon seit
Jahren an Nierenkoliken litt. Nachdem die Röntgenuntersuchung das
Vorhandensein zweier Steine ergeben hatte, wurden dieselben durch
Pyelotomie (Oxalatstein), respektive Ureterotomie (Uratstein) entfernt.
Komplette Heilung. von Hofmann-Wien.
Autopsie d’un rein lithiasique. Von Arcelin. (Société des scien-
ces medicales de Lyon. 15. Mai 1912. Lyon medical 1912. 1. September,
p. 355.)
Arcelin zeigt eine durch Autopsie gewonnene linke Steinniere:
Pyelonephrosis calculosa, die vorher geröntget worden war. Der Kranke
war rechts wegen derselben Affektion operiert worden. Vergleich des
Präparates und der Platte zeigt Übereinstimmung in der Zahl und Lage
der Hauptsteine, aber außerdem eine Reihe kleiner, durch X-Strahlen
nicht nachgewiesener Konkretionen. Solche Autopsien zeigen die Fehler
der Röntgenographie und fordern den Chirurgen bei der Operation zu
besonderer Sorgfalt und zum Suchen auch durch die Platte nicht nach-
gewiesener Steine bei der Nephrolithotomie besonders in infizierten Fällen
auf. Mankiewicz-Berlin.
Renal calculi (oxalate) with severe haemorrhage after ne-
phrolithotomy. Von W. A. Reynolds-Bristol. (Brit. Med. Journ., Sept.
21. 1912.)
Bei dem 23jährigen Patienten stellte sich am 4. Tage nach einer
Nephrolithotomie, bei der über 100 Oxalatsteine entfernt worden waren,
eine heftige Blutung aus der Nierenwunde ein, welche durch Tamponade
mit Adrenalingaze zum Stillstand gebracht wurde. Die in die Blase
gelangten Blutgerinsel verursachten Harnretention und machten schließ-
lich, da sie auch mit dem Evakuator nicht entfernt werden konnten,
eine Sectio alta notwendig. Heilung. von Hofmann-Wien.
Pyelonephritis bei Nephrolithiasis durch Bacterium para-
typhi B. Von B. Roman-Prag. (Wiener klin. Wochenschr. 1912, Nr. 32.)
Bei der Sektion einer wegen vermuteten Magenkarzinoms operierten
959 Nieren und Harnleiter.
43 jährigen Frau fanden sich in der rechten Niere zwei, in der linken
ein Konkrement. Es bestand beiderseits eitrige Nephritis, pseudomem-
branöse Pyelitis und Ureteritis, ferner COystitis. Aus dem Nierenbecken
konnte ein Bakterium isoliert werden, welches der Paratyphusgruppe
angehörte. von Hofmann-Wien.
Herpes zoster und Nierenkolik. Von Dr. Franz Kanéra-Tremles
(Böhmen). (Deutsch. med. Wochenschr. 1911, Nr. 14.)
Von Bittorf ist aus der Medizinischen Klinik in Breslau vor
kurzer Zeit ein Fall von Hydronephrose bei Wanderniere kompliziert
durch einen Herpes zoster in der zugehörigen Headschen Zone publiziert
worden (vgl. d. Ref. in dieser Zeitschr.) Eine ähnliche Beobachtung
hat Kančra vor einiger Zeit gemacht. Hier war bei einer 56jährigen
Patientin, die an rechtseitiger Wanderniere mit sebr heftigen Beschwer-
den litt, ein Herpes zoster in der entsprechenden Headschen Zone auf-
getreten. Im selben Mafse, als die Beschwerden von seiten der Niere
schwanden, ging auch der Herpes zoster zurück. Der Verf. nimmt
ebenso wie Bittorf einen Zusammenhang beider Erkrankungen an und
glaubt, dafs bald neue Publikationen ähnlicher Art folgen werden, nach-
dem einmal die Aufmerksamkeit der Arzte darauf gelenkt ist.
Ludwig Manasse- Berlin.
Une nouvelle cause d'erreur dans la radiographie des calculs
du rein. Von G. Marion. (Journ. d'Urol. Tome I, No. 5, 1912.)
Ein 45jähriger Beamter litt an Pyurie und Pollakiurie, bisweilen
auch an geringer Hämaturie. Das Volumen der linken Niere wurde
durch Palpation als leicht vergrößert festgestellt, die Blase hatte eine
Kapazität von 60 g. Anamnestisch Tumor albus des linken Kniegelenks
und periproktitischer Abszeß, aber auch Nierenkoliken mit Steinabgang.
Die Röntgenplatte zeigte einen großen Schatten am linken unteren Nie-
renpol, ein Befund, welcher durch eine zweite Aufnahme "bestätigt
wurde. An der freigelegten Niere war kein Stein zu fühlen, wohl aber
zeigte sie alle Merkmale der Tuberkulose. Obwohl die Funktion des
Schwesterorgans nicht geprüft war, entschloß sich M. zur Nephrektomie.
Die entfernte Niere bestand aus lauter Taschen mit papierdünnen Wän-
den; die Hohlräume enthielten teils Eiter, teils klare Flüssigkeit, teils
aber eine harzige Substanz, wie sie bisweilen in tuberkulösen Nieren
vorkommt. Die harzigen Massen befanden sich am unteren Nierenpol
und hatten den Schatten auf der Platte verschuldet. Leider wurde eine
Kontrolle, bestehend in der Durchleuchtung des entfernten Organs, nicht
ausgeführt, da M. im Eifer der Operation den harzigen Inhalt sofort
entleerte. — Einen ähnlichen Irrtum berichtete Fenwick im Jahre 1909.
ihm täuschten verkalkte käsige Massen eine Lithiasis vor.
A. Citron- Berlin.
L'état des reins dans l’anurie calculeuse. Von Pérez Grande.
(Academie royale de médécine de Madrid 1911. Archives générales de Chirur-
gie 1912, 7, p. 808.)
Perez Grande bespricht den Zustand der Nieren bei Anuria cal-
Nieren und Harnleiter. 253
culosa und weist die Meinung Legueus: Der anurische Steinkranke ist
ein Kranker, der vor dem Anfall nur mit einer Niere sezerniert, zurück.
Obgleich die Anurie manchmal reflektorisch sein kann, so glaubt G. doch
immer an das Vorhandensein einer diathetischen Nephritis. Auch kann
die durch die Steinobstruktion hervorgerufene leichte Urämie die wahre
Ursache der reflektorischen Anurie der andern Niere sein. Daher auch
die Harnhypersekretion nach Operationen, die das Hindernis für den Harn-
abfluß beheben. Zur Erkennung der verantworlichen Niere ist der Ure-
terenkatheterismus angezeigt. Nach G.s Meinung soll man bei jeder
Nierenkolik mit Anurie ohne Abgang des schuldigen Steines und mit
urämischen Zeichen von vornherein die Nephrolithotomie machen. Wenn
die Steinanurie länger wie 3—4 Tage besteht, muß die Behandlung
chirurgisch und rasch sein. Je nach dem Stande des Nierenparenchyms
Nephrolithotomie oder Nephrektomie. Mankiewicz-Berlin.
Nephrostomie d’un côté et pyelostomie de l’autre côté. Von
Jaboulay. (Lyon médical 1912, 40.)
Jaboulay hat einer jetzt 40 jäbrigen Frau im Februar 1907 wegen
infizierter rechter Steinniere die Nephrostomie gemacht und dieselbe im
Dezember 1908 in eine definitive Drainage umgewandelt; er mußte im
Februar 1911 aus demselben Grunde links die Pyelostomie machen und
die dreifach vergrößerte Niere öffnen. Heute sezerniert die rechte Niere
kaum 500 ccm, die linke Niere mehr wie 1000 ccm. Der Allgemein-
zustand ist ausgezeichnet, manchmal entleeren sich neugebildete Steine
aus den Drains. Seit der Operation, seit 1'/, Jahren ist kein Tropfen
Urin mehr in die Blase gelangt, die ganze Entleerung erfolgt durch die
rechte Niere und die linke Nierenbeckenfistel. Die dicht schließenden
Kautschukdrains leiten den Urin mit einem gebogenen Messingzwischen-
stück durch das perforierte Korsett in in der Gegend des Trochanter ge-
tragene Gummibehälter, die alle drei Stunden durch Lüftung des Glas-
pfropfens entleert werden. Selbst bei wagerechter Lage im Bett genügt
der Harndruck zur Ableitung des Sekrets in die am Bettende gelegenen
Rezipienten. Mankiewicz-Berlin.
La pyélotomie dans les calculs Idu rein. Von P Bazy-Paris.
‘Journ. d’Urol., Tome I, No. 6, 1912.)
Bazy erörtert an 3 Fällen größerer und verzweigter Nierensteine
die Vorteile, welche die Pyelotomie gegenüber der Nephrotomie, als
heilender Operation bei Konkrementen, bietet. In jedem Falle sollte zu-
erst versucht werden, den Stein vom Nierenbecken aus zu entfernen; der
Nierenbeckenschnitt ist ohne jede Gefahr, im Notfalle kann man eine
Nephrotomie anschließen. Die Pyelotomie ist eine harmlose Operation,
weil sie weder zu primären noch zu sekundären Blutungen führt; sie
erlaubt die Ausspülung der Nierenhöhlen und führt deshalb zur Heilung
der konkomittierenden Pyelitis.. Deshalb ist bei Entfernung von Steinen
die Pyelotomie als Operation der Wahl, die Nephrotomie als Operation
der Notwendigkeit anzusprechen. A. Citron-Berlin.
254 Nieren und Harnleiter. ,
Die Pyelotomie als Methode der Wahl bei der Steinniere.
Von Prof. Dr. Baum, Oberarzt der chir. Klinik der Universität Kiel. (Mediz.
Klinik 1912, Nr. 49.)
Die Nephrotomie beherrscht nach wie vor das operative Feld; sie
gilt in Hinsicht auf die vollkommene Einwirkung des Operationszwecks
als die beste und als am meisten geeignet, mit möglichster Sicherheit
die erweiterten Nierenkelche und das Nierenbecken von eingelagerten
Steinen zu befreien. Erst in allerletzter Zeit haben sich Stimmen zu
Gunsten der Pyelotomie erhoben, jener Methode, bei der das Konkre-
ment ohne Verletzung des Nierenparenchyms durch eine Nierenbecken-
inzision direkt entfernt wird. Man wirft der Pyelotomie eng begrenzte
Brauchbarkeit vor. Nur bei gut beweglicher Niere und kleinen Becken-
steinen soll die Methode verwendbar sein. Diesen Gründen kann eine
stichhaltige Bedeutung nicht beigemessen werden, denn einmal scheuen
wir uns doch auch an andern Körperteilen nicht, in gleicher Tiefe exakt
zu operieren, und weiter ist zur Erzielung einer fistellosen Heilung durch-
aus nicht eine exakte Naht notwendig; das gar nicht oder nur teilweise
genähte Nierenbecken hat ebenfalls gute Heilungstendenz. Auch beträcht-
liche Größe und vielgestaltige Form des Steins bedeutet nach Verf. selten
eine Kontraindikation gegen diesen Eingriff; hat doch Garre ein 135g
wiegendes Konkrement durch Pyelotomie mit kleiner Niereninzision ent-
fernt, und auch Verf. konnte nach Extraktion eines 65 g schweren
Korallensteins, ohne Verletzung von Nierengewebe, prima intentio der
Nierenbeckenwunde erzielen. Das Nierenbecken ist in diesen Fällen stets
so erweitert, daß eine lange Inzision ohne Gefährdung der Kontinuität
des Beckens gelegt werden kann. Für die Entfernung eines sehr großen
Steins ist allerdings, das muß zugegeben werden, eine freie Beweglich-
keit der Niere erforderlich. Die Pyelotomie soll dann im Gegensatz zur
Nephrotomie eine schlechte, für die Entfernung multipler Steine ganz un-
genügende Übersicht über Becken und Kelche geben, und damit der
Zweck der Operation vereitelt werden. Es ist klar, daß wir durch eine
Öffnung des Nierenbeckens nicht in gleichem Maß alle Ecken und Winkel
des weitverzweigten Gebildes übersehen können, wie bei breiter Spaltung
der Niere und auch der tastende Finger keinen vollwertigen Ersatz hier-
für darstellt, so daß die Möglichkeit gegeben ist, Steine zurückzulassen.
Doch sind das Bedenken, deren Bedeutung mehr in die Zeit unvoll-
kommener Röntgentechnik fällt. Die Pyelotomie soll ferner zu lang-
wierigen, der Behandlung schwer zugänglichen Fisteln führen. Nach Ver-
fassers Ansicht kann hier ein Mißerfolg nur Folge einer fehlerhaften
Technik sein. Entweder wurde in diesen Fällen ein Steinverschluß, be-
ziehungsweise Narbenstenose des Ureters übersehen, oder aber die Schnitt-
richtung im Becken war eine falsche und der Schnitt zu nahe dem
Ureterostium gelegen, so daß die Naht oder spätere Narbenbildung zu
einer Verziehung und Verengerung der Uretermündung geführt hat. Wird
der Schnitt unter Vermeidung jeder Gewebsquetschung an der Hinter-
seite des Nierenbeckens so gelegt, daß er mindestens 1 cm vom Ureter-
ostium entfernt bleibt, und in einer Richtung, daß auch durch die Naht
keine Verziehung stattfinden kann, und wird vor dem Verschluß durch
ës. 2 =
Nieren und Harnleiter. 255
Sondierung des Ureters dessen Durchgängigkeit sichergestellt, so haben
wır allen ätiologischen Momenten der Fistelbildung vorgebeugt. Eine
zweietagige Naht und Sicherung derselben durch einen Fettlappen der
Massa adıposa retrorenalis tut dann das weitere zu einem vollen Erfolg.
Was hat nun dazu geführt, die Verwendung der jahrzehntelang die Nieren-
chirurgie beherrschenden Nephrotomie einzuschränken und die alte, lange
vergessene Pyelotomie wieder zu ihrem Rechte kommen zu lassen? Ein-
mal wohl die Einfachheit der Technik, vor allem aber sind es die Ge-
fahren der Nephrotomie, die hier bestimmend gewirkt haben. Verf.
sieht hier ab von den Parenchymschädigungen durch den Nierenschnitt,
mag er nach Zondek oder Marwedel angelegt sein. Dieser Nachteil
der Nephrotomie tritt nach Verfassers Erfahrung im allgemeinen zurück
gegenüber der sehr großen Blutungsgefahr, die anscheinend bei keiner
Technik zu vermeiden ist. Diese Erfahrungen haben mit abschrecken-
der Deutlichkeit gelehrt, daß die Nephrotomie keineswegs als ungefähr-
licher Eingriff zu gelten hat, vielmehr, wie Zuckerkandl mit Recht
betont, den schwersten, der an der Niere möglich ist, darstellt. Kr.
L'opération de la pyélotomie postérieure. Von F. Cathelin.
(Paris chirurgical 1912, März.)
F. Cathelin tritt für die hintere Pyelotomie bei Nierenstein ein,
wenn der Stein im extrarenalen Nierenbecken liegt, nicht größer als
3 em ist und nicht verzweigt ist; wenn die Niere leicht nach außen
oder auf die Seite basierbar ist und die Hinterfläche des Nierenbeckens
gut abzulösen ist. Tecknik: Freilegung der Niere, Freilegnng der hin-
teren Fläche, leichter Zug, um die hintere Beckenwand zu spannen; die
etzte wird vom Fett betreit; vertikale oder leicht schiefe Inzision der-
selben. Der Stein wird mit gezähnter Pinzette gefaßt und langsam
herausgezogen; etwaige Trümmer spült der Harnstrom aus. Je nach
Befinden Naht oder keine Naht, am besten temporäre Drainage ohne
Naht. Einige Tage nach Entfernung des Drains oft etwas Harnabfluß.
Meist Heilung nach kurzer Zeit. Vorzüge der Methode: Einfachheit,
Unschädlichkeit der Operation; Unberührtheit des Nierenparenchyms,
ebenso der Papillen; Fehlen jeder Blutung; Fehlen der Fisteln; Schnellig-
keit der Heilung. Mankiewicz-Berlin.
k) Nierencysten und Cystennieren.
Ein Fall von kongenitaler Dilatation der Blase, der Ureteren
und des Nierenbeckens mit Cystenniere. Von Anton Weiser,
(Dissertation, Bonn 1912.)
Es handelt sich um einen 20 jährigen Mann. Klinische Dia-
gnose: Nephritis chronica, Pericarditis, Pleuritis. Hypertrophia cordis.
Blasen- bzw. Urinbeschwerden nie geklagt.
Anatomische Diagnose: „Hypertrophie des Herzens, Pericarditis
fibrinosa, groBe Narben beider Nieren, besonders der rechten (auf kon-
genitaler Basis), sehr starke Dilatation des Nierenbeckens, der Ureteren
und der Blase, ohne Abflußhindernis.“
Sektionsbefund: Ureter der linken Niere stark geschlängelt und
sa e M
256 Nieren und Harnleiter.
reichlich fingerdick erweitert. Linke Nierenkapsel sitzt stellenweise sehr
fest, läßt sich aber doch ohne Verletzung der Niere abziehen. Auf der
Oberfläche zwei etwa markstückgroße, flache Narben; die übrige Niere
ist von blasser, hellgelber Farbe. Auch in einer Narbe ist eine promi-
nente, gelbe, etwa bohnengroße Nierensubstanz zu sehen. Niere nur
wenig verkleinert. Auf der Schnittfläche ist die Nierensubstanz an den
Narben auf einen Millimeter Breite reduziert. Im Bereiche der gelben
Substanz mißt die Niere l cm Breite. Nierenbecken und Eingang des
Ureters sehr erweitert; ebenso rechts; Nierenbecken wölbt sich rechts
sehr stark hervor. Rechte Nierenkapsel löst sich wie die linke. Maße:
9:2,5 cm. In der Hauptsache wie die linke Niere beschaffen, Narben
jedoch viel größer, ca. ?/, der Oberfläche ausmachend, während die er-
habene Nierensubstanz beetartig vorspringt. Auf der Schnittfläche ist
die Nierensubstanz verschmälert.
In der Harnblase viel klarer, gelber Harn. Bei Eröffnung der
Blase sieht man die Ureteren als weite Öffnungen. Unteres Ende der
Ureteren sehr weit und hinter der Ansatzstelle stark ausgebuchtet.
Harnblasenschleimhaut blaß, glatt, kaum trabekulär.
Ureteröffnungen sind so weit, daß man mit zwei Fingern eingehen
kann; Wand der Ureteren und der Harnblase ganz außerordentlich dünn.
Urethra von der Blase und von außen her mit Katheter leicht durch-
gängig.
Cystenniere. Das rechte Nierenbecken ist sehr stark dilatiert. Es
gleicht einem ovalen Trichter, dessen Längsdurchmesser ca. 7 cm beträgt;
ungefähr 7 cm von der Niere entfernt verengt es sich zu einem enorm
erweiterten Ureter. Die Nierengefäße verlaufen an normaler Stelle und
sind ohne Besonderheiten.
Linke Niere. Oberfläche von feinhöckerigem Aussehen. Die ein-
zelnen Pünktchen sind mit bloßem Auge eben noch als Cystchen erkenn-
bar. Ihr Inhalt ist glasig, durchscheinend. Die Größe der Cystchen ist
eine sehr gleichmäßige. Auf der Schnittfläche liegt auch an dieser
Niere das Becken sehr erweitert vor, die Nierenkelche sind stark auf-
getrieben und erreichen an einigen Stellen auf einige Millimeter noch
die Oberfläche. Die Markkegel sind ohne Besonderheiten. Der Ureter-
ansatz ist stark erweitert. Die pathologischen Verhältnisse die gleichen
wie an der rechten Niere, an der linken nicht so scharf ausgeprägt.
Mikroskopische Untersuchung. Vergrößerung 1:350. Das ganze
Gesichtsfeld ist besonders nach der Oberfläche zu mit Cysten vollständig
übersät. Die Cysten sind gruppenfürmig angeordnet, von ziemlich gleich-
mäßiger Größe und Gestalt. Zwischen den einzelnen Gruppen von Cysten
ist reichliches Bindegewebe. Nach dem Zentrum hin nehmen die Cysten
an Größe zu, an Zahl ab. Die Cysten sind im Durchschnitt von der
Größe eines Glomerulus; die weitesten übertreffen einen solchen ca. um
das Vierfache; die kleinsten haben etwa die Größe eines Harnkanälchens.
Alle Cysten sind mit einschichtigen kubischen Epithelien ausgekleidet.
Zwischen den Gruppen von Cysten hin und wieder ein Glomerulus zu
sehen.
Die mikroskopische Untersuchung gibt also das Bild einer Oysten-
N1: ren und Harnloiter. 257
niere mit regressiven Veränderungen gewisser Stellen des Nierengewebes.
Die einzige Erklärung für die Entstehung dieser Cysten findet Verfasser
darin, daß es sich um eine Entwicklungsanomalie handelt, die aus der
Fötalzeit in das extrauterine Leben mit hinübergenommen ist.
Neben den Veränderungen an der Niere und dem Nierenbecken
handelt es sich in dem Falle weiterhin um starke Dilatation der Ureteren
und der Blase, wobei das Offenstehen der Ureterenmündungen beiderseits
besonders interessant ist. Fritz Loeb- München.
Néphrectomie partielle pour rein polykystique. Von Chavan-
naz et Lefèvre. (Société nationale de Chirurgie 1912, Februar. Archives
générales de Chirurgie 1912, 5, p. 558.)
34 jährige Frau mit großem Tumor der rechten Niere, Nierenfunk-
tion beiderseits gleichmäßig. Transperitoneale Operation zeigte poly-
cystische Degeneration des Organs, dessen untere Partie schwerer affiziert
war als der obere Teil. Nach Punktion der größten Cysten Ausscheidung
des unteren Poles mit der unteren Hälfte des Nierenbeckens. Mikro-
skopisch: reine polycystische Niere mit ziemlich intensiver Cirrhose.
Heilung per primam. Die polycystische Degeneration scheint häufig ein-
seitig zu sein, wenigstens im Anfang (?). Lokal, funktionell und im
Allgemeinzustand war der Effekt der Operation günstig.
Mankiewicz-Berlin.
I) Nierenbecken.
Neue Gesichtspunkte in der Diagnostik und Therapie der
Entzündung des Nierenbeckens. Von Dr. Rudolf Stoßmann. (Pester
med. chir. Presse 1912, Nr. 50.)
In der Diagnostik der Pyelitis sind folgende neuere Gesichts-
punkte zu berücksichtigen. Bei der Röntgenuntersuchung des Nieren-
beckens wurde konstatiert, daß das normale Nierenbecken keine Kapazität
besitzt, eine solche beginnt erst mit Atonie und wird mit der Stauung
stationär. Die Stauung wird bedingt durch toxische Entzündungen der
Uretermuskulatur, durch Verengerungen des Ureters oder Tiefstand des
Nierenbeckens. Bei Frauen ist an einen Zusammenhang der Pyelitis
mit Gravidität und Tumoren der Sexualorgane zu denken. Der aszen-
dierende Weg ist bei der Entstehung der Pyelitis möglich, aber jeden-
falls nicht die Regel, der hämatogene und Iymphogene Weg ist häufiger
anzuschuldigen, wie Beobachtungen von Albuminurie und Bakteriurie bei
Obstipationen und der Nachweis Iymphatischer Verbindungen zwischen
Blinddarm und Nierenbecken beweisen. Nur der Ureterkatheterismus
sichert die Diagnose der Pyelitis. Therapeutisch kommen für die Pye-
litis in Betracht: Drainage, Waschungen und Instillationen für das
Nierenbecken, interne Mittel, Vakzination und eventuell chirurgische Ein-
griffe. A. Citron-Berlin.
Über primäre Colipyelitis. Von Meyer-Betz. II. mediz. Klinik
München. (Deutsches Arch. f. kl. Med., Bd. 105, H. 4/5.)
Meyer-Betz erörtert zunächst, wie die Einwanderung der Keime
"e Ae e e mem, EE ENER
2e
En Dot ET e mm
258 Nieren und Harnleiter.
bei der primären Colipyelitis aszendierend oder auf dem Lymphwege,
besonders an der Flexura coli dextra oder durch Einbruch vom Darm
aus ins Blut erfolgen könne. Ein Fall von Colisepsis bei einer Graviden
heilt nach Unterbrechung der Schwangerschaft prompt ab. In 2 Fällen
von Oolipyelitis hatte Autovakzination wohl günstigen Einfluß. Beobach- :
tungen bei Fiebernden führten dazu, Beschränkung des Bakterienwachs-
tums im Harn als Therapie zu erstreben. Kulturversuche in Urinen
zeigen, daß Acidität und hohe Konzentration bemmend auf das Wachs-
tum wirken, während die übliche Therapie einen verdünnten, schwach
sauren Urin und damit einen ausgezeichneten Nährboden für Keime
liefert. Infolgedessen wurde in Fällen von Colipyelitis Schwitzbettbe-
handlung bei saurer Diät und Phosphorsäuredarreichung mit gutem Er-
folge durchgeführt; dies Regime wird am besten mit intermittierender
medikamentöser Behandlung unter öfterem Wechsel des Medikaments
kombiniert. G. Zuelzer-Berlin.
Pyelographie und die frühzeitige Diagnose der Nierenerwei-
terung. Von J. W. Thomson Walker. (Lancet, 19. Juni 1911.)
Verf. bespricht die Möglichkeiten, die es uns erlauben, die Diagnose
auf eine Erweiterung des Nierenbeckens zu stellen, bevor es zur Aus-
bildung einer Hydronephrose und zur Zerstörung des Nierenparenchyms
kommt. Er bespricht den Wert der von Kelly eingeführten Schätzung
der Kapazität des Nierenbeckens durch Injektionen warmer Borlösung.
Auch eine gute Röntgenplatte, die in den meisten Fällen die Konturen
der Nieren gibt, kann nach seinen Erfahrungen eine annähernde Schätzung
ermöglichen. Am leichtesten und sichersten lassen die Verhältnisse im
Nierenbecken sich klären durch die Völckersche Methode der Kollargol-
injektion des Nierenbeckens mit nachfolgender Röntgenuntersuchung.
Statt der von Völcker empfohlenen 2°/,igen Kollargollösung gebraucht
Verf. ohne Schädigung eine 10°/,ige, die einen weit besseren Schatten
auf der Röntgenplatte gibt. Da die Kollargollösung nur sehr langsam
einzulaufen pflegt, hilft Verf. meist mit dem Kolben der Spritze nach
und richtet sich nach der Empfindlichkeit des Patienten. Er spült die
Flüssigkeit hinterher auch nicht mit Borlösung wieder aus, wie das von
Völcker empfohlen worden ist. Da es, wenn auch nur in den seltensten
Fällen, vorkommen kann, daß ein Kolikanfall folgt und infolge der Rig
dität der Muskulatur die Röntgenuntersuchung verhindert, gibt er mei
vorher eine Morphiuminjektion. Er berichtet eine Reihe lehrreiche
Fälle, die er mit recht guten Röntgenbildern belegt.
W. Lehmann-Stettin.
Über den Wert der Pyelographie und anderer Methcden zum
Nachweise von Dilatationen des Nierenbeckens. Von W. Blum-
Wien. (Wiener med. Wochenschr., Nr. 19. 1912.)
B. bekennt sich als Gegner der Pyelographie, da diese Methode
Gefahren in sich birgt und Irrtümer nicht ausgeschlossen werden können,
während wir anderseits anderweitige ungefährliche, diagnostische Ver-
fahren besitzen. von Hofmann-Wien.
Nieren und Harnleiter. 259
Partielle Gangrän einer Niere nach Pyelographie. Von Ser-
vell. Skandinavischer Kongreß für Chirurgie 1911. (Archives générales de
Chirurgie 1912, 7, p. 806.)
Servell-Christiania hat nach einer Pyelographie eine gleichförmige
partielle Gangrän einer Niere infolge von Druck des injizierten Kollar-
gols beobachtet. Rey-Stockholm warnt vor der Kompression der Niere.
Mankiewicz-Berlin.
Aufsteigende Infektion der Harnwege bei frisch verheirate-
ten Frauen (,„Kohabitations-Cystitis und -Pyelitis“). Von Albert
Sippel-Frankfurt a. M. (Deutsche med. Wochenschr. 1912, Nr. 24.)
Anknüpfend an eine Arbeit von Hans Wildbolz im Schweizer
Korrespondenzblatt 1912, Nr. 1 über Deflorationspyelitis frisch verhei-
rateter Frauen berichtet Sippel über ähnliche Erfahrungen in seiner
eigenen Praxis. Während Wildbolz aber die bei der Defloration ein-
tretenden Hymenalrisse als Eingangspforte der Bakterien — meist han-
delt es sich um Bacterium coli — ansieht und sie in Parallele stellt
mit einer Beobachtung, bei der eine an Kraurosis vulvae Leidende auch
jedesmal im Anschluß an den Beischlaf eine fieberhafte Pyelitis dextra
bekommt, ist Sippel geneigt, für das Auftreten der Erkrankung den
anatomischen Bau der Genitalien mancher Frauen, der ein direktes
Hineinmassieren der Bakterien beim Coitus geradezu begünstigt, anzu-
schuldigen, und er wäblt für das Krankeitsbild deshalb den Namen
Kohabitationscystitis und -Pyelitis.
Bei der Schwangerschaftspyelitis handelt es sich in der überwiegen-
den Zabl der Fälle wohl um ein Rezidivieren einer schon früher be-
stehenden Urininfektion.e Man kann anamnestisch meist feststellen, daß
der Urin auch früher schon, wenn er einige Zeit gestanden hat, einen
penetrant-charakteristischen Geruch verbreitet hat.
Bei den Klagen jungverheirateter Frauen über Blasenbeschwerden
sol man der Sache frühzeitig auf den Grund gehen; es gelingt dann
meistens, durch Borsäurespülung und Urotropin das Aufsteigen des Pro-
zesses zu verhüten. Ludwig Manasse-Berlin.
Pyélonéphrite gravidique descendante par septicémie coli-
bacillaire. Von Fernand Widal und René Bénard. (Journ. d’Urolog.
Tome I, No. 3. 1912.)
Die Verfasser haben 2 Fälle von Kolipyelitis bei Graviden beob-
achtet, in deren Blut in einwandfreier Weise Bacterium coli nachgewiesen
werden konnte. Diese Fälle sind die ersten, welche dartun, daß die
Pyelitis gravidarum nur die Lokalisation einer allgemeinen Colisepticämie
in den Nieren darstellt, und daß es sich um einen deszendierenden
Prozeß handelt. Die Gravidität schafft zweifellos eine Prädisposition der
Nieren für das Eindringen von Mikroorganismen bei Septicämie.
A. Citron-Berlin.
Acute pyelonephritis complicating pregnancy. VonF.D.Crew-
Higham Ferrars. (Brit. Med. Journ., April 13. 1912.)
Bei der 35 jährigen Sechstgebärenden hatten sich im fünften Schwan-
3a Ee Be TV Eu ae on
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260 Notiz.
gerschaftsmonat Symptome eingestellt, welche zunächst auf einen appen-
dizitischen AbszeB hinwiesen. Bei der explorativen Laparotomie zeigten
sich die Bauchorgane normal, hingegen war die rechte Niere bedeutend
vergrößert. Am Tage nach der Operation abortierte die Patientin,
worauf die Krankheitserscheinungen langsam zurückgingen. Auffallend
war, daß der Urin bis zum Tage nach der Operation weder Eiweiß,
noch Blut oder Eiter enthalten hatte. Erst mit dem Abortus stellte
sich eine durch 3 Wochen andauernde Pyurie ein.
von Hofmann-Wien.
Experimentelle Beiträge zur Ätiologie der Pyelitis gravida-
rum. Von Dr. H. Sieber, Frauenarzt in Berlin-Pankow. (Zeitschr. f. gynä-
kolog. Urologie 1912, Bd. 3, H. 6.)
Hinsichtlich der Frage der Entstehungsweise der Graviditätspyelitis
stehen sich 2 Parteien gegenüber: die Anhänger des aszendierenden und
die des sog. deszendierenden Modus. Unter ersterem versteht man die
Infektion des Nierenbeckens von der Blase aus, während als deszendierend
nicht ganz korrekt die Infektion vom Blut- oder Lymphwege aus be-
zeichnet wird. In den letzten Jahren sind besonders drei größere Ar-
beiten über die Frage erschienen, nämlich von Opitz, Mirabeau und
Albeck. Von diesen entschieden sich Opitz und Albeck für den
aufsteigenden Typus, Mirabeau für die hämatogene Entstehung. Auch
Verf. neigte ganz entschieden zur Änsicht, daß die akute Pyelitis, wie
sie während der Gravidität aufzutreten pflegt, von der Blase aus hervor-
gerufen wird. Die vom Verf. an Kaninchen angestellten Versuche be-
weisen nun gerade das Gegenteil von dem, was durch sie gezeigt werden
sollte. Verf. entscheidet sich jetzt für den hämatogenen Typus und
schließt sich damit Mirabeau, Guyon, Reymond usw. an. Kr.
Il. Notiz.
Berlin. In der ordentlichen Generalversammlung der Berliner urologischen
Gesellschaft am 28. Januar wurden an Stelle des statutenmäßig aus-
scheidenden Vorsitzenden, Herrn Posner, Herr L. Casper und an
dessen Stelle Herr Wossidlo zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.
Die übrigen Mitglieder des Vorstandes und Ausschusses wurden wieder-
und in letzteren Herr C. Benda neugewählt. An Stelle des Herrn
Kutner, der kurz darauf das Schriftführeramt niedergelegt hat, ist Herr
A. Lewin vom Vorstand kooptiert worden.
An unsere Leser!
W" beehren uns mitzuteilen, daß wir mit der heutigen
Nummer eine Erweiterung in der Organisation unserer
Zeitschrift eintreten lassen. Um unser Arbeitsgebiet auf eine
breitere Basis zu stellen und das Material noch reichlicher
zu gestalten, haben wir eine Reihe von Autoren der ver-
schiedenen Fächer, die sich auf dem Gebiete der Urologie
erfolgreich betätigt haben, gebeten, in unser Herausgeber-
kollegium einzutreten. Auf unser Ansuchen haben sich die
Herren
Bier, Döderlein, Franz, v. Haberer, v. Koranyi,
Küttner, Minkowski, Payr, Schloffer, Wilms
uns zugesellt.
Für die Redaktion wird dieses Jahr Herr L. Casper
verantwortlich zeichnen.
Zeitschrift für Urologie. 1913. 18
Demonstrationen zur Nicrenchirurgie.
Von
Dr. Wilhelm Israel,
L. Assistenzarzt der äußeren Abteilung des Krankenhauses der Jüd, Gem a
Berlin (Prof. Israel).
(Nach einem in der Berl. Urolog. Ges. gehaltenen Demonstrationsvartrag.|
Mit Tafel IL
M. H., ich erlaube mir, Ihnen heute 6 sämtlich durch Opere
tion gewonnene Nierenpräparate zu demonstrieren, die zum größeren
Teil im wesentlichen pathologisch - anatomisches Interesse zeigen.
Sie entstammen 4 verschiedenen Kapiteln der Nierenpatliologie:
1. dem der Tuberkulosen:
>. dem der Pyonephrosen;
3. dem der kongenital angelegten Hydronephrosen jugendlicher
Individuen, und
4. dem der malignen Tumoren.
Ich beginne mit 3 verschiedenen Fällen von Nierentuberkulosr.
Fig. 1 der Tafel II stellt die rechte Niere eines 20 jährigen jungen
Mannes dar, der später an Tuberkulose der anderen Niere zugrunde
sing. Was an dem Präparat sofort besonders auffiel, das war, ab
gesehen von der Erkrankung sämtlicher Papillenspitzen, ihre gelhe
bis gelblich-braune Färbung, die stellenweise an diejenige der Neben-
nierearinde erinnerte. Die gleiche Färbung fand sich in der Schleim-
haut desjenigen Kelches, der der obersten Papille entsprach. Wir
hatten unter 190 operierten Nierentuberkulosen nie etwas Derartigts
gesehen und ließen das Präparat daher sofort frisch malen.*)
Die mikroskopische Untersuchung zeigte als Ursache der eigen-
tümlichen Pigmentierung zahlreiche rhombische braune Kristalle,
die nur im Bereich des nekrotischen Gewebes der Papillen gelegen
waren. Nach dem negativen Ausfall der Hämosiderinreaktion
*) Sämtliche Bilder und Zeichnnngen sind von Herrn Maler Max Lands-
herg angefertiet.
Demonstrationen zur Nierenchirurgie. 263
handelt es sich um Hämatinkristalle, d. h. um eisenfreies Blutpig-
ment. Wir haben demnach die auffällige bräunliche Färbung als
Folge von Blutungen im Gewebe aufzufassen. Papillenspitzen.
tuberkulosen neigen ja häufig zu Blutungen. In der Anamnese
unseres Falles ist von makroskopischen Blutungen nichts vermerkt,
jedoch enthielt der Urin vor der Operation ziemlich viel Ery-
throcyten.
Das 2. Präparat (Taf. III, Fig. 1) entstammt einem 37 jährigen
Manne, der bereits eine tuberkulöse Spondylitis durchgemacht hatte
und dem außerdem beide Hoden wegen Tuberkulose entfernt wor-
den waren.
Ich zeige es deshalb, weil es besonders gut die Entstehung
einer Hydronephrose in einer tuberkulösen Niere veranschaulicht:
Die Franzosen Albarran, Tuffier, Pousson sind wohl einem äußer-
lichen Einteilungsprinzip gefolgt, wenn sie bei der anatomischen
Einteilung der Nierentuberkulose die tuberkulöse Hydronephrose als
besondere Form hingestellt haben.
Die Fälle sind relativ selten im Gegensatze zur Häufigkeit der
tuberkulôsen Pyonephrose. „Die Retention findet bei primärer
Nierentuberkulose seltener im Nierenbecken statt, welches sogar
meistens geschrumpft, bisweilen spaltförmig verengt ist, als in den
mit dem Becken oft nur durch enge Öffnungen kommunizierenden
Kelchen.* (J. Israel, Chirurg. Klinik d. Nierenkrankh.)
Die primären tuberkulösen Veränderungen sind in unserem Falle
auf das untere Drittel der Niere beschränkt, und zwar in Gestalt
zweier großer mit käsigen Massen ausgekleideter Kavernen. Dieses
untere Drittel ist von der übrigen Niere durch eine tiefe Furche
getrennt, die in ganzer Zirkumferenz die Nierenoberfläche umzieht
und sich an der aufgeschnittenen und aufgeklappten Niere als tiefes
Einspringen des Konturs deutlich darstellt. Wir können daraus auf
die isolierte arterielle Versorgung dieses unteren Drittels der Niere
schließen.
Das Hauptinteresse bildet jedoch die Stelle des Ureterabganges.
Der Ureter ist in aufgeschnittenem Zustande 2!/, cm breit und unter-
halb seines Abganges mit miliaren Tuberkeln besetzt. An seinem
Ursprunge aus dem Nierenbecken sehen Sie nun eine narbige Ver-
ziehung, so daß der Urin, um aus dem Nierenbecken in den Ureter
zu gelangen, eine enge scharfwinklig geknickte Passage überwinden
muß. Die Narbe beweist, daß hier, im Bereiche der Kavernen, eine
Ulzeration gesessen hat. Wir finden also, wie in der tuberkulösen
18*
u _———— —_mo ou uomun __
264 Wilhelm Israel.
Lunge, Ausheilung an einer Stelle und Fortschreiten des Prozesses
an anderen Teilen des Organs.
Ich habe auf diese allgemeinen Verhältnisse in tuberkulösen
Nieren schon vor 2 Jahren gelegentlich einer Demonstration in
der Hufelandischen Gesellschaft hingewiesen. Damals konnte ich
die sekundäre narbige Abschließung einer tuberkulösen Kaverne
gegen das Nierenbecken zeigen und knüpfte daran die Vermutung,
daß manche sogenannten Heilungen der Nierentuberkulose bei in-
terner Behandlung (Tuberkulin), manche Beobachtung über das Ver-
schwinden von Bazillen im Urin auf solchen anatomischen Verhält-
nissen beruhen könnten.
Ich kehre zu unserem Falle zurück. Die Folge der narbigen
Verengerung am Abgange des Ureters ist die beträchtliche Erweite-
rung des Nierenbeckens. Ich möchte nicht unerwähnt lassen, daß
der Patient heftige Kolikanfälle hatte, wie bei Steinkolik. Sind
diese auch bei Nierentuberkulose nichts gerade Ungewöhnliches, so
werden sie hier wohl auf Zustände temporärer Abschließung des
Beckens zu beziehen sein.
Der 3. Fall von Nierentuberkulose ist besonders merkwürdig
und gewiß recht selten Gegenstand chirurgischer Behandlung. Es
handelt sich um die völlige Atrophie der rechten tuberkulösen Niere
eines 39jährigen Mannes bis zu winziger Kleinheit des Organs. Von
Form und Gestalt einer Niere, von irgendwelcher Differenzierung ist
nichts erkennbar. Die Hauptmasse des in Fig. 2, Taf. III abgebildeten
Organs ist Fett. Auf dem hier dargestellten und aufgeklappten
Nierenrest vermögen Sie nur den Rest des Nierenbeckens als ana-
tomisches Gebilde zu unterscheiden. Daneben erblicken Sie in einer
im frischen Zustande körnig grau erscheinenden Substanz mehrere
kleinste Käseherde von Hirsekorn- bis Senfkorngröße. Der ganze
mit dem umkleidenden Fett exstirpierte Nierenrest war 5 cm lang
und 1!/, cm breit. Mit der Niere zusammen wurde ein 10 cm langes
Stück des Ureters exstirpiert. Er ließ einen dicken hämorrhagischen
Inhalt austreten und sich von seiner Trennungsfläche nur 4 em weit
aufschneiden, war hier also obliteriert. In dem aufgeschnittenen
Bereiche zeigt der Ureter vielfache Leisten, welche über das Ni-
veau prominieren, von einer Wand zur anderen ziehen und den Ein-
druck von Vernarbung früherer Ulzerationen machen. Wir haben
1) Verhdlgn. d. Hufel. Ges. 1911.
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Demonstrationen zur Nierenchirurgie. 265
demnach ein sehr typisches Beispiel desjenigen Prozesses vor uns,
den die Franzosen als Autonephrektomie bezeichnet haben.
Seit 8 Jahren bestanden bei dem Patienten Schmerzen rechts
neben dem Kreuz, Blasenbeschwerden jedoch erst seit 2 Jahren,
vermehrte Miktionsfrequenz (3—4 mal nachts), sowie Schmerzen
vor und nach der Miktion. Lungentuherkulose war seit vielen
Jahren festgestellt. Wir fühlten einen bohnengroßen Knoten in der
rechten Prostatahälfte, der Urin war mäßig trübe (Leukocyten),
Bazillen wurden nicht gefunden.
. Eines Tages wurde der Urin goldklar, so daß wir glaubten eine
Verschließung der rechten Niere annehmen zu dürfen. Die Blase
war gerötet, die Gefäßzeichnung verwaschen, die rechte Ureterpapille
gerötet und etwas klaffend. Der Ureterenkatheterismus gelang nur
links und ergab normale Verhältnisse.
Klinisch bemerkenswert ist demnach das Freibleiben der Harn-
blase von spezifischen Veränderungen trotz langjährigem Bestehen
der Nierenaffektion, sowie das späte Auftreten von Störungen der
Miktion.
Die Entfernung der verödeten Niere (31. V. 1912) brachte die
Schmerzen rechts neben dem Kreuz zum Verschwinden. Auch die
Beschwerden bei der Urinentleerung haben erheblich nachgelassen.
Pat. empfindet vor dem Urinlassen nur noch ein ganz geringes
Brennen in der Spitze der Eichel.
Es vermag also selbst eine fast völlig atrophierte und als
solche nicht mehr erkennbare tuberkulöse Niere noch Beschwerden
erheblicher Art zu machen und, wie der Erfolg der Operation zeigt,
diese zu indizieren.
Nicht gering waren die operativen Schwierigkeiten des Falles.
Die Niere war begreiflicherweise nirgends zu fühlen, das obere
Harnleiterende nicht aufzufinden. Wir waren daher gezwungen,
den Schnitt weit nach unten zu verlängern, wie zur völligen Frei-
legung des Üreters. Dieser war in seinem unteren Abschnitte notiz-
buchbleistiftdick. Nach oben verdünnte er sich strangförmig und
konnte ohne irgendwelche Gefäßunterbindungen zusammen mit einer
10 cm langen und 1!/, Daumen breiten Fettmasse ausgelöst werden.
Die Obliteration des tuberkulösen Ureters führt nun entweder
zur Verödung des Organs, wie in dem eben demonstrierten Falle,
oder es kommt zur Bildung einer sogenannten geschlossenen tuber-
kulösen Pyonephrose, wie sie Zuckerkandl zuerst beschrieben hat.
Smirnow aus Petersburg hat im vorigen Jahre im Novemberheft
266 Wilhelm Israel.
der Folia urologica 25 solcher Fälle von Pyonephrosis occlusa
tuberculosa zusammengestellt.
Ich bin nun heute in der Lage, Ihnen das gewiß äußerst seltene,
wenn überhaupt schon beschriebene Präparat einer Pyonephrosis
occlusa non tuberculosa zeigen zu können. Es handelt sich um
eine Pyonephrosis occlusa calculosa, und stammt von einer
44jähr. Frau. (Taf. III, Fig. 3.)
Ich habe den halbhaselnußgroßen Stein aus der Niere entfernt
und daneben hinzeichnen lassen, um Ihnen die Stelle der Öblitera-
tion des Ureters an seinem Abgange vom Nierenbecken zur An-
schauung zu bringen. Die Niere ist in eine ziemlich große Pyo-
nephrose umgewandelt, die Wand der bis zu kleinapfelgroßen Höhlen
erweiterten Kelche ist mit intensiv gelb gefärbten Granulationen he-
deckt. Auch in dem Rest der Marksubstanz sind solche gelben
prominierenden Herde sichtbar, ein Bild, wie man es bei Steinniere
häufig finde. Von Tuberkulose ist auch mikroskopisch nichts zu
finden.
Der Harnleiter ist nun direkt an seinem Abgang vom Nieren-
becken obliteriert. Von diesem aus, das sehr erweitert ist und
mit stinkendem Eiter gefüllt war, ist an dieser Stelle eine kleine
Vertiefung auch auf der Zeichnung deutlich sichtbar. Ich habe sie
durch einen roten Punkt markieren lassen.
Der Ureter ist etwas erweitert, aber nicht irgendwie spezifisch
verändert. Die Länge der obliterierten Partie ist sehr gering.
Führt man eine Sonde in den Harnleiter ein, so läßt sich die Ob-
literationsstelle sichtbar vorstülpen. Wir gehen wohl nicht fehl,
wenn wir annehmen, daß es unter der Einwirkung des Steines,
der hier ziemlich fest eingefügt lag, zur Ulzeration mit nachfolgen-
der Vernarbung und Ausgang in Obliteration gekommen ist. Die
Diagnose einer geschlossenen Pyonephrose mit Stein wurde vor der
Operation vermutet. Die Anamnese ergab Eiterabgang mit dem
Urin. Bei der Aufnahme war der Urin stets klar. Aus dem in
den rechten Ureter eingeführten Katheter entleerte sich kein Tropfen
Urin. Der Stein war auf der Röntgenplatte erkennbar.
Als 3. Art einer Retentionsgeschwulst der Niere sehen Sie hier
eine zu seltener Größe entwickelte Hydronephrose, die einem
40jährigen Arzte angehörte. Er hat sein Leiden ohne größere Be-
schwerden von Jugend auf getragen, und erst im April vorigen
Jahres gaben Fieber und Koliken die Indikation zur Exstirpation.
Schon als Kind hatte er hin und wieder Empfindungen in der
TC Pr e
Demonstrationen zur Nierenchirurgie. 967
linken Bauchseite unbestimmter Natur, ohne daß die Ärzte etwas
finden konnten.
Erst 1897 wurde die Diagnose gestellt. Der Pat. erlitt einen
heftigen Stoß in die linke Lendengegend. Er verspürte sofort
einen erheblichen Schmerz und hatte eine starke Hämaturie. Da-
mals, also vor 16 Jahren, wurde von Prof. Israel eine kindskopf-
große Hydronephrose festgestellt. Die Beschwerden verschwanden
und der in seinem Volum wechselnde Tumor störte ihn nun nicht
weiter, selbst nicht bei Hochtouren, bis er nach einer stärkeren
Muskelanstrengung, bei der er einen starken Ruck in der linken
Seite verspürte, mit Fieber und kolikartigen Schmerzen in dieser
Seite erkrankte. Auch wuchs der Tumor erheblich. Er nahm jetzt
die gesamte linke und einen großen Teil der rechten Bauchhälte
ein. Offenbar war es zur Blutung in den Sack mit nachfolgender
Infektion gekommen.
Die Exstirpation gelang auf retroperitonealem Wege ohne Ver-
letzung des Peritoneums und ohne daß die Wand des Tumors defekt
wurde. Jedoch wurde der Sack vor seiner Auslösung punktiert
und ca. 7 Liter eines schmutzig-braunen dünnflüssigen Eiters ent.
leert. Die Wunde heilte per prim int. Pat. wurde am 18. Tage
entlassen. Der Fall ist ein typisches Beispiel einer kongenital an-
gelegten Hydronephrose. Das beweisen die bis in die Kindheit
zurückliegenden Erscheinungen. Das ursprüngliche Abflußhindernis
ist auch hier wie gewöhnlich bei vorgeschrittenen Fällen nicht mehr
zu klären. Fälle von kongenitalen Hydronephrosen junger Männer
kommen nicht wenige in unsere Behandlung. Sie werden häufig
von den Ärzten verkannt, und ich möchte mir vorbehalten, an der
Hand unseres reichhaltigen Materials vielleicht einmal im Zu-
sammenhange etwas darüber zu bringen. Das Charakteristische
unseres Falles liegt darin, daß wir das Bestehen der Geschwulst
anamnestisch bis in die Kindheit, d. h. mehrere Jahrzehnte zurück-
verfolgen können und daß eine so beträchtliche Geschwulst während
eines so langen Zeitraumes ohne nennenswerte Beschwerden er-
tragen wurde.
Zum Schlusse, meine Herren, betrachten Sie noch dieses Hy-
pernephrom, das einer 34jährigen Dame entfernt wurde (Tafel II,
Fig. 2). Zuerst wird Ihnen gewiß auffallen, daß der größere Teil
der etwa hühnereigroßen Geschwulst aus Cysten von Reineclauden-
bis Kirschgröße besteht, die eine helle Flüssigkeit enthielten. Die
Wand dieser Cysten ist glatt und weiß und hat eine knorpelähn-
a eu
268 Wilhelm Israel, Demonstrationen zu Nierenchirurgie.
liche Konsistenz. Tumorelemente sind in ihnen nicht mehr erkenn-
bar. Daneben sehen Sie die bekannten gelben, teilweise gelbrot
gesprenkelten Knoten mit pseudocystischer Einschmelzung. Ich
mache gleich darauf aufmerksam, daß die obere Kante der Ge-
schwulst, die der unteren Hälfte der Niere angehört, zwar hart
unter der Schleimhaut des Nierenbeckens gelegen ist, daß dagegen
das etwas erweiterte Nierenbecken und die Kelche völlig frei von
Geschwulstzapfen sind und nirgends mit dem Tumor kommunizieren.
Nun hat aber die Patientin mehrere zum Teil starke Häma-
turien gehabt. Aus der Geschwulst kann das mit dem Urin ent-
leerte Blut nicht stammen, da diese ja nirgends in Verbindung mit
den ableitenden Harnwegen .steht. Bleiben also das gesunde Nieren-
parenchym, sowie das Nierenbecken übrig als Quelle der Blutung.
Wir bemerken denn auch in der Schleimhaut des Nierenbeckens
und der Kelche reichlich frische Ekchymosen. Ferner zeigt die
Nierensubstanz in ihrer oberen Hälfte zahlreiche blauschwarze bis
schwarzrot gefärbte Strichelungen und knötchenartige Prominenzen,
welche den Gefäßen folgende Hämorrhagien darstellen. Die mikro-
skopische Untersuchung zeigt denn auch das frei im Gewebe liegende
Blut. Demnach liegt hier ein beweisender Fall für eine Hämaturie
bei malignem Tumor der Niere vor, welche nicht aus dem Tumor
sondern aus dem tumorfreien Parenchym und der Schleimhaut des
Beckens stammt.
Aus dem Garnisonlazarett Darmstadt.
Über einen Fall von malignem Tumor der
Blase von syncytialem Bau.
Von
Oberstabsarzt Blecher und Stabsarzt Martius.
Mit 5 Textabbildungen.
Im folgenden möchten wir einen kasuistischen Beitrag liefern
zu der Mannigfaltigkeit der malignen Blasentumoren, der vielleicht
um s0 wertvoller ist, als eine Geschwulst von genau derselben Struktur
überhaupt noch nicht beschrieben ist. Es gibt auch gleichzeitig ein
Beispiel dafür, daß die pathologisch-anatomisch festgestellte Ma-
lignität nicht immer auch klinisch in demselben Grade zu bestehen
braucht.
Ein 21jähriger Bautechniker, der früher stets gesund war, hat
ohne besondere Ursache seit 4. April 1911 stark blutigen Urin.
Die Blutung hielt bis zum 6. April an, dann war der Urin völlig
frei von Eiweiß und Blut. Die Chromocystoskopie, wobei allerdings
hauptsächlich an eine renale Ursache der Blutung gedacht wurde,
ergab nach 8 Minuten beiderseits normale Blauabsonderung, im
übrigen an den Ureterenmündungen und im Blasenbecken keine
krankhafte Veränderung.
Nachdem dann der Mann völlig beschwerdefrei war, trat am
9, Juli wieder stärkeres Blutharnen auf; eine nochmalige Cysto-
skopie bestätigte den früheren Befund, dagegen fand sich bei ge-
nauer Absuchung der Blase in der rechten Hälfte der vorderen
oberen Blasenwand eine ihr breit aufsitzende, zapfenartig vorsprin-
gende Geschwulst von Kastaniengröße; sie war größtenteils mit
blasser Schleimhaut bedeckt, nur auf ihrem Gipfel fanden sich Ge-
fäßerweiterungen und oberflächliche Geschwürsbildung.
Am 25. August wurde in Narkose die Sectio alta gemacht (Ober-
stabsarzt Blecher). Die Geschwulst, die vollkommen dem cystoskopi-
schen Bilde entsprach, ließ sich leicht vorziehen; sie saß submukös
in der Muskularis, schien aber ziemlich scharf begrenzt; Exzision im
Gesunden, Naht der Exzisionswunde, Naht der Sectio alta, Tampon
270 Blecher und Martius.
ins cavum Retzii. Hautnaht. Die Heilung war durch eine rasch vor-
übergehende Urinabsonderung, wohl aus der Exzisionswunde, und
eine schwere akute Magenlähmung kompliziert, verlief dann aber gut.
Der Kranke wurde am 13. Oktober 1911 mit fester Narbe
entlassen, und hat bis Anfang Oktober 1912 Dienst getan; Blu-
tungen sind nicht wieder aufgetreten; wiederholte cystoskopische
Untersuchungen — zuletzt Oktober 1912 — ergaben: Blasenschleim-
haut reizlos, beide Narben eingezogen, kein Zeichen eines Rezidivs.
Die exzidierte Geschwulst wurde im Dr. Senckenbergischen
pathologisch-anatomischen Institut in Frankfurt a. M. untersucht
(Stabsarzt Martius).
Makroskopischer Befund: Etwa kastaniengroßer, rundlicher,
im Durchmesser 3 cm betragender und 1'/, cm hoher Tumor, der
an der Unterseite flach ist, sich nach oben kugelig vorwölbt. An
der Oberfläche ist er von Blasenschleimhaut überzogen, im übrigen
scheinbar aus dem submukösen Gewebe der Wand herausgeschält.
Die Oberfläche (s. Fig. 1) ist glatt bis auf einige kleine, hirsekorn-
bis halblinsengroße, bräunlichviolette knollige Verwölbungen, die sich
auch am Exzisionsrand in den seitlichen Partien finden. Diese
Fig. 1. Fig. 2.
Oberfläche des Tumors von Blasen- Senkrechter Durchschnitt durch die
schleimhaut überzogen. Kleine Vor- Mitte der Geschwulst. Kleine Knoten
wölbungen an der Oberfläche und anden in der Schleimhaut und Suabmukosa.
Seiten. Zeichnnng: Natürliche Größe. Zeichnung: Natürliche Größe.
kleinen Verwölbungen sind überall von einer zarten glatten Mem-
bran überzogen, auch die in den seitlichen Partien; sie sind also
nirgends durch das Messer angeschnitten oder, nach der Oberfläche
zu, ulzeriert. Im übrigen ist die Schleimhaut über dem Tumor von
blaßgrau-rötlicher Farbe, durchzogen von mehreren kleinen er-
weiterten Blutgefäßen. Die Konsistenz des Tumors ist ziemlich derb.
Auf dem Durchschnitt (s. Fig. 2) zeigt sich, daß die Geschwulst
aus einzelnen kleinen, braunen Knollen verschiedener Größe besteht,
Über einen Fall von malignem Tumor der Blase von syncytialem Bau. 971
die, nur durch zarte bindegewebige Septen undeutlich voneinander
getrennt, dicht zusammengedrängt die Hauptmasse des kleinen Tu-
mors bilden. Über dieses Zentrum der Geschwulst zieht die Blasen-
schleimhaut hinweg. Nur an einigen Stellen ist die Geschwulst
durch die Schleimhaut gegen die Oberfläche zu vorgedrungen und
bildete hier einige der dunklen Hervorragungen. Andere dieser
kleinen Knollen stehen mit dem Haupttumor nicht in Verbindung,
sondern liegen getrennt von ihm innerhalb der Mukosa an der Ober-
fläche oder im submukösen Gewebe eingebettet, seitlich vom Haupt-
tumor, wodurch die Vorwölbungen an den seitlichen Schnittflächen
bedingt sind.
Dieser makroskopische Befund ließ zunächst keine Deutung des
Tumors zu.
Die Farbe der Geschwulstmasse entsprach etwa den Kaverno-
men; jedoch sprach gegen die Auffassung des Tumors als Kavernom
der geringe Gehalt an Blut und die feste Konsistenz.
Das Vordringen des Tumors durch die Schleimhaut und die
abseits liegenden kleinen Knoten ließen nun aber schon makrosko-
pisch an einen malignen Prozeß mit beginnender Metastasenbildung
denken, und die vorläufige Untersuchung eines Gefrierschnittes be-
stätigte diese Vermutung insofern, als sie einen zellreichen, stellen-
weise medullär-, stellenweise netzartiggebauten Tumor ergab, über
dessen Histogenese allerdings nichts Näheres ausgesagt werden konnte.
Mehrere Stücke aus verschiedenen Teilen der Geschwulst wurden
deshalb nach Formolfixierung im Paraffin eingebettet, die Schnitte
mit Hämalaun-Eosin und Eisenhämatoxylin van Gieson gefärbt.
Mikroskopischer Befund: Das Stroma der Geschwulst be-
steht aus zahlreichen spindeligen Zellen und zarten Bindegewebs-
fasern, zwischen denen reichlich Blutgefäße und Kapillaren liegen.
Nach der Basis der Geschwulst zu finden sich auch breitere Binde-
gewebsstränge und, im Tumorgewebe eingebettet, Reste glatter Musku-
latur. Die Bindegewebszellen enthalten vereinzelt körniges, braunes
Pigment. Die Gefäße sind dünnwandig, meist sind es nur von ein-
fachen Endothellagen ausgekleidete Lumina, die an zahlreichen
Stellen sehr dicht gelagert sind. Die Gefäße sind mit Blut — roten
und weißen Blutkörperchen — mehr oder weniger dicht gefüllt.
Dieses Stroma ist durchsetzt von dichten, unregelmäßig ge-
stalteten, teilweise guirlandenartig geschwungenen Strängen und
verschieden engmaschigen Netzen dicht zusammenliegender Zellen.
Meist liegen diese Zellverbände zwischen den Gefüßen bzw. Ka-
272 Blecher und Martius.
pillaren, getrennt von diesen durch zartes Bindegewebe, vielfach
aber treten die Zellstränge bis dicht an die Kapillaren heran oder
bilden sogar selbst Spalträume ohne deutlich nachweisbare Zell-
auskleidung, die ebenfalls reichlich Blut enthalten. Es finden sich
dann Bilder, die etwa dem histologischen Befund bei stärkerer
Stauung in der Leber entsprechen: Kapillarräume zwischen zusammen-
hängenden, sich netzartig verbindenden Zellbalken, nur daß hier, im
(segensatz zur Leber, die verschieden breiten Zellverbände ein ganz
Fig. 3. ;
Übersichtsbild der Zellstränge und Netze zwischen den Gefäßen. Links oben
ein Rest von Wandmuskulatur. Mikrophotograpbie.
unregelmäßig gestaltetes Netzwerk bilden (s. Fig.3). An anderen Stellen
steht die Bildung von Zellsträngen und Netzen nicht so im Vorder-
grund, und es finden sich dann nur größere und kleinere Nester
dicht zusammenliegender Zellen in einem von Gefäßen durchzogenen
Bindegewebsstroma eingelagert, oder das Stroma mit den Gefäßen
tritt durch die Masse der Tumorzellen ganz zurück, so daß Bilder
entstehen, die infolge ihres Zellreichtums nur mit medullär gebauten
Tumoren vergleichbar sind.
a U 2e a EE UT U
Über einen Fall von malignem Tumor der Blase von syncytialem Bau. 9273
Alle diese Zellverbände zeigen nun einen ganz eigenartigen,
merkwürdigen Befund. Es läßt sich nämlich eine Zellgrenze zwischen
den einzelnen Zellen nicht erkennen, so daß die Zellstränge überall den
charakteristischen Eindruck syncytialer Verbände machen.
Nur ganz vereinzelt finden sich Stellen, wo sich scheinbar Zell-
grenzen innerhalb der Zellstränge nachweisen lassen, jedoch ist dieser
Befund so vereinzelt, daß ihm, bei der nicht immer homogenen
Beschaffenheit des Protoplasmas, eine besondere Bedeutung kaum
beigemessen werden kann. Das Protoplasma in den Zellsträngen
Die Zellstränge und syncytiumähnlichen Zellverbände. Zwischen den Zellbalken
mit Blut gefüllte Spalten.
ist sehr reichlich vorhanden und färbt sich mit Protoplasmafarben
sehr intensiv; meist ist es homogen, stellenweise aber auch schaumig
oder wabig und vereinzelt auch von Vakuolen durchsetzt. Das
Protoplasma umgibt meist die Kerne gleichmäßig, vielfach ist es
aber zu breiten Fortsätzen ausgezogen und bildet durch die sich ver-
bindenden Ausläufer das erwähnte Zellnetzwerk (s.Fig.5). Dabei liegen
die Kerne in diesen Protoplasmamassen nicht immer gleichmäßig
verteilt, vorwiegend sogar ganz unregelmäßig in einzelnen Haufen
274 Blecher und Martius.
zusammengedrängt(s. Fig.5). Die Kerne sind meist klein, rund oder oval,
etwa der Größe roter Blutkörperchen entsprechend und sehr dunkel
gefärbt, chromatinreich. Im übrigen zeigen sie eine große Mannig-
faltigkeit ihrer Gestalt und Größe, indem die Größe bis zur sechs-
fachen der normalen schwankt. Bei den größeren Kernen läßt sich
ab und zu ein undeutliches Chromatingerüst nachweisen, Mitosen
dagegen sind nirgends auffindbar. Hauptsächlich finden sich die
Riesenkerne und die in ihrer Form von der Norm abweichenden
Kerne in den mehr medullär gebauten zellreichen Tumorpartien,
so z. B. an der Basis des Tumors, wo sich innerhalb der Zellen-
massen auch zersprengte Reste der glatten Wandmuskulatur nach-
weisen lassen. Die Stränge und netzartig angeordneten Zellverbände
dagegen zeigen eher eine Gleichmäßigkeit der Kernformen und
Größen.
Fettfärbungen mit Scharlachrot an Gefrierschnitten ergaben
keinen Fettgehalt der Zellen, die Untersuchung von frischen Schnitten
im Polarisationsmikroskop ließ doppeltbrechende Substanz nicht nach-
weisen.
Um was für einen Tumor handelte es sich? Das histologische
Bild gab auf die Frage der Histogenese keine Antwort.
Die eigenartigen, für die Geschwulst überaus charakteristischen
syneytialen Zellverbände ließen natürlich an ein — überaus seltenes
— Chorionepitheliom denken. Aber ganz abgesehen davon, daß
sonst keinerlei Anzeichen für einen an anderer Stelle bestehenden
Tumor vorhanden waren, daß die Hoden intakt waren, fehlten doch
auch den Tumorzellen selbst wichtige für das Chorionepitheliom
charakteristische Merkmale so z. B. der Fettgehalt und die gewöhn-
lich zahlreichen Mitosen. Das makroskopische Aussehen konnte
sodann noch an ein Hypernephrom erinnern. Die Metastase eines
Hypernephroms war jedoch, da Zeichen einer solchen Primärgeschwulst
nicht nachweisbar waren, da die Nieren normal funktionierten, aus-
geschlossen. Auch die Annahme einer kleinen primären, allerdings
ganz atypisch gebauten Geschwulst eines nicht gar so selten im
Becken (bes. am Ovarium) nachweisbaren versprengten Nebennieren-
keimes, mußte fallen gelassen werden, da sich Fettsubstanzen nir-
gends in der Geschwulst nachweisen ließen.
Einzelne Partien der Geschwulst entsprachen den Befunden bei
den als Lymphgefäß-Endotheliomen beschriebenen Bildern. Aber
ganz abgesehen davon, daß diese scheinbare Übereinstimmung eigent-
lich nur oberflächlicher Natur war, nur bei schwächerer Vergröße-
Über einen Fall von malignem Tumor der Blase von syncytialem Bau. 275
rung auffiel und nur für kleine Teile der Geschwulst in Betracht
kam, hätte diese Bezeichung des Tumors über die Genese der Zellen
noch keinerlei Aufschluß gegeben. Der Ausgangspunkt der in den
Lymphspalten wuchernden Zellen wäre damit noch keineswegs be-
zeichnet.
So ergab also die histologische Untersuchung nur, daß es sich
um einen ganz atypisch gebauten, eigenartigen Tumor handelte mit
syncytialer Anordnung der Zellen, der sich in die Reihe der be-
kannten Tumoren, was die Histogenese betraf, nicht einreihen ließ.
Fig. 5.
Einzeln liegende Zellnester in bindegewebigem Siroma. Variabilität der Kern-
form und Kernmenge. Protoplasmafortsätze der Zellen.
Für die klinische Beurteilung des Falles, die Prognose, war
natürlich die Frage der Malignität von größter Wichtigkeit, ganz
abgesehen davon, daß sie auch bei dem eigenartigen histologischen
Befund besonders pathologisch-anatomisches Interesse bot.
Schon der makroskopische Befund, das Durchwachsen der
Schleimhaut, die Metastasen ähnliche Anordnung der kleinen
Knoten in der Umgebung des Haupttumors ließen an ein malignes
Wachstum denken; jedenfalls konnte zunächst ein solches nicht aus-
geschlossen werden.
- el. 7 L'æ Bu MS. -.0 Bu € SA Ss Bauen. is 7m
276 Blecher und Martius, Über einen Fall von malignem Tumor usw.
Die Deutung der mikroskopischen Bilder ließ dagegen an der
Malignität der Geschwulst nicht zweifeln.
Der Tumor war nicht auf die Submukosa beschränkt geblieben,
sondern war bis in die Muskularis infiltrativ vorgedrungen und hatte
diese teilweise zerstört. Vor allem aber war es der ganze histolo-
gische Bau der Geschwulst, die Atypie der Zellwucherung, die un-
bedingt für Malignität sprach, vor allem die eigenartige Anordnung
der Zellen zu syncytialen Verbänden, die Lagerung dieser Zellver-
bände zu einzelnen Nestern, Strängen oder in medullärer Form, die
Atypie der Zellformen selbst und die große Variabilität der Kerne
mit ihrer Neigung zu ganz irrrgulärem abnormen Wachstum.
So mußte also die pathologisch-anatomische Diagnose auf eine
ganz atypisch gebaute, aber zweifellos maligne Geschwulst gestellt
werden, über deren Histogenese aus dem makroskopischen Befund
kein Aufschluß erhoben werden konnte.
Klinisch bemerkenswert war zunächst der Sitz des Tumors an
der vorderen oberen Blasenwand. Der Lieblingssitz der malignen
Tumoren ist ja der Blasenboden uud da dieser bei der ersten Unter-
suchung sich frei zeigte und eine renale Quelle der Blutung nicht
festgestellt werden konnte, mußte die Frage nach ihrem Ursprung
zunächst offen bleiben. Erst als die Blutung sich wiederholte, ergab
die Absuchung auch der vorderen Blasenwand den Tumor und damit
erst die Möglichkeit einer rationellen Behandlung. Wenn man ferner
annimmt, daß der Urin selbst bei der Entstehung und Lokalisation
von Blasengeschwülsten eine gewisse Rolle spielt, kann man aus
diesem Sitz vielleicht auch schließen, daß der Tumor nicht, wie z. P
viele Karzinome mechanischen oder chemischen Reizen des Urins,
sondern, worauf ja auch der anatomische Bau hinweist, eher
embryonaler Keimverlagerung seine Entstehung verdankt.
Im Gegensatz zu der zunächst klinisch vor der Operation an-
genommenen und der pathologisch-anatomisch völlig bestätigten
Malignität steht nun der weitere Verlauf in unserem Fall; trotzdem
die Exstirpation — nach mikroskopischem Befund — hart an der
Grenze des Erkrankten ausgeführt worden ist, ist nach einem Jahr
der Kranke rezidivfrei. Wenn natürlich auch die Frist für eine
Dauerheilung zu gering ist, so ist sie doch wohl, da bei malignen
Biasentumoren das Rezidiv meist im Laufe des ersten Jahres ein-
zutreten pflegt, im hohen Grade wahrscheinlich.
Aus der chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg.
(Direktor: Prof. Dr. Max Wilms.)
Beitrag zur Chirurgie der Prostataatrophie.
Von
Oberarzt Dr. Hans L. Posner,
kommandiert zur Klinik.
Es ist eine merkwürdige Erfahrung, daß zwei scheinbar völlig
entgegengesetzte Erkrankungsformen der Prostata, die sogenannte
Hypertrophie und die Atrophie, die gleichen oder sehr ähn-
liche Erscheinungen auszulösen vermögen. In ausgesprochenen Fällen
ist die Entscheidung oft nur von dem lokalen Befund abhängig, und
finden wir statt der erwarteten Hypertrophie eine Verkümmerung
des Organs, so pflegen wir durch die Bezeichnung „Prostatiker
ohne Prostata“ gleichsam eine Rechtfertigung unserer Diagnose
zu versuchen.
Prostataatrophie an sich ist kein seltener Befund — wenig-
stens nach anatomischen Statistiken. Relativ selten aber wird sie
zu einem Leiden, daß den Patienten zum Arzt führt, noch seltener
zum Chirurgen. Die Störungen in der Blasenfunktion werden, da
ja ein sie erklärender örtlicher Befund — Striktur, Prostatahyper-
trophie, Blasentumor, Stein u. a. — fehlt, als nervös- aufgefaßt und
dementsprechend, wohl nutzlos, behandelt. Aber auch, wenn die
Diagnose gestellt war, begnügte man sich meist mit konservativen
therapeutischen Versuchen — Dehnungen, Faradisation —,
und erst Barth hat jüngst, wenigstens von deutschen Chirurgen,
den Vorschlag gemacht, auch in solchen Fällen die Prostatek-
tomie auszuführen, und zwei Patienten so geheilt.
Für die Behandlung der Prostatahypertrophie dürfte mit dem
Fortschreiten unserer operativen Erfahrung und Technik die Pro-
statektomie immer mehr die Methode der Wahl werden. Bei den
durch Atrophie verursachten Zuständen erscheint dies zweifelhaft,
schon deshalb, weil es sich hier nicht um ein ätiologisches Mo-
ment handelt, sondern um eine ganze Reihe; Burckhardt zählt
5 verschiedene, völlig getrennte Entstehungsursachen auf! Barth
meint übrigens selbst, daß seine Methode hauptsächlich für die auf
Zeitschrift für Urologie. 1913. 19
mp ge "We e mp Eer ` meng
8 ` ët e So — gt me be "wm
278 Hans L. Posner.
chronisch-entzündlicher und seniler Basis beruhenden Formen
angezeigt ist.
Der Zufall will es, daß unter den 4, im Verlauf der letzten
3 Jahre an der Heidelberger chirurgischen Klinik von Wilms
wegen Atrophie operierten Patienten, die Ätiologie jedesmal eine
andere ist; und da unsere Erfahrungen über die Erfolge des opera-
tiven Vorgehens noch sehr; gering sind — nach Barth hat Kümmell
vier und Süßenguth einen operativ geheilten Fall veröffentlicht —,
so rechtfertigt sich wohl eine kurze Mitteilung.
Die beiden ersten Fälle entsprechen dem Indikationsvorschlag
Barths, und zwar handelte es sich das eine Mal um einen ent-
zündlichen, das andere Mal um einen Prozeß der senilen In-
volution.
Journ.-Nr. 1136/12. 5ljähriger Bierbrauer.
Vor 25 Jahren Gonorrhoe. Seit 5 Jahren Brennen in der Harnröhre beim
Wasserlassen und Erschwerung der Miktion. Langsame, aber ständige Zunahme
der Beschwerden. In letzter Zeit erfolgt das Wasserlassen nur tropfenweise
und unter entsetzliichen Schmerzen; aber niemals völlige Retention. Die Unter-
suchung des sonst gesunden Mannes ergibt eire kleine, mäßig druckempfind-
liche, derbe Prostata, gut durchgängige Urethra und erweiterte, atonische
Blase mit cystitischer Reizung. Retention 600 cem. Da Dauerkatheter keine
Besserung bringt, Operation: Wilmssche Schnittführung zur perinealen
Prostatektomie. Prostata klein und hart, Sie läßt sich nicht aus-
schälen, und es gelingt nur schwer, sie scharf und stumpf stückweise zu ent-
fernen. Eröffnung der Blase, Einführung eines Drains in diese und Verkleine-
rung der Wunde. Mikroskopisch: Entzündliche Infiltration um die spärlichen
Drüsenschläuche. — Pat. wurde am 80. Tage in gutem Zustand, für mehrere
Stunden kontinent und ohne Retention, entlassen.
Journ.-Nr. 3493/12. 6ljähriger Steueraufseher.
Angeblich immer gesund gewesen. Seit einigen Jahren geht der Urin
nicht mehr wie sonst, aber erst seit 4 Wochen erhebliche Verschlecliterung.
Manchmal entleeren sich nur Tropfen, die dann sehr stark brennen. Nach be-
endeter Miktion fehlt das Gefühl der völligen Entleerung. Vor 4 Tagen plötz-
lich völlige Retention, die Katheterismus erforderte. — Ausgedehnte Arte-
riosklerose der peripheren Gefäße. Lokal: Prostata eıscheint nicht vergrößeıt,
liegt der Harnröhre flach auf und ist nicht druckempfindlich. Mit Nelaton-
katheter gelingt es nicht, die Pars prostatica zu entrieren, erst mit Metall-
instrument. Im Urin viel Leukocyten, vereinzelte Zylinder. Albumen plus. —
Bei der Operation — perineale Prostatektomie nach Wilms — gelingt
es, wenn auch nicht leicht, die kleine, harte Prostata aus ihrer sehr derben,
schwartigen Kapsel zu enukleieren. — Glatter Verlauf. Geheilt mit mehr-
stündiger Kontinenz, ohne Retention am 26. Tage entlassen.
In unserem 3. Falle müssen wir, mangels irgendeiner Ätiologie,
die Atrophie als Erkrankung sui generis auffassen.
are a
Beitrag zur Chirurgie der Prostataatrophie. 279
Joorn.-Nr. 2332/10. 45jähriger Tagelöhner.
Seit dem 30. Lebensjahr Beschwerden beim Harnlassen, in anfallsweise
auftretenden Retentionen bestehend. Oft jahrelange Pausen. Allmählich häufen
sich die Anfälle und werden schwerer. Öftmalige Katheterbehandlung nötig.
Im März und April 1910, dann wieder vor der Aufnahme bei uns auf der
hiesigen medizinischen Klinik behandelt. Außer den Harnbeschwerden bestehen
uoch geringe Gehstörungen — leichte Ermüdbarkeit, die aber nach neurolo-
eischer Beurteilung nicht auf einer Erkrankung des nervösen Zentralapparates
etwa multiple Sklerose, Tabes usw.) beruhen. — Aufnahmebefund: Mäßig
kräftiger Mann. Innere Organe o. B. Nervensystem o. B. Syndaktylie —
operiert — des II. und IV. Fingers beiderseits. Lokalbefund: Völlige Re-
tentio urinae. Pıostata sehr klein, derb. Samenblasengegend (?) rechts etwas
drackempfindlich. Kystoskopie: Starke Injektion der Gefäße. Ausbuchtung
der hinteren Blasenwand nach dem Douglas zu. Schleimhaut teilweise
shmierie belegt. An den Ureterenüffnungen niclts Pathologisches. Urinsekre-
tion Wbds. normal. — Nach sechswöchentlicher völlig nutzloser Katheter-
behandlung Operation: Hypogastrischer Medianschnitt. Quere
Kerbung der Recti. Eröffnung der stark dilatierten Blase. Kein eigent-
liches Divertikel, nur die schon kystoskopisch gesehene Ausbuchtung nach
hinten. Prostata wöll,t sich sehr wenig vor. Nach Inzision der Schleimhaut
sturpfe Ausschälung der etwas über kirschgroßen harten Prostata. Spülung
der Blase. Drain. Verkleinerung der Wunde durch in Etagen angelegte Nähte.
— Mikroskop: Keine Zeichen für Tuberkulose oder Karzinom, nur „zirrho-
tische“ Veränderungen. — Heilverlauf durch Orchitis erheblich verlangsamt.
Nach 4!/, Wochen spontane Miktion. Bei der Entlassung ist die Blasenfunktion
schr gebessert, Spontane Entleerung in zweistündlichen Intervallen bis auf
‘0 ccm Restharn. Noch mäßige Cystitis.
Wenn uns nicht etwa die erwähnte Syndaktylie den freilich etwas
iernliegenden Gedanken diskutabel erscheinen läßt, daf es sich — trotz
des relativ späten Einsetzens der Erscheinungen — um eine Ent-
wicklungsanomalie auch der Prostata handeln könnte, so können wir,
wie betont, in diesem Fall kein ätiologisches Moment anführen.
Demgegenüber läßt unser letzter Fall so gut wie sicher eine Ent-
wicklungsstörung als Grund der Prostataatrophie annehmen.
Journ.-Nr. 8531/12. 54jähriger Weichenwärter.
Familienanamnese ohne Belang. Die Mutter erzählte dem Pat., daß schon
in der Kindheit der Harnstrahl immer schlecht gewesen wäre. Beim Militär
bemerkte er, daß die Miktion bei anderen viel rascher vor sich ging. Aber
erst mit 27 Jahren stellten sich, mehrere Wochen andauernde Beschwerden,
häufiger Harndrang, erschwerte Harnentleerung ein. Der Zustand besserte sich
wieder, mit dem 80. Jahr kam es zu neuen ähnlichen Attacken, die seitdem
immer unangenehmer wurden. Besonders störend war ein plötzliches, wie ab-
geschnittenes Aufhören des Urinstrahls. Pat. hat seit Jahren nie das
Gefühl, die Blase völlig entleert zu haben. Bisweilen absolute Retention. —
Potenz intakt, — Die Untersuchung der inneren Organe des kräftigen, gesund
aussehenden Mannes zeigte ebensowenig wie die des Nervensystems eine Ab-
19*
280 | Hans L. Posner.
weichung. Blase als kindskopfgroßer Tumor palpabel. Prostata klein, hart,
nicht deutlich abgrenzbar. Die ohne Schwierigkeiten gelingende Katheterisation
fördert 1200 ccm trüben Urins, der mikroskopisch massenhaft Leukocyten, wenig
Erythrocyten enthält. Albumen plus in mäßigen Mengen. — Wegen des ofı wie
„abgeschnittenen“ Urinstrahls wurde an Einklemmung eines Steines gedacht —
es sind ja genügend Fälle bekannt, in denen Patienten 30 und mehr Jahre einen
Blasenstein getragen haben — oder an einen gutartigen polypösen Tumor. Die
kystoskopische Untersuchung zeigte mit Sicherheit, daß weder ein Stein, noch
ein Tumor, noch auch ein Divertikel vorhanden war, durch welches unter Um-
ständen ähnliche Erscheinungen hervorgerufen werden könnten. Es fand sich
vielmehr unterhalb und zwischen den beiden stark prominenten Ureterenwülsten
eine querverlaufende hohe Schleimhautfalte, welche oft den Einblick in
den dahinterliegenden Blasenteil verschloß. Der Blasenhals war erheblich nach
hinten ausgebuchtet, eine Prostataprominenz nicht nachweisbar. — Operation:
Suprapubische Cystotomie. Senkrechte Durchquetschung und partielle Re-
scktion der Blasenfalte und einer von ihr median zum Orificium intern, führenden
niedrigen medianen Leiste, welche die Ausbuchtung vor der Falte noch in einen
rechten und linken Teil trennt. Die Atrophie der Prostata ist so erheblich, dab
es, selbst bei Vordrängen vom Rectum aus nicht gelingt, eine mit Sicherheit
als Prostata anzusprechende Resistenz abzugrenzen. An der Stelle des größten
Widerstandes Inzision der Schleimhaut und scharfe und stumpfe Entfernung
kleiner Gewebsstücke, die sich mikroskopisch als Prostatagewebe — sehr spärliche
Drüsenschläuche, Überwiegen des musculo-fibrösen Anteils — erwiesen. — Der
dauernde Erfolg unseres Vorgehens ist noch nicht abzusehen; Pat. ist erst vor
3 Wochen, allerdings mit erheblicher Besserung der Blasenfunktion —
fast völlige Entleerung, keine plötzlichen Retentionen mehr — entlassen worden.
Die Cystitis bestand ncch.
Es handelte sich also in diesem Falle um eine Klappen-
bildung am Blasenhalse, als Folge einer Blasenatonie, ver-
ursacht durch Prostataatrophie (Entwicklungsanomalie). Die Be-
handlung dieses Zustandes mit blutiger Durchtrennung der ventil-
artig verschließenden Klappe ist schon des öfteren (Trendelen-
burg, Eigenbrodt, Englisch, Poppert und Faller) und schon
vor 20 Jahren mit gutem Erfolge ausgeführt worden. Wir haben
überdies versucht, durch Entfernung der als erste Ursache anzu-
sehenden atrophischen Prostata das Grundleiden zu bekämpfen —
inwieweit mit dauerndem Erfolg, muß noch: die Zukunft zeigen. —
Die mitgeteilten Fälle geben ein kleines Bild von der Mannig-
faltigkeit der durch Prostataatrophie hervorgerufenen Störungen.
Das Wesen dieser Atrophie beruht wohl darin, daß sich im An-
schluß an verschiedenartige, z. T. erwähnte Vorgänge — Wachs-
tumsanomalien, Schrumpfung nach entzündlichen Prozessen, seniler
Involution u. a. — eine Veränderung in der Architektur des musku-
lären Anteils der Prostata — des M. sphinkter int. — bildet. Daraus
Beitrag zur Chirurgie der Prostataatrophie. 281
resultiert entweder, wie von verschiedenen Autoren beschrieben,
eine pathologische Erschlaffung oder ein chronischer Kontraktions-
zustand — Inkontinenz oder Retention. Nicht selten soll der erstere
Zustand in den letzteren übergehen. Wann wir berechtigt sind,
von einem konservativen Vorgehen abzusehen und die von Barth
inaugurierte Ektomie auszuführen, muß noch die Erfahrung lehren.
In chirurgische Behandlung kommen die Pat. wohl meist in dem
Zustand der Retention, und dann scheint schon heute die Radikal-
operation gerechtfertigt. Daß sie technisch nicht so leicht aus-
führbar ist, wie die Ausschälung bei der Prostatahypertrophie liegt
auf der Hand. Ob man suprapubisch oder perineal vorgehen soll,
muß dem Geschmack und der Übung des einzelnen Operateurs über-
lassen werden. Es empfiehlt sich ein suprapubischer Schnitt wohl
aus dem Grunde mehr, als man sich dann über das Vorhandensein
einer Klappenbildung eher orientieren kann. Jedenfalls erscheint,
wie dies auch Kümmell betont, mangels des Nutzens konservativer
Therapie ein Weiterschreiten auf dem operativen Wege geboten.
Literatur.
Ausführliche Literatur bis 1909 bei Frisch, Krankheiten der Prostata.
Wien 1910.
Ferner: Barth, Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie
1911. S. 233.
Süßenguth, Deutsche med. Wochenschr. 1912, Nr. 24.
Kümmell, ebenda 1912, Nr. 33.
Blasengeschwülste
bei Arbeitern in Anilinfabriken.”
Von
Dr. Arthur Lewin.
Seit Rehn im Jahre 1895 die ersten drei Fälle von Blasen-
tumor bei Fuchsinarbeitern veröffentlicht hat, hat dieses Erkrankungs-
gebiet das Interesse der Urologen und Pathologen in hervorragender
Weise in Anspruch genommen. War es doch bei den mangelhaften
Fortschritten, die wir in bezug auf die Ätiologie der Krebskrankheit
gemacht haben, vielleicht möglich, durch die Bearbeitung dieser
Erkrankung der Erforschung der Ursache näher zu kommen, da es
doch heute feststeht, daß die Reize, gleichviel, ob sie mechanischer
Natur wie beim Trauma oder physikalischer wie beim Röntgenkrebs
oder chemischer Natur wie beim Anilin-Arbeiter-Krebs, fraglos eine
große Rolle spielen, und die Ribbertsche Hypothese, daß durch
die Reize Entzündungen im subepithelialen Gewebe entstehen, die
diese Gewebe so verändern, daß ihr sonst wirksamer Widerstand
gegen das Wachstum der Epithelzellen aufhört, hat mancherlei
für sich.
Was die chemischen Reize anbetrifft, so haben besonders die
neueren experimentellen Arbeiten von B. Fischer, Stöber u. a.
welche bei Kaninchen durch Injektion verschiedener chemischer
Substanzen (Scharlachrot, Skatol usw.) ausgedehnte Epithelwuche-
rungen erzeugt haben, durch C. Lewin ihre Bestätigung erhalten.)
Was nun unser eigentliches Thema anbetrifft, so liegen zurzeit
41 Beobachtungen über Tumoren bei Anilinarbeitern vor, wobei die
33 Fälle aus der Sammelstatistik von Rehn aus dem Jahre 1906
mitgezählt sind; von den übrigen Autoren, die sich mit dieser Frage
beschäftigt resp. Fälle veröffentlicht haben, nenne ich Leichen-
stern, Wendel, Posner, Strauß, Bardenheuer, Schedler,
1) Vorgetragen in der Berl. urol. Gesellschaft am 28. I. 1913.
?) Klemperer, Georg, Der jetzige Stand der Krebsforschung. Referat
in der Generalvers. d. D. Zentralkom. f. Krebsforschung 1912.
Blasengeschwülste bei Arbeitern in Anilinfabriken. 283
Seyberth. In einer vor kurzem erschienenen Arbeit von Leuen-
berger?) berichtete Autor über 18 neue Fälle aus der Chirurgischen
Klinik und dem Pathologischen Institut zu Basel; diese Arbeit
zeichnet sich durch sorgsamste Beobachtung der klinischen und
anatomischen Befunde aus und berücksichtigt die gesamte Literatur;
L. betont die neue Tatsache, daß nicht nur die Arbeiter, die Anilin-
farbe herstellen, sondern auch diejenigen, die dieselben anwenden,
häufig von Tumorbildung des uropoetischen Systems befallen werden.
L. hat auch durch umfangreiche Statistiken unter Benutzung der
Sanitätsberichte des Physikus Dr. Aemmer in Basel aus den
Jahren 1901—1910 festgestellt, daß unter den Anilinarbeitern die
Todesfälle an Blasentumoren 33 mal häufiger sind als unter der
übrigen männlichen Bevölkerung; auch aus einer sehr interessanten
Sammelstatistik der chirurgischen Klinik in Basel ergibt sich, daß
mehr als die Hälfte der in der chirurgischen Klinik im Verlaufe
eines halben Jahrhunderts bei den männlichen Patienten beobachteten
Blasentumoren Anilinarbeitern und Tuchfärbern angehörte, wobei
noch zu berücksichtigen ist, daß sicherlich in der vorcystoskopischen
Zeit so mancher Blasentumor nicht diagnostiziert wurde. In der-
selben Klinik wurde festgestellt, daß die Häufigkeit der Blasen-
tumoren in den Jahren 1901—1910 im Vergleich zu den übrigen
Tumoren 2,8°,, betrage, während Gurlt in seiner großen Tumor-
statistik für die Blasengeschwülste 0,39°/,, Küster an dem kli-
nischen Material des Augusta-Hospitals 0,76°/, und unter Benutzung
des poliklinischen Materials 0,25°/, angibt; also auch hier wieder
eine auffallende Steigerung der Blasentumoren in der Nähe von
Industriezentren, die viele Anilinarbeiter liefern; allerdings liegen
auch Statistiken von Ultzmann mit 3,2%, und Albarran mit
3,9°/, für Blasentumoren vor.
Ich übergehe die chemische Ätiologie der Tumorbildungen auf
andern Gebieten, wie durch !Arsenik, Ruß, Paraffin, Petroleum
Teer usw., und möchte hier nur darauf hinweisen, daß auch der
Anilinindustrie eine große Reibe von Stoffen als ätiologisch in Be-
tracht kommend angesehen wird, daß aber die hauptsächlich in
Frage kommenden Substanzen, Anilin, Toluidin und Naphthylamin,
nach Leuenberger das gemeinsame haben, daß sie hydroxylierte
aromatische Amidoverbindungen sind, die viele Jahre und Jahr-
1) Leuenberger, Die unter dem Einfluß der synthetischen Farbenindustrie
beobachtete Geschwulstentwicklung (v. Bruns Beitr. z. klin. Chir., Sept. 1912).
‚Hier ausf. Literaturangaben.)
284 Arthur Lewin.
zehnte auf die Patienten eingewirkt haben. Nur der Fall von
Posner, der einen Blasentumor bei einem Naphtholarbeiter beob-
achtet, macht eine Ausnahme, und Leuenberger nimmt wohl mit
Recht an, daß bei dem betreffenden Arbeiter das Naphthol zu einem
schädlichen Produkte — Naphthylamin — verarbeitet wurde, das
Naphthol selbst aber harmlos war.
Auch der Frage, warum bei den Anilinarbeitern der Ausgangs-
punkt in so besonders häufiger Weise das uropoetische System ist,
tritt L. näher und erklärt dieses auffallende Phänomen dadurch,
daß die Substanzen im Körper verändert und durch das uropoetische
System konzentriert ausgeschieden werden bei einer Oxydationsstufe,
bei der die tumorerregende Wirksamkeit aus der chemischen Kon-
stitution heraus in Erscheinung tritt; welcher Art diese chemischen
Stoffe sind, wissen wir nicht, wie ja auch der Versuch einer ex-
perimentellen Lösung dieser Frage, wie sie von Posner und
Huldschiner in Angriff genommen, kein brauchbares Resultat er-
geben hat. Für die Anilinverbindungen ist ein solch gesetzmäßiger
Abbau im Organismus durch Schmideberg u. a. nachgewiesen.
Ich berichte nur kurz über den von mir beobachteten Fall.
F., 49 Jahre alt, stets gesund gewesen, arbeitet seit über
25 Jahren in einer ÄAnilinfabrik, hereditär nicht belastet, 4 Kinder
gesund. Bis vor 6 Jahren, d.h. also über 19 Jahre, war Patient
bei der Fabrikation von Benzol, Toluol, Anilin beschäftigt, aber
niemals im sogenannten Schmelzraum. Seit 6 Jahren hat er mit
Anilinverarbeitung nichts mehr zu tun. Die hygienischen Vor-
schriften werden in der betreffenden Fabrik, die zirka 400 Arbeiter
beschäftigt, streng befolgt (tägliches Bad und geschlossene Arbeits-
anzüge, Ventilation). Patient erinnert sich aus seiner langjährigen
Dienstzeit in der betreffenden Fabrik an 8 Fälle, die unter ähnlichen
Erscheinungen wie er selbst litten. Davon wurden 4 ohne ärztliche
Behandlung: wieder gesund; die anderen 4 starben. 2 von ihnen
wurden operiert, 2 nicht. Die beiden Operierten waren im soge-
nannten Schmelzraum tätig, die beiden Nichtoperierten arbeiteten im
selben Raum wie mein Patient und hatten vor 10 Jahren mit der Anilin-
fabrikation zu tun. Von etwa 12 Patienten gibt F. an, daß sie vorüber-
gehend Blutharnen gehabt haben, aber wieder völlig genesen sind.
Bei meinem Patienten begannen die Beschwerden: erhöhte
Harnfrequenz, Blutharnen im Juni d. J.; die Frequenz war nachts
zweimal, tags drei- bis viermal. Patient suchte ärztliche Hilfe auf und
wurde mir von dem Kollegen am 5. August 1912 überwiesen. Ich
Blasengeschwülste beï Arbeitern in Anilinfabriken. 285
fand einen hochgewachsenen, sehr anämischen Mann, Haut und
Schleimhäute auffallend blaß. Harnmenge 1200 von blutiger, dunkler
Farbe. Albumen von geringer Menge, dem Blutgehalt entsprechend.
Sediment rote Blutkörperchen, keine Tumorzellen. Temperatur nor-
mal. An den sonstigen Organen nichts Pathologisches nachweisbar,
insbesondere keine Drüsenschwellungen usw. Gewicht 160 Pfd. bei
der Aufnahme; 7 Wochen später 140 Pfd., also 20 Pfd. Abnahme
in 7 Wochen. Puls normal, regelmäßig. Cystoskopie am 5. Au-
gust 1912 ergab: einen großen infiltrierten Tumor, der den größten
Teil der oberen Blasenwand einnahm und sich nach rechts und links
über die seitliche Mittellinie hinaus erstreckte. Der Tumor nimmt
den größten Teil des Orificium internum ein und geht zum Teil in
die ‚Urethra über. An der Grenze des Tumors bulböses Ödem,
beide Ureteren sind frei, per rectum nichts Abnormes, Prostata normal.
Da der Fall wegen des Freiseins der Ureteren trotz seiner
Ausdehnung doch noch gewisse operative Chancen gab, so wurde
am 23. Oktober die Blase freigelegt; leider zeigten sich dabei um-
fangreiche Drüsenschwellungen bis hoch in die Iliacalgefäße hinauf,
die freigelegte vordere Blasenwand war in eine brettharte infiltrierende
Masse verwandelt. Bei diesem Status wurde von einer Öffnung der
Blase abgesehen.
28. September 1912 cystoskopische Kontrolle. Das Tumorbild
dasselbe wie oben beschrieben. Im Vertex der Blase eine kleine
walnußgroße Erhebung, die nicht im Zusammenhang steht mit den
anderen Tumormassen und wahrscheinlich als eine Metastase zu
deuten ist. —
Dieser Fall schließt sich also auch klinisch den bisher in der
Literatur festgelegten Fällen an. Er erweist sich als besonders
malign; Hämaturie und Dysurie sind die ersten klinischen Zeichen,
schnelles Wachstum innerhalb von 4 Monaten, allgemeine Kachexie.
Auch in bezug auf den Umstand, daß auch in meinem Falle der
Blasentumor erst 6 Jahre später auftrat, nachdem der Patient
19 Jahre lang mit Anilin, Toluidin usw. zu tun gehabt hat, stimmt
dies mit fast allen Beobachtern überein, bei denen auch die Tumoren
immer erst nach vielen Jahren, ja sogar erst nach Jahrzehnten auf-
getreten sind. Ribbert sagt über den Röntgenkrebs: „Sehr be-
merkenswert ist es, daß der Tumor meist erst entsteht, wenn die
Rôutgenbehandlung schon lange aufgehört hat; es können Jahre
vergehen, ehe der Krebs sich entwickelt.“ Ebenso meint auch
Leuenberger auf Grund seiner außerordentlich exakten Unter-
286 Arthur Lewin, Blasengeschwälste bei Arbeitern in Anilinfabriken.
suchungen, daß sich die Blasentumoren bei Anilinarbeitern auf dem
Boden von präcancerösen Epithel- und Bindegewebsveränderungen
oft lange Jahre nach dem Aufhören der Einwirkung des chemischen
Reizes entwickeln, ähnlich wie die Dermatitis unter dem Einfluß
der Röntgenstrahlen eine Vorstufe des nachfolgenden Krebses ist.J—
Was die mikr. Diagnose der vorliegenden Tumorfälle anbetrifft,
so kommen nach der Zusammenstellung von Leuenberger von den
59 Fällen vor: 1. Papillome und Fibrome 15
2. Karzinome 28
3. Sarkome 2
4. Karzinome und Sarkome 1
5. Karzinom der Niere 3
6. unbestimmter Charakter 10.
Was über die operativen Resultate vorliegt, ist im allgemeinen
recht ungünstig und spricht für die Bösartigkeit der Fälle. Aus
dem Leuenbergerschen Material wurden 14 operiert, von denen
6 leben; davon waren aber 4 Papillome, so daß nur 2 Karzinom-
fälle der Blase durch Operation zur Heilung kamen. Aber auch
hier kann man bei der Kürze der Zeit, 1—1!/, Jahre post opera-
tionem, von keinem Dauerresultat sprechen.
Aus der Inneren Abteilung des Jüdischen Krankenhauses zu Berlin.
Zur Prognosenstellung bei N ephritiden.)
Von
Prof. H. Straub.
Die Prognose der chronischen Nephritiden ist auch in vorge-
schrittenem Stadium in vielen Fällen eine recht schwierige. Neben
Fällen, in welchen der klinische Befund genügend Anhaltspunkte
gibt, um mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Prognose zu
stellen, gibt es eine nicht geringe Anzahl von Fällen, bei welchen es
nicht möglich ist, trotz des Vorhandenseins zahlreicher Störungen, die
prognostisch verwertet werden können, ein exaktes Urteil zu ge-
winnen. Es ist deshalb auf dem vorliegenden Gebiete eine Ver-
mehrung der zur Stellung einer Prognose verwendbaren Kriterien
dringend erwünscht. Bis zu welchem Grade dies der Fall ist, zeigt
das Interesse, welches die verschiedenen Funktionsprüfungen gefun-
den haben. Soweit die innere Medizin in Frage kommt — und
nur von dieser spreche ich hier — hat man sich für diesen Zweck
eine Zeitlang von der kryoskopischen Untersuchung des Blutes viel
versprochen, doch sind die seinerzeit gehegten Erwartungen leider
nicht entsprechend erfüllt worden. Die Idee, für Suffizienzprüfungen
die Untersuchung des Blutes bzw. Blutserums der Untersuchung des
Harnes vorzuziehen, war aber prinzipiell richtig. Mit Recht er-
hoffte man von einem Studium der Retentionen im Blute einen
Fortschritt. So hat sich für einen speziellen Zweck auch die
refraktometrische Untersuchung des Blutserums his zu einem ge-
wissen Grade bewährt, die ich seinerzeit zum Studium der Wasser-
retention in den Säften empfohlen habe.”) Weiterhin ist unter dem
gleichen Gesichtspunkt auch auf die Retentionen von stickstoff-
haltigen Substanzen im Blute die Aufmerksamkeit gelenkt worden.
Über diesen Gegenstand habe ich vor mehr als einem Jahrzehnt
systematische Untersuchungen angestellt, indem ich das Verhalten
des „Reststickstoffes“ des Blutserums bei den verschiedensten Formen
der Nephritis und in den verschiedensten Stadien der Krankheit an
1) Vorgetragen in der Berl. urol. Gesellschaft am 28. I. 1913.
2) H. Strauß, Deutsche Med. Wochenschrift 1905, Nr. 2, und Zeitschr.
f. klin. Med. 1906, Bd. 60 u. a. a. O.
288 H. Strauß.
einem sehr großen Material studiert habe.!) Ich konnte damals
feststellen, daß der Gesunde einen Restickstoffgehalt von etwa 30 bis
40 mg in 100 cem Serum aufweist, während ich bei schweren Graden
von Niereninsuffizienz, so besonders bei Urämie, häufig sehr hohe
Werte — zuweilen über 200 mg — feststellen konnte. Auf Grund
dieser Befunde habe ich Beziehungen zwischen der Ansammlung
sehr großer Mengen stickstoffhaltiger Stoffwechselschlacken im Blute
und der Urämie angenommen und seit Abschluß der hier genannten
Untersuchungen in dem Befunde abnorm großer Mengen von Rest-
stickstoff stets ein bedrohliches Symptom gesehen. Bei der Erörte-
rung der Beziehungen zwischen Reststickstoff und Urämie hatte ich
stets den Begriff „Urämie* sehr weit gezogen und ihn nicht bloß
auf die Fälle von Krampfurämie begrenzt. Ich betone dies deshalb,
weil die Definition des Begriffes Urämie neuerdings wieder eingehend
diskutiert worden ist, und weil Stimmen laut geworden sind, die mit
Recht eine Revision des Begriffes Urämie gefordert haben. Ohne
hier in eine Diskussion dieser Frage eintreten zu wollen, glaube
ich, daß zum mindesten schon aus sprachlichen Gründen diejenigen
Fälle dem Begriff der Urämie zugesellt werden dürfen, bei welchen
eine Vermehrung der harppflichtigen Stoffe im Blute festgestellt
werden kann, und es fragt sich meines Erachtens nur, ob auch noch
andere Fälle in den Begriff Urämie mit einbezogen werden dürfen.
Wenn ich meine Krankengeschichten durchsehe, so sind allerdings
nicht alle Fälle von Nephritis, bei denen ich eine Erhöhung des
Reststickstoffgehaltes feststellen konnte, durch Krämpfe und Koma
ausgezeichnet gewesen, und es haben auch nicht alle Fälle von
Krampfurämie eine starke Erhöhung des Reststickstoffgehaltes im
Blute aufgewiesen.
Auch anderen Untersuchern ist es aufgefallen, daß in den
Finalperioden gewisser Formen von Nephritis häufig eine Vermehrung
sticktoffhaltiger Stoffwechselschlacken im Blute zu beobachten ist.
So sind meine Untersuchungen bezüglich des Reststickstoffgehaltes
von Mey?) an der Tübinger Klinik und von Hohlweg?) an der
Gießener Klinik bestätigt worden. Auch in einer neuerdings er-
schienenen Tabelle von Oszacki*) findet sich eine Bestätigung
1) H. Strauß, Die chron. Nierenentzündungen in ihrer Einwirkung auf
die Blutflüssigkeit. Berlin 1902, A. Hirschwald.
2») Mey, J. D., Tübingen 1908.
3) Hohlweg, Deutsches Archiv f. klin. Med. 1912, Bd. 106, H. 4.
4) Oszacki, Zentralblatt f. inn. Med. 1912, Nr. 47.
Zur Prognosenstellung bei Nephritiden. 289
meiner Angaben. Bezüglich des Harnstoffgehaltes hat Widal’)
mit seinen Schülern ähnliches feststellen können. Es ist deshalb
von den genannten Autoren empfohlen worden, Bestimmungen des
Reststickstoffgehaltes bzw. Harnstofigehaltes des Blutserums zu pro-
gnostischen Zwecken auszuführen.
Da ich mich im Anschluß an meine früheren Untersuchungen
von der prognostisch ominösen Bedeutung von sehr hohen Werten
des Reststickstoffs überzeugt habe, so habe ich — wie gesagt —
schon seit mehr als einem Jahrzehnt in sehr hohen Werten für den
Reststickstoff stets ein signum mali ominis gesehen, und ich habe schon
seit langem nach einer Methode gesucht, die mit geringen Mengen
von Blut eine exakte Untersuchung des Reststickstoffgehaltes er-
möglichtt. Meine schon vor Jahren nach dieser Richtung begonnenen
Untersuchungen wurden aus äußeren Gründen unterbrochen, und
es ist mir erst in der letzten Zeit gelungen, eine Methode auszu-
arbeiten, welche es gestattet, mit geringen Blutmengen, d. h. mit
ca. 12—15 ccm Blut, eine genaue Reststickstoffuntersuchung aus-
zuführen. Die Schwierigkeiten lagen bei meinen Untersuchungen
fast immer darin, daß es mir außerordentlich schwer wurde, eine
Methode zu finden, bei welcher die Enteiweißung des Blutes mit
ausreichender Exaktheit gelang. Erst als ich eine von Folin?)
empfohlene Enteiweißungsmethode benutzte, glaube ich dem Ziel
nahegekommen zu sein, und ich möchte hier kurz über das Vor-
gehen berichten, das ich für den vorliegenden Zweck ausgearbeitet habe.
Man füllt in ein auf 50 ccm eingestelltes Kölbchen 20 ccm
azetonfreien Methylalkohol und läßt tropfenweise 5 ccm Blutserum
zufließen. Alsdann füllt man bis zur Marke 50 mit Methylalkohol
auf, läßt 2 Stunden stehen, filtriert durch ein trocknes Filter, setzt
dem Filtrat 3—4 Tropfen 10°/,ige alkoholische Chlorzinklösung zu,
läßt stehen, bis sich ein flockiger Niederschlag abgesetzt hat, und
filtriert wieder durch ein trocknes Filter. Von dem Filtrat nimmt
man 30 ccm, läßt den Methylalkohol auf dem Wasserbad abdampfen,
nimmt den Rest in wenig Wasser auf und macht eine Stickstoff-
bestimmung nach Kjeldahl.
Diese Methode verlangt allerdings Exaktheit des Arbeitens, und
ich habe deshalb da, wo es Era angängig war, Doppelbe-
1) Widal und Javal, Semaine médicale 1904 u. a. a. O.
2) Folin, Journ. of biol. chem., Bd. 11, S. 527—536. Ref. in Zentralbl.
f. d. ges. inn. Med., Bd. II, S. 638.
290 H. Strauß.
stimmungen ausführen lassen. Meistens haben diese eine gute Über-
einstimmung gezeigt.
Wenn ich die Methode hier publiziere, so tue ich es deshalb,
weil es mir für die Beurteilung der hier zur Erörterung stehenden
Frage wichtig erscheint, nicht bloß den im Harnstoff vorhandenen
Stickstoff, sondern den Gesamtstickstoff zu bestimmen. Daß hier
kein absoluter Parallelismus besteht, hat sich schon in früheren Unter-
suchungen von mir gezeigt und wird neuerdings auch von Foster!)
betont. Weiterhin scheint mir eine große Zahl der für die quantitative
Harnstoffbestimmung vorhandenen Methoden nicht absolut exakt zu
sein, insbesondere, wenn es sich um die Verwendung von geringen
Mengen von Ausgangsmaterial handelt.) Man könnte auch daran
denken, der Gefrierpunktserniedrigung des Blutserums als einer ein-
facheren Methode den Vorzug zu geben, da die durch die Gefrier-
punktsbestimmung gewonnenen Werte vorzugsweise durch die An-
sammlung organischer Moleküle beeinflußt werden. Ich habe deshalb
eine Reihe von Untersuchungen zusammengestellt, aber keinen durch-
greifenden Parallelismus gefunden, so daß ich auch hier der che
mischen Untersuchung den Vortritt vor der physikalisch-chemischen
geben muß.
Tabelle I.
Reststickstoff Gefrierpunkts-
mg in 100 cem erniedrigung
112 0,620
70 0,59
57 0,54
112 0,58°
163 | 0,619
100 | 0,55°
94 0,600
142 | 0,499
100 0,569
100 0,579
71 0,579
95 0,600
116 0,579
141 0,600
188 | 0,619
243 | 0,679
Die hier mitgeteilte Methode ist relativ einfach, und es braucht
das zur Untersuchung notwendige Blut gar nicht einmal durch
1) Foster, Zentralbl. f. d. ges. inn. Med., Bd. IV, H. 6, S. 498.
2) Die neue von Folin angegebene Methode, die aber eine ganz spezielle
Einrichtung erfordert, scheint mir für derartige Untersuchungen noch am
meisten geeignet zu sein.
RE ON nf nt à
Zur Prognosenstellung bei Nephtritiden. 291
Venenpunktion gewonnen werden, sondern es kann das Blut auch
durch einen großen Schröpfkopf mit Aspirationsvorrichtung gewonnen
werden, wie er beispielsweise von Sormani zur Gewinnung von
Blut zur Wassermannreaktion angegeben ist.
Wenn ich die Untersuchung des Reststickstoffes im Blutserum
oder im Gesamtblut?!) zum Zwecke der Prognosestellung empfehle, so
muß ich auf Grund meiner durch lange Jahre gemachter Erfahrungen
vorausschicken, daß nur der positive Befund auf diese Eigenschaft
Anspruch machen darf. Denn erstens gibt es für den Nephritiker
auch noch andere Todesarten als die Urämie, und zweitens habe
ich selbst eine Reihe von Fällen von Urämie beobachtet, bei welchen
die Werte für den Reststickstoff nicht exorbitant hoch waren. Das
waren nicht bloß hydropische, sondern auch anhydropische Fälle
ron Urämie. Ich betone das letztere aus dem Grunde, weil ich
für die Beurteilung der Retentionsvorgänge der zuerst genannten
Fälle schon früher an verschiedenen Stellen auf die giftverdünnende
Wirkung der Hydropsie hingewiesen und durch refraktometrische
Untersuchungen des Blutserums schon vor Jahren Belege hierfür
beigebracht habe. Wie die Dinge praktisch liegen, zeigt sich am
besten, wenn ich hier einige aus den letzten Jahren gewonnene Be-
funde zusammenstelle.
Tabelle II.
Werte mit über 7ömg Reststickstoff.
d
i Reststickstoff Diagnose Verlauf
ze
À. Akute Nephr. (Syphilitica?), + nach 1 Tag.
rämie.
R. 194 „ Chron. interstit. Nephritis. + nach 15 Tagen.
B. | 190 „ Š 5 5 + nach 2 Tagen.
L ! 168, Sekundäre Schrumpfniere. + nach 2 Tagen.
M. 166 , Urämie, parenchymatöse + nach 2 Tagen.
Nephritis.
D. € 113, Übergangsform. + nach 5 Tagen.
T. 108 , Dekompens. Mitralstenose. + nach 3 Tagen.
Sch. | 100 „ Chron. interstit. Nephritis. | 7 Wochen später an inkom-
| plettem Darmverschluß +.
Sch. 99 „ ý 5 d + nach 1 Tag.
F. | 91 , e S : nach 3!/ Wochen gebessert
| entlassen.
UC i 18 , e = o + nach 5 Tagen.
1) Will man das Gesamtblut zur Bestimmung benutzen, so muß man durch
Zusatz einer geringen Menge von Natriumoxalat eine Gerinnung verhindern.
299 H. Strauß, Zur Diagnosenstellung bei Nephritiden.
Wenn ich meine sämtlichen Erfahrungen, die früheren und
neueren, über das Verhalten des Reststickstoffes zusammenfasse, so
kann ich mich über die prognostische Bedeutung des Reststickstoff-
gehaltes des Blutserums folgendermaßen äußern:
1. Bei Vorhandensein von sehr hohen Werten, d. h. von Werten
über 150 mg in 150 ccm Blutserum, ist die Prognose im allgemeinen
schlecht, d. h. es ist ein Exitus innerhalb von Wochen oder Monaten
oder früher zu erwarten.
2. Hohe Werte, d. h. Werte zwischen 75 und 100 mg, sind
im allgemeinen suspekt, doch ist die prognostische Bedeutung solcher
Werte zweifelhaft, d. h. jedenfalls weniger ominös als dies für sehr
hohe Werte zutrifit.
3. Niedrige Werte schließen das Auftreten von Urämie oder
sonstigen lebensbedrohlichen Komplikationen in keiner Weise aus.
4. Nach meinen eigenen Erfahrungen kommt die vorliegende
Untersuchungsmethode vorwiegend für die chronischen — insbeson-
dere hypertonischen — Nephritiden, namentlich für die Schrumpf-
nieren und weniger für die sogenannten chronischen parenchyma-
tösen Nephritiden und für die akuten Nephritiden in Frage. Daß
sie aber auch bei akuten Nephritiden einiges zu leisten vermag,
beweisen eigene und fremde Erfahrungen bei der Nephritis im Ver-
lauf der akuten Sublimatvergiftung mit tödlichem Ende.
5. In differential-diagnostischer Richtung haben mir sehr hohe
Werte für den Reststickstoffgehalt bei chronisch-interstitiellen Nephri-
tikern besondere Dienste geleistet, wenn es galt, ein Coma uraemicum
von einem Coma apoplecticum zu unterscheiden.
1) H. Strauß, Deutsches Archiv f. klin. Med. 1912, Bd. 106.
Literaturbericht.
I. Chemie und klin. Mikroskopie des Harns.
Kleine Beiträge zur Methodik der Harnuntersuchung. Von
Prof. Dr. Adolf Jolles in Wien. (Allgem. Wiener medizin, Ztg. 1912, Nr. 40.)
l. Eine empfindliche Probe zum Nachweis von Albumin im
Harne.
Verf. hat 1896 unter obigem Titel eine Methode publiziert, die sich
in der Praxis bewährt hat. Auf Grund langjähriger Erfahrungen aber
schlägt er folgende Modifikation vor: Im Reagens tritt an die Stelle der
Bernsteinsäure die billigere Zitronensäure, und der Chlornatriumgehalt
ist zweckmäßig auf das Doppelte zu erhöhen. Das Reagens hat nun also
folgende Zusammensetzung: Hydrarg. bichlor. corros. 10,00, Acidum ci-
tricum 20,00, Natrium chloratum 20,00, Aqua destillata 500,00. Bei
der Ausführung empfiehlt es sich häufig, statt der „2-Gläser-Probe“ eine
„3Gläser-Probe“ zu verwenden, weil man dann eher in der Lage ist, die
durch die Essigsäure bedingten Trübungsnuancen (Mucin, Nukleoalbumin
usw.) sicher zu differenzieren. Drei Eprouvetten werden je mit zirka
5cm? des filtrierten Harnes versetzt. In Eprouvette I und II fügt man
je lem? verdünnte Essigsäure (Acidum aceticum dilutum des Arznei-
buches, die 30°/, C H,O, enthält), außerdem zu Eprouvette I 5cm”
Eiweiß. Die Eprouvetten II und III werden mit destilliertem Wasser
bis zu gleicher Höhe aufgefüllt wie I. Man schüttelt alle drei Gläser
durch und vergleicht sie gegen einen dunklen Hintergruud (schwarzen
Karton oder dunkle Rückwand). Stellt man nun III zwischen I und II,
so ist ein Unterschied in der Trübungsnuance zwischen I und II wesent-
lich leichter zu erkennen. Man kann so quantitativ nicht bestimmbare
Albuminmengen zuverlässig in geringe Spuren, Spuren und deutliche Spu-
ren unterscheiden. Bei Gegenwart von Albumin neben Eiter ist I stärker
getrübt als II, doch empfiehlt es sich in diesem Falle die quantitative
Eiweißbestimmung anzusetzen. Nach diesem Verfahren lassen sich auch
geringe Spuren von Mucin und Nukleoalbumin im Vergleich mit III
leicht konstatieren. Zur Differenzierung von Mucin und Nukleoalbumin
ist es zweckmäßig, 11 mit destilliertem Wasser weiter zu verdünnen; eine
Zunahme der Trübung weist auf Nukleoalbumin hin. Alkalische Harne
sind vor Anstellung der Probe vorsichtig mit verdünnter Salpetersäure
schwach anzusäuern.
II. Über den Nachweis von Glukuronsäure in diabetischen
Harnen.
Zum Nachweis der gepaarten Glukuronsäure in diabetischen Harnen
sind bei Ausführung des von C. Tollens empfohlenen Verfahrens einige
Vorsichtsmaßregeln erforderlich. C. Tollens hat selbst in einigen Fällen
von Diabetes mellitus Glukuronsäure nicht nachweisen können, und Verf.
Zeitschrift für Urologie. 1913. 20
294 Chemie und klin. Mikroskopie des Harns.
und andere haben ähnliche Beobachtungen gemacht. Mit Rücksicht auf
die Bedeutung des Vorkommens von Glukuronsäure in diabetischen Harnen
schlägt Verf. zur Erhöhung der Empfindlichkeit der Tollensreaktion fol-
gendes Verfahren vor: 200 bis 400 cm? Harn werden mit Bleiazetat so
lange versetzt, bis kein Niederschlag mehr entsteht. Man läßt den Nieder-
schlag sich absetzen, filtriert die klare, über dem Niederschlage stehende
Lösung (1. Filtrat) und dekantiert drei- bis viermal mit je 400 cm?
Wasser. Das erste Filtrat wird mit Bleiessig so lange versetzt, bis kein
Niederschlag entsteht. Man läßt absetzen, filtriert und dekantiert den
Niederschlag ebenso drei- bis viermal, wie oben angegeben. Beide Nie-
derschläge werden in einem Becherglase vereinigt, mit wenig Wasser gut
verrührt, auf 66 bis 70°C erwärmt und Schwefelwasserstoff so lange
eingeleitet, bis alles Blei als Sulfid gefällt ist. Das Bleisulfid wird ab-
filtriert und das Filtrat auf dem Woasserbade auf zirka 20cm? ein-
geengt. Man läßt erkalten und führt mit 5cm? dieser . Lösung, ent-
sprechend 50 bis 100 cm® des ursprünglichen Harnes, die C. Tollenssche
Reaktion mit Naphtoresorcin aus.
IIJ. Über den Nachweis von Lävulose bei Gegenwart von
Dextrose im Harn.
Von den zahlreichen Modifikationen der Seliwanoffschen Reaktion
hat sich die von Königsfeld am besten bewährt. Die Konzentration
darf nicht mehr als 12 bis 12,5°/, HCI betragen, die Reaktion — Rot-
färbung, Trübung und Niederschlag — muß nach 20 bis 30 Sekunden
langem Kochen eingetreten sein. Auch die von J. modifizierte
Pechmannsche Reaktion gestattet, 0,1 Lävulose neben 4 bis 5°}, Dex-
trose in folgender Ausführung nachzuweisen: lcm°® des zehnfach ver-
dünnten Harnes versetzt man mit acht bis zehn Tropfen einer 20°} igen
alkoholischen Diphenylaminlösung und zirka l cm konzentrierter Salz-
säure und erhitzt die Probe zirka 50 Sekunden, und zwar von dem Mo-
mente an gerechnet, wo das Glas in die Flamme gebracht wird. Bei
Beginn des Siedens bringt man die Eprourvette an den Rand der Flamme
und erhält so den Inhalt im Kochen. Sowohl beim Arbeiten nach Se-
liwanoff, als auch nach Pechmann ist es aber angezeigt, einen
Normalharn mit dem gleichen Dextrosegehalt, der nach beiden Methoden
behandelt wurde, zum Vergleich heranzuziehen, wenn man 0,1°/, Lä-
vulose mit Sicherheit nachweisen will. Kr.
Kolorimetrische quantitative Albuminbestimmung. Von M.
Claudius. (Münchner med. Wochenschr, Nr. 41.)
Nach Untersuchungen verschiedener Autoren, auch des Verfassers,
soll die Esbachsche Methode zur quantitativen Eiweißbestimmung.sehr
ungenau sein, meist sollen ihre Werte gegenüber der Gewichtsanalyse zu
niedrig sein. Claudius hat eine Methode ausgebaut, die ähnlich wie
die Sahlische Hämoglobinbestimmung auf einer Vergleichung von Farb-
unterschieden beruht. Wenn man eine Albuminlôsung mit einer Flüssig-
keit fällt, die außer der fällenden Substanz noch Farbstoff enthält, be-
mächtigt sich das gefällte Albumin eines Teiles des Farbstoffes, und zwar
Chemie und klin. Maikroskopie des Harns. : 295
ist die Farbstoffabsorption gesetzmäßig abhängig von der Albuminmenge.
Das Prinzip der Claudiusschen Methode ist nun kolorimetrisch die
Farbstärke des Filtrates durch Vergleich mit einer Normallösung zu be-
stimmen, da diese Bestimmung infolge der eben erwähnten gesetzmäBigen
Verhältnisse zu einer Bestimmung der Albuminmenge wird. Als Fül-
lungsmittel dient dem Verf. Trichloressigsäure in Verbindung mit Gerb-
säure, als Farbstoff Säurefuchsin. Die Mischung dieser drei Stoffe nennt
er „das Reagens“. Die Bestimmung der Farbenstärke des Filtrates ge-
schiebt in der Weise, daß eine bestimmte Menge des Filtrates mit einer
besondern „Verdünnungsflüssigkeit“ einem Gemisch von Trichloressigsäure
und Pikrinsäure verdünnt wird, bis die Farbe dieselbe ist, wie die der
Normalfarbe in einem gleichen Glase. Dieses Glas, das „Reaktionsglas“,
ist graduiert. Über das genauere Verfahren in der Praxis ist das Original
nachzulesen. Zum Schluß bringt Verf. noch eine Vergleichstabelle von
Eiweißwerten, die durch Wägung und durch seine Methode gewonnen
sind. Die Resultate stimmen bis auf Bruchteile vom Mg. überein.
Brauser- München.
Quantitative Eiweißbestimmungen im Harn und ihre,prak-
tische Brauchbarkeit. Von Curt Moewes, Medizinalpraktikant. (Dtsch.
med, Wochenschr. 1912, Nr. 22.)
Zur quantitativen Eiweißbestimmung sind im Laufe der Jahre zum
Teil neue Methoden angegeben worden, zum Teil sind ältere modifiziert
werden. Die bekanntesten Methoden hat Moewes in dem Laboratorium
der II. med. Klinik der Kgl. Charité in Berlin (Direktor Geheimrat
Prof. Dr. Kraus) einer vergleichenden Nachprüfung unterzogen und
insbesondere ihre Brauchbarkeit für den Praktiker festzustellen gesucht.
Er ist dabei zu folgenden Resultaten gekommen:
Die Esbachsche Probe ergab das beste Resultat.
Nach ihr ermöglicht die optische Bestimmung nach Robert Stol-
nıkow es, ın kurzer Zeit ein brauchbares Resultat zu erhalten.
Noch einfacher als diese ist die Schnellmethode nach Aufrecht;
sie setzt den Besitz einer Zentrifuge voraus, ergibt aber selbst im Ver-
gleich zu Esbach schlechtere Resultate und ist nur für eine annähernde
Bestimmung brauchbar.
Die Modifikation der Esbachschen Probe nach Tsuchiya ergab
nichtbrauchbare Resultate im Vergleich zu den anderen geprüften Me-
thoden. Ludwig Manasse-Berlin.
Some fallacies in the routine testing of the urine. Von H.
Macleau. (Brit. Med. Journ. Nov. 9, 1912.)
M. bespricht speziell die Trommersche und die Fehlingsche Zucker-
probe, von denen er die erstere als für klinische Zwecke nicht sehr
brauchbar erachtet. Die Fehlingsche Reaktion ist verläßlicher, doch
darf man nicht vergessen, daß auch andere reduzierende Substanzen die
Zuckerreaktion geben können. In solchen Fällen ist noch die Gärungs-
oder Osazonprobe anzustellen. Zu diesen reduzierenden Körpern gehören
in erster Linie Harnsäure und Kreatinin. von Hofmann-Wien.
20*
296 Chemie und klin. Mikroskopie des Harns.
Beiträge zu den kolorimetrischen Bestimmungsmethoden des
Traubenzuckers und Indikans im Harne, sowie des Eisens im
Blute. Fünfte Mitteilung. Von W. Autenrieth und Albert Funk.
` (Münch. med. Wochenschr. 1912. Nr. 13 u. 14.)
Infolge der von Grave gerügton minderen Zuverlässigkeit der kolori-
metrischen Bestimmung bei höheren Zuckerwerten weisen die Verff. auf
die Notwendigkeit einer genau vorschriftsmäßigen Verdünnung des
Harns hin und geben nochmals eine ausführliche Beschreibung de
Technik, die unverkürzt nicht wiedergegeben werden kann und daher im
Original nachzulesen ist. Dasselbe gilt von den weiteren Ausführungen
über die Indikanbestimmung und die in einem Nachtrag gegebene Harı-
säurebestimmung. Brauser- München.
Eine Modifikation: der von mir beschriebenen Zuckerprobe.
Von Dr. L. de Jaeger-Leeuwarden. (Zentralbl. f. inn. Medizin Nr. 25. 1912.
Verf. hat eine Methode beschrieben, um Glykose im Harn nach-
zuweisen. 5 ccm Harn werden versetzt mit 10 Tropfen einer 20°/ igen.
aus Kalziumoxyd hergestellten Kalkmilch, das Gemisch einige Male um-
geschwenkt und nach Zusatz von 5 Tropfen einer 10°/,igen Kupfer-
sulfatlösung zum Kochen erhitzt. Nach dem Kochen, das nicht lange
fortgesetzt werden darf, wird das Reagensrohr beiseite gestellt. Wenn
Zucker anwesend ist, tritt nach kurzer Zeit eine rote oder violette Fär-
bung des Niederschlags auf. Ist der Zuckergehalt sehr groß, so bleibt
letztere Verfärbung aus, doch bildet sich in diesem Fall beim Kochen
gelbes Kupferoxydulhydrat, was nie der Fall ist, wenn kein Zucker an-
wesend ist. Die Probe ist auch in diesem Fall positiv, wenn die dop-
pelte Kupfersulfatmenge hinzugesetzt wird. Die Probe ist sehr empfind-
lich und leicht zu handhaben, doch hat Verf. später als einen Übelstand
empfunden, daß die Kalkmilch nach und nach so dick wird, daß es un-
möglich wird. dieselbe zuzusetzen. Diesem Übelstand ist nur abzuhelfen.
wenn die Kalkmilch nicht aus gebranntem Kalk, sondern aus Kalzium-
hydroxyd hergestellt wird. Selbstverständlich muß die Menge des Kal-
ziumhydroxyds entsprechend dem Molekulargewicht vermehrt werden.
Man bekommt eine gute Kalkmilch aus 30 g Kalziumhydroxyd (mit
Wasser zu 100 ccm aufzufüllen). Diese Kalkmilch, welche vor dem Ge-
brauch wenigstens 24 Stunden stehen muß, hält sich unverändert. Zu
5 eem Harn werden 10 Tropfen dieser Kalkmilch und 5 Tropfen 10° ,-
iger Kupfersulfatlösung zugesetzt. Die Empfindlichkeitsgrenze liegt bei
0,1°;, Zucker, bisweilen noch niedriger. Kr.
Über die doppelte reduzierende Zuckerprobe. Von Dr, E. Son-
nenberg-Lodz. (Dermatol. Zentralbl. Nr. 10. 1912.)
Die Trommer und Fehlingsche Zuckerprobe, welche auf der Re-
duktion von Kupfersulfat beruht, geht bei niedrigerer Temperatur von
statten, als die Nylandersche durch die Reduktion von basischem Wis-
mutnitrat bedingte Reaktion. Erwärmt man eine Zuckerlösung. welche
mit ‘19 Vol. Nylanders Réagens und 1 Vol. 25°/,ige Kupfersulfat-
lüsung beschickt ist, so wird sie zuerst noch vor dem Sieden gelb bıs
Chemie und klin. Mikroskopie des Harns. 297
orangerot, bei weiterem Kochen wird sie grau, braun und endlich schwarz.
Dies Verhalten gilt für Zuckerlösungen von 0,5 bis 20°/,. — Bei diabe-
tischen Harnen ist die Reaktion infolge der Anwesenheit organischer
Substanzen empfindlicher; hochzuckerhaltige Harne müssen daher für die
Doppelprobe verdünnt werden. .
Das Verfahren gestattet eine quantitative Abschätzung des Zucker-
gehaltes im Harn: das Auftreten nur eines Reaktionsvorganges, d. h. Re-
duktion des Cu-Salzes im unverdünnten Harn liefert den Beweis für
einen kleinen Zuckerwert, undeutliche Reaktion des unverdünnten und
deutliche, zweizeitige Reaktion des verdünnten Urins lassen auf einen
größeren Zuckergehalt schließen. A. Citron-Berlin.
Zur Benedictschen Zuckerprobe. Von Prof. Dr. Viktor L. Myers-
New York. ‘Münchner med. Wochenschr. Nr. 27.)
Verf. verwendet zur Zuckerbestimmung jetzt stets die Benedictsche
Probe, da er sie für bequemer und genauer hält als die sonst gebräuch-
lichen Methoden. Die Benedictsche Lösung besteht aus 17,3 Kupfer-
sulfat. 173,0 Natriumzitrat und 100,0 wasserfreiem Natriumkarbonat auf
ll dest. Wassers. Bei der Harnuntersuchung auf Zucker werden ca.
5cem der Lösung in ein Reagenzglas gegeben und 8—10 Tropfen (nicht
mehr) des zu untersuchenden Urins zugefügt. Man läßt die Mischung
l bis 2 Minuten stark kochen und dann allmählich erkalten. Ist Zucker
vorhanden, so bildet sich in der ganzen Flüssigkeitssäule ein roter, gelber
oder grüner Niederschlag, bei Zuckergehalt unter 0,3°/, tritt der Nieder-
schlag erst beim Erkalten auf. Ist kein Zucker vorhanden, so bleibt
die Lösung entweder ganz klar oder zeigt eine leichte blaue T'rübung,
aus gefällten Uraten bestehend.
Nach einer einfachen Modifikation ist die Benedictsche Lösung auch
zur qualitativen Zuckerbestimmung mittels Titration verwendbar. Näheres
siehe im Original.
Auch die Faktose in der Milch läßt sich durch diese Methode leicht
bestimmen. Brauser- München.
À simple and improved quantitative test for indican. Von
F, C. Askenstedt- Louisville. (New York Medical Journal, 29. 6. 1912.)
An gleicher Stelle hatte im Oktober 1909 der Autor die Grund-
züge der in dieser Arbeit genau beschriebenen Indikanprobe gegeben.
Bald stellte sich heraus, daß Verbesserungen möglich waren. Bessere
Resultate wurden erhalten wenn nach den Mischen des Urins mit der
Obermeyer-Flüssigkeit die Temperatur erhöht wurde. Von Clifford
Mitchell nahm er die Methode der vorherigen Klärung auf, wodurch
erheblich Indikan gewonnen wurde. Um die schnelle Entfärbung des
Indikans zu verhüten, wird Sublimatalkohol angewendet, der zu gleicher
Zeit das sich bildende und störende Indigorot vernichtet. Sorgsamste
Reinigung aller Utensilien ist dringend notwendig, ferner ist der störende
Einfluß der Gase, besonders des Formaldehyds, auszuschalten. Die zu
kolorimetrischem Vergleich dienende Indigostandardlösung ist in gelber
298 Chemie und klin. Mikroskopie des Harns.
Flasche jahrelang haltbar. Wenige Tropfen schwacher Pikrinsäure-
lösung geben ihr den notwendigen Stich ins Grüne.
Zur Ausführung der Probe ist folgendes erforderlich: Ein Urino-
meter, Trichter und Filtrierpapier, Sublimat in Pulverform, eine kleine
Wage, die ungefähr 0,1 g Sublimat abmißt, zwei graduierte genau gleich
große Reagenzgläser mit Korkstopfen, eine Lösung von 0,3 oder 0.4 g
Eisenperchlorid in Salzsäure, eine Lösung von reinem Indigoblau in
Schwefelsäure mit Tropfglas, das so zur Lösung stimmen muß, daß jeder
Tropfen genau 0,00615 mg Indigo enthalten muß, eine Lösung von
Picrinsäure in Alkohol, etwa 1:5000 Chloroform, Sublimatalkohol un-
gefähr 1: 1000.
Die Probe wird folgendermaßen angestellt: Zur Vorbehandlung wird
zu 100 ccm Urin so viel Mal 0,1 g Sublimat gegeben als das spezifische
Gewicht des Urins über 1000 beträgt, also bei einem spezifischen Ge-
wicht von 1015 z. B. 1,5 g Sublimat. Es muß nun die Bildung eines
schweren Niederschlages abgewartet werden, was durch Abkühlung be-
schleunigt werden kann. Der Niederschlag wird zweimal durch ein
doppeltes Filter abfiltriert und genau 10 ccm des Filtrats in das eine
Reagenzglas gegeben. Das Rohr wird erwärmt, bis es sich heiß in der
Hand anfühlt, dann wird 10 ccm der Eisenlösung zugegeben und durch
einmaliges Umdrehen des Rohres gemischt. Jetzt werden rasch 8 ccm
(Chloroform zugefügt und das Rohr zwei oder drei Minuten in horizon-
taler Haltung geschüttelt. Das Chloroform wird wiederholt mit Wasser
gewaschen, wobei zu achten ist, daB bei AbgieBen des Waschwassers
kein Chloroform verloren geht. Ein Zusatz von 13 oder 15 ccm des
Sublimatalkohols mit nachfolgender Mischung läßt eine klare blaue
Flüssigkeit entstehen. Diese Flüssigkeit muß möglichst dunkel stehen.
Ihre Farbe wird mit einer gleichen Menge Flüssigkeit, die aus der
Standardlösung hergestellt ist, verglichen, indem beide Röhren gegen
weißen Hintergrund gehalten werden. Diese Standardiôsung wird so
hergestellt, daß in das zweite Glas die gleiche Menge Wasser wie in das
erste gebracht wird. Dann wird tropfenweire die Stammlösung des In-
digoblaus unter Umschütteln nach jedem Tropfen zugesetzt, bis beide
Röhren farbengleich sind. Jedem Tropfen der Stammlösung entspricht
0,0001°/, Indikangehalt. Ist der Indikanextrakt, wie üblich, leicht grün-
lich, so muß, um Übereinstimmung der Farbe zu erzielen in das Rohr
mit der verdünnten Stammlösung ein oder einige Tropfen der Pikrin-
lösung gegeben werden. Bei einem Indikangehalt über 0,00265 ist wegen
der zu tiefen Färbung vorhergehende Verdünnung des Urins notwendig.
N. Meyer- Wildungen.
Zur Technik der :Diazoreaktion. Von K. Feri-Wien. {Wiener
klin. Wochenschr., Nr. 24. 1912.)
F. empfiehlt, die Diazoreaktion in folgender Weise vorzunehmen:
Ein oder mehrere Körnchen des käuflichen Azophorrots (Paranitro-
diazobenzolsulfat) werden in einer Eprouvette mit Wasser umgeschüttelt.
Den Harn versetzt man vorsichtig mit verdünnter Kali- oder Natron-
lauge, bis eine leichte bleibende Trübung wahrnehmbar ist, und setzt
Chemie und klin. Mikroskopie des Harns, 299
dann die Reagenzlösung zu. Positiv ist die Reaktion nur dann, wenn
eine leuchtend rote Farbe auftritt und auch der Schüttelschaum rot ist.
Die Reaktion verhielt sich in allen bisher untersuchten Fällen analog
der Ehrlichschen. von Hofmann-Wien.
Untersuchungen über Arnolds Harnreaktion mit Nitroprussid-
natrium. Von Xaver Buss. (Chem. Labor. d. med. Klin. Zürich. — 1naug.-
Dissert. Zürich 1910, 15 S.)
Kommt zu dem Ergebnis, dafs die Arnoldsche Reaktion keine
spezifische Fleischreaktion ist; denn sie tritt auch auf nach Genufs von
gebackenem Käse, Butter und Hygiama.. Nach Genufs von rohem
Fleisch, Rauchfleisch, gekochtem oder gebratenem Fisch und Bratgallerte
war die Reaktion negativ. Deutlich positiv war sie nach dem Genuls
von gebratener Leber, Bratwurst und Kalbsbraten, ungewöhnlich stark
nach gesottenem Rindfleisch und nach Rindsbraten, während sie nach
Fleischbrühe nur schwach auftrat. Nach dem Genuls von gekochtem
Rindfleisch oder von Rindsbraten erreicht die Intensität der Reaktion
einen solchen Grad, dafs man eine solche Reaktion als typische Fleisch-
reaktion bezeichnen darf, bei deren Auftreten ein geübtes Auge sofort
den stattgefundenen Fleischgenuls erkennen kann. In pathologischen
Fällen ist die Intensität der Reaktion viel geringer.
[Fritz Loeb- München.
Zur Harnanalyse (Stickstoffbestimmung). Von Peter Bergell-
Berlin. (Deutsche med. Wochenschr. 1912, Nr. 42.)
Bergell greift auf die alte Methode des N-Nachweises nach Will-
Varentrapp zurück, die genau so gute Resultate ergab, wie die Kjel-
dahlsche und von dieser nur wegen ihrer Umständlichkeit verdrängt
wurde. Der Kjeldahl ist aber nur in einem Laboratorium mit Abzugs-
vorrichtungen u. dgl. auszuführen. Mit den neuerdings in der Chemie
viel verwendeten Quarzgefäßen läßt sich die Stickstoffbestimmung aber
jetzt von jedem Praktiker in seinem Sprechzimmer ausführen. 2 ccm
Harn werden mit reinem Kalziumoxyd in einem Quarzreagensröhrchen
geglüht. Die glühenden Dämpfe gelangen durch ein gebogenes Glasrohr
in eine Vorlage, die 20 cc !/,,-Normalsalzsäure mit etwas Rosolsäure ent-
hält. Aus der Anzahl der verbrauchten cc Salzsäure läßt sich in der
üblichen Weise die Stickstoffmenge berechnen. Vergleichende Unter-
suchungen mit Kjeldahl ergaben Differenzen bis 0,0182°/,. — Einzelheiten
über die Technik lese man im Original nach.
Ludwig Manasse- Berlin.
Beiträge zur Technik und zur klinischen Verwertung der Ehr-
lichschen Aldehydreaktion. Von J. Großmann. ‚(Wiener med. Wochen-
schr. 1912, Nr. 52.)
G. untersuchte verschiedene Harne vor und nach der Dialyse und
fand, daß die Urobilinogenreaktion durch die Dialyse verstärkt wird,
respektive, daß Harne, welche im nativen Zustande negativ reagierten,
nach erfolgter Dialyse eine positive Reaktion geben können. Die Reak-
300 Chemie und klin. Mikroskopie des Hurns.
tion erwies sich als besonders wertvoll zur Unterscheidung organischer
Herzleiden gegenüber nervôsen und- neurasthenischen Herzbeschwerden.
von Hofmann-Wien.
Ein neues Verfahren zum Nachweis der Azetessigsäure im
Urin. Von Béla v. Ondrejovich-Budapest. (Deutsche med. Woehenzchr.
1912, Nr. 30.)
Ein Nachteil der Gerhardtschen Azetessigsäureprobe ist, daß auch
Antipyrin, Salizylpräparate und andere Substanzen dieselbe Reaktion
zeigen. Auch die anderen Proben haben sich nicht besonders brauchbar
erwiesen bis auf die Lindemannsche, an die der Verf. anknüpft. Bei
seiner Probe werden 5 eem Urin mit 5 Tropfen 50°/,iger Essigsäure
angesäuert, dann wird 1 Tropfen einer 2°/,, Methylenblaulösung hinzu-
gefügt, wodurch eine Blaufärbung eintritt. Bei weiterem Zusatz von
4 Tropfen Jodtinktur tritt im normalen Urin Rotfärbung ein. Ist aber
Azetessigsäure vorhanden, so tritt nach spätestens einer Minute wieder
Blau- oder Grünfärbung ein.
Je mehr Azetessigsäure vorhanden ist; um so weniger und um so
später tritt die Rotfärbung ein, insofern läßt die Reaktion auch eine
quantitative Schätzung zu.
Die Probe beruht darauf, daß die Azetessigsäure zur Jodtinktur
eine stärkere Affinität besitzt, als das Methylenblau.
Die Vorteile der Reaktion sind nach dem Verf. folgende:
1. Sie ist schnell, nicht kompliziert, zuverlässig.
2. Salizylpräparate, Antipyrin geben sie nicht.
3. Sie gibt ein negatives Resultat, wenn nicht Azetessigsäure. son-
dern andere Bestandteile, wie Traubenzucker, Azeton, ß-Oxybuttersäure,
Glyzerin, Milchsäure, Galle, Kreatinin, vorhanden sind. Das Jod und die
Essigsäure fällen zwar das Eiweiß, dieser Umstand hindert aber die
Reaktion nicht.
4. Die Phosphate werden nicht gefällt.
5. Die Reaktion ist empfindlicher als alle bisher bekannten Azet-
e-sigsäurereaktionen.
6. Sie ist zur quantitativen Abschätzung sehr geeignet.
Die Reaktion bleibt aus nach dem Aufkochen des Urins und wenn
zu ihm Formalin in größerer Menge zugesetzt war.
Ludwig Manasse- Berlin.
Remarks on the estimation of the calcium metabolism. Von
W. B. Bell-Liverpool. (Brit. Med. Journ., April 20. 1912.)
B. bestimmt den Kalziumgehalt in folgender Weise: Eine Probe
der 24 stündigen Harnmenge wird mit Salzsäure leicht angesäuert, dann
mit Ammoniak alkalisch gemacht und filtriert. 5 ccm des Filtrates
werden in ein graduiertes Röhrchen gebracht, mit 1 ccm einer gesättigten
Lösung von Oxalsäure in 5°/, Essigsäure versetzt und 2 ccm Alkohol
zugesetzt und gut geschüttelt. Ein zweites Röhrchen wird mit 5 ccm
Kontrollflüssigkeit gefüllt, welche in folgender Weise hergestellt wird:
0,05 g Kalziumphosphat (Ca,(PO,),) werden in etwas Salzsäure gelöst,
Chemie und klin. Mikroskopie des Harns. 301
dann mit Ammoniak alkalisch und schließlich mit Essigsäure wieder
sauer gemacht, 2 g Harnstoff zugesetzt und das Ganze mit destilliertem
Wasser auf 100 ccm gebracht. Diese Kontrollösung wird, wie früher
angegeben. mit Oxalsäurelösung und Alkohol versetzt und gut geschüttelt.
Hierauf werden beide Röhrchen durch !/, Stunde zentrifugiert und die
Menge des Sedimentes verglichen. Der Prozentgehalt an Kalzium wird
a >< n wobei U die Menge
S 50
des Niederschlags in dem mit Urin und S in dem mit der Kontroll-
lösung beschickten Röhrchen angibt. Die Differenzen gegenüber genauen
chemischen Bestimmungen überstiegen niemals 1°/,-
von Hofmann-Wien.
nach folgender Formel berechnet: Ca =
Über Sedimentierung mehrerer Körper mittels Formolharn-
stoff. Von L. de Jager-Leeuwarden. (Zentralbl. f. innere Medizin 1912,
Nr. 25.)
Wenn zu einer Lösung von Harnstoff Salzsäure und Formalin hinzu-
gesetzt werden, so entsteht nach einiger Zeit ein Niederschlag von For-
molbarnstoff. Von diesem Niederschlag werden mehrere Körper gefällt,
und zwar: Eiweiß, Blut, Urobilin, Gallenfarbstoffe. Um eine gute Fäl-
lung zu erzeugen, setzt man zu 10 cem einer 2°/,igen Harnstofflösung,
also auch zu Harn 0,5 cem konzentrierte Salzsäure und 0,25 ccm ge-
wöhnliches Formalin. Verf. benutzt eine Mischung, welche 50°/, kon-
zentrierte Salzsäure (25°/,) und 25°/, Formalin enthält und setzt davon
zu 10 ccm Harnstofflösung oder Harn 1 ccm hinzu. Der Niederschlag
entsteht nicht sofort, sondern erst nach einiger Zeit. Bevor man diesen
Niederschlag abfiltriert, wartet man, bis dieser sich zu Boden zu setzen
angefangen hat und die obere Flüssigkeitsschicht durchsichtig zu werden
anfängt. Das Filtrieren geht dann sehr leicht vonstatten; wird zu früh
filtriert, so wird das Filter von dem sich nachher noch bildenden Nieder-
schlag verstopft. Von diesem Niederschlag werden mehrere Körper mit-
verissen, welche zum Teil aus dem Niederschlag wiedergewonnen werden
können. Gallenfarbstoffe werden mitgerissen, doch gelang es Verf. nicht,
eine Methode ausfindig zu machen, dieselben in dem Niederschlag nach-
zuweisen. Wohl aber ist dieses mit einigen anderen Körpern der Fall:
al Nachweiß von Eiweiß im Harn. Nachdem sich der Niederschlag
aus 10 ccm Harn gehörig abzusetzen angefangen hat, wird dieser ab-
filtriert und auf dem Filter wiederholt mit Wasser ausgewaschen. Der
Niederschlag wird vom Filter abgehoben, in ein Reagensrohr gebracht
und etwa 12 Tropfen konzentrierte Salzsäure hinzugesetzt. Der Nieder-
schlag aus normalem Harn löst sich, wenn die Probe erwärmt wird, zu
einer klaren gelben oder roten Lösung. Wenn Eiweiß anwesend ist,
wird die Lösung nicht klar, sondern enthält Flocken des ungelösten
Eiweißes. — b) Nachweis von Blut in den Fäzes. Verf. hat früher
eine Methode beschrieben, um mittels des Formolharnstoffs Blut im Harn
nachzuweisen. Um Blut in den Fäzes zu finden, wird ein nußgroßes
Stück Fäzes mit einer 1°/,igen Salzsäure (4 ccm 20°/,iger Salzsäure
auf 100 Aqua) übergossen und, ohne die Fäzes zu zerkleinern, während
302 Chemie und klin. Mikroskopie des Harns.
einer halben bis ganzen Stunde stehen gelassen. Dann werden etwa
10 ccm abfiltriert, zu dem Filtrat 300 mg Harnstoff und 15 Tropfen
Formalin hinzugesetzt und abgewartet, bis sich ein Niederschlag gebildet
hat. Der Niederschlag wird abfiltriert und bis zum Verschwinden der
sauren Reaktion ausgewaschen. Dann wird das Filter entfaltet, auf ein
Stück trockenes Filtrierpapier ausgebreitet und der Niederschlag mit
einem Glasstab mit der üblichen Benzidin- Essigsäure- W asserstoffperoxyd-
mischung betupft. Wenn Blut anwesend ist, so entsteht sehr bald ein
blauer Fleck. Die Probe ist nie positiv, wenn kein Blut anwesend ist.
— c) Nachweis von Urobilin im Harn. Verf. hat früher darauf
hingewiesen, daB der Niederschlag vielleicht Urobilin enthalte In der
Tat wird das Urobilin zum größten Teil niedergeschlagen. Zum Nach-
weis des Urobilins wird der Niederschlag aus 20 bis 25 ccm Harn nach
dem Auswaschen auf dem Filter mit absolutem Alkohol übergossen; am
besten ist es, wenn derselbe Alkohol wiederholt durch das Filter hin-
durchfiltriert wird. Zu dem gelben bis braunen Filtrat setzt mun ge
pulvertes Zinkazetat in nicht zu geringer Menge, schüttelt und filtriert
nochmals, was durch dasselbe Filter geschehen kann. Man bekommt
dann eine fast reine Lösung von Urobilin, welche bei durchfallendem
Licht rosa ist und eine rein grüne Fluoreszenz zeigt. Kr.
Verbesserte Aräometer zur Bestimmung des spezifischen Ge-
wichtes sehr kleiner Urinmengen im Reagensglas. Von F. Schlag-
intweit-München. (Münch. med. Wochenschr. 1912, Nr. 13.)
Das Instrument, das hauptsächlich zur Untersuchung der oft müh-
sam gewonnenen kleinen Mengen beim Ureterenkatheterismus bestimmt ist.
benötigt infolge seiner kleinen Dimensionen höchstens 7!., cem, bei
einem spez. Gew. von 1023 schwimmt es schon bei 3!/, ccm. Selbst-
verständlich muß auch das dazugehörige Reagensglas benutzt werden.
Verfertiger: Alt, Eberhard und Jäger, Ilmenau. — Das Aräopyknometer
von Eichhorn benötigt etwas größere Mengen, die Apparate zur spez.
Gewichtsbestimmung mittels Prüfung des elektrischen Leitungswider-
standes sind ungenau und teuer. — Die vergleichende Bestimmung de:
spez. Gewichts ist, wenn zu kleine Differenzen nicht berücksichtigt werden.
namentlich in Verbindung mit der Indigokarminprobe jeder sonstigen
Funktionsprüfung (Phloridzin, Kryoskopie usw.) gleichwertig.
Brauser- München.
La'réaction des cendres de l'urine. Von Sarvonat und Didier.
Société médicale des hôpitaux. Sitzung vom 22. XII. 1911. Nach La semaine
médicale 27. XII. 1911.
Der Aschengehalt des Urins wurde bei normalen Menschen und in
pathologischen Fällen nach folgender Methode untersucht: 10 ccm Urin
wurden mit aller Vorsicht eingedampft, dann verascht und in 10 cem
1/0 Normalschwefelsäure gelöst. dann mit Phenolphtalein und ?/,, Normal-
natronlösung austitriert.
Stets wurde mit dieser Methode die Asche alkalisch gefunden. Diese
Alkaleszenz wurde in Milligrammen Natron auf das Kilo Körpergewicht
Chemie und klin. Mikroskopie des Harns. 303
der untersuchten Person und 24 Stunden berechnet. Sie betrug 18 mg
bei 4 normalen Erwachsenen, 33 mg bei 4 normalen Kindern, 13 mg
bei 13 Tuberkulösen und 3 nicht kachektischen Diabetikern, 5 mg bei
16 kachektischen Kranken, darunter 10 Tuberkulösen, 3 Karzinom-
kranken.
Da die Alkaleszenz durch den Gewebeschwund bei Kachektischen
besonders stark abnimmt, kann der Grad der Kachexie bis zu einem ge-
wissen Maße durch den Grad der Alkaleszenz der Urinasche bestimmt
werden. N. Meyer-Wildungen.
Über eine Schwefelreaktion im Harne Krebskranker. Von
H. Salomon und P. Saxl-Wien. (Wiener klin. Wochenschr. Nr. 18, 1911.)
Die Reaktion der beiden Autoren beruht darauf, dafs sich bei
Krebskranken ein Teil des Neutralschwefels mit Wasserstoffsuperoxyd in
geringer Konzentration zu Schwefelsäure oxydieren und als solche nach-
weisen läfst. Die Reaktion wird folgendermalsen angestellt:
Nach Entfernung der Sulfate und Atherschwefelsäuren nach Sal-
kowsky in 150ccm Harn werden 200 ccm des Filtrates mit 3ccm
Perhydrol Merk durch eine Viertelstunde auf dem Wasserbad gekocht,
dann die Flüssigkeit in ein Spitzglas gegossen, worauf in einer halben
bis vier Stunden ein Niederschlag entsteht, der in erheblicher Menge nur
beim Karzinom vorkommt. Unter 81 Fällen von Karzinom war die
Reaktion 10 mal negativ. von Hofmann-Wien.
Über den praktischen Wert der Urinaziditätstitration. Von
Dr. Orlowski-Berlin. (Deutsche med. Wochenschr. 1912, Nr. 22.)
In einer großen Reihe von Einzeluntersuchungen hat Orlowski
nach der Nägelischen Methode den Säuregehalt des Urins untersucht,
die ihn zur Aufstellung von mehreren Typen geführt haben. Er unter-
sucht 1. den Morgenurin vor dem Frühstück; 2. den Urin unmittelbar
vor dem Mittagbrot; 3. vier Stunden nach Tisch und 4. den Abendurin
drei bis vier Stunden nach einer leichten Abendmahlzeit. Dabei zeigt
sich, daß die Aziditätskurve des gesunden kräftigen Menschen in einer
Konkaven verläuft, bei der der Säuregehalt abends geringer ist als am
Morgen. Ist diese Kurve auch bei einem neurasthenischen Leiden vor-
handen, so schließt O. daraus, daß es sich nur um eine örtliche, keine
allgemeine Neurose handele. Ist die Ausscheidung des Abends stärker
als des Morgens, die Kurve also aufsteigend, so nimmt OÖ. eine Herab-
setzung der Vitalität an. Bei sensiblen, hyperästhetischen Neurasthenikern
ist die Ausscheidungskurve über den ganzen Tag ziemlich gleichmäßig.
Bei einer vierten Gruppe ist die Kurve im ganzen recht tief; sie soll
sich bei „Nervösen und sonstigen Kranken finden, deren Vitalität wohl
erheblich zum Teil durch Behandlung gelitten hat“. Es kommen aber
auch Abweichungen vor, indem bei demselben Patienten bald der eine,
bald der andere Typus der Ausscheidung sich zeigte. Man sieht schon
daraus, daß — die Richtigkeit der vier verschiedenen Typen zugegeben
— sich praktisch nicht allzu viel damit anfangen läßt.
Der Verf. hat dann noch das Verhältnis der Azidität zum Phos-
304 Chemie und klin. Mikroskopie des Harns.
phatgehalt geprüft und ist dabei zu Anschauungen gelangt, die vim ca
bisherigen abweichen. Nicht das Monophosphat alleın bedingt den Ar-
ditätsgehalt, sondern auch das Diphosphat. Auber den anorgaixis:
Salzen spielen aber auch die organischen bei der Gesamtaziitar:
stimmung eine Rolle. Nähere Einzelheiten lese man im Original nur
Ludwig Manasse-Berin.
Über das stickstoffhaltige Kolloid des Harnes. Von H. P:
bram und J. Löwy. Aus der Klinik Prof. v. Jacksch. (Münelm. ne
Woebensehr. 1912, Nr. 5)
Durch die Methode Salkowskis — Fällung des Kolloids mit À:
kohol oder Metallsalzen und nachfolgende Stickstoffbestimmung — sw
die Untersuchungen über die Ausscheidungsverhältnisse der Hirnkolionte
wesentlich erleichtert worden. Die Vert. haben nach dieser Methode. ir
der von Grob und Reh empfohlenen Form, ihre Untersuchungen en
3 normalen Personen und an 41 Kranken der verschiedensten Art w-
gestellt. Sie nehmen an, daß bei normalen Sekretionsverhältnissen de
Darms eine bestimmte Menge des Nahrungseiweibes dem vollständige
Abbau entgeht und so «den normalen Kolloidgehalt des Harns beding
Für die pathologischen Verhältnisse fassen sie ihre Resultate folgender
mapen zusammen:
l. Die Kolloidvermehrung ist durchaus nicht charakteristisch für
das Vorhandensein eines malisnen Tumors.
2. Die Kolloidausscheidung ist besonders bei Sekretionsstörungen
der Verdauungsorgane geändert und dürfte hier wohl mit der Störung
des Abbaus des Nahrungsciweibes zusammenhängen.
3. Erkrankungen der Leber und der Niere führen oft, aber nicht
immer, zur Kolloidvermehrung.
A Die bisher von uns beobachteten akuten, fieberhaften Erki
kungen führten wahrscheinlich infolge des erhöhten toxischen Eiwei-
zerfalles zur vermehrten Kollosdausscheidung.
5. Bei Erkrankungen. berulend auf Störungen der inneren Sekretion
{Morbus Basedowii, Adipositas cerebrogenitalis), sind im allgemeinen die
Werte leicht erhöht.
6. Bei Diabetes insipidus findet sich in ziemlich erhöhten. bei D.
mellitus in enormem Maße vermehrt das stiekstoffhaltige Harnkolloid vor.
Brauser-München.
Blutädrucksteigernde basische Substanzen im Urin: der Ein-
fluf von Alter, Diät und Blutdruck auf ihre Ausscheidung. Yan
W. Bain, (Lancet, 27. Mai 1911.)
Schon in früheren Arbeiten hat Verf. darauf aufmerksam gemacht,
daß sich im Urin Erwachsener normalerweise bestimmte basische Sut-
stanzen finden, die, wenn sie Tieren experimentell intravenös injiziert
werden, den Blutdruck derselben steigern. ie Menge dieser Substanzen
im Harn ist eine wechselnde, und Verf. hat die Überzeugung gewonnen,
daß bei mangelnder Ausscheidung und Zurückhaltung dieser Basen im
Körper eine Steigerung des Blutdruckes die Folge ist. Eine dieser
basischen Substanzen ist löslich in Ather und ist wahrscheinlich Iso-
+
ei
ee
Chemie und klin. Mikroskopie des Harns, 305
amviamin, ein Derivat des Leucins; eine andere läbt sich mit Amyl-
alkohol extrahieren und ist wahrscheinlich p-Hydroxyphenyläthylamin.
ein Derivat des Tyrosins. Diese basischen Substanzen stammen von Fäulnis-
prozessen des Proteins im Darımnkanal.
Aus neueren Untersuchungen, die Vert. an 50 Urinen angestellt
hat. kommt er zu folgendeu Schlüssen: Bei Kindern bis zu 10 und
1? Jahren fehlen diese Substanzen im Urin und werden erst mit einiger
tevelmäbigkeit ausgeschieden vom 14. Lebensjahre ab. Vegetarische
Puit, ebenso Eier und Fische setzen die Menge beträchtlich herab, und
wenn auch die Verminderung in manchen Fällen der Diät allein zu-
zuschreiben ıst, so geht doch aus vielen Fällen unzweifelhaft hervor, dal;
eine Retention der Substanzen ım Körper stattfindet: in diesen Fällen
findet sich stets eine Blutdrucksteigerung. W. Lehmann-Stettin.
ZuriKenntnis der Säuren im Harn. Von Magnus Alsleben-
Basel. (Zeitschr. f. klin. Medizin, Bd. 73, H. 5 u. 6.
Die regelmäßige Anwesenheit großer organischer Säuren im Harn
wird durch die Folinsche Methode in einer einfachen und zuverlässigen
Weise dargetan; ferner ist durch diese Methode eine abnorme Säureaus-
schei lang im Fieber zahlenmäßig zu demonstrieren.
Unter den organischen Säuren des Harnes spielen die flüchtigen
Fettsäuren nicht die Rolle, welche ihnen nach neueren Untersuchungen
zuzukommen schien.‘ Die Menge derselben beträgt nur 40—90 cem
! a Normallauge. Eine Abhängigkeit in der Nahrung zeigte sich in
Versuchen am Hunde in einer ganz geringen Vermehrung bei ausschlieb-
licher Fleischkost. Auch die drei ersten Glieder der Fettsäurereihe
werden selbst in sehr großen Mengen vom Hunde glatt verbrannt, ohne
zu einer Vermehrung der flüchtigen Säuren zu führen,
Zuelzer- Berlin.
Über neue Eigenschaften des Harnes bei Gesunden und
Kranken. Von Hugo Pribram-Prag. (Deutsches Archiv, f. klin. Medizin,
Bi, 102, H, 5 u. 6.)
Die Injektion von Harn bewirkt das Auftreten von Hämolysinen.
Prazipitinen und komplementbindenden Antikörpern im Serum der Ver,
suchstiere. Die Präzipitation ist stets stärker mit normalem als mit
eiweibhaltigem Harn, die Komplementbindung hingegen stärker mit dem
eiweißhaltigen Harn. — Ganz ähnliche Wirkung hat die Injektion von
Sediment und vom Alkohol-Ather-unlöslichen Bestandteil der adialysablen
Härnfraktion. — Letztere enthält das normale Harneiweiß und daneben
noch eine Reihe anderer Substanzen. Bei chronischer Nephritis ist diese
Fraktion fast normal, bei akuter ziemlich parallel dem Eiweißgehalt ve-
steigert. Die qualitative wie die quantitative Untersuchung dieser Frak-
tion ergibt, daß die Hauptbestandteile derselben wohl nicht mit den
bekannten Eiweißkörpern des Harns zu identifizieren sind. — Die antigen
wirkenden Stoffe im Harn entstammen wahrscheinlich den Nierenzellen.
— Der Harn wirkt ebenso, wie die aus demselben dargestellte Ivsogene
Substanz und auch das Harnsediment stark toxisch. Wiederholte In-
306 Chemie und klin. Mikroskopie des Harns.
jektionen scheinen die Widerstandskraft der Versuchstiere gegen die
Vergiftung zu erhöhen. — Die Symptome der Urämie dürften wahr-
scheinlich mit der Retention dieser in der lysogenen Fraktion enthaltenen
und möglicherweise aus der Niere stammenden giftigen Stoffe zusammen-
hängen. — Die Mörnerfraktion des Harnes enthält geringe Mengen
lysogen wirkender Stoffe, jedoch keine präzipitierenden und komplement-
bindenden Antigene und wirkt im Tierversuch nicht toxisch. Die Mebr-
zahl der wirksamen Stoffe der Lysogenfraktion geht demnach wahrschein-
lich in die Chondroitinschwefelsäurefällung über. G. Zuelzer- Berlin.
Verfahren zur polychromen Färbung geformter Harnbestand-
teile. Von A. Schott-Heidelberg. (Münchn. med. Wochenschr. 1912, Nr. 4.)
Zur Färbung sind 2 Lösungen nötig, die dem Harn selbst zugesetzt
werden:
I. 5proz. wasserl. Anilinblau in Aq. dest. (sulfuriertes, salzsaures
Triphenylrosanilin).
II. 2!/,proz. Eosin in Glyzerin mit 5 Proz. acid. carbvl. liq.
Auf je 10 ccm Harn kommen 3 Tropfen Lösung I, 6—8 Tropfen
Lösung II, nach kräftigem Umschütteln wird zentrifugiert. Die Färbung
tritt schnell, während des Zentrifugierens ein. Alle organisierten Ele-
mente färben sich, Zucker, Gallenfarbstoff usw. stôren nicht. Die Zy-
linder nehmen ganz verschiedene Tingierung an, Erythrozythen erscheinen
braunrot bis leuchtend eosinrot, seltener rotviolett, will man sie speziell
färben, so setze man noch eine Spur (bis zu einem Tropfen auf 10 ccm
Harn) Eisessig zu. Epithelien und leukozythen differenzieren gut Plasma
und Kern. Die Untersuchung läßt sich auch, nachdem die Farblösungen
dem möglichst frischen Harn zugefügt, ebensogut erst später vornehmen.
Nur die Bakterienfärbung gelingt mangelhaft, wahrscheinlich weil deren
Leiber erst nach dem Absterben den Farbstoff aufnehmen und zur
Tötung der Karbolsäurezusatz nicht ausreicht. WVermehrt kann letzterer
aber aus färbetechnischen Gründen nicht werden.
Brauser- München.
Untersuchungen über den Wert der Leukocytenzählungs-
methoden im tierischen Harne. Von Jakob Gerster. (Arbeiten aus
der medizinischen Veterinärklinik der Universität Gielsen. Dissertation, Gielsen
1911, 78 S.)
Die experimentellen Untersuchungen des Verfassers haben folgendes
Resultat ergeben:
1. Leukocytenzählungen haben einen namentlich klinischen Wert in
solchen Harnen, deren makroskopisches Bild kaum noch ihre patho-
logischen Eigenschaften verrät; die Transparenzmethode vermag wegen
ihrer groben Bestimmungen keinen Aufschlufs über feinere Unterschiede
zu geben.
2. Bei geringen Mengen von Leukocyten empfiehlt es sich, gröfsere
Kammerflächen durchzumustern.
3. Die besten Resultate liefert hier die Bürkersche Kammer mit
1—2°}, Mittelfebler.
Chemie und klin. Mikroskopie des Harns. 307
4. Die Zäblungen im genuinen Harn sind denen im zentrifugierten
vorzuziehen.
5. Im sauren und alkalischen Harn arbeitet man hier durchschnitt-
lich mit 7,35°/, Fehlern.
6. Beim Zentrifugieren des Harns erhält man ins Sediment nicht
den en Eitergehalt.
. Die Zählungen stellen sich hier für den alkalischen Harn etwas
Dee
8. Âlterer oder verdorbener alkalischer Harn hat im zentrifugierten
Zustand noch ungünstigere Resultate aufzuweisen.
Fritz Loeb- München.
Epithelia found in urine and their differentiation, as an aid
to correct diagnosis. Von A.T. Gaillard-Philadelphia. (Medical Record,
24. 2. 1912.)
Gaillard beklagt, daß die von Heitzmann besonders nachdrück-
lich vertretene Lehre keine allgemeine Anerkennung finde. Es ist nach
ihm zweifellos möglich, die Epithelzellen der einzelnen Harnorgane und
der Geschlechtsorgane voneinander zu unterscheiden. Notwendig ist
stets gleiche Vergrößerung — etwa 450 mal —, da die Größe der Epi-
thelien das wesentliche Unterscheidungsmerkmal darstellt. Als Maß dient
die Größe der Leukozyten, die bei den einzelnen Individuen zwar ver-
schieden, in dem einzelnen Fall aber stets gleich sei.
Ein oft gehörter Einwand ist, daß abgekratzte Epithelien der Harn-
wege nicht mit den in dem Urin diagnostizierten übereinstimmten.
Dieser Einwand ist richtig, doch liegt das nur daran, daß durch das
Abkratzen das Charakteristische verloren geht.
Die einzelnen Epithelarten werden beschrieben, und im Anschluß
daran wird ausgeführt, wie aus ihrem Vorkommen diagnostische Schlüsse
gezogen werden können. . N. Meyer-Wildungen.
L’asepsie et l’infection des urines tuberculeuses. Von Rafin-
Lyon. (Journ. d’Urol., Tome I, No. 6, 1912.)
Die Behauptung, welche Melchior im Jahre 1895 aufstellte, daß
nämlich ein bei Pyurie aseptisch befundener Urin für Nierentuberkulose
spreche, kann Rafin als noch im wesentlichen zu Recht bestehend an-
erkennen.
Er ließ von Mérieux 239 aseptisch aufgefangene tuberkulôse Urine
auf Nährböden verimpfen und erzielte in 71 Fällen = 29,6°/, Kulturen.
Es wuchsen meist Staphylokokken, vereinzelt Streptokokken, Coli u. a. —
In 46 Fällen lagen plausible Gründe für eine exogene Infektion, wie
Gonorrhoe, Katheterismus, Partus vor, 25 Fälle blieben in dieser Hin-
sicht ungeklärt und weisen auf die Möglichkeit einer accidentellen In-
fektion hin. Daß Albarran im Jahre 1897 fast alle tuberkulösen Urine
sekundär infiziert fand, mag seinen Grund darin haben, daß man zu
jener Zeit diese Kranken noch stark mit unnützen und schädlichen
Manipulationen plagte. A. Citron-Berlin.
308 Chemie und klin. Mikroskopie des Harns,
Über Absonderung von Diphtheriekeimen durch den Ham.
Von Prof. Dr. H. Conradi-Dresden und Stabsarzt Dr. Bierast. (Deutsche
med. Wochenschr. 1912, Nr. 34.)
Der Nachweis von Diphtheriebazillen im Blute ist bei ihrer Spär-
lichkeit mit Schwierigkeiten verbunden; deshalb versuchten die Verfasser
auf indirektem Wege den Beweis zu führen, indem sie den Harn Diph-
theriekranker und -rekonvaleszenten untersuchten. Sie entnahmen zu
diesem Zwecke 20 bis 30 ccm Harn steril, zentrifugierten und strichen
von dem Sediment auf Löffler- oder Conradi und Trochsche Tellur-
platten aus. Die Kolonien wurden nach Löffler und M. Neissers
Doppelfärbung gefärbt.
In 155 Diphtheriefällen konnten sie 54 mal im Harn Bazillen nach-
weisen. Systematische Untersuchungen über die Dauer der Ausscheidung
konnten die Verff. nicht durchführen, da ihnen nur das dem Hygienischen
Institut der Universität Halle a. S. zugesandte Material zur Verfügung
stand. Immerhin ist es bemerkenswert, daß sie auch in der neunten
Woche nach Beginn der Erkrankung noch einmal Bazillen nachweisen
konnten. Eine praktische Bedeutung hat die Untersuchung insofern, als
sie manche gelegentliche Milchinfektion und die Entstehung der Haut-
erkrankungen durch den Diphtheriebazillus erklärt. Die Verff. über-
schätzen die Gefahr der Kontaktinfektion durch den Harn nicht. Aber
sie fordern doch mit Recht die Desinfektion des Harns so lange, bis
durch mehrfache Untersuchung die Keimfreiheit des Harns erwiesen ist.
Ludwig Manasse- Berlin.
Sur l'élimination de 606 dans les urines. Von J. Escalon.
(Lyon médical 1912, 36, p. 378.)
J. Escalon hat bei 22 Patienten die Ausscheidung von 606 im
Urin systematisch verfolgt. Jeder Kranke erhielt 0,06 Salvarsan intra-
venös, 10 Kranke die erste, 6 die zweite und 6 die dritte Injektion.
Die Untersuchung geschah nach dem für die Klinik ausreichenden Ver-
fahren von Abelin: 7—8cem mit !/,, Salzsäure angesäuerten Harns
werden mit 3—4 Tropfen 10°/, salpetersaurer Natronlösung Gemeng,
dann einige Tropfen LO), alkalische Resorzinlösung zugefügt, schlieb-
lich 1—2 Tropfen Normalnatronlauge zugetropft; bei Anwesenheit von
Salvarsan entsteht schöne rote Färbung, bei nur vorhandenen Spuren rote
Streifen, die bei Schütteln Rosafärbung der Flüssigkeit geben. Die
Reaktion muß bei niederer Temperatur im Eiswasser vorgenommen wer-
den. Die Menge kann man kolorimetrisch nach titrierten Salvarsan-
lösungen bestimmen. Durchschnittsresultate: Zwei Maxima der Aus-
scheidung 1. 4—5 Stunden, 2. 20—28 Stunden (manchmal 40—48 Stun-
den) nach der Injektion. Zwischen den beiden Maximalzeiten ist die
Elimination gering, ja fällt eventuell auf 0. Die Dauer der Ausschei-
dung variiert, sie scheint sich mit der Zabl der Injektionen zu erhöhen:
40 Stunden nach ersten, 53 nach der zweiten, 59 nach der dritten In-
jektion. Die Menge ist umgekehrt proportional der Dauer der Ausschei-
dung. Bei Patienten mit mehreren Injektionen erhöht sich die Aus-
scheidung erheblich (von 23 auf 6l mgr) Die Methode gibt die Mög-
Chemie und klin. Mikroskopie des Harns. 309
lichkeit, sich vor jeder neuen Salvarsaninjektion von der völligen
Ausscheidung der vorhergehenden zu vergewissern.
Mankiewicz-Berlin.
Scharlachartige Serumexantheme und ihre Unterscheidung
vom echten Scharlach durch die Ehrlichsche Amidobenzaldehyd-
reaktion im Harn. Von Prof. Dr. F. Umber-Charlottenburg. (Medizin.
Klinik, Nr. 8, 1912.) 5
Die bei serumbehandelten Diphtheriekranken auftretenden scarlatini-
formen Serumexantheme sind von gewöhnlichen Scharlachfällen oft nicht
zu unterscheiden. Das Exanthem verhält sich dann genau wie ein echtes
Scharlachexanthem, auch bezüglich seiner regionären Verteilung, die
Zunge zeigt die Merkmale der Scharlachzunge, der Tonsillenbelag die
Drüsenschwellungen, das Fieber und schwere allgemeine Krankheits-
zeichen unterscheiden sich oftmals in nichts von denjenigen bei schwerem
echten Scharlach. Selbst Albuminurien, sogar parenchymatöse Nephri-
tiden und Abschuppungszeichen können beim Serumexanthem ebenso vor-
handen sein wie beim echten Scharlach. Dabei hat die Unterscheidung
dieses Serumscharlachs vom echten Scharlach wegen der Übertragbarkeit
des letzteren auf die Umgebung die größte praktische Bedeutung. Zur
praktischen Unterscheidung dieser beiden Krankheitsformen ist nach Ver-
fassers Ermittlungen die Ehrlichsche Paradimethylamidobenzaldehyd-
reaktion, am frischgelassenen Harn angestellt, sehr brauchbar. In echten
Scharlachfällen pflegt sie nach Verfassers Erfahrungen in 96°/, der Fälle
positiv zu sein. (Unter 96 Scharlachfällen 93 mal.) Bei 60 Fällen von
scarlatiniformen Serumexanthemen sah U. sie 59 mal negativ, einmal
zweifelhaft. — Diese Ehrlichsche Amidobenzaldehydreaktion wird am
frischgelassenen Harn ausgeführt. Das Reagens wird so hergestellt, daß
2,0 g Paradimethylamidobenzaldehyd im Mörser mit 30 g Acid. mur.
concent. zerrieben, dann mit 70 ccm Wasser verdünnt und filtriert werden.
Von diesem Reagens werden zwei Tropfen zur Harnprobe hinzugefügt.
Färbt sich dieselbe bereits in der Kälte schön rot und zeigt das Spek-
trum einen deutlichen Absorptionsstreifen ins Gelborange zwischen D
und E, so bezeichnet man die Probe als + + + (dreifach positiv), tritt
die Rotfärbung beim Erwärmen auf, als + + (zweifach positiv), Rot-
firbung nach dem Kochen als 4 (einfach positiv). Kr.
Zur diagnostischen Bedeutung des Diastasegehaltes in Urin
und Stuhl. Von Alfred Lindemann-Berlin. (Zeitschr. f. klin. Medizin,
Bd. 75, H. 1 u. 2.)
Bei pormaler Magensekretion findet sich für die Diastase im Urin
ein Normalwert von ca. 15—45 Einheiten, für den Stuhl ein solcher
von ca. 200. Die Werte des Urins beziehen sich auf denselben nach
Nahrungseinnahme; im nüchtern gelassenen sind dieselben im allgemeinen
etwas höher. Bei Anazidität des Magens ist der Diastasegehalt von Urin
und Stuhl um geringe Werte erhöht. Die Erklärung Wohlgemuts.
daß das Fehlen der freien Säure des Magens das Erhaltenbleiben der
Speicheldiastase bedingt und diese sich dann der Pankreasdiastase bei-
Zeitschrift für Urologie. 1918. 21
310 Chemie und klin. Mikroskopie des Harns.
mengt, ist annehmbar. Die Hyperazidität des Magens ergibt die unter
1 skizzierten Verhältnisse. Die kontinuierliche oder digestive Hyper-
sekretion des Magens läßt, ganz gleich ob sie mit einer Hyperazidität
kombiniert ist oder nicht, in den meisten Fällen ein deutliches Parallel-
gehen mit einer vermehrten Sekretion des Pankreas erkennen. Es finden
sich im Urin je nach Schwere des Falles und augenblicklicher medika-
mentöser oder diätetischer Therapie für die Diastase Werte von 60 lis
800 Einheiten bei gleichzeitiger Vermehrung des amylolytischen Ferments
im vollkommen festen Stuhl bis auf 2000 und mehr. Bei alien Pankreas-
erkrankungen bildet die gleichzeitige Untersuchung von Urin und Stuhl
eine wichtige Stütze für die Diagnose. Eine isolierte Untersuchung des
Urins kann event. zu falscher Diagnose führen. Denn bei Hypersekr»-
tion des Magens weisen Urin und Stuhl hohe Diastasewerte auf, bei
Pankreasaffektion nur der Urin. Zuelzer-Berlin.
Über die diagnostische Bedeutung der Diastaseausscheidung
im Harn. Von Eduardo Marino-Buenos Aires. (Deutsches Archiv für
klin. Medizin, Bd. 103, H.3 u. 4.)
Bei Diabetes mellitus und bei Nephritis ist die Ausscheidung der
Diastase im Harn sehr verringert. — -Bei Pankreaserkrankungen ist die
Ausscheidung der Diastase im Harn vermehrt. Die Vermehrung der
Diastase im Harn ist als ein wichtiges Symptom der Pankreaserkrankung
anzusehen. — Zur Prüfung der Nierenfunktion ist die Diastasebestimmung
für die Praxis ebenso brauchbar, wie die früheren Methoden. — Bei
perniziöser und bei sekundärer Anämie ist nach meinen bisherigen Unter-
suchungen die Diastase im Harn stark vermindert. — Bei perniziöser
Anämie war vorläufig die Verminderung ausgeprägter als bei sekundärer
Anämie. Um eine Regel aufzustellen, bedarf es ausgedehnter Unter-
suchungen. Zuelzer- Berlin.
Über die klinischen und serologischen Untersuchungen der
paroxysmalen Hämoglobinurie, zugleich ein Beitrag zur Kenntnis
der Isolysine. Von J. Matsuo-Kyoto. (Deutsches Archiv f. klin. Medizin,
Bd. 107, H. 4.)
In 11 Fällen von paroxysmaler Hämoglobinurie wird die Kälte allein
als die veranlassende Ursache angesehen, während als letzte Ursache in
4 Fällen akquirierte, in 7 Fällen angeborene Syphilis angenommen wird.
In einem Fall leiden sowohl der Vater als seine Tochter, in einem an-
deren Falle 4 Blutsverwandte an paroxysmaler Hämoglobinurie. — Was
das Resultat der serologischen Untersuchungen anbetrifft, so ist in 4 Fällen
nach der Donath-Landsteinerschen Originalmethode konstant Auto-
hämolyse nachgewiesen, in 3 Fällen anfangs negativ, später positiv, in
den übrigen 4 Fällen fiel die Autohämolyse nach der Originalmethode
negativ aus, wohl aber nach Zusetzen von normalem frischen Menschen-
serum positiv. — Außer der individuellen Schwankung in der Stärke
der Autohämolyse bemerkt man eine sehr ausgesprochene zeitliche Schwan-
kung. Im allgemeinen ist die Autohämolyse desto schwächer, je häufiger
die Anfälle auftreten und je kürzere Zeit nach dem Anfall sie unter-
Chemie und klin. Mikroskopie des Harna. 311
sucht werden. — Die Schwankung der Autohämolyse scheint zum Teil
vom Komplement und zum Teil vom Gehalt an Autohämolysin abhängig
zu sein. — Das Serum der Hämoglobinuriker enthält nicht selten Iso-
hämolysin (in 45°/,). Die Isohämolyse ist auch großen Schwankungen
unterworfen. Häufig findet man, daß die Schwankung sowohl der Auto-
als Isohämolyse parallel verläuft. Die Autohämolyse wird durch Zusatz
von frischem normalem Menschenserum regelmäßig verstärkt, dagegen
die Isohämolyse wenig oder gar nicht, oft sogar negativ beeinflußt. —
Im allgemeinen werden die Blutzellen der Hämoglobinuriker, die Iso-
lysin enthalten, vor der Wirkung von Isolysinen anderer Hämoglobin-
uriker geschützt. — Diese Schutzvorrichtung wird auch bei vergleichen-
den Untersuchungen mit den anderen isolysizhaltigen und autolysinfreien
Sera (von Tuberkulose-, Karzinomkranken usw.) nachgewiesen. Somit muß
das Isolysin der Hämoglobinuriker und der andersartigen Kranken iden-
tisch sein. — Salvarsaninjektion übt fast keine günstige Beeinflussung
auf die paroxysmale Hämoglobinurie aus. Bemerkenswert ist die Tat-
sache, daß nicht selten nach der Injektion die Wassermannsche Reak-
tion vorübergehend verschwindet und nach einer kurzen Zeit zurückkehrt.
Autohämolysin und die Substanz, welche Wassermansche Reaktion her-
vorruft, sind zwei ganz verschiedene Stoffe. Zuelzer- Berlin.
Über paradoxe Albuminurie und Urobilinurie, über die Ent-
stehung kardialer Cirrhosen und Herzkropf bei organischen Tri-
kuspidalerkrankungen. Von K. Staunig-Wien. (Wiener klin. Wochen-
schrift, Nr. 9. 1912.)
St. berichtet über zwei Fälle von kombinierten Herzfehlern, bei
denen im Anschluß an die Digitalisbehandlung regelmäßig Albuminurie
und Urobilinurie auftrat. von Hofmann-Wien.
Lymphurie? Von H. Quinke-Kiel-Frankfurt a. M. (Münchner med.
Wochenschr. 1912, Nr. 25.)
Die Ätiologie der nicht-nephritischen, speziell der orthostatischen
Albuminurien ist trotz vielfacher Erklärungen nicht befriedigend festge-
stell. Es ist auch sehr wahrscheinlich, daß diese meist juvenilen Eiweiß-
absonderungen verschiedenen Ursprungs sind. Q. weist nun auf eine
mögliche, bisher nicht berücksichtigte Ursache, nämlich auf die eventuelle
Beimischung von Lymphe zum Urin hin. Für eine solche Hypothese
ergeben sich mancherlei Anhaltspunkte. Zunächst eine gewisse Analogie
nach Verlauf und Auftreten mit der Chylurie, die hauptsächlich in dem
auffallenden Wechsel an Chylusgehalt des Urins nach Tag- und Nacht-
zeit, öfters auch nach der Körperlage besteht. Für die Chylurie müssen
zwei Bedingungen erfüllt sein: 1. müssen sich I,ymphgefäße in den
Harnkanälchen oder die Harnwege öffnen; 2. müssen die Chylusgefäße
durch rückläufige Bewegung in anastomotischen Bahnen ihren Inhalt in
die Lymphgefäße des Harnapparats ergießen. Nimmt man nun von diesen
beiden Bedingungen nur die erste als erfüllt an, so tritt nur eine
Lymphurie auf, die sich mangels des Fettgehalts dem Auge entzieht.
Die Lymphgefäße der Niere sind so zahlreich und in so naher Be-
21”
312 Chemie und klin. Mikroskopie des Harns.
ziehung zu den Harnkanälchen, daß eine Kommunikation durchaus im
Bereich der Möglichkeit lieg. Daß es nur unter bestimmten Verhält-
nissen zum Übertritt von Lymphe kommt, ist erklärlich aus der wech-
selnden Füllung, dem schwankenden Druck und der leichten Kompressi-
bilität der zarten Lymphgefäße.. Die Kommunikationsöffnungen mögen
bald eigentliche Fisteln, bald engste Spalten sein. Letztere Annahme
würde es erklären, daß für gewöhnlich Lymphkörper im Urin fehlen.
Die Hypothese genügt nicht, um alle nichtnephritischen Albuminu-
rien zu erklären, sie hat aber für einige doch eine gewisse Wahrschein-
lichkeit für sich und verdient geprüft zu werden, umsomehr als über-
haupt die große Rolle der Lymphe in den körperlichen Vorgängen in
starkem Mißverhältnis zu unseren Kenntnissen über ihre Beteiligung an
pathologischen Vorgängen steht. Brauser-München.
Über toxische Hämatoporphyrinurie und Amaurose. Von
Erich Heinecke. Aus dem städt. Krankenhause Stettin; innere Abteilung.
(Inaug.-Dissert., Göttingen 1912, 10 S.)
Während eines klinisch, bakteriologisch und anatomisch sicher-
gestellten Typhus (24jährige Patientin) traten Hämatoporphyrinurie und
Amaurose auf, für welche sichere Ursachen nicht gefunden wurden. Es
war in dem Fall kein Sulfonal gegeben worden, dagegen geringe Mengen
Pyramidon und 3mal !;, g Veronal. Bei der Kleinbeit der Dosen und
bei dem sonstigen gänzlichen Fehlen von Symptomen einer Veronalver-
giftung kann dieses Medikament nicht (ebensowenig wie das Pyramidon)
die Hämatoporphyrinurie und transitorische Amaurose erzeugt haben.
Für die letztere ließ sich kein Anhaltspunkt finden, auch kein anato-
mischer. Im Urin wurden kurz vor dem Tode Urobilin, Urobilinogen
und Hämatoporphyrin nachgewiesen, dagegen weder Blut, noch Eiweiß,
noch Zylinder. Für die Leber als Ursprungsstätte bot die Sektion
keinen Anhalt. Es ist dem Verf. am wahrscheinlichsten, daß das
Hämotoporphyrin direkt aus dem Blute durch Zerfall infolge toxischer
Substanzen entstanden ist. Sein Vorkommen würde dann sehr dem des
Urobilinogen ähneln, mit dem es ja nahe verwandt ist und zu dem es
im vorliegenden Fall in einem bestimmten Mengenverhältnisse_ stelıt.
Wahrscheinlich ist es durch eine individuelle Anlage bedingt, daß sich
hier die Blutzersetzung in der Hämatoporphyrinausscheidung äußerte und
nicht wie sonst in der Urobilin-, Bilirubin- oder Hämoglobinausscheidung.
Fritz Loeb-München.
Zwei Fälle von Eosinurie. Von A. E. D. Frith-London. (Lancet.
13. Mai 1911.) |
Verf. berichtet zwei Fälle, in denen der Urin rot gefärbt war und
fluoreszierte; es ließ sich nachweisen, daß Eosin die Ursache der Färbung
war, das in dem einen Fall von billigem rotgefärbten Konfekt, in dem
andern Fall von rotgefärbtem Eiswasser herrührte. Sonst fand sich im
Urin weder Blut, noch Albumen oder Zylinder. Die Farben verschwanden
binnen 48 Stunden, ohne daß unangenehme oder krankhafte Erschei-
nungen zurückblieben. W. Lehmann-Stettin.
Gonorrhoe und Komplikationen. 313
Die Giftigkeit des Harns bei Masern und anderen Infektions-
krankheiten. Von Dr. Hans Aronson und Paul Sommerfeld. (Deutsche
med. Wochenschr. 1912, Nr. 37.)
In einer großen Reihe von Einzeluntersuchungen haben die Verff.
ein Bild über die Harngiftigkeit verschiedener Infektionskrankheiten zu
gewinnen versucht. Das Resultat ihrer Untersuchungen fassen sie in
folgenden Sätzen zusammen.
l. Im Harn Masernkranker findet sich konstant ein hitzebeständiges
dialysables Gift, das bei intravenöser Injektion Meerschweinchen und
Kaninchen akut tötet oder-mindestens schwer krank macht.
2. Die Injektion von 2 ccm Harn genügt meistens, die Versuchs-
tiere unter Erscheinungen zu töten, welche den beim akuten anaphy-
laktischen Tod beobachteten durchaus ähneln.
3. Die Harngiftigkeit geht weder parallel mit der Schwere der Er-
krankung noch mit dem Auftreten des Exanthems und der Diazoreaktion.
Die Dauer der Giftausscheidung ist unregelmäßig.
4. Harn von anderen Infektionskrankheiten (Typhus, Tuberkulose,
Diphtherie, Pertussis, Scharlach) enthält kein Gift. Dagegen verhält sich
der Urin bei Serumexanthemen und bei manchen klinisch nicht genau
zu klassifizierenden Exanthemen (Fourth disease?) ebenso wie bei Masern.
5. Die intravenöse Harninjektion ist differentialdiagnostisch ver-
wertbar. Ludwig Manasse-Berlin.
ll. Gonorrhoe und Komplikationen.
Chronic gonorrhea in the male. The Difficulties of Cure by Ordi-
nary Treatment von V.C. Pedersen-New York. (New York Medical Journal
19. 10. 1912.)
Vierzehn Krankengeschichten, in denen meistens Papillome, Granu-
lationen und Zysten der hinteren Harnröhre beschrieben werden, dienen
als Jllustration für die Behauptung Pedersens, daß ohne Endoskopie
viele Fälle chronischer Gonorrhoe nicht zu heilen sind. Am besten hat
sich das Bürger-Urethroskop bewährt, und zwar wird niemals die gebogene,
sondern stets die gerade Form angewendet. Die geringe Schwierigkeit
der Einführung wird durch die Leitung eines ins Rektum eingeführten
Fingers behoben. Dafür bietet das gerade Intrument den Vorteil, daß
in einer Sitzung die Urethra von der Blase bis nach vorn untersucht
werden kann. Besonders häufig hat der Autor den Sitz gonorrhoischer
Veränderung an drei Stellen gefunden, an der taschenartigen Vertiefung
der Urethra prostatica hinter dem Colliculus, in den Fossulae prostaticae
und im Bulbus.
Therapeutisch hat sich die Fulguration von außerordentlicher Wirkung
gezeigt und zwar je nach Lage des Falles mit verschieden stark abge-
stuften Strömen. Zur Fixierung der Befunde bedient sich der Autor
vorzüglicher Diagramme der Blase und Urethra, eines dorsalen und eines
ventralen. Die einzelnen Behandlungen und Befunde werden genau in
eine vorgedruckte Tabelle eingetragen. Regel ıst, daß zwischen der
314 Gonorrhoe und Komplikationen.
Behandlung ein bis zwei Wochen Pause gemacht wird, damit die durch
die Behandlung gesetzten Reizungen zum Abklingen kommen.
N. Meyer- Wildungen.
The specific complement deviation reaction in gonorrhea.
Von I. A. Gardner- Buffalo und G. H. A. Clowes- Buffalo. (New York Medical
Journal 12. 10. 12.)
Seitdem ein polyvalentes Antigen aus vielen verschiedenen Gono-
kokkenstämmen angewendet wird, ist die Komplementablenkungsmethode
bei Gonorrhoe zu einem aussichtsreicheren Verfahren als früher geworden.
Zwei Fragen haben die Autoren durch ihre Arbeit beantworten wollen:
1. Entspricht die quantitativ angewendete Probe entsprechenden
Stadien des klinischen Bildes und in welchem Umfange ist sie diagnostisch
und prognostisch verwertbar?
2. In welchem Umfang ist die Reaktion streng spezifisch für Go-
norrhoe im Vergleich mit anderen Erkrankungen, besonders Syphilis, wo
ein Ablenkungsphänomen beobachtet wird?
185 Patienten wurden in parallelen Serien auf Gonorrhoe mit einem
besonders präparierten, aus zehn verschiedenen Gonokokkenstämmen her-
gestellten Antigen, auf Syphilis mit einem nicht spezifischen Azetonprä-
zipitat des Alkohol-Äther-Auszuges von Schafsnieren als Antigen unter-
sucht. Nach vielen Vorversuchen wurde als zweckmäßige Dosis für das
Antigen 0,05 gefunden, da in manchen Fällen geringere Mengen zweifel-
hafte Ergebnisse brachten. Bezüglich des Grades der Reaktion wurden
drei verschieden stark positive Grade unterschieden. Von den 106
untersuchten Gonorrhoefällen zeigten 23 eine sehr stark positive Komple-
mentablenkungsreaktion, hiervon hatten 18 intrazellulare Diplokokken
unter 20 mikroskopisch Untersuchten. Von 15 Fällen mit stark positiver
Reaktion wurden 13 mikroskopisch untersucht, 9 davon hatten intra-
zellulare Diplokokken, von 23 Fällen mit positiver Reaktion wurden 17
untersucht und 11 von ihnen hatten intrazellulare Diplokokken. Die
Autoren glauben, daß der sehr starke und der starke Ausfall der Reaktion
eine sichere Diagnose einer gonorrhoischen Entzündung zuläßt, daß der
lediglich positive Ausfall der Reaktion ohne klinische Erscheinungen
nichts mehr aussagt als ein positiver Wassermann. Unter den 37 Fällen
mit negativer Reaktion war einer, bei dem unzweifelhaft Gonokokken
festzustellen waren. Da in diesem Falle das Serum anormal stark hämo-
lytisch war, wird hierin vielleicht die Ursache für den negativen Ausfall
der Ablenkungsreaktion liegen, und an dieser Eigenschaft sind wohl die
seltenen Ausnahmen zu erkennen. In 7 akuten Fällen konnte festgestellt
werden, daß die Reaktion erst drei Wochen nach Beginn des Ausflusses
positiv wird. Hier liegt vielleicht eine Möglichkeit, ein Wiedererscheinen
alter Tripper von Neuinfektionen zu unterscheiden. Die Reaktion ist
in den Fällen mit Narbenbildung am längsten nachweisbar. Bei 19
Gonorrhoikern konnten zwei und mehr Reaktionen in drei- und vier
wöchigen Zwischenräumen angestellt werden. Bis jetzt läßt sich hieraus
schließen, daß bei erfolgreicher Behandlung ein Fall mit sehr starker
Reaktion in zwölf bis sechzehn Wochen negativ wird.
Gonorrhoe und Komplikationen. 319
Sieben Patienten mit positivem Wassermann zeigten eine ausge-
sprochen positive Gonorrhoereaktion, bei diesen war es bei vier sicher, bei
den übrigen sehr wahrscheinlich, daß sie Gonorrhoiker waren. 11 Krebs-
kranke, 3 Tuberkulöse und 25 normale Menschen hatten völlig negative
Reaktionen. Aus den Untersuchungen an den Syphilitikern geht hervor,
daß die gonorrhoische Komplementablenkungsmethode selbst dort zuver-
lässig ist, wo das Komplement auch noch anderweitig beeinflußt wird.
Den größten Nutzen der Methode sehen die Autoren beim Heiratskonsens,
zur Diagnose unklarer Rheumatismen uud bei der Untersuchung der
schwangeren Frauen zur Verhütung der Ophtalmisen der Kinder.
N. Meyer- Wildungen.
The diagnosis of chronic gonococous infections. Von D. Watson.
(Glasgow Medical Journal, Oktober 1912.)
Watson beschreibt zunächst die üblichen mikroskopischen und kul-
turellen Methoden zum Nachweis des Gonokokkus. Als Lockmethode hat sich
ihın eine Injektion von Gonokokkenvakzine während der negativen Phase ge-
eignet gezeigt. Es ist möglich, daß sich eine mehr oder weniger starke
Gonokokkenausfuhr als Hilfsmittel zur Dosierung bei der Vakzination
verwenden läßt. Bei der Kultivierung der Gonokokken ist größte Sorg-
fat auf Vermeidung von Abkühlung des Ausgangsmaterials zu legen.
Wenn die Versuche einer Hautreaktion auf den Gonokokkus noch nicht
abgeschlossen sind, so haben sie doch bisher schon wertvolle Ergebnisse
gezeigt. ÜGearbeitet wurde nach folgender Methodik:
Mit einer feinen Nadel wurden 10—20 Millionen abgetöteter Gono-
kokken aus Mischkulturen intrakutan eingespritzt. Die Nadel wird unge-
fäbhr 1/, Zoll eingestochen und 2—3 Tropfen injiziert. Zunächst bildet
sich eine weiße urtikariaartige Quaddel.
Nach gonorrhoischer Infektion tritt in wenigen Stunden ein boch-
roter Fleck auf, der die Größe der Quaddel ein wenig überschreitet.
Nach drei Tagen hat die Röte den Höhepunkt erreicht, geht etwas
zurück und bleibt auf diesem Stadium einige Tage stehen. Nach 6 oder
7 Tagen beginnt die Rötung abzublassen und ist in 8—10 Tagen ganz
verschwunden.
Bei normalen Menschen tritt nach der Quaddelbildung nur eine
leichte Rötung auf, die in 24—36 Stunden ihren höchsten Grad erreicht
und in 4—5 Tagen zu einem kaum sichtbaren weißlichen Fleck zurück-
geht. In postgonorrhoischen Fällen erhält man ein Bild, das zwischen
der ausgesprochen spezifischen Reaktion und der bei normalen Menschen
liegt. N. Meyer- Wildungen.
Über eine neue Behandlungsweise der akuten und chronischen
Gonorrhoe, der akuten und chronischen Prostatitis und der akuten
und chronischen Urethritis mit Thermopenetration und Heiß-
wasserspülungen. Von Dr. Kyaw, Dresden, Spezialarzt f. Haut- und Harn-
leiden. (Medizin. Klinik 1912, Nr. 45.)
Verf. will den Beweis erbringen, daB mit starker Hitze eine lokali-
sierte, akute und chronische Gonorrhoe und Prostatitis in kurzer Zeit
316 Gonorrhoe und Komplikationen.
endgültig geheilt werden kann, daß eine Urethritis rasch heilt, harte In-
filtrate in weiche übergeführt werden und Abszesse der Urethra und
Prostata in die Harnröhre zum Durchbruch kommen. Die bisherigen
Versuche der intensiveren Einwirkung der Wärme auf Gonokokken, wie
sie die hydrotherapeutischen Maßnahmen (Sitzbäder, Fangopackungen,
Moor- und Sandsitzbäder) darstellen, scheitern an der physikalischen Un-
möglichkeit, höhere Wärmegrade wegen der Empfindlichkeit der äußern
Haut gegen dieselbe zur Anwendung zu bringen. Um eine intensivere
Einwirkung der Wärme auf die Gonokokken in der Urethra und Prostata
zu erzielen, führt Verf. eine Metallsonde, deren Umfang der Größe des
Meatus urethrae entspricht, als den einen Pol in die Urethra ein, als
anderer Pol wird eine Elektrode an die Außenfläche des Penis gelegt.
Bei Gonorrhoea posterior benutzt K. gleichfalls eine Metallsonde, bei
Prostatitis ohne Urethritis beziehungsweise auch bei Gonorrhoea posterior
benutzt er die ihm von der Firma Gebbert, Reiniger & Schall mitge-
lieferte, der Arzberger Mastdarmbirne nachgebildete Mastdarmelektrode.
Mit dieser Methode ist es möglich, ohne Mitbenutzung jedes andern anti-
septischen oder adstringierenden Faktors eine chronische Gonorrhoe jeder
Dauer und Schwere in wenigen Sitzungen völlig schmerzlos und sicher
zu definitiven Ausheilung zu bringen. Die Nachteile desselben liegen
einerseits in dem hohen Anschaffungspreise des Thermopenetrationsapparates
selbst und seiner Installation, anderseits darin, daß wegen der Nähe der
Elektroden und der verschiedenen Intensität des Anpressens der einen
Elektrode an den Körper die Gefahr der Verbrennung naheliegt, ander-
seits deshalb eine dauernde Aufmerksamkeit des behandelnden Arztes er-
forderlich ist. Zur Vermeidung dieser zweifellos sich ergebenden Übel-
stände der Thermopenetrationsbehandlung der chronischen Gonorrhoe hat
Verf. auch eine andere Behandlungsweise angewandt, und zwar hat er
durch am Ende geschlossene Katheter, sowohl durch die vordere wie
durch die hintere Harnröhre heißes Wasser von etwa 50° bis 52° stun-
denlang fließen lassen. Die Temperaturen werden von der Harnröhre
anstandslos vertragen. Dieses Verfahren dauert in Bezug auf seine Wirk-
samkeit gegenüber den Gonokokken länger als die Thermopenetration.
Eine Stunde Heißwasserkatheterspülung entspricht in ihrer Wirkung un-
gefähr einer viertelstündigen Thermopenetration. Vor der Thermopene-
tration hat sie aber den außerordentlichen Vorzug der absoluten Gefahr-
losigkeit und vor allem der Möglichkeit der Selbstbehandlung des Pat.
in der Wohnung des Arztes, jedoch ohne dessen beständige Beaufsich-
tigung. Auch mit dieser zweiten Modifikation der Wärmebehandlung ist
es Verf. gelungen, verzweifelte Fälle von jahrelang bestehenden Gonor-
rhoen, die mit den bisherigen Methoden vergeblich behandelt wurden,
in kürzester Zeit (2—3 Wochen) zu völliger Heilung zu bringen.
Kr.
Trois observations d’urétrite blenorrhagique traitées par le
sérum antiméningococcique. Von BR Salle. (Lyon médical 1912, 96,
p. 817.)
R. Salle berichtet über drei Heilungen von frischen Gonorrhöen
Gonorrhoe und Komplikationen. 317
durch 2—4 Injektionen von 10 ccm Antimeningokokkenserum (Institut
Pasteur) in dreitägigen Intervallen in 10, 14 und 18 Tagen.
Mankiewicz-Berlin.
Einen Patienten mit alter gonorrhoischer Striktur, die er exstir-
pierte und durch ein Stück einer Vena saphena ersetzte, demonstrierte
Mühsam in der „Freien: Vereinigung der Chirurgen Berlins“ (Sitzung vom
15. 1. 12; Berl. klin. Wochenschr. 1912, Nr. 11). Die Striktur war
6 cm lang und fast zirkulär, die Einnähung der 8 cm langen Vene
geschah über einem Katheter; nach 3 Wochen war Einheilung erfolgt,
die Bongierung, die noch vorgenommen werden mußte, zeigte glatte
Durchgängigkeit des Venenstückes. Paul Cohn-Berlin.
Ein schwerer Fall von gonorrhoischer Gelenkentzündung.
Von Dr. Géza von Tamässy. (Pester med. chir. Presse 1913, Nr. 1.)
Der 27jährige Patient litt wochenlang an gonorrhoischen Gelenk-
schwellungen, besonders das rechte Knie und das linke Handgelenk waren
sehr schwer erkrankt. Die Herzklappen waren frei. Der fieberhafte
Verlauf der Arthritiden, sowie die für eine Otitis media auszudeutenden
Schmerzen suggerierten die Möglichkeit, daB ein versteckter Typhus
abdominalis im Spiele war, trotz negativem Widal. („In der Gelenk-
flüssigkeit wurden gramnegative Diplokokken nachgewiesen.“) Unter
Gipsverbänden und symptomatischer Therapie gewann der Patient den
Gebrauch seiner Glieder zurück und erholte sich vollends in Postyén.
A. Citron-Berlin.
Gonorrheal Arthritis. Von G.A. Holliday-Pittsburg. (New York
Medical Journal 7. 12. 12.)
Die bisherigen Mißerfolge in der Behandlung des gonorrhoischen
Rheumatismus haben Holliday veranlaßt, das sogenannte Pbylakogen
anzuwenden. Dieses Phylakogen stellt eine Mischung von Bakterien-
derivaten dar, unter denen neben dem Gonokokkus eine Reihe anderer
Bakterien vorhanden ist. Bei der Herstellung dieses Mittels ist man
nämlich von der Idee ausgegangen, daß bei dem gonorrhoischen Rheu-
matismus dem Gonokokkus allein nicht die krankmachende Ursache zu-
zuschreiben sei. Näheres über die Zusammensetzung des Mittels wird
nicht gesagt. Da große Dosen, subkutan verabreicht, schwere Störungen
hervorrufen, ist mit Dosen von einem bis zwei ccm zu beginnen und
allmählich bis auf 10 ccm zu steigen. Vier Krankengeschichten, die
über eine gute Wirkung des Mittels berichten, werden kurz angeführt.
N. Meyer- Wildungen.
Mit der Gonokokkenvakzine (Arthigon) erzielte Erfolge bei
gonorrhoischen Gelenksentzündungen. Von Dr. Ignaz Farkas-
Budapest. (Pester med. chir. Presse 1912, Nr. 46.)
Auf die Gonorrhoe der Urethra ist das Arthigon ohne jeden Ein-
flug, die gonorrhoische Epididymitis, auch in schweren mit Funikulitis
komplizierten Fällen, heilt nach 2—3 Injektionen ohne restierende Ver-
318 Harnröhre und Penis.
härtungen aus; in zwei Fällen von Prostatitis war der Erfolg ein ähnlich
günstiger.
Bei gonorrhoischen Arthritiden kann das Arthigon als ein be-
währtes Spezificum betrachtet werden, das auch bei Kindern ohne schäd-
liche Folgen Verwendung findet. Zur Erzielung eines Erfolges ist das
Vorhandensein einer fieberhaften Reaktion notwendig. Chronische, nicht
reagierende Fälle werden durch die Vakzine nicht beeinflußt. Das
Arthigon kann durch Erzeugung der Lokalreaktion auch diagnostisch
verwendet werden. Die Gelenke heilten in 7—24 Tagen ohne jede
Fixation und lokale Behandlung und erhielten ohne jede Nachbehand-
lung ihre natürliche Beweglichkeit wieder. A. Citron-Berlin.
Über die experimentelle Bewertung der Santalpräparate. Von
J. Pohl-Breslau. (Therapeutische Monatshefte, Dezember 1912.)
Die Notwendigkeit der exakten Prüfung unserer Medikamente ist
allgemein anerkannt, die Methodik versagt jedoch in den meisten Fällen.
Für die Balsamica, deren merkantile Ausnutzung jetzt auf der Höhe
ist und deren Prüfung deshalb besonders angezeigt erscheint, hat R. Win-
ternitz aus des Verfassers Institut folgendes Verfahren herausgegeben.
In die Pleuraseite zweier gleich schwerer Versuchstiere wird Aleuronat
injiziert. Das eine erhält das Balsamicum per os, das andere dient als
Kontrolle. Nach bestimmter Zeit wird das entstandene Exsudat ge-
messen. Pohl wendet an Stelle des sich nur schwer gleichmäßig ver-
teilenden Aleuronats eine leicht injizierbare entzündungerregende erhitzte
Hefesuspension an. Als Beispiel sei erwähnt, daß im (Gonosanversuch
ein Tier nicht das geringste Pleuraexsudat, ein zweites 2—3 Tropfen
dicken, gelben Eiters zeigte, beim Kontrolltier fanden sich 2 ccm
dicken Eiters.
Auf diese Weise wurden 22 Präparate geprüft. Es konnte nach-
gewiesen werden, daß die Handelspräparate ganz verschieden wirksam
sind. Reines Santalöl wirkt energisch antiphlogistisch, ebenfalls ein
Kawazusatz. Gurjumbalsam, Allosan, Arrhovin, Matticoöl und Chlor-
kalzium sind ungenügend wirksam oder ganz unwirksam.
Die Versuche des Verfassers lassen die alleinige Anwendung der
Balsamica bei Gonorrhoe als nicht gerechtfertigt erscheinen. Ihre An-
wendung sollte bei allen mit Exsudatbildung einhergehenden Prozessen
versucht werden. N. Meyer- Wildungen.
ill. Harnröhre und Penis.
a) Harnröhre.
Traumatische Ruptur der Urethra mit vollständiger Ablösung
der Blase von der Symphyse. Von Dr. Ludolf Süssenguth, Sekundär-
arzt der chirurg. Abteilung des Städt. Krankenhauses in Altona. (Deutsche
Zeitschr. f. Chir. 119. Bd., 5. u. 6. Heft, 1912.)
Der Fall betrifft einen 10 jährigen Knaben, über dessen Unterleib
die Räder eines Lastfuhrwerks gingen. Die Verletzung des Harnapparates
bestand in einer zirkulären Ruptur der Harnröhre in der Pars membra-
RER EE m bin - Penn
Lë riet el Lekt a KEE ege,
Harnröhre und Penis. 319
nacea mit totaler Ablösung der Blase von der Symphyse. Die Diagnose
war vor der Operation nicht mit Sicherheit zu stellen, da eine Blutung
am Damm und aus der Urethra fehlte, und da das ganze Krankheitsbild
durch das Vorherrschen von peritonealen Symptomen verschleiert war.
Es war eine ausgesprochene difluse Bauchdeckenspannung und eine geringe
Auftreibung des Leibes bei angedeuteter Facies abdominalis vorhanden,
dazu kamen Übelkeit und Erbrechen, außerdem bestand oberhalb der
Symphyse und in den Seitenpartien ein schmaler Dämpfungsbezirk —
eine verschiebliche Flankendämpfung war allerdings nicht nachzuweisen —
und es wurde über vergeblichen Harndrang geklagt. Alle diese Erschei-
nungen 13 Stunden nach der Verletzung müßten in erster Linie den Ge-
danken an eine intraperitoneale Blasenverletzung aufkommen lassen. Hier-
für schien weiter auch der glatt ausgeführte Katheterismus zu sprechen,
der anscheinend aus der Blase nur Blut entleerte.e An die Möglichkeit,
daß der Katheter statt in die Blase von einer Rupturstelle der Urethra
aus in einen prävesikalen Hohlraum gelangt war, wurde zunächst nicht
gedacht. Eine genaue Diagnose konnte daher erst gestellt werden, als
der Probeschnitt ergab, daß die Organe der Bauchhöhle von dem Trauma
verschont geblieben waren, und daß nur extraperitoneale Veränderungen
vorlagen. Die reflektorische Bauchdeckenspannung und die übrigen ab-
dominalen Symptome können demnach nur durch den vor dem Perito-
neum gelegenen Bluterguß, der das subseröse (tewebe innerhalb der
kurzen, seit dem Unfall verstrichenen Zeit schon gänzlich durchtränkt
hatte, erklärt werden. Für die klinische Beurteilung analoger Fälle geht
hieraus hervor, daß die für eine intraperitoneale Verletzung sonst so
charakteristischen Zeichen gelegentlich durch extraperitoneale Veränderun-
gen vorgetäuscht werden können. Kurz nach der Operation trat Kollaps
ein, aus dem sich der Knabe nicht wieder erhob. — Die Ruptur der
Urethra und die Blasenablösung von der Symphyse deutet Verf. in fol-
gender Weise: Die Blase befand sich im Moment der Verletzung in
einem mittleren Füllungszustande und überragte die Symphyse, sie wurde
durch das über die untere Bauchgegend hinwegrollende Wagenrad plötz-
lich von der Symphyse fort und nach oben gedrängt, so daB sie vorn
und seitlich von dem umgebenden Gewebe abgelöst wurde und nur nach
hinten im Douglas und vorn an der Urethra festsaß. Die tangential den
Leib treffende Gewalt hat die Blase dann weiter so stark nach hinten
gedrängt, daß die mit ihr innig zusammenhängende, hochgradig gedehnte
Urethra schließlich rib. - Kr.
Urethral drainage in the treatment of chronic urethritis. Von
G. H. Persson-Mount Clemens. (New York Medical Journal, 30. 11. 12.)
Der vorliegende Aufsatz bringt in ausgedehnter Ausführung leider
nur die theoretischen Prinzipien der Urethraldrainage bei der Behandlung
chronischer Urethritiden. Eine genaue Schilderung der Behandlung und
die guten Resultate sollen später veröffentlicht werden. Da hier alle
theoretischen Erwägungen des Verfassers keinen Platz finden können, sei
aus seinen Schlußsätzen einiges erwähnt.
Die Drainage der Urethra schafft rasch Bakterien und deren Produkte
320 Haruröhre und Penis.
aus der Urethra heraus. Aus dem Sitz des Eiters an dem Drain
kann man sie topisch diagnostizieren. Damit das Drainagematerial
absorptionsfähig bleibt, muß das zu seiner Einführung benutzte Gleit-
mittel besondere Eigenschaften haben. Mit Milchsäurebakterien impräg-
nierte Drains wirken bakterizid in der Urethra. Ferner sind Produkte
der Milchsäurebazillen imstande, die Aktivität der Urethralzellen zu er-
höhen, so daß eine erleichterte Resorption der Infiltrate zustande kommt.
Praktisch von großem Vorteil erwies sich die Auffindung eines Gleit-
mittels für die Einführung des Drains, das sowohl den Milchsäurebazillen
eine gute Entwicklung gestattet, als auch jedes Übermaß in deren Eht-
wicklung, das zu Zellschädigungen führen könnte, vermeidet.
N. Meyer- Wildungen.
Urèthre accessoire infecté. Von Jeanbreau et Sourdan. (Mont-
pellier Medical 1912, p. 76.)
Jeanbreau und Sourdan exstirpierten einen unterhalb der Ham-
röbre, fast in der Mittellinie gelegenen 6cm langen, mit Corpus spon-
giosum und einer bulbaren Erweiterung am hinteren Ende versehenen
(Gang des Penis bei einem Gonorrhoiker; es war eine akzessorische Harn-
röhre mit derselben Struktur wie das Organ, aber blind endigend; ent-
standen wohl durch eine Anomalie in dem Schluß der Urethralrinne.
Mankiewicz-Berlin.
Die Behandlung der Harnröhrenstriktur mit Hyperämie her-
vorrufenden Bougies. Von Kobelt-Berlin. (Münchner med. Wochen-
schr. Nr. 30.)
In Anlehnung an die Urethrotherme von Scharff sind für die
chir. Universitätsklinik in Berlin Instrumente angefertigt worden, mit
denen jede Art von Striktur durch Hyperämie behandelt werden kann.
Das Instrumentarium besteht aus elektrisch erwärmbaren elastischen
und Metallbougies, einem auswechselbaren Heizkörper, Kontrollthermo-
meter und Akkumulator. Selbstverständlich kann an Stelle des letzteren
ein Anschlußapparat benutzt werden. Die Technik ist folgende: Die
sterilen Bougies werden, auf 37° erwärmt, mit einem Gleitmittel in
die nicht kokainisierte Harnröhre eingeführt. Die Temperatur wird auf
50—55° erhöht, nach zirka 10 Minuten wird die Sonde entfernt und
eine stärkere eingeführt. Im allgemeinen wird ein dreimaliger Sonden-
wechsel vorgenommen. Die Sitzung dauert jedesmal zirka '/, Stunde
und wird 3 bis 4 mal wöchentlich vorgenommen. Nur bei kallösen Strik-
turen wird die Sitzung länger ausgedehnt. Bei der Behandlung beobachtet
man, daß die Strikturen schneller geschmeidig werden als bei der ge-
wöhnlichen Bougierung, so daß man in einer Sitzung stärker aufeinander
folgende Kaliber anwenden, die Behandlungsdauer abkürzen kann. Die
Einführung der erwärmten Sonden ist weniger schmerzhaft, Harndrang
tritt nicht ein. Fieber wurde nicht beobachtet, der Ausfluß wird reaktiv
gesteigert. Bei Strikturen, bei denen selbst feinste Bougies nicht durch-
kamen, wurde eine Scharffsche Metallsonde bis an die Striktur herange-
führt und blieb mit der üblichen Wärme einige Zeit liegen. Nach
Harnrôhre und Penis. 321
Herausnahme gelang es dann leicht, ein erwärmtes filiformes Bougie
hindurchzuführen. Es folgen verschiedene Krankengeschichten.
Brauser- München.
Ein Fall von Urethrovesicovaginalfistel.e Von Luys. (Revue de
Gynécologie et de Chirurgie abdominale. 2. März 1912.)
Luys fand bei einer Urethrovesicovaginalfistel mit einer Blasen-
öffnung zwei Gänge: eine breite Fistel von der Blase zur Vagina, eine
schmale Fistel von der Blase um den Ureter herum außen an dem Blasen-
hal. Nur die breite Fistel gab die Inkontinenz, und nur diese wurde
mit Erfolg operiert. ` Mankiewicz-Berlin.
Troubles de la miction d’origine obstötricale. Destruction et
réfection de l’uröthre chez la femme. Von Dr. Alexandre Guld-
joglou-Konstantinopel. Paris. (Journ. d’Urologie Tome II, No. 1, 1912.),
Die Arbeit beschäftigt sich mit den mannigfachen Schädigungen
der Urinentleerung während der Schwangerschaft und den Zerstörungen
der Harnröhre durch den Geburtsakt und durch geburtshilfliche Ein-
griffe. Insbesondere werden die Methoden der Urethralplastik eingehend
besprochen. Der Verf. unterscheidet eine funktionelle und eine morpho-
logische Zerstörung der Urethra.
In der Schwangerschaft müssen alle Störungen der Miktion aufs
sorgfältigste überwacht und besonders beim Zusammentreffen von Urin-
retention und Retroflexio geeignete Maßnahmen getroffen werden.
Bei funktioneller Zerstörung der Harnröhre gelten die Methoden
von Pousson, Albarran, Hartmann und Lecöne, welche 3 Kardinal-
erfordernisse erfüllen: die Verengerung der Urethra, die Vergrößerung
ihrer Krümmung und die Verleihung einer festen Stütze.
Bei der morphologischen Zerstörung der Urethra muß man, wenn
irgend möglich, danach trachten, die Reste des urethro-vaginalen Sep-
tums plastisch zu verwerten. Die für die Operation in Betracht kom-
menden Gewebe gewährleisten durch ihre Elastizität und Vitalität den
Erfolg der Plastik.
Die häufigste Ursache für alle diese Läsionen der Urethra wird be-
dingt durch einen verzögerten Durchtritt des kindlichen Kopfes bei
der Geburt. Wenn keine dringenden Gegenanzeigen vorliegen, sollte
man in diesen Fällen die Geburt durch einen Eingriff beenden.
A. Citron-Berlin.
b) Penis.
Über Phimose und Hydrocele im |Säuglingsalter. Von Dr. J.
Peiser. (Berl. klin. Wochenschr. 1912, Nr. 23.)
Phimose und Hydrocele sind ein häufiges Vorkommnis bei Säuglingen
und sollen nicht ohne weiteres Anlaß zu chirurgischem Eingreifen geben.
Ein gewisser Grad von Phimose ist bei Säuglingen physiologisch, die
von den Müttern hierbei vielfach beobachteten Störungen der Harn-
entleerung beruhen nicht hierauf, sondern auf Darmaffektionen; zum
Beweise dessen führt P. mehrere Krankengeschichten an; eine vorliegende
322 Hoden und Hüllen.
Anurie, die von Laien auf eine Phimose zurückgeführt wird, kann auf
schwerem Darmkatarrh mit starkem Weasserverlust durch den Darm be-
ruhen. Auch bei größeren Kindern und Erwachsenen sind derartige
Zustände bekannt, Guyon bezeichnet sie als faux urinaires; P. meint,
daß es sich um einen vom Mastdarm ausgehenden Reiz handelt, der
einen Krampf der Schließmuskulatur auslöst. Was die Hydrocele des
Säuglings anbetrifft, so ist sie — abgesehen von vereinzelten Fällen, in
denen sie als Folgezustand einer spezifischen Hodenerkrankung, wie bei
Orchitis luetica, auftritt und auf entsprechende Behandlung schwindet —
in der Regel eine idiopathische und zwar angeboren; der Processus vagi-
nalis peritonei ist noch eine Zeitlang nach der Geburt offen, und es
kann dadurch leicht Peritonealflüssigkeit durch den Kanal herabfließen.
In einer Reihe von Fällen ist die Hydrocele doppelseitig, ein ätiologischer
Zusammenhang mit der Phimose existiert nach den Beobachtungen des
Verfassers nicht. Therapeutisches Eingreifen ist nicht erforderlich, da
die Affektion spontan heilt, und zwar spätestens im zweiten Lebensjahre.
Paul Cohn-Berlin.
IV. Hoden und Hüllen.
Über Ectopia testis perinealis. Von Dr. W. Gundermann,
Assistent d. chir. Klinik der Akademie f. prakt. Medizin zu Düsseldorf. (Bei-
träge zur klin. Chir, 82. Bd., 1. Heft, November 1912.)
Im Gegensatz zu der häufigen Retentio testis, dem Kryptorchismus,
ist die Ectopia testis ein ziemlich seltenes Vorkommnis. Unter Ekto-
pie des Hodens ist eine Lageanomalie dieses Organs zu verstehen, für
die zwei Bedingungungen erfüllt sein müssen: 1. Der Hoden muß die
Bauchhöhle (den Leistenkanal) verlassen haben. 2. Er muß an einer
Stelle liegen, wo er im ganzen Verlaufe des normalen Descensus nie
gefunden wird. Im großen und ganzen lassen sich zwei Varietäten
unterscheiden, die krurale und die inguinale Ektopie, je nach dem Wege,
auf welchem der Hoden die Bauchhöhle verlassen hat. Bei der echten
Ectopia cruralis tritt der Testikel durch die Gefäßpforte unter dem
Poupartschen Bande aus und wird am Oberschenkel palpabel. Dieser
Fall ist sehr selten. Er ist nicht zu verwechseln mit der sogenannten
falschen Ectopia cruralis, bei welcher der Hoden in Wirklichkeit im
Leistenkanal zurückgehalten ist, aber infolge weitgehender Erschlaffung
der Aponeurose des M. obliq. externus vor den Annulus cruralis zu
liegen kommt. Etwas häufiger als die echte Ectopia cruralis kommt die
Ectopia inguinalis zur Beobachtung, von deren verschiedenen Arten nur
die perineale Form interessiert. Sie ist die Ektopie par excellence und
besteht meist schon bei der Geburt, in einzelnen Fällen jedoch ist ihr
Eintreten erst während des extrauterinen Lebens sicher beobachtet. —
Der Hoden liegt seitlich von der Raphe des Dammes in der Nähe des
Sitzknorrens und soll gewöhnlich kleiner sein als der an normaler Stelle
liegende der andern Seite. Dabei ist er gut beweglich, nur in das
Skrotum läßt er sich nicht hineinschieben, der Hodensack kann in der
betreffenden Hälfte eine normale Entwicklung zeigen, mitunter ist er
Hoden und Hüllen. 323
hypoplastisch gefunden worden. — Meist ist die Ektopie nur einseitig,
sehr selten besteht gleichzeitig eine Hernie. Verf. wirft im Anschluß an
einen selbst beobachteten Fall von neuem die Frage auf, wie es zur Ent-
stehung dieser Abnormität kommt. Seine Überlegungen führen zu folgen-
dem Resultat: Die Ectopia testis perinealis ist eine Unterart der Ecto-
pia processus vaginalis perinealis. Diese kommt vor als primäre innere
Anomalie und stellt vielleicht eine atavistische Bildung dar. Wahrschein-
lich kann auch eine fötale Peritonitis perineale Richtung des Scheiden-
fortsatzes zur Folge haben. Ein Zusammenhang zwischen Ectopia peri-
nealis und Retentio testis besteht nur insofern, als beide Anomalien durch
die gleiche Ursache hervorgerufen werden können; aber nie ist die Ec-
topia perinealis die Folge der Retentio testis. Ob die Haltung der Frucht
in den letzten Monaten der Schwangerschaft irgend welchen direkten
oder indirekten Einfluß auf die Richtung des Processus vaginalis hat,
steht noch nicht fest. Die Frage, ob eine primäre, falsche Insertion des
Leitbandes vorkommt, kann noch nicht als völlig geklärt betrachtet
werden. Kr.
Un procédé de traitement de l’ectopie du testicule. Von
Gaudier. (Soc. nation. de Chirurgie de Paris. 1912 März. Archives génériales
de Chirurgie 1912, 8, p. 929.)
Gaudier schafft zur Heilung der Hodenektopie sich zuerst aus
dem vorhandenen Gewebe ein Skrotum, das er durch die Einführung eines
großen Fremdkörpers erhält; zwei oder drei Monate später holt er sich
den Hoden herunter, entfernt den Fremdkörper und ersetzt ihn in seiner
Lage durch den Hoden. Die erzielten Resultate sind beim Kind wie
bei dem Erwachsenen ausgezeichnet und dauernd. Mankiewicz- Berlin.
Ipertrophia dei testicoli e della cresta dope l’asportatiom
della ghiandola; pineale nel gallo Pathologia 1912 August. Von
C. Foa.
C. Foa hat bei Hähnen während des ersten Lebensmonats die
Glandula pinealis exstirpiert und hat in den 2—3 Monaten nach dem
Eingriff eine Verlangsamung der Entwicklung, dann normale Entwicklung
wie bei den Kontrolltieren beobachten können. Die Entwicklung der
primären und sekundären Geschlechtscharaktere erfolgt bei den operierten
männlichen Tieren früher als normal. 8 bis 11 Monate nach der Opera-
tion waren Hoden und Kamm erheblich größer als bei den Kontroll-
tieren. Weibliche operierte Tiere boten nichts besonderes. Nach Foas
Meinung hat die Gl. pinealis einen entwicklungshemmenden Einfluß auf
das Wachstum der Hoden. Durch die Exstirpation der Drüse kann man
die Entwicklung der Hoden und der sekundären Geschlechtscharaktere
antizipieren. Wahrscheinlich koindiziert die normale Entwicklung mit
dem physiologischen Rückgang der Drüse. Mankiewicz-Berlin.
Le signe du sou appliqué au diagnostic des tumeurs des
bourses. Von Duvergey. (Paris médical. Februar 1912.)
Duvergey verwendet zur Diagnose der Geschwülste des Hodensackes
324 Hoden und Hüllen.
das sogenannte Signe du sou; er setzt ein Stetoskop auf eine Seite der
Geschwulst zur Auskultation; ein Assistent schlägt mit zwei Münzen
leicht auf die entgegengesetzte Seite des Tumors. Hydrozelen und
Cysten, also flüssige Tumoren geben den Ton, Hernien geben enen dent.
lichen Metallton, solide Tumoren lassen gar keinen Ton erkennen. In
etwa 10°/, der Fälle versagt die Methode. Mankiewicz-Berlin.
Beiträge zur Bewertung der konservativen Hodenchirurgie.
Von Dr. Johannes Ernst Schmidt, Assistenzarzt d. chir. Klinik zu Würz-
burg. (Beiträge zur klin. Chir. 1912, 82. Bd., 1. Heft)
Es waren hauptsächlich zwei Fragen, die Verfasser interessierten,
einmal die: Was wird aus dem normalen Hoden, wenn er z. B. nach
Verlust des Skrotum unter die Haut oder in die Bauchhöhle verpflanzt
wird? Die zweite Frage war die nach dem Erfolge der Implantation
des Ductus def. in den Hoden nach Resektion des Nebenhodens. Er
untersuchte die Fragen experimentell (an Hunden) und klinisch, und
beantwortet die Frage nach dem Werte der restierenden Hoden für den
Gesamtorganismus dahin, daß, wenn nur die Ausführungswege des Samen-
stranges verschlossen sind, bzw. eine Resektion des Duct. def. und Neben-
hodens vorhanden ist, der Hodenkörper dagegen zurückbleibt, die be-
treffenden Individuen keinerlei Ausfall für den Gesamtorganismus zu
fürchten haben, denn es bleiben die beiden spezifischen Komponenten
des Hodens voll erhalten; daß sie. auf die Nachkommenschaft jedoch nur
dann vielleicht rechnen können, wenn mittels des durch Punktion dem
Hoden entnommenen Spermas eine künstliche Befruchtung versucht wird,
wozu nach den neuesten Untersuchungen nur geringe Mengen ev. in der
Verdünnung mit Kochsalzlösung notwendig erscheinen. Aber auch die
Träger der Bauchhoden oder solche Individuen, deren Hoden anderweitig
verlagert wurden, brauchen größere Ausfallerscheinungen nicht zu be-
fürchten, da die Zwischenzellen erhalten bleiben, doch geht die Sperma-
togenese verloren. Kr.
La torsione del cordone spermatico. Von Francesco Putzu.
(La Clinica chirurgica 1912, 7, p. 1295.)
F. Putzu bespricht auf Grund von Experimenten und anatomisch-
pathologischen Präparaten und klinischen Bildern die Drehung des Samen-
strangs. Aus der großen Arbeit lassen sich kurz folgende Schlüsse
ableiten: Die zweifache Umdrehung des Samenstranges hebt beinahe den
Kreislauf des Hodens auf, derselbe wird atrophisch oder gangränös. Die
einfache Umdrehung des Samenstranges hebt den Kreislauf der Keim-
drüse ganz oder teilweise auf, je nach der Länge des Stieles, in dem
die Drehung vor sich geht; auch hier kann der Hoden in Atrophie ver-
fallen oder brandig werden, kleinere Veränderungen im Hoden heilen
aber hier ohne Funktionsbeeinträchtigung aus. Kann man bei doppelter
Drehung des Samenstrangs innerhalb 30 Stunden operieren, so soll man
konservativ sein und die Detorsion versuchen; nach dieser Zeitspanne
muß man zur Vermeidung von Komplikationen den Hoden ausscheiden.
Bei einfacher Stieldrehung kann man noch bis 70 Stunden konservativ
ET TT
. M on 2 DO _ ess. i- -
ff ff
Hoden und Hällen. 325
verfahren, später muß auch hier radikal vorgegangen werden. Wichtig
für das einzuschlagende Verfahren ist natürlich das makroskopische Aus-
sehen der Drüse. Mankiewicz-Berlin.
De la cure radicale du varicocèle par la suspension testicu-
laire combinée á la resection veineuse. Von Lapasset. (Arch. de
médécine militaire 1911, p. 273.)
Lapasset empfiehlt auf Grund seiner reichlichen Erfahrung die
Varicocele scroti derart zu operieren, daß man den Hoden an den Pfeilern
des Leistenkanals mittels des vorher reserzierten vorderen Venenbündels
aufhängt: man verengt dadurch gleichzeitig den Leistenkanal und ver-
hindert die Bildung sekundärer Hernien. Mankiewicz-Berlin.
Ricerche' ulteriorı sull’ autosiero terapia dell drocele e sul
meceanismo di azione degli autosieri. Von Luigi Caforio. (La Ri-
forma medica 1912, 36/37.)
Caforio empfiehlt die Autoserotherapie bei Hydrocelen des Hodens
und Samenstranges; je frischer der pathologische Prozeß, desto schneller
der Erfolg. In 96°/, wird nach subkutaner Injektion — 1—5 je nach
Alter, Größe und früherer Behandlung — der Erguß resorbiert; 80°;,
Rezidive; aber nach neuer Autoserotherapie 92°/, definitive Heilung.
Beziehung zwischen Schnelligkeit der Heilung und Menge der injizierten
Flüssigkeit scheint nicht zu bestehen. C. glaubt an eine durch das Auto-
serum hervorgerufene Anregung der Niereñepithelien zugleich mit all-
gemeinen Erscheinungen der Immunität. Die Behandlung ist unschäd-
lich, einfach, ambulatorisch durchführbar und verändert die anatomische
Disposition des Hodens in keiner Weise, bedarf auch keiner besonderen
Kautelen und Dispositionen. Mankiewicz-Berlin.
Contributo allo studio del liquido d’idrocele. Von A. Vecchi.
Gazzetta medica italiana 1912, 24.)
A. Vecchi hat die Flüssigkeit von 32 Fällen von Hydrocele unter-
sucht mit folgendem Resultat: spezifisches Gewicht 1012—1020; Re-
fraktionsindex 1,34012— 1,35316; Gehalt an Proteinsubstanzen 2,43 bis
9,ö1°/,; Rivaltasche Reaktion 68°/, positiv, 28°/, negativ, 3°/, unsicher;
Gehalt an Globulinen variabel bei Verdünnungen 1:10—1:40 bei
Essıgsäureprobe; antitryptische Kraft immer erheblich 4—40 der Jakob-
schen Skala; cytologisch Epithelzellen der Vaginalis, Lymphocyten,
selten Erythrocyten, ausnahmsweise neutrophile polynukleäre, niemals
Spermatozoen. Bei frischen Fällen zeigt die Operation Haftung der
Vaginalis, bei alten Fällen stellenweise Verdickung bis zur Bildung von
Membranen und Falten; Unmöglichkeit der Feststellung von Beziehungen
zwischen Flüssigkeiten, Länge des Prozesses und Veränderungen der
Vaginalis; daB die Flüssigkeit der Hydrocele — vielleicht durch die
Chronizität des die Exsudation hervorrufenden Prozesses — solche
Charaktere erhält, daß man Exsudat und Transsudat nicht unterscheiden
kann. Mankiewicz-Berlin.
Zeitschrift für Urologie. 1913. 22
326 Prostata und Samenblasen.
V. Prostata und Samenblasen.
Supra una speciale ricerca nel secreto prostatico di sussidio
alla diagnosi delle mallatie della prostata. ‚Von' Rocchi. (Societé
medico-chirurgica di Bologna März 1912. La Clinica chirurgica 1912, 7,
p. 1363.)
Rocchi behauptet, daß das doppeltbrechende Fett in der Prostata
in einzelnen Tropfen oder in Ansammlungen von Tröpfchen, beide Arten
mit charakteristischen Besonderheiten auftritt. In der normalen Prostata
des Kindes und des Erwachsenen bis ungefähr zum 33. Lebensjahre
existiere kein doppelbrecbendes Fett. Fehlen oder Verminderung des-
selben im Prostatasaft des Mannes oder Greises lasse eine prostatische
Skleruse annehmen. Mankiewicz-Berlin.
Über Atonie[der Prostata. „Von Marcuse-Berlin. (Mediz. Klinik,
Nr. 45, 1912.)
Die Prostataatonie ist nach Verfassers Erfahrung nicht selten. Am
häufigsten konnte er sie bei Männern im Anfang des dritten, demnächst
im Anfang des sechsten Lebensjahrzehnts beobachten. Die Diagnose wird
durch den Palpationsbefund gesichert: man fühlt vom Rektum aus stait
des kastanienförmigen, ziemlich festen, dem Fingerdruck etwa nach Art
eines Gummiballes nachgebenden, unschwer abgrenzbaren Prostatatumors
entweder einen schlaffen, wie leeren und in sich zusammengefallenen
Beutel oder eine ganz flache, sehr weiche und lockere Vorwölbung, die
unscharf in das Nachbargewöbe ühergeht; diese Veränderungen betreffen
in der Regel das ganze Organ, können sich aber auch anf einen Lappen
und sogar Teile dieses beschränken. Bei Knaben ist der Befund natur-
gemäß schwerer zu erheben, weil hier schon normalerweise die Prostata
kaum angedeutet ist; dennoch kann es bisweilen gelingen, die Diagnose
auf Grund der auffallend lockeren und schlaffen Konsistenz der betref-
fenden Gewebspartie zu stellen. — Die Empfindlichkeit der atonischen
Prostata scheint im allgemeinen eher geringer zu sein, als die der nor
malen; eine deutlich erhöhte Sensibilität auf Druck und bei Massage
hat Verf. nie festzustellen vermocht. Das bei Erwachsenen aus der
atonischen Prostata exprimierbare Sekret braucht sich von dem normalen
Prostatasekret nicht zu unterscheiden In vielen Fällen lassen sich aber
Differenzen beobachten, die sich im einzelnen nach der besonderen Ur-
sache der Erkrankung bestimmen. Leukozyten scheinen regelmäßig in
dem Sekret der atonischen Prostata vorzukommen, fehlen aber auch in
dem normalen Sekret kaum völlig, wenn sie hier auch meist viel spär-
licher angetroffen werden. Auch die Prostatakörner sind in der Mehr-
zahl der Fälle von Prostataatonie reichlicher vorhanden als in der Norm.
Eine größere Bedeutung kommt allem Anschein nach der Beobachtung zu,
das bei der atonischen Prostata das Rohledersche Experiment vielfach
gar nicht oder nur mangelhaft gelingt; darauf hinzielende Versuche sind
angesichts des sehr häufigen Zusammentreffens von Spermatorrhöe und
Prostataatonie leicht anzustellen und sehr lehrreich, das spermatorrhoische
Sekret zeigt unter dem Mikroskop meist nur wenige, sich sehr träge
Te u ge, a, E Am. _
Prostata und Sameublasen. 3927
bewegende Samenzellen; durch Zusatz des durch Expression der Pro-
stata gewonnenen Sekrets wird die Beweglichkeit — wenn die Prostata
deutlich atonisch ist — nicht oder kaum, dagegen bei normaler Prostata
erheblich gesteigert; die Wirkung des Sekrets der atonischen Prostata
nach dieser Richtung hin ist manchmal noch geringer als die von physio-
logischer Kochsalzlösung. Dieses Phänomen ist jedoch namentlich dann
nicht oder nur andeutungsweise vorhanden, wenn dem exprimierten P'o-
statasekret reichlich Samenblasensekret beigemischt ist, und das ist bei
der Atonia prostatae anscheinend besonders häufig der Fall. — Die häu-
fige Beteiligung der Prostata an gonorrhoischen Prozessen ist bekannt.
Die Prostataatonie ist eine erheblich seltenere Komplikation beziehungs-
weise Folge der Gonorrhöe als die katarrhalische und die parenchymatüäse
Entzündung der Vorsteherdrüge. Die häufigsten und wichtigsten Sym-
ptome der Prostataatonie bestehen in pathologischen Sexualausflüssen, ins-
besondere libidinösen Uretrorrhöen, Spermatorrhöen und Pollutionen. So
wie die Prostata amı Blasenverschlusse stark beteiligt ist, so wirkt sie
mit ihren den Ductus ejaculatorius umgebenden zirkulären Muskelbündeln
am SamenblasenverschluB entscheidend mit, und bei einer Atonie der
Prostatamuskulatur wird natürlich unter Umständen jene Schließung nicht
so vollkommen sein wie in der Norm. Diese Unvollkommenheit des
Schließens wiederum hat die mannigfaltigsten Störungen der Sexualfunk-
tionen zur Folge. Auch die Enuresis nocturna gehört zu den Folgezuständen
der Prostataatonie. — Die Therapie der Prostataatonie ist im allgemeinen
aussichtsreich und dankbar. In den das Hauptkontingent stellenden
Fällen junger und jüngerer Sexualneurastheniker mit Prostataatonie führt
eine einfache. wenn systematisch durchgeführte Lokalbehandlung der
atonischen Prostata fast immer zum Ziele. Verf. kam fast stets mit
der Massage und Hitze-Kälte-Einwirkung aus. Kr.
Thermopenetration bei Prostatitis gonorrhoica chronica. Von
Dr. Otto Simmonds in Frankfurt a. M. (Medizin. Klinik Nr. 45, 1912.)
In dem vorliegenden Falle bestand jahrelang eine von mehrcren
Seiten konstatierte Prostatitis gonorrboica. Die verschiedensten therapeu-
tischen Maßnahmen führten nicht zur Heilung des Leidens. Patient
suchte dann Verf. auf mit dem Ersuchen, ihn wegen seiner noch immer
bestehenden Beschwerden mit Thermopenetration zu behandeln. In An-
fangs täglich durchgeführten Sitzungen legte Verf. in mannigfaltiger Weise
Elektrodenkissen von der Größe 9><12cm so an, daß eine Elektrode
auf das Perineum, die andere verschieblich bald auf das Os sacrum, bald
auf verschiedene Partien der Glutaei lokalisiert wurde. Das Hitzdraht-
amperemeter des Apparates zeigte Stromstärken von 1 bis 1,4 Ampere,
die im allgemeinen bequem ertragen wurden. Die Dauer der Sitzungen
wurde von 5 auf 10 bis 12 Minuten gesteigert. Die hauptsächlichsten
Klagen des Pat. waren ein ständiges Gefühl des Druckes und der Span-
nung, damit verknüpfte heftige Unlustempfindungen. Bereits nach kaum
Zu Sitzungen erklärte Pat., daß er nur noch einen kleinen Rest seiner
friheren Mißempfindungen verspüre und daß er durch dieses Verfahren
eine so wesentliche Besserung erlebt habe, wie er sie nicht für möglich
22*
328 Prostata und Samenblasen.
gehalten. Die Zahl der Sitzungen wurde vermindert, erst auf drei
wöchentlich und schließlich auf eine bis zwei. Aber ein letzter Rest
wollte nicht weigen: es blieb immer noch bei stark gefüllter Blase eine
leichte Druckempfindlichkeit. Verf. nahm nunmehr kleinere Elektroden
(6><8cm) und verlängerte die Sitzungen auf 15 bis 18 Minuten,
meistens wurde dabei eine Ampère nicht überschritten. Der Erfolg war
überraschend: Nach einer geringen Zahl von Sitzungen (zirka 6 bis 8)
trat gelegentlich ein einmaliger gelblich-grüner Ausfluß auf, nach dem
Pat. den letzten Rest von Unbehagen in der Mastdarmgegend nahezu
völlig schwinden fühlte. Und als 8 Tage später sich abermals ein bis
zwei Tropfen entleerten, fühlte er sich beschwerdefrei und ist es seitdem
geblieben. Kr.
Non operative treatment of prostatitis. Von W. B. Snow -New
York. (Brit. Med. Journ. Aug. 31. 1912.)
S. berichtet über die Resultate, die er bei der Behandlung der
Prostatitis mit statischer Elektrizität erzielt hat. Von 210 Fällen von
Prostatitis konnten mit dieser Behandlung 200 geheilt werden. Auch
akute Prostatitiden können auf diese Art mit bestem Erfolge behandelt
werden. | von Hofmann-Wien.
La cystoscopie dans l'hypertrophie de la prostate. Von
G. Marion-Paris. (Journ. d’Urol, Tome II, No. 1, 1912.)
Obwohl die Cystoskopie bei der Prostatahypertrophie oft nicht er
forderlich scheint, sollte man sie doch niemals unterlassen. Steine,
Tumoren und andere unerwartete Komplikationen werden durch sie ent-
deckt und beeinflussen das therapeutische Handeln; Hämaturie und Pyurie
finden ihre exakte diagnostische Grundlage. Bei Prostatikern der ersten
Periode, welche an keinen erheblichen Störungen leiden, ist die Cystoskopie,
wie jeder Katheterismus, kontraindiziert.
Verf. geht nun auf die cystoskopischen Merkmale bei Prostata-
hypertrophie ein, welche er durch wohlgelungene, z. T. prächtige farbige
Tafeln erläutert. Das Hauptinteresse beansprucht natürlich das Bild
des Blasenhalses, dessen oberer Saum bekanntlich bei ausgebildeten
Hypertrophien stets konvex erscheint. Hervorzuheben ist eine Erschei-
nung, welche für das cystoskopische Bild des Prostatikers höchst charakteri-
stisch ist. Während es normalerweise unmöglich ist, gleichzeitig den
-Blasenhals und eine Uretermündung mit dem Cystoskop zu besichtigen,
kann man selbst bei der geringsten Hypertrophie den deformierten Blasen-
hals und dasjenige Ureterostium, in welchem sich das Prisma befindet,
in einem Gesichtsfelde überschauen. Dieses Verhalten, welches in der
Hervorwölbung der Blasenwand durch die Prostata seine Erklärung findet,
kann in Fällen, in denen die Palpation kein genügendes Resultat liefert.
eine große diagnostische Bedeutung erlangen.
Die Cystoskopie ist also ein notwendiges Erfordernis für die Unter-
suchung des Prostatikers, doch ist sie unter strengster Asepsis und Be-
hutsamkeit vorzunehmen; die Infektionsgefahr ist bei unvollkommen funk-
tionierenden Blasen stets in erhöhtem Maße vorhanden, man kann leicht
D a ER e #8 tes
Prostata und Samenblasen. 329
Hämorrhagien der Prosteta hervorrufen oder durch kongestive Reize eine
Retention; auch drohen Entzündungen der Testikel. Nach der Cystoskopie,
an welche sich antiseptische Spülungen anschließen sollen, muß der
Prostatiker einige Zeit zu Bett liegen und in ärztlicher Beobachtung
bleiben. A. Citron-Berlin.
Toxicité générale des extraits de prostate hypertrophiée.
Von Prof. F. Legueux und Dr. Gailliardot-Paris. (Journ. d’Urologie, To-
me II, No. 1, 1912.) '
Zur Erforschung der Giftigkeit von Prostataauszügen wurden 26 Ex-
perimente an Hunden vorgenommen, wrlche mit intravenösen Injektionen
von Chloralose — 0,10 g pro Kilo Tier, betäubt wurden. Zur Verwen-
dung gelangten im wesentlichen normale Prostata vom Hunde und Pferde
und hypertrophische Prostata vom Menschen und vom Hunde. Normale
Menschenprostata konnte leider nicht verwandt werden. Die Organe
wurden gehackt, mit Sand gerieben und 3 Stunden bei Zimmertemperatur
mit dem vierfachen Volum 0,9°/ iger NaCl-Lösung mazeriert, darauf zen-
trifugiert und durch Glaswolle filtriert Der so gewonnene Extrakt
wurde den Versuchshunden im Verhältnis von 0,25g bis zu 2g pro
Kilo Tier eingespritzt.
Das Resultat dieser Injektion zeigt eine starke Toxizität hyper-
trophischer Prostatadrüsen gegenüber geringer Toxizität normaler Drüsen.
Die normale Prostata des Hundes und des Pferdes waren von gleich
geringer Giftigkeit für den Hund, während die hypertrophische Prostata
des Hundes sich als ebenso toxisch für den Hund erwies wie die hyper-
trophische Menschendrüse. Die Giftwirkung war gekennzeichnet durch
bedeutendes Sinken des Blutdruckes und hochgradige Störungen der At-
mung, welche einige Minuten nach der Injektion bald als Beschleunigung,
bald als Verlangsamung SE in einigen Fällen war die Drucker-
niedrigung tödlich.
Demnach scheint die eege Prostata ein giftiges Etwas
zu beherbergen, das wir zwar nicht kennen, dessen Entfernung aber
wünschenswert sein muß. Die Prostatektomie wirkt deshalb nicht nur
infolge der Eliminierung eines mechanischen Hindernisses, sondern auch
durch Ausschaltung eines toxischen Gewebes günstig auf das Allgemein-
befinden des Öperierten. A. Citron-Berlin.
Ricerche anatomo-pathologiche sull ipertrophia prostatica.
Von Francesco Nasetti. (La Clinica chirurgica 1912, 7, p. 1195.)
F. Nasetti untersuchte 55 Vorsteherdrüsen, die frisch vom Operations-
tisch kamen, histologisch. Im Drüsenparenchym herrschen im allgemeinen
Rückbildungsvorgänge vor, die durch verschiedene Faktoren: Druck von
seiten des neugebildeten Gerüstes, Obliteration der Drüsengänge, Druck
durch die cystischen Erweiterungen, geringe Blutzufuhr veranlaßt werden.
Bindegewebe wie Muskel gehen aus einem Zustande der Hyperplasie mit
viel Gefäßen in einen Zustand der Retraktion und Sklerose mit Ver-
schluß vieler Gefäße über. Das elastische Gewebe ist im ganzen spär-
lich, da seine Entwicklung dem des hyperplastischen Gewebes nicht
330 Prostata und Samenblasen.
folgen kann; seine Verteilung ist unregelmäßig, an den Grenzen der
hyperplastischen Zonen relativ reichlich. Nasetti neigt aus dem Ge-
samtbild der beobachteten Veränderungen zu einer Anschauung über die
Pathogenese der Vergrößerung der Vorsteherdrüse, nach der sowohl die
Entzündung, als die senile Rückbildung im Gerüst und im Stroma an
der Mannigfaltigkeit der histologischen, makro- wie mikroskopischen Bilder
wie der klinischen Symptome ihr Teil beitragen.
Mankiewicz-Berlin.
Calculs ur6troprostatiques cons6cutifs a l’operation de Freyer.
Von Loumeau. (Journal de medecine de Bordeaux. März 1912.)
Loumeau zeigt 12 Phosphatsteine, die sich in der trichterförmigen,
nach der Freyerschen Operation unterhalb des Blasenhalses sich ent-
wickelnden Höhlung gebildet haben und 2!/, Jahre nach der ersten
Operation eine nochmalige Sectio alta zur definitiven Heilung erforder-
lich machten. Mankiewicz-Berlin.
Calcul urétro-prostatique. Von :P. Michel. (Soc. des ‘sciences
médicales de Lyon. 17. April 1912. Lyon médical 1912, 29, p. 131.)
P. Michel zeigt einen Stein aus der prostatischen Harnröhre, der
einem 39 jährigen Manne durch Sectio perinealis entfernt worden ist.
Seit 6 Monaten Polyurie und vermehrte Miktionsfrequenz. Vor 14 Tagen
heftige Hämaturie ohne besondere Veranlassung, die sich ınehrfach wieder-
holte. Röntgen zeigt Schatten in der Symphysengegend, Metallkatheter
gibt Kuntakt in der Pars prostatica, der in die Blase eingeführte Ka-
theter läßt sich nicht umdrehen. Cystoskopie negativ. Urethroskop zeigt
im untern Teil der prostatischen Harnröhre den Stein, den auch die
Rektalpalpation als buckelige Karte erkennen läßt. Der Stein ist so
groß wie eine kleine Nuß und oben mit einer Rinne versehen, die die
Leichtigkeit der Miktion erklärt. Mankiewicz-Berlin.
Le sarcome de la prostate. Von Descuns. (Thèse Toulouse 1911.
Descuns bringt einen neuen Fall von Prostatasarkom bei einem
14 jährigen Jungen mit Pollakiurie, dann kompletter Retention; Bauch-
beckentumor vom Nabel bis ins kleine Becken, ohne Hämaturie, ohne
Drüsen. Die Laparotomie zeigte den Zusammenhang des unteren Ge-
schwulstpoles mit der Prostata. Myxosarkom mit großen runden Zellen.
Mankiewicz- Berlin.
Sul cancro della prostata ed il suo trattamento chirurgico.
Von Aurelio Cordero. (La Clinica chirurgica 1912, 6, p. 1014.)
Aur. Cordero berichtet aus dem Hospital in Pavia über vier
operierte Fälle von Prostatakarzinom auf perinealem Wege. Ein Patent
starb nach einer Woche, einer nach einigen Monaten, ein dritter lebte
2'/, Jahre (2 Jahre Wohlbefinden), ein vierter vor 9 Monaten operiert
mit voller Retention und starker Abmagerung, hat 10 Kilo zugenommen
und ist bis auf geringe Inkontinenz gesund. Die Statistik ist betrübend.
von 20 Operierten lebten nur 6 länger als 2 Jahre, einer mehr wie
Technisches. 331
4 Jahre (Young). Suprapubisches Verfahren gibt auf 8 Operierte nur
einen länger als ein Jahr überlebend. Die Exstirpation en bloc auf
prärektalem Wege scheint Cordero am empfehlenswertesten. Nur früh-
zeitige Diagnose und Operation kann Besserung der Resultate bringen.
Mankiewicz-Berlin.
VI. Technisches.
Ein primitives Blasenphantom zu cystoskopischen Übungen.
Von Dr. Benno Ottow-Dorpat. (Zeitschr. f. gynäkologische Urologie 1912,
Bd. 3, Nr. 5.)
Zur Darstellung der Blase wurde vom Verf. eine sphärische Gummi-
membran in Gestalt eines Kinderspielballes benutzt. Die Größe des
Balles kann natürlich verschieden gewählt werden. Vorzuziehen ist ein
Ball, der in seinem Lumen annähernd die durchschnittliche Kapazität
der weiblichen Blase wiedergibt. Seine Farbe kann grau oder gelbröt-
lich sein, seine Gummiwände von mäßiger Dicke, nicht zu nachgiebig
und weich. Ein beliebig großes, ovales Segment der sphärischen Ober-
fläche des Balles wird mit einer Schere herausgeschnitten. An der Innen-
seite der nun zugänglichen Hohlkugel werden, mit Einhalten der richtigen,
natürlichen Entfernungen, die Stellen für die beiden Ureterostien und das
Orifieium internum der Harnröhre markiert. Hierauf wird die Gummi-
hohlkugel durch die eingeschnittene Öffnung hindurch evertiert und die
jetzt außen freiliegende „Schleimhaut“ bemalt. Dieses kann schematisch
durch Einzeichnen (mit Tusche oder Tinte) der radiär ausstrahlenden
TrigonumgefäBe, des Ligamentum interuretericum, der „Balken“ der
Blasenhinterwand usw. geschehen, oder aber durch sorgfältiges Hinein-
malen der Blasenzeichnungen, Gefäße und physiologischen oder patho-
logischen Schleimhautbilder. Nachdem die Schleimhautseite wieder nach
innen gebracht worden ist, werden die für Harnleiter und Urethra mar-
kierten Stellen rund durchbohrt (die Ureterlöcher in der Richtung schräg
nach oben) und mit je einem zugeschnittenen dickwandigen Gummirohre
passend armiert, dessen Kaliber, Farbe und Länge beliebig gewählt sein
können. Sind die vorgebohrten Löcher in der Blase und die Stärke der
Gummirohre in ein richtiges Verhältnis zueinander gebracht, und letztere
richtig so weit vorgezogen, daß sie nicht mehr wie etwa ein implantierter
Ureter knopfartig in das Blasenlumen vorspringen, so werden hierdurch
deutliche Harnleiterwülste markiert und zwei völlig wasserdicht ab-
schließende Ureteren in den Blasenboden eingefügt. Diese normale Blase
kann jetzt noch weiterhin leicht pathologisch ausgestaltet werden: ein
mit einer Nadel durch die Blasenwand durchgeführter und in ihr haften-
der Faden (Seide, Zwirn, Katgut) zeigt eine eingewanderte Ligatur, aus
Wachs oder Knetgummi können Tumoren und Blasensteine nachgebildet
und an die Blasenwand angeheftet werden, zahlreiche durch die Blasen-
wand geführte und ihr büschelförmig aufsitzende Wollfäden können ein
Papillom darstellen usw. Zur Cystoskopie wird das Blasenphantom richtig
situiert — entsprechend der normalen Untersuchungslage der Kranken
— und dann so mit einer durchgestoßenen Heftzwecke an seine Unter-
332 Technisches.
lage fixiert. Nach Einführung des Cystoskops durch die Urethra kann
jetzt das Blaseninnere abgeleuchtet, pathologische Veränderungen können
diagnostiziert und die Ureteren eingestellt und katheterisiert werden,
wobei die Kontrolle des cystoskopisch Gesehenen mit dem Auge jeder-
zeit durch das im Vertex fehlende Blasensegment ermöglicht wird. E,
empfiehlt sich, die Untersuchung mit brennender Cystoskoplampe vorzu-
nehmen, wobei als elektrische Kraftquelle am besten zwei miteinander
verbundene trockene Taschenbatterien zu je vier Volt dienen. Wird das
Phantom umgekehrt (Trigonum vesicae nach oben) an seine Unterlage
. geheftet, so ergibt die Untersuchung jetzt den Effekt einer solchen in
Knieellenbogenlage. Die hier angeführten Untersuchungen, die natürlich
beliebig vermehrt und gestaltet werden können, lassen sich ebenso auch
an der wassergefüllten Blase ausführen, nachdem die Ureterschläuche
durch Klemmen geschlossen wurden. Wird hierbei ein Ureterschlauch
mit einem kleinen wassergefüllten Gummiballon armiert, so kann leicht,
bei Entleerung der letzteren durch Druck, im cystoskopischen Bilde der
Harnwirbel der Ureteraktion dargestellt werden — oder, mit nötiger
Modifikation der Versuchsanordnung, der Effekt einer Chromocystoskopie.
| Kr.
Zum aseptischen Katheterismus. Von Dr. Czablewski. (Deutsche
med. Wochenschrift 1912, Nr. 35.)
Zu der schon bisher aus Glyzerin, Traganth und Hydrargyrum
oxycyanatum zusammengesetzten Kathetercreme hat Dr. Oesterreicher
Natriumchlorid hinzugesetzt und damit eine Aufhellung der Creme er-
zielt. Nachprüfungen dieser Creme durch Czablweski haben gezeigt,
daß sie sich für den Katheterismus wie für die Kystoskopie in gleicher
Weise verwenden läßt. Untersuchungen des Präparates im Institut des
Dr. Klopstock haben ergeben, daß sie an sich steril ist und in Tuben
selbst bei häufiger Öffnung steril bleibt, ferner daß sie auf Bacterium
coli und Staphylococcus aureus entwickelungshemmend resp. abtötend
wirkt. Das Präparat wird „Gantesol“ genannt und von dem Autor
auch seines billigen Preises wegen empfohlen.
Ludwig Manasse-Berlin.
On the use of a definite temperature in treating disease, and
the destruction of the gonococci. Von J. A. Fulton-Astoria. (Medical
Record, 24. 2. 1912.)
Als beste Einrichtung zur Anwendung von Hitze oder Kälte hat
Fulton einen Metallkatheter erprobt, in welchem Wasser bestimmter
Temperatur zirkuliert und bei der ein Thermometer an dem Eintritt und
ein anderer an dem Austritt des Wassers vorhanden ist. Mit diesem
Katheter wurden eine Reihe gonorrhoischer Urethritiden behandelt, wobei
oft die Erkrankung in einer Woche, ja sogar in einer Sitzung gebeilt
wurde. Zunächst wurde die Urethra mit Borsäure oder Kochsalzlösung
ausgespült, dann eine Stovainlösung injiziert. Der Patient liegt, und
Katheter wie Thermometer werden so über ihm aufgehängt, daß jede
unnötige Belästigung des Patienten vermieden wird. Die Wasserzirkur-
Kritiken. 333
lation wird erst in Gang gesetzt, nachdem der Katheter eingeführt ist,
` sv dab die Wärme allmählich gesteigert werden kann. Die Temperatur
"` ist möglichst hoch zu wählen, darf nicht unter 48 Grad sinken. Diese
Temperatur soll 30—60 Minuten eingehalten werden. Einige Tage lang
` isc die Urethra oder auch das ganze Organ geschwollen und schmerz-
haft. In diesem Falle ist eine milde Zinklösung mehr zur Beruhigung
des Patienten angezeigt. Nach drei Anwendungen an aufeinander folgen-
den Tagen ist kein Fall von akuter Gonorrhoe linger als 18 Tage in
Behandlung gewesen. In einem Fall trat während der Behandlung eine
Fpididymitis auf, in einem anderen eine Zystitis, doch anscheinend
richt infolge der Behandlung. In einem Falle mit Epididymitis gelang
es, diese durch Heißwasseranwendung zu kupieren. Chronische Gonorrhöen
wurden nur wenige, doch anscheinend mit gutem Erfolg behandelt.
Nur ein Fall wurde mit kaltem Wasser von etwa O Grad behan-
del. Da es schwer ist, so niedrige Temperaturen dauernd zu erhalten,
wurde vorläufig diese Behandlungsart ausgesetzt.
N. Meyer- Wildungen.
VII. Kritiken.
Über Behandlung der Hauttuberkulose. Von Doutrelepont-
Fonn, (Halle, Marhold, 1912.)
Unter dem Namen der Hauttuberkulose faßt Autor die Tuberculosis
luposa (Lupus), die T. propria cutis et mucosae und die T. colliquativa
(Nkrofuloderm) zusammen.
Bei allen Formen hat sich eine tonisierende Arsen-Eisentherapie
nützlich erwiesen. Noch wichtiger ist die Verwendung des Tuberkulin
(Alt T.. erstmalige Injektion von '/,—1l mg — zugleich als Diagnosti-
kum wertvoll — und langsame Fortführung der Kur bis etwa zu 10
oder 20 mg) oder Neutuberkulin (TR) von !;.,, mg .allmählich bis zu
20 mg emporgehend.
Lokal verwendet D. in allen Fällen borkiger und krustenbildender
T.-Erkrapkungen zunächst 1°, ,, Sublimatkompressen.
Zur Verstärkung dienen nach erzielter Reinigung der Kraukhbeits-
herde die elektiv wirkenden 10°’, Pyrogallolsalben, die in 3—4tägisen
Zyklen appliziert und dann wieder durch Sublimat abgelöst werden.
Urinuntersuchungen auf Nierenschädigungen durch beide Mittel dürfen
nicht unterlassen werden.
Chirurgische Behandlung kann in allen umschriebenen Fällen ver-
sucht werden, doch warnt Autor vor Gebrauch des scharfen Löflels; die
Heißluftkaustik nach Holländer stellt er etwa der P’yrogallustherapie
quoad effectum gleich.
Während die Finsenbehandlung den Nachteil äußerst langer Daner
(Hunderte von Sitzungen) aufweist, führt Röntgentherapie bei vorsich-
tiger Äpplikationsweise oft zu wertvollen kosmetischen Resultaten. Über
Diathermie ebenso wie die Radiumbehandlung fehlen Autor eigene Er-
fahrungen. Die Tuberkulose der Schleimhäute reagiert günstig auf Sub-
334 Kritiken.
limattampons, wobei, falls die Nase erkrankt ist, eine Untersuchung und
ev. Calomel-Sondierung der Tränennasengänge nicht versäumt werden soll.
Am Ende einer Behandlung rät D. einige Alt-Tuberkulin-Injektionen
(L mg bis 20 mg steigend) als Probe, zur Befestigung des Resultates
und als Schutz vor Rezidiven.
D. erwähnt noch eine von Pfannenstill-Malmö angegebene Be-
handlung des Schleimhautlupus mit Darreichung von JK innerlich und
externer Applikation von Wasserstoffsuperoxyd.
Hierbei wirkt Jod in statu nascendi. Diese bei Nasen- und Larynx-
tuberkulose den Literaturangaben nach gut bewährte Methode würde viel-
leicht auch bei Blasentuberkulose eines Versuches wert sein. (Ref.)
Chirurgie der Samenblasen. Von Voelcker-Heidelberg. Verlag
von Encke 1912.
Vorliegendes Buch erscheint als Monographie der von v. Bruns
herausgegebenen Neuen deutschen Chirurgie. Voelker behandelt ein
Gebiet, das infolge der in ihm geübten Polypragınasie mancher, beson-
ders ausländischer, Autoren und anderseits wiederum infolge geringerer
Beachtung nie in seinem ganzen Umfange bisher kritisch gewürdigt wurde.
Diese Lücke in der Literatur füllt das Buch von Voelcker aus, der
in erschöpfender Weise den Stoff behandelt und neben eignen Erfah-
rungen in objektiver Weise auch über die anderer Autoren ausführlich
berichtet. Besonders erwünscht werdan bei der Seltenheit mancher Er-
krankungen die vielen, in der Literatur gesammelten, beigegebenen
Krankengeschichten sein. Oelsner- Berlin.
Die Erkrankungen des weiblichen Genitale in Beziehung
zur inneren Medizin. (I. Band.) Redigiert von v. Frankl-Hochwart,
v. Noorden, v.. Strümpell. Wien 1912.
Die Anregung zu dem Werke, das als Ergänzung zu Nothnagels
Spezieller Pathologie und Therapie erscheint, verdanken die Herausgeber,
wie sie in dem Vorwort hervorheben, Rosthorn, der den Plan zu diesem
Werke mit seinen Schülern und Mitarbeitern ausgearbeitet hatte, ohne
seine Ausführung zu erleben.
In dem vorliegenden ersten Band werden die Beziehungen zwischen
Herz-Gefäßapparat und gynäkologischen Erkrankungen von Jaschke-
Düsseldorf behandelt, die zwischen dem Harnapparat und den weiblichen
Geschlechtsorganen von Kermauner-Wien. Die Erkrankungen des
Respirationsapparats in ihrer Bedeutung für das weibliche Geschlecht
erörtert gleichfalls Kermauner, die Knochen- und Gelenkerkrankungen
in gleicher Weise Knapp-Prag. Die Krankheiten des Blutes und der
blutbildenden Organe beschreibt Payer-Graz. Auf die Bedeutung des
weiblichen Genitale für den Gesamtorganismus und die Wechselbezie-
hungen seiner innersekretorischen Elemente zu den andern Blutdrüsen
geht Novak-Wien ein, der in einem besonderen Kapitel auch über die
wechselseitigen Beziehungen zwischen Konstitutionsanomalien und Ver-
änderung des weiblichen Genitale schreibt. Die Beziehungen der genä:
kologischen Erkrankungen zur Leber werden von Blau-Wien behandelt,
Kritiken. 335
die zum Digestionsapparat (auch Peritoneum) von Wagner-Wien. Jedem
dieser Kapitel ist zum SchluB die einschlägige Literatur beigegeben.
Oelsner-Berlin.
Traité de la Blennorrhagie et de ses Complications. Von
Georges Luys. Paris 1912. Doin et fils, Editeurs.
In einem umfangreichen Buche behandelt Verf. erschöpfend das
große Gebiet der Gonorrhoe. In den ersten allgemein gehaltenen Ka-
piteln bringt er die historischen Daten und schildert die Gefahren der
Gonorrhoe für das Individuum und die Gesellschaft. Zum Schluß dieses
Teiles werden die Beziehungen dieser Krankheit zur Rechtsprechuug
erwähnt, und zur Erläuterung wird eine Reihe von Gerichtsurteilen ge-
bracht. Der pathologisch-anatomische Teil und sämtliche klinische Unter-
suchungsmethoden sind in ausführlichster Weise behandelt. Einen be-
sonders breiten Raum nimmt die Urethroskopie ein. Eine große Zahl
teils farbiger Bilder erläutert den Text. Bei der Behandlung der Go-
norrhoe und ihrer Komplikationen, welche den größten Teil des Buches
umfaßt. wird besonders auf die Blennorrhagie bei der Frau und im
Kindesalter eingegangen. Oelsner- Berlin.
Ikonographia dermatologica. Atlas seltener neuer und diaguostisch
unklarer Hautkrankheiten. Herausgegeben von A. Neisser und E. Jacobi,
(Urban & Schwarzenberg, Berlin-Wien, 1912.)
Band 6, Tafeln 44 bis 51 enthalten die folgenden Krankheitsab-
bildungen bzw. kasuistischen Beschreibungen:
De Beurmann und Gougerot-Paris: Sporotrichosis dermica
(verrucosa) et Sporotrichosis epidermica.
Karl Bruck-Breslau: Dermatitis nodularis necrotica suppurativa
et ulcerosa.
Crauston Low-Edinburgh: Malleus acutus.
G. Nabl-Wien: Granuloma nodulare et confluens. (Typus Boeck.)
G. Pernet-London: Ulcus rodens morphoeiforme.
Schramek u. Weidenfeld-Wien: Hemisporosis cutis.
H. Sowade-Halle: Atrophia cutis cum hyperkeratosi symmetrica
palmare et plantare.
G. Wolfheim: Granuloma nultiplex benignum tuberculoides.
Schönheit und Naturtreue der figürlichen Reproduktion stehen auch
diesmal auf der Höhe des technisch Erreichbaren, die begleitenden
kurzgefaßten Monographien sind von hohem Interesse.
Theodor Mayer-Berlin.
Über die Serodiagnose der Syphilis. Von Brauer-Danzig. (Halle,
Marbold, 1912.)
Dem gegenwärtigen Stande des Wissens entsprechende übersichtliche
Darstellung der Theorie, Methodik, Technik und praktischen Bewertung
der Wassermannschen Reaktion. Theodor Mayer-Berlin.
330 V'erschiedences.
Sammlung zwangloser Abhandlungen aus dem Gebiete der
Dermatologie, der Syphilidologie und der Krankheiten des Un.
genitalapparates. Herausg. v. Jadassohn. Die Therapie des Ekzen:
Von Theodor und Fritz Veiel-Cannstatt. (Halle, Marhold, 1912.)
Intern ist Arsen ials Pilul. asiat.), arsenhaltige Mineralwäser od:
Natrium arsenicosum- Injektionen (0,13:20, jeden 2. Tag ‘,-1 ven
empfehlenswert, sofern es sich um Erwachsene bandelt. Anämie, Gic.
Nephritis, Ikterus, O'ystitis, Diabetes, die bei Ekzematikern häufig sind,
ohne daß deswegen von Diathesen gesprochen werden dürfte, sind nad
Möglichkeit za bekämpfen. ebenso Zirkulationsstörungen und Verdaung-
anomalien. Die sog. herpetischen Ekzeme bei Neurasthenikern reagieren
zuweilen günstig auf Strychnin oder COhinin. Zuweilen ist übertrieben
Reinlichkeitssport Ekzem-Ursache, zuweilen die vielverhreitete Rein
Wollen-Unterkleidung. Bezüglich der sehr eingehend geschildert
Ekzem-Therapie mub auf das Original verwiesen werden.
VIN. Verschiedenes.
Über die klinische Bedeutung der Bestimmung des Kolloidal-
‚stickstoffs im Harn nach der Methode von Salkowski und Kojo
zur Diagnostizierung des .Karzinoms der inneren Organe. Ju
W. P. Semenow. Assistent der therapeut. Klinik von Prof. G. J. Jawein an
klinischen Institut der Grobfürstin Helena Pawlowna, (Folia urologica VIT F4.
No. 4. November 1912.
Die frühzeitige Diagnose des Karzinoms der inneren Organe, dis
sich größtenteils unbemerkt entwickelt, und sich zu Anfang durch kemer-
lei deutliche Symptome kenntlich macht, ıst von auberordentlicher Be-
deutung. Es gibt dem Chirurgen die Möglichkeit, diese maligne New
bildung zu einer Zeit zu entfernen, wo sie noch klein ist und nach
keine Metastasen gesetzt hat. und dadureh die Gesundheit des Patienten
wieder berzustellen. Unbedingt ricbtige Kennzeichen, die eine genam
Diagnose der Erkrankung nieht nur im frühen, sondern selbst auch in
einem späteren Stadium ihrer Entwicklung ermöglichten, sind bis jetzt
noch nicht gefunden worden, obwohl in dieser Richtung sclıon seit langer
Zeit intensiv gearbeitet wird. Die in den letzten Jahren vorgeschlagenen
Methoden von Weinstein, Salomon, Boas usw. können keine ent
scheidende Bedeutung bei der Karzinomdiagnose überhaupt, noch weniger
in einem frühen Stadium haben. Die im Jahre 1910 in der Berliner
klinischen Wochensehrift erschienenen Aufsätze von E. Salkowski über
die Bedeutung der Harnanalyse hinsichtlich der Karzinomdiagnose, ın
denen der Autor auf die von ihm konstant beobachtete Vermehrung der
stickstoffhaltigen kolloidalen Substanz im Harn von Karzinomkranken
aufinerksam macht, versprachen für die Zukunft das Beste im Sinne der
Mörliebkeit der Festlegung eines für die karzinomatöse Neubildung spe-
zitischen Symptoms. falls die erhöhte Quantität des kolloidalen Stickstofis
im Harn sich bei den weiteren Beobachtungen als nur für Karzinom-
kranke spezifisch erweisen sollte. Die Mitteilung von Salkowski
interessierte Verf. damals so schr, dab er beschloß, sich mit der Frage
Verschiedenes. 337
der Päthognomonität der im Vergleich zur Norm erhöhten Quantität des
Kolloidalstickstoffs im Harn bei Karzinomkranken zu beschäftigen, und
zwar bediente er sich bei seinen Untersuchungen der später von Bal.
kowski und seinem Schüler Kenji Kojo für klinische Zwecke verein-
fachten Methode. Die Resultate dieser Untersuchung faßt S. wie folgt
zuammen: „Der Koeffizient von Salkowski und Kojo ist bei Gesun-
den stets niedrig (Maximum 1,79). 2. Zunahme des stickstoffhaltigen
Kolloids bei Karzinom der inneren Organe wird stets beobachtet. 3. Zu-
nahme des kolloidalen Koeffizienten kann auch bei anderen Krankheiten
(akute Appendizitis, akute Endokarditis, Anämie, Diabetes mellitus und
Tuberkulose) beobachtet werden. 4. Gesteigerte Quantität des kolloidalen
Stickstoffs im Harn ist für Karzinom nicht spezifisch. 5. Normaler
Koffizient von Salkowski und Kojo (bis 1,79) schließt karzinomatöse
Neubildung aus. Kr.
Versuch einer Anwendung der Unna-Pappenheimschen Fär-
bung an drüsigen Organen. Von R. H. Jaff& und W. Löwenfeld.
(Virchows Archiv, 210. Bd., 1912, S. 419.)
Die Technik der Untersuchung ist folgende: Fixation in einem
Gemisch von 2 Teilen Müllerscher Flüssigkeit und 1 Teil 10 proz.
Formalin. Die Paraffinschnitte werden nach dem Entparaffinieren bei
37° in dem Farbengemisch gefärbt, dann rasch abgekühlt, mit Wasser
abgespült, mit 70°/,igem Alkohol vorsichtig differenziert, entwässert und
mit säurefreiem Xylol aufgehell. Neben andern Drüsen mit innerer
Sekretion wurden von den Verfassern auch die Hoden untersucht. Die
Tubul. contort. bieten folgendes Bild: Das Protoplasma der Epithelien
färbt sich rosa, die Kerne der Spermatogonien sind dunkelblau, die der
Sertollschen Zellen lichtblau, das rote Kernkörperchen ist sehr deutlich
zu sehen. Bei den Spermatozyten erster Ordnung ist das Kernkörper-
chen deutlich rot gefärbt. Mit zunehmender Reife spielt der Farbenton
des Kernes immer mehr ins Grüne, die Kerne der Spermatiden sind be-
reits blaugrün, während die Köpfchen der Spermatozöen smaragdgrün
erscheinen. Diese Färbung der Spermatozöenköpfe beruht nach Unna
auf ihrem Gehalt an Nukleinsäure. Bei den Spermatiden ist ein Kern-
körperchen nicht mehr zu sehen. Die in Teilung begriffenen Kerne er-
scheinen dunkelblau. Die Zwischenzellen zeigen ebenfalls rosa Proto-
plasma, färben sich also wie epitheliale Gebilde, ferner blasse blaugrüne
groBe Kerne mit großen roten Nukleolen. Das Pigment zeigt sich deut-
lich in Form gelbbrauner Körnchen. Im Interstitium findet man Mast-
zellen, deren Kern dunkelgefärbt ist und die grobe rote Granula haben.
An einem Hoden von einem 4 monatlichen Embryo mit zahlreichen
Leydigschen Zellen sah man in dem rot gefärbten Protoplasma dieser
Zellen, namentlich peripher, groBe rote Granula, was vielleicht der Aus-
druck einer gesteigerten Funktion ist. Aus ihren gesamten Unter-
suchungen auch an andern Drüsen ergibt sich, daß diese Färbung Auf-
schluß gibt über das Sekretionsstadiunn überhaupt, ferner erleichtert sie
die Unterscheidung verschiedener Sekretarten und eignet sich daher be-
sonders dann, wenn in einer Drüse zwei sich chemisch different verhal-
338 Verschiedencs.
tende Epithelarten zusammentreffen. Stark alkalische Zellarten und Sekrcte
färben sich rot, anderseits bewirkt Gehalt an freiem Sauerstoff Blau- bis
Grünfärbung. Abkömmlinge des Bindegewebsapparates färben sich dann
analog wie sezernierende Epithelien, wenn ihnen eine Sekretion zukommt.
R. Kaufmann-Frankfurt a. M.
Die Verwertung diagnostischer Fortschritte in versicherungs-
ärztlicher Hinsicht. Von Dr. Julius Flesch in Wien. (Medizin. Klinik
1912, Nr. 40.)
Von speziell urologischem Interesse in vorliegender Aıbeit ist die
Bemerkung, daß Diabetes mitunter mit Pentosurie verwechselt wird. Lietz-
tere wurde im ‚Jahre 1892 von Salkowski entdeckt und ruft kaum
jemals körperliche Störungen hervor. Die Verwechslung mit Diabetes
geschieht dadurch, daß der Harn deutlich reduziert, und zwar Fehling-
sche Lösung nach einer halben Minute, wobei das Kupferoxyd erst bei
längerem Stehen ausfällt. Nylanders Reagens wird gleichfalls schwach
reduziert. Mit Hefe tritt keine Gärung ein, und der Polarisation<be-
fund ist inaktiv. Wie schützt man sich also vor Verwechslung einer
Pentosurie mit einem Diabetes? Als Regel gelte, daß ein Harn, der bei
Anstellung der Trommerschen Probe erst beim Erkalten reduziert,
dann aber schußweise, auf Pentosen verdächtig ist. Ein Pentoseharn
gibt nun die Orcin-Reaktion: 3 ccm Harn und 6ccm rauchende Salpeter-
säure plus eine Messerspitze Orcin werden zum Sieden erhitzt, worauf
sich ein charakteristischer blaugrüner Farbstoff ausscheidet. — Bei Frauen
findet sich im Puerperinm, namentlich wenn sie nicht nähren, bis in die
sechste Woche fast stets Milchzucker ım Harne, der gleichwie Trauben-
zucker alle Reduktionsproben — mit Ausnahme der Gärungsprobe —
zeigt. — Pathologische Chondroiturie täuscht erheblichen Eiweißgehalt
des Harns vor, da die Chondroitinschwefelsäure für geringste Eiweiß-
mengen noch in Verdünnung von 1:40,000 ein starkes Fällungsmittel
darstellt. Fügt man zu einem solchen Harn mit geringem Eiweißgehalt
Essigsäure, so bildet sich deutliche Opaleszenz, die von der unlöslichen
Verbindung der Chondroitinschwefelsäure mit Eiweiß herrührt. Bei or-
thostatischer Albuminurie besteht gleichzeitig pathologische Chondroiturie.
— Zur Klärung von Urinen, die neben reichlichen Uraten und Kreatinin
auch geringe Mengen von Eiweiß enthalten, was bekanntlich auf die
Zuckerbestimmung störend wirkt, benutzt Clarance E. May Phospbor-
wolframsäure. Der Vorgang ist folgender: AU eem Harm werden mit
einigen Tropfen konz. Salzsäure angesäuert. Bei Zimmertemperatur werden
nun DU eem Phosphorwolframsäure zugefügt, bis 150 ccm aufgefüllt und
filtriert. Vom Filtrate werden 100 ccm abgenommen, mit Bariumbydroxyd
neutral oder schwach alkalisch gemacht, auf 200 ccm aufgefüllt, filtriert
und direkt zur Titration oder zur Polarisation benützt. 50 cem des Reagens
genügen in der Regel, um alles Eiweiß, Harnsäure und Kreatinin zu
fällen. Ein eventueller Überschuß von Phosphorwolframsäure wird durch
das Bariumhydroxyd ausgefällt. Kr.
Verschiedencs. | 339
Traitement chirurgical de la tuberculose génitale chez l’hom-
me. Von Lapeyre. (Rapport au Congrès international de la tuberculose Rome
1912 Archives générales de Chirurgie 1912, 7, p. 774.)
Lapeyre kommt in seinem ausgedehnten Referat über die chirur-
gische Behandlung der männlichen Geschlechtsorgantuberkulose bei Gec-
legenheit des internationalen Tuberkulosekongresses zu Rom zu folgenden
Schlußfolgerungen: Die Genitaltuberkulose beim Erwachsenen ist in ihrer
primären häufigen Form eine lokale, gutartige, der Chirurgie zufallende
Affektion. Bei Fehlen von Lungen- und Blasenläsionen soll jede offene
und jede geschlossene Tuberkulose mit einfach progressivem Charakter
möglichst bald operiert werden. Eine breite, über die Grenzen der Er-
krankung binausgehende Ausscheidung ist die Methode der Wahl unter
folgender Reserve: Erhalten der Hoden wenigstens in der Hälfte der
Fälle; Vernachlässigung der wenig starken Eıkrankung von Prostata und
Samenblasen in Hinsicht auf ihre erhebliche Heilungstendenz. Die Ope-
ration der Wahl für den größten Teil der Fälle ist die hinreichende
Vasoepididymektomie, ohne zu große Ausdehnung. Die Beiderseitigkeit
der Operation ist gut, die Männlichkeit bleibt erhalten. Die Resektion
des gesunden Vas deferens wird zur Rettung des zweiten Hodens (be-
sonders nach Verlust des ersten) systematisch durchgeführt. Die seltenero
Vasovesikoektomie muß mehr verwandt werden; sie muß oft die erste
Vasoepididymektomie ergänzen. Jeisten- und Dammweg haben hier ihre
exakten Anzeigen. Bilaterale Kastration nur im äußersten Noffalle. Die
Ausrottung der ganzen Genitalien ist durch die Abtragung der Prostata
kompliziert und gefährlich und nur ganz ausnahmsweise angezeigt.
Mankiewicz-Berlin.
The problem of venereal prophylaxis. Von R. A. Bachmann-
New Port. (Medical Record 3. 8. 12.)
Bachmann, ein Marinearzt, bespricht zunächst einige Arbeiten
amerikanischer Armee- und Marineärzte, die sich mit der Prophylaxe
der Geschlechtskrankheiten befassen und die ein reiches Materral für
diese Frage zu bieten scheinen. In Gebrauch ist die doppelte Methode,
bei welcher Quecksilber und ein Gonorrhoepräparat angewendet wird, und
die einfache Methode, die nur aus Kalomel und einem Fettvehikel be-
steht. Der Autor selbst ist Anhänger der einfachen Methode und hat
eine ausdrückbare Metalltube angewendet, die 6 Gramm 33°/, Kalomel
und 1°/, Trikresol enthält. Wesentlich ist die Verwendung eines weichen,
etwa 4 cm langen Gummimundstückes, das die Salbe genügend tief in
die Urethra einzubringen und so dort längere Zeit zu halten gestattet.
Mit dieser Vorrichtung gelang folgender Versuch:
Ein Patient wurde in einem Bordell mit Gonorrhoe infiziert. Es
gelang, das betreffende Mädchen ausfindig zu machen. Präparate von
Urethra, Vagina und Cervix waren positiv. Eine Serie von 10 Mann
blieb gonorrhoefrei, bis auf einen aus der Mitte der Serie. Es konnte
nun festgestellt werden, daB dieser Mann eine Zuneigung zu dem Mädchen
gefaßt hatte und sie wiederholt besuchte. Ferner hatte dieser Mann das
Prophylaktikum nicht angewendet. Die von dem Mädchen gewonnenen
340 Verschiedenes.
Präparate waren bis zum Schluß gonokokkenhaltig, auch war ihr gesagt
worden, keine Ausspülungen während der Beobachtungszeit zu gebrauchen.
N. Meyer- Wildungen.
Prinzipien der Behandlung von Hernien. Von F. Karewski-
Berlin. (Die Therapie der Gegenwart 1910. Nov. 1910.)
Verf. erörtert zunächst die Prinzipien der Behandlung von Hernien
in summarischen Sätzen und bespricht sodann gewisse Besonderheiten
der einzelnen Bruchformen. Dabei weist er bei der Besprechung der
indirekten Leistenhernie, die der Typus des Bruchleidens kleiner Kns-
ben und durch das Offenbleiben des mit dem Descensus testiculi sich
nach aufsen begebenden Processus vaginalis peritonei charakterisiert ist,
auf zwei oft vorkommende diagnostische Verwechslungen hin, die nach-
teilige Heilversuche veranlassen können. Die eine betrifft die Ectopia
testis inguinalis, welche an dem Fehlen des Hodens im Skrotum bei
einiger Aufmerksamkeit bemerkt werden mülste, aber doch recht häufig
als Leistenhernie angesehen wird. Ein gewöhnliches Bruchband reponiert
den Hoden in die Bauchhöhle, verursacht also das Gegenteil von dem,
was not tut, während eine mit vorderem halbmondförmigem Ausschnitt
versehene Pelotte angebracht werden kann, deren Konkavität den Hoden
nach unten drängt und gleichzeitig die häufig diese Störung begleitende
Hernie zurückhält. Seltener und schwieriger in ihrer Wesenheit zu er-
kennen ist die Hydrocele bilocularis, die alle Charaktere des freien Bruches
zeigen kann, aber sich dadurch unterscheidet, dafs erstens die Bruch-
geschwulst ohne Gurren reponiert werden kann, dann bei guter Betastung
in der Beckenhöhle oberhalb des inneren Leistenrings zu fühlen ist, und
zweitens bei Fortnahme des die Bruchpforte verschliefsenden Fingers der
Tumor momentan in seiner ganzen Gröflse wiedererscheint. Ein Bruch-
band kann selbstverständlich das Leiden in keinem Falle erfolgreich be.
kämpfen, die Operation beseitigt es durch Totalexstirpation dauernd-
und erlaubt eventuell Verschlufs gleichzeitiger Bruchanlage. Kr.
Berliner
urologische Gesellschaft.
Protokoll-
der
Ordentlichen General-Versammlung
am Dienstag, den 28. Januar, präzise 8 Uhr,
im
Hörsaal des Poliklinischen Instituts, Ziegelstr. 18/19.
Vorsitzender: Herr C. Posner.
Schriftführer: Herr R. Kutner.
Tagesordnung:
a Bericht des Schriftführers, Schatzmeisters und Bibhothekars über das abec-
laufene Geschäftsjahr.
> Beratung über einige formale Änderungen an den Statuten.
1 Beschlußfassung über einen Beitrag zum Robert Koch-Denkmal.
t Wahl des Vorstandes und des Ausschusses.
». Herr A. Lewin: „Blasengeschwülste Dei Arbeitern in Anilinfabriken“.
o. Herr H. Straub: „Zur Prognose chronischer Nephritiden®.
1. Herr W. Israel: „Demonstration zur Nierenchirurgie“.
Zeitschrift für Urologie. 1913. SS
340 Verschiedenes.
Präparate waren bis zum Schluß gonokokkenhaltig, auch war ihr ges
worden, keine Ausspülungen während der Beobachtungszeit zu gebraucl
N. Meyer- Wildungen.
Prinzipien der Behandlung von Hernien. Von F. Karen
Berlin. (Die Therapie der Gegenwart 1910. Nov. 1910.)
Verf. erörtert zunächst die Prinzipien der Behandlung von He
in summarischen Sätzen und bespricht sodann gewisse Besonder
der einzelnen Bruchformen. Dabei weist er bei der Besprechu
indirekten Leistenhernie, die der Typus des Bruchleidens klein«
ben und durch das Ofenbleiben des mit dem Descensus_ testicı
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auf zwei oft vorkommende diagnostische Verwechslungen hin, di
teilige Heilversuche veranlassen können. Die eine betrifft die
testis inguinalis, welche an dem Fehlen des Hodens im Skro
einiger Aufmerksamkeit bemerkt werden mülste, aber doch re"
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was not tut, während eine mit vorderem halbmondförmigem A
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nach unten drängt und gleichzeitig die häufig diese Störung b+
Hernie zurückhält. Seltener und schwieriger in ihrer Wegen!
kennen ist die Hydrocele bilocularis, die alle Charaktere des freie"
zeigen kann, aber sich dadurch unterscheidet, dafs erstens d
geschwulst ohne Gurren reponiert werden kann, dann bei guter
in der Beckenhöhle oberhalb des inneren Leistenrings zu fühle
zweitens bei Fortnahme des die Bruchpforte verschliefsenden Fi
Tumor momentan in seiner ganzen Grölse wiedererscheint. F
band kann selbstverständlich das Leiden in keinem Falle erfo)
kämpfen, die Operation beseitigt es durch Totalexstirpatio.
und erlaubt eventuell Verschluls gleichzeitiger Bruchanlag
Der Vorsitzende teilt nach Eröffnung der Sitzung mit, daß die
Gesellschaft ein Mitglied (Dr. Bosse) durch den Tod verloren habe;
die Gesellschaft ehrt das Andenken des Dahingeschiedenen durch
Erheben von den Sitzen. Als Mitglieder sind heute Abend durch
Beschluß der Aufnahmekommission neu aufgenommen die Herren:
0. Philipsthal, H. Datyner, O. Nordmann und C. Martin.
1. Bericht des Schriftführers, Schatzmeisters und Biblio-
thekars über das abgelaufene Geschäftsjahr.
Bericht des geschäftsführenden Schriftführers Herrn R.
Kutner: Der Gründungstag der Gesellschaft ist Dienstag, der
16. Januar 1912. Sitzungen fanden statt: I. am 5. März 1912,
II. am 4. Juni 1912, ILL. am 1. Oktober 1912, IV. am 2. De-
zember 1912. Die Anzahl der Mitglieder bei der Begründung
betrug 107; im Laufe des Jahres wurden 14 Mitglieder auf-
genommen, ausgeschieden ist ein Mitglied durch Tod; der
gegenwärtige Bestand ist mithin 120. Insgesamt haben in den
einzelnen Sitzungen 22 Vorträge stattgefunden.
Bericht des Schatzmeisters Herrn Mankiewicz: Einnahme
679,70 Mk., Ausgabe 589,75Mk., Bestand 89,95 Mk.
Dem Schatzmeister wird Decharge erteilt.
Bericht des Bibliothekars Herrn Jacoby: Wie Sie aus
dem Berichte unseres Schatzmeisters ersehen haben, standen
uns im Gründungsjahre keine Geldmittel für Neuanschaffungen
zur Verfügung. Ich habe mich daher stets an die Autoren
selbst gewandt, und meiner Bitte um ein Exemplar wurde in.
den allermeisten Fällen willfahren. Der augenblickliche Be-
stand unser Bibliothek ist folgender: 63 Bücher, 18 Zeit-
schriftenbände, 116 Sonderabdrücke und 2 Dissertationen. Wie
ich von den Beamtinnen des Lesesaales erfahren, wurde unsere
Bibliothek häufig in Anspruch genommen.
2. Beratungen über einige formale Änderungen an den
Statuten. |
Der anliegende Statutenentwurf wird auf Vorschlag des
Vorsitzenden ohne Diskussion en bloc angenommen.
2a"
344 Protokoll.
3. Beschlußfassung über einen Beitrag zum Robert Koch-
Denkmal.
Die Gesellschaft beschließt gemäß dem Vorschlag des Vor-
sitzenden, M. 100.— als Beitrag zum Robert Koch- Denkmal
zu gewähren.
4. Wahl des Vorstandes und des Ausschusses.
Aus den Wahlen gehen hervor: als Vorsitzende die Herren
L. Casper (Vorsitzender), Wossidlo (stellvertretender Vor-
sitzender). Im übrigen werden wiedergewählt: als Schriftführer
die Herren R. Kutner und Rumpel, als Schatzmeister Herr
Mankiewicz, als Bibliothekar Herr S. Jacoby, als Ausschuß
(zugleich Aufnahmekommission) die Herren: Brentano, Knorr,
Artur Lewin, H. Lohnstein, Richter, Rosenthal.
An Stelle des ausscheidenden Herrn Prof. Wossidlo wird
Herr Prof. Benda in den Ausschuß gewählt; statutengemäß
tritt Herr C. Posner hinzu. — Es folgen als 5—7 der Tages-
ordnung 3 Vorträge.
5. Herr A. Lewin: „Blasengeschwülste bei Arbeitern in Anilin-
fabriken“.
6. Herr H. Strauß: „Zur Prognose der Nephritiden“.
7. Herr W. Israel: „Demonstration zur Nierenchirurgie“.
Vor der Tagesordnung.
Herr Rumpel zeigt das Röntgenbild und das durch Operation
gewonnene Präparat einer Pyonephrose. Es handelte sich um eine
26 Jahre alte Patientin, bei der sich im Anschluß an eine Abort-
ausräumung unter hohem Fieber, Schüttelfrösten und starker Pyurie
ein rechtsseitiger Nierentumor innerhalb von sechs Wochen bildete.
Nach Einführung eines Ureterkatheters in das rechte Nierenbecken
‚wurden ca. 80 ccm einer 10°; ,igen Kollargollösung — ohne daß die
Pat. Schmerzen davon hatte — injiziert und eine Röntgenaufnahme
angeschlossen. Das Röntgenbild läßt große cystische Hohlräume,
durch Septen getrennt, in der rechten Niere erkennen. Nachdem
sich die linke Niere als gesund erwiesen hatte, wurde die rechte
von R. exstirpiert. Sie bestand aus einem großen, dünnwandigen
pyonephrotischen Sack, der seinerseits wiederum aus mehreren Hohl-
räumen besteht. Heilung per primam. Demonstration des Präparates.
Vortragender zeigt noch mehrere Kollargolröntgenbilder von
beginnender Hydronephrosenbildung.
Blasengeschw ülste
bei Arbeitern in Anilinfabriken.
Von
Dr. Artbur Lewin.
Erscheint unter den Originalen.
Diskussion.
Herr Mankiewicz betont unter Berücksichtigung der Arbeiten von Leuen-
berger, dal die Fälle nicht alle Karzinome waren, sondern auch zum Teil
Sarkome. Er weist auf die experimentellen Arbeiten über Mäusetumoren hin,
bei denen man bei Züchtung auch Übergänge von Karzinomen in Sarkome beol-
achtet hat, und verspricht sich von den Frühbeobachtungen der Blasentumoren
nach der histologischen Seite hin Aufklärungen über Metaplasien der Zellen
und Tumoren.
Herr J. Israel betont, daß nicht immer viele Jahre der Beschäftigung
mit Amilinfarben nötig sind, um die malignen Tumoren zur Entwicklung zu
bringen. I. behandelte den 34jährigen Direktor einer Fabrik, der sich nur
sporadisch bei gelegentlicher Laboratoriumsarbeit mit Anilinfarben beschäftigte,
an einem malignen Blasentumor.
Herr Casper berichtet gleichfalls über 2 Fälle, in denen die Träger eines
Blasenkarzinoms nicht unmittelbar mit Aniliofarben beschäftigt waren, aber sich
doch in Lokalen bewegten, wo mit diesen Stoffen hantiert wurde, Der eine
war Besitzer einer chemischen Fabrik, der andere Direktor einer Gummifabrik.
Herr Rumpel berichtet über Blasenveränderungen bei Anilinarbeitern, die
an Hämaturie litten. In 2 Fällen konnte cystoskopisch nur der Befund der
Cystitis hämorrhagica erhoben werden, 2mal handelte es sich um echte Kar-
zinome. In dem einen dieser letzteren Fälle, dessen eystoskopische Bilder R.
demonstriert, wurde ein halbhübnereigroßer Tumor exstirpiert. Recidiv 3/, Jahre
nach der Operation, nachdem der Pat. trotz Warnung wieder in die Anilin-
fabrik gegangen war. Der zweite Pat. ist erst vor 14 Tagen in der Kgl. Klinik
operiert worden, auch bier handelte es sich um ein Karzinom.
Aus der Inneren Abteilung des Jüdischen Krankenhauses zu Berlin.
Zur Prognosenstellung bei Nephritiden.
Von
Prof. H. Straub.
Erscheint unter den Originalen.
Diskussion.
Herr Casper fragt, ob Strauß bei seinen Untersuchungen gefunden, dai;
der Reststickstoff eine konstante Zahl ist.
Herr Roth: Eine wesentlich einfachere Methode zur Prognosenstellung bei
der chronischen Nephritis als die von Herrn Strauß angegebene, dürfte viel-
leicht in der von Garighty und Roundtree eingeführten Phenolsulfophtalein-
probe bestehen. Dieser Farbstoff wird, wie von den genannten Autoren mit
großer Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, von den Zellen der Tubuli contorti
ausgeschieden; denn nach dem Tierexperiment wird er in stärkerem Grade aus-
geschieden bei vermehrter Diurese, die durch direkt auf die Nierenzellen wir-
kende Mittel, wie Coffein, Diuretin usw., zustande kommt, während dieses nicht
geschieht bei vermebrter Diurese, die durch erhöhten Blutdruck oder grübere
Wasserzufuhr entsteht. Die Methode ist in ihrer Anwendung sehr bequem.
Line bestimmte Menge Phtalein wird intramuskulär in die Lendengegend in-
jiziert, nach der ersten und dann nach der zweiten Stunde wird der (sesamturm
aufgefangen und in jedem die Menge des ausgeschiedenen Farbstoffes mit dem
Autenricht-Königsbergerschen Kolorimeter, der von Roundtree sehr
zweckmäßig modifiziert ist, bestimmt. Im allgemeinen wird beim Nieren-
gesunden nicht weniger als 60°/ der eingespritzten Phtaleinnenge ausgeschicden,
innerhall, der ersten 2 Stunden. In den Tabellen von Roundtrce-Garighty
finden sich eine Anzahl von Nephritiden mit geringer Phtaleinausscheidung;
diese sind innerbalb kurzer Zeit gestorben. Ich konnte mich des öfteren über-
zeugen, das Nieren, die nur geringe Mengen des Farlstoffes ausscheiden, schwer
krank sind. Andrerseits habe ich bei Nephritiden mit guter Phtaleinausschei-
dung im allgemeinen auch einen günstigen klinischen Eindruck gewonnen; ob
dieser letztere Zusammenhang stets vorhanden ist, diese Frage bedarf noch
weiter fortgesetzter Beobachtungen. Finige Versuche, die ich an Hunden an-
stellte, fielen in ähnlichem Sinne aus; indessen sind diese Versuche sowie die
klinischen Beobachtungen noch nicht abgeschlossen.
Herr C. Schneider (Bad Brückenau-Wiesbaden) a. G.: Die Bestimmung des
Reststickstoffes ist für die Prognose der Nephritis sicher sehr gut zu verwerten,
doch haftet derselben auch in der von Herrn Prof. Strauß angegebenen Form
der Nachteil an, dab sie nur in einer mit einem vollkommen eingerichteten
Laboratorium ausgestatteten Klinik ausführbar ist; für den Praktiker ist sie
nicht zu gebrauchen. Um den Grad einer bestehenden Nephritis und damit
die Prognose derselben herauszufinden, habe ich seit einigen Jahren die von
Schlayer, Volhard u. a. angegebenen Untersuchungen über die Funktion
der Nierenarbeit angewendet und bin mit dem Ergebnis derselben sehr zu-
e
Zur Prognosenstellung bei Nephritiden. — Diskussion. 347
frieden gewesen. Die Bestimmungen der Funktionsprüfung der Niere wurden
so ausgeführt, daß man !’,g Jodkali gibt und bestimmt, ob das Jod nach 2 mal
24 Stunden, wie bei normalen Fällen, ausgeschieden ist; ist das nicht der Fall,
so kann man aus der Dauer der Ausscheidung einige Schlüsse auf die Schädi-
gung der Harnkanälchenepithelien ziehen. Die Funktion der Glomeruli prüft
man dadurch, daß man den Wasserversuch anstellt, d.h. man läßt in kurzer
Zeit eine größere Menzre Flüssigkeit (1!/, Liter) trinken und bestimmt dann von
dem in !/sstündigen Pausen aufgefangenen Harn spez. Gewicht und Menge.
Fine weitere Prüfung der Funktionsfähigkeit der Harnkanälchen ist der Durst-
versuch, wobei den betr«ffenden Patienten jegliche Flüssigkeit entzogen wird
und ebenfalls in Pausen spez. Gewicht und Menge des Harns bestimmt wird;
der Durstversuch muß in einigen Fällen über mehrere Tage angestellt werden,
um zu sehen, ol» die Niere den Harn genügend konzentrieren kann. Ferner
macht man die Untersuchung über die Ausscheidung des Kochsalzes, indem man
den betreffenden Patienten möglichst auf Kochsalzstoffwechselgleichgewicht
bringt und dann eine Zulage von 10 g Kochsalz gibt und nun sieht, wie die
Niere mit diesem Überschuß an Kochsalz fertig wird; dies gibt Anlaß zur Be-
urteilung der Harnkanälchenfunktion und zugleich ein Urteil darüber. ob man
salzlose oder mäßig salzhaltige Kost geben kann. Für die Glomerulifunktions-
prüfung steht uns weiter der Milchzuckerversuch zur Verfügung, der so aus-
geführt wird, daß 20 ccm einer 2°/,igen Lösung intravenös injiziert werden,
diese sollen innerhalb 2 Stunden wieder vollständig den Körper verlassen.
Dieser Versuch ist aber schon deshalb in der Praxis nicht gut ausführbar, weil
dazu sehr feine Polarimeter nötig sind, die der Praktiker gewöhnlich nicht be-
sitzt. Ich habe diese Versuche an einigen hundert Patienten angestellt und
dabei gefunden, daß sich diese Versuche ganz gut ambulant durchführen lassen
und.einen guten Aufschluß über die Prognose der Nephritis geben.
Herr Strauß: Auf die Frage des Herrn Casper möchte ich antworten,
dab zwar geringfügige Schwankungen bei Untersuchungen, die zu verschie-
denen Zeiten vorgenommen werden, im Reststickstoffgehalt vorkommen, aber
keineswegs so, daß hohe Werte bald in niedere Werte umschlagen und umgekehrt.
Bei Werten über 150 mg Reststickstoff hat sich jedenfalls bisher fast in allen
Fällen die Prognose quoad tempus als sehr ernst erwiesen, d. h. die betreffenden
Patienten sind meist kurze Zeit später gestorben.
Was die Bemerkung des Herrn Roth betrifft, so ist es richtig, daß die
Phenolsulfoprobe einfacher ist, sie ist aber mit der vorliegenden Unter-
suchungsmethode nicht zu vergleichen, weil die Bestimmung des Reststick-
stoffgehaltes im Blutserum eine unendlich viel sicherere Grundlage zur Be-
urteilung der Prognose abgibt, als dies für die Phenolsulfoprobe zutrifft. Nach
meinen eigenen Erfahrungen ist die Phenolsulfoprobe auch nicht ganz frei von
Fehlern, obwohl sie gewisse Vorzüge gegenüber früheren ähnlichen Prüfungs-
methoden besitzt. Kleine Differenzen im Ausfall der Phenolsulfoprobe dürfen
Jedenfalls nur mit Vorsicht verwertet werden. Bei einer sehr groben Abweichung
von der Norm liegen aber nach eigenen Erfahrungen die Dinge klinisch meist
durchsichtig. Auch die vonSchlayer eingeführten Methoden sind auf meiner Ab-
teilung seit längerer Zeit in Gebrauch und wird mein Assistent, Herr Dr. Uhlmann,
über die Ergebnisse dieser Untersuchungen genauere Angaben machen. Ich
möchte mich deshalb auf die Bemerkung beschränken, daß die zur Prüfung der
(refäßfunktion dienende intravenöse Einspritzung von Milchzucker in zahl-
reichen Fällen — ich schätze sie etwa auf ein Drittel — zu Temperatursteige-
rungen geführt hat. Außerdem sind intravenöse Injektionen — wenigstens für
die Privatpraxis — kaum zu den einfachen Methoden zu rechnen. Die Jod-
kaliprobe ist ohne Belästigung des Patienten durchführbar, es sind aber
348 Demonstration zur Nierenchirurgie mit Projektionen.
hier nur solche Ergebnisse verwertbar, die eine grobe Differenz gegenüber
dem Durchschnittsverhalten aufweisen. Was die Wasser- und Salzzulagen
und den Durstversuch betrifft, so erinnere ich daran, daß ich schon früher, zu
der Zeit als ich mit Kochsalzfragen beschäftigt war, zur Funktionsprüfung der
Nieren ein Wasser-, Kochsalz- und Eiweißfrühstück angegeben habe, das ich
eine Zeitlang benutzt habe. Ich habe aber schon lange auf ein solches Vor.
gehen verzichtet, weil ich aus einer Betrachtung des prozentualen Kochsalz-
gehaltes im Zusammenhang mit den ausgeschiedenen Urinmengen und dem
gesamten klinischen Bilde meist eine genügende Orientierung über die Funktions-
fübigkeit des Tubularapparates gewinnen konnte. Dies kann man zuweilen so-
gar ohne Kochsalzzulagen erreichen. Immerhin verdienen diese Proben Be,
achtung, trotzdem es sehr schwer ist, den Kochsalz- und Wasserbestand des
Organismus derartig zu regeln, daß bei den verschiedenen Versuchspersonen
gleiche Ausgangsstellungen für die Untersuchung geschaffen werden. Deshalb
dürfen m. E. auch hier nur grobe Ausschläge für die Diagnose benutzt werden.
Für die Prognose bietet jedenfalls die Untersuchung des Blutes stabilere und
deshalb zuverlässigere Befunde als die Untersuchung des Urins.
Herr Uhlmann betont, daß die Phenolsulfophtaleinprobe zuweilen nicht
zuverlässig ist. Die Menge der ausgeschiedenen Farbe ist bei Nephritikern
nicht genau bestimmbar, da der Harnfarbstoff sie zuweilen zu beeinflussen ver-
mag; auch kann der Farbstoff von den Nieren zuweilen passiv ausgeschwemmt
werden. Bei gesunden Leuten sieht man mitunter Werte, die man pathologisch
nennen kann, dagegen bekam U. bei Fällen von Nephritis, u. a. auch bald nach
Urämie, normale Werte. Dagegen scheint die Jodprobe verläßlich zu sein.
Die Milchzuckerprobe zeigt Verminderung der Ausscheidung bei Schädigung
der Gefäße. Die Kochsalzprobe gibt ein ziemlich gutes Bild über die Funk-
tion, ebenso die Zulage von größeren Wassermengen, doch ist die Versuchs-
anordnung etwas difhizil.
Demonstrationen zur Nierenchirurgie
mit Projektionen.
Von
Dr. Wilhelm Israel,
I. Assistent am Krankenhause der Jüd. Gem. in Berlin
(Abteilung: Prof. Israel).
Erscheint unter den Originalen.
Aus der Therapeutischen Klinik von Prof. @. J. Jawein am Klinischen
Institut der Großfürstin Helene Pawlowna zu St. Petersburg.
Klinische Beobachtungen über die Wirkung
der Gonokokkenvakzine bei chronischen go-
norrhoischen Arthritiden.
Von
, Dr. W. P. Semenow, Assistent des Instituts.
Die Vakzinebehandlung oder die sogenannte Wrightsche Be-
handlungsmethode, die seit einigen Jahren von vielen Ärzten bei
verschiedenen, durch diese oder jene pathogenen Mikroorganismen
hervorgerufenen Erkrankungen angewendet wird, hat bereits eine
nicht geringe Zahl von Anhängern.
Von diesen haben A. Clarce Begg', Strubell?, Reiter?
E. Saaffeld* und Scherber? bei der Anwendung von Vakzine
vorzügliche Resultate beobachtet, die sich nicht nur durch Besserung,
sondern häufig sogar durch vollständige Wiederherstellung der Ge-
sundheit äußerten. Diese Beobachtungen beziehen sich auf durch
Staphylokokken hervorgerufene Erkrankungen (Ove Wulf? und
A.A. Iljin‘), auf durch Kolibazillen hervorgerufene Erkrankungen
(C. Wolfsohn®? und Thomas’), auf durch Staphylokokken und
(onokokken hervorgerufene Erkrankungen (Michaelis!®), auf Er-
krankungen, die durch Staphylokokken, Streptokokken und Gono-
kokken hervorgerufen waren (Maute!!), auf durch Staphylokokken,
Streptokokken, Gonokokken und Kolibazillen hervorgerufene Er-
krankungen (C. Schindler!? und Lewin!’ A. F. Bristow",
W, T. Taylor’, E. E. Irons!®, J. H. Schultz”, Hagen’,
C. Bruck", D. Menzer”, Jarvis?!, Guggisberg*?, Long und
Buttler*, Whitmore**, Loxton*. M. S. Oscar*, Th. V. den
Welde”, Fromme”, Eyre und Stewart”, Aronstamm°®,
E. Ballenger®!, F. Churchill*, Hamilton und Cooke“, Shrop-
shire®, Feuerstein®, W. A. Merkuriew°®, S. M. Silber?‘,
V. E Dembskaja®, S. W. Sowinski®, S. Th. Werbow‘,
E. A. Dubrowin*!, A. N. Solowiew®?, A. I. Sternberg‘),
Zeitschrift für Urologie. 1913. 24
350 | W. P. Semenow.
und A. Menzikowski‘* auf durch Gonokokken hervorgerufene Er-
krankungen.
Für meine Beobachtungen wählte ich Kranke, die mit chro-
nischer gonorrhoischer Arthritis behaftet waren, und zwar aus dem
Grunde, weil ich, indem ich in der therapeutischen Abteilung des
Prof. G. J. Jawein arbeitete, einerseits entsprechendes Material
auswählen konnte, andererseits, weil sich mir günstige Gelegenheit bot,
die Wirkung der Gonokokkenvakzine am Krankenbette im klinischen
Milieu praktisch zu erforschen.
Im Verlauf des akademischen Jahres 1911/12 hatte ich 6 Fälle
von Arthritis, bei denen ich mit gutem Erfolg die Gonokkenvakzine
angewendet habe.
Um meine Mitteilungen vollständiger zu gestalten, möchte ich
kurz auf den gegenwärtigen Stand der Frage der Entstehung der
chronischen gonorrhoischen Arthritiden und des Wesens der Wirkung
der Gonokokkenvakzine auf dieselben eingehen.
Bei chronischer gonorrhoischer Arthritis gelangen die Gono-
kokken von der affizierten Schleimhaut durch die Blut- und Lymph-
gefäße in den Blutkreislauf und werden mit dem Blutstrom in die
Gelenke verschleppt (M. Zeißl*), wo die Gonokokken zerfallen
und Endotoxin frei werden lassen, welches die umgebenden Gewebe
sklerosiert (Schindler'*, C. Bruck”).
Unter dem Einflusse der bei derartigen Erkrankungen üblichen
subkutanen Einführung einer abgetöteten Gonokokkenkultur produ-
zieren die Säfte des Organismus Antitoxine, Antikörpersubstanzen,
welche die Toxine neutralisieren, und bewirken stärkeren Zufluß von
Lymphe nach den eingekapselten Herden (A. E, Wright°®), wodurch
die unnachgiebigen Verhärtungen sich gleichsam in einfache trau-
matische verwandeln, erweichen und mehr oder minder rasch resor-
biert werden (Schindler'%, Bruck'”’, Ar. I. Sternberg*? und
W. E. Dembskaja°®).
Für die [Injektionen verwendete ich die polyvalente und nach
der Methode von Prof. Wright standardisierte frische Gonokokken-
vakzine, die in 1 ccm. 100 Millionen abgetöteter Mikrobienkörper
enthält, und die vom St. Petersburger Privatinstitut für Bakterio-
logie und Diagnostik von Privatdozent G. D. Bjelonowski und
DDr. P.P. Maslakowetz und J. J. Liebermann hergestellt wird.
Bei allen meinen Patienten wurde das Sekret der Harnröhre
bei Männern, bzw. dasjenige des Collum uteri bei Frauen sowohl
vor Beginn der Vakzination, als auch nach Beendigung der Injek-
Klinische Beobachtungen über die Wirkung der Gonokokkenvakzine. 351
tionskur bakterioskopisch und bakteriologisch auf Gonokokken unter-
sucht.
Für die Aussaat der Gonokokken wurde Aszitesagar unter Zu-
satz von menschlichem Blutserum in einer Quantität von TI Volumen
Gehalt verwendet.
Die Färbung der Präparate geschah nach der Methode von Gram.
Meine Beobachtungen machte ich ohne Bestimmung des Opso-
nin-Index (nach John Matthews‘) — des Index des Grades des
phagozytären Widerstandes des Serums gegen die betreffende Mikro-
bienart), von dem Standpunkte ausgehend, daß diese Bestimmung
bisweilen verworrene Resultate gibt und irreführt (Guggisberg®*,
Neufeld*, Thomas’ und W. E. Dembskaja°®, andererseits noch
aus dem Grunde, weil John Matthews‘, Schüler von Wright,
annimmt, daß man die Vakzinotherapie bei Gonokokkenaffektionen
auch ohne diese so komplizierte und an die Erfahrung des Forschers
so große Anforderungen stellende Maßnahme anwenden kann, die
nur in einem Laboratorium am Platze ist. Ich richtete mich ledig-
lich nach der sorgfältigen Beobachtung des klinischen Krankheits-
bildes. |
So verfuhren bei der Behandlung ihrer Patienten mit der Go-
nokokkenvakzine A. Menzer?®, Strubell?, Thomas’, Jarvis°!,
A. Clarce Begg', Wolfsohn?, Reiter®, S. Th. Werbow“° und
W.A. Merkuriew?°®, und zwar gleichfalls mit günstigem Ausgang.
Ich halte es für notwendig, hier noch auf die klinischen Er-
scheinungen hinzuweisen, die unmittelbar nach der Injektion der
einen oder der anderen Vakzine gewöhnlich beobachtet werden.
Nach der Injektion der letzteren tritt eine negative Phase ein, die
sich durch Verschlimmerung des Krankheitsprozesses (Steigerung
sämtlicher Symptome und Erscheinungen, die durch die betreffenden
Infektionen bedingt sind) kundgibt, die dann ziemlich rasch in die
positive Phase übergeht, die sich in Besserung des Gesundheitszu-
standes des Patienten äußert (John Matthews“®). Die Injektionen
machte ich während der positiven Phase.
Zu den Erscheinungen, welche durch die Injektion hervorge-
rufen werden, gehören auch die lokale, Herd- und allgemeine Re-
aktion. Die Symptome der ersteren sind: Rötung, Schwellung und
Schmerzen an der Einstichstelle; der zweiten: Zunahme der Schmerzen
in den schmerzhaften Herden und der dritten: Steigerung der Tem-
peratur, Zerschlagenheit, Gefühl von Unwohlsein und Kopfschmerzen
(Reiter?).
24*
359 W. P. Semenow.
Nun gehe ich zur Beschreibung meiner Beobachtungen über.
Erster Fall.
W.P.N., 38 Jahre alt, aufgenommen in die Klinik am 7. IX. 1911 wegen
Schmerzen im linken Kniegelenk und im rechten Schulter-, Ellbogen-, Hand-
und Fußgelenk, welche das Gehen und den Gebrauch des rechten Armes un-
möglich machten, desgleichen wegen Schlaflosigkeit.
Im 19. Lebensjahre (Sommer 1890) erkrankte der Patient zum ersten Mal
an gonorrhoischer Urethritis, in deren Verlauf bald beiderseitige Epididymitis
als Komplikation hinzugetreten ist. Nach einem halben Jahre stellten sich
leichte Schmerzen in den Schultergelenken, im Frühling 1891 bedeutendere in
den Hacken und Fußsohlen ein. Im folgenden Jahre wiederbolte sich die
Epididymitis. Im Jahre 1893 stellten sich schmerzhafte Schwellung des linken
Kniegelenks und im Jahre 1894 Schmerzen im rechten Handgelenk ein. Im
Jahre 1895 erstes Rezidiv der gonorrhoischen Urethritis, in dessen Verlauf Er-
krankung des linken Auges (Iritis gonorrhoica) und heftige Schmerzen in den
Hüftgelenken, Hacken und Fußsohlen als Komplikation hinzugetreten sind. Nach
3 Monaten, nachdem der Patient in der Moskauer Augenklinik von Prof. Krjukow
behandelt worden war, erholte er sich. Im Jahre 1896 wiederholte sich das
Überstandene wieder (zweites Rezitiv der Iritis gonorrhoica), was den Patienten
veranlaßte, sich zunächst in die Augenklinik, dann in die Klinik von Prof.
Sinitzin (Urologe) aufnehmen zu lassen.
Im Jahre 1897 erholte sich der Patient nach einer Moorbehandlung in
Sakki dermaßen, daß er sich für vollständig gesund hielt. Im Jahre 1898
zweites Rezidiv der gonorrhoischen Urethritis mit Exazerbation der Schmerzen
in den Hüftgelenken, die der Patient nunmehr während der folgenden zwei
Jahre nicht mehr los wurde. Die im Jahre 1899 durchgemachte Behandlung
in den Moorbädern von Ciechocin brachte keinen Erfolg. Während dieser Zeit-
periode stellte sich ein drittes Rezidiv der Iritis gonorrhoica ein. In den
Jahren 1901, 1902 und 1903 gebrauchte der Patient wieder Moorbehandlung in
Sakki, erholte sich dabei sehr gut und fühlte sich von Ende 1903 bis 1907
erträglich. Im Jahre 1908 stellten sich nach einem dritten Rezidiv der gonor-
rhoischen Urethritis heftige Schmerzen in den Fußsohlen, im rechten Handgelenk,
in den beiden Kniegelenken und zum ersten Mal auch in den Schultergelenken
ein. Letztere waren zu jener Zeit wenig beweglich. Vom Jahre 1908 bis 1910
fühlte sich der Patient schlecht, da er immerfort von Schmerzen bald in dem
einen, bald in dem anderen Gelenk gepeinigt wurde. Im Jahre 1910 wieder
Behandlung in Sakki (5. Moorbäderkur), die bedeutende Erholung des Patienten
zufolge hatte. Im August 1911 viertes Rezidiv der gonorrhoischen Urethritis,
und nach 14 Tagen erkrankten der rechte Fuß, das linke Knie und das rechte
Schultergelenk in so heftigem Grade, daß der Patient sich nicht mehr bewegen
und den rechten Arm nicht mehr gebrauchen konnte. Letzterer hing wie ein
Stock herunter. Während der letzten drei Wochen schwankte die Temperatur
zwischen 37 und 380 C. Lues wird negiert.
Status praesens. Der Patient ist von kräftigem Körperbau und hat ein
Körpergewicht von 60 kg. Rechter Fuß und rechtes Fußgelenk geschwollen.
Im linken Kniegelenk sind sowohl die aktiven als auch die passiven Bewegungen
sehr erschwert. Der Patient vermag nicht zu gehen. Die rechte obere Extremität
Klinische Beobachtungen über die Wirkung der Gonokokkenvakzine. 353
ist wegen der heftigen Schmerzen im Handgelenk und in allen ihren größeren
Gelenken vollkommen unbeweglich. Von seiten der inneren Organe lassen sich
irgend welche Abweichungen von der Norm nicht nachweisen. Harn sauer,
spezifisches Gewicht desselben 1012, Eiweiß und Zucker sind nicht nachweisbar.
Die mikroskopische Untersuchung des zentrifugierten Harnsediments ergibt eine
geringe Anzahl von Uraten, von flachen Epithelzellen und eine bedeutende An-
zahl von Eiterkörperchen (20—40 im Gesichtsfeld). Aus der Urethra tritt Eiter
hervor, in dem sowohl die bakterioskopische als auch die bakteriologische Unter-
ruachung typische Neissersche -:Gonokokken ergibt. Diagnose: chronische gonor-
rhoische Arthritis und Urethritis.
Krankheitsverlauf: Vom 7. bis zum 30. September bekam der Patient täglich
trockene Lufibäder von 50—55° C. sowie von einer Dauer von 80—40 Minuten
mit nachfolgendem profusem Schwitzen im Bette während einer halben Stunde.
Innerlich Natr. salicylicum 2,0 g pro die in 4 Einzeldosen. Lokal auf die affi-
zierten Gelenke folgende Salbe: ac. salicyl., lanolin., ol. terebinth. ää 8,0; axungi
porei 60,0. Diese Behandlung hatte günstige Resultate nicht zufolge und wurde
daher verlassen.
Am 1. X. wurde die Behandlung mit subkuatanen Injektionen von poly-
valenter Gonokokkenvaccine begornen.
1.X. Subkutane Injektion von 0,2 ccm Vakzine mittags bei einer Tempe-
ratur von 86,6°C. in den rechten Oberschenkel (1. Injektion).
2.X. Am Tage sieht man an der vorderen und äußeren Oberfläche des
rechten Oberschenkels um die Einstichstelle heram Hauterythem von gesättigt
roter Farbe. Abends Verstärkung der Schmerzen in den affızierten Gelenken,
Gefühl von Zerschlagenheit und allgemeinem Unwohlsein bei einer Temperatur
von 37,49 C.
3. X. Gegen Abend waren die Erscheinungen der lokalen, der Herd- und
der allgemeinen Reaktion verschwunden.
4. X. Subkutane Injektion von 0,5 cem in die sachte Schulter bei einer
Temperatur von 36,6° C. (2. Injektion).
5. X. Abends bei einer Temperatur von 87,40 C. allgemeines Unwohlsein;
diffuse Rötung der Haut der vorderen Oberfläche der Schulter; Zunahme der
Schmerzen in den affızierten Gelenken; die eitrige Sekretion aus der Harnröhre
hat zugenommen.
7.X. Die Erscheinungen der lokalen, der Herd- und der allgemeinen Re-
aktion sind verschwunden.
8. X. Subkutane Injektion von 0,8 ccm in den Unterschenkel bei einer
Temperatur von 86,4% C. (3. Injektion).
9.X. Abends Temperatur 37,5°C.; Gefühl von Zerschlagenheit; stark aus-
geprägte lokale und Herdreaktion. Die eitrige Sekretion aus der Harnröhre
hat zugenommen.
10. X. Die Schmerzen im rechten Handgelenk haben nachgelassen. An
der Einstichstelle ist Rötung nicht mehr vorhanden. Temperatur normal.
12.X. Subkutane Injektion von l ccm in den rechten Oberschenkel bei
einer Temperatur von 36,8°C. (4. Injektion); gegen Abend Temperatur 837,89 C.:
stark ausgeprägte lokale und Herdreaktion.
13.X. Die Eitersekretion aus der Harnröhre hat zugenommen. Lokale
und Herdreaktion nach wie vor. Die Temperatur nähert sich der Norm.
354 W. P. Scmenow.
14. X. Temperatur normal. Lokale Reaktion verschwunden; die Schmerzen
im rechten Handgelenk sind vollständig verschwunden, und die Beweglichkeit
im rechten Schultergelenk hat zugenommen.
16. X. Subkutane Injektion von 1 cem am rechten Schulterblatt bei einer
Temperatur von 86,4° C. (5. Injektion).
17.X. Abends Temperatur 87,8° C.; starke allgemeine, lokale und Herd-
reaktion; vermehrte Eiterabsonderung aus der Urethra.
18. X. Die Reaktionen sind gegen Abend verschwunden.
19. X. Morgens Temperatar 36,59 C. Die Beweglichkeit im rechten Ell-
bogengelenk hat so weit zugenommen, daß der Patient den Arm im rechten
Ellbogengelenk unter einem Winkel von 90° zu beugen begann.
22. X. Die Bewegungen der rechten oberen Extremität sind noch umfang-
reicher geworden: der Patient kann die Extremität schon in horizontale Lage
bringen; auch in den Fußgelenken haben die Schmerzen nachgelassen.
23. X. Subkutane Injektion von 1 cem in den rechten Oberschenkel bei
einer Temperatur von 36,7° C. (6. Injektion); an demselben Abend und am fol-
genden Tage (24. X.) Temperatur 37,4% C.; stark ausgeprägte lokale und Herd-
reaktion; die Eitorabsonderung aus der Urethra hat zugenommen.
25.X. Die lokale und Herdreaktion ist nicht mehr vorhanden.
28. X. Der Patient kann frei die rechte obere Extremität auf den Kopf legen.
29. X. Subkutane Injektion von I ccm in den rechten Unterschenkel bei
einer Temperatur von 36,4% C. (7. Injektion).
80. X. Abends Temperatur 87,8° C.; Unwohlsein; stark ausgeprägte lokale
und Herdreaktion; die Eiterabsonderung hat zugenommen.
31.X. Gegen Abend waren alle Reaktionen verschwunden.
4. XI. Subkutane Injektion von 1l ccm in den rechten Oberschenkel bei
eincr Temperatur von 36,5° C. (8. Injektion).
5. XI. Abends Temperatur 87,30 C.; stark ausgeprägte lokale und Herd-
reaktion; die Eiterabsonderung aus der Urethra hat zugenommen.
& XI. Die lokale Reaktion besteht noch; abends Temperatur 36,89 C.
7. XI. Die lokale Reaktıon ist verschwunden.
8. XI. Die Schmerzen in den Fußgelenken sind verschwunden, und die
Bewegungen in denselben sind freier geworden.
10. XI. Subkutane Injektion von 1 ccm in den rechten Unterschenkel bei
einer Temperatur von 86,700. (9. Injektion).
Vom 11. XI. bis zum 14. XI. schwankte die abendliche Temperatur zwischen
87,7 und 87,49 C.
11. XI. Die lokale und Herdreaktion haben ungefähr 48 Stunden be-
standen; die Eiterabsonderung aus der Urethra war bis zum 12. XI. gesteigert.
14. XI. Der Patient fühlt sich vorzüglich; die Beweglichkeit ist in allen
Gelenken fast normal; er geht seit drei Tagen in dem Krankenhausgarten spa-
zieren und steigt die 80 Stufen bis zum zweiten Stockwerk der Klinik hinauf.
17. XI. Subkutane Injektion von 1 ccm in den rechten Unterschenkel bei
einer Temperatur von 36,2° C. (10. Injektion).
23. XI. Subkutane Injektion von 1 ccm in den rechten Oberschenkel bei
einer Temperatur von 36,5°C. (11. Injektion).
29. XI. Subkutane Injektion von Leem in den rechten Unterschenkel bei
einer Temperatur von 36,20 C. (12. Injektion).
Klinische Beobachtungen über die Wirkung der Gonokokkenvakzine. 355
5. XII, Subkutane Injektion von 1 cem in den rechten Oberschenkel bei
einer Temperatur von 36,5°C. (13. Injektion).
11. XII. Subkutane Injektion von 1 ccm in den rechten Unterschenkel bei
einer Temperatur von 86,5° C. (14. Injektion). |
17. XII. Subkutane Injektion von Leem in den rechten Oberschenkel bei
einer Temperatur von 86,4° C. (15. Injektion).
Jede Vakzineinjektion (mit der 10, beginnend bis zur 15.) gab eine lokale,
Herd- und allgemeine Reaktion. Die erstere äußerte sich im Verlauf von 2 Tagen
darch diffuse Rötung an der Einstichstelle, die gewöhnlich am Abend des In-
jektionstages auftrat. Die zweite äußerte sich durch Verstärkung der Schmerzen
in dem rechten Schultergelenk und in den Kniegelenken abends am Tage der
Einspritzang und durch vermehrte schleimig-eitrige Sekretion aus der Urethra.
Die dritte bestand in allgemeinem Unwohlsein, in Gefühl von Zerschlagenheit
uod in Temperatursteigerung von 87,2 bis 87,4? C., gewöhnlich am Abend des
Injektionstages; gegen Morgen kehrte alles zur Norm zurück.
19. XII. Das subjektive Befinden des Patienten ist vorzüglich; leichte
Schmerzen in den Gelenken traten während des letzten Monats nur an den
Tagen auf, wo Vakzine injiziert wurde, und zwar abends. In dem auf jede
Injektion folgenden fünftägigen Intervall fühlte sich der Patient vollkommen
gesund, und die Bewegungen in allen Gelenken waren frei. Der Patient geht
täglich in der Stadt spazieren. Körpergewicht des Patienten 67 kg (Zunahme
von 7 ke).
20. XII. Der Patient wird aus der Klinik entlassen und die Vaccine-
therapic ambulatorisch fortgesetzt.
24. XII. Subkutane Injektion von 1 ccm in den rechten Oberschenkel bei
einer Temperatur von 36,5% C. (16. Injektion).
25. XIL Schwache lokale, Herd- und allgemeine Reaktion. Temperatur
morgens 37° C., abends 87,1° C. Schneidende Schmerzen bei der Harnentleerung;
geringfügige Sekretion aus der Urethra von gränlicher Farbe.
26. XII. Temperatur normal.
27. XII. Die Schmerzen in den Gelenken haben aufgehört; die lokale
Reaktion ist verschwunden.
31. XII. Subkutane Injektion von 1 ccm in den rechten Unterschenkel bei
einer Temperatur von 36,8°C. (17. Injektion); abends Temperatur 37,29 C.
1.1. 1912. Temperatur 37,5. Die allgemeine, lokale und Herdreaktion ist
schwach ausgeprägt. Geringfügige Sekretion aus der Urethra von milchiger
Farbe; Schmerzen bei der Harnentleerung.
2.1. Sämtliche Reaktionen sind verschwunden.
Vom 3.1. bis zum 7.1. Temperatur normal.
7. I. Subkutane Injektion von 1 ccm in den rechten Oberschenkel bei
einer Temperatur von 86,7°C. (18. Injektion). Temperatur abends 37,19 C.
8. I Temperatur morgens 37,40 C., abends 37,30 C. Stark ausgeprägte
Herdreaktion. Geringfügige Sekretion aus der Urethra von milchiger Farbe.
Leichte Schmerzen bei der Harnentleerung.
Vom 10. I. bis zam 20. I. Temperatur normal. Die Sekretion aus der
Urethra hat zugenommen.
20. I. Subkutane Injektion von 1 cem in den rechten Unterschenkel bei
einer Temperatur von 86,6° C. (19. Injektion).
356 W. P. Semenow.
21. I. Abends Temperatur 87,2°C. Schwach ausgeprägte allgemeine, lokale
und Herdreaktion. Heftige Schmerzen bei der Harnentleerung.
Vom 22. I. bis zum 28. I. subjektives Befinden gut. Temperatur normal.
28. I. Subkutane Injektion von 1 ccm in den rechten Oberschenkel bei
einer Temperatur von 86,89 C. (20. Injektion).
29. I. Temperatur normal. Sehr schwache lokale und Herd-Reaktion,
Geringfügige eitrige Sekretion von gelber Farbe aus der Urethra.
Vom 80.I. bis zum 6. II. subjektives Befinden gut. Temperatur normal,
Bewegungen in den Gelenken umfangreich und schmerzlos.
5. II. Die bakterioskopische und bakteriologische Untersuchung der Se-
krete aus der Urethra ergab die Anwesenheit von Gonokokken.
Vom 6. II. bis zum 6. III. wurden 5 Injektionen von je 1 ccm Vakzine
subkutan bald in den rechten Oberschenkel, bald in den rechten Unterschenkel
gemacht. Dio Temperatur war während dieser ganzen Zeit normal. Es wurde
weder lokale noch Herd-Reaktion beobachtet. Die geringfügige eitrige Abson-
derung aus der Urethra ließ nicht nach. Schmerzen in den Gelenken bestanden
nicht, und die Bewegungen in denselben waren vollkommen frei.
15. III. Die bakterioskopische und bakteriologische Untersuchung des
eitrigen Sekretes aus der Urethra ergab in demselben Gonokokken.
Zweiter Fall.
A.A.G., 30 Jahre alt, aufgenommen in die Klinik am 2. X. 1911 wegen
Lichtscheu und Schmerzen im rechten Auge, Schmerzen in den Gelenken der
4. Zehe der rechten unteren Extremität sowie wegen Unvermögen, zu stehen
infolge von Schmerzen im Kreuz, im linken Hacken und in den beiden Knie-
gelenken.
Bis zum 2. Lebensjahre batte der Patient an irgendeiner erschöpfenden
Krankheit gelitten, welche die Eltern des Patienten als Auszehrung bezeichneten.
Dann war er 18 Jahre lang vollkommen gesund. Im Jahre 1901 bekam der
Patient zum ersten Male gonorrhoische Urethritis. Er wurde behandelt und
erholte sich in 4 Monaten. Im Jahre 1904 stellte sich bei dem Patienten wieder
gonorrhoische Urethritis ein, und fast gleichzeitig erkrankte die große Zehe der
linken unteren Extremität. Die Schmerzen in der Zehe verschwanden nach
einem Monat. 6 Wochen später traten jedoch heftige Schmerzen im Fußgelenk
der rechten unteren Extremität und unbedeutende Schmerzen in den Gelenken
des rechten Daumens auf. Nach ungefähr 4 Monaten erholte sich der Patient,
wenn auch ein leichter Schmerz im rechten Daumen sich fast noch ein volles
Jahr lang bemerkbar machte. Bald stellten sich Schmerzen in den Gelenken
des Mittelfingers derselben Hand ein, die bald nachließen, bald verschwanden,
bald wieder den Patienten beunruhigten, was sich bis zur allerletzten Zeit
wiederholte.
Im Jahre 1906 traten wieder Schmerzen im rechten Fußgelenk auf, und
zwar diesmal in stärkerem Grade; der Patient konnte nur mit Mühe und hinkend
gehen. Nach einem Monat erholte er sich wieder. Im Frühling 1911 Rezidiv
der gonorrhoischen Urethritis (zum dritten Mal). Nach 8 Tagen begann der
Schmerz in den Gelenken des Mittelfiingers der rechten Hand zuzunehmen, und
es gesellten sich Schmerzen in den Gelenken der 4. und der mittleren linken
Zehe hinzu. Bald schlossen sich Kreuzschmerzen, Schmerzen im linken Hütt-
klinische Beobachtungen über die Wirkung der Gonokokkenvakzine. 357
elek, im Hacken und in den Zehen der linken Extremität ar. Im Sommer
1911 verschwanden die Kreuzschmerzen, wührend die Hackenschmerzen bis zum
Herbst anhielten, Ende August verschwanden unter dem Einflusse einer drei-
wichigen Behandlung mit Jodkalium auch die Schmerzen im linken Hacken.
Mitte September stellten sich plötzlich wieder heftige Schmerzen im rechten
Kuiezelenk und in der rechten 4. Zehe sowie Rötung, Lichtscheu und Schmerzen
im rechten Auge ein. Lues wird negiert.
Status praesens. Der Patient ist von kleiner Statur, schwachem Körper-
bau und mangelhaftem Ernährungszustand. Das rechte Kniegelenk und die Ge-
lenke der 4. rechten Zehe sind geschwollen. Die Zirkumferenz des rechten
kuiezelenkes beträgt 35 cm, diejenige des linken 33!/, cm. Im Bette liegend,
ist der Patient nicht imstande, die beiden unteren Extremitäten in vertikale
Lage zu bringen. Desgleichen vermag er wegen der Schmerzen nicht, sie in
den Knierelenken zu beugen. Diese Schmerzen, sowie auch die Schmerzen im
lixken Hacken und in der Wirbelsäule machen es dem Patienten unmöglich, zu
stehen und sich zu bewegen: seit Mitte September ist der Patient dauernd an
dis Bett gebunden, Des Nachts schläft er schlecht wegen der Schmerzen im
linken Hacken und in den Kniegelenken. Im rechten Auge wurde vom Augen-
arzt Dr. M. D. Sokolow beginnende Iritis gonorrhoischen Ursprungs festgestellt,
Innere Organe normal. Harn sauer, spezifisches Gewicht 1023. Eiweiß und
Zucker nicht nachweisbar. Mikroskopisches Bild des zentrifugierten Harn-
riederschlages: 5—10 weiße Blutkörperchen im Gesichtsfeld, geringe Anzahl
von flachen Epithelzellen und von Uraten. Bei der bakterioskopischen Unter-
suchung des zentrifugierten Niederschlags des nach Massage der Prostata in
einer Quantität von 2 Teelöffeln gewonnenen Harns wurden Neißersche Gono-
kokken nicht gefunden, Dieselben konnten nur durch die bakteriologische
Untersuchung nachgewiesen werden.
Diagnose: Chronische gonorrhoische Urethritis und Arthritis.
Krankheitsverlauf: Während eines Monats wurden in das rechte Auge in
Zwischenpausen Tropfen von Atropin und Kokain eingeträufelt.
Am 5. XI. war das Auge normal.
3. X. Temperatur morgens 37,2, abends 38,4; wührend der folgenden drei
Tage fiel die Temperatur allmählich ab.
8. X. Subkutane Injektion von 0,2 ccm polyvalenter Gonokokkenvakzine
in den Oberschenkel bei einer Temperatur von 37 (1. Injektion); abends Tem-
peratur 37,9.
9. X. Die Schmerzen in den Kniegelenken haben zugenommen; eine lo-
kale Reaktion ist nicht aufgetreten. Temperatur morgens 36,8, abends 37,8.
10. X. Temperatur morgens 36,8, abends 37,7.
H. X. Die allgemeine und Herd-Reaktion sind verschwunden.
12. X. Subkutane Injektion von 0,5 cem Vakzine in den Oberschenkel
bei einer Temperatur von 86,8 (2. Injektion).
13. X. Temperatur abends 38; die Schmerzen in den Kniegelenken haben
zugenommen.
li À Didier de aufgehört, die Temperatur ist bis zur Norm
herabgesunken.
16. X. Subkutane Injektion von 0.8 cem bei einer Temperatur von 87
‚3. Injektion).
358 W. P. Semenow.
17. X. Verstärkung der Schmerzen in den Kniegelenken und leichte lo-
kale Reaktion.
18. X. Die lokale und Herd-Reaktion sind verschwunden.
Vom 17. X. bis zum 22. X. Temperatur morgens 36,8, abends 37,4—87,5.
21. X. Die Schmerzen in den Kniegelenken und im rechten Auge haben
nachgelassen; Zirkumferenz des rechten Kniogelenkes 841/, cm.
22. X. Der Patient wurde nachts von den Schmerzen nicht gestört, so
daß er 7 Stunden schlafen konnte,
23. X. Subkutane Injektion von l ccm in den Oberschenkel bei einer
Temperatur von 37 (4. Injektion); nachts leichte Schmerzen in den Kniegelenken,
die am Morgen des 24. X. verschwanden.
Vom 25.X. bis zum 27. X. Temperatur morgens 86,8—36,9, abends 37,1
bis 37,8.
28.X. und 29.X. Temperatur morgens und abends normal.
Während der folgenden 4 Tage waren Schmerzen in den Koiegelenken
nicht vorhanden; der Patient hat alle Nächte hindurch gut geschlafen.
29. X. Der Patient steht, indem er sich auf einen Stock stützt. Subku-
tane Injektion von l ccm in den Oberschenkel bei einer Temperatur von 36,6
(6. Injektion). Temperatur abends am 30. X. bis auf 37,4 erhöht; am Morgen
des 81. X. fiel sie bis 36,3.
1. XI. Es ist weder eine Herd- noch eine lokale Reaktion aufgetreten.
3. XI. Das subjektive Befinden des Patienten ist gut; er geht, wenn auch
mit Mühe, vom Bett zum Tisch bei einem Abstand von einem Faden. Beim
Gehen fühlt er einen leichten Schmerz in der linken Leiste; das rechte Auge
ist normal, Schmerzen sind in demselben nicht vorhanden, und der Patient
kann lesen.
4. XI. Subkutane Injektion von Leem in den Oberschenkel bei einer
Temperatur von 36,8 (6. Injektion).
56. XI. Weder allgemeine, noch Herd-, noch lokale Reaktion. Im Bette
liegend, kann der Patient frei und ohne Schmerzen die Beine in den Knie
gelenken beugen und sie in vertikale Lage bringen; er steht gut auf beiden
Beinen. Die Schmerzen in der Leiste, die vor 2 Tagen beim Stehen auftraten,
sind verschwunden.
10. XI. Subkutane Injektion von 1 ccm in den Oberschenkel bei einer
Temperatur von 36,7 (7. Injektion).
11. XI. Leichte lokale Reaktion; die EE in den Kniegelenken
haben zugenommen.
Vom 12. XI. bis zum 16. XI. Temperatur morgens 36,8—36,6 abends 37,1.
14. XI. Der Patient kann aus dem Krankensaal auf den Korridor hin-
ausgehen,
17. XI. Sabkutane Injektion von 1 ccm in den Oberschenkel bei einer
Temperatur von 86,6 (8. Injektion); nachts leichte Schmerzen in den Knie-
gelenken und im linken Hacken.
Vom 19. XI. bis zum 22. XI. Temperatur morgens und abends normal.
23. XI. Subkutane Injektion von 1 ccm in den Oberschenkel bei einer
Temperatur von 36,8 (9. Injektion).
24. XI. Leichte Schmerzen in den Kniegelenken, die zum Abend ver-
schwanden.
Klinische Beobachtungen über die Wirkung der Gonokokkenvakzine. 359
Vom 24. XI. bis zum 80. XI. Temperatur morgens und abends normal.
28. XI. Der Patient geht ziemlich gut.
30. XI. Subkutane Injektion von 1 cem in den Oberschenkel bei einer
Temperatur von 36,7 (10. Injektion).
81. XI. Die Schmerzen im linken Hacken haben morgens zugenommen
und hielten bis zam Morgen des 1. XII. an.
Vom 5. XII. 1911 bis zum 4. L. 1912 wurden 6 Vakzineinjektionen gemacht,
und zwar in btägigen Zwischenräumen. Bei den ersten beiden Injektionen
wurden je l cem, bei der dritten 1,4 ccm, bei der vierten 1,7 ccm, bei der
fünften und sechsten 2 ccm injiziert. : Diese Injektionen (bis zur sechzehnten)
verliefen unter einer Allgemeinreaktion mit vorübergehender Erhöhung der
Temperatur auf 37,2 (gewöhnlich am folgenden Tage abends), unter vorzüg-.
liebem subjektiven Befinden und unter Fehlen von Schmerzen in den Knie-
gelenken bei Bewegungen während der ersten 48 Stunden nach jeder Injektion.
Nach diesen 48 Stunden bestanden bis zur folgenden Injektion wieder beim
Gehen Schmerzen in den Kniegelenken.
6. I. Der Patient wird entlassen und die Behandlung mit Vakzineinjek-
tionen ambulatorisch fortgesetzt.
9. I. Subjektives Befinden vorzüglich; in den Zehen der rechten unteren
Extremität ist die Schwellung merklich zurückgegangen; die Schmerzen in den
Kniegelenken sind fast verschwunden, die Schmerzen im Kreuz und im linken
Hacken haben nachgelassen.
10. I. Subkutane Injektion von 2 cem in den Oberschenkel bei einer
Temperatur von 36,6 (17. Injektion).
11. I. Lokale Reaktion. Die Schmerzen im Kreuz sind stärker geworden.
12. I. Die Rötung an der Einstichstelle ist verschwunden.
14. I. Leichter Schmerz im rechten Kniegelenk, der abends aufhörte;
die Kreuzschmerzen sind verschwunden.
15. I. Die Schmerzen im linken Hacken sind stärker geworden; am 16.1.
haben sie nachgelassen.
17. I. Subkutane Injektion von 2ccm in den Oberschenkel bei einer
Temperatur von 36,5 (18. Injektion). Die Zirkumferenz beider Kniegelenke ist
gleich und beträgt 831/, cm.
18. I. Morgens starke Schmerzen im linken Hacken, tagsüber im linken
Kniegelenk.
Vom 18.1. bis zum 28. I. bestand nur leichter Schmerz im linken Hacken.
23. I. Subkutane Injektion von 1 ccm in den Oberschenkel bei einer
Temperatur von 36,5 (19. Injektion).
24. I. Schmerzen im linken Hacken und in beiden Kniegelenken, die
auch am 26. I. und 26. I. anhielten.
27. I. Die Schmerzen im rechten Knie sind verschwunden, im linken da-
gegen und im Hacken unverändert geblieben.
29. I. Subkutane Injektion von Leem in den Oberschenkel bei einer
Temperatur von 86,4 (20. Injektion).
30. I. Die Schmerzen in beiden Kniegelenken haben zugenommen.
'81. I. Die Schmerzen haben gegen Abend nachgelassen.
Vom 31. I. bis zum 4. II. leichter Schmerz im linken Hacken. Beim
Gehen macht der Patient ziemlich große Schritte.
360 W. P. Semenow.
Vom 1. I. 1912 bis zum 4. II. war die Temperatur ununterbrochen normal,
4. IL Subkutane Injektion von Leem in den Oberschenkel bei normaler
Temperatur (21. Injektion).
5. Il. Starke Schmerzen im Hacken während 3 Tagen.
Da der günstige Einfluß der polyvalenten Gonokokkenvakzine auf den
Verlauf des Prozesses aufgehört hatte, begann ich vom 12. II. autogene Vakzine
anzuwenden, welche aus einem privaten bakteriologischen und diagnostischen
Institut zu St. Petersburg bezogen wurde. Sie wurde aus den Urethralsekreten
eines Kranken nach Massage der Prostata hergestellt und stellte eine standardi-
sierte, bei 60° C abgetötete Kultur von Staphylococcus pyogenes aureus et pyo-
cyaneus dar, die in einer keimfrei gemachten physiologischen Kochsalzlösung
unter Hinzufügung von :,°/, Karbol suspensiert war.
Während der folgendeu 6 Wochen wurden die subkutanen Injektionen von
autogener Vakzine in 7tägigen Zwischenräumen, und zwar in der Quantität von
1 ccm für jedes Mal, bei normaler Temperatur vorgenommen.
Auch diese Vakzine hatte auf die Schmerzen im linken Hacken nicht den
geringsten Einfluß.
Nach 27 Injektionen (21 von polyvalenter, 6 von autogener Vakzine) wurde
die Vakzinotherapie der Arthritis abgebrochen.
Dritter Fall.
O. A. N., 19 Jahre alt, aufgenommen in die Klinik am 19. X. 1911 wegen
Schwellung und nagenden Schmerzen im linken Fußgelenk.
Die Patientin hat als Kind Masern, Keuchhusten, Scharlach, Diphtherie
und Windpocken überstanden. Auch hatte sie öfters an leichter Angına und
6 mal an Entzündung des Wurmfortsatzes gelitten. Im 17. Lebensjahr begann
sie zu menstruieren. Die Menses waren regelmäßig, dauerten 4—5 Tage und
waren nicht besonders profus. Die Patientin ist bereits 2 Jahre virgo contacta,
Koitus schmerzlos. Vor ca. 2 Monaten bekam die Patientin nasse Füße, worauf
sie am nächsten Tage leichte Schmerzen im linken Fußgelenk verspürte, die
nach 2 Tagen zuzunehmen begannen. Dann zeigte sich an der äußeren Seite
des erwähnten Gelenkes auch Schwellung. Gleichzeitig bemerkte die Patientin
spärliche weibliche Ausscheidung aus den Geschlechtsorganen, die mit einem
unangenehmen Gefühl im Unterleib einherging. 3—4 Tage später erkältete die
Patientin wieder die Füße, und am selben Tage nahmen die Schmerzen im
linken Fußgelenk zu, während die Schwellung bedeutender wurde. Die Morgen-
temperatur stieg bis auf 37,3, die abendliche bis 39,3. Bald kehrte die Tempe-
ratur zur Norm zurück. Nach weiteren 8 Tagen verschwanden auch die Schmerzen
im erwähnten Gelenk, während die Schwellung den Status quo ante behielt.
Die Patientin wurde mit Hausmitteln behandelt, aber ohne Resultat. Vor 5 Tagen
nahm die Schwellung an der äußeren Seite des linken Fußgelenkes ohne jede
sichtbare Ursache wieder zu, und es steilten sich nagende Schmerzen ein. Die
Temperatur schwankte in dieser Zeit zwischeu 36,1 und 36,9.
Status praesens. Die Patientin ist von kräftigem Körperbau. Das linke
Fußgelenk ist an der äußeren Seite geschwollen. Die Palpation, die aktiven
und passiven Bewegungen verursachen keine Schmerzen. Die Patientin klagt
über unbedeutende fliegende Schmerzen im linken Knie- und Schultergelenk
Sichtbare Veränderungen sind an diesen Gelenken nicht wahrnehmbar. Innere
d
Klinische Beobachtungen über die Wirkung der Gonokokkenvakzine. 361
Organe normal. Harn sauer, spezifisches Gewicht 1010. Zucker und Eiweiß
sind nicht nachweisbar. Die mikroskopische Untersuchung des zentrifugierten
Harnniederschlages ergab eine bedeutende Quantität von Eiterkörperchen und
fachen Epithelzellen sowie Urate in geringerer Quantität. Die von Prof.
W. L. Jakobson ausgeführte gynäkologische Untersuchung ergab klinische
Erscheinungen von Urethralgonorrhoe. Die bakteriologische Untersuchung des
aus dem Collum uteri gewonnenen Schleimes ergab Neißersche Gonokokken
(Dr. M. A. Raskina). Lues wird negiert.
Diagnose: Chronische gonorrhoische Arthritis und Urethralgonorrhoe.
Krankbeitsverlauf. Vom 19. X. bis zum 29. X. bekam die Patientin täg-
lich trockene Luftbäder von 45—50—55°C von einer Dauer von je 15 bis
3%) Minuten. Lokal auf die Gelenke bald Salit, bald Chlorof. c. ol. hyosciami.
Die Temperatur war normal.
39. X. Die Schwellung des linken Fußgelenks ist unverändert.
An demselben Tage wurde die erste Injektion von 0,2 ccm polyvalenter
Gonokokkenvakzine subkutan in den linken Oberschenkel bei einer Temperatur
von 36,4 vorgenommen. Am folgenden Morgen stieg die Temperatur bis 37,4
und kebrte am Abend zur Norm zurück. Es wurde weder eine Herd- noch
eine lokale Reaktion beobachtet.
Am 5. XI. ging die Schwellung des linken Fußgelenks ein wenig zurück.
Bei normaler Temperatur wurde die zweite Injektion in einer Quantität von
0,5 ccm vorgenommen.
6. XI. Die Morgen- und Abendtemperatur, die an den vorangehenden
Tagen 36,5 betrug, stieg am Tage nach der zweiten Injektion bis 37,1 und fiel
an dem darauffolgenden Morgen bis 36,7. Lokale Reaktion trat nicht auf; die
Schmerzen in den Kniegelenken wurden stärker.
Vom 5. XI. ab ging die Schwellung des linken Fußgelenks noch weiter
zurück und war am 10. XI. kaum wahrnehmbar.
10. XI. Dritte Injektion bei einer Temperatur von 36,6 in der Quantität
von 0,8ccm. Temperatur abends 37,1, desgleichen während der folgenden
24 Stunden.
11. XI. Die Schmerzen im linken Fußgelenk haben zugenommen; eine
lokale Reaktion ist nicht aufgetreten.
12. XI. Die Schwellung und die nagenden Schmerzen im linken Fuß-
gelenk an dessen äußerer Seite, desgleichen die Schmerzen im linken Knie- und
in den Schultergelenken sind verschwunden. Die Patientin wurde entlassen und
die Vakzineinjektionen ambulatorisch fortgesetzt.
Vom 12. X]. bis zum 19. XI. hatte die Patientin keine Schmerzen in den
Gelenken. Die Temperatur war während dieser ganzen Zeit normal.
19. XI. Vierte’ Injektion in der Quantität von 1 ccm bei normaler Tem-
peratur. Am folgenden Morgen stieg die Temperatur bis auf 37,2. Die Schmer-
zen im linken Fußgelenk haben zugenommen.
21. XI. Temperatur normal. Herdreaktion nicht mehr vorhanden.
Vom 22. XI. bis zum 3. XII. litt die Patientin an Influenza.
6. XII. Fünfte Injektion in der Quantität von 1 ccm bei normaler Tem-
peratur. Abends allgemeine Reaktion mit Erhöhung der Temperatur auf 87,5,
die bis zum folgenden Abend andauertoe. Die Schmerzen in den Kniegelenken
haben zugenommen.
362 W. P. Semenow.
8. XII. Die Schmerzen in den Gelenken sind verschwunden.
Vom 11. XII. bis zum 15. XII. litt die Patientin an Kopfschmerzen.
16. XII. Sechste Injektion von 1 ccm bei normaler Temperatur.
18. XII. Weder allgemeine noch lokale, nuch Herdreaktion.
22. XII. Siebente Injektion von 1 cem bei einer Temperatur von 36,5,
Vom Abend an während 48 Stunden allgemeine Reaktion mit Erhöhung der
Temperatur bis 37,3.
28. XII. Achte Injektion von Leem bei einer Temperatur von 86,4.
Abends Temperatur 87,4. Sie blieb auch während der folgenden 24 Stunden
erhöht und erreichte am Abend des 29. XII. 87,5.
Vom 80. XII. bis zum 2. I. 1912 war die Temperatur normal.
5. I. Neunte Injektion von 1 ccm bei einer Temperatur von 36,8. Abends
Temperatur 37,5.
6. 1. Leichte Schmerzen in den Kniegelenken. Temperatur morgens 37,6,
abends 37,7.
7. I. Die Schmerzen in den Gelenken sind verschwunden.
Vom 7. I. bis zum 15. I. war die Temperatur normal.
15. I. Zehnte Injektion von 1 ccm bei einer Temperatur von 86,5.
16. I. Weder allgemeine noch lokale, noch Herdreaktion.
Vom 17. I. bis zum 23. I. war die Temperatur normal.
28. I. Elfte Injektion von 1 ccm bei einer Temperatur von 86,3.
9. II. Zwölfte Injektion von 1 ccm bei einer Tomperatur von 36,5.
Vom 23.1. bis zum 22. II. war die Temperatur während der ganzen Zeit
normal. Schmerzen in den Gelenken bestanden nicht; die Patientin fühlte sich
vorzüglich.
Bei der bakteriologischen Untersuchung des aus dem Collum uteri ge-
wonnenen Schleimes wurden Gonokokken festgestellt. Die Behandlung mit
Vakzine wurde abgebrochen.
Vierter Fall.
W. A. I., 87 Jahre alt, aufgenommen in die Klinik am 8. XI. 1911 wegen
Kopfschwindel, Kopfschmerzen und Schmerzen in den Beinen, im Kreuz und
im unteren Teile des Abdomens.
Im Alter von 14 Jahren erkrankte der Patient zum erstenmal an gonor
rhoischer Urethritis; während der folgenden sechs Jahre verschwand die eiterige
Absonderung aus der Urethra bald, bald kehrte sie wieder, und zwar gewöhn-
lich nach Umgang, den der Patient ziemlich häufig hatte. Im 21. Lebensjahr
zeigten sich zum ersten Mal Schmerzen in den Kniegelenken, und eine Woche
später mußte sich der Patient bereits zu Bett legen und war sechs Wochen lang
bettlägerig. Dann ließen die Schmerzen nach, verschwanden aber nicht ganz.
Seit dieser Zeit bis zu der Aufnahme des Patienten in die Klinik exazerbierten
die Schmerzen ziemlich häufig. Im 22. Lebensjahre machte der Patient eine
Moorbehandlung in Sakki, im 23. Jahre in Essentucki, im 24. und 25. Jahre
in Staraja Russa durch. Die letzte Moorbehandlung verschaffte dem Patienten
Erleichterung. Mit 28 Jahren machte der Patient rechtsseitige Iritis durch.
Lues negiert er.
Status praesens. Der Patient ist von kräftigem Körperbau. Die Gelenke
der rechten großen Zeche sind unbeweglich; es bestehen Schmerzen und er-
— E ` RR et bf
Klinische Beobachtungen über die Wirkung der Gonokokkenvakzine. 363
schwerte Beweglichkeit im linken Kniegelenk sowie Schmerzen in den Finger-
gelenken bei Bewegungen, Schmerzen in den Hand- und Elibogengelenken. Der
Patient klagt über Kopfschwindel, Kopfschmerzen, Schmerzen im Kreuz und
im unteren Teile des Abdomens. Der Patient hinkt und geht mit großer Mühe,
indem er sich auf einen Stock stützt. Im rechten Auge ist das Sehvermögen
infolge von Astygmatismus und Verwachsung der Pupille nach der vor fünf
Jahren überstandenen rechtsseitigen lritis herabgesetzt (Dr. M. D. Sokolow).
Aus der Urethra eiterige Absonderung. Die inneren Organe sind normal. Der
Harn ist sauer, spezifisches Gewicht 1009. Eiweiß und Zucker sind nicht nach-
weisbar. Die mikroskopische Untersuchung des zentrifugierten Harnnieder-
schlages ergibt geringe Quantität von flachen Epithelzellen und von Uraten,
20—80 Eiterkôrperchen im Gesichtsfeld. Bei der bakterioskopischen und bak-
teriologischen Untersuchung des Eiters aus der Urethra werden Neißersche
Gonokokken festgestellt.
Diagnose: Chronische gonorrhoische Arthritis und Urethritis.
Krankheitsverlauf. 9. XI. Erste Injektion von polyvalenter Gonokokken-
vakzine in der Quantität von 0,2 ccm bei einer Temperatur von 36,2.
10. XI. Schwache lokale und starke allgemeine Reaktion: die Temperatur
stieg bis 37,8; abends Verstärkung der Schmerzen in der rechten Fußsohle.
11. XI. Temperatur morgens und abends 87,1; die Herdreaktion ist ver-
schwunden.
Vom 12. XI. bis zum 16. XI. war die Temperatur normal.
16. XI. Zweite Injektion von 0,5 ccm Vakzine; abends exazerbierten die
Schmerzen im rechten Kniegelenk. Die Temperatur stieg bis 37,1. Nachts ein-
mal Durchfall.
18. XI. Die Herdreaktion ist verschwunden, die Temperatur bis auf 86,4
heruntergegangen. Bis zum 23. XI. war die Temperatur normal.
23. XI. Dritte Injektion von 0,8 ccm bei einer Temperatur von 36,6.
Abends Temperatur 37,1. Nachts zweimal Durchfall.
24. XI. Die Schmerzen in den Ellbogengelenken sind stärker geworden.
Abends Temperatur 36,6.
26. XI. Die Kopfschmerzen, der Kopfschwindel und die Schmerzen im
unteren Teile des Abdomens sind verschwunden; die ouerige Absonderung aus
der Urethra hat zugenommen.
Vom 26. XI. bis zam 80. XI. war die Temperatur normal.
30. XI. Vierte Injektion von 1 cem bei einer Temperatur von 86,7.
31. XI. Gefühl von Unwohlsein.
Bis zum 5. XII. Temperatur normal. Nachts zweimal Durchfall.
5. XII. Fünfte Injektion von 1 ccm bei einer Temperatur von 86,6.
6. XII. Temperatur 37,5. Gefühl von Unwohlsein und Zerschlagenheit;
die Schmerzen in den Handgelenken haben zugenommen. Die Beweglichkeit
der rechten großen Zehe hat zugenommen. Nachts einmal Durchfall.
7. XII. Die Herdreaktion hat aufgehört. Die Temperatur ist zur Norm
zurückgekehrt.
Vom 7. XII. bis zum 11. XII. Temperatur normal.
1l. XII. Sechste Injektion von Leem bei einer Temperatur von 86,5.
12. XII. Leichte Rötung um die Einstichstelle herum. Die Schmerzen
364 W. P. Semenow.
im linken Kniegelenk haben zugenommen, Temperatur abends 37,1. Nachts
zweimal Durchfall.
13. XII. Die Herdreaktion ist verschwanden.
Vom 14. XIL bis zam 17. XII. Temperatur normal.
17. XII. Siebente Injektion von 1,5 ccm bei einer Temperatur von 86,7.
Nachts einmal Durchfall.
18. XU. Die Schmerzen in den Ellbogengelenken haben zugenommen.
Temperatur während des ganzen Tages 37,2.
19. XII. Die Herdreaktion hat aufgehört, und bis zum 23. XII. war die
Temperatur normal.
23. XII. Achte Injektion von 2 ccm bei einer Temperatur von 36,4.
24. XII. Die Schmerzen in den Ellbogen- und Handgelenken haben zu-
genommen. Die Temperatur ist bis auf 37,8 gestiegen. Nachts zweimaliger
Durchfall.
25. XII. Herdreaktion nicht mehr vorhanden.
Vom 25. XII. bis zum 29. XII. Temperatur normal.
27. XII. Die Erschwerung der Bewegungen im linken Kniegelenk und
die Schmerzen im linken Daumen haben nachgelassen. Die Schmerzen in den
Finger-, Ellbogen- und Handgelenken sind verschwunden.
29. XII. Neunte Injektion von 2 ccm bei einer Temperatur von 36,2.
Abends Zunahme der eiterigen Absonderung aus der Urethra. Nachts einmal
Durchfall.
Vom 30. XII. bis zum 4. I. 1912 Temperatur normal.
Am 31. XII. wurde der Patient für zwei Tage aus der Klinik nach Hause
entlassen, während der er viel lief und den Silvesterabend unter Kollegen bei
einem Gelage verbrachte (er trank viel Schnaps und Bier).
2. I. Subjektives Befinden des Patienten vorzüglich.
4. I. Zehnte Injektion von 2 ccm bei einer Temperatur von 36,6. Gegen
Abend nahm die Eiterabsonderung aus der Urethra zu.
5. I. Weder lokale noch allgemeine, noch Herdreaktion. Der Patient
geht ohne Stock und hinkt fast gar nicht. Nachts einmal Durchfall.
GL Der Patient wurde zum zweitenmal nach Hause entlassen: diesen
Abend verbrachte er ebenso wie am 1. 1.
8. I. Subjektives Befinden des Patienten vorzüglich.
10. I. Elfte Injektion von 2 ccm bei einer Temperatur von 86,5. Abends
nahm die Eiterabsonderung aus der Urethra zu.
11.1. Weder lokale, noch allgemeine, noch Herdreaktion. Die Bewegungen
im linken Kniegelenk sind umfangreicher geworden als früher. Der Gang ist
sicherer.
16. I. 12. Injektion von 2 cem bei einer Temperatur von 36,3. Nachts
einmal Durchfall.
17. I. und 18. I. Keine Reaktion.
20. I. Der Patient geht gut. Nach der 10. Injektion, d.h. vom 4. I., war
die Temperatur stets normal.
23. I. Die bakteriologische Untersuchung des Urethralsekretes auf Vor-
handensein von Gonokokken ergab positives Resultat,
Der Patient wird aus der Klinik entlassen und die Vakzinotherapie ambu-
latorisch fortgesetzt.
kiiuische Beobachtungen über die Wirkung der Gonokokkenvakzine. 365
Nach der Entlassung des Patienten aus der Klinik, im Januar, wurden
dem Patienten zwei Injektionen von je 1 ccm gemacht (am 22. und 28. I.\; im
Februar gleichfalls zwei zu je 1 cem (am 3, und 17. IL): im März drei Injek-
tionen zu je lccm (am %., 14. und 21. ILL); im April eine Injektion von 1 cem
tam 3, IV).
Vom 1.1. wurde die eitrige Absonderung aus der Urethra schleimig-eitrig
und weniger reichlich. Die Temperatur war stets normal. Eine allgemeine,
Herd- und lokale Reaktion wurde nicht boobachter. Das subjektive Befinden
des Patienten war vorzüglich. Über Schmerzen in den Gelenken klagte er nicht;
er geht gut.
Die Vakzinotherapie wurde mit der 20. Injektion abgeschlossen.
In der schleimig-eitrigen Absonderung aus der Urethra wurden bakterio-
l»sisch Gonokokken nachgewiesen.
Fünfter Fall.
P. K., 24 Jahre alt, in die Klinik aufgenommen am 3. XII. 1911 wegen
Schmerzen im rechten Schultergelenk, in beiden Knie- und Fußgelenken.
Ende Oktober 1910 erkrankte der Patient zum ersten Mal an vonorrhoischer
Urethritis. Er wurde zwei Monate hindurch behandelt und hielt sich dann
ungeführ ein Jahr lang für gesund. Im Oktober 1911 erkrankte er zum zweiten
Male an Urethralgonorrhoe. Er wurde behandelt, und der eitrige Ausfluß hörte
nach einem Monat auf. Am 22. November schwoll das linke Fußgelenk an und
wurde schmerzhaft; nach 3—4 Tagen traten Schmerzen im rechten Fußgelenk,
dann im rechten Schultergelenk und in beiden Kniegelenken an. Lues wird
neglert,
Status praesens. Der Patient ist von schwachem Körperbau und schlechtem
Eroährangszustand, blaß. Er fühlt in dem rechten Arm Schwäche und kann
ihn nur nit Mühe hochheben, wobei er Scnmerz im Schultergelenk verspürt.
Linkes Fubgelenk geschwollen und bei Palpation schmerzhaft; beim Gehen ist
es wenig beweglich. Im rechten Fußgelenk besteht leichter Schmerz nur bei
Druck auf das Gelenk. Zirkumferenz des linken Fuligelenks über den Hacken
und die Fubwurzel 35 cm, des rechten 832 cm. Linkes Kniegelenk in geschwol-
lenem Zustande und sowohl beim Gehen als auch bei Palpation schmerzhaft;
Zirkumferenz desselben 38 cm. Rechtes Kniegelenk bei Palpation empfindlich:
Zirkumferenz desselben 34 em. Der Patient geht unter großer Anstrengung mit
krummem Rücken, beugt das linke Bein nicht im Knie, stützt sich auf einen
Stock, hinkt stark und spreizt die Beine. Innere Organe normal. Harn sauer,
speziisches Gewicht 1011. Eiweiß und Zucker nicht nachweisbar. Im Harn
kommen ab und zu Fäden vor. Die mikıoskopische Untersuchung des zentri-
[ugierten Harnniederschlages ergab: geringe Quantität flacher Epithelzellen,
Aristalie von oxalsaurem Kalzium und 5—10 weiße Blutkörperchen im Ge-
sichtsield.
Die bakterioskopische Untersuchung der Fäden, die in der ersten morgend-
lichen Haruportion, die bei dem Patienten 2 Teelöffel betrug, herumschwammen,
ergab nichts für Neissersche Gonokokken. Bei der bakteriologischen Unter-
suchung desselben Harıs wwden Gonokokken gefunden,
Diagnose: chronische gonorrhoische Arthritis und Urethritis.
Zeitschrift für Urologie. 1913. 29
366 W. P. Semenow.
Krankheitsverlauf. 5. XII. Ersto Injektion von 0,3 ccm polyvalenter
Gonokokkenvakzine bei einer Temperatur von 36,5.
6. XII. Leichte Rötung an der Einstichstelle, die zum Morgen des 7. XII.
verschwand.
9. XII. Die Schmerzen im rechten Fußgelenk baben abgenommen.
11. ZIL Die Beweglichkeit im linken Fußgelenk ist größer geworden.
Die Schmerzen haben nachgelassen. Es wurde aus der Elibog-nvene Blut für
die Wassermannsche Reaktion entnommen; diese gab ein stark positives Resultat.
12. XII. 2. Injektion von 0,5 ccm Vakzine bei einer Temperatur von 86,1.
13. XII. und 14. XII. Gefühl von Zerschlagenheit und Unwohlsein bei
einer Temperatur von 37; Verstärkung der Schmerzen in den Knie- und Fuß-
gelenken.
16. XII. Zirkumferenz des linken Kniegelenks 37 cm, des rechten 34 cm.
Zirkumferenz des linken Fußgelenks 34 cm, des rechten 82 cm. Die Schmerzen
in den einen wie in den anderen Gelenken haben bedeutend nachgelassen.
20. XII. Subjektives Befinden des Patienten gut. Leichte Schmerzen im
rechten Schultergelenk. Der Patient kann seinen rechten Arm in befriedigender
Weise gebrauchen.
Injektion von 0,3 g Salvarsan in die Ellbogenvene.
233. XII. 8. Injektion von 1 ccm Vakzine bei einer Temperatur von 36,3,
24. XII. Die Temperatur ist bis auf 87,1 gestiegen. Geringe Rötung an
der Einstichstelle. Die Schmerzen in den Knie- und Fußgelenken haben zao-
genommen.
25. XII. Temperatur normal. Die lokale und Herdreaktion ist ver-
schwunden.
27. XII. Zirkumferenz des linken Kniegelenks 86 cm, des rechten 34 cm.
Zirkumferenz des linken Fußgelenks 83 cm, des rechten 82 cm. Die Schmerzen
in den Gelenken sind nur geringfügig. Der Patient beginnt im Korridor der
Klinik herumzugehen, indem er sich anf einen Stock stätzt.
29. X1I. 4. Injektion von 1 ccm Vakzine bei einer Temperatur von 36.2.
80. XII. Weder allgemeine, noch lokale, noch Herdreaktion. Die Be-
wegungen in den Fußgelenken sind vollkommen frei.
4.1. 1912. 5. Injektion von Leem bei einer Temperatur von 386,7. Nachts
leichte Schmerzen im linken Kniegelenk.
6. I. Der Patient geht besser und ohne Stock. Beim Gehen fühlt er
noch leichte Schmerzen im linken Kniegelenk. Den rechten Arm kann er
normal gebrauchen: die Bewegungen sind in allen Gelenken frei.
10. I. 6. Injektion von 1 cem bei einer Temperatur von 86,3.
11. I. und 12.1. Die Schmerzen im linken Kniegelenk haben zugenomm:n.
13. I. Die Herdreaktion ist schwach ausgeprägt. Zirkumferenz des linken
Kniegelenks beträgt. 84!/, cm, des rechten 34 cm. Zirkumferenz des rechten und
linken Fußgelenks 32 cm.
14. I. Die Bewegungen im linken Kniegelenk sind frei und schmerzlos.
17. I. 7. Injektion von l ccm bei einer Temperatur von 85,8.
18. [. Die Schmerzen im linken Kniegelenk haben zugenommen, gegen
Abend nuchgelassen.
21. I. Der Patient geht sicherer, nicht gebückt und ohne die Beine zu
spreizen.
Klinische Beobachtungen über die Wirkung der Gonokokkenvakzine. 367
29. I. 8. Injektion von Leem bei einer Temperatur von 85,7.
23. I. Reaktionen sind nicht aufgetreten.
26. I. Der Patient geht gut und ohne Stock. Während der letzten Tage
bestanden zeitweise geringfügige Schmerzen im linken Kniegelenk; heute ist der
Patient zum ersten Mal aus der Klinik heraus und spazieren gegangen. Beim
Treppensteigen spürte er keine Schmerzen in den Gelenken. Nach der 5. Vakzinc-
injektion, d. h. vom 4. I. bis jetzt war die Temperatur normal.
28. I. 9. Injektion von Leem bei einer Temperatur von 86,5.
30. I. Keine Reaktionen.
3. II. Die bakteriologische Untersuchung des zentrifugierten Harnnieder-
schlages ergab Gonokokken. Das subjektive Befinden des Patienten ist vorzüg-
lich. Der Gang ist normal. Schmerzen in den Gelenken bestehen nicht. Der
Patient wird aus der Klinik entlassen und die Behandlung mit Vakzineinjektionen
ambulatorisch fortgesetzt.
Während der folgenden 6 Wochen, d.b. bis zum 18. III., wurden ihm
6 Injektionen mit siebentägigen Zwischenräumen gemacht. Es trat weder all-
gemeine, noch lokale, noch Herdreaktion auf. Die Temperatur war normal, und
der Patient fühlte sich vollkommen gesund. Die bakteriologischo Untersuchung
des zentrifugierten Harnniederschlages ergab Gonokokken,
Sechster Fall.
(Gemeinsame Beobachtung mit Dr. A.N. Pusanow.)
A. I. L., 86 Jahre alt, aufgenommen in die Klinik am 16. III. 1913 wegen
Schwellung der Dorsalfläche der linken Hand und des Handgelenks, wegen
Schmerzen und wegen der Unmöglichkeit, diesen Arm zu bewegen.
Vor ungefähr drei Monaten bekam die Patientin plötzlich heftige Schmer-
zen im rechten Fußgelenk, um das herum damals auch Schwellung beobachtet
wurde. Nach einigen Tagen trat Schwellung des rechten Ellbogen- und Knie-
gelenks, der rechten Halsseite, der Dorsalfläche der linken Hand und des linken
Handgelenks auf. Lues wird negiert.
Status praesens. Es besteht Schwellung der Dorsalfläche der linken Hand
und des linken Handgelenks. Die Patientin klagt über Schmerzen im linken
Arm und kann ihn nicht gebrauchen, Bei der Auskultation fand man ein ge-
ringes systolisches Geräusch an der Herzspitze. Die übrigen inneren Organe
sind normal. Harn sauer. Eiweiß und Zucker sind nicht nachweisbar. Das
mikroskopische Bild des zentrifugierten Harnniederschlages ergibt: geringe Quan-
ut flacher Epithelzellen und Kristalle von oxalsaurem Kalzium; 10—15 weiße
Blutkörperchen im Gesichtsfeld.
Diagnose: Chronischer Gelenkrheumatismus.
Krankheitsverlauf: Vom 16. III. bis zum 29. III. schwankte die abend-
liche Temperatur zwischen 87 und 88. Salol innerlich je 0,5 g dreimal täglich,
dann natr. salicyl. je 1g viermal in 24 Stunden. Lokal Salit, nach einigen
Tagen Chlorof. cum ol. byosciami. Diese Behandlung ergab kein günstiges
Resultat.
28. III. Die bakteriologische Untersuchung des Schleimes aus dem Collum
uteri ergab Gonokokken (Dr. A. N. Pusanow).
29. IIT. Die erste Diagnose wird durch eine andere ersetzt: chronische
gonorrhoische Arthritis und Endometritis. Die frühere Behandlung wird ab-
25*
368 W. P. Semenow.
gebrochen, und die Injektionen von polyvalenter Gonokokkenvakzine werden
begonnen.
30. III. 1. Injektion von 0,2 ccm bei einer Temperatur von 37.
81. III. Die Schmerzen im linken Handgelenk haben zugenommen. Tem-
peratur abends 37,8.
Vom 1. IV. bis zum 3. IV. sank die Temperatur allmählich.
3. IV. Die Herdreaktion hat aufgehört. 2. Injektion von 0,5 cem bei
einer Temperatur von 36,4 Temperatur abends 37,5.
4. IV. Es sind Schmerzen im rechten Ellbogengelenk aufgetreten, und die
Schmerzen im linken Handgelenk sind exazerbiert. Um die Einstichstelle herum
starke Rötung der Haut.
6. IV. Herdreaktion nicht mehr vorhanden. Während der letzten beiden
Tage betrug die Temperatur morgens 36,7—86,8, abends bis 37,1.
8. IV. 3. Injektion von 0,8 ccm bei einer Temperatur von 87. Gegen
Abend haben die Schmerzen im linken Handgelenk zugenommen.
9. IV. und 10. IV. Die Herdreaktion ist schwächer.
12. IV. Die Herdreaktion ist verschwunden. Subjektives Befinden der
Patientin gut.
13. IV. 4. Injektion von 1 ccm bei einer Temperatur von 86,8. Gegen
Abend Temperatur 37,4. Die Schmerzen in der linken Hand haben zugenommen
und zum Morgen des 14. IV. wieder abgenommen,
Vom 14. IV. bis zum 21. IV. Temperatur morgens 36,2—36,5, abends
36,8—37,1. Subjektives Befinden gut. Die Schwellung und die Schmerzen in
der linken Hand haben bedeutend abgenommen.
21. IV. 5. Injektion von 1 ccm bei einer Temperatur von 36,4. Tempe-
ratur abends 37,2. Am 22. IV. exazerbierten die Schmerzen im rechten Ell-
bogengelenk.
28. IV. Keine Herdreaktion mehr.
Vom 21. IV. bis zum 28. 1V. Temperatur morgens und abends normal.
28. IV. 6. Injektion von 1 ccm bei einer Temperatur von 36,5.
29. IV. Div Schmerzen im linken Handgelenk haben zugenommen.
80. IV. Die Schwellung der linken Hand ist nur schwach wahrnehmbar.
Temperatur normal. Die Patientin wird aus der Klinik entlassen und die Be-
handlung mit Vakzineinjektionen ambulatorisch fortgesetzt.
Vom 1. V. bis zum 15. VI. wurden von Dr. A. N. Pusanow noclı weitere
sechs Vakzineinjektionen von je 1 cem in siebentägigen Zwischenräumen vor-
genommen. Diese Injektionen riefen weder lokale noch Herd-, noch allgemeine
Reaktion mehr hervor. Die Temperatur war während der ganzen Zeit normal.
Nach der 8. Injektion bestanden keine Schmerzen mehr in den Gelenken, und
die Schwellung der linken Hand war verschwunden. Die Beweglichkeit im
Handgelenk war auch nach Abschluß der Behandlung (nach elf Injektionen) in
geringem Grade erschwert. In dem aus dem Collum uteri gewonnenen Schleim
konnten bakteriologisch Gonokokken nachgewiesen werden.
In den soeben mitgeteilten Beobachtungen äußerte sich der Ein-
fluß der Injektionen von polyvalenter Gonokokkenvakzine auf den Ver-
lauf der chronischen gonorrhoischen Arthritis in folgender Weise:
Klinische Beobachtungen über die Wirkung der Gonokokkenvakzine. 369
1.Fall: Nach der 3. Injektion ließen die Schmerzen im rechten
Handgelenk nach. Nach der 4. verschwanden die Schmerzen in
dem erwähnten Gelenk vollständig, die Beweglichkeit im rechten
Schultergelenk nahm zu (Beginn der objektiv wahrnehmbaren Bes-
serung). Nach der ö. Injektion besserte sich die Beweglichkeit im rechten
Ellbogengelenk dermaßen, daß der Patient den Arm im Ellbogen unter
einem Winkel von 90° zu beugen begann. Vor der 6. Injektion
wurden die Bewegungen in der rechten oberen Extremität noch um-
fangreicher, und der Patient konnte den Arm schon in horizontale
Lage bringen; auch die Schmerzen in den Fußgelenken ließen nach.
Nach der 6. Injektion konnte der Patient die rechte obere Extre-
mität frei auf den Kopf legen. Nach der 8. verschwanden die
Schmerzen in den Fußgelenken, und die Bewegungen in denselben
wurden frei. Nach der 9. war die Beweglichkeit in fast allen Ge-
lenken fast normal; schon seit drei Tagen konnte der Patient im
Klinik-Garten spazieren gehen und bis zur 2. Etage der Klinik
30 Stufen hinaufsteigen. Nach der 15. Injektion konnte der Patient
täglich in der Stadt spazieren gehen. Das Körpergewicht stieg um
7 Kilo. Nach der 20. Injektion waren die Bewegungen in allen
Gelenken umfangreich und schmerzlos (Wiederherstellung der Ge-
sundheit im klinischen Sinne). Nach der 25. Injektion waren die
Bewegungen in allen Gelenken vollkommen frei.
2. Fall: Nach der 3. Injektion ließen die Schmerzen in den
Kniegelenken und im rechten Auge nach. Die Zirkumferenz des
rechten Kniegelenks ging um 1 cm zurück (Beginn der objektiven
Besserung). Am Tage vor der 4. Injektion peinigten die Schmerzen
in den Kniegelenken den Kranken nicht mehr; nachts schlief er
während 7 Stunden. Nach der 4. Injektion ließen die Schmerzen in
den Kniegelenken nach. Der Patient begann nachts gut zu schlafen
und zu stehen, indem er sich auf einen Stock stützte. Nach der
5. Injektion konnte der Patient, wenn auch mit Mühe, schon vom
Bette zum Tisch bei einer Entfernung von einem Faden gehen; beim
Gehen bestand leichter Schmerz in der linken Leiste. Das rechte
Auge war normal, und der Patient konnte lesen. Nach der 6. Injek-
tion konnte er im Bette liegend frei und ohne Schmerzen die Beine
inden Kniegelenken beugen und sie in vertikale Lage bringen. Er
konnte gut auf beiden Beinen stehen. Die zwei Tage zuvor beim
Stehen beobachteten Schmerzen verschwanden. Nach der 7. Injek-
tion begann der Patient aus dem Krankensaal auf den Korridor hinaus-
zugehen. Nach der 9. konnte er ziemlich gut gehen, obwohl er
370 W. P. Semenow.
hierbei noch Schmerzen im Kreuz und im linken Hacken empfand.
Nach den folgenden 6 Injektionen ließen die Schwellung in den
Zehen der rechten unteren Extremität und die Schmerzen im Kreuz
und im linken Hacken beträchtlich nach. Nach der 17. Injektion
verschwanden die Schmerzen im Kreuz. Nach der 18. war die Zir-
kumferenz beider Kniegelenke gleich und betrug 33!/, cm. Nach
der 20. Injektion machte der Patient beim Gehen ziemlich große
Schritte. Die Schmerzen im linken Hacken hörten auch nach der
21. Injektion nicht auf; sie verschwanden auch nicht nach den fol-
genden 6 Injektionen von autogener Vakzine (Staphylococcus aureus
-+ bacillus pyocyaneus).
3. Fall: Drei Tage nach der 1. Injektion verringerte sich die
Schwellung des linken Fußgelenks ein wenig. Nach der 2. Injektion
fuhr diese Schwellung fort, abzunehmen (Beginn der objektiven
Besserung). Nach der 3. Injektion verschwanden die Schwellung
und der nagende Schmerz im linken Fußgelenk an seiner äußeren
Seite. Die Schmerzen am linken Knie- und Schultergelenk ließen
nach. Nach der 10. Injektion verschwanden die Schmerzen in allen
Gelenken (Wiederherstellung der Gesundheit im klinischen Sinne).
4. Fall: Nach der 3. Injektion verschwanden die Kopfschmerzen,
der Kopfschwindel und die Schmerzen im unteren Teile des Ab-
domens. Nach der 5. Injektion nahm die Beweglichkeit der rechten
großen Zehe zu (Beginn der objektiven Besserung). Nach der 8. In-
jektion ließ die Bewegungshinderung im linken Kniegelenk und der
Schmerz in den Fingergelenken, in den Ellbogen- und Handgelenken
nach. Nach der 10. Injektion konnte der Patient ohne Stock gehen
und hinkte fast gar nicht. Nach der 11. Injektion waren die Be-
wegungen im linken Kniegelenk umfangreicher und der Gang sicherer.
Nach der 12. Injektion ging der Patient gut (Wiederherstellung der
Gesundheit im klinischen Sinne). Nach den folgenden 8 Injektionen
war das subjektive Befinden des Patienten vorzüglich. Er ging gut
und hatte nicht über Schmerzen in den Gelenken zu klagen.
5. Fall: Drei Tage nach der 1. Injektion ließen die Schmerzen
im rechten Fußgelenk nach. 5 Tage später nahm die Beweglichkeit
im letzteren zu, und die Schmerzen wurden noch unbedeutender
(Beginn der objektiven Besserung). Nach der 2. Injektion nahm
die Zirkumferenz des linken Kniegelenks um Lem ab, während
die des rechten sich gleichblieb. Die Zirkumferenz des linken Fub-
gelenks nahm um lcm ab, die des rechten blieb unverändert. Die
Schmerzen in den einen und in den anderen Gelenken ließen bedeu-
Wen pa o, b n
Klinische Beobachtungen über die Wirkung der Gonokokkenvakzine. 371
tend nach. Die Schmerzen im rechten Schultergelenk wurden
schwächer. Der Patient konnte den rechten Arm befriedigend ge-
brauchen.
Nach der 3. Vakzineinjektion nahm die Zirkumferenz des linken
Kniegelenks noch um lcm ab, während die des rechten unver-
ändert blieb. Die Zirkumferenz des linken Fußgelenks nahm gleich-
falls um 1 cm ab, die des rechten blieb unverändert. Die Schmerzen
in den Gelenken waren geringfügig. Der Patient begann im Kor-
ridor der Klinik herumzugehen, indem er sich auf einen Stock stützte.
Nach der 4. Injektion waren die Bewegungen in den Fußgelenken
vollkommen frei. Nach der 5. ging der Patient besser und ohne
Stock. Beim Gehen fühlte er noch leichte Schmerzen im linken
Kniegelenk. Den rechten Arm konnte er normal gebrauchen; die
Bewegungen waren frei in allen seinen Gelenken. Nach der 6. In-
jektion nabm die Zirkumferenz des linken Kniegelenks noch um
1'/, cm ab und wurde fast gleich der Zirkumferenz des rechten
(34 cm). Die Zirkumferenz des rechten und linken Fußgelenks wurde
gleich (je 32 cm). Die Bewegungen im linken Kniegelenk waren frei
und schmerzlos. Nach der 7. Injektion ging der Patient sicherer,
nicht gebückt und ohne die Beine zu spreizen. Nach der 8. Injek-
tion ging der Patient gut und ohne Stock. Er machte zum ersten-
mal einen Spaziergang außerhalb der Klinik. Beim Treppensteigen
bestanden keine Schmerzen in den Gelenken. Nach der 9. Injektion
war der Gang normal, Schmerzen in den Gelenken bestanden nicht
(Wiederherstellung der Gesundheit im klinischen Sinne). Nach der
15. Injektion fühlte er sich vollkommen gesund.
Obwohl in diesem Falle die Behandlung eine kombinierte war
(Gonokokkenvakzine und Salvarsan, das letztere intravenös vor der
4. Vakzineinjektion injiziert), so bin ich doch geneigt, die Wieder-
herstellung des Patienten eher durch den Einfluß der Gonokokken-
vakzine zu erklären, da im Gesundheitszustande des Patienten schon
nach den drei ersten Injektionen eine objektive Besserung eintrat,
die dann bei den folgenden Vakzineinjektionen weitere Fortschritte
machte.
6. Fall: Nach der 4. Injektion nahmen die Schwellung und die
Schmerzen in der linken Hand beträchtlich ab (Beginn der objek-
tiven Besserung). Nach der 6. Injektion war die Schwellung der
linken Hand nur noch wenig wahrnehmbar. Nach der 8. Injektion
bestanden keine Schmerzen in den Gelenken mehr, und die Schwellung
der linken Hand verschwand; es blieb nur unbedeutende Erschwerung
372 W. P. Semenow.
der Beweglichkeit im linken Handgelenk auch nach Abschluß der
Behandlung, nach 11 Injektionen,, bestehen (Wiederherstellung der
Gesundheit im klinischen Sinne).
Was die Herd-, allgemeinen und lokalen Reaktionen betrifft,
die bei meinen Patienten nach der Injektion von polyvalenter Go-
nokokkenvakzine auftraten, so muß ich sagen, daß diese Injektionen
entweder alle drei erwähnten Reaktionen oder zwei (die Herd- und
allgemeine Reaktion, die Herd- und lokale Reaktion, die allgemeine
und die lokale Reaktion) oder sogar nur eine von ihnen hervorriefen,
Diese Reaktionen traten entweder abends am Tage der Injektion
oder am folgenden Tage auf. Die Stärke und Dauer derselben war
nicht gleich. So riefen z. B. im Falle Nr. 1 die ersten 20 Injek-
tionen jedesmal alle drei Reaktionen und besonders eine heftige
lokale Reaktion hervor, die am Abend des Injektionstages begannen
und gewöhnlich nach 24 Stunden verschwanden. Die letzten 5 In-
jektionen jedoch verliefen ohne Reaktionen. Im Falle Nr. 2 traten
nach den Injektionen abends entweder zwei Reaktionen auf, die
Herd- und lokale Reaktion oder die Herd- und allgemeine Reaktion,
— oder nur die lokale oder die Herdreaktion. Die Reaktionen waren
nicht besonders stark ausgeprägt und dauerten ungefähr 24 Stunden.
Im Falle Nr. 3 rief die injizierte Vakzine (bei den ersten 10 In-
jektionen) meistens eine allgemeine Reaktion mit geringfügiger Tem-
peraturerhöhung hervor, die am folgenden Tage auftrat und nach
24 Stunden verschwand. Eine Herdreaktion trat nach der 2., 3.
4., 5. und 9. Injektion auf. Eine lokale Reaktion wurde während
der ganzen, aus 12 Injektionen bestehenden Behandlung nicht be-
obachtet. Im Falle Nr. 4 waren die ersten 9 Injektionen bald von
drei, bald von zwei Reaktionen begleitet, — und zwar im letzteren
Falle von einer schwachen Herd- und allgemeinen Reaktion, die
am Morgen des folgenden Tages auftraten; bald verliefen sie reak-
tionslos, wie auch die folgenden 11 Injektionen. Im Falle Ar?
wurden bald alle drei Reaktionen, bald nur zwei, die Herd- und
allgemeine Reaktion, beobachtet, und zwar tagsüber am folgenden
Tage; oder aber es wurde nur eine Herdreaktion von ungefähr
24stündiger Dauer beobachtet. Nach der 5. Injektion und bis zum
Abschluß der Behandlung (15 Injektionen) trat keine allgemeine
Reaktion mehr ein. Im Falle Nr. 6 trat eine leichte Herd- und
eine allgemeine Reaktion vor der 6. Injektion auf. Die Reaktionen
begannen abends am Tage der Injektion und hörten nach 24 Stunden
auf. Die folgenden 6 Injektionen verliefen ohne Reaktionen.
Klinische Beobachtungen über die Wirkung der Gonokokkenvakzine. 373
Hierbei halte ich es für notwendig, zu erwähnen, daß die Herd-
reaktionen bei alıen meinen Patienten zu Beginn der Be-
handlung auftraten, und zwar entweder nach der 1. Vak-
zineinjektion (in der Dosis von 0,2 ccm) in den Fällen NNrr. 1,
3, 4, 5 und 6, oder nach der zweiten Injektion (in der Dosis
von 0,5 ccm) im Falle Nr. 3. Die Herdreaktionen traten gewöhnlich
abends oder am Morgen des auf die Injektion folgenden Tages auf.
Diesen Einfluß der Gonokokkenvakzine auf das Auftreten einer
Herdreaktion bei den ersten Injektionen haben einige Vakzinothera-
peuten bereits als spezifisches Merkmal sowohl bei chronischen
gonorrhoischen Erkrankungen des weiblichen Genitaltraktus (W. E.
Demeskaja®® und Ar. J. Sternberg*?) als auch bei chronischen
sonorrhoischen Arthritiden (Menzer?®) benutzt.
In einem Falle gewährte mir dieses Merkmal die Möglichkeit,
etwaigen gonorrhoischen Charakter der Arthritis auszuschließen und
die betreffende Erkrankung als chronischen Gelenkrheumatismus an-
zusehen.
Dieser Fall ist folgender:
L. I. B., 83 Jahre alt, aufgenommen in die Klinik am 18. XII. 1911 wegen
Schmerzen in beiden Kniegelenken und in den Gelenken des Mittelfingers der
linken Hand.
Bis zum Alter von 30 Jahren war Jie Patientin vollkommen gesund. Vor
zwei Jahren erkrankte der Mann der Patientin an Gonorrhoe und soll zu jener
Zeit, wie die Patientin angibt, sie angesteckt haben, was sich durch das Auf-
treten des Gefühls von Jucken und Brennen in den äußeren Genitalorganen und
durch reichlichen Ausfluß von gelber Farbe äußerte. Das Jucken und Brennen
verschwand in kurzer Zeit, während der Ausfluß erst vor drei Monaten aufhörte.
Drei Wochen, nachdem der Ausfluß aufgetreten war, stellten sich Schmerzen zu-
erst in den Gelenken des Mittelfingers der linken Hand, dann in den Gelenken
des rechten und linken Knies, im rechten Handgelenk und schließlich in den
Kehlkopfknorpeln ein. Dieser Umstand veranlaßte die Patientin, sich in ein
Krankenhaus aufnehmen zu lassen. Nach ungefähr zwei Wochen trat Besserung
ein: die Schmerzen im Kehlkopf verschwanden, in den anderen Gelenken ließen
sie nach. Dagegen die Schwellung der Gelenke des linken Mittelfingers und
des rechten Knies blieben bis jetzt unverändert.
Status praesens. Die Patientin ist gut genährt und von kräftigem Körper-
bau. Die Gelenke des Jinken Mittelfingers sind geschwollen. Die Zirkumferenz
des rechten Kniegelenks beträgt 88 cm, die des linken 36 cm. Bei aktiven und
passiven Bewegungen hört man in beiden Kniegelenken und besonders im rechten
heftiges Knirschen. Die inneren Organe sind normal. Der Harn ist sauer, spe-
zifisches Gewicht 1011. Eiweiß und Zucker sind nicht nachweisbar. Bei der
bakterioskopischen und bakteriologischen Untersuchung des Schleimes aus dem
Collum uteri wurden Neißersche Gonokokken nicht festgestellt (Dr. M. A.
Raskina).
374 W. P. Semenow.
Diagnose: Chronische gonorrhoische Arthritis.
Krankheitsverlauf. Am 20. X1I. 1. Injektion von polyvalenter Gonokokken-
vakzine in der Dosis von 0,3 ccm bei einer Temperatur von 86,3.
Vom 21. XII. bis zum 25. XII. weder lokale noch Herd-, noch allgemeine
Reaktion. Die Temperatur schwankte während dieser Zeit zwischen 36,1 und 36,9.
25. XII. 2. Injektion von 0,6 ccm Vakzine bei einer Temperatur von 36,6.
Vom 26. XII. bis zum 29. XII. weder lokale noch Herd-, noch allgemeine
Reaktion. Die Temperatur war wie vorher normal.
29. XII. 3. Injektion von 1 cem bei einer Temperatur von 86,3.
80. XII. und während der folgenden drei Tage weder lokale noch Herd.,
noch allgemeine Reaktion. Die Temperatur war während der ganzen Zeit
normal. Die Schmerzen in den Kniegelenken wie zuvor. Objektiv keine Ver-
änderung.
Das Fehlen einer Herdreaktion sowohl nach der ersten Injektion von poly-
valenter Gonokokkenvakzine in der Quantität von 0,8 ccm als auch nach den
beiden folgenden (0,6 ccm und 1 ccm) im Zusammenhang mit dem negativen
Resultat der bakterioskopischen und baktcriologischen Untersuchung des Schlei-
mes aus dem Collum uteri auf Neißersche Gonokokken veranlaßte uns, die bei
der Patientin bei ihrem Eintritt in die Klinik vermutete chronische gonorrboische
Arthritis auszuschließen und die begonnene Vakzinebehandlung abzubrechen.
Der Einfluß der Injektionen von Gonokokkenvakzine auf die Temperatur-
kurvo äußerte sich bei meinen Patienten in folgender Weise. Die Körper-
temperatur bei dem ersten Patienten war vom Tago der Aufnahme in die Klinik
und vor Beginn der Injektionen (während 23 Tagen), sowie zwischen der 1.
und 10. Injektion morgens normal. Abends schwankte die Temperatur zwischen
87 und 87,4. Zwischen der 10. und 19. Injektion war die Temperatur nur am
Tage nach den Injektionen auf 87,2—87,5 erhôht und kehrte am Morgen des
folgenden Tages zur Norm zurück. Zwischen der 19. und 25. Injektion war
die Temperatur während der ganzen Zeit normal. Beim zweiten Patienten
schwankte die Temperatur eine Woche vor Beginn der Injektionen zwischen
837 und 88. Zwischen der 1. und 8. Injektion fiel die Temperatur allmählich.
Zwischen der 8. und 16. Injektion stieg sie nur am zweiten Tage nach der
Injektion gegen Abend und fiel am folgenden Morgen gewöhnlich bis zur Norm.
Zwischen der 16. und 27. Injektion war die Temperatur normal. Bei dem
dritten Patienten wurde die Behandlung mit Gonokokkenvakzine bei normaler
Temperatur begonnen. Bis zur 10. Injektion stieg die Temperatur am folgen-
den Tage nach den Injektionen, war am nächsten Tage aber schon wieder
normal. Nach der 10. Injektion und bis zum Ende der Behandlung blieb die
Temperatur normal. Im Falle Nr. 4 stieg die Temperatur zwischen der 1. und
9. Injektion am Tage nach den Injektionen bis 87,1—37,4 und kehrte noach
24 Stunden zur Norm zurück. Nach der 10. Injektion und bis zu Ende der
Behandlung war die Temperatur während der ganzen Zeit normal. Im Falle
Nr. 5 stieg die Temperatur zwischen der 1. und 3. Injektion abends bis 37,0
bis 37,3; zwischen der 3. und 6. Injektion stieg sie für kurze Zeit nur nach den
Injektionen. Zwischen der 6. und 16. (letzten) Injektion war sie sowohl mor-
pens wic abends normal. Im 6. Falle war vor der 5. Injektion die Temperatur
morgens normal; abends betrug sie 87,3— 87,0. Zwischen der 6. und 11. (letzten)
war sie normal.
Klinische Beobachtungen über die Wirkung der Gonokokkenvakzine. 375
Die Vakzineinjektionen hatten in einigen der oben mitgeteilten
Beobachtungen (in den Fällen 1, 4, 5) einen Einfluß im Sinne einer
verstärkten Eiterabsonderung aus der Urethra und in allen Fällen
im Sinne einer Herabsetzung der Schmerzen in den schmerzhaften
Gelenken, welche nach einer vorübergehenden Verstärkung der Schmerzen
eintrat.
Nach der Wiederherstellung der Gesundheitim klinischen Sinne
in den Fällen 1, 3, 4, 5, 6 ergab die bakteriologische Untersuchung
des Urethralsckretes die Anwesenheit von Gonokokken. Dieser Um-
stand veranlaßte mich, den Patienten Nr. 1, 4 und 5 noch je einige Vakzine-
injektionen zu machen und ihren Einfluß auf das weitere Schicksal der Gono-
kokken zu verfolgen. Der 1. Patient erhielt noch 5 Injektionen, der 4. noch 8
und der 5. noch 6. Diese Injektionen zeigten nicht den geringsten Einfluß auf
die Krankheitserreger, die Gonokokken. Bei der wiederum vorgenommenen
bakteriologischen Untersuchung wurden Gonokokken gefunden,
In einem Falle (Nr. 2) riefen die Vakzineinjektionen, mit Aus-
nahme der 1., 2. und der 8 letzten, bei dem Patienten schmerzfreien,
reichlichen, flüssigen Stuhl hervor, der sich ein- bis zweimal wäh-
rend der ersten oder zweiten Nacht nach der Injektion wiederholte.
Ich rechne dies zu den unangenehmen Nebenwirkungen der Vakzinotherapie.
Dieselbe Komplikation beobachtete auch Dr. A.I. Wasiljew#) bei der Be-
handlung eines seiner Patienten mit Gonokokkenvakzine.
Die mitgeteilten Beobachtungen erlauben mir, folgende Schlüsse
zu ziehen: :
1. Man muß die polyvalente Gonokokkenvakzine als ein spe-
zifisches Mittel bei der Behandlung der chronischen gonorrhoischen
Arthritiden betrachten.
2. Die Herdreaktionen, die bei den ersten subkutanen Injek-
tionen von Gonokokkenvakzine auftreten, stellen eine konstante Er-
scheinung dar.
3. Die polyvalente Gonokokkenvakzine ist zur Differentialdia-
gnose der chronischen gonorrhoischen Arthritiden von anderen ähn-
lichen Erkrankungen geeignet.
4. Sie ist bei chronischen gonorrhoischen Arthritiden von
schmerzstillender Wirkung.
5. Bei langdauernder Anwendung der polyvalenten Gonokokken-
vakzine bei Patienten, die an chronischer gonorrhoischer Arthritis
leiden, und bei denen die Temperatur erhöht ist, fällt die Tem-
peratur bis zur Norm ab.
6. Bei Patienten mit chronischer gonorrhoischer Arthritis ist
erhöhte Temperatur, wenn sie zwischen 37 und 38 sich bewegt,
keine Kontraindikation gegen die Vakzinotherapie.
7. In einigen Fällen verstärken die Injektionen von Gonokokken-
316 W. P. Semenow.
vakzine die Absonderungen aus den Genitalorganen, die von dem
gonorrhoischen Prozeß affıziert sind.
8. Zu den unangenehmen Nebenwirkungen, die bisweilen durch
die Injektionen von polyvalenter Gonokokkenvakzine hervorgerufen
werden, muß man die Störung der Darmfunktionen rechnen, die
sich in Durchfall äußert.
9. Wenn man sich bei der Vakzinotherapie der chronischen
gonorrhoischen Arthritiden nach dem sorgfältig beobachteten klinischen
Krankheitsbilde richtet, kann man auch ohne Bestimmung des op-
sonischen Index auskommen.
10. Zur Wiederherstellung der Gesundheit (im klinischen Sinne)
bei Personen mit chronischer gonorrhoischer Arthritis — diese
Wiederherstellung tritt nach 6—16 Wochen ein — sind 8—20 In-
jektionen von polyvalenter Gonokokkenvakzine erforderlich, die zu
Beginn der Behandlung in kleinen Dosen (0,2—0,8 cem Vakzine)
alle 4—6 Tage, dann in groBen Dosen (0,8—2 cem Vakzine) in
6—7 tägigen Zwischenräumen vorgenommen werden.
11. Die Gonokokken in den Absonderungen der Genitalorgane
verschwinden nur sehr selten unter dem Einflusse der polyvalenten
Gonokokkenvakzine.
e
Literatur.
1. A. Clarce Begg, Brit. Med. Journal, 22. Jan. 1910, Nr. 2560. Zitiert
pach einem Referat in ,Nowoje w Medizinje“, 1910, Nr. 7.
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nach einem Referat in „Nowoje w Medizinje“, 1910, Nr. 23.
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11. Mauté, La presse médicale, 1911, Nr. 21.
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Klinische Beobachtungen über die Wirkung der Gonokokkenvakzine. 377
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22. Guggisberg, „Nowoje w Medizinje“, 1912, Nr. 11.
23. Long und Buttler, Journ. of the Americ. Med. Ass., 1908, T. I,
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24. Whitmore, The Philippine Journ. of Science, 1908, T. 3, S. 421—426.
Zitiert nach W. E. Dembskaja, Russki Wratsch, 1911, Nr. 39.
25. Loxton, British med. journ., 1909, T. I, S. 581. Zitiert nach Russki
Wratsch, 1911, Nr. 89.
26. Oscar, The Lancet, 1910, Bd. II, Nr. 21, S. 1999, Zitiert nach
W. E. Dembakaja, Russki Wratsch, 1911, Nr. 39.
27. Th.v. den Welde, XIV. Kongreß deutscher Gynäkologen in München.
Zitiert nach Russki Wratsch, 1911, Nr. 39.
28. Fromme, Deutsche med. Wochenschrift, 1911, Nr. 28. Zitiert nach
Russki Wratsch, 1911, Nr. 39.
29. Eyre und Stewart, The Lancet, 1909, Bd. II, S. 18, Ibidem.
80. Aronstamm, The Journ. of the Americ. Med. Ass., 1908, T. II.
Zitiert nach ,Nowoje w Medizinje“, 1910, Nr. 7.
81. E. G. Ballenger, The Journ. of the Americ. Med. Ass., 1908, T. II,
Ibidem.
82. F. Chutchill und A. Sopor, The Journ. of the Americ. Med. Ass..
1908, II, Ibidem.
33. Hamilton und Cooke, The Journ. of Inf. Dis., Vol. V, Ibidem.
34. Shropshire, The Journ. of the Americ. Med. Ass., 1908, T. I, Ibidem.
39. L. Feuerstein, Lwowski Tygodnik lekarski, 1911, Nr. 35 u. 36.
36. W. A. Merkuriew, „Nowoje w Medizinje“, 1911, Nr. 6.
837. W. A. Merkuriew und S.M. Silber, Russki Wratsch, 1910, Nr. 81
und 1911, Nr. 6.
88. W. E. Dembskaja, Russki Wratsch, 1911, Nr. 39 und „Nowoje w
Medizinje“, 1910, Nr. 7.
39. S. W. Sowinski, Rasski Wratsch, 1910, Nr. 20.
40. S. Th. Werbow, Wratschebjana Gazeta, 1911, Nr. 31 u. 32 und
‚Nowoje w Medizinje“, 1912, Nr. 11.
41. E. A. Dubrowin, Vortrag auf dem 11. Pirogowschen Kongreß.
Russki Wratsch, 1910, Nr. 31.
42. A. P. Solowjew, Ibidem.
43. A. J. Sternberg, Nowoje w Medizinje“, 1911, Nr. 21.
44. A. L. Menzikowski, Grundzüge der Therapie der akuten und chro-
nischen Gonorrhoc. Vorlesung. Sonderbroschüre, 1912.
45. M.v. Zeissl, Lehrbuch der venerischen Krankheiten. Russische Über-
setzone von Dr. L. P. Schafir.
46. John Matthews, Wratschebnaja Gazeta, 1908, Nr. 37.
47. Neufeld, Opsonine und Bakteriotropine. Zitiert nach „Nowoje w
Medizinje“, 1912, Nr. 11.
48. A. I. Wasiljew, „Nowoje w Medizinje“, 1912, Nr. 17.
Bemerkung zu dem in dieser Zeitschrift (Bd. VIT, H. 1, 1913,
S. 34) erschienenen Aufsatz von Dr. Felix Hagen über:
Aufbewahrung und Sterilisation halbweicher
Instrumente.
Von
Dr. Dufaux, Berlin.
Bei der Publikation des von ihm angegebenen Wandschranks
zur Sterilisation und sterilen Aufbewahrung elastischer Katheter
und Sonden bricht Hagen nochmals eine Lanze für das wohl von
den meisten Kollegen als für diesen Zweck unbrauchbar verlassene
Formaldehyd. Dagegen sollen diese Instrumente durch die Hitze,
besonders durch das Dämpfen und Kochen, leiden, woran auch der
Zusatz von Medikamenten zum Wasser nicht viel ändere.
In einer ausführlichen Abhandlung: „Über rationelle Auf-
bewahrung der Sonden und Katheter, insbesondere der elastischen
und weichen“ in dieser Zeitschrift (Bd. XVII, H. 2, 1906) habe ich
des genaueren ausgeführt, daß die Sterilisation auch der weichen
und halbweichen Instrumente durch Hitze, das zuverlässigste aller
Desinfektionsmittel, derjenigen mittels flüssiger und gasförmiger
chemischer Desinfizientien bei weitem überlegen ist, und daß von
sämtlichen Arten der sterilen Aufbewahrung solcher Instrumente
die in trocknen, staubfreien, desinfizierbaren Bebältnissen allen
anderen, zumal derjenigen in flüssigen und gasförmigen Desinfektions-
mitteln, als die weitaus zuverlässigere und schonendere vorzuziehen
sei. Speziell bezüglich des Formaldehyds habe ich darauf hin-
gewiesen, daß die anfangs so hochgepriesene Desinfektions- und
Penetrationskraft der sich aus Formalin, Formalith oder Trioxymethylen
spontan entwickelnden Dämpfe desselben in späteren exakteren Ver-
suchen als wesentlich geringer befunden wurde so zwar, daß sich
Aufbewahrung und Sterilisation halbweicher Instrumente. 379
damit — wie Janet u. a. experimentell feststellten — eine zuver-
lässige Sterilisation der elastischen Katheter in einer für die
Praxis verwertbaren Zeit nicht erreichen läßt, daß zwar die Ver-
gasung bei höherer Temperatur eine deutliche Steigerung der Des-
infektionswirkung zur Folge habe, daß aber trotzdem die Penetrations-
kraft dieser stark erhitzten Formoldämpfe nicht genüge, das Lumen
der Katheter, insbesondere der feinen und feinsten Nummern, zu
durchdringen und zu sterilisieren. Katzenstein hat deshalb in
seinem Desinfektionsapparat Vorrichtungen angebracht, wodurch
„die bei einer möglichst hohen Temperatur und in möglichst großer
Menge entwickelten Dämpfe gleichsam durch Druck und Zug durch
das Innere der Katheter“ getrieben werden. Er bekommt so zwar
praktisch verwertbare Resultate; dieselben stehen indessen vereinzelt
und nicht unwidersprochen da (Loeb). Zudem wird hierdurch die
Methode kompliziert und umständlich.
Vergleicht man hiermit das überaus einfache Verfahren bei der
Sterilisation durch einen der bekannten Katheter-Dampfsterilisatoren
oder gar durch Auskochen mit Zusatz eines konservierenden Medi-
kaments, so kann man Hagen nicht beipflichten, wenn er behauptet,
das Verfahren der Hitzesterilisation sei umständlicher als die
Formaldehyddesinfektion, oder gar wenn er schreibt: „Erst als
E. R. W. Frank, Jadassohn und später Katzenstein ihre
Arbeiten über Sterilisation mit Formaldehyd veröffentlichten, wurde
das Verfahren vereinfacht“.
Als weiteren allgemein anerkannten Nachteil des Formaldehyds
hatte ich das Verderben der Instrumente hervorgehoben, auf welche
sich die Formoldämpfe bei vollständiger Trockenheit im Desinfektor
infolge Polymerisierung als festhaftender, nicht desinfizierender Para-
formstaub und bei Vorhandensein von Feuchtigkeit als kondensierte,
wäßrige Formaldehydlösung niederschlagen. Dadurch werden die
metallenen Instrumente glanzlos, rauh und weniger gleitfähig; die
elastischen verändern ihre Farbe, werden weich, klebrig, rauh und
unbrauchbar. Durch das trockne Trioxymethylen resp. durch gleich-
zeitiges Aufstellen von Chlorkalzium wird diesem schädigenden
Einfluß zwar etwas vorgebeugt, weil nur die wäßrige Formaldehyd-
lösung, nicht der trockne Paraformstaub die Instrumente angreift;
allein das Paraformaldehyd wirkt nach Flügge, Enoch, Loeb u. a.
nur desinfizierend, wenn es sich bei Anwesenheit von Wasserdampf
als wäßrige Formaldehydlösung auf die Instrumente niederschlägt
und nicht als der vollständig unwirksame Paraformstaub. Übrigens
380 Dufaux.
ist nach Janet das Trioxymethylen nur zur Sterilisation einer kleinen
Menge von Instrumenten in kleineren Apparaten zu gebrauchen.
Selbst Frank kam schließlich zu der Überzeugung, daß „bei
längerem Gebrauch die Formalindämpfe alle Instrumente angreifen“.
Dazu kommt ferner die stark irritierende und selbst kaustische
(Claisse) Wirkung des Formaldehyds auf die Schleimhäute sowohl
der Harnwege des Patienten, wie der oberen Luftwege des Arztes,
welche mit Ausnahme von Frank von allen Autoren hervorgehoben
wird. „Durch Trockensterilisation mit Hilfe von Chlorkalzium-
tabletten“, meint Hagen, „und durch Abreiben der Katheter mit
einem sterilen feuchten Tupfer ließe sich diese Reizung vermeiden.‘
Erstens bewirkt Chlorkalzium — wie erwähnt —, daß das Formal-
dehydgas sublimiert und sich in polymerisierter, nicht desinfizierender
Form auf die Instrumente niederschlägt; ferner beansprucht eine
derartige Trocknung, soll sie vollständig sein, lange Zeit. G.J. Müller
beispielsweise konnte sie in 12—24 Stunden nie erzielen und be-
obachtete stets heftiges, anhaltendes Brennen und Reizeiterung nach
Benutzung so behandelter Instrumente. Das nachträgliche Abreiben
der Katheter mittels eines feuchten sterilen Tupfers genügt aber
keineswegs, den Formaldehydüberzug, geschweige denn den sehr fest-
haftenden Paraformstaub, wodurch mit der Zeit die ganze Lackschicht
der Instrumente imprägniert wird, wieder zu entfernen. Deshalb
haben die einzelnen Autoren intensivere Maßnahmen in Anwendung
gebracht, wodurch indessen das Verfahren kompliziert und die etwa
erreichte Asepsis wieder in Frage gestellt wird.
Nach Hagen soll „die sterile Aufbewahrung vor Einführung
der Formaldehydsterilisation nur für einzelne Katheter resp. nur ın
beschränkter Anzahl möglich gewesen sein“. Nun konnten aber
schon immer in den verschiedenen Dampfdezinfektoren eine größere
Anzahl von Kathetern sterilisiert und gleichzeitig steril aufbewahrt
werden; sodann gab es schon vor Einführung der Formaldehyd-
sterilisation und auch seitdem ohne Benutzung derselben zahlreiche
Apparate und Behältnisse zur sterilen Aufbewahrung größerer und
großer Mengen elastischer Katheter und Sonden. Erwähnt seien
nur die in meiner Arbeit des genaueren beschriebenen Apparate
von Delagénière, Delefosse, G. J. Müller, Fourcaud,
R. Loeb, M. Poncet, Guyon, O. Zuckerkandl und schließlich
meine bekannten Zylinder zur sterilen Aufbewahrung elastischer
und weicher Katheter und Sonden (Katheterostate).
Wer die Geschichte und Bewertung der Formaldehydsterilisation
Aufbewabrung und Sterilisation halbweicher Instrumente. 381
der elastischen Instrumente und die zu ihrer exakten Ausführung
angegebenen Apparate genau kennt, wird Hagen nicht beipflichten
können, wenn er schreibt: „Infolge der einfachen Konstruktion der
dazu notwendigen Apparate und infolge der bequemen Handhabung
derselben, hat sich die Formalindesinfektion — zur sterilen Auf-
bewahrung von Instrumenten — recht verbreitet“. Abgesehen davon,
daB in dem Satze zwei verschiedene Dinge: Die Desinfektion der
Instrumente und ihre sterile Aufbewahrung mittels Formaldehyds
miteinander verbunden werden, ist — wie ich das in meiner Arbeit
ausführlich besprochen habe — die Konstruktion der Formaldehyd-
sterilisatoren, welche ein praktisch verwertbares Resultat ergeben
wie die Apparate von Janet, Loeb, Katzenstein u. a, kompli-
ziert, ihre Handhabung mühsam und zeitraubend. Alle übrigen ein-
facheren, größeren und kleineren Formaldehyddesinfektoren aber
und die verschiedenartigen Aufbewahrungsbehältnisse, in welchen
Formalin, Formalith oder Trioxymethylen spontan vergast, sind
wegen der Unzuverlässigkeit der Desinfektionswirkung, der langen
Sterilisationsdauer und des schädigenden Einflusses auf die Instru-
mente als rationelle Apparate nicht zu bezeichnen. „Die Methode“,
sagt Loeb, „Paraformpastillen in die Aufbewahrungskästen zu legen,
um durch allmähliche Erzeugung von Formalindämpfen das Instru-
mentarium zu desinfizieren, konnte nur als Notbehelf dienen und ist
durchaus unzulänglich.“
Auch weiterhin bringt Hagen die eigentlichen Formaldehyd-
sterilisationsapperate pêle—méêle mit den Aufbewahrungsbehältnissen
zusammen und schreibt: „Eine ganze Reihe von kleineren und
größeren Apparaten sind zu diesem Zwecke in den Handel gebracht
worden.“ Er führt nur drei an und zwar: 1. „Glasröhren für einzelne
Katheter“ — doch wohl zur sterilen Aufbewahrung, nicht auch
zur Sterilisation; 2. die bekannten Janetschen kastenartigen Formol-
desinfektoren und 3. die von E. R. W. Frank angegebenen Glas-
zylinder zur Sterilisation und sterilen Aufbewahrung elastischer
Instrumente mittels Formaldehyds. „Hier hängen“, schreibt er, „die
Katheter in einer durchlöcherten Nickelinplatte.“
Dabei sind — ich weiß nicht zum wievielsten Male — auch
wieder von Hagen die Frankschen Formalinsterilisationszylinder mit
den von mir vor ca. 16 Jahren angegebenen gläsernen Aufbewahrungs-
zylindern (sog. Katheterostaten), welche nie etwas mit Formaldehyd
zu tun hatten, verwechselt worden.
Die von der Firma Lautenschläger (Berlin) hergestellten Frank-
Zeitschrift für Urologie. 1918. 26
382 Dufaux.
schen Sterilisationszylinder sind mit einem gutschließenden Deckel
versehene Glaszylinder, welche in einiger Höhe vom Boden einen
zweiten, vielfach durchlochten Glasboden haben. Die elastischen
Instrumente stehen auf dem durchlöcherten Zwischenboden auf,
hängen also überhaupt nicht — wie Hagen angibt — geschweige
denn in einer durchlôcherten Nickelinplatte. Auf dem Boden der
Zylinder befindet sich Formalin, Formalith oder Trioxymethylen in
Pastillenform. Die sich von hier spontan entwickelnden Form-
aldehydgase gelangen durch die Löcher des Zwischenbodens zu den
Instrumenten.
Der eigentliche Zweck dieser Zylinder ist die Sterilisation der
elastischen Instrumente mittels der von E.R.W. Frank inaugurierten
Formalindesinfektionsmethode. Als Aufbewahrungszylinder konnten
sie schon deshalb nicht mit Nutzen verwendet werden, weil „die
Formaldehyddämpfe — wie Frank schließlich selbst zugab — bei
längerem Gebrauch alle Instrumente angreifen“. Abgesehen davon
leiden die letzteren durch das Stehen, verkrümmen sich, werden
durch die scharfen Ränder der Löcher des gläsernen Zwischen-
bodens lädiert, an der Spitze rauh und die oliv-konischen an der
schmalsten Stelle hinter der Olive brüchig. Dazu kommt, daB sie
in großen Haufen durch- und beieinander stehen, so daß das Aus-
wählen Mühe und Zeit erfordert, und daß schließlich nur festere,
elastische Instrumente, weder dünnkalibrige, noch weiche oder gar
Kautschuk-Katheter darin stehend Aufnahme finden können.
Meine Katheterglasstandgefäße, Katheterostate, welche auf
allen Prospekten und in allen Katalogen unter meinem Namen geführt
werden, dienen lediglich der Konservierung und sterilen Auf-
bewahrung sämtlicher Sorten elastischer und weicher Katheter und
Sonden. Sie bestehen aus Glas und sind an ihrem oberen Ende
ausgeweitet. In dieser Erweiterung liegt lose eine mit Knopf ver-
sehene, vernickelte Metallplatte, welche von glatt abgerundeten, den
Weiten der französischen Filière entsprechenden Löchern zum Ein-
hängen der Instrumente durchbohrt ist. Eins derselben trägt eine
lange, unten geschlossene, seitlich mit feinen Öffnungen versehene
gläserne Tube zur Aufnahme der filiformen Sonden. Das Ganze
schließt staubdicht ein eingeschliffener Glasdeckel ab.
Die Zylinder werden, bevor man sie in Benutzung nimmt und
auch später von Zeit zu Zeit, in ihrem Innern keimfrei gemacht
und nur mit gereinigten und desinfizierten Instrumenten beschickt.
Schon dadurch ist, zumal der eigentliche Aufbewahrungsraum nach
Aufbewahrung und Sterilisation halbweicher Instrumente. 383
dem Entnahmeraum hin durch die gefüllte Einlegeplatte und letz-
terer nach außen durch den staubdicht schließenden Glasdeckel
abgeschlossen ist, eine Ansiedlung von Mikroben tunlichst hint-
angehalten. Um den sterilen Zustand weiter zu sichern, wird auf
den Boden der vollständig trocken gemachten Zylinder eine Schicht
Calcium chloratum siccum gebracht, dessen hydrophile Eigenschaft
einen dauernd absolut trocknen Zustand unterhält. Trockenheit
resp. Austrocknung ist bekanntlich eins der wirksamsten bakteriziden
Mittel, welches sowohl in der Desinfektionspraxis im allgemeinen,
wie besonders in der Chirurgie seit Einführung der sog. trocknen
Wundbehandlung erfolgreichste Verwendung gefunden hat. Gleich-
zeitig werden die elastischen und Gummiinstrumente in der trocknen
Luft und in dem isoliert freihängenden Zustande aufs Beste
konserviert.
Da ferner die Löcher der Einlegeplatte mit den entsprechenden
Nummern der französischen Leere versehen sind, und man von außen
durch das Glas hindurch das erforderliche Instrument vorher aus-
suchen kann, so genügt ein kurzdauerndes Öffnen nur des Entnahme-
raums, nicht des eigentlichen Aufbewahrungsraums, um dasselbe an
seinem Endstück (Knopf resp. Pavillon) mit desinfizierten Daumen
und Zeigefinger oder sterilisierter Pinzette herauszuheben.
Das sind die großen Vorzüge meiner Aufbewahrungszylinder
gegenüber allen anderen Aufbewahrungsbehältnissen und auch gegen-
über dem von Hagen angegebenen Wandschrank. Hierbei handelt
es sich — wie er selbst sagt — „im Prinzip nur um eine Zu-
sammenstellung mehrerer Standgläser in Form eines gefälligen
Wandschrankes“. |
Was gefälliger aussieht: Wandschrank oder Glasstandgefäß,
mag dahingestellt bleiben. Lediglich vom Standpunkt der Nützlich-
keit und Brauchbarkeit betrachtet muß man sagen, dal in dem
Schrank abgesehen von der Verwendung des unbrauchbaren Form-
aldehyds gerade die praktischen Vorteile, welche meine Zylinder
bieten, zum großen Teil wieder aufgegeben sind.
Beibehalten ist das isolierte Hängen der Instrumente in einer
Filière, wodurch dieselben entschieden geschont werden und über-
sichtlich leicht auswählbar sind. Man kann zwar auch durch die
Glaseinsätze des Schrankes von auBen schon das gewünschte In-
strument aussuchen, so daß es nicht nötig ist, das Behältnis allzu
lange jedesmal offen zu halten; da aber in dem kleinen Schrank
ca. 280 und in dem großen sogar 5—600 Instrumente Platz haben,
26*
384 Dufaux.
sich außerdem Kystoskope, Urethroskope, Ulzmannsche Pinsel-
apparate darin befinden, so müssen sie und zwar nicht bloß der
Entnahme-, sondern der ganze Aufbewahrungsraum fortwährend
geöffnet werden, wodurch Staub und Luftkeime leichtest Zugang
zu den Instrumenten finden. Auch ist bei einer so großen Anzahl
von Instrumenten das Einschleppen von Keimen mit denselben und
durch die Hand des Arztes naturgemäß leichter möglich als bei
einer kleineren Menge derselben. Überdies ist es nicht ratsam,
Kautschukinstrumente wie die Nelaton-Katheter zusammen mit
Metallinstrumenten wie die Kystoskope und Endoskope aufzu-
bewahren, weil dadurch die letzteren leiden. Auch benötigt ein
Spezialarzt resp. ein Klinikinhaber, welcher 250—500 Katheter und
Sonden im Gebrauch hat, eine größere Anzahl von Beleuchtungs-
instrumenten, als an den Seitenwänden der Hagenschen Schränke
untergebracht werden können, abgesehen von der Unbequemlichkeit
und Unhandlichkeit, welche ein gemeinsames Aufbewahren derartig
verschiedener Instrumente mit sich bringt. Schließlich leidet auch
die Übersichtlichkeit, wenn sich eine so beträchtliche Menge der
verschiedensten Katheter und Sonden in einem Behältnisse zusammen
befindet, mögen dabei auch noch so bequeme und übersichtliche
Einrichtungen für die Entnahme getroffen sein.
Der Hauptzweck meiner Standgefäße war es gerade, nicht viel
mehr als etwa 30 Instrumente zusammen aufzubewahren, so daß für
beide Arten: Katheter und Sonden, bei größerem Betriebe für die
verschiedenen Sorten derselben je ein eigner Zylinder zur Auf-
bewahrung dient. Dadurch ist das Aufsuchen außerordentlich er-
leichtert, zumal die Zylinder leicht transportabel sind, und die
Auswahl des gewünschten Instrumentes schon durch das Glas hin-
durch geschehen kann.
Nun meint Hagen: „Alle diese Apparate genügen an und für
sich vollkommen, besonders die Standgläser und die kleineren Janet-
Apparate für denjenigen, der nur eine geringe Anzahl von weichen
Kathetern im Gebrauch hat“. Gegen die größeren Aufbewahrungs-
behältnisse aber macht er geltend, daß sie „viel Platz und eine
breite Konsole erfordern, einen sehr hohen Preis haben und an
Übersichtlichkeit zu wünschen übrig lassen“.
Meine Katheterostate genügen — wie ich das in meiner größeren
Arbeit genauer ausgeführt habe — für alle Zwecke und haben sich
überall aufs Beste bewährt, wofür ihre große Verbreitung im In-
und Auslande spricht. Für den allgemeinen Arzt genügt ein Zrlinder.
Aufbewahrung und Sterilisation halbweicher Instrumente. 385
welcher 30—40 Instrumente aufnimmt und zwar: einen Satz Sonden,
die gebräuchlichsten Nummern und Sorten der elastischen und
weichen Katheter, einige Bougies und Sondes A boule und eine
Anzahl filiformer Bougies in einem Glaseinsatz.
Der Spezialarzt für Harnkrankheiten benötigt durchschnittlich
5 Zylinder, welche außer den filiformen Sonden ca. 200 Instrumente
fassen, also nahezu soviel wie der kleine Schrank Hagens. In
denselben lassen sich sämtliche weichen und elastischen Katheter
und Sonden, deren der beschäftigte Urologe bedarf, nach ihren ver-
schiedenen Sorten getrennt übersichtlich unterbringen; sie nehmen
nicht viel Platz ein, erfordern keine eigne Konsole, sondern lassen
sich auf irgend einem Instrumentenschrank, jedem Tisch, selbst dem
Fensterbrett unterbringen und sind im Preise kaum höher, wenn
nicht billiger, als der Hagensche Schrank.
Eine große Klinik endlich benötigt etwa der doppelten Anzahl
Katheterostate für ihre elastischen und Kautschuk-Instrumente. Auch
hier findet sich überall Platz genug für die Zylinder, schließlich auf
einer eignen Glaskonsole, deren geringer Preis dabei gar nicht in
Betracht kommt. Ihre Anschaffungskosten werden ebenfalls denen
für den großen Hagenschen Schrank ziemlich gleichkommen.
Bei allen Vorzügen hinsichtlich der Sterilerhaltung und Kon-
servierung der Instrumente, der großen Übersichtlichkeit, Leichtig-
keit und Bequemlichkeit der Auswahl und Entnahme derselben
bilden meine Zylinder einen Schmuck jedes Sprechzimmers und
jeder Klinik und fügen sich passend in die sonstige aseptische Ein-
richtung ein.
Aus der Poliklinik: Dozent Dr. N. A. Michailoff,
Privatdozent-Konsultanten des Kaiserl. Klinischen Institutes der Großfürstin
Elena Pawlowna zu St. Petersburg.
Zur Frage über die Anwendung der Auto-
serotherapie bei Hydrocele.
Von
Dr. Zdanowicz.
Als interessante Beobachtung teile ich meine Resultate der Be-
obachtungen über die Anwendung der Autoserotherapie bei Hydrocele
mit. Von 5 nach dieser Methode behandelten Kranken genasen zwei
vollständig nach einmaliger subkutaner Injektion des serösen Exsu-
dats; einem anderen von diesen Kranken mußte das Exsudat vier-
mal injiziert werden, bei zwei beobachtete man nach temporärem
Verschwinden der Hydrocele Rezidive.
Die Technik des Verfahrens ist folgende:
Zunächst wird mittels einer dicken Nadel 5—20 ccm Exsudat
aus der Hydrocele herausgelassen, darauf wird wieder 2 ccm heraus-
gelassen. Diese letztere Quantität wird dann mit einer dünnen
Nadel subkutan in den Oberschenkel injiziert. In der Regel führte
eine solche Injektion zu bedeutender Verkleinerung des Turmors,
ja sogar in einigen Fällen zu vollständigem Verschwinden der
zwischen den den Testikel umgebenden parietalen und visceralen
Peritonealblättern angesammelten Flüssigkeit').
Die Ätiologie der Hydrocele konnte in den hier angeführten
Fällen mit Sicherheit nicht festgestellt werden.
Denjenigen Kollegen, die bei der konservativen Behandlung
der Hydrocele zu keinem endgültigen Resultate gekommen sind,
schlägt Vortragender vor, seine Methode zu versuchen bevor sie
für die Radikaloperation sich entschließen.
1) Dabei hat man weder lokale entzündliche noch irgend welche allgemeine
Reaktion beobachtet: die Temperatur blieb normal, Schmerzen blieben aus,
Universal-Spülansatz.
Nach
Dr. Arthur Lewin.
Mit Abbildungen.
Die Spül-Cystoskope haben sich, seit Ringleb den einfachen
automatischen Verschluß angegeben hat, mehr und mehr eingebür-
gert. Zur Vereinfachung des Zu- und Abflusses habe ich ein kleines
Instrument angegeben, dessen technische Einzelheiten und Anwen-
dung aus beiliegenden Figuren ohne weiteres klar ist.
z bedeutet das Zuflußrohr, a das Abflußrohr.
Durch Druck auf die kleine Spirale wird das Ventil geöffnet,
durch Nachlassen des Druckes geschlossen, so daß die Blasenspü-
lung ohne jede Assistenz mit großer Leichtigkeit und Schnelligkeit
388 Arthur Lewin, Universal-Spülansatz.
vorgenommen werden kann. Will man statt des Irrigators die
Spritze anwenden, so dient hierzu der Ansatz s. 6 beigegebene
Ansätze sind für die verschiedenen Cystoskopgrößen bestimmt.
Das Instrument besteht nur aus Metall, ist also auskochbar. Der
Vorzug des Instrumentes besteht darin, daß Irrigator resp. Spritze
aseptisch bleiben, da sie mit dem aus der Blase abfließenden Harn
nicht in Berührung kommen, während bei den gewöhnlichen ein-
fachen Ansätzen Spritze resp. Irrigator-Ansatz durch den abflieBen-
den Harn stets infiziert wurden.
III
Der Spülansatz ist selbstverständlich auch für sämtliche Katheter-
spülungen, sowie für Spülungen in anderen Körperhöhlen verwend-
bar. Der Ansatz wird von der Firma Georg Wolf, Karlstr. 18,
angefertigt und vertrieben.
Literaturbericht.
a) Mifsbildungen.
A propos d’un cas d’ouraque totalement perméable chez un
sujet de seize ans. Von P. André und André Bœckel-Nancy. (Journ.
d'Urol. Tome II, Nr. 5, 1912.)
Ein entwicklungsgeschichtlich und chirurgisch interessanter Fall von
umbilikaler Urinfistel infolge Persistenz eines durchgängigen Urachus,
welcher mit gutem Erfolge operiert wurde. A. Citron- Berlin.
Les lésions de la ceinture pelvienne dans l’exstrophie vési-
cale. Von Pothérat. (Société nationale de Chirurgie de Paris. März 1912.
Archives généralés de chirurgie 1912, 8, p. 932.)
Pothérat konnte bei einer Blasenexstrophie eines Kindes von
14 Jahren radiologische Aufnahmen machen. Der Beckengürtel ist vorn
nicht geschlossen, aber nicht infolge Auseinanderweichen, sondern durch
Fehlen des Os pubis. Der Knochengürtel hört zwei Zentimeter von der
Pfannenkante auf. Die subpubische Ausrandung ist kaum angedeutet
durch einen zur Basis des Sitzbeins verlaufenden Bogen. Alle knochigen
Teile des Beckens sind unvollkommen entwickelt. Der Schenkelhals ist
dünn, sehr lang, nähert sich der Vertikalen, der große Trochanter ist
nach auswärts gedrängt; diese Bildung erklärt vielleicht die besondere
Haltung solcher Individuen beim Gehen. Mankiewicz-Berlin.
Behandlung der Blasenektopie. Von Makkas-Bonn. (Deutsche
med. Wochenschr. 1912, Nr. 51. Vereinsb.)
In der Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- w Heilkunde in
Bonn (Sitzung vom 15. VII. 1912) stellt Makkas ein 14jähriges Mäd-
chen vor, bei dem er zur Heilung einer Blasenektopie ein neues Verfahren
angewendet hat. In einer Voroperation wurde das Coecum ausgeschaltet
durch eine seitliche Anastemose von Ileum und Colon transversum. In
das ausgeschaltete Coecum wurde dann 5 Wochen später die mobilisierte
Blase mit den Ureteren implantiert. Aufsteigende Infektion ist nicht
erfolgt. Die neugebildete Blase faßt 200 ccm und wird in Zwischen-
räumen von zwei bis vier Stunden von der Patientin mit Katheter ent-
leer. Der Urin ist etwas getrübt und enthält Spuren von Eiweiß. In
der neuen Blase haben sich nachträglich einige kleinere Steine gebildet.
Ludwig Manasse-Berlin.
La cura dell’estrofia della vescica. Von Cuneo. (Archivio italiane
di Ginecologia 1912, 4.)
Heitz Boyer und Hovelaque einerseits und Cuneo anderseits
haben die Elemente der Lösung des Problems der Exstrophia vesicae
gefunden, indem sie sich des unteren Mastdarmabschnittes resp. einer
390 Blase.
isolierten Dünndarmschlinge als Urinreservoir, in das sie die Harnleiter
einpflanzten, bedienten und das Reservoir zum Niveau des Anus herab-
zogen und hinter dem Sphinkter durch einen Ausschnitt der Schleimhaut
münden ließen. So wird die Analöffnung durch zwei völlig separierte
Öffnungen segmentiert, deren eine ins Harnreservoir, die andere in den Darm
führt; beide Öffnungen inserieren im Afterschließmuskel, so daß Kontinenz für
Harn und Stuhl besteht. 3 Fälle sind so schon mit Erfolg operiert. Nur in
der Nacht ist die Kontinenz nicht vollkommen, nach Cuneos Meinung,
weil der eingepflanzte Darm mit seiner kräftigen Muskulatur zu starke
Bewegungen macht, den Sphinkter erweitert und an seiner guten Funk-
tion hindert. Deshalb empfiehlt Cuneo das eingepflanzte Stüek nicht
in voller Dicke, sondern nur Schleimhaut mit Submucosa unter Resek-
tion von 3—4cm Muskelserosa, in den Sphinkter einzunähen; dasselbe
wird durch sein geringeres Volumen den Sphinkter weniger dehnen und
dem Tonus der Muskulatur weniger Hindernisse in den Weg legen.
Cuneo glaubt nicht, daß die Entfernung der Muscularis dem Darmstück
die Lebensfähigkeit rauben wird. Mankiewicz-Berlin.
b) Verletzungen.
Rupture de la vessie. Von Villard et Murard. (Soc. des sciences
medicales de Lyon. 5. Juli 1912. Lyon medical 1912, 39, p. 517.)
Villard und Murard demonstrieren die Harnorgane eines nach
einem Sturz von der Treppe am achten Tage gestorbenen Mannes, der
bei der regelmäßigen Sondierung der Blase genügende Quantitäten erst
stark blutigen, dann fast blutfreien Harnes entleerte. Der Leib war
empfindlich, doch die Konturen der Blase zu fühlen. Das Colon hat
sich über die Blase geschlagen, seine Teile bedeckten den zweifranken-
stückgroBen RiB der Hinterfläche. Am letzten Tage hatte der Kranke
den größten Teil des Urins spontan entleert. Mankiewicz-Berlin.
Über Urinintoxikation bei intraperitonealer Blasenruptur. Von
F. Ochlecker-Hamburg-Eppendorf. (Deutsche med. Wochenschr. 1912, Nr. 49.)
Ein 39jähriger Patient wird in moribundem Zustande mit den Zei-
chen einer sehr schweren Peritonitis ins Krankenhaus eingeliefert. Bei
dem Katheterismus wurden 7 Liter eines blutigen, nicht übelriechenden
Urins entleert. Die Blutkryoskopie ergab einen Gefrierpunkt von — 0,63.
Der Patient hatte sich im nicht trunkenen Zustand 8 Tage vor der Auf-
nahme ins Krankenhaus die intraperitoneale Blasenruptur zugezogen. Bei
der Operation wurde ein 7 cm langer, alle Wände durchsetzender RiB
der Blase gefunden. In der Bauchhöhle waren noch 2 Liter Urinexsudat-
massen. Die Eingeweide zeigten bis auf Rötung und kleinere Blutungen
des Peritoneums keine wesentliche peritonitische Erscheinung. Die Blasen-
wunde wurde primär geschlossen, ebenso die Bauchwunde, es wurde ein
Dauerkatheter eingelegt. — Der Zustand des Patienten wurde schon
nach 24 Stunden wesentlich besser; am 8. Tage konnte man ihn als ge-
rettet betrachten, als am 9. Tage plötzlich eine Embolie aus der Vena
femoralis in die Lungenarterie seinem Leben ein Ende machte. Och-
lecker erinnert noch an die Mitteilung einer spontanen Blasenruptur bei
Blase. 391
einem 70jährigen Prostatiker (Deutsche med. Wochenschr. 1910, Nr. 24)
und beleuchtet beide Fälle epikritisch vor allem in bezug auf die Blut-
kryoskopie. Beide Male fand sich ein hoher kryoskopischer Wert des Blutes
vor der Operation, der dann langsam abfiel und zur Norm zurückkehrte.
Dieser erhöhte Wert war bedingt durch die Resorption der in die Bauch-
höhle ergossenen festen Urinbestandteile. So erklärt sich auch der ge-
ringe Harnstoffbefund von 1—2°/,, der noch in der Bauchhöhle befind-
lichen Urinflüssigkeit. Bei der intraperitonealen Blasenruptur kommen
für den definitiven Ausgang zwei Momente in Frage, das eben berührte
toxische und das infektiôse. Im allgemeinen wird die infektiôse Kom-
ponente die größere Rolle spielen, es kann aber bei völlig sterilem Urin
auch die Urinkomponente im Vordergrunde stehen und das Krankheitsbild
wie in dem mitgeteilten Falle beherrschen. Hier herrscht dann das Bild
der Urämie vor, die gewöhnlich am 2. oder 3. Tage einzusetzen pflegt.
Man solle deshalb selbst in desolaten Fällen von Peritonitis noch
eingreifen, wenn man mit der Möglichkeit rechnen darf, daß eine intra-
peritoneale Blasenruptur mit schwerer Urinkomponente mit im Spiele ist.
Der Ausgang kann sich durch die Operation unerwartet günstig gestalten.
Ludwig Manasse- Berlin.
c) Neubildungen.
Polypenbildung am Orificium urethrae der”weiblichen Harn-
blase bei Cystitis. Von Primararzt Dr. Josef Hertle, Dozent f. Chirurgie.
(Beiträge zur klin. Chir. 81. Bd. Festschrift für V. v. Hacker. 1912.)
Es handelt sich in dem beschriebenen Falle um eine 37 jährige
Frau, die seit 2 Jahren an chronisch entzündlichen Vorgängen in der
Scheide, am äußeren Genitale und in der Blase zu leiden hatte, die
wahrscheinlich auf gonorrhoischer Basis beruhten. Besonders hartnäckig
waren chronisch entzündliche Wucherungen am äußeren Genitale, die ge-
wöhnlich als Kondylomata acuminata bezeichnet werden. Zu ihrer Be-
seitigung mußte sich die Kranke mehrfachen chirurgischen Eingriffen
unterziehen, da die Bildungen immer wieder aufs neue auftraten. Zu-
letzt wurde ihr eine größere derartige Wucherung, die als Karunkel zu
bezeichnen ist, am Meatus externus der Harnröhre entfernt. Ihre Harn-
beschwerden steigerten sich darauf aber, statt abzunehmen und führten
nach einigen Monaten zu einer partiellen Harnretention nebst sehr schmerz-
haftem häufigen Harndrang. Nun wurde mittels des Cystoskops festge-
stellt, daß die Ursache dieser Beschwerden nebst einer verhältnismäßig
leichten Cystitis polypenartigen Wucherungen am Orif. intern. der Urethra
zuzuschreiben waren. Diese Polypen, welche sich besonders durch ihr
kranzförmiges Aufsitzen um das Orificium internum urethrale innerhalb
des Sphinkters auszeichnen, hielt Verf. anfänglich für echte Geschwülst-
chen, dem Typus der Papillome angehörig. Tatsächlich unterscheiden
sich diese Bildungen im cystoskopischen Bilde durchaus nicht von Papil-
lomen der Blase, das Auffallendste war ihr Ursprungsort und ihre zirku-
läre Anordnung um das Orificium. Die histologische Untersuchung ergab
nun aber, daß es sich keineswegs um Papillome, also um wirkliche Ge-
schwulstbildungen, sondern um chronisch entzündliche Wucherungen han-
392 Blase.
delte. Die ganzen Tumoren bestanden nämlich nur aus Granulations-
gewebe, nirgends war das Epithel verdickt oder gewuchert wie beim
echten Papillom. Die gemeinsame Basis für die Entstehung aller dieser
pathologischen Bildungen war offenbar eine chronische Entzündung des
Urogenitalsystems der Frau. So wie es durch Entblößung vom Epithel
und dem chronisch entzündlichen Reiz am äußern Genitale zu Wucherungen
des Gewebes kommt, die man als Kondylome zu bezeichnen pflegt, so
ist es auf der Basis der Cystitis am Blasenhals zu den polypösen
Wucherungen um das Orif. int. gekommen. — Die Abtragung der Polypen
nahm Verf. mittels der kalten Schlinge vor. Die Anwendung der Glüh-
schlinge vermied er wegen der Gefahr der Verbrennung und stärkern
Narbenbildung. Kr.
Vesikale Harnstauung bei zottigen Blasengeschwülsten. Von
O. Zuckerkandl. (Münchner med. Wochenschr. 1913, Nr. 4%.)
Während die zeitweiligen plötzlichen Unterbrechungen des Harn-
strahls durch bewegliche, weiche Blasentumoren allgemein bekannt sind,
scheint die chronische, durch solche Geschwülste hervorgerufene Harn-
stauung nicht allzu häufig zu sein. Sie ist aber ein wichtiges und ernstes
Symptom, das man kennen muß, um nicht auf diagnostische Abwege zu
geraten. Drei vom Verf. seit 1908 beobachtete und berichtete Fälle
illustrieren dies. Es handelte sich 2mal um inkomplette, einmal um
komplette chronische Harnstauung, die in einem Fall zu Cystopyelitis
and Harnintoxikation geführt hatte. Stets wurde durch die Exzision
des Tumors Heilung der Retention erzielt. Allen gemeinsam war die
Implantation ganz nahe der Blasenmündung, und zwar mit einem kürzeren
oder längeren Stiel Nur so scheint der ventilartige Verschluß zustande
zu kommen, wäbrend auch größere Tumoren der trigonalen Anteile keine
Harnstauung erzeugen. Aber nicht alle Tumoren der Blasenmündung,
die ja recht häufig sind, brauchen Retention zu bedingen, dann bedarf
es einer gewissen Größe, einer entsprechenden Lage und einer Konsi-
stenz, welche sie befähigt, sich beim Erschlaffen des Sphinkters und
unter dem Druck der Detrusorwirkung der Mündung anzuschmiegen.
Bei der großen Ahnlichkeit des Krankheitsbildes mit der Prostatahyper-
trophie, namentlich wenn Blutungen fehlen oder doch zurücktreten, liegt
de Gefahr der Verkennung nahe. Daher soll in keinem solchen Falle
die Cystoskopie unterlassen werden. Brauser- München.
Cancer de la face postérieure de la vessie. Von Gayet. (Société
de Chirurgie de Lyon 23. Mai 1912. Lyon medical 1912, 36, p. 399.)
Gayet berichtet in Hinsicht anf die üble Prognose der Blasen-
krebse ausführlich über einen vorläufig (3 Monate nach Operation) ge-
heilten Fall. 64 jähriger Mann mit Blutharn und Nierenschmerzen hatte
vor 2 Jahren die erste viertägige Hämaturie; seitdem öfters schmerzloses
Blutharnen. Keine Pyurie. Seit einiger Zeit Nierenschmerzen. Urin
fast schwarz, rechter unterer Nierenpol fühlbar, leichte Verdichtung der
Biasenwand neben der normalen Prostata. Cystoskopie schwierig, zeigt
hinten Tumor. Unter Novokain Rückenmarksanästhesie, transversale In-
Blase. 393
zision der Muskeln und Blase; im Blasengipfel zwei kleine gestielte
Tumoren, werden in der Mucosa abgebunden. An der hinteren Wand
großer infiltrierender Tumor, Kürettierung, um Implantation zu seben,
die sich fünffrankenstückgroß erweist und 2cm von der Ureterenlinie fort-
bleibt. Rechts Ureterkatheter eingeführt. Suspensionsfäden an vier gleich-
weit voneinander und l cm von der Geschwulst bleibenden Stellen, die die
hintere Blasenwand emporzuheben gestatten. Mit Schere und Messer
Exstirpation des dicken Tumors. Verletzung des Rektums, das sofort
mit schwer resorbierbaren Katgut genäht wird. Naht der Hinterwand
der Blase und der Vorderwand bis auf eine Drainage. Nach 2 Monaten
alles vernarbt, normale Miktion. Nach 3 Monaten 100 ccm Blasenkapa-
zität, in der vorderen Wand trichterförmige Narbe, an der Hinterwand
schluchtartige Narbe mit anscheinend harten Rändern ohne Wucherungen.
Tumor: Bindegewebliche Masse mit epithelialen Nestern kubischer und
polyedrischer Gestalt, großem Kern und wenig stark mit Eosin färbbarem
Protoplasma. Mankiewicz-Berlin.
Report of a case of extirpation of the bladder for malignant
disease. Von F. R. Hagner-Washington. (Medical Record 19. 10. 12.)
Ein: Mann von 40 Jahren litt seit zwei Jahren an Hämaturie und
schmerzhaftem Harndrang. Die Blasenkapazität betrug 125 ccm. Zysto-
skopisch fand man die ganze Blase von einem breitbasigen Tumor ein-
genommen. Zunächst wurde eine Zystostomie ausgeführt und die Blase
drainiert, worauf der Patient sich sehr erholte. 10 Tage später wurde
ein großer Hautschnitt bis über den Nabel angelegt, das Peritoneum
eröffnet, die Därme wurden herausgepackt, die Ureteren isoliert und
etwa 4 cm von der Blasenmündung abgeklemmt. Dann wurden die
Ureterenstümpfe nach der Blase zu mit Karbolsäure verätzt und die
proximalen Enden beider Ureteren eine Strecke parallel aneinanderge-
näht. Ins Rektum wurde ein 5 cm langer Schnitt angelegt, das Peri-
toneum und die Muskularis zurückpräpariert und aus der Submukosa ein
U-förmiger Lappen gebildet, der zurückgeschlagen und so mit zwei Nadeln
fixiert wurde. Die Schleimhaut lag nun nach außen, und hier wurden
die vereinigten Ureteren mit vier Nähten fixiert. Es kam so eine Art
Klappe zustande. Die Muskularis und das Peritoneum wurden nun darüber-
genäht. Da der Patient kollabierte, mußte die Zystektomie in großer
Eile ausgeführt werden. Der Patient erholte sich bald, klagte nur über
schwere Tenesmen in der Analgegend beim Passieren des Urins. Ohne
irgend ein Zeichen peritonealer Infektion starb der Patient zwei Wochen
später an Niereninfektion. Der Autor glaubt, daß bei zweizeitiger
Operation ein besseres Resultat erreicht worden wäre.
N. Meyer- Wildungen.
Due casi di estirpazione quasi completa della vescica per
tumore. Von Dr. Giorgio Nicolich-Triest. (Folia urologica, Bd. VII,
Febr. 1913, No. 6.)
Im Jahre 1888 machten Tizzoni und Poggi, um die Möglichkeit
der totalen Cystektomie zu beweisen, folgenden Versuch: Sie schlossen
394 Blase.
zuerst eine Dünndarmschlinge aus; dann exstirpierten sie die Blase samt
dem Blasenhals, indem sie sie durch die ausgeschlossene Schlinge, die
von ihrem Mesenterium ernährt wurde und als Harnreservoir bestimmt
war, ersetzten. Die so operierte Hündin urinierte nach einiger Zeit wie
eine normale Hündin. Das Experiment galt als gelungen. Aber die
Natur hatte gesiegt. Die Hündin besaß eine Blase, als wenn sie nicht
exstirpiert worden wäre, und an dieser wirklichen Blase hing als unnützes
und untätiges Divertikel die Darmschlinge, die 3 Jahre früher mit dem
Blasenhalse zusammengenäht worden war. Ein Schüler des Tizzoni,
Schwarz, stellte Versuche an, um zu erfahren, was aus dem leeren, in
sich selbst ohne Darmeinschluß geschlossenen Harnblasenstumpf geworden
wäre. Er fand, daß die komplette, unmittelbar oberhalb des Ureteren-
eintritts ausgeführte Resektion vollkommen möglich ist, und daß aus
diesem Harnblasenstumpf und vielleicht aus dem oberen Teile der Harn-
röhre sich in kurzer Zeit ein neues Hohlorgan bildet, das geeignet ist,
Urin so zu halten wie eine normale Blase. Die Krankengeschichten von
zwei vom Verf. operierten Kranken beweisen, daß man auch beim Men-
schen das erreichen kann, was Schwarz an Hunden erzielte. Beim
ersten, 72jährigen Kranken handelte es sich um einen Krebs, der bei-
nahe die ganze Blase mit Ausnahme des Trigonums umfaßte und infil-
trierte. Verf. exstirpierte fast die ganze Blase mit Ausnahme des Tri-
gonums, tamponierte den leergebliebenen Hohlraum und vernähte das
Bauchfell am oberen Rande des Bauchschnittes.. 52 Tage nach der Ope-
ration urinierte der Patient alle 3 Stunden und entleerte vollkommen
die neue Blase. 10 Monate nach der Operation war er vollständig ge-
sund. Beim zweiten, 44jährigen, schon zweimal wegen multipler Papil-
lome operierten Kranken machte Verf. denselben Eingriff; auch dieser
Patient genas. Nach 22 Tagen war die Wunde geschlossen und der
Patient urinierte normal alle 4--5 Stunden. Kr.
Vesical neoplasms. Von J. F. Mc-Carthy-New York. (New York
Medical Journal 7. 9. 12.)
Sieben Fälle von Blasentumoren hat Mc-Carthy mit dem Oudin-
Funken behandelt, und zwar mit bestem Erfolg. Bei einem Patienten
waren Rezidive nach der Sectio alta aufgetreten. Um die Narbe herum
saßen vier verschiedene Tumoren und über dem Orihicium vesicale eine
ganze Kette anderer. Es gelang hier nur dadurch die einzelnen Tumoren
in den Bereich des wirkenden Poles zu bringen, daß mit der einen Hand
auf dem Abdomen die erkrankten Teile der Blasenwand in das Gesichts-
feld gerollt wurden. In einem anderen Falle, bei einer Frau von 60
Jahren, war die ganze rechte Blasenhälfte von einem Tumor eingenommen.
Die Behandlung brachte den Tumor so gründlich zum Verschwinden,
daß keine Spur von ihm zystoskopisch nachweisbar war. Nur bei einem
dieser Patienten, einem Mann von 70 Jahren, sind noch geringfügige
Blasensymptome vorhanden, doch können diese sehr wohl auf die Prostata-
hypertrophie bezogen werden.
Was die Methodik betrifft, so zieht der Autor eine Reihe schonender
Blase. 395
Sitzungen wenigen intensiven Applikationen vor. Das Ende der Elektrode
muß stets im Gesichtsfeld bleiben, der Tumor soll von verschiedenen
Seiten angegriffen werden. Das Intervall zwischen zwei Sitzungen soll
gewöhnlich eine Woche dauern. Findet nach einer Reihe gut wirkender
Sitzungen keine fortschreitende Besserung statt, dann ist eine Pause von
4-6 Wochen zu machen. Nach dieser Zeit sah der Verfasser bei
zweien solcher Fälle eine auffallende Besserung.
Zum Schluß wird ein Fall beschrieben, bei dem der tiefer wirkende
Arsonval-Funken angewendet wurde. Der Patient, der für inoperabel
galt, ist wesentlich gebessert worden. Einzelheiten folgen an anderer Stelle.
N. Meyer- Wildungen.
Tumors of the bladder, with further case reports and review
of the high frequency method of treatement. Von Ch. M. Harpster.
‚Amer. Journ. of. surg. 1913, p. 17.)
Die Behandlung der Blasentumoren mit der Schlinge oder dem
Kauter erfordert große Handfertigkeit und verursacht oft starke, schwer
stilbare Blutungen. Viel einfacher ist die Behandlung mittels Hoch-
frequenzströme, ein Verfahren, das zuerst von Beer empfohlen wurde.
H. verwendet einen Oudinschen Hochfrequenzapparat. Als Operations-
cystoskop benutzt er ein Ureterencystoskop mit 2 Kathetern. Durch
den einen Kanal wird die Elektrode hindurchgeführt. Diese besteht aus
einem Kupferdraht, der mittels einer schwarzen Emailmasse isoliert ist
und in einem Uretherkatheter steckt. Am besten sind Porges katheter,
während eine Isolation mit weichem Gummi sich als ungeeignet erwies.
Benutzt wurde Cooks Handgriff für Fulguration, der eine sofortige
Unterbrechung des Stromes erlaubt. Die Elektrode wird entweder
direkt auf die Geschwulst appliziert, oder in kurzer Entfernung ihr ge-
nähert, oder in die (seschwulst eingeführt und 30 Sekunden einwirken
lassen. Die Blase wurde entweder mit einer Magnesiumsulfat- oder
Borlösung oder mit destilliertem Wasser gefüllt. Der Hochfrequenzstrom
verursacht eine Nekrose des Gewebes. Das nekrotische (tewebe wird
nach einigen Wochen abgestoßen und durch gesunde Schleimhaut ersetzt.
Hl. hat 10 Fälle nach dieser Methode behandelt und davon 7 mit gutem
Erfolge. 2 Fäile von malignem Tumor und 1 Fall, der mit Verkalkung
von Blasenpapillomen einherging, wurden ohne Erfolg behandelt. In
einem Falle handelte es sich um Papillome der hinteren Harnröhre, die
ohne Erfolg mit 25°, Ag. nitr. behandelt worden waren. In diesem
Falle wurde die Elektrode mittels eines Swinburneschen Urethroskops
für die hintere Harnröhre appliziert und eine schnellle und vollständige
Heilung erzielt. In einem anderen Falle handelte es sich um einen
52jährigen Mann, der eine hühnereigroße Geschwulst am Blasenhalse
hatte. Die Geschwulst wurde mittels Sectio alta entfernt. Es wurde
dann die Blasenwunde durch die Cystotomiewunde 3 Wochen lang täg-
lich mit Hochfrequenz behandelt und ohne Rezidiv dauernd geheilt.
H. hält die Methode für die beste zur Behandlung gutartiger Blasen-
tumoren. R. Kaufmann-Frankfurt a. M.
396 Blase.
d) Steine und Fremdkörper.
Corps étranger de la vessie. Von Henri Brin-Angers. (Journ.
d'Urol. Tome II, No. 6, 1912.)
Mademoiselle X., 41 Jahre alt, war seit 20 Jahren leidend und
wurde von ihren Arzten mit Stärkungskuren behandelt. Zum Skelett
abgemagert, wie eine Phthisische im letzten Stadium, mit 39° und
heftigen Urinbeschwerden, kam sie in die Klinik. B. diagnostizierte
einen großen Blasenstein; bei dem Examen auf einen Fremdkörper
glaubte sich die Pat. zu erinnern, daß eine Pflegerin vor 20 Jahren ein
silbernes Katheter in ihrer Blase verloren hätte. Die Sectio alta förderte
aber inmitten eines gewaltigen Konkrementes ein 13 cm langes Thermo-
meter zutage, welches durch die Blasenwand in die Bauchwand ge-
drungen war und bei der Operation abbrach. Der Quecksilberbehälter
des Thermometers war für das angebliche Silberkatheter gehalten und
mit einer Zange gefaßt worden. Die Patientin wurde vollkommen ge
heilt. Von Interesse ist bei diesem Fall besonders die lange Zeit, während
welcher der Fremdkörper getragen wurde, die langsam fortschreitende
Durchbohrung der Blasenwand und der Bauchmuskeln und das Fehlen
einer Pericystitis trotz der heftigen Infektion der Blase.
A. Citron-Berlin.
Calcul vésical əet prolapsus de l’uretère. Von M. Fayol (Soc.
des sciences médicales de Lyon 13. XI.1912. Lyon médical 1912, 50, p. 1012.
M. Fayol berichtet über einen Blasenstein, der mit einem Prolaps
des rechten Ureters zusammen vorkam. Der Stein war hühnereigroß.
Eine Art Polyp saß am rechten Ureterostium; seitlich an ihm sah man
die nicht dilatierte Harnleiteröffnung. Der Prolaps wurde reseziert. Der
Stein war sicher ein Nierenstein, der durch Apposition in der Blase
vergrößert war. Mankiewicz-Berlin.
Calculs diverticulaires de la vessie. Von Gayet et Favol. (Sr-
ciété nationale de médécine de Lyon. 20. Mai. Lyon médical 1912. 29.
p. 124.)
Gayet und Favol zeigen vier durch Operation gewonnene Blasen-
steine aus Divertikeln, die so von den umgebenden Muskelbündeln ein-
und umschlossen waren, daB weder die Steinsonde, noch der Blasenspiegel
die Diagnose ergaben, sondern nur die Radiograpbie deren Existenz nach-
wies, so daß bei der Sectio alta die Konkremente aufgesucht und aus
geschaltet werden konnten. Der 62 jährige Patient war schon vor einem
Jahre wegen eines Blasensteines cystotomiert worden.
Mankiewicz- Berlin.
e) Operationstechnik u. Statistik.
History of the lithotomy operation. Von M. Kahn-New York.
(Medical Record, 12. X, 1912.)
Die Arbeit Kahns bringt eine interessante Zusammenstellung der
Geschichte der Lithotomie mit Ausblicken auf die allgemeine Chirurgie
bei den primitiven Völkern. Es werden schließlich eine Reihe berühmter
Blase. 397
Ärzte der Vergangenheit und geschichtlich denkwürdiger Personen, die
an Steinen litten, angeführt. Die sehr interessanten Einzelheiten können
im Umfang eines Referates nicht gebracht werden.
N. Meyer-Wildungen.
Sulla estirpazione totale della mucosa della vescica urinaria.
Von Taddei. XXIV. Congresso della Società Italiana di Chirurgia 1912. (La
Clinica Chirurgica 1912, XI, p. 2200.)
Taddei hat bei 11 Hunden nach einem besonders ausgearbeiteten
Verfahren die ganze Blasenschleimhaut exstirpiert. Die Hunde heilten
nach geringer Hämaturie und nach einer Zeit vermehrter Miktion und
wurden nach 5—25 Tagen getötet. Die Reparation der Schleimhaut
gelang vollkommen. Zuerst typisches Granulationsgewebe, dann kommt
vom Urethral- und Ureterepithei (Proliferation durch Karyokinese) mehr-
schichtiges Pflasterepithel, am Trigonum mit Drüsenresten. 24— 25 Tage
nach der Operation ist die Blase wieder epithelisiert. Die Blase erhält
eine normale Ausdehnungsfähigkeit. Keine Stenosen an Harnröhren- und
Harnleitermündungen. Mankiewicz-Berlin.
Ersatz der exstirpierten Harnblase durch das Coecum. Von
Dr. P. Lengemann, Chirurg in Bremen. (Zentralblatt f. Chirurgie 1912,
Nr. 50.)
Für die Blasenektopie hat Makkas ein Operationsverfahren ange-
geben, das anscheinend nur wenig Nachahmung gefunden hat. Verf. hat,
ohne es zu kennen, einen ganz ähnlichen Weg eingeschlagen für die Ex-
stirpation einer karzinomatösen Blase. Da er Verf. hierfür, wie für die
Blasenektopie und für die Schrumpfblase gleich gut zu sein scheint, so-
weit es sich nicht um alte dekrepide Leute handelt, weist er von neuem
darauf hin. Makkas hat nach Enteroanastomose zwischen unterem Ileum
und Querkolon das Coecum unter der Mitte des Colon ascendus abge-
trennt und blind verschlossen, ebenso den Ileumstumpf, und die Appen-
dix nach außen geleitet. In das Coecum (die neue Blase) wurde in
einer zweiten Sitzung der Blasenlappen mit den Ureteren implantiert.
L. ist in einigen Punkten anders vorgegangen. Durch die Leichenver-
suche Taddeis, der auch den Wurmfortsatz zur Ableitung des Urins
nach außen verwenden will, und durch die zwei Fälle von Spannaus,
der die Ureteren in das ausgeschaltete unterste Ileumende implantierte,
so daß der Urin den ganzen Dickdarm passierte, kam Verf. zu folgen-
dem Verfahren: 1. Sitzung: Totale Ausschaltung des Coecum und Colon
ascendens und 30cm Ileum. Das proximale Ileumende wird in das
Querkolon implantiert nahe an der Verschlußnaht. Der Wurmfortsatz
wird schräg durch die Bauchdecken nach auben geleitet, die Spitze ab-
getragen. 2. Sitzung, einige Wochen später, nach häufigen Ausspülungen
des Colon ascendens, der „neuen Blase“: Exstirpation der Harnblase,
Inzision des Peritoneum, durch die das ausgeschaltete Ileumende herunter-
gezogen wird, Implantation der Ureteren in dieses Darmende, wobei die
Ureteren kaum aus dem sie umhüllenden (rewebe vorgezogen werden;
Schluß des kleinen Peritonealschlitzes. Drainage und Tamponade der
Zeitschrift für Urologie. 1913. 27
398 Blase.
Wundhôhle. In dieser Form erfüllt das Verfahren alle Forderungen, die
für den Ersatz der Blase zu stellen sind: 1. Der Urin kommt in ein
kotfreies Darmstück, die Gefahr der aszendierenden Infektion der Nieren
ist also sehr gering. 2. Die Ileokökasklappe und die Peristaltik des
Ileumstückes bieten einen gewissen Schutz gegen Rückstauung, die bei
zeitweiliger Infektion des Urins und gelegentlicher Behinderung der
Entleerung nach außen sonst doch noch verhängnisvoll werden könnte,
3. Die Ureterenimplantation, die ja nie ganz zuverlässig sein wird, findet
extraperitoneal statt, ohne jede Spannung, mit möglichster Schonung der
Ernährung der Ureteren. 4. Das Ende der 30 cm langen untern Ileum-
schlinge ist so beweglich, daß man es immer so weit vorziehen kann,
wie die spannungslose Implantation des linken Ureter es verlangt. Mit
dem Coecum selbst gelingt das wohl nur bei Coecum mobile. 5. Der
Urin mischt sich nicht dem Kote bei, wird nicht in gefährlicher Menge
resorbiert, reizt nicht die Schleimhaut des untern Kolon und des Rek-
tum. 6. Es bleibt nicht oberhalb des Ileokolonanastomose ein größeres
Stück Kolon stehen. Wir wissen aus zahlreichen Fällen, daß der Darm-
inhalt bei einseitig ausgeschaltetem Kolon den Weg auch rückwärts
nimmt, nicht nur bei der Ileosigmoidostomie. 7. Die neue Blase faßt
bequem 500 cem und ist kontinent. Kr.
Über Erfahrungen mit der Blasennaht beim hohen Stein-
schnitt an Kindern. Von Grußendorf-Jerusalem. (Münch. med. Wo-
chenschr. 1912, Nr. 51.)
Verf. hat bei 40 hohen Steinschnitten an Kindern unter 10 Jahren
21 primär genäht und 19 offen behandelt. Wenn auch die durch,
schnittliche Heilungsdauer bei den genähten wesentlich kürzer war als
bei den offen behandelten, so war doch die Mortalität bei ersteren un-
günstiger, obgleich gerade die schweren Fälle naturgemäß nicht genäht
wurden. Während nämlich die in letztgenannter Weise Behandelten alle
genasen (mit Ausnahme eines schon vor der Operation Urämischen),
starben von den Patienten mit Blasennaht zwei im unmittelbaren An-
schluß an die Operation unter Erscheinungen von Urosepsis als Folge
von Urininfiltration und ein dritter konnte wahrscheinlich nur durch
Entfernung der Naht schon am Abend des ÖOperationstages — statt am
2. Tage, wie in den beiden andern Fällen — gerettet werden. Verf.
glaubt weder einem Maugel in der Asepsie, noch einer fehlerhaften Naht-
technik (Tabaksbeutelnaht) die Schuld beimessen zu dürfen, sondern ist
der Ansicht, daß im ersten Fall die hochgradige „Reizblase“ das Un-
dichtwerden verursachte, im zweiten schon eine Disposition zu pyelitischer
Erkrankung durch den schlechten Allgemeinzustand bestand und im
dritten, der zum zweiten Male cystotomiert wurde, die narbige Beschaf-
fenheit der Blase die Naht beeinträchtigte. Alle drei Fälle hätten aus
diesen Gründen nicht genäht werden dürfen. Auf Grund dieser Erfah-
rungen, welche mit ähnlichen von Berg und Hacke übereinstimmen,
kommt Verf. zu dem Schlusse, es müßten folgende Kategorien von der
Naht ausgeschlossen werden:
Nieren und Harnleiter. 399
l. Kinder mit Reizblase, wenn letztere sich nicht rasch beseitigen läßt.
2. Kinder mit wesentlich beeinträchtigtem Allgemeinzustand.
3. Kinder, deren Blasenschleimhaut aus irgendeinem Grunde ihre
zarte, elastische Beschaffenheit verloren hat. Brauser-München.
Über Erfahrungen mit der Blasennaht beim hohen Stein-
schnitt an Kindern. Von Frh. v. Werthern-Heide in H. (Münchner
med, Wochenschr. 1913, Nr. 3.)
Im Gegensatz zu den Anschauungen Grußendorfs gibt v. W. der
primären vollständigen Blasennaht auch bei Kindern den unbedingten
Vorzug und zwar auf Grund von 21 in Nordchina operierten Fällen
(18 bei Kindern unter 15 Jahren, meist unter 8 Jahren). Sämtliche
genasen, obgleich schwere Fälle mit heftigsten Reizerscheinungen darunter
waren. Die besseren Erfolge schreibt Verf. der gleichzeitig ausgeführten
Urethrotomia externa mit Einlegung eines dicken Verweilkatheters zu.
Die Urethrotomiewunde heilte nach Entfernung des Katheters in 8—14
Tagen jedesmal anstandslos. Brauser- München.
ll. Nieren und Harnleiter.
a) Verletzungen.
Les traumatismes du rein. Von Cathelin-Paris. (Revue pratique
des maladies des organes génito-urinaires Januar 1913.)
C. unterscheidet die einfache Nierenquetschung mit oder ohne innerer
ZerreiBung des Parenchyms, die Nierenquetschung mit äußerer kleiner
Rißwunde, ein oder mehrfache Ruptur und schließlich die komplizierte
Ruptur mit gleichzeitiger Verletzung des Peritoneums oder der Nachbar-
organe. Nach 3 Theorien kann die Nierenverletzung erklärt werden:
Die Theorie des direkten Traumas — der Fremdkörper dringt im Hypo-
chondrıum ein und drückt schräg von vorn nach hinten auf die Niere —;
die Theorie des indirekten Traumas (Legueu) — die äußere Gewalt ist
auf die Seite gerichtet, und die Niere verletzt sich an der Innenseite
der 11. oder 12. Rippe oder an den Processus transversi der beiden
ersten Lumbalwirbel —; die bydromechanische Theorie von Küster —
die Ruptur entsteht dadurch, daß zufällig das Trauma eine gefüllte Niere
im Zustand der Hydronephrose oder höchster innerer Spannung trifft.
Die unmittelbaren Symptome einer Nierenverletzung und der kolikartige,
über die ganze Seite hin ausstrablende Schmerz, die Muskelkontraktur
der betreffenden Seite, eine geringe Hyperästhesie der Haut, vor allem
die Hämaturie mit oder ohne Bluterguß, Anurie oder Oligurie und
schließlich noch eine gewisse Chokwirkung mit nervöser Depression.
Das klinische Bild zeigt die verschiedensten Nuancen je nach der
anatomischen Form der Verletzung.
Bei der einfachen Kontusion, wenn es sich um eine stärkere Quet-
schung handelt, ist die Hämaturie die Regel, bei leichter Kontusion kann
diese auch fehlen. Die Schwellung der Lumbälgegend ist oft kaum an-
gedeutet. Bei äußerer Rißwunde ist Muskelkontraktion und die Häma-
turie gleich beim ersten Urin vorhanden.
27*
400 Nieren und Harnleiter.
Die totale Ruptur bietet das Bild der großen inneren Blutung:
Starker Bluterguß in der Umgebung der Niere, schwacher beschleunigter
Puls, ausgeprägterte Ohokwirkung, blasse Lippen. Kalte Extremitäten.
Die Hämaturie selbst kann niemals für die Beurteilung des Grades
und des Sitzes der Verletzung verwertet werden. Sie kann sofort oder
erst nach mehreren Tagen auftreten, ja sogar bei einem verstopfenden
Bluterguß zeitweise aufhören, um später wieder aufzutreten. Die Häma-
turie ist kein Beweis für die Schwere der Verletzung, im (Gegenteil sie
kann bei der schwersten Verletzung feblen, wo ein chirurgischer Eingriff
notwendig ist. Als Spätsymptome können noch Erscheinungen einer In-
fektion hinzukommen, wenn ein vorhandener Bluterguß oder eine Urin-
infiltration durch Kolibazillen oder durch Bakterien einer zufälligen inter-
kurrenten Fiebererkrankung infiziert wird. So entstehen perirenale
Abszesse, disseminierte interparenchymatöse Nierenabszesse, Pyonephrosen
und Pyelonephrititen.
Als ganz späte Erscheinungen hat man besonders bei Unfallverletzten
Neuralgien, Spuren von Eiweiß, Wiederauftreten der Hämaturie beobach-
tet, aber niemals Zylinder.
Alle Nierenverletzungen, mit Ausnahme der Ruptur, können durch
konservative Behandlung geheilt werden. C. berichtet über 10 Fälle
von Nierenkontusion, die ohne jeden chirurgischen Eingriff heilten. Die
konservative Behandlung besteht in absoluter Bettruhe, in kalten oder
warmen Kompressen und Bandage des Leibes. Innerlich gibt man alle
!/, Stunde im Kaffee „cande Lechelle“, „limonade sulfurique“, Extract.
hamamelis virginica 2 mal tägl. XXX gtt., kleine Eisstückchen, Tee und
Diuretica. Die Erfolge hiermit sind unerwartet gut.
Ein oder mehrfache Ruptur erfordert stets chirurgischen Eingriff.
Die radikale Methode, die Nephrektomie ist einfach und ungefährlich,
vergleichbar mit der Salpingo-Oophorektomie bei Tubenruptur in der
Tubargravidität.
Ist nur ein Nierenpol abgerissen, so kann man konservativer ver-
fahren, tiefe Nähte eventuell nach keilförmiger Exzision wie bei der
Abbarransche orthopädischen Nierenresektion anlegen.
Wegen des Unfallgesetzes ist die Beurteilung der Funktionsbeein-
trächtigungen durch Verletzungen wichtig. Der Schmerz gibt hierbei
keinen Anhalt; notwendig ist der Ureterenkatheterismus und die Nieren-
funktionsprüfung mit doppelt und getrennt aufgefangenem Urin, wobei
die Bestimmung der Harnstoff- und Kochsalzwerte unerläßlich ist.
Mit dem chirurgischen Eingriff muß man sehr zurückhaltend sein;
denn weitaus die Mehrzahl der Fälle heilt, wenn es sich um einfache
Kontusionen, ja sogar um solche mit einfacher äußerer Rißwunde han-
delt, ohne chirurgischen Eingriff und ohne große Funktionsbeeinträchtigung
des Organs. Maas-Berlin.
Subkutane Nierenruptur mit intraperitonealer Blutung, die
ohne Operation in Heilung ausging. Von Gerald Stanley. (Lancet,
14. September 1912.)
An Bord eines Südamerikadampfers war ein 49 Jahre alter See-
Nieren und Harnleiter. 401
mann von einem gebrochenen Ladebaum getroffen worden und bot mit
allen Zeichen eines schweren Kollapses (Puls 120, Atmung 30, empfind-
lichem und rigiden Abdomen) das Bild einer intraperitonealen Blutung.
Eine Operation war an Bord ohne geeignete Hilfe und ohne die not-
wendigen Instrumente unmöglich, so daß sich Verf. darauf beschränken
mußte, einen Eisbeutel auf die betroffene Nierengegend zu legen, im
übrigen den Patienten mit heißen Thermophoren zu umgeben, mit Digi-
talis und Strychnin die Herztätigkeit hoch zu halten und anfängliche
rektale Kochsalzinfusionen weiterhin durch intravenöse fortzusetzen. Der
Patient kam merkwürdigerweise durch und entleerte nach einiger Zeit
normalen Urin, nachdem anfänglich Blutcoagula, die die Blase anfüllten,
große Schwierigkeiten geboten hatten. W. Lehmann- Stettin.
Un cas de néphrite traumatique démontré à l’aide des nou-
velles méthodes d’exploration. Von Maurice Heitz-Boyer-Paris.
Journ. d’Urol., Tome II, No. 4, 1912.)
Ein Patient, welcher bei einem Autobuszusammenstoß heftige Stöße
gegen Abdomen und Rücken erhalten hatte, litt an Hämaturie, blutigen
Diarrhoen und furchtbaren Schmerzen. Er hinkte dazu auf der rechten
Seite, obwohl sein rechtes Bein unverletzt war. Die subjektiven und
objektiven Erscheinungen konnten nur vorübergehend durch Eis, Bandagen
und Diät beseitigt werden. Es gelang H. in diesem Falle den in wissen-
schaftlicher und forensischer Hinsicht interessanten Beweis vom Vor-
liegen einer traumatischen Nephritis’zu erbringen und zwar mit Hilfe
der von Widal und Ambard inaugurierten funktionellen Methoden.
Der mit dem Ureterkatheter entnommene Harn ergab beiderseits, beson-
ders rechts eine subnormale Harnstoff- und Chlorausscheidung, die ex-
perimentelle Polyurie blieb rechts ganz aus, war links äußerst schwach.
Der Urin der rechten Niere enthielt Epithelzylinder. Aus diesen Daten
ergab sich die Diagnose: „Doppelseitig traumatische Nephritis, und
zwar rechts besonders betont und auf dieser Seite als schmerzhafte Form
der Affektion auftretend.“ A. Citron-Berlin.
Contusion du rein droit et du mesentère. VontG. Cotte. Soc.
nationale de médecine de Lyon. 2. XII. 1912. (Lyon médical 1913, p. 18).
Cotte sah einen 40 jährigen Mann, der Tage vorher von einem
schweren Sack auf die rechte Seite getroffen wurde; seitdem Blutharnen
und heftiger Schmerz in der rechten Nierengegend; durch Stärke und
Kontraktur der hinteren Bauchwand Untersuchung der Niere unmöglich.
Hämaturie verschwindet, der Schmerz persistiert, es kommt zu Fieber,
deshalb nach 14 Tagen Lumbotomia dextra, die aber nur Verwachsung
des oberen Nierenpoles und des Stieles zeigt. Palpation des Bauches
in Narkose ergab nichts. Nach zwei Tagen hohes Fieber, Bauch em-
pfindlich, Facies hippocartica; dann Fieberabfall, Kotbrechen. Laparo-
tomie ergibt Peritonitis mit Eiter und geblähten Darmschlingen, im
Mesenterium eine Abszeßhöhle von Mandarinengröße. Drainage. Kampfer-
ölinjektionen intraperitoneal, Heilung nach Hormonalinjektionen. Nach
14 Tagen Niereninfektion mit perinephritischer Phlegmone. die zur
402 Nieren und Harnleiter.
Drainage nôtigt. Jetzt noch Pyelonephritis. Die Kontusion hatte ein
Hämatom des Mesenteriums verursacht, das sekundär vom Darm infi-
ziert wurde. Die Nierenkontusion heilte, die Niere wurde durch die
Peritonitis infiziert. Mankiewicz-Berlin.
b) Wanderniere.
Rein mobile et appendicite. Von V. Hourtoule, Moniteur am
Höpital Lariboisiere-Paris. (Journ. d’Urol. Tome 1I, No. 6, 1912.)
Zusammentreffen von Wanderniere und Appendizitis kommt fast nur
beim weiblichen Geschlecht vor, und zwar immer bei jüngeren Frauen,
wenigstens stets nur bei solchen, welche das Klimakterium noch nicht
erreicht haben. Es scheint, daß Menstruation und Schwangerschaft das
Auftreten dieses typisch weiblichen Syndroms begünstigen. In thera-
peutischer Hinsicht wird es meist geboten sein, zunächst den Appendix
zu entfernen, als sekundäre Operation kommt die Nephropexie in Frage.
A. Citron-Berlin.
Hématurie grave avec infarctus rénaux due à une néphrite
d’un rein mobile distendu et atrophié. Von Marion-Paris. (Joum.
d'Urol. ‘lome II, No. 4, 1912.)
Eine seit vier Monaten blutende Niere wurde entfernt, das Präparat,
welches in schöner farbiger Reproduktion vorgeführt wird, zeigte eine
Nephritis mit sehr stark ausgeprägten vaskulären Veränderungen. Es
fanden sich radıiär angeordnete Streifen als Ausdruck von Infarkten, welche
von intra-tubulären Blutungen herrührten. Ein großer Infarkt, welcher
sich an der Stelle eines Calix befand, stellte eine förmliche Ulzeration
dar, welche wohl durch Nekrose eines darunter liegenden Infarktes ver-
anlaßt war. Es handelte sich also um einen typischen Fall von Häma-
turie auf nephritischer Basis. Die Nephritis schien veranlaßt worden zu
sein durch eine Nierendehnung, welche ihrerseits wieder durch abnorme
Beweglichkeit der Niere entstanden war. A. Citron-Berlin.
Zur Operation der Wanderniere. \on Prof. Dr. A. Narath in
Heidelberg. (Zentralbl, f. Chir. Nr. 48, 1912.)
Verf. wandte vor 3”;, Jahren in einem Falle von rechtseitiger
Wanderniere eine neue Art der Nephropexie an, die darin besteht, dab
die Niere mit Hilfe der Kapsel an die XII. Rippe fixiert wird. Die
Patientin wurde auf die linke Seite gelegt. Freilegung der rechten
Niere durch vertikalen Luibalschnitt nach Simon. Die Niere war sehr
beweglich, zeigte aber sonst nichts Pathologischee. Die XII. Rippe.
die ziemlich lang war, wurde von der Spitze aus freigemacht unter Ent-
fernung der Muskelansätze (Musculus serratus post. inf., intercostalis usw.).
Die Niere wurde nun zur XII. Rippe emporgehoben und parallel zu
dieser die Capsula propria gespalten. An .den beiden Enden des Haupt-
schnittes wurde je ein kleiner Querschnitt hinzugefügt und dann die
Kapsel etwas nach beiden Seiten abgelöst, so daß zwei kurze, breitbasige.
rechteckige Läppchen entstanden. Diese beiden Läppchen wurden nun
von unten und oben über die Rippe geschlagen und an deren konvexer
Nieren und Harnleiter. 403
Aubenseite vernäht. Die Niere saß jetzt fest an der Rippe. Die von
der Niere abgelöste Muskulatur wurde nun nach außen miteinander ver-
einigt, so daß die Rippe selbst weniger oberflächlich zu liegen kam als
früher. Völliger Verschluß der Wunde bis auf zwei feine DPrainageöff-
nungen. Pat. stand am 21. Tage auf und verließ am 28. Tage völlig
beschwerdefrei die Klinik. Die Nachuntersuchung (nach SE Jahren)
ergab ein glänzendes Resultat. Die Narben waren fest und auf Druck
nicht empfindlich. Die rechte Niere stand hoch oben, war nicht ver-
schieblich und kaum palpabel. Die Patientin erlangte ihre volle Leistungs-
fähigkeit wieder. — Das hier befolgte Verfahren wurde im Prinzip vor
Kurzem auch von Prof. Vogel-Dortmund beschrieben. N. aber scheint
sein Verfahren einfacher zu sein als das von Vogel. Der Vogelschen
Methode, die Niere mittels Lappen aus der Capsula propria an die
XII. Rippe zu fixieren, haften zwei Nachteile an: 1. Es kommt die
Niere relativ zu oberflächlich zu liegen. Vogel half sich dadurch, daß
er die Rippe frakturierte und eindrückte, N. machte das Rippenende ex-
traperiostal frei und vernähte die abgelöste Muskulatur nach außen von
der Rippe. so daß diese in eine tiefere Schicht zu liegen kam. 2. Die
Manipulation an der XII. Rippe hat mit einer gewissen Vorsicht zu
geschehen, um die Umschlagstelle der Pleura nicht zu verletzen. Das
gilt besonders für eine kürzere Rippe. Ist sie lang, so ist ihr Ende
immer außerhalb der Umschlagstelle, weshalb es sich empfiehlt, die Rippe
gerade vom Ende her frei zu machen und die Weichteile zurückzu-
schieben. — Bei der Operation der oben erwähnten Pat. kam Verf. der
Gedanke, daB man die Fixation auch ohne den Längsschnitt erreichen
könne, und zwar auf folgende Weise: Man legt nur die beiden kleinen
Querschnitte an, unterminiert das zwischenliegende Stück der Capsula
propria und steckt die XII. Rippe in diese Tasche hinein. Sie liegt
dann, wie die Hand in einem Muff. Man würde sich auf diese Weise
eine Reihe von Nähten ersparen und die Niere mit noch größerer Sicher-
heit fixieren. Um die Methode ausführen zu können, muß die Niere
sehr beweglich sein. Kr.
Zur Operation der Wanderniere durch Anhängen mittels eines
Kapselzügels an der XII. Rippe. Von Dr. Ernst Moser in Zittau.
‘Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 46.)
Verf. macht zu der in Nr. 41 des Zentralblattes f. Chir. (1912)
erschienenen Arbeit von Vogel die Bemerkung, daß er schon vor einigen
Jahren die Befestigung der Wanderniere in ganz ähnlicher Weise vor-
genommen habe, und zwar mit durchaus befriedigendem Dauererfolg.
Sein Verfahren weicht in einigen Punkten von dem Vogelschen ab.
Erstens hat er die Lappen der fibrösen Kapsel nicht der Rückfläche der
Niere, sondern deren Konvexität entnommen. Dabei hat er die Nach-
teile, die Vogel gefunden -hat, nicht bemerken können. Die Nieren
lagen nach der Operation in denkbar bester Lage. Weder hatte man
das Empfinden, daß ein Druck von der Rumpfmuskulatur her stattfinden
könnte. noch konnte man von einer nicht genügend hohen Befestigung
der Nieren reden. Zweitens hat Verf. sich nicht mit der Befestigung
404 Nieren und Harnleiter.
durch das Aufhängen allein begnügt, hat vielmehr die Niere außerdem
noch durch Nähte, die den Kapselrest mit der Fascia transversalis und
durch solche, die die Niere selbst mit der Muskulatur vereinigten. ge-
stützt, schließlich auch noch einen allerdings nur kleinen Tampon bis zur
Niere geführt, der allerdings nur zur Drainage gelten sollte. Da dieser
Tampon bald entfernt worden ist, wird man ihm einen schädigenden Ein-
fluß auf die Narbenbildung kaum zuschreiben können. Auf alle Fälle
kann man aus dem Dauererfolg der Fälle entnehmen, daß das Aufhängen
der Niere an ihrer eigenen Kapsel ein Vorgehen ist, das der Nachprüfung
wert ist. Kr.
Nefropessia lombare. Von Tenani. Accademia di scienze mediche
di Ferrara. (La Clinica chirurgica 1913, 1, p. 255.)
Tenani hat nach Tierexperimenten bei einer seit mehr als zehn
Jahren an Wanderniere mit heftigen Lenden- und Bauchschmerzen leiden-
den Frau mit vollem Erfolg eine Nephropexie folgender Art ausgeführt:
Inzision der Haut mit Simonschem Schnitt; Befreiung der Niere von der
Fettkapsel und Luxation aus dem Nierenlager. Präparation eines Mus-
kelbündels des M. quadratus lumborum, das von der iliakalen Insertion
freigemacht wird, während die obere Insertion bestehen bleibt. Präpa-
ration eines Auges in der fibrösen Nierenkapsel, die auch einen ober-
flächlichen Teil des Parenchyms mitbeteiligt Betupfen der hinteren
Nierenoberfläche und der Nierenloge mit 6°/, Chlorzink, Durchziehen des
Muskelbündels durch das gebildete Auge, Freilegung der 12. Rippe,
Schluß der Muskel- und Hautwunde. Nach 7 Monaten war die Niere
gut fixiert. Mankiewicz- Berlin.
c) Nierenbecken.
Über Pyelitis gravidarum. Von Karl Graefe. Dissertation, Heidel-
berg 1912.
Die Frage, wie und unter welchen Bedingungen Keime von auben
her in das uropoetische System gelangen können, beantwortet Verf. mit
dem Hinweis auf die Lage der Urethralmündung zum Introitus vaginae und
zum Anus, dann mit dem festgestellten Vorhandensein zahlreicher Keime
in der Urethra von Frauen, die keinerlei Krankheitserscheinungen von
seiten der Harnwege zeigen. Es finden sich Keime in der Urethra,
deren Wachstum und Aszension vielleicht durch die infolge der Schwanger-
schaft bedingte Hyperämie und die gleichzeitig zustande kommende Auf-
lockerung der Gewebe begünstigt wird. Auch kann die durch Abküh-
lung des Unterleibs bei Erkältungen bedingte Hyperämie günstigere
Momente für das Hinaufsteigen der Keime schaffen. Durch die Kürze
der weiblichen Urethra ist ferner ein Hinaufgelangen der Bakterien er-
leichtert. Was das weitere Fortschreiten der Krankheit betrifft. so wäre
unter normalen Verhältnissen eine Äszension von Keimen nicht möglich.
Wenn trotzdem eine Infektion der höheren Abschnitte eintritt, so muß
die Abwehrvorrichtung, d. h. der Harnstrahl, aufgehoben sein. Dies ge-
schieht dadurch, daß der Uterus oder auch der vorausgehende Teil des
Kindes durch Kompression auf den Ureter die darüberstehende Harn-
siule staut. Dadurch wird das Ureterstück von der Blase bis zur Kom-
Nieren und Harnleiter. 405
pressionsstelle urinfrei, die Bazillen können durch die Uretermündung
hinaufwachsen und die obere Harnsäule nebst dem Nierenbecken infizieren
und entzünden. Der Umstand, daß häufiger der rechte Ureter kompri-
miert ist, beruht zunächst darauf, daß der linke Ureter gestreckter ist
als der rechte. Aber auch andere Ursachen können in der Schwanger-
schaft Harnstauung bedingen: Schwielen und Residuen einer alten Ap-
pendizitis können zu Stenosierungen durch Abknickung des rechten Ureters
gefübrt haben. Die Krankheit tritt meist in der Mitte oder den letzten
Monaten der Schwangerschaft auf. Diese Tatsache spricht sehr für die
Theorie vom Druck der Harnleiter durch den wachsenden Uterus. Wo die
Pyelitis in den ersten Monaten auftritt, kann aber diese Theorie nicht aus-
reichen. Graefe glaubt, daß ın diesen Fällen das Hindernis entweder
in der Uretermündung oder auch im Bereiche der zweiten Ureterspindel
an der Linea innominata zu suchen ist. Ein zweiter Weg, auf dem die
Infektion des Nierenbeckens zustande kommen könnte, ist der Blutweg.
Da ferner oft vor dem Auftreten der Pyelitis Darmstörungen, wie Ob-
stipation, bestehen, glauben vor allem französische, auch einige deutsche
Autoren, daß dies ein prädisponierendes Moment für das Eindringen der
Keime in die Blutbahn sei; nach der Auffassung des Autors spielen
diese Darmstörungen aber wahrscheinlich keine ätiologische Rolle. Eine
dritte Möglichkeit ist die Infektion vom Lymphwege aus.
Bezüglich der Therapie sind die Meinungen über die Nierenspü-
lungen noch geteilt. Auch bezüglich der operativen Behandlung ist man
bis jetzt noch zu keiner Einigung gekommen. In den vom Verfasser
mitgeteilten, meist leichteren Fällen war in der Regel eine konservative
Behandlung ausreichend: Urotropin, Milchdiät, Fachinger Wasser, Kodein
bzw. Morphium, Kataplasmen, Blasenspülungen waren die Mittel. Zu
einer definitiven Heilung kommt es nicht in allen Fällen, weder bei der
konservativen noch bei der operativen Behandlung. Fritz Loeb- München.
Pyelonephritis of pregnancy. Von H.R. Andrews-London. (Brit.
Med. Journ., May 18. 1912.)
A. berichtet über 19 Fälle von Pyelonephritis gravidarum und
schließt daran Bemerkungen über die Atiologie, Symptome und Therapie
dieser Erkrankung. 13 Fälle wurden bakteriologisch untersucht. In
‘ Fällen fand sich Bacillus coli comm., in 5 Fällen ein 'coliformer Ba-
zillus, bei einem Falle Streptococcus albus und ein diphtheroider Ba-
zillus. In einem Falle trat im Anschluß an die Freilegung der linken
Niere Abortus und im Anschluß daran Exitus ein. Die Sektion ergab
rechtsseitige Pyelonephritis, linksseitige Pyonephrose. In einem weiteren
Falle mußte die künstliche Frühgeburt eingeleitet werden. In den übrigen
Fällen konnte die Schwangerschaft ohne chirurgischen Eingriff zu Ende
geführt werden. von Hofmann-Wien.
Sind bei schwierigen Fällen von Schwangerschaftspyelo-
nephritis chirurgische oder obstetrische Eingriffe vorzuziehen? Von
Dr. Sven Johansson, 1. Assist. der chirurg. :Abteil. des Krankenhauses Sabbats-
berg, Stockholm (Schweden). (Zeitschrift für gynäkol. Urologie 1912, Bd.III.H.5.)
Zur Beleuchtung dieser Frage teilt Verf. einen von ihm beobachteten
406 Nieren und Harnleiter.
Fall mit. Die Lehre, die er aus seinem Fall-ziehen zu können glaubt.
faßt er folgendermaben zusammen: Da es zweifellos schwere Fälle von
Schwangerschaftspyelonephritis gibt, die nicht nur konservativer Therapie,
hierin eingerechnet Ureterkatheterismus und Spülung des Nierenbeckens,
trotzen, sondern auch nach Einleitung des Partus praematurus keine
Neigung zur Besserung zeigen, so muß dies ein weiterer Grund sein.
zurückhaltender als bisher mit obstetrischen Eingriffen zugunsten chirur-
gischer, besonders vor dem 9. Schwangerschaftsmonat zu sein. Kr.
Über die primären epithelialen Neubildungen des Nieren-
beckens. Von Dr. Franz Stüsser, Assistenzarzt am St. Antonius-Kranken-
haus Köln-Bayenthal. (Beiträge zur klin, Chir. 1912, 80. Bd., 3. Heft.)
Verf. teilt die epithelialen Tumoren des Nierenbeckens in gutartige
Papillome, maligne Papillome und Karzinome ein. Die gutartigen
Papillome sind weiche, zierliche, dünngestielte der Schleimhaut aufsitzende
Geschwülste von zartem Gefüge, welche unter Wasser flottieren. Sie treten
solitär oder multipel auf. Mikroskopisch sind sie derart gebaut, daß um
einen aus dem Bindegewebe der Schleimhaut emporgewachsenen. baum-
förmig sich verzweigenden gut vaskularisierten bindegewebigen Stock ein
ein- bis vielseitiger Epithelbelag gebreitet ist, der den feinsten Ver-
zweigungen folgt und an der Geschwulstbasis in das Epithel der Schleim-
haut übergeht. Man wird sie wegen der Mitbeteiligung des Bindegewebes
besser fibroepitheliale Neubildung nennen. Bei den malignen Papillomen,
die als Carcinoma papillare oder papilliferum als Epithelioma villosum,
Zottenkrebs und schließlich noch als Adenocarcinoma papilliferum be-
schrieben wurde, handelt es sich entweder darum, daß ein ursprünglich
gutartiges Papillom karzinomatôse Eigenschaften angenommen hat, sei es
durch seine Wachstumserscheinung oder Änderung des biologischen
Charakters, oder aber es handelt sich von vornherein um einen echten
Zottenkrebs, d. h. einen malignen Tumor, der seine papilläre Struktur
einem kombinierten destruktiven und exstruktiven Wachstum verdankt.
Bei diesen Tumoren findet gleichzeitig ein Eindringer des Epithels in
die Tiefe und eine bindegewebige zottige Wucherung nach außen zu
statt. Endlich muß man dieser Gruppe noch eine Reihe von „gutartigen
Papillomen“ zurechnen, bei denen auch eine genaue mikroskopische
Untersuchung keine Anhaltspunkte für Malignität gibt, bei denen aber
der klinische Verlauf an der bösartigen Natur des Neoplasmas keinen Zweifel
läbt. Die dritte Gruppe umfaßt die Deckepithelkarzinome, wie sie sich
bei der unbestimmten Natur des Übergangsepithels am besten zusammen-
fassend bezeichnen lassen. Was die Häufigkeit ihres Vorkommens an-
betrifft, so steht sie weit hinter den beiden ersten (Gruppen zurück.
Verf. hat alle ihm in der Literatur zugänglichen Fälle (60) kurz zusam-
mengestellt und beschreibt im Anschluß daran einen eigenen Fall, in
welchem es sich um einen Plattenepithelkrebs des Nierenbeckens mit be-
ginnender Verhornung handelt. Über die Ätiologie der Nierenbecken-
geschwülste wissen wir so wenig, wie über die der Geschwülste über-
haupt. Dagegen scheint es festzustehen, daß die Entwicklung der
Geschwulstbildung durch die Gegenwart von Steinen gefördert wird.
Nieren und Harnleiter. 407
Von den 60 Fällen, welche die Arbeit umfaßt, ist das Vorhandensein
von Steinen 13 mal ausdrücklich erwähnt. Sehr interessant ist, daß von
den 13 Fällen auf die letzte Gruppe, auf die der Karzinome, welche
insgesamt nur 11 Fälle aufweist, allein 7, also mehr als die Hälfte ent-
fallen. Das kann nicht Zufall sein. Albarran glaubt, daß durch den
chronischen Reiz, welchen der Stein auf die Schleimhaut ausübt, ein Zu-
stand von Leukoplakie und damit ein für die Entstehung von Karzinom
disponierter Boden geschaffen wird. — Als das konstanteste Symptom
der Nierenbeckentumoren tritt uns das Blasenharnen, das meist in perio-
dich wiederkehrenden Anfällen aufzutreten pflegt, entgegen. Die Blutungen
konnen so abundant werden, daß sie einen lebensbedrohlichen Charakter
annebmen. Das zweite Symptom, dem wir nach Blutharnen am häufig-
sten begegnen, ist das des Tumors, der durch sekundäre Hydronephrosen-
bildung infolge Ureterverschlusses bedingt ist. Daß die Lokalisation des
Tumors in der Nähe des Ureters die Entstehung einer Hydro- oder
Hämatonephrose begünstigt, ist einleuchtend. Ein drittes Symptom, das
in 16 Fällen angegeben wurde, ist das des Schmerzes in der Nieren-
gegend. Diesen drei Kardinalsymptomen müssen noch einige Unter-
suchungsmethoden hinzugefügt werden, welche für die Stellung der
Diagnose von hervorragender, ja ausschlaggebender Bedeutung sein können.
In erster Linie ist der mikroskopische Harnbefund zu erwähnen. Das
Vorkommen von ganzen Geschwulstzotten oder. von einzelnen Zellen, die
wegen ihrer Größe und ihres großen, gut tingierten chromatinreichen
Kernes auffallen, weist mit Sicherheit auf eine Neubildung in den Harn-
wegen hin. Die endgültige Entscheidung, ob diese Zellen und Zotten
der Blase oder einer der beiden Nieren entstammen, wird man dem
Cystoskop beziehungsweise dem Ureterenkatheterismus überlassen. Thera-
peutisch kommen nur operative Maßnahmen in Betracht. Prognostisch
sind alle Fälle von Nierenbeckengeschwülsten sehr ernst zu beurteilen
und eine Dauerheilung ist jedenfalls wie bei allen Geschwülsten nur durch
eine frühzeitige Diagnose und Operation zu erzielen. Kr.
Über eine Mischgeschwulst des Nierenbeckens. Von W. Fischer
und Murakami-Kota. (Virch. Archiv 1912, Bd. 208, S. 318.)
Bei einem 1l6jährigen Mädchen soll im Anschluß an ein Trauma
(Umberschwenken durch Umfassen) plötzlich Hämaturie eingetreten sein.
Die cvstoskopische Untersuchung war negativ. Die Blutungen sistierten
zeitweise. Schmerzen gering. Die Niere wurde etwa 2 Monate später
entfernt. Die Niere hatte eine Länge von 13 cm, Breite von 6,5 cm
und 7 cm Dicke. Die Oberfläche zeigte halbkugelige Vorwôlbungen.
Beim Durchschnitt sah man, daß der ganze große Raum, der dem Nieren-
becken und den stark erweiterten Kelchen entspricht, von einer poly-
pösen, anscheinend zusammenhängenden Geschwulstmasse ausgefüllt wurde;
diese wurde schalenförmig von der aufs höchste reduzierten Nierensub-
stanz umgeben, eine deutliche Zeichnung und Trennung von Rinde und
Mark war nicht zu erkennen. Wie die mikroskopische Untersuchung er-
gab. handelte es sich um eine polypöse, das ganze Nierenbecken aus-
füllende Geschwulst in einer hydronephrotisch geschrumpften Niere. Die
408 Nieren und Harnleiter.
Geschwulst ist eine aus Bindegewebe, glatter Muskulatur, Fettgewebe und
drüsiger Elemente aufgebaute Mischgeschwulst, die von mehreren Stellen
des Nierenbeckens bzw. der Marksubstanz ıhren Anfang nimmt. Für eine
Malignität des Tumors fanden sich keine Kriterien. Die Geschwulst ist
von ihrem Ausgangspunkt lediglich in das Nierenbecken hineingewachsen,
hat dieses und die Nierenkelche langsam erweitert und das Nierenparen-
chym allmählich zum Schwund gebracht, so daß das Nierengewebe die
Geschwulst stellenweise nur noch als eine dünne Schale umgibt. Es
handelt sich um eine durchaus benigne mesodermale Mischgeschwulst des
Nierenbeckens, da die Patientin noch 3 Jahre nach der Operation voll-
ständig gesund geblieben ist. Im Aufbau des Tumors ist, abweichend
von den gewöhnlichen Mischgeschwülsten der Niere, das metanephrogene
Gewebe nicht beteiligt, vielmehr ist sie auf Wucherung eines Sprosses
des Wolffschen Ganges samt umgebendem mesodermalen Gewebe zurück-
zuführen. R. Kaufmann-Frankfurt a. M.
Epithelioma papillaire du bassinet. Hématonéphrose. Greffes
urétérales et vésicales. Von Gaston Picot-Paris. (Journ. d'Urol., Tome IT,
No. 5, 1912.)
Bei einem Epithelioma papillare des Nierenbeckens, welches sich
schon 5 Jahre vor der Nephrektomie durch Blutungen angezeigt und
beim Träger keinen nennenswerten Niedergang des Allgemeinzustandes
herbeigeführt hat, liegt die Vermutung nahe, daß sich der Tumor in
2 Phasen entwickelt hat.
Bei dem beschriebenen Falle wurde durch histologische Untersuchung
diese Annahme bestätigt; es scheint auch, daß die vorhandenen sekun-
dären Tumoren des Ureters und der Blase gleichzeitig mit dem Haupt-
tumor eine Transformation erlitten haben. A. Citron-Berlin.
Epithélioma papillaire du bassinet. Néphrectomie lombaire.
Von E. Jeanbrau et E. Etienne-Montpellier. Journ. d Urol. Tome IL
No. 2, 1913.)
Ein Tumor des Nierenbeckens, welcher 15 Jahre lang Blutungen
hervorgerufen hatte, ohne das Allgemeinbefinden wesentlich zu beein-
trächtigen, entpuppte sich bei der Nephrektomie als papilläres Epitheliom.
Auf Grund der langen Dauer des Leidens nehmen Verff. an. daß der
Tumor zunächst ein gutartiges Papillom gewesen sei und erst in einer
späteren Periode epithelialen Charakter angenommen habe, woraus die
Mahnung resultiert, jeden papillomatösen Tumor ungesäumt zu entfernen.
Befällt ein solcher das Nierenbecken, so ist die Nephrektomie leider die
einzige mögliche Operation. - À. Citron- Berlin.
Pyelonephritis et Prostatitis actinomycotica. Von Dr. Theodor
Cohn, (Berl. klin. Wochenschr. 1911, Nr. 33.)
Der beschriebene Fall betrifft einen 46 jährigen Mann, der vor
15 Jahren scheinbar plötzlich mit Dysurie, schmerzhaftem Tenesmus und
Entleerung eines eiter- und zeitweise bluthaltigen Urins erkrankte. Die
pathologische Beschaffenheit des Harns blieb dauernd bestehen, während
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Nieren und Harnleiter. 409
die Beschwerden sich zeitweise besserten, bis sie vor 4 Jahren wieder
stärker, zusammen mit Harnträufeln, auftraten und der Patient gleich-
zeitig veriel. Es wurde eine Pyonephritis und Prostatitis purulenta
festgestellt. Mikroskopische und kulturelle Untersuchungen ergaben als
U:sache des Krankheitsprozesses einen Aktinomycespilz von einer Be-
schaffenheit, wie sie mit keiner der bisher beim Menschen angetroffenen
Arten völlig übereinstimmte. 'Tuberkelbazillen konnten nicht nachgewiesen
werden. Über die Eingangspforte für die Infektion war etwas Bestimmtes
nicht zu eruieren, höchst wahrscheinlich ging sie von der äußern Haut
aus und lokalisierte sich nach Heilung der Wunde und Übergang des
Pilzes ins Blut als primäre Pyelitis; allem Anschein nach ist dann das
Virus mit dem Harnstrom in die Prostata gelangt, übrigens der erste
in der Literatur beschriebene Fall von Prostatitis actinomycotica.
Paul Cohn-Berlin.
Résultats actuels du traitement des urétéropyelonéphrites
suppurées par le cathéterisme urétéral et les louages du bassinet.
Von Ch. Périneau. (Journ. d’Urol. Tome I, No. 5, 1912.)
P. gibt eine allgemeine Übersicht über die Pyelonephritis und die
zweckmäßig hierzu zu rechnenden Infektionen der Ureteren. Hieran
reiht sich die Geschichte der Nierenbeckenspülungen. Diese wurden
früher nur ganz vereinzelt mit Benutzung vorhandener Fisteln vorge-
nommen, bis Casper die ersten Fälle rationeller mit Hilfe des Ureter-
cystoskops ausgeführter Nierenbeckenwaschungen, unter lebhafter Opposition
von seiten Israels, publizierte. Es folgte Albarran mit ermutigenden
Versuchen, welche von Reynös, Pasteau und Desnos sogleich freudig
bestätigt wurden. — Nach ausgiebiger Besprechung der Technik des
Eingriffs stellt P. folgende Schlußsätze auf.
Ureterkatheterismus und Nierenbeckenwaschung haben eine drei-
fache Wirkung:
l. eine antiseptische, und zwar gleichviel ob man indifferente oder
starkwirkende Lösungen instilliert;
2. eine mechanische, welche besonders hervortritt, wenn eine Ver-
engerung des Ureters vorliegt;
3. eine tonische, bei gewissen paralytischen Eiterretentionen wird
die Tätigkeit der glatten Muskelfasern günstig beeinflußt.
Kontraindiziert sind Nierenbeckenwaschungen:
l. wegen zu erwartender akuter Exazerbationen;
2. wegen Kachexie des Patienten;
3. bei zu weit vorgeschrittenen Krankheitsfällen;
4. bei Pyonephrose, welche einen chirurgischen Eingriff erheischt.
Die Heilerfolge sind je nach der Form der Erkrankung verschieden:
1. Aszendierende Pyelonephritis, wenn sie nicht durch Blasenbehand-
lung heilt, wird durch NC-Waschungen glänzend beeinflußt, bakterielle
Infektion verschlechtert die Aussichten.
2. Bei alten Retentionen erhält man nur vorübergehende Resultate.
8. Bei der hämatogenen Pyelonephritis wird die sekundäre Infek-
410 Nieren und Harnleiter.
tion durch Vernichtung der Bakterien erfolgreich bekämpft. Das Grund-
leiden muß aber nach den Regeln der inneren Medizin behandelt werden.
4. In der Schwangerschaft und im Wochenbett gibt das Verfahren
infolge antiseptischer und mechanischer Einwirkung gute Resultate.
5. Bei Lithiasis wird das Verfahren in einzelnen Fällen einen Stein
zum Abgang bringen, meist aber nur durch antiseptische Wirkung die
Operation unterstützen.
6. Bei der infizierten Hydronephrose liegen die Verhältnisse ihn-
lich wie bei der Pyelitis calculosa. A. Citron-Berlin.
Die aktive Behandlung der Pyelitis. Von A. v. Lichtenberg-
Straßburg. (Therapeutische Monatshefte, Juni 1912.)
Die Ausführungen des Verfassers sind an den Praktiker gerichtet;
sie sollen die Fälle frühzeitig diagnostizieren lehren und ihn von dem
Nutzen der aktiven Therapie überzeugen. Der Ureterenkatheter ist das
hauptsächlichste Heilmittel, denn er beseitigt die pathologische Grund-
lage der Pyelitis, die Harnstauung im Nierenbecken. Diese Harnstauung
ist nicht nur durch mechanische Abflußhindernisse bedingt, sondern auch
durch funktionelle, und zwar sind letztere akut toxischer Natur oder
durch chronisch entzündliche Funktionsstörungen der Ureterenmuskulatur
bedingt. Daß diese funktionelle Ureterenlähmung häufig vorkommt, schließt
Verf. daraus, daß er bei akuter Pyelitis niemals bei der Sondierung das
Gefühl der Stenosenpassage hatte. Ferner beweisen Leichenversuche, daß
physiologisch enge Stellen des Ureters zu wirklichen Hindernissen unter
pathologischen Verhältnissen werden können. Wurde nämlich das frei-
gelegte Nierenbecken durch den Ureterkatheter mit Flüssigkeit gefüllt,
so schwoll bei Erhöhung des Druckes der obere Teil des Ureters bis
zur Verengerung an der Linea innominata bis zur Dicke eines Federkiels
an, ohne einen Tropfen in den unteren Teil durchtreten zu lassen. Schließ-
lich beweist die funktionelle Störung der Druck auf die Niere eines
starren funktionslosen Ureters. Je nach der Stärke des Druckes sieht
man im Cystoskop den Urin aus dem Ureterostium mehr oder minder
stark herausfließen. Die Kollargolfüllung des Nierenbeckens wie die mit
anderen gefärbten Flüssigkeiten ist ein Gradmesser für die motorische
Störung. Bei normalem Harnabfluß ist nach einigen Stunden die Aus-
scheidung beendet, was bei behinderter Entleerung Tage dauern kann.
Von großer Bedeutung sind bei Pyelitiden die Retentionsschmerzen,
die durch eine Erweiterung des Nierenbeckens und HarnabfluBhinder-
nisse bedingt sind. Diese Retentionsschmerzen sind keine Reaktion der
gedehnten Wände, sondern der Ausdruck einer Spannung des Nieren:
stieles. Dies läßt sich leicht an der Leiche nachweisen, wo die Füllung
des Nierenbeckens die Niere deutlich nach lateral und unten treten und
eine schwache Drehung um die Jängsachse ausführen läßt, wobei der
Stiel gespannt wird.
Von den Infektionsmöglichkeiten, der hämatogenen, der aszendieren-
den und der auf dem Lymphwege vom Darme aus, ist der aszendieren-
den Infektion bei der essentiellen Pyelitis ein zu großes Gewicht beı-
gelegt worden. Zum Teil gründete sich dies auf die Tierversuche von
Nieren und Harnleiter. all
Posner und Lewin, die jedoch an narkotisierten und laparotomierten
Tieren ausgeführt waren. Des Verfassers Versuche zeigten unter natür-
licheren Bedingungen nur einmal unter 7 Versuchen das Ansteigen der
Flüssigkeit aus der kollargolgefüllten Blase in das Nierenbecken.
Die aktive Therapie ist in jedem Falle akuter Nierenentzündung
angezeigt. Selbst da, wo der Harn anscheinend normal ist, erscheiut die
Nierenbeckenspülung zweckmäßig als Prophylaktikum. Um gründliche
Drainage zu schaffen, soll der Katheter 24 Stunden liegen bleiben. Für
chronische Fälle ist die intermittierende Behandlung angezeigt. Doch
geben die Spülungen in 2— 4 wöchentlichen Pausen gleich gute Resultate
wie die mit Pausen von 3—4 Tagen, sind also, weil schonender, vor-
zuziehen. Sind durch die Spülungen einzelne Fälle nicht zu heilen,
dann muß an operative Maßnahmen gedacht werden.
N. Meyer-Wildungen.
Chronische rezidivierende Pyelitis im Kindesalter. Von Birk-
Kiel. Münchner med. Wochenschr. Nr. 26.)
Die eitrige Erkrankung der Harnwege kommt im Kindesalter viel
häufiger vor als beim Erwachsenen. Als selbständiges Krankheitsbild ge-
nommen ist sie noch recht jungen Datums, und in die allgemeine Praxis
ist die Kenntnis von der Pyelitis der Kinder wohl noch kaum ge-
drungen. Die Pyelitis der Kinder hat mit der Erwachsener gemeinsam:
den akuten, hochfieberhaften Beginn, das schwere klinische Krankheits-
bild, den gleichen Bakterienbefund (Bact. coli) und vor allem die Be-
vorzugung des weiblichen Geschlechts. In der überwiegenden Mehrzahl
der Fälle kommt die Pyelitis der Kinder zur Heilung, nur ein kleiner
Teil der Kranken geht zugrunde. Ein anderer Teil aber bleibt unge-
heilt, und von diesen chronischen, mit Rezidiven einhergehenden Fällen
spricht Birk an der Hand verschiedener Krankengeschichten. Der Ver-
lauf zieht sich vielfach über Jahre hin, nach scheinbar völliger Gesun-
dung treten neuerdings Schmerzen und Fieber auf, der Harn zeigt wieder
die für Pyelitis charakteristischen Bestandteile. Das subjektive Wohl-
befinden tritt oft eher ein als das Verschwinden der Leukocyten usw.
aus dem Harn. Die besondere Beschreibuug der Falle wird gerecht-
fertigt einmal durch den ausgesprochen chronischen Verlauf der Erkran-
kung und anderseits durch die Neigung zum Rezidivieren. Ob der Sitz
der Erkrankung wirklich im Nierenbecken gelegen ist oder ob auch
Blase und Niere mitergriffen sind, ist mit Sicherheit nicht zu entscheiden.
Weshalb die Krankheit gerade in bestimmten Fällen so chronisch ver-
läuft, muß dahingestellt bleiben. Der Erreger ist das Bact. coli. In
den Birkschen Fällen wurde zwar nicht kulturell auf den jeweiligen
Erreger gefahndet, aber es liegt kein Grund vor, ein anderes Bakterium
als das Bact. coli anzunehmen.
Bei den Kindern möchte Birk zwei Momenten vielleicht eine ge-
wisse ätiologische Bedeutung zumessen: der Tuberkulose und der exsu-
dativen Diathese. Unter seinem Material war ein großer Teil hereditär
tuberkulös belastet, ein anderer mit exsudativer Diathese behaftet. Das
weibliche Geschlecht ist bei Birk gegenüber dem männlichen im Ver-
412 Nieren und Harnleiter.
hältnis 9:1 vertreten. Diese relative Immunität des männlichen Ge-
schlechte hängt wohl mit dem verschiedenen anatomischen Bau des Uro-
genitalsystems zusammen. Die Symptome der Krankheit weisen sehr
häufig nicht auf den Sitz derselben. Es besteht oft nur gestörtes All-
gemeinbefinden, und erst die Urinuntersuchung gibt Aufschluß. Hat man
bei einem Mädchen — bei negativem Organbefund — einen Urin, der
zugleich trübe und sauer ist, so liegt sehr wahrscheinlich eine Pyelitis
vor. Die Therapie besteht in Darreichung von Urotropin und Salol,
Durchspülung des Nierenbeckens mit Tee und Wildunger Wasser und
hat meistens guten Einfluß. Ein gewisser Prozentsatz der Kranken, wie
oben gesagt, bleibt ungeheilt, und sehr bedeutsam ist die Frage, was aus
diesen Patienten später wird. Daß die Generationsvorgänge im Leben
des Weibes die Entstehung der Pyelitis begünstigen ist wohl ohne Zweifel,
und so muß man fürchten, daß die chronische Pyelitis im Kindesalter
auch fir das spätere Leben eine ernste Bedeutung hat. Zum Schlut
führt Verf. noch einen Fall an, wo eine jahrelang bestandene Pyelitis
bei der ersten Schwangerschaft nicht wieder ausgebrochen war.
Brauser-München.
d) Hydro- und Pyonephrose.
Entwicklung der Hydronephrosen und Pyonephrosen. Von
Voelcker-Heidelberg. (Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 30, Beilage.)
Verf. bezieht sich auf die Methode der Pyelographie (Röntgenogra-
phie der Niere nach vorausgeschickter Füllung des Nierenbeckens mit
5°/ iger Kollargollösung) und teilt einige Nutzanwendungen seiner Er-.
fahrungen für das bessere Verständnis der Entwicklung der Hydro-
nephrosen und Pyonephrosen mit. Ein primäres mechanisches Hindernis
führt zunächst zu einer Dilatation des Nierenbeckens (Pyelektasie). Geht
die Dilatation weiter, dann dilatieren sich auch die Kelche (Nephrek-
tasie). Schließlich entsteht daraus die Hydronephrose. Wird eine Niere
von einer primären Infektion betroffen, so findet man in den Anfangs-
stadien gar keine Dilatation. Besteht die Infektion schon längere Zeit
weiter, so entsteht eine Dilatation der Kelche ohne Dilatation des Beckens.
Führt diese Form zur Pyonephrose, so werden aus den erweiterten
Kelchen kavernôse Abszesse. Es entsteht jene Form der Pyonephrose,
welche als primäre Pyonephrose bezeichnet wird. Verf. schlägt für sie
den Namen „Infektionspyonephrose* vor. Tritt zu der primären Dila-
tation eine sekundäre chronische Infektion hinzu, so entsteht die sog.
sekundäre Pyonephrose (Dilatationspyonephrose). Tritt zu einer primären
Dilatation eine sekundäre akute Infektion mit Verschluß hinzu, so ent-
steht ein Eitersack des Nierenbeckens und Kavernen im Parenchym
(Kombinationspyonephrose). Nach den röntgenographischen Studien des
Verfassers empfiehlt sich auch eine Teilung der Pyelitis in zwei Kate-
gorien. Es gibt eine Pyelitis ohne primäre Dilatation und eine Pyelitis
auf dem Boden einer primären Dilatation. Sie werden als Infektions-
pyelitis und Dilatationspyelitis unterschieden. Diese beiden Formen haben
auch klinisch ihre Unterschiede. Die Infektionspyelitis ist die Bakteri-
urie mit geringem Eitergehalt des Urins, mit gelegentlichen oft zyklisch
Nieren und Harnleiter. 413
auftretenden Exazerbationen. Im (Gegensatz dazu ist die Dilatations-
pyelitis durch einen starken Eitergebalt des Urins (Pyurie) gekenn-
zeichnet. Bei den akuten Exazerbationen komnit es zu heftigen Koliken
durch Verschluß. Auch therapeutisch bestcht zwischen beiden Formen
ein Unterschied. Bei der Infektionspyelitis nützt die Spülung des Nieren-
beckens nichts, bei der Dilatationspyelitis hat sie oft einen ausgezeich-
neten Erfolg. Kr.
Ulteriori ricerche sopra la influenza dell’ allaciatura della
vena emulgente sulle sacche idronefrotiche. Von Benedetto Fon-
niggini. (La Clinica chirurgica 1913, 1, p. 183.)
Fonniggini hat schon in einer früheren Arbeit den Einfluß der
Abschnürung der Vena renalis auf die bydronephrotischen Säcke der
Kaninchen studiert; jetzt hat er die Versuche bei größeren Tieren und
in bezug auf das Verhalten der Leber fortgeführt. Um hier Vergleichs-
punkte zu gewinnen, hat er in Vorversuchen die Veränderungen der Leber
bei der einfachen einseitigen Hydronephrose untersucht und konnte er-
kennen 1. kleinzellige perilobuläre Sklerose, 2. Fettröpfchen im Proto-
plasma der Leberzellen, 3. Vermehrung des Glykogens. Aus den Experi-
menten über die Abschnürung der Nierenvene ergab sich: l. mehr minder
rasche Resorption des Inhaltes der Hydronephrose und demgemäß deren
Verkleinerung; 2. der Eingriff bringt dem Organismus des Trägers
der Hydronephrose keinen Schaden oder verschlimmert wenigstens die
Lage nicht. F. erwägt die Möglichkeit der Anwendung dieser Nieren-
venenunterbindung beim Menschen und glaubt dieselbe bei alten und ge-
schlossenen Hydronephrosen, die sonst der Therapie nicht zugänglich sind,
eines Versuches wert. Mankiewicz- Berlin.
Hydronephrose durch Gefäßanomalien. Von Stanislaw Klukow.
Aus der K. chirurgischen Universitäts-Klinik zu Breslau. (Dissertation, Breslau
1912, 33 S.)
1. Unter Hydronephrose durch Gefäßanomalien versteht man eine
Erweiterung des Nierenbeckens, welche durch Knickung oder Strangu-
lation des Üreters durch das anormale (efäB verursacht worden ist.
2. Sie wird erzeugt durch abnorm verlaufende akzessorische Nieren-
gefäße, welche erst die Knickung und Strangulation des Ureters zustande
bringen.
3. Dieselbe ist gekennzeichnet klinisch durch das Bild der inter-
mittierenden Hydronephrose.
4. Die Prognose ist für die Niere immer sehr ernst zu bewerten,
für den Patienten günstig.
o. Die Therapie sucht, wenn möglich unter Beibehaltung der Niere
die abnorm verlaufenden akzessorischen Nierengefäße auszuschalten und
den Urinabfluß durch die tiefe Implantation oder Anastomose des Ureters
mit dem Nierenbecken zu ermöglichen. Bei Zerstörung des Nierenparen-
chyms, welche die weitere Funktion der Niere ausschließt, ist Nephrek-
tomie angezeigt. Die Pyonephrosen müssen aufgemacht werden.
| Fritz Loeb-München.
Zeitschrift für Urologie. 1913. 28
414 Nieren und Harnleiter.
Résection orthopédique du bassinét pour hydronéphrose à
crises intermittentes, résultat après deux ans. Von G. Gayet-Lyon.
(Journ. d'Urologie Tome I, No. 5, 1912.)
„Orthopädische Nierenbeckenresektionen“ sind von anderen Autoren
bisher in 17 Fällen veröffentlicht, der Fall des Verf.s ist der achtzehnte.
Da der Fall etwas Typisches hat und bis 2 Jahre nach der Operation
regelmäßig beobachtet werden konnte, so spricht sein guter Ausgang für
die Zweckmäßigkeit des Eingriffs. — Ein 26jähriges taubstummes Mäd-
chen litt (1910) seit 4 Jahren an intermittierenden Attacken von rechts-
seitiger Hydronephrose. Ein während des Anfalles eingeführter Ureter-
katheter förderte reichlichen normalen Urin zutage, wodurch die Kranke
sehr erleichtert wurde. Die freigelegte rechte Niere war bis auf ein zu
großes Nierenbecken ganz normal; keine Anomalie des Ureterabgange:,
keine Gefäbanomalie. Gayet resezierte ein Stück Nierenbecken (ortho-
pädische Resektion) und schloß nach sorgfältiger Y-förmiger Naht eine
Nephropexie nach Albarran an. Die Anfälle kamen nicht wieder, was
bis dato festgestellt werden konnte. A. Citron-Berlin.
Nephrectomie pour hydronéphrose. Von Bouget. Lyon médi-
cale 1913. 5. p. 227.)
Bouget sah eine 47 jährige Frau mit einem runden, glatten, etwas
gespannten, kleinkindskopfgroßen Tumor im linken Hypochondrium, der
seit 8 Tagen erst das Gefühl der Schwere hervorrief. Keinerlei patho-
logische Vergangenheit des Harntraktus. Der Harnleiterkatheter entleert
keinen Harn. 23 cm tief stößt er auf ein Hindernis, das, überwunden,
zum tropfenweisen Harnabfluß (klar) führt. Man denkt an eine Pankreas-
cyste. Am nächsten Tage Fieber bis 40° Nach drei Tagen Entleerung
von 3 Litern trübem Harn; der Tumor ist verschwunden. Nephrektomie
gibt eine totale Hydronephrose; der gedrehte Ureter ist S-förmig ge-
bogen durch eine Nierenarterie, die vor und unter ihm verläuft. Der
Ureterkatheterismus hatte versagt. Mankiewicz-Berlin.
Kasuistischer Beitrag zur kindlichen Hydronephrose. Von
H. Anscherlik-Innsbruck. (Wiener klin. Wochenschr. 1912, Nr. 44.)
Es handelte sich um eine linksseitige, fünf Liter fassende Hydro-
nephrose bei einem 3!/, Jahre alten Knaben. Dieselbe war kongeni-
talen Ursprungs auf Grund einer kongenitalen Anomalie des Ureters
(Klappenbildung). Nephrektomie. Glatte Heilung. Der weitere Ver-
lauf zeigte sich insoweit interessant, als der Patient sechs Wochen naclı
der Operation an Scarlatina erkrankte, welche durch Otitis media sup-
purativa. bilateralis und Nephritis haemorrhagica kompliziert war. Der
Patient genas vollständig. von Hofmann-Wien.
Pyonéphrose blennorrhagique droite. Von Fayol. (Société na-
tionale de médecine de Lyon 24. Juin 1912. Lyon médical 1912, 38, p. 40.
Fayol gibt Bericht über die Operation einer blennorrhagischen
Pyonephrose bei einem vor 4 Jahren nach Gonorrhoe an Cystitis er-
krankten tuberkulös belasteten 21 jährigen Schuhmacher. Halbstündige
Nieren und Harnleiter. 415
Miktion mit Schmerzen am Ende derselben. Pollakiurie. Rechter Neben-
hoden geschwollen. Rechtes Vas deferens empfindlich. 40 cem Blasen-
kapazität, groBe Empfindlichkeit des Organs bei Distension. 38—40° C
Fieber, Anämie. Wiederholte diffizile Cystoskopie gestattet nur Kon-
statierung eines Ulcus am Blasenhalse, keinen Ureterenkatheterismus.
Plötzlich Oligurie mit trockener Zunge, starker Vergrößerung der rechten
Niere, vermehrte Défense musculaire. Da über den Zustand der Nieren
nichts festzustellen, legt Gayet die kleinere linke Niere durch Lumbal-
schnitt frei: etwas vergrößert, Reste von Nephritis, Dekapsulation der
Vorderfläche der Niere, 3 mm lange Längsinzision des Harnleiters, aus
dem 1 Tropfen klarer Harn kommt, dessen Katheterisation trotz An-
saugen aber keinen Urin ergibt. Renorenaler Reflex? Schluß der Wunde.
Rechts Lumbalinzision: enorme’ Niere, wie ein Abszeß vor dem Durch-
bruch. Ureter daumendick, Verlängerung der Inzision bis ins Becken,
Resektion des Harnleiters, dessen Rest versenkt wird. Nephrektomie ohne
Eröffnung der Eitertasche. Nach Meteorismus und Erbrechen und Oligurie
steigende Harnmenge 1460 eem und Besserung nach 6 Tagen. Stunden-
lange Salzwasserinstillationen ins Rektum. Niere ganz zerstört. Leicht
deformierte intrazelluläre Gonokokken. Mankiewicz-Berlin.
Pyonéphrose. Von Giuliani. Société des sciences médicales de Lyon.
20. XI. 1912. (Lyon médical 1912, p. 1079.)
Giuliani hat bei einer wegen Fieber und Bauchschmerzen ins
Krankenhaus gekommenen 33jährigen Frau eine Eiterniere entfernt. Mit
8 Jahren erkrankte die Frau mit Schmerzen in der linken Seite und
Erbrechen für 8—10 Tage. Seitdem kehrte bis zum 20. Jahre der
Schmerz oft wieder. Seit zwei Monaten verheiratet. Jetzt heftige
Schmerzen in der linken Flanke, 39—40° C. Schwerer Allgemeinzustand.
Trockene Zunge. Harn trüb, mit Eiter. Die Schwellung in der linken
Seite nimmt zu. Ureterkatheter links bringt nichts zutage außer etwas
Eiter, rechts normal. Nephrektomie links; 2 1 stinkender Eiter. Die
Niere enorm gebuckelt; Niere in eine Reihe glatter COysten verwandelt,
keine Spur Parenchym. Kein Stein, keine Tuberkulose. Uretermündung
in der Mitte der Niere. Blase normal. (Deflorationspyelitis?)
Mankiewicz-Berlin
e) „Surgical kidney‘“.
Due casi di nefrite suppurativa metastatica. Von Dr. Piero
Polcenigo-Venezia. (Folia urologica, Bd. VI, 1911, No. 5.)
Der Autor berichtet über zwei Fälle von eitriger metastatischer
Nephritis; der eine nach einer Paronychia, der andere nach Kompression
von Hämorrhoiden. Nachdem der Autor die Wichtigkeit der von ge-
_ wôbnlichen lokalisierten eitrigen Prozessen verursachten Läsionen ge-
würdigt hat, bespricht er die klinische Symptomatologie, die, wenn sie
auch nicht bestimmte pathognomonische Erscheinungen aufweist, doch zu
einer Frühdiagnose führen kann, die zu einem raschen Eingriffe nötig
ist, (Nach der deutschen Übersetzung von Ravasini-Triest.) Kr.
28*
416 Nieren und Harnleiter.
Zur Frage der akuten infektiösen Nephritis. Von Dr. F. Paw-
licki, Assistent der chir. Abt. des Marienhospitals in Bonn. (Medizin. Klinik,
Nr. 43. 1912.)
Über die chirurgische Nephritis ist in letzter Zeit viel geschrieben,
doch ist über Indikationsstellung und Behandlungsmodus eine Einigung
nicht erzielt worden. Dieser Umstand veranlaßt Verf., dıe ım Bonner
Spital auf dem Gebiete der sogenannten chirurgischen Nephritis gemachten
Erfahrungen mitzuteilen. Der Zweck der vorliegenden Arbeit ist, dar-
zutun, daß bei der akuten infektiösen Erkrankung der Niere — in der
Mehrzahl der Fälle handelt es sich um einseitige Erkrankung —, auch
bei bedrohlichen Krankheitserscheinungen eine abwartende Therapie bei
interner Medikation angebracht ist und ihre volle Berechtigung hat.
Führt diese Therapie nicht zum Ziel — es wird sich dann um begin-
nende Abszedierung im Parenchym handeln —, dann bleibt immer noch
als ultima ratio die Operation, mit der man nicht zu spät kommt. Kr.
Considerazioni sulla pathologią e chirurgia delle infezioni
renali. Von F. Collica. (La Clinica chirurgica 1912, 7, p. 1237.)
Collica studiert die Pathologie und Chirurgie der Niereninfek-
tionen mit besonderer Berücksichtigung der Therapie. Er berichtet über
drei operierte Fälle, in deren einem eine „partielle“ Pyonephrose vor-
lag, verursacht nicht durch eine Verstopfung des Harnleiters wie bei der
kompleten Eiterniere, sondern bestehend aus mehreren Eiterhöhlen, deren
bindegewebige Zwischenwand nur durch kleine, gelegentlich sich ver-
stopfonde Öffnungen durchbrochen waren. C. behandelt besonders die
Grenzfälle, die Schwierigkeit der Diagnose und den EntschluB zur Opera-
tion bei beständiger Eiterabsonderung. Relativ kleine chirurgische Ein-
griffe, die das Parenchym der Niere nicht tangieren, können von großem
Nutzen sein. Zu lang dauernde Ausspülung des Nierenbeckens hält er
für nicht angezeigt und behauptet, daß bei zu Nierensteinbildung Dispo-
nierten die Spülungen mit Medikamenten und die durch die Spülung
erhöhte Abschilferung des Epithels den Kern für neue Steine abgeben
könne. Einen Fall exstirpierte er rechts wegen Pyonephrose durch
Proteus, den zweiten links wegen Stein und Eiterniere nach Eiterung
unter dem Zwerchfell, die sich in dem Magen spontan entleerte; den
dritten mit der partiellen Hydronephrose behandelte er mit Nephrotomie
rechts bei einer 62 jährigen Frau, die auch links an einer Pyelonephnitis
litt. Mankiewicz- Berlin.
f) Blutungen i. d. Nierenlager.
Sulle emorragie perirenali spontanee. Von Mario A betti. {La
riforma medica 1912. 51.)
Abetti unterscheidet Blutungen ins Gewebe um die Niere: l. trau-
matische infolge heftiger Stöße in die Nierengegend (Überfahren, Kon-
tusionen usw.), 2. spontane mit den Unterabteilungen: a) primäre oder
essentielle infolge Arteriosklerose der Niere, interstitieller oder (seltener)
parenchymatöser Nephrititis, Periarteriitis nodosa usw., b) sekundäre infolge
Nierentuberkulose, Neubildungen, Hämophilie usw. Mankiewicz-Berlin.
Nieren und Harnleiter. 417
Über Massenblutungen in das Nierenlager. Von Seidel-Dresden.
(Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 30, Beilage.)
S. berichtet über einen von ihm operierten Fall, welcher einen
98 jäbrigen Mann betraf, der ganz plötzlich ohne besondere Ursache mit
Schmerzen in der rechten Brust- und Bauchseite erkrankte. Auftreten
von peritonitischen Symptomen, schlechter Puls, anämisches Aussehen.
Undeutlicher Tumor in der rechten Lumbalgegend. Unter der Diagnose
Perforationsperitonitis bei Gallenblasen- oder Wurmfortsatzperforation
wird laparotomiert. Keine Peritonitis. Durchblutung des Mesokolon.
Große, blutgefüllte, retroperitoneale Höhle; in der Tiefe die nicht ver-
größerte und an ihrer Oberfläche intakte Niere. Tamponade. Heilung.
Im Urin chronisch nephritische Formelemente und frisches Blut. — Als
Art des Eingriffs empfiehlt sich bei chronischer Nephritis die einfache
Räumung des Blutergusses und Tamponade, in den Fällen schwerer
Nierenveränderung die Nephrektomie. Kr.
g) Operationstechnik u. Statistik.
Über Neoimplantation der Vena renalis in die Vena cava,
zugleich ein Beitrag zur Technik der Gefäßanastomose End- zu
Seit. Von Ernst Jeger und Wilhelm Israel in Berlin. (Arch. f. klin. Chi-
rurgie, 100. Bd., 3. Heft. 1913.)
Bei der Exstirpation großer Pyonephrosen oder maligner Tumoren
der Nieren, die mit der Vena cava fest verwachsen sind, kommt es ge:
legentlich zur Verletzung der Vena cava durch Anreißen der Gefäßwand.
Zwar gelingt es manchmal nach provisorischer Abklemmung den Schlitz
in der Wand der Hoblvene durch seitliche Gefäßnaht zu schließen. Nicht
selten wird man aber auch ohne die Möglichkeit genauer anatomischer
Orientierung die enorme Blutung, so schnell es irgend geht, durch in der
Tiefe angelegte Klemmen zu stillen versuchen und dann kann nur zu
leicht vollständige oder fast vollständige VerschlieBung des Cavalumens
die Folge sein. Außerdem ist es denkbar, daß in manchen Fällen die
Ligatur der Vena cava und die Entfernung eines Stückes ihrer Konti-
nuität wünschenswert werden, wenn bei malignen Tumoren Geschwulst-
zapfen in das Gefäß eingedrungen sind, oder wenn zwischen Tumor und
(sefäß unlösbare Verwachsungen bestehen. Nun bedeutet aber die Unter-
bindung der Vena cava oberhalb der Einmündungsstelle der Nierenvenen
im allgemeinen den Tod des Individuums. Die Ursache des Todes ist
bei so schnellem Eintritt im wesentlichen auf mangelhafte Blutzufuhr
zum rechten Herzen zurückzuführen. Bei längerem Überleben handelt
es sich wohl um Urämie als Folge hochgradiger Stauungen in den Nieren.
Da die Unterbindung der V. cava kaudal von der Einmündungsstelle der
Nierenvenen ohne dauernde Nachteile vertragen wird, so mußte bei zen-
traler Unterbindung der Schaden zu reparieren sein, falls es gelang, an-
nähernd normalen Abfluß für das Nierenvenenblut in den herzwärts ge-
legenen Abschnitt der Hohlvenen zu schaffen. Welche gefäßchirurgische
Operation kam nun in Betracht? Auf Anregung von Prof. J. Israel
gingen die Verff. das Problem so an: War die eine Niere exstirpiert
und die Vena cava zentral von der Einmündungsstelle der anderen
418 Nieren und Harnleiter.
Nierenvene unterbunden, so sollte der Versuch gemacht werden, durch
Abschneiden der Nierenvenen an ihrer Einmündungstelle und Reimplan-
tation herzwärts von der Ligatur der Hohlvene die vorhin theoretisch
geforderten normalen Abflußbedingungen zu schaffen und so den letalen
Ausgang zu verhindern. Die Lösung des Problems auf diesem Wege
ist den Verfassern zwar nicht gelungen, doch veröffentlichen sie ihre
Untersuchungen, weil sie ihnen Gelegenheit geboten haben, ein neues,
dem bisherigen prinzipiell überlegenes Verfahren der End- zu Seit-
implantation von Blutgefäßen auszuarbeiten, das sich voraussichtlich für
zahlreiche phrenologische und chirurgische Aufgaben gut bewähren wird.
Kr.
Gestielte Transplantation der Arteria hypogastrica zum Er-
satz des Harnleiters. Von Dr. Joan Jianu, Assistent der 1. chirurg.
Abt. des Coltza-Spitales in Bukarest. (Wiener klin. Rundschau Nr. 50, 1912.)
Bei einer wegen Krebs der Cervix operierten Patientin wurde ein
6cm langes krebsig infiltriertes Stück eines Ureters fortgenommen. Der
große Abstand zwischen Blase und zentralem Ende des Harnleiters ge-
stattete nicht die Vornahme einer Ureterocystostomie. Da die Enden
des Harnleiters gleichfalls stark voneinander entfernt waren, konnten sie
nicht einander genähert werden, trotz der Mobilisierung und Dehnung.
um durch unmittelbare Anastomose den Kanal wieder herzustellen. Die
Erweiterung des Harnleiters ließ befürchten, daß im Falle einer Pyelosto-
mie, der Einpflanzung des Harnleiters in die Haut oder in den Darm,
eine aufsteigende Infektion eintreten würde. Die gleiche Erweiterung
machte es unmöglich, eine Y-förmige Anastomose zwischen den Harn-
leitern zu machen. Es blieb nichts anderes übrig, als den Harnleiter
durch die Arteria iliaca interna, die sich mit günstigem Kaliber darbot,
zu ersetzen. Das Kaliber der Arteria hypogastrica paßte zum Kaliber
des Harnleiters, der einerseits durch Druck der Lymphdrüsen erweitert
war. Anstatt nun eine freie (refäßüberpflanzung vorzunehmen, d.h. den
Harnleiter durch ein ungenügend ernährtes Gefäßstück zu ersetzen, das
leicht geschädigt und von Beginn an verurteilt ist, abzusterben, verwen-
dete Verf. die Arteria iliaca interna, die an ihrer Stelle blieb, also gut
ernährt wurde und gut gewappnet gegen den reizenden Einfluß des
Harnes ist. Dieses Verfahrenhat Verf. schon im Jahre 1909 zur
Wiederherstellung der Blutgefäße empfohlen. Das gleiche Verfahren hat
er in zwei Fällen angewendet, in welchen ein mangelhafter Kanal durch
ein gestieltes Stück der Arteria epigastrica inferior ersetzt wurde. In
dem hier beschriebenen Fall verwendete Verf. eine Anastomose durch
Einstülpung der Enden. Durch drei Flachschlingen, die nicht durch-
dringend waren, brachte er das obere Ende des Harnleiters in das obere
Ende der Arteria epigastrica inferior, während das untere Ende der
Arterie in das untere Ende des Hamleiters eingeführt wurde. Die
Anastomosen wurden durch Nähte an den abgeschnittenen eingestülpten
Enden und am Rande dieser Enden befindliche Gewebe befestigt. Es ist
so die Möglichkeit einer Harneindringung vermieden worden. Der Verlauf
der Operation war normal, die Harnabsonderung wurde nicht gehemmt. Kr.
Nieren und Harnleiter. 419
Beitrag zu den Gefahren der Nephrotomie. Von Prof. Dr. Hans
v. Haberer. (Beiträge zur klin. Chir. 1912, 79. Bd., 1. Heft.)
Die probatorische Nephrotomie wird vielfach als ein nicht bloß
statthafter, sondern auch relativ harmloser Eingriff bezeichnet. Daß der
Nierenschnitt auch bedenkliche Folgeerscheinungen nach sich ziehen kann,
ist in den meisten Lehrbüchern nicht entsprechend gewürdigt. Die Ge-
fahren der Nierenspaltung bestehen in dem Untergang eines nicht unbe-
trächtlichen Anteiles von Nierenparenchym, welches funktionsfähig ist,
und in gefahrdrohenden Nachblutungen. Verf. berichtet nun über einen
Fall, bei dem die diagnostische Nephrotomie zum Verlust des Organes
geführt hat. Hier liegt ein Fall von schwerer Nachblutung nach proba-
torischer Nephrotomie vor, der bei dem Kranken einen hohen Grad
akuter Anämie hervorrief und die sekundäre Nephrektomie notwendig
machte. Das zuerst gehärtete und erst sekundär aufgeschnittene Organ
läßt so schwere Veränderungen erkennen, daß auch nach diesem Befunde
die Nephrektomie als das richtige Verfahren bezeichnet werden muß;
denn abgesehen von der schweren Blutung in das Marklager der Niere,
sowie von der Tamponade des Nierenbeckens und des Ureters mit ge-
ronnenem Blut ist das ganze Nierenparenchym von multipeln Infarkten
durchsetzt, daß, selbst Beherrschung der Blutung vorausgesetzt, die Niere
im Laufe der Zeit hätte hochgradig schrumpfen müssen. Die Ursache
der schweren Nachblutung war aus dem Präparate, welches bei der Ne-
phrektomie gewonnen wurde, nicht mehr sicher zustellen. Bei der Ope-
ration zeigte sich nun einwandsfrei, daß die Ursache sicher nicht im
extrarenalen Abschnitt der großen Nierengefäße gelegen war, denn die-
selben erwiesen sich bis in den Nierenhilus hinein als normal. Das an
den einen Nierenpol herantretende, auf eine kleine Strecke hin auch
extrarenal thrombosierte Gefäß scheint sekundär thrombosiert zu sein.
Im Anschluß an die renale Apoplexie wäre es wahrscheinlich zur fort-
gesetzten Thrombose in dieses Gefäß hineingekommen. Es ist demnach
durchaus wahrscheinlich, daß gelegentlich der Nephrotomie ein größeres:
Gefäß verletzt wurde, aus dem dann nach Abstoßung des primären
Thrombus die starke Nachblutung erfolgte. Gegen ein solches Vor-
kommnis können wir uns aber bei keiner Nephrotomie, namentlich wenn
dieselbe primär wieder ganz geschlossen wird, schützen. Und jede Ne-
phrotomiewunde etwa zu tamponieren, hält Verf. für fehlerhaft. Wir
müssen froh sein, wenn wir eine Nephrotomie nähen können, da die
offene Behandlung unter allen Umständen zu einem ausgedehnteren Paren-
chymverlust führen muß. Ob sich durch eine zur Nephrotomie hinzu-
gefügte, entlastende Pyelotomie, wie sie von Fedoroff vorgeschlagen wurde,
die Gefahr der Nachblutung wird verringern lassen, kann erst aus einer
längeren Beobachtungsreihe sich ergeben. Kr.
Faut-il suturer les incisions du bassinet et de l’uretöre? Von
Pierre und Louis Bazy-Paris. (Journ. d’Urol. Tome II, Nr. 5, 1912.)
Die Naht des Nierenbecken- oder Ureterschnittes gibt in Fällen, in
denen sie möglich ist, vorzügliche Resultate. Man soll sie immer machen,
wenn sie ausführbar ist. Sie ist jedoch nicht absolut unerläßlich und
420 Nieren und Harnleiter.
soll unterbleiben, wenn der Erfolg der Operation dadurch irgendwie ge-
fährdet erscheint. A. Citron- Berlin.
Dauererfolge der Nierenchirurgie. Von Renner. (Zentralblatt
f. Chirurgie 1912, Nr. 30, Beilage. Bericht über d. Verhandl. der Deutschen
Ges. f. Chir., XLI. Kongreß.)
R. berichtet über 194 in den letzten Jahren operierte Fälle der
Breslauer Klinik. Von 14 Nephropexien bei Wanderniere, deren
weiteres Schicksal bekannt wurde, können als subjektiv geheilt nur
4 gelten; von 5 ungeheilten sind 4 hysteroneurasthenisch. Von 13 Uro-
nephrosen, die Nachricht gaben, sind 8 geheilt, 2 gebessert. 10 Fälle
wurden primär nephrektomiert, bei 5 mußte dies sekundär geschehen,
3 konnten konservativ-plastisch behandelt werden. Von 25 Überlebenden
mit paranephritischen Abszessen wurden 19 geheilt, 4 nicht ge-
heilt, 2 starben. Diese letzten 6 waren tuberkuloseverdächtig. Bei den
39 operierten Steinerkrankungen gab die Pyelo- und Ureterotomie
die besten Resultate, nämlich fast 90°, Heilungen. In 4 Fällen wurden
Rezidive bekannt. Alle 4 betrafen vollkommene Sektionsschnitte. Nicht
selten erforderten Nephrotomien sekundäre Nephrektomie. Dies alles und
die Gefahr schwerer Blutungen und erheblicher Schädigung des Paren-
chyms bei der Nephrotomie drängen zu der Forderung, sie so weit wie
irgendmöglich durch Pyelotomie zu ersetzen; auf der anderen Seite soll
bei schwereren Veränderungen der Niere der primären Ektomie der
Vorzug gegeben werden. Die doppelseitigen Steinerkrankungen geben
schlechte Resultate und sind sehr häufig mit Auurie verknüpft. Nieren-
eiterungen wurden 34 operiert. Von 12 Ektomierten, die Nachricht
gaben, wurden 9 gesund, 2 nicht gesund, 1 starb später. Von 5 Nephro-
tomierten, die Nachricht gaben, wurden nur 2 gesund. Die Nah- und
Fernmortalität betrug bei 24, deren Schicksal bekannt wurde, 7 bei Ne-
phrotomie, 3 bei Nephrektomie, 1 bei unbekannter Operation. In 7 Fällen
von Inzision oder Sektionsschnitt wurde sekundäre Nephrektomie nötig.
Bei den Tuberkulosen betrug die Operationsmortalität 2 von 16. Es
waren dies gerade solche, bei denen Ektomie vorgenommen worden war,
ohne daß die Gesundheit der anderen Niere nachgewiesen war. Von 10,
die Nachricht gaben, wurden 6 subjektiv geheilt; von 6 Nachuntersuchten
3 objektiv geheilt. Bei allen wurde Nephrektomie vorgenommen, 13mal
primär, mal sekundär. Bei 23 Tumoren konnte das spätere Schick-
sal festgestellt werden. Die Nah- und Fernmortalität betrug 15, davon
T an sicherem, 4 an wahrscheinlichem Rezidiv, 4 an unbekannter Ur-
sache. Als geheilt anzusehen sind: 3 Hypernephrome und 2 Sarkome.
Von den 2 Operierten mit polycystischen Degenerationen starb 1
9 Jahre später an damals schon konstatierter Erkrankung der anderen
Seite, 1 nach 20 Monaten an Pneumonie. Von 2 Pat. mit einzelnen
Cysten starb 1 an Embolie, der andere ist nach 13 Monaten völlig
gesund. Kr.
1... ns S
Nieren und Harnleiter. 42]
h) Nebennieren.
Über die Hämosiderinablagerung in kindlichen Nebennieren.
Von Hermann Groll. (Dissertation, München 1912, 21 S.) (Gebr. Parcus.)
Den Anstoß zu den vom Verf. mitgeteilten Untersuchungen gab der
zufällige Sektionsbefund eines Falles von Hämatom der rechten Neben-
niere bei einem an akuter Gastroenteritis verstorbenen Kinde. Es zeigte
sich nämlich auch in der normalen linksseitigen Nebenniere eine reich-
liche Einlagerung von Hämosiderin. Es war nun die Möglichkeit ge-
geben, dieses Pigment als Residuum kleiner Blutungen aufzufassen oder
an allgemeine Hämosiderose zu denken. Die an den Nebennieren von
44 Kindern angestellten Untersuchungen des Verfassers ergaben eine Be-
stätigung der Beobachtungen von Thomas und Kern (Zieglers Beitr. 50,
1911, resp. Deutsche med. Wochenschr. 1911) über die extrauterine Ent-
wicklung der Nebennieren. Hämosiderin und kleine Diapedesisblutungen
in den Nebennieren treten im ersten Lebensjahr auch unabhängig von
bestimmten Krankheiten und dem durch die Geburt gesetzten Trauma
auf; sie finden sich dann stets in der Grenzschicht von Rinde und Mark.
Als Folge von Hyperämie und Blutaustritten beobachtet man in der
nämlichen Zone passive Phagozytose von Erythrozyten durch die Rinden-
zellen, sowie gleichfalls in dieser Zone Untergang von roten Blut-
körperchen und die größtenteils intrazelluläre Einlagerung von Hämosi-
derin. Diese nimmt parallel mit den Veränderungen der Mark-Rinden-
grenze zu und ist gegen Ende des dritten, sicher aber im vierten
Stadium der Markkapselentfaltung wieder verschwunden, bei normalem
Ablauf der Nebennierenumbildung als am Ende des ersten Lebensjahres.
Fritz Loeb- München.
Chloroformisation et capsules surrénales. Von P Delbet,
A. Herrenschmidt et A. Beauvy. (Revue de chirurgie 1912 April.)
Die Feststellung der Niereninsuffizienz nach Chloroformnarkose in
der Klinik erfolgt häufig. Die an Lipoiden reichen Nebennieren binden
elektiv das Chloroform, wie experimentell erwiesen. Der Gehalt an
Chloroform ist in den Nebennieren mit Chloroform getöteter Hunde immer
höher gewesen, als bei einer andern Anästhesie unterworfenen Tieren. Die
Dicke der Fettschicht der Nebenniere wächst proportional zur Dauer der
Chloroformisation; sie erstreckt sich von der Zona fasciculata zur
Zona medullaris. Die Chloroformisation wirkt auch auf die Chromaffini-
tät; letztere wird geringer und kann selbst verschwinden; also richtiger
Verfall der Nebenniere, die noch durch die Verminderung des Adrena-
lins beeinträchtigt wird. Es besteht daher eine Anzeige, narkotisierten
Nebennierenextrakt zu verabreichen. Delbet läßt den Operierten 4 bis
6mgr Adrenalin subkutan geben; dasselbe reguliert die Narkose, ver-
mindert den Operationsschok und verhindert vielleicht manchen post-
operativen Tod infolge Nebenniereninsuffizienz.
Mankiewicz- Berlin.
422 Nieren und Harnleiter.
I) Harnleiter.
Le cathétérisme des uretères à vessie ouverte. Von G. Marion-
Paris. (Journ. d'Urol., Tome II, No. 5, 1912.)
In den bekannten Fällen, welche das Einführen des Cystoskops nicht
gestatten, kommt eine diagnostische Operation in Frage. Der explora-
torische Lumbalschnitt gibt keinen absoluten Aufschluß über die Inte-
grität der Niere, die Ureterotomie der gesunden Seite sagt uns nichts
über die kranke Niere. Der Katheterismus der Ureteren bei eröffneter
Blase aber gibt volle Gewißheit über die Nierenfunktion. Indem M.
seine Operationstechnik beschreibt, hebt er hervor, daß die suprapubische
Öffnung möglich weit anzulegen ist, daß aber dann immer das Einführen
der Harnleiterkatheter außerordentlich leicht gelingt, mag die Blase eine
noch so geringe Kapazität besitzen. In allen 6 bisher so behandelten
Fällen dauerte die Einfübrung der Sonden nur 2—3 Minuten.
A. Citron-Berlin.
Congenital stricture of the ureter, producing pyonephrosis,
nephrectomie. Von L.M.Kahn-New York. (Medical Record, 16. XII. 1912.)
Ein 4'/, Jahre altes Kind war vor 2 Jahren wahrscheinlich an
Polyomyelitis erkrankt. ‘ Drei Tage vor der Einlieferung waren Ab-
dominalkoliken, Erbrechen, Obstipation aufgetreten. Bei der Unter-
suchung sah man in der linken Regio iliaca eine Vorwölbung, deren
Umfang bis in die lumbalen Teile und zum Hypochondrium hinauf ge
fühlt wurde. In dem rechten unteren Abdominalteil ließ rich eine
apfelsinengroße Masse erkennen. Linke Hüfte etwas in der Beweglich-
keit gehemmt. Linkes Bein etwas kürzer als das rechte. Urin normal.
Temperatur 39° C. Ein Klystier blieb ohne rechten Erfolg.
Bei der Operation wurde am Außenrande des linken Rektus ein-
geschnitten. Eröffnung des Peritoneums. Großer linksseitiger Tumor,
der die Därme völlig nach unten verdrängte. Da der Zustand des
Kindes nicht gut war, kreisföürmige Annähung des hinteren Peritoneal-
blattes an die vordere Bauchwand. Abfluß von erst klarer, dann leicht
eitriger Flüssigkeit. Drainage der Höhle.
Nach 7 Tagen roch der Verband nach Urin. Bei zweimaligem
Versuch die Drains herauszuziehen, Fieber. Bei einer zweiten Operation
wurde nun ein lumbaler Schnitt gemacht und ein großer Sack gefunden.
Absichtliche Eröffnung des Peritoneums, um die rechte Niere zu tasten.
Da dieses unmöglich war, wurde die rechte Niere auf lumbalem Weg
probatorisch freigelegt. Jetzt Freilegung und Exstirpation des linken
Nierensackes. Heilung ohne Zwischenfall.
Das Präparat zeigte eine von Höhlen durchsetzte, abgeplattete
Niere und ein enorm dilatiertes Nierenbecken. Ein Zoll unter dem
Übergang des Beckens in die Niere hat der Ureter eine Verengerung.
die von oben gesehen, als Klappe erscheint und bei Füllung von oben
sich als wasserdicht erweist. N. Meyer-Wildungen.
Ourotrapianti ureterali. Von Angelo Chiasserini. (Il Policlinico
1912, Okt.)
Chiasserini hat Hunden Stücke von Ureteren exzidiert und mit
Nieren und Harnleiter. 493
Harnleiterabschnitten anderer Hunde — auch 48 Stunden in der Kälte
konservierter Teile — ersetzt und Heilung erzielt. Die Transplantate
zeigten nach 33 Tagen makroskopisch normale Größe und Stärke; in
einigen Fällen hatten sie allerdings das Lumen auf ein kurzes Stück ver-
engt. Histologisch war in den aseptischen Fällen die Struktur des Ure-
ters normal, das Epithel gut konserviert, das Bindegewebe in einigen
Schichten zwischen Mucosa und Muscularis und in dem periureteralen
Gewebe vermehrt. Mankiewicz-Berlin.
Un cas de calcul urétéral. Von Reynaud. Société des sciences
médicales de Lyon, 20. Nov. 1912. (Lyon médical 51, 1912, S. 1085.)
Reynaud zeigt einen dattelförmigen Ureterstein. der nach Ure-
terenkatheterismus, 2 maligem Dauerkatheter und Injektion von 20 ccm
sterilem Öl, resp. 50 cem 7°/, Kollargol spontan entleert worden ist.
Das Interesse des Falles besteht in starker Retrodilatation des Harn-
leiters und Nierenbeckens, die die Röntgenplatten tadellos zeigen. Dies
sind Symptome, die man ohne Röntgen und obne Ureterenkatheter mit
Kollargolfüllung des Nierenbeckens nicht geahnt hätte.
Mankiewicz-Berlin.
Ligature de l’uretère chez un malade. Von Violet. Société
nationale de médecine de Lyon, 26. Nov. 1912. (Lyon médical 1912, S. 1127.)
Violet bespricht einen Fall von Ureterligatur bei einem Kranken.
Die Ligatur verursacht eine sofortige Behinderung des Harnabflusses ohne
Erweiterung des Nierenbeckens; besteht eine Erweiterung, so kann sich
dieselbe verstärken. V. macht eine doppelte Seidenfadenunterbindung mit
2cm Abstand. Gayet und Cavaillon haben eine experimentelle und
klinische Arbeit über die Ausschaltung der Niere durch Ureterenunter-
bindung veröffentlicht, die zeigte, daß beim Kaninchen die einseitige Harn-
leiterunterbindung gut vertragen wird und zur langsamen Parenchym-
atrophie mit geringer Dehnung des Nierenbeckens führt. In zwei kli-
nischen Fällen kam es zu keinerlei alarmierenden Symptomen, so daß G.
und C. dieselbe sogar zur Exklusion der Niere, z. B. bei Tuberkulose
empfehlen. Vierzehn Tage nach der Ureterenunterbindung kann bei Lösung
derselben die Niere ihre Funktion wieder aufnehmen. Nach Violet hat
eine 6 Monate nach der Operation vorgenommene Revision eine Atrophie
der Niere nicht ergeben. Mankiewicz-Berlin.
Intorno a due osservazioni di ureterectomie totali per ureterite
cistica. Von Guido Lorenzani. (La Clinica Chirurgica XX, 1912, p. 2331.)
Lorenzani bespricht die wenigen totalen Ureterektomien und bringt
zwei neue Fälle aus der Biondischen Klinik in Siena. Nach primären
Nephrektomien mußten sekundäre Ureterektomien wegen reichlich jahre-
lang absondernder Fisteln im rechten Hypochondrium ausgeführt werden,
die zur Heilung führten. Bemerkenswert die Länge der exzidierten
Ureteren; ferner in einem Falle die völlige Obliteration der einen Blasen-
öfinung; weiter in beiden Fällen die charakteristische cystische Ureteritis,
durch Infektion und Eiterstagnation im Lumen verursacht. Die Verbin-
491 Nieren und Harnleiter.
dunz des Schnittes für die extraperitoneale Nephrektomie mit der Incisio
iliaca läßt sowohl das parietale wie abdominale Peritoneum ohne Rektus-
schnitt abschieben und verlagern. Die Linea innominata mit den Ge-
fäßen erscheint frei, und sowohl der abdominale wie der Beckenteil des
Harnleiters kommen klar zur Anschauung und Behandlung.
Mankiewicz- Berlin.
Sur une forme oedémateuse de périurétérite chronique d’origine
tuberculeuse. Von Uteau, Bassal und Azema-Toulouse. Laboratorium
von Prof. Hermann. (Journ. d’Urol., Tome II, No. 3, 1912.)
Bei einer wegen Nierentuberkulose nephrektomierten Patientin wurde
eine ungewöhnliche Form der Ureteritis gefunden, und zwar handelte es
sich um eine, durch Ödem komplizierte fibrolipomatöse tuberkulöse
Ureteriti. Das Odem, das eigentlich Bemerkenswerte der Affektion,
rührte wahrscheinlich von Zirkulationsstörungen her, die durch eine
doppelte Krümmung des Ureters erzeugt wurden. Die doppelte Ureter-
krümmung aber war die Folge einer früheren Nephropexie wegen Ren
mobilis. Bemerkenswert ist noch, daß die Ureterkrümmung nicht auch
zur Hydronephrose geführt hat. A. Citron-Berlin.
k) Funktionelle Nierendiagnostik.
Moderne Mittel zur Erkennung der Niereninsuffizienz. Von
Boulud-Lyon. (Revue clinique d’Urologie 1913, Heft 1.)
Man kann in einfacher Weise die Niere mit der Membran eines
Dialysators vergleichen, der Kristalloide durchläßt, Kolloide zurückhält.
Nimmt man einen Riß an in der Membran, so geht Eiweiß hindurch,
nimmt man eine Membranverdickung an, so werden Kristalloide im Blut
zurückgehalten. So entsteht eine Niereninsuffizienz.
Eine Niereninsuffizienz ist vorhanden, wenn die Niere Substanzen
passieren läßt, die, wie das Eiweiß, normalerweise im Blut, aber nicht
im Urin vorhanden sind, und wenn die Niere gewisse Substanzen zurück-
hält, die normalerweise mit dem Urin ausgeschieden werden.
Die Filtration der Niere ist eine elektive und die Art der Filtration
ist für die verschiedensten Substanzen verschieden. Eine Schädigung
der Glomeruli bringt eine andere Insuffizienz als die der Tubuliepithelien.
Deshalb sind 4 Gesichtspunkte zu betrachten bei der Funktionsprüfung:
1. Die Albuminurie. 2. Die Niereninsuffizienz im allgemeinen.
3. Die Insuffizienz für Kochsalzausscheidung.
4. y S für Stickstoffausscheidung.
Eiweiß mit oder ohne Zylinder ist das gewöhnlichste Zeichen der
meisten Nephritiden. Wichtig ist, daß die Albuminurie von einer In-
suffizienz der Kochsalz- und Stickstoffausscheidung begleitet sein kann,
und daB es Nephritiden gibt ohne Albuminurie, und daß die Albuminurie
allein nicht ausschlaggebend ist bei der Bewertung einer Niere.
Die allgemeine Niereninsuffizienz kann man auf mechanischem
Wege, an der Ausscheidung von Methylenblau, Fuchsin, Kal. jodat,
Natr. salicyl., Nal, des Harnstoffs, an der experimentellen Polyurie usw.
erkennen, dann auf physikalischem Wege durch Bestimmung des spez.
Nieren und Harnleiter. 495
Gewichts und des (iefrierpunkts und schließlich auf chemischem Wege
an dem Trockenextrakt und den Mengen der einzelnen Urinbestandteile.
Die Methylenblauausscheidung ist ziemlich übereinstimmend mit der Stick-
stoffausscheidung, sie ist verlangsamt bei kranker Niere. Bei der künst-
lichen Chlorurie scheiden die gesunden Nieren täglich die zugeführten
Mengen von Kochsalz aus, während bei der kranken Niere eine all-
mähliche Vermehrung des retinierten Kochsalzes eintritt, die auch nach
der Diät noch anhält.
Das Phloridzin ist eigentlich nur ein Prüfungsmittel für die Leber-
funktion, deren Herabsetzung eine verminderte Glykosurie bedeutet.
Kranke Nieren scheiden wenig oder gar keinen Zucker aus. Die ex-
perimentelle Polyurie dient zum Vergleich der Leistungsfähigkeit beider
Nieren. Gibt man dem Kranken einen !;,1 Wasser, so zeigt die kranke
Niere, im Gegensatz zur gesunden, keine verstärkte Sekretion. Der Urin
wird durch Ureterkatheter getrennt aufgefangen.
Die Kryoskopie. Claude und Balthasar haben eine einfache
Formel aufgestellt, die es ermöglicht, die (tesamtzahl der im Tag aus-
geschiedenen Moleküle pro 1 Kilo Körpergewicht zu berechnen. Die
100AV
Formel lautet: pp A = Temperaturerniedrigung, V = Urinmenge
in 24 Stunden, P = Körpergewicht. Es sind dabei nicht nur die NaCl-
Moleküle, die aus den Glomeruli stammen, sondern auch die übrigen
Urinbestandteile aus den Tubuli contorti mit einbegriffen. Enthält der
Urin 1, g °/, Kochsalz, so wird dieses den Gefrierpunkt um p” 0,61
erniedrigt haben. A— (px 0,61) =ö.
ö ist die Gefrierpunkterniedrigung durch die kochsalzfreien Urin-
substanzen. nn. ist die Menge der innerhalb 24 Stunden ausge-
schiedenen kochsalzfreien Moleküle pro 1 Kilo Körpergewicht. Der Quo-
A a
tient S gibt den Wert der molekularen Anderungen im Bereich der
kleinen Kanäle.
Die Gesamtzahl der ausgeschiedenen Moleküle ist eine Funktion
der Ernährung und schwankt zwischen 2500 und 4000. Ist die Zahl
geringer als 2500, so kann man an eine Niereninsuffizienz denken. Die
Zahl der in den Tubuli contorti ausgeschiedenen, also keine NaCl-Mole-
küle, wird entsprechend den 2500 Gesamtmolekülen 1600 und ent-
sprechend den 4000 2500 sein.
Claude und Balthasar haben als Maximum für 4 bei einer Aus-
Ô
scheidung von 2500 Gesamtmolekülen 1,50 gefunden, welches sich jedes-
mal um 0,10 erhöht oder erniedrigt, je nachdem sich die Gesamtaus-
scheidung pro ccm um 500 Moleküle ändert. Wird das Maximum an
i ; AV | eer, erg
-- für einen bestimmten Wert von Eg überschritten, so ist die Niere
d
insuffizient, gut ist die Nierenfunktion, wenn das Maximum nicht erreicht
wird.
426 Nieren und Harnleiter.
Eine vermehrte Ausscheidung der gesamten Moleküle findet man
bei einer gesteigerten Tätigkeit der Glomeruli bei erhöhtem arteriellen
Blutdruck und bei beschleunigter Blutzirkulation.
Die Ausscheidung ist vermindert bei chronischer Nephritis mit
Ödemen und Retention des Kochsalzes und bei Urämie; eine Vermin-
derung beobachtet man zuweilen auch bei verminderten Blutdruck in-
folge der verschiedensten Herzleiden.
Die 3 oben genanten Formeln haben nur dann einen Wert, wenn
man sie miteinander vergleicht und die Höhe des in 24 Stunden ausge-
schiedenen NaCl in Rechnung zieht.
Bei Herzleiden sind die Kochsalzmoleküle normal oder leicht ver-
mindert und entsprechend der Wert der 3 Formeln emiedrigt. Bei
Nephritiden mit Retention der stickstoffhaltigen Substanzen ist die Zahl
der Gesamtmoleküle niedrig, ebenso die der stickstoffhaltigen Substanzen,
4
der Wert des Quotienten 5 aber ist erhöht.
Bei Nephritiden mit Retention des Kochsalzes ist die Zahl der
Gesamtmoleküle niedrig, die der Nichtkochsalz-Molekülen erhöht, der
Quotient aber erniedrigt.
Schwierig ist der Fall, wo gleichzeitig eine Retention des NaCl und
der stickstoffhaltigen Substanzen vorhanden ist. Die Gesamtzahl der
Moleküle ist dann sehr niedrig, aber die Zahl der ausgeschiedenen koch-
salzfreien Moleküle im Vergleich zu der Gesamtzahl wechselnd. Nach
Claude und Balthasar ist die Prognose immer infaust, wenn die
Höhe der kochsalzfreien Moleküle an mehreren aufeinanderfolgenden
Tagen unter 500 bleibt.
Bei der allgemeinen Niereninsuffizienz findet man immer die Menge
der Trockensubstanzen unter dem normalen Wert (46—56 in 24 Stunden),
ebenso gibt die Aschenmenge einen geringen Wert, besonders bei der
Insuffizienz für Kochsalzausscheidung.
3. Eine Insuffizienz für Kochsalzausscheidung erkennt man daran,
daß die Kranken weniger NaCl ausscheiden, als sie zu sich nehmen,
daß die Aschenbestandteile des Urins geringer sind als normalerweise,
daß ferner die Mengen des Kochsalzes auf 100 Teile Trockensubstanzen
unter 15 bis 18 sind, das ist das Normale. Ferner ist die Gesamtzahl
der Moleküle erniedrigt und nähert sich der Zahl der kochsalzfreien Mo-
JS
leküle. Der Quotient 5 ist ebenfalls herabgesetzt. Endlich findet
man, daß bei Salzzufuhr dieses in geringerer Menge ausgeschieden wird
und daß gleichzeitig ein Zunehmen der Ödeme auftritt.
4. Die Insuffizienz für stickstoffhaltige Substanzen. Man erkennt sie
an der mehr oder weniger verminderten Harnstoffausscheidung, die nor-
malerweise 20—25g täglich beträgt. Die Diät spielt dabei keine Rolle,
denn gewöhnlich nimmt der Mensch 100g Eiweiß zu sich, die 20—25g
Harnstoff liefern; eine Milchdiät aber bei täglichbem Gebrauch von 2 Li-
tern gibt 100—120g Kasein, die ebenfalls 20—25g Harnstoff liefern.
Der Harnstoff wird durch Spaltungen auf dem Umwege über die
Nieren und Harnleiter. 497
Ammoniaksalze vom Eiweiß abgeleitet. Es scheint fast, daB die Leber
die Umwandlung der Ammoniaksalze in den Harnstoff besorgt und bei
Lebererkrankungen ist die Harnstoflausscheidung vermindert. Bei ge-
wissen Nephritiden findet man zwar eine verminderte Harnstoffausscheidung
ohne irgend eine Vermehrung der ammoniakalischen Salze. Diese In-
suffizienz ist noch gekennzeichnet durch eine herabgesetzte Gesamtaus-
scheidung der Moleküle und auch der kochsalzfreien Moleküle und durch
d
eine Erhöhung des Quotienten —.
d
Für die Harnstoffausscheidung hat Ambard eine Konstante aufge-
Bee er
stellt, deren Formel YDx< 70 x y e = lautet. Ur ist dabei die-
P 25
Harnstoffmenge, berechnet für 1000 g Serum, D der Harnstoff des 24-
Stunden-Urins, c der Harnstoff des Urins, berechnet auf 1000, P das
Gewicht des Kranken. Nach Ambard ist die Harnstoffbilanz direkt
proportional dem Quadrat der Harnstoffkonzentration im Blut und um-
gekehrt proportional der Quadratwurzel der Harnstoffkonzentration im
Urin.
Ist K größer als 0,06—0,09, die normale Werte darstellen, so be-
steht eine Insuffizienz stickstoffhaltiger Substanzen. Auch die Reten-
tion der Harnsäure bei Gichtkranken kann man endlich als eine Insuf-
fizienz der Niere betrachten. — Boulud schließt damit, daß zur genauen
Kenntnis der Funktion einer oder beider Nieren mehrere Untersuchungs-
mittel anzuwenden sind. In Ermangelung einer vollkommenen Urinanalyse
mit Stickstoffkoeffizienten kommt an erster Stelle die Mengenbestimmung
für Urin und Kochsalz bezogen auf das Gesamtvolumen des 24stündigen
Urins in Betracht, dann wird man die Kryoskopie, bald die Ambard-
sche Konstante, bald eine Ausscheidungsprobe anschließen. Maas- Berlin.
La constante ur6o-söcrötoire d’Ambard. Quelques applica-
tions cliniques en chirurgie urinaire. Von Gayet-Boulud. (Lyon
médical 1912, 3. p. 97.)
Wasserausscheidungsversuch, Farbstoffausscheidungsversuch, Zucker-
ausscheidungsversuch und Harnstoffausscheidungsversuch genügeu nicht,
um die Funktion der Niere vollständig erkennen zu lassen. Man muß
das Verhältnis des Harnstoffes im Blut und der Harnstoffmenge im Harn
kennen lernen. Ernährung und Wasserzufuhr, wiederholte Blut- und
Harnprüfungen machen dies schwierig.
Ambards Methode der Konstante gestattet ein exaktes Maß der
funktionellen Harnstoffausscheidung der Nieren. Dieselbe ist auf drei
Gesetzen aufgebaut: 1. Wenn die Niere Harnstoff in einer konstanten
Konzentration abgibt, so variiert die Harnstoffabgabe proportional dem
Quadrat der Harnstoffkonzentration im Blut. Ist U = Harnstoff im Blut,
K = Konzentration des Harnstoffs im Harn, D == Harnabgabe: Bleibt
C konstant, wenn U zweimal größer wird, so wird D viermal so groß.
2. Wenn die Harnstoffkonzentration im Blut konstant bleibt, so ist die
428 Notiz.
Ausscheidung des Harnstoffes im Harn umgekehrt proportional der
Quadratwurzel der Harnstopffkonzentration im Urin. Bleibt U konstant,
wenn OÖ vierfach schwächer wird, so wird D nur zweimal größer sein.
8. Die Harnstoffabgabe variiert im direkten Verhältnis zum Quadrat der
Harnkonzentration und im umgekehrten Verhältnis zur Quadratwurzel
der Konzentration des Harnstoffes im Urin; dieses sagt die Formel:
U U?
(DYK Ypyo
Unter Berücksichtigung der Schwere des Kranken (z. B. 70 Kilo)
und einer typischen Harnkonzentration z. B. (25°, ,) kommt Ambard zu
U
— -= K.
folgender definitiven de”: 70 Je- Die Un-
= K (Konstante).
Ee Gewicht T 95
tersuchung dieser Ambardschen Konstante, die normal 0,06— 0,07
beträgt, haben die Autoren an 20 Patienten mit 27 Untersuchungen
angewandt. Ist das Nierenfilter affıziert, so steigt die Konstante im
Verhältnis zur Läsion. Technik: ganz leere Blase; Auffangen des Harns
mit Katheter 30 Minuten; Punktion einer Vene mit kurzer starker
Platinnadel und Auffangen von 40—50 cem Blut; Entfernung des Blut-
kuchens durch Gerinnung und Zentrifuge. Dosierung des Harnstoffes
durch Natriumhypobromit im albumenbefreiten und geklärten Serum
und im Harn; lezterer Wert auf 24 Stunden berechnet. Da das Ge-
wicht bekanat, sind alle Elemente zur Berechnung der Konstante vor-
handen. Kranke mit Prostatahypertrophie, Prostatakarzinom, Nieren-
tuberkulose und Pyelonephritis wurden geprüft. Kranke mit zu hoher
Konstante müssen erst von ihrer Harnstoffretention befreit werden (am
besten durch Cystostomie ohne allgemeine Narkose), bevor weitere Ein-
griffe vorgenommen werden. Die geheilten Kranken kehren zur nor-
malen Konstanten zurück. Mankiewicz- Berlin.
Ill. Notiz.
Berlin. Der bekannte und geschätzte Urologe Oskar Pielike ist einem sep-
tischen Scharlach erlegen. Die wissenschaftlichen Verdienste des allzufrüh
dahingeschiedenen Kollegen, seine vielseitige Tätigkeit, sowie seine liebens-
würdigen Charaktereigenschaften schilderte in warmempfundenen Worten
in der letzten Sıtzung der Berliner Urologischen Gesellschaft am 15. April
der Vorsitzende Prof. Dr. Casper. H. L.
Zur Kasuistik und operativen Behandlung
überzähliger aberranter Ureteren.
Von
Dr. Joh. Hartmann,
Frauenarzt in Leipzig.
Im Auszug vorgetragen in der mediz. Gesellschaft zu Leipzig am 17. I. 1913.
Die Fälle von Entwicklungsanomalien im Bereich des Uro-
genitaltraktus gehören nicht zu den Seltenheiten und jeder opera-
tiv urologisch-gynäkologisch tätige Arzt kennt aus seiner persön-
lichen Erfahrung eine ganze Reihe derartiger Bildungsfehler. Immer-
hin gehören gerade diese Fälle zu den Krankheitsbildern, die ein
ganz besonderes Interesse des Arztes erwecken, einerseits wegen der
Seltenheit, die einzelnen dieser Krankheitsbilder zukommt, ferner
wegen des Interesses, das sie in klinischer und operativ technischer
Hinsicht bieten und drittens, weil es einen gewissen Reiz hat, am
Lebenden die anatomischen Verhältnisse, so weit es irgend möglich
ist, durch exakte Untersuchungsmethoden zu klären.‘
Wegen seiner Seltenheit halte ich die Veröffentlichung des
nachfolgenden Falles für gerechtfertigt.
Im Mai 1912 wurde mir eine Patientin zugeschickt, die wegen
der Unmöglichkeit, den Urin zu halten, schon seit vielen Jahren
in der verschiedensten ärztlichen Behandlung gewesen ist. Es han-
delt sich um eine 33 jährige sehr kräftige und, abgesehen von einer
früher überstandenen luetischen Infektion, vollkommen gesunde Pa-
tientin, die einmal geboren hat; das Kind ist gestorben. Bei der
Geburt trat ein Dammriß auf, der schlecht geheilt ist; von da aus-
gehend hat die Patientin einen Descensus vaginae, derselbe hat aber
zu den jetzigen Blasen- und Harnbeschwerden keine Beziehungen.
Bei näherem Befragen in bezug auf ihr Blasenleiden gibt die Pa-
tientin nun an, sie sei schon seit vielen Jahren unfähig, den Urin
zu halten, eine Störung die, soviel sie sich entsinnen kann, schon im
Zeitschrift für Urologie. 1913. 29
430 Joh. Hartmann.
6. Lebensjahr aufgetreten ist. Sie liege dauernd naß, sie sei aber trotz-
dem nebenher imstande, ganz normal Urin zu entleeren. Wegemdieser
Störung der Blasenfunktion sei sie im Laufe der Jahre von allen
möglicher Ärzten mit allen möglichen nur erdenklichen Mitteln
behandelt worden, immer unter der Diagnose „Sphinkterschwäche‘,
Mit dieser Diagnose kam mir die Patientin von vornherein entgegen
und als ich sie daraufhin eingehender befragte, schilderte sie ihren
Zustand so, daß sie, wie oben gesagt, dauernd naß liege, daß aber
bei Hustenstößen, beim Pressen, beim Stuhlgang unwillkürlich Urin
abgehe, ein Zustand, der: sie naturgemäß sehr quält und der sie auch
sozial sehr gehindert hat. Die Angaben der Patientin, daß sie da-
neben noch willkürlich Urin lassen könne und daß sie sich sonst
vollkommen wohl und gesund fühle, ergaben sich durch den
Augenschein.
Die Patientin ist eine blühend aussehende, kräftige und trotz
ihres jahrelangen quälenden Leidens psychisch vollkommen intakte,
durchaus nicht neurasthenische Frau. Nach der Anamnese han-
delt es sich also mit Wahrscheinlichkeit entweder in der Tat um
eine Sphinkterschwäche oder um eine irgendwie geartete Fistel,
deren Entstehungsweise zunächst allerdings noch nicht klar war,
da ja anamnestisch außer dem Dammriß und der luetischen
Infektion keinerlei Ursache für diese Fistel aufzufinden war.
Immerhin erschien eine Sphinkterschwäche von vornherein gerade
nicht sehr wahrscheinlich, weil ja dann die willkürliche Urin-
entleerung in vollkommen normaler Weise nicht gut geklärt ge-
wesen wäre.
Wertheim sagt bei der Demonstration eines gleichen Falles
wie des meinen, es möchte ein Zufall gewesen sein, daß er auf den
ersten Blick auf die Genitalien der Patientin aus einer feinen Öff-
nung unterhalb des Orificium externum urethrae ein kleines Tröpf-
chen Flüssigkeit austreten sah. Genau so ging es mir. Der erste
Blick auf die Genitalien der Patientin belehrte mich darüber, daß
eine Sphinkterschwäche nicht vorliegen konnte, jedenfalls konnte
eine Sphinkterschwäche nicht die einzige Ursache für die Inkonti-
nenz sein. Beim Husten trat einmal aus einer haarfeinen Spaltöff-
nung direkt unterhalb des Orificium ext. urethrae ein wasserhelles
Tröpfchen Flüssigkeit aus, eine Erscheinung, die sich beliebig oft
wiederholen ließ. Dieses wasserhelle klare Tröpfchen kam aus einem
ganz feinen Schlitz. Ich versuchte zu sondieren und kam mit einer
ganz feinen Sonde etwa 5 cm in die Tiefe, dann stieß die Sonde auf
Zor Kasuistik und operativen Behandlung überzähliger aberranter Ureteren. 431
Widerstand und auch die Einführung eines dünnen Urethrakathe-
ters (Charriere Nr. 4) gelang nicht, er war zu dick und machte zu
viel Schmerzen. Bei starkem Husten und Pressen beobachtete ich
nun die Harnröhre und dabei kam aus derselben nicht eine Spur
ron Urin heraus. Damit war also von vornherein eine Sphinkter-
schwäche ausgeschlossen. Es schien sich also nach der bisherigen
Untersuchung um eine abnorme Kommunikation zwischen Blase und
Fistelöffnung zu handeln. Ich füllte die Blase mit Wasser, um zu
zystoskopieren. Die Blase erwies sich als dicht, doch kam beim
Pressen wie vorher ein Tröpfchen Urin aus der Fistel heraus. Zysto-
skopisch fand ich die Gegend des Trigonum hochrot injiziert; ich
sah zwei anscheinend normale Ureteren und in der Mitte zwischen
beiden eine tiefe, mit hochroter Schleimhaut versehene, divertikel-
artige Ausbuchtung, die ich mit dem Fistelgang in Verbindung
brachte und deren Entstehung ich mir zwar entwicklungsgeschicht-
lich noch nicht erklären konnte, da sie ja außerhalb des Sphincter
urethrae vorbeilaufen mußte, die ich aber doch gegenüber einem
überzähligen Ureter für wahrscheinlicher hielt, weil ich nur will-
kürlich, nie unwillkürlich oder in rhythmischen Intervallen aus der
Fistelöffnung Urin austreten sah. Wenngleich ich mir darüber klar
war, daß die Diagnose noch nicht vollständig sei, schlug ich doch
der Patientin einen operativen Eingriff vor, da ja die Beseitigung
des jahrelang bestehenden Leidens nur auf operativem Wege zu
erhoffen war und da ich andererseits das immerhin schmerzhafte
Manipulieren an der feinen Fistelöffnung zur Einbringung gefärbter
Flüssigkeit in den Fistelgang und von da in die Blase in Narkose
vornehmen wollte, um der Patientin unnötige Schmerzen zu ersparen.
Ich hatte vor, den vermuteten Fistelgang von der vestibularen Öff-
nung aus mit konzentrierter Methylenblaulösung anzufüllen, um
an diesem blauen Strange einen guten Wegweiser zur Auffindung
des feinen Kanals, den ich vermutete, zu haben. Ich spritzte also
in Narkose eine Methylenblaulösung in die Fistel ein und die erste
Spritze von 10 ccm Inhalt ging glatt hinein. Der mit dem Katheter
entleerte Blasenurin war aber nicht blau. Als ich daraufhin eine
zweite Spritze von 10 ccm in die Fistel einbringen wollte, wurde mir
die ganze blaue Flüssigkeit unter verhältnismäßig großer Gewalt
wieder herausgeschleudert. Die Blasenflüssigkeit war immer noch
nicht blau. Wenn man nun nicht die ganz unwahrscheinliche Er-
klärung annehmen wollte, daß ein klappenartiger Verschluß das
Durchtreten von Flüssigkeit aus der Blase nach der vestibularen
29*
432 Joh. Hartmann.
Fistel gestattete, während auf umgekehrtem Wege ein Einbringen
von Flüssigkeit in die Blase nicht möglich sei, mußte man zu dem
Schluß kommen, daß vor allem mit Rücksicht auf die verhältnismäßig
beträchtliche Kraft, mit der die eingespritzte Flüssigkeit gewisser-
maßen peristaltisch wieder herausgespritzt wurde, die Diagnose auf
einen aberranten überzähligen Ureter zu stellen sei, um so mehr,
als bei diesen Versuchen, Flüssigkeit einzubringen, sich eine in der
vorderen Scheidewand gelegene Geschwulst gebildet hatte, die nun
als das dilatierte Ende eben eines überzähligen aberranten Ureters
angesprochen werden mußte. Mit dieser Feststellung war natür-
lich auch die Therapie gegeben. Durch vorderen Scheidenlängs-
schnitt legte ich den Ureter mit samt dem dilatierten Stück frei, er-
öffnete den Sack, der ziemlich dickwandig war und stellte durch
Sondierung fest, daß der überzählige Ureter zur rechten Niere ge-
hörte. Das dilatierte Stück wurde reseziert, der Ureter auf etwa
Di cm Länge freigemacht und nach der Methode von Franz per
vaginam in die Blase implantiert, was sich leicht und ohne Span-
nung bewerkstelligen ließ. Ein probatorisches Füllen der Blase er-
wies diese als dicht. Katgutknopfnaht der Scheide, Pferdefußkatheter
in die Blase. Ich war im Zweifel, ob ich drainieren sollte, schliel-
lich habe ich es mit Rücksicht darauf unterlassen, daß mir eine Drai-
nage an der Implantationsstelle nicht gleichgültig erschien. Ich ver-
nähte also die Scheide und darauf war es auch zurückzuführen,
daß die Patientin die ersten Tage etwas fieberte. Es bildete sich in
der vorderen Scheidenwand ein kleines Exsudat. Nach Lösung einer
Katgutligatur in der.vorderen Scheidewand entleerte sich dieses und
von diesem Moment an war die Patientin fieberfrei. Sie liegt von
der Operation an vollkommen trocken und ihre Nierenfunktion ist
jetzt, zirka 3/, Jahr nach der Operation, tadellos in Ordnung.
Zystoskopisch ist jetzt an der Blase nicht viel zu sehen. Die
beiden normalen Ureter haben keine Beziehung zur Implantations-
stelle. Der implantierte Ureter bietet nicht ganz das typische Bild
mit der bekannten knöpfchenartigen Hervorragung, sondern er ist
ein klein wenig in die Breite gezogen von rechts nach links. Sondiert
habe ich den implantierten Ureter noch nicht, nicht etwa, weil ich
fürchtete, er könnte aus der implantierten Stelle herausrutschen,
sondern weil man seine Aktion auch so sehen kann und weil ich
die Sondierung bei einem Ureter mit auch noch so geringer Lon.
stauung nicht für einen ganz gleichgültigen Eingriff-halte. So unge-
fährlich und irrelevant bei einem Ureter mit normaler Funktion
Zur Kasuistik und operativen Behandlung überzähliger aberranter Ureteren. 433
ein Katheterismus ist, so schwerwiegend kann doch das Einbringen
auch nur weniger bakterieller Keime in einen Ureter, in dem auch
nur eine mäßige Stauung vorhanden ist, für den Patienten werden,
Verhältnisse, auf die ich in einer früheren Arbeit (Zur Diagnose
und Therapie der Pyelitis, Praktische Ergebnisse der Geburtshilfe
und Gynäkologie, II. Jahrgang und Über Nierenbeckenspülungen,
Zeitschr. für gynäkologische Urologie, Bd. 2, S. 171), nachdrücklich
hingewiesen habe. Es hätte die Sondierung des Ureters ja auch nur
dann Zweck, wenn ich feststellen wollte, ob die Weigertsche
Regel, daß nämlich der untere, also in der Vulva ausmündende über-
zählige Ureter zum oberen Abschnitt der Niere gehört, während
der an normaler Stelle, also oben in die Blase mündende obere Ureter
zum unteren Abschnitt der Niere gehöre, auch in meinem Falle zu-
träfe. Das ließe sich ja leicht mit einem röntgen-undurchlässigen Voll-
und mit einem ebensolchen Zebrakatheter radiologisch feststellen.
So interessant diese Feststellung auch ist, für die Patientin kommt
dabei nichts heraus und deshalb habe ich, wenn auch die Gefahr nur
sehr gering ist, doch im Interesse der Patientin darauf verzichtet.
Wenn wir uns nun nach gleichen oder ähnlichen Fällen in der
Literatur umsehen, so finden wir nur wenige Fälle von abnormer
Ausmündung eines überzähligen Ureters. Für die Therapie dieser
Entwicklungsstörung muß man aber auch noch die Fälle mit zur
Diskussion stellen, bei denen es sich um die abnorme Ausmündung
nicht eines überzähligen, sondern eines vollwertigen Ureters gehan-
delt hat, weil sowohl das klinische Krankheitsbild, als auch die
operative Behandlung die gleiche ist, wie bei den Fällen aberranter
überzähliger Ureteren.
Überzählige Ureteren sind ja verhältnismäßig häufig; jeder der
viel zystoskopiert, sieht hin und wieder einen solchen. Da diese
aber bei normaler Einmündung in die Blase keine klinischen Sym-
ptome machen, wenn es sich nicht gerade um die blind in der Schleim-
haut der Blase mündenden bekannten Formen handelt, werden sie,
wie gesagt, nur ganz zufällig entdeckt, sei es bei Autopsien, sei es
bei zystoskopischen Untersuchungen, wo sie dann der Häufigkeit
wegen und wegen des Mangels klinischer Symptome nicht der Publi-
kation für wert gehalten werden. Anders wird es, sobald es sich um
überzählige aberrante Ureteren handelt, doch sind die Fälle recht
spärlich und es sei deshalb gestattet, diese kurz anzuführen.
434 Joh. Hartmann.
1. Josso, Gazette med. de Nantes 1884. (Zitiert nach Schwarz.) ? 3 Wo.
chen. Ausmündung eines erweiterten überzähligen Ureters ganz nahe dem
Orificium urethrae externum. Rechte Niere geteilt, hat zwei Ureteren. Der
obere mündet am Orificum urethrae ext., dilatiert, geschlängelt, der untere nor-
male mündet an normaler Stelle. Also Kreuzung der beiden Ureteren.
Exitus, keine Operation.
2. Kolisko, Wiener klin. Wochenschr. 1889, Nr. 49. ? 21 Jahr. Der
Fall gehört nur rein anatomisch betrachtet in diese Kategorie. Klinisch bestand
während des Lebens keine Inkotinenz. Exitus an anderer, nicht mit der Mm.
bildung zusammenhängender Ursache. Niere mit zwei Ureteren, der zum unteren
Nierenabschnitt gehörige normale mündet ebenso an normaler Stelle in die
Blase wie der normale linke. Vom oberen rechten Nierendrittel entsprang ein
sehr erweiterter Ureter, der mit dem normalen rechten an normaler Stelle in
die Blasenwand eintrat, dann aber in der Blasenwand als dünnwandige, ins
Blasenlumen vorspringende Cyste verlief, um sich in der Harnröhre zu Öffnen.
Dadurch war auch anscheinend die Kontinenz bedingt.
3. Der nächste Fall, der von Erlach, Wiener med. Wochenschrift 1889, 8.
617, hat viel Ähnlichkeit mit dem vorhergehenden, nur fehlt hier die Kreuzung
zwischen oberem und unterem Ureter. Auch hier zufälliger Sektionsbefund, da
während des Lebens Kontinenz bestand. Rechte Niere mit zwei Becken und
zwei Ureteren, der obere an normaler Stelle mündend, der untere unterhalb des
Sphincter vesicae direkt in die Harnröhre mündend, säckchenförmig erweitert.
Linke Seite in Ordnung.
4. Baumm, Ein Fall von drei Harnleitern, Archiv f. Gyn. Bd. 42, S. 329.
Ọ 18 Jahr, seit frühester Jugend inkontinent, doch nebenbei noch Urio-
entleerung möglich. Links neben der Urethralmündung ein 3 cm langer blind
endigender Gang; rechts überzähliger Ureter an der korrespondierenden Stelle
ausmündend. Diagnose, daß die beiden rechten Ureteren nichts miteinander
zu tun hatten, wurde durch provisorischen Verschluß der Fistel gestellt. Darauf-
hin Sectio alta. Herstellung einer Kommunikation zwischen Blase und über-
zähligem Ureter. Heilung nach Fieber.
6. Tauffer hat im Archiv f. Gyn. 1894, Bd. 46, S. 531, in seiner Arbeit:
„Beiträge zur Chirargie und der Nieren“ einen Fall eines 14jähr. Mädchens
veröffentlicht, bei der ein überzähliger linker Ureter nicht wie gewöhnlich in
diesen Fällen in die Vulva ausmündete, sondern in das obere Drittel der weiten
Urethra. Er operierte transvesikal, indem er nach Sectio alta auf eine in den
überzähligen Ureter eingeführte Kopfsonde einschnitt und damit eine Kommu-
nikation zwischen Blase und dem überzähligen Ureter schuf, ein Verfahren, das
zu reaktionsloser Heilung führte.
6. Alsberg berichtet in der Diskussion zu dem Wölflerschen Fall, der
weiter unten besprochen werden soll, über eine 18jähr. Patientin, die er wegen
einer mit einer Fistel versehenen Blase in der vorderen Scheidewand, aus der
klare Flüssigkeit heraussickerte, in der keine Harnbestandteile nachgewiesen
werden konnten, operiert hatte und zwar mit Exstirpation der Fistel. Die
Patientin erlag einer Pyämie und die Sektion deckte beiderseits einen doppelten
Harnleiter auf, von denen der eine abnorm mündete.
7. Olshausen, Zeitschr. f. Geb. und Gyn. 1899, Bd. 41, S. 423. Beitrag
zur Verirrung der Ureteren und ihre Behandlung, berichtet über die abnorme
TEE
Zur Kasuistik und operativen Behandlung überzähliger aberranter Ureteren. 435
Mündung eines rechten überzähligen Ureters bei einem 16 jähr. Mädchen. Die
klinischen Symptome bestanden im wesentlichen in einer Inkontinenz, sowie
einer abnormen Spaltôffnung in der Nähe des Orificum externum urethrae.
Beim Pressen kam Urin aus dem Spalt und aus der Urethra. Er brachte die
Inkontinenz zur Heilung, indem er durch eine erste Operation den überzähligen
Ureter in die Harnröhre einnähte, worauf Fieber und Schmerzen in der rechten
Seite auftraten. In einer zweiten Sitzung nähte er deshalb den überzähligen
Ureter in die Blase ein, eine Operation, die anscheinend zum Ziel führte, aller-
dings unter Etablierung einer Fistel, die dann durch drei weitere Fistelopera-
tionen definitiver Heilung, die Patientin damit der Kontinenz zugeführt wurde.
(Der andere Olshausensche Fall folgt weiter unten.)
8. Benckiser, Zeitschr. für Geb. und Gyn. 1899, Bd. 41, S. 418. Über
abnorm ausmündende Ureteren und deren chirurgische Behandlung, teilt einen
Fall eines überzähligen linken Ureters mit, den er bei einer 28jähr. Frau, die
dreimal geboren hatte, die von früh auf den Urin nicht gut halten konnte und
bei der die Inkontinenz sich seit den Geburten verschlimmert hatte, operiert
hat mit vollem Erfolg. Er stellte zunächst auf vaginalem Wege eine Kommuni-
kation zwischen Ampulle des überzähligen Ureters und der Blase her und ver-
schloß die dabei entstandene Fistel in einer zweiten Sitzung.
9. Wertheim, Zeitschr. f. Geb. und Gyn. 1901, Bd. 45, S. 298. Zur
Klinik der überzähligen Ureteren beim Weibe beobachtete bei einer 18 jähr.
Virgo einen überzähligen Ureter. Typische Inkontinenz; der Ureter war an
seinem unteren Ende spindelförmig ausgeweitet. Wertheim machte erst einen
vergeblichen Versuch, eine Kommunikation zwischen Ampulle und Blase her-
zustellen. Erst die vaginale Ureterimplantation führte zum Ziel.
10. Hohmeier, Zeitschr. f. Geb. und Gyn. 1904, Band 561, S. 587. Über
einen vaginal ausmündenden überzähligen Ureter und dessen operative Behand-
lung, berichtet über einen Fall von rechtem, überzähligem Ureter bei einem
l5jähr. Mädchen, den Poten operiert hat. Typische Inkontinenz. ®/,cm ober-
halb der normalen Harnröhrendöflnung fand sich ein Spalt, aus dem Urin aus-
gepre£t wird. Cystoskopisch fanden sich zwei normale Ureterostien, so daß es
sich mit Sicherheit um einen überzähligen Ureter gehandelt hat. Die rechte
Niere ist röntgenologisch stark vergrößert, der überzählige Ureter zeigt keine
Erweiterung. Vaginale Ureterimplantation mit Ausgang in Heilung.
11. Josephson, Zentralbl. f. Gen. 1909, Nr. 24, S. 836. Ein Fall von
Ausmündung eines überzähligen Ureters in die Vulva, durch Nierensekretion
gebeilt, stellte bei einem 8jähr. Mädchen einen überzähligen, in die Vulva ein-
mündenden Ureter fest, wartete 10 Jahre und heilte dann, gestützt auf eine sehr
exakte und eingehende Diagnose ante operationem, das Leiden durch Resektion
des zum überzähligen aberranten Ureters gehörigen Nierenteils.
12. Christofoletti, Wiener klin. Wochenschr. 1910, Nr. 43. Beitrag
zur Klinik der überzähligen abnorm mündenden Ureteren u. Zentralbl. f. Gyn.
1911, Nr. 8, S. 310, behandelte ein 15jähr. Mädchen wegen der typischen
Iukontinenz; es fand sich ein fingerdicker cystischer Tumor in der vorderen
Scheidenwand. Heilung durch abdominale Ureterimplantation, nachdem ein
Versuch der vaginalen Implantation mißglückt war.
13. Küttner berichtet in der Breslauer chir. Ges. am 18. XII. 1909, ref,
Zentralbl. f. Chir. 1910, Nr. 6, S. 198 über einen vestibularen überzähligen
436 Joh. Hartmann.
Ureter, der unterhalb der Urethralmündung ausmündete. Alle drei Ureteren,
der überzählige ist stark erweitert und geschlängelt, wurden röntgenologisch
dargestellt. Abdominale Implantation, Heilung.
Bei Müller, Diagnostische Verwertung der Chromocystoskopie beim
Weibe; Arch. f. Gyn., Bd. 95, 1912, S. 687 ff. finde ich ferner folgende 2 Fälle,
14. Madelung, Beiders. Verdoppelung (Doppelbildung) der Harnleiter,
Ausmündung des einen überzähligen Ureters der einen Seite in das Vestibulum
vaginae. 14 Ọ von {Geburt an dauernd inkontinent, daneben aber normale
Urinentleerang. Rechts doppelter Ureter in die Blase mündend, links normaler
Ureter in die Blase und Ausmündung des linken überzähligen in die Scheide.
15. Stolz (1909) Verdoppelung des Harnleitere und des Nierenbeckens
der einen Seite. Ausmündung des überzähligen Ureters in die Harnröhre. Kon-
sekutive Pyonephrose des entsprechenden Nierenabschnittes.. 8 d Im Anschluß
an einen Fall auf den Rücken bildete sich bei dem Kinde ein Tumor in der
linken Nierengegend, der auf Druck Eiter aus der Harnröhre entleerte. Der
Katheterurin war klar. Chromocystoskopie: Rechterseits eine Ureterenmündung
mit promptem, intensivem Blaustrom. Anfang der Blauelimination 11 Minuten
nach der Injektion. Auch links eine Ureterenmündung. Sie zeigt anfangs
deutliche Kontraktionen mit farblosem Harnwirbel. Plötzlich kommt ein dent,
lich blaugefärbter, ganz kurzer, kraftloser Harnstrabl. Es wiederholt sich dieses
Spiel von frustranen Kontraktionen und blaugefärbtem Harnwirbel.
Dieses verlangsamte Tempo der Ejukalationen links im Verein mit der
geringen Propulsionskraft des Blauwirbels läßt auf ein Hindernis (Ureterkom-
pression) im Urinabfluß schließen. Die gestellte Diagnose: Doppeltes Nieren-
becken links, deren eines vereitert und mit seinem Ureter in die Haroröhre
ausmündet, wurde bei der vorgenommenen Nephrektomie bestätigt. Das obere
Nierenbecken war vereitert, sein Ureter, der gut kleinfingerdick war, bis in
das kleine Becken verfolgt und exstirpiert. Patientin geheilt entlassen.
Das sind die sicher überzählige aberrante Ureter darstellenden
Fälle. Im folgenden sollen nun diejenigen Fälle kurz aufgezählt
werden, bei denen es aus den mir vorliegenden Notizen nicht zu
ersehen ist, ob es sich um aberrante überzählige oder vollwertige
Ureteren gehandelt hat, eine Feststellung, die bei den älteren Fällen
schon wegen des Fehlens der Zystoskopie und Röntgenuntersuchung
dann unmöglich war, wenn die Patientinnen am Leben blieben und
ferner führe ich noch die für die Operation konform gelagerten
Fälle der abnorm mündenden vollwertigen Ureteren an, wobei ich
jedoch betonen will, daß meine Zusammenstellung nicht auf absolute
Vollständigkeit Anspruch erheben kann, da der eine oder andere
Fall mir wohl entgangen sein könnte, besonders in der ausländischen
Literatur.
Der erste unsichere Fall ist der Fall Schrader. Mündung des Harnleiters
in die Vagina bei Hoffmann, Archiv f. Heilkunde, 1872.
Baker, W. H., berichtet über zwei Fälle (Boston med. and Surg. Jour.
1878. Dezember. Ref. Zentralbl. f. Gyn. 1879, Nr. 11).
Zur Kasuistik und operativen Behandlung überzähliger aberranter Ureteren. 437
Der eine 1870 beobachtete Fall betrifft einen vaginal ausmündenden linken
Ureter bei einem 15 Jahre alten Mädchen, bei dem weder die Frage, ob es
ein überzähliger oder vollwertiger Ureter sei, entschieden werden konnte, noch
ein Versuch zur operativen Beseitigung unternommen wurde. Die klinischen
Erscheinungen waren typisch.
Auch im zweiten Falle Bakers bleibt die Frage offen, ob überzähliger,
ob vollwertiger Ureter.
Baker selbst nennt seinen Fall einfach einen abnorm mündenden Ureter.
Es handelte sich um eine 21jähr. Frau, Jie seit frühester Jugend inkontinent
war. Durch vaginale Implantation wurde Heilung erzielt; ein sich an die
Operation anschließender Blasenstein wurde entfernt, worauf sich definitiv
Heilung einstellte.
Der nächste Fall stammt von Albarran, der in seiner operativen Chirurgie
der Harnwege 1910, S. 527, über ein junges Mädchen mit abnorm mündenden
Ureter berichtet, bei dem er erst transvesikal ohne Erfolg operiert hat; eine
vaginale Operation führte zur Heilung. _
Auch bei dem Falle Wölfler-Schwarz, Chirurgen-Kongreß 1895, Zen-
tralblatt für Chir. 1895, Beilage S. 118. (Über abnorme Ausmündung der
Ureteren) und Schwarz (Brunssche Beiträge Bd. XV, 1895, S. 159. Über
abnorme Ausmündungen der Ureteren und deren chirurgische Behandlung), der
ein 12jäbr. Mädchen betrifit, läßt sich nicht mit Sicherheit die Frage, ob über-
zähliger Ureter oder nicht, entscheiden. Es handelte sich bei ganz typischer
Anamnese und klinischem Bilde um einen in seinem distalen Ende blasenförmig
erweiterten Ureter, der dadurch behandelt wurde, daß mit Hilfe einer nach
Art der Dupuytrenschen Darmklemme gebauten Quetschzange das Septum
zwischen Blase und Ampulle des abnorm mündenden Ureters durchgequetscht
wurde, so daß eine breite Kommunikation zwischen Ureterampulle und Blase
entstand. Zu diesem operativen Vorgehen hatte aber, auch im Interesse der
Diagnose, die Harnröhre so dilatiert werden müssen, daß eine Insuffizienz der
Harnröhre zurückblieb, die zur Drehung der Harnröhre nach Gersnny Ver-
anlassung gab, worauf dann ein leidliches Resultat zustande kam.
Es folgt der Fall Colzi, Esperimentale anno XLIX, 1895, Sez. Biol. Fasec. I.
Bei einem jungen Mädchen mündete der linke Ureter unterhalb der Harnröhren-
öffnung aus. Colzi implantierte auf sabpubischem Wege den Ureter in die
Blase, nachdem er den unteren Teil der Symphyse abgemeißelt hatte. Eine
sehr eingreifende Methode, die aber zur Heilung mit vollkommener Kontinenz
geführt hat.
Weiter folgt der Fall von Bois, Bulletins et mémoires de la société de
chir. de Paris, S. 371. 1893. Bei einer inkontinenten jungen Frau mündete
ein Harnleiter am linken Rande des Ost. urethrae externum. Bois stellte zu-
nächst eine Kommunikation zwischen Ureter und Blase her, indem er vom
Ureter aus eine Inzision machte und die Öffnung durch Sondierung offenbielt.
Infolge eingetretener Schwangerschaft kam er nicht zur Schließung der Fistel.
Unoperiert geblieben ist ein Fall von Soller, Lyon med. 1882, der bei
einem 18jähr. typisch inkontinenten Mädchen einen Harnleiter unterhalb und
rechts vom Ostium urethrae externum ausmünden sah.
Der Fall von Byfort, den ich nach Schwarz zitiere, ist operiert und
geheilt worden. Es handelt sich um die abnorme Einmündung eines Harnleiters
438 Joh. Hartmann.
in die Scheide. Wie und nach welcher Methode er operiert wurde, kann ich
nicht sagen, da mir das Original nicht zugänglich ist.
Emmet (Practique des maladies des femmes 1887) hat seine 80 jähr.
Patientin mit Mündung eines Harnleiters in den oberen Teil der Scheide, bei
der er einen Kanal in der Scheide operativ gebildet hatte, durch eine inter-
kurrente Pneumonie verloren. Der Erfolg war aber sicher noch nicht der
gewünschte, Pat. war noch nicht kontinent.
Schließlich ist noch zu erwähnen der Fall Davenport (Anomalousiy
located ureter; operation; cure Transactions of the American Gyn. Society in
Amer. journ. of Obstetr. Bd. 23, S. 1122. Bei einer 29jähr. Patientin mün-
dete ein Ureter in die Scheide. D. implantierte ihn auf vaginalem Wege und
erzielte durch eine Fisteloperation Heilung. Bemerkenswert ist die Auftreibung
der vorderen Vaginalwand.
Zuletzt kommt ein Fall von Sänger, den Benckiser (l. c.) zitiert. Bei
einer, von Jugend an Harnträufeln leidenden Patientin, handelte es sich um
einen abnorm mündenden Ureter, von dem nicht eruiert wurde, ob es ein über-
zähliger oder vollwertiger war. Zweimalige Operation zum Verschluß der Fistel
führte nicht zum Ziele, |
` Es folgen nun die Fälle, die abnorm ausmündende vollwertige
Ureteren darstellen.
Bousquet (zitiert nach Schwarz) fand bei einem bald nach der Geburt
gestorbenen Mädchen außer Tiefstand der rechten Niere und Feblen der Blase
die Ausmündung der beiden Ureteren zwischen den Schamlippen.
Thilow, zitiert nach Schwarz, Bruns Beitr. 15.
I. Alte Frau, die beständig an unwillkürlichem Harnabgang gelitten hatte.
Der r. Harnleiter (Sektionsbefund) zog an der Blase vorbei und öffnete sich
in die Harnröbre.
II. Der zweite Fall stellt eine ganz abnorme Mißbildung dar, gleichfalls
einen Sektionsbefund bei einem Fall, der im Leben keinen unwillkürlichen
Harnabgang gezeigt hatte. 47 jähr. Frau, die seit 7 Jahren kränklich gewesen
war, und vorzüglich an krampfartigen Anfällen gelitten hatte, öfters den Harn
nicht lassen kounte, immer zu wenig ausleerte und nur durch Erbrechen eine
Menge übelriechender, wässeriger Flüssigkeit Linderung bekam. Es fand sich
gar keine Harnblase, sondern beide dilatierte Ureteren mündeten in die Urethra.
Es folgt der Fall von Maxon, Medical News 1896, pag. 325 ff. Ref. Zen-
tralblatt für die Krankheiten der Harn- u. Sexualorgane 1896, Bd. 7, S. 358,
in dem es sich um eine abnorme Ausmündung des linken Ureters in die Urethra
handelte bei einer 22jähr. Patientin. Die Diagnose der Ursache eines dauern-
den Harnträufelns wurde durch endoskopische Untersuchung gestellt, das Leiden
wurde durch Implantation des Ureters in die Blase geheilt, wobei ich nicht
angeben kann, welche Methode, ob vaginale oder abdominale zur Anwendung
kam. Jedenfalls erfolgte Heilung.
Ein weiterer Fall ist von Olshausen I. c. sub. Nr. 7 publiziert. Es
handelte sich bei einer 10 jähr., seit der Geburt inkontinenten Patientin um
die abnorme Mündung des rechten Ureters, der mit einer ziemlich weiten
Öffnung rechts vom Hymen mündete. Cystoskopisch wurde das Fehlen der
rechten Uretermündung festgestellt. Keine Operation.
Zur Kasuistik und operativen Behandlung überzähliger aberranter Ureteren. 439
Der nächste Fall stammt von Westhoff (Zentralbl. f. Gyn. 1908, Nr. 9,
S. 285). Ein 7jähr. Mädchen mit typischer Anamnese hat unterhalb der
Harnröhrenöffnung eine feine Öffnung, aus der sich in rhythmischen Intervallen
Urin entleerte. Das Fehlen der linken Uretermündung wurde cystoskopisch
festgestellt. Abdominale Implantation nach Witzelscher Methode. Heilung,
voller Erfolg.
Massari, Eine seltene Anomalie der weiblichen Harn- und Geschlechts-
organe. Wiener med. Wochenschrift 1879, 8.879, berichtet über ein 4 jähr.
Mädchen mit Atresia ani vaginalis und Ausmündung des linken Ureters in den
Scheidenvorhof. Typische Anamnese. Er operierte die Rectovaginalfistel, wor-
auf Exitus letalis erfolgte. Die Sektion ergab eine Hufeisenniere mit nor-
malem rechten Ureter, während der linke an der Blase vorbeiging und im
Vestibulum ausmündete.
Den interessanten Fall von blind endigendem überzähligen Ureter, den
Orthmann (Zur Kasuistik der überzähligen Harnleiter, Zentralbl. f. Gyn. 1893,
Nr, 7, S. 136) beobachtet und veröffentlicht hat, muß ich hier wenigstens
erwähnen, da die Operation, nämlich Abbindung des überzähligen Ureters zum
Ziele geführt hat. Das erklärt sich durch den Befund. Es handelte sich näm-
lich um eine partielle Verdoppelung des linken Ureters mit blinder, cystischer
Endigung des überzähligen Endes in der vorderen Vaginalwand. Bei dieser
27 jähr. Patientin bestanden entsprechend dem anatomischen Befund Vorfall-
beschwerden, aber kein Harnträufeln.
Auf die Mißbildungen, bei denen überzählige, resp. abnorm mündende
Ureteren beschrieben wurden, z. B. von Palfyn, Depal, Tangl u.a. gehe ich
nicht ein, da sie mit unserem Thema in zu lockerem Zusammenhang stehen.
Man sieht also, die Ausbeute ist nicht sehr groß. Mit meinen
eirenem sind es 16 sichere Fälle von überzähligem aberrantem
Ureter, zu denen noch von den 12 unsicheren der eine oder andere
hinzukommen mag, so daß wir kaum fehlgehen werden, wenn wir
die Zahl der Fälle auf 20—25 schätzen. Die 7 Fälle von abnorm
ausmündenden vollwertigen Ureteren habe ich, wie erwähnt, nur
zur Besprechung der Operationen mit angeführt.
Wenn wir zunächst an der Hand der obigen Fälle das klinische
Krankheitsbild schildern wollen, so ergibt sich, daß dieses ein abso-
Jut typisches ist. In allen Krankengeschichten kehrt die Klage über
die Inkontinenz wieder zugleich mit der Angabe, daß die Patientin-
nen daneben in ganz normaler Weise Urin lassen können. Über
die Mengen, die auf normalem Wege entleert werden im Vergleich
zu dem auf unwillkürliche Weise entleertem Teile des Urins, werden
nur vereinzelte exakte Angaben gemacht und das ist ja deshalb nicht
weiter verwunderlich, weil das Auffangen der einzelnen Urinpor-
tionen ziemlich umständlich ist und weil dieses Mengenverhältnis
nur einen untergeordneten diagnostischen Wert besitzt. Auch ich
440 Joh. Hartmann.
kann für meinen Fall keine genauere Zahlen angeben, da ich diese
Feststellung als irrelevant beiseite gelassen habe. Auffallend er-
scheint nun, daß trotz der Ausmündung des aberranten Ureters
außerhalk der Blase doch in einzelnen Fällen keine Inkontinenz be-
standen hat. So erklärlich das im Falle Orthmann, bei dem die aber-
rante Ureterenöffnung verschlossen, nur blindsackartig vorgebuchtet
erschien, eine Erscheinung, die mit Sicherheit auf eine Gabelung
des Ureter, resp. eine Kommunikation der beiden Nierenbecken (cf.
die Delmassche Einteilung Annal. des maladies des organ. gen.-
urin. Bd. 28 I. 1910) hinweist, wodurch auch der Heilerfolg der
einfachen Unterbindung des überzähligen Ureters erklärlich wird,
so schwierig, ja unmöglich ist die Erklärung dieser Tatsache im
Falle Erlach sowie Kolisko. Im Falle Kolisko kann man die Kon-
tinenz damit zu erklären versuchen, daß die Einmündung des über-
zähligen Harnleiters direkt in die Urethra, nachdem der Harnleiter
in Gestalt einer zartwandigen ins Blasenlumen vorspringenden Zyste
ein Stück in der Blasenwand verlief, von einigen Sphinkterfasern um-
faßt wurde, aber für den Erlachschen Fall versagt auch diese Er-
klärungsmöglichkeit, da die Ausmündung des überzähligen Harn-
leiters in die Urethra als unterhalb des Sphinkter vesicae erfol-
send besonders betont wird. Für unseren Fall kommt ja nun dieser
Umstand nicht in Frage, denn der Unterschied, ob die Ausmündung
in die Urethra oder ins Vestibulum vaginae erfolgt, ist ja immerhin
sehr beträchtlich.
Was nun die Tatsache anlangt, daß so und so viele der Kranken
als Bettnässer behandelt worden sind, so nimmt das nicht wunder,
ebenso daß, wie in meinem Falle, eine Sphinkterschwäche von an-
derer Seite angenommen wurde. Es kann enorm schwer sein, die
feine Öffnung zu sehen; ich erinnere an den Fall Westhoff, wo
nur die „wiederholte und genaueste Lupeninspektion‘ zeigte, daß
unterhalb der Urethra ein winziges Tröpfchen sich bildete. Auch
in meinem Falle ist den verschiedensten Untersuchern die haar-
feine Fistelöffnung entgangen und doch ist nur dann, wenn man
sie aufgefunden hat, die Diagnose zu stellen möglich. Fast alle
Autoren betonen die „haarfeine Öffnung“ mit Ausnahme von Ols-
hausen, der in dem einen seiner Fälle eine ziemlich weite Öffnung
rechts vom Hymen fand. Diese ziemlich weite Öffnung erklärt sich
aber leicht durch den Umstand, daß es sich um einen vollwertigen
aberranten Ureter handelte.
Wenn auch naturgemäß infolge der feinen Öffnung eine Er-
Zur Kasuistik und operativen Behandlung überzähliger aberranter Ureteren. 441
schwerung des Harnabflusses im überzähligen Ureter vorhanden ist,
so findet sich doch eigentlich nur in den Fällen Josephson und
Stolz ein Hinweis darauf, daß es in dem gestauten Urin im über-
zähligen Ureter zu einer Infektion gekommen ist. Aus der Urinbe-
schaffenheit wird man im allgemeinen diagnostische Hinweise nicht
ableiten können. Differenzial-diagnostisch kommt eben nur gegen-
über der Sphinkterschwäche wesentlich in Betracht, daß bei dem
überzähligen aberranten Ureter die Absonderung des Urins in rhyth-
mischen Intervallen vor sich geht, während bei der Sphinkter-
schwäche ja ein Rhythmus in der Urinentleerung nicht zu bemer-
ken ist; jedoch diese diagnostische Unterscheidung setzt immer wie-
der die Auffindung der pathologischen Öffnung voraus und wenn
diese Auffindung erst geglückt ist, dann ist die Diagnose schon um
ein gutes Stück gefördert.
Die Differenzialdiagnose gegenüber einer fistulösen Verbindung
mit der Blase wird sich ja im allgemeinen leicht durch Einführen
gefärbter Flüssigkeit, Milch oder Methylenblaulösung in die Bla-
sen stellen lassen. Hat man eine solche fistulöse Verbindung ausge-
schlossen, dann könnte man versuchen, durch getrenntes Auffangen
der Urinquanten aus der Fistel und aus der Blase ein Bild darüber zu
bekommen, ob es sich um die pathologische Ausmündung eines
vollwertigen oder eines überzähligen Ureters handelt, aber wir wissen
ja, daB beträchtliche Differenzen in der Menge des ausgeschiedenen
Urins aus den Nieren statthaben können, so daß also damit ein bin-
dender Schluß nicht geliefert werden kann. Immerhin könnte diese
Methode in manchen Fällen doch eine gewisse Wertigkeit bean-
spruchen.
Was nun die Sondierung der Fistel von unten aus anlangt, so
glaube ich, daß diese nur in den allerseltensten Fällen zum Ziele
führen wird; selbst wenn man die feine Öffnung an der Ausmün-
dungsstelle des aberranten Ureters erweitert, so daß bequem eine
Sonde oder ein Ureterenkatheter hindurchgeht, wird entweder die
ampulläre Erweiterung des distalen Ureterendes ein weiteres Ein-
führen einer starren Sonde verhindern oder zum mindesten sehr
erschweren, ja es wird auch in vielen Fällen, wenn es sich um einen
solchen erweiterten Ureter handelt, die Einführung eines Ureteren-
katheters höher hinauf deshalb auf ‘Schwierigkeiten stoßen, weil
eine biegsame Bougie sich leicht in einer Falte der Schleimhaut
verfängt und umbiegt.
Viel wichtiger erscheint mir die zystoskopische Untersuchung,
449 Job. Hartmann.
die bei der fehlenden zystitischen Veränderung der Blase leicht und
ohne Beschwerden für die Patienten durchzuführen sein wird. Bei
beiderseits doppelten Ureteren, von denen auf der einen Seite beide
in die Blase, auf der anderen Seite einer in die Blase und der andere
beispielsweise ins Vestibulum vulvae ausmündet, wird die Diagnose
auf Grund dieses Untersuchungsbefundes, welcher Seite der über-
zählige Ureter angehört, nicht gerade schwer sein. Eine so große
Wichtigkeit aber, zu welcher Seite nun der überzählige Ureter hin-
läuft, wird man nur in sehr seltenen Fällen dieser Feststellung bei-
messen können. Gelingt die Einführung einer starren Sonde oder
eines Bougie nicht, dann stehen uns noch weitere sehr gute Hilfs-
mittel zur Diagnose zur Verfügung, nämlich die Untersuchung mit
Röntgenstrahlen unter Anwendung röntgenundurchlässiger Katheter,
sowie in der Pyelographie. Mit Hilfe dieser Untersuchungsmethode
kann man ja in besonders günstig gelagerten Fällen sicher auch vor
der Operation Aufschlüsse über Verlauf und Größe des patholo-
gischen Ureters bekommen, obgleich ich auch dieser Untersuchungs-
methode vor der Operation keine allzu groBe Wichtigkeit beilegen
möchte. Es handelt sich doch in der Tat nur darum, festzustellen,
daß der Urin aus einem aberranten Ureter herauskommt. Damit ist
nach dem heutigen Stande der Technik unter allen Umständen die
Indikation zur operativen Beseitigung des Leidens gegeben. So wün-
schenswert es für den einzuschlagenden operativen Weg ist, vor-
her über die anatomischen Verhältnisse einigermaßen im klaren zu
sein, so wenig dürfte doch, gerade wie in meinem Falle, der Opera-
tionsplan dadurch beeinflußt werden, ob es sich um einen über-
zähligen Ureter der rechten oder der linken Seite handelt; operiert
man vaginal, dann ist es ganz gleichgültig, da man sich ja dann
doch von unten her durch Verfolgen der Fistelöffnung an den über-
zähligen Ureter heranarbeiten muß, operiert man von oben, dann
überblickt man ja die Verhältnisse nach Eröffnung der Bauchhöhle
mit einem Schlag.
Was nun die Operationen anbelangt, die bisher bei dieser
Ureterenanomalie ausgeführt worden sind, so haben diese naturge-
mäßB nach dem Stande der operativen Technik sehr gewechselt. Wäh-
rend man früher versucht hat, durch eine Kanalbildung in der
Scheide den überzähligen Ureter in die Blase oder in die Urethra
hinein zu verpflanzen, ist man in der letzten Zeit, nach dem Aus-
bau der Ureteren-Blasenchirurgie, mit Recht immermehr zur direk-
ten Implantation des aberranten Ureters in die Blase nach einer oder
Zur Kasuistik und operativen Behandlung überzähliger aberranter Ureteren. 443
der anderen gängigen Methode gekommen. Eine der primitivsten
Operationen hat Alsberg ausgeführt, allerdings aus dem Grunde,
weil er eine falsche Diagnose gestellt hatte. Er exstirpierte näm-
lich in der vorderen Scheidenwand eine mit einer Fistel versehene
Blase, aus der eine klare Flüssigkeit heraussickerte, in der Alsberg
keine Harnbestandteile nachweisen konnte. Auf Grund dieser Unter-
suchung diagnostizierte Alsberg eine Fistel durch Fortbestehen
des Wolffschen Ganges und infolge der Nichtberücksichtigung des
abnorm ausmündenden Ureterendes kam es zu einer Pyämie, der
die Patientin erlag. Die Sektion deckte beiderseits einen doppelten
Harnleiter auf. Emmet hat versucht durch Ureteroplastik, d. h.
also durch Bildung eines Kanals in der Scheide, den Harnleiter
in die Blase hinein zu verpflanzen. Er hat aber seine Patientin
durch eine interkurrente Pneumonie verloren und deshalb kann man
über das endgültige Resultat keine weiteren sicheren Aussagen
machen. Ganz ähnlich hat Bois operiert und seine Operation hat
anscheinend teilweise einen Erfolg gehabt. Die Patientin hat nach
der Operation nur noch eine Fistel gehabt, an deren Schließung Bois
durch eine inzwischen eingetretene Schwangerschaft jedoch verhin-
dert wurde. Eine ganz besondere Stellung bei diesen Implantations-
versuchen nimmt die Operation ein, die Colzi bei einem jungen
Mädchen mit aberrantem Ureter ausgeführt hat. Er hat nach breiter
Freilegung des Os pubis den unteren Teil des Schambeins abge-
meißelt und hat dann in dem dadurch entstandenen Raum den aber-
ranten Harnleiter in die Blase eingepflanzt. Er hat eine vollständige
Kontinenz erzielt, doch hat sein Vorgehen wegen des geradezu hero-
ischen Eingriffes keine Nachahmer gefunden.
Olshausen hat bei einem 15 jährigen Mädchen in einer ersten
Operationssitzung die Einnähung des rechten überzähligen Ureters
in die Urethra versucht. Im Anschluß an diese Operation traten
Fieber und Schmerzen in der rechten Nierengegend auf. Am 5. Tage
lag die Patientin naß. Er hat dann in einer 2. Sitzung den Ureter in
die Blase einzunähen versucht, eine Manipulation, die teilweise Er-
folg hatte: nur teilweise deshalb, weil eine dabei entstandene Fistel
nur durch drei weitere Fisteloperationen zur Heilung gebracht wer-
den konnten.
Auch den transvesikalen Weg hat man gewählt. So hat beispiels-
weise Baumm einen Fall von überzähligem Harnleiter dadurch
geheilt, daß er eine Sectio alta machte und dann von der Blase aus
auf eine im überzähligen Ureter liegende Sonde einschnitt, die Öff-
444 Joh. Hartmann.
nung zwischen Ureterampulle und Blase erweiterte und umsäumte,
worauf dann Heilung eintrat. Auch Baumm operierte transvesi-
kal, er hat aber vorher versucht, durch einfache provisorische Ab-
bindung der Fistel zum Ziele zu kommen, wie vorauszusehen war,
ohne Erfolg. Den einzigen Erfolg durch Abbindung des überzähligen
Ureters hat Orthmann zu verzeichnen. Das erklärt sich zweifellos
dadurch, daß es sich im Orthmannschen Falle nicht um die Aus-
mündung eines überzähligen Ureters, sondern nur um seine zystische
blinde Endigung in der vorderen Scheidenwand gehandelt hat, ein
Befund, der naturgemäß nicht zur Inkontinenz, sondern zu Vorfall-
beschwerden geführt hatte.
Ein anderer Weg, eine Kommunikation zwischen Blase und
Ureterampulle, wie sie Baumm gemacht hat, herzustellen, ist der
den Wölfler in seinem Falle beschritten hat. Er hat sich nämlich
eine Klemme bauen lassen nach dem Prinzip der Dupuytrenschen
Darmquetsche. Er hat zur Stellung der Diagnose die Urethra sehr
stark erweitern müssen, so daß er mit dem Finger in die Blase ein-
gehen konnte und dann mit Hilfe einer in den überzähligan Ureter
eingeführten starren Sonde feststellte, daß eine direkte Kommuni-
kation zwischen Blase und Ureterampulle nicht bestand. Die Quetsche
wurde so eingeführt, daß die eine Branche in der Blase, die andere
in der Ureterampulle lag, wobei durch eine Ausbuchtung dieser bei-
den Branchen die Gewebspartien der Urethra geschont werden konn-
ten. Er hat durch Zusammenquetschen dieses Instrumentes das
Stück Blasenwand plus Ureterampulle zur Nekrose gebracht und
dadurch eine breite Kommunikation herbeigeführt, aber die Pa-
tientin war noch nicht kontinent; anscheinend weil wegen der star-
ken Dilatation der Harnröhre eine Insuffizienz des Sphinkter zu-
stande gekommen war, die dann erst durch einen zweiten Eingriff,
nämlich die Drehung der Harnröhre nach Gersuny, beseitigt wer-
den konnte.
Ebenfalls eine Kommunikation zwischen Ureterampulle und
Blase hat Wertheim gemacht. Er hat keinen Erfolg zu verzeichnen
gehabt, sondern erst eine typische vaginale Ureterimplantation hat
zum Ziele, zur Kontinenz geführt.
Christofoletti hat von unten angefangen, ist aber dann zur
abdominalen Implantation übergegangen. Ausgang in Heilung. Von
vornherein abdominal hat Küttner operiert. Vaginale Implanta-
tionen sind ja schon verschiedene gemacht worden, so beispielsweise
von Hohmeier, Albarran, Baker und mir, wobei ich allerdings
Zur Kasuistik und operativen Behandlung überzähliger aberranter Ureteren. 445
über die im Einzelfalle angewandte Methode nichts Näheres aus-
sagen kann.
Eine ganz besondere Stellung unter all den Operationen zur
Heilung eines überzähligen Harnleiters nimmt die Operation von
Josephson ein, der auf Grund einer sehr exakten Diagnose vor
der Operation den zum überzähligen Ureter gehörigen Nierenteil
reseziert hat; ein Vorgehen das, wie der Erfolg und der autoptische
Befund bei der Operation lehrt, wohl berechtigt und für diesen spe-
ziellen Fall das einzig richtige gewesen ist. Es ist ganz besonders
als vorteilhaft für die Patienten hervorzuheben, daß es eben durch
diese exakte und sorgfältige Diagnose ermöglicht worden ist, der
Patientin das restierende gesunde Nierengewebe: zu erhalten, wäh-
rend man ohne diese sorgfältige Untersuchung die ganze Niere hätte
entfernen müssen, ein Vorgehen, zu dem Stolz sich entschließen
mußte.
Noch ein Wort zur Drainage. Westhoff plaidiert dafür, dab
man in jedem Falle, auch bei abdominaler Implantation drainieren
sol. Bei der vaginalen Implantation hat die Drainage zweifellos
ihre großen Vorteile und ein vorsichtiges Drainieren, d. h. lediglich
ein Offenhalten der Vaginalwunde würde ich nach der Erfahrung,
die ich bei meinem Falle gemacht habe, für vollkommen berechtigt
halten, ich möchte aber doch nach den Erfahrungen, die von Gynäko-
logen mit der Drainage bei der weitgehenden Freilegung der Ure-
teren, bei der abdominalen Karzinomoperation gemacht worden sind,
dringend davor warnen, an den Ureter die Drainage hinzuführen;
das gibt doch, wie wir aus vielfältigen Erfahrungen wissen, sekun-
däre Ureternekrosen und ist auch bei exakter Technik ganz sicher
überflüssig. Wenn bei abdominaler Operation die Implantation des
Ureters technisch sauber und ohne Spannung des Ureters gemacht
worden ist, dann halte ich. eine Drainage für vollkommen über-
flüssig, dann kann sie sicherlich nur schaden, sie ist, wenn man
nach der Franzschen Methode operiert, auch sicher ganz unnötig.
Was nun die Entstehung dieser überzähligen Ureter und ihre
Beziehung zum Wolffschen Gange anlangt, so bietet mein Fall in
keiner Hinsicht eine Handhabe zur Klärung dieser Fragen. Manche
Autoren betonen ein sehr beträchtliches Überwiegen der rechtssei-
tigen überzähligen Ureteren. Da wir nun aber auch eine ganze
Reihe linksseitiger überzähliger Ureteren kennen, möchte ich bei
der Kleinheit der zur Beurteilung dieser Fragen zur Verfügung
stehenden absoluten Zahlen, darauf kein Gewicht legen. Dohrn,
Zeitschrift für Urologie. 1913. 30
446 Joh. Hartmann, Zur Kasuistik und operativen Behandiung usw.
der über die Entstehung der Gartnerschen Kanäle beim Weibe
(Arch. f. Gyn. Bd. 21, 1888, 8. 328) gearbeitet hat, konnte fest-
stellen, daß der rechte Gartnersche Gang länger beim Weibe er-
halten bleibt als der linke, ein Phänomen, daß er dadurch zu er-
klären sucht, daß durch den Druck des linksseitig belegenen End-
darmes der linke Gartnersche Gang früher verschwindet als der
rechte. Rieder (Virch. Arch. Bd. 96) kommt zu demselben Resul-
tat und Routh (zitiert nach Benckiser) behauptet, daß der Gart-
nersche Gang beim erwachsenen Weibe in ganzer Länge vom Paro-
varium bis zum Vestibulum vulvae neben der Harnröhre offen
bleiben kann. Diese Tatsache wurde bestritten, und außerdem be-
wiese sie noch lange nichts dafür, daß auch nun deshalb die über-
zähligen Ureteren häufiger rechtsseitig sein müßten, weil eben der
Zusammenhang überzähliger Ureteren mit persistierenden Gartner-
schen Gängen noch vollständig ungeklärt ist.
Ich resumiere also:
1. Überzählige aberrante Ureteren bedingen ein klinisch scharf
umgrenztes Krankheitsbild ;
~
2. eine Heilung der durch überzähligen aberranten Ureter her-
vorgerufenen Inkontinenz ist nur auf operativem Wege
möglich ;
3. bei überzähligen aberranten, ins Vestibulum mündenden Ure-
teren ist die typische vaginale Ureterenimplantation die Me-
thode der Wahl.
Die Sonderstellung der Staphylomykosen
der Harnwege. |
Von
Dr. Berthold Goldberg, Wildungen.
Während die allgemeinen Fragen der Urininfektion — Art und
Vorkommen der Erreger, Pathogenese, Notwendigkeit der Hilfs-
ursache, die Rolle der Harnstoffzersetzung, die Behandlung und
Verhütung — oft Erörterung, zum Teil auch ausreichende Klärung
gefunden haben, ist darüber, ob spezifischen Erregern spezifische
Krankheitsbilder zukommen (von Tuberkulose und Gonorrhoe ist
natürlich nicht die Rede), sehr wenig festgestellt. Diese Feststellung
stößt auf große Schwierigkeiten. Erstens können nur sichere Mono-
infektionen für die Lösung der Frage verwertet werden. Zweitens
müssen für Vergleiche die Grundleiden, welchen sich die Infektion
aufpflanzt, im großen wenigstens gleichartig sein; eine Colicystitis,
die sich einem Blasenkrebs aufpflanzt, kann nicht verglichen werden
mit einer Staphylokokkencystitis bei Harnröhrenverengerung, um
Eigentümlichkeiten der spezifischen Mikrobenwirkung zu erkennen.
Endlich kann man aus einer einmaligen bakteriologischen Unter-
suchung bei einer chronischen Infektion wenig schließen, weil die
Urinflora zuweilen wechselt; man muß die Entstehung der frag-
lichen Infektion beobachtet haben.
Insbesondere das Detailstudium der Staphylokokkeninfektion der
Harnwege ist trotz einiger großen Statistiken noch gar nicht ab-
geschlossen. Meine einschlägigen Fälle für dieses Detailstudium zu
verwerten, hielt ich darum gerade heute für angebracht; denn eine
rationelle spezifische Vakzinetherapie, wie man sie heute inauguriert,
hat zur unerläßlichen Voraussetzung eine lückenlose Kenntnis des
natürlichen Ablaufs der Infektion.
Fall I.
XUI. 2770. 54 Jahre, M., vor 35 Jahren Gonorrhoe, seit lange nerven-
und magenleidend, seit etwa 1 Jahr erschwertes, häufiges und schmerzhaftes
Harnen, Tags mehr als bei Nacht.
30 *
448 Berthold Goldberg.
2.12.1903. Kräftiger Mann mit gesunden Organen, bleich. Prostata sehr
groß, sehr hart, vielknollig; Urethra prostatica 4—5 cm lang, in Urethra anterior
für 16—18 Charrière passierbare Striktur. Pat. entleert tröpfelnd und in sehr
langer Zeit 200 ccm klaren, eiter-, fäden-, ciweißfreien Harn, der Katheter darauf
150 ccm Restharn.
Bei täglicher aseptischer Evakuation, zeitweiliger Dilatation mit Gummi-
bougies verringert sich die Menge des Restharns auf 50—100, im Laufe von
1—2 Monaten. Harn stets vollkommen klar; niemals interne Urinantisepsis.
24. 1. 1904. Pat. hat ohne mein Wissen und Willen eine Reise unter-
nommen, ist während derselben allen Schädlichkeiten ausgesetzt gewesen, nur
unregelmäßig katheterisiert, dagegen ohne große Vorsicht bougiert und cysto-
skopiert worden. Heute 850 ccm Restharn, trüb; Harn klärt sich nicht. Die
Trübung besteht aus Mikroben, Leukocyten sind nur ganz vereinzelt zu finden.
Kulturell: Staphylococcus albus. Durch sofortige Lapisspüluug, bei 12 stünd-
licher Evakuation, und ,Urotropin 4 :x< 0,5 pro die wird die beginnende Cystitis
im Keime erstickt; am 26. 1. Harn klar, aber Kultur geht noch an; am 30.1.
Kultur geht nicht mehr an; Harn bleibt klar auch nach Aussetzen des Uro-
tropins. Das Grundleiden erweist sich als Prostatakarzinom.
Bakteriologie 2770.
1. 24.1. Harn steril entnommen, geimpft auf
a) Glyzerinagarstich: 28.1. Dichter, grauer Rasen, Stapbylokokken
Gram +.
b) Biutserumstrich: 28.1. Dicke, weißliche, saftige, perlartige Kolonien,
Staphylokokken Gram -:.
c) Traubenzuckeragarstich: 28.4. Keine Gasbildung; schleierartiges
zartes Wachstum im Stich, ausgebreitete saftige weiße Auflage.
Staphylokokken Gram +.
d) Gelatinestich am 3. 2. von T. Z. A.: Keine Verflüssigung.
2. 36.1. Harn steril entnommen.
a) Harn klar am 26.1. 28.1. klar, mit reichlichem flockigem Nieder-
schlag, Stapbylokokken Gram --.
b) Bouillon: 48 Std. trüb, 10. Tag trüb, reichlicher, flockiger, gelber
dichter Bodensatz, Staphylokokken Gram -+.
c) Glyzerinagar: Ab Bouillon am 3.2. angelegt. 48 Std. weile
saftige Auflage; kreisrunde, hellgelbe, gekörnte Kolonien, bei
50 facher Vergr. bis 3 cm groß. Staphylokokken Gram +-.
3. 80.1. Harn steril entnommen; klar.
a) Harn 37°, bleibt klar.
b) Bouillon, beimpft. Von Harn 3a) bei Zimmertemperatur, b) 25°
klar, 3. 2. in 37°, 5. 2., 8. 2., 10. 2. klar.
Eine Katheterinfektion, im Entstehen, noch auf der Entwick-
lungsstufe der Bakteriurie, wird durch sofortige energische örtliche
und interne Behandlung geheilt; die scheinbare Heilung am 3. Tage
durch Kultur als scheinbar aufgedeckt, die wirkliche durch negative
Kultur bewiesen und durch Bestand nach Beendigung der Therapie
bestätigt.
Die Sonderstellung der Staphylomykosen der Harnwege. 449
Die Art der Erreger, Staphylococcus albus, hat vielleicht An-
teil an der guten Prognose.
Fall II.
2226. M., 62 Jahre, m., bisher nie schwerkrank. Prostatahypertrophie.
1. akute komplette Retentio urinae 1901, vom 12.4. bis 18.5. von mir
katheterisiert, steril gekommen und ateril entlassen.
9. 6. 1903. 2. akute fast komplette Retention. 12 stündl., dann 24 ständ).
aseptisch evakuiert; 12.5. nach 2 Stunden Spazierweg vesikale Hämaturie, keine
Eiterzellen, keine Bakterien, nur Blut. 12. 12. 13. 13. 14. 15. 16. Evakuation,
Spülung mit !/,o Lapis. Seit 4 Tagen gänzlich obstipiert; 17.5. Harn leicht
trüb. Im Tropfen frisch einzelne Mikroben in jedem Gesichtsfeld.
Bakteriologie s. u.
17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. Spülung mit Lapis !’,0; Urotropin.
25.5. Harn klar, steril. 26.8. Harn klar. 16.1. 1904. Harn klar, nie
Beschwerden.
Bakteriologie 2225.
1. Im Tropfen des Spontanurius 17. 5. einzelne nicht genau morphologisch
differenzierbare Mikroben.
2. Steril entnommener Katheterhbarn auf Ascitesagar fließen lassen:
Grampräparat sofort, nichts Sicheres.
Leicht trüb nach 7 Std., Kokken Gram +.
Trüber nach 24 Std., Kokken Gram +, zam Teil in Haufen.
3. Bouillon, ab 2. beimpft:
nach 24 Std. klar, spärlicher flockiger Bodensatz:
Staphyiokokken Gram +, spärlich Stäbchen Gram —.
22.5. leicht trüb, mehlig-körniger gelber Bodensatz:
Staphylokokken Gram —.
ab Bouillon: a) Gelatinestich: 26. 5. gelbe Auflage, strumpfartiger Ver-
flüssigungstrichter.
b) Blutserumstrich: 26. 5. saftige gelbe Kolonien vom
typischen Aussehen der Staphyvlokokken.
4. Traubenzuckeragar: Keine Gasbildung nach 24 Std. und nach 5 Tagen;
spärliches Wachstum. |
5. Glvzerinagar: Nach 24 Std. feine perlartig glänzende 1 mm grofe auf-
liegende Kolonien und Stäbchen.
Ergebnis: Staphylococcus pyogenes aureus.
Im ersten wie im zweiten Falle sehen wir die Infektion in
allen ihren Stadien; sie entsteht, während wir vorher lange die
Sterilität des Urins beobachten konnten, in unmittelbarem Anschluß
an Katheterismus; sie heilt schnell und vollständig ab, nach externer
und interner Desinfektion der Blase.
Von diesen leichtesten Urinstaphylomykosen werden auch in
der neuesten Literatur noch Einzelfälle in extenso mitgeteilt, weil
man sie für sehr selten hält.
450 Berthold Goldberg.
So beschreiben Lepoutre und David! 1910 ,einen Fall von
Staphylokokkenbakteriurie“ — 33 jähriger gesunder Mann ohne
Harnsymptome, dessen Harn ausschließlich durch Staphylokokkeu
trüb ist — und betonen dabei, daß unter 67 von Jeanbreau? be-
schriebenen Bakteriurien 56 durch Colibazillen, aber nur eine
einzige durch Staphylokokken verursacht war.
Auch Struck? beschreibt in einer Inauguraldissertation aus
der Königl. pädiatrischen Klinik in München ausführlich einen
einzelnen Fall von Staphylokokkencystitis bei einem Knaben aus
unbekannter Ursache.
Goldner* bespricht eine Staphylokokkencystitis, die im Laufe
einer akuten Gonorrhoe ohne vorgängige endovesikale Behandlung
eintrat; der alkalische Urin enthielt Staphylokokken in Reinkultur.
Unter den 1909 von Tanaka° bakteriologisch genau unter-
suchten Fällen von Cystitis würden sich Fall 43, Fall 35, Fall 18,
Fall 17 und Fall 15 unseren Fällen 1 und 2 an die Seite stellen
lassen, insofern es sich auch bei diesen um akute Monoinfektionen
der Blase mit Staphylokokken gehandelt hat, insofern sämtliche
durch Urotropin und Argentumspülungen schnell geheilt wurden,
insofern endlich die Wirkung der Infektion auf den Organismus
zeitlich und örtlich beschränkt und geringfügig war.
Tanaka, Fall 43. Frau, 34 Jahre, seit kurzem Dysurie; Harn alkalisch,
Staphylokokken, Leukocyten, Epithelien; Blasenschleimhaut leicht gerötet:
Staphylococcus pyogenes aureus; Ausgang: geheilt.
Fall 85. Frau, 83 Jahre, nach Entbindung Dysurie; Harn trüb, alkalisch,
Staphylokokken und Epithelien; „Bacteriuria“ staphylogenes; cyatoskopisch
Blasenschleimhaut „ohne Besonderheiten“; fast geheilt.
Fall 18. 67 Jahre, Prostatahypertrophie, Harn trüb, schwach saner,
0,8°/% Eiweiß; Leukocyten, Epithelien; Staphylococcus pyogenes aureus; Blasen-
schleimhaut leicht rot; Besserung.
Fall 17. 34 Jahre, vor 8 Tagen infiziert; Harn alkalisch, trüb; Leuko-
cyten; Staphylococcus pyogenes aureus; Blasenschleimhaut diffus gerôtet; Aus-
gang: Heilung.
Fall 15. 26 Jahre, m., früher Tripper; Harn schwach sauer, trüb; Leuko-
cyten; Staphylococcus pyogenes aureus; Blasenschleimhaut diffas rot; Ausgang:
Heilung.
Rovsing“) hat schon 1897 akute Monostaphyloinfektionen in
ihren Verlaufseigentümlichkeiten beschrieben; er erklärte sie aber
anders und nannte sie „Cystitis catarrhalis ammoniacalis“.
Suter’) bringt 1907 in seiner Tabelle IV 38 Fälle von instru-
mentellen Kokkeninfektionen der Blase. Davon sind etwa 25 Sta-
Die Sonderstellung der Staphylomykosen der Harnwege. 451
phylokokkeninfektionen. Jedoch bestand in den meisten Fällen die
Cystitis schon lange Zeit, als die erste bakteriologische Unter-
suchung stattfand; die Grundleiden sind meist schwer und alt
— 5mal Karzinom, 5mal Gonorrhoe, 2mal Calculosis, 2 mal
Striktur, 10 mal Prostatahypertrophie — ; daher können nur wenige
Fälle für die Erkenntnis der klinischen Spezifizität der Staphylo-
mykosen der Harnwege verwertet werden. Am ehesten die fol-
genden:
Fall 17. 56 Jahre, Prostatahypertrophie. 7.3. Harn klar, steril; Bottini-
Operation, Verweilkatheter. 11.8. Harn trübe, sauer; enthält Eiter, Eiweiß,
Staphylokokken; geheilt durch örtliche Behandlung.
Fail 19. 33 Jahre, Mann, Gonorrhoe, bei Behandlung Schmelzbougie in
die Blase gelangt. Harn schwach trüb, alkalisch, ohne Eiweiß; Eiter, Stapbylo-
kokken; Cystoskopie: Gefäßsterne. Geheilt durch Fremdkörperentfernung und
Spülungen.
Fall 21. 26 Jahre, seit 4 Wochen Dysurie; venerische und instrumentelle
Infektion negiert. Harn trüb, sauer, Eiter, !/2°/% Eiweiß; Staphylokokken;
Cystoskopie: Schleimhaut diffus rot. Heilung durch 8 Spülungen.
Fall III.
D., Frl., 50 Jahre. Virgo, bisher nicht schwerkrank, insbesondere nie
Dysurie. Vor 4 Tagen bekam sie, nachdem sie längere Zeit auf dem nassen
Fußboden gescheuert hatte, plötzlich Harndrang und Schmerzen beim Harnen;
sie mußte alle !/, Std. harnen; es kam jedesmal sehr wenig. 22. 11. 1912.
Harn 25 ccm: trüb, muddlig, gelb, neutral; Leukocyten; sehr viel Erythro-
esten; Epithelien; Kokken; im Filtrat 2°%/,, Eiweiß(!). Unmittelbar nach der
Miktion und nach Desinfektion der Umgebung des Orificium entnehme ich mit
ausgekochtem Katheter noch einige ccm. Hiervon
1. hängender Tropfen: mäßig viel Kokken, die in Paaren, Haufen und
Ketten zusammenliegen.
2. Grampräparat: Grampositive Staphylokokken von verschiedener Größe
der Hälften eines Paares und von verschiedener Größe der Kokken-
individuen.
3. Kulturelle Untersuchung am 27. 11. 1912: Staphylokokken und Strepto-
kokken.
Verlauf: Argentum 1/;5 intravesikal, Vesamin 3 >< 1,0 pro die; am 27.11.
1912 subjektiv vom 3. Tage der Behandlung ab viel besser, Miktion 8 stündlich.
Harn sauer, leicht trübe, klärt sich ganz, im Tropfen Leukocyten, 0—2 Erythro-
csten im Gesichtsfeld, wenige Kokken, 0,1%. Eiweiß. 4. 12. Cystoskopie:
Diffuse ziemlich beträchtliche Rötung der Blasenschleimhaut. Harn fast klar
einzelne Leukocyten, kein Eiweiß im Filtrat. 7. 12. Harn klar. noch leichte
Schmerzhaftigkeit am Schluß der Harnentleerung.
Auch der vorstehende Fall hat dieselbe Verlaufseigentümlich-
keit wie der erste und zweite: plötzlicher Beginn, schnelle Heilung.
Dieser Heilung tut es keinen Eintrag, daß die Infektion mit einer
4
452 Berthold Goldberg.
beträchtlichen Albuminurie einsetzte. Die Ursache dieser Albumin-
urie kann der Durchtritt der Staphylokokken und ihrer Toxine
durch die Nieren sein; denn da keinerlei Eingriff voraufging, ist
diese Infektion eine endogene. Man kann ja den Einwand machen,
daß bei weiblichen Personen spontan urethral Staphylokokken in
die Harnwege gelangen; da wir aber sonst bei frischen rein urethro-
vesikalen externen Staphylomykosen keine Albuminurie beobachten,
spricht die letztere gegen eine externe Pathogenese. Sie schwand
so schnell wie sie gekommen zugleich mit der Eiterung und den
Eitererregern; wir werden unten bei Fall IX und X noch einmal
auf diese infektiöse Albuminurie zurückzukommen haben. Ganz
rein ist Fall 3 nicht, weil bei der kulturellen Untersuchung, die
freilich erst am bei der 2. Katheterisierung gewonnenen Urin ao-
gestellt wurde, auch Streptokokken sich züchten ließen.
Fall IV.
4048 C. R., Frau, 54 Jahre, verheiratet, 9 Kinder, 4 leben noch. Seit
2!/, Jahr Diabetes mellitus (anfangs 8°/,), seit !;, Jahr auch Harnbeschwerden:
Harntrübung, Harndrang und Schmerz beim Harnen.
Harn in 24 Stunden 3000 g, s. = 1030, e 80/, Zucker, 0,1% Eiweiß:
frisch entleerter Harn, 100 g von 1 Miktion, sauer, dick trüb (D = 1—1!/; cm).
Mikroskopie: Leukocyten rund, keine amöboiden Formen, seltene Erythrocyten.
seltene Epithelien; keine renalen Elemente.
Harnröhre hat Karunkel; Blase leert sich nicht gänzlich, faßt gut 100 g;
Miktion alle halbe Stunden, nachts 10 mal. Sie ist schwer rein zu spülen; erst
nach 10—20 Spritzen ist die Füllflüssigkeit klar genug zur Cystoskopie. Diese
zeigt eine diffuse starke Trübung und Schwellung der gesamten Blasen-
schleimhaut.
Bakteriologie: Im Tropfen des frisch untersuchten Katheterbarns nur
Staphylokokken, keine Stäbchen.
Kulturell: Reinkultur von Staphylokokken.
Verlauf: Durch strenge antidiabetische Diät und Urotropin sollen die
Blasenbeschwerden geheilt sein.
In Fall IV ist die Hilfsursache der Infektion klar; es besteht
ein schwerer Diabetes mellitus und eine geringe Harnverhaltung.
Daß die Blase einer älteren Frau, alle paar Stunden mit sehr
großen Flüssigkeitsmengen überlastet, in ihrer Muskulatur durch
den Zuckergehalt der Gewebe geschwächt, etwas insuffizient wird,
ist erklärlich. Nicht ganz eindeutig ist die Pathogenese; wenn
auch andere Staphylokokkenkrankheiten, z. B. die Furunkulosis, bei
Diabetes häufig sind, und demnach eine hämatogene Staphylomykose
der Harnwege sehr leicht zustande kommen kann, so ist doch auch
wieder das urethrale Eindringen der in Vulva, Vagina und Urethra
Die Sonderstellung der Staphylomykosen der Harnwege. 453
der Frau vegetierenden Staphylokokken eben bei der Frau auch
ohne Katheterismus möglich.
Möglich ist aber auch, daß vermeintlich exogene Staphylo-
kokkeninfektionen, deren Entstehung man nicht selbst beobachtet
hat, endogen entstanden waren, trotzdem sie katheterisiert worden
waren, als man sie in Behandlung bekam; anamnestisch läßt sich
mit Sicherheit die Kausalität zwischen dem früheren Eingriff und
der Infektion nicht feststellen. Es ist auffallend, daß Suter unter
211 (c. 70 Tuberkulose) Urininfektionen nicht eine einzige endogene
Staphylokokkeninfektion beschreibt; ich weiß z. B. nicht, warum
Fall 21, der „jede venerische und instrumentelle Infektion negiert“
und !,°/,, Eiweiß hat, als exogene Infektion aufgeführt wird.
Jedenfalls beweist meine Statistik — unter 10 Staphlomykosen
4 nie katheterisierte, in der Hälfte der Fälle Albuminurie (siehe
dazu S. 469) —, daß die Staphylokokken ebensowohl perrenal die
Harnwege entzünden können, als perurethral.
Durch seinen Verlauf leitet der Fall 4 über zu den chroni-
schen Staphylokokkeninfektionen; denn die Cystitis bestand bereits
';, Jahr, als Patientin zum ersten Male beobachtet wurde. Daß
die Staphylokokkeninfektion leicht heilbar sei, wird durch das Vor-
kommen chronischer Fälle nicht widerlegt; spontan und bei unrich-
tiger Behandlung schwinden weder die Erreger, noch ihre Wir-
kungen.
Fall V.
Ro. 893/34. 60er, seit Jahren Symptome der Prostatahypertrophie, zeit-
weise völlige Verhaltung. Katheterismus war schwierig, rief heftige Blutung
hervor und war daher nur wöchentlich einmal vorgenommen worden.
Gut genährt, kräftig, in gutem Allgemeinbefinden. Prostata sehr groß,
halbbart, nicht schmerzhaft; Harnröhre läßt nur großgekrümmte halbharte ela-
stische Katheter passieren. Blase leert sich nicht, faßt bis !/, Liter; Spontan-
miktion 100 g, Residuum 200—300 g. Harn sauer, trüb (D = 3 cm), fast aus-
schließlich durch Leukocyten, vereinzelt Erythrocyten und Epithelien; im Filtrat
‘bei öfterer Untersuchung) 0,2—0,3%/., Eiweiß.
Bakteriologie. 26. 6. 1907. Sofort, als Pat. in meine Behandlung ein-
tritt, wird der Urin nach Spontanmiktion mit Katheter steril entnommen.
1. Im Tropfen des Bodensatzes, 6 Stunden nach Entnahme in steriles Rohr,
Staphylokokken Gram ~.
2. Harn bei 37°: Nach 24 Stunden klar, mit schleimigwolkig-staubigem
Bodeosatz, nach 48 Stunden dgl., nach 8 Tagen dgl.; Bodensatz besteht
aus Leukocyten und Staphylokokken.
3. Blatserum, vom Originalurin (2) in der 6. Stunde Strichkultur: 37°, nach
24 Stunden zahllose runde, noch nicht mit bloßem Auge sichtbare
454 Berthold Goldberg.
Kolonien, aus Staphylokokken Gram +, nach 48 Sturden saftige, gold-
gelbe, glänzende Auflage. 3.7. Auflage saftig, dickrandig.
Von der ersten 24 Stunden alten Blutserumkultur abgeimpfte zweite
Blutserumkultur ist nach 12 Stunden rot, 2 mm dick, verunreinigt.
4. Gelatinestich von der Blutserumkultur: Verflüssigung.
Ergebnis: Staphylococcus aureus.
Verlauf: Nach täglicher Spülung mit Borsäure und Lapis, Hetralin 2 x 0,5
pro die am 5.7. im frischen Harn keine Mikroben., 13. 3. 1908. Hat weiter
Hetralin und Urotropin genommen, 8tägig evakuiert; Harn klar, ohne Eiter,
ohne Eiweiß. Läßt er die Mittel fort, so wird der Urin wieder trüb.
In Fall V sehen wir wiederum eine chronische Cystitis als
Wirkung der Staphylokokken. In der Pathogenese ist er Fall I
und II an die Seite zu stellen: Prostatahypertrophie, Retentio
urinae, schwieriger asteriler Katheterismus, Infektion. Aber wäh-
rend die Sterilität des Urins bei I und II schnell und dauernd
wiederhergestellt wurde, blieb bei V nur während der Behandlung
der Urin keimfrei, eiterfrei, eiweißfrei.
Warum? Waren die Staphylokokken durch die von innen und
von außen auf sie einwirkenden Mittel nur zum Teil abgetötet, unc
vermehrten sich die vereinzelten überlebenden wieder kräftig, sobald
man sie in Ruhe ließ? Oder waren sie nur durch die Desinfektion
in ihrer Entwicklung gehemmt, in ihrer Virulenz geschwächt, ihres
pyogenen Wirksamkeit beraubt, und erlangten sie diese Fähigkei
wieder, sobald die Desinfizientien nicht mehr einwirkten? Oder is
der Pat. nach immer wieder erreichter Heilung immer wieder re
infiziert worden? Das letztere ist unwahrscheinlich, weil er nur alle
8 Tage, nur vom Arzt und mit peinlicher Vorsicht katheterisie
wurde, und weil ja trotz des Katheterismus die Cystitis nicht rę
kurrierte, wofern nur Pat. fortfuhr, Urotropin oder Hetralin ei
zunehmen. Oder fand immer wieder eine Autoreinfektion stattf!
waren in einem unzugänglichen Herd, z. B. in Acinis der Prostata, `
oder in den Samenblasen Staphylokken verborgen, die von Zeit zu
Zeit in den Urin eindrangen? (Vgl. hierzu Fall IX und Fall
Gruber.) Alle diese Fragen müssen beantwortet werden, ehe man
in einem Fall die Intermittenz einer Urininfektion auf Eigentüm-
lichkeiten ihrer Erreger zurückführen kann.
Die unvollständige Heilung kann ja hier auch in der unzu-
reichenden Evakuation (nur alle 8 Tage!) ihren Grund haben; denn
einen wesentlichen Teil der Desinfektion bildet die mechanische
Entfernung der Erreger.
|
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wemmer e o i ve
Die Sonderstellung der Staphylomykosen der Harnwege. 455
Fall VI.
CI. 2254/463. Phosphaturie, chronische Cystitis.
M., 40 Jahre, seit 3 Jahren Phosphaturie, leichte chronische Cystitis,
1901 von mir zwei runde, unregelmäßig begrenzte, fünfpfennigstückgroße, inkru-
stierte Ulce=a cystoskopisch festgestellt und mit Curettement intravesikal be-
seitigt. 4 atte er oft Mörtelsatz im Urin, zuweilen leichte Harnverhaltung.
arn klar, alkalisch, ohne Eiweiß, mit weißem Satz, darin amorphes
at, Tripelphospbatkristalle, wenig Epithelien, Leukocyten und Erythro-
en. Katheterharn, 80 g nach !/, Stunde, klar, sauer, ohne Fäden, ohne Ei-
weiß, 1024. Cystoskopie 31. 5. 1903: Schleimhaut stellenweise matt, Gefäß-
zeichnung stellenweise verwaschen, hie und da dunkelrote bis schwärzliche
Flecke. Partiell trabekulär. Seitenränder der Pr ‚stata leicht gewulstet. Keine
Ulzeration oder Inkrustation.
Zur Zeit der bakteriologischen Untersuchung war seit 1 Jahr nicht mehr
katheterisiert worden. Die äußere Desinfektion vor der sterilen Entnahme und
die Borsäureausspülung der Harnröhre mache ich ganz besonders sorgfältig.
Bakteriologie 4802. Aus dem Katheter lasse ich die letzten Tropfen in
Bouillon einfließen:
1. Bouillon bei 87°, nach 12 Std. leicht trüb, mit gelbem Bodensatz,
nach 30 Std. dgl., Diplokokken, Mikrokokken Gram +.
2. Blutserum, beimpft aus der 4 Stunden alten Originalbouillonkultur,
8 Striche,
nach 12 Std. feine weiße Tautröpfchenkolonien,
nach 20 Std. dgl.,
nach 48 Std. Kolonien rundlich, 2—83 mm im Durchmesser dicker,
weißer, saftiger Belag,
nach 96 Std.: 1. Strich saftige weiße, opake und gelbliche Kolonien,
2. Strich saftige weiße und gelbliche Kolonien,
3. Strich saftige glänzende Kolonien.
Sämtliche Kolonien sind Reinkulturen von grampositiven Staphylo-
kokken,
3. Gelatinestich, angelegt aus der 4 Std. alten Originalbouillonkultur,
nach 3 Tagen beginnende trichterförmige Verflüssigung innen, und
oben sichtbares Wachstam der Auflage: Staphylococcus albus.
Ergebnis: Staphylococcus albus et aureus.
Fall VII.
5032/462. Cl., Junge, 10 Jahre, leidet seit 1 Jahr an Harntrübung, seit
kurzem an geringen Beschwerden beim Harnen.
Er hat bisher an Gastroenteritis und Anämie gelitten.
Gut genährt, pastös; innere Organe o. B.
Harn 20. 12. trüb, klärt sich fast ganz, im Filtrat 0,2°',, Eiweiß, im Se-
diment Leukocyten, seltene Erythrocyten, viele mononukleäre Rundzellen,
zahlreiche Mikroben.
Harn 23.12. 200 g von 4 Vormittagsstunden, einige Stunden nach !/, Liter
Flüssigkeitsaufnahme entleert, 1011, hellgelb, stark aikalisch (nach 3 Std.), ohne
Geruch, leicht trüb (D = 4), klärt sich zum Teil unter Bildung eines aus
456 Berthold Goldberg.
sandig-schleimig-bröckligen sehr dicken Fäden bestehenden Bodensatzes. Mi-
kroskopisch ist derselbe fast ausschließlich aus Tripelphosphat-Sargdeckelkri-
stallen und Mikroben; Leukocyten und Erythrocyten sind nur spärlich vor-
handen; renale Elemente sind nicht zu finden. Das Filtrat enthălt 1. einen
durch Essigsäure in der Kälte fällbaren Körper (Muzin? Nukleoalbumin?).
2. 0,1990 Albumin. Untersuchung auf Tuberkelbazillen negativ. Die Palpation
von Blase und Nieren ergibt nichts; die Cystoskopie ist nicht ausführbar, bzw.
nicht angezeigt.
Die bakteriologische Untersuchung muß, da Katheterismus abgelehnt
wird, ausnahmsweise improvisiert werden.
Nach gründlicher Reinigung der (freiliegenden) Eichel mit Wasser und
Seife läßt der Junge die Hälfte des Urins in kräftigem Strahl (c. 5 Std. nach
Miktion) in ein Nachtgeschirr, die Schlußportion in eine frisch ausgekochte
Flasche; aus dieser entnehme ich mit steriler Pipette und färbe nach Gram; es
handelt sich um eine Reinkultur von grampositiven Staphylokokken.
Nach 1 Jahr objektiver Befund und subjektives Befinden unverändert.
Fall VI und VII sind klinisch zwar verschiedene, in einigen
Eigentümlichkeiten aber übereinstimmende Staphylomonoinfektionen.
Die Eingangspforte war bei Fall VI die Harnröhre, bei Fall VI,
einem nie katheterisierten Jungen von 10 Jahren, die Nieren; bei
ihm affızierten die Staphylokokken vorwiegend das Nierenbecken,
bei dem durch Katheterismus infizierten Mann die Blase. Im
übrigen aber ist beiden Fällen gemeinsam:
1. die alkalische Reaktion des Urins,
2. die Massenhaftigkeit des Phosphatsediments,
3. die ganz geringe Eitermenge,
4. die Chronizität („chronisch* aber nicht ohne weiteres „un-
heilbar“ oder auch nur „refraktär“).
Wir wollen uns zunächst in der Literatur nach analogen Fällen
umsehen, um dann diese Eigentümlichkeiten zu erörtern.
Tanaka5, Fall 13. 30 Jahre, männlich, seit. 6 Jahren Tripper, seit
5 Jahren Cystitis. Prostatitis chronica, Blase o. B.; Harn bald klar rauer, bald
getrübt alkalisch; mikroskopisch Staphylokokken und Epithelien; bakteriologisch
Staphylococcus pyogenes aureus. — Geheilt.
Tanakas Fälle 11 und 14 kennzeichnen sich zwar durch Eiter-
mangel und Alkaleszenz als hierhergehörig, entbehren aber der
Phosphaturie und der Chronizität.
Chute berichtet unter der Nomenklatur „Infection urinaire à
staphylococce blanc“ über 4 Fälle, welche mit meinen 2 Fällen so
gut wie alle Eigentümlichkeiten teilen.
Es sind Männer mit alten Urethritiden und Cystitiden; der
Urin enthält ein beträchtliches Sediment aus amorphem Phosphat,
Die Sonderstellung der Staphylomykosen der Harnwege. 457
Tripelphosphat und Mikroben, die bakteriologisch als Staphylo-
coccus albus identifiziert werden, aber wenig Eiter; die Infektion
kann zu den Nieren aufsteigen.
Picker? beschreibt unter den klinischen Bildern der Staphylo-
kokkeninfektion in den Harnorganen des Mannes „2. Phosphaturie
fast ohne Eiterbeimengung, in den kleinen Fäden Diplokokken“ ;
3. „Blasenstörungen mit Pyurie und schleimigen Flocken* durch
Staphylokokken verursacht. „Gezüchtet wurde ein weißer Staphylo-
kokkus von wechselnder Verflüssigungsfähigkeit.“ P. legt beson-
deren Wert auf die Retention der Staphylokokken in Prostata und
Samenblasen als Ursache der Chronizität.
Unter den 75 von Faltin!? beschriebenen vesikalen Infektionen
befindet sich trotz der Häufigkeit der Staphylokokken nicht eine
einzige, die unserem Fall VII ganz entspräche.
In der 1897 erschienenen großen Arbeit Rovsings® über die
Urininfektion sind wohl einzelne chronische Monostaphyloinfektionen
aufzufinden; jedoch ist es schwer, sie hier einzuordnen, weil R.
saure und alkalische, katarrhalische und eitrige Cystitiden scheidet.
Von Suters 25 Staphylokokkeninfektionen scheint mir Fall 24
eine infizierte Pbosphaturie zu sein; denn die anders nicht erklärten
Begleitsymptome: Blutungen, !/,°/,, Albumin, Inkrustationen be-
weisen eine kalkulöse Diathese:
Fall 24. 31 Jabre, M., seit 7 Jahren nach vielbebandelter Gonorrhoe oft
rezidivierende Cystitis. Harn leicht trüb, schwach alkalisch, Eiter, Blut,
1/30/0 Eiweiß. Graugelbe Staphylokokken. Blasenschleimhaut diffus rot, im
Fundus Inkrustationen. Durch Blasenbehandlung Heilung.
Die alkalische Reaktion des Urins ist aber kein unerläßliches
Merkmal der Stapholomykose. Von meinen 10 Fällen reagierten
4 sauer, 1 neutral, 2 alkalisch, bei dreien fehlt die Notiz.
Tanaka beobachtete unter 8 Staphylomonoinfektionen 6 alka-
lische, 2 saure, bei Faltin von vieren 2 sauer, 1 neutral, 1 alka-
lisch, bei Suter 16 sauer, 9 alkalisch. Selbst dann, wenn die ge-
fundenen Bakterien die Fähigkeit hatten, den Harn zu zersetzen,
war er zuweilen sauer.
Übrigens ist die Überschätzung der Harnstoffzersetzung als Ent-
zündungsursache nicht der einzige Irrtum in der Bewertung der
Alkaleszenz bei Staphylokokkencystitiden. Man findet nämlich selten
bei den Fällen mit alkalischem Urin erwähnt, daß der Urin am-
moniakalisch gerochen habe; es ist also wahrscheinlich öfter eine
458 Berthold Goldberg.
Alkaleszenz durch fixe Alkalien vorhanden gewesen, eine Harnstof-
zersetzung hat überhaupt gar nicht stattgefunden.
In meinen Fällen VI und VII und in allen Fällen von Chute,
ferner in den einschlägigen Fällen von Picker wurde ein massen-
haftes Phosphatsediment gefunden, es handelt sich dabei um eine
primäre Phosphatdiathese, welche nachträglich mit Staphylokokken
infiziert wurde. Eine besondere Form infektiöser Phosphaturie auf-
zustellen, wie Chute und Picker vorschlagen, ist wohl nicht
praktisch; die Frage Chutes: „Ist die Phosphaturie infektiös?“
_ klärt die Sachlage gar nicht; Picker kommt sicherlich der Wahr-
heit näher, wenn er betont, daß man die infizierte Phosphaturie
weit schwerer heilen könne, als die psychogene oder alimentäre.
M.E. liegt die Sache so: Primäre temporäre Phosphaturien
sind zwar häufig, primäre Phosphatdiathesen, d. h. andauernde
Überausscheidung von Phosphatsalzen im Urin, jedoch selten.
Werden nun solche „Phosphatiker“ mit Staphylokokken infiziert,
endogen (Fall VI) oder urethrogen (Fall VII), so resultiert eine
chronische Erkrankung; sie ist chronisch, nicht weil die Staphylo-
kokken schwer auszurotten wären, sondern weil die Phosphatdiathese
schwer heilbar ist. So würde es sich leicht erklären, daß die chro-
nische Monostaphylomykose so sehr selten ist, während die akute
Staphylokokkeninfektion sehr häufig vorkommt. Die Fälle 58—63
Rovsings, die Fälle 11, 13, 15, 17, 18, 35, 43 Tanakas, die
Fälle 17, 19, 21 Suters, die Fälle 1, 2, 3, 4, 5 Goldbergs
stimmen sämtlich darin überein, daß sie leicht und schnell durch
geeignete Behandlung heilen.
Noch einleuchtender wird die Sonderstellung der Staphylo-
mykosen durch die Studien Faltins!® über die Variabilität der
Urinflora. Während nämlich bei den frischen Infektionen die Sta-
phylokokken am häufigsten vorkommen, wurden sie bei alten viel-
behandelten Fällen selten gefunden. „Die Staphylomonoinfektionen
bleiben selten bestehen, sondern verwandeln sich in eine Flora
gramnegativer Bazillen, ohne oder mit Streptokokken.“
„Zwischen den Colibazillen und gewissen Staphylokokken,
welche im allgemeinen die gegen jede Art von Einwirkung
empfindlichsten Mikroben sind, besteht wahrscheinlich ein
gewisser Antagonismus.* Von 38 frischen Infektionen hatten 20
(55°/,) Staphylokokken, unter 43 alten nur 10 = 23°/,. Gileichviel
also, ob im Laufe der Behandlung die Desinfektion oder die Se-
kundärinfektion, der Zuwachs neuer Kostgänger den Staphylokokken
nl —_. -.. MN. Du. =. :
Die Sonderstellung der Staphylomykosen der Harnwege. 459
den Garaus macht, ihre Vergänglichkeit wird auch durch die Unter-
suchungen Faltins bewiesen. Baisch!! hat unter 40 Fällen be-
ginnender Cystitis nach gynäkologischen Operationen gar 34 mal
Staphylokokken als Erreger gezüchtet; deshalb aber diese (nebst
den Streptokokken) als die Alleinschuldigen hinzustellen und mit
Rovsing den Colibazillen nur die Rolle akzidenteller Saprophyten :
zuzuschieben, geht nicht an; die zahlreichen Monocoliinfektionen
beweisen, daß die einen wie die anderen Entzündung der Harnwege
für sich allein bewirken können (siehe hierüber besonders Suter).
Es ist, da ja die beobachteten Fälle immer auch behandelt werden,
nicht auffallend, daß die Staphylokokken oft keine Zeit finden,
tiefere Entzündungen der Harnwege herbeizuführen; daher hat
Tanaka unter seinen 8 Monostaphylomykosen nicht weniger als
4 staphylogene Bakteriurien.
„Staphylogene Bakteriurie“ — „Cystitis catarrhalis ammonia-
calis Rovsing“ — ,beginnende Staphylokokken-Urininfektion“ —
das sind alles verschiedene Namen für dasselbe Krankheitsbild.
Die Frage nach der Eigenart einer infektiösen Erkrankung der
Harnwege kann man auch durch die Cystoskopie zu lösen suchen.
Man wird aber dabei ganz besonders die in der Einleitung betonten
Einschränkungen beachten müssen und nicht pathologische Zustände
der Blase bei alten Harnkranken ohne weiteres als Folge der In-
fektion ansehen.
Die Cystoskopie ergab bei Fall 3 diffuse ziemlich beträchtliche
Rötung der Blasenschleimhaut; bei Fall 4 diffuse starke Trübung
und Schwellung der gesamten Blasenschleimhaut; bei Fall 9 diffuse
Schwellung, bei Fall 10 starke Injektion, besonders am Collum,
Trigonum, linken Ostium ureterale, bei Fall 6 (chronische Staphylo-
mykose) teilweise Trübung, matte glanzlose Stellen, inkrustierte
Ulcera.
Tanaka sah, daß die Blasenschleimhaut von Fall 35 ohne Be-
fund, von Fall 15 diffus rot, von Fall 17 diffus rot, von 18 leicht
rot, von 43 leicht rot war. Suter sah in Fall 19 Gefäßsterne, in
Fall 21 Schleimhaut diffus rot, gelockert, mit Schleimauflagerungen,
in Fall 24 (chronische Staphylomykose) diffus rot, im Fundus, weiße
Inkrustationen.
Die akuten und subakuten Staphylocystitiden sind also diffus;
alle Grade der Entzündung werden beobachtet.
Suter wie Tanaka heben hervor, daß sie sich hierin in nichts
von den Colicystitiden unterschieden, bei der sie auch alle Grade
460 Berthold Goldberg.
sahen. Für die chronischen Staphylomykosen, soweit sie staphylo-
kokken-infizierte Phosphatdiathesen sind, kann ich den S. 456
beschriebenen Charakteren noch die Neigung zur Bildung oberfläch-
licher inkrustierter Ulzerationen oder Erosionen hinzufügen.
Fall VIII.
B. F. 2688. 20jähriger Jüngling, seit 1 Jahr spontan, und ohne voranf-
gegangene Geschlechtskrankheit, Dysurie, Hämaturie, Schmerzen in Blase und
Damm, beim Harnen, nach dem Stuhl und nach Pollutionen. Seit kurzem Nacht-
schweiße. — Tuberkulose der Prostata, der Harnblase, wahrscheinlich auch
1 Niere. Harn sauer, mittelgelb, trüb (D = 2), klärt sich beim Stehen, doch
nicht ganz und sehr langsam, im Filtrat 0,8%, Eiweiß; im dicken Sediment
Kokken, Stäbchen, polynukleäre amöboide Leukocyten, einzelne Erythrocyten,
einzelne Eiterzellenzylinder. Ist seit !/, Jahr viel behandelt, seit einigen Wochen
öfter katheterisiert worden. |
Bakteriologie. In den letsten eitrig-krämelig-dicken Tropfen des Ka-
theterharns nach Ziehl-Ebner zahlreiche Tuberkelbazillen.
18.11. Nach Spontanmiktion von 150 g wird mit Katheter der Resturin
von 20 g steril entnommen und davon abgeimpft auf:
a) Blutserum 37°: Strich nach 18 Std. drei eingesunkene Kolonien, nach
8 Tagen beginnt eine gelbe Kolonie zu wachsen, die bis ®/, cm grob
wird und ein gelberes Zentrum aufweist.
3.1. Staphylokokken Gram —.
Überimpfung am 2.1. auf Blutserum II: nach 2 Tagen kleine zähe
Kolonien, nach 6 Tagen bei Zimmertemperatur zahlreiche gelbe Knöpfe:
Staphylokokkus Gram +.
b) Gelatinestich ab Blutserum II am 5.1.: 8.1. Typische Staphpylo-
kokken-Verflüssigung.
c) Glyzerinagarstrich ab Blutserum II am 6. 1.: 10. 1. Glänzende
weißgelbliche Auflagerung: Staphylokokken Gram -:-.
Staphylococcus aureus.
Aus einem Fall wie dem vorstehenden, Tuberculosis urogeni-
talis durch Staphylokokkencystitis kompliziert, lassen sich Schlüsse
auf die Eigenart der Staphylokokkeninfektion natürlich nicht ziehen.
Aber unsere Darstellung wäre doch unvollständig, wenn wir nicht
auch diese Rolle der Staphylokokken, Tuberkulosen sekundär zu
infizieren, in Betracht ziehen würden. Rafin!? fand sogar unter
71 Sekundärinfektionen bei Urotuberculosis 58 durch Staphylokokken
verursacht. Diese Zahl dürfte aber zu hoch gegriffen sein. Rafin
hat nämlich nicht nach vorgängiger Harnröhrendesinfektion aus
steril entnommenem Katheterurin gezüchtet, sondern aus der zweiten
Portion des Spontanurius.
Gerade um Staphylokokken aus der Blase aufzufinden, ist diese
Methode unzulässig; denn Staphylokokken sind ja die gewöhn-
e e af
Bt
= ss Gen
Die Sonderstellung der Staphylomykosen der Harnwege, 461
lichsten Urethralsaprophyten. Man kann hier auch nicht sagen,
daß diese Urethralstaphylokokken nicht mit den pyogenen Urin-
staphylokokken identifiziert werden könnten; denn die vorhandene
Eiterung muß man in den Fällen von Tuberkulose-Mischinfektion
doch auf Rechnung des Tuberkelbazillus setzen.
Es ist nicht wahrscheinlich, daß der Staphylokokkenzuwachs
den Lauf der Urotuberculosis wesentlich ändert, solange diese
neuen Gäste in der Blase bleiben; sehen wir doch z.B. in Faltins
Fall35 — Urogenitaltuberkulose, Sekundärinfektion mitStaphylococcus
albus, bei allen Untersuchungen nur diese, nach 3 Wochen geheilt —
binnen kurzem eine völlige Heilung eintreten. Verschlimmerungen
des Laufs der Tuberkulose, Aufflackern latenter Herde sind dahin-
gegen wahrscheinlich, wenn die Staphylokokken in Nieren oder
Blut verschleppt werden. Die Ursache der Sekundärinfektion war
in unserm Fall Katheterisierung; daß diese in der Mehrzahl der
Fälle anzuschuldigen ist, und daß es sich also meistens um eine
vermeidbare Komplikation handelt. darin bin ich mit Rafin einer
Ansicht.
Von größter praktischer Bedeutung ist die postgonorrhoische
Staphylokokkeninfektion der Harnwege.
Fall IX.
5039’464. N., 50 Jahre, verheiratet, hatte in früheren Jahren, vor der
Ehe, wiederholt Tripper. Seit 2 Jahren habe er, ohne sich neu infiziert. zu
haben, nach jeder Kohabitation Ausfluß; cs sei gleich, ob er mit oder ohne
Kondom kohabitiere; auch sei es gleich, ob er extrakonjugal kohabitiere; „um
der Sache auf den Grund zu kommen“ habe er das einmal, vor ð Monaten
versucht. Der Ausfluß ist reichlich, gelb, beginnt am gleichen oder folgenden
Tage und läßt nach einigen Harnröhreneinspritzungen nach.
29. 10.1912. Gesunder Mann, gut genährt. Harnröhrenöffnung feucht,
schleimige Absonderung. Harn leicht trüb, muddlig, mit reichlichen Eiterfäden
in beiden Portionen. Prostatitis chronica diffusa: Prostata vergrößert, asym-
metrisch; Sekret, exprimiert, reichlich, wässerig-flockig; enthält zahlreiche
Eiterflöckchen und Fädchen.
Ich exprimiere die Prostata, ohne nachher Harnröhre und Blase zu des-
infizieren, am 4. 1., 11. 1., 16. 1., 18.1. Die Eiterung der Harnröhre wird hier-
durch außerordentlich verstärkt; am 17. ]. profuse Urethrocystitis, Harndrang,
Rückenschmerzen, gestörtes Allgemeinbefinden.
Obne bakteriologische Untersuchung würde man den Wiederausbruch
eines alten Trippers haben annehmen müssen.
Der Harn ist dick-trüäb durch Eiter und Eiterfäden; läßt man den Pat. in
Portionen urinieren, so enthält die zweite noch mehr Eiter als die erste; expri-
miert man nunmehr die Prostata, so enthält der Expressionsurin den meisten
Eiter. Im Harnfiltrat c. ?/,%', Eiweiß.
Zeitschrift für Urologie. 1913. 31
462 Berthold Goldberg.
Bakteriologie: Der äußerst reichliche, diekgelbe Eiter aus der Harn-
röhre besteht nur aus polynukleären Leukocyten und Kokken.
Die Kokken charakterisieren sich färberisch wie folgt: 1. Es sind Diplo-
kokken; 2. die Einzelpaare sind different groß; es gibt größere und kleinere
Paare; 3. die Nieren- bzw. Bohnenform ist nicht die typische Gonokokken-
form; 4. sie liegen intraleukocytär uud extraleukocytär; 5 sie liegen in dicht-
gedrängten Haufen und in Reihen; 6. sie sind gram positiv.
Mußte schon hiernach die Gonokokkennatur der Diplokokken äußerst
fraglich erscheinen, so wurden alle Zweifel gelöst durch die Kultur des Aus-
flusses; sie ergab Staphylococcus aureus in Reinkultur.
Durch fünfmalige Spülung er ganzen Harıröhre und Blase (Irrigation
ohne Katheter) mit Hydrargyÿram oxycyanatum !/sooo—!/z2000 und Salol-Hexa-
methylentetramin per os wird binnen 14 Tagen die Infektion geheilt, die Harn-
röhre trocken, der Harn klar und eiweißfrei, die sabjektiven Beschwerden be-
seitigt; dio chronische Prostatitis besteht weiter. Eine diffuse Cystitis und eine
hochgradige Prostatitis bestätigt auch die gegen Ende der Behandlung aus-
geführte Cystoskopie.
Wir haben schon gelegentlich des Falles V darauf hingewiesen,
daß bisweilen die Prostata eine endogene Autoreinfektion vermittelt.
Wir sehen hier nach jeder Entleerung der mit reichlichem Eiter
vollgepfropiten Prostata, gleichviel ob sie durch Kohabitation, Pol-
lution, Expression erfolgt, eine Urethrocystitis aufflackern; nach
mehreren absichtlich ohne Desinfektion vorgenommenen Expressionen
ergreift die Infektion den ganzen Harntraktus, wobei nicht exakt
feststellbar ist, ob die Nierenbeckenreizung durch Aszension oder
Metastase zustande kam; vorhanden war sie, denn Abgeschlagen-
heit, Rückenschmerzen und Albuminurie kommen bei bloßer Sta-
phylokokkencystitis nicht vor. Schon Krogius!? hat 1898 auf die
Bedeutung der Prostata als Unterschlupf für eingeschleppte Sta-
phylokokken hingewiesen; ohne systematische Expressionskur sei die
Heilung so komplizierter Staphylokokkenbakteriurien nicht möglich.
Picker zeigte, daß durch monatelange Fortsetzung dieser Massagen
schließlich die Desinfektion seit Jahren für den Organismus gefähr-
licher Mikrobenherde gelingt. — Es liegt nicht im Rahmen meiner
Arbeit, die Urethritis staphylogenes zu besprechen; aber da sie
bier der Ausgangspunkt der Cystopyelitis wurde, muß auf die Mög-
lichkeit der Verwechslung mit einer akuten oder subakuten gonor-
rhoischen Urethrocystopyelitis nachdrücklich hingewiesen werden.
Die kulturelle Untersuchung verhütet eine solche Verwechslung
olıne weiteres; aber wie selten wird sie in der Praxis angestellt!
Es ist daher wichtig, daß Wahl! sowohl wie Janet!? jüngst auf
Grund reicher Erfahrung die Anschauung vertreten, daß schon
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Die Sonderstellung der Staphylomykosen der Harnwege. 463
allein die mikroskopische Betrachtung die Differentialdiagnose ge-
statte; die Einzelindividuen der Gonokokken haben im frischen
Urethralsekret alle die gleiche Größe, die Kokken der Staphylo-
kokken sind teils kleiner, teils größer; die Entfernung der beiden
Gonokokkenhälften voneinander ist groß und wechselt nicht, die
2 Hälften der Staphylodiplokokken sind bald durch einen schmalen,
bald durch einen weiten Spalt voneinander getrennt; die Gono-
kokkenpaare lagern sich überaus regelmäßig zueinander, parallel
oder senkrecht, in Reih und Glied; die Staphylokokkenpaare liegen
dicht aneinander, aufeinander, übereinander, in ungeordneten Haufen.
Alle diese morphologischen Charaktere boten auch die Mikroben
unseres Falles; nichtsdestoweniger würde ich sowohl aus wissen-
schaftlichen wie aus praktischen Gründen die Bestätigung des Kultur-
verfahrens nicht missen wollen. — Die Unterscheidung ist auch
wegen der Behandlung wichtig; die für Gonokokkeninfektionen
meist üblichen Mittel: Kaliumpermanganatirrigationen und Sandel-
holzölpräparate sind gegen Staphylokokkeninfektionen urethraler
Fortpflanzung unwirksam; Hydrargyrum oxycyanatum äußerlich,
Formaldehydpräparate innerlich sind die souveränen Mittel; trotz
der Schwere wurden die Erscheinungen auch in unserem Falle hier-
durch prompt beseitigt, mitsamt der Albuminurie.
Fall X.
L., ledig, 26 Jahre, erkrankte im Sommer 1911 zum ersten Male an
Tripper. Im 2. Monat gesellte sich dazu Blasen- und Nierenbeckenkatarrh;
Pat. lag einige Wochen zu Bett und wurde mit Katheterblasenspülungen und
Urotropin behandelt; später wurde, da im Harn außer Eiter auch 1—2° ,, Ei-
weiß sich zeigte, von örtlicher Behandlung abgesehen und laktovegetabile Diät
gegeben. Im 4. Monat der Erkrankung begann die Beobachtung meinerseits.
Groß, gut gebaut, gut genährt, fett, graubleich. Lungen: Residuen abge-
heilten Spitzenkatarrhs. Herz: o. B., insbesondere nicht hypertrophisch; Blut-
druck normal. Harnbefunde (es seien nur die für den Verlauf wichtigsten
Daten aus dem reichlichen Beobachtungsmaterial entnommen). (Siehe Tabelle
Seite 18.)
Die oft vorgenommene Harnuntersuchung ergibt im wesentlichen stets den
eleichen Befund: etwas Polyurie, etwas fixiertes und etwas erniedrigtes spezi-
fisches Gewicht; der Satz bestehend aus Eiterzellen und Kokken, die poly-
nukleärcı neutropbilen überwiegend, jedoch auch auffallend viele mononukleäre
Rundzellen; stets einzelne Erythrocyten; oft Eiterzellenzylinder und hyaline
Zylinder; sehr viele Epithelien; immer im frischen Tropfen und im Sediment
Kokken. |
Die Harnröhre ist nicht verengt, sondert etwas Schleimeiter ab, läßt
weiche Katheter wegen Sphinkterspasmus schwer passieren.
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Die Sonderstellung der Staphylomykosen der Harnwege. 465
Die Prostata Ist nicht vergrößert, asymmetrisch; das exprimierte Sekret
it 12. 11. eitrigscbleimig gelb, 2.12. wässerigsandig, 7.12. weißlichsandig, ent-
hält bei allen Untersuchungen massenhaft Eiterzellen, aber keine Gonokokken.
Der untere Rand ist wulstig und byperämisch, der rechte weibnarbig durchsetzt,
Die Blase leert sich, fabt beliebig grobe Mengen, krampft leicht bei Ein-
bringen von Instrumenten oder schmerzenden Injektionen. Die Schleimhaut
ist besonders im Collum, Trigonum und in der Umgebung der linken Harn-
leitermündung stark injiziert; stellenweise mit roten Tupfern bestreut, oben und
rechts mehr anamisch, weib,
Die Harnleiter liegen ungleichmäbir, der linke sehr weit nach hinten
ud oben, sind beide ununterbrochen tätig und stoben evstoskopisch klare
Tropfen aus, pulsieren beide, Der linke starx entwickelte Harnleiterwulst ist
- von hochrotem Hof umgeben; das Liramentum interuretericum ist mit weiben
Perlen besetzt.
Die Nieren sind nicht fühlbar, die Nierenregenden nicht drackschmerz-
hat. Die Funktion der Nieren weist leichte, aber deutliche Störungen auf.
l. Es besteht Polyurie. 2. Die Verdünnungsprobe nach Straub-Grünwald zeiet:
Se | 300 n An rr,
“L Urin von 51, A. Lis 11 A. > _, von Il A. bis 7!/ Mo. Lë SE e E,
1017 lolo
l Sa 150 ee OU 70 100
trinkt t, Liter Wasser Së eg, AEG : JIB, U. : 18. 7.
rinkt t, Liter Wasser, 9 U 1014 OU LOL: IU erg 115,0 1010 18.7
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Nachtharn 19-6 CU. Te, U. trinkt !, Liter Wasser, 7 U. 7, 8 U.
1015 1014 .
ID 60 . 60 125 n RE
VE De 11 U. ”, Es besteht also auch Fixation und
13° oil 7 1018 1015°
Erniedrizung des spezifischen Gewichts, Herabsetzung der Verdünnunes- und
der Kunzentrierangsfähirkeit der Nieren.
Bakteriologie:
l. Im 4. Monat der Erkrankung finde ich einmal im Urethralsekret Gono-
kokken, später nie wieder.
2, Der Tierversuch, Impfung des steril aufwefangenen Sedimerts von
sämtlichen Miktionen binnen 24 Std., auf Tuberkulose ergibt Abwesen-
heit von Tuberkelbazillen.
3. Die Untersuchung des eben mit Katheter entnommenen Urins im hän-
genden Tropfen und im Grampräparat ergibt als einzige Mikroben
grampositive Kokken; falls längere desinfizierende Behandlung unmittel-
bar voraufgegangen, fehlen Mikroben gänzlich.
Die Kultur aus Ausstrieli des Urethralsekrets und Kultur aus Urin,
am 15.2. und am 27.7. in verschiedenen bakteriologischen Instituten,
beweist, dab diese Kokken pyogene Staphylokokken sind.
Also zusammengefaßt: Postgonorrhoische, den ganzen Urin-
traktus einschließlich der Nieren befallende Staphylomykose, durch
Desinfektion stets gehemmt, aber auch nach .Jahresfrist nicht ge-
heilt, vielmehr anscheinend in Nierenschrumpfung langsam über-
gehend,
466 Berthold Goldberg.
Ein dem Fall X in mancher Hinsicht vergleichbarer Fall ist
der von Étiennetf: „Un cas de staphylococcie généralisée évoluant
à la suite d’une uréthrite gonococcique.“ Im Anschluß an eine
akute Gonorrhoe entstand bei einem jungen Mann eine Staphylo-
kokkeninfektion der Harnwege mit nachfolgender Staphylokokken-
septikämie. Es bestand Fieber, Urethrocystitis, Epididymitis, Kon-
junktivitis; die Gonorrhoe und die Staphylokokkensepsis heilten hei
örtlich antiseptischer Behandlung und Chinin. salicylic. intern binnen
2 Monaten ab; die Staphylokokkenurethritis überdaucrte fast * , Jahr.
Die Staphylokokken züchtete Étienne aus Urethralsekret, Blasen-
harn und Blut. Kurz vor der Gonorrhoe litt der Kranke an einer
Odontitis purulenta mit Fieber.
Die Fälle IX, X und vorstehender geben Anlaß, das Verhältnis
der Gonorrhoe zur Staphylokokkeninfektion der Harnwege zu be-
sprechen. Étienne ist erstaunt darüber, daB Staphylomykosen der
Harnwege überhaupt und im Anschluß an Gonorrhoe insbesondere
so selten seien, da doch die Staphylokokken so weit verbreitete
Bewohner der Körperoberflächen und Eingänge seien. Würden alle
Monourininfektionen im Entstehen kulturell untersucht werden, so
würde m. E. die Fabel von der Seltenheit der Staphylokokkenurin-
infektion überhaupt bald verschwinden; haben doch aus den Urinen
` frischer Oystitiden Faltin!® in 55°/,, Tanaka° in 48°/,, Baisch!!
gar in 85°/, der Fälle Staphylokokken gezüchtet! Aber auch im
Verlaufe des Trippers insbesondere sind akzidentelle Staphylo-
kokkenurininfektionen (nur von diesen, den Bakteriurien, Cystitiden,
Pyelitiden ist hier die Rede, nicht von den Urethritiden) m. E. gar
nicht selten, wofern eine örtliche Behandlung stattfindet. Die
Janetschen Urethrovesikalirrigationen führen akzidentelle Infek-
tionen sehr oft herbei, falls sie nicht peinlich antiseptisch ausgeführt
werden; die Patienten, welche in meine Behandlung kamen, nach-
dem sie sich selbst eine Zeitlang nach Janet die Blase
gespült hatten, hatten sämtlich akzidentelle, nicht gonor-
rhoische Cystitis. Und daß bei diesen Mischinfektionen nicht
auch, wie bei anderen frischen Infektionen, in einer gewissen Zahl
Staphylokokken beteiligt gewesen seien, ist in höchstem Grade un-
wahrscheinlich.
Nun sind das aber jene leichten, gut und schnell heilbaren
Cystitiden, die wir an der Hand von Fall I und II charakterisierten;
hier, in Fall IX und X, haben wir schwerere Erkrankungen, akute
Albuminurie, subakute Pyelonephritis; solche schweren Formen der
Die Sonderstellung der Stapbylomykosen der Harnwege. 467
Staphylomykosen im Anschluß an Tripper sind in der Tat selten.
Ob Etiennes Staphylokokkämie überhaupt eine urogene war,
scheint mir zweifelhaft; denn der Pat. hatte kurz vorher einen
Zahnabszeß mit Fieber durchgemacht. In unsern Fällen dagegen
kommt eine solche Ursache für den Eintritt der Mikroben in die
oberen Harnwege nicht in Frage; hier könnte wohl die Erklärung
Platz greifen, daß die Widerstandsunfähigkeit des durch Gono-
kokkentoxine geschwächten Körpers, oder eine Virulenzsteigerung
durch die Symbiose mit Gonokokken den Staphylokokken bessere
Wachstums- und Wirkungsmöglichkeiten schaffe. Offen bleibt die
Frage, ob die Albuminurie bei Fall IX und X einer Aszension der
Staphylokokken aus Blase in Nierenbecken und Nierengewebe, oder
einem Durchtritt der aus den Haruwegen ins Blut gedrungenen
Staphylokokken, oder überhaupt nur einer Resorption und renalen
Elimination von Toxinen ihre Entstehung verdanke. Die Aszension
scheint mir ausgeschlossen, weil bei beiden Patienten deren Vor-
bedingungen: Insuffizienz des Harnleiterverschlusses gegen die Blase,
neurogene Atonie des Harnleiters, Insuffizienz der Blase durchaus
fehlten. Daß, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, schwerste
Staphylokokkeninfektionen auch aufsteigen können — in der Regel
sind sie hämatogen —, beweist folgender Fall von Tuffier!*:
Fall Tuffier: 65jähriger Mann, leidet an Schrumpfniere und einem Nacken-
karbunkel. Am 15. 12. klagt der Patient über Dysurie; der Harn ist klar, ohne
Eiter, steril; die Prostata ist schmerzempfindlich; es besteht kein Fieber. Am
17. 12. ist der Harn trüb, enthält Eiter und Staphylococcus aureus in Reinkultur;
Dysurie stärker. Pat. lehnt ab, im Krankenhaus zu bleiben. 12.1. wird er
moribund wieder aufgenommen, mit Harnverhaltung, Erbrechen, Fieber; stirbt
abends. Sektion: Nieren g«schrumpft, in der rechten ein frischer Abszeß von
Nußeröße. Harnleiter erweitert, Blase überdehnt, im Trigonum und Fundus
entzündet; Blasenwand im Bereich der Entzündung verdickt, infiltriert und quer-
durch in Mukosa und Muskulosa mit Staphylokokken voillgepfropft; die Sta-
pbylokokkeniufiltration fübrt in einen Prostataabszeß von 11/,:!/, cm Größe;
Prustatitis, Periprostatitis, Pericystitis, Cystitis purulenta gehen ununterbrochen
ineinander über. Da in allen Herden sich Staphylokokken in Reinkultur be-
fanden, da der Harn, als die Prostatitis schon bestand, noch steril war (15. 12.),
auch keinerlei Anzeichen renaler oder hämatogener Infektion bot, so müssen
die Stapbylukokken auf dem Wege von der Prostata zur Blase quer durch Faszie
und Blasenward, und von da, gelegentlich der gänzlichen Insuffizienz der Blase,
zur Niere aufgestiegen sein.
In der Regel, wie gesagt, ist aber die Staphylomykose der Niere
hämatogen. Die Staphylokokken gelangen aus einem Abszeß, aus
einem Furunkel, aus den infizierten Tonsillen in die Biutbahn, aus
468 Berthold Goidberg.
dem Blut in die Nierengefäße. Die Arterioli in der Rinde ver-
stopfen sich mit Staphylokokken, um sie herum bilden sich Leuko-
cytenansammlungen; Bakterienembolie, Eiterinfarkt, miliarer Abszeß.
Das weitere Schicksal dieser miliaren Staphylokokkenabszesse ist
nun recht vielgestaltig.
1. Sie sind gering an Zahl, oder die Staphylokokken sind wenig
virulent, oder der Organismus wird immun: kurz, die beginnende
Staphylokokkennephritis heilt in kurzer Zeit spontan ab. Oder es
kommt gar nicht zu einer Schädigung der Niere, die Staphylokokken
werden in den Harn ausgeschieden; so würden wohl die Befunde
von Stapbylokokken im Urin nach Inufektionskrankheiten (Angina,
Pneumonie, Osteomyelitis) ohne Erkrankung der Harnwege, die
Kraus!® erhob, sich erklären. Sittmann!? hat schon 1894 in
experimentellen Untersuchungen dıe Ausscheidung von Staphrlo-
kokken durch die Nieren als eine deliberative Elimination dar.
gestellt, bei der weder die Nieren noch die Harnwege erkranken.
Dahingegen haben Lemierre und Arami”? bei ihren Versuchen
über die Elimination der Bakterien durch Galle und Harn fest-
gestellt, daß „bei den mit Staphylokokken infizierten Tieren die
renalen Läsionen häufig schon mit bloßem Auge sichtbar sind und
zwar als kleine vereiterte Infarkte*.
2. Im Gegenteil ist die Zahl und die Virulenz der in den
Kreislauf gelangten Staphbylokokken so bedeutend, daß multiple
Abszesse in den Nieren als Teilerscheinung einer allgemeinen Pyämie
auftreten.
3. Die Staphylokokkenabszesse lokalisieren sich in einer Niere,
an einer Stelle, und zwar da, wo sie entstanden, in der Rinde. Der
Abszeß bricht weiterhin entweder durch die Kapsel durch: para-
nephritischer Abszeß, oder nach dem Nierenbecken: Heilung der
lokalisierten Niereneiterung unter Entstehung von Pyurie. Miller”
berichtet über 36 perinephritische Abszesse; nur viermal war Eiter
im Urin; von den 23 bakteriologisch untersuchten Fällen enthielten
12 Staphylokokken. Eine seltene Form der Abgrenzung ist endlich
die von Israel®®, von Barth°® und kürzlich von Ekehorn®* an
je i Fall beobachtete, daß sich bei schleichendem Verlauf der In-
fektion eine Bindegewebswucherung um den AbszeB bildet; Israel”?
nennt diese Form ,Karbunkel“* der Niere; Ekehorn?* beschreibt,
daß in der „Nierengeschwulst* der Capsula propria und der Fett-
kapsel zahlreiche miliare Abszesse vorhanden waren, paranephritisch
ein größerer Abszeß, in allen Abszessen ausschließlich Staphylo-
Die Sonderstellung der Staphylomykosen der Harnwege. 469
coccus pyogenes aureus. Rehn”, Zinn?, Harzbecker?’ haben
neuerdings das große praktische Interesse der paranephritischen
Abszesse, ihre Diagnose und Therapie an der Hand zahlreicher
Beobachtungen erörtert.
Was uns bei der Betrachtung der Sonderstellung der Staphylo-
mykosen vor allem interessiert, ist die Tatsache, daß alle Opera-
teure, die sich in den letzten ‚Jahren zu der Frage geäußert haben,
darin übereinstimmen, daß Eiterkokkeninfektionen der Nieren an
sich sowohl, wie auch die Operationen in Nieren, die von Staphylo-
und Streptokokken durchseucht sind, weit gefährlicher seien als
Coliinfektionen und Operationen bei Colipyelonephritis. „Es kann
nun aber gar keinem Zweifel unterliegen, daß die Eiterkokken,
besonders die harnstoffzersetzenden Staphylokokken, für
die Nieren sehr viel gefährlichere Feinde sind als die Colibazillen.
Das Urteil aller Beobachter ist sich darüber einig.“ (Barth, l. c.
S. 238.)
Nachdem wir uns an der Hand der Literatur klar gemacht
haben, in welcher Weise die Staphylokokken auf die Niere wirken,
wird es angebracht sein, die Albuminurie in unsern Fällen von
Staphylomykose zu erörtern.
Bei Fall I (Prostatakarzinom, Katheterinfektion), bei Fall I
(Prostatahypertrophie, Katheterinfektion), bei Fall VII (Phosphat-
diathese, chronische inkrustierende Cystitis, Katheterinfektion) ist
der Harn eiweißfrei, in allen übrigen Fällen war Albuminurie vor-
handen, d.h. also in 70°/, der Urinstapbylomykosen.
Dauernd, jedoch intermittierend war die Albuminurie in Fall 10
(Prelonephritis postgonorrhoica staphylomycotica), in Fall 5 (Pro-
statahypertrophie, Katheterinfektion, Cystopyelitis), dauernd, aber
minimal in Fall 6 (Phosphaturie, chronische Staphylokokkenbakteri-
urie), vorübergehend, initial in Fall 3 (akute Staphylokokkencystitis)
und Fall 9 (Urethrocystopyelitis staphylomycotica), andauernd end.
lich in Fall 8 (Staphylokokkeninfektion bei Tuberkulose) und wahr-
scheinlich in Fall 4 (Cystitis chronica staphylogenes bei Diabetes
mellitus). |
Der Eiweißgehalt des Filtrats betrug bei Fall 10: 0,2—2,0 pro
mille, bei Fall 5: 0,2—0,3°/,,,
” n 6: 0,1—0,2°/50
: 2,0—0,1°/,,;
: 0,3, —0,
OL
3
H © u
410 Berthold Goldberg.
Nierenzylinder wurden nur in Fall 10 gefunden. Fall 8 muß
als Mischinfektion bei Tuberkulose ausscheiden, da man nicht wissen
kann, ob nicht die Albuminurie durch die Tuberkulose verursacht
ist; bei Fall 4 kann der Diabetes Ursache derselben sein. Fall 6,
3, 4 sind nie katheterisiert; also ist es am wahrscheinlichsten, daß
die Passage der Staphylokokken durch die Nieren, ebenso wie im
Experiment, die Albuminurie verursacht habe; dazu stimmt es, daß
sie initial (Fall 3) bedeutend ist, um dann abzunehmen. Fall 5,
9, 10 waren schon katheterisiert oder gespült worden, als ich die
Staphylomykose feststellte; sie können also perurethral, exogen,
oder perrenal, endogen infiziert sein, Nichtsdestoweniger läßt sich
einwandfrei beweisen, daß auch hier die Albuminurie durch die
Infektion verursacht ist.
1. Vor oder nach der Infektion war der Harn eiweißfrei.
2. Andere Ursachen für Albuminurie lagen nicht vor.
3. Die externe und interne Desinfektion beseitigte, entweder
für immer (Fall 9) oder für die Dauer ihrer Anwendung (Fall 5.
Fall 10), die Albuminurie, zugleich mit der Bacillurie und der
Pyurie. Ebenso war es in Fall 3.
Die Albuminurie war nicht etwa eine falsche, durch den Serum-
gehalt des Eiters bedingt; dafür war sie, jeweils im Verhältnis zur
Eitermenge, viel zu beträchtlich.
Die Literatur bietet für die Erkenntnis der Albuminuria sta-
phylogenes fast gar keine Ausbeute. Fall 18 von Tanaka (Pro-
statahypertrophie, Retention) hat 0,3°/,,, Fall 21 von Suter !,°},
Fall 17 Andeutung von Eiweiß. In den übrigen Staphylomykosen
Suters mit Albuminurie kann man nicht entscheiden, ob nicht das
Grundleiden deren Ursache ist. Immerhin möchte ich das groß
Material Suters wenigstens insoweit nicht ungenutzt lassen, als
ich fand unter 25 instrumentellen Staphylokokkeninfektionen 18 mal
Eiweiß, dabei 7 mal Spuren, unter 23 instrumentellen Coliinfektionen
11 mal Eiweiß, dabei 5 mal Spuren.
Nicht bloß die renale Beteiligung, sondern auch die Ver-
schleppung ins Blut muß für die Bewertung der Urinstaphylomykosen
berücksichtigt werden. Im allgemeinen ist die Staphylokokkensepsis
eine sehr schwere, lebensgefährliche Erkrankung; Otten?” sah von
22 Fällen 80°/,, Bertelsmann* 70°/, letal ausgehen. Die Coli-
sepsis aber läuft meistens gut ab (Jacob°®®, Bryan?! haben neuer-
dings Beweise hierfür beigebracht). Ebenso sind die tödlichen
Die Sonderstelluns der Staphylomykosen der Harnwege. 471
Fälle von Katheterfieber fast immer Staphylokokkämien von
Harnwegverletzungen aus gewesen, nicht Colämien.
Ich führe die in der Literatur berichteten Fälle urethrogener
bzw. urogener Staphylokokkensepsis kurz an:
1. Fall von Pousson, Roche und Laffont (bei Etienne):
21jähriger Mann, Harnverhaltung, Striktur, Urethrotomia interna, Septi-
kämie, multiple Abszesse in Haut, Pleura, Perikard, in den Abszessen Sta-
phylokokken, nach 2 Monaten Tod.
2. Fall 4 von Lenhartz®? (1901):
4Tjähriger Mann, vor 24 Jahren Gonorrhoc, seit 17 Jahren Striktur.
Harnverhbaltung. Bougierung, Katheterfieber, im Blut Staphylncoccus pyo-
genes albus, Tod am 8. Tago der Behandlung. Sektion: Urethralstriktar mit
Verletzung, Endocarditis ulcerosa, Abszesse in Herzfleisch, Milz, Leber, Nieren.
3. Fall 5 von Lenbartz:
47jähriger Mann, Striktur, Dilatationsversuche, Fieber, Hautblutungen,
Lungenkatarrh, im Blut Staphyloceccus pyngenes albus, Tod nach
8 Taxen. Sektion: Endokarllitis; Abszesse bzw. Infarkte in Herzfleisch, Milz,
Gehirn, }. Niere; l. Hydroneplırose.
4. Fall 6 von Lenhartz:
12jähriger Mann, Harnverhaltung, Hemiplegie; Benommenheit, Lungen-
ödem, seit einer Woche Katheterisierungen und Fieber. Im Blut Staphylo-
coccas albus, Tod. Sektion: Arteriosklerose, alte Erweichungsherde im Ge-
hirn. Frische ulzeröse Endokarditis; renale, periprostatische, perivesikale Sta-
phylokokkenabszesse.
5. Fall 1 von Jochmann?®? (1906):
25jähriger Mann, Tripper, Striktur, Dilatation, Fieberanfälle alle Monate,
Cystitis. Nephritis acuta, Lungeukatarrh, im Blut Staphylococcuüs pyogenes
albus; Tod. Sektion: Urethralstriktur mit Läsion, Thromben im Plexus pro-
staticus, Cystitis, Infiltrate und Abszesse in den Lungen, Pleuritis, Perikarditis.
6. Fall von Gruber®*:
24jähriger Mann, erkrankt mit Erbrechen, Bauch- und Brustschmerzen,
Tod nach 3 Tagen an Herzschwäche. Sektion: Metastatische Abszesse der
Lungen, Pleuritis und Pericarditis suppurativa; Vereiterung der linken Samen-
blase, des linken Sameuleiters und des linken Nebenhodens; die rechtsseitigen
Genitalien, die Prostata und die Harnwege frei von Entzündung. In allen
Eiterherden Staphylokokken in Reiukultur.
Dieser Fall würde nicht hierher gehören, wenn nicht der Be-
obachter selbst die Pathogenese in der Art auffaßte, daß in die
Blase gelangte Staphylokokken, ohne diese krank zu machen, durch
die Urethra prostatica in den Ductus ejaculatorius geschwemmt, die
primären Abszesse erzeugt hätten.
472 Berthold Goldberg.
Es bleibt also die Tatsache: Die Staphylokokkeninfektionen der
Schleimhäute der Harnwege sind gutartig; die hämatogenen In-
fektionen der Nieren mit Staphylokokken und die urogenen Sta-
phylokokkämien sind besonders bösartig.
Man könnte einwenden, daß das eben nur an der Lokalisation
liege; aber wir haben diese Erkenntnis ja aus dem Vergleich mit
ebenso lokalisierten, nur durch die Art der Erreger verschiedenen
Erkrankungen gewonnen.
Man könnte ferner mit Recht vorbringen, daß für die Schwere
einer Uroinfektion das Grundleiden maßgebend sei. Wir haben
aber bei Prostatakarzinom, bei Urogenitaltuberkulose, bei Diabetes
mellitus Staphylomykosen abheilen sehen; wir sehen anderseits, wie
einen ganz gesunden Menschen eine Staphylokokkensepsis überfällt
und tötet. Man kann sich alle individuellen Verschiedenheiten der
Infektionen ja leicht erklären, wenn man sagt: es sind Staphylo-
kokken verschiedenen Stammes, verschiedener Virulenz; bei den
milden Schleimhautentzündungen sind wenig virulente, bei den
Bakteriurien avirulente, bei den renalen Abszessen hochgradig
virulente Staphylokokken im Spiel.
Man müßte dann aber zunächst feststellen, ob denn nicht den
gefundenen Mikroben irgendwelche Kennzeichen eines virulenteu
oder avirulenten, eines pathogenen oder saprophytären Charakters
anhaften.
Sehen wir uns darauflin unsere baktcriologischen Befunde ar,
so finden wir folgendes.
In allen Fällen waren im Tropfen des frisch katheterisierten
Urins Kokken vorhanden; ihre Menge war nicht immer beträcht-
lich. Die kulturelle Untersuchung ergab denselben Befund wie die
bakterioskopische. Faltin hat wiederholt Staphylokokken, die er
im Grampräparat des frischen Urins fand, nicht züchten können,
und umgekehrt 4 mal bei negativem genuinem mikroskopischem Urin-
befund Staphylokokken gezüchtet; diese letzteren Fälle würde ich
nicht als beweiskräftig ansehen. Bei Suter finden wir fast stets
Übereinstimmung des kulturellen und genuinen Befundes.
Geimpft habe ich in Bouillon, Blutserum, Glyzerinagar, Gela-
tine. Die Bouillon bei 37° gehalten trübte sich und bildete einen
Bodensatz, jedoch ohne sich gänzlich zu klären; der Stapbylokokken-
urin pflegt ja, wenigstens bei Zimmertemperatur, ganz zu sedimen-
tieren. Immer habe ich auf festen Nährböden Strich- oder Stich-
u S Zw BB e-
nn
Die Sonderstellung der Staphylomykosen der Harnwege. 473
kulturen angelegt. Auf Blutserum wuchsen die Abstriche binnen
36—72 Stunden zu saftigen glänzenden, weißen oder gelben Belägen.
Im Gelatinestich bewirkten die Staphylokokken, mit Ausnahme
von 1 Fall, die typische strumpfartige Verflüssigung. Was die Farb-
stoffbildung angeht, so handelte es sich 5mal um Staphylococcus
aureus, 1 mal um albus; in den nicht von mir selbst bakteriologisch
durchgearbeiteten Fällen fehlen diesbezügliche Angaben.
Die Staphylokokken Faltins waren zum Teil nicht verflüssi-
gende, die in Suters Fällen 6 mal nicht verflüssigende; Chute und
Picker züchteten Staphylokokken von wechselnder Verflüssigungs-
fähigkeit.
Ebensowenig wie die Verflüssigungsfähigkeit kann die Fähig-
keit der Staphylokokken, den Harnstoff zu zersetzen, Unterschiede in
ihrer Virulenz begründen (siehe darüber auch Fall VII, S. 455).
Am ehesten wäre noch die Farbstoffbildung in Zusammenhang
mit der Pathogenität zu bringen. Noguchi” hat kürzlich bei
Untersuchung von 286 Stämmen von Staphylokokken festgestellt.
daß Staphylococcus aureus immer pathogen, Staphylococcus citreus
zuweilen pathogen, Staphylococcus aureus-albus, citreus-albus, albus
immer saprophytär waren. Ob das bei den Urinstaphylomykosen
zutrifft, muß dahingestellt bleiben; Rovsing, Faltin, Suter, Ta-
naka haben weiße, grauweiße, gelbweiße, goldgelbe Kokken in
buntem Wechsel gezüchtet, ohne daß die Krankheitsbilder sich
merklich unterschieden; während Tanaka bei fast ausschließlich
leichten Fällen meistens (22 mal) typischen Staphylococcus aureus
bekam, sind unter den 25 meist schweren Staphylomykosen bei
Suter nur 5 typische Befunde goldgelber Staphylokokken.
Wir müssen also die oben aufgeworfene Frage dahin beant-
worten, daß wir an den bisher beschriebenen Form- und Wachstums-
merkmalen der Staphylokokken keine Anhaltspunkte für Virulenz
oder Avirulenz besitzen und auf die Bewertung der klinischen Er-
scheinungen angewiesen bleiben. Diese letzteren beweisen im Einzel-
falle, daß die Staphylokokken überhaupt eine Krankheit verursacht
haben; Tierversuche, wie sie Tanaka jedesmal anstellte, können
über den Grad der Virulenz des betr. Stammes für die Harnwege
des betr. Menschen nichts Neues bringen.
Die Prüfungen Noguchis (s. o. l. c.) ergaben, daB pathogene
Saprophyten durch hochwertiges Staphylokokken-Immunserum ag-
glutiniert werden, saprophytäre nicht. Ebensowenig bilden sapro-
phytäre Staphylokokken Hämolysin.
474 Berthold Goldberg.
Man müßte also in Zukunft auch die Urinstaphylokokken auf
Hämolyse und auf Agglutination durch das Serum des Patienten
prüfen. Daß Staphylokokken, welche perurethral, exogen in den
Urintraktus gelangen und hier lokalisiert bleiben, gutartigere Cvsti-
tiden und Pyelitiden hervorrufen, als perrenal, endogen in den
Urintraktus gelangte, dürfte äußerst wahrscheinlich sein. Ich sah
unter 9 Urinstaphylomykosen 4 endogene; Suter scheint ausschließ-
lich exogene Entstehung gesehen zu haben, da er nicht einen ein-
zigen Fall endogener Staphylokokkeninfektion mitteilt. Für die
Erklärung der Benignitätsdifferenzen mehrerer gleich lokalisierter
Staphylomykosen und der Differenzen zwischen endogenen und exo-
genen Fällen dürfte auch der Umstand ins Gewicht fallen, daß der
Urin auf die in ihm lebenden Mikroben einwirkt. Die Staphylo-
kokken bilden ja sowohl in ihren Leibern, als auch in ihren Stoff-
wechselprodukten Gifte verschiedener Art, proteolytische, toxische,
solche, die Eiterung erregen, solche, die Leukocyten schädigen,
solche, die Blutkörperchen auflösen; daß in diesen ihren Lebens-
eigenschaften der Urin, in dem sie wohnen, Änderungen bewirkt,
ist klar; wahrscheinlich hebt er sie zum Teil auf.
Aus Vorstehendem ziehe ich die folgenden Schlüsse:
a) Die Staphylomykosen der Harnwege haben mit den durch
andere Erreger verursachten Infektionen gemeinsam:
1. daß alle Grade und alle Lokalisationen von Erkrankung
in den Harnwegen bewirkt werden;
2. daß die Erreger sowohl exogen als auch endogen in die
Harnwege gelangt sein können;
3. daß „aufsteigend* Pyelitiden und Pyelonephritiden ex-
zeptionell bei Harnrückstauung zustande kommen, daß
aber hämatogen ,absteigende“ Staphylokokken-Pyelitiden
und -Cystitiden weit häufiger sind, als man bisher annahm.
b) Die Staphylomykosen zeichnen sich vor anderen Infektionen
der Harnwege durch einige besondere Eigenschaften aus:
1. Sie sind im Anfang und bei geeigneter Behandlung leicht
heilbar, daher in der Regel von kurzer Dauer.
2. Chronische Staphylomonoinfektionen sind selten; manche
dieser Fälle sind primäre Phosphatdiathesen mit nach-
träglicher Staphylokokkeninfektion.
3. Die Staphylomykosen beginnen und verlaufen oft mit
Albuminurie.
to
E Cn
© 00 =1
Die Sonderstellung der Staphylomykosen der Harnwege. 475
4. Bei und nach Gonorrhoe kommen alle Varietäten der
Staphylokokkeninfektion zur Beobachtung.
5. Die Verschleppung der Staphylokokken aus den Harn-
wegen ins Blut und in die Nieren ist in besonders hohem
Grade lebensgefährlich.
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Muskelatrophie, Muskelrheumatismus,
Arthritis, Keratosis der Fusssohlen bei einem
gonorrhoischen Patienten.
Von
Prof. I. F. Selenew, Moskau.
Mit einer Textabbildung.
In meiner Vorlesung über „Gonorrhoe als infektiöse Allgemein-
erkrankung“ wurden in genügender Anzahl klinische Tatsachen
vorgebracht, welche die allgemeine Natur der Gonokokkengonorrhoe
dartun. In welchem Grade die Allgemeinerscheinungen die Folge
einer Vergiftung des Organismus mit dem gonorrhoischen Gift und
in welchem Grade sie die Folge einer Infektion durch die Gono-
kokken selbst sind, kann für die Aufklärung der ätiologischen Wesen-
heit der zur Beobachtung gelangenden Erscheinungen nicht von
großer Bedeutung sein, wenn der infektiöse Herd, Gonorrhoe der
Harnröhre, vorhanden ist.
Im Nachstehenden berichte ich über eine interessante Beobachtung,
die ich seinerzeit in dem Militärhospital zu Kiew (Beobachtung
Nr. 260) gemacht und noch nicht beschrieben habe. Es handelt
sich um einen Patienten, bei dem sich Arthritis, Muskelrheumatis-
mus, Muskelatrophie und Keratose der Fußsohlen entwickelt hatten.
Die Krankengeschichte ist folgende:
I. D., 23 Jahre alt, Unteroffizier, aus dem Gouvernement Kiew gebürtig,
wurde im Juni in die Nervenabteilung des Hospitals mit der Diagnose Rheuma-
Hamus articularis mit schmerzhafter Schwellung des rechten Kniegelenks auf-
genommen, welche vor 5 Tagen aufgetreten war. Temperatur 839—39,6°C.
Phenazetin innerlich und Pinselung des Gelenks mit Jodtinktur.
22, Juni. ‘Temprratur 38—39,80 C.
23. Juni. Schwellung und Schmerzhaftigkeit des Gelenks geringer. Tempe-
ratur 38,6—39,3° C.
24. Juni. Tempcratur 88,2—39,50 C.
25. Juni. "Temperatur 35—38,30 C.
Muskelatrophie, Muskelrheumatismus, Arthritis Keratosis d. FuBsohlen usw. 477
26. Juni. Temperatur 38,20 C. Bei dem Patienten wurde Gonorrhoe kon-
statiert, zu deren Behandlung er der venerischen Abteilung überwiesen wurde.
27. Juni. Temperatur 37,3—38,8°C. Schwellung des rechten Kniegelenks
und des linken Handgelenks. Bedeutende Schmerzer. Dichtes eitriges gonor-
rhoisches Sekret und schneidende Schmerzen beim Harnlassen. Salizylnatron
innerlich und Injektionen von Kali hypermanganicum.
28. Juni. Temperatur 37,7—37,9? C.
29, Juni. Temperatur 37,2—37,3°C.
30. Juni. Temperatur 36,6—37,4°C. Schmerzen in den Gelenken geringer.
Juli. Temperatur 36,7—37,1° C.
2. Juli. Temperatur 36,9—37,3°C.
3. Juli. Temperatur 37—32,2°C.
4. Juli. Temperatur 36,7—37,4°C, Schwellung und Schmerzhaftigkeit
des linken Hand- und des rechten Kniegelenks. Es werden Salizylnatron mit
Jodkalium in Lösung verordnet, dreimal täglich 1 EBlöffel voll, außerdem warme
Wanneobäder.
5. Juli. Temperatur 36,8—87.20.
6. Juli. Temperatur 86,9—37,1°C. Der Patient klagt über Bauchechmerzen.
Am rechten Oberschenkel pustulöses Exanthem.
22. Juli. Temperatur normal. Gelenkschmerzen geringer. Ausfluß nicht
vorhanden. Die Einspritzungen werden ausgesetzt.
24. Juli. Ausfluß nicht vorbanden. Die Gelenkschmerzen haben zuge-
nommen.
26. Juli. Der Patient klagt über Verdauungsstörungen. Salizylnatron und
Jodkalium werden ausgesetzt. Wuannenbäder. Massage.
Am 1. August kam der Patient in meine Behandlung. Er ist seit dem
10. Juni an Gonorrhoe erkrankt, die sich 10 Tage nach dem mit einer Köchin
gehabten Koitus eingestellt hatte. Der Patient ist zum zweitenmal an Gonor-
rhoe erkrankt. Das erste Mal war er im Jahre 1892 5 Monate lang kıank,
wurde aber dann geheilt. Jetzt stellten sich schneidende Schmerzen in der
Harnröhre und eitriger gonorrhoischer Ausfluß ein, der ca. 3 Wochen andaueıte.
Während der Injektionsbehandlung trat der Ausfluß nur des Morgens auf, wer-
den aber die Injektionen ausgesetzt, so stellt sich wieder eitrige Sekretion ein.
Während der ersten gonorrhoischen Erkrankung hatte sich Blut im Harn gezeigt.
Diesmal war weder Blut im Harn noch Entzündung der Hoden aufgetreten.
Zu Beginn der Krankheit war der Harndrang tagsüber und auch des Nachts
abnorm gesteigert. Jetzt uriniert der Patient tagsüber viermal, des Nachts kein
einziges Mal. Zu Beginn der Krankheit bestand Obstipation. Jeizt stellten sich
ab und zu Diarrhöen ein.
Seit dem 17. Juni bestehen Schmerzhaftigkeit und Schwellung des rechten
Kniegelenke. Seit dem 22. Juni besteht auch eine Erkrankung des linken Hand-
gelenks. Das linke Kniegelenk erkrankte am 27. Juni. An Gelenkschwellung
will der Patient früher niemals gelitten haben, gibt aber anderseits zu, daß er
seit dem Juhre 1894 ab und zu an Reißen in den Füßen und Kniegelenken ge-
litten babe.
Gegenwärtig bestehen Morgentropfen und zeitweise eitiige gonorrhoische
Sekretion. Harn trübe, enthält lange und kurze Fäden. Beide Kniegelenke
sind geschwollen, enthalten Flüssigkeit. Die Bewegungen sind schmerzhaft. Die
Zeitschrift für Urologie. 1913. 32
put
478 I. F. Selenew.
Patella ballottiert. Die Muskeln der Unterschenkel sind bei Berührung und Be-
wegung schmerzhaft. An den Kapseln und Muskelscheiden ist gleichfalls Flüssig-
keitsansammlung nachzuweisen. Das linke Handgelenk ist geschwollen, die Be-
weguanzen in demselben sind schmerzhaft. Die Muskeln der ganzen linken Ex.
tremität sind atrophisch. Der Druck auf die Nerven (N. cubitalis, N. radialis)
ist schmerzlos.. Auf der Haut sieht man erythematöse Flecke, die mit feinen
epidermoidalen Schüppchen bedeckt sind, die sich zum erstenmal am 30. Jani
gezeigt hatten. Stark ausgesprochene Keratose der Fußsohlen, die früher nicht
vorhanden war.
ns nr WS An -
Muskelatrophie, Muskelrheumatismus, Artbritis, Keratosis d. FuBsohlen usw. 479
Lungen normal. Herzdimensionen vergrößert und gehen links eine Quer-
fingerbreite über die Mammilla, rechts etwas über die Parasternallinie hinaus,
An der Herzspitze systolisches Geräusch. Puls 120 in der Minute Milz
zwischen der 7. und 8. Rippe nicht palpabel. Leber, Darm und Nieren bieten
keine gröberen anatomischen Abweichungen dar. Temperatur 37,1—37,8°C.
Beine eingeschlafen. Puls 108 in der Minute. Im eitrigen gonorrhoischen Sekret
aus der Harnröhre wurden zahlreiche Gonokokken nachgewiesen.
3. August. Temperatur 36,8—38°0. Puls 112 in der Minute. Eitrige
gonorrhoische Sekretion. Harn mit eitrigem Niederschlag. Eiweiß nicht vor-
handen.
4. August. Temperatur 37,3—37,8°C. Puls 140 in der Minute. Schmerzen
in den Phalangealgelenken der Zehen des linken Fußes.
5. August. Temperatur 37,2—38°0. Puls 116. Der erste Ton ist nicht
rein, schwach, der zweite ist akzentuiert. Schmerzen im rechten Oberarm-
knochen und im Schultergelenk.
6. August. Temperatur 87,2—37,50C. Schmerzen nirgends bis auf die
Kniegelenke. Die vergleichende Messung der Zirkumferenz der rechten und
linken oberen Extremität ergab folgende Zablen:
rechts links
Oberarm — mittleres Drittel . . . . 241/,cm 22 cm
Oberarm — unteres Drittel unmittelbar aberh, a. Condylus 22l p 21 ,
Vordorarm — oberes Drittel . . . . . . . . . . . Häll a 28 ,
Vorderarm — mittleres Drittel . . . . . . . . . . 19 , 18 ,
Vorderarm — unteres Drittel . . . . . . . . . . . 161/, , 151},
Hando eg d a o a ec SD er ` DEENS
Finger . . . D, D DUR NH UC LS AT
Messang der Hal Extremitäten:
Oberschenkel — unteres Drittel . Bäll a 821},
Unterschenkel — oberes Drittel . . . . . . . . . . 29 „ 29 „
Unterschenkel — mittleres Drittel . . . . . . . . . 231}, , 281,,
Unterschenkel — unteres Drittel . . . . . . . . . . Ihn 19,
Subjektives Befinden gut. Puls 110 in der Minute. Das Erythem verschwindet.
Zeitweise Schmerzen in der Herzgegend.
7. August. Temperatur 86,6—37,4°C.
8. August. Temperatur 36,6—37,3°C.
9. August. Temperatur 86,6—37,3°C. Schmerzen in den unteren Extre-
mitäten von den Knien bis zu den Hacken. Kreuzschmerzen, Puls 120 in der
Minute.
10. August. Temperatur 36,8—87,2°C.
11. August. Temperatur 36,4—37,8°C. Puls 110 in der Minute. Herz-
töne rein. Keratosen an den Fußsohlen geringer. Schneidende Schmerzen in
der Harnröhre. Bei Druck entleert sich ein Eitertropfen. Kopfschmerzen.
12. August. Temperatur 86,6—87,2°C.
13. August. Temperatur 86,8—837,8° C.
14. August. Temperatur 36,1—36,7°C.
15. August. Temperatur 3#,7—37°C.
16. August. Temperatur 37—37,9°C.
82*
480 I. F. Selenew.
17. August. Temperatur 87,2—37,9°C. Schmerzen geringer. Ansamm-
lung von Flüssigkeit im linken Kniegelenk größer.
18. August. Temperatur 37,2—38,1° C.
19. August. Temperatur 88—88,1°C. Entzündung des rechten Neben-
hodens und des Samenstranges.
20, August. Temperatur 37,4—88,6°C. Schmerzen in den erkrankten Ge-
lenken. Harn mit Eiterniederschlag.
21. August. Temperatur 87,3—38,2°0C. Der rechte Nebenhoden und
Samenstrang sind schmerzhaft und vergrößert. Im Harn bedeutender Nieder-
schlag.
22. August. Temperatur 37,7—38,5°C. Niederschlag geringer. Knochen-
reißen. Obstipation.
23. August. Temperatur 37,2—87,50C. Allgemeines Befinden besser.
Herztätigkeit normal. Hoden und Samenstrang weniger schmerzhaft. Harn
immer noch mit Niederschlag. |
24. August. Temperatur 86,7—37,9°C. Starker Schweißausbruch. Die
innere Behandlung mit Salizyl- und Bromnatrium wird ausgesetzt. Kalte Ein-
packungen der Hoden.
25. August. Temperatur 87,8—38,9°9C. Schweißausbruch geringer. Schmer-
zen im rechten Ellenbogen- und Handgelenk. Hoden und Samenstrang noch
schmerzhaft. Schmerzen in der Herzgegend. Harn mit Niederschlag. Kopf-
schmerzen, Appetitlosigkeit. Chinin innerlich.
26. August. Temperatur 36,7—37,8°C. Allgemeinzustand besser. Knochen-
und Gelenkreißen nicht mehr vorhanden. Hoden schmerzlos.
27. August. Temperatur 86,5—37,2,C.
28. August. Temperatur 36,83—837,2°C. Schmerzen im linken Handgelenk.
Harn mit Niederschlag.
29. August. Temperatur 36,1—87,7°C. Schmerzen im Gebiet der Scheiden
der Flexoren der linken Hand, Schwellung. Schwellung des Handgelenks ge-
ringer. Schmerzen in den Knochen und Gelenken des rechten Armes nach wie
vor. Im linken Kniegelenk wenig Flüssigkeit. Schmerzhaftigkeit ist auch nur
an der rechten Seite vorhanden, große Schmerzhaftigkeit und große Flüssigkeits-
ansammlung im rechten Kniegelenk. Herztätigkeit abnorm frequent. Puls 112
in der Minute. Herztöne etwas dumpf. Dem linken Mittelfinger wurde Blut
behufs Aussaat auf mit Bliutserum gefeuchteten Agar, auf Nähragar und auf
Bouillon entnommen. Die in der Nervenabteilung des Hospitals vorgenommene
Untersuchung des Nervensystems ergab. daß die allgemeine elektrische Erreg-
barkeit für beide Ströme sowohl rechts als auch links herabgesetzt ist. Die
Untersuchung mit Induktionsstrom im Erbschen Punkt und im Sulcus bicipi-
talis ergab in der atrophierten linken Extremität eine noch ausgeprägtere Ver-
ringerung der Erregbarkeit. Die Nn. radialis, ulnaris und medianus sind auch
an der linken oberen Extremität weniger erregbar. Dieselben Abweichungen
wurden auch bei der unmittelbaren Untersuchung der Muskeln sowohl mit dem
Induktions- als auch mit dem konstanten Strom festgestellt, wobei der konstante
Strom auf eine bedeutende Herabsetzung der allgemeinen neuromuskulären Er-
regbarkeit hinwies (15—20 Elemente). Schmerzhaftigkeit der Nerven des linken
Armes bei Druck auf dieselben (Nn. radialis und ulnaris). Der allgemeine Haut-
M = = we
HE. Es Le ln = =
Maskelatrophie, Muskelrheumatismus, Arthritis, Keratosis d. Fußsohlen usw. 481
und Schmerzsinn sind gesteigert, Temperatur unverändert. Die dynamometrische
Kraft der rechten Hand beträgt 40, die der linken 10.
30. August. Temperatur 86,4—87,20 C. Herzschmerzen. Puls 96 in der
Minute. Erster Ton unrein, beide Töne dumpf. Kopfschmerzen. Harnlassen
häufiger.
31. August. Temperatur 37—37,8°C. Kopfschmerzen, Schmerzen im
rechten Schultergelenk. Reißen in deu Kniegelenken. Herztätigkeit besser.
Puls 80 in der Minute, voll, regelmäßiger. Appetit besser.
1. September. Temperatur 86,5—37,60C. Schmerzen im linken Arm und
an den unteren Extremitäten. Obstipation. Phenazetin innerlich.
2. September. Temperatur 36,7—36,0°C. Kopfschmerzen mit dem Charakter
von Migräne.
3. September. Temperatur 36,7—85,4° C.
4. September. Temperatur 36,5—37,5°C. In den Gelenken immer noch
Flässigkeit vorhanden. Schmerzen in den Muskeln des rechten Unterschenkels.
Appetitlosigkeit.
5. September. Temperatur 86,1—86,6°C. Schmerzen im linken Hand-
gelenk und im Kreuz. Des Nachts SchweiBausbruch. Puls 88 in der Minute.
Es waren Anfälle von Herzschmerzen aufgetreten.
6. September. "Temperatur 36,5—37,7°C. Gelenkschmerzen geringer. Be-
wegungen im Handgelenk freier. Herzschmerzen. Puls 88 in der Minute.
Einige Blutuntersuchungen auf gefürbten Präparaten ergaben: rote Blutkörper-
chen unverändert, Poikilozytose, Vakuolisation, Brüchigkeit, ungleichmäßiger
Hämoglobingehalt. Weiße Blutkörperchen in amöboider Bewegung begriffen,
vornehmlich polynukleäre Zellen und Lymphocyten. Die Blutaussaat ergab ein
negatives Resultat, wenn ich auch ab und zu auf den trockenen gefärbten
Präparaten gonokokkenähnliche Diplokokken fand.
Gonorrhoische Aflektionen des Muskelsystems können somit ziemlich rasch
nach der Infektion, und zwar innerhalb des zweiten, dritten Monats usw. auf-
treten, wobei sie sogar den Charakter eines ausgebreiteten atrophischen Prozesses
annehmen können. Daß die Muskelatrophie der oberen linken Extremität im
vorliegenden Falle nicht durch die Erkrankung des Handgelenks bedingt war,
geht daraus hervor, daß die Muskeln der gesamten Extremität affıziert waren
und nicht nur diejenigen, die wegen der Erkrankung des Gelenks inaktiviert
waren. In einem andern analogen Falle ist es nicht zu Muskelatrophie gekom-
men, trotzdem die Gelenkaffektion ca. einen Monat andauerte. Die Schmerz-
haftigkeit in den Nervenstämmen des N. radialis und N. ulnaris war übrigens
weit später als die Muskelatrophie aufgetreten. Infolgedessen halte ich es für
richtiger, in vorliegendem Falle die Muskelatrophie auf Konto des Zentral-
nervensystems zu setzen, für dessen Erkrankung die allgemeine Abschwächung
der neuromuskalären Erregbarkeit, die Veränderungen der Hautsensibilität und
die Keratosen sprachen.
Literaturbericht.
l. Gonorrhoe und Komplikationen.
Conduite á tenir en cas de blennorragie Amatrimoniale.
Von Jules Janet-Paris. (Journ. d’Urol., Tome II, No. 4, 1912.)
Janet hält sich für verpflichtet, die Interessen desjenigen Ehegatten
zu wahren, der den Gonococcus ins Haus geschleppt hat. Dies erreicht
er durch kleine Lügen. Ist die Frau der schuldige Teil, so kann er dem
Manne weismachen, daß die Frau unbewußt ihre als Kind unschuldig
erworbenen Gonokokken bis zur Ehe konserviert habe oder daß Hand-
tücher, Waschschüsseln und W.C. auf der Hochzeitsreise das eheliche
Gefäß vergiftet haben. So kann man leicht eine Scheidung verhüten.
Ist der Mann krank, und hat er:
a) seine Frau noch nicht infiziert in diesem Falle, so muß man
l. einen Vorwand finden, um den Verkehr auszuschalten;
2. eine harmlose Erklärung für den Ausflug ersinnen. Hierbei be-
währt sich die Simulation einer vorzunehmenden Steinoperation, wobei
die Frau sorglich darüber belehrt wird, daß solche Behandlung einen
eitrigen Ausfluß mit sich bringt, welche längere Behandlung und Ab-
stinenz erfordert.
b) Hat er seine Frau schon infiziert, dann muß man sie natürlich
behandeln, aber ihr nie verraten, daß sie an einer kontagiösen Krank-
heit leidet und muß ihr den Glauben beibringen, daß diese Krankheit
eine ihr persönlich innewohnende ist, was man mit Benennungen wie
„Fluor albus“, Metritis, Cystitis, unschwer erreicht. Hat sie bei ihrem
Manne den Ausflug wahrgenommen, so ist das eine simple Urethritis,
beileibe keine frische Gonorrhoe. Auch empfiehlt es sich nicht, die
Krankheit des Mannes als Wiederausbruch einer alten Jugendsünde zu
bezeichnen, diese Ausflucht würde die Frau nicht ohne Groll gelten lassen.
A. Citron-Berlin.
Ein Fall von gonorrhoischer Mittelohrentzündung. Von Potro-
kowski- Warschau. (Revue clinique d’Urologie 1913, Heft 1.)
Seit Jahren werden in der Literatur immer mehr Fälle von Gonorrhoe
beschrieben, die außerhalb der Genitalsphäre zu Komplikationen führten.
Nicht nur Arthritiden, sondern auch Ostitis und Periostitis, Myositis,
Tendovaginitis gonorrhoica sind beschrieben worden. Erkrankungen des
Herzens sind nicht selten, ebenso hat man Beteiligung der Venen be-
obachtet. Parker und Furth haben sogar einen Fall von Phlebitis
gonorrhoica im Bereich der Lungenarterie veröffentlicht. Jedes Organ
kann von der Gonorrhoe in Mitleidenschaft gezogen werden, sei es
Leber, Milz, Lungen oder Nieren, ja sogar eine Pleuritis und auch eine
Peritonitis gonorrhoica, selbst beim Manne, hat man beobachtet. Auch
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Gonorrhoe und Komplikationen. 483
Haut, Auge und Ohr können durch Metastasen erkranken. P. beschreibt
ausführlich einen Fall, wo bei einer Kranken mit gonorrhoischer Endo-
metritis und Urethritis plötzlich hobes Fieber mit multiformem Erythem
der Haut auftrat. Das Fieber zeigte remittierenden Charakter und
dauerte 10 Tage. Am elften Tage plötzlich Ausfluß aus dem rechten
Ohr. Es hatte sich eine eitrige gonorrhoische Mittelohrentzündung ent-
wickelt, die schließlich einen operativen Eingriff notwendig machte.
Maaß-Berlin.
Evolution naturelle du gonocoque chez homme et la femme.
Von Jules Janet. (Journ. d’Urol. Tome II, Nr. 5, 1912.)
In der männlichen und weiblichen Urethra gehen die Gonokokken
mit der Zeit auf natürliche Weise zugrunde. Ihre Vernichtung wird
befördert durch die fortwährende Urinspülung, durch eine gewisse Vak-
zination, durch das Altern der Kulturen, durch leukozytäre Phagozytose
und durch die Phagozytose des Zylinderepitbels. Gute und schlechte Be-
handlungsmethoden sind dieser Naturheilung gleich hinderlich, und die
Gonokokken schwinden, aller ärztlichen Ungeschicklichkeit zum Trotz,
gewöhnlich dann, wenn Arzt und Patient es aufgeben, sie weiter zu be-
kämpfen. So falsch auch die Behandlung war, die Natur siegt schließ-
lich. Die Existenz einer chronischen Gonokokken-Urethritis behaupten
nur diejenigen, welche den Ausfluß nicht mikroskopisch untersuchen. Die
Infiltrate der Urethra, welchen die moderne Urologie mit Feuer und
Schwert zu Leibe geht, enthalten keine Gonokokken. Hierzu bedarf es
keiner Serienschnitte, aber „ein alter Wilddieb kennt die Schliche des
Hasen, ohne den Buffon studiert zu haben“. In den paraurethralen
Abszessen, den Skeneschen und Bartholinischen Drüsen, in den tiefen
Drüsen des Collum uteri, überhaupt besonders im weiblichen Genitale,
in Herden, welche vom Urinstrahl nicht bespült werden und mit phago-
zytären Einrichtungen nicht versehen sind, blüht die Gonokokkenflora
ad infinitum weiter. Von diesen Herden geht eine ständige Reinfektion
der Harnröhre aus, gegen sie muß mit chirurgischer oder wenigstens
rationell betriebener desinfizierender Behandlung vorgegangen werden.
A. Citron-Berlin.
A. fatal case of gonococcus septicaemia. Von G. A. Rueck-
New York. (Medical record 4. 1. 1913.)
Bei einer 22 Jahre alten Frau waren 3 Wochen vor der Einliefe*
rung, eine Woche nach der Hochzeit andauernde Kopfschmerzen und
Knochenschmerzen besonders in den Knien aufgetreten. Bei der Ein-
lieferung klagte sie ferner über große Mattigkeit, großen Durst und
Herabsetzung des Gehôürs. Bei der Untersuchung war die Temperatur
40°, Puls 120, Respiration 32. Am Herzen wurde ein systolisches Ge-
räusch gehört, das gegen das Ende der Krankheit laut und blasend
wurde. Während und nach der vierten Krankheitswoche traten kleine
Petechien auf der Abdominalhaut auf. In der fünften Woche waren die
Kniegelenke 5 Tage lang rot und geschwollen. Als Diagnose wurde
Typhus, Mitralinsuffizienz, Otitis purulenta angenommen. Zunächst blieb
484 Gonorrhoe und Komplikationen.
die Temperaturkurve wie beim Typhus, dann traten Schüttelfröste auf,
und die Kurve wurde wie die bei einer Sepsis. Es wurde deshalb in
dem von Bolduan angegebenen Nährboden Blut aufgefangen, es wuchs
ein grammnegativer Kokkus, der sich nicht auf gewöhnlichem Nährboden
weiterzüchten ließ, dagegen auf Glukose-Ascitesagar, Ascitesagar, Ka-
ninchen-Serumagar und auf Konradi-Drigalski-Nährboden in Kulturen
wuchs, die wie (fonokokken aussahen. Um ganz sicher zu sein wurde
mit einer dieser Kulturen und Torreys polyvalentem Antigonokokken-
serum eine Agglutinationsprobe angestellt, die völlig positiv ausfiel.
Die Patientin erhielt jetzt Einspritzungen von Antigonokokkenserum,
worauf die Temperatur herunterging. 5 Tage nach Beginn der Behand-
lung starb die Patientin, eine Sektion konnte nicht gemacht werden,
Der Ehemann gab zu, daß er einige Zeit vor der Hochzeit an gonor-
rhoischer Urethritis erkrankt war, und daß wahrscheinlich diese Krank,
heit noch nicht geheilt war. N. Meyer- Wildungen.
Importance d'un diagnostie très précis des urétrites. Von
Jules Janet. (Journ. d’Urologie, Tome III, No. 1, 1913.)
Es ist ganz unmöglich, eine Uretritis ohne Mikroskop genau zu
identifizieren, da die verschiedensten Formen dasselbe klinische Bild dar-
bieten. Hat der Patient durch eigenmächtige Antizipation der Behand-
lung den bakteriellen Tatbestand verdunkelt, so suche man — eventuell
durch Mitgabe eines Objektträgers — nachträglich Sekret zu erhalten
und die Diagnose zu sichern. Nach der Untersuchung des Ausflusses
schreite man zur Urinprüfung, wobei die bekannten Hindernisse des
Nicht-urinieren-könnens und Eben-uriniert-habens in der bekannten Weise
überwunden werden müssen. Die Zweigläser-Probe besitzt nur Wert bei
flüssigen Sekreten, bei Filamenten ist sie erst nach Ausspülung der Pars
anterior Urethrae vorzunehmen. Ist die zweite Urinportion trübe, so
versäume man nicht sie zu zentrifugieren, um die relativ häufigen In-
fektionen der Blase festzustellen.
Bei der nun folgenden Untersuchung der Prostata ist zu beobachten,
daß dieses Organ dem tastenden Finger sehr oft vollständig normal er-
scheint, während es sehr krank ist. Erscheint das als Index erwünschte
Expressionsprodukt nicht vor dem Orificium Urethrae, so muB es nach
der Massage herausgespült werden. Der Vollständigkeit halber ist das
Sperma zu untersuchen, um die seltenen Fälle von Bakteriospermie fest-
zustellen.
Die anatomische Untersuchung der Harnröhre vermittelst Bougie
und Urethroskop vervollständigt die Untersuchung, ist aber bei Anwesen-
heit von Gonokokken zu unterlassen, weil sie in diesem Falle von keinem
Interesse ist und die größten Gefahren in sich trägt. A. Citron- Berlin.
Über Gonokokkenvakzin als eventuelles diagnostisches Hilfs-
mittel. Von Prof. H. Ziemann-Charlottenburg. (Berliner klin. Wochenschrift
1912, Nr. 40.)
Verf. glaubt bei akuter Gonorrhoe öfter einen Reizzustand der Kon-
junktiven beobachtet zu haben, die er als Toxinfernwirkung der Gono-
. en Werten 3-2 a s
Gonorrhoe und Komplikationen. 485
kokken auffaßt. Er hat dann experimentelle Untersuchungen angestellt,
indem er von einer Gonokokkenkultur, die entsprechend präpäriert war,
ein kleines Quantum in den Konjunktivalsack von Personen, die an chro-
nischer Gonorrhoe litten, einbrachte und in der Mehrzahl der Fälle eine
leichte entzündliche Rötung der Bindehaut eintreten sah, während dies
bei nicht gonorrhoisch Erkrankten nicht der Fall war. Verf. wird die
Untersuchungen fortsetzen, die in zweifelhaften Fällen von Gelenk- und
manchen Frauenerkrankungen unter Umständen von erheblichem diagno-
stischem Wert sein können. Paul Cohn-Berlin.
L’emploi des balsamiques dans la blennorrhagie. Von N. Ri-
bollet-Lyon. (Annales des maladies vénériennes). (Janv. 1913.)
Die Balsamika sind nur dann nutzbringend, wenn sie zur rechten
Zeit gebraucht werden. Sie wirken schmerzlindernd, beseitigen auch den
Ausfluß, aber nicht die Gonorrhoe. Im Anfang der Erkrankung kann
durch den Gebrauch der Balsamika der Ausfluß beseitigt werden, aber
er tritt wieder auf, sobald diese nicht mehr angewandt werden. Perrin,
de Marseille, Jaddassohn und Neisser haben deshalb die Balsa-
mika als nutzlos verworfen. Das sind sie aber nur bei indikationsloser
Verordnung. In der 4. oder 5. Woche, wenn der Ausfluß schleimig-
eitrig geworden ist, bringen sie im allgemeinen wohl den gewünschten
Erfolg. Nur der frühe Gebrauch der Balsamika ist schädlich, er ver-
ursacht nicht nur eine längere Dauer der Erkrankung, sondern auch viel-
fache Komplikationen und manchmal sogar den Übergang zur chronischen
Gonorrhoe. Denn die Balsamika unterdrücken nur die Sekretion und die
Eiterung und machen die Harnröhre trocken, sie besitzen aber keine Wir-
kung auf die Gonokokken selbst. Diese werden im Gegenteil zurück-
gehalten, und der Verlauf der Erkrankung ist dadurch viel ungünstiger.
Die Balsamika sollen deshalb nur dann angewandt werden, wenn alle
Gonokokken aus der Harnröhre verschwunden sind. Nach R. führt ge-
rade die frühe Anwendung der Balsamika zu einer Einkapselung der
Gonokokken in der Schleimhaut, und dadurch können alle möglichen
Komplikationen entstehen: Harnröhrenverengerung, Prostatitis, Folliculitis
urethralis.
Deshalb muß man auch zur Vermeidung von Rezidiven sich nicht
mit einer einmaligen mikroskopischen Untersuchung des Sekretes begnügen.
Erst wenn man ganz sicher ist, daß keine Gonokokken mehr vorhanden
sind, meist also, wenn der Ausfluß schleimig geworden ist, verordnet man
die Balsamika. Hat die Untersuchung des Sekretes keine Gonokokken
mehr finden lassen, so appliziert R. noch 8 Tage lang große Spülungen,
um die Harnröhre in ihrer ganzen Ausdehnung von Gonokokken zu be-
freien. Erst dann beginnt R. die Schlußbehandlung mit den Balsamika. .
Sonst ist die Wirkung der Balsamika lediglich eine palliative, und
wegen dieser palliativren Wirkung gibt man intermediär manchmal die
Balsamika bei Urethritis posterior mit drohender Cystitis, wenn der Pat.
durch Dysurie, Pollakiurie, Schmerzen beim Wasserlassen und durch Hä-
maturie gequält wird. Es genügt dann etwas Copaivabalsam oder Santal-
öl, Potio Chognaeti oder einige Gumenalkapseln, um die Erscheinungen
486 Gonorrhoe und Komplikationen.
zu beseitigen. Nach spätestens 6—8 Tagen, wenn der gewöhnliche Er
folg erreicht ist, kehrt man wieder zu der rationellen antiseptischen Be,
handlung mit Sol. arg. nitric. zurück und setzt diese solange fort. bis
man die Schlußbehandlung mit den Balsamika anfügen kann. Indessen
soll man nach Möglichkeit die intermediäre Anwendung der Balsamika ver-
meiden, da sie den Heilungsprozeß nur verlängern. Zur Schlußbehand-
lung müssen die Balsamika genügend lange und in wirksamen Dosen ge-
geben werden. Der Gebrauch der Balsamika darf nicht plötzlich abge-
brochen werden, sondern man muß mit progressiv kleiner werdenden
Dosen die Behandlung beenden. Die gebräuchlichsten Balsamika sind:
Copaivabalsam, Cubebenfrüchte und Sandelholzöl. Man gibt sie einzeln
oder kombiniert in Form von Mixturen, Pillen oder Opiaten. Copaiva-
balsam gibt man in Dosen von 5—12 g pro die, sei es in Form eines
Opiats oder als Choquetsche Mixtur. Häufig macht Copaivabalsam Magen-
Darmbeschwerden, Magenschmerzen und Hautausschläge, die schnell vor-
übergehen, wenn man das Mittel aussetzt. Fructus cubeb. gibt man
meistens zusammen mit Bals. copaiv. und zwar als Opiatum in Pillen-
form in Dosen von 2—3 g. Ol. santali ist vielleicht weniger wirksam,
wird aber besser ertragen und macht weniger Verdauungsstôrungen, kann
aber recht unangenehme Nierenschmerzen verursachen. Es wird in Kap-
seln in Dosen von 8 bis 10 g pro die verordnet. Außerdem gibt es
noch eine ganze Reihe von Präparaten, die sich von den Balsamika
ableiten: Arrheol, Gonosan, Gonunol, Enunitin, die Raquinschen und
Heurysankapseln usw. Weniger gebraucht werden noch Kawa-Kawa,
Matico, Perubalsam und Tolubalsam. Ol. Therebinthinae wird überhaupt
bei Cystitis in Kapseln und in Dosen von 4—6 g gegeben. Alle Bal-
samika aber geben nur dann gute Resultate, wenn sie in genügend
hohen Dosen zur rechten Zeit verordnet werden. Maas.
Beitrag zur internen Behandlung der Gonorrhoe mit Gonok-
tein. Von W. Milota-Prag. (Wiener med. Wochenschr. 1913, Nr. 7.)
Das Gonoktein stellt ein Gemenge von Kawa-Kawa, Kubeben,
Tannin, Bismuth. subnitric. und verschiedener Extrakte (z. B. Fol. uvae
ursi) und ätherischer Öle dar. In Dosen von 2mal täglich 2 Kapseln
hat es M. bei Gonorrhoe mit gutem Erfolge verwendet.
von Hofmann-Wien.
Zur Therapie der Gonorrhoe. Von H. Ehrl-Linz. Wiener med.
Wochenschr. 1913, Nr. 4.)
E. verwendet zur Behandlung der Gonorrhoe das Arrhovin und hat
es als durchaus frei von Nebenwirkungen bei gleichzeitig sebr günstiger
Einwirkung auf Schmerzen und Sekretion befunden.
von Hofmann-Wien.
Die Abortivbehandlung der männlichen Gonorrhöe. Von Dr.
Leopold Lilienthal und Dr. James Cohn, Berlin. (Medizinische Klinik
1913, Nr. 7.)
Die Verfasser verstehen unter Abortivbehandlung der Gonorrhôe
- NT u Ins
Diabetes und Stoffwechsel. 487
eine Heilung innerhalb von drei Tagen. Alle Fälle, die am vierten Tage
der Behandlung noch Gonokokken aufweisen, betrachten sie als miß-
lungen. Jede Gonorrhöe ist geeignet zur Abortivkur, deren erste sub-
jektive Symptome nicht länger als 24 Stunden zurückliegen, wo keine
Komplikationen und nur geringes serös-eitriges Sekret vorhanden sind.
Die Methode der Behandlung besteht darin, daß drei Tage hintereinander
je drei Einspritzungen ü 8 ccm 4—5°/,igen Protargols gemacht werden,
jede vier Minuten in der Urethra anterior gehalten. Was die Erfolge
betrifft, so war ungefähr die Hälfte der behandelten Fälle vom vierten
Tage ab frei von allen Symptomen und ist auch frei von allen Schädi-
gungen geblieben. Irgendwie erhebliche Fälle von Komplikationen sind
auch bei den mißlungenen Fällen nicht beobachtet worden. Auch in den
mißlungenen Fällen hat bei der dann festgesetzten Behandlung eine deutlich
wahrnehmbare Abkürzung der Dauer der Gonorrhöe stattgefunden. Kr.
Die Behandlung der chronischen Urethritis der vorderen
Harnröhre durch die Saugmethode. Von W. Bronner-Paris. (Revue
clinique d’Urologie 1913, Heft 1.)
B. beschreibt einen nicht ganz einfachen Apparat, der gleichzeitig
zum Saugen und zum Ausspülen der Harnröhre dient, und veröffentlicht
12 Fälle, die auf diese Weise behandelt sind. Die Aspiration wird
3 mal wöchentlich ausgeführt und dauert 10 Minuten. Kann man die
Aspiration nur 2 mal in der Woche vornehmen, so wendet man sie
15 Minuten lang an. Zum Teil sind die Erfolge gut. Maaß-Berlin.
L'avenir du traitement de la blennorragie. Von Jules Janet.
(Journ. d'Urol. 1913, Tome III, Nr. 2.)
Die Prostitution ist das Nest der Geschlechtskrankheiten. Nach
Pariser Statistiken ist jede Prostituierte im Laufe von 4 Jahren syphi-
lisiert und nach 2 Wochen schon gonorrhoisch infiziert; unendlich oft
reinfiziert bleibt sie für immer gonorrhoisch. Mit diesen Verhältnissen
mu man rechnen und den Prostituierten ihre Gonokokken lassen, man
kann aber ihre Kunden durch Prophylaxe und Abortivkuren vor den
Wirkungen der Infektion schützen.
Hierzu ist sorgfältige Aufklärung der jungen Leute erforderlich.
Hat die Prophylaxe versagt, so müssen sie wissen, daß die Wirkung
einer Abortivkur davon abhängt, daß sie sofort nach bemerkter Infek-
tion vorgenommen wird. In diesem Sinne muß auch die gesamte Arzte-
schaft instruiert werden. A. Citron-Berlin.
il. Diabetes und Stoffwechsel.
a) Diabetes.
Glykosurie. Von A. G. Garrod. (Lancet, 24. Februar, 2. März und
9. März 1912.)
In den 3 Vorlesungen (Lettsomian Lectures) gibt Verf. eine er-
schöpfende Übersicht über alle die krankhaften Zustände, welche Stö-
rungen des Kohlehydratstoffwechsels im Gefolge haben können und über
488 Diacetes und Stoffwechsel.
die Formen, in denen dieselben sich äußern können. Er verbreitet sich
ausführlich über die Beteiligung der verschiedenen Organe und bespricht
deren ev. ätiologische Bedeutung. Ebenso eingehend beschäftigt er sich
mit den jeweilig zutreffenden therapeutischen Maßnahmen, die im ein-
zelnen in einem kurzen Referat nicht wiedergegeben werden können,
sondern im Original nachgelesen werden müssen. W. Lehmann- Stettin.
Über die alimentäre Galaktosurie bei Leberkrankheiten und
Neurosen. Von Dr. M. Hirose-Tokio. (Deutsche med. Wochenschr. 1912
Nr. 30.)
Unter den verschiedenen Zuckerarten nimmt bezüglich der Assimi-
lation die Galaktose die unterste Stufe ein. Sie ist von verschiedenen
Autoren zu diagnostischen Zwecken benutzt worden; insbesondere
scheinen Lebererkrankungen die Assimilationsgrenze herabzusetzen, doch
sind die Befunde in ein und derselben Krankheit und bei demselben
Kranken schwankend. Eine Nachprüfung Hiroses hat zu folgenden Er-
gebnissen geführt:
1. Unter den Lebererkrankungen zeigen die Zirrhose und der ka-
tarrhalische Ikterus am häufigsten alimentäre Galaktosurie, anderweitige
Affektionen der Leber seltener.
2. Beim Morbus Basedowii ist die alimentäre Galaktosurie sehr
ausgesprochen, bei der Neurasthenie weniger deutlich.
Ludwig Manasse-Berlin.
?
Hyperextension und Blutzucker. Von Dr. Fr. Port-Göttingen.
(Deutsche med. Wochenschr. 1913, Nr. 2.)
Die Anschauungen über den Zusammenhang von Hyperextension und
Hyperglykämie gehen noch weit auseinander. Bei Nephritis mit Hyper-
extension ist ein vermehrter Zuckergehalt beobachtet und bestritten wor-
den, eine Anzahl von Autoren will das gleichzeitige Auftreten nur bei
nephritischer Urämie gesehen haben. Demgegenüber ist aber auch bei
Nephritis mit Urämie die Hyperklykämie vermißt worden, und ebenso
hat ausgesprochene essentielle Hyperextension nicht Hyperglykämie her-
vorgerufen. Eine bestimmte Gesetzmäßigkeit ist demnach bisher nicht
festzustellen gewesen. Es ist auch bezweifelt worden, ob die Hyper-
glykämie eine echte, d. h. nur auf Traubenzucker, und nicht vielmehr
auf andere reduzierende Substanzen zurückzuführen sei.
Port hat in der Medizinischen Klinik in Göttingen (Prof. Hirsch)
eine Nachuntersuchung angestellt und ist dabei zu folgender Feststellung
gelangt:
„Eine Erhöhung des Blutzuckergehaltes wird häufig, wenn auch nicht
immer, bei den Fällen von Nephritis gefunden, die durch urämische Er-
scheinungen oder eine frische Apoplexie bzw. Eklampsie kompliziert sind.
Bei eventuell gleichzeitig bestehender Blutdrucksteigerung, darf deswegen
doch noch keine gemeinsame Ursache, eine Adrenalinanämie, für die
Hyperextension und Hyperglykämie angenommen werden.“
Ludwig Manasse-Berlin
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Diabetes und Stoffwechsel. 489
Die Cholesterinesterverfettung (Cholesterinsteatose) der Kupf-
ferschen Sternzellen mit Bemerkungen über deren Verfettung bei
Diabetes. Von Kawamura. (Virch. Archiv, 207. Bd., 1912, S. 469.)
Von Dietrich wurde die Smithsche Methode zur Untersuchung
der verfetteten Kupfferschen Sternzellen bei Diabetes herangezogen, und
er glaubte in ihnen eine Cholesterinesterverfettung gefunden zu haben.
K. hat nun bei einem 65 jährigen Mann, der an Magenkarzinom zu
Grunde gegangen war, in den Kupfferschen Sternzellen, sowie in der
regressiv veränderten Partie des Tumors und seinen Metastasen in der
Lunge, Magenschleimhaut und Pankreas Cholesterinester nachweisen
können. Die Sternzellen, die sonst nur schwer einer Cholesterinester-
verfettung verfallen, wurden anscheinend durch die reichlichen Chole-
sterinestermengen des Blutes und durch eine Umstimmung des Zell-
charakters zur Aufnahme der Cholesterinester gezwungen. Als unter-
stützende Momente in dieser Richtung sind der Zerfall der Krebsmassen
des Magens und die Stauung durch Herzfehler anzusehen. Verfettung
von Kupfferschen Sternzellen bei Diabetes beruht auf der Ablagerung
der im Blute zirkulierenden Fettsubstanzen. Als solche Fettsubstanzen
kommen Glyzerinester und Cholesteringlyzeringemische in Betracht. Eine
Cholesterinesterverfettung der Kupfferschen Sternzellen ist bisher bei
Diabetes nicht nachgewiesen. R. Kaufmann-Frankfurt a. M.
Über Nierendiabetes in der Gravidität. Von DDr. J. Novak,
0. Porges und R. Strisower. (Deutsche med. Wochenschr. 1912, Nr. 40.)
Anknüpfend an eine Beobachtung bei einer Schwangeren, die un-
abhängig von der Menge der zugeführten Kohlehydrate eine kontinuier-
liche Zuckerausscheidung zeigte, konnten die Verff. in der II. Wiener
Frauenklinik (Vorstand Prof. E. Wertheim) in ganz kurzer Zeit fünf
weitere Fälle von spontaner Glykosurie bei schwangeren Frauen ausfindig
machen. Die Blutzuckerbestimmungen bei vier der untersuchten Frauen
— bei der fünften trat die Entbindung vor Abschluß der Untersuchungen
ein — ergaben normale resp. subnormale Werte. Die beiden Symptome:
gleichmäßige Zuckerausscheidung auch bei wechselnder Kohlehydratzufuhr
und fehlende Hyperglykämie werden bekanntlich als Zeichen renaler
Glykosurie aufgefaßt, die sonst erfahrungsgemäß sehr selten vorkommt.
Ob sie eine Eigentümlichkeit der Schwangerschaft ist, wie die Verfasser
wollen, müssen erst weitere Nachuntersuchungen lehren.
Ludwig Manasse-Berlin.
. Diabetes und Schwangerschaft. Von Adolf Bingel- Braunschweig.
(Deutsche med. Wochenschr. 1912, Nr. 36.)
Bei einer 30 Jahre alten Frau, die im 6. Monat gravid war, zeigten
sich Anzeichen von Diabetes. Ob die Patientin schon früher zucker-
krank war, ließ sich nicht feststellen. Die Zuckerausscheidung betrug
BIL, eng aber auf Kohlehydratbeschränkung auf 0,4°/,. Es stellte sich
auch Azidosis ein, und die Patientin wurde deshalb der Gynäkologischen
Abteilung des Herzoglichen Krankenhauses in Braunschweig überwiesen
mit dem Vorschlag, die Schwangerschaft zu unterbrechen. Prof. Kruken-
490 Diabetes und Stoffwechsel,
berg ging aber auf den Vorschlag nicht ein, die Patientin wurde auf
der inneren Abteilung eimem weiteren antidiabetischen Regime unter-
worfen, mit dem Erfolg, daß der Zucker ganz, die Säure fast ganz aus
dem Urin verschwand. Die Patientin trug das Kind aus, die Geburt
des kräftigen +kg schweren Kindes erfolgte sehr leicht und schnell.
Der Verf. zieht mit Recht aus seiner Beobachtung den Schluß, dab
beim Zusammentreffen von Diabetes und Schwangerschaft der Diabetes
behandelt werden müsse. Tritt keine Verschlimmerung ein und liegt
keine indicatio vitalıs vor, so bedarf es keiner künstlichen Unterbrechung
der Schwangerschaft.
Lesenswert sind vor allem auch die einleitenden Bemerkungen des
Aufsatzes, in dem die bisher über diesen Gegenstand erschienenen
Arbeiten eine kritische Beleuchtung erfahren. Ludwig Manasse- Berlin.
Parotitis associated with glycosuria and acidosis. Von L
M. Routh-London. «Brit. med. Journ. July 13. 1912.)
Bei dem 58 jährigen Patienten stellte sich im Verlaufe einer akuten
Perotitis Glvkosurie, Azetonurie und Diazeturie ein, welche nach Ablauf des
Krankheitsprozesses wieder vollständig schwanden. von Hofmann-Wien.
A further contribution to the action of lactio acid bacilli
on the percentage of glucose in the urine of diabetics. Von
P. Horowitz-New York. (Medical Record 25. 1. 1913.)
Weitere Beobachtung einirer früherer mitgeteilter Fälle von Be-
handlung der Diabetiker mit Kulturen von Bacillus bulgaricus zeigt, dab
die günstige Wirkung dieser Behandlung eine andauernde ist. In der
verliegenden Arbeit werden 13 Krankengeschichten mitgeteilt, aus denen
hervorgeht, dab durch die Verordnung des Bacillus bulgaricus der Zucker
aus dem Urin verschwand oder wesentlich vermindert wurde. Die Urine
sind auch auf Indikan untersucht worden und es hat sich ein enger
Zusammenhang zwischen der Höhe der Indikan- und der der Zucker
ausscheidung ergeben. Der Autor glaubt nun, daß in den meisten Fällen
der Diabetes eine Folge von Autointoxikation durch Toxine aus Fäulnis-
vorgängen im Darm ist und dab diese Toxine durch die Bulgaricus-
bazillen vernichtet werden. Ferner wird durch die Tätigkeit der Bazillen
der Kohlehydratstoffwechsel gehemmt, so daB weniger Zucker in den
Kreislauf gelangt. Dies beweisen Verdauungsversuche: Gekochte Stärke
wurde mit Pankreassaft und Bulwuricushazillon in den Brutschrank ge
stellt. Es ergab sich eine wesentliche Verlangsamung der Umwandlung
der Stärke gegenüber den ohne Bulgaricus angestellten Proben. So wird
schließlich, wenn nur geringe Mengen von Kohlehydraten in den Kreis-
lauf kommen, die Toleranz für dieselben allmählich gebessert und schlieb-
lich normal. N. Meyer- Wildungen.
The estimation of Sugar in Urine. Von H. H. Green-Glasgow.
(Glasgow Medical Journal, Juni 1912.)
An Stelle der quantitativen Zuckerbestimmung mit Fehlingscher
Lösung wendet Green gern die Citron-Methode an. Sie hat den Vor-
Diabetes und Stoffwechsel. 491
zug, den Farbenumschlag genau anzuzeigen. Der Autor gibt eine Ta-
belle, die nach den Resultaten angefertigt wurde, welche im quantitativen
Arbeiten unerfahrene Studenten erhielten. Aus der Tabelle geht hervor,
daß die Methode für die Praxis sehr brauchbar ist. N. Meyer-Wildungen.
Beobachtung über die Harn- und Salzausscheidung im Dia-
betes insipidus. Von Forschbach-Breslau und Weber-Kissingen. (Zeit-
schrift f. klin. Medizin, Bd. 73, H.3 u. 4.)
Die von Meyer u. a. hervorgehobene enge Beziehung zwischen der
Kochsalzelimination und Wasserflut ist nicht ausreichend begründet, denn
bei der Beurteilung der Konzentrierfähigkeit der Niere für NaCl beim
Diabetes insipidus ist allein Wert auf die prozentuale Zunahme der Kon-
zentration im Salzversuch, also auf die „relative Konzentrierfähigkeit der
Niere“ zu legen. Es ist bisher nicht erwiesen, daß die Niere des Dia-
beteskranken in bezug auf die relative Konzentrierfähigkeit für Kochsalz
weniger leistet als die normale. Eine Dissoziation der Kochsalz- und
Wassermehrausscheidung ist in Stundenversuchen erwiesen. Die Niere
des Diabetes insipidus-Kranken erhöht die Kochsalzkonzentration nicht
our unter der Wirkung von Reizen, die vielleicht als heterogen angesehen
werden könnten (Fieber, Diuretika der Purinreihe), sondern auch unter
dem Einflusse eines Narkotikums, das offenbar nur den wasserdiuretischen
Reiz herabsetzt. Zuelzer-Berlin.
Neuere Ergebnisse der Therapie des Diabetes mellitus. Von
L. Blum-Straßburg. (Therapeutische Monatshefte, April 1912.)
Die Versuche, durch Organo- und Chemotherapie den Diabetes ent-
scheidend zu beeinflussen, haben bis jetzt keinen Erfolg gehabt, die
diätetische Therapie allein führt zu befriedigenden Zielen. Der Erfolg
der diätetischen Therapie ist darin zu suchen, „daß die Hyperglykämie,
die Überlastung der Gewebssäfte mit Glukose, beseitigt und so eine
bessere Verbrennung des Zuckers ermöglicht ist“. Als moderne Errungen-
schaft ist die Tatsache zu verzeichnen, daß eine Diät, in der lediglich
Kohlehydrate und Fette enthalten sind, mehr Kohlehydrate zur Assimi-
lation bringt als eine Diät, die außerdem noch Eiweiß enthält. Das
kann den Nutzen erklären, den bei der Behandlung des Diabetes die
Milch-, Reis-, Kartoffel- und Melılkuren leisten. Die Milchkur, bei der
nur eine Beschränkung der Eiweißzufuhr stattfindet, ist besonders bei
Komplikationen des Diabetes wie Erkrankungen des Herzens, der Niere
und bei Fettsucht indiziert.
Die Mehlkur ist zunächst im Beginne einer Behandlung angezeigt,
um Zuckerfreiheit zu erzielen, zumal sie eine sehr einfache Methode
darstellt. Ferner ist sie in den Fällen am Platze, die nicht zuckerfrei
werden und die doch ihres Allgemeinzustandes und der Azidose wegen
eine kohlehydrat- und kalorienreiche Nahrung haben sollen.
Für die Technik der Mehlkuren ist zu beachten, daß jeder Schema-
tismus vermieden werden muß. Zur Entzuckerung wird eine Mehlfett-
pahrung gereicht mit um so weniger Mehl, je schwerer der Diabetes ist.
250 g Mehl in leichten Fällen, 100 g bis 75 g in schweren Fällen er-
499 Diabetes und Stoffwechsel.
zielen oft Zuckerfreiheit.e Wo dies nicht der Fall ist, sind Gemüsetage
anzuschließen. Nach einiger Zeit wird die Mehlkost ungern genommen,
kann jedoch nach einem Intervall wiederholt werden. Gelegentlich treten bei
der Kur Durchfälle auf, die auf Opiate stehen. N. Meyer- Wildungen.
Über die Wirkung der „Kohlehydrattage“ in der Diabetes-
behandlung. Von Dr. Otto V. C. Petersen-Kopenhagen. (Deutsche med.
Wochenschr. 1912, Nr. 27.)
v. Noorden ist bekanntlich rein zufällig auf den Wert des Hafer-
mehls bei der Diabetesbehandlung gekommen und glaubte im Hafermehl
in gewissem Sinne ein Spezifikum gefunden zu haben, weil die Hinzu-
fügung anderer Kohlehydrate die Zuckerausscheidung anscheinend wieder
steigerte. Blum kam bei Nachprüfung zu anderen Resultaten und
ebenso auch erneut jetzt Petersen, der in Abt. A des Rigshospitals in
Kopenhagen (Direktor Prof. Gram) eine Anzahl von Diabetikern mit
anderen Kohlehydraten oder einer Mischung mehrerer Kohlehydrate er `
nährte. Er kommt zu folgenden Schlüssen.
„Nach Blums und meinen Untersuchungen scheint es festgestellt
zu sein, daß die Wirkung der Kohlehydrattage in keinem spezifischen
Stoffe irgend einer Getreidesorte zu suchen ist, sondern in erster Reihe
eine Inanitionswirkung ist, ganz analog den früher viel angewendeten,
von Naunyn und Mehring eingeführten Hungertagen. Vor ihnen haben
die Hafergemüsetage den Vorteil, daß die Patienten doch immerhin
etwas zu essen bekommen, und es ist schließlich ein ganz wesentlicher
Vorteil, daB man die Kohlehydrate in einer fortgesetzten Reihe von
Kuren variieren kann, wenn man nur die Regel beachtet, im ganzen
eine geringe Kalorienmenge, als für den täglichen Gebrauch notwendig,
zu verabreichen.“ Ludwig Manasse-Berlin.
Über den Erfolg der Haferkur bei Diabetes mellitus. Von
Otto Piskator. Med. Klinik, Gießen, Otto Kiendt. Dissertation, Gieben
1912, 37 S.
Der Arbeit liegen 13 ausführlich geschilderte Fälle zugrunde, welche
erkennen lassen, daß auch an obiger Klinik „unzweifelhaft oft eine über-
raschende Wirkungsart der Haferkur“ beobachtet wurde. Die Kranken
wurden zunächst einige Tage bei Anwendung einer gemischten Kost auf
den Grad ihrer Zuckerausscheidung beobachtet, dann zirka 5—6 Tage
auf strenge Diät gesetzt. Wurde dann keine Zuckerfreiheit erzielt, dann
wurden 2—3 Gemüsetage und darauf 1—-3 Hafertage verordnet. Bei
Anwendung der Haferkost stieg ohne Ausnahme die Zuckerausscheidung
nochmals an, sank aber bei den folgenden 1—2 Gemüsetagen oft schon
auf O0 herab oder es geschah dies bei der weiteren Fortsetzung der
strengen Diät. Oftmals schon bei der ersten Haferkur völlige Zucker-
freiheit. War dies nicht der Fall, so folgte nach weiteren 10 Tagen
eine zweite Haferkur, welche teils ebenso versagte wie die erste, teils
aber Erfolge gab. Ebenso wurde die Haferkur angewandt, wenn mittels
der strengen Diät der Urin zuckerfrei wurde, aber nicht azetonfrei; dabei
oft hinsichtlich der Azetonausscheidung recht günstige Resultate. Die
Diabetes und Stoffwechsel. 493
Zubereitung der Haferkost bestand aus 250 g Hohenlohescher Hafer-
flocken, 150 g Butter und 2500 g Wasser, welches in 5 Portionen am
Tage verabreicht wurde. Nur in einem Falle wurde ein Haferödem
gesehen. Fritz Loeb-München.
Hypophysis und Diabetes insipidus. Von Simmonds-Hamburg.
Münch. med. Wochenschr. 1913, Nr. 3.)
Nach Edward Schäfers Tierexperimenten steht die Hypophyse
und zwar speziell die Pars intermedia in Beziehung zur Diurese. Durch
eine Beobachtung am Menschen hält Verf. den Beweis erbracht, daß
durch Schädigung der Hypophyse Diabetes insipidus hervorgerufen werden
kann, und daß hierbei die Pars intermedia der wesentliche Faktor ist.
Es handelte sich um eine Frau, bei der 10 Wochen nach einer Mamma-
amputation wegen Karzinoms Metastasen in verschiedenen Körpergegenden
und eine vorher nicht vorhandene Polyurie von 10—19 Litern pro die
auftrat. Die Obduktion ergab neben zahlreichen Geschwülsten in anderen
Organen eine krebsige Zerstörung des Hinterlappens der Hypophyse,
während die Pars intermedia und der vordere Lappen, ebenso wie das
ganze übrige Gehirn frei waren. Eine abnorme Sekretion des Hinter-
lappens kam wegen völliger Zerstörung nicht in Frage, der vordere
Lappen hat nach den Untersuchungen Schäfers sicher keinen Einfluß
auf die Urinsekretion, es bleibt somit nur die Annahme, daß der Dia-
betes insipidus der Effekt einer Überfunktion der Pars intermedia war,
hervorgerufen durch die Reizwirkung der Geschwulstbildung im Hinter-
lappen. Brauser-München.
b) Stoffwechsel.
Zur Glykuronsäureausscheidung bei Menschen. VonF.Conzen-
Köln. (Zeitschr. f. klin. Medizin, Bd. 75, H.5 u. 6.)
Der quantitative Glykuronsäurenachweis ist am einfachsten und mit
einer für klinische Zwecke genügenden Genauigkeit mittels der Tollen-
schen kolorimatrischen Schätzungsprobe ausführbar. — Die normalerweise
ausgeschiedene Tagesmenge beträgt danach 0,3—0,59 g. Die Vermehrung
der Glykuronsäure bei leichtem Diabetes, das Fehlen derselben beim schwe-
ren können im Sinne von P. Mayer als Ausdruck geschädigter Oxyda-
tionsfähigkeit des Organismus aufgefaßt werden. Die Vermehrung bei
Icterus catarrhalis und Ikterus bei Lues bei chemisch toxischen Schä-
digungen (Alkohol, Schwefelsäure) und bei einer akuten hämorrhagischen
Nephritis können sowohl als Ausdruck der Schädigung der Leber (Uro-
bilinurie. Glykosurie bei Ikterus) wie als Ausdruck der entgifteten
Funktion der Glykuronsäure angesehen werden. Die Verminderung bei
chronischer Nephritis gibt vielleicht einen Hinweis auf die von Hilde-
brandt angenommene Rolle der Niere bei der Paarung der Glykuron-
säure. Die Mehrausscheidung der Glykuronsäure auf Kampfer ist bei
Gesunden und bei leicht dekompensierten Herzuffektionen etwas, bei
Ikteras und bei einer akuten Nephritis erbeblich über die zu erwartende
Menge gesteigert; bei Cirrhosen ist sie annähernd normal, bei schweren
Stauungszuständen wesentlich vermindert und verzögert. Schlüsse auf
Zeitschrift für Urologie. 1913. 33
494 Diabetes und Stoffwechsel.
die Funktion eines bestimmten Organes sind aus diesen Resultaten der
Glykuronsäurebestimmung nicht zu ziehen. Zuelzer-Berlin.
Die diuretische Wirkung der Aminosäuren. Von Privadozent
Dr. K. Gläfsner-Wien. (Therap. Monatshefte, August 1911.)
Verf. kam gelegentlich einer Arbeit über die funktionelle Prüfung
der normalen und pathologischen Leber in die Lage, Versuche mit einer
Reihe von Aminosäuren anzustellen, und konnte dabei die interessante
Beobachtung machen, dafs schon kleine Mengen der genannten Säuren
genügten, um eine gute Diurese hervorzurufen. Zahlreiche klinische Ver-
suche an Gesunden und Kranken erhärteten diese Beobachtung, welche
keineswegs seltsam erscheint, wenn man annimmt, dals die Aminosäuren
in der Leber in Harnstoff umgewandelt werden und so vielleicht ähnlich
wie jener wirken mögen. Verf. hat hauptsächlich das Glykokoll, die
Aminoessigsäure benutzt, weil es ihm mehrere Vorzüge vor anderen
Aminosäuren zu haben schien: 1. es ist in Wasser leicht löslich, 2. be-
sitzt es einen sehr angenehmen Geschmack und wird von den Kranken
sehr gern genommen, 3. ist es noch das billigste unter den bekannten
Aminosäurepräparaten. Verfassers Versuche zerfallen in zwei Reihen, je
nachdem das Glykokoll entweder rein oder in Verbindung mit einem
Kardiakum gegeben wurde. G. zieht folgende Schlufsfolgerungen aus
seinen Versuchen: Im Glykokoll haben wir ein Mittel, das in Fällen
von kardialer und hepataler Stauung mit Erfolg zur Erzielung einer
besseren Diurese verwendet werden kann. Auch in manchen Fällen von
Nephritis ist der diuretische Effekt ein befriedigender. Namentlich die
Fälle von Leberaffektion mit Oligurie werden von dem Mittel ausge-
zeichnet beeinflufst. Bei hochgradiger kardialer Stauung leistet es in
Verbindung mit Herzmitteln (Digitalis) sehr gute Dienste. Seine Wir-
kung ist eine Erhöhung der Diurese, die namentlich dadurch sich aus-
zeichnet, dafs nicht nur das Wasser an der Mehrausscheidung beteiligt
ist, sondern dafs auch Schlacken den Körper verlassen, wie aus dem
Verhalten des spezifischen Gewichtes, des Harnstoflwertes, der Chlorwerte
und der Gefrierpunktserniedrigung hervorgeht. — Das Glykokoll ist völlig
unschädlich. Kr.
A case of blackwater fever in England. Von J. Rooth- Brighton.
(Brit. med. Journ., June 24, 1911.)
| Es handelte sich um einen 26jährigen Mann, der aus Birma nach
England gekommen war und daselbst unter Erscheinungen von Schwarz-
wasserfieber erkrankte und vier Tage später starb. von Hofmann-Wien.
Versuche mit Diureticis an chlorarm gemachten Tieren. Von
Ernst Freudenberg. (Inaug.-Dissert. München 1910. 26 S.)
l. Der Nachweis Grünwalds, dafs bei Tieren, die durch be-
stimmte Fütterung chlorarm gemacht sind und chlorfreien Harn aus-
scheiden, namentlich durch Diuretin wieder Chlorausscheidung herbei-
geführt werden kann, wird für eine Reihe weiterer Diuretica erbracht
(Harnstoff, Azetate, Terpinbydrat, Oleum Juniperi, Kalome)).
Diabetes und Stoffwechsel. 495
2. Eine Reihe von Diureticis besitzt bei Verabreichung von Mengen,
die die Wasserausscheidung unbeeinflufst lassen, bei derartig vorbereiteten
Tieren bereits eine chlortreibende Wirkung. Als solche Diuretica er-
wiesen sich vor allem Terpinhydrat und die Azetate.
3, Bei den Azetaten bedarf die Chloridsekretion bei längerer Ver-
sbreichung immer höhere Dosen, um erregt zu werden, so dafs sie auf
kleinere Dosen überhaupt nicht mehr in Gang kommt. Dagegen wirken
kleine Dosen später stärker wassertreibend als zuerst.
4. Die Azetate bewirken in Mengen über 2,5 eine rasch wieder
verschwindende Albuminurie,
5. Bei der Harnstoffdiurese produzieren grolse Dosen relativ mehr
Chlor und weniger Wasser als kleine. Die Verhältnisse liegen also um-
gekehrt wie bei Terpinhydrat und den Azetaten.
6. Wasserdiurese läfst beim chlorarmen Tier die Chlorausscheidung
unbeeinflufst.
7. Die naheliegende Erklärung dieser Tatsachen ist die, dafs die
Absonderung des Wassers und der Chloride bis zu einem gewissen Grade
selbständigen Funktionen der Niere entspricht, die daher auch in ge-
wissen Grenzen getrennt voneinander pharmakologisch beeinflufsbar sind.
8. Alle energisch chlortreibenden Diuretica führen zu einer Ver-
minderung des Chlors im Blut.
9. Die Gefrierpunktserniedrigung im Blute erfuhr auch bei den
stärkeren Kochsalzentziehungen durch Diuretin und Azetat keine Ver-
minderung. Fritz Loeb- München.
Das peptische Ferment des Harns und seine diagnostische
Bedeutung bei Erkrankungen des Magens. Von Alexander Ellinger
und Harry Scholz. (Deutsches Arch. f. klin. Medizin. Bd. 99, S. 221.)
Die Untersuchungen wurden nach der Ricin- und Caseinmethode
ausgeführt. Die Regel von dem Ansteigen der Fermentmenge im Hunger
und dem Absinken nach den Mahlzeiten trifft für den Menschenharn in
der Mehrzahl der Fälle zu, gilt aber nicht allgemein für den Menschen-
harn und noch weniger für den Hundeham.
Die normal vorkommenden Schwankungen der Harnreaktion sind
ohne nennenswerten Einfluls auf die Fermentausscheidung.
Das peptische Ferment des Harns wird mindestens zum erheblichen
Teile in Form von Propepsin ausgeschieden. |
Intravenös eingeführtes Pepsin und Propepsin kann im Harn un-
verändert ausgeschieden werden. Stomachale Einverleibung von Pepsin
und subkutane Injektion von Pepsin oder Propepsin bewirken keine
Fermentvermehrung im Harn.
Die bisher sichergestellten Versuchsresultate sprechen sämtlich für
die Erklärung, dafs das peptische Ferment des Harnes in der Haupt-
sache von dem aus der Magenschleimhaut ins Blut rückresorbierten Pro-
pepsin stammt.
Das klinisch wichtigste Resultat ist folgendes: das Zusammentreffen
von fehlendem oder sehr reduziertem Magenpepsin mit reichlichen Harn-
pepsinmengen spricht nach den Erfahrungen der Autoren für Karzinom.
33*
496 Diabetes und Stoffwechsel.
Jedenfalls kommt bei unkomplizierten Achylien ein solches Verhalten
nicht vor. Zuelzer- Berlin.
Über Glykosurie und Fettstühle bei Morbus Basedowii: zu-
gleich ein Beitrag zur Röntgentherapie dieser Krankheit. Von
Privatdozent Dr. W. Falta. (Zeitschr. f. klin. Medizin. Bd. 71, S. 1.)
Es werden 9 Krankengeschichten von Basedowfällen mitgeteilt,
welche einer Röntgentherapie unterworfen wurden. In zwei Fällen be-
stand daneben echter Diabetes. Sie wurden durch die Bestrahlung gar
nicht beeinflufst. In den übrigen Fällen hingegen war eine merkbare
Besserung zu verzeichnen. Die hier bestehende alimentäre Glykosurie
wurde deutlich gebessert oder ganz zum Verschwinden gebracht. Auch
die Störungen in der Fettresorption wurden, wo sie bestanden, behoben.
Zuelzer-Berlin.
Über die Wechselwirkung der Drüsen mit innerer Sekretion.
(IV. Mitteilung.) Über Beziehungen der Überfunktion zur Kon-
stitution. Von Privatdozent Dr. W. Falta-Wien, Dr. L. H. Newburgh-
Cineinnati und Dr. Edmund Nobel-Wien. (Zeitschr. f. klin. Medizin.
Bd. 72, S. 97.)
Die Autoren fassen ihre sehr ins einzelne gehenden Versuche
folgendermalsen zusammen:
Subkutane Injektion von Adrenalin führt beim Menschen fast regel-
mälsig zu langsam ansteigender und lange dauernder Erhöhung des Blut-
druckes.
Die Pulszahl ist dabei meist erhöht, bisweilen anfangs erniedrigt,
bisweilen tritt Arrhythmie auf.
Die glykosurische Wirkung des Adrenalins geht mit der pressorischen
nicht parallel. Da, wo sie fehlt, kann sie durch Vorbehandlung mit
Atropin meist hervorgerufen da, wo sie vorhanden ist, durch gleichzeitige
Pilokarpininjektion meist verhindert werden.
Sie geht mit alimentärer Glykosurie nicht parallel.
Pilokarpin und Atropin beeinflussen die alimentäre Glykosurie nicht
wesentlich.
Adrenalin wirkt beim Diabetes mellitus im aglykosurischen Zustand
meist nicht glykosurisch, im glykosurischen Zustand fanden wir stets eine
Steigerung der Glykosurie und der Ketonkörperausscheidung, auch dann.
wenn Pilokarpin stark positiv wirkte.
Diese Steigerung der Glykosurie ist unabhängig von der Steigerung
der Diurese.
Adrenalin ruft bei akuter Tetanie Erscheinungen des akuten An-
falles hervor (Falta und Rudinger), dabei besteht abnorm rasche und
starke Reaktion des kardiovaskulären Apparates und keine Glykosurie.
Bei latenter Tetanie fanden wir schwache Gefäls- und Herzwirkung, meist
Glykosurie.
Die diuretische Wirkung des Adrenalins geht mit der glykosurischen
und pressorischen nicht parallel.
Tbyreodin per os erzeugt fast regelmälsig Pulssteigerung, häufig
Diabetes und Stoffwechsel. 497
Verstärkung des Blutdruckgefälles, neben anderen Symptomen des kli-
nischen Hyperthyreoidismus.
Tbyreoidin erzeugt beim Diabetes mellitus sowohl im glykosurischen
wie aglykosurischen Zustand Blutdrucksteigerung.
Die glykosurische Wirkung des Thyreoidins geht mit der des Ad-
renalins und der Pilokarpinwirkung nicht parallel.
In Fällen, in denen die glykosurische Wirkung des Adrenalins fehlt,
kann sie nach Vorbehandlung mit Thyreoidin auftreten.
Bei normalen Individuen und beim Hyperthyreoidismus steigert
Thyreoidin die Zahl der mononukleären Zellen, im Hypothyreoidismus
die der neutrophilen (vgl. später Bertelli).
Pituitrinum infundibulare erzeugt häufig Diurese. Diese Wirkung
geht der diuretischen des Adrenalins parallel.
Die von Eppinger, Falta und Rudinger gelehrte Wechselwirkung
zwischen Thyreoidia, Pankreas und chromaffinem System wurde durch
diese Untersuchung bestätigt und erweitert.
Die Syndrome, welche Adrenalin resp. Thyreoidin im Körper er-
zeugen, sind infolge Dissoziation der verschiedenen Wirkungsqualitäten
sehr mannigfaltig. Welches Syndrom entsteht, hängt von der Konsti-
tution ab. Zuelzer- Berlin.
Il potere uricolitico della placenta e suoi rapporti con la for-
mazione degli infarti urici-renali dei neonati. Von S. Cannata.
Folia clinica, chimica et microscopica Bd. lI, Heft 10.)
Man kann annehmen, dafs während des intrauterinen Lebens die
teils durch die Placenta, teils durch die fötalen Or.ane besorgte urico-
Iyrtische Funktion genügt, um die regressiven Produkte der Nukleine in
dem Malse, wie sıe entstehen, zu zerstören.
Nach der Geburt fällt die uricolytische Funktion der Placenta aus,
und diejenige der fötalen Organe genügt allein nicht, um die über-
mäfsigen Produkte des Abbaues der Nukleine zu zerstören; aus diesem
Grunde bilden sich in den Harnkanälchen die harnsauren Infarkte.
Erst nach einigen Tagen steigert sich das uricolytische Vermögen
der Organe des Fötus soweit, dafs die harnsauren Infarkte beseitigt
werden und die uricolytische Funktion des Organismus einen normalen,
genügenden Grad erreicht. K. Rühl-Turin.
Untersuchungen über den Phosphorstoffwechsel. Von J. P.
Gregersen. (Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 71, S. 49.)
Mit einer Nahrung, welche den Phosphor ausschliefslich in anorganischer
Bindung enthielt, konnten Ratten längere Zeit hindurch im Phosphorgleich-
gewicht erhalten, ja sogar Phosphoransatz erzielt werden. Fehlte aber in der
Nahrung der Stickstoff, so konnte der Phosphorverlust nicht aufgehalten
werden. Wurden die Versuchstiere mit phosphorfreier Nahrung im Stickstoff-
gleichgewicht gehalten, so sank die Phosphorsäureausscheidung ganz be-
deutend ab. Die Verteilung des Phosphors auf Harn und Kot erwies
sich in solchen Fällen abhängig von der Anwesenheit des Kalziums und
Magnesiums. Enthielt nämlich das albuminhaltige, aber phosphorfreie
498 Diabetes und Stoffwechsel.
Futter Salze dieser Metalle, so wurde fast aller Phosphor durch die
Faeces ausgeschieden, im umgekehrten Falle aber durch den Harn.
Dieser letztere Ausscheidungsmodus trat auch ein, wenn das phosphor-
freie Futter gleichzeitig kein Albumin, wohl aber Kalzium und Ma-
gnesiumsalze enthielt. Malfatti- Innsbruck.
Über die Abhängigkeit des Kalkstoffwechsels von den orga-
nischen Nahrungskomponenten beim erwachsenen Hunde nebst
Bemerkungen über den Stoffumsatz der Phosphorsäure und der
Magnesia. Von Martin Kochmann und Ernst Petzsch. (Biochem:
Zeitschr. Bd. 31, S. 861, und Bd. 32, S.1 u. 10.)
Es ist nicht möglich, eine bestimmte Menge von Kalk als da:
Minimum für die Diät anzugeben. Denn die Nahrungsmittel — Eiweil:.
Fett, Kohlehydrate — wirken bei ihrer Verbrennung im Organismus
kalklösend, und je mehr von ihnen eingeführt wird, desto gröfsere Kalk-
mengen mufs das Futter enthalten. Diese negative Beeinflussung der
Kalkbilanz scheint durch eingeschränkte körperliche Bewegung (Käfig-
versuche) noch unterstützt zu werden. Der Kalk wird bei solcher nega-
tiven Bilanz als Phosphat dem Knochensystem entnommen und dürfte
wohl hauptsächlich zur Entgiftung und Entsäuerung im intermediären
Stoffwechsel benötigt werden. (Kalklaktat bei fieberhaften Krankheiten!)
Es ist klar, dafs der Phosphorsäurestoffwechsel durch den Kalkstoffwechsel
und somit durch den Stickstoffstoffwechsel beeinflufst wird; doch sind
hier noch mannigfache andere Faktoren beteiligt. Über den Magnesia-
stoffwechsel liefs sich kein klares Bild gewinnen, doch scheint es, als
ob unter besonderen Umständen Magnesia den Kalk in seiner Tätigkeit
unterstützen und bis zu einem gewissem Grade vertreten könnte.
Malfatti-Innsbruck.
I. Über die Ausscheidung von per os eingeführten Phospha-
ten, besonders der Kalziumphosphate. Von Ragnar Berg. (Biochem.
Zeitschr. Bd. 30, S. 107.)
II. Beiträge zum Kalkstoffwechsel. II. Mitteilung. Der Kalk-
gehalt des menschlichen Blutes nach Verabreichung grosser Do-
sen Kalk per os. Von N. Voorhoeve. (Biochem. Zeitschr. Bd. 32, S. 394.)
In gesundheitlich sehr schädigenden Selbstversuchen brachte Berg
seinen Organismus in den Zustand von Kalkverarmung und fügte dann
der konstanten Diät Kalkphosphate, Hypophosphite, Lezithin, Lezithin
und Kalziumlaktat und Kalziumlaktat allein zu Die Untersuchung der
Ausscheidungen ergab, dafs aus den Kalkphosphaten weder Kalk noch
Phosphorsäure zurückgehalten wird; ja durch Di- und Monokalziumphos-
phat wird dem Organismus noch Kalzium entzogen, dabei wird der
Organismus an Säure angereichert. Das Kalziumbypophosphit ruft eben-
falls Azidosis hervor, kann aber zu Kalk-, nicht aber zu Phosphorsäure-
retention führen, ja es ruft eine starke Mehrausfuhr von Phosphorsäure
(50 °/,) hervor. Die unterphosphorige Säure wird zum gröfsten Teil
unoxydiert als solche ausgeschieden. Lezithin wird vollständig gespalten.
das Cholin erscheint binnen 19 Stunden quantitativ im Harn wieder:
Diabetes und Stoffwechsel. 499
Glyzerinphosphorsäure tritt im Harn nicht auf, sondern nur Phosphor-
siure; Retention konnte nicht beobachtet werden, hingegen starke Azi-
dosis, die durch Zulage von Kalzium gehindert werden kann. Verf.
warnt eindringlich vor Lezithingebrauch, das als Exeitans wie Koffein,
Nikotin, Kokain usw. wirkt und zu Mifsbrauch verleitet. Aus Kalzium-
laktat wurde Kalk im Organismus retiniert,
Voorhoeve konnte in seinen Versuchen konstatieren, dals gröfsere
Gaben von Kalklaktat oder auch -chlorid eine Steigerung des Kalk-
gehalts im Blute hervorriefen; diese Steigerung konnte selbst wochenlang
fortbestehen. Ein nachteiliger Einfluls solcher Kalkgaben wurde nicht
beobachtet. Malfatti-Innsbruck.
Über die Verschiedenheit der Wirkung einiger Diuretika aus
der Reihe der Xanthine C,N,H,O,.. Von Apostolides. (Allg. Mel.
Zentralzte. 80. Jahrg., Nr. 29.)
Digitalis entfaltet nur dann eine diuretische Wirkung, wenn Ödeme
oder Aszites vorhanden sind. Ein wahres Diuretikum ist jedoch das-
jenige Mittel, das auch bei Nichtvorhandensein von Ödemen durch Ein-
wirkung auf das Nierenepithel die Urinausscheidung steigert. Als solche
Medikamente sind die Diuretika aus der Xanthinreihe anzusehen, und
aus (dieser grolsen Gruppe kommen nur zwei Körper mit ihren Deri-
vaten in Betracht, nämlich das Theobromin und das Theophyllin (Theozin).
Vom Theobromin sind folgende Doppelverbindungen zur Verwen-
dung gelangt: 1. das Diuretin, eine Doppelverbindung von Theobromin-
natrium und salizylsaurem Natrium; 2. das Argurin, ein Doppelsalz von
Theobrominnatrinm und essigsaurem Natuium; 3. das Urophorin (Theo-
brominsalizylat und Lithiumsalizylat); 4. das Theolaktin (Theobromin-
natrium und milchsaures Natrium); 5. das Theophorin (Theobromin-
natrium und ameisensaures Natrium). Zwei genau entsprechende Doppel-
salze sind auch beim Theophyllin bekannt.
Die diuretische Wirkung des Theocin- Natrium aceticum ist zwar häufig
festgestellt worden, doch haften diesem Mittel zwei Übelstände an, nämlich
seine Schwerlöslichkeit und seine Unverträglichkeit für den Magendarmkanal.
Es handelt sich demnach hauptsächlich darum, vom Theobromin
und Theophyllin Verbindungen zu suchen, denen eine hohe Wasser-
löslichkeit und möglichste Reizlosigkeit eignet. Die Diamine scheinen
eine solche leicht wasserlösliche Verbindung mit dem Theophyllin einzu-
gehen. Das Theophyllin-Äthylendiamin ist vor kurzem unter dem Namen
Euphyllin in den Handel gebracht worden.
Das Mittel ist auffallend leichtlöslich und kann bei krankem und
empfindlichem Magen rektal oder intramuskulär verwendet werden. Verf.
bat es selten per os, 3—4 mal täglich eine Tablette ä 0,2, verabreicht.
Meistens kam es rektal, das einzelne Suppositorium zu 0,36, dreimal
täglich, zur Anwendung. Besonders günstige Erfolge wurden durch
Kombination des Euphyllins mit Digitalis oder Strophantus (intravenöse
Injektion von Digalen oder 0,25 bis 0,5 mg Strophantin Boehringer) erzielt.
Durch eine Reihe von Krankengeschichten wird die ausgezeichnete
diuretische Wirkung des Euphyllins illustriert. F. Fuchs- Breslau.
500 Verschiedenes.
Ill. Verschiedenes.
Über die Sensibilität in der Bauchhöhle. Von Privatdozent Dr.
Carl Franke, Assist. d. chir. Klinik der Universität Heidelberg. (Berl. klin,
Wochenschr. 1912, Nr. 42.)
Verf. kommt zu dem Schluß, daß am Menschen das Darmrohr selbst
in der Regel unempfindlich ist, daß aber das Mesenterium bis nahe an
den Darm spinale sensible Fasern hat, und daß auf Grund dieses Be-
fundes sich die vom Darm ausgehenden Empfindungen am besten nach
der Wilmsschen Auffassung deuten lassen durch Zerrung des Darmes
am Mesenterium. Abnlich verhält es sich mit der Gallenblase, die sich
Verf. und anderen als völlig unempfindlich gegen mechanische Reize er-
wiesen hat. Aber jeder Zug an ihr macht Schmerzen, und das beruht
wohl auf den sensiblen Fasern am Gallenblasenhals, denn Unterbindung
der Arteria cystica und des Gallenblasenhalses macht Schmerzen. Ahn-
lich muß es sich auch mit den Nieren verhalten, denn auch in ihnen
macht ein Stein, sei er rund oder scharfkantig, an sich keine Schmerzen,
während die Retention von Flüssigkeit und damit eine Dehnung der
oberen Harnwege, sei es durch einen eingeklemmten Stein oder auch z. B.
bei der Füllung des Nierenbeckens mit Kollargol zum Zwecke der Rönt-
genaufnahme, äußerst schmerzhaft sein kann. In der Umgegend der Niere
liegen nun sensible Fasern, wie schon daraus hervorgeht, daß man in
lokaler Anästhesie die Niere freilegen kann, daß aber die Luxation der-
selben fast immer Schmerzen macht; und dabei zerrt man am umgeben-
den Bindegewebe und am Gefäßstiel, der auch sensible Fasern enthalten
dürfte wie überall im Bauch die großen Gefäße. Die Niere selbst hat
sich gegen chirurgische Eingriffe als unempfindlich erwiesen, während
das Nierenbecken anscheinend Sensibilität hat. Andererseits aber muß
man sagen, daß auch die akute und chronische Nephritis Schmerzen
machen kann, und da wird die Deutung durch sensible Nerven außer-
halb der Niere schwer. Vielleicht hat sie doch an ihren größeren Ge-
fäBen Sensibilität. Jedenfalls aber muß eine Schmerzleitung durch sym-
pathische Fasern abgelehnt werden. Verf. stellt sich deshalb die als
Nierenkolik bekannten Schmerzen vor als entstanden durch Zerrung und
Dehnung an den die Nieren und Harnleiter umgebenden seusiblen Fasern
und vielleicht denen des Nierenbeckens. Ob aber nicht auch die Niere
selbst, wenigstens an großen Gefäßen, sensible Fasern hat, muß vorläufig
unentschieden bleiben. Daß die Harnblase wenigstens am Trigonum sen-
sible Fasern hat, davon kann man sich bei der Cystoskopie leicht über-
zeugen. Wenn man mit dem Ureterenkatheter die Uretermündung nicht
gleich trifft, sondern mit dem Katheter an die umgebende Blasenwand
stößt, so hat der Pat. davon jedesmal eine schmerzhafte Empfindung.
Der Blasengrund aber scheint unempfindlich zu sein. Die Urethra ist
empfindlich, und zwar von vorn nach innen zu abnehmend. Das Orificium
internum aber scheint wieder mehr schmerzhaft zu sein, als die hintere
Harnröhre, denn beim Katheterisieren geben die meisten Patienten schon
spontan Schmerzen an in dem Moment, wo der Katheter diese Stelle
passiert. Die für die Empfindlichkeit von Blase und Urethra verant-
Ze `
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Verschiedenes. 501
wortlichen Fasern liegen im Pudendus und dem sakralautonomen Nervus
pelvicus, während der sympathische Nervus hypogastricus frei ist von
sensiblen Elementen. Daß dies auch am Menschen so ist, davon konnte
Verf. sich überzeugen durch Ausschaltung der beiden erstgenannten Nerven
durch Novocain. Man kann auf diese Weise Blase und Harnröhre völlig
unempfindlich machen. Wir können uns so die von der Blase ausgehen-
den Schmerzempfindungen erklären, und zwar bedingt der Pudendus die
Empfindlichkeit der Harnröhre, der Pelvicus die der Blase. Es findet
sich diese Mitteilung in der Literatur, und auch Verf. konnte sich ein-
mal davon überzeugen, als er in Lokalanästhesie eine Lithotrypsie machen
wollte. Der Pudendus war dabei verfehlt worden, denn der Damm war
nicht gefühllos geworden, und deshalb war die Harnröhre empfindlich
beim Einführen des Instrumentes, während das Zertrümmern des Steines
und das Ausspülen keine Schmerzen machte. — Wie aber der Harndrang
zustande kommt, wissen wir nicht. Jedenfalls ist er nicht allein ab-
hängig von dem Füllungszustande der Blase, sondern auch von psychischen
Reizen (z. B. Angst) und anderen mehr. Für warm und kalt hat die
Blase sicher Empfindung, wenigstens im Blasenboden, denn die Wärme
der Lampe wird hier sofort empfunden, wenn man mit dem Cystoskop
der Wand zu nahe kommt. Auch warme und kalte Spülung werden
zumeist richtig erkannt. Kr.
em nn in Se
Zur Frage der Diurese. Von Dr. Max Klotz, Arzt am Kinderheim
Lewenbers und Spezialarzt für KRinderkrankheiten in Schwerin. (Med. Klinik
1913, Nr. 3.
In seinen Ausführungen über diuretische Heilmittel lelınt Prof.
Mayor (Genf) die diuretische Wirkung des Milchzuckers ab. Dem-
gegenüber weist K. auf Versuche von Brodzki hin, welche die Fälhig-
keit des Milchzuckers, die Harnmenge zu erhöhen, deutlich beweisen.
Auch den Pädiatern ist die mild-diuretische Eigenschaft der Laktose
nicht unbekannt. Mayor bezeichnet ferner die Gemüsekost als hervor-
ragendes Diuretikum. Verf. hat dagegen bei der Behandlung enuresis-
kranker Kinder die Gemüsekost benutzt, um gewissermaßen den Abstrom
des Wassers von den Nieren fort auf den Darm zu leiten. Wir wissen
Ja, sagt Verf, welche enorme Kotmengen von Vegetariern entleert
werden und wie groß der Wassergehalt derselben ist. Es ist eine be-
kannte Tatsache, dab bei Diabetikern, die auf vegetarische Diät gesetzt
werden, der quälende Durst gemildert wird und die Polyurie stark ab-
nimmt, bzw. schwindet. Die vegetarische Diät ist also ein ausgezeich-
netes Mittel, den intermediären Wasserstoffwechsel sozusagen auf den
Darm umzuschalten. Es ist Verf. wohlbekannt, daß einige Öbstarten
diuretisch wirken, aber die reine Gemüsekost vermag er keineswegs als
Diuretikum zu bezeichnen. Wo bei Nephritis Wasserbeschränkung an-
gezeigt erscheint, wird man zudem sich des vegetarischen Regimes mit
Vorteil bedienen, das zugleich durch seinen Gehalt an pflanzensaurem
Alkali die Harnazidität herabsetzt. Kr.
502 Verschiedenes.
Untersuchungen über die Veränderungen in der Elimination
des Urobilins und der Harnsäure bei kurzdauernden Kaltwasser-
einwirkungen. Von P.D. Siecardi-Padua,. Wiener klin. Wochenschr: 2,
Nr. Bia
S. gelangt zu folgenden Sehlüssen:
1. Im allgemeinen folgt auf die Kaltwasseranwendung eine mehr
oder weniger deutliche und bisweilen wirklich bemerkenswerte Vermehrung
der Diurese.
2. Die Elimination der Harn-äure ist ın den ersten sechs Stunden
nach der Kaltwasseranwendung gewöhnlich eine beträchtlich grübere als
die, welehe man in den vorhergehenden Stunden feststellt.
3. Die in den der Kaltwasseranwendung folgenden sechs Stunden
ausgeschiedene Urobilinmenge ist scht oft bedeutender, als die in den
sechs unmittelbar vorhergehenden Stunden ausgeschiedene,
4. Es besteht keine Beziehung zwischen der (Größe der von der
Hautobertläche erlittenen Abkühlung und dem Grade erhöhter Trobilin-
elimination. von Hofmann-Wien.
Zur Toxizität der Ameisensäure. Ven Privatdozent Dr. Hans
Eppinger, klin. Assistent der 1. med. Klinik in Wien. (Wiener klin. Hut
schau, Nr. 4. 1018.
Verf. beschäftigte sich mit der Paarung von Kohlehvdraten mit
Fettsäuren im menschlichen Körper. Er und seine Mitarbeiter nahmen
neben entsprechenden Zuckerarten, Ameisensäuresulze. Sie aben durch-
schnittlich neben zirka 30 bis 40 x Kohlenhydraten täglich 3 bis 4g
Natriumformiat. Während zwei von ihnen dies anstandslos vertrugen.
bekam ein Mitarbeiter, der vorher nicht die geringsten Veränderungen
am Harn zeigte, am dritten Tage Albuminurie. Taws darauf zeigte der
Harn auch leichte Hämaturie. Da die roten Blutkörperchen in Form
von Zylindern ausgeschieden wurden, so war an der Möglichkeit einer
renalen Reizung im Sinne einer akuten Nephritis nicht zu zweifeln. Zum
Glück schwand die Albuminurie und die Hämaturie binnen fünf Tagen
wieder vollständig. Als Verf. sich anläßlich dieser Beobachtung näher
mit der Literatur der Toxizität der Ameisensäure beschäftigte, sah er,
daß über diesen Gegenstand schon zahlreiche Beobachtungen existierten.
Speziell durch Untersuchungen von Mayer und Pohl war festgestellt
worden, daß Ameisensäure Au Organismus des Tieres sehr schlecht ver-
brannt wird, und dab die welesentlich zu beobachtenden Nierenschä-
digungen mit der Ausscheidung des unveränderten Formiates in Zw
sammenhang stehen dürften. Da von anderer Seite ganz gegenteilige
Angaben über diesen Gegenstand bestehen, so prüfte Verf. diese Frage
experimentell an Kaninchen. Die Schlüsse, die sich aus diesen Unter
suchungen ergaben, fabt E. wie folut zusammen: Ameisensäure wird im
tierischen Organismus nicht vollständig zerstört. !;, bis 1, der einge
führten Substanz verläßt wiederum den Organismus durch den Harn. Da
Ameisensäure auf das Gewebe eine ätzende Wirkung zeigt, so dürfte
anzunehmen sein. daB bei eventuell auftretenden Nephritiden die Kon
zentration des Harnes an Ameisensäure eine Rolle spielen dürfte. Es ist
Verschicdenes. 503
möglich, daß durch eine reichliche Nierenspülung die schädliche Wirkung
der durch die Harnwege fließenden Ameisensäure bis zu einem gewissen
Grade paralysiert werden kann. Jedenfalls lehrten die experimentellen
Untersuchungen und auch die Beobachtung am Menschen, daß bei der
Zufuhr von Ameisensäure große Vorsicht geboten ist. Kr.
Über einige Beobachtungen bei Oxalsäurevergiftungen. Von
Privatdozent Dr. Heinrich Wichern, vorm. Assist. d. Medizin. Klinik zu
Leipzig, jetzt leitender Arzt der inneren Abteilung d. städt. Krankenhauses zu
. Bielefeld. (Medizin. Klinik Nr. 22. 1912.)
Verf. macht auf einige Besonderheiten im klinischen Verlaufe der
Oxalsäurevergiftung aufmerksam, die das Verhalten der Nieren betreffen.
In den meisten Veröffentlichungen wird erwähnt, daß nach Ablauf der
ersten stürmischen Erscheinungen (Erbrechen, Herzschwäche, Konvulsionen)
die Symptome einer akuten hämorrhagischen Nephritis einsetzen, wobei
es zu stärkeren Ödemen am ganzen Körper kommen kann. Im Urin
tritt Eiweiß, Blut und fast immer ein reichliches Sediment von Calcium-
oxalatkristallen auf. Diese Schilderung deckt sich zwar mit den Beobach-
tungen, die Verf. in der Leipziger medizinischen Klinik wiederholt zu
machen Gelegenheit hatte, doch fällt es bei der Durchsicht der in den
letzten zehn Jahren dort beobachteten 17 Fälle auf, daß auch nach Ein-
nahme einer sehr großen Menge von Bitterkleesalz nur recht gering-
fügige Erscheinungen von seiten der Niere auftraten. Nach den Beobach-
tungen an der Leipziger Klinik erscheint es wünschenswert, in Zukunft
bei Oxalsäurevergiftungen besonders darauf zu achten, ob das Ausschei-
dungsrermögen der Niere für bestimmte Urinbestandteile (Harnstoff,
Harnsäure) stärker leidet, als für alle andern, und ob eine spätere
Polyurie wirklich auf der mangelnden Konzentrationsfähigkeit der Nieren
beruht. Bei den vier vom Verf. angeführten Beobachtungen wurde von
Anfang an der Urin sorgfältig mikroskopisch untersucht und besonders
darauf geachtet, ob und wann Calciumoxalatkristalle auftraten. Es zeigte
sich dabei, daß diese in sämtlichen Fällen ausblieben oder doch nur in
sehr spärlicher Zahl gefunden werden konnten. Im allgemeinen wird an-
genommen, daß diese Kristalle besonders dann in großer Menge ausge-
schwemmt werden, wenn nach anfänglicher Oligurie und Anurie plötzlich
die Harnflut einsetzt; aber auch diese Erscheinung blieb hier aus, und
Verf. nimmt an, daß die Oxalsäureniederschläge in der Niere erst ganz
allmählich aus dem Körper entfernt werden. Kr.
Über die Ausbreitungswege der postoperativen Infektion in
den weiblichen Harnorganen. Von Privatdozent Dr. A. Bauereisen in
Kiel. (Zeitschrift f. gynäkol. Urologie, Bd. 4, Nr. 1. 1913.)
Verf. erörtert die postoperative Infektion der Blase, dabei beschränkt
er sich aber nicht auf die Blase allein, sondern zieht auch den Ureter
und die Nieren in den Kreis der Betrachtung. Stoeckel machte darauf
aufmerksam, daß nach gewissen gynäkologischen Operationen, bei denen
die Blase in mehr oder weniger ausgedehntem Maße durch Abschie-
bungen malträtiert wird, auch Spaltpilze von der wunden Außenfläche
504 Verschiedenes.
aus in die Blase einwandern können. Nach Stoeckel ist insbesondere
die moderne Radikaloperation des Uteruskarzinoms durch Laparotomie
eine die Cystitis direkt provozierende Operation. Die von Uterus und
Scheide völlig abgelöste, vulvawärts unterminierte Blase bleibt nach Be-
endigung der Operation mit der restierenden großen Wundhöble und mit
der Scheide in dauerndem Kontakt und bietet der Durchwanderung von
selbstverständlich an diesen Stellen stets vorhandenen Keimen die denk-
bar günstigsten Bedingungen. B. erschien diese Erklärung außerordent-
lich plausibel, da er bei seinen experimentellen Untersuchungen über die
Ausbreitung der Urogenital-Tuberkulose beim Meerschweinchen in der
Tat eine Einwanderung der Keime von außen nach innen mehrfach nach-
weisen konnte. Da aber bisher der strikte Beweis bei der postopera-
tiven Oystitis noch nicht geliefert war, unternahm er es, die Harnorgane
von operierten Frauen, die zur Sektion gekommen waren, mikroskopisch
zu untersuchen. Im ganzen handelte es sich um 18 Fälle. Verf. kommt
zu dem Resultat, daß es unter den 18 Fällen 10 mal zu einer intra-
kanalikulären Aszension von der Blase in die Ureteren und in das
Niereubecken kam. 6 mal ist eine Infektion der Nieren auf hämato-
genem Wege und ‘mal eine Infektion der fibrösen Nierenkapsel auf dem
Wege der Lymphbahnen entlang den Ureteren anzunehmen. Die im
Lumen der Blase vorhandenen Keime sind entweder durch den in der
Rekonvaleszenz notwendig gewordenen Katheterismus aus der keimreichen
Urethra verschleppt worden oder sie sind durch spontane Aszension aus
der Urethra in die Blase gelangt. Sie verursachen in der Regel eine
Cystitis, deren Grad von der mechanischen Schädigung der Blase und
der vorbandenen Paracystitis abhängig ist. Die Außenschicht der Blase
ist häufig von einem bakterienreichen Infektionswall umgeben, der sehr
selten von den Keimen durchbrochen wird. Bei besonders mächtig ent-
wickelter Paracystitis gelingt es dem Infektionsgewebe schließlich, in die
Mukosa zu dringen. Die Ureteren werden in ihren unteren abgelösten
Abschnitten sowohl vom Lumen wie von der Advenditia aus infiziert.
In das Lumen gelangen die Keime durch spontane Aszension von der
Blase her. Eine Durchwanderung der Keime von außen nach dem Lumen
zu ist sehr selten. Auch hier gelingt es nur einem besonders mächtig
entwickelten Infiltrationswall schließlich die Ureterwand zu durchsetzen
und in das Lumen einzubrechen. Die Nieren werden von der Blase aus
durch spontane intrakanalikuläre Aszension infiziert. Nicht selten findet
eine hämatogene Infektion der Rinde statt, besonders wenn es sich um
eine Staphylokokkeninfektion der bindegewebigen Wundhöhle handelt.
Die Nieren können aber auch auf dem Lymphweg im retroperitonealen
Bindegewebe entlang den Ureteren infiziert werden. Die Keime be-
dingen eine primäre Peri- oder Paranephritis und können sekundär ins
Nierenparenchym übertreten. Als häufigste Cystitiserreger sind Staphylo-
kokken, Streptokokken und das Bacterium coli zu nennen. — Da die
Keime in der Regel durch den Katheterismus in die Blase gelangen und
hier infolge der bei der Operation erfolgten Läsion der Blase zur Cystitis
führen, brauchte nur die Einführung des Katheters zur Vermeidung einer
Cystitis unterlassen zu werden. Als erfolgreiches Mittel hatte Baisch
Verschiedenes. 505
seinerzeit die Injektion von 20 ccm einer 2°/,igen Borglyzerinlösung in
die volle Blase empfohlen. In einer Anzahl von Fällen hat das Mittel
Erfolg, es gibt aber noch genügend Fälle, bei denen es versagt. Zu
diesen gehören vor allen Dingen die Freund-Wertheimschen Opera-
tionsfälle. Die Prophylaxe dieser schwersten aller postoperativen Oysti-
tiden muß -bereits bei der Operation geübt werden. Dazu gehören Ver-
meidung von Masseninfektion der groBen bindegewebigen Wundhöhle,
sorgfältige Technik bei der Versorgung des Wundgebietes durch Über-
nähung der Blase, Einbettung der Ureteren und Verkleinerung der Wund-
hôühle. Die gleichen Maßnahmen sind es auch, die eine Infektion der
Ureteren und der Nieren nach Möglichkeit verhindern werden. Gegen-
über der Freund-Wertheimschen Operation spielen die übrigen gynä-
kologischen Operationen eine geringere Rolle. In allen Fällen, in denen
die Blase in geringerem Grade ein operatives Trauma erfahren hat, ge-
nügt zur Verhütung einer postoperativen Cystitis möglichste Einschrän-
kung des Katheterismus. Um den Katheterismus entbehrlich zu machen,
sollen prophylaktische Injektionen von Borglyzerin gemacht werden, auch
ein Versuch mit Pituglandol ist empfehlenswert. Bei den Blasen der
nach Freund-Wertheim operierten Frauen kann der Katheterismus
nicht entbehrt werden. Da wir bei der keimreichen Urethra, bei der
schwergeschädigten Blase infolge von Trauma und Außeninfektion eine
Cystitis fast mit Sicherheit erwarten müssen, ist zu versuchen, durch
Spülungen nach jedem Katheterismus die Cystitis hintanzuhalten. Nach
Verfassers Erfahrungen erreicht man die besten Erfolge, wenn eine solche
Blase vom ersten Tage ab unter Kollargol gesetzt wird. Die ausge-
gedehnten Spülungen erübrigen sich dann. Die postoperative Cystitis
leichteren Grades läßt sich ohne Schwierigkeit mit Erfolg therapeutisch
beeinflussen, dagegen trotzen die schweren Cystitisfälle nach der Freund-
Wertheimschen Operation oft lange Zeit jeder Therapie. Die gewöhn-
liche Cystitistherapie versagt dabei ganz. Verf. betrachtet als das beste
Hilfsmittel in solchen Fällen die Applikation von Wärme. Kr.
Über Hämaturie in der Schwangerschaft. Von Dr. Dor und
Moiroud, Spitalassistenten in Marseille. (Allgem. Wiener medizin. Zeitung
Nr. 6, 1913.)
Man kann Hämaturien in allen Perioden der Schwangerschaft
beobachten, aber vorzugsweise ist dies in den letzten vier Monaten der
Schwangerschaft der Fall. Die Dauer der Hämaturien ist verschieden,
sie können mehrere Tage andauern, aber auch mehrere Monate oder
intermittierend auftreten, aber so oft sie sich auch wiederholen, immer
hören sie im Wochenbett auf. Ebenso ist die Größe des Blutverlustes
sehr verschieden. Zuweilen ist sie derart, daß die Anämie zum Tode
führt. Der Harn erscheint meistens vollkommen normal, der Harnapparat
zeigt volle Integrität. In einem Falle wurde die Nephrektomie vorge-
nommen. Dabei wurde eine einfache Nierenkongestion konstatiert. Die
cystoskopische Untersuchung ergibt, wenn sie möglich ist, interessanten
Nachweis über die Ausgangsstelle der Blutung. Wenn das sich reich-
lich ergießende Blut koaguliert, so behindert es die Harnentleerung.
506 Verschiedenes.
Man kann dann eine Distension des Nierengewebes finden. Die Passage
des Blutgerinnsels bewirkt in den Ureteren heftige Schmerzen, ähnlich
wie bei der Nierenkolik. Der Harn enthält dann zylindrische Klumpen
von ziemlicher Länge. Die Formation von zahlreichen voluminösen
Blutklumpen in der Blase führt zu Blasenretention. Es entsteht eine
enorme Ausdehnung der Blase, die Kranke wird von Tenesmus und
heftigen Schmerzen geplagt. — Man unterscheidet Blutungen vesikalen
und solche renalen Ursprungs. Was die Hämaturien vesikalen Ursprungs
betrifft, so stehen heutzutage zwei Tatsachen als bewiesen fest: a) Die
Schwangerschaft bewirkt einen Kongestionszustand der Harnblase mit
vesikalen Varices. b) Durch die Retention, die sie oft herbeiführt und
die Cystitis, die sich hinzugesellt, schafft sie die Bedingungen einer
besonderen Vulnerabilität der Blasenschleimhaut. Man weiß in der Tat,
daß die Schwangerschaft eine innere Kongestion aller Organe des kleinen
Beckens bewirkt; in der Blase ist diese Kongestion besonders ausgeprägt.
Man begreift, daB unter gewissen Umständen, die oft von einem Trauma
begünstigt werden (Stoß, Anstrengung), die Hämaturie leicht eintreten
kann. Was die Blutungen renalen Ursprungs betrifft, so spielt auch da
das kongenitale Element eine erste Rolle; begünstigt wird es häufig durch
Harnretention, welche eine Kompression der Ureteren verursacht. — Die
Diagnose ist nicht immer leicht, denn bei einer schwangeren Frau denkt
man stets an eine Blutung genitalen Ursprungs. Manchmal ist die Dia-
gnose evident, denn man konstatiert von Anfang an andere ätiologische
Momente als die Schwangerschaft, welche hinreichend sind, alles zu er-
klären: Das ist der Fall eines schweren abdominalen oder lumbalen
Traumas, der offenkundigen Koesistienz einer Aflektion der Harnwege
(Tuberkulose, Stein, Tumor der Blase oder Niere), einer Intoxikation
oder einer febrilen hämaturischen Affektion. Ein anderes Mal wieder
ist die Diagnose zweifelhaft und man muß in einem gleichen Falle in
sicherer Weise alle Affektionen des Harnapparates auszuschalten trachten,
um zu der bestimmten Behauptung zu gelangen, daß die Schwangerschaft
allein als ätiologischer Faktor anzusehen sei. Nach Ausschaltung der
Lithiasis, der Nephritis ist die Nierentuberkulose vielleicht am schwierig-
sten als Ursache der Hämaturie festzustellen. — Die Prognose ist meistens
günstig. — Die Behandlung der Blutungen leichten Grades besteht in
der Ruhe. Ist die Blutung sehr reichlich, so ist dies Mittel wirkungs-
los. Kommt das Blut aus der Blase, so genügt meistenteils die wieder.
holte Aspiration der Blutklumpen. In schweren Fällen ist die Sectio
alta indiziert; sie gestattet, die Läsion direkt in Angriff zu nehmen.
Kommt das Blut aus der Niere, so ist unter Umständen die Nephrekto-
mie oder die Dekapsulation indiziert, um den kongestiven Zustand der
Niere aufzuheben und der Hämorrhagie Einhalt zu tun. Wo sich dieser
Eingriff nicht ausführen läßt, entsteht die Frage, ob die vorzeitige Ge-
burt einzuleiten ist. Kr.
The excretion of creatin in pregnancy and the toxaemias of
pregnancy. Von J. P. Hedley. (Brit. Med. Journ. Oct. 26. 1912.)
Während normale Frauen kein Kreatin ausscheiden, findet man bei
Verschiedenes. 507
Schwangeren schon vom dritten Monat an diesen Körper im Urin.
Während andere Beobachter bei Eklampsie, Toxämie und Nierener-
krankungen die Kreatinausscheidung bedeutend erhöht fanden, zeigte sich
in Hedleys 6 Fällen eine Verminderung derselben.
von Hofmann-Wien.
2 Fälle von Pneumokokken-Vulvovaginitis. Von Harold
Chappie. (Lancet, 22. Juni 1912.)
Es handelt sich um 2 kleine Mädchen von 11 bzw. 13 Jahren, die
ganz plötzlich profuse eitrige, unangenehm riechende Absonderung aus
der Vagina zeigten. In beiden Fällen ließen sich kulturell Pneumo-
kokken nachweisen, und beide Fälle besserten sich auffallend nach wenigen
Injektionen von Pneumokokkenvakzine. W. Lehmann- Stettin.
L’infection descendante des voies urinaires dans la fiövre
typhoïde. Von A. Lemierre und P. Abrami. (Journ. d’Urol. Tome II,
No. 1, 1912)
Der Typhusbazillus wird häufig mit dem Urin ausgeschieden, oft
schon zugleich mit dem Auftreten der Roseolen, meist erst vom Stadium
des Fieberabfalls an. Bei seinem Durchgang durch die Nieren bleiben
diese oft intakt, bisweilen kommt es zu ÄAlbuminurie und Nephritis. In
der Blase ruft er häufig eine Cystitis hervor. Der bazillenhaltige Urin
ist trübe und enthält die Bakterien in Reinkultur. Die Bazillurie kann
Monate- und Jahrelang den Abdominaltyphus überdauern. Sie bedeutet
demnach eine große Seuchengefahr. Das preußische Kriegsministerium
hat infolgedessen die bakteriologische Untersuchung der Urine aller
Rekruten angeordnet, welche einen Typhus überstanden haben. Es er-
gibt sich ferner die hygienische Notwendigkeit, die Urine Typhuskranker
ebenso wie ihre Darmentleerungen zu desinfizieren.
Das Mittel, welches in souveräner Weise die Typhusbakteriurie und
alle durch sie verursachten absteigenden Infektionen der Harnwege be-
seitigt, ist zum Segen der Patienten und der Hygiene vorhanden. Zwei
Gramm Urotropin täglich, einige Zeit lang gereicht, befreien die Harn-
wege von den Typhusbazillen. In Fällen hartnäckiger Cystitis empfiehlt
sich die Unterstützung dieser Medikation durch Permanganatspülungen.
A. Citron-Berlin.
Die Infektionswege bei Tuberkulose des Urogenitaltraktes.
Von K. Macfarlane Walker. (Lancet, 15. Februar 1913.)
Tuberkulose irgendeines Teils des Urogenitaltraktus ist nie als patho-
logische Einheit anzusehen, sondern setzt stets die Anwesenheit irgend-
eines tuberkulösen Herdes an irgendeiner anderen Stelle voraus. Hoden-
tuberkulose findet sich stets als Folge einer Erkrankung der Prostata,
was sich nicht nur aus klinischen Erfahrungen und Sektionsbefunden,
sondern auch experimentell erweisen läßt. Die Infektion findet hier
nicht auf dem Blutwege, sondern entlang der Lymphhüllen des Samen-
stranges statt. Die Möglichkeit einer hämatogenen Infektion soll dabei
nicht geleugnet werden, doch ist sie sicher sehr selten. Ebenso wird
508 Notiz.
andererseits die Prostata in den meisten Fällen durch den Urin infiziert.
und es ist dabei durchaus nicht Voraussetzung, daß der Tuberkelbazillen
führende Urin aus einer wirklich tuberkulös erkrankten Niere stammt,
da der Nachweis erbracht ist, daß in einem sonst tuberkulösen Körper
die Nieren wahrscheinlich eine abnorme Durchgängigkeit haben und
Tuberkelbazillen den Durchgang gestatten, ohne selbst wesentlich zu er-
kranken. Die Infektion der Nieren findet wohl meist auf dem Blutwege
statt, die Möglichkeit einer aszendierenden Affektion geht aber nicht nur
aus einer Reihe klinischer Erfahrungen hervor, sondern ist als von ver-
schiedenen Untersuchern heute auch experimentell festgestellt anzusehen.
W. Lehmann-Stettin.
The lesions of bilharzial disease. Von A. R. Ferguson-Kaire.
(Glasgow medical journ., Januar 1913.)
In der Arbeit, die eine sehr gute Darstellung des Krankheits-
erregers der Bilharziakrankheit und der Art seiner Verbreitung im Körper
gibt, sind besonders einige geschichtliche Notizen enthalten, die den Uro-
logen interessieren. Daß nämlich die Bilharziakrankheit eine sehr alte
ist, schließt der Autor daraus, daß bei Mumien häufig Blasensteine ge-
funden wurden, daß es bei den alten Agyptern zahlreiche Mittel gegen
Blasenblutungen gab, und daß jüngst in der Niere einer Mumie verkalkte
Bilbarziaeier gefunden wurden. Wie stark Napoleons Heer bei der Bei-
setzung unter Blasenblutungen in Agypten litt ist bekannt. Ferguson
glaubt aber, daß Alexander des Großen Heer noch viel mehr von der
Bilharzıakrankheit ergriffen war und sie nach Persien verschleppt habe.
.. Für die Stärke der Verbreitung der Krankheit unter den heutigen
Agyptern sprechen die Autopsiebefunde des Autors. Er konnte durch
Behandlung von Gewebstücken mit 3,5°/, Kalilauge bei 60—80° in
61°/, von 600 männlichen Personen von 5—65 Jahren Eier feststellen.
Die Krankheit kommt auch bei Fräuen vor, doch konnte sich die Sta-
tistik nicht auf Frauen erstrecken. Da die Embryonen in einer Salz-
säureverdünnung von 1:2000 bereits in 3 Minuten aussterben, ist der
gastro-intestinale Weg für die Infektion ausgeschlossen. Ferguson hält
die Haut oder Schleimhaut für die Stellen der Infektion und zwar am
meisten die Schleimhaut der Nase. N. Meyer-Wildungen.
IV. Notiz.
Berlin. Herr Prot. Rumpel, der Leiter der urologischen Abteilung an der
Kgl. chirurgischen Klinik, ist zum Vorstand der 2. chirurgischen Abtei-
lung an der khirurgischen Klinik des Kgl. Charite-Krankenhauses an
Stelle des ausscheidenden Herrn Prof. Köhler berufen worden. Als
Nachfolger des Herrn Prof. Rumpel hat Herr Privatdozent E. Joseph
die Leitung der urologischen Abteilung der chirurgischen Klinik über-
nommen.
Berliner
urologische Gesellschaft.
Sitzung
am
Dienstag, den 15. April 1913, 8 Uhr abends.
Demonstrationsabend.
Tagesordnung:
‚ Herr V. Steiner: Demonstration von Cystennieren.
. Herr M. Roth: Demonstration über Cystenniere.
. Herr O. Rumpel: Cystische Erweiterung des vesikalen Ureterendes.
. Herr E. Pfister, Kairo, a. G.: Über Histologie kleinerer Bilharziakonkremente.
. Herr G Oelsner: Zur Pvelotomie (kurzer Vortrag).
. Herr A. Lewin: Nierentuberkulose und Addisonsche Krankheit.
. Herr L. Casper: a) Ureterstein; bi Hypoplasie der Niere; c) Geschlossene
Tuberkulose der Niere.
SINN LI dd nd
Vorsitzender: Herr Casper, später Herr Küster.
Schriftführer: Herr Arthur Lewin.
Zeitschrift für Urologie. 1918. 34
Vorsitzender:
Meine Herren, die Sitzung ist eröffnet! Ich begrüße Sie im
neuen Geschäftsjahre. — Das Protokoll der vorigen Sitzung liegt
gedruckt vor, die Verlesung erübrigt sich deshalb.
Ich habe Ihnen mitzuteilen, daß unser bisheriger Schriftführer,
Herr Kollege Kutner, sein Amt wegen zu großer Beschäftigung
niedergelegt hat, und daß wir Herrn Kollegen Lewin als Schrift-
führer cooptiert haben; zum Ausschußmitglied wurde an seiner
Stelle Herr Freudenberg ernannt.
Ferner habe ich mitzuteilen, daß die Herren Sprinz,
Schmincke, Stutzin und Scherschewer heute als Mitglieder neu
aufgenommen sind. — Wir haben ferner eine Reihe von Neuan-
meldungen, von den Herren Dr. Konrad, Dr. Steiner-Berlin,
Dr. Sialaff, Dr. Klister, Dr. Wasserthal, Dr. Pfister.
Dann liegt noch eine geschäftliche Angelegenheit vor. Sie wer-
den vielleicht davon gehört haben, daß sich ein „Bund der Hals-,
Nasen- und Ohrenärzte von Groß-Berlin und Umgegend‘“ gebildet
hat, und zwar, m. H., mit der Absicht, eine wirtschaftliche Vereini-
gung sämtlicher Spezialitäten herbeizuführen. Es handelt sich im
wesentlichen um wirtschaftliche Dinge. Es haben die Spezialisten
gefunden, daß sie bei den verschiedensten Gelegenheiten nicht ge-
nügend gehört werden, z. B. bei Vertretungen vor Gericht, als Sach-
verständige, gegenüber den Kassen, bei denen meist nur die allge-
meinen Praktiker eine Stimme haben, ferner wollen sie mitsprechen
bei Festsetzung der ärztlichen Taxe. Kurz und gut, für diese und
andere Dinge wollen sich die sämtlichen Spezialisten wirtschaft-
lich organisieren, wie die Hals- und Nasenärzte. Diese fordern uns
nun auf, das gleiche zu tun. Das hat natürlich mit unserer Ge-
sellschaft nichts zu tun, da wir eine wissenschaftliche Gesellschaft
sind. Ich gebe Ihnen dies aber doch bekannt und bemerke, daß
Herr Kollege Arthur Lewin, der sich dafür interessiert, es über-
nommen hat, auch für die Urologen eine solche Organisation herbei-
zuführen. — Ich lasse die betreffenden Papiere hier herumgehen;
wer will, kann sich in die Liste einschreiben.
Endlich, m. H., habe ich noch eine traurige Pflicht zu erfüllen.
Unsere junge Gesellschaft hat leider wieder ein Mitglied durch den
34*
512 Geschäftliches.
Tod verloren. Herr Kollege Oscar Pielicke ist auf einer Er-
holungsreise in Davos am 6. März 1913 an septischem Scharlach
verschieden. — Herr Pielicke war 1872 in Berlin geboren, hat
im Jahre 1896 sein Staatsexamen in Leipzig gemacht, war 1897
Volontärarzt in Moabit unter Renvers, 1898 bei Nitze, 1899 bis
1901 bei Lassar, seit 1905 war er als Dermato-Urologe in Berlin
niedergelassen und von 1905—1911 als leitender Arzt der Heilstätte
Lichtenberg für geschlechtskranke Männer tätig. Außerdem hat
er 8 Jahre im städtischen Krankenhause Moabit als konsultierender
Dermato-Urologe gewirkt. — Neben dieser vielseitigen praktischen
Tätigkeit hat Herr Pielicke auch noch Zeit gefunden, sich wissen-
schaftlich zu betätigen; ich erinnere nur an seinen bemerkenswerten
Vortrag über die Behandlung der Nierentuberkulose durch Tuber-
kulin. |
Er war ein prächtiger Mensch, von offenem Wesen, biederem
Sinn, untadeligem Charakter und last not least von einem son-
nigen, liebenswürdigen, nie verletzenden Humor. Wir beklagen
es, daß der Kollege so früh von uns geschieden ist, wir werden sein
Andenken stets in Ehren halten. Ich bitte Sie, sich zum Zeichen
dessen von den Sitzen zu erheben.
(Geschieht.)
Dann treten wir in den wissenschaftlichen Teil des heutigen
Abends ein. Ich bitte unser Ehrenmitglied Herrn Geheimrat Küster,
den Vorsitz zu übernehmen.
Herr Geheimrat Küster (den Vorsitz übernehmend):
Ich danke Ihnen, m. H., für die freundliche Aufforderung
zur Übernahme des Vorsitzes; sie ist für mich eine um so größere
Ehre, als ich der Gesellschaft leider nichts mehr sein kann. Allein
es hat mich doch gereizt, der heutigen Sitzung beizuwohnen, weil
eine Anzahl von Gegenständen auf der Tagesordnung steht, an
denen ich vor jetzt nahezu einem Menschenalter mit Eifer gearbeitet
habe, und ich nun begierig bin, zu hören, wie diese Dinge im Spiegel
der neueren Forschungen sich ausnehmen.
Ich danke dem Herrn Vorsitzenden für seine freundliche Auf-
forderung und bitte, meine Geschäftsführung mit einiger Nachsicht
zu betrachten.
Ich bitte Herrn Steiner, zunächst’ seine Demonstration von
Cystennieren vorzunehmen.
ger e e
Demonstration von Cystennieren.
Von
V. Steiner.
M. H., bei der Patientin, welche ich hier zur Untersuchung
mitbrachte, habe ich die Diagnose auf eine cystische Entartung bei-
der Nieren gestellt. Diese Diagnose stützt sich, wenn auch nicht
allein, so doch im wesentlichen auf den Palpationsbefund. Dieser
ergibt auf der rechten Seite einen fast kindskopfgroßen Tumor mit
einer höckerigen Oberfläche. Die einzelnen Höcker haben eine
halbkugelige oder kugelige Form, sind hart und fluktuieren
nicht. — Dieser Tumor entspricht der Lage nach der rechten Niere.
Er ist mit der Respiration deutlich verschieblich und liegt retro-
peritoneal. Fühlt man nach der linken Seite, so findet man ein
Organ, welches das Normale um das Anderthalbfache übertrifft,
bei weitem aber nicht so groß ist, wie der Tumor der rechten Seite.
— Die linke Niere hat ebenfalls eine höckerige Oberfläche, die
Höcker sind aber nicht so groß wie rechts, kirschgroß bis erbsen-
groß, ebenfalls hart und nicht fluktuierend.
Dieser charakteristische Palpationsbefund ist wie gesagt nicht
das einzige Symptom, welches die Diagnose bedingt. Daneben ist
eine Vergrößerung der Leber mit einer ebenfalls nicht ganz glatten
Oberfläche wahrzunehmen, und es liegt die Wahrscheinlichkeit
vor, daß auch in der Leber Cysten vorhanden sind. — Im Urin,-
welcher in bezug auf die Menge und das spezifische Gewicht vor-
läufig nicht von der Norm abweicht, da die linke Niere noch sehr
gut funktioniert, findet sich ein Hauch Albumen, und im mikro-
skopischen Befunde zeigen sich homogene gallertartige Massen,
wie sie dem Cysteninhalt entsprechen.
Das Allgemeinbefinden der Patientin ist insofern gestört, als
eine Hypertrophie des linken Ventrikels, eine beträchtliche Anämie,
ein gespannter Puls vorliegt; subjektiv klagt die Patientin über
Kopfschmerzen, Schmerzen in den Augen und in der rechten
Nierengegend. — Die (Röntgenaufnahme, von Herrn Professor Levy-
514 V. Steiner, Demonstration von Cystennieren.
Dorn angefertigt, zeigt rechts und links die vergrößerten Nieren
in typischer Form.
Was die bei den früher von mir vorgestellten Fällen betonte
Heredität betrifft, so konnte ich bei dieser Patientin noch keine
diesbezüglichen Erhebungen anstellen, da es mir noch nicht ge-
lungen ist, die Verwandten zur Untersuchung zu bekommen. —
Ich bitte Sie, sich die Patientin anzusehen, bzw. die Tumoren an-
zufühlen.
Demonstration von Cystenniere.
Von
M. Roth.
Die 45 jährige Patientin, die aus der Casperschen Poliklinik
stammt, hat mit der von Herrn Dr. Steiner vorgestellten Patientin
das gemeinsam, daß der Palpationsbefund mit absoluter Sicherheit
zu der Diagnose Cystenniere führt. Man fühlt in beiden Nieren-
gegenden je einen kindskopfgroßen Tumor, der vom Darm über-
lagert ist, sich mit der Atmung verschiebt und eine größere An-
zahl erbsengroßer bis hühnereigroßer, kugeliger, prall gespannter
Buckel an der Oberfläche erkennen läßt; er unterscheidet sich von
dem Steinerschen. Fall dadurch, daß die Tumoren auf beiden
Seiten fast gleich groß sind.
Von den differential-diagnostisch in Betracht kommenden Tu-
moren: malignes Neoplasma, Echinococcus, Hydronephrose unter-
scheidet sich der Fall durch die Doppelseitigkeit, die Konsistenz
und durch die regelmäßige, sphärische Form der Buckel.
Hereditär läßt sich nichts nachweisen, körperliche Anomalien
bestehen nicht. Die ersten Erscheinungen der Erkrankung sind
höchstwahrscheinlich vor 12 Jahren, drei Wochen nach der ersten
Geburt, aufgetreten und bestanden in Blutungen aus der rechten
Niere und Nierenschmerzen, Steine sind nicht abgegangen; das
Röntgenbild zeigt auch jetzt keinen Steinschatten. Die Beschwerden
der Patientin bestehen in mehr oder weniger heftigen Rückenschmer-
zen und zeitweilig auftretenden Kopfkoliken im Hinterkopf, selten
verbunden mit Erbrechen und Durchfällen.
Der Fall zeigt eine außerordentliche Ähnlichkeit mit dem Bilde
der chronischen Nephritis. Der Urin ist andauernd klar, enthält
etwas Albumen, im Sediment einige rote und weiße Zellen. Die
24stündige Diurese beträgt 3 bis 3!/, Liter, das spezifische Gewicht
schwankt zwischen 1005 und 1008, die Konzentrationsfähigkeit der
Nieren ist sehr gering. Alle Funktionsprüfungen ergeben wesent-
liche Störungen.
016 M. Roth, Demonstration vun Cystenmiere.
In. Anschlub daran Demonstration eines Präparates von Üvsten-
niere, das von einer 54 jährigen Frau stammt, bei der die Diagnose
ebenfalls auf Grund der klinischen Erscheinungen zestellt wurde.
Die Patientin wurde wegen unerträglicher Schmerzen von Prof.
Casper nephreetomiert. Das Präparat demonstriert das, was man
bei der ersten Patientin fühlt ad oeulus, nämlich eine grobe Anzahl
dieht aneinanderstehender kugliser Cysten von Erbsen- bis Wall-
nulgrobe,
Vorsitzender:
Ich frage, ob jemand das Wort zu einer dieser beiden Demon-
strationen nehmen will?
Herr Steiner:
Herr Steiner (im Schlubwort):
Ich möchte nur bemerken, m. H., daß die Differenz, welehe
zwischen meinen früheren Publikationen über die funktionelle Ta-
tiskeit der Cystennieren und den heutigen Ausführungen des Herrn
Roth besteht, nur eine scheinbare ist, darauf zurückzuführen, dab
die Entwicklung der doppelseitigen großevstischen Nierendegenera-
tion verschiedene Phasen durehmacht. Bei den Patienten, die ich
beobachtet habe, bei denen es sieh gewöhnlich um eine ziemlich frühe
Diagnose handelte, war ebenso wie bei der Patientin hier eine Niere
immer noch relativ wenig beteiligt. und so erklärt sieh aus dem
Vorhandensein der vielen gesunden sekretionsfähigen Nierensubstanz
auf der einen Seite, dab die funktionellen Werte im Anfang nicht
von der Norm abweichen, häufig sogar stitt sind. In der
weiteren Entwicklung, wenn sehr viel Nierensubstanz dureh Uysten
ersetzt ist und beide Nieren gleichzeitig zugrunde gegangen sind,
werden natürlich die funktionellen Werte herabgesetzt sein.
Dann noch eine Bemerkung zur Differentialdiagnose. Bei dop-
pelseitiger Hydronephrose hat man fast stets das Grefühl der Fluktua-
tion beim Palpieren, bei der Palpation der Niereneysten wird nie
Fluktuation gefunden. sondern prallharte Höcker. Nierentumoren
besonders großer Sarkome geben viel cher das Gefühl der Fluktua-
tion, als Cystennicren.
Vorsitzender:
Wünscht noch jemand das Wort? — Wenn das nicht der
Fall ist, dann bitte ich Herrn Rumpel einen Vortrag zu halten.
ens — ne ie ©
Cystische Erweiterung des vesikalen
Ureterendes.
Von
0. Rumpel.
Erscheint unter den Originalien dieser Zeitschrift.
Vorsitzender:
Wünscht jemand hierzu das Wort? — Herr Lohnstein!
Diskussion.
Herr Lohnstein: M. H.! Die interessanten Demonstrationen des Herrn
Rumpel veranlassen mich, Ihnen einen Fall von Ureterocele zu demonstrieren,
den ich vor drei Jahren beobachtet und operiert habe. Da es sich hier
um eine Ureterocele in einem früheren Entwicklungsstadium handelte, wie
bei dem von Herrn Rumpel demonstrierten Falle, so habe ich nicht die Sectio
alta gemacht, sondern die Affektion endovesikal operiert, und zwar mit voll-
kommenem Erfolge. Es handelte sich um eine 29jährige Frau, welche seit
einer Reihe von Jahren über heftige Beschwerden in der rechten Unterbauch-
gegend klagte; teilweise machten sie den Eindruck von Nierenkolik, teilweise
von Ovarialbeschwerden. Die Kollegen, in deren Behandlung die Patientin
trat, haben an ihr je nach ihrem Spezialfach herumoperiert: sie hat eine
Bruchoperation durchgemacht, sich einer Blinddarmoperation unterzogen,
eine doppelseitige Ovariotomie, eine Vaginofixation war an ihr ausgeführt
worden — kurz alles, was möglich war, ist hier versucht worden, und zwar
ohne Erfolg. Zu mir kam sie wegen eines akuten Blasenkatarrhs. Die Cysto-
skopie ergab, daß es sich um eine rechtsseitige Ureterocele handelte, welche
die mutmaßliche Ursache der Klagen war. Die Affektion wurde von mir
endovesikal beseitigt und damit den Beschwerden der Frau ein Ende gemacht.
Ohne auf die Einzelheiten der sehr bemerkenswerten und instruktiven Kranken-
geschichte, welche ich an anderer Stelle ausführlich mitgeteilt habe, näher
einzugehen, möchte ich an dieser Stelle nur die Blasenbilder demonstrieren
und erläutern.
Sie erkennen in dem ersten Bilde (Fig. 1) unschwer die durch die Uretero-
cele ballonartig aufgetriebene Blasenwand. Rechts davon erblicken Sie das
Ostium uretericum, welches dadurch besonders bemerkenswert ist, daß das untere
Ende der Ureterschleimhaut, wohl infolge des intraureteralen Druckes prolabiert
und extropioniert ist. Führte man einen Ureterkatheter in das Ostium ein,
so gelang es vorübergehend den Prolaps zu beseitigen. Oi.wohl jedoch infolge
des verhältnismäßig starken Katheters (Nr. 7 Charriere) der Harn freien
Abfluß fand, so blähte sich die Blasenwand auch jetzt noch, während eine
518 Cystische Erweiterung des vesikalen Ureterendes. — Diskussion.
Harnwelle durch den Ureter glitt, auf. Dieses Phänomen hörte erst nach
der Operation auf. Letztere wurde in der Weise ausgeführt, daß ein Löwen-
hardtscher Kauter durch den Ureterkanal eines Uretercystoskops hindurch
und in das Ureterostium hineingeführt wurde. Durch ein momentanes Än-
glühnlassen des Kauters wurde der Prolaps verkohlt und ein breites Ureter-
ostium geschaffen. — Den Erfolg der Operation erkennen Sie in dem zweiten
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Fig 1. Fig. 2.
Uretercyste vor der Operation. — Ureter- - Tretercyste nach der Operatien. — Sichel-
schleimhautprohabiert und ektropioniert. fürmiges Ureterostium. — Auftreibung der
— Blasenwand ballonartig aufgetrieben. Blasenschleimhaut verschwunden.
Fig. 3. Fig. 4.
Ureterkatheter in dem Ostium nach der Operationsstelle 18 Monate nach der
Operation. Operation.
Bilde (Fig. 2), welches etwa einen Monat nach der Operation aufgenommen
ist. — Die ballonartige Auftreibung der Blasenschleimhaut ist verschwunden,
das Ureterostium groß und mondsichelförmig; die neugeschaffenen topo-
graphischen Verhältnisse werden noch deutlicher in dem nächsten Bilde
(Fig 2), we!ches einen Ureterkatheter in dem neugeschaffenen Ureterostium
zeigt. — Bild 4 (Fig. 4) läßt die Verhältnisse 18 Monate nach der Operation
erkennen. Die Zeichnung, welche aus nächster Nähe des Ureterostium auf-
Cystische Erweiterung des vesikalen Ureterendes. — Diskussion. 519
genommen ist, zeigt, wie die Schleimhaut in der Nähe des Ureterostiums
eine tiefe Falte wirft. — Wie ich gelegentlich einer vor wenigen Wochen
ausgeführten Revision konstatieren konnte, muß es sich damals nur um einen
vorübergehenden Zustand gehandelt haben, denn jetzt ähnelt das Blasenbild
wieder dem vier Wochen nach der Operation aufgenommenen.
M. H.! In solchen frischen Fällen von Ureterocele wie ich ihn hier beob-
achtet habe, ist zweifellos die endovesikale Behandlung der Sectio alta vor-
zuziehen. Die ganze Operation inklusive ihrer Vorbereitungen dauerte 5 Mi-
nuten; sie wurde ambulatorisch ausgelührt. Die Reizungserscheinungen waren
allerdings unmittelbar darauf sehr bedeutend: die sehr nervöse Patientin
hatte etwa 18 Stunden Anurie. Dann aber stellte sich Polyurie ein, Nieren
und Blase nahmen ihre normale Funktion wieder auf, un: bis auf zeitweilig
wiederkehrende, leichte eystitische Beschwerden ist Patientin gesund geblieben.
Herr Lipman-Wulf: M. H.! Im Anschluß an die Demonstration des
Herrn Rumpel möchte ich an einen Fall erinnern, den ich vor 14 Jahren
beobachtet habe. Derselbe ist von mir im Zentralblatt für die Krankheiten
der Harn- und Sexualorgane, X. Bd.. Heft 9, 18399, veröffentlicht worden. Es
war dies die erste Beobachtung einer Erweiterung des vesikalen Endes des
Ureters, die am Lebenden mit dem Cystoskop wahrgenommen wurde
und in der Literatur beschrieben worden ist. Was die Ätiologie dieser
Anomalien anbetrifit, so hat Herr Rumpel hier nur auf die eine Erklärung
Bezug genommen, daß der Ureter bei sehr schrägem Verlauf durch die
Blase auf seiner oberen Wand eine längere Strecke nur von Schleimhaut
bedeckt ist. Nach Burkhard handelt es sich hier um eine primäre Mil-
bildung, die durch angeborene Schwäche der Blasenmuskulatur und dodurch
entstandene Verdünnung der umliegenden Wand hervorgerufen worden ist.
Boström erklärt im Gegensatz hierzu das Zustandekommen der Anomalie
durch ganz geraden Verlauf des Ureters durch die Blasenwand, wenn beim
Fehlen der kontrahierenden Muskelschicht der Blase die Mündung frei unter
die Schleimhaut zu liegen kommt. Englisch endlich nimmt an, daß es sich
bei der Bildung der Erweiterung um eine embryonale Verklebung des Epithels
des Ureterenendes handelt. Infolge des Drucks des nicht entleerten Urins
kommt es zu einer Ausbuchtung. Erfolgt später die Sprengung dieser Ver-
klebung, so bleibt doch die Erweiterung bestehen. Iech habe damals in
meiner Arbeit diese Theorien auseinandergesetzt. In dem von mir beobachteten
Falie Jagen nun dadurch ganz besondere Verhältnisse vor, daß die Patientin,
eine 0 jährige Frau, vor 14 Jahren nephrektomiert worden war. Man sah
hei ihr den Ureter der nephrektomierten Seite als kleine, kaum wahrnehm-
bare, punktförmige Öffnung angedeutet. Das Ureterenende der ührigzebliebenen
Niere war dagegen weit vorgewölbt. Die ganze Wand der Blase um die
Ureterenmündung zeigte eine periodisch wiederkehrende beträchtliche Vor-
stüpung. Dem Studium der Elevation, das 13 Sekunden deuerte, folgte
während der Ausspritzung des Urins aus der dem Beschauer abgewandten Ureter-
ölfnung eine Retraktion von 6 Sekunden Dauer. Ich erwähne diesen Fall
jedoch hier ausdrücklich, weil es sich, wie ich annehme, hier nicht um eine
angeborene, sondern um eine erworbene Anomalie handelte. Infolge der
außerordentlich gesteigerten Funktion, die die hypertrophische, allein übrig-
gebliebene Niere zu leisten hatte, kam es zu einer enormen Urinausscheidunz
aus diesem einen Ureter und im Anschluß daran zu einer Stauung im Nieren-
decken und Ureter, hierdurch wurde durch den vorhandenen Druck eine
Erweiterung und Ausstülpung des unteren Ureterenendes in die Blase hinein
verursacht. Ich möchte jedoch noch erwähnen, daß diese Hervorstülpung
520 Cystische Erweiterung des vesikalen Ureterendes — Diskussion.
des unteren Ureterenendes absolut keine Beschwerden hervorrief; sie wurde
ganz zufällig bei der aus anderer Ursache vorgenommenen Cystoskopie ent-
deckt. Es entspricht dies auch der Norm. Die Ureterendivertikel rufen nur
bei exzessiver Größe oder anormaler Verlagerung der Ureterenmündung vor
das Orificium internum urethrae Störungen der Blasenfunktion hervor, dann
sind natürlich chirurgische Maßnahmen notwendig. Die Patientin, die ein
schweres Herzleiden hatte, kam später zur Autopsie. Es fand sich die Niere
auf das Dreifache vergrößert, Nierenbecken und Ureter waren kolossal erweitert.
Ich habe seiner Zeit im Verein für innere Medizin das sehr interessante
Präparat demonstriert (Vereinsbeilage der Deutschen medizinischen Wochen-
schrift 1900, Nr. 45, S. 267). Zusammenfassend möchte ich nochmals kurz
betonen, daß es neben angeborenen, auch durch Mehrarbeit und Stauung
verursachte, erworbene Erweiterungen des Ureterenendes gibt, ferner, daß
diese Anomalien gewöhnlich keine Beschwerden verursachen, sondern zufällig
bei der Cystoskopie zu unserer Kenntnis kommen. Für letzteres finden wir
in vielen nach meiner Veröffentlichung erschienenen Arbeiten die Bestätigung.
Vorsitzender:
Wünscht sonst noch jemand das Wort? — Das ist nicht
der Fall.
Dann bitte ich Herrn Pfister aus Kairo, uns seinen Vortrag:
„Über Histologie kleinerer Bilharzia-Konkremente‘“ zu halten.
Über Histologie kleinerer Bilharzia-
konkremente.
Von
Dr. E. Pfister, Kairo.
Wenn man Harukonkretionen nicht auf ihre chemische Be-
schatfenheit, sondern auf ihre physikalische Struktur, mehr in
bistologischem Sinne untersuchen will, so gibt es bekanntlich
hauptsächlich zwei Methoden: den Steinschliff und den Schnitt
dureh den Stein nach vorheriger Mazeration, Fixierung und Ein-
bettung, d.h. wie es W. Ebstein empfahl und ausführte. Schon
seit einiger Zeit mit der Untersuchung ägyptiseher Harnkonkre-
mente, besonders auch der Blasensteine, beschäftigt, möchte ich mir
erlauben. nur über zwei kleinere Präparate kurz zu berichten. Der
Zweck dieser Untersuchung war vor allem der, den direkten Zusam-
menhang der Steinbildung mit der Bilharziasis darzutun auf Grund
der Eierbefunde. Die Erweichung beider Präparate erfolzte in
Kalilauge von langsam zunehmender Stärke, die Einbettung in
Celloidin, die Färbung nach van Gieson. Beide bestanden aus
Uraten und Harnsäure.
T. Dieser Harnröhrenstem entstammt einem Fellahknanen, wie
ja denn überhaupt Harnröhrensteine hauptsächlich bei Jugend-
lichen vorzukommen pflegen. Es ist wohl nichts als ein vlück-
licher Zufall, daß gleich bei dem ersten untersuchten Stein dieser
Art Eier zu finden waren. Es hätte mir wohl gerade so gut passieren
können, eine Anzahl zu mikroskopieren, ohue Eier zu finden. Das
„organische Gerüst”, wie es W. Ebstein genannt hat, ist recht
deutlich zu sehen. Dab auch der Schnitt gute Strukturbilder er-
gilt, beweisen die zwei nächsten Bilder.
II. Dieser Harneries stammt ebenfalls von einem jüngeren
Fellachen. Besonders bemerkenswert ist, daß nur in einem kleinen
Teil der Körner Eier zu finden waren. im eruberen Teile nicht.
522 E. Pfister.
Das wird aber sofort verständlich, wenn man sich die Entstehung
dieser Körner klar macht, die ja kein DiathesengrieB sind wie in
anderen Ländern. Bei Bilharziasis wird die Schleimhaut oft mit
Kalksalzen inkrustiert um die in die Blase perforierenden Eier und
die hieraus entstehenden Geschwüre herum. So entsteht die ,,sandy
bladder“ — Sandblase der Engländer —, weil in der Tat sie sich
anfühlt wie Sandstein; man spricht auch, wenn diese Schicht be-
sonders mächtig wird, von einer „quatrieme tunique de la vessie“.
Wenn nun solche Körnchen und Bröckel sich ablösen, so ist es
wohl mehr Sache des Zufalles, ob Eier darin enthalten sind oder
nicht, aber auch wenn die fehlen, ist eben doch die Bilharziasis
ätiologisch verantwortlich für die Formation. Es entspricht dies
völlig den Resultaten von Th. Bilharz selbst, der in der Mehrzahl
dieser Gebilde Eier vermißte.
Fig. 2 zeigt ein leeres Ei im Querschnitt. Wenn solche degene-
rierten Eier nicht abgehen, sondern im Gewebe z. B. des Beckens
liegen bleiben, so pflegen häufig Wanderzellen in dieselben hinein-
zugehen und sie anzufüllen. Fig. 3 zeigt einen verkalkten Em-
bryo, wo das Munddrüsenpaar besonders deutlich ist. Auf einem
Schliffe wären wohl solche feine Details nicht zu sehen, so daß
also wohl Schliffe und Schnitte für solche Zwecke beide verwend-
bar sind. Auch hier ist das organische Gerüst deutlich zu sehen,
sowohl bei eierhaltigen als nichteierhaltigen Körnern. Man sieht
jedenfalls hieraus, daß Eier überhaupt nicht nötig sind, um den
Zusammenhang mit der Bilharziasis, auch wenn sie fehlen, zu ver-
stehen. Die Eier sind also jedenfalls nicht die Hauptsache, wie all-
gemein angenommen wurde, sondern eher fast nebensächliche
Befunde.
Die Entstehung dessen, was ich eben als Sand- oder Kalkblase
oder 4. Blasenschicht bezeichnete, und damit auch der eben demon-
strierten Körner und Bröckel, läßt sich wohl am besten an einem
cystoskopischen Bilde verdeutlichen; ich habe es der Gefälligkeit
von Herrn Marion-Paris zu verdanken: Auf 2 Bildern, die Sei-
tenpartien und den Vertex der Blase wiedergebend, sind deutlich
zu sehen kleine, glänzende, runde oder mehr ovale Körnchen von
ı/,—2 mm Durchmesser; es sind dies die in die Blase perforieren-
den Eierkonglomerate. Werden sie immer dichter, so daß sie fast
konfluieren, so entsteht aus ihnen und den nach dem Platzen der
Häufchen entstehenden Geschwüren durch Verkalkung eben das,
was als vierte Schicht — die Kalkschicht — der Blase bezeichnet
Über Histologie kleinerer Bilharziakonkremente, 523
wird. Man könnte wohl auch von Cystitis calculosa oder calci-
ficans reden.
Schließlich möchte ich mir noch eine etymologische Bemer-
kung gestatten: Man spricht stets von „Bilharzia“, auch wenn man
die Krankheit meint; so heißt aber eigentlich der Wurm: „Bilharzia
haematobia“. Wenn man die Krankheit richtig bezeichnen will, so
müßte nach dem Vorschlage von A. Looß, Kairo, der Ausdruck
„Bilharziasis‘“ angewendet werden.
Vorsitzender:
Wünscht jemand das Wort zu der interessanten Demonstration ?
— Das ist nicht der Fall. Dann darf ich Herrn Pfister den besten
Dank der Gesellschaft aussprechen !
Ich bitte nun Herrn Oelsner!
Aus der Privatklinik von Professor Casper.
Zur Pyelotomie.
Von
Dr. Oelsner,
Assistenten der Klinik.
Erscheint unter den Originalien.
Vorsitzender:
Wünscht einer der Herren das Wort hierzu? — Herr Israel!
Diskussion.
Herr W. Israel! M. H.! Nach den Worten des Herrn Vorredners, sowie
nach manchen Veröffentlichungen der letzten Zeit könnte der Anschein erweckt
werden, als ob die Nephrotomie eine Ausnahmeoperation in der Behandlung
der Nierensteine bilde. Auch wir sind angesichts der Gefahren der Nephrotomie
große Anhänger der Pyelotomie und suchen die Nephrotomie nach Möglichkeit
einzuschränken. So kombinieren wir gelegentlich Pvelotomie und Nephrotomie
und konnen dadurch die Länge des Nierensehnittes verringern: oder wir ent-
fernen kleine dieht unter der Oberfläche liegende Kelchsteine dadurch, dab
wir an dieser Stelle stumpf dureh die dünne den Stein deckende Parenchrm-
schicht hindurchgehen und so nur eine geringe und ungefährliche Verletzung
der Nierensubstanz setzen. —- Atvpische Nephrotomie —. Dazu ist freilich
notwendig, daß ein gutes Rüntgenbild die Anzahl der vorhandenen Konkre-
mente genau bestimmt und daß diese an der freigelegten Niere zu fühlen sinl.
Das zahlenmäßige Verhältnis von Pyelotomie und Nephrotomie zueinander
wird nur aus einem großen Material zu ersehen sein. Ich will Ihnen nicht
unser gesamtes Material hier vorlegen, da dies bereits ausführlich bearbeitet
wird. Eine Zusammenstellung der in den letzten 31/, Jahren im kranke
haus der Jüdischen Gemeinde ausgeführten Steinoperationen wird Ihnen zur
Genüge zeigen, wie groß noch der Prozentsatz der Nephrotomien ist trotz
allem Bestreben, der Pyelotomie, wenn irgend möglich, den Vorzug zu geben.
Unsere Indikationen sind im allgemeinen die von Professor Israel aul
dem Chirurgenkongreß 1908 aufgestellten.
Vom 1. Januar 1910 bis 1. April 1913 wurden im Krankenhause der jü-
dischen Gemeinde ol Patienten wegen Nierenstein operiert. Davon waren:
22
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Pyelotomien Re a a
Prelotomie und atypische Nephrotomie
Atypische Nephrotomie RN a e y
Typische Nephrotomien . . . .1
Ivpische Nephrotomie und Pyelotomie
Nephrektomien .
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In Summa 51.
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Zur Pyelotomie. — Diskussion. ' 525
Aus dieser Tabelle ersehen Sie, daß wir unter 42 konservativen Stein-
operationen der letzten 31/, Jahre 18mal die typische Nephrotomie ausgeführt
haben. Es verhält sich also die Zahl der Nephrotomien zur Gesamtziffer
der konservativen Steinoperationen wie 3 zu 7 oder anders ausgedrückt, Nephro-
tomie und Pyelotomie nebst kleineren ungefährlichen Eingriffen (atypische
Nephrotomie) stehen in einem Verhältnis von 3 zu 4.
Der Prozentsatz der Nephrotomie ist also immer noch recht groß. Jedoch
ist zu berücksichtigen, daß unser Material wohl besonders viel schwere Fälle
aufweist, wie auch aus der relativ großen Zahl der Heger wegen
Steinleidens hervorgeht.
Zur Pyelotomie selbst wäre ssh zu sagen, daß alle unsere Fälle ohne
Fistel geheilt sind: - Wir drainieren das Nierenbecken nur ganz ausnahms-
weise, nämlich dann, wenn sehr viel Sand oder Grieß im Nierenbecken vor-
handen war, um auch nach der Operation etwa noch vorhandene Stein-
oder Sandkrümel herauszuspülen. In solchen Fällen, aber nur in solchen,
spülen wir natürlich schon während der Operation. Die Nierenbeckenwunde
heilt auch dann stets, wenn es wegen der Zartheit der Nierenbeckenwand
nicht möglich ist, exakt paramukös zu nähen, sondern wenn man sich mit
der Naht des peripelvikalen Fettes begnügen muß, das wir Sunan stets
zur Deckung der Nahtlinie benutzen.
Die Gesamtwunde drainieren wir stets, und zwar mit einem mit giefen,
gaze umwickelten Dram, das an die tiefste Stelle der Wunde, aber nicht auf
die Nahtlinie zu liegen kommt.
Im Anschluß an diese zum Thema gehörigen Bemerkungen erlauben Sie
mir noch das Präparat einer Niere zu zeigen. Sie sehen daran einen sicher-
lich seltenen Folgezustand einer Nephrolithotomie. Die Niere ist stark ge-
schwollen, von zahlreichen Abszessen durchsetzt, das Nierenbecken beträcht-
lich erweitert, seine Schleimhaut von größeren und kleineren Hämorrhagien
durchsetzt. Am Abgange des Ureters vom Nierenbecken sitzt ein kleinbohnen-
großer Stein in der geröteten und geschwollenen Schleimhaut fest eingekeilt.
Also Occlusion der Niere, akute abszedierende Pyelonephritis. Klinisch trat
die Pyelonephritis außer durch remittierende ziemlich hohe Temperaturen
durch völlige Klärung des bis dahin mäßig trüben Urins in Erscheinung (Occlu-
sion der Niere).
Das kleine Steinchen, die Ursache der zur Nephrektomie führenden Er-
krankung war bei einer sechs Wochen vorher gemachten Nephrotomie ver-
gessen worden. Es ist dies der in der Tabelle erwähnte Fall, in dem Nephro-
tomie und Pyelotomie miteinander kombiniert worden waren.
Herr Zondek: M. H.! Den Indikationsstellungen des Herrn Kollegen
Oelsner pflichte ich bei; ich verweise in dieser Hinsicht auf meinen Vortrag
„Nephrotomie oder Pyelotomie?“, den ich auf dem II. Deutschen Urologen-
kongreß gehalten und in der „Berl. klin. Wochenschrift“ 1909, Nr. 22, aus-
führlich veröffentlicht habe. Es freut mich, konstatieren zu können, daß, wie
andere Autoren, auch Herr Casper die von mir angegebenen Methoden: itadiär-
schnitt und die Kombination von Pyelotomie und Radiärschnitt angenommen
hat. Nun möchte ich noch folgendes kurz hervorheben:
Selbstverständlich ist die Pyelotomie die in erster Linie empfehlenswerte
Operation; es gibt aber doch Fälle, in denen man die Pyelotomie nicht ausführen
kann, sondern die Nephrotomie ausführen muß. Das hängt von der Lage des
Nierenbeckens zum Nierenparenchym und von der relativen Größe des Nieren-
steins ab. Wenn, um nur ein Beispiel anzuführen, das Becken vollkommen
intrarenal, und in diesem ein verhältnismäßig großer Stein gelegen ist, so-
Zeitschrift für Urologie. 1913. 35
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526 Zur Pyelotomie. — Diskussion.
wird man die Nephrotomie nicht umgehen können. Auf weitere Einzelheiten
will ich hier nicht näher eingehen und verweise auf meine früheren Dar-
legungen.
Ferner möchte ich noch bemerken:' Wir machen die Pyelotomie im all-
gemeinen an der hinteren Wand. Illyes hat nun empfohlen, die Pyelotomie
an der vorderen Wand auszuführen, weil man so besser die Naht anlegen
könnte. M. E. wird man aber im allgemeinen die Inzision an der hinteren
Wand des Beckens machen, da man so nicht der Gefahr ausgesetzt ist, die
großen Gefäße zu verletzen, die vor dem Becken verlaufen. Nun habe ich
mich an einer vor kurzem exstirpierten Niere davon überzeugen können,
daß man zuweilen die Pyelotomie von hinten her gar nicht ausführen kann,
sondern an der vorderen Wand ausführen muß; an dieser Niere war nänlich
das Becken vollkommen vorn gelagert Wie ich bereits früher dargelegt
habe, trifft dies allgemein für die kongenital heterotopen Nieren und
damit auch für Hufeisennieren zu, die eine Verschmelzung beider kongenital
heterotopen Nieren darstellen. Hierbei ist aber, wie ich gefunden habe, ge
wöhnlich das Nierenbecken erweitert, und die Gefahr, die vor dem Becken ver-
laufenden Gefäße zu verletzen, dadurch erheblich eingeschränkt, daß die
Gefäße in größerer Entfernung voneinander als gewöhnlich verlaufen.
Schließlich bitte ich, mir noch folgende kurze Bemerkung zu gestatten:
Ein wesentlicher Grund zur Einschränkung der Nephrotomie war bekanntlich
der gewaltige Fortschritt der Nierensteindiagnose durch das Röntgenverfahren.
Letzthin wurde mir ein Patient zugeschickt, der gleich das Röntgenbild
mitbrachte; aus der Form des Steinschattens glaubte ich mit einiger Wahr-
scheinlichkeit annehmen zu sollen, daß der Stein im Nierenbecken gelegen
war. Leider war der Schatten der Niere selbst nicht ganz zu sehen. Ich
bat deshalb Herrn Kollegen Arthur Fränkel, eine neue Aufnahme zu machen
und zu versuchen, ob er nicht auch den ganzen Schatten der Niere auf das
Bild bringen könnte; das ist ihm gelungen. Es bestätigte sich, daß der
Stein so gelegen war, daß man seinen Sitz im Nierenbecken annehmen
muß. Das Bild ergab aber noch einen weiteren interessanten Befund: Außer
dem Stein im Nierenbecken war noch im oberen Pol der Niere ein kleiner
Stein gelegen, und es gelang, ihn als an der dorsalen Wand liegend, zu
lokalisieren. Sobald sich der Patient zur Operation entschließen wird, be-
absichtige ich, den Radiärschnitt und die Pyelotomie auszuführen. Wenn
man nun bei Betrachtung dieses Falles bedenkt, daß vielleicht der kleine Stein
die Ursache der Koliken des Patienten gewesen ist — bekanntlich sind es
nicht immer die größten Steine, die die Beschwerden verursachen — und wenn
man andererseits berücksichtigt, daß man, was ich bereits 1902 nachgewiesen
und für die Fälle von sogenannter Anginoneurose der Niere zur Berücksich-
tigung hervorgehoben habe, selbst nach Spaltung der Niere in 2 Schalen
einen in einem Kelch liegenden Stein übersehen kann, so kann man auch hieraus
die große Bedeutung der Röntgenuntersuchung für die Diagnose und die
Indikation zur Öperationsmethode bei Nierencalculose erkennen.
Vorsitzender:
Wünscht noch jemand hierzu das Wort? — Das ist nicht
der Fall.
Dann gestatten Sie mir auch einige ‚Worte zu dieser Frage. Die
schwierigste Pyelotomie, die ich je gemacht habe, betraf einen
doppelseitigen Korallenstein. Es ist ein Fall, den ich in meiner
Zur Pyelotomie. — Diskussion. 527
„Nierenchirurgie‘“ beschrieben und abgebildet habe. Es war außer-
ordentlich schwer, den Stein vollkommen zu entfernen, da seine
Zweige sich in alle Nierenkelche hineinerstreckten und dort her-
ausgelöst werden mußten. Das ging nicht ohne allerlei Zer-
reiBungen vor sich. Trotzdem ist die Dame, die ich vor 20 Jahren
operiert habe, nicht nur vollkommen geheilt worden, auch von ihrer
Cystinurie, die auch sonst in ihrer Familie, bei mehreren anderen
Geschwistern vorgekommen ist, sondern sie ist auch geheilt ge-
blieben. Ich habe mit ihr weiter in Briefwechsel gestanden und
im vorigen Jahre von ihr ein Schreiben bekommen, wonach sie sich
einer befriedigenden Gesundheit erfreut.
Daran anknüpfend, möchte ich sagen, daß ich die Pyelotomie
gemacht habe, gleichgültig, ob der Urin aseptisch war, oder bereits
eitrig. Ich habe keinen einzigen Fall verloren, obwohl manche
nicht ganz glatt verlaufen sind, während ich bei der Nephrotomie
wegen eines ganz kleinen Steins im oberen Pol, welcher durch
einen kleinen Schnitt entfernt werden konnte, den einzigen Todes-
fall an Nachblutung gehabt habe. Ich 'würde also glauben, daß die
Pyelotomie überall da, wo ich sie früher empfohlen habe — daß
sie nicht überall ausführbar ist, gebe ich Herrn Zondek ohne wei-
teres zu — ausgeführt werden sollte.
Ich bitte dann Herrn Lewin das Wort zu nehmen.
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Nierentuberkulose und Addisonsche
Krankheit.
Von
A. Lewin.
M. H., das Präparat, das ich mir Ihnen hier zu demonstrieren
erlaube, entstammt einem 48 jährigen Patienten, über den ich kurz
folgendes berichten möchte. Der Patient erkrankte vor etwa 12 Jah-
ren; es wurde damals von Herrn Professor Casper „rechtsseitige
Nierentuberkulose und Gesundheit der linken Niere“ bei dem Pa-
tienten diagnostiziert. Ihm wurde eine Nephrektomie angeraten,
zu der der Patient sich jedoch nicht entschließen konnte. Ich
hatte nachher Gelegenheit, ihn viele Jahre zu beobachten, und be-
merke aus der Krankengeschichte kurz folgendes:
Dem Patienten ging es in klinischer Beziehung relativ sehr
gut, und nach zwei Tuberkulinkuren, die er durchmachte, besserte
sich scheinbar sein Befinden lokaler als auch allgemeiner Natur
derartig, daß man geneigt sein konnte, den Mann als geheilt anzu-
sehen. Ich habe aber, obwohl im Sediment keine Tuberkelbazillen
mehr nachgewiesen werden konnten, im Jahre 1907, gerade um die
Frage, wieweit das Tuberkulin von Einfluß auf die Heilbarkeit
der Nierentuberkulose sein könnte, zwei Meerschweinchen impfen
lassen. Das eine wurde nach der damals von Bloch angegebenen
Methode, mit Quetschung der Drüsen, geimpft, das andere in ge-
wöhnlicher Weise. Bei dem nach der Blochschen Methode ge-
impften Meerschweinchen wurden nach 20 Tagen Tuberkelbazillen
im Drüsensaft nachgewiesen; das andere Tier wurde nach sechs
Wochen getötet, und es zeigte sich starke Tuberkulose in allen in-
neren Organen. Damit war zunächst wenigstens festgestellt, dab
von einer spontanen Heilung oder von einer durch das Tuberkulin
bewirkten Heilung keine Rede war.
Das Befinden des Patienten blieb ein andauernd gutes, bis er
vor ungefähr 1!/, Jahren unter den typischen Erscheinungen
einer schleichend verlaufenden morbus Addisonii erkrankte. Die
Nierentuberkulose und Addisonsche Krankheit. 529
Behandlung während dieser Erkrankung wurde von dem Kollegen
Alfred Frank und Ernst Steinitz geleitet.
Das Kardinalsymptom der Erkrankung, die Verfärbung der
Haut, die bronzed skin, die hochsradige Muskelschwäche, die all-
scmeine Mattigkeit, die dyseptischen Störungen, der fieberlose Ver-
lauf usw. zeigten das typische Bild dieser Erkrankung.
Der Patient starb im September vorigen Jahres. Herr Professor
Benda hatte die Freundlichkeit, die Sektion zu übernehmen und
fand folgendes :
Alte Spitzentuberkulose der Lunge, Sklerose der Coronar-
arterien, Inke Niere nicht verändert, linke Nebenniere klein, faust-
grob, sklerosiert vollständig verkäst, von der Substanz nichts übrig.
Rechte Niere multiple Cavernen und Käseherde, geschrumpft; rechte
Nebenniere atrophisch, Käseherde und Fett. In der Prostata cin
kieiner tuberkulöser Herd. Samenblase, Ureter, Blase normal.
"KH: Wenn Nie die Freundlichkeit haben, dieses Präparat zu
besichtigen, werden Sie schen, daß hier in der Tat von beiden Neben-
nieren auch nicht der kleinste Tberrest zu sehen ist. An der rechten
Niere sehen Sie 2 Cavernen, während die linke Niere keine Ver-
anderung zeigt. Das Interessante an dem Fall ist, möchte ich sagen,
nach drei Richtungen hin vorhanden. Erstens beweist er, wie wieder-
holte Tuberkulinkuren auf diese tuberkulösen Nierenherde wenig-
stens sichtbar nicht den allergeringsten Einfluß haben. Zweitens
zeist er uns die immerhin nicht ganz häufige Kombination der
Nierentuberkulose mit der Nebennierentuberkulose und endlich drit-
tens demonstriert er, daß die Nierentuberkulose außerordentlich
lange — in unserem Fall lag eine 12 jährige genaue Beobachtung
vor =- auf den ursprünglichen Herd beschränkt bleiben kann: in
unseren Fall ist die andere Niere ganz gesund geblieben, ebenso
ist der Prozeß nicht deszendiert, abgesehen von dem kleinen Prostata-
herd ist weder an der Blase noch am Ureter etwas von "Tuberkulose
nachweisbar.
Vorsitzender:
Wünscht jemand hierzu das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Dann bitte ich Herrn Casper seinen Vortrag zu halten.
Demonstration.
Von
L. Casper.
1. Hypoplasie der Niere.
2. Ureterstein.
3. Geschlossene Tuberkulose der Niere.
Der erste Fall, über den ich berichten möchte, hat ein diagnosti-
sches Interesse. Er betrifft einen Mann von 61 Jahren, der wegen
rechtsseitiger Nierenkolik und dreitägiger heftiger Blu-
tung meine Klinik aufsuchte. Gleich nach der Aufnahme sistierte
die Blutung, aber auch die Harnentleerung hörte ganz auf, der
Kranke blieb 24 Stunden ohne Urin. Beim Katheterismus wurde
die Blase leer befunden. In der rechten Nierengegend fühlte man
einen kindskopfgroßen, höckrigen, mit der Atmung verschieblichen.
auf Druck nicht schmerzhaften Tumor. Die linke Niere war nicht
zu fühlen. In der leeren Blase wurde zystoskopisch ein Blut-
coagulum gesehen, das aus dem rechten Ureter hervorragte, Der
linke Ureter war trotz übersichtlicher Verhältnisse nicht aufzu-
finden. Die Diagnose, soweit sie die rechte Niere betrifft, war dem-
nach klar: es handelte sich um einen Tumor der rechten Niere,
über die linke Niere blieben wir im Ungewissen.
Es wurde nun in der Annahme, .daß..das Blutcoagulum den
rechten Harnleiter verstopfe, mit einem Uretherkatheter in dasrechte
Ostium eingegangen, worauf sich das Gerinnsel aus dem Ham.
leiter ausstieB und sogleich die Urinsekretion einsetzte. 2 Tage
darauf traten die gleichen Erscheinungen ein: zuerst Blutung, dann
Aufhören jeder Harnabsonderung, Eingehen in das mit einem Co.
gulum verstopfte rechte Ureterostium, Ausstoßen desselben und
Beginn der Harnsekretion. Der Harn war nun klar, enthielt kleine
Mengen Albumen und granulierte Zylinder.
Bei erneuter Cystoskopie ist die linke Uretermündung wie-
der nicht aufzufinden, auch nach Einspritzung von Indig-
Hypoplasie der Niere. 531
karmin ist keine Blauausscheidung in der linken Blasenhälfte
wahrnehmbar. Rechts tritt Grünfärbung des Harnes nach 5 Minu-
ten, Zuckerausscheidung durch Phloridzin-Einspritzung nach 35 Mi-
nuten auf.
Für die Frage, ob der Patient operabel sei, war es unerläßlich,
Klarheit über Zustand und Funktion der linken Niere zu gewinnen.
Der Umstand, daß weder eine linke Harnleiteröffnung noch eine
Harnausströmung sichtbar wurde, machte es wahrscheinlich, daß
die linke Niere nicht arbeitete, aber die Wahrscheinlichkeit mußte
zur Gewißheit erhoben werden. Der Blutgefrierpunkt betrug 0,58;
aber damit kam man nicht weiter, denn — die Zuverlässigkeit dieses
Kriteriums zugegeben — konnte die durch diesen Befund wahr-
scheinlich gemachte ausreichende Befreiung des Blutes von Stoff-
wechselschlacken von seiten der rechten erkrankten Niere allein
geleistet werden.
Sehen wir von dem Suchen nach der linken Niere auf opera-
tivem Wege ab, so stand uns noch die Röntgenographie zur
Ergänzung der bisher gewonnenen Untersuchungsresultate zur Ver-
fügung. Sie brächte uns in der That weiter. (Demonstration.) Sie
sehen hier die große tumortragende rechte Niere und auf dem zwei-
ten Bilde eine winzig kleine linke oder besser das Rudiment einer
solchen. e > | i K
Wat dies nun'eine-gesthrumpfte Niere oder eine angeborene
Hypöplasie? ` =
Erinnerñ wir uns der Tatsache, daß bei Schrumpfnieren und
solchen Nieren, die ihre Tätigkeit eingestellt haben, das Ureterostium
noch nach vielen vielen Jahren sichtbar bleibt, so dürfen wir
schließen, daß es sich um eine kongenitale Hemmungsbildung
der linken Niere gehandelt hat.
Auf Grund dieser Diagnose, die sich auf die Kombination der
aus den verschiedenen Untersuchungsmethoden gewonnenen Er-
gebnisse aufbaute, mußte die Operation der rechten Niere natürlich
unterbleiben.
Besonders bemerkenswert bleibt die zweimalige Anurie, die
beide Male auf eine Verstopfung des Ureters durch ein Blutge-
rinnsel zurückgeführt werden konnte und die einfache Beseitigung
der Anurie mittels Entfernung des Hindernisses aus dem Harnleiter.
Der zweite Fall, über den ich in aller Kürze referiere, betrifft
einen ziemlich großen Ureterstein im tiefsten Teil des Harn-
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532 ‘ L. Casper.
leiters. Derselbe soll sich angeblich nach einer gynäkologischen
Operation, bei welcher Fäden durch die Blase gelegt worden sind,
gebildet haben. Es bestanden Schmerzen besonders bei Bewegung,
etwas Harndrang, blut- und eiterhaltiger Harn. Der Stein ist von
der Vagina aus zu palpieren. Im Cystoskop sieht man ein grau-
schwärzliches Gebilde im linken Ureterostium stecken. Dasselbe ist
von einem Kranz blaßroter, stellenweis mit Pus belegter Bläschen
umrahmt. (Demonstration.)
Über die Größe des Steines belehrte uns das Röntgenbild. (De-
monstration.) Das ist wichtig, denn es sagte uns, daß an eine intra-
vesikale Entfernung des Steines nicht zu denken war, dazu war
derselbe viel zu groß. Für die Entfernung auf blutigem Wege wähl-
ten wir die Sectio alta, die mir für intramural gelegene Uretersteine
— aber auch nur für diese — die beste Methode erscheint.
Die Blase wurde eröffnet, der Stein von der Vagina entgegen-
gedrängt, das Ureterostium nach oben geschlitzt, die Ränder des
Schlitzes auseinandergehalten und der Stein herausgehebelt. Der
Stein hat, wie Sie sehen, die Ausdehnung einer Mandel mit einer
regulären Facette, in welche ein erbsengroßer Stein hineingepaßt
ist. Er besteht. aus Erdphosphaten.
Verschluß der Blase und Naht der Wunde bis auf cine kleine
Sicherheitsöffnung. Glatte Heilung, der Harn klärt sich gradatim.
Bei der SchluBeystoskopie sieht man die Ureteröffnung bedeutend
erweitert als ein Loch von der Größe einer Fingerkuppe ohne
Muskelkontraktion. Die früher konstatierten cystitischen Verände-
rungen sind gewichen.
Drittens, m. H., möchte ich Ihnen einen bemerkenswerten Fall
von geschlossener Tuberkulose vorstellen.
Der blühend aussehende und beschwerdefreie Patient erzählte,
daß er im Dezember 1911 plötzlich in der linken Nierengegend
einen heftigen Schmerz verspürte, der 3 Wochen anhielt. 4 Monate
darauf bemerkte er, daß sein Harn trübe war. Da derselbe sich
durch innere Behandlung nicht klärte, konsultierte er einen Uro-
logen, der aus der linken Niere eitrigen tuberkelbazillenhaltigen oder
richtiger meerschweinchen-virulenten Harn entnahm. Der
Arzt empfahl korrekterweise die Nephrektomie, allein das Befin-
den des Kranken wurde von Tag zu Tag besser, der Harn ganz klar,
so daß sich der Kranke gesund wähnte und auf den Vorschlag der
Operation nicht einging. Das Wohlbefinden dauerte bis zum Fe
Geschlossene Tuberkulose der Niere. 533
bruar 1913, als plötzlich der Harn wieder trüb: wurde. Die Trü-
bung hielt nur wenige Tage an, so daß ein andrer Kollege, den
der Kranke zu Rate zog, nichts konstatieren konnte. Er fand einen
blühend aussehenden Mann mit klarem normalen Harn und entlieb
ihn deshalb.
Nun suchte der mißtrauisch gewordene Kranke meine Hilfe auf.
Ich konstatierte das Gleiche: gesund aussehender kräftiger Mann,
klarer normaler Harn, an den Nieren nichts palpabel. Ich nahm
ihn dennoch behufs genauerer Untersuchung in die Klinik auf.
Pirquet war stark positiv. Bei der Cystoskopie sah man in der
gesunden Blase keinen Harn aus der linken Niere herauskom-
men, auch nicht nach Einspritzung von Indigkarmin. Der Ureter-
katheter dringt links nur einige Zentimeter ein und fördert keinen
Harn zutage. Der Harn der rechten Niere war klar und normal.
Der linke Ureter vom Rektum aus ist nicht zu fühlen. Die Röntgen-
aufnahme zeigt eine abnorm große linke Niere. (Demonstration.)
All das zusammengenommen: Die Anamnese, das zweimalige
Auftreten von Eiter und meerschweinchen-virulentem Harn, die
Untätigkeit des linken Harnleiters, der große Nierenschatten rechts
auf dem Röntgenbild ließen mich eine geschlossene Tuberkulose
diagnostizieren, und zwar nahm ich eine stark vergrößerte, mit Käse
gefüllte Niere an.
Die Operation hat am 11. März stattgefunden. Wie groß war
mein Erstaunen, als ich inmitten einer enormen schwielig durch-
setzten Fettkapsel eine kleine geschrumpfte Niere fand. (Demonstra-
tion.) Die bucklige Oberfläche ist, wie Sie sehen, mit zahllosen
Tuberkeln übersäet, die ganze Niere war mit einer käsigen rahmigen
Masse erfüllt.
Hier liegt der merkwürdige Umstand vor, über den sich die
Röntgenologen äußern mögen, daß nicht die Niere mit ihrem kä-
sigen Inhalt, sondern die Fettkapsel den Schatten gegeben hat. Da
Fett für die Strahlen durchgängiger ist als anderes Gewebe, so
kann ich mir die Sache nur so erklären, daß einmal die enorme
Dicke des Fettgewebes und dann die Schwielenbildung in der
Fettkapsel Ursache der Schattenbildung gewesen sind, die mich
zu der Annahme einer sehr großen Niere verführte.
Vorsitzender:
Wünscht jemand das Wort? — Herr Lohnstein!
534 Diskussion.
Diskussion.
Herr Lohnstein: M. H.! Wie schwierig die Diagnose bei geschlossener
Nierentuberkulose werden kann, dafür habe ich auch vor einigen Jahren ein
sehr prägnantes Beispiel erlebt. Ein Patient wurde mir mit der Diagnose
„Chronische Prostatitis“ zugesandt. Die Prostata war geschwollen, sonst war
nichts Charakteristisches an ihr nachweisbar. (Der Harn war trübe, enthielt
eine Spur Albumin.) Ich behandelte den Kranken zunächst wegen seiner
Prostatitis; sie heilte aus, aber der Urin, der vorher trübe gewesen war,
blieb auch nach der Beseitigung der Prostataschwellung trübe. Der Harı-
drang wurde immer stärker, und ich beschloß deshalb, die Cystoskopie aus-
zuführen. Hierbei fand ich eine diffus gerötete Blase, die linke Hälfte etwas
tiefer rot als die rechte. Der Ureterkatheterismus mißlang; die gesonderte
Untersuchung des Harns beider Nieren scheiterte daran, daß ich weder die
rechte, noch die linke Ureteröffnung auffinden konnte Nach Indigkarmin-
einspritzung schien sich der Fundus vesicae zu bläuen, aber die Provenienz
der Bläuung blieb unklar. Ich spritzte dann Phloridzin ein, um über die
Nierenfunktion ein allgemeines Bild zu bekommen, und fand, daß der nach
einer Viertelstunde entleerte Urin 1,20°/, Zucker enthielt. Eine Unter-
suchung des Urins auf Tuberkelbazillen war negativ, ebenso Meerschweinchen-
versuche. Infolgedessen beschloß ich, mich abwartend zu verhalten. All-
mählich nahmen die Beschwerden des Patienten zu; es stellten sich abend-
liche Temperatursteigerungen ein, auch konnte ich zwei Monate später eine
Geschwulst in der linken Nierengegend feststellen. Ich beschloß, Jie Niere
freizuleger, und fand zu meiner Überraschung eine große Pyonephrose tuber-
kulösen Ursprungs mit vollkommen obliteriertem Ureter, welche ich exstir-
pierte. Heilung.
Nach der Genesung des Kranken führte ich abermals die Cystoskopie
aus. Auch diesmal fand ich weder die linke noch die rechte Ureteröffnung.
Als ich jedoch mit Hilfe eines Goldschmidtschen Irrigationsurethroskops,
nach vorausgegangener Indigkarmininjektion, die hintere Harnröhre unter-
suchte, fand ich, daß sich aus einer Stelle in der Fossula prostatica ein
blauer Strahl entleerte. Es handelte sich also um die Kombination einer ge-
schlossenen linksseitigen Nierentuberkulose mit einer abnormen Ausmündung
des rechten Ureters in die Pars prostatica der Harnröhre.
Vorsitzender:
Wünscht noch jemand das Wort? — Herr Steiner.
Herr Steiner: M. H.! Ich habe einen ähnlichen Fall beobachtet und
möchte nur differentialdiagnostisch bemerken, daß unter Umständen die Pal-
pation des Ureters sehr wichtige Aufschlüsse gibt. Es findet sich nämlich
bei einer vorgeschrittenen einseitigen Tuberkulose fast regelmäßig eine Ver-
dickung des Ureters, und diese Verdickung ist ein pathognomisches Zeichen
für die Vorgänge in der Niere; wobei zu bemerken ist, daß die Ureteren bei
der Frau per vaginum sehr leicht, und beim Manne per rektum, insbesondere
wenn vorher gut abgeführt ist, nicht allzu schwer zu fühlen sind.
Vorsitzender:
Wird sonst noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht
der Fall.
Dann ist unsere Tagesordnung erledigt. Ich schließe die
Sitzung.
(Schluß der Sitzung 9 Uhr 55 Minuten.)
Aus der Privatklinik von Professor Casper.
Zur Pyelotomie.”
Von
Dr. Oelsner, Assistent der Klinik.
M. H., gestatten Sie mir, Ihnen an der Hand von 17 Pyeloto-
mien den Standpunkt darzulegen, den wir an der Klinik meines
Chefs, des Herrn Professor Casper, dieser Operation gegenüber
einnehmen. Die Beurteilung der Pyelotomie hat seit ihrer Empfeh-
lung durch Czerny im Jahre 1853 große Wandlungen erlebt.
Anfangs von nur wenigen Chirurgen angewandt und empfohlen,
von der Mehrzahl meist ohne Prüfung zugunsten der Nephrotomie
abgelehnt, wurde sie noch vor 10 Jahren nur als Ausnahme:
operation für ganz vereinzelte bestimmte Fälle geeignet“ anerkannt.
Erst in den letzten 5 Jahren wurde sie nicht zum mindesten infolge
der durch die Röntgenographie bedingten exakteren Größen- und
Raumbestimmungen der Nierensteine im weiteren Umfange ange-
wandt und gewann in demselben Maße an Gebiet wie die Nephro-
tomie es verlor, um ihr heute, was Häufigkeit der Anwendung
betrifft, den Rang streitig zu machen. —
Die Gründe für diese wechselnde Beurteilung lagen vor allem
darin, daß man die Mängel der Pyelotomie ebenso überschätzte,
wie man die schweren Komplikationen nach Nephrotomien unter-
schätzte. Was man der Pyelotomie vorwarf, war die hohe Nei-
gung zur Fistelbildung und die enge Begrenzung ihrer
Anwendbarkeit. Letztere sollte nur in Frage kommen bei frei
luxierbaren Nieren, bei kleinen nicht verästelten Steinen, und wenn
es sich um keine stärkere Infektion handelte, welche die Drainage
des Beckens erforderlich machte. In dieser Weise formuliert auch
Albarran die Indikationsstellung zur Pyelotomie in seiner Chirurgie
der Harnwege. |
Der Einwand, die Methode begünstige die Fistelbildung, scha-
dete ihr am meisten, obwohl er schon 1894 durch die Ausführungen
Israels als widerlegt gelten konnte. Er wies nach, daß nicht nur
1) Vortrag gehalten in der Berliner Urologischen Gesellschaft.
Zeitschrift für Urologie. 1913. 86
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genähte Nierenbeckenwunden, sondern auch solche, bei denen eine
exakte Nalıt nicht möglich war, glatt heilten. Besonders lehrreich
war in dieser Hinsicht ein später von ihm beschriebener Fall, bei
dem 2/, des ganzen erweiterten Nierenbeckens bei der Operation ab-
riß, nur durch ein paar Situationsnähte wieder genäht wurde, und
doch anstandslos an- und ausheilte Israel kam damals schon zu
dem Resultat, daß das Nierenbecken an Heilungstendenz dem Darm
nicht nachstünde, und dad Fistelbildung wohl immer auf Fehler
in der Technik zurückzuführen seien. Als solche führte er an:
starke Quetschung der Wundränder bei brüsker Entfernung des
Steins, die besonders bei dauernder Bespülung mit ammoniakalisch
zersetztem Urin zum Mortifizieren neigten, ferner fehlerhafte
Schnittführung und Ubersehen von adhäsiven Verwachsungen und
anderen zur Stenose am und im Ureter führenden Vorgängen. Dazu
käme noch fehlerhaftes Nahtmaterial. wie Seide und dickes Katgut.
Diesen Ausführungen ist auch heute nichts Neues hinzuzu-
fügen. Am besten wird ihre Berechtigung durch einige Zahlen
illustriert. Im Jahre 1902 stellte Schmieden 54 Pyelotomien mit
12 Fisteln aus der Literatur zusammen — das sind über 220% der
Fälle — Kümmell salı, wie er 1907 auf dem I. Kongreß der Deut-
schen Gesellschaft für Urologie ausführte, nach seiner ersten Pyelo-
tomie eine langdauernde Fistel, die erst nach langer Zeit durch eine
plastische Operation zum Schluß kam, und ihn damals veranlabte,
die Pyelotumie ganz aufzugeben. Im Jahre 1909 berichteten Blum
und Ulzmann in ihrer Arbeit über 110 Fälle mit 5lFisteln — das
wären nicht ganz 5% -— und im vorigen Jahre stellte Baum aus
den Kliniken von Garre, Frisch, Zuckerkandl, Israel, Kütt-
ner mit seinen eigenen Fällen SS Pyelotomien ohne eine Fistel zu
sammen, Michelsohn veröffentlichte 40 Fälle ohne Fistel, die
17 von Herm Professor Casper operierten Fälle heilten auch
sämtlich ohne Fistel.
Die Forderung, Pvelotomien nur bei freier Luxierbarkeit der
Nieren zu machen, hatte verschiedene Gründe. Sie ging zunächst
von der Voraussetzung aus, daB zur glatten Heilung des Nieren-
heekens eine exakte Naht gehörte. Es waren besonders Zucker-
kandl und nach ihm Garre, die darauf hinwiesen, daß man bei
kurzstieligen Nieren und fetten Patienten ruhig auf die Forderung
der Luxierbarkeit und die Nalt eventuell ganz verzichten könnte.
Noch weiter ging Federoff und auch Horasch, die in jedem
Fall von vornherein die Aushülsung der Niere unterließen, nur
— ne ae, nn ED U n
Zur Pyelotomie. 537
ihren unteren Pol freilegten — eventuell wenn nötig, nach Rippen-
reseption —, und diese Pyelotomie in situ als Normalverfahren emp-
fahlen. Diese Methode dürfte kaum viele Anhänger gefunden haben,
und auch wir sind der Ansicht, daB man bei der Kleinheit des Ein-
griffes auf die Vorteile, die die Aushülsung bietet, nur notgedrungen
verzichten soll. —
Schwieriger wird die Frage, wenn die Forderung der freien
Luxierbarkeit der Niere mit Rücksicht auf die radikale Entfernung
der Steine gestellt wird. Damit kommen wir gleichzeitig auf den
wichtigsten Punkt der Indikationsstellung zur Pyelotomie. Welche
Art von Steinen ist für die Pyelotomie geeignet? Die Zeit,
wo man kleine solitäre Steine im Nierenbecken durch die Nephro-
tomie entfernte, ist heute wohl vorüber. Aber noch 1908 berichtete
Cathelin über eine Reihe derartiger Operationen, bei denen kleine
solitäre Steine — die Abbildungen sind den Krankengeschichten
heigegeben —, die der heutigen allgemeinen Auffassung nach ab-
solute Indikation für die Pyelotomie abgeben würden, durch Nephro-
tomie operiert worden. Größere Klarheit über diesen Punkt brachte
eine Diskussion auf dem ChirurgenkongreB von 1908 im Anschluß
an einen Vortrag von Zuckerkandl, der für eine erweiterte An-
wendung der Pyelotomie auch größerer, mäßig verästelter Steine
eingetreten war. Es war besonders Küster, der seit Bestehen dieser
Operation sich bemüht hatte, ihr zu ihrem Rechte zu verhelfen, der
diese Forderung unterstützte. Er wies nach, daß die Entfernung
auch von Kelchsteinen durch die Pyelotomie gelänge, wenn man den
Nierenbeckenschnitt weit genug anlegte, und den immer ziemlich
harten Ring, welcher den Eingang zum Kelche darstellt, mit einem
feinen Messer mehrfach einkerbte. Als ungeeignet für die Pyelo-
tomie bezeichnete er in Übereinstimmung mit den anderen Rednern
nur die Kelchsteine, welche durch einen langen engen Hals mit dem
Becken kommunizierten. Israel und Kümmell lehnten diese wei-
tere Indikationsstellung ab. Zondek regte damals für solche Fälle,
bei denen die Pyelotomie auf große Schwierigkeiten stößt, an, diese
mit dem von ihm empfohlenen Radierschnitt zu kombinieren. Daß
man mit einem kombinierten Schnitt recht große Steine entfernen
kann, beweist der von Makkas veröffentlichte Fall aus der Garre-
schen Klinik, bei dem von Garre ein 135 g schwerer Korallenstein
entfernt wurde. In neuester Zeit wurde auch von französischer Seite
wie Marion, Baszy, Rafin die Indikation zur Pyelotomie in
obigem Sinne erweitert. —
34*
Oelsner.
Qt
LC
Unter unseren 17 Fällen finden sich 10 kleine solitäre Steine,
ein kleiner Stein mit Steinbröckeln, in einem Fall 3 kirschkern-
bis bohnengroße Steine, zwei verästelte und drei Korallensteine.
In dem einen Fall von Korallenstein, in dem es sich um eine beider-
seitige Calculosis handelte, mußte der Schnitt ins Parenchym ver-
längert werden. Wegen stärkerer Infektion wurde das Becken breit
drainiert, heilte im übrigen glatt zu. Der gleiche Patient wurde
dann drei Monate später auf der anderen Seite nephrotomiert, bekam
am 5. Tage nach der Operation eine schwere Nachblutung, die eine
sekundäre Nephrektomie nötig machte. Der Patient überstand auch
diesen Eingriff und verließ die Klinik geheilt, bis auf eine weiter
fortbestehende Pyelitis der anderen Seite. —
Ein weiterer Vorwurf, der gegen die Pyelotomie erhoben wird,
ist, daß man bei der geringeren Übersichtlichkeit leicht Konkremente
zurücklassen kann. Für die überwiegende Mehrzalıl der Fälle wird
ein gutes Röntgenbild und der Vergleich der Steinschatten mit den
entfernten Steinen einen davor bewahren, und für Ausnahmefälle
kommt ja der gleiche Vorwurf auch für die Nephrotomie in Fragt,
nach der Israel bei einer sekundären Nephrektomie und Greifen-
hagen und Baum rüntgenologisch in drei weiteren Fällen zurück-
gelassene Konkremente nachweisen konnte.
Auch hinsichtlich der Bewertung der Infektion des Nieren-
beckens wurden die Grenzen für die Pyelotomie mehr und mehr
erweitert. Die Forderung, nur aseptische Steine, welche ja die Aus-
nahme bilden, durch die Pyelotomie zu entfernen, ist von den mei-
sten Autoren aufgegeben. Kümmell hat sie wohl noch beibehalten.
Wie Neuhäuser aus der Israelschen Klinik mitteilt, wendet
dieser die Operation bei infizierten Fällen nur dann an, wenn der
Grad der Infektion noch den Schluß der Nierenbeckenwunde ge-
stattet, da er die Drainage, von Ausnahmefällen abgesehen, ver-
wirft. 17 von Zuckerkandl operierte Fälle waren sämtlich in-
fiziert und heilten bis auf einen unter Drainage aus. Von unseren
17 Fällen waren 15 infiziert, nur zwei aseptisch. In 14 Fällen wurde
das Becken genäht, in dreien drainiert. Bei zwei der drainierten
Fälle trat sofort nach Entfernung des Drains eine Verklebung der
Wundränder des Beckens ein, in vier der genähten Fälle, wo die
Naht nicht völlig hielt, kam es zu einer 8 Tage bis 4 Wochen an-
haltenden Urinentleerung aus der Wunde.
Zur Pyelotomie. 039
Aus vbigen Ausführungen, m. H., ergibt sich in den Grund-
zügen unsere Indikationsstellung zur Pyelotomie: Neben der abso-
liten Indikation, die kleine solitäre infizierte, und nicht infizierte
Steine im Nierenbecken abgeben, werden wir ferner auch an sie in
erster Linie bei Steinen in solitären Nieren und bei beiderseitizer
Caieulosis denken müssen. Man wird sie aber auch in einer gro-
ken Zahl von verästelten und Korallensteinen in Anwendung bringen
konnen, eventuell unter Kombination mit einem radıärem Paren-
eiymschnitt, wie ihn Zondek empfohlen hat, der auf die Blu-
tungsgefahr bei einfacher Verlängerung des Schnittes ins Paren-
chym hinwies, da an der Rückseite des Nierenbeckenran:ies der
dorsale Hauptast der Nierenarterie verläuft.
Noch einige Worte zur Technik der Pyelotomie. Wir bevor-
zungen, wie fast alle Autoren, die Pyelotomia posterior wegen der
geringeren Gefahr der Kollision mit den Gefäben. Der oft zitierte
Fall von Rafin — Blutung nach Pyel. post. — spricht nicht gegen
las Verfahren. Es handelte sich bei ihm um Nachblutung infolge
Abrutschens einer Ligatur an einer Beckenvene.
Das Beckenfett wird stumpf abgelöst un! das Becken selbst
dann über dem Stein eröffnet, wobei darauf geachtet wird, daß
der Sehnitt nicht zu nahe an die Insertionsstelle des Beekens, und
nicht zu nahe an den Ureter reicht. Nach der Steinentfernung wird
die Durchgängigkeit des Ureters in jedem Falle festgestellt. Je
nach dem Grade der Infektion wird das Becken nach Ausspülung
mit 1:500 argentum nitric. exakt in einfacher oder Etagennaht
genäht oder drainierte Zur Drainage empfehlenswert ist das
für die TIepatiens-Choledochus-Drainage angewandte T-Drain, das
Nicht am Beckenrand fixiert zu werden braucht. Die Spülung durch
das Drain beginnt am Tage nach der Operation und wird etwa
S Tage lang fortgesetzt.
Besteht die Pyelitis nach Sehlub der Nierenbeekenwunde wei-
ter, so ist möglichst frühzeitig mit Nierenbeckenspülungen von der
Blase aus zu beginnen. In einer Reihe von Fällen trat eine sofortige
besserung schon nach der ersten Spülung auf, in drei Fällen
blieb allerdings die Pvelitis trotz Spülungen bestehen. In diesen
Fällen blieb auch die Vaccine-Therapie ohne jeden Effekt.
Die Wahrnehmung anderer Autoren, dab die Diagnose kleiner
Steine häufiger und die Operation der großen seltener wird, wird
auch dureh das Material der Klinik meines Chefs bestätigt. Ilier-
durch verschiebt sich die Anwendungsbreite der einzelnen Opera-
540 Oelsner, Zur Pyelotomie.
tionsverfahren von selbst. Ich bin in den obigen Ausführungen
nicht auf die Gefahren der Nephrotomie — sofortige und Spät-
blutungen, Infarktbildung — eingegangen. Bei der Wahl der Opera-
tionsverfahrens wird man sich das Wort Zuckerkandls vor Augen
halten müssen, daß die Nephrotomie den schwersten an der Niere
möglichen Eingriff darstellt. Natürlich wird es auf dem Wege
von der Pyelotomie zur Nephrektomie Fälle geben, wo wir die
Nephrotomie ausführen müssen. Diese Grenzfälle auf ein Minimum
zu beschränken, sollte ein erstrebenswertes Ziel sein.
Cystische Erweiterung des vesikalen
Ureterendes.
Von
0. Rumpel.)
Mit Tafel IV.
M. H, die cystische Erweiterung des vesikalen Ureterendes
ist eine Krankheitsform, die zwar nicht allzu selten vorkommt, die
aber in der neueren Zeit, seitdem wir mit dem Cystoskop eine
sichere Diagnose stellen können, mehr bekannt geworden ist. Jeden-
falls ist anzunehmen, daß die schon in älteren Zeiten beschriebene
sogenannte Doppelblase auf ähnlichen Veränderungen beruht. ‚Wenn
ich auch heute, wo es sich um eine kurze Demonstration handelt.
auf die Entstehung nicht näher eingehen kann, so ist dieselbe wohl
so zu erklären, daß der Ureter die Blasenwand, wenn ich das rein
schematisch hier aufzeichne (Abb. 1), in irgendeiner fehlerhaften Weise
durchsetzt, und daß gleichzeitig eine Verengerung der Ureteröff-
nung vorhanden sein muß. Es bildet sich allmählich eine Vorstül-
pung hier, ein Prolaps der Ureterschleimhaut selbst, und allmäh-
lich können große Cysten daraus entstehen, die naturgemäß — und
das ist bei der Therapie wichtig — auch von der Blasenschleim-
haut mit bedeckt werden; die letztere muß natürlich mit nach-
geben. Man findet somit als Cystenwand eine Duplikatur der
Schleimhaut, die teils dem Ureter, teils der Blase angehört.
Der Fall, über den ich Ihnen hier kurz berichten will, ver-
lief unter sehr merkwürdigen klinischen Erscheinungen. Eine junge
Dame von 25 Jahren, die sonst ganz gesund war, litt seit andert-
halb Jahren an außerordentlich quälenden Harnbeschwerden. Sie
äußerten sich in einer ausgesprochenen Pollakiurie und Dysurie,
die schließlich so groß wurden, daß die Patientin namentlich nach
——
1) Nach einem Vortrage in der Berliner Urologischen Gesellschaft am
15, IV. 1918.
542 O. Rampe).
Flüssigkeitsgenuß, wohl alle 10 Minuten urinieren mußte und an-
dauernd an unangenehmem Harndrang litt. Das wurde schließ-
lich so schlimm — die Dame war Lehrerin —, daß sie es ängst-
lich vermied, überhaupt ‘Wasser oder irgendwelche Flüssigkeiten
zu sich zu nelımen. Nur wenn sie längere Zeit gedurstet hatte,
war es ihr möglich, den Harn etwa eine Stunde lang zurückzu-
halten. Es war natürlich an alle möglichen Erkrankungen gedacht
worden: an Tuberkulose, Schrumpfblase, Fremdkörper usw. —,
aber merkwürdigerweise war der Harn stets frei von irgendwelchen
pathologischen Bestandteilen. Die Patientin war hochgradig nervös
geworden und gezwungen, zeitweise ihren Beruf aufzugeben.
Als ich die Patientin zum erstenmal untersuchte, bot sich mir
objektiv folgendes Bild: der Harn war frei von Eiweibd, von nor.
maler Konzentration, ohne pathologisches Sediment. Auch sonst
war körperlich nichts Krankhaftes festzustellen. Cystoskopisch dagegen
fand sich folgendes (Demonstration von Lichtbildern, Abb. 2 u. 3). Die
Blase, deren Ausdehnungsfähigkeit eine gute war, war von nor-
maler Schleimhaut ausgekleidet. Dagegen war die Ausmündungs-
stelle der Harnleiter in schr auffälliger Weise verändert. Beide
Mündungen ragten rüsselförmig hervor, von gefalteter Blasenschleim-
haut bedeckt. Das eigentliche Ostium war punktförmig klein, auf
den ersten Blick gar nicht zu erkennen. Zum längeren Beobachten
blieb auch keine Zeit, denn das Bild änderte sich bald in einer
sehr charakteristischen Weise. Der schlaffe Rüssel stülpte sich
plötzlich in die Blase tumorartig vor, so daß seine Spitze bis
zum Orificium internum urethrae vordrang und das Prisma des
Iustrumentes berührte. Erst wenn man dieses weiter fern hielt,
konnte man die cystische Geschwulst völlig übersehen. Sie machte
den Eindruck eines strotzend gefüllten Euters, die transparente
Wand ließ die feine Blutgefäßzeichnung deutlich erkennen. Auf
der Spitze des Tumors befand sich die ganz feine Öffnung des
Harnleiters, durch die sich der Harn nun langsam in haarfeinem
Strahl entleerte — nach Indigkarmininjektion besonders deutlich
zu sehen — während der cystische Sack langsam kollabierte und
zusammenschrumpfte. Das Wechselspiel der Füllung und Entlee-
rung folgte in ununterbrochener Reihenfolge.
‚Wie sollte man nun die Störung beseitigen ?
Entweder hätte man versuchen können, allmählich das Ure
terenende zu dilatieren, oder mit kleinen Inzisionen, Spaltungen
vorzugehen. Der Erfolg schien mir aber etwas unsicher, namentlich
Cystische Erweiterung des vesikalen Ureterendes. 543
weil der Tumor so groß war und so viel überschüssige Blasenschlemi-
haut vorhanden war, wie hier. — Der Tumor lag wie ein kleiner Aptel
auf beiden Seiten des Fundus da. Ich versuchte auch cystoskopisch mit
Ureterenkatheter und feinster Sonde einzudringen. Sie verfingen
sich aber immer in dem schlaffen Sack: hin und wieder gelang es
ınir, einzudringen, aber an eine methodische Dilatation war nicht
zu denken. Außerdem war die Patientin mit den vielen Sitzungen
nicht einverstanden. Ferner hätte man auf wnblutige Weise die
Harnrölire so weit dehnen künnen, um den Tumor aus der Urethra
herausziehen und die Operation vor der Harnröhre vornehmen
zu können. Aber auch dies Verfahren schien mir nicht Zweck,
mäßig zu sein. Es ist nicht aseptisch, technisch auch nicht einwand-
frei und ich halte die Beschwerden, die Fingere Zeit noch nach der-
artiger Dehnung der Harnröhre bestehen, für gröber, als die, die
nach der Sectio alta zurückbleiben. Ich machte deshalb den hohen
Blasenschnitt und will Ihnen den Gang der Operation im Bilde
zeigen. Abb. 4, Tafel IV (Demonstration von Lichtbildern). Sie
war eine sehr einfache. Nachdem die Blase von oben eröffnet
war, wurden die beiden eystischen Tumoren an der Spitze mit
Klemmen gefaßt — die Länge betrug etwa 6 em. Auf einer ein-
geführten Sonde wurde zunächst die vordere, dann die hintere
Wand gespalten. Sie bestand aus 2 Schleimhautblättern. Es ent-
standen nun 2 Zipfel, deren Basis abgetragen wurde. Zum Schluß
wurden die Wundränder der Blasenschleimhaut mit der Ureter-
schleimhaut durch einige feine Katgutknopfnähte vereinigt. In die
Harnleiter führte ich 2 Ureterenkatheter ein und leitete sie dureh
die Harnröhre retrograd nach außen, um sie als Verweilkatheter
liegen zu lassen. Schluß der Plasenwunde in üblicher Weise und
der PBauchdeckenwunde. Die Verweilkatheter wurden nach 2x ?4
Stunden entfernt. Es trat glatte Heilung ein.
Der Erfolge der Operation war ein ausgezeichneter.
Die Beschwerden waren wie mit einem Schlare verschwunden.
Nach 3--$ Wochen konnte «di» Patientin 2—3—4 Stunden ihren
Harn halten, und jetzt, nach 3 Monaten, unterscheidet sieh die
Art ihrer Harnentleerung nicht von der normalen. — Vergessen
habe ich noch zu erwähnen, daß die Patientin über Schmerzen in
der rechten Seite geklagt hatte, — das war die Seite, die am stärk-
steu die eystische Dilatation des Ureters aufwies, und es ist mög-
lich, dab bei längerem Bestehen des Hindernisses eine Hydro-
nephrose sich entwickelt hätte. Nachdem die Hindernisse entfernt
544 O. Rumpel, Cystische Erweiterung des vesikalen Ureterendes.
und die Beschwerden verschwunden waren, hatte ich keine Ver-
anlassung, der Frage der Hydronephrose weiter nachzugehen. Ich
würde sonst die Nierenbecken mit Collargollösung gefüllt haben
und eine Röntgendurchleuchtung angeschlossen haben. Derartigen
Nachweis von Hydronephrosen mittels der Pyelographie konnte
ich Ihnen ja in einer früheren Sitzung demonstrieren.
Die Frage der operativen Beseitigung glaube ich auf Grund
dieses Falles und nach Durchsicht der Literatur also dahin ent-
scheiden zu müssen, daß die beste Behandlung bei vorgeschrittenen
Fällen von cvstischer Dilatation des vesikalen Ureterendes die blu
tige Eröffnung der Blase und die Abtragung des Sackes darstellt.
Le _.
Aus der kaiserlichen Dermato-urologischen Universitätsklinik
zu Tokio (Japan).
Direktor: Prof. Dr. K. Dohi.
Histopathologische Studie der Epididymitis
sonorrhoica und ihre Behandlung.
Von
Dr. H. Nakano (Tokio).
Bengler berichtete neulich in einer Arbeit, daß die einseitigen
Epididymitiker 23,4°/, der absoluten Sterilität und die beiderseitigen
72,7°/, bilden. Es ist selbstverständlich, daß die Behandlungsme-
thode der gonorrhoischen Epididymitis demnach heutzutage noch
auf gar keinem idealen Standpunkt steht.
Ich habe mich nun mit dem histopathologischen Studium der
Epididymitis befaßt und will im Nachstehenden darüber, sowie über
die Behandlungsmethode meine Resultate mitteilen.
Pathologische Anatomie der Nebenhoden-Entzündung.
Monteggia (1804) konstatierte bei der Sektion eines Epididymitikers das
Freisein des Hodens. Die Scheidenhaut war mit der Albuginea verwachsen, und
zwischen den entzündeten und dicken Membranen fand sich nach unten eine
gelbe eiterförmige Flüssigkeit. Diese Membranen waren damals noch im ent-
züändlichen Zustande und hingen fester, als sie es im gesunden Zustande zu tun
pflegen, aneinander. Dasselbe fand auch bei den Membranen der Dartos statt,
die ebenfalls verdickt, verhärtet und entzündet waren. Dennoch waren die Tes-
tikel an und für sich gesund und nicht im mindesten verdickt. Auch fand er
in demjenigen Teile der Scheidenhaut, der sich sonst hinter dem Nebenhoden
zu verlängern pflegt, eine Höhle, die zwischen der Sckeidenhaut selbst und dem
Testikel eine weiche, gelbliche Substanz enthielt, die wahrscheinlich von einer
durchgeschwitzten entzündlichen Lymphe gebildet ward.
Gansail (1831) sagt, daß bei zwei Sektionsbefunden in dem einen Falle
die Epididymis doppelt so groß war als im normalen Zustande, fest und derb.
Auch der Hoden schien doppelt so groß als normal, doch stammte diese Ver-
größerung, wie sich bei Einschnitt zeigte, von der Ansammlung dicken, trüben,
leicht blutig gefärbten Serums in der Tunica vaginalis testis. Die Albuginea
erschien verdickt, von dendritischen Gefäßen durchzogen. Die Substanz des
Hodens zeigte keine wesentliche Veränderung. In-dem zweiten Falle erschienen
beide Vesiculae seminales geschwollen, derber. Auch die Vasa deferentia zeigten
Spuren von Entzündung. Die Nebenhoden erschienen beiderseits größer, weinrot
546 H. Nakano.
verfärbt; die Hoden hatten die normale Größe. In der Tunica vaginalis war
ein geringer Flüssigkeitserguß.
Rochoux (1833) und Ricord (1838) stellten den Satz auf: „Pas d’aflection
blennorrhagique des organes contenus dans les bourses sans engorgement de
l’epididyme“.
Velpeau (1854) machte die Sektion eines 22 Jahre alten an Cholera ge-
storbenen Mannes, der seit 18 Tagen an Epididymitis litt. Er fand die Tunica
vaginalis frei, die Hoden normal, ebenso Caput und Corpus der Epididymis. Ia
der Cauda fand er einen Knoten von Bohnengröße, am Durchschnitt gelb. Die
letzten Windungen des Samenleiters im Nebenhoden erschienen erweitert, führten
Eiter. Im Vas deferens und dem entsprechenden Samenbläschen fanden sich
keine Spermatozoen.
Marcé (1854) schildert die Sektion einer 10 Tage alten Epididymitis. Die
Cauda der Epididymis war zu einer bohnengroßen, gleichmäßig harten Masse
angeschwollen, die am Durchschnitt derb, von gleichmäßig gelber Farbe erscheint,
wenig vaskularisiert ist. Die Hüllen der Nebenhoden and om das Drei- bis
Vierfache verdickt, ihre Hohlräume mit einer gelblich-eitrigen Masse aus-
gefüllt. Die Canaliculi seminales sind verdickt, das interkanalikuläre Gewebe
entzündet. Analoge und geringfügigere Erscheinungen finden sich im Corpus
und Caput epididymidis. In der Tunica vaginalis findet sich ein serosangai-
nolenter Erguß, Pseudomembränen auf derselben im Gebiete der stärksten Ent-
zündung.
Peter (1856) berichtet über die Sektion eines Patienten, der an Perito-
nitis infolge eitriger Vesiculitis starb. Der Kopf des Nebenhodens war bis auf
das Fünffache vergrößert, doppelt so groß als auf der andern Seite, die Cauda
bildete mit der Tunica vaginalis einen haselnußgroßen Tumor. Am Durchschnitt
bildete der kranke Nebenhoden eine rotgelbliche, fibröse Masse, in der keine
Samenkanäle zu unterscheiden sind und die vorwiegend aus Bindegewebe gebildet
wird. Die Blätter der Tunica vaginalis sind durch zahlreiche Adhäsionen ver-
klebt, an der Cauda mit Eiter bedeckt.
Paris (1857) fand in den Fällen von Epididymitis intrainguinalis die Tu-
nica vaginalis mit den Hoden verwachsen, mit Pseudomembran bedeckt, die
Hoden scheinbar normal, doch ohne Samenelemente, meist aber atrophisch.
Casselin (1853) fand in einem Falle, daß der Hoden in den Leistenkaral,
der Nebenhoden in das Skrotum herabgesunken, bedeutend angeschwollen und
von Eiterherden durchsetzt war.
Godard (1850) berichtet, daß bei den Leichen zweier Männer. die an
Epididymitis gelitten hatten, die Samenbläschen der kranken Seite viel kleiner
als die der gesunden waren und das Vas deferens frei von Spermatozoen war,
während sie auf der gesunden Seite reichlich vorhanden waren.
Schepelern (1871) berichtet von einem 17jährigen Seemann, der seit
8 Wochen an Blennorrhoe, seit 8 Tagen an beiderseitiger Epididymitis litt,
plötzlich an rechtsseitigen peritonealen Erscheinungen erkrankte und nach 36 Stun-
den starb. Die Sektion ergab, daß das liuke Vas deferens in seiner ganzen Länge
einundeinhalbmal so dick als das rechte, die Gefäße desselben injiziert, geschlän-
gelt, die Cauda der linken Epididymis geschwollen, infiltriert, derb fibrös, in
der vorderen Partie ein erbsengroßer Eiterherd, der übrige Teil des Nebenhodens
etwas voluminöser, der Hoden normal war. In der Tunica vaginalis ist eine geringe
Histopathologische Studie der Epididymitis gonorrhoica usw. 547
Menge Flüssigkeit, der Cauda epididymidis entsprechend beginnende adhäsive
Entzündung mit Pseudomembran vorhanden. Die Tunica propria ist verdickt,
ihre Membranen fest aneinanderliegend, mit dem unteren Teil der Skrotalhaut
verwachsen, Die mikroskopische Untersuchung zeigte leichte Entzündung des
Vas deferens, das Bindegewebe und die Wände desselben um den Eiterherd
kleinzellig infiltriert, ihre Struktur unkenntlich.
Rougon (1878) berichtet über einen 35 Jahre alten Artillerieoffizier,
welcher an rechtsseitiger Epididymitis mit akuter Hydrocele der Tunica vagi-
nalis litt, folgendes: In der rechten Tunica vaginalis propria testis 100 ccm
seropurulente Flüssigkeit, die Serosa injiziert, hier und da von Pseudomem-
branen bedeckt. Der rechte Nebenhoden geschwollen, gerötet, ecchymosiert,
am Durchschnitt Eiterpunkte; der rechte Samenstrang verdickt, in seinen Hüllen
Exsudat,
Malassez und Terillon (1880) fanden bei beginnender Epididymitis
zunächst das Epithelium der Samenkanälchen trübe und geschwollen, seiner
Wimpern beraubt, das übrige Gewebe gesund. Ein höherer Grad charakterisiert
sich durch Ödem der Wände mit kleinzelliger Infiltration. In noch vorgeschrit-
tenerem Stadium ist das lockere, die Samenkanälchen umgebende und verbin-
dende Gewebe infiltriert und geschwellt, die Samenkanälchen sind von gelblich-
grüner Flüssigkeit gefüllt, die aus Sperma und Eiter besteht. Die Knoten der
vorgeschritteneren Perioden werden insbesondere durch dicht infiltriertes, die
Samenkanäle umschließendes Bindegewebe gebildet.
Wenn man die Beschreibungen der vielen Autoren über die
pathologischen Veränderungen der Epididymitis liest, so muß man
staunen, wie stark die Gonokokken die Nebenhoden und das um-
gebende (Gewebe angreifen. Ich habe nun auch drei Fälle von
pathologischen Veränderungen bei gonorrhoischer Epididymitis be-
obachtet und möchte sie im folgenden anführen.
I. Fall. A. S., 29 Jahre alt. Im 24. Lebensjahre Urethritis gonorrhoica,
mehrmals mit Protargol und anderen Mitteln behandelt. 2 Jahre später infolge
ziemlich starker Bewegung (Turnfest) schmerzhafte Anschwellung der linken
Seite. Nach einigen Tagen stärkeres Anschwellen, ziehende Schmerzen und
Fieber. Der bald konsultierte Arzt verordnet Eisumschläge (einige Tage) und
auch warme Umschläge, worauf die Anschwellung und das Fieber zurückging
und Pat. nach zirka 2 Wochen wieder arbeitsfähig wurde. Das Infiltrat der
erkrankten Seite ging zwar nicht ganz zurück, doch da es dem Pat. keine be-
sonderen Beschwerden machte, wurde die weitere Behandlung nnr unregelmäßig
durchgeführt. Nach Verlauf von 2 Jahren kam nun Pat. zu mir mit dem Ver-
dacht der beginnenden Nebenhodentuberkulose.
Status: Erkrankte Seite ziemlich stark infiltriert, der harte Nebenhoden
ist ganz deutlich vom gesunden Hoden durch Palpation zu unterscheiden. Die
Härte geht von der Cauda durch das Corpus bis zum Caput über und fühlt
sich höckerig an. Durch diese Palpationsuntersuchung ist nicht zu unterscheiden,
ob diese Induration eine gonorrhoische oder tuberkulöse ist.
Im Harn und Nebenhodenpunktat keine Tuberkelbazillen nachweisbar, aber
auch Gonokokken sind nicht sicher nachzuweisen, ebenso ist für Lungen- und
Zei a d: 8 Pal im ON
4 -
E. iuto
11.
548 H. Nakano.
Urogenitaltuberkulose nichts Verdächtiges zu konstatieren. Die Annahme einer
gonorrhoischen Affektion gewann dadurch mehr an Wahrscheinlichkeit.
Trotz 2 Wochen langer Behandlung mit warmer 2°/, iger essigsaurer Ton-
erde ging die Infiltration nicht zurück. Patient zeigte sich sehr besorgt und
bat, die erkrankte Seite zu exstirpieren. Ich machte eine Probeexzision, öffnete
den erkrankten Hodensack und sah dann den sehr höckerigen Nebenhoden.
Da es nicht möglich war, zu unterscheiden, ob die Infiltration tuberkulöser oder
gonorrhoischer Natur war, exstirpierte ich den erkrankten Nebenhoden zum
Zwecke einer mikroskopischen Untersuchung. Der Befund ist folgender:
Makroskopisch: Die Tunica vaginalis communis ist nicht so dick
Eine 2 cm lange Strecke der Tunica communis ist oberhalb des Oaput epididy-
midis mit dem Vas deferens und den Samengefäßen verwachsen; am vorderen
Teile des Corpus und Caput epididym. ist sie frei, jedoch rückwärts mit der
Tunica propria verwachsen. An den vorderen und seitlichen Teilen des Corpus
und Caput sieht man eine Pseudomembran, die in der ganzen Ausdehnung des
Nebenhodens auf die Tunica propria übergeht. Die Tunica propria ist dick
und mit der verdickten Tunica albuginea fest verwachsen. Ebenso ist der auf-
steigende Ast des Vas deferens mit dem Corpus sowie die Tunica vaginalis
propria mit der Tunica albuginea fest verwachsen.
Die Schnittfläche des Hodens ist normal; der Nebenhoden besonders am
Caput coni ist teilweise zusammengeschrumpft, teilweise ist bindegewebige
Schwartenbildung sichtbar. An der Schnittfläche des Nebenbodens sieht man
teilweise Eiterung, Lumen der Coni teilweise zusammengeschrumpft, Vas defe-
rens ist verdickt, Lumen teilweise erweitert, teilweise verengt, nirgends aber
tuberkulöse Veränderungen wahrnehmbar. An der Tunica vaginalis communis
des vorderen oberen Teiles des Nebenhodens ist keine Verdickung wahrzunehmen,
doch vom Schwanzteil des Nebenhodens bis zum hinteren Teile ist sie ver-
wachsen.
Mikroskopisch ist eine Verdickung wahrnehmbar, Zellinfiltration mäßig
stark vorhanden.
Die Tunica propria ist verdickt und allseitig mit der albuginea verwachsen,
ebenfalls starke Zellinfiltration vorhanden. Zwischen der Tunica propria und
albuginea sieht man ziemlich starken Gefäßreichtum, sowie Lymphszellen-
ansammlung. Diese Gebilde sind an dem nach hinten gewandten Teile des
Nebenhodens besonders stark zu sehen, außerdem auch Blutung, aber keine
Eiterungsprozesse nachweisbar.
Das Rete testis ist etwas komprimiert, aber nicht atrophisch, Zellen
normal.
Die Coni vasculosi der Epididymis eind zum Teil zusammengeschrumpft,
atrophisch, gefäßreich. Die Gefäße erweitert. Zum Teil ist auch starke Zell-
infiltration vorhanden.
Die Wand des Vas deferens ist teils dick, bindegewebig, teils normal, an
einem Teile das Lumen erweitert, an einem Teile die epitheliale Auskleidung
abgelöst und Fettdegeneration.
Das Vas deferens ist im allgemeinen verdickt, interstitielle Bindegewebs-
wucherung ist stark entwickelt, ein Teil des Lumen zusammengeschrumpft, ein
Teil erweitert. In dem Lumen des Vas deferens sieht man hier und da mit
einer schleimig degenerierenden Masse verstopfte Stellen. An dem Schwansteil
Histopathologische Studie der Epididymitis gonorrhoica usw. 549
findet man gefäßreiche Stellen, Blutang. Von tuberkulösen Veränderungen ist
nichts zu sehen.
II. Fall. S.A., 85 Jahre, im 25. Lebensjahre Tripper, 1 Jahr später
rechtsseitige Epididymitis. Nach kalten Umschlägen gingen damals die akuten
Entzändungserscheinungen zurück. Am erkrankten Nebenhoden, besonders am
Schwanzteil, blieb eine walnußgroße Verhärtung zurück. Im 24. Lebensjahre
litt er an Nephritis. Im 35. Lebensjahre starb er im Mitsuihospital, und durch
die Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. Imamura bekam ich die erkrankten Neben-
hoden des Verstorbenen zur Untersuchung.
Makroskopisch: Tunica communis ist mit der propria fast von allen
Seiten verwachsen und schwer abzulüsen. Corpus und Cauda epididymidis sind
stark hôckerig und deformiert. Der Funikulus ist mit Tunica communis, pro-
pria und albuginea ganz fest verwachsen. Hoden gesund, Nebenhoden stark
atrophisch, bei Durchschnitt keine Eiterherde, doch starke bindegewebige Schwar-
tenbildung vorhanden. Das Vas deferens zirka 5 cm oberhalb der Cauda fast
Jamenlos. |
Mikroskopisch: Fast gleich wie im Falle I, jedoch die interstitiellen
Prozesse an der Tunica communis, propria und albuginea sehr stark. Gefäß-
reichtum, starke Zellinfiltration, keine Eiterung.
An dem Rete des Hodens ist starke Zellinfiltration vorhanden, Coni (V. efle-
rens) stark verengt, Zellen abgelöst, atrophisch, lumenlos und starke Zell-
infiltration.
Corpus und Cauda des Nebenhodens sind stark atrophisch, die Wandung
ist dick, Zellen abgelöst, teilweise Lumen stark verengt, sehr starke Zell-
infiltration.
Das Vas deferens ist verdickt, die Zellen teilweise abgelöst, Lumen teil-
weise mit Exsudatzellen erfüllt, Wandung dick, mit Zellinfiltration. Nahe der
Cauda liegen die beiden Epithelbeläge dicht gegeneinander, so daß ein Durch-
gang der Spermatozoen fast unmöglich wäre.
IN. Fall. 36 Jabre alt. Im 29. Lebensjahre Tripper, welcher nach ärzt-
licher Behandlung zurückging. Nach 2 Jahren rechtsseitige Nebenhodenent-
zündung, welche mit innerlichen Mitteln, kalten und warmen Umschlägen,
Suspensoriam und Ruhe behandelt wurde. Die akuten Symptome gingen darauf
zurück, doch blieb eine walnufßgroße harte Infiltration zurück. Im 83. Lebens-
jahre bekam er ein Magengeschwür, an dem er, trotz Behandlung, in seinem
36. Lebensjahre im Mitsuihospital starh. Herr Dr. Imamura hatte die Lie-
benswürdigkeit, mir den kranken Nebenhoden zu geben, wofür ich ihm an
dieser Stelle meinen Dank ausspreche.
Makroskopisch und mikroskopisch war der Befund an diesem Nebenhoden
fast gleich wie in den oben beschriebenen 2 Fällen, nur daß in diesem Falle
Eiterungsherde in Corpus und Cauda epididymidis vorhanden und die Zell-
infitrationen viel stärker waren als im 2. Falle. 2 cm des Vas deferens sind
lumenlos und dicht verwachsen. Histolsgisch dem 2. Falle fast gleich.
Ich möchte nun, anschließend an dieses Kapitel, einige Worte
über die Sterilität mitteilen, da dieselbe mit der Deformität der
gonorrhoisch entzündeten Nebenhoden zusammenhängen soll.
550 = H. Nakano.
Über die Sterilität.
Aladar Emödi sagt, daß die auf gonorrhoischer Basis auf-
tretenden Entzündungsformen des Hodens und Nebenhodens in einem
großen Prozentsatz zur Azoospermie führen. Fürbringer meint.
daß in ‘einem Drittel sämtlicher kinderlosen Ehen die Gonorrhoe
des Mannes als die Hauptursache zu betrachten ist. Der anato-
mische Bau des Hodens und Nebenhodens macht es uns erklärlich,
daß eine entzündliche Erkrankung des Hodens in den allerselten-
sten Fällen und nur dann zu anhaltenden funktionellen Störungen
führen wird, wenn die Veränderungen auf einen großen Teil der
Hoden sich erstrecken, während bei einer Erkrankung des Neben-
hodens schon auf kleinere Partien sich erstreckende Veränderungen
zu bleibenden Störungen führen können. Es kommt nämlich in den
Hoden ein totaler Verschluß nur in dem Falle zustande, wenn in
sämtlichen Kanälchen eine zur Obliteration führende Entzündung
besteht, oder wenn die Ausführungsgänge der Tubuli seminiferi
infolge des Drucks seitens der erkrankten Umgebung verschlossen
werden. Demgegenüber wird jede Läsion im Nebenhoden, wo die
Zahl der Kanälchen eine kleinere ist und diese enger aneinander
liegen und schon im Kopfteile des Nebenhodens sich zu einem ein-
zigen Rohr vereinigen, schon ins (Fewicht fallen. Selbstverständlich
ist die Lokalisation der Entzündung der Nebenhoden ebenfalls von
Bedeutung. Die geeignetste Stelle zum Verschluß ist der Schwanz-
teil, weil hier durch eine Obliteration des einzigen Ausgangskanals
die Kommunikation schon vollständig aufgehoben wird; dann folgt
das Caput des Nebenhodens, während das Caput epididymidis, in
dem mehrere Kanälchen das Sperma führen, dem totalen Verschluß
weniger ausgesetzt ist.
Die Undurchgängigkeit der samenleitenden Wege kommt nur
dann vor, wenn durch die Behandlung der Infiltrationsprozeß nicht
schnell genug beseitigt wird.
Aladar Emödi empfiehlt die Anwendung des Bierschen Ver-
fahrens mittels Hyperämie, mit dem in 27 Fällen die Sterilitas
virilis auf 23°',°, herabsank, während in 13 mit Eis behandelten
Fällen die Zahl der Azoospermatiker zirka 70°,, betrug.
Im folgenden möchte ich die Behandlungsmethode der gonor-
rhoischen Epididymitis, die ich 5 Jahre lang bei meinem ver-
ehrten Chef, Herrn Prof. Dr. K. Dohi in Tokio, übte, mitteilen.
SE nn _ __.L
Histopathologische Studie der Epididymitis gonorrhoica usw. Do
Behandlung.
Zur Behandlung der Epididymitis gonorrhoica ist bis jetzt noch
keine radikale Methode gefunden worden. Die bisherige Behand-
lungsweise ist: langwierige Bettruhe, Hochlagerung des Hodens,
küblende oder eiskalte Umschläge oder auch heiße Kataplasmen;
als Injektionstherapie: Vakzininjektionen, Elektrargol, Kollargol und
verschiedene andere Mittel.
Die Resultate dieser Behandlungsarten werden aber nicht immer
als erfolgreich hezeichnet, und manchmal ging die Entzündung trotz
und während der Behandlung auch auf den zweiten Hoden über,
hinterließ zum Schluß gewisse Deformitäten und längere Zeit
schmerzhafte, derbe Infiltrate.
Man war zufrieden, wenn dieses Infiltrat zu einem nicht gar
zu auffälligen, derben, schmerzlosen Strange zurückgiug, der zu
keinem Rezidiv führte und nicht die Ursache zu einer Hodentuber-
kulose abab.
In tunktioneller Beziehung aber war ein solcher Hoden schon
verloren, und bei beiderseitiger Epididymitis ist die Sterilität, mit
äuberst seltenen Ausnahmen, die Folge. Die chirurgische Behand-
lung dieser Sterilität führt hierbei nicht zu sicheren Resultaten
(Posner und Cohn).
Finger meint, daß die beste Behandlung der Sterilität des
Mannes in einer besseren Behandlung der akuten Epididymitis he-
ruhe und daB man vor allen Dingen eine möglichst gute Resorption
der entzündlichen Infiltrate erzielen müsse. Er warnt vor den Eis-
applikationen, die zwar die akuten Entzündungserscheinungen und
die dadurch hervorgerufenen subjektiven Beschwerden zurückgehen
lassen, die aber starke, schwer resorbierbare Infiltrate zur Folge
hahen.
Finger selbst und nach ihm Ernst R. W. Frank empfehlen
daher die Anwendung der lokalen Wärme. Insbesondere spricht
sich Frank sehr lobend über die mit dem Prinzip der Wärme-
applikation, sei es in Form von Thermophor, elektrischer Wärme
oder Moorbädern, erzielten Erfolge aus.
In frischen Fällen sollen nach Frank Injektionen von Fibro-
lysin zusammen mit Wärmeapplikation sehr günstig wirken. Die
Infiltrate werden bei dieser Behandlungsweise in einigen Monaten
resorbiert, und in drei Fällen konnte dieser Autor nach t/s, 1 resp.
2 Jahren Spermatozoen im Ejakulat von Patienten nachweisen, die
an doppelseitiger Nebenhodenentzündung litten.
Zeitschrift für Urologie, 1913. 3T
252 H. Nakano.
Außerdem kommen noch in Betracht Emödis Stauungsbehand-
lung nach Bier, Antigonokokkenserum nach Leschner, Punktions-
behandlung nach Schindler usw.
Bevor ich nun auf meine eigene Behandlungsmethode zu sprechen
komme, möchte ich noch kurz die bis jetzt erzielten Erfahrungen
der verschiedenen Behandlungsweisen der gonorrhoischen Epididv-
mitis anführen. Selbstverständlich ist der Standpunkt der Behandlung
der Epididymitis gonorrhoica der, daß der Krankheitsprozeß sich in
möglichst kurzer Zeit abspielt, daß die Patienten selbst in Fällen
schwerer Nebenhodenentzündung in einigen Tagen wieder erwerbs-
fähig werden und daß vor allem der endgültige Ausgang des Pro-
zesses keine irreparablen Veränderungen des Nebenhodens_ hinter-
läßt; d. h. die beste Methode der Behandlung wird diejenige sein,
welche die Bildung eines derben Infiltrats verhindert, den Neben-
hoden zu seiner normalen Form zurückkommen läßt und keinerlei
Störung oder Minderung der Hodenfunktion bedingt. Wenn diese
Methode zu gleicher Zeit den Verlauf der Krankheit abkürzt und
die Schmerzen sofort und auf die Dauer beseitigt, das eventuell
vorhandene Fieber zurückgehen läßt, so ist dieselbe als eine ideale
zu bezeichnen.
Ich teile die Behandlung der gonorrhoischen Epididymitis nach
meinen Erfahrungen folgendermaßen ein:
1. Kalte Kataplasmen.
a) 15 frische Epididymitisfälle wurden mit 2°/, Borwasserlösung-
Umschlägen behandelt. (Die Umschläge werden am zweckmäßig-
sten in der Weise gemacht, daß eine möglichst dicke Gazemasse
mit dem Mittel befeuchtet wird, worauf man damit vollständig
den erkrankten Teil umhüllt. Da aber durch Entzündungswärme
leicht die Feuchtigkeit verdampft, müssen nach je 20—30 Minuten
die Umschläge gewechselt werden.)
b) 20 Fälle wurden von Anfang an mit Eisbeutel behandelt.
c) 10 Personen wurden kombiniert mit Eisbeutel und warmen
Umschlägen behandelt, und zwar verwendete ich im Anfangsstadium
Eisbeutel, damit die quälenden Entzündungserscheinungen, besonders
der Schmerz, zurückgingen, und später warme Umschläge mit der
obengenannten Borwasserlösung und auch andre Mittel, um das
entzündliche Exsudat schnell zu beseitigen.
Bei den oben genannten Behandlungsweisen gehen die Ent-
zündungserscheinungen, natürlich bei akuten Stadien, gewöhnlich
Histopathologische Studie der £pididymitis gonorrhoica usw. 553
nach einigen Tagen oder Wochen zurück. Aber wie auch andere
Autoren mitteilen, bleiben Infiltrate zurück, die den Durchgang
der Spermatozoen durch das Vas deferens bedrohen. Bei der Eis-
beutelbehandlung gehen die Entzündungserscheinungen fast immer
zurück, doch läßt sich bei etwas länger behandelten Epididymitikern
eine zurückbleibende Härte nicht vermeiden, und bei diesen Patienten
kommt es meistens zu Sterilität. (Ich werde in einer späteren
Arbeit noch auf die Sterilität zu sprechen kommen.)
Die kombinierte Behandlung mit Eisbeuteln und warmen Um-
schlägen brauchte man schon in früheren Zeiten als Behandlungs-
art für die gonorrhoische Epididymitis. Vielleicht aber konnten
die harten Infiltrate auch da nicht durch die später angewandten
warmen Umschläge zurückgedrängt werden.
2. Kompressionsbehandlung
Bei der Epididymitis wurde auch die Kompressionsbehandlung
angewandt, um die Zunahme der Schwellung zu verhindern. Diese
Methode wandte ich bei 5 frischen Epididymitisfällen an, aber
ohne besonderen Erfolg, da die Infiltrate nicht zurückgingen.
Den von Fricke (1836) angegebenen Kompressionsverband
mittels Heftpflasters führte ich in 5 Fällen aus und verwendete
dazu den Quecksilberheftpflasterverband.
Der Quecksilberheftpflasterverband wirkt zwar auch antiphlo-
gistisch, doch ließen sich die Infiltrate auch mit diesem Mittel
nicht zurückdrängen.
3. Massagebehandlung.
Allgemeine Massage und lokale Massage des erkrankten Teiles
prüfte ich an 5 Kranken, doch war der Erfolg kein besonders
guter.
4. Bäderbehandlung.
Als Bäderbehandlung wandte ich in 4 Fällen allgemeine und
in 3 Fällen lokale Bäder an. Der Zweck dieser sollte sein, daß
die durch das Bad hervorgerufene gute Zirkulation die Entzün-
dungserscheinungen bessere. Natürlich gingen die Anschwellungen
und Schmerzen zurück, doch die Infiltrate blieben bestehen,
5. Elektrische Behandlung.
Ladislaus Auszterveil berichtet über 6 Fälle von akuter
gonorrhoischer Nebenhodenentzündung, bei denen er ausgezeichnete
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(Reginn d. Behandl.'
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Histopathologische Stulie der Epididymitis gonorrheica usw. 555
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556 e H. Nukano.
Resultate mittels des galvanischen Stromes erzielte. Die akute
gonorrhoische Nebenhodenentzündung besserte sich nach einigen
Tagen dabei, und wenn auch in so kurzer Zeit die entzündliche
Exsudation nicht gänzlich verschwindet, so wird doch ein Fort-
schreiten verhindert, der peinliche Schmerz läßt nach und der Kranke
ist nicht gezwungen, mehrere Wochen das Bett zu hüten, sondern
wird in einigen Tagen von den Schmerzen befreit und kann alsbald
seinem Berufe nachgehen.
Ich prüfte an 3 Kranken die Ladislaussche Methode, doch
waren die Resultate nicht besonders gut.
6. Stauungsbehandlung.
Bei 3 mit dieser Methode behandelten Fällen gingen zwar die
Anschwellungen und Schmerzen etwas zurück, doch auf die Infi-
trate blieb sie ohne Erfolg.
7. Einpinselungsmethode.
Die Methode der Einpinselung von Medikamenten auf die
Skrotalhaut wurde schon in früheren Zeiten angewandt. So z.B.
Acidum nitricum von Chassaignac (1853); Collodium von Lange
(1853), Ricard (1854) und Bonnabont (1854); 5°/,ige Lapisli-
sungen von Girard (1869) und Bizarri (1874); Schwefeläther von
Assadrian (1870); Jodtinktur von Sigmund (1856) usw.
Ich benutzte diese Methode in einigen Epididymitisfällen, aber
auch hier konnte ich kein Zurückgehen der Infiltration konstatieren.
Eine chirurgische Behandlung machte ich nicht, weil diese
Methode keine praktische und als Behandlungsart für gonorrhoische
Epididymitis nicht immer angebracht ist.
8. Heißlufttherapie.
Diese Behandlungsweise wurde bis jetzt schon von vielen
Autoren angewendet, ‘und auch ich benutzte diese mit Dr. Koma-
tzusaki im Mitsui-Hospital bei 16 Fällen und erzielte damit
gegen Anschwellung, Schmerzen und Fieber sehr gute Erfolge, und
während der Heißluftapplikationen fühlten die Kranken sich sehr
wohl; aber auch hierbei konnten wir die Infiltrate nicht ganz ver-
schwinden machen. Komatzusaki hat über diese Behandlungs-
weise genaue Untersuchungen angestellt und die Resultate in fol-
genden Tabellen zusammengestellt (s. S. 554—555).
Histopathologische Studie der Epididymitis gonorrhoica usw. 857
Wie man aus den obigen Tabellen ersehen kann, werden durch
die Heißluftbehandlung die gonorrhoischen Epididymitiden, besonders
die subjektiren Symptome, sehr gut beeinflußt, aber die Infiltration
des erkrankten Nebenhodens ist nicht ganz zum Verschwinden zu
bringen, und es muß also die Sterilität damit in Zusammenhang
gebracht werden.
9, Punktionsbehandlung.
Über diese Behandlungsart haben auch schon viele Autoren
berichtet. Als Zweck der Punktionsbehandlung wird die Entspan-
nung als antiphlogistisch wirksam angesehen, insbesondere in jenen
Fällen, in denen Flüssigkeit in der Tunica vaginalis angesammelt
ist. Zuerst empfahl Velpeau (1854) zu diesem Zwecke die Punktion
der Tunica vaginalis. Ich versuchte diese Methode bei 4 akuten
Epididymitikern. Der Erfolg der Behandlung war Erleichterung
der subjektiven Beschwerden, und schon am nächsten Tage trat
sogar eine Abschwellung des erkrankten Nebenhodens ein, aber
auf die Infiltrate übte diese Behandlung keinen Einfluß aus, und
auch die Ansammlung der Flüssigkeit in der Tunica vaginalis stellte
sich nach einigen Tagen wieder ein.
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10. Injektionsbehandlung.
In dem Gedauken, die Gonokokken der entzündlichen Infiltrate
möglichst schnell abzutöten, machte ich Injektionen von Protargol-,
Albargin- oder Zinkumsulfokarbonikumlösung in die Tunica vaginalis.
Später prüfte ich auch noch Kollargol- und Elektrargolinjektionen.
Die Erfolge sind zwar ermutigend, besonders beim Elektrargol
habe ich bessere Resultate gesehen, aber ein vollständiges Ver-
schw.nden der Infiltration trat nicht ein.
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Histopathologische Studie der Epididymitis gonorrhoica usw. 559
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o 5 | A 57 ziemlich gute Resultate À
r-r erhalten, aber die In-
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5 E Sie pb Bi mes warte ganz zum Schwinden.
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| £ | SE g x € 2 E sultate erhalten. Zur |
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Natürlich wirkt
diese Methode bei
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gewordenen har-
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den empfehle ich
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in Gestalt von
möglichst war-
men Umschlägen
anzuwenden ist.
Histopathologische Studie der Epididymitis gonorrhoica usw. 561
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Einige neuere Angaben über die Atiologie
der Hydronephrosen.
(Eingeborene Missbildungen des Harnleiters.)
Von
Prof. Dr. N. A. Michailow,
Chef der urologischen Abteilung in dem K. klinischen Institute von der
Großfürstin Helene Pawlowna zu St. Petersburg.
Mit 4 Textabbildungen.
Neben den gemeinsamen Ursachen der Hydro- und Pyonephro-
sen (Ren mobile, Trauma der Niere und des Harnleiters. Atonie und
Neoplasmen, sowie Verengung resp. Zusammendrücken des Harn-
leiters, z. B. durch die Geschwülste der Gebärmutter und ihrer
Adnexe usw.) spielen eine wichtige Rolle in der Ätiologie der
Hydronephrosen noch einige andere Momente, und zwar die abnor-
men anatomischen Beziehungen zwischen dem Nierenbecken, dem
Harnleiter und der Harnblase, d. i. die Mißbildungen der renalen
oder vesikalen Ende des Harnleiters.
Bazy, der diese Frage studiert hat, ist der Meinung, daß diese
Mißbildungen, meistens eingeborene, die Hauptrolle in der Patho-
genese der sogenannten intermittenten Hydronephrose spielen.
Da die Literatur dieser Frage noch ziemlich arm ist, scheint
uns der folgende Fall nicht ohne Interesse zu sein:
Am 23. Dezember 1911 kam zu mir N. J., Student, 20 Jahre alt, mit der
Angabe, daß seit 2!/, Monaten das Harnlassen öfter geworden ist, ohne jegliche
bekannte Ursache, und der Harn immer trübe sei. Diese Symptome erschienen
zum ersten Male, als der Kranke 10 Jahre alt war, nach den Windpocken, und
sie wiederholten sich von damals einige Male, mit Zwischenräumen von 2 bis
3 Jahren, und zwar jedesmal mit einem Unwohlsein, das jedoch nie so stark
war, daß der Kranke im Bette liegen mußte. Keine @onorrhoe, keine Lues.
St. praes. Der Kranke ist gut gebaut und genährt. Die Schleimhänte
sind etwas blaß. Die Atmungs- und Zirkulationsorgane in voller Ordnung. In
der rechten Hälfte der Bauchhöhle fühlt man eine riesige bohnenförmige Ge-
Einige neuere Angaben über die Ätiologie der Hydronephrosen. 565
schwulst von elastischer Konsistenz, die ihre Stelle bei den Atmungsbewegungen
deutlich änderte; diese Geschwulst müßte die stark versetzte rechte Niere mit
scht ausgedehntem Nierenbecken sein.
Die linke Niere ist auch etwas nach
unten versetzt. Die Röntgenoskopie ent-
deckt keine Nierensteine.
Bei der Cystoskopie: Hyperämie
der Schleimhaut der Blase, stellenweise
die Ablagerungen der Phosphate und
starke Rötung und Ausdehnung der
Mündung des rechten Harnleiters. Der
Katheter Nr. 7 ging ganz leicht bis zum
Nierenbecken durch und entleerte ca.
200 ccm des eitrigen Harnes. Nach dieser
Sondierang des Nierenbeckens kam kein
Fieber vor, während frühere cystosko-
pische Untersuchungen immer eine Tem-
peratursteigerung bis 39° in 24 Stunden
und lebhafte Schmerzen in der rechten
Hälfte des Bauches verursachten.
Um die Nierenfunktion zu prüfen,
spritzten wir dem Kranken intramus-
kulär 20 ccm 0,4° „ige Lösung des Indigokarmins ein; bei der Cystoskopie sah
man deutlich, daß aus der Mündung des linken Harnleiters der blaugefürbte
Fig. 2.
Harn schon nach 15 Minu-
ten erschien, aus der rech-
ten aber — erst nach 30
Minuten.
Die Harnanalyse zeigte:
Harn trübe, spez. Gewicht
0,014, Reaktion leicht alka-
lisch, sehr viele Phosphate
und Leukocyten; Eiweiß —
0,56 pro 1000; keine Zylinder.
Die klinische Diagnose
unseres Falles lautete: Ren
mobile dexter, Hydrone-.
phrosis und Pyelitis dextra.
Am 12. März 1912
wurde der Kranke von Prof.
Dr. Sematzky und mir
operiert. Äthernarkose, Ein
langer schräger Schnitt von
der 12. Rippe nach vorn bis
zur Crista oss. ilei.
Die Niere war freige-
legt und herausgezogen; sie war stark atrophiert und erweicht, mit sehr
ausgedehntem Becken. Wir exstirpierten die Niere nicht, machten aber einen
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566 N. A. Michailow.
Querschnitt des Beckens ca. 10 cm lang; dabei entfloß ca. ein Glas voll eitriger
Flüssigkeit.
Fig. 3.
In der unteren Ecke
der Wunde des Beckens sahen
wir gleich eine grobe W arze,
ca. 4 cm lang, die, aus der
Höhle des Harnleiters aus-
gehend, sich unmittelbar ins
ausgedehnte Nierenbecken
hervorragte. So war diese
Warze eine Art von der
Einstälpung (Invaginalis) des
Harnleiters ins Nierenbecken.
Solche außerordentliche Mib-
bildung des renalen Endes
des Harnleiters begünstigte
natürlich die Versammlung
des Harnes im Nierenbecken
und dessen Ausdehnung, und
verhinderten den Abfluß des
Harnes.
Diese Warze wurde von
Prof. Sematzky in folgen-
der Weise behandelt: in die Höhle der Warze wurde eine Rinnensonde einge-
führt, auf dieser spaltete man die Warze total und die Ränder der Wunde wurden
von beiden Seiten mit Knotennähten aus
Katgut vernäht; die Ränder des Schnittes
des Nierenbeckens wurden auf die Haut
fixiert mit Seidennähten,
Die weitere Behandlung bestand in
den Ausspülungen des Nierenbeckens mit
der 1°/,igen Lösung von Kollargol und im
inneren Gebrauche von Methylenblau in
Tabletten à 0,5.
1!/; Monate später eine plastische
Operation: die nach der ersten Operation
gebliebene Fistel war erweitert und die
Schleimhaut des Nierenbeckens ist mit
Nähten (Katgut) verschlossen; Seidennähte
Fig. 4.
auf die Muskeln; die Hautwunde ließ man offen per secundam sich zuheilen.
Nach 2 Monaten ist der Kranke mit völlig geheilter Wunde entlassen worden.
Im Herbste 1912 sahen wir den Kranken wieder; es kamen
zuweilen, meinte er, die Anfälle der Hydronephrose von der rech-
ten Seite, mit Temperaturerhöhung, aber viel milder als früher.
Nach einigen Ausspülungen des Nierenbeckens mit 1 prozentiger
Kollargollösung ist die Temperatur wieder normal geworden. Die
Einige neuere Angaben über die Ätiologie der Hydronephrosen. 567
bakteriologische Untersuchung des Harnes gab eine reine Kultur
das Bac. coli communis, aus der wurde eine Autovakzin vorbereitet,
die man dem Kranken subkutan in Dosen 0,3 ccm und mehr ein-
spritzte. Das Endresultat ist noch unbekannt.
So in unserem Falle haben wir eine sehr seltene, auBerordent-
liche Anomalie der renalen Ende des rechten Harnleiters. Der Zu-
sammenhang zwischen dieser Anomalie und der Hydronephrose
ist ganz klar; die Senkung der rechten Niere (Ren mobile) wirkte
ja gewiß mit, die Hauptrolle aber spielte die obenbeschriebene Ein-
stülpung des Harnleiters in die Höhle des Nierenbeckens.
Zeitschrift für Urologie. 1913, 38
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Urologisches aus französischen Gesellschaften. I. Quartal 1913.
Niere und Harnleiter.
Lépine und Boulud (Académie des sciences zu Paris 10. III.
1913) haben vergleichende Untersuchungen über die Sekretion beider
Nieren an Hunden angestellt und gefunden, dab der eine Ureter ım
allremeinen einen weniger reichlichen Urin entleert als der andere, und
dab in den meisten Fällen dieser Urin weniger Kochsalz enthält als der
Urin der anderen Seite. Die Harnstoffausscheidung war bei der Unter-
suchung wohl wenig vermindert, jedenfalls war der Stickstoffkoeftzient
beiderseits der gleiche. Intravenös injizierter Zucker wurde auf der
einen Seite in größerer Menge ausgeschieden als auf der anderen Seite,
und die Differenz war gröber als bei der Kochsalzausscheidung. Diese
Unterschiede in der Funktion der beiden Nieren beruben nach Lepine
und Boulud pur zum Teil auf der verschiedenen sekretorischen Täre-
keit der beiden Nieren. Sie werden von ihnen im wesentlichen durch
die ungleiche Resorption der einzelnen Urinbestandteile in den Nieren
erklärt. Daher sind die Harnstoffunterschiede weniger groß als die des
Wassers und des Kochsalzes. Auf die Zuckerresorption selbst ist bisher
wenig Wert gelegt worden.
Le Noir und Théry (Société de Biologie zu Paris 1. II. 1915)
haben den Eimtlub des Natr. bicarb.: auf die Ausscheidung der Niere
untersucht. Bereits früher ist von ihnen festgestellt worden, dab Natr.
biearb. in hohen Dosen zu 40—50 g die Ausscheidung von Methylenhlau
gewaltig verzögert. Ihre neueren Untersuchungen erstreckten sich auf
den Einfluß kleinerer Dosen von Natr. bicarb. Die Versuchspersonen
wurden einer festen Diät unterworfen. Es wurde ihnen subkutan 0.03
oder 0,025 Methylenblau injiziert und dann wurde ihnen 4 oder & Tage
lung Natr. bicarb. ın kleinen Mengen, im ganzen 5 g täglich verabreicht.
Bei Nephritikern war die Ansscheidung des Methylenblau sehr gestört:
die Intensitit der Ausscheidung war sehr vermindert und die Dauer
erhöht: die Ausscheidung selbst erfolgte unregelmäßig und polyzyklisch.
Ahnliche Resultate hatten sie schon bei ihren früheren Versuchen mit
hohen Dosen von Natr. bicarb. erhalten, doch hatten sie damals inten-
sivere Störungen feststellen können. Dieselbe Versuchsanordnung bei
normalen Individuen. Anch hier ist die Ausscheidung weniger intensiv.
der Verlanf polyzyklisch und die Dauer der Ausscheidung gewöhnlich
verlängert. In einer anderen Versuchsreihe haben sie einzelnen Versuchs-
personen jeden Tag zur gleichen Stunde Pillen von 0,01 Methylenblau
verabreicht. Die Ausscheidung ıst dann bald nach einem konstanten
Modus vor sich gegangen. Nie haben hier den Urin in 2 Portionen
tielich. von 9—1l ind 2—4 Uhr, an mehreren anfeinanderfolgenden
Sitzungsberichte. 569
Tagen gesammelt und schon am 2. und 3. Tage eine verminderte Me-
thylenblauausscheidung konstatiert. Nach Noir und Théry kann die
veränderte Ausscheidung nur als eine Wirkung des alkalischen Salzes auf
die Nieren aufgefaßt werden. Die Dosis von 5 g Natr. bicarb. scheint
die kleinste zu sein, die bei dem Nierenkranken wie bei dem Gesunden
die Methylenblauausscheidung herabsetzt.
In der Société de Chirurgie zu Paris (5. II. 1913) berichtet
Hartmann über einen jungen Menschen, den er wegen Nierentuber-
kulose operierte. Die Erkrankung selbst war nur am Ureter ausgeprägt,
und eine Erweiterung des Nierenbeckens und der Kelche war die Folge,
während das Nierenparenchym vollkommen unbeschädigt geblieben war.
Dieses Bild der Nierentuberkulose ist sehr schwer zu erklären, wenn
man eine deszendierende Infektion annimmt. In der Diskussion weist
Legueu auf die Form der Nierentuberkulose hin, bei welcher das Nieren-
parenchym selbst nur unscheinbare Veränderungen aufweist, während die
Veränderungen des Nierenbeckens und des Ureters schon sehr fortge-
schritten sind. Nach Tuffier reiht sich dieser Fall von Hartmann in
die Formen der Nierentuberkulose ein, die sich schließlich zur Hydro-
nephrose entwickeln; es handelt sich nach ihm um eine in Entwicklung
begriffene Hydronephrose. Mit Recht macht Michon darauf aufmerk-
sam, daß man auch die Ausdehnung der Uretererkrankung und den
Zustand der Blase und der Genitalien kennen müsse; denn es ließe sich
sonst schlecht erklären, wie diese ursprüngliche Ureteritis durch Nephrek-
tomie hat heilen können.
Bazy bespricht in der , Académie de Médecine“ zu Paris am 25. II.
1913 das Schicksal der Nephrektomierten und stellt den Satz auf, daB ne-
phrektomierte Individuen sich wie gesunde verhalten, wenn die zurückge-
lassene Niere gesund ist. Dies beweist ihm eine 50 jährige Frau, die vor
11 Jahren nephrektomiert worden ist und die jetzt eine Entfernung des
Uterus und der Adnexe ohne jede Störung ertragen hat. Je nach der
Ursache zur Nephrektomie unterscheidet er 3 Gruppen:
1. Nephrektomien wegen Tumoren. Sie sind prognostisch günstig.
B. hat Patienten 3, 5, 8, 11, ja sogar 14 Jahre nach der Operation
beim besten Wohlbefinden beobachten können.
2. Nephrektomien wegen Tuberkulose. Hier bestimmt der Zustand
der Blase die Prognose. Ist die Blase frei, so erlangt auch der Patient
vollkommene Gesundheit wieder. Ist die Blase beteiligt, so gibt die
Frühoperation die beste Prognose.
3. Nephrektomien wegen Eiterung. Diese besitzen gute Prognose.
Selbst die Albuminurie der gesunden Niere verschwindet, sobald die
kranke Niere entfernt ist.
Über 2 interessante Uretermißbildungen berichtet Legueu in der
Société de Chirurgie zu Paris (am 22. I. 1913). Der eine Fall be-
trifft ein kleines Mädchen, bei dem ein Harnleiter in die Vulva mündete
und hier den Urin austreten lieB. Operation ohne vorausgehende zysto-
skopische Untersuchung. Schnitt vom Schambein bis zur Nierengegend
und Ablösung des Peritoneums. Es handelte sich um einen 2. Ureter,
der noch oben neben dem normalen Ureter in das Nierenbecken mündete.
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510 Sitzungsberichte.
Doppelte Unterbindung des anormalen Ureters in der Nähe der Blase
und unterhalb des Nierenbeckens. Heilung. In dem 2. Fall wurde
durch vaginale Untersuchung ein linksseitiger dicker salpingitischer
Abszeß diagnostiziert. Bei der Operation erwiesen sich die Adnexe als
gesund, aber unter dem Peritoneum war längs des Ureters eine in die
Lumbalgegend aufsteigende Schwellung. Die Bauchhöhle wurde wieder
geschlossen und die Harnorgane genau untersucht. Diagnostiziert wurde
nunmehr eine Ureterpyonephrose mit Öffnung in die Urethra. Urethro-
skopisch konnte diese Mündung festgestellt werden. In einer neuen
Operation wurde nach Lösung des Peritoneums der Tumor isoliert und
die Niere entfernt. Mehrmals wurde dabei das Peritoneum verletzt, aber
immer wieder sofort zugenäht. Der Eitersack selbst wurde nicht be-
schädigt, und die Operation verlief aseptisch. Glatte Heilung.
Blase.
Zur Untersuchung der Operabilität des Cervixkarzinoms sind das
Tuschieren und Palpieren ganz unzulängliche Mittel, da sie keinen
Schluß auf die Beteiligung der Blase zulassen. Hartmann hat deshalb
jedesmal bei dem Cervixkarzinom den Zustand der Blase untersucht. Über
seine Erfahrungen hat er in der Societe de Chirurgie zu Paris am 22.1.1913
berichtet. Von 26 Patientinnen zeigten 7 keine Funktionsstörung der Blase,
während bei allen übrigen mehr oder weniger auffällige Funktionsbeein-
trächtigungen wie Pollakiurie, Tenesmen usw. vorhanden waren. Ein Urteil
über den Grad der Beteiligung der Blase kann man jedoch aus diesen
Störungen nicht gewinnen, dagegen gibt die Cystoskopie interessante
Aufschlüsse. Man sieht durch das Cystoskop eine Vorwölbung der
Blasenwand, die diffus, bullös oder schließlich faltig sein kann, wenn die
Blase durch Infiltration mit Krebszellen verändert ist. Es kann ein
mehr oder weniger starkes Odem vorhanden sein, und manchmal sieht
man sogar eine karzinomatöse Geschwürsbildung, die das Eindringen des
Krebses in die Blasenwand beweist.
Durch die Cystoskopie läßt sich so eine Indikation gewinnen.
Zeigt die Blase im cystoskopischen Bilde keine Veränderungen, so wird
man fast mit Gewißheit Komplikationen bei der Operation ausschließen
dürfen. Eine Vorwölbung der Blasenwand aber braucht nicht immer
ein Ausdruck der krebsigen Erkrankung zu sein; es kommen Üdeme und
entzündliche Schädigungen auch gutartiger Natur vor. Auch die Unter-
suchung der Ureterenmündungen ist wichtig, je nachdem das Aussehen
derselben verändert oder die Urinejakulation gestört ist.
Prostata.
Battez und Boulet (Société de Biologie zu Paris 4. I. 1913:
haben Gelegenheit gehabt, Ti, Stunde nach der Hinrichtung eine:
20 jährigen Delinquenten mit gesundem Urogenitalsystem diesem die Pro-
stata zu entfernen. Sie haben die Erfahrungen, die man mit dem
frischen Prostataextrakt des Hundes bereits gemacht hat, auch für da
Extrakt der menschlichen Prostata bestätigen können: Bewegungen der
Blase und Herabsetzung des Blutdrucks.
Sitzungsberichte. Dl
Hoden.
Gosset hat ın der Societe de Chirurgie zu Paris (9. 11. 1913) einen
Jungen vorgestellt, den er wegen Ectopia testis nach Katzenstein (Berlin)
operiert hat. Gr. hat nach Freilegung des Hodens durch Inguinalschnitt
diesen aus seinen Umhüllungen durch eine kleine Inzisionswunde im
unteren Teil des Skrotums heraustreten lassen. Durch einen kleinen
Schnitt auf der inneren Seite des Oberschenkels hat er dann die Fascia
lata freigelegt und den Hoden durch einige Nähte durch die Albuginea
an die Faszie fixiert. Hierauf Vernähung der Ränder des Skrotal-
schnittes mit denen des Femoralschnittes. Einige Wochen nach der
Operation ist dann noch die Hautbrücke durchtrennt worden, welche
zwischen Oberschenkel und Skrotum bestanden hat.
Souligoux (Société de Chirurgie zu Paris 19. III. 1913) hat einen
Fall von doppelseitiger Hernie mit Ectopia testis durch Fixation des Leit-
bandes in der Höhe des Inguinalringos und durch Fixation des herab-
“ezoyenen Hodens im Skrotum geheilt.
Gonorrhoe.
L. Cruveilhier (Société de Biologie zu Paris 4. I. 1913). Cr. hat
sich zuerst durch zahlreiche Tierexperimente von der Unschädlichkeit
der sensibilisierten Antigonokokkenvaceine überzeugt und dann diese
am Menschen versucht. Er benutzte das Serum der Ziege, die er nach
dem Verfahren von Beredska immunisierte.e Die Gonokokken hierzu
hat er einer Kultur entnommen, die er schon seit einigen ‚Jahren kon-
servierte. Seine Beobachtungen erstrecken sich auf akute und chronische
Gonorrhöen, auf Orchitiden und gonorrhoische Gelenkentzündungen. Die
Injektionen wurden in das Unterhautzellgewebe gemacht und 3—7 mal,
je nach dem Fall, in Intervallen von 2—5 Tagen zwischen jeder In-
Jektion wiederholt. Keiner der so Behandelten hatte eine stärkere
Allgemeinreaktion. Einige klagten wohl jedesmal über eine leichte
Temperatursteigerung in der Nacht, die der Injektion folgte. Manchmal
hat Cr. nach der Injektion ein schmerzhaftes Frythem beobachtet, das
aber niemals länger als 48 Stunden anhielt.
(rewöhnlich 24 Stunden nach der 1. Injektion hat er bei seinen
Patienten ein merkliches Nachlassen der Schmerzen und der lokalen ent-
zündlichen Erscheinungen sowie ein Abnehmen der Allgemeinerscheinungen
wahrgenommen. Nur ein wenig später änderte sich auch die eitrige
Sekretion, um vollkommen aufzuhören, bei einer akuten Urethritis ge-
wöhnlich am Ende der 2. oder im Verlaufe der 3. Woche. Bleibt aber
der Ausflub bestehen, so findet man nach dieser Zeit keine Gonokokken
mehr. Bei allen Patienten war bei Anwendung nur dieser Behandlung
die Krankheitsdauer wesentlich beeinflußt. Komplikationen hat er nicht
beobachtet.
Harn.
In der Academie de Medecine zu Paris (11. II. 1913) berichtet Ga-
lippe über die Ausscheidung von Harnsäurekristallen im Urin durch Mi-
kroorganismen.
572 Sitzungsberichte.
In den unter gewöhnlichen Bedingungen im Urin sich ausscheidenden
Harnsäurekristallen findet man Mikroorganismen, die durch das Mikro-
skop nur sehr schwer bestimmt werden können, die man aber durch
Impfung der Kristalle in Bouillon züchten kann. Diese Mikroorganismen
sind nicht zufällig in den Harnsäurekristallen eingeschlossen, sondern
haben vielmehr deren Niederschlag verursacht. In der Tat, wenn man
diese Mikroorganismen in normalen Urin bringt, so rufen sie bald einen
beträchtlichen Niederschlag von Harnsäurekristallen hervor, während die
Ausscheidung von Harnsäurekristallen in einer Probe gleichen Urins
ohne diese Mikroorganismen nur langsam und in geringen Mengen er-
folgt. Harnsäurekristalle, die durch Zusatz von 1°/, Salzsäurelösung
zum Urin sich ausscheiden, sind frei von Mikroorganismen.
H. Roger und P. Chevalier (Société de Biologie zu Paris 15.11.
1913) haben einen Patienten beobachtet mit einem Symptom, welches in Pa-
rallele mit der paroxysmalen Hämoglobinurie steht. Dieses Symptom be-
steht im wesentlichen in Krisen von Uraturie, die unter dem Einfluß
von Kälte zustande kommen. Der Patient scheint früher eine paroxys-
male Hämoglobinurie gehabt zu haben. Er ist ein magerer, blasser uni
anämischer Junge. Die rechte Bauchseite fühlt sich härter an als die linke.
Die Leber ist voluminös und überragt den Rippenbogen um 5—6 cın.
Milz vergrößert, palpabel und perkutabel. Nach den Krisen scheint das
Volumen etwas zurückzugehen. Die Krisen selbst besitzen immer die-
selbe symptomatische Entwicklung. Nach einer leichten Erkältung tritt
ein Gefühl der Müdigkeit und des Unbehagens auf. Der Patient friert:
seine Temperatur ist erhöht. Dies ist wohl das Bild der paroxysmalen
Hämoglobinurie, jedoch enthält der Urin keine Spur von Hämoglobin.
Der 1. Urin ist normal, eine halbe Stunde nach dem Anfall aber von
trübem milchigem Aussehen; eine halbe Stunde später ist der Urin noch
trüber, dann aber nimmt er wieder seine normale Farbe an. Schon im
Augenblick, wo der Urin gelassen ist, enthält er einen Niederschlag von
Uraten, nach und nach aber setzt sich eine ganz dicke Schicht von
Uraten ab. R. und Ch. fragten sich wohl, ob hier nicht eine cytolytische
Wirkung und eine Zerstörung der weißen Blutkörperchen vorliegen
könne. Jedoch war die Zahl der Leukocyten normal. Da der Patient
gleichzeitig Gelenkschmerzen besaß, wurde ihm Natr. salicyl. verabreicht.
worauf auch die Krisen verschwanden. Dieselbe Behandlung wurde mit
Erfolg auch bei der Hämoglobinurie ausgeführt. Nach der Heilung hat
der Patient gegen den Rat des Arztes das Krankenhaus verlassen und
hat darauf nach einigen Tagen wieder einen fieberhaften Anfall vun
Hämoglobinurie erhalten.
Nach Lagane (Societe de Biologie zu Paris 4. I. 1913) kommt eine
unregelmäßige Ausscheidung von Leprabazillen im Urin bei der Lepra
nodosa vor nach geschwürigen Verletzungen, heftigem Druck auf die Knoten
oder nach gewissen Eingriffen, wie z. B. der intravenösen Injektion von
Salvarsan in hohen Dosen. Wahrscheinlich werden in diesen Fällen die
Bazillen in dem infiltrierten Gewebe mobilisiert, oder sie werden aus der
mononukleären Leukocyten frei. Maas- Berlin.
(Berichtet nach der Semaine médicale.)
nos 2
Sitzungsberichte der russischen urologischen Gesellschaft
im Saale des urologischen Instituts in St. Petersburg.
Die 37. Sitzung fand unter Vorsitz des Vizepräsidenten Dr. B. Chol-
zow statt.
Dr. Gorasch berichtete über eines der vielen Antigonorrhoica, die
besonders von der deutschen Presse reklamiert wurden, — das Urogosan.
Es erwies sich als ganz untauglich. Die Gelatinkapseln gingen unver-
daut durch den Darm ab und wurden nach 2 Tagen ausgeschieden. Es
wird vom Ref. der Wunsch ausgesprochen, die Kollegen sollten doch
über ihre Erfahrungen mit den neuen angepriesenen Präparaten häufiger
berichten, damit der praktische Arzt sich ein richtiges Bild über deren
Anwendbarkeit machen Könnte.
Er demonstriert ferner einen astförmigen Stein aus der Niere und
dus Präparat selbst. Pat. 46 Jahre alt, seit 12 Jahren krank, Schmerzen
im der linken Seite. seit 2 Jahren Husten, allgemeine Schwäche, trüber
Urin, der zeitweilig blutig ist. Die linke Niere vergrößert, abgesackte
Pleuropnemnonie: eystoskopisch-chronische Cystitis und verbreitetes Ori-
ticium des linken Ureter: Katheterisation weist auf herabgesetzte Nieren-
funktion bin und auf Pyonephrose. Das Röntgenbild zeigte einen Schatten
in der Nierengewend. — Kochsche Bazillen fanden sich nieht. Nach
3 Wochen wurde Pat. nach Ausheilung seiner Pleuropneumonie entlassen.
[n diesem Jahr kam er mit denselben Klagen wieder. Jetzt zeigte sich
im Röntgenbild ein astförmiger Stein in der Gegend des linken Nieren-
beckons. Rechts — Nierenfunktion normal. Bei der Operation ergab
sich: Perinephritische Verwachsungen, 2 nubgroße Eiterherde in der
linken Niere. Sie mubten entfernt werden. Heilung.
Der Fall beweist die Notwendigkeit einer wiederholten Röntgen-
aufpahme bei zweifelhaften Fällen. Man mußte hier zur Nephrektomie
schreiten, wo man früher (vor 12 Jahren) bei richtiger Diagnose mit
einer Pyelotomie hätte auskommen können.
Dr. Sidorenko: Uber operative Behandlung perinealer
Harnröhrenfisteln.
Ref. weist auf das günstige Resultat hin, das im Obuchow-Hospitil
bei der operativen Behandlung perinealer Hirnröhrenfisteln dadurch er-
zielt wird, dab der Harn vorher entweder durch die Blase oder dureh
den hinteren Teil des Kanals abgeleitet wird. Er berichtet über einen
Fall, der mehrmals dieses Leidens wegen erfolalos operiert war und end-
heh nach Anwendung dieser Methode ausheilte.
38. Sitzung am 9. November unter Vorsitz des Herrn Dr. B. Cholzow.
Dr. G@orasch berichtet über einen Patienten mit Papillom an der
Blase, der von Prof. S. P. Fedoroff vor 6 Jahren operiert worden war.
574 Sitzungsberichte.
Die Neubildung hatte sich später disseminiert, und Pat. war in Berlin
von Prof. Casper während 4 Jahren endovesikal behandelt worden.
Nach Petersburg zurückgekehrt, wurde Pat. im urologischen Institut
cystoskopisch untersucht und hierbei festgestellt, daß in der Blase sich
an der oberen Wand eine pflaumengroße Neubildung befinde. Bei
ler Operation erwies sie sich von der Größe eines kleinen Apfels; neben
ihr bestanden noch 2—3 kleinere Gebilde. Sie wurden mit der kalten
Schlinge entfernt.
Dr. Gorasch berichtet ferner über einen Fall, wo röntgenoskopisch
mit Hilfe von 5°/, Kollargollösung (Pyelographie) eine Abknickung des
Ureters und Pyelektasie konstatiert und diese Diagnose während der
Operation (Prof. S. P. Fedoroff) bestätigt worden war.
Dr. Kusnetzky bemerkt, daB in der Klinik von Prof. S. P. Fe-
doroff keine 5°/,, sondern eine 10°/, Kollargollösung angewandt wird
(bei Albarran 7°/,) und keine Intoxikationen beobachtet worden sind.
Dr. Gorasch wandte eine 5°/, Lösung an, da dem Pat. zirka
100 ccm hatten eingespritzt werden müssen. — Dr. Cholzow weist auf
die Möglichkeit hin, mit 10°/, Lösung Intoxikationen bekommen zu
können (zumal in der Literatur solche nach der Bemerkung von Dr. Go-
rasch beschrieben worden sind) und empfiehlt, nach der Untersuchung
eine Durchspülung des Nierenbeckens vorzunehmen.
Dr. Dmitrieff: Ein Fall von Gangrän der Harnblase (mit
Demonstrationen makro- und mikroskopischer Präparate).
Ref. zeigt das Präparat der Blase eines Pat., der mit Erscheinungen
von Urosepsis und Cystitis acuta zugrunde gegangen war. Die Schleim-
haut und ein Teil der Muscularis ist gangranôs. Solche Fälle sind sehr
selten, in vivo schwer zu diagnostizieren; die Ätiologie ist nicht fest-
gestellt.
Prof. Oppel nimmt ätiologisch einen hämorrhagischen Infarkt an
und hält die mikroskopische Untersuchung der Blasenwand an einer
Stelle für unzureichend. Um festzustellen, ob nicht irgendwo eine Venen-
oder Arterienthrombose vorliegt, empfiehlt er, wiederholte Untersuchungen
vorzunehmen. ‘Auf diesem Wege hätte man die Ätiologie des Falles
vielleicht aufdecken können.
Dr. Leshneff findet Ähnlichkeit mit einem Präparat einer Cystitis
exfoliativa von Dr. Cholin und erinnert an 2 Fälle von Prof. S. Fedo-
roff und an einen, den er selbst beobachtet hat.
Ref. weist darauf hin, daß in seinem Fall die ganze Wand nekro-
tisch gewesen sei, also nicht eine Cystitis exfoliativa vorliege.
Prof. Oppel weist auf den Unterschied eines anämischen und hämor-
rhagischen Infarkts hin, — im ersten Falle ergreift die Gangrän die
ganze Dicke der Blasenwand bis ans Peritoneum, im zweiten Falle die
Schleimhaut und zum Teil die Muscularis.
Dr. Bystrow erinnert an den Fall von Bouche, wo das ätiolo-
gische Moment die Röntgenotherapie war: nach 6 Sitzungen trat volle
Gangrän der Blase ein.
Dr. Cholzow weist auf die Seltenheit der Affektion hin, da die
meisten Fälle letal enden. Eine Untersuchung dieser Fälle wird noch
Sitzungsberichte. 575
dadurch erschwert, dab die Kranken in einem Zustande ins Hospital
kommen, wo es meistens ganz unmöglich ist, irgendwelche anamnesti-
schen Daten aufzunehmen.
Dr. Averbuch: Zur Frage der Behandlung chronischer
entzündlicher Prozesse der Schleimhäute.
A. bespricht die Behandlung der chronischen (Gonorrhoe (mucositis
profunda chr.) und empfieblt sein Präparat (Mucosicin), dessen Hauptwert
er in der Iytischen und nicht bakteriziden Eigenschaft sieht. Er demon-
striert einen Pat., dem er in die Urethra’ 10,0 einer 20°'/, Lösung in-
pziert,
Prof. Oppel meint, da8 das Präparat eine elektive Eigenschaft
haben dürfte, die aber noch bewiesen werden müßte.
In der weiteren Diskussion behauptet Vert, an 1000 Pat. das
Mittel angewandt, und in einer Reihe von Fällen, die er gegen 2 Jahre
beobachtet hatte, keine Rezidive gesehen zu haben. Dr. Leshneff be-
dauert, daß Ref. weder klinisch noch theoretisch sein reiches Material
bearbeitet und auch keine urethroskopischen Beobachtungen angestellt
habe. Dr. Cholzow weist darauf hin, wie vorsichtig man mit neuen
Präparaten sein müsse, empfiehlt jedoch die Anstellung von Versuchen
mit dem Mittel.
39. Sitzung unter Vorsitz des Herrn Prof. S. P. Fedoroff.
Dr. A. Wassiljeff spricht „zur Operation der Hydrocele nach
Winkelmann“.
Er weist darauf hin, daß seit 1909 in der urologischen Abteilung
des Nikolai-Militärbospitals (dir. Arzt Dr. N. Leshneff) alle Fälle von
Hydrocele chr. (05) nach der Methode von Winkelmann operiert
worden sind. Je 27mal waren es rechte und linksseitige Hydrocelen
und Imal doppelseitig. Das Alter der Pat. schwankte zwischen 22 bis
"8 Jahren, ein Pat. war 33 Jabre und einer 43 Jahre alt.
In 4 Fällen waren die Tunica fibrös verdickt, Imal bis 8 mm. In
4 Fällen handelte es sich um eine vielkammerige Hydrocele, in 2 Fällen
war ihr Inhalt trübe und in einem Falle blutig.
6 Tage nach der Operation, die Ref. ausführlich beschreibt, konnten
die Pat. umhergehen.
lmal gab es ein Rezidiv. In den von Glasstein gesammelten
Fällen werden solche — in 3°., beobachtet. In den Fällen von Gu-
harew, Ponomarew und Gussow gab es keine Rezidive.
Dr. Cholzow bedauert in der Diskussion, dab das große Material
55 Fälle) nicht genügend ausführlich behandelt wurde. Die Methode
von Winkelmann kann man mit der von Bergmann vergleichen, die
auch keine Rezidive gibt. Dort wo der Hoden allein affıziert ist, gäbe
die Winkelmannsche Operation keine Rezidive. Ist jedoch das Vas
leferens affıziert, so werden gelegentlich Rezidive beobachtet, während
ie hier nach der Bergmannschen Operation nicht redizivieren: die
letztere Methode ist schmerzlos und einfach.
Dr. Leshneff meint, daß nach der Winkelmannschen Methode
aiie Hydrocelen operiert werden können, ohne dab man große Kompli-
576 Sitzungsberichte.
kationen beobachtet. Bei dieser Methode kann der Pat. nach 2 Tagen
schon umhergehen, nach jener muß er länger bettlägerig bleiben.
Prof. Fedoroff weist darauf hin, daß beide Methoden ihre An-
länger haben, die Winkelmann zugeschriebene wäre richtiger Doven
und Jabaunet zuzuschreiben. Die kombinierte wäre jedenfalls zweck-
mäßiger; Rezidive und Hämatome können nach jeder vorkommen. In
vorgeschrittenen Fällen ist die Bergmannsche Methode geeigneter.
Dr. Leshneff spricht „Zur Diagnose der Nierentuberku-
lose“. Er führt 2 Fälle an€ wo die Nierentuberkulose auf Grund des
cystoskopischen Bildes hätte diagnostiziert werden können. Das Oedema
bullosum befand sich am Orificium ureteris der kranken Niere und wich
keiner Behandlung. Nach Exstirpation der kranken Niere — die sich
tuberkulös erwies — schwand die Erscheinung.
Ref. schließt 1. Notwendigkeit einer eingehenden genauen Cysto-
skopie, 2. Oedema bullosum ist zweifellos ein diagnostisches Moment bei
Nierentuberkulose.
Dr. Swentizky findet das Bild des Oedema bullosum nicht charak-
teristisch und führt einen Fall an, wo die Pat. über Harndrang klagte.
cystoskopisch ein Oedema bullosum am Sphinkter festgestellt worden war.
Tuberkulose mußte ausgeschlossen werden; die Neurologen diagnostizierten
Tabes. Nach spezialistischer Behandlung erholte sich die Pat.; weitere
cystoskopische Untersuchung stellte Fehlen des Oedema fest.
Dr. Gorasch weist auf die Wichtigkeit der Cystoskopie für die
Diagnose der Nierenkrankheiten hin; Hurry Fenwick hat diese Frage
ausführlich bearbeitet; das Oedema bullosum ist nicht von solcher dia-
gnostischen Wichtigkeit, wie Dr. Leshneff glaubt.
Letzterer betont auf eine diesbezügliche Frage des Opponenten, dab
er das Oedema bullosum als eine Reizerscheinung auffaßt, da es schwindet,
nachdem die Niere entfernt wird; Dr. Swentitzky hält es für eine
reflektorische Erscheinung, die keiner Behandlung bedarf, da sie eben
nach Entfernung der Ursache schwindet. Prof. S. Fedoroff meint im
Schlußwort, daB bei hartnäckigem Oedema bullosum ein Verdacht auf
Nierentuberkulose berechtigt erscheint, doch ist es eine Erscheinung sui
generis und kann nicht als pathognomisches Symptom aufgefaßt werden.
Die Diagnose auf Nierentuberkulose muß noch durch die anderen Unter-
suchungsmethoden bestätigt werden.
41. Sitzung unter Vorsitz von Prof. S. Fedoroff.
Dr. Gorasch demonstriert das Instrument Langenweilers und
zeigt 2 Papillome, die er endovesikal mit der kalten Schlinge entfernt hat.
Dr. Damsky: Ein Fall von primärem Nierenkarzinom. Er
zeigt das Präparat einer Nierengeschwulst, die er auf Grund mikrosko-
pischer Untersuchungen für ein primäres Nierenkarzinom anspricht. Klı-
nisch schien Tuberkulose vorzuliegen: anamnestisch war Tuberkulose here-
ditär. Kein Rezidiv.
In der Diskussion fragte Dr. N. Leshneff, warum Ref. die Dia-
gnose nicht auf Tuberkulose gestellt habe, die doch bedeutend bäufiger
vorkommt. Das einzige Symptom, die Blutung bei der Pat., läßt j:
Sitzungsberichte. 577
auch an Hypernephrom denken. Ref. weist demgegenüber auf die Be-
weglichkeit der Niere hin, die er durchfühlen konnte, und auf die Härte
der Geschwulst.
Da die Neubildung die Kapsel nicht gesprengt hatte, so brauchte
nicht mit der Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs gerechnet zu werden,
konnte sie eventuell auch nicht rezidivieren. Für eine Neubildung sprach
auch das Alter der Pat. (56 Jahre).
Dr. Gorasch weist auf das Interesse dieses Falles in diagnostischer
und prognostischer Beziehung hin. Die Diagnose einer Nierengeschwulst
ist schwierig, doch nicht unmöglich. Er selbst hatte bei einem Mädchen
ein primäres Nierensarkom operiert; die Operation bestätigte die Dia-
gnose. Charakteristisch ist das periodenmäßige Einsetzen der Blutung
(die übrigens im Falle Dr. Damskys kontinuierlich war) — die „kapri-
ziöse* Niere. Der Fall des Ref. spricht diagnostisch wenig für Tuber-
kulose, obwohl es ja undeutliche und selbst kombinierte Fälle gibt, wie
der vor kurzem von Marrion beschriebene: Krebs und Tuberkulose.
Ein Rezidiv hält Opponent für möglich, da im Nierenbecken ein Pa-
pilom gefunden wurde und eine Papillomatose des Ureters erwartet
werden mußte,
Dr. Gorodistsch erinnert daran, daß Legueu bei großer Beweg-
lichkeit der Niere und Anwesenheit einer Neubildung auf Krebs schließt.
Ref. weist ferner darauf hin, daß bei Frauen ein Nierenkarzinom
recht selten sei, häufiger bei Männern und Kindern von 7—9 Jahren.
Dr. Gubermann meint, der primäre Nierenkrebs zähle zu den
größten Seltenheiten. Das Präparat des Ref. stellt eine Niere dar, deren
Becken mit zottigen Massen angefüllt ist; diese gehen aber aus dem
Nierenbecken aus. Hier müsse man von Papillomatose des Nierenbeckens,
aber nicht von primärem Nierenkrebs reden.
Dr. Ikonnikow stellt die Diagnose auf Papilloma pelvis renis; auf
Grund des mikroskopischen Präparats handelt es sich um eine papillo-
matöse Neubildung. Wegen des atypischen Wachstums des Epithels in
das benachbarte Nierengewebe hinein muß auf Malignität geschlossen
werden.
Dr. Cholzow weist auf die Wichtigkeit der Diagnosenstellung in
Hinsicht auf die Operation hin. — Wenn eine Papillomatose des Beckens,
diagnostiziert wäre, so hätte auch der Ureter entfernt werden müssen,
um einer Dissemination vorzubeugen.
Dr. Derewenko bestätigt die mikroskopische Diagnose Dr. Ikon-
nikows und glaubt, ein Rezidiv erwarten zu können, wie im Falle von
Prof. S. Fedoroff.
Ref. fügt hinzu, daß er keine Impfungen an Meerschweinchen vor-
genommen habe, weil bei der Pat. tuberkulöse Herde in der Lunge be-
standen. — Bei der Operation wies das Nierenbecken keine Verände-
rungen auf; außerdem war die Niere höckerig, hart.
Dr. Cholzow rät, in diesem zweifelhaften Falle während der Ope-
ration die Niere zu eröffnen, wie Prof. Oppel es empfiehlt. Auch an
hämorrhagische Nephritis hätte man denken können. Demgegenüber be-
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578 Sitzungsberichte.
tont Ref., dab gegen letztere Diagnose die Harnanalyse sprach: Ab-
wesenheit der Zylinder und die einseitige Affektion.
Im Schlubwort sagt Prof, S. Fedoroff, daß man von primärem
Nierenkrebs nur dann reden könne, wenn die Neubildung aus dem Nieren-
parenchym ihren Ausgang nimmt: er hält den Fall für ein multiples
Nierenbeckenpapillom, das seinem mikroskopischen Bilde nach als malign
betrachtet werden müsse; überhaupt wären alle diese Affektionen malign.
da sie Rezidive geben und zu Dissemination in die Blase und die Ure-
teren neigen. In einem Falle hatte er einen primären Nierenkrebs be-
obachten können, der aus dem Harnkanälchen entsprang: in einem anderen
handelte es sich um ein Nierenbeckenpapillom, das den oberen Pol der
Niere vernichtet und ihn in ein Krebsgeschwülst umgewandelt hatte.
Der primäre Nierenkrebs fixiert die Niere schon in den ersten Stadien;
eine größere Beweglichkeit der Niere ist also ausgeschlossen. Die weitere
Beobachtung der Pat. wäre erwünscht, um festzustellen, ob ein Rezidir
auftritt.
Dr. Damsky: Ein großes Blasenpapillom: Entfernung desselben auf
endovesikalem Wege. (Demonstratisn des Kranken, des Präparates und
einer Variation des Operationsevstoskops).
Das Papillom wurde vom Ref, in 6 Sitzungen mittelst kalter
Schlinge durch das ÖOperationseystoskop entfernt. Es hatte ein Viertel
der Blase eingenommen. Nach der dritten Sitzung sistierten die Blu-
tungen. ‚Jetzt ist noch der Stiel der Geschwulst vorhanden. Die Varia-
tion des Instrumentes besteht in einer Schlinge auf elastischer Platte
(? Redaktion), wodurch die Entfernung der Neubildung erleichtert wird.
Die Dicke des Instrumentes ist Nr, 25.
An der Diskussion beteiligten sich die Herren Gorasch. N. Lesh-
neff, Gorodistsch, Bystrow, Kreps und Cholzoff.
Es wird darüber gesprochen, dab nicht bei allen Papillomen die
endovesikale Operationsmethode annehmbar ist, zumal sie in manchen
Fällen nicht radikal genug ist. Grobe Papillome müßten per Sectionem
altam entfernt werden. Rezidive wären bei endovesikaler Behandlung
bäufiger beobachtet.
+42, Sitzung unter Vorsitz des Vizepräsidenten Herrn Dr. B. Cholzow.
Dr. Gorodistsch führte einen Pat. vor mit Hypospadie des IN.
Grades (Mündung des Kanals am Hoden). Pat. hat eine Gonorrhoe
akquiriert; paraurethrale Seitengänge.
Dr. Cholzow weist auf die Häufigkeit der Tripperinfektionen solcher
Kranken hin. Besondere Aufmerksamkeit müsse den paraurethralen
(Gingen zugewandt werden.
Dr. Damsky spricht zu seinem, in der 41. Sitzung gehaltenen
Vortrage: über primären Nicrenkrebs und besteht auf Grund weiterer
Untersuchungen des Präparates auf seiner Diagnose; die Diskussion, an
ler sich die Herren Dr. Gubermann, Gorasch, Ikonnikow, Sysoew,
Cholzow beteiligten, ergibt nichts Neues.
Dr. Gorodistsch: Zur Pathologie und Therapie der Cystitis colli
gege
Sitzungsberichte. 579
prolifernus chronica (mit Krankendemonstration). Erschienen in dieser
Zeitschrift Bd. VII, Heft II.
Diskussion.
Dr. Leshneff: Die Cystitis proliferans ist die Folge einer Lymph-
stauung; daher befällt sie häufiger Frauen, bei denen die Schleimhaut
zarter und leichter lädierbar ist. L. beobachtete einen Fall, wo das
cystoskopische Bild an eine Neubildung denken ließ. Heilung erfolgte
nach Blasenspülung mit Resorcin.
43. Sitzung unter Vorsitz von Prof. S. Fedoroff.
Dr. Mirotworzeff demonstriert das Präparat einer Niere mit in
das Rektum transplantierten Ureteren (vor 21/, Jahren). Das Präparat
stammt von einem 15 jährigen Knaben, der wegen Blasenektopie ca. 20 mal
erfolglos operiert worden war und dem vor 2'/, Jahren von Prof. Oppel
die Ureteren in das Rektum transplantiert wurden, wonach er sich gut
fühlte. — Im Harn fanden sich keine Bakterien, klinisch Harninkonti-
nenz von seiten des Darms.. Um den Pat. auch davon zu befreien,
wurde die Schuhmachersche Operation vorgenommen, wonach indes Pat.
an akuter Sepsis zugrunde ging. Die Niere des Kranken zeigte außer
leichten Veränderungen einer interstitiellen Nephritis nichts Abnormes;
die Ureterenmündungen im Darm sind breit und oval. Der Darm un-
verändert.
Prof. S. Fedoroff weist darauf hin, daß in diesem Falle in der
Niere keine Erscheinungen eines aszendierenden Prozesses vorliegen, die
häufig bei den Ureterentransplantationen in den Darm beobachtet werden.
Dr.S. Liokumowicz: Ein Fall paroxysmaler Hämoglobinurie.
Pat. 37 a. n. bemerkte von Zeit zu Zeit Blut im Urin. Während
der Cystoskopie (zur Zeit der Blutungsperiode) entleert sich aus beiden
Ureterenöffnungen blutiger Urin. Vor 7 Jahren hatte er ein Ulcus penis.
Wassermann-Reaktion positiv. Bei Einstellen der Hände und Füße in
kaltes Wasser konnte man Hämoglobinurie hervorrufen. Von seiten des
Blutes nichts Abnormes. Erythrozyten 5600000; nach 3 Salvarsaninjek-
tionen und 10 inj. hydr. benzoic. war die Wassermann-Reaktion negativ
und die Hämoglobinurie verschwand.
Dr. Grinenko: Zur Frage der Prostatahypertrophie.
Ref. hat 15 Vorsteherdrüsen untersucht. Die mikroskopische Unter-
suchung ergab in der Mehrzahl der Fälle, daß es sich um Adenome
handelte.
44. Sitzung.
Dr. Gorasch zeigt ein zerbrochenes Instrument, das Pat. sich zu
onanistischen Zwecken in die Harnröhre eingeführt hatte. Es war in der
Pars posterior stecken geblieben und hatte vom Vortragenden heraus-
befördert werden müssen.
Dr. Alexandrow hatte einen Fall, wo sich ein Fräulein, wohl zunı
selben Zwecke, einen spitzen Bleistift in die Blase eingeführt hatte. Er
hatte ihn per urethram entfernt.
Dr. Smirnow erzählt, daß sich eine Frau, in der Absicht einen
580 Sitzungsberichte.
Abort hervorzurufen, eine elastische Sonde Nr. 18 aus Unkenntnis in die
Blase eingeführt hatte. Dort zerbrach sie und mußte unter Kontrolle des
Cystoskops mittelst einer besonderen Zange herausbefördert werden.
Dr. Cholzow wies auf die Häufigkeit solcher Fälle hin; in jedem
einzelnen Falle muß sich der Arzt zu helfen wissen. Allgemein gültige
Regeln gibt es nicht. Er erzählt, daß sich ein Pat. mit einem Messing-
draht bougiert und falsche Gänge gemacht hatte; er erwähnt eine Haar-
nadel, die er mit Salzen inkrustiert, hatte entfernen müssen usw.
A. Smirnoff: Über Divertikel der Harnröhre. — Er meint,
daß eine Theorie nicht jede Genese dieser Bildungen erklären könne.
Er demonstriert einen 23jährigen Kranken mit einem angeborenen Diver-
tikel in der Mitte des Pars pendula, und erzählt von einem anderen
(37 Jahre), wo die ebenfalls kongenitalen Divertikel gleich hinter der
Fossa navicularis sich befanden. Im Divertikel waren Steine, die dem Pat.
in seinen Kinderjahren schon aus der Blase hatten entfernt werden müssen,
45. Sitzung unter dem Vorsitz von Prof. S. Fedoroff.
Prof. W. Oppel: Zur Kasuistik der Blasenausschaltung. —
Patientin 44 Jahre alt, trat in die Klinik ein mit Klagen über Schmerzen
beim Urinieren, Blut im Urin und Abmagerung. Cystoskopisch wurde
Karzinom an der hinteren Blasenwand konstatiert. Die Indigo-Karmin-
Probe ergab gefärbten Urin nach 25 Minuten (statt 10—15 Minuten
normaliter). Es wird die Operation der Blasenausschaltung vorgeschlag:n
— in der Voraussetzung, die Blase später vollkommen zu entfernen.
Operation unter Hedonalnarkose. — Transplantation der Ureteren in das
Colon pelvinum nach der Methode von Mirotworzew. Technisch war
die Operation recht schwierig wegen der Tiefe des Beckens, des ver-
größerten Uterus und des fixierten Colon pelvinum. Außerdem trat
während des Einschnittes etwas Darminhalt heraus. Im Laufe des ersten
Tages wurde aus dem Darm kein Urin entleert, peritonitische Erschei-
nungen; Laparatomie in dem Glauben, daß eine Abknickung der Ureteren
vorliege: ein Exsudat in der Bauchhöhle, beide Ureteren ihrer Größe
nach normal; es wird nunmehr Atonie der Ureteren als Folge der Peri-
tonitis angenommen; der linke Ureter wird vom Darm losgelöst und in
die Haut eingenäht (Ureterostomie); die linke Niere dekapsuliert. Nach
2 Tagen kein Urin; am dritten Tage aus der linken Niere 350,0: am
4. — 450,0; am 5. — 670,0; am 6. — 1000,0; am 7. — 800,0; am
8. — 850,0.
Aus der rechten Niere 6 Tage lang kein Urin: am 6. — 300,0;
am 7. — 700,0; am 8. — 600,0. Am 11. Tage Exitus an Peritonitis
und katarrhalischer Pneumonie.
Dieser Fall zeigt die Bedeutung der Dekapsulation der Niere an
in bezug auf deren Funktion; die linke dekapsulierte Niere begann am
3. Tage zu arbeiten, die rechte — am 6. Von da an arbeiteten beide
Nieren gleichmäßig, der rechte Ureter war also nicht komprimiert oder
abgeknickt; es handelte sich um eine reflektorische Anurie oder Atonie
der Niere und des Harnleiters.
Prof. S. Fedoroff wies auf das Interesse des Falles hin, in dem
Sitzungsberichte. 581
die Bedeutung der Dekapsulation auf die Harnabsonderung sich so ekla-
tant auswies und berührte die Indikationen zur Blasenausschaltung, die
vom Ref. und seinen Schülern warm empfohlen wird. Diese Methode hat
sich bei Krebs und Tuberkulose wenig bewährt, zumal man es hier mit
dekrepiden Fällen zu tun hat. In einem Falle indes wurde einem Pat.
mit Tuberkulose der Blase, dem Dr. Dobrotworsky schon eine Niere
exstirpiert hatte, der Ureter transplantiert ins Rektum; am anderen Tage
waren Schmerzen und dysurische Erscheinungen geschwunden; die Aus-
schaltung der Blase ist also palliativ bei Krebs und Tuberkulose der
Blase indiziert.
Dr. Kalenitschenko: Zur Kasuistik doppelter Harnleiter.
Im Jahre 1887 hat Schwarz einen Fall von Duplizität der Ureteren
beschrieben; seitdem sind in der Literatur ca. 500 Fälle angeführt, wobei
nur in 5 die Ureterenmündungen sich auf dem Lig. Interureterium be-
finden und in vivo diagnostiziert wurden (cystoskopisch). Gewöhnlich
werden sie erst auf dem Sektionstisch nachgewiesen oder während der
Operation; es wäre aber für die Operation selbst wichtig, diese Anomalie
vorher zu konstatieren.
Ref. demonstriert 2 Fälle cystoskopisch: 1. Klagen über eystitische
Erscheinungen nach Urethritis: links eine an normalem Ort sich befindende
Ureteröffnung, rechts — zwei nebeneinanderliegende; aus beiden — trüber
Urin; Indigokarmin — in die eine Ureteröffnung eingeführt, entleert sich
nicht aus der anderen. 2. Urethritis seit 2 Jahren. Prostata um das
Doppelte vergrößert; Cystitis, trüäber Urin. Häufiger Drang — bis zu
10 mal täglich. Rechts — eine Mündung, links zwei — eine über der
anderen. In beide wurden Katheter mit Mandrinen eingeführt und
Röntgenaufnahmen gemacht.
In der Diskussion führt Dr. Perischivkin aus, daß Anomalien der
Harnleiter nicht selten sind; nach Krause wurden sie in h der Fälle
konstatiert. Doppelt sind die Ureteren entweder in ihrer ganzen Länge
und erscheinen einfach an der Blase, oder sie verdoppeln sich an der
Niere T förmig, oder sie verdoppeln sich an der Blase in obiger. Form und
kommen einfach zur Niere. Diagnostiziert wird diese Anomalie cystoskopisch,
durch die Indigo-Karmin-Probe, oder röntgenographisch (Pyelographie).
46. Sitzung unter Vorsitz von Prof. S. Fedoroff.
Dr. Girgolaw demonstriert einen Patienten mit einem Stein im
Divertikel der Harnröhre.
Der Fall ist interessant wegen der Größe des Steins (32 g) und seines
langen Aufenthaltes im Divertikel, ohne Erscheinungen zu machen (seit
20 Jahren). Die ersten Unbequemlichkeiten verspürte Pat. vor */, Jahr,
weil der Koitus schmerzhaft wurde und Harnbeschwerden eintraten. Pat.
ist 28 Jahre alt.
Dr. Milenuschkin: Zur Ätiologie und Therapie des Pria-
pismus (erschienen in Russky Wratsch, Nr. 52, 1912).
In der Diskussion beschreibt Dr. N. Leshneff 3 Fälle, Dr. Woi-
nitsch 2, Dr. Poljakow einen (nach Muiracethin).
Dr. Julius Grünberg-St. Petersburg.
Literaturbericht.
L Harnrôhre und Penis.
a) Penis.
Epispadias avec uretre normal. Von Broca. Sociité nation, de
Chirurgie de Paris, Dezember 1912. (Archives générales de Chirurgie 1913. 3,
p- 92%.)
Broca findet bei einem Epispaden an der Stelle des normalen
Meatus urethrae eine Öffnung mit den Verhältnissen der normalen Han,
röhre, nur ist dieselbe im Bulbus auf 6 Ch. verengt. Eine stärkere ın
die epispadische Offnung eingeführte Sonde dringt bis zur Blase. ohne
die erste Sonde zu berühren. Durch beide Katheter fliet Harn ab.
Koexistenz zweier Kanäle ist exzeptionell. Der nichtinkontinente Kranke
uriniert meist durch die epispadische Harnröhre, ein wenig durch die
normale Urethra. Mankiewicz- Berlin.
Zur Operation der Hypospadie. Von Arthur Edmunds. (Lancet.
15. Februar 1913.)
Verf. spricht sich zugunsten eines mehrzeitigen Vorgehens aus und
beschreibt die technischen Einzelheiten seiner Methode, bei der es sich
um 3 Operationen mit Zwischenzeiten von je mehreren Monaten handelt.
Zahlreiche Abbildungen begleiten seine Ausführungen und machen sein
operatives Vorgehen verständlich. Er hat stets gute Resultate gehabt
und meint. dab sich seine Methode schon bei 3jährigen Knaben durch-
führen läßt, obwohl sie natürlich in einem mehr vorgerückten Alter
wegen der Gröbe der einzelnen Teile leichter ist.
W. Lehmann-Stetrin.
Enfant hypospade. Von Marion. Soe. nation. de Chirurzie 1912,
November, {Archives générales de Chirurgie 1913, 2, p. 105.)
Marion hat einen fünfmal vergebens operierten hypospadischen
Knaben durch Enfernung alles fibrösen Gewebes -— Resultat der früheren
Eingriffte — Wiederherstellung des Kanals in der Eichel und in einem
Teil der Pars pendula penis und schließlichem Schluß der beiden Harn-
röhrenteile zur Heilung gebracht: bei der dritten Operation wurde durch
Sectio alta der Harn temporär abgeleitet. Mankiewicz- Berlin.
Frenulo praepuziale supranumerario. Von Majocehi. Rok
Accademia delle Seienze di Bologna, 1912. (La Clinica chirurgica 1912. 12.
p. 2439.)
A ajocchi beobachtete zwei Fälle von überzähligem Frenulum dei
putii, die er nach Sitz, Form, Insertion, histologischen Einzelheiten und
Genese beschreibt. Antist rez: Berlin
D tn + “+ tn am
—— ..
Harnröhre und Penis. 583
Eine eigenartige Penisplastik. \on Dr. Jansen. Assistenzarzt der
chir. Abt. des städt. Krankenhauses in Stralsund. (Med. Klinik 1913, Nr. 12.
Auf die chirurgische Abteilung des Stralsunder Krankenhauses kam
ein Tljähriger Mann wegen Harnverhaltung. Der Versuch, zu katheteri-
sieren, scheiterte zunächst daran, daß der Mann keinen Penis hatte. Man
sah nur eine weit über mannskopfgroße Leistenhernie, die nicht repo-
nierbar war und schon seit über 50 Jahren bestand. Erst nach An-
heben dieser Hernie fand sich am Damm, am Rande des Skrotums, eine
feine, narbig verengte Fistelöffnung. Die weitere Nachforschung ergab.
dab dem Manne vor zwei Jahren in einer auswärtigen Klinik der Penis
wegen Karzinoms amputiert war. Da der Operateur befürchtete, dab
der Mann sich beim Urinieren andauernd das Skrotum benetzen würde,
anderseits die Radıkaloperation der Riesenhernie zu gefährlich erschien,
hatte er den Stumpf auf den Damm verlagert. Das Einführen eines
Katheters gelang nicht, weil die Harnröhre jetzt eine S-förmige Krüm-
mung hatte. Es blieb demnach nichts anderes übrig, als operativ Hilfe
zu schaffen. Nach Umschneiden der Fistelöffnung gelingt es relativ leicht,
die Urethra bis zur Symphyse herauszupräparieren. Sie wird dann von
der Symphyse abgelöst und hängt nun als 10 cm langes Rohr, durch das
sich leicht ein Nelatonkatheter in ungefähr gerader Richtung nach oben
in die Blase schieben läßt, aus der Wunde heraus. Die von der Sym-
physe losgelöste Urethra wurde nun in einen Penis retroscrotalis umge-
wandelt, indem sie mit Haut bedeckt wurde, die an der Hinterfläche des
riesigen Bruchsackes reichlich vorhanden war. Es wurde hier ein 20 cm
langer, & cm breiter Hautlappen mit der Basis am Wundrande gebildet
und ın Spiraltouren um die Urethra gelegt. Einige Nähte fixierten die
Touren aneinander, ebenso an der Mündung der Urethra. Der Mann
konnte nach Entfernung des Katheters spontan leicht Harn lassen.
Kr.
Meatotomy. An improved Technik for the Operation. Von
E. G. Ballenger- Atlanta und O. F. Elder-Atlanta. (New York Medical
Journal, 1. Fehruar 1913.)
Die Meatotomie wird von den Autoren folgendermaben ausgeführt:
Einige Kristalle oder eine Tablette Kokain werden in den Meatus ge-
lest und fünf Minuten dort belassen. Zur Vermeidung der Blutung wird
ein Gummiband angelegt. Nachdem mit einem geknöpften Messer der
Meatus in der gewünschten Ausdehnung eingeschnitten ist, werden die
Schnittflächen mit steriler Gaze getrocknet und mit einer gesättigten
Lösung von Silbernitrat in konzentrierter Karbolsäure betupft. Dabei
ist sorgfältig eine Benetzung der Urethra oder der Glans zu vermeiden.
Dann wird die Monselllösung appliziert, und während diese noch feucht
ist, das Gummiband gelöst und eine etwaige Blutung beobachtet. Ist
diese nach fünf Minuten nicht eingetreten, kann jeglicher Verband und
Nachbehandlung unterbleiben. Ist eine Blutung aufgetreten, dann mub
die Monselllösung noch einmal angewendet werden. Wenn die nach-
folgende Schrumpfung auch geringer ist als bei dem üblichen Verfahren,
so empfichlt es sich doch, den Schnitt zweimal so grob als die beab-
Zeitschrift für Urologie. 1913. 59
584 Harnröhre und Penis.
sichtigte Erweiterung anzulegen. Wesentlich ist, daß die Blutung vor
Anwendung der Silberlösung stehen muß. N. Meyer-Wildungen.
Induratio penis plastica. Von Marine-Oberstabsarzt Dr. M. zur Verth
und Dr. K. Scheele. (Deutsche Zeitschr. f. Chir., 121. Bd., Februar 1913;
Drei Fälle von Induratio penis plastica, die innerhalb Weniger
Wochen in der Chir. Univ.-Poliklinik zu Berlin zur Beobachtung der
Verf. kamen, waren die Veranlassung, sich mit der Induratio penis
plastica unter besonderer Berücksichtigung der Ätiologie und Therapie
zu befassen. Die echten Fälle von Induratio penis plastica kennzeichnet
ein typischer Krankheitsverlauf: Meist in höherem Alter entwickeln sich
am Rücken des männlichen Gliedes knorpelharte Bindegewebsplatten.
Die bedeckende Haut ist unverändert und gut verschieblich. Die Platten
sind am Septum oft mit der Tunika der Schwellkörper fest verwachsen:
auch kann das Septum allein erkranken. In vorgeschrittenen Fällen kann
die Bindegewebswucherung auf die Schwellkörper übergehen und können
Verkalkung und Verknöcherung in den Platten auftreten. Am erschlafften
Glied ist der Knoten bei Betastung und Druck schmerzlos. Erst bei
Erektionen treten Beschwerden auf, die in Schmerzen, Verkrümmungen
des Gliedes nach der Seite der Induration (Strabismus penis) und un-
vollständiger Erektion (Erection louche) bestehen. Seltener macht die
winklige Knickung jede Ejakulatien bei erigiertem Penis unmöglich.
Mechanische, später auch psychische Impotentis coeundi, schwere Alte-
rationen im Seelenleben, die sich bis zu Selbstmordversuchen steigern,
können die Folge sein. Wesentliche Bedingungen für die Entstehung
der Induratio penis plastica sind Elastikaveränderungen in den Hüllen
des Penis. Für diese Auffassung sprechen die Lage der Induratio in
der elastikareichen Fascia penis, analoge Verwandlungen elastischer Ele-
mente in anderen Organen (Blutgefäße, Trachea), die Übereinstimmung
des Alters, in dem die Erscheinungen der Arteriosklerose auftreten mit
dem Alter der an Induratio penis plastica Erkrankten. Als schädliche
Momente für das elastische Gewebe sind anzusehen äußere Ursachen
(leichte Traumen, Erregungen, chronische Erektionen) und innere Ur-
sachen (Alter, Gicht, Diabetes, Arteriosklerose, alte Syphilis, chronische
Gelenkerkrankungen, Gifte: Nikotin, Alkohol). Für die Knochenbil-
dungen kommen ferner als wesentliche Bedingungen Blutaustritte nach
mehr oder weniger schweren Traumen, arteriosklerotische Ernährungs-
störungen, sowie wohl als seltenster Befund unmittelbare Umwandlung
elastischer Elemente in Knochengewebe in Betracht. Die beste Behand-
lung ist die sorgfältige Exstirpation der Platten mitsamt des Rückenteils
der Fascia penis. Kr.
Fibrome du gland. Von L. Desgouttes. (Lyon médical 1913. 4.
p. 145.)
L. Desgouttes sah einen 60 jährigen Mann, der seit mehr als
20 Jahren sich langsam entwickelnde Fibrome an vielen Kôrperstellen
aufwies. Seit 10 Jahren ein Fibrom an der rechten unteren Seite der
Eichel, das jetzt unter Balanitis wie eine kleine Mandarine aussah und
Harurôhre und Penis. 585
ulzeriert war. Ausschälung mit Entfernung von 3—4 em unterer Harn-
röhrenwand, die nur mit Längsnaht und Hypospadiestellung zu besei-
tigen war. Fibrom. Mankiewicz-Berlin.
Cancer de la verge. Von Gayet. Société de Chirurgie de Lyon,
12. XII 1912. (Lyon medical, 1913, 9, p. 464.)
Gayet hat bei einem 57 jährigen Manne trotz eines enormen Krebse:
des Penis nicht die totale Emaskulation ausgeführt, sondern nach Ein-
planzung der Urethra membranacea am Damm den Penis samt den
Lymphdrüsen der Leiste in toto ausgeschalt, die Hoden rechts und links
in das Skrotum zurückgedrängt und so die Hoden erhalten, weil er nie-
mals ein Rezidiv im Bereich der Testes gesehen und die Patienten
Wert auf die Erhaltung der Keimdrüse {innere Sekretion?) legen.
Mankiewicz- Berlin.
b) Harnrühre.
Harnrôhrenentzündungen nichtgonorrhoischer Natur. Von
Regimentsarzt Dr. Eugen Brodfeld, Abteilungschefarzt im Grarnisonsspital
\r.15 in Krakau. (Med. Klinik, Nr. 6. 1912.:
Reize, hervorgerufen durch chemische, mechanische, thermische und
bakterielle Einwirkung, sind die häufigsten Ursachen derartiger Harn-
röhrenentzündungen. Von den durch chemische Agentien hervorgerufenen
Urethritiden sind in erster Linie jene zu nennen, die infolge präventiver
Injektionen post coitum dureh starke konzentrierte Lösungen hervor-
gebracht werden. Hier sind auch anzuschließen diejenigen Urethritiden,
welche lange Zeig nach Behandlung einer Gonorrhöe zurückbleiben, in-
folge zu langer und forcierter Behandlung der letzteren. Durch Ver-
wechslung von Injektionsflüssigkeiten, sei es durch den Patienten selbst
ader durch das Wartepersonal, werden, wenn auch selten, Urethritiden
heftiger Art infolge Verätzung erzeurt, die auch zu Strikturen führen
können. Bekannt sind solche Verätzungen mit Karbolsäure, Sublimat-
lösungen. Jodtinktur und Alkohol absolutus. Bei den durch präventive
injektionen hervorgerufenen Katarrhen ist natürlich Aussetzung des Mittels
anzustreben. Bei Verätzungen der Harnröhrenschleimbaut empfehlen sich
feuchte Umschläge, eventuell Spülungen mit leichten Kalinmpermanganat-
lösungen. Traumen, sowohl gröbere als auch kleinere, können durch
mechanische Einwirkung einen Entzündungszustand der Harnröhre mit
Austluß bewirken. Derartige traumatische Urethritiden kommen infolge
Verletzungen und Reizungen bei nicht sachgemäbem Katheterisieren,
Bougieren, beim Durchgange von Nieren- und Blasenkonkrementen durch
die Harnröhre, besonders wenn letztere spitzisr sind, zustande. Die Mehr-
zahl derselben wird aber bei masturbatorischen Spielereien hervorgebracht:
®wwohl weiche als auch harte zu diesem Zweck in die Harnröhre ein-
geführte Gegenstände bewirken einen Reiz mit Sekretion. Die Therapie
soll eine exspektative sein, natürlich mit Ausschaltung der reizenden Ursache.
Höchstens bei den genannten Konkrementen muß man, um sie rascher
binauszubringen, stark diuretisch wirken durch reichliche Flüssirkeits-
aufnahme, dünnen Tee, Milch oder gewöhnliches Wasser, eventuell Säuer-
Bu +
586 Harpröhre und Penis.
linge. Durch thermische Einwirkung wird nur in seltenen Fällen eine
Urethritis hervorgerufen; dagegen sind die durch bakterielle Einwirkung
hervorgebrachten häufig. Bekannt ist, daß nach einem Verkehr mit Men-
struierten oder leukorrhoischen Individuen ein geringfügiger Katarrh ent-
stehen kann, welcher spontan heilt. Das Fehlen von Gonokokken, resp.
der Nachweis anderer Keime ist in solchen Fällen entscheidend. Die
Schmerzen sind gering, der Ausfluß meist schleimig-eitrig. Zu dieser
Gruppe gehören ferner die Katarrhe, die durch ein in der Urethra be-
findliches Ulcus molle oder durum entstehen. Nachweis der spezifischen
Erreger dieser Geschwüre, das Verhalten der regionären Drüsen sind
entscheidend. Auch bei Effloreszenz auf der Urethralschleimhaut infolge
Syphilis kommen schleimigeitrige, wenig sezernierende Katarrhe vor. Bei
Katarrhen infolge Ulzera der Harnblase sInd Jodoformstäbchen (Jodo-
formii 2,0, Butyr. Cacao q. s. u. f. Bacilli urethral. Nr. X — zweimal
täglich ein Stäbchen empfehlenswert. Endlich ist hier noch die Uror-
rhoea ex libidine zu erwähnen: bei Personen, deren Harnröhrenschleim-
haut infolge überstandener Gonorrhöe oder infolge Onanie gereizt ist,
aber auch ohne diese Disposition kommt es manchmal infolge längerer
geschlechtlicher Erregung zur wasserklaren schleimigen Sekretion, welche
bei geringen Graden nur als Tropfen in dem Orificium externum sich
präsentiert. Mikroskopisch finden sich im Sekret Schleimkörperchen,
Epithelien, auch Kokken, jedoch keine Gonokokken oder Eiterzellen.
Die Therapie ist in leichten Fällen eine exspektative, bei länger dauernder
Sekretion empfiehlt Finger einige Injektionen schwacher Sublimatlösungen
(1:4000). Kr.
©
Zur Behandlung der totalen Harnröhrenzerreissung. Von Dr.
Arthur Hofmann in Offenburg. (Zentralbl. f. Chir. Nr. 5, 1913.)
Verf. hat sich in drei Fällen von traumatischer totaler Ruptur der
Harnröhre folgendes Verfahren bewährt: Nach erfolglosem Versuch des
Katheterismus: Sectio alta, Einführung des für diesen Fall von Verf.
speziell konstruierten Metallkatheters durch die innere Harnröhrenöffnung
und Vorstoßen bis zur Rupturstelle: Einschneiden auf den Schnabel de:
Katheters, bis derselbe über dem Damm zutage tritt. Nun wird der
unten beschriebene halbweiche Katheter mit einem Griff an den Schnabel
des Metallkatheters anmontiert und durch Blase und Bauchdecken heraus-
gezogen. Der zweite Akt der Operation besteht darin, daß derselbe
Metallkatheter nun von der Harnröhre aus nach der Wunde am Damm
durchgeführt wird, woselbst dann das andere Ende des aus der Damm-
wunde herausschauenden halbweichen Katheters gleichfalls mit einem
Griff am Metallkatheter angebracht und durch die Harnröhre nach außen
herausgezogen wird. Die weitere Versorgung der Wunden geschieht in
der bisher üblichen Weise. Die beiden Enden des halbweichen Katheters.
welche aus Blase und Harnröhre herausschauen, werden mittels Faden
verbunden. Diese Art der Befestigung hat den Vorzug, daß man mit
dem als Dauerkatheter nun liegenden halbweichen Katheter täglich Vor-
wärts- und Rückwärtsbewegungen ausführen kann. welche zur Wieder-
herstellung der neuen Schleimhautbrücke wesentlich beitragen. In den
Harnrôhre und Penis. 587
vom Verf. operierten Fällen war bald nach Entfernung des Katheters
spontanes Urinieren möglich, und die Rupturstelle heilte ohne Striktur.
Der Metallkatheter unterscheidet sich in weiter nichts von den bisher
üblichen, als daß der Schnabel eine Halbrinne bildet, die nach der Spitze
zu offen ist und sich konisch verjüngt. In diese Halbrinne hinein können
nun die Enden eines halbweichen, zugespitzten und an jedem Ende mıt
einem Köpfchen versehenen halbweichen Katheters eingelegt werden, so
daß selbst bei kräftigem Zug eine innige Verbindung beider Katheter
ermöglicht ist. Der Katheter wird hergestellt von der Firma Franz
Rosset, Freiburg i. B. Kr.
De l’autoplasie cutanée dans la cure des fistules graves
urétéro-rectales. Von E Michon-Paris. (Journ. d'Urol. Tome II, No. 5,
1912.)
Zur Deckung schwerer Mastdarm-Harnröhrenfisteln wird ausnahms-
weise bei sehr rigidem Damm eine Plastik empfohlen, welche ihr Material
aus der Haut des Skrotums nimmt, und zwar so, daß die Epithelschicht
des Lappens dem Lumen der Urethra zugekehrt wird.
Die Operation ist eine dreizeitige. Sie hatte in mehreren Fällen
ein sehr gutes Resultat. 8 A. Citron-Berlin.
Comparison of internal and external urethrotomies for tight
strictures of the male. Von CA Bucklin-Glasgow. (Medical record
14. 1. 1913.) | |
Nachdem Bucklin die Nachteile der inneren Urethrotomie erwähnt
hat, beschreibt er das von ihm seit 1875 geübte Verfahren der äußeren
Urethrotomie, daß sich ihm in jedem Falle gut bewährte. Das Vor-
gehen ist etwas verschieden, je nachdem die Striktur für eine Filiform-
sonde passierbar ist oder nicht. Im ersteren Falle wird eine Fischbein-
filiformsonde, möglichst mit Korkzieherspitze, durch die Striktur geführt,
und bleibt bis zum Schluß der Operation liegen. Ein Katheter wird
nun über die Filiformsonde gezogen und bis in die Striktur vorgeschoben.
Es wird jetzt unter Vermeidung der Verletzung der Filiformsonde auf
die Spitze des Katheters eingeschnitten, durch die beiden Schleimhaut-
lippen des durchgeschnittenen Urethralbodens werden Nähte gelegt, die
als Haltefäden dienen. Ein Messer mit sondenförmiger Spitze wird an
einer Seite der Filiformsonde eingeführt und die Striktur durchschnitten.
Gelingt es jedoch nicht, eine Filiformsonde durch die Striktur zu bringen,
dann wird ein Katheter eingeführt und dort auf seine an der Striktur
liegende Spitze eingeschnitten. Die Urethra wird eröffnet, wie oben
werden Haltefäden angelegt und nun mit Stirnspiegel, Vergrößerungsglas
und feiner Sonde die Öffnung gesucht. Der Autor ist so stets zum Ziel
gekommen.
Die Nachbehandlung ist sorgfältig durchzuführen. Ein Monat täg-
liche, ein Monat zweitägige und ein ganzes Jahr wöchentliche Bougie-
rungen sind notwendig, die aber auch vom Patienten selbst ausgeführt
werden können. Für die Operation genügt Lokalanästhesie vollständig.
N. Meyer- Wildungen.
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DSS Harnröhre und Penis.
Les uretres doubles. Von M. Lebrun- Paris, Service du Dr. Marioni
(Journ. dUrol, Tome 11 No. 3. 1912.)
Verf. be-pricht die 39 in der Literatur erwähnten Fälle von Ver-
doppelung der Harnröhre. Man unterscheidet nach Gruppen: 1. Haru-
röhrenverdoppelung mit einfachem Penis. 2. Harnröhrenverd»ppelung
mit doppeltem Penis. Die intraktivsten Beispiele der ersten Gruppe
liefern die Fälle von Posner und Schwyzer (Schweitzer?!, Delbe:
und Clievoli und Bovnabitaeola. Fälle der zweiten Gruppe sind
sehr selten in Anbetracht der Tatsache, dab sie fast Immer publiziert
zu werden scheinen und ihre Gesamtzahl in der Literatur nur 15 be
trägt. Näher besprochen werden die Fälle von Lanze und von Volpe.
Ein genaues Jäteraturverzeichnis ist beiregeben,
A. Citron- Berlin.
Ein seltener Fremdkörper in der männlichen Harnröhre. Von
Häner in Hohenstein Ostpr.. Al unhuet med. Wochenschr, 1915, Nr. IL
Ein ‘Ojähriger Mann, der infolge von Prostatahvpertrophie eme
Hirnretentiom bekam, führte sich eine Hutnadel mit dem Knopf voran
in die Harnröhre em. in gler Hoffnung, durch diese Manipulation die
Retention zu beheben, Am nächsten Tage war er genötigt, den Arzt
aufzusuchen. Es hatten sich starke Schmerzen, Schwellung des Penis.
Verfärbung eines Teiles der Haut eingestellt; die Retention bestand
natürlich noch. Da die Spitze der Nadel dicht unter der Haut zu
fühlen war, also extrauretliral lag. sah IT. von dem Versuch, sie per via
naturales zu entfernen ab. und machte die Urethrotomia externa E-
kam eine IS cm lange Hutnadel zum Vorschein mit einem 7 mm dicken
Knopf. Sofort nach Entfernung des Fremdkörpers entleerte sich viel
Urin. Heilung per prima, Brauser- München,
Enuresie Distension de la vessie et retention d'urine occasi-
onnée par la présence d'un calcul enclavé dans la canal
urethral. Von Fabre-Commentry. Revue pratigue des maladies dis or.
vanes genite-urinres, ‚Jan, 11113.
Bei einem 7jährigen Knaben ist durch einen Stein, der 2’, em
hinter der Harnröhrenmündung festgeklemmt sab. eine hocheradige Irin-
retention mit Ausdehnung der Blase bis zum Nabel entstanden. Es ge-
lang leicht, eine Sonde neben dem Stein einzuführen und dadurch den
spastischen Krampf der Harnröhre herabzusetzen. Durch eine Pinzette
wurde die Harnröhre etwas erweitert und der Stein schließlich in der
Weise aus der Harnröhre entfernt, dab man das Glied zwischen die
Branchen der Pinzette nahm und den Stein herausquetschte. Es war ein
Oxalatstein mit P’hosphät-puren. Bemerkenswert an dem Fall war unter
anderm «die vollkommene Anurie und das Fehlen von Inkontinenzersehèt-
nungen, wie sie sonst bei Hleusleiden im Kindesalter zu beobachten sul,
die enorme Ausdehnnngsfähigkeit der Blase, der Spasmus urethrae, welcher
dureh Einführen der Sonde gelöst wurde, das Fehlen von Blut im Urin
und das Fehlen irgendemer erblichen Belastung im Sinne einer Har-
säure-Diathese = tuberkulose Belastung war vorhanden. Außerden zeigte
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Harnröhre und Penis. 589
dieser Fall, wie wenig verläßlich Angaben der Angehörigen sind. Die
Angehörigen behaupteten nämlich, der Junge hätte einen Fremdkörper in
die Harnröhre eingeführt. Maas.
Über Prostataelemente bei Urethrorrhoea ex libidine. Von
E. Pfister-Kairo. (Deutsche med. Wochenschr. 1913, Nr. 3.)
Das Sekret der Urethrorrhoea ex libidine zeichnet sich durch den
fast völligen Mangel an korpuskulären Elementen aus, es besteht gewöhn-
lich nur aus Schleim und einigen Epithelien. Pfister fand bei einem
62jährigen Herrn, dessen Geschlechtstrieb noch sehr lebhaft war, in einem
solchen Sekret auch geschichtete Corpora amylacea. Sie stammen wohl
auch aus der Prostata, die bekanntlich bei älteren Leuten mit diesen
Elementen sehr stark durchsetzt ist, und bei denen sie sich nicht nur
in den Ausführungsgängen, sondern auch auf dem Colliculum seminalis
zuweilen sehr reichlich anhäufen. Wahrscheinlich sind diese Elemente
in dem vorliegenden Falle mit dem Harnstrom in die Urethra anterior
hineingeschwemmt worden. Die andere Möglichkeit, daß auf nervöser
Basis eine Prostatarrhoea ex libidine partieller Natur, die nur die Cor-
pora amylacea betraf, in Verbindung mit einer Urethrorrhoea ex libidine
im Spiele gewesen sei, bat weniger Wahrscheinlichkeit.
Ludwig Manasse-Berlin.
Étude uréthroscopique de l'urètre. Von Georges Luys-Paris.
(Journ. d'Urol. Tome II, No. 2, 1913)
Luys schildert sein urethroskopisches Instrumentarium, welches in
den letzten Jahren noch vervollkommnet worden ist. Man kann die
Urethroskopie als eine fertige Methode betrachten, welche in diagnosti-
scher Hinsicht die präzisierten Aufklärungen gibt und der Therapie
wirksamstes Eingreifen ermöglicht. Indem Luys auf die genaue Be-
schreibung der urethroskopischen Methoden in seinem Buche „Traité de
la Blennorragie“ verweist, erläutert er noch einige Befunde der normalen
und pathologischen Harnröhre an schönen photographischen Aufnahmen.
r A. Citron-Berlin.
Respectons l’épithélium cylindrique de l’urètre de nos ma-
lades et leurs testicules! Evitons-leur toute complication! Von
Jules Janet. (Journ. d'Urol. Tome II, No. 6, 1912.)
Wenn ein Kranker mit Gonorrhoe zum Arzte kommt, verfügt er
in der Regel noch über ein Zylinderepithel oder Reste eines solchen,
sowie über gesunde Testikel. Wir sind verpflichtet, ihm dieses Depot
unversehrt zu erhalten. Das Zylinderepithel ist der beste Schutz der
Harnröhre gegen banale Infektionen. Die Umwandlung dieser Schicht
in Plattenepithel, sei es auch nur eine teilweise, in ringförmigen Zonen
oder longitudinalen Streifen angeordnete, dient dein Eindringen von In-
fektionserregern. Wenn wir dies beherzigen, werden wir sparsamer sein
mit kaustischen und desquamationsbefördernden Mitteln.
Unter 3 Hodenentzündungen kann man eine dem natürlichen Fort-
schreiten der Gonorrhoe zuschreiben, eine der Unvernunft des Patienten
590 Hoden und Hüllen.
und eine der Unvernunft des Behandelnden. Man kann alo von 3
Hoden 2 vor der Erkrankung bewahren, wenn man die Gonorrhoe im
Fortschreiten hemmt und therapeutische Irrtümer vermeidet. Die Be
völkerungsapostel flehen uns an, die wenigen vielleicht noch gutwilligen
Hoden zu schonen. Die Spezialärzte sind immer in Gefahr, selbst
geschaffene Komplikationen kurieren zu müssen. Sie müssen aber bei
jeder Komplikation „mea culpa* sagen und das nächste Mal vorsichtiger
sein. Um unsere Heilmittel einem guten Schüler beizubringen, dazu
genügen 2 Tage, sie aber so glücklich anzuwenden, dab aus einer Klientel
von Gonorrhoikern eine Schar von gesunden und fruchtbaren Menschen
wird, dazu reicht nicht das Leben eines Spezialisten aus.
Janet verspricht, über diese Kunst in einer weiteren Serie zwang-
loser Artikel zu plaudern (was uns bei der Fülle seiner Erfahrungen
und dem leichten Humor der Überlegenheit, welcher diese Aufsirze
würzt, nur willkommen sein kann). A. Citron- Berlin.
Prolaps der Urethra bei einem kleinen Mädchen. Von F. A.L.
Hammond-Maymyo. Lancet, 7. Dezember 1912.)
Ein stark absondernder Tumor am Genitale eines jährigen Mid-
chens stellte sich als die auf 7,5 em prolabierte Urethra heraus. Die
prolabierte Partie wurde einfach weegeschnitten und die Wunde vernäht
mit dem Erfolge prompter Heilung. Während der Operation wurde
festgestellt. daß der ganze Beckenboden lose war; zu gleicher Zeit wird
bemerkt, daB eine gewisse Erschlatffung der Genitalorgane unter euro-
päischen Frauen ın den Tropen sehr häufig ist.
W. Lehmann-Stettin.
ll. Hoden und Hüllen.
Reperto istologico di testicolo in un caso di pseudo-erma-
froditismo. Ven G. Moriani. Accademia medico-ħsica Fiorentina 5. AH.
1012. (La chniea chirurgica 1913, 2, p. 465.)
Moriani hat in einem Falle von transversalen Pseudohermaphrodi-
tismus den ganzen tubularen Teil der Geschlechtsorgane weiblich, die
Keimdrüse männlich gefunden. Die körperlichen und psychisch antlıro-
pologischen Charaktere des Individuums waren weiblich. Die chirurgi-ch
aus den Leistenkanälen entfernten Hoden zeigten reichliche interstitielle
Proliferation und deutliche Atresie der Samenkanälchen infolge fehlender
Funktion. Mankiewicz- Berlin,
Torsion intravaginale du cordon spermatique. Von G. Cotte.
Société nationale de médecine de Lyon. 11. Nov. 1912. (Lyon médical 1912. 4.
S. opd.)
G. Cotte zeigt einen 2Ojährigen, früher an Ectopia testicularis
sinistra operierten Patienten, der zu wiederholten Malen von plötzlichen
Schmerzen und Schwellung im rechten Hodensack und rechter Leiste be
fallen wurde. Jetzt besonders heftiger Schmerz und Schwellung mit Er-
brechen bei Besteizen eines Wagens. Die Schwellung ging zurück, und
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Hoden und Hüllen. 591
die anscheinende Hodentorsion löste sich; da der andere Hoden atro-
phisch, wurde, um den Mann vor künftigen Anfällen mit eventueller
Hodennekrose zu retten, Skrotum und Vaginalis, die gelbe Flüssigkeit
enthielt, geöffnet; der Hoden flottierte frei an einem 7—8 cm langen
Stiel des Samenstranges; kein Mesotestis, kein Gubernaculum zu sehen.
Die viszerale Vaginalis stieg hoch am Samenstrang empor; die Umschlag-
stelle der parietalen Serosa lag fest am äußeren Leistenring. Momentan
keine Torsion, die aber leicht zu reproduzieren war. In der Höhe des
Samenstrangs Fixation beider Blätter der Vaginalis aneinander. Am
Hoden gleichfalls Katgutnähte der Serosa. Mankiewicz-Berlin.
Recurring torsion of the spermatic cord. operation. Von
J. W.Gorden. (Brit. med, journ., Febr. 22. 1913.)
Dem 16jährigen Patienten, der an schmerzhaften, sich häufig wieder-
holenden Anfällen von rechtsseitiger Hodentorsion litt, wurde die parie-
tale Wand der Tunica vaginalis entfernt und der Hoden mit dem Skro-
tum durch einige Nähte vereinigt, worauf die Anfälle schwanden. 9 Jahre
später traten die gleichen Erscheinungen links auf und konnten durch
dieselbe Operation zum Verschwinden gebracht werden.
von Hofmann-Wien.
Per la patogenesi delle ectopie del testicolo. Von Mario Au-
dres. (La Clinica chirurgica 1912, November, p. 2050.)
Die Retentionen des Hodens kann man statt nach den bisher all-
gemein angewendeten anatomischen Kriterien auch nach den von der
Embryologie dargebotenen pathogenetischen Kriterien klassifizieren. So
kann man unterscheiden: einerseits die wahren primären Ursachen der
Retention, andererseits die sekundären von den ontogenetischen Faktoren
des normalen Hodendescensus unabhängigen Ursachen. Die Ektopien
des Hodeus müssen immer als Folge einer der genannten Formen be-
trachtet werden. Mankiewicz-Berlin.
Nouveau procédé de traitement de l'ectopie testiculaire. Von
Gorse. (XXV. Congrès francais de Chirurgie. (Archives générales de Chirurgie
1913, II, p. 177.)
Gorse empfiehlt zur Behandlung der Hodenektopie durch eine
inguinale Inzision einen runden Fremdkörper in das Skrotum zu schieben
und denselben 2 Monate dort zu belassen. Die Skrotalhaut verlängert
sich unter der Wirkung des Gewichtes und das Zellgewebe verwandelt
sich in eine richtige Membran, die später die Rolle einer wirklichen
Serosa spielen kann. Mankiewicz-Berlin.
La voie inguinale dans les operations des enveloppes du
testicule et du cordon. Von Phocas. XXV. Congrès français de Chirurgie
1912. (Archives générales de Chirurgie 1913, 2, p. 177.)
Phocas empfiehlt den Weg von der Leiste aus bei allen Opera-
tionen an den Hüllen des Samenstranges und der Hoden, wenn der
Hoden nicht zu groB und keine Verwachsungen vorliegen. Die Inzision
d Hoden und Hüllen.
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der Leiste genürt bei Tuberkulose und Karzinom im Beginn und sichert
besser die Asepsis, die auch Jodtinktur hier micht immer verbürgt.
Mankiewicz-Berlin.
Die angebliche Orchitis par effort vor der Pathologie, der
Klinik und dem Unfallgesetz. Von Privatdozent Dr. Antonio de Uortes,
Oberarzt der ehir. Abteilung des Ospedale Maggiore in Bergamo. (Deutsch
Zuoitschr. f Chir, Januar 1913, 120. Dd., 8.— 4. H.)
Verf. berichtet zunächst über einen von ilm beobachteten Fall und
gibt im Anschlub daran eine geschichtliche Darstellung des gegenwartigeu
Standes der Frage. Die Krankheit setzt chne ein direktes Trauma
während einer heftigen Anstrengung mit einem plötzlichen, höchst akuten
Schmerz am Hoden ein. Der Schmerz strahlt zuweilen nach dem Lei
stenkanal und von hier nach dem Abdomen aus. Nach kurzer Zeit
nimmt er an Intensität so ab, dab dem Kranken, sofern er nicht allzu
ängstlich ist, die Fortsetzung seiner Beschäftirung ermöglicht ist. Nach und
nach jedoch schwillt der Hoden an, und die Anschwellung erreicht zu
weilen bedeutende Dimensionen (das 6 fache des normalen Volumens,
Auf diesem Punkte wenden sich die Kranken, sei es wegen des gester-
verten Schmerzes, sei es wegen der Behinderung und der Verschärfung
des Schmerzes, welchen sie beim Gehen empfinden, an den Arzt. Ofters
zeigen sie den charakteristischen Gang der Orchitiker mit gespreizten
einen. Bei der Untersuchung der skrotalen Region findet sich die
Samendrüse meist in situ, in einigen Fällen wurde sie gegen den äußeren
Teistenring fixiert gefunden, in anderen drang sie in «das Innere des
Kanals ein. Zuweilen ist der Hoden, zuweilen der Nebenhoden oder
auch beide vergrößert. ersterer in der Regel gleichmäßig, letzterer eben
falls gleichmäßig, aber auch an distinken Punkten (Kopf, Schweif, Kir-
per). Die Konsistenz ist erhöht, der Schmerz spontan, sich bei der
Palpation verschärfend! nicht selten jedoch nimmt er bei Ruhe bedeu-
tend ab und verschwindet sogar ganz. Die skrotalen Hüllen sind intakt
und normal, auber wenn das Volumen des Hodens übermäßig vergrübert
ist. In diesem Fall dehnt sich die Haut, verdünnt sich, nimmt anch
eine von der normalen abweichende Farbe an. Selten ist die Vaginalis
von Flüssigkeit eingenommen. Der Samenstrang ist häufig an dem Pro
zeb beteiligt, Seine Gefäße sind dann ektatisch, und längs seines Ver
Jaufes lassen sich mehr oder weniger schmerzhafte und konsistente Ver-
diekungen finden. An der Leistengegend werden nur ausnahmsweise
vergröberte Drüsen gefühlt. Puls, Atmung, Temperatur sind meist nor-
mal: zuweilen wurde Tumperafursteisrerung beobachtet, sie war aber nur
gering und von kurzer Dauer. Die Untersuchung der Harn- und Ge-
schlechtswege ergibt in den reinen Fällen eìn negatives Resultat. Die
Krankheit danert, meist stationär, verschiedene, aber kurze Zeit (eine
oder zwei Wochen). Selten zeigt die Anschwellung nach einer progres-
siven Steigerung eine Periode des Stillstandes, worauf sich dann simt-
liehe Erscheimungen allmählich bis zur Norm zurückbilden, ahne zu
Komplikationen Anlab zu geben. Die Heiling erfolgt mit Restituto
ad integrum, selten mit Atrophie. — Verf. Untersuchung ergibt. dab
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Hoden und Hüllen. 593
keiner der in der Literatur unter dem Namen Orchite par effort vor-
liegenden Fälle die sicheren Charaktere einer wahren Orchitis bietet.
Die Prüfung ihrer Symptome und der pathologisch-anatomischen Er-
scheinungen, durch die sie wahrscheinlich erzeugt sein können, zeigt,
daB unter dem Namen Orchite par effort eine schmerzhafte Anschwel-
lung des Hodens beschrieben worden ist, die auf Kongestion oder auf
endo- oder peritestikuläre Blutungen infolge Anstrengung mit oder ohne
sekundäre Entzündung zurückzuführen ist. — Zum Schluß erörtert Verf.
noch kurz die Bewertung dieser Fälle vor dem Unfallgesetz. Kr.
Über ein Chorionepitheliom beim Mann. Von Hans Hahn.
(Pathol. Inst. Gießen.) Dissertation, Gießen 1912, 36 S., 2 Tafeln. (Otto Kindt.)
40 jähriger Maun. Im Gehirn, den Lungen, der Leber, den Nieren
und retroperitonealen resp. vertebralen Lymphdrüsen Metastasen eines
typischen Chorionepithelioms. Höchstwahrscheinlich von einer primären
gleichen Geschwulstbildung eines Hodens ausgehend. ~
Fritz Loeb-München.
Radikaloperation für maligne Erkrankung des Hodens. Von
Seton Pringle-Dublin. (Lancet, 4. Januar 1913.)
Verf. ist der Meinung, daß, genau genommen, alle Tumoren des,
Hodens gemischte Geschwülste sind, daß sich aber für die Zwecke des
operativen Vorgehens ziemlich reine Sarkome von anderen Geschwülsten,
die die verschiedensten karzinomatösen Elemente enthalten, abtrennen
lassen. Für die ersteren hält er eine radikale Operation für unnötig und
ungerechtfertigt; es sollte darum die Regel sein, stets vor der Operation
eine Probeexzision zwecks histologischer Untersuchung vorzunehmen. Die
radikale Operation wirklich maligner Geschwülste muß stets in der Weise
begonnen werden, daß der Tumor in einem Stück mit sämtlichen Lymph-
wegen und den Drüsen, zu welchen die Lymphwege führen, entfernt
wird. Er berichtet über einen solchen Fall bei einem 28 jährigen Manne;
bei welchem er bis zur Aorta unterhalb des Abganges der Nierengefäße
sämtliche Lymphdrüsen, Lymphwege, die Fascie des Psoas, die Samen-
stränge, Inguinaldrüsen usw. in einem zusammenhängenden Stück heraus-
präpariert und entfernt hat. Er meint, die Operation sei technisch gar
nicht so schwierig. Der Patient ist 8 Monate nach dem Eingriff rezidiv-
frei gewesen. W. Lehmann-Stettin.
Über Tuberkelbazillenbefunde im Urin bei Hodentuberku-
lose. Von Dr. E. Löwenstein-Wien. (Deutsche med. Wochenschr. 1915,
Ne 114
In 18 Fällen von Hodentuberkulose waren im Blasenurin Tuberkel-
bazillen nachweisbar, in zwei Fällen selbst ein Jahr lang nach der Ent-
fernung des tuberkulüsen Hodens. Bei der Frage, woher die Tuberkel-
bazillen stammten, schieden Niere, Harnleiter, Blase und Samenblasen
aus, in Frage käme nur die Prostata, auch wenn klinisch keinerlei
Symptome darauf hindeuten. Den Chirurgen ist die isolierte Erkrankung
der Prostata im ganzen wenig bekannt, besser vertraut damit sind schon
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594 Hoden und Hüllen.
die pathologischen Anatomen. So konnte H. Koch aus einer Sammel-
statistik von 243 Fällen von Genitaltuberkulose 78 mal isolierte Prostata-
tuberkulose nachweisen, während der Hoden 47 mal isoliert befallen war,
Unter 87 selbst zusammengestellten Fällen war 30mal die Prostata iso-
liert und 56mal Prostata, Hoden und Nebenhoden befallen.
Infektion der Prostata erfolgt am wahrscheinlichsten auf hämatogenen
Wege. Entgegen der Annahme Baumgartens, daß die Tuberkulose
sich nur mit dem Sekretstrom weiter verbreite, müßte man für den
Menschen annehmen, daß sie von.der Prostata über das Vas deferens
und den Nebenhoden zum Hoden fortschreiten könne; im übrigen eine
Anschauung, die schon wiederholt auch von anderer Seite vertreten
worden ist. Ludwig Manasse-Berlin.
Tuberculose d’un testicule en ectopie inguinale. Von Le
Dentu. Soc. nationale de Chirurgie 1912, Dezcember. (Archives générales de
Chirurgie 1913, 3, p. 289.)
Le Dentu fand bei einem inguinal ektopischen Hoden die Charak-
tere einer Neubildung, allerdings noch ohne Tendenz der Überschreitung
seiner Grenzen; der Mann hatte einen normal gelagerten linken Hoden.
Reste alter Tuberkulose wurden aber anderweitig gefunden, deshalb
Diagnose: Tuberkulose des ektopischen Hodens, deren Bestätigung die
Operation brachte. Mankiewicz-Berlin.
Tubercolosi genitale in un bambino di tre anni. Von Vittorino
Fano. (La Clinica chirurgica 1912, 8, p. 1571.)
Vittorino Fano sah im Seehospiz Valdoltra einen 3 jährigen Jungen
der seit 1!/, Jahren an einer Spina ventosa rechts und an einer Orchitis
leidet; letztere vermutlich von einem im Nebenhoden — bei Kindem
selten — gelegenen Herde ohne akutes Anfangsstadium ausgegangen.
Fast totale Luxation des nekrotischen gangränösen Hodens erfordert die
Hemikastration. Leider tritt ein Fungus cubiti und eine Schwellung
des bisher gesunden linken Hodens hinzu. Mankiewicz- Berlin.
Sulla patogenesi dell’ idrocele essenziale. Von Luigi Carforio.
(Gazzetta internazionale di Medicina, Chirurgia ete. 1912, 46.)
Carforio glaubt, daB aus dem vergleichenden Examen der ver
schiedenen chemischen und cytologischen Proben für die Pathogenese der
essentiellen Hydrocele die Wichtigkeit der Differenzialdiagnose zwischen
Exsudat und Transsudat sich deutlich ergebe und daß man die Proben
in absteigender Empfindlichkeit folgendermaßen aufstellen kann: l. ent-
scheidende Probe: Eiweiß, Rivaltasche Probe, Fettgehalt, Dichtigkeit.
2. Proben relativen Wertes: cytologische Untersuchung, Jodophilie. 3. Pro-
ben zweifelhafter Exaktheit: Koagulabilität, Urophansubstanzen, Zucker.
4. Komplementärproben: Aussehen, Farbe, Reaktion der Autoseroanwen-
dung. Die Hydrocele ist ein chronischer Entzündungsprozeß der Vagipalıs.
sehr langsam verlaufend mit einem serösen Erguß, mit Attributen eines
nicht stark akzentuierten und entscheidenden Charakters.
Mankiewicz-Berlin.
Prostata und Saimenblasen. 395
Six cases of hydrocele in infants treated by operation. Von
J. H. Nicoli. (Brit. med. journ., Febr. 22. 1913.)
N. hat bei 6 Kindern unter 2 Jahren die Hydrocele mit bestem
Erfolge operiert. Die Operation wurde in der Weise vorgenommen, daB
der Leistenkanal eröffnet, der Hoden mit der Hydrocele durch die Leisten-
wunde vorgezogen und entleert wurde. Nach Resektion oder Vernähung
des Hydrocelensacks wurde dann der Hoden ins Skrotum reponiert.
von Hofmann-Wien.
Zur Behandlung der sexuellen Impotenz. Von Libmann-
München. (Münch. med. Wochenschr. 1912, Nr. 24.)
Nach kurzer einleitender Darlegung der verschiedenen Formen
männlicher Impotenz und der bisher zur Verfügung stehenden Behand-
lungsarten, berichtet Verf. über eine neue, von ihm versuchte Methode,
die bei Beschränkung auf eine bestimmte Krankheitsgruppe gute Resul-
tate lieferte. Er ging einerseits davon aus, dab das Yohimbin, wie
durch Tierexperiment und veterinärmedizinische Beobachtung nachge-
wiesen ist, elektiv auf die Erektionszentren wirkt und anderseits von den
Erfolgen, die die Cathelinschen epiduralen Injektionen in geeigneten
Fällen von Ischias, Enuresis usw., vermutlich durch „vertebralen Trauma-
tismus“ aufzuweisen haben. Indem er beide Methoden kombinierte,
\njizierte er epidural 30 cem physiol. NaC'l-Lösung mit 10—15 Tropfen
2" iger Yohimbinläsung mehrmals in 2—3 wöchentlichen Abständen und
erzielte dadurch bei 7 von 10 Patienten, die vorher mit den verschie-
densten Mitteln behandelt worden waren, guten Erfolg. Die Methode
ist jedoch nur wirksam bei Fällen rein nervöser Erektionsschwäche, bei
denen eine pathologische Erschöpfung der Kohabitationszentren ange-
nommen werden muß. Dieses muß das primäre und einzige Krankheits-
sımptom darstellen. Bei Impotenzformen mit Ejaculatio praecox sowie
bei Pollutionen trat im Gegenteil bei epiduraler Yohimbininjektion Ver-
schlimmerung ein.
Anhangsweise wird noch das Verhalten der Potenz bei Tabes er-
wähnt. Die Nachforschungen an zahlreichen Tabikern der Münchner
mediz. Poliklinik — z. T. auch unter Befragung der Ehefrauen — er-
gaben kein wesentlich anderes Bild der geschlechtlichen Leistungsfähig-
keit als bei Normalen derselben Altersklassen. Brauser-München.
Ill. Prostata und Samenblasen.
Die Behandlung der Prostataabszesse. Von B. Motz-Paris.
(Revue clinique d’Urologie 1913, Heft 1.)
Prostataabszesse können durch Übergreifen einer benachbarten
Infektion auf die Prostata durch Kontinuität entstehen. Dieser Infektions-
modus ist selten. Von dem primären Infektionsherd aus, welcher in der
Anorektalgegend liegt (vereiterter Hämorrlioidalknoten, Analfissur usw.),
kommt es zu einer periprostatischen Phlegmone, die beim Übergreifen
auf die Prostata einen hochgzelegenen Prostataabszeb hervorrufen kann.
Solehe Prostataabszesse sind wegen drohenden Durchbruchs in die Bauch-
596 Prostata und Samenblasen.
höhle sehr gefährlich. Häufiger sind metastatische Prostataerkrankungen,
die spontan im Verlauf der verschiedensten Infektionskrankheiten auf-
treten, wie Typhus, Variola, Furunkulose usw. oder im Gefolge eines
Traumas. M. selbst hat einen Prostataabszeß beobachtet, ausgehend von
einem infizierten und“ verletzten Finger. Die meisten Prostataabszesse
aber stellen sich wohl im Verlauf von Urethritiden und der Gonorrhoe
ein, indem die Infektionskeime durch die Drüsenausführungsgänge selbst
eindringen. Liegt der Abszeß hoch oben neben der Samenblase, so ist
er sehr gefährlich. Er kann nicht in die Harnröhre durchbrechen und
entleert sich bei längerem Bestehen in die Bauchhöhle, oder er führt zu
einer Septikämie. Liegt der Abszeß tiefer, neben dem Rektum, so besteht
die Gefahr einer Rektalfistel. Gutartig sind fast immer die periurethralen
Abszesse, da sie sich leicht in die Harnröhre entleeren. Von den zentral
gelegenen Abszessen sind natürlich diejenigen günstiger, die von Ent-
zündungen in der Drüse selbst und nicht von einer interstitiellen Fnt-
zündung ausgehen, da der Eiter dann den Drüsenabflußkanälen folgt.
Die Verhältnisse sind bei normaler und hypertrophierter Drüse ver-
schieden. Bei der Hypertrophie wird das eigentliche Drüsengewebe an
die Peripherie gedrängt. Folgt die Infektion hier den Drüsengängen,
so finden wir die Entzündung an der Peripherie der Neubildung. Da
aber die adenomyomatösen Wucherungen die Entleerung eines Abszesscs
in die Urethra erschweren, so dehnt sich der Abszeß nach dem Rektum
zu aus, es entsteht eine eitrige Periprostatitis und die Gefahr einer
Ausbreitung in die Blutbahn.
Statistisch ist noch nicht erwiesen, daß eine akute Prostataeiterung
die nicht operiert ist, zu einer schwer heilbaren katarrhalischen Prostatitis
führt. Fistelbildungen nach Spontanentleerung eines Abszesses sind selten;
hartnäckige Fisteln hat man nur bei Operierten gefunden.
Die Spontanentleerung des Abszesses muß man abwarten, wenn er
urethralen Ursprungs ist, aber nicht zu lange darf man mit chirurgischem
Eingriff warten bei den Abszessen rektalen Ursprungs und bei solchen,
die im Verlauf einer Hypertrophie und im Anschluß an einen falschen
Weg auftreten. Auch Abszesse urethralen Ursprungs können einen
chirurgischen Eingriff notwendig machen, wenn sie sich nach der Samen-
blase oder nach dem Rektum zu entwickeln und die Gefahr eines Durch-
bruchs in die Bauchhöhle oder der Entstehung einer Urethrorektalfistel
vorhanden ist.
Auch der allgemeine Zustand des Patienten kann eine Indikation
für die operative Eröffnung des Abszesses abgeben, wenn bei sehr ge-
schwächtem Individuum und bei lange bestehender Eiterung eine Sepsis
zu befürchten ist. Die Eröffnung geschieht vom Rektum oder vom
Damm her.
Der rektale Weg ist leicht und ungefährlich. Sieht man von Dernot
ab, der unter 3 Fällen 2 Todesfälle hatte, so haben nach der Statistik
10 Chirurgen 32 Fälle auf diesem Wege ohne jeden Zwischenfall operiert.
Der perineale Weg hat den Vorteil des methodischen Vorgehens, des
leichten Drainierens und des Vermeidens von Blutungen und den Nach-
teil der langen Dauer der Heilung, die 14 tägige Bettruhe erfordert.
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Prostata und Samenblasen. 597
Rektal wird man vorgehen, wenn der AbszeB nach dem Rektum zu
liegt, wenn nicht gleichzeitig eine Kommunikation des Abszesses mit der
Urethra vorhanden, da eine Urethrorektalfistel gefährlicher als eine
Urethroperinealfistel ist.
Den perinealen Schnitt wird man machen bei multiplen und peri-
urethralen Abszessen.
Die Nachbehandlung besteht in der täglichen Auspressung der Drüse,
bis der Eiter entleert und die Höhle geschlossen ist. Angeschlossen
wird zur Vermeidung der chronischen Prostatitis die gewöhnliche Be-
handlung der katarrhalischen Prostatitis, solange die Prostata hart und
uuregelmäßig ist und das Sekret Leukocyten enthält. Maaß-Berlin.
Jodipin per clysma bei Prostatitis. Von L. Fischel-Berlin.
‘Münchner med. Wochenschr. 1913, Nr. 12.)
An Stelle der Jodkali-, Ichthyol- usw. Suppositorien empfiehlt Verf.
als wirksamer und angenehmer in der Applikation Klysmen von Jodipin
(25°) im Verhältnis von 1:2 mit Olivenöl gemischt und zwar 10 ccm
täglich oder jeden zweiten Tag. Der Erfolg ist meist sehr zufrieden-
stellend. Brauser- München.
Die Tuberkulose der Prostata. Von Dr. Arthur Götzl-Prag.
(Folia urologica, VII. Bd., Nr. 7, März 1913.)
Die Arbeit beruht im wesentlichen auf Untersuchungen, die Verf.
im pathologisch-anatomischen Institut der Prager deutschen Universität
anstellte. Es ergibt sich aus den Erörterungen zunächst folgendes Bild
der Pathogenese der Tuberkulose der Prostata: Die Prostata erkrankt
so gut wie immer sekundär an Tuberkulose, d. h. wenn irgendwo im
Körper ein tuberkulöser Herd schon vorhanden ist. Die sekundäre In-
fektion findet entweder auf dem Wege der Blutbahn oder der Lymph-
bahn oder per contiguitatem statt. Für die hämatogene Infektion ist die
Prostata eins der vier Zentren des Urogenitalsystems (Niere, Prostata,
Samenblasen und Nebenhoden). Die Prostata erkrankt hämatogen sekun-
där entweder als einziges Organ des Genitaltraktes oder gleichzeitig mit
den anderen hämatogen erkrankten Zentren, oder die anderen Zentren
erkranken hämatogen früher oder später als die Vorsteherdrüse. Die
sekundäre Erkrankung auf dem Wege der Lymphbahn folgt immer in
der Richtung des Lymphstromes. Die Erkrankung der Prostata per
contiguitatem hat immer ihre Ursache in der Erkrankung eines der vier
Zentren des Urogenitalsystems. Die Regel v. Baumgartens, daß im
Urogenitalsystem die Infektion der Richtung des Sekretstroms folgt, gilt
für das uropoetische System fast ausnahmslos; für den Geschlechtsapparat
hat sie auch Geltung, doch kommt auch der Weg in entgegengesetzter
Richtung vor, und in einem der Fälle des Verfassers bestanden gleich-
zeitig beide Infektionsmodi. — Die Tuberkulose der Prostata kommt
am häufigsten in der Zeit der sexuellen Aktivität vor, doch sind auch
Fälle von Erkrankung im frühen Kindesalter und im hohen Greisenalter
bekannt. Häufiger als alle anderen Ursachen (Trauma, Exzesse im Koi-
tus usw.) gibt die chronische Gonorrhoe der hinteren Harnröhre den An-
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598 Prostata und Samenblasen.
lab zur Erkrankung der Prostata an Tuberkulose. — Anatomisch zeigt
die Tuberkulose der Prostata in ihrem Verhalten die gleichen Verhült-
nisse wie die Tuberkulose der anderen Organe. Unter Verfassers Fällen
war die Prostata 2 mal total verkäst, in einem Falle waren die Knoten
bis zu 1, cem über die ganze Pro-tata zerstreut, in einem Falle waren
die Seitenlappen ın große Recessus verwandelt, in einem Falle fehlte die
Prostata, an ihrer Stelle fand sich eine grobe Eiterhöhle. Die tuberkulös
erkrankte Prostata zeigt nicht selten die Tendenz zur Abkapselune und
Verkreidung. Nicht selten kommt es in der tuberkulös erkrankten
Prostata zur Mischinfektion mit anderen, Eiterungen veranlassenden Bak-
terien: es kommt dann zur Bildung von Abszessen und zum Durchbruch
in die Blase, in das Rektum, in die Urethra und am häutesten am
Damm. — Jeder Austlub, in dem sieh vom Anbeginn keine Gonokokken
nachweisen lassen, oder wo im Anschlub an eine Gonorrhoe Gonokokken
nicht mehr nachweisbar sind, und der trotzdem allen Behandlungs
methoden trotzt, erweckt den Verdacht auf Tuberkulose der Prostata,
und ist auf Tuberkelbazillen, eventuell mittels Tierexperimentes zu unter-
suchen. Auch jede von Anfang an chronisch auftretende Prostatitis, be-
sonders bei suspekten Individuen, erweckt Verdacht auf Tuberkulose und
erfordert die Untersuchung des Prostatasekrets auf Tuberkelbazillen. Per
rectum Ist der gleichzeitige Befund von harten, eckigen, schmerzhaften
Knoten und Stellen, in die sich Dellen drücken lassen, für "Tuberkulose
der Prostata verdächtig. Die Endoskopie kann wichtige Anhaltspunkte
für die Diagnose geben; bisweilen erwecken schon die beiden von
Oberländer beschriebenen Entzündungen der vorderen Harnröhre einen
Verdacht. — Weder die alleemeinen Mabnalhmen, noch die palliativen
lokalen Behandlungsmethoden und die Injektionen in das Parenchym.
noch Tuberkulinbehandlungen haben Erfolge aufzuweisen. Die Auskratzung
von Fisteln und Kürettement der Drüse führt bisweilen zu guten Resul-
taten. Die besten Resultate ergeben die radikalen Methoden. Wem e
gelingen wird, die Prostatatuberkulose frühzeitig zu diagnostizieren, wird
man in vielen Fällen voraussichtlich nicht za den ausgedehnten Opera-
tionen schreiten müssen, sondern mit der Prostatektomie auskommen. Die
perineale Prostatektomie ist die Operation der Wahl: ist das Allgemein
befinden ein schlechtes, so daB man nicht mehr die Prostatektomie wagt.
so kann voraussichtlich die doppelseitige Durchsehneidung der Vasa dete-
rentia noch Nützliches leisten. Kr.
Rétention aiguë chez les Prostatiques. Von Verrivre-[yon.
(Revue pratique des maladies des organes génito-urinaires. ‚Januar 1913 )
V. berichtet über 57 Fälle akuter Urinretention bei Prostatahrper-
trophie, die durch Katheterismus geheilt worden sind. 13 Fälle sind
von ihm selbst beobachtet. 24 stammen von Rafin. Nach V. spielt dis
Alter keine Rolle für die Prognose. Die Behandlung dauert mindestens
6 Wochen. Ist der Katlheterismus erschwert, so ist eine oder mehr
malise Blasenpunktion indiziert. Nach der Punktion wird gewöhnlich
der Katheterismus leichter. Hierzu wählt man am besten den Nélaton-
schen Katheter Nr. 16—18. Die Einführung des Katheters geschieht mit
mon am
Prostata und Samenblasen. 599
allen Kautelen der Asepsis. Nach jedem Katheterismus reichliche Blasen-
spülungen mit Borwasser, Kaliumpermanganat (lg auf 11) oder reinem
Wasser. Starke Lösungen sind zu vermeiden. Nützlich ist das Ein-
nehmen von Urotropin. Beim 1. Katheterismus darf die Blase wegen
Blutungsgefahr ex vacuo nicht vollkommen geleert werden. Nach jeder
Spülung läßt man etwas Flüssigkeit in der Blase zurück zur Spülung
der hintern Harnröhre. Man soll so oft den Kranken katheterisieren,
wie dieser das Bedürfnis zum Urinieren hat. — 6 mal innerhalb 24 Stun-
den würde nichts Außergewöhnliches sein. Bei Polyurie kann man für
die Nacht den Dauerkatheter einlegen. Bei einer Infektion bei Fieber
oder allzu schmerzhaftem Katheterismus ist der Dauerkatheter das Mittel
der Wahl. Wenn auch ein ernster chirurgischer Eingriff durch Anwendung
des Katheters vermieden werden kann, so tragen solche Kranken immer eine
Drohung für die Zukunft mit sich. Sie müssen sich ständig überwachen
und sich einer strengen Hygiene unterwerfen. Maas.
Du mécanisme de la rétention chronique chez les prostati-
ques. Von G. li Virghi-Neapel. (Journ. d'Urol. Tome II, No. 6, 1912.)
Hinsichtlich der Retentionen unterscheidet man 3 Gruppen von Pro-
statikern :
1. solche mit Hypertrophie der Prostata ohne Retention;
2. solche ohne Prostatavergrößerung mit prostatischen Beschwerden,
insbesondere mit Retention;
3. solche mit Hypertrophie und Retention.
I. Betrachtet man diese 3 Gruppen, so ist ohne weiteres klar, daß
die Vergrößerung der Prostata — sei es mit oder ohne Mittellappen —
nicht allein die Ursache der Retention sein kann. — Ferner ist es auf-
fallend, daß bei chronischer Retention gleichzeitig die Möglichkeit einer
partiellen spontanen Blasenentleerung bestehen kann. Die Hypothese
vom Hemmungsreflex des Detrusor bei chronischer Retention ist eine
vielfach mißbrauchte Verlegenheitstheorie. Solche Hemmungsreflexe kom-
men bisweilen nach Operationen vor, die Retention ist dann immer total
und verschwindet nach einigen künstlichen Entleerungen der Blase. Auch
eine Beeinträchtigung der Elastizität der prostatischen Urethralwand bei
Prostatikern wird konstruiert, um die Retention zu erklären. Die Praxis
lehrt aber, daß die Elastizität der Urethralwandungen bei den Reten-
tionierten immer gut erhalten ist. Die Erschöpfung des Detrusor ist
gleichfalls nicht Ursache der Retention: dieser Muskel verliert bei der
Prostatahypertrophie niemals seine Funktionstüchtigkeit, denn er ist nach
der Prostatektomie stets imstande, seine Aufgabe zu erfüllen. Auch an
gewisse Klappenmechanismen im Blasenhals als Retentionsursache zu
glauben, ist nicht angängig. — Alle beschuldigten Faktoren können zur
Retention beitragen, können sie aber nicht herbeiführen.
II. Die Urinentleerung ist das Resultat eines Reflexes, durch welchen
der Detrusor kontrahiert und der Sphincter colli erschlafft wird. Wäh-
rend der Blasenmuskel, selbst bei zentralen Läsionen, seine Kontraktilität .
stets bewahrt, ist es allermeist der Sphincter colli allein, welcher infolge
von Veränderungen seiner glatten Fasern zum Blasenspasmus führt.
Zeitschrift für Urologie, 1913, 40
GU) Prostata und Samenblasen.
Macht man den Sphinkter für die Retention verantwortlich, so erklärt
sich auch die partielle Retention: in Anfangsstadien seiner Muskelerkran-
kung funktioniert er zwar noch, doch ist seine Erschlaffung von zu kurzer
Dauer, die Miktion kommt nicht zu Ende, und es bleibt ein Residuum
in der Blase zurück. Das Phänomen des verzögerten- Miktionsbeginns
erklärt sich gleichfalls durch Dekomposition des Sphinkters, welcher sich
nur zögernd öffnet, während die willkürlichen Austreibungsmuskeln schon
in voller Arbeit sind.
Die anatomischen Veränderungen im Sphincter colli sind noch un-
bekannt. Es wäre sehr erwünscht, wenn sie an bei der Prostatektomie
gewonnenen Präparaten studiert würden.
Der Erfolg der Prostatektomie. d. h. der Wiedereintritt spontaner
Miktion nach diesem Eingriff beruht auf der Ausschaltung des Sphincter
vesicae.
Wenn man den Sphincter colli durch eine Spezialoperation zerstören
könnte, liebe sich die Retention auch ohne Prostatektomie beheben.
A. Citron- Berlin.
Existe-t-il un prostatisme vesical. des prostatiques sans pro-
state? Von (1, Marion-Paris. ‘Journ. d’Urol. Tome II, No. 4, 1912.)
Zahlreiche Kranke, welche man als „Prostatiker ohne Prostata”
mangels anderweitiger Erklärung ihrer Blasenatonie kennzeichnet, werden
zu lebenslänglichem Katheterismus verdammt, während man ihnen, wie
Beispiele des Verf. zeigen, operativ helfen kann. Meist handelt es sich
um Träger von Prostataveränderungen geringer (zröße, welche in keinen
Verhältnis zu stehen scheinen zu der großen Blasenatonie, welche sıe
hervorrufen. Man muß aber bedenken. daß es keinerlei Beziehung gibt
zwischen der Größe der Prostataadenome und den Beschwerden, welche
durch sie ausgelöst werden.
Findet man bei einem mit Retention behafteten Patienten die kli-
nische Veränderung der Prostata, so soll man, auch wenn sie in keinem
Verhältnis zu der Größe der Beschwerden steht, ohne Zögern chirurgisch
eingreifen und kann sicher sein, die Retention durch Beseitigung des
Hindernisses zu beheben.
Die Operation besteht meist in der Entfernung des oberen Teiles
der prostatischen Ureters und eines oder mehrerer Adenome.
Bei den Patienten, bei denen die Untersuchung nichts ergibt, kann
es sich um eine Atfektion des Nervensystems handeln.
Zur Auffindung und Behandlung schwer diagnostisierbarer Ver-
änderungen empfiehlt sich die suprapubische Cystotomie.
A. Gitron-Berlin.
A series of fifty-five cases of suprapubic prostatectomy, with
four deaths. Von A. Fullerton. (Brit. med. journ., Febr. 15, 1913.
Die Resultate der Prostatektomie waren in F. 6 Fällen sehr zu
friedenstellend. In einem Falle blieb eine Fistel zurück, bei zwei Pa
tienten zeivte sich Inkontinenz. Bei zwei Kranken erwies sich der ex-
stirpierte Prostatatumor als bčsartig, und der Exitus trat einige Monate
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Prostata und Samenblasen. 601
nach der Operation ein. Von Komplikationen sind als wichtigste Blu-
tungen, Chok, Sepsis, Epididymitis zu erwähnen.
von Hofmann-Wien.
Ein Prostataringmesser für die suprapubische Prostatektomie.
Von E. Grunert-Dresden. (Zentralbl. f. Chir. Nr. 5, 1913.)
Bei der Nachbehandlung Prostatektomierter ist Verf. wiederholt die
verschieden lange Zeit aufgefallen, die vom Tage der Operation an ver-
geht, bis der Patient per urethram uriniert. Man kann nach den Er-
fahrungen des Verf. den Heilungsprozeß beschleunigen, wenn es gelingt,
die Harnröhre schneller wieder funktionsfähig zu machen als bisher. Dies
gelingt um so eher, je schonender die Pars prostatica urethrae bei der
Prostatektomie behandelt worden ist. Wenn man in der bisher üblichen
Weise die Inzision der Blasenschleimhaut in Form eines kurzen Längs-
schnittes hinter dem Orificium int. ausführt und von da aus die Prostata
mit dem Finger ausschält, so hat man häufig an der entfernten Prostata
noch ein mehr oder weniger langes Stück Urethralwand hängen. Jeden-
falls hat man nicht völlig die Möglichkeit, die Länge des durch die Ope-
ration mit entfernten Harnröhrenteiles zu bestimmen. Verf. hat aus diesem
Grunde seit längerer Zeit schon die Inzision der Blasenschleimhaut zur
Eröffnung der Prostatakapsel ringfôrmig um das Orificium int. herum
angelegt. Wenn man dann an dem hinteren Halbkreise der ringförmigen
Inzision mit dem Zeigefinger eingeht und die Prostatalappen in der
üblichen Weise ausschält, so läuft der ausschälende Finger mit dem
Dorsum entlang der Pars prostatica urethrae, und die Kuppe des haken-
föormig gekrümmten Fingers kommt schließlich an der vorderen Hälfte
der ringförmigen Inzision wieder zum Vorschein. Die Drüse ist also
um den zentral gelegenen Harnröhrenschlauch herum ausgeschält worden.
Wenn das, was wir bei der Ausschälung der Prostata als Kapsel bezeich-
nen, durch die Wucherung verdrängtes und komprimiertes Prostatagewebe
ist, so ist es wahrscheinlich, daß auf diese Weise Muskelfasern des Sphinc-
ter int. um die Harnröhre herum erhalten bleiben, und daß dadurch die
schnellere Wiederkehr der Miktionsfähigkeit erklärt wird. Das vom Verf.
zur Ausführung der ringförmigen Inzision benutzte Prostataringmesser
wird vom Fabrikanten W. Deicke, Nachf., Dresden, hergestellt. Es
wird nach der Eröffnung der Blase so eingeführt, daß die aus dem Ori-
ficium urethrae int. hervorragende Katheter- oder Sondenspitze in das
Zentrum des Ringes zu liegen kommt. Durch Drücken und gleichzeitiges
Drehen am Griff des Messers wird die ringförmige Inzision in der ge-
wünschten Weise ausgeführt. Kr.
Die Erfolge der nach meiner Methode ausgeführten peri-
nealen Prostatektomien mit seitlichem Schnitt.‘ Von Wilms-Heidel-
berg. (Münchner med. Wochenschr. 1913, Nr. 47.)
Die vom Verf. 1908 angegebene und seit seiner Heidelberger Tä-
tigkeit neuerdings an 31 Fällen geübte Methode ist kurz skizziert fol-
gende: Lokalanästhesie entweder nach Franke und Posner (Injektion
am Nv. pudendus und Einspritzung zwischen Blase und Mastdarm) oder
40*
602 Prostata und Samenblasen.
epidural mit Adrenalin-Novocain-Kochsalzlösung; Steinschnittlage, Füllung
der Blase, Einführung des Retraktors von Young; Schnitt am Damm
parallel dem unteren Schambeinast durch Haut und Fascia superfie.;
rechts (r. Operateur aus) vom Retraktor, den man an der Stelle, wo er
in die Prostata hineingeht, fühlt, wird die Kapsel der sich vorwölbenden
Prostata mit der Kornzange durchstoßen, das Loch erweitert, der Finger
eingeführt. Aushülsen der Drüse wie bei der suprapubischen Prosta-
tektomie; vor Entfernung des rechten Lappens muß der Retraktor ent-
fernt werden.
Unter 31 so operierten Fällen hatte W. keinen Todesfall, der mit
der Operation direkt in Zusammenhang zu bringen wäre. Von 2 ge
storbenen Patienten hatte der eine eine Hydronephrose; die funktionelle
Nierenuntersuchung war bei diesem Kranken noch nicht gemacht worden,
was später stets vor der Operation geschah. Der andere verließ zu früh
die Klinik, starb 8 Tage, später zu Hause. Die sonstigen Resultate
waren gut: bei keinem Pat. blieb eine Fistel zurück, bei keinem ist der
Gebrauch des Katheters noch notwendig; der Verschluß der Fistel er-
folgte im Durchschnitt so bald, zwischen 14 und 20 Tagen, daß alle
Pat. schließlich kontinent wurden; endlich ist bei den vorher noch po-
tenten Kranken die Geschlechtsfunktion nicht gestört worden.
Die angeführte Methode vermeidet somit verschiedene, teils der
gewöhnlichen perinealen, teils der suprapubischen Operation anhaftende
Mängel und hat vor allem zwei Vorzüge, nämlich daß_sie bei einiger
Erfahrung leicht auszuführen ist, und daß sie keine nennenswerten An-
forderungen an die Nachbehandlung stellt. Brauser-München.
Simple perineal enucleation of the prostatic gland. Von J.M.
White-Meridian. (New Xork Medical Journal, 14. 12. 12.)
White macht folgenden ÖOperationsvorschlag:
Sonde in die Blase, Hautschnitt etwa '/, cm vor dem Anus bis
zum Skrotalansatz, der die Faszie mit durchtrennt, dann Durchstechen
des Messers bis zur Prostata, Herausziehen des Messers und Einführung
der mit Glyzerin gut eingefetteten Hand tief in die Wunde. Ist diese
zu klein, dann Kreuzschnitt auf den longitudinalen Hautschnitt. Unter
dem Schutze der Hand wird nun von neuem das Messer eingeführt und
die Prostatakapsel durch zwei Schnitte, an jeder Seite der Urethra einen
und zwar longitudinal, durchtrennt, so daß jetzt stumpf die Enukleation
der Lappen unter Schonung der Urethra möglich ist.
N. Meyer- Wildungen.
Sur un cas de mort par embolie gazeuse & la suite d’une in-
jection d’air dans la vessie. Von Nicolich-Triest. (Journ. d'Urologre,
Tome III, No. 1, 1913.)
Ein 73jähriger Prostatiker wird nach lumbaler Injektion von 0,03
Stovain zur Prostaktektomie vorbereitet. Die Blase wird mit Luft ge-
füllt. Nach Injektion von 180 ccm Luft kollabiert der Patient, bekommt
einen Hustenanfall und stirbt in einigen Sekunden.
Nicolich verwirft die Vermutung, daß die Stovainlumbal-Anästhesie
Prostata und Samenblasen. 603
schuld ist an dem plötzlichen Exitus; nimmt vielmehr an, daß durch
die Venen der Blase oder Prostata eingedrungene Luft zu einer tödlichen
Embolie geführt habe. Aus dem unter Wasser geöffneten rechten Ven:
trikel des Obduzierten stiegen in der Tat Luftblasen auf. — Nicolich,
dem früher niemals bei der Luftfüllung der Blase äbnliche Katastrophen
passiert sind, wird dieses Verfahren in Zukunft vermeiden.
A. Citron- Berlin.
Un cas de mort par embolie gazeuse au cour d'une prosta-
tectomie. Von G. Marion-Paris. (Journ. d’Urologie, Tome III, No. 1, 1913.)
Marion verlor einen Patienten auf dem Öperationstisch, nachdem
er soeben die Prostatektomie an ihm ausgeführt hatte. Zur Luftfüllung
der Blase waren 6 Spritzen voll Luft zu je 150 ccm verwendet worden,
ohne daß die Blase merklich an Volum zunahm. Da Nicolich gerade
über einen Todesfall an Luftembolie berichtet hatte, kam Marion auf
die Vermutung, daß auch dieser Todesfall durch Luftembolie verschuldet
wäre. Schon bei Eröffnung des Thorax sah man, daß der rechte Ven-
trikel und das Herzohr unzweifelhaft mit Luft angefüllt waren. Nach
Abbindung der großen Gefäße und Eröffnung unter Wasser drangen aus
dem Herzohr reichliche Luftblasen hervor. In der Vena cava in den
Nierenvenen wurde gleichfalls Luft konstatiert. (Nebenher fand sich in
der rechten Niere ein ziemlich großes Karzinom, welches intra vitam
keine Störungen hervorgerufen hatte.)
Der Mechanismus des Eindringens so großer Luftmengen in das
(efäßsystem ist hypothetisch. Am wahrscheinlichsten ist das Eindringen
der Luft in eine beim Injizieren verletzte Blasenvene unter dem Druck
einer der ersten Einspritzungen.
Der traurige Fall mahnt zu der Folgerung, lieber die Unannehm-
lichkeit einer Überschwemmung im Moment der Blaseneröffnung in den
Kauf zu nehmen als die Blase weiterhin mit Luft zu füllen.
A. Citron-Berlin.
Adenomatous Hyperplasia of the Prostate gland. Operation
and possibly consequent chronic suppurative nephritis with cal-
culi in kidney, ureter and bladder. Von V.C. Pedersen-New York
Medical Record 28. XIl. 1912.)
Pedersen gibt in einer sorgfältigen und ausführlichen Kranken-
geschichte einen sehr komplizierten urologischen Fall: Februar 1910
Prostatektomie wegen Hypertrophie und ferner Dilatation einer Struktur
in der Urethra membranacea in Narkose. Januar 1912 Drainage beider
Samenblasen. März 1912 Ureteroperation rechts und Entfernung eines
Caleulus, Nephrektomie rechts und Entfernung einer Reihe kleiner Steine.
Lithotripsie eines Blasensteins. 30 Stunden nach der Operation Exitus
unter Lungenerscheinungen bei guter Urinsekretion. Außer Abszessen
in der rechten Niere beiderseits chronische diffuse Nephritis bei der
Sektion festgestelt. N. Meyer- Wildungen.
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NE! Prostata und Samenblasen,
Sopra un caso importante di chirurgia urinaria: carcinoma
della Prostata e della vescica. Von F. Putzu. XXIV. Congresso dela
Societa Italiana di Chirurgia. (La (Chuten Chirurgica 1912. 11. p. 2192.,
F. Putzu sab einen 40 jährigen Bauer, der seit 30 Jahren an
Hurnbeschwerden litt, die ıhn zuletzt ganz ans Bett fesselten. Schwerer
Marasmus mit heftigen Schmerzen vom Unterbauch ın Harnröhre, Dumm,
Hodensack, Leisten, Lenden ausstrahlend. Häufige, Jangsame, schmerz-
hafte, blutige Miktion. Harn 900 ccm. trübe, rot. alkalısch. In der
Blase ein eigrober Stein. Im rechten Hypochondrium großer, schmerz-
hafter Tumor. Eiterniere. 40 Stunden nach der Entfernung des Steines
Exitus; die Autopsie ergab Karzinom der Prostata mit Metastasen in
der Blase und ın den Leistendrüsen, Stenose des rechten Ureters, rechte
Eiterniere Das primäre Prostatakarzinom hatte erst jüngst auf die
Blase übergegriffen. Die Harnleiterstenose war kongenital und hatte
wohl die Pvonephrose mit verursacht. Mankıewicz-Berlin.
Néoplasmie de la prostate. Von Fayol. Soc. des sciences médi-
cales de Lyon. 11. XI. 1912. (Lyon medical 1912, 49, p. 962.)
Fayol zeigt einen 64jähriren Patienten, seit 6 Monaten erkrankt
an dauernder Dysurie, enormer Pollakiurie, zweimal Retention, Ham
klar. Prostata klein, hart, mit unbestimmten Konturen, Samenblasen hart.
Wegen Karzinoms unter Rückenmarksanästbesie Exzision der Prostata:
Rechte Seitenlage, langer gebogener Schnitt vom Steibbein zum linken
Sitzknorren, dann um JIinke Rektumseite bis zur Medıianlinie vor dem
Anus. Seitliche und vordere Ablösung des Mastdarms. Kranke in Stein-
schnittlare. Ablösung der Vorderwand des Mastdarms. Durchtrennung
beider M. levatores ani. Inzision des häutigen Harnröhrenteiles auf
Sonde, Durehtrennung der Harnröhre. Da die Prostatakapsellösung
schwierig, Prostatotomia mediana. Herausschälung beider Prostatahälften
über den Blasenhals bis zum Trigonum. Entfernung beider adhärenter
harter Samenblasen. Teilweise Naht der vorderen Blasenschnittläche mit
der oberen Wand der häutigen Harnrüöhre, Blasendrainage. Nach 6 Wochen
komplette Vernarbung. nach 4 Wochen Entleerung alles Harnes durch
die Harnröhre. Typisches Karzinom. Nur die frühzeitige Diagnose
(Härte, Fixation, zeitige Anfälle von Retention) ermöglichten das gute
Resultat, ohne Inkontinenz. Das Verfahren scheint empfehlenswert.
Mankiewicz- Berlin.
Sarcome de la prostate. Von Vietor Pauchet-Amicùs. (Journ.
d Urol. Tome lII, Nr. 3, 1912.)
50°), der Prostatasarkome befallen das kindliche Alter bis zum
10. Lebensjahre, 25°, das 10. bis 30., 5° o das 30. bis 50. Jahr und
20°), das Alter jenseits des fünften Jahrzelintes. Die Sarkome der Jugend-
lichen beginnen ohne Schmerzen mit Pollakurie und Retention, bald
gesellen sich bei dem rapiden Wachstum der Geschwulst Defäkations-
störungen hinzu und der Tumor wird vom Rektum und Perineum aus
deutlich wahrnehmbar. Bei der auBerordentlichen Malignität der Tumoren
‚Jugendlicher ist von einer Operation nichts zu erhoffen, der Tod tritt
meist einige Monate nach dem Erscheinen der ersten Symptome ein. —
E
Prostata und Samenblasen. 605
Beim mittleren Lebensalter und bei Greisen verläuft die Erkrankung
weniger rapid, mehr unter dem Bilde einer schnell sich verschlimmern-
den Prostatahypertrophie. Hier ist durch palliative oder radikale Ope-
rationen mitunter ein mehrjähriger Aufschub der Katastrophe erzielt worden.
Die Prostatasarkome sind entweder (etwa zu einem Drittel) einfache
Geschwülste — Rundzellen-, Spindelzellen-, Lymphosarkome — oder zu-
sammengesetzte — Myxo-, Angio-, Chondro-, Adeno-, Myosarkome.
A. Citron-Berlin.
Chronic seminal vesiculitis, a clinical résumé, with specialrefe-
rence to the urethroskopic findings in the posterior urethra. Von
À. Hymanu.A.S.Sanders-New York. (New York Medical Journal, 29. 3. 1913).
Die Autoren haben 100 Fälle chronischer Vesiculitis, meist gonor-
rhoischer Natur, untersucht. Die wenigen nicht gonorrhoischen Fälle
boten das gleiche Bild wie die gonorrhoischen. Sie kommen zu dem
Resultat, daß man in den meisten Fällen aus dem endoskopischen Be-
fund der Urethra posterior die Samenblasenentzündung* nicht diagnosti-
zieren könne. Nur der äußerst seltene Befund des Austritts von Eiter
aus den Ductus ejaculatorii ist beweisend. Alle übrigen Befunde können
ebenso bei einer unkomplizierten Urethritis posterior wie bei einer Vesi-
culitis vorkommen.
Im einzelnen sind folgende Befunde erboben worden: Die Sphinkter-
gegend läßt bei der Vesiculitis im Gegensatz zur Prostatitis meist keine
Veränderungen erkennen. Nur bei sehr großen entzündeten Samenblasen
hatte der Sphinkterrand unregelmäßige Konturen. Die Frenula waren
in vielen Fällen erheblich geschwollen.
Besonders verändert war häufig der Kollikulus. Wie bei der rek-
talen Palpation sich zwei Typen des Samenblasenbefundes unterscheiden
lassen, die vergrößerten, weichen, katarrhalischen und die harten, meist
verkleinerten, fibrösen Typen, so findet man endoskopisch zwei ent-
sprechende Formen, den hypertrophischen, hyperämischen und den atro-
phischen, harten, grauweißen Kollikulus. Die blasse Farbe im letzteren
Falle scheint unveränderlich weder bei Reizungen durch das Instrument
noch die Spülflüssigkeit. Der Utriculus ist oft vergrößert und hat un-
regelmäßige Ränder. Ein charakteristischer Symptomenkomplex kommt
bei diesem atrophischen Kollikulus vor, nämlich terminaler Miktions-
schmerz, Kältegefühl in der Glans, verminderte Potenz, Schmerzen im
Rücken. Beim anderen Typus ist der Kollikulus oft sehr erheblich ver-
größert und einer Himbeere ähnlich durch die Abwechslung kleinster
roter und weißer Flecke. Die Hyperämie ist sehr stark, bei der ge-
ringsten Berührung tritt eine Blutung ein.
Die Ductus ejaculatorii sind bei sehr geschwollenem Kollikulus nicht
zu sehen. Häufig ließ ein entzündlich roter Hof die Gänge leicht finden.
Beim sklerotischen Typ waren die Ränder oft infiltriert bei großen Öfl-
nungen. Bei einseitiger Vesiculitis wurde stets ein Unterschied in der
Erscheinung der Ductus auf beiden Seiten festgestellt. Der der er-
krankten Seite korrespondierende Ductus bot stets ein charakteristi-
sches Bild. N. Meyer- Wildungen.
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606 Blase.
IV. Blase.
Sulla perneanenza dei microorganismi nella vescica normale.
Von Antonio Giudice. (Liguria medica 1912, 4.)
A. Giudice hat Hunden und Kaninchen Reinkulturen von Mikro-
organismen in die gesunde Blase eingespritzt und deren Anwesenheit
nach längerer Zeit noch feststellen können: 1. Prodigiosus (suprapubisch
injiziert) nach 15 Tagen, ohne lokale oder allgemeine Reaktion. 2. Bac-
terium coli (durch Katheter injiziert) nach 30 Tagen, keine Erkrankung
der Blase. Der dauernde Harnstrom ist nicht genügend, um die Blase
ganz und schnell von ihrem Inhalt zu entleeren. Mankiewicz- Berlin.
Über Harnblasenbrüche. Von Dr. Hans Finsterer, Assistenzarzt
der Klinik Hochenegg in Wien. (Beiträge zur klin. Chir. 81. Bd., Festschnit
f. V. v. Hacker. 1912.)
Verf. stellt im Anschluß an drei eigene Beobachtungen, die seit
1908 in der Literatur veröffentlichten Fälle von Harnblasenbrüchen zu-
sammen und bespricht dann die Atiologie, Symptomatologie, Diagnostik
und Therapie derselben. Zum Schluß berücksichtigt er die seltenen
Fälle von Hernien des Ureters, deren klinische Symptome so wenig aus-
geprägt sind, daß kaum je die Diagnose vor der Operation gestellt wird.
Für die Atiologie der Blasenhernien kommen verschiedene Momente in
Betracht, z. B. der Füllungsgrad der Blase, die Ausbildung größerer
prävesikaler Lipome, abnorme Verwachsungen und Narbenbildung nach
abgelaufenen Entzündungen usw. Die Symptome der Blasenhernien sind
in den meisten Fällen derart unklar, daß eine sichere Diagnose vor der
Operation nur selten möglich ist. Nicht einmal im Zustande der akuten
Einklemmung kann die Mitbeteiligung der Harnblase immer erkannt
werden. Umso notwendiger erscheint es, wenigstens bei der Operation
die Blase rechtzeitig zu erkennen, um sie nicht zu verletzen, oder wenn
sie schon verletzt ist, die Blasenwunde sofort wieder durch die Naht zu
verschließen, denn die Mortalität wird dadurch wesentlich beeinflußt.
Während der Operation kann die Diagnose der vorliegenden Blasenhernie
verschieden schwierig sein, je nach der Form. Bei den „operativen“
Blasenhernien, die wegen ihrer praktischen Bedeutung immer wieder be-
rücksichtigt‘ werden müssen, wird die Erkennung des Blasenzipfels auf
keine großen Schwierigkeiten stoßen. Man sieht am medialen Rande des
Bruchsäckes eine Verdickung im Peritoneum, die durch die Palpation
sich ebenfalls nachweisen läßt. Fehlen an andern Stellen des Peritoneums
Verdickungen als Produkt einer abgelaufenen Entzündung, dann wird
diese Verdickung allein genügen, um die Anwesenheit des Blasenzipfels
höchst wahrscheinlich zu machen, und sich die Notwendigkeit ergeben,
bei der Abtrennung des Bruchsackes und bei der Anlegung der Tabaks-
beutelnaht vorsichtig zu sein. Auch jene Formen der paraperitonealen
Hernien, wo der Chirurg bei der Operation zuerst auf einen größeren
Bruchsack stößt, diesen eröffnet und nun dem inneren Rande anliegend
einen Teil der Blase findet, werden der Diagnose keine Schwierigkeiten
bereiten, so daß eine Verletzung der Blase bei einiger Aufmerksamkeit
leicht vermieden werden kann. Anders verhält es sich mit jenen Para:
Blase. 607
peritonealen Hernien, wo der vorliegende Blasenteil bedeutend größer
ist als der Bruchsack, wo also der Chirurg beim Suchen nach dem Bruch-
sack zuerst auf den nicht vom Peritoneum bedeckten Anteil der Blase
stößt. Hier sind Verletzungen viel leichter möglich, wenn nicht sorg-
fältigst auf die anatomischen Verhältnisse geachtet wird. Die sich er-
gebenden Schwierigkeiten sind ganz ähnlich wie bei den rein extraperi-
tonealen Formen. Zur Orientierung kann in diesen Fällen das Vorhanden-
sein einer diffusen Fettansammlung, in selteneren Fällen eines umschriebenen
Lipoms dienen, das zumeist an der medialen und oberen Seite des Samen-
strangs gelegen ist, meist durch die Arteria epigastrica von ihm getrennt.
Auf diese Fettansammlung muß großes Gewicht gelegt werden, da sie
bei den extraperitonealeu Blasenhernien, die nach Art der Hernia directa
austreten, sich fast regelmäßig findet. Nach vorsichtiger Trennung des
Fetts mit zwei anatomischen Pinzetten findet man darunter auffallende
große Venen, die in den Fällen von Inkarzeration prall gefüllt sind
Ein weiteres sehr wichtiges Merkmal ist der Nachweis von Muskulatur
in der vorliegenden Geschwulst.. Der positive Nachweis der Blasen-
muskulatur sichert die Diagnose vollkommen. Schließlich hat Brunner
auf ein Gebilde aufmerksam gemacht, das für die Erkennung der Blase
ebenfalls guto Dienste leisten kann, nämlich das Lig. vesicale laterale.
Ist die Blasenverletzung bereits erfolgt, so wird in dem Austritte von
Urin ein weiteres sicheres Zeichen hinzukommen. — Die Therapie der
Blasenbrüche kann heute nur eine chirurgische sein und sie kommt der
Radikaloperation einer Hernie ziemlich gleich. Kr.
Bernie inguinale double de la vessie. Von Dr., Rinaldo Casa-
nello- Brescia. (Journ. d'Urol. 1913, Tome III, Nr. 1.)
Ein 52jähriger Mann trug seit 30 Jahren eine gröBere linksseitige
und seit 5 Jahren eine kleinere rechtsseitige Leistenhernie. Bei der
doppelseitigen Radikaloperation fand sich als Inhalt des Bruchsackes
links eine leicht reponible Darmschlinge und ein ektopischer Testikel;
die Außenseite des Bruchsackes war in der Nähe des inneren Leisten-
grübchens mit dem extraperitonealen Teile der Harnblase verwachsen.
Die Blase, an der Dicke ihrer Wandung erkannt und durch Kathete-
rismus rekognosziert, wurde befreit und normal gelagert, der ektopische
Hoden nach Isolierung des Samenstranges im Hodensack fixiert und die
Operation nach Bassini beendet. Der rechte Leistenbruch enthielt ein
Blasendivertikel. Bei der Operation riß die Blasenwand ein und mußte
genäht werden. Heilung per primam.
Auf der rechten Seite liegt eine echte Vesicocele vor, veranlaßt
durch angeborene Veranlagung oder durch das Vorhandensein eines
Blasendivertikels, während die linksseitige Blasenhernie nur als eino
Folgeerscheinung der ausgedehnten Intestinalbernie anzusehen ist.
A. Citron-Berlin.
Contributo allo studio dell’ernia della vescica. Von Puzzu.
(Il Policlinico 1913, 2.)
Der Blasenbruch kommt in ungefähr 0,6—1,36°', der Bauchbrüche
vor; es gehören noch manche Fälle davon zur Cystocele.
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608 Blase,
Zur Ätiologie und Pathogenese kommen in Betracht die besondere
Disposition der Bauchwand zur Bruchbildung (meist Darm und Netz)
und die dauernde Dehnung der Blasenwand mit Verdünnung und Schlafi-
heit ihrer Schichten (so besonders bei Prostatahypertrophie, Harnröhren-
verengerungen). Lipocele praevesicalis, angeborene oder erworbene Blasen-
divertikel sind nur als zufällige Ursachen zu betrachten. Die Cystocele
hat keine pathognomischen Charaktere; meist kann die Diagnose nur
aus physischen und funktionellen Symptomen gestellt werden. Die Be-
handlung des Blasenbruches unterscheidet sich im allgemeinen nicht von
der der anderen Brüche, nur muß man die verschiedenen dabei mög-
lichen Vorkommnisse in Betracht ziehen. Mankiewicz-Berlin.
Die radikale Behandlung angeborener Blasendivertikel. Von
Dr. J. M. van Dam, Assistent des St. Elisabeth - Krankenhauses zu Alkmaar.
(Beiträge zur klin. Chir., 83. Bd., 2. Heft, 1913.)
Verf. berichtet über einen Fall von angeborenem Blasendivertikel,
das mit der Hinterwand der Blase zusammenhing, mit Rücksicht darauf,
daß er eine sehr günstige Erfahrung mit einer einfachen Operations-
methode machte. Im Anschluß daran bespricht er an der Hand der bis
jetzt operierten Fälle (17 im ganzen) die Behandlung näher. In dieser
Besprechung gelangte er zu folgenden Schlußsätzen: „l. Die vorderen
und seitlichen Blasendivertikel (ohne Ureter in der Wand) exstirpiere
man extravesikal von vorn aus. 2. Die hinteren Blasendivertikel exstir-
piere man rein transvesikal. 3. Die seitlichen Blasendivertikel (mit
einem Ureter in der Wand) exstirpiere man extravesikal von vorn aus,
aber wenn dieses nicht geschehen kann, entweder kombiniert extra- und
intravesikal oder rein transvesikal. 4. Blasendivertikel, welche infolge
zu inniger Verwachsungen mit der Umgebung nicht zu exstirpieren sind,
werden am besten nach der abgeänderten Poussonschen Methode be-
handelt.“ Pousson frischte bei einem walnußgroßen Divertikel die
Ränder des Divertikels und der Blase an und vernähte sowohl Blase als
Divertikel. Selbst wenn diese Operation in dem Poussonschen Falle
nicht angebracht wäre, so scheint sie Verf. für nicht exstirpierbare Diver-
tikel sehr empfehlenswert, wenn ihr nämlich noch ein Akt hinzugefügt
wird: das Einnähen oder Tamponieren des auf diese Weise abgeschlossenen
Divertikels in die Bauchwand oberhalb der Leiste, während die Nach-
behandlung dann ebenso geschehen muß wie bei in die Bauchwand ein-
genähten Echinokokkus-, Pankreas- u. a. Cysten. Auch scheint es Verf.
erwünscht, den Divertikelsack und die Blase nicht in derselben Richtung
zu verschließen, sondern in zwei senkrecht zueinander stehenden Rich-
tungen und soviel wie möglich von dem Divertikelsack zu resezieren an
der nach der Kommunikationsöffnung liegenden Seite; dadurch würde
die Möglichkeit, daß die Blase wieder in das Divertikel durchbricht
oder umgekehrt, viel geringer sein. Kr.
Fissure vésicale inférieure. Inversion vésicale, étranglement.
Von Gaston Houzel-Boulogne-sur-Mer. (Journal d’Urologie, Tome Il.
No. 1, 1913.)
Eine pathologische Kuriosität gewissermaßen die Anomalie einer
Blase. 609
Anomalie ist der bei einem 13 Monate alten Mädchen beobachtete Fall
von Blasenfisur. Die Blase lag dabei wie ein Handschuhfinger umge-
kehrt vor der Vulva und war wie eine Hernie stranguliert. Das Redresse-
ment in Narkose gelang, die Blase wurde durch Herstellung einer oberen
Kommissur der Vulva dauernd an normaler Stelle gehalten.
A. Citron- Berlin.
Exstrophie vésicale. Von Lorthrioir. Société belge de Chirurgie
1912. (Archives générales de Chirurgie 1913, 2, p. 188.)
Lorthrioir berichtet über einen Fall von Exstrophia vesicae bei
einem 4 Monate alten Kinde. Zur Herstellung der Blasenhöhle hat er
die Hautlappen rechts und links abgelöst, aber mit der Blasenschleim-
haut in Kontinuität gelassen, die genügend mobilisierten Lappen ein-
ander genähert und in der Mittellinie vereinigt. Vorher hatte er eine
Vesicovaginalfistel gebildet und durch diese in die Neublase einen Ka-
theter geführt. Nach Epidermisierung des Canalis vesico-vaginalis Ent-
fernung der Sonde. Mankiewicz- Berlin.
Kyste hydatique retrovésicale. Von Guyot. XXV. Congres français
de Chirurgie. (Archives générales de Chirurgie 1913, II, p. 170.)
Guyot demonstriert eine retrovesikale Hydaditencyste, unilokulär.
vollgepfropft mit Blasen, entfernt transvesikal einem 50jährigen Manne,
der die Geschichte eines Prostatikers mit steigender Dysurie bis zur
Harnretention erzählte. Mankiewicz-Berlin.
Über Cysten der Harnblase. Von Privatdozeut Dr. R. Hottinger-
Zürich. (Folia urologica, Bd. VII, März 1913, No. 7.)
Cystenbildungen in und an der Blase gehören in jeder Form zu
den Seltenheiten. Die meisten von diesen Gebilden führen ihre Be-
zeichnung als „Blasencysten“ zu Unrecht, indem sie nicht von den Ge-
weben des Blasenkörpers ausgehen, sondern von dessen Adnexen. Dahin
gehören die Urachus-Blasencysten, die cystische Erweiterung der Ure-
terenmündungen mit ihren Varianten, die Prostata- (Retentions-) Cysten
(Englisch), die sich nach der Blase zu entwickeln usw. Von den in der
Blase angetroffenen Hydatidencysten sind die meisten auf Durchbrüche
resp. renale Abgänge zurückzuführen; doch kann ihr gelegentliches Vor-
kommen von der Blasenwand aus nicht bezweifelt werden. Die Cysten-
bildungen, die der Cystitis (Pyelitis, Ureteritis) cystica den Namen ge-
geben haben und deren Pathogenese, als entzündliche Produkte, durch
eine Reihe interessanter Arheiten nun aufgeklärt ist, sind multipel,
bleiben aber so klein, daß sie an und für sich nicht zu Störungen und
therapeutischen Eingriffen Anlaß geben. Als Ausgangspunkt vorliegen-
der Mitteilung hat Verf. vielmehr echte Cysten im Auge, die der Blasen-
wand angehören, solitär auftreten und eine derartige Größe erreichen,
dab sie zu Miktionsbehinderung führen. Der vom Verf. beobachtete Fall
betrifft einen Patienten, der früher längere Zeit in den Tropen gelebt
und dort verschiedene Fieber durchgemacht hatte; vor 20 Jahren auch
Gonorrhoe mit Cystitis und Epididymitis, die aber vollständig ausgeheilt
610 Blase.
schienen. Leichte Harnbeschwerden stellten sich schon vor zirka 8 bis
10 Jahren ein, derart. daß oft der Harn nur mühsam entleert werden
konnte. Stärkere Beschwerden traten erst ın letzter Zeit auf: erschwerte
Miktion, mehr Drang, eystische Beschwerden. Die Sondierung der hin-
teren Harnröhre zeigte einen Widerstand. Der Harn selbst war klar.
Die Cystoskopie brachte die Aufklärung: Trabekelblase mit besonders
starker Wulstung des Blasenbodens war vorhanden; aber vorn unmittel-
bar über dem Orifice. int. etwas mehr nach rechts entwickelte sich ein
elattkugeliger Tumor, über dem die Schleimhaut. von deutlichen Blut-
gefäßen durchzogen, stark gespannt und gerötet, im übrigen aber normal
erschien. Der Befund bei der ('ystotomie deckte sich vollkommen mit
dem eystoskopischen Bild: An der Vorderwand unmittelbar über dem
Oritie. int. sab eine kirschgroße pralle ('yste, offenbar im gleichen Sinne
als Ventil wirkend, wie die kugeligen JProstatamittellappen von unten.
Die ('ystenwand wurde abgebunden und abgetragen, die Blase ganz, die
äubere Wunde bis auf eine Drainöffnung geschlossen. Jetzt ist Pat. he-
schwerdefrei, uriniert leicht, ın großen Pausen, hat nachts Ruhe. Der
Urin ist klar; er enthält in der Nubecula Epithelien und nur spärlich
Leukozyten. — Als Ausgangspunkt der Cyste nimmt Verf. eine Blasen-
drüse an, als Anstoß die gonorrhoische Entzündung. Ähnliche Fälle
wurden beobachtet von Brongersma., Nitze, Bosch. van Houten
und Burckhardt. Kr.
Ulcere simple de la vessie. Von H. Lefèvre- Bordeaux. iJourn,
d'Urol. 1913, Tome III, Nr. 1.)
Eine 56jährige Frau wurde wegen eingeklemmter Schenkelherne
operiert, wobei das ganze Epiploon entfernt wurde. Kurze Zeit vor der
beabsichtigten Entlassung erkrankte sie unter einem plötzlichen Schmerz
im Abdomen und konnte nicht mehr spontan urinieren. Der mit dem
Katheter entleerte Urin war klar und tropfte ohne Druck horizontal ab.
Im Abdomen wurde eine Dämpfung nachgewiesen. Der Puls war fre-
quent, das Allgemeinbefinden schlecht. Man glaubte an eine Epiploitis
und später an Urämie. Unter Anwachsen des „Ascites“ und Zunehmen
der Somnolenz erfolgte innerhalb zweier Tage der Exitus.
Bei der Sektion fand sich an der hinteren Blasenwand auf der
Medianlinie nahe dem Scheitel eine Perforation von der Größe eines
50 Centimestückes, die Öffnung im Peritonealüberzug war kleiner als die
in der Muscularis. Pie Bauchhöhle war mit Urin erfüllt, keine Perito-
nitis, keine tuberkulüsen oder karzinüsen Läsionen. — Der Befund ist
typisch für das wohlbekannte Bild des einfachen akut-perforierenden
Blasengeschwürs, auffallend war nur der Mangel einer Peritonitis. Das
Bauchfell selbst war der Entzündung entgangen, hatte aber die Intoxi-
kation vermittelt. Myosis, Dyspnoe, Erbrechen, Diarrhoe, Albuminurie,
Somnolenz und der Initialschmerz hätten die Fehldiagnose verhindern
können, welche durch den Mangel peritonitischer Erscheinungen ver-
anlabt wurde. An eine Blasenperforation wurde intra vitam ebensowenig
vedacht wie in den übrigen bisher publizierten gleichartigen Fällen,
Die Blasenulcera sind nach der herrschenden Anschauung toxischen.
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w
Blase. 611
infektiösen oder embolischen Ursprungs. Im vorliegenden Falle wäre
also die Ätiologie angesichts der voraufgegangenen Brucheinklemmung
und deren operativer Behandlung genügend aufgeklärt.
A. Citron-Berlin.
Cystectomie totale pour récidive du cancer. Von Lemoine.
Nociété belge de Chirurgie 1912. Archives générales de Chirurgie 1913. 2,
p. 109.)
Lemoine hat wegen Krebsrezidiv der Blase die Üystectomia totalis
ausgeführt, die Ureteren ins Rektum verpflanzt, das Rektum exkludiert,
das S. romanum herabgezogen; tiefe Durchtrennung des Rektums, das
sich so vom Kotabgang isoliert findet und in Verbindung mit den Harn-
leitern ist. Herabziehen des S. romanum und Einpflanzung desselben in
der Gegend des Sphincter ani. Mankiewicz-Berlin.
Zur Ätiologie der Cystitis emphysematosa. Ein Beitrag zur
Gasbildung der Bakterien der Koligruppe Vou S. Schönberg.
‚Frankfurter Zeitschr. f. Pathologie, XII. Bd., 1913, S. 289.)
Vor mehreren Jahren wurde diese Schleimhauterkrankung der Blase
zum ersten Male von Ruppauer beobachtet und beschrieben. Seitdem
sind im Baseler patholog. Institut 3 weitere Fälle beobachtet worden.
In allen Fällen handelte es sich um Frauen im Alter von Mitte 30 bis
10 Jahre, die an verschiedenen Krankheiten (Nephritis, Tuberkulose, Dia-
betes, Pneumonie) gestorben waren. Klinisch bestand in dem Falle Rup-
pauers keine Ovstitis, in einem Falle eine eitrige Cystitis und in den
beiden anderen Fällen nur eine leichte Ü'ystitis. Mikroskopisch fand man
in den tieferen Schichten der Mucosa und Submucosa unregelmäßige
größere und kleinere Hohlräume ohne sichtbaren Inhalt. Diese Cysten
waren zum Teil mit Endothel ausgekleidet, zum Teil stellten sie einfache
Hohlräume und Spalten im Gewebe vor. In Mucosa und Submucosa
waren reichliche Ansammlungen von Leukozyten. Mittelst Gram konnten
nur einige blaue, schlanke Stäbchen gefunden werden. Dagegen sah man
in dem nach Löffler gefürbten Präparat zahlreiche teils gerade, teils
leicht gebogene Bakterien vom Aussehen der Kolibazillen. Reinkulturen
wurden nur mit den gramnegativen Bakterien erzielt. Die auf diese
Weise gewonnenen Bakterien unterscheiden sich von den gewöhnlichen
Kolibazillen dadurch, daß sie auch in gewöhnlichem Agar Gas bilden.
Ferner verflüssigen sie Gelatine nicht. Hauptsächlich unterscheiden sie sich
aber dadurch, daß sie im Tierkörper Gas bilden. Unter 14 Fällen ge-
lang es 1O mal bei Tieren teils durch subkutane, teils durch intraperi-
toneale oder intravenöse Kulturinjektionen Gasbildung hervorzurufen teils
in Gewebe teile im serösen Erguß der Bauchhöhle. Nur bei Mäusen
und bei einem Schwein fiel der Versuch negativ aus. Ferner wurden die
Reinkulturen nur durch ihr spezifisches Serum agglutiniert nicht aber
durch Koliserum und umgekehrt ist das den Gasbildner spezifisch agglu-
tinierende Serum auf den Kolibazillus unwirksam.
R. Kaufmann-Frankfurt a. M.
612 Blase.
Chronic cystitis and retention of urine, treatment by drai-
nage and its beneficial effect upon damaged kidneys. Von D. \ew-
man. (Ihe practioner, April 1913.)
N. gelangt zu folgenden Schlüssen:
1. Störungen ım freien Abflub des Urins können zu erhöhtem Druck
in den Nieren und infolgedessen zu Nephritis ähnlichen Symptomen
(Polyurie, Albuminurie und Toxämie) führen, welche schwere Kompli-
kationen hervorrufen können.
2. Die suprapubische Cystotomie bildet die beste Art der Drainage.
3. Auf kontinuierliche Drainage der Blase verschwinden diese
Symptome, und der Patient wird für eine eventuell notwendige weitere
Operation In günstigere Verhältnisse gebracht.
4. Kontinuierliche Drainage bewirkt auch Abnahme der Gröbe der
Nieren und der Kontraktionen der Ureter.
5. Bei chronischer Cystitis bildet die Drainage durch suprapubische
Cvstotomie die beste Methode zur Erleichterung der Beschwerden oder
Heilung der Krankheit. von Hofmann-Wien.
Cystitis und Harnantiseptika, nebst einer Bemerkung über
Urinanalyse zur Feststellung von Formaldehyd. Von W. Harrison.
(Lancet, 18. Mai 1912.
Verf. gibt Hexamethylentetramin am liebsten in der Form des
folgenden Rezeptes:
Helmitol 0,3
Kal. citric. 12
Extr. tritici repentis. lig. 4,0
Syr. aurant. 2,0
Aq. ad 16.0
Er gibt diese Dosis in der gleichen Quantität Wasser 3 oder À mal
am Tage und hat immer recht gute Erfolse davon gesehen.
Er hat jetzt genaue Untersuchungen darüber anstellen lassen, ob
wirklich Formaldehyd durch den Urin zur Ausscheidung gelangt. Die
Untersuchungen haben die Anwesenheit von Formaldehyd in, wenn auch
nur geringen, doch otfenbar mit der Dosis in Einklang stehenden Mengen
nachgewiesen. Ejigentümlich nur war die Ungleichmäbigkeit der Aus
scheidung. W. Lebmann-Stettn.
L'enfumage iodé dans le traitement des cystites. Von Gaston
Farnarier-Paris. (Journ. d'Urol Tome Il, No. 6, 10912.)
Die vom Verfasser schon früher empfohlene Behandlung der Cysti-
tiden mit ‚Joddämpfen ist besonders indiziert bei Blasentuberkulose und
rebellischen Blasenkatarrhen. Alle 7 behandelten Fälle von Cystitis
tubereulosa wurden gebessert. Die Schnelligkeit, mit welcher die Schmerz-
haftigkeit der Attektionen herabgesetzt wird, ist besonders zu rühmen.
Technik und Aufbau des Apparates werden an einer Abbildung er-
tes A. Citron-Berlin.
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s 3
SS ha at ZS Sie
Blase. 613
Le phlegmon diffus péri-vésical d'origine prostatique. Von F.
Lerueu-Paris. (Journ. d'Urologie, Tome III, No. 1, 1913.)
Die Urininfiltration der ,oberen Loge“ konnte bisher nicht be-
schrieben werden, weil sie nie zur Beobachtung kam. Vor einigen
Wochen gelang es Leguen, diese Aflektion unzweifelhaft an einem in
seiner Klinik verstorbenen Patienten festzustellen. Es fand sich unter
der Form einer gangränösen Pericystitis die alte Urininfiltration, welche
bei Lebzeiten des Patienten der Beobachtung entgangen war, weil ihr
Vorhandensein neben den an der Oberfläche sich abspielenden Erschei-
nungen einer Dammphlegmone zurücktrat. Durch Beobachtung und Be-
schreibung des Falles wird eine T,;ücke in der urologischen Chirurgie
ausgefüllt. In praktischer Hinsicht ergibt sich die Notwendigkeit bei
Kranken, welche an Urininfiltration leiden, und deren Zustand sich nach
der Besprechung der äbnlichen Entwicklung nicht bessert, der periprosta-
tischen Urininfiltration nachzuspüren. Die Behandlung müßte in opera-
tiver Eröffnung sowie in perinealer und suprapubischer Drainage be-
stehen. Da diese Infiltrationen stets zu Gangrän führen, dürfte man bei
ihrer Behandlung kein leichtes Spiel haben. A. Citron-Berlin.
Pollakiurie symptomatique d’étroitesse congenitale du meat
urétral chez un adulte. Von R. Ducastaing-Paris. (Journ. d'Urologie,
Yome IIJ, No. 1, 1913.)
Ein 23jähriger Mann litt an Pollakurie, Cystitis, Gonorrhoe, Tuber-
kulose waren ausgeschlossen.
Es lag eine jener seltenen Faltenbildungen am Orificium urethrae
vor, welche ohne Retention zu verursachen, Unbehagen und Drang aus-
löste. Nach geeigneter Dilatation schwanden die Beschwerden.
A. Citron-Berlin.
Zur Behandlung der Blasenschwäche des Weibes. Von H.
Fehling, Vorstand der Frauenklinik der Universität Straßburg i. E. (Medizin.
Klinik 1913, Nr. 8.)
Die Blasenschwäche ist ein beim Weib in allen Lebensaltern vor-
kommendes Ereignis, häufiger finden wir sie bei Frauen, die geboren
haben, und zumal bei älteren Frauen im Klimakterium. Es handelt
sich um eine teilweise Inkontinenz des Sphinkters der Blase, welche be-
sondere bei Anstrengung der Bauchpresse, Husten, Niesen, Lachen,
Drängen, Pressen zutage tritt. Das Leiden verhält sich meist aller
Therapie gegenüber sehr hartnäckig. Verf. betrachtet nur die auf me-
chanischer Ursache beruhende und die reine essentielle Blasenschwäche.
Von mechanischen Ursachen ist zu nennen: Verlagerung des Blasenhalses
durch Rückwärtslagerung des Uterus, durch Senkung der Cervix und des
Scheidengewölbes, dann Narben im Scheidengewölbe zwischen Portio und
Blase, nach Operationen oder Geburten entstanden. Ehedem lieferte die
rasche Dilatation der Harnröhre nach Simon mit nachfolgender Finger-
austastung, die jetzt fast gänzlich verlassen und durch die Cystoskopie
verdrängt ist, ein nicht unbeträchtliches Kontigent. Die Senkung der
vorderen Scheidenwand samt Cervix wirkt meist dadurch, daB durch die
614 Biase.
Senkung der vorderen Vaginalwand mit der Blase das Trigonum gezerrt
wird; damit wird der an dessen unterem Ende sich anschliebende Schliet-
muskel der Blase, welcher aus querge=treifter Muskulatur besteht, in die
Länge verzerrt, weil der vordere Teil der Sphinktergegend durch den
kräfuügen Bandapparat der Ligamenta pubovesicalia media und lateralis
an der Symphyse befestigt ist. Andere Male sind es Tumoren. seltener
Ovarialtumoren, als retrocervikale und andere Myome, welche im Beginne
zunächst durch Kompression des Blasenhalses Schwierigkeiten heim Wasser-
lassen, später beim weiteren Wachstum durch Überdehnung der Gegend.
durch Emporzerren der Blase oder eines Zipfels derselben Blasenschwäche
hervorrufen. Ähnlich wirken auch die Geburtsvorgänge. Verf. glaubt
hier weniger an den Druck des Kınd-kopfs mit allenfallsigen Blutungen
ins (ewebe und kleinen Verletzungen derselben; dann müßte nach Erst-
geburten, wo der Kopf doch wochenlang ım Becken steht, diese Schwäche
viel hänfiger vorkommen als bei älteren Frauen, die gerade nach wieder-
holten Geburten zumal grüberer Kinder dieses Symptom zeigen. F
entsteht bei diesen vielmehr eine Überdehnung der Muskelfasern ohne
völlige Restitution. In seltenen Fällen ist abnormer Chemismus des
Blaseninhalts, besonders ein stark alkalischer Urin, nicht immer durch
Koliinfektion bedingt, die Ursache. Findet man bei genauer Unter
suchung keines der oben genannten Momente als Ursache, dann wird
man die sogenannte essentielle Blasenschwäche des Weibes anzunehmen
haben, deren dunkle Entstehung meist auch der Schwierigkeit der Tle-
rapio parallel geht. Die Prophylaxe hat schon im Wochenbette zu be-
ginnen, indem man einerseits die Wöchnerin vor allzu starker Ausdehnung
der Blase bei Unvermögen, Wasser zu lassen, bewahrt, anderseits ihr
nicht zu früh gestattet. sitzend ihre Bauchpresse zur Entleerung der Blase
anzuwenden. Bei älteren Frauen sind prophrlaktische Spülungen der
Scheide mit adstringierenden Mitteln anzuwenden, ferner nützt manchmal
Einlegen adstringierender Tampons ins Vaginalgewölbe. In nicht seltenen
Falen hilft eine Ringtherapie, welche den Uterus oder die Scheide in
normale Jage bringt. In einigen Fällen hat Verf. durch längere An-
wendung sehwacher galvanischer Ströme bis zu 30 Milliamperes Erfolge
gesehen. Von nicht operativen Verfahren ist hier noch die Paraftin-
injektion nach Gersuny anzuführen. ferner die von Stöckel empfohlene
Vibrationsmassage. Sind die nicht operativen Methoden ohne Erfolg an-
gewandt worden, so ist die Frare eines operativen Eingriffs zu erwägen.
der zwar auch unsicher im Erfolg ıst, aber doch nicht selten der Pa-
tientin erwünscht kommt. welche um jeden Preis von ihrem so lästigen
Leiden befreit sein will. Verf. bespricht. die wesentlichen Operations-
methoden, und besonders solche. über welche er eigene Erfahrung besitzt.
Kr.
o mme ff me
+ > Re mv
= , ne u
Aus der Äußeren Abteilung des Stadtkrankenhauses Friedrichstadt
in Dresden.
(Dirigierender Arzt: Prof. Dr. Werther.)
Vier Fälle von Prostataatrophie.
Von
Dr. Viktor Caesar, Hilfsarzt.
Mit 3 Textabbildungen.
Barth? hat bei Prostataatrophie als erster die Prostataexstir-
pation als Heilverfahren veröffentlicht. Nach ihm hat Süßenguth?
die Prostatektomie bei der Behandlung der Prostataatrophie direkt
als das Normalverfahren hingestellt und den Heilerfolg an einem
Fall veröffentlicht.
Ich bin in der Lage, drei ähnliche Fälle zu publizieren und den
anatomischen Befund eines vierten Falles von Atrophie, der an
Tabes im Krankenhaus gestorben war.
Ich gebe zunächst einen Auszug aus den Krankengeschichten.
Fall I.
Gl. 63 Jahre alter Händler.
Anamnese:
Mit 17 Jahren Tripper und Nebenhodenentzündung. Später kinderlose
Ehe. Seine Frau starb im 80. Lebensjahre an „Unterleibsleiden“. Hat angeblich
keine weiteren Infektionskrankheiten gehabt.
Vor 9 Jahren wurde er wegen Doppelleistenbruchs radikal operiert. Wenig
nach dieser Zeit angeblich erechwertes Urinieren. Er hatte damals über „Blasen-
schneiden“ zu klagen, besonders kurz ehe das Wasser kommen sollte, Der Harn-
strahl war schwach. Hat nie Blut im Harn gehabt. Mubte nachts zwei- bis
dreimal zur Urinentleerung aufstehen. Seit 3—4 Jahren litt er an gelegentlichem
unfreiwilligem Abträufeln von Harn, so dab stets seine Kleider durchnäßt
waren, er deswegen keine Arbeit mehr und nur noch Stallungen als Nacht-
quartier fand,
Ist nie katheterisiert worden. Jetzt seit mehreren Wochen ununter-
brochenes Harntränfeln, tags wie nachts. Kommt zur Beseitigung seines Leidens
in das Krankenhaus (25. 11. 12.).
Status praesens:
Großer Mann in mittlerem Ernährungszustand. Wachsartiges Inkarnat.
Ansgeprügte Schlängelung und Rigidität der Aa. radiales und Aa. temporales.
Reflexe intakt, insonderheit keine Tabessyrmptome. Innere Organe: geringes
Emphysem und chronische, feuchte Bronchitis. Leicht Arhythmien der Herz-
Zeitschrift für Urologie. 1913, 41
616 Viktor Caesar.
aktion. Intertriginöses Ekzem des Skrotums und der Schenkelinnenfächen.
Harnapparat: Kontinuierliches Abträufeln trüben Urins aus der Harnröhre.
Blasendämpfung bis zum Nabel reichend. Nieren palpatorisch nicht empfindlich
und nicht vergrülert. Prostata: per rectum nicht vergrößert, glatt, Schleimhaut
darüber verschieblich, hart von Konsistenz, nicht schmerzhaft. Haroröhre im
vorderen Drittel für Katheter 18 Ch. sehr schwer passabel, 19 nicht einzuführen,
Endoskopisch: blasser, starrer Schleimhauttrichter ohne Fältelung und Streifung
im vorderen Drittel der Pars pendula.
Entleerung von 1200 ccm Resturin beim ersten Katheterismus. Urin mini-
mal getrübt. Reaktion leicht sauer. Kein Albumen. Kein Zucker. Spez. Ge-
wicht 1020. Tagesmenge ca. 2000 ccm.
Weder das gefundene harte Harnröhreninfiltrat geringer Mächtigkeit noch
auch der rektale Prostatabefund konnte die Ischuria paradoxa ausreichend er-
klären.
Therapie:
Zunächst wegen Cystitis mehrfacher Katheterismus täglich und Blasen-
spülungen, bis Cystoskop einführbar. Nach Dilatation bis Charrière 21 Cysto-
skopie (am 2. 12. 12.): Deutliche Balkenblase mit diekkalibrigen Balken und
mit geringer Pseudodivertikelbildung. Leicht schleimiger Belag der Schleim-
haut, verwischte Gefäßzeichnung. Basfond o. B. Auf dem Sphincter vesicse
erhebt sich nach der Blase zu ein glattrandiger halbkugeliger Tumor, der Mitte
des oberen Prostatarandes entsprechend. Die Seitenteile der Prostata erscheinen
auffallend klein, jedenfalls nicht vergrößert.
Cystoskopische Diagnose: Hypertrophie des mittleren Prostatalappens
(Homescher Lappen).
Infolgedessen:
Exstirpation der Prostata pervesikal nach Freyer in Stovainlumbal-
anästhesie (4. 12. 12.). Palpatorisch erwies sich im Blaseninnern bei der Ope-
ration der cystoskopische Befund bestätigt: keine Vergrößerung der Seitenlappen,
ventilartiges Vorspringen eines kleinen Homeschen Lappens.
Der Heilungsverlauf dieses ersten Falles gestaltete sich wie
folgt: Am 3. Tage nach der Operation wurde die abdominelle Drai-
nage entfernt und durch den Verweilkatheter ersetzt. Nach weiteren
7 Tagen komplizierte eine rechtsseitige leichte Nebenhodenentzündung
den Heilungsverlauf und veranlaßte die dauernde Entfernung des
Verweilkatheters. Die Bauchfistel war jetzt schon trocken; der
Patient urinierte spontan durch die Harnröhre. Nach weiteren
3 Tagen waren nur noch 3—4 EBlöffel leicht trüben Resturins vor-
handen, danehen jedoch leichte Inkontinenz, die sich einstellte, wenn
die Blase etwas stärker angefüllt war oder wenn Patient hustete.
Am 15. Tage nach der Operation stand der Kranke dauernd aui.
Vom 17. Tage ab wurde nicht mehr katheterisiert und gespült. Die
Inkontinenz war aufgehoben. Am 28. Tage nach der Operation
war die Bauchwunde vollständig überhäutet. Konnte leicht in
u un nn
Vier Fälle von Prostataatrophie. 617
vollem Strahl und mit guter Projektionskraft urinieren bei völliger
Kontinenz. Resturin ca. 1 EBlöffel. Mußte nachts zweimal auf-
stehen zur spontanen Urinentleerung, wozu ihn seine geringe Blasen-
kapazität nötigte. Urin klar. Die Entlassung erfolgte nach völliger
Erholung des senilen Mannes. Die cystoskopische Kontrolle ergab
überall glatten Sphinkter ohne Vorwölbungen.
Der seit Jahren durch sein Blasenleiden asozial gewordene Mann
war hiermit seinem Beruf wiedergegeben und kann sich fernerhin
wieder in menschlicher Gesellschaft bewegen. Er verließ uns ge-
sand und voll erwerbsfähig. Der operative Erfolg war also ein
vorzüglicher.
Die mit der Kapsel total exstirpierte Prostata zeigte statt
einer aus den Symptomen etwa erwarteten Hypertrophie eine auf-
fallende Kleinheit.
Das Gewicht der gesamten Prostata betrug nur 3 g (normales
Katheter-
schnabel im
Orificium
internum
urethrae.
Fig. 1. Fig. 2.
Natürl. Größe, von der Seite. Natürl, Größe, von oben.
Durchschnittsgewicht 16 g), die Länge 4 cm (normal 3,4 cm), die
Breite an der Basis 1'/, cm (normale Durchschnittsbreite 1'/, cm).
Von der Seite betrachtet, erkannte man, daß die Prostata ein
nicht aus mehreren Lappen bestehendes, sondern einheitliches Ge-
bilde von der Größe eines dritten Kleinfingergliedes war, welches
nach dem Blasenlumen mit einer nicht ganz haselnußgroßen Kuppe
vorsprang. Der die Harnröhre umfassende Teil der Vorsteherdrüse
war von straffen Bindegewebszügen umschnürt und ähnelte im kleinen
einem mit Faden umschnürten Rollschinken. Diese Partie fühlte
sich besonders hart an. Aus dem distalen Ende des Präparates
ragte ein kleiner Zipfel hervor, der aus dem abgerissenen Ende der
Harnröhrenschleimhaut bestand.
Aus den beigegebenen Abbildungen (Bild 1 und 2) ist ohne
weiteres ersichtlich, wie die funktionellen Störungen des Kranken
zustande kamen: bei voller Blase legte sich der zentrale Bürzel
wie ein Ventil über das Oriäcium internum urethrae und wurde
41 *
618 Viktor Caesar.
beim Versuch, die Blase zu entleeren, nur um so fester gegen die
Urethra geprefit, so daB es zur Verhaltung kommen mußte.
Nach den Grôlienverhältnissen war also der entfernte Tumor
als eine atrophische Prostata zu bezeichnen.
Bei der mikroskopischen Untersuchung wurde gefunden: cystisch
erweiterte Prostata-Drüsenlumina, deren Epithel zum Teil schlecht
gefärbte Kerne aufweist, zum Teil aber gut erhalten und zottig ge-
“ wuchert ist (papilliformes Adenom). Normale Drüsen sind nicht
vorhanden. Zahlreiche Corpora amylacea liegen in den Lumina.
Zwischen den Drüsen breitet sich viel Bindegewebe mit parallelen
Zügen und wenig Kernen aus. In der Kapsel finden sich Anhäu-
fungen von Lymphocyten, an einer Stelle ist ein kleiner Abwel
zu sehen, an anderen narbige Einziehung.
Es war also, wie uns der histologische Schnitt zeigte, hier eine
Atrophie der Prostata mit partieller Adenombildung vorhanden. Die
Atrophie war durch Verkleinerung des Organs, durch den Unter-
gang der Drüsen, durch Schrumpfung und Verhärtung des Stronas,
Untergang der glatten Muskulatur und den Bindegewebsreichtum
gekennzeichnet. Nebenbei bestand eine partielle Adenombildung.
Das Zusammenvorkommen von Atrophie und Adenom ist ja schon
an Leber, Nieren und Nebennieren beobachtet. Und speziell von
der Prostata betonte schon Burckhardt, daß die Degenerations-
vorgänge die Prostata nicht überall gleichmäßig betreffen und dab
hier und da Teile der Drüsen mehr oder weniger verschont bleiben.
Als Ausgang der Atrophie dürfte eine chronische gonorrhoische
Entzündung anzusehen sein, die nebenbei außer zur Prostatitis noch
zu der erwähnten Striktur in der Pars pendula geführt hat.
Wie dargelegt, dürfte der nach der Seite des geringsten Drucke:
entwickelte Bürzel — hier ist keine Kapsel vorhanden — zusammeu
mit einer narbigen Einschnürung der Pars prostatica für die Harn-
entleerung in demselben ungünstigen Sinne, wie eine Prostatabyper-
trophie, gewirkt haben.
Ganz analog ist der von Süßenguth” erwähnte Fall, der
allerdings keinen entzündlichen Ursprung hatte; es handelte sich um
senilen Schwund der Scitenlappen bei verlangsamter Rückbildung
des mittleren Lappens, so daß dieselben Störungen resultierten.
Fall II.
D., öljähriger Konsul.
Anamnese:
Als junger Mann wiederholt Tripper. Seitdem immer eine „schwache Blase“.
Vier Falle von Prostataatrophie. 619
In früheren Jahren Malaria und tropische Dysenterie. Vor 5 Jahren letzter
Malariaanfall.
Mit ca, 50 Jahren konnte er wegen heftiger Schmerzen im Mittelfleisch
nicht reiten (Prostatitis).
Seit 4 Jahren vermehrter Harndrang, besonders nachts. Vor 2 Jahren
komplette Harnverhaltung. Nach Katheterismus gebessert. Anfang 1910 wurde
Nephritis konstatiert. Viel Albumen im Urin.
Kommt wegen häufigen Harndranges und erschwerter Entleerung in die
Sprechstunde von Herrn Prof. Dr. Werther. Dabei wurde eine mächtige Dila-
tation der Blase bei ca. 2000 ccm Resturin festgestellt und cystoskopisch In-
krustationen, die wie ein Schutthaufen aussahen.
Aufnahme ins Krankenhaus am 2. 7. 1919,
Befund:
Groß, mittelkräftig, gut genährt, blab. Prostata, per rectum und bimanuell
untersucht, nicht vergrößert, von weicher, gleichmäßbiger Konsistenz. Katheteris-
mus mit Katheter 19 möglich, aber in der Pars prostatica schmerzhaft. 650 ccm
Resturin, trübe, schwach saure Reaktion, spez. Gewicht 1012, 6%, Albumen.
Kein Blut. Im Sediment zahlreiche Leukocyten und granulierte Zylinder.
Therapie:
Nachdem in fast 3 Wochen der Blasenkatarrh durch regelmäßige Spülungen
und zeitweise eingelegten Dauerkatheter wesentlich gebessert ist, der Resturin
morgens durchschnittlich 500—600 und abends ca. 200 ccm beträgt, Cystoskopie.
Balkenblase, höckerige Granulationen im Vertex der Blase. Schleimhaut
verdickt mit knotigen Hervorragungen (chronische Entzündung). Im Furdus
links ein Divertikel an der Stelle, wo früher Inkrustationen beobachtet wurden.
Die untere Hälfte des Sphinktersaums ist nicht glatt, sondern zeigt Hervor-
ragungen, die zunächst eine Hypertrophie der Seitenlappen vortäuschen. Der
Mittellappen ist als ein zapfenförmiger Tumor sichtbar.
9, 8. Freyersche Operation in Äthernarkose. Die Blase erweist sich als
sehr schlaff und wölbt sich auch bei 600 cem Füllung nicht prall vor. An der
Prostata rüsselförmiger, etwa haselnußkerngroßer Mittellappen, der sich ziemlich
leicht lösen läßt, In der Blase selbst befindet sich ein grobes, nicht ganz ab-
tastbares Divertikel. Beim Husten und Würgen in der Narkose wird plötzlich
aus der Tiefe eine Menge kleinster Konkremente entleert.
Der Heilungsverlauf und Erfolg gestaltete sich wie folgt:
Am 16. 8. wurde die Drainage bei weiterem Verweilkatheter entfernt.
Am 22. 8, ist der Verband erstmals trocken geblieben. Vom 23. 8. ab nur
noch nachts Verweilkatheter. Am 30. 8. betrögt der Resturin nur noch 250 cem,
ist aber noch cystitisch trübe. Am 9. 9. zur Weiterbehandlung außerhalb des
Krankenhauses entlassen.
Der endgültige Erfolg der Operation bestand in einer wesentlichen Ver-
fingerung des Resturins und in Erleichterung des Katheterismus. Der mangel-
hafte Erfolg ist durch die Infektion und Dilatation der Blase, welche jahrelang
bestanden hat, erklärbar.
Ätiologisch dürften in diesem Falle die vielen vor Jahren
durchgemachten Gonorrhöen und die vor 10 Jahren schmerzhaft
aufgetretene Prostatitis heranzuziehen sein.
620 Viktor Caesar.
Anatomische und histologische Untersuchung:
Die entfernte Prostata überraschte durch ibre Kleinheit. Sie
glich einem länglichen Wulst, einem oberen Daumenglied. In der
Mitte und an der Basis war sie durch Kapselstränge horizontal ein-
geschnürt. Einzelne Lappen waren nicht unterscheidbar: es bestand
nur ein Mittellappen.
Die Prostata wurde im ganzen eingebettet und quer zur Harı-
röhrenrichtung geschnitten. Das Bindegewebsstroma war vermehrt
und überall mit entzündlicher, kleinzelliger Infiltration durchsetzt,
ebenso die Kapsel. Die Muskulatur war (van Gieson-Färbung!
atrophisch und umgab nicht mehr ringförmig die Drüsenläppchen,
sondern zeigte sich mehrfach unterbrochen. Die Drüsenlumina waren
cystisch erweitert, das Epithel schlecht gefärbt, meist degenertert.
Die sichtbare Schleimhaut der Pars prostatica der Urethra und der
Ausführungsgänge war aufgelockert, gewuchert und entzündlich mn.
filtriert. An einzelnen Stellen waren umschriebene Narben aus zell-
reichem Bindegewebe in scheibenförmiger Anordnung unter der
Schleimhaut sichtbar. Also Prostatitis mit Atrophie und Urethntis
chronica.
Fall III.
Z., 68 Jahre alter pensionierter Werkmeister.
Erste Untersuchung am 1. 5. 10.
Anamnese:
Seit 15 Jahren Harnbeschwerden. Am 22. 4. plötzlich komplette Ve
haltung mit starker Ausdehnung der Blase. 2 Liter Resturin. Am 29.4. nach
zu Hause vorgenommenem Katheterismus starke Cystitis mit blutigem Urin und
komplette Harnverhaltung. Hat vor einigen Jahren einen Schlaganfall gebabt,
seitdem grobschlägiger Tremor der Hände.
Status praesens:
Großer kräftiger Mann. Patellar- und Pupillenrefexe normal. Fübe leicht
geschwollen. Prostata, per anum palpiert, erscheint gleichmäßig nach beiden
Seiten vergrößert. Blase steht fast in Nabelhöhe. 1000 cm? Restarin. Urin:
schwach alkalisch, spezifisches Gewicht 1025, sehr trüb, Eiweiß 13°0',, Blut, kein
Zucker. Im Sediment keine Zylinder.
20. 6 Kommt, nachdem er in der Zwischenzeit regelmäßig katheterisiert
worden ist, zur Operation ins Krankenhaus.
Cystoskopie: Cystitis mittleren Grades. Am unteren Sphinkterrand ragen
mehrere Wülste vor, die eine knotige Prostatahypertrophie vortäuschen. (Bei
der Operation erwies sich das, was als Prostata cystoskopisch imponierte, als
Schleimhautwülste der Blase.)
Urin: hell, sauer, spezifisches Gewicht 1015; 1!/:°/% Albumen. Im Sedi-
ment viel Leukocyten, spärlich rote Blutkörperchen, kein Zucker, Temperstur
normal. Restarin ca. 500—600 cem, Gesamturinmenge täglich 2 Liter.
= ee + mme e em
Vier Fälle von Prostataatrophie. 621
26. 6. Operation nach Freyer in Lumbalanästhesie. Die Prostata erwies
sich als exquisit atrophisch. Nach der linken Seite zu war ein querverlanfender,
kleiningerdicker Wulst fühlbar, dessen stumpfe Entfernung nicht möglich war,
weil die normale Schichtung der Gewebe, in der die Auslösung geschieht, nicht
mehr vorhanden war. Die Operation konnte also nicht mehr zu Ende geführt
werden.
Patient wurde am 23. 7. entlassen. Er muß sich jetzt noch früh und
abends katheterisieren und fühlt sich dabei leidlich wohl. (15. 2. 1913.)
Ätiologisch blieb der Fall unklar. Von vorhergegangenem
Tripper oder anderen Infektionen ist nichts bekannt. Jedoch muß
eine Entzündung vorangegangen sein, welche die Umgebung der
Prostata infiltriert hat und die Verwandlung in geschichtetes Narben-
gewebe veranlaßt hat (indurierende Periprostatitis).
Fall IV.
Bei dem an Tabes gestorbenen Kranken fand sich bei der Sek-
tion der extremste Grad reiner Prostataatrophie Im Handbuch der
Urologie von Fritsch und Zuckerkandl# ist diese Form wie folgt
beschrieben: „Durch Schwund des Prostataparenchyms erleidet die
Schleimhaut am Orificium vesicae ganz charakteristische Verände-
rungen. Die sonst von einem derben Ring gebildete Blasenöffnung
wird nunmehr von einer dünnen, taschenartigen Schleimhautfalte ver-
schlossen, die ventilartig über dem Orificium internum gelagert
ist. .... Diese Klappenform findet sich nur in den kleinsten Formen
der Vorsteherdrüse, und zwar in solchen, in welchen die Drüsen-
substanz ganz fehlt oder doch wenigstens minimal angelegt ist“.
Genau so verhält sich unser Präparat. Von der Prostata ist
nichts mehr zu sehen. Über das interne Orificium legt sich eine
Schleimhautduplikatur wie eine Barriere. Die Pars prostatica ist
nach der Blase zu logenartig erweitert. Die Blase ist mächtig dila-
tiert und in der Wandung atrophisch und dünn.
Abbildung 3 zeigt einen Schnitt durch diese Barriere. Die
. Drüsensubstanz ist völlig verschwunden. Im oberen Teil des Bildes
sieht man Lymphocytenanhäufungen in Gefäßen, die die entzündliche
Genese dieser Atrophie verraten. Sonst sind nur Muskelfasern und
Bindegewebsstroma zu sehen. —
Wenn wir unsere Fälle nochmals übersehen, so handelt es sich
zweimal um gonorrhoische Ätiologie, die anderen beiden Fälle
blieben ätiologisch unklar, eine entzündliche Pathogenese ist jedoch
nach dem histologischen Befund anzunehmen.
Der Operationserfolg war in Fall I ein geradezu vorzüglicher
und führte in Fall II zu wesentlicher Besserung des Resturins und
ne. Dm sole © $
Re Al
622 Viktor Cuesar,
Erleichterung des Katheterismus. Wir können uns auf Grund unserer
Erfahrungen dem Vorschlag, die Prostataatrophie chirurgisch zu be-
handeln, nach Barths'! und Süßenguths” Vorgehen nur anschließen.
Bezüglich der Diagnose möchten wir Süßenguth? nur recht
geben, bei Prostatismus ohne nachweisbare Vergrößerung der Drüse
stets an Atrophie der Drüse zu denken. Es scheint ja häufiger, als
bisher bekannt, eine atrophische Prostata mit relativ hypertrophem
Mittellappen vorzukommen. Zu Fehldiagnosen kann auch Caspers’
Angabe führen: „zum Unterschied von dem Harnträufeln bei der
Prostatahypertrophie wird hier (bei der Atrophie) die Blase leer.
gefunden, während sie bei der Hypertrophie bekanntlich überfüllt
ist und sich das Abfließen des Harns als ein Überfließen des ge-
füllten Reservoirs entpuppt. Es besteht also zum Unterschied von
der Hypertrophie kein Residualharn“. Fall I hatte 1200 ccm Rest-
urin, Fall IL 600, Fall III 1000 ccm. Unsere Fälle beweisen, wie
häufig in der Praxis bei Atrophie — trotz widersprechender Be-
merkungen in den Lehrbüchern — bedeutender Residualharn besteht.
Die Diagnose ist vielfach direkt schwierig. Wie große Täu-
schungen schon die palpatorischen Untersuchungen zeitigen können,
Vier Fälle von Prostataatrophie. 623
wird durch unseren Fall III illustriert, wo bei sorgfältiger rektaler
Untersuchung (bei stehendem Patienten) die exquisit atrophische
Drüse als vergrößert imponierte. Um eine bessere Vorstellung von
der absoluten Größe der Prostata zu bekommen, untersuchen wir
nun stets in mehreren Stellungen: 1. bei stehendem Patienten, 2. in
Steinschnittlage, 3. in Knieellenbogenlage. Wo angängig, wird die
Palpation über einer starren Sonde vorgenommen oder bimanuell
vom Mastdarm und den Bauchdecken her zugleich. Man ist er-
staunt, wie verschieden danach die Größenvorstellung ausfällt. Diese
Art der Untersuchungen in mehrfachen Stellungen ist sehr wichtig;
denn auch das Cystoskop kann uns nicht in jedem Fall absolute
Klarheit geben. So täuschten in Fall III außer der Palpation auch
Schleimhautwülste in der chronisch entzündlichen Blase uns eine
Hypertrophie der Seitenlappen der Prostata vor, und erst die Opera-
tion führte zur richtigen Diagnose.
Zur exakten Diagnose gehört natürlich auch die Eruierung der
Ätiologie. Das ermöglicht uns nur die histologische Untersuchung
des operierten Organs. Barth! fordert schon auf, jede operativ
gewonnene Prostata mikroskopisch zu untersuchen, um festzustellen,
welchen Anteil die Gonorrhoe an der indurativen Prostatitis und
welchen Anteil anderseits die indurative Prostatitis an der Prostata-
atrophie der Greise hat. Wir konnten so 2 Fälle auf gonorrhoische
Provenienz zurückführen, die wahrscheinlich häufig ist.
Um zur Klärung dieser interessanten, in der Literatur etwas
stiefmütterlich behandelten und doch praktisch so wichtigen Krank-
heit nach Möglichkeit beizutragen, sind unsere Untersuchungen teil-
weise im Bilde wiedergegeben.
Literaturverzeichnis.
. Barth, Archiv für klinische Chirurgie, Bd. 95.
. Süßenguth, Deutsche Med. Wochenschr. 1912, Nr. 28,
. Fritsch und Zuckerkandl, Handbuch der Urologie.
. Casper, Lehrbuch der Urologie 1910.
He QS MO mm
Ein neues Ureterenkystoskop mit Vorrich-
tung zum leichten Auswechseln der Ka-
theter, zugleich ein Beitrag zur Asepsis des
Harnleiterkatheterismus.
Von
Dr. Julius Vogel, Berlin.
Mit 5 Teztabbildungen.
Ich möchte in folgendem eine Modifikation des Nitze-Al-
barranschen Uretereneystoskops kurz beschreiben, welche sich mir
in den letzten Jahren als zweckmäßig und praktisch erwiesen hat.
Die Gesichtspunkte, nach welchen das Instrument konstruiert ist,
ergeben sich aus den Anforderungen, welehe man meiner Ausicht
nach an ein praktisches Uretereneystoskop stellen muß: Es soll
die Möglichkeit gewähren, beide Harnleiter zu sondieren, ohne dab
das Instrument nach Einführung des einen Katheters aus der Blase
entfernt werden muß, um für den zweiten Katheterismus neu ausge-
rüstet zu werden. Diesen Nachteil vermeiden die doppelläufigen
Instrumente, welche aber aus später zu besprechenden Gründen
nicht zweckmäßig sind. — Weiter ist es wichtig, daß für den Fall
eintretender Trübung des Blaseninhalts die Möglichkeit zu aus
giebiger Spülung gegeben ist, und daß das Kaliber der Hamleiter-
katheter nicht zu klein bemessen wird. Endlich — und das ist em
Punkt von einschneidender Bedeutung — muß das Instrument
einwandfrei sterilisierbar sein. Bei alledem muß die Konstruktion
einfach bleiben. Zur Ausführung der beiderseitigen Harnleiterson-
dierung sind von verschiedenen Seiten die doppelläufigen Instru-
mente empfohlen worden, indessen haften diesen meines Erachtens
Nachteile an. Ihr Kaliber ist iu der Regel recht stark, während das-
jenige der Harnleiterkatheter sehwach ist, meist Nr. 6 Chaot
Ihre Anwendung ist nach meinen Erfahrungen unbequem, da sich
häutig die Katheter nicht recht vorschieben lassen, weil sie leicht
aneinander haften, auch ist es immer schwierig, das Instrument
nn
5 i
au
a
Ein neues Ureterenkystoskop mit Vorrichtung usw. 625
zu entfernen und die Katheter liegen zu lassen. Eine Ausnahme
macht hier nur das Freudenbergsche Instrument, welches jedoch
kompliziert und von sehr starkem Kaliber ist. Das nach meinen
Angaben hergestellte Instrument ist aus diesem Grunde nur für
einen einzigen Katheter eingerichtet, welcher nach der Einfüh-
rung in die Harnleitermündung mit Leichtigkeit aus dem cystosko-
pischen Katheter herausgeworfen werden kann, während dieser
gleichzeitig mit einem zweiten Katheter beschickt wird. Ich ver-
wende diese meistens in der Stärke von 8—9 Charriere, während
das Instrument selbst 24 stark ist. — Wählt man den Umfang des
Instruments nur wenig stärker, so können Harnleiterkatheter von
10 Charriere und darüber verwendet werden.
Das Instrument besteht aus dem cystoskopischen Katheter und
dem optischen Teil, welcher gleichzeitig Lichtleitung und Lampe
trägt. Diese Anordnung hat die Annehmlichkeit, daB im Falle
eines Defektes an der Lampe diese ausgewechselt werden kann,
ohne daß das Instrument deswegen aus der Blase entfernt werden
muĝ, was z. B. bei Patienten, welche zu Blutungen neigen, ein
zweifelloser Vorteil ist. — Der cystoskopische Katheter läuft an
seinem Blasenteile in einen Schnabel aus, dessen Krümmung der
allgemein üblichen entspricht. Unmittelbar hinter ihm befindet
sich versenkt angebracht der Albarransche Hebel, Jessen Betäti-
gung in ähnlicher Weise wie bei den früheren Instrumenten erfolgt.
Am äußeren Ende befindet sich ein leicht ausschraubbares und zu
reinigendes Federventil, welches den AbfluB von Flüssigkeit aus
der Blase verhindert, wenn der Kanal nicht durch die Optik oder
den Mandrin verschlossen ist. An der unteren Fläche des Schaftes
läuft ein nach unten offener Kanal, welcher durch ein zur Aufnahme
des Harnleiterkatheters bestimmtes Röhrchen, das in ihm gleitet,
verschlossen wird. Dieses trägt an seinem äußeren Ende die übliche
Dichtungsmuffe und einen Sperrhahn, außerdem aber einen mit zwei
Einkerbungen versehenen Bügel (Fig. 1). In diese greift eine am
eystoskopischen Katheter angebrachte, nach abwärts gerichtete Sperr-
feder ein, wenn das Röhrchen vor- oder rückwärts geschoben wird.
Dem Instrument werden 2 Röhrchen beigegeben, und zwar ist das
mit 1 bezeichnete etwas länger als Nr. 2. Wird das Röhrchen Nr. 1
so weit in den Schaft geschoben als es möglich ist, so reicht das
vordere Ende bis an den versenkten Albarranschen Hebel und
verschließt den Kanal vollständig, eine ganz glatte Unterfläche bil-
dend. Man ersieht das aus Fig. 3, wenn man sich den Hebel nieder-
626 Julius Vogel.
gelegt und das Rôhrehen ganz vorgeschoben denkt. Der Kanal ist
in dieser Abbildung durch den Mandrin (Fig. 2) verschlossen. Wie
man sieht, hat das Instrument in diesem Zustande vollkommen
glatte Außenwandungen, und in dieser Verfassung soll es eingeführt
Fig. 2.
Fir. 1.
werden. Nun wird der Mandrin entfernt unl die Optik eingeschoben
(Fir. 4). Um die Sondierung eines Harnleiters vorzunehmen, mub
man jetzt den Raum für den Austritt des Katheters freigeben, was
dadurch geschieht, daß man das Katheterröhrehen so weit nach
rückwärts bewert, bis die Sperrfeder in eine Kerbe einsehnapit.
Dieser Akt wird zweckmäßig in der Weise ausgeführt, daD man
Zeige- und Mittelfinger der linken Hand auf die ebere Fläche dicht
an deu Trieb für den Hebel legt, während der Daumen fest auf dem
CARNET SE
Fig. 4.
Bügel ruht, welcher, um besseren Halt zu geben, geriffelt ist und
durch leichten Druck sich rückwärts bewegen läßt. — Kommen
starke Katheter © oder 9) zur Verwendung, so muß man etwas
mehr Raum geben und deswegen das Röhrchen so weit zurücksehie-
Ein neues Ureterenkystoskop mit Vorrichtung usw. 627
ben, bis die Feder in die zweite Kerbe eingreift. Anderenfalls gehe
man nur bis zur ersten Kerbe zurück, weil beim Gebrauch von
schwächeren Kathetern die Führung unsicher wird, wenn der Spiel-
raum zu groß ist. — Sobald der Katheter in den Harnleiter einge-
führt ist, stopft man ihn so weit in das Röhrchen hinein, bis er ganz
darin verschwindet — der Trichter wird natürlich abgeschnitten.
Daun wird das Röhrchen herausgezogen, was dadurch ermöglicht
wird, dab sich der Okulartrichter öffnen läßt. Dieser besteht näm-
lich aus zwei gegeneinander verschieblichen Teilen, von welchen
jeder einen gleich großen sektorförmigen Ausschnitt besitzt. Bringt
man durch Verschieben des oberen Trichters die beiden Ausscunitte
zur Deckung, so entsteht eine Öffnung, welche genügt, das Katheter-
röhrchen hindurchzulassen (Fig. 5). Dieses wird also herausge-
zugen, wobei es zweckmäßig ist, den Katheter zu fixieren, damit
er bei dieser Manipulation nicht aus dem Harnleiter herausgleitet.
Nun wird das zweite mit einem neuen Katheter verschene Röhrchen
in den Kanal eingeschoben. Dadurch wird der erste Katheter, so-
weit er nicht schon von selbst aus dem nach unten offenen Kanal
des Instruments herausgefallen ist, mechanisch hinausgedrängt
(Fig.5). Dieses ist nun mit dem zweiten Katheter versehen und
der neue Kathcterismus kann ausgeführt werden. Ist auch dieser
vollendet und soll das Instrument entfernt werden, so zieht man
zuerst die Optik heraus und dann, nachdem man wie vorher den
Katheter durchgestopft und den Hebel niedergelegt hat, das ganze
Instrument. Zweckmäßig entleert man vorher mit Hilfe des Spül-
ansatzes oder des Ringlebschen Scheidewandkatheters, welche
beide an Stelle der Optik eingeführt werden können und auch im
Falle eintretender Blutungen oder sonstiger Trübungen ausgiehire
Spülungen ermöglichen, die Blase. — Der Wechsel der Katheter und
Katheterröhrcehen vollzieht sich sehr leicht und einfach, wenn man
dafür sorgt, daß diese — Katheter sowohl als auch Röhrchen —
gut einzefettet sind. Ich verwende für diesen Zweck Olivenöl, das
ich in sterilen Ampullen von 1 cem Inhalt vorrätig halte. -— Die
Patienten klagen gelegentlich über geringe Schmerzen, namentlich
bei der Verwendung von starken Kathetern, da dann die Dehnung
der Hamröhre eine ziemlich heftige ist. Verletzungen oder
sonstige unangenehme Zwischenfälle habe ich jedoch niemals be-
ohachtet und ich glaube, daß das Arbeiten mit meinem Instrument
schonender ist als das Arbeiten mit starkkalibrigen doppelläufigen
Cystoskopen oder das Herausnehmen des Instruments und wieder
628 Julius Vogel.
Neueinführen bei Verwendung der alten einfachen Cystoskope. Zu-
weilen fließen beim Wechsel der Katheter einige Tropfen Blasen-
inhalt ab, niemals aber so viel, daß man die Blase neu anfüllen
muß, was im übrigen durch Entfernen der Optik und Ein-
führen des Scheidewandkatheters bei liegendem Instrument in kür-
zester Zeit zu bewerkstelligen wäre. — Man erleichtert sich das
Arbeiten wesentlich, wenn man die Harnröhrenschleimhaut vorher
möglichst gründlich anästhesiert, zu welchem Zweck Alypin oder
Novocain in 2—4prozentigen Lösungen empfehlenswert ist. —
Adrenalinzusätze vermeide ich, da ich hiernach wiederholt recht
unangenehme Folgeerscheinungen, auch bei jugendlichen Individuen,
erlebt habe. —
Was den optischen Apparat des Instruments betrifft, so habe
ich ein Ringlebsches System gewählt, dessen vorzügliche Lei
stungen ich sehr schätzen gelernt habe und welches für meine
speziellen Zwecke den Vorzug eines sehr geringen Kalibers besitzt.
während Lichtstärke und Gesichtsfeld groß sind. Der Bildwinkel
beträgt über 70 Grad. Das geringe Kaliber der Optik ermöglicht
es, einen großen Raum für die Aufnahme des Ureterkatlcters aus
zusparen bei verhältnismäßig geringem Gesamtumfange des In-
struments. —
Ein Punkt von hoher Bedeutung, welchen ich bisher nur kurz
gestreift habe, Ist die Mögliehkeit einwandfreier Sterilisation. Der
evstoskopische Katheter nebst Mandrin und Katheterröhrchen, also
die Teile, welche den Harnleiterkatheter aufzunehmen haben und
mit ibm in innige Berührung kommen, können anstandslos ge
kocht werden. Der optische Apparat, welcher nur glatte Flächen
besitzt, wird durch Abreiben mit Seifenspiritus erst mechanisch
eründlich gereinigt und dann in eine Lösung von Hydrarg. oxy-
‚cyanat. 1:1000 gebracht, wodurch eine zuverlässige Sterilisation
gewährleistet wird. — Diese Mühe ist aber vollständig zwecklos,
wenn man der Behandlung und Handhabung des Harnleiterkatheters
nicht gleiche aseptische Sorgfalt widmet wie dem Cystoskop, und
das ist soweit ich unterrichtet bin, bisher keineswegs immer der
Fall. Es ist vergebens, die Katlıeter zu sterilisieren, wenn sie dureh
Anstreifen an der Stirn, wie das beim Arbeiten schr leicht geschieht
oder durch die Berührung mit den Händen, welche man bei den
notwendigen Manipulationen unmöglich keimfrei halten kann, ver
unreinigt werden. Eine schr praktische Methode, diese Klippen zu
GE EE
Ein neues Ureterkystoskop mit Vorrichtnng usw. 629
umgehen, hat Vöckler!) angegeben. Er schlug vor, aus dünnem
Leinen sterilisierbare Überzüge für die Katheter anfertigen zu lassen.
Ich bin diesem Rate gefolgt und habe ihn außerordentlich praktisch
gefunden. Die Überzüge sind etwas länger als der Katheter, 2 cm
breit und an einem Ende zugenäht, während das andere offen bleibt
und nur durch ein herumgelegtes Bändchen verschlossen wird.
Der Katheter wird derart hineingeschoben, daß der Trichter an das
vernähte, die Spitze mit dem Auge an das offene Ende des Über-
zuges kommt, welches dann mit einem Bändchen verschnürt wird.
Das Ganze wird in strömendem Dampf in der gleichen Weise sterili-
siert, wie es mit Verbandsstoffen geschieht, und man kann so die
Katheter beliebig lange steril aufheben. Sie ertragen das Sterilisieren
ziemlich gut, nach meiner Erfahrung etwa 4—6mal. — Man ver-
fährt nun in folgender Weise: Nach Auskochen des Instrumentes
und gründlicher Händedesinfektion wird das Verschlußbändchen
des Katheterüberzuges gelöst, der Katheter vor- und in das Röhrchen
hineingeschoben. Der Überzug wird dann über die Dichtungsmuffe
gestülpt und mit einer kleinen federnden Gabel fest geklemmt (Fig.5).
Das weitere Vorschieben durch den Überzug hindurch gelingt über-
raschend leicht, wenn man sich erst einmal an diese Art des Arbei-
tens gewöhnt hat. Eine Verunreinigung durch die Hände oder durch
Anstreifen an Gegenständen ist auf diese Weise ausgeschlossen.
Wenn man nach gründlicher Händedesinfektion alle Vorbereitungen
wie Zusammensetzen des Instruments, Beschicken beider Röhrchen
mit Kathetern usw. zuerst vornimmt und erst dann sich dem Pa-
tienten zuwendet, sind Verunreinigungen des Katheters und Ein-
führung von Infektionskeimen von außen unmöglich. Bestehen
bleibt als einzige Gefahr nur die Möglichkeit der Verschleppung
von Keimen aus der Blase, die aber, wie die Erfahrung gelehrt hat,
gering ist. Man kann also wohl, wenn man von dieser einen Fehler-
quelle absieht, bei Vorgehen in der geschilderten Weise mit Fug
und Recht von einer aseptischen Methode des Harnleiterkatheteris-
mus sprechen. —
Ich habe mich bei der Konstruktion des Instrumentes der wert-
vollen Unterstützung des Herrn Georg Wolf-Berlin zu erfreuen
gehabt, dessen Firma auch die Herstellung übernommen hat.
——
1) Völcker, Zur Technik des Harnleiterkatheterismus. Deutsche med.
Wochenschrift 1910. Bd. 30, S. 512.
Ein Fall von akuter Harnretention he
Gynatresie.
Von
Dr. H. Lohnstein (Berlin).
M. H. Gestatten Sie mir, Ihnen die Präparate eines Falles
zu demonstrieren, dessen Atiologie, Symptomatologie und Verlauf iu
mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich erscheinen.
Am 11. März wurde ich vom Herrn Kollegen Glück zu einem löjährigen
Mädchen wegen kompletter Harıverhaltung gerufen. Die Untersuchung ergab
Hyvmenalatresie; die kombinierte Untersuchung per Rektum eine leichte Schwel-
lung vom Mastdarm aus: oberhalb der Symphyse ließ sich eine kleine Resistenz
undeutlich abtasten, welche wohl als Üteras angesprochen werden konnte. — Die
Katheterisation der Blase war schwierig, da die Harnröhre sehr verlängert und
scheinbar verzogen, die Schmerzen der Patientin sehr erheblich waren. Es wurde
etwa 1 Liter trüber Harn entleert, in welchem sich, abgesehen von wenigen Leu-
kocythen und Erythrocsthen, nur geringe Spuren von Albumin befanden, — Die
Anamnese ergab, dab die Patientin seit 4 Tagen an fast kompletter Harnver-
haltung gelitten hatte, so dab mehrfach künstliche Entleerung der Blase seitens
des behandelnden Arztes notwendig geworden war. Da diese technisch sich
immer schwieriger gestaltete, so war ich korsultiert worden, — Fragen meiner-
seits ergaben, dab die Patientin vor 9 Jahren wegen eines Harnleiden im Kaiser-
Friedrich-Kranfenhause in Behandlung gewesen war. — In den letzten 2 Jahren
hatte sie periodenweise an Pollakiurie und erschwerter Harnentleerung gelitten.
Der gegenwärtige Zustand hatte sich ziemlich plötzlich und ohne ersichtlichen
Grund eingestellt. — Um eine Wiederholung der Retention vorzubeugen, erhielt
die Patientin. welche inzwischen in die Klinik überführt worden war, einen Dauer-
katheter. Nach 3 Tagen Entfernung desselben, worauf spontane Entleerung der
Blase erfolgte. — Die am nächsten Tage ausgeführte Cystoskopie ergab, abge-
sehen von einer deutlich ausgeprägten Balkenblase, keine Schleimhautrerände-
rungen. Da sonstige Molimina menstrualia — über die Natur der Harnbeschwerien
war bei dem 15jährigen Mädchen vorerst noch nichts auszusagen — nicht vor-
lagen, wurde die Patientin aus der Klinik entlassen mit der Weisung, sich nach
4 Wochen wiederum vorzustellen. — Merkwürdigerweise traten nach 4 Wochen
keinerlei Beschwerden auf: um so stärker waren sie nach 8 Wochen. Sie be-
standen diesmal in heftigen, wehenartigen Schmerzen, welche eine solche Höhe
—— ~
-———
1) Nach einem in der Berliner urologischen Gesellschaft am 1. Juli 1913
gehaltenen Vortrage.
—
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Ein Fall von akuter Harnretention bei Gynatresie. 631
erreichten, daß die Patientin sofort spontan die Klinik aufsuchte, — (19. V.)
Hier wurde, nachdem eine Untersuchang der -Patientin eine dem Uterus entspre-
chende Resistenz erg.ben hatte, dieInzision desHymen vomKollegenRosenstrauß
ausgeführt. Es entleerte sich ca. 1 Liter teils flüssigen, teils geronnenen Blutes.
Tamponade der Scheide. Patientin befand sich nach dem Eingriff vollkommen
woll; es bestand nicht die geringste Temperatursteigerung in der ersten Woche
nach der Operation. Die Inspektion des Scheideneingangs ergab völlig normale
Verhältnisse, die Cystoskopie, abgesehen von den Trabekeln der Schleimhaut
keine Spur von Rötung. Da stellte sich 8 Tage nach der Operation, nachdem
am Morgen die Temperatur 37,1° C betragen hatte, mittags unter Schüttelfrost
und hefiizem Erbrechen hohes Fieber (39,8% C) ein. — Die nächste Untersuchung
des Abdomens 'ergab weder Schwellung noch Schmerzhaftigkeit, der Urin war
klar und wurde ohne Beschwerden entleert; dagegen traten am nächsten Tage,
wihrend die Temperatur dauernd über 39° C blieb, profuse Diarrhoen auf.
Am 3. Krankheitstage sank die Temperatur, mittags auf 37,5, während der Puls,
der sich bis dahin um 100 herum gehalten hatte, auf 140 stieg und zeitweise
uofühlbar wurde, Trotz allen Gerenmabregelu (Kampher, Digalen) gelang es
nicht, den Kollaps aufzuhalten. Exitus io der Frühe des 4. Krankheitstages. — Die
Autop:ie ergab eine diffuse, fibrinöseitrige Peritonitis als Todesursache. Unauf-
geklärt blieb deren Ätiologie. Die Genitalien, welche ich mir erlaubt habe,
Ihnen mitzabringen, weisen keine Spur von Ertzünduug auf; die Scheide ist
dilatiert, die Schleimhaut blaß und unverletzt, dasselbe gilt von den Tuben, in
welchen weder Veränderungen, die auf Hämatosalpinx schließen lassen, noclı
entzündliche Veränderungen nachweisbar sind. Ebensowenig zeigen die Enden
der Fimbrien die geringste Verklebung. — Die Blasenwand ist leicht ver-
diekt, die Schleimhaut indessen erscheint vollkommen normal und frei von
jeglicher Entzündung. Endlich war auch kein Zusammenhang mit etwaigen
Veränderungen des Magen - Darmtraktus feststellbar, insbesondere konnten keine
perforierenden Affektionen an irgendeinem Teile der Magen- Darmschleimhaut
nachgewiesen werden. — Nur die Follikel der Dickdarm- und Mastdarmschleim-
haut waren geschwollen. — Eine bakteriologische Untersuchung des peritonealen
Exsudats konnte leider nicht ausgeführt werden. — In beiden Nieren waren
Cysten nachweisbar.
Der Fall, dessen Verlauf ich Ihnen soeben zu schildern mir er-
laubt habe, ist nach mehreren Richtungen hin bemerkenswert. —
Zunächst ätiologisch und symptomatologisch in bezug auf die akute,
komplette Harnretention. — Diese ist offenbar so zustande ge-
kommen, daß das in dem Scheidegewölbe und der Cervix ange-
sammelte Blut eine Zerrung des Längsdurchmessers der Harnröhre
und eine Kongestion des Sphinkters herbeiführte. Während der
letzten Menstruation trat wahrscheinlich noch eine Kongestion hinzu,
so daß die vorher inkomplette Retention zu einer kompletten wurde.
Es handelte sich somit hier mutatis mutandis um ähnliche Verhält-
nisse, wie sie bei der akuten kompletten Harnretention der Prosta-
tiker so häufig beobachtet werden. Daß Erschwerungen der Blasen-
Zeitschrift für Urologie. 1913. 42
632 H. Lohnstein.
entleerung schon vorher stattgehabt hatten, welche gleichfalls sympto-
matologisch als Molimina menstrualia zu betrachten sind, geht aus
der Anamnese unzweideutig hervor. Außerdem ergibt die Cystoskopie,
daß der Detrusor seit längerer Zeit übermäßig in Anspruch ge-
nommen war. — Jedenfalls erscheint es mir in hohem Grade wahr.
scheinlich, daB die Retentionserscheinungen, welche schließlich zur
kompletten Harnverhaltung vermutlich während der letzten Periode
geführt hatten, eine Folge der Hämelytrometra gewesen sind.
Bemerkenswert ist nun, daß derartige Vorkommnisse nirgends
erwähnt werden. Nicht einmal in denjenigen Monographien, welche
am eingehendsten die Pathogenese, Pathologie und Therapie dieser
Mißbildungen behandeln, wird eine derartige Komplikation auch nur
gestreift. Weder in dem großen Handbuche der Gynäkologie von
Veit, noch in der den Mißbildungen der weiblichen Geschlechts-
organe gewidmeten Darstellung von Chrobak und Rosthorn ist die
Harnretention als Folgeerscheinung der Gynatresie erwähnt. — Daraus
folgt, daß sie eine eminent seltene Komplikation bei dieser Mib-
bildung sein muß.
Daß das Harnleiden, welches 6 Jahre zuvor im Kaiser- und
Kaiserin-Friedrich-Kraukenhause bei dem damals 9jährigen Mädchen
behandelt worden war, zu der Gynatresie der Patientin in Beziehungen
steht, erscheint ziemlich sicher. Wie aus der Krankengeschichte,
in welche ich dank dem liebenswürdigen Entgegenkommen des Herr
Geh. Rat Prof. Baginski Einblick nehmen durfte, ersichtlich ist, litt
die Patientin damals an einem akuten Blasenkatarrh ohne klar erkenn-
bare Ursache,der durch interne Mittel zur Ausheilung nach etwa 10 Tagen
gebracht wurde. Die damalige Anamnese ergab, daß Patientin be-
reits früher an Masern und Scharlach gelitten hatte, außerdem mit
einer Mitralinsuffizienz behaftet war. — Eine gonorrhoische Infektion
war nicht nachweisbar. Nun tritt nach den Beobachtungen Baginskis
nach Scharlach Vulvovaginitis besonders häufig auf und diese hat als
Komplikation nicht selten akute Cystitis im Gefolge. — Andererseits
kann wohl heute auf Grund der umfangreichen Untersuchungen von
Nagel, Veit u. a. als sicher erwiesen gelten, daß die Hymenal- und
Scheidenatresie der Pubertät nicht wie man früher annahm, kon-
genitalen Ursprungs, sondern auf entzündliche, infektiöse Vor-
gänge der Scheidenschleimhaut im ersten Kindesalter (Scharlach,
Typhus, Gonorrhoe, Masern) zurückzuführen sind. — Es ist deshalb
anzunehmen, daß das Harnleiden einerseits, die Hymenalatresie
andererseits Folgekraukheiten einer entzündlichen Scheidenafektion
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Ein Fall von akuter Harnretention bei Gynatresie. 633
im Anschluß an eine der Infektionskrankheiten gewesen ist, au
welchen das Kind in früher Jugend gelitten hat.
Sehr schwierig zu erklären ist in unserem Falle die Ursache der
letalen Peritonitis. Bekannt ist ja, daß die Gynatresien auch ohne ope-
rativen Eingriff letal endigen können. Die Ursache des Exitus liegt ent-
weder in den zu den häufigsten Komplikationen, wie zu Hämatosalpinx,
zirkumskripter Peritonitis und Verlötung der Tube mit dem Darm
führenden Adhäsionen, die ihrerseits die Überwanderung von Darm-
bakterien in den Peritonealraum begünstigen, oder in spontaner Per-
foration des entzündlich veränderten Corpus uteri oder der veränderten
Tube in den Peritonealraum. Von alle dem war, wie die Obduktion
ergab und auch dies Präparat überzeugend dartut, nichts festzustellen.
Weder waren irgendwelche frische entzündliche Veränderungen
an der Scheide, der Cervix, dem Corpus uteri, den Tuben nachweisbar,
nach bestanden Adhäsionen mit der Nachbarschaft oder Konglu-
tinationen der Tuben. — Aber auch extragenital ließ sich keine Ursache
für die Entstehung der Peritonitis ausfindig machen. Trotz sorgfäl-
tigster Revision des Magendarmkanals war nirgends ein Ulcus oder eine
Perforationsstelle nachzuweisen. — Willman demnach versuchen, trotz-
dem das Zustandekommen der Peritonitis in unserem Falle zu erklären,
so ist dies nur möglich unter Zugrundelegung der verschiedenen Mög-
lichkeiten, mit welchen Veit über die Pathogenese der Peritonitis bei
Hämatosalpinx rechnet: Entweder wirken die Keime noch weiter,
welche die Hämatosalpinx verursachten und nun bei dem Zuge des sich
nach unten bewegenden Uterus und den dabei erfolgenden Adhäsions-
zerreißungen sich in der freien Bauchhöhle weiter verbreiten, oder es
handelt sich um Zersetzungskeime, die nach Eröffnung von der Scheide
aus nach oben hinauf gelangten. Wenn auch keine Adhäsionen
bei der Sektion nachgewiesen werden konnten, so ist doch möglich,
daß sie in beschränktem Umfange vorhanden waren und übersehen
worden sind. — Eine dritte Möglichkeit, die Entstehung der Peri-
tonitis zu erklären, besteht in der Annahme einer endogenen oder
Spontaninfektion. Daß intra partum Fälle von endogener Infektion
vorkommen, wird zwar von namhaften Gynäkologen wie Bumm und
Sigwart bestritten, während andere wie Küstner, Ahlfeld u.a. ihr
Vorkommen energisch verteidigen. Noch in allerjüngster Zeit be-
schäftigen sich 2 Aufsätze von Bondi aus der Breslauer Frauenklinik
und von Ahlfeld aus der Marburger Frauenklinik mit dieser Frage.
Freilich gelten diese Ausführungen nur für Kreissende. Indessen
sınd die bei unserer Kranken beobachteten Verhältnisse, insbesondere
42*
6:34 H. Lohnstein, Ein Fall von akuter Harnretention nsw.
was die aus einer absoluten Stauung in plötzliche Entlastung über-
gehenden Drucksehwankungen im Uterus und in der Scheide an-
belangt, in gewissem Sinne analog den intra partum sich abspielen-
den Vorgängen. — Nach Bondi gibt selbst Fehling zu, daß bei den
puerperae leichtere oder schwerere Erkrankungen durch endogene Intek-
tion vorkommen. — Ein Keim, der einmal eine leichte Lokalerkrankung
erzeuge, kann das andere Mal eine tödliche Allgemeinerkrankung herbei-
führen. — Daß dies möglieh ist, ergibt sich nach Bondi anf Grund
der Auffassung, welche die Mehrzahl der Bakteriologen zu der Frage
der Infektion mit den Eigenkeimen des Menschen einnehmen. „Überali”.
so führt Bondi aus, „wird die gelegentliche Infektiosität der normaler-
weise auf der äußeren Haut, der Conjunktiva, oder den Harnwegen
lebenden Keime dureh Herabsetzung der Wilerstandskraft des Orga-
nismus, der schützenden Epitheldecke als zweifellos angenommen.“
— Die Möglichkeit einer derartigen Infektion ist um so leichter,
als nach Bumm und Sigwart im Scheidensckret nicht berührter
Kreißender 69°, Streptokokken. nach Bondi auch Fäulniserreger
sich befinden.
Selbst wenn man sich allen Ausführungen von Ahlfeld unl
Bondi, welehe dureh überaus sorgsame und exakte Beobachtungen
gestützt sind. anschließt, so bleibt es, falls wir die Pathognese der
Peritonitis in unserem Falle gleichfalls auf endogene Infektion zurück-
führen wollen, schwer zu erklären, warum die Infektionskeime ohne
irgendwie zu haften, die inneren Genitalien durehwandert haben, um
dann im Peritonealraum die letale Peritonitis herbeizuführen.
Literatur.
Chrobak und Rosthorn, Die Mißbildungen der weiblichen Geschlechts-
organe. (Spezielle Pathologie und Therapie von Nothnagel.)
Veit, Handbuch der Gynäkologie.
Baginski, Lehrbuch der Kinderkrankheiten.
Ahlfeld, Quellen und Wege der puerperalen Selbstinfektion. (Zeitschr.
f. Geburtshilfe und Gynäkolovie. Bd. 73, Heft 1.)
Oskar Bondi, Zeitschr. f. Geburtshilfe und Gynäkologie, Bd. 73, Heft 2.
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ui m e ai
eg:
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dus der chirurgisch-wrologischen Abteilung des Rothschildspitales
in Wien.
Vorstand: Professor Dr. Otto Znckerkandl.
Multiple Myome des Penis.
Kasuistische Mitteilung.
Von
Regimentsarzt Dr. Franz Stavianicek,
kommandiert zur Abteilung.
Mit 2 Textabbildungen.
Gutartige Tumoren des Penis kommen nicht allzuhäufig vor.
Spsziell Myome desselben gehören zu äuberst seltenen Vorkomm-
Nissen, was die kurze Mitteilung eines derartigen Falles rechtfer-
tien mag,
Bei einem 63 jährigen Manne, der vorher stets gesund gewesen
sein soll, trat an der Unterseite des Penis eine im Verlaufe von
einigen Monaten an Größe allmählich zunehmende Geschwulst auf,
die keinerlei nennenswerte Beschwerden bereitete.
Status localis: Entsprechend dem Frenulum penis findet
sich ein bohnengroßer, mit einem kurzen, breiten Stiele der Haut
aufsitzender Tumor, der eine höckerige, zerklüftete Oberfläche zeigt
und von ziemlich derber Konsistenz ist. — Außerdem befinden
sich an der Oberfläche der Glans penis zwei etwa stecknadelkopf-
grobe, derbe Knötchen. —
Es wurde die Diagnose: Careinoma penis dissemina-
tum gestellt und die Amputatio glandis vorgenommen
(Prof. Zuckerkand}).
Die histologische Untersuchung der Tumoren (Dr. R. Th.
Schwarzwald) ergab nachstehenden Befund. (Die Paraffinschnitte
wurden in der gewöhnlichen Weise mit Hämalaun-Eosin und nach
van Gieson gefärbt.)
Der größere Tumor (Fig. I) setzt sich aus Faserbündeln zu-
sammen, welche sich in den verschiedensten Richtungen durch-
flechten. Die Kerne der zelligen Elemente zeigen, soweit sie längs
getroffen sind, vorwiegend das für Muskelfasern charakteristische
636 Franz Stavianicek.
Aussehen, sie sind schlank, stäbchenförmig, von gleichmäßiger
Dicke, ohne sich am Ende zu verjüngen. Spindelige Kernformen
sind nur äußerst spärlich anzutreffen. Hier und da zeigen sich Ge-
füßlücken im Längs- wie im Querschnitte.
Einen ganz analogen Bau zeigen die kleinen Geschwülstchen
(Fig. II) an der Glans. Eines dieser beiden Myome zeigt einen etwas
reicheren Gehalt an nach van Gieson rotgefärbten Bindegewels-
fasern, von denen ein kompakteres Bündel den Knoten in zwei un-
gleiche Hälften zerlegt. Beide Tumoren führen eine deutliche Binde-
gewebskapsel.
Als Ergebnis der histologischen Untersuchung erscheint sohin
die Diagnose multiples Leiomyom sichergestellt.
Bezüglich der Genese der Tumoren können embryologische
Erklärungsversuche herangezogen werden. Versprengungen von
Muskelkeimen in der Haut geben (nach Babes) in der Puborektal-
gegend Veranlassung zur Myombildung. Vom Serotum ausgehende
Myome werden auf die in der Tiefe der Haut verteilten Lagen orga-
nischer Muskulatur bezogen (Myömes dartiques, Besnier). (Borst:
Die Lehre von den Geschwülsten.)
Im vorliegendem Falle könnten die Geschwülste von jenen
glatten Muskelfasern ausgehen, die sich zwischen den Corpora
Multiple Myome des Penis. 637
cavernosa penis befinden, eine Annahme, welche von S. Nicolau
in der Mitteilung eines ähnlichen von ihm beschriebenen Falles
vertreten wird. (Revist. stiinzelor medicale 1909.)
Die Veröffentlichung des Falles erschien mir auch aus dem
Grunde nicht unangebracht, weil sie einen Beitrag zur Differential-
diagnose zwischen malignen und benignen Tumoren des Penis
liefert. — Die klinischen Erscheinungen, besonders die Multiplizität,
sprachen in diesem Falle für eine bösartige Neubildung, weshalb ja
auch der operative Eingriff ein radikalerer war. — In. ähnlichen
Fällen wäre wohl eine Probeexzision angezeigt, welche bei erwie-
sener Gutartigkeit bloß die einfache Ausschälung aus der gut aus-
gebildeten Kapsel als einen geringfügigen und schonenden Eingriff
erforderlich macht.
kın Fall von starker Nachblutung nach
Operation eines Blasenpapilloms mittelst
Hochfrequenzstrômen.
Von
Dr. C. Schneider, Bad Brückenau-Wiesbaden.
Da sich die intravesikale Behandlung von Blasentumoren nach
dem Verfahren von Edwin Beer in New York immer mehr ein-
bürgern dürfte, so ist wohl die Veröffentlichung der Kranken-
geschichte nachfolgenden Falles angebracht, die zeigt, daß post-
operative Blutungen auch bei dieser Behandlungsmethode eintreten
können.
Die Krankengeschichte ist folgende: Bei einem 42jährigen Manne wurden
eystoskopisch mehrere Blasentumoren festgestellt. Ein etwa apfelgroBes Papillom
ab über der linken Harnleitermündung, ein zweites etwa kirschkerngrobes am
Fundus der Blase und ein drittes etwa gleichgroßes in der Nähe des oberen
Sphinkterrandes. Weiter sah man beim Absuchen des Sphinkterrandes auf
diesem unten links zwei dünne, federförmige Papillomzotten in das Lumen der
Blase hineinragen. Das grobe gestielte Papillom wurde mit dem Casperschen
Operationscystoskop mittelst kalter Schlinge abgetragen und der Grund mit
dem Thermokauter verschorft. Die Blutung war gering, Nachblutung trat nicht
ein. Nach Abheilung der Wunde wurde der Patient, da er von auswärts war,
wie bei der ersten Operation, in das Rote Kreuz in Wiesbaden aufgenommen
und das Papillom im Fundus der Blase durch Hochfrequenzströme ausgiebig
zerstört, obne dab hierbei eine Blutung aufgetreten wäre: nach neun Tagen
wurde der Patient mit grauulierender Wunde aus dem Krankenhause entlassen,
Als der dritte, nabe am Sphinkterraud sitzende Tumor operiert werden sollte,
wurde die Operation auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten ambulant vor-
genommen. Es war überraschend, wie leicht man an den Tumor mit dem
Gummikabel, das durch ein gewöhnliches Uretereneystoskop eingeführt worden
war, heraukommen konnte. Die Operation mittelst der Schlinge des Opera-
tionscrstoskopes hätte sicher sehr große Schwierigkeiten geboten, da der Tumor
hr nahe am Sphis . Auch diesmal wurde das Papillem aus
giebig verschorft. Die Schmerzen waren order als bei der zweiten Operation,
eine Blutung trat nicht auf, und so wurde der Patient sofort nach Hause ent-
lassen, nachdem ihm eingeschärft worden war, sich ruhig zu verhalten, die
Re EE
C. Schneider, Ein Fall von starker Nachblutung nach Operation usw. 639
ersten zwei Tage überhaupt zu Bette zu liegen. Am 4. Tage nach der Opera-
tion kam nun Patient wieder in die Sprechstunde, mit der Erklärung, am
zweiten Tage nach der Operation sei Harndrang aufgetreten und es sei bei den
sehr häufigen Miktionen immer Blut abgegangen. Da er früher schon des
öfteren Blutungen gehabt habe, die immer wieder von selbst gestanden hätten,
habe er nicht viel auf die Blutung gegeben, nun fühle er sich aber sehr
schwach, Bettruhe habe er nicht eingehalten, sondern sei gleich am ersten
Tage umhergegangen, ohne sich besonderen Anstrengungen auszusetzen. Einen
besonderen Grund für das Auftreten der Blutung könne er nicht angeben, auch
nicht genau sagen, wann zum ersten Male Blut im Urin gewesen sei. Der
völlig auszeblutete Mann wurde sofort ins Krankenhaus aufgenommen und dort
mittelet Steinkatheters und Spritze eine große Menge Blutkoagula aus der Blase
entfernt; der Versuch einer Cystoskopie scheiterte an der, trotz vollständiger
Entleerung der Blase und Einspritzung von Suprareninlösung, noch fortbestehen-
den starken Blutung. Es erfolgte Einlegen eines Verweilkatheters, der die
Blutung nach zwei Tagen zum Stehen brachte. Nach vier Tagen wurde der-
selbe entfernt, der Urin war vollständig klar, es bestand keine Cystitis Die
vier Tage darauf vorgenommene Cystoskopie ergab, dab der zuletzt operierte
Tumor bis auf ein Viertel seines früheren Umfanges geschrumpft war und seine
Oberfläche noch nekrotisches Aussehen hatte. An der Stelle des zuerst operier-
ten großen Tumors war nichts mehr zu sehen, an der des zweiten eine kleine
granulierende Wunde.
Der Fall zeigt also, daß auch bei der Behandlung von Blasen-
tumoren mittelst Hochfrequenzströmen der Patient nach der Opera-
tion unter scharfer Kontrolle zu halten ist; besonders wenn es sich
um Patienten von auswärts handelt, ist eine Krankenhausbehand-
lung angezeigt. Zur Operation wurden Hochfrequenzströme aus
einem Fulgurationsinstrumentarium benützt. Von verschiedenen
Seiten wurde angegeben, daß sich die Ströme aus einem Dia-
thermieapparat leichter kontrollieren ließen, doch konnte im vor-
liegenden Falle cystoskopisch festgestellt werden, daß keine tiefere
Läsion der Blasenschleimhaut gesetzt worden war, aus der die Blu-
tung stammen konnte.
Unter seinen früheren Fällen von Blasenpapillomen, die mittelst
Schlinge operiert wurden, erlebte Verfasser nur einmal eine starke
Nachblutung, als der Patient, ebenfalls gegen ausdrückliches Ver-
bot, sofort nach der Operation eine Bergpartie machte, wobei er
noch eine Frau, die ein Fußleiden hatte und schwer gehen konnte,
kräftig unterstützen mußte. In den übrigen (vier) Fällen, die
mittelst Hochfrequenzströmen operiert wurden, traten keinerlei Kom-
plikationen ein. Über die Rezidivfrage ist noch nichts auszusagen,
da die Operationen dieser Fälle noch zu wenig lange zurückliegen.
Literaturbericht.
L Nieren und Harnleiter.
a) Anatomie und Entwicklungsgeschichte. `
Die Arterien der gesunden und kranken Niere im Röntgen-
bild. Von Dr. Hauch-Hamburg. (Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 30, Beilage:
Bericht über die Verhandl. der Deutschen Gesellschaft. f. Chir, XLI. Kongret.
Selbstbericht.)
Hauch hat eine Reihe von gesunden Hunden einseitig dekapsuliert
und dieselben 2 bis © Wochen später getötet. Die dann angefertigten
Injektionspräparate wurden röntgenographisch unter Beobachtung beson-
derer Vorsichtsmaßregeln abgebildet, um zu sehen, ob sich eine gefäb-
haltige Verbindung mit der Umgebung nachweisen ließe, die es als mög-
lich erscheinen lassen könnte, eine Versorgung der Niere mit Blut von
außen her auch bei der kranken Niere zu erreichen. Die demonstrierten
Diapositive zeigen sehr schön, daß eine solche Neubildung von Gefäben
bei der gesunden Niere sich nicht einstellt. Im Anschluß daran werden
eine Reihe von Röntgendiapositiven injizierter Menschennieren und von
Längs- und Querschnitten solcher Nieren gezeigt. Die Präparate sind
nach eigenem Verfahren injiziert und besitzen den bisherigen Methoden
gegenüber den großen Vorteil, daß sich von Schnitten auf diese Weise
injizierter Organe ein sehr scharfes Gefäßbild röntgenographisch ge
winnen läßt. Hierdurch gelingt es auch, in einer bisher noch nicht ge
kannten Anschaulichkeit die großen und charakteristischen Unterschiede
darzustellen, die zwischen größeren Gefäßbezirken gesunder und kranker
Nieren bestehen. Auffallende, charakteristische Abweichungen vom Bilde
des Normalen bieten die Schrumpfungsformen. Es wird hervorgehoben:
a) Bei gesunden Nieren gestreckter oder leicht geschweifter Verlauf der
größeren und mittleren Nierenarterien; fast gerader, radiärer Verlauf der
Riudenarterien (Artt. interlobulares), geringerer Reichtum an Rinden-
gefäben bei der kindlichen Niere; Injektion bis in die Glomeruli hinein
und Darstellung dieser leicht möglich. b) Bei der kranken Niere
(Sehrumpfungsformen) weniger gestreckter Verlauf, nicht gleichmäßige
Verjüngung des Gefäßlumens; an der Grenze zwischen Rinden- und
Marksubstanz häufig scharfe Biegungen, selbst Knickungen; Rindengefäbe
bei leichtem Grade der Schrumpfung geschlängelt, bei schwerem sich
kreuzend, durcheinanderlaufend und jede radiäre Anordnung verlierend.
Rindengefäbe verkürzt, schwer zu injizieren, Glomeruli schwer darstell-
bar — alles um so ausgeprägter, je schwerer die Schrumpfung. Auch
bei der Altersniere, Amyloid- und Infektionsniere auffallende Änderungen
im Gefäbbilde. Kr.
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Nieren und Harnleiter. 641
Über Plasmazellen in den Nieren. Von W. Ceelen. (Virch.
Arch., 211. Bd., 1913, S. 276.)
Untersucht wurden die Nieren von 52 Erwachsenen und 10 Neu-
geborenen. Unter den 52 Erwachsenen waren 15 sicher syphilitische, 6
Fälle mit wesentlich interstitiellen Zellanhäufungen und Zellwucherungen,
ll Fälle von normalen resp. geringgradigen Stauungsnieren, 5 Amyloid-
nieren, 16 chronische Nephritiden und sekundäre Schrumpfnieren, 10 Fälle
von vaskulärer Schrumpfniere, dann noch je 1 Fall von Infarkt, Throm-
bose der Art. ren. und primärer Schrumpfung der Harnkanälchen. Aus
den Untersuchungen ergibt sich, daß Plasmazellen in der normalen Niere
nicht vorkommen. Für die Niere ist die Plasmazelle also ein pathologisches
Gebilde. Sie finden sich bei Erwachsenen, bei allen, auch bei gering-
fügigen Nierenveränderungen, abgesehen von der reinen Stauungsniere.
Besonders reichlich treten sie bei chronischer aszendierender Pyelonephri-
tis auf. Es gibt eine primäre proliferierende Nephritis, die selten vor-
kommt und bei dieser spielen die Plasmazellen eine Rolle. Sie können
dabei so rein und in solcher Menge auftreten, daß man von einer plas-
mazellulären Form oder doch von einem plasmazellulären Stadium der
interstitiellen Nephritis sprechen kann. Unter uns bisher unbekannten
Umständen können auch lymphoblastische Plasmazellen das Hauptkon-
tingent der Zellinfiltrate stellen. Ätiologisch kommen Infektionskrank-
heiten wie Scharlach, Diphtherie, Syphilis und septische Krankheiten in
Betracht, Prädilektionssitz der Plasmazellen ist die Peripherie der Blut-
gefäße und die Nähe der Malpighischen Körperchen. Mitunter ist die
Grenze von Mark und Rinde und der Verlauf der Arcus renalis beson-
ders bevorzugt. Ihre Größe ist verschieden und es gibt wahre Plasma-
riesenzellen mit 2 und mehr Kernen. Verschieden ist auch ihre Gestalt.
Sie entstehen hauptsächlich histiogen und zwar aus Kapillarendothelien
und aus Adventitiazellen, teils durch direkte Umwandlung, teils indirekt
aus Gewebslymphozyten als Zwischenstufe. Die Entstehung aus hüma-
togenen Lymphozyten ist unwahrscheinlich, Die Vermehrung erfolgt
durch mitotische und amitotische Teilung. Sie können sich in kleine
Rundzellen umwandeln. Auch beobachtet man an ihnen manchmal dege-
nerative Prozesse wie Vakuolenbildung und Protoplasmazerfall. Eine Um-
wandlung in Bindegewebszellen war nicht nachweisbar. Ihr Auftreten in
der Niere der Erwachsenen ist für keine Krankheit spezifisch. Eine
größere Bedeutung haben sie in der Niere der Neugeborenen. Von
den 10 untersuchten Fällen stammten 7 Nieren von kongenital syphili-
tischen, 3 von totgeborenen nicht syphilitischen Kindern. Plasmazellen
lassen sich niemals in der gesunden fötalen Niere nachweisen im Gegen-
satz zu den kongenital syphilitischen Nieren, wo sie einen typischen Be-
fund darstellen. Auf Grund der Tatsache, daß die Plasmazellen in ge-
sunden Nieren fehlen, bei kongenital syphilitischen Neugeborenen da-
gegen offenbar regelmäßig vorkommen, kann man das Auftreten von
perivaskulären und vor allem auch von periglomerulären und intertubu-
lären Plasmazelleninfiltraten in der Niere der Neugeborenen als einen
für die kongenitale Syphilis charakteristischen Befund anschen.
R. Kaufmann-Frankfurt a. M.
642 Nieren und Harnleiter.
Sur le développement du tube urinaire chez l’homme. Vo
A. Polivard. (Lyon médieal 1912, 46, p. 881)
Policard zieht aus embryologischen Untersuchungen der Harn-
organe menschlicher Früchte folgende Schlüsse: Die Harukanälchen mit
Bürstenbesatz, beim Erwachsenen sezernierend, sind im Embryo ein Organ
der Akkumnlation von Stoffen; die darin nachzuweisenden groben Kür-
chen sind dafür der morpholorische Beweis. Dies kann einige Besonder-
heiten der biochemischen, bisher so wenig gekannten Funktion der fötalen
Niere erklären. Gegen Ende des embryonalen Lebens kommt es bei
dem jungen Individuum zu einer physiologischen Harnkrise: Der Harn-
traktus entledigt sich seiner Akkumulationsprodukte meist im Moment
der Geburt, daher die Häufigkeit von Harnsäureinfarkten in den Nieren
Neureborener. Mankiewicz- Berlin.
b) Mißbildungen.
Sacral kidney simulating acute appendicitis. Von M.S. Kakels-
New York. Medical Acad. 21. XII. 1912.)
In der Literatur fand der Autor keinen Fall, wo wie bei seinem,
eine Sakralniere eine akute Appendizitis vorgetäuscht hätte: Fine
19 Jahre alte Frau erkrankte vier Tage vor der Einlieferung an all
gemeinen krampfartigen Leibschmerzen, die in die rechte Seite aus-
strahlten. Es bestand Obstipation, doch kein Erbrechen. Am folgenden
Tage war der Schmerz in der reehten Fossa iliaca lokalisiert, wo er bis
zur Fivlieterung der Patientin, die stündig Frostgefühl hatte, zunahm.
Bei der Untersuchung war die rechte Abdominalseite gespannt und
schmerzhaft, in der rechten Fossa iliaca lieb sich eine nicht scharf be
grenzte, druckempfindliche Masso palpieren. Jm Urin war höchstens
eine Spur Albumen vorhanden. Temperatur etwa 38,5°, Puls 9%.
Bei der Operation wurde der Appendix nur leicht hyperümisch
gefunden, dagegen retroperitoncal der palpierte Tumor über der rechten
Synchondrosis sacro-iliaca. Das Peritoneum wurde gespalten und in dem
Tumor die sehr kleine kongestivnierte Niere erkannt. In dem Nieren-
lager ließ sich rechts keine Niere finden, die linke lag an normaler Stelle.
Da es der Patientin nicht gut ging, werden die Wunden schnell ge
schlossen. Heilung olıne Zwischenfall. N. Meyer- Wildungen.
Hufeisenniere mit Echinokokkencyste. Von Alhaique. XXI.
Congresso della Società Italiana di Chirurgia 1912. (La Clinica Chirurgica
1912, NI, p. 2194)
Alhaique hat unter vier Hufeisennieren eine mit einer groben
Eehinokokkeneyste, die am Uterus und linken unteren Pol der Hufeisen-
niere angewachsen war, beobachtet. Die normalen Verhältnisse des Hams
hatten an eine Pankreaseyste denken lassen. Heilung. Mankiewicz-Berlin.
Ein Fall von linksseitiger Nierendystopie, kombiniert mit
rechtsseitiger Graviditätspyelonephritis. Von Dr. Rudolf Ekler,
Sekundärarzt der gyniik. Abteilung des Rothschildspitals in Wien. (Zeitschr. f.
vvnäk. Urologie, Bd. 4. H. 1. 1915.
Die 32jährige Frau klagte über ziehende Schmerzen im Unterbauch
Sie
Nieren und Harnleiter. 643
von wechselnder Intensität, die seit drei Monaten bestanden. Abdomen
etwas vorgewölbt, nur in der linken Unterbauchgegend druckempfindlich.
Oberhalb der Symphyse eine weich elastische Restistenz tastbar (Fundus
des vergrößerten Uterus). Die innere gynäkologische Untersuchung er-
gibt einen Uterus, dessen Größe einer Gravidität von drei Monaten ent-
spricht. Deutliches Hegarsches Zeichen. Links im Beckeneingang ein
plattrundlicher, derbelastischer, kleinfaustgroßer, etwas beweglicher Tumor,
an dessen Oberfläche weder ein Hilus, noch pulsierende Gefäße tastbar
sind. Der Tumor scheint mit dem linken Uterushorn in Verbindung zu
stehen und ist nicht über die Linea terminalis hinauszudrängen. Dia-
gnose: Graviditas mens. tres, Cystoma ovar. lat. sin. Bei der Laparo-
tomie präsentiert sich der drei Monate gravide Uterus mit stark ausladen-
dem linken Horn. An der Vorderfläche der Bauchwand adhäriert an
einer Stelle das zarte Netz. Auberdem bestehen feine Adhäsionen
zwischen Blase und Uterus. Lösung der Adhäsionen. Die Adnexe
liegen oberhalb des Beckeneinganges, die Tuben sind zart, die Ovarien
hypertrophisch. Schiebt man den Uterus ein wenig nach rechts, so er-
scheint retroperitoneal links neben der Wirbelsäule mit einem Drittel im
Beckeneingang der ante operationem getastete Tumor, der sich als dystope
Niere von normalem Aussehen erweist. Das hintere Blatt des Perito-
neuns, die fettarme Capsula adiposa, die außerordentlich zarte Capsula
fihrosa werden an der Vorderfläche gespalten, die Kapsel wird ein wenig
abgelöst, und es werden so zwei seitliche Lappen geschaffen. Nachdem
die nur wenig bewegliche Niere hinaufgeschoben worden, wurden die ge-
bildeten Lappen an die parietale Serosa und an den linken Musculus
rectus mittels dreier Katgutfüden fixiert. Bei Erhebung des Revisions-
befundes, 7 Tage später, lag die dystope Niere wieder z. T. im Becken.
Einen Tag später klagte Patientin über Schmerzen in der rechten Nieren-
gegend. Der Katheterharn war rahmartig, trüb. Im Sediment fanden
sich reichlich weiße Blutkörperchen. Die vorgenommene Cystoskopie er-
gab: Blase nach links verdrängt durch den Uterus. L. U.-K. ergibt
klaren eiterfreien Harn. R. U.-K.: Katheter verstopft, die Durchspülung
fördert mit dicken Eiterpfröpfen vermengte Flüssigkeit zu Tage. Als
Erreger wurde Bacterium coli gefunden. Diagnose: Rechtsseitige Gravi-
ditätspyelonephritis höheren Grades, Mit Rücksicht auf die schwere
rechtsseitige Pyelonephritis und die Dystopie der linken Niere wurde die
Indikation zur Einleitung des Abortus gestellt, die mittels Sectio vagi-
nalis ausgeführt wurde.
Nachher trat prompter Abfall der Temperatur und allmähliche Besse-
rung des Harnes ein. 5 Wochen später konnte Pat. mit vollständig
klarem Harn entlassen werden. Da die linke dystope Niere stets die Ge-
fahr eines Geburtshindernisses bildet, wurde der Pat. zur Sterilisicrung
geraten. Kr.
c) Verletzungen.
Subcutaneous rupture of the kidney. Von F. C, Beall-Fort
Worth. (Medical record 11. 1. 1913.)
Beall beschreibt folgenden Fall: Aus dem dritten Stock fiel ein
644 Nieren und Harnleiter.
grobes Fab auf den Boden und sprang von dort auf die linke Seite
eines Qjährigen Knaben. Im Urin desselben wurde am selben Abend
Blut gefunden. Wegen heftiger linksseitiger Schmerzen 2 Tage später
Einlieferung ins Krankenhaus. Dort Temperatur fast 39°, Puls 1%,
Respiration 34. Schmerzen in der linken Seite beim Atmen und Pal-
pieren. Dumpfer Perkussionsschall über der linken Lumbalgegend bis
zur vorderen Axillarlinie. Urin klar. Am nächsten Tage Zunahme der
Dämpfung, Urin bluthaltig. Bei der Eröffnung der inneren Scheide des
Quadratus lumborum floß viel mit Urin vermischtes Blut in die Wunde.
Das untere Viertel der Niere war von dem oberen Teil durch einen
Riß getrennt, der nach vorn bis zum Nierenbecken sich fortsetzte. Wo
dieser RiB am konvexen Rand nach hinten umbog, verlief ein zweiter
vertikaler Rib je ein Zoll nach oben und unten. Die Niere wurde ex-
stirpiert, weil das frisch ausströmende mit Urin vermischte Blut die Naht
voraussichtlich sehr schwierig machen würde, weil die Blutung in erheb-
lichem Grade andauerte und der Puls des Knaben schwächer wurde.
Die Heilung verlief ohne Störung. N. Meyer-Wildungen.
d) Nierengeschwülste.
Über den Bau und die Histogenese der angeborenen Nieren-
geschwülste. Von Dr. Arthur Dienst, Assistent der Kgl. Universitäts-
Frauenklinik in Leipzig. (Zeitschrift tür gynäkologische Urologie, Band 4,
Heft 1. 1913.)
Während bösartige Nierengeschwülste auch schon im frühen Kindes-
alter relativ häufig beobachtet worden sind, sind die bereits im Fötal-
leben entwickelten, also angeborenen Nierengeschwülste anscheinend recht
selten. Verf. konħte in der Literatur nur sechs Fälle von sicher ange-
boreneu Nierengeschwülsten auffinden und berichtet in vorliegender Arbeit
über einen weiteren Fall von angeborener Nierengeschwulst, der die
rechte Niere eines 30 cm langen Fötus männlichen Geschlechts betrifft.
Der Tumor liefert einen wertvollen Beitrag für die Atiologie und Histo-
genese der Nierengeschwülste überhaupt. Das Charakteristische an dieser
Geschwulst war neben dem Sarkomcharakter des Stromas mit Einlagerung
vereinzelter Muskelzellen die Kombination von adenomatöser und mye
sarkomatöser Neubildung des Geschwulstparenchyms. Verf. bezeichnet
daher diese kongenitale Nierengeschwulst nach der Zusammensetzung
ihrer (sewebselemente als ein Adenomyosarkom. Solche kongenitalen
Nierengeschwülste haben von jeher das Interesse der Forscher stark ın
Anspruch genommen; doch waren die Ansichten über die Entstehung
der Tumoren sehr geteilt. Erst Birch-Hirschfeld hat die Pathogenese
und die Ätiologie der angeborenen oder im frühen Kindesalter beobach-
teten Nierengeschwülste in ganz neue Bahnen gelenkt. Er hat den Nach-
weis geführt, daß ein großer Teil der bösartigen Nierengeschwülste im
Kindesalter, die bald als Karzinome, bald als Sarkome, Myome, Myo-
sarkome, bald als Adenosarkome oder Rhabdomyosarkome in der Lite
ratur beschrieben worden sind, einen gemeinsamen typischen Grundzug
haben, der in der Vermischung drüsenartiger und antiblastischer Bestand-
teile hervortritt, die in Form und Anordnung ihrer Elemente an ein in
Nieren and Harnleiter. 645
lebhafter Wucherung begriffenes embryonales Gewebe erinnern. Diese
pathologisch-anatomisch ganz bestimmt charakterisierte einheitliche Gruppe
der Nierengeschwülste, die ebenso klinisch durch ihr Auftreten im frühen
kindlichen Lebensalter und durch ihre Neigung zu rasch fortschreitendem
Wachstum sich als nahe verwandt zeigen, bezeichnet Birch-Hirsch-
feld mit dem einheitlichen Namen „embryonales Adenosarkom“. So
bilden die „embryonalen Adenosarkome“ eine ebenso einheitliche Gruppe
der malignen Nierentumoren, als die Gruppe der Neubildungen, die nach
dem Vorgange von Grawitz auf die geschwulstförmige Weiterentwick-
lung von versprengten, in das Nierengewebe eingeschlossenen Teilen der
Nebennieren zurückgeführt und als Hypernephrome bezeichnet werden.
Aus diesem Grunde glaubt Verf. den von ihm beschriebenen Tumor in
die einheitliche Gruppe der Birch-Hirschfeldschen embryonalen Adeno-
sarkome einreihen zu müssen. Auch trägt Verf. kein Bedenken, die von
Semb, Weigert und Schäffer publizierten Fälle als Adenosarkome im
Birch-Hirschfeldschen Sinne zu bezeichnen. Dagegen ist der vom
Verfasser beschriebene Tumor nicht geeignet, die Birch-Hirschfeld-
sche Theorie über die Atiologie dieser Geschwülte zu stützen, weil hier
ein deutlicher Grenzunterschied zwischen Tumor und Nierengewebe nicht
vorhanden ist. In ätiologischer Hinsicht nimmt Verf. vielmehr die
Wilmssche Hypothese über die Mischgeschwülste der Niere in Anspruch.
Kr.
Über Hypernephrome der Niere. Von Dr. Heinrich Harttung,
Assistenzarzt der chir. Abteil. d. Allerheiligen-Hospitals in Breslau. (Deutsche
Zeitschr. f. Chir. 1913, 121. Bd., 5.—6. Heft.)
Hinsichtlich der Ätiologie der sog. Grawitzschen Tumoren bestand
anfangs die Ansicht, daB diese Geschwülste ihren Ausgang von ver-
sprengten Nebennierenkeimen nehmen. Später machten sich jedoch
Stimmen geltend, die anderer Meinung waren und den Ausgang dieser
Tumoren in die Niere selbst verlegten. Wenn so die Frage, ob diese
Geschwülste aus versprengten Nebennierenkeimen entstehen oder nephro-
genen Ursprungs sind, noch nicht entschieden ist, so bieten diese Tumoren
auch hinsichtlich ihres klinischen Verhaltens ganz interessante und zum
Teil prägnante Merkmale, die Verf. auf Grund von 5 Fällen festzulegen
versucht.” Er versteht unter Grawitsschen Tumoren echte primäre Ge-
schwülste der Niere, die eben nach der Ansicht von Grawitz sich aus
versprengten Nebennierenkeimen in der Niere entwickeln und schlechthin
als Hypernephrome der Niere bezeichnet werden. Sie sind streng zu
unterscheiden von jenen Neubildungen, die aus der Nebenniere selbst
oder aus isoliert liegenden versprengten Nebennierenkeimen hervorgehen
und welche mit der Niere selbst in keinem Konnex stehen und so auch
vollkommen extrarenal gelagert sind. Was zunächst das Alter des Pa-
tienten des Verfassers betrifft, so waren vier von ihnen in den 40er
Jahren, nur im Falle 4 handelte es sich um eine Frau im 6. Dezennium.
Aus den einzelnen Anamnesen geht deutlich hervor, daß alle Patienten
sich seit Beginn ihrer Erkrankung allgemein matt und schwach gefühlt,
daß sie meist stark an Gewicht abgenommen haben, daß ihr Appetit
646 Nieren und Hoarnleiter.
schlecht geworden i~t. Sehr bemerkenswert sind im ersten Falle die
Schmerzen. Nach den Ausführungen von Israel ist es bekannt, daß die
primären Geschwülste der Nebennieren schon sehr frühzeitig Schmerzen
machen können. und das hängt mit der anatomischen Lage der Xeben-
niere zusammen. Denn diese steht in enger Beziehung zu den Nerven
stänmen des Plexus lumbalis, und so haben wir bei den autochthonen
(ieschwülsten der Nebenniere oft als einziges Symptom zunächst die
Schmerzen, welche ın die Gegend der Beckenschaufel ausstrahlen und
lediglich durch Druck der Geschwülste auf die Nervenstämme zu er-
klären sind. Schmerzen können bei diesen Tumoren schon vorhanden
sein, ohne daß die (seschwulst selbst palpabel ist. Hierin liegt, glaubt
Verf., ein wesentlicher Unterschied den Grawiıtzschen Tumoren geren-
über. Nur im ersten Falle verzeichnet die betreffende Stelle in der
Krankengeschichte Schmerzen, die aber erst spät aufgetreten sind und
unter denen sich der Tumor entwickelt hat. Verf. glaubt, wir müssen
hierbei wohl auch die anatomische Entwicklung der Geschwülste in Frage
ziehen. Wenn diese sich mehr im oberen Pole der Niere ausdehnen. so
werden wir wahrscheinlich auch häufiger Angaben über Schmerzen finden,
als wenn die (Geschwülste mehr in der Mitte oder im unteren Pol zur
Entwicklung gekommen sind. Und das findet seine Erklärung eben aus
denselben Gründen, die Verf. zur Erklärung der Sehmerzen ba den
primären Greschwülsten der Nebenniere herangezogen hat. In den anderen
Fällen enthalten die Krankengeschichte nur den Passus, dat die (reschwulst
selbst nur auf Druck in geringem (Grade Schmerzen verursacht. Im
Anschluß hieran weist Verf. auf ein anderes Diagnostikum hin, das
gerade den primären Nebennierengeschwülsten gerenüber differentialdia-
gnostisch in Betracht kommt und auf das ebenfalls Israel als er-ter
hingewiesen hat: das ist das Fieber. Merkwürdigerweise findet sich in
Verfassers Fällen niemals eine Erhöhung der Temperatur. Als nächstes
Symptom, das ebenfalls sehr früh auftreten und die erste Krankheitser-
scheinung sein kann, wäre die Hämaturie zu nennen. Israel legt für
die Diagnose der primären (eschwülste der Nebenniere keinen beson-
deren Wert auf die Hämaturie, im Gegensatz zu Wendel, der gerade
auch bei echten Geschwülsten der Nebenniere in den meisten Fällen
Blut im Harn beobachtet hat. Hier liegen die Verhältnisse aber so,
dab die (Gieschwülste der Nebenniere entweder Metastasen in der Niere
gesetzt haben und dab diese dann den Anlaß zu der Blutung abgeben.
Oder aber die Metastasen führen zu einer Kompression der Nierengefite
und als weitere Folge kommt es nun zu einer Stauung im Organ und
so zu den bekannten Stauungsblutungen. Anders nun liegen die Ver
hältnisse bei den Hvpernephromen der Niere. In den ersten drei Fälln
des Verfassers wurde von den Patienten selbst als erste Krankheitser-
scheinung „blutiger Urn” bemerkt, und zwar schon sehr frühzeitig. Für
die Uvpernephrome der Niere ist zweifellos die Hämaturie ein absolut
sicheres Diagnostikum, wenn natürlich diese auch bei allen anderen Er-
krankungen des Organes heobachtet wird. — Israel hat ferner zuerst
darauf aufmerksam gemacht, daB «die Lage des Tumors hinsichtlich der
Diagnose, ob Nebennieren- oder Nierengeschwulst, zweifellos eine grobe
-d
Nieren und Harıleiter, 647
Rolle spielt. Er setzt auf anatomischer Grundlage genau auseinander,
daß die Geschwülste der Nebennieren mehr median liegen, während die
primären Tumoren der Nieren eine mehr laterale Lage einnehmen, Ver-
fassers Erfahrung geht dahin, daß die in Frage kommenden Geschwülste
ziemlich lateral liegen und unter dem Rippenbogen hervortreten. — Das
sind im wesentlichen die klinischen Symptome, die ein Hypernephrom
hervorrufen kann. Wenn so die klinischen Erscheinungen dieser Ge-
schwülste ziermlich einheitlich und anerkannt sind, so ist die Ansicht
darüber, ob sie nephrogenen Ursprungs oder von versprengten Neben-
keimen ausgehen, noch sehr geteilt. Verf. geht zum Schluß auf diese
Ansichten näher ein. Kr.
Hypernephrome avec localisation secondaire dans l’olécrane
gauche. Von Walther-Giron. Soc. nat, de Chirurgie, Nov. 1912. (Archives
générales de Chirurgie 1913, 2, p. 183.)
Walther berichtet über ein von Giron (Aurillac) beobachtetes
Hypernephrom mit sekundärer Metastase im linken Olekranon, Das
Hypernephrom der linken Niere konnte erst nach der histologischen
Untersuchung des sekundären Tumors in dem linken Ellbogen diagnosti-
ziert werden; klinisch machte es keine Erscheinungen. 14 Jahre vorher
hatte der Patient allerdings vorübergehende Hämaturien gehabt, die aber
nie wiederkehrten; wahrscheinlich war damals der Beginn der Zell-
wucherung in der Niere. Seit 1—2 Jahren war es zu intermittierenden
geringen Albuminurien und geringer Beeinträchtigung des Allgemein-
befindens gekommen, die wohl von der N'ierengeschwulst ausgingen.
Mankiewicz-Berlin.
Nierentumoren. Von R. H. Jocely n Swan. (Lancet, 8. Febr. 1913.)
Klinische Vorlesung mit kurzen eigenen Beobachtungen und Ab-
bildangen. Nichts wesentlich Neues. W. Lehmann- Stettin.
Tumeur du rein. Von Sand et Marque. Société belge de Chirurgie,
Dezember 1911. (Archives générales de Chirurgie 1913, 2, p. 188.)
Sand und Marque haben einem 4jährigen Knaben ein kleinzelliges
Adenosarkom von 1170 g Gewicht entfernt; nur heftige Bauchschmerzen
mit Fieber und Konstipation waren die Symptome.
Mankiewicz - Berlin.
e) Nierentuberkulose.
Tuberculose rénale chez l'enfant. Cathétérisme à vision
directe. (7 observations). Von H. L. Rocher und Jean Ferron-Bor-
deaux. (Journ. d'Urologie, Tome III, No. 2, 1913)
Die Autoren waren wiederholt in der Lage, bei kleinen Mädchen
wegen chirurgischer Nierentuberkulose die Nephrektomie ausführen zu
müssen. Zur Sicherstellung der Diagnose und zum Nachweis der Intakt-
heit der gesunden Niere empfehlen sie die Cystoskopie mit direkter
Besichtigung. Dieses Verfahren ist immer leicht auszuführen bei Mädchen,
welche das fünfte Lebensjahr überschritten haben. Die Harnröhre faßt
Zeitschrift für Urologie. 1913. 43
648 Nicren und Harnleiter.
einen Tubus von Nr. 40 (französisch) und 7 cm Länge, der Ureter ein
Katheter von Nr. 6—7. Die Methode ist nicht schmerzhaft, nur bei
ungebärdigen Kindern empfiehlt sich die Narkose.
A. Citron- Berlin.
Tuberculose rénale à forme de périnephrite avec abscès mi-
grateurs. Von Murard. Soc. des sciences médicales de Lyon 15. 1. 1913.
(Lyon médical 1913, 10, p. 507.)
Murard demonstriert die kleine, nur 60 g wiegende Niere mit
relativ normalem Parenchym mit einigen Kavernen um den Hilus. die
unter großen Schwierigkeiten aus dem sklerösen glasigen Gewebe in der
Nierenloge einem 33jährigen Pferdeknecht entfernt wurde. Derselbe
hatte vor 2 Jahren einen Pferdetritt in die linke Leiste erhalten, der
nach kurzem sich bald bessernden Hinken zu einer Kontraktur des
Hüftgelenks führte. Damals wurde in der Psoasgegend ein Alıszeb
punktiert, der viel Eiter lieferte und zur Dauerfistel führte. Meer-
schweinchenversuch des anscheinend normalen Harns positiv. Jetzt nach
2 Jahren großer schmerzhafter Tumor in der rechten Seite. Die Fistel
sezerniert noch, auf Druck entleert sie viel Eiter. Ureterenkatheterismus
erweist Eiter und verminderte Harnausscheidung der rechten Niere. Diese
tuberkulöse Perinephritis hatte zu einem großen AbszeB am Ileum ge-
führt, der die Diagnose sehr erschwerte. Mankiewicz-Berlin.
Tuberculose rénale. Von Gayet. Société de Chirurgie de Lyon
12. XII. 1912. (Lyon médical 1913, 9, p. 460.)
Gayet berichtet über einen 25jährigen Ackerbauer, der im Juni
die ersten Symptome der Nierentuberkulose aufwies, im August abge-
magert und in schlechtem Befinden ist, Nykturie halbstündlich hat; zwei
Drittel der rechten Nieren funktionell verloren, der Urin infiziert Meer.
schweinchen mit Tuberkulose, rechte Uretermündung von Ulcera umgeben.
Prostata rechts etwas hart. Anfang Oktober rechts Nephrektomie, Ende
Oktober glatte Heilung. Im Dezember altes Gewicht, Urin ganz klar,
keinerlei Beschwerden. Bemerkenswert der Schmerz in der zweiten
Niere nach der Operation, der auf die kompensatorische Mehrarbeit oder
auf Tuberkulinisation zurückzuführen ist. Statt des zu injizierenden
Salzserums wird Zuckerlösung empfohlen, eventuell durch rektale Irri-
gation. Berard bringt 3 Fälle bei, in denen er jahrelang nach Beginn
der Nierentuberkulose durch Operation in den schwersten Stadien der
Krankheit trotz Abratens sachverständiger Kollegen und trotzdem die
Anforderungen an die zweite Niere mangels Möglichkeit exakter funk-
tioneller Bestimmungen (durch Cystitis) nicht erfüllbar waren, durch Ne-
phrektomie vollkommene Heilung erzielt hat; eventuell zeitweise Ab-
bindung der kranken Niere, um sich über die Funktion der anderen
Niere Sicherheit zu verschaffen. Mankiewiez-Berlin.
Zur Tuberkulose der Nieren. Von Dr. Max Waldschmidt. (Berl.
klin. Wochenschrift 1912, Nr. 89.)
Zur Klärung einiger Fragen aus der Pathologie der Nierentuberku-
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Nieren und Harnleiter, 649
lose, insbesondere derjenigen über die Möglichkeit einer spontanen Aus-
heilung des Leidens, hat Verf. das Sektionsmaterial des Allgemeinen
Krankenhauses Hamburg- Eppendorf seit dem Bestehen desselben ynd zum
Vergleich 100 Fälle aus der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses
studiert. In der Literatur ist mehrfach über Spontanheilungen von
Nierentuberkulose berichtet worden, doch ist dabei wohl immer das Paren-
chym der betr. Niere vollkommen zerstört, so daß sie für die Funktion
des Körpers nicht mehr in Betracht kam; nur ein Fall, über den Küm-
mell berichtet hat, zeigt eine komplette Ausheilung bei teilweiser Er-
haltung des Parenchynis; dies konnte durch histologische Untersuchung
der durch Ektomie gewonnenen Niere festgestellt werden. Sonst ergab
das Sektionsmaterial keinen analogen Fall, immer war es zur völligen
Zerstöürmug des Nierenparenchyns gekommen, und wenn dann schließlich
der tuberkulöse Prozeß in der einen Niere erloschen ist, hat gewöhnlich
der Krankheitsprozeß inzwischen die zweite Niere ergriffen. Aber selbst,
wenn dies letztere Ereignis nicht eintritt, wenn wirklich der tuberkulöse
Prozeß in der einen Niere nach völliger Zerstörung des Parenchyms und
Verödung des Organes ausheilt, so tun diese Patienten doch besser daran,
sich das kranke Organ rechtzeitig exstirpieren zu lassen, da sie so jahre-
langen Leiden und allerlei Gefahren entgehen und die Niere ja doch für
die Funktion verloren ist; außerdem können wir mit unseren jetzigen
Untersuchungsmethoden die Ausdehnung der Erkrankung und den Zeit-
punkt des Überganges auf die andere Niere nicht mit Sicherheit fest-
stellen. Die sonst berichteten Fälle von geheilter Nierentuberkulose unter
konservativer Behandlung insbesondere mit Tuberkulinpräparaten sind mit
der größten Skepsis zu beurteilen. Im übrigen ergab das vorliegende
Material, daß die Nierentuberkulose fast immer eine sekundäre metasta-
tische Erkrankung darstellt, die auf dem Blutwege sei es als embolischer
Prozeb oder als Ausscheidungstuberkulose entsteht. Ein Fall, der für
die aszendierende Entstehung der Erkrankung sprach, fand sich in dem
Sektionsmaterial überhaupt nicht. Weshalb und auf welchem Wege die
zweite Niere so häufig erkrankt, nachdem das Schwesterorgan meistens
schon zum groben Teil zerstö:t ist, ist bisher noch nicht sichergestellt,
vielleicht geschieht das auf dem Wege einer direkten Gefüßanastomose;
Durch den Canalis venosus-reno-capsulo-diaphragmaticus, den Albarran
und Chatelin als direkte Gefäßverbindung beider Nieren ansehen, viel-
leicht entsteht, wie es Israel als möglich hinstellt, durch den chronischen
Verlauf der Nierentuberkulose eine Adaption der Tuberkelbazillen an den
speziellen Nährboden und auf diese Weise eine größere Affinität zum
Nierengewebe, als zu anderen Organen. Schließlich betont Verf., daß
er wiederholt günstigen Einfluß von Wildunger Trinkkuren auf die
Harnbeschwerden tuberkulöser Nierenkranker gesehen hat.
Paul Cohn-Berlin.
Tuberculose rênale hématurique. Von Fayol. Soc. des sciences
médicales de Lyon. 27. XI. 1912. (Lyon médical 1913. I. p. 22.)
Fayol sah bei einem 29 jährigen Manne, dem vor 11 Jahren ein
Hode wegen Tuberkulose entfernt war, zeitweilige Hämaturien mit
43*
650 Nieren und Harnleiter.
Cystitis. Seit 10 Tagen Schmerzen in der linken Seite. Miktion ganz
blutig, besonders am Ende, ohne Gerinnsel. Cystoskopie unmöglich,
Tierversuch ergibt Tb. R. Nephrectomia subcapsularis, die groten
Eitersack ohne Tuberkeln ergibt. Sistierung der Blutung, die also durch
eine hämorrhagische Nephritis der anderen Seite verursacht war.
Mankiewicz- Berlin.
Ce que cinq granulations tuberculeuses dans un rein peuvent
déterminer. Von G. Marion-Paris, (Journ. d'Urol. Tome I. No. 2, 1913.
sin vierzigjähriger Patient wurde wegen heftiger andanernder
Nierenblutungen der rechtsseitigen Nephrektomie unterzogen. Es fanden
sich an der äuberlieh ganz normal aussehenden Niere nur 5 tuberkulüse
Granulationen in der mitteren, den Papillen benachbarten Region. Diese
geringen Läsionen hatten genügt, um eine unstillbare, 4 Wochen an-
dauernde Blutung herbeizuführen und die Harnstoffausscheidung der Niere
auf die Hälfte herabzudrücken. A. Citron- Berlim.
Durée de l'évolution de la tuberculose rénale non opérée et
causes de la mort. Von Rafin-Lvou. (Journ. d'Urol, Tome IL, No. 4, 1912.
In Frankreich ist bisher nur von Rochet eine Statistik über ds
Schieksal nicht operierter Nierentuberkulose-Kranker aufgestellt worden.
Von deutscher Seite liegen über diese Materie Berichte vor von Blum,
Wildbolz, Casper, Kornfeld, Ekehorn und Hottinger. Raim
hat mit Hilfe französischer Kollegen 168 Fälle nicht operierter Nieren-
tuberkulose gesammelt und statistisch bearbeitet. Die Statistik beschäl-
tigt sich eingehend mit der Lebensdauer der Patienten und den Todes-
ursachen. In den ersten 2 Jahren der Krankheit starben 17,2° ,, im
3. bis 5. Jahre 17.5" ,, vom 6. bis 10. Jahre 16° as je ein Patient
lebte noch 11, 13, 14, 16 Jahre. Es starben an tuberkulöser Kachexie
33,7° „ an Nierentuberkulose 14.8” „, an allgemeiner Tuberkulose 17.5" „
an Tuberkulose der Tuftwege 20°" „. an Meningitis 8°, die übrigen an
Pneumonie, Magenkrebs und Peritonitis. Da die Nephrektomie bei Nieren-
tuberkulose jetzt viel häufiger als früher ausgeführt wird, so sind die
statistischen Zahlen der modernen Periode viel ungünstiger als die der
früheren, weil die heutigen Nichtoperierten fast durchweg aus doppel-
seitigen und sonstigen inoperablen Fällen bestehen.
A. Citron- Berlin.
A new method of diagnosticating renal tubercolosis. Von
L. Buerger. (Amer. Journ, of surg. 1913, 8. 55.)
In zweifelhaften Fällen von einseitiger Nierentuberkulose, wo bak-
teriologisch keine 'Tuberkelbazillen gefunden werden, führt ein neues
Verfahren, das Verf. beschreibt, unter Umständen zum Ziel. Es besteht
darin, dab mittels einer von B. angegebenen Zange am Operationseysto-
skop verdächtige Stücke der Blasenschleimhaut exzidiert und mikroskopisch
untersucht werden. Als Beispiel für den Wert dieser Methode führt er
einen sehr instruktiven Fall an. Bei einem 30jährigen Patienten, der
an Miktionsbeschwerden und Druck im Unterleibe litt, konnte auber
Be ananman aa,
-a Eé
2 a piw
Nieren und Harnleiter. 651
einer leichten Trübung des Urins mit wenig Eiterzellen, roten Blutkör-
perchen und einer Spur Eiweiß, der untere Pol der linken Niere deut-
lich palpiert werden. Cystoskopisch war nur am Trigonum in der Um-
gebung des linken Ureters eine ödematöse Schwellung der Schleimhaut
wahrnehmbar und das Orificium des linken Ureters war etwas ödematös
geschwollen. Der linke Ureter war für den Katheter undurchgängig.
Tuberkelbazillen waren nicht nachweisbar. Es bestand Verdacht auf
Tuberkulose der linken Niere. Mittels des Buergerschen Operations-
vystoskops wurden eine Anzahl kleiner Schleimhautstücke aus dem ödə-
matösen linken Örifictum des Ureters exzidier. Die mikroskopische
Untersuchung ergab außer dem Bild einer Oedema bullosum, das Vor-
handensein zahlreicher miliaror Tuberkel. Die Operation bestätigte die
Diagnose, indem die linke Niere ausgedehnte tuberkulöse Herde aufwies.
Tier Treter und das Nierenbecken waren normal, resp. wiesen nur geringe
Veränderungen auf. Die Niere wurde exstirpiert.
R. Kaufmann-Frankfurt a. M.
Onze néphrectomies en cas de tuberculose rénale bilatérall.
Von Rochet. Société de Chirurgie de Lyon. (Archives générales de Chirur-
gie 1912, Nov.. p. 1329.)
Rochet teilt die Resultate von elf Nephrektomien bei beidersei-
tiger Nierentuberkulose mit. Tierexperimente hatten den Nachweis der
anderen Nierenerkrankung geführt: in 3 Fällen zeigten Harnstoff und
Chloride starkes Defizit. Die entfernte Niere war groß, manchmal enorm,
eiternd und mit Fisteln und beeinträchtigte den Allgemeinzustand so,
daß die Nephrektomie notwendig war. Von 11 Operierten starben 3
schnell (zwei davon mit der Verminderung des Harnstoffs und der Chlo-
ride); zwei starben nach zwei Jahren an Tuberkulose; zwei lcben, aber
mit Tuberkulose der anderen Niere; zwei leben und befinden sich wohl;
zwei sind erst seit kurzer Zeit operiert. Aus dieser Statistik erhellt,
daß im Fall von beiderseitiger Nierentuberkulose die Nephrekitomie nur
eine Operation der Notwendigkeit sein kann. Mankiewicz- Berlin.
Über die Dauerresultate von 60 Nephrektomien wegen Nieren-
tuberkulose. Von F. Suter-Basel. (Münchner med. Wochenschr. 1912,
Nr. 45.)
Die Resultate S.s sind folgende: (Gestorben an der Operation ist
nur ein Patient (1,6°/, Nahmortalität) und zwar nach 24 Stunden an
Herzschwäche. Späterhin starben 4 (6,6°/, Fernmortalität) und zwar
l nach 3 Jahren an Phthisis pulmon., 1 nach 3 Jahren an Puerperal-
fieber, L nach 4 Jahren an Urinvergiftung, l nach 2 Jahren an Miliar-
tuberkulose. Von den 55 noch Lebenden liegt bei 5 die Operation
noch zu kurz (weniger als !, Jahr) zurück; von den übrigen sind ge-
heilt 28 (= 56°), wesentlich gebessert 17 (= 34"],), wenig gehesssert
5 (=109/,). Von den wesentlich gebesserten haben 5 noch Blasen-
beschwerden bei klarem Urin, 1 hat noch eine Fistel, 11 noch Cystitis.
Für die Prognose ist die Beschaffenheit der Blase zum Zeitpunkt der
Operation von maßgebendster Bedeutung; das kommt auch zum Ausdruck
652 Nieren und Harnleiter.
in der Blasenkapazität im Moment der Untersuchung. Sie betrug bei
den Geheilten 270 cem, bei den wesentlich (zebesserten 150 cem, bei
den wenig Gebesserten 130 cem. Daher ist die Frühoperation dringend
zu empfehlen und die Prognose der Nierentuberkulose liegt in den Händen
des erstbehandelnden Arztes. Wichtig ist auch die Beteiligung des
Genitalapparats, der bei Männern viel häufiger (587":,) als bei Frauen
(3° „) miterkrankt ist. Daher sind auch doppelt so viele Frauen geheilt
als Männer. — Verf. erwähnt dann noch einige besonders bemerkens-
werte Fälle, hauptsächlich mit Rücksicht auf die sogenannte Spontan-
heilung, d. h. die relative Heilung durch Abschluß der verkästen Niere:
ihr steht Verf. skeptisch gegenüber und warnt davor, mit ihr zu rechnen.
Zwei Kranke wurden nephrotomiert, weil primär die Nephrektomie nicht
möglich war: sie wurde später mit gutem Erfolg gemacht. Zwei weitere
wurden zu diagnostischen Zwecken nephrotomiert, ohne daß die Nieren-
spaltung ein überzeugendes Resultat ergab. Sie starben beide und die
Autopsie ergab Tuberkulose der gespaltenen Niere und Gesundheit des
Schwesterorgans. Mit den Tuberkulinen hat Verf. schlechte Erfahrungen
gemacht. Brauser- München.
Pseudo-guérisons de la tuberculose rénale par le traitement
conservateur. I. Néphropathies latentes de l’autre rein. I. Exclu-
sions partielles. Von Maurice Heitz-Bover-Paris (Journ. d'Urol. Tome
Il, No. 4 und 5, 1912.)
I. Die sogenannte Selbstheilung einer tuberkulösen Niere, welche ın
einer Abschließbung der kranken Niere besteht, ist nicht als eın Hal,
prozeß im wahren Sinne des Wortes aufzufassen. Ein tuberkulöser Herd
bleibt nicht jahrelang ohne Schaden anzurichten im Körper. Abgesehen
davon, dab der AbschlieBungsprozeßB selbst die Ansiedlung von Tuberkel-
bazillen in dem Schwesterorgan begünstigt, spielt die der Abschliebung
vorhergehende Stenose der harnabführenden Wege und die daraus ent-
stehende Stagnation eine unheimliche pathologische Rolle. — Verf. ver-
fügt über zwei Fälle. bei denen eine tuberkulöse Niere der „Selbstheilung”
verfallen war. Die beiden Fälle. deren einer rapid zum Exitus führte,
zeigten eine erhebliche Stickstoffüberladung des Blutes bei subnormaler
Harnstoffausscheidung, krankten also an einer verhängnisvollen Läsion
des Parenchyms der einzizen funktionierenden Niere. Tuberkelbazillen
waren in beiden Füllen im Urin nicht nachweisbar,
II Es kommen nun auch Fälle vor, bei denen mittels Ureterkatheters
aus einer früher bestimmt tuberkulösen Niere absolut klarer Urin ahge-
sondert wird; diese Fülle werden zum Beweise dafür benutzt, dab die
interne bzw. spezifische Behandlung imstande ist, die Nierentuberkulose
unter Erhaltung der Nierenfunktion zur Heilung zu bringen. Solche Fälle
sind sehr selten. Unter den 150 Fällen der mit Bernard zusammen
unternommenen Enquete fand H. nur den einen Fall von Karo. welcher
nach einer Tuberkulinkur klaren Urin aus einer früher tuberkulösen Niere
entleerte. Wıldbolz wies an einem Falle ein gleiches Verhalten mittels
Chromocystoskopie nach, Castaigne und Le elerc-Dandoy machten au
nach Nephrektonie restierenden Nieren, die anfänglich tuberkulös infiziert
L om = e
“ E EE . core = -3
ci ve.
KÉ $ iN
Nieren und Harnleiter. 653
waren, nach spezifischer Behandlung die Erfahrung, daß die Krankheits-
symptome verschwanden.
Nach den durch anatomische Befunde gestützten Untersuchungen des
Verf. handelt es sich in diesen Fällen sicher nicht um eine Heilung der
erkrankten Partien, sondern um eine Abschließung der erkrankten Par-
tien von dem übrigen, gesund gebliebenen Teil des Nierenparenchyms.
Indem jede Kommunikation des tuberkulösen Herdes mit dem Nieren-
becken aufhört, erscheint ein klarer, vom gesunden Reste sezernierter Urin.
Die regionäre, partielle Entwicklung der Nierentuberkulose und die daraus
entstehende partielle Abschließung, welche bald einen einzelnen Reniculus,
bald mehrere, bald die halbe Niere betrifft, kann in seltenen Fällen zu
einem Zustand fübren, welcher als Heilung mit erhaltener Funktion ge-
deutet werden kann. Doch handelt es sich um keine Heilung, sondern
um eine partielle Elimination des Organes. Die abgeschlossenen Krank-
heitsherde bedeuten aber eine stete große Gefahr für den Träger, so daß
auch die scheinbar beweisendsten und bestgestützten durch konservative
Behandlung erzielten Resultate einen sehr fragwürdigen Wert besitzen.
A. Citron-Berlin.
f) Nephrolithlasis.
Die Steinkrankheit dər Niere. Von Dr. G. v. Illyés, Privatdozent,
Budapest. Folia urologica, VII. Bd., No. 6, Februar 1913.)
In den vom Verf. beobachteten 81 Fällen (Nieren- und Uretersteine),
von denen 63 operiert wurden, waren 60 Männer und 31 Frauen. Nach
der Körperseite waren es 35 rechts-, 44 links- und 2 beiderseitige. Zwei-
mal operierte er Steine in einer Hufeisenniere. Diese vom Verf. beob-
achteten und operierten Fälle bilden hauptsächlich die Grundlage der
Mitteilungen, die er folgendermaßen zusammenfaßt: Die Steinkrankheit
kommt in Ungarn, besonders entlang der Donau und der Theiß, ziem-
lich häufig vor. — Es wurden Fälle beobachtet, wo bei rechtsseitig auf-
tretenden Nierenkoliken die Steine in der nicht schmerzhaften linken
Niere saßen (reno-renaler Reflex). — Bei kystoskopischer Untersuchung
sieht man Veränderungen (Anschwellung, Oedema bullosum, mitunter Ein-
risse, eine ungleichmäßige Mündung) am Ureter der kranken Seite. Bei
Anwendung der funktionellen Untersuchungsmethode, besonders der Kryo-
skopie, kann man auch bei aseptischen Nierensteinen Veränderungen auf
der kranken Seite beobachten, aus denen man die Indikation zur Ope-
ration aufstellen kann. Eine auffallende Verminderung der Indigokarmin-
ausscheidung in der Steinniere konnte vom Autor nicht beobachtet werden.
Bei einseitiger, seit langem bestehender vereiterter Steinniere enthält der
Urin der anderen Niere in der Regel Eiweiß und hyaline und körnige
Zylinder. — Bei einer toxischen Nephritis kann man, wenn die Funktion
sonst entsprechend ist, die vereiterte Niere der anderen Seite entfernen;
es ist dies sogar die Bedingung zur Heilung. — Oft wird trotz eines
negativen Röntgenbefundes bei der Operation ein Stein gefunden. Kleine
bewegliche Nierenbackensteine werden am besten durch die Pyelotomie
entfernt. Die an der inneren Wand ausgeführte Pyelotomie ist einfacher
und leichter. Bei der inneren Pyelotomie ist es nicht notwendig, die
654 Nieren und Harnleiter.
ganzo Niere auszupräparieren. Bei eitrigen Steinnieren mit grobem funk-
tionellen Ausfall ist die primäre Nephrektomie vorzunehmen. Die Neplro-
tomie wird nur dann ausgeführt, wenn die Pyelotomie nicht ausführhar
ist und wir die Aussicht haben, eine gut funktionierende Niere zu er-
halten. Bei beiderseitiger Steinniere soll zuerst die schwerer erkrankte
operiert werden. Eine Retlexanurie entsteht nach Verf. Ansicht wahr
scheinlich dann, wenn in der anderen (gesunden) Niere eine kleinere
Veränderung vorausregangen ist, wodurch die Nierenfunktion sehr labil
wird. Uretersteine sind am besten zu konstatieren und zu lokalisieren
durch die Anwendung des vom Autor 1901 beschriebenen Uretermandrin-
katheters und durch die Röntgendurchleuchtung. Bei Frauen können die
in der unteren Partie des Ureters sitzenden Steine durch die Vagina
gut entfernt werden. Kr.
Calcolosi renale ed ureterale. Von Gardini. XXIV. Congresso
della Società Italiana di Chirurgia 1912. (La Clinica Chirurgica 1912, XI. p. 2164:
Gardini singt das Hohelied der Radiographie. In 20 Fällen,
wahrer oder angenommener Nierensteinerkrankung hat er zweimal die
Nephrektomie primär infolge schwerer Pyonephrose, zweimal sekundär
wegen Fisteln nach Lithotomie ausgeführt. 14 mal Nephrotomie, ? mal
Pyelotomie. Kein Todesfall. Zweimal konnte er bei Gonorrhoikern mit
unversiegbarem Eiterharn Nierensteine als deren Ursache, einmal bei einer
Hysterica mit Anfiüllen und Pyurie ebenfalls Steine der Niere radiogra
phisch feststellen, deren Entfernung zur Heilung führte. Einmal konnte
das radiographisch festgestellte Fehlen einer Niere vor schlimmem Irr-
tum bewahren. Zwei Uretersteine wurden spontan entleert, einer aus der
Uretermündung mit Sectio alta geholt, ein vierter Pat. von seinem in die
Blase gefallenen Stein mit dem Öperationszystoskop befreit. In zwei
weiteren Fällen wurde die Diagnose röntgenologisch gestellt.
Mankiewicz-Berlin.
Calcul rénal arrêté dans l’urethre. \on Marion-Dreyfußb. Soc.
nation. de Chirurgie de Paris, Oktober. (Archives générales de Chirurgie, Dez.
1912, p. 1451.)
Ein Nierenstein wird in der Harnröhre festgehalten und verursacht
Harnretention, Phlegmone und Harnröbrenfistel; zahlreiche Steine der
Harnröbre. Neun Jahre nach diesem Ereignis Operation; der in das
Dammgewebe übergetretene Stein verursachte die Bildung einer Eiter-
höble und Fistel mit vielen neuen Steinen, die Dreyfuß entfernen
konnte. Mankiewicz-Berlin.
Calculs' de l’uretere et de la vessie. Von H. Vuillet-Lausanne.
(Journ. d’Urol. Tome lI, No. 6, 1912.)
1. Harnröhrensteine, bei einem 46jährigen Engländer, radiographisch
diagnostiziert. Sectio alta, Hincindrängon dos Steines in die Blase durch
den in das Rektum eingeführten Zeigefinger. |
9, Entfernung einer inkrustierten Haarnadel aus der Blase eines
jungen Mädchens. A. Citron-Berlin.
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Nieren und Harnleiter. 655
Renal calculus in childhood. Von R. Ollerenshaw. (Brit. med.
journ.. Jan. 18. 1913.)
OÖ. berichtet über zwei Fälle von Nierensteinen bei Kindern (Urat-
stein bei einem jährigen Mädchen und Oxalat-Phosphatstein bei einem
Sjährigen Knaben), welche auf operativrem Wege geheilt wurden. Die
Diagnose wurde in beiden Fällen hauptsächlich durch die Röntgenunter-
suchung ermäglicht. von Hofmann-Wien.
La radioscopie rénale; ses avantages. Von Th. Nogier. (Lyon
médical 1912, 50, p. 997.)
Nogier empfiehlt die Nierenradioskopie als einfache, schnelle, öfters
anzuwendende Methode bei den Harnorganen. Man soll den Kranken
stehend, mit guter Blende und fest zusammengepreßten Weichteilen unter-
suchen. Ein zylindrischer Lokalisator mit Pneumokompressor an Niere,
Ureter und Blase aufzusetzen ist erforderlich. Am besten wird die Unter-
suchung spät am Abend bei voller Dunkelheit vorgenommen, damit das
Auge sich an die Dunkelheit gewöhnt: der Patient muß gut purgiert
werden. Mankiewicz-Berlin.
Pyélographie dans un cas de calculs du rein et dans un cas
de calcul de l’uretère. Von Th. Nogier und J. Reynaud. (lyon médical
19.2, 51, p. 1061.)
Nogier und Reynaud weisen an zwei genau berichteten Fällen
nach, daB die Pyelographie mit Kollargol uns darüber unterrichten kann,
ob ein Stein der Niere im mehr oder weniger dilatierten Becken oder
in einem Kelch liegt; ob er beweglich ist oder nicht. Nephrotomie ist
notwendig bei Steinen in der Nachbarschaft der Kelche, in der Ticte
einer Verzweigung im Nierenbecken; Pyelotomie ist angezeigt bei dila-
tiertem Becken mit in seiner Höhlung beweglichem Stein; Nephrektomie
ist die Methode der Wahl bei multiplen disseminierten Steinen in dem
Nierenparenchym, zumal wenn dieselben infiziert. In dem berichteten
Falle konnte durch Pyelographie ein im Nierenbecken frei beweglicher,
und ein großer in Nierenkelchen verzweigter Stein nachgewiesen werden.
Die Nephrektomie erwies die Richtigkeit der Untersuchung.
Bei Uretersteinen leistet die Pyelographie auch mehr als bisher
bekannt, und zwar am besten kombiniert mit der opaken Uretersonde.
Man geht so vor: Einführung der opaken Sonde, Aufnahme eines Bildes;
nun Injektion von Kollargol bis zum Gefühl der Spannung in der Lenden-
Gegend: Fortsetzung der Injektion unter langsamem Zurückziehen der
Sonde; neues Bild; das Kollargol füllt so das Ureterlumen. So erfährt
man l. das Vorhandensein des Steines, 2. seine Situation, 3. den Grad
des vom Stein verursachten Hindernisses und die zentrale Dilatation.
Beweisender Fall. Mankiewicz-Berlin.
Les indications radiographiques de la Pyélotomie. Von Arcelin
und Rafin-Lyon. (Journ. d’Urol. Tome II, No. 4, 1912.)
Die bisher in Frankreich ungebräuchliche Pyelotomie ist für gewisse
Steine die Operation der Wahl. Nicht anzuwenden ist sie bei stark in-
656 Nieren und Harnleiter.
fizierten Patienten und multiplen, weit verästelten Konkrementen. Um
Gröbe, Form und Sitz der Steine radiographisch festzustellen, ist es un-
erläßlich, die Röntgenaufnalme ım Zustand völliger Ruhe zu machen,
Die Bewegungen und somit die Verschiebungen auf der Platte wer-
den aber um so geringer ausfallen, je kürzer die Zeit der photogra-
phischen Aufnahme ist. Die radivgraphische Technik ist bereits im-
stande, eine gute Aufnahme in Bruclhteilen einer Sekunde auszuführen.
Dieser Fortschritt beruht auf der bedeutenden Verstärkung der Genera-
toren für Hochspannungsströme, auf den vervollkommneten Röntgenröhren,
welche in schr kurzer Zeit bedeutende Mengen von X-Strahlen produzieren,
und in der Anwendung von Verstärkungsschirmen, welche die Expositions-
zeit auf ! „, der ohne Schirm erforderlichen Zeit herabsetzen. Mit diesen
Hilfsmitteln kann man bei kürzester Expositionsdauer aufs exakteste Loks-
lisation und Dimensionen des Steines feststellen und darnach zwischen
Pyelotomie und der anderen Operation seine Wahl treffen.
A. Citron- Berlin.
La piclotomia e la nefrotomia nella nefrolitiasi. Von Nicolich
XXIV. Congresso della Società Italiana di Chirurgia 1912. (Ta Clinica Chie
rurgica 1912, 11, p. 2195.)
Aus dem Vortrage Nicolichs über Pyelotomie und Nephrotomie
bei Nierenstein ist hervorzuheben der histologische Befund einer vor
9 Jahren wegen Steins nephrotomierten Niere: Am unteren Drittel des
konvexen Nierenrandes war eine etwas stärkere Verdickung linearer
Form; sonst Oberfläche glatt, Kapsel leicht abziehbar. Abgesehen von
einer linearen Narbe, die durch die ganze Substanz vom Rande bis zu
den Kelehen ging, keinerlei Veränderung. In gefärbten histologischen
Präparaten sah man an den Punkten mit stärkerer Retraktion einen
groben, rotgefürbten, faserigen Streifen mit wenigen länglichen Kernen,
der von der Kapsel bis zu den Kelchen zog: in diesem Narbengewebe
waren viel arterielle Gefäße und in deren Nähe kleine Rundzellenherde;
an den Nierenpolen etwas mehr Bindegewebe; sonst keinerlei Verände-
rungen des Nierenparenchyms. Ferner ist bemerkenswert der Ausspruch
N.'s, daB er dreimal beobachtet habe, wie kleine, in der Niere nach
Nephrolitbotomie, resp. Pyelotomie zurückgelassene Steine nach dem
Freimachen des Nierenbeckens, resp. Uretereinganges spontan abgegangen
seien. Dreimal hat N. unter 17 Pyelotomien die Nephrotomie hinzu-
figen müssen, Mankiewicz-Berlin.
Traitement chirurgical des calculs du rein. Von M.Alf.Pousson-
Bordeaux. «Journal d'Urol. Tome II, No. 2 und 4. 1912.)
Pousson gibt eine klinische Besprechung seiner 38 operativ be-
handelten Nicrensteinfälle und erläutert sie durch zahlreiche Schemata
sowie Abbildungen der erkrankten Nieren und der entfernten Specimina.
Seine Statistik erstreckt sich auf 42 Operationen, welche an 38 Patienten
ausceführt wurden: der Operation erlagen unmittelbar 4 Kranke, während
3 an Infektionen und späteren Komplikationen zugrunde gingen; das
ergibt eine Mortalität von 14", bzw. 9,50/,. Die Operations-Todes-
a =
Nieren und Harnleiter. 697
fälle betrafen sämtlich nur infizierte Krarke, von den aseptischen Fällen
ging nur ein bejahrter Patient 3 Wochen nach der Operation an Apoplexie
zugrunde. Für die aseptischen Steine kommen nur die konservativen
Operationen, die Nephrotomie und die Pyelotomie in Frage, für die
septische Lithiasis ist eine Formel noch nicht gefunden. Unzweifelhaft
sind die Nephrotomie und Pyelotomie auch bei septischen Formen unge-
fährlicbere Operationen als die Nephrektomie, besonders angesichts der
Tatsache, daB eine Doppelseitigkeit der Nephrolithiasis nicht allzu selten
vorkommt. Freilich spricht sich Vf. in Übereinstimmung mit namhaften
Anatomen für eine relative Seltenheit der bilateralen Affektionen aus,
während nach Albarran und Legueu 50°;, aller Nierensteinfälle doppel-
seitige Steinbildung zeigen. Bei den 22 Fällen mit infizierten Steinen
entsprachen die Nierenläsionen 5 mal dem Typus Pyelitis, 1 mal dem
Typus Pyelonephritis, 2 mal dem Typus Pyelonephritis kombiniert mit
Nierenabszeß, 1 mal dem Typus Nierenabszeß. Jeder dieser pathologisch-
anatomischen Formen entsprechen verschiedene operative Indikationen.
A. Citron-Berlin.
Pyelotomie mit Inzision der vorderen Nierenbeckenwand.
Von Privatdozent Dr. v. Illy&s-Budapest. (Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 2.)
Die meisten Autoren empfehlen die Eröffnung der hinteren Wand,
weil hier dio Wand des Nierenbeckens freier liegt und keine Gefäße im
Wege stehen. Verfassers Erfahrungen aber zeigen, daß wir zur vorderen
Wand viel leichter gelangen können; und wenn nach vollkommener
Präparierung der Blutgefäbe ein Assistent den Ureter mit einem Finger
etwas nach abwärts zieht, so gelangt der größte Teil des Nierenbeckens
unter den Blutgefäben hervor, und man kann nun dessen innere Wand
ganz gut einschneiden und nach Entfernung des Steines sehr gut ver-
naien, Manchmal ist auf der hinteren Wand ein ausgebreitetes Venen-
gellecht sichtbar: der Plexus venosus retropyelicus, der neben dem
Ureter nach abwärts verläuft und bei der Präparierung der hinteren
Nicrenbeckenwand manchmal zu sehr heftigen Blutungen führt. Sehr
schwer ist die Freilezung der hinteren Wand, wenn es sich um fette
Personen handelt; denn wir haben wegen des vielen perirenalen und
retroperitonealen Fettgewebes so wenig Platz, daß man die Niere voll-
ständig auspräparieren und durch einen Ässistenten stark gegen die Mittel-
linie ziehen und nach einwärts drehen lassen muß, um zur hinteren Wand
zu gelangen. Es geraten dadurch die auspräparierten Blutgefäße des
Hilus unter eine sehr starke Spannung; ja manchmal besteht sogar die
Gefahr, daß sie abreißen. Führen wir aber eine vordere Pyelotomie aus,
so Ist es auch nicht notwendig, die ganze Niere auszupräparieren; es
genügt, den unteren Pol bzw. den oberen Teil des Ureters freizulegen,
von wo aus man dann das Pyelum bzw. das unterste Blutgefäß bloß-
legen kana. Wenn nun ein Assistent die Bauchwände nach vorn zieht
und ein zweiter den unteren Nierenpol nach außen schiebt, so kann man
bei leichtem Abzieben des Uroters sehr gut zur vorderen Wand des
Nierenbeckens gelangen, von wo aus der Stein leichter entfernt und die
Wunde leichter vernäht werden kann, als auf der hinteren Wand. Kr.
658 Nieren und Harnleiter.
g) Nierencysten und Cystennieren.
Etude anatomo-pathologique et classification pathogénique
d'un cas de reins polykystipues bilateraux. Von Jean Anglada-
Montpellier. iJourn. d’Urol. 1913, Tome II, Nr, 2.)
Durch Sektionsbefund wurde bei einem moribund eingelieferten
Patienten doppelseitire polveystische Niere festgestellt. Die Nieren-
krankheit hatte, obwohl die Nierenfunktion eine äußerst mangelhafte ge-
wesen sein mub, bisher keinerlei ernste Symptome gemacht: gelerentlich
eines schweren Gesichtserisypels versaute aber plötzlich die Nierenfunk-
tion, und der Patient erlag einem durch völlige Anurie gekennzeichneten
urämischen Anfall.
Die grobe Ausdehnung der Cystenbildung, die bedeutende Nieren-
vergröberung, die vollständige pathologische „Symmetrie der Nieren“
und das Fehlen von eystischen Bildungen an andern Organen stempeln
den Fall zu einem seltenen.
Therapeutisch sind so hochgradıge Cystennieren nicht zu beein-
flussen. Von den von Rosving vorgeschlagenen multipeln Punktionen
ist nichts zu erwarten. A. Citron-Berlin.
Zur Cystennierenfrage. Vou ©. Berner. (Virch. Arch 1913.
211. Bd., S. 265.)
Zur Untersuchung gelangte ein Material von 28 Cvstennieren.
Nur in 2 Fällen fanden sich Zeichen einer Entzündung. die aber ofen-
bar erst sekundär entstanden ist. In allen Fällen wurde gefunden, dab
in der Cystenmiere Entwicklungsstörungen von wechselnder Art und Aus
dehnung vorlagen. Die Entwicklungsstörung hat bald den einen, bald
den andern Abschnitt der Harnkanälchen betroffen. Die allergewöhn-
lichste Störung besteht darin, dab die beiden Anlagen, aus denen die
normale Niere durch Zusammenwachsen sich entwickeln soll, getrennt
bleiben. Oft findet man Cystennieren mit einem ausgeprägten (ieschwulst-
charakter, während man auch wieder andere finden kann, die ken a
überzeugendes Geschwulstbild aufweisen. Viele Cystennieren sind nicht
nur als ausgesprochene (seschwulsterscheinungen aufzufassen, sondern
sicher auch als Mischgeschwülste. Man findet in ihnen nämlich Knorpel-
inseln, die man für eine Folre von Entwicklungsstörungen, als Ab-
sprengungen vom Skleroton aufzufassen hat. Ebenso erklärt sich, das
manchmal nachgewiesene Vorkommen von Hornperlen, von glatten Mur
kelfasern und von häufig auftretenden dicken Stämmen markhaltiger
Nervenfasern. (Gestreifte Muskelfasern sind allerdings noch nie beobachtet
worden. R. Kaufmann-Frankfurt a. M.
Polycystische Erkrankung der Nieren: Bemerkenswerte Er-
haltung der Funktion in zwei Fällen beim Erwachsenen. Vo
CP. C. de Crespigny-Adelaide. (Lancet, 15. Februar 1913 ı
In dem ersten Falle handelte es sich um einen 26 jährigen Mann,
der keinerlei Symptome einer Nierenerkrankung geboten hatte, bis er
mit einer ziemlich plötzlich eingetretenen intestinalen Obstruktion zur
Operation kam. Dabei fand sich eine ursprünglich als Kolontumor die
Nieren und Harnleiter. 659
gnostizierte Geschwulst, die sich als polycystische Niere erwies und ent-
fernt wurde. Auch die andere Niere wurde hierbei als polycystisch er-
kannt; trotzdem bat der Patient noch jahrelang in guter Gesundheit und
ohne irgendwelche Symptome einer Nierenerkrankung gelebt, bis er an
einer septischen Meningitis, die von einer Mittelohreiterung ausging, zu-
grunde ging. Da sich bei der Autopsie Entwicklungsanomalien im Herzen
fanden, wird der Fall als möglicherweise kongenital angesehen.
Im zweiten Falle handelte es sich um einen 62 jährigen bis dahin
gesunden und kräftigen Arbeiter, der an einer akuten Colitis starb, und
bei dem die Sektion eine polycystische Erkrankung beider Nieren erwies.
Der Mann hatte nie in seinem Leben irgendwelche Symptome renaler
Erkrankung geboten. W. Lehmann-Stettin.
Occlusion intestinale aiguë par un rein polykystique. Von
Dr. J.W. van Bisselick- Amsterdam. (Journ. d’Urol. Tome II, No. 6, 1912.)
Bei doppelseitiger polycystischer Niere und starker Hämorrhagie in
dem linken Organ trat ein Darmverschluß ein, indem die vergrößerte
Niere das Colon descendens komprimierte und infiltrierte. Nachdem durch
Anlegen einer Cöcalfistel die drohendsten Erscheinungen behoben waren
und durch die Bauchwunde diagnostische Klarheit geschaffen war, wurde
die linke Niere dekapsuliert und ihr cystischer und hämorrhagischer In-
halt entleert. Die konservative Operation führte zu einem befriedigen-
den Resultat. A. Citron-Berlin.
Beiträge zur Nierenchirurgie. Zwei Fälle von Nierencyste.
Von Dr. Robert Vogel, Assistent d. IF. chir. Abt. d. Rudolfstiftung in Wien.
‘Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 45.)
Die solitären Nierencysten sind im Gegensatz zur polycystischen
Degeneration der Niere selten Gegenstand klinischer Beobachtung. Und
doch finden wir sie als zufälligen Nebenbefund bei Autopsien älterer
Leute recht häufige. AuBerordentlich selten erreichen sie aber eine solche
Größe, daB sie klinische Bedeutung bekommen und Gegenstand eines
operativen Eingriffes werden. Dies erklärt sich aus dem ungemein lang-
samen Wachstum. Der Frage nach der Genese dieser Cysten ist Rückert
näher getreten, der den Satz aufstellte: „Zwischen Cystenniere hoch-
gradiger Natur und den solitären Nierencysten, wie wir sie als zufälligen
Sektionsbefund häufig erheben, besteht eine kontinuierliche Reihe. Alle
Cysten in der Niere sind kongenital, alle verdanken einer Entwicklungs-
hemmung in einer früheren oder späteren Zeit des fötalen Lebens, an
die sich sekundär Abschnürungsvorgänge anschließen, ihre Entstehung.
Diese Ansicht blieb nicht unwidersprochen. Erst Karl Braunwarth
bewies die Richtigkeit dieser Anschauung. Braunwarth konnte fest-
stellen. daß normale Nieren von Föten, Neugeborenen und Säuglingen in
über der Hälfte wirkliche Cysten enthalten. Diese Cysten sind nicht
durch fötale Entzündung, sondern infolge Entwicklungshemmung entstan-
den, liegen in makroskopisch durchaus normal erscheinenden Nieren, welche
auch mikroskopisch meist nur wenig von der Norm abweichen. Nur ein
kleiner Bruchteil von Cysten fand sich in narbig veränderter Umgebung.
660 Nieren und Harnleiter.
Daraus ergab sich die Unmöglichkeit, entzündliche Vorgänge heranzuziehen,
Wohl aber wachsen nach Braunwarth die (‘vsten besonders unter ent.
zündlichen Bedingungen ıhrer Umgebung. Die ('ysten der Niere gehören
fast ausnahmsweise der Rindenschicht an, häufiger sind sie beim weib-
lichen Geschlecht zu finden,. sie bevorzugen die linke Niere und den
unteren Pol. Die Uysten können mit zunehmendem Alter bis mann»
kopfgroß und darüber werden. während die Niere selbst durch Alter-
atrophie oder entzündliche Atrophie schrumpft. Beschwerden machen
die C'ysten erst, wenn sie zu einem Tumor herangewachsen sind. Gerade
durch ihren Lieblingssitz am unteren Pol können sie sowohl das Nieren-
lecken, als auch den Ureter komprimieren und dadurch die heftigsten
Beschwerden, wie ım ersten der beiden Fälle des Verf., auslösen. Auch
kann es durch ihre Schwere zur Nierensenkung kommen. Als operativer
Eingriff genügt meist die Resektion der Uyste, das Ausschälen aus der
Nierensubstanz ist ohne schwere Läsion derselben nicht möglich. Auch
keilförmige Resektionen werden gemacht. seit Czerny die partielle Nieren-
exstirpation mit Erfolg ausgeführt hat. Die frühere sowohl bei eystischer
Degeneration, als auch bei den solitären Niereneysten geübte Nieren-
exstirpation ist mit Recht verlassen, da sich die Cysten in meist annähernd
normalen Nieren finden. Meist sind die Beschwerden mit der Resektion
der ('vste behoben. — Von den 2 Fällen, die Verf. aus eigener Beub-
achtung mitteilt, betrifft der erste eine 57 jährige Frau. Sie bekam vor
zwei Jahren in scheinbar voller Gesundheit einen Schmerzanfall in der
linken Nierengegend. Solche Anfälle hatte sie dann öfters, und gelegent-
lich eines solchen wurde ein grober ballotierender Tumor in der linken
Nierengerend getastet. Nach den Schmerzanfällen entleerten sich mehrere
Liter Urin, und der Tumor verschwand; in letzter Zeit häuften sich die
Beschwerden, die Frau kam sichtlich herunter und suchte deshalb das
Krankenhaus auf. Für Tumor war kein Anhaltspunkt vorhanden und
ließ sieb das Krankheitsbild am ehesten als intermittierende Hydro-
nephrose deuten. Bei der Operation fand sich am unteren Pol der fret-
gelegten linken Niere eine orangegrobe, prallgespannte Cyste, die durch
Punktion und Aspiration entleert und dann abgetragen wurde. Der Fall
ist so aufzufassen, dab durch die Uy-te am unteren Nierenpol der Treter
in seinem Anfangesstück komprimiert wurde, wobei es zu Harnstauung
und Koliken kam. Wurde das Hindernis überwunden, so stellte sich nach
Abfluß des rückgestanuten Harms das Wohlbefinden wieder her. — Der
zweite Fall ist eine Kombination von Steinniere und Nierencyste. Kr.
Kyste hydatique du rein ouvert dans l’intestin. Nephrotomie,
guérison. Von Nieolich-Triest. (Journ. d’Urol. Tome II, No. 6. 1912.
Bei einer 39jährigen Dalmatinerin. welche 6 Jahre zuvor zahlreiche
Ecehinocoeeusblasen aus der Lunge spontan entleert hatte, zeigte sich
unter Fiebererscheinungen und leichter Albuminurie ein gewaltiger Nieren-
tumor. Mit dem Stuhl wurden einige Hydatiden-Cysten entleert, was die
Diagnose eines nach dem Darm durchgebrochenen Nicrenechinococtus
nahelegte. Bei der Nephrotomie wurde am unteren Nierenpol eine mit
fötidem Eiter erfüllte Höhle gefunden, welche keine Blasen mehr ent-
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Nieren und Harnleiter. 661
hielt. Die Höhle wurde drainiert und ausgespült. Die Patientin ver-
ließ nach kurzer Zeit ohne Fistel und bis auf eine geringe Trübung
des Urins vollständig geheilt das Krankenhaus.
Der Fall ist ein Novum. Es gab bisher in der Literatur keinen
Fall einer nach dem Darm durchzebrochenen Hvydatidencyste der Niere.
A. Citron-Berun.
Un cas de kyste pararénal. Von Gouilland. (Soc. de chirurgie
de Lyon, 18. April. Lyon medical 1912, 30, p. 168.)
45 jährige Bäuerin wird mit großem Tumor der rechten Bauchseite
schwerkrank ins Krankenhaus gebracht. Vor einem Jahre Milchdiät
wegen Albuminurie. Seit 4 Wochen Schmerzen in der rechten Flanke,
seitdem starke Abmagerung. Im rechten Hypochondrium grober Tumor
mit Hervorbuchtung und Fluktuation fast bis zur Spina iliaca auterior,
Blinddarmgegend frei. Ödem der Haut über der Geschwulst, die nicht
sehr empfindlich. Keinerlei Koliken. Urin klar, Spur Eiweiß, subfebrile
Temperatur. Man denkt an AbszeB der Gallenblase oder Echinokokken-
cyste der Leber. Die Punktion ergibt schwachtrübe gelbliche Flüssig-
keit ohne Haken, deshalb Annahme einer Hydronephrose oder Nieren-
cyste. Inzision am äußern Rand des Rectus öffnet die Bauchhöhle,
hinter der mit zerreißlichen etwas entzündeten Peritoneum bedeckt, eine
große retroperitoneale Cyste liegt. Entleerung von 2 Liter durch den
Troikart; extraperitoneale Ausschälung der C'yste versucht, die mißlingt.
Da man an eine Nierencyste glaubt, Exstirpation der Niere, die aber bis
auf eine Abflachung normal ist. Heilung. Die Cystenflüssigkeit enthielt
viel Albumen, keinen Harnstoff. Die Cystenwand besteht aus Binde-
gewebe ohne jedes Epithel. Nachher erfuhr man, daß die Frau vor
8 Jahren in schwangerem Zustande von einem Wagen auf die rechte
Seite gefallen war. Mankiewicz-Berlin.
h) Nierenblutung.
Über renale Hämaturie sprach Baum in der „Med. Ges. zu Kiel“
am 21, XI. 1912. (Berliner klin, Wochenschr. 1913, Nr. 2.)
Vortr. ist der Ansicht, daß im allgemeinen die renale Hiimaturie,
wenn andere Ursachen nicht eruierbar sind, auf interstitielle Entzündungs-
prozesse zurückzuführen ist; die einzigen Symptome sind für gewöhnlich
Koliken und Hämaturie, andere Veränderungen des Urins fehlen meist.
Die Blutung braucht aber nicht immer von den interstitiellen Prozessen
abzuhängen, die Ursache kann auch im Mark und in den Papillen liegen,
wie zwei Fälle zeigen, die Vortr. demonstriert: Patienten von 22 und
23 Jahren, denen vor 2 resp. 1 Jahre wegen hochgradiger Hämaturie
ala einzigen Krankheitssymptoms die blutende Niere herausgenommen war;
im ersten Falle, unter geringfügigen vereinzelten interstiticllen Entzün-
Aungsherden in der Rinde, hyaline Veränderungen des Stromas im Mark
mit Verlegung der Gefäße und Stauungsblutungen: im zweiten Fall ein
Angiom in einer Papille mit Zerstörung des bedeckenden Nierenepithels.
Paul Cohn- Berlin.
662 Nieren und Harnleiter.
Hemorrhagie dans un rein mobile Ven Caspari-Lousanne.
(Journ, d’Urol. 1913, Tome Ill. Nr. 1,
Eine 46jährige Patientin, behaftet mit ausgesprochener linksseitiger
Wandernicre, erkrankte an Hämaturie. Das Blut stammte, wie die
Cystuskopie zeigte, aus der linken Niere. Der Urin enthielt Eiweiß im
Verhältnis zum Blutgehalt, rote und weibe Blutzellen, Epithelien aller
Arten und vereinzelte granulierte Blutzvlinder.
Die Blutung hörte bei Bettruhe auf und kehrte nach Anleguns
einer bypogastrischen Bandare auch auber Bett nicht wieder. Durch
die Fixierung der Bauchorgane wurden auch alle bestehenden entero-
toptischen Beschwerden hintangehalten.
Der Fall mub unter die Kategorie der von Israel, Quinke,
Raver beschriebenen einseitigen Nephritiden eingeordnet werden. Als
ätiolosisches Moment mub die weitgehende Verlagerung der Niere an-
gesehen werden. Der pathologische Prozeb spielt sich in folgender
Reihenfolge ab: Beweglichkeit der Niere, Zerrung, Verlängerung und
Knickung der Gefäbe des Stiels, renale Stauung, Diapedese, Blutung.
Manche „essentielle“ Nierenblutung mag auf ähnliche Weise zu-
stande kommen. A. Citron-Berlin.
Röle du foie dans la production des hematuries au cours des
nephrites dites hématuriques. Von Germain Roque und Joseph
Challier-Lyon. (Journ. d’Urol. Tome Il, No. 2. 1912.)
Den umstrittenen Begriff der hämaturischen Nephritis festzustellen,
ist zunächst das Bestreben der Arbeit. Die unter diesen Begriff fallenden
Nierenkrankheiten scheinen dadurch charakterisiert zu sein, dab im An
fang scheinbar ohne alle Ursache eine Blutung eintritt, dab aber im
weiteren Verlaufe deutliche Merkmale des Morbus Briglitii hervortreten.
(seht man der Quelle der Blutung nach, also den Ursachen, welche an
der Gefäbruptur schuld sein müssen, so begibt man sich auf das Gebiet
der Hypothese.
Man hat dafür verantwortlich gemacht den erhöhten Blutdruck und
die jede Nephritis begleitenden Gefäbalterationen: man meinte, die Läst-
onen des Plexus renalis könnten auf reflektorischem Wege Hämorrhagien
erleichtern; schließlich erscheint es wahrscheinlich, das der Morbus Brightii
nur als Ausdruck einer allgemeinen, verschiedene Gewebe verschiedener
Organe ergreifenden Krankheit aufzufassen ist.
Eine dieser Hämaturien begünstigenden Ursachen glauben die Verf.
in dem Einfluß gewisser Lebererkrankungen auf die Niere festgestellt zu
haben.
Es ist experimentell festgestellt, dab das Zirkulationssystem der Vena
portao mit den Venen der Nierenkapsel in Verbindung steht, daß ferner
Stanungen der Pfortader zu Erweiterungen der Nierenkapselvenen und
zu kortikaler Kongestion der Niere führen. Klinische Beobachtungen
von Auftreten abundanter Hiimaturien mit Leberzirrhose und anderen
Leberkrankheiten sind bekannt.
Sckretorische Störungen der Leber können gleichfalls mit Hämor-
ri
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Nieren und Harnleiter. 663
rhagien in Beziehung gebracht werden. Man denke daran, daß der größte
Teil des Plasma-Fibrinogens hepatischen Ursprungs ist.
Die Verf. verfügen über einen klinischen Fall, welcher einen auf-
fallenden Parallelismus von Leberschwellung und Hämaturie zeigt.
Ein 56jähr. Hausierer, Alkoholiker, der in Algier an Intermittens
gelitten hat, kommt mit schwerer Hämaturie ins Spital. Enorme Poly-
dipsie und Polyurie, Ödeme. Die Leber reicht bis zur Crista ossis ilei.
Im Urinsediment rote Blutzellen, Leukocyten, spärliche granulierte Zy-
linder. Harnstoffausscheidung vermindert, Ammoniakausscheidung bedeu-
tend vermehrt. Im Verlauf von ca. 2 Monaten verließ der Kranke in
vorzüglicher Verfassung das Krankenhaus. Unter scheinbar indifferenter
Therapie war die Leberschwellung und parallel damit die Hämaturie zu-
rückgegangen. Die Leber überragte kaum mehr den Rippenrand, im Urin
waren nur noch mikroskopisch einige Blutzellen nachzuweisen. Es handelte
sich also um eine „insidiöse“ Nephritis, mit allen Brightschen Sym-
ptomen, welcher alle ätiologischen Faktoren für eine Hämaturie fehlten.
Hingegen weisen die klinischen und biologischen Tatsachen zwingend auf
eine Beziehung zwischen der Leberkrankheit und der Hämaturie hin.
Die enorm vergrößerte, schmerzhafte Leber hemmte das normale Spiel
der Nierenkapselvenen und bewirkte wahrscheinlich eine Kongestion der
Rindensubstanz. Nimmt man dazu die erhebliche Störung der Leber-
funktion, so muß man sagen, daB der Kranke sich in einer Verfassung
befand, welche Hämaturien geradezu herausforderte.
Daß bei solchen Patienten eine Nephrektomie unangebracht ist, ol-
wohl die meisten dieser Hämaturien einseitig sein mögen, ist kaum nötig zu
betonen. Verf. denken zwar an die eventuelle Ausführung von Nephro-
tomie oder Dekapsulation, raten aber, sich auf die innere Medikation zu
beschränken. Neben absoluter Ruhe verordne man speziell Mittel, welche
bezwecken, die Leberkongestion zu beheben, wie Kalomel und Natron
salicylicum. A. Citron-Berlin.
i) „Surgical kidney“.
Beitrag zur Chirurgie der Nephritiden. Von Prof. Alfred
Pousson-Bordeaux. (Berliner klin. Wochenschr. 1913, Nr. 9.)
Vom Standpunkte des chirurgischen Eingreifens unterscheidet P. die
akuten und die chronischen Nephritiden: die ersteren teilt er in toxische
und infektiösse Formen. Während er früher auf dem Standpunkt stand,
daß die Schädigungen der Nierenelemente, wie sie durch Kanthariden,
Phosphor, Arsenik, Sublimat usw. hervorgerufen werden, irreparabel sind
und daher ein chirurgischer Eingriff zwecklos ist, haben neuere Er-
fahrungen gezeigt, daß vollkommen Regeneration eintreten kann; führen
daher Diuretica, Schröpfköpfe u. dgl. nicht zum Ziele, so ist die Nophro-
tomie injiziert. Derselbe Eingriff soll auch die Operation der Wahl
bei der infektiösen Nephritis sein, wenn andere Behandlungsmethoden
versagen; sie erfüllt im Gegensatz zur Dekapsulation die drei Haupt-
indikationen: Abschwellung, Antisepsis und Drainage. Bei der chroni-
schen Nephritis wird zuerst die Form besprochen. bei welcher der
Schmerz das hervorstechendste Symptom ist; die Ursache hierfür ist in
Zeitschrift für Urologie. 1913. 44
664 Nieren und Harnleiter.
einer Verdickung und Sklerose der Nierenkapsel zu suchen; kommt ein
chirurgischer Eingriff in Frage, so ist die Nephrotomie, eventuell in Ver-
bindung mit der Capsulektomie zu empfehlen. Eine zweite Form, welche
eine Operation nötig machen kann, ist die hämaturische chronische
Nephritis; charakteristisch für diese in anatomischer Hinsicht sind par-
tiell lokalisierte Läsionen der Nierensubstanz; auch hier ist der Nephro-
tomie vor den andern Eingriffen der Vorzug zu geben. Unter den
Symptomen der chronischen Nephritis sind es dann besonders drei. die
entweder jede für sich oder miteinander in verschiedenem Grade kombı-
niert ein chirurgisches Eingreifen erforderlich machen köunen, nämlich
die Ödeme, die Urämie und die Oligurie. Sind die Symptome nicht
zu schwer, so wird man mit der Üapsulektomie auskommen können,
doch steht dieser Eingriff gegen die Nephrotomie zurück, die bei bedroh-
lichen Erscheinungen zu bevorzugen ist. Schließlich sind dıe Fälle von
chronischer Nephritis zu erwähnen, die zwar keine momentan bedroh-
lichen Symptome darbieten, die jedoch einen kachektischen Zustand be-
dingen, mit Blüsse der äußern Haut, leichter Gedunsenheit des (Gesichts,
flüchtigen Ödemen, Atemnot usw. einhergehen, bei welchem im Urn
kleine Eiweißmengen, wenig Zylinder, Abnahme des Harnstoffs und der
Harnsalze zu konstatieren ist; hier kommt die Dekapsulation nach
Edebohls ın Frage, die durch Druckentlastung der Niere und durch
neu entstehende Vaskularısation wirken dürfte, wodurch, wie Verf. meint.
in den noch ungeschädigten Gebieten eine kompensatorische Hypertroplie
entstehen kann. Paul Cohn-Berlin.
Über operative Behandlung der Nierenentzündung. Von
Paul Herz-Berlin-Lichtenberg., (Deutsche med. Wochenschr. 1913, Nr. 16.)
Aus dem im Lichtenberger Ärzteverein gehaltenen Vortrag seien
hier nur die Schlußfolgerungen mitgeteilt.
Herz hält die Nierendekapsulation und die XNierenspaltung für in-
diziert bei essentiellen Nierenblutungen und Nierendrucks, gegen Anurie
und Urümie bei akuten und chronischen Nephritiden. Heilungen durch
die Operation bei diesen Krankheiten erscheinen ihm in Übereinstimmung
mit der Mehrzahl aller deutschen Chirurgen so gut wie ausgeschlossen.
Ludwig Manasse-Berlin.
Zur einseitigen und doppelseitigen Nierenenthülsung. Yon
AM. Penkert, Frauenarzt in Halle a. S. (Medizin. Klinik 1913, Nr. 9)
Verf. berichtet über einen Fall von einseitiger und einen Fall von
doppelseitiger Nierenentkapselung. Im ersten Falle handelt es sich um
eine Perinephritis mit Verdickung der Kapsel und narbigen Verände-
rungen darin, herrührend und fortgeleitet von einem Abszeß in der linken
Glutaealmuskulatur nach Fibrolvsininjektionen. In diesem Falle hat die
Enthülsung der Niere einen prompten, bisher über drei Jahre dauernden
vollen Fiffekt erzielt. Im zweiten Falle handelt es sich um schwerste
Schwangerschaftsnephritis mit einem eklamptischen Anfalle bei der (re
burt, mit auberordentlich hohem Eiweißgehalt über 30%, , der nach der
i : 007 É
Entbindung nicht wesentlich zurückging. Die ganze interne Therapie
ei
—
Nieren und Harnleiter. 665
versagte in diesem Falle, und die Nierenenthülsung vier Wochen nach
der Entbindung brachte acht Tage später den Erfolg des Abfalls des
Eiweißgehaltes von 22 auf 1°/,,, Danach sind dann vorübergehend
wieder Schwankungen aufgetreten, das Eiweiß hat wieder an Menge zu-
genommen, abgenommen, bis es schließlich nach zirka drei Monaten voll-
kommen verschwand. Der Erfolg der Nierenenthülsung in dem ver-
zweifelten Falle ist jedenfalls ein eklatanter. Kr.
k) Nierenbecken.
Ein Fall von eitriger Zerstörung des Nierenbeckens mit
Senkungsabszessen bei Prostatahypertrophie. Von Gustav Hiob.
Aus dem kgl. pathol. Inst. zu Kiel. Dissertation, Kiel 1913.
7] Jahre alter Mann. Seit Anfang Dezember 1909 öfter anfalls-
weise Schmerzen im Leib, meist in der Magengegend, aber auch oft im
Kreuz Urin meist trübe, oft blutig. Beim Wasserlassen Schmerzen.
Muß sehr oft Wasser lassen. In letzter Zeit fast aller 5 Minuten. Dieses
HoB auch von selbst tropfenweise ab. Stark abgenommen; in der linken
Bauchseite Schmerzen. Prostata vergrößert, Palpation der Blase und
Prostata äußerst schmerzhaft. Samenbläschen und Hoden ohne Befund.
Katheterismus fördert trüben Urin zutage, der sich am Schluß blutig
färbt, sowie etwa 10 miliare bis kleinerbsengroße, runde, grauweißliche
Steine. Albumen stark positiv. Tripelphosphate, Eiter, Blutkörperchen,
Epithelien, keine Zylinder. Exitus. Klinische Diagnose: Nephrolithiasis,
Pyonephrosis sinistra, Lithiasis vesicae urinariae, Sepsis. Befund: Pro-
statahypertrophie. Balkenblase mit zahllosen Divertikeln. Hämorrha-
gische eitrige Cystitis mit umfangreichen Schleimhautnekrosen. Zirka
200 mohnkorn- bis erbsenkorngroße Steine in der Harnblase und den
Divertikeln. Aufsteigende eitrige Ureteritis und Pyelonephritis mit Blu-
tungen in die Schleimhaut des Nierenbeckens und der Ureteren, Ein-
schmelzung der hinteren Wand des Nierenbeckens. Eitrige jauchige
Peripyelitis mit Senkung des Eiters und der Jauchung entlang dem linken
Ureter. Eitrig-jauchige und Urin-Infiltration des retroperitonealen und
linksseitigen Beckenzellgewebes und des linken Musculus ileopsoas. Beim
Zurückschlagen des Netzes und des etwas gesunkenen winklig nach unten
geknickten Querkolons nach oben wölbt sich im Winkel der Flexura
lenalis eine teigige, flachkugelige Resistenz das Peritoneum hervor. Im
Bereich der Schwellung ist das Peritoneum bretthart. Die Schwellung
wird hervorgerufen durch eine Jauche und Eiter von urinösem Geruch
enthaltene kanalförmig gestaltete Höhle, die, dem Verlauf des Ureters
folgend, von der Gegend des Nierenbeckens bis hart an die seitliche
Blasenwand heranzieht. Die vordere Wand der Höhle bildet der peri-
tonesle Übergang der hinteren Bauchwand, im unteren Teile, insbesondere
der jauchig-eitrig infiltrierte Musculus ileopsoas, In der Rückwand der
Höhle liegt, von vorn her durch das jauchig-eitrire Material der Höhle
bedeckt, der Ureter, in seinem Verlaufe nicht von der Norm abweichend,
in seinem Kaliber auch nicht wesentlich verändert. Er wird von der
völlig unveränderten Einmündungsstelle in die Harnblase aus in seinem
EN
666 Nieren und Harnleiter.
ganzen Verlaufe aufgeschnitten, der Schnitt durch die vordere Wand de:
Nierenbeckens bis tief ın den Nierenhilus hinein fortgeführt. Die Schleim
haut des Nierenbeckens und der erweiterten Kelche ist mibfarben, die
Nierenbeckenwand jm vorderen Teile mit einer gelb-graulich-grünlichen
von Hämorrhasien durchsetzten Tapete nekrotischer Massen bedeckt,
während die hintere Wand völlig zerstört ist. Schon vor dem Auf.
schneiden verriet ein Sondierungsversuch, daß beim Einführen der Sonden
von unten her in den Ureter diese nach dem Passieren des Isthmus nach
hinten ohne weiteres in die das ganze Nierenbecken umgreifende Jauchen-
höhle eindrang. Nirrends im ganzen Ureterverlauf die Spur einer Schlein-
hautnarbe, nirgends im Ureter, im Nierenbecken und -kelche ein kon
krement. Linke Niero selbst von glatt auslösbarer, der Öberfläche des
Orssans fest anliegender Bindegewebskapsel überzogen, ist ungemein schlaf
und zeigt an der vorderen Fläche ım oberen Teile eine akzessorische
Nebenniere in die Nierenrinde eingelagert. Der rechte Ureter ist dünn-
wandig, seine Schleimhaut und die des Nierenbeckens und der Kelche
stark hyperämisch und mibfarben-grünlich. Die Blase ist weit ausgedehnt
durch trüben, mibfarbenen stinkenden Harn. Trotz der Ausdehnung der
Blase ist die Wand dick, starr. Die Schleimhaut ist diffus schiefrig-grau
gefärbt mit vielen kleinen Hämorrhagien. Im Blasenhalse und im Fundus
lieren stellenweise harzıge borkige Massen nekrotischer Schleimhaut. zum
Teil ınkrustiert, der Innenfläche der Harnblase auf. An der inneren
Oberfläche sind zwischen den — trotz Ausdehnung der Blase — dicken
Muskelbalken, die sich geflechtartig überkreuzen, zahlreiche verschieden
grobe (kleinste bis reichlich erbsengroße und nicht wenig haselnubgrobel
Divertikel sichtbar. Frei im Lumen der Blase liegt eine sehr grote
Anzahl rein weiber, sehr harter, meist rundlicher, schr wenig facettierter
Steine; gleiche liegen ebenso in den Divertikeln. Die Prostata ist apfel-
groß, mit derben grauweißlichen Knoten, die aus dem Organ über die
Schnittfläche vorquellend sichtbar werden, durchsetzt, der rechte Lappen
etwas größer als der linke. Die Pars prostatica der Harnröhre schlitz-
artig deformiert. Die Hvpertrophie der Prostata hat in diesem Falle
zunächst zu einer mächtigen Hvpertrophie der Blase zu sehr stark aus-
geprägter Balken- und Divertikelbildung geführt; dazu fand sich in fast
jedem kleineren und gröberen Divertikel ein sich dem Gefüge der Schleim-
haut genau anpassender, fast rein weiber Stein, oder eine ganze Anzahl
derselben von verschiedenster Größe, die sich im übrigen sämtlich in
ihrer Struktur glichen. Dab diese hier aus Phosphaten entstandenen
Steine wirklich nur in der Blase allein und nicht weiter oben entstanden
sind, dafür ist außer ihrem gleichmäßig konzentrischen Gefüge der Um-
stand entscheidend, dab sich erstens nirgendwo anders, weder in den
Nierenbecken noch in den Ureteren Steine finden ließen, ferner, dab
auch keine Narben in der Schleimhaut der Ureteren vorlıanden waren,
die sehr oft sich dort durch den Druck seitens der im Nierenhecken
gobildeten Harnsteine bilden. Ferner ist bemerkenswert die tiefgehende
Verjauchung der Harnblase und die aszendierend sich anschließende Ver-
jauchung des linken Nierenbeckens. Fritz Loeb-München.
Nieren und Harnleiter. 667
Un cas de leucoplasie du bassinet. Von P Lecène-Paris.
(Journ. d'Urologie, Tome III, No. 2, 1913.)
Einer 27jährigen Frau wurde die rechte Niere wegen infektiöser
Pyurie entfernt, nachdem ibre Funktionsuntüchtigkeit bei erhaltener
Funktion der linken Niere festgestellt war. Das Präparat erwies eine
ausgebreitete, durch Kolibazillen infizierte Leukoplakie der Schleimhaut
des Nierenbeckens, wie sie dıe seltenen von Halle zusammengestellten
Fälle Ebsteins, Lebers, Chiarıs und Beselins aufwiesen.
Entgegen der bisherigen, durch Halle vertretenen Anschauung, daß
diese Leukoplakien durch epitheliale Metaplasie des Nierenbeckenepithe-
ums auf dem Wege einer Entzündung entstehen, neigt der Verfasser
zu der Hypothese eines embryonalen Ursprungs dieser Affektion. Er
hält sie für eine kongenitale Erkrankung, eine ektodermische Hetero-
topie, welche ihre Ursache hat in einer Entwicklungsstörung des Harn-
apparates. A. Citron-Berlin.
Erreur dans l’appréciation par le cathétérisme du bassinet
dilaté. Von Dr. Caspari-Lausanne. (Journ. d'Urol., Tome II, No 4, 1912.)
Es ist unmöglich, aus der Menge des aus dem Ureterkatheter aus-
fiebenden Sekretes zu schließen, daß das Nierenbecken dilatiert ıst. An
zwei wegen Nierentuberkulose nephrektomierten Fällen zeigte sich, daß
das Nierenbecken keineswegs erweitert war, während der Ureterkatheter
grobe Mengen Eiters zutage gefördert hatte. Der Eiter stammte eben
nicht aus dem Nierenbecken, sondern aus großen Höhlen, welche mit
dem Nierenbecken in breiter Kommunikation standen.
A. Citron-Berlin.
Hydronéphrose de 80 litres diagnostiquée tardivement par
l'examen physico-chimique du liquide. Von Mosny, Javal und
Dumont,
Eine 25jährige Lumpensammlerin litt seit ihrem 8. Lebensjahre an
gewaltigen Flüssigkeitsansammlungen im Abdomen. Sie ertrug dessen
ungeachtet alle Mühseligkeiten ihres Berufes und wurde nur bisweilen
nach Träumen von Hämaturie befallen. Zuletzt kam sie mit schwerer
Phlebitis der linken unteren Extremität zur Beobachtung. Die Diagnose
war von verschiedener Seite auf tuberkulöse Peritonitis und Ovarialzyste
gestellt worden. Den Autoren war es vorbehalten — kurz vor dem
Tode der Patientin — aus der Punktionsflüssigkeit festzustellen, daß es
sich um eine kolossale linksseitige Hydronephrose handelte. Der Pseudo-
Aszites enthielt zu wenig Albumen, um ein echter zu sein, gegen cine
Ovarialzyste sprach der niedrige Chloralgehalt. Die Harnstoftziffer end-
lich erhob die Diagnose Hydronephrose zur Gewibheit. Die Kachexie
der Patientin erlaubte aber nicht mehr, diese Diagnose in heilbringen-
der, operativer Hinsicht zu verwerten. A. Citron-Berlin.
Les opérations plastiques portant sur le bassinet et la partie
supérieure de l’uretère dans le traitement des rétentions rénales.
Von Henri Eliot-Paris. (Journ. d'Urol. Tome III, No. 2, 1913.)
Die Arbeit gibt eine Zusammenstellung der konservativen Opera-
668 Nieren und Harnleiter.
tionen bei Hydronephrose und Pvonephrose aus der Literatur der letzten
zwanzig Jahre. Es sind 111 Fälle angeführt.
a) Die Resektion des Sporns wurde 1llmal ausgeführt, 8mal bei
Hydronephrosen mit 5 Heilerfolgen, 3mal bei Pyonephrosen mit 2 kli-
nischen Heilungen,
b) Ureter- und Uretero- Pyelo-Plastiken bei Hydronephrose 19mal
mit 13 Heilerfolgen, bei Pyonephrosen Hmal mit 6 Heilerfolgen.
c) Terminale Anastomosen des Üreters im Nierenbecken wurden
18 mal angelegt mit 11 Miberfolgen,
d) laterale Ureter-Anastomosen 2) mal mit 8 Heilerfolgen.
e) Nierenbeckenfaltung (Pyeloplikation) wurde Lü mal ausgeführt
mit einem Versager.
f) Orthopädische Resektionen sind 1Omal mit Erfolg gemacht
worden,
g) kombinierte Operationen und
h) Nephro-Kysto-Anastomosen je viermal. A. Citron-Berln.
I) Peri- und Paranephritis.
Le phlegmon périnephrétique chez l'enfant. Von Thevenot-
lyon, (Revue pratique des maladies des organes génito-urinaires, Jan. 1913.)
Die Seltenheit der perinephritischen Phlegmone im Kindosalter ist
in der besonderen anatomischen Disposition und in der Seltenheit renaler
und perirenaler Infektion in diesem Alter begründet. Die Capsula
adiposa renis ist im Kindesalter wohl vorhanden, besteht aber im
wesentlichen aus einigen Fetthäufchen, die vereinzelt um die fibröse
Kapsel und besonders auf der Hautoberfläche der Niere gelagert sind.
Wegen der stärkeren Fettentwicklung auf der Rückenfläche der Niere sind
Abszesse meistens retrorenal gelegen (Lejars). Im Anschluß an Typhus,
Parotitis, Masern, Scharlach usw. hat man scheinbar primäre perinephriti-
sche Abszesse beobachtet, die aber nach Rochet auf dem Blut- oder
Lymphwege von kleinen Nierenabszessen oder Pryelonephritiden aus
entstanden sind. Ursache kann auch ein Trauma sein, indem ein
Hämatom entsteht, welches sich sekundär infiziert. Als intestinale Ur-
sache kommt noch die Appendicitis in Betracht, weshalb sehr viele
perinephritische Abszesse rechts liegen. In der Mehrzabl der Fälle
findet man den Colibazillus als Infektionserreger. Klinisch entwickelt
sich die perinephritische Phlegmone oft latent, so daß sie intra vitan
unentdeckt bleiben kann. Meistens sind die Symptome sehr unbestimmt,
und nur selten ist ein ätiologisches Moment, wie ein Unfall, Nierenstein
vorhanden, welches die Aufmerksamkeit auf die Niere lenkt. Fieber,
Frost, Trockenheit der Zunge, Übelkeit, Durchfälle sind oft die Sym-
ptome der Erkrankung. Es kann Febris intermittens oder continua be-
stehen, Manchmal wird die Differentialdiagnose zwischen Typhus und
perinephbritischem Abzeß nur durch das Fehlen der Roseolen, des
Milztumors, des dikroten Pulses und des serologischen Befundes entschie-
den. Der Schmerz kann nicht gut für die Stellung der Diagnose ver-
wertet werden; er wird von den Kindern nur ungenau in die Kreuzgegend
lokalisiert, ähnlich wie die Kreuzschmerzen im Verlauf von Infektions-
Nieren und Harnleiter. 669
krankheiten. Oft neigt das Kind den Körper auf die kranke Seite;
manchmal ist auch der Oberschenkel angezogen, ganz wie bei Psoasabszessen
(Nègre). Nach Rochet sind Verwechslungen mit Psoitis leicht mög-
lich. Temperaturen können so gering sein, daß sie unbemerkt bleiben,
das Kind klagt nur über Schmerzen und geht schlecht. Man denkt dann
an eine Erkrankung des Articulatio sacro-ıliaca oder der Hüfte. Leicht
ist die Diagnose, wenn die Zeichen eines lumbalen Abszesses hinzu-
kommen: Röte und ödematöse Schwellung der Haut. Fluktuation fehlt
oft lange Zeit, und die Schwellung in der Tiefe ist ganz diffus. Diese
diffuse Schwellung ist charakteristisch. Pyonephrosen bilden runde Schwel-
lungen, und kalte Abszesse, von Knochen stammend, lassen sich ebenfalls
leichter abgrenzen. Die Sterblichkeit ist gering. Auf 7 Fälle kam ein
Todesfall. Bei diesem Kranken wurde wegen eines Blasensteins die
Cystostomie gemacht. Bei der Obduktion fand sich linksseitige Pyone-
phrose mit Steinbildung und retrorenale Phlegmone. Die Prognose ist
günstig. Frühzeitiger Eingriff führt meistens zur vollkommenen Heilung
ohne Fistelbildung. Die Behandlung besteht in Inzision mit breiter
Drainage. Konservative Behandlung ist zwecklos, da die Phlegmone
bei der Diagnosestellung gewöhnlich schon lange bestanden hat. Bei
Phlegmonen renalen Ursprungs kommt die entsprechende Nierenoperation,
meistens wohl die Nephrotomie, in Frage. Maas.
Ein Fall von doppelseitiger perinephritischer Phlegmone.
Von J. Jianu-Bukarest. (Wiener klin. Rundschau 1913, Nr, 4.)
Bei dem 27jährigen Patienten entwickelte sich im Anschluß an
einen Karbunkel in der Lendengegend eine rechtsseitige perinephritische
Phlegmone, welche inzidiert wurde. Wenige Tage später stellten sich
auch Schmerzen in der linken Nierengrube ein, und es entwickelte sich
daselbst ebenfalls ein Eiterherd.. Bei der Operation fand sich eine
Kommunikation der beiden phlegmonösen Herde. Im Eiter wurden
Staphylokokken nachgewiesen. Das Blut war steril. Heilung.
von Hofmann-Wien.
Ein Fall von ungewöhnlicher Form von Staphylomykose in
der einen Niere in Verbindung mit einem kleinen paranephriti-
schen Abszeß. Von Prof. G. Ekehorn-Upsala. (Folia urologica, VII. Bd.,
Nr. 3, Okt. 1912.)
Das Bemerkenswerteste an diesem Falle, der einen 16 jährigen Jüng-
ling betrifft, ist der Umstand, daß bei einer Staphylokokkeninfektion in
der Niere nicht, wie gewöhnlich, ein Zerstörungsprozeß mit destruktiven
Veränderungen den hauptsächlichen Teil der pathologisch-anatomischen
Erscheinungen innerhalb des Infektionsgebietes ausmacht, sondern eine
geschwulstähnliche Bildung entsteht. Das makroskopische Bild der ver-
änderten Nierenpartie zeigte eine auffallende Ahnlichkeit mit den Ver-
änderungen, die bei Aktinomykose angetroffen werden. Die Staphylo-
mykose war auf den unteren Pol der rechten Niere beschränkt, wo sie,
wie bemerkt, eine geschwulstartige Bildung in der Niere selbst verur-
sacht hatte, bestehend aus neugebildetem Bindegewebe und Granulations-
670 Nieren and Harnileiter.
gewebe. Die Capsula propria war um diese „Geschwulst“ herum be-
trächtlich schwielig verdickt. Die Fettkapsel nach auBen davon wiar
gleichfalls schwielig sklerotisiert zu einer bedeutenden Dicke. In der
„Nierengeschwulst* wie auch in der Capsula propria und in der ver-
änderten Fettkapsel fand sich eine Anzahl kleiner miliarer und mikro-
»kopischer Abszesse, außerdem eine fingerhutgroße paranephritische Ab-
szebhöhle in der veränderten Capsula adiposa. Diese Abszesse enthielten
Staphylococcus pyogenes aureus und zwar nur diese Bakterien. Bei der
klinischen objektiven Untersuchung fühlte man den unteren Pol der
rechten Niere als eine geschwulstartige Anschwellung, oberhalb deren die
Niere sich von normaler Dicke anfühlte. Die Krankheit hatte schleichend
begonnen, wahrscheinlich 2—3 Monate vor der Aufnahme, und zwar im
AnschluB an eine Angina. Erst einige Tage vor der Aufnahme traten
Fieber und Schmerzen in der rechten Seite auf. Danach wiederholten
sich die Fieberanfille von Zeit zu Zeit nebst den sie begleitenden
Schmerzen. Bei diesen Anfällen war der Knoten im unteren Teil der
Niere, welcher sich fest und hart anfühlte, empfindlicher uud scheinbar
vergrößert. Der Zustand des Patienten besserte sich nicht trotz Stil
liegens während 18 Tagen vor der Operation; der Knoten nahm nicht
an Größe ab. Nach der Nephrektomie trat Genesung ein. Kr.
Zur Frage der Herkunft der Massenblutungen ins Nieren-
lager. Von Dr. Ernst Koch, Assistent der chir. Abt. d. städt. Kranker-
hauses zu Posen. (Deutsche Zeitschr. f. Chir.. Bd. 118, H.3 u. 4.)
Als Missenblutungen im Nierenlager sind in neuerer Zeit eine ganze
Reihe von Fällen veröffentlicht, die deshalb das Interesse besonders her-
vorgerufen haben, weil ihre Ursache bisher recht wenig geklärt ist. Im
Gegensatz zu den rein traumatischen Blutungen durch Verletzungen ent-
stehen diese Blutungen scheinbar ganz spontan. Eins geht aus allen
Arbeiten einwandfrei hervor: ein gröberes arterielles Gefäß als Quelle der
Blutung hat sich in keinem einzigen Falle nachweisen lassen. Es handelt
sich vielmehr stets um kapilläre Diapedesisblutungen. Die Anschauung,
jede spontan entstandene abundante Blutung in dem retroperitonealen
Raum entstamme stets der Niere oder dem Nierenlager, bedarf aber der
Einschränkung. So hat Goenen einen Fall beobachtet, in dem das
gleiche Bild der perirenalen Blutung hervorgerufen war durch eine Blu-
tung im linken Musculus quadratns lumborum bei Hämophilie. Auf eine
andere Quelle der Blutung weist Verf. vorliegender Arbeit hin. Es ban-
delte sich bier um einen 29jährigen Mann, der ganz plötzlich bei der
Arbeit mit außerordentlich starken, nicht kolikartigen Schmerzen und zu-
nehmender Schwellung in der linken Bauchseite erkrankt. Zunächst tritt
kein Erbrechen auf. Am nächsten Tage bei der Aufnahme ins Kranken-
haus ist ausgesprochenes Koterbrechen vorhanden. Doch weicht der Be-
fund von dem des gewöhnlichen akuten Ileus ab. Er ist schwer be-
nommen, zum Teil ganz apatlisch, dann wieder hocherregt. Der Harn
ist normal. Der aufgetriebene Leib zeigt eine sehr starke Druckschmerz-
haftigkeit und Dämpfung, entsprechend der ganzen linken Bauchseite.
Weder Darmgeräusche. noch Darmsteifungen sind vorhanden. Die Bauch-
un en
a "ef $
zb
Nieren und Harnleiter. 6,1
decken sind gespannt. Bei der sofortigen Operation fand sich nun eine
gewaltige retroperitoneale frische Blutung, die die Niere rings umgab
und deshalb zunächst als perirenales Hämatom angesprochen wurde. Niere
und Nierenkapsel erweisen sich als vollkommen normal. Bei vorsichtigem
Ausräumen der Blutmassen findet sich der Ausgangspunkt in der linken
Nebenniere. Bei der Obduktion des tödlich verlaufenen Falles zeigte
sich nun mit voller Deutlichkeit, daB die Nebenniere der Ursprung der
Blutung war. Während die Niere sich als normal erwies, war die Neben-
niere, umgeben von dem Bluterguß, total zertrümmert. Neben zahlreichen
kleineren Partikelchen fand sich ein größeres Stück mit dem Hilus.
Außer Thrombenbildung in den kleinen Venen fand sich bei der mikro-
skopischen Untersuchung die Nebenniere an einzelnen Stellen nekrotisch.
Kr.
m) Operationstechnik.
La stenosi della vena cava inferiore al di sopra dello sbocco
delle vene renali. Von J. Scalone e G. d’Oria. (Gazzetta internazionale
di Medicina, Chirurgia, Igiene 1911, 48.)
Scalone und d’Oria erzielten durch Stenosierung der Vena cava
oberhalb der Einmündung der Vena renalis so schwere Veränderungen
an Nieren und Nebennieren, daß die Tiere in kürzerer oder längerer Zeit
je nach dem Grade der Stenosierung eingingen. Noch schwerere Folgen
hatte die Unterbindung, das Tier ging in 24 Stunden zugrunde. Mit
Stenosen mäßigen Grades der Vena cava lebten Tiere bis zum neunten
Tage; leichtere Stenosierung ist mit langem Überleben verträglich. In
einigen Fällen kam es zu schweren Zirkulationsstörungen in Niere und
Nebenniere mit konsekutiver funktioneller Insuffizienz. Der Kongestion
und Degeneration folgen in der Niere und Nebenniere Entzündungs-
erscheinungen mit Hyperplasie des interstitiellen Bindegewebes, das von
der Kapsel und dem die Gefüße umgebenden Gewebe seinen Ursprung
nimmt. Die Veränderungen der Nebenniere ähneln denen der Niere
und sind nicht ohne Einfluß auf die Niereninsuffizienz.
Mankiewicz-Berlin.
Die Folgen der Unterbindung der Nierenvene in experimen-
teller und therapeutischer Hinsicht. Von Ritter-Posen. (Zentralbl.
f. Chir. 1912, Nr. 30, Beilage.)
Die Tatsache, daß die Tuberkulose so häufig primär und einseitig
in der Niere auftritt, und daß, selbst wenn die Erkrankung auf die
andere Niere übergegriffen hat, Heilung auch in dieser durch Entfernung
der haupterkrankten Niere zu erzielen ist, läßt die Nephrektomie in den
meisten Fällen als durchaus gerechtfertigt und geboten erscheinen. Die
Heilung der Tuberkulose in der zweiten Niere haben wir uns so vor-
zustellen, daß durch Entfernung des Hauptherdes der Tuberkulose die
Kräfte des Körpers zur Bekämfung der noch restierenden Tuberkulose
frei werden. Es kommt zu Steigerung des Blutdruckes und Herzhyper-
trophie und damit zu vermehrter Arbeit des Herzens, und die noch er-
haltene Niere, unter dem Einfluß einer mächtigen arteriellen Hyperämie,
672 Nieren und Harnleiter.
hypertrophiert. Schwieriger ist der Entschluß zur Nephrektomie bei
gleichstarker beiderseitiger Nierentuberkulose. Besonders bei leichten
Forinen hat R. sich bisher nicht entschließen können, die eine Niere zu
opfern. Um sicherer zu gehen, lag es nahe, in Analogie zu unseren
Bestrebungen bei der Lungentuberkulose durch Einleitung von Schrump-
fungsvorgängen der betreffenden Niere eine Heilung zu versuchen. Die
Unterbindung der XNierenvene ergab Verf. folgendes Resultat: In allen
und als typische Operation ihre Berechtigung behalten. Die optimi-
stischen Auffassungen früherer Jahre, basierend auf nicht einwandfreier
Diaxnosenstellung, sind einzuschränken. Bei Urämie und Anurie, ba
chronischer Nephritiss wo interne Behandlung erfolglos, speziell bei der
Nephritis dolorosa und haemorrhagica, bei welcher der Erfolg gut ist,
wenn auch bei letzterer Form Nephrektomie vorzuziehen ist, würde K.
zur Operation raten; ferner bei akuter Nephritis (Scharlach) und der
toxischen Form mit Anurie nach Sublimat-, Karbol- und dergleichen
Intoxikationen; endlich bei Eklampsie und Nephritis und ihren bekannten
Folgezuständen. P. Friedrich stehen bei akuter Entzündung der Nieren
nur drei Fälle aus eigener Erfahrung zur Verfügung. Er fühlt sich nicht
berechtigt, hieraus weitere Schlüsse zu ziehen. Doch würde er gegeben-
falls in ähnlichen Fällen den gleichen Weg wieder empfehlen. Am
meisten erfolgversprechend erscheint die Dekapsulation in Füllen mul
tipler, kleiner Abszeßembolien. De Quervain hat bei akuter, infek-
tiöser Nephritis mit Urämie (Streptokokkeninfektion) von der Dekapsu-
lation sofortige, aber nur vorübergehende Wiederherstellung der Harı-
sekretion gesehen. Bei anderen Formen von Urämie hat er den Eingrif
nicht versucht. Die Dekapsulation scheint ihm besonders, wenn nicht `
ausschließlich. bei septischer Erkrankung in Frage zu kommen. Obwohl
ein bleibender Erfolg nicht mit einiger Bestimmtheit vorausgesehen werden
kann, so läßt sıch nach de Q. doch der Fall denken, dab bei nicht zu
schwerer Infektion gelegentlich Heilung erzielt werden kann. C. Ritter
hat sowohl bei akuter Nierenentzündung als auch bei Eklampsie, Urämie
und Anurie nach Vergiftungen von der Dekapsulation günstige Wirkungen
geseben, doch spielen bei dem Verfahren so viele Faktoren mit, dab
man der Operation so lange skeptisch gegenüberstehen muß, bis die
Frage nach der eigentlichen Wirkung des Eingriffs entschieden ist.
Nach Tietze beruht die Bedeutung der Nierendekapsulation auf einer
Druckentlastung der Niere und ist imstande, bei Fällen akut einsetzender
intrarenaler Drucksteigerung wieder normale Zirkulationsverhältnisse her
zustellen. W. Kausch steht der Operation sehr skeptisch gegenüber,
und hat sie noch nicht ausgeführt. Auch Bardenheuer verspricht sich
von der Dekapsulation keinen besonderen Erfolg und wird diese Une
ration nicht mehr vornehmen. H. Neumann hat keine eindeutigen Er-
folge von der Dekapsulation gesehen. W. Müller hat nur in einem
Falle von akuter, schmerzhafter (aszendierender) Nephritis Erfolg gesehen.
Er war überraschend gut. Sonst stehen ihm keine persönlichen Erfsh-
rungen zu Gebote, da er sich reserviert in der Frage verhalten bat.
James Israel hat bei Anurie und Urämie von der Inzision der Niere
Erfolge gesehen; die einfache Dekapsulation hat er bei diesen Zuständen
nu
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Nieren und Harnleiter. 673
nicht angewendet. Bei chronischer Nierenentzündung (Morbus Brightii)
hat I. keinen Nutzen gesehen. Aber in symptomatischer Beziehung nutzt
die Dekapsulation bisweilen bei schmerzhaften Nierenaffektionen, ferner
bei Nierenblutungen, denen keine der bekannten gröberen Ursachen, wie
Stein, Tuberkulose, Neoplasma zugrunde liegt, sondern meistens herdweise
gelagerte interstitielle Entzündungsherde E. Enderlen hat die Dekap-
sulation nie gemacht, kann sich aber denken, daB bei akuter Nephritis
die Entspannung Nutzen stiften kann. Bei urämischen Symptomen ope-
rierte er zweimal und sah Besserung für zwei Monate, dann kehrten die
Anfälle wieder, ebenso die Kopfschmerzen. Witzel hat vielfach bei
akuter Nephritis und bei Urämie die Dekapsulation vorzunehmen Gelegen-
heit gehabt, ohne daß er eine nennenswerte Beeinflussung des Krank-
heitsbildes beobachten konnte. Küttner hat über die Dekapsulation
bei akuten Nierenaffektionen gar keine Erfahrung. Bei chronischer Ne-
phritis sah er zweimal wesentliche, aber nicht dauernde Besserung. Er
verhält sich gegenüber der Berechtigung der Eingriffe skeptisch. Pels-
Leusden hat nur in einem einzigen Falle von Anurie bei Nieren-
tuberkulose Gelegenheit gehabt, den Wert der Nierenspaltung mit par-
tieller Dekapsulation kennen und schätzen zu lernen. Die Wirkung der
Entlastung des unter dem enormen Harndrucke stehenden Parenchyms
war hier ein eklatanter. Die Entleerung auf dem normalen Wege stellte
sich sehr bald wieder her. Anschütz hat bei einer Reihe von zehn
Fällen niemals einen Erfolg der Dekapsulation gesehen, weder bei Anurie,
noch bei Urämie oder akuter Nephritis. In einem Falle von chronisch-
Versuchen trat nach einer ganz gewaltigen Stauung und Anschwellung
des Organs eine allmähliche Rückbildung ein, die ihren Höhepunkt etwa
nach 1—2 Monaten erreicht. Die Niere verkleinert sich etwa um !/,
ihres Volumens, zugleich setzt auch hier eine Blutdruckerhöhung und
leichte Herzhypertrophie ein, also vermehrte Arbeit der Körpers. Und
ferner ist stets eine sehr erhebliche vikarierende Hyperplasie und Hyper-
trophie der anderen Niere nachweisbar. Also genau so, nur geringer
als nach der Exstirpation der Niere. Dabei bleibt das Organ auch nach
mikroskopischen Untersuchungen funktionsfähig. Kr.
Ricerche sperimentali sui trapianti di vasi in uretere e di
uretere nei vasi e sull’anastomosi uretero-deferentiale. Von Chias-
serini. (I Policlinico 1912, Juni.)
Chiasserini hat Gefäße in Ureteren und Ureteren in Gefäße ein-
gepflanzt und Anastomosen zwischen Harnleiter und Samenleiter experi-
mentell versucht. Makro- und mikroskopische Untersuchungen erlauben
aus den Experimenten (an Hunden) folgende Schlüsse zu ziehen: Es ist
möglich, mit Gefäßtransplantierung zwischen zwei Ureterstümpfen die
Kontinuität wiederherzustellen. Das Transplantat verkürzt sich mit der
Zeit und die Ureterstüimpfe nähern sich. Wenn das Transplantat zu
dick ist, wird es hart und verengt das Harnleiterlumen. Bei solchen
Stenosen — häufig bei Heilung per secundam — kommt es zur Harn-
stase, Erweiterung des zentralen Ureterstumpfes und der Niere. Bei Ge-
brauch des Ureterkatheters ist die Stenose geringer. Das Gefäß wird
674 Nieren und Harnleiter.
fast völlig von Bindegewebe ersetzt. In allen Fällen fand sich eine vor-
wiegend mononukleäre Infiltration der Gefäbwand. Von den Ureter-
stümpfen haben Muskelbündel Tendenz in die Gefübwand zu proliferieren.
Das Ureterepithel proliferiert, wenn nicht vom Harn bespült, anf die
Oberfläche des Gefäbes. Die elastischen Fasern degenerieren, werden
seltener und ungleichmäbig. nach 57 Tagen erkennt man sie als kleine
unregelmäbige Massen. Die Muskulatur des zentralen Ureterstumpfes
wird hypertrophisch und die Niere zeigt Veränderungen der Hydro
nephrose und Sklerose. Infektion verstärkt die Gefahren des Miberfolges
durch Peritonitis, Pyelonephritis und Verstärkung der Stenose. — Kon
tinuitätstrennung eines (iefäbes kann man durch Einpflanzung eines Ureter-
stückes (auch eines andern Hundes) heilen. Nach 50 Tagen erscheint
das Transplantat makroskopisch normal; mikroskopisch nach 19 Tagen.
Mankiewicz- Berlin.
Beiträge zur Nierenchirurgie. Von Zondek-Berlin. (Zentralhil, f.
Chir. 1912, Nr. 30. Beilage. Bericht über die Verhandl. d. Deutschen Ges. f.
Chir, XLI. Kongrel. Selbstbericht.)
I. Zur topischen Diagnose der Niere.’ Messungen an 70
menschlichen Nieren behufs Feststellung der Lagebeziehungen des Beckens
und der Kelche zur Nierenoberfläche. Das Becken ist zumeist unterhalb
der Mitte der Längsachse des Nierenbeckens gelegen. Die Längsachse
der Niere zur Entfernung des oberen Pols von der Mitte des oberen
Calix major stebt im Verhältnis von ungefähr 2,9: 1 und die Entfernung
der Längsachse der Niere zur Entfernung des unteren Pols vom unteren
Calix major ungefäbr im Verhältnis von 3.1:1.
Il. Über intrarenale Drucksteigerung. Bei der Operation ist
zur Prüfung der Konsistenz die Niere zunächst in situ zu untersuchen.
An der akut hochgradig venös hyperämischen Niere tritt durch die Ent-
kapselung Druckentlastung und Blutentziehung auf („Blutschwitzen* bzw.
„Aderlab“ der Niere). Diese Folgen werden um so mehr zur Geltung
kommen, je dicker und je weniger elastisch die Tunica fibrosa ist. Die
gleichen Beobachtungen machte Z. bei der Entkapselung unmittelbar
nach Abklemmung der Vena renalis. Bei der Entkapseluug der aus
weiter Bauchwandwunde luxierten Niere, wobei sorgfältig jede Drehung
des Stiels vermieden wird, tritt kein Blutschwitzen auf. Im ganzen aber
wird die XNierenoberfläche oft feucht oder gewinnt das Ausschen, als
wenn sie mit feinsten Tautröpfehen beschlagen wäre. Eine vermehrte
Entleerung dieser Flüssigkeit tritt bei hochgradiger venôser Hyperimie
und innerhalb der ersten Tage nach Unterbindung des Harnleiters aul,
Welcher Art aber auch die ausgeschwitzte Flüssigkeit sein mag, so dürfte,
sagt Vert. durch ihre Entleerung unmittelbar nach der Entkapselung eine
stärkere Füllung der in den peripherischen Teilen der Niere gelegenen
Blutbahnen ermöglicht werden. — Z. hilt an Stelle der totalen Ent-
kapselung die partielle, eventuell mit Skarifikation der Niere für zweck-
mäßig. Kr.
-n — — —
` 5 — `
Nieren und Harnleiter. 675
Studien über Nephrostomie. Von van Capellen. Holländische
Gesellschaft für Chirurgie 1912. (Archives générales de Chirurgie 1913, 3,
p. 337.)
van Capellen hat beim Kaninchen Experimente mit Nephrostomie
in den verschiedenen Methoden in Hinsicht auf Blutung und Infarkt-
bildung angestellt. Bei Verwendung des 'Thermokauters ıst die Blutung
gering, aber ein breiter Streifen Nierengewebe wird nekrotisch bis zum
ausgedehnten Infarkt. Bei Verwendung des Messers ist bei der trans-
versalen Nephrostomie die Blutung gering, und es erfolgt fast kein In-
farkt; bei der Nephrostomie nach Zondeck ist die Blutung stärker und
der Infarkt größer. Mankiewicz-Berlin.
A propos de la néphrotomie expérimentale. Von M. Murard.
(Lyon médical 1913, 11, p. 592.)
Murard hat bei Studien über die Nephrotomie folgende Ergebnisse
erhalten: Bei Kaninchen verursacht die Inzision der Niere im Paren-
chym diffuse kongestive Läsionen im ganzen Organ. Inzision beider
Nieren von Pol zu Pol und bis zum Nierenbecken tötet das Tier. Eko-
nomische Nephbrotomie beiderseits, d.h. nicht von Pol zu Pol, und nicht
über die Glomeruluszone hinaus, erlaubt das Überleben. Die Nephro-
tomie ist nicht so harmlos, wie früher angenommen wurde; sie veranlaßt
Kongestion des ganzen Organes, sie ruft bei der Heilung eine dicke
Zone sklerotischer Gewebe hervor. Mankiewicz-Berlin.
n) Funktionelle Nierendiagnostik.
Coefficient sphygmo-rénal et coefficient uréo-sécrétoire. Von
Alfred Martinet. (Journ. d’Urol. Tome II, No. 6, 1912.)
1. Die wässerige Nierenausscheidung (H) ist proportional dem diffe-
rentiellen arteriellen Druck (p) und dem (Juadrat des Gefäßquerschnitts
(S?) und umgekehrt proportional der Viskosität des Blutes (v). Demnach ist
a
H=’. S
V
) es |
Ersetzt man den Wort ! ‚d.h. das sphygmo-viskosimetrische Ver-
v
hältms, durch den Buchstaben R, so erhält man die Formel
> H
S- == o
R
D H e D
Dieser Wert R wird sphygmorenaler Koeffizient genannt und
gibt genauen Aufschluß über das Kaliber der Nierengefüße. Berechnet
| H
man den Wert von R bei Normalen und Nierenkranken, so ergibt er
für normale Nieren stets Werte über 1,0, für kranke Nieren niedere
Werte bis herunter zu 0,2.
2. Die Harnstoflausscheidung (D) ist proportional dem Quadrat der
Harnstoffkonzentration des Blutes (U) und umgekehrt proportional der
Quadratwurzel aus der Harnstoffkonzentration des Urins Demnach ist
676 Nieren und Harnleiter.
| En 1 U
D= K’. ..; setzt man .„—K, so ist K =- sow K
Fe k FD ye
spricht dem ureosekretorischen Koeffizienten (K) Ambards, freilich unter
Weglassung einiger Konstanten.
Der Wert K, ist bei Normalen unter 0,1 und steigt bei Nieren-
kranken bis 0.27.
Zwischen dem ureosekretorischen und dem sphygmorenalen Koeft-
zienten besteht nach den beigegebenen Tabellen eine gewisse Paralle-
lität, welche aber durchaus nicht ohne Ausnahmen bleibt.
A. Citron-Berlin.
| ent-
Sur le coëfficient azoturique du sérum. Von J.Courmont, Boulud,
Savy, Blanc-Perducet. (Lyon médical 1913, ő, p. 235.)
Die Autoren haben die Beziehungen zwischen Totalstickstof und
Harnstoffstickstoff im Serum von 22 Individuen auf Störungen der Harn
sekretion (nicht alle Brightiker) untersucht und geben eine sorgsame
Tabelle mit Diagnose, eventueller Autopsie, Ambards Konstanter, pro
Mille Stickstoff im Urin und im Serum, Stickstoffkoeffizienten im Ham
und im Serum. Sie kommen zu folgenden Schlüssen: Widals Gesetz
über die Prognose der stickstoffvergifteten Nephritiker durch Stickstoff
bestimmung im Blut besteht zu Recht. Widal-Ronchez Schlubfolge-
rung über die Erhöhung des azoturischen Koeffizienten des Serums bei
Nephritis mit Harnstoffretention (über 78,4) ist richtig; doch kann der-
selbe erhöht sein bei relativ niedrigem Harnstoffgehalt des Serums. Die
Messung der Nierendurchgängigkeit mit Ambards Konstanter ist im all-
gemeinen zutreffend. Der azoturische Koeffizient des Serums kann sehr
vermindert sein, selbst unter 21 herabsteigen, dann ist der Reststickstoff viel
mehr vorhanden als der Harnstoffstickstoff. Bei Kranken mit erniedrigten
azoturischen Koeflizienten im Serum kann die absolute Menge Harnstof
im Serum ziemlich erhöht sein. Die Stickstoffmenge ist dann erheblich.
Bei diesen selben Kranken bleibt der azoturische Koeffizient im Harn
erhöht; doch im allgemeinen etwas unter normal. Der unter denselben
Bedingungen, jedoch einige Wochen später, bestimmte azoturische Koeff-
zient des Serums kann bei demselben Kranken variieren. Nicht nur
Retention, sondern auch Störungen in der Produktion des Harnstofies
(also Leberfunktion) können den azoturischen Koeffizienten des Serums
beeinflussen. Also: Ein erhöhter azoturischer Koeffizient des Serums ent-
spricht Erscheinungen der renalen Retention des Harnstoffs; ein erniedrigter
azoturischer Koeffizient des Serums entspricht einer Störung in der Bil
dung des Harnstoffs, d. h. wahrscheinlich einer Störung der Leberfunktion.
Diese letztere Bezeichnung ist im höchsten Maße zuverlässig, wenn der
Patient gleichzeitig Harnstofiretention aufweist: Ambards Konstante er-
höht, anormale Menge Harnstoff im Serum. Mankiewicz-Berlin.
Der hämo-renale Index. Von Ottn Gruenbaum. (Lancet, 18. Mai
1912).
Unter hämo-renalem Index versteht der Verf. die Verhältniszall der
Quantität organischer Salze im Urin zur Quantität anorganischer
‚Ave
ste
Nieren und Harnleiter. 677
Salze im Blut. Die Messung dieser Indexzahl geschieht durch Be-
stimmung der elektrischen Leitfähigkeit. Verf. gibt einen Apparat an,
mit dem sich diese Bestimmung auf dem schnellsten und einfachsten
Wege machen läßt. Zugleich macht er auf einige Fehlerquellen auf-
merksam, die sich leicht vermeiden lassen; er berichtet aber nichts über
den praktischen Wert der Bestimmung dieses Index.
W. Lehmann-Stettin.
Récherches sur l'épreuve de la diurèse provoquée (Polyurie
expérimentale). Von Prosper Merklen-Paris. Journ. d'Urol. Tome 11,
No. 2, 1912.)
Der gesunde Mensch scheidet am Tage mehr Urin aus als nachts,
hieraus resultieren die Begriffe der Tages-Pleionurie und Nacht-Meionurie.
Hiermit scheint die Feststellung von Vaquet und Cottet in Wider-
spruch zu stehen, welche fanden, daß im Stehen (Orthostatismus) weniger
Urin ausgeschieden wird, als im Liegen (Klinostetismus). Doch darf man
die Begriffe der Tagespleionurie und Nachtmeionurie nicht mit denen der
orthostatischen Meionurie und der klinostatischen Pleionurie zusammenwerfen;
erstere sind Erscheinungen des Alltags, letztere beim Experimentieren
mit künstlicher Diurese auftretende Phänomene. — Beim kranken Menschen
liegen die Verhältnisse anders, Herzkranke zeigen vielfach die „Nykturie“
genannte nächtliche Pleionurie, Leberkranke eine orthostatische Meionurie.
Bei den sklerosierenden Nierenaffektionen gilt Albarrans Gesetz, daß die
Niere um so regelmäßiger funktioniert, je schwerer sie erkrankt ist. Die
Dichtigkeit des Urins verhält sich im allgemeinen umgekehrt zu seiner
Menge auch bei der künstlichen Diurese.
Die eigenen Versuche des Vfs. wurden mit künstlicher Diurese an
gesunden und kranken Individuen angestellt. Die Versuchspersonen er-
hielten morgens nüchtern 600g Wasser und wurden dann nach ii
stündigem Liegen und Stehen (wie „Orthostatismus“ übersetzt werden
möge) auf ihre einstündige Diurese hin untersucht.
Bei normalen Menschen war das Ergebnis dieser Versuche ein
schwankendes, in 8 Fällen entsprach es dem Schema: klinostatische Pleion-
urie mit herabgesetzter Dichtigkeit, orthostatische Meionurie mit er-
höhter Dichtigkeit, in 6 Fällen waren die Verhältnisse gerade umge-
kehrt, in einigen Fällen, welche schon an pathologische Verhältnisse
grenzten, war teils kein Unterschied nach aufrechter und liegender Haltung
vorhanden, teils waren die Dichtigkeitsverhältnisse umgekehrt — kurz,
Regeln lassen sich für nicht ausgesprochen pathologische Fälle kaum auf-
stellen.
Anders verhält es sich bei Nierenkranken. Eine nephritische Pa-
tientin mit Chlorämie hatte nach der Einnahme von 600 g Wasser eine
stündliche Urinmenge von 160 g, bei 1005 Dichtigkeit in aufrechter
Haltung, im Liegen betrug die Urinmenge 140g, das spezifische Ge-
wicht 1006. Luef man die künstliche Wasserzufuhr fort, so sank die
Urinmenge nur um ein geringes. Dieser Fall, wie viele andere lehren
uns, dab die kranke Niere sieh in jedem Falle durch eine auffallend
gleichmäßige Funktion offenbart, weil sie nicht imstande ist, sich ge-
678 Nieren und Harnleiter.
steigerten Ansprüchen anzupassen. Umgekehrt ist die Prognose ba
Nierenkranken eine günstige, wenn nach künstlicher Diurese erhebliche
Diflerenzen zwischen der klinostatischen und orthostatischen Urinmenge
und entsprechende Dichtigkeitsunterschiede vorhanden sind.
Bei Herzkranken (Myokarditis, Mitralaffektionen) scheint die Formel
zu lauten: klinostatische Pleionurie, orthostatische Meionurie mit groben
Unterschieden der stündlichen Urinmengen (212:37, 200:67).
Tuberkulöse Individuen verhalten sich zur künstlichen Polyurie ent-
sprechend dem Zu-tande ihres Herzens und ihrer Nieren.
Das Theobromin scheint bei der experimentellen Polyurie die on
menge zu vermehren und die Pichtigkeit herabzusetzen, ohne hei Ge-
sunden oder Kranken den Typus der klinostatischen Pleionurie zu al
terieren.
Das Ergebnis der Untersuchungen wäre also hauptsächlich die Tat-
sache, dab eine geringe Differenz zwischen der klinostatischen und ortho-
statischen Urinmenge beim Diureseversuch auf eine sklerosierende Nieren-
affektion hinweist. A. Citron-Berlin.
Critique de la polyurie expérimentale. Von F. Legueux et de
Berue Legarde-Paris. (Journ. d'Urol. Tome IT, No. 4, 1913.)
Verff. haben die experimentelle Polyurie, welche neuerdings anderen
funktionellen Methoden allgemein vorgezogen wird, an 13 Patienten stw
diert; es waren darunter Fälle von Nierentuberkulose, Steinniere, Pyeno-
phrose und Nierenruptur. Die gewonnenen Resultate sprechen nieht für
die absolute Souveränität der Methode. Die Wasserausscheidung ist
vielfach unabhängig vom Nierenfilter; Magen und Darm, Leber und
Nervensystem beeinflussen die Menge des Wassers, bevor es zur Niere
gelangen kann. Orthostatismus und Klinostatismus beeinflussen gleich-
falls — zugunsten der liegenden Körperposition — den Rhythmus der
normalen Urinausscheidung. Als praktische Regel wird man folgende
Sätze aufstellen können. Findet man bei einem Patienten, welchen man
der Nephrektomie unterwerfen will, von Seiten der als gesund zu er-
weisenden Niere ein günstiges Resultat der experimentellen Polyurie, so
kann man fast mit Sicherheit daraus schließen, daß diese Niere normal
funktioniert und mag an die Operation herangehen. Ist das Resultat
der Polyurie aber ein ungünstiges, so ist man nicht berechtigt, daraus
zu schließen, dab die Nierenfunktion ungenügend ist. Auf Grund dieser
einzigen Tatsache ist man nicht berechtigt, die Nephrektomie zu ver
werfen. A. Citron-Berlin.
Über die Bedeutung der Phenolsulphonephthaleinprobe zur
Prüfung der Funktion der Nieren. Von Prof. N. E Fromme wid
Carl Rubner. «Berl. klin. Wochenschrift 1912, Nr. 40.)
Die Verf. bestätigen die Angaben von Geraghtly und Rown-
tree, daß das Phenolsulphonephthalein ein wichtiger Indikator für die
Nierenfunktion ist, jedoch haben sie erheblich bessere und konstantere
Resultate erzielt, wenn sie das Mittel, anstatt subkutan oder intramuskulär.
intravenös anwandten. Der Patient erhält etwa }', Stunde vorher 300 bis
Nieren und Harnleiter. 679
400 ccm Wasser, um eine reichliche Harnabsonderung hervorzurufen, dann
werden die einzelnen Harnportionen mittels des Kolorimeters von Au-
tenrieth-Königsberger geprüft, nachdem von dem Präparat 6 mg in
l ccm alkalischer Lösung eingespritzt worden sind; im Durchschnitt er-
scheint das Mittel 5—11 Minuten nach der Injektion im Harn, in der
ersten halben Stunde erscheinen etwa durchschnittlich 50°/, der einge-
spritzten Menge, nach 3 Stunden sind ca. 70”, ausgeschieden; es emp-
fiehlt sich dringend, die Prüfung auf mindestens 3 Stunden auszudehnen.
Paul Cohn-Berlın.
Das Phenolsulfophthalein in der funktionellen Nierendiagno-
stik. Von Dr. Julius Vogel-Berlin. (Berliner klin. Wochenschrift 1912,
Nr. 46.) |
Die Resultate, die V. mit der Anwendung des Phenolsulfophthaleins
hinsichtlich der funktionellen Nierendiagnostik gehabt hat, haben ihn sehr
befriedigt; wegen seiner schnellen und vollständigen Ausscheidung durch
die Nieren, wegen der Möglichkeit, meist auf kolorimetrischem Wege die
ausgeschiedenen Mengen leicht und schnell bestimmen zu können, ist es
vorzüglich geeignet. die Funktionstüchtigkeit der Nieren erkennen zu
lassen. Verf. hat das Mittel nur subkutan eingespritzt, glaubt aber mit
Fromme und Rubner, daß sich bei intravenöser Anwendung noch
bessere Resultate erzielen lassen; im großen und ganzen hat er es in der-
selben Weise angewandt und dieselben Beobachtungen gemacht, wie die
erwähnten Autoren, Paul Cohn-Berlin.
Die Nierenfunktionsprüfung mittels des Phenolsulfonphtha-
leins. Von F. Fromme u. C. Rubner. (Münchner med. Wochenschr. 1913,
Nr. 11)
Die Verf. haben bei 120 nierengesunden Patientinnen die Ausschei-
dung des Phenolsulfonphthaleins kontrolliert und kamen dabei zu andern
Resultaten wie Geraghty und Rowntree und Autenrieth und Funk,
trotzdem die Technik die gleiche und das Kolorimeter das gleiche war.
Die Technik war folgende: Der Patient mußte 300—400 ccm Wasser
trinken und bekam dann nach 20—30 Minuten lccm des in Ampullen
fertig erhältlichen Phenolsulfonphthaleins injiziert. Es wurde streng darauf
geachtet, daß kein Tropfen der Flüssigkeit verloren ging, da dies das
Resultat bedeutend beeinflussen kann. Nach den früheren, oben genann-
ten Untersuchern waren nach 2 Stunden mindestens 60°/,, gewöhnlich
aber 60—85°/, ausgeschieden. Fromme und Rubner erhielten bei
0 Fällen im Mittel nach 2 Stunden 52.78°/, und nach 20 weiteren
Untersuehungen 50,6° bei intramuskulärer Injektion. Bei Beobachtungen
von 3 Stunden wurden in den allermeisten Fällen über 60°/, des inji-
zierten Mittels ausgeschieden, sogar bis 86°/,.. Die Werte schwankten
im ganzen recht stark, nach 2 Stunden zwischen 23 und 78, nach 3 Stun-
den zwischen 39 und 86°/,. Die Ansicht der Verf. geht nach diesen
Untersuchungen dahin, daß die Phenolsulfonphthaleinprobe bei intramusku-
lärer Anwendung absolut unsichere Resultate gibt. Bei intravenöser
Anwendung berechneten Fromme und Rubner bei 3stündiger Beobach-
Zeitschrift für Urologie. 1918. 45
680 Nieren und Harnleiter.
tungszeit 76°, als Durchschnittswert. In der ersten Stunde wurden bis
zu 60°, eliminiert, und in den beiden andern Stunden dann relativ
wenig, aber auch das Umgekehrte war der Fall; in der dritten Stunde
wurden jedoch nie mehr ausgeschieden als 15°;,. Die Verf. kommen
zu dem ÉEndresultate, daB die Versuche über die Ausscheidung des
Phenolsulfonphthaleins bei subkutaner und intramuskulärer Anwendung
sehr unsichere, bei intravenöser Anwendung dagegen konstante Resul-
tate liefern. Sie halten die Phenolsulfonphthaleinprobe für eine wich-
tige Bereicherung der nierendiagnostischen Methoden.
Brauser-München.
Funktionelle Nierenprüfung mittels Phenolsulfonphthaleins
nach Rowntree und Geraghty. Von F. Erne-Freiburg i. B. (Münchner
med. Wochenschr. 1913, Nr. 10.)
Verf. beobachtete seit längerer Zeit Patienten, die über Kopf-
schmerzen, Herzklopfen oder Druck in der Nierengegend klagten, bei
denen aber objektiv häufig nichts, gelegentlich Pulsbeschleunigung feit-
zustellen war. Neben diesen Fällen fand er aber solche, die bei den
gleichen Beschwerden Eiweiß in wechselnder Menge aufwiesen, so dab
die Vermutung nahe lag, es handle sich auch in den ersteren Fällen um
Nierenerkrankungen; bei genauerer Untersuchung konnte man zeitweise
auch Spuren von Eiweiß bei diesen nachweisen, und der Blutdruck bis
140 mm bei einigen schien auffallend hoch. Durch Autenrieth auf die
Nierendiagnostik mittels Phenolsulfonphthaleins aufmerksam gemacht, wen-
dete er die Methode ın einer Reihe von Fällen an. Die Technik selbst
übergeht er, betont nur, dab man außerordentlich exakt arbeiten müsse.
Vor der Untersuchung ließ er nur dann trinken, wenn aus irgendwelchen
Gründen zu erwarten war, daB die Sekretion spärlich sein würde. Eine
Nierenreizung oder sonstige Schädigung wurde nicht beobachtet, die intra
muskulären Injektionen sind schmerzlos. ŒE. wendete das Ph. bei Gesunden
und bei Nierenkranken an, worüber er verschiedene eingehende Tabellen
bringt. Bei Gesunden wurden in der ersten Stunde zwischen #7 und
68°, in zwei Stunden zwischen 74 und 85°, ausgeschieden, bei Motet:
kranken blieben die Zahlen oft weit hinter diesen zurück. Eine kleine
Anzahl schwangerer Frauen sind auf einer besonderen Tabelle vermerkt:
bei anscheinend gesunden Graviden liegt eine Abweichung von der Norm
insofern vor, als die Ausscheidung kleiner ist als normal, weshalb Verl.
vermutet, daß „sobald und solange der Uterus auf die Nieren drückt,
eine Störung in der Sekretion besteht“. Die Störung in der Ausschei-
dung des Ph. geht nach E.s Untersuchungen bei Nierenkranken nicht
parallel mit der des Eiweißes, wohl aber mit der Verminderung der
Atherschwefelsäure. Verf. betont, dab die Eiweißausscheidung ja nur
ein Symptom der Nierenläsion sei, und daß man am besten immer die
empfindlichsten Eiweibreagentien nehmen soll, z.B. Spiegler- oder Sullo-
salizvlsäure. Fr kritisiert dann noch die Arbeit von Fromme und
Rubner (Referat siehe oben!) und faßt seine Ansicht in einige Natze
zusammen: Die Methode ist ungefährlich, leicht ausführbar auch in der
Sprechstunde; die Bestimmung mit dem Autenrieth - Königsbergschen
Nieren und Harnleiter. 681
Kalorimeter ist einfach, genau, dauert 10 Minuten; die Resultate sind
zahlenmäßig mit anderen vergleichbar, wodurch sich Änderungen im
Funktionszustand leicht erkennen lassen. Die Methode zeigt Funktions-
störungen an, wo die Eiweißreaktionen im Stiche lassen. Die Grenze
der Ausscheidung bei gesunder Niere liegt (bei intramuskulärer Injektion)
bei 45°, nach einer Stunde und bei 70°/, nach zwei Stunden.
Brauser-München.
Some interesting results with the phenolsulphonephthalein
test. Von O. H. P. Pepper und J. H. Austin. (Amer. journ. of the med.
seienc., Febr. 1913.)
Die Verff. haben einige Fälle beobachtet, bei denen die für so ver-
läßlich gehaltene Phenolsulfophthaleinprobe versagte. In den drei ange-
führten Fällen (zwei Fälle von Nephritis, 1 Cystenniere) ging die Phenol-
sulfophthaleinausscheidung anstandslos vor sich.
von Hofmanu-Wien.
L’influenza della nefrectomia unilaterale sull’indice opsonico,
rispetto ai germi piogeni. Von Aurelio Poggiolini. (Il Policlinico
1912, 3.)
A.Poggiolini hat den Einfluß der einseitigen Nephrektomie auf den
opsonischen Index bei Eiterinfektion an Kaninchen geprüft; derselbe
zeigt bemerkenswerto Schwankungen, die in ihrer Verbindung eine
deszendierende Kurve geben. Das Herabsteigen der Kurve ist schon
nach 24 Stunden deutlich; einige Tage nachher wird das Heraligehen
durch ein Ansteigen unterbrochen, das eventuell höher ist als vor der
Operation, doch dauert dies nur einige Tage; wenn aber in Verbindung
mit dem Eingriff Eiterung auftritt, so kann das Ansteigen während
der ganzen Dauer der Eiterung sich fortsetzen. Der opsonische Index
kehrt nach 3 bis 4 Wochen zur Norm zurück, wenn das Tier nicht
vorher eingeht oder Eiterung zustande kommt.
Mankiewicz-Berlin.
Experimentelles über die Einwirkung einer lädierten Niere
auf die Niere der anderen Seite. Von Isobe. (Mitteil. a. d. Grenzgeb.,
d. Med. u. Chir., Bd. 27, H. 1.)
Verf. hat bei Tieren die A. oder V. renalis oder den ganzen Stil
unterbunden und die Einwirkung dieses Eingriffs auf die andere Niere
beobachtet. Wurde ein bis zwei Wochen nach der Ligatur die andere
Niere entfernt, so war sie bedeutend vergrößert und hyperämisch. Mikro-
skopisch fanden sich die Harnkanälchen stark erweitert und mit hyaliner
oder körniger Masse angefüllt. Die Epithelien derselben sind körnig
getrübt und teilweise desquamiert. Zehn Wochen nach der Ligatur sind
nur noch geringe Veränderungen in der anderen Niere bemerkbar, und
nach vier Monaten bietet die andere Niere ein ganz normales Aus-
sehen dar.
Diese parenchymatösen Veränderungen der anderen Niere sind nach
des Verf. Ansicht darauf zurückzuführen, daß die Niere nach der Liga-
45*
RR Nieren und Harnleiter.
tvr der Nekrose verfällt und dab durch Resorption der Zerfall-produkte
eine toxische Wirkung auf die andere Niere ausgeübt wird. Wenn mei
längerer Zeit die nekrotisierte Niere in ein verkalktes Knötchen umer-
wandelt ist und keine toxischen Substanzen mehr produzieren kann. so
erholt sich die andere Niere immer mehr bis zur vollkommenen Reti-
tution
Um zu zeigen, daß die zerfallene Nierensubstanz spezifisch toxisri
auf die Niere allein einwirkt, hat Verf. folgendes interessante Experiment
gemacht: Er schnitt bei 10 Kaninchen ein ebenso grobes Stück Leber
wie eine normale Niere heraus, versenkte es in die Bauchhühle uni
nepbrektomierte eine Niere. Nach verschieden langer Zeit exstirpierte
er die andere Niere und konnte feststellen, dab diese weder makroske-
pisch noch mikroskopisch abnorme Veränderungen aufwies.
F. Fuchs- Breslau.
0) Nephritis und Albuminurie.
Können wir die Nierenerkrankungen nach ätiologischen Ge-
sichtspunkten einteilen? Von Th. Fahr. (Virchows Archiv, 210. Be,
1912, S. 277.)
Vor einigen ‚Jahren wurde von F. Müller vorgeschlagen. die
Nierenkrankheiten nicht auf Grund ihrer morphologischen Basis, sondern
nach ihrer Ätiologie einzuteilen. F. hat nun seit einigen Jahren bei
sämtlichen in den Mannheimer städtischen Krankenhäusern zur Obduktion
gekommenen Fällen von Infektionskrankheiten die Nieren einer eingehen-
den mikroskopischen Untersuchung unterzogen. Es kamen zur Unter
suchung 47 Fälle von Streptokokkeninfektion. 15 Fälle von Scharlach
und Scharlachsepsis. 8 Fälle von Staphylokokkensepsis, 549 Fälle von
krupöser Pneumonie und Pneumokokkensepsis, 9 Fälle von Masern,
27 Fälle von Diphtherie. 13 Fälle von Typhus und 4 Paratyplusfälle.
+ Fälle von Bact. coli, 260 Fälle von Tuberkulose, ferner 8 Fälle von
Mischinfektionen. Was nun das Resultat dieser Untersuchungen betrifft.
so ergibt sich, dab die nach den vorschiedenen Infektionskrankheiten
auftretenden Nierenkrankheiten keineswegs einen so eigenartigen Charakter
darbieten, dab sich eine allgemeine ätiologische Einteilung darauf at,
bauen ließe. Man kann zwar von einer (C'holeraniere, vielleicht auch
von einer Scharlachniere reden, aber diese Einteilung ist z. B. het
Streptokokken- oder Pnenmokokkeninfektion nicht mehr durchführbar.
Noch schwieriger aber wie bei der akuten erscheint bei den chronischen
Nierenerkrankungen die ätiologische Einteilung. Es bleibt auch hier
nichts übrig. als bei morphologischen Gesichtspunkten zu verbleiben.
R. Kaufmann-Frankfurt a. N.
Kritisches zur Lebre von der Nephritis und den Nephro-
pathien. Von L. Aschoff, Freiburg i. Br. (Medizin. Klinik 1913, Nr. 1.
Die bekannte Diskussion über die Nephritis auf der Meraner Tagung
der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte ließ so recht die
großen Lücken erkennen, die sowohl auf anatomischer wie physiologisch-
klinischer Seite bezüglich unserer Kenntnisse der Nierenstörungen noch
Nieren und Harnlkeiter, 683
immer vorhanden sind. Es war eine natürliche Folge der umfassenden
und anregenden Refernte von Ponfick und Friedrich Müller, daß
nun von beiden Seiten das Problem mit erneuter Kraft angegriffen werden
würde. So groß nun auch die Fortschritte in dieser Hinsicht sind, so
sehr ist zu bedauern, daß die morphologischen und physiologischen Unter-
suchungen vielfach nebeneinander herlaufen, obne daß die zu lüsenden
ragen, soweit wenigstens die menschliche Pathologie in Betracht kommt,
für beide Seiten gleichzeitig präzisiert wären. So hebt Verf. hervor,
da6 in Gegensatz zu den patliologischen Anıtomen, welche drei große
Gruppen von Reaktionsvorgängen im Nierengewebe unterscheiden, die
pathologischen Physiologen, wenigstens Schlager und seine Mitarbeiter,
nur mit zwei Reaktionsformen, den vaskulären und tubulären, rechnen.
In vorliegender Arbeit versucht Verf., auf die zwischen den experimen-
tell-physiologischen und der anatomischen Forschung noch heute bestehen-
den Widersprüche aufmerksam zu machen, in der Hoffnung, daß dadurch
die gemeinsame Arbeit die beste Förderung finde. Kr.
The commoner forms of renal disease, with special reference
to the knowledge of them most useful at present to the general
practitioner. Von L. F. Barker. (The Amer. Journ. of the Med. Science.
Jan. 1913.)
In diesem für praktische Ärzte bestimmten Vortrage bespricht B.
eine Reihe von wichtigen Punkten aus dem Gebiete der Nierenpatho-
logie und -therapie, ohne etwas Neues zu bringen.
von Hofmann-Wien.
Les lésions du rein dans l’intoxication aiguë par le sublimé,
d’après une biopsie humaine. Von L. Nové- EE und R.Crémieu.
‘Lyon médical 1912, 30, p. 1029.)
Nové-Josserand und Crémieu haben (Gelegenheit gehabt, aus
eiuer seit 4 Tagen durch Sublimat vergifteten Menschenniere bei der
Nephrotomie ein Stück zu entfernen und diese Schnitte mit Schnitten
von der 2'/, Tage später kurz nach dem Tode erfolgten Autopsie zu
vergleichen. Beide Aıten Schnitte ergaben hyaline Nekrobiose, übrigens
übereinstimmend mit den experimentellen Ergebnissen bei Tieren. Die
Schädigungen treffen in stärkstem Maße das Epithel, respektieren nur
die Glomeruli und erreichen ihren Höhegrad in den gewundenen Harn-
kanälchen. Der Vergleich der Präparate ergibt nur eine graduelle Ver-
stärkung für die späteren Leichenpräparate; die Präparate der Lebenden
zeigten nur partielle, wenn auch erhebliche Epithelabschilferung, das
Leichenpräparat fast komplette; sie scheint weniger der Leichenfäulnis,
als der natürlichen Evolution zuzuschreiben zu sein. Die Anurio war die
Volge teils der Läsion des Parenchyms, teils der mechanischen Ver-
stopfung der Kanäle durch Zylinder. Dieser letztere Umstand recht-
fertigt vielleicht eine frühzeitige Nephrotomie bei Sublimatvergiftung,
deren Schwere man kaum beurteilen kann, zur Entleerung der Harn-
kanäle und zur Abscheidung von Urin aus etwa noch funktionsfähigem
Parenchbym. Darauf weisen auch hier in diesem späten Falle aufgefundene
Mitosen. Mankiewicz-Berlin.
654 Nieren und Harınleiter.
Über den sogenannten Fettinfarkt der Niere (Atherosklerose
des Bindegewebes). Ein Beitrag zu den Altersveränderungen der
Niere. Von J. E. Kayser-Petersen. Aus dem pathologischen Institut der
Universität Freiburg i. Br. (Dissertation, Freiburg i. Br. 1912.)
l. Fett findet sich beim sogenannten Fettinfarkt der Nieren-
papille:
a) ın den Epithelien der Marksubstanz (schon physiologisch unl
besonders bei Stauung, Tuberkulose und Karzinom);
b) in den Tunicae propriae primär und sekundär (von den Epi-
thelien oder dem Bindegewebe ausgehend). Ursächlich sind vielleicht
besondere Scehädlichkeiten anzunehmen:
c) Interstitiell in perikanalikulärer und perivaskulärer Anordnun..
meist bei allyemeiner Arteriosklerose, stets bei schwerer Arteriosklerose
der Nierenarterien, befördert durch Stauung und vielleicht Tuberkulose.
2. Der sogenannte Fettinfarkt ist cine Teilerscheinung der Alters-
veränderungen des Nierenmarkes: als solche sind zu bezeichnen:
a) die Atheromatose bzw. Atherosklerose genannte Verbreiterung
des Interstitiums mit sekundärer perikanalikulärer und perivaskulärer Ver-
fettung der Bindegewebsfibrillen oder der Kittsubstanz, wobei die Binde-
gewebszellen nur bei besonders schweren Fällen ergriffen werden, und
seltener sekundärer Verkalkung der fettig degenerierten Bezirke. Die
Atherosklerose der Nierenpapille beginnt schon im zweiten ‚Jahrzehnt und
wird zwischen 2U und 29 Jahren in 50°, zwischen 30 und 34 Jahren
in 60° D zwischen 40 und 49 ‚Jahren in 83" „, zwischen 50 und 59 Jahren
in 93°, und über 60 Jahre in 100°, der Fälle gefunden;
b) die Bildung von Zylindern, die Neigung zur Verfettung und
Verkalkung haben: bei Individuen über 50 Jahre werden Zylinder ın
80— 490°, der Fälle betroffen. Fricz Loeb-München
Experimentell erzeugte lokale Atherosklerose und ihre Be-
ziehungen zur Niere. Von Fritz Hildebrandt.: Dissertation, Heidel-
berg 1912.
Verf. hat versucht, an einem Gefäß (Carotis von Kaninchen bzw.
Hund) durch chemische Einflüsse (Jod, Scharlachöl und Chlorzink in
5°’ iger Lösung) atherosklerotische Veränderungen zu erzeugen. Am
sichersten wirken Jodpinselungen bei künstlich verengertem Gefäß. Da:
Bild der Atherosklerose war vom 20. Tage ab deutlich erkennbar. Nach
der Feststellung dieser lokalen Veränderungen hielt Verf. die Möglich-
keit für gegeben, den Einfluß dieser Veränderungen auf die Funktion
eines Organes zu studieren. Er wählte zu diesem Behuf die Nieren,
die als paariges Organ gute Vergleichsmöglichkeit bieten. Es wurden
energische Betupfungen der Nierenarterie mit Jod vorgenommen. (Ver-
suche an 7 Hunden und 7 Kaninchen.) Die Versuche an Hunden er-
gaben keine verwertbaren Resultate, während bei Kaninchen die Ver-
änderungen auch an der Nierenarterie äußerst charakteristisch waren und
den an der Carotis erzielten vollkommen entsprachen. Dabei war die
Funktion der Niere aber nicht gestört. Versuche mit Cantharidin er-
gaben jedoch einen erheblichen Unterschied in der Fuuktion der rechten
ee
. 7 av:
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h E © vz e
rt LS T Ki
Nieren und Harnleiter. 685
und linken Niere. Dieser Unterschied war um so größer, je mehr die
Nierenarterie atherosklerotisch verändert war. Aus seinen Versuchen
schließt der Autor, daß die Atherosklerose der Nierenarterie an und für
sich keinen nachteiligen Einfluß auf die Niere ausübt, daß diese aber,
sobald sie von einem schädigenden Agens getroffen wird, in ihrer Wider-
standskraft herabgesetzt ist, somit die Atherosklerose einen locus minoris
resistentiae schafft. Verf. glaubt auf Grund seiner Experimente nicht
recht an die Entwicklung einer Schrumpfniere durch Atherosklerose, da-
gegen scheint ihm die Annahme berechtigt, daß sich eine Schrumpfniere
daun entwickeln kann, wenn eine Entzündung das in seiner Blutversorgung
gestörte Organ betrifft. Fritz Loeb- München.
Lipurie bei chronischer parenchymatöser Nephritis. Von Dr.
Ridder. (Berl. klin. Wochenschr. 1912, Nr. 1.)
Bei der 19jährigen Patientin, deren Erkrankung Verfasser schildert,
trat im Anschluß und wahrscheinlich in ätiologischem Zusammen-
hang mit einer luetischen Infektion eine beiderseitige parenchymatöse
Nephritis auf, die einen chronischen Verlauf nahm, der zu Ödemen und
hartnäckigen Durchfällen führte. Auf salzarme, gemischte Milch-Brei-
Gemüsekost mit möglichster Flüssigkeitsbeschränkung und Einnahme von
Theocin in Dosen von 0,3 dreimal täglich hob sich die Urinmenge stark,
gleichzeitig bekam der Harn aber die für Lipurie charakteristische Be-
schaffenheit; auf seiner Oberfläche schwamm eine dichte Schicht von
mattglänzenden grauen Schollen und Platten, die in Wasser und Säure
unlöslich, in Ather und Chloroform leicht löslich waren; nach Zusatz von
Essigsäure und Erhitzen schmolzen die Massen zu Tropfen, um nach dem
Erkalten zu Nadeln und Büscheln zu erstarren. Unter dem Polarisations-
mikroskop zeigten sich freie Lipoide, bei einer späteren Untersuchung
u. a. auch Lipoidzylinder. Die Untersuchung des Blutserums ergab
keinen abnorm hohen Fettgehalt, demnach mußte das Fett aus den Harn-
organen selber stammen, und zwar war augenscheinlich durch das Theocin
eine starke Reizung des erkrankten Nierenparenchyms, die zur Lipurie
führte, eingetreten. Es ist bekannt, daß dieses Medikament bei Nieren-
kranken neben einer Vermehrung der Harnausscheidung manchmal
Steigerung der Albuminurie und Zylindrurie, ja sogar hämorrhagische
Nachschübe der Nephritis hervorruft; als das Theocin durch das Diuretin
ersetzt wurde, sank mit der Harnmenge auch sofort die makroskopische
Fettausscheidung, um mit der Anwendung des Theocins wieder anzu-
steigen; ein zweiter derartiger Versuch verlief ebenso, so daß wohl zweifel-
los das Tbeocin als Ursache der Lipurie anzusehen war.
Paul Cohn- Berlin.
Über akute syphilitische Nierenentzündung in der Früh-
periode. (Nephritis syphilitica acute praecox.) Von Prof. Dr. Erich
Hoffmann-Bonn. (Deutsche med. Wochenschr. 1913, Nr. 8.)
Hoffmann hat bereits 1902 einen Fall von Nephritis syphilitica
praecox so mitgeteilt, in der folgenden Zeit hatte er fürf weitere Fälle
beobachtet; über den zuletzt beobachteten berichtet er unter Vorstellung
(hl Nicren und Harnleiter.
des betreffenden Patienten eingehender in der Niederrheinischen Gesell-
schaft für Medizin und Heilkunde in Bonn (Sitzung am 18. November
1912). Der bis dahin gesunde 33 jährige Patient hatte Mitte Septen-
ber 1912 ein Ulcus. Ende Oktober stellten sich gleichzeitig mit dem
Exanthem Odeme an verschiedenen Körperstellen ein. Bei der Auf
nahme ins Krankenhaus waren deutliche Erscheinungen von Syphilis an
der Haut und der Schleimhäute nachweisbar, als Ursache der Ödeme des
Ascites des Hydrothorax ergab sich eine hochgradige Nephritis. In
Urin, der leider nicht per Katheter entleert wurde, lieben sich lebende
Spirochaten nachweisen. Unter einer vorsichtig geleiteten kombinierten
Quecksilber-Salvarsantherapie gingen alle Erscheinungen zurück und die
Nierenerkrankung heilte völlig ab.
Im Anschlu an die Krankengeschichte erörtert Hoffmann en-
gehender die Ursache, die Diagnose, die Therapie einer Prognose der
syphilitischen Nierenentzündung im Frühstadium und resumiert seine Aus-
tübrungen wie folgt:
„Die frühzeitige akute svplulitische Nierenentzündung ist eine seltene
Erkrankung: immerhin konnte H. bisher sechs schwere Fälle selbst
beobachten. Sie kennzeichnet sich nicht selten durch enormen Eiweib-
gehalt (3 —8—13".,) und wird am häufigsten in der Eruptionsperiode
mitunter schon vor der Roseola gesehen. Sie kann sich durch plitz
liches Auftreten von starken Ötdemen und Hydrope verraten oder aber
ganz unmerklich beginnen. Für ihre Diagnose ist der Befund von reich-
lichen Spirochätae pallidae im Sediment (Katheter. Harn) wertvoll. Zur
Behandlung genügt nicht die gewöhnliche Nephritistherapie, sondern Sal-
zarsan oder Quecksilber ist notwendig: es empfiehlt sich eine vorsichtig
einzuleitende Salvarsan-Hg-Kur, die nach H.s Erfahrung gut vertragen
wird und prompt wirkt.“
In der Diskussion zu dem Vortrage warnen Paul Krause und
jrube auf Grund ihrer Erfahrungen vor der Quecksilberanwendung bei
Nephritis syphilitica, es scheint aber zweifelhaft, ob es sich bei diesen
Füllen um die akute praecox-Form oder um eine Nephritis bei Syphilis
gehandelt hat. Die andern Diskussionsredner Doutrelepont, Esser
und Hauck haben bei vorsichtiger Anwendung des Quecksilbers nur
günstige Resultate gesehen. Ludwig Manasse- Berlin.
Spirochätenbefund im Urin bei Nephritis syphilitica. \on
K. Vorpahl- Lübeck. ‘Münchner med. Wochenschr 1912, Nr. 51.)
Nephritis syphilitica kommt sowohl im Frühstadium (N. praecva)
vor als in den späteren, tertiären. Als Anbaltspunkte für die Difereu-
tialdiagnose gegenüber anderen Nierenentzündungen gelten: stark post
tiver Wassermann, hoher Eiweibgehalt, Fehlen von Herz- und Gefäb-
kumplikationen und von Retinitis albuminurica. Schwieriger ist die
Entscheidung, ob Quecksilber angewendet werden darf. Bei den früheu
Fällen ist es ohne weiteres indiziert, bei den späten aber nur dann,
wenn es sich mit Wahrscheinlichkeit um eine frische luetische Aussaat,
nicht aber um einen sogenannten metaluetischen Prozeß handelt. Im letz-
ten Falle bringt Hi. nämlich häufix direkte schwere Verschlimmerungen.
——
Nieren und Haruleiter. 68:
Zur Entscheidung der Frage versuchte Verf. den Spirochätennachweis
im Urin heranzuziehen und er ist ihm auch in einem Falle akuter hä-
morrhagischer Nephritis bei einer vor 12 Jahren infizierten Frau ge-
lungen. Das Verfahren bestand einfach in der Anwendung der Tusche-
methode auf das stark zentrifugierte Sediment. Der Erfolg der einge-
leiteten Hg.-Behandlung war prompt, die Nephritis heilte völlig, ebenso
zwei gleichzeitig bestehende Rachengeschwülste. Verf. fordert zur Nach-
prüfung auf. Brauser- München.
Über orthotische Albuminurie und ihre Beziehungen zur Tu-
berkulose nach Untersuchungen bei Hautkranken, insbesondere
bei Hauttuberkulose und Syphilis. Von Arnold-Würzburg. (Münch.
med. Wochenschr. 1913, Nr. 9.)
Auf Grund seiner Untersuchungen, die, nebenbei bemerkt, für die
Patienten nicht allzu angenehm ‚gewesen sein müssen — sie mußten
jedesmal zur Urinprobe eine Stunde unter Kontrolle ruhig stehen und
bekamen auch vielfach ziemlich reichlich Alttuberkulin bis zur fieber-
haften Reaktion —, kommt Verf. zu folgenden Ergebnissen: Bei Haut-
krankheiten der verschiedensten Art inkl. Psoriasis ist eine orthotische
Albuminurie im allgemeinen nicht nachzuweisen. Bei frischer, noch
unbehandelter Syphilis mit Ausschluß von Allgemeintuberkulose wurde
orthotische Albuminurie in ungefähr 88°/, gefunden, dagegen bei Spät-
syphilis und im Latenzstadium nicht. Die Untersuchungen fanden an
Patienten der verschiedensten Lebensalter statt, so daß man die hier
gefundene orthotische Albuminurie nicht etwa als Pubertätsalbuminurie
auffassen kann. Die Schlüsse des Verf. sind folgende: Das Auftreten
von orthotischer Albuminurie ist für die Frühdiagnose der Tuberkulose
nur bedingt zu verwerten, es missen andere Allgemeininfektionen aus-
geschlossen sein. Die orthotische Albuminurie ist nur als ein Zeichen
einer chronischen Infektion bzw. Intoxikation anzusehen.
Brauser-Minchen.
Zur Pathologie der lordotischen Albuminurie. Von Karl Dietl]-
Wien. (Wiener klin. Wochenschrift, Nr. 7. 1813.)
Nach den Untersuchungen D.s kann man an der Theorie Jehles,
daß Lordose der Lendenwirbelsäule Stauung in den Nierenvenen und so-
mit Albuminurie hervorvorruft, festhalten, muß aber der Tätigkeit der
Nierengefäße eine wichtige Rolle zuerkennen. In therapeutischer Be-
ziehung ist daher die lordotische Albuminurie neben Korrektur der Lor-
dose durch Beinflussung. des Gesamtorganismus, also durch Maßnahmen
allgemeiner Natur zu bekämpfen. von Hofmann-Wien.
Über die Wirkung neuer Korrektionsversuche der Wirbel-
säule bei der orthotischen Albuminurie. Von L. Jehle. (Wiener klin.
Wochenschrift, Nr. 9. 1913.)
Korrigiert man die Lordose in der Weise, daB man das einə Bein
des Patienten im Hüft- und Kuiegelenk beugt und in dieser Position auf
eine erhöhte Unterlage stellt, so verschwindet die Albuminurie in kurzer
Inn Nicren GZ Har zer,
Zeit, Disse Tit-airne ist u. & auch darum wichtig. da sie es uns er-
m z.icht. in kürzer Zeit eine orbostatiscae A numirurie von einer nephri-
(Dep ZU trennen. von H«fmann-Wien.
Eine seltere Erscheinung auf der Haut einer Patientin mit
Niereninsuffzienz. Von Par:ır-Fruunend-rf b. Sertion. (Mäccheer ned,
Wechersore Nr An
Bei einer Patientin. die mit den Zeichen schwerster Niereninsuff-
zienz nierft war. wie Koma. Chevne-St.ke, grober Eiweidgehalt
u-w., zeigte sich am 3. Tage eine merkwürdige Hauterscheinung. Im
An-chiub an einen mäligen Schweibausbruch erschienen auf der Stim.
den Schief, an der Nase. am Halse, an der Brust bis zum Schwer-
furtsatz weite Kurnchen. die den Anschein erweckten, als sei die Patientin
mit Schnee bestreut. Die Körmchen lösten sich völlig in Essigsäure
und ergaben auf Zusatz von verdinnter Salpetersäure die Kristalle des
salpetersauren Harn-toffs. DaB dieser Vorgang als Versuch der Natur
aufzufassen Ist, die daniederiierende Nierenfunktion auf diesem Wege
zu ersetzen, darüber besteut wohl kein Zweifel. Die Sektion des Falles
ergab nichts Be-ondures. Brauser- München.
Le delire des albuminuriques dit folie brighthique est-il. à
proprement parler, une manifestation urémique? Von Froment,
Boulnd et Pilon. (Lyon médical 1913. 11. p. 5795
Die Autoren besprechen einen Fall von Geistesstörung bei einem
Nephritiskranken: polymorphes Delirium, Verwirrung, Katatonie, die
interinittierend auftritt und mit der Vermehrung des Eiweißgehaltes im
Urin einhergeht. Da sie aber bei wiederholten exakten Untersuchungen
weder Harnstoff (bzw. N.) noch Chlorretention im Blut gefunden haben,
glauben sie nicht an eine urämische Geistesstörung, sondern denken, wie
in vielen sogenannten urämischen Psychosen, an ein „intermittierendes
Hinken* der Hirnzirkulation in Verbindung mit allgemeinen Zirkulation
störungen und lokalen Gefäibläsionen. Mankiewicz-Berliu.
Crises appendiculaires chez un brighthique au ötat d’anasar-
que. Von Bovier. Nociété nationale de médecine de Lyon 21. I. 1913.
(Lyon médical 1913, 11, p. 559.)
Bovier bringt die interessante Krankengeschichte eines naclı frühe-
rem Scharlach an chronischer Nephritis, Ödemen und Anasarcee leidenden
18jährigen Färbers, der zweimal Perityphlitisanfälle erlitt; im ersten
Falle Eröffnung eines Abszesses im Becken durch das Rektum; 1m
zweiten Falle 2 Stunden nach Beginn des Anfalls Operation und Ent-
fernung des 10 cm langen, mit Blut gefüllten, ecchymotischen Appendix
und Entfernung enormer Mengen Ascites und Ödem. Heilung.
Mankiewicz-Berlin.
Zur Balneotherapie von Nierenleiden. Von E. Pflanz-Marienbad.
(Wiener klin. Wochenschrift, Nr. 3. 1913.)
Unter 100 von P. genau beobachteten Fällen kam es im Laufe der
Nieren und Harnleiter. 689
Marienbader Kur in 30 Fällen zum vollkommenen Verschwinden und in
59 Fällen zur Verminderung von Eiweiß. Zylinder konnten in 54 Fällen
zum Schlusse der Kur nicht mehr nachgewiesen werden und fanden sich
in 39 Fällen ia verringerter Anzahl und meist in günstigeren Formen
(granulierte an Stelle von epithelialen). von Hofmann-Wien.
Über Kombinationswirkung von Medikamenten bei der Be-
handlung der Herz- und Nierenwassersucht. Yon H. Strauß- Berlin.
(Therap. Monatsh., März 1913.)
Strauß hat bei zahlreichen Patienten, wo die Mischungen von
Disitalis-Diuretin oder Digitalis-Kalomel versagten, durch die gleich-
zeitige Anwendung der Kombination einer ganzen Reihe von Herztonicis
und -diureticis wirkungsvolle, bisweilen überraschende Eutwässerungen
erzielt. Das angewandte Rezept lautete:
Rp. Inf. e fol. Digit. titr. 1,0
Bulb. Scillae 5,0, cum aq. dest,
adde: Diuretin 10,0
Tinct. Strophanti 3,0
Spartein. sulf. 0.1
Sir. Juniperi ad 180,0
MDS. 4mal tägl. 1 EBI.
In den letzten Jahren wurde das schwer lösliche Diuretin durclhı
das leicht lösliche Euphyllin (2,5 g) ersetzt. Wegen Dyspepsieerregung
ist die Mixtur meist auf vollen Magen gegeben worden. Zur rektalen
Anwendung dient:
Rp. Infus. e fol. Digit. titr. 1,0
Bulb. Seill. 5,0, c aq dest. 150,0
Eupbyllin, Tinct. Strophanti aa 2,5
Spartein. sulf. 0,1
Tet. Opii simpl. 1,0
Mucilag. Gummi arab. ad 180,0
MDS. 2mal tägl. 2 EBl. als Klysma.
Der Verf. hat den Eindruck, daß es sich hier nicht nur um eine
reine Additionswirkung handelt, sondern daß die Wirkung größer ist als
die ‘Summation der Wirkung der einzelnen Teile. Die Rezepte wirkten
noch in Fällen, in denen alle anderen Mittel versagten. Ist dies jedoch
der Fall, dann ist die Prognose des Falles eine ernste, da das Herz oder
die Nieren nicht mehr anspruchsfähig sind. Die Mischungen sind also
auch von prognostischer Bedeutung. N. Meyer-Wildungen.
Hydropyrin-Grifa, ein neues Salizylpräparat, und seine Wir-
kung auf die Nieren. Von Josef Burger. Arbeiten aus der medizinischen
Veterinärklinik der Univ, Gießen. Dissertation, Gießen 1912.
Über Hydropyrin-Grifa sind eine Reihe von Veröflentlichungen er-
schienen, die den Nachweis bringen, daß es sich um eine wertvolle und
vertrauenswürdige Neueinführung handelt. Das Präparat hat den großen
Vorzug der Leichtlöslichkeit in Wasser, es läßt sich daher nicht nur in
Pulverform, sondern auch in Lösungen geben und auch gut mit anderen
690 : Nieren und Harnleiıter.
Medikamenten kombinieren. In seiner therapeutischen Wirkung dürfte
es dem Aspirin gleichwertig sein. Nebenwirkungen sind aber bei Hydro-
pyringebrauch bedeutend seltener als bei Aspiringebrauch: es können
daher höhere Dosen längere Zeit hindurch ohne Schaden verahfolgt
werden. Auf die Nieren wirkt das Hydropyrin erst in größeren Galen
und bei längerem Gebrauche schädirend ein. Die Reizerscheinungen
sind auch dann nur gering und verschwinden meist nach wenigen Tigen
— selbst bei Fortdauer der Medikation — wieder.
Fritz Loeb-München.
Action de l'urée sur la sécrétion rénale dans les cas d'oli-
gurie. Von G. Picot. (Journ. d’Urol. Tome II, No. 2, 1912.)
la 3 Fällen von schwerer Oligurie hat sich die innerliche Dar-
reichung von Harnstoff als Diureticum bewährt. Es erfolgten danach
mehr oder minder anhaltende reichliche Urinentleerungen.
Die früheren Mißerfolge der Harnstofimerikation beruhen wahrschein-
lieh auf zu kleinen Dosen: Vf. lieb 25. Harnstoff in einer Tasse Milch
gelöst auf einmal oder in kleinen Abständen einnehmen. Er emphelilt,
den Harnstoff besonders für die postoperative Anurie und Öligurie, wel-
che man mit Theobromin vergebens zu bekämpfen versucht. Hier kann
die Harnstoti-Medikation vielleicht eine Lücke in unserer Therapie wirk-
sam ausfüllen. A. Citron- Berlin.
Über die Wirkung von Adrenalin bei akuten experimentellen
Nephropathien. Von L. Heb und J. Wiesel, (Wiener klin. Wocheuschnit
Nr.9. 1915.
Die Verf. kommen auf Grund zahlreicher Versuche zum Schlusse,
dab es möglich ist, Kaninchen, bei denen durch intraperitoneale Injek-
tion von Uranylnitrat eine schwere Nephritis erzeugt wurde, dureh gleich-
zeitige Adrenalininjektionen, sofern letztere vor Auftreten der Anurie
gegeben werden, am Leben zu erhalten, wenn auch die vielfache Menge
der sonst unbedingt tödlichen Dosis Uran verabreicht wied. Gleichzeitig
beobachteten die Verf. ein Absinken der EiweiBmengen und ein Steigen
der Diurese als Zeichen einer funktionellen Besserung, wihrend anato-
misch keine Besserung eintritt. von Hofmann-Wien.
p) Harnleiter.
Über akzessorische Harnleiter. Von Dr. A. Pawloff. Assistent
der chir. Klinik der kaiserl. militär-mediz. Akademie in St. Petersburg. (Deutsche
Zeitschr. f. Chir. 1013. Bd. 121, H. 5-6)
Eine Verdoppelung der Ureteren ist keine sehr seltene Erscheinung:
doch ist ein jeder Fall von Verdoppelung der Ureteren von Interesse.
In dieser Annahme berichtet Verf. über 6 ın der Prof. Fedorvffschen
Klinik beobachtete Fälle Im Anschluß darau bespricht Verf. die ana-
tomischen Verhältnisse, Bedeutung und Therapie der Verdoppelung der
Harnleiter: In allen Fällen von verdoppelten Harnleitern, sogar bei den
unvollständigen, sind zwei Nierenbecken vorhanden. Diese liegen über-
einander und sind durch eine aus Nierengewebe bestehende Scheidewand
Nieren und Harnleiter. 691
voneinander getrennt. Der Hilus beider Nierenbecken liegt an der nor-
malen Stelle. Die untere Harnleiteröffnung in der Blase entspricht dem
oberen Nierenbecken. Der Harnleiter des oberen Nierenbeckens verläuft
auf dem Wege zur Blase medianwärts und kreuzt sich ein oder mehrere
Male mit dem anderen Harnleiter derselben Seite. Die akzessorischen
Harnleiter bilden die Ursache verschiedener Nierenerkrankungen, von
leichter Pyelitis bis zu Pyelonephritis. Die akzessorischen Harnleiter als
solche bedürfen keiner Behandlung. Die durch verdoppelte Harnleiter
hervorgerufenen Erkrankungen werden je nach den Umständen durch Re-
sektion des affızierten Teiles oder der ganzen Niere geheilt. Kr.
q) Nebennieren.
Capsule surrenali ed interventi operatori sul rene. Von L.
Pizzagalli. Societa Lombarda di sciensi mediche 3. II. 1913. ‘La clinica
chirurgica, März 1913, p. 669.)
L. Pızzagallı hat bei Eingriffen an der Niere Veränderungen an
der Nebenniere gefunden, und zwar bei Nephrektomie und Entkapselung
der Niere (refäßveränderungen, bei Nephrotomie vorwiegend Zellverände-
rungen; letztere bestanden in Vakuolenbildung, Granulierung unregel-
mäßiger Art und regressiven Veränderungen der Kerne, Diese Ver-
änderungen müssen in Beziehung zur Unterbindung des Nierenstieles,
Vermehrung des arteriellen Druckes, Wirkung der toxischen Substanzen
wegen der Verminderung des normalen Ausscheidungsgebietes, Absorp-
tion der Abbauprodukte der Niere und Eintritt von Hypertension er-
zeugenden Substanzen in den Kreislauf gebracht werden. Ferner kann
man annehmen, daß funktionelle Hyperaktivität der Nebennieren diese
Reaktion hervorruft. Mankiewicz-Berlin.
Über einen extrarenalen Nebennierentumor. Von Dr. Heiurich
Harttung, Assistenzarzt der chir. Abt. des Allerheiligen- Hospital zu Breslau,
(Beiträge zur klin. Chir. 1913, 83. Bd., 1. Heft.)
Die Nebennierengeschwülste gehören zu denjenigen Tumoren, welche
uns klinisch-diagnostisch noch große Schwierigkeiten bereiten und infolge-
dessen am Lebenden nur sehr selten richtig erkannt werden. Die ihnen
etwa spezifisch zukommenden Symptome können unter Umständen ganz
geringe sein, um so mehr bieten sie verschiedenartige Erscheinungen,
die leicht zur Verwechselung mit anderen Tumoren Anlaß geben. Dies
lag auch bei dem vom Verf. berichteten Fall vor, der unter der Dia-
gnose Pylorustumor zur Operation kam, weil die klinischen Erscheinungen
einos solchen außerordentlich im Vordergrunde standen. Eine Besonder-
heit des Falles bestand darin, daB es sich, wie die Operation ergab, um
eine von einem versprengten Nebennierenkeim ausgehende Geschwulst
handelte. Die ersten Symptome lagen über 3 Jahre zurück. Patient
bemerkte zunächst Schmerzen in der Magengegend; diese waren aber
nicht konstant, sondern traten in Intervallen auf und stellten sich öfters,
meist im Anschluß an eine Mahlzeit ein. Dazu trat später Appetit-
losigkeit, die Schmerzen verloren sich zuweilen ganz, um dann mit eı-
692 Nieren und Harnleiter.
neuter Heftigkeit wieder einzusetzen und sich mehr unter dem rechten
Rippenbogen zu lokalisieren. Auffallend und gerade für die Diagnose
nicht obne Belang war nun die Angabe, daß sich in den letzten Wochen,
bevor Pat. ın Behandlung kam, Aufstoßen nach dem Essen hinzugesellte.
Bemerkenswert ist fernerhin die Angabe, daß er in letzter Zeit auch
stechende Schmerzen in der rechten Flankengegend wahrgenommen habe,
die nach der rechten Beckenschaufel zu ausstrahlten, und welche eben-
falls einen intermittierenden Charakter gehabt hätten. Im Vordergrunde
des klinischen Bildes standen also außer dem unter dem rechten Rippen-
bogen palpabeln Tumor Magenerscheinungen, die auf einen stenosierenden
Tumor des Pylorus binwiesen. Für einen solchen sprach zunächst auch
die Lage der Geschwulst; dafür sprachen fernerhin die erheblichen Rück-
stände, die nüchtern nach reichlich genossener Mahlzeit aus dem Magen
gewonnen wurden. Nach der Entfernung der Geschwulst sind diese Fr-
scheinungen nicht mehr aufgetreten. Der Tumor lag dem Duodenum
dicht an, war aber ohne Schwierigkeiten von diesem zu lösen. Es liegt
die Annahme nahe, dab der Tumor in gewisser Weise einen Druck auf
die seitliche Duvdenalwand ausgeübt und so zu einer Verengerung des
Iumens geführt hatte. Allerdings stände mit dieser Annahme der Une
rationsbefund nicht im Einklang. Andererseits muß in Betracht gezogen
werden, daB der Magendarmkanal des Pat. vor der Operation gründlich
entleert worden war und dab das Duodenum bei der Operation in ganz
erschlafftem Zustande sich befand. Wenn nun der Magen nach einer
Mahlzeit sich gefüllt hatte, die Entleerung desselben vonstatten ging, so
wurde der Pylorus samt Duodenum in einen gewissen Füllungsgrad ge-
bracht: dieser aber konnte eine gewisse Grenze nicht übersteigen, weil
der seitlich gelegene Tumor einen Widerstand entgegensetzte und so ge-
wissermaßen eine Kompression auf den arbeitenden Pvlorus und das
Duodenum ausübte. So war die Magenentleerung behindert. Dazu
kommt, daß der Cbemismus des Magens ebenfalls einen pathologischen
Befund bot, denn es fehlte die freie Salzsäure, die Gesamtazidität war
stark herabgesetzt. So war fernerhin die Verarbeitung der Speisen im
Magen erschwert. Nimmt man alle diese Faktoren zusammen, so wird
man eine genügende Erklärung für das Aufstoßen, die Rückstände xe-
funden haben, und es wird verständlich, daß auf Grund dieser Erschei-
nungen die Diagnose auf einen Pylorustumor gestellt wurde. Unter-
stützung schien die Diagnose Magentumor durch Nachweis von Blut im
Stubl zu finden. Der Urin enthielt Eiweiß in geringer Menge. ver-
mehrte Anzahl von Leukozyten, jedenfalls aber keine Erythrozyten, und
dieser Befund im Urin ist gut durch den Operationsbefund besrindet,
denn der Tumor hatte nirgends auf die Niere übergegriffen, und so fehlte
vor allen Dingen in vorliegendem Falle die Hämaturie. Die Kachexie
war nicht ausgesprochen, es fehlte jede Pigmentierung der Schleimhäute,
wie der Haut. auf welche nach gestellter Diagnose noch einmal beson-
ders gefahndet wurde. Sehr bemerkenswert waren die Schmerzen. die
zur die eine Deutung zulassen, daß die Neubildung auf den Plexus
Jumbalis einen Druck ausgeübt bat. Kr.
Nieren und Harnloiter. 693
Grand kyste de la capsale surrénale droite. Von Riche.
(Société nationale de chirurgie. Mai 1912. Archives générales de chirurgie
1912, 8.)
Riche operierte dringend einen 27 jährigen Mann an einem seit
2 Jahren schmerzhaften Tumor der rechten Seite, der sich plötzlich ver-
schlimmert hatte. Mehr als ein Liter braune Flüssigkeit wurde entleert.
Bei einem wegen Wiederauftreten des Tumors und der Schmerzen er-
forderlichen neuen Eingriff große fluktuierende adhärente Cyste mit 2]
trüben Inhalt, der 4,87 g Harnstoff und 4,93 g Kochsalz enthält. Tabaks-
beutelnaht, Drainage. Geringer Ausfluß aus der 80 ccm fassenden Höhle
besteht noch. Wahrscheinlich Nebennierencyste.
Mankiewicz- Berlin.
Note sur un grand kyste de la capsule surrénale. Von
P. Bourcy und F. Legueux. (Journ. d’Urol., Tome I, No. 2, 1912.)
Ein cystisches Lymphangiom der Nebennieren, ausgezeichnet durch
enorme Größe, reiht sich den bisher veröffentlichten 14 Nebennieren-
cysten an. Die Operation verlief letal, so daß die Autoren den Fall
aufs genaueste pathologisch-anatomisch durcharbeiten konnten. Die Dia-
gnose war sehr schwierig und war irrtümlicher Weise auf Hydatiden-
cyste der Milz gestellt worden. Die Operation wurde auf dem vorderen
abdominellen Wege gemacht. A. Citron-Berlin.
Ein Fall von Nebennieren-Apoplexie. Von R. Waterhouse-
Bath. (Lancet, 4. März 1911.)
Bei einem 8 Monate alten männlichen Kinde, das plötzlich mit
Fieber, schnellem Puls und hoher Respiration erkrankt und binnen wenigen
Stunden zugrunde geht, finden sich bei genauer Autopsie neben einer
ausgedehnten Kongestion und einem Ödem der Lungen Blutextravasate
in Rinden- und Marksubstanz der Nebennieren. Die Ursache ist un-
bekannt. Verf. hält die Annahme von Völcker und von Andrews
für wohl möglich, daß es sich in solchen Fällen, von denen in der Literatur
bisher 15 bekannt geworden sind, um rasch tödlich endende hämorrha-
gische Pocken handelt. W. Lehmann- Stettin.
Ein Fall von geheiltem (?) Morbus Addison. Vou Dr. Tesche-
macher-Neusnahr. (Deutsche med. Wochenschr. 1913, Nr. 10.)
Die Heilung eines Falles von Addisonscher Krankheit ist bisher
nicht beobachtet worden, wohl aber Stillstände und Remissionen; mit
Recht versieht Teschemacher in der Überschrift das Wort geheilt mit
einem Fragezeichen. Es handelt sich um ein 54 Jahre altes Fräulein,
das der Verfasser im Juni 1910 zuerst sah und bei dem er auf Grund
der Symptome Morbus Addison diagnostizierte. Die Pigmentierung war
noch nicht sehr stark, nahm aber nach der Rückkehr der Patientin in
ihre Heimat noch sichtlich zu. Die Patientin erhielt abwechselnd Ad-
renalin und Levikowasser längere Zeit. Nach einem Jahr verbesserte
sich das Allgemeinbefinden und alle Symptome gingen langsam zurück.
694 Kritik.
Sechs weitere Monate hielt der günstige Zustand an. Ob es sich nun
um eine vorübergehende Besserung oder eine definitive Heilung handelt,
kann erst der weitere Verlauf zeigen. Ludwig Manasse-Berlin.
Il. Kritik.
Operative Gynäkologie. Von Döderlein und Krönig. II. verh.
und verm. Aufl. Mit 419 teils farbigen Abbildungen und 15 farbigen Tafeln.
Leipzig. Verlag von Georg Thieme. Geb. M. 34.—.
Pie dritte Auflage dieses ausgezeichneten Werkes hat eine wesent-
liche Erweiterung dadurch erfahren, dab die Verf. die Grenzgebiete,
die für die Gynäkologie in operativer Hinsicht in Frage kommen, ein-
gehend behandelt haben. Unter diesen ist es vor allem das große (rebiet
der „weiblichen Abdominalchirurgie”, das in weitestem Umfange berück-
sichtigt wird. Dio Appendicitis. die Magen- und Darmchirurgie, Opera-
tionen am Mastdarm und bei Gallensteinen werden in besonderen Ka-
piteln behandelt. Die Technik der Darmanastomosen wird bei der Be-
sprechung des Ileus eingehend erörtert. Besonders hingewiesen sei auch
auf die knappe, für den Gynäkovloren durchaus hinreichende Darstellung
der Blasen-, Ureteren- und Xierenchirurgie. — No ist das Buch über
den Rahmen seines Titels binausgewachsen und bringt all die Opera-
tionen der groben Chirurgie und operativen Urologie, deren Beherrschung
für den Frauenarzt nötig ist, um ihnen, wenn sie im Verlaufe einer gyni-
kologischen Operation sich als geboten herausstellen, nicht hilflos gegen-
überzustehen. Oelsner.
Berliner
urologische Gesellschaft.
Sitzung
Dienstag, den 1. Juli 1913, abends 8 Uhr.
Tagesordnung:
1. Herr H. Lohnstein: Kurze Demonstration.
2. Herr L Casper: Zur endovesikalen Behandlung der Blasengeschwülste.
(Kurze Mitteilung.)
3. Die Bildung der Harnsteine.
Referent: Herr C. Posner.
Korreferent: Herr Lichtwitz (Göttingen) a. G.
Vorsitzender! Herr L. Casper.
Schriftführer: Herr Arthur Lewin.
Zeitschrift für Urologie. 1913. 46
Vorsitzender:
Meine Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Das Protokoll der vorigen Sitzung liegt gedruckt vor; Einwen-
dungen sind dagegen nicht erhoben worden.
Ich begrüße zunächst Herrn Professor Lichtwitz aus Göttingen
als Gast und heiße ihn herzlich willkommen.
Wir haben noch ein paar geschäftliche Angelegenheiten zu
erledigen. i
Es hat vorhin eine Reihe von Neuaufnahmen stattgefunden;
Sie finden die Namen der Betreffenden auf dem Zettel verzeichnet.
Es waren zur Aufnahme vorgeschlagen die Herren Dr. Klister,
Dr. Wasserthal, Dr. Emil Konrad, Dr. Victor Steiner,
Dr. Sialoff, Dr. E. Pfister und Dr. Louis Vargas. Sämtliche
Herren sind heute aufgenommen worden.
Dann, m. H., hat Her Bockenheimer ein Schreiben an uns
gerichtet:
„Ich erkläre hiermit meinen Austritt, da ich durch Arbeits-
überlastung nicht in der Lage bin, an den Sitzungen der
Gesellschaft teilzunehmen.“
Ferner lag dem Vorstande ein Antrag des Herrn Kollegen
Mankiewicz vor. Derselbe schreibt:
„Wie ich soeben erfahre, verlegt Herr Geh.-Rat Professor
Trendelenburg seinen Wohnsitz nach Berlin. Ich beantrage,
denselben wegen seiner Verdienste um die Urologie (Becken-
hochlagerung, Blasenektopie u. a. m.) zum Ehrenmitglied
unserer Gesellschaft zu ernennen.“
Der Vorstand hat das einstimmig beschlossen, und ich frage, ob
hier im Plenum ein Widerspruch dagegen erhoben wird. Das ist
nicht der Fall. Demnach ist Herr Trendelenburg zum Ehren-
mitgliede der Gesellschaft ernannt worden. Ich bitte den Herrn
Schriftführer, ihm davon Mitteilung machen zu wollen.
Damit wären die geschäftlichen Angelegenheiten erledigt. Wir
treten in den wissenschaftlichen Teil ein, und ich möchte unser
Ehrenmitglied Herrn Israel bitten, den Vorsitz zu übernehmen.
(Herr Israel übernimmt den Vorsitz.)
Herr Israel:
M. H., ich folge dieser Aufforderung mit besonderem Vergnügen
und danke Ihnen für das mir erwiesene Vertrauen. |
Dann würde ich zunächst Herrn Lohnstein bitten!
46*
Kurze Demonstration.
Von
H. Lohnstein.
(Erscheint unter den Originalien.)
Vorsitzender:
Wünscht einer der Herren das Wort dazu? — Herr Freu-
denberg!
Diskussion.
Herr A. Freudenberg: M. H., auch meiner Überzeugung nach ist es wahr-
scheinlich, daß hier ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Lrinretention
und dem Verschluß des Hyınens bestanden hat, aber absolut sicher ist es
nicht. Dareren könnte sprechen, dab das Kind bereits zwei Jahre vorher,
also zu einer Zeit, wo es noch keine Menstruation gehabt hat, Blasenerschet-
nungen gezeigt hat, die vielleicht auch schon auf Retention zurückzuführen
waren,
Ich möchte in diesem Zusammenhange einen Fall erwähnen, den ich vor
kurzem aus meiner Klinik entlassen habe, und der ein 9jähriges, körperlich
und seistir vut entwickeltes und keineswers besonders nervöses Mädchen be-
trifft. Das Kind hatte seit mindestens drei Jahren Blasenheschwerden, mit
trübem, stinkendem Urin und inkompletter Harnverhaltung von sehr wecselu-
der Intensität, bis zu 250 eem Residualurin: cystoskopisch bestand ein:
ausgesprochene Trahekelblase mit stellenweise Übergang in Divertikel-
bildung. Der Fall beweist, daß beim weiblichen Kinde Urinretentionen Yun
kommen, deren Ätiologie nicht ohne weiteres klar ist. Es war klinisch keine
sichere Ursache (ler Retention zu finden, nur fiel bei dem Einführen von In-
strumenten auf, daß sie das Orificium internum urethrae mit einem deutlichen
Ruck passierten: aber cystoskopisch war daselbst nichts Abnormes Ba EN
Das Kind wurde mit Bougieren, bis zu Nr. 46 Beniqué St also a a
einer für ein jährizes Kind recht hohen Nummer —, und gleichzeitig d
Blasenspülunsen behandelt, wobei der Urin klar wurde, die Retention ver-
schwand und auch der Widerstand am Orifieium internum für das ES
von Instrumenten aufhörte, so daß das Kind völlig beschwerdefrei geworden.
Ob das freilich von Dauer sein wird, muß abgewartet werden. nur
Ich habe angenommen, dab es sich um einen Spasmus des A
vesicae handelt, und dal dieser reflektorischer Natur sein könnte, und ich d JE
daran gedacht, dab der teflex vielleicht von einem Stein in den on
Ureteren ausging. Aber Röntrenaufnahmen beider Nieren und beider on
haben nichts Derartives ergeben. so daß der Fall ätiologisch nicht geklärt worden.
Diskussion. 699
Vorsitzender:
Wenn niemand weiter das Wort wünscht, dann bitte ich Herrn
Lohnstein!
Herr Lohnstein (Schlußwort): In dem stringenten Sinne, wie Herr Freu-
denberg es verlangt, ist natürlich nicht der Nachweis zu führen, daß die
Harnretention die Folge der Gynatresie in meinem Falle gewesen ist. Wenn
er Jedoch als Gegengrund für die Wahrscheinlichkeit des kausalen Zusammen-
hanges beider Affektionen die Tatsache anführt, daß die Patientin bereits seit
zwei Jahren an ähnlichen, wenn auch abgeschwächten Symptomen gelitten hat,
so muß ich meinerseits gerade diesen Umstand als besonders beweiskräftig für
meine Auffassung in Anspruch nehmen. Denn diese periodisch auftretenden,
an Intensität seit zwei Jahren zunehmenden Harnbeschwerden kaun man
mangels jeder anderen Erklärungsursache doch nur so deuten, daß die Men-
struation etwa im 12. Lebensjahre der Patientin begann, der infolge der
(rynatresie sich allmählich ausbildende Hämatokolpos immer größer wurde und
die Richtung der Harnröhre immer mehr verzerrte.
Vorsitzender:
Wir können nunmehr zum zweiten Gegenstand der Tagesordnung
übergehen.
Ich bitte Herrn Casper, das Wort zu nehmen.
Zur endovesikalen Behandlung der Blasen-
geschwülste.
(Kurze Mitteilung.)
Von
Prof. Dr. L. Casper.
Hatte es sich früher in der Frage der Behandlung der gut-
artigen Blasengeschwülste meist darum gehandelt: ob Sectio alta
oder endovesikale Abtragung, so bewegt sich, seitdem die letztere
Methode sich immer zahlreichere Freunde erworben hat, die Dis-
kussion mehr um das Thema: Welche Art der endovesikalen Therapie
ist vorzuziehen?
Der Vortrag von Beer aus New York stellte die Behandlung
der Blasentumoren mit Hochfrequenströmen als sehr verlockend hin,
und diesem günstigen Urteil haben sich eine Reihe anderer Forscher
angeschlossen. Auch ich selbst verbinde seit der Zeit mit meiner
alten Methode das Thermopenetrationsverfahren und könnte manches
Gute darüber berichten.
‚Doch ist heute dafür nicht die Zeit. Ich wollte nur einen
Punkt berühren, den sogleich den Fachkollegen mitzuteilen mir
wichtig scheint. Ä
Es wurde als einer der Vorzüge der Hochfrequenzmethode Be
rühmt, daß nach ihr keine Blutungen vorkämen, wie sie sich
nach anderen Verfahren zuweilen einstellen. |
Nun habe ich vor zwei Monaten einen Fall beobachtet, in e
es nach Anwendung der Thermopenetration eines gutartigen Tumors
zu schwerer Nachblutung kam.
Der Kranke hatte ein pflaumengroßes, über dem linken Ureter
sitzendes Papillom, das ich in einigen Sitzungen mit meiner nn
abgetragen und mittelst Diathermie verschorft habe. Dies verlie
ohne Zwischenfälle. Am 2. Juni nun verätzte ich die Basis mit dem
Thermopenetrationsapparat in derselben Art, die ich schon emg®°
= Lee.
Be
Zur endovesikalen Behandlung der Blasengeschwülste. 701
Male vorher bei diesem und bei anderen Kranken angewendet hatte,
ohne daB irgendeine Störung erfolgt wäre.
Diesmal aber trat 36 Stunden nach der Sitzung eine ganz ge-
waltige Blutung ein, die zu dem bekannten Krankheitsbild — Ver-
stopfung der Blase mit dicken Coagulis, Harnverhaltung, unablässige
Blasenkrämpfe — führte. Ein dicker Verweilkatheter und Aus-
pumpen der Gerinnsel brachte eine Linderung der Beschwerden.
Die Blutung sistierte am Tage darauf.
Da die Blutung erst 36 Stunden nach der Operation aufgetreten
ist, so handelte es sich um eine Spätblutung, die durch Loslösen
des Koagulationsschorfes entstanden ist. So bewahrheitet sich, was
ich immer gesagt habe, daß es für die Frage einer Spätblutung irre-
levant ist, wie man den Tumor intravesikal beseitigt. Ob kalte
oder heiße Schlinge, ob Oudinsche Ströme oder Thermopenetration,
ob unipolar «der bipolar, man wird nie verhüten können, daß beim
Loslösen des Schorfes ein Gefäß berstet.
Bemerkenswert ist, daß Schneider (Brückenau) dieselbe Er-
fahrung gemacht hat. Er teilt in einem Aufsatz, der in einer der
nächsten Nummern der Zeitschrift für Urologie erscheinen wird,
einen Fall mit, in welchem eine enorm schwere Blutung zwei Tage
nach der Hochfrequenzstromanwendung aufgetreten war.
Dieses Vorkommnis scheint ja glücklicherweise selten zu sein
und tut der Methode keinen Abbruch. Eine Blutung aber verhin-
dert sie nicht. Ihre Stärke liegt in einem anderen Punkte, auf den
ich bei nächster Gelegenheit zurückkommen werde.
Zusatz bei der Korrektur.
Von einem Diskussionsredner wurde geltend gemacht, daB
Blutungen leichter auftreten, wenn man statt der Koagulation eine
Nekrose setzt, wenn man die Funken auf das Gewebe überspringen läßt.
Im besprochenen Falle wurde der Sondenknopf in das Gewebe
versenkt, wie wir es stets tun, so daß es nicht zur Funkenbildung
in der Blase kommt. Der Einwand trifft also nicht zu.
Im übrigen treten Spätblutungen — und nur von solchen ist
die Rede — ebensogut bei Loslösung des Koagulationsschorfes wie
des Nekrosenschorfes auf. Koagulation und Nekrose sind nur gra-
duelle Unterschiede, in beiden Fällen ist das Gewebe tot, in beiden
Fällen kann daher, wenn das tote Gewebe abgestoßen wird, ein
darunter sitzendes Gefäß lädiert werden.
102 Diskussion.
Diskussion.
Herr Bucky ʻa. Go: M. H. ich habe Gelegenheit gehabt, mit Herrn Kol-
leven Frank eine Reihe von Fällen mittels Diatherinieströmen zu openeren.
Es ist nicht zu verlangen, daß die Methode jede Nachblutung verhindert, wie
es ja auch zu viel verlangt sein würde, wenn man diese Forderung bei sonstigen
operativen Methoden stellte, Trotzdem glaube ich, dab man in der Anwendung
der Diatherinieströme eine ziemliche Übung haben muß, bevor man wirklich
die gesamte Technik der Methode beherrscht.
Ich habe schon in meiner Arbeit mit Herrn Dr. Frank darauf hinge-
wiesen, dab man bei der Anwendung der Diathermieströme zwei verschiedene
Effekte erzielen kann, nämlich erstens eine Nekrose und zweitens eine Koaru-
lation der behandelten Gewebe. Ich habe auch Gelegenheit gehabt, mit Herm
Professor Borchardt Operationen zu machen, die nieht im Innern des Kor-
pers, sondern an äuberen Körperteilen stattfanden. Dabei hat sich immer ge-
zeigt, dab man Nachblutungen bekommen kann, und zwar unter Umständen
sehr heftire, wenn man eine Nekrose erzielt, d.h. wenn man das (rewebe ver-
schorft, dab dagegen Nachblutunren nicht in dem Mabe zu fürchten sind,
wenn man das Gewebe nur koagruliert. Der Unterschied zwischen Nekrot-
sierung und Koagulation ist an der Farbe des Gewebes leicht zu erkennen:
koaruliertes (iewebe wird weib, nekrotisches Gewebe zeirt das typische nekro-
tische Aussehen.
Aus diesem Grunde ist es wichtig, daß man jede Funkenbildung in der
Blase vermeidet. Man entferne die aktive Elektrode von der Blasenwand nicht,
solange der Strom eingeschaltet ist. ha Moment, wo ein Funke entsteht
kommt es zur Nekrose. Vermeidet man dagegen Funkenbildung, so kann man
bei mäßirer Stromstärke mit ziemlich großer Sicherheit eine reine Koagulation
erzielen.
Vorsitzender:
Wir kommen zum dritten Gegenstand der Tagesordnung, und
ich bitte Herrn Posner, das Wort zu ergreifen.
|
Die Bildung der Harnsteine.
Referat von
C. Posner.
Korreferat von
Lichtwitz-Gôttingen (a. G
(Erscheint unter den Originalien.)
Vorsitzender:
M. H., ich bin überzeugt, Ihrer Empfindung Ausdruck zu geben,
wenn ich unserem Gaste, Herrn Lichtwitz, den verbindlichsten
Dank dafür ausspreche, daß er uns in so lichtvoller Weise über
seine Arbeiten berichtet hat, welche wertvolle Ausblicke auf die
Klärung des Problems der Steinbildung geben.
Ich frage, ob jemand das Wort zur Diskussion nehmen will.
— Herr His!
Diskussion.
Herr His: M. H., wenn man die heutige Theorie der Steinbildung mit dem
vergleicht, was vor etwa 10 Jahren galt, so darf man mit Freude anerkennen,
dab wenigstens der Richtung nach entschieden eine Klärung eingetreten ist,
einmal durch die sorgsamen Untersuchungen der Konkremente selbst, wie sie
uns namentlich Herr Posner vorgetragen und durch neue Untersuchungs-
methoden erweitert hat, und anderseits durch Berücksichtigung der Kolloid-
gesetze, wie sie Herr Lichtwitz heute präzisiert hat.
Die Erkenntnis, daß der Harn eigentlich eine physikalisch unmögliche
Lösung ist, ist verhältnismäßig neueren Datums, und es bedurfte langer, müh-
seliger Untersuchungen, un dies festzustellen. Nun ist gerade das Gebiet der
Kolloide ein außerordentlich kitzliges (rebiet. Man hat es dabei selten mit
zahlenmäßigen Angaben zu tun, man hat es mit Regeln zu tun, aber selten mit
strengen (sesetzen — oder wenigstens kennt man die Gesetze noch nicht. Des-
halb werfen sich auf das (iebiet auch mancherlei Leute, die nicht exakt unter-
suchen und trotzdem epochemachende Entdeckungen machen wollen. „Was
man nicht definieren kann, das sieht als Kolloid man an.“ (Heiterkeit.) Gerade
das Gebiet der Löslichkeit der Harnsalze ist besonders schwierig, und zwar des-
wegen, weil man es dabei mit komplizierten Gemischen zu tun hat, in deren
ohnedies schwer übersehbare Bedingungen noch ein Vorgang hineinspielt: die
Übersättigung. Gerade die Urate neigen zur Übersättigung in außerordent-
lich starkem Maße, Es gelingt z. B. SE das Lithiumsalz vollkommen aus.
rn wie
104 Diskussion.
zufällen und rem darzustellen; ein Teil bleibt immer amorpl oder in über-
sättirter Lösunır.
Von dieser Tatsache ist Schade ausgegangen und versuchte sie als Folge
kolloidaler Zustände der Urate zu erklären. Aber die Kolloidreaktionen haben
alle versagt. Dr. Kohler hat durch Studium der Osmose und der elektrischen
Leittähigkeit bewiesen, dab kein kolloider Zustand vorhanden sein kann.
Warum aber Übersättiguug entsteht und wodurch sie bestehen kanu, darüber
gibt die physikalische Chemie noch keine Auskunft. Unterstitzt wird sie zwrifel-
los durch die Gegenwart von Kolloiden, das hat uns in nüchterner und klarer
Weise, immer auf festen Beobachtungen fubend, Herr Lichtwitz klarrelert.
Wir dürfen nur nicht vergessen, dab mit den Kolloiden noch nicht alles erklärt
ist, sondern dab da neben ihnen auch die Übersättigung mitspielt. Die Haupt-
wirkung mag den Kolloiden zufallen, und es ist zu erwarten. dab, wenn man
diesem Stadium weiter nachreht, vielleicht eine weitere Klärung möglich ıst,
daß wir später zu einer besseren Einsicht kommen, warum bei dem einen Harn
ein Sediment entsteht, bei dem andern Steine, bei einem dritten der Harn klar
bleibt. Jedenfalls sind diese beiden Referate sehr wohl geeignet, diese Fragen
außerordentlich zu fördern.
Ich möchte den Herren Referenten den Dank dafür aussprechen, daf sie
die komplizierten Dinge doch so leicht fublich in einem kurzen Vortrage dr-
gestellt baben.
Vorsitzender:
Wenn niemand mehr das Wort wünscht, dann schließe ich die
Sitzung.
(Schluß der Sitzung 9 Uhr 45 Minuten.)
—"
Aus der chirurgischen Universitätsklink zu Kopenhagen.
(Chef: Prof. Dr. Thorkild Rovsing.)
Über Vakzinebehandlung der Infektionen
der Harnwege.
Von
‚Dr. Ove Wulff,
Privatdozent, Assistent der Klinik.
Schon früher habe ich die Vakzinebehandlung bei Harnwege-
infektionen, speziell Koliinfektionen behandelt, und ich werde nun
im folgenden zu dieser Frage zurückkehren, indem ich die Resul-
tate unserer therapeutischen Vakzinationsversuche bis zum Ende des
Jahres 1912 mitteilen werde. Das gesamte Patientenmaterial umfaßt
eine weit größere Reihe von Fällen, als bisher von einzelner Seite
veröffentlicht worden ist.
Die ersten Versuche, Harnwegeinfektionen mit Vakzine zu be-
handeln, sind von Wright gemacht, der im Jahre 1903 2 Fälle
veröffentlichte, wo die Behandlung einen entschieden günstigen Ein-
fluß hatte.
Später erschienen einzelne kasuistische Mitteilungen über diesen
Stoff von Rodd, Western, Morse u. a., aber erst im Jahre 1909
veröffentlichte Schneider eine Reihe von 8 Fällen. In den letzten
Jahren ist diese Frage eingehender in Arbeiten von Hartwell
und Streeter, Casper und Citron, Reiter, Michaelis und
Faltin behandelt worden.
Im Hinblick auf die Darstellung der Vakzine bin ich in allen
Fällen streng dem Prinzipe der autogenen Vakzine gefolgt, indem
ich sie von dem durch aseptisches Katheterisieren steril aufgefangenen
Harn durch Aussaat auf Agar gewonnen habe. Nach 24stündigem
Wachsen werden die Bakterien in isotonischer NaCl-Lösung mit
0,5°/, Phenol aufgeschüttelt. Die Vakzine wird demnächst nach
Leishmans Zählungsmethode standardisiert, oder richtiger durch
Vergleich mit bereits standardisierten Normalvakzinen. Das Ste-
rilisieren ist durch Erwärmen auf 56° eine Stunde lang vor sich
gegangen, wonach die Vakzine immer steril sein wird. Die derartig
hergestellte Vakzine hat sich immer haltbar und steril gezeigt, sogar
Zeitschrift für Urologie. 1918. 47
106 Ove Wulf.
nach längerer Zeit. Die Vakzine habe ich in allen meinen Fällen
am Seruminstitut des dänischen Staates hergestellt, dessen Direktor
Dr. Th. Madsen ich für Hilfe und Anleitung großen ; Dank
schuldig bın.
Betreffs der Menge der Vakzine und der Häufigkeit, mit der
diese zu geben ist, herrschen unter den verschiedenen Verfassern
sehr bedeutende Divergenzen. Da das Messen des opsoqischen Index
bei den hier behandelten Leiden nicht stichhaltig zu sein scheint,
habe ich die Vakzinedosierung nach folgenden Argumenten bestimmt:
Bei der therapeutischen Vakzination ist besonders Rücksicht darauf
zu nehmen, die größte Antistoffbildung, aber die geringste toxische
Wirkung zu erreichen. Man muß deswegen größere Sprünge sowohl
bezüglich der Größe der Dosis, als auch der Zeit vermeiden.
Es ist beim aktiven Immunisieren bekannt, daß man beim lang-
samen Steigen der Dosis mit Zwischenräumen von wenigen Tagen
ein furtgesetztes, gleichmäßiges Steigen der Antistoffkurve erreicht
(Salomonsen und Madsen), weswegen diese Anwendungsweise be-
sonders zu empfehlen ist.
Andererseits ist gleichzeitig gezeigt worden (Jörgensen wd
Madsen), daß man bei längere Zeit anhaltenden täglichen Injek-
tionen ein schnelles Steigen und ein darauf folgendes schnelles Fallen
der Antistoffkurve erreicht. Man dürfte deswegen zwischen den ein-
zelnen Injektionen ein paar Tage verstreichen lassen. Das zweck-
miißigste Verfahren bei der Vakzination wird dann werden, dab
man mit kleinen Einzelgaben von 10—25 Mill., gemäß dem Alter
und der Toleranz der Patienten, beginnt und alsdann die Dosis gleich-
mäßig alle 2—3 Tage steigen läßt. Auf diese Weise kann man es,
ohne eine toxische Wirkung zu spüren, bis zu Einzelgaben von 500
bis 1000 Mill. bringen. Die Vakzine ist in meinen Fällen immer ın
subkutaner Injektion an Arm oder Bein gegeben worden.
In bezug auf die Frage nach der toxischen Wirkung der Vakzine
hat Wright mehrmals hervorgehoben, daß die therapeutische Wir-
kung der toxischen nicht proportional sei, und daß man bei einer
zu starken Dosierung der Vakzine oft eine Verschlimmerung des
lokalen Entzündungsprozesses sche. Hiergegen ist indessen zu sagen,
daß Bruck bei Behandlung mit Gonokokkenvakzine hervorhebt, dab
er die beste Wirkung sche, wenn den Einzelgaben der Vakzine
Temperatursteigerungen folgen. Dasselbe scheint der Fall zu sein
bei der Streptokokkenvakzination bei malignen Tumoren nach Coleys
Methode.
Über Vakzinebehandlung der Infektionen der Harnwege. 707
Die toxische Wirkung zeigt sich in ihren höchsten Graden als
Schüttelfrost bei hoher Temperatur, starkes Unwohlsein, sowie mit-
unter als Bewußtlosigkeit, Krämpfe. Solche Fälle, von denen wir
einen infolge wiederholter Überdosierung in Verbindung mit geringer
Toleranz gesehen haben, sind sicherlich zu vermeiden und werden
sich auch nicht finden, wenn man der oben angegebenen Dosierungs-
anleitung folgt. Leichtere lokale Fälle, wie Röte und Schwellung
der Injektionsstelle, werden sich mitunter finden, namentlich bei
höheren Einzelgaben. Die Anfälle aber schwinden immer schnell,
und in keinem Falle hat man nach den Injektionen Entzündungs-
erscheinungen gesehen. Wir haben jedoch stets Gewicht darauf ge-
legt, alle toxischen Erscheinungen der Vakzine zu vermeiden, und
haben dennoch, wie man sehen wird, besonders gute therapeutische
Resultate erreicht. Es ist deswegen meine Ansicht, daß die schweren
Formen der toxischen Wirkung der Vakzine zu vermeiden sind; die
leichteren Formen wird man beim Gebrauch der Vakzinebehandlung
anzutreffen wohl kaum vermeiden können, diese zeigen aber nur an,
daß man sich an der obersten Grenze der erlaubten Dosierung be-
finde, diese jedoch nicht überschritten habe.
Das Material der vakzinebehandelten Patienten mit entzündungs-
artigen Leiden in den Harnwegen umfaßt gegen 100 Fälle.
Von diesen gehen jedoch eine Reihe von Patienten ab, die
ambulant behandelt sind und wo es nicht gelang, so zuverlässige
Mitteilungen zu bekommen, daß sie als Grundlage für eine genaue
Beurteilung der Wirkung der Behandlung haben dienen können.
Eine große Reihe dieser Patienten scheint im übrigen aus der
Vakzinebehandlung Nutzen gezogen zu haben.
Ferner ist die Vakzine bei einigen Patienten als ultimum refu-
gium bei übrigens trostlosen Fällen von Harnwegleiden gegeben w orden
so daß die Resultate dieser Fälle keinen zuverlässigen Maßstab für,
die Wirkung der Vakzine geben. So z. B. hat man in ein paar
Fällen sehr vorgeschrittener inoperabler Urogenitaltuberkulose Vak-
zine gegeben, wo sich ebenfalls Koliinfektion fand.
Ferner gehören auch einige Fälle sehr vorgeschrittener Pyelo-
nephritis infolge Hypertrophie der Prostata hierher. Übereinstim-
mend mit Wrights Auffassung dürfte man eine gewisse Jebenskraft
verlangen, um eine nutzbringende Wirkung der Vakzinebehandlung
zu sehen, und wo diese, wie in vorliegenden Fällen, nicht vorhanden
ist, sollte man lieber die Versuche hiermit unterlassen. Im folgen-
47*
108 Ove Wulff.
den werde ich nun von 63 vakzinebehandelten Patienten Rechen-
schaft ablegen, die im wesentlichen aus Professor Rovsings Hos-
pitalabteilung und Privatklinik stammen. Ich benutze die Gelegen-
heit Herrn Professor meinen Dank dafür zu sagen, daß er mir
(Gelegenheit, gegeben hat, diese Behandlung an einem so großen
Material durchzuführen und dadurch Erfahrungen zu gewinnen, die
manchem andern zugute kommen können. Der Übersicht halher
und um die Resultate der Vakzinebehandlung an den verschiedenen
Formen der Harnwegeinfektionen besser beurteilen zu können. ist
das Material in 5 Gruppen geteilt. |
Gruppe 1. Diese Gruppe umfaßt 23 Patienten, die alle das
Krankheitsbild gemein haben, daB das Leiden mit plötzlichen Au-
tillen von Schmerzen in den Lenden, sowie hohem Fieber und häufig
mit Schüttelfrost, sowie mit Pyurie auftrat. In den meisten dieser Fälle
traten die Anfälle rezidivierend mit kürzeren oder längeren Zwischen-
räumen ein, bevor die Patienten zur Behandlung kamen. Um eine
Vorstellung von der Wirkung der Vakzine zu geben, seien eine Reihe
von Beispielen angeführt.
Ein 47jähriger Mann, der früher immer gesund war, bekam
plötzlich ohne nachweisbare Ursache Hämaturie, von Fieber begleitet.
Bei der Aufnahme war die Hämaturie verschwunden, der Ham et
hielt aber Pus und Bazillen in Menge. Es bestand fortwährend
hohes Fieber. Bei Behandlung mit Salol, Wasser und Verweil-
katheter gelaug es im Laufe von 3 Wochen den Harn normal zu
bekommen, wie denn auch das Fieber verschwand, so daß der Patient
bei völligem Wohlbefinden entlassen werden konnte. Kaum einen
Monat später aber zeigte sich ein neuer febriler Anfall mit Pyurie,
diesmal ohne Hämaturie. Bei der Aufnahme war Pat. wieder hoch-
fiebernd und sehr Jeidend. Er bekam nun Vakzine, und im Laufe eines
Monats waren alle Symptome verschwunden, und er wurde wiederum
völlig wohl entlassen. Im Gegensatz aber zum ersten Mal hielt sich
der Zustand diesmal derartig, daß der Mawn jetzt 4 Jahre lang
immer gesund gewesen ist ohne Jegliche Andeutung von Symptomen
aus den Harnwegen. — Bei einem andern Patienten, einem 30jäh-
rigen Mann, hatten sich 5 Tage zuvor plötzlich Lendenschmerzen
und Schüttelfrost eingestellt. Der Harn enthielt Albumen, sowie
massenhatt Pus und Bazillen. Es wurden keine Steine in den Meren
oder der Blase nachgewiesen. Man versuchte auch hier eine Behand-
lung mit Nalol, Wasser und Verweilkatheter, aber der Harn blieb
unverändert, und nach 3 Wochen zeigte sich ein neuer Fieberanfall
Über Vakzinebehandlung der Infektionen der Harnwege. 709
mit Lendenschmerzen und Schüttelfrost. Man gab nun Vakzine,
zugleich stellte man jede andere Behandlung ein. Im Laufe eines
Monats wurde der Harn völlig klar, frei von Albumen, Pus oder
Bazillen. Es zeigten sich nicht mehr Anfälle von Schmerzen noch
Fieber, und der Patient blieb alsdann ganz gesund.
Ein 10jähriger Knabe hatte seit seinem zweiten Jahre in
größeren Zwischenräumen, bis zu mehreren Jahren, Anfälle von
Schüttelfrost und Tenesmi vesicales; beim ersten Anfall wurde der
Harn unklar und blieb seitdem zwischen den Anfällen etwas
trübe. In den letzten Jahren hat sich das Leiden verschlimmert,
indem die Anfälle schwerer und häufiger geworden sind, der letzte
Anfall vor ca. !/, Jahr, so daß Pat. sich jetzt ziemlich angegriffen
fühlt. Steine in den Nieren sind nicht nachgewiesen. Vergebens
hat man jede konservative Therapie versucht. Bei der Aufnahme
ist die Temperatur normal, es findet sich kein Tenesmus, aber der
Harn enthält Albumen, sowie Pus und Bazillen in großen Mengen
Es wird sofort Vakzine gegeben. Im Laufe eines Monats wird der
Harn klar. Bei der Entlassung fand sich weder Albumen, noch Pus,
jedoch einzelne Bazillen. Pat. hat seine früheren Anfälle alsdann
1‘, Jahre lang nicht wieder gehabt und ist seit der Vakzination
völlig gesund gewesen. |
Ein 12jähriges Mädchen, das früher stets gesund gewesen war,
wurde vor 14 Tagen plötzlich krank mit starken Lendeuschmerzen,
Schüttelfrost und stinkendem, unklaren Harn. Der Zustand hielt
sich 14 Tage lang unverändert, sie war zu Hause behandelt worden.
Sie wird in einem äußerst angegriffenen Zustande aufgenommen. Tem-
peratur 39,6. Man versucht die ersten Tage eine Behandlung mit
Salol und Aspirin, es tritt aber ein neuer Anfall von Schüttelfrost
ein, bei welchem das Fieber bis auf 40,5 steigt. Man gibt nun
Vakzine Gleich zu Anfang der Behandlung bessert sich der Zu-
stand, Die Temperatur fällt gleichmäßig, der Harn klärt sich, und
nach Verlauf eines Monats ist der Harn klar und ohne Albumen,
Pus oder Bazillen, das Fieber hat nachgelassen, und die Patientin
befand sich bei der Entlassung völlig wohl und hat seitdem über
+ Jahre lang keine Symptome eines Leidens der Harnwege gezeigt.
Diese 4 Fälle lassen sich durch eine ganze Reihe andrer er-
gänzen, in denen der Verlauf ganz derselbe war, indem die febrilen
Anfälle, Schmerzen usw. aufhörten, der Harn sich klärte und das
Allgemeinbefinden der Patienten sich bedeutend besserte. Die Wir-
kung, welche man an diesen Fällen mit rezidivierenden Fieberan-
‘10 Ove Wulf.
fällen aus der Vakziuebehandlung beobachtet, ist also die, daß der
Gehalt des Harns an Albumen, Pus und Bazillen verschwindet oder
hedeutend geringer wird, daB die Temperatur ein gleichmäßiyes
Fallen bis zur Normalen zeigt.
Was jedoch besonders an diesen Fällen auffällt, ist, daß die
akuten febrilen Anfälle bei diesen Patienten wie mit einem Schläge
aufhören, sobald die Vakzinebehandlung eingesetzt hat. Es ist nun
eine bekannte Erfahrung, daß solche Patienten mitunter einige Aı-
fülle bekommen, wonach die Krankheit ganz verschwindet; es scheint
aber klar zu sein, daß hier ein heilender Faktor mitwirken mub.
wo doch die Rückfälle bei 21 Patienten nach der Vakzination voll-
kommen aufhören. Es handelt sich bei mehreren dieser Patienten
nicht um einzelne Anfälle, sondern um eine jahrelange Krankheit,
und es scheint sich auf keine andre Weise erklären zu lassen, wes-
wegen die Anfälle gerade jetzt aufhören, um so mehr, da die meisten
dieser Patienten früher auf andere Weise behandelt waren. Es
scheint demnach, daß die Wirkung in diesen Fällen nicht allein ìn
einer Heilung des akuten Anfalles besteht, sondern ebensoschr in
einer Prophylaxe neuen Rückfällen gegenüber. Man muß in diesen
Fällen vermuten, daB das Leiden vou einem Herd außerhall der
Harnwege herrühre, der auf irgend eine Veranlassung einen Strom
von Bakterien in den Kreislanf hineinsendet, wodurch die Fieber-
anfälle entstehen, indem die Bakterien zu den Nieren gelangen
und auf diese Weise die Harnwegeinfektion hervorrufen. Nach dem
Aufhören der hämatogenen Bakterieninvasion hört auch der Anfall
auf, und die Harnwegeintektion geht vielleicht spontan zurück, oder
verbleibt als ein chronisehes Leiden, mit relativ geringen oder keinen
Symptomen, his der neue Anfall kommt. Die Wirkung der Vakzine-
behandlung ist in diesen Fällen entweder dadurch zu erklären, dalı
der latente Herd vernichtet wird. oder auch dadurch, daß die
Vakzination den Organismus prophylaktisch in den Stand setzt.
neuen bakteriellen Anfällen zu widerstehen oder sie zu überwinden.
Wir stehen hier vor einer bei der aktiven Immunisierung althe-
kannten Erscheinung, da die Vakzination schon lange bei akuten
Infektionen Anwendung gefunden hat. Ganz ähnliche Beobach-
tungen, wie die hier behandelten, sind in den letzten Jahren bei
Versuchen aktiver Immunisierung gegen Typhus gemacht worden.
Diese kombinierte prophvlaktisch-heilende Wirkung der Vak-
zinebehandlung bei Harnwegeintektionen habe ich bei früheren Ver-
füssern nicht erwähnt gefunden.
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er
.2.
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Über Vakzinebehandlung der Infektionen der Harnwege. 711
Indessen gelingt»es nicht immer, mit einer einzelnen Vakzinekur
einen Rückfall zu verhindern, wenngleich sie diesen mildert, wie
man aus folgender Krankengeschichte ersieht. Eine 65jährige Frau
hatte viele Jahre hindurch an einer chronischen Koli-Harnwegeinfek-
tion gelitten, die nie stärkere Symptome gezeitigt hatte. 2 Monate
vor der Aufnahme hatte sie plötzlich Schüttelfrost mit sehr hohen
Temperatursteigerungen, Lendenschmerzen, starke vesikale Tenesmi
und stark stinkenden, trüben Harn bekommen.
An diesen Anfall schlossen sich in kurzen Zwischenräumen
mehrere ähnliche. Sie wurde nun während eines solchen Anfalles
aufgenommen. Die Temperatur ist 40°C. Pat. ist völlig bewußtlos.
Der Harn ist stark unklar, enthält Albumen, Pus und Bazillen. Sie
liegt mehrere Tage in einem komatösen Zustand und wird mit Salz-
wasser, Kampfer und anderen anregenden Mitteln am Leben er-
halten. Als sie wieder aus ihrer Bewußtlosigkeit erwacht, klagt
sie über starke Sehabnahme, die durch eine Neuroretinitis mit Netz-
hauthämorrhagien verursacht ist, hervorgerufen durch eine Throm-
bose im Sinus cavernosus. Als sie nach 10 Tagen den Anfall über-
standen zu haben schien, sich aber noch sehr angegriffen fühlte,
begann man mit kleinen Gaben Vakzine. Während dieser Behand-
lung besserte sich ibr Zustand nun bedeutend im Laufe von 3 bis
4 Wochen, es zeigte sich jetzt aber wieder ein Fieberanfall, der
jedoch sowohl kürzer als auch weniger heftig als die früheren war.
Später noch ein leichter Anfall. Als der letzte Anfall überstanden
zu sein schien, begann man wieder mit Vakzine, und es gelang
uun, den Zustand der Fatientin ganz bedeutend zu bessern. Als sie
nach einer Behandlung von über 4 Monaten entlassen wurde, war
ihr Zustand im ganzen gut, es fand sich kein Fieber, die Sehschärfe
war wieder normal, der Harn war frei von Albumen, enthielt jedoch
noch etwas Pus und einige Bazillen. Nach ihrer Heimkehr wurde
sie immer gesünder, es haben sich später keine Anfälle gezeigt,
und sie fühlt sich wieder ganz gesund. Der Harn ist fortgesetzt
etwas unklar, wie vor der Krankheit.
. Man sieht hier, wie. die Anfälle, die sich anfangs mit unge-
wöhnlicher und geradezu lebensgefährlicher Hettigkeit zeigten, nach
und nach während der Vakzinebehandlung an Stärke und Häufig-
keit abnehmen, so daß die Patientin zuletzt ganz von ihrem Leiden
befreit ist. Die Wirkung der Vakzine ist demnach völlig dieselbe
wie in den früher genannten Fällen, nur tritt die Wirkung mehr
allmählich, deswegen aber nicht weniger deutlich hervor.
712 Ove Walff.
Während bei den 22 dieser 23 Patienten Bazillen von Koli-
typen die Infektionsquelle waren, fanden sich in einem Falle Strepto-
kokken im Harn. Es handelte sich um einen 46jährigen Mann, der
3 Wochen zuvor eine rechtsseitige Pneumonie durchgemacht hatte.
Diese war jedoch geheilt, er erkrankte jetzt aber an Schüttelfrost.
Der Harn enthielt Albumen, Pus und Streptokokken. Pat. erhielt
Streptokokkenvakzine, wodurch die Temperatur im Laufe von 2 Wochen
normal wurde, und der Harn wurde völlig klar, ohne Albumes,
Pus oder Bakterien. Pat. befand sich nun 7 Wochen lang völlig
wohl, als plötzlich wieder Fieber, Schüttelfrost und unklarer Harı
auftraten. Im Harn wurdeu wieder Albumen, Pus und Streptokokken
nachgewiesen. Er wurde diesmal mit Salol und Aspirin behandelt,
und im Laufe von 3—4 Wochen war er wieder ganz gesund und
der Harn normal. Es kamen nun keine Anfälle mehr.
Wir haben hier wiederum ein Beispiel dafür, daß sich trotz
der Vakzination noch ein Anfall zeigt, dieser aber von kürzerer
Dauer und kaum so schwer wie der erste ist. Wenn die Krankheit
indessen hiermit definitiv aufhört, ist es dennoch sicherlich der Wir-
kung der Vakzine zuzuschreiben.
Unter den Patienten befinden sich 4 Fälle von Graviditäts-
pyelonephritis mit Schüttelfrost und Albumen, Pus und Bazillen im
Harn. Bei diesen wurden die Anfälle durch Vakzinebehandluug
zum Aufhören gebracht, wie sich denn auch der Harn klärte,
Außerdem finden sich 2 Frauen, bei denen sich im Anschluß
an künstliche Entbindung ein puerperaler Anfall mit schweren Ent-
zündungserscheinungen an den Harnwegen entwickelt hatte. Bei
diesen beiden Patientinnen, die sich äußerst angegriffen fühlten,
brachte die Vakzinebehandlung eine überraschende Besserung, indem
das Fieber, das sich bisher konstant um 39 herum gehalten hatte,
langsam zur Normaltemperatur herabsank. Das Allgemeinbefinden
besserte sich bedeutend, and der Harn, der sehr purulent war und
schr reichlich Albumen enthielt, wurde in beiden Fällen frei von
Eiter und Eiweiß. In einem Falle hielt sich ein Teil Bazillen im
Harn, im andern wurde der Harn bazillenfrei.
Während es demnach in 21 dieser 23 Fälle gelang, den
Patienten auf die oben geschilderte Weise Heilung oder bedeu-
tende Besserung zu verschaffen, hat man in 2 Fällen keine Wirkung
gespürt.
Der eine Fall war eine 42jährige Patientin, die seit ein paar
Monaten Anfälle von Lendenschmerzen und Fieber, sowie unklaren
Le Le = he =
Über Vakzinebehandlung der Infektionen der Harnwege. 713
Harn hatte; dieser enthielt Albumen, Pus und Bazillen. Sie bekam
Vakzine, wobei wohl eine vorübergehende Besserung des Harns be-
merkt wurde; nach der Entlassung aber teilt sie mit, daß sie kon-
stant jeden Monat beim Eintreten der Menses einen febrilen Anfall
habe, während der Anfälle sei der Harn stark trübe, zwischen den-
selben sei er klar.
Die andere Patientin, bei der die Vakzinebehandlung keine
Besserung brachte, war eine 28jährige Frau, wo 3 Monate nach
einer Geburt plötzlich febrile Anfälle und Lendenschmerzen mit
stark trübem Harn auftraten. Sie wurde einige Monate hindurch
mit verschiedenen Medikamenten behandelt, da dies aber nicht half,
wurde Vakzinebehandlung versucht. Diese bewirkte keine wesent-
liche Veränderung im Zustande des Harus, insofern als dieser nach
wie vor Albumen, Pus und Bazillen enthielt; auch auf ihren febrilen
Anfall hatte die Behandlung keine Einwirkung, da sie ihre febrilen
Anfälle fortgesetzt jeden Monat regelmäßig mit Eintritt der Menses
bekam.
Diese beiden Fälle zeigen also eine merkwürdige Überein-
stimmung, nicht allein darin, daß die Vakzinebehandlung wider Er-
warten nicht gewirkt hat, sondern auch darin, dal die Anfälle fort-
gesetzt regelmäßig mit dem Eintreten der Menses eintreffen. Der
Gedanke wird hierbei auf die Möglichkeit eines gynäkologischen
Entzündungsprozesses als Ursache der Harnwegeinfektion gelenkt,
indem Mirabeau ähnliche akute Harnwegeinfektionen beim Ein-
tritt der Menses beobachtet hat, wo sich gleichzeitig ein gynäko-
logisches Leiden fand.
In diesen 2 Fällen ist es indessen nicht gelungen, ein Leiden
der Genitalorgane zu konstatieren.
Nachdem im Vorhergebenden ausführlich geschildert ist, wie die
Vakzinebehandlung auf die allgemeinen Symptome der Patienten
eingewirkt hat, sei noch kurz erwähnt, wie die Einwirkung auf die
abnormen Bestandteile des Harns war. 19 dieser 23 Patienten
hatten vor der Behandlung Albuminurie. Nach der Vakzination
fand sich nur bei 2 Albumen im Harn, und bei dem einen sogar
in sehr geringer Menge, sozusagen eine geringe Spur.
Pus und Bakterien fanden sich vor der Behandlung bei allen
23. Nach der Vakzination fand sich Pus bei 9, bei 8 aber in
bedeutend geringerer Menge. Bazillen fanden sich nach der Be-
handlung bei 15, davon bei 6 in sichtbar geringerer Menge, so daß
nur 8 dieser 23 Patienten von der Bakteriurie befreit wurden.
714 Ove Wulf.
Gruppe 2. Es folgt nun eine Gruppe von 19 Patienten, bei
denen die Harnwegeinfektion einen rubigeren, in der Regel mebr
chronischen Verlauf ohne febrile Anfälle gezeigt hat.
Als Beispiel dieser Fälle kann ein 50jähriger Mann genannt
werden, der früher gesund war. 8—9 Wochen vor der Aufnahme
bemerkte er, dab der Harn trübe wurde, und es zeigten sich leicht
Tenesini vesieales gegen das Ende des Harnlassens. Er war mit
Lapis in der Blase behandelt worden. Bei der Aufnahme fand man,
daß der Harn Albumen, Pus und Kolibazillen enthielt. Bei Ureter-
katheterisnus wurde eine linksseitige Pvelonephritis konstatiert. Es
wurde Vakzine gegeben, und im Laufe einer Woche war die Alhu-
minurie verschwunden; nach ein paar Wochen verschwanden seine
Tenesmi und der Harn klärte sich, so daB er bei der Entlassung
volliz klar und normal war.
Bei 4 Frauen mit Pyelitis schwänden die Symptome bei der
Vakzinebehandlung. Nur die eine derselben hatte Albuminurie, die
schnell sehwand. Alle + hatten Pyurie, die ebenfalls bei 2 ver-
schwand und bei 2 andern sieh bedeutend verringerte, bei ailen
aber fanden sich noch bei der Entlassung Bazillen im Harn. Während
die Infektionsquelle bei den 17 dieser 19 Patienten Bazillen von
Kolitvpus war, fanden sich bei 2 Staphrlokokken.
Die eine derselben war eine 24jährige Frau, die 14 Tage lang
an Lendensechmerzen ohne Fieber gelitten hatte. Es wurde eine
rechtsseitige Prelonephritis nachgewiesen, die bei Vakzinebehandlung
in 14 Tagen völlig verschwand. Die andere Patientin, bei der
Staphriokokken nachgewiesen wurden, war eine 22jährige Frau, die ?
Monate vor der Aufnahme ein Schneiden beim Harnlassen und trühen
. x . . 4
Harn bemerkt hatte. Bei der Aufnahme wurde Albuminurie, so-
wie Pus und Kokken im Harn bemerkt. Beim Ureterkatheterismus
faud sich eine doppelseitige Niereninfektion. Es wurde Vakzine
gegeben, und bej täglichen quantitativen Aibumenmessungen wurde
ein ganz gleichmäßiges Fallen der Albumenmenge im Harn naclı-
gewiesen. bis sie nach 14 Tagen völlig verschwunden war. Gleich-
zeitig verschwanden die übrigen Symptome, und bei der Entlassung,
einen Monat nach dem Beginn der Vakzinebehandlung, war Pat.
völlig gesund und der Harn war frei von Pus und Kokken.
Während es für die Vakzinebehandlung typisch war, dal die
Albuminurie sehr schnell und stets vor der Pyurie schwand, hat
min in 2 Fällen eine entgegengesetzte Wirkung beobachtet, in-
a à nn RO nn EE EE. — Cp un et nan me ee o
$ As x 5 = =
x - et S 5 `
y its = í
Über Vakzinebehandlung der Infektionen der Harnwege. 715
dem sich die Albuminurie gehalten hat und die Pyurie verschwun-
den ist.
In dem ersten Falle handelt es sich um eine 24jährige Frau,
die */, Jahr lang an einer linksseitigen Pyelonephritis mit Albumen,
Pus und Bazillen im Harn gelitten hatte. Bei der Vakzination ver-
schwand die Pyurie völlig und die Menge der Bazillen wurde bedeutend
kleiner, dagegen wurde die Albuminurie nur unbedeutend verringert.
Die andere Patientin, bei der dasselbe beobachtet wurde, war
eine 2djährige Frau, die schon 1 Jahr vor der Aufnahme auf Albumi-
nurie behandelt worden war, die damals schwand. Sie hat jetzt einige
Monate lang über Lendenschmerzen, am meisten in der rechten Seite,
geklagt. Bei der Aufnahme finden sich Albumen, Pus und Koli-
bazillen im Harn. Beim Ureterkatheterismus findet sich eine doppel-
seitige Niereninfektion. Bei der Röntgenuntersuchung wurden keine
Steine in den Nieren nachgewiesen. Sie wurde 2 Monate lang mit
Salol und Wasser ohne merkbare Veränderung behandelt. Man gab
demnächst Vakzine mit dem Resultat, daß ihre Schmerzen ganz
aufbörten, und im Laufe von 2 Monaten der Harn völlig klar wurde,
ohne Eiterzellen oder Bazillen; es fand sich aber noch Albumen im
Harn. Jedoch scheint die Albuminurie von der Behandlung nicht
ganz unbeeinflußt geblieben zu sein, da sie während derselben von
3—4";,, auf 2°; Esbach sank.. Die Patientin wurde anscheinend
völlig gesund entlassen, nach °/, Jahr aber wurde sie von einer
bösartigen Lungentuberkulose befallen, die im Laufe eines halben
Jahres zum Exitus führte. Bei der Sektion wurde keine Nieren-
tuberkulose konstatiert. Eine andere Figentümlichkeit, die man an
dieser Patientin wahrnabm, war eine im Auschluß an die Vakzine-
behandlung ganz überraschende Zunnahme an Gewicht. Während
sich ihr Gewicht vor der Vakzination ungefähr unverändert gehalten
hatte, nahm dies in den 2 Monaten, über die sich die Vakzina-
tonsbehandlung erstreckte um, 3’, kg, und nach dieser nalım sie
sogar um weitere ca. 6 kg zu. Diese eigentümliche Besserung des
Allgemeinzustandes infolge Vakzination ist früher von Bruce be-
obachtet. Die Wirkung der Vakzinebehandlung ist auch in zwei
anderen dieser Fälle beobachtet worden. Es handelt sich um 2 Pa-
tienten, die früher beide operativ wegen Urogenitaltuberkulose be-
handelt worden waren. Sie zeigten nun Symptome einer Koliinfek-
tion, während die Tuberkulose geheilt zu sein scheint. Beiden
wurde eine Reihe Vakzinationen gegeben, deren Wirkung sich
weniger an einer Besserung des Harns, als an einer deutlichen
716 Ove Wulfi.
Besserung des Allgemeinbefindens und Ernährungszustandes der
Patienten zeigte. Bei 9 Patienten fand sich außer anderen chirur-
gischen Krankheiten ein Harnwegeleiden. Bei 5 Patienten fand sich
Kolinephritis in Verbindung mit gynäkologischen Leiden. Zwei von
diesen wurden auf Pyosalpinx operiert, und nach der Operation
wurde Vakzine gegeben mit der Wirkung, daß der Harn in kurzer
Zeit frei von Albumen, Pus und Bazillen war. Eine Patientin
hatte eine Parametritis und Kolinephritis. Ihre Parametritis wurde
konservativ behandelt und für das Nierenleiden wurde Vakzine ge-
geben, die nach kurzer Zeit Heilung brachte. Eine 53jährige Frau,
die auf Prolapsus uteri et vaginae operiert wurde, bekam zugleich
Vakzine und wurde von ihrem Harnwegeleiden geheilt. Eine 35 jährige
Frau mit akuter Appendicitis und Kolinephritis wurde ebenfalls
durch Operation und Vakzinebehandlung geheilt. Es ist nun nicht
zu leugnen, daß die operative Behandlung des anderen Leidens nicht
selten eine spontane Heilung der Harnwegeinfektion mit sich führt,
so daß die Vakzinebehandlung ganz ohne Bedeutung war. Hier-
gegen sprechen indessen mehrere dieser Krankengeschichten, so z.B.
besonders die eine der behandelten Patientinnen, die auf Pyosalpiox
operiert wurde. Bei ihr behielt der Harn noch einen Monat nach
der Operation seinen Gehalt an Albumen, Pus und Bazillen unver-
ändert, und erst als die Vakzinebehandlung einsetzte, schwand die
Albuminurie in einer Woche, und im Laufe von 3—4 Wochen war
der Harn klar und normal. Es scheint deswegen keinem Zweifel
zu unterliegen, daß die Vakzination auch in diesen Fällen die eigent-
liche Ursache für eine Heilung der Harnwegeinfektion ist. Bei einer
57 jährigen Frau entwickelte sich im Anschluß an eine Resektion des
Hüftgeleukes eine schwere Proteusinfektion. Nach ca. einmonatlicher
vergeblicher Behandlung mit Salol und Wasser gab man Vakzine
und nach einigen Schwankungen der Menge von Albumen und Pus
in Harn besserte sieh schließlich der Zustand, so daß sie seitdem
keine Symptome eines Leidens in den Harnwegen zeigte. Schlieb-
lich wurde eine 36 Jährige Frau auf Enteroptose mit Gastropexie
behandelt, gleichzeitig wurde ihr Harnwegeleiden mit Vakzine be-
handelt. Der Harn klärte sich und sie war seitdem gesund. Während
demnach 18 dieser 19 Patienten geheilt, oder durch Vakzinebehand-
lung bedeutend gebessert wurden, sah man bei einem keine Wirkung
der Behandlung. Es war ein 7jähriges Mädchen mit Mb. cordis
und Koliinfektion der Harnwege, die längere Zeit hindurch ver-
gebens mit Salol und Urotropin behandelt war. Man versuchte des-
Über Vakzinebehandlung der Infektionen der Harnwege. 717
wegen Vakzine, ohne daß sich jedoch das Verhalten des Harns auf
irgend eine Weise veränderte, indem sich fortwährend Mengen von
Pus und Bazillen in ihm fanden. Abgesehen davon, daß die Vakzine
auf das Harnwegeleiden keine Einwirkung hatte, bemerkte man
weiter die eigentümliche Nebenwirkung, daß das Kind, solange die
Vakzinebebandlung andauerte, an Enuresis nocturna litt, die jedoch
völlig schwand, als die Vakzinationen aufhörten. — Die Wirkung,
welche man in diesen 18 Fällen bei der Vakzinebehandlung gespürt
hat, war also die, daß die Schmerzen, sei es daß es Lenden-
schmerzen oder vesikale Tenesmi, oder auch beides zugleich waren,
völlig verschwunden sind. Ferner hat man in mehreren Fällen eine
ganz auffällige Besserung im Allgemeinzustand der Patienten be-
ohachtet, eine Besserung, die sich in einer auffälligen Gewichtszu-
nahme im Anschluß an die Vakzinebehandlung gezeigt hat.
Bezüglich der Einwirkung auf den Harn verhält es sich bei
diesen 19 Patienten folgendermaßen: 6 Patienten hatten vor der
Behandlung keine Albuminurie. Bei den 13, bei denen sich Albu-
men im Harn fand, schwand dies während der Behandlung bei 10,
so daß nur 3 mit Albuminurie entlassen wurden; jedoch war die
Albumenmenge bei allen 3 merklich verringert.
Pyurie fand sich bei allen 19 Patienten vor der Behandlung.
Ein Patient wurde mit der Pyurie unverändert entlassen, bei 3
war sie bedeutend verringert und 15 waren frei von Pus im Harn.
— Bakterien fanden sich ebenfalls bei allen 13 Patienten vor der
Behandlung. Bei 10 fand sich der Gehalt an Bazillen unverändert,
bei 3 nach der Behandlung verringert, es wurden also nur 6 mit
sterlem Harn entlassen.
Es geht hieraus hervor, daß sich die Wirkung der Vakzine-
behandlung besonders gegen die Entzündungserscheinungen in den
Harnwegen richtet, indem Albumen und Pus bei den allermeisten
verschwinden, und die Wirkung der Vakzine wird demnach in vielen
Fällen sein, eine Harnwegeeiterung in eine reine Bakteriurie zu ver-
wandeln. Es wird deswegen klar sein, daß man kaum einen großen
Erfolg erzielen wird, wenn man reine Bakterieurie mit Vakzine be-
handelt. Diese Beobachtung hat Wright schon längst gemacht,
wenn er behauptet, daß der (Gehalt des Harns an Bakterien kein
Maß für den Grad der Entzündung sei.
Gruppe 3. In 11 Fällen war die Niereninfektion von Nieren-
steinen begleitet. Die Bedingung, eine Besserung im Entzündungs-
prozeß bei diesen Patienten zu erreichen. ist das Entfernen der
118 Ove Walt.
Calcul. Bei 19 wurde daher eine operative Entfernung der Steine
vorgenommen, während der Caleulus bei einer Patientin spontan
ahgegangen ist.
Bei dieser Patientin, einer 72jährıgen Frau, waren im Laub
von 9 Jahren mit Zwischenräumen kleinere Konkremente ahye-
sangen. Der Harn war jetzt stark trübe. Durch Röntgennnter-
suchung wurden keine XNierensteine nachgewiesen, es fanden sich
aber Albumen., Pus und Bazillen in beiden Nieren, Bei dr
Vakzinebehandlung verschwanden Alhbumen und Pus, während der
Harn fortdauernd Bazillen enthielt.
Eine 25 jährige Frau war vor 1", Jahren auf einen Iinksseitieon
Nierenstein in einer infizierten Niere operiert worden, Der Harn
war seitdem immer unklar. Sie hatte Anfälle von Lendenschmerzen
mit Schüttelfrast und Fieber gehabt. Der Ureterkatheterismus zeigte
die rechte Niere gesund, während der Harn der linken Niere Al-
humen. Pus und Bazillen enthielt. Es wurde nun Vakzine gegeben,
wonach der Harn in kurzer Zeit völlig klar wurde, und sie ist seit-
dem völlig gesund geblieben.
Eine 44 jährige Frau erlielt im Anschluß an eine rechtsseitige
Nephrolithotome Vakzine, wodurch der Harn, der früher Albumen.
Pus und Bazillen enthielt, vom Gehalt an Albumen und Pus befreit
wurde, während die Bazillen sieh noch in reichlicher Menge fanden.
An einem 5djährigen Mann war vor 2 Jahren eine doppelseitige
Entfernung der Nierensteine vorgenommen. Es findet sich nun eine
Hypertrophie der Prostata mit leichter Retention. Der Ham ent-
hält Albumen, Pus und zahlreiche Kolibazillen. Trotz täglichen
Katheterismus’ mit Blasenausspülung hat er Anfälle von Schüttel-
frost gehabt. Man gibt nunmehr Vakzine mit der Wirkung, daß die
febrilen Anfälle ganz aufhören und der Harn sich bedeutend klärt.
Bei der Entlassung zeigte der Harn kein Albumen, enthielt aber
fortgesetzt einige Leukoerten und ziemlich viele Bazillen. Der
Residualharn war ca. 150 cem; bei fortgesetztem täglichen Kathe-
terismus war der Zustand indessen nach der Vakzinebehandlung weit
besser als vordem. Jn 2 Fällen hat man eine prophylaktische Wir-
kung der Vakzine versucht, indem man sie bei infizierter Steinniere
vor der Lithotomie gab. Im ersten Falle handelte es sich um ein
I1jähriges Mädchen mit doppelseitigem Nierenstein, wo man die
Vakzine zwischen den Operationen an den zwei Seiten anwandte.
Im anderen Falle, einer 4b jährigen Frau, wurde die Vakzine vor der
Operation gegeben. Wenngleich es bezüglich dieser 2 Fälle schwierig
Über Vakzinebehandlung der Infektionen der Harnwege. 719
ist, sich über eine sichere prophylaktische Wirkung der Vakzine aus-
zusprechen, ist doch hervorzuheben, daß sich der Zustand beider
Patientinnen bedeutend besserte; denn der Harn verlor seinen Ge-
halt an Albumen, und die Pusmenge wurde geringer, wogegen die
Menge an Bazillen nahezu unverändert zu sein scheint.
Während demnach bei 6 dieser 11 Patienten eine bedeutende
Besserung erzielt wurde, hat man bei den 5 übrigen Fällen keine
Wirkung der Vakzinbehandlung gespürt.
Die eine dieser Patientinnen hatte doppelseitigen Nierenstein,
der Stein wurde aber nur auf der einen Seite entfernt. An 2 Frauen
wurde an der linken Seite eine Nephrolithotomie vorgenommen, der
EntzündungsprozeßB war jedoch so weit vorgeschritten, daß jegliche
konservative Therapie fruchtlos war, und an beiden mußte später
eine Nephrektomie vorgenommen werden. Die 4. wurde auf rechts-
seitigen Stein operiert und bekam alsdaun ohne erkennbare Wirkung
Vakzine. Die Patientin war jedoch gravid, und erst mehrere Monate
später, als sie geboren hatte, besserte sich ihr Zustand. Die letzte
war eine 42jährige Frau, an der vor 11 Jahren eine linksseitige
Nephrolithotomie vorgenommen war. Es findet sich nun doppel-
seitiger Nierenstein bei einer Röntgenuntersuchung, ferner Albu-
men, Pus und Bazillen ım Harn. Die Patientin wurde nicht
operiert, sondern mit Vakzine behandelt, jedoch ohne besondere
Wirkung.
Wie man sieht, ist das Resultat der Vakzinebehandlung bei
diesen 11 Steinpatienten bedeutend schlechter, als in den vorher-
gehenden Gruppen, da man nur bei 6 der 11 eine günstige Wir-
kung der Behandlung gesehen hat. In Bezug auf die Verhältnisse
des Harns fanden sich vor der Behandlung bei allen 1i Albumen,
Pus und Bazillen. Nach der Behandlung fand sich Albumen bei 5,
Pus bei 8, bei 3 jedoch in sehr geringer Menge, während sich Ba-
zillen ungefähr in unveränderter Menge bei 10 fanden, so daß nur
1 Patient von diesen befreit wurde.
Gruppe 4. Eine kleine Gruppe für sich bilden 6 Patienten.
Bei 5 derselben handelte es sich um infizierte Wanderniere. 4 der-
selben waren längere Zeit zuvor nephropexiert, leiden aber noch an
den Folgen ihrer Harnweginfektion. Die erste, eine 39 jährige Frau,
hatte Anfälle von Lendenschmerzen ohne Fieber, die zweite, eine
sijährige Frau, hatte sogar schwere fehrile Anfälle gehabt, sie
hatte außerdem eine bedeutende Enteroptose, die dritte. eine 35 jäh-
rige Frau, hatte rechtsseitige Lendenschmerzen. Bei diesen 3 führte
720 Ove Wulf.
die Vakzinebehandlung eine ganz bedeutende Besserung herbei, in-
dem die Schmerzen auflıiörten und der Harn von seinem abnornen
Gehalt an Albumen, Pus und Bazillen befreit wurde.
Der vierte Patient war ebenfalls früher nephropexiert und klagte
nun über unbestimmte Lendenschmerzen, der Harn enthielt Pus und
Bazillen, aber kein Albumen. Die Vakzinebehandlung führte hier
keine Veränderung, weder der Schmerzen, noch der Verhältnisse
des Harns, berbei.
Die fünfte Patientin war eine 30jährige Frau, die *, Jahr
Jang an leichten febrilen Anfällen mit rechtsseitigen Lendenschmerzen
gelitten hatte. Bei der Aufnahme zeigte sich die rechte Niere be-
weglich, sowie Albumen, Pus und Bazillen im Harn. Es wurde
kein Stein in den Nieren nachgewiesen. Man versuchte erst eine
Behandlung mit Salol, Wasser und Verweilkatheter ohne Erfolg.
Alsdann versuchte man Vakzinebehandlung, gleichfalls ohne Ver-
änderung des Zustandes. Man nahm nun Nephropexia dextra vor
und versuchte alsdann wieder eine Vakzination, immer ohne Wirkung.
Da die Pat. fortgesetzt über Schmerzen in der rechten Lende klagte,
wurde eine neue Operation an der rechten Niere mit der Lösung
eines Teils der durch die Operation gebildeten Adhärenzen vorgenom-
men. Auch nach diesem Eingriff versuchte man es mit der Vakzine-
bebandlung, der Zustand der Patientin veränderte sich jedoch nicht.
Sie klagte fortwährend über Schmerzen in der rechten Lende und
die Verhältnisse des Harns waren völlig unverändert.
Die sechste Patientin hatte ein paar Jahre über Schmerzen in
der linken Lumbalregion mit leichten Fiebererscheinungen geklagt.
Im Harn fanden sich Pus und Bazillen, aber kein Albumen. Bei der
Röntgenuntersuchung wurden keine Steine nachgewiesen. Es wurde
linksseitiger Lumbalschnitt mit der Lösung einer Reihe perinephri-
tischer Adhärenzen gemacht. Nach der Operation bekam sie Vak-
zine. Die Schmerzen schwänden, der Harn aber blieb unverändert.
Von diesen 6 Frauen fand sich also bei 3 Heilung, während die
andern 3 von der Vakzmebehandlung nicht beeinflußt wurden. In
bezug auf das Verhältnis des Harns fand sich vor der Behandlung
bei 3 Albuminurie, nach derselben nur bei 1- Pus und Bakterien
fanden sich vor der Behandlung bei allen 6, nach der Behandlung
{and sich Pus bei 3, Dazillen bei 5, von diesen jedoch bei 2 in
merklich verringerter Menge.
Gruppe 5. Während bei den oben behandelten 59 Patienten ein
> oo vm — E — e `
£ 5 E ee
vr
Über Vakzinebehandlung der Infektionen der Harnwege. 721
Nierenleiden nachgewiesen ist, sind noch 4 Fälle vorhanden, wo es
sich um eine Entzündung der Blase handelt.
Der erste Patient war ein 5jähriger Kuabe, der 1 Monat lang au
einem schweren Oystitis infolge von Proteus-Infektion gelitten hatte. Er
wurde mit Höllensteinspülungen der Blase ohne wesentliche Besserung
behandelt. Nach der Vakzinebehandlung wurde der Harn völlig normal,
Tenesmi hörten auf. Seitdem ist er gesund gewesen. Der zweite Patient
war ein 59jähriger Mann, der !/, Jahr lang auf Staphylococcus-
cystitis mit Blasenausspülungen behandelt war, jedoch ohne Besserung.
Er war bei der Aufnahme recht zerquält und angegriflen. Der
Harn enthält Albumen, Pus und Bakterien. Bei der Cystoskopie
sieht man eine sehr stark ausgesprochene Balkenblase. Durch Vak-
zine erreichte man in 3 Wochen eine sehr bedeutende Verringerung
des Harngehalts an Pus und Bakterien, wie sich denn auch sein
Allgemeinbefinden im ganzen besserte, der Harn enthielt jedoch
bei der Entlassung ein gut Teil Albumen. Der dritte Patient war
ein 46jäbriger Mann, der 14 Jahre lang an einer hartnäckigen
Staphylokokkeneystitis gelitten hatte, an der er mit allen erdenk-
lichen konservativen Mitteln behandelt war. Er litt immer an sehr
schmerzhaften Tenesmi, und der Harn war alkalisch mit Gehalt an
Pus und Kokken. Als dieser Mann von der Vakzination gegen
Harnwegeleiden gehört hatte, wünschte er dieses neue Mittel zu
probieren, um möglichenfalls eine Linderung seines Leidens zu be-
kommen. Die Wirkung war in diesem Falle ganz überraschend.
Kurz nach Beginn der Vakzinebehandlung wurde der Harn, der
viele Jahre hindurch konstant alkalisch gewesen war, neutral und
später leicht sauer, zugleich hörten nach und nach seine Tenesmi
auf, und sein Befinden besserte sich ganz bedeutend, so daß er sich
so gesund fühlte, wie er es nicht in vielen Jahren gewesen war.
Um überhaupt ein menschliches Dasein zu führen, war dieser Mann
genötigt gewesen, in Zwischenräumen von wenigen Tagen eine
Blasenspülung mit Argentumlösung zu erhalten. Nach der Vakzine-
behandlung konnte er nach und nach diese Spülungon immer
länger entbehren, um zuletzt ganz damit aufhören zu können.
Nach dem Aufhören der Vakzinebehandlung hielt sich der Zustand
gut, nach einiger Zeit aber stellten sich wieder leichtere Te-
nesmi ein, die es gelang, mit einigen wenigen Vakzinegaben za be-
kämpfen.
Der letzte Patient war ein 4 jähriger Knabe mit Harnretention
und Kolünfektion, mit Albumen, Pus und Bazillen im Harn. Die
Zeitschrift für Urologie. 1913. 48
129 Ove Wulfi.
Vakzinebehandlung führte in diesem Falle keine Veränderung des
Zustandes herbei, und man war genötigt, später eine suprapubische
Blasenfistel anzulegen.
Von diesen 4 Blasenpatienten ist es demnach gelungen, 2 zu
heilen, 1 zu bessern, während der 4. von der Vakzinebehandlung
unbeeintlußt blieb.
Übersehen wir bier nun das hier behandelte Material von
63 Patienten, so wird eine Einteilung nach dem Geschlecht folgende
Zahlen ergeben: 11 Männer, 45 Frauen und 7 Kinder zwischen
4 und 12 Jahren. Von diesen Kindern waren 3 Knaben und
4 Mädchen, so daß die Gesamtzahl des männlichen Geschlechts 14
und die des weiblichen Geschlechts 49 wird, was dieselbe enorme
numerische Überlegenheit des weiblichen Geschlechts zeigt, welche
auch andere frühere Verfasser bei diesen Leiden nachgewiesen haben.
In bezug auf die Infektionsquelle ist in einem Fall ein Strepto-
coceus nachgewiesen, 4mal Staphvlokokken und 2mal Proteus.
In den übrigen 56 Fällen hat man Kolibazillen verschiedener
Arten und Typen im Harn rein gezüchtet, von denen ich in einer
früheren Arbeit berichtet habe.
Betrachten wir die Resultate der Behandlung, so ist es durch
Vakzination gelungen, 57 zu heilen oder zu bessern, während 12
von der Behandlung nicht beeinflußt wurden. Die Verteilung auf die
einzelnen Gruppen sieht folgendermaßen aus:
' greheilt oder gebessert nicht beeintlubt im ganzen
Gruppe l. 2] 9 | 23
au 18 1 | 19
5 | 6 5 11
sn 4 3 3 | 6
S > 3 1 4
im ganzen | öl | 12 63
Man wird also sofort sehen, daß die Gruppen 1, 2 und 5 zu-
sammen 46 Patienten mit 42 guten und 4 schlechten Resultaten er-
geben, was 9°, nieht beeinflufiten und 91°!, geheilten oder gebesser-
ten entspricht. Die Gruppen 3 und 4 haben 17 Patienten mit 9
, nicht beeinflußten,
53°, geheilten oder gebesserten entspricht. Der Grund für das
verhältnismäßig ungünstige Resultat in den beiden letzten Gruppen
guten und 8 schleehten Resultaten, was 47°;
ist teils in den vielen schlimmen Steinpatienten, dann aber auch
ha
`
=y
mm EE a + ge
3 = SE ae =
„u je Ber z
pei Ze D
Über Vakzinebehandlung der Infektionen der Harnwege. 793
darin zu suchen, daB 3 der nephropexierten sich gegen jegliche Be-
handlung völlig ohne Einfluß zeigten.
Ein Teil der Patienten war gleichzeitig auf andere Weise be-
handelt, nämlich mit Salol und Wasser, Verweilkatheter oder Blasen-
spülungen mit Höllensteinlösung, so daß man es schwer entscheiden
konnte, welcher Faktor der Behandlung der entscheidende war.
Hier ist zu bemerken, daß die Wirkung der Vakzinebehandlung für
Gruppe 1 so eigentümlich gewesen ist, wie man es nie zuvor bei
einer früher gekannten Behandlung gesehen hatte. Für die Patienten
der andern Gruppen gilt, daß die Besserung oft ganz augenschein-
lich im Anschluß an die Vakzinebehandlung eingetreten ist, so daß
weder Patient noch Beobachter an der Wirkung der Behandlung
haben zweifeln können.
Um schließlich diese Frage zu lösen, habe ich aus den früheren
Jahren, bevor wir die Vakzinebebandlung anwandten, eine Reihe von
urologischen Patienten, im ganzen 40 Fälle gesammelt, die alle aus-
schließlich mit Salol, Wasser, Verweilkatheter oder Lapisausspülungen
behandelt waren. Von diesen 40 Patienten wurden 16 geheilt,
während 24 nahezu unberührt blieben. Vergleicht man dies Resul-
tat mit den vakzinebehandelten 63, von denen nur 12 ohne Einfluß
bheben, während 51 gebessert oder geheilt wurden, so scheint über
die Überlegenheit der Vakzinebehandlung kein Zweifel mehr herr-
schen zu können.
Auf den Gehalt des Harns an abnormen Bestandteilen war die
Wirkung der Vakzinebehandlung in diesen 63 Fällen folgende:
15 Patienten waren vor der Behandlung ohne Albumen, während
sich bei 48 Albuminurie fand. Nach der Behandlung fand sich bei
13 Albumen, oft jedoch in geringerer Menge, so daß also 35 Patien-
ten während der Vakzination ihre Albuminurie verloren haben. Die
Wirkung der Behandlung bat sich also in einem Abfall der Albu-
minurie von 76%, der Fälle auf 21°/, geäußert.
In Bezug auf die Pyurie stellt sich das Verhältnis so, daß sich
vor der Behandlung bei allen 63, nach derselben bei 26 Pynrie
fand, so daß 37 vom Eiter im Han befreit sind. Das Herahgehen
der Pyurie stellt sich also wie 100%, zu 41°, sämtlicher Patienten.
Indessen war die Eitermenge des Harns nicht in allen 26 Fällen un-
verändert, da sie bei 16 ein erkennbares Fallen zeigte, so daß in
Wirklichkeit nur 10 Patienten (16°/,) mit nieht verringerter Pyurie
entlassen wurden. Bakterien fanden sich vor der Behandlung bei
sämtlichen 63 Patienten. Nach der Behandlung fanden sich bei
bh
124 Ove Wuif.
45 Bakterien im Harn, so dal nur 18 Patienten mit sterilem Ham
entlassen wurden. Die Zahl für die Bakterien im Harn verschiebt
sieh demnach von 100°, auf 71°,. Von den 45 Patienten fand
sich jedoeh die Bakterienmenge bei 11 sehr stark verringert, indem
sieh bei diesen die Bakterien dureh Harnmikroskopie kaum hahen
nachweisen lassen, und sich erst bei der Züchtung auf Agar gezeigt
haben. Dagegen sind die Bakterien bei den übrigen 34 (54"
unverändert geblieben.
Sammeln wir diese Resultate, so sieht man:
die Albuminurie Ist von 76°, auf 28°,,, also auf 28°, gefallen
die Prurie ss OM ee, a «Al, x
die Bakternrie 20. 1000, p TIl’ v e Ee à
Hieraus geht hervor, daß die Vakzinebehandlung am stärksten
auf den Gehalt des Harms an Albumen und Pus eingewirkt hat.
während sie eine nur geringere Einwirkung auf die Bakterien aus-
geübt hat. Dies will wiederum sagen, daß die Entzündungserschei-
nungen zurückgehen, während die Mikroben im Harn fortleben, der
diesen ein vortreffliches Nahrungssubstrat ist. Das Harnwegeleiden
wird demnach, wie schon früher erwähnt, von einer suppurativen
Nephro-Preloeystitis in eine reine und symptomfreie Bakteriurie
verwandelt.
Auber den oben mitgeteilten therapeutischen Vakzinationsver-
suchen habe ich noeh einige Untersuchungen über die klinische Pe-
deutung des opsonischen Index angestellt. Die erste Frage, um die
es sich hier handelt, ist, ob der apsonisehe Index bei Patienten mit
Harnwegeinfektionen eine konstante Veränderung des normalen aul-
weist. Jch habe bei 23 Patienten vor der Vakzinebehandlung den
opsonisehen Index gemessen. Von diesen 23 Indices fielen die 12
innerhalb der Bullochschen Grenzen 0.8—1.2. Ich habe nun jedoch
in einer früheren Arbeit nachgewiesen, daß die normale Grenze für
den WHioliopsonischen Index — und es handelt sich in allen diesen
Fällen um Kolibazillen — zwischen 0,70 und 1,43 zu legen ist.
Innerhalb dieser Grenzen fallen 18 von diesen 23 Indices, obgleich
sie bei Patienten gemessen sind, von denen viele eine schwere
Prurie und sogar akute febrile Anfälle gehabt haben. Von den
5 Indiees, die außerhalb der normalen Grenzen fielen, fand sich
einer unter dem Mwimum, auf 0.52 bei einem nicht besonders
kranken Patienten. $ waren über dem Maximum, nämlich 1.3.
1,93, 2,29 und 8,70. Dieser letzte besonders hohe Index fand sich
bei einem Patienten mit einer nicht febrilen Pyelitis calenlosa. In-
fg
Über Vakzinebehandlung der Infektionen der Harnwege. 725
dessen hat dieser Fund etwas Interessantes an sich, indem früher
von Wright ein Index von 20 au einem Prostatiker mit akuten
febrilen Anfällen von Kolinephritis nachgewiesen ist. Später haben
Davis und Böhme ähnlich hohe Indexwerte, bis auf 44 nachge-
wiesen, in allen Fällen jedoch an immmunisierten Individuen. Böhme
nacht aus diesem Anlaß die Außerunge, daß diese hohen Indices
von einer Agglutination der Bazillen herrühren können und meint
deswegen nicht, daß die Opsoninmessung der Kolibazillen eine kli-
nische Bedeutung bekommen könne, eine Auffassung, die auch von
meinen Untersuchungen bestätigt wird.
In 3 Fällen, wo sich gleichzeitig mehrere Bakterien im Harn
fanden, wurden Messungen der opsonischen Indices vorgenommen,
um möglichenfalls ausfindig zu machen. welches die pathogene wäre.
Der erste hatte eine schwere Pvrurie und febrile Anfälle; es wurde
ein Staphylococcus mit dem Index 1,20 und ein Bakt. alkaligenes
mit dem Index 1,22 nachgewiesen.
Bei einem andern Patienten mit Nierentuberkulose und Mischungs-
intektion wurde für «den Tuberkelbäacillus der Index 1,77, für Bact.
colli 0,77 und für Staphylococcus 1.10 nachgewiesen. Beim dritten
Patienten fanden sich gleichzeitig 2 verschiedene Kolistämme, die
einen Index von 0,79 und 1,12 ergaben. Diese Zahlen scheinen
also keine sicheren Anhaltspunkte für den differentialdiagnostischen
Wert der opsonischen Indexmessung zu geben. Bei zwei andern
Patienten mit Koliinfektion, wo der Verdacht einer Tuberkulose
vorlag, fanden sich die tuberkulo-opsonischen Indices 0,84 und 1.19,
während die entsprechenden Indices für Koli 0,16 und 0,56 zeigten
Insofern, daB beide Patienten durch Kolivakzine geheilt wurden,
könnte man die niedrigen Kolimdices als diagnostisch erläuternd
betrachten dürfen. Man scheint demnach aus diesen gesamten Zahlen
schließen zu können, daß man sich anf diesem Wege keinen zuver-
lissıgen Maßstab für die Größe der Infektion verschaffen kann und
daß also die diagnostische Anwendung der opsonischen Indexmessung
sehr unsicher ist. |
Die nächste Frage ist, ob sich nach der Vakzination eine nega-
tive oder positive Phase (Wright) nachweisen läßt.
Bei einer Reihe von Patienten habe ich bei der Vakzinekur den
opsonischen Index mit Zwischenräumen gemessen. Bei mehreren
derselben sind trotz starker Schwankungen des Zustandes die Indices
fortwährend innerhalb der normalen Grenzen nachgewiesen. Bei
einem Patienten wurden die Indexmessungen 4 Tage ohne Unter-
126 Ove Wulf.
brechung vorgenommen. Der erste Tag ergab nach einer Vakzin-
injektion den Index 2,06. An den folgenden Tagen wurden 3,08
2,05, 2,55 gemessen, hierauf betrug der Index, in einem Zwischen-
raum von 2 Tagen gemessen, 1,20 und 1,11. 7 Wochen später und
l Monat nach Aufhören der Vakzinebehandlung war der Index 541.
Von einer negativen Phase ist hier also keine Rede gewesen,
es ist jedoch ein geringeres Steigen des Index ım Anschluß an »ine
einzelne Vakzinedosis beobachtet worden. Doch ist dieses Steigen uur
klein im Vergleich zu dem, das iman später sieht, nachdem die Beland-
lung schon längere Zeit eingestellt war. Es ist mir demnach nicht
gelungen. eine Übereinstimmung zwischen dem klinischen Bild und
der Größe der Zahl für den opsonischen Index nachzuweisen. Dies
tritt deutlicher an einer Reihe von Messungen hervor, die an
Patienten vorgenommen wurden. die starke toxische Erscheinungen
zeigten. Bei einem Patienten, wo dies ganz besonders der Fall
war, fand sieh der Index die ganze Zeit üher Innerhalb normaler
Grenzen, trotzdem sein Zustand sehr schlecht war. Dasselbe sah
man bei mehreren andern, nur an einem Patienten wurde mit der
Jokalen Reaktion der Vakzineinjektion ein Index von 3,59 walrge-
nommen, was auf keine negative Phase deutet.
Da indessen diese in Zwischenräumen gemessenen Indiers
kein zuverlässiges Material zur Beurteilung abgeben können, habe
ich ferner einige Tierversuche vorgenommen, indem ich unter gleich-
artigen Versuehsbedingungen täglich Messungen der phagocrtieren-
den Fähigkeit des Blutes an einem Kaninchen und einer Ziege vor-
nahm, sowohl vor, während, als auch nach Injektion von Vakrine.
An beiden Tieren wurde nach jeder Injektion ein weitergehendes
Steigen der Zahl nachgewiesen, jedoch immer oline voraufgehende
negative Phase,
Die letzten 2 Versuche wurden an normalen Menschen, ehen-
falls mit täglichen Indexmessungen, vorgenommen. Ein Mann bekam
in Zwisehenräumen von 3 Tagen eine Injektion von 50, 100 und
250 Millionen Koliwakzine. Weder vor, noch nach den Injektionen
sah man an der Indexkurve über die normalen Grenzen hinaus einen
Ausschlag. Es wurde also keine positive oder negative Phase nach-
gewiesen. Ptwas auders stellte es sich bei einer normalen Frau.
der eine einzelne große Vakzinedosis von 1000 Millionen injiziert
wurde. Hier folgten der Vakzination sehr kennbare toxische Er-
scheinungen. während weleber keine Herabsetzung des Index beobach-
tet wurde. Erst am dritten Tag nach der Injektion, als die toxi
Über Vakzinebehandlung der Infektionen der Harnwege. 727
schen Erscheinungen zu verschwinden begannen, sah man ein Steigen
des Index auf 1.98, aber schon am folgenden Tage war der Index
wieder normal.
Aus diesen Untersuchungen darf ich schließen, dab der koli-
opsonische Index an Größe äußerst variabel ist und den klinischen
Schwankungen im Zustande der Patienten nicht folgt. Ferner hat
man im Anschluß an die Vakzineinjektionen mitunter (jedoch nicht
konstant) ein Steigen der Indexzahl beobachtet, jedoch ohne eine
negative Phase erkennen zu können.
Diese meine Resultate stimmen gut mit denen überein, die
Davis bei einer größeren Reihe von Untersuchungen gleicher Art
gefunden hat, und da auch andere (Schneider und Rolly), die
sich hiermitbeschäftigt haben, keine Regelmäßigkeit der Schwankungen
des koliopsomischen Index gefunden haben, und da sich ferner die
D 3
Vakzinebehandlung, wie man aus meinen Fällen ersehen wird, mit
Erfolg durchführen läßt, ohne die opsonische Indexmessung zur An-
wendung zu bringen, glaube ich den Schluß ziehen zu können, daß
Messungen des opsonischen ‚Index bei Harnwegeinfektionen für die
Diagnose, Prognose und Therapie derselben ohne Bedeutung sind.
Die intravesikale Behandlung der Blasen-
papillome durch Elektrolyse.
Von
Dr. Rudolf Oppenheimer, Frankfurt a. M.
Obgleich die meist geübte Methode der intravesikalen Ge-
schwulstbehandlung, nämlich die Abtragung mittels Schlinge und
nachfolgender Kauterisation der zugehörigen Blasenwandpartie, was
die Abtragung des Tumors betrifft. in einer großen Zahl von Fällen
günstige Resultate ergab, so haften doch der Methode wesentliche
Nachteile an, auf die ieh schon an anderer Stelle’) hinwies: Ein-
mal gelingt die Handhabung der Schlinge bei gewisser Lokalisa-
tion der (reschwülste, beispielsweise dicht hinter dem Schliebmuskel
oder nahe dem Vertex Läufe nicht, und ferner ist es, da die
Schlinge stets in schiefer Richtung austritt, überhaupt unmöglich,
den Tumor an seiner Basis parallel der Dlasenwand abzutragen.
Diese Unmöglichkeit akzentuiert sich besonders scharf bei größeren
oder ungestielten Tumoren, wo sich die Schlinge niemals um de
ganze Geschwulst legen läßt und wo die Notwendigkeit entsteht,
den Tumor stückweise herauszureisen. Das Zurücklassen derartig
blutender Gewebsstümpfe mit mangelhaft nekrotisierter Oberfläche
muß aber um so bedenklicher erscheinen, als gerade den Blason
papillomen in außerordentlicher Weise die Fähigkeit zukommt,
dureh Aussaat von Keimen an anderen Stellen der Blase neue Gr
schwülste bervorzurufen. Ein weiterer Nachteil der Methode end-
lieh besteht darin. daB nach Abtragung der Geschwulst die zu-
gehörige Blasenwandpartie mit dem Brenner bearbeitet werden muß,
ein Verfahren, das schon wegen seiner Sehmerzhaftigkeit nur un
genügend geübt werden kann,
1; Urologische Operationslehre, Wiesbaden 1810, 8. 228 und 230.
— ën eet:
gen nn
Die intravesikale Behandlung der Blasenpapillome duch Elektrolyse. 729
Die geschilderten Mängel, welehe auch durch die zahlreichen
Verbesserungen des Operationskystoskopes (I. Baer, Böhme, Blum,
Casper, Kneise, Kroemer, Kutner, Lohnstein, Marion,
Schlagintweit, Wossidlo) nicht beseitigt wurden, veranlaßten
mich seit längerer Zeit zu Versuchen, an Stelle der mechanischen
Abreibung die Elektrolyse zur Zerstörung der Blasenpapillome
herbeizuziehen). Während ich noch mit diesbezüglichen Vorarbeiten
beschäftigt war, erschien die Mitteilung von Ek. Beer”)®)%), dem
es gelang, Blasenpapillome durch Hochfrequenzströme intravesikal
zu koagulieren. An den günstigen Resultaten Beers ist um so weniger
zu zweifein, als dieselben unterdessen von Kutner’), Heitz-
Boyer"). Bachrach‘), Bucky und Frank‘) sowie von Berto-
lotti und Ferria”) bestätigt wurden. Der Nachteil der Methode
besteht in der Kompliziertheit des Instrumentariums: Man bedarf
eines Hochfrequenzapparates, der besondere Starkstromieitungen er-
fordert. Blasenperforationen wurden dadurch vermieden, daB die
betreffenden Autoren bei Benutzung des Oudinschen Apparates
eine für Hochfrequenzströme außerordentlich geringe Spannung
wählten (Beer beispielsweise 110 Volt) oder bei Verwendung des
Diathermieapparates den Strom auf die Sekunde genau einwirken
ließen (Kutner). Diese unumgänglichen Vorsichtsmaßregeln be-
rauben allerdings die Hochfrequenzbehandlung eines ihr sonst zu-
kommenden wichtigen Vorteiles, nämlich der Möglichkeit, intensive
Tiefenwirkungen hervorzurufen. Andrerseits scheint die Hochfre-
juenzbehandlung gegenüber den bisherigen Methoden wesentliche
Vorteile zu besitzen: Die intravesikale Technik wird vereinfacht, der
Tumor ohne Zerrung und Zerreibungen abgetragen, das Terrain, auf
welchem die Geschwulst aufsitzt, in gründlicher Weise behandelt.
All diesen Vorteilen sollte auf einfachere Weise die von mir
5) Bei Kneise (Ztschr. f. Urol. 1010, H. 6), finder sich die Mitteilung, daß
er zu seinem Öperationskystoskop neben anderen Hilfsinstrumenten auch eine
biegsame Elektrolssennadel nach Kollmannschem Prinzip habe konstruieren
lassen. Irgendwelche Versuche werden jedoch nicht mitgeteilt.
2) Ztribl. f. Chir. 1904, Nr. 34.
3) Annals of Surzery, Aug. 1911.
4) Ztschr. f. Urol. 1912, H. 12.
5) Ebenda H. 5.
) Congr. français d’Urol. 1912.
7) Wiener Med. Wehschr. 1912, Nr. 31.
% Münch. Med. Wehsehr. 1913, Nr. 7.
", Arch. £ physik. Med. u. med. Techu., Bd, VIT, H. 2.
D
730 Rudolf Oppenheimer.
versuchte Elektrolyse!) gerecht werden. Auf den durch feuchte
Handtücher abgedeekten Leib oder Schenkel des Patienten wird
die Anode in Form einer mittelgroßen Plattenelektrode gebracht,
die Kathode in die Blase eingeführt. Als Kathode benutzten wir
anfangs die von Kutner für die Hochfrequenzbehandlung ange-
gebene Bougierlektrode von 6 Charrieres, die sich an Stelle eines
Ureterkatheters bequem in ein gewöhnliches Ureterenkystoskop ein-
führen Jäbt. Es erwies sieh praktisch, einen Satz von Elektroden
zu benutzen. die statt eines einfachen Knopfes verschieden lange
Metallenden trugen (bis zu 2’, em). In anderen Fällen sind dickere
Klektroden von 10 Charrieres vorzuziehen, die sich in solche Ure-
terenkystoskope einführen lassen, «deren Stopfbüchsen für ein der-
artiges Kaliber durchgängig sind. Nach Novokainisierung der
Harnröhre und Füllung der Blase mit einer Lösung von Hvdrareır.
oxveyanat. 124000 wurde der Metallteil der intravesikalen Elektrode
zwischen die Zotten des Tumors möglichst an dessen Basis heran-
geschoben. Wir hielten uns zunächst einige Millimeter von dessen
mecdialer Zirkumferenz entfernt. Nun entnahmen wir mittels eines
Pantostaten dem städüschen Leitungesnetz den Strom in der folgen-
den Weise: Wir lieben zunächst den Motor voll laufen, was eine
Umformung des Stromes auf 60 Volt Spannung ergibt, und schul-
teten je nach Toleranz des Patienten eine Stromstärke von 25 bis
45 Milliamperes ein. Dureli ganz leichte Bewegungen des Kysto-
skopes suchten wir dann ein Stück des Geschwulststieles nach
medialwärts hin mittels des elektrischen Stromes gleichsam zu
durehsägen. Devor die Elektrode aus dem Tumor heraustritt. sieht
man eine letzte Gewebsbrücke einschmelzen. In anderen Fällen ist
es ratsamer, mehr von oben nach unten zu schneiden, bei kleineren
Gesehwülsten oder bei der Behandlung von Stümpfen mittels einer
dieken Knopfelektrode den Tumor energisch mit dem elektrischen
Strome zu betupfen.
Während der ganzen Behandlung sieht man von der Elektrode
feinste Gasbläschen aufsteigen, die durch elektrolytische Zersetzung
des wäßrigen Blaseninhaltes zustande kommen. Ob es sich dabei
um reinen Wasserstoff handelt oder ob gleichzeitig aus der Queck-
1) [ch wähle den gebräuchlichen Ausdruck „Elektrolyse“, obwohl die durch
den galvanischen Strom hervorgerufene Gewebsschädigung nicht eine reine
Elektrolysenwirkung darstellt, d. h. durch einfache Ionisierung des Gewebes
hervorgerufen ist. Zweifellos spielen neben den rein chemischen auch physika-
(scho Vorzänge eine recht wesentliche Rolle.
Die intravesikale Behandlung der Blasenpapillome durch Elektrolsse. 731
silberlösung auch andere chemische Substanzen frei werden, entzieht
sich meiner Beurteilung. Diese Bläschen bedecken in kurzer Zeit
die ganze Oberfläche der Zottengeschwulst, so daß diese ein silber-
slänzendes Aussehen erhält und sich von der roterleuchteten Blase
wie Eisblumen abhebt. Nach einiger Zeit wirkt die Gasentwick-
lung störend, indem sie den Tumor verdeckt oder die Optik be-
schlägt und so ein deutliches Sehen verhindert. Ausspülung und
Neufüllung der Blase durch das Kystoskop hindurch beseitigen die
erwähnten Mängel. Dabei zieht man zweckmäßigerweise die Elek-
trode etwas in die Stopfbüchse des Instrumentes zurück, damit
sich etwaige an ihr haftende nekrotische Gewebsfetzen abstreifen,
welche ebenfalls die Übersicht hindern können. Besonders ver-
meide man den Fehler, mit dem wirksamen Teil der Elektrode
nicht zwischen die Zotten zu gehen, sondern lediglich über dem
Tumor zu bleiben: dann wird nämlich die Gasentwicklung eine
Intensive und verdeckt in kurzer Zeit die Geschwulst, ohne sie zu
zerstören. Im Laufe der Behandlung erscheinen die Tumorzotten
vielfach wie ausgefranst oder die Geschwulst nimmt auch ein mehr
kompaktes grauweißes Aussehen an.
Unmittelbar nach der Behandlung werden vom Patienten Ge-
websstücke entleert, welche eine weibliche Farbe haben, von eigen-
tümlich glasiger Beschaffenheit sind und auf Wasser schwimmen.
Es handelt sich zweifellos um durch den elektrischen Strom ver-
änderte Geschwulstpartikel. In den Gewebsstücken sind oft noch
nach 10 Tagen kleinste Gasblasen sichtbar. Auch an den der Be-
handlung folgenden Tagen werden vom Patienten meist nekrotische
Gewebsstücke mit dem Harne ausgespült.
Was die histologischen Veränderungen anlangt, welche die
Geschwulst durch den elektrischen Strom erleidet, so sind es die
folgenden: Es handelte sich um ein Blasenpapillom, das, wie ein
auf mechanischem Wege entferntes Probestückehen ergab, den tv-
pischen zottigen Bau aufwies. Den Grundstock der Zotten bildete
wenig bindegewebiges Stroma, das von mehrschichtigen Epithel-
lagen überkleidet wurde. In den nach der Elektrolyse ausge-
schwemniten Stückchen war der zottige Bau der Geschwulst eben
noch erkennbar, an wenigen Stellen noch gut färbbare Kerne vor-
handen. Im übrigen aber war das ganze Gewebe in eine nekro-
tische Masse verwandelt, in der sich eine Gewebsstruktur nicht
mehr erkennen ließ. An einer Stelle fanden sich im nekrotischen
Gewebe — artifiziell erzeugte — Vakuolen, von «denen es zweifel-
739 tudolf Oppenheimer,
haft ist, ob sie dureh Stiche mit der Elektrode oder durei En-
wieklung von Gasblasen im Gewebe entstanden.
Die Vorteile, welehe nach unserer Meinung die Methode der
elektrolytischen Behandlung der Blasenpapillome beanspruchen dar,
sind folgende:
1. Die Methode ist teehniseh einfacher als die Anwendung
von Schlingen, Zangen und dergl. und beansprucht ein gering-
füriges Instrumentarium.
2, Da die Bougieelektrode in ein einläufges Ureterenksstoskop
eingefügt werden kann, so brauchen nur Instrumente von geringen
Volumen Verwendung za finden. Die Elektrode von 10 Charrieres
kann in diejenigen Ureterenkvstoskope eingepaßt werden. welche
für einen Ureterkatheter Nr. 10 durchgängig sind. Derartige In-
strumente werden in der Stärke von ca. 23 Charrières z. Zt. von
versehiedenen Firmen hergestellt.
3. Die bei der Behandlung auftretende Blutung scheint bi
einfachen DBlasenpapillomen recht gering zu sein. Oft war der
nach der Behandlung entleerte Blaseninhalt vollkommen klar. zwer
mal leicht blutig tingiert. Eine stärkere Blutung trat einmal 30
Stunden nach der vorletzten Sitzung auf. wo sich zweifellos der
nekrotische Stumpf der Geschwulst abstieß. Auch würden bei
dieser Methode geringfügige Blutungen nicht so störend sein, weil
man nicht gezwungen ist, mit der Optik so nahe an den Tumor
heranzugehen wie beispielsweise bei Benutzung der Schlinge.
4. Auffüllend war die geringe Schmerzhatftigkeit der br-
handlung. Unterhalb der Hauteiektrode trat im Anfange ein bren-
nendes Gefühl auf, das sich dureh Unterlegen von feuchten Hand-
tüchern verringern oder ausschalten ließ. Die intravesikale Behandlung
selbst war bei Berührung des Tumors so wenig schmerzhaft. dab
der Patient nicht anzugeben vermochte, ob im reehten oder linken
Teile der Blase operiert wurde. Ein intensiveres Schmerzgefühl,
das bisweilen in die Schenkel ausstrahlte, trat nur bei Behandlung
der Blasenwand selbst anf. Aber auch hier wurden Ströme von
60 Volt Spannung und 25 Milliamperes Stärke gut vertragen.
5. Gegenüber der Behandlung mit Diathermie oder Hochire-
quenzströmen ist bei der elektrolytischen Behandlung die Gefahr
einer Dlasenperforation eme geringere, weil die Einschmelzung des
Gewebes langsamer erfolgt. Man hat also nicht nötig, die Zeit
dauer der Behandlung auf Sekunden genau abzumessen, da bei
der verwandten Stromstärke eine totale Einschmelzung der Blasen-
ar
Die intravesikale Behandlung der Blasenpapillome durch Elektrolyse. 733
wand auch bei etwas länger dauernder Elektrolyse nicht zu be-
fürchten ist.
6. Auch nach Abtragung des Tumors kann die intravesikale
Behandlung des zugehörigen Blasenwandteiles fortgesetzt wer-
den. Während diese Bearbeitung des Geschwulstterrains mit der
Schlinge überhaupt nicht, mit dem Brenner wegen der großen
Schmerzhaftigkeit nur ungenügend mäglich ist, läßt sich durch die
elektrolytische Behandlung die betreffende Stelle der Blasenschleim-
haut ohne Mühe nekrotisieren.
Diesen Vorteilen stehen zwei Nachteile gegenüber:
L wirkt die durch die Elektrolyse erzengte Gasbildung mit
der Zeit etwas störend. Wie schon oben erwähnt, ist die Gasent-
wicklung eine geringere, wenn man den Metallteil der Elektrode
ordentlich zwischen den Geschwulstzotten placiert. Im übrigen
können durch öftere Ausspülung und Neufüllune der Blase sowie
dureh Abspülen der Optik die Gasblasen entfernt werden.
2. Schwerwiegender ist der zweite Nachteil, nämlich die lange
Dauer der Behandlung. In dem von uns behandelten Falle waren
19 Sitzungen nötig, um den Tumor völlig zum Verschwinden zu
bringen. Zwar diente ein Teil dieser Sitzungen lediglich Versuchs-
Zecken, auch verwandten wir im Anfang cine eben erhältliche un-
genügende Elektrode, aber es muß zugegeben werden, daß die
Methode in ihrer heutigen Form eine ziemlich lange Behandlung
erfordert. Es ist daher nötig, daB Verbesserungen gerade in diesem
Punkte einsetzen, daß durch Schaftung geeigneter Elektroden, even-
tuell durch bipolare Elektrolyse oder Variierung der Stromspannung
ein prompteres Resultat gezeitigt wird. Vielleicht könnte dann
auch das frühere Problem, die Prostatahypertrophie elektrolytisch
zu behandeln, mit mebr Erfolg wieder aufgenommen werden.
Zum Schlusse sei noch auf das differente Verhalten hinge-
wiesen, das verschiedene Geschwülste gegenüber dem elektrischen
Strom zu zeigen scheinen. In dem einen von uns geschilderten
Falle handelte es sich um ein großes Papillom, das die linke Harn-
leitermündung überdeckte und sich an der hinteren Blasenwand
nach ohen fortsetzte. Der oben angeführte histologische Befund
sowie der ganze klinische Verlauf lassen die Geschwulst mit Wahr-
scheinlichkeit als gutartig erscheinen. In einem zweiten Falle
schnitten wir zunächst mittels des elektrischen Stromes Stückchen
zum Zwecke der Untersuchung ab. In den betreffenden Präparaten
ließen sich zwar keine typischen Karzinomnester nachweisen, doch
134 R. Oppenheimer, Die intravenöse Behandlung der Blasenpapillome usw.
erweckte die betreffende Geschwulst dureh die Mebrschichtiekeit
des Epithels sowohl mir wie Herrn Prof. B. Fischer den Verdacht
auf Bösartigkeit. Es war außerordentlich interessant, daß es bri
diesem Tumor niemals gelang, glasige auf Wasser schwimmende
Stückchen herauszubefördern, sondern unter ziemlich starker Blı-
tung wurden eine Reihe Gewebsstücke entleert, die sofort m der
Flüssigkeit untersanken und von ziemlich derber Beschaffenheit
waren. Im Wiederholungsfalle ließen sich derartige Befunde viel-
leicht diagnostisch verwerten. Das wäre um so beerübenswerter.
als die Unmöglichkeit, die gutartigen von den bösartigen Blasen-
geschwülsten abzugrenzen, das schwerwiegenedste Argument dar-
stellt, welches gegen die intravesikale Behandlung überhaupt ins
Feld geführt werden kann.
Far
Historische Beiträge zur Urologie.
Von
Paul Richter, Berlin.
Mit zwei Textabbildungen.
1. Haematuria aegyptica in Babylonien.
In seiner Übersicht über die Verbreitung der Haematuria aegvp-
tca in Band VI der Folia urologica, S. 142 erwälint Pfister das
Gebiet der zwei großen Ströme Euphrat und Tigris, die Länder
Babylonien und Assyrien, die kulturell für uns eine Einheit bilden,
gar nicht. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß es doch scheint,
daß diese Krankheit dort endemisch gewesen ist, wenn wir dies aus
einem hervorragenden Symptom, dem Blutgehalt des Urins zu schließen
berechtigt sind. Wir lernen diese Erscheinungen aber, da die Leichen
ın Babylonien nicht einbalsamiert, sondern in Särgen aus Ton oder
Stein und in gewöhnlichen Erdgräbern bestattet wurden), Bilharziaeier
also nicht mehr nachweisbar sind, aus einem in dieser Form sonst
nirgends vorkommenden Gegenstand kennen, das sind die Grenz-
steine (kudurru). Diese Steine, welche in allen größeren Samm-
lungen, welche die assyrisch-babylonische Kultur umfassen, vorkom-
men, sind Urkunden in Keilschrift mit figürlichen Darstellungen auf
Basaltsteinen mit meist eiföürmiger Gestalt, in denen angegeben ist.
von wem der betreffende Grenzstein errichtet ist, wem das Feld oder
der Acker gehört, und von wem und zu welchem Preise diese
gekauft oder geschenkt worden sind, und sie schließen mit dem
Natz: „wer diesen Grenzstein verrückt, den mögen die einzeln auf-
eeführten Götter (der babylonische Olymp ist nicht ganz klein) mit
allen möglichen beln bestrafen.“ Unter diesen Flüchen sind auch
Krankheiten, wie der Aussatz (isruba) vorhanden, worauf ich schon
aufmerksam zu machen (Gelegenheit hatte?) Der uns interessierende
lautet auf dem Michauxstein aus dem Louvre-Museum in Paris?)
!; Siehe Friedrich Delitzsch, Das Land ohne Heimkehr. Stuttgart 1911.
2) Archiv für Geschichte der Medizin, Bd. IV, 1911, S. 350.
3) Übersetzt nach Oppert et Menant, Documents juridiques de l’Assyrie
et de la Chaldee. Paris 1877, S. 91 u. 94.
136 Paul Richter.
wie folgt: „Gula. die grobe Herrin, die Gemahlin Ninips. möge
in seine Eingeweide ein unauslöschliches Gift gieBen, und er müge
an Stelle von Urin Blut und Eiter urinieren.“ Ähnlich lautet der
Fluch auf zwei Londoner Grenzsteinen.‘) Da eine gewöhnliche
Cystitis kaum als pathologische Grundlage für derartige Flüche
dienen dürfte, da sie im allgemeinen zù selten ist, so sind wir also
wohl berechtigt, eine Krankheit anzunehmen, deren hervorragendes
Symptom der sichtbare Blutgehalt des Urins ist, und das ist woll
die Bilharziakrankheit.
Derartige Flüche kommen aber auf einem weiteren Gegenstand
der assyrischen Kultur vor, welcher für den Urologen seiner Ge-
stalt wegen von besonderem Inter-
esse Ist, es sind dies Bauurkunden,
welche die Gestalt eines beschuit-
tenen Gliedes haben und zum Teil
auch den (renzsteinen ähnliche
Inschriften zeigen, sie sind bei deu
Ausgrabungen der Amerikaner iu
Nippur’), der Franzosen in Pelloh?
und der Deutschen in Assur (Nini-
À veh) gefunden worden. Ich bringe
7 mit Erlaubnis der Deutschen Ori-
ent-Gesellschaft, welche diese Aus-
Fig. L Fie 2. grabungen veranstaltet hat, die
Abbildungen von zwei derartigen
Bauurkunden, welehe bereits in den Mitteilungen dieser Gesellschaft
Nr. 22 vom Juni 1904. 8. 26 und 28 nach Skizzen des die Aus-
grabungen leitenden Dr. Andreae angefertigt worden sind.) Diese
Gegenstände wurden ziqatu oder zigatu genannt, welches Wort nach
den Untersuchungen von Harri Holma in Helsingfors ursprünglich
„Stachel“ bedeutet”) und nach neuern Mitteilungen als Stachel des
Skorpions“) oder Sehwanz eines Tieres’) aufzufassen ist. Da für
') Siehe Carl Wilhelm Belser, Babylonische Kudurru-Inschriften. Bei-
träge zur Assyriologie, Bd. H, 1894, S, 123, 129 u. 147.
| 2) American Journal of Archaeology. Vol, X, 1895, S. 368.
3) Revue d'Assyriologie, Vol, V, 2, 1899, S. 34 u. 35 mit Figuren.
+) Siehe auch die Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Geschichte
der Medizin und der Naturwissenschaften 1904, S. 422,
6) Orientalistische Literaturzeitung 1910. Bd. XIII, Spalte 492.
ù% Die Namen ier Körperteile im Asssrisch-Babylonischen. Annales Acr-
demine Seientiarum Fennicaram. Ser. B. 'Yomus VII, 1. Helsinki 1911, S. 143.
7) Ibidem S. 142.
Historische Beiträge zur Urologie. 131
den Penis bisher nur die Bezeichnung birku bekannt ist}, welche
eigentlich Knie bedeutet, so ist vielleicht auch das Wort ziqatu
(zigatu) eine Bezeichnung für den Penis.
2. Der „Arzbergersche‘“ Kühlapparat.
Schon im Jahre 1901 habe ich darauf hingewiesen, wie ver-
schieden der Name des Erfinders dieses heute so vielfach veränder-
ten Apparates geschrieben wird.?) 1885 ließ Finger „zur Behand-
lung der Prostatitis einen Apparat aufertigen, den Arzberger zur
Behandlung der Hämorrhoiden empfohlen hat“.%) A. v. Frisch
empfahl 1899 zu demselben Zweck „die Einführung des Artzberger-
schen oder Fingerschen Kühlapparates“ *), aber bereits 1906 hat er
das falsche t fortgelassen und nennt ihn richtig Arzberger.’)
Schlimmer macht es Winternitz noch 1907, indem er ihn Atz-
perger nennt®) und demeutsprechend auch Strasser’), endlich
kommt Buxbaum 1903°), der sagt, daB „der Mastdarmkühlapparat
von Atzberger, einem Laien beliufs Behandlung der Hämorrhoiden
konstruiert* wurde. Das siud alles Wiener und all, bis auf Finger.
schreiben den Namen falsch; richtig schreibt ihn aber auch der
Nicht-Wiener Matthes’), den ich in meinem genannten Vortrag
irrtümlich der falschen Schreibweise beschuldigt hatte. Ich habe
nun seit Jahren nach diesem Laien, dessen Name natürlich in den
medizinischen Bibliographien nicht zu finden ist, in der medizinischen
Literatur gesucht, ebenso wie ich den Apparat vor Finger nirgends
erwähnt gefunden habe, und Finger war so freundlich mir zu ant-
worten, daß der Apparat an der Klinik von Sigmund gegen
Hämorrhoiden in Anwendung war, als er 1878 in diese eintrat, und
daß er den Apparat so kennen lernte.
1) Ibidem S. 95 —97.
?) Verhandlungen der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft. VII. Kon-
grel. Breslau 1901, $S. 198, siche auch Deutsche Medizinalzeitung 1901, S. 61».
3) Wiener Medizinische Presse 1885, Nr, 21, S. 670.
+) Die Krankheiten der Prostata in Nothnagels Handbuch. XIX. Band,
IL. Teil, III. Heft. Wien 1899, S. 45.
5) Handbuch der Urologie. Band IIT, Wien 1906. S. 686.
D Hydrotherapie in Eulenburgs Realenzyklopädie. IV. Auf., Bd. VI, 1907,
S. 438.
1) Hydrotherapie in Goldscheider-Jacobs Handbuch der physikalischen
Therapie. Bd. I, 1901, S. 495.
*) Lehrbuch der Hydrotherapie. 2. Aufl, Leipzig 1903, S. 166.
°) Lehrbuch der klinischen Hydrotherapie. Jena 1900, S. 134.
Zeitschrift für Urologie. 1913. 49
Paul Richter, Historische Beiträge zur Urologie.
“1
Le
O0
Bei dem Mangel jeder Literaturangabe hatte ich bereits darauf
verzichtet, jemals feststellen zu können, wer den Mastdarmkühl-
apparat zur Behandlung der Hämorrhoiden konstruiert hat, als ich
zufällig in den Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Geschichte
der Medizin und «der Naturwissenschaften 1909, N. 274, ein Referat
über eine Biographie fand, welehe Alexander Bauer, Hofrat un
Professor an der k. k. technischen Hochschule in Wien, über Jo-
hann Arzberger (1778—1835) zuerst im Feuilleton der Wiener
Zeitung vom 12. Juli 1908 veröffentlicht hat, und die in dessen
„naturhistorisch-biographischen Essays“ Stuttgart 1911, 8. 40-5?
wieder abgedruckt ist, wo auch eine Bleistiftzeichnung Arzbergers
von Moritz v. Sehwind, dem Sehwager Arzbergers, reproduziert
ist. Johann Arzberger stammt aus Arzberg bei Wunsiedel in
Oberfranken, war von 1816 an Professor an dem 1815 gegründeten
k. k. polytechnischem Institut in Wien und ein ganz hervorragender
Techniker, dessen Tätigkeit die Stadt Wien die ersten Versuche der
Gasbeleuchtung verdankt, was sie dadurch anerkannt hat, daß sie
eine Straße nach Arzberger benannt hat. Er starb 1535 und
hinterließ zwei Sälne, Moritz, der sich als Techniker, namentlich
dureh die Erfindung von Seeleuchten, einen geachteten Namen ge
schaffen hat, und Friedrich, geb. 1833 und gest. 1905. Er war
Professor an der Bergakademie in Przibram, dann an der Technischen
Hochschule in Brünn und in Wien, zuletzt Ministerialrat und Direk-
tor der Normaleichungskommission, und dieser Friedrich ist der
Konstrukteur der „AMastdarmolive*, welche Dumreicher der k.k.
Gesellschaft der Arzte in Wien am 1. Februar 1867 vorlegte. In dem
ericht der Allgemeinen Wiener Medizinischen Zeitung 1867, Ar. 6,
S. 46 ist der Name allerdings nicht genannt. Er findet sich erst
in einem Brief an die Redaktion der Zeitschrift‘ ebenda, Nr. 12,
S. 98. Diese Stellen habe ich nicht selbst gefunden, sondern ver-
danke sie den Mitteilungen des Sohnes Friedrich Arzbergers,
Herrn Dr. Hans Arzberger, Direktor der Medikamenteneigenregie
in den Wiener k.k. Krankenanstalten, welcher mich weiter daraul
aufmerksam machte, daß die Mastdarmolive auch auf der Pariser
Weltausstellung 1867 ausgestellt war, siehe Katalog der üsterrel-
chischen Abteilung 8. 42 (1. Aufl.) resp. 8 44 (2. Autl.).
Literaturbericht.
I. Chemie und Mikroskopie des Harns.
Zur Harnanalyse. Von Prof. E. Salkowski- Berlin. (Deutsche med.
Wochenschr. 1913, Nr. 13.) s
In Nr. 42 der Deutschen med. Wochenschrift 1912 hat Peter
Bergell cin neues Verfahren der Stiekstoffbestimmung im Harn mit-
geteilt. Salkowski erinnert daran, daß eine im Prinzip gleiche Methode
schon seit langer Zeit existiert, dab sie aber durch den Siegeszug der
Kjeldahlschen Methode mit der Zeit in Vergessenheit geraten und
deshalb auch von ihm in den letzten Auflagen seines Praktikums nicht
mchr aufgeführt worden ist. Die Methode stammt von Schneider-
Seegen und wird kurzweg die Seegensche genannt. Nach dieser Me-
thode werden 5 cem Harn ohne vorhergehendes Trocknen in einem
Kölbehen mit Natronkalk erhitzt; das sich bildende Ammoniak wird
übergeleitet in eine abgemessene Menge Säure. Nach Beendigung des
Prozesses wird Luft durchgesogen. Die nicht verbrauchte Menge Säure
wird mit Normalnatronlauge 1., oder !/,, zurückfiltriert.
Das Verfahren gibt wenigstens für den Menschenharn, verglichen
mit dem Kjeldahlschen Verfahren, hinreichend sichere Resultate.
Ludwig Manasse-Berlin.
Über die Azidität des Harnes in einigen Krankheiten. Von
(1. Anarliaricello und F. Medina-Neapel. (Deutsche med. Wochenschr.
1912. Nr. 47.)
Die Verf. fanden, daß die Azidität des Harnes bei den verschiedenen
akuten und chronischen, fieberhaften und fieberlosen Krankheiten Schwan-
kungen unterworfen ist. Über die physiologische Grenze ginge also die
Menge der Wasserstoffionen im Harne nie hinaus.
Ludwig Manasse-Berlin.
Über das spezifische Gewicht des Harns bei Krankheiten,
seine Abhängigkeit vom Gesamttrockenrückstand und von ein-
zelnen Bestandteilen des Harns. Von L. Jacob-Würzburg. (Deutsches
Archiv f. klin. Med., Bd. 110, Heft 1 u. 2.)
Die direkte Bestimmung der Trockensubstanz des Harns mit der
einfachen und zuverlässigen Methode von Neubauer hat gezeigt, dab
die Gesamtmenge der festen Stoffe des Harns sehr wechselnd ist. Es
haben sich dabei Unterschiede bei einzelnen Krankheiten, insbesondere
zwischen Stauungszuständen und Nephritis, ergeben; bei jenen ist sie
relativ und absolut vermehrt (bis 35 g trotz geringer Nahrungszufuhr),
bei diesen teils normal, und zwar unabhängig von der Schwere der Er-
krankung, teils in weiten Grenzen schwankend (8—58 g). — Zieht man
49*
140 Chemie und Mikroskopie des Harns.
vom Gesamttrockenrückstand den Anteil, der auf Harnstoff +- Kat) mp.
ab. so erhält man den sog. roduzierten Trockenrückstand, d. h. die Summe
aller übrigen festen Stoffe des Harns, die bei Gesunden 14—?4 g m
Durchschnitt 35°, des Gesamttrockenrückstandes) beträgt, bei Krank-
heiten aber sehr wechselnd ıst, in den Fällen von J. bis auf l g herab-
sank, bis auf 48 g anstieg. Der Vergleich dieser Werte unter sich und mit
dem (sesamttrockenrückstand gewährt uns einen tieferen Einblick in die
Ausscheidung der festen Stoffe überhaupt als die Bestimmung des spezi-
fischen Gewichts oder als die Kryoskopie allein.
Auf das spezifische Gewicht des Harns haben Harnstoff — NaCl
zwar wesentlichen, aber doch nur beschränkten Einfluß. Beim Gesunden
wird durchschnittlich etwas mehr als die Hälfte von diesen quantitativ
überwierenden Stoffen gedeckt, das übrige trifft auf die anderen Sub-
stanzen. Bei Kranken ist aber der Anteil der letzteren viel größer, er kann
nicht selten weit über die Hälfte, manchmal über zwei Drittel des ge
samten spezifischen Gewichts betragen. Verf. nannte diesen Anteil
„reduziertes spezifisches Gewicht“.
Der Versuch, das reduzierte spezifische Gewicht auf die Aussche-
dung bestimmter organischer Substanzen zu bezichen, hat noch zu keiven
abschliebenden Ergebnissen geführt. Es ließ sich in einzelnen Fällen
eine Abhängigkeit von der (slukuronsäureausscheidung feststellen. Da-
gegen ging im allgemeinen die Ausscheidung der Gruppe von organischen
Substanzen. für die der (Gehalt des Harns an dysoxydablem Kohlenstoff
ein gewisses Maß darstellt, nicht parallel der Höhe des reduzierten spez
fischen Gewichts; ebenso war dieses unabhängig von dem Gehalt de
Harns an Neutralschwofel. |
Der Anteil des dysoxvdablen Koblenstoffes am reduzierten Trocken-
rückstand kann bis annähernd 60", betragen (bis 8 gi. Die Bestimmungen
des dysoxydablen Kohlenstoffes haben aber gezeigt, daß sein prozentischer
Gehalt sehr wechselnd ist, dab er insbesondere bei chronischer Nephritis
auffallend groben Schwankungen unterliegen kann (1—8 g in 24 Stunden).
die beweisen, dab bei dieser nicht nur die Ausscheidung von Harnstoli
und NaCl, sondern auch die der übrigen Körper sehr wechselnd ist.
Der Gehalt des Harns an Eiweiß in der Menge, wie es gewöhnlich
bei der akuten und chronischen Nephritis, sowie beim Stauungsharn vor-
kommt, ist unwesentlich für die Höhe des spezifischen Gewichts.
Das spezifische Gewicht des Harns gibt, wie ja von vornherein zu
erwarten war, ein gewisses Maß für die Menge der im Harn gelösten
Bestandteile, aber nicht in dem engen und starren Sinne, daß mit einem
bestimmten, empirisch gefundenen Faktor (z. B. dem von Haeser) die
Trockensubstanz direkt berechnet werden könnte. Das ist schon beim
normalen Harn nicht immer möglich, bei Krankheitszuständen führt diese
Methode in der Mehrzahl der Fälle zu falschen Ergebnissen.
Die (Gefrierpunktserniedrieung geht im großen und ganzen dem
spezifischen Gewicht parallel. In einigen Fällen war eine Abhängigkeit
von den Substanzen, die den reduzierten Trockenrückstand bilden, nach-
zuweisen. Zuelzer-Berli.
Chemie und Mikroskopie des Harns. 741
The Significance of some urinary constituents. Von J. B.Ogden-
New York, (Medical Record, 16. X. 1912.)
Der Autor ist leitender Arzt bei einer Lebensversicherungsgesell-
schaft und will mit seinen Ausführungen besonders einige für Versiche-
rungsärzte wichtige Harnbestandteile besprechen:
Nukleoalbumin hat keine pathologische Bedeutung, da es als Sekre-
tionsprodukt von Schleimhäuten normalerweise vorkommt und nur bei
Reizungen der Schleimhäute, nach Chloroform, bei Frauen etwas vermehrt
ist. Im Urin läßt sich Nukleoalbumin durch Essigsäure nur nachweisen,
wenn einige Harnsalze, besonders Kochsalz, vorher entfernt sind. Um
also bei der Kochprobe nur eine Reaktion auf Serumalbumin zu be-
kommen, ist es nötig, '.„ des Urinvolumens gesättigte Kochsalzlösung
zuzusetzen. Nukleoalbumin bildet auch die Grundlage der Urinfäden. —
Was gewöhnlich Mucin genannt wird, sollte besser Mucoid heißen, da
wahres Mucin sehr selten im Urin vorkommt. Zylindroide werden nach
Ogden nur selten in der Niere geformt, sondern kommen gewöhnlich
aus den Prostatagängen. Auch sie sind Mucoide, also den Urinfäden
gleichzusetzen, sie sind der Ausdruck einer Schleimhautreizung und sollen
gewöhnlich bei leichten Blasenhalskatarrhen vorkommen.
Wenn Spuren von Albumin beobachtet werden, ist zwischen der
Herkunft aus Störungen in den Nieren und aus solchen unterhalb der
Nieren zu unterscheiden. Noch jahrelang nach Gonorrhoen, ja wenn nur
einige Tage hochkonzentrierter Urin abgeschieden wird, ferner bei Frauen
können Albuminspuren ohne jede Bedeutung und demgemäß ohne jeden
Einfluß auf die Annahme zur Versicherung ausgeschieden werden. Aber
auch vorübergehender Albumingehalt nach Nierenreizungen sollte niemals
Grund zu Äblehnungen abgeben. Das gleiche gilt für Zylinder. Ein
Unterschied zwischen granulierten und hyalinen Zylindern läßt sich als
pathognomonisches Zeichen nicht machen. Ist jedoch die Zahl der
Zylinder groß und überwiegen die hyalinen, dann ist an eine chronische
interstitielle Nephritis, eine chronische Nierenhyperämie nach Herzfehlern
etwa und an eine Amyloidniere zu denken.
Große Statistiken haben ergeben, dab die erwähnten geringfürigen
Urinveränderungen für die Lebensdauer völlig ohne Bedeutung sind.
Man hat also jahrelang den Bewerbern mit solchen Urinbefunden un-
recht getan. N. Meyer-Wildungen.
Albumin Determination. Von G. W. Warren-New York. (New
York Medical Journal, 14. XII. 1912.)
Warren hebt die Schwiorigkeiten hervor, die bei einem Eiter-
oder Bluturin bestehen, um die Mitbeteiligung der Nieren zu erkennen.
Er glaubt, daß selbst bei der schwersten U'ystitis der Albumingehalt des
Urins nicht über 0,15°/, hinausgeht. Ist bei einer zweifelhaften Pyurie
der Urin frei von Blut und übersteigt der Albumingehalt 0,15" so
ist meist eine Beteiligung der Nieren anzunehmen. Ist der Eitergehalt
gering und beträgt die Albuminurie 0,15“ „, dann ist sicher eine Er-
krankung der Nieren vorhanden. N. Meyer-Wildungen.
742 Chemie und Mikroskopie des Harns.
Quantitative Eiweißbestimmungen im Harn und ihre prak-
tische Brauchbarkeit. Von Kurt Moewes. Aus der IT, medizinischen
Klinik der Charite, (Dissertation, Berlin 1013, 38 bi
An einer Reihe von Harnen und Verdünnungen von Blutsera werden
einige bekanntere quantitative Eiwerßbestimmungsmethoden systematisch
nachgeprüft und verglichen mit der gewichtsanalytischen Bestimmung nach
Scherer. Die Esbachsche Probe ergab das beste Resultat. Nach
ihr ermöglicht es die optische Bestimmung nach Roberto-Stolnikow. ın
kurzer Zeit ein brauchbares Resultat zu erhalten. Noch ein’acher als
diese ist die Schnellmethode nach Aufrecht. sie setzt den Besitz einer
Zentrifuge voraus, erınbt aber selbst in Vergleich zu Esbach schlechtere
Resultate und ist nur für eine annähernde Bestimmung brauchbar.
Die Modifikation der E-bachschen Probe nach Tsuchiya ergab
nach den Erfahrungen des Verfassers nieht brauchbare Resultate ım
Vergleich zu den anderen geprüften Methoden. Fritz Loeb-München.
Die wichtigsten Zucker des Harns und ihre Unterscheidung
mittels ihrer Farbenreaktionen. speziell der erweiterten Neumann-
schen Reaktion. Von Hermann Ewer-bBerlin. Aus der 2. med. Klinik
der Koel. Charité, Berlin. (Dissertation, Berlin 1915, 63 8.)
lm ersten Teil seiner Arbeit hat Verfasser versucht, einen Über.
bliek über die wichtigsten Zucker im Harn zu geben. Er unterschertet
von vornherein zischen dauernder und vorübergehender Zuekeraussche-
dung. Jede dauernde Zuckerausscheidung kann als pathologisch bezeich-
net werden. Die weitaus wichtigste dauernde spontane Zucekerausschet
dung findet sich beim Diabetes mellitus. Der hierbei ausgeschiedene
Zucker ist der Traubenzucker itilukosei Spontane Zuckerausscheidung
findet sich ferner bei der als Pentosurie zu bezeichnenden Störung
des Stoffwechsels. Die hierbei im Harn ausgeschiedene Zuckerart ist
eine Pentose und zwar meist die inaktive Arabinose. Weiterhin kann
JLävulose (Fruchtzueker) dauernd im Harn auseeschieden werden. Diese
Fruktosurie stellt die relativ häufigste Zuckeransscheidung nach der
Glukosurie beim Diabetes dar. Die Laktosurie, die bei Frauen im
der Schwangerschaft und im Wochenbett beobachtet wird, stellt ebenfalls
eine spontane Zuckerausscheidung dar, d. h. ste ist wie alle genannten
Stoffwechselstörungen mehr oder weniger von der aufgenommenen Nah-
rung unabhängig. Insofern ist sie als dauernd — wenn auch auf eine
bestimmte Zeit beschränkt — der vorübergehenden Zuckerausscheidung.
zu der z. B. die alımentäre Form der Laktosurie zu rechnen ist. gegen
überzustellen. Unzweifelhafte Fälle von echter Maltosurie sind schr
selten. Unter den beschriebenen Fällen sind die meisten mit Glukasune
vergzesellsehaftet. Beim Diabetes werden neben der Glukose mitunter
noch andere Zucker ausgeschieden: Pentose, Lävulose, Maltose, Isomal-
tose Laiose (Leoscher Zucker), Paidose, Ausscheidung von Erythro-
dextrin bzw. Glykogen bet Diabetes wurde von mehreren Autoren be
ohaehtet. Unter vorübergehenden Zuckerausscheidungen spielen
die sog. alimentären Saccharosurien die größte Rolle Die wich-
tig-te alımentäre Form ist wiederum die sog, alimentäre Glukosurie.
Chemie und Mikroskopie des Harns. 143
Weiter ist zu unterscheiden zwischen normaler alımentärer Glu-
kosurie und pathologischer alimentärer Glukosurie, die bei ver-
schiedenen Organerkrankungen zu beobachten ist. Weiterhin bespricht
Verf. die Glukosurie bei Vergiftungen, Infektionskrankheiten u.a. Das
Vorkommen von geringen Mengen von Zucker bzw. zuckerähnlichen
Stoffen (Glukuronsäure) im normalen Harn wird dann erwähnt. Alı-
mentäre Pentosurie, Ausscheidung von Methylpentosen im Harn wird
gleichfalls besprochen. Die alimentäre Lävulosurie wird eingehender
erörtert, weil sie unter Umständen in diagnostischer Beziehung (Leber-
krankheiten) von Bedeutung ist. Alimentäre Laktosurie tritt, da
die Assimilationsgrenze des Milchzuckers relativ niedrig ist, ziemlich
leicht auf. Besonders tief liegt die Assimilationsgrenze bei Erkrankung
des Magen-Darmkanals, sowie bei Wöchnerinnen. Alimentäre Iso-
maltosurie, Galaktosurie, Mannosurie wurden experimentell her-
beigeführt. Die Assimilationsgrenze des Rohrzuckers liegt sehr hoch;
bei subkutaner Injektion geht jedoch die Saccharose fast völlig in den
Ham über. Daß Glukosurie durch mehrere der gebräuchlichsten
Arzneimittel hervorgerufen wird, und dab die Glukuronsäure manche
Zuckerreaktion gibt, verleiht der Glukuronsäure besonderes Interesse.
Im zweiten Teil seiner Arbeit behandelt Verf. „die Unterschei-
dung dor wichtigsten Zucker mittels ihrer Farbenreaktionen,
speziell der erweiterten Neumannschen Reaktion“. Von den
allgemeinen Reaktionen ist die wichtigste die Molische a-Naph-
tholreaktion, mittels derer man Fruktose und Rohrzucker, die leichter
zersetzt worden, von den anderen Zuckerarten bereits unterscheiden kann.
Modifikationen dieser Probe sind von v. Udranszky und Pinoff an-
gegeben worden. N eitzel verwandte statt Naphthol Kampfer, andere
Autoren -Naphthol, Menthol, Thymol und Resorzin. Alle diese Reak-
tionen werden als Furfurolreaktionen bezeichnet. Die Schiffsche
Reaktion, die besonders empfindlich ist, stellt ebenfalls eine Furfurol-
reaktion dar. Den allgemeinen Reaktionen stehen die Gruppen-, bzw.
Spezialreaktionen gezenüber. Für Glukose bzw. die Aldehyde
charakteristisch ist die von Penzoldt und E. Fischer angegebene Re-
aktion. Die Seliwanoftfscho Roaktion ist charakteristisch für Lävu-
lose bzw. Lävulose enthaltende Zucker, Rohrzucker. Modifikationen
dieser Probe stellen die von Rosin, Borchardt. Pinoff und Tollens
angegebeifen Reaktionen dar. Andere Spezialreaktioneu für Lävulose sind
von Jolles und Pinoff angegeben worden. Die Rubnersche Re-
Auktions- bzw. Farbenprobe ist charakteristisch für Milchzucker; die
Unterscheidung von Glukose ist allerdings schwierig. Ähnlich sind die
Proben von E. Voit, Buchner und Wöhlk zu bewerten. Zur Er-
kennung der Pentosen und Glukuronsäure sind mehrere Reaktionen an-
gegeben worden. Die Phlorogluzinreaktion zeigt bei Anwesenheit
von Pentosen bzw. Glukuronsäure violettrote Färbung und ein charakte-
ristisches Spektrum. Die Tollenssche Naphthoresorzinprobe ist
geeignet, Glukuronsäune und Pentosen voneinander zu unterscheiden.
Zwei weitere Proben zum Nachweis von Pentosen bzw. Glukuronsäure
sınd von Jolles angegeben worden. Das Orzin gibt nach Allen und
144 Chemie und Mikroskopie des Harns.
Tollens ähnliche Reaktion wie das Phlorogluzin. Besonders beachten»
wert ist die sog. Bialsche Probe, bei der Orzin verwendet wird. Das
Bialsche Reagens ist sehr empfindlich; eine spektroskopische Unter-
suchung ist im allgemeinen unnötig, um Pentosurie zu diagnostizieren,
Die gepaarten Glukuronsäuren geben die charakteristische Reaktion nicht,
sofern man sich genau an die von Bial gegebenen Vorschriften hált.
Die Neumannsche Probe ist ebenfalls eine modifizierte Orzinprobe.
Gut voneinander mittels der Neumannschen Farbenreaktion
sind folgende Zucker zu unterscheiden:
Arabinose (Violettfüärbung),
Xylose (Violettblaufärbung bis Blaufärbung),
Glukuronsäure (Grünblaufärbung),
Fruktose (Gelbbraunfärbung, Wasserzersetzlichkeit),
Rhamnose (Rotbraunfärbung, Wasserzersetzlichkeit),
Saccharose (Braunrot- bis Braunschwarzfärbung).
Schlecht durch die Farbenreaktion zu unterscheiden sind folgende
Zucker: Glukose, Maltose, Laktose, Glaktose und Mannose.
Die spektroskopischen Untersuchungen vermochten hierbei nicht unter-
tützend zu wirken. Die schon makroskopisch gut zu unterscheidenden
Zucker waren spektroskopisch auch gut zu unterscheiden: die anderen
zeigten keine charakteristischen spektroskopischen Ditterenzen. Das
Spektrum beim Urin war noch weniger charakteristisch als bei den
wässerigen Lösungen. Fritz Loeb-München.
Das diastatische Ferment des Urins. Von W, Neumann-tieben.
‚Deutsches Archiv für klin. Medizin, Bd. 111, Heft 1 u. 2,)
Jeder menschliche Urin hat eine gewisse diastatische Kraft, die
fast stets etwas größer ist als die des entsprechenden Blutserums. Ste
läbt sich nach der von Wohlgemuth angegebenen Methode leicht und
sicher feststellen und aus ihr, was durchaus nötig ist, durch eine ein
fache Rechnung die am Tage ausgeschiedene Menge von dinstatischen
Einheiten bestimmen. Diese Menge ist auch bei demselben Individuum
großen Schwankungen unterworfen, wobei die Art der Ernährung keine
Rolle zu spielen scheint. Von gewissem Einfluß scheinen dagegen
psychische Momente sein zu können. Bei Diabetes ist die Diastase
stets mehr oder weniger vermindert. Geringe Verminderung scheint
prognostisch günstig zu sein. Auch bei Nephritis, besonders bei der
chronischen hämorrbagischen, ist starke Verminderung zu beobachten,
ebenso bei perniziöser Anämie und anscheinend auch bei Basedowscher
Krankheit. Erkrankung des Pankreas ruft vermehrte Ausscheidung des
Ferments hervor, was diagnostisch verwertet werden kann. Eine nicht
ganz so starke Vermehrung sieht man während der Dauer von fieber-
haften Krankheiten, namentlich bei Typhus. Über den Einfluß einer
Reihe von anderen, nicht fieberhaften Krankheiten läßt sich nichts Be-
stimmtes sagen. Zuelzer- Berlin.
Über die Cammidgereaktion. Von Henryka Karás. (Zeitschr.
f. klin, Med., Bd. 77, Heft 1 u. 2)
Verf. fand, daß die Muttersubstanz der Cammidgeschen Kristalle
Chemie und Mikroskopie des Harns. 149
sich in allen parenchymatösen Organen befindet und daß es walırschein-
lich ein Körper ist, welcher an den Typus der Pentosenverbindung er-
innert. Diese Substanz könnte vielleicht ein Körper sein, welcher zu
der Gruppe der sog. Nukleoproteide gehört, welcher bei hydrolytischer
Spaltung unter anderem auch Pentose gibt (P.-Xylose) und verhältnis-
mäbig am reichlichsten im Pankreas vertreten ist. Daher scheint es
verständlich zu sein, warum die Cammidgereaktion am konstantesten bei
Pankreaserkrankungen auftritt, bei welchen der Zerfall des an Nukleo-
proteiden reichen parenchymatösen Organs zweifellos zu den ganz natür-
lichen Erscheinungen gehört. Es wird aber gleichzeitig ganz verständ-
lich, warum die Cammidgeschen Kristalle bei Prozessen auftreten, welche
von erhöhtem Zerfall einer großen Menge von Kernelementen begleitet
sind, wie bei Lympbämie und anderen. — K.s Untersuchungen umfassen
24 Fülle von positiver Reaktion, größtenteils mit Sektionsbefund.
Zuelzer-Berlin.
Die Cammidge-Reaktion und ihre Bedeutung für die Diagno-
stik der Pankreaserkrankungen. Von E. Langer. (Wiener klin. Wochen-
schrift, Nr. 9. 1913.)
L. fabt die Resultate seiner Untersuchungen folgendermaßen zu-
sammen:
l. Die Cammidgesche Reaktion ist keine eindeutige, für Pankreas-
erkrankungen spezifische.
2. Sie ist abor auch keine bloß durch das Vorhandensein von Trauben-
zucker bedingte Reaktion, denn sie findet sich auch nach dem Kochen
des Harns mit 29°/, Kalilauge, wodurch die einfachen und zusammen-
gesetzten reduzierenden Zucker zerstört werden.
3. Sie findet sich auch bei pankreasgesunden Individuen, nach Ver-
abreichung von 100 g Dextrose, in der Regel dann, wenn keine Dex-
trosurie auftritt.
4. Besteht dagegen von vornherein Glykosurie, so fällt auch bei In-
dividuen mit krankem Pankreas die Cammidgesche Reaktion ohne Ver-
abreichung von Dextrose nach dem Kochen mit Kalilauge negativ aus.
Gibt man solchen Individuen 100 g Dextrose, so wird die vorher nega-
tive Cammidgesche Reaktion positiv, während sie bei pankreasgesunden
Individuen nach Verabreichung von 100 g Dextrose und Auftreten der
Dextrosurie negativ ist.
5. Die die (‘a nmidgesche Reaktion bedingenden Kôürper scheinen
die beim Auf- und Abbau des (ilykogeus gebildeten zusammengesetzten
Zuckerarten zu sei.
D Während bei den übrigen auf künstliche Weise erzeugten Gly-
kosurien die Cammidgesche Reaktion negativ ausfällt, ist sie positiv
bei der Adrenalinglykosurie. Es scheint also für den positiven Ausfall
der Cammidgeschen Reaktion nicht nur der erhöhte Blutzuckergehalt,
sondern auch ein Überwiegen des sympathischen Nervensystems, resp. des
chromaffinen Systems maßgebend zu sein.
T. Ein derartiges Überwiegen des sympathischen Nervensystems kann
zustande kommen infolge Pankreaserkrankung und Wegfalls der hemmen-
146 Chemie und Mikroskopie des Harns.
den Wirkungsn des Pankreas. kann aber auch bestehen ohne vorliegende
Pankreaserkrankung.
Ss. Unter Umständen können aber auch Zerfallsprodukte des Pan-
kreas selbst diese Reaktion bedingen, ohne dab es jedoch möglich ist.
die in letzterem Falle entstehenden Kristalle von den in den oben er-
wähnten Fällen entstehenden zu unterscheiden. von Hofmann-Wien.
Der diagnostische Wert der Harnpepsinbestimmung. Yun
NH. Tachau. (Zeitschrift f. klin. Medizin, Bd. 76, H.3 u. 4.)
Das Verhalten des Härnpepsins gibt uns keine sicheren diagno-
stisch verwertbaren Aufschlüsse Wir können weder bei einer Heral-
setzung der Fermentmenge im Häürn mit Sicherheit krankhafte Verinde-
rungen der Magensekretion annehmen, noch bei normaler Harnpepsin-
menge eine Maswenaffektion ausschlieben. Auch für die Differential
unose des Magenkarzinoms gibt uns die Harnpepsinuntersuchung keine
verwertbaren Anhaltspunkte. Zuelzer- Berlin.
Die diagnostische Bedeutung des Harnpepsins bei Magen-
karzinom. Von Richard Bieling- Berlin. :Deutsches Archiv f klinische
Medizin. Bd. 102, H. 5 u. 6.)
Die Pepsinausscheidung im Harn ist in fortgeschrittenen Fiillen von
Magenkarzinom sehr gering und meist gleich Nul. Dagegen ist für den
Beginn der Krankheit ein markanter, sieh von anderen differentialdiagno-
stiseh in Betracht kommenden Krankheitsbildern unterscheidender Typus
in der Pepsinausscheidung nicht festzustellen. Die quantitative Bestim-
mung des Pep<ins ım Harn ist also für die Frühdiagnose des Magen-
karzinoms ungeeignet. Zuelvzer-Berin.
Praktische Winke zur Bestimmung der Harnsäure und Purin-
körper im Urin. Von IL. Flatow-Köln a. Rb. Münchner med, Wochen
schr. 1913, Nr. 7.
Die rein chemisch-teehmische Mitteilung kann abgekürzt met
wiedergegeben und mub daher im Original nachgelesen werden.
Brauser-München.
Über die Veränderung der Ausscheidung von Aminosäuren
bzw. von formoltitrierbaren Stoffen, als eine Ursache der Ver-
Cal | |
gröfserung des N -Quotienten nach gröfseren Blutverlusten. \on
Dionys Fuchs. (Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 69, S. 482.)
Nach grölseren Blutentnahmen enthält der Harn Stoffe, die einen
grölseren Verbrennungswert besitzen als die normalen Harmbestandteile.
der Energiequotient (Kaloriengehalt zu Stickstoff) steigt also. Da gleich-
zeitig die formoltitrierbaren Stoffe sich vermehren, ist ein Zusammenhang
der beiden Erschemungen nicht von der Hand zu weisen.
Bei langdauerndem Junger fand Verf. ebenfalls eine stetig zu-
nehmende, aber der Vermehrung des Gesamtstiekstoffs parallel gehende
Vermehrung der formoltitrierbaren Substanzen. Die Formoltitration wurde
nach Henriques-Soerensen unter Verwendung von Lackmus-Neutrali-
sation durehgeführt. Malfatti- Innsbruck.
Chemie und Mikroskopie des Harns. T47
Über ein Phosphatid im menschlichen Harn. Von L. Heß und
B. v. Frisch. (Wiener klin. Wochenschrift, Nr. 8. 1913.)
Die Verf. kommen auf Grund ihrer Untersuchungen zum Schlusse,
dab der Harn des lipämischen Diabetikers ın verhältnismäßig nicht un-
beträchtlicher Menge eine dextrogyre phosphorhaltige Substanz führt, die
mit Rücksicht auf ıhre Lösungsverhältnisse als der Lezithinreihe anıe-
hörig zu betrachten ist. Fernerhin ergab die Untersuchung des Harnes
in acht Fällen von langdauernden Narkosen gynäkolsgisch kranker Frauen
ebenfalls ein azetonunlösliches, ätherlösliches, phosphorbaltiges, rechtsdrehen-
des Lipoid. von Hofmann-Wien.
Der Urobilinnachweis mittelst Kupfersulfat. Von Theodor
Hausmann. (Deutsche med. Wochenschr. 1913, Nr. 8.)
Der Urobilinnachweis mittelst Kupfersulfat hat nichts zu tun mit
der Biuretreaktion nach Salkowski, die bei Zusatz von Alkali und
stark verlünnter Kupfersulfatlösung in urobilinhaltigem Urin entsteht, es
entsteht kein Kupfersulfat, sondern eine andere Verbindung, über die sich
der Verf. noch weitere Mitteilungen vorbehält.
Die Probe wird so angestellt, dab man zu 10—20 cem Harn 20
bis 40 Tropfen 10°, Kupfersulfatlösung und dann 2—4 ecm Chloroform
zusetzt. Die Flüssiekeit wird dann vorsichtig 10—20 mal, olne zu
schütteln, umgeschwenkt. Das Chloroform extrahiert das Urobilin und
erscheint je nach der Menge, hell- bis dunkelgelb. In alkalischem Urin
erscheint die Färbung schwach roswot. Mit dem Spoktroskop ist der
etwa vorhandene Urobilinstreifen nachweisbar.
Auch zur quantitativen Urobilinbestimmung kann die Probe mittelst
Kupfersulfat verwendet werden. In einem graduierten Röhrchen wird
die Flüssigkeit so lange verdünnt, bis der Urobilinstreifen im Spekroskop
verschwindet. Die Menge läßt sich dann bequem an dem Röhrchen ab-
sehen, Ludwig Manasse- Berlin.
Weitere Beobachtungen über die Urobilinogenreaktion im
Harne Scharlachkranker. Von Dr. Curt Sehelenz, Assistent der inneren
Abt, des städt. Krankenhauses Charlottenburg-Westend, (Med. Klinik 1015, Nr. 16.)
Im vergangenen Jahre hat Prof. Umber auf den diagnostischen
Wert der Ehrlichschen p-Dimethylamidobenzaldehydreaktion im are
bei der Differentialdiagnose zwischen echtem Scharlach und scharlach-
artıgen Serumexanthemen hingewiesen auf Grund seiner im städtischen
Krankenhaus Altona gesammelten Erfahrungen. An dem Krankenmaterial
der seit Januar 1912 seiner Leitung unterstellten inneren Abteilung des
Krankenhanses Westend hat Verf. die weitere Prüfung der genannten
Reaktion bei Scharlach und scharlachähnlichen Exanthemen durchgeführt.
Wenn auch nicht in dem großen Prozentgehulte wie in Altona, so fand
sich doch auch in der Mehrzahl der Fälle ein positiver Ausfall der Re-
aktion. Zur Anstellung der Reaktion, bei deren Bewertung Verf. sich
der von Umber angegebenen Stufen bediente, benutzt er nur das nach
Vorschrift des Deutschen Arzneibuches V angefertigte Reagens. von dem
er zu etwa 10 cem frischgelassenen Urin 10—12 Tropfen hinzufüst.
148 Chemie und Mikroskopie des Harns.
Zusammenfassend ist zu bemerken, daß der Wert der Amidobenzal-
dehydreaktion im Harne deshalb ein besonders grober ist, weil sie eme
recht zuverlässige Frühreaktion des echten Scharlachs darstellt. Die Prube
darf nur am frischgelassenen Harne solcher Patienten vorgenommen werden,
die kein Urotropin erhalten haben. Kr.
Über die Farbe des Harns und die Urobilinurie bei Schar-
lach. Von Erwin Schlesinger Aus der Infektionsabteilung des städt.
Rudolf Virchow-Krankenhauses. Dissertation, Berlin 1913, 29 8.
l. Das Urobilin ist im frischen Scharlachharn häufiger nachzuweisen
als sein Chromogen; nämlich Vrobilin in 80, Trobilinogen in 58°.
2. Eine gegen die Norm verinehrte Bilirubinausscheidung konnte
in allgemeinen nicht gefunden werden; nur schwach positive Bilirubin-
reaktion in zwei Fällen.
3. Die Paradımethrlamidobenzaldebydprobe ist — falls sie einen
ditterentialdiagnostischen Wert haben soll — nur dann als positiv anzu-
schen, wenn schon bei Zimmertemperatur Rotfärbung eintritt.
4. Der positive Ausfall der Urobilin- sowie der Urobilinogenprobe
weist bei der Diflerentialdiagnose zwischen Schäarlach und Serumexanthen
mit grober Wahrscheinlichkeit auf Scharlach hin, während einem negs-
tiven Ausfall keinerlei Bedeutung zukommt.
5. In der zweiten Krankheitsperiode des Scharlachs tritt oft, etwa
in 74°. ,. eine Dunkelfärbung des Harns auf, welche in vielen Fällen
nicht als eine febrile zu betrachten ist, sondern die Bezeichnung eines
selbständigen Krankheitssymptoms beanspruchen kann. In etwa 20°;
dieser Fälle besteht eine leichte, bald vorübergehende Urobilinurie,
während Bilirubin und Urobilinogen sich nur höchst selten finden.
6. Das Verhalten des initialen Scharlachharns und des Urins zur
Zeit der zweiten Krankheitsperiode zeigt mancherlei Ähnlichkeiten, so
daB man an einen in beiden Fällen ähnlichen pathologisch-anatomischen
Prozeß denken mub. Der Zusammenhang zwischen Harnhochstellung
und Urobilinurie, der sich während der initialen Erscheinungen fast stets
deutlich erkennen läßt, läbt sich während der zweiten Krankheitsperiode
nur in einem kleinen Teil der Fälle (20°;,) verfolgen.
Fritz Loeb-München.
Ehrlichs Amidobenzoldehydreaktion im Harne bei Scharlach
und scharlachähnlichen Exanthemen. Von Dr. Otto Hesse, früher
Volontärassistent der Infektionsahteilung des Rudolf-Virchow-Krankenhauses in
Berlin. (Medizin. Klinik, 1913, Nr. 8.)
Umber schlägt vor, zur Differentialdiagnose zwischen Seharlach und
dem seltenen skarlatiniformen Serumexgnthem die Untersuchung des
Harnes auf Urobilinogen heranzuziehen. Falls die Reaktion eindeutige
Resultate ‚bt, wäre ohne Frage dadurch etwas gewonnen, weil es sich
um eine einfache, für die Praxis geeignete Probe handelt. Auf 1—2? cem
trischgelassenen Harn nimmt man fünf Tropfen einer Lösung von Pardi-
methylamidobenzoldehyd 2,0, Acid, muriat. 30,0, Aa, dest. ad 100,0.
Intensive Rotfürbung in der Kälte zeigt Vermehrung der Urobilinogen-
Chemie und Mikroskopie des Harns. 749
ausscheidung an; als schwach positiv ist die Probe anzusehen. wenn in
der Kälte eine leichte Verfärbung, beim Erwärmen eine intensive Rôtung
auftritt. Die auch bei Gesunden vorkommenden kleinen Mengen von
Urobilinogen geben bei Erwärmen eine mehr bräunliche Farbe. Die klare
Rotfärbung, ohne jeden braunen Ton, ist für den positiven Ausfall un-
bedingt zu fordern. — Die Untersuchung von 92 Patienten mit Schar-
lach und 20 mit Serumexanthemen ergab Verf. folgendes: Der positive
Ausfall der Urobilinogenprobe kann in zweifelhaften Fällen eines skarla-
tiniformen Exanthems zur Wahrscheinlichkeitsdiagnose des Scharlachs
herangezogen und gegen Serumexanthem und eine Reihe von anderen
Infektionskrankheiten verwandt werden, kann aber niemals allein die
Diagnose bestimmen. Der negative Ausfall auf der Höhe des Exanthems
— und zwar nur in dieser Zeit — ist bei Scharlach zwar ungewöhn-
lich, ist aber nicht allzu selten. Kr.
Harntoxizität und Masern. Von Hans Mautner-Wien. (Deutsche
med. Wochenschr. 1912, Nr. 47.)
Die erhöhto Harntoxizität, die Sommerfeld und Aronson bei Masern
beobachtet haben, kommt nach Mautner auch bei anderen Krankheiten,
ja auch bei gesunden Kindern vor, etwas Charakteristisches ist sie dem-
nach nicht. M. hat sie u. a. auch bei Diphtheritis und Scharlach, bei
Peritonitis, Arthritis chronica und bei einem Vitium cordis gesehen.
Ludwig Manasse-Berlin.
Weitere Mitteilungen über die Giftigkeit des Harns bei
Masern und andern Infektionskrankheiten. Von Dr. Hans Aronson
Paul Sommerfeld. (Deutsche med. Wochenschr. 1913, Nr. 10.)
Im Jahrgang 1912, Nr. 37 der Deutschen medizinischen Wochen-
schrift (vgl. Referat in dieser Zeitschrift) haben die Verfasser ihre Versuche
über Harngiftigkeit bei verschiedenen Krankheiten berichtet. die Resultate
der Arbeit sind bestritten worden von Mantner (Deutsche med. Wochenschr.
1912, Nr. 47) und Uffenheimer (dieselbe Wochenschr. Nr. 50).
In ihrer neuen Arbeit weisen Aronson und Sommerfeld darauf
hin, daß sie nur von einer erhöhten Harngiftigkeit gesprochen hätten.
Sie nehmen eine solche nur an, wenn Meerschweinchen von 180 bis 220 g
nach intravenöser Injektion von 2 ccm neutralisierten Harns zugrunde
gehen. Sie haben in einer großen Reihe neuer Tierversuche die Rich-
tigkeit ihrer früheren Behauptungen nachgeprüft und kommen im wesent-
lichen zu demselben Resultat. Bei Masern ist die erhöhta Harngiftig-
keit deutlich ausgesprochen und kaun bei zweifelhaften Fällen gelegent-
lich dem Scharlach gegenüber differentiell diagnostisch verwertet werden.
Welcher Art das Gift ist, kann mit Sicherheit jetzt noch nicht gesagt
werden, darüber sollen noch weitere Untersuchungen entscheiden.
Ludwig Manasse- Berlin.
Die Wirkung der Luftbäder auf die Harnausscheidung. Von
Dr. W. D. Lenkei-Budapest, Leiter der phys. Heilanstalt in Almädi am Ba-
latonsee. (Klinisch-therapent. Wochenschr. 1912, Nr. 16.)
Die Versuche des Verfassers wurden in unbewegter Luft vorge-
150 Chemie und Mikroskopie des Harns.
nommen. Pie den angegebenen Lufttemperaturen entsprechenden Ergeb-
nisse beziehen sich also nur auf jene Luftbäder, die bei Windstille vor-
genommen werden, Da die Luithewegung die Kälteeinwirkung im all-
gemeinen verstärkt, ist anzunehmen, dab solche Luftbäder, welche ba
windizem Wetter vorgenommen werden. im Vergleich zu jenen bei Wind-
stille auf die Art wirken, als wenn die Temperatur der Luft ın letzteren
— (der Stärke des Windes angemessen — um einige Grade niedriger
wäre. Es ist daher zu erwarten, dab die Harn- und Harnstoffausscher-
dung (also höchstwahrscheinlich auch der Stoffwechsel) in Luftbädern am
windigen Seestrande auch bei höheren Lufttemperaturen als bei 2071
schon ziemlich energisch angeregt wird. — Verf. kommt in seinen Ver-
suchen zu folgenden Schlußsätzen: 1. Die Nieren scheiden im kalten Luft-
bad (also während des Aufenthaltes mit nacktem oder nahezu unbeklei-
detem Körper ın kälterer als 14 gradiger Lufttemperatur) eine etwas
erößere Menge Harn und mit dieser auch mehr feste Bestandteile, be
sonders eine beträchtlich größere Menge Harnstoff aus, als wenn man sich
entsprechend angekleidet in Luft von derselben Temperatur aufhält.
2. Ähnliche — obwohl etwas geringere — Zunahme der Nierenausschki-
dung ist auch in kühlen (14 bis 20 C-gradigen) Luftbädern zu beob-
achten. 9. Die Jauen (20—30 C-gradigen) Luftbäder wirken jedoch in
dieser Beziehung entgegengesetzt. Die Nieren scheiden in Luft von
diesen Temperaturen mit nacktem Körper weniger Ham und mit diesem
auch eine etwas geringere Menge Harnstoff aus, als wenn man bekleidet
ist. +. Die in dieser Beziehung indifferente Lufttemperatur ist bei 20°C
in manchen Füllen auch um 1—2 Grade höher: Kr.
Über ein Phenolphthaleinspektrum und dessen Einfluß auf die
spektroskopische Harnuntersuchung. Von B. Bardach-Wien, : Wiener
klin. Wochenschrift. Nr. 4. 1915.)
Während bei Harn von normaler saurer Reaktion ein geringer Ge-
halt von Phenolphthalein ohne Einfluß auf das Spektrum ist, tritt bei
alkalischer Reaktion eine Auslöschung zwischen den Linien D und E ein.
von Hofmann-Wien.
Der Wert bakteriologischer Harnuntersuchung. Von W. Hale
White. (Lancet, 2 November 1912.)
Es lassen sich häufig Fälle unklarer Allgemeinerkrankung dadurch
aufklären, daß im Harn als Reinkultur gefundene Staphylokokken, Strepto-
kokken, Kolibazillen u. a. den Nachweis einer Infektion erbringen. die
sich dureh Vakzinebehandlung besser und prompter beeinflussen läßt als
durch andere Maßnahmen. Es wird grober Wert auf Autovakzinen gelegt.
W. Lehmann -Stettin.
La petrification des microorganismes dans les sédiments uri-
naires et les pseudo-christaux en halteres. Von Georges Rodillon-
(Journ. d Urol, Tome II, No. 3, 1912.)
Es ist auffallend. daß man bisher keine Erklärung für die grobe
Mannigfaltigkeit der Formen gefunden hat, in denen sich dasselbe che-
Sens.
_
Chemie und Mikroskopie des Harns. 751
mische Individuum im Urin manifestieren kann. Das geläufigste Beispiel für
solchen Formenreichtum ist der oxalsaure Kalk. Dieser tritt auber in regel-
mäbigen quadratischen Oktaedern, seiner regulären Kristallform, welche
man gewöhnlich als „Briefcouverts“ bezeichnet, noch auf in Formen, die
unter den Namen „Biskuitform, Hantelform, Sanduhrform“ usw. bekannt
sind. Die letzgenannten Gebilde sind nach den interessanten Unter-
suchungen des Verfassers keine Kristalle, sondern Niederschläge von oxal-
saurem Kalk auf Diplokokken oder Diplobazillen. Diese „Pseudokristalle“,
welche synthetisch gezüchtet und in allen Stadien ihrer Entwicklung be-
obachtet wurden, bilden sich nur im bakterienhaltigen Urin; der sterile,
durch das Porzellanfilter gegangene Urin erzeugt sie nicht, sondern ent-
hält nur das typische Oktaeder. Was vom oxalsauren Kalk gilt, gilt
auch von den Varietäten des harnsauren Ammoniaks und Kalziumphos-
phats, auch die Leucin- und Tyrosinkristalle sind unter die Pseudo-
kristalle zu zählen. Alle irreswulären, geometrisch nicht definierbaren
„Harnkristalle* stellen solche petrifizierten Mikroorganismen dar.
A. Citron-Berlin.
Zur Bedeutung von Diphtheriebazillen im Harn. Von R. Koch-
Frankfurt a. M. (Deutsche med. Wochenschr. 1912, Nr. 50.)
Die auch in dieser Zeitschrift besprochene Arbeit von Conradi
und Bicrast über das Vorkommen von Diphtheriebazillen im Harn ist
von dem Verfasser in dem städtischen Hygienischen Institut und in der
Medizinischen Klinik des Städtischen Krankenhauses in Frankfurt a. M.
einer Nachprüfung unterzogen worden. Er begnügte sich aber nicht wie
Conradi und Bicrast in der überwiegenden Zahl ihrer Prüfungen mit
einem Ausstrich auf der Löfflerplatte und der Doppelfärbung, sondern
nahm ın jedem Falle Kulturverfahren und Tierversuch zu Hilfe Er kam
dabei zu einem wesentlich anderen Resultat, das er in folgenden Sätzen
zusammenfaßt: |
„Es wurden 111 Urinproben von 26 Diphtheriepatienten untersucht.
Darunter wurden in Urinen bei 2 Patienten tierpathogene Diphtherie-
bazillen gefunden. In 10 Urinproben von 5 Patienten wurden vereinzelte
diphtheroide Stäbchen gefunden, deren Identifizierung nicht immer gelang.
Ebensolche vereinzelte diphtheroide Stäbchen wurden unter 19 Urinproben
von Scharlachkranken, die bestimmt frei von Diphtherie waren, viermal
gefunden. Tierpathogene Diphtheriebazillen wurden nur bei Patienten
gefunden, die im Frühstadium der Erkrankung an Herz- und (efäb-
lähmung starben.“ Ludwig Manasse-Berlin.
Diphtheriebazillen im Harn. \on W. Beyer-Rostock. (Münchner
med. Wochenschr. 1913, Nr. 5.)
In der Arbeit, die vorwiegend intern-bakteriologisches Interesse
bietet, berichtet Verf. über Untersuchungen an 19 diphtheriekranken Kin-
dern. Es fanden sich in jedem Falle Diphtheriebazillen im Harn und
zwar bei einzelnen Rekonvaleszenten, die lange genug beobachtet werden
konnten, bis zum Zeitpunkt der Korrektur der Arbeit, d.i. 3',, - 3'/, Mo-
nate seit der Erkrankung. Die Möglichkeit der Weiterverbreitung durch
152 Gonorrhoe und Komplikationen,
den Harn möchte Verf. nicht unterschätzen, anderseits hält er aber eine
Isolierung der Bazillenträger bis zum Verschwinden der Keime für un-
durchführbar und auch für unwirksam, da doch immer nur ein kleiner
Teil der eventuellen Infektionsträger von einer solchen Maßregel betroffen
werden könnte. Eine Beeintlussung der Bakterien durch interne Harn-
antiseptica war nicbt zu erzielen. Brauser- München.
Il. Gonorrhoe und Komplikationen.
Über die Involutionsformen des Gonococcus Neisser uni
ihre Rolle als intraepitheliale Zellparasitsn. Von Prof. Hans Her-
zog-Berlin. (Virchows Archiv 1913, Bd. 212.)
Die vom Verfasser früher (1909 und 1910) angestellten Unter-
suchungen über die Atiologie des Trachoms führten ihn schon damals
zu der Wahrnehmung. daß den epithelialen Zelleinschlüssen, wie sie von
Halberstädter und Prowazek als ätiologisches Substrat des Trachoms
beschrieben wurden, morphologisch sehr ähnliche Gebilde auch vom
Gonococcus Neisser formiert werden können. Und zwar stellte er fest,
dab sich sowohl auf dem Wege der Züchtung wie bei klinischer Beob-
achtung sowie auch endlich auf experimentellem Woge, d. h. bei Über-
tragung auf lebende normale Konjunktivalschleimhaut, diese Formen zur
Darstellung bringen lassen.
Die vorliegende Arbeit geht nun — unter sehr eingehender Wür-
digung der Literatur — auf die genetischen und biologischen Details
der erwähnten Bildungen ein.
Schon bei genauer färberischer und an verschiedenen Gonokokken-
kulturen auf Wertheim-Nährboden tareweise durchgeführter Durchprüfung
des gewachsenen Kulturmaterials läßt sich beobachten, daß sehr bald
neben normal großen und normal gefärbten Exemplaren „Normokokken“
auch kleiner dimensionierte sowie ganz kleine „Mikrogonokokken* sich
vorfinden. Mit dieser Dimensionsveränderung (die durch Abgabe von
Substanz bedingt ist) geht eine chemische Alteration (Verminderung der
Affinität zu Kernfarbstoffen „Erythrophilin“ bei Giemsafärbung) sowie
vermöge einer Störung der Zellteilungsnormen eine Bildung auormaler
Formen: Nullform, Polkappenform, Sanduhrform, Arkadenform, Doppel-
hantelform, Riesenformen in Diplo- und Tetradenstellungen einher. Fast
immer ist hierbei die Tendenz vorhanden, bei Weiterimpfung auf frisches
Nährsubstrat für kürzere oder längere Zeit wieder zur Normalgestalt
zurückzukehren. Für die lebende Schleimhaut — und zwar lieferten hier
sehr sorgfältige Impfexperimente (nach Hellers Vorgang) auf den noch
geschlossenen Bindehautsack von jungen Kaninchen und Ratten kein
Resultat, während dagegen Autor durch Zufall in die Lage versetzt war,
eine experimentelle Gonokokkenübertragung auf menschliche Conjune-
tiva vorzunehmen — gelang es Verf. nachzuweisen:
1. dab der (sonococeus auch von Epithelzellen — also nicht nur
von Leukocyten — phagozytiert wird:
2. dab derselbe auch auf der Schleimhaut Involutionsformen gleich
den oben erwähnten bildet. welche im Falle ihrer intraepithelial unter
Gonorrhoe und Komplikationen. 753
dem Einflu8 bakteriolytischer Faktoren erfolgenden Entstehung in der
Epithelzelle teils in disseminierter Anordnung, teils in zusammenhängen-
den zooglomenartigen und metachromatisch veränderten Kolonieverbänden
anzutreffen sind, in letzterem Falle die bekannten, auch bei Trachom
beobachteten Zelleinschlüsse formierend.. Theodor Mayer-Berlin.
Mitteilungen über Gonorrhoe. Von Brandweiner und OÖ. Hoch.
(Wiener kl. Wochenschr. Nr. 22. 1913.)
Die Untersuchungen des Verf. haben folgendes ergeben:
l. Kutisreaktionen und Stichreaktionen mit Aufschwemmungen ab-
getöteter Gonokokken sind diagnostisch nicht zu verwerten.
2. Bei Urethritis totalis ohne oder mit Komplikationen sind Stich-
rerktionen mit autogenen Gonokokkenvakzinen bei gleicher Dose stärker
als solche mit allogenen.
3. Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß wesent-
liche Differenzen unter den verschiedenen Gonokokkenstämmen bestehen.
von Hofmann-Wien.
Gonococcal urethritis in a boy aged seventeen months. Von
A. Smith und C. S. McKee. (Brit. Med. Journ, April 26. 1913.)
Die Quelle der Infektion war augenscheinlich die Wärterin des
Kindes, Die Diagnose Gonokokkus wurde durch mikroskopische Unter-
suchung und Kultur gestellt. Die Heilung erfolgte glatt unter Spülungen
mit Silberpräparaten. von Hofmann-Wien.
Prophylaxie de la blennorrhagie chez l’hommeetchezlafemme.
Von Jules Janet-Paris. (Journ. d’Urologie, Tome Ill, No, 3. 1913.)
Der Grad der Empfänglichkeit für den Gonococeus ist beim Mann
sebr variabel. Zur Erhöhung der Infektiosität trägt bei ein langes,
schmales Präputium, eine zarte Mucosa, wie sie besonders junge und blonde
Individuen haben, und ein sehr weiter Meatus. (Unter den habituellen
Gonorrhoikern findet man häufig Meatomierte) Alle Anomalien des
Meatus, paraurethrale Gänge, Hypospadien disponieren gleichfalls zur Er-
werbung der Gonorrhoe.
Eine besondere Gefahr bedeutet immer der Verkehr mit Frauen,
welche menstruieren oder eben mit den Menses fertig sind, ferner mit
solehen, welche ante actum keine genügende Reinigung vorgenommen
haben, und insbesondere mit denjenigen, welche über allen Verdacht er-
haben zu sein scheinen. Für Hypospadiker und sonstige besonders Dis-
ponierte ist das Präservativ unerläßlich; im allgemeinen verhüten folgende
Maßnahmen die Acquisition der Gonorrhoe:
l. Der Meatus muß ante actum mit Vaseline gefüllt werden.
2. Post actum muß sofort uriniert werden, wobei die Glans zwischen
den Fingern massiert wird.
3. Das membrum muß mit Seife abgewaschen werden.
4. sollen mit dem „Samariter* 2 Tropfen einer 20°, Protargol-
oder besser Argyrol-Lösung in die Fossa navicularis eingeträufelt und
0. die Labien des Meatus, sowie die Falten des Frenulum mit einem
weiteren Tropfen der Lösung abgewaschen werden.
Zeitschrift für Urologie. 1913. 50
=]
Si
de
Gonorrhoe und Komplikationen.
Boim Weibe ist die Empfänglichkeit für Gonorrhoe unendlich viel
größer als beim Manne, teils wegen der vielen toten Winkel, welche
die Vagina besitzt, teils deshalb, weil das Virus innerhalb des Genitale
deponiert wird, während es beim Manne zunächst nur die Aubentlache
trifft.
Der Schutz des Weibes besteht vor dem Akt in
1. Einführung eines Schwammes oder eines Kautschuk-Protektor:
zum Schutze des Collum.
2. In Vaselinbestreichung der Urethralmündung und der Öffnungen
der Bartholinischen Drüsen.
Nach dem Akt soll die Frau
1. Urin lassen;
2. sich sorgfältig äußerlich mit Seife waschen;
3. eine Ausspülung mit Sublimat 0,25:1000 vornehmen.
A. Citron- Berlin,
Le traitement abortif de la blennorragie aiguë. Von Panl
Lebreton-Parıs. (Journal d'Urolowie, Tome IIL, No. 2. 1913)
Eine Abortivbehandlung der Gonorrhoe erfordert erstens, dab das
Verfahren die Mucosa und Submucosa schont, keine narbigen Strikturen ver-
anlaßt oder Komplikationen setzt; ferner muß es von kurzer Dauer sein,
womöglich in einer einzigen Sitzung den Gonococcus vernichten; drittens
soll es sich für die grobe Mehrzahl der Fälle eienen und viertens im Fale
des Miblingens die Einleitung des üblichen Verfahrens erlauben, olme
einen Zeitverlust zu bedeuten. Der Erfolg der Kur hängt ab einmal von
ihrer möglichst frühzeitigen Einleitung; sodann ist es von Bedeutunz.
daß die Inkubationszeit keine allzu kurze war; denn in diesem Falle
mub mit vermehrter Kokkenvirulenz und verminderter Resistenzfähigkeit
gerechnet werden; drittens endlich sind die Chancen der Abortivkur um
so besser, je mehr (sonorrhöen der Pars anterior der Patient schon durch-
gemacht hat; in diesem Falle scheint eine Art Autovakzination die He
lung zu unterstützen.
In der Vor-Neiberschen Zeit wurde schon mit Janetschen Spü-
lungen, Argentumlösungen und Balsamieis abortiv gearbeitet, doch fehlt
dieser Epoche die exakte Kontrolle des Mikroskops.
Erst seit der Entdeckung Neißers kann man die Wirksamkeit der
verschiedenen Medikamente miteinander vergleichen, von denen hente
am gebräuchlichsten sind das Kalitumpermanganat, das Argentum nitricum.
das Protargol und das Argyrol. Weniger eingebürgert haben sich
für unsere Zwecke Ichthyol. Alumnol, Argonin, das Airol sowie die
Quecksilbersalze Sublimat und Hydrargyrum oxyeyanatum.
Nachdem die Abhandlung sämtliche Prozeduren beschrieben und
ihre Resultate dargelegt hat, kommt sie zu dem Schlusse, daß mit
Hilfe der verschiedensten Substanzen und Variationen von allen Autoren
zum Teil glänzende Resultate erzielt worden sind, daß aber keine einzige
Methode imstande ist, die akute Gonorrhoe mit absoluter Sicherheit
im Keime zu ersticken. Und zwar liegt das an der Krankheit selbst,
welche durchaus nicht immer gleichartig ist.
Gonorrhoe und Komplikationen. 159
Indessen ermutigen die vorliegenden Ergebnisse dazu, in jedem
Falle, welcber irgendwie dazu geeignet ist, eine Abortivkur einzuleiten.
In der Auswahl der Methode sei man Eklektiker und entscheide sich für
diejenige Methode, welche für jeden einzelnen Patienten am besten zu
passen scheint. A. Citron- Berlin.
Die Behandlung der Gonorrhöe und ihrer Komplikationen.
Von C., Bruck- Breslau. (Therap. Monatsh.. Januar und März 1913.)
Die Behandlungsprinzipien des Trippers sind folgende: l. Anti-
septische Behandlung ohne Unterdrückung der Entzündung durch die
Silbereiweißverbindungen wie Protargol und Argonin. 2. Übergang zu
antiseptischer und leicht adstringierender Behandlung durch Argent.
nie, Ichthargan, Albargın und andere Mittel. 3. Beschluß der Be-
handlung durch reine Adstringentia. Für die Abortivkur empfiehlt
Bruck 4°, Protargol mit 5°, Antipyrinzusatz 5 Minuten lang in der
12 cem-Spritze. Wiederholung am gleichen Tage einmal, am folgenden
zweimal.
Auch nach Brucks neueren Erfahrungen ist die T'hermolabilität
der tronokokken nicht so grob, wie dies früher angenommen wurde.
Verschiedene Stämme haben sich gegen Erwärmung ganz verschieden
verhalten. Daß die Versuche, chemotherapeutisch die Gonorrhöe vom
Blutwege aus zu beeinflussen, fehlgeschlagen sind, liert an der bisherigen
Unmöglichkeit, die Gonorrhöe auf das Tier zu übertragen. Bruck hält
dies jedoch für einen Fehler in der Technik. den zu überwinden in der
Zukunft gelingen wird. Um eine Tiefenwirkung zu erzielen, wurde ver-
sucht, Silberverbindungen mit stark diffundierenden Substanzen zu kuppeln.
Der Weg scheint erfolgreich. Bei den chemotherapeutischen Arbeiten
wurde die bedeutsame Tatsache gefunden, daB es Gonokokkenstämme
gibt, die silberfest sind oder es im ‚Lauf der Behandlung werden.
Bei der Verhütung der Urethritis gonorrhoica posterior verdient der
Vorschlag von Kuhn, die Urethritis anterior tags halbstündlich und
nachts stündlich durch milde Selbstinjektionen zu behandeln, Beachtung,
Ist praktisch aber wohl nicht durchführbar. Einen gewissen Ersatz da-
für leistet die Verordnung eines Agargelees als letzte Applikation am
Abend, wodurch eine längerdauernde Haftung des Antigonorrhuikums auf
der Schleimhaut erreicht ist.
Von der von Schindler angegebenen Atropinzäpfchenbehandlung
hat Bruck Gutes gesehen. Bei der Behandlung der Urethritis posterior
wird den Argent. nitric.-Instillationen vor den organischen Silberpräpa-
raten der Vorzug gegeben, weil erstere durch die Bildung eines silber-
haltigen Niederschlares länger einwirken, zumal es hier auf eine Tiefen-
wirkung weniger ankommt.
Im akuten Stadium der Prostatitis wird nur mit Wärmoapplika-
tionen behandelt. Bei der Epididymitis wird in ganz frischen Fällen an
Stelle der Punktion die Schlitzung der Tunica propria ausgeführt. Mit
einem spitzen Bistouri wird die mit Jodtinktur desinfizierte Skrotalhaut
durchstochen und die Tunica communis und propria an der Cauda unter
Entgegendrängung des Nebenhodens in der Länge von etwa l cm auf-
DO"
756 Gonorrhoe und Komplikationen.,
geschlitzt. Nach Jodtinkturpinselung der Wunde, Mull- und Zinkptaster-
verband. Von der Staunngsbehandlung hat Bruck keinen besonderen
Nutzen gesehen. Die passive Immunisierung durch die Serumtheranie
verwirft er, ist dagegen ein warmer Fürsprecher der aktiven [mmuni-
sierung: „Wir stehen heute auf dem Standpunkt, dab die Vakzine-
behandlung, deren grober Nutzen in vielen und meist vorher nicht be-
stimmbaren Fällen erwiesen und deren Durchführung ohne gröbere Be-
lästigung und ohne jede Sehädirung der Patienten möglich ist, nicht nur
in jedem Fall von Epididymitis und Arthritis indiziert ist, sondern auch
in jedem Fall von gonorrhoischer Prostatitis und hartnäckiger, der üb-
lichen Behandlung trotzender Urethritis versucht werden sollte,“
N. Meyer- Wildungen.
Über Gonargin. ein neues Vaccinepräparat. Von J. Sehu-
macher-Berlin. (Zeitschr, f. Derm., H.5, 1913.;
Sch. hat in einer Reihe von Fällen das von den Höchster Farb-
werken in den Handel gebrachte Gonargın verwendet und erachtet auf
Grund seiner Untersuchungen dieses Präparat für ein unschädliches, spezifisch
wirkendes Mittel bei gonorrhoischen Komplikationen, besonders bei Epi-
didymitis und Tendovagınitis. Seh. begann die Behandlung mit der
intramuskulären Injektion von 5 Millionen Keimen und stieg dann in Ab-
ständen von drei Tagen anf 10, 15, 25 und 50 Millionen Keime.
von Hofmann-Wien.
Über Arthigonbehandlung der Arthritis gonorrhoica. Vu
F. Tedesko-Wien. {Wiener med. Wochenschr. Nr. 10. 1913.)
T. hat in sieben Fällen von gonorrhoischer Artbritis das Arthigon
mit bestem Erfolge verwendet, Sowohl bei frischen, als auch bei älteren
Prozessen ließen die Schmerzen rasch nach, und die Patienten wurden inner-
halb von 13—40 Tagen geheilt. Mit Ausnahme von leichter Temperatur-
steigerung und vorübergehender erhöhter Schmerzhaftigkeit in den er
krankton Gelenken wurden nach den Injektionen keine Nobenerschemungen
beobachtet, von Hofmann-Wien.
Gonorrhoeal urethritis anterior. Von A. L. Sachs. (The Practi-
tioner, May 19183.)
S. bespricht hauptsächlich die Abortivbehandlung der akuten Go:
norrhoe. Er bedient sich zu diesem Zwecke einer 2°;,, Albarginlösung,
mit welcher zunächst die Urethra anterior und dann auch die posterior
ausgespült wird. Diese Spülungen werden einmal täglich vorgenommen.
In 46" , der Fälle gelingt es, die Gonokokken innerhalb von fünf Tagen
zum Verschwinden zu bringen. von Hofmann-Wien.
Kausale und symptomatische Behandlung gonorrhoischer Pro-
zesse des Mannes mit besonderer Berücksichtigung der Original-
Gonokokkenvakzine Menzer. Von Dr. Philipp Erlacher. (Deutsche
med. Wochenschr. 1913, Nr. 3.)
Erlacher benutzte zur Behandlung gonorrhoischer Prozesse die
Gonorrhoe und Komplikationen. 757
Menzersche Vakzine, von der 0,5 cem (— 5 Millionen Gonokokken)
durchschnittlich alle 4 Tage subkutan in den Oberarm injiziert wurden.
Die Fingerdosis wurde in einzelnen Fällen bis auf 28 Millionen ge-
steigert. Es tritt nie mehr als ein Grad Temperatursteigerung ein; das
Allgemeinbefinden wird nicht beeinflußt. Eine lokale Reaktion tritt
nicht ein, wohl aber eine Herdreaktion, die sich bei abgeschlossenen Pro-
zessen in vermehrter Absonderung, Schwellung und lebhafteren Schmerzen
äubert.
Leider ist die Zahl der Beobachtungen eine zu kleine, um irgend-
welche bindenden Schlüsse zu gestatten. Das schnelle Schwinden der
Gonokokken bei den akuten gonorrhoischen Urethritiden kann ebenso
auf die gleichzeitig verwendeten sehr starken Silbersalzlösungen, wie auf
die Vakzine bezogen werden. Chronische Gonorrhöen kamen nur 3mal
in Behandlung, davon sind 2 Fälle noch nicht abweschlossen. Wenn bei
den Komplikationen zweimal die Iwniphadenitis inguinalis und ebenso
oft Arthritiden schnell zurückgingen, so erlebt man das ebenso oft auch
bei jeder anderen Art von Behandlung. Der einzige wirkliche Wert
des Mittels scheint darin zu liegen, dab es gelingt, in scheinbar ab-
gelaufenen Fällen und bei ganz alten Fällen einen positiven Gonokokken-
befund zu erhalten, wo man iln nicht mehr erwartet; damit würde dic
Vakzine einen hohen diagnostischen Wert erlangen.
Ludwig Manasse- Berlin.
Gonorreal ophtalmia treated with gonococcus vaccines. Von
WR. Mittendorf-New York. (Medical Record, 8. 3. 1013.;
Mittendorf gibt neun Krankengeschichten von gonorrhoischen
Augenentzündungen, die mit bestem Frfolze durch Gonokokkenvakzine
behandelt wurden. In allen Fällen gelang es, die Schwellung der Lider
sehr rasch zu beseitigen und die Sekretion stark zu mindern. Nur in
einem Falle konnten nach der zweiten Woche noch Gonokokken fest-
gestellt werden. Gewöhnlich war in zwei Tagen zu sehen, daß dio Pa-
tienten außer Gefahr waren, und nach acht bis zehn Tagen waren sie
fast geheilt.
Zur Verwendung kam eine im Handel erhältliche Vakzine, von der
zu Beginn 50, dann bei Kindern 100, bei Erwachsenen 200 Millionen
gegeben wurden. Versuche mit einer starken Vakzine wurden wieder
aufgegeben, weil Fieber und Nebenwirkungen auftraten, die Kranken-
hausbeobachtung erfordern. Diese Vakzine dürfte aber in bedrohlich
ausschenden Fällen am Platze sein. | N. Meyer-Wildungen.
Die Behandlung gonorrhoischer Prozesse mit Tanargentan-
Stäbchen. Von Privatdoz. Dr. R. Pollano-tGiraz. (Deutsche med, Wochen-
schrift 1913, Nr. 14.)
Tanargentan ist eine Verbindung von Silbereiweiß mit Tannin:
nähere Angaben finden sich darüber nicht in dem Aufsatz. Pollano
hat daraus leichtlösliche Stäbchen herstellen lassen, mit denen er sowohl
in akuten wie in chronischen Prozessen. besonders auch bei der Gonor-
rhoe der Frauen und Kinder, gute Resultate erzielt haben will. Irgend-
158 Harnröhre und Penis.
welche neue, bisher unbekannte Gesichtspunkte entwickelt der Verfasser
in der Publikation nicht. Ludwig Manasse- Berlin.
Klinische Erfahrungen mit Adamon bei den Reizzuständen
der akuten Gonorrhoe. Von Dr. Treitel. (Berliner klin, Wochenschr,
1913, Nr. 4)
Empfehlung des Adamons gegen die komplizierenden Reizzustände
bei der akuten Gonorrhoe, insbesondere die nächtlichen Erektionen und
Pollutionen; die Patienten erhielten zwei Tabletten à 0,5 zwischen 5 bis
6 Uhr abends, zwei weitere 1., Ntunde vor dem Schlafengehen mit etwa
Wasser autgeschwemmt. Paul Cohn- Berlin.
Il. Harnröhre und Penis.
a) Harnröhre.
Le cathétérisme des Canaux éjaculateurs. Von Georges Luys.
(La Clinique, 8. Jahrgang, No. T, Februar 1913.)
Bisher war der Katheterismus der Duetus ejaculatorıi noch niemal:
velungen, wenn auch Klotz (1905) über einige interessante diesbezüc-
liche Versuche berichtet hat. Verfasser ist es jetzt in einem Falle zum
ersten Male gelungen, mit einer Sonde in die Mündung eines Ductus
ejaculatorius einzudringen und den verstopften Kanal freizumachen. Es
handelte sich um einen Fall von ypostzonorrhoischer Prostatitis mit Be-
teiligung der Nebenhoden sowie starker Schmerzhaftirkeit der Samen-
bläschen. offenbar infolge von Sekretstauung; durch Massage gelang es
nicht, letztere zu beheben, im (Gegenteil, es wurde nur eine erneute
linksseitige Epididymitis hervorgerufen, die in einigen Tagen zurück-
ging. Deshalb versuchte Verf. im Urethroskop in den verstopften
linksseitigen Ductus ejaculatorius mit einer Sonde einzudringen, zunächst
mit einer Urethralsonde Nr. 5. was nicht gelang, darauf mittels einer
feinen Knopfsonde aus Metall: letzteres gelang: die Sonde drang etwa
L!,cm tief in den Kanal ein. Nach dem Katheterismus wurde m die
Blase eine Lösung von Hydrarg. oxyeyanat. gespritzt, darauf das linke
Samenbläschen massiert und dadurch eine Anzahl eitriger Klümpehen
entleert. Die Folge dieser Prozedur war eine erhebliche Besserung:
der linke Nebenhoden wurde kleiner, der Urin klar, frei von Filamenten.
Verf. hält den Katheterismus der Ductus ejaculatorii in folgenden Fällen
für indiziert: 1. Bei Sekretstauunz in den Samenbläschen, wenn diese
durch Massage nieht behoben werden kann. 2. Bei Schmerzhaftigkeit
der Ejakulation, die meist ihre anatomische Grundlage in narbigen Ver-
änderungen in der Umgebung der Ductus ejaculatorii hat. 3. Bei blut-
haltiwen Ejakulationen. 4. Bei chronischer Spermatocystitis. Verf. gibt
zum >ehlnb Anweisungen über die Technik des Katheterismus der
Ductos ejaculatoriı und betont noch, daß man denselben nicht bei akuten
Kntzündungszuständen der Urethra posterior vornehmen darf, sondern
erst, wenn von der Entzündung keine Spur mehr vorhanden ist.
Lohnstein.
4
|
Harorôhre und Penis. 759
Heilung einer seit vier Jahren bestehenden perinealen Ure-
thralfistel durch eine komplizierte Plastik bei einem elf Jahre alten
Knaben. VonV.Blum. Wiener Gesellsch. d. Ärzte, 25. April 1913. (Wiener
klin. Wochenschr. Nr. 18. 1913.)
Der Patient hatte sich im siebenten Lebensjahre durch Sturz eine
ZerreiBung der Harnröhre zugezogen, die zu einer perinealen Harnfistel
geführt hatte, deren Verschluß trotz mehrmaliger Versuche nicht gelungen
war. v. Frisch führte vier Jahre nach der Verletzung eine ausgedehnte
Resektion der strikturierten Harnröhre und der Fistel aus, worauf der
Defekt vernäht wurde. Zur Neubildung des durch Harnabszesse schwer
deformierten Skrotums erwies sich eine komplizierte Hautplastik als not-
wendig. Schließlich wurde ein nußgroßer Phosphatstein aus der Blase
entfernt und eine vor 3 Jahren angelegte suprapubische Fistel verschlossen.
Vollständige Heilung. von Hofmann-Wien.
Über Corpora amylacea im endoskopischen Befunde der
hinteren Harnröhre. Von Dr. Otto Loose und Erich Steffen-Berlin.,
(Deutsche med. Wochenschr. 1913, Nr. 13.)
Anknüpfend an die Mitteilung von Pfister in Nr. 3 der Deutschen
med. Wochenschrift 1913: „Über Prostataelemente bei der Urethrorrhoea
ex libidine“ bringen die Verf. die sehr gut gelungenen urethroskopischen
Bilder von einem 57 jährigen Patienten, der über blutige Tingierung des
Samens und geringe Schmerzen bei der Ejakulation klagte. Dem Bilde
nach wird man den bräunlich-schwarzen Flecken am Colliculus kaum
eine andere Deutung als die Verf., die in ihnen Corpora amylacea sehen,
geben können; noch beweisender wäre es allerdings gewesen, wenn es
gelungen wäre, die Gebilde auch mikroskopisch als solche zu verifizieren.
Ludwig Manasse-Berlin.
Endourethrale Behandlung mit Hochfrequenzströmen. VonR.
Bachrach. Wiener Gesellsch. d. Ärzte, 25. April 1913. (Wiener klin. Wochen-
schr, Nr, 18. 1913.)
l. Bei dem 38 jährigen, vielfach behandelten Patienten fand sich als
Ursache der Beschwerden eine polypöse Wucherung am Colliculus. Durch
Behandlung mit dem Hochfrequenzstrom wurde der Patient vollständig
geheilt.
2. Einer 28jährigen Patientin wurden zwei Polypen am Sphinkter-
rande der Blase durch Hochfrequenzstrom entfernt. Die Nachbehandlung
ist noch nicht abgeschlossen.
Glingar ist der Ansicht, daß derartige Fälle auch auf einfachere
Weise durch die üblichen endoskopischen Behandlungsmetlioden zur Heilung
gebracht werden können. von Hofmann-Wien.
Operativ geheilter Fall von Hypospadie der weiblichen
Urethra. Von V. Blum. (Wiener Gesellschaft der Ärzte, 27. Juni 1918.
Wiener klin. Wochenschr. 1913, Nr. 27.)
Bl. präparierte bei der 19jährigen Patientin, deren Harnröhre in die
Vorderwand der Scheide mündete, die Urethra frei und implantierte sie
760 Prostata.
an normaler Stelle. Eine suprapnbische Blasenfistel, welche vor zehn
Jahren angelegt worden war, wurde in derselben Sitzung geschlossen.
Der Erfolg war ein sehr günstiger, die Patientin konnte spontan uri-
nieren. von Hofmann-Wien,
b) Penis.
Operation der hypertrophischen Phimose. Von P. Albrecht-
Wien. (Wiener kliu. Wochenschr, 1913, Nr. 23.)
A.s Operation, die besonders bei hypertrophischen, rüsselförmigen
Präputien geeignet erscheint, setzt sich aus folgenden Akten zusammen:
1. Dorsale Spaltung des Rüssels und des eigentlichen Präputiuns
bis in die Mitte der Eichel.
2. Am Ende dieses dorsalen Schnittes wird senkrecht auf densellen
ein Zirkelschnitt nur durch das äubere Blatt der Vorhaut geführt.
3. Einen bis 2 cm nach vorn von diesem Zirkelschnitt wird ein
zweiter Zirkelschnitt parallel zu dem ersten, ebenfalls nur durch das
äußere Blatt der Vorhaut geführt.
4. Exstirpation der durch diese beiden Zirkelschnitte gebildeten
Manschette des äuberen Vorhautblattes.
5. Vernähung der beiden zirkulären Wundränder. an der volaren
Seite des Penis, in der Raphe beginnend. von Hofmann-Wien.
IV. Prostata.
Prostatastein. Von A. Lieben. (Wiener Gesellschaft der Ärzte,
6. Juni 1013, Wiener klin. Wochenschr. 1913, Nr. 24.)
Es handelt sich um einen 62 jährigen Patienten, welchem neben
zwei Blaseusteinen auch ein haselnubgroßes Konkrement aus der Pars
prostatica durch Kectio alta entfernt wurde. Die Diagnosenstellung war
nur durch Röntgenuntersuchung möglich, da das Konkrement in der
Pars prostatica, ein Phosphat, in einer Nische eingekeilt, Katheter und
Sonden anstandslos passieren ließ, von Hofmann-Wien.
Un procédé pour l'extirpation large du cancer de la prostate.
VonG. Gayet,Champelu. Fayol-Lyon. (Journ, d’Urol. 1913, Tome III, X0.3.)
Wenn ein Prostatakarzinom die Grenzen der umgebenden Apo-
neurose noch nicht überschritten hat und sonst keine Kontraindikation
vorliegt, kann der Chirurg versuchen, den Patienten durch radikale Ex
stirpation zu retten. Die Operation muß aber umfassender sein als die
Prostatektomie; nicht allein die Kapsel, sondern die ganze „aponeurotische
Loge* mub mit entfernt werden. Vorff. haben im Januar bzw. Sep-
tember 1912 unter Lumbalanüsthesioe zwei derartige Operationen ausge-
führt. deren Technik ausführlich mit Hilfe von Abbildungen beschrieben
wird. Die Patienten leben und haben keine Rezidive. Das funktioneile
Resultat wurde durch sekundäre Strikturbildung getrübt. Bei dem einen
Öperierten war Inkontinenz gleich nach der Operation eingetreten, da
die Sphinkteren nicht geschont werden konnten. Zur Vermeidung der
Strikturbildung wird eine ante operationem anzulegende suprapubische
Fistel vorgeschlagen. Die Chancen für eine primäre Vereinigung der
`
I
)
'
Blase. 161
Harnröhren-Blasennaht würden besser werden. wenn hierdurch der Urin-
strom möglichst lange von der ÖOperationswunde ferngehalten wird.
A. Citron-Berlin.
Ein Jahr Prostatachirurgie. Von Prof. Pr. Wilms-Leidelberg.
(Med, Klinik 1913, Nr. 16.)
Verf. hebt in diesem Überblick speziell hervor, daß die nach seiner
Methode ausgeführte perineale Prostatektomie sich gut bewährt. Im
ganzen kamen 1912 von Prostataerkrankungen öl Fälle in Behandlung,
davon wurden 81 wegen Hypertrophie mit perinealer Prostatektomie
nach seiner Methode behandelt. Bei den 31 Fällen ist kein Todesfall
zu verzeichnen. Hiervon wurden 22 in Lokalanästliesie nach Franke-
Posner operiert, 4 in Lumbal- und 5 in epiduraler Anästhesie. Das
Durchschnittsalter dieser 31 Fälle betrug 67 !/, Jahre, der jüngste Patient
war 58 Jahre alt, der älteste 79. Die Operation hatte, trotzdem auch
die grüßten Formen der Prostatahypertröphie, darunter eine von 170 g,
perineal operiert wurden, keine besonderen Schwierigkeiten. Von Kompli-
kationen sind folgende zu bemerken; einmal wurde beim Herausholen
eines Kuotens, der schon aus der Prostata gelöst war, das Rektum an
einer Stelle verletzt. doch so gering. dab die Heilung der perinealen
Wunde in keiner Weise gestört wurde, einmal mußte 4 Stunden nach
der Operation wegen einer Nachblutung aus der Blasenwunde eine Um-
stechung der blutenden Stelle ausgeführt werden, einmal mußte am
l4. Tage nach der Operation ein zurückgelassener Knoten von Prostata-
gewebe entfernt werden, als das Einführen des Katheters Schwierigkeiten
machte. Bei einem Falle trat eine abszedierende Orchitis ein, einmal
eine Thrombose der rechten V. femoralis. Die postoperative Dauer der
Behandlung betrug im Durchschnitte 29.9 Tage. Nur bei einem Patienten
eing bei der Entlassung noch Urin durch die Perinealwunde ab, bei
allen anderen war die Wunde dieht. Durchschnittlich waren die Patienten
bei der Entlassung schon auf 1—2 Stunden und länger kontinent, bei 3
war die Miktion insofern noch nicht sicher, als sie bisweilen von Harn-
drang überrascht wurden. Bei 2 Patienten wurde noch bei der Ent-
lassung mit Unterbrechung Katheterentleerung notwendig. Trotz dieser
relativ kleinen Störungen muß das Gesamtresultat als sehr günstig be-
zeichnet werden, da keine Dauertistel vorhanden und die Funktion schon
relativ bald, das heißt noch wälwend der klinischen Behandlung in fast
allen Fällen wieder eine normale wurde. Ferner wurde die perineale
Operation in 2 Fällen von Prostataatrophie durchgeführt, ebenfulls ohne
Todesfall. Schließlich wurden noch 2 Fälle von Prostatakarzinom erfolg-
reich nach der perinealen Methode operiert. Kr.
V. Blase.
a) Tumoren.
Blasentumoren. Von Kropeit-Hambure, :Deutsche med.Wochenschr,
1913, Nr, 14, Vereinsh.)
Im Arztlichen Vercin zu Hamburg (Sitzung vom 14. 1. 1913) stellt
Kropeit eine Patientin vor, bei der er mit dem Operationszystoskop
102 Blase.
in mehreren Sitzungen ambulant einen ziemlich großen breitbasig auf-
sitzenden Blasentumor entfernt hat. Die Patientin hatte Hämaturie, die
lanse Zeit als Uterusblutung aufgefabt wurde, bis die zunehmenden
Blasenbeschwerden eine Zvstoskopie veranlabten, bei der der Tumor ent-
deckt wurde. Die Operation zeigte, dab auch breitbasige Tumoren der
Schlinge des Operationszystoskops zugänglich sind.
Ludwig Manasse-Berlin,
Tumors of the bladder: a note on the present day methods
of treatment. Von P. M. Pilcher. (Amer. J. of surg. 1913, S. 147;
Die Geschwülste der Blase teilt man ein in 1. solitäre Papillome.
die gutartig sind, 2. multiple Papillome, meist bösartig, 3. Zotten
geschwulst, die sich auf ulzerierter Basis entwickelt, gewöhnlich bösartig
und 4. das infiltrierende Karzinom. Während vor 5 Jalıren noch bei
malignen Tumoren nur durch eine ausgiebise Resektion der Blase eine
Heilung möglich war, ist neuerdings mit Einführung des unipolaren oder bipo-
laren Hochfrequenzstroms zur Behandlung der Blasentumoren eine Besserung
der Resultate erzielt worden. P. führt dafür mehrere Beispiele an. So
gelang es ihm bei einem 32 jährigen Manne, der ein grobes, einen groben
Teil der Blase ausfüllendes Papillom hatte, die Geschwulst trotz profuser
Blutungen in 3 Sitzungen gröbtenteils zu entfernen und den Rest m
einer Sitzung 2 Monate später. Bei einem 20jährigen Mädchen, bei
dem vor 3 Jahren bereits mittelst Sectio alta multiple Blasenpapillome
exzidiert worden waren, wurde ein großes Papillom der Basis der Blase
in der Nähe der rechten Ureterenmündung, sowie zahlreiche kleinere
Geschwülste nach Sectio alta mittelst HHochfrequenzstroms zerstört. Während
eine 62 jährige Frau, bei welcher der Verfasser wegen eines ausgedehnten
Blasenkarzinoms eine ausgedehnte Resektion der Blase gemacht hatte,
6 Monate später eine Vesteovarinalfistel bekam und 3 Monate später
an einem Karzinom der Blase und Vagina zugrunde ging, betindet sich
eine AQjährive Frau, die einen analogen Tumor hatte, bei der aber ejn
Rezidiy mittelst Hochfrequenzstroms in tiefer Narkose zerstört wurde,
seit einem Jahr ganz wohl. P. empfiehlt daher statt der Resektion der
Blase die Kauterisation und Hochfrequenzbehandlung der Tumoren.
R. Kaufmann-Frankfurt a. M.
Über Operationen im Blaseninnern mit Hilfe von Hochfre-
quenzströmen. Von G. Bucky und Ernst R. W., Frank- Berlin, (Münchner
med, Wochenschr. 1915. Nr. 7.:
Im I, technischen Teil der Arbeit erläutert B. in klarer, übersicht-
licher Weise die Art der Wirkung der Hochfrequenzströme, beim Durch,
sang dureh den Körper und speziell bei der Applikation auf Blusen
schw ülste. Bei diesen Strömen fällt infolge des raschen Wechsels der
Stromriehtung jede chemische Nerven- und Muskelwirkung aus und die
reine Wärmewirkung tritt in Erscheinung. Die Wärmeentwicklung ist
— gleiche Stromstärke vorausgesetzt — an den Stellen der Strombabn
am stärksten, wo der Querschnitt am kleinsten ist; je kleiner daher de
Elektrode ist, desto intensiver wird die Hitzewirkung sein und beispiels-
Blase. 763
weise wird beim Aufsetzen auf einen gestielten Tumor eben im Stiel die
stärkste Verschorfung auftreten. Aus demselben Grunde wird man die
äußere Elektrode recht groß wählen. Die innere wird, je nachdem man
mehr Öbertlächen- oder mehr Tiefenwirkungen erzielen will, jeweils
mehr spitz oder flächenhafter gestaltet. Durch die Variation der Elek-
trodengröße und der Stromstärke ist eine so feine Dosierung von Koagu-
lation bis zur Verschorfung möglich, daB die Methode der Anwendung
von Glühschlingen usw. entschieden überlegen ist. Die Spannung soll
möglichst niedrig sein, da das Bild klarer bleibt, bessere Tiefenwirkung
erzielt wird, und Irritationen besser vermieden werden; die Stromstärke
beträgt etwa 0,3 Ampere. Funkenbildung soll vermieden werden, was
am besten durch Füllen der Blase mit einer Salzlösung geschieht. Die
Wirkung ist deutlich zu sehen: zuerst weiBliche Verfärbung (Koagula-
tin), dann Blasenbildung im Wasser durch Dampfentwicklung, endlich
Schorfbildung, wodurch der Strom unterbrochen wird. Bei richtiger
Technik ist die Gefahr der Blasenverletzung als Ursache für eine Blasen-
ruptur gering.
Nach diesen Grundsätzen hat Ernst R. W. Frank mehrere Fälle
von Papillomen mit sehr gutem Erfolg behandelt. Verwendet wurde ein
Siemens & Halskescher Diathermieapparat, die innere Elektrode wurde
durch den Kanal eines Uretereneystoskops eingeführt. Anfangs wurde
eine knopfföürmige Elektrode verwendet, später eine flache, messerförmige,
deren Fläche parallel der Wand des Blasenhalses und deren Schneide
gegen die Basis des Tumors gerichtet war. Bei einem Fall von mul-
tiplen Papillomen hauptsächlich in der Blasenhalsgegend mit starken
Miktionsbeschwerden gelang es in mehreren Sitzungen eine größere An-
zahl von Geschwülsten zu koagulieren und eine bedeutende Besserung
der Blasenentleerung zu erzielen.
Bei einem 24 jährigen Mädchen und einem 50 Jahre alten Herrn,
die beide isolierte Polypen in der Nähe der Uretermündung hatten, ge-
nügte eine Sitzung von 1!/, resp. 3 Minuten dauernder Einwirkung, um
Koagulation und spätere Abstoßung zu bewirken.
Im ersteren Falle fand sich cystoskopisch nach 4 Wochen an Stelle
des Polypen nur mehr eine kleine Epithelnarbe, im zweiten konnte nach
einer Woche der Polyp noch als koaguliertes Gebilde nachgewiesen wer-
den, nach 4 Wochen war auch dieses verschwunden und nur mehr ein
ganz leichter Schorf vorhanden (Abbildungen).
Auf Grund dieser Erfolge und wegen der leichten technischen Aus-
führbarkeit, der Gefahrlosigkeit und der geringen Beschwerden für den
Patienten empfiehlt auch F. die Methode, deren Anwendung nur der
hohe Preis der Anschlubapparate etwas hindernd im Wege steht.
Brauser- München.
Large fibromyoma of the urinary bladder. Von J. D. S. Sinclair-
Walsoll. (Brit. Med. Journ., April 19. 1913.)
Die 44jährige Patientin wurde wegen Harnretention, Schmerzen in
der Blase und Hämaturie aufsenommen. Bei der vaginalen Untersuchung
und bei der Digitalexploration der Blase fand man einen faustgroßen,
704 Blase.
vorn Trironum ausgehenden Tumor, welcher durch Sectio alta entfernt
wurde. Cilatte Heilung. Mikroskopisch erwies sich der Tumor als haupt
sächlich aus glatter Muskulatur bestehend ohne Zeichen von Maligntät,
von Hofmann- Wien.
b) Steine und Fremdkörper.
Beiträge zur Histologie der ägyptischen Blasensteine. Vin
Dr. Edwin Pflister-Kairo. (Deutsche Zeitschr. £. Chir, 1913, Bd, 121, H 5-1:
Vorliegende Untersuchungen wurden veranlaßt durch eine früher
vom Verf. angestellte Bearbeitung eines ägyptischen Blasensteines in
histolorischem Sinne Das Zentrum desselben ließ sich in Salzsäure auf.
weichen, herausnehmen aus der Rinde, einbetten und schneiden, und er-
wies sich hierbei als ursprünglicher Polyp der Harnblase mit zahlreichen
Bilharziaeiern. Der Zusammenhang der Steinbildung mit der Bilharziasis
war hier also leicht und evident zu erbringen. Da dies nun aber ge-
rade der erste vom Verf. auf diese Weise untersuchte Stein war und
gleich ein so interessantes histolorisches Bild dabei zutage trat, erschien
es lohnend, an einem größeren Materiale von ägyptischen Steinen zu
untersuchen, ob dieser Befund, und damit der direkte Zusammenhang
mit der Bilharziasıs, nicht häufiger zu erheben sei. Es wurden vom Verf.
so 34 ägyptische Blasensteine zum Zwecke histologischer Untersuchung
verarbeitet. Aus diesen Untersuchungen ist klar, dab die bisher auch
vom Verf. vertretene Ansicht, die mit Bilharziasis in Verbindung zu
bringenden Harnsteine seien meist als „Fremdkörpersteine“ aufzufassen,
nicht haltbar ist; daß solche im Gegenteil bedeutend zurücktraten. Ihe
Mehrzahl mub als „Entzündungssteine* aufgelaßt werden. Daneben
kommt wahrscheinlich auberhalb der Bilharziasis noch ein kleiner Pro
zentsatz von „Diathesensteinen* vor. Der Bilharziasis muß auch Verf.
die Hauptrolle bei der ägyptischen Lithiasis immer noch lassen, aber in
etwas modifiziertem Sinne, und man kann auch heutzutage dieses gegen-
seitige Verhältnis zwischen Ursache und Wirkung nicht besser ausdrücken.
als es schon W. Ebstein getan hat: „Die Koexistenz der ägyptiselen
Lithiasis mit der Distomenkrankheit ist unanfechtbar. Der Unterschied
zwischen Ober- und Unterägypten in bezug auf das Vorkommen der
Lithiasis koinzidiert mit der Häufigkeit der Bilharziasis in diesen Pro-
vinzen. Schon das läbt auf einen Zusammenhang schlieben. Damit ist
aber nicht gesagt, dab die Distomenkrankheit der Blase direkt zur Ur
gacho der Steinbildunz wird. indem sich um die Eier der Parasiten
Steine entwickeln. Sie führt vielmehr fast ausschließlich indirekt, und
zwar durch diese Erkrankung angeregte Katarrhe zur Steinbildung.“ Er
hätte, bemerkt Verf., noch beifüren können: nebst den durch diese Krank-
heit im ganzen Ilarntraktus so überaus häufig gegebenen Vorbedingungen
für die Stagnation des Harnes. Kr.
De la cystoscopie dans les calculs vésicaux. Von G. Marion.
(‚Journ. d’Urologie, Tome II, No. 3, 1913.)
Marion wägt den Wert der C'vstoskopie bei Blasensteinen gegenüber
dem der Steinsonde ab. Die Konsistenz der Konkremente wird man nur mit
eg men rn
Blase. 765
der Steinsonde exakt feststellen können, über ihre Größe gibt sie gleichfalls
den genauesten AufschluB und bietet den Vorteil, daß man sicher sein kann,
den Lithothripter gut einführen zu können, wenn die Einführung der
Steinsonde glückt. Beim Cystoskop ist diese Schlußfolgerung nicht immer
zu ziehen. Dennoch ist die Cystoskopie bei Blasensteinen unerläblich
und jeder andern diagnostischen Methode überlegen. Farbe, Zahl, Sitz
der Konkremente zeigt sie in exakter Weise und gibt die wichtigsten
Aufschlüsse über den Zustand der Blasenwand. Nach erfolgter Litho-
thripsie kontrolliert sie in wirksamer Weise die Arbeit des Operateurs
und weist exakt nach, ob ein Fragment oder ein ganzer Stein dem zer-
trümmernden Instrument oder dem Aspirator entgangen ist.
Zwei schöne Tafeln mit je 6 künstlorisch ausgeführten Cystoskop-
bildern veranschaulichen die verschiedenen Formen einfacher oder melır-
facher Lithiasis, den Sitz der Steine in Divertikeln, sowie die diffe-
rentielle Diagnose zwischen Steinen und inkrustierten Tumoren.
A. Citron-Berlin.
Calculs vésicaux et cystoscopie à vision directe. Von Jean
Ferron-Bordeaux, (Journ. d'Urol., Tome III, No. 3. 1913.)
Vorf. führt 2 operierte Fälle an, um zu beweisen, daß die ('ystoskopie,
insbesondere die ÜUystoskopie mit direkter Vision, nach der Lithotripsie
sehr nützlich ist. Während die Cystoskopie vor der Operation zur Orien-
tierung nötig ist und bisweilen die Lithotripsie unnötig macht, wirkt sie
nach der Operation als notwendige Kontrolle. A. Citron-Berlin.
Zuckerkrankheit und DBilasensteine Von Dr. Berthold Gold-
berg-Bad Wildungen. (Med. Klinik 1913, Nr. 17.)
Die Komplikation des Diabetes mellitus mit Blasensteinen scheint
bisher wenig beachtet zu sein. Von Verfs. eigenen 80 Blasensteinkranken
waren 4 zugleich zuckerkrank. Daß die Komplikation praktisch von
Wichtigkeit ist, wird am besten dadurch bewiesen, daß in keinem der
4 Fälle die Cystolithiasis erkannt worden war. Gewohnt, beim Zucker-
kranken mancherlei Blasenbeschwerden zu finden, vollends beruhigt, wenn
durch antidiabetische Diät diese Beschwerden nachlieben, kommt der
Arzt garnicht auf den Gedanken, nach Blasensteinen zu suchen. Für
die Genese der Calculosis bei Diabetes scheint Verf. die Existenz der
Uratdisthese wichtig; 3 von seinen 4 Kranken waren Uratiker. Auch
Öxalurie und Phosphaturie werden nicht selten beim Diabetes beob-
achtet. Die Diagnose des Blasensteins ist durch die objektive Unter-
suchung auch beim Diabetiker leicht zu stellen. Da man aber bei ihm
mit Recht vor unnötigen Eingriffen eine besondere Scheu hat, kommt
es darauf an, die Symptome, welche eine instrumentelle Encheirese not-
wendig machen, rechtzeitig zu erkennen. Das typische, durch Bewegung
provozierte, durch Ruhe sofort sistierte Syndrom der Cystolithiasis,
Hämaturie mit Dysurie, findet sich in Fall 1 und 3. Beim zweiten Pa-
tienten ist die Blutung atypisch, da sie anhält; beim vierten Patienten
sieht man kein Blut, nach Wagenfahrten jedoch das typische Urinsedi-
mentbild, Kristalle -+ Erythrocyten + Blasenepithelien und Anfälle von
766 Blase.
Dysurie. Ist also, saut Verf., das Krankheitsbild auch nicht gerade
immer ein typisches. so wird man aus einer sorgfältigen Analyse der
Symptome und der Harnbefunde doch immer so viel Verdachtsgründe
für Caleulosis schöpfen können, dab Sondierung oder Cystoskopie ange-
zeigt ist Auf Radiographie allein kann man sich hier nicht verlassen,
Die Therapie ist die Litholapaxie. Kr.
Ein Fall von außergewöhnlicher Blasensteinbildung an einem
Fremdkörper. Von Dr.G6.W,.Maly-Reichenberg. (Zeitschr. f. gryuäkol. Uro-
lorie, Bd. 4. Heft 2, 1915,
Eine 22jährıze Näherin klagte über Schmerzen im Unterleib, bhe-
sonders beim Sitzen, und sich steigernde Harnbeschwerden seit einem
Jahre. Befund: Virgo; gleich hinter der Symphyse oberhalb der vor-
deren Vaginalwand eine im ganzen hühnereigrode, harte, knollige Resı-
stenz; der eingeführte Katheter stieb sofort auf einen harten Körper:
Urin trüb, ammontakalisch. Zystoskopischer Befund: Man sicht amı Blasen-
boden deutlich eine Haarnadel mit ihrer Umbiegungsstelle nach oben
und perlenartig aufgereilit auf beide Schenkel sieben weit über haselnub-
erobe, schön facettierte Steine; ein achter, der sich losgelöst, liegt dn
neben und läbt noch den zentralen feinen Kanal deutlich schen. Ope-
ration: Wegen der engen virrinellen Verhältnisse wird als einfach-te
Verfahren die Sectio alta beschlossen und in Atbernarkose mit Quer-
schnitt typisch vorgenommen. Nach Entfernung der Steine zweifache
Blasennaht, Glasdrain und typische Vernähung von Muskeln, Faszie und
Haut. Dauerkatheter. Glatter Verlauf; nach 14 Tagen entlassen: zysto-
skopisch am Blasenboden noch Rötung der etwas wulstigen Schleimhaut;
Harn nur leicht getrübt durch einige Schleimflocken. — Das Merk-
würdige des Falles besteht nur darin, daß die Nadel nicht gleichmäbig
von sich ansetzenden Konkrementen umgeben i-t, sondern dieselben sich
in perlschnurartiger Aufreihung gebildet haben. Kr.
Un cas rare de grand diverticule vésical bourré de calculs.
Von Th. Novier wnd G. Reynard-Lyon, (Journ, d'Urolosie 1913, Tome II.
No. 4)
Die Seltenheit des Falles besteht darin, dab eine Ansammlung von
Konkrementen in einem Blasendivertikel vor der Operation diagnostiziert
werden konnte, Es ist hierzu ein Zusammenwirken der verschiedenen
Untersuchungsmethoden erforderlich: Palpation, Steinsonde, Crystoskopie,
Radiographie. Bemerkenswert ist, daB auch in diesem Falle die Radıv-
graphie keinen Aufschlub über Anzahl und Form der Steine gab. Es
wurden nach Sectio alta mit der Curette 8 Steine aus dem Divertikel
entfernt, welehe mit einem freien Blusenstein zusammen 70 g wogen.
Die Radikaloperation des Divertikels mußte in Rücksicht auf das Fm-
phvsem und die Bronchitis des Patienten, welche keine tiefe Narkose
zulieben, verschoben werden. Die Folgen der Operation waren befrie-
digend, die Wunde schloB sich, der Urin wurde klar, die Urinretention
aber bestand fort. Die Schmerzen, welche besonders bein Katheteris
mus bestanden hatten, sowie die Blutungen blieben aus. A. Citron-Berlin.
Blase. 167
Un cas de fragmentation spontanée d'un calcul vésical. Von
Eugène Christian- Bukarest. (Journ. d’Urol. Tome III, No. 2, 1913.)
Durch Sectio alta wurden bei einem 22 jährigen Soldaten zwei
Konkremente im Gesamtgewichte von 48 g entfernt, welche zu drei
Vierteln aus einem Kerne von oxalsaurem Kalk und Harnsäure bestanden.
Die Form der beiden Steine zeigte, daß man es mit den beiden Hälften
eines einzigen — wahrscheinlich spontan zertrümmerten — Steines zu
tun hatte. A. Citron- Berlin.
Lithotripsie oder Lithotomie? Von Feiber-Wildungen. (Münchner
med. Wochenschr. 1913, Nr, 5.)
F. legt der Entscheidung über diese Frage das Material Marcs
zugrunde: cea. 900 Operationen in den letzten 9 Jahren. Nur 4mal war
es unmôglich ohne blutige Operation auszukommen. Einmal handelte es
sich um einen groben Oxalatstein, der auch mit dem stärksten Litho-
tripter nicht gebrochen werden konnte, dreimal um Konkremente bei
Prostatikern, die wegen Divertikelbildung nicht zu fasseu waren. Das
Lebeusalter der Pat. war meist jenseits der 60er, der älteste war 85,
der jüngste 11 ‚Jahre alt, Frauen wurden 6 operiert. Die Mehrzahl der
Steine waren Urate, meist war nur eine Sitzung nötig, über 3 niemals.
Die Patienten standen fast alle am zweiten Tage auf, ein Verweilkatheter
wurde nur ausnahmsweiso eingelegt. Die Allsemeinnarkose wurde 6mal
angewandt, sonst 2°/ iges Kokain und zwar wurde jedesmal 1 g Kokain
gebraucht ohne nennenswerte Zwischenfälle. Von den 8 Todesfällen
konnten nur 4 der Operation zur Last gelegt werden: 2mal erlagen alte
Prostatiker einer starken Blutung, einmal war Pericystitis die Todesur-
sache und einmal die Ruptur eines wurmfortsatzähnichen, langen Diver-
tikels der Blase. Das Zurückbleiben von Trümmern kann bei gründ-
licher Aspiration und eventueller eystoskopischer Kontrollo sicher ver-
mieden werden; dab auch naeh Sectio alta raseh Rezidive eintreten
können, illustrieren viele Fälle, wovon Verf. 2 Beispiele anführt. Die
Möglichkeit frühen Aufstchens, die geringe (14%) Mortalität und die
giten Erfolge lassen die eingangs aufgeworfene Frage mit: „nur litho-
tripsie“ entscheiden. Brauser-Münchben.
c) Harnretention.
Zur Bekämpfung der Retentio urinae durch Pituitrin. Vim
Dr. F. Ebeler. (Zeitschr. f, gynäkolog. Urologie 1913, Bl. 4, Nr. 2.)
Das Pituitrin (Extrakt aus dem infundibularen Anteile der Hypo-
physe) hat sich zwar als souveränes Wehenmittel einen bleibenden Platz
in unserem Arzneischatze erworben, der zweiten Komponente seiner Wir-
kung aber, dem tonuserhöhenden Einfluß auf die Harnblase, haben nur
wenige Forscher Aufmerksamkeit und Interesse gezollt. Verf. konnte
schon vor längerer Zeit über eine Reihe orfolgreich behandelter Fälle
von Retentio urinae berichten. Seine damaligen Versuche erstreckten
sich ausschließlich auf spontan entbundene Wöchnerinnen. Die guten
Erfahrungen, die er dabei machte, veranlaßten ihn, das Indikationsgebiet
für die Pituitrin-Injektion zu erweitern und ihre Wirksamkeit auch bei
168 Blase.
Frauen zu erproben, die nicht kurz vorher entbunden waren, ferner beı
solchen, die nach stattzehabten Operationen eine mehr oder minder
starke Schädigung der Blisenwand, seı es ihrer Muskulatur oder ihrer
die Kontraktion auslösenden Nervenendapparate, erlitten hatten. Im
ganzen wurden 45 Frauen injiziert. Für die Applikation des Medi
kamentes wurden nur solche Frauen ausgewählt, bei denen mehrfache
Versuche mit den uns zu (rebote stehenden Mitteln, eine spontane
Entleerung der Blase zu erwirken, fehlgeschlagen waren. Als Art
der Applikation wählte Verf. stets die intramuskuläre auf Grund seiner
an zahlreichen Versuchspersonen gewonnenen Übezeugung, dab sie
den anderen, was Schnelligkeit der Wirkung anbelangt, überlegen ist
Die Injektion wurde durchweg erst bei ziemlich stark gefüllter Biase
vorgenommen, zu einer Zeit, wo schon ausresprochener Drang zum Uri-
nieren bestand. In fast allen Fällen konnte man beobachten, dab kurz
darauf (in der Regel 5 bis 10 Minuten später) der ziehende Schmerz
im Unterleib an Intensität zunahm und sich bisweilen als ein geradezu
unangenehmer und lästirer Harndrang dokumentierte. In der Hälfte der
Fälle war der Harndrang nicht mit der ersten Entleerung der Blase
vorüber, sondern hielt noch bis zu 12 Stunden an. Die Frauen äußerten
alle 1 bis 2 Stunden nach dem ersten Urinieren das Bedürfnis aber-
maligen Wasserlassens. Kr.
Ricerche sperimentali isto-patologiche sulla ritenzione acuta
di urina. Von F. Stinelli. NXIV. Congresso dela Societa Italiana di Chi-
ruruia. (La Chmiea Chirurgica 1912, XJ, p. 2200.)
F. Stinelli hat bei Hunden mit einer besonderen Technik die
Harnröhro versehlossen und konstatiert, daß allo Tiere in der Nacht nach
dem dritten Tage eingegangen sind. Frguß — meist blutig — ins
Peritoneum, meist auch in Pleura und Perikard. Der ca. 500 ccm be-
tragende Blasenharn fast immer hämorrhagisch. Die Blase zeigte auf
der Serosaseite starke Injektion mit vielen Gefäßkreuzungen. Die Mu
cosa, oft schiefergrau, zeigte viele llämorrhagien. An Nieren und Ure
teren makroskopisch nichts. Zweimal die Prustata stark vergrößert. Mi
kroskopisch: Hauptläsion an der Mucosa, die kaum mehr zu erkennen:
starke Hämorrhagien, zerstörte Epithelien, verschwundene Falten; Epitbe
lien meist nicht fürbbar. In Submucosa kleinzellige Infiltration. Muskel-
bündel zusammengeprebt. Dilatation und Füllung der (Gefäße mat kk
laren Apoplexien. Nieren: teilweise ganz normal, teilweise Abschilferung
des Epitbels der Kanälchen mit Vakuolen und Lakunen an Stelle der alten
Kanälchen. Im Bindegewebe spärliche Lymphocyteninfiltration. Albu-
minöse Massen iin Kapselraum. Wird nach 48 Stunden der die Harn-
röhre schnürende Faden gelöst, so wird zwar die Blase entleert, der töd-
liche Ausgang aber nicht aufgehalten, wie der Autor glaubt, infolge der
schweren Läsion der Nieren und der Aufnahme urämischer Gifte.
Mankiewicz-Berlin.
—
Blase. 769
d) Harninkontinenz.
Incontinence nocturne d’urine d’origine gastro-hépatique.
Von André Collin-Paris. (Journ. d’Urologie, Tome III, No. 1, 1913.)
Die auf gastro-hepatischen Ursachen beruhende Enuresis nocturna
wird durch die folgenden 5 charakteristischen Merkmale gekennzeichnet.
1. Durch eine mehr oder minder lange Periode der Sauberkeit,
welche zwischen dem Säuglingsalter und der beginnenden alimentären
Enuresis liegt.
2. Durch zeitweises Intermittieren der Enuresis in unbestimmten
Zwischenräumen.
3. Durch oft unbedeutende, aber stets bestehende Verdauungs-
störungen.
4. Durch einen tiefen Schlaf.
ð. Durch erbliche Belastung des Nervensystems.
6. Durch den Erfolg der diätetischen Therapie.
Diese 5 Kardinalpunkte werden an einem 4jährigen Knaben demon-
striert, welcher eigentlich wegen eines Kopfekzems zur Konsultation kam.
ad 1. Er hatte vom 18. Monat bis zum Alter von 3!/, Jahren das Bett
nicht benäßt. ad 3. Trotz des gerühmten gewaltigen Appetits litt er
oft an Verstopfung und Diarrhoe, und hatte einen starken Bauch,
Magendilatation und vergrößerte Leber. Er litt an Urticaria und chro-
nischem Kopfekzem, wurde verfüttert und erhielt bisweilen Wein zu
trinken. ad 4. Er schlief abends sofort ein und schlief so fest, daß
kein Lärm ihn wecken konnte, hatte aber oft schwere Angstträume.
ad 5. Der Vater, ein Schmied, scheint ein großer Trinker zu sein.
ad 6. Die Therapie hatte einen vollen Erfolg. Sie besteht in leichter
lacto-vegetabilischer Kost unter Ausschaltung aller Leckereien und un-
zeitigen Mahlzeiten und des Weines. (Daneben werden leichte Laxantien
gegeben und Bauchmassuge sowie warme Umschläge auf das Abdomen
appliziert.)
Diese Therapie hat im Hospital immer ihre Schuldigkeit getan,
stöbt aber bei den reicheren Leuten, welche ihre Kinder systematisch
verfüttern, oft auf Schwierigkeiten. A. Citron-Berlin.
Die Behandlung der Enuresis nocturna. Von Max Klotz-
Schwerin. (Deutsche med. Wochenschr, 1912, Nr. 49.)
Es handelt sicb um einen Fortbildungsvortrag, in dem erneut scharf
betont wird, daß es die Enuresis nocturna im Sinne der Üzernyschen
Schule zur Hysterie des Kindesalters gehört. Deshalb plädiert Klotz
therapeutisch für alle die Maßnahmen, die suggestiv zu wirken geeignet
sind, und für eine Disziplinierung der Kinder im weitesten Sinne. Das
wirksamste Mittel ist und bleibt der feradische Strom, der auch nur
suggestiv wirkt. Wo dieses Mittel versagt, können subkutan angewandte
Mittel, die kalte Douche, die Hypnose einen günstigen Erfolg haben.
Wichtig ist oft ein Milieuwechsel, weil auch die Eltern vielfach neuro-
pathisch sind. In der Therapie spielen dann weiterhin noch eine Rolle
die mediko-pädagogischen Methoden, wozu das ein bis mehrmalige Wecken
der Kinder während der Nacht gehört, ferner die physikalische Maß-
Zeitschrift für Urologie. 1913. ol
410 Blase.
nahme, wie sie allgemein zur Kräftigung nervöser miktionsschwacher
Kinder üblich sind, weiterhin die Regelung der Diät (eine Zeitlang
vegetarische Kost) und endlich die Einschränkung der Flüssigkeitsauf-
nalımen. Ludwig Manasse-Berlin,
Durch Hypnose geheilte Enuresis nocturna. Von Trémner.
‚Deutsche med. Wochenschr, 1913, Nr. 49 Vereinsb.)
Trömner hat in den letzten 10 Jahren 153 Fälle von Enuresis
nocturna beobachtet. Das weibliche Geschlecht ist stärker beteiligt als
das männliche. die neuropathische Grundlage spielt eine grobe Rolle, es
ist aber bemerkenswert. dab sie ın einem Drittel der Fälle nicht
nachweisbar Ist. Es handelt sich bei der Enuresis nocturna um eine
funktionelle Schwäche, um eine Fortdauer des Retlexinfantilismus aus
der Nänglingszeit. Die Blasenentleerung erfolrt sehr hänfig, weil der
retiexhemmende Einfluß der Großhirnrinde fehlt, ‘oder weil dieser Ein-
Hub durch äubere Moment (Schlaf, Ablenkung durch leblaftes Spiell auf-
gehoben ist. Alle therapeutischen Erfolge sind im wesentlichen durch
den suggestiven Einflub zu erklären. Deshalb ist auch die Hypnose in
so vielen Fällen von günstigem Erfolg auf das Leiden. Sie kann ba
Kindern unbedenklich angewandt werden. Eingreifende Verfahren, Ope
rationen etwa ım Hinblick auf die Myelodysplasiehypothese verbieten sich
so lange, als die physisch wirkenden Methoden nicht erschöpft sind.
Ludwig Manasse-Berlin.
e) Fisteln.
Contribution & l'étude des fistules vésico-intestinales. Von
Georges Pristanesco aus Rumänien. Aus der Klinik des Dr. Marion.
(Journ. d'Urol., Tome 11, No. 3, 1912.)
Aus den Krankengeschichten von 42 Fällen von Blasendarmfisteln
zieht Verf. folgende Schlüsse:
Die erworbenen Blasendarmfisteln sind sehr selten. Sie können aus
gehen vom Appendix, vom Deum, vom Coecum, vom Kolon und vom
Rektum oder in sehr seltenen Fällen von erworbenen Darmdivertikeln
mit dem Prädilektionssitz an der Flexura sigmoidea,
Atiologisch für Blasendarmtisteln kommen in Betracht: Trauma,
Entzündung, Karzinom, Tuberkulose, seltener Aktinomykose und Syphilis,
diagnostisch: Abgang von Darmgasen und Kot durch die Urethra und
Urin durch den Anus, differentialdiagnostisch: Pneumaturie, uretbre-
rektale und uterino-rektale Fistel. Die Prognose ist schlecht, nach Pascal
führt das Leiden durchschnittlich nach 3 Jahren zum Tode. Die Therapie
bat die Aufgabe durch Behandlung der erkrankten Organe Fisteln zu
vermeiden, in nicht-operablen Fällen die Infektion hintenanzuhalten, vor
allem wenn möglich, durch chirurgischen Eingriff die abnorme Kommuni-
kation zu beseitigen. Man operiert am besten auf dem peritonealen und
dem transvesikalen Wege. A. Citron- Berlin.
Urachal fistula. Von J.E. Mitchell-West-Hartlepool. (Brit. mel.
journ., Max 10. 1915.:
Bei einem männlichen Neugeborenen entwickelte sich im Anschluß an
Blase. 711
die Durchtrennung der Nabelschnur eine in die Blase führende Fistel,
welche sich unter Salben-Druckverbänden langsam schloß, worauf allmählich
spontane Miktion eintrat. von Hofmann-Wien.
f) Verschiedenes.
Ausdehnung der kindlichen Harnblase mit gleichzeitigem
Ascites als Geburtshindernis. Von S. Roismann. Univ.-Frauenklinik
der kgl. Charité Berlin. Dissertation, Berlin 1912, 21 S., Herm. Blanke, 0,54.
Primipara. Stets gesund gewesen. Schwangerschaftsverlauf normal.
Enorme Verzögerung des Geburtsgangs. Klinik. Künstliche Beendigung
der Geburt. Zange. Rumpf folgt nicht. Enorme Auftreibung des kind-
lichen Leibes. Eröffnung. Entfernung von 1!', | hellbrauner klarer
Flüssigkeit. Sektion. Foramen ovale offen, Ductus botalli durchgängig.
Ureteren im oberen Drittel bis kleinfingerdick. Nierensubstanz cystisch.
Blase mächtig ausgedehnt von 14,5 cm Längen- und 9 cm Querdurch-
messer. Urethra bis ins Orificium externum normal, von da ab Fehlen
eines Lumens. Aus diesem Sektionsbefund geht also mit Deutlichkeit
hervor, daß die starke Blasendilatation wohl ihren Grund in der Oblite-
ration des Orificium externum und dadurch bedingter Retention des
fötalen Urins haben müsse, Darin ist auch die Ursache der Ureteren-
erweiterung, der Hypertrophie der Blasenwand und der cystösen Ent-
artung der Nieren zu suchen. Daß der Druck in der Blase allseitig ein
grober gewesen sein muß, zeigten ihre enorme Ausdehnung und die
glatten Wände. Im Anschluß an seinen Fall stellt Verf. eino Reihe
weiterer einschlägiger Beobachtungen aus der Literatur zusammen und
bespricht diese kritisch. Fritz Loeb- München.
Beitrag zu den Blasenerkrankungen bei entzündlichen Er-
krankungen der Adnexe. Von Dr. Emil Haim, Chirurg und Frauenarzt
in Budweis. (Zeitschr. f. eynäkol. Urologie 1913, Bd. 4, Heft 2.)
Verf. hat in jüngster Zeit bei einem relativ kleinen gynäkologischen
Materiale zwei Fälle von schwerster Blasenerkrankung bei eitrigen Adnex-
tumoren beobachten können, welche unsere Kenntnisse über die Be-
ziehungen zwischen Blase und Adnexentzündungen zu erweitern geeignet
sind. Im ersten Falle war es im Anschluß an eine wahrscheinlich schon
jahrelang bestehende Adnexeiterung zur schwersten gangräneszierenden
/ıystitis gekommen. Die Gangrän hatte die ganzen Wandschichten er-
griffen, die Infektion überschritt die Blasenwände, und es war ohne
Blasenberstung zu einer jauchigen Peritonitis gekommen, der die Patientin
erlag. Es bestand ein ähnliches Bild, wie es bei der durch dio In-
karzeration des retrofloktierten, graviden Uterus bewirkten Blasengangrän
beschrieben ist, nur muß man sich die Entstehungsweise anders vor-
stellen. Bei der Inkarzeration durch den graviden Uterus komprimiert
die nach oben und vorn gedrängte Portio den Blasenhals und die Harn-
röhre um so stärker, je größer durch die Ausdehnung des wachsenden
Üteruskörpers der Raummangel im kleinen Becken wird. Schließlich
kommt es durch Anschwellung der Schleimhaut des Blasenhalses oder
durch allmählich infolge ödematöser Durchtränkung sich ausbildende
51“
172 Blase,
Detrusorlähmung zur Harnverhaltung, welche die Harnblase zu einer die
physiologischen (Grenzen überschreitenden Ausdehnung zwingt. Die über-
dehnte Blasenwand wird schließlich in ıhrer Ernährung geschädigt, an.
misch-nekrotisch. In vorlierendem Fälle fellte das mechanische Moment,
welches bei der Inkarzeration des wraviden Uterus wirksam ist; es muğ
angenommen werden, dab es infolge einer groben Virulenz der Infektions-
erreger, welche von der Infektionsquelle. eitriger Adnextumor, in die
Blase gelangt waren, zu einer schweren Entzündung der Blase gekommen
war, daß infolgedessen auch die Blasenmuskulatur ergriffen wurde, welche
infolgedessen gelähmt und nicht mehr imstande war, durch ihre Kraft
den Urin zu entleeren. Wir haben dann einen ähnlichen Zustand wie
bei der Inkarzeration des graviden Uterus. Die Blasenwände werden
überdehnt, schließlich in ihrer Ernährung geschädigt, anämisch-nekrotisch,
es tritt Ischuria paradoxa ein, es kommt zur Urininfektion und zur
Gangrän der Blase. Infolge der Gangrän der ganzen Blasenwand ist es
in vorliegendem Falle zu einer eitrig-jauchigen Peritonitis gekommen,
der die Patientin erlag. Es war also kein mechanisches Moment, das
hier zur Retention geführt hat, sondern eine durch Entzündung bewirkte
Lähmung der Blasenmuskulatur. — Der zweite Fall ist ähulıch dem
ersten, er unterscheidet sich von ihm nur durch einen mehr chronischen
Verlauf, welcher wahrscheinlich durch eine geringere Virulenz der In-
fektionserreger bedingt war. Auch hier war primär ein eitriger Adnex-
tumor da, von ihm ausgehend ceine Infektion der Blasenwand, wodurch
es zu einer Lähmung der Blasenmuskulatur und infolge derselben zu
einer Überdehnung der Blase gekommen war. Die Abtragung der eitrigen
Adnextumoren genürte, um die ganze Erkrankung zur Rückbildung zu
bringen, der beste Beweis, dab die Adnextumoren als alleiniger ätio-
logischer Faktor anzusehen sind. Kr.
Zur Harnblasenausschaltung wegen Tuberkulose. Von Prof.
Dr. L. Casper. Demonstriert in der Berliner med. Gesellschaft am 19. Februar
1913. (Berliner klin. Wochenschr. 1913, Nr. 11)
Es handelt sich bei dem vorgestellten Falle um einen Patienten.
dem Vortr. vor 8 Jahren die Niere wegen Nephrophtbisis herausgenom-
men hatte; der Kranke esholte sieh danach so, daß er 6 Jahre lang
seinem Berufe als Schlosser nachgehen konnte, die Blasenbeschwerden
lieben nach, der Harn enthielt nur noch etwas Leukoeyten. Anfang Mai
1911 traten wieder äuberst heftire Blasenbeschwerden bei schmutzig-
trübem, eitrigen Urin auf, der Harndrang war auf keine Weise zu lindern
und der Patient kam sehr herunter. Es wurde deshalb der Ureter
lumbalwärts in die Haut eingeptlanzt und auf diese Weise die hoebyradig
tuberkulöse Blase ganz ausgeschaltet, mit dem Erfolge, dab die Ham,
beschwerden sofort schwanden und der Kranke in drei Monaten 12 Pfund
zunahm; der ans dem Ureter entleerte Urin wurde klar und enthielt nar
einigo Teukoevrten und Zylinder. Das bei der damaligen Demonstration
von einigen Rednern geänderte Hauptbedenken, daß die durch den Ureter
mit der Hantobertläche verbundene Niere mit Sicherheit infiziert werden
würde, hat sich also nicht erfüllt, der Ham ist jetzt U, Jahr post
Blase. 173
operationem klar, steril und enthält nur einige Leukocyten, der Patient
ist arbeitsfähig. Der Vortr. warnt vor der Anlegung einer Blasenfistel,
die tuberkulöse Blase verträgt keine Fremdkörper, die Beschwerden ver-
schlimmern sich meist; der einzige Mißstand bei der Anlegung der Bauch-
fistel ist der, daß es noch kein in jeder Hinsicht befriedigendes Urinal
gibt. Paul Cohn-Berlin.
Bilder von „seltenen Verletzungen der Blasenschleimhaut‘“
demonstrierte Ernst R. W. Frank in der „Berliner med. Gesellschaft“ am
5. Februar 1912. (Berliner klin. Wochenschr. 1913, Nr. 7.)
Vortr. zeigt zunächst Abbildungen von Veränderungen des Blasen-
bodens, die infolge häufig wiederkehrender Kongestionen und Stauungen
des die Blase und den Geschlechtsapparat versorgenden Gefüßsystems
entstehen, so ein Bild mit starker venöser Hyperämie der verdick-
ten Übergangsfalte und des Blasengrundes infolge von lange Zeit hin-
durch fortgesetzter Unterdrückung des Harnbedürfnisses, ferner ein Bild
des Blasenbodens mit einem feinen Netz injizierter Gefäße infolge
von häufig wiederloltem Coitus interuptus, sodann ein solches von pro-
liferierender Cystitis bei der Frau infolge von Adnexerkrankung
mit einer varıkös erweiterten Vene, ein ähnliches vom Manne mit
Prostatabypertrophie, ferner Bilder von Erkraukungen infolge von Stau-
ung durch Verlegung des Blasenausgangs durch ein Papillom, hier hatten
sich zahlreiche verdickte Lymphknötchen gebildet. Ein anderes
Bild zeigt multiple Papillome mit Epithelverdiekung infolge
eines entzündlich infektiösen Prozesses des Blasenbodens, ein anderes das
sogenannten Oedema bullosum infolge eines kurz vor dem Durchbruch
in die Blase stehenden Uteruskarzinoms, ein ähnliches vom Manne, ver-
ursacht durch ein soeben durchgebrochenes Darmkarzınom, ein weiteres
eine frische tuberkulöse Erkrankung, bei der die Knötchen end-
ständig an den feinen Gefäbßbschlingen sitzen, wodurch die hima-
togene Entstehung dieser Erkrankung gekennzeichnet wird; einen gleichen
Sitz zeigen auf einem andern Bilde luetische Schleimhautpapeln
im Beginn geschwürigen Zerfalls, ein weiteres zeigt ein stark zer-
fallenes luetisches Geschwür von serpiginöser Beschaffenheit. Ferner
Bilder demonstrieren eine gonorrhoische Cystitis mit ihrer insel-
föürmigen Lokalisation und eine Argyrose der Blasenschleimhaut
infolee zu häufiger Höllensteinapplikation. Sodann werden Inkrusta-
tionen und Tumorbildung der Blasenschleimhaut infolge von Bil-
harziakrankheit gezeigt. Auf der folgenden Abbildung sieht man
artifizielle, durch dio Cvstoskoplampe, verursachte Geschwüre, einen
weißen Brandschorf anf intakter Schleimhaut, und ferner eine sogenannte
Cystitis totalis circumscripta, tiefgchende scharfrandige Geschwür-
chen auf traumatischer Basis. Die letzten Bilder zeigen Geschwüre und
Verletzungen, die teils durch onanistische, teils sadistische oder auch auf
Abtreibungsversuche beruhende Manipulationen hervorgerufen waren und
zum Teil zu starken Hämaturien geführt hatten.
Paul Cohn-Berlin.
774 Blase.
Sur un cas de cystite au cours d'une scarlatine. Von R. Duca-
staing- Paris. ‘Journ. d’Urol., Tome III, No. 3, 1913.
Bei einem 23 jährigen Soldaten trat im Desquamationsstadium der
Skarlatina eine schwere, hartnäckige Uystitis auf. (Gonorrhoe und Tuber-
kulose waren auszuschlieben. Im Verlaufe der Krankheit wurden auch
Diarrhöen und Epistaxis beobachtet. Es scheint eine muköse Form der
Skarlatina vorzuliegen, welche gleichwie im Pharynx, in der Nase und
im Darm auch in «der Blase lokalisiert war. Kine muköse Skarlatina-
Form, welche oft malign verläuft und durch Erbrechen und dysenterie-
ähnliche Diarrhöen gekennzeichnet wird, ist den Klinikern bekannt.
Blasenaffektionen ım Zusammenhange mit Skarlatina sind bisher nicht
beschrieben. A. Citron» Berlin.
Un cas de syphilis vésicale et urétrale. Von (Gaston-Picot-
Paris. (Journ. d Urol, Tome 11, No. 5. 1012.)
P e
Ein 99 jahniger Bricfträger, welcher vor 9 Jabren, ohne von seinen
eystitischen Beschwerden befreit zu werden. in Lille zweimal eine Litho-
thripsie durchgemacht hatte, dazu seinen Urin grübtenteils durch den
After entlecrte, wurde im Hôpital Necker einer gründlichen eystoskopl-
schen und urethroskopischen Untersuchung unterworfen. Da fanden sich
in der Urethra posterior und in der Blase die deutlichen Zeichen ulzeröser.
papulöser und gummöser Eruptionen, auch wurde im Blasenhoden der
Fisteleang entdeckt und mit dem Treterkatheter sondiert. Wassermann
war deutlich positiv, und so war, trotz fehlender Syphilisanamnese, die
Diagnose sichergestellt. He-Injektionen und Salçarsan brachten die ent-
zündlichen Erscheinungen schnell zum Schwinden, da aber die Blasen-
mastdarmtistel persistierte und der Patient einen chirurgischen Eingriff
verweigerte, konnte er von der immer erneut durch die in die Blase
eindringenden Fäkalmassen erzeugten Cystitis nicht befreit werden. Die
in Lille zertrümmerten weichen Konkremente sind als sekundäre Produkte
der Blaseninfektion anzusehen. — Der Arbeit sind sehr schöne farbige
Tafeln der urethiroskopischen und eystoskopischen Befunde beigegeben.
A. Citron- Berlin.
Einen Fall von Argyrie der Blase demonstrierte Viktor Blum
in der Wiener Gesellschaft der Ärzte’am 1. Februar 1912. Wiener klin. Wochen-
schritt, Nr. 7. 1913.
Es handelt sich um einen 6Gojährisen Patienten. der seit seiner
Jugend an Harnbeschwerden litt und seit 30 Jahren den Katheter ge-
brauchte. Seit 22 Jahren bestand komplette Harnrerhaltung und Cystitis.
weshalb täglich Spülungen mit einer Ein Lösung von Argentum nitricum
vorgenommen wurden. Schon früher mußte zweimal die Lithotomie aus
geführt werden. Die Uystoskopie ergab eine ausgedehnte Argyrose der
Blase, ferner einen Tumor der Blasenwand, der sich bei der histologi-
sehen Untersuchung eines intravesikal entfernten Stückchens als verbor-
nendes Plattenepithelkarzinom erwies. Sectio alta, Exstirpation des
Tumors, Entfernung der atrophischen Prostata nebst einem Teile der
Urethra prostatica, Im Anschluß an die Operation stellte sich wieder
Technisches. 155
spontan Miktion ein. Bemerkenswert erscheint ferner der dem Pat. vor
21 Jahren entfernte Blasenstein, welcher an der Bruchfläche schwarze
Farbe zeigt und reichlich metallisches Silber und Cblorsilber enthält.
von Hofmann-Wien.
Du cathétérisme urétéral par cystoscopie à vision directe.
Von Jean Ferron-Bordeaux. (Journ. d'Urologie, Tome III, No. 1, 1913.)
Ferron klagt darüber, daß die Cystoskopie mit direkter Besichtigung,
welche wir Luys verdanken, einer unverdienten Vergessenheit anheim-
gefallen sei Wenn die Blase die zur Cystoskopie mit Spiegel-Besichtigung
erforderlichen 80 ccm nicht faßt, werden diagnostische Operationen —
Nephrotomie, Ureterostomie — vorgeschlagen, während gerade in diesen
Fällen die Cvstoskopie mit direkter Besichtigung indiziert wäre. Das Instru-
mentarium dieser Methode zeichnet sich durch erhöhte Sterilisationsmög-
lichkeit aus, das Verfahren vermeidet eine Infektion der Niere von der
Blase aus, es zeichnet sich ferner vor anderen Methoden aus durch die
Leichtigkeit der Handhabung sowie die Möglichkeit, dan Katheter aufs
schnellste zu wechseln und sollte beim Weibe wenigstens — die Methode
der Wahl sein. Die direkte Besichtigung soll das Prismencystoskop nicht
verdrängen, soll aber — auch beim Manne — dann angewandt werden,
wenn die andere Methode versagt und jedenfalls immer versucht wer-
den, bevor man zu blutigen Explorationsversuchen schreitet.
A. Citron- Berlin.
VI. Technisches.
Kapseln für permanente Blasenfisteln und zur Nachbehand-
lung; von Prostatektomierten. Von Prof. Dr. Wossidlo-Berlin. (Me-
dizin. Klinik Nr. 4, 1913.)
Mit den von Irving, Bätzner und anderen angegebenen Kapseln
läßt sich nach den Erfahrungen des Verfassers kein guter Abschluß er-
zielen. Auch klagen die Kranken viel über den Druck des sehr tief
gelegenen Ausflußrohres. Ferner störte Verf. die Unmöglichkeit, die
Kapseln auszukochen, und ihre relativ geringe Haltbarkeit. Auf diese
Mängel müssen auch die trotz Prophylaxe leicht auftretenden Ekzem-
bildungen zurückgeführt werden im Verein mit den oft harten, aufliegen-
den Rändern der Apparate. Diesen Nachteilen suchte Verf. nach Mög-
lichkeit bei den nach seinen Angaben von der Firma Louis und
W. Löwenstein hergestellten Urinalen abzuhelfen, mit denen er in den
letzten drei Vierteljahren zufriedenstellende Ergebnisse erzielt hat. Das
Grundprinzip der Apparate ist sehr einfach. Sie haben eine Metallkappe
mit ausladenden Rändern, die nach unten eine ringsherum laufende Rinne
tragen. In diese Rinne wird mit einem festen Wulst ein auswechsel-
barer, aufblasbarer Gummiring eingefügt. Der Ablauf liegt oberhalb des
Randes und ist längsoval gehalten und ermöglicht so, daß bei der Seiten-
lage ebenso gut wie bei der Rückenlage der Harn abfließt. Die Kappe
läßt sich kochen und der Ring ist so leicht durch Einlegen in Lyso-
formlösung zu sterilisieren. Bei lüngerem Tragen wird auch hier der
116 Technisches.
Gummiring allmählich schlecht. Es ist dann nur nötig, ihn zu ersetzen,
während früher ein ganzer Apparat beschafft werden mußte. Kr.
Technique et instrumentation des infusions de Neosalvarsan.
Von Duhot- Brüssel. (Revue pratique des maladies des organes génito-urinares,
Jan. 1913.)
D beschreibt ausführlich die Technik der Infusion mit Berück-
sichtirung aller dabei vorkommenden Gesichtspunkte; Die Herstellung
des destillierten Wassers, die Sterilisation der Instrumente, die Reinigung
der Hände, die Herstellung der Lösung und schlieblich die Technik der
Infusion selbst. Mass.
La radioscopie rénale. Von Nogier-Lyon. (Revue pratique des
malades cénito-urinaires, Jun, 1913.)
N, beschreibt ein für die Röntgendiagnostik wertvolles Kompreso-
rium; bestehend aus einem Zylinder und. einem luftgefüllten Ballon, der
mit Hilfe einer abnehmbaren Felge an den Zylinder angeschlossen
werden kann. Über der Niere und längs des Verlaufs des Ureters kann
man mit Hilfe des Pneumokompressors zirkumskripte Kompressionen der
Weichteile ausüben. Es ist möglich, mit dem Apparat einen energischen
Druck von 30—40 Kilo auszuüben, ohne Schmerzen zu verursachen. Vor
der Durchleuchtung läbt man noch am besten den Patienten ahführen.
Die Resultate sind gut, die Anwendung des Apparates bequem. Maas.
A new operating urethroscope Von G. Greenberg-New York.
‚New York Medical, Journal 28. XII 1912.)
Greenbergs Instrument ist ein Urethroskop. durch das die Ure-
thra mit Luft aufgeblasen wird. Zweckmäbig wird die Luft durch em
Doppelgebläse nicht direkt ın den Tubus eingeblasen, sondern erst in
einen Rezipienten geleitet. Von diesem aus kann man durch einen ein-
fachen Handgriff die notwendige Luft in den Tubus einstrimen lassen.
Der Apparat ermöglicht ferner in der luftgefüllten Urethra zu operieren,
da die lustrumente luftdicht in einem Aufsatzstück bewegt werden können.
N. Meyer-Wildungen.
Propulseur mécanique avec tube protecteur pour sondes
urétérals. Von Barv-Paris (Revue pratique des maladies des orgunes gé-
nito-urinaires, Jan. 1915.)
B. beschreibt einen Apparat, der an jedem Cvstoskop angebracht
werden kann, und der dazu dient, den Ureterenkatheter mit Wahrung
vollkommenster Asepsis einzuführen. Der Ureterenkatheter liegt in einem
biegsamen metallischen Schlauch, in welchem er auch sterilisiert ist. Der
Schlauch ist an den eigentlichen Propulsor angeschlossen. Mit Hilfe
dieses Pıopulsors wird der Katheter dann in das Cystoskop vorgeschoben.
Bei Bestellungen ist die Angabe des C'ystoskops notwendig. Der Ap-
parat wird hergestellt von Drapier et fils, 41, Rue de Rivoliet 7, boule-
vard sébastopol, Parts, Maas.
mal
CE
Technisches. 711
De quelques modifications apportées à l’urétroscope de Luys.
Von G. Li Virghi-Neapel. (Journ. d'Urol. Tome IT, No. 2, 1913.)
Zur Untersuchung der hinteren Harnröhre empfiehlt es sich, dem
Luysschen Urethroskop folgende Hilfsinstrumente beizugeben.
l. Tuben von 17 cm Länge und einer Dicke beginnend von Nr. 40
Benique.
2. Volle Mandrins, welche am unteren Ende Schraubengänge tragen,
die zu den Gewinden von Leitsonden passen.
3. Sehr feine Tamponträger aus Stahldraht mit einer dreieckigen
Fläche am unteren Ende.
4. Leitsonden mit varıablem unteren Ende. A. Citron-Berlin.
Eine zur Cystoskopie verbesserte Blasenspritze. Von Dr. Eugen
Joseph. (Berl. klin. Wochenschr. 1912, Nr. 39.)
Bei sehr intoleranter Blase und stark getrübtem Urin macht es
grobe Mühe, zur Cystoskopie die Füllungstlüssigkeit klar zu bekommen;
der Irrigator läbt sich nicht gut benutzen. weil das einzuspritzende
Quantum damit nicht gut zu dosieren ist, und bei der gewöhnlichen
Blasenspritze das fortwährende Aufsetzen und Abnehmen sehr mühevoll
und zeitraubend ist. Bei der vom Verf. angegebenen, 150 —200 cem
haltenden Rekordspritze, ist in den Metallkolben ein der Stempelstange
parallel laufendes Metallrohr eingelötet, welches im Bogen nach außen
biegt und am äußeren Ende einen Hahn und einen (fummischlauch trägt;
dieser taucht mit seinem anderen Ende mit einem kleinen Trichter in
die Spülllüssigkeit: das andere Ende der Spritze, das mit dem Katheter
verbunden ist, hat ebenfalls einen Hahn; durch abwechselndes Öffnen
der Hähne und Anziehen des Stempels kann man ununterbrochen die
Spritze füllen und den Inhalt ausstoBen. Der Gummischlauch mug dick-
wandig sein, weil er sich sonst unter der Aspirationswirkung umschließt.
Das ganze Instrument läbt sich auskochen. Paul Cohn-Berlin.
Instrument zum aseptischen Katheterismus. Von Cand. med.
Rudolf Roosen. tBerl. klin. Wochenschr. 1912, Nr. 41.)
Das beschriebene Instrument besteht aus einem Metallkatlieter, der
an seinem vorderen Ende zentral durchbohrt ist; in seinem Lumen befindet
sich eine Stoffhülle, die sich über der Katheterspitze trichterfôrmig er-
weitert, während sie an dem peripheren Ende mittels eines Fadens aus
dem Katheter herausreicht. Die Einführung geschieht in der Weise,
daß zunäch-t die Hülle soweit wie mörlich in den Katheter hinein-
gezogen, sodann das über die Katheterspitze hinausreichende Ende der-
selben über den Katheter zurückreschlagen und nun der Katheter lang-
sam vorgeschoben wird; die Hülle bildet also eine Art Schutzhandschuh
zwischen Katheter und Urethralwand, so daß infektiöse Stoffe von letz-
terer aus nicht mit ın die Blase gebracht werden können. Bei der
Entfernung des Katheters wird die Hülle an dem heraushängenden
Faden wieder in den Katheter hineinrezogen. Da eine gewisse Starr-
heit des Instrumentes nötig ist. so eignen sich nur Metallkatheter dafür;
Verfertiger sind Friedrich Dröll in Heidelberg. Paul (‘ohn-Berlin.
Verschiedenes,
NI
=!
I
VII. Verschiedenes.
Experimentelle Untersuchungen über die Bacterium coli-
Infektion der Harnorgane. Von Otto Heb. Mitteil. a. d. Grenzæeb, d.
Med. u. Chir., Bd. 27, H. 1.)
Während die Pathogenität des Bact. coli für die Harnorgane fast
allxemein anerkannt ist, so bestehen doch noch erhebliche Meinungs-
verschiedenheiten darüber, auf welchem Wege die Infektion des Nieren-
beckens und der Niere erfolgt.
Verf. hat durch außerordentlich sorgfältige Experimente eine Lösung
dieser Frage versucht. Er konnte zunächst unzweideutig feststellen, dab
Stauung oder geringe Veränderungen im Harnapparat eine Koliinfektion
begünstigen und zu einer schwereren gestalten. Eine einfache Injektion
von normal virulenten Kolibazıllen in eine sonst intakte Blase ruft keine
eystitischen Veränderungen hervor. Dagegen kommt es sofort zu schwerer
Cystitis, wenn die Blase vor der Bazilleninjektion in einen Reizzustand
versetzt war.
Um eine aszendierende Infektion des Nierenbeckens und der Niere
zu erzeugen, stellte Verf. eine aseptische Ureterverengerung her und
injizierte eine Kolibousllonkultur ın das Nierenbecken. Schon nach
26 Stunden kommt es im Nierenbecken zur Eiteransammlung, während
das Epithel und die Schleimhaut noch intakt sind. Nach 68 Stunden
entwickeln sich in der Schleimhaut Eiterherde, die nach dem Parenchym
durchbrechen. In den Kanälchen und vereinzelt auch in den Glomerulus-
kapseln lassen sich Stäbchen nachweisen. Weit geringere Veränderungen
entstehen, wenn man den Üreter einige Tage verengert, die Verengerung
dann löst und Kolikultur ins Nierenbecken einspritzt. Durch die ge
ringere Stauung erhalten die Bakterien freieren Weg nach unten und
können daher keine deletäre Wirkung entfalten.
In weiteren Versuchen wurde den Kaninchen nach einseitiger Ure-
terenverensorung Kolibouillon in die Ohrvene gespritzt. Nach 2U Stunden
wiesen beide Nieren dieselben geringfügigen Veränderungen auf, nach
48 Stunden bis 7 Tagen zeigte die Jigierte Niere das gleiche Bild, wie
es bei aszendierender Infektion beschrieben ist, während die nichtlisierte
Niere fast gar nicht verändert war, sondern nur durch ihren Blutreich-
tum auffiel.
Was die Konkrementbildung in den Nieren anbelangt, so ergaben
die Experimento des Verf, dab die Konkrementchen nicht nur an den-
jenigen Stellen sich fanden, an denen das Epithel verändert ist, sonder
besonders dort zutage traten, wo eine bakterielle Infektion stattgefunden
hatte.
Die Beantwortung der Hauptfrage, auf welchem Wege die Koli-
bakterien in das Nierenbecken und in die Niere gelangen. wird bedingt
durch die Annahme der Durchlässigkeit der normalen Darmwand für
Bakterien. Wird diese Möglichkeit zugegeben — und eine ganze Reihe
von Autoren glauben dies experimentell erwiesen zu haben —, dann Ist
eine hämatogene und Iymphogene Infektion vom Darm aus ohne weiteres
verständlich. Für den Verf. jedoch bleibt die Durchlässigkeit der Darm-
a
Verschiedenes. 179
wand bisher unerwiesen, er neigt zu der Ansicht, daß die Harnstauung
das allein für die Infektion maßgebende Moment ist. Als sicherstes
Beispiel für diese seine Annahme erscheint ihm die besonders bei Frauen
so häufig auftretende rechtsseitige Pyelitis. Es ıst einzig die Erschwe-
rung des Urinabflusses im Ureter- und Nierenbecken, sei es durch Ver-
lagerung der Niere oder entzündliche Veränderungen der Unterleibs-
organe, welche die aufsteigende Infektion begünstigt.
F. Fuchs-Breslau.
Klinische und serologische Untersuchungen bei Harneiterun-
gen durch Bacterium coli. Von Dr. Theodor Cohn und Dr. Hans
teiter. (Berliner klin. Wochenschr. 1913, Nr. 10 u. 11.)
Die klinischen, bakteriologisehen und serologischen Untersuchungen,
die die Verf. an 17 Fällen von Pyurie auszuführen in der Lage waren,
bestätigten zunächst die von andern Seiten gemachten Erfahrungen, daß
der häufigste Erreger dieser Affektionen, abgesehen von der Tuberkulose,
das Bacterium coli ist, daB es sich ferner meist um primäre Lokalisa-
tionen in den Nieren mit sekundärer Erkrankung der Blase handelt.
Atiologisch kamen in Betracht Erkältung, (ravidität, Influenza, Gonor-
rhoe, schwächende Einflüsse durch langdauernde Narkose usw. Von sub-
jektiren Beschwerden fanden sich zuerst Schmerzen im Rücken an der
Grenze zwischen Brust- und Lendenwirbelsäule, dann traten schmerzhaft-
ter, besonders nachts vermehrter Harndrang hinzu, manchmal waren auch
nur Blasenbeschwerden vorhanden; stets trat zu Anfang Temporaturer-
höhung auf; der Urin war mehr oder weniger trübe, von saurer Reaktion,
meist waren von Anfang an Kolibakterien ın demselben nachweisbar.
Die Behandlung mußte sich in erster Reihe auf die Nieren konzentrieren;
ein Teil der Fälle wurde ausschließlich innerlich, ein anderer mit Auto-
vakzine, ein Dritter mit Vioformwaschungen der Niere behandelt; bei
4 Patienten mußte einseitige Nierenbeckendrainage, einmal die Nephrek-
tomie gemacht werden. Was den Erfolg der Behandlung anbetrifit, so
gelang es fast immer, die subjektiven Beschwerden dauernd zn beseitigen,
dagegen wurde nur in 7 Fällen der Harn bakterien- und eiterfrei gefun-
den, sonst gelang es nicht, die Pyurie und Bakteriurie zu beseitigen.
Was die Ergebnisse der serologischen Untersuchungen anbetritft, so
zeigten drei von den 17 Fällen gegenüber dem homologen Stamm nur
eme Agglutinationskraft von 1:20, die übrigen 13 Werte von 1:180
bis 1:640, und zwar dem eigenen Stamm gegenüber höhere als gegen-
über dem oder den fremden Stämmen. Es zeigte sich ferner. daß bei
den Fällen mit schwachen Agelutinationen außer der Koliinfektion noch
andere pathologische Zustände vorlagen, wie Lues. Tuberkulose, Glyko-
surie, wobei nicht ohne weiteres ein Zusammenhang zwischen diesen
Tatsachen anzunehmen ist. Die Sera, die bei der höchsten Verdünnung
agglutinierten, stammten von Patienten, deren Harn dauernd Eiter und
Bakterien enthielt, die abor frei von subjektiven Beschwerden waren.
In fast allen Füllen gelang ferner der Nachweis von komplementbinden-
den Antikörpern im Blutserum. Paul Cohn-Berlin.
150 Verschiedenes.
Infection of the genitourinary tract by micrococcus catar-
rhalis. Von E. H. Ntier- Philadelphia. (New York Medical Jourral, 8.3. 145)
Im Anschluß an drei Krankengeschichten als Beispiel für andere
beschreibt der Autor folgendes Krankheitsbild:
Nach einer Inkubation von wenigen Tagen bis mehreren Wochen
erscheint als einziger Ausdruck einer Urethritis ein spärlicher schleimiger
Ausflußb, in welchem Diplokokken, aber keine Gonokokken zu sehen sind,
Der Urin bleibt klar, es treten keine Fäden, höchstens einige leichte
Flocken auf. In allen Fällen bis auf einen war nur die Urethra anterior
ergriffen. Jn diesem einen Falle wurde eine posterior daraus diagnosti-
ziert, dab auch die zweite Harnportion solche Flocken hatte. Die Endo
skopie ergab ın allen Fällen normale Bilder. Als beste Behandlungs-
weise haben sich Balsamiea und reichlich Flüssigkeit erwiesen. Injek-
tionen. besonders von Silbersalzen, verschlimmerten den Ausflub. Nach
2—6 Wochen ist die Erkrankung abgeheilt. Die exakte Diagnose it
nur durch die Kultur möglich, doch genüge der Befund von Diplokokken
im Verein mit dem milden klinischen Bild zur Diagnose der durch den
Micrococeus catarrhalis hervorgernfenen Urethritis.
N. Meyer-Wildungen.
Zur diätetischen Behandlung der eitrigen Erkrankungen der
Harnwege im Säuglingsalter. Von Dr. Hugo Nothmann, Berl, klin.
Wochenschr. 1912, Ar. 50.
Bei der sogenannten Colieystitis, bei der übrigens häufig nicht nur
die Blase, sondern auch Nierenbecken und Nieren beteiligt sind. und
bei der manchmal neben den Kolibazillen auch Diplokokken gefunden
werden, bestand die Behandlung bis vor einiger Zeit hauptsächlich ın
Darreichung von Harndesinfizientfien und erhöhter Flüssirkeitszufuhr.
In neuerer Zeit ist man auf Grund der Tatsache. dab der Urin in diesen
Fällen meist sauer ist, dazu übergegangen, die Reaktion des Harnes in
eine alkalische umzuwandeln, wozu das Kalium eitricum und das Natrium
biearbonseum verwandt wurde. Verf. hat nun gute Erfolge mit der
Darreichung von Kellerscher Malzsuppe (Ui, Liter Milch, *, Liter
Wasser, 100 g Löftlunds Malzsuppenextrakt, 50 g Weizenmehl, eventuell
noch mit etwas Wasser verdünnt) gesehen und glaubt, daß die Erfolge
auf den Gehalt des Malzextrakts im Kalzium carbonicum, wodurch der
Urin alkalisch wird, ferner auf die durch die Suppe günstig beeinflubte
Ernährungsstörung, die häufig vorhanden ist, zurückzuführen seien.
Paul Cohn- Berlin.
Eosinophylie der Harnwege im Verlaufe von Asthma bron-
chiale nebst einem Beitrag zur Färbetechnik der Harnsedimente.
Von Dr. A. Edelmann und cand. med. Karpel-Wien. (Deutsche medızın.
Wocheuschr. 1912, Nr, 27.
Ju vier Fällen von Asthma bronchiale beobachteten die Verff. eine
Trübung des Urins im Anfall, die hervorgerufen war durch Leukozyten,
Bis zu 30°/, unter diesen Leukozyten zeigten Eosinophylie. Bisher wubte
man nicht, wo die eosinophylen Zellen des strömenden Blutes nach einem
Verschicdenes. 781
Astlımaanfalle bleiben. Sollte sich der Befund der Verfasser ganz all-
gemein bestätigen, so wäre die bis dahin dunkle Frage geklärt. Das
Asthma bronchiale wird jetzt allgemein als eine Allgemeinerkrankung auf-
gefaßt. Eppinger und Heß nehmen eine erhöhte Reizbarkeit des
autonomen Nervensystems, eine „Vagotonie“ an. Als ein neues Symptom
glauben die Verfasser die Eosinophylie der Harnwege hinzufügen zu
sollen. Bei der Färbung wird der Urin zunächst durch Natron bicarbo-
nicum leicht alkalisch gemacht und dann das Sediment nach Trocknung
in Aceton mit Ehrlichschem Triacid gefärbt.
Ludwig Manasse- Berlin.
Pseudohermaphroditismus. Von Marion-Tissot. Soc. nat. de
Chirurgie de Paris. Oktober 1912. (Archives generales de Chirurgie, 1912,
Dez., p. 1451.)
Damm—-Hodensack Hypospadie mit Spaltung des Skrotum und Ein-
schluß des linken Testikels bei 6jährigem Kinde. Trennung der den Penis
krimmenden Hautfalte; Wiederherstellung der Harnröhre bis zur Glans
nach Duplay; Vereinigung der beiden Segwente der Harnröhre durch
Schluß der Dammfistel, Herstellung der Eichelharnröhre unter Benutzung
der Vorhaut zur Verlängerung der Harnrölhre bis zur Eichelspitze. Aus-
gezeichnetes Resultat mit weitem Kanal. Mankıewicz-Berlin.
Cas de gangrène foudroyante spontané des organes génitaux-
urinaires. Von Heitz-Boyer et Elliot. (La Clinique 1911, p. 301.)
Heitz-Boyer und Elliot beobachteten einen Fall von rasch ver-
laufender spontaner Gangrän der männlichen Genitalorgane bei einem
45 jährigen Maler, der nie an Gonorrhoe, Lues, Bleivergiftung gelitten
hatte. Beginn mit Frost, Kopfschmerz, galligem Erbrechen, Schwellung
der Genitalorgane, Schorfbildung auf Glans, dann auf Skrotum, ausgedehnte
Rötungen bis zu den Aclıselhöhlen. Nach 8 Tagen Exitus. Im Blut
Staphylococcus albus und Streptococcus pyogenes, keine Anäroben. Urin
mikrobenfrei, kein infektiöser Coitus. Weite Inzisionen und H,O, Injek-
tionen brachten keine Hilfe. Mankiewicz-Berlin.
Über das Vorkommen allgemeinen subkutanen Ödems nicht-
renalen Ursprungs — eine familiäre Erkrankung. Von F. H. Edge-
worth- Bristol. (Lancet, 22. Juli 1911.)
Bei 6 Säuglingen, die 1—15 Wochen alt waren, beobachtete Verf.
ein Oedema neonatorum. Bei allen diesen Kindern bestand Diarrhoe und
ein gewisser Grad von Unterernährung, ohne dab im Urin Albumen
oder Nierenelemente nachweisbar gewesen wären. Er glaubt, dab an-
yeborene Permeabilität der Kapillarwände vorkommt, und dub die Mög-
lichkeit besteht, daß zirkulierende Gifte Schädigungen herbeiführen können.
W. Lehmann- Stettin.
L’urologie americaine en 1911. Von Faxton-Gardner-New York.
‘Journ. d’Urol. Tome II, No. 4, 1012.
Aus den Arbeitsgebieten der amerikanischen Urologie des Jahres
782 Verschiedenes.
1911 mag zuerst hervorgehoben werden die Phenolsuphonphthaleinprobe
von Rowntree und Geraghti, an deren Ausbau zahlreiche Urologen,
wie Ainley, Goldsborough, Wihtney, mitgearbeitet haben.
Als Steinoperation gewinnt die Pyelotomie immer mehr an Terrain,
als exploratorische Operation rühmt Squier neuerdings den geraden Lum-
balschnitt. Die Idee des hämotogenen Ursprungs der N'erentuberkulose
wird zugunsten der Iymphatischen Theorie allmählich erschüttert. Beim
Studieren der Nephritiden hält Amerika nicht Schritt mit Europa und
speziell mit — Frankreich. Die Dekapsulationen haben seit dem Tode
Edebohls erheblich an Zahl abgenommen. Die Behandlung der Blasen-
tumoren hat bei den Amerikanischen Urologischen Gesellschaften lebbafte
Diskussionen hervorgerufen. Bei der Prostatektomie wird der hype
gastrische Weg immer mehr bevorzugt. Die serologische Gonorrhoe-
behandlung wurde von Schwarz und O'Neil eingeführt und von Swin-
burne praktisch durchgeführt ...
Im ganzen war das Jahr 1911 für die amerikanische Urologie kein
Jahr grober Entdeckungen, aber ein ‚Jahr anständiger und gewissenhafter
Arbeit, welche von beachtenswerten Erfolgen gekrönt wurde.
A. Citron-Berlin.
Modern urinary surgery: points for the practitioner. Von
H. Curtis. (The Practitioner, April 1913.)
Übersicht über die wichtigsten Tatsachen auf dem Gebiete der Uro-
logie ohne neue Gesichtspunkto. von Hofmann- Wien.
Recent work in genito-urinary surgery. Von J. W.T. Walker.
(The Practitioner, April 1913.:
Übersichtsreferat über die in der letzten Zeit erschienene urologische
Literatur. von Hofmann-Wien.
Arzneiexanthemnach Gebrauch von Urotropin(Hexamethylen-
tetramin). Von OÖ, Sachs-Wien, (Wiener med. Wochenschr. 1912, Nr. 49.)
Bei einem 35 jährigen Manno stellte sich nach Urotropingebrauch
(4g pro die) ein aus steeknadelkopfgroben, hellroten Knëtchen sich zu-
summensetzendes, fast ausschließlich auf den Stamın lokalisiertes Exan-
them ein. Außerdem bestand Stuhlverstopfung, starke Kopfschmerzen
und Jucken, Die kranklaften Erscheinungen verschwanden innerhalb
4 Wochen vollstündig. von Hofmann-Wien.
Über die Einwirkung des Hexal (sulfosalicylsaures Hexa-
methylentetramin) auf die Infektion der Harnwege. Von Frank-
Berlin. (Münchner med. Wochenscehr, Nr. 38.)
Ein neueres, von der Firma Riedel in Handel gebrachtes Harn-
antiseptikum ist das Hexal, eino Verbindung von einem Molekül Hexa-
methylentetramin und einem Molekiil Sulfosalizylsäure. Es verbindet die
antiseptischen Eigenschaften des Hexumethylentetramins mit den seda-
tiven und adstringierenden der Sulfosalizylsäure. Die nachteiligen Wir-
kungen der Salizylsäure auf den Magendarmkanal werden durch Einfüh-
Verschiedenes. 183
rung einer Sulfogruppe aufgehoben. Bevor Frank das Mittel Patienten
gab, hat er selbst geprobt, es wurde reizlos vertragen, seine Kompo-
nenten ließen sich im Urin nachweisen, nach 2 mal 24 Stunden war der
Harn frei von Hexamethylentetramin, nach 3 Tagen auch von Salizyl-
säure. Bakteriologische Untersuchungen ergaben, daß das Hexal stärker
antiseptisch wirkte als Urotropin. Ungefähr 80 Fälle wurden mit Hexal
behandelt, teils ausschließlich, teils unter Herbeiziehung lokaler Mab-
nabmen. Es wurde in Dosen von 3 bis 6g per die gegeben und gern
genommen, in Zuckerwasser schmeckt es wie Limonade. Bemerkenswert
war, daB die infolge entzündlicher Prozesse gesunkene Harnmenge bald
zur Norm emporstieg. Der Säuregehalt wuchs, alkalischer Harn wurde
sauer, Eiweiß — dem Leukozytengehalt entsprechend — verschwand
schnell. Gleichzeitige bestehende leichte Nierenreizungen wurden günstig
beeinflußt. Subjektiv fühlten sich die Patienten besser. Die mikroskopische
Untersuchung ergab rasche Verminderung des Bakteriengehalts bis zum
völligen Verschwinden der Bakterien. Auffallend schnell sank die Leuko-
zytose. Nach Aussetzen des Mittels trat der alte Zustand bald wieder
ein, soweit es sich nicht um eine reine Erkrankung des Harnsystems
gehandelt hatte, z. B. bei Entzündung der weiblichen Adnexe usw. Es
folgt eine Reihe von Krankengeschichten. Brauser-München.
Über Hexal (sulfosalicylsaures Hexamethylentetramin). Von
Dr, K. Seegers. (Berl. klin. Wochenschr. 12, Nr. 38.)
Das Hexal spaltet sich im Organismus in Sulfosalieylsäure und
Hexamethylentetramin, letzteres spaltet weiter Formalin ab; es wird als
gutes Harnantisepticum bei Entzündungen der Blase und des Nieren-
beckens, auch solchen, die auf harnsaurer Diathese beruhen, empfohlen,
durch Abspaltung der Salicylsäure soll es schmerzlindernd wirken, der
starke antibakterielle Einfluß beruht auf den drei Komponenten Formalin,
Salicylsäure und Sulfosäure. Die Dosis beträgt 2—3 Gramm pro Tag,
unangenehme Nebenerscheinungen traten bei den Versuchen des Verfassers
nicht auf. Die Wirkung soll sehr schnell eintreten, eine Kumulierung
findet nicht statt, schon 48 Stunden nach der letzten Eingabe ist es
aus dem Urin entfernt, wie es auch schon 1 Stunde nach der ersten
Einnahme im Urin nachweisbar ist. Auffallend war bei mehreren
Patienten die diuretische Wirkung des Hexals, ferner die baldige Um-
wandlung der alkalischen Reaktion in die saure.
Paul Cohn-Berlin.
Unsere Erfahrungen mit Hexal. Von O0, A. Kowanitz. (Wiener
klin. Wochenschr. 1918, Nr. 1.)
K. hat das Hexal bei einer Reihe urologischer Erkrankungen ge-
geben und ist mit den Resultaten sehr zufrieden. Das Präparat hat vor
dem Hexamethylentetramin den Vorzug einer rascheren Wirkungsweise,
sowie den Vorteil der analgetischen Wirkung. Auberdem ist es angenehm
zu nehmen. von Hofmann-Wien.
184 Verschiedenes.
Über ein neues Harnantiseptikum. Von Dr. Gustav Fischer.
Aspirant der urolog. Abt. der Alle, Poliklinik zu Budapest. (Fol, urol., Bd. YI,
Okt. 1912, No. 3.)
Verf. berichtet über die Erfahrungen, die man mit dem neuen Harn-
antiseptikum Amphotropin (kampfersaures Hexamethylentetramin) in der
urologischen Abteilung der Allgemeinen Poliklinik zu Budapest bei den
infektiösen Erkrankungen der Harnwege (ausgenommen die Tuberkulose’
machte. Es bewährte sich als ein vorzügliches Mittel: es weist eine in-
tensivere Wirkung auf als die bisherigen Harndesinfizientien, was der
Verbindung seiner Komponenten, Hexarmethylentetramin und Kampfer-
säure, zuzuschreiben ist. Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Dosis
0,5 bis 1 g, dreimal täglich, am bequemsten in Form von Pastillen.
Kr.
Neuere Beobachtungen über die Wirkung des Yohimbin
(Spiegel). Von Prof. Dr. G, Fritsch-Berlin. (Deutsche med, Wochen-
schrift 1912.)
Fritsch weist aus eigner Erfahrung wiederholt auf die günstige
Wirkung des Yohimbin bei den beginnenden Störungen der Prostata-
hypertrophie bin. Er glaubt nicht an eine „innere Sekretion“ in der
Prostata, etwa bedingt durch spezifische Parenchymzellen. Maßgebend
für ihn ist das pathologisch - anatomische Substrat der Prustataliyper-
trophie, das die Erscheinungen des gestauten Sekrets mit konsekutiver
Atrophie der Epithelien in den Drüsenläppchen aufweist. Das Yohimbin
wirkt tonisierend auf die organische Muskulatur des uropoetischen Systems
und trägt so zur leichteren Entleerung des Sekretes bei. Auch die
Sphinkter der Blase schlieben kräftiger, die Blase kann infolgedessen
den Urin besser halten; der Urindrang wird infolge des kräftigeren
Blasenverschlusses woniger lästig empfunden.
Ludwig Manasse- Berlin.
Vesicaesan bei.Erkrankungen der Nieren und Blase und bei
Gonorrhoe. Von C. E. Vorster, Npezialarzt f. Nieren-, Blasen- und Harn-
krankheiten in Düsseldorf. (Dermatolocisches Zentralblatt, 14. Jahre., Ir. 5.)
Vesicaesan ist das aus wirksamen frischen oder frisch getrockneten
Folia Uvae Ursi bereitete Extrakt. Als ein zuverlässiges Verfahren, die
PN
(tesamtbestandteile der Folia Uvae Ursi unzersetzt zu erhalten, hat sich
die fraktionierte Extraktion mit geeigneten Lösungsmitteln, unter An
wendung niedrigster Temperaturen, bewährt. Vesicaesan wird am besten
in Pilleuform dargereicht, jede Pille enthält die wirksamen Bestandteile
von 0,53 x der frisch getrockneten Blätter. Die Medikation ist alsdann
4mal täglich 6—10 Pilen. Nach jedesmaligem Einnehmen läbt Ver.
ein Glas Wasser nachtrinken. Fr hat in seiner Praxis in allen Fällen,
in denen er Vesieaesanpillen angewandt hat, die überraschendsten Er-
folge gehabt, insbesondere bei ganz chronischen Fällen, von denen er
einige mitteilt. Kr.
Dem Vierten Kongresse
der Deutschen Gesellschaft für Urologie!
Wieder ist eine stattliche Zahl hervorragender Ärzte und
Forscher von nah und fern nach der Hauptstadt des Deutschen
Reiches geeilt, um in regen Gedankenaustausch über die neue-
sten Forschungsergebnisse der Urologie zu treten. Die große
Anzahl der zu erwartenden Vorträge und die aktuellen Referate
geben ein beredtes Zeugnis von der Lebenskraft dieses jungen
Zweiges am Baume der Heilkunde.
Möge sich aus den Verhandlungen neue und vielseitige An-
regung für weiteres Forschen ergeben!
Mit diesem Wunsche heißen wir die Teilnehmer des Vierten
Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Urologie aufs herz-
lichste willkommen!
Die Redaktion.
Zeitschrift für Urologie. 1913.
Die Urologie als Wissenschaft und Lehrfach.’
Von
Prof. Dr. L. Casper.
Meine Herren! Welche Stellung sich die Urologie in der
Wissenschaft erworben und ob sie demzufolge ein Anrecht hat, als
Lehrfach den bereits bestehenden Disziplinen angereiht zu werden,
diese Fragen, glaubte ich, seien ganz besonders geeignet, in der
hochansehnlichen Gesellschaft, die sich hier versammelt hat, erörtert
zu werden.
Was den ersten Teil betrifit, die Entwicklung der Urologie
zur Wissenschaft, so dürfen wir uns kurz fassen, weil dieses Thema
in den letzten Jahren von verschiedenen Seiten, besonders bei Er-
ölfnung des ersten Deutschen Urologenkongresses von unserm Ehren-
mitglied Herrn von Frisch, behandelt worden ist. Ich begnüge
mich deshalb, in großen Etappen nur die Marksteine der Entwick-
lung und des Fortschrittes hervorzuheben.
Wir übergeben das klassische Zeitalter, bis zu dem die
Wurzeln der Urologie reichen, wir übergehen die romantische
Periode des Mittelalters, in dem die von Scharlatanen geübte
Uromantie herrschte und in dem herumziehende Steinschneider Tau-
sende von Menschen, mitunter gekrönte Häupter, am Stein ope-
rierten.
Die ersten beiden Namen, mit denen die wissenschaftliche
Urologie anhebt, fallen in den Anfang des vorigen Jahrhunderts.
Der Engländer R. Bright legte 1823 als erster die Richtlinien von
der Lehre der Nierenentzündungen fest, und der Franzose Cı-
viale verwirklichte im gleichen Jahre zum ersten Male die Idee
der Blasensteinzertrümmerung. Die Lithotripsie wurde später
vom Amerikaner Bigelow (1875) zur segensreichen Litholapaxie
ausgestaltet. Durch sein epochemachendes Werk über die Nieren-
1) Erôfinungsvortrag, gebalteu auf dem 4. Kongreß der Deutschen Gesell-
schaft für Urologie 1918.
Die Urologie als Wissenschaft und Lebrfach. | 787
pathologie muß der Engländer Rayer mit unter denen genannt
werden, denen die Urologie wertvolle Belehrung und Anregung
verdankt.
In den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts sind es die Fran-
zosen Leroy d’Etiolles und Maissonneuve, die die Lehre von
den Strikturen der Harnröhre und ihre Therapie wesentlich
forderten. Die Maissonneuvesche interne Urethrotomie ist
noch heute eine für viele Fälle geeignete und erfolgreiche Ope-
ration, |
Das Gebiet der Prostata förderten zu jener Zeit der Franzose
Mercier, die Engländer Sir Everard Home und Sir Benjamin
Brodie. Der Katheter mit der Mercierschen Krümmung ist
noch immer unübertroffen. Der fälschlicherweise dritter Prostata-
lappen genannte Auswuchs der Prostata trägt noch jetzt nach
Virchows Voischlag den Namen Homescher Lappen. Der
Brodiesche Katheter mit der großen kreisförmigen Krümmung
ist noch unersetzt für den Katheterismus bei schwierigen Fällen
von Prostatahypertrophie.
Nicht vergessen sei in der Urologie der Name Pasteurs, dem
als Vorläufer Rob. Kochs die wahre Ursache der Harnzersctzung
aufzufinden gelang.
Unvergängliches für die Urologie haben geleistet Sir Henry
Thompson, Ultzmann, Dittel und Guyon, deren Schüler ich
mich nennen zu dürfen das Glück habe. Klassisch ist das Werk
Thompsons über die Prostataerkrankungen, klassisch das Dittels
über die Strikturen der Harnröhre; wie die Chemie dem Stu-
dium der Erkrankung der Harnwege zugute kommt, hat uns Ultz-
mann gelehrt, und Guyon kann als ein Meister der klinischen
Beobachtung und Darstellung von Krankheitshildern genannt werden.
Trendelenburg verdanken wir die Beckenhochlagerung
hei der Sectio alta, Zuckerkandl den prärcktalen Schnitt als
Zugang zur Prostata, Bardenheuer macht als erster eine Total-
exstirpation der Blase, und Gustav Simon wurde durch seine
erste Nephrektomie der Begründer der Nierenchirurgie Ihm
folgten Tuffier, der die Nephrotomie schuf, indem er zeigte, daß
man das Nierenparenchym einschneiden darf, Le Dentu, der die
Naht der Niere kennen lehrte, und Israel, der den Ureter extra-
peritoneal freizulegen zeigte und damit den vordem gefährlichen
Ureteroperationen die gefährlichste Seite nahm. Die von McGill
ausgeführte und empfohlene suprapubische Prostatotomie gestaltete
12%
188 L. Casper.
Freyer zu einer der segensvollsten Operationen, zu der suprapubi-
schen Prostatektomie, die zahlreichen alten Leuten das Leben
rettet und ihre Qualen mindert.
Alle diese wohlverdienten Lehrer und Mehrer des urologischen
Reiches werden aber überstrahlt durch M. Nitze, der durch seine
Erfindung des Cystoskops (1879) zu den größten Wohltätern der
Menschheit gezählt zu werden verdient.
Hatte die Urologie, wie wir aus der eben gehörten Skizze er-
senen, auch schon vordem durch die glänzende Ausarbeitung klini-
scher Krankheitsbilder und durch das vornehmlich den Chirurgen
zu dankende Ersinnen von Operationsmethoden erkleckliche Fort-
schritte aufzuweisen, so wurde doch erst durch die Cystoskopie
die wissenschaftliche Diagnose auf eine sichere Basis gestellt.
Ich kann es mir versagen, vor diesem Forum die wissenschaft-
Jichen Errungenschaften in der Diagnostik und Therapie der Blasen-
und Prostatserkrankungen, die wir der Cystoskopie verdanken, dar-
zulegen. Darüber gibt es heute nur eine Stimme. Was der Augen-
spiegel für die Augenkrankheiten und indirekt für die gesamte
Medizin, das ist das Cystoskop für die Erkrankungen der Harn-
werkzeuge, die zu den lebenswichtigen Organen des Körpers ge
hören, geworden.
Denn nur durch das Cystoskop wurde die Schaflung des
Ureterenkatheterismus ermöglicht, der eine neue Ära in der
Diagnostik und Therapie der Nierenkrankheiten schuf. Er befähigt
uns, in präziser Weise zu erkennen, ob die Blase oder die Nieren
und in letzterem Falle, ob beide Nieren, oder welche von beiden,
Sitz der Erkrankung sind.
Gewiß war der eine oder andere mit besonders leuchtendem
Verstand Begabte schon vordem ein guter Diagnostiker, der oft das
Richtige traf, aber die Möglichkeit der sicheren Diagnostik in der
Nierenpathologie zum Allgemeingut gemacht zu haben, das war den
Ureterenkatheterismus vorbehalten:
Mit seiner Hilfe wurde die funktionelle Nierendiagnostik
ersonnen, die uns nicht nur über die Gesundheit und Krankheit der
Nieren, sondern darüber hinaus über das in manchen Fällen wich-
tirere, über die Arbeitsleistung und Arbeitsfähigkeit jeder
von beiden Nieren belehrt.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich nicht unterlassen, zweier
hervorragender Forscher zu gedenken, deren Arbeiten der Urologie
zugute gekommen sind. Das ist die Einführung der Gefrierpunkts-
ae?
DH
7
Die Urologie als Wissenschaft und Lehrfach. 789
methode in die praktische Medizin von Koränyi und die Ver-
wertung. der Röntgenstrahlen.
Die gebotene Übersicht erhebt keinen Anspruch auf Vollständig-
keit, sie sollte uns nur die hauptsächlichen wissenschaftlichen Er-
rungenschaften zeigen, welche auf dem Gebiete der Urologie erreicht
wurden. Noch deutlicher tritt das zutage, wenn wir uns einige der
praktischen Folgen vor Augen führen, die auf das Konto der Uro-
logie zu buchen sind.
Die Blasensteine, durch das Cystoskop früher entdeckt, als
es vordem möglich war, können fast immer durch die Litholapaxie
beseitigt werden, ein Verfahren, das vor der Schnittoperation
die größere Ungefährlichkeit und die kürzere Heilungsdauer voraus
hat. Während die Schnittoperation 5"/, Todesfälle und darüber auf-
weist, starben von meinen 340 durch Litholapaxie operierten Blasen-
steinkranken nur 2,’ also kaum mehr als '/,°/..
Die intravesikale Beseitigung von gutartigen Blasenge-
schwülsten spricht eine noch deutlichere Sprache. Die Mortalität
nach der Sectio alta ist ungefähr die gleiche wie die bei Blasen-
steinen, Bei meinen 250 endovesikal behandelten Tumorfällen
habe ich nicht einen Todesfall zu beklagen.
Wie viel besser geht es nicht den armen alten Prostatikern,
seitdem sich ihrer die moderne Urologie angenommen hat! Fast
ihrer aller Leben wurde verkürzt, sei es durch Urosepsis oder auf-
steigende Pyelonephritis und Druckatrophie der Niere. Der asep-
tische Katheterismus und die Prostatektomie haben Wandel
geschaffen; durch den ersteren gelingt es in sehr vielen Fällen, die
Kranken bis zum hohen Alter in einem beschwerdelosen Zustand
zu erhalten, andere befreit die Prostatektomie von den oft schier
unerträglichen Beschwerden.
Und welchen Triumph vollends feiert die Urologie in der Be-
kämpfung der Nierenerkrankungen! Durch die Röntgenographie
und den Ureterenkatheterismus erkennen wie die Nierensteinc
so früh, daß wir mit ihrer Entfernung nicht so lange warten, bis
die Nieren vereitert oder geschrumpft sind. Die Nierensteinoperation
ist dank der präzisen Diagnostik und der Ausbildung der Pyelo-
tomie eine ungefährliche Operation geworden.
Nierentumoren wurden früher vielfach erst diagnostiziert,
wenn man sie fühlen konnte. Dann war es mit der Operation meist
zu spät, daher eine ganz exzessive Sterblichkeit bei dieser Krank-
790 L. Casper.
bet. Jetzt diagnostizieren wir sie glücklie
um durch die Operation dauernde Heilung
Welcher Segen ist den tuberkulöse
logischen Forschung erwachsen! Vor dem |
trug die Sterblichkeit bei den besten Opera
Von den Todesfällen waren auch bei «
suchern 33°/, darauf zurückzuführen, dal
Zustand der zweiten Niere herrschte. Wi
währt demgegenüber die heutige Statistik!
selbst haben bei unseren letzten 50 Nier«
lichkeit auf 2°/, herabgedrückt. Die Re
stehen dem nicht nach.
Doch der Beispiele sind es genug.
unerschütterlicher Deutlichkeit zu beweise
wissenschaftliches Fach geworden ist, dess
Menschheit weitreichenden Segen gebracht
schaftliche Forschen in der Medizin nicht Sı
zum Zweck, Mittel zur Heilung und B
Menschheit, so darf man von der Urologie
eine Wissenschaft geworden ist, die diese:
Let nun aber die Urologie als ein Zw
tragender Bedeutung anerkannt — und i
das bezweifelte —, so erwächst denen, we
menschen anvertraut ist, die unabweislich«
rungenschaften dieser Disziplin vertraut
dadurch kann die leidende Menschheit :
werden.
Auf welche Weise aber kann das g
und Wege hat der Lernbeflissene, um
Urologie vertraut zu machen? Und dami
Teil meines Themas: „Die Urologie :
Entsprechend der Bedeutung und Au
ich drei Forderungen auf, von denen icl
daß sie allgemeiner Zustimmung sicher s
1. Von der Urologie muß der
so viel wissen und können, daß er
falle seinen Pflegebefohlenen Hilfe
2. Es muß Ärzte geben, die d
beherrschen, dieinallen, auch den f
Die Urologie als Wissenschaft and Lehrfach. 191
und Behandlungsmethoden sattelfest sind, so daß sie auch
schwierigen Fällen gerecht zu werden vermögen.
3. Es muß Einrichtungen geben, die den Ausbau und
die Weiterentwicklung des Faches gewährleisten.
Lassen Sie uns prüfen, wie es sich mit der Erfüllung dieser
drei Forderungen in Wirklichkeit verhält.
1. Ich brauche den ersten Punkt, die Notwendigkeit der
Ausbildung des Studenten in den für die Praxis wichtigsten
technischen Dingen kaum mit Beispielen zu belegen. Was gibt
es Wichtigeres als die Beherrschung des Katheterismus! Welch
unberechenbarer Schaden und wieviel Unglück ist nicht durch un-
geschickten Katheterismus angerichtet worden! Müßte nicht jeder
Arzt die Katheter zu handhaben verstehen? Und sollte nicht ein
jeder Praktiker imstande sein, die übervolle Blase zu punktieren,
um den Kranken aus unsäglichen Leiden zu erlösen?
Wo nun kann der Studierende diese allerwichtigsten Kenntnisse
aus der Urologie sich erwerben? Er ist einmal angewiesen auf die
großen allgemeinen chirurgischen Kliniken. Deren Aufgaben
sind aber so groß und so weit, daß sie den gestellten Forderungen
kaum gerecht werden können, dazu fehlt es an Zeit und auch an
Gelegenheit. Denn diese Dinge lassen sich nur durch praktische
Übung erlernen. Nun helfen sich einige große staatliche Kliniken
damit, daß sie sich einen Urologen dienstbar machen, der die be-
nannten Aufgaben in der Unterweisung der Studenten erfüllt. Auf
diese Weise kann das Gewünschte geboten werden, aber diese Lern-
möglichkeit trifft doch nur für einige große Universitäten zu, an
den kleineren fehlt sie.
Da sollen nun die Dozenten helfend eingreifen. In den
größeren Universitäten sind hier und da Dozenten der Urologie
vorhanden, die an ihrem privaten Material den Unterricht er-
teilen. Damit wird etwas erreicht. Es ist mir eine gewisse Genug-
tuung, in jedem Semester einigen älteren Studenten, die der not-
wendigsten fundamentalsten Kenntnisse in dieser Disziplin entraten,
wenigstens soviel beibringen zu können, daß man sie ohne Furcht
in das ärztliche Leben hinausschicken kann.
Allein ist denn das genügend? Da kein selbständiges Lehrfach
der Urologie besteht, so wird notwendigerweise in dem Studierenden
die Vorstellung erweckt, daß dieses Fach nebensächlich gegenüber
denjenigen ist, die eine offizielle Vertretung an der Universität haben.
Damit wird der Minderbewertung dieser Disziplin indirekt Vorschub
732 L. Casper.
geleistet. Es erscheint mir ganz notwendig, daB auch äußerlich
durch Schaffung eines eigenen Lehrstuhls für Urologie
die Wichtigkeit derselben zum Ausdruck gebracht wird.
Nun antworten auf diese Forderung die maßgebenden Stellen
mit einem gewissen Anschein von Recht: Unsere Studenten od
schon jetzt so überlastet, daß wir ihnen nicht noch mehr zu leisten
zumuten können. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: entweder das
Studium verlängern oder die Anforderungen an unsere Studenten
eher ermäßigen als höher schrauben.
Es trifft das aber nicht den Kern der Sache. Wir sind einig
darin, daB eine Verlängerung des Studiums nicht stattlinden
darf. Das hätte so viele soziale Nachteile, daß man diese Frage
nicht erwägen soll. Aber was man verlangen muß, ist, daß inner-
halb der gesetzlich geregelten Zeit der Student dasjenige muß erlernen
können, was ihm im praktischen ärztlichen Leben im Interesse seiner
Schutzbefohlenen unerläBlich ist.
Ist daher eine Beschränkung in der Auswahl des Lehr- und
Lernstoffes notwendig, so käme man dazu, das Wichtigste in den
Vordergrund zu rücken und weniger Wichtiges zurückzustellen.
Wir wollen dahingestellt sein lassen, ob nicht der Katheteris-
mus für den praktischen Arzt wichtiger ist als das Augenspiegeln
und Kehlkopfspiegeln. Wir wollen Vergleiche dieser Art unter-
lassen, um keine uferlose Diskussion zu eröfinen, aber es erscheint
uns als eine unabweisbare Pflicht, auch äußerlich kenntlich zu
machen, daß die Urologie ein nicht minder wichtiges Fach ist als
beispielsweise die genannten.
Wir verlangen keinen Zwang der Studenten, Vorlesungen
über Urologie zu hören, wir verlangen kein besonderes Examen,
die wenigen dringend erforderlichen Dinge kann der chirurgische
Examinator mit prüfen; aber darf der Studierende demzufolge selbst
wählen und entscheiden, in welchem der Sonderfächer er sich die
notwendigsten Kenntnisse aneignen will, so darf ihm nicht dadurch,
daß man das Fach offiziell ganz unvertreten Jäßt, die Minderwertig-
keit desselben gegenüber anderen suggeriert werden. Besteht für
ein Nebenfach ein Extraordinariat und Lehrauftrag oder wird gar
in einem solchen geprüft, so ist es begreiflich, daß der Student
dieses für wichtiger hält als «(ie Urologie. Dann besteht keine freie
Wahl mehr. Die Urologie wird zum Stiefkind der Wissen-
schaft degradiert.
2, Zwischen den Kenntnissen, die der Praktiker braucht, und
Die Urologie als Wissenschaft und Lehrfach. 193
der vollen Beherrschung des Faches ist noch ein großer Schritt.
Wer nur einigermaßen den Fortschritten dieser Disziplin gefolgt ist,
wer nur eine ungefähre Vorstellung von der Feinheit und Schwierig-
keit der urologischen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ge-
wonnen hat, der wird mir beistimmen, wenn ich sage: um dem
genügen zu können, dazu gehört eine ganz spezielle Ausbildung.
Steht es unumstößlich fest, um ein Beispiel anzuführen, daß die
Sterblichkeit der Blasensteinzertrümmerung und der endovesikalen
Geschwulstbeseitigung viel geringer ist als die der Schnittopera-
tionen, so müßte Vorsorge getroffen werden, daß die an diesen
Affektionen Erkrankten allerorten durch die eben angedeutete,
mindergefährliche Behandlung von ihren Leiden befreit werden
können. Das findet eine besondere Anwendung auf die minder-
begüterten Klassen, die vornehmlich die staatlichen und städtischen
Krankenanstalten aufsuchen.
Wird von niemandem mehr bestritten, daß durch die Üysto-
skopie und den Ureterenkatheterismus eine präzisere und siche-
rere Diagnose und damit indirekt auch eine rationellere The-
rapie ermöglicht ist, muß dann nicht von demjenigen, dem das
Wohl so vieler Kranken anvertraut ist, verlangt werden, daß er in
diesen Methoden sattelfest sei?
Sehen wir einmal von den Universitätsstädten ab, so gibt es
Tausende von Krankenhäusern in kleineren und größeren Städten,
an deren Chef man diese Forderung stellen müßte. Ist es nicht
seine Aufgabe, seinen Kranken all das Gute zuteil werden zu lassen,
was die Wissenschaft geschaffen hat?
Man kann nicht verlangen, daß er Spezialist in jedem Fache,
also auch nicht in der Urologie sei, aber entweder muß er die an-
erkannten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden beherrschen,
oder er muß einen Assistenten haben, der dies vermag, oder er
muß einen Konsiliarius für sein Krankenhaus zitieren können, der
das im gegebenen Falle Beste für seine ihm anvertrauten Patienten
empfiehlt und eventuell auch ausführt.
Nun ist es kein idealer Zustand, daß man sich von außen
Hilfe suchen muß, daß ein Arzt die Untersuchung vornimmt,
der den bisherigen Verlauf der Krankheit nicht aus eigener An-
schauung kennt, den weiteren Verlauf nicht verfolgen kann und
auch für die Ausführung der Manipulationen nicht verantwort-
lich ist.
Aber es gibt, so wie die Dinge jetzt liegen, keinen anderen
Ausweg, [Denn werien die für die Diagress porme rer Lana
Iert ee, eder die tLerapeiitieehen, tecirisss sebwihrgn
Mines vou dem Leier older Assistenten der Kirik sibs vor-
menommen, Sn Jet es niir SelbstverstäalslieD, des sie in buraf
Poirier und SelLornez Linter dem zurücklüsiben, was dr Ara
Von einem da dem Pari besonders geselulten Arzt gebeten wird
Des i ewa kein Tadei tir die Leiter jener Kraosenansäalen
und inre Suhstitute Denn um in dem Fache der Urologie
sieh so auszubilden, wie es not tut, fehlt es iLnen an Ge-
Jjegenbeit Wo salen sie sieh dern die intimen Keurtasse er-
werben? An den angemeinen RKhliniken und Abteilungen ist das
unmeozlich. Dazu sind deren Aufzaben zu viele. Der Direktor kanu
wohl hier und da über die Metliode sprechen, ilire Erfolge zeigen.
die Konrrainchkäation der Anwendung hervorheben. so daB die Horer
wissen und verstehen. worauf es bei den Dingen ankommt. Aber
genügt denn das? Hier heißt es selbst arbeiten und üben. Was
saut doch Goethe:
«Wissen ist Macht“
Wie falsch gedacht!
Wissen ist wenig,
Können ist König!
Wer kann aber in der Urologie etwas, der nicht selbst geschaft
und gearbeitet hätte! Ja die Technik in der Urologie ist so subtil.
daß selbst der. der etwas kann, es bald verlernen wird, wann er
nicht dauerpd in der praktischen Übung verharrt. Deshalb
reichen weder die allgemeinen Kliniken noch das private Material
einiger Dozenten aus, um die erforderliche Ausbildung in der Uro-
logie zu bewerkstelligen. In den ersteren fehlt es an Zeit und Ge-
legenheit, und das private Material der Dozenten läßt sich
naturgemäß nicht genügend zum Unterricht ausnutzen. In jeden
‚Jahre missen wir eine große Zahl von Ärzten, die sich in dem
Fache ausbilden wollen, abweisen. Deshalb müssen Stellen geschaffen
werden, an denen dieses dringende Bedürfnis befriedigt werden kann.
Dieser Unterricht und dieses praktische Arbeiten kommt selbst-
verständlich nur für reifere Studenten der letzten Semester oder für
Junge Arzte nach Beendigung des allgemeinen Studiums in Frage.
Für andere sollten solehe Kurse gar nicht gestattet werden, aber
für jene müssen sie da sein. Ohne eigene Mitarbeit, ohne
selbständiges Angreifen kann niemand ein Urologe werden.
Die Urologie als Wissenschaft und Lehrfach. 795
3. Zu dem kommt ein weiteres Moment. „Wer rastet, rostet.“
Soll die Urologie nicht rosten, so darf sie nicht rasten. Sie muß
fortentwickelt und zur weiteren Entwicklung und Entfal-
tung gebracht werden. Wo sind die Möglichkeiten dafür ge-
geben? Wiederum nur in den allgemeinen Kliniken und bei den
paar privaten Dozenten. Es soll nicht geleugnet werden, daß so
manche befruchtende urologische Arbeit aus den allgemeinen chirur-
gischen und auch internen Kliniken hervorgegangen ist, aber schon
beginnt es damit zu stocken. Die Ursache ist der Mangel an Nach-
wuchs. Die großen Meister des Faches, Nitze und Albarran, sind
tot. Wo bleiben die Jünger? Ihre Zahl wird immer geringer, nicht
weil die Disziplin als Sonderfach ungeeignet ist, sondern weil
Stätten fehlen, einen Nachwuchs heranzubilden. Darin be-
steht eine große Gefahr.
Mit Freuden wurde es von allen Hochgesinnten begrüßt, daß
neuerdings auf den verschiedensten Gebieten Forschungsinstitute
ins Leben gerufen werden. Für einzelne Teile der Chemie und
Physik, für einzelne Fächer der Medizin sieht man solche Stätten
entstehen neben der offiziellen Vertretung, die sie bereits an den
Universitäten besitzen. Ist es nicht an der Zeit, der Urologie
angesichts der unbestrittenen Wichtigkeit des Gegen-
standes wenigstens eine solche Stätte, eine Zentralstelle
zu schaffen, an der die Lernbeflissenen unterwiesen wer-
den, an der sie praktisch arbeiten können und durch die
die Bedingungen gegeben sind, das Fach weiter zu ver-
tiefen und für den notwendigen Nachwuchs zu sorgen?
Ich meine, diese Dinge liegen so klar, daß man mit Recht
fragen muß: wie kommt es denn, daß man bisher versäumt hat,
dieses Postulat zu erfüllen? Da erhalten wir zunächst die Antwort:
auch andere Staaten haben das unterlassen. Wenn es notwendig
wäre, so hätten diese es doch getan. — Das trifft aber heute nur
noch teilweise zu. Die Anfänge für die Errichtung von eigenen
Lehrstätten in der Urologie sind vorhanden. Ich will nur einige
Daten anführen.
In Frankreich gibt es urologische Kliniken in Paris, Bor-
deaux und Lille; Belgien errichtet eine staatliche Klinik in
Liege; Rumänien hat deren zwei in Bukarest und Jassy, in
Österreich haben die städtischen Behörden in Triest und Wien
spezielle urologische Abteilungen geschaffen, in Griechenland hat
die Kammer einen Lehrstuhl mit urologischer Klinik votiert, die
196 L. Casper.
Schweiz hat in Genf auf Veranlassung von Girard eine Unter-
abteilung für die Urologie geschaffen. In Rußland wird die Uro-
logie als Sonderfach getrieben in dem Stadtkrankenhaus zu Riga,
zu Warschau, im Höpital Obouchoff und im Höpital militaire
Nikolaievsky zu Petersburg, iu England im St. Peters Hospital
und Gys Hospital zu London, in Argentinien gibt es in Buenos
Aires eine staatliche und drei städtische urologische Kliniken.
Wenn diese Beispiele und all die Gründe, die ich angeführt
habe, bisher nicht vermocht haben, alle diejenigen Instanzen zu über-
zeugen, die einen maßgebenden Eintluß in diesen Fragen auf die
Behörden ausüben, so braucht man sich darüber nicht zu wundern.
Immer weiter und weiter wird das Gebiet der Chirurgie ein-
geengt. Die Opbhthalmologie, Otologie und Gynäkologie
haben sich seit langem von der Chirurgie losgelöst, die Orthopädie
hat sich teilweise getrennt, schon sehen wir, daß die Nerven-
chirurgie die Domäne einiger weniger Forscher, die sich dem
Fach ganz besonders zugewandt haben, zu werden droht,
Nun kommt auch noch die Nieren- und Blasenchirurgie,
deren sie zum Teil verlustig gehen sollen. Da ist es verständlich,
daß manche Kliniker mit schwerem Herzen sich Gebiete entrissen
werden sehen, in denen sie mit Liebe und Erfolg tätig gewesen
sind. Dennoch aber haben sich eine Reihe von Klinikern auf
meinen Standpunkt gestellt. Ich habe keine allgemeine Enquete
veranstalten können, sondern nur einige, mir näher bekannte Kliniker
der verschiedenen Fächer um ihr Urteil gebeten.
Es würde zu weit führen, diese bier zu verlesen. Ich will nur
mitteilen, daß sich Erb, Czerny, Rotter, Payr, Neisser, Licht-
heim, Zangenmeister, Küster, Anschütz in dem Sinne aus-
gesprochen haben, daB sie für die Errichtung eines beson-
deren nrologischen Lehrstuhls eintreten.
Und welches sind denn nun die Gründe, welche diejenigen.
die es ablehnen, urologische Lehrstühle zu schaffen, geltend machen?
Es ist dasjenige Argument, das jedesmal angeführt wurde und an-
geführt wird, wenn sich ein Sonderfach in der Medizin abzweigen
will, das Argument von der Zersplitterung. In tausend Tonarten,
in Dur und Moll, schallt es immer wieder zurück: die wissen-
schaftliche Medizin ist ein Ganzes, sie darf nicht zer-
splittert werden, sonst lösen sich die Äste vom Stamm: dann
wird dieser entblößt und kahl dastehen und nicht mehr den wohl-
tuenden Schatten spenden können.
Die Urologie ala Wissenschaft und Lehrfach. 197
Es ist an der Zeit, daß wir diesem Argument etwas näher ins
Angesicht leuchten. Es ist zuzugeben, daß ein Kern von Wahrheit
in ihm steckt. Die Medizin ist ein Ganzes. Es gilt nicht, das
kranke Organ, losgelöst von den anderen, sondern es gilt, die
Krankheit im Menschen zu behandeln. Wer das nicht tut, wer
nicht die Lehre der gesamten Medizin in sich aufgenommen hat
und auf sich einwirken läßt, wer nur auf das Organ seiner Spezia-
lität losgeht, der kommt in Gefahr, zu einem Handwerker herab-
zusinken.
Aus dem gleichen Grunde muĝ auch die Durchbildung
des Urologen auf einer allgemeinen Grundlage beruhen.
Der Student darf sich nicht auf der Universität zum Urologen aus-
bilden, ja der Bildungsgang darf nicht einmal der sein, daB er un-
mittelbar nach dem Staatsexamen mit dem Spezialstudium beginnt.
Das Fach erfordert eine völlige Ausbildung in derinneren
Medizin und Chirurgie, in deren Untersuchungsmitteln,
therapeutischen Methoden und Operationen. Nur wer bereits
ein guter innerer Mediziner und Chirurg, kurz ein gut durch-
gebildeter Arzt ist, wird auch ein guter Urologe werden. Es muß
unbedingt gefordert werden, daB der speziellen Beschäftigung in der
Urologie eine praktische Betätigung, am besten eine Assistentenzeit
in einer inneren und chirurgischen Klinik vorangeht. Wenn es
heute eine Reihe von Urologen gibt, die diesen Bildungsgang nicht
durchgemacht haben und die in ihrem Fach dennoch Tüchtiges
leisten, so bilden diese Selfmade-men die Ausnahme von der
Regel und bestätigen sie deshalb.
Trifft nun aber diese Voraussetzung zu, geht der Spezialisierung
das Eindringen und Vertiefen in die Lehren der allgemeinen Medizin
voraus, dann wird aus der Absplitterung kein Nachteil, sondern nur
Vorteil erwachsen. Spricht nicht die Geschichte der Medizin in
dieser Beziehung Bände? Wie armselig wäre heute die Medi-
ziu, hätten sich nicht die Ophthalmologie, die Dermato-
logie, die Gynäkologie, die Bakteriologie und Serologie
abgesplittert. Wir haben es alle miterlebt, welehe Segnungen
der gesamten Menschheit aus diesem vertieften und ins Einzelne
gehenden Studium erwachsen sind. Und sind nicht die herrlichen
Splitter, welche diese spezialisierte Forschung geschaffen, der ge-
samten Medizin zugute gekommen? Hören Sie, was der Olym-
pier sagt:
T95 L. Casper, Die Urologie als Wissenschaft und Lehrfach.
„Willst du dieh am Ganzen erquicken, so mußt du das
Ganze im Kleinsten erblicken.” Nicht das Splittern soll man
verhindern, sondern man verhüte, daB die Splitter Splitter bleiben.
Der allgemein durchgebildete Arzt und Forscher wird verstehen,
sie zu einem strahlenden Disadem zusammenzufassen, dessen leuch-
tende Kraft in alle Teile zum Segen der Gesamtheit eindringt.
Deshalb, meine Herren, lassen Sie uns in dem als gerecht er-
kannten Kampfe für die Selbständigkeit der Urologie niet
erlahmen! Die Widerstände, die sich entgegenstellen, können uns
nicht entmutigen, sie können uns nur anspornen, wie uns Wiederum
die (seselichte der Medizin lehrt. Fast alle Sondergebiete in
der Medizin baben sich ihre Stellung erkämpfen müssen.
freiwillig ist ihnen nichts in den Schoß gefallen. Um von anderem
zu schweigen, welchen Damm von Schwierigkeiten hat man niet
gegen einen Graefe, einen der größten Wohltäter der Menschheit,
aufeetiürmt!
Nichts ringt sich empor, nichts wird grob. wenn es nicht in der
freien Atmosphäre der Widersprerhenden Erörterung leht. Nichts url
mehr geschüttelt als der Banm dureh den Wind. Aber beim Duve
schiitteln der Aste erkennen die Wurzeln die Kraft ihrer Bobi-
shindigkeit.
Die Urologie hat Wurzeln geschlagen. Sorgen wir an unserm
Anteil dafür, daß ihre Bodenständigkeit dureh förderude Arbeit,
durch ernstes Schaffen immer mehr an Kraft gewinne!
Die Bildung der Harnsteine.”
Von
C. Posner, Berlin.
Hierzu Tafel V.
M. H.
Bei richt vielen Fragen der allgemeinen Pathologie mag das
Goetliesche Wort von der Spiralbewegung im Fortschritt der Er-
kenntuis so zutreffen, wie bei dem Problem der Steinbildung. Wenn
Jetzt auch, wie wir alsbald sehen werden, fast allgemein zugegeben
wird, daß hier durchweg zwei Faktoren zusammentreften: die An-
wesenheit kristalloider Substanzen (der eigentlichen „Steinbildner“ )
und kolloider (organischer) Stoffe (der „Gerüstsubstanz“), so unter-
liegt doch die Wertschätzung dieser beiden Bedingungen einem steten
Wechsel, wobei immer wieder auf anscheinend längst überwundene
Anschauungen zurückgegriffen wird. Die alte Diathesenlehre, nach
welcher sich z. B. harnsaure oder oxalsaure Konkremente bilden
sollen, lediglich weil eine bestimmte Stoffwechselanomalie zu einer
überschüssigen Abscheidung der entsprechenden Salze führe, taucht,
wenn auch in verschleierter Form, neuerdings auf; während auf der
andern Seite der schon vor Jahren ad acta gelegte steinbildende
Katarrh Meckels sich wiederum Anhänger schafft. Es ist unter
diesen Umständen schwer, im Augenblick auch nur ein objektives
Bild vom gegenwärtigen Stande der Fragen zu entwerfen, geschweige
denn eine positive Lösung anzudeuten. Ich möchte es vielmehr als
meine Hauptaufgabe ansehen, diese Fragen selber zu formulieren
und durch einige Demonstrationen zu einer Stellungnahme hierzu
anzuregen.
Als erster und wichtigster Befund scheint mir dabei nach
wie vor Beachtung zu verdienen die alte, und besonders durch die
—
!) Referat, vorgetragen in der Berliner urologischen Gesellschaft am
l. Juli 1913.
809 C. Posner.
Dünnschlitfpräparate von Krüche und Ultzmann in ihrer Allge-
meingültigkeit erwiesene Tatsache, daß die Steinbildner im Kon-
krement in einer ganz andern Weise zu kristallisieren
pflegen, als wenn sie frei aus dem Harne ausfallen. Das
eklatanteste Beispiel hierfür gibt der oxalsaure Kalk, weil bei
ihm die typische Briefkuvertform am stärksten von der Gestalt ab-
weicht, die wir auf dem Dünnschliff eines Oxalatsteins erblicken —
die alte Vorstellung, als sei ein solcher Stein nichts weiter als ein
Konglomerat von Einzelkristallen, ist bereits von den genannten
Autoren als unlhaltbar dargetan worden. Wie stark die kristallo-
graphischen Eigenschaften voneinander abweichen, erhellt beson-
ders sehän aus der schon Roberts bekannten, aber bis zu meinen
hierauf bezüglichen Untersuchungen in Vergessenheit geratenen Tat-
sache, daß die gewöhnlichen Quadratoktaëder des oxalsauren Kalks
nieht oder nur schwach, die Bestandteile des Konkrements aber sehr
stark doppelbrechend sind. Und dieser selbe Unterschied be
steht auch — ein Punkt, auf den ich das größte Gewicht lege —
gegenüber den irregulären Formen, wie sie gelegentlich im Harn-
sediment auftreten, den Eiern, Hanteln, Dumbbells; habe ich sie
schon früher aus andern Gründen als kompliziertere Strukturen. als
Vorläufer des mikroskopisch sichtbaren Grießes angesprochen und
mit dem Namen der „Mikrolithen“ belegt, so bestärkt mich gerade
ihr Verfahren gegenüber dem polarisierten Licht noch besonders in
dieser, auch von Beale vertretenen Anschauung.
Freilich ist damit die Frage noch nicht gelöst, woduren nun
diese Verschiedenheit der Kristallisation bedingt ist. Half sich
Ultzmann — soweit echte Steine in Frage kommen — mit dem
Ausdruck „Massenkristallisation“, so wissen wir schon durch
Ebstein, daB mineralogisch ein solcher Begriff nicht existiert.
Ebstein selber stellte bekanntlich in ziemlich genauer Übereinstim-
mung mit Ord und Rainey die Theorie auf, dab die Veränderung
durch Hinzutritt einer organischen Gerüstsubstanz zustande komme
— und an deren Dignität knüpft sich, wie schon angedeutet, ganz
wesentlich der gesamte, auf diesem Gebiet schwebende Streit. Ihre
Existenz wird jetzt von keiner Seite mehr in Zweifel gezogen, sie
ist leicht durch Lösung der Kristalloide darstellbar, mit Eosin fär
bar und zeigt am deutlichsten die konzentrische Schichtung des
Steins; eine wie große Rolle sie für dessen Konsistenz und Zusam-
menhalt spielt, hat namentlich Schade durch den Versuch ibrer
Auflösung mittelst Antiformin dargetan, wobei der (phosphatische‘)
Die Bildung der Harnsteine. 801
Stein selber zerfällt und in Pulver verwandelt wird, ein Experiment,
welches an die früheren Versuche, den Stein durch Verdauungssäfte
zu lösen, erinnert. |
Aber — wenn ihr Bestehen allseits anerkannt wird, ihre Ent-
stehung und mehr noch ihre prinzipielle Bedeutung für die Bildung
des Steins selbst ist Gegenstand lebhafter Kontroversen. Moritz
hat zuerst gezeigt, daß auch typische Kristalle von Harnsäure in
Fällen, die mit Kalkulose gar nichts zu tun haben, bei der Auf-
lösung mittelst Alkalien feine Schatten hinterlassen, die der „eiweiß-
artigen Gerüstsubstanz* Ebsteins mindestens sehr ähnlich sind;
Kleinschmidt, der unter Aschoff arbeitete, und dessen Mono-
graphie!) auch die Ansichten dieses Forschers wiedergibt, ist der
Meinung, daß bei jeder Kristallisation etwas von dem schon normaler-
weise vorhandenen Harneiweiß in die Kristalle hineindiffundiert,
so daß hierin nichts Besonderes, für die Lithogenese Charakteristisches
zu suchen wäre; die jüngsten Arbeiten von v. Illyés?) und Steiner’)
erklären sich, freilich ohne beweiskräftige eigene Untersuchungen
anzuführen, im gleichen Sinne. Schade?) dagegen erkennt den
Kolloiden — mögen sie organischer oder anorganischer Natur sein
— eine sehr entscheidende Rolle bei der Konkrementbildung zu,
und Lichtwitz, aus dessen Munde Sie eine eingehendere Begründung
seiner Ansichten hören werden, spricht sich dahin aus, daß gerade
„eine Dekomposition der kolloidalen Lösungen die Löslichkeits-
bedingungen der darin enthaltenen Stoffe verändert und zu Nieder-
schlägen führt“.®) Somit knüpfen diese letzteren Anschauungen wieder
stark an die erwähnten Experimente von Ord an, der zuerst zeigte,
daß die Anwesenheit kolloider Substanzen (Gelatine) es bewirkt, daß
Oxalatkristalle eben nicht in der Form von Quadratoktaëdern, sondern
in solchen von Kugeln ausfallen, welche ihrerseits eine radiäre Strei-
fung erkennen lassen.
Recht entscheidend für die Bedeutung, die man den Kolloiden
für die Frage der Lithogenese zuschreiben darf, ist nun der Um-
stand, ob man in ihnen normale oder pathologische Bestandteile
1) O. Kleinschmidt, Die Harnsteine. Ihre Physiographie und Patho-
genese. Berlin, Julius Springer, 1911. (Darin auch ausführliches Literatur-
verzeichnis.)
?) Fol. urolog. Febr. 1918.
3) Ebenda. April 1913.
t) Münchner med. Wochenschr. 1909 und 1911,
5) Münchner med. Wochenschr. 1910, 15.
Zeitschrift für Urologie. 1913. 93
802 C. Posner.
des Harns zu erblicken hat. Ursprünglich bekannte man sich wohl
allgemein zu letzterer Auffassung — der „steinbildende Katarrı‘
erweckte sofort die Vorstellung, daß krankhafte Produkte in den
Harnwegen abgesondert werden; neuerdings ist man geneigter, wie
es z. B. Kleinschmidt getan hat, einfache und Entzündungs-
steine zu unterscheiden und nur bei den letztern einen Anteil
pathologischer Stoffe — Bakterien, Eiter — zuzulassen. Klein-
schmidt selber erkennt aber an, daß schon der normale Harn ge-
nügend Eiweiß enthält, welches als Quelle des Kolloidgerüstes ın
Anspruch zu nehmen sei.
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit hier ganz besonders auf die
sogenannte Nubecula lenken. Wahrscheinlich verbergen sich unter
diesem, von Alters her überkommenen Namen sehr verschiedene
Dinge — bald mögen mehr muzinartige, bald mehr eiweißähnliche
Körper gemeint sein. Ihre Existenz an sich ist uns jetzt verständ-
lich, seitdem ich zuerst den Nachweis erbracht habe, daß jeder nor-
male Harn Eiweiß enthält und seitdem Mörner gezeigt hat, dab
dieses durch die ebenfalls normaler Weise vorhandene Nukleinsäure
und Chondroitinschwefelsäure gefällt werden kann. Die mikroskopische
Beobachtung ist bekanntermaßen, da es sich um außerordentlich trans-
parente Gebilde handelt, mit den gewöhnlichen Untersuchungsmetho-
den nicht leicht; sie ist es erst geworden, seitdem ich die Dunkel-
feldmethode hierauf angewandt habe; mit ihrer Hilfe gelingt es.
fast aus jedem normalen Urin sehr überzeugende Präparate zu er-
halten. Je mehr ich diese Dinge nun verfolgt habe, um so mehr
fiel mir ein Zusammenhang mit den Salzabscheidungen —
namentlich mit Phosphaten und Uxalaten — auf. Wo solche vor-
kommen, sieht man sie nahezu regelmäßig in transparente, organische
Massen eingebettet. Die Erklärung hierfür kann ja eine doppelte
sein. Zunächst ist es möglich, daß die Salze selber einen Reiz aut
die Epithelien der Schleimhäute ausgeübt und diese zu einer stärkern
Sekretion veranlaßt haben und dies würde etwa den Anschauungen
von Kumitat) und H. Joseph?) entsprechen, von denen nament-
lich der letztere in Ponfick’s Laboratorium gezeigt hat, daß in den
Nieren steinkranker Kinder regelmäßig Abscheidungen albuminöser
Substanz sieh finden. Aber auch das Umgekehrte ist, gerade wenn
wir uns der oben schon erwähnten Lichtwitzschen Untersuchungen
erinnern, wohl denkbar. Die Nubeeula kann gewiß auch die Rolle
1) Mitt. aus dem Grenzgebieten. XX, 1909.
#) Virchows Archiv Bd. 205.
Die Bildung der Harnsteine. 803
der Naunynschen „Eiweißflocke“ bei der Gallensteinbildung spielen
und durch ihre einfache Anwesenheit verursachen, daß die sonst in
Lösung gehaltenen Salze ausfallen; wissen wir doch schon lange —
durch Virchow, Litten u. a. — daß nekrobiotisches Eiweiß sich
lgcht mit Kalksalzen imprägniert, wenn auch erst die neueren
kolloidehemischen Forschungen diese Vorgänge im einzelnen klar-
gestellt haben. Ich erinnere besonders daran, daß Lichtwitz eine
derartige Salzfällung bzw. Anreicherung überall annimmt, wo Kolloid-
gerinnung, hyaline Degeneration, Verkäsung eintritt; und mir scheint,
daß damit wenigstens auf manche Fälle von Phosphaturie ein
neues Licht fällt. Allbekannt ist, und namentlich von Oppen-
heimer betont,. daß chronische Prostatitis sehr häufig mit Phos-
phaturie einhergeht (die sog. sexuelle Form von Phosphaturie) —
aber, wenn dieser Autor als Ursache hierfür annahm, daß die Zu-
mischung des alkalischen Prostatasekrets die Harnreaktion umstimme
und dadurch das Ausfallen der Alkalien herbeiführe, so wird man
eher wohl den im Prostatasaft enthaltenen Kolloiden den Hauptanteil
an dieser Erscheinung zuschreiben müssen; ob auch die im Prostata-
saft ausgefallenen Lipoide dabei eine Rolle spielen, wäre noch weiterer
Untersuchungen wert. Und ebenso dürfte sich die häufige Koinzidenz
von Prostato- oder auch Spermatorrhüe mit Oxalurie ungezwungener
auf diese Art erklären, als wenn man immer auf eine rätselhafte
Mitwirkung des Zentralnervensystems dabei rekurriert. Ich lege
diesen Dingen um so mehr Wert bei, seitlem ich in den Filamen-
ten der Spermatorrhoiker wiederholt nicht bloß die typischen
Quadratoktacder, sondern gerade die irregulären Kristallisations-
formen des oxalsauren Kalks gefunden habe.
Indes — dies mehr nevenbei. Mein Hauptzweck bei diesen
Bemerkungen war, Sie daran zu erinnern, daß wir in der Nube-
cula ein ganz greifbares, nicht bloß aus chemischen Analysen zu
erschließendes Objekt vor uns haben, und dab wir dessen Bedeutung
für die Lithogenese nun nicht mehr vernachlässigen dürfen. Je
mehr man sonst „normale“ Harne mit Rücksicht hierauf untersucht,
um so mehr erkennt man, in wie verschiedener Intensität und
Häufigkeit diese „organische Substanz“ vorkommt, und daß sie da-
her wohl geeignet scheint, die Rolle des Stromas zu übernehmen,
auch wo man keinerlei eigentlich krankhafte Vorgänge in der Niere
konstatieren kann.
Damit verwischen sich denn freilich die Unterschiede zwischen
entzündlichen und nichtentzündlichen Steinen mehr und mehr. Denn
801 C. Posner.
das einzige Moment, welches die echt entzündlieben Affektionen
charakterisieren könnte, die pathogenen Bakterien, dürfte als solche
wohl ausscheiden — ist es auch völlig zweifellos, das Mikroorganis-
men in Konkremente eingeschlossen gefunden werden, so wird man
ihnen doch — wie schon Ebstein betonte — eine bestimmte spe-
zitische Rolle bei deren Bildung nicht zuschreiben dürfen, Helme
die Hauptsache in den durch sie hervorgerufenen flüssigen oder gerinn-
baren Sekretmassen erblicken, die in einer oder der andern Weise
dann eben in die Steinsubstanz selbst eintreten!) — vorausgesetzt,
daB es zu einer Ausfällung der kristalloiden Elemente kommt.
Dürfen wir nun hierfür eine Diathese verantwortlich machen?
d. h. eine Konstitutionsanomalie, vermöge deren der Organis-
mus eine übergroße Menge pathologischer Stoffe produziert? Ich
will njeht leugnen, daß unter Umständen eine solche mitwirken
mag. Die Erblichkeit nicht bloß der Steinkrankheit an sich, son-
dern auch der ganz bestimmten Form (namentlich Harusäure- oder
Oxalatsteine), auch das Hereditätsverhältnis, in dem Steinkrankheit
mit echten Konstitutionsanomalien, wie Gicht, Fettleibigkeit, Dn.
betessteht, spricht für diese Möglichkeit. Und von einem Steinbilduer,
dem Cystin, können wir mit aller Bestimmtheit sagen, daß er nur
unter diesen Umständen vorkommt. Aber, eine Regel dürfen wir
hierin nicht erblicken; wir dürfen insbesondere nie glauben, daß de
Ausscheidung auch noch so großer Mengen von Harnsäure oder von
phosphorsaurem Kalke an sich klinisch irgend etwas für die Bildung
der Konkremente beweist. Sind wir doch auch ganz außerstande, etwa
durch diätetische Maßnahmen einer Entstehung von harnsauren oder
oxalsauren Steinen mit irgend welcher Aussicht auf Erfolg entgegen-
zuarbeiten. Und wenn es noch einer besondern Begründung dieses,
im wesentlichen negativen Standpunktes bedürfen sollte, so wird
man diese in klinisch-chirurgischen Ergebnissen finden, wie sie z. B.
Israel mitteilt: wenn die eine Niere Xanthinsteine, die andere
1) Dieselbe Anschauung dürfte auch gegenüber den Steinen bestehen, die
sich bei der Bilharziosis bilden — auch hier sind die Eier selbst, wie dies
Pfister dargetan hat, nicht als eigentliche „Steinerreger“ aufzufassen, sondern
die durch sie erzeugte Blasenentzündung ist das Hauptmoment, während die
Eier erst sekundär eingeschlossen werden. (Vgl. Pfister, Arch. f. Schifls- u.
Tropenhyg. 17, 1913.) Ich habe erst dieser Tage Eier (bei einem 24jährigen
Ägypter) gefunden, bei dem sich keine Steine, sondern die typischen, blumen-
kohlähnlichen Tumoren in der Blase gebildet hatten — die Flocken im Harn
aber waren vielfach mit Oxalaten imprägniert.
Die Bildung der Harnsteine. 805
harnsaure Steine aufweist, so dürfte hiermit der bündigste Beweis
dafür erbracht sein, daß außer der Überproduktion bestimmter Stoffe
doch auch irgendwelche örtliche Verhältnisse eine entscheidende
Rolle spielen.
Für einen Teil der Steinbildungen ist dies ja selbstverständlich
und längst anerkannt — es sind dies eben die sekundären oder
entzündlichen — insoweit wenigstens, als hier durch die Ein-
wirkung der Infektionserreger selbst besondere Umwandlungen im
Harn hervorgerufen werden. Die ammoniakalische Harngärung findet
nur statt, wo ganz bestimmte Mikroorganismen die Spaltung des
Harnstoffs bewirkt haben; wo wir Steine sehen, die vorwiegend
harnsaures Ammoniak oder phosphorsaure Ammoniakmagnesia ent-
halten, ist der Schluß berechtigt, daß irgend einmal eine solche In-
fektion stattgefunden hat. Aber schon bei dem phosphorsauren oder
kohlensauren Kalk ist dies zweifelhaft — und vor allem hat sich
diese Frage verschoben, seit wir wissen, dal ein großer Teil der
Entzündungen innerhalb der Harnwege gar nicht mit Reaktions-
veränderung einhergeht, sondern daß, z. B. unter der Einwirkung
von Bact. coli, der Harn sauer bleibt. Hier fehlen uns vorläufig
alle Anhaltspunkte, und man ist gezwungen, auf vorübergehende
Momente zu rekurrieren, die bald diese, bald jene Steinbildner im
relativen Überschuß produziert haben.
Eine besonders deutliche Illustration erfährt die Bedeutung
zeitweiser Änderungen in der Harnbeschaffenheit durch die Betrach-
tung der verschiedenen Schichten eines und desselben Steines. Es
ist lange bekannt, daß absolut „reine“ Steine in dem Sinn, daß in
ihnen nur ein einziger Steinbildner enthalten wäre, außerordentlich
selten gefunden werden; selbst bei den praktisch als rein bezeich-
neten Uratsteinen z. B. findet man fast regelmäßig Beimischungen
von phosphorsauren Erden vor. Eine Ausnahme machen nur manche
Entzündungssteine insofern, als hier bei gleichbleibendem Charakter
des infizierten Urins sich andauernd die Zersetzungsprodukte, ins-
besondere die Tripelphosphate, ausscheiden. Sonst aber legt gerade
das Studium der Schichtungen Zeugnis von der wechselnden Be-
schaffenheit der „Mutterlauge* ab. Kleinschmidt hat in seiner
Monographie diesen, seit Alters bekannten Zuständen seine besondere
Aufmerksamkeit zugewandt und sie an Dünnschliffen, unterstützt durch
die chemische Prüfung der einzelnen Schichten, untersucht. Ich kann
letztere nicht einmal für unbedingt notwendig anerkennen, glaube
vielmehr, daß das Mikroskop an sich dem geübten Beobachter mit
806 C. Posner.
aller wünschenswerten Sicherheit Aufschluß über die Zusammen-
setzung der einzelnen Elemente gibt, namentlich, wenn man sich
nicht auf die Betrachtung im durchfallenden Licht beschränkt, son-
dern die Untersuchung mittelst des Polarisationsmikroskops und
der Dunkelfeldbeleuchtung herbeizieht. Den hohen Wert der
erstern Methode hat bereits Ebstein betont — ich selbst habe vor
einiger Zeit in der Hufelandischen Gesellschaft Photogramme von
Dünnschliffen, die mit diesen optischen Hilfsmitteln aufgenommen
waren, demonstriert und erlaube mir auch hier einige vorzuführen.
An allen kann man die Art des Aufbaus der einzelnen Steine sehr
gut erkennen, und kann nun aufs neue bestätigen, daß sich hier im
allgemeinen zwei Typen unterscheiden lassen, für die Ebstein be-
reits die Namen des „wirr kristallinischen“ und des ,konzentrisch
schaligen Typus* einführte. Es ist auch weiter zu erkennen, was
Kleinschmidt besonders betont, daß vielfach im selben Stein eine
Mischung dieser Typen stattfindet, daß namentlich oft um einen, aus
wirren kristallinischen Massen bestehenden Kern sich (sekundär)
schalige Schichten ablagern, die dann oft wechseln, bald Harnsäure,
bald Oxalate, bald Phosphate führen, so daß man also aus diesen
Schichten die verschiedenen Phasen der Bildung ablesen kann. All
dies ist ja bekannt genug. Als beachtenswert möchte ich nur noch
eins betonen: wenn ich eingangs gesagt habe, daß im allgemeinen
im Konkrement die Kristallisationsform von jener im Niederschlag
eines Harnes abweicht, so ist nicht zu verkennen, daß sich ab und
zu, am seltensten freilich für die Kalkoxalate, doch auch auf dem
Dünnschliff richtige Typen oder nur wenig differente Formen er-
kennen lassen. Das gilt zunächst für den Steinkern: hier kommen
wohl gelegentlich echte Harnsäurekristalle vor. Mehr noch beobach-
tet man derartiges bei Infektionssteinen, bei denen namentlich die
Stechapfelformen des harnsauren Ammoniaks deutlich in einem ver-
steinerten, amorphen Brei eingebettet erscheinen können. Ich kann
weiter einen Steinschliff demonstrieren, der zeigt, wie kleinste Kon-
kremente oxalsauren Kalks als gleichsam selbständige Körper in
den großen Steinmassen eingebettet sind — es handelt sich hierbei
um einen Patienten mit außerordentlich rapider Steinproduktion, der
täglich große Mengen von Harngrieß entleert und außerdem bohnen-
große Steine bildet, die zu groß sind, um die Urethra passieren zu
können. Aber ich möchte gerade diesen Befunden nicht zuviel
Wert beigelegt wissen — es kann wohl nicht wunder nehmen, dab
Körper derart sieh, als Einschlüsse, innerhalb der Steinmassen hie
Die Bildung der Harnsteine. 807
und da vorfinden; mit dem eigentlichen Prozeß haben sie nichts
zu tun.
Ich kann es mir nicht versagen, hier nochmals auf den Gesichts-
punkt hinzuweisen, der mich bei meinen Studien über Steinbildung
stets geleitet hat: nämlich auf die Übereinstimmung in deren Gesetzen
mit allem, was wir sonst im Tierreich von der Entstehung harter
Gebilde wissen. Wir haben dabei allerdings zwei Formen zu unter-
scheiden. Einmal besteht die Möglichkeit, daß die Sekretionszellen
selbst ein Produkt hervorbringen, welches ursprünglich weich ist,
aber spärter erhärtet; dies ist z. B. der Fall beim Chitinpanzer
der Arthropoden und bei der sog. Hornschicht im Magen der
körnerfressenden Vögel. Hier ist beachtenswert, daB es sich nur
um kolloide Massen handelt — Kristalloide sind zur Erlangung der
notwendigen starren Konsistenz nicht gegeben. Wo aber solche zur
Verfügung stehen, handelt es sich stets um eine Einlagerung von
Kalksalzen in präformierten Lagen von „organischer“ Substanz.
So entsteht die Schale der Muscheln: die Epidermiszellen des
Mantels sondern eiweißartige Sekrete ab, die durch kristallinischen
Kalk steinhart werden; so imprägniert sich die ursprünglich albumi-
nöse Schale des Vogeleis im Eileiter mit Kalksalzen; so ist der Vor-
gang bei der „Verknöcherung* der Fischschuppen; und genau so
bei der Bildung derjenigen Formationen, in denen wir die physio-
logischen Vorbilder der pathologischen Konkremente erblicken dürfen,
bei den durch das ganze Tierreich verbreiteten Otolithen. Auch
die einzigartige Entstehung von normalen Konkretionen im mensch-
lichen Körper, diejenige der Prostatakörperchen vollzieht sich
nach demselben Gesetz — nur daß hier — wie ich dies zwingend
nachgewiesen zu haben glaube — das Konkrement überhaupt auf
der kolloidalen Stufe stehen bleiben kann und eine Inkrustation mit
Kristalloiden gar nicht zu erfolgen braucht.
Ist es unter diesen Umständen wahrscheinlich, daß gerade für
die Harnsteinbildung nur derjenige Faktor in Tätigkeit ist, welchen
wir überall sowohl als sekundär kennen lernen? Ich weiß wohl,
daß man mit Analogieschlüssen bier nicht arbeiten darf, daß man
sich vielmehr bemühen muß, die Dinge absolut und unvoreingenom-
men zu prüfen. Aber ich kann mich doch des Gedankens nicht er-
wehren, daß manche Autoren, die sich mit dieser Frage beschäftigt
haben, das Problem zu einseitig aufgefaßt, die Harnsteine zu sehr
als ein Gebilde sui generis betrachtet haben, und daß man vielleicht
808 C. Posner.
gut täte, ihr Studium durch dasjenige von einfacheren, weniger
komplizierten, physiologischen Vorgängen zu ergänzen.
Übersehe ich demnach das bisher vorliegende Tatsache nnaterial,
so glaube ich nach wie vor daran festhalten zu dürfen, daß in den
Harnkolloiden und ihrer jeweiligen Beschaffenheit eine nicht zu
unterschätzende Quelle der Steinbildung gegeben ist. Es bedarf,
um ihre Beteiligung anzuerkennen, keineswegs der Annahme beson-
derer Störungen; schon der normale Harn enthält ihrer genug, auch
wenn wir z. B. von dem seinerzeit durch Klemperer in Anspruch
genommenen Urochrom absehen müssen (Lichtw itz). Aber wir
werden auch nicht übersehen dürfen, daß quantitative Zunahme der
normalen Kolloide, wie sie sich etwa durch eine große Menge der
Nubecula, vielleicht auch durch deutliche Albuminurie dokumen-
tiert, hier verhängnisvoll werden kann — immer vorausgesetzt, dab
die übrigen Bedingungen zutreffen; sollten nicht auch die vorhin
erwähnten Ergebnisse H. Josephs diese Deutung zulassen? Schade
hatte deswegen mit seiner Forderung völlig recht, daß auch in der
Praxis diese Kolloidabscheidungen nicht vernachlässigt werden dürien.
Ich habe, wie dies auch Herr Lenne&-Neuenahr getan hat, darauf
hingewiesen), daß diese Forderung auch therapeutisch schon lange
— wenn auch z. T. wohl obne daß man sich völlig darüber klar
war — berücksichtigt wird: die Verordnung von Trink kuren, nament-
lich mit natürlichen Mineralwässern, hat ganz gewiß neben andern
Wirkungen gerade die Dilution des Urius, die Herab minderung der
in ihm enthaltenen kolloiden Substanzen im Gefolge. Man wird
allerdings über dieser einen Wirkung die andern nicht übersehen:
die gelegentlich sehr erwünschte Umstimmung der Reaktion, die
immerhin die Lösungsverhältnisse der Kristalloide beeinflußt, und
die ganz besonders wertvolle Erhöhung der Diurese, die für die Fort-
schwemmung der ersten Ansätze zur Steinbildung Sorge trägt. Dies
sind vorläufig noch die wesentlichsten Folgerungen, die wir prak-
tisch aus den theoretischen Forschungen ziehen dürfen. Wir Ärzte
müssen den Ergebnissen der Laboratoriumsarbeit auch weiterhin
aufmerksam folgen; früher oder später werden sie uns zur defini-
tiven Erkenntnis der pathologischen Vorgänge führen und dann auch
die Handhabe zu deren wirksameren Bekämpfung liefern.
1) Vgl. Posner, Zur Frage der Steinbildung und Steinbehandlang. Wiener
klin, Wochenschr. 1911.
Die Bildung der Harnsteine. 809
° Erklärung der Abbildungen auf Tafel V.
Abb. 1. Atypische Kristalle von oxalsaurem Kalk. Photogramm bei Dunkelfeld-
beleuchtung.
Abb. 2. Dieselben im polarisierten Licht. Starke Vergr.
Abb. 3. „Nubecula“ eines stark eiweißhaltigen Harns. Dunkelfeldphotogramm.
Die eingelagerten hellen Stellen sind Phosphate. Mittlere Vergr.
Abb, 4. Dünnschliff eines mebrkernigen, gemischten Oxalat-Urat-Phosphatsteines.
Photogramm bei durchfallendem Licht. Schwache Vergr.
Abb. 5. Dasselbe Bild im Dunkelfeld.
Abb. 6. Dasselbe im polarisierten Licht.
(Sämtliche Aufnahmen sind von Herrn Prof. Scheffer hergestellt.)
Die Bildung der Harnsedimente und Harı-
steine. )
Von
L. Lichtwitz, Göttingen.
M. H.! Gestatten Sie mir zunächst meinen herzlichsten Dank
zu sagen für die freundliche Aufforderung, in diesem Kreise von
Sachverständigen über ein Gebiet zu sprechen, das schon von jeher
das Interesse der Ärzte und Biologen erregt hat.
Wenn es möglich ist, das ausgezeichnete Referat meines ge
ehrten Herrn Vorredners zu ergänzen, so kann es vielleicht in der
Weise geschehen, daß wir der Frage nachgehen, warum der normale
Harn des Menschen klar ist, warum Sedimente und Konkremente
in ihm nicht entstehen.
Der Harn ist eine Lösung, und bei dem Vergleich der Löslichkeit
einiger Stoffe in Harn und in Wasser stoßen wir auf große Unter-
schiede. Bekannt ist, daß Harnsäure und ihre Salze und der oxalsaure
Kalk im Harn sehr viel löslicher sind, als ihrer von His und Paul bzw.
von Kohlrausch festgestellten Wasserlöslichkeit entspricht, daß also
der Harn eine übersättigte Lösung für diese Stofle darstellt. Be-
merkenswert ist der Grad dieser Übersättigung, der unvergleichlich
größer ist als die Konzentration übersättigter wässeriger Lösungen,
und die beachtenswerte Stabilität des Harns. Der Übersättigungs-
zustand ist bekanntlich metastabil und die Überschreitung der Über-
sättigung nur möglich beim Fehlen der gelösten Substanz in fester
Form. Durch märchenhaft kleine Mengen der festen Phase ist ein
plötzlich eintretender massenhafter Niederschlag zu erreichen, dessen
Menge bald das mögliche Maximum darstellt. Der Endzustand ist
eingetreten, wenn die Konzentration bis auf den Wert der Sättigung
zurückgegangen ist. Eine Überschreitung dieses Wertes bei An-
_—
1) Vorgretragen in der Berl. urolog. Gesellschaft am 1. Juli 1913.
e es
zéi al
Die Bildung der Harnsedimente und Harnsteine. 811
wesenheit des Bodenkörpers ist in reinem Wasser völlig aus-
geschlossen. Anders verhält sich der Harn. Wenn ein Sediment,
z.B. von Harnsäure, entstanden ist, so kann selbst noch nach 48 Std.
die Konzentration der Harnsäure im Harn ein Vielfaches des Wertes
betragen, das in einem rein wässerigen Medium möglich ist. So
wurden in einem stark sauren Harn bei reichlichem Harnsäure-
sediment 14—28 mg Harnsäure in 100 ccm gefunden, während in
einer wässerigen. Lösung von derselben sauren Reaktion die Lös-
lichkeit weniger als 2 mg betragen würde. Für die Konzentration
des Harnes an saurem harnsaurem Natrium wurde in Harneu mit
Sedimentum lateritium eine Überschreitung der Löslichkeit um das
4—14fache festgestellt. Das gleiche Mißverhältnis besteht für den
oxalsauren Kalk. Die Differenz zwischen Wasser- und Harnlöslich-
keit tritt auch in die Erscheinung bei Betrachtung der Harnreaktion
und bei willkürlichen Änderungen derselben. Während man z.B.
in einer gesättigten Lösung von Natriumbiurat, deren Konzentration
weit hinter der des Harns zurücksteht, durch einen Tropfen Säure
einen massigen Ausfall von Harnsäure erzielen kann, hat im Harn
auch eine stärkere Ansäuerung fast immer, seltene Fälle ausgenommen,
keine unmittelbaren Folgen. Erst nach langer Zeit fällt die Harn-
säure aus, aber auch dann nur zu einem Teile. Ein großer, die
wässerige Löslichkeit weit überschreitender Anteil bleibt gelöst.
Der früher gemachte Versuch, die Säurefällbarkeit zur quantitativen
Bestimmung der Harnsäure zu benützen, ist völlig aussichtslos. Da
wir eine hohe Harnsäurelöslichkeit bei den größten möglichen Azi-
ditätswerten (Wasserstoflionenkonzentrationen von 1>< 105) beob-
achten, da wir Kristalle von oxalsaurem Kalk bei jeder Harnreak-
tion finden, da auch bei alkalischer Reaktion der phosphorsaure
Kalk gelöst bleiben und bei schwach saurer ausfallen kann, so kann
der Harnreaktion ein alleiniger maßgebender Einfluß auf die Lös-
lichkeit ebensowenig zugeschrieben werden wie der Konzentration.
Speziell läßt sich auch, was noch besonders hervorgehoben wer-
den soll, für den phosphorsauren Kalk der Nachweis führen, daß
die Harnreaktion von viel geringerem Einfluß auf seine Löslichkeit
ist, als man bisher annahm. Die bekannten schönen, in Rosetten
angeordneten Kristalle von Dikalziurmphospbat sind nicht selten in
Harnen vou (H+)—5><10-7, d. h. gegen Lackmus amphoter bis
ganz schwach sauer, sie sind aber sogar in Harnen zu finden von
(H+ = 2— 5>x<10—ë, d. i. stark sauer gegen Lackmus. Untersucht
man die Löslichkeit des phosphorsauren Kalks bei den Konzentra-
812 L. Lichtwitz.
tionen von Kalzium- und Phosphationen und bei den Aziditätsver-
hältnissen des Harns, so findet man überhaupt keine völlige Lös-
lichkeit. |
Daraus geht hervor, daß die Harne, die bei den oben erwähnten
Aziditäten ein Sediment von phosphorsaurem Kalk hatten, sich wie
gewöhnliche wässerige Lösungen verhielten, während für alle anderen
Harne besondere Löslichkeitsverhältnisse maßgebend sein müssen.
Diese besonderen Verhältnisse könnten in der Anwesenheit des
Harnstoffes und der anderen Harnsalze beruhen. Eine Begünstigung
der Löslichkeit durch andere gelöste Stoffe ist theoretisch wohl
möglich und für den Harn öfter angenommen worden. Ein Beweis
für solche Einflüsse ist aber nicht erbracht und auch durch darauf
gerichtete Untersuchungen nicht zu erbringen. Klemperer und
Tritschler haben bekanntlich die abnorme Löslichkeit des Kalziun-
oxalats auf den Gehalt des Harnes an Magnesiumsalzen bezogen,
und ihre Ergebnisse und Schlußfolgerungen sind als gesicherter Be-
stand in die ganze Fachliteratur übergegangen. Aber weder aus
ihren eigenen Befunden ist dieser Schluß zu ziehen, noch ist durch
experimentelle Nachprüfung ein Einfluß der Magnesiumsalze auf die
Löslichkeit des oxalsauren Kalkes zu finden.
Von einer Stabilisierung der echtgelösten Bestandteile des
Harnes durcheinander können wir also nicht sprechen und müssen
uns der Frage zuwenden, ob die Harnbestandteile, die Sedimente
und Konkremente bilden, sich wirklich im Zustande echter Lösung
befinden oder ob sie kolloidal gelöst sind.
Die Dialyse ist das Mittel, um in erster Annäherung die Frage
nach der kolloidalen Löslichkeit zu prüfen. Schade und Boden
haben für eine kolloidale Form der Harnsäure plädiert und aus
einer, unter gewissen Verhältnissen auftretenden gelatinösen Forn
der Harnsäurefällung auf den Kolloidzustand der Lösung geschlossen,
aus der die Fällung erfolgte. Dal dieser Schluß unberechtigt ist
braucht näher nicht erörtert zu werden, weil die genannten Autoren
für den Kolloidzustand der Lösung Beweise irgendwelcher Art nicht
erbringen können und als einziges Kriterium die Dialysierbarkeit
anführen. Bei der Untersuchung des Lösungszustandes des Blut-
zuckers, des Kalkes in der Milch und Untersuchung anderer ähn
licher Probleme hat man sich nicht damit begnügt, eine echte
Lösung für vorliegend zu halten, wenn die Dialyse erfolgt, sondern
man hat, um ganz sicher zu gehen, für möglich gehalten, daß kol-
loidale und echte Lösung nebeneinander in einem Gleichgewichts
e | z ar + + e
7 = =
Be? 172 z
E: y- à + ire
Die Bildung der Harnsedimente und Harnsteine. 813
zustand bestehen, so daß beim Hinausdiffundieren des Echtgelösten
die kolloidalen Komplexe in den gewöhnlichen Lösungszustand über-
gehen, diffundieren und so über die Existenz eines kolloidalgelösten
Teiles hinwegtäuschen.
Wir kennen besonders in den sogenannten Semikolloiden und
in einigen Farbstoffen Lösungen, die echtgelöste und kolloidale
Teile gleichzeitig enthalten. Es ist auch möglich und wahrschein-
lich, daß zwischen diesen beiden Fraktionen ein Gleichgewicht be-
steht. Es ist aber ganz unzulässig, diesen seltenen und eigenartigen
Fall für die Harnsäure und ihre Salze anzunehmen, weil aus diesen
Systemen Dialyse erfolgt.
Die Frage kann mit Hilfe der sogenannten Kompensations-
dialyse entschieden werden, bei der man die zu untersuchende
Flüssigkeit von einer wässerigen Lösung der, gleichen Konzentration
durch eine semipermeable Membran trennt. Dann muß, wenn ein
Teil der Substanz kolloidal gelöst ist, der Diffusionsstrom nach der
zu prüfenden Flüssigkeit hin erfolgen. Für die Harnsäure im Harn
läßt sich nun in einem solchen Experiment zeigen, daß keine Kon-
zentrationsänderung eintritt, daB also eine kolloidale Form der Harn-
säure nicht besteht.
Wenn wir durch die bisherigen Überlegungen keinen zureichen-
den Grund für die abnormen Löslichkeitsverhältnisse im Harn haben
finden können, so ergibt sich die Erkenntnis leicht aus der Betrach-
tung der kolloidalen Bestandteile des Urins.
Der erste, der die Beziehungen der Löslichkeit zur kolloidalen
Struktur erkannt und für den Harn angewandt hat, war G. Klem-
perer. Wenn auch aus seinen Untersuchungen die Gültigkeit der
Löslichkeitsgesetze für den Harn nicht direkt erwiesen ist, so ist
doch die Grundidee, die zu einer Zeit entwickelt wurde, in der die
Kolloidehemie noch viel mehr in den Kinderschuhen steckte als
heute, eine glückliche. Auf die chemische Natur der mannigfaltigen
Harnkolloide kann hier nicht eingegangen werden. Viel wichtiger
ist für uns der Lösungszustand. Ein Kolloid kann in feinster Ver-
teilung in einem sogenannten Sol besteben. Dieser Zustand ist labil.
Er strebt dauernd einer Festigung zu, die mit einer. Vergröberung
der Teilchen, einer Zunahme der Teilchengröße einhergeht und
schließlich zu einer Ausflockung führt.
Die Ausflockung kann eine reversible sein, d. h. es kann durch
Einflüsse irgendwelcher Art, besonders aber durch thermische, eine
Rückkehr in den Solzustand erfolgen. Die Ausflockung kann aber
814 L. Lichtwitz.
auch eine irreversible sein, d. h. eine Wiederherstellung der feinen
Aufteilung ist nicht möglich.
Diese drei Lösungszustände kommen im Harn vor. Mit An-
wendung der von Zsigmondy ausgearbeiteten Methode der Be-
stimmung der (soldzahl, die verbunden mit einer gewichtsanalytischen
Feststellung der Kolloidmenge eine Messung des Lösungszustandes
ermöglicht, läßt sich zeigen, daß feinverteilte Kolloide, reversibel
und irreversibel gefällte, im Harn existieren. Die Anwesenheit der
Kolloide und ihr Übergang in den Gerinnungs(Gel)zustand läßt sich
in seltenen Füllen sogar durch die bloße Besichtigung erkenuen.
So haben wir kürzlich einen Harn beobachtet, der ohne Eiweil-
gehalt eine große Viskosität hatte, lange Fäden beim Übergieben
bildete und beim Stehen dicke, weiße Flocken abschied. In einen
anderen Falle haben wir einen Harn beobachtet, der aus einem
gelatinösen Klumpen bestand. Auch in eiweißhaltigen Harnen treten
sichtbare Gelatinierungs- und Fällungsvorgänge auf. So trifft man
gelegentlich, besonders beim Abklingen einer akuten Nephritis
Harne, die kein gelöstes Eiweiß enthalten, aber durch dichte, gauz
feine Flocken, die durch alle Filter gehen und in Säuren und
Laugen sich nicht lösen, getrübt sind.
Auch die Harnzylinderbildung und die Nubeculabildung sind
durch einen Gerinnungsvorgang veranlaßt, wie überhaupt das Eiweiß
nachweislich im Harn in einer viel gröberen Aufteilung besteht al:
im Blutserum.
Durch eine besordere Gunst des Objektes ließ sich nun für
die Harnsäure und für das saure harnsaure Natrium zeigen, dal
ihre Löslichkeit von dem Lösungszustand der Harnkolloide abhängig
ist. Wenn man einen Harn mit einem solchen Sediment aufkocht,
so tritt eine Lösung ein, die in einer großen Reihe von Fällen awch
nach Abkühlung stunden- uud tagelang beständig ist. In diesen
Harnen ist, wie mit der Methode der Goldzahl messend verfol-t
werden kann, durch den Einiluß der Siedetemperatur eine Lösung
der im Zustand irreversibler Fällung befindlichen Harnkolloide ein-
getreten, während die Harne, in denen das Sediment während od'r
unmittelbar nach der Abkühlung wieder entsteht, vor und nach dem
Kochen die gleiche Goldzahl haben, also ihre Kolloide im Zustan.
irreversibler Fällung enthalten.
Auch für die Sedimentierung des phosphorsauren Kalkes läbt
sich leicht eine ähnliche Beziehung ‚finden. Es ist bekannt, daß
sich im alkalisch sezernierten Harn, z. B. bei der Phosphaturie, sehr
ine
"Eu,
Die Bildung der Harnsedimente und Harnsteine. 815
schnell auf der Oberfläche ein zusammenhängendes, schillerndes
Falten werfendes Häutchen bildet, das auch an der Grenzfläche
zwischen Harn und Glas zu beobachten ist. Dieses Häutchen be-
steht aus einem Kolloid, das wie alle Kolloide eine große Ober-
flächenaktivität besitzt, sich an der Oberfläche, deren Spannung er-
niedrigend, anreichert und infolge der so herbeigeführten höheren
Konzentration gerinnt. Dieses Kolloid ist in Äther löslich, und
wenn man einen frischen, klaren Harn von schwach alkalischer Re-
aktion mit Äther schüttelt, so tritt fast momentan eine feinflockige
Fällung von phosphorsaurem Kalk ein, weil durch diese Prozedur
der Harn an Schutzkolloid ebenso verarmt, wie durch die Spontan-
gerinnung an den Oberflächen.
Diese beiden Beobachtungsreihen zeigen mit voller Deutlich-
keit das Abhängen der Löslichkeit der Steinbildner von dem Kolloid-
zustand des Harns. Aber auch tägliche Beobachtungen lehren das
gleiche. Nicht selten findet man im Harn gemischte Sedimente, so
phosphorsauren Kalk + oxalsauren Kalk, Harnsäure oder Mono-
natriumurat 4 oxalsauren Kalk. Chemische Gründe für das Auf-
treten dieser gemischten Sedimente lassen sich (abgesehen von dem
ersten Fall, bei dem die Konzentration der Kalziumionen eine Rolle
spielen könnte) nicht finden, da z. B. Harnsäure und oxalsaurer
Kalk durch die saure Reaktion in ihrer Löslichkeit entgegengesetzt
beeinflußt werden. Die Ursache kann nur in einer Ausflockung der
Kolloide liegen, die den Harn einer wässerigen Lösung gleich oder
ähnlich macht. In anderen Fällen sieht man bei demselben Indi-
viduum oft in kurzen Zeiträumen (Stunden) die Art des Sedimentes
wechseln. Bekannt ist das Auftreten eines Phosphatsedimentes au
Stelle von Oxalaten, wenn durch Alkaligabe die Magen- und Harn-
azidität abnimmt. In einem Falle wurde sogar in einer Harnportion
Harnsäure und Kalziumoxalat, in der folgenden Magnesiumammo-
niumphosphat gefunden. Bei diesen Leuten besteht also die Neigung
zur Sedimentbildung konstant; die Art des Sedimentes wechselt, an-
scheinend abhängig von der Harnreaktion.
Wenn aber, wie wir oben besprochen haben, der Urin bei
mittlerer oder geringer Azidität für alle Steinbildner eine über-
sättigte Lösung darstellt, dann bedarf es der Aufklärung, warum
nicht auch alle Steinbildner zugleich ausfallen und warum man z. B.
Urate mit Phosphaten nie zusammen im Sediment findet. Der Grund
für dieses Verhalten liest mit größter Wäahrscheinlichkeit in der
Vielheit der Harnkolloide und in den Beziehungen, in denen die
816 L. Lichtwitz.
einzelnen zu einem bestimmten Steinbildner stehen. So hat das
ätlierlösliche Kolloid nur Beziehungen zum Phosphatsediment, wie
es überhaupt nur im alkalisch sezernierten Harn zu finden ist.
Vermutlich — hier betreten wir einen weniger durch Esperi-
mente gesicherten Boden — beginnt die Beziehung des Steinbildners
zum Kolloid bereits bei der Sekretion in der Nierenzelle. Es gibt
eine ganze Reibe von Beobachtungen und Erfahrungen, die dafür
sprechen, daß bei der Sekretion in der Niere eine kolloidale Reak-
tion in den Zellen vor sich geht, durch die die Konzentrationsver-
schiebung vom Blut nach dem Harn herbeigeführt wird. Da die
Konzentrierung der zu sezernierenden Stoffe ganz unabhängig von-
einander erfolgt, so kommt man legischerweise zu der Vorstellung,
daß die einzelnen Stoffe mit chemisch verschiedenen Gruppen des
Zellinhaltes bei der Sekretion reagieren. Daß von diesem bei der
Sekretion reagierenden kolloidalen Zellinhalt Teilchen in den Han
gelangen, geht aus den Untersuchungen von Meißner, Ebstein
und Nicolaier und Minkowski mit Sicherheit hervor. Von der
Art der Fällung dieser kolloidalen Bestandteile wäre die Löslich-
keit der dazu gehörigen Steinbildner abhängig.
Wenn man in einem Dialysierversuch die Kolloide von deı
Kristalluiden völlig trennt und die Lösung dieser (das Außenwasser)
auf das angewandte Harnvolumen eindampft, so kann man sich
leicht davon überzeugen, daß nach Entfernung aller Kolloide Harı-
säure, phosphorsaurer Kalk und oxalsaurer Kalk gleichzeitig im
Sediment auftreten.
Durch die bisherigen Betrachtungen haben wir versucht, dem
Verständnis der Sedimentbildung im Harn näher zu kommen. Diese
ist vom klinischen und vom theoretischen Standpunkt aus interessant
und wichtig; aber sie ist nicht identisch mit der Steinbildung. Dab
sich um ein Sediment als Kern ein Konkrement bilden kann und
häufig bildet, ist bekannt. Die Sedimentbildung ist also ein für
die Steinkernbildung bedeutungsvoller Vorgang. Wir wissen aber,
daß ein Stein nicht unbedingt entstehen muß, auch wenn durch
lange Zeit und häufig Harne mit Niederschlägen entleert werden.
Es sind noch andere Faktoren wichtig und vermutlich vor allem
solche, die das Haften der ausgefallenen Massen ermöglichen. Nor-
maler Harn haftet anscheinend an einer normalen Oberfläche der
Harnwege nicht, er benetzt die Oberfläche nicht. Eine solche Be-
netzung kann aber eintreten bei Veränderung der Wand und bei
Veränderung des Harns.
Die Bildung der Harnsedimente und Harnsteine. 817
Die Oberflächenspannung zwischen festen und Hlüssigen Körpern
und besonders zwischen Gallerten und Flüssigkeiten ist noch viel
zu wenig durchforscht für eine einigermaßen gesicherte Betrachtung
der hier vorliegenden Verhältnisse. Wenn man auf die Oberflächen-
beziehung von Harn zur Wand der Harnwege einen Analogieschluß
machen darf aus dem Verhalten des Harns zum Glas, so lehrt eine
nicht seltene Beobachtung, daß ein Harn, der mit einem Sedimen-
tum lateritium entleert wird, Glas außerordentlich stark benetzt, so
daß eine kapillare Schicht, in der die Niederschlagsteilchen in leb-
hafter Bewegung sind, mehrere Zentimeter über das Flüssigkeits-
niveau in die Höhe steigt. Durch einen Niederschlag in feinster
Verteilung wird die Öberflächenspannung so weit erniedrigt, daB
eine Vergrößerung der Oberfläche eintritt. Wenn dieser Vorgang
auf die Verhältnisse im Körper übertragen werden darf, wofür aber
die Zulässigkeit nicht unbedingt feststeht, so kann die Ursache für
das Haften des Niederschlages in diesem selber gelegen sein.
Zweifellos kaun aber auch eine Veränderung der Wand der Harn-
wege selbst, die in einer Schwellung, Epithelabschilferung oder der-
gleichen liegen kann, andere Obertlächenverhältnisse bieten, die der
Benetzung günstiger sind als eine normale Schleimhaut. Daß grob
auatomische Veränderungen, besondere Gestaltung des Nierenbeckens,
Erschwerung des Abflusses usw. das Haften begünstigen können, be-
darf kaum einer besonderen Hervorhebung. |
Ist also durch einen Vorgang dieser Art ein Kristall in den
Harnwegen zurückgeblieben, so wirkt er als Steinkern. Wenn wir
uns darüber Klarheit verschaffen wollen, wie um diesen Kern das
Wachstum der Steine vor sich gebt, ob aus chemischen oder aus
physikalischen Ursachen, so muß vor allem hervorgehoben werden,
daß nicht nur Sedimente Steinkerne sind, sondern daß sich ebenso
um Fibringerinnsel, Blutkoagula, Bakterienlaufen, Schleimhaut-
fetzen, Distomumeier und um Fremdkörper aus dem verschiedensten
Material Steine bilden können. Alle diese Stoffe haben irgendeine
chemische Eigenschaft miteinander nicht gemeinsam; gemeinsam ist
ihnen nur eine physikalische Qualität, die dem Harn fremde Ober-
fläche.
Die Steinbildung um einen Kern ist ein Vorgang an einer dem
Harn fremden Oberfläche.
Wie wirkt eine solche Oberfläche? Die Häutchenbildung im
alkalischen Harn hat gelehrt, daß an Oberflächen (Grenzfläche
flüssig-gasförmig) ein Kolloid sich anreichert und gerinnt. Auch
Zeitschrift für Urologie. 1913. 54
818 L. Lichtwitz.
an der Grenzfläche fest-flüssig geschieht dasselbe, wie aus vielen
alltäglichen Beobachtungen, z. B. Bildung eines Gerinnsels am Holz-
stab beim Defibrinieren des Blutes hervorgeht. Das gleiche erfolgt
an der Grenzfläche flüssig-flüssig. (EiweiBhülle um die Fettkügelchen
der Milch.) Und auch an der Grenze gallertig-flüssig tritt eine
Kolloidgerinnung ein, wie man leicht sehen kann, wenn man ein
mit Tannin gehärtetes Gelatinestück in einen Phosphatharn bringt,
Um jeden Kristall und in jedem Kristall, der im Harn ent-
steht, ist Kolloid enthalten, die seit langem bekannte Gerüstsubstanz.
Ganz analog den Vorgängen bei der Blutgerinnung, wo jede Fibrin-
schicht durch die Beschaffenheit ihrer Oberfläche thromboplastisch,
gerinnungsfördernd wirkt und so zum Entstehen einer neuen Fibrin-
schicht führt, geht die Schichtenbildung au den Steinkernen vor
sich. Den einfachsten und schönsten Beweis dafür liefern die Ei-
weißsteine, die in ihrer Entstehung und in ihrem Aufbau mit Pro-
statakörperchen auf eine Stufe gestellt werden können, bei denen
sich um einen Steinkern konzentrische Lamellen gefällten eiweib-
artiren Kolloids bilden. Für die Mehrzahl der Harnsteine konnt
aber ais wichtiges und am meisten imponierendes Moment die Ver-
steinerung in Betracht. Die Harnsteine ohne besondere kunstvolle
Struktur entstehen wohl zweifellos durch eine Zusammenballung und
-klebung von Sediment. Alle anderen Steine aber mit konzentrischer
Schichtung kann man sich durch einfache Anlagerung von Sediment
nicht entstanden denken; dieser Annahme widerspricht der kunst
volle Aufbau. Da wir die Entstehung der konzentrischen Schich-
tung als die Folge einer Obertlächenreaktion der Kolloide (Häutchen-
bildung) kennen gelernt haben, so entsteht die Frage, ob diese
Kolloidgerinnung die Versteinerung zur Folge hat.
Diese Frage ıst zu bejahen. Das Auftreten von Niederschläge
in der Nubecula, einer Zone gefällten Kolloids, in Schleinfäden,
in Sperma, das in die Blase gelangt ist (Fr. Hofmann), sprechen
für einen solchen Zusammenhang, wie überhaupt der Vorgang der
pathologischen Verkalkung überall dort im Körper eintritt, wo die
kolloidale Substanz durch einen Degenerationsvorgang gefällt ıst
und damit ıhre Schutzwirkung eingebüßt hat, so bei der hyalinen
Degeneration, der Verkäsung, der sogenannten Verfettung. In der
schönsten Weise aber sehen wir diesen Vorgang der Häutchenver-
kalkung auf dem Harn bei Phosphaturie. Selbst in den Hamen,
in denen nach Häutchenbildung kein Phosphatsediment eintritt, weil
der Harn noch genügend Schutzkolloid enthält, verkalkt das Häut-
Die Bildung der Harnsedimente und Harnsteine. 819
chen. Diese Verkalkung kann, wie die Photogramme zeigen, einen
extremen Grad annehmen, so daß große, schon mit bloßem Auge
sichtbare Kristalle auftreten, die eine Rauhigkeit der Oberfläche
und ein Knirschen bei dem Berühren mit dem Glasstabe bedingen.
Eine solche Häutchenverkalkung kann man leicht an einem künst-
lichen Harn darstellen, der die gelösten Harnbestandteile und als
Schutzkolloid Gelatine enthält. (Demonstration.) In einer Zone ge-
füllten Kolloids ist die Löslichkeit verschlechtert. Wenn bei ge-
eigneter Beschaffenheit der Oberfläche eine Diffusion in die Haut
hinein möglich ist, so fallen die unlöslichen Bestandteile in dieser
Schicht aus, erniedrigen dadurch die Konzentration, machen eine
weitere Diffusion möglich und führen zu einer großen Anreicherung
der unlöslichen Substanzen, zu einer Versteinerung oder Verkalkung.
Bei dieser Art der Steinbildung wird also ganz wie bei den Eiweiß-
steinen die konzentrische Schichtung durch die Kolloide (Gerüst-
substanz) bedingt. Die Versteinerung ist eine Folge der Kolloid-
füllung. Wie die radiäre Streifung entsteht, ist mit gleicher Sicherheit
nicht zu sagen, vielleicht wird sie dadurch verursacht, daB die zu-
erst amorph ausfallenden Versteinerungsmassen an einem Punkt
kristallinisch werden und daß dann ein Wachsen der Kristalle in
der Richtung des Diffusionsstromes erfolgt. Wichtig ist, daß diese
Art der Steinbildung und des Wachsens der Steine olıne Sediment-
bildung im klaren Harn vor sich geht.
Neben der Kenntnis der physikalisch-chemischen Genese der
Harnsteine ıst von der größten Bedeutung die ätiologische Genese.
Die frühere allgemeine Anschauung, daß die Harnsteine durch einen
entzündlichen (katarrhalischen) Prozeß in den Harnwegen entstehen,
ist von Aschoff und Kleinschmidt einer Kritik unterzogen wor-
den. Nach ihrer Meinung sind die entzündlichen Steinbildungen
charakterisiert durch den Gehalt der Konkremente an Ammonium-
maguesiumphosphat, harnsaurem Ammoniak und Kalksalzen, „wäh-
rend die nicht entzündlichen Kernsteine einer vorübergehenden oder
längerdauernden Übersättigung des Harns mit der betreffenden Sub-
stanz ihre Entstehung verdanken“.
Diese Abgrenzung ist weder vom chemischen noch vom klini-
schen Standpunkt aus zutreffend. Nicht die Übersättigung, die für
die Steinbildner in jedem Harn besteht. führt zu einem Nieder-
schlag, sondern die Aufhebung der Stabilitätsursache, d. i. die Kol-
loïdfillung. Aschoffs Anschauung würde wieder zu dem Begriff
der Stoffwechselanomalie, der Diathese führen. Der Begriff einer
BES
820 L. Lichtwitz, Die Bildung der Harısedimente uni Harnsteine.,
Diathese des intermediären Stoffwechsels muß aus der Ätiologie
der Harnsteine völlig ausgeschieden werden. Wenn man eine Noi-
gung zu Harnsedimenten (Steinkernen) auf eine Diathese beziehen
will, so kann es sich nur um einen Vorgang handeln, der in der
Niere liegt und die Lösungsfähigkeit und damit die Schutzwirkung
der Harnkolloide betrifit. Da die Ursache der Gicht in der Niere
gelegen ist und in einer Störung der Partiarfunktion der Harosäure-
ausscheidung besteht, so haben wir in dieser und in der zweifellos
häufigen Neigung des Gichtikers zu Sedimenten von Harnsäure (trotz
niedriger Harnsäurekonzentration) und von oxalsaurem Kalk zwei
Momente, die auf dasselbe Organ, die Niere, hinweisen.
Die Ausfülluug von Kalksalzen erfolgt häufig ohne Vorgänge
entzündlicher Natur, und sogar Tripelphosphate sind ohne Entzündung,
wenn auch selten, zu beobachten. Andrerseits ist in einer groben
Anzahl katarrhalischer Prozesse der Harnwege die Harnreaktion
sauer, so daß aus der chemischen Zusammensetzung der Steine, die
überdies in den verschiedenen Schichten ebenso variieren kann, wie
die Art und die Aufeinanderfolge der Sedimente, auf die Ätiologie
(entzündlich oder nichtentzündlich) ein Einteilungsprinzip mit Sicher-
heit nicht gemacht werden kann.
Daß Harnsteine ohne Entzündung entstehen, ist nicht nur physi-
kalisch-chemisch, wie aus allem Gesagten hervorgeht, möglich, son-
dern nach klinischen und anatomischen Erfahrungen gesichert. Trotz
der Häufigkeit der Pyelitis im Kindesalter kann das so reichliche
Vorkommen von Harnsäuresteinen bei Kindern nur als Folge des
Harnsäureinfarkts der Neugeborenen gedeutet werden.
Wenden wir uns nach allen diesen Betrachtungen der Frage
zu, was aus den neugewonnenen Erkenntnissen für die Therapie
folgt, die ja das Ziel jeder ärztlichen Forschung sein muß, so kann
nicht ohne Verlegenheit nur auf die Zukunft vertröstet werden. Der
Weg, der zu gehen ist, ist klar. Man muß versuchen, kolloidale
Stoffe mit guter Schutzwirkung (etwa Gelatine) zur Ausscheidung
in den Harn zu bringen, oder man muß Salze, die den Lösungs-
zustand der Kolloide günstig beeinflussen, einverleiben.
Die Untersuchungen hierüber sind noch zu wenig vorgeschritten.
Sollten sie, was nicht zu übersehen ist, zu brauchbaren Ergebnissen
führen, so wäre es mir eine Freude, wenn Sie mir gestatten würden,
in Ihrer Gesellschaft weiter zu berichten,
=
,
Aus der Prof. Casper-Dr. Rothschen Pokklinek für Harnleiden.
Welchen Wert haben die Balsamica, ins-
besondere die neueren, für die Behandlung
der Gonorrhoe?
Von
Dr. Max Roth und Dr. Theodor Mayer.
Das Charakterbild der internen Heilmittel gegen die Gonorrhoe,
insbesondere der Balsamica, schwankt in der Geschichte. Während
man ihnen jahrhundertelang besondere Bedeutung beilegte, schwand
ihr Ansehen fast vollständig bei der Entdeckung des (S0nococcus
unter dem Einfluß der Neißerschen Schule. In neuerer Zeit wur-
den sie indessen wieder in Gnaden aufgenommen, aber nicht als
Alleinherrscher, sondern als gleichberechtigt mit der lokalen Therapie.
Und heute wiederum ist der Anzeigenteil medizinischer Blätter über-
schwemmt mit Ankündigungen neuer innerer Antigonorrhoica, und
eine unübersehbare Literatur ist entstanden, die in ihrer großen
Mehrzahl von so überaus glänzenden Erfolgen berichtet, daß da-
nach die Gonorrhoe längst ausgerottet sein müßte.
In den meisten dieser Publikationen wird von einer kleineren
Reihe — oft 10—20 — Fällen berichtet, die in mehr oder weniger
kurzer Zeit durch die innere Medikation allein oder in Kombination
mit Lokalbehandlung geheilt sind. Es werden die verschieden-
artigsten Fälle zusammengewürfelt, und unter Geheiltsein wird viel-
fach ohne weitere Kriterien das Fortbleiben des Ausflusses ver-
standen.
Den Rekord schlägt Herr Dr. Pritchard (Therapist 1909,
Vol. 19, Nr. 10), der nach 4wöchentlicher Behandlung mit Allosan
die Heilung konstatiert auf Grund der schriftlichen Mitteilung seines
‚Patienten. Wie wenig das Fehlen des Ausflusses beweist, ist jedem
nur halbwegs erfahrenen Praktiker bekannt, der sich öfter davon
überzeugt hat, daß gerade mit dem Auftreten einer schweren Posterior
der Ausfluß oft zu sistieren pflegt.
Aber auch das Fortbleiben der Sekretion bei völlig klarem
Urin beweist nichts für die Heilung, wenn nicht der Prostata- und
S22 Max Roth und Theodor Mayer.
eh
endoskopische Befund normale Verhältnisse ergeben und wenn Pro-
vokationen nicht vorgenommen wurden. Von diesem Gesichtspunkte
aus halten einer Kritik auch die Fälle Knauths in keiner Weise
stand, der die lokale Behandlung für überflüssig, ja schädlich hält
und in der Arhovindarreichung das Heil sieht. Die Voraussetzung
für die Knauthsche Therapie — die Bettrulie — könnte auch nur
dann durchgeführt werden, wenn man die Großstädte selbst in La-
zarette verwandeln und vermeiden könnte, daß die Kranken streiken,
Der klinische Verlauf der Gonorrhoe ist so mannigfaltig, daß
die Zusammenstellung xbeliebiger Fälle keine Klarheit über den
Wert oder Unwert einer Behandlungsmethode ergibt. Eine selır
wesentliche Rolle spielt die Virulenz der übertragenen Infektions-
keime. Es gibt leichte, d. h. schwach virulente Fälle, die in kurzer
Zeit unter keiner und jeder Therapie heilen, und hochvirulente Er-
krankungen, die auch der besten Therapie den größten Widerstand
entgegensetzen. Dazu komınt, abgeschen vom hygienischen Verhalten
des Patienten, die Berufstätigkeit, insofern bei schwer körperlich
arbeitenden Leuten, wie Schlossern, Maschinenarbeitern, Radfahren,
auch bei der größten Solidität schwere Verschlimmerungen auftreten
können. Ganz besondere Erwähnung aber verdienen die Erektionen,
die bei häufiger Wiederholung schweren Traumen gleich zu achten
sind. Nur uuter Berücksichtigung aller dieser Momente und unter
Zusammenstellung möglichst gleichartiger Fälle kaun man zu einem
therapeutischen Urteil gelangen.
Das aber gerade ist bei der Bewertung der inneren Gonorrhoe-
heilmittel höchst selten geschehen, so daß man auf Grund der vor-
handenen Literatur schwer zur Klarheit darüber gelangen kann, ob
überhaupt etwas und was durch interne Medikation geleistet wird.
;edenkt man, daB die innere Medikation erheblich teurer ist
als die lokale, und dal für die erstere jährlich Millionen ausgegeben
werden, so erscheint eine Untersuchung dieser Frage doch — schön
im Interesse des Volksvermögens — von Wichtigkeit.
In Betracht kommen die Balsamica und ihre Derivate. Ihre
Wirksamkeit beruht im wesentlichen auf der Anwesenheit der Terpen-
alkohole, der Harzsäuren und der Resene resp. der neutralen Ester.
Das Santalol, der Hauptbestandteil des Santelöls, gehört zu den
Sesquiterpeualkoholen, die zum Teil weiter oxvdiert, zum Teil unver-
ändert im Harn ausgeschieden werden. Zu den Sesquiterpenalkoholen
gehören aber auch nach Vieth (Monatsschr. f. prakt. Dermatologie
1906) die Ketone und Phenole und demnach auch das Thymo!, das
Welchen Wert haben die Balsamica? usw. 823
chemisch ein Terpenphenol darstellt und analog den Terpenalkoholen
im Körper verarbeitet wird. Infolgedessen muß man auch das
Arhovin, dessen ein Hauptbestandteil ein Thymolderivat ist, zu den
Balsamicis rechnen, im Gegensatz zu den Ankündigungen der Fabrik.
Wie haben wir uns die Wirkung dieser Stoffe auf die Gonor-
rhoea anterior zu denken? Man hat mehrfach behauptet, daß die
Miktion nach der Zuführung von Balsamicis einer Janetschen Spü-
lung gleich sei, da ja die wirksamen Körper in den Harn über-
treten. Dieser Vergleich ist deswegen nicht zutreffend, weil die
Miktion erheblich schneller vor sich geht als die Janetsche Spülung,
weil die Harnröhrenfalten bei weitem nicht so ausgebuchtet werden
und weil die Öffnung der oft Gonokokken enthaltenden Morgagni-
schen Lakunen und Krypten derartig beschaffen sind, daß sie von
dem nach außen tretenden Urinstrom zusammengepreßt, dagegen
von dem entgegengesetzten Strome der Janet-Irrigation ausgefüllt
werden. |
Die Wirkung soll eine antibakterielle und adstringierende sein.
Die erstere wird ganz besonders dem Arhovin zugeschrieben, auf
Grund der Versuche von Burchardt und Schlockow. (Mediz.
Woche Nr. 48, 1903.)
Dieselben fanden, daB nach Einnahme von Arhovin ausgeschie-
dener Harn imstande sei, Bakterien in ihrer Weiterentwicklung zu
hemmen. Dr. Heilmann (Pittsburg)') hat allerdings nachgewiesen,
daß bei Gonokokkenkulturen auf Zusatz von Arhovinharn (von Ge-
sunden stammend, die Arhovin eingenommen haiten) nach 24—48
Stunden kein Gonokokkenwachstum stattfand. Das Gonokokken-
wachstum blieb aber genau ebenso aus, wenn die Kulturen an Stelle
von Arhovinharn mit gewöhnlichem Harn übergossen wurden. Ferner
zeiste er, daß Arhovinharn nach 48 Stunden im Brutschrank nur
ein geringes Wachstum von Stäbchen und Kokken zeitigte, daß aber
ebenso behandelter steriler Urin nach 48 Stunden noch steril war,
und schließlich, daß Arhovinharn, der mit Staphıylokokken beimpft
war, genau so wie steril aufgefangener Harn nach 24 Stunden reich-
liche Staphylokokkenentwicklung aufwies. Jeder andere objektive
Beobachter würde aus diesen Versuchen den Schluß ziehen, daß
der Arhovinharn genau so gonokokkentötend und bakterizid wirkt
wie der gewöhnliche Harn, Frank aber schließt daraus, daß der
Arhorinharn „schwache entwicklungshemmende Eigenschaften auf
DU Berichtet in Berliner klin. Wochenschr. 1906, Nr. 31: Ernst R. W. Frank,
Uber Arhovin. `
824 Max Roth und Theodor Mayer.
Staphylokokken und Streptokokken besitze und daß Gonokokken-
kulturen in ihrer Entwicklung gehemmt werden“. Dieses Attentat
auf die Logik geht durch fast sämtliche Publikationen über Arhorin,
welchem auf Grund jener Untersuchung eine abtötende Einwirkung
auf Gonokokken im (Gegensatz zu den Balsamicis rühmend zuge-
schrieben wird.
Nicht ganz in Übereinstimmung mit diesen Angaben konnten
wir uns sowohl bei Arhovin wie bei anderen Balsamicis aufs
schlagendste davon überzeugen, daß die Gonokokken sich in ihrem
(sedeihen im Urethralsekret absolut nicht stören ließen.
Ganz anders bei der lokalen Anwendung von Silber-Eiweiß-
Salzen, die schon nach kurzer Applikation das Urethralsekret recht
gründlich von den unwillkommenen Gästen säuberten, wenn auch
nicht immer auf die Dauer.
Die adstringierende Wirkung der Balsamica kann bei der An-
terior nur eine verhältnismäßig schwache sein, da die Zeit der
Einwirkung zu kurz ist. Somit bleibt uns nichts anderes übrig, als
das Bekenntnis unseres Unvermögens, eine wesentliche Wirkung der
Balsamicis auf den Verlauf der Gonorrhoea anterior zu erkennen,
im Gegensatz zu anderen Autoren, wie z. B. Manasse, der (Ther.
Monatsh. 1904) bei 11 Fällen von akuter Gonorrhoe 8mal (72° p
innerbalb von 10 Tagen unter Arhovinbehandlung das Verschwinden
der Gonokokken beobachtete.
Wenn die Balsamica demnach irgendeinen therapeutischen Effekt
entfalten sollten, so kann es nur bei der Gonorrhoea posterior sein.
Hier findet eine viel länger dauernde Wirkung auf den Blasenhals
und auf die Schleimhaut der hinteren Harnröhre durch Einbeziehung
derselben in das Blasencavum bei stärkerer Blasenfüllung statt
(Finger, Blennorrhoe).
Aus diesem Grunde haben wir unsere Beobachtungen nur bei
Gonorrhoea posterior angestellt, und zwar bei mittelschweren und
schweren Fällen, und haben so erreicht, daß ein Vergleich der
Wirksamkeit verschiedener Mittel durch eine ziemliche Gleichartig-
keit der Fälle möglich wurde. Zur Beobachtung gelangten 150 Fälle.
Die Veranlassung zum Suchen nach immer neuen Mitteln war
in erster Linie der Wunsch nach Ausschaltung der Nebenwirkungen,
wie sie besonders beim Santelöl vorkommen sollten: Übelkeit, Ver-
dauungsstörungen, Aufstoßen, schlechter Geschmack, Nierenschmerzer.
Vieth, der die gebräuchlichen Balsamica chemisch und pharmako-
logisch untersuchte, fand als wesentlichen Bestandteil 4 verschiedene
Welchen Wert haben die Balsamica? usw. 895
Stoffe: Terpene, Terpenalkohole, Harzsäuren und Resene resp. neu-
trale Ester. Seine Tierversuche ergaben, daß die Terpene die
stärkste Reizung ausüben. Das stimmt mit der klinischen Erfahrung
überein insofern, als man den Üopaivabalsam und den Cubeben-
extrakt, die 55 und 65°/, Terpene enthielten, wegen ihrer zu starken
Reizwirkung vollständig verlassen hat. Die zweite Gruppe reizt
auch, aber weniger als die erste; zu ihr gehört das Santalol. Ganz
reizlos soll die vierte Gruppe der neutralen Ester sein.
Man glaubte demnach die Nebenwirkungen dadurch vermeiden
zu können, daß man die Terpenalkohole in neutrale Ester verwan-
delte. Vieth war der erste, der diesen Gedanken ausführte und
durch Veresterung des Santalols mit der Salizylsäure das Santyl
darstellte. Auf ähnlichem Wege entstanden dann durch Veresterung
mit Kampfersäure Kamphosan, mit Allophansäure Allosan, durch
Verätherung Thyresol.
Um einen Maßstab dafür zu gewinuen, ob und in welchem
Grade Nebenwirkungen bei den neueren Mitteln vermieden werden,
haben wir zunächst einmal festzustellen versucht, in welcher Weise
sich dies beim Santelöl verhält. Natürlich hängt die Feststellung
hiervon in gewissem Maße von der subjektiven Empfindlichkeit der
Patienten ab, und da unser Material zu 50°), aus Studenten besteht,
so mußten wir immerhin mit einer gewissen Sensibilität rechnen.
Trotzdem fanden wir Nebenwirkungen nur in 15°, unserer Fälle.
Dabei ist noch zu berücksichtigen, daß selbst diese Zahl noch etwas
hoch gegriffen ist, da einzelne Patienten nur vorübergehende Be-
schwerden hatten und sich bald an das Mittel gewöhnten.
So viel steht jedenfalls fest, daß der üble Ruf des Santelöls
nach dieser Richtung hin jedenfalls übertrieben ist.
Ebenso oft wie nach Ol. Santali traten Nebenerscheinungen nach
Santalol und nach Gonosan auf und nicht viel weniger häufig nach
Arhovin.
Da das Gonosan fast 20°/, weniger Terpenalkohole als das
Santalol enthält, so müßte auch seine Reizfähigkeit eine geringere
sein. Da dies nicht der Fall ist, so muß das Kawa-Kawa-Harz
ebenso stark reizen wie das Santalol.
In den Fällen, wo wir nach Santelöl Nebenerscheinungen
sahen, wurden diese nicht viel geringer nach Arhovin, etwas seltener
nach Thyresol, erheblich seltener aber nach Santyl, Kamphosan,
Allosan.
Die Anhänger des Tbyresols glaubten, daß ein besonderer Vor-
826 Max Roth und Theoder Mayer.
zug des Mittels vor den esterartigen Verbindungen darin bestände,
daB es nieht wie diese im Organismus wieder zerlegt und zu Santalo!
zurückgebildet und dadurch jede Reizwirkung vermieden würde.
Unsere Erfahrungen, nach denen wir bei Santyl viel geringere
Reizwirkung als bei Thyresol auftreten saben, scheinen der gegen-
teiligen Ansicht Vieths recht zu geben, der behauptete, dab die
Verwandlung dieser Mittel im Organismus nicht wie im Reagens-
glas dureh einfache Verseifung vor sich ginge, sondern durch oxyda-
tive Prozesse, wobei das Santalol in oxydierte, nicht reizende Pro-
dukte verwandelt würde. (Monatsh. f. pr. Dermat. 1906.)
Unklar bleibt allerdings dennoch, warum die esterartigen Ver-
bindungen weniger reizen als die ätherartigen.
Absolute Freiheit von Nebenwirkungen zeigte sich bei keinem
Mittel, ebenso wie es Patienten gibt, die kein Balsamieum vertragen.
Am wenigsten Reizfühigkeit zeigte das Allosan. Hierbei ist aber
gleich zu bemerken, daB diese Tatsache von wirklichem Wert für
die Therapie nur dann wäre, wenn das Allosan sich auch an Wirk-
samkeit (was leider nicht der Fall ist) mit den andern Mitteln messen
könnte
Wenn ferner bei jedem neu auftauchenden internen Antigonor-
worauf noch zurückzukonmen sein wird.
rhoicum behauptet wurde, es könne Komplikationen verhüten, sò
mußten wir ja leider im Gegenteil bei einem jeden konstatieren, dah
erhebliche Verschlechterungen nicht allzu selten vorkommen. Su
beobachteten wir Epididymitis (Arhovin, Kamplıosan, Santyl, Ol San-
tali), Lymphangoitis und Präputialödem (Santyl, Kamphosan, Gonosan,
Arhovin), terminale Hämaturien (Kamphosan) — selbst bei strikter
Innehaltung der Verordnungen von seiten der Patienten.
Den therapeutischen Effekt der in Betracht kommenden Mittel
haben wir nach zwei wesentlichen Punkten gesichtet: nach der Wir-
kung auf subjektive Beschwerden und auf die Klärung des Urins.
Was den Finfluß auf die subjektiven Beschwerden anlangt, so
müssen wir hervorheben, daß wir eine Verminderung der oft so
quälenden Erektionen und Pollutionen, deren Bedeutung wir selon
hervorgehoben haben. bei keinem internen Antigonorrhoicum beoh-
achtet haben.
Als ein guter Maßstab für die Wirksamkeit gegen die subjek-
tiven Beschwerden diente uns hierbei die Beobachtung über die
Häufiskeit des Harnens. In folgender Tabelle sind die Resultate
verschiedener Mittel zusammengestellt.
Welchen Wert haben die Balsamica? usw. 827
Von Ol. Santali, Gonosan und Kamphosan wurden 3mal täg-
lich 2 Kapseln à 0,5, von Santyl 3mal täglich 2 Kapseln A 0,4, von
Arhovin 3mal täglich 2—3 Kapseln à 0,25 gegeben.
Harndrang.
es WE ue 20
Mittel | unbeeinflubt | beeinfluft innerbalb 10 Tagen
| | beeinflußt
S be SE te SN
| | a
Ol. Santali 300%, 700, | 150,
Gonosan . . . . . . . | 280/9 720, | 159%
Santyl. . . . . . . .hù 20%, | Big : 2204
Arhovin . a. D & à Dé 1095 | 30%, | 15°,
Kamphosan , , . . . .! 33%, | 679, | 160:
Von den Beeinflußten ist der Harndrang bei
|
| gebessert | beseitigt
Ol Santali 2.2.2... 2001) | 50%
Gonosan . . . . . . 429j5 | 30°"
ges ei Aë e 129}, | 680,9
Arhovin . . . . . ., 30% | 0°,
Kamphosan . . . . . 17%, | 490%
Ein eklatanter Einfluß der Mittel, d. h. ein solcher innerhalb
spätestens 10 Tagen, ist bei allen erwähnten Mitteln zweifellos vor-
handen, aber nur in etwa 15—22”/, der Fälle, eine ziemlich be-
scheidene Zahl. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den einzelnen
Mitteln besteht nach dieser Richtung hin nicht.
Indessen ist es doch auffallend, daß gerade bei Arhovin im
Gegensatz zu allen andern Präparaten ein sehr großer Prozentsatz
absolut unbeeinflußter Fälle konstatiert werden mußte.
Aus den Krankengeschichten geht hervor, daß sogar in fast
der Hälfte der mit Arhovin behandelten Fälle eine Verschlimmerung
des Harndranges eingetreten ist. Selbstverständlich soll damit nicht
gesagt sein, daß das Arhovin hieran Schuld trägt; aber so viel ist
sicher, daß ein Einfluß des Arhovins auf den Harndrang wesentlich
geringer als bei jedem anderen Balsamicum ist.
Von den vielen Einzelbeobachtungen, die wir gemacht haben,
seien nur einige besonders markante hervorgehoben.
1) Prozentzahlen sind berechnet auf die Gesamtzahl der mit dem einzelnen
Mittel behandelten Fülle. 2
828 Max Roth und Theodor Mayer.
Fall Kn. 1. Gonorrhoe, seit 8 Tagen bestehend, reichlich Gonokokken im
Sekret. Urin I mäßig, II leicht getrübt. Prostata beiderseits in mäbigem Grade
erweicht, Ödem der Glans, starke Schmerzen beim Harnen, Miktion am Tage
5 bis 6mal, nachts O0. Unter létägigem Arhovingebrauch (3mal täglich ?
Kapseln) bleibt der Lokalbefund derselbe. Die Miktionsfrequenz steigt aber auf
10mal am Tage und 2mal des Nachts. Darauf Santyl verordnet und non inner.
halb von 5 Tagen Sinken des Harnbedürfnisses auf Gmal am Tage und 1 mal des
Nachts und bald darauf zur Norm.
Fall P. 1. Gonorrhoe seit 14 Tagen, Urin I und Il mäßig trübe, Prostata
links erweicht, Mıktion stündlich, nachts 0. Unter 3wöchentlichem Arhovin-
gebrauch bleibt die Miktion unter gleichbleibendem Lokalbefund tagsüber ständ-
lich, nachts 2 bis 3mal; unter Ol. Santalı innerhalb von 10 Tagen erkebliche
Besserung (Miktion tags 7mal, nachts 2mal). Nach 3tägigem Kamplosan-
gebranch Miktion normal.
Fall Som. 1. Gonorrhoe, seit & Wochen bestehend, Urin I mälig stark,
II leicht trübe, Prostata rechts erweicht, links stark infiltriert, Urethralsckret
reichlich Gonokokken; Epididymitis et Funiculitis dextra, trotz 3wöchentliehem
Arhovingebrauch sehr häufizer Urindrang, der nach 8tägigem OI Sartal-
gebrauch erlieblich nachlätt.
Wir befinden uns beim Arhovin leider im Gegensatz zu einer
Anzahl von Autoren, fühlen uns aber verpflichtet, unsere diesbezüg-
lichen Beobachtungen mitzuteilen. Freilich handelt es sich immer
nur um schwere Fälle; aber ebenso schwere Fälle wurden auch mit
den anderen Mitteln behandelt. Am günstigsten stellt sich der Ein-
fluB auf die Harnbeschwerden der Patienten beim Santyl, wobeı
zweifellos die Salizylkomponente eine Rolle spielt. Eigeutümlich ist
daß beim Gonosangebrauch viel seltener eine vollständige Be-
seitigung des Harndranges erreicht wird als beim Oleum Santali,
woraus hervorgeht, daß das Kawa-Kawa in bezug auf anästhe-
sierende Wirkung dem Santelöl nachsteht. Im übrigen scheint die
anästhesierende Wirkung durch die Esterifizierung des Santalols eher
gesteigert als verringert zu sein. Daß eine anästhesierende Wirkung
dieser Mittel, wenn sie auch nicht überschätzt werden darf, zweifel-
los besteht, geht aus einer Reihe von Beobachtungen hervor, wo
das Fortlassen des Medikaments sogleich eine Steigerung der Mik-
tionsfrequenz hervorrief, die nach der erneuten Medikation prompt
wieder nachliel.
es
NY
Aus einer Reihe von Beobachtungen wollen wir ein Beispiel
herausheben:
Pat. A. L. 1. Gonorrhoe, seit 3 Wochen bestehend, im Sekret sehr reich-
lich Gonokokken, Harn in beiden Portionen stark eiterhaltig, Miktion am Tage
1lmal, nachts 3 bis 4mal, Nach 22tägigem Gebrauch von Kamphosan Ausflub
viel geringer. Urin I leicht trübe, II klar. Miktion tagsüber auf 6mal, nachts
POS ET LE in
ge DT to
Welchen Wert haben die Balsamica? usw. 829
9mal herabgegangen; nach 4tägigem Aussetzen wird der Urin in beiden Por-
tionen stark trübe; die Miktion erfolgt tags 13 mal, nachts 5 bis 6 mal.
Als Maßstab für den objektiv erkennbaren Effekt erschien uns
die Aufhellung des Urins zweckmäßig. Und zwar zeigten sich
ne: Ee
EE en ee | means Behandlangdauer
antali 88/0 12% E Sage .| 88% | 120% | meist 7 10 ee ue —— meist 7—10 Ta rein
u Ber | 44 58 2—5 Wochen ne
Gonosan . 80 20 8—10 Tage
Thyresol . 40 60 2—3 Wochen
Santyl - 50 50 t 1—4 Wochen
Arhovin 30 7O | die Hälfte 2—3 Wochen, div andere
Hälfte 3—8 Wochen
piap Praa 66 34 2—3 Wochen
Allosan 86 64 | durchschnittlich 2 Wochen
Tabelle II.
Urin II klar geworden
Urin I klar geworden
a
OI. Santali . 65°, | 880,
Kawasantal - - - - : | 28 | 16
Gonosan . 0 | 60 ` 20
Thyresol . . + + +. 20 | 20
Santyl. . . - + - 36 | 14
Arhovin . . . . à. 24 | 6
Kamphosan. - + - :. 41 | 95
Allosan . . - - . 86 | o
Tabelle III.
Erfolg innerhalb 8 Wochen Erfolg später
m — — 111, -—— zum
O1. Santali. - | 63% | 35°
Kawasantal. eer 9 Ä 85
Gonosan. . - : | e | 40
Thyresol. . + + - : 30 10
Santyl. SE s o e >» 39 | 11
; 24 |
Arbovin . - - + : : Ä 6
Kamphosan. . ` a |
Allosan . : + : - - | S
Betrachten wir die erste der beiden Tabellen, so haben wir am
meisten Erfolg nach Ol. Santali und Gonosan zu verzeichnen. Dann
830 Max Roth und Theodor Mayer.
kämen Kamphosan und Santyl, hierauf Allosan und Thvresol, und
zuletzt Arhovin. Auffallend ist der erhebliche Unterschied zwischen
Kawasantal und Gonosan. Es geht hieraus wic auch aus der näch-
sten Tabelle unzweifelhaft hervor, daß die Wirkung des angehlich
pliarmakologisch mit dem Gonosan identischen Kawasantals in Wirk-
lichkeit hinter der des Gonosans bedeutend zurückbleibt. Die hohe
Zahl der absolut Unbeeintlußten beim Arhovin gegenüber 12 resp.
20°, bei Santal resp. Gonosan rührt nieht etwa daher, daB die
Arhovinfälle zu kurze Zeit behandelt worden wären; im Gegenteil
sind die nicht gebesserten Arhovinfälle mit einer Behandlungsdauer
von mindestens 2--3 Wochen und höchstens 3—8 Wochen gegen-
über der Behandlungsdauer von 7—10 Tagen bei den ungehesserten
Santal- und (sonosanfällen erheblich im Vorteil. Auch handelt es
sich keineswegs beim Arhovin um schwerere Fälle, wie wir uns ja
auch häufig überzeugen konnten, daB bei Patienten, welehe Arhorin
ohne irgendwelehen Erfolg genommen hatten, sehr schnelle Besse-
rungen eintraten, wenn an Stelle des Arlovins Santelöl oder Gonosan
angewendet wurde.
Weiter unten geben wir einzelne von vielen Beispielen.
Wir geben zu, daß man bei der Deutung derartiger Fälle be-
sonders vorsichtig sein mu und daß wir Fälle wie den folgenden
nieht verwenden würden, um etwa die Minderwertigkeit eines Prä-
parates zu erweisen.
Fall Zy. Seit 6 Tagen 1. Gonorrhoe, reichlich gonokokkenhaltiges Sekret.
Miktion stündlich am Taxe, nachts 5 bis ömal unter heitigem Schmerz. Urn]
und II stark trübe, Prostata links mäßig infiltriert. Nach 10tärigem Arhovin
gebrauch (mal täglich 2 bis 3 Kapseln; bleibt der Befund derselbe. Patient
erhält dann 7 Tage lanz Kamphosan (3mal täglich zwei Kapseln à 0,5). worauf
der 1. Urin mäbßir, der 2. nur noch leicht trübe wird und Miktion 1!;, bis
stündlich, nachts 3 mal erfolgt.
Obwohl hier eine Besserung unverkennbar ist, so darf man
diese doch nicht ohne weiteres zugunsten des zweiten Mittels —
hier des Kamphosans — annehmen, da der Patient sieh bereits in der
dritten Woche befand und hier auch die Besserung vielleicht spontan
durch die Vis sanatrıx natnrae eingetreten wäre,
Dagegen haben die von uns weiter unten angeführten Fäle
zweifellose PBeweiskraft. insofern unter dem Gebrauch des emen
Präparates eine nicht unwesentliche Verschlechterung zuwege kam,
die in markanter Weise unmittelbar mit dem Einsetzen des zweiten
Präparates einer Besserung Platz machte.
Eet
Welchen Wert haben die Balsamica? usw. 831
In der nächsten Tabelle haben wir die erzielten Erfolge etwas
eingehender analysiert und die Fälle, in denen beide Urine klar wurden,
von denen getrennt, die nur eine Klärung des zweiten Urins auf-
wiesen.
Wir fanden auch hier wieder die Wirkung des Oleum Santali,
bei dem ein Drittel der behandelten Fälle klaren ersten und zweiten
Urin aufweisen konnten, am stärksten, die des Arhovins am schwäch-
sten. Die Tabelle ist etwas zuungunsten des Allosans verschoben, da
dasselbe selten länger als vierzehn Tage verabreicht wurde. Immerhin
ist diese Zeit ziemlich ausreichend zur Beurteilung eines Mittels,
weil eine Besserung nach zwei bis 3 Wochen nicht mehr allein
dem Einfluß des jeweils dargereichten Präparates zugemessen werden
darf, sondern — teilweise wenigstens — auf Rechnung der natürlichen
Heilkräfte gesetzt werden muß. Aus diesem Grunde legen wir der
letzten Tabelle einen besonderen Wert bei, in welcher wir eine
Trennung der Fälle nach den Erfolgen innerhalb der drei ersten
Behandlungswochen und später gemacht haben.
Auch hier wieder zeigt sich das Ol. Santali als das Wirksamste.
Gonosan, Santyl und Kamphosan rangieren in zweiter Reihe, als
gleichwertig, in dritter Linie Thyresol und Allosan, zuletzt wieder
Arbovin.
Der Unterschied zwischen Kawasantal und Gonosan ist in dieser
Tabelle noch evidenter. Um die Gültigkeit dieser Tabelle auch im
einzelnen zu illustrieren, führen wir einige Beispiele auf.
Fall Leh. Seit zwei Wochen 1. Gonorrhoe, reichlich gonokokkenhaltiges
Sekret, Urin I und II stark trübe, Prostata beiderseits mäbig intiltriert, Harn-
drang vermehrt (tags 6mal, nachts 3mal). Nach 23tägigem Thyresolgebrauch
der Befund gleich geblieben, dann, unter zweiwöchentlichem Gonosangebrauch,
wird der J. Urin fast, der II. völlig klar. Um zu sehen, ob Thyresol die gleiche
Wirkung ausübt, erhält der Patient wieder Thyresol. Sofort tritt wieder eine
erhebliche Verschlechterung ein, die 12 Tage lang während des Gebrauchs des
Mittels anhält, um bei erneuter Gonosangabe innerhalb von 3 Taxen wieder
einer eklatanten Besserung Platz zu machen.
Ganz ähnlich verläuft Fall Geh. 1. Gonorrhoe seit einigen Taren. Ure-
thritis anterior und posterior. Prostatitis. Urin in beiden Portionen stark
trübe. Nach 7tägigem Gonosangebrauch wird der 1. Urin fast, der 2. ganz
klar. Darauf erhält der Patient Allosan. Bald darauf wieder Tıübung in bei-
den Portionen trotz lltägiger Medikation. Nun Santy! mit dem Ergebnis, daß
in Kürze wieder dasselbe gute Resultat wie nach Gonosan erreicht wird.
Fall Sta. Seit 14 Tagen 1. Gonorrhoe. Urethritis anterior und posterior.
Prostatitis. Miktion normal, Urin I und II mäßig trübe. 18tägiger Arhovin-
gebrauch. Dabei Verschlechterung des Zustandes: Urin in beiden Portionen
stark trübe. Darauf Santyl mit gutem Erfolge, so dab innerhalb von 14 Tagen
532 Max Roth und Theodor Mayer.
Urin I und II klar sind. Auch nach Kamphosan bleibt der Urin klar, wird
allerdings nach dem Weglassen des Mittels wieder leicht trübe.
In diesem Falle bewies die nach dem Aussetzen des Mittels
wjeder auftretende Trübung, daß die Besserung durch das Santrl
resp. Kamphosan bewirkt war.
Fall Po. Seit 8 Tagen 1. Gonorrhoe, Urethritis anterior und posterior,
Prostata links erweicht. Miktion am Tage stündlich, nachts 0. Urin I und II
mübig trübe. Arhovin 3mal täglich 2 Kapseln 3 Wochen lang. Allmählicie
Verschlechterung: I und II stark trübe, Miktion tags stündlich, nachts 2 bis
3mal. Danach Kamphosan (mal täglich 2 Kapseln a 0,5). In wenigen Tazen
erhebliche Besserung: Urin I leicht träbe, Urin II klar, Miktion normal.
Fall Ur. Seit 10 Tagen 1. Gonorrhoe, Gonokokken -- +, Urin I und II
mäbig trübe. Prostatitis, Epididymitis dextra.. 5 Tage lang Thyresol 3mal täy-
lich 2 Kapseln, danach Kreuzschmerzen. Urin in beiden Portionen stärker
trübe. Nun Santyl: Kreuzschmerzen geringer, Urin in wenigen Tagen erheblich
klarer, ohne daß die Epididymitis sich vermindert hätte. Es war also die
Besserung keinesfalls als spontane aufzufassen.
Fall Gu. Seit 8 Tagen Gonorrhoe, seit 3 Tagen Epididymitis. Miktion
nicht vermehrt. Urin I und II mäßig trübe. Nach lÜtägigem Gonosangebrauch
Urir I fast, II ganz klar, Darauf wegen Niereuschmerzen Allosan; die Nieren-
schmerzen bleiben fort, der Urin wird aber wieder trüber, um sehr bald nach
erneuter Gonosantherapie wieder fast klar zu werden.
Hervorheben wollen wir noch, daß gerade diese angeführten
Patienten sich in jeder Beziehung streng den ärztlichen Anorl-
nungen fügten und die erwähnten Verschlechterungen nicht etwa
auf irgendwelche Fehler im Verhalten der Kranken zurückzuführen
waren, auch nicht auf Störungen im Bereich der Geschlechtsspläre.
Wir könnten noch eine ganze Reihe ähnlicher Fälle anführen,
bei denen «die vorhin erwähnten aus den Tabellen hervorgehenden
summarischen Resultate auch im einzelnen sich wieder bestätigten,
wenn beim selben Patienten vergleichsweise mehrere Präparate an-
gewendet wurden. Wir glauben aber, uns mit den fünf geschilderteu
besonders markanten Fällen zur Illustration begnügen zu dürfen,
um so mehr, als aus den Berichten klar hervorgeht, daß die er-
zielten Besserungen nicht wie im oben erwähnten Fall Zy. mög-
licherweise als spontane anzusehen waren.
Die sekretvermindernde adstringierende Wirkung ist zwar viel-
faeh bestritten worden, muß aber auch nach unseren Erfahrungen
als zweifellos vorhanden betrachtet werden. Worauf diese Wirkung
beruht, liegt wohl noch ziemlich im unklaren.
Da das Oleum Santali von allen erwähnten Mitteln auf der
einen Seite das wirksamste, auf der anderen das am meisten
Welchen Wert haben die Balsamica? usw, 833
reizende ist, so liegt es nahe anzunehmen, daß die reizenden Sub-
stanzen auch die wirksamen sind. Es besteht in dieser Beziehung
eine Analogie mit den Teerpräparaten. Auch hier wurde versucht,
durch Ausschaltung der irritierenden Stoffe die Wirkung zu ver-
bessern; erzielt wurde aber nur eine meist sehr wesentliche Ab-
schwächung, da auch hier an die reizenden Substanzen der kurative
Effekt geknüpft ist. Pharmakologisch noch komplizierter als beim
Teer liegen die Verhältnisse bei den Balsamicis insofern, als wir
nicht mit den Stoffen selbst, sondern mit ihren im Körper umge-
wandelten Oxydationsprodukten zu tun haben. Nach Luzatto und
anderen Autoren hat der Sandelöllarn mit den anderen Balsam-
harnen die Bindung von Ausscheidungsprodukten an Glykokoll und
gepaarte Schwefelsäuren gemeinsam; er unterscheidet sich von ihnen
aber durch das Vorhandensein von Harzsäuren und freiem Santalol.
Da die gepaarten Glykuronsäuren als Abbau- und Entgiftungs-
produkte des Organismus zu betrachten and, so missen wir Vieth
zustimmen, der denselben einen erheblichen Anteil an der Wirkung
abspricht. Es ist also doch sehr wahrscheinlich, daß ein Teil der
Wirkung auf der Gegenwart der Harzsäuren und des freien Santalols
beruht. Welche auderen Produkte noch an der Wirkung teilnehmen,
ist mangels exakter chemischer‘ Definierung bisher noch unklar.
Jedenfalls müssen wir unseren Erfahrungen zufolge daran festhalten,
daß die neueren Bestrebungen, das Santelöl zu verbessern, das
Gegenteil erreicht haben, ein Gedanke, der schon einmal vor meh-
reren Jahren von Campagnolle!) angedeutet wurde mit den Worten,
ob sich dasselbe Mißgeschick wie bei der Suche nach dem idealen
Höllensteinersatz auch hierbei wiederhole, daß man ein Spezifikum,
um es immer reizloser zu machen, so lange chemisch umwandelt,
bis es an seiner besten Kraft verloren hat.
Es können also die neueren Interna nur dann in Betracht
kommen, wenn das Oleum Santali nicht vertragen wird. Von
diesen haben sich als die wirksamsten Santyl und Kamphosan er-
wiesen; dem Gonosau dagegen können wir keine besondere Stellung
einräumen, da seine Wirksamkeit bei optimistischer Beurteilung
allenfalls dem Santelöl gleichkommt, aber ebenso häufig Neben-
wirkungen zeitigt.
Wenn man nun auch eine Heilwirkung der Balsamica aner-
kennen muß, so ist diese doch nicht allzu hoch anzuschlagen.
Hat man nach wochen- oder monatelang fortgesetztem Gebrauch
!) Zeitschr. f. Urologie 1908.
Zeitschrift für Urologie. 1913. 09
834 Max Roth und Theodor Mayer, Welchen Wert haben die Balsamica? usw.
bei Gonorrhoea posterior den Ausfluß beseitigt und den Harn ge-
klärt, so erlebt man nach dem Aussetzen des Mittels meistens Re-
zidive — ganz gleich, welches der Präparate zur Verwendung
gelangte. In solchen Fällen ist es uns oft gelungen, mit wenigen
Harnröhrenspülungen den Patienten dauernd zu heilen.
Andererseits haben wir selbst in den Fällen von Posterior, die
anscheinend rezidivfrei waren, sehr oft reichliche Eitermengen im
Prostatasekret gefunden.
Bedenkt man diese Tatsachen, so ist es unverständlich, wenn
heutzutage noch der ausschließlichen internen Gonorrhöbehandlung
von einzelnen Autoren das Wort geredet wird. Wenn auch un-
leugbar eine günstige Einwirkung auf den Verlauf der Urethritis
gonorrhoica posterior existiert, so kann doch von einer eigentlichen
Heilwirkung nicht die Rede sein.
Die Ergebnisse unserer Untersuchungen fassen wir in folgen-
den Sätzen zusammen:
I. Die Balsamica sind bei der Gonorrh. ant. wirkungslos, ins
besondere wirken sie nicht bakterizid auf die Gonokokken; auch
das Arhovin macht keine Ausnahme von dieser Regel.
Il. Die Nebenwirkungen des Ol. Santal. ostind. sind über-
trieben, kommen in etwa 15°, der Fälle vor; sie treten ebenso ft
nach Gonosan, nicht viel seltener nach Arhovin und Thyresol auf,
dagegen erheblich geringer nach Santyl, Kamphosan, Allosan.
III. Die Balsamica können nicht das Auftreten von Kompli-
kationen verhindern.
IV. Erektionen und Pollutionen werden nicht durch die Bal-
samica beeinflußt.
V, Die Balsamica wirken lindernd auf den Harndrang, und
zwar Santvl, Kamphosan, Gonosan ebenso stark wie Ol. Santal. die
anderen erheblich schwächer.
VI. Die objektive Beeinflussung des Krankheitsverlaufes, ge
messen an dem Klarwerden des Urins, geschieht am stärksten dureh
Ol. Santal. Iım am nächsten kommen Santyl, Kamphosan, Gonosan.
VII. Demnach ist das Ol. Santal. in jeder Beziehung das wir-
kungsvollste Balsamnieum.
Ein Ersatz für Ol. Santal. ist nur in Fällen von stärkeren
VII.
Nebenwirkungen nötig. Als soleher kommt in Betracht Santsl.
Kamphosan.
IX. Dauernde Heilwirkung auf die Gonorrhoea post. hat kein
Balsamieum.
Literaturbericht.
L Nieren und Harnleiter.
a) Nierentuberkulose.
Drei Fälle von Kombination von Tuberkulose und Stein-
krankheit der Niere demonstrierte R. Th. Schwarzwald in der Wiener
Gesellschaft der Ärzte, den 27. Juni 1913. (Wiener klin. Wochenschrift 1913,
Nr. 27.)
Es handelt sich um ein sebr seltenes Zusammentreffen. Welche
Erkrankung die primäre war, läßt sich in Sch.s Fällen nicht mit Sicher-
heit entscheiden, doch sprechen die Anzeichen bei zweien mehr für pri-
märe Steinbildung. von Hofmann-Wien.
Möthode nouvelle de diagnostic de la tuberculose rönale.
Von Leo Buerger-New York. (Journal d’Urologie 1913, Tome III, No. 4.)
In einem Falle, der auf Nierentuberkulose verdächtig war, da Harn-
beschwerden und palpable Nierenvergrößerung vorlag, war der Urin stets
klar und steril. Bei der Cystoskopie ergab sich ein leichtes Ödem der
linken Seite des Trigonums und des linken Uretorostiums. Der Ureter-
katheter konnte wegen dieses Ödems nicht eingeführt werden; wahr-
scheinlich floB infolge des Ödems auch kein Urin aus dem linken Ureter
in die Blase. Buerger entfernte vermittelst der Zange seines Opera-
tionscystoskops einige Stückchen dos ödematösen Gewebes und fand bei
der histologischen Untersuchung in der submukösen Schicht zahlreiche
miliare Tuberkel. Hierdurch war die Diagnose „Tuberkulose der linken
Niere“ sichergestellt. Die Nephrektomie förderte eine unzweifelhaft tuber-
kulöse Niere zutage. Es handelte sich um ein Frühstadıum der Erkran-
kung: reichliche Miliartuberkel mit beginnendem käsigen Zerfall; Nieren-
becken und Ureter zeigten nur ganz vereinzelte Tuberkel. Es ist
bemerkenswert, daß dieses Frühstadium der Nierentuberkulose zur Mit-
erkrankung des Ureterostiums geführt hat und durch Untersuchung der
Schleimhaut des Ostiums diagnostiziert werden konnte.
Dies Verhalten steht nicht vereinzelt da. Das Verfahren, verdäch-
tise Blasenschleimhaut histologisch zu untersuchen, empfiehlt sich für
alle Fälle, in welchen der Verdacht auf Nierentuberkulose vorliegt, ohne
daß der Nachweis der Tuberkelbazillen im Urin gelingt.
A. Citron- Berlin.
De la précocité du diagnostic et de l'intervention dans la tuber-
culose rénale. Von Louis Bazy. (Journ. W’Urol., Tome Ill, No. 8, 1913.)
Verf. legt großen Wert auf die von seinem Vater Pierre Bazy be-
gründete Symptomatologie der beginnenden Nierentuberkulose. Nächtliche
Pollakiurie und Ausscheidung eines Urins, welcher, ohne trübe zu sein,
55 *
8.30 Nieren und Harnleiter.
seinen normalen Glanz verloren hat, sind Erscheinungen, welche sehr für
Nierentuberkulose sprechen. Bei einer 27 jährigen Lehrerin. welche nach
einer langen Radeltour Blut uriniert hatte, bestanden diese Symptome,
und da die Patientin während der Hämaturie in der rechten Seite kolık-
artige Schmerzen verspürt hatte, war auch die erkrankte Seite gegeben.
Die cy-toskopische Untersuchung ergab entzündliche Erscheinungen in
der Nähe des rechten Ureters, und der Urin der rechten Niere, ron
Cuvillier untersucht, enthielt Eiter sowie Kochsche Bazillen, der Urin
der linken Niere, gleichfalls von Herrn Cuvillier bakteriologisch unter-
sucht, enthielt keinen Eiter und keine Kochschen Bazillen. — Die
Nephrektomie förderte eine Niere zutage, welche nur eine linsengrote
Ulzeration enthielt. — B. bedauert, keine funktionelle Untersuchung vor
der Operation vorgenommen zu haben, da es von Interesse gewesen wäre
festzustellen, ob diese geringe Läsion imstande war, Funktionsstörungen
hervorzurufen. Wenn man nicht wübte, dab nur die Nephrektomie alleın
das unablässige Weiterschreiten der Tuberkulose aufzuhalten vermag,
mübte man fast bedauern, ein so wenig erkranktes Organ entfernt zu
haben. Indessen tröstet das Bewußtsein, der Patientin durch diesen
frühzeitigen Eingrifi die besten Bedingungen für eine dauernde Heilung
verschafft zu haben. A. Citron-Berlin.
b) Nierencysten und Cystennieren.
Kyste hydatique du rein gauche. Nephrectomie, guerison.
Von Diamantis-Kairo. (Journal d'Urologie, Tome IIl, No. 2, 1913.:
Ein 52jähriger griechischer Kupferschmied entleerte mit dem Urin
nach heftigen Schmerzen in der linken Lendengegend zahlreiche Hyda-
tiden. Anamnestisch wurde festgestellt, daB ein schlecht gepflegter Jagd-
bund zeitweise bei ihm im Hause untergebracht war. Ein Nierentumor
konnte nicht gefühlt werden, jedoch löste die Palpation der linken Nieren-
gegend eine défense musculaire aus. Die experimentelle Polyurie gal
rechts ein ausreichendes funktionelles Ergebnis, während die linke Niere
zurückblieb. Nach anfänglicher Ablehnung gestattete Patient die Nephrek-
tomie. Der äußere Rand der Niere setzte sich in einem kindskopfgroben
Eehinokokkensack fest, welcher überall adhärierte. Das Peritoneum oU bei
der Entwicklung des oberen Pols ein und mußte genäht werden. He-
lung per secundam in 6 Wochen. Aus dem Präparat ergab sich. dab
die Hydatideneyste ausgegangen war vom unteren Nierenpole und sich
dann ins Nierenbecken weiter entwickelt hatte. Ein Teil der Sackwand
war verkalkt und das Nierenparenehym stark reduziert. Eine operative
Enukleation der Cyste wäre unmöglich gewesen. A. Citron-Berlin.
A case of congenital cystic disease'of the kidneys. Von H.
Graves. (Brit. Med. Journ. 1913, June 28.)
Der 5jährige Knabe wurde in komatösem Zustande ins Spital ein-
geliofert und starb am nächsten Tage. Bei der Sektion boten beide
Nieren das Bild der kongenitalen Cystenniere, Der Patient hatte, ob-
gleich die Nierenveränderungen schwere waren, bis kurz vor seinen
Tode keine Krankbeitserscheinungen gezeigt. von Hofmann-Wien.
Nieren und Harnleiter. 837
c) Nephritis und Aibuminurle.
L’hypertrophie localisée du cœur gauche révélée par l’ortho-
radioscopie au début de l’hypertension rénale. Von F, Widal uud
G. Raulot-Lapeinte. (Journal d'Urologie 1913, Tome III, No. 4.)
Der linke Ventrikel erleidet im Verlaufe gewisser Nephritiden eine
frühzeitige Veränderung, welche schon vor ihrer klinischen Nachweisbar-
keit durch die Radioskopie erkannt und durch die Orthoradioskopie go-
messen werden kann.
Diese charakteristische Veränderung des Herzens besteht in einer
Vorwölbung der mittleren Partie des linken Ventrikels. Sie geht der
Senkung des Spitzenstoßes vorauf und bildet das erste Glied in der
Kette der morphologischen Herzerkrankungen, welche im Laufe von
Nierenaffektionen mit arterieller Blutdrucksteigerung beobachtet werden.
A. Citron- Berlin.
Über die Beziehungen zwischen anhaltender Blutdruckstei-
gerung und Nierenerkrankung. Von J. Fischer-Bad Nauheim. (Deutsches
Archiv £. klin. Medizin, Bd. 109, Heft 5 u. 6.)
Die klinische und anatomische Verwertung von 550 Fällen mit
dauernder Blutdrucksteigerung ergab, daB unter den Patienten mit einem
dauernden Druck über 140 mm Hg 62”/, eine sichere Nierenschädigung
aufwiesen. Unter den Patienten mit einem dauernden Druck von 160 und
mehr mm Hg dagegen war in 80°/, der Fälle eine sichere Nierenschä-
digung nachzuweisen. Nur in 3,6°/, der letzten Klasse bestand kein An-
halt für Nierenerkrankung. Die anatomische Untersuchung ergab unter
42 obduzierten Fällen von dauernder Hypertension in 28 Fällen, welche
klinisch sichere Nierenschädigung aufwiesen, auch eine anatomische, die
jedoch nicht immer entsprechend schwer und ausgedehnt war. In 14 Fällen,
in welchen die klinische Diagnose der Nierenschädigung zweifelhaft war,
fand sich 7mal ausgedehnte Nierenschädigung, 7mal dagegen nur fleck-
weise. In keinem einzigen obduzierten Falle vun dauernder Hypertension
fehlten anatomische Veränderungen an den Nieren im Sinne einer fort-
schreitenden Erkrankung resp. Nephritis. Auch da, wo klinisch keine
Anzeichen für Nephritis bestanden, fehlten sie nicht. Mehrfach wurde
makroskopisch zunächst Stauungsniere angenommen und idiopathische
Herzhypertrophie diagnostiziert, während die nachträgliche genaue ana-
tomisch-mikroskopische Untersuchung das Vorhandensein von ausgeprägten
Nierenschädigungen nachwies, Zuelzer-Berlin.
Über den Blutdruck bei Nierenerkrankungen. Von A. Horner.
(Wiener med. Wochenschr. 1913, Nr. 24.)
Bei der interstitiellen Nephritis, sowie den chronischen Formen, die
in Schrumpfung ausgehen, kommt es zu Steigerung des Blutdrucks, bei
den parenchymatösen Nierenentzündungen in der Regel nur im sub-
urämischen Stadium. von Hofmann-Wien.
838 Nieren und Haroleiter.
Über die Störungen bei der durch Arteriosklerose der Nieren-
arterien bedingten Schrumpfniere und deren Behandlung. Von
Prof. Dr. Felix Hirschfeld- Berlin. (Medizin. Klinik 1913, Nr. 17.)
Die Ergebnisse seiner Arbeit faßt H. ın folgenden Sätzen zusammen:
Auch durch die Veröffentlichungen der letzten Jahre ist die Anschauung,
die arteriosklerotische Schrumpfniere stelle ein durch besondere Bösartig-
keit charakterisiertes Krankheitsbild dar, nicht bestätigt worden. Kli-
nisch kennzeichnet sich die nach Arteriosklerose der Nierenarterien auf.
tretende Schrumpfung der Nieren ebenso wie die im Greisenalter sich
findende Atrophie nur durch eine geringe Urinausscheidung und einzelne
Störungen, die zumeist auf Arteriosklerose der Hirnarterien geschoben
werden. Eine beträchtliche Herabsetzung der Eiweißzufuhr und vor-
wiegende Verwendung von Hafer und Reis und etwas stärkere Heran-
ziehung der Fette zur Ernährung vormag diese Beschwerden zu besei-
tiren und eine Konzentration des Harnes herbeizuführen, so daß dieser
in seiner Zusammensetzung wieder mehr dem von jüngeren Personen
entleerten entspricht. Die günstige Wirkung der nach v. Noordens
Vorschlag Zuckerkranken verabreichten fetten Hafersuppen erklärt sich
bei greisen Patienten zum Teil wenigstens ebenfalls durch Verdrängung der
eiweibhaltigen Nahrungsmittel aus der Kost, da bei Diabetikern die durch
Arteriosklerose der Gefüße oder das Greisenalter veränderten Nieren
einer besonderen Belastung unterworfen sind. Kr.
Chronic nephritis with special reference to anemia. Von
G. Parker- Burin North. (New York Medical Journal 3. 8. 1913,
Parker beschreibt folgenden Fall: Ein 4ljähriger Mann erkrankte
an Nephritis und zugleich an Nasenbluten. Das Nasenbluten kehrte alle
9 Monato, bisweilen auch schon nach 6 Wochen wieder, war ziemlich
stark und dauerte mehrere Stunden; durch Druck und Heibwasser-
spülungen war es immer zum Stillstand gekommen. 3 Jahre nach Begim
der Erkrankung, die Nephritis hatte zeitweise zu außerordentlich groben
Ödemen geführt, wurden 2 Zähne wegen Schmerzen gezogen. Ú Tage
lang bluteten die Zahnlôcher bis zur völligen Erschöpfung des Patienten.
Als der Autor gerufen wurde, fand er ıın äußerst anämisch, sehr schwach
und den Mund mit Blutklumpen gefüllt. Nach Morphiuminjektion wurde
jedes Zahnloeh mit in Adrenalin getauchter Watte ausgestopft und ein
Korkstück über die Wattepfropfen zwischen die Kiefer gelegt. Die
Wattepfropfen wurden nach 5 Minuten gewechselt, außerdem Ergotin und
Calcium Jacticum gegeben. Es gelang, die Blutung zu stillen. Am
nächsten Tage begann sie durch unvorsichtiges Reinigen des Patienten
von neuem, so dab die gleiche Behandlung wieder aufgenommen wurde.
Zwei Tage später trat in Abwesenheit des Arztes von neuem die Zahn
blutung auf und zu gleicher Zeit Krämpfe, woran der Patient starb.
Da weder in der Familie des Erkrankten noch bei diesem selbst
irgendwelche Zeichen von Bluterkrankheit vorhanden waren, nimmt der
Autor an, daß es lediglich die Nephritis ist, welche die Blutgefäße ver
änderte und die Gerinnungsfähiekeit des Blutes herabsetzte.
N. Mey er-Wildungen.
N!
A
Nieren und Harnleiter. 839
Über alimentäre Lävulosurie bei chronischen Nephritiden
und über den Zusammenhang zwischen der Funktionsstörung
der Niere und der Leber. Von M. Franke-Lemberg. (Wiener klin.
Wochenschr. 1913, Nr. 28.)
Verf. hat 14 Fälle chronischer und 2 subakuter Nephritis auf ali-
mentäre Lävulosurie untersucht und bei den ersteren 9 mal alımentäre
Lävulosurie beobachtet. Die weiteren Versuche ergaben, daß diese ali-
mentäre Lävulosurie durch Störungen in der Funktion der Leber bedingt
ist. Derartige Funktionsstörungen der Leber finden sich in den Fällen,
wo die Entzündung vor allem das Nierenparenchym ergriffen hat.
von Hofmann-Wien.
Zur Frage des Konzentriervermögens der Niere beim Diabetes
insipidus. Von Forschbach-Ereslau. (Zeitschrift für klin. Medizin, Bd. 77,
Heft 3 u, 4.)
Verf. hatte es in einer früheren Arbeit als nicht erwiesen betrachtet,
daß die Niere des Diabeteskranken in bezug auf die relative Konzentrier-
fähigkeit für Kochsalz weniger leistet als die normale, und deshalb die
Möglichkeit diskutiert, daß der Diabetes insipidus im wesentlichen in
einer Mehrausscheidung von Wasser bestehe, zu der die absolut niedrige
Konzentrationsgröße für Kochsalz nach Kochsalzzufuhr nur eine selbstver-
ständliche Erscheinung darstellt. In zwei neuen Fällen, bei denen die
Kochsalz-, Phosphat- und Stickstoff-Analysen durchgeführt und die Ge-
frierpunktserniedrigung und die elektrische Leitfähigkeit bestimmt wurde,
konnte er zeigen, daß man die Niere des Wasserdiabetikers auch ohne
irgendeine pharmakodynamische Einwirkung gleichzeitig zu nennenswerter
Konzentration von Kochsalz, Phosphat und Stickstoff zwingen kann und
daß die Zunahme der Konzentration dieser Stoffe von einer entsprechen-
den Aufwärtsbewegung des 4 begleitet ist. Die einzelnen Versuche bei
Trinkfreiheit und Trinkbeschränkung unter Zugabe von NaCl und Na,PO,
4
und U bewiesen, daß die primäre Störung beim Diabetes insipidus einzig
und allein in einer pathologischen Wasserflut zu bestehen brauchte. Es
konnten ganz nennenswerte Konzentrationsleistungen erzielt werden.
Zuelzer- Berlin.
Über die Beziehungen zwischen Harnazidität und Albumin-
urie. Von C. v. Noorden. (Deutsches Archiv f. klin. Medizin, Band 107,
Heft 2 u. 3.)
N. hat schon lange auf die Beziehungen zwischen Alkali und Albu-
minurie hingewiesen. Dieselbe kann schwinden, solange der Harn durch
Natronbikarbonat alkalisch gehalten wird. Meist handelt es sich um
Kranke mit harnsaurer Diathese, also abnorm hoher Harnazidität.
Durch reine Alkalizufuhr kann auch bei bypertonischer Nephritis
der Blutdruck erheblich und dauernd absinken. Anderseits können aber
auch durch die Alkalizufuhr Ödeme, die sonst nicht vorhanden, auftreten,
weshalb ärztliche Kontrolle notwendig. Zuelzer-Berlin.
840 Nieren und Harnleiter.
Über die Polyurie bei subakuter Nephritis. \on G. Baehr.
(Deutsches Archiv f. klin. Medizin, Band 109, Heft 5 u. 6.)
Bezürlich des Zustandekommens der Polyurie bei subakuter Nephritis
besteht noch kleine Klarheit. Sie kann abhängig sein l. von einer
Schädigung der Nierenepithelien, 2. von einer Schädigung der Glomeruli
oder der (sefäße. 3. von einer außerhalb der Nieren gelegenen Reizbil-
dung durch Stoffwechselstörungen oder dergleichen. B.s Versuche beab-
sichtigten, das Zustandekommen der von Pohl beschriebenen morpho-
logischen Veränderungen (Nekrobiose der Epithelien der gewundenen
Kanälchen und der Tubuli des Markes, so daß die Tunica propria frei
liegt) nachzuprüfen, um wenigstens deren Beziehung zu der Entstehung
der Polyurie beurteilen zu können. In Übereinstimmung mit Pohl fand
er bei uranvergifteten Kaninchen eine kurze Pause von Oligurie oder eine
Periode von Ausscheidung normaler Harnmengen, hierauf eine zeitlich
beschränkte Periode von Polyurie mit fortschreitender Gewichtsabnahme,
Verweigerung der Nahrungsaufnahme, manchmal Tod in vollkommen
atreptischem Zustand bei dauernd erhaltener Harnsekretion.
Der Exitus erfolgt aber nicht in allen Fällen im Stadium der Polyurie,
sondern es hängt dies mit der Empfindlichkeit des betreffenden Tieres
zusammen. Bei weniger empfindlichen Tieren geht die Polyurie in eine
einige Tage anhaltende Oligurie über, und das Tier erholt sich dann
vollständig. Daß die Tiere nicht an der Polyurie, sondern aus andern
Gründen sterben, geht auch daraus hervor, daß der Tod bald im Anfang
der Polyurie, bald später eintritt. .
Bei der subakuten Urannephritis bestehen so viele Widersprüche
zwischen den Ausscheidungsvorgüngen und den Nierenvoränderungen,
daß letztere ao lange nicht für die veränderte Ausscheidung verantwort-
lich gemacht werden dürfen, solange es nicht ausgeschlossen ist, dab
direkt durch die Uranvergiftung eine schwere Schädigung des Gesant-
stoffwechsels verursacht wird, die als weitere Folge eine Mehrarbeit der
Niere in ibren verschiedenen Systemen — je nach dem angebotenen
Material — bedingt. Zuelzer- Berlin.
Beiträge zur Lehre von der orthostatischen Albuminurie.
Von Gomolitsky. (Zeitschr. f. klin. Med., Bd. 77, Heft 1 u. 2)
Bei seinen Untersuchungen befaßt sich G. damit, ob eine trauma-
tische Einwirkung, Valpation, Kompression, Vibration, Faradisation usw.
Albuminurie hervorrufen kann. An 35 Kranken mit Nephroptose wur-
den diese Untersuchungen ausgeführt. In 27 Fällen trat kein Eiweiß
auf, resp. wurde die Eiweibmenge nicht größer, in 8 Fällen trat Eiweid
auf, in Spuren bis zu Ü0,3°/. Jedenfalls ist die renpalpatorische Al-
buminurie keine beständige Erscheinung. Das Eiweißquantum erwies
sich als mit dem Nierenzustand in keiner Beziehung stehend. Die größten
Eiweißmengen wurden bei gesunden Nieren gefunden.
Die orthostatische Albuminurie wurde einmal bei Scharlachkranken,
weiter bei orthostatischen Albuminurikern, drittens bei Nephritikern,
viertens bei Kranken mit Rückenkrümmung und endlich im Tierexperi-
ment studiert. Aus allen diesen Beobachtungen ergibt sich, daß, um die
Nieren und Harnleiter. 811
Albuminurie auszulösen, ganz besondere Bedingungen erforderlich sind.
Vor allem eine günstige Anlage, d. h. die funktionelle Minderwertigkeit
der Niere, ganz gleich, ob dieselbe hereditärer Abkunft oder die Folge
irgendwelcher anderen eine Entkräftung des Organismus hervorrufenden
Ursachen, wie z. B. der Infektion, der Periode des intensivsten Körper-
wachstums, ist. Bei derartiger Disposition wurde in einigen Fällen durch
Einhalten der unbeweglichen vertikalen Körperstellung Albuminurie her-
vorgerufen, die nach Anlegen einer breiten festen Bandage verschwand.
Die Theorie von Jehle, welcher die orthostatische Albuminurie durch
Lendenlordose zu erklären sucht, könnte kaum Anwendung finden. Bei
älteren Personen eine Lendenlordose infolge von Muskelschwäche, nach
einer leichten kurzdauernden Infektion als Ursache der orthostatischen
Albuminurie heranzuziehen, scheint bedenklich. Mit größerem Rechte
wäre hier die Voraussetzung einer Nierenschädigung durch toxische
Elemente als disponierendes Moment (nicht ausgeschlossen sind auch
gleichzeitig andere Ursachen) und einer zeitweiligen funktionellen Minder-
wertigkeit der Niere bei vertikaler Haltung, die größere Ansprüche an
die Nerven- und Muskelenergie macht, zuzugeben. Obgleich die Be-
deutung von Stauungserscheinungen in den Venen, welche Jehle als
Ursache der Albuminurie und als Folge einer lordotischen Krümmung
der Lendenwirbelsäule ansieht, von ihm durch eine Reihe geistreicher
Experimente bekräftigt worden ist, glaubt Verf. doch, daß die Frage
von der Beziehung der Ikendenlordose zur Niere, ihrer Lage und der
sie umgebenden Nerven und Gcefäbbündel noch lange nicht erschöpft ist.
Zuelzer- Berlin.
Beitrag zur sogenannten „Marschhämoglobinurie“. VonL.Jehle.
(Wiener klin. Wochenschrift, Nr. 9. 1913.)
l. Bei der 8jährigen Patientin traten seit ihrem zweiten Lebens-
Jahre Anfälle von Hämoglobinurie auf, welche, wie die genauere Unter-
suchung ergab, nicht durch Einwirkung von Kälte, wohl aber durch Lor-
dosierung hervorgerufen wurden. 2. Bei einem an paroxysmaler Hämo-
globinurie leidenden 101’, jährigen Knaben konnte nach Lordosieren zwar
keine Hämoglobinurie, wohl aber eine starke Albuminurie beobachtet
werden. von Hofmann-Wien.
Aktive Exspiration bei Nephritiden. Von H. Barrenschen.
(Zeitschrift f. klin. Med., Bd. 77, Heft 3 u. 4.)
Barrenschen hat verschiedene Nephritiden daraufhin untersucht,
ob bei ihnen eine aktive Exspiration, eine Störung des Atemtypus, welche
Hofbauer beschrieben hatte und welche pneumographisch nachweisbar
ist, auftritt. Die Absicht war, festzustellen, ob diese aktive Exspiration
sämtlichen funktionellen Typen gemeinsam ist. Von 8 Fällen fand B.
dieselbe in zweien, und zwar gerade bei solchen, welche mehr minder
ausgesprochene urämische Symptome zeigten, während in den rein vas-
kulären Formen diese Atemstörung vermißt wurde. Es liegt nahe, an
einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Urämie und der aktiven
Exspiration zu denken. In diesem Falle wäre die letztere bei Nephri-
842 Nieren und Harnleiter.
tiden ein Ausdruck der berventilation, bedingt durch die Überladung
des Blutes mit sauren Stoflwechselprodukten, wie man ähnlich aktive
Exspiration im diahbetischen Koma und bei Herzfehlern findet.
Zuelzer- Berlin.
Weitere Erfahrungen über luetische und postluetische Er-
krankungen der Niere. Von R. Bauer und P. Habetin. (Wiener klin.
Wochenschr. 1913, Nr. 27.)
Die Verf. berichten über sechs Fülle von postluetischer Nieren.
erkrankung, von denen drei durch relativ gutartigen, jahrelangen Verlauf
und starke Albuminurie und Polyurie charakterisiert waren. Bei den
drei anderen kam es zu schwerer akuter Nephritis. In allen diesen
Füllen war die Wassermannsche Reaktion im Serum sehr ausgeprägt und
auch im Harn unter fünf untersuchten Fällen dreimal positiv. In zwei
weiteren Füllen handelte es sich um Nephritis bei Luetikern. In einem
der Fälle von postluctischer Nephritis konnte die Obduktion vorgenommen
werden. Es zeigte sich der Befund einer Amyloidnephritis im Stadium
vorgeschrittener Schrumpfung. Spirochäten konnten nicht nachgewiesen
werden, was auf einen toxischen Charakter des Leidens hinweist. Die
Erfolue einer spezifischen Behandlung (Salvarsan, Quecksilber) waren
keine einheitlichen. von Hofmann-Wien.
Über die entgiftende Tätigkeit der Parathyreoidea bei der Ne-
phritis. Von M. Georgopulos-Athen. (Zeitschrift f. klin. Medizin, Bd. ib,
Heft 3 u 4)
OG hat bei Kanınchen durch Urannitrat eine akute Nierenentzündung
hervorgerufen und dann untersucht, wie dieselbe durch die Überfunktion
der Epithelkörperchen beeintlußbt würde. Letztere wurde durch die Er-
stirpation der Schilddrüse bewirkt. Denn die Ausschaltung der auf die
Parathvreuidea antagonistisch wirkenden Schilddrüse erhöht die Funktion
der ersteren. Es zeigte sich, dab die thyreopriven Kaninchen länger als
die normalen lebten. Da aber die Nierenveränderung bei beiden gleich
war, erklärt G. die längere Lebensdauer der thyreopriven Kaninchen so,
daß die Schilddrüsenexstirpation die Wirkung der durch die Nieren-
schädigung im Organismus angehäuften schädlichen Stoffe hemmt. G.
kommt durch weitere Versuche zu dem Resultat, daß die Hemmung nicht
direkt von der Ausschaltung der Schilddrüse, sondern von der durch diesen
Eingriff bedingten Steigerung der FEpithelkörperchen-Tätigkeit herrührt.
Zuelzer- Berlin.
Über Kombinationswirkung von Medikamenten bei der Be-
handlung der Herz- und Nierenwassersucht. Von Prof. Dr. H.Straub-
Berlin, (Therapeut. Monatshefte, März 1013.) |
Vert, will die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf die zielhewubte
Kombination einer größeren Reihe von Herztonicis und Diureticis für
die Behandlung der Herz- und Nierenwassersucht in solehen Fällen lenken.
in welchen einfache Kombinationen versagt haben. Er tut dies auf
Grund von Erfahrungen, die er seit mehr als 15 Jahren gesammelt hat.
Stat
zt
=.
Nieren und Harnleiter. 843
indem er zahlreiche Patienten, bei welchen einfache Mischungen, wie
Digitalis-Diuretin oder Digitalis-Kalomel, versagt hatten, durch die gleich-
zeitige Anwendung der Kombination einer ganzen Reihe von Herztonicis
und Diureticis in effektvollerer Weise entwässern konnte, als es ihm mit
einfachen Mischungen möglich war. In früheren Jahren hat Verf. zu
diesem Zwecke meist folgende Kombination gebraucht: Rp. Inf. e fol.
Digit. titr. 1,0, Bulb. Scillae 5,0, cum aq. dest.; adde: Diuretin 10,0,
Tet. Strophanti 3,0, Spartein. sulf. 0,1, Sir. Juniperi ad 180,0. MDS.
4mal tägl. 1 Eßl. In den letzten Jahren hat Verf. in der Mixtura
composita bzw. antihydropica (wie er sie nennt) das schwer lösliche Diu-
retin durch das leicht lösliche Euphyllin (2,5 g) ersetzt. Er ließ die
genannte Mixtur meist auf vollen Magen geben, da sie bei längerem
Gebrauch nicht ganz selten Dyspepsien erzeugt. In denjenigen Fällen,
in welchen von vornherein eine Dyspepsie bestand, hat Verf. die rektale
Darreichung angewandt, und zwar in folgender Form: Rp. Inf. e fol.
Digit. titr. 1,0, Bulb. Scill. 5,0, c. aq. dest. 150,0; Euphyllin, Tet. Stro-
pbanti aa 2,5, Spartein. sulf. 0,1, Tet. Opii simpl. 1,0, Mucilag. Gummi
arab. ad 180,0. MDS. 2mal tägl. 2 Eßl. als Klysma. — Zahlreiche Ke,
fahrungen haben in Verf. den Eindruck erweckt, daß wir es bei der
Anwendung der hier genannten Gemische nicht mit einer bloßen Additions-
wirkung zu tun haben, sondern mit einem Effekt, welcher die einfache
Summationswirkung der einzelnen zur Anwendung gelangenden Substanzen
erheblich übersteigt. Die hier besprochene Mischung hat an sich die
Eigenschaft, die für die Entwässerung so wichtige Kochsalzausscheidung
zu steigern. Verf. hat den Wert der hier genannten Mischungen für die
Hydropsienbehandlung derart schätzen gelernt, daß er schon seit vielen
Jahren erst dann zu einer Punktionsd 'ainage schreitet, wenn er sich von
der Unwirksamkeit der hier genannten Entwässerungsgemische über-
zeugt hat. Kr.
The influence of Marienbad Sulphate water on albuminuria.
Von M. Porges. (Brit. Med. Journ. 1913, June 21.)
P. konstatiert die Tatsache, daß sich bei einem groben Prozentsatze
der an Plethora, Gicht oder Arthritis leidenden Patienten Albuminurie
und Zylindrurie finden, welche durch Marienbader Kuren günstig beein-
flußt werden. von Hofmann- Wien.
Brightsche Krankheit. Zweimalige Edebohlssche Operation.
Basedow-Symptome zum Schlusse des Lebens. Von A. Pulawski.
Warschau. (Wiener med. Wochenschr. Nr. 3. 1913.)
Bei der 43jährigen Patientin, welche schon seit längeren Jahren
an Nephritis litt, war vor 3 Jahren die Entkapselung der rechten Niere
mit insoweit gutem Erfolge vorgenommen worden, als die urämischen
Symptome schwanden und auch die Ödeme und die Albuminurie zurück-
gingen. Dreivierte) Jahre nach der Operation verschlechterte sich der
Zustand der Patientin wieder wesentlich, so daß man zur Dekapsulation
der linken Niere schritt, welche auch diesmal von gutem Erfolge be-
gleitet war. Nach zwei Jahren kam die Patientin wieder mit urämischen
514 Nieren und Harnleiter.
Erscheinungen ins Spital, außerdem entwickelte sich ein Basedow-ähn-
liches Krankheitsbild, und die Patientin starb acht Monate nach der Aur.
nahme. Nie Sektion ergab neben Morbus Brightii eine mäßige Struma,
von Hofmann- Wien.
d) Urämie.
Der gegenwärtige Standpunkt der Urämiefrage. Von Dr. Ru-
dolf Philipp, Sekundärarzt der Medizin. Universitätsklinik R. v. Jaksch ıu
Prag. (Prager Medizin. Wochenschr. 1913, Nr. 16.)
Wenn man die Arbeiten überblickt, welche sich damit befassen, die
urämische Toxikose, wie R. v. Jaksch die Urämie benannt hat, tu
logisch zu erklären, so findet man, dab zwei Anschanungsrichtungen be-
stehen, durch welche die Autoren das Wesen der Urämie zu erklären
suchen. Die einen suchen nachzuweisen, daß beim Ausbruch der uri-
mischen Erscheinungen Stoffe im Blute vermehrt sind, die auch normaler-
weise im Körper gebildet werden, jedoch vom gesunden Organismus
durch die Nieren zur Ausscheidung gelangen, und sie nehmen die Ver
mehrung dieser Stoffe im Blute oder auch nur die Vermehrung eins
dieser Stofle als auslösendes Moment für die Urämie an. Die andern
wieder suchen nach Giften, die normalerweise im Körper nicht entstehen.
sondern von der kranken Niere gebildet werden, und sie suchen diese
für den Ausbruch der Urämie verantwortlich zu machen. Was die
ersteren betrifit, so suchten sie die Vermehrung der harnfähigen Sub-
stanzen auf verschiedene Art nachzuweisen. Sie gingen einmal von der
Idee aus, daß in einer Lösung, sobald man die Summe der gelösten
Stoffe vergrößert, der osmotische Druck erhöht wird, was sich durch
eine Erniedrirung des Gefrierpunktes kundgibt. Man suchte daher die
Retention harnfähiger Substanzen durch Ermittelung des Gefrierpunktes
zu bestimmen. Andere wieder glaubten, daß durch die Retention der
harnfähigen Stoffe die Reaktion des Blutes, also die Alkaleszenz, eine
Änderung erfahre, und suchten hierin den Grund für den Ausbruch der
Urämie zu finden. Endlich suchte man auch durch die Bestimmung
einzelner harnfähiger Substanzen im Blute eine Vermehrung der einen
oder der anderen nachzuweisen und man machte sie dann für den Aus
bruch der Urämie verantwortlich. In dieser Hinsicht schrieb man dem
Harnstoff, später auch dem gesamten Reststickstoff eine große Bedeutung
zu. Verf. beschäftigt sich nun mit den einzelnen Punkten näher, wie
sie die Literatur bietet. Kr.
Auffallende Erscheinungen bei einem Falle von Urämie. Vun
Engelen-Düsseldorf. (Deutsche med. Wochenschr. 1913, Nr. 21.)
Eine 38 jährige Patientin wurde ins Krankenhaus mit den Zeichen
einer frischen Apoplexie, die eine Lähmung der rechten Körperhälfte
herbeigeführt hatte, unter urämischen Erscheinungen eingeliefert. Anv
mnestisch ließ sich eine seit 5 Jahren bestehende chronische Nephritis
und das Überstehen von drei Tage lang währenden hysterischen Krämpfen
zwei ‚Jahre zuvor feststellen.
Die Patientin bot bei ihrer Aufnahme ins Krankenhaus die Zeichen
eg
Nieren und Harnleiter. 845
von Urämie, sie war stark benommen, reagierte aber noch auf starke
Reize. Am auffallendsten waren klonische Krämpfe der linken Seite,
die aber einen deutlich hysterischen Charakter aufwiesen; diese Krämpfe
verstärkten sich in Gegenwart dritter Personen und ließen sich durch
Suggestion unterdrücken. Nach kurzer Zeit trat Coma ein, die Krämpfe
verloren ihren willkürlichen Charakter, ließen sich nicht mehr suggestiv
beeinflussen und hörten schließlich ganz auf.
Die Patientin war erblich nicht belastet, bot keinerlei Anzeichen
von Hysterie, bis auf die zwei Jahre zurückliegenden Krämpfe, die wohl
toxämischer Natur gewesen sein müssen. Ahnlich sind wohl die Krämpfe
kurz vor dem Tode zu deuten. Bei Urämie kommen bekanntlich Psychosen
vor, ebenso ist es bekannt, daß toxische Einflüsse auch Hysterie hervor-
rufen können; Engelen hat selber einen Fall von Hysterie gerade bei
einem Patienten mit chronischer Bleivergiftung beschrieben.
Ludwig Manasse- Borlin.
e) Hýdronephrose.
Über die Bedeutung der anormalen Nierengefäße für die Ent-
etehung und Entwicklung der Hydronephrose. Von Prof. J. Bore-
linus-Lund. (Folia urologica, Bd. VII, Nr. 10, Juni 1913.)
Anormale Nierengefäße, die in den unteren Teil des Nierenhilus
eintreten, können nach Verf. für die Entwicklung einer Hydronephrose
von Bedeutung werden, wenn sie vor dem Ureter gegen den hinteren
Rınd des Hilus, oder wenn sie hinter dem Ureter gegen den vor-
deren Rand des Hilus ziehen (Ekehornsche Regel). Neuere Beob-
achtungen deuten darauf hin, daß anormale Nierengefäße dieser Art oft
beı Hydronephrose vorkommen und demnach wahrscheinlich eine sehr
häufige Ursache der Hydronephrose bilden. Die Kreuzung eines solchen
Getäbes mit dem Ureter kann jedoch nicht die einzige und primäre
Ursache sein, sondern es muß noch ein anderes ursächliches Moment für
die beginnende Erweiterung des Nierenbeckens in jedem Falle vorliegen.
Dieses erste, ursächliche Moment ist wahrscheinlich wechselnder Natur,
kann aber in den meisten Fällen sicher durch eine gewisse abnorme
Beweglichkeit resp. Senkung der Niere bedingt sein. Kr.
Hydronéphrose avec calculs. Absence congénitale à peu
près complète du rein. Von G. Marion-Paris. (Journ. d'Urol. 1913,
Tome III, No. 4.)
Bei einem 30jährigen Patienten, welcher von Jugend auf in der
rechten Nierengegend Schmerzen hatte, wurden radiographisch zwei sehr
tiefliegende Steine gesichtet. Palpatorisch wurde in der rechten Costo-
Iliacalgegend ein kindskopfgroßer Tumor festgestellt. Der Ureterkatheter
wurde rechtsseitig in 10 cm Höhe festgehalten. Funktionell blieb die
rechte Niere sehr erheblich hinter der linken zurück, wie durch Separation
ermittelt wurde. Der rechte Urin enthielt viel Eiter, der linke war frei
von Eiter. Bei der Operation fand man keine sichtbare Niere vor. Der
erweiterte, in Höhe von 10 em verengte und weiter oben geknickte Ureter
mündete in einen weiten, dünnwandigen, birnenförmigen Sack, in welchem
846 Nieren und Hurnleiter,
die beiden Konkremente fühlbar waren. Von diesem Sacke gingen acht
Gänge aus, welche als Calices zu deuten waren. Die Membran, welche
diese Calices abschloß, repräsentierte nach histologischer Untersuchung
den Rest des Nierengewehes.
Die Nephbrektomie bestand in der Entfernung des beschriebenen,
Nierenbecken und Niere darstellenden Suckes, und der Patient verliel
nach vier Wochen geheilt das Spital.
Das entfernte Präparat ist zu deuten als Hydronephrose infolge
angeborener Ureterverengerung, bei einer aus normalen Elementen be,
stehenden, aber auf ein Minimum reduzierten Niere, sozusagen einer
nNiere en miniature“. A. Citron-Berlin.
f) Nierenleiden und Schwangerschaft.
Three cases of eclampsia. Von C. B. Gervis-Seaford, (Brit. Med.
Journ. 1913, June 21.)
1. 39jührige IVpara Am Tage nach der Entbindung setzten
Konvulsionen ein. Der Urin enthielt reichlich Eiweiß. Tod am nächsten
Tage. Die Behandlung mit Narkotizis zeigt keinen Erfolg.
2. 29jührige Primipara. Die Konvulsionen hörten auf nachdem
der künstliche Blasensprung vorgenommen und das Kind extrahiert
worden war.
3. 26jährige Primipara.. Wenige Stunden nach der Entbindung
traten Konvulsionen auf. Der Urin enthielt reichlich Eiweiß. Trotz
Morphinbehandlung und Kochsalzinfusionen Exitus am zweitnächsten
Tage. von Hofmann- Wien.
The etiology and treatment of puerperal eclampsia. Von T.
A. Gibbons-London. (Brit. Med. Journ., April 26. 1913.)
G. stellt fest, daB wir über die Atiologie der Eklampsie trotz ein-
gehender Forschungen noch immer nichts Sicheres wissen und dab, wie
die neuesten Statistiken zeigen, möglichst rasche Entleerung des Uterus
für Mutter und Kind die besten Chancen bietet.
von Hofmann- Wien.
A case of puerperal eclampsia treated by caesarean section.
Von J. B. Hellier. (Brit. med. Journ. 1913, May 24.)
Die 18jährige Patientin wurde im achten Schwangerschaftsmonite
von Konvulsionen befallen. Es stellte sich Koma ein, und der Urin ent
hielt sehr große Quantitäten von Eiweiß. Es wurde dio Sectio caesarea
vorgenommen und ein totes Kind produziert. Nach der Operation hatte
die Patientin noch sieben Krainpfanfälle, erholte sich aber ziemlich rasch.
von Hofmann-Wien.
Symmetrische Nekrose der Nierenrinde bei puerperaler
Eklampsie und Anurie Von Robert Jardine und Alex. Mills
Kennedy. (Luncet, 10. Mai 1913.)
Jardine berichtet 3 interessante Fälle von Frauen, dio mit Symptomen
einer Eklampsie zur Behandlung kamen, trotz der Entfernung des Kindes
Nieren und Harnleiter. 817
binnen wenigen Tagen unter vollkommener oder fast vollkommener Anurie
zugrunde gingen und bei der Sektion und histologischen Untersuchung
mehr oder weniger vollständige Zerstörung der Rindensubstanz der
Nieren zeigten. Der Pathologe Kennedy gibt eine genaue Beschreibung
der anatomisch-pathologischen Befunde, verzichtet aber auf eine Erklä-
rung, zumal eine ausgedehnte Gefäßthrombose, die zu gleicher Zeit fest-
gestellt wurde, sowohl Ursache der Nekrose sein konnte als auch, wie
er als das Wahrscheinlichere annimmt, von der gleichen Noxe in der-
selben Weise erzeugt sein konnte wie die Nekrose.
W. Lehmann-Stettin.
Zur Bedeutung der Albuminurie in der Schwangerschaft.
Von Herbert Williamson. (Lancet, 17. Mai, 1913.)
Albumen im Urin findet sich begleitet von Ödemen, Kopfschmerzen
und nicht selten von epileptiformen Krämpfen sowohl bei chronischer
Nephritis wie bei Schwangerschaftstoxämie, und es ist im gegebenen
Falle oft nicht leicht, beide zu unterscheiden, ganz abgesehen davon,
daß beide Affektionen zu gleicher Zeit bestehen können bzw. eine alte
Nephritis, die wenig oder gar keine Symptome macht, bei Eintreten der
Schwangerschaftstoxämie exazerbieren kann, Eingehende Untersuchungen
haben dem Verf. gezeigt, daß in Fällen von Schwangerschaftstoxämie
sich fast regelmäßig ein gewisser Grad von Acidosis des Blutes findet,
die sich in Fällen chronischer Nephritis nie nachweisen läßt. Der Nach-
weis der Acidosis bei chronischer Nephritis in Schwangeren bedeutet
stets, daß eine Toxämie hinzugetreten ist. Zur Behandlung empfiehlt er
intravenöse Infusionen von Natriumacetat und Natr. bicarbonic. Anderer-
seits warnt er vor der Verwendung von Chloroform, das die Acidosis
erhöhen und dadurch die bestehenden Symptome verschlimmern kann;
ebenso vor Kalomel, das auch gegen Verstopfung nicht gebraucht werden
sollte, da die in den Nieren gefundenen Veränderungen denen nach
Quecksilbergebrauch ähneln und stets zu befürchten ist, daß Quecksilber
auch in kleinsten Dosen die Läsionen im ungünstigen Sinne beeinflusson
könnte. W. Lehmann-Stettin.
9) Funktionelle Nierendiagnostik.
Valeur clinique et interpretation de la constante uréosécrétoire.
Von F. Legueu-Paris. (Journ. d'Urol., Tome TITI, No. 3, 1913.)
Die ureosekretorische Konstante basiert nach Ambard auf 3
Gesetzen. 1. Scheidet die Niere den Harnstoff in einer konstanten
Konzentration aus, so ist diese Ausscheidung proportional dem Quadrat
der Harnstoffkonzentration des Blutes. 2. Bei konstanter Harnstoffkonzen-
tration des Blutes und variabler Harnstoffausscheidung durch den Urin
ist die Harnstoffausscheidung umgekehrt proportional der Quadratwurzel
der Harnstoffkonzentration des Urins. 3. Sind beide Harnstoffwerte
variabel, so ist die Harnstoffausscheidung direkt proportional dem Quadrat
der Harnstoffkonzentration des Blutes und umgekehrt proportional der
Quadratwurzel der Harnstotfkonzentration des Urins. Mit Hilfe dieser Ge-
setze und unter Berücksichtigung des Körpergewichtes (P) erhült man nach
848 Nieren und Harnleiter,
Einsetzung der Zeichen Ur tür Blutharnstoff und D für Harnstoffans-
scheidung. sowie LU für die normal auf 25° „, angenommene Konzentration
des Urins die folgende Formel:
K — Ur
t
Ve C
| P Van
Im normalen Zustande hat die Konstante K einen absolıten Wert
von QOTO und schwankt nur wenig. Der Wert steigt, wenn die stiek-
stoffausscheidende Funktion der Niere alteriert ist. So ist der Wert K z. B.
bei einnierigen Patienten, welche noch keine kompensatorische Hyper-
trophie erworben baben, == 0,100. Diese Zahl zeigt an. dab das In-
dividuum ungefähr die Hälfte seiner harnstoflausscheidenden Kraft ver-
loren hat
Die ureosekretorische Konstante ist bei 800 Patienten der Klinik
„Necker“ bisher festgestellt worden.
Die Technik der Methode ist folgende. Die Blase der zu unter-
suchenden Person wird mit dem Katheter entleert, und 10 Minuten der,
auf werden 40 cem Blut dureh Sehröpfkopf oder Venenpunktion entnommen.
Nach Verlauf einer Stunde wird der angesammelte Urin mit dem Katheter
entnommen und das Gewicht der Versuchsperson festgestellt. Jeder Ver-
stoB gegen dieses Vorgehen verändert den Wert K bedeutend. — Fieber.
Diabetes und hydropigene Nephritis setzen den Wert K herab, Chlor-
Regime kann den Wert der Konstante erhöhen. Es ist nie zu vergessen,
daß die Konstante nur ein Indikator für die Harnstoffausscheidung ist,
die Untersuchung der Wasserausscheidung darf neben diesen Feststellungen
nicht verabsäumt werden.
Bei chirurgischen Nierenkrankheiten vom Typus Nierentuberkulose,
bei welchen die Konstante vor der Operation behufs Indikationsstellung zu
Rate gezogen wurde, konnte man auf Einseitigkeit der Affektion schlieben,
wenn die Konstante den Wert 0,110 nicht überschritt. Alle auf Grund
dieser Zahl nephrektomierten Patienten wurden geheilt, 3 trotzdem zu
beklagende Todesfälle hingen nicht mit der restierenden Niere zusammen.
War die Konstante gröber als 0,110, so schloß man daraus, daß die
Affektion doppelseitlg sei, und stand von der Radikaloperation ab. Später
ausgeführte Obduktionen ergaben aber in diesen Fällen durchaus nicht
immer eine nachweisbare Läsion der „andern“ Niere.
Bei Prostatikern, welche für die Prostatektomie in Frage kommen,
ist die Operation kontraindiziert, wenn die Konstante K 0,200 oder dar-
über beträgt. Solche Patienten, welche eine Azotämie von 1 gr. haben,
sind nicht operabel, wenn auch ihr Allgemeinzustand befriedigend er-
scheint. Ist die Konstante unter 0.120, so wird die Prostatektomie
nicht durch Azotämie verhängnisvoll werden, vorausgesetzt, daß die
wässerige Ausscheidung genügt und der Patient keine erhebliche hydro-
pizene Nephritis hat. Besteht cine solche, so kann der Patient trotz
normaler Konstante an TUrämie sterben.
Die Konstante hat nur Wert im Verein mit genauer klinischer
Beobachtung des Patienten, mit der Untersuchung auf Eiweiß und Wasser:
Nieren und Harnleiter, 949
ausscheidung. Auf die Frage: „Bei welcher Zahl operieren Sie?“ lautet
die Antwort: „Ich kann diese Frage nur für jeden Fall einzeln beant-
worten.“
Trotz dieser Einschränkungen ist die ureosekretorische Konstante
ein Faktor von unschätzbarem Werte. Sie ist überlegen der Kryoskopie.
der Phloridzinprobe, der Konzentrationsprüfung, sowie der Methylenprobe
und setzt uns in den Stand, von vornherein Operationen abzulehnen,
welche man früher ohne Gefahr anszuführen geglaubt hat und an denen
die Patienten trotzdem sicher zugrunde gegangen wären.
| A, Citron-Berlin.
Die Bestimmung des hämorenalen Index ev. Prüfung der
Nierenfunktion. Von Dr. R. Bromberg im Haag (Holland). (Deutsche
med. Wochenschr. 1913, Nr. 28.)
Der Gehalt an anorganischen Salzen im Blutserum dividiert durch
den des Urins ergibt konstant die Zahl „2“, jedoch nur bei ungestörter
Nierenfunktion. Das Verhältnis zwischen der Konzentration der an-
organischen Salze im Urin und im Blut nennt Bromberg den hämo-
renalen Index. Sinkt dieser Index bei Benutzung des Blasenurins
unter 1,5, so ist die Nierenerkrankung doppelseitig und eine Operation
unmöglich. Benutzt man getrennt aufgefangenen Urin, so ergibt der
Index der absoluten Funktion den Wert der betreffenden Niere. Geht
der Index der zurückbleibenden Niere nicht unter 1,8 herunter, so kann
die andere, kranke Niere ruhig entfernt werden. Die Konzentration an
anorganischen Salzen kann gemesson werden an dem Widerstande, den
die Flüssigkeit dem elektrischen Strom entgegensetzt.
Zur Messung benutzt wird eine vereinfachte Mebbrücke nach dem
Prinzip von Kohlrausch. Über die Technik orientiert man sich am
besten in der Originalarbeit selber.
Zur Prüfung reichen 0,5 cem Urin und 0,5 cem Blutserum aus.
Es bleibt nur die Frage offen, ob diese Ionenkonzentrationsbestim-
mungen tatsächlich ein ausreichendes Bild der Nierevfunktion darstellen,
darüber werden erst umfangreichere Nachprüfungen entscheiden können.
Ludwig Manasse-Berlin.
Über Nierenfunktionsprüfung. Von F. Cuuzen. (Deutsches Ar-
chiv f. klin, Medizin, Bd. 108, H. 3 u. 4.)
Die mit der Schlayerschen Funktionsprüfung der Nieren erhobenen
Befunde stimmen bezüglich der zur Nachprüfung verwendeten Fälle von
genuiner Schrumpfniere in der Hauptsache mit den Resultaten Schlayers
überein. Eine funktionelle Schädigung wird bei den Glomeruli dann
angenommen, wenn eine intravenös injizierte Milchzuckermenge von 2 g
zur Ausscheidung mehr als 5 Stunden braucht; eine Schädigung der
Tubuli, wenn T5 g per os gegebenes Jodkalium später als nach 60 Stun-
den noch nachweisbar ist. In zweiter Linie treten als Anzeichen ge-
störter Leistung veränderte Verhältnisse der Kochsalz- und Wasseraus-
scheidung auf: .bei geschädigten Glomeruli finden sich das eine Mal, und
zwar bei leichter Schädigung: normale prozentuale und absolute Koch-
Zeitschrift für Urologie. 1913. 86
850 Nieren und Harnleiter.
salzmengen, normale Entleerung der 10 g betragenden Kochsalzzulive,
aber erhöhte Mengen Urin mit niedrigem oder mittlerem, ziemlich fixierten
spezifischem (sewicht, und als Modus der Kochsalzzulage-Eliminierung
nicht Konzeutration, sondern Polyurie.
Dieser sogenannten vaskulären Hyposthenurie, der eine Überempind-
lichkeit der Nierengefäbe zugrunde liegen soll, gesellt sich bei schwerer
Glomerulusschädigung ein aus Unterempfindliebkeit der Glomeruli ent-
springender Zustand:
Kochsalz wird in hoher Konzentration und Menge eliminiert; dabei
besteht aber Olisurie, und auch auf Kochsalzzulage reagieren die Nieren-
gefäße nicht mehr; das Kochsalz wird bei fortlaufender Oligurie ganz
oder teilweise retiniert.
Bei funktioneller Minderwertigkeit der Tubuli findet sich, entsprechend
dem Darniederliegen der Konzentrationsfähigkeit, eine ungenügende Kon-
zentration und Menge des Kochsalzes, die Zulage wird retiniert und der
Urin mit niedrigem und ganz fixiertem spez. Gewicht entleert; ein Zu-
stand, der tubuläre Hyposthenurie genannt wird.
Bei einem Fall von Sublimatvergiftung ergaben die Methoden
außer der Tubulischädigung auch eine funktionelle Erkrankung der Glo-
meruli.
Mit den benutzten Nierenfunktionsprüfungsmethoden läßt sich in
vielen Krankheitsfällen sowohl bezüglich der Diagnose Nephritis überhaupt,
als auch bezüglich des anatomischen Sitzes der Erkrankung eine wesent
liche Förderung der Beurteilung erzielen.
Als eine weitere Unterstützung der Diagnose sind vielleicht zu ver-
werten!
a) Der Umstand, dab die auf einmalige Kochsalzzulage von 10 g
erfolgende V erstärkung der Eiweißausscheidung, der Wasserretention und
des ganzen Krankheitszustandes sich nur bei echter Nephritis findet (mit
Ausnahme von schwerer Stauungsniere).
b) Die Tatsuche. daß ein Parallelismus zwischen Azidität und Albumen-
menge sowie eine Beeinflubbarkeit der letzteren durch Medikation von
Natrium bicarbonicum sich nur findet: bei frischer Erkrankung der Nieren,
sowie dann, wenn die Erkrankung herdförmigen Charakter hat, insbe-
sondere aber bei Albuminurien, während alle übrigen Formen der Ne
phritis jede Abhängigkeit der Eiweißmenge vom Säuregrad des Urins ver-
nissen lassen. Zuelzer-Berlin.
Funktionsprüfungen an transplantierten Nieren. Von Loben-
hoffer. (Mitteil. a. d. Grenzireb. d. Mediz. u. Chir., Bd. 26, H. 2.)
Es hat zwar bisher nicht an Versuchen gefehlt, die Aufgaben der
an die Nieren herantretenden Nerven zu studieren, doch gingen die
Resultate der einzelnen Untersucher zu sehr auseinander. Verf. glaubt
in der Transplantation der Niere den Weg zur Lösung dieser wichtigen
Frage gefunden zu haben. Besonders einer Klärung bedarf die Strat-
frage, ob die im Nierenbecken vorhandenen reichlichen Anhäufungen
von Ganglienzellen ein selbständiges Nervensystem bilden oder ob sie
nur eine untergeordnete Bedeutung haben.
Nieren und Harnleiter. 851
Verf. operierte an 40 Hunden und führte die Transplantation so
aus, daß er die Gefäße der linken Niere in die Milzgefäße einpflanzte
und in der Regel nach acht Tagen die rechte Niere exstirpierte. Das
eingehendste Interesse beanspruchte die histologische Untersuchung der
transplantierten Nieren, und besonders wurde auf die feinsten Struktur-
verbältnisse der Epithelzellen geachtet. Es gelang Verf., die sichere
Tatsache zu ermitteln, daß das Epithel der transplantierten Niere die
Sekretion in der gleichen Weise bewerkstelligt, wie die Epithelzellen
der an ihrem Ort unberührt verbliebenen Niere. Das Organ ist jedoch
nur dann imstande, dies zu tun, wenn ihm der nötige Nerveneinfluß zu-
strömt. Auch bei der Funktionsprüfung, die sich sowohl auf den tubu-
lären als auch auf den vaskulären Teil erstreckte, zeigte es sich, daß
bei der transplantierten Niere keine wesentlichen Abweichungen von der
Norm bestanden. Es konnte die bemerkenswerte Beobachtung gemacht
werden, daß die verpflanzte Niere sogar gesteigerten Ansprüchen durch-
aus genügte. Das Gefäßsystem der transplantierten Niere bleibt demnach
voll leistungsfähig. Da die Arbeit der Gefäße von der Funktion der
kontraktilen Elemente abhängt und unter Nerveneinfluß stattfindet, und
da jeder Nervenzufluß von außen her abgeschlossen ist, so ist es erwiesen,
daß der intrarenale Nervenplexus die für die Nierenarbeit nötigen auto-
matischen Impulse auf das Gefäßsystem allein ausüben kann. Die in
den Hilus eintretenden Nervenstämmchen führen keine spezifischen
„sekretorischen“ Bahnen zu den Epithelien, und das Vorhandensein
eines sekretorischen Zentrums für die Niere im verlängerten Mark mub
sehr angezweifelt werden. F. Fuchs- Breslau.
Zur Kenntnis der Funktion der Stauungsniere. Von W. Non-
neunbruch. (Deutsches Archiv f. klin. Medizin, Bd. 110, Heft 1 u. 2.)
Die Stauungsniere kann funktionell der echten Nephritis gleichen,
und zwar der diffusen Form, bei der die Funktion der Glomeruli und
der Tubuli gestört ist. Schlayer und andere haben gezeigt, daß eine
schwere Schädigung der Glomeruli zu Oligurie, eine geringe Schädigung
infolge Reizzustandes zur Polvurie führt, daß die verzögerte Stickstoti-
ausscheidung der Ausdruck einer glomerulösen Schädigung ist und daß
die Kochsalzretention vor allem durch die Erkrankung der Tubuli be-
dingt ist. Die Stauungsniere gleicht in bezug auf die Kochsalzausschei-
dung der tubulären Form. in bezug auf die Wasserausscheidung der
schweren vaskulären Form. In bezug auf die N- Ausscheidung gleicht
sie insofern der vaskulären Form, als auch sie zur N-Retention führt.
Der Mechanisınus, der zu diesen funktionellen Resultaten führt, ist aber
anders als bei der echten Nephritis Es kommt zur Wasserretention,
nicht weil die Niere das Wasser nicht ausscheiden kann, sondern weil
es der Körper zurückhält. Ob daneben auch eine rein renale Insuffizienz
der Wasserausscheidung vorliegt, ist noch nicht sicher zu sagen, scheint
aber nach den angegebenen Verhältnissen unwahrscheinlich. Dasselbe
gilt für die Kochsalzretention, die in direkt proportionalem Verhältnis
zur Wasserretention steht und wohl auch von denselben Faktoren ab-
hängig ist wie diese. Sie steigt und sinkt in ihren Prozent- und ab-
56*
852 Nieren und Harnleiter.
soluten Werten mit der Gröbe der Wasserausscheidung. Kommt die
Wasserdiurese mit steigender Herzkraft wieder in Gang, so verschwindet
auch die Kochsalzretention, und die Kochsalzausscheidung zeigt normale
Verhältnisse. — Klar sind die Verhältnisse der N-Ausscheidung. Die
Niere leistet bier Maximales. Sie konzentriert bis 2". 3”;, und sogar
4", und unterscheidet sich darin von der echten vaskulären Nephritis,
bei der nur geringe N-Prozentwerte vorkommen. Aber trotzdem kumnt
es infolge der niedrigen Urinmengen noch zur Retention. Demnach ist
die gestörte Wasserausscheidung die Ursache aller weiteren Funktions
störungen, zu denen die Stauungsniere führt. Kommt die Wasseraus
scheidung wieder in Gang, so arbeitet die Niere wieder wie eine ge-
sunde, und dies ist der wichtigste Punkt, ın dem sie sich von der echt
nephritischen Niere unterscheidet. Zuelzer-Berlin.
h) Nephrolithiasis.
Renal lithiasis. Von J. B. Squier. (Aimer. J. of Surr. 1913, $. 121:
Verf. führt eine Anzahl Fälle vor, die in diagnostischer Hinsicht
interessant sind und vor allem zur Illustrierung des Ausspruches von
Cole dienen. daß in den meisten Fällen von Nierensteinen, die mitteist
Röntgenstrahlen entdeckt wurden, keine charakteristischen Symptome sich
bemerkbar machten und die typische Nierenkolik nur dann entstand,
wenn das Nierenbecken oder der Ureter verstopft war. Die Fälle sind
folgende: Bei einem 19 jährıgen ‚Jüngling bestand als einziges Symptom
eine Spur Albuminurie mit wenig roten Blutkörperchen. Die Radiographie
ergab 2 Steine in der rechten Niere. Seit 4 Jahren besteht dieser Zu-
stand ohne weitere Beschwerden und ohne Vergrößerung der Steine.
Bei einem 59jährıgen Manne traten die Beschwerden vier Wochen vir
deor Aufnahme ins Krankenhaus auf mit Schmerzen in der Seite uni
trübem Urin. Die Schmerzen verschwanden, der Urin blieb trüb. Die
Kystoskopie ergab Erkrankung der linken Niere, die Radiographie. zahl-
reiche Steine in derselben Obherativ wurde die linke total zerstörte
Niere entfernt. Ein 50jäühriger Mann litt seit einer Reihe von Jahren
an ständigen Rückenschmerzen, fühlte sich sonst aber wohl. Urin norma.
Die Radiographie ergab einen Uratstein im linken Nierenbecken. Ope
ration, Heilung. Bei einem 20jährigen Manne, bei dem mittelst Radio-
graphie ein Stein im rechten Nierenbecken entdeckt und dann operativ
entfernt wurde, bestand als Symptom eine Spur Albumen, und beim
Ureterenkatheterismus wurde mikroskopisch Blut im Ham der rechten
Niere nachgewiesen. Bei einem 30 jährigen Manne, der Schmerzen in der
linken Nierengegend, Kolikanfälle init Hämaturie hatte, ergab die Kysto-
skopie nur Blut in dem Urin der rechten Niere, während die Radiographie
Steine in beiden Nieren nachwies. Bei einem 28jährigen Manne war
wegen Nephrolithiasis die linke Niere entfernt worden, und zwar wurde
nur die linke Niere durchleuchtet. Der Patient schwebte einige Tage
infolge Anurie ın Lebensgefahr. Nach der Entlassung aus dem Kranken
haus trat Hämaturie auf. Mittelst Kystoskopie wurde Erkrankung der
rechten Niere und mittelst Radiographie ein Stein im Becken festgestelit.
Heilung durch Pyelotomio und Entfernung des Steins. Daraus geht
Nieren und Harnleiter. 853
hervor, daB man stets beide Nieren mittelst Radiographie untersuchen
soll. Bei einem 22jährigen Manne war eine Appendizitis diagnostiziert
und Operation in Aussicht genommen worden. Etwa®Blut im Urin wies
auf Nierenstein hin, der mittelst X-Strahlen auch in rechter Niere ge-
funden wurde. Heilung nach Entfernung des Steins. Bei einem 55jäh-
rigen Manne bestanden Schmerzen in der rechten Niere, bis zum Hoden
ausstrahlend. Die Radiographie ergab einen Schatten in der rechten
Nierengegend. Mittelst Kystoskopie wurde aber eine Eiterung der linken
Niere festgestellt, und eine genauere Nachprüfung ergab als Ursache des
Schattens eine Exostose der Rippe. Heilung nach Entfernung der linken
Niere. Bei einer 5ljährigen Frau ergab die Radiographie Schatten in
der linken Niere, die Steinen glichen. Die Operation ergab ene voll-
ständig degenerierte Niere, aber ohne Steine. Die Schatten rührten von
Argyrolniederschlägen her, und zwar war die Frau 5 ‚Jahre zuvor wegen
Nierenschmerzen mit Nierenbeckenspülungen von Argyrol behandelt worden.
Bei einer 50 jährigen Frau war vor 8. Jahren eine Hysterektomie gemacht wor-
den. Seit dieser Zeit fühlte sie sich nicht wohl und war abgemagert, klagte
über Schmerzen im Leib obne Lokalisation. Die rechte Niere war ver-
grobert, vom linken Ureter kam eitriger Urin. Durch Radiographie
wurde ein großer Stein in der rechten Niere festgestellt. Die Radio-
graphie gibt heutzutage in 95°/, sichere Resultate. Eine Verwechslung
mit Gallensteinen ist möglich, doch geben diese ringförmige Schatten auf
der Platte. Zur Freilegung der Niere führt DP enen Schnitt von der
letzten Rippe abwärts etwa 10 cm lang über dem Muskelbauch des M.erector
spinae, die Muskelfascie wird durchtrennt und der Muskelbauch nach
innen geschoben, die obere Partie der Fascie inzidiert und dadurch das
hintere obere Dreieck unter der letzten Rippe freigelegt, dann die unterste
Rippe hinreichend frei präpariert. Man gelangt dadurch leichter zur
Niere und vermeidet Hernien. Inzisionen in den Üreter sind wegen
Gefahr einer Strikturbildung zu vermeiden. Um auch kleine Steine noch
aufzufinden, mit möglichster Schonung der Niere, hat Verf. sich einen
transportablen Röntgenapparat konstruieren lassen. Die frei präparierte
Niere wird dann durchleuchtet und mit dem Leuchtschirme auf Steine
untersucht. R. Kaufmann-Frankfurt a. M.
Three kidney-stone cases. Von B. Lewis (Americ. J. of surg. 1913,
S. 126.)
Alle 3 Fälle sind bemerkenswert wegen der langen Dauer der Er-
krankung und weil die Diagnose verkannt wurde. Im ersten Falle be-
stand das Leiden bei dem 26jährigen Manne seit frühester Kindheit mit
häufigem Urindrang und Schmerzanfällen. Von einem Arzt wurde Go-
norrhoe, von einem andern Morbus Brightü, von einem dritten Nieren-
tuberkulose „diagnostiziert“. Mittelst Ureterenkatheterismus und Radio-
graphie wurde die richtige Diagnose, nämlich Steine in der linken Niere
festgestellt und eine total zerstörte, mit zahlreichen Steinen durchsetzte
Niere entfernt. Heilung. Ahnlich ist die Krankengeschichte bei dem
zweiten Falle, einem 31jährigen Manne, der gleichfalls seit frühester
Kindheit an Harnleschwerden litt und bei dem auch die richtige Diagnose
554 Nieren und Harnleiter.
nicht gestellt wurde. Es handelte sich auch bier um eine linksseitige
Nephrolithiasis, und Heilung erfolgte, als die zahlreiche Steine enthaltende,
mit der Nachbarschaft stark verwachsene Niere entfernt worden war. Im
dritten Falle handelte es sich um ein 17jäbriges Mädchen, das seit seinem
4. Lebensjahre an Harnbeschwerden litt und bei dem mehrfach Abgang
von kleinen Steinen beobachtet wurde. Auch hier wurde die Diagnose
mittelst Radiographie gestellt und eine stark vereiterte, mit zahlreichen
Steinen durchsetzte Niere mittelst extraperitonealen Lumbalschnittes
glücklich entfernt. R. Kaufmann-Frankfurt a. M.
A case of calculi in the kidney, ureter, bladder and urethra.
Von E. F. Neve. (Brit. Med. Journ. 1913, July 5.)
Dem 56jährigen Patienten waren zwei Steine aus der Harnröhre
und ein weiterer durch Lithotripsie aus der Blase entfernt worden. Ds
die Beschwerden nicht nachlieben, wurde eine Röntgenuntersuchung vor-
genommen, welche einen Schatten in der rechten Nierengegend zeigte.
Nephrotomie und Entfernung von 3 Steinen aus dem KXierenbecken,
einem aus der Niere selbst und 4 aus dem Ureter. Glatte Heilung.
von Hofmann, Wien
Großer Nierenstein und Sarkom der Niere. Von Douglas
Drew-Soho. (Lancet, 22. Febr. 1913.)
Eine 46jährige Frau, die seit 6 Monaten über auffallende Gewichts-
abnahme und Schmerzen in der rechten Nicrengegend klagte, wurde
wegen einer daselbst fühlbaren Geschwulst einer Probeinzision unterzogen.
Dabei fand sich in der erheblich vergrößerten und mit der Umgebung
entzündlich verwachsenen Niere ein rundlicher Stein von etwa Faustgrübe
und einem Gewicht von etwa 420 g (Trockengewicht 310 g) Die XNere
selbst, soweit noch vorhanden, bestand aus nekrotischeinm Gewebe, konnte
aber wegen des schlechten Zustandes der Patientin nicht sofort mit ent
fernt werden. Die Patientin ging nach etwa 14 Taren zugrunde: die
histologische Untersuchung der Nierenreste ergab ein Spindelzellsarkom
W. Lehmann-Stettin.
Zur Nierensteindiagnose, Von Hohlweg-Giieben, {Deutsche med.
Wochensehr. 1915, Nr. 15, Vereinsb.)
Drei Monate lang bestand reichliche Harnblutung, die auch
bei vollständiger Bettruhe unverändert stark blieb. Ureterenkatheteris
mus und funktionelle diagnostische Untersuchung weisen auf die linke
Niere hin, bei dem Mangel jeglichen Schmerzes mußte man an emen
Tumor denken. Die Röntgendurchleuchtung ergab einen groben, pilz
formigen Stein im linken Nierenbecken, der bei der glatt verlaufenen
Operation sich als Oxalat erwies, Der Fall illustriert aufs neue den
Wert der Röntgenstrahlen. Ludwig Manasse-Berlin.
Nieren und Harnleiter. 855
i) Ureter.
Contribution à l’étude des calculs de la portion intrapariétale
de l’uretère, Von Salvador Pascual-Madrid. (Journ. d’Urologie 1913,
Tome III, No. 4.)
Verf. teilt 5 Fälle von intraparietalen Uretersteinen aus der Ma-
rionschen Klinik mit, erläutert sie durch Cystophotogramme und be-
spricht sie klinisch. Er kommt zu folgenden Schlußfolgerungen:
1. Die Steine des unteren Ureterteils haben eine eigene charak-
teristische Symptomatologie.
2. Vor allem äußern sie sich in Blasensymptomen, welche einer
Cystitis anzugehören scheinen.
3. Die Cystoskopie zeigt gewöhnlich ein von Ödem umgebenes
Orificium urethrae oder ein vorgewülbtes Orificium.
4. Röntgenuntersuchung und Ureterkatheterismus geben Gewißheit
über Sitz und Größe des Steines.
9, Die Entfernung des Steines wird, wenn möglich, per vias natu-
rales ausgeführt; andernfalls durch suprapubischen Schnitt.
A. Citron- Berlin.
Note sur le traitement chirurgical des calculs de l’uretère
pelvien. Von G. Lemoine-Brüssel. (Journ. d’Urol. 1913, Tome III, No. 4.)
Bei einem 47jährigen Patienten wurde mit Sicherheit ein Stein im
unteren Teil des Ureters diagnostiziert und die Entfernung auf dem trans-
vesikalen Wege versucht. Während der Operation aber wich der bewegliche
Stein aus und war auf keine Weise wioder nach der Blase hin zu dirigieren;
auch konnte infolge der Blutung und der tiefen Lage des Operations-
feldes der Stein nach Spaltung des Ureterostiums nicht wiedergefunden
werden. Deshalb wurde der transvesikale Weg verlassen und der iliakale
eingeschlagen. Nach Absuchung des stark dilatierten Ureters wurde der
Stein endlich im unteren Nierenpol gefühlt. Angesichts des stark eitrigen
Harns und der stark verdünnten Nierenwandungen entschloB man sich
zur Nephrektomie. Die entfernte Niere zeigte eine ausgedehnte inter-
stitielle Nephritis mit Atrophie zahlreicher Tubuli contorti. Der Stein
lag im oberen Calix, war von olivenförmiger Gestalt, 3 cm breit, 2 cm
lang und wog 13 g. Die Heilung beider Operationswunden dauerte sechs
Wochen, und der Patient wurde geheilt.
Dieser Fall, trotz seines günstigen Verlaufes in operativer Hinsicht
wenig vorbildlich, lenkt die Aufmerksamkeit auf das Verhalten, welches
solchen beweglichen Uretersteinen gegenüber zu beobachten ist. Man
hat vorgeschlagen, die Uretermündung zu schlitzen, um den spontanen
Austritt des Steines in die Blase zu erleichtern, ferner den Stein durch
einfachen Ureterkatheterismus zum Herabgleiten zu bringen, endlich, wie
das hier sekundär geschehen ist, den Ureter freizulegen und bis zur
Niere zu verfolgen. Die letztere Methode hat den Vorzug, daß man
dabei die Niere zu Gesicht bekommt und dann zwischen Nephrotomie
und Nephrektomie wählen kann. Im vorliegenden Falle wurde der Pa-
tient so nicht allein von seiner Lithiasis geheilt, sondern auch von einer
total entarteten Niere befreit. A. Citron-Berlin.
856 Nieren und Harnleiter.
Über doppelseitige Ureterolithotomie bei kalkulôser Anurie.
Von Prof. Dr. A. Läwen-Leipzig. (Beiträge zur klin. Chir. 1913, 84. Bd.. 2.Heft.)
Verf. unterzieht an der Hand eines einschlägigen, mit Erfolg der
doppelseitigen Ureterolithotomie unterzogenen Falles die Berechtigung
und die Aussichten dieser Operation bei Patienten im Zustande der
Anurie einer kurzen Betrachtung. Der Indikation zur Ausführung einer
doppelseitigen Ureterolithotomie bei Anurie oder Urämie sind natur-
gemäß sehr enge Grenzen gezogen. Doch lehrt mancher in der Literatur
niedergelegte Sektionsbefund, daß sie wuhrscheinlich mit Vorteil hätte
öfter ausgeführt werden können. Die Bedingungen, unter denen die auf
beiden Seiten vorzunehmende Ureterolithotomie bei Anurie die gegebene
Operation darstellt, lassen sich in folgender Form präzisieren: 1. Die
doppelseitige extraperitoneale Ureterolithotomie mit Hilfe der Israelschen
Schnittführung kommt bei der kalkulösen Anurie in Betracht, wenn es
sich um Einklemmung der Steine im iliakalen oder pelvinen Abschnitt
der Ureteren handelt. Schwierigkeiten kann bei Ausführung der Ope-
ration starke Adipositas machen. 2. Die extraperitoneale (tiefe) Uretero-
lithotomie zur Behebung einer kalkulösen Anurie ist nur gestattet, wenn das
Nierenbecken der zu dem verschlossenen Ureter gehörigen Niere frei von
Steinen gefunden wird. 3. Die Feststellung, an welcher Stelle der Ureteren
die Steineinklemmung stattfindet, und der Nachweis, ob das Nierenbecken
frei von Konkrementen ist, hat vor allem durch die Radiographie zu ge-
schehen. In jedem Falle von Anurie sind beide Nieren und beide Ureteren
in ihrer ganzen Ausdehnung radiölogisch zu untersuchen. Diese Röntgen-
untersuchung ist für die Indikationsstellurg, ob in einem Falle von
Anurie die Nephro- bzw. Pyelotomie oder die Ureterotomie in Frage
kommt, von größter Bedeutung. 4. Vor der Ausführung einer doppel-
seitigen Ureterolithotomie ist, wenn die Anurie noch nicht lange besteht
und alle oben angeführten Bedingungen gegeben sind, der Versuch ge-
rechtfertigt, die Konkremente auf uublutigem Wege durch Ureteren-
dilatation oder intraureterale Injektion differenter Flüssigkeiten (dest.
Wasser, Borlösung, heißes Glyzerin u. a.) zu entfernen. Einen Anhalt,
ob ein derartiges Vorgehen Erfolg haben wird, bietet die auf radio-
logischem Wege festgestellte Form und Größe der Uretersteine. 5. Be
stehen schwere urämische Symptome, so ist, auch wenn alle Voraus
setzungen für eine doppelseitige Ureterolithotomie sonst zutreffen, die
ein- oder doppelseitige Nephrostomie vorzuziehen. In solchen Fällen
stellt die Inzision der schwer geschädigten Nieren an sich ein Moment
dar, das den Wiedereintritt der Nierenfunktion beschleunigt. Treffend
ist der für solche Fälle gezogene Vergleich der Nierenfistel mit einer
Darmfistel bei Ileus. Die Entfernung des Passagehindernisses ist erst
vorzunehmen, wenn die Schädigung der Nierenfunktion durch Herstellung
der Fistel beseitigt worden ist. Kr.
Über die eingeklemmten Uretersteine. Von Dr. Ernst Boross,
Primarius des Franz Josef- Spitals, Budapest. (Beiträge zur klin. Chir. 1913,
84. Bd., 1. Heft.)
Verf. ist es bisher in 12 Fällen gelungen, die Einklemmung zu
Nicren und Haruleiter. 857
diagnostizieren. Das Entfernen der Steine geschah lImal mittelst Massage,
imal auf endovesikalem Wege mittelst Ureterkatheters und biegsamer
Uretersteinzange, 4mal auf blutigem Wege. In diesen Fällen ergab die
Röntgenuntersuchung 3mal positives, 9mal negatives Resultat, obwohl bei
den Aufnahmen Ureterkatheter mit Bleimandrin und Sonden mit Bismut
imprägniert zur Anwendung kamen. Bei Nierensteinen ist die Röntgen-
untersuchung bei 2°/, negativ; bei Uretersteinen hatte Israel bei 11,7°,,
und Verf. in seinen Füllen bei 80°/, ein negatives Ergebnis. In der
Diagnostik der Nierensteine scheint die Röntgenuntersuchung das wich-
tigste Verfahren zu sein, bei den Uretersteinen gibt die cystoskopische
Untersuchung und der Ureterkatlieterismus wertvoilere Resultate, da wir
imstande sind, nicht nur das Vorhandensein des Steines, sondern auch
den Platz der Einklemmung ziemlich genau festzustellen. In Verfassers
Fällen waren die Steine 4mal in dem Halsteile des Nierenbeckens, also
im proximalen Teile des Ureters, 8mal im vesikalen, unteren Teile ein-
geklemmt. Röntgen nur 3mal positiv. In der Höhe der Livea inno-
minata pelvis fand Verf. niemals Einklemmung. In chirurgischer Hin-
sicht kommt Verfassers Erfahrung gemäß nur die Verengerung des Ureters
proximal am Collum ureteris und unten an der Blase in Betracht, da in
der mittleren Verengerung die Steine kaum dauernd stecken bleiben.
Außer den anatomischen Verengerungen bilden noch im oberen Teile
des Ureters dessen Knickungen, im unteren Teile Tumoren vortäuschende
Schleimhautprolapse Hindernisse. Uretersteine sind nach Verf. immer `
in den Nieren entstandene Konkremente, welche bei gegebenen günstigen
resp. ungünstigen Verhältnissen in die Ureteren hinunterwandern und
dauernd eingeklemmt infolge Salzablagerung eine beträchtliche Größe
erreichen konnen: so entfernte z. B. Fedoroff einen Stein von 17 cm
Länge und 9 cm Breite. Die Frage ist nun, wann und auf welche Weise
sollen wir die eingeklemmten Uretersteine entfernen? Wie lange können
wir mit dem operativen Eingriff warten, ist eine blutige Operation über-
haupt vermeidlich, besonders wenn der Stein im unteren Teile des Ure-
ters eingeklemmt liegt? Wenn mittelst cystoskopisther Untersuchung
und Röntgen die Anwesenheit eines Uretersteines gefunden und die
Stelle der Einklemmung klargestellt ist, können wir ohne Zögern ver-
suchen, die Einklemmung zu beseitigen, und zwar durch Entfernen des
Steines auf irgendwelche bekannte endovesikale Weise. Verf. pflegt
folgendermaßen vorzugehen: Er führt den Ureterkatheter Nr. 7—8 bis
zur Einklemmung und beölt ausgiebig die Schleimhaut des Ureters. Da
können wir uns vergewissern, ob wir nicht etwa an einer größeren
Schleimhautfalte stecken blieben und ob der Stein nicht in einer Schleim-
hautbucht liegt. In dem beölten Terrain können wir die biegsame
Uretersteinzange leicht vorschieben; diese Zange steckt in dem Ureter-
katheter Nr. 8 und öffnet sich bis auf 1 cm. Mit der Zange können
wir den Stein entweder fassen und in die Blase bringen, oder einen
Teil des Steines abbrechen, und in diesem Falle wiederholen wir öfters
diese Griffe, um die Einklemmung wenigstens zu lösen, was stets zu
gelingen pflegt. Durch den Ureterkatheter wird dann 10—15 cem
warmes Glyzerin in den Ureter gebracht und die regeren peristaltischen
858 Nieren und Harnleiter.
Bewegungen und Kontraktionen des Ureters helfen die gelockerten Stein-
chen in der Regel in die Blase hineinschieben. Unter 8 Fällen, wo die
Steine im unteren Abschnitte des Ureters steckten, gelangten dieselben
7mal in die Blase. Die in dem unteren Abschnitte des Ureters ein-
geklemmten Steine auf blutigem Wege zu entfernen, sind wir nur dann
genötigt, wenn die Steine infolge ihrer Größe mit den geschilderten
endovesikalen Verfahren nicht freigemacht werden können, wenn bei
wiederholten Röntgenuntersuchungen der Stein jedesmal an derselben
Stelle unbeweglich gelagert gefunden wird und der Ureter an einer um-
schriebenen Stelle auf Druck schmerzt, wenn die Einklemmung Retention
in der Niere und Infektion zur Folge hat, bei mehrere Tage dauernder
Anurie, allgemeiner Pyämie, Urosepsis, wo der schwere Zustand des
Kranken und dessen sehr schlechtes Allgemeinbefinden wiederholte endo-
vesikale Eingriffe nicht zuläßt. Kr.
An instance of large ureteral calculus and some other cases
of calculi. Von G. Wherry. (Brit. med. Journ. 1913. May 17.)
1. Entfernung zweier großer Steine aus dem Beckenanteil des rechten
Ureters durch Laparotomie bei einem 16jährigen Mädchen. Die Steine
konnten per rectum getastet und durch Röntgenuntersuchung nachgewiesen
werden.
2. 23jähriger Patient, welchem aus beiden Nieren Steine entfernt
worden waren.
3. Entfernung großer Phosphatmassen aus der linken Niere bei
einem 28jährigen Manne.
4. Nephrotomie bei einer sehr herabgekommenen Frau mit zahl-
reichen Nierensteinen und einem großen Abszeß. Tod am neunten Tage.
5. Entfernung eines Steines aus dem Perineum eines 33 jährigen
Mannes. Der Stein war offenbar durch die ulzerierte Schleimhaut der
Urethra in das umliegende Gewebe gewandert.
von Hofmann-Wien.
Operative treatment of stone in the ureter. Von H. Cabot
(Americ. J. of surg. 1913, p. 154.)
Steine, welche hochgradige Beschwerden machen, bei denen ferner
eine Infektion der Niere droht oder bereits begonnen hat, sollen operiert
werden. Steine dagegen, bei welchen noch eine Urinabsonderung möglich
ist und die geringe Beschwerden machen, oder wenn der Zustand des
Patienten eine größere Operation nicht erlaubt, kann man zunächst konser-
vativ behandeln und sie dann operieren, wenn soziale Momente oder eine
Infektion der Niere es erfordern. Die Technik der Operation richtet
sich danach, ob die Steine im oberen Teil oder im unteren Teil des
Harnleiters liegen. Man muß den Ureter stets möglichst freilegen. Emp-
fehlenswert ist es, vor der Inzision den Ureter oberhalb abzuklemmen,
um eine Infektion der Wunde durch Urin zu verhindern. Auch ist
zweckmäßig, den Einschnitt einige Zentimeter oberhalb des Steines zu
machen und den Stein dann mittelst Zangen unter Mithilfe des Fingers
herauszubefördern. Mit einer Knopfsonde muß man dann prüfen, ob die
Nieren und Harnileiter. 859
Passage frei ist, und etwaige Strikturen inzidieren. Die Ureterwunde
wird mit Katgut geschlossen. Die Bauchwunde soll aber nicht voll-
ständig geschlossen werden, sondern mit einem schmalen Streifen soge-
nannter ,Protective Tissue“ drainiert und der Drain 5 bis 6 Tage be-
lassen werden. Für Steine im oberen Teil des Ureters empfiehlt C. den
Schnitt von Mayo-Robson parallel den Muskelfasern des M. externus
obliquus. Für Steine im unteren Harnleiterabschnitt empfiehlt er den
von Ch. Gibsonn angegebenen Schnitt, der in der Medianlinie über
dem Os pubis beginnt, dem Lig. Pouparti folgt und nach der Spina ant.
sup. geht. Bei Steinen, die im untersten Abschnitte des Ureters liegen,
wenige Zentimeter über der Blase, hat C. die Blase eröffnet, dann das
Peritoneum über dem Harnleiter beiseite geschoben, den Ureter frei
präpariert, ihn dann einige Zentimeter oberhalb des Steines inzidiert
und den Stein durch die Wunde aus seiner Tasche gelockert und in die
Blase gestoßen und so extrahiert: Ureter- und Blasenwunde wurden
durch Naht geschlossen. R. Kaufmann-Frankfurt a. M.
A new method of facilitating the passage of descending ure-
teral calculi. Von L. Buerger. (Amer. J. of surg. 1913, p. 151.)
Da man beim Einspritzen von Öl oder Glyzerin zum Mobilisieren
von Uretersteinen oft Mißerfolg hat, empfiehlt B. Dilatation mit Hilfe
des Hochfrequenzstroms. Die Technik ist folgende: Der indifferente Pol
wird auf den Leib gelegt und der differente in den Ureter eingeführt.
Ein Kupferdraht wird durch einen Seidenkatheter von 9 Charr. geführt
und sein proximales Ende mit der Hochfrequenzmaschine und das andere
Ende mit einer Olive, die in Stärke von 6 bis 16 Charr. vorrätig gehalten
werden, verbunden. Man nimmt zuerst eine möglichst schwache Olive,
führt diese durch ein Ureterencystoskop in die Blase, dann führt man
die Optik ein und dirigiert die Olive in die Ureterenmündung bis zum
Hindernis. Nun läßt man einen Strom von 300—400 MA oinige Se-
kunden einwirken, zieht das Kabel heraus und nimmt stärkere Oliven,
mit denen man in gleicher Weise operiert, bis der Ureter hinreichend
dilatiert ist. B. hat mit dieser Methode drei Patienten behandelt. Im
ersten Falle handelte es sich um einen 42 jährigen Mann mit Stein im
l. Harnleiter, der trotz Öleinspritzung nicht weiter ging. Er wurde nach
obiger Methode behandelt und 4 Tage später wurde ein erbsengrober
Stein spontan entleert. Im zweiten Fülle, bei einem 32jährigen, han-
delte es sich gleichfalls um einen Stein im l. Harnleiter. Auch hier
nützte Olinjektion nichts, während auf Dilatation mit Hochfrequenz zwei
Tage später ein 8 mm großer Stein entleert wurde. Im dritten Fälle
stak der Stein bei einem 28jährigen Patienten im r. Ureter. In diesem
Falle waren zwei Sitzungen im Zeitraum von sieben aufeinanderfolgenden
Tagen notwendig, worauf vier Tage nach der letzten Sitzung der Stein
spontan abging. Nach der ersten Sitzung rückte der Stein 8 cm tiefer
herab. Falls das Orificium des Ureters sehr eng ist, empfiehlt B. die
probatorische Meatotomie mit dem vom Verf. angegebenen Operations-
cystoskop. R. Kaufmann-Frankfurt a. M.
860 Nieren und Harnleiter.
Kleine Inzision zur Freilegung des Ureters in seinem Becken-
anteile. Von Frank Kidd. (Lancet, 7. Juni 1913.)
Ein operativer Eingriff an den Ureteren wird nicht nur nötig werden,
wenn ein röntgenographisch nachgewiesener eingekeilter Stein nach einigen
Monaten nicht von selbst abgeht, sondern auch sehr häufig in Fällen von
Tuberkulose, da nach Entfernung einer tuberkulösen Niere die Beseiti-
gung des Ureterstumpfes auf dem Wege inguinaler Inzision empfohlen
wird, und auch bei Zurücklassung des Stumpfes AbszeB- und Fistel-
bildungen einen solchen Eingriff nötig machen können. Das Eingehen
auf den Ureter ist nach des Verfassers Meinung so einfach, daß er den
Eingriff auch diagnostisch empfiehlt, wenn bei schwierigen Verhältnissen,
die eine Cystoskopie unmöglich machen, ein Freilegen beider Nieren
nötig sein würde: eine kleine Inzision kann feststellen, ob der eine Ureter
verdickt und verändert ist gegenüber dem anderen, und kann so zeigen,
welche Niere entfernt werden muß.
Das Verfahren des Verfassers ist folgendes: Am besten unter spi-
naler Anästhesie wird der Patient in Beckenhochlagerung gebracht und
über und parallel zum Poupartschen Ligament wird durch Haut und
oberflächliche Fascie ein Einschnitt von 3'/,—4 cm Länge gemacht; die
Mitte des Schnittes liegt genau oberhalb des abdominalen Ringes. Die
Aponeurosis obliqua externa wird freigelegt, der Schnitt in der Richtung
seiner Faserzüge hindurchgeführt und der M. obliquus internus freigelegt.
Durch einen in der Richtung der Muskelfasern gelegten Schnitt wird
der Rektus sichtbar, der von seiner hinteren Muskelscheide sorgsam los-
gelöst und nach einwärts gezogen wird. Dadurch wird soviel Raum ge-
wonnen, daß die tiefen epigastrischen Gefäße sichtbar werden und an
dieser Stelle die Fascia transversalis in der ganzen Länge der Wunde
stumpf durchtrennt werden kann. Nach stumpfer Durchtrennung des
Peritoneums werden die spermatischen Gefäße und das Vas deferens
beim Manne, die Ovarialgefäiße und das runde Ligament bei der Frau
nach oben und auswärts gezogen; dann folgt man der Arteria iliaca
externa, die an ihrer Pulsation leicht erkennbar ist, bis zum Kreuzungs-
punkt des Ureters. (Genauere technische Einzelheiten sind im Original
nachzulesen.) Verf. sucht an einer Reihe Krankengeschichten nachzu-
weisen, daß der Eingriff auf diesem Wege sehr leicht ist und die Ent-
fernung des Ureterstumpfes bzw. die Entfernung eines Steines aus dem
Ureter keinerlei Fistel hinterläßt, während andererseits die kleine Inzision
eine ventrale Hernie unmöglich macht. W. Lehmann- Stettin.
k) Verschiedenes.
Diagnosis of renal surgical conditions. Von E. O. Smith. (Amer.
J. of surg. 1913, p. 143.)
Die Diagnose einer Solitärniere oder einer Hufeisenniere kann man
mit Hilfe des Cystoskops und der X-Strahlen stellen. Das Auffinden
der Ureteren wird erleichtert durch Injektion von Indigkarmin. Die
Hauptsymptome einer Nierenstörung sind Schmerzen, Veränderungen im
Urin oder in der Urinabsonderung und Geschwulst. Aber diese Sym-
ptome können fehlen oder anderen Charakter haben. So z. B. hat Verf.
Nieren und Harnleiter. 861
Fälle von Nierensteinen, Hypernephrom, Hydronephrose und von ausgedehnter
Nierentuberkulose ohne Schmerzen auch bei der Untersuchung beobachtet.
Bei Nierentumoren sieht man manchmal anfallsweise auftretende Schmerzen,
wie sie sonst für Nierensteine charakteristisch sind. Anderseits beobachtete
S, vor einigen Jahren einen 40 jährigen Mann mit heftigen Schmerzen in
` der l. Nierengegend ohne sonstige Störungen. Da alle anderen Mittel
versagten, wurde die Niere freigelegt, wobei sich herausstellte, daß sie
normal war, gespalten und wieder zugenäht. Der Patient verlor seine Be-
schwerden vollständig. Mit Hilfe des Cystoskops kann man nur feststellen,
welche Niere krank ist, aber nicht die Ursache der Erkrankung. Dazu
benötigt man noch eine mikroskopische Urinuntersuchung und die Radio-
graphie. Wie wichtig gerade letztere sein kann, zeigt folgender Fall:
Bei einer 50jährigen Frau deuteten die klinischen Erscheinungen auf
eme Erkrankung der r. Niere. Cystoskopisch wurde festgestellt, daß Blut
aus dem r. Ureter kam. Die Radiographie ergab dagegen Steine im
linken Nierenbecken. Mittelst Pyelotomie wurden die Steine entfernt,
worauf vollständige Heilung erfolgte. Bei Nierentuberkulose findet man
häufig ausschließlich Störungen der Blase. So beobachtete Verf. einen 18-
jährigen Jüngling, der die ausgesprochenen Symptome einer akuten Cystitis
darbot und intern und mit Blasenspülungen ohne Erfolg behandelt wurde.
Die Cystoskopie ergab normale Blasenschleimhaut, dagegen eine links-
seitige Nierentuberkulose. Durch Nephrektomie wurde die vollständig
durch tuberkulöse Abszesse zerstörte Niere entfernt. Nierentumoren können
zuweilen früher mittelst Radiographie nach Injektion einer 10°/ igen
Kollargollösung ins Nierenbecken als durch bimanuelle Palpation dia-
gnostiziert werden. Auf diese Weise gelang es z. B. dem Verf., bei
einem 42jährigen Manne, der an starken Blutungen litt, einen Tumor
(Hypernephrom) der r. Niere festzustellen. Die Längsachse der Niere
lag auf dem Bilde mehr horizontal als normal, und das Nierenbecken
war abnorm und vergrößert. Die Niere mit Tumor, der etwa die Hälfte
des Organs einnahm, wurde operativ entfernt.
R. Kaufmann-Frankfurt a. M.
Some points in the diagnosis and management of the surgi-
cal diseases of the kidney and ureter. Von H. Lilienthal. (Amer.
J. of surg. 1913, p. 129.)
L. betont die Wichtigkeit einer genauen Anamnese und dor Kranken-
geschichte sowie eine gründliche allgemeine Untersuchung. Es gelang
ihm durch sorgfältige bimanuelle Palpation Steine im Ureter zu fühlen.
Bei einer 30jährigen Frau, die an Nephrolithiasis litt und bei der mit-
telst Radiographie ein Stein im ]. Ureter nachgewiesen worden war und
mittelst Ureterenkatheterismus ein Stein etwa 3 cm oberhalb der Ureteren-
mündung nachgewiesen wurde, wurde in Narkose die Urethra dilatiert.
dann ging L. mit dem l. Zeigefinger durch die Urethra in die Blase,
drückte den Stein herunter in die Blase und extrahierte ihn durch die
Urethra ohne Zange. Zur Nachbehandlung eignet sich besser Salol
als Urotropin, das manchmal reizt. Zwei Fälle, die vom Hausarzt für
Nephritis wegen Urindranges gehalten wurden, erwiesen sich als Prostata-
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862 Nieren und Harnleiter.
hypertrophie. Wiederholt hat Verf. Fälle von angeblicher Perityphlitis
beobachtet, wo die Urinuntersuchung, vor allem das Vorhandensein aller-
dings nur mikroskopisch sichtbarer roter Blutkörperchen, ergab, daß eine
Nierenaffektion vorlag. Die Radiographie ist wichtig zur Erkennung
von Steinen und Tumoren der Niere. Doch vertraue man diese Unter-
suchung nur einem erfahrenen Röntgenologen an. Kleine Steine werden
zuweilen mittelst X-Strahlen nicht gefunden, wohl aber durch cysto-
skopische Untersuchung. So konnte L. bei einem Patienten, der an
Schmerzen im l. Abdomen litt und dessen Harn einige Eiterzellen und
wenig Blut enthielt, mittelst Radiographie nichts nachweisen, dagegen
mit dem Ureterenkatheter einen Stein im l. Ureter, der dann einige
Tage später unter starken Schmerzen abging. Dicker Eiter, der in
schlangenartigen Windungen aus dem Ureter tritt, deutet auf eine funk-
tionsunfähige Niere auf dieser Seite. Zur Illustrierung der Wichtigkeit
des Ureterenkatheterismus führt Verf. die Krankengeschichte eines 34-
jährigen Mannes an, der 15 Jahre zuvor an Gonorrhoe erkrankte und seit
dieser Zeit an eitrigem Urin litt und bei dem ein Spezialarzt bei der
Cystoskopie eine normale Blase gefunden hatte. Die Untersuchung des
Urins ergab neben Eiter etwas Blut, und der Ureterenkatheterismus zeigte
den r. Harnleiter unpassierbar, und es kam auch kein Urin von dieser
Seite. Mittelst Radiographie wurde dann ein großer Nierenstein rechts
entdeckt. Durch Nephrektomie wurde die rechte degenerierte Niere, '
die einen großen Stein enthielt, mitsamt dem stark verdickten Ureter
entfernt. Ist bei Nierensteinen die Niere eitrig infiziert, so macht man
am besten die Nephrektomie, weil es in solchen Fällen nach Nephrotomie
meist zu Rezidiven kommt. Bei Ureterensteinen läßt man zweckmäßig
die Patienten große Quantitäten Wasser trinken und erzielt dann viel-
fach Erfolge. Manchmal gelingt es auch, den Stein zu mobilisieren
durch Injektion von sterilem Öl vor oder hinter dem Hindernis. Findet
man bei einem Patienten Hämaturie, so muß man die Schädelknochen,
Rippen und Sternum genau untersuchen, besonders wenn er über „rheu-
matische Schmerzen“ in diesen Organen klagt, und diese radiographisch
untersuchen. Es besteht dann Verdacht, daß es sich um ein Hyper-
nephrom handelt. Von 16 Operierten des Verfs. ist nur einer gesund
geblieben. Das Hypernephrom wurde in diesem Falle in einer Niere
zufällig gefunden, die wegen wiederholter schwerer Blutung entfernt worden
war. L. rät, in Fällen von Nierentuberkulose nur dann zu operieren,
wenn das Organ hochgradig zerstört ist oder Mischinfektion besteht.
Kleine Herde in der Niere können spontan ausheilen. Zur Entfernung
des Ureters nach Nephrektomie hat Verf. folgendes Verfahren ausgebildet.
das nur kleine Schnittwunden nötig macht: Nach Entfernung der Niere
wird in den Ureter eine Bougie von 10—12 Charr. bis in die Blase
eingeführt und mittelst Ligatur darin befestigt. Der Ureter wird von
der Nephrektomiewunde aus, soweit möglich, frei präpariert und die
Nephrektomiewunde geschlossen mit Drain. Hierauf lagert man den
Patienten auf den Rücken, macht dann parallel dem Poupartschen
Band in der Regio inguinalis eine etwa 6 cm große Öffnung bis zum
Peritoneum, schiebt dieses zurück und kann dann mit dem Finger leicht
Kritiken. 863
den Ureter mit der darin steckenden Bougie fühlen und kann ihn dann
leicht in die Inguinalwunde und durch dieselbe nach außen bringen. Die
Bougie wird dann herausgezogen, der Ureter, soweit nötig, abgeschnitten,
der Stumpf mit Karbolsäure tuschiert und die Wunde mit oder ohne
Drainage geschlossen. Nach dieser Methode wurden ungefähr 20 Fälle
operiert. R. Kaufmann-Frankfurt a. M.
Acidosis following nephrectomy. Von J. B. Squier-New York.
(Medical Record, 6. Jan. 1912.)
Eine Frau von 60 Jahren litt seit einem Jahr an Kreuzschmerzen,
nahm stark an Gewicht ab und hatte Eiter im Urin. Vor 12 Jahren
war ein Tumor, wahrscheinlich ein Uterusmyom, entfernt worden. Bei
der Untersuchung wurde cystoskopisch Eiter aus der linken Niere und
durch die Radiographie Steine festgestellt. Bei der Operation wurde zu-
nächst mit Ather narkotisiert, dann wegen Bronchialreizung Chloroform
gegeben. Die Narkose dauerte 25 Minuten. Am fünften Tage, nach
bis dahin gutem Befinden, hatte der Atem der Patientin einen schweren
süßen Geruch und sie wurde sehr aufgeregt. Der Blutdruck stieg bis
auf 220, der Puls auf 100 Schläge. Allmählich traten Delirien auf,
die Patientin starb am zwölften Tage nach der Operation. Am letzten
Tage vor dem Tode waren im Urin neben anderen bedeutungslosen Ver-
änderungen Spuren von Azeton und eine leichte Bakteriurie gefunden
worden. Große Dosen Natr. bicarb. waren per os und rektal gegeben
worden.
Später gaben die Angehürigen an, daß die Patientin bereits nach
der ersten Operation vor 12 Jahren eine Woche lang im Koma gelegen
habe. Der Autor vermag nicht zu entscheiden, ob die Acidosis auf einer
Chloroformvergiftung oder einer bakteriellen Infektion beruhte oder ein
Zeichen des Status Iymphaticus, zu welchem die Patientin zu gehören
schien, darstellte. N. Meyer-Wildungen.
M. Kritiken.
L’exploration radiographique de lappareil urinaire. Von F.
Legueu, Papin et Maingot. Paris 1913.
Das vorliegende Werk verdiente eine Übersetzung ins Deutsche,
um einem größeren Loserkreis zugänglich zu sein. In eingehender Weise
wird die Technik der Radiographie behandelt. Zur Einführung in den
klinischen Teil bringen Verf. die anatomischen und physiologischen
Verhältnisse an den Harnwegen in ihren Beziehunren zur Röntgeno-
graphie. Bei der Behandlung des ersteren bringen Verff. an der Hand
des reichen klinischen Materials am Hospital Necker eine Fülle eigener
Beobachtungen. Einen besonders groben Raum nimmt die Pyelographie
ein; auch die seltenen und leider noch recht unsicheren Ergebnisse der
Röntgenographie bei Nierentumoren, -cysten und bei der Nierentuber-
kulose werden an einzelnen Füllen illustriert und kritisch erörtert. Zum
Schluß wird noch kurz die Radiographie der Prostata und der Urethra
864 Kritiken.
gestreift. Eine grobe Zahl hervorragend guter Tafeln und Abbildungen
im Text erhöht noch den Wert des Buches. Oelsner-Berlin.
,
Die Lokalanästhesie, ihre wissenschaftlichen Grundlagen und
praktische Anwendung. Vou Braun. Leipzig 1913.
Das Bueh von Braun, das nunmehr in der dritten Auflage vorliegt,
legt Zeugnis dafür ab, wie die Lokalanästhesie in den letzten Jahren
mehr und mehr an Anwendungsbreite gewinnt. Verf. bringt eine Anzall
photographischer Aufnslimen von in lokalanästhesie ausgeführten Opera-
tionen, die zeigen, was sie leisten kann, und die auch die Operateure
überzeugen müssen, welehe sich ihr gegenüber aus Bequemlichkeit oder
Mangel an Technik noch ablehnend verhalten. — Letztere wird bis in
die kleinsten Details hinein so eingehend besprochen und durch Ab-
bildungen illustriert, dab auch der Anfänger vor Miberfolgen bei genauen
Studium bewährt bleiben mub. Eine ebenso erschöpfende Besprechung
haben die örtlich anästhesierenden Arzneimittel erfahren, besonders die
Wirkungen und Nebenwirkungen des Kokaius und seiner Derivate. Ein
fast lückenloses Literaturverzeichnis, nach den einzelnen Kapiteln des
Buches und nach Anwendung der örtlichen Anästhesie in den verschie
denen Spezialgebieten geordnet, ist dem Werke beigereben. So erscheint
das Buch in gleicher Weise unentbehrlich für den Praktiker, der sich
vor einer Operation in Lokalanästhesie orientieren will, wie für den. der
bei eignen Arbeiten über irgend eim Gebiet derselben das bisher Ge
arbeitete und Erreichte übersehen will. Oelsner- Berlin.
Lehrbuch der Lokalanästhesie für Studierende und Ärzte.
Von Georg Hirschel. (Verlag von Bergmann, 1913.)
Das Buch hat neben dem Braunschen Sammelwerk durchaus seine
Berechtigung. Die knappe und dabei doch übersichtliche und kritische
Darstellung erleichtert eine rasche Orientierung. Den schwiengeren
Anäüsthesierungsverfahren sind recht gute topographisch-anatomische Ab-
bildungen über den Nervenverlauf beivegeben. Ihr Wert tritt besonders
bei dem schwierigen Kapitel der Trireminusanästhesie zutage, das eine
besonders klare Darstellung erfährt. Interessant sind die Kapitel über
die gleichzeitige Anästhiesierung der Nn. glossopharyngeus und vagus und
über die Lokalanästhesie bei Thoraxoperationen, beides Gebiete, über die
Verf. selbst gearbeitet hat. Oelsner- Berlin.
Leg
Es
Nierenblutungen bei Hämophilen.
Von
Otto Mankiewicz, Berlin.
Seit den Mitteilungen Lauensteins!, Sabatiers”, Schedes?,
Andersons', Legueus”, Senators®, JL Israels’, Passets‘,
Brocas” und Klemperers?!” ist eine lebhafte Diskussion über die
Frage der renalen Hämaturien ohne Erkrankung der Niere ent-
standen. Einer scharfen Kritik scheinen nur wenige Fälle standzu-
halten, und zwar die Fälle Caspers! Elb-Klemperers!?,
Schedes”, Steinthals'%, Wulffs'‘, Schupbach- Wildbolz®,
Kritik in dem Sinne, daß wirklich eine eingehende, womöglich voll-
kommene mikroskopische Untersuchung in Serienschnitten der Niere
stattgefunden und dieselbe keine oder so minimale Veränderungen
des Gewebes ergeben hat, daß dureh dieselben die Blutungen aus
der Niere nicht erklärt werden können; gelegentliche Untersuchung
bei Niereninzisionen exzidierter Stücke können keinen Beweis für
die Integrität des Nierengewebes liefern. Schede? brachte bei
seinem Fall den Begriff der lokalen Hämophilie auf, er dachte an
eine vererbte Disposition zur renalen Blutung, eine Hämophilie in
eisentlichem Sinne scheint er dabei nicht im Auge gehabt zu haben.
Senator® war der erste, der den Begriff der lokalen Hämophilie
der allgemeinen Hämophilie unterordnete und in diesem Sinne von
einer renalen Hämaturie auf hämophiler Grundlage sprach: er er-
wägt für die Atiologie die Dünnwandigkeit, leichte ZerreiBlichkeit
und die oberflächliche Lage der Gefäße neben Veränderungen der
Blutflüssiekeit.
Senators® Fall scheint übrigens kein reiner Fall von Blutung
aus der Niere bei gesundem Organ zu sein, denn aus einer Mit-
teilnng 1902, 12 Jahre nach der Operation, erhellt, daB die Dame
zeitweilig Eiweiß, allerdings ohne Zylinder, mit dem Harn entleert.
Klemperer!® will unter Berufung auf v. Recklinghausen die
Blutungen aus gesunden Organen auf nervüse Eintflüsse, auf eine
Zeitschrift für Urologie. 1913. 57
866 Otto Mankiewicz.
Lähmung der vasokonstriktorischen Nerven, zurückführen: „die
Vasomotorenparalyse führt durch Erweiterung der Gefäße zur Hy-
perämie, gleichzeitig zur Lockerung der Verbindung der Gefäßwand-
zellen, welche den Durchtritt der roten Blutkörperchen gestattet“,
Beinahe vollständige Literaturangaben über die sogenannten essen-
tiellen Nierenblutungen und Kolken geben Joseph Golling,
Inauguraldissertation in Freiburg, 1908, Bleeck, „Über renale
Massenblutungen“, Bruns, Beiträge zur klinischen Chirurgie, 1909,
XLI, S. 398.
Eine besondere Gattung der Blutungen aus gesunden Nieren
stellt die Hämaturie der Bluter, die Nierenblutung auf hämo-
philer Grundlage, dar. Den spärlichen in der Literatur berich-
teten Fällen kann ich zwei neue Fälle anfügen.
J., 31 J., Handlungsreisender, ist am 10. V. 1908 nach einem heißen Bade
mit Blutharnen in Königsberg i. Pr. erkrankt und die Nacht darauf nach Berlin
gefahren. Er ist Bluter, hat schwere Blutungen als Kind nach einer Drüsen-
operation unter dem Kinn gehabt und ist vor 8 Jahren nach einer Zahnextrak-
tion fast verblutet. Die Familienanamnese negativ. Am 12. V. mittags ist der
Harn dunkelbraun. Prostata, Blasengegend, Nierengegend normal, keine
Schmerzen, keine Empfindlichkeit, keine Geschwulst. Ordination: Gelatine
innerlich; Inf. Secalis cornuti; Rizinusöl; 2>< 0,2 Morph,, da Patient sehr er-
regt. 18. V. Harn röter. Im abgestandenen Harn 5 °/, Eiweiß, keine Tumor-
bestandteile, keine Geldrollenbildung, der blutige Harn geht ohne Filterrückstand
rot durch das Filter. 14. V. Konsultation mit Prof. Senator (der von Se-
nator in der Berliner Klinischen Wochenschrift 1910, 5 erwähnte Fall) und
dem behandelnden Arzt Dr. Laserstein. Adrenalin 3stdl. 15 Tr. 15. V. gə-
ringe Besserung. 16. V. besser. 17. V. fast blutfrei, kleine dunkelbraune Fetzen
im Harn. 19. V. blutfrei. 20. V. Verweigert ebenso wie die früher beabsich-
tigte Gelatineinjektion die Cystoskopie. — Ist einige Monate später in der Eisen-
bahn nach Hannover am Herzschlag gestorben; Dr. Laserstein hatte ihn im
Moment der Abreise gesund gesehen.
R. G., 25 J., Zuschneider, erscheint am 7. II. 1918 mit einer starken Harn-
blutung in der Sprechstunde. Zwei oder drei Tage vorher hatte er wegen
Schmerzen im linken Ellbogen, der etwas geschwollen ist und sich teigig an-
fühlt, ein Dampfbad genommen und war dabei massiert worden. Danach hat
er im rechten Unterleib, wie er meint, weil er wegen seines rechten steifen
Koies auf der Pritsche besonders hart aufgelegen, einen ziemlich großen dunkel-
blauen Bluterguß bekommen; die Hämaturie besteht seit dem 4. II. abends.
Sein rechtes Knie ist in Überstreckung in bindegeweblicher Ankylose (Röntgen
kaum beweglich nach einem Schlag gegen einen Holzstoß beim Schaukeln vor
9 Jahren, der infolge eines starken Blutergusses am Oberschenkel zu länger
dauernder Bettruhe gezwungen hatte. Das linke Knie ist verdickt, knarrt bei
Bewegungen, ist schon zweimal wegen Blutergüssen punktiert, zeigt mit Röntgen-
trahlen deutlich Arthritis deformans. Der linke Ellbogen zeigt an den Knochen
speriostitische Auflagerungen. Ordination: Bettruhe; Gelatine per os. Secale
Nierenblutungen bei Hämophilen. 807
80'180 3stdl. 1 EBI. Die Eltern sind blutsverwandt, die Vüter sind Brüder, sind
gesund, keine Bluter.
Stammbaum.
August G., 63 J. — Auguste G., 56 J.
A,
Albert, Reinhold, Altred, Emma,
Nasenbluter, aus Bluter, Nieren- + an Verblutung +1 Jahr alt.
Stirnwunde und blutung, nach Operation
Zahn. am Kniegelenk
infolge Stoßes.
9. II. Idem. 11. II. etwas besser, Calciam chloratum 0,4 4x<tügl. 13. II. Urin
ganz klar, 16. II. trotz Vorschrift strenger Ruhe kommt Patient in die Sprech-
stunde. Cystoskopisch nur etwas verschleierte Mucosa vesicae. Patient geht
zur Arbeit. 23. II. wieder etwas Blut im Harn, Styptol; Cale. chlor. 3 x< 0,4 pro
die. 1. III. 30 g Gelatine Merck subkutan. 5. III. blutet weiter, wenn auch
etwas weniger. Hatte einige Stunden Harnretention, die sich löste. 40 ccm
Pferdeserum subkutan. 13. Ill. Konsilium mit Professor J. Israel. Auf meinen
Vorschlag strenge Trockendiät. 15. III. 15 ccm Pferdeserum intravenös,
18. III. Eın ale „Tumor“ imponierendes kirschgroßes Gebilde aus dem Harn
entpuppt sich mikroskopisch und mit Fibrinfärbung als Gerinnsel. 20. III. Über-
führung in Klinik zur eventuellen Transfusion. 28, III. Langsame Entfärbung
des Harns, der heute blutfrei, aber etwas trüb ist, während er am 25. klar war.
Milderang der Trockendiät. 30. III. Seit Dis Tagen Rückfall mit deutlich wurst-
förmigen Gerinnseln im Harn. 2.1V. Nur etwas Blut mit Gerinnseln. 18. IV. Seit
6 Tagen blutfrei. 1. V. Harıı ganz klar. Im Sediment (zentrifugiert) zwei lange,
mit ausgelaugten Blutkörperchen und Leukocyten besetzte Zylinder. Linkes
Knie entzündet. 27. VII. gesund, stark zugenommen (ca. 8 Pfd.).
Die beiden Fälle bieten einige gemeinsame Punkte; beide be-
treffen junge Männer aus Bluterfamilien, die schon selber lebens-
gefährliche Blutungen erlitten hatten; beide haben ihre Hämaturie
kurze Zeit nach einem heißen, respektive Heißluftbade bekommen,
der eine sofort, der andere höchstens 2>< 24 Stunden später (seine
Wirtin soll ihn schon am Tage vor der Konstatierung des Blut-
harnens darauf aufmerksam gemacht haben, der Urin sche im Nacht-
geschirr so eigentümlich aus). Eine Besonderheit zeigt der erste
Fall am 13. V.: der blutige Harn geht ohne Filterrückstand rot
durch das Filter; keine Geldrollenbildung; es muß hier eine
Hämolyse stattgefunden ha®en; leider habe ich dann keinen frischen
Harn mehr zur Untersuchung bekommen. Über die Therapie werde
ich später einiges mitteilen.
Bei Durchsicht der Literatur nach Nierenblutungen auf hämo-
philer Grundlage, wie ich, um nichts zu präjudizieren, nach dem
Vorschlage Klemperers die von Senator renale Hämophilie ge-
nannte Affektion nennen möchte, haben sich eine Anzahl ganz reine
Fälle gefunden.
57 *
HGH Otto Mankiewicz.
Grandidier!® erwähnt einen Fall, in welchem ein 44jähriger,
seit Kindheit an Nasen- und Zahnfleischblutungen leidender, erb-
lich belasteter Bluter seit dem 31. Jahre öfters blutigen Harn zu
lassen begann, wobei vor jedem Anfalle reißende Schmerzen in der
Nierengegend auftraten. — Ferner nennt Grandidier einen Kranken
Krimmers’®, der früher an Nasenbluten und Bluthusten, vom
18. Jahre ab an Blutharnen litt; einen Kranken Lafargues"*, der
als Kind an Nasenbluten, später an Hämaturie litt; einen Kranken
Cammans!® mit reichlichen Nierenblutungen bei Hämophilie; das
bei den Nierenblutungen entleerte Blut gerann leicht; die Krank-
heit äußerte sich besonders im Herbst und Frühjahr: der Kranke
ging im 16. Jahre an Nierenblutung zugrunde.
Senator® beobachtete ein 19jähriges Mädchen, das nach der
Menstruation Blut im Harn fand; die Untersuchung ergab hohen
Hämoglobingehalt, aber keine Erythrocyten. Nach 2 Jahren Fr-
neuerung der Blutung, die stärker war und mit Pausen ein halbes
Jahr dauerte; es war eine wirkliche Hämaturie. Das Blut kam
aus dem rechten Ureter (Cystoskop). Die Diagnose Hämophilie
wurde bestätigt durch die Anamnese, nach der die Patientin aus
einer Bluterfamilie stammte, wenn sie auch selbst bisher von Blu-
tungen verschont geblieben war. Nephrektomie durch Sonnen-
burg wegen der Unstillbarkeit der Hämaturie. Heilung. Die mi-
kroskopische Untersuchung der entfernten Niere ergab O. Israel
nur mehrere kleine interstitielle Entzündungsherde und Extravasate,
so daß der Untersucher meinte, „wenn in dem Falle nichts für
Hämophilie spräche, würde der Nierenbefund allein es tun“.
Fall Klemperer!° 1. 35jähriger vielfacher Bluter aus Bluter-
familie. Im 16. Jahre erste Nierenblutung mit unbehaglichem Ge-
fühl in der rechten Nierengegend, das sich bald zu kolikartigen
Schmerzen mit zeitweiser Übelkeit und Erbrechen steigerte. Der
Harn war blutigrot. bis schwarz, die Blutung dauerte monatelang.
Seitdem vielfach Nierenblutungen. Bei der Aufnahme wegen Mor-
phinismus neue 14 Tage lang dauernde Hämaturie. Seit 3 Jahren
keine Harnblutung, aber andere Blutungen.
Fall Klemperer!" 2. 26jähriger Mann aus Bluterfamilie,
häufig Blutungen. Seit dem 16. Jahre meist im Herbst Nieren-
blutungen mit Schmerzen in der rechten Nierengegend, von einigen
Stunden bis zu 6 Wochen Dauer. Vom 2. IX. 1895 bis 4. I. 1896
starke Harnblutung, die auf hydrotherapeutische Maßnahmen (kalte
Übergießungen der Nierengegend im warmen Bade) stand.
Nierenblutungen bei Hämophilen. 869
Strubell!* demonstrierte in der Gesellschaft für Natur und
Heilkunde in Dresden einen Herrn, der einer exquisiten Bluter-
familie entstammt; außer sonstigen Anfällen mehrmals Nieren-
blutungen, einmal nach einer geringfügigen Erschütterung, zweimal
nach einer Angina, wobei das zweite Mal das Auftreten von Albu-
minurie ohne Blutkörperchen der Blutung einen ganzen Tag voraus-
ging. Da Hämophilie unzweifelhaft vorhanden, sind es Nieren-
blutungen auf hämophiler Basis, das eine Mal aus intakten, das
andere Mal aus entzündeten Nieren.
Willy Pullmann!” behandelte und sezierte einen kräftig ge-
bauten Mann mit wohlentwickelter Muskulatur, der am 19. IX. 1905
eine (Juetschung der linken Leendengegend durch ein schweres Faß
erlitten hatte; danach waren Schmerzen aufgetreten. Etwa 8 Tage
nach dem Unfall trat blutiger Urin auf; derselbe tief dunkelrot,
etwa ein Viertel seiner Menge Sediment; linke Nierengegend sehr
empfindlich. Heftiges Nasenbluten, das schwer zu stillen, und fünf-
markstückgroße subkutane Blutungen nach Morphiuminjektionen er-
wiesen die Hiimophilie. Hämaturie hört auf. Aus voller Erholung
Kollaps, Exitus nach 24 Stunden. Sektionsprotokoll der Nieren:
Das Nierenfett an beiden Nieren sehr reichlich. Auf der linken,
angeblich gequetschten Niere ist das Nierenfett von gleichmäßig
gelber Farbe, keinerlei Quetsehung der Fettmassen oder Verfär-
bungen derselben durch Blutung aus kleinen verletzten Gefäßen.
Die Nierenkapsel ist gleichfalls vollkommen unverletzt und läßt sich
sehr leicht von der Niere abziehen. Die Niere selbst ist von nor-
maler Größe und überall glatter, unverletzter Obertläche. Beim
Aufschneiden der Niere erscheint die Nierensnbstanz etwas blaf,
aber von völlig normaler Struktur. Das ganze Nierenbecken ist
eingenommen von einem schwarzen, in toto herausnehmbaren Blut-
koagulum: doch ist die Ausmündung des Nierenbeckens in den
Harnleiter nieht versperrt. Die rechte Niere zeigt sowohl in ihrer
Umgebung als auch in ihrer Substanz genau das gleiche Bild wie
die linke Niere. Auch sie enthält ein das ganze Nierenbecken aus-
füllendes schwarzes Blutkoagulum. Die Harnleiter sind beide frei,
die Blase enthält ca. 100 eem klaren gelben Urin.
Nonne!” zeigte die Nieren eines an Hämophile leidenden
Tabikers, der auch mehrmals aus den Njeren blutete; beide Nieren
waren mikroskopisch unverändert, die Ursache der Blutung war
nicht festzustellen.
Grosglik”™® beschreibt die Krankengeschiehte eines 36 Jahre
870 Otto Mankiewicz.
alten, auBerordentlich schweren und robusten Offiziers, der zum
ersten Male nach einem angestrengten dreiwöchentlichen Manöver
mit vielen schweren Märschen, mangelhafter Ernährung und Lager
auf feuchtem Boden aus den Harnorganen blutete, mit Schmerzen
im rechten Hypochondrium. Die Blutung kehrte bei dem blühen-
den Manne mehrfach wieder, so daB G. an Tuberkulose der Niere
dachte, bis durch genaueres Nachfragen die Hämophilie der bei-
den — nicht verwandten — Eltern, seiner Geschwister und beson-
ders des Patienten selbst festgestellt wurde. Patient litt und leidet
an schwerem häufigen Nasenbluten, Mastdarmblutungen (keine Hä-
morrhoiden!), Zahnfleischblutungen, besonders nach Extraktion von
Zähnen, fast unstillbarer Blutung nach einem Anlegen von Blut-
egeln. Seit Beginn der Hämaturie sistierten die anderen Blutungen
vollständig.
Oscar Adler”! bringt in der Wissenschaftlichen Gesellschaft
der Ärzte in Böhmen zur Kasuistik der Hämophilie einen Fall von
renaler Hämophilie (Hämaturie) mit klinischem Befund und Ans-
mnese, der auf Calcium chloratum und Gelatine stand.
Lilienthal?” erwähnt in der Diskussion zu Pools Vortrag
über Unilateral renal Hematuria einen Medizin-Studenten mit mehr-
fachen Blutungen aus der linken Niere bei Hämophilie; die Unter-
suchung der Niere ergab keine pathologischen Produkte.
Die Krankengeschichten sind meist so kurz berichtet, daß sich
wenig Besonderheiten aus ihnen feststellen lassen.
In Senators Fall ist, wie in meinem ersten Falle, auffällig,
daß sich einmal roter Harn ohne Blutkörperchen fand, daß also
wahrscheinlich eine Hämolyse vorlag; ob dieselbe durch den Ham
veranlaßt war oder schon hämoglobinhaltiges Blutserum aus den
Nieren kam, ist leider nicht festzustellen. Mehrfach ist erwähnt,
daß mit dem Eintritt der Harnblutung die anderen Blutungen stan-
den. Die ungewöhnliche Brüchigkeit der Knochen, wie überhaupt
bei Hämophilie, zeigt sich häufiger durch Knochenbrüche, Blutungen
in die Gelenke, und konsekutive Arthritis deformans ist auch er-
wähnt. Die Seite der Blutung ergab sich meist aus einer Schmer-
haftigkeit der betreffenden Nierengegend; einige Male klärte das
Cystoskop den Ursprung der Blutung durch roten Strahl aus den
Ureter auf: in einigen Fällen ist nichts Sicheres darüber berichtet.
Die Auffassung von Claisse und Thibaut?” möchte ich er-
wähnen; die Autoren handeln über die Nephritis bei Hämophilie;
sie meinen, Blutungen bei der Nephritis seien doch selten und haben
Nierenblutungen bei Hämophilen. 871
im Fall des Eintrittes ihren Grund in der Hämophilie des Kranken.
Die Veränderung des Nierenepithels erzeuge leicht Störungen in der
Koagulation des Blutes Gesunder, um so mehr bei Hämophilen.
Für das Wesen der Hämophilie sind heute wohl die Anschau-
ungen Sahlis** maßgebend: eine relative Lymphocytose mit viel
Mastzellen, Eosinophilie und Bilutplättchen fanden sich mikrosko-
pisch im Blut. Die Alkaleszenz, der Trockenrückstand, die Gefrier-
punktserniedrigung des Serums wie die Fibrinmenge des Blutes
hatten normale Werte. Die Gerinnungsversuche mit Blut aus fri-
schen Wunden (zur Vermeidung mancher Fehlerquellen) bestätigten
die mangelhafte Gerinnungsfähigkeit des Blutes mit Ausnahme der
Zeit starker Blutungen, wobei die Gerinnbarkeit zunimmt.
Sahlı glaubt an eine abnorme Qualität der Blutgefäßwan-
dungen, welche nicht imstande sind, die zu einer normalen Gerin-
nung notwendigen Substanzen zu liefern; diese für die Gerinnung
erforderliche Substanz ist die Thrombokinase oder zymoplastische
Substanz. Diese mangelhafte chemische Zusammensetzung der Ge-
fäßendothelien kommt vielleicht vielen oder allen Zellen des Kor.
pers der Bluter zu, so daB man von einer allgemeinen zellulären
Anomalie der Körperzellen des Bluters sprechen kann. Therapeu-
tisch hofft Sahli am meisten von der Hebung des Allgemeinzu-
standes — hierher gehört auch Klemperers Hydrotherapie — und
verhält sich gegen fast alle empfoblenen Mittel skeptisch. Dieser
Standpunkt scheint nicht berechtigt. So hat z. B. Trembur”
durch Serumbehandlung mit Kaninchenserum wenigstens zeitweiliges
Aufhören der Blutung erzielen können, wenn er auch den Exitus
nicht abwenden konnte; es war zu Hyperleukocytose und Blutplätt-
chenthromben in den Kapillaren gekommen; bei Eintreten von Al-
lergie empfiehlt er, das Serum zu- wechseln. Nobécourt und
Tixier?” empfehlen die von Nolf und Herry?’ inaugurierte intra-
venöse Injektion von 6—3 cem 5 °;, Witteschen Propetons; sie sahen
eine bemerkenswerte Beschleunigung der Blutgerinnung.
Perussia?’“ gibt bei schwerer Hämophilie Pepton Witte 5,0,
Natr. chloratum 0,5, Aq. destill. 100; kochen, filtrieren, sterili-
sieren; 10—20 cem subkutan jeden 2. Tag oder 5 ccm täglich.
Nolf und Herry?’ fügen dieser innerlichen Behandlung mit
Propeton äußerlich die Verwendung von frischem Blutserum und
irischen — nicht getrockneten — ÖOrganextrakten hinzu.
H. Schlößmann°®® empfiehlt besonders den frischen Preßsaft
der Struma; er glaubt, daß eine rasche und starke Blutung sicher
872 Otto Mankiewicz.
bereits einen gerinnungsbeschleunigenden Einfluß im physiologischen
Sinne ausübt.
W. K. Brown® glaubt, durch Ovarientabletten sowohl den
Gefäßtonus als die gerinnungsfördernde Substanz, von der das weib-
liche Geschlecht mehr als das männliche besitze, zu erhöhen.
Sicard und Gutmann?! glauben, von der subkutanen und
intramuskulären Injektion von 0,1—0,2 nukleinsaurem Natron Ver-
schwinden der Blutung und Besserung der klinischen Symptome ge-
sehen zu haben.
Ob v. d. Veldens®” Vorschlag der intravenösen Injektion von
3—5 ccm intravenöser Injektion 10 °/,-Kochsalzes und Ungers*
Vorschlag der Verwendung hochprozentiger (bis 10 °/,) Zucker-
lösungen zur Injektion in die Venen schon in der Praxis Verwen-
dung gefunden haben, ist mir nicht bekannt. Die Verwendung von
Blutserum subkutan und intravenös ist schon vielfach versucht wor-
den. Wenn man dem englischen Autor Addis Glauben schenkt,
der behauptet, die Verlangsamung der Koagulation gehe der klini-
schen Schwere der Krankheit parallel, so wird man sich von den
immerhin doch geringen Mengen injizierbaren Serums, bis 40 cem —
sei es arteigenes, sei es artfremdes —, nicht viel versprechen können,
zumal man immer mit den Erscheinungen der Anaphylaxie rechnen
muß; es wird geraten, das Serum zu wechseln und im Falle der
Not das leichter erreichbare Diphtherieserum (wohl meist Pferde-
serum) zu verwenden.
‚ Weil” sah von einer 10—20 ccm großen Injektion von Men-
schenblutserum für 3—4 Wochen die Gerinnungsfähigkeit des Blutes
zur Norm zurückkehren und eine wiederholte Injektion nach einigen
Monaten ohne Schaden vertragen werden; das eingeführte Blut-
serum soll dem Hämophilen die fehlenden koagulierenden Substanzen
zuführen, eine Theorie, die der Auffassung Sahlis von der chemi-
schen Veränderung der Gefäßwand widerspricht. Zur Empfehlung
nicht nur der Seruminjektion, sondern der Bluttransfusion selber,
kommen Morawitz®®, Labb&°®, Schlößmann°® u. a., die die blut-
stillende Wirkung der Blutüberführung von Mensch zu Mensch auber
Zweifel stellen; dieselbe ist übrigens schon 1840 von Lane° emp-
fohlen worden. Die ältesten bekannten Transfusionen sind wohl die
an der Frau des älteren Tarquinius und am Papst Innocenz VIIL
(1492) ausgeführten.
Die Amerikaner Crile und Carrel haben die praktische An-
wendung der Bluttransfusion von einer Person zur anderen wieder
Nierenblutungen bei Hämvphilen. 813
eingeführt; es sind mit dieser Methode auch bei Hämophilie schon
Erfolge erzielt worden, so von Goodmann, der die Radialarterie
eines 19jährigen Mädchens mit der Kubitalvene eines 2jährigen
Kindes, dessen Bruder auch Bluter war, verband und Heilung
brachte. Die Gefahr der Thrombose wird aber durch das A. L. So-
resische?” Verfahren so gut wie ausgeschaltet: Er legt um die
freigemachten Gefäße — gewöhnlich Arterie des Gebers, Vene des
Empfängers — einen Zylinder, stülpt mit am Zylinder angebrachten
Häkchen die Gefüße um den Zylinder, nähert die Glieder der Ope-
rierten möglichst, durchtrennt die Gefäße, deren distale Enden unter-
bunden bzw. komprimiert werden, schiebt den Steg des einen Zy-
linders in das korrespondierende Loch des anderen Zylinders, pro-
biert das Spritzen der Arterie durch zeitweiligen Nachlaß der
Kompression, nähert dann die Zylinder völlig und zieht das Schloß
an; die Operation ist fertig, das Blut fließt von einem Blutgefäß
in das andere, ohne Unterbrechung des Endothels der Gefäße, es
ist, als wenn nur ein Blutgefäß vorhanden wäre. Alle Haken, Na-
deln und Instrumente, die die Gefäße verletzen, sind ausgeschaltet,
die Anastomosenstelle ist direkt zwischen den Intimae, welche keinem
Trauma ausgesetzt sind, daher ist die Blutgerinnung ausgeschlossen.
Die Carrelsche Methode der Gefäßnaht, die dasselbe Resultat
erzielte, ist wegen der Umständlichkeit verlassen. Eine ähnliche
Methode wie die Soresis ist die Elsbergs””", ein aus zwei beweg-
lichen Klappen bestehender Apparat: eines der zu anastomosieren-
den (efäße wird nach der Durchschneidung in die beiden Klappen
eingeführt und sein freier Rand um den Rand der Klappe, wie eine
Manschette, umgestülpt (wie bei dem Payrschen Ring); die Ober-
fläche besteht aus Endothel und wird nun in das andere Gefäß mit
Hilfe der Elsbergschen Kanüle invaginiert, d. h. das Endothel des
einen Gefäßes berührt das Endothel des anderen Gefäßes. Mit
dieser Methode konnte z. B. Legueu‘" in einem Falle von schwerer
Blutung nach Lithotripsie einen Erfolg erzielen, durch Stillstand der
Blutung, wenn auch der Patient später an Komplikationen zugrunde
fing. Dieses neue Verfahren ist natürlich dem Vorgehen Schil-
lings'!, der 200 ecm defibrinierten Blutes auf 750 ccm mit physio-
logischer Kochsalzlösung verdünnte und intravenös injizierte (Hei-
lung, danach Röntgenbestrahlung der Milz), bei weitem überlegen
und wird wohl die Methode der Wahl bei der Transfusion werden.
Doch sind auch noch andere Hilfsmittel nicht zu unterlassen,
Erstens die Darreichung der Gelatine per os und subkutan,
874 Otto Mankiewicz.
subkutan selbstverständlich steril (Mercks Präparat); per rektum
scheint Gelatine wirkungslos und auch nicht lange durchführbar in
der Anwendung.
Nach E. Cmunt®? wirkt die Darreichung der Gelatine auf die
Viskosität des Blutes; 40 cem 10 °/,-Gelatine subkutan erhöhten die
Blutviskosität um 1,4 °/,, 2000 ccm 3 °/,-Gelatine per os in 10 Tagen
gegeben erhöhten die Blutviskosität um 0,6°/,; beim Steigen der
Blutviskosität steigt auch der Blutdruck, ein für die WS Sp aller-
dings nicht gerade vorteilhafter Umstand.
Hesse*? hat bei einem 8jährigen Knaben mit 6 gies dauern-
der Verabreichung von täglich 200 cem 10 °/,-Gelatine mit Frucht.
saft die Blutungen anscheinend zum Stillstand gebracht.
Die gerinnungsfördernde Wirkung der Gelatine beweist ein Fall
Edgar Rüdigers*'. Bei einem 5öjähriger Mann mit einem großen
Aneurysma am Arcus Aortae auf syphilitischer Basis war die Blut
entnahme für den Wassermann nicht möglich, da das Blut in Ka-
nüle und Reagenzglas sofort erstarrte; der Patient hatte seit
1’/, Jahren täglich 36—40 g Gelatine mit Wasser, Zitronensaft und
Zucker genommen, wie ihm von ärztlicher Seite geraten worden
war; in dieser Zeit hatte er also ca. 20 kg Gelatine gegessen.
Wenn auch diese enorme Dosis keine Grundlage für eine Therapie
ergeben kann, so lehrt der Fall doch den Nutzen längerdauernder
(selatineverabreichung bei oft wiederkehrenden Blutungen, vor Ope-
rationen und Entbindungen. Bei plötzlich auftretender Blutung
scheint die Verabreichung der Gelatine nach Grau*? von geringem
Werte zu sein. Über die gerinnungsfördernde Wirkung der Kalk-
salze (Calcium chloratum oder lacticum) spricht sich Voorhoeve“
sehr skeptisch aus; selbst bei Dosen von 15 g pro die Calcium lac-
ticum konnte er nur eine minimale Vermehrung des Blutkalkes nach-
weisen, und dabei sei es noch zweifelhaft, ob nicht der vermehrte
Blutkalkgehalt die Gerinnung der anderen Blutbestandteile beein-
trächtige; 11 Milch pro die dauernd bringe mehr Kalk dem Körper
zu als die intensivste Kalkverabreichung in der Medizin.
Müller und Sasel*’ kombinieren die Kalk- und Leimmedikı-
tion der Hämophilie in subkutaner Injektion von 6 cem 5°,-Ca-
ciumgelatine; in einem Falle wurde die Gerinnungszeit des Blutes
normal, so daß eine Zahnextraktion ohne Blutverlust erfolgen konnte;
bei einer Nierenblutung war der Erfolg aber negativ.
Mein zweiter Fall mit der langdauernden Blutung und dem er-
heblichen Kräfteverfall des Patienten veranlaßte mich, mit mehreren
Nierenblutungen bei Hämophilen. 875
Herren über denselben und die eventuelle Therapie zu sprechen.
Dabei machte mich P. Fr. Richter auf eine Notiz in KuBmauls*
hinterlassener biographischer Schrift „Aus meiner Dozentenzeit* auf-
merksam.
Bei Versuchen über die Existenz der vasomotorischen Nerven
erwies „es sich als notwendig, alle vier Schlagadern, die Karotiden
und die Wirbelschlagadern des Kopfes bei Kaninchen plötzlich zu
verschließen und ebenso rasch zu eröffnen, um dieselben Erschei-
nungen hervorzurufen, die Claude Bernard durch seine Eingriffe
auf den sympathischen Halsnerven erhalten hatte. Anfangs ver-
eitelte tödliche Verblutung der Tiere den Versuch, die tief ver-
steckten Wirbelarterien bloßzulegen; das Blut quoll unstillbar aus
den Haargefäßßen des umgebenden Bindegewebes. Da kam mir der
(redanke, sie trocken zu füttern, statt wasserreicher Gemüse, Kohl,
Lattich u. dgl. bekamen sie Hafer und Wicken. Siehe da! Von
nun an gelangen sämtliche Versuche Bei dieser Kost hatte die
Gerinnungsfähigkeit des Blutes bedeutend zugenommen. — Diese
Beobachtung erinnert mich an eine Erfahruug aus meiner ärztlichen
Praxis. Ein blondes Mädchen bekam jedes Jahr in der Kirschzeit
bei reichlichem Genuß dieser saftigen Früchte häufiges starkes Nasen-
bluten, was sie so lange heimsuchte, bis sie auf den Genuß ver-
zichtete“,
Diese Mitteilungen wurden für mich die Veranlassung, den
zweiten Patienten auf Trockendiät zu setzen, und der Patient, dem
die Schwere der Situation klargelegt worden war, hat mit geradezu
heroisch zu nennender Überwindung während 15 Tagen auf jede
Flüssigkeitsaufnahme verzichtet, und auch die Speisen wurden ihm
möglichst trocken verabreicht. Ich stehe nicht an, dieser „Aus-
trocknung“ des Körpers, die mit einer stark verminderten Harn-
sekretion einherging, eine gewisse Mitwirkung an der endlichen Hei-
lung zuzuschreiben; zweifellos sind das Blut und die Körpersäfte
eingedickt worden und die gerinnungsfähige Substanz im Verhältnis
zur Masse des Blutes vermehrt worden. Diese Austrocknungsdiät
ist ja als Schrothsche Kur kein unbekanntes Verfahren zur Re-
sorption von Exsudaten, Pleuraergüssen usw., ob dieselbe aber sy-
stematisch zur Stillung von Blutungen, besonders bei Hämophilen,
bisher verwandt worden ist, ist mir nicht gelungen, nachzuweisen.
Nur bei Leyden*® fand ich folgende Stelle: Ich selbst habe diese
Diät (Schrotsche) Kur vielfach und mit sehr gutem Erfolge gegen
Blutungen angewandt, besonders Lungenblutungen, auch Magen-
876 Otto Mankiewicz,
und Uterusblutungen, ferner gegen habituelles Erbrechen und
Durchfall.
Zweimal lag bei meinem Patienten alles bereit zur Transfusion
nach Elsberg, die Unger ausführen wollte; durch Trockendiät
und Gelatinedarreichung per os (dieselbe dauerte damals schon
4 Wochen) ist es gelungen, die Operation zu vermeiden. Jeder ope-
rative Eingriff ist für den Hämophilen eine Gefahr. Der Patient
nimmt auf meine Empfehlung dauernd Gelatine. Ich empfehle in
Fällen schwerer, unstillbarer Blutungen im allgemeinen, insbesondere
aber bei Blutern, vor der Transfusion die Trockendiät in Kombina-
tion mit reichlicher, langewährender Gelatinedarreichung zu ver-
suchen.
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Ein Fall von irrtümlicher Deutung eines
Nierenröntgenogramms.
Von
Prof. A. W. Wischnewsky, Kasan.
Mit einer Textabbildung.
Die verhängnisvollen Folgen, die irrtümliche Deutungen von
röntgenographischen Bildern nach sich ziehen können, lassen es in
höchstem Grade erwünscht erscheinen, daß jeder derartige Fall zur
Veröftentlichung komnit.
In bezug auf die Nieren weist die Literatur die Beobachtungen
von Fenwik!) und Marion’) auf. Zu diesen Fällen möchte ich
den meinigen hinzufügen.
Die Patientin, ein 22jähriges Mädchen, kam im vorigen Jahre
wegen Blutungen aus der Harnblase in meine Behandlung. Sie
teilte mir mit, daß der sie behandelnde Arzt für innere Krank-
heiten das Vorhandensein eines Steines vermutete. Ich erfuhr
ferner von der Patientin, daB sie vor 5 Jahren wegen Schmerzen
in der rechten Lumbalgegend mehrere hervorragende Ärzte in
Moskau konsultiert hatte. Um diese Zeit hatte sie einen Abszeß
in der Crista superior ossis ilei dextri, der von einem Chirurgen
eröfftuet wurde. Die Natur des Abszesses wurde damals nicht
näher festgesetellt, wohl aber wurde von einigen der Ärzte, welche
die Patientin damals beobachteten, die Vermutung ausgesprochen,
daß der Abszeß tuberkulösen Ursprunges war. Jedoch hat einer
der behandelnden Ärzte diese Vermutung entschieden verworfen
und erklärt, daß die Untersuchung der Patientin nach einer falschen
Richtung hin geschehe, und daB die Aufnahme eines Röntgenogramms
erforderlich sei.
Es wurde ein Röntgenogramm auch aufgenommen, und auf
Grund desselben wurden, wie die Patientin berichtete, Nierensteine
diagnostiziert. Trotz dieser Diagnose wurde die Patientin augen-
1) British Medical Journal 1909.
?) Journal d’Urologie 1912, T. I, No. 5.
880 A. W. Wischneswsky.
scheinlich nach wie vor seitens der Ärzte, in deren Behandlung se
während der ganzen Zeit stand, lediglich mit palliativen Mitteln be-
handelt.
Schon bei der ersten von mir vorgenommenen Untersuchung
stellte ich bei der Patientin hochgradige Schmerzhaftigkeit in der
Nierengegend beiderseits, schmerzhafte Cystitis bei Tenesmen fest,
die sich alle 15 Minuten einstellten. Der Allgemeinzustand war
stark angegriffen. Die inneren Organe (Herz und Lungen) sollen
nach dem Bericht der Internisten Abweichungen von der Norm
nicht dargeboten haben. Die Temperatur betrug 37 mit einigen
Zehnteln, stieg aber bisweilen bis 38.
Die Patientin erklärte mir sogleich, daß sie mit dem Harı
Blut entleere, ohne über die Natur der bestehenden Blutung ge
nauere Aufklärung geben zu können.
Schon beim ersten Versuch, eine Untersuchung mittels Kathe-
ters auszuführen, überzeugte ich mich, daß ich eine vernachlässigt
tuberkulüse Cystitis vor mir habe.
Ein Fall von irrtümlicher Deutung eines Nierenröntgenogramms. 881
Sobald durch den Katheter eine gewisse Quantität Harn ab-
gegangen war, folgte reiner Eiter in sehr großer Quantität, bisweilen
mit Blut untermischt.
Die Zystitis schien sekundären Ursprungs und durch Affektion
der beiden Nieren bedingt zu sein. Nach einigen Tagen gelang es
mir, von der Mutter der Patientin das Röntgenogramm zu bekom-
men, welches vor 5 Jahren gemacht und aufbewahrt worden war.
Die aufgenommene Niere erscheint auf dem Röntgenogramm in
Form einer Weintraube und kann keineswegs im Sinne einer ein-
fachen Kalkulosis gedeutet werden. Es handelt sich hier augen-
scheinlich um irgendeinen herdartigen Prozeß, der sich, wie es bei
Tuberkulose häufig der Fall ist, teilweise oder ganz inkrustiert hat.
3 Wochen später starb die Patientin. Das Meerschweinchen,
dem der Eiter aus der Harnblase der Patientin überimpft worden
war, und welches ich in der 6. Woche, schon nach dem Tode der
Patientin, sezierte, bot das Bild von Affektion des Peritoneums und
der Organe dar.
Wir sehen also, daß die irrtümliche Deutung des Röntgeno-
gramms für die Patientin von verhängnisvoller Bedeutung war. Es
ist nicht ausgeschlossen, daß vor 5 Jahren die Nierenerkrankung
noch einseitig war, daß also die Patientin durch rechtzeitige Ope-
ration dem Leben hätte erhalten werden können.
Zeitschrift für Urologie. 1913. 58
Von
Dr. Orlowski, Berlin.
Die auch von mir beobachteten vorzüglichen Erfolge des Gono-
kokkenserums bei Epididymitis haben mich veranlaßt, seit zwei
Jahren auch an seine gelegentliche Verwendung bei besonderen
Fällen der vorderen Harnröhre zu denken. Das Material dazu
wurde von der Firma mir zur Verfügung gestellt. Die Beobach-
tungen sind nur an der Privatklientel gemacht und daher nume-
risch beschränkt; außerdem ist auch zu bemerken, daß sämtliche
Fälle meiner Praxis nur mit der Spülmethode behandelt werden.
Der subakute, typisch rezidivierende Tripper der Anterior zeigt
zwei scharf charakterisierte Verlaufsarten. Die erste und häufigere ist
die, daß 2—3 Tage nach Aussetzen der Spülbehandlung unter starkem
Jucken ein bedeutender Eiterauslauf mit Urintrübung erfolgt, der
einer Spülung weicht. Das anatomische Substrat, das urethrosko- `
pisch auch fast stets nachweisbar ist, ist die Infektion präformierter
Hohladnexe, der Morgagnischen Lakunen oder Littreschen Drüsen.
Bei dieser Form hat die Arthigonbehandlung, leider, da auch de `
Dilatation und Elektrolyse oft versagen, keinen Erfolg. Die sel- `
tenere Art ist die, daß 1 Tag nach Aussetzung der Spülbehandlung
ohne Jucken ein Eiterauslauf erfolgt, der nicht zur diffusen Trü-
bung der ersten Portion, wohl aber zu zahlreichen Bröckeln führt `
Das anatomische Substrat nehme ich, da urethroskopisch nichts Be-
sonderes, oft nicht einmal diffuse Zirkulationsveränderungen mehr
nachweisbar sind, in einer Infektion der Wand durch isolierte oder
vereinzelte Keime an, die bei besonderer Virulenz der Gonokokken
und individueller Armut an Seitengängen erfolgen wird. Hier hat
der Gonokokkus einerseits seine biologische Metamorphose zum Wuche-
rungspilz noch nicht angetreten, was sich auch durch Fehlen irgend-
welcher infiltrativer Veränderungen bei der Urethroskopie zeigt; er
Über Arthigon bei Urethritis anterior.
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Orlowski. 883
ist also abgeschlossen, wenn auch nicht abgekapselt; andererseits ist
die Eiterfunktion der betreffenden Gonokokken wahrscheinlich als
primäre Eigenschaft ihrer Virulenz so gering, daB sie fest im Ge-
webe und nicht in einem reaktiven Leukocytenwall oder fluktuieren-
den Eiterkörperschwarm sich befinden, wenigstens so lange, wie die
Spülungen die geringe Eiterfunktion aufhalten. Damit wäre die
Möglichkeit einer Serumwirkung wenigstens erklärt. Wie dem auch
sei, jedenfalls ist die Wirksamkeit der Arthigoneinverleibung in
solchen Fällen außer Zweifel, was ein Fall kurz illustriere.
Baumeister N. kommt, nachdem er 2 Monate leichte „Reiz-
erscheinungen“ beobachtet hat, am 21. VII. 1912 in Behandlung;
Ausfluß schleimig, mit zahlreichen, extrazellulären Gonokokken, der
Urin klar, ohne Trübung und ohne Fäden. Nach 6tägiger Behand-
lung wird der Urin in der ersten Portion nur einmal vorübergehend
trübe nach Arg.-Spülung, in der zweiten bleibt er dauernd klar.
Vom 13. VIL bis 7. X. wird er mit Kali, Albargin und Protargol
gespült und hat in der Zeit 5 typische Rezidive, am 15. IX. wurde
1 g Arthigon eingespritzt, ohne Temperatursteigerung. Darauf noch
am 19. IX. und 2. X. typische Rezidive, am 7. X., da Gonokokken +,
und 2 g Arthigon mit 39,5 und am 8. X. 3 g Arthigon mit 39,8,
die schweren Allgemeinerscheinungen machen Bettruhe nôtig, seit-
dem Gonokokken frei, beobachtet bis 21. X., geheilt entlassen. Ört-
lich wurden am 7. und 8. Arg.-Spülungen gemacht.
Der Fall, deren ich im ganzen 6 beobachtet habe, ist in seinem
Beginn und Verlauf typisch und bedarf keiner weiteren Erörterung.
Es wurden meist 3mal 2—2!/, g Artligon intramuskulär einver-
leibt; schwächere Dosen sind ohne Wirkung.
Diese Indikation der Serumverwendung möchte ich trotz der
geringen Anzahl von Fällen als gesichert aufstellen; sonst kann ich
nur noch sagen — und diese Ansicht stützt sich auf zahlreichere
Beobachtungen —: ich habe den Eindruck gehabt, daß gelegent-
lich auch sonst Arthigon bei Urethritis anterior günstig wirkt, da
habe ich 2täglich 1/,—"/,—1 meist 8mal eingespritzt. Ursprüng-
lich habe ich wahllos injiziert, mit besonderer Bevorzugung solcher
Fälle, in denen ein torpider Verlauf, etwa ähnlich den vorher ge-
schilderten, auf einen wenig virulenten Gonokokkenstamm schließen
ließ. Ich bin davon abgekommen und injiziere jetzt nur mehr in
solchen Fällen von Mehrlingstrippern, die, was meiner Erfahrung
nach in der großstädtischen spezialistischen Privatklientel selten ist,
von vornherein den akuten Verlauf eines Erstlingstrippers zeigen.
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884 Über Arthigon bei Urethritis anterior,
Daß in solchen Fällen die Virulenz der Gonokokken abgeschwächt
würde, dafür werden sich kaum günstige anatomische Bedingungen
konstruieren lassen. Wenn Serumanwendung trotzdem wirkt — und
das war mehrfach mein Eindruck —, so ist wohl eine günstige Re-
sistenzveränderung des Gewebes anzunehmen.
Zum Schluß sei noch bemerkt, daß die Arthigoninjektionen, so
segensreich sie oft sind, in der Mehrzahl der Fälle — von dem
Fieber abgesehen — sehr unangenehme örtliche Reizerscheinungen
machen, die bisweilen den absoluten Widerstand der Patienten her-
vorrufen. Wenn das Arthigon ohne Beschwerden vertragen wird,
wirkt es wahrscheinlich auch nicht. Da die Reizerscheinungen mit
der Technik auch nichts zu tun haben, so ist zu wünschen, daß eine
prinzipielle Änderung der Technik, vielleicht intravenös, eintrete.
Aus der wroloyischen Poliklinik des Kaiserlich- Klinischen Institutes
der Großfürstin Helene Puwlornu.
(Chef Prof. Dr. N. A. Michailow.)
—
Spina bifida, Retentio urinae, Hydro-uretero-
pyelo-nephrosis bilateralis, Diverticulae
vesicae urinariae.
Von
Dr. M. A. Mucharinsky,
Assist, des Kais.-Klin. Inst. d. Grobf. Helene Pawlowna.
Mit 6 Textabbildungen.
In diesem Frühjahr hatte ich Gelegenheit einen äußerst sel-
tenen und interessanten Fall von Incontinentia urinae bei Spina bi-
fida zu beobachten.
Am 5. Mai dieses Jahres wandte sich an die Poliklinik des In-
stitutes der 17jährige Patient W. R. Er beschwerte sich über an-
geborene nächtliche Harninkontinenz. Am Tage häufiger Harndrang
(alle 15—30 Minuten), wobei jedesmal von einigen Tropfen bis
1—3 Likörgläschen Harn gelassen wird. Der Schlaf ist tief. Mäßig
anämischer, schlaffer Patient. Bei der Inspektion findet sich in der
Gegend des Kreuzbeins eine weiche, handtellergroße, im Zentrum
leicht eindrückbare Narbe. Vor 9 Jahren Operation wegen Spina
bifida. Spalte geschlossen, keine Vorwölbung, nur im Zentrum ist,
wie eben erwähnt, eine geringe Vertiefung nachgeblieben.
Vom Patienten wurden spontan etwa 60 cem Harn abgelassen,
mittels Katheters wurden 600 cem entleert; der Harn ist wässerig,
enthält eine geringe Menge Flocken. Zystoskopie: Collum und ein
Teil des Trigonum Lieutaudii bullös-ödematös, Lig. interureterieum
wallartig verdickt, Fundus deutlich trabekulär. Ostia der Harn-
leiter nicht sichtbar, an ihrer Stelle und hinter ihnen sieht man Di-
vertikel von bedeutender Ausdehnung, deren Größe die eines nor-
malen Ostium ureteris um ein Mehrfaches übertrifft. Zwischen den
Trabekeln findet man auch fast überall Divertikel von verschiedener
Größe verstreut (Abb. 1, 2, 3, 4).
886 M. A. Mucharinsky.
Die Harnmenge beträgt 3000 cem in 24 Stunden, der Harn ist
von blaßgelber Farbe und schwach sauerer Reaktion, trübe, spez.
Gew. 1006, enthält 0,3 °/,, Eiweiß nach Brandberg, Indikan normal.
Bei mikroskopischer Untersuchung des Sediments findet sich eine
geringe Anzahl Harnsäurekristalle, wenige Plattenepithelien und
5—10 Leukocyten in einem Gesichtsfelde, stellenweise Gruppen von
50—100 weißen Blutkörperchen. Um zu ermitteln, ob nicht wenig-
stens eines der Divertikel als erweitertes Ostium des Harnleiters
Fig. 1. Fig. 2.
Fig. 3, Fig. 4.
angesprochen werden könne, wurde der linke Harnleiter katheterisiert
und nach Einbringung — mittels Harnleiterkatheters — einer Af
Kollargollösung röntgenoskopisch untersucht. Der Katheter konnte
mühelos durch das Divertikel, welches sich als erweitertes Ostium
des Harnleiters herausstellte, in das Nierenbecken eingeführt wer
den, wo sein Ende sich umbog (Abb. 5). In das hinter dem Ostium
des Harnleiters befindliche Divertikel drang der Katheter nur 2 bis
3 cm weit ein. Jn den rechten Harnleiter gelang es nicht einzu-
dringen, augenscheinlich wegen einer Knickung des Harnleiters in
seiner intramuralen Partie. Schließlich wurde nach Einbringung
von 200 cem Kollargol nochmals röntgenoskopisch untersucht. Auf
dem Röntgenogramm (Abh. 6) sieht man deutlich, daß die Blase
Orificium
uteri.
Spina bifida, Retentio urinae usw. 887
sehr geringe Dimensionen zeigt; an ihrer oberen Wand, rechts von
der Medianlinie, befindet sich eine Vorstülpung von halbrunder Form,
an der linken Wand, unterhalb der Mündungsstelle des linken Harn-
leiters, findet sich eine zweite Vorwölbung von der gleichen Form,
aber mit kleinerem Basaldurchmesser, als die erste. Beide Harn-
leiter sind sehr stark gedehnt und bilden eine bis hart an das
Nierenbeckeun reichende, gleichmäßige Auftreibung, mit Ausnahme
des unmittelbar der Blase anliegenden Teiles. Der linke Harnleiter
ist in seinem renalen Teile rechtwinklig umgebogen, ferner sieht
Fig. 5.
man deutlich die stark gedehnten Nierenbecken und Nierenkelche,
Der rechte Harnleiter reicht höher hinauf als der linke und macht
eine stumpfwinklige Wendung nach oben rechts; ferner erscheinen
auf der Abbildung das Nierenbecken und der untere Nierenkelch
mäßig gedehnt. Ziffermäßig ausgedrückt erhält man im Röntgen-
bild folgende Dimensionen für Blase und Harnleiter: Quer- und
Längsdurchmesser der Blase 41/, und 4!/, cm, Querdurchmesser des
rechten Harnleiters an der Blaseninsertionsstelle 1 cm, in der Ge-
gend der Lin. innominata 2 cm, oberhalb dieser bis zur Übergangs-
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888 M. A. Mucharinsky.
stelle in das Nierenbecken 21/, cm; die entsprechenden Dimensionen
des linken Harnleiters sind 1, 2 und 2!/, cm.
Bei der Durchsicht der Literatur der letzten 4—5 Jahre fand
ich mehrere Fälle von Blasendivertikel beschrieben (Brongersma,
Perthes, Winkler, Handl, Grinstein, Cholzoff, Kroiß,
Zaajer, Liokumowitsch, Weber). Davon zeigt nur der Handl-
sche Fall eine gewisse Ähnlichkeit mit dem von mir beschriebenen:
Bei einem 3'/,jährigen Knaben wurde Erweiterung beider Nieren-
becken beobachtet, welche auf die Harnleiter überging. Der rechte
Fig. 6.
Harnleiter mündete mit schmaler Öffnung in ein hühnereigroßes Di-
vertikel der Blase, das Divertikel kommunizierte mit der Blase an
der Stelle des Ostium ureteris dextri mittels der gewöhnlichen engen
Spalte. Bei der mikroskopischen Untersuchung des Divertikels er-
wies sich dieses als rudimentärer Harnleiter.
In anderer Beziehung besteht eine Ähnlichkeit zwischen meinen
Falle und einem von Pasquereau beschriebenen: 42jähriger Pa-
tient, Spina bifida, Incontinentia, welche sich als Retentio urinae
herausstellte, mit schwerer Blasenblutung. Bei der Operation (Sectio
Spina bifida, Retentio urinae usw. 839
alta) fand sich, entsprechend der Plica interureterica, ein dicker
Strang, der nach Pasquereau nicht angeboren, sondern durch
Muskelhypertrophie zentralen Ursprungs in Zusammenhang mit der
vorhandenen Spina bifida entstauden ist.
In dem von mir beschriebenen Falle ist die Blase sehr klein
und mangelhaft entwickelt, das Collum ödematös, der Sphincter ve-
sicae wohlentwickelt, das Ligamentum interuretericum sehr ausge-
sprochen. Diese Veränderungen sind allem Anscheine nach zen-
tralen Ursprungs und stehen mit der Existenz einer Spina bifida in
Zusammenhang. Trabekel, Divertikel, Erweiterung der Nierenbecken
und Harnleiter sind sekundär entstanden, im Anschluß an die mangel-
hafte Entwicklung der Blase und das Prävalieren der Sphinkter über
die Detrusoren. Inkontinenz im eigentlichen Sinne lag nicht vor,
vielmehr handelte es sich die ganze Zeit um Retention und Incon-
tinentia paradoxalis infolge Überfüllung der Blase den Harnleitern
und Nierenbecken. Durch konservative Behandlung — systema-
tische Katheterisation der Blase — wurde die Harnretention bzw.
Dehnung der Harnleiter und Nierenbecken günstig beeintlußt, In-
kontinenz wurde immer seltener beobachtet.
Die Radikaloperation mit Bildung einer neuen Blase ist bei so
hochgradiger Dehnung der Harnleiter und Nierenbecken schr ge-
fährlich wegen der fast zweifellosen Möglichkeit einer aszendieren-
den Infektion. Bei Unzulänglichkeit der jetzt angewandten The-
rapie bleibt meiner Ansicht nach ein Ausweg: ein- oder beider-
seitige Nephrostomie, Befreiung der Harnleiter von der sekundäre
Urethritis bedingten Adhäsionen, plastische Operation an den Nieren-
becken zur Beseitigung der Pyelonephrose, um die weitere Dehnung
und den Untergang des Nierengewebes zu verhüten.
Zum Schluß ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Doz.
A.K. Janowsky für die Anfertigung der Rüntgenogramme meinen
Dank auszusprechen.
Literaturbericht.
L Physiologie und Pathologie des Harns.
a) Diurese und Diuretica.
Über die Wirkungsweise einiger gebräuchlicher Diuretica
Von E. Meyer-Stralsburg. (Therapeutische Monatshefte, Januar 1911.)
Für die Wirkungsweise der Diuretica gab es bisher zwei Erklärungen.
Schröder nahm eine direkte Reizung des Nierenepithels an, während
Löwy die Gefälserweiterung und bessere Durchblutung der Niere in den
Vordergrund stell. Der Verfasser selbst hat niemals bei primären
Nierenerkrankungen eine günstige Wirkung des Theophyllins im Gegensatz
zu aufserordentlicher Wirkung bei der Stauungsniere gesehen. Er konnte
deshalb Theophyllin bei Nephritiden niemals empfehlen. Da beim Diabetes
insipidus die Kochsalzausscheidung durch Theophyllin stark zunahm,
schien die Theorie Schröders für die direkte Einwirkung dieses Mittels
auf die Nierenepithelien bewiesen.
Nun hat Meyer aber einen Fall mit zirkulatorischen Kompenss-
tionsstörungen beobachtet, bei dem Digitalis, also ein Mittel, das
die Nierenzellen nicht reizt, die gleiche Wirkung wie das Theophyllin
hatte. Denn auf Digitalis trat unter Herabgehen des Blutdrucks Poly-
urie mit zunehmender, also relativ gesteigerter Kochsalzausscheidung ein.
Als Erklärung nimmt der Verfasser an, dafs durch die Besserung der
allgemeinen Zirkulationsverhältnisse auch die Nieren besser durchblutet
und dadurch die Nierenepithelien wieder in die Lage versetzt wurden,
einen kochsalzreicheren Harn zu sezernieren.
Hiernach wäre bei der Theophyllindiurese eine Vereinigung der
Theorien von Schröder und Löwy bei Stauungszuständen gegeben, in-
dem nach Löwy unter der Wirkung des Theophyllins eine bessere Durch-
blutung stattfindet und die in einen besseren Ernährungszustand versetzten
Epithelien besser funktionieren, wozu der direkte Reiz auf die Epithelien
nach Schröder sich addieren würde. N. Meyer-Wildungen.
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Über ein neues Diuretikum „Theoform“. Von Friedrich
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E EAR GAUT AR T.) Bennighof. (Dissertation, Gießen 1912, 27 S. Otto Kindt.)
vi E EN (GES, Verfasser gibt zunächst einen Überblick über die Diuretica der
ks el ër A i | Purinreihe und sodann eine pharmakologische und klinische Schilderung
GO WH RERIG BIN des Theoform.
À le ei E E HA Dasselbe ist ein durch Kondensation des Theobromin mit formal-
gir ji pe alar rit EI dehydabspaltenden Reagentien hergestelltes Salz. Diese Verbindung ent-
hiy ER í S eI e hält 85,5°/, Theobromin und ist als Pulver, sowie in saurer Lösung be-
ART, 97; ständig; in neutraler oder alkalischer Lösung zerfällt sie rasch in ihre
Komponenten. Das Pulver ist weiß und von intensiv bitterem Geschmack;
es löst sich in Wasser von Zimmertemperatur im Verhältnis von ca. 1:50
Physiologie und Pathologie des Harns. 891
— vorausgesetzt, daB man sehr rasch arbeitet oder etwas HCI zusetzt —;
reines Theobromin löst sich dagegen im Verh. 1:1600. Die Hersteller
(Knoll & Co., Ludwigshafen a. Rh.) haben, um die Verbindung haltbar
zu machen, 4 Teilen der neuen Verbindung 1 Teil Zitronensäure zu-
gesetzt. In dieser Form enthält das Theoform 68,4°/, Theobromin
(Diuretin 50°/,, Agurin 60°j,) Verf. gab das Medikament wahllos
solchen Patienten, denen man andernfalls Diuretin verabreicht hätte.
Das Mittel wurde in Oblaten, meist zu 1,0 nach der Mahlzeit verab-
reicht. In keinem Fall sind nennenswerte Schädigungen der Nieren oder
sonstige auffälligere Nebenwirkungen auf Puls und Blutdruck beobachtet
worden. Das Theoform ist ein besonders bei kardialen Hydropsien gut
diuretisch wirkendes Mittel; wenn ihm auch besondere schädigende
Wirkungen fehlen, so sind ihm doch die bei den bisher gebräuchlichen
Diureticis der Xantbinreihe bekannten Nebenerscheinungen eigen.
Fritz Loeb-München.
Radiumemanation als Diuretikum. Von L. Gleim-Grunewald.
(Münch. med. Wochenschr. 1911, Nr. 52.)
Bei zwei schweren chronischen Nephritikern, die seit Jahren nur
geringe Urinmengen produzierten, gelang es dem Verf. durch eine Ra-
diumtrinkkur die Harnmenge bedeutend zu heben und auch das Allge-
meinbefinden zu bessern. Brauser- München.
Remarks on the choice of a diuretic. Von E. Smith. (Brit. med.
Journ. Febr. 11, 1911.)
Es ist bei allgemeinen Ödemen durchaus nicht gleichgültig, welches
Diuretikum angewendet wird, sondern man muls in allen Fällen die
nähere Ursache berücksichtigen. Die erste Gruppe der Diuretica, deren
Hauptrepräsentanten die Digitalis darstellt, wirkt durch Steigerung des
Blutdrucks. Eine ähnliche Wirkung haben Strophantus, Convallaria,
Strychnin und Scilla. Koffein und Diuretin hingegen wirken direkt
auf die sezernierenden Zellen der Tubuli, sind also bei Schädigung der
letzteren zu vermeiden. Die salinischen Diuretica schliefslich steigern
den osmotischen Druck des Blutes und ziehen Wasser aus den Geweben
in den Blutstrom. Sie reizen daher die Nieren nicht. Bei auf Herz-
krankheiten beruhenden Ödemen bewähren sich oft Kalomel und Tinctura
cantharidum. von Hofmann-Wien.
b) Bacterlurie.
Über die Bakteriurie. Von Palazzoliu. Vacıueret-Paris. (Revue
clinique d'Urologie 1913, Heft 1.)
Die Bakteriurie ist gekennzeichnet durch die Anwesenheit von Bak-
terien im frischgelassenen Urin, ohne daß diese eine entzündliche Re-
aktion in den Wänden der Harnwege hervorrufen. Sie ist zum ersten
Male 1881 von Roberts beschrieben und seitdem besonders durch den
allgemeinen Gebrauch des Mikroskops häufig beobachtet worden. Die
echte Bakteriurie hat nichts mit der vorübergehenden Ausscheidung von
Bakterien, wie sie im Verlauf von Infektionskrankheiten, z. B. beim
892 Physiologie und Pathologie des Harns.
Typhus, auftreten, zu tun, da bei der echten Bakteriurie die Bakterien
den Urin quasi als Kulturmedium benützen.
Nicht nur Kolibazillen, sondern die verschiedensten Bakterien wie
Strepto-Diplokokken, Staphylokokken können Bakteriurie hervorrufen.
Alter und Geschlecht sind von untergeordneter Bedeutung, wenn auch
Frauen häufiger als Männer, und ältere Leute häufiger als jüngere be-
fallen werden. Sie ist häufiger bei Graviden und bei Affektionen des
Uterus und der Adnexe.
In den meisten Fällen ist der Abfluß des Urins aus der Blase und
dem Nierenbecken erschwert, sei es durch Harnröhrenverengerung oder
Prostatahypertrophie beim Manne oder durch Uterustumor beim Weibe,
Die eintretende Urinstagnation begünstigt die Vermehrung der Bakterien,
zumal die Patienten sich oft der Sondierung unterwerfen müssen.
Die Urininfektion ist entweder deszendierend, von der Niere stam-
mend, oder aszendierend, von urethral gelegenen Infektionsherden und
von außen kommenden Bakterien herrührend, oder sie ist schließlich auf
Bakterien zurückzuführen, welche die Blasenwand durchwandert haben.
Die deszendierenden Bakteriurien sind meist infektiösen und intes-
tinalen Ursprungs. Sekundär werden die Drüsen der hinteren Harnröhre
infiziert, die dann erst die Bakterien in die Blase entleeren. Interessant
ist dabei das Verhalten der Niere. Liebetrau hat einen Fall beobachtet,
in dem die Niere 9 Jahre lang, und Gwyn einen Fall, in dem die Niere
5 Jahre lang die Bakteriurie unterhielt, ohne daß das Blut irgendwie
Bakterien enthielt. Denkbar wäre es nun, daß in diesen Fällen von
einem latenten Bakterienherd aus vorübergehend Bakterien in das Blut
gelangen, durch die Niere mit dem Urin ausgeschieden werden und diesen
infizieren. Nach Untersuchungen vonNachildon und Wyssokowitchmuß
aber eine Schädigung der Glomeruli erst vorausgehen, damit die Niere
Bakterien ausscheiden kann. So fand Konjajeff in der Rinde einer
Typhusniere kleine Nekrosen infolge von Bakterienembolien. Diese
Herde enthielten zahlreiche Bakterien und kommunizierten mit den Ha,
kanälchen .In dieser Weise ist auch das häufige Vorkommen der Albu-
minurie bei renaler Bakteriurie erklärlich. Den renalen Infektionsweg
findet man häufig für den Colibazillus, jedoch ist sein Durchtritt durch
die Niere nicht erklärt. Allerdings hat man auch oft eine primäre In-
fektion der Blase durch den Üolibazillus beobachtet ohne Beteiligung
des Nierenbeckens. Für eine Colibakteriurie indessen ist eine intestinale
Erkrankung notwendig. Festgestellt ist die Durchwanderung der Blasen-
wand bei Appendicitis und Genitalerkrankungen. Eine Wanderung von
Bakterien vom Dünndarm zur Prostata und Samenblase kann man an-
nehmen, aber nicht vom Rektum her, da keine Lymphwege zwischen
diesen Organen vorhanden sind. Als Beweis hat Motz den Prostata-
krebs angegeben, der sich niemals auf das Rektum ausbreitet. Überhaupt
spielen die Drüsen der hinteren Harnröhre eine große Rolle beim Manne.
Für ihre Infektion kommen in Betracht die Gonorrhoe, Bakterien, die
von der Niere ausgeschieden werden, Saprophyten der Urethra. Diese
Drüsen enthalten dann sozusagen Reserven von Bakterien mit geringer
Virulenz. Beim Weibe sind die Ursachen für die aszendierende Bakteriurie
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Physiologie und Pathologie des Harns. 893
wegen der kurzen Urethra zahlreich: Vulvabakterien, Coitusverletzungen,
Bakterien des Anus. Bei kleinen Mädchen hat man infolge starker
Disrrhöen Reizung der großen Schamlippen und der Vulva bei gleich-
zeitiger Bakteriurie beobachtet. Dazu kommen noch Erkrankungen des
Uterus und der Adnexe und die Schwangerschaft, welche Bakteriurie
verursachen können. Als intestinale Ursachen hat man die Enteritis
mucomembranosa, die Diarrhoe der Kinder, die Analfissur und die Appen-
dizitis beschrieben. Außerdem können alle Infektionskrankheiten eine
Ursache der Bakteriurie abgeben, jedoch können dann auch andere
Mikroorganismen wie die der Infektionskrankheiten die Bakteriurie herbei-
führen. So hat man nach einer Grippe Colibazillen, in einem anderen
Fall von Grippe Pneumokokken und später einzelne Colibazillen im Urin
beobachtet.
Verlauf: Bei Infektionskrankheiten, die keine Sekundärinfektion
in den Harnwegen setzen, verläuft die Bakteriurie rasch und heilt schnell
ohne jede Behandlung. Bei intestinalen Erkrankungen ohne Miterkran-
kung der Harnwege wird die Bakteriurie durch Behandlung des
intestinalen Leidens geheilt. Sitzt endlich die Ursache der Bakteriurie
in einem Entzündungsherd, der in den Harnwegen gelegen ist, so hängt
die Heilung von der Behandlung dieses Herdes ab. In solchen Fällen,
wo der Herd der Behandlung leicht zugänglich ist, kann die Heilung
einige Monate beanspruchen, bei renalen Ursachen sogar Jahre. Aber
hier kommen auch Spontanheilungen vor.
Symptome: Häufig findet man eine allgemeine Müdigkeit mit
geringer Depression; in zahlreichen Fällen kommt der Patient auch
wegen Erscheinungen von seiten der unteren Harnwege zum Arzt, sei
es daß Ausfluß, Urinretention usw. besteht, Im übrigen ist trüber Urin
das einzige Symptom, das auf das Leiden aufmerksam macht. Bei der
Bakteriurie läßt sich diese Trübung niemals durch Absetzen oder Zen-
trifugieren beseitigen, der Urin besitzt eine gewisse Opaleszenz und
ähnelt bei auffallendem Licht leicht seifirem Wasser. Der Urin ist
farblos in allen Fällen, wo im Nierenbecken Bakterien sind. Durch
Spülen derselben bekommt der Urin seine braune Farbe wieder, die
später mit dem Eindringen der Bakterien wiederum verschwindet.
Die Zwei-Gläserprobe gibt in beiden Gläsern gleichmäßig trüben
Urin, nur bei Erkrankungen der hinteren Harnröhre ist der l. Urin
trüber, manchmal Fäden enthaltend. Bei Colibazillen ist der Urin
sauer, sonst alkalischh Bei Mischinfektion kann der Urin bald sauer,
bald alkalisch sein, je nachdem die eine oder andere Art über wiegt.
Manchmal ist eine wirkliche Phosphaturie mit einer renalen Bakteriurie
verbunden, wie in einem hier angegebenen Falle. Durch Spülen des
Nierenbeckens konnte man zeitweise Bakteriurie und Phosphaturie be-
seitigen. Schließlich ist es noch der ekelerregende fade Geruch des
Urins, welcher die Patienten aufmerksam macht.
Diagnose: Trüber Urin, Polyurie ohne Cystitis, farbloser Urin
mit ammoniakalischem Geruch bei saurer Reaktion lassen immer an
Bakteriurie denken. Entscheidend für die Diagnose ist indessen die
mikroskopische Untersuchung des Urins. Es dürfen keine Leukozyten
894 Physiologie und Pathologie des Harns.
sich im Präparat finden, in welchem man bei der echten Bakteriurie
neben desquamierten Epithelien der Harmnröhre beim Manne und der
Vulva beim Weibe nur Bakterienhaufen sieht, die oft durch einen
Schleimfaden agglutiniert erscheinen. Allerdings ist das Fehlen jeglicher
Leukozyten sehr selten, man findet sie häufig vereinzelt und sie kommen
von dem Herde her, welcher die Bakteriurie unterhält. Sie können
daher auch Aufschluß über den Ursprung der Bakteriurie geben. Findet
man so in dem spontan gelassenen Urin Leukozyten, in dem durch
Katheter gewonnenen keine, so sitzt die Ursache in der Harnröhre,
Fängt man auch hier den Urin in 2 Gläsern auf, so findet man oft in
dem 1. vereinzelte Leukozyten — wahrscheinlich durch die Sonde in die
Blase gebracht —, in dem 2. keine Leukozyten. Ist der Infektionsherd
in der Niere gelegen, so enthält natürlich der Blasenurin Leukozyten,
Es gibt auch Fälle, wo der Blasenurin Leukozyten enthält, aber nicht
der renale Urin. In solchen Fällen liegt wohl die Ursache der Bakteri-
urie in der Blase selbst, ohne daß es zu entzündlichen Reaktionen der
Blasenwand gekommen ist. Gewiß sind auch alle Stadien zwischen einer
solchen Bakteriurie und einer Cystitis möglich.
Da die Hauptursache der Bakteriurie in der hinteren Harnröhre
gelegen ist, so beginnt man mit ihrer Untersuchung: Die Blase wird
entleert und ausgespült, der Katheter wird entfernt, nachdem man in
die Blase 1 oder 2 kleine Spritzen Hydrarg. oxyeyanat. ?/,900 gebracht hat.
Von dem Rektum aus massiert man dann die Pars membranacea, läßt
darauf etwas urinieren und fängt den Urin auf. Nun wird die Prostata
selbst massiert. Man läßt nochmals urinieren und untersucht dann die
beiden Urinproben. Auf diese Weise läßt sich der Sitz des primären
Herdes leicht bestimmen.
Bei Prostatikern muß man auf die Erweiterung achten, die oft in
der Harnröhre hinter der Verengerung gewissermaßen als Vorblase ent-
steht. Diese wird beim Katheterisieren häufig nicht mit entleert und
enthält dann zahlreiche Mikroben. Unentbehrlich ist natürlich zur Fest-
stellung der Ursache der Bakteriurie der Ureterenkatheterismus, der ganz
ungefährlich ist, wenn man nach dem Beispiel von Motz beim Zurück-
ziehen des Katheters eine Sol. argent. nitric. 1/9 in das Nierenbecken
injiziert.
Behandlung: Ausgenommen die Fälle, in denen es sich um eine
Urinretention handelt, muß der Patient viel Tee und Mineralwässer
trinken. Anzuwenden ist außerdem immer noch Urotropin 1—2 g täg-
lich, Helmitol, Uroseptin usw. Dazu kommen Blasenspülungen mit
Arg. nitric. 1/90 dann 1/iooop und wenn es gut vertragen wird, "iz
Zur Spülung werden noch angewandt: Kal. permangan. */,590 Hydrarg.
oxycyanat. "/yoo0, Hydrarg. bichlor. laang ` Am besten aber ist doch
noch Arg. nitric.
Gute Resultate hat indessen Kornfeld auch mit Sublimatinstilla-
tionen zu ioo erreicht.
Bei Bakteriurien intestinalen Ursprungs kann man, wie Janet, durch
längere Milchdiät Heilung erreichen. Ist Urinretention die Ursache der
Physiologie und Pathologie des Harns. 895
Bakteriurie, so muß die Verengerung behandelt werden. Tägliche Ent-
leerung und Spülung dər Blase führen dabei schnell zur Heilung.
Liegt die Ursache in der Niere, so ist im allgemeinen jede Therapie
ohnmächtig. Zuweilen aber geben Spülungen des Nierenbeckens gute
Resultate. Solche Spülungen werden mit einer Argent. nitric.-Lösung 2 bis
3 mal wöchentlich ausgeführt. Zu Instillationen konzentrierter Lösungen
in das Nierenbecken ist nicht zu raten, da diese eine starke Desqua-
mation des Epithels und Verstopfung des Ureters mit anschließenden
Kolikanfällen verursachen können. Außer Arg. nitric. kann man noch
Protargol und Argyrol ‘/,,, anwenden. Liegt die Ursache in der hin-
teren Harnröhre, so müssen wir die gewöhnliche Behandlung der Prosta-
titis, der Vesiculitis und der Urethritis heranziehen, dürfen aber nie die
nachfolgende Spülung und Desinfektion der Blase vergessen. Zum Schluß
endlich wird noch auf die Vakzinetherapie hingewiesen, die in Kombi-
nation mit der bisherigen Behandlung vielleicht gute Dienste tun könnte.
Anschließend werden 2 Fälle von Bakteriurie beschrieben, die durch
Diplokokken verursacht sind und gleichzeitig mit Phosphaturie einher-
gingen. Maaß-Berlin.
Bactériurie à diplocoques et Phosphaturie. Traitement pas
les phosphateo colloidaux et par un vaccin de Wright. Amélio-
ration rapide. Von Aureille et Renaud-Badet. (Journ. d'Urol. Tome II,
No. 2, 1913.)
Ein 30 jähriger Mann, dessen letzte gonorrhoische Infektion 8 Jahre
zurücklag, litt an Cystitis, leichter Prostatitis und an ausgesprochener
Phosphaturie.
Die Phosphaturie schwand rapid nach Darreichung von Colloiphos-
phin, einer kolloidalen Suspension alkalischer und erdiger Phosphate,
Glykophosphate und Hypophosphite, wovon täglich 2 Löffel, entsprechend
3g P,O,, gereicht wurden.
Außerdem bestand eine Bakteriurie, hervorgerufen von einem genau
charakterisierten Diplococcus. Das aus diesem bereitete Eigenserum be-
seitigte die mit Harnantisepticis vergeblich behandelte Bakteriurie.
A. Citron-Berlin.
c) Indikanurie.
Indikanurie und Augenkrankheiten. Von Elschnig-Prag. (Wiener
klin. Wochenschr., Nr. 19. 1912.)
Unter 142 Iridozyklitisfällen fanden sich 21, bei denen keine der
bis dahin bekannten Ätiologien gefunden werden konnte. Unter diesen
21 sonst anscheinend gesunden Individuen fand sich 8 mal (40°/,) Indi-
kanurie, Es muß daher für diese Fälle ein Zusammenhang zwischen
Iridozyklitis und gastrointestinaler Infektion angenommen werden, zumal
da eine gründliche Darmdesinfektion oft auf den Lokalprozeß über-
raschend günstig einwirkt. von Hofmann-Wien.
896 Physiologie und Pathologie des Harns.
Indicanuria and the phosphates. Von J. D. Warbrick-Chicago,
(Medical Record, 15. 2. 1913.)
Warbrick gibt eine Tabelle, in welcher die Phosphate und der
Indikangehalt von 25 Urinen untersucht sind. Es geht aus ihr hervor,
daß in neun Fällen ein niedriger Phosphatgehalt bei viel Indikan, in
fünf Fällen ein hoher Phosphat- und niedriger Indikangehalt vorhanden
war. Obgleich die Phosphate bei einer Anzahl Krankheiten, wie Magen-
krebs, Phthisen, Hirnerkrankungen, vermehrt sind, ist dies von keinem
oder nur geringem Einfluß auf die Bildung des Indikans.
N. Meyer-Wildungen.
Indicanuria and the Proteins. Von J. C. Warbrick- Chicago.
(Medical Record, 6. VII. 1912.)
Warbrick hat, um den Einfluß der Proteine auf die Indikanurie
zu studieren, die Urine nach den Mahlzeiten, die im wesentlichen aus
Proteinen bestanden, zu verschiedenen Zeiten untersucht. In diesen
Urinen wurden außerdem die Chloride, Phosphate und Sulfate bestimmt.
Aus den Untersuchungen geht hervor, daß die allgemeine Ansicht, die
Fleischnahrung vermehre das Indikan, irrig ist, Eine Zunahme des In-
dikangehalts konnte nicht beobachtet werden. Es muß eine individuelle
Verschiedenheit bezüglich der mehr oder weniger schnellen Bildung wie
Ausscheidung angenommen werden. Das Indikan wurde durch Ober-
meiers Reagens festgestellt. N. Meyer-Wildungen.
Indicanuria and the chlorides. Von J. C. Warbrick-Chicago.
(Medical Record, 26. X. 1912.)
Um die etwaigen Beziehungen der Indikanurie zur Chlorausschei-
dung zu untersuchen, hat Warbrick eine Reihe von Urinen untersucht.
Er fand eine erhebliche Indikanurie bei hohem Chlorgehalt und hohem
spezifischem Gewicht. In anderen Fällen war unter gleichem sonstigen
Befund die Indikanurie gering. Es wurde aber auch bei hohem spezi-
fischem Gewicht und niedrigem Kochsalzgehalt eine geringe Indikanurie
und bei niedrigem spezifischem Gewicht und geringer Kochsalzausschei-
dung eine beträchtliche Indikanurie festgestellt. Vielfach wurde kein
Indikan weder bei hohem noch niedrigem Kochsalzgehalt gefunden. Es
scheint jedoch, daß eine Indikanurie bei niedrigem spezifischem Gewicht
und niedrigem Chlorgehalt selten vorkommt. Es kann jedoch im allge-
meinen der Satz gelten, daß die Indikanurie in direktem Verhältnis zur
Höhe der Chloride steht, beides jedoch von verschiedenen Faktoren wie
Diät, Flüssigkeitsaufnahme, Bewegungen abhängig ist.
| N. Meyer-Wildungen.
d) Hämoglobinurie.
Über die Ätiologie der paroxysmalen Hämoglobinurie. Von
L. Fejes-Budapest. (Orvosi Hetilap, Nr. 24, 1911.)
Ein an dieser Krankheit leidender Patient bekommt bei verhältnis-
mälsig geringer Abkühlung, z. B. bei kurzem Aufenthalt in kalter Luft,
den typischen Anfall. Er kann auch künstlich hervorgerufen werden,
Physiologie und Pathologie des Harns. 897
wenn ein Glied in kaltes Wasser gesteckt wird. Der Anfall zeigt sich
ganz ım Bilde des Beginns einer akuten allgemeinen Infektion, insoferne
Schüttelfrost, diesem folgende starke Temperaturerhöhung, der Kollaps ganz
an das Bild erinnert, wie bei septischen Erkrankungen. Der nach dem
Anfalle auftretenden Hämoglobinurie fo!gt bald das Sinken der Tempe-
ratur mit der rapiden Besserung des allgemeinen Zustandes. Man brachte
die Krankheit mit vorangegangener Lues in ursächlichen Zusammenhang.
Andere hielten die Malaria, beziehungsweise im Zusammenhange damit
die chronische Ohininvergiftung als Ursache. Die übrigen Krankheiten
verursachen vermöge der vergiftenden, u. z. blutzellenlösenden Wirkung
Hämoglobinämie und so Hämoglobinurie. Hierher gehören die chemischen
(Gifte, als chlorsaures Kalium, Pyrogallsäure, Naphtol, Schwefelsäure,
Glyzerin, Toluylendiamin, giftige Schwämme; auch bei akuten Infektions-
krankheiten, als Scharlach, Typhus abdom., Pneumonie, Tetanus usw. kann
Hämoglobinurie auftreten. In letzteren Fällen kann sie als Folgesymptom
angesehen werden. Bei keiner Tiergattung kommt sie als selbständiges
Krankenbild vor und kann auch versuchsweise nicht hervorgerufen werden.
Das Kaninchen verträgt die Behandlung mit eigenem Blute sehr schlecht.
Autor wählte das Pferd als Versuchstier. Aus der Vena jugularis nahm
Autor 1 Liter Blut, steril aufgefangen und defibriniert. Autor wusch
es mit physiologischer Kochsalzlösung 5 mal und injizierte die so gewonnene,
vom Serum vollkommen abgesonderten Blutzellensatze subkutan in dasselbe
Pferd. In 6tägigen Zwischenräumen behandelte er das Pferd 4 mal so
und sodann untersuchte er wieder das Blutserum und die roten Blut-
zellen. Aber er konnte weder im Serum Hämolysin, noch in der Resistenz
roter Blutzellen irgend eine Abweichung finden. Dann wurde das Pferd
zu schwerer Arbeit gebraucht. Sodann fühlte sich das Pferd ganz wohl,
es zeigte keinerlei Symptome, die sich bei paroxysmaler Hämoglobinurie
der Pferde einzustellen pflegt. Unmittelbar nach der Arbeit nahm Autor
vom Pferde Blut, defibrinierte einen Teil, benutzte ich zur Untersuchung
der roten Blutzellen; den andern Teil zentrifugierte er und fand im Serum
und in den roten Blutzellen auffallende Abweichungen. Der zweite
Teil seiner Versuche bestand darin, dals er Blut einer mit Trypanosoma
infizierten Maus subkutan injizierte. Am 8. Tage trat Fieber auf,
das jetzt abgenommene Blut bearbeitete er behufs Serumgewinnung
und Blutzellenuntersuchung. Das Serum untersuchte er auf Lysin-
gehalt, die roten Blutzellen auf ihre Resistenz. Vor der Infektion
war das Pferd normal. Die Trypanosomainfektion rief die Wirkung
viel intensivor hervor als die Arbeit. Die Lyse stellte sich ein und
namentlich steigerte sich die lösende Wirkung des Blutserums des
behandelten Pferdes gegen die normalen Blutzellen des normalen Pferdes,
ob er nach vorangegangener Inaktivierung eine entsprechende Komple-
mentmenge zugegeben oder ob er frisches Hämolysin gebraucht hat. Die
Veränderung blieb konstant, bis das Tier verendet war. Weder in dem
Blutserum, noch in den Blutzellen eines nicht behandelten Pferdes
trıtt infolge der Arbeit derartige Veränderung auf. In der über-
wiegenden Mehrheit der paroxysmalen Hämoglobinuriefälle kann in der
Anamnese die luetische Infektion entweder direkt nachgewiesen werden
Zeitschrift für Urologie. 1913. 59
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898 Physiologie und Pathologie des Harns.
oder es entsteht ein berechtigter Verdacht auf Lues; seheint Lues nahe-
liegend zu sein, so auch die Annahme des ursächlichen Zusammenhanges
zwischen Lues und paroxysmaler Hämoglobinurie. Mit Rücksicht auf
die Protozoennatur der Spirochaeta pallida wählte Autor das Trypanosoma-
Equiperdum, weil die dadurch hervorgerufene Krankheit, die Zuchtläh-
mung mit Lues einige Analogie aufweist. Obgleich Autor mit dieser
Infektion keinen der Hämoglobinurie ähnlichen Anfall auszulösen vermochte,
konnte er doch zwei wichtige Veränderungen nachweisen: 1. freie Anti-
lysinwirkung. Das in fieberhaftem Zustande genommene Blutserum löste
die eigenen Blutzellen, so auch die des normalen Pferdes stark, der
Komplettierungsversuch zeigte, dals Lysin sich auch unaktiviert den
roten Blutzellen anschliefst (Sensibilisierung), was die in serologischem
Sinne genommene Lysinnatur des Lösungsstoffes beweist. 2. Das An-
wachsen der Resistenz der roten Blutzellen in fieberhaftem Zustande,
Diesen beiden Erscheinungen verleiht der Umstand Bedeutung, dafs in
der Hämoglobinurie dieselben Abweichungen nachweisbar sind.
Porosz- Budapest.
Ein Fall von paroxysmaler Hämoglobinurie. Von Dr. Arpad
v. Torday-Budapest. (Pester med.-chir. Presse 1913, Nr. 22 u. 23.)
Ein 18jähriger Mechaniker entleerte seit dem zweiten Lebensjahre
ausfallsweise nach Schüttelfrösten dunkelschwarzen Urin und suchte des-
halb das Spital auf. Dort ließ man ihn, nachdem 10 Minuten langes
Eintauchen der Füße in Eiswasser keinen hämoglobinurischen Anfall
hervorrufen konnte, im kalten Flur leichtbekleidet eine Zeitlang stehen.
Hiernach trat ein halbstündlicher Schüttelfrost und drei Stunden darauf
die erstrebte Hämoglobinurie auf. Mit Blut und Harn angestellte Ver-
suche bestätigten die Donath-Landsteinersche Annahme, daß die Auto-
hämolysine infolge Kältewirkung frei werden. Interglutäale Einspritzungen
von Cholesterin hatten den therapeutischen Effekt, daß schon bei klei-
neren Wärmedifferenzen Anfälle eintraten, was früher lange nicht der
Fall gewesen war. A. Citron-Berlin.
Über Hämoglobinurie. Von Dr. John Willonghby Miller. Berl
klin. Wochenschrift 1912, Nr. 41.)
Voraussetzung jeder Hämoglobinurie ist bekanntlich eine Hämoglobin-
ämie, d. h. das Vorhandensein freien, von den roten Blutkörperchen her-
rührenden Farbstoffes im strômenden Blute. Der Ausgangspunkt der
Affektion kann der Respirations-, sowie der Digestionstraktus, ferner die
Haut und der Uterus sein; sie kann sich von ‚der Blutbahn und von
Wundflächen aus entwickeln. Hinsichtlich der Atiologie unterscheiden
wir die Serum-, die Wärme- und Kälte-, die Marsch-, die Gift-, die
Wasser-, die posthämorrhagische, die Hämoglobinurie bei Gravidität, end-
lich bei gewissen, meist infektiösen Krankheiten. Die Ausscheidung de
Blutfarbstoffs erfolgt nicht durch die Nierenglomeruli, sondern durch die
Epithelien der Tubuli contorti und der Henleschen Schleifen. Die
Nierenveränderungen sind nicht entzündlicher, sondern rein degenerativer
Natur. Der bei der Hämoglobinurie auftretende Ikterus ist ein Resorp-
Physiologie und Pathologie des Harns. 899
tionsikterus; einen hämatogenen Ikterus gibt es nicht. Auch bei Haus-
tieren kommt eine Hämoglobinurie vor, so die sogenannte schwarze
Harnwinde bei Pferden und das Texasfieber bei Rindern.
Paul Cohn-Berlin.
Über die Beeinflussung des hämoglobinurischen Anfalls durch
Cholesterin. Von Pringsheim-Breslau. (Münchner med. Wochenschr.
Nr. 32.)
Nach Donath-Landsteiner enthält das Serum des Hämoglobinu-
rikers ein Autohämolysin, welches die Erythrozyten des Hämoglobinuri-
kers auflöst. Diese Erkenntnis hat uns bisher zu keinem besonders
großen Erfolg in der Therapie verholfen. Cholesterin ist dafür bekannt,
daß es die Wirksamkeit von hämolytischen Giften im Reagenzglase
herabsetzt; es liegen auch vereinzelte Mitteilungen vor, nach denen
Chalesterin in vivo antihämolytisch wirkt. Es ist schon von andern
Autoren darauf hingewiesen, Anämien, die durch hümolytische Gifte
hervorgerufen sind, durch Cholesterin günstig zu beeinflussen. Zur Be-
handlung der paroxsymalen Hämoglobinurie ist Cholesterin bisher noch nicht
angewendet worden. Verf. wendete bei einem Fall intramuskuläre Injek-
tion von 0,5 Cholesterin als 10 proz. Emulsion in physiologischer Koch-
salzlösung an. Die Injektionen sind mäßig schmerzhaft und hinterlassen
manchmal schmerzhafte Infiltrate. Es traten auch nach den sicher sterilen
Injektionen geringe Temperatursteigerungen auf. Der Pat. des Verf.
wurde anfangs erfolglos mit einer Schmierkur behandelt, dann bekam or
5 Cholesterininjektionen innerhalb von 11 Tagen. Während er vor der
Behandlung auf Kältereize mit einem schweren Anfall reagiert hatte,
traten nach den 5 Injektionen auf den gleichen Kältereiz geringe An-
fälle auf, nach einer nochmaligen Darreichung von 0,5 Cholesterin blieb
überhaupt der Blutfarbstoff im Harn aus. initialer Schüttelfrost, Tempe-
ratursteigerungen, geringe Leukocytose erfolgten aber. Eine Woche nach
der Cholesterinbehandlung gelang es durch Kältereiz wieder einen hämo-
globinurischen Anfall auszulösen, genau so schwer wie die früheren. Der
Patient mußte dann entlassen werden. Es folgt eine Tabelle über das
Verhalten des Urins während der Beobachtung und Erwägungen, auf
welche Weise das Cholesterin wirkt. Brauser-München.
Zur Behandlung der paroxysmalen Hämoglobinurie. Von Dr.
Joseph Pringsheim-Breslau. (Med. Klinik 1913, Nr. 7.)
Die grundlegenden Versuche von Donath und Landsteiner haben
für den Mechanismus des hämoglobinnrischen Anfalls eine Erklärung ge-
geben, welche durch die meisten späteren Arbeiten bestätigt und er-
weitert wurde. Aus dieser Erkenntnis hat die Therapie keinen nennens-
werten Nutzen ziehen können. Sie ist auch jetzt noch nicht über das
Stadium der Versuche hinausgekommen. Bei diesen unbefriedigenden
Erfolgen in der Behandlung ist der vom Verf. beschriebene Fall von
paroxysmaler Hämoglobinurie von Interesse, in welchem mit Cholesterin
Versuche gemacht wurden. Die Versuche gingen von der Überlegung
aus, daß Cholesterin im Reagenzglase hämolytische Vorgänge, um die es
59*
900 Physiologie und Pathologie des Harrs.
sich ja zweifellos bei der paroxysmalen Hämoglobinurie handelt, hemmen
kann. Auch beim Menschen ist das Cholesterin bei Krankheiten, welche
mit der Auflösung roter Blutkörperchen einhergehen, in einigen Fällen
mit Erfolg angewendet worden — zuerst von Morgenroth und Reicher
bei schwerer Anämie, speziell Wurmanämie, in jüngster Zeit von Kurz
und Grimm bei Schwarzwasserfieber. Während alle diese Autoren das
Cholesterin per os darreichten, hat Verfasser es intramuskulär in Form
einer 10°/,igen Emulsion angewandt, um größere Mengen des Medika-
ments zur Resorption zu bringen. Die Injektionen sind etwas schmerz-
haft und zuweilen von geringer Temperatursteigerung begleitet. Um
einen Anhaltspunkt für die Beeinflussung der paroxysmalen Hämoglobin-
urie durch Cholesterin zu gewinnen, wurden bei dem Patienten während
der Behandlungsdauer von Zeit zu Zeit Anfälle durch kalte Fußbäder,
die immer denselben Temperaturgrad und dieselbe Dauer hatten, ausge-
löst und die Schwere der Anfälle nach der Dauer und Stärke der nach-
folgenden Hämolysinausscheidung im Urin beurteilt. Pat. bekam fünf
intramuskuläre Injektionen von je 5 cem 10°/,iger Cholesterinemulsion
im Laufe von elf Tagen. Am elften Tage erzeugte derselbe Kältereiz,
der vorher schwere Anfälle von acht- bis zehnstündiger Hämoglobinurie
hervorgerufen hatte, nur eine ganz geringe Ausscheidung von Blutfarb-
stoff, welche nach 2°/, Stunden verschwunden war. Nach einer weiteren
Injektion konnte der Kältereiz keine Hämoglobinämie, wie in den An-
fällen vor der Behandlung, und keine Hämoglobinurie hervorrufen. Der
sonst die Anfälle begleitende Schüttelfrost und Temperaturanstieg trat
aber trotzdem ein, so daß man von einem „frustranen“ Anfall reden
kann. Acht Tage nach der letzten Cholesterininjektion ließ sich wieder
ein schwerer Anfall hervorrufen, der sich in nichts von den Anfällen vor
Einleitung der Cholesterintherapie unterschied. Eine Wiederholung des
Versuches war aus äußeren Gründen nicht möglich. Aus diesen Fest-
stellungen folgt, daß sich durch Cholesterin der hämoglobinurische Anfall
kupieren läßt. Das schnelle Absinken der Kälteempfindlichkeit während
der Injektionsperiode, das prompte Wiederansteigen derselben nach Au-
setzen der Injektionen lassen ein zufälliges Zusammentreffen ausgeschlossen
erscheinen. Kr.
A case of paroxysmal haemoglobinuria. Von E. W.Squire-
Reading. (Brit. Med. Journ., April 12. 1913)
Der 13jährige Knabe erkrankte unter Erscheinungen von Schüttel-
frost. Am nächsten Tage war der Urin blutig. Derselbe enthielt Ei-
weiß, aber keine roten Blutkörperchen oder Zylinder. Nach 7 Tagen
war der Urin wieder normal. Der Patient hatte bereits zwei derartige
Attacken durchgemacht. von Hofmann- Wien.
Fall von Marschhämoglobinurie. Von Dozent Dr. O. Porges und
Dr. R. Strisower. (Allg. Wiener med. Zeitung 1913, Nr. 6.)
Nach viertelstündigem raschen Marsche, nach einstündigem Geben,
stellt sich bei dem Pat., ohne sonstige Störungen, eine intensive, mehrere
Stunden dauernde Hämoglobinurie ein. Die Untersuchung des Pat.
Physiologie und Pathologie des Harns. 901
ergibt außer erheblicher Vermehrung von Urobilin und Urobilinogen im
Harn nichts Abnormes. Bei dem Kranken bestand eine ausgesprochene
Lordose der Wirbelsäule; die Hämoglobinurie trat nur in aufrechter
Stellung auf. Es lag die Vermutung nahe, daß es sich um ähnliche
Verhältnisse handeln möchte, wie bei der orthotischen Albuminurie. Es
wurde nun dem Pat. ein in Kyphosestellung fixierendes Mieder an-
gelegt, und tatsächlich blieb die Hämoglobinurie trotz stundenlangen
anstrengenden Marsches aus. Die Ursache dieser Hämoglobinurie war
also Körperarbeit in lordotischer Stellung. Kr.
e) Alkaptonurie.)
A. case of alcaptonuria. Von H. Baldwin. (Amer. Journ. of Med.
Science. Jan. 1913.)
Bei der 3ljührigen neurotischen Patientin nahm der Urin beim
Stehen rasch eine dunkle Farbe an. Der Harn zeigte ein starkes Re-
duktionsvermögen, war optisch inaktiv, vergor nicht. Auf Zusatz von
Eisenchlorid trat eine blaugrüne Färbung auf. Aus dem Harn konnte
Homogentisinsäure dargestellt werden. von Hofmann-Wien.
Über einen neuen Fall von Alkaptonurie mit Ochronosis.
Von Valdemar Poulsen-Kopenhagen. (Münch. med. Wochenschr. 1912, Nr. 7.)
Verf., der bereits früher über das Thema gearbeitet, berichtet über
einen neuen Fall, der einen 23 jährigen sonst gesunden Bäckergesellen
betraf. Wie lange die Braunfärbung des Harns bestand, war nicht zu
eruieren. Der Urinbefund war typisch, Pigmentierungen waren nur in
der Sklera und an den Ohren, dort aber sehr deutlich vorhanden. Die
Alkaptonurie ist als die Ursache der Ochronosis aufzufassen.
Brauser- München.
f) Verschiedenes.
Cystinurie. Von Ackermann-Würzburg. (Deutsche med. Wochen-
schrift 1913, Nr. 21. Vereinsb.)
Ein junger, erblich belasteter Mann, bei dem bereits ein 48 g
schwerer Cystinnierenstein operativ entfernt worden ist, leidet an Cystin-
urie. 80 Liter seines Harnes wurden gesammelt, um Fäulnisbasen nach
der Untersuchungsmethode von F. Kutscher in ihm aufzudecken. Es
wurden keine neuen Fäulnisbasen gefunden, wohl aber Lysin, die a-s-
Diaminocapronsäure. Damit ist neben den bisher bekannten Amino-
säuren: Cystin, Tyrosin und Leucin eine vierte im Harne gefunden
Dieses Lysin ist die Muttersubstanz des Cadaverins, des einen Diamins
der Diaminurie. Aus dem Cadaverin kann sich das Lysin durch bak-
terieilen Abbau mittelst Kohlensäureabspaltung bilden.
Ludwig Manasse- Berlin.
Bemerkungen zu einem Fall von persistierender Chylurie,
die durch die Haltung beeinfluBt wurde. Von Frank Charteris,
(Lancet, 7. Oktober 1911.)
Ein 60 jähriger Mann, der in jungen Jahren als Seemann viel in
902 Gonorrhoe und Komplikationen,
der Welt umhergekommen war, aber seines Wissens nie an Filariasis
erkrankte, leidet seit 12 Jahren an einer in wechselnder Stärke auf-
tretenden Chylurie. Der Urin war besonders milchig frühmorgens, im
Anschluß an die Nachtruhe, und es stellte sich heraus, daß die Rücken-
lage die Trübung des Urins vermehrte, da beim Aufsitzen oder Stehen
der Urin klar blieb; ja er konnte sich auf den Bauch legen und behielt
klaren Urin, der sich sofort trübte, sowie er sich herumdrehte und auf
den Rücken legte. Daraus wurde der Schluß gezogen, daß auf den
Ductus thoracieus ein intermittierender Druck, wahrscheinlich durch eine
verkalkte Drüse, ausgeübt wurde; doch konnte eine solche weder durch
Palpation noch durch Röntgenuntersuchung festgestellt werden. Eine
cystoskopische Untersuchung ließ der Patient nicht zu.
W. Lehmann- Stettin.
Relations entre l’hyperacidité urinaire et l’acétonurie chez
les sujets sains soumis à l’inanition ou à une alimentation privée
d’hydrates de carbone. Von F. Maignon und L. Morand-Paris. (Société
de Biologie. Sitzung vom 16. XII. 1911. Nach Semaine médicale 27. XII. 1911.)
Aus den Untersuchungen der Autoren geht hervor, daB bei Hunden,
die hungern oder ausschließlich Fleisch-Fett-Nahrung bekommen, die
Azetonurie ausbleibt, wenn man durch Natron bicarbonicum-Darreichung
die Erhöhung der Urinazidität vermeidet. N. Meyer-Wildungen.
Harnsäureintoxikation, speziell deren frühzeitiges Erkennen
und deren spezifische Behandlung. Von A. Volkmer- Wiesbaden.
(Deutsche med. Wochenschr. 1913, Nr. 10 Vereinsb.)
Volkmer, der selbst Gichtiker ist, will in dem Formaldehydnatrium-
bisulid ein Spezifikum gegen die Gicht gefunden haben. Von dem
Mittel werden täglich 5ccm einer 10°/, Lösung intravenös eingespritzt
so lange als noch eine Leberanschoppung nachweisbar ist. In der Dis-
kussion bestätigt Reichold-Lauf die günstigen Erfahrungen des Vor-
tragenden. König-Erlangen verlangt, daß das Mittel nicht früher
weitere Verwendung in der Praxis findet, bis es experimentell und
klinisch genügend erprobt ist. Ludwig Manasse-Berlin.
Il. Gonorrhoe und Komplikationen.
II. Mitteilung über Gonorrhoe. Von Brandweiner und Hoch.
(Wiener kl. Wochenschr. 1913, Nr. 82.)
Die Verf. fassen die Ergebnisse ihrer Untersuchungen folgender-
maßen zusammen:
l. Autogene Gonokokkenvakzinen geben bei gleicher Dose quantitativ
stärkere Stichreaktionen als allogene monovalente und polyvalente. Letztere
lösen stärkere lokale Effekte aus als allogene monovalente und kommen
bisweilen in dieser Hinsicht den autogenen Vakzinen sehr nahe.
2. Die Annahme der Verschiedenheit der einzelnen Gonokokken-
stämme wird hierdurch weiter gestützt.
Gonorrhoe und Komplikationen. 903
3. Polyvalente Vakzinen verschiedener Provenienz, aber analoger Her-
stellung geben bei gleicher Dose annäheınd gleiche Stichreaktionen.
4. Die Überlegenheit der autogenen Vakzinen in bezug auf die
Intensität der Stichreaktion gilt auch für die Urethritis acuta anterior.
von Hofmann-Wien.
Précautions et soins pendant la période d’incubation de Ja
blennorrhagie. Von Jules Janet. (Journ. d'Urologie 1913, Tome III,
No. 4)
Bei Männern, welche während der ersten Tage nach einer suspekten
Kohabitation wegen etwaiger Gonorrhoegefahr den Arzt konsultieren,
kann man durch Spülungen mit Hydrargyrum oxycyanatum 0,25 : 1000
wirksame nachträgliche Prophylaxis treiben; man rate ihnen gesunden
Frauen gegenüber zu einer Stägigen Karenz und weise auf die An-
steckungsgefahr von seiten gemeinsamer Nachtgeschirre hin.
Bei Frauen wendet man in diesem Falle gleichfalls desinfizierende
Spülungen der Harnröhre an, kombiniert mit Spülungen des Collum und
Jodpinselung der Orifizien der Bartholinischen Drüsen.
A. Citron-Berlin.
Gonorrhea from a pathological standpoint. Von G. A. Wyeth-
New York. (New York Medical Journal 24. 6. 1913.)
Wyeth schließt aus seinen mikroskopischen Untersuchungen, daß in
allen Fällen von Gonorrhöe, bei denen die Phagozytose nicht in Er-
scheinung tritt, der Verlauf der Gonorrhöe ein langwieriger und durch
Behandlung schwer zu beeinflussender ist. Es kommt daher bei jeder
Bebandlung der Gonorrhöe darauf an, ein Mittel anzuwenden, welches
die Leukozytose vermehrt, ein mildes gonokokkentötendes Mittel ist und
die Urethra reinigt, obne die Gewebe zu verletzen. Also die Verstär-
kung des Ausflusses, nicht seine Hemmung, ist das Ziel der Behandlung
und die Anwendung der Adstringentien ohne Nutzen. Am besten hat
sich dem Autor Protargol in '/ —!/,’/,-Lösung bewährt, als 2°/,-Lösung
ist es als Adstringens erst nach dem Verschwinden von Gonokokken zu
verwenden.
Für Abortivkuren sind alle unkomplizierten Fälle geeignet, bei denen
die zweite Urinportion klar ist und ein reichlicher Ausfluß nicht länger
als 24 Stunden besteht. 300—400 cem !/,—!/,"/, Protargol werden in
die Urethra anterior mit einer großen Spritze eingespritzt, jedesmal bis
zur völligen Entfaltung. Der Patient selbst spritzt alle 4 Stunden.
Der Arzt wiederholt die Injektion am 2., 3. und 4. Tage. Die Abortiv-
kur ist beendet, wenn keine Gonokokken am 4. Tage mehr zu finden sind.
Für die instrumentelle Behandlung der Harnröhre wird der drei-
armige Spüldilatator vor dem vierarmigen bevorzugt; denn da die meisten
Drüsen und Lakunen an der oberen Urethralwand sitzen, drückt der
vierte Aım gegen die obere Wand und wirkt gerade da nicht, wo die
Hauptarbeit geleistet werden soll. N. Meyer-Wildungen.
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904 Gonorrhoe und Komplikationen.
Über die diagnostische und therapeutische Verwertbarkeit
intravenöser Arthigoninjektionen. Von C. Bruck und A. Sommer-
Breslau. (Münch. med. Wochenschr. 1913, Nr. 22.)
Die Verf. haben an der Neisserschen Klinik 60 Fälle von gonor-
rhoischen Erkrankungen mit intravenösen Arthigoninjektionen be-
handelt und haben diese Methode der bisher üblichen intramuskulären
in diagnostischer und therapeutischer Hinsicht weit überlegen gefunden,
Zu diagnostischen Zwecken ist die Dosis 0,1 ccm A. (verdünnt auf
0,5 mit steriler NaCl-Lösung, injiziert in die Cubitalvene), auf höhere
Dosen geben auch Nichtgonorrhoiker zu starke Reaktion.
Auf 0,1 cem reagieren Männer meist schon nach !/, Stunde mit Frost,
leichtem Brechreiz und einer Temperatursteigerung, die um so regelmäßiger
und höher scheint, je mehr Komplikationen vorliegen. Männer, die nie Gonor-
rhoe hatten, können auch mit Temperaturen antworten, die aber unter-
halb von 1,5 Grad liegen, während Ausschläge von 1,5 und höher spezifisch
für gonorrhoische Prozesse sein dürften. Ob Männer mit abgelaufener,
klinisch geheilter Gonorrhoe reagieren, darüber sind die Erfahrungen der
Verf. noch nicht genügend. Vielleicht gelingt durch weiteres Herab-
gehen mit der Dosis auch noch eine Scheidung dieser Fälle von den nie
infiziert gewesenen. Für Frauen und Kinder (5 Fälle) ist 0,1 zu stark
und 0,05 angezeigt. Schaden wurde nie von den Injektionen gesehen:
die Reaktion war fast immer nach 1 Tag abgelaufen.
Zum Zweck der Therapie werden ebenfalls zunächst 0,1 A. injiziert,
nach Ablauf der Reaktion 0,2, nach 3—4 Tagen 0,2—0,3 usf. bis 0,5.
Herdreaktionen sind nicht regelmäßig, die Temperaturreaktionen werden
meist bei den späteren Injektionen schwächer. Behandelt wurden 19
Fälle. Epididymitis, Arthritis und Prostatitis wurden ausgezeichnet be-
einflußt, bei einer Anzahl von Fällen wurde aber auch ein überraschen-
der Einfluß auf Urethralprozesse konstatiert, die lediglich durch die
intravenösen A.-Injektionen ohne jede Lokalbehandlung erstaunlich schnell
ausheilen können. Eine Anzahl kurz aufgeführter Krankengeschichten
illustrieren das Gesagte. Brauser- München.
Die Bedeutung der Gonorrhoe für die moderne Wochenbetts-
diätetik. Von Walther Hannes-Breslau. (Zeitschrilt für Geburtshilfe und
Gynäkologie 1913, Bd. 73, H. 2.)
Nach Verfassers Ansicht wird der Bedeutung der Gonorrhoe für
die Frage des Frühaufstehens im Wochenbett zurzeit zu wenig Auf-
merksamkeit geschenkt, und zwar nicht etwa insofern, daß man im all-
gemeinen gewillt wäre, gonorrhoische Wöchnerinnen auch frühzeitig auf-
stehen zu lassen, sondern vielmehr deswegen, weil eigentlich nirgends
auf die Frage näher eingegangen und eine Antwort gegeben wird, wie
schwerwiegend hier in der Diagnose unterlaufende Irrtümer sich rächen
können, wenn man solche Wöchnerinnen frühzeitig aufstehen läßt. Gerade
die Zeit zwischen dem 5. und 10. Wochenbettstage, wo wir bei außer
Bett befindlichen Wöchnerinnen sogar nicht selten einmal eine 1 — 2 tāgige,
gelegentlich auch sehr beträchtliche Temperatursteigerung auftreten sehen,
ist die Prädilektionszeit für die Aszendenz der Gonokokken in die höher
Gonorrhoe und Komplikationen. 905
belegenen Abschnitte des puerperalen Genitale ins Uteruscavum, in die
Tuben. Wenn wir dann anderseits Kranke so 1—2 Monate nach voraus-
gegangenem Wochenbett mit frischen entzündlichen, auf gonorrhoischer
Basis entstandenen Adnexbefunden in Beobachtung bekommen, so er-
fahren wir nicht selten aus der subjektiven Anamnese, daß um die kri-
tische Zeit in der zweiten Woche des Wochenbettes eine oft rasch und
unbeachtet vorübergegangene, gelegentlich auch eine länger anhaltende
Fiebersteigerung mit entsprechender Beeinträchtigung des Befindens vor-
handen gewesen sei. Die täglıche Erfahrung der Klinik lehrt dann ferner,
daß absolutes Innehalten der Bettruhe während mindestens 2 Wochen im
Wochenbett das beste Prophylaktikum gegen die Aszendenz des gonor-
rhoischen Prozesses darstellt. Bei dem beträchtlichen Prozentsatz von
manifest und latent gonorrhoekranken Schwangeren und Kreißenden
einer (sroßstadtklinik muß daher, wenn das Regime des Frühaufstehens
das herrschende ist, ganz besonders auf diese komplizierende Aflektion
geachtet werden. Mit erwiesener Gonorrhoe behaftete Wöchnerinnen
läßt Verf. mindestens 14 Tage lang strikteste Bettruhe halten. Es wird
ihnen auch während dieser Zeit nicht erlaubt, im Bett sich aufzurichten
oder überhaupt so ausgiebig sich zu bewegen, wie dies den übrigen
nicht fiebernden und nicht am Damme verletzten Wöchnerinnen schon
vom 2.—3. Tage an gestattet ist. Ferner wird möglichst bei diesen
Kreißenden die innere Untersuchung vermieden. Kr.
Das gehäufte Auftreten von Exanthemen nach dem Gebrauch
von Kopaivbalsam. Von Ernst Portner-Berlin. (Deutsche med. Wochen-
schrift 1913, Nr. 22.)
Die Zentralkommission der Berliner Krankenkassen hat im Beginn
dieses Jahres ihren Ärzten empfohlen, statt des in letzter Zeit im Preise
sehr gestiegenen Sandelöls das früher vielfach benutzte Balsamum Co-
paivan als internes Antisonorrhoicum zu verwenden. In der Klinik von
Blaschko wurde im Februar d. J. ein gehäuftes Auftreten von Balsam-
exanthemen beobachtet, über die Fischer in Nr. 18 der Deutschen
medizinischen Wochenschrift berichtet hat. Portner hat ganz ähnliche
Beobachtungen gemacht. Eine Nachforschung ergab, daB der Kopaiv-
balsam den Anforderungen der Pharınakopoe wohl entsprach, daß aber
infolge der gesteigerten Nachfrage neue Marken in den Handel gekommen
sind, die strengeren Anforderungen, wie sie u. a. die japanische und ame-
rikanische Pharmakopve verlangt, nicht genügen dürften. Nachprüfungen
sind im Gange. Einstweilen empfiehlt Portner, zu dem althewährten,
wenn auch teuren Olcum santali zurückzukehren.
Ludwig Manasse-Berlin.
Die Behandlung des gonorrhoischen Gelenkrheumatismus
mit intravenösen Arthigoninjektionen. \on Dr. Ernst Steinitz, Arzt
für innere Krankheiten in Berlin. (Die Therapie der Gegenwart, August 1913.)
Gegen den gonorrhoischen Gelenkrheumatismus besitzen wir jetzt
eine vorzüglich bewährte Behandlungsmethode in der Bierschen Stauung,
eventuell kombiniert mit den Bierschen Heibluftkapseln, und eine weitere
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906 Gonorrhoe und Komplikationen.
in der Injektion von Arthigon, einer von Bruck hergestellten polyvalen-
ten Gonokokkenvakzine. Bruck und Sommer haben neuerdings das
Arthigon, anstatt wie bisher intramuskulär, intravenös injiziert und damit
eine bemerkenswerte Steigerung des therapeutischen Effekts erzielt. Da
bisher noch von keiner andern Seite Erfahrungen mit dieser Behand-
lungsmethode bekanntgegeben sind, möchte Verf. durch Mitteilung eines
günstigen Erfolges in einem außergewöhnlich schweren Falle zu weiteren
Versuchen anregen. Es handelte sich um eine Arthritis, die als Misch-
form gonorrhoischer und rheumatischer Erkrankung anzusprechen ist.
Verfassers Beobachtung bestätigt die Unschädlichkeit und starke Wirk-
samkeit der Bruckschen Gonokokkenvakzine bei intravenöser Anwen-
dung. In Übereinstimmung mit Bruck und Sommer zeigte sich der
beste Heileffekt im Anschluß an eine heftige Reaktion (Temperatur-
steigerung). Die gonorrhoische Gelenkerkrankung ist heutzutage nach
Verfassers Ansicht in erster Linie mit Bierscher Stauung und Heiß-
luftkapseln zu behandeln. Führt diese Therapie nicht rasch genug zum
Erfolg, so sind intravenöse Arthigoninjektionen anzuraten. Kr.
Gonorrhoische Warzen im Gesicht und ihre erfolgreiche
Behandlung mittels Vakzine. Von W. E. M. Armstrong. (Lancet,
17. Mai, 1913.)
Ein 26jähriger Mann zeigt auf der linken Wange in Ausdehnung
von etwa 20 qcm eng aneinandersitzende warzige Gebilde, die schon in
der verschiedensten Weise, auch operativ behandelt worden sind, ohne
daß der Zustand in den 11 Monaten seines Bestehens sich gebessert
hätte. Aus der Anamnese geht hervor, daß die Sache begonnen hat
anscheinend durch Übertragung des Eiters einer beiderseitigen schweren
Konjunktivitis, und daß Patient zu jener Zeit tripperkrank gewesen. Da
weder in Schnitten noch in Kulturen Gonokokken nachzuweisen waren,
wurde vor und nach einer halbstündigen Hyperämie des Kopfes Blut
zur Untersuchung entnommen und auf seine opsonische Kraft gegenüber
Gonokokken geprüft. Der opsonische Index war 0,90 vor der Hyperämie,
eine Stunde darnach 0,59, vier Stunden darnach 0,70 und am anderen
Tage 1,20. Daraus schließt Vert, daf die Hyperämie gonorrhoisches
Gift in den allgemeinen Blutstrom getragen hat, und die entstandene
negative Phase des opsonischen Index den gonorrhoischen Ursprung der
Aftektion beweise. Daraufhin wurde dem Patienten eine Dosis Vakzine
(eine Million Gonokokken) injiziert. Schon nach einer Stunde zeigte
sich entzündliche Rötung und Jucken an den befallenen Stellen mit
nachfolgender trockener Gangrän. Die Warzen wurden gewissermaßen
mumifiziert und ließen sich leicht trocken abreiben. Daraufhin wurden
grobe Dosen gegeben, und nach 5 Wochen war die ganze Sache restlos
abgeheilt. W. Lehmann- Stettin.
Acute endocarditis following gonorrhoe. Von A. W.Gill. (Brit.
Med. Journ. 1913, July 12.)
Bei dem 44jährigen Patienten stellten sich im Anschluß an eine
akute Gonorrhoe Erscheinungen von Endokarditis ein, welcher der Kranke
erlag. Eine bakteriologische Untersuchung wurde nicht vorgenommen.
von Hofmann-Wien.
Penis und Harnrôhre. 907
Il. Penis und Harnröhre.
a) Penis.
Beitrag zur Tuberkulose des Penis. Von Dr.J. Lewinski, Assistent
der Hautabteilung des Stadtkrankenhauses zu Posen. (Dermatologische Zeitschr.
Bd. XX, H.8, August 1913.)
Verf. berichtet über zwei Fälle von tuberkulöser Erkrankung des
Penis. Im ersten Falle handelt es sich um das außerordentlich seltene
Vorkommnis eines Lupus vulgaris am Penis. Die erste lupöse Erschei-
nung bei diesem Patienten betraf die Haut der Gesäßgegend. Die
Affektion am Penis trat viel später hinzu. Es bleibt unentschieden, ob
es sich bei dem Lupus am Gliede um einen primären Lupus der Haut,
eine Inokulation von außen handelt, oder ob, was wahrscheinlicher ist,
die Infektion des Penis auf dem Zirkulationswege von dem ersten lupösen
Herde aus entstanden ist. Bei dem zweiten Pat. war die tuberkulöse
Erkrankung der Glans — ein tuberkulöses Geschwür — kompliziert durch
eine Lungen- und fortgeschrittene Urogenitaltuberkulose. Dieser Fall ist
in zweierlei Hinsicht von Interesse. Erstens in differentialdiagnostischer
Beziehung. Der Pat. wurde längere Zeit als syphilitisch behandelt, und
zwar geschah dies lediglich auf Grund des vorhandenen Ulcus. Aber
schon klinisch wies das Geschwür Merkmale auf, die der Auffassung, es
handle sich um einen Primäraffekt, nicht entsprachen. Es war deutlich
weich anzufühlen, hatte keineswegs die scharfen Grenzen einer Initial-
sklerose, und es fehlte schließlich die Vergrößerung und Induration der
regionären Lymphdrüsen. Viel eher hätte man an ein Ulcus molle
denken können, mit dem das Geschwür klinisch eine Ahnlichkeit auf-
wies. Diese Differentialdiagnose lieB sich leicht durch das Fehlen der
Ducreyschen Bazillen entscheiden, ganz abgesehen davon, daß das lange
Bestehen des isoliert und lokalisiert gebliebenen Geschwürs der Diagnose
Ulcus molle widersprach. Die Diagnose ließ sich überhaupt leicht
stellen, nach der negativen Seite durch den negativen Ausfall der
Wassernannschen Reaktion, die bei dem langen Bestande des Ulcus —
wenn es sich um einen Primäraflekt gehandelt hätte — sicher positiv
ausgefallen wäre, nach der positiven Seite durch den sicheren Nachweis
von Tuberkelbazillen. Der Fall ist sodann in ätiologischer Hinsicht von
Interesse. Am nächsten liegt hier die Annahme, daß die Urogenital-
tuberkulose den primären Ausgangsherd für die tuberkulöse Infektion an
der Glans darstellt. Eine Infektion per contiguitatem ist deswegen aus-
zuschließen, weil das tuberkulöse Uleus der Glans durch eine weite
Strecke nicht tuberkulös infizierten Gewebes von den anderen tuberku-
lösen Herden des Urogenitalsystems getrennt war. Dagegen muB man
neben der Möglichkeit einer Infektion durch das reichlich Tuberkel-
bazıllen enthaltende Sekret aus den Nieren und den Anhängen des Uro-
genitaltraktus auch daran denken, dab eventuell durch das eigene tuber-
kulöse Sputum des Patienten die Glans infiziert wurde. Allerdings ist
dies weit unwahrscheinlicher als die Infektion vom Urogenitaltraktus aus,
der ganz besonders hochgradige Veränderungen aufwies und im Urin
ständig große Mengen von Tuberkelbazillen entleerte. Eine Infektion
908 Gonorrhoe und Komplikationen.
per coitum kommt nicht in Betracht. — Zum Schluß wirft Verf. noch
einen Blick auf die Formen der Hauttuberkulose, die am Penis bisher
beobachtet sind. Kr.
Notiz über einen Fall von Balanitis gangraenosa. Von Dir.
Tiöche, Hautarzt in Zürich. (Korrespondenzblatt für Schweizer Ärzte 1912,
Nr. 36.)
Als Erreger dieses meist ziemlich harmlosen Leidens ist ein vor-
wiegend gramnegativer, an den Enden meist zugespitzter, vibrioförmiger
Bazillus und eine fadenförmige gewellte Spirochäte, beide anaërob und
mit Giemsalösung gut darstellbar, beschrieben worden. Die Krankheit
kann am Gesunden mit Eiter und abgeschabtem Belag mit Leichtigkeit
erzeugt werden. Mundspeichel, Befeuchtung der Genitalien mit Speichel,
Koitus per os usw. gelten als ätiologische Momente. Der Beginn des
Leidens charakterisiert sich durch das Auftreten zahlreicher follikulärer
Knötchen auf der Glans und dem Innenblatt der Vorhaut, die meist
einen weißlichen Belag aufweisen, peripher weiter wachsen und sich nach
Abstoßung desselben als landkartenförmige Figuren von roten Erosionen
LUS en“ präsentieren. Am Rande bleibt meist noch der weißliche Belag (abge-
HP SEE Er > storbene Epithelien) sichtbar. Das Präputium ist in leichteren Fällen
| 1 Maes noch teilweise retrahierbar, die Sekretion keine geringe, von übelm Ge-
ruch, die Schmerzhaftigkeit eine mäßige. Dieses Bild ist so charak-
teristisch, daß es kaum jemals zu diagnostischen Zweifeln Veranlassung
geben kann. Wenn aber die entzündlichen Erscheinungen sich steigern,
dh der Prozeß in die Tiefe dringt, so entsteht ein derbes Odem der
Vorhaut, das zur entzündlichen Phimose führt. Im Zentrum der Ero-
sionen entstehen dann weißliche Beläge. Es kommt zur Ausbildung
ovaler Geschwüre. Der dorsale Lymphstrang schwillt an, es treten regio-
näre Lymphdrüsenschwellungen auf, und in diesem Zustande erinnert der
Prozeß ganz an eine luetische Infektion, die durch irgendeinen Eiter-
‚erreger weiter kompliziert wurde. In seltenen Fällen verläuft der Prozeß
noch bedeutend schwerer, es kommt zu weitgehenden nekrotischen Pro-
zessen an der Glans, dieselbe kann fast vollständig zerstört werden. Das
Präputium wird perforiert; durch Übergreifen auf die Corpora cavernosa
und Nekrotischwerden der Penishaut kann es zu Blutungen kommen.
Schließlich tritt meist Stillstand ein, und unter scharfer Abgrenzung der
Krankheitsherde stößt sich das nekrotische Gewebe ab, und das End-
resultat ist oft ein stark verkrüppeltes Glied. Da die Krankheit in ihrer
rein syphiloiden Form selten zur Beobachtung kommt, bingegen entzünd-
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AE A ART infektion im Sinne dieses Krankheitsbildes nicht selten beobachtet werden
E El EM: und gerade in solchen Fällen die entzündlichen Erscheinungen das Auf-
ERS K suchen von Syphiliserregern bedeutend erschweren, der negative Unter-
EN 172 suchungsbefund also nur mit Vorsicht verwertet werden kann, so haben
ER solche Fälle für den Praktiker großes Interesse. Verf. beschreibt einen
RS bt äi von ihm beobachteten Fall dieser Art. Aus der Krankengeschichte geht
RACH, mit aller Deutlichkeit hervor, daB die Differentialdiagnose zwischen Bala-
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Penis und Harnröhre. 909
nitis gangraenosa und Lues gelegentlich einmal bedeutende Schwierig-
keiten verursachen kann. Nur nach wochenlanger Beobachtung bei syste-
matischer Untersuchung gelang es ihm, den Fall aufzuklären und Lues
mit Sicherheit auszuschließen. Kr.
Ein Instrument zur radikalen Phimosenbeseitigung. Von H.
Spitzy-Graz. (Münch. med. Wochenschr. 1913, Nr, 18.) |
Das Instrument dient zur unblutigen Abquetschung; es besteht aus
drei Branchen: einem olivenförmigen Mittelstück, das mit seinem ver:
jüngten Ende in den Vorhautsack eingeschoben wird und um das sich
die zwei Branchen der Zange schließen. Letztere bleibt 3—5 Minuten
liegen, das vordere Stück kann mit dem Paquelin abgetragen werden;
es erfolgt keinerlei Blutung. Der Eingriff ist auf diese Weise sehr
gering. Bei Erwachsenen kann Leitungsanästhesie angewendet werden.
Das Instrument wird von Schaerer-Bern und A. Broz-Graz verfertigt.
Brauser- München,
b) Harnröhre.
Mensuration and Projection of the posterior urethra and ve-
sical floor. Von V. C. Pedersen und L. G. Cole-New York. (New York
Medical Journal 21. 6. 1913.)
Die Unmöglichkeit, auf dem Röntgenbild in allen Fällen zu unter-
scheiden, ob ein Stein in der Prostata oder in der Blase liegt, hat die
Autoren veranlaßt, diese Frage näher zu untersuchen. Sie bedienten
sich dabei röntgenstrahlenundurchlässiger Instrumente. So konstruierten
sie einen biegsamen Kupferkatheter, welcher einen Kopf von etwa
l cm Länge hat, an dessen vesikalem Ende ein birnenförmiger Knopf
und an dessen distalem Ende eine Olive sitzt, die Mündung ist zwischen
beiden angebracht. Wenn dieser Katheter keinen Tropfen der Blasenflüssig-
keit austreten läßt, liegt er so, daß der Knopf den Blasenausgang anzeigt.
Ein anderes Instrument besteht aus einer bleiimprägnierten Bougie,
& boule und einem dickeren geraden Katheter, der über den Schaft der
Bougie geschoben werden kann. Wird dieser letztere bis zum Bulbus
vorgeschoben, so markiert er sich auf dem Röntgenbild und läßt ge-
naueres Messen zu. Bei der Untersuchung hat der quere Durchmesser
des Beckens, der die Spinae ischii durchzieht, eine besondere Bedeutung
für die Bestimmung des Blasenbildes gewonnen. Diese angenommene
Linie liegt etwas hinter den Ureteren. Normalerweise geht nur eine
kleine Tasche der Blase über diese Linie hinaus, so daß gewöhnlich alle
Steinschatten, wenn die Blase einigermaßen normale Kapazität hat, vor
dieser Linie liegen. Die Autoren geben zu, daß ihre bisherigen Unter-
suchungen noch kein abschließendes Urteil gestatten, glauben aber, daß
sie zu wertvollen Ergebnissen durch weitere Arbeit kommen werden.
N. Meyer-Wildungen.
Paraurethrae. Von J.L. Herm an- Philadelphia. (New York Medical
Journal 3. 5. 1913.)
Herman beschreibt folgenden Fall: Ein 24 Jahre alter Neger kam
910 Penis und Harnröhre.
wegen Gonorrhöe zur Behandlung. Auf dem Caput mündeten 2 Gänge,
etwas über dem normalen Ostium der zweite nur durch eine dünne Ge-
websschicht von ersterem getrennt. Der Gang verlief diagonal dureh
den Penisschaft, trat in seinem hinteren Teil nahe an ie Oberfläche und
ließ sich bis zum Mittelpunkt der Peniswurzel verfolgen. Die Gonorrhös
rezidivierte häufig infolge Infektion dieses Kanals. Eine für den Kanal
besonders konstruierte Kanüle und Injektion durch dieselbe hatten keinen
Erfolg. Der Patient war mehrere Monate fortgeblieben und erschien
wieder mit einer Zellgewebsentzündung an der Wurzel des Penis und
einer Entzündung einer Leistendrüse. Ferner waren in dem Sekret des
Ganges Gonokokken vorhanden. Als die bisherige Behandlung zu keinem
Ziele führte, wurde eine Kanüle in den Kanal geführt und über der
Symphyse auf sie eingeschnitten. Der Kanal ging noch ein Stück unter
die Symphyse herunter und endete blind. Durch die Kanüle wurde ein
Faden geführt, die Kanüle entfernt und der Faden für 5 Tage als Drain
belassen. Der Kanal wurde von hinten nach vorn mit Silbersalzen be-
handelt. Die Zellgewebsentzündung ebenso wie die Adenitis gingen so-
fort zurück. Die Entzündung des paraurethralen Ganges heilte voll-
ständig. N. Meyer-Wildungen.
Harnröhrenstein von ungewöhnlicher Größe. Von E. A. Walker-
Burma. (Lancet, 7. Juni 1913.)
Bei einem ĉ2&8jährigen Inder, der seinen Urin nicht oder nur mit
großen Schwierigkeiten los wird und darüber seit etwa 3 Monaten klagt,
findet sich bei der Untersuchung mittels Sonde ein Hindernis in der
Pars membranacea, das für einen Stein angesehen wird. Bei der Ope-
ration mußte die perineale Inzision fast 8 cm lang gemacht werden, bis
aus der außerordentlich erweiterten hinteren Harnröhre ein Stein, der in
übelriechendem, ammoniakalisch zersetztem Urin und Eiter lag, mit großen
Schwierigkeiten entfernt werden konnte. Der Stein war 6'/, cm lang,
„3°/, em breit und 4 cm dick. Er wog in trockenem Zustande fast 80 g
und bestand aus Uraten mit einer äußeren Hülle von Phosphaten. Trotz-
dem der Patient den eingelegten Verweilkatheter mehrere Male selbst
entfernte, geht es ihm gut, und die außerordentlich große perineale Wunde
schließt sich; der Urin wird auf natürlichem Wege entfernt.
W. Lehmann -Stettin.
Eingeklemmte Steine der Urethra. Von T. C. Rutherfoord-
Bilaspur, Indien. (Lancet, 22. Febr. 1913.)
Ein 22jähriger Mensch klagte seit 5 Monaten über Harnträufeln
und Schmerzen; die Untersuchung ergab einen schmerzempfindlichen
harten Knoten in der Mittellinie des Perineums, ungefähr in der Mitte
zwischen Anus und Skrotum. Eine eingeführte Sonde ließ einen Stein
fühlen. Bei der sofort vorgenommenen Operation fand sich im hinteren
Teil des Bulbus ein eiförmiger Stein von 2'/, em Durchmesser, hinter
welchem ein zweiter größerer Stein lag, der sich in Sanduhrform nach
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Penis und Harnröhre. 911
zu entfernen, die hinteren Teile in die Blase zu stoBen, dort mit dem
Lithotriptor zu zerbrechen und herauszuwaschen. Der vordere Stein wog
6 g, die einzelnen Teile des hinteren zusammen 24 g. Beide Steine be-
standen im wesentlichen aus Phosphaten und harnsauren Salzen.
W. Lehmann-Stettin.
Polypes de l’uröthre. Von Uteau und St. Martin-Toulouse. (Journ.
d’Urol. 1913, Tome III, No. 4.)
Bei einem 28jährigen Manne, der an chronischer Urethritis post-
gonorrhoica mit Morgentropfen und Filamenten litt, wurden in der Nähe
des Colliculus 2 Polypen endoskopisch gesichtet und galvanokaustisch ent-
fernt. Der eine war rundlich und erbsengroß, der andere sichelförmig
und ma 2—3 ccm in der Längsachse. Nach der Operation und einigen
Höllensteininstillationen trat völlige Heilung der Urethritis ein.
A. Citron-Berlin.
Le traitement moderne des ruptures de l’uretre. VonG. Marion-
Paris. Lecon faite a l’höpital Lariboisiere. (Journ. d’Urologie 1913, Tome III,
No. 4)
Rein interstitielle Harnröhrenrupturen, sowie solche, welche nicht
mit alarmierenden Blutungen, Schwellung oder Retention einhergehen,
können abwartend behandelt werden in der Voraussicht, daß sie nicht
zu Strikturen führen werden, alle anderen Fälle von Harnröhrenzerreißung
müssen operativ behandelt werden. Der Eingriff besteht in der Ver-
einigung der beiden Urethralenden durch die Naht unter Ableitung des
Urins durch eine suprapubische Fistel. Bei jeder Harnröhrenruptur ist
die Untersuchung mit dem Katheter zu unterlassen, da dies Manöver die
Wunde infiziert, ohne dem Patienten zu nützen. Besteht eine Reten-
tion, so muß man sich bis zur Operation mit Blasenpunktionen behelfen.
A. Citron- Berlin.
Über angeborene Harnröhrenverengerungen, Von Prof. Dr.
Riedel-Jena. (Arch. f. klin. Chir. 1913, 101. Bd., 3. Heft.)
Verf. hat 19 Fälle von angeborener Harnröhrenverengerung operiert.
In seinem klinischen Verlaufe ist das Leiden dadurch ausgezeichnet,
daß es sich erst in späteren Jahren, ausnahmsweise gar nicht bemerkbar
macht. Abgesehen von einem l6jährigen Knaben waren alle übrigen
erwachsene Leute, die meistens dreißig und mehr Jahre alt waren. Die
Majorität gab an, daß sie von Jugend an hätten schlecht urinieren können,
T Kranke bemerkten mangelhafte Urinentleerung erst seit den letzten
Jahren, einer selbst erst seit 6 Monaten. Es müssen also die angeborenen
Strikturen langsam enger worden, was vielleicht auf Stagnation von Sekret
hinter der Striktur zurückzuführen ist; es müssen, sagt Verf., dadurch
wohl Schrumpfungsprozesse im Gebiete der Striktur eingeleitet werden,
wodurch letztere immer enger wird, während die Umgebung derselben
vorläufig frei bleibt von Entzündung. Die Prognose müßte eigentlich
relativ günstig sein, weil entzündliche Prozesse anfünglich fehlen; in
Wahrheit ist sie ungünstig, weil die Kranken nicht rechtzeitig zum Ärzte
912 Penis und Harnröhre.
gehen, und das hat wieder seinen Grund darin, daß sie meist nicht früh
genug auf die Anomalie achten. Sie sind von Jugend an daran gewöhnt,
daß das Wasser bei ihnen langsamer abgeht als bei anderen: daraus
machen sie sich nicht viel, bis es schlimmer und schlimmer wird. Um
diese Zeit haben aber Blase und Nieren durch die Stagnation des Urins
schon erheblich gelitten; die meisten Kranken haben Eiweiß und Eiter
im Urin, wenn sie in Behandlung kommen, Dilatation der Nierenbecken usw.
Von den 19 Fällen sind nicht weniger als sechs gestorben. Die Behand-
lung der Kranken müßte eigentlich frühzeitig beginnen, wenn sich die
ersten Symptome des Leidens zeigen; das wird aber wohl ein frommer
Wunsch bleiben. Kinder können keine genaue Auskunft geben; mancher
oft gestrafte Bettnässer mag eine angeborene Harnröhrenstriktur haben.
Nachdem festgestellt ist, daß gleichzeitig Verengerung des Orificium ext.
mit Strikturbildung an der Pars bulbosa vorkommen kann, wird man
bei der Beseitigung der so häufig vorkommenden vorderen Verengerungen
immer die ganze Urethra untersuchen, um nicht eine hinten gelegene
Striktur zu übersehen. Die Behandlung wird sich je nach ihrer Enge
und Ausdehnung verschieden gestalten. Existiert nur eine zirkuläre,
zarte Schleimhautfalte, so läßt sich dieselbe vielleicht durch die Roser-
sche Sonde sprengen. Wer sicher mit dem Urethroskop arbeitet, erkennt
wahrscheinlich eine solche Falte und beseitigt sie leicht. Solange Eite-
rungsprozesse am Damme fehlen, ist zunächst Behandlung mit der Sonde
indiziert, gelingt sie, so ist das von großem Werte für den Kranken.
Meist wird sie mißlingen, weil die Striktur zu eng und gleichzeitig zu
lang ist, es bleibt nur die Urethrotomia externa mit ihren bekannten
Vor- und Nachteilen übrig. Bei sehr langen und sehr engen Strikturen
ist vielleicht Ersatz der Harnröhre durch den Processus vermiformis nach
Lexer angezeigt. Kr.
Über angeborene Harnröhrenstrikturen. Von Ernst R. W.Frank-
Berlin. (Zentralbl. f. Chir. 1913, Nr. 28, Beilage.)
F. macht genaue Mitteilungen über zwei einschlägige Fälle. Bei
einem 12jährigen Knaben hatte F. als Ursache der Harnbeschwerden
das Vorhandensein von zwei engen Strikturen, einer in der Fossa navi-
cularis, einer zweiten kurz über der Fossa bulbi festgestellt, die sich im
urethroskopischen Bilde von entzündlichen Strikturen wesentlich unter-
schieden, besonders dadurch, daß die den Strikturring bedeckende Harı-
röhrenschleimhaut fast ganz normal war. Bei der cystoskopischen Unter-
suchung fand sich eine außerordentlich weite Balkenblase. Der erhebliche
Restharn wurde nach Durchschneidung der Strikturen durch Einführung
immer stärkerer Katheter schnell beseitigt. Besonders bemerkenswert
war der Umstand, daß der Knabe im 7. Lebensjahre im Anschluß an
eine Scarlatina eine heftige spontane Hämaturie bekam, die nach ganz
kurzer Zeit ebenso spontan aufhörte. — Häufiger als der oben geschil-
derte Typus der angeborenen Striktur ist die Form, welche durch das
Vorhandensein abnormer Klappenbildungen in dem hinter dem urogeni-
talen Diaphragma gelegenen Teile der Harnröhre, den persistierenden
Resten der Kloakenmembran charakterisiert ist. Zu dieser Kategorie
Penis und Harnröhre. 913
gehörig beobachtete F. den Fall eines 18jährigen Mannes, der sein
ganzes Leben lang an Enuresis und Diuresis gelitten hatte und dadurch
körperlich und psychisch schwer beeinträchtigt war. Vielfache thera-
peutische Versuche waren ohne Erfolg geblieben. F. stellte urethro-
skopisch das Vorhandensein von drei halbmondförmigen Klappen fest in
der P. membran. und prostat. Nach galvanokaustischer Durchtrennung
trat völlige Heilung ein. Kr.
Rétrécissement de l’uréthre pénien. Von Michon. Société natio-
nale de chirurgie, Januar 1913. (Archives générales de chirurgie 1913, b,
p. 569.)
Michon hat bei einer Striktur der Harnröhre infolge Verbrennung
durch Schwefelsäure die ganze Harnröhre von der Eichel bis über den
Skrotalknick, d.h. in Länge von 9 cm exstirpiert und einen neuen Gang
durch kutane Autoplastie nach Nove-Josserand-Rochet gebildet; Ab-
leitung des Harns durch perineale Urethrostomie. Der vordere Teil
wurde nekrotisch und nach dem Duplayschen Verfahren ersetzt. Jetzt
völlige Heilung, Kaliber 20. Ch. Mankiewicz-Berlin.
Rétrécissement grave de l’urèthre. Urethrostotomie peri-
néale. Von Thévénot. Société des sciences médicales de Lyon, 19. II. 1918.
(Lyon médical 1913, 20, p. 1083.)
Thevenot hat bei einem 36jährigen Bauer, der im Alter von
19 Jahren nach Typhus Harnbeschwerden und Arthritis suppurativa der
rechten Hüfte bekam und seitdem zweimal mit Urethrotomia exterua
wegen starker Verengerung behandelt wurde, nach vorheriger Sectio alta
und retrogradem Katheterismus eine perineale Urethrostomie anlegen
müssen; Penis und Skrotum zeigten chronisches Ödem, der Damm war
hart und gereizt durch den aus einer kleinen Öffnung im linken Glutäus
4cm von der Mittellinie über ihn dauernd fließenden eitrigen Harn.
Der Bulbus urethrae war völlig obliteriert. In der prostatischen Harn-
röhre steckte ein 24/15 mm großer Phosphatstein. Starke Perizystitis
rechts (wohl infolge der Typhusinfektion), die die Verschiebung der
Blasenöffnung näch links erforderte. Ein Ersatz der obliterierten vorderen
Harnröhre war wegen der Gewebeverhärtung unmöglich. 15 Ch. Kaliber
wurde erzielt. Mankiewicz-Berlin.
Rétrécissement étendu de l’urèthre. Von Gayet. Société de
chirurgie de Lyon. 13. II. 1913. (Lyon médical 1913, No. 26, p. 1406.)
Gayet hat bei einem 62jährigen Manne, der seit mehr als
30 Jabren an einer Dysurie nach einer im Alter von 19 Jahren acqui-
rierten Gonorrhoe litt, eine Harndammfistel und das ganze Perineum
einnehmende sklerotische Massen festgestellt, die trotz mehrfacher Opera-
tionen von anderer Seite den Zustand immer verschlimmerten, so daß im
April 1912 bei inkompletter Retention, Cystitis, Fistelabfluß die feinsten
Bougies die Harnröhre nicht passierten. Nach lumbaler Anästhesie Ent-
fernung aller Narbenmassen, die unter dem Messer knirschten und keine
Urethra mehr erkennen ließen. Das gesunde Gewebe fing erst am
Zeitschrift für Urologie. 1913. 60
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914 Penis und Harnröhre,
Diaphragma urogenitale — präprostatische Urethrostomie unmöglich —
und im Skrotum an Cystostomia am Unterleib. Einpflanzung von
einem langen Stück von der Hüfte mit dem Rasiermesser abgeschnittenen
und um eine Sonde gewickelten Stückes Haut in die Urethra; die weichen
Teile wurden herangezogen und darum vernäht, die Haut mit Crin de
Florence geschlossen. Nach 11 Tagen Entfernung der Bougie und Ein-
führung eines Katheters mit Leitbougie zur vorsichtigen Blasenspülung.
Nach weiteren 6 Tagen Dauerkatheter, nach 11 Tagen spontane Harı-
entleerung komplett ohne Retention durch die Harnröhre. Dilatationen
machten Fieber und Schwellungen, die Urethrotomia interna und Ligatur
der Vasa deferentia beseitigten. Jetziger Befund: Harn klar, Miktion
normal, 21 Ch. passiert. Mankiewicz- Berlin.
Influence de la Thiosinamine dans les rétrécissements infran-
chissables de l’urethre. Von Lévy-Weißmann-Paris. (Journ. d’Urol.
1913, Tome III, No. 5.)
Die guten Resultate der von Frank auf dem französischen Urologen-
kongresse 1905 zuerst empfohlenen Thiosinamininjektionen bei Harn-
röhrenstrikturen werden an 2 Fällen erörtert. Das Verfahren ist indi-
ziert bei impermeabeln Strikturen und solchen, welche zwar permeabel
sind, aber zu hart, um einer genügenden Dilatation zugänglich zu sein.
Die Thiosinaminapplikation geschieht am besten vermittelst subkutaner
Injektionen von je 2 cg in viertägigen Serien, die Injektionsserien werden
wiederholt, sobald der Erfolg nachläßt. Örtliche und allgemeine Stö-
rungen werden nur bei lange fortgesetzter Anwendung der Medikation
beobachtet. Es ist nicht nötig, die Injektionen in der Nähe des zu be
einflussenden Narbengewebes zu machen. Die Wirksamkeit des Thiosin-
amins besteht in einer Erweichung des Narbengewebes; indem das nor-
male Bindegewebe unbeeinflußt wird, erfährt das pathologische Binde-
gewebe durch lIymphagoge Vorgänge eine Erweichung. Diese Erweichung
ermöglicht bei Strikturen die vorher unmögliche Einführung eines Instru-
mentes und darauf folgende Eingriffe wie Dilatation, Elektrolyse, Ure-
throtomia interna. A. Citron-Berlin.
Ausgedehnte Harnröhrenresektionen mit primärer Heilung.
Von Joseph- Berlin. (Zentralbl. f. Chir. 1913, Nr. 28, Beilage.)
Bei völliger oder partieller Verlegung der Harnröhrenpassage durch
Entzündung, Fistel- oder Tumorbildung, traumatische Einwirkung usw.
kommt es nicht nur darauf an, die Kontinuität der Urethra notdürftig
wiederherzustellen, sondern auch der neu zu konstruierenden Harnröhre
die normale Weite wiederzugeben. Gegenüber dieser Situation kann
nur eine Operation in Frage kommen, welche folgende zwei Bedingungen
erfüllt: Sie muß erstens bezüglich des Heilverlaufs zuverlässig sein, so
daß wir in der Lage sind, dem Pat. nach einer bestimmten Zeit die
Heilung in Aussicht zu stellen. Und zweitens muß sie die Harnröhre
in normaler Weite wiederherstellen. Ganz ungeeignet sind hier bei
diesen hartnäckigen, schweren Verengerungen die einfachen Urethroto-
mien, Hier kommt nur die Resektion der Striktur in Frage. Und da
Penis und Harnröhre. 915
es sich meistens um ziemlich lange Strikturen handelt, so müssen wir
von Anfang an auf eine bedeutende Dehiszenz gefaßt sein, für deren
Überbrückung zu sorgen ist. In letzter Zeit sind wir nach J. auf
diesem Gebiet einen Schritt weiter gekommen, und zwar durch die von
den Franzosen ausgehende Modifikation der bekannten Beck-Hackerschen
Methode. Namentlich Marion hat diese Operation kultiviert, die folgen-
dermaßen verläuft: Man umschneidet zunächst die narbige Urethra nebst
der harten umgebenden Kallusmasse wie einen malignen Tumor und
präpariert sie aus dem Beckenboden heraus. An der Grenze des Über-
gangs des narbigen Teiles in den gesunden Abschnitt wird die Urethra
abgeschnitten und aus den Corpora cavernosa penis weit herauspräpariert,
wenn es notwendig ist, bis in die Glans penis hinein. Ebenso wird der
hintere Teil des Urethralrobres herauspräpariert. Durch diese Mobili-
sation läßt sich der ganze Defekt decken und die durchschnittenen
Urethralenden durch genaue Naht vereinigen. Bis dahin verläuft die
Operation in der altbekannten Weise, höchstens mit dem Unterschied,
daß die Narbenmassen äußerst radikal nach Art eines malignen Tumors
exzidiert werden. Die Modifikation von Marion besteht darin, daß
nunmehr zur Vermeidung des Dauerkatheters eine suprasymphysäre Drai-
nage angelegt wird. Der Dauerkatheter ist nämlich dasjenige, was die
primäre Heilung sehr oft vereitelt. Er reizt die Naht, erzeugt Eiterung,
rprengt dadurch die Naht ganz oder teilweise. So wird die primäre
Heilung gestört und neue Narbenbildung erzeugt, welche wir gerade zu
vermeiden wünschen. Man läßt das ziemlich dicke Drainrohr, welches
sich bald durch die aufsprießenden Granulationen wasserdicht abschließt,
ca. 12 Tage liegen. In dieser Zeit heilt die Urethra ohne stärkere
Narbenbildung zusammen und gestattet nach Entfernung des Drainrohrs
sehr bald dem gesamten Urin eine ungestörte Passage. Kr.
Ersatz eines Harnröhrendefektes durch die Vena saphena.
Von Mühsam-Berlin. (Zentralbl. f. Chir. 1913, Ar. 28, Beilage.)
Der 47jährige Pat. wurde wegen einer impermeablen Harnrühren-
striktur operiert. Die narbige Striktur wurde exstirpiert, der Defekt
betrug 6 cm. Die Harnröhre wurde nach beiden Richtungen mobilisiert.
Es gelang aber nicht, sie soweit freizumachen, dab eine Naht möglich
gewesen wäre. Um den Defekt auszufüllen, wurde die Vena saphena
rechts freigelegt und ein 8 cm langes Stück derselben entfernt. Die
Vene wurde dann mit der Harnröhre nach beiden Enden hin nach
Carrel-Stich vereinigt, die Wunde durch Naht ganz geschlossen. In
die Blase kam ein Katheter, der 3'/, Wochen liegen blieb. Nach seiner
Entfernung ließ Pat. spontan Urin durch die Harnröhre. Bei später
vorgenommenem Bongieren zeigte es sich, daß an don Nahtstellen der
Harnröhre mit der Vene zwei derbere Stellen vorhanden sind. Eine
regelmäßige Bougiebehandlung hat seit über einem Jahre nicht mehr
stattgefunden. Trotzdem sind sämtliche Funktionen, auch die sexuellen,
vollkommen in Ordnung. Kr.
60*
916 Hoden und Hüllen.
Ein verbessertes Urethroskop. Von W. Wyndham Powell.
(Lancet, 24. Mai 1913.)
Das beschriebene, auf dem Prinzip indirekten Sehens aufgebaute
Instrument ist nur an der Hand der beigegebenen Abbildungen ver-
ständlich. Da es nur für den Gebrauch der vorderen Harnröhre be-
stimmt ist, sind Vorteile gegenüber dem einfachen, bei uns gebräuch-
lichen Valentineschen Instrument nicht ersichtlich.
W. Lehmann-Stettin.
IV. Hoden und Hüllen.
Ulteriore ricerche sperimentali sulla secrezione interna testi-
colare. Von Valentino Bernaro. (Il Policlinico; sezione chirurgica 1913, 4)
V. Bernaro kommt bei Studien über die innere Sekretion der
Hoden zu folgenden Ergebnissen: Überpflanzungen von Hoden bei höheren
Säugetieren gelangen nicht zum Wachstum, auch wenn sie mit größter
Vorsicht und sonst unberührt subkutan, in Muskeln oder sonst irgendwo
ausgeführt werden. Von überpflanzten Hoden gelangt bei Nekrose oder
Absorption keine Spur innerer Sekretion, die für den Organismus nütz-
lich und eine Regression der Hypertrophie und Hyperfunktion der Hypo-
physe veranlassen könnte, zur Aufnahme. Die Aufnahme der inneren
Sekretion des Hodens gelingt viel leichter zu erzielen durch Injektion
von Brei (quasi isolierte Zellen) von gesunden Hoden und besonders
gut bei der Parabiosis von kastrierten und gesunden Tieren. Hoden
mit reseziertem Vas deferens sind nicht imstande, Stoffe, die die Hyper-
funktion der Hypophyse ausgleichen, zu produzieren. Dies alles be-
kräftigt die Annahme, daß die interstitiellen Zellen, und nur sie allein,
die innere Sekretion des Hodens, die auf die Hypophyse Einfluß ausübt,
bewirken. Mankiewicz-Berlin.
Überzähliger Hoden. Von Dransfeld-Gießen. (Deutsche medizin.
Wochenschr. 1913, Nr. 21. Vereinsb.)
Bei einem 54jährigen Manne wird bei der Operation eines rechts-
seitigen Leistenbruches lateral vom Bruchsack ein Samenstrang und
Hoden, der im rechten Hodenfach liegt, und außerdem median ein
zweiter dünnerer Samenstrang, der sich zu einem zweiten Hoden und
Nebenhoden verfolgen läßt, festgestellt; die linke Seite ist normal.
In der Literatur sind 8 Fälle von Doppelhoden bekannt, davon
betreffen 6 die rechte, 2 die linke Seite. Ludwig Manasse-Berlin.
Die Pathologie der Hodenretention. Von Dr. O. Uffreduzzi,
Assistent der chir. Klinik und Privatdozent der Universität Turin. (Archiv í.
klin. Chir. 1912 u. 1913, Bd. 100 u. 101.)
Der retinierte Hode ist in der großen Mehrzahl der Fälle eime
angeborene Mißbildung, eine Entwicklungsstörung, die fast nie vereinzelt,
sondern im Verein mit anderen mehr oder weniger ausgeprägten Ent-
wicklungsstörungen auftritt, sowohl der Geschlechtsorgane als anderer Kör-
perteile, sowohl in körperlicher als geistiger Beziehung. Die Anomalien
Hoden und Hüllen. 917
im Bau und die Atrophie stellen gewöhnlich eine die Anomalie im
Descensus begleitende Erscheinung, aber nicht eine Folge der fehler-
haften Lage dar. Letztere ist nicht der einzige, ja auch nicht der be-
deutendste Faktor der Veränderung des retinierten Hodens. Wenn über-
haupt, kommt er nur spät in der Weise in Betracht, daß er die Rück-
bildung der Drüse beschleunigt, also frühzeitig Alterserscheinungen im
Hoden bedingt. Der frühzeitige Eintritt des retinierten Hodens in das
postfunktionelle Stadium wird aber wesentlich bedingt durch die Spär-
lichkeit der ausbildungsfähigen Kanälchen und durch die Raschheit der
Rückbildung in den meisten Kanälchen, in denen es nicht zu Samen-
bildung kommt. Die Zahl der Kanälchen mit vollständiger Samenbildung
ist aber im retinierten Hoden größer, als man gewöhnlich annimmt, und
bewegt sich um 10°,,. Der retinierte Hode gibt an und für sich nicht
Anlaß zu Beschwerden, doch sind Komplikationen häufig, besonders
Bruch, Drehung und maligne Entartung. Das Persistieren des Processus
vaginalis peritonei oder der Leistenbruch sind bei Hodenretention fast
konstant. In den Fällen, wo die Verödung des Processus vaginalis statt-
findet, ist sie nur beschränkt und ist die Vaginalis stets weiter als
normalerweise und oft bis in das Orificium internum des Leistenkanals
hinaufreichend. Die Drehung ist häufiger, als man annimmt, da nur die
schwereren Fälle mit schweren Symptomen zur Operation gelangen, wäh-
rend die leichteren (Hodenkoliken) und die spontan zurückgehenden
Fälle unbeachtet bleiben oder unrichtig gedeutet werden. Es steht fest,
daß der retinierte Hode eine bedeutende Neigung zur malignen Neu-
bildung zeigt, doch ist diese nicht wenig übertrieben worden. Kr.
Über die chirurgische Behandlung der Ectopia testis. Von
Primarius Dr. Aladär Fischer-Budapest. (Beiträge zur klin. Chirurgie 1913,
84. Bd., 1. Heft.)
Das Wesentliche bei der operativen Behandlung der Hodenver-
lagerung ist, daß der Hode auf seinen normalen Platz in der Skrotalhöhle
gebracht werde und auch hier haften bleibe. Es muß also der verlagerte
Hode in entsprechendem Maße mobilisiert werden; weiterhin muß er im
Skrotum fixiert werden, damit er dessen Höhle nicht wieder verlassen
kann. Im Laufe der Zeit wurden zur Erreichung dieses Zweckes vielo
Verfahren erdacht. Verf. bespricht die wichtigeren und geht dann zur
Darlegung seiner Methode über. Er ging bei der Ectopia inguinalis
anfangs so vor, daB er den Samenstrang frei präparierte und den proxi-
malen Pol des Processus vaginalis und den Inguinalkanal nach den
Vorschriften der Bassinischen Operation versorgte. Dann zog er durch
den unteren Teil des Hodens und die denselben umgebende Tunica vagi-
nalis einen starken Faden. Im Skrotum bohrte er stumpf mit dem be-
handschuhten Finger eine Höhle; dann wurde der Faden mit zwei starken
und langen Nadeln armiert, und diese wurden am unteren Pole des
Skrotums in einer. Entfernung von 5 mm von innen durch die Haut
. gestochen und so beide Fadenenden durchgezogen. Mittelst des starken
Fadens ist nun der Hode mit Leichtigkeit in die Skrotalhöhle ziehbar,
Die beiden Fadenenden wurden dann über ein Gazeröllchen geknotet.
018 Hoden und Hüllen.
Der Hode war also sehr verläßlich an den unteren Skrotalpol verankert,
und das Verfahren entsprach seinem Wesen nach den Methoden von
Spity, Tavel. Dollinger usw. Verf. gelangte bald zur Einsicht, dab
dieses Verfahren ungenügend ist. Die herabgeholten Hoden zogen sich
wieder zurück. Dieses geschah, wie er sich überzeugen konnte, mit
einer Kraft, daB dem Gazeröllchen entsprechend sich am Skrotum eine
Grube bildete. Es wurde ihm nun klar, dab der herabgeholte Hoden
unbedingt an einem fixen Punkte befestigt werden müsse. Die Fixierung
des herabgeholten Hodens geschieht nun folgendermaßen: Auf die ent-
sprechende untere Extremität wird eine Gipsschiene gelegt. Die Schiene
wird so angebracht, dab sie, beim äußeren Knöchel beginnend, die Planta
pedis umfaßt und an der inneren Seite der Extremität bis über das obere
Drittel des Oberschenkels hinaufgeht. Die Schiene wird mit Binden
sicher fixiert. In das obere Ende der Schiene wird ein Loch geschnitten;
durch dieses Loch wird das eine langrselassene Fadenende durchyezogen
und mit dem anderen Fadenende unter Spannung fest verbunden. So
bekommen wir einen vollkommen sicheren Stützpunkt zur Fixierung des
herabgeholten Hodens, da die gut angelegte, das Knie- und Knöchel-
gelenk umgreifende und sich auf den Fuß stützende Schiene absolut
sicher an ıhrem Platz verbarrt und besonders aufwärts nicht gleiten
kann. So mub dann auch der mit der Schiene mittelst eines starken
Fadens verbundene Hoden unten bleiben, und sein Zurückgleiten ist ans-
geschlossen. Anfangs benutzte Verf. zur Fixierung des Hodens einen
starken Seidenfaden. Da aber bei kleinen Kindern der Verband doch
durch Urin beschmutzt werden kann und infolge der Kapillarität der
Seidenfäden auf diesem Wege eine Infektion doch zustande kommen
könnte. wandte er in letzter Zeit Sılkwormfäden an, die bekanntlich
keine Kapillarıtät besitzen. Die kleinen Stichwunden am unteren Skro-
talpole werden wie die ganze Wunde mit Kollodium bedeckt. Der
Kranke liegt 7 Tage mit der Gipsschiene Nach 7 Tagen hat die
Elastizität des Samenstranges so nachgegeben und ist der Hode so an seinem
neuen Platze fixiert, dab wir Schiene und Faden entfernen können.
Kr.
Hämorrhagische Infarcierung des Hodens. Von Dr, W.Maschke,
Assistent der chir. Klinik der Universitit Marburg a. L, (Medizin, Klinik 1913,
Nr. 22.)
In dem vorliegenden alle, der einen 19jährigen Bureaugchilfen
betrifft, handelte es sich um eine totale hämorrhagische Infarcierung des
Hodens. Der Nebenhoden und Samenstrang waren intakt. Außer Throm-
bose in mehreren Venen des Corpus Hiehmori konnten Veränderungen
an den Gefäßen nicht gefunden werden Nach der Anamnese sind
Schmerzen und Schwellung im linken Hoden ziemlich plötzlich aufge-
treten. Es wäre demnach eine Torsion des Samenstranges in Betracht
zu ziehen; jedoch scheint Verf. der anatomische Befund dagegen zu
sprechen; denn hätte eine Torsion bestanden, die derartig schwere Ver-
änderungen am Hoden zur Folge gehabt haben würde, wie sie im vor
liegenden Falle nachgewiesen wurden, so wäre es auffallend, dab der
\s
Hoden und Hüllen. 919
Nebenhoden intakt geblieben ist, der doch in gleicher Weise von einer
Zirkulationsstörung durch Torsion des Samenstranges hätte getroffen
werden müssen. Die Infarcierung kann infolgedessen nur auf die vor-
handene Thrombose der Venen im Corpus Highmori bezogen werden.
Die Ursache dieser Thrombose ist nicht klar. Das Wahrscheinlichste
ist, dab der Patient ein leichtes Trauma, Stoß oder Quetschung, erlitten
hat, das so unbedeutend war, daß er sich dessen nicht erinnerte. — Die
hämorrhagische Infarcierung wurde im verschiedensten Lebensalter be-
obachtet, doch scheint das zweite und dritte Lebensdezennium von der
Aflektion bevorzugt zu werden. — Die Diagnose der Erkrankung wird
stets Schwierigkeiten begegnen. Am leichtesten wird noch bei Auftreten
foudroyanter Erscheinungen eine Samenstrangtorsion diagnostiziert werden
können. Sind die Symptome aber nicht so schwerer Natur, sondern
entwickelt sich die Erkrankung zwar plötzlich, aber ohne besonders
starke Beschwerden, wie in dem vorliegenden Falle, dann wird man
eher an eine Affektion tuberkulöser Natur denken, die nach einem Latenz-
stadium plötzlich in Erscheinung tritt. — Die Therapie der hämorrha-
gischen Infarcierung kann nur eine operative sein. Handelt es sich um
Torsion des Samenstranges, die bald nach Beginn der klinischen Sym-
ptome zur Operation kommt, so ist die Möglichkeit vorhanden, den Ho-
den nach Beseitigung der Torsion zu erhalten. Wenn dagegen die
Krankheitserscheinungen schon längere Zeit bestehen, so ist die Ent-
fernung des erkrankten Hodens angezeigt, die auch im vorliegenden
Falle vorgenommen wurde. Nach Enderlens Tierversuchen tritt nach
22 Stunden Unterbrechung der Zirkulation Nekrose des Hodens ein.
Kr.
Zur Kenntnis der Hodengeschwülste und die Bedeutung des
Traumas für ihre Entstehung. Von Dr. Tetsuo Miyata-Tokio. (Arch.
f. klinische Chir. 1913, Bd. 101, H. 2.)
Die Entstehungsweise der Geschwülste ist noch sehr dunkel. Un-
bedingt sicher können wir nur annehmen, daß neben einer gewissen erb-
Jichen Disposition in erster Linie das Trauma ein wichtiges ätiologisches
Moment darstellt, das in sehr vielen Fällen sogar ausschlaggebend zu
sein scheint. Und zwar kommt hier die chronisch-entzündliche Reizung
alter Geschwürsnarben, Warzen, Schrunden usw. mehr in Betracht als
die einmalige Läsion. Die letztgenannte Ansicht gewinnt immer mehr
an Boden. Auch Verf. kommt auf Grund von Sektionsprotokollen mit
histologischen Ergebnissen und eigener Beobachtungen zu dem Schluß,
daB das Trauma eine Entstehungsursache der malignen Hodentumoren
darstellt. So kommen diese Tumoren fast immer vor bei den im kräf-
tigen Mannesalter stehenden Arbeitern, die der Verletzungsgefahr über-
haupt am meisten ausgesetzt sind. Kr.
Tumeur maligne du testicule. Von Bouvier. Soc. nationale de
médecine de Lyon, 31. III. 1913. (Lyon médical 1918, 23, p. 1234.)
Fall von Hodenkrebs bei 16jährigem Mann, der als Tuberkulose
imponierte. Hohe Kastration. Trotz hoher Inzision bis unter die falschen
WAN GE) NI LR
1
920 Hoden und Hüllen.
Rippen und Loslösung des Bauchfelles ließen sich nicht alle affizierten
Lymphdrüsen entfernen durch Verwachsung mit den Gefäßen.
Mankiewicz- Berlin.
Zur Frage der Zeugungsfähigkeit bei bilateraler Nebenhoden.
tuberkulose. Von Prof. Fürbringer-Berlin. (Deutsche med. Wochenschrift
1913, Nr. 29.)
Anknüpfend an eine auch in dieser Zeitschr. referierte Beobachtung
von Bell, nach der trotz doppelseitiger tuberkulöser Epididymitis die
Potentia generandi erhalten geblieben ist, prüft Fürbringer an der
Hand der Literatur und auf Grund seiner eigenen Erfahrungen die
Frage, ob die Tuberkulose der Hoden und Nebenhoden auf die Zeugungs-
Bad fähigkeit ebenso nachteilig wirkt, wie es erfahrungsgemäß die Gonorrhoe
Hl "9 tut. Er kommt zu dem Schluß, daß das nicht der Fall ist, und findet
ii date 8 eine Erklärung dafür in den pathologisch-anatomischen Verhältnissen.
RFA a MIERA Die Gonorrhoe erzeugt eine mehr diffuse Erkrankung, die Tuberkulose
Ar NEIE e WE dagegen tritt zunächst nur herdweise auf und braucht relativ lange Zeit
| “un es bevor das ganze Organ zerstört oder alle Ausführungsgänge verschlossen
Sp gr Kä en | sind. Lotsch hat gefunden, daß die Hodentuberkeln sich außerhalb
PELSE OI KÉ, do des Epithelrohres entwickeln, und analoge Beobachtungen Bendas haben
Is ne Sr Leer ta: gezeigt, daß innerhalb der tuberkulösen Granulationen ganz intakte Epi-
à E be à Boss thelkanälchen verlaufen und bei tuberkulöser Epididymitis erst sekundär
ler j ein Einbruch in die Epithelkanälchen erfolgt.
i
Ludwig Manasse- Berlin.
$ teks GE 4 Cé et? La tubercolosi ematogena del deferente. Von Dott. Giacomo
SZ Gel fue) 245 EI Zaccarini, Chir. ajut., Doc. in Patologia Chirurgica, Parma. (Folia urologica,
e Take Juli 1913, Bd. VII, No. 11.)
vc + À gr i Der Autor beschreibt einen seltenen Fall eines tuberkulösen, primär
I 1} 1 im Vas deferens lokalisierten Prozesses. Es bildete sich eine käsige
LE: le ER? tuberkulöse Deferentitis, die allmählich auch die äußeren Schichten er-
FAP RTL: À griff und nach auBen durchbrach. Der ProzeB, der sich im Lumen des
we Kai rar Vas deferens gebildet hat, ist auf drei Wegen vorgeschritten: der erste
ist gegeben von der Ausbreitung der epithelioiden Neubildung in die
ans os Iymphatischen und vaskulären Räume um das Vas deferens; der zweite
HH HERNE von der Ausbreitung des Prozesses längs des Samenweges gegen die
Samenblase. In der entgegengesetzten Richtung, gegen den Hoden, sind
die käsigen Prozesse des Vas deferens sehr beschränkt, und das Vas
deferens ist auf der Höhe des Nebenhodens normal. Das bedeutet, daß
die Ausbreitung des Prozesses gegen den Nebenhoden ein starkes Hinder-
nis im Samenfluß fand, während in entgegengesetzter Richtung sich seine
Ausbreitung schnell und leicht vollzog. Es steht daher fest, daß da, wo
weder das Experiment noch die Klinik das letzte Wort sagen können,
die histologische Untersuchung einer hämatogenen Infektion des Vas
deferens eine sichere Stütze für die Theorie von Baumgarten bildet.
(Nach der Übersetzung von Ravasini-Triest.) Kr.
Hoden und Hüllen. 921
Ein Fall von seltener Potenzstörung. Von Dr. Lißmann-Mün-
chen. (Deutsche med. Wochenschr. 1913, Nr. 21.)
Ein 40jähriger Patient, der in seiner Jugend nur sehr wenige Male
onaniert hat, bis zu seinem 32. Lebensjahre vollkommen abstinent und
demnach von Geschlechtskrankheiten verschont geblieben ist, ist seit
acht Jahren kinderlos verheiratet. Er ist auffallend kräftig und lebt
mit seiner Gattin sehr glücklich. Die Potentia coeundi ist völlig
normal, dagegen kommt es niemals zu einer Ejakulation, wohl ruft eine
manuelle Friktion auch Ejakulation mit zahlreichen sich lebhaft bewegen-
den Spermatozoen hervor. Es handelt sich demnach um einen ÄAsperma-
tismus mit Erektionsschwäche (richtiger wohl Ejakulationsschwäche).
Orlowski hält diese Erkrankung für angeboren, während Moll an-
nimmt, daß das nach der Erektion in Aktion tretende Ejakulations-
zentrum durch eine Art Inaktivität funktionsunfähig geworden sei. Bei
Zugrundelegung der Mollschen Anschauung wäre es schwer zu erklären,
weshalb die manuelle Friktion wirksamer sein soll als die vaginale.
Lißmann hat von der Idee, daß Yohimbin auf das Ejakulations-
zentrum besonders einwirke, dieses Mittel epidural appliziert, ohne einen
Erfolg zu erzielen. Da auch alle anderen therapeutischen Versuche
ergebnislos gewesen sind, hält er die künstliche Befruchtung im vor-
liegenden Falle eines Versuches wert. Ludwig Manasse-Berlin.
Zur Pathogenese der Hyärocele Von Denis G. Zesas-Basel.
(Zentralbl. f. Chir. 1913, Nr. 33.)
Es ist bekannt, daß in warmen und tropischen Klimaten die Hydro-
cele weit häufiger vorkommt als in den kalten. Das diesbezügliche ur-
sächliche Moment wird von einzelnen Autoren in eine lebhaftere Funk-
tion der Geschlechtsdrüse in den warmen Ländern verlegt, während von
anderen das Leiden pathogenetisch auf eine Einwirkung der Wärme
zurückgeführt wird. Die Wärme soll nach letzterer Auffassung eine Er-
schlaffung des Skrotums und der Samenwege bewirken, wodurch der
Hoden und seine Hüllen eher mechanischen Reibungen ausgesetzt werden.
Weit häufiger jedoch als den kalorischen Einflüssen fällt für das Zu-
stindekommen der Hydrocele gewissen, in den warmen Klimaten auf-
tretenden Infektionskrankheiten, namentlich der Malaria, ätiologische Be-
deutung zu. Entzündungen des Hodens sind bei der Malaria nicht allzu
selten. Während des Fieberanfalles schwellen Hoden und Nebenhoden
gleichmäßig an, und gowöhnlich ist das Leiden mit einer serösen Vagi-
nalitis verbunden. In der Regel verschwinden diese Erschoinungen unter
Bettruhe und Chininbehandlung vollständig: bisweilen soll jedoch Atrophie
des Hodens oder Verdickungen am Nebenhoden zurückbleiben. Die
Hydrocele bei der Malaria scheint somit eine sekundäre Manifestation
zu sein, und zwar entweder eine Begleiterscheinung der Orchitis oder
Epididymitis malarica, oder den Überrest solcher abgelaufenen Prozesse
darzustellen: Rezidive der Hydrocele nach Radikaloperation sind daher
bei noch vorhandenen anatomischen Veränderungen der Geschlechtsorgane
nicht auszuschließen. Kr.
9929 Pıostata und Samenblasen.
V. Prostata und Samenblasen.
Bericht über 236 Fälle totaler Prostataenukleation aus den
2 Jahren 1911/12. Von P. J. Freyer. (Lancet, 12. April, 1913.)
In Fortsetzung eines im April 1911 gegebenen Berichtes über 800
Prostataoperationen berichtet Verf. über seine Erfahrungen?’ in den letzten
2 Jahren. Einige besonders bemerkenswerte Fälle berichtet er in extenso;
die Mortalität der 236 Operationen betrug 4,66°, o Zusammen mit den
früheren Fällen hat Verf. bis zum Ende des Jahres 1912 1036 Fälle
operiert, deren Alter zwischen 49 und 90 Jahren schwankte; Durch-
schnittsalter 69'/,. Er hat absichtlich keinerlei besondere Auswahl ge-
troffen und hat eine Reihe Todesfälle in ‚seiner Statistik gezählt, die
eigentlich gleichzeitig bestehenden schweren Erkrankungen des Herzens
und der Nieren zur Last zu legen waren. Bei Ausscheidung solcher
Fälle und bei sorgfältiger Auswahl und Verweigerung der Operation in
ungünstig liegenden Fällen, wie es von anderer Seite geschieht, würde
die Mortalität gleich Null sein, während sie so ein wenig über 4!),°
beträgt; allerdings verlor er von seinen ersten 100 Fällen 10, so daß
im ganzen die Mortalität 5'/,°/, ausmacht. Sämtliche überlebende Pa-
tienten haben von der Operation Erfolg gehabt und Gewalt über ihre
Blase wieder erlangt. W. Lehmann-Stettin.
Quelques cas de cicatrisation vésicale retardée, après la pro-
statectomie sus-pubienne. Von L. Thévenot und J. Laeassaque-Lyon,
(Journ. d’Urol. 1913, Tome III, No. 5.)
Wenn nach der suprapubischen Prostatektomie die Blasenwunde
nicht innerhalb der üblichen Zeit von 3—6 Wochen zuheilt, so liegt,
wie 5 Fälle aus der Rochetschen Klinik zeigen, ein Hindernis von
seiten der suprapubischen Operationswunde, von seiten des Blaseninnern
oder von seiten der Prostatahöhle vor. Nach Behebung dieses Hinder-
nisses heilen die Fisteln in kürzester Zeit glatt zu.
Fall 1. Postoperative bajonettförmige Knickung der Urethra und
Blasensteine. Nach perinealem Einschnitt operatives Redressement der
Harnröhre und Entfernung der Konkremente, worauf die Fistel sich
rapid schloß.
Fall 2. Klappenverschluß der vesikalen Harnröhrenmündung durch
einen Schleimhautlappen; letzterer wurde von der Blasenfistel aus ent-
fernt, worauf normale Urinentleerung und Fistelverschluß erfolgte.
Fall 3. Eine Fistel, welche noch 6 Monate nach der Operation per-
sistierte, wird gespalten; hierbei findet sich ein prävesikaler Eiterherd,
welcher kürettiert wird. Hierauf komplette Vernarbung.
Fall 4. Starke Stenosierung der prostatischen Urethra. Nach peri-
nealem Einschnitt energische Dilatation und Dauerkatheter. Heilung.
Fall 5 machte eberfalls ein Redressement der prostatischen Urethra
sowie die Schaffung einer neuen Harnröhre bei ihrem Eintritt in die
Blase notwendig, wonach definitive Heilung eintrat.
Die Resultate dieser sekundären Eingriffe waren also sehr zufrieden-
stellende. Die Verhütung der heilungsverzögernden Momente ergibt sich
er... EEE...
Prostata und Samenblasen, 923
aus der Erkenntnis ihrer Ursachen. Ausgedehnte prävesikale Abtren-
nungen sind zu vermeiden, durch wiederholte Spülungen der infizierten
Blase ist lithogenen Katarrhen zu begegnen, größere Schleimhautlappen
sind sich nicht selbst zu überlassen, sondern an der Wand der Prostata-
höhle zu fixieren, die Urethra endlich ist, wenn möglich, in ihrer ganzen
Länge zu erhalten. A. Citron-Berlin.
Prostatic and vesical calculi complicating suprapubic prostat-
ectomy. Von H.A. Fowler. (Amer. Journ. of surg. 1913, p. 156.)
Es handelte sich um einen 60jährigen Mann, der 10 Jahre vorher
einen Anfall von Nierenkolik hatte, aber ohne Abgang eines Steines.
Außerdem hatte er eine Gonorrhöe mit konsekutiven Strikturen. Vor
etwa 2 Jahren erlitt er einen Unfall durch Fall mit 2 Tage lang an-
dauernder Hämaturie. Seit 1 Jahre bestand starker Urindraug. Die
rektale Untersuchung ergab keine wesentliche Hypertrophie der Prostata,
nur war der l. Lappen ungewöhnlich hart, so daß Verdacht auf Karzinom
bestand. Die kystoskopische Untersuchung zeigte 2 grobe und 8 kleinere
Blasensteine sowie Hypertrophie der Vorsteherdrüse besonders des linken
Lappens. Mittelst Sectio alta wurden die Steine entfernt, dann wurde
die Prostata enukleiert. Bei dieser Gelegenheit stieß F. zwischen der
(reschwulst und der chirurgischen Kapsel der Prostata auf ein förmliches
Lager von Steinen, die zum Teil fest saßen. Mittelst Finger wurden
J4 Steine entfernt, und eine noch größere Zahl fand sich in den Tam-
pons, die während der Operation benutzt worden waren. Nachdem die
Steine vollständig entfernt worden waren, wurde die Wunde über 2 Tam-
ponstreifen und 1 Drain geschlossen, worauf Heilung erfolgte. Die Steine
waren hirsekorn- bis erbsengroß mit zum Teil polierter oder facettierter
Oberfläche. Sie bestanden aus Kalziumphosphat und Kalziumoxalat. In
der enukleierten Prostata waren keine Steine. Die Lage der Steine
spricht dafür, daß sie in einem Teil der hypertrophierten Drüsenschläuche
gebildet worden sind, wahrscheinlich mit Corp. amylacea als Kern.
R. Kaufmann-Frankfurt a. M.
Zur Technik der Prostatectomia suprapubica. \on Prof. Jenckel-
Altona. (Zentralbl. f. Chir. 1913, Nr. 28.)
Während Verf. früher die von Freyer eingeführte suprapubische
Prostatektomie stets in Lumbalanästhesie unter Anwendung von Stovain
ausführte, wendet er seit Jahresfrist Lokalanästhesie an. Die Patienten
bekommen eine Stunde vor der Operation Skopolamin-Morphium (1 mg
Skopol., 1 eg Morphium), befinden sich demnach bereits in einem Zu-
stande, in welchem sie von dem, was mit ihnen und um sie vorgeht,
nicht viel merken, und erhalten dann zur Anästhesierung der Bauch-
decken eine 1°/ ige Novokain-Adrenalinlösung injiziert. Nach Eröffnung
des Cavum Retzii wird die vorher mit Borlösung angefüllte Blase ange-
schlungen, eröffnet nnd dann die Blase ausgetastet. Um die Exstirpation
der Prostata schmerzlos zu gestalten, und nur namentlich die Blutung zu
verringern, wird dann um die Drüse herum und in das Prostatabett eine
1°; ige Novokain-Adrenalinlösung injiziert und die Ausschälung der ver-
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924 Prostata und Samenblasen.
größerten Drüse nach Inzision der Schleimhaut vollzogen. Während
früher ein Assistent die Prostata vom Rektum aus nach oben mit dem
eingeführten Finger drängte, benutzt Verf. jetzt einen estra zu diesem
Zweck angefertigten Prostataheber, der von der Ampulle aus die hintere
Blasenwand und damit auch die Prostata nach vorn drängt und so die
radikale Entfernung erleichtert. Namentlich für die fibrösen Formen der
Prostatahypertrophie und -atrophie, sowie für die Karzinome, deren mə-
nuelle Entfernung oft äußerste Kraftanwendung erheischt, hat sich der
Prostataheber sehr gut bewährt. Da der Teller an dem Ende des Jn-
strumentes abgerundete Kanten hat, so ist eine Verletzung beim Ein-
führen in den Mastdarm, sowie beim Hochdrängen der Vorsteherdrüse
nicht zu befürchten. Ist die Drüse enukleiert, so spült Verf. die Blase
mit heißer Kochsalzlösung aus, um die Blutung besser zu stillen, führt
darauf den von Fritz König angegebenen, mit mehreren Fenstern ver-
sehenen Verweilkatheter von der Harnröhre aus in die Blase, legt zur
besseren Entfaltung des Prostatabettes, und um auf diese Weise stärker
Nachblutungen zu vermeiden, einen Rektorynter in die Ampulla reeti,
füllt denselben mit 300 ccm Wasser und läßt diesen gefüllten Gummi-
ballon 4—5 Stunden im Rektum liegen. Die Blasenwunde wird fast
regelmäßig primär durch Katgutnähte in zwei Etagen geschlossen. Darauf
legt Verf. großes Gewicht; denn nur durch die primäre Naht wird für
die meist alten Leute das Krankenlager und die Nachbehandlungszeit
erheblich abgekürzt. Nur bei schwerer Cystitis und Pyelonephritis legt
Verf. suprapubisch ein Drain mittels Witzelschen Schrägkanals in die
Blase ein und spült von hier aus. Wichtig ist die Nachbehandlung.
Die Patienten kommen am Tage nach der Operation außer Bett und
sitzen im Sessel. Mehrmalige Spülungen sind in den ersten Tagen, wo
der Harn noch blutig ist, erforderlich. Ist der Katheter durch Blut-
gerinnsel verstopft, so werden letztere mittels einer größeren Saugpumpe
aspiriert, führt auch dies nicht zum Ziel, so wird der Katheter ge
wechselt. Am 8. Tage kann gewöhnlich der Verweilkatheter entfernt
werden, und die Patienten sind dann imstande, spontan zu urinieren.
Für diese Patienten ist es aber wichtig, daß ihre Blase, trotz des Ver-
mögens, spontan den Harn zu entleeren, weiter behandelt wird, bis der
Katarrh, der sich durch das frühere qualvolle Katheterleben entwickelt
hatte, völlig geschwunden ist. Daher sind Spülungen der Blase mit Bor-
und Höllensteinlösung (1: 1000), sowie Verabreichung von Urotropin
weiterhin geboten. — Der Prostataheber ist von der Firma C. W. Bolte
Nachf., Hamburg, zu erhalten. Kr.
A propos de la technique de la prostatectomie hypogastrique.
Emploi d’un doigtier. Von Beusa-Nizza. (Journ. d’Urol. 1913, Tome II,
No. 4.)
Der kleine Apparat, welcher von Gentile angefertigt wird, besteht
aus einem metallenen Fingeraufsatz mit schneidender Kralle und wird
bei der Freyerschen Operation auf dem Zeigefinger der rechten Hand
getragen. Diese Armierung unterstützt den Finger beim Ausschälen der
Tumoren und schafft eine glattere Wundhöhle, als wenn man mit dem
PAGE NOT
AVALLABLE
Prostata und Samenblasen, 927
grober Teil der Geschwülste wurde operativ entfernt, darunter 2 bis ins
Mediastinum reichende Tumormassen. 11 Tage post operationem erfolgte
plôtzlicher Exitus. Die mikroskopische Untersuchung der Geschwülste
zeigte, daß es sich um Adenokarzinommetastasen nach den Lymphdrüsen
handelte. Bei der Obduktion erwies sich die Prostata zunächst nur
etwas vergrößert, makroskopisch bot ibre Schnittfliche nichts Patholo-
gisches dar. Die mikroskopische Untersuchung der Vorsteherdrüse ergab
zwar auf der r. Seite nichts, dagegen wurde die l. Seite von karzinoma-
tösem Gewebe, teils Adenokarzinom, teils Carcinoma alveolare solidum
eingenommen, und nur an einer beschränkten Stelle war noch normales
Prostatagewebe vorhanden. Es fand sich weiter im Bindegewebe des
Beckens zwischen Harnblase und Prostata eine gut dattelkerngroße Tumor-
masse. Ferner waren Metastasen in den Gl. mediastinales, Gl. iliacae
und Gl. retroperitoneales. Alle diese Drüsen bildeten ein mächtiges
Konvolut von größeren und kleineren Geschwülsten vom oberen Teil des
Halses bis ins kleine Becken hinabreichend, so daß man an ein Lympho-
sarkom denken mußte. In den Drüsen bestand als Grundtypus ein Adeno-
karzinom, von lymphoidem Gewebe war so gut wie nichts vorhanden,
dagegen viel kernarmes Bindegewebe. Es kann kein Zweifel bestehen,
daß das Karzinom seinen primären Sitz in der Prostata hatte. Im vor-
liegenden Falle ebenso wie in einem von Baumgarten beschriebenen
wurden starke Ödeme vorgefunden. R. Kaufmann-Frankfurt a. M.
Carcinoma of the prostate gland. Von R.J. Willan. (Brit. Med.
Journ. 1913, July 12.)
W. hat 33 Fälle von Karzinom der Prostata beobachtet. Der jüngste
der Patienten war 29 Jahre alt, der älteste 78. Unter den Symptomen
waren die hervorstechendsten vermehrte Urinfrequenz und Retention.
Hämaturie fand sich nur in etwa 18°/,. Bei der rektalen Untersuchung
zeigten 70°/, harte Knoten in der fixierten Drüse. Die Durchschnitts-
dauer betrug 28 Monate. von Hofmann-Wien.
Operationen an den Samenblasen. Von Voelcker-Heidclberg.
(Zentralbl. f. Chir. 1913, Nr. 28, Beilage.)
Verf. hat 11mal die Exstirpation der Samenblasen ausgeführt. Er
benutzt dazu seine eigene Schnittführung (Bauchlage, Schnitt neben dem
Os coccygis, letzteres eventuell exartikuliert. Von den 11 Patienten ist
keiner gestorben. Wesentliche Störungen der Wundheilung oder Neben-
verletzungen (Mastdarm, Blase, Peritoneum, Ureter, Harnröhre) kamen
nicht vor. Die Gründe, warum operiert wurde, sind folgende: 2mal
wegen Tuberkulose. Verf. empfiehlt die Operation der Samenblasentuber-
kulose für solche Fälle, in denen man durch Abszesso, Fieber, Fistel-
bildung, Schmerzen, Urinbeschwerden usw. zur Operation gedrängt wird.
2mal wegen Tumoren. 3mal wegen Kompression des Ureters. Der
Ureter kreuzt sich mit dem oberen Teil der Samenblase. Entzündungen
der Samenblasen und Schwielenbildung in dem perivesikulären Gewebe
führen zu Störungen der Ureterfunktion. Akute Gonorrhöe bei 20 jührigem
Mann mit Cystitis. Im 4. Monat der Erkrankung heftige rechtsseitige
928 Blase.
Nierenkoliken und Pyelitis. Samenblasengegend verdickt, druckschmerz-
haft. Bei der Operation kein Abszeß gefunden, wohl aber sehr derbe,
entzündliche Schwielen, welche gespalten wurden. Besserung der Koliken.
Ferner: linksseitige (rechts weniger) Nierenkoliken bei Prostatahyper-
trophie. Enukleation der Prostata mit Enukleation der Samenblasen,
welche in derb bindegewebige Adhäsionen eingebettet waren. Daraufhin
Verschwinden der Koliken. Ferner: chronische Prostatitis und Spermato-
cystitis mit aufsteigender Cystopyelitis und Calculosis renis sin. Nephro-
tomie und Vesikulektomie. Geringe Besserung. 1mal Prostatektomie
und Vesikulektomie. Wegen Schmerzen im Damm, welche durch die
hypertrophische Prostata nicht erklärt waren (75jähriger Mann). Während
der Nachbehandlung vorübergehende Epididymitis als Beweis, daß auch
die Exzision der Samenblase hiergegen nicht unbedingt schützt. 3mal
wegen rheumatischer Beschwerden. Verf. glaubt, daß die kleinen Organe
gelegentlich die versteckte Ursache anderer Erkrankungen sind, nament-
lich mancher infektiöser Erkrankungen der Blase und Nieren und mancher
Fälle von chronisch-rezidivierendem Gelenkrheumatismus, und daß in
einem Teile solcher Fälle Operationen gerechtfertigt sein können. Kr.
VI. Blase.
Sulla cosidetta uvula vescicalis e i suoi rapport coll'iper-
trophia prostatica. Von G. Verga. Società medico-chirurgica di Pavia
14. II. 1913. (La clinica chirurgica 1913, 4, p. 880.)
G. Verga hat Untersuchungen über die sogenannte Uvula vesi-
calis an menschlichen Leichen und Tieren angestellt und ist der Meinung:
daß dieselbe ein reguläres und konstantes Organ sei, das auch bei Tieren
mit einem dem Trigonum vesicae sich annähernden Gebilde (Affe, Hund)
leicht zu erkennen sei; daß sie im wesentlichen aus einer Schleimhaut-
falte mit Längsmuskelbündeln, einer Verdickung der Submucosa und
einigen Drüsen vom Typus der submukösen Prostatadrüsen bestehe; daß
sie morphologisch als Anfangsteil der leicht vergrößerten Crista urethralis
posterior, mit der sie analog zusammengesetzt ist, zu betrachten ist; daß
sie faktisch unabhängig von der Prostata ist und daß ihre Beziehungen
zur Vorsteherdrüsenvergrößerung sekundäre sind und sich danach richten,
ob ein oder zwei Lappen der Drüse ergrifien sind, gleichgültig, ob es
sich um ein Adenom oder Adenofibrom der submukösen Prostatadrüsen
handelt; daß die Uvula vesicalis nichts zu tun habe mit den Barrières
vesicales der Franzosen oder den Blasenklappen der Deutschen.
Mankiewicz-Berlin.
Examen de la vessie dans les cancers du col utérin. Von
Hartmann. Société nationale de chirurgie, Januar 1913. (Archives générales
de chirurgie 1913, 5. p. 563.)
Hartmann referiert Beobachtungen Cruets über zystoskopische
Untersuchungen bei Uterushalskarzinom. Die Blase wird durch die Ge-
schwulst vorgebuchtet. Die Geschwulst veranlaßt oft Zirkulationsstörungen
und Faltungen hinter dem Interureteralmuskel. Diffuses oder bullöses
Blase. | 929
Ödem ist nicht selten. Auch direkte Affektion der Blasenschleimhaut
durch den Krebs sieht man. Vorbuchtung der Blasenwand auch mit ge-
ringen Zirkulationsstörungen hat keine Wichtigkeit bei der Operation.
Stärkere Faltungen und Buchtungen der Blasenwand weisen auf festere
Verwachsungen hin, die bei der Loslösung Schwierigkeiten und Ver-
letzungen der Blase verursachen können. Diffuses Ödem mit breiten
parallelen Falten weist auf feste Verwachsungen . hin und soll den
Chirurgen vorsichtig machen. Beobachtung der Uretermündursen ge-
stattet, auf funktionelle Veränderungen der Harnleiter zu schließen.
Mankiewicz-Berlin.
A propos de l’injection de gaz dans la vessie. Von Jean
Ferron. (Journ. d’Urol. 1913, Tome III, No. 4.)
Die großen Vorteile, welche die Luftfüllung der Blase bei Sectio
alta bietet, lassen es sehr bedauern, daß Pousson und Nikolich in-
folge einiger Todesfälle an Luftembolie neuerdings vor dieser Maßnahme
dringend warnen. Ferron glaubt, durch größte Vorsicht beim Einblasen
vermittelst eines kleinen Ventilballons und sorgfältige Beobachtung des
Füllungsgrades der Blase bei völlig ruhiger Haltung des Patienten die
unheilvollen Folgen der Lufteinblasung verhüten und diese sonst nütz-
liche Methode der Chirurgie erhalten zu können. A. Citron- Berlin.
Intravesical diagnosis and treatment, with a description of
new instruments. Von L. Buerger-New York. (New York Medical
Journal 26. 4. 1913.)
Buerger fand die meisten der bisher beschriebenen endovesikalen
Instrumente entweder zu kompliziert in ihrer Anwendung oder zu schwach
und gebrechlich, um mit ihnen mit Erfolg arbeiten zu können. Aus
diesem Grunde konstruierte er eine Reihe von Operationsinstrumenten,
die sich anscheinend olıne Schwierigkeit in seinem Kystoskop verwenden
lassen. Diese Instrumente sind eine runde Lochzange, eine Faßzange,
zwei verschieden große scharfe Löffelzangen, eine Schlinge, ein kleiner
Lithotriptor, ein Messer, eine Schere und Elektroden mit auswechselbaren
verschieden großen Oliven für die Arsonvalisation des Ureters. Die In-
strumente werden außer zu diagnostischen Zwecken zur Entfernung von
Tumoren, zum Ausschneiden von hartnäckigen Geschwüren, zur Erweite-
rung von Ureterstrikturen, zur Entfernung von Fremdkörpern und Steinen,
zur Operation von Papillomen und zur Exzision kleiner Stücke der Ure-
thralmündung zum Zwecke der Tuberkulo-Diagnostik verwendet. Aus
den Abbildungen, die alle diese Instrumente wiedergeben, ist ersichtlich,
daß das Instrumentarium in seiner Zusammensetzung viel Ähnlichkeit
mit dem von Bär angegebenen Pankystoskop besitzt.
N. Meyer-Wildungen.
Über den Wert der intravesikalen Operationen. Von Kiel-
leuthner-München. (Münch. med. Wochenschr. 1913, Nr. 18.)
Die Arbeit gibt einen Vortrag des Verf. im ärztlichen Verein
München wieder, der in übersichtlicher Weise den großen Wert des
Zeitschrift für Urologie. 1913. 61
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930 Blase.
endovesikalen Vorgehens bei Steinen, Fremdkörpern und Geschwälsten
der Blase nach den heute geltenden Anschauungen betont. Bei Lithia-
sis ist die Lithotripsie die Methode der Wahl, nur sehr große und
Divertikelsteine bilden eine Kontraindikation, manchmal auch ein sehr
tiefer Recessus hinter der hypertrophischen Prostata. Kleine und weiche
Fremdkörper werden ebenfalls am besten per vias naturales entfernt,
harte und spitzige erfordern meist die Sectio alta.
Für gutartige Geschwülste, wenn sie nicht zu groß und zu breit-
basig sind, ist die endovesikale Methode mit dem Operationskystoskop
vorzuziehen: Papillome rezidivieren so weniger als bei Eröffnung der
Blase. Die Behandlung mit Hochfrequenzströmen ist anscheinend aus-
sichtsvoll. Brauser- München.
Appareil pour cystotomisés. Von Badin und Uteau-Toulous.
(Journ. d’Urol. 1913, Tome III, No. 4.)
Das Urinal für Zystotomierte ist in sinnreicher Weise folgender-
maßen eingerichtet. Das in die Blase hineinragende Ende des abführenden
Rohres trägt einen „Champignon“, d.h. einen pilzartigen Gummiknopf.
Wo das Rohr die Bauchhaut verläßt, liegt ihm ein kleines aufblasbare
Gummikissen an. Wird dieses nun je nach Bedarf mit Luft gefüllt, so
wirkt es wie eine Schraubenmutter, während der „Champignon“ als
Bolzen figuriert. Beide Teile fixieren durch sanfte Einpressung der
Bauchwand den Apparat mit absoluter Dichtigkeit.
A. Citron-Berlin.
Über endovesikale und endourethrale Behandlung mit Hoch-
frequenzströmen. Von Dr. Robert Bachrach, Assistent der chir, Abteil,
des Rothschildspitales in Wien. (Folia urologica, VII. Bd., No. 11, Juli 1913.)
Verf. hat vor einem Jahre über die ersten Ergebnisse seiner Be-
handlungen mit der von E. Beer (Newyork) veröffentlichten Methode be-
richtet und ist nunmehr in der Lage, an der Hand eines größeren Ma-
terials und nach längerer Beobachtung desselben, weitere Erfahrungen
auf diesem Gebiete mitzuteilen. Sie erstrecken sich vor allem auf die
papillomatösen Geschwülste der Blase, von denen eine große Zahl dureh
einen längeren Zeitraum nach der Behandlung beobachtet worden ist
und daher ein Urteil auf die Fernwirkung und die Dauerresultate ge-
stattet. Die endovesikale Anwendung des Hochfrequenzstromes ist dar-
nach für die Behandlung gutartiger Papillome der Blase ein souveränes
Mittel, das Gefahren nicht in sich schließt. Unter 2050 behandelten
Kranken waren drei Implantationsmetastasen am Blasenscheitel nach
Sectio alta wegen Papilloms; sie blieben nach Entfernung mit dem Hoch-
frequenzstrom über 1 Jahr hindurch frei von Rezidiv. Für große und
ausgedehnte Papillome der Blase und Karzinome ist diese endovesikale
Methode nicht geeignet, diese Fälle bleiben nach der bisherigen Indika-
tion der Sectio alta vorbehalten. Außerdem berichtet Verf. in vorliegen-
der Arbeit über Versuche, den Hochfrequenzstrom auch auf die endo-
urethralen Behandlungsmethoden auszudehnen, ein Gebiet, auf dem bisher
noch keine Erfahrungen veröffentlicht sind. Auch in der endourethralen
Blase. 931
Behandlung des Colliculus seminalis und anderer Erkrankungen der
Harnröhre leistet die Methode unter Zuhilfenahme entsprechender urethro-
skopischer Instrumente vorzügliche Dienste. Kr.
L’estirpazione totale della vescica per Cancre. Von R. Bastia-
nelli. Accademia medica di Roma. 30. III. 1913. (La Clinica chirurgica
1913, No. 6, p. 1389.)
R. Bastianelli hat zwei Patienten wegen Krebs die Blase ex-
zidiert Der eine Kranke starb bald nach der Operation, der andere
wurde in leidlicher Gesundheit vorgestellt. Bei demselben war die
Cystoskopie wegen Behinderung durch die Geschwulst unmöglich, so daß
die Größe derselben unbekannt war. Nach Auseinandersetzung des
Operationsverfahrens betont B., daß er bei derartigen Eingriffen sich
nicht um die Harnleiter und deren Lage kümmert, er pflanzt am Schlub
nur die Harnleiter ins Rektum oder in das S-Romanum.
Mankiewicz-Berlin.
Nombreux calculs dans un diverticule vésical. Von Reynard.
Soc. des sciences médicales de Lyon. 12. III. 1913. (Lyon medical 1913,
No. 27, p. 24.)
Reynards 66jähriger Kranker hatte seit 5 Jahren mehrere Hüma-
turien, dann Pyurie, schmerzhafte Pollakiurie, komplette Retention.
10mal Katheter pro die. Über dem linken Prostatalappen diffuse In-
filtration der Blasenwand. Cystoskop: Phosphatstein und Vorsprung links,
für Prostatalappen erachtet. Röntgen: Neben Stein doppelt gelappte
große dunkle Masse. Kollargolfüllung der Biase verdeckt den Stein-
schatten, aber die dunkle Masse bleibt bestehen und berührt an einer
Stelle den Kollargolschatten. Diagnose: Blasenstein und großer Stein in
einem mit der Blase durch enge Stelle kommunizierenden Divertikel
wird durch Sectio alta bestätigt: 8 Steine, Tetraeder, daumengroß,
schwarz, Phosphate, 70g schwer, werden aus dem Divertikel entfernt.
Mankiewicz-Berlin.
Über einen seltenen Sitz von Ligatursteinen der weiblichen
Harnblase. Von Dr. A. Hirschberg, I. Assistenzart der Klinik und Poli-
klinik von Prof. W. Nagel-Berlin, \Zeitschrift für gynäkolog. Urologie 1913,
Bd. 4, Heft 3.)
Ligatursteine sind am häufigsten bei der Vaginae-Fixation beobachtet
worden, zu der Zeit, als man die zur Fixation des Uterus dienenden
Seidenligaturen versenkte, wobei auch manchmal dio Blase verletzt wurde.
Während die beobachteten Ligatursteine stets an der Innenfläche der
Blasenwand verteilt innerhalb des Cavum vesicae ihren Sitz haben, hatte
Verf. in letzter Zeit Gelegenheit, einen Fall zu beobachten, bei dem die
Steine außerhalb des Blasenkavums, und zwar im vorderen Scheiden-
gewölbe, sich gebildet hatten. Es waren hier also die Blasensteine zu
Scheidensteinen geworden. Der Fall betrifft eine 40 jährige Frau. Mitte
März 1912 wurde sie wegen einer linksseitigen Tubengravidität von
einem Spezialchirurgen vaginal operiert. Nach der Operation am Nach-
61*
939 Blase.
mittag traten starke Blutungen auf, die in Narkose durch Tamponade
gestillt werden mußten; bald nach der Operation merkte die Frau, daß
ihre Harnblase nicht in Ordnung war, es stellte sich eine Incontinentia
urinae ein; der behandelnde Arzt erklärte die Störung für eine Blasen-
schwäche und behandelte mit Blasenspülungen. Als diese aber erfolglos
blieben und die Patientin vor Nässe überhaupt kaum mehr stehen konnte,
wurde sie nach Wildungen geschickt. Der dortige Arzt untersuchte die
Patientin vaginal, entdeckte dabei die Steine in der Scheide und schickte
sie wieder nach Berlin zurück, wo sie der Nagelschen Frauenklinik
überwiesen wurde. Bei der Untersuchung fand sich im vorderen Schei-
dengewölbe eine Narbe; in ihrem linken Teile fühlte und sah man eine
größere Anzahl harter, bis kirschgroßer weißlicher Steine, welche sich
bei näherer Betrachtung als mit Harnsalzen inkrustierte, ziemlich dicke
Seidenligaturen erwiesen. Cystoskopisch sah man die Blasenschleimhaut
gerötet; in der linken Seite des Trigonums, dicht hinter dem Sphinkter,
fand sich eine Fistel. Es wurden nun mit Leichtigkeit die Ligaturen
mitsamt den Steinen von der Scheide aus mit Schere und Pinzette ent-
fernt. Danach trat sofort Besserung ein; die Fistel schloß sich spontan;
zurzeit ist Patientin trocken. — Der Fall lehrt einmal, daß Frauen mit
Harnbeschwerden außer cystoskopisch auch gynäkologisch zu untersuchen
sind, damit Steine wie hier der Untersuchung nicht entgehen. In dem
mitgeteilten Falle ist es zuerst versäumt worden, die Patienten vaginal
zu untersuchen; sonst hätte der zuerst behandelnde Chirurg nicht die
Fistel übersehen und die Patientin in einen Badeort geschickt, sondern
die Steine mit den Ligaturen entfernt. — Weiter lehrt der Fall wieder,
daß man die Warnungen von Samter, Mackenrodt u. a. nicht unbe
rücksichtigt lassen darf und bei gymäkologischen Operationen das Ver-
senken von unresorbierbarem Nahtmaterial (Seide, Silkworm, Zwirn) unter
allen Umständen vermeiden muß. Katgutfäden machen bekanntlich nie-
mals Steinbildung. Hat man aber unresorbierbares und noch obendrein,
wie hier, so dickes Material einmal verwandt, so muß es rechtzeitig
wieder entfernt werden und darf nicht, wie im mitgeteilten Falle, dauernd
liegen bleiben. Daß nur die innerhalb des Scheidengewölbes liegenden
Ligaturabschnitte inkrustiert wurden, liegt offenbar daran, daß die Ligs-
turen durch die Blasenwand durchgeschnitten hatten und von dem ständig
herabträufelnden Urin benetzt wurden. Kr.
Ein Beitrag zur Kenntnis vom Ulcus simplex vesicae. Von
Dr. Leo Buerger-New York. (Folia urologica, VII. Bd., Nr. 9, Mai 1913)
Verf. unterscheidet zwei Arten von einfachem Geschwür der Blase:
das oberflächliche und das tiefsitzende oder chronische, kallöse Geschwür.
Klinische, cystoskopische und pathologische Untersuchungen in zwei Fällen
von Blasenulzeration haben Verf. mit Sicherheit gelehrt, daß ein em:
faches Ulcus callosum der Blase vorkommen kann und vorkommt. Seine
klinischen Merkmale bestehen in intensiver Dysurie, Harndrängen, Fre-
quenz der Miktion mit blutigem und eitrigem Urin. Diese Erscheinungen
schreiten merklich vorwärts und nehmen einen chronischen Verlauf. Das
Chronische dieser Krankheit und die fortschreitende Verminderung der
Blase. 933
Blasenfunktion sprechen sehr für die Annahme, daß chronische Cystitis
und geschrumpfte Blase häufig die Folge einer solitären Ulzeration sind.
Die Gegend des Trigonums scheint von Ulzerationen des chronischen
Typus bevorzugt zu werden. Obgleich als einfaches und oft als solitäres
Ulcus der Blase bezeichnet, kann dieses Übel an anderer Stelle des
Blaseninnern von einer oder mehreren Oberflächenerosionen der Schleim-
haut begleitet sein, die zweifellos eine sekundäre Stellung zu der inten-
siven Cystitis einnehmen, die mit dem Ulcus in Zusammenhang steht.
Die am meisten wirksame und rascheste Heilungsmethode des Übels,
und zugleich die einfachste, ist die Exzision der ulzerierten Fläche ver-
ınittelst des vom Autor ersonnenen Öperationscystoskops und der Zange
mit tassenfôrmigen Fängen. Weniger radikale Heilungsmaßnahmen, wie
Kauterisation, Fulguration und Irrigation mit Silbernitratlösung, haben
keinen Erfolg bei dieser Art von Gaschwür. Histologische Untersuchungen
in zwei Fällen haben gelehrt, daß die Pathologie dieses Übels genügend
charakteristisch ist; die Merkmale sind: oberflächliche Ablagerung von
Harnsalz, eine nekrotische Zone und eine Schicht von jungem, neugebil-
detem, entzündlichem Bindegewebe mit aktiven Anzeichen von Entzün-
dung. Der Rand des Geschwürs zeigt intensiv entzündete Blasenschleim-
haut und Submucosa. In allen Fällen von chronischer Cystitis, insbe-
sondere bei Frauen, wo Dysurie, Harndrängen, Frequenz der Miktion
hervortreten, sollte sorgfältig nach dem Vorhandensein dieser Art von
Ulcus geforscht werden, denn falls es vorhanden ist, ist es auch mehr
als wahrscheinlich, daß die chronische Cystitis und die reizbare und ein-
geschrumpfte Blase sekundäre Erscheinungen sind, sowie daß das Übel
mittelst der empfohlenen Bebandlungsmethode beseitigt werden kann. Kr.
Die operative Heilung der rebellischen Cystitiden mittelst
Blasenkürettage und zeitweiliger Blasenfistel. Von Dr. Hugo Un-
terberg-Budapest. (Beiträge zur klin. Chir. 1915, 84. Bd., 1. Heft.)
Es gibt Fälle von chronischer Cystitis, die sich, ohne daß wir oft
den eigentlichen Grund wissen, mehr oder weniger rasch sukzessive ver-
schlimmern. Die Zahl der Urinentleerungen wird immer größer und die
Häufigkeit des Dranges, welcher die unglücklichen Kranken alle fünf,
manchmal sogar alle zwei bis drei Minuten zum Urinieren zwingt, be-
steht unausgesetzt Tag und Nacht. Das Urinieren ist schmerzhaft, der
Schmerz beginnt mit dem Urinieren und hört auch nach der Entleerung
der Blase nicht auf, so daß er fast ständig bleibt. Die innere Unter-
suchung der Blase ist außerordentlich schmerzhaft oder unmöglich. Das
Berühren mittelst eines Instruments löst krampfartige und schmerzhafte
Blasenkontraktionen aus. Die Ausdehnung der Blase gelingt auch in
einer Chloroformnarkose nicht. Die Blase faßt kaum einige Tropfen
Flüssigkeit. Der Urin zeigt dabei oftmals schwere Veränderungen, er
ist blutig oder enthält reichlich Eiter; in anderen Fällen wieder kann
aus der Urinuntersuchung auf die Schwere des klinischen Bildes nicht
gefolgert werden. In einem der Fälle des Verfassers, der auch unter
allen der schwerste war, waren im Urin nur eine mäßige Trübung und
eine kleine Anzahl Leukoeyten nachweisbar, und so wies die Harnunter-
934 Blase.
suchung selbst überhaupt nicht darauf hin, daß es sich um einen schweren
Fall handelte. Dieser schwere Zustand wird oft sukzessive schlechter und
schlechter. Die Darreichung innerer Mittel bleibt erfolglos. Auch die
lokale Behandlung bringt keine Erleichterung, in vielen Fällen ver-
schlimmert sie noch direkt den Zustand, indem sie die Zahl der Blasen-
kontraktionen und die Intensität der Schmerzen erhöht. Der allgemeine
Zustand des Kranken wird immer schlechter, er magert ab, infolge des
häufigen Urinierens tritt Schlaflosigkeit ein, schmerzstillende Mittel wir-
ken nicht, und wenn man nicht zu rechter Zeit eingreift, kann infolge
gänzlicher Inanition der Tod eintreten. Atiologisch müssen vor allem
diejenigen Leiden der Blase ausscheiden, welche durch Fremdkörper oder
Steine verursacht sind, weiterhin die Cystitis tuberculosa und endlich
jene Blasenkatarrhe, die durch Neubildungen verursacht werden. Ferner
sind alle jene Cystitisfälle auszuschließen, welche in einzelnen Fällen
von Prostatahypertrophie, oder aber in Fällen von nicht behandelter
hochgradiger Harnröhrenstriktur entstanden. Die rebellischen Cystitiden
selbst teilt Verf. in zwei Gruppen. In die erste Gruppe gehören jene
Cystitiden, wo die Schleimhaut selbst eigenartige anatomische Verän-
derungen zeigt. Diese sind: 1. die ulzeröse Cystitis; 2. die Leukoplakie;
3. die Cystitis pseudomembranosa. Diese drei Arten haben mehr oder
weniger ein charakteristisches klinisches Bild. In die zweite Gruppe
gehören die eigentlichen einfachen rebellischen Cystitiden, wo auf der
Schleimhaut weder Geschwüre, noch Leukoplakie, noch eine Pseudo-
membran vorhanden und wo die alarmierenden Symptome nur die Folge
der schweren Entzündung sind. Die einfache rebellische Cystitis ist ver-
hältnismäßig häufig und die Ursache, daß wir trotzdem keine sehr große
Zahlen aufweisende Statistik haben, ist, daß man in letzter Zeit diese
Erkrankungen nicht mit genügender Aufmerksamkeit verfolgte. Die
häufigste Ursache der rebellischen Cystitis ist zweifellos die Gonorrhoe,
— Die rebellische Cystitis bessert sich auf lokale Behandlung überhaupt
nicht und eben deshalb ist sie rebellisch. Wir müssen selbstverständlich
bei jeder Cystitis eine lokale Behandlung versuchen, eventuell auch wie-
derholt fortsetzen, aber eben deren Erfolglosigkeit wird uns die Diagnose
der rebellischen Cystitis sichern und uns berechtigen, eine radikale Ope-
ration zu proponieren. Die radikalste und die den größten Erfolg ver-
sprechende Operation ist die nach der Eröffnung der Blase vorgenommene
möglichst vollständige Entfernung der Schleimhaut, die lange dauernde
Drainage und die Behandlung der Blase durch die Fistelöffnung mit
möglichst konzentrierter 1—3°/,iger Silbernitratlösung. Auf diese Weise
können wir die vollkommensten Erfolge erzielen. Will der Kranke m
die Blaseneröffnung nicht einwilligen, kann man (aber nur bei Frauen)
die Curettage durch die Urethra versuchen. Endlich wenn die Blasen-
muskulatur schon ganz oder in solchem Maße degeneriert ist, daß die
Ausdehnungsfähigkeit der Blase eine minimale ist, so erzielen wir mit
der Entfernung der Schleimhaut keinen Erfolg. In diesem Falle ist das
einzig richtige Vorgehen die Anlegung einer ständigen und gut schließen-
den Blasenfistel, welche den Kranken von seinem quälenden Harndrang
befreit. | Kr.
Blase. 935
A case of coli infection of the bladder after hysterectomy.
Von F. R. Parakb-Bombay. (Brit. Med. Journ. 1913, July 19.)
Wenige Stunden nach der Totalexstirpation des Üterus einer
42jährigen Frau stellte sich heftige Cystitis und Fieber ein. Der Urin
enthielt reichlich Kolibazillen. Die Patientin erhielt eine aus ihrem
_ eigenen Urin hergestellte Vakzine und Borsäurespülungen, worauf die
Cystitis rasch heilte. von Hofmann-Wien.
Zur Klinik der Blasensyphilis. Von A. Dreyer-Köln. (Dermatol.
Zeitschr. 1913, Nr. 6 u. 7.)
Es handelte sich um eine 4d6jährige Patientin, welche seit 7 Jahren
an cystitischen Beschwerden litt, welche weder durch innerliche Behand-
lung noch durch Spülungen behoben werden konnten. Bei der Cysto-
skopie fand sich in der Mitte zwischen dem rechten Ureterostium und
der Blasenmitte ein bohnengroßes Geschwür auf erbabener Basis mit
gelblichem Grund und leicht geröteten, etwas infiltrierten, leicht bogig
ausgezackten Rändern. Da der Bakterienbefund im Harn negativ aus-
fiel, wurde die Wassermannsche Reaktion mit dem Blute der Patientin
angestellt. Das Resultat war positiv. Unter Behandlung mit Ol. mer-
euriale-Injektionen heilte das Geschwür rasch ab, und die Beschwerden
verschwanden vollständig. von Hofmann-Wien.
Über Blasenbrüche. Von Dr. Méricz Chudovszky, Direktor des
allgem. Krankenhauses in Sätoraljaujhely (Ungarn). (Beiträge zur klin. Chir.
1913, 84. Bd., 1. Heft.)
Verf. hat auf der chirurgischen Abteilung des allgemeinen Kranken-
hauses in Sätoraljaujhely unter 550 Hernienfällen 5mal einen Blasen-
bruch gefunden. Die Blasenhernien sind größtenteils rechtsseitig. Der
Grund dafür liegt in der physiologischen Lage der Blase. Im allgemeinen
liegt die Blase bei dem gesunden Menschen mehr rechts. Das ist eine annehm-
bare Erklärung für die Inguinalbrüche der Blase. Arnaud erklärt das
Vorkommen der Blase in der Schenkelhernie mit der größeren Weite des
rechten Kruralringes, folglich ist der Blasenbruch auf der rechten Seite
häufiger. In der Ätiologie der Blasenbernien älterer Männer spielt nach
manchen Autoren auch die Prostata eine Rolle, indem die Hypertrophie
derselben auch die Blase in eine unrichtige Lage bringen kann. Nach
Krönlein und Monod spielt die Fettsubstanz in der Umgebung der
Blase und unter. der Bauchdecke in der Ätiologie der Blasenhernien
dieselbe Rolle wie bei der Entstehung der Darmhernien. Der Fettumor
hebt die Blasenwand in der Richtung der Vagina arteriae epigastricae,
und auf diese Weise erreicht sie den inneren Inguinalring. Die Wachs-
tumsbedingungen der interstitiellen Blasenhernien sind innerhalb gewisser
anatomischer Grenzen günstig. Wenn das perivesikuläre Fettgewebe den
Inguinalring erreicht. sind die Bedingungen zur Entstehung der Blasen-
hernie vorhanden. Der Wasserdruck der Blase kommt bei der Aktion
der Bauchpresso zur Geltung, drückt die Blasenwand und die Bauch-
wand. Die Blasenmuskulatur wird an diesem Blasenteil atrophisch, fällt
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936 Blase.
als solche bei der gewöhnlichen Bruchoperation nicht auf, und deshalb
kann die Blasenwand leicht verletzt werden. — In Verfassers 5 Fällen
bildeten sich die Blasenhernien 4mal auf der rechten, 1mal auf der
linken Seite. In 3 Fällen war der Grund des Blasenbruches die vor
dem Peritoneum entstandene Fettgeschwulst, in einem Falle karzinoma-
töses Gewebe. In 2 Fällen war das divertikelartige Gebilde der Blase
in dem Bruchsacke, in den übrigen 3 Fällen erschien es als Hernie
zwischen den Geweben. Dreimal war der Blasenbruch auf Grund des
vorhandenen Urins zu diagnostizieren, einmal war es möglich, ihn mit
Blasenspiegeluntersuchung vorher zu bestimmen. In 2 Fällen wurde die
Blase vor der Ablösung des Bruchsackes an den geraden Bauchmuskel
genäht. In zwei Operationen wurde die Resektion der Blase und die
Resektion des Bruchsackes ausgeführt. Kr.
Fistule vésico-vaginale. Von M. Polosson. Société de chirurgie
de Lyon, 8. IL. 1913. (Lyon médical 1913, 23, p. 1255.)
Polosson stellt eine Patientin vor, die nach einer Hysterektomie
wegen unstillbarer Blutungen eine Vesicovaginalfistel bekam, an der sie
schon einmal vergeblich operiert wurde. Er hat die Fistel durch soge-
nannte hohe Kolpokleisis geschlossen; da man sich den fehlenden Uterus
nicht herabziehen und sich so die Fistel nicht an den Tag bringen kann,
muß man in situ operieren; aber mit möglichst wenigen Nähten, um die
Lappen nicht blutleer und schlecht umspült von Flüssigkeit zu machen:
eine Naht zum Aneinanderbringen der Lappen, zwei Ecknähte, je eine
Zwischennaht, immer l cm voneinander entfernt. Mankiewicz- Berlin.
Zur Behandlung der Blasenschwäche des W eibes. Von Fehling.
Ärzteverein zu Straßburg i. E. 3.2.12. (Berl. klin. Wochens chr. 1912, Nr. 11)
Die sogenannte Blasenschwäche, die sich in spontanem Harnab-
gang beim Husten, Niesen, Lachen, manchmal beim bloßen Gehen äußert
und infolge der Durchnässung vielfach zu Erkältung und Ekzembildung
führt, findet sich meist bei älteren, starkleibigen Frauen, die mehrfach
geboren haben. Bei den großen Vorfällen der Vagina und des Uterus
findet sich diese Inkontinenz gewöhnlich nicht, sondern mehr bei geringeren
Graden von Senkung der vorderen Scheidenwand und der Portio. Ätiolo-
gisch kommen Narben, die von der Portio zur Blase ziehen und bei
schweren geburtshilflichen Eingriffen entstanden sind, in Betracht, meist
wird die Inkontinenz aber dadurch hervorgerufen, daß beim Descensus
der vorderen Vaginalwand der Sphincter internus urethrae und das Blasen-
dreieck herabgezogen werden, während die vordere Vaginalwand fixiert
bleibt. Zur Verhütung des Leidens empfiehlt F. Ruhe im Wochenbett,
kein Frühaufstehen; therapeutisch ist von Pessarien, Paraffininjektionen,
Mobilisierung und Drehung der Harnröhre nicht viel zu erwarten; in
vielen Fällen hilft nur ein größerer operativer Eingriff. F. empfiehlt:
Türflügelschnitt in der vorderen Scheidenwand, Blasenöffnung und Er-
öffnung des Bauchfells, Herabziehen des Fundus uteri und Vaginofixation,
der Uterus wirkt hier als Pessar; bei gebärfähigen Frauen muß Tuben-
sterilisation erfolgen. Paul Cohn-Berlin.
Verschiedenes. 937
VII. Verschiedenes.
Marienbad als urologische Heilstätte. Von Privatdozent Dr. Zör-
kendörfer. (Prager Med. Wochenschr. 1913, Nr. 16.)
Verf. hat schon wiederholt auf die großen Erfolge der Marienbader
Trinkkuren bei chronischen Nephritiden hingewiesen und erwähnt, daß
nicht nur bei chronischer Nephritis, sondern auch bei solchen Albumin-
urien, die mit Eiterungen des uropoetischen Systems und Entzündungen
der Harnwege einhergehen, während einer etwa 3—4 wöchentlichen Kur
in etwa 77°/, aller Fälle eine Besserung oder ein vollständiges Schwinden
des Eiweißgehaltes zu konstatieren ist. Die Erfolge bei chronischer
Nephritis sind hauptsächlich den salinischen Mineralwässern Marienbads
zuzuschreiben, bei der anderen Gruppe aber vornehmlich den erdigen
Quellen des Rudolfsquelltypus. Bereits in der ersten Hälfte des ver-
flossenen Jahrhunderts wurde die Wiesenquelle und seit den 60er Jahren
die damals neu erschlossene, benachbarte Rudolfsquelle bei Affektionen
der Harnorgane mit gutem Erfolge angewendet, da sie einerseits die
Harnmenge steigern, übermäßige Azidität des Harnes herabsetzen, olıne
den Harn direkt alkalisch zu machen, anderseits entzündungs- und sekre-
tionshemmend wirken. Die Quellen des Typus der Rudolfsquelle sind
vor allem geeignet, gichtische Erkrankungen zu bessern. Die Löslichkeits-
verhältnisse der Harnsäure werden günstiger gestaltet, die Bildung von
Konkrementen und das weitere Wachstum bereits bestehender verhütet,
kleine Konkremente werden ausgeschwemmt; aber auch Entzündungen
des Nierenbeckens und der übrigen Harnwege werden günstig beeinflußt.
Verf. führt hier alle Erkrankungen an, welche zur Entstehung von
Zystitis Veranlassung geben, wie Reiz durch Konkremente, Prostata-
hypertrophie, Blasentumoren, Strikturen, Residuen einer chronischen
Gonorrhoe, ferner die Zystitiden durch spezifische Infektionserreger, die
aufsteigende Infektion der Harnwege, darunter auch die nach gynäko-
logischen Erkrankungen, und die entzündlichen Krankheiten des Nieren-
beckens, seien sie nun durch Konkremente oder andere Ursachen hervor-
gerufen. — In letzter Zeit hat Marienbad Einrichtungen geschaffen,
welche es ermöglichen, alle die genannten Affektionen nicht nur konser-
vativ durch Trinkkuren zu behandeln, sondern, wo es notwendig ist, die
Trinkkur auch mit chirurgischen Eingriffen und einer urologisch-spozial-
ärztlichen Therapie zu kombinieren. Kr.
Le „806“, le foie et le rein. Von Morel, Mouriquand et Poli-
card. (Lyon medical 1912. 24. p. 1340.)
Morel, Mouriquand und Policard haben an Ratten vergleichende
Untersuchungen mit Sublimat und Ehrlich Hata in bezug auf cytolo-
gische Veränderungen ‘und quantitativen Gehalt der Leber und der Nieren
an Hg und As angestellt. Das Resultat ist, daB Arsen sich viel mehr
in der L&ber als in der Niere findet, daß „606“ stark hepatotrop und
schwach nephrotrop ist. Histologisch bot die Niere bei As nichts, während
die Leber Vakuolisierung von Zellen, Undeutlichwerden von Mitochondrien
aufwies. Quecksilber schädigt die Nieren und läßt die Leber fast un-
berührt. Mankiewicz- Berlin.
438 Verschiedenes.
Über den Heiratskonsens bei Geschlechtskranken. Von Regi-
mentsarzt Dr. Eugen Brodfeld, Abteilungschefarzt im Garnisonsspital Nr. 15
in Krakau. (Medizin. Klinik 1913, Nr. 10.)
Wann ein mit chronischem Tripper behafteter Mann heiraten darf,
ist oft schwer zu beantworten. Eine absolute Garantie ist dann gegeben,
wenn die Krankheit vollkommen geheilt ist, nicht, „wenn der Ausfluß
aufgehört hat“. Wir müssen folgende Bedingungen fordern: 1. Nega-
tiver Gonokokkenbefund nach mehrfach vorgenommener mikroskopischer
Untersuchung des Sekrets (Morgentropfens) und eventueller Tripperfäden.
Diese müssen auch frei von Eiterkörperchen sein, weil letztere stets ein
Beweis sind, daß der Entzündungsprozeß in der Harnröhre noch nicht
erloschen ist. Diese Forderung ist um so wichtiger, als es aus zahl-
reichen Berichten bekannt ist, daß bei derartigen schleichenden Ent-
zündungen selbst bei mehrmaligem negativen Gonokokkenbefund nach
einiger Zeit sich wieder Gonokokken zeigen. Die Untersuchung auf
(Gonokokken muß gesondert im Sekret beider Harnröhrenpartien vor-
genommen werden (Irrigationsprobe), ebenso nach einer Irrigation der
Harnröhre mit Lapis, Sublimat oder nach Bougieren. Auch das Sekret
der Prostata muß gonokokkenfrei sein. 2. Längere Beobachtung des
Heiratswerbers, besonders, ob Exzesse in Baccho keine Verstärkung der
Sekretion und positiven Gonokokkenbefund bewirken. Derartige Sekre-
tionen bleiben oft trotz langer Behandlung zeitlebens bestehen; nur wenn
das Sekret den oben angeführten Bedingungen entspricht, kann eine In-
fektionsgefahr mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. —
Ebenso schwierig erscheint die Frage des Ehekonsenses bei Luetikem
zu entscheiden. Ein negativer Ausfall der Wassermannschen Reaktion
darf nicht allein maßgebend sein; jedenfalls müssen wir verlangen, daß
der syphilitische Mann oder die Frau nicht vor Ablauf der ersten vier
bis fünf Jahre nach der Infektion heiraten darf und auch nur dam,
wenn sich mindestens in den letzten zwei Jahren keine Syphiliserschei-
nungen gezeigt haben. Kr.
Zur Behandlung der Pollutionen. Von Dr. Lissmann-München.
(Medizin. Klinik 1913, Nr. 22.)
In erster Linie ist die Prophylaxe durch Vermeidung aller veran-
lassenden Schädlichkheiten, wie psychische und physische Önanie, Coitus
interruptus, Exzesse, Alkohol, Rückenlage, zu schwere Bettdecke us.
anzustreben. Sie leistet viel mehr als die kausale Behandlung einmal
vorhandener pathologischer Pollutionen. Allerdings herrscht oft Uneinig-
keit, wer bei diesen Erkrankungen als Therapeut zuständig ist, Uro-
oder Neurolog. Erstere leiten die Pollutionen gar häufig aus genital-
lokalen pathologischen Zuständen her, Atonie der "Prostata, chronischen
Entzündungen usw. und gehen mit Atzungen, Elektrisation, Lokalmassage,
Kühlsonden usw. vor; letztere halten sie meist für ein Begleitsymptom
allgemeiner Nervenschwäche und behandeln mehr diese durch roborierende,
balneologische, diätetische Maßnahmen. Unter «len medikamentösen Ver-
ordnungen gelten in letzter Zeit die Styptika, wie Hydrastis, Styptol
Stypticin, die auf den „Utriculus mascülinus“ tonisierend wirken sollen,
Verschiedenes. 939
als Spezifika, doch scheint ihre Wirkung ebenso unsicher zu sein wie
die bisher verordneten Brompräparate und anderes. Die gesamte The-
rapie der Pollutionen versagt noch in einer enorm großen Anzahl von
Fällen. Und doch verlangen es die so außerordentlich quälenden, immer
und immer persistierenden Beschwerden der Pollutionisten, die sich in
Form schwerster Hypochondrie bis zum Lebensüberdrusse steigern können,
daß wir nach vorheriger vergeblicher Anwendung aller wissenschaftlichen
Methoden auch noch diejenigen Mittel wenigstens versuchen müssen,
denen die empirische Erfahrung ihre Existenzberechtigung gibt. Zu
‘ diesen muß man diejenigen Apparate rechnen, die zwar nicht die Krauk-
heit, wohl aber das quülendste Krankheitssymptom, den Samenerguß,
verhindern: die Prostatakompressorien, den Pollutionsring und den
„Antipollut*. Während Verf. Erfahrungen mit den ersteren fehlen, hat
er von den Pollutionsringen, die auf dem Prinzip der aufweckenden
Schmerzerzeugung durch einen spitzzackigen Ring bei beginnender Erektion
beruhen, die allerbesten Erfolge gesehen in Fällen, bei denen die ver-
schiedensten Behandlungsmethoden aller möglichen Spezialisten versagt
hatten. Seit Verf. aber die masochistische Benutzung dieser Ringe zur
Verbindung von Schmerz- und Lustgefühl bekannt wurde, verwendet er
einen nach ähnlichem Prinzip konstruierten „Antipollut“ genannten Appa-
rat (hergestellt von der Firma Katsch in München: Preis 9,50 Mark).
Ein in dreierlei Größen hergestellter leichter Federring löst bei Beginn
der Erektion einen elektrischen Kontakt und dieser ein Wecksignal aus.
Es hat sich gezeigt, daß eine Harnentleerung eventuell mit kühler
Waschung der Genitalien im Verein mit der erfolgten Erweckung das
Fortschreiten der Gliedsteifung und das Zustandekommen der Pollution
verhindert. Selbstverständ!ich erfüllt der Apparat nur bei den Pollutionen
seinen Zweck, die noch mit Erektionen einhergenen, und stellt auch
keine Heilung, sondern nur die Beseitigung eines dem Pat. lästigsten
Krankheitssymptoms dar. Das Bewußtsein, zur rechten Zeit, d. h. vor
dem Samenverlust, geweckt zu werden, gibt dem Kranken ein wohl-
tuendes Sicherheitsgefühl und zieht die Gedanken von der Sexualsphäre
ab. Diese teilweise Aufhebung psychischer Sexualreize scheint die Ur-
sache der Erfolge zu sein, die mit dem „AÄntipollut“ und ähnlichen
Apparaten bei den Pollutionisten in der Praxis erzielt wurden. Es ge-
lang bei Kombination mit roborierenden Allgemeinmaßnahmen, mit auf-
klärenden Beruhigungssuggestionen und, wo erforderlich, mit gleichzeitigor
Lokalbehandlung, in einer sehr großen Zahl von Fällen auch schon allein
durch die psychische Sicherheitswirkung des Apparates die Zahl der
Samenergüsse ganz erheblich zu reduzieren. Verf. verschweigt nicht, daß
besonders bei abstinent lebenden, stark -sexuellen jungen Leuten unter
25 Jahren durch den Ring eine starke Geschlechtsreizung mit dauernder
Erektion eintrat, welche seine Anwendung verbietet. Die wirksame Ver-
ordnung des Apparates setzt die kritische Ausscheidung ungeeigneter
Fälle voraus. Kr.
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940 Verschiedenes.
Uric acid calculi. Von W. H. Porter-New York. (New York Me.
dical Journal, 15. 3. 1913.)
In früheren Veröffentlichungen hat Porter gezeigt, daß die Ham-
säure in den Zellen der Tubuli contorti gebildet wird und daß im Blut
nur ihre zu den Proteiden gehörige Vorstufe kreise. Diese für ihn fest-
stehende Tatsache führt zu einer bis jetzt ausstehenden Erklärung für
die seit langem mit bestem Erfolg gegebene Verordnung von Karbol-
säure in solchen Fällen, in denen die Bildung von Harnsäuresteinen ver,
hindert werden soll. Die Wirkung der Karbolsäure wird folgendermaßen
erklärt:
Im Magendarmkanal bildet die Karbolsäure mit Alkalien karbol-
saure Alkalien, besonders karbolsaures Natron. In dieser Form geht die
Karbolsäure ins Blut und kreist dort unverändert und ohne schädlich zu
wirken, falls die Dosis keine zu große ist. Die Karbolate werden non
in den Glomerulis sezerniert und kommen in den Tubulis zu den Zellen,
die Harnsäure ausscheiden. Hier setzen sich das karbolsaure Natron und
die Harnsäure zu harnsaurem Natron und freier Karbolsäure um. Auf
diese Weise wird also eine Überproduktion von Harnsäure durch die
Bildung von harnsaurem Natron aufgehoben und die Entstehung von
Harnsäuresteinen verhindert. N. Meyer-Wildungen.
De l’azote rösiduel du sérum sanguin au cours de l'insuff-
sance höpatique. Von P. Brodin, (Soc. de Biol. 4. I. 1913.)
Brodin hat bei 60 gesunden und an verschiedenen Krankheiten
leidenden Patienten im Serum den totalen Stickstoff, den Stickstoff des
Harnstoffes und des Ammoniaks bestimmt. Er nennt Reststickstoff die
Differenz zwischen den beiden vorhergehenden Mengen. Bestimmung
des Totalstickstoffes nach Kjeldahl; des Harnstoffes und Ammoniakstick-
stoffes durch unterbromsaures Natron. Bei Gesunden sshwankt der Rest-
stickstoff in kleinen Grenzen und bleibt immer unter 10 cg pro Liter.
Bei Nierenkranken, auch schweren Fällen, ohne deutliche Lebererkran-
kung sind Total- und Nicht-Reststickstoff um so größer, je schwerer
die Nierenläsion ist; der Reststickstoff bleibt wie bei den Gesunden
unter 10 cg pro Liter. Bei Läsion der Leber steigt die Menge des
Reststickstoffs im Verhältnis zur Schwere der Läsion.
Mankiewicz-Berlin.
Ein Fall von vermehrter Glykuronsäureausscheidung bei
Scharlach. Von Dr. Oppenheimer-Halle a. S. (Deutsche med. Wochen.
schrift 1913, Nr. 28.)
Bei einem scharlachkranken Kinde, dem keine die Reduktion im
Harne veranlassende Medikamente gegeben wurden, zeigte sich im Hame
Glykuronsäure, erkennbar an positivem Trommer und Nylander, Links
drehung und Ausbleiben der Gärung — aber nur solange das Kind
Milch erhielt. In der Milchwarmfäulnis in Verbindung mit der Infek-
tion sieht OÖ. die Ursache der Erscheinung.
Fälle von vorübergehender Glykosurie sind wahrscheinlich oft nichts
Verschiedenes. 941
anderes als Glykuronsäureausscheidungen. Darauf sollte man immer
fahnden, wenn reduzierende Substanzen im Harn ohne ausreichende Er-
klärung sich finden. Ludwig Manasse-Berlin.
De la signification du hoquet post-opératoire chez les uri-
naires. Von G. Marion-Paris. (Journ. d’Urologie 1913, Tome III, No. 5.)
Marion bat nach Operationen am Harntraktus sechsmal Schluck-
krampf beobachtet, und zwar viermal nach Prostatektomie, einmal nach
Nephrostomie in Verbindung mit totaler C'ystektomie und einmal nach
Lithotomie bei Hufeisenniere. Während 5 Fälle genasen, ging einer,
ein 82jähriger Prostatektomierter, zugrunde. Marion glaubt, daß auch
dieser Patient hätte gerettet werden können, wenn er nicht gemischte
Kost erhalten hätte; denn M. hält den Schluckkrampf, wie er nach Harn-
operationen auftritt, für ein urämisches Symptom, eine Folge der Harn-
stoffvergiftung des Blutes, wie durch klinisches und sekretorisches Ver-
halten festgestellt werden konnte. Flüssige Diät oder wenigstens Aus-
schaltung aller stickstoffhaltigen Nahrungsmittel rettet die Patienten,
Antispasmodika können daneben zur Herabsetzung der nervösen Erreg-
barkeit von Nutzen sein. A. Citron- Berlin.
Über die Bedeutung von Schwitzkuren bei inneren Krank-
heiten. Von Prof. Dr. A. Schwenkenbecher-Frankfurt a. M. (Mediz.
Klinik 1913, Nr. 30.)
In der systematischen Verabfolgung heißer Wasserbäder besitzen
wir ein einfaches, überall leicht zu beschaffendes Mittel, das uns in der
Therapie der verschiedensten Krankheiten wesentlich zu unterstützen ver-
mag. Das wertvollste an dieser Behandlungsmethode ist aber ihre emi-
nente Dosierungsbreite — je nach Wassermenge, Temperatur und Dauer
des Bades —, die ein an sich eingreifendes Verfahren auch einem ge-
schwächten Kreislauf und einer zarten Konstitution anzupassen gestattet.
Die Nierenkrankheiten gelten von je als eine Domäne der Schwitz-
therapie. An dieser Bewertung hat die alte These von dem funktionellen
Wechselverhältnis zwischen Haut und Niere einen großen Anteil. Nun
verdankt aber diese Vorstellung ungenauer Beobachtung ihre Entstehung
und ist, wie wir jetzt wissen, unrichtig. Wohl sinkt in heißen Sommer-
tagen bei reichlichem Schwitzen die Urinausscheidung, während im Winter
bei kühler Außentemperatur die Harnmenge zunimmt. Nie und nimmer
aber wächst die Schweißabsonderung bei eingeschränkter oder versagender
Nierenfunktion. Vielmehr ist nachgewiesenermaßen die bei Nierenkrank-
heiten pro Tag produzierte Schweißmenge eher geringer als beim Ge-
sunden, so daß selbst bei erhöhtem Prozentgehalt des Schweißes an
Stickstoff und Kochsalz deren absolute Tagesmenge die Norm kaum über-
schreitet. Auch die bekannten harnstoflreichen Kristallschweiße — die
Sudores urinae der Alten — können nicht mehr als eindrucksvolles Argu-
ment für eine aktive Steigerung der Hauttätigkeit gelten. Diese Harn-
schweiße sind sehr selten; sind sie vorhanden, so leiten sie in der Regel
bei urämischen Nierenkranken die Agone ein, sie sind also Todesschweiße.
Ihr hoher Gehalt an Harnstoff ist nur ein Spiegelbild der Übersättigung
942 Verschiedenes.
des ganzen Körpers mit harnfähigen Substanzen und hat mit einer vikari-
ierenden Funktionserhöhung der Hautdrüsen nichts zu tun. Auch bezig.
lich der Blutverteilung existiert zwischen Haut und Nieren keine gesetz-
mäßige Wechselwirkung, wie sie zwischen Haut und den meisten andere
inneren Organen besteht. Haut- und Nierengefäße reagieren in der
Regel gleichsinnig. Somit ist auch eine Blutableitung aus den ent-
zündeten Nieren durch äußere Hitzeanwendung nicht möglich und die
alte Vorstellung von der „Dekongestionierung“ der Nieren durch heit.
Bäder hinfällig. Dagegen wird uns die schon von Bartels und Rosen-
stein mitgeteilte Tatsache selbst, nämlich, daß Schwitzbäder bisweilen
die Diurese Nierenkranker zu steigern vermögen, um so leichter ver-
ständlich. Diese älteren Beobachtungen werden durch neuere Unter-
suchungen von Strasser und Blumenkranz dahin erweitert und be-
richtigt, daß es durch langdauernde indifferente Bäder besser als durdı
Schwitzbäder gelingt, die Ausscheidungsfähigkeit der Nieren für Stick-
stoff und Kochsalz zu heben. Systematische Schwitzkuren dienen bei
Nierenkranken in der Regel zwei verschiedenen Zwecken: Einmal ver-
mögen starke Wasserverluste der Haut etwa bestehende Ödeme zu redı-
zieren, und zweitens hofft man, durch die artifizielle Steigerung der
Hautsekretion stickstoffhaltige Produkte und Chloride dem Körper in
möglichst großer Menge zu entziehen und so die gestörte Nierenfunktion
zu entlasten, bzw. der drohenden Urämie vorzubeugen. Diese Hofinung
ist aber leider nur wenig begründet. Denn, wie neue Versuche von
Paul Tachau wieder ergeben haben, gelingt es wohl, dem Körper
Nierenkranker größere Mengen von Stickstoff und Chlor als dem des
Gesunden zu entziehen, doch sind diese Quantitäten immer noch so klein.
daß sie praktisch fast belanglos bleiben. Da auch milde diaphoretische
Maßnahmen, wie heiße Lokalbäder, einen günstigen Einfluß auf nephri-
tische, bzw. urämische Symptome haben, so ist diesen in vielen Fälle
der Vorzug zu geben. Selbst bei diesen milden Schwitzprozeduren wird
man für gleichzeitige Flüssigkeitszufuhr, eventuell auch für die Anwen-
dung von Herzkühlapparaten Sorge tragen, damit die Gefahren des uri-
mischen Anfalls und der akuten Herzschwäche nicht heraufbeschwora
werden. Kr.
Sopra un caso importante di chirurgia urinaria. Carcinoms
della prostata e della vescica, calcolosi vescicale, stenosi con-
genite dell’ uretere destro ed uropionefrosi destra. Von Doti F,
Putzu, Ainto di Clinica Chir. della R. Università di Cagliari, lib. Doc. (Fols
urologica, Bd. VII, Nr. 10, Juni 1913.)
Ein 40jähriger Bauer litt seit seinem zehnten Lebensjahre a
Miktionsbeschwerden, die immer ärger wurden, so daß er das Bett hüten
mußte und sehr herunterkam. Als er in die Klinik aufgenommen wurde,
war er in einem Zustande von vorgeschrittenem Marasmus; er hatte sebr
starke Schmerzen, die vom Hypogastrium zur Harnröhre, zum Perineun,
zum Hodensack, zu den Leistengegenden und zur Lumbalgegend aus
strahlten; er konnte weder aufrecht stehen noch sitzen, teils aus Schwäche,
teils weil in diesen Stellungen die Schmerzen unerträglich wurden. Er
Notizen, 943
war daher gezwungen, fortwährend auf dem Rücken zu liegen. Patient
konnte nur mit Schwierigkeit und Schmerzen Harn lassen; zeitweise trat
leichte Hämaturie auf. Urin: ca. 900 ccm in 24 Stunden, trübe, von
tiefroter Farbe, spezifisches Gewicht 1018, von ammoniakalischem Ge-
ruch, eitrig. Das rechte Hypochondrium war mehr erweitert als das
linke, und mittelst Palpation konnte man eine bedeutende Schwellung
wahrnehmen, von gedämpftem Schall und ballotierend. Die Palpation
verursachte sehr intensive Schmerzen, die längs des Ureters bis zur Blase
ausstrahlten. Bei der Untersuchung von der Blase und vom Rektum
aus konnte leicht das Vorhandensein eines Fremdkörpers von bedeuten-
dem Umfange in der Blase wahrgenommen werden. Man diagnostizierte
einen Blasenstein mit rechtsseitiger Uropyonephrose; durch die Cystotomia
suprapubica wurde ein 214 g schwerer Stein entfernt. Der Kranke starb
40 Stunden nach dem operativen Eingriff. Bei der Obduktion fand mar
ein Prostatakarzinom mit Metastasen in der Blase und an den Glandulae
lymphaticae iliacae et lumbales, rechtsseitige Ureterverengerung und
rechtsseitige Uropyonephrose. Aus dem Studium dieses so komplizierten
Falles war zu ersehen, daß der Krebs primär von der Prostata ausging,
und daß er sich erst in verhältnismäßig letzter Zeit auf die Blase er-
streckt hatte, daß die Ureterenverengerungen angeboren waren, und daß
die Uropyonephrose mit diesen Verengerungen und mit Lithiasis der
Blase in Zusammenhang zu bringen war. Der Autor nimmt an, daß die
Lithiasis die Entwickung der von der Geburt an vorhandenen Veren-
gerungen erleichtert und daß diese beiden Läsionen die Bildung der
Uropyonephrose begünstigt haben. (Nach der Übersetzung von Rava-
sini-Triest.) Kr.
VIll. Notizen.
Berlin. Unter überaus lebhafter Beteiligung nicht nur ihrer eigenen Mitglieder,
sondern der Berliner und der gegenwärtig in Berlin zu Studienzwecken
weilenden auswärtigen Ärzte hat die Deutsche Gesellschaft für Urologie ihren
4. Kongreß abgehalten. Er wurde eröffnet mit dem geistreichen Plaidoyer
des Vorsitzenden Casper, in welchem dieser die Fortschritte der Urologie in
unserem Zeitalter betonte und aufs eindringlichste auf die Notwendigkeit hin-
wies, sie als Lehrfach weniger stiefmütterlich zu behandeln, als dies bisher
geschehen ist, — Wie sehr Casper mit seinen Ausführungen im Recht ist,
das hat der Verlauf des Kongresses gezeigt. Abgesehen von den zur Dis-
kussion gestellten großen Referaten, deren Autoren mit Recht applaudiert
wurden, und die eine sehr lebhafte und anregende Diskussion veranlaßten,
hat die große Anzahl der fast ausschließlich von Fachurologen mitgeteilten
Arbeiten und Demonstrationen sowohl praktischen wie theoretischen Inhaltes
gezeigt, wie umfangreich das Arbeitsgebiet der Urologie ist und wie intensiv
es bearbeitet wird. Charakteristisch und erfreulich zugleich war auch die
Tatsache, mit welchem Eifer und Erfolg sich der junge Nachwuchs an
der Arbeit beteiligte. — Auf Einzelheiten einzugehen, verbietet der Raum
und Zweck dieser Zeilen. Es sei nur hervorgehoben, daB in mehreren Vor-
trägen zum ersten Male die Hochfrequenzbehandlung eingehende Würdigung
fand, daß die neueren Methoden der Pvelographie, welche durch sorgfältige
experimentelle und klinische Arbeiten vertreten war, sehr interessante Dis-
kussionen und Demonstrationen veranlaßten. — Außer einer großen Anzahl
944 Berichtigung.
von bemerkenswerten Einzelvorträgen, dürfen die vielen, mit grober Sorgialt
vorbereiteten epidiaskopischen, mikroskopischen und anatomischen Demon
strationen nicht vergessen werden. — Zu erwähnen ist noch, daß dıe Gesell-
schaft in ihrer Geschäftssitzung die definitive Inangrifinahme der Ikonographıe,
für deren Organisation ein ausfuhrliches Referat vorbereitet war, beschlossen
hat. — Der nächste Kongreß findet 1915 in Wien unter dem Vorsitz dis
Herrn v. Frisch statt. Möge er von dem gleichen Erfolge begleitet sein, wie
der mit so großem äußeren und wissenschaftlichem Glanze unter demselben
Präsidium inaugierte erste Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Uro
logie! H. L.
Berlin. In der Nacht zum 6. Oktober ist Prof. Robert Kutner nach kurer
Krankheit aus dem Leben geschieden. Mit ihm ist eine der markantesten
Persönlichkeiten der Berliner Arzteschaft dahingegangen. Mit einem unge
wöhnlichen Organisationstalent ausgestattet, hat er die unentgeltlichen Fort
bıldungskurse zuerst in Berlin, später in Preußen und Deutschland begrändit
und mit ihnen eine auch für andere Länder vorbildliche Institution ge
schaffen. Von hervorragender Beredsamkeit und gesellschaftlichen Vorzüzen,
wubte er weite Kreise der höheren Bureaukratie nicht weniger als der lo-
dustrie für sein Werk zu interessieren und ihm grobe Summen zuzuwerden.
So entstand das Kaiserin-Friedrichhaus für das ärztliche Fortbildungswesen,
dessen Direktor er bis zu seinem Hinscheiden gewesen ist, — In der Uro
logie, in welcher er sich als Schüler von Nitze und Guyon bekannte, bat
er sich vielfach wissenschaftlich betätigt. Er hat ale einer der ersten Blasen-
photogramme angefertigt, sich frühzeitig mit dem Problem der Kathetersteri-
lisation beschäftigt; als Frucht seiner Studien auf diesem Gebiete erschien
1897 die E. v. Bergmann gewidmete Monographie: Die Handhabung und
praktische Bedeutung der Asepsis für die Behandlung der Harnleiden. —
jekannter noch ist sein 1898 publiziertes Lehrbuch: Die instramentelle Be
handlung der Harnleiden. — Trotz der mannigfaltigen Repräsentatiois-
pllichten, die ihm seit 1900 seine Stellung als Generalsekretär des Komitees
für das ärztliche Fortbildunsswesen auferlegten, hat er auch weiterbin Zeit
gefunden, in der Urologie erfolgreich wissenschaftlich zu arbeiten. In dieser
Zeit entstanden seine Arbeiten über Spüldehnungen bei akuter Gonorrbn.
verschiedene neue Cystoskopmodelle, darunter noch im vergangenen Jahr
ein Operationscystoskop. In den letzten Monaten seines Lebens hat ihn be-
sonders die Behandlung der Blasentumoren mittels Hochfrequenzströmen be
schäftigt. Einen Vortrag über dies Thema hatte er noch auf dem eben be
endeten Urologenkongreß angemeldet. — In der Berliner Urologischen
Gesellschaft, in welcher er bis Ende 1912 den Schriftführerposten bekleidete,
gehörte er zu den eifrigsten Mitgliedern und beteiligte sich häufig an deu
Diskussionen. — Ein akutes Herzleiden hat den rastlos tätigen Kollegen ın
blühenden Mannesalter dahingerafft. Ehre seinem Andenken. H. L.
IX. Berichtigung,
Seite 621 Zeile 11 von unten: anstatt „diese Barriere“ zu lesen: „den
Prostatarest‘“.
Zeile 9 von unten: „in Gefüben“ muß gestrichen werden,
Lie
Aus dem pathologischen Institut des städtischen Krankenhauses i
Wiesbaden. Prosektor: Prof. Dr. G. Herxheimer
Chinesische Blasensteine.
Von
Dr. E. Pfister, Kairo.
Mit chemischen Analysen von Dr. A. Stephan, Chemiker in Wiesbaden.
„In der Verbreitung der Urolithiasis auf der Erdoberfläche
nimmt das asiatische Festland die erste Stelle ein“ ... sagte mit
Recht A. Hirsch!. Aber auch auf diesem Erdteile sind wieder
ganz ausgesprochene Steingebiete zu unterscheiden von solchen,
welche sozusagen als immun von der Steinkrankheit zu betrachten
sind, wie ich® es letzthin, z.B. auch für Afrika hinsichtlich der
Negerrasse wieder betont habe. Über die geographische Verteilung
dieser Gebiete auch in Asien geben die Werke von W. Ebstein:
und B. Scheube® nähere Auskunft, besonders auch hinsichtlich
der eventuell in Frage kommenden Flußgebiete. Nach Freyert
sind Gujerat und die die Nordwestprovinzen Indiens vielleicht die am
meisten von Urolithiasis heimgesuchten Gegenden der Welt; eine
besonders interessante Beobachtung hierbei ist die, daß z.B. hier
hauptsächlich der obere Ganges in Betracht kommt, während das
Gebiet des unteren Ganges (Ost-Bengalen) fast frei davon ist, ein
neuer Beweis für die bekannte Tatsache, daß überhaupt die Ver-
breitung der Steinkrankheit über die Erde außerordentlich un-
gleichmäßig ist.
Eir ähnlich auffallender Unterschied besteht vor allem auch
zwischen Nord- und Südchina!); ersteres ist sozusagen immun von
Steinkrankheit, letzteres zeigt so viel Blasensteine, daß z. B. in
Kanton besondere Spitäler für Steinkranke nötig wurden. W. Küsters
1) F. v. Richthofen?! betont den fundamentalen Gegensatz zwischen
Nord- und Südchina, diesseits und jenseits des Isiling-Gebirges. Das südliche
China sei ein kontinuierliches Gebirgsland, der Norden charakterisiert durch
Tafelländer und gebrochene Schollen, ein Unterschied, der im geologischen Bau
beruht; dort eine mächtige Lößdecke, hier Verwitterungsboden.
Zeitschrift für Urologie. 1913. 62
946 E. Pfister.
äußert darüber: „Unter diesen Einzelherden ist die Stadt Kanton
und Umgebung am bekanntesten, während sonst aus dem weten
chinesischen Reiche über anderweitige Erscheinungen gleicher Art
nichts bekannt ist.“ Ebenso bemerkt B. Scheube?, dab in Hangtschou
die Harnsteine häufig sind, während sie in Pakhoi, Ningpo u. a. fast
unbekannt sind. Auch A. Hirsch! gibt an, daß sie in China als
eigentlich endenisches Leiden auf die Provinz Kanton beschrukt
zu sein scheinen.
Besonders kompetent in diesen Fragen hinsichtlich der Fre
quenz und Natur der chinesischen Steinkrankheit mußten natur
gemäb die Ärzte sein, welehe lingere Zeit in China praktiziert und
ihre dort gemachten Erfahrungen mitgeteilt haben. Es sind dis
vor allem Kerr’, Parker“ Hobson’, Gordont, Wong, Dub
econ!®, Henderson», und in neuester Zeit G. Olpp!#, der in seiner
großen und wichtigen Arbeit „Beiträge zur Medizin in China sagt:
„Eine Spezialität für Südchima sind die Blasensteine.“ Dab aber
auch hier selbst in einem auszesprochenen, zirkumskripten Stein-
gebiete noch Unterschiede hinsichtlich der Frequenz zutage triten,
auch wenn die Orte an demselben Flusse liegen, berichtet I. Vor-
tisch-van Vloten’ aus Hoyün im Innern der Kantonprovnz,
am Tungkong (Ostfluß) gelesen: „Blasensteine, die im Spirale m
Tunrkun (am gleichen Flusse wie Hoyün, nur näher am Meer‘)
auffallend zahlreich vorkommen, sind hier in Hoyün seltener.”
Aus dem eben erwähnten Tungkun, zwei Tagereisen Luden-
wiirts vor Hongkong, stammen 12 chinesische Blasensteine, wekel
die eigentliche Veranlassung zu vorliegender Mitteilung siud. Iei
verdanke sie der groben Gefälligkeit des früher dort als Missions-
arzt tätig gewesenen Hermm Dr. Olpp, Privatdozent und Direktor
des Deutschen Institutes für ärztliche Mission in Tübingen, der
einige Ilundert Steinoperationen an Chinesen auszuführen Gelegen
heit gehabt hat. Nach ihm (14, S. 31) „ist Tungkun (zu deutsch
‚Ostmatten‘) unter dem 22°56 n. Br. und 113° 51 6. L., also auf
gleichem Breitengrade mit Kalkutta oder dem Mittelpunkt zwisehen
Mekka und Medina gelegen, somit noch zu der Tropenzone in ge
eraphischem Sinne zu rechnen. Die Stadt ist fast auf gleicher Hra?
mit dem Meeresspiegel (1,0 m. M.-H.) erbaut und jährlich grobe
Überschwemmungen ausgesetzt. Das Steigen und Fallen der Meers
{lut ist noeh drei Stunden oberhalb des an Tungkun vorbeifliebendu
breiten Ost£lusses bemerkbar; die tielichen maximalen Schwank:
gon des Pegelstandes betragen in Tungkun 1/4 m. ... Die frucht
Chinesische Blasensteine
bare Ebene dient vorzüglich dem Reisbau (jährlich zwej Ernten)
und der Kultur von Zuckerrohr, Hanf und Maulbeerbäumen “
Die 12 aus dieser Gegend herstammenden Bläsensteine zeigten
die folgenden Verhältnisse, wobei bedeutet: G= Gewicht in Gram-
men, L= Länge, B= Breite, D = Dicke in Zentimetern, A — Aus-
sehen, Ds = Durchschnitt. Die chemische Beschaffenheit wurde von
mir nach dem Ultzmann schen Schema untersucht, während die
feineren chemischen Bestimmungen von Herrn Dr. A. Stephan
auf einer besonderen Tabelle als die wertvolleren allein wiederge-
geben sind. Die Dünnschliffe wurden von Voigt und Hochgesang-
Göttingen hergestellt, und das dabei gewonnene Steinpulver der
chemischen Untersuchung gewidmet. So ergab sich allerdings ein
chemisches Gesamtbild der Mitte des Steines, aber nicht ein par-
tielles seiner verschiedenen Schichten. Aber es gibt eben Steine,
die überhaupt keine Schichtung zeigen, und ferner ist nicht gesagt,
daß eine Probe aus einer Schicht genau der Beschaffenheit der
ganzen Schicht entspräche, auch wenn sie äußerlich gleich erscheint.
Über das Alter der Patienten und ihre Krankheitsgeschichten kann
ich nichts berichten ; diese Notizen werden wohl in China verblieben
sein; die Steine wurden wohl stets durch Sectio alta entfernt.
Swin Nr. 1. 6.85. L. 3,1. B. 2,9. D. 1,8. A. weißgrau, feinhöckerig. Ds. zeigt
feinen, weißen Kern.
» Nr.2. G.6.4. L. 2,3. B. 2,4. D. 1,6. A. grau, glatt. Ds. gleichmäßig grau-
weiß, leicht porös.
» Nr. 3 G. 6,9. L. 2,8. B. 2.6. D. 1,6. A. weißgrau, grob- und feinhöckerig.
Ds. gleichmäßig hellrötlich, ohne Zenırum, porös,
n AE A G.6,9. L. 2,4. B. 2,3. D. 1,6. A. grau, glatt. Ds. zeigt weißen Kern
mit 2 dunkeln Schichten. Derse be ist aber so dünn, daß er nur
auf dem ersten Schliff vorhanden ıst und dann weiß homogen in
die dbrigen peripheren Schichten übergeht.
n Nr.5. G.3,1. L 2,1. B. 1,6. D. 0,9. A. grau, höckerig. Ds. läßt in weiß-
grauer Schicht etwas exzentrisıhen, bräunlichen Kern erkennen.
» Nr. 6. G.5,8 L.8.0. B.2,0. D.0,8 A. weiß, glatt. Ds. um ovalen,
weiß:n Kern leut sich ein grauer Ring.
„ Nr 7. G 09. L. 1,2. B. 0,9. D.0,5. A, helirötlich. Ds, dunkelblau, kein
Kern.
„ Nr. 8 G 6.3. L. 2,8. B. 2,2. D. 16. A. vrau, finhöckerig. Ds. weißgrau,
ohne Zentrum Du: Da,
„ Nr. 9 6.8309 1.8,9. B. 40. D.3.2 A, rötlichbraun, grobhöckerig. Ds.
Eine gell-weiße zentrale Partie wir] turch eine braune, elliptische,
schmal» Zone von «be so zelber periplerer Schicht getre nt.
» Ar 190. G. 400, L. 4,6 B. 4,0. D. 26. A. vrauweiB, feinhô. kerig. D. gleich-
mäßız wißgrau; dureh er e poröse, elliptische Schicht j doch
af a bh eine periphere Schicht aburenzen.
62*
948 E. Pfister.
Stein Nr. 11. G. 11,5. L. 8,0. B. 2,5. D.1,9. A. rötlich, höckerig. Ds. zeigt be.
trächtlichen, konzentrisch gelegenen Kern, darum herum eine
braune, periphere Schicht.
» Nr. 12. G. 4,8. L. 2,0. B. 1,9. D.1,8. A. dunkelbrann, feinhöckerig. Ds,
gleichmäßig graubräunlich, ohne Kern.
Wie die Analysentabelle von Herrn Dr. A. Stephan auf
Seite 953 ergibt, handelte es sich fast ausnahmslos um Harnsäure-
steine.
Die 12 Dünnschliffe zeigten mikroskopisch in ihrer Struktur
nichts Besonderes ; radiäre und konzentrische Schichten waren in der
üblichen Weise vorhanden. Ob gewisse bläuliche Prismen und Rhom-
ben, die ich in allerdings viel größerer Anzahl in ägyptischen Steinen
vorfand, besondere Beachtung verdienen, wage ich nach so wenigen
Beobachtungen vorderhand nicht zu entscheiden, zumal mir Ver-
gleiche mit europäischen Steinschliffen bisher noch nicht ermöglicht
wurden.
Das Verhalten der Dünnschliffe in polarisiertem Lichte
wurde von W. Ebstein studiert, später auch von C. Posner. Harn-
saure Schliffe zeigen demnach eine gewisse, wenn auch nur schwache
Wirkung auf das polarisierte Licht, welche Untersuchung ich aber
ebenfalls wegen des Mangels von europäischen Schliffen zum Ver-
gleiche als zwecklos unterließ. A priori ist natürlich kein besonderer
Einfluß der chinesischen Dünnschliffe der Harnsäuresteine auf das
polarisierte Licht zu erwarten gegenüber den europäischen.
Was die Ätiologie der chinesischen Steinkrankheit anbelangt,
so wurde, wie wohl überall, in erster Linie an die Ernährungs-
verhältnisse der Bevölkerung erinnert. So machte J. Johnston”
die Salzarmut der Nahrung verantwortlich für die bei den Einge
borenen von Südchina so häufige Steinkrankheit und bemerkte dabei,
daß die dort ansässigen Europäer, welche mit Salz natürlich besser
versehen seien, aus diesem Grunde vielleicht weniger disponiert seien
für Blasensteine; im Trinkwasser, das analysiert worden war, lieb
sich nichts Besonderes nachweisen. Aber ganz abgesehen davon, dab
gerade Salzreichtum der Nahrung zur Übersättigung des Harnes mit
Salzen und damit zur Steinbildung disponiert, so muß es auch sonst
als zweifelhaft erscheinen, ob zwischen Nord- und Südchina ein
solcher Unterschied besteht im Salzgehalt der Nahrung wie in der
Häufigkeit der Blasensteine. Über die Ernährung der Südchinesen
gibt G. Olpp (14, S. 47) sehr genaue Angaben: ‚Was die Nahrungs
mittel anlangt, so kommt in erster Linie Reis in Betracht. Die Art
Chinesische Blasensteine. 949
der Aufbewahrung (in feuchten, dumpfen Räumen) gibt Veranlas-
sunx zu Schimmelbildung und chemischen Veränderungen, die bei
dem cured rice, d. h. kurz überbrühten Reiskorn der Indier, nicht
auftreten. Schweinefleisch, Geflügel, Fische und Eier sind nahezu
überall in Südchina zu haben, Hammel-, Rind- und Kalbfleisch da-
gegen meist nur an der Küste. Gemüse chinesischer und euro-
päischer Art gedeihen in Südchina, namentlich im Winter, sehr gut.
Die Fülle tropischer Früchte, Orangen, Bananen, Mangos usw. ver-
söhnt mit der eintönigen Inlandkost; an Pilzen und Gewürzen, wie
Ingwer, Zimt usw. fehlt es nicht. Die Zubereitung der Nahrung für
den Europäer liegt in den Händen chinesischer Köche.“ Der Süd-
chinese scheint also jedenfalls eine sehr gemischte, jedenfalls nicht
einseitig vegetarische oder Fleischkost zu sich zu nehmen, auch von
einem Mangel an Salz oder Gewürzen ist wohl kaum die Rede; aber
nicht viel anders dürften die Nahrungsmittel in der Hauptsache in
Nordchina sein, so daß also irgendwelche Anomalien oder Besonder-
heiten der Ernährung für die Ätiologie der Steinkrankheit sich hier
wohl kaum werden verwerten lassen’).
Dasselbe muß vorderhand wohl auch von dem Einfluß des
Trinkwassers gesagt werden, sei dies nun Fluß-, Grund. oder
Quellwasser; denn es dürfte zurzeit noch nicht möglich sein, den
Beweis zu erbringen, daß zwischen den Flüssen Nord- und Südehinas
wesentliche Unterschiede, besonders hinsichtlich des Härterrades des
Wassers bestehen — die Untersuchungen von G. Mayer beziehen
sich nur auf die Gewässer Nordchinas —, ebenso des Quell- und
Brunnenwassers, so begrüßenswert solche vergleichenden Studien
auch wären. Überhaupt ist ja der Einfluß des Trinkwassers auf die
Steinbildung noch umstritten; z.B. bemerkt E. Küster (6, S. 399):
„Auch dem Trinkwasser, mag es stark kalkhaltig oder anderweitig
zusammengesetzt sein, ist ein nennenswerter Einfluß nirgends mit
Sicherheit beizumessen.‘“ Allerdings hat von gewichtiger Seite neuer-
dings diese Frage eine anders lautende Beantwortung erhalten: In
einer neueren Arbeit von E.Abderhalden und R. Hanslian? wer-
den Untersuchungen von kleinasiatischen Blasensteinen von mehreren
Gesichtspunkten aus mitgeteilt; vor allem handelte es sich darum, ob
1) Dasselbe gilt wohl auch vom Tee, über welchen ich bei J. D. Metzger
1796% folgende Bemerkung fand (S. 28): „Dem häufigen Teetrinken schreibe
ich es auch zu, daß die Chinesen weder dem Blasenstein nech der Gicht unter-
worfen sind ...“ Tee wird doch wohl in ganz China in mächtigen Quantitäten
genossen.
950 E. Pfister.
vielleicht aus der chemischen Zusammensetzung der Steine sich eine
Ursache für deren Entstehung oder wenigstens ein begünstigendes
Moment finden ließe. So wurde der Weizen aus Kleinasien als
Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung untersucht und festgestellt.
daß ihm kein höherer Gehalt an Kalzium und Magnesia zukommt
als dem europäischen Getreide. Dagegen wird die besondere Härte
des Wassers in erster Linie als Begünstigung der Blasensteinbildung
in Betracht gezogen‘). Sowohl das Quellwasser als auch das klein-
asiatische Grundwasser erwiesen sich als auffallend hart, und es wiri
als sehr wahrscheinlich hingestellt, daß die leicht ausfallenden
Karbonate des Kalzium und Magnesium bei der Entstehung der
Blasensteine in Kleinasien eine Hauptrolle spielen ?).
Sicher ist jedenfalls, daß auch in dem Steinlande Ägypten dem
Nilwasser ein sehr hoher Härtegrad eigen ist, und es wäre von Inter-
esse, zu erfahren, ob zwischen Oberägypten mit wenig zahlreichen
Steinen und Unterägypten mit zahllosen Steinen ein deutlicher Unter-
schied in der Wasserhärte besteht, oder ob nach der allgemein»
Ansicht die Häufigkeit der Bilharziasis (oder beides zusammen’)
für den Unterschied in der Steinfrequenz verantwortlich zu machen
ist. Vor Interesse wären ebenfalls Untersuchungen über den Wasser-
härtegrad des oberen und des unteren Ganges, da, wie eingangs
bemerkt, im Verlaufe des oberen Steine häufig sind im (regensatze
zum unteren Flußgebiete.
Auch das, allerdings wenig genug sagende Moment einer
Rassenveranlagung, welche ich’ als einzige zurzeit möglich:
Erklärung für die bekannte Immunität der Negerrasse hinsichtlich
der Steinkrankheit annehmen mußte, kann wohl für die chinesisch“
Steine nicht in Anspruch genommen werden. Wenn auch zwischen
Nord- und Südchina gewisse ,,vülkische“ Unterschiede besteh m
mögen?), so darf doch wohl die gelbe Bevölkerung des chinesischen
Reiches als ziemlich homogen aufgefaßt werden, jedenfalls für diese
Frage.
1) Nach G. Meyer®* ist in Nordchina, also keinem Steinlande, das Wasser
meist sehr hart; er betont die Steigerung von organischer Substanz und Trockit-
rückstand; extrem hoher Chlorgehalt weise auf Fäkalien hin, ebenso die Kolı-
und Kommabazillen.
2) Auch Preindelsberger®: ist der Ansicht, daß das Vorwiegen der
Lithiasis in einem geologisch scharf charakterisierten Gebiete auf den Einfub
von reichlich kalk- und magnesiahaltigen Trinkwasser hinweise.
3) Nach A. Wernich®? herrscht in Kauton und Umgebung das reine Cbi-
nesentum vor, im Norden mehr der mongolische Typus, oder eine Mischung beider.
Chinesische Blasensteine. 951
Als begünstigendes Moment für die Steinbildung bei manchen
fremden Völkern hört man öfters auch die hockende Stellung
(„Höcklerstellung‘‘) bei der Miktion erwähnen, weil diese eine nur
unvollkommene Entleerung der Blase gestatte, und deshalb stets Re-
sidualharn zurücklasse, so z. B. von Curran für die Hindus, von
Duymaer van Twist! für die Javaner; auch C. Gôbelt8 ist nicht
abgeneigt, für die ägyptischen Steine in der Höcklerstellung ein,
allerdings nur begünstigendes, Moment zu sehen. Auch dies mub für
die Chinesen ausscheiden; denn abgesehen davon, daß es eine etwas
sonderbare Annalıme wäre, daß in Nordchina in stehender, in Süd-
china in hockender Stellung uriniert werde, so ist aus der Beschrei-
bung der Latrinen in dem Werke von H. Olpp (14, S. 50), wie auch
aus einer mir freundlichst erteilten brieflichen Belehrung sicher, daß
in Südchina, also dem Steinlande, gerade stets in stehender Haltung
uriniert wird. Ob überhaupt durch Miktion in kauernder Stellung
Residualharn bedingt wird? Der Beweis dafür, der mit dem Katheter
ja leicht genug überall zu erbringen wäre, steht wohl zurzeit
noch aus:
Hinsichtlich der bekannten, zweifellos mit Bilharziasis und
ihrem numerischen Auftreten in Verbindung zu bringenden Unter-
schiede bei der Steinkrankheit zwischen Ober- und Unterägypten
bemerkte C. Goebel: „Weder ein Kalkgehalt des Nilwassers,
noch die vorwiegend vegetabilische Nahrung der Fellachen- (Bauern-)
Bevölkerung Ägyptens, die das Hauptkontingent der Steinkrankon
stellt, noch die Konzentration des Urins infolge der starken Tran-
spiration, noch die Miktion in hockender Stellung sind für die
Bildung der Harnsteine anzuschuldigen, sondern dürften höchstens
als Adjuvantia in Betracht kommen, da diese sämtlichen Faktoren
in Ober- wie Unterägypten (dem Delta) wirksam sind, aber nur das
Delta von Lithiasis heimgesucht ist.“ Ahnliches muß bezüglich
Nord- und Südehinas gesagt werden: das Wasser beider Gegenden
ist noch nicht so untersucht, daß wissenschaftliche Schlüsse daraus
gezogen werden können; Unterschiede in der Nahrung bestehen wohl
nicht, ebensowenig bedeutsamere Rassenunterschiede, die hockende
Stellung bei der Miktion kommt überhaupt hier nicht in Betracht
und ist wohl besser gänzlich auszuscheiden als disponierendes Mo-
ment für Steinbildung, wenn schon noch neuerdings auch J.
A. Koch® für Holländisch-Indien ebenfalls darauf aufmerksam
machte. —-
Ein völlig neues Moment für die Entstehung der chinesischen
952 E. Pfister.
Harnsteine wurde von B. Scheube® herangezogen: das para-
sitäre. Genau wie in Ägypten das Schistosomum haematobium
verantwortlich ist für die Urotithiasis, so sei dies für China
ebenfalls ein Schistomum, und charakteristischerweise sagte er
die Existenz eines solchen Wurmes voraus, bevor derselbe über-
haupt entdeckt worden war, das später gefundene Schistom japonie.
Die von Schistosomiasis befallenen Provinzen Südchinas sind
nach Olpp' und Houghton?! Hunan, Hupeh, Kiangsi, Anhui,
Chekiang, Fukien. Nachdem Herr Dr. Olpp die Gefälligkeit hatte,
mir auf einer Karte von China die von Schistosomiasis infizierten
Provinzen einzuzeichnen, so schienen mir dieselben das eigentliche
Steingebiet allerdings recht beträchtlich zu überschreiten. Aber vor
allem läßt gerade das von B. Scheube vorausgesagte Schistosomum
japonicum im Gegensatze zu dem ägyptischen Schistosomum haema-
tobium den Harntraktus völlig frei und beschränkt sich hauptsächlich
auf den Darmkanal. Denn auch die von B. Scheube geäußerte Ver-
mutung, dab sich jedenfalls bei genauerer Erforschung der Krank-
heit auch eine Beteiligung der Harnorgane herausstellen werde, hat
sich bisher wohl kaum erfüllt, womit das Verdienst nicht geschmälert
werden soll, die Existenz eines weitverbreiteten und sehr gefährlichen
menschlichen Parasiten prophezeit zu haben, der, je genauer man
ihn studiert, an Wichtigkeit gewinnt, ganz besonders auch für
Japan. Wenn auch R. Ruge und M. zur Verth®: der Ansicht sind,
daß die Häufigkeit der Blasensteine bei der gelben Rasse (d. h. also
in Südchina!) in ihren Ursachen noch nicht sichergestellt sei, dal
aber B. Scheube recht haben könnte, so muß eben doch vorderhand
gesagt werden, daß, wenn auch der Zusammenhang mit Parasiten
nicht ganz von der Hand zu weisen ist, doch noch viel genauere
Studien in dieser Frage nötig sein werden bis zur definitiven
Klärung.
Die chemische Analyse, für welche sich Herr Dr.
A. Stephan, Chemiker in Wiesbaden, die Tabelle von Abderhalden
und Hanslian® über die kleinasiatischen Steine zum Muster ge-
nommen hat, ergaben die Resultate der Tabelle S. 953.
Über Indien berichtet Carter”, daß in 62 Fällen von Blasen-
steinen der Kern in 34 Fällen aus Uraten, untermischt mit Oxalaten
bestand, in 21 Fällen hauptsächlich aus oxalsaurem Kalk, während
nur in 7 Fällen ein vornehmlich aus reiner Harnsäure zusammen-
gesetzter Kern vorhanden war. Hier spielt also jedenfalls auch die
953
Chinesische Blusensteine.
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954 E. Pfister.
Oxalsäure eine sehr wichtige Rolle bei der chemischen Komposition
der Steine.
Über die ägyptischen Blasensteine fand A. Reyer» inter-
essante Resultate, indem er die Steine der Hunterschen Sammlung in
Londor. mit seiner ägyptischen verglich, wonach eine Mischung von
Harnsäure und kleesaurem Kalk in England überhaupt nicht vor-
kommt, während sie in Ägypten in 17% der Steine enthalten ist. Die
Kerne aus harnsaurem Ammoniak sind in England 20 mal häufiger
als in Ägypten, während in Ägypten der kleesaure Kalk um 5%% ver-
breiteter ist als die Harnsäure.
Zu ähnlichen Resultaten kam auch C, Göbel:!s, der auf seiner
Tabelle I, S. 290 über 69 ägyptische Blasensteine ihre chemische
Beschaffenheit angibt:
Oxalat 24
Urat 80 l primäre
O -}- U. 4
Phosph. Kalk 2
a Ammon., Magn. : | sekundäre Konkretionen
U + PK. 8 |
Im Gegensatze zu den indischen und ägyptischen Steinen, wo
die Oxalsäure also eine so wichtige Rolle spielt, überwiegt in den
erwähnten 12 chinesischen Steinen jedenfalls numerisch und prozen-
tualiter diejenige der Harnsäure, und nähern sich hierin also die
chinesischen eher den eurepäischen Steinen. Eine Sonderstellung
nehmen die chinesischen höchstens darin ein, daß die Rolle der Ham.
säure vielleicht eine noch weit prononciertere zu sein scheint als in
den europäischen Steinen.
Über die Gründe des Überwiegens bald der Harnsäure, wie in
China, bald der Oxalsäure, wie in Ägypten, Indien, d. h. ob dies mit
einer oxalsauren resp. harnsauren Diathese (W. Ebstein), oder mit
der bald mehr vegetarischen, bald mehr mit Fleisch gemischten Kost
zusammenhängt, wage ich kein Urteil, da diese Fragen noch all
gemein und überhaupt zu problematisch sind, und noch zu viele
Lücken in unseren Kenntnissen, besonders auch des Härtegrades der
exotischen Flüsse (vgl. die Untersuchungen von Abderhalden und
Hanslian®) vorhanden sind. Auch ist es ja natürlich nicht möglich,
aus bloß 12 Steinen blinde Schlüsse zu ziehen Immerhin ist es
sicher, daß der Chinese eine weiteaus reichlichere Fleischkost, be
sonders an Schweinefleisch, zu sich nimmt als der Indier und
Ägypter, ein Umstand, der gewiß Beachtung verdient.
Chinesische Blasensteine. 95
Als Anhang, obwohl nicht eigentlich hierher gehörig, möge
noch in Anbetracht des Umstandes, daß aus China so überaus selten
genauere und damit auch brauchbare medizinische Statistiken be-
kannt werden, eine solche von II. Vortisch-van Vloten® angefügt
werden, welche über sein urologisches Krankenmaterial folgende
Angaben macht:
Unter 3600 chinesischen Patienten waren von Krankheiten der
Harn- und Geschlechtsorgane: Nephritis 8 (0,2%0), Wanderniere 1
(0,05%0), Nierensteine 1 (0,0300), Blasensteine 11 (0,300), Hoden-
steine 1 (0,03%), Präputialsteine 3 (0,0500), Blasenkatarrlı 25 (0,7%),
krankhafte Pollutionen 13 (0,400), Hydrocele 4 (0,100), Phimosen 10
(0,3 00), Hypospadie 1 (0,03°0), Addisonsehe Krankheit 1 (0,0390).
Literatur.
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36. B. Scheube. Die Steinkrankheit in Canton und Bangkok. Arch. £
Schiffs- und Tropenhyg. 1897, p. 8.
Kritik.
Technik der Diagnose, Operation und Harnleiterbehandlung
bei Nierentuberkulose Von; Felix Schlagintweit, München 1912.
J. F. Lehmanns Verlag.
Die Monographie ist, wie Verfasser einleitend hervorhebt, für die Praxis
dargestellt. Dieser Aufgabe wird sie in vollem Umfange gerecht. Die Kasuistik
ist auf ein geringes Maß beschränkt. Es sind im wesentlichen die eigenen
scharf beobachteten und gut gesichteten Fälle des Verf., an der Hand deren er
Stellung zu den verschiedenen Fragen der Technik, Diagnose und Operation bei
Nierentuberkulose nimmt. Besonders willkommen werden dem Operateur, der
bei seinem Material nicht über Dutzende von Nephrektomien verfügt, an denen
er seine Technik vervollkommnen kann, die nach dieser Richtung hin ganz
detaillierten Angaben des Verf. sein, die man sonst in unseren großen Operations-
lehrbüchern vergebens sucht. — Eine besonders eingehende Darstellung hat die
spezielle Uretertechnik während der Nephrektomie und die für vereinzelte Fälle
gebotene endoureterale Nachbehandlung post nephrect. erfahren. Verf. gebt kritisch
auf die vielen empfohlenen Methoden ein und kommt zu dem Resultat, daß die
wirksamste Zerstörung des Harnleiters durch Anwendung konzentrierter Karbol-
säure und durch die besonders vom Verf, geübte Elektrolyse erreicht wird, „Die
Elektrolyse, ist die am besten dosierbare, einfachste und bis zu jeder Ureterlängs
mögliche Atztechnik.“—
Den großen Abschnitten im Buche sind kurze Schlußbetrachtungen ange-
fügt, die noch einmal in prägnanter übersichtlicher Weise das Gesagte zu-
sammenfassen. Oelsner-Berlio.
Notiz.
Berlin. Die Hrn. Prof. E. Joseph (Berlin), Hofrat Schlagintweit (München)
und Dr. Artur Lewin (Berlio) sind zu korrespondierenden Mitgliedern der
Association française d'Urologie ernannt worden.
Berliner
urologische Gesellschaft.
Sitzung
Dienstag, den 4. November 1913, abends 8 Uhr.
Tagesordnung:
l. Herr J. Heller: a) Demonstration eines Präparates.
b) Über Paradidymitis acuta erotica. (Autoreferat.)
2, Die praktische Bedeutung der Urethroskopie.
Referenten: 1. Herr F. Blumenthal.
2. Herr M. Roth und Herr Th. Mayer.
3. Herr E. Wossidlo.
Vorsitzender! Herr L. Casper.
Schriftführer: Herr Arthur Lewin.
Vorsitzender:
Meine Herren, die Sitzung ist erôffnet.
Ich habe Ihnen zunächst mitzuteilen, daß wir eine Reihe von
Kollegen in der Vorstandssitzung aufgenommen haben. Es sind
dies die Herren Dr. Herzfeld, Dr. Emmert, Dr. Klopstock und
Dr. Back.
Dann, m. H., haben wir die nächste und zwar die letzte Sitzung
dieses Geschäftsjahres auf den 3. Februar n. JL festgesetzt.
Weiter, m. H., hatten wir Herrn Trendelenburg in der
vorigen Sitzung zum Ehrenmitgliede ernannt. Darauf ist von ihm
folgendes Schreiben eingegangen:
Die Berliner urologische Gesellschaft hat mich durch die
Ernennung zu ihrem Ehrenmitglied sehr erfreut, und beehre ich
mich, dem Vorstande meinen verbindlichsten Dank mit der Ver-
sicherung zum Ausdruck zu bringen, daß ich mir der hohen Ehre
sehr wohl bewußt bin, neben den Herren Israel und Küster
zu den Ehrenmitgliedern der Gesellschaft zu gehören. Wenn
ich auch nach dem Verzicht auf jede chirurgische Tätigkeit zu
meinem Bedauern nicht imstande sein werde, für die Gesell-
schaft irgend etwas zu leisten, so werde ich doch der freund-
lichen Einladung, den Sitzungen der Gesellschaft öfters beizu-
wohnen, sehr gern Folge leisten.
Dann, m. H., haben wir Herrn Küster zu seinem 50 jährigen
Doktorjubiläum einen Glückwunsch geschickt. Er läßt dafür herz-
lichst danken.
Es hat, wie Ihnen bekannt, der Kongreß der Deutschen Ge-
sellschaft für Urologie in unseren Mauern getagt und nach allseitiger
Meinung einen recht zufriedenstellenden Verlauf genommen. Ich
danke denjenigen von unseren Mitgliedern, die zum Gelingen des
Kongresses, sei es in wissenschaftlicher oder in gesellschaftlicher
Beziehung, beigetragen haben, hiermit herzlichst!
Endlich, m. H., bleibt mir die traurige Pflicht, unseres ver-
storbenen Mitgliedes, des Herrn Prof. Robert Kutner, zu ge
Geschäftliches. 959
denken, der vor 4 Wochen, am 5. Oktober, aus dem Leben ge-
schieden ist. Seine allgemeine Bedeutung ist bei der Trauerfeier
und in der medizinischen Presse gebührend gewürdigt worden. Er
hat mit unvergleichlichem Organisationstalent das ärztliche Fort-
bildungswesen zunächst in Berlin, dann in Preußen und dann im
ganzen Deutschen Reiche begründet und ausgebaut; eben im Begriff,
auch die internationalen Fortbildungskurse zu organisieren, hat ihn
eine tückische Krankheit dahingerafft. Kutner hat durch diese
Einrichtung, durch welche es den Ärzten ermöglicht worden ist,
sich eine bessere und gründlichere Ausbildung zu verschaffen und
sich mit den jeweiligen Fortschritten der Wissenschaft bekannt zu
machen, Vorbildliches geleistet und sich dadurch ein bleibendes
Verdienst erworben.
Aber auch auf seinem engeren Gebiete, dem der Urologie, muB
sein Name rühmend hervorgehoben werden. Als Schüler Nitzes
hat er sich besonders mit der Cystoskopie beschäftigt. Er besaß
ein ausgesprochenes technisches Geschick. Dieses im Verein mit
seinem Ideenreichtum ließ ihn manches Fördernde und Gute für
die Urologie schaffen. Er hat als erster Blasenphotogramme ange-
fertigt, er ist der Vater der Chromozystoskopie, denn er hat als
erster in meiner Klinik Methylenblau injiziert mit der ausgesprochenen
Absicht, die Blauausscheidungen aus den Ureteren zu beobachten.
Er hat ferner einen Apparat zur Sterilisation von Kathetern durch
strömenden Dampf konstruiert. Noch in jüngster Zeit hat er in
der Frage der endovesikalen Behandlung der Blasengeschwäülste
durch Hochfrequenzströme aktiv und mit Erfolg eingegrifien. Sie
alle haben ihn an dieser Stelle oft genug gesehen und sich seiner
eindrucksvollen Art, vorzutragen und zu diskutieren, erfreut. Nun-
mehr müssen wir seiner leider für immer entbehren. Sein Bild
aber wird stets in Ehren unter uns wohnen. Ich bitte Sie, sich zu
seinem Andenken von den Sitzen zu erheben.
(Die Versammlung erhebt sich.)
Wir treten nunmehr in den wissenschaftlichen Teil des Abends
ein, und ich erteile das Wort Herrn Kollegen Heller.
Demonstration eines anatomischen Präpa-
rates von Polypen am Orificium internum
der Blase.
Von
Prof. Dr. Julius Heller.
Die Polypenbildung am Orificium internum der Blase ist relativ
häufig; sie bildet einen nicht selten bei Frauen erhobenen Neben-
befund bei cystoskopischen Untersuchungen.
Sehr selten hat jedoch der urologisch tätige Arzt Gelegenheit,
den cystoskopischen Befund durch die anatomische Untersuchung
zu verifizieren und sein Urteil eventuell entsprechend zu modifizieren,
In unserer Poliklinik hatten wir seit etwa 1 Jahr eine Phella
publica zu behandeln, die cystoskopisch das außerordentlich charak-
teristische Bild der Polypenbildung am Orificium internum der Blase
zeigte. Deutlich traten im cystoskopischen Bilde die zarten, durch-
einander handschuhfingerähnlich sich vorwölbenden Polypen dem
Beschauer entgegen. Wegen der bekannten Schwierigkeit der Ope-
ration der Polypen gerade an dieser Stelle hatten wir (Dr. Lip-
mann-Wulf und ich) uns nur auf die Ätzung der Gebilde mit
starken Resorzinlösungen beschränkt. Die Patientin war wegen eines
anderen Leidens in unserer Behandlung. Ein plötzlicher Tod machte
die gerichtsärztliche Sektion der Patientin nötig. Durch die Güte
des Herrn Med.-Rats Hoffmann erhielten wir das Präparat. Be-
merkenswert ist die geringe Größenausdehnung, die die einzelnen
Polypen erreicht haben; das ganze Orificium internum ist von einem
doppelten Kranze kleiner warziger Tumoren umgeben. Die mikro-
skopische Untersuchung ist noch verschoben worden, um das Prä-
parat nicht zu zerstören.
Über Paradidymitis erotica acuta.
Von
Prof. Dr. Julius Heller. (Autoreferat.)
(Die Arbeit erscheint ausführlich in der Berliner kliuischen Wochenschrift.)
H. stellt zunächst die Beobachtungen aus der Literatur zu-
sammen, die für die Abhängigkeit bestimmter Schädigungen der
männlichen Geschlechtsorgane von der sexuellen Abstinenz sprechen.
Allen Beobachtungen ist ein Wesenszug gemeinsam; stets handelt
es sich um Individuen, die nach starker sexueller Erregung Ge-
schlechtsverkehr nicht ausüben konnten oder wollten. Außer den
Fällen von Porosz und Waelsch von Epididymitis sympathica und
erotica sind auch die zahlreichen Beobachtungen von Spermatocele
acuta, die nach der oben genannten Schädigung auftraten oder sich
verschlimmerten, zu berücksichtigen. H. teilt folgenden Fall mit.
Bei einem 21jährigen Armenier, der seit früher Jugendzeit viel
onaniert hatte, kam es dreimal zur Bildung einer etwa mannes-
hodengroßen Geschwulst, nachdem der Patient sich sehr starken
erotischen Reizen ausgesetzt, einen Koitus aber nicht ausgeführt
hatte. Es bildet sich stets (die beiden letzten Tumorbildungen be-
obachtete H., die erste schilderte der sehr intelligente, studierte
Pat. selbst) eine Geschwulst, die oberhalb des Hodens lag und
deutlich vom Hoden und Nebenhoden abgrenzbar war. Sie hatte
nicht die bekannte birnförmige Gestalt einer Hydrocele des Samen-
stranges, buckelte im Gegenteil das Skrotum eigenartig charakte-
ristisch (dem Pat. selbst war die Tatsache aufgefallen) nach hinten
aus. Eine Hydrocele bestand nicht. Bei der dritten Geschwulst
stellt H. eine gute, aber nicht so helle Diaphanie wie bei der
Hydrocele fest. Die Punktion wurde vom Pat. abgelehnt. In allen
3 Fällen war die Tumorbildung nach 24—48 Stunden völlig ge-
schwunden (Therapie indifferent); in allen 3 Fällen gab der Pat.
an, außer Schmerzen in der Geschwulst auch Schmerzen im ganzen
Hodenorgan gehabt zu haben. Die genaueste anamnestische und
klinische Untersuchung zeigte keine vorangegangene gonorrhoische
Infektion. Wichtig ist die Angabe des Kranken, daß er einmal
Zeitschrift für Urologie. 1918. 63
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962 Julius Heller, Über Paradidymitis erotica acuta.
bei Rückbildung der Geschwulst unter groBen Schmerzen beim Uri-
nieren Samen entleert habe. Seitdem der Kranke regelmäßigen
Geschlechtsverkehr hatte, ist die Geschwulstbildung nicht wieder
aufgetreten.
Epikritisch begründet H. ausführlich, daß in dem vorliegenden
Falle als Ursache der Geschwulst nur eine Rückstauung des Samens
in Frage kommen könne, sei es, daB der Samen aus den Samen-
bläschen durch rückläufige Strömungen in den Hoden gelangt sei,
sei es, daß frisch von den Hodenkanälchen produzierter Samen an
eine falsche Stelle gelangt sei. Gestützt auf zahlreiche Literatur-
angaben sucht H. den Nachweis zu führen, daß als Ort der Er-
krankung nur die Hodenanhänge in Frage kommen, die bekanntlich
recht häufig der Sitz von akuter Spermatocelenbildung seien. Mit
Rücksicht auf die anatomischen Verhältnisse hält H. es für sehr
wahrscheinlich, daß die Paradidymis (das Girald&ssche Organ) mit
einem offengebliebenen Verbindungsgang mit dem Vas deferens
kommuniziert hat und zum Receptaculum des zurückströmenden
Samens geworden ist. Mit dem Abströmen des Samens aus dem
cystisch erweiterten Organ, das nach Eberth sehr zur Cysten-
bildung disponiert ist — trat natürlich spontale Heilung ein. Ein
regelmäßiger Geschlechtsverkehr vermittelte die Abfuhr des Samens
auf normale Weise und verhinderte eine neue Wiederholung der
Geschwulstbildung.
Selbstverständlich kann sich H. infolge des Mangels der ana-
tomischen Untersuchung nicht auf die Richtigkeit der Erklärung,
festlegen. Er hält aber den Namen „Paradidymitis“ für ganz zweck-
mäßig, weil er sofort andeutet, daß eine Affektion der Hodenan-
hänge, nicht aber der Nebenhoden vorliegt.
Vorsitzender:
Wünscht jemand das Wort hierzu? — Ich bitte Herrn Benda!
Diskussion:
Herr Benda: M. H., ich glaube, daß die Anregung des Herrn Kollegen
Heller sehr dankenswert ist, daß man solche Cysten auch auf die Paradidymis
beziehen kann und daß Sperma gerade auf dem Wege, wie er ihn angegeben
hat, durch Retention in die Paradidymis hineinkommen kann. Zunächst geht
aber wohl der retinierte Same dahin, wo der geringste Druck vorhanden ist,
und die direkten Verzweigungen des Vas deferens werden eher dazu Gelegen-
heit geben, ebenso die Vasa aberrantia, die eine größere Kommunikation mit
den Gängen des Nebenhodens haben. Was mich dabei besonders interessiert,
Diskussion. 963
ist aber, wie man eigentlich entscheiden soll, ob diese Cysten von der Para-
dıdymis stammen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie auch eine sorgfältige
mikroskopische Untersuchung eine vollständige Sicherheit dafür geben kann.
Die Epithelien verlieren doch vollständig ihren Charakter. Selbst das Vor-
handensein einer Paradidymis daneben würde nicht beweisen, daß die Cyste
sich nicht aus ihr entwickelt hat. Ich bitte um eine Anregung, wie man das
machen soll, um zu entscheiden, von welchem Teile das ausgeht.
Vorsitzender:
Wenn niemand weiter das Wort wünscht, bitte ich Herrn
Heller, das Schlußwort zu nehmen.
Herr Heller (im Schlußwort):
Die Frage, warum gerade die Paradidymis hier der Sitz der
Erkrankung sein soll, kann ich nur dahin beantworten, daß die
anatomische Lagerung dieses cystischen Tumors mir nur durch das
Befallensein dieses Organs erklärlich erschien.
Wie man bei anatomischen Untersuchungen vorzugehen hat,
wage ich jetzt im Augenblick nicht zu entscheiden. Es wäre viel-
leicht auf eine eventuelle Kommunikation der Paradidymis mit dem
Ductus deferens zu achten. Ich habe mich mit meiner Bitte weniger
an die Anatomen als an die Kliniker gewandt und habe gewünscht,
daß die Cysten, die an einer so eigenartigen Stelle liegen, punk-
tiert werden. Findet man hierbei Samenfäden, so weiß man, daß
eine Spermatocele vorliegt, deren Schwinden nach wenigen Tagen
auf einen Abführuugsweg (Ductus deferens) hinweist und gegen eine
geschlossene Cyste spricht. Ich nehme an, daß der supponierte
Verbindungsgang ziemlich weit oberhalb im Ductus deferens liegt
und daß der zurückstauende Samen eher in diesen breiten Verbin-
dungskanal hineingelangen würde als in das enge Gewebe der Neben-
hodenkanälchen. Diese Annahme wird durch die klinische Erfah-
Tung gestützt, daß die pathologischen Symptome am Nebenhoden in
meinem Falle außerordentlich geringe waren. Wie empfindlich der
Nebenhoden gegen das Eindringen von Fremdkörpern ist, haben wir
zu häufig Gelegenheit zu beobachten, als daß ich hier in diesem Kreise
näher darauf einzugehen brauchte. Gerade diese Tatsache veran-
laßte mich ja, Erkrankungen der Anhänge des Nebenhodens und
Hodens auszuschließen.
Vorsitzender:
Wir kommen nunmehr zum zweiten Punkte unserer Tages-
ordnung, und ich erteile zunächst Herrn Blumenthal das Wort.
63 *
Die praktische Bedeutung der Urethro-
skopia anterior.
Von
Franz Blumenthal.
(Erscheint unter den Originalien dieser Zeitschrift.)
Über die Bedeutung der Urethroskopia
posterior.
Von
M. Roth und Th. Mayer.
(Erscheint unter den Originalien dieser Zeitschrift).
Vorsitzender:
M. H., es ist schon sehr spät geworden. Herr Kollege
Wossidlo braucht zu seinem Vortrage noch etwa 15 Minuten.
(Rufe: Vertagen!)
Wer dafür ist, jetzt zu vertagen, den bitte ich, die Hand zu
erheben.
(Geschieht.)
Wer ist dagegen? — Es ist die Minderheit. Ich schließe die
Sitzung.
(Schluß der Sitzung 9 Uhr 45 Minuten.)
Bibliographie.
Die nachstehende Bibliographie enthält die vom 1. November 1912 bis 31. Oktober
1913 einschließlich in Berlin erschienene oder eingetroffene urologische Literatur.
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1050 Bibliographie.
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1912.
Haupt-Register des VII. Bandes.
Sach-Register.
Bei Büchern sind die Namen der Autoren in Klammern angegeben.
A
Abortivhehandlung der männlichen Go-
norrhöe 486.
Abszesse: metastatische paranephriti-
sche 55; der Niere und paranephri-
tische 54; paranephritische bei Sta-
phylomykose einer Niere 669; der
Prostata 595.
Adamon bei Reizzuständen der akuten
Gonorrhöe T58.
Addisonsche Krankheit und Nieren-
tuberkulose 528.
Adrenalin 'bei experimentellen Ne-
phropathien 690.
Albuminbestimmung 741; kolorimetri-
sche quantitative 294.
Albuminurie: Abhängigkeit derselben
vom Säuregrad des Urins 220; Bence-
Jonessche 225; Einfluß der Alkali-
zufuhr auf 220; Einfluß der Marien-
bader Kuren auf die 843; Geistes-
störung bei 688; und Harnazidität
839; bei den Haustieren 220; Kor-
rektion der Wirbelsäule bei ortho-
tischer 687; lordotische 221, 222,
637; Nachuntersuchung nach 203;
orthostatische 810; in der Schwan-
gerschaft 225, 847; Simulation einer
219; bei Tuberkulose 223; bei Tu-
berkulose und Syphilis 687; und
Urobilinurie 311.
Aldehydreaktion von Ehrlich, Technik
und klinische Verwertung der 299.
Alkaptonurie 901; mit Ochronosis 901.
Alter, Einfluß desselben auf die Aus-
scheidung blutdrucksteigernder ba-
sischer Substanzen im Urin 304.
Altersveränderungen der Niere 64.
Ameisensäure, Toxizität der 502.
Aminosäuren: diuretische Wirkung der
494; Veränderung der Ausschei-
dung derselben als Ursache der
Vergrößerung des Cal Quotienten
nach größeren Blutverlusten 747.
Ammoniämie und Urämie 226.
Amphotropin, ein neues Harnantisep-
ticum 784.
Analyse des Harns 739.
Anämie: bei Nephritis chronica 838:
Nieren- und Harnbefunde bei perni-
ziöser 76.
Anastomosen. ureterodeferentielle 673.
Angiom der Uretnra 137.
Anomalie: des Harnsystems 39, Tä:
der Nieren und Harnleiter, Diagnose
der 166.
Antigonokokkenvakzine 571.
Antimeningokokkenserum bei
rhoischer Urethritis 316.
Anurie: und choleriforme Enteritis 76:
und Eklampsie, Nekrose der Nieren-
rinde bei 846: kalkulöse 252; nach
Sublimatvergiftung 231; bei Ute-
ruskarzinom 232.
Apoplexie der Nebennieren 698.
Apparat zur Einführung von Urethral-
sonden 770.
Appendizitis: Beziehungen derselben
zum uropoetischen System 73; bei
Nephritis 688; vorgetäuscht durch
Sakralniere 642; und Wanderniere
gonor-
402.
Aräometer, verbesserte zur Bestim-
mung des spezifischen Gewichtes
sehr kleiner Urinmengen im Rea-
genzglas 302.
Argyrie der Blase 774.
Arnolds Harnreaktion mit XNitroprus-
sidnatrium 299. i
Arterienveränderungen bei chronischer
Nephritis 207.
Arteriosklerose der Nierenarterien als
Ursache von Schrumpfniere 838.
Arthigon: bei Arthritis gonorrhoica
317, 756, 905; diagnostische und
therapeutische Bedeutung desselben
904; bei Epididymitis gonorrhoica
120; bei Urethritis anterior 882.
Arthritis gonorrhoica: 120, 317; Ar-
thigon bei 317, 756, 905; Diagnose
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1052 Sach-Register.
und Behandlung der 119; Gono-
kokkenvakzine bei 349.
Arzneiexanthem nach Urotropin 782.
Asepsis: des Harnleiterkatheterismus
624; und Infektion der tuberkulösen
Harne 307.
Aszites und gedehnte kindliche Blase
als Geburtshindernis 771.
Atherosklerose: des Bindegewebes der
Niere 684; und Niere 684.
Atmungsstörungen bei Urämischen 229.
Atonie der Prostata 326.
Atrophie der Prostata: 147, 615; Chi-
rurgie der 277; durch Röntgenbe-
strahl der Hoden erzeugt 925.
beaute Indikanurie bei 895.
Ausscheidung von per os eingeführten,
Phosphaten, besonders der Kalzium-
phosphate 498.
Autoserotherapie: der Gonorrhöe 115;
bei Hydrocele 386; bei Hydrocelen
des Hodens und Samenstranges 325.
es Nachweis derselben im
Urin 300.
Azetonurie: und ihr Einfluß auf die
Behandlun des Diabetes mellitus
; und yperazidität bei hun-
ernden oder kohlehydratgefütterten
unden 902.
Azidität: Einfluß der Alkalizufuhr auf
220; des Harns bei einigen Krank-
heiten 733.
Azidosis: und Coma diabeticum 69; Ein-
fluß verschiedener Nahrungsmittel
und von Kohlehydratentziehung auf
dieselbe und die Glykosurie bei Dia-
betes mellitus 66; nach Nephrekto-
mie 863.
Azotämie 226.
Bacillus bulgaricus bei Diabetes 490.
Bacterium coli-Infektion der Harn-
organe 778.
Bakteriurie: 891; hervorgerufen durch
Diplokokken, und Phosphaturie 895.
Balanitis gangraenosa, Fall von 908.
Balneotherapie der Nierenleiden 688,
Balsamica bei Gonorrhöe 485, 821.
Basedowsymptome bei Brightscher
Krankheit 843.
Bauchhöhle, Sensibilität der 500.
Befruchtung bei Epididymitis duplex,
künstliche 138.
Bence-Jonessche Albuminurie 225.
Benedictsche Zuckerprobe 297.
Bilharziakonkremente, Histologie klei-
nerer 521.
Bilharziakrankheit: 508; Harnröhren-
stein bei 97.
Bläschenbildungen in der Harnblase
der Tiere und des Menschen 147.
Blase bzw. Blasen-: Argyrie der 774;
und Aszites als Geburtshindernis
771; Ausschaltung der 580, 772;
Ausschluß derselben bei renovesi-
kaler Tuberkulose 48; Bläschenbil-
dungen in der 147; Darmfisteln 170;
Divertikel der 608, 766; Durchbruch
der 30 Jahre retinierten Frucht
in die 153; Ektopie der 156, 389;
Ersaiz der exstirpierten durch das
Coecum 397; Exstirpation 393; Ex-
strophie der 609; Fibromyom der
763; Fissur der 608; Fremdkörper in
der 396; Gangrän der 574; Harı-
intoxikation bei Ruptur der 390;
Hochfrequenzströme bei Operationen
in der 762; Kapazität derselben in
Schwangerschaft, Geburt und Wo-
chenbett 154; Karzinom der 3%,
604; Katheter in der 130; Koliinfek-
tion derselben nach Uterusexsti
tion 935; kongenitale Dilatation
255; Luftfüllung der 929; maligner
Tumor derse.ben von syncytialem Bau
269; Mikroorganismen in der gesur-
den 606; Neubildungen der 394; Ps-
pillom der 573, 578; Polypen der 960
und Prostatastein als Komplikation bei
der suprapubischen Prostatektomie
923; Pseudotrichiasis derselben uni
Pilimiktion 1; Ruptur der 390; sel
tener Sitz von Ligatursteinen der
weiblichen 931; Syphilis der 1%;
Tod durch Gasembolie infolge von
Luftinjektion in die 602, 603. Te
talexstirpation derselben wegen Kar-
zinoms 931; Tuberkulose der 24: |
Ulzeration der 610; bei Uteruskarz- |
nom 928; vollständige Ablösung der- |
selber von der Symphyse 318; bi `
Zervixkarzinom 570 |
Blasenbrüche 604, 607, 935.
Blasencurettage und zeitweilige Blaser-
gë zur Behandlung von Zystitis
9
Blasenerkrankungen: bei entzündliche
Erkrankungen der Adnexe 771; durch
bisher nicht beobachtete Fremi-
körper 156; Vesicaesan bei 218 |
784.
Blasenfistel: und Blasencurettage mr
Behandlung der rebellischen Zyst-
tis 933; Kapseln für permanent:
775.
Blasengeschwülste: 395, 761, 762; ba
Arbeitern im Anilinfabriken 282, 345:
endovesikale Behandlung der 70;
Sach-Register.
vesikale Harnstauung bei denselben
392.
Blasennaht: beim hohen Steinschnitt
bei Kindern 399; leicht entfernbare
157.
Blasenpapillom: intravesikale Behand-
lung mittels Elektrolyse 725; Mu-
tation desselben in Sarkom 155;
starke Blutung nach der Operation
eines solchen mittels Hochfrequenz-
strömen 638.
Blaserphantom zu zystoskopischen Übun-
gen 331.
Blasenschleimhaut: seltene Verletzun-
E der 773; totale Exstirpation der
Blasenschwäche, Behandlung der weib-
lichen 613, 936.
Blasenspritze zur Zystoskopie,
besserte 777.
Blasensteine: 153, 603, 654, 767, 854;
chinesische 945; durch Fremdkör-
per vorgetäuscht 72; Histologie
der ägyptischen 764; Prostata-
und Blasenkarzinom, Ureterstenose
und Uropyonephrose bei einem
Patienten 942; und Uretervor-
fall 396: und Zuckerkrankheit 765;
Zystoskopie bei 764, 765.
Blasensteinbildung an einem Fremd-
SE außergewöhnlicher Fall von
í . |
Blasentenesmus, Rektumvorfall bei 153.
Blasenwunde, verzögerte Heilung der-
selben nach suprapubischer Pro-
statektomie 922.
Blenotin, ein neues reizloses Antigo-
norrhoicum 125.
Blenaphrosin, ein neues internes An-
tigonorrhoicum 126.
Blut, Kalkgehalt desselben nach Ver-
abreichung großer Dosen Kalk per
os 498.
Blutdruck, Einfluß desselben auf die
Ausscheidung blutdrucksteigernder
basischer Substanzen im Urin 304.
Blutdrucksteigerung: nach doppelseiti-
ger Nierenexstirpation 216; und Nie-
renerkrankung 837.
Blutung: intraperitoneale bei Nieren-
ruptur 400; nach Nephrolithotomie
251; der Niere bei Hämophilie 860;
m Operation eines Blasenpapilloms
ver-
Bougies, Hyperämie hervorrufende bei
Harnröhrenstriktur 320.
Bradykardie bei Urämie 230.
Brightsche Krankheit 210; Basedow-
symptome 843; zweimalige Edebohls-
sche Operation bei 843.
1053
C
Cammidgereaktion: 744; bei Pankreas-
erkrankungen 745.
Cerebrospinalflüssigkeit bei Urämie
Chirurgie der Nephritis 217; der
Nieren 262; der Prostata 761; der
Prostataatrophie 277.
Chlorausscheidung bei Indikanurie 896.
Chloridausscheidung, Einfluß der Al-
kalizufuhr auf die 220.
Chloroformierung und Nebennieren 421.
Cholesterin bei Hämoglobinurie 899.
Cholesterinsteatose der Kupfferschen
Sternzellen und deren Verfettung
bei Diabetes 489.
Chocolin bei akuter Gonorrhöe und
ihren Komplikationen 125.
Chorionepitheliom beim Manne 593.
Chylurie, Fall von persistierender 901.
Colibazilleninfektion: des Harntraktus
78; der Niere 52.
Colipyelitis, primäre 257.
Coma diabeticum und Azidosis 69.
Corpora amylacea im endoskopischen
Befunde der hinteren Harnröhre
139.
Corpora cavernosa, Sklerose der 128.
D
Darmverschluß durch eine polyzysti-
sche Niere 699.
Diaheies insipidus: und Entwicklungs-
hemmung 59; Harn- und Salzaus-
scheidung im 491; Hypophysis und
493; Konzentrierungsvermögen der
Niere beim 90, 839; nach organi-
schen Hirnerkrankungen.
Diabetes mellitus: Azetonurie und ihr
Einfluß auf die Behandlung des 68;
Bacillus bulgaricus bei 490; und
Blasensteine 765; Cholesterinstea-
tose der Kupfferschen Sternzellen
und deren Verfettung bei 489; diä-
tetische Behandlung des 69; Ein-
fluB verschiedener Nahrungsmittel
und von Kohlehydratentziehung auf
die Glykosurie und Azidose beim 66;
enterogener 67; Funktion der Geni-
taldrüsen bei 62; Glykoheptonsäure-
lacton bei 63; Haferkur bei 493;
Indikation und Prophylaxe chirur-
gischer Eingriffe bei 66; Kohle-
hydrattage beim 492; Kol!oidaus-
scheidung im Harn bei 65, Lipämie
bei 68; neuere Ergebnisse der The-
rapie 6%: Pankreasveränderungen bei
59; Therapie des 491; nach Trauma
61: Wasserretention bei Haferkuren
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1054 Sach-Register.
bei 62; wirksame Faktoren der
Haferkur bei 69.
Diabetiker, Pneumaturie und schein-
bares Aufhören der Glykosurie bei
blasenkranken 197.
Diagnostische Fortschritte, Verwer-
tung derselben in versicherungsärzt-
licher Hinsicht 338.
Diastaseausscheidung im Harn, diagno-
stische Bedeutung der 310.
Diastasegehalt im Urin, diagnostische
Bedeutung desselben 309.
Diastatisches Ferment des Urins 744.
Diät, Einfluß derselben auf die Aus-
scheidung blutdrucksteigernder basi-
scher Substanzen im Urin
Diazoreaktion, Technik der 298.
Dilatation der Blase, der Ureteren und
des Nierenbeckens 255.
Diphtheriebazillen im Harn 751.
Diphtheriekeime, Absonderung dersel-
ben durch den Harn 308.
Diplokokkenbakteriurie und Phosphat-
urie 895.
Diplokokkus des Urogenitaltraktus 78.
Differentialdiagnostik des Diabetes in-
sipidus 59.
Divertikel: der Blase 608, 766; der
Harnröhre 580, 581.
Diurase zur Hebung der Diurese 79.
Diurese: 501; Einfluß der Alkalizufuhr
auf die 220; Hebung derselben mit
Diurase 79; künstliche 677.
Diuretica: bei chlorarm gemachten
Tieren 494; Wirkung einiger aus der
Reihe der Xanthine C,N,H,O, 499;
Wirkungsweise einiger gebräuch-
licher 890; Wahl der 891.
Drüsen mit innerer Sekretion, Bezie-
hungen der Überfunktion derselben
zur Konstitution 496.
Duplicitas penis 128.
Dystopie der Niere: 241, 642; an-
thropogenetische Erklärung der 51.
E
Echinokokkenzyste bei Hufeisenniere
642
Edebohlssche Operation bei Bright-
scher Krankheit 843.
Ehrlichsche Aldehydreaktion, Technik
und klinische Verwertung der 299.
Ehrlichs Amidobenzaldehydreaktion: bei
Scharlach und scharlachähnlichen Ex-
anthemen 748; zur Unterscheidung
scharlachartiger Serumexantheme von
echtem Scharlach 309.
Eiweißbestimmung im Harn: und ihre
praktische Brauchbarkeit 295; quan-
titative 742,
Ektopie: der Blase 156, 389; der Hoden
322, 323, 571, 591, 594, 917.
Eklampsie: 233, 234; Ätiologie der
232; Ätiologie und Behandlung der
846; mit Amaurose 233; und Anurie,
Nekrose der Nierenrinde bei 846;
+ Fälle von 846; Sectio caesarea bei
6
Ekzem, Therapie desselben 3386.
Elektrolyse, intravesikale Behandlung
der Blasenpapillome durch 728,
Embryom, perirenales 246.
Endocarditis im Anschluß an Gonorrhöe
906
Enteritis, choleriforme, und Anurie 76,
Entwicklungshemmung und Diabetes
insipidus 59.
Enuresis: und Thyreoidextrakt 76; noc-
turna 769, 770.
Eosinophilie der Harnwege bei Asthma
bronchiale 780.
Eosinurie, 2 Fälle von 312.
Epididymektomie bei Genitaltuberku-
lose 140.
Epididymitis: Arthigon bei 120; histo-
pathologische Studie und Behandlung
der gonorrhoischen 544; Potentia
generandi trotz doppelseitiger tuber-
kulöser 139; Urethritis posterior und
Vesiculitis 134.
Epispadie mit normalem Ureter 582.
Epitheliom der Prostata 129,
Epithelioma papillare des Nieren-
beckons 408.
Epithelzellen im Urin und deren dia-
gnostische Bedeutung 307.
Exanthem nach Kopaivbalsam %5.
Exstirpation der Blase: wegen Karz-
noms 931; bei malignen Erkrankun-
gen 393; wegen Tumors 393; der
Blasenschleimhaut 397.
Exophthalmus bei Nephritis 211.
Exstrophie der Blase 609.
Extrauteringravidität mit Retention der
Frucht durch 30 Jahre und Durch-
bruch derselben in die Harnblase 153.
F
Färbetechnik der Harnsedimente 780.
Färbung geformter Harnbestandteile
306.
Fehlingsche Zuckerprobe 295.
Fettinfarkt der Niere 684.
Fibrom der Glans 584.
Fibromyom der Blase 763.
Fissur der Blase 608.
Fistel: der Harnröhre 573; der Pro-
stata, geheilt durch Wismutpaste
143; vesikovaginale 936; des Ura-
chus 770.
Sach-Register.
Formaldehyd, Urinanalyse zur Fest-
stellung von 612.
Formolharnstoff zur Sedimentierung
mehrerer Körper mittels 301.
Fremdkörper: in der Blase 396; Blasen-
steinbildung an einem 766: einen
Blasenstein vortäuschend 72; Harn-
blasenerkrankungen durch bisher
nicht beobachtete 156; in der männ-
lichen Harnröhre 588; in der Scheide
als Ursache von Ureterstenose 58.
Frenulum praeputii, überzähliges 582.
Furunkel als Ursache von metastati-
schen Nieren- und paranephritischen
Abszessen 54.
G
Galaktosurie bei Leberkrankheiten und
Neurosen 88.
Gangrän: der Genitalorgane 781; der
Harnblase 574: einer Niere nach
Pyelographie 259.
Geburt: Blasenkapazität in der Lait:
sedehnte kindliche Blase und As-
zites als Hindernis bei der 771; Zer-
stôruns der Harnrôhre bei der 321.
Gefäßanastomose End-zu Seit 417.
Geistesstorung bei Albuminurie 688.
Gelatineinjektionen bei Nierenerkran-
kungen 218.
Genitaldrüsen bei Diabetikern und ex-
perimentell glykosurischen Tieren
62.
Genitalorgane: Erkrankungen der weib-
lichen in Beziehung zur inneren
Medizin 334; Gangrän der 781; AM,
bildung der 213; Tuberkulose der
1 10.
Genitaltuberkulose: chirurgische Be-
handlung 339; bei einem dreijährigen
Rinde 594.
ne Heiratskonsens für
9328.
Geschlechtskrankheiten: Prophylaxeder
999; Vakzinetherapie der T8.
Glans, Fibrom der 584.
Glaubersalzwässer bei Nierenleiden 216.
Glykoheptonsäurelacton bei Diabetes
mellitus 63.
Glykosurie: 487; und Azidose bei Pa-
rotitis 490; Einfluß verschiedener
Nahrungsmittel und von Kohlehy-
dratentziehung auf dieselbe 66; und
Fettstühle bei Morbus Basedowii
495; scheinbares Aufhören dersel-
ns bei blasenkranken Diabetikern
97.
Glykuronsäureausscheidung: bei Men-
schen 493; bei Scharlach 940.
Goldschmidtsches Instrument, modifi-
1055
ziertes zur Untersuchung und Be-
handlung der vorderen llarnröhre
131.
Gonargin ein neues Vakzinepräparat
T56.
Gonaromat ,,Taeschner‘ 126.
Gonococcus Neisser, Involutionsformen
desselben und ihre Rolle als intra-
epitheliale Zellparasiten 752.
Gonokokken: natürliche Evolution der-
selben beim Manne und bei der Frau
483; Wirkung gallensaurer Salze auf
126; Zerstörung derselben durch
Hitze und Kälte 332.
Gonokokkeninfektion,
chronischen 315.
Gonokokkenseptikämie 483.
Gonokokkenurethritis bei einem Kinde
198.
Gonokokkenvakzine: diagnostische Be-
deutung derselben für gonorrhoische
Infektionen 116; als eventuelles dia-
gnostisches Hilfsmittel 484; bei go-
norrhoischen Arthritiden 349; bei
gonorrhoischen Augenentzündungen
157; Menzer bei Gonorrhöe des Man-
nes T56. |
Gonokstein zur internen Behandlung
der Gonorrhöe 486.
Gonorrhöe 753, 902; Abortivbehand-
lung der 486, 7514: Autotheranie
der 115; Balsamica bei 435, 821;
Behandlung der 486, 457, 575; Cho-
eolin bei 125; chronische 313; dia-
gnostische Bedeutung der Gono-
kokkenvakzine bei 116; der Ehe-
gatten, Verhalten bei 482: Endo-
carditis im Anschluß an 906; Gon-
aromat Taeschner bei 126; Gonok-
stein bei 486; kausale und sympto-
matische Behandlung der männlichen
756; Komplementablenkungsmethode
314: und ihre Komplikationen 12],
335, T55; des Mannes, Vakzination
bei 119: mikroskopische Kontrolle
der 127; und moderne Wochenbetts-
diätetik 904; Muskelatrophie, Mus-
kelrheumatismus, Arthritis und Ke-
ratosis bei einem Patienten mit 416;
neue Behandlung der männlichen
122; vom pathologischen Standpunkt
903: Prophylaxe der 75%, 903; Tan-
argentan-Stäbchen bei TƏT; Ther-
mopenetration und Heißwasserspü-
lungen bei 815; Vesicaesan bei 218,
184.
Gonorrhoische: Augenerkrankungen,
Gonokokkenvakzine bei 737: Kom-
plikationen, Vakzinebehandlung der
113; Mittelohrentzündung 482; War-
Diagnose der
1056 Sach-Register.
zen, Vakzinebehandlung derselben
906.
Gonorrhoischer Rheumatismus, Wright-
sches Gonokokkenvakzin bei 119.
Gramfärbung, Modifikation der 127.
Gynäkologie, operative (Döderlein und
Krönig) 694.
Gynatresie, Harnretention bei 630.
Haferkur bei Diabetes 493; Wasser-
retention bei 62; wirksame Faktoren
derselben bei Diabetes mellitus 69.
Hämatonephrose 408.
Hämatoporphyrinurie und Amaurose312.
Hämaturie: und Nephralgie 207; Ne-
phrektomie wegen 218; bei Nephri-
tis, Rolle der Leber bei 662; und
Niereninfarkt bei Nephritis einer
Wanderniere 402; renale 661; in
der Schwangerschaft 505.
Hämoglobinurie: 898; Ätiologie der
paroxysmalen 896; Behandlung der
paroxysmalen 899; Fall von par-
oxysmaler 898, 900; klinische und
serologische Untersuchungen der par-
oxysmalen 310; nach Märschen 900:
paroxysmale 579.
Hämophilie, Nierenblutungen bei 865.
Hämorenaler Index: 676; Bestimmung
des 849.
Hämorrhagie: einer beweglichen Niere
662; perirenale 416.
Hämosiderinablagerung in kindlichen
Nebennieren 421.
Harn: Ableitung desselben bei Opera-
tionen in der Urethra 133; Absonde-
rung von Diphtheriekeimen durch
den 308; Analyse des 739; Asepsis
und Infektion tuberkulösen 307;
Ausscheidung von 606 im 308; Azi-
dität desselben bei einigen Krank-
heiten 733; Bestimmung der Harn-
säure und Purinkörper im 746; blut-
drucksteigernde basische Substanzen
im 8304; diagnostische Bedeutung
des Diastasegehaltes im 309; Dia-
staseausscheidung im 310; diasta-
tisches Ferment desselben 744;Diph-
theriebazillen im 751; Eigenschaften
desselben bei Gesunden und Kranken
305; Ehrlichs Amidobenzaldehyd-
reaktion in demselben bei Scharlach
748; Epithelzellen. im 307; Farbe
desselben und Urobilinurie bei Schar-
lach 748; Giftigkeit desselben bei
Masern und anderen Infektionskrank-
heiten 313; Kenntnis der Säuren
im 305; Kolloidalstickstoffbestim-
mung in demselben zur Diagnosti-
zierung des Karzinoms der inneren
Organe 336; Kolloidausscheidung in
demselben bei Diabetes mellitus 65;
Leukozytenzählungsmethoden im tie-
rischen 306; neues Verfahren zum
Nachweis von Azetessigsäure im
300; peptisches Ferment desselben
und seine diagnostische Bedeutung
bei Erkrankungen des Magens 495;
ein Phosphatid im menschlichen 747;
quantitative Eiweißbestimmung im
295; und Salzausscheidung im Dia-
betes insipidus 491 ; Schwefelreaktion
in demselben bei Krebskranken 303:
spezifisches Gewicht desselben bei
einigen Krankheiten 734; stickstoff-
haltiges Kolloid desselben 304; Ti-
trationsazidität desselben 222; Trau-
benzucker- und Indikanbestimmung
im 296; Tuberkelbazillen in dem-
selben bei Hodentuberkulose 593;
die wichtigsten Zucker desselben
742; Wirkung der Luftbäder auf die
Ausscheidung 749; Zuckerbestim-
mung im 490.
Harnableitung und Urethrorrhaphie,
Wiederherstellung der Urethra
durch 133.
Harnammoniak, Einfluß der Alkalizu-
fuhr auf das 220.
Harnantiseptica, bei Zystitis 152, 612.
Harnazidität und Albuminurie 839.
Harnbefunde bei perniziöser Anämie 76.
Harnbestandteile: Bedeutung einiger
741; Verfahren zur polychromen
Färbung geformter 306.
Harneiterungen durch Bact. coli, kli-
nische und serologische Untersu-
chungen 779.
Harninkontinenz:gastro-hepatischen Ur-
sprungs 769; bei Nierentuberkulose
48; infolge von Trauma der Ure-
thra 136.
Harnintoxikation bei intraperitonealer
Blasenruptur 390.
Harnleiterbehandlung bei Nierentuber-
kulose 956. |
Harnorgane: absteigende Infektion der- |
selben bei Typhus 507; Ausbrei- |
tungswege der postoperativen In-
fektion der weiblichen 503; Bac-
terium coli-Infektion der 778; Chi-
rurgie der 74; Colibazilleninfektion
der 78; eitrige Erkrankungen der-
selben bei Säuglingen 780; Ent-
wicklung der 642; Eosinophilie der-
selben bei Asthma bronchiale 780;
Infektion derselben mit Micrococcus
catarrhalis 780; Komplikationen in
Sach Register.
denselbeu bei Krebs im Darm 72;
laktische Fermente in den 79;
Schluckkrampf bei Operationen an
den 941; Sonderstellung der Staphy-
lomykosen der 447; Tuberkulose der
46, 71.
Harnpepsir, diagnostische Bedeutung
desselben bei Magenkarzinom 746.
Harnpepsinbestimmung, diagnostischer
Wert der 746.
Harnreaktion von Arnold mit Nitro-
prussidnatrium 299.
Harnretention: 612; und Blasenaus-
dehnung bei Ureterstein 588; Fall
von 76; bei Gynatresie 630; histo-
pathologische Untersuchung der
168; bei Prostatikern, schwere 598.
GE Infarkte bei Neugeborenen
7. |
Harnsäure: und Purinkörper, Bestim-
mung derselben im Urin 746; Ver-
änderungen in der Elimination der-
selben bei kurzdauernden Kalt-
wassereinwirkungen 502.
Harnsäureintoxikation 902.
Harnsäurekristalle im Urin, Ausschei-
dung derselben durch Mikroorganis-
men 571.
Harnsäurestein 940.
Harnsedimente: Färbetechnik der 780;
und Harnsteine, Bildung der 810; Pe-
trifikation der Mikroorganismen in
denselben 750.
Harnsekretion: histophysiologische Un-
tersuchungen über dieselbe im Mo-
ment der Geburt 74; Störungen der-
selben durch Fibrom des Uterus-
halses 75; Störungen derselben bei
Trauma der Wirbelsäule und des
Rückenmarks 74.
Harnstauung bei zottigen Blasenge-
schwülsten 392.
Harnsteine, Bildung der 703, 799.
Harnstoff: in der Cerebrospinalflüssig-
keit bei Nephritis 202; Einfluß des-
selben auf die Nierensekretion bei
Oligurie 690.
Harnstoffbestimmung nach Widal und
Javal 213.
Ee des Blutes und Urämie
Harnstoffsekretorische Konstante von
Ambard 427.
Harnsystem, Anomalie des 39.
Harntoxizität bei Masern 749.
Harnuntersuchung: zur Feststellung
von Formaldehyd 612; Methodik der
293; Phenolphthaleinspektrum und
dessen Einfluß auf die spektrosko-
pische Harnuntersuchung 750; (Stick-
Zeitschrift für Urologie. 1913,
1057
stoffbestimmung) 299; Wert der
bakteriologischen 750.
Harnweg, Herstellung desselben nach
der Prostatektomie samt Exzision
der Urethra prostatica 145.
Harnwege: Radiographie der (Leguen,
Papin et Maingot) 863; Vakzinebe-
handlung der Infektionen der 705.
Haut- und Geschlechtskrankheiten,
Vakzinetherapie der 78.
Hauttuberkulose, Behandlung der 333.
Heiratskonsens bei Geschlechtskranken
938.
Hernie der Blase 607.
Hernien, Prinzipien der Behandlung
von 340.
Herpes zoster und Nierenkolik 252.
Hexal 158, 783.
Herzhypertrophie bei Nephritis 837.
Herz- und Nierenwassersucht, Kombi-
nationswirkung von Medikamenten
bei 842.
Historische Beiträge zur Urologie 733.
Hochfrequenzströme: endourethrale Be-
handlung mit 759; endovesikale und
endourethrale Behandlung mit 930;
bei Operationen im Blaseninnern
763.
Hoden: Behandlung der Ektopie der
323; experimentelle Untersuchun-
gen über die innere Sekretion der
916; bei Gonorrhoikern 590; hä-
morrhagische Infarcierung desselben
918; Hypertrophie der 323; ma-
ligne Erkrankungen desselben 138;
maligne Erkrankung desselben und
operative Entfernung der ileo-lum-
balen Lymphdrüsen 138; maligner
Tumor desselben 919; Operation an
den Hüllen der 591; Radikalopera-
tion bei maligner Erkrankung des-
selben 593; Rontgenbestrahlung der-
selben als Ursache von Prostata-
atrophie 925; überzähliger 916.
Hodenchirurgie, konservative 324.
Hodenektopie: 571, 594; Behandlung
der 591; Pathogenese der 591.
Hodengeschwülste, Bedeutung des
Traumas für ihre Entstehung 919.
Hodenretention, Pathologie der 916. `
Hodensacktumoren, signe du sou bei
323. |
Hodentuberkulose, Tuberkelbazilen im
Urin bei 593.
Hufeisenniere: mit Echinokokkenzyste
642; Fall von 40; Hydronephrose In
einer 29: Pathologie und Chirurgie
der 39. ,
Hydatidenzyste: Nephrotomie wegen
69
Ap KEE E
1058 Sach-Register.
660; der rechten Niere 736; retro-
vesikale 609.
“Hydropyrin-Grifa 689.
Hydronephrose: Ätiologie der 564; Be-
deutung anormaler Nierengefäße für
die Entstehung der 845; Diagnose
der 667; durch Gefäßanomalien 413;
in einer Hufeisenniere 39; Kkasui-
stischer Betrag zur kindlichen 414;
Nephrektomie wegen 414; Nieren-
beckenresektion wegen 414; und
Pyonephrose, Entwicklung der 412;
Ruptur der traumatischen 43;
mit Steinen 845; traumatische 42.
Hydronephrosensack, Einfluß der Ab-
schnürung der V. renalis auf den
413. i
Hydrozele, Autoserotherapie bei 386;
des Hodens und Samenstranges, Au-
‚ toserotherapie bei 325; bei Kin-
dern 595; Operation derselben nach
Winkelmann 575; Pathogenese der
594, 921; im Säuglingsalter 321.
Hydrozelenflüssigkeit, Studium der
325.
Hyperazidität des Harns und Azeton-
urie bei hungernden oder kohlehy-
draternährten Hunden 902.
Hyperextension und Blutzucker 488.
Hypernephrom: 245, 246; der Niere
645; mit sekundärer Metastase im
Olekranon 647.
Hypernephrommetastase, Differential-
diagnose von primärem Knochenendo-
theliom und 244.
Hypertrophie: der Hoden 323; der
Prostata 328, 579.
Hypophysis und Diabetes insipidus 493.
Hypoplasie der Niere 530.
Hypospadie: 582; bei unpassierbarer
Harnröhrenstriktur 129; der weib-
lichen Urethra, operativ geheilter
Fall von 759.
I
Ikonographia dermatologica 335.
Impotenz, sexuelle 595. ;
Incontinentia urinae gastrohepatischen
Ursprungs 769.
Indikan: Bestimmungsmethoden des-
selben im Harn 296; quantitative
Bestimmung desselben 297.
Indikanurie: und Augenkrankheiten
895; und Chloride 896; und Phos-
phate 896; und Proteine 895.
Induratio penis plastica 584.
EE urethroskopisches
Instrumente, Sterilisation und Aufbe-
wahrung halbweicher 34, 378.
Insuffizienz der Nieren: 228; Mittel
zur Erkennung von 424.
Intravesikale Diagnose und Behand-
lung nebst Beschreibung von neuen
Instrumenten 929,
Isolysine 310.
Jaegersche Zuckerprobe, Modifika-
tion der 296.
Joddämpfe bei Cystitis 612.
Jodipin per clysma bei Prostatitis 597.
K
Kalkgehalt des menschlichen Blutes
nach Verabreichung großer Dosen
Kalk per os 498.
Kalkstoffwechsel: 300; Abhängigkeit
desselben von den organischen Nah-
rungskomponenten beim erwachse-
nen Hunde 498.
Kalziumphosphate, Ausscheidung der
498
Karzinom: der Blase 392, 931; Cystek-
tomie wegen 611; der Fossa navi-
cularis urethrae 30; der Niere 246,
247, 576; des Penis 585; der Pro-
stata: 927, und Blase 604; und
Blase, Blasensteine, Ureterstenose
und Uropyonephrose bei einem Pa-
tienten mit 942; chirurgis-he Behand-
lung desselben 330; Exstirpation des-
selben 760.
Katheter in der Blase, durch Litho-
tripsie entfernt 130.
Katheterismus: aseptischer 332; der
Ductus ejaculatori 758; Instru-
ment zum aseptischen 777.
Koeffizient: azoturischer 676; sphyg-
morenaler und harnsekretorischer
675.
Kohabitationszystitis und -pyelitis
259
Kohlehydratentziehung, Einfluß der-
selben auf die Glykosurie und Azi-
dose beim Diabetes mellitus 66.
Kohlehydrattage in der Diabetesbe-
handlung 492.
Koliinfektion der Blase nach Hyste-
rektomie 935.
Kolloid, stickstoffhaltiges des Harns
304.
Kolloidalstickstoffbestimmung im Harn
zur Diagnostizierung des Karzinoms
der inneren Organe 336.
Kolloidausscheidung im Harn bei Dia-
betes mellitus 65.
Komplementablenkungsmethode bei Go-
norrhöe 314.
Kopaivbalsam, Exanthem nach Ge
braucl von 905.
Sach Register,
Kreatinausscheidung bei Schwangeren
506.
Krebskranke, Schwefelreaktion im
Harn von 303
Kupffersche Sternzellen, Verfettung
derselben bei Diabetes 489.
Kupfersulfat zum Urobilinnachweis 747.
L
Laktische Fermente im Harnapparat
T8.
Lävulosurie bei chronischen Nephri-
tiden 839.
Leberinsuffizienz, Stickstoff bei 940.
Leberkrankheiten, alimentäre Galak-
tosuri: bei 488.
Leistenhernie 607.
Leukoplakie des Nierenbeckens 667.
Leukozytenzählungsmethoden im tie-
rischen Harne 306.
Ligatur des Ureters 423.
Ligatursteine der weiblichen Blase 931.
Lipämie bei Diabetes, Fall von 68.
Lipurie bei Nephritis 685.
Lithotomie, Geschichte der 396.
Lithotripsie oder Lithotomie? 767.
Lokalanästhesie: Lehrbuch der (Hir-
schel) 864; ihre wissenschaftlichen
Grundlagen und praktische Anwen-
dung (Braun) 864.
Luftbäder, Wirkung derselben auf die
Harnausscheidung 749.
Luftfüllung der Blase 929.
Lumbalpunktion bei Urämie 230.
Lymphangitis und Lymphadenitis go-
norrhoica 120.
Lymphdrüsen, Entfernung der ileo-lum-
balen 138.
Lymphomatosis, vorgetäuscht durchme-
tastasierendes Prostatakarzinom 926.
Lymphurie 311.
M
Magenkarzinom, diagnostische Bedeu-
tung des Harnpepsins bei 746.
Malaria, Fall von perniziöser 77.
nal als urologische Heilstätte
Marienbader Kuren bei
843.
Marschhämoglobinurie 841, 900.
en Giftigkeit des Harnes bei 313,
Albuminurie
Massenblutungen in das Nierenlager
417, 670.
Mastdarm-Harnröhrenfisteln,
lung der 587.
Meatotomie 583. !
Meatus urethrae, kongenitale Verenge-
rung 613.
Behand-
1059
Messung und Darstellung der Urethra
posterior und Blasenflüssigkeit 909.
Micrococcus catarrhalis-Infektion des
Harnapparates 780.
Mikroorganismen: in der gesunden Blase
606; Petrifikation der im Harn 750.
Miktion, Störungen derselben in der
Schwangerschaft 321.
Mischgeschwulst des
407.
Mißbildung: der Geschlechtsorgane und
kongenitale Verlagerung der Niere
243; kongenitale der Ureteren 56;
des Ureters 564.
Morbus: Addison, Fall von geheiltem
693; Basedowii, Glykosurie und Fett-
stühle bei 496; Brightii, Perikar-
ditis im Gefolge von 213.
Morphin bei Urämie 231.
Museum des XVII. Internationalen Me-
dizinischen Kongresses 111.
Myome des Penis 635.
N
Naht der Nierenbecken- und Ureter-
inzisionen 419.
Nähte der Blase,
157.
Nebenhodentuberkulose, Zeugungs-
fähigkeit bei bilateraler 920.
Nebennieren: Apoplexie der 693; und
Chloroformierung 421; extrarenaler
Tumor 691; Hämosiderinablagerung
in kindlichen 421.
Nebennierenkapsel: Veränderungen der-
gelben bei Operationen an der
Niere 691; Zyste der 69.
Nekrose der Nierenrinde bei Eklampsie
und Anurie 846.
Neoimplantation der V.
die V. cava 41T.
Neoplasma der Prostata 604.
Neosalvarsaninfusion, Technik der 776.
Nephralgie und Hämaturie 207.
Nephrektomie: Azidose nach 863; bei
beiderseitiger Nierentuberkulose 49,
651; Einfluß der unilateralen auf
den opsonischen Index bei Eiter-
infektion 681; bei Hydatidenzyste
736; wegen Hämaturie 218; wegen
Hydronephrose 414; bei Nieren-
beckenepitheliom 408; wegen Nieren-
tuberkulose, Dauerresultate der 651;
wegen polykystischer Niere 257;
bei Pyonephrose infolge von kon-
genitaler Striktur des Ureters 422;
wegen Tuberkulose, Nierenfunktiun
vor und nach derselben 239.
Nephrektomierte, Schicksal derselben
569.
Nierenbeckens
leicht entfernbare
renalis in
69*
1060 Sach-Register.
Nephritis: aktive Exspiration bei 841;
akute infektiöse 416; alimentäre Lä-
vulosurie bei 839; Anämie bei chro-
EEE harnsaure Infarkte bei
Neumannsche Reaktion zur Unterschei-
|
nischer 838; Appendizitis bei 688;
Arterienveränderungen bei chroni-
scher 207; Chirurgie der 217, 663,
664; chirurgische Behandlung der
verschiedenen Formen der 151; chro-
nische 207; entgiftende Tätigkeit
der Parathyreoidea bei 842; bei Ery-
sipel 212; Exophthalmus bei 211;
hämaturische 662; haemorrhagica
bei hereditärer Lues 208; haemor-
rhagica bei intravenöser Salvarsan-
injektion 208; haemorrhagica bei
Purpura 206; Harnstoff in der Cere-
brospinalflüssigkeit bei 202; Hyper-
trophie des Herzens bei 837; in-
terstitialis, Behandlung der 215; bei
Kindern, Nachuntersuchung nach
203; in den Kinder- und Jugend-
jahren 202; Lipurie bei 685; und
Nephropathien 682; Nierendekapsu-
lation bei chronischer 217; opera-
tive Behandlung der einseitigen
akuten septischen infektiösen 53;
parenchymatosa, Ursache der 202;
Pathologie der chronischen 211; Po-
lyurie bei subakuter 840; Prognose
bei 287, 346; Röntgenstrahlen bei
219; Spirochäten im Harn bei syphi-
litischer 686; Strauß-Grünwaldscher
Verdünnungsversuch für Diagnose
und Prognose der 240; suppurativa
metastatica 415; syphilitica 209;
syphilitica acuta praecox 685; nach
Terpentin - Liniment - Einreibungen
205; Therapie der akuten 216;
traumatische 401; urämische 212;
Verhalten des Reststickstoffes des
Blutes bei 227, 228; einer Wander-
niere 402; Ziegennieren-Serumthera-
pie bei 214.
dung der wichtigsten Zucker des
Harns 742
N eurasthenie, sexuelle, und Prostata
1
N Zë alimentäre Galaktosurie bei
Niere bzw. Nieren: akute septische
Infektion der 167; Altersveränderun-
ES der 684; Coliinfektion der 52;
iagnostik chirurgischer Affektio-
nen der 158; doppelseitige polyzysti-
sche 658; Einwirkung einer lädierten
auf die der anderen Seite 681; Fett-
infarkt der 684; Funktionsprüfung
an der transplantierten 850; ge-
schlossene Tuberkulose der 530; Hä-
morrhagie einer beweglichen 662;
und Harnbefunde bei perniziöser
Anämie 76; und Harnleiter, Diagnose
der angeborenen Anomalien 166; und
Herzwassersucht, Kombinationswir-
kung ven Medikamenten 689; Hyper-
nephrome der 645; Hypoplasie der
530; bei kalkulöser Anurie 252;
kongenitales Fehlen einer 845; kon-
genitale Verlagerung der 243; kon-
genitale zystische Erkrankung der
736; Konzentrierungsvermögen der-
selben beim Diabetes insipidus 60,
839; und Leber bei Salvarsange-
brauch 937; luetische und postlue-
tische Erkrankungen der 842; me-
tastatische Abszesse derselben, aus-
gehend von Furunkeln 54; opera-
tive Dekompression derselben bei
hochgradiger Kyphoskoliose 222;
partielle Gangrän derselben nach
Pyelographie 259; Plasmazellen in
den 641; polykystische 257, 658;
posttraumatische Veränderungen der
Nephrolithotomie, Blutung nach 251.
Nephropathie: 682; Adrenalin bei ex-
perimenteller 690; latente 652.
Nephropexie: lumbale 404; bei Wan-
derniere 50.
- Nephrostomie: 675; und Pyelostomie
253.
40; Quetschung der rechten 401;
Radioskopie der 655, 776; Ruptur
der 40, 41; rupturiertes Sarkom der
rechten 245; und Salvarsan 209;
Sarkom und Steine der 854; subku-
tane Ruptur der 643; tertiäre Sy-
philis derselben mit amyloider De-
generation 209; Verletzungen der
399; Wirkung von Hydropyrin Grifa
auf die 689; Zusammenhang zwi-
schen Funktionsstörungen derselben
und der Leber 839.
Nierenarterien im Röntgenbild in ge
sundem und krankem Zustande 640.
Nierenbecken: eitrige Zerstörung des-
selben bei Prostatahypertrophie 665;
kongenitale Dilatation desselben 255;
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Nephrotomie: experimentelle 675;
Gefahren der 419; wegen Hydatiden-
zyste der Niere 660; und Pyelotomie
bei Nephrolithiasis 656.
Neubildungen: der Blase 394; des
Nierenbeckens, primäre epitheliale
406; aus den Resten des Ductus
omphalomesentericus sich entwik-
kelnde maligne 73.
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Sach-Register.
Leukoplakie desselben 667; Misch-
geschwulst desselben 407; neue Ge-
sichtspunkte in der Diagnostik und
Therapie der Entzündung desselben
257; Operationen am 667; pri-
märe epitheliale Neubildungen des-
selben 406; und Ureterinzisionen,
Naht 419.
Nierenbeckeneiterung,
Irrtum bei 667.
Nierenbeckenepitheliom, Nephrektomie
bei 408.
Nierenbeckenresektion wegen Hydro-
nephrose 414.
Nierenbeckenspülungen und Ureteren-
katheterismus bei Ureteropyelone-
phritis 409.
Nierenbeckenstein 251.
Nierenbeckenwand, Inzision der vorde-
ren bai Pyelotomie 657.
Nierenblutung: bei Hämophilen 865;
bei tuberkulösen Granulationen 650.
Nierenchirurgie: 262, 674; Dauerer-
folge der 420.
Nierendekapsulation:beichronischer Ne-
phritis 217; einseitige und doppel-
seitige 664; bei Eklampsie, Dauer-
resultate 234.
Nierendiabetes in der Gravidität 489.
Nierendiagnostik: funktionelle 236;
funktionelle bei Kindern 237.
Nierendystopie: anthropogenetische Er-
klärung der 51; und Graviditäts-
pyelonephritis 642; beim Weibe in
klinischer und embryologischer Be-
ziehung 241.
Nierenerkrankungen: Balneotherapie
der 688; Blutdruck bei 837; Dia-
gnose der 860, 861; Einteilung der-
selben nach ätiologischen Gesichts-
punkten 682; subkutane Gelatine-
injektion bei 218; Glaubersalzwässer
bei 216; Vesicaesan bei 218, 784.
diagnostischer
Nierenerweiterung, frühzeitige Dia-
„‚gnose der 258.
Nierenexstirpation, Blutdrucksteige-
‚rung nach doppelseitiger 216.
Nierenfunktion: vor und nach der Ne-
phrektomie wegen Tuberkulose 239;
Phenolsulphonephthaleinprobe zur
Prüfung der 678, 679, 680, 681;
Prüfung der 235, 236, 849.
Nierengefäße, Bedeutung anormaler
für die Entstehung der Hydrone-
phrose 845.
Niereninfarkt und Hämaturie bei Ne-
_phritis einer Wanderniere 402.
Niereninfektion: Pathologie und Chi-
rurgie der 416; pyogene 52.
Niereninsuffizienz: moderne Mittel zur
1061
Erkennung von 424; Psychopathien
bei 229; seltene Erscheinung auf
der Haut bei 228, 688.
Nierenkarzinom: 246, 247; primäres
576; 2 Fälle von langsamer Ent-
wicklung 247.
Nierenkolik, Herpes zoster und 252.
Nierenkranke, Schicksal tuberkulöser
650.
Nierenlager, Massenblutungen in das
417.
Nierenläsionen durch Sublimat 683.
Nierenoperationen, Veränderungen der
Nebennierenkapsel bei 691.
Nierenpathologie 683.
Nierenrinde, Nekrose derselben bei
Eklampsie und Änurie 846.
Nierenröntgenogramm, Fall von irr-
tümlicher Deutung eines 879.
Nierenruptur: Fall von 41; mit intra-
peritonealer Blutung, ohne Opera-
tion geheilt 400; bei Kindern 40.
Nierenschrumpfung im Kindesalter
204.
Nierensekretion: 568; Einfluß des
Harnstoffes auf dieselbe bei Olig-
urie 690.
Nierensteine: 251, 573, 603, 653, 852,
851; durch Bact. paratyphi B, Pye-
lonephritis bei 251; chirurgische Be-
handlung 656; Diagnose der 854;
3 Fälle von 853; bei Hydronephrose
845; im Kindesalter 250; Pyelo-
graphie bei 655; Pyelotomie bei 253,
254; Pyelotomie und Nephrotomie
bei 656; Radiographie bei 252; und
Sarkom der Niere 854; und Tuber-
kulose 735; im Ureter 654.
Nierentuberkulose: 249, 569; und Ad-
disonsche Krankheit 528; Anfangs-
symptome der 45; Behandlung der
50; Diagnose der 248; Diagnose
und Therapie der 46, 47; in Form
von Perinephritis 648; Frühdiagnose
und Intervention bei 735; der einen
Hälfte einer doppelten 92; häma-
turischo 649; Harninkontinenz bei
48; beim Kinde 45, 647; neue Me-
thode zur Diagnostizierung von 650,
735; Nephrektomie bei bilateraler
651; Nephrektomie bei 11 Fällen von
beiderseitiger 49; polyzystische ein-
seitige 47; Spontanheilung der 652.
Nierentuberkulose, Diagnose, Operation
und Harnleiterbehandlung der 956.
Nierentumoren: 647; Bau und Histo-
genese angeborener 644; Frühdia-
gnose der 244; Genese der 243; pri-
märe doppelseitige maligne 247.
Nierenvene. Abschnürung derselben bei
1062
Hydronephrose 413; Implantation
derselben in die V. cava 417; Ste-
nose der V. cava inf. oberhalb
deren Einmündung in die 671; Unter-
bindung derselben in experimentel-
ler und therapeutischer Hinsicht 671.
Nierenverletzungen 41
Nierenwassersucht, Kombinationswir-
kung von Medikamenten bei 842.
Nierenzyste 659.
o
Ochronosis bei Alkaptonurie 901.
Ödem nichtrenalen Ursprungs 781.
Okklusivspüldilatatoren zur Behand-
lung der weiblichen und der hinte-
ren männlichen Harnröhrengonor-
rhöe 121.
Oligurie, Einfluß des Harnstoffes auf
die Nierensekretion bei 690.
Operationen, intravesikale 929.
Operationsinstrumentarium für die hin-
tere Harnröhre, neues 132.
Operationsurethroskop: neues 775; von
Wossidlo, Technik operativer Ein-
griffe in der Urethra posterior in
dem 132.
Opsonischer Index, Einfluß der Ne-
phrektomie auf denselben bei Eiter-
infektion 681.
Orchitis: par effort und Unfallgesetz
592; durch Filaria sanguinis 140;
traumatische 140.
en urethrae, Polypenbildung am
Oxalsäurevergiftungen 503.
P
Pankreas, Veränderungen desselben
bei Diabetes mellitus 59.
Papillom der Blase: 155, 573, 578;
intravesikale Behandlung derselben
mittels Elektrolyse 728
Paradidymitis erotica acuta 961.
Paraffin bei Harninkontinenz infolge
von Trauma der Urethra 126.
Parathyreoidea, entgiftende Tätigkeit
derselben bei Nephritis 842,
Paraurethrae 909.
Em mit Glykosurie und Azidosis
Penis: Amputation des 130; Exstirpa-
tionsmethode des 129; Karzinom
des 585; Myome des 635; Tuber-
kulose des 907.
Sach-Register.
Periurethritis chronica tuberculosa, öde-
matöse Form von 421.
Petrifikation der Mikroorganismen in
den Harnsedimenten 750.
Phimose: und Hydrocele im Säuglings-
alter 321; Operation der hypertro-
phischen 760; radikale Beseitigung
der 909.
Tapapa, einfache 129.
Phenolsulphonephthaleinprobe für die
funktionelle Nierendiagnostik 237,
238, 678, 679, 680, 681.
Phenolphthaleinspektrum, Einfluß des-
selben auf die spektroskopischeHarı-
untersuchung 750.
Phlegmone: diffuse perivesikale pro-
statischen Ursprungs 613; doppel-
seitige perinephritische 669; peri-
nephritische bei Kindern 668.
Phosphate bei Indikanurie 896.
Phosphatid im menschlichen Harn 747.
FEN und Diplokokkenbakteri-
urie
Phosphorsäure und Magnesia, Stoffum-
satz der 498. |
Phosphorstoffwechsel 497.
Pilimiktion und Pseudotrichiasis der
Blase 1.
Pituitrin: als ere Tonicum mit
besonderer Berücksichtigung der
Blasenfunktion 157; bei Retentio uri-
nae 767.
Plasmazellen in den Nieren 641.
Plazenta, uricolytische Funktion der-
selben und deren Beziehungen zur
Bildung von harnsauren Infarkten
bei Neugeborenen 497.
Pneumokokkennephritis beim Kinde 205.
Pneumokokken-Vulvovaginitis, 2 Fälle
von 507.
Pneumaturie und scheinbares Aufhören
der Glykosurie bei blasenkranken
Diabetikern 197.
Pollakiurie bei kongenitaler Verenge-
rung des Meatus urethrae 613.
Pollutionen, Behandlung der 938.
Polypen: am Orificium urethrae der
weiblichen Harnblase bei Cystitis 391.
Polypen am Orificium internum der
Blase 960.
Polyurie: experimentelle 677, 678; bei
subakuter Nephritis 840.
Potentia generandi trotz doppelseitiger
tuberkulöser Epididymitis 139.
Potenzstörung, Fall von seltener 921.
Priapismus, Ätiologie und Therapie 581.
Prognose bei Nephritiden 287, 346.
Prophylaxe der Gonorrhöe 903.
Prostata: adenomatöse Hyperplasie der
603; Atonie der 327; Atrophie der
>». am
Penisplastik, eigenartige 583.
Perikarditis der Brightiker 213.
Perinephritis fibrosa bei harnsaurer
Diathese 213.
Periostitis, Lymphangitis, Lymphade-
nitis gonorrhoica 120.
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Sach-Register.
615; und Blasenkarzinom, Blasen-
steine, Ureterstenose und Uropyo-
nephrose bei einem Patienten 942;
einfache perineale Enukleation der
602: Entfernung der 570; Epitheliom
der 129: 1000 Fälle von Enukleation
144: Karzinom der 604, 927; meta-
stasierendes Karzinom derselben,
Lymphomatosis simulierend 926;
Neoplasma der 604; Sarkom der
230: und sexuelle Neurasthenie 1-41;
Tuberkulose der 597.
Prostataabszesse, Behandlung der 595.
Prostatatrophie: 146; Chirurgie der
277, durch Röntgenbestrahlung der
Hoden experimentell erzeugte 92».
Prostataauszüge, Giftigkeit der 329.
Prostatachirurgie "pl,
Prostataelemente bei Urethrorrhöe ex
libidine 589.
Prostataenukleation, Bericht über 236
Fälle von totaler 922.
Prostataerkrankungen,
bei 326.
Prostatafistel, Heilung durch Wismut-
paste 143.
Prostatahypertrophie: 579; Beziehun-
gen der Uvula vesicalis zur 928;
eitrige Zerstörung des Nierenbeckens
mit Senkungsabszessen bei 665; Pal-
liativbehandlung der 143; patholo-
gisch-anatomische Untersuchung der
329; Röntgenbestrahlung bei 1-14;
Wesen und Behandlung der 143;
Zystoskopie bei 328.
Prostatakarzinom: chirurgische Behand-
lung 330; Exstirpation desselben
T60.
Prostataringmesser für die suprapubi-
sche Prostatektomie 601.
Prostatasekret bei Prostataerkrankun-
gen 326.
Prostatastein: 760;
die suprapubische
komplizierend 923.
Prostatektomie: Blasen- und Prostata-
stein als Komplikation bei der supra-
pubischen 923; Herstellung des
Harnweges nach derselben samt Ex-
zision der Urethra prostatica 1-49;
hypogastrische 924; perineale mit
seitlichem Schnitt 601; Prostatitis
nach 143; suprapubische 600, 601;
Technik der suprapubischen 104,
923; verzögerte Heilung der Plasen-
wunde nach 922: zweizeitige 925.
Prostatektomierte, Kapseln für per-
manente Blasenfisteln und zur Nach-
behandlung von Tru.
Prostatiker ohne Prostata 600.
Prostatasekret
und Plasenstein,
Prostatektomie
1063
Prostatismus, vesikaler 600.
Prostatitis: actinomycotica 408; go-
norrhoica, Thermopenetration bei
327; Harnretention bei 598, 599;
Jodipin per clysma bei 597; opera-
tive Behandlung der 328; bei einem
Prostatektomierten 143; Thermo-
penetration und Heißwasserspülun-
gen bei 315.
Prostituierte, mikroskopische
rhöekontrolle 127.
Protargol-Ersatz 125.
Proteine, Einfluß derselben auf die In-
dikanurie #96.
Gonor-
Pseudohermaphroditismus: 128, 590,
781.
Pseudotrichiasis der Blase und Pili-
miktion 1.
Purinkörper, Bestimmung derselben im
Urin 746.
Purpura, hämorrhagische Nephritis bei
206.
Pyelektasie 574.
Pyelitis: aktive Behandlung der 410;
gravidarum 260, 404; im Kindes-
alter, chronische rezidivierende 411.
Pyelographie: und frühzeitige Diagnose
der Nierenerweiterung 258; bei Nie-
ren- und Uretersteinen 655.
Pyelonephritis: bei Nephrolithiasisdurch
Bact. paratyphi B 251; und Prostati-
tis actinomycotica 408: in der
Schwangerschaft 259, 405, 6-42.
Pyelotomie: 525, 535; hintere 255; mit
Inzision der vorderen Nierenbecken-
wand 657; und Nephrotomie bei Ne-
phrolithiasis 656; bei Nierensteinen
253, 254; radiographische Indikatio-
nen 655.
Pyonephrose: 415; und Hydronephrose,
Entwicklung der 412; durch konge-
nitale Striktur des Ureters 422;
rechtsseitigge gonorrhoische 414; tu-
berkulöse okklusive 249.
Q
Quetschung der rechten Niere und des
Mesenteriums 401.
R
Radiodiagnostik in der Urologie 72.
Kadiographie: der Harnwege (Legueu,
Papin und Maingot) 863; bei Nieren-
steinen, Fehlerquellen bei 252,
Radioskopie der Niere 655, 776.
Radiumemanation als Diureticum %91.
Rektumvorfall bei Blasentenesmus 158.
Retentio urinae, Pituitrin bei 767.
Rheumatismus, gonorrhoischer 117.
1064 Sach-Register.
Röntgenbild gesunder und kranker Nie-
renarterien 640.
Röntgenbestrahlung: der Hoden als Ur-
sache von Prostataatrophie 925; bei
Prostatahypertrophie 144.
Röntgenstrahlen bei Nephritis 219.
Ruptur: der Blase 390; von Leber und
Niere 40; der Niere 643; der Ure-
thra 318, 587, 911.
S
Sakralniere, Appendizitis vortäuschend
642
Salvarsan: Ausscheidung desselben im
Harn 308; Einfluß desselben auf die
Nieren 209; hämorrhagische Nephri-
tis bei intravenöser Anwendung von
208; die Leber und die Niere 937.
Salzausscheidung im Diabetes insipidus
491
Samenblasen: Chirurgie der 334; Ope-
rationen an den 147, 927.
Samenstrang: intravaginale Torsion des
590, 591; Operation an den Hüllen
desselben 591; Torsion des 324.
Santalpräparate, experimentelle Bewer-
tung der 318
Sarkom: Mutation von Blasenpapillo-
men in 155; der Niere und Noria
stein 854; der Prostata 330; der
rechten Niere, Ruptur desselben
245; der Urethra 137.
Saugbehandlung der Urethritis der vor-
deren Harnröhre 487
Säuren im Harn 305.
Scharlach:EhrlichsAmibodenzolaldehyd-
reaktion im Harn bei 748; Fall
von vermehrter Glykuronsäureaus-
scheidung bei 940; Farbe des Harns
und Urobilinurie bei 748; Nephri-
tis bei 204; Urobilinogenreaktion
im Harn bei 747; Zystitis bei 774.
Schluckkrampf bei Operationen am
Harntraktus 941.
Schrumpfniere: durch Arteriosklerose
der Nierenarterien bedingte 838;
und Syphilis 210.
Schwangerschaft: akute Pyelonephri-
tis in der 259; Albuminurie in der
225; 847; Blasenkapazität in der
154; Hämaturie in der 505; Krea-
tinausscheidung in der 506; Nie-
rendiabetes in der 489; Pyelitis in
der 260, 404; Pyelonephritis in der
405; Störungen der Miktion in der
321; Toxämie in der 506.
Schwangerschaftspyelonephritis: chirur-
gische oder obstetrische Eingriffe
bei 405; und Nierendystopie 642.
Schwarzwasserfieber in England, Fall
von 494.
Schwefelreaktion im Harn Krebskran-
ker 303.
een bei inneren Krankheiten
94
Sectio alta, Blasennaht bei 399.
Sectio caesarea bei Eklampsie 846.
Sedimentierung mehrerer Körper mit-
tels Formolharnstoffs 301.
Sensibilität der Bauchhöhle 500.
Serodiagnose der Syphilis 335.
Signe du sou bei Tumoren des Hoden-
sackes 323.
Simulation einer Albuminurie 219.
Sklerose der Corpora cavernosa 128.
Spezifisches Gewicht des Harns bei
einigen Krankheiten 734.
Sphygmorenaler und harnsekretorischer
Koeffizient 675.
Spermien, Verwendung eines Klebe-
ER bei der Untersuchung von
7.
Spirochäten im Urin bei Nephritis sy-
philitica 686.
Staphylomykosen: der Harnwege, Son-
derstellung der 447; von ungewöhn-
licher Form in einer Niere und
paranephritischer AbszeB 669.
Stauungsniere, Funktion der 851.
Stein bzw. Steine: der Blase 396, 767,
945; der Blase und Prostata als Kom-
plikation bei der suprapubischen Pro-
statektomie 923; aus Blasendiverti-
keln 396; im Divertikel der Harn-
röhre 581; der Niere 251, 653, 656,
852, 853; der Nieren und Ureteren
654; der Niere, des Ureters und der
Blase 603; der Niere, des Ureters,
der Blase und der Urethra in einem
Falle 854; des Nierenbeckens 251;
der Prostata 760; des rechten Tre-
ters 59; des Ureters 165, 855; des
Ureters und der Blase 654; des
Ureters als Ursache hochgradiger
Harnretention und Blasenausdehnung
588; der Urethra 910; der Urethra
von ungewöhnlicher Größe 910; ure-
throprostatische 330
Stenosen: angeborene der Pars poste-
. rior der Harnröhre 22; beider Ure-
teren durch einen in der Scheide
befindlichen Fremdkörper 58; der
V. cava inferior oberhalb deren Ein-
mündung in die V. renalis 671.
Sterilisation und Aufbewahrung halb-
weicher Instrumente 34, 378.
Stickstoff des Serums bei Leberinsuf-
fizienz 940.
Stickstoffbestimmung im Harn 299.
Sach Register,
Stickstofferhöhung im Blut bei chroni-
scher Nephritis 212.
Striktur: gonorrhoische 317; der Harn-
röhre 911, 912, 913, 914; des Ure-
ters, kongenitale 422; der Urethra,
Hypospadie bei unpassierbarer 129.
Strauß-Grünwaldscher Verdünnungsver-
such für Diagnose und Prognose
der Nephritis 240.
Sublimat, Nierenläsionen durch 683.
Sublimatvergiftung, Anurie nach 231.
Syphilis, Albuminurie bei 687; der
Blase 192; hereditaria, hömorrhagi-
sche Nephritis bei 208; der Niere
mit amyloider Degeneration 209; der
Niere, Spirochäten im Harn bei 686;
und Schrumpfniere 210; Serodia-
gnose der 335; vesikale und ure-
thrale 774.
T
Tanargentan-Stäbchen bei Gonorrhöe
157.
Theoform, ein neues Diureticum 890.
Thermopenetration: und Heißwasser-
spülungen bei Gonorrhöe, Prostati-
tis und Urethritis 313; bei Prosta-
titis gonorrhoica chronica 327.
u an bei Harnröhrenstrikturen
914.
Thyreoidextrakt bei Enuresis 76.
Titrationsazidität des Urins 222.
Tod durch Gasembolie infolge von
Luftinjektion in die Blase 602, 603.
Torsion des Samenstranges 324.
Toxämie in der Schwangerschaft 506.
Toxizität des Harns bei Masern: 749.
nn anderen Intoxikationskrankheiten
49.
Tuberkelbazillen im Urin: bei Hoden-
tuberkulose 593; und Nierentuber-
kulose 248.
Tuberkulose: Albuminurie bei 687;Aus-
schaltung der Blase bei 772; der
Blase und Nieren 48; der Blase des
Ureters und der Niere 249; des
Genitalapparates, chirurgische Be-
handlung der 339; der Genitalorgane
bei einem Kinde 594; des Genital-
traktus 140; geschlossene der Niere
530; der einen Hälfte einer doppel-
ten Niere 92; der Harnorgane, Dia-
gnose und Behandlung der 4b,
71; der Hoden 593, 594; der
Nebenhoden 920; der Nieren:
528, 569, 648, Anfangssymptome
der 45, Behandlung 50; beiderseitige
49, Diagnose der 650, 735. Dia-
gnose und Therapie der 46, 47,
Frühdiagnose und Behandlung der
1065
735, hämaturische 649, Harninkonti-
nenz bei 48, bei Kindern 45, 647,
651; polyzystische einseitige 47; —
orthotische Albuminurie bei 223; des
Penis 907; der Prostata 597; und
Steinkrankheit der Niere 735; des
Urogenitaltraktus, Infektionswege
bei 507; des Vas deferens 920.
Tuberkulose der Nieren 956.
Transplantation von Gefäßen in Ure-
E und von Ureteren in Gefäße
673.
E und Indikan im Harn
96.
Trauma: Diabetes nach 61; der Ure-
thra, Paraffin bei Harnincontinenz
infolge von 126; als Ursache von
Hodengeschwülsten 919.
Trommersche und Fehlingsche Zucker-
probe 295.
Tumor: malignus des Hodens 919; der
Nebennieren 691; der Niere 243,
247, 647.
Tumoren der Blase: 700, 761, 762:
bei Arbeitern in Anilinfabriken 282,
345; Behandlung der 395; komplette
Exstirpation bei 393; von synuytia-
lem Bau 269.
Typhus, absteigende Infektion der
Harnwege bei 507.
U
Ulcus simplex vesicae 932,
Ulzeration der Blase 610.
Universal-Spülansatz 387.
Unna-Pappenheimsche Färbung an
drüsigen Organen 337.
Urachus, durchgängiger 389.
Urachusfistel 770.
Urämie: und Ammoniämie 226: At-
mungsstörungen bei 229; auffallende
Erscheinungen in einem Falle von
844; Bradykardie bei Urämie 230;
Cerebrospinalflüssigkeit bei 228;
gegenwärtiger Stand der Frage der
844; und Harnstoffgehalt des Blutes
226; Lumbalpunktion bei 230; Mor-
phinbehandlung der 231; eine Säure-
vergiftung? 225, 226; Verhalten des
Reststickstoffes des Blutes bei 221,
228.
Uraturie 572.
Ureosekretorische Konstante, klinischer
Wert der Interpretation der 847.
Ureter bzw. Ureteren: Abknickung des-
selben und Pyelektasie 574: akzeg-
sorische 690; chirurgische Behand-
lung der Steine desselben 855: eysti-
sche Erweiterung des vesikalen En-
des desselben 5-11; Diagnose der chi-
rurgischen Erkrankungen desselben
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73 KÉ
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1066 Sach-Register.
861; doppelte 580; Epispadie mit nor-
malen 582; intraparietale Steine des-
selben 855; Inzision zur Freilegung
desselben in seinem Beckenanteile
860; kongenitale Dilatation der
255; kongenitale Mißbildungen der
56, 564; kongenitale Striktur des-
selben 422; und Nierenanomalien,
Diagnose der 166; operative Behand-
lung überzähliger aberranter 429;
plastische Operationen am 667; Ste-
nose derselben durch einen in der
Scheide befindlichen Fremdkörper
58; Transplantation 418, 423, 673;
Tuberkulose desselben 249; Vorfall
desselben 396; zystische Erweite-
rung des vesikalen Endes desselben
517.
Ureterektomie, totale 423.
Ureterenkatheterismus: 158; Asepsis
des 624; bei geöffneter Blase 422;und
Nierenbeckenspülungen bei Uretero-
pyelonephritis 409; und Zystoskopie
bei direkter Besichtigung 775.
Ureterenkystoskop mit Vorrichtung
zum leichten Auswechseln der Ka-
theter 624.
Ureterentransplantation nach Maydl
mit der Modifikation nach Berglund-
Borelius und „Mysch 58.
Ureterolithotomie bei kalkulöser An-
urie 856.
Ureteropexie wegen Hydronephrose in
einer Hufeisenniere 39.
Ureterplastik mit Gefäßtransplantatio-
nen 57.
Ureteropyolonephritis, Ureterenkathe-
terismus und Nierenbeckenspülungen
bei 409.
Uretersteine: 59, 251, 423, 530, 588,
603, 654, 854, 858; eingeklemmte
856; Fall von 165; Methode zur Er-
leichterung der Passage der deszen-
dierenden 859; operative Behandlung
der 858; Pyelographie bei 655; Pro-
stata- und Blasenkarzinom, Blasen-
steine und Uropyonephrose bei einem
Patienten 942.
Ureterverdopplung 555.
Urethra: angeborene Stenosen der
Pars posterior der 22; Angiom der
137; ausgedehnte Resektion 914;
Divertikel der 580; Exzision des pro-
statischen Teiles der 145; Fremd-
körper in der 579, 588; Harnablei-
tung bei Operationen in der 133;
infizierte akzessorische 320; Messung
und Darstellung der hinteren 909;
primäres Sarkom der 137; Striktur
der 913, 914; Technik operativer
Eingriffe im: hinteren Teile der-
selben in Wossidlos Operationsure-
throskop 132; traumatische Ruptur
derselben mit ‘vollständiger Ab-
lösung der Blase von der Symphyse
318; bei Vesiculitis 605; Vorfall der-
selben bei einem kleinen Mädchen
590; Wiederherstellung derselben
durch Urethrorrhaphie mit Harı-
ableitung 133; Zerstörung derselben
bei der Geburt 321.
Urethraldefekt, Ersatz desselben durch
die Vena saphena 133, 915.
Urethraldivertikel 581. E
Urethraldrainage und Behandlung der
chronischen Urethritis 319.
Urethralerkrankungen 181.
Urethralfistel: Heilung einer seit 4 Jah-
ren bestehenden urethralen durch
GEN Plastik 759; perineale
73.
Urethralgonorrhöe, Okklusivspüldilata-
toren zur Behandlung der weiblichen
und der hinteren männlichen 12],
Urethralkarzinom der Fossa navica-
laris 30. -
Urethralruptur: 164; Behandlung der
totalen 586; moderne Behandlung
der 911.
Urethralsteine: 854; bei Bilharzia-
krankheit 97; Kenntnis der 134;
von ungewöhnlicher Größe 910.
Urethralstriktur: angeborene 911, 912;
Hyperämie hervorrufende Bougies bei
320; Hypospadie bei unpassierbarer
129
Urethrektomie, totale 134.
Urethritis: abortive Behandlung der
gonorrhoischen 123; Arthigon bei
882 ; Antimeningokokkenserum bei go-
norrhoischer 316; Behandlung der
chronischen 319; Diagnostik der 484;
gonorrhoica bei einem Kinde 15%;
gonorrhoische 756; nicht gonorrhoi-
scher Natur 585; Thermopenetra-
tion und Heißwasserspülungen bei
315; Vesiculitis und Epididymitis
134; der vorderen Harnröhre, Sayg-
belung 487.
Urethrorrhaphie und Harnableitung,
Wiederherstellung der Urethra durch
133.
Urinal für Zystotomierte 930.
Urinasche, Reaktion der 302.
Urinaziditätstitration, praktischer Wert
der 303.
Urobilin und Harnsäure, Veränderun-
gen in der Elimination derselben bei
kurzdauernden Kaltwassereinwirkun-
gen 502.
Sach-Register.
Urobilinnachweis mittels Kupfersulfats
747.
Urobilinogenreaktion im Harne Schar-
lachkranker 747. |
Urobilinurie und Farbe des Harns bei
Scharlach ‘748.
Urogenitalapparat: Anomalie desselben
75; Diplococcus des 78; Infektions-
wege bei Tuberkulose desselben 507.
Urogosan 573.
Urologie: amerikanische im Jahre 1911;
historische Beiträge zur 733; Radio-
diagnostik in der 72; als Wissen-
schaft und Lehrfach 786.
Urologische Chirurgie 782.
ÜUrophthise, differentielle Diagnostik 70.
Uropoetisches System und Appendizi-
tis 73.
Uropyonephrose, Prostata- und Blasen-
karzinom, Blasensteine und Ureter-
stenose bei einem Patienten 942.
Urotropin, Arzneiexanthem nach 782.
Uterusexstirpation, Koliinfektion der
Blase nach 935.
Uteruskarzinom, Blase bei 928.
Uvula vesicalis und deren Beziehungen
zur Prostatahypertrophie 928.
V
Vakzinebehandlung: bei Gonorrhüe des
Mannes 119; der gonorrhoischen
Komplikationen 118; gonorrhoischer
Warzen 906; der Haut- und Ge-
schlechtskrankheiten 78; der Infek-
tionen der Harnwege 705.
Varicocele scroti, Operation der 325.
Vas deferens, hämatogene Tuberkulose
des 920.
Verdopplung der Ureteren 588.
Verletzungen der Niere 399.
Veru montanum, Entzündung des 131.
Vesicaesan bei Erkrankungen der Nie-
ren und Blase und bei Gonorrhöe
218, 784.
Vesicovaginalfistel 936,
Vesieulitis: Befund in der Urethra
posterior bei 605; Urethritis poste-
rior und Epididymitis 134.
Vorfall der Urethra bei einem kleinen
Mädchen 590.
WW
Wanderniere: und Appendizitis 402; Ne-
phritis einer 402. Nephropexie bei
50; Operation einer durch Anhängen
mittels eines Kapselzügels an der
XII. Rippe 408.
Wasserretention bei
Diabetiker 62.
Haferkuren der
1067
Werlhofsche Blutfleckenkrankheit, ne-
phritische Form der 206.
Wochenbett, Blasenkapazität in dem
154.
Wochenbettdiätetik u. Gonorrhöe 904.
Wismutpaste, Heilung einer perinealen
Prostatafistel durch 143.
Wrightsches Gonokokkenvakzin bei go-
norrhoischem Rheumatismus 119.
Y
Yohimbin: bisher unbekannte Neben-
wirkung desselben 79; Spiegel 784.
Z
Zeugungsfähigkeit bei bilateraler Ne-
benhodentuberkulose 920.
Ziegennieren-Serumtherapie bei chro-
nischer Nephritis 214.
Zucker des Harns, Unterscheidung der-
selben mittels Farbenreaktionen 742.
Zuckerbestimmung im Urin 490.
EE doppelte reduzierende
Zylinderepithel der Urethra und Testi-
kel bei Gonorrhoikern 589,
Zysten: der Harnblase 609; der Neben-
nierenkapsel 693; der Niere 659;
pararenale 661.
a wegen Karzinomrezidivs
6
Zystenniere 255, 513, 515, 658.
Zystinurie 901.
Zystitis: Behandlung mit Blasencuret-
tage und zeitweiliser Blasenfistel
933: chronische 612; colli prolife-
rans 8. vegetativa Pat.o.ome und
Therapie der 81; emphysematosa
611; und Harnantiseptica 152, 612;
Joddämpfe bei 612; kleiner Mädchen
156; Polvpenbildung am Orificium
urethrae der weiblichen Harnblase
bei 891; postoperative 152; bei
Scharlach 774.
Zystoradiographie 156.
Zystoskopie: bei Blasensteinen 764,
165; mit direkter Besichtigung 775;
bei Prostatahypertrophie 328,
Zystotomierte, Urinal für 930.
Urethrorrhoea ex libidine, Prostata-
elemente bei 589.
Urethroskop: von Luys, Modifikationen
am TTT; verbessertes 916,
Urethroskopie, Instrumentarium
589.
Urethrostomia perinenlis 913,
Urethrothermische Therapie 135,
Urethrotomie, interne und externe 537.
en Ne Fall von
321.
zur
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Namen-Register.
*A bderhalden 949, 952, Bachmann 339.
954.
Abels 156.
Abetti 416.
Ackermann 901.
Adams 4l.
*Addis 872.
*Adler 870.
*Aemmer 283.
*Ahlfeld 633.
Ainley 782.
*Albarran 146, 159, 268,
288 307, 321, 407,
409, 535, 625.
*Albeck 260.
Albert 48.
Albrecht 760.
Alexandrow 579.
Alhaique 642.
*Allbutt 210.
Alsleben 306.
*Altonkhow 159.
Ambard 427.
*Ambard 106.
Anderson 205.
*Andral 14.
André 48, 389.
*Andreae 736.
Andres 246, 591.
Andrews 405.
Anglada 658.
Anpherlik 414.
Arcelin 251, 658.
Armstrong 906.
*Arnaud 935.
Arning 121.
Arnold 687.
Aronson 313, 479.
*Aronson 749.
*Aronstamm 349.
*Asch 192.
Aschoff 682.
*Aschoff 819.
Askenstedt 297.
*Assadrian 556.
Aureille 895.
Autenrieth 296.
*Auszterveil 553.
Averbuch 575.
Azema 424.
Bachrach 251, 759, 930.
*Bachrach 729.
Badin 930.
Baehr 840.
“Baer 159, 729, 929.
*Baginski 632.
Bain 304.
Baldwin 901.
*Ballantyul 232.
Ballenger 141, 588.
*Ballenger 349.
*Balthasar 425.
Barjon 247.
Barker 688.
Barrenscheen 236.
Barrenschen 841.
*Barth 277, 615, 622.
Bassal 424.
Bastianelli 931.
*Baszy 537.
*Battez 570.
*Bätzner 775.
Bauer 842.
*Bauer 738.
Baum 254, 661.
*Baum 538.
Baumgarten 69.
*Baumgarten 594, 920.
Bazy 253, 419, 776, 835.
*Bazy 564, 569.
Beall 648.
Beaufomé 232.
Beauvy 421.
*Bedmar 26.
*Beer 395, 638, 729, 930.
*Begg 349, 351.
Bell 300.
*Bell 920.
Benard 259.
Benda 962.
*Benda 920.
*Bengler 545.
Bennighof 8%.
Bérard 72, 218.
*Beredska 571.
Bergell 299.
* bedeutet nur zitierten Autor.
Berger 125.
*Bergmann 575.
Bériel 229.
*Bernard 875.
Bernaro 916.
Berner 658.
*Bertolotti 729.
‘de Beurmann 335.
Beusa 924.
Beyer 751.
Beynard 931.
*Bial 744.
*Bichat 13.
Bieling 746.
*Bjer 552.
Bierast 308.
*Bigelow 786.
*Bilharz 103.
*Birch-Hirschfeld 644.
Birk 411.
van Bisselick 659.
*Bizarri 556.
*Blackmann 17.
Blanc-Perducet 676.
Blecher 269.
*Bleech 866.
Blum 63, 156, 259, 159,
775.
*Blum 536, 729.
*Blumenkranz 942.
*Boas 336.
Bode 58.
*Boden 812.
Boeckel 48, 389.
*Böhme 725, 729.
*Bondi 633.
*Bonfigli 14.
*Bonnabont 556.
Bonnamour 119.
*Bonnet 27.
*Borchardt 743.
Borelius 845.
Boross 856.
Boskay 128.
Boss 158.
Boter 39.
Bouget 414.
*Boulet 570.
Boulud 427, 676, 688.
*Boulod 568.
Bouvier 919.
Bovier 688.
Brandweiner 753, 902.
Brauer 335.
Braun 864.
*Braun 200.
*Brenner 88, 160.
*Bright 786.
Brin 396.
*Bristow 349.
Britnew 134.
Broca 582.
*Broca 17.
Brocks 150.
Brodfeld 585, 938.
*Brodie 787.
Brodin 940.
. Bromberg 849.
Brosch 67.
*Brown 872.
Bruck 755, 904.
“Bruck 335, 349,
106, 906.
*Bruns 866.
*Buchner 743.
Bucklin 587.
Bucky 762.
*Bucky 729.
*Budd 26.
Büdinger 129.
Buerger 650, 835, 859,
929, 932.
Bull 139,
*Bumm 634.
*Burchardt 823.
*Burckhardt 30, 277,
618.
Burger 689.
*Burkhard 131.
*Burow 559.
Burg 76.
*Buschke 26.
Buss 299,
Buteau 120.
*Buttler 349.
*Byers 233.
Bystrow 574.
300,
Cabot 858.
Caesar 615.
Caforio 325.
Cammidge 69.
*Campagnolle 833.
van Capellen 675.
Carforio 594.
*Carrel 872.
Carter 230.
*Cartor 952.
Mc. Carthy 394.
*Carvonen 101.
Namen-Register.
Casanello 207, 607.
Caspari 662, 667.
Casper 175, 700, 772.
*Casper 159, 315, 316,
409, 536, 622, 729,
786, 865.
*Casselin 546.
Cathelin 51, 255, 399.
*Cathelin 154, 159, 537.
Ceelen 641.
Challier 662.
Champel 760.
*Charcot 13.
Charteris 901.
Chassaignac 556.
Chavannar 257.
*Cheatwood 135.
*Chevalier 572.
Chevassu 239.
*Chevassu 106.
*Chevkounenko 159.
Chiasserini 422, 673.
*Chipman 233.
*Cholin 574.
Cholzow 574, 577, 578.
Christian 767.
Chrobak 632.
Chudovscky 935.
*Churchill 349.
*Civiale 786.
*Clado 2.
*Claisse 870.
*Claude 425.
Claudius 294.
*Clark 17.
Clarke 157.
Clowe 314.
*Cmunt 874.
Cohn 225, 408, 779.
*Cohn 551.
*Coley 706.
Collica 417.
Collin 769.
Comtas 130.
Conradi 308.
Constantinesco 48.
Conzen 849.
*Cooke 349.
Cordero 3:0.
de Cortes 592.
Cotte 401, 590.
Courmont 676.
Cremieu 688.
de Crespigny 658.
Crew 259.
*Crile 872.
*Cruveilhier 571.
Cuneo 389.
*Curran 91.
Curtis TS2.
1069
Czablewski 332.
*Czerny 585.
van Dam 608.
Damask 209.
Damsky 576, 578.
*Daumay 215.
Davies 138.
*Davis 725, 727.
Dechanow 58.
Declouse 211.
Dehen 73.
*Delagénière 380.
Delbet 421.
*Delefosse 380.
*Dembskaja 349,
351
Le Dentu 594.
*Le Dentu 787.
Derewenko 577.
Descuns 330.
Desgouttes 584.
Desnos 72.
*Desnos 409.
*Deutsch 238.
Diamantis 836.
*Diday 87.
Didier 302.
Dienst 644.
Dietl 687.
*Dittel 787.
Dmitrieff 574.
Dobrotworsky 98.
Döderlein 694.
*Dohi 550.
Dominici 57.
*Donath 310.
Douglas Drew-Soho 854.
*Douglas 233.
Doutrelepont 333.
*Doyen 576.
Dransfeld 916.
Dreyer 935.
Dreyfuß 654.
*Duclause 215.
*Dubrowin 349.
Ducastaing 613, 774.
Dudgeon 78.
*Dudgeon 946.
Dufaux 378.
Duhot 776.
Duymaer van Twist 951.
Dumont 667.
Duncan 115.
Dutoit 214.
Duvergey 323.
350,
Ebeler 767.
Ebert 250.
1070 Namen-Register.
*Ebstein 103, 800, 945, *Feuerstein 349. Gardini 654.
948, 954. *Finger 551, 737. Gardner 314, 781.
*Edebohls 217. Finkelnburg 60. *Gardner 105, 536.
Edelmann 780. Finsterer 606. *Garrè 254.
Edgeworth 781. Fischel 597. Garrow 245.
Edmunds 582. Fischer 407, 784, 837, Gasbarrini 221.
*Ehrendorfer 30. 917. *Gaskell 211.
Eichhorst 206. *Fischer 282, 743. Gaston-Pirot 774.
*Eigenbrodt 280. ‚Firth 76. Gate 247.
Eisendrath 56. Flatow 746. Gauthier 47, 323, 925
Eising 116, 136. Flesch 338. Gayet 246, 392, 396, 414,
*Eisenlohr 149. *Flügge 379. 427, 585, 648, 760,
Ekehorn 669. Foa 323. 913.
Ekler 642. *Folin 289. *Gayet 415.
Elder 141, 583. Fonniggini 413. Geddes 39, 128,
Eliot 667, 781. Forschbach 839. *Le Gendre 16, 19.
*Elsbergs 873. *Foster 290. Georgopulos 842.
Elschnig 895. *Fourcaud 380. *Geraghty 160, 237, 782
*Emödi 550. Fowler 923. *Germain 2, 20.
Engelen 844. Frangenheim 244. Gerster 306.
*Engelmann 196. Frank 762, 773, 782, Gervis 846.
m: 26, 30, 33, 280. 912. Gibbons 846.
*Enoch 379 *Frank 34, 159, 160, Gibson 40.
Eppinger 216, 236. 379, 380, 381, 551, Gill 906.
*Eppinger 781. 729, 823. *Gill 787.
Ernberg 202. Franke 839. *Girard 556.
Erne 680. Fränkel 222. Girdlestone 40.
Erlacher 756. v. Frankl-Hochwart 334. Girgolow 581.
Escalon 308. *Freudenberg 625, 698. Giudice 606.
Etienne 408. Frey 211, 230. Giuliani 415.
*d’Etiolles 787. Freyer 144, 922. *Glasstein 575.
Ewer 742. *Freyer 104, 488, 923, Gleim 891.
*Eyre 349. 945. *Glingar 759.
*Fricke 553. *Gluge 17.
Fabre 588. v. Frisch 747. *Göbel 100, 951, 954.
Fahr 682. *v. Frisch 737, 786. *Godard 26, 546.
Falcone 40. *Frisch 536. Goldberg 240, 765.
*Faller 280. Frith 312. Goldberger 104.
Fano 594. Fritsch 784. *Goldsborough 782.
Farkas 317. *Fritsch 621. Gole 909.
Farnarier 612. *Fromme 349, 678, 679. *Golling 866.
Faroy 209. Froment 688. Gomolitsky 840.
Faxton 781. Fuchs 746. *Goodmann 873.
Fayol 414, 604, 649, *Fuchs 26. Gorasch 573, 576, 579,
760. Fulci 207. Gorden 591.
*Fayol 396. Fuller 117. *Gordon 946.
| Fedoroff 580. *Fuller 16. Gorodichze 158.
| *Federoff 536, 545. Fullerton 600. Gorodistsch 81, 577, 578.
Fehling 613, 936. Fulton 332. Gorse 591.
i *Fehling 634. Funk 296. *Gosset 571.
Sal z Feiber 767. Le Fur 246. Götzl 597.
sr Fejes 896. Fürbringer 920. *Gougerot 335.
ee *Felecki 17. *Fürbringer 550. Gouilland 661.
SE v. Feleky 123. Graefe 404.
+: Fenwick 71. Gaillard 307. Grande 252.
E *Fenwick 252, 576, 879. Gailliardot 329. *Grandidier 867.
ei Feri 298. Galausino 219. *Grau 874.
is *Ferria 729. *Galippe 571. Graves 836. `
er. Ferron 647, 765, 775, Galland 129. Greenberg 776.
2 929. *Gansail 545. *Greenhalgb 19.
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5
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4
Namen-Register.
Gregoire 39. Heitz-Boyer 401, 652,
*Creifenhagen 538. 181.
*Griffith 233. *Heitz-Boyer 133, 160,
Grinenko 579. 389, 129.
Groll 421. *}jeitzmann 307.
Grosglik 154. Heller 1, 960, 961.
*Grosglik 869. *Heller, 16, 17.
Grossmann 299. Hellier 846.
Gruenbaum 616. *Henderson 946.
Grunert 601. Henn 220.
Grund 69. *Ilenry 17.
Grussendorf 398. Herbst 126.
*Gubarew 575. Herman 909.
Gubermann 577. Herrenschmidt 421.
Guggisberg 116. Herrmann 222.
*(Suggisberg 3149, 351. *Herry 871.
Gundermann 322. Hertle 391.
*Gurlt 283. Herz 664.
*Gussew 575. Herzog 752.
Güth 127. Hess 690, 547, 778.
*Gutmann 872. *Hess 781.
*Guyon 146, 260, 322, Hesse 748.
381. *Hesse 874.
Guyot 609. Heubner 237.
*Heussner 159.
*Heymann 91.
Hildebrandt 684.
*Himmelfarb 15.
*Halberstädter 752.
v. Haberer 419.
*Haberern 192. Hiob 665.
Habetin 842. Hirsch 210.
Hadda 219. *Hirsch 945.
Hagen 34. Hirschberg 931.
*Hagen 349, 378, 880, Hirschel 864.
981, 384. Hirschfeld 838.
Hagner 393. *Hobson 946.
Hahn 208, 593. Hoch 753, 902.
Haim 771. *Hochgesang 946.
*Hall 18, 232. Hoeniger 61.
*Halle 33. Hofmann 586, 685.
Hamburger 222. v. Hofmann 126.
*Hamilton 349. Hogge 158.
Hammond 590. Hohlweg 46, 227, 854.
*Handl 888. *Hohlweg 288.
Hannes 904. *Iloländer 338.
*Hanslian 949, 952, 954. Holliday 317.
Harpster 395. *Holma 736.
Harrison 612. *Home TST.
Hartelust 66. Horand 134.
Hartmann 928. *Horasch 530.
“Hartmann 321, 569, 570. Horner 837.
Harttung 645, 691. *Horst 17.
Harzbecker 55. von Hößlin 220.
Hauch 640. Hottinger 609.
Häuer 588. *ottinger 33
*Haultain 233. *Houghton 952.
Hausmann 747. Hourtoule 402.
*Heard 233. Houzel 608.
*Heilmann 823. *Hovelaque 389.
Heinecke 22, 312. Hübner 19.
Heinrich 121. *}uldschiner 284.
1071
*Humphrey 1%, 19.
Hyman 605.
Igel 219.
Ikonnikow 517.
*Iljin 349.
v. Illyes 653, 657.
Illyes 213, 801.
*Irons 349.
*rving 119.
Isobe 681.
Israel 173, 176, 262, 417.
*Israel 95, 263, 267, 345,
409, 535, 537, 538,
646, 804, 7187.
Jabaunet 576.
Jaboulay 253.
*Jaboulay 134.
v. Jacksch 304.
Jacob 129, 739.
Jacobi 335.
*Jacobi 160.
von Jaddassohn 336.
*Jaddasson 34, 379.
de Jaeger 296, 301.
*Jaeger 150.
Jaffé 337.
v. Jaksch 65.
Janet 589, 753, 903.
*Janet 123, 379, 380,
894.
Jansen 582.
Janssen 70, 157.
*Janssen 143.
Japitat 247.
Jardine 846.
*Jarjarai 26.
*Jarvis 349, 351.
Jaschke 157.
Javal 226, 667.
Jawein 336.
*Jawein 350.
Jeanbrau 320, 408.
Jerer 417.
Jehle 687, 841.
*Jehle 221.
Jenchel 923.
Jensen 127.
Jianu 418, 669.
Jocelyn 647.
Johansson 405.
*Johnston 948.
Jolles 293.
*Jolles 748.
Jordan 152.
*Jordan 233.
*Jörgensen 706.
Joseph 143, 164, 167,
180, 717, 914.
BR-
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1072
*Joseph 802.
*Joung 105.
Jungk:nns 125.
Justi 208.
Kahn 396.
*Kalın 422,
Kakels 642,
Kalenitschenko 581.
Kanéra 252.
*Karaki 30.
Karas 744.
Karewski 340.
Karo 142, 780.
*Kaufmann 97, 99, 108,
*Katzenstein 34, 36, 379,
671.
Kavallier 218.
Kayser-Petersen 684.
Mc Kee 758.
Keenan 245.
Keil 120.
*Kelly 258.
*Kermauner 233.
*Kerr 233, 946.
Keyes 129, 237.
Kidd 860.
Kielleuthner 248, 929.
*Kjeldahl 289,
*Kleinschmidt 801.
*G. Klemperer 813.
*Klemperer 865, 808.
Klotz 769.
Klukow 418.
*Kneise 88, 729.
*Knorr 91.
Kobelt 320.
Koch 670, 751.
*Koch 594.
*Kojo 337.
*Kollmann 88, 159.
Kolossow 230.
*Komatzusaki 556.
*Kommandeur 26.
*Königsfeld 294.
*Konjajeff 892.
Koränyi 789.
*Kornfeld 894.
Kowanitz 788.
*Krause 581.
*Kreps 109.
*Kroemer 729.
Krönig 694.
*Krönlein 935.
Kropeit 761.
*Kuhn 755.
Kümmel 146, 150, 217.
*Kümmell 110, 278, 536,
538
*Kumita 802.
Namen-Register.
*Küstner 633.
Kusnetzky 574.
Fee 283, 399, 945,
*Kussmaul 875.
Kutner 177.
*Kutner 729, 730.
Küttner 40.
*Küttner 536, 537.
Kyaw 315.
*Ladislaus 556.
Laeassaque 922.
*Lagane 572.
*Lallemand 130.
*Lambotte 159.
Lampé 68.
"de Lamy 215.
*Landsteiner 310.
*Lange 26, 556..
Langer 745.
Lapasset 325.
Lapeyre 339.
*Lasnier 213,
Lautenschläger 147.
Läwen 856.
*Lebert 13.
Lebreton 754.
Lebrun 588.
Lecöne 667.
*Lecène 321.
Lederer 116.
*Lederer 26, 27.
Leede 204.
Lefèvre 610.
Legarde 678.
Legueu 75, 329, 613,
678, 847, 863.
*Legueu 215, 399, 569,
873.
*Leichenstern 282.
Leimdörfer 226.
*Lejars 16, 17.
Lemoine 611, 855.
Lengemann 397.
*Lenné 808.
Lenkei 749.
Lenormant 74.
*Lepine 568.
Leschneff 574, 575, 579.
*Leschner 552.
*Lesourd 2.
Lett 74.
Leuenberger 155.
*Leuenberger 283, 286.
Levison 211.
Lewin 282, 345, 387.
*Lewin 282, 349, 411.
Lewinski 907.
Lewis 858.
Lewy-Weißmann 914,
*Leyden 875.
Licini 145.
v. Lichtenberg 410.
Lichtwitz 703, 810.
*Lichtwitz 801.
Lieben 760.
*Liebetrau 892,
*Lieblein 97.
Liepmann 243.
Lilienthal 861, 870.
Lindemann 309.
Liokumowiez 579.
Lippens 142.
Lippmann 206.
Lissmann 595, 921, 938,
*Litten 803.
Lloyd 217.
Lobenhoffer 850.
*Loeb 13, 379, 380.
Lohnstein 630, 698,
*Lohnstein 729.
*Long 349,
Loose 759.
Lorenzani 423.
Lorthrior 609.
*Lotsch 920.
Loumeau 330.
*Low 335.
*Löwenfeld 337.
Löwenstein 593.
*Löwenstein 35.
L
Lundsgaard 926.
*Lusitanus 17.
*Luslyes 158.
Luys 321, 335, 589, 758.
*Luys 159.
*Luzatto 833.
Lydston 130, 141.
*Mackenrodt 932.
Mackay 78.
Macharen 249.
Maclean 295.
*Madden 98.
*Madelung 14.
Maignon 902.
*Maillet 13.
Maingot 868.
*Maisonneuve 787.
*Makkas 389, 397, 537.
*Malassez 547.
Maly 766.
*\fanasse 824.
Mankiewicz 865.
*Mankiewicz 345.
*\antel 14.
*Marce 546.
*Marchand 14.
de Marchis 228.
Marcuse 326.
Marino 310.
Marion 50, 133, 143, 164,
252, 328, 402, 422,
537, 582, 600, 603,
650, 654, 729, 764,
110, 781, 844, 91l,
941.
*Marion 879, 915.
Marinesco 140.
Mark 137.
*Markus 135.
Marngot 156.
Marque 647.
St. Martin 911.
Martinet 675.
*Martini 16, 19.
Martius 269.
Maschke 918.
Maison 78.
#Matthias 13.
*Matthes 737.
*Matthews 351.
Matsuokyoto 310.
*\{atzenauer 89, 90.
Maudaire 140.
*Maute 349.
Mautner 749.
Mayer 821.
*Maver 949.
*Medico 16.
Medina 739.
*\feissner 816.
*Melchior 307.
*Menzer 349, 351.
*Menzikowski 349.
*Mercier 787.
Mériel 153.
*Merieuse 307.
*Merkel 14.
Merklen 677.
*Merkuriew 349, 351.
*Mey 288.
Meyer-Betz 257.
Meyer 68, 890.
*Mever 215, 950.
*Michaelis 349.
Michailow 564.
*\Michailow 192.
Michel 330.
*Michelsohn 536.
Michin 73.
Zeitschrift für Urologie.
Namen-Register.
Michon 587, 913.
*Michon 569.
Milenuschkin 581.
Milla 898.
Millis-Kennedy 846.
*Minkowski 816.
*Miorsek 215.
*Mirabeau 260, 713.
Mirotworzew 579.
Mirowski 62.
Mitchell 770.
*Mitchell 17.
Mittendorf 757.
Miyata 919.
Moewes 295, 742.
*Moll 921.
v. Monakow 236.
*Monteggia 515.
*\onod 935.
*Moore 211.
Morand
Morat 226.
Morel 937.
Moreno 239.
*Moritz 801.
Moriani 590.
*\lörner 802.
Morris 138.
Moser 403.
Mosler 216.
Mosny 667.
Motz 595.
*Motz 892.
Mouriquand 937.
Mucharinsky 885.
*\ucharinsky 192.
Mühsam 133, 317, 915.
Müller 119, 122.
*Müller 874.
Mulzer 125.
Münnich 52.
Münzer 226.
Murakami 407.
Murard 72, 390, 675
Myers 297.
*Nagal 632.
*Murray 233.
Nakano 545.
Narath 402.
Nasetti 329.
*Necker 106.
*O’Neil 782.
Neisser 335.
*Neitzel 7-43.
*Neufeld 351.
Neuhäuser 212.
*Neuhäuser 538.
Neumann 744.
*Neumann 154, it
1913.
1073
Neve 854.
Newman 612.
*Newman 152.
*Nicolaier 816.
*Nicolau 637.
Nicoli 595.
Nicolich 393, 602, 656,
661.
*Nicolich 159.
*Nitze 13, 159,
788.
Nobécourt 202.
*Nobécourt 871.
*Nobl 335.
Nogier 655, 766, 776.
*Le Noir 568.
*Nolf 871.
*Nonne 869.
Nonnenbruch 851.
von Noorden 68, 334,
839.
*von Noorden 235.
Nothmann 780.
Nové-Josserand 47, 683.
Ochlecker 390.
Oelsner 535.
*Oesterreicher 332.
Ollerenshaw 655.
*Olpp 916, 951, 952.
*Olshausen 13, 17.
v. Ondrejovich 300.
Ogden 741.
*Opitz 260.
Oppel 574.
Oppenheimer 728, 940.
*Oppenheimer 803.
*Ord 800.
d’Oria 671.
Orlowski 88, 130, 303.
*Orlowski 921.
*Oscar 349.
Osenstätter 50.
*Oszacki 288.
*Ott 159.
Ottow 331.
*Ottow 930.
*Paget 18.
Pal 229.
Palazzoli 891.
Panoff 118.
*Panse 98.
Parakh 935.
Papin 156, 863. o
*Paris 546.
Parisot 62.
Parker 134, 838.
*Parker 940.
Partig 688.
70
624,
1074
Pasenal 855.
*Pasteau 409.
*Pasteur 787.
Pauchet 75, 604.
Pawlicki 416.
Pawloff 690.
*Pechmann 294.
Pedersen 313, 603, 309.
Pehl 518.
Peiser 321.
*Penzoldt 743.
Pepper 681.
Pereschiwkin 581.
*Pereschiwkin 192.
Périneau 409.
*Pernet 335.
Persson 319.
*Perussia 871.
*Peter 546.
Peukert 664.
*Pfannenstiel 334.
Pfister 97, 589, 764, 945.
Pflanz 216, 688.
Philipp 844.
*Philipps 19.
Phocas 591.
Picker 192.
Picot 408, 690.
Picqué 59.
Pilcher 762.
Pilon 688.
*Pinoff 743.
Pizzigalli 691.
*Poggi 393.
Poggiolini 681.
Pohl 318.
Polcenigo 415.
Policard 74, 642, 937.
Pollano 757.
Polosson 936.
*Poncet 380.
*Ponomarew 575.
.*Poppert 280.
Porges 226, 843, 900.
*Porosz 961.
Porter 940.
Portig 228.
Portner 905.
Posner 277, 282, 284,
799.
*Posner 28, 168, 411,
551, 948.
Potherat 389.
Poulsen 901.
Pousson 656, 663.
*Pousson 263, 321.
Powell 916.
*Pozzi 19.
*Preindisberger 950.
*Preiswerk 30.
Namen-Register.
Pribram 65, 304, 305.
Pringle 593.
Pringsheim 899.
Pristanesco 770.
*Pritchard 821.
*Prosorowsky 234.
*Prowazek 752.
Pulawski 843.
*Pullmann 869.
Putzu 324, 604, 607, 942.
Quinke 311.
Rafin 45, 307, 655.
*Rafin 537, 539.
*Raiwey 800.
*Rauber 25.
*Raulot 837.
*Rayer 1, 787.
Reiter 779.
*Reiter 349, 351.
*Rehn 282.
Renaud 895.
Renner 420.
*Répin 2.
*“Reyer 954.
Reynard 251, 766.
Reynaud 423, 655.
*Reynes 409.
Reynolds 251.
*Ribbert 282.
*Ricard 556.
Riche 693.
Richter 735.
*Richter 875.
*Ricord 546.
Ridder 685.
Riedel 911
*Ringleb 159, 160, 387,
628.
Ritter 53, 671.
*Roberts 891.
Robinson 245.
Rocchi 326.
jf Rocher 647.
Rochet 49, 133, 651.
*Rochoux 546.
Rodillon 750.
*Roger 572.
Roismann 771.
Rohleder 138.
*Rolly 727.
Roman 251.
Roosen 771.
*Rovsing 143, 214.
Roque 662.
*Rosin 743.
Rost 244.
*Rosthorn 632.
Roth 179, 821.
Roucayrol 131.
*Rougon 547.
*Roux 14.
*Routh 33.
*Rowatren160, 237, 782
*Roy 1, 20.
Rubner 678, 679.
"Rüdiger 874.
"Ruge 952.
Rumpel 166, 178, 541.
*Rumpel 345.
*Ruppauer 611.
Russell 129.
*Russo 215.
Rutherford 910.
*Ruysch 11.
*Saaffeld 319.
Sachs 756, 782.
*Sahli 871.
Salkowski 739.
*Salkowski 337.
Salle 316.
Salomon 303.
*Salomon 336.
*Salomonsen 706.
*Samter 932.
Sand 647.
Sanders 605.
*Sänger 14.
Sarvonat 302.
Sasaki 925.
*Sasel 874.
Savy 676.
Saxl 303.
Scalone 671.
*Schade 801.
*Schäffer 645.
Scharff 135.
*Scharlieb 233.
*Schauta 18, 20.
*Schede 865.
*Schedler 282.
Scheele 584.
Schelbert 212.
Schelenz 747.
*Schenk 16.
*Schepelern 546.
*Scherber 349.
*Scheube 945, 952.
Schiff 203.
*Schilling 873.
*Schindler 349, 350, 552,
755.
*Schlagenhaufer 26, À.
Schlagintweit 956.
*Schlagintweit 159, 729.
Schlasberg 209.
Schlayer 225.
*Schlayer 235.
Schlenzka 131.
Schlesinger 748.
*Schlockow 823.
*Schlössmann 871.
Schmarine 205.
*Schmideberg 284.
Schmidt 324.
#Schmieden 536.
Schneider 638.
*Schneider 346, 727.
Schönberg 611.
Schott 296.
*Schramek 335.
*Schröder 890.
*Schultz 349.
Schumacher 756.
*Schützer 14.
*Schwarz 394, 782.
Schwarzwald 835.
Schwenkenbecher 941.
Seegers 783.
Seemann 79.
Sehrt 238.
Seidel 417.
*Seliwanoff 294.
*Semb 645.
Semenow 336, 349.
*Senator 197, 200, S65.
Servell 259.
*Seutin 17, 19.
*Seyberth 283.
*Shennan 211.
*Shropshire 349.
Sicard 213.
*Sicard 872.
Sidorenko 573.
Sieber 260.
Siedeberg 225.
*Sigmund 556, 737.
*Siewart 6398.
*Silber 349.
Simmonds 327.
*Simon 787.
Sinclair 763.
Sippel 259.
*Sippel 234.
Smirnow 249, 579, 580.
Smith 210, 753, 860, 891.
*Smith 210.
*Smyly 232.
Snow 328.
Solger 137.
*Solowiew 349.
*Sommer 906.
Sommerfeld 313, 749.
*Sommerfeld 749.
Sonnenberg 296.
*Soresis 873.
*Sormani 291.
Sorrentino 41.
Namen-Register.
*Souligoux 571.
Sourdan 320.
*Sowada 339.
*Sowinski 349.
*Spannaus 397.
*Spielenberger 1%.
Spitzky 909.
Squier 852, 863, 900.
*Squier 782.
Stanley 400.
Stark 69.
Staunig 311.
Steern 130.
Steffen 759.
*Steiner 801.
Steinitz 905.
Stephan 241.
*Stephan 947, 952.
*Sternberg 349, 350.
Steuernagel 154.
Stevens 237.
*Stewart 349.
Stier 780.
Stinelli 768.
*Stöber 252.
*Stoney 106.
Stossmann 257.
Stowianicek 635.
*Strasser 137, 131, 942.
Straub 225.
Strauss 59. 228, 287, 316,
689, 842.
*Strauss 282.
Strisower 900.
*Stroganoff 232.
*Strubell 349, 351, 869.
von Strümpell 334.
Studzinski 218.
Sturm 223.
Stüsser 406.
Süßenguth 318.
*Sißenguth 278, 615, 618,
622.
Suter 651.
*Suter 97.
Swan 647.
Swentizky 576.
Swinburne 119.
*Swinburne 782.
Tachau 746.
*Tachau 942.
Taddei 397.
*Taddei 397.
Tamassy 120.
v. Tamassy 317.
von Tappeiner 144.
*Taylor 3:19.
*Tracher 232.
Tedesko 209, 756.
1075
Tenani 404.
*Terrillon 547.
Teschemacher 197, 693.
*Thery 568.
Thévenot 45, 668, 913,
922.
*Thévenot 215.
*Thibaut 870.
*Thomas 349, 351.
*Thompson 781.
Tieche 908.
Tietze 52.
*Tillaux 19.
Tissot 781.
*Tixier 871.
*Tizzoni 393.
*Tollens 293, 743.
*Tolmatschew 22, 26.
v. Torday 898.
Treitel 758.
*Trendelenburg 280, 787,
871.
*Tritschler 812.
Trömmer T70.
*Tuchmann 159.
Tuffier 137.
*Tuffier 263, 569, 718%.
*Tulpius 16.
*v. Udranszky 743.
Uffreduzzi 916.
*Uhlmann 348.
*Ultzmann 283, 536, 787,
800.
Umber 66, 309.
*Umber 747.
Unterberg 938.
Uteau 424, 911, 930.
Vacqueret 891.
*Valet 961.
Varma 77.
Vecchi 325.
Veit 632.
*v. d. Velden 872.
*Velpeau 26, 557, 546.
Verga 928.
*Verneuil 13.
Verriere 598.
zur Verth 584.
*zur Verth 92.
*Vjeth 822.
Vignard 49.
Villard 390.
Violet 423.
*Virchow 803.
Li Virghi 599, 777.
Vitte 126.
Voelcker 147, 334, 412,
NT:
70*
1076
*Vælcker 258.
Vogel 624, 659, 679.
*Voigt 947.
*E. Voit 743.
Volk 78.
Volkmer 902.
ite Dein
Vorpahl
Vorster 218, 784.
*Vortisch-van Vloten 946,
954,
Vromen 243.
Vuillet 654.
Wagner 42, 247.
Waldschmidt 648.
Walker 258, 782, 910.
Walther-Giron 647.
Warbrick 896.
Warren 741.
Wassiljeff 575.
*Wasiljew 375.
Waterhouse 693.
Watson 202, 315.
Weichselbaum 59.
*Weidenfeld 335.
*Weigert 645.
Namen-Register.
*Weil 872.
Weill 213.
*Weinstein 336.
Weiser 255.
*v. d. Welde 349.
Wells 215.
*Wendel 282.
*Werbor 349, 351.
*Wernich 950.
West 46.
von Werthern 399.
Wherry 858.
White 750, 602.
*Whitmore 349.
Widal 213, 259.
*Widal 106, 289.
Wiesel 690.
*Wildbolz 259.
Willan 927.
Williamson 847.
*Wilkens 26, 28.
Wilms 601, 761.
*Wilms 14, 925.
*Winkelmann 575.
*Winternitz 318, 737.
*Withney 782.
Wischnewski 879.
*Wohlgemut 309,
*Wôhlk 743.
*Wolff 31.
*Wolfheim 335.
*Wolfsohn 349,
*Wong 946.
Wossidlo 132, 775.
*Wossidlo 110, 158,
*Wright 115, 350.
*Wulf 349
Wyeth 903.
Zaccarini 920.
Zdanowicz 886.
Zondek 179, 674.
Zörkendörfer 937.
*Zsigmondy 814.
*Zuckerkandl 2, 29,
146, 249, 265,
392, 537,
| Zeitschrift für Urologie 1913. Tafel 1.
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Gg" e "AT
Pseudotrichiasis der Blase.
Professor Heller-Charlottenburg. Lith. Anst.v. Johannes Arndt, Jena
Zeitschri
Nierentut
infolge
Dr. Isıac
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Zeitschrift für Urologie. 1913.
Taf. IV.
Fig. 1. ?/, natürl. Gr.
Nierentuberkulose mit Hydronephrosenbildung
infolge narbiger Verziehung des Ureters.
Dr. Israel, Berlin.
Zeitst
Zeitschrift für Urologie
Abbildur
Prof. Rumpel, Berlin.
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|
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Abbildung 4.
Taf. IV.
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